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German Pages [701]
Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament Herausgeber / Editor Jörg Frey (München) Mitherausgeber / Associate Editors Friedrich Avemarie (Marburg) Judith Gundry-Volf (New Haven, CT) Hans-Josef Klauck (Chicago, IL)
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Hermeneutik der Gleichnisse Jesu Methodische Neuansätze zum Verstehen urchristlicher Parabeltexte
Herausgegeben von
Ruben Zimmermann unter Mitarbeit von
Gabi Kern
Mohr Siebeck
Ruben Zimmermann, geboren 1968, Dr. theol. habil., seit 2005 Professor für Biblische Theologie an der Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie der Universität Bielefeld, 2008 Associate Professor am Department of New Testament Studies der University of Pretoria, Südafrika. Gabi Kern, geboren 1977, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Biblische Theologie an der Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie der Universität Bielefeld.
e-ISBN PDF 978-3-16-151520-0 ISBN 978-3-16-149601-1 ISSN 0512-1604 (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http: / /dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2008 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Martin Fischer in Tübingen aus der Sabon-Antiqua gesetzt, von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Großbuchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.
Für meine südafrikanischen Freunde, besonders Shireen und Jan G. van der Watt, mit herzlichem Dank
Vorwort Gleichnisse sind Rätseltexte. Sie sind vielfach nicht sofort verständlich und klar. Und selbst wenn sie auf Anhieb einleuchten und überzeugen, wird ihre Bedeutung beim nächsten Lesen oder im Austausch mit anderen Lesern wieder in Frage gestellt. Aber gerade so setzen sie einen Prozess der Deutung und des Verstehens in Gang. Mehr noch, sie regen zum Dialog über die richtige und relevante Auslegung an. ‚Hermeneutik‘ kann man in einem weiten Sinn als einen solchen Dialog über das Verstehen definieren. Es geht hierbei um das Nachdenken über das Verstehen, oder genauer: um die Reflexion über die Bedingungen und Möglichkeiten des Verstehens. Gleichnisse erfordern diesen Dialog, Gleichnisse erfordern Hermeneutik. Ist also schon vom Gegenstand selbst die Begründung für das vorliegende Buch gegeben, so gibt es doch auch einen konkreten Anlass: Der Band steht im engen Zusammenhang mit der Bielefelder Gleichnisforschung, die als erste Frucht das „Kompendium der Gleichnisse Jesu“ (hg. v. Ruben Zimmermann u. a., Gütersloh 2007), eine Kommentierung aller frühchristlicher Jesusgleichnisse, hervorgebracht hat. Die Beiträge des vorliegenden Sammelbandes dokumentieren zunächst die Referate, die auf den beiden Bielefelder Gleichnistagungen im Oktober 2005 und Februar 2006 gehalten wurden. Aber sie gehen weit darüber hinaus. So werden die im Kompendium vollzogenen hermeneutischen und methodischen Weichenstellungen grundsätzlicher erläutert und diskutiert. Die Beiträger / innen des vorliegenden Bandes sind vielfach zugleich Autor(inn) en im „Kompendium der Gleichnisse Jesu“. Der Band bemüht sich aber auch vom Kompendium abweichende Positionen zu integrieren. So werden die historischen, traditionsgeschichtlichen, sprachwissenschaftlichen und rezeptionsästhetisch-theologischen Perspektiven des Gleichnisverstehens in umfassenderer Weise beleuchtet und durchaus divergente hermeneutische Ansätze zur Disposition gestellt. Hierbei wird besonders auch der Dialog mit der anglo-amerikanischen Gleichnisforschung gesucht, war die deutschsprachige Gleichnisexegese doch im Bannkreis von Jülicher und Jeremias in eine gewisse Isolation geraten. Obgleich sehr viele Bereiche durch die vorliegenden Artikel angesprochen werden, man also fast von einem „Kompendium der Gleichnishermeneutik“ sprechen könnte, gebietet der Gegenstand doch ebenso, die Offenheit dieses Reflexionsprozesses anzumahnen. Das Verstehen der Gleichnisse und das Nachdenken darüber können um der Gleichnisse und ihrer Botschaft selbst
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Vorwort
willen nie zu einem Ende kommen. So möchte der vorliegende Band vor allem auch zum weitergehenden Dialog über die Hermeneutik der Gleichnisse anregen. Ich danke meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die durch sehr viel Fleiß und Akribie die Publikation des vorliegenden Buches ermöglicht haben. Besonderen Dank schulde ich hierbei meiner Assistentin, Frau Gabi Kern, für ihre ebenso kompetente wie ausdauernde Redaktion der Beiträge. Ferner danke ich Christoph Brinker, Dominik Mahr, Fredrik Wagener und Viktoria Semjonowa für ihren hilfsbereiten und verlässlichen Einsatz. Dem Verlag Mohr Siebeck danke ich für die gewohnt exzellente Zusammenarbeit, besonders Herrn Dr. Ziebritzki und Frau Ilse König für zielführende Anregungen und Unterstützungen im Entstehungsprozess des Buches. Auch Jörg Frey danke ich herzlich für die Aufnahme des Bandes in die Reihe „Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament“. Die letzten Texte und Redaktionsarbeiten sind im Rahmen meines ersten Forschungsaufenthalts an der University of Pretoria in Südafrika (Januar bis März 2008) entstanden, der durch Unterstützung der Alexander-von-Humboldt-Stiftung möglich war. In unterschiedlichen Vorträgen im ganzen Land konnte ich hierbei die Methodik und Hermeneutik der Gleichnisexegese vorstellen und diskutieren. Zum Dank für ihre Offenheit und das Interesse möchte ich dieses Buch den südafrikanischen Kollegen, die inzwischen zu Freunden wurden, widmen. Namentlich hervorheben möchte ich hierbei Shireen und Jan G. van der Watt, auch wenn eine dürre Widmung nicht im Geringsten ihre überwältigende Gastfreundschaft widerzuspiegeln vermag. Pretoria, im März 2008
Ruben Zimmermann
Inhaltsverzeichnis Einführung R. Zimmermann Im Spielraum des Verstehens. Chancen einer integrativen Gleichnishermeneutik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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R. Zimmermann Gleichnishermeneutik im Rückblick und Vorblick. Die Beiträge des Sammelbandes vor dem Hintergrund von 100 Jahren Gleichnisforschung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Uta Poplutz Parabelauslegung im Kompendium der Gleichnisse Jesu. Reflexion der Methodenschritte und exemplarische Exegese von Joh 3,29 f. . . . .
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I. Historische und sozialgeschichtliche Perspektiven Ruben Zimmermann Gleichnisse als Medien der Jesuserinnerung. Die Historizität der Jesusparabeln im Horizont der Gedächtnisforschung . . . . . . . . . .
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Karl-Heinrich Ostmeyer Gleichnisse – Quelle des Verständnisses der Umwelt Jesu? Umwelt – Quelle des Verständnisses der Gleichnisse Jesu?. . . . . . . . . . 122 Luise Schottroff Sozialgeschichtliche Gleichnisauslegung. Überlegungen zu einer nichtdualistischen Gleichnistheorie . . . . . . . . . 138 Klyne Snodgrass Stories with Prophetic Intent. The Contextualization of Jesus’ Parables 150 Charles W. Hedrick Survivors of the Crucifixion. Searching for Profiles in the Parables . . . 165
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Inhaltsverzeichnis
Warren Carter Matthew’s Gospel, Rome’s Empire, and the Parable of the Mustard Seed (Matt 13:31–32) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181
II. Traditions- und redaktionsgeschichtliche Perspektiven Andreas Schüle Mashal ( ) and the Prophetic “Parables” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Catherine Hezser Rabbinische Gleichnisse und ihre Vergleichbarkeit mit neutestamentlichen Gleichnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 Ruben Zimmermann Jesus’ Parables and Ancient Rhetoric. The Contributions of Aristotle and Quintilian to the Form Criticism of the Parables . . . . . . . . . . . . . 238 Michael Labahn Das Reich Gottes und seine performativen Abbildungen. Gleichnisse, Parabeln und Bilder als Handlungsmodelle im Dokument Q. . . . . . . . 259 Kurt Erlemann Die eschatologisch-kritische Funktion der synoptischen Parabeln . . . . 283 Enno Edzard Popkes ‚Das Mysterion der Botschaft Jesu‘. Beobachtungen zur synoptischen Parabeltheorie und ihren Analogien im Johannesevangelium und Thomasevangelium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 Mira Stare Gibt es Gleichnisse im Johannesevangelium?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 Clare K. Rothschild in Hebrews . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365
Inhaltsverzeichnis
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III. Sprach- und literaturwissenschaftliche Perspektiven Ruben Zimmermann Parabeln – sonst nichts! Gattungsbestimmung jenseits der Klassifikation in „Bildwort“, „Gleichnis“, „Parabel“ und „Beispielerzählung“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 Detlev Dormeyer Gleichnisse als narrative und metaphorische Konstrukte – sprachliche und handlungsorientierte Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 Christian Münch Form und Referenz von Gleichnissen in den synoptischen Evangelien
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Thomas Braun Wenn zwischen den Zeilen ein Funke aufblitzt. Überlegungen zur Metaphorik lukanischer Gleichnisse im Anschluss an Paul Ricœur und am Beispiel von Lk 17,7–10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 Kurt Erlemann Allegorie, Allegorese, Allegorisierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482 Annette Weissenrieder Didaktik der Bilder. Allegorie und Allegorese am Beispiel von Mk 4,3–20 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494 Adela Yarbro Collins The Discourse in Parables in Mark 4. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521
IV. Rezeptionsästhetische und theologische Perspektiven Eckart Reinmuth Vom Sprachereignis zum Kommunikationsereignis. Diskurstheoretische Überlegungen zu den Kontexten der Gleichnisrede Jesu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541 Stephen Curkpatrick Parable and Vocative Word. A Dialogue with Levinas . . . . . . . . . . . . . 558
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Inhaltsverzeichnis
Kristina Dronsch Auf der Suche nach der Bedeutung der Gleichnisse – semiotische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 570 Stefan Alkier Himmel und Hölle. Zur Kontextualität und Referenz gleichnishafter Rede unter besonderer Berücksichtigung des Gleichnisses vom Fischnetz (Mt 13,47–50) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 588 Mary Ann Beavis Feminist (and other) Reflections on the Woman with Seven Husbands (Mark 12:20–23): A Neglected Synoptic Parable . . . . . . . . . . . . . . . . 603 Tania Oldenhage Jesus, Kafka und die Gräuel des 20. Jahrhunderts. Gleichnishermeneutik nach der Shoah. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 618 Arland J. Hultgren Interpreting the Parables of Jesus: Giving Voice to Their Theological Significance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 631
Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 641 Stellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 645 Autorenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 666 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 678
Einführung
Im Spielraum des Verstehens Chancen einer integrativen Gleichnishermeneutik Ruben Zimmermann „Und er (Jesus) sprach zu ihnen: Versteht ihr dies Gleichnis nicht, wie wollt ihr dann alle andern verstehen?“ (Mk 4,13)
1. Die produktive Unverständlichkeit der Gleichnisse 1.1. Gleichnisse sind unverständlich! Unverständnis ist offenbar der Normalfall, wenn es um die Gleichnisse1 Jesu geht. Schon im Urchristentum zeigt sich diese Einschätzung. Die Hörer / innen Jesu verstehen die Gleichnisse nicht (Mk 4,10; Joh 10,6). Auch die Jünger / innen müssen Jesus eigens bitten: „Deute uns die Parabel (…)!“ (Mt 13,36, vgl. Mk 4,10), das heißt aber: Auch sie verstehen die Gleichnisse nicht oder zumindest nicht auf Anhieb. Parabelrede ist unverständliche Rätselrede. Dies bringt auch der im Neuen Testament dominierende Gattungsbegriff (parabol ) zum Ausdruck, dessen traditionsgeschichtliche Ableitung aus dem hebr. (m šal) gerade diesen enigmatischen Charakter nahe legt (z.B. Ez 17,2; Spr 1,6).2
1 Der Begriff „Gleichnis“ wird hier in einem übergeordneten Sinn verwendet. Gattungsspezifisch zugespitzt wird dann vor allem der „Parabel“-Begriff elaboriert, der aber ebenso als übergeordneter Begriff aller Gleichnistexte definiert wird. D. h. sowohl der Gattungs-Begriff „Gleichnis im engeren Sinn“ als auch „Parabel (im engeren Jülicherschen) Sinn“ wird aufgegeben, vgl. dazu Einzelheiten in meinem Beitrag, R. Zimmermann, Parabeln – sonst nichts! Gattungsbestimmung jenseits der Klassifikation in „Bildwort“, „Gleichnis“, „Parabel“ und „Beispielerzählung“ (in diesem Band). 2 Meist wird Maschal in der LXX mit übersetzt; vgl. zu Maschal auch den Beitrag von A. Schüle in diesem Band.
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Ruben Zimmermann
Das Verstehen der Gleichnisse ist offenbar nicht einfach, leicht und unstrittig.3 Und das gilt für die komplexeren Parabeln ebenso wie für die kurzen Miniatur-Erzählungen, die man früher als ‚Bildwort‘ oder ‚Gleichnis im engeren Sinn‘ bezeichnet hatte.4 Jülicher war der Meinung, dass sich bei letzteren eine Deutung ohnehin erübrige, weil die Botschaft dieser Gleichnistexte sofort und unmittelbar einleuchte.5 Doch spätestens auf den zweiten Blick erweist es sich als problematisch, warum zum Beispiel der Sauerteig in einer so großen Menge Teig „versteckt“ wird, wie ein Senfkorn „starke Zweige“ für Vogelnester ausbilden kann oder wie das „dumme Salz“ seine Würze verlieren soll. Gleichnisse sind eben nicht klar und eindeutig. Sie folgen ebenso wenig den Gesetzen philosophischer oder mathematischer Logik wie sie bloße Binsenweisheiten formulieren. Nicht erst ein Blick in die Vielfalt späterer Auslegungs- und Rezeptionsgeschichte muss diese Einschätzung bestätigen. Schon die markanten Unterschiede im Verstehen dieser Texte innerhalb der ersten Jahrzehnte der Rezeption, wie sie sich anhand der Parallelüberlieferungen von Mt, Lk oder EvThom ablesen lässt, dokumentieren eine beachtliche Deutungsvielfalt. Die Deutungsbedürftigkeit dieser Texte wird schon im ältesten Evangelium reflektiert (Mk 4,34) und zu zwei Gleichnissen werden auch explizit Deutungen als erklärende Jüngerbelehrung gegeben (zum Sämann: Mk 4,13–20 parr.; zum Unkraut im Weizen: Mt 13,36–43). Was ist der Sinn, was die Intention dieser rätselhaften Rede? Warum benutzte und prägte Jesus ausgerechnet diese Redeform und warum wurde sie bei der Formung frühchristlicher Überlieferung und Erinnerung so erfolgreich? Was garantiert ihren bleibenden Wert trotz dieser Deutungsambivalenz? Handelt es sich um eine bewusst verhüllende esoterische Rede für einen inneren Zirkel von Jesusnachfolgern? So zumindest legt es Mk 4,11 nahe, wo davon die Rede ist, dass nur den Jüngern das Geheimnis ( ) anvertraut wird, nicht „denen draußen“ ( ). Sollen die Außenstehenden, an die die Parabeln auch adressiert sind, bewusst im Unklaren bleiben oder gar hinters Licht geführt werden? Oder muss die in Mk 4,12 angespro3 Ähnlich auch D. Wenham, The Parables of Jesus. Pictures of Revolution, London u.a. 1989, 244: „But the parables are not so simple and unambiguous that no one could mistake their meaning.“ Ferner T. Söding, Gottes Geheimnis sichtbar machen. Jesu Gleichnisse in Wort und Tat, BiKi 63 (2008), 58–62, hier: 60: „Es ist zugleich naiv anzunehmen, die Gleichnisse Jesu seien sonnenklar und kinderleicht.“ 4 Vgl. zur Kritik des Bildworts ebenso den Beitrag Zimmermann, Parabeln – sonst nichts! (s. Anm. 1). 5 Vgl. A. Jülicher, Die Gleichnisreden Jesu I / II, Tübingen 21910 (Nachdruck Darmstadt 1963), I, 114: „Sie vertragen keine Deutung, sie sind so klar und durchsichtig wie möglich, praktische Anwendung wünschen sie sich. Wenn man (…) jemandem einen Spiegel vorhält, dass er seine Hässlichkeit oder Schmutzflecke, die ihn entstellen, wahrnehme, so bedarf man dazu keines weiteren erklärenden Wortes; der Spiegel deutet eben besser, wie es in Wahrheit steht, als man es mit den längsten Beschreibungen zu Stande brächte.“
Im Spielraum des Verstehens
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chene so genannte „Verstockungstheorie“ auf erzählpragmatischer Ebene bereits als theologische Verarbeitung der Deutungsambivalenz der Parabeln verstanden werden?6 Bedurfte es nicht nur eines eigenen Appells zu hören (Mk 4,9), sondern schon bald einer eigenen Erklärung dafür, warum ein Teil der Hörer / innen Jesu offenbar ‚taub‘ war für die Botschaft und Bedeutung der Parabelrede? Man mag die Rätselhaftigkeit der Gleichnisse relativieren, beklagen, wegdiskutieren oder verfluchen wollen. Es ist und bleibt gerade auch dieses Charakteristikum, das den Parabeln Jesu ihr ganz unverwechselbares Gepräge und ihre ansprechende Wirkung verleiht. Unverständlichkeit ist konstitutiver Teil der Parabelrede. Doch die Rätselhaftigkeit wird nicht zum Spiel oder gar zum Ärgernis der Leser / innen entwickelt. Parabeln stehen in Kommunikationszusammenhängen, die nach Sinn und Eindeutigkeit verlangen: Sie sollen zum Beispiel ein Streitgespräch über die Tora weiterbringen, sie sollen Probleme des familiären Rollenspiels entlarven oder gesellschaftliche Missstände anprangern. Sie sollen zum Innehalten bewegen, zur Erkenntnis führen oder gar zum Handeln ermutigen. Parabeln sollen verstanden werden, sollen bedeutsam werden in konkreten Situationen, sollen Lebenssinn entfalten. Doch wie kann ein solcher Verstehensappell mit der genannten Unverständlichkeit und Rätselhaftigkeit zusammengebracht werden? Die paradox anmutende innere Logik dieser widersprüchlichen Pragmatik besteht gerade darin, dass Parabeln über ihre Rätselhaftigkeit Verstehen erwirken sollen. Durch das primäre Unverständnis wird ein Prozess des Fragens, Staunens und Suchens ausgelöst, der letztlich zu einem vertieften Verstehen führen kann. Parabeln sind unverständlich, um zum Verstehen zu führen.7 Genau diese hermeneutische Strategie ist von den Gleichnissen bzw. ihren Erzählern beabsichtigt.8 Dabei darf der Prozess des Verstehens nicht auf eine individuelle Sinnfindung begrenzt werden. Parabeln fordern nicht nur den einzelnen Leser oder die einzelne Hörerin heraus. Sie regen in ihrer Deutungsaktivität zu gemeinsamen Verstehensbemühungen an. 6 Vgl. dazu den Beitrag von K. Erlemann, Die eschatologisch-kritische Funktion der synoptischen Parabeln (in diesem Band); ähnlich auch Wenham, Parables (s. Anm. 3), 244: „Jesus’ parabolic ministry therefore comes as God’s gift to some and as his judgement to others.“ 7 Ganz ähnlich kann auch die Pragmatik der johanneischen Missverständnisse beschrieben werden, vgl. dazu J. Rahner, Mißverstehen, um zu verstehen. Zur Funktion der Missverständnisse im Johannesevangelium, BZ 43 (1999), 212–219. 8 Vgl. auch E. Lohmeyer, Vom Sinn der Gleichnisse, in: W. Harnisch (Hg.), Gleichnisse Jesu. Positionen der Auslegung von Adolf Jülicher bis zur Formgeschichte, WdF 366, Darmstadt 1982, 154–179, hier: 156 f.: „Parabelrede ist absichtliche Dunkelrede. (…) Jede Parabel ist alsdann der Deutung fähig und bedürftig; sie mag im einzelnen leichter oder schwerer zu begreifen sein – selbst das bekannte Wort: ‚Nur was aus des Menschen Herz kommt, macht ihn unrein‘ (Mt 15,11), ist eine Parabel und bedarf der Deutung –, solche Deutung braucht auch nicht immer ausgesprochen oder hinzugesetzt zu werden, wenn das Verständnis auch so gesichert ist (vgl. Mt 13,51), aber ohne Deutung ist grundsätzlich jede Parabel dunkel und undurchsichtig.“
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Durch die vielfach divergierenden Interpretationen rufen sie kontroverse Debatten hervor.9 Doch gerade so werden sie zu einem Lockmittel der Kommunikation und zum Anreiz einer kollektiven Sinnsuche ihrer Hörer- bzw. Leserschaft.10 Was für eine erste Adressaten- oder eine spätere Lesergemeinde gilt, bleibt ebenfalls für den wissenschaftlichen Diskurs über das Gleichnisverstehen gültig. Die Verstehensambivalenz der Gleichnisse Jesu fordert in besonderem Maße die hermeneutische Reflexion heraus, was den vorliegenden Sammelband erklärt und zugleich begründet. Gerade weil das Verstehen der Gleichnisse strittig ist, stellt sich die Frage nach der Begründung der Verstehensvoraussetzungen und -möglichkeiten. Mit anderen Worten: Das primäre Unverständnis erfordert die Diskussion einer „Hermeneutik der Gleichnisse Jesu“. Dabei können die Gleichnisse zu einem Lernfeld des Bibelverstehens überhaupt werden.
1.2. Die drei Perspektiven des Bibelverstehens Die Frage nach dem Verstehen der Gleichnistexte führt zu der Grundfrage, wie sich ‚Verstehen biblischer Texte‘ oder noch allgemeiner das ‚Verstehen von Texten‘ überhaupt vollzieht. Die Hermeneutik der Gleichnisse Jesu bleibt insofern eingebunden in Grundfragen der biblischen Hermeneutik, die ihrerseits eng mit dem hermeneutischen Diskurs von Nachbardisziplinen wie z.B. der Philosophie, Geschichtswissenschaft oder Literaturwissenschaft verschränkt ist.11 Es versteht sich von selbst, dass wir diese breite Diskussion hier weder hinsichtlich der Genese biblischer Hermeneutik12 noch hinsichtlich der Systematik und Einzelfragen führen können,13 stattdessen möchte ich im heuristischen Sinn einige Aspekte benennen, die für das Verstehen von Gleichnistexten weiterführend sind. Zunächst ist hierbei der Begriff des Verstehens zu klären, der neuerdings z.B. in radikal konstruktivistischen (Luhmann) oder dekonstruktivistischen (Derrida) Ansätzen in Frage gestellt wurde. Ist Verstehen überhaupt möglich und was bedeutet es, wenn wir glauben, einen Text „verstanden“ zu haben? Mit Körtner können wir zwar zunächst konstatieren, dass beim Verstehen 9
J. D. Crossan, The Parables of Jesus, Interp. 56 (2002), 247–259, hier: 253. Crossan spricht regelrecht von einem Prozess der „self-education“. „Parables were the spezial pedagogy of Jesus’ kingdom of God.“, Crossan, Parables (s. Anm. 9), 253. 11 Vgl. hier etwa den luziden Überblick über die Hermeneutik-Definitionen der einzelnen Disziplinen in: O. Wischmeyer (Hg.), Lexikon der Bibelhermeneutik, Berlin / New York 2009 (im Erscheinen). 12 Vgl. dazu den Überblick in dem 4-bändigen Werk von H. Graf Reventlow, Epochen der Bibelauslegung, München 1990/1994/1997/2001. 13 Vgl. dazu etwa U. H. J. Körtner, Biblische Hermeneutik, in: ders., Einführung in die theologische Hermeneutik, Darmstadt 2006, 75–105; ferner P. Müller / H. Dierk / A. Müller-Friese, Verstehen lernen. Ein Arbeitsbuch zur Hermeneutik, Stuttgart 2005. 10
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immer die Sinnfrage gestellt wird. „Verstehen heißt, den Sinn von etwas zu erfassen. Sinn und Bedeutung sind grundlegende Kategorien jeder Hermeneutik.“14 Doch sogleich stellt sich die Frage, auf welcher Ebene sich dieser Sinn manifestiert. Was soll konkret verstanden werden, wo werden Sinn und Bedeutung sichtbar? Soll die Intention des Autors einer Schrift rekonstruiert werden oder geht es darum, die in der Textstruktur inhärente Bedeutung zu decodieren? Oder aber soll ein Lesender / eine Lesende in der produktiven Auseinandersetzung mit einem Text Sinn entdecken? Diese Fragen offenbaren drei Aspekte, die durch die Jahrhunderte hindurch den (bibel)hermeneutischen Diskurs bestimmt haben, auch wenn sie jeweils in unterschiedlicher Weise fokussiert wurden. Konkret geht es hierbei um den (historischen) Autor, den Text und die Lesenden. Ausgehend von Dannhauers Definition der allgemeinen Hermeneutik als Anwendung methodischer Regeln, die der allgemeinen Auslegung von Texten dienen,15 wurde Hermeneutik lange Zeit als die methodisch geleitete Kunst der Auslegung eines Schriftwerks betrachtet. Ziel des Verstehensvorgangs war es folglich, durch die richtige Anwendung bestimmter Auslegungsregeln den im Text inhärenten Sinn zu erfassen, der mit der ursprünglichen Intention des Autors identisch sein müsse. Verstehen wurde hierbei ganz als rekonstruktiver Vorgang aufgefasst, bei dem das z.B. durch zeitliche Differenz zum Autor und zu der Textentstehung bestehende Verstehensdefizit ausgeglichen werden müsse. Im Vordergrund der Sinnsuche standen hier eindeutig der Text und sein Autor. Es war dann vor allem F.D.E. Schleiermacher, der die Zweipoligkeit des Verstehensvorgangs hervorgehoben hat und neben dem Text und seinem Autor auch den Leser bzw. Interpreten bei der Sinnkonstitution eigens gewichtet hat. Hermeneutik sei deshalb sowohl als „grammatisch-historische“ wie als „psychologische“ Auslegung zu beschreiben.16 Der Interpret tritt nach Schleiermacher in eine Interaktion mit dem Text und seinem Autor,
14 Vgl. Körtner, Hermeneutik (s. Anm. 13), 11. Entgegen radikal dekonstruktivistischen und interpretationistischen Ansätzen wird auch im philosophischen und literaturwissenschaftlichen Diskurs jenseits des Anspruchs von Objektivität und Einheitlichkeit an der Sinnfrage festgehalten oder zumindest eine gelingende, bedeutungsgerechte Kommunikation als Minimalforderung des Verstehens postuliert, vgl. etwa S. J. Schmidt, Über die Rolle von Selbstorganisation beim Sprachverstehen, in: W. Krohn / G. Küppers (Hgg.), Emergenz. Die Entstehung von Ordnung, Organisation und Bedeutung, stw 984, Frankfurt a.M. 1992, 293–333; ferner E. Angehrn, Art. Hermeneutik. A 2 Philosophisch, Lexikon der Bibelhermeneutik (s. Anm. 11). 15 Vgl. J.C. Dannhauer, Idea boni interpretis et malitiosi calumniatoris, Straßburg 41652 (1630). 16 Schleiermacher gewinnt diese Einsicht, indem er den Entstehungsprozess einer Rede retrospektiv zurückverfolgt; entsprechend sei Verstehen ein Nach-Konstruieren von Sprache und Denken in der Rede, vgl. F.D.E. Schleiermacher, Hermeneutik und Kritik, hg. u. eingeleitet v. M. Frank, stw 211, Frankfurt a.M. 71999, 93 f.
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wobei die Auslegungskunst als (nach)schöpferischer Vorgang beschrieben wird. Im Gefolge von Schleiermacher und Dilthey hat dann die phänomenologische Hermeneutik des 20. Jh.s das Verstehen als ‚objektbezogenen Entschlüsselungsvorgang‘ vollends in Frage gestellt und stattdessen den subjektiven Prozess der Wahrnehmung bzw. Rezeption in den Mittelpunkt gerückt. So formuliert H.-G. Gadamer: „Eine philosophische Hermeneutik (wird) zu dem Ergebnis kommen, daß Verstehen nur so möglich ist, daß der Verstehende seine eigenen Voraussetzungen ins Spiel bringt. Der produktive Beitrag des Interpreten gehört auf eine unaufhebbare Weise zum Sinn des Verstehens selber. Das legitimiert nicht das Private und Arbiträre subjektiver Voreingenommenheiten, da die Sache, um die es jeweils geht, – der Text, den man verstehen möchte – der alleinige Maßstab ist, den man gelten läßt. Wohl aber ist der unaufhebbare, notwendige Abstand der Zeiten, der Kulturen, der Klassen, der Rassen – oder selbst der Personen – ein übersubjektives Moment, das jedem Verstehen Spannung und Leben verleiht. Man kann diesen Sachverhalt auch so beschreiben, daß Interpret und Text je ihren eigenen ‚Horizont‘ besitzen und daß jegliches Verstehen eine Verschmelzung der Horizonte darstellt.“17
In (post-)strukturalistischen und rezeptionsästhetischen Hermeneutiken führte die Hinwendung zum Leser dann sogar zu einer expliziten Ablösung des Textes von seinem Autor und seiner Entstehungssituation, was R. Barthes in das bekannte Diktum vom „Tod des Autors“ gegossen hat.18 Der Text wurde hierbei als autonomes Kunstwerk betrachtet, das seinen Sinn erst im produktiven „Akt des Lesens“ (W. Iser19) bzw. Interpretierens entfaltet. „Was der Text bedeutet, fällt nicht mehr mit dem zusammen, was der Autor sagen wollte.“20 Hermeneutik wird hierbei aus der Verengung auf die Textinterpretation herausgeführt und zu einer allgemeinen Verstehenslehre bzw. Lebenswelthermeneutik ausgeweitet. Ziel des hermeneutischen Prozesses ist dann nicht mehr die Dekodierung von Textsinn, sondern die umfassende Deutung von Selbst und Welt, die durch die Auseinandersetzung mit dem Text initiiert wird.21 Das unbestreitbare Verdienst der strukturalistischen und rezeptionsästhetischen Ansätze war es, die Eigenständigkeit des Textes auf der einen bzw. 17 H.-G. Gadamer, Klassische und Philosophische Hermeneutik, in: ders., Wahrheit und Methode. Ergänzungen und Register, GW 2, Tübingen 21993, 92–117, hier: 109. 18 Vgl. R. Barthes, La mort de l’auteur, in: ders., Œuvres complètes, Edition établie et présentée par E. Marty, Paris 1994, 491–495, hier: 491. 19 Vgl. W. Iser, Der Akt des Lesens. Theorie ästhetischer Wirkung, UTB 636, München 4 1994 (1976). 20 P. Ricœur, Philosophische und Theologische Hermeneutik, in: ders. / E. Jüngel, Metapher, EvTh.E, München 1974, 24–45, hier: 28. 21 Vgl. hier etwa Ricœur, Hermeneutik (s. Anm. 20), 28: Hermeneutik ziele „nicht eigentlich auf eine Hermeneutik des Textes, sondern auf eine Hermeneutik, die von dem durch den Text gestellten Problem ausgeht.“
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des Rezipienten auf der anderen Seite hervorgehoben zu haben. Gleichwohl stellen sich auch hier Rückfragen: So ist gegenüber überzogen strukturalistischen Ansätzen zu fragen, wie der Sinn eines Textes ausgesagt werden kann, wenn nicht ein Leser ihn zuerst entdeckt und beschreibt? Eine autonome Struktur von Texten ohne Leser bleibt ohne Bedeutung. Aber kann umgekehrt die Sinnkonstitution ganz dem freien Spiel des Lesers überlassen werden? Reduziert sich die Bedeutung – oder gar die Wahrheit des Textes – somit nicht auf eine willkürliche subjektive Konstruktion? Wie bleibt gelingende Kommunizierbarkeit über (Text)Sinn dann noch gewährleistet? In welcher Weise bleiben Sinnkonstruktionen noch berechtigt auf den Text bezogen und unterliegen nicht dem je und je neuen Akt des Sprechens oder der Kognition? Gibt es nicht wenigstens eine minimale Kontinuität im Verstehen eines Textes? So hilfreich die Differenzierung der unterschiedlichen Perspektiven erscheint, so falsch wäre eine Trennung und Isolierung einzelner Aspekte. Schon U. Eco hatte gegenüber dekonstruktivistischen Ansätzen die Balance zwischen der intentio lectoris, der intentio auctoris und sogar einer intentio operis angemahnt.22 Entsprechend dürfen Sinn und Bedeutung nicht einseitig auf einen der drei Aspekte begrenzt werden. So ist der vorliegende hermeneutische Ansatz von der Überzeugung geprägt, dass historischer Autor, Text und Rezipient eng zusammengehören und gerade in ihrer wechselseitigen Verwiesenheit Sinn konstituieren. Eine mögliche Vernetzung der drei Komponenten des Textverstehens kann durch eine Erklärung des hermeneutischen Prozesses im Modell der Kommunikation aufgezeigt werden. Während von Gadamer der Verstehensvorgang in der Metapher des „Gesprächs“ als ein Dialog der beiden Komponenten Text und Interpret in ihren jeweiligen Verstehenshorizonten beschrieben wurde,23 ist es in der historisch geprägten Bibelwissenschaft etabliert, den historischen Autor bzw. allgemeiner den historischen Entstehungshorizont des Textes eigens in den Blick zu nehmen. In Anknüpfung an die Gesprächs-Metapher Gadamers kann das Verstehen des biblischen Textes folglich als ein dreistelliger Kommunikationsvorgang beschrieben werden, der gleichermaßen Text, Entstehungssituation und Gegenwartsrezeption mit einbezieht.
22 Vgl. U. Eco, Zwischen Autor und Text. Interpretation und Überinterpretation, München 1996; Ders., Die Grenzen der Interpretation, München 1995. 23 H.-G. Gadamer, Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik, GW 1, Tübingen 61990, 391: „Es ist also ganz berechtigt, von einem hermeneutischen Gespräch zu reden. (…) Auch zwischen den Partnern dieses ‚Gesprächs‘ findet wie zwischen zwei Personen eine Kommunikation statt, die mehr ist als bloße Anpassung. Der Text bringt eine Sache zur Sprache, aber daß er das tut, ist am Ende die Leistung des Interpreten. Beide sind daran beteiligt.“
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Gegenstände und Sachverhalte (G)
verstehen Sender (S)
Empfänger (E)
Abb. 1: Verstehen als Kommunikation in Anknüpfung an Bühlers Organon-Modell
Zur deskriptiven Erschließung dieses Sinngeschehens bietet sich etwa das von Karl Bühler entwickelte so genannte ‚Organon-Modell‘24 an. Im Rückgriff auf Platon sei die Sprache ein „organum, um einer dem anderen etwas mitzuteilen über Dinge.“25 Bühler differenziert dabei drei „Relationsfundamente“ im sprachlichen Kommunikationsvorgang, die mit einem Sender, Empfänger und Gegenstand korrelieren. Verstehen vollzieht sich demnach als Kommunikationsgeschehen zwischen einem Sender (S) und einem Empfänger (E) über Gegenstände und Sachverhalte (G).26 Während Bühler vom aktuellen Sprechakt ausging, halte ich im Blick auf das Text- bzw. Bibelverstehen einige Modifikationen für notwendig. Das Medium bzw. Organon, mit dem die Botschaft zwischen S und E übermittelt wird, ist hier selbst zum Gegenstand geworden.27 Im Text (T) gelangt die Sache, über die Verständigung erzielt werden soll, zur Darstellung. Der Gegenstand, der verstanden werden soll, ist folglich nicht jenseits des Tex24 Vgl. K. Bühler, Sprachtheorie. Die Darstellungsfunktion der Sprache, UTB 1159, Stuttgart 31999 (ungekürzter Neudruck der Ausgabe von 1934), 24–33. Eine ähnliche Applikation auf rezeptionsästhetische Exegese vollzieht K. Backhaus, Die göttlichen Worte wachsen mit dem Leser. Exegese und Rezeptionsästhetik, in: E. Garhammer / H.-G. Schöttler (Hgg.), Predigt als offenes Kunstwerk. Homiletik und Rezeptionsästhetik, München 1998, 149–167; ebenfalls am Kommunikationsgeschehen orientiert ist die von Manfred Oeming entwickelte „Theorie vom hermeneutischen Viereck“, in dem er neben Autor, Text und Rezipient noch die „Sache“ eigens differenziert, vgl. M. Oeming, Biblische Hermeneutik. Eine Einführung, Darmstadt 2 2007 (zit. nach 1. Aufl. 1998), 5ff. Für H.K. Berg entsprechen kommunikative Verstehensprozesse sogar der kommunikativen Grundstruktur der Bibel, vgl. H.K. Berg, Handbuch des biblischen Unterrichts II: Grundriß der Bibeldidaktik. Konzepte, Modelle, Methoden, Stuttgart / München 1993, 46–49 (= fünfte Lernchance). 25 Bühler, Sprachtheorie (s. Anm. 24), 24. 26 Vgl. das Schaubild bei Bühler, Sprachtheorie (s. Anm. 24), 28. 27 Die Bibel als „Organon“ aufzufassen, ist mit zwei relativierenden Implikationen verbunden: Einerseits ist die Bibel dann nicht unmittelbar „Wort Gottes“, sondern mittelbarer Träger einer Botschaft; andererseits ist sie auch nicht Selbstzweck, sondern ‚nur‘ Werkzeug, d. h. Medium innerhalb eines Kommunikationsgeschehens.
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tes, sondern nur mit und in ihm zu erhalten.28 Ferner kann man den Sender als Autor (A) und den Empfänger als Leser (L) beschreiben. Versuchen wir dieses kommunikative Verstehensmodell zusätzlich um die Zeitdimension anzureichern, dann kann man die Senderseite mit der Entstehungssituation des Textes verknüpfen, während die Empfängerseite den jeweiligen Leseprozess aufnimmt. Da der ursprüngliche Leser (Lu) nicht mehr unmittelbar zugänglich ist, sondern wie die Autorensituation historisch rekonstruiert werden muss, kann die Empfängerseite auf den gegenwärtigen Prozess des Lesens konzentriert werden. Der Text als philologisches Artefakt steht in einer Mittelposition, in der er die Zeitdimension durchbricht und zum Bindeglied zwischen Geschichte und Gegenwart werden kann. Schematisch kann man den hermeneutischen Prozess des Bibelverstehens wie folgt darstellen (s. Abb. 2):
Lu
A T
L Abb. 2: Texthermeneutik als Kommunikationsvorgang
Die Pfeile im Schaubild (Abb. 2) dürfen aber nicht im Sinne einer einlinigen Sinnweitergabe missverstanden werden. Verstehen ist entsprechend nicht die Rückverfolgung eines linearen historischen Bedeutungsweges. Vielmehr kann die Sinnfrage nur durch Annäherungen an alle drei Ebenen gestellt werden, wobei je unterschiedliche Methoden heranzuziehen sind. Während man in früheren Ansätzen der Bibelhermeneutik streng zwischen methodischer Exegese und hermeneutischer Applikation unterschied,29 haben neuere Ansätze die enge Verschränkung zwischen Hermeneutik und Methodik wahrgenommen.30 Die Hermeneutik darf zwar nicht auf ein Methoden28 Alternativ könnte man den Vorgang in einer vierfachen Konstellation (etwa in der Figur eines Tetraeders) beschreiben, bei der die Sache gegenüber Text, Sender und Empfänger eigens differenziert wird, so etwa bei Oeming, Biblische Hermeneutik (s. Anm. 24), 176. 29 Vgl. etwa H. Weder, Neutestamentliche Hermeneutik, 2., durchg. Aufl., Zürich 1989 (1986), 5, der seine Hermeneutik strikt von einer Methodenlehre trennt; ferner die Differenzierung von Exegese und Applikation bei K. Berger, Hermeneutik des Neuen Testaments, Gütersloh 1988 (vgl. die im Ansatz unveränderte Überarbeitung in K. Berger, Hermeneutik des Neuen Testaments, UTB 2035, Tübingen 1999). 30 So mit Nachdruck O. Wischmeyer, die „programmatisch davon aus(geht), dass die Exegese, d.h. die methodengeleitete Auslegung der neutestamentlichen Texte, auch das sachgemäße Instrument des Verstehens dieser Texte sei. Ein Verstehen der neutestamentlichen Texte an ihrer methodischen Auslegung vorbei ist ein nonsense.“ O. Wischmeyer, Hermeneutik des Neuen Testaments. Ein Lehrbuch, Tübingen 2004, IX f.
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Sprachliche Annäherung m Sprachliche Gestalt des Textes (T)
Verstehen des biblischen Textes Historische Annäherung m Geschichtliches Ereignis der Textentstehung (A)
Rezeptionsästhetische Annäherung m Akt des Lesens des Textes (L)
Abb. 3: Hermeneutisches Dreieck des Bibelverstehens
problem reduziert werden, andererseits kann sich die Methodik der Auslegung nicht aus dem hermeneutischen Zirkel davonstehlen. Entsprechend gelingt es etwa Manfred Oeming oder Oda Wischmeyer, den jeweiligen hermeneutischen Perspektiven auch einzelne Methoden der Bibelauslegung zuzuordnen.31 So lässt sich das hermeneutische Dreieck um die jeweiligen Methoden der Erschließung einer bestimmten Seite erweitern (Abb. 3). Um den Text sachgemäß interpretieren zu können, bedarf es sprachwissenschaftlicher Methoden. Um den Sender bzw. hier den Textautor in seinem historischen Kontext zu verstehen, können Methoden der Geschichtswissenschaft herangezogen werden, während die Rezipientenseite durch leserorientierte Methoden zu erhellen ist. Verstehen darf also weder einseitig als autorenfixierter Mitteilungsvorgang, noch als textbezogene Wirkungsgeschichte oder als lesergeleiteter Konstruktionsprozess missverstanden werden. Im Prozess der Sinnfindung beeinflussen sich Entstehungssituation, Textform und Rezipientensituation 31 Vgl. bei Oeming das zusammenfassende Schaubild mit der Zuordnung von 14 Auslegungsmethoden zu den vier Polen des Verstehensprozesses, vgl. Oeming, Biblische Hermeneutik (s. Anm. 24), 176; auch O. Wischmeyer integriert die Methoden der Bibelauslegung in die Hermeneutik, die ähnlich wie bei Oeming als „A Historisches Verstehen“ (21 ff.), „B Rezeptionsgeschichtliches Verstehen“ (63 ff.), „C Sachliches Verstehen“ (129 ff.) und „D Textuelles Verstehen“ (175 ff.) strukturiert wird, Wischmeyer, Hermeneutik (s. Anm. 30); ferner spricht Backhaus von der „rekonstruktiven“ bzw. „applikativen Hermeneutik“, vgl. Backhaus, Worte (s. Anm. 24), 153–160.
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wechselseitig. Der Sinngehalt wird zwar durch eine sprachliche Gestalt entscheidend vorgeprägt. Allerdings wird man ein historisches Textzeugnis kaum vollständig erschließen können, wenn man nicht auch den geschichtlichen Entstehungsrahmen kennt. Schließlich bringt auch ein gegenwärtiger Leser bzw. eine Leserin Vorverständnisse und Fragen in den Lesevorgang mit ein, die die Sinnstiftung zu einem produktiven und nicht nur rekonstruktiven Geschehen werden lassen.32 Jede Dimension hat ihren Eigenwert, steht aber zugleich in einer Wechselbeziehung zu den anderen Dimensionen, die sich in einem zirkulären bzw. spiralförmigen Prozess beeinflussen. Verstehen ereignet sich insofern erst im reziproken Zusammenwirken aller drei Komponenten. Betrachten wir die Bibelhermeneutik im Modell eines Kommunikationsvorgangs, gelingt es folglich, die unterschiedlichen Perspektiven und Annäherungen, wie sie sich innerhalb der Geschichte der Textauslegung zeigen, in ein Gesamtmodell zu integrieren.33 So können die historischen Hermeneutiken, wie sie von Semler bis zur ‚historisch-kritischen‘ Methode oder gegenwärtig in der biblischen Archäologie ihre Ausprägung finden, als Hinwendung zur Entstehungssituation des Textes betrachtet werden. Die im Zuge des linguistic turn entwickelten sprachwissenschaftlichen Auslegungsmethoden stellen den Text selbst in den Mittelpunkt, während leserorientierte Annäherungen an den Text, wie sie in befreiungstheologischen oder feministischen Ansätzen besonders deutlich und reflektiert zu Tage getreten sind, die Rezipientenseite in den Blick nehmen. Die einzelnen Aspekte müssen aber nicht gegeneinander ausgespielt und abgegrenzt werden. Sie haben ihre je eigene Berechtigung, gelingt es doch mittels spezifischer Methoden einzelne Aspekte in dem durch den Bibeltext evozierten Sinngeschehen besonders in den Vordergrund zu rücken. Jede einzelne Perspektive hat jedoch zugleich ihre Begrenzung, indem die Fokussierung auf einen Aspekt andere ebenso maßgebliche Aspekte unberücksichtigt lässt. Nur im Zusammenspiel der unterschiedlichen Perspektiven ist somit ein sachgemäßes Verstehen des Bibeltextes möglich.
32 Dieser Ansatz wurde in der neueren Literaturwissenschaft vor allem durch die Rezeptionsästhetik etabliert und in verschiedenen Arbeiten für das Verstehen biblischer Texte fruchtbar gemacht. Vgl. dazu R. Warning (Hg.), Rezeptionsästhetik: Theorie und Praxis, München 41994, ferner W. Iser, Der Akt des Lesens. Theorie ästhetischer Wirkung, München 41994. T. Nisslmüller, Rezeptionsästhetik und Bibellese: W. Isers Lese-Theorie als Paradigma für die Rezeption biblischer Texte, Regensburg 1995; U. H. J. Körtner, Der inspirierte Leser. Zentrale Aspekte biblischer Hermeneutik, Göttingen 1994. 33 Vgl. auch Oeming, Biblische Hermeneutik (s. Anm. 24), 175: „Es zeigte sich einerseits, dass jede der Methoden bestimmte Facetten des Bibeltextes besonders klar erhellen kann und somit ein relatives Recht hat, dass aber andererseits jede ihre blinden Flecken hat und somit der kritischen Ergänzung bedarf.“
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2. Das „Kompendium der Gleichnisse Jesu“ als Versuch einer integrativen Gleichnishermeneutik Die im Vorgenannten dargestellten Zugänge des Bibelverstehens, die idealtypisch als historisch, literarisch und rezeptionsästhetisch betrachtet werden können, lassen sich in besonderer Weise beim Verstehen von Parabeln nachweisen. Die gesamte Parabelauslegung der letzten 100 Jahre lässt sich unter der Systematik dieser Perspektiven erfassen.34 Dass sich eine Gleichnishermeneutik in dieser dreifachen Weise entwickeln konnte, wurde durch die Texte selbst evoziert. Die Parabeln lassen sich unter historischer Perspektive ebenso verstehen wie unter einer textbezogenen literarischen. Sie sind aber in hohem Maße auch leser / innenorientierte Texte, so dass dem Rezipienten und der Rezipientin gebührender Platz eingeräumt werden muss. Die Kommunikationsstruktur von Gleichnissen ist allerdings noch etwas komplexer als bei anderen Bibeltexten: Die Gleichnisse sind erzählte Erzählungen mit einem erzählten Erzähler und erzählten Adressaten.35 Entsprechend lassen sich – etwa in historischer Fragerichtung – nicht nur ein Erzähler, sondern idealtypisch zwei, nämlich Jesus und der Evangelist benennen, wobei letzterer als eine Chiffre für unterschiedliche Erzähler eines mündlich-schriftlichen Tradierungsprozesses betrachtet werden kann. Historische Rückfragen und Analysemethoden sollten entsprechend eher auf die Entstehungs- und Überlieferungssituation als auf einen spezifischen Autor abzielen. Mit Blick auf die Adressaten kann man drei Ebenen unterscheiden: die Hörer / innen des Gleichnisses in der erzählten Welt, die Erstadressaten des Evangeliums sowie die gegenwärtig Lesenden. Letztere sind bei einer rezeptionsästhetischen Sinnsuche primär fokussiert, allerdings können die anderen Adressaten- bzw. Rezipientenebenen Einfluss auf den aktuellen Prozess der Sinnkonstruktion nehmen. Die Wahrnehmung dieser komplexen Kommunikationsstruktur ist insbesondere relevant, wenn man nach Verstehensbedingungen und Verstehensschwierigkeiten von Gleichnissen fragt. So hilfreich es im heuristischen Sinn ist, einzelne Positionen möglichst scharf gegen andere Zugänge abzugrenzen, so einseitig und unsachgemäß sind dann oft die Ergebnisse, sei es, dass sie andere Positionen in einer verzerrenden Weise karikieren, sei es, dass sie etablierte Methoden in vereinnahmender Weise der eigenen Position subsumieren. Verschiedene Zugänge im Verstehen der Parabeln Jesu müssen aber nicht gegeneinander ausgespielt werden.
34 Vgl. dazu den Forschungsüberblick in meinem nächsten Beitrag R. Zimmermann, Gleichnishermeneutik im Rückblick und Vorblick. Die Beiträge des Sammelbandes vor dem Hintergrund von 100 Jahren Gleichnisforschung (in diesem Band). 35 Ich danke Christian Münch für diese Hinweise.
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Gemeinsam mit dem Herausgeberteam und den Autor(inn)en des „Kompendiums der Gleichnisse Jesu“ bin ich deshalb der Überzeugung, dass es möglich ist, unterschiedliche Perspektiven in einer integrativen Hermeneutik zu vereinen. Nicht die einzelnen Auslegungsschritte, die bei den Kommentierungen durchlaufen werden, sind folglich Neuland, vielmehr ist es eher die integrative Kombination unterschiedlicher Aspekte, die in der konsequenten Anwendung auf jeden Text über frühere Interpretationen hinausgeht. Während etwa sprachlich-narrative Auslegungen oder die konsequente Einbindung in sozialgeschichtliche Kontexte oft alternativ verstanden wurden, sollte im Kompendium gerade der Zusammenhang unterschiedlicher Auslegungsdimensionen hervorgehoben werden. Was bisher in der Forschung vielfach unverbunden nebeneinander stand, sollte deshalb in der Auslegungsmethodik des Kompendiums bewusst verknüpft werden. Wie die unterschiedlichen hermeneutischen Perspektiven in den einzelnen Auslegungsschritten zur Geltung kommen, habe ich in der Leseanleitung des Kompendiums erläutert36 und wird im Beitrag von Uta Poplutz auf ihre Weise erklärt.37 Ich möchte mich deshalb im Folgenden auf die Benennung einiger Leitlinien beschränken, während die hermeneutischen Einzelfragen intensiver in den Beiträgen dieses Bandes diskutiert werden.
2.1. Historische Aspekte Auch wenn im „Kompendium der Gleichnisse Jesu“ kein Fleiß darauf verwendet wurde, die authentischen Jesusworte der Gleichnisse bzw. ihre Ursprungssituation zu (re-)konstruieren oder die historische Plausibilität einzelner Texte und Textteile zu diskutieren, bleibt die historische Fragestellung gleichwohl wertvoll und unverzichtbar. Dies schuldet der Ausleger bzw. die Auslegerin schon der Konkretheit der Parabeln, die eben keine zeit- und kulturlosen Abstraktionen darstellen, sondern in ihrem Realitätsbezug eng in einen historischen und kulturellen Entstehungs- und Überlieferungskontext eingebunden sind. Um diese Texte angemessen verstehen zu können, ist es deshalb notwendig auch einen historischen Referenzrahmen auszuleuchten. Leitend war hierbei allerdings nicht das Paradigma einer Ursprungsgeschichte, sondern vielmehr der Erinnerungsgeschichte, wie sie in der neueren Gedächtnisforschung beschrieben wurde. Gleichnisse bewahren Erinnerungen an spezifische Ereignisse und Lebenswelten. Sie werden somit zu einem Gedächtnisvehikel, das diese Erinnerung aber nicht nur trägt, sondern aufgrund der „Semantisierung der Formen“ auch selbst prägt. Gleich36 Vgl. R. Zimmermann, Eine Leseanleitung zum Kompendium, in: R. Zimmermann u.a. (Hgg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu, Gütersloh 2007, 3–45, hier: 32–45. 37 Vgl. U. Poplutz, Parabelauslegung im Kompendium der Gleichnisse Jesu. Reflexion der Methodenschritte und exemplarische Exegese von Joh 3,29 f. (in diesem Band).
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nisse können in historischer Perspektive deshalb als „Medien der Jesuserinnerung“ betrachtet werden. Neben der speziell christologischen Dimension dieser Perspektive38 spielt es innerhalb der Auslegungen eine entscheidende Rolle, aus welchem konkreten Lebensbereich die Geschichte stammt, von der hier erzählt wird: Geht es zum Beispiel um Schafhaltung oder um Teigzubereitung, wird die Beziehung zwischen Sklaven und Hausherrn oder die zwischen Söhnen und ihrem Vater aufgegriffen? Um den metaphorischen Übertragungsvorgang besser verstehen zu können, gilt es, möglichst viel zu dem realistischen Herkunftsbereich der Motive, Vorgänge und Beziehungen in Erfahrung zu bringen. Der mit sozio-historischen Methoden möglichen Analyse dieses „bildspendenden Bereichs“ wurde deshalb ein ganzer Schritt der Auslegung im Kompendium gewidmet. Da die Quellenlage nicht zu allen Bereichen gleich gut ist, wurde eher nach dem Maximalprinzip verfahren, d.h., möglichst viele eruierbare Aspekte und Nuancen eines Bereichs wurden unter Einbeziehung textlicher, archäologischer oder numismatischer Quellen erwähnt. Dies bleibt nicht auf den vermutlich engen Entstehungskontext der Gleichnisse in Galiläa oder Israel beschränkt, sondern bezieht auch zeitlich und räumlich weiter entfernte Quellen des Mittelmeerraums mit ein. Nicht alle hierbei zusammengetragenen Informationen müssen dann auch in der Auslegung nutzbar gemacht werden, bieten aber dem / der mündigen Lesenden die Chance, bei seinem / ihrem Verstehensversuch eventuell andere Schlüsse zu ziehen. Ferner darf nicht außer Acht bleiben, dass es letztlich nicht um die Rekonstruktion historischer Fakten, also z.B. des Ackerbaus in Kapharnaum im Jahr 28 n. Chr., geht. Stattdessen bleibt der historische Realbezug in eine sprachliche Reflexion und ‚Verwertung‘ eingebunden. So geht es um die Wahrnehmung der Bedeutungsfelder in einer bestimmten Kommunikationsgemeinschaft, um historische Semantik also. Dies führt zu einem weiteren Aspekt historischer Arbeit. Sprache, und besonders auch bildliche Sprache, steht immer schon in einer bestimmten Sprachtradition. So wie einzelne Begriffe in ihrer Konnotation und Denotation geprägt werden, so kann man mit H. Weinrich auch „Bildfelder“ als konventionalisierte Metaphern bestimmen.39 Die Kombination bestimmter Motivfelder ist in einer Sprachgemeinschaft vertraut. So konnte man z.B. vor jüdischem Publikum im religiösen Kontext kaum von einem König oder Hirten sprechen, ohne gleichsam die Bildfelder „Gott-König“ oder „Gott38 Vgl. dazu ausführlich meinen Beitrag R. Zimmermann, Gleichnisse als Medien der Jesuserinnerung. Die Historizität der Jesusparabeln im Horizont der Gedächtnisforschung (in diesem Band). 39 Vgl. H. Weinrich, Sprache in Texten, Stuttgart 1976, 276–290; ferner meine Applikation in R. Zimmermann, Geschlechtermetaphorik und Gottesverhältnis. Traditionsgeschichte und Theologie eines Bildfelds in Urchristentum und antiker Umwelt, WUNT II/122, Tübingen 2001, 41–44.
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Hirte“ mit zu denken. Um sich vor dem Vorwurf der Allegorisierung zu schützen, gilt es deshalb, solche historisch gewachsenen Bildfelder durch Belege in Umfeldtexten auszuweisen. Wenn gezeigt werden kann, dass bestimmte Bedeutungszuschreibungen im sprachlichen Umfeld der ersten Hörer bzw. Leserinnen der Gleichnisse geläufig waren, dann müssen sie in eine sachgemäße Interpretation einbezogen werden und sind nicht spätere willkürliche Setzungen. In der historischen Analyse dieser Bildfelder könnte man deshalb so etwas wie eine methodisch verantwortete Öffnung zur Allegorie hin wahrnehmen. Allegorisches Verstehen ist – entgegen Jülichers Verdikt – nicht per se falsch. Im Gegenteil. Das historische Umfeld des Neuen Testaments (man denke an Philo und die Alte Kirche) wie auch die allegorischen Auslegungen zweier Gleichnisse im Neuen Testament selbst zeigen, dass diese Interpretationsweise ganz und gar zu den Gleichnissen passt. Um einer willkürlichen Sinnzuschreibung Einhalt zu gebieten, sollte aber gezeigt werden, dass eine bestimmte bildhafte Übertragung in der Sprachgemeinschaft plausibel war. Schließlich sind Gleichnisse auch als Zeugnisse einer Überlieferungsgeschichte historisch zu befragen. Im Kompendium wird keineswegs geleugnet, dass eine Tradierung ihre Spuren in den Gleichnissen hinterlassen hat. Dies zeigt schon die Mehrfachüberlieferung einzelner Gleichnisse und ihre Einbettung in die jeweiligen Kontexte. Allerdings ist Einhalt gegenüber einer (Re-)Konstruktion von außertextlichen Vor- oder Urstufen geboten. Die vorliegenden Texte sind Ergebnis eines Überlieferungsprozesses, sie selbst gilt es historisch zu befragen, ohne sie zu verlassen oder überwinden zu wollen. Vor dem Hintergrund dieser klaren Textbezogenheit historischen Fragens bedarf die Entscheidung, mit der Logienquelle Q als eigener Überlieferungsschicht zu rechnen, einer näheren Begründung. Der Unterschied zwischen Q und den Rekonstruktionsversuchen authentischer Jesusgleichnisse besteht m. E. darin, dass Q keine freischwebende Konstruktion darstellt, sondern in quasi-textlicher, nämlich intertextueller Gestalt vorliegt. Die wortgleiche Parallelüberlieferung zwischen Mt und Lk macht die Existenz einer im Wortlaut fixierten Quelle doch sehr wahrscheinlich.40 Der aus der Sekundärbelegung abgeleitete Rekonstruktionsversuch wird sicher nicht in allen Punkten mit der ursprünglichen Quelle übereinstimmen. Problematisch ist diese Abweichung vor allem im Blick auf Aussagen zur Gesamtschrift und ihrer Theologie. Da es im Kompendium aber um die Analyse von Einzeltexten geht, können diese doch aufgrund der hohen Wortlautübereinstimmungen gerade in diesem Textbereich als Q-Dokumente angenommen werden. Entsprechend folgt die Anordnung der Quellenbereiche im Kompendium einem 40 Vgl. zur Rolle von Q im Horizont einer gedächtnisorientierten Geschichtsforschung meine Ausführungen in Zimmermann, Gleichnisse als Medien der Jesuserinnerung (s. Anm. 38), 115 f.
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losen zeitlichen Schema: Nach Q und Mk, als den ältesten Quellen, folgen die drei weiteren kanonischen Evangelien (in kanonischer Reihenfolge): Mt – Lk – Joh; EvThom41 und Agrapha werden als zeitlich nachfolgend an den Schluss gestellt. Auch bei den Einzelauslegungen werden die Gleichnisse innerhalb eines Überlieferungsprozesses wahrgenommen. Im vorletzten Auslegungsschritt „5. Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte“ werden urchristliche Parallelüberlieferungen vorgestellt, die als erster Niederschlag einer Auslegungsgeschichte betrachtet werden können, die dann in den folgenden Jahrhunderten eine immense Ausweitung erfahren hat. Von dieser gesamtkulturellen Wirkungsgeschichte können dann nur noch einzelne ausgewählte Aspekte genannt werden. Die Geschichtlichkeit der Parabeln kann und soll also ernst genommen werden. Aber das Verstehen der Texte darf nicht auf ihre historische Dimension reduziert werden. Exegeten sind nicht bloß Historiker, wie es mir oft genug im Laufe meines eigenen Studiums vorkam!
2.2. Literarische Aspekte Die Jesusparabeln sind kunstvoll komponierte Texte, die auch hinsichtlich ihrer sprachlichen Gestalt analysiert werden können und sogar müssen. Im Kompendium wurden die textbezogenen Ansätze der Gleichnisanalyse aufgenommen und zugespitzt. Im ersten Analyseschritt wurde eine genaue, linguistisch ausgerichtete „sprachlich-narrative Analyse“ geleistet. Hierbei spielte die Untersuchung der Erzählweise des Textes ebenso eine Rolle wie die Ermittlung von Transfer-Signalen und Interaktionsweisen, die seine Metaphorizität anzeigen. Mit den Begriffen Narrativität und Metaphorizität sind die wichtigsten Kriterien der Parabel42 genannt. Die Sprachwissenschaft hat ein differenziertes methodisches und begriffliches Inventar entwickelt, um die Narrativität und Metaphorizität eines Textes zu beschreiben.43 Im Kompendium wurde keine spezifische Theorie favorisiert, vielmehr haben die Autorinnen und Autoren je unterschiedliche Wissenschaftstraditionen herangezogen, um die Funktionsweise dieser Phänomene zu beschreiben. Entsprechend der Adressatenausrichtung sollte spezifisch linguistisches Fachvokabular vermieden werden.
41 Vgl. zur Diskussion der Thomas-Datierung die Einleitung von E.E. Popkes im Kompendium, E. E. Popkes, Einleitung, in: R. Zimmermann u.a. (Hgg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu, Gütersloh 2007, 851–858, sowie seinen Beitrag in diesem Band. 42 Vgl. die Parabel-Definition im Kompendium, Zimmermann, Leseanleitung (s. Anm. 36), 25, sowie im Aufsatz „Parabeln – sonst nichts!“ (in diesem Band). 43 Vgl. dazu den Beitrag von D. Dormeyer, Gleichnisse als narrative und metaphorische Konstrukte – sprachliche und handlungsorientierte Aspekte (in diesem Band).
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In der Unterschiedlichkeit der Parabeltexte wurden je unterschiedliche sprachliche Details zu Tage gefördert. So sind Langtexte hinsichtlich verschiedener Erzählsequenzen, einer Figurenkonstellation oder gar einer Dramaturgie des Erzählverlaufes zu befragen. Bei Kurztexten stellt sich hingegen die Frage, inwiefern sie überhaupt narrativ sind, ob eine vorgestellte Handlungssequenz, eine Zustandsveränderung oder eine in Frageform dargestellte Handlung bereits als Erzählung angesehen werden können. Entsprechend variiert die Ausformung der Bildlichkeit. Während einige Texte schon immanent Transfersignale für eine metaphorische Übertragung zu erkennen geben, wird bei anderen der bildliche Charakter erst durch Einbettung in den Kontext sichtbar. Pauschale Urteile zu Narrativität und Metaphorizität können deshalb an dieser Stelle nicht resümiert werden. Das intensive Bemühen um die deskriptive Erfassung der sprachlichen Gestaltung und ästhetischen Struktur bewahrt das Textverstehen vor ideologischen Eintragungen und vorschnellen Aneignungen. Gleichwohl werden die Parabeln nicht als „autonome Kunstwerke“ betrachtet, die isoliert verstanden werden könnten. Die Einordnung in den literarischen Kontext ist ebenfalls ein wesentlicher Aspekt der sprachlichen Analyse, wobei sowohl der Mikro-Kontext der Einleitungen und Schlussverse als auch der MakroKontext in der Zuordnung zum jeweiligen Quellenbereich erfasst wurde.
2.3. Rezeptionsästhetische Aspekte Historische und sprachliche Aspekte des Verstehens sollen nicht zum Selbstzweck ermittelt werden, sondern bleiben zurückgebunden an einen aktuellen Prozess des Verstehens. Um Sinn und Bedeutung zu finden, bedarf es eines oder mehrerer Rezipienten. Historische Hintergründe und sprachliche Gestalt geben die Verstehensrichtung vor, so dass nicht beliebig in den Text hineininterpretiert werden kann. Sie bewahren den rezeptionsästhetischen Zugang vor einer einseitigen oder vorschnellen Vereinnahmung des Textes und machen sein Eigengewicht, seine Fremdheit deutlich. Gleichwohl sollen sie zu einem vertieften Verstehen führen, das letztlich von jedem Leser und jeder Leserin jeweils neu vollzogen werden muss. Während einige Gleichnisforscher diesen Aspekt an eine historische Situation binden,44 gilt er gleichermaßen für den gegenwärtigen Akt des Lesens 44 Crossan, Parables of Jesus (s. Anm. 9), 253: „The function of Jesus’ parables about the kingdom of God was to create debate about justice, to raise consciousness about oppression, to as how God would run this world if God sat on Caesar’s throne, and to do all that through internal transformation rather than external domination. Parables were the ethical mode of e-ducation upward rather than in-doctrination downward.“ Crossan selbst berichtet aber auch von seinen Lehrerfahrungen mit Parabeln, die regelmäßig Debatten auslösen: „You could always trust debate and disagreement – especially when somebody was quite sure what it meant.“ (ebd.)
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bzw. Hörens. Die Gleichnisse Jesu haben ihre rezeptionsästhetische Funktion nicht nur in der historischen Situation erfüllt, sondern entfalten sie auch heute noch ungemindert im Akt der Wahrnehmung. Sie lösen immer noch einen Denk- und Transformationsprozess aus, sie sind Katalysatoren eines Erkenntnisweges. Anders formuliert: Gleichnisse laden die Lesenden und Hörenden ein, sich auf einen Prozess des Verstehens einzulassen. Der in Mk 4,9 noch einmal explizit formulierte Appell „zu hören“, liegt schon in den Gleichnistexten selbst. Er geht über die Aufforderung einer auditiven Wahrnehmung hinaus. Die Gleichnisse wollen nicht nur gehört oder kognitiv erfasst werden, sie wollen auch begriffen, gefühlt oder sogar erlebt werden. Indem die Gleichnisse eine eigene Welt entwerfen, in der z. T. Identifikationsfiguren agieren und reden, in Krisen geführt werden und daraus wieder auftauchen, ziehen sie die Lesenden buchstäblich in ihre Welt hinein. Sie wollen dabei nicht nur einen Erkenntnisgewinn, sondern letztlich Lebensgewinn ermöglichen, indem sie die Welt im Horizont der Gotteswirklichkeit interpretieren. Gleichnisse wollen auf diese Weise zum Glauben, konkreter: zum Leben aus dem Glauben führen. Diese unmittelbare Ausrichtung auf den je konkreten Leser und die je konkrete Leserin implizierte weit reichende methodische Konsequenzen für die Auslegung der Texte im Kompendium. Wenn das hermeneutische Ziel des Gleichnisses nur im je und je vollzogenen Lesevorgang erreicht werden kann, wenn es gerade nicht um historische Fakten- oder allgemeine Vernunftwahrheiten, sondern um konkrete Lebenswahrheiten geht, dann kann es auch keine vorschreibende Auslegung geben. Das Kompendium trägt dieser Leser(innen)orientierung Rechnung, indem Verstehenswege und Deutungshorizonte angeboten werden, die zu konkreten kontextuellen Aneignungen des Textes einladen. Dies wird auf unterschiedlichen Ebenen umgesetzt: So werden in den Auslegungsschritten „Analyse des bildspendenden Bereiches“ wie auch der „Bildfeldtradition“ bewusst mehr Informationen zusammengetragen, als dann in der zusammenfassenden Auslegung vom Autor bzw. der Autorin aufgegriffen werden. Auf diese Weise bleibt es dem Leser und der Leserin der Auslegung überlassen, eigene kreative Verstehenswege zu gehen, bei denen das Hintergrundmaterial in Auseinandersetzung mit dem Text eigenständig verwendet werden kann. Noch deutlicher wird diese Offenheit im Auslegungsschritt „Zusammenfassende Auslegung“, der im Untertitel mit „Deutungshorizonte“ präzisiert wird. In dem hierbei verwendeten Plural manifestiert sich ein hermeneutisches Konzept: Die Aufgabe des Exegeten und der Exegetin besteht hierbei nicht darin, eine verbindliche Auslegung vorzuschreiben, sondern unterschiedliche Verstehenswege aufzuzeigen, die die Lesenden dann selbst gehen müssen, um zu einer Sinnstiftung, zu einem persönlichen Verstehen, ja zum Glaubens- und Lebensgewinn zu gelangen. Zwar können aufgrund historisch-semantischer Sprachkonventionen oder aufgrund philologischer
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Einsichten Grenzen benannt werden, jenseits derer eine Auslegung falsch oder missverständlich ist. Innerhalb dieser Grenzen sind allerdings durchaus verschiedene, zum Teil sogar gegensätzliche Auslegungen möglich. Diese abweichenden Deutungsvarianten werden nebeneinander genannt, ohne gegeneinander ausgespielt werden zu müssen. Diese Deutungsoffenheit lässt sich unterschiedlich begründen: Einerseits lässt sich, wie schon Gadamer betont hat, der Sinnhorizont des Verstehens nicht durch den historischen oder textlichen Gegenstand festschreiben.45 Andererseits entziehen sich bildliche Texte, wie hier besonders die Parabeln, aufgrund der immanenten Struktur des poetisch-bildlichen Textes einseitigen Festlegungen. „Die Ambiguität ist nicht Mangel noch bloßes Stilmittel, sondern die Struktur des poetischen Textes selbst.“46 Literarästhetische Hermeneutik kann deshalb nur als „offene Sinndynamik“ beschrieben werden.47 Auch die Auslegungstradition der Texte angefangen bei den frühchristlichen Parallelüberlieferungen etwa von Q-Parabeln bei Mt, Lk oder EvThom zeigt, dass diese Vielfalt des Verstehens in den Texten selbst angelegt ist. Schließlich bedarf es auch aus theologischen Gründen einer Unabgeschlossenheit der Interpretation, weil der Anspruch des biblischen Textes darin besteht, in je unterschiedlichen Kontexten wieder neu Relevanz zu erlangen. Die bewusste Bejahung der Auslegungsvielfalt der Jesusparabeln wurde auch im Arbeitsprozess am Kompendium umgesetzt. Das Kompendium ist nicht der Kommentar eines einzelnen Auslegers, sondern ein Gemeinschaftswerk von 46 Autor(inn)en, die aus durchaus unterschiedlichen Traditionen kommen. Diese divergenten Standpunkte werden in Übersetzungen und Auslegungen sichtbar, aber durch gemeinsame Grundüberzeugungen sowie die einheitliche Struktur der Kommentierung doch zu einer Einheit im Gesamtwerk geführt. Auch die Leserinnen und Leser werden die Parabeln Jesu aus unterschiedlichen Standpunkten, Interessen und Motivationen lesen. Indem die Auslegungen bewusst als Angebot und Einladung verstanden werden, können die Leser und Leserinnen zu ihrer eigenen kontextgemäßen Auslegung einer Parabel gelangen. Die Appellstruktur der Texte ernst zu nehmen, heißt eben gerade nicht, fertige Auslegungen zu bieten, die nur noch hinzunehmen wären. Das Kompendium der Gleichnisse Jesu möchte vielmehr das verstärken, was die Parabeln selbst vorgeben: Sie wollen in einen Prozess des 45
Vgl. Gadamer, Wahrheit und Methode (s. Anm. 23), 398. P. Szondi, Schriften II. Essays: Satz und Gegensatz. Lektüren und Lektionen. Celan-Studien, Frankfurt a. M. 1978, 374. 47 Vgl. dazu R. Zimmermann, Einführung: Bildersprache verstehen oder: Die offene Sinndynamik der Sprachbilder, in: ders., Bildersprache verstehen. Zur Hermeneutik der Metapher und anderer bildlicher Sprachformen, Übergänge 38, München 2000, 13–54, insbesondere 25–35. 46
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persönlichen Verstehens und Glaubens hineinziehen, der besonders in der gemeinsamen dialogischen Sinnsuche zur Entfaltung kommt.
3. Spielräume des Verstehens: Verbindliche Offenheit Nicht nur die Integration unterschiedlicher methodisch-hermeneutischer Ansätze, auch die bewusste Deutungsoffenheit eines Gleichnisses stellt ein Wagnis des vorliegenden Ansatzes dar, an den sich viele Fragen knüpfen: Bedarf es angesichts von instrumentellen Vereinnahmungen biblischer Texte nicht der Klarheit und Eindeutigkeit der Auslegung? Darf man nicht wenigstens von exegetischen Fachleuten die Festlegung auf plausible, intersubjektiv begründete Lösungen erwarten? Gibt man mit der Anerkennung einer Polyvalenz der Deutung nicht die besonders an den Parabeln geschätzte unmissverständliche Parteinahme der Rede Jesu preis? Entspricht die Offenheit des hermeneutischen Prozesses vielleicht postmoderner Pluralität, aber widerspricht sie der von einem religiösen Text zu erwartenden normativen Kraft? Steht bei der Deutungsvielfalt nicht letztlich die Wahrheit des biblischen Textes auf dem Spiel? Die Offenheit der Deutung, die prinzipielle Unabgeschlossenheit des Verstehensprozesses der Parabeln Jesu darf nicht mit Beliebigkeit und Relativismus verwechselt werden. Wenn sich die (wissenschaftliche) Auslegung der Gleichnisse mit einer präskriptiven Entscheidung zurückhält, so will sie nicht grundsätzlich zu einem Verstehensverzicht führen. Im Gegenteil. Indem der Prozess des Verstehens auf der Ebene der Meta-Reflexion noch nicht zum Ende kommt, folgt er der Pragmatik der Parabeln selbst. Vielfach enden sie nicht mit einer conclusio, sondern mit einer Frage. Sie überlassen den Hörenden bzw. Lesenden die Entscheidung, mehr noch: Sie fordern durch ihre Appellstruktur sogar explizit zur Entscheidung und Parteinahme heraus. Gerade die Leerstelle, ja auch die Rätselhaftigkeit verhelfen den Parabeln somit zu einem unablässigen dynamischen Prozess der Sinnkonstitution. Die Offenheit und mögliche Vielfalt der Deutung verwehrt also nicht das persönliche Verstehen, sondern fordert es in besonderem Maße heraus. Das anfängliche Unverständnis gleicht einem Verstehensappell, der einen Verstehensprozess in Gang setzt und im persönlichen Verständnis je und je neu zum Ziel kommt. Um dieses dynamische Gegenüber von Offenheit und Verbindlichkeit erfassen zu können, scheint mir die Metapher des „Spielraums“ bzw. „Spielfeldes“ hilfreich.48 Sie bringt zum Ausdruck, dass zwar innerhalb desselben 48 Mit Blick auf die Gleichnisauslegung hatte Georg Eichholz bereits früher von einem „Spiel“ gesprochen, vgl. G. Eichholz, Das Gleichnis als Spiel, EvTh 21 (1961), 309–326.
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viele Möglichkeiten für den Verlauf etwa des Balles möglich sind, dass aber sehr wohl bestimmte Regeln zu beachten sind und auch Grenzen des Feldes benennbar bleiben. Jenseits dieser Grenzen ist der Ball im „Aus“. Die Grenzlinien für den Spielraum des Gleichnisverstehens sind durch die drei Perspektiven der Hermeneutik markiert: So müssen sich jeweils historische, philologisch-textliche und rezeptionsästhetische Annäherungen wechselseitig begrenzen und aufeinander beziehen lassen. Bleiben etwa rezeptionsästhetisch-bildliche – oder nennen wir sie provokanter ‚allegorische‘ – Sinnzuschreibungen auf textliche Indizien und historisch plausible Bildfelder verwiesen, so können sie klar von einer ‚wilden Allegorisierung‘ geschieden werden. Umgekehrt muss sich die historische Detailarbeit z.B. hinsichtlich ihres Ertrags für die Sinnfindung eines gegenwärtigen Lesers oder einer Leserin befragen und kritisch prüfen lassen. Lassen sich aber zuletzt historische oder rezeptionsästhetische Sinnkonstruktionen nicht am Text begründen, verlieren sie ihre Berechtigung. In der wechselseitigen Verwiesenheit und Balance können historische, literarische und rezeptionsästhetische Aspekte den Sinnstiftungsprozess in einem dynamischen Spiel erhalten. Obgleich besonders der deutschsprachigen exegetischen Tradition die Metapher des „Spiels“ angesichts einer oft allzu großen Ernsthaftigkeit und Verbissenheit wohltuende Weite bescheren kann, sei freilich darauf hingewiesen, dass das Verstehen der Gleichnisse Jesu keineswegs mit einer Freizeitbeschäftigung verwechselt werden darf. Um der unaufgebbaren Heiligkeit und Wahrheit dieser Texte willen, kann die Suche nach dem rechten Verstehen nicht intensiv genug betrieben werden. Das Spiel des Gleichnisverstehens ist nichts Geringeres als das „Spiel des Lebens“. Indem die Gleichnisse als Teil des Kanons normativen Rang für die christliche Gemeinschaft haben, geht es in ihrem Verstehen gleichsam um alles. Indem die Auslegung eine letzte Entscheidung offen lässt, mutet sie den Lesenden oder hermeneutisch formuliert: den Verständnis Suchenden zu, Sinn und Bedeutung der Gleichnisse je und je neu zu finden. Im jeweiligen Lebenskontext sollen und müssen die Gleichnisse bedeutsam werden. Ihr Verstehen gelingt, wenn sie im Bewusstsein ihrer geschichtlichen Verankerung und textlichen Konstitution aktuell ‚wahr‘ werden, oder frömmer formuliert: als lebendiges Wort Gottes begriffen werden können. Sinn kann deshalb als traditions- und textbewusster Lebenssinn beschrieben werden. Dieses Spiel sei nicht nur wie ein Bühnenstück durch „Szenen und Figuren, von führenden Rollen und Nebenrollen, von straffem Handlungsverlauf“ (a.a.O., 310) charakterisiert, sondern dränge auch den Hörer dazu, das Spiel zu Ende zu spielen (a.a.O., 323). C. Kähler sprach davon, dass Gleichnisse dem „Spieltrieb und dem ästhetischen Vergnügen“ des Menschen entsprechen, vgl. C. Kähler, Jesu Gleichnisse als Poesie und Therapie. Versuch eines integrativen Zugangs zum kommunikativen Aspekt von Gleichnissen Jesu, WUNT 78, Tübingen 1995, 35. Zur Spielraum-Metaphorik im Verstehen von bildlichen Texten siehe auch meine Ausführungen in: Zimmermann, Einführung: Bildersprache verstehen (s. Anm. 47), 25 f.
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Auch wenn sich das Verstehen der Gleichnisse somit je und je ereignet, gelangt es doch dabei nicht ans Ende, weil es nie zu Ende kommen kann. Die Reflexion der Verstehensbedingungen von Gleichnissen kann hingegen getrost mit dem Hinweis auf die verbindliche Offenheit des hermeneutischen Prozesses abbrechen, um der weiteren Diskussion das Spielfeld zu überlassen.
Gleichnishermeneutik im Rückblick und Vorblick Die Beiträge des Sammelbandes vor dem Hintergrund von 100 Jahren Gleichnisforschung Ruben Zimmermann Die Gleichnisse Jesu sind Texte, die sich aus drei unterschiedlichen Perspektiven betrachten lassen: Es handelt sich um historische Texte, die in einer bestimmten Zeit und in einem bestimmten Kulturraum entstanden sind und eine Überlieferungsgeschichte aufweisen. Es sind poetische Texte, die eine kunstvolle sprachliche Gestaltung erkennen lassen. Schließlich sind es Texte, die in besonderem Maße auf Rezipienten zielen.1 Um Gleichnisse zu verstehen, sollten alle drei Aspekte in den Blick genommen werden – und in der Tat wurden immer wieder diese Dimensionen in der Gleichnisforschung zur Geltung gebracht. Der vorliegende Beitrag möchte diese dreifache hermeneutische Perspektive als Gliederungshilfe sowohl im Rückblick der Gleichnisforschung als auch im Vorausblick auf die Beiträge dieses Bandes heranziehen.
1. Gleichnisverstehen der letzten 100 Jahre (Forschungsaspekte) Versuchen wir zunächst die Bemühungen der Gleichnisauslegung der letzten 100 Jahre2 zu erfassen, dann lassen sich die verschiedenen Ansätze unschwer den genannten drei Grundperspektiven zuordnen. Auch wenn einzelne Au1 Vgl. zu Einzelheiten dieses hermeneutischen Ansatzes meinen Beitrag R. Zimmermann, Im Spielraum des Verstehens. Chancen einer integrativen Gleichnishermeneutik (in diesem Band). 2 Für Charles W. Hedrick gibt es insgesamt nur 5 markant unterschiedliche Phasen des Gleichnisverstehens in den letzten 2000 Jahren: 1) authentische Auslegung der Ersthörer Jesu; 2) anti-historische, allegorische Auslegung der frühen und späteren Kirche (ca. 50 n. Chr. – 19. Jh.); 3) historisierend-moralische Auslegung seit Jülicher; 4) symbolisch-metaphorische Auslegung seit Dodd (mit dem Reich Gottes als Referenten); 5) ästhetisch-existentiale Auslegung seit Via; vgl. Ch.W. Hedrick, Parables as Poetic Fictions. The Creative Voice of Jesus, Eugene, OR 1994, 7–10. Diese Einteilung zeigt vor allem hinsichtlich des zweiten Zeitraums eine zu
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toren zum Teil mehrere Aspekte erfassen, zeigt sich doch in der Regel ein klarer Schwerpunkt der Annäherung, so dass das Werk vereinfachend einem bestimmten Auslegungsraster zugeordnet werden kann. Der folgende Überblick über die Gleichnisforschung wählt deshalb keine streng chronologische Darstellung3 und kann auch nicht alle Einzelwerke im Detail darstellen, sondern versucht der oben explizierten Systematik folgend die hermeneutischen Aspekte einzelner größerer Gleichnisarbeiten herauszuarbeiten. Weniger beachteten oder neueren Arbeiten insbesondere auch der englischsprachigen Forschung wird hierbei größere Aufmerksamkeit gewidmet. Ziel ist es dabei auch, die drei grundsätzlichen Dimensionen des Gleichnisverstehens als historische, sprachliche und rezipientenorientierte Annäherungen weiter auszudifferenzieren.4
1.1. Historische Annäherungen Die Dominanz historisch-kritischer Fragestellungen in der Exegese des letzten Jahrhunderts hat auch im Gleichnisverstehen die historische Annäherung lange Zeit in den Vordergrund rücken lassen. Dabei war die Gleichnisforschung eng mit der Frage nach dem historischen Jesus verbunden.5 Durch alle Phasen der historischen Jesusforschung hindurch wurde immer an dem große Vereinfachung, denn die Gleichnisauslegung durch die Jahrhunderte kann kaum allein unter dem Stempel des „Allegorischen“ subsumiert werden. 3 Vgl. chronologische Forschungsüberblicke bei N. Perrin, Jesus and the Language of the Kingdom, Philadelphia 1976, 89–193; W.S. Kissinger, The Parables of Jesus. A History of Interpretation and Bibliography, ATLA.BS 4, Metuchen, NJ 1979, 1–239; P. Dschulnigg, Positionen des Gleichnisverständnisses im 20. Jh., ThZ 45 (1989), 335–351; C.L. Blomberg, Interpreting the Parables, Downers Grove, IL 1990, 29–167; sowie Ders., The Parables of Jesus. Current Trends and Needs in Research, in: B. Chilton / C.A. Evans (Hgg.), Studying the Historical Jesus. Evaluations of the State of Current Research, Leiden 1994, 231–254; K. Erlemann, Einführung in die Forschungsgeschichte, in: ders., Gleichnisauslegung. Ein Lehrund Arbeitsbuch, Tübingen / Basel 1999, 11–52; Ders., Wohin steuert die Gleichnisforschung?, ZNT 3 (1999), 2–10; Ders., Adolf Jülicher in der Gleichnisforschung des 20. Jh., in: U. Mell (Hg.), Die Gleichnisreden Jesu (1899–1999). Beiträge zum Dialog mit Adolf Jülicher, BZNW 103, Berlin / New York 1999, 5–37; D. Gowler, What Are They Saying About Parables?, New York 2000; K. Snodgrass, From Allegorizing to Allegorizing. A History of the Interpretation of the Parables of Jesus, in: R.N. Longenecker (Hg.), The Challenge of Jesus’ Parables, Grand Rapids 2000, 3–29; J. Liebenberg, The Language of the Kingdom and Jesus. Parable, Aphorism, and Metaphor in the Sayings Material Common to the Synoptic Tradition and the Gospel of Thomas, BZNW 102, Berlin / New York 2001, 5–75; P. Müller, Die Gleichnisse in der Exegese, in: ders. u.a., Die Gleichnisse Jesu. Ein Studien- und Arbeitsbuch für den Unterricht, Stuttgart 2002, 16–47; M. Neubrand, Die Gleichnisse Jesu in der neutestamentlichen Forschung, BiKi 63 (2008), 89–93. 4 K. Erlemann strukturiert seinen grundsätzlich historisch ausgerichteten Forschungsüberblick durch die Überschriften „der religionsgeschichtliche Ansatz“, „der hermeneutisch-metapherntheoretische Ansatz“, „der literaturwissenschaftliche Ansatz“, „der wirkungsgeschichtliche Ansatz“ und schließlich „neuere Ansätze“, vgl. Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 3), 5–52. 5 Vgl. dazu den Überblick in meinem Artikel R. Zimmermann, Gleichnisse als Medien der Jesuserinnerung (in diesem Band), hier: 1. Gleichnisse und der ‚historische Jesus‘.
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Grundbekenntnis festgehalten, dass die Gleichnisse zum „Urgestein“ der Jesusüberlieferung zählen. Mit den Gleichnissen glaubte man besonders nah an den historischen Jesus und seine Verkündigung heranzukommen. Die einzelnen historischen Annäherungen konnten dabei durchaus unterschiedliche Akzente setzen: Einige Gleichnisforscher versuchten den ursprünglichen Bestand der Gleichnisse Jesu in den Blick zu nehmen und Umfang und Form bis hin zu Wortlautfassungen der Gleichnisse zu rekonstruieren. Ziel der Auslegung war es hierbei, zur Gleichnisrede Jesu vorzudringen, die in den biblischen Texten nur noch mittelbar erhalten sei. Diese Form historischen Arbeitens reicht von Adolf Jülichers Opus Magnum über Joachim Jeremias’ Suche nach der „ipsissima vox“6 oder nach der „authentic voice“ bei Jonathan Breech7 und den frühen Arbeiten von John D. Crossan8 bis hin zu dem von Robert W. Funk gegründeten „Jesus Seminar“ am Westar Institute, das sich noch zum Ende des 20. Jh.s zum Ziel gesetzt hatte, die authentischen Jesusworte – und dabei besonders auch die authentischen Gleichnisse – zu bestimmen.9 Ein jüngeres Werk dieser Fragerichtung stellt die Arbeit von Bernard Brandon Scott dar,10 der unter Einbeziehung der Oralitätsforschung die „ipsissima structura“11 der Jesusparabeln herauszuarbeiten versuchte. In einem methodischen Dreischritt rekonstruierte er ausgehend von der synoptischen Überlieferung (unter Einbeziehung von EvThom) zunächst die ursprüngliche Form des Textes. Zweitens versuchte er zu zeigen, welche Bedeutung in der Ursprungsstruktur („how the originating structure effects meaning“) liegt, um drittens die Pragmatik der Parabel in Bezug auf die Reich-Gottes-Verkündigung zu erkennen.12 Auch die neue Arbeit von Klyne R. Snodgrass13 kann dieser Fragerichtung zugeordnet werden. Selbst wenn es nach Snodgrass nicht möglich ist, Urformen der Parabeln zu rekonstruieren, gelte es, die historische Intention Jesu zu erfassen 6 Vgl. J. Jeremias, Die Gleichnisse Jesu, Göttingen 111998, 18; die Zitate im Einzelnen in meinem Beitrag, Gleichnisse als Medien der Jesuserinnerung (in diesem Band); ferner A. Jülicher, Die Gleichnisreden Jesu, Tübingen 21910; eine umfangreiche Würdigung Jülichers bei U. Mell (Hg.), Die Gleichnisreden Jesu (1899–1999). Beiträge zum Dialog mit Adolf Jülicher, BZNW 103, Berlin / New York 1999. 7 J. Breech, The Silence of Jesus. The Authentic Voice of the Historical Man, Philadelphia 1983. 8 J.D. Crossan, In Parables. The Challenge of the Historical Jesus, New York 1973, der von „original sayings“ spricht und zur Rekonstruktion das doppelte Unableitbarkeitskriterium anwendet (a.a.O., 5). 9 Vgl. dazu R.W. Funk u.a., The Five Gospels. What Did Jesus Really Say?, San Francisco 1997; zu den Gleichnissen besonders jetzt E. F. Beutner (Hg.), Listening to the Parables of Jesus, Jesus Seminar Guide, Santa Rosa 2007. 10 Vgl. B. B. Scott, Hear Then the Parables. A Commentary on the Parables of Jesus, Minneapolis 1989. 11 Dieser Begriff zuerst bei J. D. Crossan, Cliffs of Fall. Paradox and Polyvalence in the Parables of Jesus, New York 1980, 27. 12 Vgl. Scott, Parables (s. Anm. 10), 74–76. 13 Vgl. K.R. Snodgrass, Stories with Intent. A Comprehensive Guide to the Parables of Jesus, Grand Rapids, MI 2008.
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und die Texte somit als Teil seines prophetischen Auftrags kontextuell zu verorten. Nur so könne einer soziologischen und ideologischen Allegorisierung entgegengewirkt werden.14 Weniger die Rede Jesu als vielmehr die Ursprungssituation wird von Charles H. Dodd in Applikation formgeschichtlicher Kategorien (insbesondere „setting in life“15) in den Mittelpunkt gerückt. In welcher geschichtlichen Situation wurden diese Texte gesprochen, wie ist der historische Kontext zu bestimmen? Dodd – und ihm folgend auch Jeremias – unterschied hier deutlich zwischen der Situation im Leben Jesu und der der Urkirche, wobei das Ziel der Auslegung gerade darin bestehe, zum ursprünglichen Kontext zurückzugelangen. „We shall sometimes have to remove a parable from its setting in the life and thought of the Church, as represented by the Gospel, and make an attempt to reconstruct its original setting in the life of Jesus.“16 Spätere Arbeiten haben diesen Focus in zwei Richtungen erweitert. So wurde die historische Situation einerseits konkreter als kommunikatives Ereignis betrachtet. Bereits Eta Linnemann hatte unter Einfluss der Hermeneutik von O. Fuchs die Entstehungssituation des Gleichnisses als Gesprächssituation aufgefasst: „Das Gleichnis (…) ist eine Weise der Rede. Seine Ursprungssituation ist die Unterredung, das Gespräch.“17 Im kommunikativen Ereignis komme es zu einer Verschränkung zwischen dem Urteil des Gleichniserzählers und dem des Hörenden,18 die das Potential vertieften Verstehens in sich birgt: „Ein geglücktes Gleichnis ist ein Ereignis, das die Situation entscheidend verändert. Es schafft eine neue Möglichkeit, dass der Angeredete mit dem Redenden über den Gegensatz hinweg ins Einverständnis kommen kann. Diese Möglichkeit beruht darauf, dass der Erzähler die Angelegenheit, die zwischen ihm und seinen Hörern strittig ist, neu zur Sprache bringt und dadurch ein neues Verständnis eröffnet.“19
Andererseits – und weitaus häufiger – wurde die historische Situation hinsichtlich ihrer sozio-kulturellen Bedingungen und Kontexte intensiver analysiert. Während einige Autoren primär den galiläisch-bäuerlichen Hintergrund beschrieben,20 verbanden andere die Analyse des sozio-kulturellen 14
Vgl. dazu auch Snodgrass, Allegorizing (s. Anm. 3), 27. Vgl. Ch. H. Dodd, The Parables of the Kingdom, London 1935 (zit. Paperback Repr. der rev. Aufl., Glasgow 1978), Chap. IV, 84–114. 16 Dodd, Parables (s. Anm. 15), 84. 17 E. Linnemann, Gleichnisse Jesu, Göttingen 41966 (1961), 27. 18 Vgl. Linnemann, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 17), 35. 19 Linnemann, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 17), 38. 20 So etwa K.E. Bailey, Poet and Peasant. A Literary Cultural Approach to the Parables in Luke, Grand Rapids, MI 1976; Ders., Finding the Lost. Cultural Keys to Luke 15, St. Louis 1992. Die eigene regionale Erfahrung des Autors als Missionar im Libanon ist hierbei Chance und Last zugleich, da er in der Gefahr steht, gegenwärtige Kultur in die Antike zurückzupro15
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Settings mit der Zuschreibung einer politischen Funktion der Gleichnistexte. Weite Beachtung fanden hier vor allem die Arbeiten von W.R. Herzog II und neuerdings Luise Schottroff. Für William R. Herzog II21 können die Gleichnisse Jesu nur vor dem Hintergrund einer genauen sozialgeschichtlichen und soziologischen Analyse ihres Kontextes angemessen verstanden werden. Gerade weil Gleichnisse vom täglichen realen Leben erzählen, müsse der gesellschaftliche Kontext ausgeleuchtet werden, und zwar der Mikrokontext etwa der galiläischen Kleinbauern ebenso wie der Makro-Kontext der antiken mediterranen Gesellschaft. Herzog fragte: „How do the social scenes and social scripts of the parables disclose and explore the larger social, political, economic, and ideological systems of Palestine during the time of Jesus?“22 Die Gleichnisse erfüllen nach Herzog geradezu eine befreiungspädagogische23 Funktion für die Ersthörer, indem sie zum Spiegelbild und Analyseinstrumentarium der gesellschaftlichen Wirklichkeit werden. Im Gewahrwerden und Entlarven sozialer Unterdrückungssituationen verhelfen diese Texte ihren Lesern zu einer alternativen sozialen Konstruktion und werden dabei zur subversiven Rede („subversive speech“), die die gängigen Weltbilder in Frage stellt.24 Auch für Luise Schottroff ist ein Verständnis der Gleichnisse nur über eine genaue Situierung der Texte bzw. ihrer Ersthörer(innen) in einer sozio-kulturell bestimmten Gesellschaftssituation möglich.25 Im Aufdecken des sozialgeschichtlichen Kontextes möchte sie zugleich weite Teile einer „kirchlichen Auslegungstradition“ kritisieren und sichtbar machen, „welch befreiende Botschaft Jesu Lehre tatsächlich enthält, wenn sie wieder als das verstanden wird, was sie ursprünglich war: eine im Gespräch vorgetragene Botschaft, die mit den Zuhörerinnen und Zuhörern rechnete und um die wirklichen Lebensverhältnisse wusste.“26 Die sozial-revolutionäre Auslegung der Gleichnisse ist freilich nicht neu, wurde sie etwa von Leonard Ragaz im Jahr 1943 mit großem Pathos vorjizieren. Ferner etwa R.L. Rohrbaugh, A Peasant Reading of the Parable of the Talents / Pounds: A Text of Terror?, BTB 23 (1993), 32–39; W. Bösen, Die Figurenwelt der Gleichnisse, WUB 24 (2002), 60–66. 21 W. R. Herzog II, Parables as Subversive Speech. Jesus as Pedagogue of the Oppressed, Louisville, KY 1994. 22 Vgl. Herzog, Subversive Speech (s. Anm. 21), 7. 23 Herzog verweist auch explizit auf den Befreiungspädagogen Paulo Freire, vgl. Herzog, Subversive Speech (s. Anm. 21), 7.25–29. 24 Vgl. Herzog, Subversive Speech (s. Anm. 21), 29: „The interpreter must pay attention to the scenes they encode and attempt to understand how they could generate conversations that enhanced the hearer’s ability to decode their oppressive reality, or how they encode limit situations depicting limit acts that are intended to challenge the boundaries of their closed world.“ 25 L. Schottroff, Die Gleichnisse Jesu, Gütersloh 2005 (engl. Übersetzung: The Parables of Jesus, Minneapolis, MN 2006). Vgl. ferner ihren Beitrag in diesem Band. 26 Klappentext zum Buch Schottroff, Gleichnisse (s. Anm. 25).
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getragen.27 Auch David Wenham hat in einem wenig beachteten Gleichnisbuch die Parabeln als „Pictures of Revolution“28 bezeichnet: „In proclaiming the kingdom of God, Jesus was announcing the coming of God’s revolution and of God’s new world, as promised in the Old Testament. God was at last intervening, Jesus declared, to establish his reign over everything, to bring salvation to his people and renewal and reconciliation to the world. But fortunately Jesus did not announce his message in such general theological terms; he announced it primarily through vivid, concrete parables.“29
Die Hinwendung zur realen Lebenswelt kennzeichnet schließlich auch die Gleichnisarbeiten von Charles W. Hedrick.30 Hedrick macht sich dafür stark, die Parabeln nicht mit theologischem Tiefensinn zu befrachten, sondern sie bloß als poetische Konstrukte im historischen Kontext zu lesen. „The parables are thoroughly secular, and realistic slices of first-century Palestinian life.“31 Der Leser sollte diese Texte aus sich selbst heraus als ‚einfache Geschichten‘ („ordinary stories“) zu verstehen versuchen.32 „They do not ‚teach‘ anything in particular or in general; they do not provide normative guides for ethical human behaviour; they do not reveal theological truth or overtly push any particular values – certainly not religious values.“33
Mit Hedrick und Schottroff schließt sich in gewisser Weise der Kreis historischer Annäherungen zu Jülicher. Auch Jülicher wollte entgegen einer kirchlichen (damals frühkirchlichen) Tradition wieder freilegen, wie Jesus die Gleichnisse wirklich gemeint hatte. Auch er wollte sie wie Schottroff wieder als das verstanden wissen, was sie „ursprünglich“ waren. Während Jülicher gegen die allegorische Tradition zu Felde zog, so negiert Schottroff in ihrer „Abkehr von dualistischen Konzepten“ jegliche ‚Bildfelder‘ als konventionalisierte Kopplungen von Sinnbereichen. Nach Schottroff muss man 27 Vgl. L. Ragaz, Die Gleichnisse Jesu. Seine soziale Botschaft, GTBS 450, Gütersloh 31985 (1943). Nach Ragaz liegt ein Missverständnis der Gleichnisse darin, dass man „ihren ungeheuer revolutionären Sinn verkannt“ hat, oder ihnen einen „nur individualistischen oder besser gesagt privaten Sinn unterlegt“ hatte. „In Wirklichkeit ist ihr Sinn in erster Linie sozial, d.h.: auf die Gemeinschaft gerichtet. Ganz im Geist der Propheten Israels.“ (7 f.). „Vor allem tritt aus dieser neuen Art, die Gleichnisse Jesu zu verstehen, eines mit ungeheurer Gewalt und zugleich mit leuchtender Kraft hervor: Jesu soziale Botschaft, oder anders gesagt: der soziale Sinn der Botschaft Jesu.“ (9). 28 Vgl. D. Wenham, The Parables of Jesus. Pictures of Revolution, London u.a. 1989 (in der eher popularwissenschaftlichen Reihe „The Jesus Library“, hg. v. M. Green). 29 Wenham, Parables (s. Anm. 28), 25. Interessant ist in unserem Zusammenhang auch Appendix 2 dieses Buches „The Interpretation of Parables“, vgl. a.a.O., 225–238. 30 Hedrick, Parables as Poetic Fictions (s. Anm. 2); Ders., Many Things in Parables. Jesus and His Modern Critics, Louisville, KY 2004. 31 Hedrick, Many Things (s. Anm. 30), 35. 32 Hedrick, Poetic Fictions (s. Anm. 2), 4: „We should begin reading the parables on their own terms, as ordinary stories, rather than for what we imagine they might ‚reveal‘ about the kingdom of God, morality, human existence, or some other value.“ 33 Hedrick, Many things (s. Anm. 30), 103.
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es wagen, „die sozialgeschichtlichen Details als Erzählungen vom menschlichen Leben zu lesen und nicht als Bild für etwas Anderes.“34 Hedrick geht sogar noch einen Schritt weiter und kritisiert neben der bildlichen auch jede generalisierende oder ethisch-wertende Interpretation der Parabeln. Sie seien in ihrem Realitätsbezug aus sich selbst heraus verständlich, einfach und klar,35 ganz wie es auch Jülicher postuliert hatte. Schließlich können unter historischer Perspektive Gleichnisinterpretationen genannt werden, die den Überlieferungsprozess der Texte und seinen Niederschlag im Neuen Testament nicht nur wahrnehmen, um ihn in der Suche nach der Urform der Parabel zu destruieren, sondern selbst würdigen. Ein solcher traditions- bzw. überlieferungsgeschichtlicher Ansatz ist mit den Arbeiten von Michael G. Steinhauser zu den Doppelbildworten36 sowie von Hans Weder zu synoptischen Parabeln gegeben.37 Obgleich Weder als allgemeinen Verstehensrahmen eine philosophisch-theologische Metapherntheorie heranzieht, zeigen die Einzelanalysen eine „konsequent traditionsgeschichtliche“ Auslegung: „Ein analytischer Arbeitsgang rekonstruiert die ursprüngliche Form; ein synthetischer Arbeitsgang denkt der Geschichte nach, die das Gleichnis in der Anwendung auf die Erfahrungswelt des Hörers hatte. (…) Die im Lauf der Traditionsgeschichte angefügten Interpretamente sind auf ihre Konzinnität zum Gleichnis selbst zu befragen.“38
In eigener Weise hat in neuerer Zeit Jacobus Liebenberg den Überlieferungsweg einzelner Gleichnisse von der Logienquelle Q über die Synoptiker bis zum Thomasevangelium nachgezeichnet.39 Im Mittelpunkt des Interesses steht für Liebenberg aber weniger die detaillierte Beschreibung der Veränderung des Einzeltextes als vielmehr der Einfluss des jeweiligen Kontextes auf das Gleichnisverstehen: In dieser Perspektive „(…) one will be able to describe the varying receptions of these Kingdom parables and aphorisms in a manner which will allow their different nuances to be identified.“40 Als Schlussstein zu diesem ersten, historischen Block möchte ich an ein Wort von Crossan anknüpfen. War J.D. Crossan gerade angetreten, durch 34 Vgl. L. Schottroff, Der Sommer ist nahe. Eschatologische Gleichnisauslegung, BiKi 63 (2008), 72–75, hier: 74. 35 Vgl. Hedrick, Many Things (s. Anm. 30), 103. 36 Vgl. M.G. Steinhauser, Doppelbildworte in den synoptischen Evangelien. Eine formund traditionskritische Studie, FzB 44, Würzburg 1981. 37 Vgl. H. Weder, Die Gleichnisse Jesu als Metaphern. Traditions- und redaktionsgeschichtliche Analysen und Interpretationen, FRLANT 120, 4., durchg. Aufl., Göttingen 1990 (1. Aufl. 1978). 38 Weder, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 37), 97. 39 J. Liebenberg, The Language of the Kingdom and Jesus. Parable, Aphorism, and Metaphor in the Sayings Material Common to the Synoptic Tradition and the Gospel of Thomas, BZNW 102, Berlin / New York 2001. 40 Liebenberg, Language (s. Anm. 39), 165.
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die Parabeln einen Zugang zum historischen Jesus zu gewinnen, so darf seine späte Einsicht als Mahnung gelten, Chance und Grenzen der historischen Rückfragen auszuloten: „Historicity is always a valid question, and there are times when it is an absolutely crucial one. But notice how, in parables by or especially about Jesus, such questions about historical accuracy may be used and welcomed to avoid questions about parabolic challenge.“41
1.2. Literarische Annäherungen Einen zweiten Bereich der Gleichnisforschung kann man unter der Überschrift literarische Annäherungen zusammenfassen, die sich besonders im Zuge der sprachlichen Wendung (des linguistic turn) der Exegese etabliert haben. Nicht mehr die historische Entstehungssituation oder textliche Vorgeschichte, sondern die überlieferten Texte selbst rückten hier in den Mittelpunkt. Als hermeneutisches Prinzip gilt dabei: Man kann ein Gleichnis dann angemessen verstehen, wenn man seine sprachliche Gestalt versteht. Eine bahnbrechende Wirkung hatten hier Arbeiten, die unter dem Label „literary turn in parable studies“ zusammengefasst werden können; beispielhaft etwa die Studien von R.W. Funk und D.O. Via, die zugleich die zwei Hauptarbeitsfelder sprachlicher Verstehensraster markieren. Während Via in strukturalistischer Perspektive die Narrativität der Gleichnisse hervorhob, rückte Funk die Metaphorizität in den Mittelpunkt. Einen ersten Reflex auf die Literarästhetik der Gleichnisse stellt die Arbeit von Geraint V. Jones dar,42 die dann von Dan O. Via43 in bewusster Abkehr vom historischen Paradigma aufgenommen und wesentlich erweitert wurde. Nach Via sind Parabeln „genuine works of art, real aesthetic objects.“44 Entsprechend versucht er eine Methode der Interpretation zu entwickeln, die diesem ästhetischen Charakter gerecht wird.45 Als autonome Kunstwerke verweisen die Parabeln nicht auf etwas, das außerhalb von ihnen liegt, vielmehr seien Inhalt und Form zu einer organischen Einheit verschmolzen.46 Die Bedeutung der Gleichnisse komme in und durch die sprachliche Gestalt und nicht jenseits von ihr zum Ausdruck.47 Als Basisstrukturen differenziert 41
Vgl. Crossan, Parables (s. Anm. 8), 259. Vgl. G.V. Jones, The Art and Truth of the Parables, London 1964. 43 Vgl. D.O. Via, The Parables. Their Literary and Existential Dimension, Philadelphia 1967; maßgeblich für die weite Rezeption im deutschsprachigen Raum war zweifellos die frühe deutsche Übersetzung von E. Güttgemanns, vgl. D.O. Via, Die Gleichnisse Jesu. Ihre literarische und existentiale Dimension, BEvTh 57, München 1970. 44 Via, Parables (s. Anm. 43), ix. 45 Vgl. besonders das erste Kapitel in Via, Parables (s. Anm. 43), Part One: Methodological, 1–107. 46 Vgl. Via, Parables (s. Anm. 43), 96. 47 Via spricht entsprechend von „in-meaning“ und „through-meaning“ (79): „a work of 42
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Via „two basic kinds of plot movement (…) the comic and the tragic“48, die er mit einer dreigliedrigen Episodenfolge kombiniert (Tat – Krise – Auflösung bzw. Krise – Antwort – Auflösung). Die sprachliche Gestalt reflektiere ein bestimmtes Existenzverständnis des Menschen, das wiederum zeitübergreifend zur hermeneutischen Brücke zwischen Erzähler und gegenwärtigem Leser werden könne. Gleichnisse könnten deshalb aus ihrem historischen Entstehungskontext herausgelöst werden und entfalteten durch ihre sprachliche Gestalt die Wirkung ihrer Botschaft. Strukturalistisch-narrative bzw. semiotische Ansätze blieben dann im nächsten Jahrzehnt nicht nur innerhalb U.S.-amerikanischer Gleichnisforschung dominant und fanden in unterschiedlichen Aktivitäten ihren Niederschlag. Nennenswert ist etwa das „Parables Seminar“ als Arbeitsgruppe der „Society of Biblical Literature“ und die in Semeia dokumentierte Diskussion daraus.49 Unter dem Titel „Semiology and Parables“ wurden ferner die Beiträge einer Konferenz an der Vanderbilt University, Nashville / Tennessee im Jahr 197550 publiziert, die zeigen, dass die Parabeln als paradigmatisch für eine semiotische Hermeneutik der Bibel eingestuft werden. Eine Applikation der strukturalistisch-semiotischen Erzähltheorie von A.J. Greimas auf Gleichnistexte wurde auch in Frankreich von einer Arbeitsgruppe aus Exegeten durchgeführt, die sich nach ihrem Treffpunkt „Entrevernes Group“ genannt haben.51 Entsprechend dem leitenden Paradigma der strukturalistischen Semiotik werden hierbei Inhalt und Sprachform der Gleichnisse aufs engste verknüpft, allerdings wird die Dimension des Rezipienten (wie sie etwa in der dreistelligen Zeichendefinition von Peirce eine Rolle spielt) noch nicht gebührend herausgearbeitet. Für die deutsch-sprachige Exegese hat vor allem Erhart Güttgemanns den strukturalistischen Ansatz von Via aufgenommen und im Horizont der Erzähltheorie Propps sowie der „generativen Poetik“ weiterentwickelt.52 Eine zentrale Bedeutung kommt dabei der Analyse der Aktionsbereiche der einzelnen Erzählfiguren bzw. linguistisch gesprochen der „Aktanten“ zu. Für literary art means both in and through itself but (…) the inner, non referential meaning is dominant.“ Via, Parables (s. Anm. 43), 86. 48 Via, Parables (s. Anm. 43), 96. 49 Vgl. etwa Semeia 2 (1974), darin z.B. R.W. Funk, Structure in the Narrative Parables of Jesus, Semeia 2 (1974), 51–81. 50 D. Patte (Hg.), Semiology and Parables. Exploration of the Possibilities offered by Structuralism for Exegesis, Pittsburgh, PA 1976. 51 Vgl. Groupe d’Entrevernes, Signes et Paraboles. Sémiotique et texte évangélique, Paris 1977, engl. Übersetzung unter Entrevernes Group, Signs and parables. Semiotics and Gospel texts, With a Study by J. Geninasca; postface by A.J. Greimas, trans. by G. Phillips, Pittsburgh theological monograph series 23, Pittsburgh, PA 1978. 52 Vgl. insbesondere E. Güttgemanns, Die linguistisch-didaktische Methodik der Gleichnisse Jesu, in: ders., studia linguistica neotestamentica. Gesammelte Aufsätze zur linguistischen Grundlage einer Neutestamentlichen Theologie, BEvTh 60, München 1971, 99–183; Ders., Narrative Analyse synoptischer Texte, in: W. Harnisch (Hg.), Gleichnisforschung, WdF 575, Darmstadt 1982, 179–223 (zuerst LingBibl 25/26, 1973, 50–72).
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Wolfgang Harnisch ist die Figurenkonstellation in einer bestimmten Szenenfolge (idealtypisch in drei Akten) sogar konstitutiv für jedes Gleichnis,53 das er als „dramatische Gleichniserzählung“54 definiert. Aufgrund der reichen Verwendung von direkter Rede seien nach Harnisch die Gleichnisse „die Miniaturausgabe eines in Erzählung gefassten Bühnenstücks mit stilisiertem Handlungsgefüge und eigenwilliger Figurenanordnung.“55 An einzelnen Gleichnissen lassen sich sogar typisierbare Figurenkonstellationen (z.B. Dreierbeziehung) nachweisen,56 ferner dominiere das Stilgesetz des „Achtergewichts“, d. h. erst vom Ende her könne der Handlungsablauf durchsichtig werden. So sei der Hörer förmlich gehalten, „das Erzählte noch einmal vor sich abrollen zu lassen, um auf diese Weise zu entdecken, was sich ihm mit der Geschichte als ganzer zu verstehen gibt.“57 Neben der Narrativität wurde sprachwissenschaftlich vor allem die Metaphorizität der Parabeln neu gewürdigt. Hatte Jülicher und die ihm folgende Gleichnisforschung die Metapher als Baustein der Allegorie abgewertet, so konnten Robert W. Funk58 und später Norman Perrin59 – nicht zuletzt aufgrund eines veränderten Metaphernverständnisses – die Metaphorizität als Grundkategorie aller Gleichnisse erweisen und ihre kreativen Potenziale und Wirkungen mit Blick auf die Rezipienten herausarbeiten. Es war dann im europäischen Raum vor allem Paul Ricœur, der in Anknüpfung an I. Richards und M. Black die so genannte „Interaktionstheorie“ der Metapher für das Verständnis von Gleichnissen fruchtbar machte.60 Die Metapher sei hierbei nicht auf ein substituiertes Wort zu begrenzen, sondern immer auf ein Stück Text bezogen, innerhalb dessen eine Wechselwirkung zwischen zwei semantischen Bereichen erzeugt wird, die gewöhnlich nicht zusammen gehören, aber von einem Leser auf einer neuen Sinnebene verknüpft werden können. Dieses Metaphernverständnis implizierte, dass auch 53 W. Harnisch, Die Gleichniserzählungen Jesu. Eine hermeneutische Einführung, 4., grundlegend rev. Aufl., Göttingen 2001 (1985). 54 Harnisch, Gleichniserzählungen (s. Anm. 53), 71. 55 Vgl. Harnisch, Gleichniserzählungen (s. Anm. 53), 12. 56 Harnisch, Gleichniserzählungen (s. Anm. 53), 74–80. 57 Harnisch, Gleichniserzählungen (s. Anm. 53), 41. 58 Vgl. R.W. Funk, The Parable as Metaphor, in: ders., Language, Hermeneutic, and Word of God. The Problem of Language in the New Testament and Contemporary Theology, New York 1966, 124–222, hier: 133.137 (dt. Teil-Übersetzung in Ders., Das Gleichnis als Metapher, in: W. Harnisch [Hg.], Die Neutestamentliche Gleichnisforschung im Horizont von Hermeneutik und Literaturwissenschaft, WdF 575, Darmstadt 1982, 20–58); die Aufsätze von Funk sind jetzt in dem von B.B. Scott hg. Sammelband leicht zugänglich, vgl. R.W. Funk, Funk on Parables. Collected Essays, hg. mit einer Einleitung v. B.B. Scott, Santa Rosa, CA 2006. 59 N. Perrin, Jesus and the Language of the Kingdom. Symbol and Metaphor in New Testament Interpretation, Philadelphia 1976. 60 Vgl. hier vor allem P. Ricœur, Stellung und Funktion der Metapher in der biblischen Sprache, in: ders. / E. Jüngel [Hgg.], Metapher. Zur Hermeneutik religiöser Sprache, EvTh.S, München 1974, 45–70; später dann die umfassende Metapherntheorie Ricœurs in P. Ricœur, Die lebendige Metapher. Mit einem Vorwort zur deutschen Ausgabe, Übergänge 12, München 32004.
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längere Erzähltexte wie die Gleichnisse als ganze metaphorisch betrachtet werden konnten. Ferner übertrug Ricœur den sprachlichen und erkenntnistheoretischen Eigenwert der Metapher auf die Gleichnisse: Wie Metaphern unübersetzbar und schöpferisch seien, so gehe es auch in Gleichnissen nicht um Illustration, sondern um „Neueinführung von Sinn“, letztlich um „eine neue Vision der Wirklichkeit.“61 Indem die Gleichnisse sprachlich Neuland erschließen, erweiterten sie letztlich auch die Erkenntnis von Wirklichkeit, die im Horizont des Gleichnisses als Gotteswirklichkeit wahrgenommen und gedeutet werden könne. An ein solches Gleichnisverständnis knüpft unmittelbar Hans Weder an und konkretisiert die Sinnhorizonte theologisch, indem die „semantischen Neuerungen“ der metaphorischen Gleichnisse nicht nur die damit beschriebene Wirklichkeit neu beschreiben, sondern mit Gott zusammen gedacht werden. „Jesus geht es darum, den Menschen und die Welt im Horizonte Gottes zu verstehen, nicht darum, Gott zu einer Funktion menschlicher Existenz zu machen.“62 Im Gleichnis werde dem Hörer „die Basileia und damit Gott selbst so verständlich, dass er zugleich sich selbst anders, dh angemessener verstehen lernt.“ Die Gleichnisse erlaubten es auf diese Weise nicht nur von Gott zu reden mit Bildern der Welt, sie schaffen sogar mit der Welt und in der Welt Raum für Gott. Obgleich die metapherntheoretischen und narrativen Ansätze in fast allen nachfolgenden Gleichniswerken eine Rolle spielen, kann man doch auch Arbeiten benennen, die einzelne Aspekte vertieften oder explizit eine Synthese beider Aspekte leisteten, wobei die Akzente unterschiedlich gesetzt werden können, indem etwa zwischen der „metaphorischen Erzählung“63, bei der die Erzählung als ganze Träger des metaphorischen Prozesses ist, und der „erzählten Metapher“64 unterschieden wurde. Letzterer Ansatz wurde von Bernhard Heininger in seiner Arbeit zu den luk. Sondergutgleichnissen ausgeführt. Der Kern eines jeden Gleichnisses sei „die metaphorische, d.h. spannungsvolle Koppelung zweier semantischer Konzepte (…), aus deren Wechselspiel oder Interanimation (Soskice) eine Erzählung entsteht, wobei es von Vorteil ist, wenn der Erzähler auf ein ausgeprägtes Bildfeld zurückgreifen kann.“65 Entsprechend spielt die Analyse zu Grunde liegender Bildfelder für die Gleichnisinterpretation bei Heininger eine zentrale Rolle.66 Im Blick auf 61
Ricœur, Stellung und Funktion (s. Anm. 60), 49. Vgl. Weder, Die Gleichnisse Jesu (s. Anm. 37), 68 f. (ebenso das folgende Zitat). Weders Versuch, die metapherntheoretische Auslegung mit der redaktions- und traditionsgeschichtlichen Methodik zusammen zu bringen, kann hier nicht eigens diskutiert werden, zeigt aber einmal mehr die idealisierte Heuristik der hier vollzogenen Gliederung. 63 So Harnisch, Gleichniserzählungen (s. Anm. 53). 64 Vgl. dazu B. Heininger, Metaphorik, Erzählstruktur und szenisch-dramatische Gestaltung in den Sondergutgleichnissen bei Lukas, NTA.NF 24, Münster 1991. 65 Heininger, Metaphorik (s. Anm. 64). 27. 66 Vgl. die Beispielexegesen Heininger, Metaphorik (s. Anm. 64), 83–218. 62
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die Narrativität der Texte war es ein besonderes Verdienst der Arbeit von Heininger, die Bedeutung des Monologs im Horizont anderer antiker Texte (Roman, Komödie) herausgearbeitet zu haben.67 Eine unmittelbare Weiterführung des Ansatzes von Ricœur stellt die umfangreiche Dissertation von Herman-Josef Meurer dar.68 Meurer rezipiert ausführlich die Ansätze der strukturalistischen Gleichnisforschung (unter Bezugnahme auf Propp und Greimas) und verknüpft sie mit Ricœurs Metaphern- und Symboltheorie. In Anknüpfung an die Dialektik von „Erklären“ und „Verstehen“ kommt für Meurer der hermeneutische Prozess dann zum Ziel, wenn es gelingt, dass „der Mensch in der Nachfolge Jesu die in seinem Gleichniswort vermittelten Entwürfe heilvoll gelingenden Lebens in seiner konkreten geschichtlichen Existenz realisiert.“69 Die Metapher wird somit nicht nur zum Erklärungsmodell der Gleichnisse, sondern zu einem neuen „Offenbarungsentwurf“, der die Vermittlung biblisch-christlicher Heilswahrheiten ermöglicht. In eine andere Richtung weisen Arbeiten, die weniger Elemente der sprachlichen Mikro-Struktur als vielmehr die Makro-Struktur des Textes in formkritischer Perspektive in den Blick nahmen, also die Gattung des Gleichnisses in den Mittelpunkt rückten. Obgleich die Gattungsdifferenzierung von Adolf Jülicher in „Gleichnis im engeren Sinn“, „Parabel“ und „Beispielerzählung“ die Gleichnisforschung besonders im deutschsprachigen Raum nachhaltig bestimmt hat, wurden immer wieder auch die formgeschichtlichen Weichenstellungen Jülichers kritisiert und in unterschiedlicher Richtung weiterentwickelt oder ersetzt. Ein früher Kritiker des Ansatzes war Paul Fiebig, der gegen die von Jülicher postulierte Sonderstellung der neutestamentlichen Gleichnisgattung protestiert hatte und dagegen den engen Bezug zu den jüdisch-rabbinischen Meschalim betont hat.70 Erst im Zuge des wiedererwachten Interesses an der jüdischen Prägung des frühen Christentums wurde dieser Aspekt aufgegriffen und zwar sowohl von jüdischer wie auch von christlicher Seite, wie an den Arbeiten von David Flusser oder Peter Dschulnigg gesehen werden 67 Heininger, Metaphorik (s. Anm. 64), 32–77; vgl. dazu in ähnlicher – und nach Angaben des Autors – unabhängiger Weise: Ph. Sellew, Interior Monologue as a Narrative Device in the Parables of Luke, JBL 111 (1992), 239–253. 68 H.-J. Meurer, Die Gleichnisse Jesu als Metaphern. Paul Ricœurs Hermeneutik der Gleichniserzählungen Jesu im Horizont des Symbols „Gottesherrschaft / Reich Gottes“, BBB 111, Bodenheim 1997. 69 Meurer, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 68), 735. 70 Vgl. P. Fiebig, Die Chronologie der jüdischen Gleichnisse und die Originalität der Gleichnisse Jesu, in: ders., Altjüdische Gleichnisse und die Gleichnisse Jesu, Tübingen 1904, 107–163 (wieder in: W. Harnisch [Hg.], Gleichnisse Jesu, WdF 366, Darmstadt 1982, 20–57); Ders., Die Gleichnisreden Jesu im Lichte der rabbinischen Gleichnisse des neutestamentlichen Zeitalters. Ein Beitrag zum Streit um die ‚Christusmythe‘ und eine Widerlegung der Gleichnistheorie Jülichers, Tübingen 1912; vgl. ferner W.O.E. Oesterley, Die Gleichnisse der Evangelien im Lichte ihres jüdischen Hintergrundes (1936), in: W. Harnisch (Hg.), Gleichnisse Jesu (a.a.O.), 137–153.
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kann.71 War die frühere Forschung überwiegend von der diachronen Frage einer Entwicklung oder gar Abhängigkeit zwischen rabbinischen und frühchristlichen Gleichnissen bestimmt, hat sich neuerdings auch aufgrund einer differenzierten Einschätzung des rabbinischen Gleichnismaterials72 die Diskussion auf den synchronen Vergleich sprachlicher Strukturen, Motive und Bildfelder konzentriert, wie die Arbeiten von Brad H. Young oder Frank Stern zeigen.73 Ebenfalls formkritisch und zugleich religionsgeschichtlich sind Verstehensmodelle, durch die die Gleichnisse des Neuen Testaments in den Horizont der griechisch-römischen Literaturgeschichte und antiken Rhetorik eingeordnet werden sollten. Die formal-sprachlichen Parallelen zwischen den Parabeln in griechischrömischen Texten und neutestamentlichen Parabeln, die bei Jülicher nur angedeutet waren,74 wurden vor allem von Klaus Berger und Detlev Dormeyer herausgearbeitet.75 Mit Verweis auf die antiken Rhetoren wie Aristoteles und Quintilian76 wurde hierbei die rhetorisch-argumentative Dimension 71 D. Flusser, Die rabbinischen Gleichnisse und der Gleichniserzähler Jesus I: Das Wesen der Gleichnisse, JudChr 4, Bern u.a. 1981; P. Dschulnigg, Rabbinische Gleichnisse und das Neue Testament. Die Gleichnisse der PesK im Vergleich mit den Gleichnissen Jesu und dem Neuen Testament, JudChr 12, Bern u.a. 1988, 16 ff. 72 Die meisten rabbinischen Gleichnisse sind in ihrer redaktionellen schriftlichen Überlieferung kaum vor das 3./4. Jh. n. Chr. zu datieren (etwa die Pesiqta de Rav Kahana im 5. Jh. n. Chr.). Auch wenn einzelne Texte in ihrer literarischen Rohform in die vorrabbinische Zeit (PesK 11,3) oder in das 2. Jh. (PesK 1,3) zurückzuverfolgen sind (dazu C. Thoma / S. Lauer, Die Gleichnisse der Rabbinen I: Pesiqta de Rav Kahana, Einleitung, Übersetzung, Parallelen, Kommentar, Texte, JudChr 10, Bern u.a. 1986, 63 f.), kann damit kaum eine Basis für überlieferungsgeschichtliche Hypothesen gewonnen werden. Der Begriff maschal wird in der Mischna etwa nur dreimal gebraucht (mSuk 2,9; mNid 2,5; 5,7); vgl. dazu J. Neusner, The Parable (Mashal), in: ders., Ancient Israel, Judaism, and Christianity in Contemporary Perspective (FS K.-J. Illman), Lanham, MD 2006, 259–283, hier 260 f. 73 B.H. Young, Jesus and his Jewish Parables. Rediscovering the roots of Jesus’ Teaching, Mahwah, NJ 1989; Ders., The Parables. Jewish Tradition and Christian Interpretation, Peabody, MA 1998; F. Stern, A Rabbi Looks at Jesus’ Parables, Lanham, MD 2006; vgl. dazu auch den Beitrag von C. Hezser (in diesem Band). Eher eine Textsammlung von rabb. Gleichnissen stellt der Band von McArthur und R.M. Johnston dar, vgl. H. K. McArthur / R. M. Johnston, They also Taught in Parables. Rabbinic Parables from the First Centuries of the Christian Era, Grand Rapids 21990. 74 Jülicher, Gleichnisreden (s. Anm. 6), I, 69 ff., dazu S. Alkier, Die „Gleichnisreden Jesu“ als „Meisterwerke volkstümlicher Beredtsamkeit“. Zur Aristoteles-Rezeption Adolf Jülichers in seiner Arbeit „Die Gleichnisreden Jesu“, in: U. Mell (Hg.), Die Gleichnisreden Jesu (1899– 1999), BZNW 103, Berlin / New York 1999, 39–74, hier: 41–47. 75 K. Berger, Materialien zu Form und Überlieferungsgeschichte neutestamentlicher Gleichnisse, NT 15 (1973), 1–37, hier: 25–33; ders., Hellenistische Gattungen im Neuen Testament, ANRW II 25,2 (1984), 1031–1432, hier: 1110–1124 (eine religionsgeschichtliche und populärwissenschaftliche Ausweitung unter Einbeziehung von Gleichnissen aus allen Weltreligionen dann bei K. Berger, Gleichnisse des Lebens aus den Religionen der Welt, Frankfurt a. M. / Leipzig 2002); ferner D. Dormeyer, Das Neue Testament im Rahmen der antiken Literaturgeschichte, Darmstadt 1993, 140–158. 76 E. Rau, Reden in Vollmacht. Hintergrund, Form und Anliegen der Gleichnisse Jesu, FRLANT 149, Göttingen 1990, 18–107. Unter der Hauptkategorie des Beispiels ( )
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der Gleichnisse betont. Eckhard Rau hat insbesondere durch Rückgriff auf Quintilian die Hypothese vertreten, „dass die hellenistisch-römische Rhetorik über den Einfluß auf den jüdischen Schulbetrieb indirekt auch Einfluß auf den Ort gewonnen haben kann, an dem die Gleichnisse entstanden sind.“77 Dass eine einfache Übertragung der Differenzierungen der Antiken Rhetorik auf das Neue Testament oder gar die Belegung einer Untergattung „Beispielerzählung“ nicht möglich ist, hat umfassend Jeffrey T. Tucker nachgewiesen, der zu folgendem Ergebnis kommt:78 „The Beispielerzählungen cannot be distinguished as a unique group of on the basis of form.“79 Auch die von Jülicher ausgegrenzte Figur der ‚Allegorie‘ gelangte insbesondere durch Hans-Josef Klauck80 zu einer Neubewertung, indem er sie als literarisches Gestaltungsmittel definierte: Allegorie ist „eine rhetorische und poetische Verfahrensweise, die zu den wenigen grundlegenden Modi zählt, die bei der Textproduktion angewandt werden können. Sie konstituiert selbst keine Gattung, sondern geht mit den verschiedensten Gattungen, nicht zuletzt mit parabolischen Kleinformen wie Gleichnis und Fabel, eine mehr oder minder enge Verbindung ein. Ihr Effekt besteht darin, daß sie den Texten eine symbolische Dimension verleiht.“81
Die Allegorie wurde somit nicht mehr als eigene Gattung, sondern als ein hermeneutisches Verfahren betrachtet, das sowohl bei der Produktion als auch Rezeption unterschiedlicher Texte wie z.B. der Gleichnisse Anwendung findet. Michael Wolter hat diese poetisch-kreative Form der Verbildlichung später zugespitzt als Charakteristikum des Gleichnisses selbst betrachtet und damit sogar die Gattung ‚Gleichnis‘ in entsprechender Weise in ein Gestaltungs- oder Lektüreverfahren aufgelöst.82 Obgleich die von Klauck vollzogene Begriffsdifferenzierung zwischen Allegorie, Allegorese und Allegorisierung83 vielfach aufgegriffen wurde, blieb der Allegorie-Begriff selbst innerhalb der deutsch-sprachigen Gleichnisforhatten sowohl Aristoteles im zweiten Buch seiner Rhetorik (Arist. rhet. 1393a, 28–31) als auch Quintilian im 11. Kapitel des 5. Buches seiner »Institutio Oratoria« (Quint. inst.) die als eines der Gestaltungs- und Überzeugungsmittel der Rede angeführt. Vgl. dazu meinen Beitrag R. Zimmermann, Parables and Ancient Rhetoric (in diesem Band). 77 Rau, Reden in Vollmacht (s. Anm. 76), 17. 78 Vgl. J.T. Tucker, Example stories. Perspectives on Four Parables in the Gospel of Luke, JSNT.S 162, Sheffield 1998. 79 Tucker, Example stories (s. Anm. 78), 399. 80 H.-J. Klauck, Allegorie und Allegorese in synoptischen Gleichnistexten, NTA.NF 13, Münster 21986 (1978). 81 Klauck, Allegorie und Allegorese (s. Anm. 80), 354. 82 Vgl. M. Wolter, Interaktive Erzählungen. Wie aus Geschichten Gleichnisse werden und was Jesu Gleichnisse mit ihren Hörern machen, GlLern 13 (1998), 120–134. 83 Allegorie wird als poetische Verfahrensweise zur Verbildlichung nicht-sinnlicher Inhalte verstanden; Allegorese als allegorische Re-Lektüre eines Textes, der ursprünglich keine allegorischen Elemente aufwies; Allegorisierung schließlich als Anreicherung eines Textes im Prozess der Überlieferung mit allegorischen Elementen, wobei der Text von Anfang an allegorische Elemente beinhaltete, vgl. Klauck, Allegorie und Allegorese (s. Anm. 80), 190.354 ff.
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schung weitgehend tabuisiert.84 Im anglo-amerikanischen Raum hatte man hingegen die Allegorie wieder unbefangener als Deutungsschlüssel der neutestamentlichen Parabeln herangezogen,85 in der Arbeit von Craig L. Blomberg wurde sie sogar zur zentralen Form erklärt und für eine theologische Interpretation der Gleichnisse ausgewertet.86 Erst in jüngster Zeit hat sich Renate Banschbach Eggen87 auf deutschsprachiger Seite wieder mit dem Thema beschäftigt und kommt anhand eines forschungsgeschichtlichen Vergleichs von Auslegungen zu Lk 15,4–7; Mt 16,1–16; Lk 16,1–7; Mk 4,26–29 zu dem Schluss, dass die konkreten Auslegungen gerade das praktizieren, was Jülicher als „allegorisierend“ bezeichnet hatte. Vorwissen, die Vorentscheidungen und die Vorstellungen der Exegeten fließen in hohem Maße in die jeweiligen Interpretationen mit ein. Banschbach Eggen fordert entsprechend, dass die Vorgaben des Bildtextes konsequent bei der Gleichnisauslegung berücksichtigt werden sollten (Erzählkonstellation, inhaltlicher Schwerpunkt), plädiert aber letztlich dennoch dafür, den durch Jülicher negativ konnotierten Allegorie-Begriff zugunsten eines differenzierten Metaphernbegriffs aus der Gleichnisforschung zu entfernen. Wie bereits A. Jülicher in der Näherbestimmung seiner Untergattung der „Parabel“ auf die Fabeln des Stesichoros und des Aesop als Gattungsparallele zu den neutestamentlichen Parabeln verwiesen hat,88 so wurden später auch von Wolfgang Harnisch89, Mary Ann Beavis90 und François Vouga entsprechenden Bezüge postuliert. Vouga sah in den Fabeln das antike Äquivalent zur Parabel. „Die Parabel ist keine (Gleichnis), obwohl die beiden Formen der Parabel und des Gleichnisses zu der Klasse der erfundenen und fiktionalen Beispiele ( ) gehören. Das griechische Äquivalent für Parabel / Fabel ist (= „Logos“) oder (Mythos),
84 Eine Ausnahme stellt der Aufsatz von G. Sellin, Allegorie und „Gleichnis“. Zur Formenlehre der synoptischen Gleichnisse, ZThK 75 (1978), 281–335 (wieder in: W. Harnisch [Hg.], Die neutestamentliche Gleichnisforschung im Horizont von Hermeneutik und Literaturwissenschaft, WdF 575, Darmstadt 1982, 367–429) dar. 85 Crossan, Parables (s. Anm. 8), 8–10; M. Boucher, The Mysterious Parable. A Literary Study, CBQ.S 6, Washington 1977; J.W. Sider, Proportional Analogy in the Gospel Parables, NTS 31 (1985), 1–23; J. Drury, The Parables in the Gospels. History and Allegory, New York 1989 (1. Aufl. 1985). 86 Einzelheiten zu diesem Ansatz siehe unten unter 1.3. 87 Vgl. R. Banschbach Eggen, Gleichnis, Allegorie, Metapher. Zur Theorie und Praxis der Gleichnisauslegung, TANZ 47, Tübingen 2007. 88 Jülicher, Gleichnisreden (s. Anm. 6), I, 98.100: Jülicher spricht von einer „Gleichsetzung der erzählenden Jesu mit den Fabeln“. Vgl. die gesamte Diskussion, Jülicher, a.a.O., I, 94–101. Jülicher ist nur aufgrund des komischen Tons der Fabeln zurückhaltend bezüglich der Übertragung des Fabel-Begriffs auf die erzählenden Gleichnisse Jesu und plädiert deshalb abschließend für den „Parabel“-Begriff. 89 Vgl. Harnisch, Gleichniserzählungen (s. Anm. 53), 97–105. 90 M.A. Beavis, Parable and Fable, CBQ 52 (1990), 473–498.
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das lateinische fabula.“91 Während für Jülicher gerade der komische Ton der antiken Fabeln bei Jesus fehle, sieht Vouga darin sogar ein Charakteristikum der Jesusfabeln.92 Weniger die Gattung als die Einbettung in den näheren sprachlichen Kontext, d. h. vor allem in die Evangelientexte, spielte bei redaktionskritischen Arbeiten eine zentrale Rolle. Dass das Verstehen der Gleichnisse nur durch Wahrnehmung des Kontextes der Makroerzählung möglich sei, hatte in den 70er Jahren bereits Gerhard Sellin93 am Beispiel des Lukasevangeliums herausgearbeitet. Immer wieder wurden Arbeiten zum Gleichnisverständnis einzelner Evangelien angeschlossen, was hier am Matthäusevangelium expliziert sei: So hatte Jack Dean Kingsbury angenommen, dass Jesus mit den Gleichnissen von Mt 13 auf die Ablehnung seiner Verkündigung durch die Juden reagiert, indem Offenbarung an sie nur noch in Gleichnissen, und das heißt in für sie unverständlicher Form geschieht. M.D. Goulder hatte hingegen die These vertreten, dass die mt Gleichnisse eine „midrashic expansion of Mark“ seien.94 John Drury hatte die mt Gleichnisse als „allegorical historical parables“ verstanden,95 während Ivor Harold Jones die Gleich-
91 F. Vouga, Die Parabeln Jesu und die Fabeln Äsops. Ein Beitrag zur Gleichnisforschung und zur Problematik der Literalisierung der Erzählungen der Jesus-Tradition, WuD 26 (2001), 149–164; ferner Ders., Jesus als Erzähler. Überlegungen zu den Gleichnissen, WuD 19 (1987), 63–85; Ders., Formgeschichtliche Überlegungen zu den Gleichnissen und zu den Fabeln der Jesus-Tradition auf dem Hintergrund der hellenistischen Literaturgeschichte, in: F. van Segbroeck u.a. (Hgg.), The Four Gospels (FS F. Neirynck) III, BEThL 100, Leuven 1992, 173–187; Ders., Zur form- und redaktionsgeschichtlichen Definition der Gattungen: Gleichnis, Parabel / Fabel, Beispielerzählung, in: U. Mell (Hg.), Die Gleichnisreden Jesu (1899–1999), BZNW 103, Berlin / New York 1999, 75–95. 92 Vgl. Vouga, Zur Definition der Gattungen (s. Anm. 91), 77: „Die äsopischen Fabeln sind lehrhafte und moralische Geschichten. Die Erzählungen der Jesustradition enthalten dagegen einen komischen Dreh, durch den sie eher zur Tragi-Komödie gehören.“ Dagegen Jülicher, Gleichnisreden (s. Anm. 6), I, 101. 93 Vgl. G. Sellin, Studien zu den großen Gleichniserzählungen des Lukas-Sonderguts. Die - -Erzählungen des Lukas-Sonderguts – besonders am Beispiel von Lk 10,25–37 und 16,14–31 untersucht, Diss. Masch., Münster 1973; ders., Lukas als Gleichniserzähler: Die Erzählung vom barmherzigen Samariter, ZNW 65 (1974), 166–189/ZNW 66 (1975), 19–60; vgl. später allgemein auch B. Gerhardsson, If we Do Not Cut the Parables Out of Their Frames, NTS 37 (1991), 321–335. 94 J.D. Kingsbury, The Parables of Jesus in Matthew 13. A Study in Redaction-Criticism, London 1969, 31: „On the basis of these facts, we may now define the function Matthew assigns the word in chapter 13: Matthew uses the word and therefore the parable chapter as a great ‚turning-point‘ in his Gospel, and this turning-point may be described as follows: Jesus has come to the Jews preaching and teaching (4.17,23; 9,35; 11,1) but was rejected by them; in reaction to this, Jesus addresses an apology to the Jews, yet speaks to them, not openly, but in parables, i.e. incomprehensible forms of speech, and so fashions a discourse that in form and content (a ‚parable-apology‘) reveals that the Jews are no longer the privileged people to whom God imparts his revelation, but instead stand under judgement for having spurned their Messiah.“ Ferner M.D. Goulder, Midrash and Lection in Matthew. Speaker’s Lectures in Biblical Studies 1969–1971, London 1974. 95 Drury, Parables in the Gospels (s. Anm. 85).
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nisse als Teilaspekt der Gattungsfrage der Gesamtschrift abhandelt.96 Die posthum herausgegebene Arbeit von Jürgen Roloff unter dem Titel „Jesu Gleichnisse im Matthäusevangelium“97 ist eine Kommentierung der mt Gleichnisrede, die als Teil einer Gesamtkommentierung vorgesehen war. Besondere Beachtung verdient die Arbeit von Christian Münch, der die Tätigkeit des Matthäus als Gleichnisrezipient und -erzähler zu erfassen und damit exemplarisch das Gleichnisverständnis eines synoptischen Evangelisten zu erheben versuchte. Die Gattung Gleichnis sollte hier dezidiert vom Evangelium, nicht vom historischen Jesus her, verstanden werden, ohne dass die diachrone Fragestellung prinzipiell abgelehnt würde. Münch analysierte nach den Verfahren der Erzähltextanalyse bzw. des narrative criticism den Rahmen der Gleichnisse, Gleichniseinleitungen und Schlüsse sowie die erzählerischen Mittel im Gleichnis. Vor dem Hintergrund dieser kontextuellen Verarbeitung konnte er nicht nur ein Gattungsbewusstsein des Evangelisten herausarbeiten, sondern auch zeigen, dass die „Parabeltheorie“ bei Matthäus ein spezifisches Gepräge erkennen lässt.98
1.3. Rezeptionsästhetische und theologisch-hermeneutische Annäherungen Entsprechend der dritten Dimension des Verstehensvorgangs möchte ich zuletzt rezeptionsästhetische bzw. leserorientierte Zugänge eigens benennen. Die Ausrichtung auf den Leser war zwar in ethischer oder existenzialer Weise immer wieder benannt worden. Die hermeneutischen Ansätze von Ernst Fuchs und die These der „Verschränkung“ zwischen dem Urteil des Erzählers und der Hörenden seiner Schülerin Eta Linnemann99 oder die Einbeziehung des Hörers in die Struktur des Textes bei Georg Eichholz100 gingen weit über die primär historisch ausgerichtete Forschung ihrer Zeit hinaus. Dass die Rezipienten aber nicht nur Adressaten, sondern regelrecht
96 I.H. Jones, The Matthean Parables. A Literary and Historical Commentary, NT.S 80, Leiden / New York / Köln 1995. 97 J. Roloff, Jesu Gleichnisse im Matthäusevangelium. Ein Kommentar zu Mt 13,1–52, hg. v. H. Kreller und R. Oechslen, BThS 73, Neukirchen-Vluyn 2005. 98 Vgl. Einzelheiten bei Chr. Münch, Die Gleichnisse Jesu im Matthäusevangelium. Eine Studie zu ihrer Form und Funktion, WMANT 104, Neukirchen-Vluyn 2004, zum Rahmen der Gleichnisse (61–72), Gleichniseinleitungen (129–160), erzählerische Mittel im Gleichnis (161–248) sowie Gleichnisschlüsse (249–290). 99 Vgl. E. Fuchs, Gleichnis und Parabel, in: ders., Hermeneutik, Bad Cannstadt 1958, 219–230. Vgl. Linnemann, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 17), 35. 100 Vgl. G. Eichholz, Gleichnisse der Evangelien. Form, Überlieferung, Auslegung, Neukirchen-Vluyn 4. Aufl. 1984 (1971). Eichholz betont „… wie sehr das Gleichnis den Hörer ,bedenkt‘, wie sehr es gerade ihm gilt, wie sehr es für ihn ,inszeniert‘ ist. Der Hörer gehört zum Gleichnis so zwingend hinzu, daß man sagen kann, er gehört zur Struktur des Gleichnisses.“ (a.a.O., 38; zum ganzen 17–38).
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Teilnehmer der Gleichniserzählung seien, wurde erst seit den 70er Jahren intensiver bedacht. Besonders Eberhard Jüngel und Paul Ricœur101 hatten den Ereignischarakter der Gleichnisrede herausgearbeitet: „Die Gleichnisse Jesu sind Sprachereignisse, in denen das, was in ihnen zur Sprache gekommen ist, ganz da ist, indem es als Gleichnis da ist.“102 Die in der metaphorischen Grundstruktur aufgebaute Spannung dränge den Leser dazu, sie durch eine neue Sinnkonstitution zu lösen. Die Botschaft der Gleichnisrede Jesu erschließe und stifte im Akt der Rezeption somit einen neuen, aus der Wirklichkeit nicht ableitbaren Seinszusammenhang. Wenn die Macht des Möglichen, die alles Wirkliche zu verwandeln vermag, auf diese Weise in Erscheinung tritt, werde der eschatologische Charakter der Gleichnisverkündigung Jesu umgesetzt. Ein solcher kerygmatischer Appellcharakter des Gleichnisses könne somit als eine die Dissonanz der eigenen Existenz lösende Anrede verstanden werden.103 Der Hörer wird dabei zu einer Einsicht angestiftet, die Gott als Macht der Liebe am Werk sieht,104 mit anderen Worten: Er weiß sich zum Glauben angestiftet. Diese hermeneutisch-theologische Deutung der Gleichnisse basiert auf unterschiedlichen Prämissen: Zunächst auf der christologischen Identifikation des Gleichniserzählers mit dem Inhalt seiner Botschaft. Der Gleichniserzähler sei selbst das „Gleichnis Gottes“105. Dies werde vor allem durch die narrative Einbettung der Gleichnisse in die Evangelien sichtbar. Die Gleichnisse erscheinen hierbei nicht nur „als in einen Text eingefügte Zitate“106, vielmehr sei der Gleichniserzähler hier auch der als „Held“ eingeführte „erzählte Erzähler“. Nach Ricœur gestattet gerade diese Verbindung zwischen dem Helden des erzählten Evangeliums und dem Sprecher des Gleichnisses die christologische Interpretation der Gleichnisse in ihrer seinserschließenden Kraft.107 Schließlich sei die Einbettung in einen 101 Vgl. besonders P. Ricœur / E. Jüngel (Hgg.), Metapher. Zur Hermeneutik religiöser Sprache, EvTh.S, München 1974; darin: P. Ricœur, Philosophische und theologische Hermeneutik, 24–45, und Ders., Stellung und Funktion der Metapher in der biblischen Sprache (s. Anm. 59), 45–70; ferner Ders., Biblical Hermeneutics, Semeia 4 (1975), 29–145 (= Biblische Hermeneutik, in: W. Harnisch [Hg.], Die Neutestamentliche Gleichnisforschung im Horizont von Hermeneutik und Literaturwissenschaft, WdF 575, Darmstadt 1982, 248–339). 102 E. Jüngel, Paulus und Jesus. Eine Untersuchung zur Präzisierung der Frage nach dem Ursprung der Christologie, HUTh 2, Tübingen 61986, 138 (kursiv im Original). 103 So das treffliche Referat von Jüngel durch Harnisch, Gleichniserzählungen (s. Anm. 53), 312. 104 Vgl. E. Jüngel, Paulus und Jesus (s. Anm. 102), 196: „Die Macht der Gottesherrschaft wird in der Verkündigung Jesu als die Macht der Liebe konkret.“ 105 Vgl. E. Jüngel, Gott als Geheimnis der Welt. Zur Begründung der Theologie des Gekreuzigten im Streit zwischen Theismus und Atheismus, Tübingen 72001, 470 ff., insb. 491.495. Vgl. auch E. Jüngel, Die Problematik der Gleichnisrede, in: W. Harnisch (Hg.), Gleichnisse Jesu. Positionen der Auslegung von Adolf Jülicher bis zur Formgeschichte, WdF 366, Darmstadt 1982, 281–342. 106 Ricœur, Biblische Hermeneutik (s. Anm. 101), 314. 107 Ricœur, Biblische Hermeneutik (s. Anm. 101), 314 f.
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umfassenderen Kanon der Jesus-Gleichnisse maßgeblich für die Sinnkonstitution: Gleichnisse geben „nur dann einen Sinn ab (…), wenn man sie zusammennimmt. Das isolierte Gleichnis ist ein Kunstprodukt der historischkritischen Methode. Gleichnisse bilden eine Sammlung, ein ‚Korpus‘, das erst in seiner Ganzheit umfassende Bedeutung gewinnt.“108 Die Leser(innen)orientierung im Gleichnisverstehen, die von Ricœur und Jüngel sprachphilosophisch bzw. existentialphilosophisch formuliert wurde, konnte auch durch Anleihen anderer wissenschaftlicher Disziplinen gewinnbringend beschrieben und präzisiert werden: Eine besondere Bedeutung kam hierbei den Kommunikationstheorien zu, die in unterschiedlicher Weise auf die Gleichnisse Jesu appliziert wurden. So griff Tulio Aurelio109 die Sprechakttheorie von Austin und Searl auf, und betrachtete Gleichnisse als „exercitive Sprechakte“, die nicht nur über einen Sachverhalt reden, sondern ihn unmittelbar umsetzen. Das Reich Gottes sollte in den Gleichnissen nicht nur benannt und argumentativ begründet werden, sondern im Akt der Rezeption als wirklich sichtbar und wirksam werden.110 Die evokative Sprache der Gleichnisse führe somit zu einem persönlichen Angesprochensein (commitment) zu einer ganzheitlichen Einsicht, was Aurelio an der disclosure-Theorie von I.T. Ramsey weiter expliziert.111 Als Basis dieser Erschließungssituationen könne die „Urdisclosure“ Jesu betrachtet werden, zu der die Einzelakte des Hörens wiederum christologisch zurückführen: „Verstehen will (…) mehr besagen als ‚einsehen‘. ‚Verstehen‘ heißt zur disclosure kommen, also einsehen und sich engagieren. Dadurch partizipiert der Hörer an der disclosure Jesu und tritt in eine positive Beziehung mit ihm. Die positive Beziehung mit Jesus kann man ‚Nachfolge‘ Jesu nennen oder ‚Jüngerschaft‘, oder ‚Glaube‘ oder endlich ‚Gemeinschaft‘ mit Jesus.“112
Das Ziel des Gleichnisverstehens sei dann nichts Geringeres, als in Beziehung bzw. Glauben zu Jesus zu treten. Auch für Hubert Frankemölle113 und dann besonders Edmund Arens114 sind Gleichnisse Sprachhandlungen, die durch drei Elemente charakterisiert sind: „Sie sind Handlungen eines Sprechers in Bezug auf seine Hörer mit-
108
Ricœur, Biblische Hermeneutik (s. Anm. 101), 310. Vgl. T. Aurelio, Disclosure in den Gleichnissen Jesu, RSTh 8, Regensburg 1977. 110 Aurelio, Disclosure (s. Anm. 109), 106. 111 Vgl. Aurelio, Disclosure (s. Anm. 109), 32. 112 Aurelio, Disclosure (s. Anm. 109), 137. 113 H. Frankemölle, Kommunikatives Handeln in Gleichnissen Jesu. Historisch-kritische und pragmatische Exegese Eine kritische Sichtung, in: ders., Biblische Handlungsanweisungen, Mainz 1983, 19–49. 114 E. Arens, Kommunikative Handlungen. Die paradigmatische Bedeutung der Gleichnisse Jesu für eine Handlungstheorie, Düsseldorf 1982; ders., Metaphorische Erzählungen und kommunikative Handlungen Jesu. Zum Ansatz einer Gleichnistheorie, BZ 32 (1988), 52–71. 109
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tels Texten, die zugleich eine Sache thematisieren.“115 Die Gleichnisse Jesu werden somit in konkreten Kommunikationssituationen verortet (z.B. Jesus mit pharisäischen Opponenten), in denen Jesus die „Wirklichkeit Gottes und seine Basileia“ mittels indirekter und praktischer Rede thematisiert. „Als fiktional-metaphorische Texte durchbrechen sie die Alltagswirklichkeit, d.h. die bestehende und sanktionierte gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit, auf die sie treffen, und schaffen in sich imaginativ eine neue Wirklichkeit, die die Hörer zur Partizipation einlädt und herausfordert.“116
Den kommunikativen Aspekt der Gleichnisse hat auf andere Weise Christoph Kähler vertieft, indem er ihnen verändernde und sogar therapeutische Wirkung zuschreibt und sie als „Phänomene heilender Rede“117 klassifiziert. „Gleichnisse wie Metaphern verdichten in unersetzlicher Weise Aussagen über das, was der Fall ist. Damit übernehmen sie kognitive Funktionen (34). Zugleich entsprechen sie offenbar dem Spieltrieb und dem ästhetischen Vergnügen, indem sie mit der in den Zwängen der Begriffssprache fixierten Welt in ungewohnter Weise umgehen (…). Sie stellen damit offensichtlich eine kreative Form des Protestes gegen Sprachlosigkeit und zweideutiges Schweigen dar. Zugleich stiften sie für die Sprachgemeinschaft Identität in einer angstauslösenden ungedeuteten bzw. undeutbaren Welt“118 (35).
Die Erschließungs- und Veränderungsprozesse bei dem Rezipienten bzw. der Rezipientin werden aber nicht nur durch die Ästhetik im Sinne der Schönheit dieser Texte hervorgerufen, sondern vielfach auch durch ihre Sperrigkeit und Widerständigkeit. So hatte John Dominic Crossan in seinem zweiten Gleichnisbuch von einem Zusammenprall zwischen der Lesererwartung und der Gleichnisrede gesprochen und für die Beschreibung der paradoxen Wirksamkeit der Parabeln die treffende Metapher der „Fallklippen“ verwendet.119 In ähnlicher Weise haben Tim Schramm und Kathrin Löwenstein in ihrem Band „Unmoralische Helden“120 aufgezeigt, dass es gerade die anstößigen Gleichnisse seien, die etwa durch den „Verfremdungs-Effekt“ erhöhte Aufmerksamkeit des Lesers auf sich ziehen und ihn zum befreienden Verstehen führen: „er soll Abstand gewinnen vom Gewohnten, geläufige Orientierungsmaßstäbe in Frage stellen, Vorurteile überprüfen, und so – aufgestört und vom Automatismus eingeschliffener Wahrnehmung, vom Zwang 115
Arens, Handlungen (s. Anm. 114), 13. Arens, Handlungen (s. Anm. 114), 333 f. 117 Chr. Kähler, Jesu Gleichnisse als Poesie und Therapie. Versuch eines integrativen Zugangs zum kommunikativen Aspekt von Gleichnissen Jesu, WUNT 78, Tübingen 1995, 125. 118 Kähler, Jesu Gleichnisse (s. Anm. 117), 34 f. 119 Crossan, Cliffs of Fall (s. Anm. 11), 67: a clash between „structure of hearer expectation and the structure of speaker expression.“ 120 Vgl. T. Schramm / K. Löwenstein, Unmoralische Helden. Anstößige Gleichnisse Jesu, Göttingen 1986. 116
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des immer schon Üblichen befreit – das Alte als alt erkennen und Neues lernen.“121 Noch vor Crossan hatte bereits Mary Ann Tolbert (1979) die Deutungsvielfalt bei der Auslegung von Parabeln positiv gewürdigt und als eine polyvalente Deutungstheorie beschrieben.122 Sowohl in semiotischer als auch in rhetorischer Betrachtung erfordern die Parabeln Deutung: „In terms of the semiotic model, the indeterminate parable text requires that the interpreter supply the second-order signified in order to complete the signification process at work within the story. Similarly the rhetorical model reveals the absence of a tenor in the epiphoric-type movement of the parable, an absence which must be remedied in order for the story to function metaphorically. (…) The parables compel the active involvement of the interpreter whether or not she or he is selfconsciously aware of that involvement. (…). The particular insights, understandings, and values of the interpreter become part of the interpretive process.“123
Eine solche Einbeziehung des Lesers bzw. der Leserin in den Verstehensvorgang verbiete eine einlinige Auslegung einer Parabel, wie Tolbert am Beispiel zweier divergierender Auslegungen zum verlorenen Sohn konkretisiert. Entsprechend kommt sie zu folgendem Schluss: „Thus our proposed first principle of interpretation did indeed effectively restrict the range of probable and appropriate interpretations while yet encouraging the work of the modern hermeneut in exploiting the polyvalency of the parables.“124
Besonders in der englisch-sprachigen Gleichnisforschung wurde diese Offenheit im hermeneutischen Prozess forthin immer wieder benannt und etwa programmatisch als Leitprinzip dem von V. George Shillington herausgegebenen Sammelband vorangestellt: „It is in the character of a parable of Jesus, as in an artist’s painting or a poet’s poem, to evoke mixed responses, and therefore also polyvalent interpretations“.125 Wie diese unterschiedlichen Verstehensprozesse ablaufen, hat Dieter Massa durch Rückgriff auf kognitive Metaphern und Sprachtheorien zu erklären versucht. Seine These ist, dass „von einzelnen Textelementen ausgehend über inferenzielle Prozesse Vorstellungskomplexe aktualisiert werden, die über die Erzählung hinausgehen und eine Transformation der Sinnbildung steuern.“126 Der Rezipient aktiviere aufgrund der Transfersignale 121
Schramm / Löwenstein, Unmoralische Helden (s. Anm. 120), 154. M.A. Tolbert, Perspectives on the Parables. An Approach to Multiple Interpretations, Philadelphia 1979. 123 Tolbert, Perspectives on the Parables (s. Anm. 122), 67.69. 124 Tolbert, Perspectives on the Parables (s. Anm. 122), 116. 125 V.G. Shillington, Engaging with the Parables, in: ders. (Hg.), Jesus and His Parables. Interpreting the Parables of Jesus Today, Edinburgh 1997, 1–20, hier: 17 f. Vgl. früher schon Crossan, Cliffs of Fall (s. Anm. 11), 102 wie schon im Untertitel. 126 D. Massa, Verstehensbedingungen von Gleichnissen. Prozesse und Voraussetzungen der Rezeption aus kognitiver Sicht, TANZ 31, Tübingen 2000, 146. 122
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der Parabeltexte sowie ihrer Kontexte außertextuelle Wissensbestände, die in die theologische Sinnfindung eingebracht werden, und zugleich auch notwendig sind, um den metaphorischen Bedeutungstransfer über die Bildebene hinaus zu leisten. Sinn entstehe folglich erst über diese Interaktion zwischen Text und Rezipienten und könne deshalb auch nicht objektiv festgelegt werden.127 Die rezeptionsästhetische Hermeneutik von Massa wird von Kurt Erlemann im Rahmen seines Lehr- und Arbeitsbuches aufgenommen, aber in einer bewussten Verschränkung zwischen Autor- und Leserperspektive wieder an historische Kontexte zurückgebunden.128 Die Rekonstruktion des historischen Kontextes ist für Erlemann ebenso unabdingbar wie die Wahrnehmung der aktiven Rolle des Rezipienten bei der Bedeutungserstellung.129 Die Verknüpfung historischer und rezipientenorienter Aspekte sei durch den Text bzw. die rezipientenorientierte Arbeitsweise des Autors selbst vorgegeben: „Vorausgesetzt ist dabei, dass sich die Intention des Autors, sein theologisches und pragmatisches Interesse, in Formulierung und Struktur der Texte niederschlägt. Und zwar so, dass die entsprechenden Textsignale (Indikatoren) für den Leser erkennbar sind. Der Autor gibt durch Kontexteinbettung wie durch gleichnisinterne Signale einen Sinnrahmen vor.“130 Entsprechend entwickelt Erlemann eine hermeneutische Auslegungsmethodik, die „Gattungsbestimmung“, „Analyse des bildinternen Erzählgefälles“, „Rekonstruktion der Sprachkonvention“, „Erschließung des thematischen Bezugsrahmens“ sowie „Erarbeitung der Textpragmatik“ integriert.131 Gleichnisverstehen ist hierbei aber nicht nur das Ergebnis einer „kognitiven Sprachverarbeitung“, sondern setzt die „existenzielle Bereitschaft zur Nachfolge“132 voraus. Kognitionswissenschaftlich beschreibt auch Peter Lampe das Gleichnisverstehen, indem er ein Modell der Synthese von Konstruktivismus und Wissenssoziologie entwickelt.133 Die Hörer der Gleichnisse konnten auf127
Massa, Verstehensbedingungen (s. Anm. 126). Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 3), 173: „In Korrektur einer rein rezeptionsästhetischen Sicht sind Autor- und Leserperspektive miteinander zu verschränken.“ Die Arbeit von Erlemann ist zwar früher publiziert, allerdings handelt es sich bei der Monographie von Massa um eine Dissertation, die im Sommer 1998 von der Theologischen Fakultät der Universität Heidelberg angenommen wurde. 129 Vgl. besonders Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 3), 171–175. 130 Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 3), 174. 131 Vgl. mit jeweiligen Erläuterungen „Methodik der Gleichnisauslegung“ bei Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 3), 175–217. 132 Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 3), 173. 133 Vgl. P. Lampe, Gleichnisverkündigung im Lichte konstruktivistischer Wissenssoziologie, in: U. Mell (Hg.), Die Gleichnisreden Jesu (1899–1999). Beiträge zum Dialog mit Adolf Jülicher, BZNW 103, Berlin / New York 1999, 223–236; ferner ders., Die Wirklichkeit als Bild. Das Neue Testament als ein Grunddokument abendländischer Kultur im Lichte konstruktivistischer Epistemologie und Wissenssoziologie, Neukirchen-Vluyn 2006, 153–160. 128
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grund der Verknüpfung von theologischer Tradition und Alltagserfahrung einen plausiblen Sinnzusammenhang konstruieren. „Wichtig bei dieser Art des Aneignungsprozesses war, dass das von Jesus prägnant formulierte Gleichniswort lediglich den Anstoß gab für eine Reihe kognitiver Verknüpfungen und Konstruktionen, die die Hörer selber aufgrund des Gleichnisses vornehmen mussten. Eben dadurch aber gewannen diese Gleichnisse besondere Überzeugungskraft (kognitive Konstruktion als Evidenzquelle).“134
Weniger an der Erklärung des hermeneutischen Prozesses oder der Deutungsvielfalt unterschiedlicher Leser / innen als an der Eindeutigkeit spezifischer Lesergruppen sind die Arbeiten von Beavis und Oldenhage interessiert. Für Marie Ann Beavis ist besonders die Perspektive von Frauen – sei es als Akteurinnen auf Erzählebene der Parabeln, sei es als rezipierende Leserinnen – maßgeblich. Entsprechend werden in dem von Beavis herausgegebenen Sammelband vorrangig Gleichnistexte mit Frauen als Handlungsfiguren wie z.B. die verlorene Münze (Lk 15,8–9), die bittende Witwe (Lk 18,2–5) oder auch die Frau mit dem Mehlkrug (EvThom 97) kommentiert – und zwar ausschließlich von Exegetinnen.135 Durch die instruktive Einleitung wird ferner eine Grundsatzreflexion feministischer Gleichnishermeneutik gegeben, die deutlich macht, dass das Subjekt der Lesenden unmittelbar Einfluss auf das Ergebnis des Leseprozesses hat.136 Auch Tania Oldenhage nimmt die Leserorientierung der Gleichnisse Jesu so ernst, dass Subjekt, Ort und Zeit der Lektüre maßgeblich auf den Verstehensvorgang einwirken.137 Eine gegenwärtige leserorientierte Lektüre könne allerdings den Holocaust nicht mehr ausblenden. Gegenüber den anti-judaistischen Untertönen, die am Beispiel der Auslegungstraditionen des Gleichnisses von den Arbeitern im Weinberg (Mk 12,1–12) in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s immer wieder hörbar werden, entwickelt sie eine „post-holocaust biblical Hermeneutics“, die die Spannungen zwischen christlichem Anti-Judaismus und der Schoa nicht negiert, aber hermeneutisch reflektiert. Nicht weniger positionell, obgleich in ganz unterschiedlicher Richtung profiliert sind explizit theologische Gleichnisinterpretationen, die ich hier der rezipientenorientierten Perspektive zuordnen möchte. John R. Donahue arbeitet mit der narrativ-metaphorischen Hermeneutik von Ricœur und realisiert das von Ricœur nur angedachte Modell der „Texte im Kontext“ des Evangeliums, indem er zentrale Parabeln der einzelnen synoptischen Evan134 135
Lampe, Gleichnisverkündigung (s. Anm. 133), 236. M.A. Beavis (Hg.), The Lost Coin. Parables of Women, Work, and Wisdom, Sheffield
2002. 136 Vgl. M.A. Beavis, Introduction: Seeking the ‚Lost Coin‘ of Parables about Women, in: dies., The Lost Coin (s. Anm. 135), 17–32. 137 T. Oldenhage, Parables for Our Time. Rereading New Testament Scholarship after the Holocaust, Oxford 2002, 145: „Who is reading the parable? When, where, and how does this reading take place?“
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gelien jeweils mit Bezug auf die Ganzschrift analysiert.138 Im letzten Kapitel möchte Donahue die theologische Vielfalt der Gleichnisse zu einer kanonischen Einheit führen, indem er nach dem „Evangelium der Gleichnisse“ („the gospel in parable“139) im gegenwärtigen Verständnis fragt, was bis in eine Anleitung zur Predigt über und mit Gleichnissen führt. Craig L. Blomberg140 versucht eine ungewöhnliche Synthese in der Gleichnisinterpretation, mit der er eine von Jülicher eingeführte Polarisierung überwinden möchte: Einerseits geht er von der Prämisse aus, dass die synoptischen Gleichnisse als „authentische Aussprüche Jesu“ betrachtet werden können. Andererseits vertritt er die Auffassung, dass diese Texte immer schon eine allegorische Tiefenstruktur aufweisen, die es erlaubt, gleich bleibende „Hauptaussagen“ zu erkennen.141 Die Theoriereflexion, die über weite Strecken der Rehabilitierung der Allegorie gewidmet ist, und die Bedeutungsbzw. Signifikanz-Analyse einzelner Gleichnisse münden schließlich in eine „Theologie der Gleichnisse“142, die Blomberg wie folgt zusammenfasst: „Jesus liegen eindeutig drei Hauptthemen am Herzen: die Gnade Gottes, die Anforderungen der Jüngerschaft und die Gefahren des Ungehorsams (…). Das zentrale, alle Gleichnislektionen vereinende Thema ist das Reich Gottes. Es ist sowohl gegenwärtig als auch zukünftig und schließt sowohl eine Herrschaft als auch einen Herrschaftsbereich ein. Außerdem bringt es sowohl persönlichen Wandel als auch soziale Reform mit sich.“143
Darüber hinaus bringen sie eine „implizite Christologie“ zum Ausdruck, die umso mehr die Zustimmung der Hörer zum christologischen Anspruch fordere. Wie schon die Zuhörer Jesu sich entscheiden mussten, „ob sie diesen Anspruch akzeptieren und ihn verehren, oder ob sie ihn als irrig oder sogar blasphemisch zurückweisen“144, so richten die Gleichnisse auch heute noch diese Entscheidungsfrage an ihre Leser. Schließlich benennt die umfassende und differenzierte Studie von Arland J. Hultgren145 einen explizit theologisch-kirchlichen Rahmen der Interpretation: „The present study is carried on primarily for the sake of interpreting the parables of Jesus within the Christian church.“146 Damit ist für Hultgren zugleich der Primat des Textes vor der historischen Entstehungssituation 138 J.R. Donahue, The Gospel in Parable. Metaphor, Narrative, and Theology in the Synoptic Gospels, Philadelphia 1988 (paperback 1990), hier: zu Markus: 28 ff., zu Matthäus: 63 ff. und zu Lukas: 126 ff. 139 Vgl. Donahue, Gospel (s. Anm. 138), 194 ff. 140 C.L. Blomberg, Interpreting the Parables (s. Anm. 3), (hier zitiert nach dt. Übersetzung C. L. Blomberg, Die Gleichnisse Jesu. Ihre Interpretation in Theorie und Praxis, aus dem Engl. übers. von D. Schilken, Wuppertal 1998). 141 Vgl. Blomberg, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 140), 143 f. 142 Vgl. Blomberg, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 140), Kap. 9, 261–296. 143 Blomberg, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 140), 296. 144 Blomberg, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 140), 296. 145 A.J. Hultgren, The Parables of Jesus. A Commentary, Grand Rapids, MI 2000. 146 Hultgren, Parables (s. Anm. 145), 17.
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ausgesagt. Die kanonischen Evangelien stellen den Rahmen dar, auf den sich jede Interpretation der Parabeln beziehen muss.147 Dies bedeutet für Hultgren aber keineswegs eine Begrenzung interpretatorischer Freiheit oder der Polyvalenz der Deutungen. Im Gegenteil. Der Prozess des Verstehens kommt nicht zum Ende: „(The parables) continue to provoke interpretations that, while similar, are certainly not all identical, nor should they be. The interpretations that follow are therefore hardly exhaustive, and definitely not final.“148
Die explizite Leserorientierung findet zuletzt in praktisch-theologischen bzw. didaktischen Ansätzen der Gleichnisinterpretation eine spezifische Ausformung. So verfolgt das umfassende Werkbuch von Otto Knoch149 eine praktisch-theologische Zielsetzung der Gleichnisauslegung: „Die Gleichnisse Jesu wollen nicht nur verstanden, sie wollen ernstgenommen, ihre Botschaft beantwortet, ins Leben übersetzt, gelebt werden. Darum darf die Bemühung um den Aussagesinn eines Gleichnisses nicht im Gedanklichen, im intellektuellen Verstehen stehen bleiben, sie muß weiterschreiten zur geistigen Verarbeitung und Umsetzung auf das eigene Leben hin.“150
Knoch differenziert dann vier Anwendungsbereiche, in denen die Gleichnisse wirksam werden können: Unterricht, Bibelkreis, Meditation und persönliche geistliche Schriftlesung, bei denen je unterschiedliche Stufen benannt werden, wie das Verstehen der Gleichnistexte methodisch vollzogen werden kann.151 Für Martin Dutzmann kann die kommunikationseröffnende Wirksamkeit der Gleichnisse besonders für die Predigtlehre fruchtbar gemacht werden.152 Ein spezifisches Feld praktisch-theologischer Gleichnishermeneutik stellt dann die „Didaktik der Gleichnisse“ in schulischen Zusammenhängen dar. Hierbei wurden z.B. von Anton A. Bucher die Verstehensvoraussetzungen und -möglichkeiten der Gleichnisse von Kindern und Jugendlichen intensiv bedacht.153 Obgleich Karlheinz Sorger154 den exegetischen Leitlinien der 147 Vgl. Hultgren, Parables (s. Anm. 145), 17: „The church regards the canonical texts of Scripture as authoritative, not the Jesus of one’s own reconstruction.“ 148 Hultgren, Parables (s. Anm. 145), 19. 149 Vgl. O. Knoch, Wer Ohren hat, der höre. Die Botschaft der Gleichnisse Jesu. Ein Werkbuch zur Bibel, Stuttgart 31987 (1983). 150 Knoch, Botschaft (s. Anm. 149), 64. 151 So wird etwa bei der meditativen Aneignung eine Schrittfolge von 8 Stufen benannt, deren Ziel die geistliche Begegnung mit der Botschaft des Textes ist. 152 M. Dutzmann, Gleichniserzählungen Jesu als Texte evangelischer Predigt, APTh 23, Göttingen 1990, 181: „die Gleichniserzählungen eröffnen Kommunikation.“ 153 Vgl. A.A. Bucher, Gleichnisse verstehen lernen. Strukturgenetische Untersuchungen zur Rezeption synoptischer Parabeln, PTD 5, Freiburg, CH 1990; ferner dazu das Themenheft EvErz 41/5 (1989), sowie den Überblick bei Müller u.a., Arbeitsbuch (s. Anm. 3), 48–73. 154 K. Sorger, Gleichnisse im Unterricht. Grundsätzliche Überlegungen, Hilfen für die Praxis, Düsseldorf 21987 (1. Aufl. dieser Ausgabe 1980; zuerst im Driewer-Verlag Essen 1972).
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Jülicher-Tradition verpflichtet war, versuchte er die „Erfahrungswelt der Kinder“ über anthropologische Grundkonstellationen (z.B. „Gemeinschaft und Außenseiter“) mit der Erfahrungswelt der Ersthörer zu verknüpfen. Einen neuen Weg schlug Chris Hermans ein, indem er seine Theorie des Gleichnisverstehens explizit an empirische Forschungen zurückband und mit allgemeinen Arbeiten zum Metaphernverstehen von Kindern absicherte.155 Ziel ist es nach Hermans dabei nicht, Gleichnisse zu erklären, sondern zu lehren und zu „lernen, Parabeln und Gleichnisse zu verstehen.“156 Dabei konkretisierte er „verstehen“ in der Weise, dass Kinder selbstständig in der Lage sein sollten, einen Transfer zwischen dem Geschehen der Gleichniserzählung und dem Erzählkontext (Sachhälfte) zu leisten, was jedoch z.B. in der 7. Klasse Realschule nur ca. 5% der Probanden tun konnten. Die Schlussfolgerung, dass bestimmte formal-operationalisierte Denkvoraussetzungen für das Gleichnisverstehen notwendig seien, wurde jedoch durch neuere Untersuchungen zum Metaphernverstehen wieder in Frage gestellt.157 In jüngerer Zeit greift die Studie von Joachim Theis den empirischen Faden auf. Theis hat hierbei die Rezeption der Parabel vom ‚Barmherzigen Samariter‘ bei ca. 1000 Schülerinnen und Schülern der gymnasialen Oberstufe untersucht und nachgewiesen, dass das Verständnis der narrativen Plots, der Figurenkonstellation und der Dilemmata des Gleichnisses propositional an den Text zurückgebunden bleibt.158 Das als Studien- und Arbeitsbuch konzipierte Lehrbuch von Peter Müller, Gerhard Büttner, Roman Heiligenthal und Jörg Thierfelder sieht das Elementarisierungskonzept von Karl Ernst Nipkow besonders geeignet, „die verschiedenen Aspekte bei der Behandlung von Gleichnissen im Religionsunterricht wie z.B. Exegese und Entwicklungspsychologie zu berücksichtigen.“159 „Elementarisierung ist demnach in der Gleichnisdidaktik als ein Prozess zu beschreiben, der die textbezogenen und die auf die Schülerinnen und Schüler bezogenen Elementarisierungsbereiche zueinander in Beziehung setzt und in ihrer wechselseitigen Bezugnahme für den Religionsunterricht fruchtbar zu machen versucht.“ Wissenschaftliche Auslegung und christliche Auslegungstradition können hierbei als regulative Größen dienen, die den prinzipiell offenen Verstehensprozess der Kinder und Jugendlichen begleiten, 155 Vgl. C. Hermans, Wie werdet ihr die Gleichnisse verstehen? Empirisch-theologische Forschung zur Gleichnisdidaktik, Theologie und Empirie 12, Kampen / Weinheim 1990. 156 Hermans, Wie werdet ihr die Gleichnisse verstehen? (s. Anm. 155), 163–208. 157 Vgl. etwa H. Gardner u.a., The Development of Figurative Language, in: K.E. Nelson (Hg.), Children’s Language I, New York 1978, 1–38; A. Pfeifer, Wie Kinder Metaphern verstehen. Semiotische Studien zur Rezeption biblischer Texte im Religionsunterricht, Bibel – Schule – Leben 3, Münster u.a. 2002. 158 J. Theis, Biblische Texte verstehen lernen. Eine bibeldidaktische Studie mit einer empirischen Untersuchung zum Gleichnis vom barmherzigen Samariter, Stuttgart 2005. 159 P. Müller / G. Büttner / R. Heiligenthal / J. Thierfelder, Die Gleichnisse Jesu. Ein Studien- und Arbeitsbuch für den Unterricht, Stuttgart 2002, 63, ferner die Explikation des eigenen „integrativen Konzepts“ a.a.O., 74–81 sowie die Besprechung der einzelnen Gleichnisse anhand der Elementarisierungsstruktur.
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„ohne dass sie die mögliche Vielfalt der Deutungen und Ahnungen von vornherein begrenzen.“160
2. Die Beiträge des Sammelbandes Auch die Beiträge des vorliegenden Sammelbandes lassen sich den drei Perspektiven des Verstehens zuordnen. Sie greifen vielfach hermeneutische Diskurse auf, die zu unterschiedlichen Phasen der Gleichnisforschung relevant waren, aber entwickeln sie in einer differenzierteren Betrachtung weiter oder bringen sie mit neuen Fragen und Theorien ins Gespräch. Die Beiträge dokumentieren die Diskussion, die auf den beiden Bielefelder Gleichnistagungen im Oktober 2005 und Februar 2006 geführt wurde und im „Kompendium der Gleichnisse Jesu“ einen Niederschlag in anderer Form gezeitigt hat. Aber sie gehen auch darüber hinaus, indem der Autorenpool nicht auf Beiträger des Kompendiums begrenzt und besonders der Dialog mit der amerikanischen Gleichnisforschung gesucht wird. Den einführenden Teil abschließend wird von Uta Poplutz unter dem Titel „Parabelauslegung im Kompendium der Gleichnisse Jesu. Reflexion der Methodenschritte und exemplarische Exegese von Joh 3,29 f.“ eine Darlegung der Methodenschritte sowie eine Beispielexegese gegeben. Mit diesem Artikel zu Beginn des Bandes wird somit auch in diesem Kontext die für das Kompendium leitende Priorität der Textauslegung vor der Theorieexplikation angezeigt. Ferner wird anhand einer zusammenhängenden Auslegung die gewünschte Integration der unterschiedlichen hermeneutischen Perspektiven beispielhaft vor Augen geführt. Die weiteren Beiträge werden dann einer der genannten Perspektiven zugeordnet. Da die geschichtliche Dimension in vielen Beiträgen reflektiert wird, soll dieser Bereich abweichend von der hermeneutischen Dreigliedrigkeit noch einmal in zwei Unterabschnitte untergliedert werden. Einerseits stehen Historizitätsfragen zur Entstehungssituation der Gleichnisse Jesu im Vordergrund (I. Teil). Hier wird also nach der den neutestamentlichen Texten vorausliegenden oder in ihnen bewahrten Geschichte gefragt. Die Integration von Beiträgen nordamerikanischer Gleichnisforscher macht hierbei noch einmal die Akzentverschiebung zwischen der amerikanischen Forschung und dem Gleichniskompendium deutlich. Andererseits wird im zweiten ‚historischen Teil‘ nach Gleichnissen im Vorund Umfeld des Neuen Testaments (AT, Rabbinica, griech.-röm. Rhetorik) sowie dem Begriffs- und Gattungsverständnis in einzelnen neutestamentlichen Schriften gefragt. Dieser Bereich wird als „Traditions- und Redaktionsgeschichtliche Perspektiven“ eigens unterschieden (II. Teil). In einem dritten Teil kommt die zweite hermeneutische Leitperspektive zur Geltung, indem 160
Müller u.a., Arbeitsbuch (s. Anm. 159), 78.
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hier textbezogene Fragen diskutiert werden (III. Teil: Sprach- und literaturwissenschaftliche Perspektiven). Im vierten Teil werden Beiträge vereint, die die Leserperspektive in den Mittelpunkt rücken, wobei dies mit ganz unterschiedlichem Theoriehintergrund oder theologischer Zielsetzung geschehen kann (IV. Teil: Rezeptionsästhetische und theologische Perspektiven). Gleichwohl bleibt die Zuteilung und Differenzierung idealtypisch. Viele Beiträge suchen gerade auch die Schnittstellen zwischen historischen und literarischen161, zwischen literarischen und rezeptionsästhetischen162 oder auch zwischen historischen und rezeptionsästhetischen163 Zugängen. Auch wenn die Reflexion des Gleichnisverstehens aus unterschiedlichen Perspektiven erfolgt, muss sie aufgrund der spezifischen Charakteristika der Texte auf je eigene Weise immer auch die anderen Dimensionen im Blick behalten. Das Nachdenken über die Übergänge unterschiedlicher Perspektiven und das Mit- und Ineinander unterschiedlicher Aspekte ist insofern zugleich eines der zentralen Anliegen des Bandes. Verstehen vollzieht sich letztlich nicht in den Ecken, sondern im Zwischenraum164 des hermeneutischen Dreiecks. 2.1. Historische Perspektiven Da die Gleichnisforschung fast im ganzen 20. Jh. aufs Engste mit der Forschung zum historischen Jesus verflochten war, wird der historische Teil mit meinem Beitrag Ruben Zimmermann „Gleichnisse als Medien der Jesuserinnerung. Die Historizität der Jesusparabeln im Horizont der Gedächtnisforschung“ eröffnet, der dieser Frage auch forschungsgeschichtlich eigens nachgeht. Die zu der Forschung zum historischen Jesus vorgetragene Kritik lässt sich auch bei der Gleichnisforschung bestätigen. Geschichtstheoretisch und methodisch bleiben historisierend-rekonstruktive Ansätze unbefriedigend und führen zu divergenten Resultaten. Der thesenhafte Appell des Beitrags besteht dann auch darin, dass die Gleichnisforschung den Paradigmenwechsel vom ‚historischen‘ zum ‚erinnerten‘ Jesus mitgehen sollte, wobei sich an den Gleichnissen besonders die Mediengebundenheit des kollektiven Gedächtnisses der frühen Christen zeigen lässt. Unter Aufnahme von Einsichten der literarischen Gedächtnisforschung werden drei Funktionen von Gattungen auf die Gleichnisform appliziert und erläutert: die traditionsstiftende, gemeinschaftsstiftende und sinnstiftende Funktion der Parabeln. 161 So z.B. die Beiträge von Zimmermann (Medien), Hedrick, Carter, Hezser, Collins und Dronsch. 162 So z.B. die Beiträge von, Dormeyer, Braun, Erlemann (Allegorie), Reinmuth, Curkpatrick, Oldenhage und Hultgren. 163 So z.B. die Beiträge von Snodgrass, Zimmermann (Ancient Rhetoric), Labahn, Erlemann (eschatologisch-kritische Funktion), Weissenrieder, Alkier und Beavis. 164 Vgl. die phänomenologische Deskription dieses „Zwischenraums“ etwa bei B. Waldenfels, Der Sinn zwischen den Zeilen, in: ders., Der Spielraum des Verhaltens, Frankfurt a. M. 1980, 163–185.
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Karl-Heinrich Ostmeyer weist in seinem Beitrag „Gleichnisse – Quelle des Verständnisses der Umwelt Jesu? Umwelt – Quelle des Verständnisses der Gleichnisse Jesu?“ auf einen hermeneutischen Zirkelschluss hin: Einerseits werden die Gleichnisse Jesu als maßgebliche Quellen bei der Rekonstruktion des ‚historischen Jesus‘ betrachtet, andererseits wird das Konstrukt historischer Forschung als Maßstab für die Interpretation der Gleichnisse herangezogen. An beispielhaften Analysen des Sauerteig- (Q 13,20 f. parr.) und Samariter-Gleichnisses (Lk 10,30–37) arbeitet Ostmeyer heraus, dass der historische Quellenwert der Parabeln immer von der historischen Forschung zu einzelnen Motiven abhängt, das Parabelverstehen sich aber nicht in der Analyse historischer Elemente erschöpft. Ausgangspunkt des Artikels von Luise Schottroff „Sozialgeschichtliche Gleichnisauslegung. Überlegungen zu einer nichtdualistischen Gleichnistheorie“ ist das Unbehagen, dass brutale Gleichnisherren (wie z.B. grausame Könige und unbarmherzige Sklavenherren) in der Gleichnisforschung als selbstverständliche Bilder für Gott betrachtet werden. Maßgeblich für diese Interpretation sei eine bestimmte Gleichnis- bzw. Metapherntheorie, die eine zweite Sinnebene konstruiere, damit aber letztlich eine Opposition zwischen dem Reich Gottes und dieser Welt, eine Trennung von Himmel und Erde erzeuge. Für Schottroff wollen die Gleichnisse Jesu gerade diesen Dualismus überwinden. Durch genaue sozialgeschichtliche Analysen könne gezeigt werden, dass viele Texte eher als „Anti-Gleichnisse“ zu lesen sind, die im Vergleich (nicht in der Gleichsetzung) zeigen, wie Gott nicht ist, und so die Lesenden zur Antwort herausfordern. Für eine strenge historische Kontextualisierung plädiert auch Klyne Snodgrass in seinem Beitrag „Stories with Prophetic Intent. The Contextualization of Jesus’ Parables“, mit dem er nicht nur einen Einblick in seine umfangreicheren Gleichnisstudien,165 sondern zugleich in einen Zweig amerikanischer historischer Gleichnisforschung gewährt. Für das Verstehen der Parabeln, die Snodgrass formalsprachlich in sechs Untergruppen einteilt, sei die Einbindung in den griechisch-römischen sowie jüdischen Kontext unerlässlich. Verstehen der Parabeln sei aber letztlich nur durch Rückbindung an den historischen Jesus möglich, den Snodgrass als Propheten beschreibt. Die Parabeln seien Teil der prophetischen Rede Jesu, deren Wirksamkeit durch die doppelt indirekte Kommunikationsweise erzeugt werde: Sie fordere die Zeitgenossen auf subtile rhetorische Weise heraus und rede in verschlüsselter Weise vom Gottesreich. In seinem Bemühen, die Parabeln als realistische – d. h. nicht allegorische – fiktionale Texte zu verstehen, versucht Charles W. Hedrick in seinem Beitrag „Survivors of the Crucifixion: Searching for Profiles in the Parables“ einen präzisen historischen Kontext der Entstehung und Überlieferung der 165
Vgl. Snodgrass, Stories with Intent (s. Anm. 13).
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Texte zu bestimmen. Hedrick differenziert zwischen einer „pre-crucifixion-“ und „post-crucifixion-period“, wobei die glaubende Erinnerung der ersten Christen zur Brücke werde, über die die ursprünglichen Jesusparabeln zur Verschriftlichung gemäß den vorliegenden Quellen gelangen. Es ist nach Hedrick besonders der Realbezug der Erzählungen, der den dabei vollzogenen Transformationsprozess steuert und spiegelt. Das Figurenarsenal der Parabeln lasse erkennen, dass die Trägerkreise der Parabelüberlieferung nicht nur galiläische Kleinbauern waren, sondern sozio-historisch der Mittel- und Oberschicht zuzuordnen sind (vgl. Richter, Weinbergbesitzer etc.). Dem historischen Überlieferungskontext der Parabeln widmet sich auch der Beitrag „Matthew’s Gospel, Rome’s Empire, and the Parable of the Mustard Seed (Matt 13:31–32)“ von Warren Carter. Die Parabeln des Matthäus-Evangeliums, dessen Entstehungsort Carter in die römische Provinzhauptstadt Antiochien lokalisiert, reflektierten besonders die politische Situation ihrer Zeit. Durch die indirekte Parabelsprache werde Kritik an der römischen Vorherrschaft zum Ausdruck gebracht, indem das „empire of the heavens“ in unmittelbarem Kontrast zum „Roman empire“ vor Augen gemalt werde, wie Carter am Beispiel des Senfkorngleichnisses konkret ausführt.
2.2. Traditions- und redaktionsgeschichtliche Perspektiven In den ersten drei Beiträgen in diesem Block werden traditionsgeschichtliche Fragen zum Vor- und Umfeld der neutestamentlichen Gleichnisse verhandelt. So gibt zunächst Andreas Schüle in seinem Beitrag „Mashal ( ) and the Prophetic ‚Parables‘“ einen Überblick über Gebrauch und Bedeutung des Begriffs „Mashal“ ( m š l) in der hebräischen Bibel: Neben den weisheitlichen Belegen (Prov; Hiob) findet sich auch in prophetischer Rede, besonders in Ezechiel 17 und 24 sowie in den Bileamsweissagungen (Num 23–24). Die Diversität der Belege verbiete es, von einer einzigen Bedeutung oder gar einer einzigen Gattung „Mashal“ zu sprechen. Doch gerade diese Offenheit erlaube den Brückenschlag zum ähnlich disparaten Gebrauch des Begriffs im Neuen Testament. Unabhängig davon, ob nun der weisheitliche oder prophetische Hintergrund hervorgehoben werde, sei der Konkretionsgrad dieser Texte in beiden Textbereichen anzutreffen und einflussreich geworden. Auch wenn die parabolische Redeform bei den Propheten eher seltener begegne, sei sie in besonderen Situationen zum Einsatz gekommen, dann etwa, wenn der Prophet auf indirekte und doch persönlich treffende Weise seine Hörer erreichen wollte. Obgleich die zahlreichen rabbinischen Gleichnistexte nur vereinzelt in die neutestamentliche Zeit zurückreichen, stellen sie doch auf ihre Weise ein wirkungsgeschichtliches Zeugnis für den jüdischen Horizont dar, in dem sich gleichermaßen neutestamentliche wie rabbinische Gleichnisse
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entwickeln konnten. Catherine Hezser gibt in ihrem Beitrag „Rabbinische Gleichnisse und ihre Vergleichbarkeit mit neutestamentlichen Gleichnissen“ zunächst einen Überblick zu verschiedenen Ansätzen der Erforschung rabbinischer Gleichnisse. Anschließend konzentriert sie sich auf den rabbinischen Midrasch als literarischen Kontext der rabbinischen Gleichnisse und fragt hierbei in der Analyse eines ausgewählten Beispiels (Sifre Dtn 26 par.), wie sich das nimshal zum Gleichnis und zum literarischen Kontext verhält und wie sich das Verstehen der Texte durch Aufnahme in die jeweiligen rabbinischen Sammelwerke verändert. Abschließend bedenkt Hezser Möglichkeiten und Grenzen eines Vergleichs zwischen neutestamentlichen und rabbinischen Gleichnissen und greift dabei narrative Elemente (Handlungsablauf, Personen) sowie Motiv- bzw. Bildfelder als Vergleichspunkte heraus. Mit Blick auf den Beispieltext Sifre Dtn 26 konkretisiert sie die Vergleichbarkeit im Dialog mit dem Schuldner-Gleichnis Mt 18,23–34 und macht deutlich, dass gerade die gemeinsame Betrachtung beider Gleichnisse das jeweils Besondere erkennen und verstehen lässt. Neben dem jüdischen Horizont wurde literaturgeschichtlich auch die Einbettung der Jesusparabeln in die Parabeldiskussion der griechischen Tradition diskutiert. In meinem Beitrag Ruben Zimmermann „Jesus’ Parables and Ancient Rhetoric. The Contributions of Aristotle and Quintilian to the Form Criticism of the Parables“ konzentriere ich mich auf die Frage, inwiefern die begrifflichen und formgeschichtlichen Differenzierungen der antiken Rhetorik Analogien zu der seit Jülicher verwendeten Gattungsdifferenzierung der neutestamentlichen Gleichnisse aufweisen. Aristoteles und vor allem Quintilian zeigen bei ihren Erläuterungen zu Parabeltexten im Horizont des Beispiels ( ) zwar eine ausgefeilte Systematik, diese ist aber nicht mit der neutestamentlichen Binnendifferenzierung kompatibel. Gegenüber einer vorschnellen Parallelisierung ist also Vorsicht geboten. Die folgenden Beiträge wenden sich dem Parabelverständnis sowie der Bedeutung von Parabeln in einzelnen Schriftbereichen des Urchristentums zu. Angesichts der Vielzahl von Parabeln, die innerhalb der Logienquelle anzutreffen sind, ist es verwunderlich, dass ihre spezifische Funktion für die Gesamtschrift bisher kaum diskutiert wurde. Michael Labahn versteht in seinem Beitrag „Das Reich Gottes und seine performativen Abbildungen. Gleichnisse, Parabeln und Bilder als Handlungsmodelle im Dokument Q“ die Gleichnisse der Logienquelle als leserorientierte Texte, die positive oder negative Handlungsmodelle bereitstellen. Die Jesusgleichnisse werden im Dokument Q neu erzählt und in spezifische Kontexte eingebunden, die die Rezeption zu steuern versucht. Vor allem werden sie dabei mit einem christologischen Vorzeichen versehen, so dass die einzelnen Erzählungen für ihren Sprecher Jesus transparent werden, der für die Rezipienten von Q somit als Einladender zum Reich Gottes ebenso wie als Vorbild des Handelns vor Augen gemalt wird.
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Kurt Erlemann beleuchtet in seinem Beitrag „Die eschatologisch-kritische Funktion der synoptischen Parabeln“ wie das Gleichnisverstehen als erzählpragmatische Strategie auf der Ebene des kanonischen Textes verstanden werden könne. Erlemann beschreibt zunächst den Zweck und die Funktion der Gleichnisrede der Synoptiker, die er als polyfunktional bestimmt. Parabeln dienten der Darstellung komplexer oder umstrittener Inhalte, zielten auf die kognitive oder emotive Wahrnehmungsebene und wollten eine Verhaltensänderung erreichen. Darüber hinaus bewirkten die Parabeln bereits auf der Erzählebene eine Trennung zwischen verstehenden „Insidern“ und unverständigen „Außenstehenden“, was Erlemann als die „eschatologischkritische Funktion“ der Parabeln bezeichnet. Ausgehend von einer erzählpragmatischen Analyse von Mk 12,1–12 par. erläutert er, wie Markus ein redaktionell-textpragmatisches Konzept zur Erklärung der ambivalenten Wirkung der Gleichnisbotschaft Jesu vor Ostern entwickelt und gerade so die Stimulierung der Nachfolgebereitschaft der nachösterlichen Adressaten des Evangeliums erreicht. Indem der als „Parabeltheorie“ bekannte Abschnitt Mk 4,10–12 als „Exposition der synoptischen Parabelhermeneutik“ verstanden wird, sei erkennbar, dass die Gleichnisrede Jesu von Markus und ihm folgend von den anderen Synoptikern programmatisch als Sprachform eingeführt werde, die die Scheidung zwischen Jüngern und Gegnern Jesu nicht nur beschreibt, sondern zugleich bewirkt. Die Parabeln vollziehen somit der Erzählpragmatik des Evangelisten folgend bereits das eschatologische Gericht in erster Instanz, während die zweite Stufe der mit der Parusie des Menschensohns eintreten werde. Auch Enno Edzard Popkes reflektiert in seinem Beitrag „‚Das Mysterion der Botschaft Jesu‘. Beobachtungen zur synoptischen Parabeltheorie und ihren Analogien im Johannesevangelium und Thomasevangelium“ Sinn und Funktion der so genannten „Parabeltheorie“, erweitert die Fragestellung aber traditionsgeschichtlich und intertextuell, indem er einen Bogen von der mk Gleichnistheorie über die synoptischen Varianten bis hin zu Analogien im Johannesevangelium und Thomasevangelium spannt. Die Parabeltheorie Mk 4,10–12 ist unter hermeneutischer Perspektive besonders interessant, weil sie eine textimmanente Reflexion der Verstehensmöglichkeiten von Parabeln, mehr noch der Verständnisschwierigkeiten derselben darstellt. Popkes benennt zunächst mit „Erzähldramaturgie“ und „paradoxer Intervention“ zwei textpragmatische Modelle, wie die mk Parabeltheorie im Kontext des ältesten Evangeliums sinnvoll erklärt werden kann, bevor er ihre Relativierung durch Lukas und heilsgeschichtliche Deutung bei Matthäus erläutert. Da auch das JohEv die Bilderrede Jesu in ihrer ambivalenten Wirkung reflektiert und wie bei den Synoptikern auf das Verstockungsmotiv aus Jes 6,9 f. zurückgreift, könne man in Joh 12,37–40 und Joh 16,25–30 zumindest eine Analogie zur synoptischen Parabeltheorie erkennen. Gleiches gelte für das Logion EvThom 62,1, wonach die Mysterien Jesu nur einer be-
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stimmten Auswahl von Jüngern anvertraut werden. Auch wenn Popkes die Einschätzung zurückweist, in EvThom 62,1 liege eine frühe Fassung der synoptischen Parabeltheorie vor, möchte er die Analogien nicht im Sinne historisch-genetischer Ableitungen engführen. Stattdessen zeigt er auf, wie die unterschiedliche Bearbeitung der sachlich ähnlichen Fragestellung jeweils das theologische Profil der Ganzschrift zu Tage treten lässt, d. h. für Joh den Parakleten als nachösterlichen Hermeneuten einführt und für EvThom die Esoterik spezieller Traditionsgaranten zu legitimieren versucht. Die Frage im Titel des Beitrags von Mira Stare „Gibt es Gleichnisse im Johannesevangelium?“ zeigt an, dass im Blick auf das Johannesevangelium nicht spezifische gleichnistheoretische Fragen, sondern vielmehr die Grundfrage nach der Existenz von Gleichnissen gestellt werden muss. Obgleich die neutestamentliche Forschung hier weitgehend unter dem Verdikt von Jülicher stand, weist Stare in einem Forschungsabriss darauf hin, dass doch einzelne Exegeten wie Kögel, Dodd oder Theobald immer wieder von Gleichnissen im Johannesevangelium gesprochen haben. Die jüngste Diskussion aufgreifend diskutiert sie den johanneischen Bildbegriff und kommt in Applikation des für das Gleichniskompendium entwickelten Merkmalsbündels der Gattung „Parabel“ zu dem Ergebnis, dass es sehr wohl berechtigt ist, von joh Parabeln zu sprechen. Diese Einschätzung habe weitreichende Konsequenzen für eine Verhältnisbestimmung zwischen joh und synoptischen Gleichnissen: Die synoptischen Gleichnisse dürften nicht länger zum Maßstab für die johanneischen Gleichnisse werden, stattdessen müsse die je unterschiedliche Prägung der beiden Traditionsbereiche gleichwertig nebeneinander gestellt werden. Abschließend werden drei Beispieltexte (Joh 10,1–5, Joh 12,24 und Joh 16,21) als Parabeln gemäß der genannten Kriterien analysiert, wobei ein theologisches Netzwerk durch Parabeln sichtbar werde, das eng in die Christologie des vierten Evangeliums eingebunden bleibe. Wird die Existenz von Parabeln Jesu in dieser Weise über die Synoptiker hinaus phänomenologisch für das JohEv und (im Beitrag von Popkes) für das Thomasevangelium behauptet, auch wenn dort der für die Synoptiker charakteristische Begriff bekanntlich fehlt, so zeigt sich umgekehrt, dass einige Textpassagen im Hebräer-Brief terminologisch als „Parabeln“ bezeichnet werden, auch wenn dort keine direkte Jesusrede wiedergegeben wird. Schon im Blick auf eine historisch-semantische Begriffsbestimmung ist es deshalb erhellend, die einzigen beiden neutestamentlichen Belege von außerhalb der synoptischen Evangelien in Hebr 9,9 und 11,19 zu untersuchen. Clare K. Rothschild gibt in ihrem Beitrag „ in Hebrews“ zunächst einen Überblick, wie die beiden Belege in der Forschung zum Hebräerbrief interpretiert wurden, was vor allem die unterschiedliche Auslegung beider Textabschnitte zu Tage fördert. Sie versucht dagegen nicht nur die begriffliche, sondern auch funktionale Zusammengehörigkeit beider
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Belege aufzuzeigen und macht deutlich, dass der Parabel-Begriff ganz in die hermeneutische Grundausrichtung der Gesamtschrift eingebunden bleibt. bezeichnet in Hebr keinen narrativen fiktionalen Textabschnitt, sondern klassifiziert vergleichende Verweise auf atl.-jüdische Motive, sei es den Versöhnungstag bzw. das jüdische Kultsystem im allgemeinen bei Hebr 9,9, sei es Abrahams Wiedererlangung des geopferten Isaak in Hebr 11,19 im Licht des Christusglaubens. Indem diese Schriftverweise durch das Jesusgeschick erhellt oder erst sachgemäß verstanden werden, wird die hermeneutische Funktion des -Begriffs evident, was die Begriffsverwendung – bei aller bleibender Differenz – in die Nähe zum synoptischen Verständnis bringt. Führt hier der Vergleich mit der Alltagserfahrung zu einem vertieften christologischen Verständnis, so ist es dort die hebräische (Schrift-)Tradition.
2.3. Literaturwissenschaftliche Perspektiven Die sprachliche Gestalt der Gleichnisse wurde zumindest innerhalb deutschsprachiger Exegese besonders als Frage nach der Gattung diskutiert. Entsprechend soll einleitend zu diesem Teil auch die Frage nach der Textsorte der Gleichnisse erörtert werden. In meinem Beitrag Ruben Zimmermann „Parabeln – sonst nichts! Gattungsbestimmung jenseits der Klassifikation in ‚Bildwort‘, ‚Gleichnis‘, ‚Parabel‘ und ‚Beispielerzählung‘“ wird die von Jülicher und Bultmann eingeführte Gattungsklassifikation einer grundsätzlichen Kritik unterzogen. Unter der Voraussetzung eines dynamischkonstruktivistischen Gattungsverständnisses wird das Gattungsbewusstsein der urchristlichen Autoren aufgenommen und die in den Quellen mit bezeichnete Textgruppe anhand spezifischer Kriterien wie z.B. Narrativität und Metaphorizität deskriptiv erfasst. Auf diese Weise konnte eine mit der literaturwissenschaftlichen Diskussion kompatible Definition der Gattung „Parabel“ gewonnen werden, die für das Kompendium maßgeblich wurde. Die nachfolgenden Beiträge greifen einzelne sprachliche Aspekte der Parabeln heraus: Detlev Dormeyer setzt mit seinem Aufsatz „Gleichnisse als narrative und metaphorische Konstrukte – sprachliche und handlungsorientierte Aspekte“ zunächst bei der Narrativität der Parabeltexte an, die er hinsichtlich der Elemente „Handlungsträger“ und „Erzählhandlung“ expliziert. Das Kriterium der „Metaphorizität“ der Parabel wird dann eingeordnet in die historische Semantik bzw. das Bildfeld, was zugleich Verhältnisbestimmungen zu Metonymie und Allegorie ermöglicht. Die sprachliche Konstruktion der Gleichnisse diene in pragmatischer Hinsicht letztlich der moralischen bzw. theologischen Urteilsbildung, die durch religiöse Kommunikation über biblische Texte gefördert werde. Dormeyer stellt zwei Modelle einer solchen Kommunikation vor (interaktionaler und dialogischer
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Zugang), die auf unterschiedliche Weise identifikatorisches Lesen bzw. aneignendes Verstehen der Gleichnisse ermöglichen. Eine elementare Grundfrage sprachlicher Gleichnisinterpretation ist die Frage, wie die ‚Bildlichkeit‘ oder offener formuliert: die zweite Sinnebene des Gleichnisses geschaffen bzw. erkennbar wird. Zugespitzt: Was macht einen Text überhaupt zum Gleichnis? Die Beiträge von Münch und Braun versuchen diesem Problem auf je eigene Weise nachzugehen: Christian Münch bezeichnet in seinem Beitrag „Form und Referenz von Gleichnissen in den synoptischen Evangelien“ die Wechselwirkung unterschiedlicher Sinn-Ebenen bewusst offen als „Referenz“. Der Referenzprozess, der bei der Sinnbildung von Gleichnissen durchlaufen wird, werde durch sprachliche und literarische Signale gesteuert, die innerhalb der synoptischen Parabeln typisiert werden könnten. Zentrale Bedeutung kommt hierbei nach Münch den Gleichniseinleitungen zu, die er allgemein in die Kategorien Ähnlichkeitsformeln, Fragen und Imperative einteilt und hinsichtlich des Matthäusevangeliums zusätzlich präzisiert. Der Verstehensprozess werde darüber hinaus textimmanent durch unterschiedliche „Referenzstrategien“ geleitet, wobei zwischen der „Evidenz der Normalität“, der „Evidenz des Dramatischen“ und der „Evidenz der (heils-)geschichtlichen Entsprechung“ unterschieden werden könne. Obgleich inhomogener als die Einleitungen werde der Referenzprozess schließlich durch die Gleichnisschlüsse abgesichert. Während grundlegende Referenzformen in allen synoptischen Evangelien begegnen, könnten doch je textspezifische Schwerpunkte ausgemacht werden, sei es, dass etwa Matthäus mit stereotypen Himmelreichformeln einleitet, sei es, dass Lukas durch seine dramatische Erzählkunst heilsgeschichtliche Bezüge nahe legt. Eine explizite Vertiefung der metaphorischen Dimension der Gleichnisse wird in dem Beitrag von Thomas Braun „Wenn zwischen den Zeilen ein Funke aufblitzt. Überlegungen zur Metaphorik lukanischer Gleichnisse im Anschluss an Paul Ricœur und am Beispiel von Lk 17,7–10“ geleistet. Im Gegenüber zu Weders Rückbindung der parabolischen Grundmetapher „Jesus ist Christus“ an eine historische Situation hebt Braun hervor, dass nur der Kontext eines Gleichnisses, wie er sich narratologisch und redaktionskritisch beschreiben lässt, zum Verstehen der Gleichnisse als Metaphern führen könne. Er knüpft dabei an Ricœurs textgebundene Metapherntheorie an, die plausibel macht, dass nur die Eintragung eines Textes in das Evangelium metaphorischen Sinn erschließt und eine Interpretation des Textes als Gleichnis ermöglicht. Am Beispielgleichnis vom Sklavenlohn zeigt Braun auf, wie über die Adressierung an „die Apostel“ eine Einbindung des Textes in das Gesamtevangelium erfolgt, die seinen Sinn in der Verknüpfung entfernter semantischer Felder erst entstehen lässt. In den beiden folgenden Beiträgen wird die überfällige Diskussion um den Allegorie-Begriff vorangebracht: Kurt Erlemann knüpft in seinem Beitrag
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„Allegorie, Allegorese, Allegorisierung“ unmittelbar an die wichtige Arbeit von H.-J. Klauck an und teilt mit ihm die Einschätzung, dass es sich bei der Allegorie um ein Gestaltungsmittel und nicht um eine Gattung handelt. Parabeln seien literarische Formen, die mittels allegorischer Elemente auf eine außersprachliche Sinnebene verweisen, die historisch-kritisch analysiert werden müssten. Erlemann möchte vor allem die von Klauck eingeführten Begriffsdifferenzierungen weiterführen. Löst man sich von einem bestimmten Geschichtsmodell, das der Urgestalt des Textes Priorität einräumt, erweise sich die Allegorisierung eines Textes im Laufe seiner Überlieferung als ein natürlicher und sachgemäßer Vorgang der Deutung im veränderten religiösen z.B. christologisch zugespitzten Kontext. Auch die Allegorese als bildliches Auslegungsverfahren eines nichtbildlichen Textes könne in rezipientenorientierter Perspektive aufgewertet werden, da sie einen Text auf den gesamtbiblischen oder christologischen Kontext beziehe und wertvolle theologische Verstehensmöglichkeiten bereitstelle. Gleichwohl müsse durch historisch-kritische Rekonstruktion des ursprünglichen Verstehenskontextes der Gefahr einer dogmatischen Vereinnahmung gleichnishafter Texte entgegengetreten werden. Einen anderen Vorstoß zur Präzisierung des Allegorie- und Allegorese-Begriffs versucht Annette Weissenrieder in ihrem Beitrag „Didaktik der Bilder. Allegorie und Allegorese am Beispiel von Mk 4,3–20“. In Anknüpfung der Arbeiten von H.-J. Klauck und P. von Gemünden möchte Weissenrieder die Allegorie- bzw. Bildfeld-Theorien um den Aspekt des visuellen Bildes erweitern, indem sie Münzen als extratextuelle Codes für ein Verständnis von Mk 4,3–20 einbezieht. In Auswertung von numismatischem Material in Judäa und Syrien aus der Zeit von 29–44 n. Chr. kommt sie zu dem Ergebnis, dass die Münzabbildungen eines Säenden und vom Fruchtbringen als Allegorie auf die Herrschaft Roms anspielten. Der Kaiser sollte als Fruchtbringer des Landes propagiert werden. In Anwendung auf Mk 4,3–20 führe dies zu einem interessanten Befund: Während das Scheitern des Fruchtbringens in der Allegorese Mk 4,13–20 als Zeichen für das Einwirken des Römischen Reiches gedeutet wird, unterbleibe eine Ausdeutung für den Säenden und die fruchtbringende Saat. Indem es sich aber besonders bei diesen Motiven um Propagandamaterial der zeitgenössischen Münzen handle, könne gezeigt werden, dass das Bildfeld der Herrschaftssaat durch Einbettung in die theologische Enzyklopädie des MkEv eine neue Deutung erfahren solle, indem der sichtbaren Herrschaft Roms der Appell zum Sichtbarmachen des Reiches Gottes gegenüber gestellt werde. Nur das Scheitern des Fruchtbringens werde somit den verändernden Bedingungen eines neuen Kontextes unterworfen, während in der Rede von Säendem und Fruchtbringen die Allegorese eng auf den Prätext der Parabel bezogen bleibe. Gewinnen für Weissenrieder rhetorische Verfahren vor allem Plausibilität, wenn sie mit der materialen Bildwelt in Einklang gebracht werden können,
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so zeigt Adela Yarbro Collins ebenfalls am Textbeispiel von Mk 4 (nun aber ausgeweitet auf das ganze Kapitel), wie gerade die rhetorische Analyse der literarischen Komposition Gleichnisverstehen eröffne. Indem sie zugesteht, dass der Evangelist vorhandenes disparates Quellenmaterial aufnimmt, aber zugleich erklärt, wie es im vorliegenden Text zu einem kohärenten „ParabelDiskurs“ zusammengefügt wird, überwindet sie die Frontstellung zwischen einer diachron-historischen und einer synchron-literarischen Gleichnisauslegung.
2.4. Rezeptionsästhetische und theologische Perspektiven Die Beiträge im vierten Teil legen ihren Schwerpunkt auf die Sinnkonstitution, die durch den Leser bzw. die Leserin erfolgt. Die gemeinsame rezeptionsästhetische Perspektive wird durch unterschiedliche Theorien elaboriert und für verschiedene Ziele ausgewertet. Mehr noch als in anderen Teilen des Bandes zeigen die Beiträge hier das Bemühen, unterschiedliche Perspektiven zu integrieren. So haben z.B. die Beiträge von Reinmuth und Dronsch explizit überleitenden Charakter. Während Reinmuth die Brücke von der Sprachlichkeit der Gleichnisse zum Leser schlägt, diskutiert Dronsch die Bedeutungsfrage zunächst im historischen wie auch linguistischen Paradigma, bevor sie mit der Semiotik ein integratives Modell vorschlägt. In seinem Beitrag „Vom Sprachereignis zum Kommunikationsereignis. Diskurstheoretische Überlegungen zu den Kontexten der Gleichnisrede Jesu“ greift Eckart Reinmuth das in der früheren Gleichnisforschung dominante Paradigma des Sprachereignisses auf, führt es aber im Horizont von Diskurstheorie und Argumentationsanalyse auf eine neue Ebene. So stellt sich diskurstheoretisch die Frage, wie das Verhältnis der Gleichnisse als diskursive Artikulation von Ereignissen zu bestimmen ist, wobei sich Reinmuth vor allem auf die in den Makrotexten der Evangelien ablesbaren Interpretationsprozesse der Jesus-Christus-Geschichte bezieht. Die Wahrheit der Texte wird somit weder an Urformen noch an abstrakte Seinsweisen gebunden, sondern hängt an den diskursiven Kontexten, in denen Wahrheit in konkreter Situation verantwortet wird. Auch für Stephen Curkpatrick ist in seinem Beitrag „Parable and Vocative Word. A Dialogue with Levinas“ die Einbettung der Parabeln in den christologischen Kontext maßgeblich, allerdings weitet er die Wirkung der Texte über den geschriebenen auf den gesprochenen Kontext hinaus aus. In Aufnahme existenzialphilosophisch-phänomenologischer Traditionen betont er gerade den Anrede-Charakter der Parabeln, den er sprachlich als „Vokativ“ deutet. Im Dialog mit Levinas macht er deutlich, wie der Vokativ der Gleichnisse aus arbiträren Beziehungskonstellationen zur Existenz ruft. Kristina Dronsch stellt in ihrem Beitrag „Auf der Suche nach der Bedeutung der Gleichnisse – semiotische Aspekte“ die hermeneutische Grundfrage,
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wo und wie sich die Bedeutung der Parabeln konstituiert. Sie differenziert dabei forschungsgeschichtlich zwischen einem „geschichtsorientierten Paradigma“, bei dem die Bedeutung an einen Urzustand (Entstehungssituation des Textes) rückgebunden wird, und einem „textorientierten Paradigma“, bei dem die Bedeutung als immanente Größe in der sprachlichen Gestalt der Parabeln selbst liege. Beide Ansätze treffen sich allerdings darin, dass Bedeutung statisch gleichbleibend und dabei zeitlos definiert werde. Demgegenüber entwirft sie im Anschluss an die dreistellige Zeichentheorie von Ch. S. Peirce ein dynamisches „integratives Bedeutungsverständnis“, das sowohl das Bedeutungspotenzial der Texte als auch die aktuellen Rezeptionsprozesse als bedeutungsstiftende Vorgänge gebührend berücksichtigt. „Analogisches Schlussfolgern“ könne hierbei zur verbindenden Interpretationsstrategie werden. Ebenfalls mit semiotischem Inventar arbeitet der Beitrag von Stefan Alkier „Himmel und Hölle. Zur Kontextualität und Referenz gleichnishafter Rede unter besonderer Berücksichtigung des Gleichnisses vom Fischnetz (Mt 13,47–50)“. Ausgehend von einer kritischen Lektüre von Jülichers und Jüngels Gleichnisinterpretation gewinnt Alkier die Einsicht, dass beide Ansätze konstruktiv zusammengeführt werden können, wenn man sie als zwei Aspekte eines semiotischen Prozesses betrachtet. Dabei gelte es, den Text in seinem schriftlichen Kontext und Diskursuniversum ernst zu nehmen, denn nur so könne die konkrete Botschaft der Gleichnisse in der Differenziertheit der sprachlichen Formen mit dem erkenntnistheoretischen und theologischen Mehrwert zusammen gedacht werden. Die Botschaft der Gleichnisse wird dann nicht auf ein abstraktes Prinzip reduziert, sondern birgt – wie Alkier am Beispiel vom Gleichnis vom Fischnetz (Mt 13,47–50) ausführt – ethische Konsequenzen mit Blick auf die je eigene Lebensführung. Wie stark der christologisch-narrative Kontext die Wirkung einer Parabel bestimmt, wird auch an dem von Mary Ann Beavis ausgewählten NegativBeispiel erkennbar. In ihrem Beitrag „Feminist (and other) Reflections on the Woman with Seven Husbands (Mark 12:20–23): A Neglected Synoptic Parable“ zeigt sie auf, dass in die Sadduzäerfrage eine Parabel eingebettet ist, die aber nicht im Mund Jesu, sondern im Mund seiner Gegner angeführt wird, was ihr eine entsprechend geringe Wirkungsgeschichte bereitet hat. Beavis analysiert die Parabel unter feministisch-hermeneutischer Perspektive (in Anknüpfung an Schüssler Fiorenza), wobei besonders die Stellung und Bewertung der weiblichen Hauptperson der Parabel vor dem zeitgenössischen jüdischen Hintergrund in den Mittelpunkt gerückt wird. War im Zuge einer literarischen Gleichnishermeneutik der literarische Kontext in den Mittelpunkt gerückt, so muss dies unter rezeptionsästhetischer Perspektive der Kontext im Akt des Lesens sein. In ihrem Beitrag „Jesus, Kafka und die Gräuel des 20. Jahrhunderts. Gleichnishermeneutik nach der Shoah“ zeigt Tania Oldenhage zunächst auf, dass in der amerika-
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nischen (Funk, Crossan) wie auch deutschen (Harnisch) Gleichnisauslegung immer wieder Intertexte des 20. Jahrhunderts wie z.B. Kafkas Parabeln eingespielt werden, um damit Bezüge zu den Ereignissen der Schoah herzustellen. Allerdings unterbleibt eine explizite Reflexion dieser Leserkontexte, die dann von Oldenhage vollzogen wird. Im Rahmen einer Forschungsskizze führt sie vor Augen, wie die Gleichnisinterpretation des 20. Jahrhunderts wichtige Chancen der Durcharbeitung und auch Trauerarbeit verpasst hat. Arland Hultgren macht sich in seinem Beitrag „Interpreting the Parables of Jesus: Giving Voice to Their Theological Significance“ für eine theologische Interpretation der Parabeln stark. Durch Analyse interner, kontextueller und traditioneller Referenzelemente zeigt er auf, dass das Verstehen der Erzählungen auf einen Tiefensinn hinzielt, der klare theologische Aussagen (z.B. hinsichtlich eines Gottesbildes) zu erkennen gibt, zugleich aber polyvalent und offen bleibt und somit ein unerschöpfliches hermeneutisches Potenzial birgt. Indem er u.a. den kritischen Dialog mit Ch. W. Hedrick sucht, schließt sich der Kreis zum Bereich der historisch-realgeschichtlichen Beiträge des Bandes.
Parabelauslegung im Kompendium der Gleichnisse Jesu Reflexion der Methodenschritte und exemplarische Exegese von Joh 3,29 f. Uta Poplutz „Das Kunstwerk erlaubt sich also, das Gewohnte zu verfremden. Dabei ist vorausgesetzt, daß der Täuschungseffekt der Verfremdung nicht den Charakter eines Gaukelspiels hat, sondern den von Offenbarung annimmt.“1
1. Hinführung Das Kompendium der Gleichnisse Jesu2 hat es sich zum Ziel gesetzt, in einem einzigen Band eine Auslegung aller Parabeln3 anzubieten, die im Zuge der christlichen Überlieferung traditionellerweise Jesus zugeschrieben wurden. Dazu zählen nicht nur die gängigen Parabeln der synoptischen Tradition, die einem beim Stichwort „Gleichnisse Jesu“ wohl als erstes in den Sinn kommen, sondern auch die johanneischen Paroimiai,4 die Parabeln der apokryphen Schriften (etwa aus dem Thomasevangelium) sowie die weit ver-
1 W. Harnisch, Die Gleichniserzählungen Jesu. Eine hermeneutische Einführung, UTB 1343, Göttingen 1985, 11 f. 2 R. Zimmermann u.a. (Hgg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu, Gütersloh 2007. 3 Zum Parabel-Begriff vgl. R. Zimmermann, Die Gleichnisse Jesu. Eine Leseanleitung zum Kompendium, in: ders. (Hg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu (s. Anm. 2), 3–46, hier: 25–28. 4 Vgl. dazu U. Poplutz, Paroimia und Parabol . Gleichniskonzepte bei Johannes und Markus, in: J. Frey / J.G. van der Watt / R. Zimmermann (Hgg.), Imagery in the Gospel of John. Terms, Forms, Themes, and Theology of Johannine Figurative Language, WUNT 200, Tübingen 2006, 103–120, sowie R. Hirsch-Luipold, Klartext in Bildern. als Signalwörter für eine bildhafte Darstellungsform im Johannesevangelium, in: Frey / van der Watt / Zimmermann, a.a.O., 61–102.
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streuten, zumeist unzusammenhängend überlieferten Agrapha.5 Insgesamt umfasst das Kompendium so die stattliche Zahl von 104 Parabeln, die übersetzt, eingeleitet und ausgelegt werden. Mehr als vierzig Neutestamentlerinnen und Neutestamentler haben sich an diesem Großprojekt beteiligt. Das bedeutet, dass nicht nur verschiedene Prämissen und wissenschaftliche Standpunkte, sondern auch divergierende methodische Herangehensweisen, die die einzelnen Exegetinnen und Exegeten in ihrer Arbeit bevorzugen, zusammentrafen und auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden mussten. Um eine formale Einheitlichkeit der Einzelauslegungen zu garantieren, die dennoch genügend Spielraum für individuellen Stil und inhaltliche Schwerpunktsetzungen lässt, haben sich die Kompendiumsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter im Rahmen zweier Tagungen6 auf einen gemeinsamen Leitfaden geeinigt, anhand dessen die in Form und Inhalt recht unterschiedlichen Parabeltexte auszulegen waren. Der folgende Beitrag will diesen Leitfaden und seine Legitimation vorstellen und anhand eines kurzen Parabeltextes aus dem Johannesevangelium exemplifizieren, wie sich eine Einzelexegese im Kompendium konkret darstellt. Indem in der vorliegenden Reflexion die Vorgaben des Leitfadens auf eine Parabel angewendet werden, die nicht im Munde Jesu, sondern im Munde Johannes des Täufers begegnet und deshalb nicht im Kompendium der Gleichnisse Jesu erscheint, lässt sich zugleich aufzeigen, dass sich die methodische Herangehensweise problemlos auf alle urchristlichen Parabeltexte übertragen lässt und keineswegs auf die die Tradition beherrschenden, aber sie nicht ausschließlich ausmachenden Jesus-Parabeln beschränkt ist.
2. Die einzelnen Auslegungsschritte – eine Reflexion 2.1 Überschrift Jede Parabel wurde von den jeweils verantwortlichen Bearbeiterinnen und Bearbeitern mit einer neuen innovativen Überschrift versehen. Die Aufgabe einer Überschrift ist es, in wenigen treffenden Worten die Kernaussage des jeweils nachfolgenden Textes auf den Punkt zu bringen, um so bei den Rezipientinnen und Rezipienten das Interesse für die weitere Lektüre
5 Vgl. dazu die Anmerkungen von T. Nicklas, Zur Problematik der so genannten „Agrapha“ – eine Thesenreihe, RB 113 (2006), 78–93. Eine ins Deutsche übersetzte Sammlung und damit einen guten Zugriff auf die Agrapha bieten K. Berger / C. Nord, Das Neue Testament und frühchristliche Schriften, Frankfurt a.M. 2005, 1114–1202. 6 Die Tagungen fanden unter der Federführung von Ruben Zimmermann am 5./6.10.2005 und 21./22.2.2007 in Bielefeld statt. Dort wurden neben formkritischen Fragestellungen vor allem die Methodik der Gleichnisauslegung und ihre praktische Durchführung im Kompendium diskutiert.
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zu wecken.7 Obwohl der Text des Neuen Testaments ohne Gliederungen und Zwischenüberschriften überliefert ist, sind die meisten Parabeln unter einem sog. „klassischen“ Titel bekannt, der ihnen irgendwann im Laufe der Tradition – etwa durch die Lutherbibel oder die Standardwerke von Adolf Jülicher und Joachim Jeremias8 – zugekommen ist. Eine gute Überschrift ist jedoch eine große Kunst und immer auch Ausdruck einer bestimmten Fokussierung bzw. Interpretation. So kann ein Titel die Pointe einer Parabel gekonnt auf den Punkt bringen, aber ebenso gut eine Fehlinterpretation einleiten, die den Erzählhorizont nicht adäquat erfasst oder von vornherein einseitig verengt. Dieser Gefahr sind gewiss auch die neuen Überschriften ausgesetzt, die für das Kompendium der Gleichnisse Jesu gewählt wurden. Aber durch die Applizierung innovativer, mehr oder weniger poetischer, in jedem Fall aber kreativer Überschriften kommt mit dem Moment der Verfremdung ein sinnstiftender Prozess in Gang, der als ästhetische Erfahrung zu klassifizieren ist, die der Erfahrende – in diesem Fall die Leserin und der Leser – wesentlich mitvollziehen muss.9 Daraus ergibt sich eine Dynamik, die der bleibenden Aktualität der überlieferten Texte, die niemals endgültig abstrakt-begrifflich ausgelotet werden können, gerecht wird. Und das ist unabhängig davon, wie gelungen die jeweiligen Parabelüberschriften in der subjektiven Wahrnehmung des Einzelnen sein mögen. Eine fremde Überschrift, die über einen vertrauten Text gesetzt wird, provoziert: Weil sie überraschend ist, weil sie Irritationen auslösen kann, weil sie Vertrautes in Fremdheit wendet. In jedem Fall ist sie eine Einladung, sich auf das Proben und Erfahren von Sinn einzulassen. Mit der Überschrift soll ein kreativer Prozess in Gang gesetzt werden, der ähnlich wie eine Metapher zur Sprache bringt, was bis dahin noch nicht gesagt und – so mag man optimistisch hinzufügen – was bis dahin vielleicht auch noch nicht verstanden worden ist.10
2.2 Übersetzung Die jeweils älteste Fassung des auszulegenden Parabeltextes wurde von den Autorinnen und Autoren ins Deutsche übersetzt. Die meisten Texte liegen in 7 Vgl. dazu die v.a. für Journalistinnen und Journalisten konzipierte Monographie W. Schneider / D. Esslinger, Die Überschrift. Sachzwänge, Fallstricke, Versuchungen, Rezepte, München 42007. 8 A. Jülicher, Die Gleichnisreden Jesu, Teile I–II, Ausgabe in einem Band, Tübingen 1910; J. Jeremias, Die Gleichnisse Jesu, Göttingen 111998 (1947). 9 In diesem Sinne formuliert J. Anderegg, Sprache und Verwandlung. Zur literarischen Ästhetik, Göttingen 1985, 32, diese Möglichkeit: „Wer sich auf poetische Sprache einläßt, wird Zeuge einer Verwandlung, partizipiert an einem Verwandlungsprozeß. Nicht mit einem bestimmten Sein wird er konfrontiert, wohl aber erfährt er ein Werden.“ 10 Vgl. dazu die grundlegenden Überlegungen bei U. Poplutz, Athlet des Evangeliums. Eine motivgeschichtliche Studie zur Wettkampfmetaphorik bei Paulus, HBS 43, Freiburg, Br. u.a. 2004, 17–29.
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Griechisch vor, jedoch gibt es auch koptische (Nag Hammadi Codices) oder arabische und syrische Überlieferungen (Agrapha). Die Übersetzung soll die Parabel nicht glätten, sondern die Sprachkraft des Urtextes zum Klingen bringen – auch und gerade in seiner Sperrigkeit. Sprache lebt von Übersetzung,11 mehr noch: Sprache ist immer schon Übersetzung, da sie ein Ereignis oder eine Erfahrung in einen anderen ,Aggregatzustand‘ oder ein neues Struktursystem überträgt – durch mündliche Formulierung oder schriftliche Fixierung. So verstanden, eignet Sprache grundlegend metaphorische Qualität.12 Das bedeutet zugleich, dass Sprache stets Interpretation ist. Denn das, was über die Wirklichkeit bzw. deren Erfahrung formuliert wird, ist unabdingbar als Deutung einer Wirklichkeit einzuordnen, welche nicht absolut ist, sondern auch ganz anders ins Wort gebracht werden könnte.13 Sollen nun poetische Texte wie die Parabeln von einer Sprache in eine andere übersetzt werden, zeigt sich die Herausforderung in doppelter Hinsicht. Nicht nur ist der Bedeutungshintergrund und das Bildfeld der jeweiligen Parabel adäquat zu erfassen, sondern die Erzählung muss zugleich neu kodiert, das heißt im Rahmen der Syntax und Semantik einer kulturell in einem ganz anderen Kontext gewachsenen Sprache – im vorliegenden Fall dem Deutschen – ausgedrückt werden. So wird der Text im Akt des Übersetzens von einer Sprache in eine andere als Kommunikationsgeschehen neu erfahrbar.14 In seiner Endgestalt stellt der Text eine eigene Wirklichkeit dar, die von den Leserinnen und Lesern als solche wahrgenommen wird, aber – und dessen muss man sich bewusst sein – mit dem Original nicht mehr identisch ist. Übersetzen bedeutet, eine neue Text-Wirklichkeit zu schaffen, den Herkunftstext in der eigenen Sprache zu konstruieren. […] Der Sinn des Textes steht für die Dauer der Übersetzung in Frage. Ihre Endgestalt ist wie ein wieder zusammengesetzter Sinn. Deshalb gleichen Übersetzungen eines Textes sich nicht.15
11 Vgl. G. Söhngen, Analogie und Metapher. Kleine Philosophie und Theologie der Sprache, Freiburg, Br. / München 1962, 57. 12 Vgl. die Grundbedeutung von griech. die H.G. Liddell / R. Scott, A GreekEnglish Lexicon. With a revised Supplement, Oxford 1996, 1118, angeben mit: „carry across, transfer; change, alter“. Vgl. auch die grundlegenden Überlegungen zur Metaphoriziät von G. Lakoff / M. Johnson, Leben in Metaphern. Konstruktion und Gebrauch von Sprachbildern, Heidelberg 32003. 13 Vgl. N. Goodman, Sprachen der Kunst. Entwurf einer Symboltheorie, Frankfurt a.M. 51997, 20: „[…] Rezeption und Interpretation lassen sich als Vorgänge nicht trennen; sie sind vollständig voneinander abhängig.“ 14 Nimmt man das klassische Kommunikationsmodell, etwa Bühlers Organon-Modell (s.u. Anm. 25), müsste man die Übersetzerin oder den Übersetzer quasi zwischen Verfasser (Sender) und Leser (Empfänger) schalten; damit nimmt der Übersetzer / die Übersetzerin die Funktion des ursprünglichen Verfassers ein, während der ursprüngliche Verfasser zur „Informationsquelle“ wird. 15 E. Reinmuth, Hermeneutik des Neuen Testaments. Eine Einführung in die Lektüre des Neuen Testaments, Göttingen 2002, 43.
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Ziel des Kompendiums der Gleichnisse Jesu ist es somit, die Parabeln in eine verständliche und zeitgemäße Sprache zu übertragen, ohne sie zu verflachen. Der Verwendung inklusiver Sprache wird bei diesem Übersetzungsvorgang besondere Bedeutung zugemessen,16 d.h. frauendiskriminierende oder antijudaistische Stereotypen werden bewusst vermieden. Bei all dem ist jedoch der Grundsatz leitend, dass die in den Parabeln gespiegelten sozio-kulturellen Verhältnisse nicht verfremdet, sondern möglichst wirklichkeitsgetreu wiedergegeben werden: Wenn in einer Passage ausschließlich Männer gemeint sind, muss dies auch in der Übersetzung zum Tragen kommen.17 Übersetzen ist ein kreativer Vorgang, der Spielräume lässt. Übersetzen basiert auf dem eigenen Verstehen, dem eigenen Sprachgefühl, aber auch auf bestimmten Voraussetzungen und Interpretationen, die sich die jeweilige Übersetzerin und der jeweilige Übersetzer im Laufe ihrer eigenen Geschichte angeeignet haben. In praktischer Hinsicht bedeutet dies für das Kompendium, dass man je nach hermeneutischer Grundentscheidung eine möglichst nah am Urtext orientierte Sprache wählen oder aber versuchen kann, in etwas größerer Freiheit das anvisierte Bedeutungsspektrum bzw. den lebensweltlichen Hintergrund mit zu übertragen.18 Die Offenheit, dies verantwortet, jedoch mit durchaus unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen anzugehen, prägt die Übersetzungen des Kompendiums. Einen Aspekt darf man dabei jedoch niemals aus den Augen verlieren: Übersetzen ist Interpretation. Es gibt keine ,neutrale‘, ,objektive‘ oder ,wörtliche‘ Übersetzung, und so wird es niemals das letzte Wort in dieser Sache geben. „Sprache schafft immer zugleich Verstehen und Nichtverstehen, sie verbindet und trennt.“19 Ein übersetzter Text spiegelt zwangsläufig das jeweilige Zeit- und Weltverständnis der Übersetzerin und des Übersetzers. Und somit wird es eine abschließende Übertragung der überkommenen Texte nicht geben. Weil Sprache sich ändert. Weil Verstehen sich ändert.
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Vgl. Zimmermann, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 3), 34. Dabei ist die Partizipation von Frauen in den Lebensbereichen der antiken Gesellschaft besonders sorgfältig in die Analyse einzubeziehen, um vor leichtfertigen Fehlannahmen zu bewahren; hilfreich hierzu etwa T. Späth / B. Wagner-Hasel (Hgg.), Frauenwelten in der Antike. Geschlechterordnung und weibliche Lebenspraxis, Stuttgart 2000; J. F. Gardner, Frauen im antiken Rom. Familie, Alltag, Recht, München 1995 mit zahlreichen weiteren Literaturangaben. 18 Letzteres ist etwa das Anliegen der jüngst veröffentlichten „Bibel in gerechter Sprache“ (2006). 19 G. Ebeling, Wort Gottes und Sprache, in: M. Kaempfert (Hg.), Probleme der religiösen Sprache, WdF 442, Darmstadt 1983, 77. 17
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2.3 Sprachlich-narrative Analyse (Bildlichkeit) In den vergangenen Jahrzehnten sind in der Exegese vermehrt narratologische und linguistische Analyseverfahren an die neutestamentlichen Texte herangetragen worden.20 Diese literaturwissenschaftlich orientierten Methoden ermöglichen es, die Texte als Erzählungen wahr- und ernst zu nehmen, anstatt sie auf einen herausdestillierbaren Inhalt zu reduzieren. Dem liegt die Überzeugung zugrunde, dass Erzählungen eben erst in ihrem Darstellungsmodus als Erzählungen ihr volles Sinnpotential entfalten. Die sprachlich-narrative Analyse lenkt das Augenmerk somit auf die formale Gestaltung der Parabeln und analysiert ihren narrativen und metaphorischen Gehalt. Zunächst wird die auszulegende Parabel in den jeweiligen Mikro- und Makrokontext eingeordnet und in ihrem Überlieferungszusammenhang dargestellt. Dieser Kontext kann für das Verständnis wegweisend sein. Denn die Parabeln verfügen als wörtliche Rede Jesu nicht nur über einen eigenen Plot, sondern sind – sofern sie nicht im Kontext einer reinen Logiensammlung begegnen – in den Handlungsverlauf der Rahmenerzählung eingebettet. Innerhalb der sprachlich-narrativen Analyse finden vor allen Dingen die beiden Aspekte der Narrativität und der Metaphorizität besondere Beachtung. Die Narrativität, ein Gattungsmerkmal der Parabel,21 wird durch die Beschreibung des Raum-Zeit-Kontinuums, der auftretenden Figuren sowie des Handlungsverlaufs erfasst. Der Minimalplot einer Parabel ist dreistufig angelegt22 und lässt sich im Ansatz auch bei ganz kurzen Sequenzen herausarbeiten.23 Ziel der Analyse ist es, den Verlauf der Parabelerzählung genau zu erfassen und das Gestaltungsprinzip nachzuvollziehen. Denn als poetische Erzählungen unterliegen die Parabeln dem Gesetz der Gestaltung, das immer eine bestimmte Sicht vermittelt und für die Rezeption dieser Sichtweise im Sinne eines engagierten Anliegens plädiert.24 Jede Erzählung zielt 20 Vgl. dazu die zusammenfassenden Darstellungen D. Marguerat / Y. Bourquin, How to Read Bible Stories. An Introduction to Narrative Criticism, London 1999; J. L. Resseguie, Narrative Criticism of the New Testament. An Introduction, Grand Rapids 2005. Eine Anwendung auf antike Texte generell hat T.A. Schmitz, Moderne Literaturtheorie und antike Texte. Eine Einführung, Darmstadt 22006 vorgelegt. 21 Vgl. R. Zymner, Art. Parabel, HWR VI (2003), 502–514, bes. 502. 22 Bereits Aristoteles postuliert diese dreigliedrige Struktur. Ein guter Plot muss drei Merkmale aufweisen: Er bildet ein Ganzes (Anfang – Mitte – Ende; Poet. 7,1450 b 26–34), er stellt eine Einheit dar (Poet. 8,1451 a 30–35) und weist die besondere Qualität einer kausal verbundenen Kette von Ereignissen auf (Konflikt – Umschwung – Lösung; Poet. 18,1455 b 24–29; auch 10,1452 a 18–21). 23 Zur Kürze als weiterem Kennzeichen einer Parabel vgl. J.D. Crossan, Cliffs of Fall. Paradox and Polyvalence in the Parables of Jesus, New York 1980, 2–5. 24 So schon Quint. Inst. IV 1,5: Die Zuhörerinnen und Zuhörer einer Rede sollen gleich zu Beginn, im Exordium, wohlwollend (benevolus), gespannt (attentus) und aufnahmebereit (docilis) gemacht werden, damit sie „bei den übrigen Teilen der Rede leichter für uns gewon-
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auf Wirkung. Und somit enthält jede Erzählung ein suggestives Moment. Anders gewendet: Erzählungen sind nicht als Wiedergabe des Faktischen organisiert, sondern ,dramatisieren‘. Wer erzählt, stellt etwas dar.25 Die Rezipientinnen und Rezipienten wiederum sind zum Mitvollzug dieser Darstellung eingeladen und aufgefordert. Das ist möglich durch den dramatischen Gestus, der dem Erzählen eignet. Erzähler lassen Figuren auftreten, miteinander in Dialog kommen und in ein dynamisches Zwischenspiel eintreten, das zu einer Entwicklung und zu einem Abschluss führt.26
Diese Dramatik aufzudecken und zu beschreiben, ist eine Hauptaufgabe der sprachlich-narrativen Analyse. Die zweite Aufgabe ist die Untersuchung der Metaphorizität.27 Implizite oder explizite Transfersignale zeigen an, dass die Bedeutung des Erzählten vom Wortlaut des Textes zu unterscheiden ist. Und so werden in einer Parabel Elemente der Erfahrungswelt oftmals auf überraschende Weise neu arrangiert:28 Im Gewand einer Alltagsgeschichte daherkommend, besitzt sie die Kraft, den Hörer vom altbekannt Alltäglichen abzulenken. Sie läßt ihn etwas ganz und gar Ungewöhnliches wahrnehmen, das den Zusammenhang des Gewohnten überholt.29
Die Leserin und der Leser müssen einen Transfer vollziehen, um die Parabel zu verstehen. Die Metaphorizität, die in den auszulegenden Parabeln nicht mithilfe einer bestimmten Metapherntheorie analysiert, sondern aus unterschiedlichen Perspektiven in den Blick genommen wird, berührt zugleich nen“ werden können. Vgl. zur Thematik aus erzählpsychologischer Sicht die anregenden Ausführungen von B. Boothe / A. von Wyl / R. Wepfer, Erzähldynamik und Psychodynamik, in: M. Neumann (Hg.), Erzählte Identitäten. Ein interdisziplinäres Symposion, Reihe Kulte – Kulturen, München 2000, 59–76. C. Lugowski, Die Form der Individualität im Roman (1932), mit einer Einl. von H. Schlaffer, stw 151, Frankfurt a.M. 1976, 10, formuliert: „Die Welt, die sich in einer Dichtung auftut, ,ist‘ nicht im schlichten Sinne, sondern sie ist gemacht. Damit stellt sie sich dem schlicht Seienden als etwas Künstliches gegenüber.“ 25 Vgl. dazu den grundlegenden Entwurf von Karl Bühler zur „Darstellungsfunktion der Sprache“: K. Bühler, Sprachtheorie. Die Darstellungsfunktion der Sprache, Stuttgart 21965; Ders., Axiomatik der Sprachwissenschaften, Frankfurt a.M. 1969. Dazu M. Wintermantel, Sprachereignis als soziale Handlung, in: C.F. Graumann / T. Herrmann (Hgg.), Karl Bühlers Axiomatik. Fünzig Jahre Axiomatik der Sprachwissenschaften, Frankfurt a.M. 1984, 201–216. Vgl. auch T. Söding, Lehre in Vollmacht. Jesu Wunder und Gleichnisse im Evangelium der Gottesherrschaft, Communio 36 (2007), 3–17, bes. 11. 26 Boothe / von Wyl / Wepfer, Erzähldynamik (s. Anm. 24), 60. 27 Vgl. dazu etwa die beiden – unglücklicherweise gleich betitelten – Monographien von H. Weder, Die Gleichnisse Jesu als Metaphern. Traditions- und redaktionsgeschichtliche Analysen und Interpretationen, Göttingen 41990 sowie H.-J. Meurer, Die Gleichnisse Jesu als Metaphern. Paul Ricœurs Hermeneutik der Gleichniserzählungen Jesu im Horizont des Symbols ,Gottesherrschaft / Reich Gottes‘, BBB 111, Bodenheim 1997. Grundlegend immer noch P. Ricœur / E. Jüngel, Metapher. Zur Hermeneutik religiöser Sprache, EvTh.S, München 1974. 28 Vgl. Harnisch, Gleichniserzählungen (s. Anm. 1), 11. 29 Harnisch, Gleichniserzählungen (s. Anm. 1), 12.
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rezeptionsästhetische Gesichtspunkte. Wenn man fragt, wo eine Parabel eine überraschende Wendung nimmt, die nicht nur die Hörerinnen und Hörer der erzählten Welt, sondern auch die heutigen Leserinnen und Leser irritiert, dann treten die Rezipienten als „aktives Prinzip der Interpretation“30 in das metaphorische Geschehen ein. Denn der Sinn eines Parabeltextes ist keineswegs ein absolut vorgegebenes Element, das von Expertinnen und Experten ein für alle Mal bestimmt werden kann, sondern entsteht erst im Zusammenspiel zwischen der intentio lectoris31 und der Rezeption durch die Leserin und den Leser. Wird die Metaphorizität nicht mitvollzogen, kann der Text sein volles Sinnpotential nicht entfalten. Die Metaphorizität ist die eigentliche Stärke fiktionaler Texte: Fiktionale Erzählungen sind keine textuelle Kopie der realen Welt bzw. der geschehenen Geschichte, sondern eine eigene Welt mit eigenen Spielregeln.32 Das bedeutet zugleich, dass sie mehr vermögen als ein vordergründiger, auf den ersten Blick objektiv erscheinender Tatsachenbericht: Erzählungen stellen Gegenwärtigkeit her. Damit haben sie eine wichtige Funktion für die Erzeugung von Kohärenz: „Geschichten helfen uns, die Welt und unseren Ort darin zu bestimmen, ob wir darin als Figuren, als ErzählerInnen oder als mehr oder minder identifiziert Lesende vorkommen.“33 Diese Spielregeln versucht die sprachlich-narrative Analyse aufzudecken.
2.4 Sozialgeschichtliche Analyse (Bildspendender Bereich) Der in den Parabeln angelegte metaphorische Prozess, der den Übergang von der ersten zur zweiten Verstehensebene, also „von der Logik des Alltags zur Logik des ,Reiches Gottes‘“34 markiert, setzt voraus, dass die Rezipientinnen und Rezipienten die Lebenswelt, die sich in den Parabeln widerspiegelt, kennen. Die verschiedenen Realien zu untersuchen und vorzustellen wird im sozialgeschichtlichen Analyseschritt angegangen.35 Dies ist umso notwendi30 U. Eco, Lector in fabula. Die Mitarbeit der Interpretation in erzählenden Texten, München 31998, 64; wegweisend zu diesem Thema die Studie von E. Freund, The Return of the Reader. Reader-Response Criticism, London / New York 1985. 31 Dazu U. Eco, Die Grenzen der Interpretation, München 21999, 27–55. 32 Vgl. A. Leinhäupl-Wilke, Rettendes Wissen im Johannesevangelium. Ein Zugang über die narrativen Rahmenteile (1,19–2,12 – 20,1–21,25), NTA NF 45, Münster 2003, 10; G. Lohfink, Erzählung als Theologie. Zur sprachlichen Grundstruktur der Evangelien, StZ 192 (1974), 521–532, bes. 531. Fiktional ist jedoch nicht zu verwechseln mit fiktiv! Vgl. zu diesem Themenkomplex bes. K. Backhaus / G. Häfner, Historiographie und fiktionales Erzählen. Zur Konstruktivität in Geschichtstheorie und Exegese, BThSt 86, Neukirchen-Vluyn 2007. 33 I. Müllner, Zeit, Raum, Figuren, Blick. Hermeneutische und methodische Grundlagen der Analyse biblischer Erzähltexte, Protokolle zur Bibel 15 (2006), 1–24, 2. 34 Vgl. Meurer, Gleichnisse (s. Anm. 27), 29. 35 Vgl. dazu die theoretischen Reflexionen von G. Theissen, Studien zur Soziologie des Urchristentums, WUNT 19, Tübingen 31989, 3–76; B.J. Malina, Sozialwissenschaftliche Methodik in der historischen Jesusforschung, in: W. Stegemann / B.J. Malina / G. Theissen (Hgg.),
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ger, als es sich bei den Parabeltexten um antike Texte handelt, die in einem gänzlich anderen Kulturkreis beheimatet sind und sich den heutigen Leserinnen und Lesern nicht mehr zwangsläufig von selbst erschließen. Wer ist ein Zöllner bzw. Steuerpächter ( ) und welche Art von Abgaben treibt er ein? In wessen Dienst steht er, wie sieht seine Arbeit aus, wie ist sein Ansehen in der Bevölkerung, welche Handlungsspielräume erlaubt ihm die Ausübung seines Berufs? Lässt sich aus der Kenntnis seiner Lebenswirklichkeit im Galiläa der Zeitenwende vielleicht erklären, warum ihn in der Episode Lk 18,9–14 ein derart schlechtes Gewissen plagt, dass er sich selbst als Sünder tituliert (Lk 18,13)? Ergibt sich diese Einsicht aus seiner Kennzeichnung als „Zöllner“, so dass sie sich zwar nicht uns, aber jeder zeitgenössischen Leserin und jedem Leser automatisch erschließen musste?36 Welchen Gegenwert hat eine Drachme und was bedeutet es für eine Frau, sie verloren zu haben (vgl. Lk 15,8–10)? Geht es um sprichwörtliche ,Peanuts‘, so dass die übergroße Freude über das Wiederfinden der Münze eine maßlose Übertreibung darstellt, die durch das Moment der Verfremdung auf eine ganz andere Botschaft aufmerksam macht? Handelt es sich beim Gegenwert einer Drachme schlicht um die finanziellen Mittel für das tägliche Brot? Oder ist mit dem Verlust der Münze gar die private Insolvenz der Frau vorprogrammiert? Welche familiäre und gesellschaftliche Stellung hat die Frau eigentlich? Darf sie frei mit Finanzmitteln umgehen? Handelt es sich um Haushaltsgeld oder um selbstverdienten Lohn? Verliert sie vielleicht etwas, was ihr gar nicht gehört hat?37 Viele Szenarien sind denkbar. Und so ist es unerlässlich, diese und ähnliche Fragen zu klären, um die möglichen historischen Zusammenhänge zu verstehen. Denn die Extravaganz und Brisanz, die eine Parabel auszeichnen, gehen verloren, wenn der Bildhintergrund nicht ermittelt wird. Und so müssen einzelne Begriffe, aber auch die Komplexität eines ganzen Bildfeldes im jeweiligen historischen Kontext untersucht werden. Dazu werden vor allen Dingen die verschiedenen literarischen, numismatischen und archäologischen Quellen herangezogen. Die zu klärenden Bereiche sind so weit und bunt gespannt wie die Erzählungen der Parabeln selbst: Familie, Beruf, Wirtschaft, Sport, gesellschaftliche und soziale Gegebenheiten, Naturphänomene und Alltagserfahrungen – alles kommt je nach Situierung gleichermaßen in den Blick.
Jesus in neuen Kontexten, Stuttgart 2002, 11–22. Für die konkrete exegetische Arbeit ist auf die mehrbändige Kommentarreihe „Social-Science Commentary“ hinzuweisen. 36 Vgl. dazu etwa die Ausführungen zum Abgabenwesen im Land Israel bei E.W. Stegemann / W. Stegemann, Urchristliche Sozialgeschichte. Die Anfänge im Judentum und die Christusgemeinden in der mediterranen Welt, Stuttgart u.a. 21995, 108–114. 37 Vgl. dazu L. Schottroff, Lydias ungeduldige Schwestern. Feministische Sozialgeschichte des frühen Christentums, Gütersloh 21996, 138–151.
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Zu beachten bleibt jedoch, dass die reale Lebenswelt nur aus den verschiedenen Einzelquellen erschlossen werden kann. Wie bereits oben erwähnt, ist auch hier die Mitarbeit der Leserin und des Lesers bewusst eingefordert: Gerade aufgrund der dargebotenen Zusammenschau der Quellen können die Leserin und der Leser den metaphorischen Transfer auf der Basis des dargebotenen Materials auch ganz anders vollziehen, als es etwa die Auslegerin oder der Ausleger der Parabel vorschlagen. Das Kompendium der Gleichnisse Jesu stellt sich einmal mehr nicht als abrufbares Endprodukt, sondern als ein Instrument für die eigene biblische Arbeit vor.
2.5 Analyse des Bedeutungshintergrunds (Bildfeldtradition) Mit der Untersuchung des Bedeutungshintergrundes wird, anders als in der sozialgeschichtlichen Analyse, die Frage nach der Kombination zweier Motiv- oder Sinnbereiche zu einem festen Bildfeld in der paganen und biblischen Traditionsgeschichte aufgeworfen. Der religiöse Kontext einer Parabel ist durch Schriftzitate oder Anspielungen sowie durch geprägte Metaphern und Symbole erkennbar. Es gibt Motive bzw. ganze Motivbündel, die auch ohne explizite Transfersignale auf der Textebene innerhalb der jüdisch-christlichen Sprachgemeinschaft des 1. Jh.n. Chr. als Motive mit „Tiefensinn“ verstanden werden mussten und durch die Verwendung in der Kommunikationsgemeinschaft eine bestimmte Bedeutungszuschreibung erhalten haben. Man denke diesbezüglich – um nur ein Beispiel zu nennen – etwa an den „Weinberg“, der durch alt- und zwischentestamentliche Belege als feste Metapher für das Volk Israel steht (vgl. Jes 27,2–4; LibAnt 12,8; 18,10 u.ö.; 4 Esr 5,23)38 und diesen Bedeutungshintergrund auch ohne explizite Nennung in die Parabeln mit hineinträgt, in denen er genannt wird (etwa Joh 15,1–8; Mk 12,1–9; Mt 20,1–16; 21,28; Lk 13,6). Die verschiedenen metaphorischen Wendungen, die aus demselben Assoziationskomplex stammen und das „metaphorische Netzwerk“ (J.G. van der Watt)39 bzw. den Bildzusammenhang erzeugen, werden in diesem Analyseschritt aus den Parabeln erhoben und in ihrem traditionellen Verwendungszusammenhang erläutert. Dies ist deswegen sinnvoll, weil begründet davon ausgegangen werden kann, dass die traditionellen Konventionen in den Sprachgebrauch der Parabeln hineinspielen und dessen Verstehenshorizont maßgeblich bestimmen. Dahinter steht die Einsicht, dass viele verwendete Bildfelder keine Neubildungen sind, sondern bereits eine mehr oder 38 Gott hat diesen Weinberg bzw. Weinstock gepflanzt (etwa Jer 2,21; Jes 5,1–7; Ps 80,9–20) und gepflegt (etwa Jes 27,2–4; Hos 10,1) und erwartet Frucht von ihm, die dieser jedoch allzu oft nicht oder nicht in der gewünschten Qualität bringt (Jes 5,2–4). Aus diesem Grund empfängt der Weinstock Tadel und die Androhung der Vernichtung bzw. des Gerichts (Jes 5,5–30; 27,2–4; Jer 6,9; Ez 15,1–8; 19,10–14). 39 J. G. van der Watt, „Metaphorik“ in Joh 15,1–8, BZ 38 (1994), 67–80, hier: 77.
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weniger lange Geschichte aufweisen. Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass es sich um sog. „tote Metaphern“40 handelt, die bei den Rezipientinnen und Rezipienten keinen kreativen Verstehensprozess mehr in Gang setzen können. Im Gegenteil: Gerade ein bekanntes, traditionelles Bildfeld kann durch die Neukontextualisierung vor dem Hintergrund des althergebrachten Verständnisses theologisch aufschlussreich sein und ein innovatives Potential entfalten, das erst durch und in der Abweichung entsteht.41 Methodisch sind in diesem Auslegungsschritt die Verstehensvoraussetzungen zu eruieren, die sich aus dem jüdisch-christlichen Milieu ergeben, in dem die Parabeln zu verorten sind. Dabei wird versucht, Sprachkonventionen aus der urchristlichen Literatur, aber auch aus jüdischen Traditionsbereichen (Altes Testament, frühjüdisches und rabbinisches Schrifttum) sowie der griechischen Umwelt einzuholen.42
2.6 Zusammenfassende Auslegung (Deutungshorizonte) Die zusammenfassende Auslegung bündelt die in den methodischen Einzelschritten gewonnenen Ergebnisse und zeigt verschiedene Deutungshorizonte auf. Bewusst verfolgt das Kompendium die Zielsetzung, Verstehensangebote und keine endgültigen Auslegungen anzubieten, da die Parabeln als poetische Erzählungen der Rezeption eines ästhetischen Kunstwerks ähneln und nicht dem analytischen Verständnis abstrakt-begrifflicher Sprache, die in der ihr eigenen Definitionslogik als richtig oder falsch zu entschlüsseln wäre. Die hermeneutische Grundannahme des Kompendiums lautet, dass es keine endgültig zu fixierende Interpretation, sondern nur interpretative „Horizonte“ geben kann, die einen verantworteten Rahmen aufzeigen, innerhalb dessen sich eine Auslegung bewegt. ,Verantwortet‘ ist dieser Rahmen, weil er die literarischen und historischen Beobachtungen, die aus den vorhergehenden Analyseschritten resultieren, aufnimmt und so das dialektische Verhältnis von intentio operis und intentio lectoris wahrt.43 40 F.E. Sparshott, „As“, or the Limits of Metaphor, New Literary History 6/1 (1974), 75–94, hier: 84: „A language is nothing but a necropolis for dead metaphors.“ Dazu Poplutz, Athlet (s. Anm. 10), 26 f. 41 Im Falle des Weinstockmotivs zeigt sich so beispielsweise in Joh 15,1–8 eine Indienstnahme für die Christologie: Das normalerweise für ein Kollektiv, nämlich Israel, verwendete Bild, wird individualisiert und auf Christus, den „wahren Weinstock“, bezogen. Vgl. dazu die Auslegung im Kompendium: U. Poplutz, Eine fruchtbare Allianz (Weinstock, Winzer und Reben) – Joh 15,1–8, in: Zimmermann (Hg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu (s. Anm. 2), 828–839, 832 f. 42 Vgl. Zimmermann, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 3), 41. 43 U. Eco, Zwischen Autor und Text. Interpretation und Überinterpretation, München 1996, 71 f.: „Dabei stellt sich jedoch folgendes Problem: Auch wenn man wissen mag, was ,Leserintention‘ bedeuten soll, läßt sich kaum abstrakt definieren, was mit ,Textintention‘ gemeint sein könnte […]. Von einer Textintention kann man daher nur infolge einer Unterstellung seitens des Lesers sprechen. Die Initiative des Lesers liegt demnach vor allem darin, über die Textintention zu mutmaßen.“
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Auch in einer dezidiert rezeptionsästhetischen Sicht gibt es Kriterien, die die Interpretation einschränken, gibt es „Grenzen der Interpretation“44. Sachlich falsche oder dem Text nicht angemessene Deutungen können und müssen vermieden werden. Indem der Leserin und dem Leser des Kompendiums mehrere Deutungsvarianten vorgeschlagen werden, öffnen sich die Parabeln zugleich für einen expliziten Gegenwartsbezug, der die Textwelt mit der Lebenswelt der Adressatinnen und Adressaten verbindet. Besonders für biblische Texte gilt, dass sie eine theologische Bedeutung für aktuelle Lebensfragen beinhalten und sich auf diese Weise auch für eine individuelle Interpretation öffnen. Die angebotenen Deutungsvarianten sind somit theologisch ausgerichtet, dies jedoch in aller den Parabeln eigenen Offenheit. Als Auslegerinnen und Ausleger treten damit alle, die diese Texte interpretieren, in ihre Wirkungsgeschichte ein.45
2.7 Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Diese Wirkungsgeschichte setzt jedoch nicht erst mit den aktuellen Leserinnen und Lesern ein, sondern ist bereits innerneutestamentlich zu verorten. In einem letzten Analyseschritt wird somit ein Überblick über die Rezeption, Umformung und Interpretation der einzelnen Parabeln vorgestellt, um zu zeigen, wie das jeweilige Sinnpotential einer Parabel im Laufe der Geschichte entfaltet, weiterentwickelt und in neuen Kontexten zur Geltung gebracht wurde. Zu Grunde gelegt wird dabei die Zwei-Quellen-Theorie. Das bedeutet, dass die Wirkungsgeschichte bereits mit der Übernahme der Parabeln aus dem Markusevangelium und der Logienquelle Q in das Matthäus- und Lukasevangelium einsetzt. Indem die Evangelisten die Parabeln kontextuell in ihre je unterschiedlich „eingefärbten“ Erzählungen der Geschichte Jesu einfügen, zeigt sich ein erster Interpretationsvorgang, der auch dann zu beobachten ist, wenn die Evangelisten nicht explizit redigierend in die Texte eingreifen, sondern sie einfach nur im Wortlaut übernehmen (Parallelüberlieferung). Ändern sie jedoch einzelne Details und fügen darüber hinaus Kommentierungen oder Einleitungen hinzu, kann man nachvollziehen, wie die Texte verstanden und für die aktuellen Fragestellungen der jeweiligen Gemeinden in Dienst genommen wurden. Gerade anhand dieses vielfältigen Rezeptions- oder Relecturevorgangs lässt sich das große Sinnpotential aufzeigen, das die bildhafte Rede der Parabeln in sich birgt.
44 Vgl. Eco, Grenzen der Interpretation (s. Anm. 31); ders., Zwischen Autor und Text (s. Anm. 43), 50: „Wenn es etwas zu interpretieren gibt, muß sich die Interpretation auf etwas beziehen, das irgendwo vorhanden ist und in gewissem Maße respektiert wird.“ 45 Vgl. W. Fenske, Arbeitsbuch zur Exegese des Neuen Testaments. Ein Proseminar, Gütersloh 1999, 163.
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Dasselbe lässt sich dann auch über die Evangelien hinaus für die weiteren neutestamentlichen und apokryphen Schriften untersuchen und auf die Rezeption der Parabeln bei den Kirchenvätern oder anderen christlichen Schriftstellerinnen und Schriftstellern ausweiten. Wo es angezeigt ist, lohnt sich auch ein Blick in außerchristliche Bereiche: Die Wirkungsgeschichte einzelner Parabeln, ihre Interpretation und Verfremdung, kann man anhand einschlägiger Beispiele aus Literatur, Musik oder Kunst nachvollziehen. Hier zeigen sich oftmals recht kreative Verschiebungen, Ausdeutungen oder Neukontextualisierungen, die – vielleicht stärker noch als die Parabeltexte selbst – die Wahrnehmung heutiger Rezipientinnen und Rezipienten beeinflusst haben.
3. Exemplarische Exegese von Joh 3,29 f. oder: Geteilte Freude ist vielfache Freude Im Folgenden wird entsprechend den Richtlinien des Kompendiums der Gleichnisse Jesu eine Auslegung von Joh 3,29 f. vorgestellt. Wie im Kompendium selbst wird dabei auf weiterführende Hinweise in einem Anmerkungsapparat verzichtet; anders als im Kompendium werden jedoch aus Gründen der Einheitlichkeit des vorliegenden Sammelbandes die Literaturangaben nicht im Haupttext, sondern in Fußnoten präsentiert. Für eine Parabel dieser Größenordnung sind im Kompendium ungefähr fünf bis sechs Seiten reserviert. Dies soll auch bei der folgenden Auslegung eingehalten werden.
3.1 Übersetzung (29) Wer die Braut hat, ist Bräutigam. Der Freund des Bräutigams aber, der dasteht und ihn hört, freut sich mit Freude über die Stimme des Bräutigams. Diese meine Freude ist nun erfüllt. (30) Jener muss wachsen, ich aber abnehmen.
3.2 Sprachlich-narrative Analyse (Bildlichkeit) Das Wort vom Freund des Bräutigams ist eingebettet in die letzte Rede Johannes des Täufers vor seiner Gefangennahme (Joh 3,22–36). Die Rede thematisiert in Fortführung von Joh 1,19–34 die Zeugenrolle des Täufers (Joh 3,22–30), die er für den Bezeugten Jesus (Joh 3,31–36) ausübt. Johannes positioniert sich mithilfe des Logions in Bezug zu Jesus, dessen Jünger für eine gewisse Übergangszeit ebenfalls in Judäa tauften (Joh 3,22; 4,1–3). Dabei nimmt er die Rolle eines Lehrenden, eines Rabbis ein (Joh 1,49), der einem von seinen Jüngern vorgebrachten Sachverhalt – in diesem Fall die Tatsache, dass Jesus einen größeren Zulauf hat als Johannes und damit als
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Konkurrent eingeordnet werden könnte (Joh 3,26) – durch eine kleine Parabel „mit allegorischen Zügen“46 eine tiefere Deutung und Dimension verleiht. Terminologisch knüpft der Täufer mit der Parabel an das Thema des ersten Zeichens Jesu bei der Hochzeit zu Kana an (Joh 2,1–11): Während dort die Braut, die neben dem Bräutigam Hauptperson des Festes ist, keine Erwähnung findet, wird sie in Joh 3,29 indirekt als notwendige Determinante für den Bräutigam-Status ihres Mannes genannt. Hier wie dort betritt sie jedoch als Figur nicht die Bühne der erzählten Welt. So setzt das Logion mit einem Definitionssatz ein, der einen gängigen Sachverhalt konstatiert und in formaler Hinsicht eine klassische Parabeleröffnung darstellt: Erst die Braut macht den Bräutigam zum Bräutigam. Mittelpunkt der Szene ist jedoch nicht der Bräutigam, sondern sein Freund, um dessen Aktion (dabeistehen, hören) und Reaktion (mitfreuen) sich die Pointe des Logions dreht. Auf der terminologischen Ebene komplettieren die genannten Figuren Bräutigam, Braut und Freund des Bräutigams zusammen mit der Freude das hochzeitliche Ensemble:47 Der Freund des Bräutigams, der als Brautbegleiter und Zeuge anwesend ist, wird ganz und gar von der tiefen, anteilnehmenden Festfreude erfüllt, die sich für ihn durch das Hören der Stimme des Freundes ereignet. Die Intensität dieser Freude wird durch einen dem hebräischen infinitivus absolutus nachempfundenen Septuagintismus formuliert (vgl. Jes 61,10: – ’ ), der deswegen in der Übersetzung mit „freuen mit Freude“ wiedergegeben wurde, aber auch einfach mit „sich ganz besonders freuen“ übersetzt werden kann.48 Die Erzählperspektive ändert sich durch den Wechsel von der dritten Person Singular zur ersten Person Singular: Durch diesen Wechsel identifiziert sich Johannes der Täufer („diese meine Freude“) mit dem Freund des Bräutigams. Kontextuell legt es sich nahe, dass dann der „Bräutigam“ metaphorisch auf Jesus bzw. den Messias verweist. Der Schlusssatz (Joh 3,30) verlässt den Bildbereich der Hochzeit und formuliert auf der Metaebene die Konsequenz, die Johannes der Täufer zieht: Seine Rolle ist erfüllt, er tritt zurück, während Jesus ins Zentrum rückt. Möglicherweise kommt hier die Metapher eines zu- und abnehmenden Gestirns ins Spiel – etwa Mond oder Sonne –, welches dann als Variation der das Johannesevangelium durchziehenden Licht- und Finsternisthematik zu lesen wäre. So wird an anderer Stelle Johannes der Täufer als „Leuchte“ bezeichnet ( – lychnos, Joh 5,35), wohingegen Jesus das Licht der Welt ist ( – ph s tou kosmou, Joh 8,12). Dem würde bezüglich
46
R. Schnackenburg, Das Johannesevangelium, HThK IV/1, Freiburg, Br. u.a. 1979,
453. 47
Vgl. H. Thyen, Das Johannesevangelium, HNT 6, Tübingen 2005, 230. Vgl. F. Blass / A. Debrunner, Grammatik des neutestamentlichen Griechisch, F. Rehkopf (Red.), Göttingen 171990, § 198,6. 48
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des Verhältnisses das Bild von auf- und niedergehenden Himmelskörpern korrespondieren.
3.3 Sozialgeschichtliche Analyse (Bildspendender Bereich) Bis heute spricht der Volksmund bei einer Hochzeit vom „schönsten Tag des Lebens“: Festfreude und das Beisammensein mit Freunden und Verwandten sind fest eingetragene Assoziationen. Das galt auch für die Hochzeitsfeiern des antiken Judentums, die – wie im gesamten Orient üblich – keine privaten Feiern zweier Einzelpersonen, sondern eine öffentliche Angelegenheit zweier Familien waren und mit einer zum Teil beträchtlichen Anzahl von Gästen durchgeführt wurden (vgl. 1 Makk 9,39; Mk 2,19; Mt 22,2–4). Eine jüdische Hochzeit folgt dabei speziellen Regeln und bestimmt Rollen, die für das Verständnis der Parabel entscheidend sind.49 Für die Auslegung sind drei Begriffe in ihren sozialgeschichtlichen und historischen Kontext einzuordnen: Wer ist der „Freund des Bräutigams“, was ist mit der „Stimme des Bräutigams“ gemeint und wie ist die „große Freude“ des Freundes zu verstehen? Der Freund des Bräutigams Der Freund des Bräutigams ist kein beliebiger Gefährte, sondern ein institutionalisierter und mit bestimmten Aufgaben bedachter „Hochzeitsbeistand“ oder „Brautbegleiter“ ( – schôschbîn, Sanh 3,5; Ri 14,11.20; 15,2.5). Nach einer in drei Varianten überlieferten Baraita (= außerkanonisches Rechtsmaterial) bestellte man in Judäa im Unterschied zu Galiläa bei einer Heirat gewöhnlich zwei Hochzeitsbeistände ( – schôschbînîn, tKet 1,4; ExR 41; Bill. I 45 f.500–502), einen für den Bräutigam und einen für die Braut: Sie überprüften das Paar beim Eintritt unter den Baldachin, verwalteten den Ehevertrag und vermittelten bei Eheschwierigkeiten. In der Hochzeitsnacht schliefen sie im selben Haus wie das Brautpaar. Damit konnten sie später als Zeugen für eine mögliche Jungfernschaftsklage herangezogen werden (vgl. ExR 206; 46,1; NumR 1,184 a).50 Während des Festes war der Brautbegleiter auch für die Freude und die Belustigung von Paar und Gästen zuständig (vgl. bBer 6 b).51
49 Vgl. dazu M.L. Coloe, Witness and Friend. Symbolism associated with John the Baptiser, in: J. Frey / J.G. van der Watt / R. Zimmermann (Hgg.), Imagery in the Gospel of John. Terms, Forms, Themes, and Theology of Johannine Figurative Language, WUNT 200, Tübingen 2006, 319–332, hier: 324–326; B.J. Malina / R.L. Rohrbaugh, Social-Science Commentary on the Gospel of John, Minneapolis 1998, 70–72. 50 Vgl. K. Wengst, Das Johannesevangelium, ThKNT IV/1, Stuttgart 22004, 155. 51 Vgl. M. Zimmermann / R. Zimmermann, Der Freund des Bräutigams (Joh 3,29). Deflorations- oder Christuszeuge?, ZNW 90 (1999), 123–130, hier: 124.
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Die Stimme des Bräutigams Rückt man nun den Aspekt der Virginitätsbezeugung durch den Freund des Bräutigams ins Zentrum der Auslegung, muss man die beschriebene Szene in der Hochzeitsnacht lokalisieren: Der Brautbegleiter steht vor dem Brautgemach und nimmt als freudigen Zuruf die Stimme des Bräutigams wahr, der die Ehe mit seiner Braut vollzieht und / oder ihm ihre Jungfräulichkeit bestätigt.52 In seiner Funktion als Hochzeitsbeistand, aber auch als vertrauter Freund freut er sich darüber mit dem Bräutigam. Das Problem einer solchen Deutung ist, dass sie sich vom Text her nicht eindeutig nahe legt: Weder wird der Ort der Szene näher bestimmt noch muss man das „Dastehen“ allzu wörtlich nehmen: – hist mi bezeichnet ohne Präposition häufig die Tatsache der Anwesenheit einer Person im Allgemeinen und muss nicht zwingend als ,Stehen‘ (vor der Tür) verstanden werden.53 In der TosephtaStelle tKet 1,4, auf die für eine solche Deutung Bezug genommen wird, ist zudem nur davon die Rede, dass die Brautbegleiter am gleichen Ort schlafen: „Von ,Stehen‘ und ,Hören‘ wird ebenso wenig berichtet wie von der Stimme des Bräutigams.“54 Wahrscheinlicher erscheint es somit, dass nach altorientalischer Sitte die Zeichen der Virginität der Braut nicht primär auditiv durch Lauschen vor dem Brautgemach, sondern visuell inspiziert und am nächsten Morgen den Zeugen übergeben wurden. Eine Verengung der Auslegung auf den Aspekt der Jungfräulichkeit wird der Deutung der Passage somit eher nicht gerecht und bringt auch theologisch keinen Gewinn. Die große Freude Was genau mit der Stimme des Bräutigams gemeint ist, bleibt somit unklar. In der hebräischen Bibel bezeichnet „Bräutigam“ fast immer den Typus Mensch, der besondere Freude hat.55 Und zu einer Hochzeit gehört das Moment der Freude zwingend hinzu, auch und gerade bezogen auf den Hochzeitsbeistand, der die Brautleute zusammenführt und die Zeremonie vorbereitet. Der Aspekt der Vorbereitung unterstreicht inhaltlich die Identifikation Johannes des Täufers mit dem Brautbegleiter: Johannes ist der Zeuge Jesu (Joh 1,7 f.34) und bereitet sein Kommen vor (Joh 1,23.30). Vor dem Hintergrund der Bildfeldtradition des Alten Testaments erschließt sich noch ein weiterer Aspekt: Johannes führt wie der Hochzeitsbeistand Braut und Bräutigam zusammen (vgl. Joh 1,31).
52 So etwa J. Jeremias, Art. , , ThWNT IV (1942), 1092–1099, hier: 1094 mit Bezug auf tKet 1,4 und in der Folge etliche Exegetinnen und Exegeten. 53 Vgl. W. Bauer, Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der frühchristlichen Literatur, hg.v. K. und B. Aland, Berlin / New York 61988, 775. 54 Zimmermann / Zimmermann, Freund des Bräutigams (s. Anm. 51), 125. 55 Vgl. E. Kutsch, Art. , ThWAT III (1982), 288–296, hier: 292.
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3.4 Analyse des Bedeutungshintergrunds (Bildfeldtradition) Die Kombination der Bedeutungsfelder ,Heilszeit‘ und ,Hochzeit‘ wurde in der alttestamentlichen Tradition zu einem festen Bildfeld geprägt und gehörte schon lange zum Bestand der Enzyklopädie Israels: Das Verhältnis von Bräutigam und Braut steht metaphorisch für die Beziehung zwischen JHWH und seinem Volk (etwa Jes 62,5: „Und wie der Bräutigam sich an der Braut freut, so wird dein Gott sich an dir [Israel] freuen“; auch Jer 2,2; Ez 16,8; Hos 2,21 u.ö.). Gott und Israel haben miteinander einen „Bund fürs Leben“ geschlossen, der sich nicht nur durch Verbindlichkeit und Exklusivität auszeichnet, sondern auch affektive Elemente wie Liebe und Verehrung beinhaltet.56 Besonders im Jeremiabuch begegnet die „Stimme von Braut und Bräutigam“ als stereotype Wendung (Jer 7,34; 16,9; 25,10) für menschlichen „Jubel“ und menschliche „Freude“ (Jer 16,9; 25,10), die im Rahmen von Heils- und Unheilsverheißungen zum Tragen kommt. Sehr eindrücklich ist dies in Jer 33,10–16 (LXX 40,1–13) verwirklicht, einer Sammlung von Sprüchen über die Restitution Israels und Judas, die wohl als Motivhintergrund für Joh 3,29 dienen:57 In verwüstetem Land (Jer 33,10.12) wird die Stimme von Bräutigam und Braut, die Stimme von Jubel und Freude (Jer 33,11) gehört werden (Jer 33,10) – und zwar in allen Gegenden und Städten (Jer 33,10.12). Die Ankündigung eines „Sprosses der Gerechtigkeit“ aus dem Haus David schließt im masoretischen Text die Heilsverheißung des Jeremiabuches ab (Jer 33,15; in der LXX-Version fehlen die Verse 14–26 allerdings). Vor diesem Motivhintergrund („Wüste“ [vgl. Joh 3,23] – „Stimme“ [vgl. Joh 1,23] – „Braut und Bräutigam“, „Freude“, „hören“ [vgl. 3,29] – „alle“ [vgl. 3,26]) legt es sich nahe, das Hören der Stimme des Bräutigams in Joh 3,29 als Anspielung auf die Erfüllung der jeremianischen Heilsverheißung zu deuten:58 Wenn die Stimme des Bräutigams erklingt, erfüllt sich die Hoffnung der Erwählten. Gott hat sie nicht vergessen und wendet ihre Not. Doch wer hört die Stimme? In Joh 3,29 ist es der „Freund des Bräutigams“. Im Johannesevangelium ist das Hören darüber hinaus Kennzeichen und Aufgabe aller Glaubenden, denen aufgrund dieses Glaubensaktes das Leben verheißen wird: „Wer mein Wort hört und dem glaubt, der mich gesandt hat, der hat ewiges Leben …“ (Joh 5,24 f.; vgl. 10,3.16.27; 16,13). Das bedeutet: Der Täufer charakterisiert sich in Joh 3,29 unzweideutig als Freund Jesu. Er hört als Freund des Bräutigams seine Stimme und freut sich mit ihm. Wenn Jesus in den Abschiedsreden (Joh 14–16) seine Jünger als Freunde bezeich56 Darauf macht besonders A. Reinhartz, The ,bride‘ in John 3.29. A feminist Rereading, in: M.A. Beavis (Hg.), The lost Coin. Parables of Women, Work and Wisdom, BiSe 86, New York 2002, 230–241 (hier 232) aufmerksam. 57 Dazu ausführlich zuletzt J. McWhirter, The Bridegroom Messiah and the People of God. Marriage in the Fourth Gospel, SBL.MS 138, Cambridge 2006, bes. 40–56. 58 Vgl. Zimmermann / Zimmermann, Freund des Bräutigams (s. Anm. 51), 127.
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net (Joh 15,13–15; vgl. auch die Rede vom „Freund“ Lazarus in Joh 11,11, dessen Auferweckung eine Illustration von Joh 5,28 ist), geht die Identifikation sogar noch weiter: Johannes definiert sich als Jesus-Jünger.59 Auf der Bildebene erweist er sich als wahrer Freund, indem er nicht die Braut – also das Volk – für sich beansprucht („Wer die Braut hat, ist Bräutigam“), sondern sie dem Bräutigam zuführt und darin seine eschatologisch notwendige (vgl. Joh 3,30: – dei) Bestimmung erfüllt. Wenn Braut und Bräutigam sich haben, ist der Hochzeitsbeistand überflüssig geworden. Mit Joh 3,28 („Ich bin nicht der Gesalbte“) klingt zugleich eine christologisch-messianische Dimension an (vgl. Jer 33,15 MT), die die Parabel durch eine Neuakzentuierung der Tradition aufnimmt: Nicht Gott ist der Bräutigam Israels, sondern Jesus. Die enge Verknüpfung einer endzeitlichen Rettergestalt mit dem Hochzeitsbild lässt sich ansatzweise schon in frühen Belegen nachweisen (etwa in Ps 45), erfährt eine explizite Metaphorisierung in späteren rabbinischen Texten (vgl. TgHld; TgJes 61,10), um dann in der urchristlichen Tradition christologisch breit entfaltet zu werden.60 In der patristischen Überlieferung wurden die Worte vom „Zunehmen“ ( – auxanein) und „Abnehmen“ ( – elattousthai) bedeutsam für die Auslegung der gesamten Passage und mit dem zu- und abnehmenden Sonnenlicht verglichen.61 Diese Anspielung auf ein Himmelsgestirn könnte durch einen Motivzusammenhang untermauert werden, der ebenfalls in der alttestamentlichen Tradition vorliegt: So ist in Ps 19,6 davon die Rede, dass die Sonne „wie ein Bräutigam aus seinem Gemach hervortritt“ und „sich freut wie ein Held, die Bahn zu durchlaufen.“ Und auch in Jer 25,10 findet sich ein ähnliches Motivbündel: „Stimme der Freude“ – „Stimme des Bräutigams und der Braut“ – „Licht der Lampe“. Neutestamentlich wäre die Gerichtsprophezeiung über den Fall Babylons in Offb 18,22 in Anschlag zu bringen: „Und das Licht einer Lampe wird nie mehr in dir scheinen und die Stimme von Bräutigam und Braut nie mehr in dir gehört werden.“ Wie auch immer man sich hier entscheidet, Johannes ist derjenige, der seine Aufgabe erfüllt hat und von nun an in den Hintergrund tritt. Die Tatsache, dass seine Freude bereits eingetreten und erfüllt ist (Perfekt: … – oun … pepl r tai), verdeutlicht zudem, dass die eschatologischen Verheißungen in Jesus eingeholt sind und zum gegenwärtig erfahrbaren Ereignis werden.
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Vgl. Reinhartz, The ,bride‘ (s. Anm. 56), 240. Vgl. dazu ausführlich die Darlegung bei R. Zimmermann, ,Bräutigam‘ als frühjüdisches Messias-Prädikat? Zur Traditionsgeschichte einer urchristlichen Metapher, BN 103 (2000), 85–100. 61 Vgl. F.J. Moloney, The Gospel of John, Sacra Pagina 4, Collegeville 1998, 110. 60
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3.5 Zusammenfassende Auslegung (Deutungshorizonte) Die Parabel ist eine Antwort auf die eifersüchtige Anfrage der JohannesJünger, die eine Konkurrenzsituation zu Jesus und seinen Anhängern wittern und diese Situation durch ein klares Wort ihres Meisters lösen wollen. Johannes antwortet, indem er seine Beziehung zu Jesus mit der Beziehung zwischen einem Hochzeitsbegleiter und dem Bräutigam vergleicht. Der Hochzeitsbegleiter, der im jüdischen Eheritual eine prominente Rolle einnimmt, bleibt dem Bräutigam nachgeordnet, denn es ist der Bräutigam, der heiratet, und eben nicht der Trauzeuge. Drei Aspekte rückt der Täufer damit ins rechte Licht: (1) Der Erfolg, den Jesus und seine Jünger in der kurzen Phase gleichzeitigen Auftretens haben, ist kein Grund zur Klage, sondern zu tiefer, anteilnehmender Freude, da sich damit das Werk Johannes des Täufers erfüllt und vollendet: Er ist derjenige, der als Zeuge und Wegbereiter diesen Moment vorbereitet hat (Joh 1,31) und so im wahrsten Sinne des Wortes zum „TrauZeugen“ wird. Die Situation ist kein persönliches Scheitern des Täufers, da er weder Konkurrent noch Gegenspieler Jesu ist (Joh 1,8 f.): Von Anfang an sind die jeweiligen Funktionen im Heilsplan Gottes verankert (Joh 3,29). Wer die eigene Rolle ausfüllt und nicht nach etwas strebt, was außerhalb des eigenen Verfügungsbereiches steht, kann die Erfahrung tiefer Freude machen. (2) Indem Johannes sich mit der Rolle des Brautbegleiters identifiziert, erweist er sich als Trauzeuge, der den Messias-Bräutigam Jesus mit seinem Volk zusammenführt. Diese christologische Implikation, die in der Neuattribuierung des Verhältnisses von ,JHWH – Israel‘ zu ,Jesus – Israel‘ besteht, erweist die nun anbrechende Zeit als eschatologische Heilszeit. (3) Johannes zeigt sich in der Parabel als wirklicher und vertrauter Freund Jesu und reiht sich damit in den Jüngerkreis ein. Die Näherbestimmung von Jüngerschaft als einer Gemeinschaft von Freunden (Joh 15,13–15; 3 Joh 15) wird auch für die nachösterliche Zeit transparent und ist offen für fortlaufende Aktualisierungen: In diesem Sinne multipliziert sich die Freude von Bräutigam und Hochzeitsbeistand zu einer vielfachen Freude, in die alle einbezogen sind, die sich als Freundinnen und Freunde Jesu angesprochen fühlen.
3.6 Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Dass Johannes der Täufer ganz generell bildliche Sprache verwendet, belegen auch die Synoptiker (etwa Mt 3,10–12). Ein Hochzeitslogion findet sich in Mk 2,18–20 parr.: Es steht zwar ebenfalls im Kontext der von den Johannesjüngern aufgebrachten Jesus-Johannes-Konkurrenz, ist hier jedoch an Jesus selbst adressiert: Auf die Frage,
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warum die Jünger Jesu im Gegensatz zu den Johannesjüngern nicht fasten, antwortet Jesus mit einem Apophthegma: „Können etwa die „Söhne des Brautgemachs“ ( – hoi huioi tou nymph nos = Hochzeitsgäste) fasten, während der Bräutigam bei ihnen ist?“ Festfreude und Fasten passen nicht zusammen, so dass diese rhetorische Frage eindeutig mit Nein zu beantworten ist. Durch die Einfügung von apokalyptischem Vokabular („weggenommen“ – „an jenem Tag“, Mk 2,20) wird der Bräutigam mit Christus identifiziert. Inhaltlich betont Mk 2,19 f. genau wie Joh 3,29, dass mit Jesu Auftreten die Heilszeit angebrochen ist, was Grund zum Feiern und zur Freude ist und im Vergleich zur Wirkzeit des Täufers eine neue Epoche einleitet. Möglicherweise hat der Evangelist des JohEv das Logion aus dieser Tradition übernommen und in einen neuen Kontext gestellt.62 In der urchristlichen Theologie und Kirchengeschichte hat sich die Allegorie von der Kirche als Braut Christi und Christus als dem Bräutigam weiter entfaltet. Anders als in den Evangelien, die die Braut nur marginal erwähnen, ist in den paulinischen und deuteropaulinischen Schriften dezidiert von der Gemeinde als Braut die Rede, die ihrem Bräutigam Christus zugeführt wird (vgl. 2 Kor 11,2; Eph 5,21–32). In der Offenbarung des Johannes begegnet das Bild von der Brautgemeinde in den letzten Kapiteln, die die eschatologische Vollendung schildern: Nicht mehr die irdische Gemeinde, sondern das himmlische Jerusalem ist die „für ihren Mann geschmückte Braut“ (Offb 21,2; 22,17); auf diese Weise wird es mit der „Braut des Lammes“ (21,9) gleichgesetzt.63
3.7 Literatur zum Weiterlesen M. L. Coloe, Witness and Friend. Symbolism associated with John the Baptiser, in: J. Frey / J.G. van der Watt / R. Zimmermann (Hgg.), Imagery in the Gospel of John. Terms, Forms, Themes, and Theology of Johannine Figurative Language (WUNT 200), Tübingen 2006, 319–332. B. J. Malina / R. L. Rohrbaugh, Social-Science Commentary on the Gospel of John, Minneapolis 1998. J. McWhirter, The Bridegroom Messiah and the People of God. Marriage in the Fourth Gospel, SBL.MS 138, Cambridge 2006. A. Reinhartz, The ,bride‘ in John 3.29: A feminist Rereading, in: M.A. Beavis (ed.), The lost Coin. Parables of Women, Work and Wisdom, The biblical seminar 86, New York 2002, 230–241. M. Zimmermann / R. Zimmermann, Der Freund des Bräutigams (Joh 3,29). Deflorations- oder Christuszeuge? ZNW 90 (1999), 123–130. R. Zimmermann, ,Bräutigam‘ als frühjüdisches Messias-Prädikat? Zur Traditionsgeschichte einer urchristlichen Metapher, BN 103 (2000), 85–100. 62 Vgl. C.K. Barrett, The Gospel according to St. John. An Introduction with Commentary and Notes on the Greek Text, London 1956, 186. 63 Vgl. Jeremias, ThWNT IV (s. Anm. 52), 1098.
I. Historische und sozialgeschichtliche Perspektiven
Gleichnisse als Medien der Jesuserinnerung Die Historizität der Jesusparabeln im Horizont der Gedächtnisforschung* Ruben Zimmermann Jesus hat Gleichnisse erzählt. Diese Grundüberzeugung darf als einer der konsensfähigen Sätze der Jesusforschung betrachtet werden. Doch auf welche Weise diese Einschätzung gewonnen, wie sie begründet und abgesichert wird, oder welche historischen oder theologischen Schlussfolgerungen man mit ihr verbindet, ist alles andere als konsensfähig. Im vorliegenden Beitrag soll in einem ersten Schritt gezeigt werden, wie eng die Gleichnisforschung mit der Forschung zum ‚historischen Jesus‘ verwoben ist und welche Rolle die Gleichnisse in den unterschiedlichen Phasen dieser Forschungsrichtung jeweils einnehmen. Innerhalb der Jesusforschung zeichnet sich derzeit ein Paradigmenwechsel vom ‚historischen‘ zum ‚erinnerten‘ Jesus ab. Ausgehend von dieser Perspektivenverschiebung soll deshalb gefragt werden, wie die Gleichnisse im Horizont einer gedächtnisorientierten Jesusforschung neu verortet werden können. Parabeln werden dabei als Medien der Jesuserinnerung gewürdigt, die gerade in ihrer spezifischen Sprachform eine traditionsstiftende, gemeinschaftsstiftende und sinnstiftende Funktion erfüllen.
1. Gleichnisse und der ‚historische Jesus‘ Die Gleichnisforschung ist eng mit der Frage nach dem ‚historischen Jesus‘ verknüpft. Parabeln1 haben bei der Rückfrage nach dem irdischen Jesus * Dieser Beitrag konnte im Rahmen eines Forschungsaufenthalts als Associate der University of Pretoria (South Africa) vollendet werden. Ich danke Prof. Dr. Jan G. van der Watt herzlich für die Gastfreundschaft und den fruchtbaren Austausch. 1 Der Begriff „Parabel“ wird hier als quellengemäßer übergeordneter Gattungsbegriff verwendet, vgl. dazu meine Ausführungen in dem Beitrag „Parabeln – sonst nichts!“ (in diesem Band) sowie die Sprachregelung in R. Zimmermann, Die Gleichnisse Jesu. Eine Leseanleitung zum Kompendium, in: ders. (Hg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu, hg.v. R. Zimmermann in
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immer eine zentrale Rolle gespielt.2 Dabei kann man festhalten, dass durch alle Phasen der Forschungen zum historischen Jesus3 Einigkeit darin bestand, dass man in der Gleichnisrede eine authentische Form der Jesusrede erkannte. Dieser Befund ist umso beachtlicher, als sich die historische Jesusforschung besonders durch ihr Kritikpotenzial auszeichnete, Teile der kanonischen Jesusüberlieferung als ‚unecht‘ bzw. ‚nicht-authentisch‘ zu klassifizieren, was bis zur Umkehrung der Beweispflicht geführt hat.4 Nicht so aber bei den Gleichnissen. Sie galten und gelten – freilich mit Abstrichen hinsichtlich des Umfangs und der Gestalt im Kanon – als „Urgestein“5 oder „Zentrum der Verkündigung Jesu“6, zumindest als unbezweifelbarer konstitutiver Bestandteil der Jesusrede. Entsprechend kann Bernard Brandon Scott hinsichtlich der Beweislast der Authentizität der Gleichnisse konstatieren, dass hier die Echtheit vorausgesetzt werden kann und die Unechtheit bewiesen werden müsse: „(For parables) the burden of proofs (falls) on the one who would claim that the originating structure of a parable is not from Jesus.“7 Zusammenarbeit mit D. Dormeyer, G. Kern, A. Merz, Chr. Münch und E.E. Popkes, Gütersloh 2007, 1–46, hier: 25–28. 2 John Dominic Crossan formuliert sogar: „Contemporary study of the historical Jesus began with research on his parables.“ (nach http://www.westarinstitute.org/Polebridge/pole bridge.html am 22.11.2007 zu Funk on Parables). Dies gilt auch biographisch für die Arbeiten von Crossan, vgl. etwa die Selbstreflexion in J. D. Crossan, The Parables of Jesus, Interp. 56 (2002), 247–259, hier: 248: „It has been clear to me from the beginning that my interest was in parable because of Jesus, not in Jesus because of parable.“ 3 Vgl. zum Überblick G. Theissen / A. Merz, Der historische Jesus. Ein Lehrbuch, Göttingen 32001, 21–33; J. Schröter / R. Brucker (Hgg.), Der historische Jesus. Tendenzen und Perspektiven der gegenwärtigen Forschung, BZNW 114, Berlin 2002; J. D. G. Dunn / S. McKnight (Hgg.), The historical Jesus in Recent Research, Winona Lake, Ind. 2005. 4 So sollte nicht mehr die Unechtheit, sondern gerade die Echtheit angesichts einer weitreichenden Überformung des Überlieferungsguts bewiesen werden. Vgl. etwa E. Käsemann, Das Problem des historischen Jesus, in: ders., Exegetische Versuche und Besinnungen I, Göttingen 1964, 187–214, hier: 203: „Aufgrund der formgeschichtlichen Arbeit hat sich unsere Fragestellung derart zugespitzt und erweitert, dass wir nicht mehr die etwaige Unechtheit, sondern gerade umgekehrt die Echtheit des Einzelgutes zu prüfen und glaubhaft zu machen haben.“ Ferner N. Perrin, Rediscovering the Teaching of Jesus, London 1967, 39: „(when we) ask the question as to whether this saying should now be attributed to the early Church or to the historical Jesus (…) the nature of the synoptic tradition is such that the burden of proof will be upon the claim of authenticity.“ (kursiv im Original). 5 Vgl. dazu den vielzitierten Satz von J. Jeremias, Die Gleichnisse Jesu, Göttingen 111998, 7: „Wer sich mit den 41 Gleichnissen Jesu, wie sie uns die drei ersten Evangelien überliefern, beschäftigt, steht auf besonders festem historischen Grund; sie sind ein Stück Urgestein der Überlieferung.“ So etwa wieder in Theissen / Merz, Der historische Jesus (s. Anm. 3), 304: „Daher gilt nach wie vor: Die Gleichnisse sind ‚Urgestein der Überlieferung‘.“ 6 So etwa F. Hahn, Theologie des Neuen Testaments I, Tübingen 2002, 67 ff.; ferner M. Hengel / A. M. Schwemer, Geschichte des frühen Christentums I: Jesus und das Judentum, Tübingen 2007, 396 (mit Verweis auf Jülicher): „Die Gleichnisse gelten als das eigentliche Zentrum der Verkündigung Jesu, und sie haben nach allgemeinem Forschungskonsens fast ohne Ausnahme einen echten, auf Jesus selber zurückgehenden Kern.“ 7 B. B. Scott, Hear then the Parable. A Commentary on the Parables of Jesus, Minneapolis 1989, 63. Scott führt drei Argumente für diese „reversing the burden of proof“ an: 1. Gleichnisgattung ist in der hebr. Bibel und in der hellenist. Literatur weitgehend unbekannt; 2. Keine
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Der ‚historische Jesus‘ hat Gleichnisse erzählt. So könnte man als Konsens festhalten und damit den einleitenden Satz im Horizont der historischen Jesusforschung zuspitzen. Allerdings zeigen die unterschiedlichen Phasen der Jesusforschung durchaus divergierende Begründungen dieses Grundbekenntnisses, was im Folgenden am Beispiel einiger Vertreter der jeweiligen Forschungsphase gezeigt werden soll.
1.1 Parabeln in der ersten Phase der historischen Jesusforschung (Strauß, Jülicher) Bereits in den Anfängen der so genannten liberalen Jesusforschung werden zwei Grundüberzeugungen deutlich: 1) Gleichnisse gelten als authentische Jesusrede8 und 2) Gleichnisse sind charakteristisch für die Lehre bzw. Verkündigung Jesu. So ist etwa David Friedrich Strauß (1808–1874)9 der Überzeugung, dass die Gleichnisse „zum Aechtesten, was uns von Aussprüchen Jesu geblieben ist“10, gerechnet werden dürfen. Er widmet sich den Gleichnissen dann besonders in seinen Ausführungen zur „Lehrart Jesu“. Nach Strauß war „einerseits die Tiefe des religiösen Gemüths, aus der seine Rede hervorquoll, andererseits die schlichte Natürlichkeit ihrer Form“11 für die Rede Jesu charakteristisch: „(…) der Ausdruck aber ist (…) stets einfach, kernig und anschaulich; die Beispiele aus dem Leben, die Bilder aus der Natur, stets glücklich gewählt und oft wahrhaft dichterisch ausgeführt.“12 In den Gleichnissen sah er diese Lehrform Jesu in besonderem Maße umgesetzt: „Noch mehr herrscht das Dichterische in den Gleichnisreden vor, einer Form, in welche Jesus seine Lehren gerne kleidete, um theils das Volk durch das Bild anzuziehen, theils den Empfänglicheren, denen er sie zergliederte, Gelegenheit zur Uebung ihrer Fassungskraft und ihres Nachdenkens zu geben.“13 Die Gleichnisse erfüllen nach Strauß also eine missionarische und pädagogische
Gleichnisse in der pharisäisch-rabbinischen Tradition vor 70 n. Chr.; 3. Seltenheit in der kirchlichen Tradition (nur Q, Synopt., EvThom und EpJak), a.a.O., 63–64. Zustimmend aufgenommen etwa von Crossan, The Parables of Jesus (s. Anm. 2), 249. 8 So auch F. Chr. Baur, Das Christentum und die christliche Kirche der ersten drei Jahrhunderte, 2., neu durchgearb. Aufl. Tübingen 1860. 9 Theißen / Merz ordnen Strauß in ihrem ‚Fünf-Phasen-Modell‘ der Jesusforschung der ersten Phase unter der Überschrift „Die kritischen Anstöße zur Frage nach dem historischen Jesus durch H.S. Reimarus und D.F. Strauß“ zu, vgl. Theissen / Merz, Der historische Jesus (s. Anm. 3), 22 f. 10 D. F. Strauss, Das Leben Jesu. Für das deutsche Volk bearbeitet, Erster Theil, Bonn 9.–11. Aufl. 1895, 322 (bezogen auf die sieben Gleichnisse in Mt 13). 11 Strauss, Leben Jesu (s. Anm. 10), 320. 12 Strauss, Leben Jesu (s. Anm. 10), 322. 13 Strauss, Leben Jesu (s. Anm. 10), 322, wie auch seine Besprechung einzelner Gleichnisse a.a.O., 322–328.
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Funktion, sie wollen nicht als Rätselrede verhüllen,14 sondern sollen und können in ihrer Einfachheit und Klarheit verstanden werden. In der Arbeit von Adolf Jülicher werden diese Einschätzungen aufgenommen und weitergeführt sowie mit Einsichten der Formgeschichte und Quellenkritik verknüpft, so dass in seinem Opus magnum Die Gleichnisreden Jesu vom Ende des Jahrhunderts (Bd. 1: 1886; Bd. 2: 1899)15 die Rolle der Gleichnisse im Rahmen der historischen Jesusforschung des 19. Jh. paradigmatisch abgelesen werden kann. Auch Jülicher war der Grundüberzeugung, dass „die evangelischen Gleichnisreden (…) auf Jesus selber zurück(gehen)“, ja „dass sie zu dem Sichersten und Bestüberlieferten gehören, was wir an den Reden Jesu noch besitzen.“16 Allerdings hätten die Evangelien die Gleichnisse Jesu nicht unverstellt bewahrt. Für Jülicher bestand sogar eine grundlegende Differenz zwischen den Gleichnissen Jesu und den in den Evangelien überlieferten Gleichnissen. Dies werde besonders am Johannesevangelium sichtbar, das nur noch „Parabelerklärung“ liefere. „Die Periode der Parabelaufzeichnung ist schon vor Joh geschlossen; da für eine Periode der Parabelnachdichtung die Bedingungen fehlten, folgte die Periode der Parabelerklärung.“17 Aber auch die synoptischen Parabeln unterscheiden sich nach Jülicher deutlich vom Wortlaut Jesu. „Die Parabeln der Evangelien sind den von Jesus gesprochenen nicht unbedingt gleich zu setzen.“18 Die Unterschiedlichkeit begründete Jülicher bereits mit der Übersetzung vom aramäischen Wortlaut Jesu ins Griechische. Entscheidend sei aber die schriftstellerische Leistung der Evangelisten, die die Parabeln Jesu verändert und dabei – so das Werturteil Jülichers19 – verschlechtert hätten. „Wer vorsichtig alles überschaut, was die verschiedenen Relationen ein und desselben Gleichnisses an Differenzen der Form und des Gedankens umfassen, der wird die unbedingte Echtheit der evangelischen Parabeln nicht zu behaupten wagen, wird zugestehen, dass manche in sehr verdorbenem Zustande nur erhalten sein mag.“20 14 Vgl. etwa Strauss, Leben Jesu (s. Anm. 10), 322, Anm. 1: „Daß Jesus umgekehrt diese Form gewählt habe, um das Geheimniß des Himmelreichs dem Volke zu verbergen, und so die Weissagung Jes. 6,9 in Erfüllung zu bringen (Matth. 13,10–15), ist lediglich die gewissermaßen hypochondrische Betrachtungsweise des Evangelisten (…).“ 15 A. Jülicher, Die Gleichnisreden Jesu. Teile I–II, Tübingen 21910. 16 Beide Zitate aus Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 15), I, 24. 17 Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 15), I, 202. 18 Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 15), I, 2. 19 So z.B. Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 15), I, 8: „Ich brauche nicht erst hervorzuheben, dass diese Aenderungen selten Verbesserungen, Verfeinerungen gewesen sein werden.“ Vgl. dann auch die Kommentare bei den folgenden Beispielen: „höchlich befremdet“, „passt wenig zu dem Vorangehenden“ „(lässt) auf Umgiessung schließen“ (a.a.O., II, 161) etc. Vgl. ferner Sätze wie, „dass aber vornehmlich die eschatologischen Worte Jesu von der nächsten Generation nach ihren andersartigen Stimmungen und Bedürfnissen umgebogen worden sind.“ (a.a.O., II, 145 zum Gleichnis vom Dieb). 20 Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 15), I, 9.
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Jülicher teilte hier Grundannahmen der so genannten alten Formgeschichte, die von der Reinheit der ursprünglichen Form ausging und im Überlieferungsprozess eine zunehmende Veränderung annahm.21 Jülicher stand ferner im Horizont der Quellenkritik, mit Blick auf die ntl. Evangelien besonders der in seiner Zeit sich verfestigenden Zwei-Quellen-Theorie, ja für ihn ist „bei historischen Arbeiten (…) Kritik der Quellen das Wichtigste.“22 Entsprechend nimmt die Frage nach den redaktionellen Bearbeitungen der Gleichnisse einen breiten Raum in seinen Auslegungen ein. Die Arbeit der Evangelisten wurde allerdings nicht als schriftstellerische Leistung gewürdigt, sondern in der Intention analysiert, hinter ihr den Grundbestand der Reden Jesu zu erkennen. Zum Teil wurden von Jülicher auch Zwischenphasen der Überlieferung angenommen, so dass nach der Rede Jesu, Überlieferungsstadien der ersten Generation postuliert werden, die noch von der Fassung der Evangelien unterschieden werden. Jülicher sah es als seine vorrangige Aufgabe, „den grossen Teil der überlieferten Jesusworte, der als parabolische Rede bezeichnet werden kann, möglichst unbefangen, vielleicht über die Missverständnisse schon der ältesten Referenten hinweg, so zu verstehen, wie Jesus ihn verstanden wissen wollte, und damit einen Beitrag zu liefern zum Verständnis des Grössten selber.“23 Jesu Worte, seine Intention und Theologie sollten im Vordergrund stehen. Ziel der gesamten Auslegung war für Jülicher, dieser ursprünglichen „Rede Jesu“ nahe zu kommen, ihre eigentliche Absicht offen zu legen und von den Interessen der späteren Überlieferer und Bearbeiter zu befreien. Jülicher war der Meinung, dass er die Reden Jesu besser verstehen könnte als es etwa die frühen Christen oder die Evangelisten taten. Dass er dabei in eine hermeneutische Falle getappt ist, die ein bestimmtes Jesusbild (des 19. Jh.) voraussetzte, war ihm – und vielen seiner späteren Rezipienten – offenbar nicht bewusst. Jesus wurde hierbei als ethisches Vorbild bzw. als „Apostel des Fortschritts“24 betrachtet, seine Gleichnisse verkörpern ethische Maximen und sind Modelle einer „wahren religiösen Humanität“25.
1.2 Parabeln in der zweiten Phase der historischen Jesusforschung (Dodd, Jeremias, Crossan, Käsemann) Auch für den britischen Exegeten Charles Harold Dodd (1884–1973) zählten Parabeln zu den charakteristischsten Elementen der Jesusverkündi21 So etwa M. Dibelius, Die Formgeschichte des Evangeliums, Tübingen 21933, 219–234, hier: 227 ff. 22 Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 15), I, 1. 23 Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 15), II, 1. 24 Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 15), II, 483. 25 So zu Recht die Klassifikation bei Jeremias, Gleichnisse (s. Anm. 5), 15.
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gung.26 Anders als für Jülicher dürfen die Parabeln nach Dodd aber nicht auf ethische Prinzipien reduziert werden, sondern müssen in eine konkrete Situation im Leben Jesu zurückgebunden werden, um sie angemessen verstehen zu können. „Thus we should expect the parables to bear upon the actual and critical situation in which Jesus and His hearers stood; and when we ask after their application, we must look first, not to the field of general principles, but to the particular setting in which they were delivered. The task of the interpreter of the parables is to find out, if he can, the setting of a parable in the situation contemplated by the Gospels, and hence the application which would suggest itself to one who stood in that situation.“27 Als zusammenfassender Inhalt aller Parabeln kann nach Dodd die Verkündigung des Reiches Gottes angenommen werden, in der er eine „realized eschatology“28, also eine präsentische Eschatologie erkennt. „Jesus declared at once that the Kingdom of God had come, and that He Himself must die. If there is no parallel or anticipation of such an idea in the Jewish background of Christian thought, that is nothing against is. As we have seen, the declaration that the Kingdom of God has come, breaks up, in any case, the old eschatological scheme, and makes room for a new set of ideas.“29 Dodd applizierte mit seinem Ansatz Einsichten der älteren Formgeschichte und religionsgeschichtlichen Schule so überzeugend auf die Gleichnisforschung, dass seine Arbeit Weichen stellend für die spätere Forschung wurde. So blieb die thematische Fokussierung der Gleichnisse auf die ‚(König-) Reich-Gottes-Verkündigung‘ auch in der nachfolgenden Forschung bestimmend.30 Ferner präzisierte Dodd die überlieferungsgeschichtlich postulier26 Vgl. den programmatischen Einleitungssatz in Ch. H. Dodd, The Parables of the Kingdom, London 1935 (zit. Paperback Repr. der rev. Aufl., Glasgow 1978), 13: „The parables are perhaps the most characteristic element in the teaching of Jesus Christ as recorded in the Gospels. (…) Certainly there is no part of the Gospel record which has for the reader a clearer ring of authenticity.“ 27 Dodd, Parables (s. Anm. 26), 23. 28 Dodd, Parables (s. Anm. 26), 54 ff. u.a. 29 Dodd, Parables (s. Anm. 26), 60. 30 So z.B. J. D. Crossan, In Parables. The Challenge of the Historical Jesus, New York 1973 (Nachdr. Sonoma, Calif. 1992), 23–36; J. Breech, The Silence of Jesus. The Authentic Voice of the Historical Man, Philadelphia 1983, 66–74; O. Knoch, Wer Ohren hat, der höre. Die Botschaft der Gleichnisse Jesu. Ein Werkbuch zur Bibel, Stuttgart 31987, 62: Die Botschaft vom Reich Gottes als „Hauptthema der Gleichnisse“; A. J. Hultgren, The Parables of Jesus. A Commentary, Grand Rapids 2000, 384: „The kingdom was certainly a main theme, even the main theme, of Jesus’ message.“ Ebenso aus der Perspektive der Jesusforschung: P. Pokorný, Lexikalische und rhetorische Eigentümlichkeiten der ältesten Jesustradition, in: J. Schröter / R. Brucker (Hgg.), Der historische Jesus. Tendenzen und Perspektiven der gegenwärtigen Forschung, BZNW 114, Berlin / New York 2002, 393–408, hier: 395: Es ist „kaum möglich, die Bedeutung der Reich-Gottes-Verkündigung in der Jesustradition zu überschätzen.“ Ferner Th. Söding, Lehre in Vollmacht. Jesu Wunder und Gleichnisse im Evangelium der Gottesherrschaft, Communio 36 (2007), 3–17, hier 10–14; T. Onuki, Jesus. Geschichte und Gegenwart, BThSt 82, Neukirchen-Vluyn 2007, 89 ff.: „Gleichnisse vom Reich Gottes“, um nur einige Beispiele zu nennen. Kritisch hierzu Ch.W. Hedrick, Parables as Poetic Fictions. The Creative
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ten Differenzen der Gleichnisfassungen durch das Postulat eines doppelten „Sitzes im Leben“ („setting in life“31), wobei er zwischen dem ursprünglichen Sitz im Leben Jesu und dem der späteren Kirche unterschied. Häufig differiere dieser jeweilige Kontext, so dass der Exeget vor der Aufgabe stehe, hinter der im Evangelium dargestellten Situation die originäre Situation im Leben Jesu zu rekonstruieren.32 Als Kriterium diente – wie an vorgenanntem Zitat deutlich wurde – die Unableitbarkeit. Die in den Parabeln realisierte Verkündigung des Reiches Gottes sei etwas genuin Neues. Auf diesem Weg ist Joachim Jeremias (1900–1979) weitergegangen. Auch für Jeremias hat Jülicher und die ihm nachfolgende formgeschichtliche Schule „nur die halbe Arbeit getan. (…) Wirklich weiter kam man denn auch auf diesem Wege nicht.“33 Jeremias radikalisierte deshalb die historische Fragestellung, indem er – in expliziter Anknüpfung an Dodd34 – den Gleichnissen Jesu „einen zweifachen historischen Ort“35 zuschrieb: Zum einen „eine jeweilig einmalige Situation im Rahmen der Wirksamkeit Jesu“36. Zum anderen das Leben der Urkirche, „die die Worte Jesu verkündigt, predigt, lehrt – in Mission, Gemeindeversammlung, Unterricht.“37 Die doppelte Verortung führte für Jeremias zu folgender methodischen Konsequenz: „Manches Wort Jesu, auch manches Gleichnis, muß aus dem Sitz im Leben und Denken der Urkirche wieder herausgenommen werden, und der Versuch muß gemacht werden, den ursprünglichen Ort im Leben Jesu wiederzugewinnen, sollen Jesu Worte wieder ihren ursprünglichen Klang erhalten, sollen Gewalt, Kampf und Vollmacht der ursprünglichen Stunde wieder lebendig werden.“38 Die „Hauptarbeit“ sei entsprechend: „es muß versucht werden, den ursprünglichen Sinn der Gleichnisse wiederzugewinnen. (…) die Gleichnisse müssen in die Situation des Lebens Jesu gestellt werden!“39 Um diesen Weg „Von der Urkirche zu Jesus zurück!“40 gehen zu können, müsse man die „Gesetze der Umformung“ kennen, die innerhalb des Überlieferungsweges maßgeblich waren. Jeremias differenziert hierbei zehn Aspekte: 1. Übersetzung von der aramäischen Muttersprache Jesu ins Griechische; 2. Wandlungen des Anschauungsmaterials; 3. Ausschmückungen; Voice of Jesus, Peabody, Mass. 1994, 16 f., der aufzeigt, dass nur 13 Gleichnisse tatsächlich dem Reich Gottes zugeordnet werden. 31 Vgl. dazu insbesondere Chap. IV. in Dodd, Parables (s. Anm. 26), 84–114. 32 Vgl. Dodd, Parables (s. Anm. 26), 84: „We shall sometimes have to remove a parable from its setting in the life and thought of the Church, as represented by the Gospel, and make an attempt to reconstruct its original setting in the life of Jesus.“ 33 Jeremias, Gleichnisse (s. Anm. 5), 15 f. 34 Vgl. Jeremias, Gleichnisse (s. Anm. 5), 15: „Das hat am besten C.H. Dodd gezeigt.“ 35 Jeremias, Gleichnisse (s. Anm. 5), 19. 36 Jeremias, Gleichnisse (s. Anm. 5), 19. 37 Jeremias, Gleichnisse (s. Anm. 5), 19. 38 Jeremias, Gleichnisse (s. Anm. 5), 19. 39 Jeremias, Gleichnisse (s. Anm. 5), 16 f. 40 So die Überschrift im zweiten Hauptteil, vgl. Jeremias, Gleichnisse (s. Anm. 5), 19–114.
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4. Einwirkung des Alten Testaments und volkstümlicher Erzählmotive; 5. Wechsel der Hörerschaft; 6. Verwendung der Gleichnisse für die kirchliche Paränese; 7. Einwirkung der Lage der Kirche (z.B. Parusieverzögerung); 8. Allegorisierung; 9. Gleichnissammlungen und -fusionen; 10. (redaktioneller) Rahmen. Die kritische Analyse der Gleichnisse beabsichtigt denn nach Jeremias auch nichts anderes, „als einen so weit wie irgend möglich gesicherten Zugang zur ipsissima vox Jesu zu bahnen.“41 Entscheidend sei letztlich die Frage: „Was wollte Jesus in dieser und jener bestimmten Stunde sagen?“42 Doch nicht nur die Differenz zur kirchlichen Tradition, auch gerade die Unableitbarkeit aus dem Judentum galten für Jeremias deutlicher noch als bei Dodd als Kriterien, die die Gleichnisse Jesu in einer erratischen Sonderstellung als authentische Jesusrede ausweisen sollten: „Jesu Gleichnisse sind zudem etwas völlig Neues. Aus der Zeit vor Jesus ist uns in der gesamten rabbinischen Literatur kein einziges Gleichnis überliefert, nur zwei Bildworte Hillels.“43 So kann an Jeremias gezeigt werden, wie das für die etwas spätere zweite Hochphase der historischen Jesusforschung maßgebliche „doppelte Unableitbarkeits- bzw. Differenzkriterium“44 mit Grundentscheidungen der Gleichnisforschung korreliert oder gar aus ihr gewonnen wurde. Innerhalb der amerikanischen Forschung wird besonders an der frühen Arbeit von John Dominic Crossan (geb. 1934) unter dem Titel „In Parables: The Challenge of the Historical Jesus“ (1973)45 das Differenzkriterium auf die Gleichnisforschung übertragen, weshalb ich Crossan trotz der zeitlichen Differenz hier noch der zweiten Phase zuordnen möchte.46 Die Radikalität des historischen Jesus werde nur durch rigorose Ausmerzung aller frühkirchlichen und jüdischen Elemente erkennbar.47 Für Crossan gelte diese Unableitbarkeit aber nicht nur hinsichtlich von Gegenstand und Inhalt der 41 So im Vorwort zur sechsten Auflage der „Gleichnisse Jesu“, Göttingen 1962, 5. Vgl. ferner a.a.O., 18: „Diese Fragen gilt es zu stellen, um – soweit es möglich ist – zurückzukommen zum ursprünglichen Sinn der Gleichnisse Jesu, zu Jesu ipsissima vox.“ 42 Jeremias, Gleichnisse (s. Anm. 5), 18. 43 Jeremias, Gleichnisse (s. Anm. 5), 8. 44 Vgl. dazu Theissen / Merz, Der historische Jesus (s. Anm. 3), 116–119, sowie ausführlich G. Theissen / D. Winter, Die Kriterienfrage in der Jesusforschung. Vom Differenzkriterium zum Plausibilitätskriterium, NTOA 34, Freiburg (CH) / Göttingen 1997. 45 Vgl. Crossan, In Parables (s. Anm. 30). 46 Zum Teil wird Crossan auch als exponierter Vertreter des „Third quest“ betrachtet, wobei hier vor allem seine spätere Arbeit Ders., The Historical Jesus. The Life of a Mediterranean Jewish Peasant, San Francisco, Calif. 1991, maßgeblich wird. 47 Vgl. Crossan, In Parables (s. Anm. 30), 5: „One must look especially for divergence between this earliest form and the general attitude of the primitive church. Only when such can be discerned can one be methodologically sure that it stems from the historical Jesus and not from the creativity of the church. This will be the more secure when the original saying has been reinterpreted back toward Judaism in the usage of the earliest Jewish Christianity itself. In such cases one can see the radicality of Jesus muted back into normalcy.“
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Jesusrede, sondern besonders auch hinsichtlich ihrer Form: „(the criterion of dissimilarity) will apply not only to subject and content but even more especially to style and to form“.48 „Those narrative parables seemed to be most surely his own characteristic pedagogic genre as distinct from the usage of the primitive church and also contemporary Judaism“.49 An Crossan wird wieder einmal sichtbar, wie stark die historische Jesusfrage und die Parabelforschung von formgeschichtlichen Grundentscheidungen bestimmt werden. Einen beachtlich differenzierten Reflexionsgrad zur Historizität in der Jesusforschung hat Ernst Käsemann (1906–1998) erreicht, der als Initiator und exponierter Vertreter der „neuen Frage“ (nach dem historischen Jesus)50 betrachtet werden kann. Käsemann hat Jeremias in seiner Vorgehensweise vorgeworfen, „das theologische Problem, daß das Neue Testament die Jesusüberlieferung nur in Gestalt und Überarbeitung ihres Christuszeugnisses darbietet“, in ein historisches umgewandelt zu haben, indem er Jesus als Ursprung bezeichne, auf den sich alle Tradition zurückbeziehe. Jeremias habe nicht nur „erhebliche Mühe (…), etwa in der Gleichnisanalyse den Weg zu Jesus zurückzufinden.“51 Auch seine Zuversicht in die verfeinerten Methoden seiner Zeit, seien es Quellen- und Redaktionskritik, Form-, Zeit- oder Umweltgeschichte offenbarten nur, „welchen Ahnen er verpflichtet ist.“52 „Welche Etappe (der historischen Jesusforschung, R.Z.) hätte sich nicht ihrer verfeinerten Methoden und ihrer geistigen Errungenschaften gerühmt? (…) Damit ist doch das Erbe der nach ihren Impulsen liberalen, vom Zauber des Entwicklungsgedankens faszinierten, dem Wissenschaftsglauben verfallenen, im Positivismus und als seinem Komplement in der Spekulation endenden Vergangenheit angetreten.“53 Käsemann hatte bereits in seinem früheren Aufsatz „Das Problem des historischen Jesus“ die Rückfrage nach den historischen Fakten oder dem authentischen Jesusgut als Holzweg erwiesen. Es sei aber primär nicht einmal die methodische „Unmöglichkeit der Rekonstruktion“54, sondern die hermeneutisch-theologische Notwendigkeit, die zu dieser Einsicht führten. „Wir haben keinen unmittelbaren Zugang zu ihr (= der Historie, R.Z.), selbst wenn wir sie in der größtmöglichen Genauigkeit und Vollständigkeit überschauen würden. Wir sprechen in anderer Sprache, denken in anderen Anschauungen, stehen vor andern Situationen und Entscheidungen als ihre Zeitgenossen. (…) So sind wir 48
Crossan, In Parables (s. Anm. 30), 5. Crossan, The Parables of Jesus (s. Anm. 2), 248, mit Verweis auf seine frühere Arbeit. 50 Vgl. Käsemann, Das Problem des historischen Jesus (s. Anm. 4); Ders., Sackgassen im Streit um den historischen Jesus, in: ders., Exegetische Versuche und Besinnungen II, Göttingen 1964, 31–68. 51 Käsemann, Sackgassen (s. Anm. 50), 34. 52 Käsemann, Sackgassen (s. Anm. 50), 36. 53 Käsemann, Sackgassen (s. Anm. 50), 38. 54 Käsemann, Das Problem des historischen Jesus (s. Anm. 4), 191. 49
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vergangener Geschichte gegenüber auf das Erzählen angewiesen, wenn wir Kunde von ihr erhalten wollen. Alle Historie wird uns nur durch Tradition zugänglich und durch Interpretation verständlich. (…) Es sollte uns auch ohnehin deutlich sein, dass die evangelische Geschichte uns nicht näher rückt, wenn wir sie in bruta facta auflösen.“55
Das Besondere an Käsemanns Ansatz ist aber nicht der hermeneutischkerygmatische Ansatz, den er von seinem Lehrer Bultmann übernimmt, sondern die Folgerung, dennoch die historische Rückfrage nicht gänzlich auszublenden. Gerade weil die Evangelien selbst die Historizität selbstverständlich voraussetzten, müsse sie auch in der Forschung berücksichtigt bleiben: „Weil die Urchristenheit Jesu irdische Geschichte derartig als Kairos erfuhr, schrieb sie Evangelien, gab sie auch nach Ostern die Historie Jesu nicht einfach preis.“56 Obgleich Käsemann in seinen Aufsätzen nur indirekt auf die Rolle der Gleichnisse einging, hat seine kritisch-differenzierte Wahrnehmung von Historizität auch ihre Spuren in der Gleichnisforschung hinterlassen. Zumindest wurde im deutschsprachigen Raum seither die Rückfrage nach der ipsissima vox auch in der Gleichnisforschung weitgehend ausgeblendet, ja die Frage nach der Historizität der Gleichnisse wich einer vorwiegend sprachlichen Betrachtung.
1.3 Parabeln in der dritten Phase der historischen Jesusforschung (Funk, Theißen / Merz, Onuki) Die dritte Phase der historischen Jesusforschung wurde maßgeblich von der nordamerikanischen Forschung geprägt (deshalb ‚third quest‘), wo auch die Authentizitätsfrage weit unbefangener in der Gleichnisforschung gestellt wurde als im deutschsprachigen Raum. So verwundert nicht, dass Robert W. Funk (1926–2005), der Begründer des so genannten „Jesus Seminar“, eine 1985 gegründete Projektgruppe nordamerikanischer Exegeten am Westar Institute, die sich zum Ziel gesetzt hatte, die authentischen Jesusworte und -taten zu bestimmen,57 zugleich ein herausragender Gleichnisforscher gewesen ist. Robert W. Funk hatte im Anschluss an das Jesus-Seminar eine Liste von 22 Parabeln als „authentisch“ ausgewiesen.58 Als ursprüngliche JesusGleichnisse gelten demnach: 55
Käsemann, Das Problem des historischen Jesus (s. Anm. 4), 190 f. Käsemann, Das Problem des historischen Jesus (s. Anm. 4), 201. 57 Vgl. dazu R.W. Funk u.a., The Five Gospels. What Did Jesus Really Say?, San Francisco 1997; R.W. Funk u.a., The Acts of Jesus. What Did Jesus Really Do?, San Francisco 1998; zu den Gleichnissen besonders jetzt E. F. Beutner (Hg.), Listening to the Parables of Jesus, Jesus Seminar Guide, Santa Rosa 2007. 58 Vgl. R.W. Funk, Jesus. The Silent Sage, in: ders., Funk on Parables. Collected Essays, hg. mit einer Einl. von B.B. Scott, Santa Rosa 2006, 165–169 (zuerst als Abschnitt in: Ders., Jesus as Precursor, rev. ed. 1994). 56
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1. The Leaven (Luke 13:20–21/ / Matt 13:33/ / Thom 96:1–2) 2. The Samaritan (Luke 10:30–35) 3. The Shrewd Manager (Luke 16:1–8 a) 4. The Vineyard Laborers (Matt 20:1–15) 5. The Mustard Seed (Thom 20:2–4/ / Mark 4:30–32 / /Luke 13:18–19/ / Matt 13:31–32) 6. The Lost Coin (Luke 15:8–9) 7. The Lost Sheep (Luke 15:4–6/ / Matt 18:12–13/ / Thom 107:1–3) 8. The Treasure (Matt 13:44/ / Thom 109:1–3) 9. The Prodigal Son (Luke 15:11–32) 10. The Corrupt Judge (Luke 18:2–5) 11. The Dinner Party (Thom 64:1–11/ / Luke 14:16–23 / /Matt 22:2–13) 12. The Pearl (Thom 76:1–2/ / Matt 13:45–46) 13. The Assassin (Thom 98:1–3) 14. The Unforgiving Slave (Matt 18:23–34) 15. The Leased Vineyard (Thom 65:1–7/ / Luke 20:9–15 / /Matt 21:33–39/ / Mark 12:1–8) 16. The Rich Farmer (Thom 63:1–3/ / Luke 12:16–20) 17. The Money in Trust (Matt 25:14–28/ / Luke 19:13–24) 18. The Powerful Man (Mark 3:27/ / Matt 12:29/ / Thom 35:1–2/ / Luke 11:21–22) 19. The Pharisee & Toll Collector (Luke 18:10–14) 20. Seed and Harvest (Mark 4:26–29) 21. The Sower (Mark 4:3–8/ / Matt 13:3–8/ / Thom 9:1–5/ / Luke 8:5–8) 22. The Empty Jar (Thom 97:1–4)
Typisch für die dritte Phase der Jesusforschung war hier etwa die Einbeziehung außerkanonischer Quellen wie des Thomasevangeliums (vgl. Nr. 1,5,7,8,11,12,15,16,18,21,22), dem zum Teil auch für die Jesusparabeln größere historische Zuverlässigkeit zugebilligt wurde als den kanonischen Quellen. Anders als noch Jeremias erhob das Jesus-Seminar allerdings nicht den Anspruch, die ipsissima vox der Gleichnisse zu bestimmen, vielmehr gehe es um die narrative Grundstruktur, den Plot, der bei diesen Texten authentisch bewahrt sei: „Although the gospels have probably not preserved the actual words of Jesus, it is entirely possible that the evangelists have retained the original plot in most cases.“59 Während es das Anliegen des Jesus-Seminars war, das als authentisch eingestufte Jesusmaterial zu isolieren, so unternahm es Funk selbst, aus den so gewonnenen Fragmenten auch ein Gesamtbild des historischen Jesus als Gleichniserzähler zu gewinnen.60 Jesus wurde dabei der Weisheitstradition zugeordnet und als „the first standup Jewish comic“ 59
Funk, Silent Sage (s. Anm. 58), 165. So vor allem in R.W. Funk, Jesus. A Voice Print, in: ders., Funk on Parables (s. Anm. 58), 171–175, hier: 171: „Yet from these fragments of insight we can begin to piece together some sense of the whole. Together those fragments provide us with glimpses of the historical figure.“ 60
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oder als „silent sage“ vorgestellt: „A comic savant is a sage who embeds wisdom in humor, a humorist who shuns practical advice.“61 Ganz anders als in der ersten Phase der Jesusforschung (vgl. Strauß) sei es nicht die Klarheit, sondern sogar die Rätselhaftigkeit der Gleichnisse, mit der Jesus seine Ersthörer fesselte. Funk gelang es in dieser Betrachtung, die besonders in seinen frühen Arbeiten fokussierte literarische Dimension der Gleichnisse mit der historischen Perspektive zu verbinden, indem er die Wirkung der Gleichnisse bei den Ersthörern Jesu auf ihre genuine rhetorische und metaphorische Gestalt zurückführte. Die Adressaten seien dadurch gefordert, eine eigene, neue Fiktion des Reiches Gottes zu bilden. So konnte er die Ursprünge der Gleichnisse beim historischen Jesus betonen, ohne die Modifikationen und Abweichungen der späteren Überlieferungsformen negieren zu müssen.62 Auch in anderen Arbeiten des „third quest“ der Jesusforschung wird die Bedeutung und sogar Authentizität der Gleichnisse hervorgehoben. So widmen Gerd Theißen und Annette Merz dem Thema „Jesus der Dichter: Die Gleichnisse“63 ein ganzes Kapitel, in dem sie entsprechend den Prämissen der dritten Phase der Jesusforschung die Einbettung der Parabeln in der jüdischen Tradition hervorheben. Sie betonen, dass „Gleichnisse im Judentum zwar bei Jesus zum ersten Mal historisch faßbar werden, daß er mit ihnen aber eine zu seiner Zeit weitverbreitete Form aufgriff. (…) Die Forschung der letzten Jahre (hat) gezeigt, daß Jesus und die Rabbinen aus demselben Schatz von vertrauten Bild- und Motivfeldern und erzählerischen Grundstrukturen schöpfen und ihre Gleichnisse zwar in manchen Aspekten voneinander abweichen, jedoch Ausprägungen desselben Genres sind.“64 Diese Frage nach der literarischen, insbesondere narrativen Form der Gleichnisse steht dann in ihren Ausführungen auch im Vordergrund, während die historische Frage nach der Authentizität der Gleichnisse auf einen Exkurs reduziert wird.65 Auch wenn die „literatur- und formgeschichtliche Besonderheit der Gleichnisse“ nicht wie in früheren Phasen der Jesusforschung zum maßgeblichen Kriterium werden darf, sprechen „Kontext- und Wirkungsplausiblität (…) für eine Herleitung der Gleichnisüberlieferung vom historischen Jesus: Sie sind aus jüdischer Überlieferung ableitbar, haben aber in diesem Kontext eine individuelle Prägung.“66 Selbst die oft fehlende Mehrfachbezeugung
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Funk, Voice Print (s. Anm. 60), 174. Vgl. Funk, Voice Print (s. Anm. 60), 174: „(The parables) are also open to multiple and deeper interpretations as a way of keeping them open to reinterpretation in ever new contexts.“ 63 Vgl. Theissen / Merz, Der historische Jesus (s. Anm. 3), 286–310. 64 Vgl. Theissen / Merz, Der historische Jesus (s. Anm. 3). 286. Ähnlich auch B. Kollmann (2004), Jesus als jüdischer Gleichniserzähler, NTS 50 (2004), 457–475. 65 Theissen / Merz, Der historische Jesus (s. Anm. 3), 303 f. 66 Theissen / Merz, Der historische Jesus (s. Anm. 3), 304. 62
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sei kein Argument gegen die Authentizität, vielmehr „gilt nach wie vor: Die Gleichnisse Jesu sind ‚Urgestein der Überlieferung‘.“67 Die religionsgeschichtliche Einbettung der Gleichnisse Jesu insbesondere im Judentum kann als ein genereller Trend in der jüngsten Phase der Jesusforschung betrachtet werden. So betonen unterschiedliche Arbeiten aus christlicher wie auch jüdischer Perspektive die Nähe zwischen den rabbinischen Meschalim und den Gleichnissen Jesu,68 um damit nicht zuletzt, wie etwa Young hervorhebt, die „jüdischen Wurzeln“ der Gleichnisrede Jesu zu betonen.69 Dass Jesus gleichwohl nicht pauschal als „jüdischer Gleichniserzähler“70 der jüdischen Tradition subsumiert werden kann, betonen zuletzt Martin Hengel und Anna Maria Schwemer in ihrer neueren Arbeit „Jesus und das Judentum“. Sie verweisen etwa auf die altkirchliche Tradition des Hieronymus, der zwar die Syrer und Palästiner als Gleichniserzähler71 bezeichnet hat, relativieren aber zu Recht sein ca. 300 Jahre nach Jesu Auftreten gefälltes Urteil. Gleichnisse und Fabeln blieben wie bereits im atl. Schrifttum72 auch in frühjüdischer bzw. frührabbinischer Zeit auf wenige Belege begrenzt. So werde der Begriff maschal in der Mischna nur dreimal gebraucht wird (mSuk 2,9; mNid 2,5; 5,7).73 Auch in Qumran werde wohl nur ein einziges Gleichnis in einem fragmentarischen Zustand bezeugt (4Q302 Frag. 2 II, DJD II, 666). Das heißt, eine Erklärung der Gleichnisrede Jesu durch Ein- und Unterordnung in jüdische Umfeldtexte wird dem Phänomen nicht gerecht. „Jesus hat die Lehrform in Gleichnissen nicht erfunden, aber eine solche Fülle von einem einzigen Lehrer zugeschriebenen Parabeln ist im frühjüdischen Bereich ganz ungewöhnlich.“74 67
Theissen / Merz, Der historische Jesus (s. Anm. 3), 304. Vgl. D. Flusser, Die rabbinischen Gleichnisse und der Gleichniserzähler Jesu, JudChr 4, Bern 1981; P. Dschulnigg, Rabbinische Gleichnisse und das Neue Testament. Die Gleichnisse der PesK im Vergleich mit den Gleichnissen Jesu und dem Neuen Testament, JudChr 12, Bern u.a. 1988; C. Hezser, Lohnmetaphorik und Arbeitswelt in Mt 20,1–16. Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg im Rahmen rabbinischer Lohngleichnisse, NTOA 15, Freiburg (CH) / Göttingen 1990; B. H. Young, Jesus and His Jewish Parables. Rediscovering the Roots of Jewish Teaching, Mahwah / New York 1989; Ders., The Parables. Jewish Tradition and Christian Interpretation, Peabody 1998; F. Stern, A Rabbi Lools at Jesus’ Parables, Lanham 2006. 69 So etwa Young, Jewish Parables (s. Anm. 68), im Untertitel: „Rediscovering the Roots of Jesus’ Teaching“. 70 Vgl. Kollmann, Gleichniserzähler (s. Anm. 64). 71 Vgl. Hieronymus, comm. in Mt 18,23 (CChr.SL 77,163): „Die Syrer, und ganz besonders die Palästiner, pflegen all ihren Reden Gleichnisse anzufügen; so sollen die Zuhörer, was sie durch die einfache Darlegung nicht behalten können, mit Hilfe von Vergleichen und Beispielen behalten.“ 72 Gleichnisse: 2 Sam 12,1–14 (Nathanparabel); 14,1–11; 1 Kön 20,35–40; Jes 5,1–7 (Weinberglied); 28,23–29 (Arbeit des Bauern); Fabeln: Ri 9,8–15; 2 Kön 14,9 f.; Ez 17,3–10; 19,2–9.10–14; 21,1–5; 24,3–5. 73 Vgl. dazu J. Neusner, The parable (mashal), Journal of higher criticism 1 (2005), 1–21, hier: 4–6. Zum Teil wieder aufgenommen in: Ders., The parable (‚Mashal‘), in: ders. u.a. (Hgg.), Ancient Israel, Judaism, and Christianity in Contemporary Perspective (FS K.-J. Illman), Lanham, Md. 2006, 259–283. 74 Hengel / Schwemer, Jesus und das Judentum (s. Anm. 6), 399. 68
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Zuletzt möchte ich auf das Jesusbuch des japanischen Neutestamentlers Takashi Onuki75 (geb. 1945) eingehen, da er seine Rückfrage nach dem historischen Jesus auf die Frage nach einem die Worte und Taten wie auch Wirkungen Jesu konstituierenden „Bildernetzwerk“ konzentriert.76 Innerhalb dieses Rasters spielen die Gleichnisse eine zentrale Rolle,77 da mit ihnen gleichsam das ‚Webmaterial‘ des Bildernetzwerks gewonnen wird. Onuki knüpft bei seiner Reflexion der Gleichnisrede bewusst an die Prämissen der alten Formgeschichte an: Gleichnisse seien zunächst „mündlich“ und „im Prinzip voneinander unabhängig“ überliefert worden. „Der erzählerische Kontext, in dem die Gleichnisse Jesu in den synoptischen Evangelien jetzt stehen, hat im Prinzip mit dem historischen Kontext, in dem der historische Jesus sie einmal gesprochen hat, nichts mehr zu tun.“78 Die neuere literarisch oder sprachphilosophisch geprägte Gleichnisforschung könne aber aufgrund der eigenen Prämissen die historische Frage nicht ausblenden. Gerade weil es sich bei den Gleichnissen um „performative Aussagen“ bzw. um „Sprechakte“ handle, müsse geklärt werden, „wann, wo, zu wem und wozu die Gleichnisse Jesu urprünglich gesprochen wurden.“79 Die von Onuki vollzogene Suche nach den „konkreten historischen Einzelsituationen“ bezeichnet er als „Rekontextualisierung“80. Die von Onuki anhand anderer Jesusworte schon bestimmten „Wurzelmetaphern“ des Satanssturzes, des Festmahls sowie der Abba-Vater-Vorstellung ließen sich an den Gleichnissen bestätigen (so z.B. in Mk 3,27; Lk 14,15–24/Mt 2,1–14; Lk 15,11–32). Andere Gleichnisse wie z.B. die Krisengleichnisse offenbaren den Sinn und Zweck, das „Wozu“ der Botschaft Jesu, die von Onuki als „Wiederherstellung des Verlorenen“ und als „Ruf zur Entscheidung“ bestimmt werden. Allerdings stehe die Verkündigung des Reiches Gottes und ihre Verwirklichung in einer gewissen Spannung, die bereits Jesus selbst besonders mit den Wachstumsgleichnissen (Senfkorn; selbstwachsende Saat) reflektiert habe: „Jesus nimmt mit diesen Gleichnissen primär seine Verkündigungstätigkeit in den Blick und spricht von deren gegenwärtiger Lage, die seinen eigenen Erwartungen nicht entspricht.“81 Die „gegenwärtige Lage der Verkündigung Jesu“ fordere insofern besonders die Geduld Gottes herauszustellen, wie es auch die Pointe von Mk 12,1–9 a aussage.
75 Vgl. T. Onuki, Jesus. Geschichte und Gegenwart, BThSt 82, Neukirchen-Vluyn 2007 (jap. Iesu to iu Keiken, Tokio 2003). 76 Vgl. entsprechend die Gliederung (gekürzt): „III. Entstehung des Bildernetzwerks“, „IV. Weben des Bildernetzwerks“, „V. Gelebtes Bildernetzwerk“, „VI. Zerreißen des Bildernetzwerks“, „VII. Neugestaltung des Bildernetzwerks“. 77 Vgl. Onuki, Jesus (s. Anm. 75), 89 ff. 78 Onuki, Jesus (s. Anm. 75), 89. 79 Onuki, Jesus (s. Anm. 75), 90. 80 Onuki, Jesus (s. Anm. 75), 91. 81 Onuki, Jesus (s. Anm. 75), 111.
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1.4 Fazit und Grenzen der historischen Parabelforschung Versuchen wir einige Leitlinien im Beziehungsgeflecht zwischen Gleichnisforschung und historischer Jesusforschung festzuhalten, zeigen sich markante Konstanten quer durch die jeweiligen Phasen. Wann immer Parabeln innerhalb der historischen Jesusforschung thematisiert wurden, wurde eine historistische Hermeneutik sichtbar: Unabhängig davon, ob man die eigentliche Jesusrede (Jülicher), die ursprüngliche historische Situation (Dodd) bzw. den historischen Kontext (Theißen / Merz, Onuki) oder im Extremfall eine Auswahl an Texten (Funk) oder gar die ipsissima vox (Jeremias) bestimmen wollte, immer ging es darum, zur ursprünglichen Redesituation, zur Parabelrede Jesu selbst zurückzukehren. Entsprechend wurde eine Differenz zwischen dem kanonischen Überlieferungsstand und dem postulierten Ursprungsmaterial aufgebaut, was implizit oder explizit zu einer Abwertung oder einem Desinteresse an den kanonischen Gleichnistexten führte. Die ntl. Parabelüberlieferung wurde als depraviertes Stadium innerhalb eines Überlieferungsweges betrachtet, das zwar historisch befragt und bewertet, letztlich aber überwunden werden müsse. Das methodische Inventar dieser historischen Parabelforschung lieferte weitgehend die so genannte „alte Formgeschichte“: So wurde die ursprüngliche Mündlichkeit der Gleichnisrede wie auch eine anfänglich „reine Form“ postuliert, die im Zuge der Überlieferung und Verschriftlichung zunehmend verändert wurde. Die Parabeln wurden ferner einem bestimmten ‚Sitz im Leben‘ bzw. historischen Kontext zugeordnet. Es bestand darüber hinaus ein Grundvertrauen, mittels der Methoden der Redaktions- und Literarkritik ursprüngliche Textstadien hinter der kanonischen Überlieferung zu rekonstruieren. Hermeneutische und methodische Grundfragen des Zusammenhangs von Gleichnisforschung und historischer Jesusforschung wurden deshalb kaum reflektiert. Allerdings deutet die Beziehung zwischen historischer Jesusforschung und Parabelforschung nicht selten auf einen hermeneutischen Zirkelschluss82 hin, indem das im Rahmen der historischen Jesusfrage (re-) konstruierte Jesusbild durch Gleichnisse bestätigt wurde, dieses Jesusbild aber vorerst durch eine bestimmte Auswahl von Parabeln oder einzelner Aspekte daraus konstruiert wurde. Das diesem Zirkelschluss zu Grunde liegende Problem ist eng mit der unzureichend reflektierten Frage des Zusammenspiels zwischen Geschichte und sprachlichen Formen verbunden. Zwar wurde ein unmittelbares Ineinandergreifen von Formgeschichte und historischer Jesusfrage in einzelnen Arbeiten immer wieder erkennbar. Die Frage, wie sich Gleichnisgattung und Jesusgeschichte präzise aufeinander 82
Vgl. dazu etwa den Beitrag von K.-H. Ostmeyer in diesem Band.
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beziehen lassen, wurde hingegen kaum bearbeitet. Die Forschung verharrte hier ungeachtet weiterer Entwicklungen weitgehend bei den Prämissen der Alten Formgeschichte. Auch der frühe Einwand Käsemanns gegen Jeremias wurde für die Gleichnisforschung nicht fruchtbar gemacht oder begünstigte eine radikale Enthistorisierung der Gleichnisforschung durch Zuwendung zur literarisch-narrativen Gestalt (Via, Harnisch). Im Folgenden möchte ich diese Defizite aufgreifen und Neuansätze der Jesus- wie auch der Gattungsforschung für die Fragestellung nutzbar machen.
2. Eine Trendwende: Vom historischen zum erinnerten Jesus Auch wenn das Erinnerungs-Motiv immer wieder in der Wahrnehmung der Jesusgeschichte eine Rolle gespielt hat,83 zeigt sich in den letzten Jahren nicht zuletzt unter dem Einfluss der konstruktivistischen Geschichtstheorie84 und der neueren Gedächtnisforschung85 eine verstärkte Hinwendung zu diesem Deutungsschlüssel in der Exegese des Neuen Testaments, so dass man von einer Trendwende oder gar einem Paradigmenwechsel in der Jesusforschung sprechen kann.86 83 So schon bei Justin im 2. Jh., der die Evangelien „Erinnerungen der Apostel“ nennt (vgl. Justin, Apol. 66,3: ), vgl. in jüngerer Zeit etwa R. Hermann, Der erinnerte Christus, in: H. Ristow / K. Matthiae (Hgg.), Der historische Jesus und der kerygmatische Christus. Beiträge zum Christusverständnis in Forschung und Verkündigung, Berlin 1960, 509–517; B. Gerhardsson, Memory and Manuscript. Oral Tradition and Written Transmission in Rabbinic Judaism and Early Christianity, Uppsala 1961. 84 Vgl. hier neben den frühen Arbeiten von H.V. White (z.B. Metahistory. Die historische Einbildungskraft im 19. Jahrhundert in Europa, Frankfurt a.M. 1994) und F. Ankersmit (z.B. Narrative Logic. A Semantic Analysis of Historian’s Language, Groningen 1981) etwa J. Rüsen, Grundzüge einer Historik I–III, Göttingen 1983/1986/1989; H.-J. Goertz, Umgang mit Geschichte. Eine Einführung in die Geschichtstheorie, Reinbek 1995; Ders., Unsichere Geschichte, Stuttgart 2001; C. Lorenz, Konstruktion der Vergangenheit. Eine Einführung in die Geschichtstheorie, Beiträge zur Geschichtskultur 13, Köln 1997; vgl. auch den instruktiven Sammelband von J. Schröter (Hg.), Konstruktion von Wirklichkeit. Beiträge aus geschichtstheoretischer, philosophischer und theologischer Perspektive, TBT 127, Berlin / New York 2004. 85 Vgl. J. Assmann / T. Hölscher (Hgg.), Kultur und Gedächtnis, Frankfurt a.M. 1988; A. Assmann / D. Harth (Hgg.), Mnemosyne. Formen und Funktionen der kulturellen Erinnerung, Frankfurt a.M. 1991; E. P. Fischer (Hg.), Gedächtnis und Erinnerung, München 1998; E. Tuving / F. I. M. Craig (Hgg.), The Oxford Handbook of Memory, New York / Oxford 2005. 86 Vgl. den instruktiven Sammelband von A. Kirk / T. Thatcher (Hgg.), Memory, Tradition, and Text. Uses of the Past in Early Christianity, Semeia Studies 52, Atlanta / Leiden 2005, darin auch der Forschungsrückblick dies., Jesus Tradition as Social Memory, 25–42; R.A. Horsley u.a. (Hgg.), Performing the Gospel. Orality, Memory, and Mark. Essays Dedicated to W. Kelber, Minneapolis 2006; O. Schwankl, Recordati sunt. ‚Erinnerungsarbeit‘ in den Evangelien, in: M. Theobald / R. Hoppe (Hgg.), „Für alle Zeiten zur Erinnerung“. Beiträge zu einer biblischen Gedächtniskultur, SBS 209, Stuttgart 2006, 53–94; Th. Söding, Ereignis und Erinnerung. Die Geschichte Jesu im Spiegel der Evangelien, NRW-Akademie der Wissenschaf-
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Eine Schlüsselstellung für diesen Perspektivenwechsel kamen im deutschsprachigen Raum den Arbeiten von Jens Schröter87 und im englisch-sprachigen Raum der Arbeit von James D.G. Dunn „Jesus remembered“88 zu, auf deren Grundentscheidungen im Anschluss an Schröter hier kurz eingegangen wird. Geschichte gibt es nach Schröter nur als Interpretation des vorgegebenen Materials, bei der ein Historiker in hohem Maße seine zeitbedingte perspektivische Sicht in seinen Entwurf mit einbringt. Das Ergebnis einer solchen konstruktiven Geschichtsschreibung ist immer eine Deutung, die „niemals mit der Vergangenheit selbst identisch“89 ist. Ein Historiker ist deshalb gut beraten, die Quellen interpretieren und nicht ‚Fakten‘ rekonstruieren zu wollen. Bezogen auf die Jesusforschung ist deshalb der Versuch, einen historisch rekonstruierten Jesus gegen die Quellen zu stellen, aufzugeben. Die Jesusfrage ist vielmehr „umzuformulieren in diejenige nach einem an die Quellen gebundenen Entwurf des erinnerten Jesus als Inhalt des sozialen Gedächtnisses des Urchristentums.“90 Entsprechend könne man das Markusevangelium als eine Erinnerungsschrift interpretieren. Der Evangelist „bewahrt Erinnerungen an Personen und Begebenheiten aus dem Wirkungsfeld Jesu – an Jünger, Gegner, Familie – auf und gibt ihnen durch seine Erzählung Sinn.“91 Eine Herauslösung von Einzelüberlieferungen jenseits des narrativen Rahmens der ältesten Jesus-Christus-Erzählungen (Mk und Logienquelle) sei problematisch, weil Verkündigung und Wirken Jesu „nur in der Form deutender Textwelten zugänglich ist.“92 ten, Vorträge G 411, Paderborn 2007; C. Claussen, Vom historischen zum erinnerten Jesus. Der erinnerte Jesus als neues Paradigma der Jesusforschung, ZNT 20 (2007), 2–17; kritisch G. Häfner, Das Ende der Kriterien? Jesusforschung angesichts der geschichtstheoretischen Diskussion, in: K. Backhaus / ders., Historiographie und fiktionales Erzählen. Zur Konstruktivität in Geschichtstheorie und Exegese, BThSt 86, Neukirchen-Vluyn 2007, 97–130. 87 J. Schröter, Erinnerung an Jesu Worte. Studien zur Rezeption der Logienüberlieferung in Markus, Q und Thomas, WMANT 76, Neukirchen-Vluyn 1997; Ders., Jesus und die Anfänge der Christologie. Methodologische und exegetische Studien zu den Ursprüngen des christlichen Glaubens, BThSt 47, Neukirchen-Vluyn 2001; Ders. (Hg.), Konstruktion von Wirklichkeit (s. Anm. 84); Ders., Von der Historizität der Evangelien, Ein Beitrag zur gegenwärtigen Diskussion um den historischen Jesus, in: ders., Von Jesus zum Neuen Testament. Studien zur urchristlichen Theologiegeschichte und zur Entstehung des neutestamentlichen Kanons, WUNT 204, Tübingen 2007, 105–146; Ders., Geschichte im Licht von Tod und Auferweckung Jesu Christi. Anmerkungen zum Diskurs über Erinnerung und Geschichte aus frühchristlicher Perspektive, BThZ 23 (2006), 3–25. 88 J. D. G. Dunn, Christianity in the Making I: Jesus remembered, Grand Rapids, Mich. 2003. Vgl. auch die Binnendifferenzierung in der ZNT-Kontroverse zwischen Dunn und Schröter „Der erinnerte Jesus als Begründer des Christentums?“, ZNT 20 (2007), 46–61. 89 Schröter, Konstruktion von Wirklichkeit (s. Anm. 84), 209. 90 Schröter, Anfänge (s. Anm. 87), 34. 91 Schröter, Konstruktion von Wirklichkeit (s. Anm. 84), 211. Auch für J.D.G. Dunn spielt die ursprüngliche Wirkung Jesu eine herausragende Rolle, was an Leitbegriffen wie „originating impulse“, „originating inspiration“ oder besonders auch „original impact“ deutlich wird, vgl. Dunn, Jesus remembered (s. Anm. 88), 329. 333 f. u.ö. 92 Schröter, Anfänge (s. Anm. 87), 41, vgl. a.a.O., 55.
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Schröter kritisiert die historische Jesusforschung im ‚third quest‘ auch in ihrer Reduktion auf die Vergangenheit, was zum Teil mit einem Verzicht auf eine theologische Dimension einhergehe. Wie die neuere Geschichtstheorie gerade die Verflochtenheit von Vergangenheit und Gegenwart in der Kategorie der „Er-innerung“ hervorhebt, so sei auch theologische Geschichtsschreibung von den Evangelisten bis zu heutigen Exegeten gegenwartsbezogen, ja müsse es um ihrer theologischen Bedeutung willen sein.93 „Die theologische Relevanz der Jesusfrage kann somit darin gesehen werden, diese bleibende Bedeutung des Wirkens Jesu durch Jesusdarstellungen, die veränderten erkenntnistheoretischen Prämissen unterliegen, zum Ausdruck zu bringen.“94 Im Folgenden möchte ich an diesen Perspektivenwechsel anknüpfen und ihn um ein m.E. entscheidendes Moment erweitern. So sehr die Quellengebundenheit bei diesen Ansätzen betont wird, wird doch der Sprachform, in der diese Quellen vorliegen und in der sich die Jesuserinnerung vollzieht, kaum Beachtung geschenkt. Schröter diskutiert zwar die formale Gestalt der Jesuserzählungen hinsichtlich der Makrogattungen „Spruchsammlung“ oder „Biographie“95, bleibt aber im Blick auf Einzelüberlieferungen zurückhaltend. Wird der Gegenstand der Erinnerung nur mittels der vagen Begriffe der „Wirkung“ bzw. des „impacts“ (Dunn) konkretisiert, entsteht die Gefahr, hier doch wieder eine Fakten- oder zumindest Ereignisgeschichte als Zielpunkt des Erinnerungsprozesses zu postulieren.96 Weiterführend scheint mir hingegen die Vermutung Schröters, dass es innerhalb des Erinnerungsprozesses „eine Kontinuität der Erinnerung an Jesus (gibt), durch die zentrale Aspekte seiner Wirksamkeit festgehalten wurden. Dabei lassen sich bestimmte Formen erkennen, in denen die Jesusüberlieferung bereits vor der Entstehung der schriftlichen Erzählungen existierte und weitergegeben wurde“97. Erinnerung vollzieht sich immer medial, nicht nur sprachgebunden, sondern auch formgebunden, was die alte formgeschichtliche Forschung jenseits ihrer falschen Schlussfolgerungen zu Recht erkannte.98 Bereits M. Dibelius hatte gesehen, dass kollektive Erinnerungen nicht völlig frei, sondern formgebunden – in Dibelius Worten – nach einem bestimmten „Stil“ vollzogen 93 Vgl. dazu auch E. Herms, Theologische Geschichtsschreibung, KZG 10 (1997), 305–330; ferner E. Reinmuth, Neutestamentliche Historik. Probleme und Perspektiven, ThLZ.Forum 8, Leipzig 2003. 94 Schröter, Anfänge (s. Anm. 87), 60 f. 95 Vgl. Schröter, Erinnerung (s. Anm. 87), 459 ff. 96 Vgl. dazu die Kritik bei Häfner, Ende der Kriterien (s. Anm. 86), 103–108 (die bis hin zur Ablehnung des ‚Erinnerungs-Paradigmas‘ führt) bzw. die Bejahung der Ereignisgeschichte bei Söding, Ereignis und Erinnerung (s. Anm. 86), 21–23.36–40. 97 Schröter, Anfänge (s. Anm. 87), 42. 98 Vgl. zum Folgenden meine Ausführungen in R. Zimmermann, Formen und Gattungen als Medien der Jesus-Erinnerung. Zur Rückgewinnung der Diachronie in der Formgeschichte des Neuen Testaments, in: O. Fuchs / B. Janowski (Hgg.), Die Macht der Erinnerung, JBTh 22 (2007), Neukirchen-Vluyn 2008, 131–167.
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werden. „Denn die Unbekannten, die diesen Stil hervorbringen, schaffen nach überindividuellen Gesetzen. Darum kennzeichnet der Stil die Gattung“99. Kollektive Erinnerung braucht weiterhin feste Orte und Räume, an denen sich die gemeinsame Rückbesinnung in einer bestimmten Gemeinschaft formiert und vollzieht. Der „Sitz im Leben“ ist so gesehen ein Mnemotop, ein Gedächtnisort, der idealtypisch als Teil der formalisierten Erinnerung beschrieben werden kann und Bestandteil der Stabilisierung kultureller Erinnerung ist. Doch fragen wir weiter, „welche Gattungen in diesem soziologischen Zusammenhang möglich oder wahrscheinlich“100 waren. Dass das Evangelium als eine der Großgattungen des Neuen Testaments einen Erinnerungsprozess festhielt, mag noch gewisse Zustimmung finden. Aber wie steht es um die so genannten „kleinen Formen“, auf die die klassische Formgeschichte ihr Augenmerk gelenkt hatte? Kann man davon ausgehen, dass sich die Jesuserinnerung, schon längst bevor die urchristliche Großgattung des Evangeliums ‚gefunden‘ war, bestimmter Medien, oder sagen wir: wiederkehrender Formen der Erinnerung bediente? So ist die Aufgabe gestellt, die mediale Kontinuität und formale Transformation dieses Erinnerungsprozesses zu untersuchen, die zum literarischen Endprodukt des Evangeliums führen konnten. Im Folgenden wird die These vertreten, dass Parabeln solche Kleinformen darstellen, die – neben anderen Formen – das kollektive Gedächtnis der frühen Christenheit prägten und somit zu maßgeblichen und identitätsstiftenden Erinnerungsmedien wurden. Bevor diese These näher entfaltet wird, soll aber die Erinnerungsfunktion von Gattungen durch Einbindung in die literaturwissenschaftliche Gedächtnisforschung präziser expliziert werden.
3. Gattung und Gedächtnis 3.1 Medien und Formen der Erinnerung Um die Mediengebundenheit der Erinnerung nachvollziehen zu können, möchte ich mit einem kleinen Gedankenexperiment beginnen: Erinnern Sie sich bitte einmal an den 11. Sept. 2001, das Attentat auf die Twin Tower des World Trade Center in New York. An was denken Sie jetzt? – An die Listen der Vermissten? An den Bericht eines Feuerwehrmanns oder den Notruf eines Opfers auf dem Anrufbeantworter? Nein – ich vermute, Ihre Erinnerung ist mit einem bestimmten Foto verbunden, auf dem man sieht, wie das zweite Flugzeug beim Aufprall explodiert, im Hintergrund der schwarz rauchende erste Turm. Das Medium bzw. die Form unserer kollek99 100
Dibelius, Formgeschichte (s. Anm. 21), 7. Dibelius, Formgeschichte (s. Anm. 21), 8.
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tiven Erinnerung an dieses Ereignis ist visuell geprägt: Das Foto ist hier das primäre Medium der Erinnerung. Was wir an diesem Beispiel erahnen, lässt sich bei individuellen wie umso mehr bei kollektiven Erinnerungsprozessen beobachten: Erinnerung ist medial gebunden. Sie vollzieht sich nicht beliebig oder frei schwebend, sondern bedient sich jeweils bestimmter Speicherformen, die genuin mit einem vergangenen Ereignis verbunden sind. Besonders Aleida und Jan Assmann haben gezeigt, wie mediengebunden sich kollektive und kulturelle Erinnerungsprozesse vollziehen.101 Damit Vergangenheit als identitätsstiftender Faktor für eine Kulturgemeinschaft wirken kann, muss sie in einer erinnerbaren Form aufbereitet bzw. stabilisiert werden.102 Obgleich ganz unterschiedliche Artefakte zum Erinnerungsmedium werden können,103 spielt die Literatur für das kulturelle Gedächtnis eine herausragende Rolle. Allerdings sind die Verflechtungen zwischen Literatur und Gedächtnis so komplex,104 dass eine präzise Fokussierung unterschiedlicher Aspekte sowie ihre differenzierte theoretische Reflexion notwendig erscheinen. Entsprechend unterscheidet die Gießener Forschungsgruppe um Ansgar Nünning und Astrid Erll fünf verschiedene Gedächtniskonzepte der Literaturwissenschaft,105 die ich an anderer Stelle auf die drei Aspekte 1. Das Gedächtnis der Literatur; 2. Literatur als Medium des kollektiven Gedächtnisses, sowie 3. Mimesis des Gedächtnisses durch Literatur zugespitzt habe.106 101 Vgl. A. Assmann u.a. (Hgg.), Medien des Gedächtnisses, Stuttgart / Weimar 1998; J. Assmann, Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, München 52005; ferner V. Borsò / G. Krumeich / B. Witte (Hgg.), Medialität und Gedächtnis. Interdisziplinäre Beiträge zur kulturellen Verarbeitung europäischer Krisen, Stuttgart / Weimar 2001; A. Erll / A. Nünning (Hgg.), Medien des kollektiven Gedächtnisses. Konstruktivität – Historizität – Kulturspezifität, Media and cultural memory 1, Berlin / New York 2004. 102 J. Assmann, Das kulturelle Gedächtnis, Erwägen. Wissen. Ethik 13.2 (2002), 239–247, hier 241. 103 A. Assmann unterscheidet etwa zwischen Metaphorik, Schrift, Bild, Körpern und Orten, vgl. in A. Assmann, Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses, München 1999, 2. Teil. 104 A. Erll / A. Nünning, Gedächtniskonzepte der Literaturwissenschaft. Ein Überblick, in: A. Erll (Hg.), Literatur, Erinnerung, Identität, Trier 2003, 2–27, hier 2: „Der Zusammenhang von Literatur und Erinnerung bzw. Gedächtnis (in ihrer individuellen wie kollektiven Dimension) ist mittlerweile zu einem Kulturthema ersten Ranges geworden“; Dies. (Hgg.), Gedächtniskonzepte der Literaturwissenschaft. Theoretische Grundlegung und Anwendungsperspektiven, Media and cultural memory 2, Berlin / New York 2005; ferner S. Nalbantian, Memory in Literature. From Rousseau to Neuroscience, Basingstoke / New York 2003. 105 Vgl. Erll / Nünning, Gedächtniskonzepte (s. Anm. 104), 2–27: 1. Das Gedächtnis der Literatur; 2. Gattungen als Orte des Gedächtnisses; 3. Kanon und Literaturgeschichte als institutionalisiertes Gedächtnis von Literatur und Gesellschaft; 4. Mimesis des Gedächtnisses und 5. Literatur als Medium des kollektiven Gedächtnisses in historischen Erinnerungskulturen. Vgl. ferner den Überblick in A. Erll, Art. Gedächtniskonzepte der Literaturwissenschaft, Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie (2004), hg.v. A. Nünning, 3., akt. u. erw. Aufl. Stuttgart 2004, 219–220. 106 Vgl. dazu meinen Beitrag „Formen und Gattungen“ (s. Anm. 98).
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Innerhalb des literarischen Erinnerungsprozesses kann man den konventionalisierten Formen, d.h. den Gattungen, eine besondere Bedeutung zumessen.107 Schon in individuellen Erinnerungsprozessen spielen Gattungen eine wichtige Rolle, wie schon Frederic C. Barlett in seiner Studie „Remembering“ nachgewiesen hatte.108 Barletts Beispielreihe zum seriellen Erinnern machte deutlich, dass Einzelschemata von Gattungsschemata überlagert wurden. So ergänzten die Probanden zum Beispiel die Märcheneinleitungsformel („once upon a time“), auch wenn sie bei vorgegebenen Erzählungen gefehlt hatte, und ordneten somit fremdkulturelle Geschichten in vertraute Gattungsformen ein. Umso mehr gilt für das kulturelle Gedächtnis, dass die Zuordnung zu geprägten Formen einen der konstitutiven Faktoren kollektiver Erinnerung darstellt. Die Gedächtnisleistung des kulturellen Gedächtnisses kann als Sinnstiftung für den „Fernhorizont kultureller Kommunikation“109 betrachtet werden. Um die erinnerte Vergangenheit in einer Kulturgemeinschaft auch für nachfolgende Generationen zu bewahren, muss sie stabilisiert werden. Nach Jan Assmann wird diese Stabilisierung besonders durch „Form und Prägnanz als mnemotechnische Verfahren“ erreicht, wobei er als Beispiel gerade auf die Funktion von literarischen Ausdrucksformen bis hin zu Sprachstilen hinweist: „Reim, Assonanz, Parallelismus membrorum, Alliteration, Metrum, Rhythmus, Melos sind Verfahren solcher Stabilisierung, die dem Flüchtigen Dauer verleihen sollen im Strom der Zeit“110. Jede Kulturgemeinschaft verfügt nun über einen Grundbestand an konventionalisierten Formen, anhand derer Vergangenheit Gestalt gewinnen und so überhaupt zum Gegenstand der kulturellen Erinnerung werden kann. Auch wenn es literarische Gattungen gibt, deren Gedächtnisleistung sofort einsichtig ist, wie Historiographie oder historischer Roman, so macht es doch – mit R. Humphrey – wenig Sinn, von „Gedächtnisgattungen“ (genre of memory111) zu sprechen, weil „Erinnerung und erinnern (…) jedweder Dichtung – und damit jeder dichterischen Gattung – zu Grunde“ liegen und das heißt, dass „es nur Gedächtnisgattungen gibt“112. 107 Vgl. dazu H. van Gorp / U. Musarra-Schroeder (Hgg.), Genres as Repositories of Cultural Memory, Amsterdam / Atlanta, Ga. 2000; A. Erll / K. Seibel, Gattungen, Formtraditionen und kulturelles Gedächtnis, in: V. Nünning / A. Nünning (Hgg.), Erzähltextanalyse und Gender Studies, Weimar 2004, 180–208; R. Humphrey, Literarische Gattung und Gedächtnis, in: Erll / Nünning (Hgg.), Gedächtniskonzepte der Literaturwissenschaft (s. Anm. 104), 73–96. 108 F. C. Barlett, Remembering. A Study in Experimental and Social Psychology, Cambridge 1967 (1932), 123.180 ff. 109 A. Assmann, Kultur als Lebenswelt und Monument, in: dies. / D. Harth (Hgg.), Kultur als Lebenswelt und Monument, Frankfurt a.M. 1991, 11–25, hier: 14. 110 Assmann, Das kulturelle Gedächtnis (s. Anm. 102), 241. 111 So etwa H. Van Gorp / U. Musarra-Schroeder, Introduction. Literary Genres and Cultural Memory, in: dies. (Hgg.), Genres (s. Anm. 107), i–ix, hier: iii. 112 Humphrey, Literarische Gattung (s. Anm. 107), 74.
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3.2 Die drei Erinnerungsfunktionen von Gattungen Im Folgenden möchte ich drei Funktionen von Gattungen im Erinnerungsprozess idealtypisch differenzieren: a) Die traditionsstiftende Funktion der Gattungen: Wiedergebrauchsformen Die Formen, derer sich das kulturelle Gedächtnis bedient, werden nicht immer wieder neu erfunden, sondern sind meist traditionell vorgegeben. Die Kenntnis bestimmter literarischer Formen ist geradezu Voraussetzung, um einen gattungsbezogenen Erinnerungsprozess in Gang zu bringen. Bereits H. White hatte die Zuordnung zu einer bestimmten Plot-Struktur (emplotment) als wesentlichen Akt narrativer Geschichtsverarbeitung betrachtet. Erst im Erkennen eines typischen Handlungsschemas finde die Sinnkonstruktion ihren Abschluss, wobei White in Anknüpfung an Frye die vier Gattungen der „Romance“, „Tragödie“, „Komödie“ und „Satire“ als fundamentale Kategorien unterscheidet.113 Durch kulturell signifikante narrative Strukturen, wie sie in Gattungen abstrahiert vorkommen, werde die stumpfe Kontingenz des Faktischen überformt und auf diese Weise verstehbar gemacht.114 In Abwandlung eines Begriffs von J. Assmann haben A. Erll und K. Seibel statt von Plotstrukturen von „Wiedergebrauchs-Formen“ gesprochen, die das kulturelle Gedächtnis präfigurieren.115 Literarische Gattungen können als solche Wiedergebrauchs-Formen definiert werden, denn um von einer Gattung reden zu können, muss ein Wiedererkennen vorliegen. Das Bewusstsein der Konventionalität einer sprachlichen Form kann nur im erinnerten Bezug auf vorgängige Textformen entstehen. Somit ist sogar das Erkennen bzw. Bestimmen einer Gattung Ergebnis eines Erinnerungsvorgangs. Bezo113 Vgl. H.V. White, Der historische Text als literarisches Kunstwerk, in: ders., Auch Klio dichtet oder die Fiktion des Faktischen. Studien zur Tropologie des historischen Diskurses, Stuttgart 1991, 101–122, hier: 103: „Geschichtswerke (beziehen) einen Teil ihrer Erklärungswirkung (explanatory effect) daraus, daß es ihnen gelingt, aus bloßen Chroniken Geschichten (stories) zu machen; und Geschichten (stories) werden ihrerseits aus Chroniken mithilfe eines Verfahrens gemacht, das ich an anderer Stelle als ‚emplotment‘ (Verleihung einer Plotstruktur) bezeichnet habe. Unter ‚emplotment‘ verstehe ich einfach die Kodierung der in der Chronik enthaltenen Fakten als Bestandteile bestimmter Arten von Plotstrukturen, in eben der Weise, wie es Frye für die ‚Fiktionen‘ allgemein behauptet hat.“ 114 Vgl. Einzelheiten zur narrativen historischen Sinnbildung wie auch die Applikation auf die Passionserzählungen des NT in: R. Zimmermann, ‚Deuten‘ heißt erzählen und übertragen. Narrativität und Metaphorik als zentrale Sprachformen historischer Sinnbildung zum Tod Jesu, in: J. Frey / J. Schröter (Hgg.), Deutungen des Todes Jesu im Neuen Testament, UTB 2953, Tübingen 22007, 315–373. 115 Vgl. Erll / Seibel, Gattungen (s. Anm. 107), 189.191: „Wiedergebrauchs-Formen sind daher bedeutungsgeladenen (sic!) Träger von Ideologien des kulturellen Gedächtnisses, d.h. von Vergangenheitsversionen, Geschichtsbildern, Konzepten kollektiver Identität sowie von Wert- und Normvorstellungen.“ Jan Assmann hatte von „Wiedergebrauchs-Texten, -Bildern und -Riten“ gesprochen, vgl. J. Assmann, Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität, in: ders. / T. Hölscher (Hgg.), Kultur und Gedächtnis, Frankfurt a.M. 1988, 9–19, hier: 15.
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gen auf das Neue Testament kann man sagen, dass sich die Wahrnehmung und Erinnerung der Jesusgeschichte durch solche Zuordnungsprozesse zu bekannten Strukturen bzw. Gattungen vollzog. Dabei lässt sich die formalisierte Erinnerung nicht nur auf die Erzählung reduzieren, sondern vollzieht sich auch in sprachlichen Kleinformen wie Genealogien (vgl. Mt 1), Wundererzählungen (vgl. Lk 7,11–17) oder Apokalypsen (vgl. Mk 13). Indem die Erinnerung an Jesu Worte und Wirken bestimmte Wiedergebrauchsformen bzw. Gattungen der jüdischen Tradition benutzte, schrieb sie die literarische Tradition fort. Gattungen haben als Erinnerungsmedien also eine traditionsstiftende Funktion. b) Die gemeinschaftsstiftende Funktion der Gattungen: Kommunikationsformen Formgebundene Erinnerung hat ferner eine gemeinschaftsstiftende Funktion. Schon der Pionier der neueren Gedächtnisforschung, der Soziologe Maurice Halbwachs, hatte speziell nach der Rolle von sozialen Gruppen in Prozessen des kollektiven Gedächtnisses gefragt.116 Erinnerungen vollziehen sich nicht nur in konkreten sozialen Gruppen, gemeinsame Gedächtnisleistungen schaffen auch Gemeinschaft. Indem man sich immer die gleichen Geschichten erzählt, wird nicht nur eine Familie, auch eine religiöse Gruppe konstituiert. In schriftgebundenen Erinnerungskulturen spielen literarische Werke hierbei eine zentrale Rolle für die Bildung kollektiver Identität. „Kodierung von Vergangenheitsversionen – von der Lebenserfahrung bis zur Nationalgeschichte – ist ohne literarische Formen undenkbar“117. Form und Inhalte des kulturellen Gedächtnisses sind hierbei eng aufeinander bezogen. Es ist nicht beliebig, in welcher Weise man sich an eine gemeinschaftsstiftende Person oder an ein Ereignis erinnert. So ist es wiederum die formal konventionalisierte Erinnerung, wie z.B. die literarische Gattung, durch die sich kollektive Identität bilden kann. Entsprechend kann man z.B. von bestimmten Gründungsmythen einzelner Gemeinschaften sprechen. Auch Theißen hat jüngst auf die Rolle der Formen bzw. Gattungen im frühchristlichen Kommunikationsprozess hingewiesen.118 Söding klassifiziert etwas abstrakter in 116 Vgl. M. Halbwachs, Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen, Frankfurt a.M. 2006 (1925); Ders., Das kollektive Gedächtnis, Frankfurt a.M. 1991. 117 A. Erll / A. Nünning, Literaturwissenschaftliche Konzepte von Gedächtnis. Ein einführender Überblick, in: dies. (Hgg.), Gedächtniskonzepte der Literaturwissenschaft (s. Anm. 104), 1–9. 118 Vgl. G. Theissen, Die Entstehung des Neuen Testaments als literaturgeschichtliches Problem, Heidelberg 2007, 52: „Gattungen sind institutionalisierte Kommunikationsformen. Sie lenken Produktion und Rezeption von Texten durch vorgeprägte Muster und Motive (…) Die Benutzung von vorgegebenen Gattungen ist Teil eines allgemeinen sozialen Austauschs.“ Für Theißen bleibt jedoch grundsätzlich die idealistisch-genealogische Perspektive von der Formensprache Jesu zu den Formen der Überlieferung bzw. des Neuen Testaments leitend, die methodisch-epistemologisch nicht einholbar ist.
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„sakramentale Anamnese“ und „narrative Anamnese“ als Basisformen jüdisch-christlicher Erinnerungsgemeinschaften.119 Die Evangelien sind zweifellos als Makrogattung die markantesten Medien eines Erinnerungsprozesses, der die christliche Gemeinschaft konstitutierte.120 Schließlich ist dann im Extremfall die Kanonisierung einer bestimmten Gedächtnisliteratur normgebende Basis einer religiösen Gemeinschaft. c) Die sinnstiftende Funktion der Gattungen: Lebensformen Der lateinische Begriff des Erinnerns hält eine grundlegende Einsicht fest: re-cordari – könnte man mit Wiederbeherzigen übersetzen.121 Erinnerung ist also eine Herzensangelegenheit, nicht primär etwas für den Kopf. Es geht beim Erinnern um eine ‚Er-innerung‘, eine Ver-Innerlichung könnte man sagen, bei der es nicht um eine mechanische Wiederholung im Sinne einer Kopie geht, sondern um gegenwärtige Sinnstiftung fürs Leben. Diese produktive Seite des Erinnerns kann man in Anknüpfung an den antiken Mimesis-Begriff122 als mimetische Erinnerung bezeichnen. Formgebundene Erinnerung ist nicht nur ein bloßes Widerspiegeln von Wirklichkeiten, sondern eine poiesis, modern gesprochen eine Konstruktion von kollektiver wie auch individueller Wirklichkeit durch das Medium der Literatur.123 Literarische Gattungen spielen bei diesem Prozess eine entscheidende Rolle: Sie sind nämlich keineswegs nur inhaltsleere Gedächtnisvehikel. Als formgebende Instanzen wirken sie auch inhaltlich maßgeblich auf die Erinnerungsprozesse einer Kultur ein. Diesen sinnstiftenden Charakter der Form hatte H. White als „content of the form“124 bezeichnet. A. Nünning spricht in Aufnahme der Vorstellungen des russischen Formalismus (J. Lotman) von einer „Semantisierung der literarischen Formen“125. Form 119
Söding, Ereignis und Erinnerung (s. Anm. 86), 29–35. Vgl. zum „Evangelium“ als Erinnerungsmedium meine Ausführungen in Zimmermann, Formen und Gattungen (s. Anm. 98). 121 Vgl. dazu auch Schwankl, Recordati sunt (s. Anm. 86), 69–70. 122 Vgl. Erll / Nünning, Gedächtniskonzepte (s. Anm. 104), 16f.; ferner M. Basseler / D. Birke, Mimesis des Erinnerns, in: Erll / Nünning (Hgg.), Gedächtniskonzepte der Literaturwissenschaft (s. Anm. 104), 123–147, die die literarische Inszenierung der Erinnerung als „Mimesis-Illusion“ bezeichnen. 123 Auch Vittoria Borsò betont die „konstitutionelle Medialität des Gedächtnisses“: „Speicherungstechniken sind nicht gedächtnisexterne Hilfsmittel zur Reproduktion eines im Funktionsgedächtnis abgelagerten Vorwissens, sondern das Wissen über die Vergangenheit wird durch das Verhältnis von Medium und Form erst produziert.“ V. Borsò, Gedächtnis und Medialität. Die Herausforderung der Alterität. Eine medienphilosophische und medienhistorische Perspektivierung des Gedächtnis-Begriffs, in: dies. / G. Krumeich / B. Witte (Hgg.), Medialität und Gedächtnis (s. Anm. 101), 23–54, hier: 36. 124 H.V. White, The Content of the Form. Narrative Discourse and Historical Representation, Baltimore / London 1987. 125 A. Nünning, Art. Semantisierung literarischer Formen, Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie, 603–604; vgl. davor zum Begriff bereits W. Schmid, Die Semantisierung der Form. Zum Inhaltskonzept Jury Lotmans, Russian Literature 5 (1977), 61–80. 120
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und Struktur literarischer Werke werden hierbei als Sedimente des Inhalts aufgefasst, so dass gerade durch sie Bedeutungspotenziale im Erinnerungsprozess gegeben sind, die zur Sinnstiftung für Produzenten, Tradenten und Rezipienten von Erinnerungsartefakten beitragen. Gattungen formen, ja ermöglichen erst die sinnstiftende Erinnerung.126 Besonders auch narrative Gattungen werden zu ausleihbaren Modellen für das Erzählen und Deuten persönlicher Lebenserfahrung. Um mit Ricœur127 zu reden, kann sich in Auseinandersetzung mit Texten im Prozess der Prefiguration, Konfiguration und Refiguration „narrative Identität“128 bilden. Gedächtnisgattungen werden somit zum Erinnerungs- und Deutungsraum der Lebensgeschichte von Individuen wie auch von Gemeinschaften.
4. Gleichnisse als Medien der Jesuserinnerung Versuchen wir nun unter diesen Prämissen die Historizität der Gleichnisse zu beurteilen, wird schnell sichtbar, dass der Perspektivenwechsel fundamental ist. Die historische Frage kann dann weder auf die Ursprünge oder gar Fakten der Jesusrede noch auf den Wortlaut oder das Ereignis der ursprünglichen Kommunikationssituation zielen. Obgleich solche Ursprungssituationen und -daten logisch vorausgesetzt werden können,129 bleiben sie doch einem wissenschaftlich kontrollierbaren Zugriff entzogen. Ausgangspunkt können immer nur die konkret überlieferten kanonischen Parabeltexte sein. Gleichwohl müssen diese Texte nicht als Werke eines einzelnen Autors betrachtet werden, sondern können als je unterschiedliche schriftliche Artefakte eines Erinnerungsprozesses wahrgenommen werden. Die Evangelienerzählungen bewahren nicht nur Erinnerungen an Personen und Begebenheiten aus dem Wirkungsfeld Jesu, sondern gerade auch an die 126 Wie stark unser Gedächtnis durch bestimmte Erinnerungsformen geprägt wird, sei durch die mediale Vergegenwärtigung der Vergangenheit verdeutlicht: Können wir etwa an den Vesuvausbruch im Jahr 79 n. Chr. ohne die stilisierten Briefe von Plinius d.J. denken, an die Pariser 1848er Revolution ohne Gustave Flauberts L’Éducation sentimentale (1869), oder an den armenischen Widerstand 1915 ohne Franz Werfels Die vierzig Tage des Musa Dagh (1933), vgl. dazu mit weiteren Beispielen Humphrey, Literarische Gattung (s. Anm. 107), 83. 127 Vgl. P. Ricœur, Zeit und Erzählung. Bd. 1: Zeit und historische Erzählung; Bd. 2: Zeit und literarische Erzählung; Bd. 3: Die erzählte Zeit, Übergänge 18/1–3, München 1988/1989/1991 (orig. Temps et récit, Paris 1983/1984/1985). 128 Vgl. besonders Ricœur, Zeit und Erzählung Bd. 3 (s. Anm. 127), 392–400, hier: 395: „Der zarte Sprößling, der aus der Vereinigung von Geschichte und Fiktion hervorgeht, ist die Zuweisung einer spezifischen Identität an ein Individuum oder eine Gemeinschaft, die man ihre narrative Identität nennen kann.“ In dem zuerst 1990 veröffentlichten Werk Soi-même comme un autre (dt.P. Ricœur, Das Selbst ist ein anderer, München 1996) findet der Begriff der narrativen Identität seinen präzisesten Ausdruck. Vgl. in ähnlicher Weise W. L. Randall, The Stories We Are. An Essay in Self-Creation, Toronto 1995. 129 Dies hat G. Häfner zu Recht angemahnt, vgl. Häfner, Ende der Kriterien (s. Anm. 86), 102–108.
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Sprachformen, in denen diese Wirkungen versprachlicht wurden, oder zugespitzt formuliert: erst ermöglicht wurden. Auf diese Weise wird die in der früheren Forschung durchgängige enge Verknüpfung der historischen Rückfrage mit der Formgeschichte aufgegriffen. Allerdings wird sie mit einer gedächtnistheoretisch transformierten Einschätzung der Formgeschichte auf eine neue Theoriebasis gestellt, bei der gerade die Geschichtlichkeit der Gattungen selbst vorausgesetzt wird.130 Gattungen sind weder rein synchron zu analysierende Textsorten, wie die neuere Formgeschichte betont hat, noch besteht ihre Geschichtlichkeit in einem stetigen Verfallsprozess der ursprünglich ‚reinen Form‘, wie die alte Formgeschichte angenommen hatte. Gattungen sind vielmehr Medien der Erinnerung, die als Wiedergebrauchsformen zwar selbst der Geschichtlichkeit unterworfen sind, aber somit auch produktiv und konstruktiv den Gedächtnisprozess mitbestimmen. In dieser Weise soll die medial gebundene Historizität der Gleichnisse Jesu nicht vor oder jenseits ihrer textlichen Gestalt, sondern gerade aufgrund und inmitten ihrer textlichen Form bestimmt werden.
4.1 Die traditionsstiftende Funktion der Gleichnisse: Wiedergebrauchsformen Betrachten wir die Gleichnisse als traditionsstiftende Erinnerungsmedien, können wir ihre historische Kontextualität besser erfassen. Die letzte Phase der Jesusforschung hatte gemäß ihren Grundüberzeugungen die Einbettung der Gleichnisse in die jüdische Erzähltradition behauptet, konnte aber im Blick auf den spärlichen Befund von Gleichnissen im jüdischen Vor- und Umfeld des Neuen Testaments (s.o.) kaum Belege für diese Annahme finden. Der Befund war vor allem aufgrund einer formgeschichtlichen Verengung der Rückfrage und der Suche nach unmittelbaren Vergleichstexten negativ. Die Suche nach ‚reinen Formen‘ oder Ursprungsformen konnte kaum zu Ergebnissen führen. Betrachten wir die Parabeln Jesu hingegen als ‚Wiedergebrauchsform‘, kann man eine bewusste Rückbindung an den Maschal oder das griech. postulieren, ohne bleibende Differenzen negieren zu müssen. Bleiben wir zunächst bei Ersterem. In der LXX sind beide im NT gebrauchten Gattungsbegriffe, die wie auch die , Übersetzungen des hebräischen Begriffs (m sch l). Der einleitende und übergeordnete Gebrauch des Begriffs m sch l macht deutlich, dass schon die jüdischen Autoren des AT ein Gattungsbewusstsein an den Begriff knüpfen. Gleichwohl ist der Textbefund vielfältig.131 Neben einer häufigen Belegung in propheti130
Vgl. dazu ausführlich Zimmermann, Formen und Gattungen (s. Anm. 98). Die ältere Formgeschichte hatte aus der Unterschiedlichkeit der Texte den Gattungscharakter abgesprochen: Maschal sei folglich kein Gattungsbegriff im engeren Sinn, sondern diene „zur Bezeichnung einer Reihe literarischer Gattungen (…) im AT: Volkssprichwort, Lehr131
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schen (Ez 12,22 f.; 18,2 f. etc.) oder weisheitlichen Texten (Ps 49,5; summarisch dann Spr 1,1; 10,1; 25,1), wo vielfach einzelne Sentenzen und Sprichwörter m sch l genannt werden (z.B. 1 Sam 10,12: Ist Saul auch unter den Propheten?), finden sich auch 7 Belege in der Bileam-Erzählung, wo die bildhafte, von Vergleichen lebende Rede Bileams als m sch l bezeichnet wird (Num 23,7.18; 24,3.15.20 f.23).132 Vor dem Hintergrund eines funktionalen Gattungsverständnisses konnte Karin Schöpflin zeigen, dass man im Vergleichsvorgang ein übergreifendes und verbindendes Formelement der verschiedenen Texte wahrnehmen kann, so dass man m sch l als „Gleichwort / Vergleichswort“ übersetzen könnte. „Ein entsteht durch einen Vergleichsvorgang. Der Vergleich kann zunächst sowohl in einem Analogieals auch in einem Kontrastverhältnis zweier Größen bestehen.“ 133 Es ist unschwer zu erkennen, dass ein solches funktionales Formverständnis auch maßgeblich das Gattungsbewusstsein der urchristlichen Kommunikationsgemeinschaft geprägt hat.134 Auch hier werden unterschiedlich lange und komplexe Texte gleichermaßen mit dem Begriff der belegt, was eine quellenfremde Gattungsdifferenzierung verwehrt.135 Allerdings lassen sich Gleichnisse nicht monokausal an die jüdischen Traditionen zurückbinden. In ihrer argumentativen Funktion greifen sie ebenso das kollektive Gattungsbewusstsein der paradeigmatischen Parabel der griech. Welt auf, wie es uns etwa durch die Rhetorik des Quintilian widergespiegelt wird.136 Wiedergebrauchsformen knüpfen an vorhandene Traditionsformen an, gebrauchen bekannte Sprachmuster um Verständnis zu erlangen, aber verändern diese zugleich in ihrem gegenwärtigen Gebrauch. Die Parabeln Jesu weisen eine solche Gattungsdynamik auf. Sie wirken ihrerseits dann selbst traditionsstiftend, indem die Überlieferung der Parabeln innerhalb des Urchristentums als Gedächtnisprozess betrachtet werden kann. Vor dem Hintergrund einer literarischen (und umso mehr auch oralen) Gedächtniskultur spruch, Lehrrede, Gleichnis, Orakelrede.“ O. Eissfeldt, Der Maschal im Alten Testament. Eine wortgeschichtliche Untersuchung nebst einer literargeschichtlichen Untersuchung der Maschal genannten Gattungen „Volkssprichwort“ und „Spottlied“, BZAW 24, Gießen 1913, 20. 132 Vgl. dazu L.O. Caesar, Studying mashal without reading Proverbs, DavarLogos 4 (2005), 131–147. 133 Vgl. K. Schöpflin, – ein eigentümlicher Begriff der hebräischen Literatur, BZ 46 (2002), 1–24, hier: 22 f.; vgl. ferner den Beitrag von A. Schüle in diesem Band; aus jüdischer Perspektive Neusner, The parable (‚Mashal‘) (s. Anm. 73), 259–283. 134 Vgl. die formale Rückbindung in der Erzählweise, die Gerhardsson herausgearbeitet hat, vgl. B. Gerhardsson, The Narrative Meshalim in the Synoptic gospels. A Comparison with the Narrative Meshalim in the Old Testament, NTS 34 (1988), 339–363. Gerhardsson trennt freilich zwischen aphoristischen und narrativen Meshalim, was die jüdischen und urchristlichen Autoren bewusst nicht tun. 135 Vgl. dazu meinen Beitrag R. Zimmermann, Parabeln – sonst nichts! Gattungsbestimmung jenseits der Jülicher Klassifikation in ‚Gleichnis‘ ‚Parabel‘ und ‚Beispielerzählung‘, in diesem Band. 136 Vgl. dazu meinen Beitrag R. Zimmermann, Jesus’ Parabels and Ancient Rhetoric, in diesem Band.
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spiegeln abweichende Überlieferungen gerade die erinnernde Bewahrung früherer Überlieferungsformen bei gleichzeitigem Bemühen um gegenwartsbezogene Vermittlung. Gleichnisse zeichnen sich als Gedächtnisgattungen durch ihr Potenzial einer Entwicklungsdynamik innerhalb eines Erinnerungsprozesses aus, wie es die Überlieferungsvarianten vieler Gleichnisse belegen. Die historische Rückfrage hat dann nicht mehr zum Ziel, den authentischen Kern etwa der Parabel ‚Vom verlorenen Schaf‘ (Q 15,4–5 a.7; Mt 18,12–14; Lk 15,1–7; EvThom 107) oder ‚Vom Gastmahl‘ (Mt 22,1–14; Lk 14,15–24; EvThom 64) zu suchen, sondern zeichnet die Geschichte der Formvarianz dieser Jesusparabeln im Rahmen einer urchristlichen Erinnerungsgeschichte nach.137 Entsprechend wird im „Kompendium der Gleichnisse Jesu“ die methodische Konsequenz gezogen, auf die Rekonstruktion literarkritischer Urformen zu verzichten138 und stattdessen Überlieferungsvarianten unter dem Punkt „Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte“ je eigens zu besprechen.139
4.2 Die gemeinschaftsstiftende Funktion der Gleichnisse: Kommunikationsformen Ausgelöst durch neuere Forschungen zur oralen Gedächtniskultur140 wurde im Bemühen um den Nachweis einer Kontinuität zwischen mündlicher und schriftlicher Jesustradition erstmals auf die Bedeutung der Sprachform für die Erinnerungsfähigkeit einer Gemeinschaft hingewiesen.141 Neben poetisch geformten Texten (z.B. im parallelismus membrorum) sind es vor allem bildliche Erzähltexte, Gleichnisse also (Gehardsson spricht von „narrativen Meshalim“), die eine zentrale Rolle im kollektiven Gedächtnis der frühen Christen gespielt haben.142 Bildhafte Texte lassen sich leichter memorieren 137 Vgl. in dieser Richtung auch die wertvolle Arbeit von J. Liebenberg, The Language of the Kingdom and Jesus. Parable, Aphorism, and Metaphor in the Sayings Material Common to the Synoptic Tradition and the Gospel of Thomas, BZNW 102, Berlin / New York 2001, vgl. so entsprechend auch die von Albert Lord stammende Kritik an der ‚original form‘ etwa nach W. H. Kelber, Orality and Biblical Studies. A Review Essay, RBL 9 (2007), 1–24, hier: 17: „In a sense each performance is ‚an‘ original, if not ‚the‘ original.“ 138 Die Logienquelle stellt hier einen Sonderfall dar, denn sie wird aufgrund der zum Teil wortgleichen Parallelüberlieferung von Mt und Lk als ‚intertextuell‘ existierende Quelle und nicht als rein hypothetisches Konstrukt betrachtet. 139 Vgl. dazu die Ausführungen in Zimmermann, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 1), 43 f. 140 Vgl. den Überblick bei D. C. Rubins, Memory in Oral Traditions. The Cognitive Psychology of Epic, Ballads, and Counting-out-Rhymes, Oxford 1995; ferner J. M. Foley, Memory in Oral Tradition, in: R.A. Horsley / J.A. Draper / J.M. Foley (Hgg.), Performing the Gospel. Orality, Memory, and Mark, Minneapolis, Minn. 2006. 141 Vgl. besonders Gerhardsson, Memory and Manuscript (s. Anm. 83); ferner R. Riesner, Jesus als Lehrer. Eine Untersuchung zum Ursprung der Evangelien-Überlieferung, WUNT II/7, Tübingen 31988, besonders 392–404: „Bewahrende Überlieferung“. 142 Vgl. B. Gerhardsson, Illuminating the Kingdom. Narrative Meshalim in the Synoptic Gospels, in: H. Wansbrough (Hg.), Jesus and the Gospel Tradition, JSNT.S 64, Sheffield 1991, 266–309. Hengel / Schwemer weisen darüber hinaus auf die rhetorische Funktion von Gleich-
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als abstrakte Texte, so dass sie in besonderem Maße auch Stoff einer Erzählgemeinschaft werden konnten. Auch die antiken Rhetoren wussten bereits um die Bedeutung von Bildern und Anschauungen zur Unterstützung des Gedächtnisses, die berühmte Loci-Mnemotechnik gibt davon ein Beispiel.143 In jüngerer Zeit hat Armin D. Baum in einem interessanten Artikel auf die hohe Bedeutung der Bildlichkeit für die Gedächtnisleistung hingewiesen.144 Er rezipiert darin die gedächtnispsychologische Forschung, die empirisch nachgewiesen hat, dass sprachliche Bilder weit besser zu memorieren sind als abstrakte Sachverhalte.145 „Je bildhafter eine zu speichernde Information sei, desto stärker werde das verbale vom imaginalen Kodierungssystem unterstützt.“146 So liegt der Schluss nahe, dass bildliche Erzähltexte, Parabeln also im Sinne unserer Definition, für mündliche Erinnerungskulturen von konstitutiver Bedeutung sind. Ohne hier die intensive Diskussion zum Übergang von Mündlichkeit und Schriftlichkeit im Urchristentum aufnehmen zu können,147 möchte ich besonders auf die gemeinschaftsstiftende Dimension bildhafter Texte und besonders der Gleichnisse hinweisen. Es waren Gleichnisse, die man sich innerhalb der Jesusjünger erzählte und somit eine zunächst mündliche Erinnerungsgemeinschaft in Gang brachte, die aber auch mit Abfassung der Evangelien nicht zu Ende kam. Die überaus große Anzahl von Parabeln in der Logienquelle148 konserviert ein frühes Stadium dieser Erinnerungskultur im Übergang von der Mündlichkeit zur Schriftlichkeit. Denn mit Horsely und Draper kann man Q als „oral derived text“ verstehen, d.h. auch nissen in der mündlichen Rede hin, die auch noch in der Stellung im Evangelium ablesbar sei: Gleichnisse „werden am Ende von Reden gebraucht, um den Hörern das Mitgeteilte noch einmal einzuprägen.“ Vgl. Hengel / Schemer, Jesus und das Judentum (s. Anm. 6), 398. 143 Vgl. Quint. Inst. XI 2,39; Plat. Phaedr. 267 a u.a., vgl. Dazu H. Blum, Die Antike Mnemotechnik, Hildesheim 1969, hier insbesondere 12–32: „Die mnemotechnischen Bilder“. 144 Vgl. A. D. Baum, Bildhaftigkeit als Gedächtnishilfe in der synoptischen Tradition, ThBeitr 35 (2004), 4–16. 145 Maßgeblich ist hier besonders die „dual-coding-theory“ von Paivio, der nachgewiesen hat, dass Gedächtnisleistung durch eine Kombination aus verbaler und imaginaler Enkodierung funktioniert, vgl. A. Paivio, Mental Represantations. A dual Coding Approach, New York 1986; Ders., Images in Mind. The Evolution of a Theory, New York 1991. 146 Baum, Bildhaftigkeit (s. Anm. 144), 8. 147 Insbesondere W.H. Kelber hat den bruchlosen Übergang zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit bestritten und eine radikale Differenz angenommen, vgl. W. H. Kelber, The Oral and the Written Gospel. The Hermeneutics of Speaking and Writing in the Synoptic Tradition, Paul, Marc, and Q, Philadelphia 1983 (Nachdr. Bloomington / Indianapolis 1997), hier: 210: „Both in form and content the written gospel constitutes a radical alternative to the oral gospel.“; vgl. zur kritischen Diskussion Schröter, Erinnerung (s. Anm. 87), 27–30.40–65; ferner zum aktuellen Stand zur Oralitätforschung in frühjüdischer und frühchristlicher Zeit den Überblick von Kelber, Orality and Biblical Studies (s. Anm. 137). 148 Im Kompendium haben wir insgesamt 28 Texte als Parabeltexte identifiziert. Die tragende Rolle im Gesamtaufbau von Q demonstriert die Struktur-Tabelle in G. Kern, Parabeln in der Logienquelle Q. Einleitung, in: R. Zimmermann u.a. (Hgg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu, Gütersloh 2007, 49–60, hier: 54 f.
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wenn uns Q heute nur als Intertext aus schriftlichen Quellen zugänglich ist, ist darin eine Form mündlicher Erzählkultur bewahrt, die die Gruppe der frühen Christen verband.149 Und selbst wenn man etwa mit Kelber in der Abfassung des Mk-Evangeliums einen Quantensprung der Überlieferung erkennt, wäre es verfehlt zu glauben, dass nicht auch mündliche Kommunikationsformen neben und in Folge der schriftlichen Quellen existiert hätten.150 Die Lesetexte waren zugleich auch Hörtexte, die eine Gedächtniskultur nicht nur abschlossen, sondern umso mehr in Gang setzten. Hierbei haben auch Teiltexte wie etwa die relativ geschlossenen Parabeln eine entscheidende Rolle gespielt. Doch versuchen wir auch den Gegenstand dieser kollektiven Erinnerung genauer in den Blick zu nehmen. An was hat man sich mit den Gleichnissen erinnert? Gleichnisse erzählen von konkreten Lebensverhältnissen, sie sind ‚realistisch‘.151 Diese Beobachtung hat im Rahmen der historischen Parabelforschung immer wieder dazu geführt, auch eine bestimmte historische Lebenswelt, eine bestimmte soziale Situation oder Gruppe der Adressaten zu rekonstruieren. Wie oft die Forschung hierbei der Gefahr eines hermeneutischen Zirkelschlusses erlegen ist, macht K.-H. Ostmeyer in seinem Beitrag „Gleichnisse – Quelle des Verständnisses der Umwelt Jesu? Umwelt – Quelle des Verständnisses der Gleichnisse Jesu?“ deutlich.152 Betrachten wir den Realitätsbezug der Parabeln hingegen gedächtnistheoretisch, können wir unser Interesse auf die Beobachtung lenken, dass im Parabeltext Erinnerungen an reale lebensweltliche Erfahrungen bewahrt und auf theologische Sachverhalte übertragen wurden. Parabeltexte sind insofern eine Form literarischer Erinnerungen an die sozialen Wurzeln der Jesusbewegung. Dabei braucht nicht bestritten werden, dass sich etwa in den Parabeln vom Sämann, Unkraut und Weizen oder verlorenen Schaf die Lebenswelt der galiläischen Kleinbauern, vielfach sogar dezidiert auch der Frauen (vgl. Sauerteig, verlorene Drachme oder Mehlkrug) widerspiegelt.153 149 Vgl. dazu R.A. Horsley / J.A. Draper, Whoever Hears You Hears Me. Prophets, Performance, and Tradition in Q, Harrisburg, Pa. 1999. Horseley und Draper greifen bei ihrer Definition eines „oral derived text“ auf Foley zurück: „works that reveal oral traditional features but have reached us only in written form“, vgl. J. M. Foley, Immanent Art. From Structure to Meaning in Traditional Oral Epic, Bloomington u.a. 1991, 15. 150 Vgl. so auch Kelber, Orality and Biblical Studies (s. Anm. 137), 19: „In ancient Israel, scribal activity worked hand in glove with an intense oral, communal life. (… ) For the most part, scriptural knowledge was acquired by listening to oral recitations in the absence of textual aids because scriptural traditions were an sessential part of the oral, communal repertoire.“ 151 So eines der Kriterien der Parabeldefinition, vgl. dazu Zimmermann, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 1), 25–28. 152 In diesem Band. 153 Vgl. einen systematischen Überblick über die konkreten bildspendenden Bereiche bei Zimmermann, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 1), 36–39. Ferner zur soziologisch-geographischen Verortung z.B. R. L. Rohrbaugh, A Peasant Reading of the Parable of the Talents / Pounds. A Text of Terror?, BTB 23 (1993), 32–39; W. R. Herzog II, Parables as Subversive Speech. Jesus
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Gleichwohl wäre eine rückwärtsgewandte sozialgeschichtlich-historische Engführung der Parabeln aus zweierlei Gründen unsachgemäß:154 Zum einen werden diese Lebensverhältnisse in gegenwärtigen Kommunikationszusammenhängen erinnert, so dass es in pädagogischer Intention zu einer bewussten Vermischung der sozialen Verhältnisse kommt. Die jeweiligen Tradenten, Leserinnen und Hörer sollen ihre eigenen sozialen Verhältnisse im Erinnerungsprozess reflektieren. So wird Raum geöffnet für die historisch oft missachtete Vielfalt der sozialen Anschauungsbereiche, wie sie sich etwa im Bereich des Finanzwesens oder der Gerichtsbarkeit zeigen.155 Indem das realistische Handeln der Parabelfiguren zum ethischen (Gegen-)Modell des eigenen gemeinsamen Lebens werden kann, konstituiert sich über die Parabeln auch die soziale Gemeinschaft.156 Zum anderen liegt die konstitutive Pointe der Parabeln immer auch in der Übertragung dieser realen Verhältnisse auf theologische Aussagen. Wie stark diese theologische Zuspitzung eine Erinnerungsarbeit darstellt, wird an einem prominenten Beispiel deutlich: Die historische Parabelforschung hatte immer wieder darauf hingewiesen, dass der bevorzugte Gegenstand der Jesusparabeln das (König-)Reich Gottes ( ) sei.157 Unter der historisierenden Rückfrage nach den ältesten Quellen konnte diese Einschätzung allerdings keineswegs bestätigt werden. Hier ist vielmehr der meist missachtete Befund signifikant, dass die ältesten Quellen, Q und Mk, inmitten einer Fülle von Gleichnissen158 nur je zweimal (Q 13,18 f.20 f.; Mk 4,26.30) das Reich Gottes als Referenz-Bereich anführen. Erst die spätere Evangelientradition besonders des Mt159 dokumentiert die Zusammenas Pedagogue of the Oppressed, Louisville 1994; W. Bösen, Die Figurenwelt der Gleichnisse, WUB 24 (2002), 60–66; M.A. Beavis (Hg.), The Lost Coin. Parables of Women, Work, and Wisdom, Sheffield 2002. 154 Dies ist vor allem bei einigen Auslegungen in L. Schottroff, Die Gleichnisse Jesu, Gütersloh 22007, erkennbar. 155 Vgl. z.B. die Parabeln vom Kauf eines Ackers (Mt 13,44), der Kalkulation kostspieliger Vorhaben (Lk 14,28) oder der Verteilung des Hausschatzes (Mt 13,52); die Schuldenproblematik (Mt 18,23–35; Lk 7,41–42; 16,1–8), die Verleihung von Geld (EvThom 109) oder die Geldwechsler (Agr 31); zum Rechtsbereich als bildspendendem Bereich z.B. Prozessgegner beim Gang zum Gericht (Q 12,58 f.), von Rechtsvollmacht (Joh 5,19–24), von dem Konflikt eines Richters mit einer Witwe (Lk 18,1–8) oder vom Strafvollzug (Q 12,58 f.; Mt 18,30.34). 156 Dies wird vor allem in der Analyse von Herzog zutreffend herausgearbeitet: „(The parables are seen as) a codification designed to stimulate social analysis and to expose the contradiction between the actual situation of its hearers and the Torah of God’s justice.“ Vgl. Herzog, Subversive Speech (s. Anm. 153), 28; vgl. zur ethischen Dimension auch M. Labahn, Das Reich Gottes und seine performativen Abbildungen. Gleichnisse, Parabeln und Bilder als Handlungsmodelle im Dokument Q, in diesem Band. 157 Vgl. dazu die Literatur in Anm. 30. 158 Im Kompendium der Gleichnisse Jesu werden für Q 28 Texte, für Mk 17 Texte als Parabeln aufgeführt, vgl. die Tabellen R. in: R. Zimmermann u.a. (Hgg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu, Gütersloh 2007, 59 f.262 f. 159 Vgl. Mt 13,24–30; 13,44–46; 13,47–50; 13,52; 18,23–35; 20,1–16; 21,28–32; 22,1–14; 25,1–13; ferner Joh 3,3–5; EvThom 22; 64; 97; 98.
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fügung zweier Gedächtnisströme: Einerseits die Erinnerung an die Gleichnisrede Jesu, andererseits die Erinnerung an die konstitutive Bedeutung des „Reiches Gottes“ in der Verkündigung Jesu.160 Diese durchaus kreative Erinnerung ist jedoch im Gegenstand selbst begründet: Die Form des Gleichnisses wird als konstitutiv für die Rede Jesu vom Gottesreich betrachtet. Es ist nicht primär die hohe theologische Tradition, sondern die konkrete Lebenswelt der Menschen, die zum Anschauungsraum der theologischen Botschaft Jesu avanciert. Erst im Horizont kultureller Gedächtnisstiftung kann man dann dem Urteil von Hengel / Schwemer zustimmen: „Auf jeden Fall blieb er (= Jesus) in Erinnerung als der, der von der Königsherrschaft Gottes in Gleichnissen sprach.“161 Doch diese Erinnerung dokumentiert zugleich einen christologischen Verarbeitungsprozess, der für die erinnernde Gemeinschaft konstitutiv wird: Eine besondere Auffälligkeit der Gedächtniskultur besteht darin, dass Parabeltexte immer an Jesus als den Gleichniserzähler zurückgebunden wurden. Die vielfach unergiebige Frage nach der ipsissima vox Jesu oder die Frage einer christologischen Selbstthematisierung auf der Erzählebene der Gleichnisse haben zu keinen konsensfähigen Ergebnissen geführt.162 Unter Einbeziehung des narrativen Gedächtnisrahmens wird der Gleichniserzähler selbst zu einem wesentlichen kontextuellen Bestandteil des Gleichnisses. Die Evangelisten können sogar zusammenfassend festhalten, dass Jesu gesamte Verkündigung als Parabelrede erinnert wurde (Mk 4,33 f.; Joh 16,25). Ähnlich wie auch sonst in der jüdisch-christlichen Tradition vollzieht sich hier das Gedächtnis an eine bestimmte Person durch eine spezifische Gattung (so z.B. David als Psalmendichter, Salomo als Spruchdichter, Jesaja als Prophet, vgl. Paulus als Briefschreiber),163 so wird das Gleichnis an Jesus als Gleichniserzähler zurückgebunden. Jesus ist der Gleichniserzähler par excellence. Dabei geht es aber nicht um den historischen Jesus, sondern um den erinnerten Jesus, oder konkret: um den als „Gleichniserzähler“ erinnerten Jesus. 160 Vgl. zum „Reich Gottes“ jüngst das Themenheft der Zeitschrift Communio 36/1 (2007), darin u.a. Th. Söding, Lehre in Vollmacht. Jesu Wunder und Gleichnisse im Evangelium der Gottesherrschaft, 3–17; ferner G. Vanoni / B. Heininger, Das Reich Gottes, NEB 4, Würzburg 2002. 161 Hengel / Schwemer, Jesus und das Judentum (s. Anm. 6), 398. Vgl. auch Dunn, Jesus remembered (s. Anm. 88), 385: „Jesus was evidently remembered as using parables to illustrate or illumine what he had in mind when he spoke of the kingdom.“ 162 Vgl. etwa die Analyse von B. Gerhardsson, The earthly Jesus in the synoptic Parables, in: D.G. Horrell (Hg.), Christology, Controversy, and Community (FS D.R. Catchepole), NT.S 99, Leiden 2000, 49–62 mit folgendem negativen Befund: „The striking result of our study is that neither Jesus himself (…), nor the different elements of his activity and fate on earth are the objects of questions and elucidations in the narrative meshalim in Matthew. There has obviously not been interest in taking up these latter motifs and elucidating them with parables.“ (a.a.O., 58). Was hier exemplarisch für Mt gesagt wurde, gilt zugleich für die gesamte synoptische Parabelüberlieferung (a.a.O., 60 f.). 163 Vgl. dazu R. Zimmermann, Art. Pseudepigraphie / Pseudonymität, RGG4 VI (2003), 1786–1788.
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Die Erzählgemeinschaft findet durch diese formgebundene Jesuserinnerung zugleich zu einer kollektiven Identität. Hierbei kann die Parabelgattung nicht isoliert betrachtet werden. Dennoch vereinen sich im Gebrauch der narrativen Bildtexte wesentliche Elemente dieses Prozesses, sei es das Erzählen und Wiedererzählen der eingängigen Gleichnisstoffe, die Wiederentdeckung vertrauter Lebenswelten im Gleichnis, sei es die erinnerte Konzentration auf bestimmte theologische Inhalte (wie das Reich Gottes) und letztlich die Fokussierung auf Jesus als den Gleichniserzähler, was schließlich auch ein vertieftes Verständnis von Jesus-Christus selbst zur Folge gehabt hat. Diese christologische Sinnbildung durch Parabeln kann nicht aus dem historisch rekonstruierten Gleichnisinhalt, sondern letztlich nur aus dem Erinnerungsprozess an Parabeln und ihren Erzähler erkannt werden. Doch gerade sie war letztlich für die Ausbildung kollektiver Identität als Christusgemeinschaft maßgeblich.
4.3 Die sinnstiftende Funktion der Gleichnisse: Lebensformen Die historische Parabelforschung hat ähnlich wie die historische Jesusforschung in ihrer historisierenden Rückwärtsgewandtheit der Gegenwartsbezogenheit der Gleichnisse zu wenig Raum gelassen. Dies war nicht selten mit einem theologischen Relevanzverlust verknüpft. Erst in der sprachlichen Gleichnisauslegung seit D.O. Via wurde der Leser(innen)orientierung der vorliegenden Parabeln wieder Beachtung geschenkt, allerdings vielfach ganz auf Kosten einer historischen Betrachtung. Die Parabeln wurden dann als ‚autonome Kunstwerke‘ betrachtet, die unabhängig von Raum und Zeit ihre Wirkungen entfalten können. Betrachten wir die Parabeln als Gedächtnisgattungen, können Vergangenheitsbezug und Gegenwartswirkung gleichermaßen zur Geltung kommen. Die Parabeln bewahren die Erinnerung an Jesus und seine Lebenswelten. Ihre Bedeutung entfalten sie aber erst im jeweiligen Rezeptionsprozess. Mit den Parabeln vollzieht sich somit eine mimetische Erinnerung, sie erinnern an Vergangenes, um Neues zu sagen, sie sind eine Form der „kreativen Erinnerung“164. Voraussetzung dafür, die Parabeln als gegenwärtig maßgeblich zu bewerten, ist ihre Einschätzung als ‚heilige‘ bzw. ‚kanonische‘ Texte. Nach A. Assmann ist es der „dezisionistische Akt“ eines Individuums oder eines Kollektivs, der einem Text den Status „kulturell“ oder „literarisch“ zuweist.165 164 So in Anknüpfung an die gelungenen Buchtitel von J. P. van Noppen (Hg.), Erinnern, um Neues zu sagen. Die Bedeutung der Metapher für die religiöse Sprache, Frankfurt a.M. 1988, bzw. J. Zumstein, Kreative Erinnerung. Relecture und Auslegung im Johannesevangelium, AThANT 84, Zürich 22004. 165 Vgl. A. Assmann, Was sind kulturelle Texte?, in: A. Poltermann (Hg.), Literaturkanon – Medienereignis – kultureller Text. Formen interkultureller Kommunikation und Übersetzung, Berlin 1995, 232–244.
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Diese Zuschreibung verändert die Sicht auf diese Texte fundamental. Die Texte erhalten eine zusätzliche Sinndimension, aufgrund derer sie nicht nur kollektiv geteilte Werte und Normen, sondern letztlich auch kollektive Identität vermitteln. Die Parabeln werden als Teil der maßgeblichen, später dann kanonischen Erinnerungstexte betrachtet, die die Jesusgeschichte mit dem eigenen Leben in Beziehung setzt. Parabeln sind deshalb gerade nicht bloß historische Quellen oder Zeugnisse redaktioneller Erzählkunst. Sie sind vergegenwärtigende bzw. mimetische Texte der Jesuserinnerung. Aufgrund der ‚Semantisierung der literarischen Formen‘ (s.o.) ist es die Form der Parabel, die ihrerseits zum bedeutungstragenden und sinnstiftenden Element dieser Jesuserinnerung wird, oder anders gesagt: die Ausbildung eines bestimmten Jesusbildes unterstützt. Indem Jesus als Gleichniserzähler erinnert wird, wird ein spezifisches Jesusbild bewahrt und zugleich auch produziert. Wie eng hierbei Medium und Botschaft des Gleichnisses konvergieren, hatte vor Jahren schon E. Jüngel in seinem bekannten Diktum festgehalten: „Die Basileia kommt im Gleichnis als Gleichnis zur Sprache“166. Indem ein Gleichnis aber nicht als isolierter Text überliefert, sondern im narrativen Rahmen der Jesusüberlieferung, konkret mit Jesus als Gleichniserzähler erinnert wird, kann diese Aussage christologisch zugespitzt werden: Der als Parabelerzähler erinnerte Jesus wird selbst zur Parabel. Der Gleichniserzähler ist das „Gleichnis Gottes“167. Dass man sich an Jesus als denjenigen erinnerte, der bildhaft, in Gleichnissen von Gott sprach, konvergiert mit dem christologischen Bekenntnis der Erinnerungsgemeinschaft, dass Christus selbst das „Bild Gottes“ (2 Kor 4,4; Kol 1,15) ist, der den Vater sichtbar macht (Joh 1,17; 14,7). Indem die Parabeln die Jesuserinnerung vergegenwärtigen, initiieren sie einen hermeneutischen Prozess für die Rezipienten. Die Gleichnisse bieten in ihrer fiktionalen Narrativität und in ihrer Appellstruktur in besonderem Maße Identifikations- und Deutungsangebote für die Leser an.168 Weil der Sinn der Bildersprache textlich nicht genau festgelegt ist, muss er von Lesenden erst gesucht und gefunden werden. Weil die Gleichnisse deutungsoffen sind, sind sie zugleich deutungsaktiv, d.h. sie evozieren eine Deutung. Anders formuliert: Gleichnisse laden die Lesenden und Hörenden ein, sich auf einen Prozess des Verstehens einzulassen. Der in Mk 4,9 zu Beginn des Gleichnis166 E. Jüngel, Jesus und Paulus. Eine Untersuchung zur Präzisierung der Frage nach dem Ursprung der Christologie, HUTh 2, Tübingen 61986, 135. 167 E. Schweizer, Jesus, das Gleichnis Gottes. Was wissen wir wirklich vom Leben Jesu?, Göttingen 1995, 26–41, der hierbei Formulierungen von E. Jüngel und E. Schillebeeckx aufnimmt (a.a.O., 114 Anm. 189). Vgl. E. Jüngel, Gott als Geheimnis der Welt. Zur Begründung der Theologie des Gekreuzigten im Streit zwischen Theismus und Atheismus, Tübingen 72001, 491.495; E. Schillebeeckx, Jesus. Die Geschichte von einem Lebenden, aus dem Niederländischen v. H. Zulauf, Taschenbuchausgabe, Freiburg, Br. u.a. 1992, 555 f. 168 Vgl. dazu die rezeptionsästhetische Dimension des Verstehens in Zimmermann, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 1).
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kapitels explizit formulierte Appell „zu hören“ liegt schon in den Gleichnistexten selbst. Er geht über die Aufforderung einer auditiven Wahrnehmung hinaus. Die Gleichnisse wollen nicht nur gehört oder kognitiv erfasst werden, sie wollen auch begriffen, gefühlt oder sogar erlebt werden. Indem die Gleichnisse eine eigene Welt entwerfen, in der z.T. Identifikationsfiguren agieren und reden, in Krisen geführt werden und daraus wieder auftauchen, ziehen sie die Lesenden buchstäblich in ihre Welt hinein. Der Leser bzw. die Hörerin soll die Parabel erleben, soll sie bewohnen: Gleichnisse sind – um ein Wort von Christian Link aufzugreifen – „bewohnbare Bildwelten“. „Verstehen beruht hier (…) geradezu auf der Möglichkeit, in das Szenarium ‚einzusteigen‘ und die Rolle eines seiner Akteure zu übernehmen.“169 Aber Gleichnisse sind kein bloßes Spiel, keine Einladung zur literarisch indizierten Selbstreflexion. Davor bewahrt die geschichtliche Gebundenheit der Texte. Es sind Jesusparabeln, die den Prozess des Verstehens auslösen, nicht beliebige Texte. Es geht im Gleichnisverstehen also nicht um das Erkennen von verobjektivierbaren Ideen oder von ethischen Maximen (Jülicher / Jeremias), sondern um die Bindung der ganzen Person an Jesus und seine Botschaft. „Gleichnisse wollen in die ‚Sache‘ der Praxis des Lebens übersetzt werden“170. Doch gerade so verhelfen die Parabeln den Hörenden und Lesenden, sich selbst und ihre konkrete Lebenswelt in einem neuen Licht zu sehen. Um es mit Worten der Tradition zu sagen: Gleichnisse wollen zum Glauben, konkreter: zum Leben aus dem Glauben an Jesus führen. Die Parabeln Jesu konstituieren deshalb nicht nur eine Erzählgemeinschaft, sondern zugleich eine Glaubens- und Handlungsgemeinschaft. Hierbei spielt die narrative Struktur und sprachliche Form der Parabelgattung wiederum eine zentrale Rolle. Die Parabeln laden ein, die eigene Vergangenheit und Lebenserfahrung in die formalisierte Erinnerung einzuschreiben und dabei mit Sinn zu füllen. Die individuelle wie auch kollektive Lebensgeschichte kann in den parabolischen Geschichten gedeutet, durchgearbeitet, ja letztlich sogar geformt werden. Dies geschieht nicht immer geradlinig. Die Rätselhaftigkeit und Deutungsoffenheit der Parabeln fordert heraus. Sie regt auch zu Widerspruch und Diskussion an.171 Doch besonders im gemeinsamen Verstehensbemühen können Parabeln somit zu einem Modell der Lebensgemeinschaft der sie erzählenden Christen werden. Parabeln können in diesem mimetisch-hermeneutischen Prozess des Erinnerns als sinnstiftende Lebensformen betrachtet werden. 169 C. Link, Gleichnisse als bewohnte Bildwelten, in: R. Bernhardt / U. Link-Wieczorek (Hgg.), Metapher und Wirklichkeit. Die Logik der Bildhaftigkeit im Reden von Gott, Mensch und Natur, Göttingen 1999, 142–152, hier: 149. 170 E. Rau, Reden in Vollmacht. Hintergrund, Form und Anliegen der Gleichnisse Jesu, FRLANT 149, Göttingen 1990, 25. 171 Vgl. dazu die Beobachtungen von Crossan, Parables of Jesus (s. Anm. 2), 251–253 (dazu oben).
Gleichnisse – Quelle des Verständnisses der Umwelt Jesu? Umwelt – Quelle des Verständnisses der Gleichnisse Jesu? Karl-Heinrich Ostmeyer 1. Einführung Der Titel deutet auf einen hermeneutischen Zirkel. Dass Jesus Gleichnisse erzählt hat, wird nicht in Zweifel gezogen. Wenn aber Gleichnisse auf den historischen Jesus zurückgehen, kommt darin – so wird gefolgert – auch seine Lebenswelt zur Sprache. Diese Grundannahme lässt sich in zwei Richtungen fruchtbar machen: 1) Steht die Auslegung der Gleichnisse Jesu im Vordergrund, dann werden Vorstellungen über die Umwelt des Neuen Testamentes als Interpretamente herangezogen. Die Umwelt Jesu dient als Quelle für das Verständnis der Gleichnisse. 2) Geht es um ein Verständnis der Umwelt Jesu, dann dienen die Gleichnisse, die als „ipsissima vox“ Jesu verstanden werden,1 als Quellen ersten Ranges. Zu 1) Wer sich um die Interpretation einer Parabel bemüht, positioniert sich in der ein oder anderen Weise zur Frage der Relevanz der Umwelt Jesu für ihr Verständnis.2 Bereits die Sprache, in der die Parabeln überliefert sind 1 E. Käsemann, Das Problem des historischen Jesus, ZT hK 51 (1954), 125–153, wieder abgedr. in: ders., Exegetische Versuche und Besinnungen I, Göttingen 1960, 187–214, 204, erklärt, dass wir „vom Gleichnisstoff abgesehen, schlechterdings keinerlei formale Kriterien zur Herausstellung des authentischen Jesusgutes“ haben. 2 Während für J. Jeremias, Die Gleichnisse Jesu, Göttingen 111989 (11947), 7–9.17 f., erst die Klärung der konkreten Gegebenheiten der Umwelt Jesu die Voraussetzung für das Verständnis der Parabeln schafft, lehnt die hermeneutische Auslegung die explizite Beschäftigung mit der Umwelt ab. Hermeneutisch bestimmte Ansätze gehen davon aus, dass die Parabeln nicht (rhetorisch) über etwas erzählen, sondern dass sie im Akt der Rezeption – unabhängig vom ursprünglichen Erzählkontext – das (poietisch) erschaffen, wovon die Rede ist; vgl. E. Jüngel, Paulus und Jesus. Eine Untersuchung zur Präzisierung der Frage nach dem Ursprung der Christologie, HUT h 2, Tübingen 51979 (11962), 138 f.; ders., Metaphorische Wahrheit. Erwägungen zur theologischen Relevanz der Metapher als Beitrag zur Hermeneutik einer
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(ihre Semantik und Syntax), ist an zeitliche und räumliche Gegebenheiten gebunden und damit Teil der Umwelt. Auch die Zweige der Gleichnisforschung, die eine Berücksichtigung der Zeitumstände für hermeneutisch verfehlt halten und sich den Texten sprach- oder literaturwissenschaftlich nähern, kommen nicht umhin, mit den in Gleichnissen verwendeten antiken Termini und grammatikalischen Strukturen umzugehen. Das Verständnis und die Gewichtung der einzelnen Motive oder Konstellationen der Parabeln sind abhängig vom Vorwissen, aber auch von Ideen oder Prämissen der Interpretierenden. Die konkrete Auslegung kann sich – programmatisch3 oder unbeabsichtigt – sowohl in Übereinstimmung als auch im Widerspruch4 zu anderweitig erhobenen Fakten vollziehen.5 Zu 2) Gleichnisse dienen als Basis für ein bestimmtes Verständnis der Umwelt Jesu. Sie treten dabei neben oder auch in Konkurrenz zu unabhängig von ihnen gewonnenen Daten. Die neutestamentlichen Parabeln sind eingängig. Der Suggestivkraft ihrer Bilder kann sich kaum jemand entziehen. Gerade aufgrund ihrer Selbstverständlichkeit bestimmen Parabeln das vorherrschende Bild der Lebenswelt Jesu. Da Parabeln für viele Menschen die einzigen Veranschaulichungen der Zeit Jesu bleiben, fungieren sie häufig – sei es bewusst oder unbewusst – als die maßgeblichen Quellen historischen Wissens. An zwei exemplarisch ausgewählten Parabeln sei im Folgenden die Wechselbeziehung von Umwelt- und Gleichnisverständnis demonstriert. Die Parabel vom Sauerteig (Mt 13,33 par.) dient als Beispiel für die Verwendung der Umwelt als Quelle für die Gleichnisinterpretation. Der umgekehrte Fall – die Parabel als Quelle für das Verständnis der Umwelt Jesu – wird am Beispiel der Gleichniserzählung vom barmherzigen Samariter (Lk 10,30–37) untersucht.
narrativen Theologie, in: P. Ricœur / E. Jüngel, Metapher. Zur Hermeneutik religiöser Sprache, München 1974, 71–122, 114. 3 L. Schottroff, Die Gleichnisse Jesu, Gütersloh 2005, 139, nennt offen ihre Kriterien für die Einschätzung von Texten: Die Gleichnisreden Jesu „sind glaubwürdig nicht deshalb, weil die Tradenten historisch genau sein wollen, sondern weil die Lebensbedingungen und Ausdrucksweisen der Befreiungsarbeit Jesu und der Nachfolgegruppe zu seinen Lebzeiten sich nicht wesentlich von der der Nachfolgegruppen unterscheiden, die in den synoptischen Evangelien zu Wort kommen.“ 4 Auf der Basis ihrer Prämissen ist es stimmig, wenn Schottroff Gleichnisse auch gegen den Strich bürstet und z.B. in ihrer Analyse des Gleichnisses von den Arbeitern im Weinberg, Schottroff, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 3), 283, zu dem Ergebnis kommt: „Das Gleichnisbild ist – wiederum – als Antithese zum Königtum Gottes entworfen“; vgl. a.a.O., 284: „Ein Grundbesitzer, der einmal Arbeitslosen einen Denar zahlte, ist ein Gegenbild zu diesem Gott. […] Privateigentum im Sinne von Mt 20,13–15 widerspricht frontal der Tora Gottes.“ 5 K. Erlemann, Gleichnisauslegung. Ein Lehr- und Arbeitsbuch, Tübingen / Basel 1999, 39: „Insgesamt ist der Trend erkennbar, Gleichnisse wieder historisch, und das heißt, unter Berücksichtigung ihres sprachlichen und situativen Kontextes, auszulegen“.
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2. Beispiele 2.1 Sauerteig (Q 13,20 f.; Mt 13,33; Lk 13,20 f.; EvThom 96) Die Parabel vom Sauerteig ist als Ausgangspunkt gewählt, weil der darin vorausgesetzte Hintergrund unabhängig von Zeit und Raum Gültigkeit für sich beanspruchen kann. Damit scheint für diesen Text der hermeneutische Zirkel der gegenseitigen Interpretation von Parabel und Umwelt in einer Richtung entschärft: Das Gleichnis an sich leistet keinen originären Beitrag6 zum Verständnis der Umwelt Jesu. Zugleich aber ist die Kenntnis der Eigenschaften von Sauerteig unabdingbar, um den Sinngehalt der Parabel zu erfassen. Es ist zu klären, in welchem Verhältnis die Parabel zu ihrer Umwelt steht: Inwieweit gibt sie ein reguläres Geschehen wieder, wo setzt sie eigene Akzente, wo tritt sie in Widerspruch zur „Normalität“? 7 2.1.1 Analyse des Parabeltextes Bei Matthäus und Lukas begegnen die Parabel vom Sauerteig und die Parabel vom Senfkorn in fast identischem Wortlaut jeweils als Paar.8 Die bei Markus fehlende Sauerteigparabel lässt sich mit einer hohen Wahrscheinlichkeit in der vorliegenden Textform auf die Logienquelle Q zurückführen. Die jeweiligen Einleitungen (Mt 13,33 a; Lk 13,20) sind redaktionell.9 Die Einbindung der Parabel in den Kontext differiert bei den Evangelisten. Während Mt das Parabelpaar zwischen dem Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen und dessen Erläuterung an das Ende einer Sammlung von Gleichnissen stellt, die „Getreide“ im weitesten Sinne zum Inhalt haben,10 bietet Lk die Doppelparabel nach der „Heilung der verkrümmten Frau“ (Lk
6 Sauerteiggärung funktionierte vor 2000 Jahren nicht anders als heute und dass im Vorderen Orient Brot aus Sauerteig gebacken und dieser Teig von Frauen bereitet wurde, ist auch aus anderen Quellen bekannt. 7 Vgl. die grundsätzlichen Bemerkungen von C. Heszer, Lohnmetaphorik und Arbeitswelt in Mt 20,1–16. Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg im Rahmen rabbinischer Lohngleichnisse, NTOA 15, Freiburg (CH ) / Göttingen, 1990, 25: „Um […die] Pointe [der Gleichnisse] zu erkennen, muß man feststellen, wo ungewöhnliche Züge vorliegen, Züge, die dem ursprünglichen Hörer sonderbar erschienen, für die eine Analogie in der damaligen Wirklichkeit unwahrscheinlich ist. Ungewöhnliche Züge als solche erkennen kann man nur, wenn man die Gleichniserzählung auf dem Hintergrund der sozialen Realität der damaligen Zeit betrachtet.“ 8 Laut U. Luz, Das Evangelium nach Matthäus. 2. Teilbd. Mt 8–17, EKK I/2, Zürich / Braunschweig / Neukirchen-Vluyn 1990, 328, handelt es sich um „kein ursprüngliches Doppelgleichnis“. 9 Luz, Evangelium nach Matthäus I/2 (s. Anm. 8), 327. 10 Sämanngleichnis (Mt 13,1–9) samt Deutung (13,18–23); Unkraut unter dem Weizen (Mt 13,24–30); Senfkorn (Mt 13,31 f.); Sauerteig unter Mehl (Mt 13,33); die Erläuterung von Mt 13,24–30 (Mt 13,36–43).
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13,10–17), bevor er nach einer Überleitung mit grundsätzlichen Erwägungen über den Zugang zum Reich Gottes fortfährt. Im Mittelpunkt der Untersuchungen stehen in unterschiedlicher Gewichtung das Motiv des „Sauerteigs“, der Vorgang des „Verbergens“ und die Mengenangabe „drei Maß“. Dagegen wird der sorgfältig gestaltete Aufbau der Parabel kaum thematisiert. Auch die „Leerstellen“ der Parabel, also das, was nicht gesagt wird, finden wenig Beachtung. Hier soll zunächst die Struktur auf leserlenkende Hinweise hin untersucht werden. Die Syntax verdeutlicht, welche Termini der Verfasser des Textes betont und welchen er eine Nebenrolle zuweist. Optisch lässt sich der Aufbau der aus einem einzigen Satz bestehenden Parabel folgendermaßen darstellen: 11
[ ]
Die Sauerteigparabel hat eine symmetrische Struktur. In ihrem Mittelpunkt steht das Verbergen ([ ] ). Die Glieder vor und nach dem Verbergevorgang korrespondieren einander: Der nehmenden Frau ( ) auf der einen entsprechen auf der anderen Seite der Ort und die Richtung des Verbergens ( ). Der Sauerteig ( ) hat sein Gegenstück im Durchsäuert-Werden ( ). Dem ganz am Anfang stehenden Subjekt des Hauptsatzes der Parabel ( ) entspricht das betont als letztes Wort positionierte Subjekt des zweiten Nebensatzes der Parabel ( ).12 Syntaktisch kommen der Frau ( ) und ihrem Nehmen (Partizip ) ebenso wie dem Weizenmehl ( ) und seiner Quantität ( ) innerhalb der Parabel Nebenrollen zu.13 11 Die hier gebotene matthäische Fassung zieht die Königsherrschaft als Ausgangspunkt in das Gleichnis hinein. Die lukanische Version (und die auf ihrer Basis rekonstruierte Q-Fassung) spricht von ihr bereits in der einleitenden Frage (Lk 13,20): ; 12 E. Rau, Reden in Vollmacht. Hintergrund, Form und Anliegen der Gleichnisse Jesu, FRLANT 149, Göttingen 1990, 114, sieht hier die Pointe der Parabel: „Der Ton der Aussage ruht zweifellos auf dem “; vgl. a.a.O., 153.400. 13 Anders gewichtet L. Schottroff, Lydias ungeduldige Schwestern. Feministische Sozialgeschichte des frühen Christentums, Gütersloh 1994, 133: „Eine Deutung, die die Frau als Handlungsträgerin übergeht, geht am Text vorbei“; a.a.O., 130, spricht Schottroff davon, dass „eine brotbackende Frau zum Gleichnis für das Gottesreich wird [Hervorhebungen im Orig.]“.
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Neben der syntaktischen Struktur der Parabel ist die Tempuswahl bemerkenswert. Nach dem einleitenden präsentischen begegnet sowohl bei finiten wie auch bei infiniten Verbformen nur der Aorist. Wird die Zeitform für das Verständnis der Parabel und seine Auslegung fruchtbar gemacht, dann handelt es sich bei dem, was die Parabel beschreibt, um einen punktuellen, d.h. einmaligen Vorgang. Die übliche Deutung der Sauerteigparabel als Beschreibung eines regulären und alltäglichen Vorgangs14 lässt die textlichen Besonderheiten in den Hintergrund treten und kann sich nicht auf die verwendeten Tempora stützen. 2.1.2 Technika Die Zubereitung von Sauerteigbrot lässt sich in zwei grundsätzliche Methoden unterteilen. Im ersten Fall wird der Teig aus Mehl und Wasser über mehrere Tage an einem warmen (nicht heißen) Ort abgestellt, bis er durch Einwirkung von Milchsäurebakterien von selbst zu gären beginnt. Die häufigere Methode ist das Zurückbehalten von unverbackenem Sauerteig und dessen Vermengen und Verkneten15 mit einer adäquaten Menge Mehl und Wasser.16 Das anschließende Durchsäuern des Teiges nimmt bei der zweiten Methode nicht mehrere Tage, sondern Stunden in Anspruch. Dieser Vorgang des Verknetens von Sauerteig mit einer angemessenen Menge Mehl und Wasser17 samt anschließender Gärung18 wird wiederholt, bis die gewünschte Teigmenge hergestellt ist.19 14 E. Linnemann, Gleichnisse Jesu. Einführung und Auslegung, Göttingen 71978, 13: „So geht es immer zu, wenn Sauerteig ins Mehl gegeben wird (Mt 13,33)“; laut Schottroff, Lydias ungeduldige Schwestern (s. Anm. 13), 121, zählt das Beschriebene „zum normalen Vorgang des Sauerteigbrotbereitens“. 15 Vgl. Schottroff, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 3), 271. 16 G. Dalman, Arbeit und Sitte in Palästina. Brot, Öl und Wein IV , SDPI 7, Gütersloh 1935, 45 f.: „Dann beginnt die Herstellung des Teigs durch Mischung des Mehls mit Wasser, Salz und Sauerteig“. 17 S. Krauss, Talmudische Archäologie I, Leipzig 1910, 559: „Die Menge des Sauerteiges muß proportionell sein mit der Menge des zu säuernden Teiges“; H. Blümner, Technologie und Terminologie der Gewerbe und Künste bei Griechen und Römern I, 2., gänzlich umgearb. Aufl. mit 135 in den Text gedruckten Holzschnitten, Leipzig / Berlin 1912, 58 f.: Und „zwar nahm man in Griechenland gewöhnlich auf je zwei halbe Modii Mehl 2/3 Pfd. Sauerteig“; nach S. Krauss, Talmudische Archäologie II , Leipzig 1911, 395, umfasst 1 Modius 8,754 Liter und 1,5 it. Modius entsprechen 1 Seah. Die in Mt 13,31 genannten drei Seah erfordern nach dieser Umrechnung neben dem Wasser über 2 kg Sauerteig. Moderne Brotteigrezepte setzen einen Sauerteiganteil von 7,5–10% der Mehlmenge voraus, M. J. Brandt / M. G. Gänzle, Handbuch Sauerteig, Hamburg 62006, 297–315. 18 Krauss, Talmudische Archäologie I (s. Anm. 17), 559: Der „Teig ist zunächst blaß […], dann zeigen sich kleine Spalten […], bis die Spalten […] durch und durch gehen, ein sicheres Zeichen der eingetretenen Säuerung. Ein Teig, der ‚stumm‘ bleibt […], d.h., den eigentümlichen Klatschton nicht gibt, wenn man mit der flachen Hand darauf schlägt, ist nicht sicher gesäuert, während jener Ton allerdings die Säuerung bekunden würde.“ 19 Luz, Evangelium nach Matthäus I/2 (s. Anm. 8), 333: „Das Bild vom Sauerteig stammt aus der Küche. Sauerteig – die Hausfrau nahm ihn von altem Teig, kaufte ihn in der Bäckerei oder setzte ihn selbst an – ist bei Juden und Griechen üblich beim Brotbacken.“
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Anders als bei Roggenmehl, bei dem eine gleichmäßige Vermengung mit Wasser und Sauerteig ausreicht, ist für Weizenmehl ( )20 aus biochemischen Gründen ein längeres intensives Durchkneten unerlässlich.21 Erst das Hinzufügen von Wasser ermöglicht die Knetbarkeit der Elemente und die spätere Durchsäuerung des Ganzen. 2.1.3 „Leerstellen“ Die Vergegenwärtigung dessen, was zu einer normalen Sauerteigverarbeitung gehört, lässt erkennen, was nicht gesagt wird. Zu fragen ist: Sind die „Leerstellen“ beabsichtigt, und haben sie für das Verständnis des Gleichnisses eine tragende Funktion, oder ist das nicht Gesagte „mitgemeint“22 oder der Unkenntnis des Autors über die technischen Gegebenheiten geschuldet? Es fällt auf, dass in einem um äußerste Gedrängtheit bemühten Text Handlungen bezeichnet werden, die sich im Kontext von selbst verstehen. So würde der Parabel inhaltlich nichts fehlen, wenn das „Nehmen“ nicht erwähnt wäre: Wenn eine Frau Sauerteig verbirgt, muss sie ihn notwendig genommen haben. Werden aber scheinbar überflüssige Tätigkeiten benannt und damit eine besondere Präzision der Darstellung vermittelt, dann fällt umso stärker ins Gewicht, was nicht gesagt wird. Besonders wenn es für ein reguläres Verfahren unverzichtbar ist. Zu denken ist hierbei vor allem an das Vermengen der Elemente mit Wasser und das Verkneten. Das Kneten jedoch (die , vgl. Hos 7,4) wird in der Parabel nicht nur nicht erwähnt, sondern an seine Stelle tritt das backtechnisch ungeeignete und sprachlich auffällige „Verbergen“ in der Mitte der Parabel.23 Es greift zu kurz, wenn allein die vorhandene auffällige Semantik analysiert wird. Wichtig ist auch, was mit großer Nachdrücklichkeit nicht gesagt wird. 20 Zwischen Weizen ( ) und Gerste ( ) sowie Weizenmehl ( ) und Gerstenmehl ( ) wird deutlich unterschieden (vgl. 2 Sam 17,28). 21 Brandt / Gänzle, Handbuch Sauerteig (s. Anm. 17), 34: „Bei Weizenteigen sind andere Faktoren [als bei Roggenteigen] für die Teigbildung verantwortlich. […] Die Proteinmatrix wird durch Scherbeanspruchung beim Kneten gedehnt und zusammen mit Quellungs- und Lösungsvorgängen treten Strukturveränderungen an den Proteinen auf. [… Es] kommt zur Ausbildung eines durchgängigen dreidimensionalen Proteinfilms und damit zur Kleberbildung. Dieser Film stellt in einem optimal gekneteten Teig das vorherrschende Strukturelement dar und trägt maßgeblich zum Gashaltevermögen sowie zur Gärtoleranz des Teiges bei […]. In diese Klebermatrix eingelagert befinden sich Stärkepartikel, die, durch den Knetvorgang befördert, zu einer kontinuierlichen Struktur zusammenhaften.“ 22 R. Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, FRLANT NF 12, Göttingen 81970 (11921), 217: „Der Stoff [Hervorhebung im Orig.] der Bildworte, Gleichnisse, Parabeln usw. umspannt einen weiten Kreis: das Haus und seine Bewohner, zumal Vater und Sohn; seine alltäglichen Vorgänge wie das Salzen der Speise und das Kneten des Teigs, das Flicken des Kleides und das Füllen des Weines“. 23 Luz, Evangelium nach Matthäus I/2 (s. Anm. 8), 333: „Auffällig ist die Formulierung ‚verbarg‘; die Leser erwarten eher eine Schilderung des Knetens. Besonders auffällig ist die Menge des Mehls […]. Der Text schildert also nicht, was eine Bäuerin üblicherweise tut.“
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2.1.4 Sauerteigparabel und Umwelt in der Gleichnisauslegung Eine Prämisse bei der Auslegung der Sauerteigparabel ist, dass sie einen regulären Vorgang abbildet.24 Diese Voraussetzung hat Konsequenzen für die Interpretation: Die oben benannten syntaktischen Auffälligkeiten müssen als regelmäßig erklärt und fehlende Elemente einer typischen Sauerteigbereitung ergänzt werden.25 Die Prämisse der Alltäglichkeit erweist sich als so dominant, dass Auslegerinnen und Ausleger sich gezwungen sehen, die Sauerteigparabel als Ausnahme von Regeln und Grundsätzen zu behandeln. So macht R. Bultmann seine Unterscheidung zwischen „Gleichnis“ und „Parabel“ vor allem an den verwendeten Zeitformen fest: „Im übrigen ist für die Gleichnisse im engeren Sinn das Präsens das gegebene Tempus […]. Umgekehrt ist das Tempus der Parabel ihrem erzählenden Charakter entsprechend das Präteritum“.26 Gemäß dieser Einteilung müsste Q 13,21 als „Parabel“ bezeichnet werden und „nicht einen typischen Zustand oder typischen bzw. regelmäßigen Vorgang, sondern einen interessierenden Einzelfall“ beschreiben.27 Symptomatisch ist jedoch Bultmanns Kategorisierung der Doppelparabel vom Senfkorn und vom Sauerteig: Indessen „schildern diese Gleichnisse ja typische Vorgänge, so daß ich sie nicht zu den Parabeln zähle“.28 Neben der Ausnahmeregelung bei der Gattungsbestimmung nötigt die Feststellung der Alltäglichkeit Bultmann, auf die Sauerteigparabel bei einer Rekonstruktion des historischen Jesus zu verzichten. Gleichnisse bieten in seinen Augen eine Möglichkeit, bis zum historischen Jesus vorzudringen. Bei der Bewertung ihrer „Echtheit“ bedient er sich des „Differenzkriteriums“. Seiner Ansicht nach haben nur die Gleichnisse mit hoher Wahrscheinlichkeit authentisches Jesusgut bewahrt, die sich nicht in den sonst typischen Hintergrund einfügen lassen.29 Gleichnisse, die den jüdischen Alltag abbilden, können folglich nicht sicher auf den historischen Jesus zurückgeführt 24 R.W. Funk, Beyond Criticism in Quest of Literacy. The Parable of the Leaven, Interp. 25 (1971), 149–170, 158: „The scene is common enough. Anyone who has observed bread made, here or in the Near East, recognizes the scene for what it is: a piece of everydayness.“ 25 Luz, Evangelium nach Matthäus I/2 (s. Anm. 8), 333, erkennt, dass es sich um keine alltägliche Handlungsweise handelt, stellt jedoch nicht deren Praktikabilität als solche in Frage. A.a.O., 334: „Jesus spricht nicht vom Passa, sondern vom Brotbacken.“ 26 Bultmann, Geschichte (s. Anm. 22), 196. 27 Bultmann, Geschichte (s. Anm. 22), 188; vgl. A. Jülicher, Die Gleichnisreden Jesu. Erster Teil: Die Gleichnisreden Jesu im Allgemeinen, 2., neu bearb. Aufl. Freiburg, Br. / Leipzig / Tübingen 1899, 97: „Das Gleichnis beruft sich auf Allgemeingültiges, die Parabel auf einmal Vorgekommenes“. 28 Bultmann, Geschichte (s. Anm. 22), 188 f. 29 Bultmann, Geschichte (s. Anm. 22), 222: „Wo der Gegensatz zur jüdischen Moral und Frömmigkeit [sic!] und die spezifisch eschatologische Stimmung, die das Charakteristikum der Verkündigung Jesu bilden, zum Ausdruck kommt, und wo sich andrerseits keine spezifisch christlichen Züge finden, kann man am ehesten urteilen, ein echtes Gleichnis Jesu zu besitzen.“
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werden. Rudolf Bultmann klassifiziert dementsprechend das Gleichnis vom Sauerteig30 als sekundär.31 J. Jeremias, der in den Parabeln das Urgestein der Jesusüberlieferung sieht,32 und bestrebt ist, die Details der Gleichnisse in der konkreten Umwelt Jesu zu verankern,33 muss zumindest partiell bei der Sauerteigparabel Abstriche machen. Er kann die Mehlmenge nicht in Einklang mit einer regulären Teigbereitung bringen34 und kommt zu dem Ergebnis, die Quantitätsangaben35 der Sauerteigparabel seien unhistorisch36 und es handele sich um „Realitäten Gottes“.37 L. Schottroff kann alle Elemente der Sauerteigparabel als regulär verstehen und daraus Schlüsse auf den antiken Alltag sowie seine Sozial- und Wirtschaftsstrukturen ziehen. Sie verweist auf ein Brotteigrezept aus dem
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Bultmann, Geschichte (s. Anm. 22), 222. Dagegen rechnet Chr. Kähler, Jesu Gleichnisse als Poesie und Therapie. Versuch eines integrativen Zugangs zum kommunikativen Aspekt von Gleichnissen Jesu, WUNT 78, Tübingen 1995, 65, das Sauerteiggleichnis den echten Gleichnissen Jesu zu. Er beruft sich dabei auf dasselbe Differenzkriterium, das Bultmann veranlasst hatte, sie dem historischen Jesus abzusprechen. Kähler erklärt, gerade weil diese Gleichnisse den Alltag der einfachen Bevölkerung widerspiegeln, haben sie in ihrer Art keine Parallelen in ihrer Umwelt und sind deshalb echt; vgl. a.a.O., 93 f.: „Sauerteig als Bild [… war] im Bewußtsein der Hörer Jesu befestigt. Das heißt, daß die poetische Regelverletzung in dem der Basileia unangepaßten Milieu (Haushalt / Küche) und dem schwierigen, mindestens ambivalenten Bildfeld vom Sauerteig zu finden ist.“ 32 Jeremias, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 2), 7. So auch M. J. Borg, Meeting Jesus again for the first time. The historical Jesus & the heart of contemporary faith, San Francisco 1995, 70: „Together, aphorisms and parables are the bedrock of the Jesus tradition, and they put us most directly into touch with the voice of the pre-Easter Jesus“; ähnlich R.W. Funk, The acts of Jesus. The search for the authentic deeds of Jesus, San Francisco 1998, 9: „The parables and aphorisms form the bedrock of the tradition. They represent the point of view of Jesus himself“; Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 27), I, 11; Käsemann, Problem des historischen Jesus (s. Anm. 1), 204; S. J. Patterson, The Gospel of Thomas and Jesus, Sonoma, Calif. 1993, 241; G. Theissen / A. Merz, Der historische Jesus. Ein Lehrbuch, 3., durchges. und um Literaturnachträge erg. Aufl. Göttingen 2001, 304: Es „gilt nach wie vor: Die Gleichnisse Jesu sind ‚Urgestein der Überlieferung‘“. 33 Jeremias, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 2), 17: „Jedes seiner Gleichnisse hat einen bestimmten historischen Ort in seinem Leben. Den Versuch zu machen, ihn zurückzugewinnen – das ist die Aufgabe [, …] um – soweit es möglich ist – zurückzukommen zum ursprünglichen Sinn der Gleichnisse Jesu, zu Jesu ipsissima vox.“ 34 Jeremias, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 2), 146: So „riesige Mengen Mehl verbäckt keine Hausfrau“. 35 Nach gebräuchlicher Umrechnung ca. 39,4 Liter. Dalman, Arbeit und Sitte in Palästina (s. Anm. 16), 120, errechnet eine Menge, die ausreicht für 162 Mahlzeiten. 36 Funk, Beyond Criticism (s. Anm. 24), 161: „The everyday realism of the parable of the leaven appears to be shattered, then, on the gross amount of dough – about as much as a woman could knead at one time“. 37 Jeremias, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 2), 146; dagegen Kähler, Jesu Gleichnisse als Poesie und Therapie (s. Anm. 31), 93 Anm. 98: „Daß schon im Maß die ‚Realitäten Gottes‘ erkennbar werden, wie Jeremias meint, ist mir fraglich“. Aber auch Kähler hält die Maßangabe für außergewöhnlich: Eine solche Menge Mehl sei „höchstens zu einer festlichen Gelegenheit“ verwendet worden. 31
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„Kochbuch [… ihrer] Mutter und Großmutter“38, in dem ein Mehlvolumen genannt wird, das mit dem im Gleichnis vom Sauerteig nahezu identisch ist. Für Schottroff wird in der Sauerteigparabel die typische Frauenarbeit zur Zeit Jesu39 und der Hunger in der Bevölkerung greifbar.40 An anderer Stelle heißt es, das Sauerteiggleichnis spiegele eine „patriarchale Ideologie, in dem es die Frau im Hause zeigt“.41 Darin stimmt sie mit A. Jülicher überein, der mit anderer Wertung ebenfalls auf der Basis der Parabel auf den antiken Alltag schließt.42 Das Wörterbuch zum Neuen Testament von Bauer und Aland nimmt einen Konflikt mit lexikografischen Prinzipien in Kauf, indem es für das Verb die andernorts nicht belegte Nebenbedeutung „hineinmischen“ anführt und so ein Verständnis der Parabel im alltäglichen Sinne ermöglicht.43 2.1.5 Zusammenfassende Auslegung Die Möglichkeit, dass mit der Sauerteigparabel alltägliche Vorgänge bewusst konterkariert werden, ziehen die meisten Interpretationen nicht in Erwägung. Die Tempuswahl (Aorist), die Semantik (das für Sauerteigbereitung unpassende „Verbergen“), die Syntax (die betonte Positionierung des „Verbergens“), das Fehlen der für die Teigbereitung zentralen Bestandteile (Wasser) und Tätigkeiten (Kneten, Formen, Backen etc.) sprechen für einen einmaligen und scheinbar absurden Umgang mit Sauerteig und für das Gegenteil eines regulären Vorgangs. Es ist ein Postulat, dass sich die Frau arbeitstechnisch vorbildlich verhält. 38 Schottroff, Lydias ungeduldige Schwestern (s. Anm. 13), 121; a.a.O., 130, nennt sie darüber hinaus eine technische Erklärung für die Mehlmenge: „Im römischen Palästina wurde Brot auch in Bäckereien gebacken. Es gab auch schon Knetmaschinen für große Mengen Teig“; vgl. Blümner, Technologie (s. Anm. 17), 65, Abb. 25. 39 Schottroff, Lydias ungeduldige Schwestern (s. Anm. 13), 135. 40 Schottroff, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 3), 269 f.: Die Parabel vom Sauerteig hat ihren Sitz im Leben „gerade in Situationen, in denen das Weiterleben gefährdet ist. So nämlich wird im Matthäusevangelium die Situation des jüdischen Volkes beschrieben. […] Das Volk ist so verarmt, dass seine Beziehung zu Gott zerbricht (Mt 5,3) und der Hunger den Sabbat verdrängt“; dagegen K.-H. Ostmeyer, Armenhaus und Räuberhöhle? Galiläa zur Zeit Jesu, ZNW 96/2 (2005), 147–170, 166–170. 41 Schottroff, Lydias ungeduldige Schwestern (s. Anm. 13), 130. 42 A. Jülicher, Die Gleichnisreden Jesu. Zweiter Teil: Auslegung der Gleichnisreden der drei ersten Evangelien, Tübingen 21910, 578: „Lk 13,21 aber ist in der Situation noch besonders gerechtfertigt; in der That verschwindet der Sauerteig, der tagelang dort auf dem Sims gestanden hat, vollständig in der Mehlmasse; das Weib schüttet und knetet ihn in diese hinein, ohne dass man an der eine Zunahme bemerkte; dann lässt sie das Gemengsel eine gute Weile, vielleicht mit einem Tuch bedeckt, stehen, und wenn sie es wieder ansieht, ist der Teig mächtig in die Höhe gestiegen, und das Mehl hat sich von oben bis unten in gesäuertes verwandelt“. 43 W. Bauer, Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der frühchristlichen Literatur, hg.v. K.u.B. Aland, 6., völlig neu bearb. Aufl. Berlin / New York 1988, 923.
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Die besondere Textstruktur bliebe außer Acht, und es wäre methodisch nicht unproblematisch, würde das Hinzufügen von Wasser oder das Verkneten des Teigs als implizit „mitgemeint“ vorausgesetzt. Mit derselben Begründung ließen sich auch andere Texte ergänzen und den jeweiligen Erwartungen und „selbstverständlichen“ Erfordernissen anpassen. Ginge es um einen regulären Vorgang, wären das eine Linearität ausdrückende Präsens oder das Imperfekt als Tempus für sich wiederholende Vorgänge zu erwarten. Bei einem „normalen“ Gärvorgang jedoch ist das Ende des Säuerungsprozesses absehbar und berechenbar. Dem Gleichniserzähler kommt es aber gerade darauf an, dass der Abschluss der Durchsäuerung unabsehbar ist. Dazu passt die einen einmaligen Vorgang bezeichnende Zeitform des Aorist: Die Durchsäuerung der drei Maß Weizenmehl, in die hinein Sauerteig verborgen wurde, steht noch aus. Wie in der markinischen Parabel von der selbstwachsenden Saat (Mk 4,26–29)44 oder in der vom Unkraut unter dem Weizen (Mt 13,24–30),45 lässt Gott den von ihm initiierten Dingen ihren Lauf, statt verbessernd oder beschleunigend einzugreifen. Gott bewässert keine Saat, Gott lässt kein Unkraut jäten, und Gott knetet nicht. Es fällt auf, dass Mk zwar das Senfkorngleichnis (Mk 4,30–32), d.h. den ersten Teil der Doppelparabel und zuvor die zum seltenen markinischen Sondergut gezählte Parabel von der selbstwachsenden Saat bietet (Mk 4,26–29), nicht aber das Wort vom Sauerteig. Zu erwägen ist, ob nicht alle drei Synoptiker die Parabeln vom Sauerteig und der selbstwachsenden Saat für austauschbar angesehen haben und deshalb auf jeweils eine der beiden verzichtet haben.46 Eine solche Erklärung stützt die zuvor gebotene Deutung der Sauerteigparabel: Gott hat einen Anfang im Verborgenen gesetzt und forciert nicht die weitere Entwicklung.47 44 Beim Gleichnis von der selbstwachsenden Saat schlägt Jeremias, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 2), 151 f., vor, es solle „richtiger das Gleichnis vom geduldigen Landmann heißen“, und bewertet damit das Verhalten des Bauern als vorbildlich. Ähnlich wie im Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen wird jedoch im bäuerlichen Alltag eine Saat vom Landwirt genau beobachtet, wenn nötig, wird jätend oder schützend und pflegend eingegriffen. Jeremias sieht den historischen Ort des Gleichnisses in Jesu Warnung vor der Ungeduld der Zeloten, zu denen er auch einige der Jünger Jesu rechnet 45 Auch im Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen versucht Jeremias, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 2), 222 f., das Jätverbot des Herrn zu erklären. Agrartechnisch ist die Anweisung fragwürdig. In der Zeit zwischen Aussaat und Ernte bestand die Hauptaufgabe der Sklaven im Reinhalten der Saat, also im Jäten. 46 Luz, Evangelium nach Matthäus I/2 (s. Anm. 8), 334: „In diesem Gleichnis [Mt 13,31] ist der Gedanke des ‚Wachstums‘ zentraler als beim Senfkorngleichnis; seine nächste Parallele ist m.E. das Gleichnis von der selbstwachsenden Saat.“ 47 Einen eigenen Text bietet das Thomasevangelium. In ihm wird die „Königsherrschaft des Vaters“ mit einer „Frau, die eine sehr kleine Sauerteigmenge nahm,“ statt mit „Sauerteig, den eine Frau nahm,“ verglichen. Bei Thomas spielt der Gegensatz von winziger Sauerteigmenge und den daraus gebackenen großen Broten die zentrale Rolle. Das Verbergen verliert seine Funktion, und bei der Sauerteigparabel in der Thomasversion handelt es sich um einen Text, der einen vollständigen Brotbereitungsvorgang impliziert.
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Matthäus jedenfalls scheint die Parabel in diesem Sinne verstanden zu haben. Er rahmt die Doppelparabel durch die Parabel vom Unkraut unter dem Weizen (Mt 13,24–30) und deren Erläuterung für die Jünger (Mt 13,36–43). Darin steht nicht Gott im Mittelpunkt, sondern die Jünger, die aufgefordert werden, nicht vor der Zeit einzugreifen. Der Erläuterung für die Jünger stellt Mt in 13,35 ein Erfüllungszitat voran (LXX -Ps 77,2), in dem er das Zentrum des Sauerteiggleichnisses, das „Verbergen“, aufgreift. Demnach spricht Jesus deshalb in Gleichnissen, um zu sagen, was von der Grundlegung der Welt an verborgen war. Dass Matthäus in 13,35 den Bezug zum der Sauerteigparabel48 bewusst herstellt, wird deutlich daran, dass er die in der Septuagintaversion des Psalms genannten durch („das Verborgene“) ersetzt. Matthäus versteht damit die Gleichnisse als Medium, die Königsherrschaft Gottes offenbar zu machen, die in der Welt wie Sauerteig (Mt 13,33) verborgen ist. Damit wird für Matthäus die Sauerteigparabel zum Gleichnis für den Sinn der Parabeln von der Königsherrschaft Gottes.49 Während in Mk 4,12 Parabeln die Funktion haben, die Königsherrschaft Gottes vor „denen draußen“ zu verbergen und sie, um im Bilde zu bleiben, als Sauerteig unter einem Berg Mehl zu begraben, hat das Erzählen von Parabeln bei Mt die Funktion, den Sauerteig, der seit Grundlegung der Welt verborgen war, offenbar zu machen.50
2.2 Die Umwelt Jesu und die Parabel vom barmherzigen Samariter (Lk 10,30–37) War die Auslegungsgeschichte der Sauerteigparabel als Beispiel für die Dominanz äußerer Faktoren gewählt, so sei anhand der Parabel vom barmherzigen Samariter der umgekehrte Fall dargestellt: Ein Textmotiv wird bestimmend für eine bestimmte Sicht der Umwelt Jesu.51
48 Luz, Evangelium nach Matthäus I/2 (s. Anm. 8), 334, ist zuzustimmen, wenn er erklärt, dass „ von Matthäus nicht nur bewusst formuliert, sondern auch im Kontext verankert ist (vgl. V 35.44)“. 49 Luz, Evangelium nach Matthäus I/2 (s. Anm. 8), 334: „Dem ‚verborgenen‘ Sauerteig entspricht die Verborgenheit der Wahrheit in den Gleichnissen (V 35)“. 50 Um die Mitte des 11. Jahrhunderts machte die Sauerteigparabel Kirchengeschichte. Während die lateinische (und die armenische) Kirche für die Hostien mit Blick auf das letzte Passamahl Jesu ungesäuertes Brot verwandte, argumentierte die östliche Kirche mit der Sauerteigparabel für die Verwendung von gesäuertem Brot bei der Eucharistie. So wurde im sogenannten Azymenstreit (von , ungesäuert) die Sauerteigparabel für das große morgenländische Schisma von 1054 zu einer treibenden Kraft. 51 Da es anders als bei der aus nur einem Satz bestehenden Sauerteigparabel hier um ausgewählte Verse geht, braucht keine Einzelexegese der ganzen Erzählung geboten zu werden.
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2.2.1 Interpretationsansätze Jeremias wertet das in der Gleichniserzählung vom barmherzigen Samariter (Lk 10,30–37) Beschriebene als tatsächlich geschehen: Es „wird, zum mindesten im szenischen Rahmen, an eine tatsächliche Begebenheit anknüpfen.“52 Jeremias hält die Vorgänge für symptomatisch und kann beinahe alle Details historisch zuordnen. Nur das Ausweichen des von Jerusalem nach Jericho herab wandernden Leviten ist ihm unverständlich – im Falle eines wörtlichen Verständnisses hätte der Levit keine Entschuldigung für sein Vorübergehen gehabt. Die vorausgesetzte Abbildhaftigkeit von Parabel und Zeitumständen lässt Jeremias auf eine umgekehrte Laufrichtung des Leviten schließen.53 Befinde der Levit sich nämlich auf dem Weg zum Tempeldienst nach Jerusalem, dann dürfe er sich nicht an einem Toten verunreinigen. Die Möglichkeit, dass Jesus den beiden Männern bewusst jede Entschuldigung für ihre Passivität nehmen wollte,54 wird von Jeremias nicht erwogen. Der hermeneutische Zirkel wird deutlich: Das Gleichnis gilt als Spiegel der Zeitgeschichte und prägt deren Verständnis. Anschauungen über zeitgeschichtliche Vorgänge wiederum ermöglichen Deutungen der Parabel oder auch die Korrektur ihres Wortlauts.55 Die Parabel vom barmherzigen Samariter ist u.a. für Jeremias ein Beleg für die allgemeine prekäre Sicherheitslage zur Zeit Jesu: Der „einsame, 27 km lange Abstieg von Jerusalem nach Jericho war noch unlängst56 für Raubüberfälle berüchtigt“57. J. Jeremias spricht in seinem Buch über das
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Jeremias, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 2), 201. Jeremias, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 2), 202. 54 Zutreffend z.B. M. Böhm, Samarien und die Samaritai bei Lukas. Eine Studie zum religionshistorischen und traditionsgeschichtlichen Hintergrund der lukanischen Samarientexte und zu deren topographischer Verhaftung, WUNT II /111, Tübingen 1999, 255: „Daß Priester und Levit am Halbtoten mit Abstand […] vorbeigingen (und so nicht einmal mitbekamen, daß er noch lebte) war der eigentliche Skandal. Das konnte nicht einmal mehr mit einer sakralen Reinheitsbestimmung, die die Verunreinigung durch Tote verbot, entschuldigt werden, da beide aus Jerusalem und damit vom Dienst zurückkehrten.“ 55 Rau, Reden in Vollmacht (s. Anm. 12), 395: „Es kommt zu einer Wechselseitigkeit des Gebens und Nehmens: Der Exeget sieht in das Gleichnis hinein, wovon er ohne das Gleichnis nichts wüsste, und das Hineingesehene verändert und bereichert sich dort so, daß es als Anderes, Fremdes zurückkehrt, das Anspruch auf Aneignung erhebt.“ 56 Bei Linnemann, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 14), 59, wird aus Jeremias’ „noch unlängst“ ein „heute noch“. 57 Jeremias, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 2), 201; H. Klein, Das Lukasevangelium. Übers. und erkl. v. H. Klein, KEK I/3, 10. Aufl., 1. Aufl. dieser Auslegung Göttingen 2006, 391 (Anm. 35): „Das ist bis in die jüngste Zeit hinein häufig vorgekommen“; vgl. F. Bovon, Das Evangelium nach Lukas. 2. Teilbd. Lk 9,51–14,35, EKK III /2, Zürich / Düsseldorf 1996, 89. 53
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„Jerusalem zur Zeit Jesu“ von „dem herrschenden Räuberunwesen“ damals.58 Seine Hauptquelle dafür ist das Samaritergleichnis.59 Die Annahme eines „Räuberunwesens“ zur Zeit Jesu steht in Spannung zu anderen Quellen. Die Parabel vom barmherzigen Samariter (Lk 10,30–37), in dem vier Männer allein und ohne Sicherheitsvorkehrungen von Jerusalem nach Jericho unterwegs sind,60 bestätigt die sonstigen Informationen über die zu Lebzeiten Jesu außergewöhnlich ruhige allgemeine Lage.61 Die Interpretation der Parabel vollzieht sich bis heute in der Tradition Jeremias’. Besonders die in Katechese und Predigt62 vorherrschenden historischen Vorstellungen über die Zeit Jesu sind durch die Auslegung Jeremias’ bestimmt. Als Beispiele der Kontinuität und der zum Teil wörtlichen Übernahme seiner Positionen zum barmherzigen Samariter seien pars pro toto die Predigtmeditation von B. Giehl63 und das „Studien- und Arbeitsbuch zu den Gleichnissen Jesu“ genannt.64 In seiner Predigtmeditation mutmaßt Giehl,65 dass Priester und Levit auf dem Weg zum Tempel sind, dass der als „aussätzig“ geltende Samariter vom Esel steigt und dass der Räuber aus sozialer Not geworden ist, was er ist, weil ihm wahrscheinlich eine Tochter verhungerte. Giehl bekennt, er selbst habe sich noch nicht entschieden, ob er das Opfer bewundern oder für verrückt erklären solle, weil es den Weg von Jerusalem nach Jericho benutzte. Er jedenfalls täte das nicht.
58 J. Jeremias, Jerusalem zur Zeit Jesu. Kulturgeschichtliche Untersuchung zur neutestamentlichen Zeitgeschichte, 3., neubearb. Aufl. Göttingen 1962 (11923–1927), 67; J. B. Green, The Gospel of Luke, NICNT , Grand Rapids, Mich. / Cambridge (UK ) 1997, 430: „Realistic, too, is the picture of violence on the road, since travel in general – and especially travel on this particular road – was replete with danger“. 59 Jeremias, Jerusalem zur Zeit Jesu (s. Anm. 58), 67, führt außer den Räubern aus der Samariterparabel für die Lebens- und Wirkzeit Jesu die zur Rechten und Linken Jesu gekreuzigten Räuber der Passionsgeschichte als Beleg an. 60 Vgl. Jeremias, Jerusalem zur Zeit Jesu (s. Anm. 58), 67. 61 „Sub Tiberio quies“, charakterisierte Tacitus die Epoche (Hist. V,9); vgl. Ostmeyer, Armenhaus und Räuberhöhle? (s. Anm. 40), 154–156. 62 M. Dutzmann, Gleichniserzählungen Jesu als Texte evangelischer Predigt, APT h 23, Göttingen 1990, 131: J. Jeremias’ „Buch ist über mehrere Jahrzehnte hinweg ein theologisches Standardwerk gewesen, und wahrscheinlich ist es ihm überhaupt erst zu verdanken, daß die Einsicht Jülichers in den nicht-allegorischen Charakter der Gleichnisse auch unter Predigern zum Allgemeingut wurde.“ 63 B. Giehl (mit H. Liersch), 13. Sonntag nach Trinitatis, in: E. Domay (Hg.), Gottesdienstpraxis. Arbeitshilfen für die Gestaltung der Gottesdienste im Kirchenjahr. Gottesdienstpraxis, Serie A, 1. Perikopenreihe, Bd. 3: Trinitatis bis 14. Sonntag nach Trinitatis, 141–149. 64 P. Müller / G. Büttner / R. Heiligenthal / J. Thierfelder, Die Gleichnisse Jesu. Ein Studien- und Arbeitsbuch für den Unterricht, Stuttgart 2002, 177. 65 Giehl, 13. Sonntag nach Trinitatis (s. Anm. 63), 145 f.
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2.3 Exkurs zur Parabel vom verlorenen Sohn (Lk 15,11–32)66 Stand die Samariterparabel paradigmatisch für die Einschätzung der Sicherheitslage in der Lebenswelt Jesu, so kann die Parabel vom verlorenen Sohn als Anknüpfungspunkt für ein bestimmtes Bild der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen67 Hintergründe dienen.68 Wichtige Stichworte in diesem Zusammenhang sind Armut,69 Großgrundbesitz70 und Patriarchale Strukturen.71 So sprechen im Kontext des Gleichnisses vom verlorenen Sohn (Lk 15,11–32) Jeremias,72 Linnemann73 und Schottroff74 von den häufigen Hungersnöten in Palästina zur Zeit Jesu, obwohl sowohl die Aussagen der Parabel als auch die übrigen Quellen für die Zeit Jesu das Gegenteil belegen.75 Galiläa als Exportland76 kannte zu Lebzeiten Jesu keine Hungersnöte. Der jüngere Sohn im Gleichnis hungert im Ausland, während es bei seinem Vater Brot in Fülle gab (Lk 15,17). Von „häufigen Hungersnöten in Palästina“ kann für die Zeit Jesu keine Rede sein.77 Die Parabel dient dem Transport einer bestimmten Sicht der Umwelt Jesu. 66 L. Schottroff, Das Gleichnis vom verlorenen Sohn, ZT hK 68 (1971), 27–52, 51, schreibt die Parabel dem Evangelisten Lukas zu. Dagegen kommt O. Hofius, Alttestamentliche Motive im Gleichnis vom verlorenen Sohn, NTS (24) 1978, 240–248, 248, zu dem Ergebnis: „Die Nähe zum hebräischen Alten Testament kann die Angabe des Evangelisten, daß Jesus das Gleichnis erzählt habe, nur unterstreichen.“ 67 Schottroff, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 3), 181: „Indirekt erzählt der Text also auch noch von seiner Rechtlosigkeit als Wirtschaftsflüchtling und Fremder im Land.“ 68 J. Habbe, Palästina zur Zeit Jesu. Die Landwirtschaft in Galiläa als Hintergrund der synoptischen Gleichnisse, Neukirchener Theologische Dissertationen und Habilitationen 6, Neukirchen-Vluyn 1996, 109: „Das Gleichnis beschreibt eine eher eigenartige Landwirtschaft, die wohl stark durch die Sachhälfte geprägt ist. Die großherrschaftlichen Züge dieses Gleichnisses weisen weniger nach Galiläa als in die Jesreel-Ebene, Judäa oder über Palästina hinaus.“ 69 Schottroff, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 3), 180: „Wie viele andere jüdische Menschen wandert der junge Mann auf der Suche nach einer neuen ökonomischen Existenz aus, die in dem zunehmend verarmenden jüdischen Mutterland viel schwieriger zu finden war. […] Im Römischen Reich gab es beträchtliche Wanderungen aus wirtschaftlichen Gründen.“ 70 Differenzierend Habbe, Palästina zur Zeit Jesu (s. Anm. 68), 99: „Großgrundbesitzer, die es in Galiläa wahrscheinlich nicht gab, fanden sich vor allem in Judäa“; vgl. a.a.O., 103. 71 Rau, Reden in Vollmacht (s. Anm. 12), 195: „Dabei zeigt die Terminologie besonders deutlich, wie sehr die ganze Geschichte die Einstellungen eines hierarchisch strukturalisierten Patriarchalismus teilt“; vgl. a.a.O., 406; vgl. Schottroff, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 3), 184–186. 72 Jeremias, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 2), 129. 73 Linnemann, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 14), 81. 74 L. Schottroff, Die Güte Gottes und die Solidarität von Menschen. Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg, in: W. Schottroff / W. Stegemann (Hgg.), Sozialgeschichtliche Auslegungen II : Neues Testament, München u.a. 1979, 71–93, 77: „Es ist ein Leben an der ‚unteren Grenze menschlichen Nahrungsbedarfs‘“; ebd.: Der „Tagelöhner und seine Familie leben also von der Hand in den Mund.“ 75 Vgl. Ostmeyer, Armenhaus und Räuberhöhle? (s. Anm. 40), 168–170. 76 Getreide: Jos, Ant XIV § 203; Oliven: Jos, Bell II §§ 592 f.; Jos, Vita § 75; Fisch und Balsam: Strabo, Geographie XVI ,2; Weine, Honig, Feigen und Parfüme: Plinius d.Ä., Nat.Hist. XIII ,44 und Tacitus, Hist. V,6. 77 Hungersnöte sind bekannt aus der Zeit Herodes des Großen (Jos, Ant XV 9,1 f. § 299–316), als Folge des gegen den Zensus des Quirinius gerichteten Aufstands in Judäa unter
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3. Auswertung Parabeln gelten als „Urgestein der Jesusüberlieferung“.78 Als vermeintliche Trägerinnen der ipsissima vox Jesu werden Parabeln mehr als andere Texte als Spiegel der Lebenswelt Jesu verstanden. Doch bereits die Festlegung des Kanons der als echt geltenden Gleichnisse ist mit Schwierigkeiten verbunden: Welche Parabel geht auf Jesus zurück und welche ist Gemeindebildung?79 Die Problematik setzt sich fort bei der Herauslösung der Parabeln aus ihren literarischen Kontexten:80 Textelemente, die für die einen zum Urtext zählen, werden von anderen der Redaktion zugerechnet. J. Liebenberg stellt darüber hinaus mit Recht bestimmte Prämissen in Frage: Wer sagt, dass ein Gleichnis nur einmal und nur in einer Situation von Jesus erzählt wurde und dass ein Gleichnis auf eine einzige Botschaft festgelegt war?81 Ausschlaggebend für die Wahl eines bestimmten Textbestandes ist letztlich das, was der jeweilige Interpret oder die jeweilige Exegetin dem historischen Jesus zutrauen und was sich dem eigenen Bild der Lebenswelt Jesu einfügt.82 Selbst wenn es gelänge, den authentischen jesuanischen Parabeltext zu rekonstruieren, wäre damit noch nicht entschieden, ob eine Parabel Wirklichkeit abbildet oder konterkariert. Die Entscheidung für die Abbildhaftigkeit oder für die Gegenbildlichkeit einer Parabel und das Bild von Jesus als Parabelerzähler sowie die Auffassungen über seine Umwelt stehen in einer Wechselbeziehung. Bei vielen Parabeln handelt es sich demnach um Gleichungen mit mehreren Unbekannten: 1) Erzähler / Text, 2) Lebenswelt und 3) das Verhältnis beider zueinander. Judas dem Gamaliter (6 n. Chr.; Jos, Ant XVIII § 8) und unter Claudius (ca. 46–48 n. Chr., Jos, Ant XX § 51; Apg 11,28). 78 Vgl. Anm. 32. 79 Schottroff, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 3), 138: „Es lässt sich nicht feststellen, welche Gleichnisse auf den historischen Jesus zurückgehen und welche – wie? – überarbeitet oder neu hinzugefügt wurden.“ 80 J. Schröter, Von der Historizität der Evangelien. Ein Beitrag zur gegenwärtigen Diskussion um den historischen Jesus, in: ders. / R. Brucker (Hgg.), Der historische Jesus, Tendenzen und Perspektiven der gegenwärtigen Forschung, BZNW 114, Berlin / New York 2002, 163–212, 169, nennt die Trennung von Jesus-Worten und erzählerischem Rahmen „geschichtsmethodologisch unhaltbar“; vgl. a.a.O., 188: „die narrativen Verarbeitungen von Wirken und Geschick Jesu [dürfen] nicht einfach als für die historische Frage unerheblicher ‚Rahmen‘ beiseite geschoben werden“. Anders Theissen / Merz, Der historische Jesus (s. Anm. 32), 304: Gleichnisse „sind kleine Kunstwerke, die ihre Pointe in sich tragen und die auch ohne einen größeren literarischen Kontext existieren können.“ 81 J. Liebenberg, The Language of the Kingdom and Jesus. Parable, Aphorism, and Metaphor in the Sayings Material Common to the Synoptic Tradition and the Gospel of Thomas, BZNW 102, Berlin / New York 2001, 526–529. 82 Rau, Reden in Vollmacht (s. Anm. 12), 111: Die Parabeln vom Senfkorn und Sauerteig „sind zweifellos nahe verwandt und werden in der Regel nicht nur als authentische, sondern auch als zentrale Zeugnisse der Eschatologie Jesu angesehen. Bei ihrer Interpretation spielt deswegen das jeweilige Jesusbild eine wichtige Rolle.“
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Das oben angesprochene Problem der Bestimmung des Parabeltextes und seiner Herauslösung aus dem Kontext ist dabei noch nicht berücksichtigt. Jede Festlegung bezüglich einer der genannten Komponenten hat Konsequenzen für das gesamte Interpretationsgefüge. Die an sich nicht unwahrscheinliche Annahme, in den Gleichnissen sei authentisches Jesusgut greifbar, bietet weder eine sichere Basis für Rückschlüsse auf die Umwelt noch für die Bestimmung der Parabelintention.83 Gleiches gilt, wenn ein bestimmtes Gesellschafts- oder Umweltbild vorausgesetzt wird. Ziel der Studie war es, auf das Verhältnis von Parabeln und Umwelt sowie auf die Mechanismen der Interpretation hinzuweisen. Das Wissen um die genannten Abhängigkeiten und das Erkennen dessen, was ungesichert bleibt, macht zugleich deutlich, was bei den Parabeln positiv greifbar ist: 1) Dem Wortlaut einer Parabel gilt unbedingte Priorität.84 Die Interpretationsgeschichte der Sauerteigparabel zeigt exemplarisch, dass diese Forderung nicht selbstverständlich ist. 2) Nicht die Parabel oder einzelne ihrer Elemente sind als Quelle der in ihr beschriebenen Umwelt geeignet. Wohl aber beleuchten die Erkenntnisse der Forschung (aus Archäologie, zeitgenössischen Texten, Naturwissenschaften etc.) bestimmte Motive der Parabeln. Die genannten Faktoren erlauben allein keine eindeutige Parabelinterpretation; es bleibt weiterhin genug Spielraum für unterschiedliche Verstehensweisen. Ihre Berücksichtigung ist aber die Voraussetzung, textfremde, ahistorische und interessegeleitete Auslegungen zu vermeiden oder als solche zu identifizieren. So wird deutlich: Nicht die Parabeln sind Quelle für das Verständnis Jesu und seiner Umwelt, wohl aber spiegelt sich in den jeweiligen Parabelinterpretationen85 das Jesusbild und das Umwelt-Jesu-Bild der Auslegenden.86 83 Wenn Gleichnisse als ipsissima vox Jesu verstanden werden und die Abhängigkeit von den genannten Faktoren unberücksichtigt bleibt, besteht die Gefahr, dass eine individuelle Sicht, die in das Gleichnis hineingelesen wird, als vermeintliche Sicht Jesu wieder zurück gespiegelt wird und so als authentisch und legitimiert erscheint. 84 Rau, Reden in Vollmacht (s. Anm. 12), 397: „Es ist zwar von großer Bedeutung, den sprachlich realisierten Vordergrund eines Gleichnisses mit dem mitschwingenden, sprachlich nicht realisierten Hintergrund ins Gespräch zu bringen. Doch empfiehlt es sich, die Exegese selber ausschließlich am ebenso bewusst wie sorgfältig formulierten Vordergrund zu orientieren.“ 85 Auch eine hermeneutische oder literaturwissenschaftliche Auslegung kann sich nicht von den genannten Faktoren frei machen. Auch sie ist abhängig von einem bestimmten Verständnis der Parabelelemente. Es handelt sich letztlich um Selbstauslegungen derer, die mit ihrem Wissen, ihrer Erfahrung und ihren Meinungen an die Parabeln herangehen: Wenn die Basileia – poietisch – in der Sprachform Wirklichkeit wird, dann wird sie anders bei dem Wirklichkeit, der das Sauerteiggeschehen in Mt 13,33 für typisch und alltäglich hält, als bei dem, der die beschriebene Handlungsweise als unpraktikabel beurteilt. 86 Werden Parabeln als Spiegel der Rezipierenden verstanden, dann sind die unterschiedlichen Gleichnistheorien und Interpretationsansätze verschiedene Weisen sich den Spiegel vorzuhalten; vgl. Funk, Beyond Criticism (s. Anm. 24), 151: „Methodology is not an indifferent net; it catches only what it is designed to catch.“
Sozialgeschichtliche Gleichnisauslegung Überlegungen zu einer nichtdualistischen Gleichnistheorie Luise Schottroff 1. Der Ausgangspunkt: Gott und die Herren in den Gleichniserzählungen Im Mittelpunkt vieler Gleichniserzählungen steht ein Kyrios / Herr: ein Weinbergbesitzer (Mt 20,1–16), ein Sklavenherr (Mt 25,14–30; Lk 19,11–27; Mk 12,1–12 und andere Sklavengleichnisse), ein König (Mt 22,1–14; 18,23–35), ein Hausherr (Lk 14,16–24) etc. Das Wörterbuch von W. Bauer1 vermerkt zu oikodespot s: „Hausherr … In Gleichnissen und Bildern von Gott“. Er fasst damit die Auslegungstradition dieser Gleichnisse treffend zusammen: Sie werden als Gleichnisse, Bilder, Metaphern gelesen, die sich auf Gott beziehen. Trotz unterschiedlicher Gleichnistheorien seit Jülicher bleibt dies die Grundannahme der Gleichnisauslegung, die sich auch schon in die Alte Kirche zurückverfolgen lässt.2 Vermutlich ebenso alt ist das spürbare Unbehagen, das diese Annahme gelegentlich erzeugt. Der König in Mt 18,23–35 vergibt die Schulden nur einmal. Als der Sklave, dessen Schulden erlassen wurden, gegenüber einem Schuldner seinerseits unbarmherzig handelt, demonstriert der König brutale Härte: Er lässt den unbarmherzigen Sklaven von professionellen Folterern foltern (Mt 18,34). Besonders Auslegungen, die die vorangehenden Jesusworte über Vergebung (Mt 18,21.22) für das Gleichnis als Deutungsrahmen ernst nehmen, haben Mühe, die unbegrenzte Vergebungsbereitschaft, von der Jesus spricht, mit diesem Herrn und seinen Folterknechten zusammenzubringen.3 Im Gleichnis von den anvertrauten Talenten wird in der Matthäusversion (25,14–30) der dritte Sklave schwer bestraft (äußerste Finsternis, in der er Todesangst leidet). Sein Vergehen ist vergleichsweise leicht. Er hat das Geld des Herrn 1 W. Bauer, Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der frühchristlichen Literatur, hg.v. K. und B. Aland, Berlin / New York 61988, 1131; vgl. K. Erlemann, Gleichnisauslegung. Ein Lehr- und Arbeitsbuch, Tübingen / Basel 1999, 106. 2 Dazu s. L. Schottroff, Die Gleichnisse Jesu, Gütersloh 2004, 64, zu Mt 22,1–14. 3 Belege bei Schottroff, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 2), 264 Anm. 17.
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nicht befehlsgemäß vervielfacht, sondern nur die anvertraute Summe sorgfältig aufbewahrt. Außerdem nennt er seinen Herrn einen Dieb, weil dessen Wirtschaftsmethode räuberisch sei. Auch hier ist in der Auslegungstradition gelegentlich die Mühe zu spüren, die harte Strafe gerechtfertigt zu finden und das Verhalten des dritten Sklaven als strafwürdiges Vergehen zu deuten. Selbst im Gleichnis vom verlorenen Sohn lässt die Güte des Vaters Fragen aufkommen: Warum beginnt das Fest, ehe der ältere Sohn vom Feld kommt? Was bedeutet es für den jüngeren Sohn, dass am Schluss der Vater zum älteren sagt: „Alles, was mir gehört, gehört dir“? Das Unbehagen, das Mt 22,1–14 weckt, ist im 20. Jahrhundert oft literarkritisch wegerklärt worden: Mt 22,11–13 sei sekundär. So lässt sich die Frage eher vermeiden, wieso der König einen Gast nur wegen seiner unangemessenen Kleidung so schwer bestraft (dieselbe Strafe wie Mt 25,30: äußerste Finsternis mit Schmerzensgeschrei und Zähneknirschen). Gerade bei diesen Strafen hat die Auslegungstradition meist den Weg gewählt, sie als bildliche Darstellung des Gottesgerichtes bzw. der Hölle anzusehen. Damit ist die Frage nach der Grausamkeit und der Brutalität im Bilde Gottes aber nicht wirklich zu lösen. Auch das Verhalten des Bräutigams, der die „törichten“ Mädchen vom Fest ausschließt (Mt 25,12), hat zu Recht Unbehagen hervorgerufen.4 Diese kritischen Fragen entstehen durch die Erzählung von der Brutalität der Herren in Gleichnissen, die doch als Gleichnis von Gott gelesen werden sollen. Die auslösenden Erzählelemente sind nicht identisch mit den von Ricœur „Extravaganzen“ genannten Zügen in Gleichnissen, die nach seiner Theorie auf eine zweite Ebene neben der ersten Ebene der Alltagserzählung in gewöhnlicher Sprache verweisen. So nennt er Mk 12,6 eine Extravaganz: Kein normaler Vater würde seinen Sohn in die Hände der Mörder geben; oder Mt 20,8–15: Kein normaler Arbeitgeber würde, so argumentiert Ricœur, Kurzarbeitern den vollen Tagelohn zahlen. So bricht eine andere Wirklichkeit in die Alltagswelt hinein.5 Das Urteil, es läge eine Extravaganz vor, entsteht also durch Annahmen darüber, was normale Menschen tun würden. Das von mir beschriebene Unbehagen entsteht jedoch aus der Erzählung von der Brutalität der Gleichnisherren, die schlecht in ein Gleichnis von Gott zu passen scheinen. Wie auch immer die Beziehung zwischen der erzählten Geschichte und Gottes Handeln gleichnistheoretisch gefasst werden mag, diese 4 Deutlich bei U. Luz, Das Evangelium nach Matthäus. 3. Teilbd. Mt 18–25, EKK I/3, Zürich / Düsseldorf / Neukirchen-Vluyn 1997, 476–477, zu Mt 25,12, s. dazu noch unten. In diesem Kommentar ist auch zu Mt 25,24–28 die Spannung zwischen der Deutung auf das Verhältnis Mensch-Gott und dem Fehlverhalten des dritten Sklaven zu finden, 508. Das Fehlverhalten wird in einer Fehleinschätzung des Herren gesehen, ähnlich F. Bovon, Das Evangelium nach Lukas. 3. Teilbd. Lk 15,1–19,27, EKK III/3, Düsseldorf / Zürich / Neukirchen-Vluyn 2001, 298, zu Lk 19,22–23. 5 P. Ricœur, Stellung und Funktion der Metapher in der biblischen Sprache, in: P. Ricœur / E. Jüngel (Hgg.), Methapher. Zur Hermeneutik religiöser Sprache, EvTh.S (1974), 45–70; s. dazu auch Schottroff, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 2), 121 f.
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Schwierigkeit, das Unbehagen über das Gottesgleichnis bleibt bestehen, solange Gott in irgendeiner Weise in dem Kyrios abgebildet sein soll. Ausgehend von dieser Beobachtung muss die generelle Frage gestellt werden, ob die Annahme, die Gleichnisse seien bildliche Rede über Gott, nicht einer kritischen Überprüfung bedarf. Sollen tatsächlich Gleichnisse aus der Welt der Herren, die im römischen Reich alle Bereiche des Lebens bestimmen, Gott abbilden? Wie ist die Beziehung zwischen diesen Herren und Gott? Die generelle kritische Frage, ob diese brutalen Gewaltmenschen wirklich Gott abbilden, ist in der Wissenschaftstradition relativ neu.6 Nur Einzelzüge erregten schon vorher gelegentlich Erstaunen. Der Grund für die Unempfindlichkeit gegenüber den Gleichniserzählungen ist im theologischen Dualismus zu suchen, der den meisten Gleichnisdeutungen und Gleichnistheorien zugrunde liegt. Der Dualismus hat dazu geführt, die Erzählung nicht in sich selbst ernst zu nehmen, sozialgeschichtlich zu analysieren und auf ihre theologische Bedeutung hin zu untersuchen.
2. Dualismus in Gleichnistheorien Unter „theologischem Dualismus“ verstehe ich eine Opposition von Reich Gottes und Diesseits, die Trennung von Himmel und Erde, von Heil und Geschichte, von Seele und Körper, von Ewigkeit und Vergänglichkeit. Dieser Dualismus umfasst das Zeitverständnis (Eschatologie) und die Anthropologie, die Gotteslehre wie die Soteriologie. Dieser Dualismus wird meist stillschweigend vorausgesetzt, ohne dass diese Grundannahmen thematisiert werden. Es wird vorausgesetzt, dass das Reich Gottes ins Jenseits gehört, jenseits der Geschichte, jenseits des Körpers geschieht. Reich Gottes und 6 Gelegentlich findet sie sich in der Literatur, z.B. bei B. Brecht, Das Pfund der Armen. Anhang zum Dreigroschenroman, in: ders., Gesammelte Werke (in 20 Bänden), hg.v. Suhrkamp Verlag in Zusammenarbeit mit E. Hauptmann, Bd. 13: Die Dreigroschenoper u.a., Frankfurt a.M. 1967. W. R. Herzog II, Parables as Subversive Speech. Jesus as a Pedagogue of the Oppressed, Louisville, Ky. 1994, hat konsequent sozialgeschichtliche Fragen an die Gleichnisstories gerichtet und sie von der bildlichen Deutung auf Gott abgelöst. Er versteht die Gleichnisse als Form sozialer Analyse und ist aus literarkritischen Gründen an den Rahmenaussagen (Einleitung und Schluss) nicht interessiert. Er hält sie für unjesuanisch. Autoren wie Richard L. Rohrbaugh und Warren Carter haben ebenfalls sozialgeschichtliche Analyse der Gleichniserzählungen in den Mittelpunkt ihrer Interpretation von Gleichnissen gestellt, zum Detail s. Schottroff, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 2), passim. Ansätze für eine weiterführende kritische Diskussion der Deutung der Herrengestalten in Gleichnissen finden sich bei feministischen Exegetinnen: V. Balabanski, Opening the Closed Door. A Feminist Rereading of the ‚Wise and Foolish Virgins‘ (Mt 25,1–13), in: M.A. Beavis (Hg.), The Lost Coin. Parables of Women, Work and Wisdom, London / New York 2002, 71–97; A.-J. Levine, Matthew, Mark, and Luke. Good News or Bad?, in: P. Fredriksen / A. Reinhartz (Hgg.), Jesus, Judaism, and Christian Anti-Judaism. Reading the New Testament after the Holocaust, Louisville, Ky. / London 2002, 77–98.
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Auferstehung werden irgendwann einmal geschehen, nicht aber jetzt. Das Heil, das von Gott kommt, führt Menschen aus der Vergänglichkeit heraus, weg an einen anderen Ort, in eine andere Zeit – so wird vorausgesetzt. Diese Trennung der Bereiche Gottes und der Menschen durchzieht alle theologischen Denkmuster der westlichen christlichen Theologie und so auch die Gleichnistheorien. Ich möchte das zunächst an der Gleichnistheorie verdeutlichen, die die Annahmen bündelt, die der westlichen Diskussion über Gleichnisse im 20. Jahrhundert zugrunde lagen: Rudolf Bultmann hat mit seinem Buch „Die Geschichte der synoptischen Tradition“ seit den 20 er Jahren die Richtung bestimmt. Für Bultmann sind die „Bilder“ der Gleichnisse „neutrale“ Sachverhalte. „Am klarsten formuliert man m.E. das Wesen des Gleichnisses und der Parabel im Unterschied von der Allegorie so, dass sie die Übertragung eines (an neutralem Stoff gewonnenen) Urteils auf ein anderes, zur Diskussion stehendes Gebiet fordern.“7 Diese Theorie beruht auf dem Ansatz Adolf Jülichers. Das „Urteil“, das Bultmann hier nennt, heißt bei Jülicher auch „tertium comparationis“8. Jülicher sieht das „Gleichnis“ selbst als Veranschaulichung. Sein leidenschaftliches Plädoyer gilt der Deutung des Gleichnisbildes als eigentliche Rede, die durch allegorische Deutungen fehlinterpretiert wird. Trotz dieses Ansatzes zieht er nicht die Konsequenz, die Erzählungen sozialgeschichtlich zu erforschen. Sie bleiben beliebiges Anschauungsmaterial. In der neueren gleichnistheoretischen Diskussion ist der Ansatz Jülichers und Bultmanns wegen seines „one point approach“ und damit der Vernachlässigung der Metaphern bzw. allegorisierenden Elemente kritisiert worden.9 Auch die von Bultmann praktizierte Literarkritik gehört weitgehend der Vergangenheit an. Doch seine Annahme, das Gleichnisbild sei „neutraler“ Sachverhalt, ist nicht kritisiert worden. Diese Annahme jedoch basiert auf dem christlich-theologischen Dualismus, der in der westlichen Theologie weiterhin vorherrscht. Es gibt Ansätze, theologisch über realexistierende Körper nachzudenken, für die Gleichnistheorie und die Gleichniserzählungen steht diese Diskussion weitgehend noch aus. Die Welt der Menschen, die sich in den Gleichniserzählungen spiegelt, bleibt ohne Belang, vordergründig, nur Anschauungsmittel.
7 R. Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, FRLANT NF 12, Göttingen 1958, 214. 8 A. Jülicher, Die Gleichnisreden Jesu, Teile I–II, Ausgabe in einem Band, Tübingen 21910, I, 83.95.78. 9 Überblicksinformation z.B. bei G. Theissen / A. Merz, Der historische Jesus. Ein Lehrbuch, Göttingen 21997, § 11. 4
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3. Konsequenzen des theologischen Dualismus: Gott, wir und die „Anderen“ Die Konsequenzen des theologischen Dualismus wirken sich formal und inhaltlich auf die Deutung der Gleichnisse aus. Sie erzeugen Deutungsmuster. Wie schon angedeutet, ist die wenig ausgearbeitete sozialgeschichtliche Analyse der Gleichniserzählung der Grund dafür, dass Horrorgeschichten von Gewaltherrschern als Bildmaterial für Gott, Christus und Gottes Reich genommen werden. Ulrich Luz sieht in seinem Matthäuskommentar, dass der Bräutigam in Mt 25,12 eigentlich eine schreckliche Figur abgibt: Er zitiert die Kritik von Nikos Kazantzakis am Bräutigam, der den Schluss des Gleichnisses umdichtet: „Lasst die gedankenlosen Jungfrauen hereinkommen und sich die Füße waschen, denn sie sind weit gelaufen“10. Ulrich Luz distanziert sich von dem matthäischen Jesus, den er in 25,12 am Werke sieht, und er deutet ein Gleichnis Jesu an, das ohne diese Drohung existiert haben könnte. Doch zum Schluss nimmt er seine eigenen Ansätze zur Sachkritik an der Erzählung zurück und so bleibt eine Deutung stehen, in der es um die Taten (das Öl im Bild), um den Einsatz für das Gottesreich und das Ernstnehmen des heiligen Gottes geht, das die dummen Frauen versäumt haben. Die Erzählung hat also nach Luz eine richtige und eine falsche Verhaltensweise vor Gott veranschaulicht. Das ist das alte Deutungsmuster der Auslegungstradition. In älterer Literatur wurde ohne selbstkritisches Nachdenken die Rolle derer, die sich vor Gott falsch verhalten, dem jüdischen Volk oder repräsentativen Gruppen daraus zugeschoben. Luz dokumentiert zu Recht kritisch die antijudaistische Deutungstradition, nach der die dummen Jungfrauen die „Synagoge“ repräsentieren und die klugen die „Kirche“. Obwohl Luz diesen Antijudaismus ablehnt, lässt sein Deutungsmuster zu, dass die dummen Frauen weiter zur Projektionsfläche für die „anderen“ werden, die uns dazu verhelfen, vor Gott auf der richtigen Seite zu stehen. Die sozialgeschichtliche Frage würde dieses Muster grundlegend in Frage stellen: Die Erzählung stellt im Stil von antiker Mädchenerziehung kluge und dumme Frauen einander gegenüber. Sie handelt von der sozialen Situation, die junge Mädchen zwingt, ihre Qualitäten als Eheanwärterinnen zu profilieren.11 Mit solchen sozialgeschichtlichen Überlegungen wird die Gleichniserzählung in ihrem gesellschaftlichen Bezug ernst genommen, also der Dualismus entmachtet. Die Erzählung ist nicht mehr neutrale Nebensache, sondern eine eigenständige Stellungnahme zu gesellschaftlicher Gewalt, in diesem Fall in der Frauenerziehung. Sie benennt Strukturen der Unterdrückung in einer fiktiven Erzählung. Mit dieser sozialgeschichtlichen Analyse wird zugleich das Deutungsmuster richtig / falsch – wir / die anderen hinfällig. Die dummen 10 11
Luz, Evangelium nach Matthäus III (s. Anm. 4), 492. Schottroff, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 2), 44–55.
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Frauen sind nicht mehr fraglos die Dummen, denen es nur recht geschieht, dass sie ausgeschlossen werden.
4. Fiktive Erzählungen und sozialgeschichtliche Analyse Die Gleichniserzählungen beabsichtigen nicht, ein tatsächliches einmaliges Geschehen zu bezeugen. Der König schickt seine Armee und lässt die Stadt der Mörder seiner Boten verbrennen (Mt 22,7). Die Erzählung sagt nicht, es handele sich um Jerusalems Zerstörung durch die römische Armee. Diese Deutung ist durch die christliche Auslegungstradition vorgegeben. Doch eine sozialgeschichtliche Analyse muss berücksichtigen, dass nicht nur Jerusalem im Jahre 70 n. Chr. einer solchen imperialen Strategie, unbotmäßige Städte zu zerstören, zum Opfer fiel.12 Die Gleichniserzählung bleibt abstrahierend, verallgemeinernd und fiktiv. Aber sie redet deutlich von der Zerstörung ganzer Städte. Sie beschreibt Strukturen der zeitgenössischen Welt, auch wenn sie so erzählt, als handele es sich um ein einzelnes Ereignis. Jülichers Unterscheidung von Gleichnis im engeren Sinn und Parabel versuchte Gleichnisse danach zu unterscheiden, wie die in ihr dargestellte Wirklichkeit vorgestellt sei: alltäglich dauerhaft vorhanden oder einmalig („was einmal jemand gethan hat“).13 Doch diese Unterscheidung lässt sich nicht streng durchhalten. Ist das Gleichnis vom Senfkorn in der lukanischen Fassung eine Parabel oder ein Gleichnis im engeren Sinn? Die Fiktionalität der Erzählung widerstrebt dieser Unterscheidung. Diese Fiktionalität bedeutet jedoch nicht, dass die Texte nicht von der vorfindlichen Wirklichkeit sprechen. Sie ist nicht „pseudorealistisch“, wie Erlemann aus der Fiktionalität folgert.14 Der fiktive Charakter der Erzählungen sollte gerade nicht dazu führen, die sozialgeschichtliche Analyse zu vernachlässigen. Sie ermöglicht, vor allen Entscheidungen über die Fragen der Deutung von Texten und Einzelzügen als metaphorisch und vor Entscheidungen, ob Extravaganzen im Sinne Ricœurs oder Pseudorealismus vorliegen, zu beobachten, von welchen Verhältnissen und Strukturen in der Pflanzenwelt, der politischen und ökonomischen Welt und in den Beziehungen der Menschen eigentlich die Rede ist. Auch die Details sollten sozialgeschichtlich befragt werden, die schon immer als durch Allegorisierung verursacht angesehen wurden: Das Heulen und Zähneklappern, das „Erben“ der Pächter, die den einzigen Sohn des Besitzers erschlugen (Mk 12,7), Hochzeitsmähler ohne Braut (Mt 22,1–14) und die vor nach12 S. das Material bei W. Carter, Resisting and Imitating the Empire. Imperial Paradigms in Two Matthean Parables, Interp. 56 (2002), 260–272. 13 Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 8), I, 93; ähnlich Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 1), 80.81. 14 Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 1), 75.
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lässigen jungen Mädchen zugeschlagene Tür (Mt 25,12). Wenn das Lukasevangelium das makellose Verhalten eines Vaters (in Lk 15,11–32), das als Abbild der Liebe Gottes überzeugt, hätte erzählen wollen, wäre dieser Vater anders dargestellt. Warum also verhält sich der Vater so autoritär? Dies ist eine Frage, die zunächst sozialgeschichtlich bearbeitet werden muss, dann erst kann nach der Deutung gefragt werden.
5. „Gott ist nicht so!“ Vergleichen oder gleichsetzen? In der Apostelgeschichte (17,29) greift Paulus auf die jüdische Kritik an menschengemachten Götterbildern zurück: „Weil wir nun göttlicher Herkunft sind, dürfen wir nicht meinen, das Göttliche gleiche Gold oder Silber oder Stein“ (… to theion einai homoion) (vgl. 7,48–50; Röm 1,23). Die Liste fährt in Apg 17,29 fort: „… einem Gebilde menschlicher Kunstfertigkeit und Einbildungskraft (enthym sis)“. Der Text bezieht sich auf Götterstatuen und andere bildliche Darstellungen von Göttern und Göttinnen. Doch sind nicht auch Gleichniserzählungen Produkte menschlicher Einbildungskraft? Diese starke Traditionslinie jüdischer Kritik an Götterbildern sollte vorsichtig machen, die Herrschaftsgestalten der Gleichnisse so ohne weiteres als bildliche Darstellungen Gottes bzw. des Handelns Gottes anzusehen und vom Gleichnis als einer literarischen Gattung zu reden, in der es um gleichsetzen (z.B. „gleicht“ oder „ist gleich“) mit Gottes Reich oder Gott geht. Die Ehrfurcht im Umgang mit Gott drückt sich in der literarischen Tradition der Gleichnisse bei Matthäus in seiner Wendung basileia t n ouran n / Himmelreich aus. Der Name Gottes soll nicht ausgesprochen werden, darum wird er nach biblischer und außerbiblischer Tradition in der gesprochenen Sprache durch Ehrfurchtswörter ersetzt.15 Himmel bei Matthäus ist ein solches Ehrfurchtswort. Kritik an menschengemachten Götterbildern und die Tradition der Ehrfurcht gegenüber dem Namen Gottes lassen eine Gleichnisdeutung auf der Grundlage einer Gleichsetzung als problematisch erscheinen. In den Einleitungssätzen zu Gleichnissen werden sehr häufig Wörter aus der griechischen Wortgruppe homoio- verwendet: das Adjektiv homoios, das Verb homoio . Hinzuzunehmen sind Verwendungen der Vergleichspartikel h sper und hout s im Gleichnisrahmen. Aus der inhaltlichen Tradition des Umgangs mit Gott im Sprechen und Gestalten von Menschen entsteht also die zwingende Frage, wie diese Gleichniseinleitungen und Schlüsse zu verstehen und zu übersetzen sind. Die Übersetzungstradition spricht generell
15 Dazu s. U. Bail u.a., Bibel in gerechter Sprache, Gütersloh 2006, Einleitung der Herausgabegruppe, 16–21.
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von gleichsetzen.16 „Das Himmelreich gleicht einem Hausherrn, der früh am Morgen ausging …“ (Mt 20,1, Lutherübersetzung, rev. Fassung 1984; aber auch W. Bauer, Wörterbuch zum Neuen Testament s.v. homoios: „häufig bei Gleichnissen gleich … es gleicht“). Diese Auslegungstradition wird von K. Erlemann zutreffend gebündelt: „Ein durchgängiges Merkmal von Gleichniserzählungen ist das soziale Gefälle zwischen den Hauptakteuren. In der Mitte steht ein Herr (kyrios o.ä.), der das Verhalten seiner Sklaven … Arbeiter … oder Söhne bestimmt und beurteilt. … die Kyrios-Figur (ist) immer die letzte Instanz, die über Wohl oder Wehe der Anderen entscheidet. Das heißt, die Bildfelder der Parabeln sind hierarchisch arrangiert, was auf das Verhältnis zwischen Gott und Menschen als Bezugsgröße hinweist. Denn Gott gilt im alttestamentlich-jüdischen Denken als der Herr, dem die Seinen verantwortlich sind.“17 Ein Unterschied zwischen dem, was das Gleichnis vom Kyrios erzählt, und Gott als Kyrios wird hier nicht in Betracht gezogen. Doch diese Differenz zwischen Gott und dem, was Menschen über Gott sagen, erzählen und abbilden, ist im biblischen und nachbiblischen jüdischen Denken zentral. Ich zitiere aus einem alten jüdischen Sabbatgebet:18 „Du unser König! Von Ewigkeit zu Ewigkeit bist du Gott. Und außer dir haben wir keinen König, keinen Erlöser und Retter, der befreit und schützt … wir haben keinen König außer dir“. An späterer Stelle fährt dieses Gebet fort: „Wenn auch unser Mund voll wäre des Gesanges wie das Meer, und unsere Zunge des Jubels wie das Brausen seiner Wellen, … wir würden nicht ausreichen, Dir zu danken, Ewiger“. Auch die Sprache des Gebetes ist vor Gott begrenzt. Gottes Güte ist größer als Menschen jemals auszudrücken fähig sein werden. Die Andersartigkeit und Überlegenheit über die Könige der Welt ist im AT besonders Thema des Danielbuches, s. etwa Kap. 7. Das Schema Israel, das nach jüdischer Tradition täglich gebetet wird, spricht von Gottes Einzigkeit (Dtn 6,4; vgl. Mk 12,29), und diese Einzigkeit ist auch gemeint, wenn von Gott als König oder Vater geredet wird (s. etwa bBer 13 b).19 Oft wird zur Erläuterung in nachbiblischer Literatur die Wendung „nicht von Fleisch und Blut“ benutzt: Gott ist nicht König von Fleisch und Blut oder Vater von Fleisch und Blut. Der Gegensatz zwischen einem menschlichen König und Gott wird in der nachbiblisch-jüdischen Literatur immer wieder 16 Auch die alte Diskussion über die „Inkonzinnität“ zwischen Einleitung und story bleibt in diesem Rahmen. Zusammenstellung der Diskussion bei Chr. Münch, Die Gleichnisse Jesu im Matthäusevangelium. Eine Studie zu ihrer Form und Funktion, WMANT 104, NeukirchenVluyn 2004, 140–144. 17 Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 1), 106. 18 Gebete der Israeliten. Dt. übers. v. M. Sachs, Tel Aviv 1988, 186 f. Zum Alter dieses Gebetes (Nischmat) s. P. Navè Levinson, Einführung in die rabbinische Theologie, Darmstadt 1982, 57. 19 An dieser Talmudstelle wird über das Wort „einzig“ aus dem Schema Israel diskutiert: „Sobald du [Gott] als König droben und hinieden, sowie in allen Himmelsrichtungen anerkannt hast, brauchst du nicht länger“ (scil. die Intensität des Wortes „einzig“ auszudrücken).
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reflektiert. Billerbeck ordnet die Wendung anthr pos basileus Mt 18,23 (vgl. anthr pos oikodespot s Mt 20,1) diesen Gedanken zu, zu Recht und im Unterschied zu Deutungen, die anthr pos an dieser Stelle für rein pleonastisch ansehen.20 Billerbeck erwähnt mehrere Beispiele für die Differenz Gottes als König zu menschlichen Königen, z.B. aus Bereschit Rabba: GnR 1 (2b): „Denn du bist groß u. wundertätig, du bist Gott allein“ Ps 86,10. Wie es auf Erden Brauch ist, wird ein König von Fleisch u. Blut in einer Stadt (oder Provinz) gepriesen u. die Großen der Stadt (Provinz) werden mit ihm gepriesen; denn sie tragen mit ihm seine Last. Aber Gott nicht also: er hat allein die Welt geschaffen, er wird allein in der Welt gepriesen, er wird allein in seiner Welt verherrlicht. GnR 1 (2d): Wie es auf Erden Brauch ist, wird ein König von Fleisch u. Blut in einer Stadt (Provinz) gepriesen, bevor er ihr öffentliche oder Privat-Bäder erbaut hat; zuerst erwähnt er seinen Namen u. schließlich sein Werk. Aber der Einzige der Welt wirkt zuerst u. hinterher wird er gepriesen. Schim on b. Azzai (um 110) sagte: Deine Herablassung macht mich groß (2 Sm 22,36). Fleisch u. Blut erwähnt (zuerst) seinen Namen u. dann seinen Titel (Wörtlich: sein Lob): NN Augustalis; NN protistos (oder protatos, der Vornehme). Aber Gott nicht also: erst nachdem er die Bedürfnisse seiner Welt erschaffen hatte, erwähnt er hinterher seinen Namen, s. Gn 1,1: „Im Anfang erschuf“, u. dann folgt: „Gott“.21
Wie sind also die Anweisungen in den Gleichnisrahmenversen, die Erzählung zu vergleichen oder gleichzusetzen, zu verstehen? Es ist bereits klar, dass auch das Wörterbuch von Walter Bauer mit seiner Übersetzung von homoioWörtern im Zusammenhang von Gleichnissen im Rahmen der christlichen Deutungstradition bleibt, die die Differenz zwischen Menschenkönig und Gott als König nicht inhaltlich reflektiert. Auch die hierarchischen – und ich füge hinzu brutalen – Züge in Erzählungen von Menschenkönigen werden der Deutung auf Gott dabei integriert. Biblische und vor allem nachbiblische Rede von Gott als König enthält jedoch ausgesprochen oder unausgesprochen einen starken Unterschied zwischen Gott und menschlichen Herrschern. Deshalb sollte in Übersetzungen der Wortgruppe homoio- im Zusammenhang von Gleichnissen möglichst von „vergleichen“, nicht von „gleich“setzen geredet werden. Vor allem aber ist es wichtig in der Auslegung zu zeigen, dass die Gleichnisrahmungen mit diesen Hinweisen auf das Vergleichen eine Aktivität der Hörenden einfordern. Gleichnisse wollen auf eine Antwort hinaus, sie wollen die Hörenden dazu anleiten, über Gottes Handeln in der Geschichte und Gegenwart nachzudenken und sich in eine Beziehung zu Gott zu setzen. Das ist mit dem Vergleichen gemeint, nicht ein formal-intellektueller Deutungsvorgang. 20 P. Billerbeck / (H. L. Strack), Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch. Bd. I: Das Evangelium nach Matthäus, München 21926, 730 f.; anders („pleonastisch“) Bauer, Wörterbuch (s. Anm. 1), 136 (s.v. anthr pos 3 a). 21 Billerbeck, Kommentar zum Neuen Testament I (s. Anm. 20), 731.
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Einige Gleichnisse sind regelrecht „antithetisch“22 zu nennen. Der Weinbergbesitzer Mt 20,1–16, der König Mt 18,23–35 u.v.a. sind Gegenbilder zu Gott als Kyrios. Aber auch Gleichnisse, die nicht so massiv antithetisch erzählt sind, z.B. das Gleichnis vom Vater Lk 15,11–32, verlangen eine Wahrnehmung der Unterschiede zwischen Gott und einem Menschenvater.23 Und worin besteht die Vergleichbarkeit von menschlichem Kyrios und Gott, bzw. vom erzählten Handeln des menschlichen Kyrios und Gottes Handeln? Die Vergleichbarkeit wird durch Brücken hergestellt. In Mt 22,1–14 ist kalein / rufen, einladen eine solche Brücke. Gott lädt ein, Gott ruft – der menschliche Kyrios lädt ein / ruft. Doch diese Fokussierung auf Brücken verschärft die Deutlichkeit der Unterschiede zwischen Menschenkyrios und Gott eher, als dass es sie mindert. Gott und Gottes Handeln (basileia) sind unvergleichbar mit Menschen. Aber die Gleichniserzählungen lenken den Blick auf die Schrecken und Freuden der Menschenwelt und machen sie durchlässig für das „Sehen“ der gerechten Welt Gottes. Nicht alle Gleichnisse wollen auf den Kontrast oder die Differenz zu Gott als Ergebnis des Vergleichens hinaus, andere Gleichnisse beschäftigen sich mit Erfahrungen in der Land- und Hauswirtschaft oder in den Beziehungen zwischen Menschen, die nicht primär durch Gewaltverhältnisse geprägt sind. Darunter gibt es auch die Darstellungen freudiger Erfahrungen, die zum „Sehen“ führen, also zur Offenbarung Gottes. Aber auch sie wollen nicht auf ein Gleichsetzen hinaus. Das Knospen des Feigenbaums im Frühling, die fröhliche Frauengemeinschaft im Dorf, nachdem eine Frau ihr Geld wiederfand, das Glück des Brotbereitens – diese Erfahrungen werden zum Fenster, durch das Gott gesehen werden kann. Auf ein Gleichsetzen wollen auch diese Erzählungen nicht hinaus. Das Gottesreich ist weder einem Schatz im Acker noch einer schönen Perle gleich (Mt 13,44–46). Doch beide Erzählungen stellen menschliche Erfahrungen dar, die für die Hörenden „sehend“ machen können, so dass sie in ihrer Lebenswelt Spuren Gottes und der eigenen Hoffnung auf Gottes Zukunft entdecken können. Die höchst irdischen Motive der Akteure in diesen Erzählungen liegen zudem auf der Hand und erschweren die Gleichsetzungsdeutungen.
6. Das Wichtigste steht manchmal nicht im Text. Die Antwort der Hörenden Die Zusammenstellung der Gleichniseinleitungen und Schlusssätze im Matthäusevangelium bei Christian Münch (2004)24 zeigt die Offenheit dieser 22 Dazu Schottroff, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 2), 130 u.ö.; eine Zusammenstellung rabbinischer antithetischer Gleichnisse bei Münch, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 16), 147 Anm. 75. 23 Zum Einzelnen Schottroff, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 2), 177–204. 24 Münch, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 16), 129–160.249–290.
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Wendungen sehr deutlich. Sie fordern die Aktivität der Hörenden: durch Fragen, durch Imperative, durch die Unabgeschlossenheit der erzählten Situationen, durch Kritik an den Zuhörenden durch das Gleichnis. Sie sollen durch diese Kritik für das „Sehen“ und „Verstehen“ gewonnen werden. Das Vergleichen, das die Gleichnisse auch dort erwarten, wo sie nicht explizit davon reden, umfasst alle diese Aspekte. Die Aktivität der Hörenden ist dabei nicht als Aktivität ihres Denkens gefordert, sondern als die Umgestaltung ihres Lebens. Zwei Textbeispiele können zeigen, wie solche Antworten aussehen: In Mk 12,10–12 wird als Reaktion auf das Gleichnis von den brutalen Pächtern und dem mindestens ebenso brutalen Weinbergbesitzer aus der Schrift zitiert. Psalm 118,22.23 ist als messianischer Hoffnungstext gelesen worden:25 Die Erniedrigten werden erhöht, der ausgesonderte Stein wird zum „Eckstein“. Messianische Hoffnung war immer Hoffnung für das ganze Volk Israel und noch nicht im Sinne späterer christlicher Dogmatik allein auf den Messias bezogen. Die Zerstörung des Volkes durch Gewalt von oben und Gewalt von unten, von der das Gleichnis zuvor erzählt, behält nicht das letzte Wort, die Antwort ist für die Hörenden in der Schrift zu finden. Gott wird dem Volk zu neuem Leben in Gerechtigkeit verhelfen. Die Verursacher des Versinkens in der Gewalt sieht Jesus nach dieser Erzählung in den Hohepriestern und dem Synhedrion (Mk 11,27; 12,12). Er will sie durch das Gleichnis nicht verhärten, sondern erreichen. Sie haben sich nicht erreichen lassen, wie dann die Passionsgeschichte zeigt. Das Gleichnis spricht aber gleichzeitig auch zum Volk. Es ist auch als im Tempel anwesend gedacht. Es ist auf Jesu Seite (12,12). Es hat die Hoffnungsbotschaft trotz der scheinbar aussichtslosen Spirale der Gewalt gehört. In der Lukasfassung (20,16) widerspricht das Volk explizit der drohenden Fortsetzung der Gewalt. Jesus fragt „Was wird der Weinbergbesitzer tun?“ und gibt selbst die Antwort „Er wird kommen und die Pächter vernichten“. Das Volk interveniert: „Das darf nicht geschehen“. In Lk 19,11–27 erzählt Jesus ein Gleichnis, als seine eigenen Leute und das Volk seine Ankunft in Jerusalem gefährlich falsch einschätzen (19,11). Sie erwarten, nun endlich den Sieg des Messias über alles Unrecht, das das Volk erleidet, zu erleben. Jesus erzählt ein Gleichnis von den gewalttätigen Strukturen in Politik und Ökonomie. Das Gleichnis endet ohne Schlussbemerkung. Die literarische Fortsetzung gehört jedoch zum Gleichnis: der Einzug Jesu in Jerusalem als Messias ohne Waffen, als Messias der Armen und Verkörperung des Mitleids Gottes mit dem Leiden im Krieg, der kaum noch abwendbar scheint (Lk 19,28–44). Hier geben die Jüngerinnen und Jünger die Antwort, indem sie den Messias der Armen begrüßen. Die Er-
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Dazu s. Schottroff, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 2), 37.38.
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zählung vom Einzug in Jerusalem zeigt auch die Antwort auf das Gleichnis Lk 19,12–27. Es ist hilfreich, mit der Annahme zu arbeiten, dass jedes Gleichnis drei Teile hat: den Rahmen, der die Richtung für das Vergleichen weist, die eigentliche story / Gleichniserzählung und die Antwort der Hörenden, die oft nicht im Text steht. In Mk 12,10–12 ist die Antwort durch das Schriftzitat angedeutet, in Lk 19,11–27 durch die narrative Fortführung der Erzählung über Jesus. Doch in anderen Fällen steht die Antwort nicht im Text und ist doch zu finden für diejenigen, die die Schrift kennen und auf sie hören.
Stories with Prophetic Intent The Contextualization of Jesus’ Parables Klyne Snodgrass The parables of Jesus may well be the most abused literature ever. They have been distorted in various directions by the church’s theology and by various scholarly ideologies. In some respects my work on parables is a response to my frustration in attempting to understand the parables and the way they have been treated. The need to protest the church’s allegorizing is obvious, but protest is necessary in several other directions as well, even when much is to be learned from works on parables. Adolf Jülicher’s work legitimately protested against the church’s allegorizing,1 but it also forced a schema on the parables that has dominated subsequent discussion even though the schema did no justice to the parables. The main tenets of Jülicher’s approach are not usable, even though they still are repeated. Contrary to what Jülicher thought, parable is not an extension of simile, and allegory is not an extension of metaphor. Now parable is regularly and legitimately seen as an extension of metaphor. The parables cannot be reduced to pious moralisms. Parables are not limited to having one point, and they are not self-interpreting. Jülicher’s four-fold classification system (similitudes [Gleichnisse], parables [Gleichniserzählungen], example stories [Beispielerzählungen], and allegories [Allegorien]) does not work. Today many, and I think rightly, reject both example story and allegory as legitimate categories. The attempt to separate the image (Bild) from the reality (Sache), although it has some legitimacy, cannot be carried through, if not because of the nature of metaphor, at least because reality often bleeds into the image in the telling of the story.2 Parables, at least to some degree, are framed on the reality they portray. Further, Jülicher’s attempt to limit representational significance to one point could not be carried through, even by
1 A. Jülicher, Die Gleichnisreden Jesu (2 vols.; Freiburg, Br. 1886/1899). This work was reprinted in one volume by Wissenschaftliche Buchgesellschaft (Darmstadt 1963). 2 E.g., Ezek 19:2–9 (lions do not devastate towns); the elder brother’s claim not to have transgressed one command of the father (Luke 15:29); for other examples see Matt 25:21, 23; Mark 4:29; Luke 12:46 and 14:21. Some of these may be the result of redactional influence.
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him, as is obvious, for example, in his treatments of Luke’s parable of the Fig Tree and his parable of the Feast.3 Joachim Jeremias contributed significantly to understanding the parables,4 but his work, for all of its information, is also unusable. His explanation of ten procedures by which the church changed the parables,5 his dependence on the Gospel of Thomas, his rewriting the parables by summarily deleting introductions, conclusions, and allegorical elements, even though bringing those allegorical elements back in his interpretations, are all to be questioned.6 Further, the accuracy of his information and the conclusions he draws from it sometimes are questionable.7 Jeremias’s methods have been adopted by numerous subsequent studies. This is not the place to retell the history of parable interpretation,8 but the attempts to rewrite the parables rarely convince, and when the parables are removed from the context of Jesus’ ministry, used for psychological understanding or ideological purposes, given polyvalent meanings, viewed as banal or given meanings that have little to do with Jesus’ first century ministry to Israel, any hope of actually understanding Jesus’ intent is 3 Jülicher, Gleichnisreden Jesu (n. 1), 2:442–444, regarding the parable of the Fig Tree, denied that the tree stands for Israel but had to grant that Jesus spoke the parable in view of Israel. The tree is not Israel but is applied to Israel so that Israel finds itself already in the position of the fig tree. Regarding the Feast (op. cit., 2:432), even after creating a shorter account, Jülicher admits that the image of the meal strongly tempts one to a more spiritual understanding and that correspondences exist between God and the host, those invited and entrance into the kingdom, and the servants and God’s messengers, of whom Jesus himself was the most important. He offers no explanation for the correspondences, but only reasserts that allegorical elements were added later. 4 J. Jeremias, The Parables of Jesus (2 nd ed.; trans. S.H. Hooke; London 1972). 5 See Jeremias, Parables of Jesus (n. 4), 23–114. His ten principles of transformation of the parables are: (1) the translation of the parables into Greek; (2) representational changes (to communicate with Hellenists); (3) embellishment; (4) influence of OT and folk-story themes; (5) change of audience; (6) change to a hortatory purpose; (7) influence of the church’s situation (with regard to the parousia or the church’s mission); (8) allegorization; (9) collection and conflation of the parables; and (10) change of settings (especially introductions and conclusions). Only the translation of parables from Aramaic into Greek, the adaptation at times to Hellenistic culture, and to some degree the collecting of parables thematically are obvious and substantive, but these are issues required for communication. 6 For example, Jeremias said that Jesus could not have uttered the parable of the Banquet as an allegory of the feast of salvation, but he may well have had it in mind (Jeremias, Parables of Jesus [n. 4], 69)! See also his treatment of the parable of the Wicked Tenants, op. cit., 70–77. 7 See in his treatment of the parable of the Wicked Tenants his statements concerning the question in Mark 12:9 (Jeremias, Parables of Jesus [n. 4], 74) or his assessment of the language in the interpretation of the parable of the Sower (op. cit., 77–80). 8 See N. Perrin, Jesus and the Language of the Kingdom (Philadelphia 1976), 89–193; C.L. Blomberg, Interpreting the Parables (Downers Grove, Ill. 1990), 29–167; and his “The Parables of Jesus: Current Trends and Needs in Research,” in Studying the Historical Jesus: Evaluations of the State of Current Research (ed. B. Chilton and C.A. Evans; NTTS 19; Leiden 1994), 231–254; and my own attempt in “From Allegorizing to Allegorizing: A History of the Interpretation of the Parables of Jesus,” in The Challenge of Jesus’ Parables (ed. R.N. Longenecker; Grand Rapids, Mich. 2000), 3–29.
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lost.9 The more that one takes seriously the nature of oral tradition and the fact that most parables would have been told numerous times, the less one can think of reconstructing an original. Several scholars with quite different views have bypassed attempts at reconstruction and seek to understand the broader picture painted by the parables and the Gospels.10 Fundamental issues in parable interpretation emerge from the recent decades of research: 1. In what context should the parables be understood, which is to ask specifically whether the context and contexts of the Gospels are to be trusted and whether one may legitimately place parables in other contexts and think in doing so he or she is interpreting parables instead of retelling them? 2. Do the parables have reference outside themselves, which is to ask “What really is a parable?” 3. Related to that, to what degree are parables poetic works of art and to what degree, even if they are artistic and poetic, are they prophetic tools of communication? 4. Should parables be read – can they be read – by themselves or should they be read in relation to the rest of what is known about Jesus? 5. Is understanding the intent of Jesus or any author a desired or attainable goal? 6. To what degree can the original, or at least earlier, versions of parables be reconstructed? In order to explain the parables of Jesus I have sought a way forward that is guided by several assumptions, the most important of which are: 1. Parables are prophetic instruments, and, if we know anything at all about Jesus, he came as and was perceived as a prophet. 2. Jesus’ parables were not told as general stories; they had prophetic purpose. They were stories with intent, an intent defined by his own ministry, and it is actually the intent of Jesus that we are after, as difficult as that may be at times. 3. A different classification system than that typically followed, one focused on both form and function, assists in understanding the parables. 4. Insight about parables, their function, their themes, and their wording is available from parallels in both the Greco-Roman and Jewish worlds. My work on parables11 provides the text (or summaries) of primary sources that provide parallels to assist in reading the parables, and it alerts people to things they should see, names options, and provides help in work9 For a broader discussion of these issues see my Stories with Intent: A Comprehensive Guide to the Parables of Jesus (Grand Rapids, Mich. 2008). 10 N.T. Wright, Jesus and the Victory of God (vol. 2 of Christian Origins and the Question of God; Minneapolis, Minn. 1996), 87; L. Schottroff, The Parables of Jesus (trans. L.M. Maloney; Minneapolis, Minn. 2005), 99, 106–107, and 112; D.C. Allison, Jesus of Nazareth: Millenarian Prophet (Minneapolis, Minn. 1998), 35–36, 45–46. 11 Snodgrass, Stories with Intent (n. 9).
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ing through the issues. In dealing with parallel primary source material two items require mention. First, Greco-Roman material pertinent to the parables has not received the attention from researchers that it should. A great deal more should be done in this arena. Second, much greater care should be used when dealing with rabbinic materials than is usual. Earlier forms of rabbinic parables may have existed in the first century and even may have been adapted by Jesus, but that cannot be demonstrated. As important as, and as parallel as, the rabbinic writings are, we cannot merely assume rabbinic parallels were already in existence at the time of Jesus’ ministry. For that reason in my own work I distinguish between early and later Jewish writings, with the rabbinic contributions obviously being placed with the latter. The primary source material is significant for a variety of reasons. These writings, as expected, give information on cultural matters and linguistic issues, but it is especially other parabolic material that gives insight. Except for Aesop’s fables, which appear in collections and were told for entertainment and general wisdom, parables regularly are context specific and are effective because of their contexts, they regularly have more than one correspondence, and they usually have introductions and / or explanatory conclusions. They often need conclusions and explanations to make their point. All of the OT parables either have a concluding explanation or an introduction that explains the analogy at the beginning. Apocalyptic parables are often framed to be mysteries until an explanation is given.12 Greco-Roman parables have explanations, and rabbinic parables often have lengthy explanations detailing the intent of the analogy, as even a casual glance shows. To argue Jesus’ parables do not need interpretation or that the interpretations are later additions shows a bias against reality and argues against everything discerned about parables elsewhere.13 Rabbinic parables are different from Jesus’ parables in that they serve as exegetical tools, but the form and the way the analogies work are quite similar to Jesus’ parables. In his analysis of rabbinic parables J. Neusner shows that they are not “off the rack” parables; rather, most parables have been generated by the text they serve. They are context specific and are built in relation to their nimshalim, the interpretive explanations that follow most parables. Some few show unevenness 12 See P. Patten, “The Form and Function of Parables in Select Apocalyptic Literature and their Significance for Parables in the Gospel of Mark,” NTS 29 (1983): 246–258. Apocalyptic parables are not revelatory by themselves, for the meaning comes with interpretation. 13 See D. Boyarin, “History Becomes Parable: A Reading of the Midrashic Mashal,” in Mappings of the Biblical Terrain: The Bible as Text (ed. V.L. Tollers and J. Maier; Lewisburg, N.Y. 1990), 54–71. In discussing midrashic parables, he says (op. cit., 56), “Finally, the mashal as an interpretive structure is anything but indeterminate. There is indeed hardly any room for interpretation at all of the mashal. Its meaning is rigidly controlled by its textual form. . . . The mashal is a closed text – not an open one – at least insofar as any text can be closed.” Jesus’ parables are not identical to midrashic ones, but his parables are not indeterminate.
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between mashal and nimshal, but most show direct, even allegorical, correlation.14 If one argues Jesus’ parables are open-ended, do not have interpretations, and are not context specific, i.e., not created for the general context in which they appear, then one must at least explain why Jesus’ parables are so different from the OT, Greco-Roman, and rabbinic counterparts. Others have pointed to the fact that parables are prophetic instruments,15 but this subject deserves more attention than it usually receives in parable studies. Parables do not occur in the Torah and virtually not at all in the Mishnah.16 Virtually all the parables in the OT appear in prophetic writings or in the mouth of prophets in the historical books, especially in contexts of judgment and indictment.17 Relatively little exists in early Jewish literature that is like the parables of Jesus.18 Parables of a quite different sort appear in Greco-Roman writings, and parables as exegetical tools proliferate in the rabbinic material, all third century or later. Some of Jesus’ parables are developments of or allusions to OT parabolic material,19 and it seems to me that the OT prophetic parables are the one clear source of Jesus’ own parabolic method. Matthew saw the connection of Jesus’ use of parables to his prophetic stance, for he viewed Jesus’ speaking in parables as fulfillment of what was spoken through “the prophet” in Ps 78:2: “I will open my mouth in parables; I will dig out things hidden from the foundation [of the world]” (Matt 13:35). Jesus’ parables are not general stories, mere clever illustrations or nice pedagogical tools; they are part of a prophetic agenda and quite purposive. They were told into a context to mirror and confront Israel, and they should be interpreted within the context of Jesus’ prophetic ministry. My concern is 14 J. Neusner, Rabbinic Narrative: A Documentary Perspective (4 vols.; The Brill Reference Library of Judaism; Leiden 2003), 4:221, 185. 15 C. Westermann, The Parables of Jesus in the Light of the Old Testament (trans. and ed. F.W. Golka and A.H.B. Logan; Minneapolis 1990); and Wright, Jesus and the Victory of God (n. 10), 147–197. 16 Apart from m. Abot, only three passages merit attention: m. Sukkah 2:9; m. Nid. 2:5; and 5:7, each a simple analogy, not a narrative parable. Abot has several instructive passages but does not use the marker mashal: see 2:15; 3:17–18; 4:16, 20; and 5:15. 17 At least twenty-one parables or parable-like sayings appear in the OT, of which only Ps 80:8–17 and Eccl 9:14–18 are not explicitly from a prophet. The twenty-one include four juridical parables, the second and third of which are actually juridical dramas (2 Sam 12:1–14; 2 Sam 14:1–20; 1 Kgs 20:35–42; Isa 5:1–7); six story parables in Ezekiel (16:1–54; 17:2–24; 19:2–9; 19:10–14; 23:1–49; 24:3–14); and several other parables / parabolic sayings (Isa 28:23–29; Eccl 9:14–18; Hab 1:13–17; Jer 13:12–14; Ps 80:8–17; Jer 18:2–13; Isa 59:16–17; Jer 23:1–4; Ezek 34; Ezek 37; and Hosea 1–3. Prophetic acted parables and dreams and visions are also relevant. 18 Of most relevance would be 1 En. 101:4–9, Jos. Asen. 12:8, and T. Job 18:6–8. 19 Joel 3:13, the sickle as an image of harvest in the parable of the Growing Seed; Isa 5:1–7, the vineyard in the parable of the Wicked Tenants; Isa 6, the seed image and the quotation concerning hardness of heart used in connection with the parable of the Sower; Isa 61 and Jubilees, ideas behind the parables of the Unforgiving Servant, the Two Debtors, and the parables of Lostness.
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not to find a specific historical context for every parable but to see the parables within the frame of reference of Jesus’ prophetic ministry. Clearly Jesus presented himself as, and was understood first of all as, a prophet, both an oracular and a leadership prophet.20 Like prophets he brought a word from God, but more than the prophets he enacted the promises of God to reconstitute Israel under his own leadership. Like prophets he told parables to confront the hardness of heart of the people, especially the leaders, and he performed prophetic acts such as eating with sinners, choosing twelve disciples, his entry into Jerusalem, and cursing the fig tree; possibly the “cleansing” of the temple should be understood this way too. Jesus sometimes used parables the way prophets did to depict Israel, coming judgment, and restoration, but he was not bound by the usage of former prophets. He used parables more often and for additional purposes, such as more frequently and directly to mirror God’s character, to depict the kingdom, both present and future, to instruct about behavior, compassion, the use of wealth, prayer, and discipleship. These creative uses do not make the parables less prophetic. Viewing parables as prophetic instruments reinforces that Jesus is to be understood in continuity with Israel’s history and as using images from that history. The prophets used parables as a rhetorical strategy, and so did Jesus. He came as a prophet with a prophetic purpose and strategy and with a prophetic message. This prophetic framework is the context against which Jesus’ parables and other sayings are to be understood. Any acceptable interpretation of the parables must show that it has breathed the air of the first century and that it fits with a prophet announcing a Jewish restoration eschatology. That the evangelists group Jesus’ parables thematically from their own redactional concerns does not remove them from the general context of Jesus’ prophetic ministry.21 The more we focus on parables as prophetic instruments the more we must recognize prophetic intent and seek coherence between the meaning of the parables and the rest of Jesus’ teaching. Sometimes parable research has become isolated from Jesus research generally so that the interpretations offered for parables have little to do with what Jesus teaches elsewhere. Surely a necessary and valid principle for parable interpretation is that any interpretation of a parable that cannot be verified by nonparabolic material 20 See S. McKnight, “Jesus and Prophetic Actions,” BBR 10 (2000): 197–232; and Wright, Jesus and the Victory of God (n. 10), 162–168. 21 If we cut the parables out of the context of Jesus’ teaching, we can make them mean anything, which is precisely what has happened with a number of studies. My concern is very much in line with Birger Gerhardsson’s. See his “If We Do Not Cut the Parables Out of Their Frames,” NTS 37 (1991): 321–335. Removing the parables from their specific contexts and their general context with Jesus is the foundation for the polyvalent approach of Mary Ann Tolbert. See her Perspectives on the Parables: An Approach to Multiple Interpretations (Philadelphia 1979). Her discussion of context (op. cit., 51–62) is revealing. She grants that the more context one has the less flexibility there is in interpretation, but she finds the Gospels’ contexts often ambiguous or inappropriate.
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is not likely to be true. Such crosschecking of a claimed meaning is only a variation of the criteria of multiple attestation and of coherence,22 but it has been far too neglected. What counts in discerning the intent of parables is determining how the analogy works. If meaning is the determination of, and value placed on, a set of relations,23 parables provide a picture that enables – sometimes forces – an understanding of the relations in question, the relations of Jesus and his contemporaries to God and God’s purposes. The concern in parable interpretation is not on the question “What does this element stand for?” or “How many correspondences are there?” even though correspondences may exist and may be identified. Correspondences in longer parables help determine the reference of the analogy, but parables are not one for one analogies as if reality and image were connected by an equal sign. They picture actual realities partly, but they are intended to make people think and question and do so often through hyperbole, surprise, and inexactness.24 The assertion that parables are stories with intent at one level is not unusual. Some interpreters of parables appear to have given up on explaining Jesus’ intent, but most, even if they do not admit it, at some level presume they are explaining what Jesus intended with the parables or they would not invest so much time on them. And if they do not think they are explaining Jesus’ intent, their readers think they are, or they would not read the material. To assert that parables are stories with intent is to focus on them within a Palestinian first century context told for specific purposes by a prophetic teacher. This is not to suggest that my interpretation of a parable or anyone else’s is the interpretation. The act of interpreting is not cut off, for readers will still see nuances and hear resonances, but focusing on intent asserts that legitimate interpretation falls within certain parameters determined by Jesus’ prophetic message. To talk about intent is not to suggest some naive idea of intentionality, as if one could get in Jesus’ head, understand all his motives, or understand his intent better than he did. Such romantic notions of intentionality should be set aside. On the other hand, people often have been so taken in by arguments about “the intentional fallacy” that they have not thought through the issues.25 With intent people argue against intentionality. We do not seek 22 Already recognized by C.H. Dodd, The Parables of the Kingdom (London 1936), 32; and G.E. Ladd, The Presence of the Future (Grand Rapids, Mich. 1974), 190, but not given much attention in parables research. 23 See my “Reading to Hear: A Hermeneutics of Hearing,” HBT 24 (2002): 1–32. 24 E.g., Midr. Tanh. Ki Tissa 9:15 has a story about a matron and an orphan girl corresponding in reality to Moses and Joshua! 25 See the classic treatment by W.K. Wimsatt with M.C. Beardsley, “The Intentional Fallacy,” in The Verbal Icon (Lexington, Ky. 1954), 3, repr. in On Literary Intention (ed. D. Newton-de Molina; Edinburgh 1976), a collection of essays debating the issues. See especially the article by Q. Skinner, “Motives, Intentions and the Interpretation of Texts,” in Wimsatt with Beardsley, op. cit., 210–221. One should note that Wimsatt’s and Beardsley’s article is about
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intention generally, which is not so readily accessible. What we seek is communicative intent, and language is geared quite well to make communicative intent available.26 Intention is not something merely behind a text; it is framed within a text in the relations that are established. If that were not the case, none of our attempts to understand each other, to read ancient documents, or to argue about ancient documents would be possible. Further, intentionality is directly tied to genre, which is the reason the question about whether the parables are poetic or prophetic is so important. Different levels and kinds of intentionality exist with different kinds of literature. In interpreting the letters of Paul discussions of intent usually are not so prevalent. The genre of a letter directs people to communicative intent, and even if we may disagree about any number of matters, Paul’s annoyance at the Galatians and what he wants them to understand about his gospel of freedom are clear. Are parables like poems and some paintings or part of a prophetic message with a clear, ringing, communicative intent? Surely the latter is the case. Madeleine Boucher commented, The parables are literature, to be sure, but they are certainly not poetry, for it never happens that the aesthetic structures in them gain the ascendancy; when they occur, as they do, it is only that they might contribute to the parables’ rhetorical aim. It has often been remarked that it is because the parables are aesthetic that they have the power to move the hearer to decision or action. In reply to this, it must be said that if the poetic structures in the parables became dominant, their power to achieve an effect in the hearer would then be lost. The parables, then, are by no means independent of a social context, or autotelic.27
In focusing on intent my concern is on the function of the parable. What was its illocutionary intent, what was it designed to do? Texts are a result of actions and, especially for parables, were intended to produce action. By telling parables about particular themes in the context of his ministry Jesus created a set of relations whereby his communicative intent could be discerned. I seek Jesus’ intent with the parables, knowing full well that with intent we must speak of layers of intent and that every retelling of a story, even by the same person, is a new communication. Matthew’s telling of the parable of the Sower is not identical in meaning to Jesus’ or Mark’s or Luke’s telling, but the interpretation of all four takes place in the field of the relations of Jesus and his mission, not in the field of patristic theology, modern psychology, or any other field of our choosing. Parables are a means of communicathe interpretation of poetry, not narrative texts, and that they say “poetry differs from practical messages, which are successful if and only if we correctly infer the intention” (Wimsatt with Beardsley, op. cit., 5)! 26 See Snodgrass, “Reading to Hear” (n. 23). 27 M. Boucher, The Mysterious Parable (Washington 1977), 16–17.
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tion to persuade, which is precisely how Jesus used them. Meaning is contextual, for meaning is the value assigned to a set of relations. If you change the context, you change the story. My concern is as much as possible to keep people in the context of Jesus. If we seek to hear parables in the context of Jesus’ telling, nuances and implications still abound, but that is quite different from retelling Jesus’ stories in other contexts. The parables deserve to be heard in terms of his purpose with Israel in the first century. Obviously too, Jesus’ intent is accessible to us only mediated through later texts. There is no direct access to Jesus, but at some level if we do not think those texts grant some kind of access to Jesus, do we not have to give up on the task completely? Comment is also required about attempts to reconstruct earlier versions of Jesus’ parables. I have grave doubt that we can restore some pristine form of the parables. The wholesale rewriting of parables based primarily on ideological, theological, or literary assumptions has no controls and instills no confidence. At the same time the texts themselves, especially where there are parallel accounts, present issues that must be treated.28 The evangelists have shaped the accounts, sometimes obviously, sometimes maybe not as obviously as we think, but dealing with such textual phenomena is far different from creating wholly different stories with wholly different functions from what is in the text. It is too easy for us to shape the stories into just what our theologies or ideologies can tolerate. All of us have to decide about introductions, conclusions, and stopping places with a number of parables, but if we just as a matter of course drop all introductions and conclusions, it is because of assumptions we bring to the text, not what we find there. I am less concerned about whether Jesus said the introductions and conclusions, as if we were seeking the ipsissima verba, than I am about whether they fit and actually help readers understand. Here the issue of context should be considered again. By taking the parables out of the context of Jesus’ prophetic ministry one places them in another context, however hidden or unrecognized. They cannot be hung in empty space. One will place them in some context: contexts of social oppres28 Most of the time the problems of double-tradition and triple-tradition parables are not huge. The parables of the Sower, the Mustard Seed, and the Wicked Tenants all vary to some degree because of redactional shaping and nuancing by the evangelists, but all three Synoptics view these parables essentially the same way. Of some double tradition parables the same is true. The Two Builders, the Faithful and Unfaithful Servant, and the Leaven, even when placed in different contexts, function pretty well the same way in Matthew and Luke. The evangelists are close in the way they present and understand these parables. A decision about the earliest account of these parables does not affect interpretation much at all. One of the anomalies of the parable tradition is that the triple tradition parables and some of the double tradition parables are very close, but some other double tradition parables are so different in wording and placement that we wonder if we are dealing with the same parable in the two accounts. Note the difficulty of the parables of the Feast / Banquet, of the Lost / Wandering Sheep, and of the Talents / Pounds. With these a decision about the earliest account – or even if the parables are the same – is much more determinative. Jeremias established some of his procedure from such parables with the greatest dissonance.
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sion, subverting traditional worldviews, however conceived, psychological frameworks, feminist theology, or something. Taken out of their contexts they are indeed polyvalent, for one has no control over what they might mean. With reconstructions in other contexts one must ask, “What Jesus is lurking behind this reconstruction and what is the origin of this Jesus?” There is a Jesus backstage with a presupposed identity and theology. One further issue is important. To classify a parable is to interpret it – or at least to show how one has interpreted it.29 I did not set out to provide a new classification system for parables, but that is what happened during my work. In my estimation the system suggested below contributes significantly to understanding the parables and has important implications for interpretation. Søren Kierkegaard’s explanation that parables are a means of indirect communication30 led me to the realization that most of Jesus’ parables are double indirect communication. They do not address the hearer / reader directly nor do they address the subject at hand. They refer outside themselves.31 Direct communication might say, “God accepts sinners and so should you,” but double indirect communication shifts the attention to someone else and another subject, a man with a prodigal son and an elder brother and what happens to them. The double indirection creates interest, causes defenses to go down, and allows insight in another arena which then should be transferred to one’s own understanding. From this awareness of double indirection and setting aside shorter aphoristic sayings, I suggest the following six classifications for parables: – similitudes (double indirect), – interrogative parables (double indirect), – double indirect narrative parables, – juridical parables, a particular type of double indirect narrative parables, – single indirect narrative parables, – “how much more” parables (a logic used with other categories). All are double indirect forms of communication except those labeled single indirect, which is explained below. These categories are determined both by form and by function. Except for the “how much more” parables and the juridical parables, the categories are mutually exclusive. Juridical parables are a type of double indirect parable, and the “how much more” logic can be used with other categories. 29
Also a title is already an interpretation. S. Kierkegaard, Søren Kierkegaard’s Journals and Papers (6 vols.; ed. and trans. H.V. Hong and Edna H. Hong; Bloomington, Ind. 1967), 1:273, 282, 288. 31 Madeleine Boucher’s comment (The Mysterious Parable [n. 27], 22) is pertinent: “[E] very parable has two levels of meaning [italics hers]. . . . If the parables did not have a double meaning, they would have hardly any point at all. The double-meaning effect is a sine qua non of parable.” 30
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A similitude is an extended simile. Often it is said that similitudes relate a typical or recurring event or process in real life and are expressed in the present tense, but neither is true. Tense is not a factor in distinguishing forms. Some have two or more tenses, and some use the aorist (e.g., the Leaven in Matt 13:33).32 Nor is a similitude necessarily a typical or recurring event. Finding a treasure is not typical or recurring. The marker of a similitude is that it is an extended analogy which lacks plot development. It is more than a simple comparison and may involve several actions and a period of time. For example, the kingdom is like a woman who took leaven and hid it in three measures of dough until the whole was leavened. There is action but no plot, no problem needing resolution or development of the situation so that one has a story.33 Similitudes, sometimes called parables in a narrow sense, typically are rather straightforward, less confrontive, and do not depend on correspondences between individual features and reality to make their point. (E.g., the man in the parable of the Growing Seed, who sleeps and rises and does not understand growth, corresponds neither to God nor to any other specific person.34) Interrogative parables. Even though these parables are like similitudes in that they do not have plot development and may logically function the same way, their form is different. These parables do not merely have questions in them; the whole parable is framed as a question. Some of these parables are “Who from you?” (tis ex hym n) parables, and the form is frequent enough and different enough that it deserves to be recognized. Obvious examples include the parables of the Lost Sheep and the Friend at Midnight. The “Who from you?” questions are often lost in translations. The NIV and NRSV typically render these questions as “Suppose one of you,” which is unfortunate (see Luke 11:5). Interrogative parables are not far from juridical parables, for they set up a hypothetical situation, force the hearer / reader to answer a question, and obligate one to transfer that answer to another arena. (Juridical parables carry additionally an accusatory element.) The question “Who
32 The Mustard Seed in Mark has the present tense and the aorist subjunctive. For the same parable Luke has the aorist, and Matthew has both present and aorist. The parable of the Treasure uses the aorist for “hid” ( ) and then uses the present tense. The parable of the Pearl uses the perfect tense for “sold” ( ), the imperfect for “had” ( ), and the aorist for “bought” ( ). However, the aorist active indicative of seems to have fallen out of use. See S.M.B. Wilmshurst, “The Historic Present in Matthew’s Gospel: A Survey and Analysis Focused on Matthew 13:44,” JSNT 25 (2003): 269–287, 281. 33 Cf.G. Baudler (Jesus im Spiegel seiner Gleichnisse [Stuttgart 1986], 58–79) who distinguishes between “procedure parables” (Vorgangsgleichnissen) and “parables with a plot” (Handlungsgleichnissen) and E. Rau (Reden in Vollmacht: Hintergrund, Form und Anliegen der Gleichnisse Jesu [FRLANT 149; Göttingen 1990], 30), who distinguishes between descriptive parables and narrative parables (besprechenden und erzählenden Gleichnissen). 34 Despite repeated contorted efforts to identify the man as God, Jesus, or the disciples.
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from you?” always expects a negative answer: no one would act as the parable describes.35 Double indirect narrative parables. Narrative parables, parables in the restricted sense, are analogies with a plot. They tell a fictitious story about a particular event, are usually told in the past tense, and are intended to mirror a moral or spiritual reality. Narrative parables of all three types have plot development. Something happens in the narrative that creates a problem or possibility, and then other acts happen that bring, or potentially bring, resolution or closure. If there is resolution, dialogue in the parable often signals the place where resolution starts to occur. Some narrative parables have a nimshal, an explanation making the intent clear. Others intentionally are open-ended forcing the hearer / reader to ponder what should happen or what conclusion should be drawn.36 Juridical parables. As a subset of double indirect narrative parables37 these are among the best known and most forceful parables. By hiding their referent juridical parables elicit a self-condemnation from the hearer(s) through the aid of an image. The hearer is forced to judge the circumstances of the parable, and then the lens drops and one realizes that he or she has judged him or herself. Kierkegaard described indirect communication as “thoughts
35 This is the case for every NT occurrence. It holds true as well for Greco-Roman writers. See Epictetus, Diatr. 1.27.19–20 (Tis hym n eis balaneion apelthein thel n eis myl na ap lthen – “Who among you when he wishes to go to a bath goes to a mill instead?”). See also Diatr. 1.4.31; 3.5.17; Josephus, J.W. 2:376: Tis hym n ouk ako pareil phen to German n pl thos (“Which of you has not heard tell of the horde of Germans?”); Dio Chrysostom, Or. (2 Fort.) 64.13.2; Arrian, Anab. 7.10.1.3; Plutarch Moralia, Fort. Rom. 320F.7; and Dionysius of Halicarnassus, Ant. rom. 7.42.2.1, all of which use tis hym n and expect a negative answer. Contra Jeremias (The Parables of Jesus [n. 4], 103) and H. Greeven (“Wer unter Euch …?” WD 3 [1952]: 86–101, 100), who say this question does not have contemporary parallels. See K. Berger, “Materialien zu Form und Überlieferungsgeschichte neutestamentlicher Gleichnisse,” NovT 15 (1973): 1–37, 32–33. 36 Parables regularly have nimshalim. Whether a specific nimshal was original may be difficult to determine since it could have been included by Jesus and omitted by the evangelists as unnecessary because of their own contextual framing, or the nimshal could have been omitted by Jesus but included by the evangelists as necessary. The only question regarding a nimshal is whether it fits the purpose of the parable. 37 For discussions of this genre, see U. Simon, “The Poor Man’s Ewe-Lamb: An Example of a Juridical Parable,” Bib 48 (1967): 207–242; A. Graffy, “The Literary Genre of Isaiah 5,1–7,” Bib 60 (1979): 400–409; G. Yee, “A Form Critical Study of Isaiah 5:1–7 as a Song and a Juridical Parable,” CBQ 43 (1981): 30–40; and U. Mell, Die “anderen” Winzer: Eine exegetische Studie zur Vollmacht Jesu Christi nach Markus 11,27–12,34 (WUNT 77; Tübingen 1994), 82–85. 4 Ezra 4:13–21 is a juridical parable about the forest and the sea told after Ezra complains it would be better not to have lived. The plans of forest and sea to subdue each other is deemed foolish by Ezra. If he could judge that correctly, why did he not discern that those who inhabit the earth can understand only what is on earth and those in heaven can understand what is above the height of the heavens?
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which wound from behind,”38 an especially apt description of juridical parables. The best known juridical parable is Nathan’s parable of the Ewe Lamb told to David (2 Sam 12:1–14). Jesus’ parables of the Two Sons (Matt 21:28–32), the Wicked Tenants (especially in Matt 21:33–45 but by implication in Mark 12:1–12/Luke 20:9–19), and the Two Debtors (Luke 7:40–47) are juridical parables. Juridical parables nearly always and almost by necessity require concluding explanations, something that points the accusing finger at the hearer and makes explicit how the person has erred. Single indirect narrative parables. Most of these parables have traditionally been called example stories. The usual explanation is that the primary purpose of these parables is to present a positive or negative character (or both) who serves as an example to be imitated or whose traits and actions are to be avoided. Either explicitly or implicitly the example story says, “Go and do [or do not do] likewise” (cf. Luke 10:37). Typically only four Gospel parables, all in Luke, are identified as example stories: the Good Samaritan, the Rich Fool, the Rich Man and Lazarus, and the Pharisee and the Toll Collector.39 A number of scholars reject this category because they are unimpressed with what they see as moralistic teaching in example stories, because they know other parables also give examples to follow or not follow, and especially because they presuppose all parables must be metaphorical. In their estimation either these four accounts were originally metaphorical too, or they are not parables, and if they were originally metaphorical stories, they have been changed into moralistic accounts by the evangelists. D. Via excludes them from the category of parables.40 J.D. Crossan thinks all four parables were originally parables of reversal to emphasize that the kingdom brings reversal but have been turned into moral injunctions by the tradition.41 In Crossan’s opinion the Good Samaritan at the literal level causes the hearers’ world to be turned upside down, and the metaphorical point is that the kingdom breaks abruptly into one’s consciousness and demands the reversal of values.
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See, e.g., Kierkegaard, Søren Kierkegaard’s Journals and Papers (n. 30), 1:266–276. R. Bultmann viewed other accounts also as example stories, such as Luke 14:7–11 and 12–14. See his History of the Synoptic Tradition (trans. J. Marsh; rev. ed.; New York 1976), 179. The most important treatments of example stories are J.T. Tucker, Example Stories: Perspectives on Four Parables in the Gospel of Luke (JSNTSup 162; Sheffield 1998), even though in the end I do not think his solution is satisfactory; and E. Baasland, “Zum Beispiel der Beispielerzählungen: Zur Formenlehre der Gleichnisse und zur Methodik der Gleichnisauslegung,” NovT 28 (1986): 193–219. 40 D. Via, “Parable and Example Story: A Literary-Structuralist Approach,” Semeia 1 (1974): 105–133, esp. 119. He says the narrative of the Good Samaritan is a metaphor which gives new meaning to neighborliness but not a metaphor of the kingdom and, therefore, not a parable. How does such a statement square with the breadth of the term mashal? 41 J.D. Crossan, “Parable and Example in the Teaching of Jesus,” NTS 18 (1972): 285–307. 39
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For some time I tried to keep the category example story, but in the end this label is both inadequate and inappropriate. Other parables clearly give examples of behavior to be imitated or avoided (e.g., the Unforgiving Servant, the Two Builders, the Faithful and Unfaithful Servant, the Treasure in the Field, the Two Sons, and the Tower Builder and Warring King). No features of their form or content distinguish the so-called example stories from other parables.42 However, the attempt to show they were originally metaphorical pictures of the reversal of the kingdom fails. The explanation is noticeably lacking in specificity and unconvincing. Would hearers really see in the Samaritan a reversal of values and draw the implicit conclusion that the kingdom must have such a reversal, especially when the parable does not mention the kingdom? A reversal of values can be effected by a single indirect story as easily as by a metaphorical / double indirect parable. These four parables do function differently, and I would add a fifth, the parable of the Unjust Steward. These stories have developed plots, but they are not metaphorical in the way other parables are. Other parables are analogies dealing with two different realms and with two levels of meaning; they are double indirect stories that refer outside themselves. Through them one sees a subject different from what is in the narrative; i.e., they are not really about seeds, treasure, masters, and servants but about God, the kingdom, and God’s people. Interpretation of other parables involves a transfer from the subject in the narrative to some other topic. These five stories do not juxtapose different realms; they are about the subjects they narrate: a Samaritan’s aid, the wealth of a rich fool, etc. No transfer is required to another arena, and, therefore, we are justified in speaking of their “relative peculiarity.”43 They address the reader indirectly by telling of another person but directly by treating the subject at hand. The parable of the Rich Fool addresses the reader indirectly through the rich man but directly treats the subject of wealth. They are staged portraits of reality. These five parables require a different label, and the best alternative is to call them what they are – single indirect narrative parables.44
42 Tucker, Example Stories (n. 39), 264–274. See also W. Harnisch, Die Gleichniserzählungen Jesu: Eine hermeneutische Einführung (3 rd ed.; Göttingen 1995), 84–92. 43 Baasland, “Zum Beispiel der Beispielerzählungen” (n. 39), 218–219. Note Tucker’s legitimate conclusion (Example Stories [n. 39], 399) that if there is a difference between example story and parable, it is a difference of degree, not kind. 44 Jesus’ double and single indirect narrative parables have superficial parallels to Aristotle’s historical and invented examples (paradeigmata) and to two kinds of rabbinic proofs, the ma aseh (a precedent) and the mashal (an analogy / parable), but Jesus was not offering proofs by historical precedent nor precedents for halakhic rulings. Rather, he was presenting human behavior as a way to confront people with decisions about life. The single indirect stories are neither historical examples nor ma asim.
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“How much more” parables.45 This category is not determined by form but by function, and “How much more” parables – for lack of a better term – will also belong to another classification as well. Some are interrogative parables without plot development, and some are narrative parables with plot development. Most of them explicitly or implicitly contrast human action with God’s action. The logic, which is well-known in rabbinic writings, is that found in Matt 7:11/Luke 11:13: If a human father knows to give good gifts to his children, how much more will the heavenly Father give good gifts? Contrast between two persons or entities (such as the contrast between the Two Builders) is a feature of many parables,46 but “How much more” parables function to say God’s action far exceeds or is not at all like the person depicted in the parable.47 They may not have explicit signals to warn that the parable functions to contrast human behaviour with God’s, but the context, the conclusion, or the nature of the parable usually leaves little doubt. An obvious example is the parable of the Unjust Judge, who is not like God at all. It is also possible for the contrast to be between human action and the action expected of God’s people, as is the case with the parable of the Unjust Steward. By way of summary, the parables are prophetic instruments, indirect communication – mostly double indirect communication – used by Jesus quite purposively to confront his contemporaries. That is the context in which they should be interpreted, and the goal is Jesus’ intent in that context, not what we might create by reframing the story in some context of our choosing. Jesus’ parables are stories with intent.
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A fortiori parables is an alternative label. Birger Gerhardsson divides Jesus’ parables into four groups depending on how strongly they involve contrasts within the parable. Of his fifty-five parables he lists eleven with highly stylized contrasts (such as the Two Builders) and ten with the contrast clear and important but not as dominant or clearcut as the earlier group. See his “Illuminating the Kingdom: Narrative Meshalim in the Synoptic Gospels,” in Jesus and the Oral Gospel Tradition (ed. H. Wansbrough; JSNTSup 64; Sheffield 1991), 266–309, 273–274. 47 As J.W. Sider (Interpreting the Parables: A Hermeneutical Guide to Their Meaning [Grand Rapids 1995], 45) notes, “We can hardly make analogies about God without some sense of ‘how much more.’” 46
Survivors of the Crucifixion Searching for Profiles in the Parables Charles W. Hedrick Introduction This paper has a twofold purpose. The first is to introduce the parables of Jesus as realistic fiction narratives. As realistic narrative they reference and imitate the social world of early Roman Palestine. As narrative they aim at bringing readers (originally auditors) into their fictional worlds, rather than pointing them away from their fictional worlds to some other level of reality. The second purpose is to argue that Jesus’ narrative fictions may be used to profile the earliest survivors of the crucifixion crisis among Jesus’ associates. The time frame for this inquiry is roughly from the beginning (?) of Jesus’ public career to sometime around the time of Paul’s conversion. In terms of an absolute chronology the beginning of the time frame occurs somewhere between 26 to 36 C.E. The terminus a quo is set by the dates that Pontius Pilate was Procurator / Prefect of Judea: 26–36 C.E.,1 since Jesus was crucified sometime during Pilate’s administration of Roman Judea. The terminus ad quem I estimate as sometime before the end of the reign of King Aretas IV of Nabatea in 40/41 C.E.2 During Aretas’ reign (8/9 B.C.E. to 40/41 C.E.) Paul was already active in his missionary work (2 Cor 11:32–33). So already by this time the Jesus traditions had begun to be modified to reflect their new life setting in the Graeco-Roman world. Galilee (the original locus of Jesus’ activities) and those Jewish concerns that were the original religiophilosophical matrix of his public career were being influenced by the religious concerns of the early Roman Empire. No direct sources exist for this period. We are forced to use early Christian gospels written, we generally argue, in the second half of the first centu-
1 Oxford Classical Dictionary (ed. S. Hornblower and A. Spawforth; 3 rd ed.; Oxford 1996), s.v. “Pontius Pilatus.” 2 D.F. Graf, “Aretas,” ABD 1:373–376.
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ry.3 These texts were written by a second, or perhaps even third, generation of the survivors of Jesus’ original circle of associates, using traditions the original survivors of the crucifixion had passed on to them orally. The gospels provide some historical data,4 but mostly unverifiable traditions about the make up of Jesus’ original circle of associates in the early period. On the other hand, some sayings of Jesus by general consensus are thought to originate in the period before the crucifixion; among these sayings are the parables. With some exceptions these brief stories are generally conceded to have been invented by Jesus of Nazareth and originally performed in the pre-crucifixion period.5 These stories were remembered, and re-performed by the earliest survivors of the crucifixion in the period immediately following the death of Jesus. The question is: Can the parables serve as data for describing the earliest survivors of the crucifixion?
Parables and the Circle of Jesus’ Associates after the Crucifixion Galilee is the location where the original gathering of people around Jesus took place and where his public career began, at least according to the uniform view of the later gospel writers. And the Galilee region does seem to have drawn the survivors back to it following the crisis of the crucifixion (Mark 16:7; Matt 28:10, 16; John 21:1). Unfortunately, however, the only two geographical locations surviving in the parables reflect a Judean setting (Luke 10:30; 18:10) rather than Galilean. Hence one would have to think of the parables as cultural sources for first-century Palestine rather than as being limited to Galilee alone. The actions described in most of these stories could have happened in any small village throughout Palestine.6 The pre-crucifixion gathering of Jesus’ associates was more familiar with him as Palestinian Jew and the details of his public career than people who joined the circle later. The earliest gathering formed itself before the crucifixion around a Jewish man, his ideas, and activities. Later gatherings formed after the crucifixion around particular ideas about the Jewish man. 3 The earliest plausible date for Mark, the earliest gospel, is 70 C.E. because the destruction of the Jewish temple is mentioned in Mark 13:1–2. Any argument for an earlier dating requires special pleading. 4 For example, Paul knows Peter and James, Jesus’ brother, and a John (Gal 1:18–2:21); additional attestation serves as confirmation of tradition reported in the gospels. 5 At least the majority of them are regarded as originating with Jesus by the most critical assessors of the Jesus traditions to date: R.W. Funk, B.B. Scott, and J.R. Butts, The Parables of Jesus: Red Letter Edition: A Report of the Jesus Seminar (Sonoma, Calif. 1988). 6 I use the terms parables, narratives, and stories interchangeably to mean simply narrative. “Narrative” is the formal literary term for these units; “story” is a popular term; and “parable” is a term describing a certain interpretative strategy for how the narratives are thought to function.
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The earliest circle of Jesus’ associates was initially responsible for preserving an amorphous corpus of Jesus lore with no particular organization or rationale; the later gatherings further modified and transmitted the traditions they received. Even the process of remembering by the survivors of the crucifixion was also a process of filtering and modifying the traditions about Jesus: people simply do not remember everything and what they do remember is always in relation to themselves.7 Hence the early survivors did not consciously purge the tradition, but rather spontaneously recalled what was important to each survivor. This assessment is borne out by the fact that the later followers had difficulties with the earlier traditions transmitted by the original pre-crucifixion associates of Jesus.8 For example, the story about the fired steward (Luke 16:1–7) features as protagonist a person fired from his position allegedly for squandering his employer’s property. The story clearly bothered the ethical sensitivities of later followers of Jesus, to judge by the multiple stumbling attempts (Luke 16:8–13) to make sense of the story from the perspective of later faith. Apparently, the early survivors had no such scruples about the story since they passed it on with its ethical problems intact. Based on the way the discourse of Jesus is treated in the gospels, the later post-crucifixion circles of Jesus followers, who had formed themselves around particular ideas about the Jewish man, came to regard sayings and actions of Jesus not easily understood in terms of their later faith as a type of oblique discourse or behavior (cf. Matt 21:1–11). These sayings and actions of Jesus were thought to mean something more, or different, from what appeared on the surface.9 Many sayings of diverse literary type they described as “parable,” and treated them as figurative discourse. For example, they described as parable a saying attributed to Jesus about how to identify a change between two seasons of the year (Matt 24:32 = Mark 13:28 = Luke 21:29–30), and treated what on the surface appears to be common wisdom as a figure with an unstated religious meaning (Matt 24:32–33 = Mark 13:28–29 = Luke 21:29–31). A traditional proverbial saying about physicians (Luke 4:23) is described as “parable,” as is common sense advice about patching old garments and making wine (Luke 5:36–39).10
7 See C.W. Hedrick, When History and Faith Collide: Studying Jesus (Peabody, Mass. 1999), 110–125, and the literature cited there. 8 I make the following distinctions in the gatherings around Jesus: His pre-crucifixion associates gathered around the Jewish man and his ideas. His post-crucifixion associates gathered around one another and their ideas about the Jewish man. His later followers looked back on his pre-crucifixion associates and post-crucifixion associates as “disciples.” 9 See C.W. Hedrick, Parables as Poetic Fictions: The Creative Voice of Jesus (Eugene, Oreg. 1994), 13–16; idem, Many Things in Parables: Jesus and his Modern Critics (Louisville, Ky. 2004), 1–2, and idem, “Parable,” NIDB (Nashville, forthcoming). 10 See Hedrick, Parables as Poetic Fictions (n. 9), 10–17.
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Among the fragments of Jesus’ discourse they remembered and passed on were narratives or stories – which modern scholars describe as the “classic form” of parable, in order to distinguish them from other types of sayings the evangelists also described as parable. Only forty-one of these narrative gems survive from the period before the crucifixion. They appear in only five texts: Matthew has eighteen stories, Mark has five, Luke has twentyfour, Thomas has fourteen, and the Secret Book of James has three stories.11 We have no idea how many of these stories Jesus invented throughout his apparently short career, but surely more were told than survived. The brief narratives appear to be the most distinctive idiom of Jesus’ discourse, to judge from what we have preserved in the gospels. In some sense, therefore, Jesus should be conceived as an itinerant teller of tales. A similar practice survived until the third century C.E. by a class of professional Greek singers called rhapsodes.12 I know of no continuing tradition of itinerant tellers of tales in ancient Israel, but Hebrew Bible does preserve fragments of a literary genre similar to the stories Jesus told; they are described as fairy tales, fables, and tales.13 According to Eissfeldt, these narratives are “poetic, not historical narrative. They were intended to give pleasure and to entertain.”14 Of these narratives, three in particular are close parallels to the realistic fictions of Jesus: 2 Sam 12:1–4, 2 Sam 14:5–7, Eccl 9:14–15. These three narratives are artistically formed realistic narrative fiction rather than fairytale, myth, or fable.15
Characteristic Features of the Parable as Narrative Fiction This section sets out some of the literary features of the narratives (parables, stories) of Jesus. The most characteristic feature of the parables corpus as a whole is the brevity of each parable. For convenience, their lengths may be described as: sentence parables, short paragraph parables, and multiple paragraphs parables. The sentence parable is comprised of a single sentence (simple or compound); this form constitutes the greater number of the stories Jesus told. For example, the following stories are comprised of one sentence: the Leaven (Matt 13:33), the Mustard Seed (Mark 4:30–32), Settling out of Court (Matt 5:25), the Fishnet (Matt 13:47–48), the Pearl 11 Matthew, Mark, Luke and Thomas have in common fourteen parables; twenty-seven parables are single version parables. 12 OCD (n. 1), s.v. “rhapsodes.” 13 See O. Eissfeldt, The Old Testament, An Introduction: The History of the Formation of the Old Testament (trans. P.R. Ackroyd; New York / Evanston 1965 [from the 3 rd German edition]), 37–38. 14 Eissfeldt, Old Testament (n. 13), 34. 15 See Hedrick, “Parable” (n. 9).
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(Matt 13:45–46), Hid Treasure (Matt 13:44). The sentence story is sometimes extended into two sentences; for example, the lost sheep story in Matt 18:12–13,16 and the Two Debtors (Luke 7:41–42). The short paragraph parable is comprised of several sentences, but has a single focus, or movement. Examples of short paragraph parables are: the Tares (Matt 13:24–30), the Rich Man (Luke 12:16–20), Ten Maidens (Matt 25:1–11), Laborers in the Vineyard (Matt 20:1–15), and the Unforgiving Servant (Matt 18:23–34). Multiple paragraph parables are rare in the parables’ corpus. There are only three: the Prodigal Son (Luke 15:11–32),17 the Great Supper (Matt 22:1–14),18 the Talents (Matt 25:14–30).19 Anonymity of characters is the dominant rule in the parables. In only one story, Lazarus and the Rich Man (Luke 16:19–31), are characters given personal names, Abraham and Lazarus, a beggar. The feature of anonymity corresponds to the impersonal character of the actors; characters are not personalized. They are, as a rule, described by their actions or status in society: for example, a sower, a steward, a rich man, a father, a vintner, a king, a merchant, etc. Extended descriptions of characters are virtually nonexistent, but brief descriptions do appear, although rarely: for example, five wise and five foolish maidens (Matt 25:2), a good man, (or usurer,20 Gos. Thom. 65). Jesus’ characters are generally flat21 but become memorable in the action. Readers are left to fill out and personalize the characters from their own imagination and experience. 16 Luke’s version of the story (Luke 15:4–6) expands the story’s focus to include the beginning of a second movement: the shepherd goes home and invites his neighbors to celebrate the finding of the lost sheep. In this case the second movement of the story is not developed, however, as happens in the multiple paragraph stories. 17 The first paragraph, or movement, focuses on the younger son, Luke 15:11–24; the second paragraph focuses on the elder brother, Luke 15:25–32. 18 The first paragraph, or movement, focuses on the preparation for the celebration, the rejection of the invited guests, and the king’s reaction, Matt 22:2–7; the second paragraph focuses on the assembling of the disreputable guests and the king’s reaction at the banquet, Matt 22:8–13. The versions of this parable in Luke 14:16–23 and Gos. Thom. 64 are not multiple paragraph parables. 19 The first paragraph, or movement, focuses on the amounts entrusted to the servants and their use of them: Matt 25:14–18; the second paragraph focuses on the master’s return and the settling of accounts, Matt 25:19–28. 20 See J.S. Kloppenborg, The Tenants in the Vineyard: Ideology, Economics, and Agrarian Conflict in Jewish Palestine (WUNT 195; Tübingen 2006), 43. 21 Basically because of the brevity of the parable, Jesus’ characters are flat. Though some few are tending to curve, there is little space for extensive character development. Depending on how one analyzes the story, however, characters may be more rounded. See E.M. Forster, “Flat and Round Characters,” in Essentials of the Theory of Fiction (eds. M.J. Hoffman and P.D. Murphy; Durham 1988), 40–47. Flat characters “are constructed round a single idea or quality; when there is more than one factor in them, we get the beginning of the curve towards the round” (p. 41). “The test of a round character is whether it is capable of surprising in a convincing way. If it never surprises, it is flat” (p. 47).
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The characters Jesus invented for his stories have been described as “stock characters.”22 This description of Jesus’ characters seems unlikely to me. I have described them as “flat,” meaning that they are one-dimensional. A flat character is not exactly the same thing as a stock character.23 Stock characters are specific literary types recognized from their repeated use in previous literature.24 Theophrastus (3 rd/4 th century B.C.E.), for example, provides a list of recognizable stock characters occurring in Greek Old Comedy.25 Apparently every form of literature has its stock characters.26 There exist, however, no antecedents to the parables of Jesus to which his characters may be compared (so far as we know), and because the repetitious use of the type is essential in identifying a stock character, Jesus’ characters should be regarded as flat rather than stereotyped. Another feature of the parables is their superficiality, which means that readers are only presented with surface or outer aspects of the narrative. The parables of Jesus are much like life itself, which has neither interior views of what characters are thinking nor an omniscient narrator (such as appears in the Gospel of John27) to explain aspects of the narrative. In the words of Erich Auerbach in his description of the narrative of Abraham and Isaac (Gen 22:1–14): “[T]he externalization of only so much of the phenomena as is necessary for the purpose of the narrative [is given], all else [is] left in obscurity; the decisive points of the narrative alone are emphasized, what lies between is nonexistent; time and place are undefined and call for an interpretation; thoughts and feeling remain unexpressed, [they] are only suggested by the silence and fragmentary speeches; the whole … remains myste-
22 B.B. Scott, Hear Then the Parable: A Commentary on the Parables of Jesus (Minneapolis 1989), 36: “[P]arables draw on the conventions of Israel’s heritage. This is part of the ideal thesaurus or repertoire of the narrative. The characters are stock characters, the plots are stock plots.” He does not argue this point, however. 23 T.R. Arp, G. Johnson, and L. Perrine, Perrine’s Literature: Structure, Sound, and Sense (8 th ed.; New York 2002), 1705. Perrine, Arp, and Johnson describe characters in the following ways: a flat character is one “whose moral qualities or personal traits are summed up in one or two traits.” A round character is one “whose distinguishing moral qualities or personal traits are complex and many sided.” A stock character is a stereotyped character: “one whose nature is familiar to us from prototypes in previous literature.” 24 Arp, Johnson, and Perrine, Perrine’s Literature (n. 23), 171. They describe a stock character as a “special kind of flat character.” “These are stereotyped figures who have recurred so often in fiction that we recognize them at once.” So it appears there are flat characters that are not stock or stereotyped characters. 25 P. Vellacott, Theophrastus: The Characters, and Menander: Plays and Fragments (Baltimore 1967), 27–55. 26 See C.H. Holman and W. Harmon, A Handbook to Literature (6 th ed.; New York / London 1992), 455–456; J.A. Cuddon, The Penguin Dictionary of Literary Terms and Literary Theory (rev. C.E. Preston; London 1998), 864–865. 27 See C.W. Hedrick, “Authorial Presence and Narrator in John: Commentary and Story,” in Gospel Origins and Christian Beginnings: In Honor of James M. Robinson (eds. J.E. Goehring, C.W. Hedrick, J.T. Sanders, and H.D. Betz; Sonoma, Calif. 1990), 74–93.
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rious and ‘fraught with background.’”28 With a few exceptions his statement might well apply to the parables of Jesus. The parables are all about the action – the play’s the thing! Rarely are interior views given. Three notable exceptions are the Judge and the Widow (Luke 18:2–5), A Rich Man (Luke 12:16–20), and the Prodigal Son (Luke 15:17–19). Rarely are explanations given in the parable; everything is on the surface. In the Tares the narrator explains how the tares got among the wheat (Matt 13:25; but it is not explained how the farmer knew this to be the case, Matt 13:28). In the Thomas (Gos. Thom. 64) and Lukan (14:18–20) versions of the Feast guests invited to the celebration explain why they will not attend (but no such explanations are given in the Matthean version, Matt 22:5). Generally the narrator does not explain but leaves it up to readers to make sense of the actions in the narrative. For example, the narrator does not explain exactly how the “dishonest” steward (Luke 16:1–7) defrauded his boss (if in fact he did do so), but leaves it up to auditors / readers to make what they will of the charge and the steward’s subsequent behavior. In general the stories may be described as vignettes – “a sketch, essay, or brief narrative characterized by precision and delicacy.”29 In other words, they are characterized by economy of language and fineness of texture. Each narrated incident begins in medias res. Auditors / readers are immediately plunged into the action with virtually no explanation of what led up to the moment described in the narrative. For example, in the story of the Widow and the Judge (Luke 18:2–5) we are told nothing about the widow’s adversary or about the reason that brought the widow and the adversary into the judge’s court; in the story of the killer (Gos. Thom. 98) we are not told the reason for the killing of the nobleman. The stories begin in the middle of things, and stand alone as brief vignettes in the lives of judge, widow, and killer. Finally, the stories conclude, but do not resolve the complications arising in the narratives. For example, in the story about a toll collector and a Pharisee (Luke 18:10–13) the complication is this: in the final analysis whose prayer does God accept?30 That issue is left up to individual readers to decide.31
28 E. Auerbach, Mimesis: The Representation of Reality in Western Literature (trans. W. Trask; Princeton 1953 [first German edition 1946]), 11. 29 Holman and Harmon, Handbook to Literature (n. 26), 523. 30 Luke 18:14 is the voice of Luke’s Jesus and not the voice of the narrator of the parable; the narrative voice of the parables is not self-aware. See the discussion of this parable in Hedrick, Parables as Poetic Fictions (n. 9), 208–235. 31 See Hedrick, Many Things in Parables (n. 9), 83–85.
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Community Memory and Parables of the Kingdom Why were so few parables preserved? Forty-one narratives do not constitute a very large corpus; to judge by the distinctive literary quality of the stories one might expect that the creative imagination producing them would have left behind a greater number. To some extent the small residue of stories was simply due to chance. In another sense, however, they were initially preserved because the survivors of the crucifixion crisis tended to remember and repeat those things Jesus said in which they found religious value. I do not mean to imply that the stories actually “meant” what the survivors imagined them to “mean.” The post-crucifixion survivors shaped, repeated, and understood the stories under the influence of their resurrection faith – at least that is what the gospel writers lead us to believe. A case in point is John’s treatment of the Temple incident (2:13–22). Jesus said, “Destroy this temple, and I will raise it up.” In the passage the Jewish leaders took this statement as a reference to the Temple building. The Johannine narrator clarifies, however: “But he spoke of the temple of his body. When therefore he was raised from the dead, his disciples remembered that he had said this; and they believed the scripture and the word that Jesus had spoken” (John 2:22). In other words their memory was influenced by their faith and the reading of “Scripture” (i.e., Hebrew Bible). Hence whatever the Jewish man had previously said was now reassessed from the perspective of particular ideas about the man. The reasoning must have gone something like this: Jesus being who he is (i.e., in our faith), surely these secular stories about common village life in Palestine meant something more significant than what they say on the surface! The “reign of God” parables are good examples of community imagination transforming the Jesus traditions. The stories, introduced by the comparative frame “the reign of God is like …” do not even mention God, much less his reign but the later followers of Jesus “imagined” they did because of who Jesus had become in their later faith. In the period following the crucifixion they provided the stories with appropriate introductions and / or comparative frames, likely under the influence of a subject Jesus frequently spoke about – the reign of God.32 The entire history of parables interpretation beginning with Mark through William R. Herzog (who has given us the most recent theory of parables33) attests to the same creative imagination that turns daily life in Palestinian villages into stories about
32 See C.W. Hedrick, “Parable and Kingdom: A Survey of the Evidence in Mark,” PRSt 27 (2000): 179–199. 33 William R. Herzog II, Parables as Subversive Speech: Jesus as Pedagogue of the Oppressed (Louisville, Ky. 1994).
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Christian theology, social justice, religious morals, and metaphors for the reign of God.34 Only fourteen of the forty-one extant stories in all versions of the story call for a comparison between the reign of God / Heaven and common village life, or between the reign of God and some process of nature.35 With other stories one version may be introduced as a parable of God’s reign but other versions do not: for example, the Lost Sheep (Thomas does; Matthew and Luke do not), the Feast (Matthew does; Luke and Thomas do not), and a Net Thrown into the Sea (Matthew does and Thomas does not). The comparative frame, like the appended interpretations to the stories found in the gospels, is not within the story Jesus told. It is an appendage to the story, and to use the appendage as the crux for explaining the story is like insisting the tail wag the dog. What is most problematical, however, is that none of the so-called “reign of God” stories describes within the narrative exactly what it is about the reign of God that everyday life in Palestinian villages is supposed to re-present. That conjecture is left to the creative imagination of individual readers. A lack of interest in religion is typical of the stories Jesus told.36 The stories Jesus told never draw conclusions, religious or otherwise within the story world of the parable; conclusions are drawn, however, by the evangelists outside the narratives and put on Jesus’ lips in order to push a particular understanding of the story, which had evolved in the later circles of Jesus’ followers.37 Hence the introductory comparative frame “the reign of God is like” should be considered an early hermeneutical tool employed by Jesus’ followers to domesticate what are principally secular narratives and bring them into the house of faith, as do all the comparative introductions and interpretive conclusions provided by the evangelists.38 To use any of the literary contexts provided by the evangelists as the crux for reading the stories of Jesus is a denial of the significance of the oral period of the Jesus traditions. We have no idea how Jesus used his stories; we only know how his later followers thought he used them. The earliest survivors of the crucifixion may have known what Jesus was up to with his stories, but as the orientation of the communities was reshaped by their belief in the resurrection (i.e., no 34 See, for example, the diversities of widely different ideas that trained scholars derive from one particular parable in C.W. Hedrick, “Prolegomena to Reading Parables: Luke 13:6–9 as a Test Case,” RevExp 94 (1997): 179–197. 35 Hedrick, Parables as Poetic Fictions (n. 9), 258; to the list cited there add the stories of the Unmerciful Servant (Matt 18:23–34) and the Ten Maidens (Matt 25:1–12). 36 Only three stories feature anything overtly religious: A Pharisee and a Toll Collector (Luke 18:10–13), A Rich Man (Luke 12:16–20; Gos. Thom. 63), and An Injured Man on the Jericho Road (Luke 10:30–35). 37 See Hedrick, Many Things in Parables (n. 9), 90–91. 38 See Hedrick, Many Things in Parables (n. 9), 10–14.
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longer in association with a Jewish man, but in association with one another around ideas about the Jewish man) and as new persons, who did not know the pre-crucifixion Jewish man in the earliest period were added to the gatherings, the stories became less transparent and more opaque. When these stories are read as creative fictions against their Palestinian background, many of them do (perhaps I should say “can”) raise perplexing moral / ethical questions, but they offer no solutions. What is worse: they do not suggest a particular direction that might lead toward a “preferred” solution, or even hint that there is a preferred solution. In short, the stories reflect a kind of moral ambiguity. The narrative voice of the parables does not critique the behavior of protagonists, and consequently appears to lack in moral conscience. Permitting a story about a cold-blooded killing to pass by with no protest whatever from the narrator is perhaps the clearest example of amorality in the parables.39
Flawed Characters and the Stories Jesus told The two most obvious features of the stories Jesus told are their secularity, and their realistic portrayal of life in Palestinian villages. Here is what Norman Perrin had to say about the parables: The parables of Jesus are pictures and stories drawn from petit-bourgeois and peasant life in Palestine under the early Roman emperors. They are not myths employing archetypal symbols; they are not fables exploiting the universal features of the human condition; they are not folk tales appealing to the collective experience of a people as a people. They are vivid and concrete pictures and stories drawn from the details of a particular situation at a given time and in a given place. They are occasional, transitory, essentially fleeting snapshots of life.40
There are exceptions, however; a few stories treat the actions of kings or nobles. For example, a marriage feast given by a king (Matt 22:2–13), a nobleman departs to receive a kingdom (Luke 19:12–27), a king considers going to war (Luke 14:31–32). Some stories are heavily allegorized, or “glossed,” with material evocative of a religious explanation; for example, a story about leasing property and collecting rent becomes a thinly disguised story 39 See Thomas’ story of “A Killer” (Gos. Thom. 98): C.W. Hedrick, “Flawed Heroes and Stories Jesus Told: The One about a Killer,” in The Handbook for the Study of the Historical Jesus (eds. T. Holmen and S.E. Porter; Brill, forthcoming). 40 N. Perrin, Jesus and the Language of the Kingdom: Symbol and Metaphor in New Testament Interpretation (Philadelphia 1976), 104. The only thing I would change in his statement is the following: that they are “stories drawn from the details of a particular situation.” It seems to me that they are mimetic fictional narratives created out of specific situations. Jesus is not simply reporting what he sees, but rather creating complex realistic narratives out of life as he observed it. In other words the stories do not describe particular historical incidents, but rather describe the kinds of thing that might well have happened in first-century Palestine.
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about God sending forth his “beloved” son (Mark 12:1–11).41 The realism of other stories is occasionally shattered by hyperbole and exaggeration. For example, in the Mustard Seed a garden vegetable becomes a tree (Matt 13:32; Luke 13:19); a merchant sells “everything” to buy a valuable pearl (Matt 13:45–46) and the voice of God suddenly interrupts a story about a farmer with an extravagant crop (Luke 12:16–20). But on the whole the original secularity and first-century realism shine through the narratives. Scholars do not agree on what emphasis should be placed on their realism or on these overt exaggerations.42 In a large percentage of the forty-one stories, Jesus created flawed protagonists or suggested other flaws in human behavior by the way the story is told. These ethical or moral flaws (from our later perspective) create complications in the narrative for later readers. Because the narrative voice of the parable does not resolve within the story the complication created by the story, they can be read in different ways. For example, what should one say about the fate of a fruitless fig tree in the hands of two bumbling farmers (Luke 13:6–9)?43 Was Luke’s “shepherd” actually irresponsible in tending the sheep in his care (Luke 15:4–6)?44 What does it say about the state of justice in a community when widows can badger judges into compromising their integrity (Luke 18:2–5)?45 How do we resolve a story about a dysfunctional family – caused by a doting parent who raises two flawed sons (Luke 15:11–32)?46 These stories reveal something surprising both about Jesus and the earliest survivors of the crucifixion. To have used stories lacking in moral conscience, or perhaps better, stories about questionable behavior that conclude with complications unresolved leaving resolution to the whimsy of any reader, suggests that Jesus and the earliest survivors of the crucifixion likely did not have the same rigid moralistic and ethical values emerging in New Testament literature and later orthodoxy. To judge from the perspective of these parables, Jesus and the earliest survivors of the crucifixion do not seem to have been rigid moralists, rabid apocalyptic prophets, or even activist social reformers.47 The stories suggest a kind of laissez faire in the area of human affairs. For example, Jesus says render to Caesar what is due him and give God his due as well (Mark 12:17), but he never defines the specific content of the obligations. It is left to readers to judge the specificity of 41 See the discussion in Hedrick, Many Things in Parables (n. 9), 13, and the literature cited there. 42 Hedrick, “Parable” (n. 9). 43 C.W. Hedrick, “An Unfinished Story about a Fig Tree in a Vineyard (Luke 13:6–9),” PRSt 26 (1999): 169–192. 44 Hedrick, Many Things in Parables (n. 9), l49–150. 45 Hedrick, Parables as Poetic Fictions (n. 9), 187–207. 46 Hedrick, Many Things in Parables (n. 9), 39–42. 47 For a different view, see, Herzog, Parables as Subversive Speech (n. 33), 1–29.
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their obligations to Caesar and God. In a similar fashion, the stories neither pass judgment on actors in the narratives nor suggest particular solutions to their complications. As a whole, the stories suggest that Jesus was a shrewd observer of life about him, but the information for inventing realistic characters in his stories would not have come only from his imagination. His stories arose from a blending of creative imagination with shrewd observation of everyday life in Roman Palestine.48 He likely had access through his circle of associates to the social venues suggested in the stories; the realism of the stories suggests that people of similar life experience to the characters in his stories would likely be numbered among his associates. That Jesus knew the kinds of people featured in his stories and even numbered some of them among his circle of associates would not be unusual. In a Palestinian village he could scarcely not have known someone who made a living by farming (a sower), or a housewife who had lost a valuable object (lost coin). But where would he have come by the specialized information of the inner operations of a wealthy man’s domicile (Dishonest Steward, Unmerciful Servant)? In what kind of context would he have interacted with the wealthy to learn of their treatment of slaves (Entrusted Money, in Matthew’s version)? How would he have known about the interaction between a property owner and his lease holders (the Vineyard in the Gospel of Thomas), or the excuses offered by guests to a host who had invited them to dinner? Certainly, one may appeal to local village gossip for some of these details and to simple invention for others, but it is equally plausible that such information came from observing those who had such things happen to them. Jesus may have simply invented the characters and the incidents in the stories completely out of his imagination, but in order for both characters and actions to be plausible to his audience, the audience would need to recognize in them the kinds of things that did happen or the kinds of things that were plausible.49 My argument is that Jesus would have drawn from both imagination and observation. The first-century gospel writers leave us some information about the early pre-crucifixion associates of Jesus. The evangelists apparently believed that among those associated with Jesus were people of influence and means. If true, then tradition affirms that the survivors of the crucifixion included in their number people of influence and community standing in Roman Pales48 Ideas can come from any place but, if one is writing realistic fiction, ideas for characters will principally come from life around the artist. See O.S. Card, Characters and Viewpoint (Cincinnati, Ohio 1999), 25–40. Aristotle advised that characters in dramatic tragedies should be true to what is known of the traditional character in the tragedy. The earliest tragedians stumbled onto their craft by writing about families who had experienced such tragedies (Poetics xiv.20; xv.1–8, 10). Aristotle noted both possibilities, imagination and observation, for developing characters: Poetics xvi.5. 49 As Aristotle suggested, Poetics viii 9.1–3.
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tine. For example, one “secret disciple” (John 19:38), Joseph of Arimathea, who was expecting the kingdom (Luke 23:51), had direct access to the highest echelons of power in Roman Palestine, i.e., Pilate the Roman Prefect (Matt 27:57–58; Mark 15:43; Luke 23:50–52; John 19:38–40). Joseph and Nicodemus, a “ruler” and teacher of Jewish tradition (John 3:1, 10), according to John, performed the ritual burial tasks for the body of Jesus (John 19:39–40). Jesus was buried in a “new tomb,” made available for that purpose apparently by someone of means (John 19:41–42).50 Luke reports that Jesus included among his circle many women who provided for Jesus and his associates “out of their means,” a comment I take to mean that these women were not “camp followers,” but persons of standing and economic substance. Included in the group of women was Joanna, the wife of Chuza, the steward of the Tetrarch Herod; as Herod’s steward, Chuza would have been a powerful man in Herod’s Galilee and Perea (Luke 8:1–3) and Jesus would have had access to Chuza through his wife. Jesus also numbered toll collectors, powerful public officials who worked with the Roman authorities, among his associates (Matt 10:3; Matt 21:32; Mark 2:14),51 and according to tradition Jesus enjoyed their company at social gatherings (Mark 2:15–16; Matt 11:19; Luke 5:27–30).52 The idea that Jesus’ earliest associates were rustic and naïve fishermen is simply a romantic view of the situation, since their fishing enterprise was likely the family business, involving “hired servants” (Mark 1:16–20) – meaning that they had to meet a payroll. In Acts Luke describes a large group of 120 persons gathered in Jerusalem at the Feast of Pentecost (Acts 1:15), later described as Galileans (Acts 2:7), who listened to Peter preach (Acts 1:15–16). Surely Luke would not have the reader think that the group was made up entirely of slaves, the indigent, and the disfranchised of Jewish society. These are the sketchy details from the “tradition.” Nevertheless, the complex socio-economic status of the survivors of the crucifixion is in turn supported by the memorable characters Jesus invented in his stories. The stories fit what we know about Roman Palestine from archaeology53 and other general sources.54 But is it possible to step from the fictional villages of Jesus into the dusty, narrow lanes of actual Galilean villages? Are the paper characters of Jesus’ fictions nevertheless derived from real flesh and blood characters? Or to phrase the question in terms of methodology can we project 50
Matthew says that it was Joseph’s own tomb, Matt 27:60. Even as a follower of John the Baptist, Jesus would have known toll collectors: Luke 3:12–13. 52 Hedrick, Parables as Poetic Fictions (n. 9), 215–217, and the literature cited there. 53 J.J. Rousseau and R. Arav, Jesus and His World: An Archaeological and Cultural Dictionary (Minneapolis 1995). 54 S. Freyne, Galilee from Alexander the Great to Hadrian, 323 B.C.E. to 135 C.E.: A Study of Second Temple Judaism (Wilmington, Del. 1980). 51
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historical figures from fiction narratives? Perhaps! After all, we do that already. Much of what we know of the events and people in Hebrew Bible and from the public career of Jesus comes from religious texts, which we know to be heavily shaped by confessional concerns. Essentially our sources for reconstructing Christian origins are not historical, at least not in a narrow modern sense. Yet we proceed as if the named characters in these dramas were once real flesh and blood people, and as if the events themselves were basically historical – even when we have no secondary confirmation from independent sources. By applying the approaches and methods of the sociologist and anthropologist to the Hebrew Bible, scholars are reconstructing ancient Israelite society: “Although archaeology and the biblical text can be used to reconstruct some aspects of this ancient society, it must be understood that much is still unknown and can only be surmised from the data currently at hand.”55 Similar social-scientific approaches are also applied to the New Testament, among other things “to reconstruct structures, conflicts and developments of early Christian communities.”56 Why not from Jesus’ realistic fictions as well? “Realistic fiction” narrates things that could conceivably have happened but never did.57 That is to say, the people portrayed in the narrative are human like the rest of us; if different, the difference is one of degree, not of kind – in other words they are human like us. The events in the narrative take place in a world we recognize as our own. Hence the author is attempting to imitate human action in a “real” world. Although the particular set of circumstances in the story never occurred, given the nature of the story and the characters, they easily could have. A good example is Margaret Mitchell’s popular novel Gone with the Wind (1936). The book’s two main characters, created by Mitchell, Scarlett O’Hara and Rhett Butler, never existed and their particular set of life experiences in the antebellum Old South, during the siege of Atlanta, and into the later period of Reconstruction never actually happened. But it is conceivable they could have.58 55 V.H. Matthews, “Israelite Society,” Dictionary of the Old Testament (eds. B.T. Arnold and H.G.M. Williamson; Downers Grove, Ill. 2005), 520–530. 56 D.B. Martin, “Social-Scientific Criticism,” in To Each Its Own Meaning: An Introduction to Biblical Criticisms and Their Application (eds. St.L. McKenzie and St.R. Haynes; Louisville, Ky. 1999), 125–141; the quote is from page 134. See also K.C. Hanson and D.E. Oakman, Palestine in the Time of Jesus: Social Structures and Social Conflicts (Minneapolis 1998). 57 See the discussion in C.W. Hedrick, “Realism in Western Narrative and the Gospel of Mark: A Prolegomenon,” JBL 126 (2007): 345–359. 58 The book has been criticized as melodramatic and “middlebrow fiction at its most sentimental and popular”: B. Railton, “‘What Else Could a Southern Gentleman Do?’: Quentin Compson, Rhett Butler, and Miscegenation,” Southern Literary Journal 35 (2003): 41–63; the quote is from page 59. But on the other hand, “Mitchell’s analysis of Georgia during the Civil War is superior to her description of Georgian society on the eve of secession and that her comments on Georgian society on the eve of secession are in turn far more accurate than her depiction of Georgia during Reconstruction. The Book’s positive aspects as history have
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History and Fiction History differs from fiction in that it is about what really happens or has happened, even if at times, or perhaps in the main, it gets things wrong. Herodotus may of course have been mistaken about events in the Persian War; the point is that there is something there for him to have been mistaken about. The property of “being about something” may be encapsulated thus: Herodotus’ history, like all historical writing has a referent.59
What Konstan means by “having a referent” is that history “references” particular events that actually occurred in time. Realistic fiction, however, is also about “what really happens,” but it is not about specific particular actions that actually occurred either in the present or past. The difference between history and fiction is that realistic fiction references the kinds of things that occur but not particular events that actually occurred. In the example cited above, Gone with the Wind does reference the pre-war Old South, the siege of Atlanta, and the Reconstruction – these are actual historical occurrences. And just like Konstan’s description of Herodotus’ history Mitchell got some things historically wrong but some things were historically accurate. She was mimicking actual events through her invented characters. Thus, it seems better to say that realistic fiction mimics behaviors that actually occur and references the social environment in which these invented behaviors take place. The fictional stories Jesus told work in the same way. Like Garrison Keillor, who invented characters for his imaginary hometown Lake Woebegon from actual cultural life in Minnesota, Jesus also invents characters out of his imagination and actual cultural life in first-century Palestine and portrays them engaged in typical everyday behaviors in that social environment. Scholars have long recognized that these stories authentically re-present the social world of first-century Palestine,60 and consequently scholars have used aspects of the social world of first-century Roman Palestine to explain aspects of the stories and used aspects of the stories to describe the social world of first-century Roman Palestine.
been hidden because of its uneven quality. It is one of those rare instances when the sum of the parts is worth more than the whole!”: R.E. May, “Gone with the Wind as Southern History,” Southern Quarterly 17 (1978): 51–64; the quote is from pages 53–54. But to be realistic fiction it is not necessary that a novel be accurate historically, only that such events described in the narrative could have happened. 59 D. Konstan, “The Invention of Fiction,” in Ancient Fiction and Early Christian Narrative (eds. R.F. Hock, J.B. Chance, and J. Perkins; SBLSymS 6; Atlanta, Ga. 1998), 5. 60 For example, B.T.D. Smith, The Parables of the Synoptic Gospels: A Critical Study (Cambridge 1937), 61–73.
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Conclusion Through his stories Jesus made his auditors aware of the dynamics of human life in families and villages in Roman Palestine. He offered his auditors the opportunity to enter the parable’s fictional reality, a world quite familiar to them, to take up roles in the story,61 and to accept the challenge of resolving its complications. Those who did were rewarded by finding new ways of understanding themselves and their worlds. Parables work by provoking responses in auditors / readers in the nexus between what readers bring to the parable and the parable itself. These stories suggest that Jesus and his pre-crucifixion circle of associates were not withdrawn from society but that they engaged society at every social level, and therefore likely included among their numbers people of diverse backgrounds from the various levels of Palestinian society: bankers, judges, land owners, toll collectors, priests, slaves, housewives, day laborers, public officials, stewards, beggars, and others.
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R.W. Funk, Funk on Parables: Collected Essays (ed. B.B. Scott; Santa Rosa, Calif. 2006),
Matthew’s Gospel, Rome’s Empire, and the Parable of the Mustard Seed (Matt 13:31–32) Warren Carter 1. Matthew’s Gospel Much recent work on Matthew’s gospel has focused on the socio-cultural setting of the gospel. Commonly the gospel is read as reflecting post-70 historical events. The negative presentations of synagogues and Jewish authorities are understood as indicators of at least a tensive relationship between Matthew’s Jesus-followers and a synagogue community, if not a separation of the former from the latter. Further discussion has set this conflictual relationship in the broader context of the gospel’s relationship to late first-century Judaisms. Conventionally the question has been posed in terms of whether the gospel belongs to – for want of better terms – Jewish Christianity (a Jewish form of Christianity) or Christian Judaism (a Christian form of Judaism).1 The debate’s center concerns the relative strengths of commitments to Torah and to Jesus in Matthew’s formulations. Matters of the gospel’s emphasis, the interaction of continuity and newness, and the interplay between contexts and distinctive religious communities and traditions dominate the discussion. Few scholars dispute either the gospel’s indebtedness to and use of Jewish traditions, nor its advocacy of lived allegiance to Jesus. The challenge comes in assessing the interaction between the two. Is Matthew “more Jewish” or “more Christian?” Those who see Matthew as “more Jewish” emphasize Matthew’s continuity with the thought and practices of Judaism, while also recognizing the importance of commitment to Jesus.2 They see Matthew’s Jesus and community primarily as authoritative interpreters and 1 For more detailed discussion than is possible here, W. Carter, “Matthew’s Gospel: Jewish Christianity, Christian Judaism, or Neither?,” in Jewish Christianity Reconsidered (ed. M.A. Jackson-MacCabe; Minneapolis 2007). 2 For example, A.J. Saldarini, Matthew’s Christian-Jewish Community (CSJH; Chicago 1994); D.C. Sim, “Christianity and Ethnicity in the Gospel of Matthew,” in Ethnicity and the Bible (ed. M.G. Brett; BIS 19; Leiden 1996), 171–195; idem, The Gospel of Matthew and Christian Judaism: The History and Social Setting of the Matthean Community (SNTW; Edinburgh 1998).
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reformers of Judaism, and thus an example of Christian Judaism. Others, though, reverse the emphasis, seeing more Christianity (commitment to and understanding of Jesus) than Judaism.3 While not denying some continuity with Judaism, commitment to Jesus, it is argued, has introduced something so new that it transforms the thought and practices of Judaism. Matthew’s Jesus is the founder of a separate and new religion. Matthew exemplifies Jewish Christianity. If forced to choose between only these two options, I would see Matthew as belonging more to Christian Judaism with an emphasis on Jesus as the definitive interpreter of the Law and the Prophets, than to Jewish Christianity with an overstated emphasis on the gospel’s newness, Christology, and relegation of Torah. But while assigning Matthew to Christian Judaism is possible, it is very problematic. Inadequacies of definition, conceptualization, interaction, and context expose the limits of these binary categories. The terms “Jew,”4 “Christian,”5 “Jewish Christianity,”6 and “Christian 3 For example, D. Hagner, “Matthew: Apostate, Reformer, Revolutionary,” NTS 49 (2003): 193–209; idem, “Matthew: Christian Judaism or Jewish Christianity?,” in The Face of New Testament Studies: A Survey of Recent Research (eds. S. McKnight and G.R. Osborne; Grand Rapids, Mich. 2004), 263–282; G.N. Stanton, A Gospel for a New People: Studies in Matthew (Edinburgh 1992); P. Luomanen, “The ‘Sociology of Sectarianism’ in Matthew: Modeling the Genesis of Early Jewish and Christian Communities,” in Fair Play: Diversity and Conflicts in Early Christianity: Essays in Honour of Heikki Räisänen (eds. I. Dunderberg, C.M. Tuckett and K. Syreeni; NovTSup 103; Leiden 2002), 107–130. 4 L.H. Schiffmann, Who Was a Jew? Rabbinic and Halakhic Perspectives on the Jewish Christian Schism (Hoboken, N.J. 1985); S.J.D. Cohen, “Crossing the Boundary and Becoming a Jew,” HTR 82 (1989): 13–33. On approaches to ethnicity as either “Primordialist” (focusing on fixed or essentialist features such as biological descent, kinship, shared territory, or customs such as language, dress, and religion) or “Circumstantialist” or “constructivist” (focusing on group construction and maintenance of boundaries or criteria for membership in distinction from others), see M.G. Brett, “Interpreting Ethnicity: Method, Hermeneutics, Ethics,” in Ethnicity and the Bible (ed. M.G. Brett; BIS 19; Leiden 1996), 3–22, and N. Denzey, “The Limits of Ethnic Categories,” in Handbook of Early Christianity: Social-Science Approaches (eds. A.J. Blasi, P.-A. Trucotte and J. Duhaime; Walnut Creek, Calif. 2002), 489–507. In discussing diverse first-century Judaism / s, scholars have sought to identify contested areas and centers. E.P. Sanders (Judaism: Practice and Belief 63 BCE – 66 CE [London 1994], 45–303), for example, imagines a temple-centered “common Judaism.” Others emphasize clusters of boundary markers such as birth from a Jewish mother or conversion involving circumcision, immersion, acceptance of Torah, and offering of sacrifice (so Schiffmann, Who Was a Jew?, op. cit., 9–39, 51); J.J. Collins, “A Symbol of Otherness: Circumcision and Salvation in the First Century,” in “To See Ourselves as Others See us”: Christians, Jews, “Others” in Late Antiquity (eds. J. Neusner and E.S. Frerichs; Chico 1985), 163–186, or worldview, way of life, and social group (J. Neusner, “What is a ‘Judaism’?,” in Judaism in Late Antiquity. Part Five: The Judaism of Qumran, Vol. 2: World view, comparing Judaisms (eds. A.J. Avery-Peck, J. Neusner and B.D. Chilton; Handbook of oriental studies: Sect. 1, The Near and Middle East 57; Leiden 2001), 3–21, or monotheism, election, covenant / Torah, and land / temple (J.D.G. Dunn, The Partings of the Ways Between Christianity and Judaism and Their Significance for the Character of Christianity [Philadelphia 1991], 18–36), or the eight characteristics of ethnicity, scripture, monotheism, circumcision, Sabbath observance, dietary laws, purity laws, and festivals identified by Maurice Casey (From Jewish Prophet to Gentile God: The Origins and Development of New Testament Christology [Cambridge 1991], 12–13).
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Judaism,”7 for example, are difficult to define in the late first-century period where great diversity and change dominate. In the discussion, the terms “Jewish Christianity” and “Christian Judaism” are often and mistakenly conceptualized as two clearly defined, readily distinguished, and monolithic entities that do not accurately reflect much more complex historical 5 Those that we freely refer to in the first century as Christians infrequently use that term for themselves. “Christian” appears in New Testament writings only in Acts 11:26; 26:28; 1 Pet 4:16, suggesting something of an anachronistic quality to the term. Nor do the early “Christian” writings speak with one voice, and there is no uniformity of “Christian” practice. With regard to Torah observance, for example, some followers of Jesus required themselves and Gentile converts to observe all the Torah (Gal 2; Acts 15); others required observance only of food purity laws (Gal 2:12; Acts 15:20), while still others required observance of Torah interpreted in terms of love, including the Decalogue (Rom 13:8–10). For one (disputed) view of Matthew’s gospel as opposing Paul and his law-free gospel, see Sim, Gospel of Matthew and Christian Judaism (n. 2), 165–213. 6 For discussion, S.C. Mimouni, “Pour une Définition Nouvelle du Judéo-Christianisme Ancien,” NTS 38 (1992): 161–186, who describes four different definitions determined by observance, christology, a system of doctrines, and a system of concepts; J. Carleton Paget, “Jewish Christianity,” in The Cambridge History of Judaism. Vol. 3: The early Roman period (eds. W. Horbury, W.D. Davies and J. Sturdy; Cambridge 1999), 731–735; D. Horrell, “Early Jewish Christianity,” in The Early Christian World (vol. 1; ed. P.F. Esler; London and New York 2000), 136–167, esp. 137–138. Three approaches have dominated. One approach defines Jewish Christianity ethnically as comprising Jews who became Christians. But this definition is far too broad for the diversity of practice and thought evident among Jesus groups (e.g., James and Paul). A second approach takes a doctrinal view in trying to identify distinctive theological affirmations and / or a type of thought. So H.J. Schoeps, Theologie und Geschichte des Judenchristentums (Tübingen 1949); J. Daniélou, The Theology of Jewish Christianity (London 1964); R. Longenecker, The Christology of Early Jewish Christianity (SBT 2/17; London 1970); for critique R.A. Kraft, “In Search of ‘Jewish Christianity’ and Its ‘Theology;’ Problems of Definition and Methodology,” RSR 60 (1972): 81–92. Attempts to identify distinctives (apocalyptic thinking; claims that Jesus was the Messiah) have proven unsuccessful because groups clearly incorporating Gentile also claim these perspectives (Rom 9:5; Luke 2:11, 26). A third approach that enjoys some current support focuses more on the observance of practices derived from the Torah (so J.E. Taylor, “The Phenomenon of Early Jewish-Christianity: Reality or Scholarly Invention?,” VC 44 [1990]: 313–334, esp. 327) combined with some christological element, usually recognition of Jesus as Messiah (Mimouni, “Pour une Définition” [n. 6], 184; Paget, “Jewish Christianity” [n. 6], 740–742; Horrell, “Early Jewish Christianity” [n. 6], 137–138). The difficulty of this approach is that various Jesus groups observed Torah in different ways and to different degrees. Nevertheless, this third approach seems to highlight the key question for distinguishing “Christian Judaism” and Jewish Christianity.” It is a matter of emphasis and centers in the interaction between Torah and Jesus. Raymond E. Brown (“Not Jewish Christianity and Gentile Christianity but Types of Jewish / Gentile Christianity,” CBQ 45 [1983]: 74–79) argues that for New Testament times, including of course Matthew, the label “Jewish Christianity” should be abandoned in favor of recognizing four types of “Jewish / Gentile Christianity” based on degrees of Torah observance including that required for Gentile converts. Type 1 required circumcision and full observance; type 2 required some purity observance but not circumcision; type 3 required neither circumcision nor purity observance; and type 4 added to type 3 the irrelevance of the temple. Brown located Matthew in type 2. This approach helpfully recognizes the presence of Jews and Gentile converts, the importance of Torah, and diversity through degrees of observance. 7 How much and what kind of Torah observance are necessary to constitute Christian Judaism? S.G. Wilson, Related Strangers: Jews and Christians 70–170 (Minneapolis 1995), esp. 43; Paget, “Jewish Christianity” (n. 6), 735–742; Casey, From Jewish Prophet to Gentile God (n. 4), esp. 12–13.
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realities. Also problematic is the antithetical and oppositional nature of the formulation which puts Jesus against Torah, Christianity against Judaism. For Matthew, Jesus and his teaching are incomprehensible apart from his interpretation of Torah.8 Moreover, especially important for our discussion here is the recognition that such entities, even if they could be satisfactorily defined, conceptualized, and related, do not adequately embrace the diverse socio-cultural realities that Jesus-followers and hearers of Matthew’s gospel encountered in the late first century. The myopic focus in Matthean studies on relationship with the “synagogue down the street” over the last fifty years has unhelpfully skewed and limited the investigation of the gospel. Socialized by degree programs, academic guilds, and the spiritualized hermeneutics of faith communities, scholars have separated religious matters from socio-political realities. Fifty years of important study of first-century Judaisms, prompted in part by the discovery of the Dead Sea Scrolls, has been accompanied by neglect of other dimensions of the ancient world. Scholars have, for instance, regularly isolated Judaism from the larger context of the Roman empire and neglected the empire as a crucial entity shaping the world of early Jesusfollowers. Matthew’s gospel, after all, narrates the death of the story’s main character by crucifixion, a decidedly Roman form of execution. Misleading language of Roman “backgrounds” has docetically isolated Jesus-followers and their texts from the political, social, economic, cultural, and imperial realities that constituted the daily world – the foreground – of first-century Jesus-followers.
Synagogues Negotiating Rome’s Empire One example of the significant distortion that has occurred in the efforts to assign Matthew to “Jewish Christianity” or “Christian Judaism” concerns 8 Christopher Rowland (“Apocalyptic: The Disclosure of Heavenly Knowledge,” in The Cambridge History of Judaism. Vol. 3: The early Roman period [eds. W. Horbury, W.D. Davies and J. Sturdy; Cambridge 1999], esp. 785–790) argues that it is a mistake to see authoritative revealer figures in Jewish apocalyptic traditions (with which Matthew’s Jesus has affinity [e.g. 11:25–30]) as either opposed to or subordinating Torah and the tradition of authoritative writings. Rather they are deeply indebted to it and draw on it as interpreters and revealers of the divine purposes. Klyne Snodgrass (“Matthew and the Law,” in Treasures Old and New: Recent Contributions to Matthean Studies [eds. D.R. Bauer and M.A. Powell; Symposium series 1; Atlanta, Ga. 1996], 99–127) rightly argues that Matthew’s center comprises “Christ and Torah.” Snodgrass wonders, “How have law and scripture become set over against Jesus and Christology? Such an antithesis is foreign to Matthew’s theology. The law is not removed by Christology” (126). Snodgrass argues that Matthew presents Jesus as the one who interprets the law “by a special hermeneutical key so as to reveal the divine intention of the law” (105), so as to explain “what the law and prophets really are” (113). This hermeneutical key is love or mercy (Matt 9:13; 12:7; 22:37–40; 23:23), is not foreign to or imposed on the tradition but derives from it (106–111), and is not unique in Judaism. So Philo, Decal. 20, 108–110, 154; Spec. Laws 2.63.
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the misrepresentation of synagogues. The depiction of synagogues as exclusively religious communities has taken little notice of recent studies of first-century synagogue communities that present diaspora Jewish groups as involved in a complex cultural negotiation of Roman-Hellenistic society. This negotiation cannot be styled as only or predominantly religious. The modernist notion that religion is a separate entity, independent of and able to be isolated from political, economic, cultural, and social contexts, for instance, is fundamentally anachronistic and ahistorical for study of Matthew because the first-century world intertwines these spheres. For instance, Jerusalem priestly personnel engaged in negotiation of Roman power by offering daily sacrifices for but not to the Roman emperor in the Jerusalem temple. The refusal of priests led by Eleazar, the son of the high-priest, to continue this practice in 66 C.E. was a precipitating factor in the outbreak of war (Josephus, J.W. 2.196–197, 408–416). Or, Josephus identifies the Jerusalem temple-based chief priests and their allies as the rulers of Judea, a role they performed as allies of Rome (Ant. 20:251). As the general Titus, a divinely chosen and legitimated Roman and agent of Jupiter’s sovereignty, will, and presence, burns Jerusalem and its temple, a “superhuman voice” is heard to cry, “the gods are departing” (Tacitus, Hist. 5.13; with variations, Josephus, J.W. 5.412). Josephus attributes the dominance of Rome’s empire and the whole imperial act of subjugating these rebellious provincials to the will of God (J.W. 2.360, 390–391; 5.362–368, 378). In the late first-century world, religion and politics did mix. Imperial politics, economics, societal structures, and religion were interwoven, each playing an interconnected part in the societal fabric and maintaining elite control. To engage Matthew as a religious text concerned only with religious issues in conflict with another group, the synagogue, also misunderstood (as I will note momentarily) as a religious group is ahistorical and anachronistic, as well as distorting and misleading. This dominant approach in Matthean studies, shaped by our western attempts to separate religion from the rest of life, arbitrarily selects, detaches, isolates, and elevates a religious aspect of the late first-century world, while ignoring political, economic, and cultural factors and their interconnectedness. Nor can Jewish diaspora negotiation of Rome’s empire be understood as only oppositional. Recent work has shown a spectrum of interactions with this Roman world. John Barclay helpfully identifies at least seven areas or spheres in which different kinds and degrees of Jewish interaction with the diaspora / imperial world might be explored:9 the political (relations with political authorities), social (participation and maintenance of distinctives), linguistic (use of Greek language), educational (acquisition of Greek paideia or 9 J.M.G. Barclay, Jews in the Mediterranean Diaspora: From Alexander to Trajan (323 BCE–117 CE) (Edinburgh 1996), 88–98.
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training), ideological (commitment to cultural norms and values), religious (relation to religious language and practices), and material (participation in material culture [food, dress, etc.] and the maintenance of distinctives). Within these spheres he assesses levels of “assimilation” which concern social integration and degrees of similarity to one’s neighbors, “acculturation” which concerns the linguistic, educational, and ideological spheres, and “accommodation,” the degree to which Jewish and Diaspora practices are merged or polarized. For each term, he sketches a spectrum or scale that spans high levels of integrative living through to high levels of oppositional living.10 Barclay’s exploration, along with that of other scholars,11 indicates on his spectra significant middle levels of assimilation, acculturation, and accommodation, along with the preservation of Jewish distinctives. Barclay argues that first-century B.C.E. political, economic, and social pressures on Jewish communities seem to have eased in the first century C.E. so that “Jewish communities could practice their own customs unhindered” (thereby maintaining identity), while the easing of pressures also “enabled the Jews’ greater integration and acculturation in the cities they inhabited.”12 Thus the emperor Claudius issued an edict around 41–42 C.E. after the outbreak of violence against Jews in Alexandria and after Caligula’s death, reaffirming all Jewish rights in the city (Josephus, Ant. 19.278–291). He also sent a similar edict “to the rest of the world” (Ant. 19.286, 291) to ensure that Jews can “observe the customs of their fathers without let or hin10 Assimilation or Social Integration spans at its highest level abandonment of key Jewish social distinctives, through some integration (attendance at the gymnasium for education or at Greek athletic competitions or the theater; employment with non-Jews), to social life confined only to the Jewish community. Acculturation (Language / Education) spans at its highest level scholarly expertise and familiarity with Greek literary, rhetorical, philosophical, and religious traditions, through some acquaintance with common moral values, to at its lowest level no familiarity with Greek. Accommodation spans at its highest level submersion of Jewish cultural uniqueness, through reinterpretation of Judaism that preserves some uniqueness, to antagonism to Graeco-Roman culture. 11 For example, P. Trebilco, Jewish Communities in Asia Minor (SNTSMS 69; Cambridge 1991). Trebilco draws on often fragmentary and widely scattered evidence from the first few centuries of the Common Era to offer evidence for Jews at various times and places holding “significant offices in their cities,” for civic benefactions in which Jews made financial contributions for their cities’ wellbeing, for Jewish attendance at the theater, for active participation in the civic and cultural life, for recognition as good residents, for involvement in gymnasia (the center of social and educational life), for imitation of some civic cultural practices such as honoring prominent women who were benefactors and adopting Greek and Roman names, for having non-Jews as patrons or benefactors of synagogues, for the existence of gentile Godfearers in synagogues who identified with the synagogue and adopted some but not all Jewish practices such as circumcision, for exposure to situations (theater, gymnasium) in which pagan religious activity took place (Trebilco, op. cit., 173–185). Trebilco (op. cit., 186) concludes that “many members of the communities interacted regularly with Gentiles and were involved to a significant degree in city life. Moreover, some Jewish communities were influential and respected in their cities … They were a part of the social networks of the city and shared in many of the characteristics of daily life.” 12 Barclay, Jews (n. 9), 281.
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drance” (Ant. 19.289). Barclay further suggests that the presence of Gentile God-worshippers in various synagogue communities (attested in Acts 13:16; 14:1; 16:14; 17:4, 12) suggests both Jewish openness as well as respectability in the eyes of some Gentiles at least. Exemplifying the same dynamic are the actions of the elite Gentile woman Julia Severa who donated a synagogue building in Akmoneia (east of Ephesus).13 She belonged to a network of leading families marked by great power, wealth, and status, which was exhibited in prominent public positions and acts of beneficence. Julia Severa herself was three times the high priestess ( ) of the temple of the Sebastoi during Nero’s reign. That a Jewish group accepted her patronage suggests both its considerable openness to and participation in civic networks, as well as its worthiness, at least in the eyes of this Gentile woman. In an important discussion, Tessa Rajak and David Noy examine the scattered data on holders of the title .14 They reject the argument that archisynag goi functioned in synagogues to provide liturgical and practical services in a mode akin to contemporary (Christian) clergy. Rather, the term must be understood, they argue, in the context of the frequent synagogal practice of replicating Greco-Roman status distinctions and understandings of office-holding as evidenced for instance in city governments and organizations such as artisan associations. They locate the title 15 in the empire-wide “honor-driven patterns of office distribution.” Such office holding requires not functional competence but societal honor and privilege, not expertise but social standing and the material resources to exercise beneficence and patronage. Thus to be an archisynag gos required social standing, influence, family connections, and wealth, not expertise, competence, Jewish ethnicity, masculine gender, or even adulthood. Those who held this honorary function as benefactor and patron were individuals of some or considerable social standing and wealth, well embedded in a city’s hierarchical social structure who could represent and mediate for the synagogue community in the larger civic setting.16 Such imitation of conventional office-holding and patterns of benefaction by synagogues suggests significant acceptance of pervasive civic values as well as their active participation in the wider societal structures. Rajak and Noy’s argument 13
Barclay, Jews (n. 9), 279; Trebilco, Jewish Communities (n. 11), 145–166. T. Rajak and D. Noy, “Archisynagogoi: Office, Title, and Social Status in the Greco-Jewish Synagogue,” in T. Rajak, The Jewish Dialogue with Greece and Rome: Studies in Cultural and Social Interaction (AGJU 48; Leiden 2001), 393–429. 15 Along with other synagogal titulary except perhaps that of which may stipulate particular tasks. 16 The use of the term in Luke 13:14 and Acts 13:15 suggest some actual leadership function in the gathering. In Corinth synagogue leaders led by Sosthenes take Paul to the proconsul Gallio suggesting considerable involvement in the city and access to imperial power (Acts 18:12–17). Yet Gallio’s quick rejection of the matter and indifference to Sosthenes’ beating suggests some distance in standing. 14
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reinforces a sense of considerable accommodation to and imitation of imperial society among synagogue communities, particularly in relation to the patronal participation of elites. Philip Harland reaches similar conclusions of “positive interactions” between Jewish groups and their urban contexts, concluding that “there is clear evidence from Roman Asia … that being a member in a Jewish group did not mean the dissolution of all participation in conventions, institutions, and constituent groups of the polis.”17 Harland highlights the participation of Jews in the network of subgroups that constituted diverse and pluralistic cities, especially a wide variety of occupational guilds or associations. These associations provided members with various benefits such as social occasions (especially for meals) and networks. They also provided opportunities to honor deities, local benefactors, and imperial figures,18 whether by offerings of wine, food or incense to a sponsoring deity and to imperial images, or with inscriptions and monuments for benefactors and imperial figures. Jewish participation in associations meant both social interactions and honorific activity. It is not abundantly clear how Jews negotiated the latter activities especially in regard to deities and the imperial cult. Harland argues that Jews participated only in non-cultic, non-idolatrous honoring activity such as prayers on behalf of, and dedication of inscriptions and monuments,19 though the paucity of evidence and the ready integration of cultic honorary practices into meals, gatherings, and civic occasions may belie more complex and diverse negotiations and forms of participation. In relation to the more restricted sphere of (non-mandatory) imperial cult observance, for example, Peder Borgen details a spectrum of responses that involves participation, degrees of interaction, and refusal to participate.20 A further example of significant Jewish societal participation comes from the city of Aphrodisias, some 90 miles east of Ephesus, and concerns an early third-century C.E. monument or stele discovered in 1977.21 This monument 17 P.A. Harland, Associations, Synagogues, and Congregations: Claiming a place in Ancient Mediterranean Society (Minneapolis 2003), 177–237, esp. 201. Harland (op. cit., 201–210, 219–228) observes evidence for Jewish participation in central sociocultural institutions of the polis such as the theatre and gymnasium, in civic networks of benefaction, in various social, business and cultural relationships and guilds or occupational associations, and in the noncultic honoring of the emperor. 18 Harland, Associations (n. 17), 55–173. 19 Josephus Ag.Ap. 2.68–78; J.W. 2.195–198, 409–416; Philo, Embassy 132–140; Flaccus 49–52; Harland, Associations (n. 17), 213–228, 239–243. 20 P. Borgen, “‘Yes’, ‘No,’ ‘How Far?’: The Participation of Jews and Christians in Pagan Cults,” in Early Christianity and Hellenistic Judaism (ed. P. Borgen; Edinburgh 1996), 15–43. See also W. Carter, “Honoring the Emperor and Sacrificing Wives and Slaves: 1 Peter 2:13–3:6,” in A Feminist Companion to the Catholic Epistles and Hebrews (ed. A.-J. Levine; Feminist companion to the New Testament and early Christian writings 8; London 2004), 13–43. 21 J.M. Reynolds and R. Tannenbaum, Jews and God-Fearers At Aphrodisias: Greek Inscriptions with Commentary (Cambridge Philological Society: Supplementary vol. 12; Cambridge 1987).
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sets out three lists of names of those who comprise groups within the Jewish community and were contributors to a building project which Reynolds and Tannenbaum describe as a soup-kitchen or distribution center for food for the needy.22 The first list of names comprises about nineteen members (including three proselytes and two god-fearers) belonging to a “decany” or sub-group of students of the law who had initiated and made major contributions to funding the building. The second list names fifty-five Jews by birth who also contributed to the building. “The third lists fifty-two ‘godfearers’ ( , theoseb s) who were also contributors, none of whom is a Jew”. The inscription indicates significant levels of Jewish societal investment. First, it honors the involvement of over one hundred members of this synagogue community in a charitable project for their city. The nature of and commitment to this project – relief for local suffering through distribution of food – suggest considerable interaction with their civic context, as does the existence of a socially-conventional monument, and its use of Greek language. Second, the high number of “god-worshippers” or “god-fearers” is significant.23 They are differentiated on this inscription from proselytes or converts, suggesting that they have not adopted all the markers of Jewish identity such as circumcision. Their placement on the inscription as the third group also suggests their lower status in the synagogue community. Nevertheless, their participation in this Jewish community highlights its considerably porous boundaries and involvement with the Gentile society of Aphrodisias, as well as some level of prominence in attracting Gentiles. Third, this last observation is strengthened by the fact that nine of the god-fearers are city councilors. This office required considerable property ownership and involved amongst other duties related to the city’s wellbeing, attendance at public civic sacrifices. These nine wealthy men had significant status within Aphrodisias and participated in the synagogue. Just how they, and the rest of the synagogue community, may have negotiated their cultic and imperial responsibilities is not clear, though Reynolds and Tannenbaum point out in relation to the centurion Cornelius (Acts 10:1–2) that tolerance for participation in such worship (required of Cornelius in the army) may well have fallen in the realm of what was acceptable for God-fearers.24 22
Reynolds and Tannenbaum, Jews (n. 21), 26–27. Though the exact meaning of the term is debated, it seems to cover a range of behaviors of Gentiles sympathetic to and involved in various ways in synagogue communities such as attending services, learning Torah, following some ethical teachings, and in this instance donating funds for this charitable memorial building. For discussion, B. Wander, Gottesfürchtige und Sympathisanten: Studien zum heidnischen Umfeld von Diasporasynagogen (WUNT 104; Tübingen 1998); Reynolds and Tannenbaum, Jews (n. 21), 48–66. 24 Reynolds and Tannenbaum, Jews (n. 21), 58–66. 23
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Fourth, the inscription identifies the occupations of at least twenty-seven of those named, ten Jews and seventeen god-fearers. Jews are identified as a rag-trader, grocer, poulterer, confectioner, shepherd, bronze-worker, tailor, and gold-smith. Among the god-fearers are an athlete, treasurer in a senator’s household, missile or weapons-maker, fullers (3), sculptor or painter of pictures and images, producer of mincemeat, boot-maker, stone cutter or carver, marble-worker, plasterer, linen-worker, ink-maker, maker of wooden tablets, purple-dyer, boxer, customs-collector, knob-turner, carpenter, money-changer, bronze-smith, and armlet-maker. That is, those who are named are involved in the production of food and textiles, as well as goods from leather, stone, metal and wood. They are also involved in construction, finance, athletic activities, and representational arts. Several occupations suggest considerable wealth (gold-smith – a Jew, purple-dyer – a Gentile) while some of the occupations of the god-fearers – the producer of mincemeats, sculptor, carver – could, theoretically, pose some problems for Jews in terms of their traditions. The presence of the names, however, indicates that such was not the case. Again considerable openness to and interaction with society are attested. These recent investigations of Jewish interaction with the larger structures of the Gentile-Roman world have challenged claims that diaspora synagogues were introverted and exclusive, isolated and in retreat from Greco-Roman society as detached defenders of Jewish cultural identity.25 This scholarship has established the multiple functions, various civic activities, and cultural embeddedness of synagogues. Synagogues emerge as places of political and cultural negotiation with Rome’s world. They were communities that both actively participated in their urban contexts and maintained their cultural distinctives. In Barclay’s work, boundaries between synagogues and their surrounding society emerge as considerably but not completely porous, with degrees of bridge-building and interaction, along with maintenance of cultural distinctives and continuous discernment about appropriate levels of participation. These complex patterns of imperial negotiation show, with Erich Gruen, that it is inadequate to think of Jewish negotiation of the Roman empire with only the unnuanced alternatives of either opposition or accommodation, either resistance or assimilation to the imperial environment that have marked some previous studies of Jewish interactions.26
25 V. Tcherikover, Hellenistic Civilization and the Jews (Philadelphia 1961), 296; E.M. Smallwood, The Jews Under Roman Rule from Pompey to Diocletian: A Study in Political Relations (SJLA 20; Leiden 1981), 123. 26 E.S. Gruen, Diaspora: Jews Amidst Greeks and Romans (Cambridge, Mass. 2002), 5–6.
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2. Synagogues, Matthew’s Gospel, and Rome’s Empire Similarly, these discussions show the utter artificiality of discussions so common in Matthean scholarship concerning relationships between groups of Jesus-followers and (other?) Jewish groups that focus only on religious issues and completely ignore issues pertaining to imperial and societal negotiation. No one knows where Matthew’s gospel was written and first heard, but if it was in the traditional location of Antioch-on-the-Orontes, it was in a city that was the capital of the Roman province of Syria, home to the emperor-appointed governor and his administration (Josephus, Ant. 18.1; J.W. 7.58–59). Roman power was evident in the city in various ways including buildings, personnel, control of land and resources, alliances with local elites, statues and gates, coins, taxes, temples and ritual.27 Antioch, for example, played a prominent role in the war of 66–70 as a place where Vespasian marshaled legions to march south (Josephus, J.W. 3.8, 29). Supplies of corn and other necessities for Titus’ army were levied from Syria (Josephus, J.W. 5.520). Judea Capta coins circulated there after the defeat of 70. No doubt (non-mandatory) civic celebrations of the imperial cult involved the city in sacrifices, prayers, offerings, processions, games, street-parties, and distributions. This pervasive Roman presence required particular negotiation by the city’s extensive Jewish population (Josephus, J.W. 7.43). During the 66–70 war, hostility toward Jews in Antioch and divisions among Jews are evident when an elite and highly acculturated Jew, Antiochus, accuses other Jews of a plot to burn the city, uses troops under Roman command to compel Jews to join him in sacrificing (to city and / or imperial gods?), abolishes the Sabbath, and incites violence against Jews (Josephus, J.W. 7.41–62). The victorious Roman general Titus, returning to Rome for the triumph he would share with his father Vespasian and happily displaying Jewish captives and booty in Syrian cities on the way (Josephus, J.W. 7.96), visits Antioch, and resists demands to expel Jews from the city or to rescind their rights (Josephus, J.W. 7.103, 106–111). After such experiences, it would be understandable if many Antiochene Jews thought it necessary to rebuild the trust of and solidarity with their fellow Antiochenes through various acts of civic loyalty and cooperation. It would be no surprise that post 70 some Jews might find it unsettling to have within their community a group who claimed to follow one who had been crucified by Rome.28 The Roman death penalty by crucifixion hardly suggested willing submission to the empire since it was regularly imposed 27
W. Carter, Matthew and Empire: Initial Explorations (Harrisburg, Pa. 2001), 37–46. I have argued the following at length in various publications. For details, see especially W. Carter, Matthew and the Margins: A Socio-Political and Religious Reading (JSNTSup 204; Maryknoll, N.Y. 2000; London 2004); Carter, Matthew and Empire (n. 27). Also J.K. Riches 28
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on provincials who rebelled against Rome (Josephus, J.W. 5.449–451), on violent criminals and robbers (Martial, On the Spectacles 9), and on slaves (Cicero, Verr. 2.5.162). The crucified status of their leader indicated one who had challenged Rome’s power.29 Compounding this difficulty was the further claim made by Jesus-followers that God had raised him from the dead. Talk of resurrection was in all likelihood disturbing because it exposed the limits of Roman power in that it was unable to keep Jesus dead. It also evoked eschatological expectations derived from accounts of resistant Jews martyred by Antiochus Epiphanes that God would justly vindicate those afflicted by imperial injustice and would powerfully intervene to end all empires and establish God’s empire in full (Dan 12:1–3; 2 Macc 7). That Jesus’ followers referred to him as “Son of Man” reinforced, for those with ears to hear, an echo of Dan 7 that suggested Rome’s days were numbered (Dan 7:13–14, evoked in Matt 26:64). Followers of this crucified one elaborated his challenging interaction with the empire in accounts of his life and teaching. They declared that he had proclaimed an empire ( ) other than Rome’s that was especially known among the poor not the powerful, that he was identified by the subversive title “king of the Jews” without it being conferred by Rome, and taught his followers to pray for the coming of God’s empire that would transform the imperial world (Matt 2:2; 4:17; 5:3; 6:10; 27:29, 37). His followers viewed Jesus as the agent of God’s purposes (Son, Christ), who manifested God’s presence (Emmanuel 1:2330), sovereignty (11:25–30), and wellbeing (5:3–12).31 God had commissioned him to save people from their sins (1:21),32 a task that involved societal transformation more than personal conversion.33 Such claims drew extensively on Jewish traditions and undoubtedly contributed to debates about Jewish self-definition and divine encounter in the post-70 world without the temple.34 But these claims are not only religious or Jewish matters. Jewish inhabitants of late first-century Antioch also knew that claims to manifest divine presence, purposes, sovereignty, and wellbeing were profoundly intertwined with questions of impeand D.C. Sim, eds., The Gospel of Matthew in its Roman Imperial Context (JSNTSup 276; London 2005). 29 On the role of Pilate as a Roman governor in alliance with the Jerusalem elite in Jesus’ condemnation, W. Carter, Pontius Pilate: Portraits of a Roman Governor (Collegeville, Minn. 2003). 30 Carter, Matthew and Empire (n. 27), 93–107; Carter, “Evoking Isaiah: Matthean Soteriology and an Intertextual Reading of Isaiah 7–9 in Matthew 1:23 and 4:15–16,” JBL 119 (2001): 503–520. 31 Carter, Matthew and Empire (n. 27), 20–34, 57–74. 32 Carter, Matthew and Empire (n. 27), 75–90. 33 Carter, “Matthew and the Gentiles: Individual Conversion and / or Systemic Transformation?,” JSNT 26 (2004): 259–282. 34 E.g. Daniel Harrington, The Gospel of Matthew (SP 1; Collegeville, Minn. 1991), 1–3, 10–19.
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rial control and societal vision. These claims about Jesus paralleled and contested Roman imperial theology and its public self-presentation as an empire chosen by Jupiter and the gods to be their agent on earth.35 Jesus’ followers also emphasized his transforming (rather than comforting) power in citing his blessing on the persecuted powerless (the meek of Ps 37) and his promise that they would gain access to the most important resource in the empire and basis of incredible elite wealth, namely land (5:5).36 Likewise they proclaimed his miraculous healings as enacting Isaiah’s vision of a transformed world whereby the physical and somatic damage caused by the deprivations of the imperial system and inadequate access to food resources would be reversed by God’s empire (11:2–6, citing Isa 35:5–6). They told stories of his feeding large crowds as actions that anticipated the establishment of God’s empire in which all would have access to abundant fertility, in contrast to the inequities and deprivations of Rome’s imperial system (14:13–21; 15:32–39).37 He had confronted a “rich man,” challenging him to sell his abundant possessions, divest himself of his excessive wealth by redistributing it to the poor, and join the community of his followers (19:16–24). Jesus’ followers claimed that he had conflicted with Rome’s powerful allies in Jerusalem, the chief priests, denouncing this ruling elite’s retainers (scribes) and allies (the Pharisees) as illegitimate shepherds / rulers (9:36 b) and hypocrites (23:13, 15, 23), and as under God’s judgment (15:13; 21:23–46).38 He had challenged the chief priests’ center of power, the Jerusalem temple, as a “den for bandits” (21:13). He advocated a different social structure, one that did not imitate the “power over” model of “the rulers of the Gentiles … and their great men,” but one that emphasized mutual “benefit for” the other (20:25–26). Not surprisingly, these followers viewed the world created by Rome’s empire as far from what God intended. They deemed the empire to be under the devil’s control (Matt 4:8). Most of its people were “oppressed, downtrodden, beaten-up and crushed” (9:36).39 Yet they recognized that the empire existed under God’s sovereignty at least to the degree that it enacted God’s judgment on Jerusalem in its destruction in 70 C.E. for rejecting Jesus (22:1–10). Yet they also made it clear that they believed the days of Rome’s empire were numbered. A new world was coming (19:28). Jesus would return, and an eschatological battle would occur. Roman eagles, the standard 35
Carter, Matthew and Empire (n. 27), 20–74. Carter, Matthew and the Margins (n. 28), 132–133. 37 Carter, Matthew and the Margins (n. 28), 305–308, 326–328; P. Garnsey, Food and Society in Classical Antiquity (Cambridge 1999). 38 A.J. Saldarini, Pharisees, Scribes and Sadducees in Palestinian Society: A Sociological Approach (Wilmington, Del. 1988). Informing this analysis are models of empire formulated by J. Kautsky, The Politics of Aristocratic Empires (Chapel Hill 1982); G. Lenski, Power and Privilege: A Theory of Social Stratification (Chapel Hill 1984). 39 Carter, Matthew and the Margins (n. 28), 230–231. 36
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(aquila) of Roman power carried into battle because “it is the king and bravest of all the birds … a symbol of empire … an omen of victory. These sacred emblems …” (Josephus, J.W. 3.123) would lie in defeat among the corpses of Roman soldiers and the collapsing heavenly, lunar, solar and astral deities (24:27–31).40 Then there would be judgment (13:47–50; 25:31–46) and the establishment of God’s reign. These Jesus-followers also cited his teaching on how they should negotiate Roman power in the present. They understood Jesus to have forbidden violent confrontation with Rome: “Do not violently resist ( ) the evil doer” (Matt 5:39). The alternative to “fight,” though, was not “flight.” Instead of either violence or passivity, they were to employ a common “weapon of the weak”41 in using ambiguous, disguised, self-protective acts of dissent to refuse submission, assert dignity, seize initiative, and to surprise the oppressor (5:39 b–41).42 They understood paying taxes, including the former temple tax now coopted by Vespasian and levied on all Jews as a punitive measure and insultingly used to rebuild the temple of Jupiter Capitolinus, in similar terms (17:24–27; 22:15–22).43 To not pay was to invite retaliation. Taxes were paid to express the payees’ public compliance. But privately the gospel resignified the act of paying taxes to express God’s greater sovereignty, to bear witness to the payees concerning God’s empire, and to remind Jesus-followers that Rome’s attempts to define reality and control the world’s destiny are futile (17:24–27; 22:15–22). It is possible that the imperial cult is negotiated in similar ways. Always, Jesus-followers are about manifesting God’s transformative empire in actions that repair and roll back imperial damage and anticipate the life-changing presence of God’s purposes (6:2–4; 10:7–8). Numerous other dimensions of the imperial negotiation with which the gospel is engaged could be noted if space permitted. While there is, in imitation of Jesus, a fundamental incompatibility between Jesus-followers and the empire, it would be misleading, though, to understand a dynamic of opposition as the exclusive or even key aspect of the gospel’s imperial negotiation. The element of opposition must be contextualized by what James Scott calls the “hidden transcript,” the version of reality known largely by a dissenting group that contests the official version of reality. But that official version still needs to be negotiated in daily life and a single or even dominant 40 W. Carter, “Are There Imperial Texts in the Class? Intertextual Eagles and Matthean Eschatology as ‘Lights Out’ Time for Imperial Rome (Matt 24:27–31),” JBL 122 (2003): 467–487. 41 J.C. Scott, Weapons of the Weak: Everyday Forms of Peasant Resistance (New Haven 1985); idem, Domination and the Arts of Resistance (New Haven 1990). 42 W. Carter, “Constructions of Violence and Identities in Matthew’s Gospel,” in Violence in the New Testament (eds. S. Matthews and L. Gibson; New York 2005), 81–108; W. Wink, “Beyond Just War and Pacifism: Jesus’ Nonviolent Way,” RevExp 89 (1992): 197–214. 43 W. Carter, “Paying the Tax to Rome as Subversive Praxis: Matthew 17:24–27,” JSNT 76 (1999): 3–31.
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public dynamic of contesting would not be adequate. In circumstances of significant power differentials, pragmatism is an important survival means. In that context exist calculated and self-protected acts of dissent that are more often internally directed than direct confrontations with power. And as Franz Fanon has made clear, imitation of imperial ways also ironically permeates the negotiation of those who resist it.44 We do not know details of the various strategies of imperial negotiation operative among non-Jesus followers in post-70 synagogue communities in Antioch. Based on the circumstances of the post-70 period, it is not unreasonable to posit among those seeking to reduce previous tensions and to establish greater civic harmony significant levels of concern with the commitments, analyses, and practices of a group committed to following one who had been crucified and whose return was claimed to effect the end of Rome’s empire. But given the common dynamics of negotiating power differentials attested in studies like Scott’s, it would also not be surprising if non-Jesus followers also knew combinations of feigned compliance, imitation, and calculated and self-protective (and self-directed) expressions of dissent along with their deep concern for accommodation and social participation. Yet the larger point remains. If we are going to understand the context that Matthew’s gospel engages, the dynamic of imperial negotiation must be evident in our mix.
3. Matthew’s Parables What role might Matthew’s parables play in this context?45 Fundamentally they continue the gospel’s work of negotiating the imperial world. Frequently they employ a divine perspective to expose the failings of the empire and its Judean elite allies in not embracing God’s purposes. They set the empire in God’s eschatological purposes where its demise is inevitable. As examples, we can note several references in the discussion above. The parable of the wedding feast, the king and the burned city, narrates Matthew’s interpretation of the events of 70 as an act of divine judgment (22:1–14).46 The parable of the net and the visionary scene of the sheep and the goats present the final judgment which means the end of all evil (13:47–50; 25:31–46). The sequence of parables in 21:28–22:14, directed at the Jerusalem leaders 44 F. Fanon, The Wretched of the Earth (New York 1968): “The native is an oppressed person whose permanent dream is to become the persecutor” (53). 45 On recent scholarship, W. Carter and J.P. Heil, Matthew’s Parables: Audience-Oriented Perspectives (CBQMS 30; Washington 1998), 1–22; D. Gowler, What Are They Saying About The Parables? (New York 2000). 46 Also Josephus, J.W. 6.96–110; 2 Bar. 1:1–5; 4 Ezra 3:24–36. See my discussion of this parable in W. Carter, “Imperial Paradigms in the Parables of Matthew 18:21–35 and 22:1–14,” Int 56 (2002): 260–272.
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and allies of Rome (not all Jews, 21:23, 45), exposes their failure to recognize and do God’s will (cf. 21:31–32, 35–39; cf. 23:23), an important emphasis in the disputes of chapters 12–16. The sequence also attests their imminent judgment and loss of status as agents of God’s purposes and leaders of God’s people (21:41–43). Elsewhere I have discussed the troubling and difficult parable of the unforgiving king and his unforgiving retainer that imitates a scenario of imperial power, notably the collection not of a private debt but of taxes and tribute.47 Ten thousand talents was the amount levied by Pompey when Rome took control of Judea in the 60s B.C.E. (Josephus, Ant. 14.78). The parable contrasts forgiveness as the practice of Jesus-followers with a model of “imperial-politics-as-usual” concerned with the exercise of dominating power and maintaining the vestiges of invincibility. The gospel’s audience is reminded of pragmatic forgiveness as a key aspect of its alternative societal practice. The parables in Matthew 13 function in similar ways. The collection elaborates the “empire of the heavens” (13:11, 19, 24, 31, 33, 38, 41, 43, 44, 45, 47, 52). In most interpretations, the chapter accounts for the various positive and negative responses to the manifestation of God’s empire in Jesus’ ministry, and / or instructs disciples on how to live until God completes God’s purposes.48 But of course this is not the first time the gospel’s audience has encountered the metaphor of God’s empire. It has twelve chapters of narrative experience of God’s empire, along with its lived experience as followers. The repetition of what is known “functions in a performative and dynamic way to confirm and challenge, strengthen and subvert, repeat and renew” this experience.49 The embedding of these parables in the larger gospel narrative thus contributes a major element to their interpretation. Claims of explanations about responses to the empire’s manifestation and instructions for disciples are inadequate without engaging the dimension of imperial negotiation evident throughout the previous twelve chapters. While it is tempting to offer here an analysis of the whole chapter in support of this claim, space limitations prevent it. Instead, I will briefly discuss but one of the chapter’s multiple parables, the brief parable of the mustardseed-become-tree in 13:31–32. The parable explicates “the empire of the heavens” ( ) in a short narrative concerning “a grain of mustard seed,” described as “the smallest of all seeds,” that, after planting, becomes “the greatest of shrubs and … a tree.” Interpreters have noted various emphases in the parable that elaborate God’s empire. One dimension is invisibility; when the seed has been planted only the sower knows it is there. Most oth47
Carter, “Imperial Paradigms” (n. 46), 260–268. W. Carter, “The Parables in Matthew 13:1–52 as Embedded Narratives,” in Carter and Heil, Matthew’s Parables (n. 45), 36–63, esp. 54 for bibliography. 49 Carter, “The Parables in Matthew 13:1–52” (n. 48), 38. 48
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ers do not know it exists or that anything significant is happening. The revelation of God’s empire in Jesus’ activity and words is presented as an act hidden from many (13:10–17). Certainly the elite with whom Jesus has been in conflict (12:1–14) have discerned only something challenging and threatening in their midst but not the unambiguous work of God nor anything valuable or significant. The manifestation of God’s empire in the activity of an artisan / peasant from Galilee has remained invisible to them. The parable thereby identifies the nature of the empire’s manifestation as another reason for its rejection by some. A second dimension, often the central element in contemporary interpretations, concerns contrast.50 The “smallest of all seeds” becomes “the greatest of shrubs and … a tree.” To identify God’s empire as “small” is somewhat surprising because the gospel has not presented Jesus’ ministry as “small.” His birth is presented as being of historical, political, international, and cosmic significance (chs. 1–2). He heals “every disease” in Galilee; “all the sick” including those from Syria come to him; “great crowds” follow him from everywhere (4:23–25; 9:36). “Many” with demons are exorcised and “all” the sick are healed (8:16). He has so challenged the societal leaders concerning, for instance, Sabbath practices and the elite’s authority that they want to kill him (12:1–14). Designating this widespread activity, its significant impact, and its transformative effect as “small” highlights the contrast with the future and full activity of God. Related to this contrast are two further dimensions. The narrative depicts the inevitability of God’s completing action. There is no questioning that the mustard seed will become a tree. Despite the growing opposition to Jesus’ work that results in his crucifixion, God’s empire will not be thwarted. This is not good news for the empire’s elite that has not perceived or welcomed God’s purposes. A further related dimension concerns growth.51 Some recent interpreters have downplayed this element52 but there is no doubting its presence in the parable. What is significant is that the aorist passive (“when it has grown”) emphasizes both the agent of the growth (God) and its end result, rather than the process. Opposition to Jesus’ activity and the manifestations of God’s empire are disclosed to be opposition to God. The end result concerns the seed becoming “the greatest of shrubs and … a tree, so that the birds of the heaven come and make nests in its branches.” This scene immediately presents the fullness of God’s empire as life-giving 50 For example, A. Sand, Das Evangelium nach Matthäus (RNT; Regensburg 1986), 286; J. Gnilka, Das Matthäusevangelium (2 vols.; HTKNT 1; Freiburg, Br. 1993), vol. 1, 493–496. 51 C.H. Dodd, The Parables of the Kingdom (London 1961), 141–143. 52 W.D. Davies and D.C. Allison, The Gospel According to Matthew (3 vols.; ICC; Edinburgh 1991), vol. 2, 415–421, emphasizing juxtaposition between the apparent insignificance of Jesus’ ministry in the present and the expectations of the future. Harrington, Matthew (n. 34), 205, 209.
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in its provision for all creation. But beyond this provision, the image of the tree in which birds nest also evokes various narratives in the tradition concerning trees and nesting birds that depict the establishment of God’s reign (which I will discuss momentarily). This link has been frequently noted, but what is often overlooked is that God’s purposes are presented in these traditions by other trees, not the mustard seed. These trees symbolize the power and rule of nations and their kings, sometimes sanctioned by God and sometimes strongly opposed by God. Either way, it is significant that in these traditions, all the trees / empires are subjected to God’s sovereignty. For example, in Judg 9:7–15, Abimelech, a son of Gideon / Jerubaal by a concubine from Shechem, becomes king of the city-state of Shechem. His father Gideon / Jerubaal, the previous judge (Judg 6–8), had refused the invitation to be king of Israel declaring that God would rule over them (8:22–23). Abimelech initiates his kingship by appealing to his mother and the “lords of Shechem.” With their support he murders his rivals, his 70 brothers, Gideon’s sons from various wives (Judg 8:30). One, the youngest Jotham, survives by hiding (9:5). When Jotham emerges, he learns that the “lords of Shechem” have made Abimelech king. From Mount Gerizim Jotham delivers a parable or anti-kingship allegory which presents the trees attempting to select a king (9:7–15). First the olive tree refuses, then the fig tree, then the grape vine. The three prefer their normal roles of benefit to human kind rather than exercising power. The useless bramble, though, accepts the request to be king, tyrannically demands that the trees take refuge in its shade, and threatens fire to devour the cedars of Lebanon. Jotham then delivers a speech condemning and cursing the lords of Shechem for not acting with “good faith and honor” but with murder and theft in supporting Abimelech the bramble (9:16–20). Abimelech’s three-year reign goes badly with increasing violence, the loss of the support of the “lords of Shechem,” warfare, the destruction of Shechem, and his death (9:22–57). The whole episode is adjudged to be not the will of God who exacts revenge on Abimelech for his murderous self-aggrandizement (9:56). In this instance some of the trees recognize their existing useful roles while the bramble depicts illegitimate power and rule. God’s sovereignty prevails. In Ezekiel 17, a fable of a cedar tree and two eagles interprets events concerning the fall of Jerusalem to the Babylonian empire in 597 B.C.E. The cedar represents the house of David from which an eagle, Nebuchadnezzar of Babylon, has removed a shoot, king Jehoiachin, to Babylon in 597 B.C.E. (Ezek 17:3–4, 11–12). Nebuchadnezzar replaced Jehoiachin with a regent Zedekiah (17:5–6, 13–14), but Zedekiah revolts against Nebuchadnezzar by seeking alliance with Egypt’s Pharaoh Psammetichus II or his successor Hophra. This act is also rebellion against God because Nebuchadnezzar is presented as God’s agent. Zedekiah is accordingly punished by both Nebuchadnezzar and God (17:7–8, 15–21).
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Verses 22–24 provide a further interpretation of the fable in which God, not a king, delivers the people and blesses the whole world. God plants a shoot from the cedar on a mountain (perhaps Zion though it is not specified). The tree produces much fruit (fertility is a standard feature of eschatological scenes), “every kind of bird” nests in the shade of its branches, and “all the trees of the field” recognize God’s sovereignty (17:22–23). Verse 24 elaborates this sovereignty in terms of God’s word by which God brings low, makes high, dries up, or causes to flourish a tree / an empire. The fable presents historical events, nations, kings, and empires in God’s control and subject to God’s purposes. The final verses use the image of the tree to show the extension of God’s life-giving blessing to all creation through God’s creative and sovereign word. Ezekiel 31 presents an oracle against Egypt from June 587 B.C.E. (Ezek 31:1). Apparently echoing “cosmic tree” traditions, it posits “Assyria a cedar of Lebanon” as an object of comparison for Egypt’s claimed greatness (31:2). The tree Assyria, like Egypt, “towered high above all the trees of the field” and “all the birds” nested in its branches (31:5–6). God made it beautiful (31:9). But its “towering high” resulted in pride in its greatness causing God to condemn and destroy it by means of “foreigners [Babylonians] from the most terrible of the nations” (31:12). God sends it to Sheol, the abode of the dead (31:15–17). The last verse makes the point concerning Egypt: “Now you shall be brought down … This is Pharaoh and all his horde” (31:18). The great tree of the Egyptian empire, reminiscent of the Assyrian empire, is a tree of death and destruction, doomed by the sovereign God to go the way of the former Assyrian empire. In Daniel 4, Nebuchadnezzar has a dream concerning a great tree that provides “food for all,” shade for animals, and branches for nesting birds (4:12). But then “a holy watcher coming down from heaven” orders the tree destroyed and a human to dwell with the animals (4:1–17). Daniel interprets the dream in terms of Nebuchadnezzar (“it is you O king!” 4:22) whose power will be diminished and he will dwell among the animals “until you have learned that the Most High has sovereignty over the kingdom of mortals and gives it to whomever he will” (4:17, 25). Then his kingdom will be reestablished (4:26). Subsequently Nebuchadnezzar boasts of his achievement in building “magnificent Babylon” only for the dream to come into effect with Nebuchadnezzar’s humiliation (4:28–33). After dwelling with the animals, he comes to acknowledge that God’s “sovereignty is an everlasting sovereignty … and he does what he wills with the host of heaven and the inhabitants of the earth” (4:34–35). God reestablishes Nebuchadnezzar’s kingdom (4:36). The dream employs the image of the tree, as in the other instances cited above, to depict a human empire, that of Babylon, in relation to God’s greater sovereignty. These tree traditions provide a theological analysis of
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the ways of the empires of the world. The central claim expressed through the image of the tree in these narratives is that God exercises control over human empires and reign. God “brings low” and “makes high” (Ezek 17:24; Dan 4:35). God accomplishes God’s sovereign purposes through these empires and human rule (Israel’s house of David, Assyria, Egypt, Babylon). God elevates empires and reigns – “I have made it beautiful (Ezek 31:9); Nebuchadnezzar is reestablished after acknowledging God’s sovereignty (Dan 4:36). God uses them as instruments of punishment (Ezek 17:15–21). God also opposes empires, bringing them low for their arrogant pride and refusal to acknowledge or yield to God’s purposes. God avenges Abimelech (Judg 9:56). Egypt will go the way of Assyria (Ezek 31). Babylon will be replaced by God’s empire (Ezek 17:22–24). No matter how great or powerful human empires appear to be, they cannot thwart or oppose God’s “everlasting sovereignty” (Dan 4:34).53 Matthew’s mustard seed that becomes a great tree in which all the birds nest depicts the “empire of the heavens.” Its small manifestation in Jesus’ activity of word and action contrasts with the final, glorious, life-giving triumph of God’s reign (cf. Ezek 17:22–24). But what has not been sufficiently noted is that “the mustard seed become tree” parable relates this affirmation about the presence and power of God’s empire to the existing world situation of the gospel’s hearers under Roman power by evoking this tradition of stories about trees. The tree image is ambiguous. It can depict God’s empire as well as evoke these various traditions outlined above which use the image of trees to present a theological analysis of human imperial power and reigns. The ambivalency of the image allows the ways of human empires and of God’s empire to be brought together. This bringing together facilitates the negotiation of Rome’s empire by Jesus followers. Evoking the theological paradigm of the ways of empire in God’s purposes provides insight into God’s ways with Rome. According to this paradigm presented in the tree narratives, Rome’s empire is not independent of God’s control. It is God’s work in the sense that God permits this agent of the devil to flourish (Matt 4:8). God also uses Rome. The parable of the wedding feast and burned city in 22:1–14 provides Matthew’s theological analysis of the events of 70. God uses Rome to punish Jerusalem, particularly its elite leadership, allies of Rome, for rejecting Jesus. For Jesusfollowers post 70, that apparent alliance between God and Rome could seem to be confusing. Is it God’s endorsement of the empire that had crucified Jesus? The paradigm evoked by the tree image provides the solution. God also brings empires low. That will be Rome’s destiny also. While that is not good news for Rome, it is very good news for Jesus-followers. 53 We could also note the use of the vine and vineyard image to depict Israel, for example, in Ps 80:8–13 and Isa 5:1–7.
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Interestingly, evoking the tree traditions and their theological paradigm of God’s engagement with empires repeats emphases that the gospel makes elsewhere, also by evoking scripture. I have previously argued that the double citations from Isaiah 7–9 in the gospel’s opening chapters (Matt 1:23; 4:24) evoke a similar theological analysis of empires in which God opposes them, uses them, and judges them.54 The eschatological scenes in which the return of Jesus is described (24:27–31) and in which judgment is depicted (13:47–50; 25:31–46) convey the same point that all human activity including the ways of empires is accountable to God’s sovereign purposes. The repetition of the same analysis by means of this short parable of the mustard seed-become-tree suggests the importance of the issue of imperial negotiation for late first century Jesus-followers and illustrates the significant contribution of Matthew’s parables to it.
54 W. Carter, “Evoking Isaiah: Matthean Soteriology and an Intertextual Reading of Isaiah 7–9 in Matthew 1:23 and 4:15–16,” JBL 119 (2000): 503–520. Also in Carter, Matthew and Empire (n. 27), 93–107.
II. Traditions- und redaktionsgeschichtliche Perspektiven
Mashal (
) and the Prophetic “Parables” Andreas Schüle
Despite its broad spectrum of meanings, there is hardly any doubt about the fact that the Hebrew root (m š l) is a key term in Old Testament wisdom literature. It also seems clear that is not so much a word that describes a specific content of wisdom or wisdom teaching but one that relates to particular sapiential forms or genres. Problems emerge, however, as one tries to determine if there is a unifying concept behind the different meanings of in the Old Testament or if a certain fuzziness remains about this term. Things get even more complicated if one broadens the scope of one’s inquiry and realizes that is not limited to wisdom literature alone but that it can also occur in prophetic speech, most notably in the oracles of Balaam (Num 22–24) and in the book of Ezekiel. In this essay, I will attempt to describe the spectrum of possible meanings of , paying special attention to the specific literary contexts in which the term occurs. Given the overall topic of this volume – the parables of Jesus – a mostly form critical approach to might help to stimulate discussion over the extent to which Jesus’s parables are indebted to the sapiential as well as the prophetic traditions of the Hebrew Scriptures.
1.
as “proverb / saying”
Throughout the Hebrew Bible, is used with reference to proverbs, i.e. short truth statements of a common and mostly experiential nature. These proverbs vary with regard to their metaphorical use of language. Sometimes the rhetorical figure that gives a proverb its “point” is a play with words and parallelisms: As the ancient proverb says, ‘Out of the wicked comes forth wickedness.’ (1 Sam 24:13) A wise son makes a glad father, but a foolish son is a sorrow of his mother. (Prov 10:1) All day long the wicked covets, but the righteous gives and does not hold back. (Prov 21:26)
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In other cases, proverbs resort to a concrete image in order to convey a truth of a more general or abstract nature: What do you mean by repeating this proverb concerning the land of Israel ‘The fathers have eaten sour grapes, and the children’s teeth are set on edge?’ (Ezek 18:2) Whoever digs a pit will fall into it, and the stone will come back to the one who starts it rolling. (Prov 26:27) Therefore it became a proverb, ‘Is Saul also among the prophets?’ (1 Sam 10:12; 19:24)
Especially the famous line from 1 Sam 10:12 has been quoted frequently to elucidate the character of a biblical proverb: Saul is reported to have gotten in ecstasy, which, as the text suggests, was quite unusual for him, given his position as king and also because of his apparent tendency towards depression. It is this element of finding someone in a state or place where one would not normally expect him or her to be that then makes the sentence “Is Saul also among the prophets?” applicable to other contexts. However, although such a metonymic dimension is attested in Proverbs frequently, it does not seem to be a necessary criterion of a , since there are numerous cases where this dimension is missing and where we find instead more direct and “plain” kinds of exhortation and teaching: The one who is steadfast in righteousness will live, but the one who pursues evil will die. (Prov 11:19) Without counsel plans go wrong but with many advisers they succeed. (Prov 15:22)
What characterizes a as a particular genre in the book of Proverbs does not seem to be a specific kind of rhetorical figure but the more general character of a short and poignant statement of wisdom. Prov 1:5–6 provides a list of different forms of speech that sages used for teaching and instruction: Let the wise hear and gain insight, and the discerning acquire skill / to understand a proverb and a mocking poem,1 the words of the wise and their riddles. (Prov 1:5–6)
Unfortunately, this list is not as helpful as one would wish, since the boundaries between the different types listed are difficult to reconstruct.2 Already 1 The Hebrew term here is , which can hardly be translated as “enigma” etc., as most translations have it based on the LXX. For the combination of and also compare Hab 2:7. 2 R. Clifford, Proverbs: A Commentary (OTL; Louisville, Ky. 1999), 34; B. Waltke, The Book of Proverbs: Chapters 1–15 (NICOT; Grand Rapids, Mich. 2004), 180.
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the Septuagint re-interprets these four categories as a 2+2 parallelism: “… to understand a proverb and an enigma, the words of the wise and riddles” ( ). It seems to be clear, however, that all these different forms describe short dicta of a sapiential nature rather than long and more elaborate philosophical accounts. This also seems what 1 Kgs 4:32 presupposes when Solomon is called the author of three thousand proverbs. This most likely refers to the kind of literature that one finds in the book of Proverbs and also, although to a lesser extent, in Ecclesiastes and Job. The character of primarily short sayings also seems to be the reason why can be used in cases where one would not necessarily think of a “proverb.” In Ps 44:14 the term has an unmistakably negative connotation: You have made us a
among the nations, a laughingstock among the peoples.
The parallelism with “laughingstock” suggests that has some of the same meaning; thus it usually gets translated as “(bad) byword.”3 The same applies in Mic 2:4 where the nations are supposed to take up a taunt song, looking down on and making fun of Israel’s misery. Such a taunting “proverb” is recorded in Hab 2:6: Shall not everyone taunt such people and, with mocking riddles, say about them, ‘Alas for you who heap up what is not your own!’ How long will you load yourselves with goods taken in pledge?
Several efforts have been made to subsume all the biblical references to under one umbrella category. Stephen Curkpatrick4 has suggested that a metonymic dimension underlies all the similes in the Old Testament, and Karin Schöpflin points in a similar direction when she concludes that some form of comparison (“Vergleich”) is a defining characteristic of every .5 However, as the above examples indicate, elements of metonymy or comparison are not always dominant in the proverbs and, as a matter of fact, are sometimes missing altogether. A different approach at defining the character of a proverb has been taken by Gerhard von Rad in “Wisdom in Ancient Israel.” V. Rad does not define a proverb by its formal characteristics in the first place but by what it seeks to accomplish, which he describes as the “binding of knowledge and experience in words of wisdom” (“Erkenntnisbindung im Weisheitsspruch”).6 This allows to recognize various and, as a 3 On as “Spottlied” cf. O. Eissfeldt, Der Maschal im Alten Testament: Eine wortgeschichtliche Untersuchung nebst einer literargeschichtlichen Untersuchung der genannten Gattungen “Volkssprichwort” und “Spottlied” (BZAW 14; Göttingen 1913), 52–71. 4 S. Curkpatrick, “Between Mashal and Parable: ‘Likeness’ as a Metonymic Enigma,” HBT 24 (2002): 58–71. 5 K. Schöpflin, “ – ein eigentümlicher Begriff der hebräischen Literatur,” BZ 46 (2002): 1–24, 22–24. 6 G.v. Rad, Wisdom in Israel (London 1972), 24–50. The English translation “forms in which knowledge is expressed” seems slightly misleading. According to v. Rad, we resort to
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matter of fact, sometime ambiguous and fuzzy ways of how experience of a common nature “materializes” in the form of a proverb. Metaphors, metonyms, comparisons, but also rhetorical, poetic, and syntactical figures are equally important in this regard and, as a matter of fact, sometimes intermingle in a specific case: With patience a ruler may be persuaded / and a soft tongue will break a bone. (Prov 25:15)
The first part of this proverb follows a iambic meter, whereas the second half has no poetic pattern whatsoever but presents the metaphor of a tongue that breaks bones. Although it is beyond the scope of this paper, it would be an intriguing topic of its own to follow v. Rad’s lead and explore how biblical proverbs bind the experiential world “behind” them in forms of language and if this definition of a also applies to other forms of discourse outside the proverbial literature. This takes us to the book of Job, where occurs in a crucial place at the end of Job’s dialogues with his friends.
2.
in the speeches of Job (Job 27:1; 29:1)
is not a word that one finds frequently in Job. As a matter of fact, the only reference prior to ch. 27 is in Job 13:12, where Job challenges the wisdom of his friends: “Your maxims are proverbs of ashes, your defenses are defenses of clay.” The New King James Bible probably hits the nail on the head when it translates “Your platitudes are proverbs of ashes.” It seems that Job criticizes his friends for trying to apply “simple” proverbial wisdom to a case as complex as his. Job himself, on the other hand, seeks to find answers to his misery beyond the world of common sense and common experience, which suggests that his “ ” must be of a different kind than that of his friends. And Job offers such a in the chapters that conclude the dispute with his friends: And Job again took up his discourse ( (Job 27:1)
), and said: …
After this final speech the dialogues between Job and his friends are over. What follows then are the speeches of Elihu (Job 32–27) and, finally, God’s answer from the whirlwind (Job 38–41). If one looks at the composition of Job’s reply, one notices that it is interrupted by ch. 28, the famous poem on where wisdom shall be found. The reply resumes in ch. 29, and there again various kinds of knowledge and experience all the time, but mostly in intuitive and unconscious ways. The purpose of wisdom is to explicate this knowledge and elevate it to a level where it becomes tangible and thus also moldable through sapiential reasoning.
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Job’s speech is introduced as a .7 Already the large amount of text makes it clear that does not have anything in common with the genre of short proverbs, riddles, sayings, etc. The NRSV translates as “discourse,” indicating the difference in meaning between these chapters and the book of Proverbs. However, Job 27–31 is not exactly a “discourse” either. While ch. 27 presents Job’s reply to his friends, he eventually turns away from them and, in a more introspective mode, reflects on his past fortune and his present misery (chs. 29–30). The final piece of Job’s speech is a purification oath, which shows close parallels to the negative confessions that we know from ancient near Eastern sources, where the worshipper stood trial in the temple before a deity. The most prominent example of this is the Egyptian ritual of the “weighing of the heart.” In transiting from this world to the next, the pharaoh was required to give a series of negative confessions (“I have not committed such and such sin”), as spelled out in the “Book of the Dead.” The Egyptian parallel is significant, because the pharaoh gives the purification oath before the assembly of the gods who eventually have his heart weighed against a feather to judge whether the king is worthy of entering the afterlife or whether his heart be devoured by the crocodile monster Ammit. Applying the scenario of someone standing trial before the Gods,8 it seems fair to say that, in ch. 31, Job in fact asks God to “weigh his heart.” As such, this chapter is the culminating point of the entire book composition within the limits of chs. 1–31. Given the complex literary character of Job 27–31 and its dramatic structure (Job’s turning away from his friends and turning to God), the term does not seem to succumb to any sharp form-critical definition. One rather gets the impression that is a term that is used to introduce Job’s speech as a discourse on issues of justice, requiring a “thick description” of his situation, using a variety of forms and rhetorical elements. To be sure, this also includes the use of images and metaphors, but one does not get the impression that Job’s is part of the same parabolic wisdom that one finds in Proverbs. Job’s is contemplative, exploratory, and it even takes the form of a defense speech addressed to God himself in order to escape the platitudinal worldview of his friends.
3.
as a category of prophetic speech
It has been claimed frequently that the proverbs and proverb-like words that one finds in biblical wisdom traditions should be counted among the precursors of the parables of Jesus. This obviously presupposes that the mostly 7 S. Balentine, Job (The Smyth and Helwys Bible Commentary; Macon, Ga. 2006), 437–439. 8 Balentine, Job (n. 7), 477–480.
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shorter wisdom comparisons “x is like y”9 developed into longer narratives on the y-end of the comparison. While such an assumption seems quite plausible, it suffers from the lack of textual evidence that could fill the gap between the Hebrew Bible and the New Testament. However, the life of the term and its Greek rendering in the Old Testament itself extends beyond the scope of wisdom literature. It is especially in the book of Ezekiel and in the oracles of the seer Balaam that one finds in the context of prophetic speech. It is striking that in these traditions a refers to long and elaborate metaphorical depictions, which, in some cases, are then interpreted in terms of their prophetic message.
3.1 Ezekiel 17: The two eagles and the vine Ezek 17:1–10, the so called parable of the two eagles and the vine, provides an illustrative example for the prophetic use of the term . Ezekiel is charged to “propound a riddle” ( , ) and “speak a parable” ( , ). It is interesting that Ezek 17:2 employs two terms to introduce the form and content of what follows. This raises the question, if the two terms are used synonymously or if they define the subject from different angles. It has to suffice here to paraphrase the content of the “parable” briefly: a mighty and beautiful eagle comes to Lebanon and seizes the top of a cedar to take it back with him to his homeland. In a second act, the same eagle takes some seed from the cedar’s land to sow it into his own. A vine grows out of the seed and prospers in the land of the eagle. But then another eagle appears and the vine reaches out for him and wants to be provided by him. The text ends by asking what the first eagle will most likely do to the vine. This concluding question invites the reader / hearer to judge what the outcome of the story should be. As a matter of fact, the text appeals to common sense when it suggests that the first eagle will most likely punish the vine for its unfaithfulness. In this regard, Ezek 17 shows clear parallels with other parables that we find in the Old Testament, most notably with the parable of the trees in Josh 9 and Nathan’s parable in 1 Sam 10. In each case, the parable develops a certain morale that the recipient of the parable is supposed to apply to her own context. This, it seems, is what Ezek 17:2 means by , and here in particular the parallels with the some of the New Testament parables are at hand. However, unlike in 1 Sam 10, the images and symbols in Ezek 17 are not self-explanatory but need “unlocking”: one needs to know that the first eagle symbolizes the Babylonian empire that takes the king of Judah (the top of the cedar) and parts of the population (the seed / vine) into exile. The second eagle finally stands for the Egyptian empire from which the Judeans expected help to free themselves 9
Cf. especially Prov 25–29.
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from Babylonian hegemony. This necessity to get to the meaning behind the text seems to be implied in the other term that is used in Ezek 17:2: the “riddle” ( ). This is not, however, a riddle in the same sense as the term is used in wisdom texts, where it in fact presents a problem to which the reader is supposed to find the solution. The prophet himself has to provide the clue for the to make sense, and this “decoding” then becomes part of the actual oracle that the prophet is supposed to convey to his people in the name of JHWH. The phrase that the Septuagint offers as a translation of has a firm place in the Greek rhetorical tradition and it focuses on the difference between the world of the recipient (the reader) and the world of the text itself. The social and natural laws of the text’s own world need not to be the same as those that apply to the world of the recipient. It is interesting, though, that the Greek authors did not use the term that one would more likely expect for the specific metaphorical imagery of Ezek 17, namely “allegory.” As matter of fact, the term is never used in the Septuagint, although it would seem to fit in a case like Ezek 17 better than .10 In sum: In Ezek 17, we encounter a quite deliberate choice of wording, when Ezekiel’s speech is called both a and a .11 The former appeals to the common-sensical judgment of the reader, as one also finds it with the of wisdom literature. However, whereas “proverbs” and “parables” typically draw on familiar examples from the natural and social realms, the prophetic example in Ezek 17 transforms the imagery into an allegory. One can assume that creating a metaphorical world served a specific purpose. Since allegories are not bound to the laws and rules of how things “really” are (eagles don’t plant seeds, vines don’t express preference as to where they want to grow, etc.), they can actually reach deeper into the subject matter that they seek to explore than a parable can. In the case of Ezek 17, we not only learn that Ezekiel warns the Judeans in Babylon not to enamor the Egyptians; rather, we get to “hear” the prophet’s broader interpretation of the exile situation: The fact that the vine prospers in the land of the eagle suggests that the exilic community could have been content with their fortunes and that they had no need to plot against the Babylonians. The imagery even suggests that the Judeans should have shown at least a certain degree of loyalty to the king of Babylon,12 given that their situation could have been considerably worse.
10 One reason why this is not the case could be the Hebrew wordplay that the Greek authors tried to imitate by the phrase . 11 For a similar conclusion with regard to and cf. M. Greenberg, Ezekiel 1–20: A new Translation with Introduction and Commentary (AB 22; New York 1983), 322–323. 12 D.I. Block, The Book of Ezekiel (vol. 1; NICOT; Grand Rapids 1997), 532.
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3.2 Ezekiel 24: The boiling cauldron Ezekiel’s prophecy of the boiling cauldron presents a number of linguistic and interpretative issues that cannot be addressed here.13 What needs to interest us, however, is the fact that this prophecy is introduced as a , which, given its content, is quite surprising.14 First of all, it is not quite clear, if God asks Ezekiel to perform what the includes – the boiling of various cuts of meat in a pot – which would imply that here means “symbolic action.” The other solution would be that refers to the mental image of a boiling pot in which meat with all its blood is cooked until it, eventually, sticks to the bottom and the walls of the pot like “rust.”15 Assuming that the latter is the case (a symbolic action is at least not explicitly recorded in Ezek 24) the question arises what characterizes this text as a . Obviously, there are elements of an allegory again. The reader needs to know that the pot symbolizes Jerusalem and the various cuts of meat the city’s population. It is Jerusalem’s guilt as a place of violence and cultic impurity that is depicted in the image of the pot that “kills” whatever is inside it. The meaning of this symbolism does not emerge from the imagery itself but has to be provided in addition to it. Thus one may ask if here in fact means “allegory” or “diegesis,” which, in Ezek 17, was captured by the term . This would further suggest that could be used interchangeably with other, similar terms and that it did not have a more sharply defined form-critical function. However, Ezek 24 is more than an allegory. The boiling pot and the pieces of meat are not just symbols in the sense that they point beyond themselves to what is actually meant; rather, they have an expressive purpose of their own. The picture of the meat and the blood that are boiled until only an evil-looking and bad-smelling residue is left undoubtedly evokes a feeling of disgust and even horror in the reader.16 Even without knowing what the individual elements mean, the imagery produces a certain reaction in the reader, which then provides a nurturing ground for the prophet’s explicit and univalent message. This suggests that the term is used not so much because the text employs coded metaphorical language, but because it prepares the reader to apply the judgment or the feelings that have formed in her to the world “behind” the text. In this respect, Ezek 24 and Ezek 17 are not in principle different from Nathan’s or Jotham’s parables.
13 Especially on the linguistic issues cf. L.C. Allen, “Ezekiel 24:3–14: A rhetorical perspective,” CBQ 49 (1987): 404–414. 14 Schöpflin, (n. 5), 10–11. 15 K. Schöpflin, “The Composition of Metaphorical Oracles within the Book of Ezekiel,” VT 55 (2005): 101–120, 106. 16 D.I. Block, “Ezekiel’s boiling cauldron: A form-critical solution to Ezekiel 24:1–14,” VT 41 (1991): 12–37, 35.
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3.3 The Balaam oracles (Num 23–24) The oracles of Balaam as well as the narrative framework in which they are embedded continue to trigger exegetical controversies not only about when the text and its different layers were written but also about the character and nature of Balaam’s prophetic ministry. Scholars who hold that the Balaam tradition is one of the oldest in the Hebrew Bible take especially the four major oracles in Num 23–24 as evidence of prophetic speech preceding the prophets of the monarchic period.17 This, however, has become the minority position. Today, most scholars tend to count the oracles of Balaam in their final form among the relatively late layers of the Pentateuch.18 Especially the “Star of Jacob” (24:17) as a future messianic figure slaying Israel’s enemies makes sense in a historical setting where there was no king anymore but where people were hoping for the rise of a new messiah.19 This discussion needs to concern us only inasmuch as it relates to the introductory lines of the oracles: Balaam’s prophecy is called and also (emaer). While we have seen that has a place in the prophecy of Ezekiel, it is never used there as the introduction to the actual prophetic oracle. Put differently: it is the prophet’s own word that can be a but not so much the word that the prophet is supposed to deliver in the name of JHWH. This is different, however, in the Balaam oracles, where refers in fact to the words and visions that Balaam receives. Things get even more confusing, if one looks at the actual oracles and notices that these have hardly anything in common with the divine oracles that one finds throughout the prophetic literature. More adequately, one should describe the Balaam oracles as “prophetic poetry.” Balaam confesses that he cannot do what he was told to do, namely curse Israel. The view that presents himself of Israel resting in the Jordan valley on their way to the Promised Land calls for nothing but admiration and awe: How fair are your tents, O Jacob, your encampments, O Israel! Like palm groves that stretch far away, like gardens beside a river, like aloes that the LORD has planted, like cedar trees beside the waters. Water shall flow from his buckets, and his seed shall have abundant water, his king shall be higher than Agag, and his kingdom shall be exalted. God who brings him out of Egypt, is like the horns of a wild ox for him; he shall devour the nations that are his foes and break their bones. He shall strike with his arrows. He crouched, he lay down like a lion, and like a 17 D. Vetter, Seherspruch und Segensschilderung: Ausdrucksabsichten und sprachliche Verwirklichung in den Bileamsprüchen von Numeri 23 und 24 (Calwer theologische Monographien A/4; Stuttgart 1974). 18 For an overview cf. A. Schüle, Israels Sohn – Jahwes Prophet: Ein Versuch zum Verhältnis von kanonischer Theologie and Religionsgeschichte anhand der Bileam-Perikope (Num 22–24) (Altes Testament und Moderne 17; Münster 2001), 50–65, and M. Witte, “Der Segen Bileams – eine redaktionsgeschichtliche Problemanzeige zum ‘Jahwisten’ in Num 22–24,” in Abschied vom Jahwisten: Die Komposition des Hexateuch in der jüngsten Diskussion (eds. J.C. Gertz, K. Schmid and M. Witte; BZAW 315; Berlin 2002), 191–213. 19 Witte, “Der Segen Bileams” (n. 18), 288–301.
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lioness; who will rouse him up? Blessed is everyone who blesses you, and cursed is everyone who curses you.
From the context of the narrative in Numbers this is prophecy indeed, because it foretells the coming of a monarch and Israel’s dwelling in a fruitful and almost paradisiacal land, none of which Israel had during the Exodus and the wilderness wanderings. However, apart from this context, these oracles, in the mouth of the supposedly heathen prophet, are meant to glorify Israel as a prosperous and admirable nation. It has long been noticed that these oracles almost read as a compendium of what precedes them in the Pentateuch and, to that extent, present themselves as the fulfillment of the promises to the patriarchs and the Exodus generation. Especially the motive of “blessing” ties the Balaam oracles in with the patriarchal narratives, thus forming an inclusio between the books of Genesis and Numbers (cf. Gen 12:3; 27:29).20 There are also close intertextual relationships with deuteronomic and deuteronomistic thinking with regard to Israel as God’s chosen people and as set apart from other nations (Num 23:9; cf. Deut 32:8–10). Israel is presented as a “righteous” people (Num 23:10) that leaves the other nations in awe, which is reminiscent of the depiction of Israel as a “wise” people in Deut 4:6–7.21 Along the same lines, one notices parallels between the imagery of Israel as “planted” in fertile soil by flowing streams and the characterization of the righteous person in Ps 1. The Balaam oracles can thus be described as an “ideal portrait,” depicting Israel as firmly established in the land, ruled by a powerful king, and protected by a god who devours the enemies like a “wild ox.” As already mentioned, this ideal portrait takes an eschatological turn in Num 24:17, where the “Star of Jacob” and his reign of glory are envisioned as a future reality, although the text – deliberately, it seems – does not go into any detail as to whether this points to the near or distant future.22 One gets the impression that the Balaam oracles show Israel as what it is meant to be, regardless of whether this has ever been a reality or will ever become one. As such the Balaam oracles do not easily succumb to any sharp form-critical classification. There is a prophetic element, but these oracles are certainly not prophecy in a “traditional” sense. Unlike Ezekiel’s , the Balaam oracles do not require any decoding and, unlike Nathan’s and Jotham’s parables, they also don’t need to be transposed from their own (imaginative) world to the world of the reader. There is also a wisdom component, especially where “righteousness” becomes a criterion of what Israel is or what it is supposed to become. However, the Balaam oracles do 20
Witte, “Der Segen Bileams” (n. 18), 90. Witte, “Der Segen Bileams” (n. 18), 86–91. 22 Witte, “Der Segen Bileams” (n. 18), 288–291. For the reception history of Num 24:17 especially in the LXX cf. M. Rösel, “Jakob, Bileam und der Messias: Messianische Erwartungen in Gen 49 und Num 22–24,” in The Septuagint and Messianism (ed. M.A. Knibb; BETL 195; Leuven 2006), 169–174. 21
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not really fit any of the main genres of wisdom and wisdom teaching. This, unfortunately, makes the question why is used in Num 23–24 a rather speculative task. But perhaps the best speculation in this regard is that, precisely because has a place in both prophetic and wisdom traditions, it was deemed capable of expressing a kind of truth about Israel that comprises elements of both.
Conclusion This brief walk-through the semantic spectrum of may suffice to suggest that this term cannot be reduced to one particular form-critical meaning or purpose. Rather, one gets the impression that there are overlaps between the different texts and traditions where is used without, however, forming a coherent definition of the term. Application to the Lebenswelt (life world) of the reader, for example, plays an important role in many instances where is used: the text creates a metaphorical world meant to unfold meaning in and for the reader’s own world, as is the case in the proverbs and also in the allegories of Ezekiel. This component, however, is absent from other texts like the sapiential discourse of Job or in the Balaam oracles, where is associated with different kinds of reflection and speech. In most of these cases, the LXX follows the Hebrew in translating as . Interestingly enough, this is not the case in Job 27 and 29, where a different term ( ) is used. Also in some places of the book of Proverbs is rendered , most notably in Prov 1:1, where this term serves as an overarching category for all the different forms of wisdom found in this book. However, given the relatively few cases where the LXX does not follow the Hebrew in translating as , one does not get the impression that the LXX employs a more refined set of terms, discriminating between different sapiential and prophetic forms of speech. The different and diverse meanings that can assume has implications with regard to the New Testament. The parables of Jesus, which in themselves include different genres,23 do not seem to have a single antecedent in the literature of the Hebrew Bible. However, it seems clear – and has often been observed24–that there are significant parallels between the parables of Jesus and the of the Old Testament prophets, especially with regard to their setting in life: the prophet uses the imagery of the parable in order to convey the essence of his message in a way that appeals to common 23 For a recent overview, cf. G. Theißen / A. Merz, Der historische Jesus: Ein Lehrbuch (3 rd ed.; Göttingen 2001), 292–296. Theißen and Merz subsume the parables of Jesus under the category of “Jesus the poet” as distinct from “Jesus the prophet.” 24 P. Stuhlmacher, Biblische Theologie des Neuen Testaments (vol. 1; 2 nd ed.; Göttingen 1997), 76–78.
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experience or common-sensical judgment. This establishes a connection between the world of the hearer / reader and the prophetic message – a connection that the audience may not necessarily be able to understand and that, thus, requires interpretation. One has to say, however, that “parable” is not one of the more common forms of prophetic speech. While it seems safe to assume that the prophets occasionally used this genre where the particular situation called for it (cf. the “vineyard song” in Isa 5:1–7), the textual evidence is relatively limited, which obviously stands in contrast to the broad use of parables and parable-like forms in the gospels. One gets the impression that the prophets used parables especially when they wanted to catch their audience off guard: “you are the one” is Nathan’s verdict after telling David the parable of the rich man who steals the lamb of a poor man. Practically all the examples we have visited above for the prophetic use of parables show that their point is to bring the prophet in a position where he is able to say “you are the one.” While this rhetorical move is also found in the New Testament (Mark 12:1–11, for example, alludes to Isa 5:1–7), the use of parables here certainly extends well beyond judgment prophecy. Especially where parables become the linguistic mode of Jesus’s depiction of the , there are no direct parallels in the prophetic traditions. Appealing in this regard is P. Stuhlmacher’s suggestion that Jesus’s parables of the could be regarded as a sapiential reframing of the prophetic ,25 “translating” what lies beyond human knowledge and experience into situation of the everyday world. Whatever the final word in this discussion may be, it seems safe to assume that one major literary accomplishment of the New Testament gospels lies in developing and amplifying the formal characteristics as well as the metaphorical content of a .
25
Stuhlmacher, Biblische Theologie des Neuen Testaments (n. 24), 76–78.
Rabbinische Gleichnisse und ihre Vergleichbarkeit mit neutestamentlichen Gleichnissen Catherine Hezser Gleichnisse gehören neben Apophthegmen (chreiai), Beispielerzählungen (exempla), Anekdoten, Sprichwörtern und Weisheitssprüchen zu denjenigen literarischen Formen, die in der Antike sowohl von jüdischen als auch von christlichen Lehrern in ihrer Lehre benutzt, in verschiedenen Fassungen tradiert und schließlich in größere literarische Kontexte aufgenommen worden sind.1 Im Neuen Testament sind zahlreiche Gleichnisse in den Evangelien überliefert, in der rabbinischen Literatur begegnet man Gleichnissen im Midrasch und Talmud. Da die Rabbinen erst nach der Tempelzerstörung im Jahre 70 lehrten und die rabbinischen Sammelwerke erst im dritten bis fünften Jahrhundert redigiert worden sind, können die Gleichnisse Jesu als die frühesten überlieferten und in schriftlicher Form zugänglichen antiken jüdischen Gleichnisse gelten.2 In diesem Beitrag soll zunächst auf die Geschichte der Erforschung rabbinischer Gleichnisse sowie auf verschiedene Ansätze innerhalb der Forschung eingegangen werden. Anschließend ist der rabbinische Midrasch als literarischer Kontext der rabbinischen Gleichnisse näher zu betrachten: Wie sind 1 Einen Überblick über den formgeschichtlichen Zugang zur rabbinischen Literatur bietet A.J. Saldarini, Form Criticism of Rabbinic Literature, JBL 96 (1973), 257–274. Zu Apophthegmen in der griechisch-römischen und rabbinischen Literatur siehe H.A. Fischel, Studies in Cynicism and the Ancient Near East. The Transformation of a Chrie, in: J. Neusner (Hg.), Religions in Antiquity, Leiden 1968, 372–441; zum Vergleich zwischen jüdischen und christlichen Apophthegmen siehe C. Hezser, Die Verwendung der hellenistischen Gattung Chrie im frühen Christentum und Judentum, JSJ 27 (1996), 371–439. 2 Obwohl auch bestimmte Traditionen innerhalb der Hebräischen Bibel als Gleichnisse identifiziert worden sind, sind diese doch von der späteren literarischen Form, die im Neuen Testament und in der rabbinischen Literatur begegnet, formal unterschieden. Zu biblischen Gleichnissen siehe z.B. W.H. Brownlee, Ezekiel’s Parable of the Watchman and the Editing of Ezekiel, VT 28 (1978), 392–408; D. Duebe, Nathan’s Parable (II Sam. 12:1 ff.), NT 24 (1982), 275–288; E. Eynikel, The Parable of Nathan (II Sam. 12,1–4) and the Theory of Semiosis, in: St.L. McKenzie / Th. Römer (Hgg.), Rethinking the Foundations. Historiography in the Ancient World and in the Bible (FS J. Van Seters), BZAW 294, Berlin / New York 2000, 71–90; F. Landy, The Parable of the Vineyard (Isaiah 5:1–7), Or What is a Love Song Doing Among the Prophets?, SR 34 (2005), 147–164; M. Livni, The Parable of Jotham. The Question of Authority in Judaism, JBQ 30 (2002), 247–252.
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die Gleichnisse mit ihrem literarischen Kontext verbunden und wie lassen sie sich als eigenständige Formen aus diesem herauslösen? Welche Aussageabsicht und welchen „Sitz im Leben“ könnten sie vor der Aufnahme in das jeweilige rabbinische Sammelwerk gehabt haben? Diese Fragen werden anhand von Beispieltexten erläutert. Im dritten Teil sollen sodann die Vergleichbarkeit der rabbinischen mit den neutestamentlichen Gleichnissen untersucht und Methoden, die für solche Vergleiche besonders geeignet sind, vorgestellt werden.
1. Ansätze zur Erforschung rabbinischer Gleichnisse Im Zuge der Rückbesinnung auf die ethischen Werte des Judentums nach Emanzipation und Aufklärung kam es zwar im liberalen Judentum am Ende des neunzehnten Jahrhunderts zu einer Aufwertung der aggadischen (Erzähl-) gegenüber der halakhischen (Rechts-)Tradition, aber mit den einzelnen literarischen Formen dieser Tradition, wie z.B. dem Gleichnis, beschäftigte man sich noch nicht ausführlicher. Dieses Desinteresse der so genannten Wissenschaft des Judentums an Gleichnissen lag wohl einerseits daran, dass man zu jener Zeit eher an ethisch-theologischen als an literarischen Fragestellungen interessiert war und deshalb, wie etwa Wilhelm Bacher, Texte der Aggadah unter thematischen Gesichtspunkten oder in ihrer Zuordnung zu bestimmten rabbinischen Tradenten zusammenstellte.3 Andererseits lag es aber wohl auch daran, dass Gleichnisse auch innerhalb der rabbinischen aggadischen Literatur keine so bedeutende Rolle spielen wie in den Evangelien des Neuen Testaments, sondern nur eine Traditionsform unter anderen sind, die als der Gattung Midrasch untergeordnet betrachtet wird. Insofern waren es vereinzelte Neutestamentler, die sich am Anfang dieses Jahrhunderts als erste ausführlicher mit rabbinischen Gleichnissen beschäftigten. Diese Beschäftigung ist im Rahmen des zu jener Zeit aktuellen religionsgeschichtlichen Ansatzes zu sehen, der versuchte, jüdische und griechisch-römische Analogien für neutestamentliche Textformen und Motive zu finden. An diesem Ansatz wird deutlich, dass das bessere Verständnis der Gleichnisse des Neuen Testaments primäre Motivation für die Beschäftigung mit rabbinischen Gleichnissen war. Dabei wurden die rabbinischen Texte gewöhnlich nicht um ihrer selbst willen untersucht, sondern im Hinblick auf
3 Siehe W. Bacher, Die Agada der babylonischen Amoräer. Ein Beitrag zur Geschichte der Agada und zur Einleitung in den Babylonischen Talmud, Straßburg 1878; Ders., Die Agada der palästinensischen Amoräer, 3 Bde., Straßburg 1892–1899, Nachdr. Hildesheim 1965; Ders., Die Agada der Tannaiten, 2 Bde., Straßburg 1884/1890; Ders., Tradition und Tradenten in den Schulen Palästinas und Babyloniens. Studien und Materialien zur Entstehungsgeschichte des Talmuds, Leipzig 1914.
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die neutestamentlichen Texte. Die jüdischen Gleichnisse wurden gewöhnlich abgewertet und als Negativfolie für die Gleichnisse Jesu verwendet.4 Als Beispiel für diesen Ansatz kann die Arbeit Paul Fiebigs gelten.5 Fiebig wies auf die rabbinischen Gleichnisse in seiner Kritik an Jülicher’s Gleichnistheorie hin, die strikt zwischen Gleichnis und Allegorie differenzierte. Jülicher zufolge unterschieden sich die Gleichnisse Jesu, die seiner Meinung nach aus einem Vergleichspunkt entwickelt und deshalb „einfach“ und „natürlich“ zu nennen waren, radikal von Allegorien, die eine Vielzahl von Metaphern enthielten und nur Eingeweihten verständlich waren.6 Fiebig versuchte dagegen zu zeigen, dass die mit den Gleichnissen Jesu vergleichbaren rabbinischen Gleichnisse nicht den Vergleich, sondern die Metapher als Grundform haben, und dass es sowohl in den Evangelien als auch in der rabbinischen Literatur Mischformen gab.7 Fiebig sah die rabbinischen Gleichnisse als charakteristisch für die so genannten „Eigenheiten jüdischer Ausdrucksweise“ an, zu denen seiner Meinung nach unter anderem ein monotoner, formelhafter, zum Parallelismus neigender Stil, Elliptik, aber auch „Lebhaftigkeit“ der Darstellung gehörten.8 Zu kritisieren ist Fiebigs explizite Abwertung rabbinischer Gleichnisse, die in dieser Beschreibung schon deutlich wird. So spricht er von dem „deutlich fassbaren Unterschied der ‚künstlerischen Höhenlage‘“ der rabbinischen im Vergleich zu den neutestamentlichen Gleichnissen und hebt die „entzückende Frische und Anschaulichkeit“ der letzteren im Unterschied zur „Inkonzinnität“ und „Nachlässigkeit“ der ersteren hervor.9 Fiebig unterschied bereits zwischen Tradition und Redaktion, d.h. zwischen den exegetischen Funktionen der rabbinischen Gleichnisse im Midrasch, wo sie oft der Verdeutlichung von Bibelversen dienen, und ihrem früheren Sitz im Alltagsleben. Die in den uns vorliegenden literarischen Texten zu findende Anwendung der Gleichnisse ist nicht als die originäre Aussageabsicht der Gleichniserzähler anzusehen. Sowohl rabbinische als auch neutestamentliche Gleichnisse werden als Formen mündlicher Tradition verstanden, die erst in einem späteren Stadium ihrer Überlieferungs-
4 Zur antijüdischen Gleichnisauslegung der religionsgeschichtlichen Schule siehe C. Hezser, Lohnmetaphorik und Arbeitswelt in Mt 20,1–16. Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg im Rahmen rabbinischer Lohngleichnisse, NTOA 15, Freiburg (CH ) / Göttingen 1990, 4–7. 5 P. Fiebig, Die Gleichnisreden Jesu im Lichte der rabbinischen Gleichnisse des neutestamentlichen Zeitalters. Ein Beitrag zum Streit um die „Christusmythe“ und eine Widerlegung der Gleichnistheorie Jülichers, Tübingen 1912. 6 Siehe A. Jülicher, Die Gleichnisreden Jesu, Teile I –II , Darmstadt 1963 (= Nachdr. der 2. Aufl. Tübingen 1910), 63 f.459–471. 7 Als eine solche Mischform sah er z.B. das neutestamentliche Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg (Mt 20,1–16) an, Fiebig, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 5), 128. 8 Siehe Fiebig, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 5), 233–239. 9 Siehe Fiebig, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 5), 270 f.
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geschichte verschriftlicht und in größere literarische Kontexte aufgenommen wurden.10 Die bei Fiebig begegnende vorurteilshafte, anti-jüdische Zitierung rabbinischer Gleichnisse ist auch in Strack-Billerbeck’s Sammlung rabbinischer Paralleltexte zum Neuen Testament zu finden.11 Diese Texte werden hier nicht nur zitiert, sondern auch kommentiert, wobei die neutestamentlichen Gleichnisse gewöhnlich als den rabbinischen nicht nur literarisch, sondern auch theologisch und ethisch überlegen dargestellt werden. So geht es Jesus mit dem Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg (Mt 20,1–16) angeblich darum, „die Lohnsucht zu bekämpfen“, die in ähnlichen jüdischen Gleichnissen direkt oder indirekt zum Ausdruck kommt.12 Strack-Billerbecks Nachschlagewerk erweist sich aber nicht nur wegen des inhärenten Antijudaismus als mangelhaft. Es stellt auch eine methodisch unzureichende Zugangsweise zur antiken jüdischen Literatur dar. Die rabbinischen Traditionen werden aus ihrem literarischen Kontext losgelöst präsentiert und die Stellenangaben sind oft falsch oder ungenau. Dies bedeutet, dass die zu jener Zeit bereits entwickelte historisch-kritische Zugangsweise nur auf die neutestamentlichen Texte angewendet wurde, während für die rabbinischen Texte, die lediglich als Hintergrundmaterial dienten, die „Holzfällermethode“ als angemessen galt.13 Ein ganz anders geartetes Interesse an rabbinischen Gleichnissen, bzw. einer bestimmten Untergattung dieser Gleichnisse, hatte Ignaz Ziegler.14 In seinem Buch zu den Königsgleichnissen des Midrasch beschäftigt er sich mit den in diesen Gleichnissen erwähnten Aspekten des römischen Kaisertums und Hofzeremoniells. Seiner Meinung nach sind die Stoffe der Gleichnisse dem wirklichen Leben am Kaiserhof entnommen, „das tertium comparationis der Gleichnisse war nicht Phantasiegebilde, sondern reale Wirklichkeit“15. So glaubte Ziegler, dass die rabbinischen Gleichniserzähler eine umfangreiche Kenntnis der kaiserlichen Sitten und Gebräuche besaßen. Die Frage, wie sie diese Kenntnis erlangt haben könnten, stellte er nicht. Zieglers Ansatz ist als historisierend und positivistisch anzusehen. Er versucht, die Zeit der Entstehung einzelner Gleichnisse an inhaltlichen Indizien, wie z.B. der Hofetikette, festzumachen und sie der Regierung bestimmter 10
Siehe Fiebig, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 5), 93–98. H.L. Strack / P. Billerbeck, Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch, 5(6) Bde., München 1922–1960. 12 Siehe H.L. Strack / P. Billerbeck, Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch. Bd. IV : Exkurse zu einzelnen Stellen des Neuen Testaments, München 21928, 487 Anm. 8. Zu diesem Vergleich siehe Hezser, Lohnmetaphorik und Arbeitswelt (s. Anm. 4), 5 f. 13 Mangelnde Kenntnisse der rabbinischen Literatur auf Seiten des neutestamentlichen Bearbeiters mögen für diese Zugangsweise natürlich auch ausschlaggebend gewesen sein. 14 I. Ziegler, Die Königsgleichnisse des Midrasch beleuchtet durch die römische Kaiserzeit, Breslau 1903. 15 Ziegler, Königsgleichnisse des Midrasch (s. Anm. 14), XXIII . 11
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Kaiser zuzuordnen. Da man heute schon der Zuverlässigkeit der Tradentennamen skeptisch gegenübersteht,16 wird man die Datierung aufgrund von inhaltlichen Merkmalen nicht als überzeugend ansehen können. Die Gleichnisse dienten Ziegler ausschließlich als historische Quellen für antike Königsbräuche. An literarischen und theologischen Gesichtspunkten war er dagegen nicht interessiert. Erst in neuerer Zeit sind die rabbinischen Gleichnisse als wichtiger Bestand des Midrasch wahrgenommen und in ihrer literarischen Gestalt unabhängig von neutestamentlichen Gleichnissen und den für diese entwickelten Kategorien untersucht worden. Dabei hat man sich aber meist auf ihre Form und Funktion innerhalb der letzten, redaktionellen Textebene konzentriert, ohne vorredaktionelle, möglicherweise vorliterarische Textstufen zu berücksichtigen. Ein solcher Ansatz ist redaktionsanalytisch zu nennen. Die wichtigsten amerikanischen Vertreter dieses Ansatzes sind R.M. Johnston, David Stern und Daniel Boyarin. Die von Fiebig behandelte und von der neutestamentlichen Gleichnisforschung vorgegebene Frage nach dem allegorischen Gehalt der Gleichnisse wird von Johnston als den Texten unangemessen abgelehnt.17 Zur Identifizierung von Gleichnissen innerhalb ihres größeren literarischen Kontextes weist Johnston erstens auf ausdrückliche Kennzeichen, wie z.B. den Begriff mashal („Gleichnis“), und Formeln, wie „ein König aus Fleisch und Blut“, hin.18 Außerdem lässt sich das mashal an bestimmten Strukturmerkmalen erkennen: dem Illustranden, der Bildhälfte und Anwendung, und dem Bibelzitat, das am Ende erscheint oder die Gleichniserzählung rahmt. Sowohl die Inbeziehungsetzung von Bild und Sache als auch die Verknüpfung mit dem Schriftvers ist auf die Redaktoren des Midrasch zurückzuführen. Der (mündliche) Gleichniserzähler muss das Gleichnis nicht notwendigerweise als Illustration eines bestimmten Bibelverses erfunden haben. Innerhalb des Midrasch hat das Gleichnis aber ganz bestimmte literarische Funktionen, welche auch andere narrative Formen wie z.B. Anekdoten erfüllen können. Im Midrasch dienen alle diese Formen der Schriftexegese.19 Johnston zufolge gehören zwar rabbinische und neutestamentliche Gleichnisse ein und demselben literarischen Genre an, sie unterscheiden sich aber inhaltlich voneinander. Angeblich dienten die Gleichnisse Jesu der Umkehrung bestehender Verhältnisse, die rabbinischen Gleichnisse bestätigten dagegen bestehende Normen. In den neutestamentlichen Gleichnissen geht es um das Himmelreich, während die rabbinischen Gleichnisse der Torahin16 Siehe W.S. Green, What’s in a Name? – The Problematic of Rabbinic ‘Biography’, in: ders. (Hg.), Approaches to Ancient Judaism. Theory and Practice, Approaches to Ancient Judaism 1, Missoula, Mont. 1978, 77–96. 17 R.M. Johnston, The Study of Rabbinic Parables. Some Preliminary Observations, SBL . SP 10 (1976), 337–357. 18 Siehe Johnston, Study of Rabbinic Parables (s. Anm. 17), 338–342. 19 Siehe Johnston, Study of Rabbinic Parables (s. Anm. 17), 342.
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terpretation dienen.20 Dieser Gegensatz ist als übertrieben und nur bedingt gültig anzusehen. Man kann sagen, dass sowohl rabbinische als auch neutestamentliche Gleichnisse bestimmte moralische und religiöse Werte zum Ausdruck bringen, wobei diese Werte durchaus verschieden sein können.21 In seinem ursprünglichen mündlichen Stadium und vor Aufnahme in größere literarische Zusammenhänge war ein Gleichnis immer auf eine bestimmte Situation bezogen und gewann aus ihr seine Bedeutung. Bei der Bildung von Gleichnissen konnte der Gleichniserzähler aus einem großen, in der volkstümlichen Überlieferung beheimateten Fundus traditioneller Bilder und Motive schöpfen und sie zu neuen Erzählungen verknüpfen, die seinen jeweiligen Zwecken dienten. Diese Primärfunktion ist aber David Stern zufolge heutzutage nicht mehr zu rekonstruieren.22 Im Midrasch ist das Gleichnis (mashal) gewöhnlich mit seiner Auslegung (nimshal) verbunden, welche die ursprüngliche, nicht mehr bekannte „Sachebene“ ersetzt. Diese Auslegung ist Ausdruck der Midraschisierung des Gleichnisses. Es bezieht das Gleichnis auf einen Bibeltext und kann ausschließlich aus einem Bibelzitat bestehen. Während das Gleichnis immer eine rhetorische Bedeutung hat, wird es im midraschischen Kontext der Exegese dienlich gemacht. Die Verbindung mit dem nimshal sowie die besondere Form der Königsgleichnisse und stereotype Erzählstrukturen und Motive sieht Stern als Zeichen der Regulierung der Gleichnisse in amoräischer Zeit.23 Daniel Boyarin hat Sterns Verständnis des nimshal als sekundäre Sachebene des Gleichnisses kritisiert. Seiner Meinung nach ist nicht das nimshal, sondern der weitere Kontext, in dem das Gleichnis im Midrasch zu finden ist, als Sachebene anzusehen.24 Das nimshal sieht er dagegen als Bestandteil des eigentlichen Gleichnisses an. Die Makrostruktur des Midrasch bildet den Kontext für das Gleichnis, welches aus mashal und nimshal besteht. Für Boyarin hat also das Gleichnis keine von seiner exegetischen Anwendung im Midrasch zu unterscheidende rhetorische Funktion. Damit verlässt Boyarin die ambivalente, zwischen Unterscheidung und Gleichsetzung von ursprünglicher und redaktioneller Funktion schwankende Sichtweise Sterns und geht 20
Siehe Johnston, Study of Rabbinic Parables (s. Anm. 17), 355. Eine Auswahl rabbinischer Gleichnisse ist veröffentlicht in H.K. McArthur / R. M. Johnston, They Also Taught in Parables. Rabbinic Parables from the First Centuries of the Christian Era, Grand Rapids, Mich. 1990. 22 D. Stern, Rhetoric and Midrash. The Case of the Mashal, Prooftexts 1 (1981), 261–291, 265 f. 23 Siehe Stern, Rhetoric and Midrash (s. Anm. 22), 267. Zu Sterns Ansatz siehe auch Ders., Parables in Midrash. Narrative and Exegesis in Rabbinic Literature, Cambridge, Mass. 21994; Ders., Midrash and Theory. Ancient Jewish Exegesis and Contemporary Literary Studies, Evanston, Ill. 1996. 24 D. Boyarin, An Exchange on the Mashal. Rhetoric and Interpretation. The Case of the Nimshal, Prooftexts 5 (1985), 269–280, 270. Siehe auch Ders., History Becomes Parable. A Reading of the Midrashic „Mashal“, in: V.L. Tollers / J. Maier (Hgg.), Mappings of the Biblical Terrain. The Bible as Text, Lewisburg, Pa. 1990, 54–71. 21
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zu einem rein redaktionsanalytischen Ansatz über, der lediglich die letzte redaktionelle Ebene des Textes untersucht. Ein solcher redaktionsanalytischer Ansatz, der sich ganz auf die letzte Redaktionsstufe des Gleichnisse konzentriert, wird auch von Arnold Goldberg vertreten.25 Seiner Meinung nach unterscheiden sich die rabbinischen Gleichnisse entschieden von den Gleichnissen Jesu, da ihr Kontext und ihre Funktion allein im Midrasch zu suchen sind. Die rabbinischen Gleichnisse haben nur noch einen „Sitz in der Literatur“, aber keinen „Sitz im Leben“ mehr.26 Mögliche frühere Ursprungssituationen sind nicht mehr rekonstruierbar. Vielmehr stellt das schriftauslegende Gleichnis im Midrasch „eine eigene, neue literarische Form eigenen Rechts dar“, welche mit neutestamentlichen Gleichnissen nicht mehr vergleichbar ist.27 Diejenigen Forscher, die weiterhin an einem Vergleich zwischen neutestamentlichen und rabbinischen Gleichnissen interessiert sind, weisen, im Unterschied zu Boyarin und Goldberg und stärker als Stern, auf eine mögliche form-, traditions-, und redaktionsgeschichtliche Methodik hin, die Gleichnistraditionen diachronisch in ihren verschiedenen Stadien bis zur Aufnahme in den weiteren literarischen Kontext untersucht. Sowohl David Flusser als auch Clemens Thoma sind von ihrem Interesse an neutestamentlichen Gleichnissen her zur Analyse rabbinischer Gleichnisse motiviert worden und betonen, dass die Gleichnisse Jesu und die rabbinischen Gleichnisse zu ein und derselben literarischen Gattung, die auch unabhängig vom jeweiligen midraschischen und neutestamentlichen Kontext existierte, gehören. Die literarische Verbindung rabbinischer Gleichnisse mit Bibelversen ist nach Flusser nicht als allzu großer Unterschied zu den neutestamentlichen Gleichnissen anzusehen: „Man kann auch auf der anderen Seite nicht ausschließen, dass Jesus einzelne Zitate mit Bibelversen einleitete oder abschloss, dass aber die Evangelisten oder schon ihre Vorgänger das Bibelwort als die Erzählung störend empfanden und es deshalb ausließen. Weder für die Rabbinen noch für Jesus war das Schriftzitat ein fester Bestandteil der Gleichnisgattung“.28 Die Redaktoren des Midrasch oder eventueller vorredaktioneller Sammlungen von Gleichnissen werden für die Verbindung zwischen mashal und nimshal / Bibelvers verantwortlich gewesen sein. In der ursprünglich mündlichen Erzählsituation wird eine solche explizite Anwendung dagegen nicht notwendig gewesen sein, da die Situation selbst den Zuhörern Anhaltspunkte für dessen Verständnis gab. Die Existenz neutestamentlicher Gleichnisse zeigt, dass die literarische Gattung Gleichnis schon vor ihrem späteren Gebrauch durch die Rabbinen 25
A. Goldberg, Das schriftauslegende Gleichnis im Midrasch, FJB 9 (1981), 1–90. Siehe Goldberg, Das schriftauslegende Gleichnis (s. Anm. 25), 84. 27 Siehe Goldberg, Das schriftauslegende Gleichnis (s. Anm. 25), 14. 28 D. Flusser, Die rabbinischen Gleichnisse und der Gleichniserzähler Jesus. I: Das Wesen der Gleichnisse, JudChr 4, Bern / Frankfurt a.M. / Las Vegas 1981. 26
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ausgebildet war.29 Bestimmte Themen und Motive begegnen sowohl in rabbinischen als auch in neutestamentlichen Gleichnissen und weisen auf die „konventionelle Natur des Gleichnisses“ hin.30 Man muss auch mit einem möglichen hellenistischen Einfluss auf die Entstehung der Gleichnisgattung rechnen.31 So werden zum Beispiel im Namen des Stoikers Kleanthes Beispielerzählungen und für Epiktet gleichnishafte Bilder überliefert. Schon bei Epiktet erscheint die Gottheit im Bild des Hauseigentümers. Diese hellenistisch-philosophische Einflusssphäre müsste neben der biblischen Basis jüdischer und christlicher Gleichnisse genauer untersucht werden, um die Weiterentwicklung in verschiedenen Kulturräumen verfolgen zu können.32 Auch Clemens Thoma und Simon Lauer halten einen griechisch-populärphilosophischen Einfluss auf die Gleichnisse für möglich.33 Andererseits gibt es ihrer Meinung nach aber auch gravierende inhaltliche und formale Unterschiede zwischen den stoischen Bildworten und den jüdisch-christlichen Gleichnissen. Diese Unterschiede „erlauben also den Satz nicht, die rabbinischen Gleichnisse hätten sich historisch aus hellenistischen Lehr- und Erzählformen heraus entwickelt, wie David Flusser meint“.34 Thoma und Lauer zufolge wirkten vielmehr neben den hellenistischen die verschiedenen biblischen und altorientalischen Einflüsse auf die, wie sie schreiben, „unverwechselbaren rabbinischen Gleichnis-Kreationen“ ein.35 Wie Flusser betonen auch Thoma und Lauer, dass vom formkritischen Standpunkt aus die Verbindung rabbinischer Gleichnisse mit Bibelvers und nimshal nicht ursprünglich gewesen sein muss.36 Nahtstellen, die eine sekundäre Verknüpfung des Gleichnisses mit seinem Kontext anzeigen, sind manchmal noch zu erkennen. Die Gleichnisform als solche ist über Jahrhunderte hinweg relativ konstant geblieben, eine literarhistorische Entwicklung rabbinischer Gleichnisse nicht feststellbar. Deshalb können rabbinische Gleichnisse, auch wenn sie erst im vierten oder fünften Jahrhundert redigiert worden sind, durchaus mit den Gleichnissen der Evangelien verglichen werden. Allerdings können Thoma und Lauer der Behauptung Flussers, die rabbinischen und neutestamentlichen Gleichnisse gehörten ein und derselben 29
Siehe Flusser, Die rabbinischen Gleichnisse (s. Anm. 28), 146. Siehe Flusser, Die rabbinischen Gleichnisse (s. Anm. 28), 38. 31 Siehe Flusser, Die rabbinischen Gleichnisse (s. Anm. 28), 156–158. 32 Zu Gleichnissen in der römischen Literatur siehe C. Schindler, Untersuchungen zu den Gleichnissen im römischen Lehrgedicht. Lukrez – Vergil – Manilius, Hyp. 129, Göttingen 2000. Zu einem Vergleich zwischen einer Fabel Äsops und jüdisch-christlichen Gleichnissen siehe D. Flusser, Aesop’s Miser and the Parable of the Talents, in: C. Thoma / M. Wyschogrod (Hgg.), Parable and Story in Judaism and Christianity, New York 1989, 9–25. 33 C. Thoma / S. Lauer, Die Gleichnisse der Rabbinen. I: Pesiqta de Rav Kahana (PesK), JudChr 10, Bern / Frankfurt a.M. / New York 1986, 50. 34 Thoma / Lauer, Gleichnisse der Rabbinen (s. Anm. 33), I, 50. 35 Thoma / Lauer, Gleichnisse der Rabbinen (s. Anm. 33), I, 50. 36 Siehe Thoma / Lauer, Gleichnisse der Rabbinen (s. Anm. 33), I, 23. 30
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Gattung an, nicht uneingeschränkt zustimmen. Sie betonen, dass neben dem „achristologischen Gedankenduktus“ der rabbinischen Gleichnisse auch der Adressatenkreis ein verschiedener gewesen ist.37 Während die Gleichnisse Jesu als populär anzusehen sind, d.h. der allgemeinen Volksbelehrung dienten, richteten sich die rabbinischen Gleichnisse mit ihrem Torahbezug in erster Linie an Kollegen, Schüler und Sympathisanten der Rabbinen. Zu diesen angeblichen Unterschieden ist anzumerken, dass auch die Gleichnisse Jesu wohl ursprünglich nicht christologisch ausgerichtet waren, sondern diese Ausrichtung erst in der späteren Adaption durch die nachösterliche Gemeinde erhielten. Da auch die rabbinischen Gleichnisse in der volkstümlichen Predigt verwendet worden sein können, ist auch in dieser Hinsicht kein bedeutender Unterschied zwischen den Gleichnissen Jesu und den rabbinischen Gleichnissen festzustellen. Ebenso ist auch Thomas und Lauers Einschränkung der Funktion rabbinischer Gleichnisse auf Torahbelehrung abzulehnen. Ihrer Meinung nach haben die rabbinischen Gleichnisse in ihrem literarischen Kontext immer einen referentialen Charakter und sind nicht als autonom anzusehen.38 So analysieren sie die Gleichnisse auch immer nur im Hinblick auf ihren Kontext im Midrasch, ohne auf mögliche frühere Traditionsstufen einzugehen.39 Eine form- und redaktionsgeschichtliche Untersuchung, die ja auch für die Gleichnisse der Evangelien üblich ist, wäre dagegen auch für die rabbinischen Gleichnisse notwendig.40 Im Rahmen einer solchen Untersuchung wären die rabbinischen Gleichnisse als ursprünglich von ihrem Kontext unabhängige Überlieferungen mit einem eigenen Sitz im Leben zu verstehen, die erst sekundär (oder tertiär, wenn man mögliche frühere Sammlungen und Kompilationen berücksichtigt) dem jeweiligen Midraschthema zu- und untergeordnet worden sind. Auf dieser traditionsgeschichtlichen Ebene ist die Funktion rabbinischer Gleichnisse keineswegs auf Torahexegese beschränkt. Die rabbinischen Gleichnisse sind vielmehr als Teil der Aggadah zu verstehen, die der Vermittlung moralisch-religiöser Werte diente. Nicht einmal im Midrasch ist die Torahinterpretation das Hauptziel der Texte.
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Siehe Thoma / Lauer, Gleichnisse der Rabbinen (s. Anm. 33), I, 65. Siehe Thoma / Lauer, Gleichnisse der Rabbinen (s. Anm. 33), I, 23. Siehe zu diesem Ansatz auch C. Thoma, Literary and Theological Aspects of the Rabbinic Parables, in: C. Thoma / M. Wyschogrod (Hgg.), Parable and Story in Judaism and Christianity, New York 1989, 26–41. 39 Bisher liegen vier Bände der von Clemens Thoma initiierten und bei Lang veröffentlichten rabbinischen Gleichnisauslegung (Die Gleichnisse der Rabbinen) vor. Außer dem bereits erwähnten ersten Band erschienen: Bd. 2: Von der Erschaffung der Welt bis zum Tod Abrahams: Bereschit Rabba 1–63 (1991), Bd. 3: Von Isaak bis zum Schilfmeer: BerR 63–100, ShemR 1–22 (1996); Bd. 4: Vom Lied des Mose bis zum Bundesbuch, ShemR 23–30 (2000). Die Bände 3 und 4 sind von Clemens Thoma und Hanspeter Ernst herausgegeben. 40 Siehe dazu auch B.H. Young, Jesus and His Jewish Parables. Rediscovering the Roots of Jesus’ Teaching, New York 1989, 55. 38
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Vielmehr ist der Midrasch jeweils thematisch-religiös ausgerichtet und nicht als bloßer Bibelkommentar zu verstehen.41
2. Gleichnisse im Midrasch und vor Aufnahme in den Midrasch Die von den meisten Auslegern propagierte redaktionsanalytische Vorgehensweise ist sicherlich notwendig, da sie zeigen kann, welchen unterschiedlichen Zwecken die Gleichnisse den Redaktoren der Evangelien einerseits und den Redaktoren der Midraschwerke andererseits dienten. In den Evangelien werden alle überlieferten Gleichnisse Jesus zugeschrieben, während im Midrasch die Gleichnisse vieler verschiedener Erzähler bzw. Tradenten überliefert sind. Dieser Sachverhalt zeigt bereits, dass den Evangelienschriftstellern an der Hervorhebung der Einzelpersönlichkeit Jesu gelegen war. Für die nachösterlichen Rezipienten handelte es sich nicht um die Gleichnisse eines beliebigen jüdischen Wanderpredigers, sondern um Gleichnisse des erhöhten Christus des Glaubens, der mit ihnen die zukünftige oder bereits angebrochene Gottesherrschaft ankündigte. In der rabbinischen Literatur sind Gleichnisse dagegen nie mit dem Leben und der Person eines bestimmten Rabbinen verbunden. Die Herausgeber der midraschischen Sammelwerke betrieben keinen Persönlichkeitskult. Sie stellten vielmehr verschiedene Lehrmeinungen und moralische Ansichten einander gegenüber, um die weitere Diskussion unter den Lesern anzuregen. Diese sekundären Unterschiede aufgrund der unterschiedlichen Rahmengattungen sollten allerdings in der Gleichnisauslegung nicht zu hoch bewertet werden. Man darf sie nicht auf Jesus und die rabbinischen Gleichniserzähler zurückprojizieren. Es sollte vielmehr neben der redaktionsanalytischen eine formgeschichtliche Methodik betrieben werden, die versucht, hinter die redaktionelle Stufe zurückzufragen. Nur durch die Anwendung einer formgeschichtlichen Vorgehensweise kann vermieden werden, später entstandene theologische Konzepte und exegetische Zwecke in die Gleichnisse hineinzulesen. Form- und Redaktionskritik müssen unterschieden, dürfen aber nicht voneinander getrennt werden. Die rabbinischen Gleichnisse sind zunächst in ihrem jeweiligen literarischen Kontext im Midrasch und Talmud zu betrachten. Es ist zu fragen, wie sich das nimshal zum Gleichnis einerseits und zum literarischen Kontext andererseits verhält. Wenn es zwischen nimshal und Kontext engere thematische oder Stichwortverbindungen gibt, wird man vermuten dürfen, dass 41 Siehe dazu z.B. J. Neusner, Judaism and Scripture. The Case of Leviticus Rabbah, in: ders. (Hg.), Major Trends in Formative Judaism. Second Series: Texts, Contents, and Contexts, BJS t 61, Chico 1994, 19–33.
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es von den Redaktoren des Midrasch gebildet worden ist. Aber auch wenn solche Verbindungen nicht vorliegen, muss das nimshal nicht ursprünglich zur Gleichniserzählung gehört haben, sondern kann im weiteren Verlauf der Traditionsgeschichte diesem angehängt worden sein. Dies ist dann zu vermuten, wenn die Aussageabsicht des Gleichnisses als unabhängige formale Einheit eine andere gewesen zu sein scheint als die im nimshal implizierte. Auch sind zur Feststellung redaktioneller Eingriffe und Bearbeitungen von Gleichnissen Parallelversionen heranzuziehen. Unterschiede gegenüber anderen Versionen wird man dann als redaktionell bedingt ansehen können, wenn sie sich gut in den weiteren thematischen Kontext des jeweiligen Werkes einfügen bzw. einen für diesen Kontext relevanten Aspekt zum Ausdruck bringen. Trotz der Komplexität und Unsicherheit eines solchen Verfahrens ist eine historisch-kritische Untersuchung rabbinischer Gleichnisse m.E. nicht zu umgehen. Sie soll im Folgenden anhand eines Beispieltextes verdeutlicht werden. Der unserer Untersuchung zugrunde liegende Text stammt aus dem Midrasch Deuteronomium, einem auf Hebräisch verfassten Kommentar zum fünften Buch Moses. Sifre Dtn wird den tannaitischen Midraschim zugerechnet und ist wohl noch am Ende des dritten Jahrhunderts, also vor den spätantiken amoräischen Midrashim ediert worden.42 Die tannaitischen Midraschim stehen den neutestamentlichen Evangelien zeitlich am nächsten, auch wenn sie erst zweihundert Jahre später als letztere redigiert worden sind. Es ist anzunehmen, dass die in Sifre Dtn aufgenommenen Gleichnisse frühere Traditionen sind, die vor ihrer Verschriftlichung schon lange Zeit in Umlauf waren. Wie Steven Fraade bereits gezeigt hat, ist Sifre Dtn parashah 26 als sorgfältige redaktionelle Komposition anzusehen.43 Der Text beschränkt sich nicht auf die Exegese des Bibelverses Dtn 3,23, an den er anknüpft, sondern behandelt theologische und moralische Sachverhalte, die von dem Bibelvers relativ unabhängig sind, den rabbinischen Redaktoren aber offensichtlich wichtig waren. An den so genannten Seder-Vers, in dem Moses sagt: „Und ich flehte (wa’ätchanan) zu Gott in jener Zeit [d.h. zur Zeit des Zuges durch die Wüste] und sprach: …“ (Dtn 3,23), wird gleich ein weiterer Bibelvers, der so genannte Peticha-Vers, angeschlossen: „[Mit] Flehen [tachanunim] redet der Arme, der Reiche antwortet dreist“ (Spr 18,23). Die Verbindung zwischen diesen beiden Versen wird durch das Verb flehen (chanan) hergestellt: Als zu Gott Flehender wird Moses mit dem Armen identifiziert. Bereits zu Beginn des Abschnitts wird das Hauptthema, der Vergleich zwischen den beiden Führern Israels, Moses und David, hinsichtlich der Art 42
Siehe G. Stemberger, Einleitung in Talmud und Midrasch, München 71982, 254. Siehe die detaillierte Diskussion in St. D. Fraade, Sifre Deuteronomy 26 (ad Deut. 3:23): How conscious the composition?, HUCA 54 (1983), 245–301. Der Midrasch liegt in folgender Edition vor: L. Finkelstein (Hg.), Sifre on Deuteronomy, New York 21969. 43
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und Weise, wie sie mit ihren Sünden umgingen, bekannt gegeben: „Zwei gute parnasim [wörtlich: Versorger, Verwalter] standen Israel vor, Moses und David, König Israels“. Dieser Vergleich hat mit den zitierten Bibelversen im Grunde nichts zu tun (David wird in ihnen gar nicht erwähnt) und scheint deshalb nicht als Exegese der Bibelverse, sondern unabhängig von ihnen entstanden und erst durch die Redaktoren in den gegenwärtigen Kontext eingefügt worden zu sein. Zunächst geht es nun um Moses, der angeblich zu Gott sagte: „Herr der Welt, die Übertretung, welche ich begangen habe, schreibe nach mir auf, damit die Leute nicht sagen: ‚Es scheint, als ob Moses die Torah verfälscht habe oder als ob er etwas gesagt habe, was nicht [von Gott] befohlen worden ist‘“. D.h. Moses möchte, dass Gott ihm die leichtere Sünde aufschreibt und veröffentlicht, damit die Leute ihn nicht viel schwerwiegenderer Vergehen, wie der Verfälschung der Torah, verdächtigen. Wobei es sich bei dieser leichteren Sünde handelt, wird hier nicht weiter erläutert. Es folgt nun ein Gleichnis, das diesen Sachverhalt verdeutlichen soll. Dieses Gleichnis wird wie ein typisches Königsgleichnis eingeleitet (mashal le-melekh): Ein Gleichnis über einen König, der anordnete und sagte: ‚Jeder, der unreife Feigen des Sabbathjahres isst, soll auf dem öffentlichen Platz44 herumgeführt werden.‘ Da kam eine Frau, Tochter von guten [Eltern]. Sie sammelte auf und aß unreife Feigen des Sabbathjahres. Und sie führten sie [zur Strafe] auf dem öffentlichen Platz herum. Sie sagte zu ihm [d.h. dem König]: ‚Bitte, mein Herr König, mache mein Vergehen bekannt, so dass die Bewohner der Stadt nicht sagen: Es scheint so, als ob eine Art von Unzucht oder Wahrsagerei bei ihr gefunden worden sei. [Wenn] sie [d.h. die Leute] unreife Feigen um meinen Hals hängen sehen, werden sie wissen, dass ich wegen ihnen herumgeführt worden bin.‘
An dieses Gleichnis ist nun im Midrasch eine Auslegung angeschlossen, die mit kakh, „so“, eingeleitet wird: So sagte Moses vor Gott: ‚Die Übertretung, die ich begangen habe, schreibe nach mir auf.‘ Da sagte der Heilige, Gelobt Sei Er, zu ihm: ‚Siehe, ich schreibe, dass es nur wegen des Wassers war, wie es heißt: Weil ihr in der Wüste Zin bei dem Hadern der Gemeinde meinem Befehle, mich vor ihren Augen durch das Wasser zu verherrlichen, ungehorsam gewesen seid‘ [Num 27,14].
Durch diese Auslegung wird das Gleichnis auf das Thema des Midrasch, nämlich Moses’ Umgang mit seinen Sünden, bezogen: So wie die Frau im Gleichnis den König bat, ihre Übertretung seines Befehls öffentlich bekannt zu geben, so wollte Moses, dass Gott ihm sein Vergehen an den Wassern von Meriba aufschreibt, damit er von seinen Mitmenschen nicht schwererer 44 Hierfür wird ein Lehnwort benutzt: qifun / qamfon = campus, siehe M. Sokoloff, A Dictionary of Jewish Palestinian Aramaic of the Byzantine Period, Ramat-Gan 1990, 496.
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Sünden verdächtigt wird. In diesem Kontext diente das Gleichnis also der Illustration des Themas „Sündenverhalten“. Ist das Gleichnis von den Redaktoren des Midrasch speziell für diesen Kontext konzipiert worden oder kann man annehmen, dass es sich dabei um eine ursprünglich unabhängige, erst sekundär in diesen Kontext aufgenommene Tradition handelt? Wenn das Gleichnis als ursprünglich unabhängige Einzeltradition anzusehen ist, kann man feststellen, ob und wie die Redaktoren es verändert haben, um es in den gegenwärtigen Kontext einzufügen? Um diese Fragen zu beantworten, sind die Parallelen in Sifre Num 137 (zu Num 17,14) und in b. Yoma 86 b zum Vergleich heranzuziehen. In diesen beiden sich sehr ähnlichen Versionen ist ein und dasselbe Gleichnis auf Moses und David bezogen. Das Gleichnis hat die folgende, vom Gleichnis in Sifre Dtn 26 abweichende Form: Ein Gleichnis über Moses und David. Womit kann die Sache verglichen werden (lemah ha-davar domäh)? Mit zwei Frauen, die vom Gerichtshof [als Strafe] verprügelt werden sollten. Die eine hatte Unzucht getrieben und die andere hatte unreife Feigen des Sabbathjahres gegessen. Diejenige, welche unreife Feigen des Sabbathjahres gegessen hatte, sagte zu ihnen [d.h. zu den Richtern]: ‚Bitte macht den Grund für meine Prügel bekannt, so dass sie [d.h. die Leute] nicht sagen werden: Diese ist für dasselbe [Vergehen] wie jene verprügelt worden.‘ Sie brachten unreife Feigen des Sabbathjahres und hängten sie um ihren Hals und verkündigten vor ihr her: ‚Wegen Angelegenheiten, die mit dem Sabbathjahr zusammenhängen, ist diese verprügelt worden‘ (b. Yoma 86 b).
An das Gleichnis ist im Babylonischen Talmud, der viel später als Sifre Dtn und möglicherweise erst zwischen dem sechsten und achten Jahrhundert redigiert wurde, keine Auslegung angeschlossen. In diesem Kontext soll das Gleichnis offensichtlich dazu dienen, anhand der zwei Frauen die Unterschiede zwischen Moses und David zu verdeutlichen. In Sifre Dtn 26 werden Moses und David dagegen separat behandelt und das Gleichnis ist ausschließlich auf Moses bezogen. Der Paralleltext zeigt also erstens, dass die Einleitung und Auslegung des Gleichnisses in Sifre Dtn sekundär zu sein scheint, da er weder in b. Yoma noch in Sifre Num begegnet. Die Redaktoren des Midrasch glaubten offensichtlich, dass das Gleichnis ohne diesen Rahmen in seiner Kontextbedeutung nicht verstanden werden könnte. Zweitens wird deutlich, dass das Gleichnis in verschiedenen Versionen zirkulierte, die dem jeweiligen Kontext angepasst werden konnten. Die Anpassung an den Kontext ist in der b. Yoma-Version offensichtlicher, da das Gleichnis gleich am Anfang auf Moses und David bezogen wird. Die Einführung einer zweiten Frau, mit der die erste, die Feigen des Sabbathjahres gegessen hat, verglichen wird, mag also von den Redaktoren vorgenommen worden sein. In der Sifre Dtn-Ver-
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sion des Gleichnisses ist ein solcher direkter Kontextbezug innerhalb des Gleichnisses dagegen nicht feststellbar. Die beiden Versionen des Gleichnisses haben eine Reihe von Gemeinsamkeiten. In beiden steht die Frau, die Feigen des Sabbathjahres gegessen hat, dafür bestraft wird, und bittet, die Art ihres Vergehens bekannt zu machen, damit sie von den Leuten nicht viel schlimmerer Sünden bezichtigt wird, im Mittelpunkt der Erzählung. Man darf vermuten, dass eine frühere Version des Gleichnisses diese Züge bereits enthielt. In der Sifre Dtn-Version sind der König und sein Erlass nicht unbedingt notwendig zum Verständnis des Geschehens. Das Verbot der Früchte des Sabbathjahres ist für einen (rabbinischen) Gerichtshof viel eher denkbar, ebenso die Prügel als Strafe statt des Vorführens der Frau auf einem öffentlichen Platz. Da Gleichnisse oft sekundär zu Königsgleichnissen gemacht werden, ist anzunehmen, dass der König nicht ursprünglich zum Gleichnis gehörte, sondern erst in einem späteren Stadium innerhalb der Überlieferungsgeschichte eingeführt worden ist. Den Redaktoren des Midrasch lag das Gleichnis aber wohl schon als Königsgleichnis vor. In dem Gleichnis in Sifre Dtn heißt es weiter, dass die Frau aus gutem Hause stammte, während in der Version des Babylonischen Talmuds ihre Herkunft nicht näher beschrieben wird. Die Betonung der hohen sozialen Herkunft begründet noch einmal ausdrücklich, warum die Frau keinesfalls der Unzucht oder Wahrsagerei verdächtigt werden will, denn dies würde dem guten Ruf ihrer Familie schaden. Auch dieses Motiv wird nicht von den Redaktoren des Midrasch eingefügt worden sein (Moses wird ja im einleitenden Bibelvers gerade mit den Armen identifiziert), es sei denn, die Familie der Frau ist als verarmt vorzustellen (was das Essen der Sabbathjahrprodukte erklären könnte). Während in der Version des Babylonischen Talmuds das Gleichnis durch die Einführung der zweiten Frau auch auf David bezogen wird (wie die zweite Frau hat sich David eines schwerwiegenden Verbrechens schuldig gemacht, wurde dieses Vergehens also nicht nur verdächtigt), wird in Sifre Dtn Davids Einstellung zu seinen Sünden erst im Anschluss an Moses und mit Hilfe eines anderen Gleichnisses illustriert. So heißt es einführend: David sagte vor Gott: ‚Die Übertretung, welche ich begangen habe [dabei handelt es sich um die Tötung Uriahs im Zusammenhang mit Davids Ehebruch mit Bathseba in 2 Sam 11] schreibe nicht nach mir auf!‘ Der Heilige, Gelobt Sei Er, sagte: ‚Ist es dir gleichgültig, dass die Leute sagen werden: Weil er [d.h. Gott] ihn [d.h. David] liebte, hat er ihm vergeben?‘,
d.h. die Geheimhaltung von Davids Vergehen könnte als Ausdruck Gottes besonderer Gunst gegenüber David verstanden werden. Während also Moses bemüht war, durch die Veröffentlichung seiner Sünde die üble Nach-
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rede der Leute gegen ihn zu vermeiden, ist es im Falle Davids Gott selbst, der nicht der unrechtmäßigen Nachsicht gegenüber David verdächtigt werden will. Gott behandelt vielmehr alle gleich und ist nicht besonders gütig gegenüber den politischen Führern Israels. Es folgt nun ein Gleichnis, das diesen Sachverhalt illustrieren soll: Ein Gleichnis über einen, der vom König tausend kor Weizen in einem Jahr auslieh. [Daraufhin] sagten alle: ‚Ist es möglich, dass dieser auf [einer Schuld von] tausend kor stehen kann? Vielmehr hat der König [bestimmt] ein Pfand [oder: eine Anzahlung] von ihm genommen und ihm [dafür] eine Quittung [apoche] geschrieben.‘ Einmal sandte er [der König nach der Bezahlung], und er [der Schuldner] bezahlte ihm nichts. Da betrat der König sein Haus, nahm seine Söhne und Töchter und stellte sie auf den Auktionsblock [d.h. er verkaufte sie als Sklaven]. In diesem Moment wussten sie [d.h. die Leute], dass er nichts in der Hand hatte.
Dieser letzte Satz kann auf verschiedene Art und Weise verstanden werden:45 (a) Durch die Schuldversklavung der Kinder wussten die Leute, dass der Schuldner keine Anzahlung geleistet hatte und auch keine Quittung besaß; (b) die Leute wussten, dass der König keine Anzahlung erhalten hatte, also nichts in der Hand hatte, was den Schuldner entlasten könnte; oder der Satz betont, (c) dass dem Schuldner nun gar nichts mehr geblieben war, nicht einmal seine Kinder. In jedem Fall fehlte dem Schuldner jeglicher Schutz gegen den Übergriff seines Schuldherren. Die Versklavung derjenigen, die ihre Schulden nicht bezahlen konnten, scheint im antiken Palästina sehr verbreitet gewesen zu sein, wie ja auch einige neutestamentliche Texte zeigen.46 Im Midrasch wird die Anwendung des Gleichnisses mit af, „ebenso“, eingeleitet: „Ebenso werden auch alle Bestrafungen, die auf David zukamen, vervielfältigt, wie es heißt: ‚Das Lamm soll er vierfach bezahlen‘ [2 Sam 12,6]“. Bei diesem Bibelvers handelt es sich um Davids Reaktion auf Nathans Strafrede: Er verhängt damit eine hohe Strafe über sich selbst. In Sifre Dtn wird das Gleichnis vom Schuldner also auf David angewendet. Es dient hier dazu, die extrem hohe Strafe anzuzeigen, die über einen verhängt werden kann. So wie der Schuldner im Gleichnis für die fehlende Abzahlung seiner Schuld mit der Versklavung seiner Kinder bestraft wird, so hat Gott auch Davids Vergehen mit Bathseba auf vielfache Weise geahndet. Der Vorwurf, Gott hätte David unrechtmäßigerweise begünstigt und ihm seine Schuld unbestraft vergeben, kann deshalb nicht mehr geltend gemacht werden. Auch dieses Gleichnis, das nur in Sifre Dtn erscheint und keine Parallelen in anderen rabbinischen Werken hat, scheint ursprünglich unabhängig vom midraschischen Kontext überliefert worden zu sein. Es scheint jedenfalls nicht von den Redaktoren des Sifre Dtn speziell für diesen Kontext kon45
Siehe auch Fraade, Sifre Deuteronomy (s. Anm. 43), 266 Anm. 50. Zur Schuldsklaverei im antiken Judentum siehe C. Hezser, Jewish Slavery in Antiquity, Oxford 2005, 235–240. 46
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zipiert worden zu sein. Als Parallele zu diesem Gleichnis kann man das Gleichnis vom Schuldherrn in Mt 18,29–34 heranziehen, in dem es ebenfalls um die Ahndung von Schulden geht: Deshalb ist es mit dem Himmelreich wie mit einem König, der Abrechnung halten wollte mit seinen Knechten. Als er nun anfing abzurechnen, wurde einer von ihnen gebracht, der zehntausend Talente schuldig war. Da er nicht zahlen konnte, befahl der Herr, ihn zu verkaufen samt seiner Frau und seinen Kindern und seinem gesamten Besitz und [so] die Zahlung zu leisten. Da fiel ihm der Knecht zu Füßen und flehte ihn an: ‚Habe Geduld mit mir, ich will Dir ja alles bezahlen.‘ Da erbarmte sich der Herr jenes Knechts, ließ ihn frei und erließ ihm die Schuld. Kaum aber war jener Knecht draußen, da traf er einen seiner Mitknechte, der ihm hundert Denare schuldig war. Den packte er, würgte ihn und sagte: ‚Bezahle, was du schuldig bist.‘ Da fiel der Mitknecht ihm zu Füßen und bat ihn: ‚Habe Geduld mit mir, ich will dir ja alles bezahlen.‘ Aber der wollte nicht, sondern ging hin und ließ ihn ins Gefängnis werfen, bis er die Schuld bezahlt hätte. Als nun seine Mitknechte sahen, was da vor sich ging, empörten sie sich darüber, gingen hin und berichteten ihrem Herrn alles, was geschehen war. Da ließ sein Herr ihn zu sich rufen und sprach zu ihm: ‚Du böser Knecht, die ganze Schuld habe ich dir erlassen, weil du mich gebeten hast. Hättest nicht auch du dich deines Mitknechtes erbarmen müssen, so wie ich mich deiner erbarmt habe?‘ Und voll Zorn übergab ihn der Herr den Folterknechten, bis er ihm die ganze Schuld bezahlt hätte.
Dieses Königsgleichnis ist schon auf den ersten Blick viel länger als das rabbinische Gleichnis. Es enthält sowohl mit dem rabbinischen Gleichnis gemeinsame als auch unterschiedliche Züge, die auf eine verschiedene Aussageabsicht schließen lassen. Wie im rabbinischen Gleichnis begegnet in der ersten Hälfte das Motiv der unbezahlten Schuld, die mit dem Verkauf der Familie des Schuldners geahndet werden soll. Die Schuldsklaverei scheint im antiken Palästina üblich gewesen zu sein, so dass die Hörer im Gleichnis die Zustände ihrer Zeit wiedererkannt haben werden. Dann allerdings begegnet ein im rabbinischen Gleichnis nicht vorhandenes Motiv, nämlich das Flehen des Schuldners um Gnade, und von nun an nimmt das Geschehen einen anderen Lauf. Das Flehen um Gnade wird mit der Gewährung von Gnade vonseiten des Königs beantwortet, welche im Erlass der Schulden besteht. Hierbei handelt es sich um einen ungewöhnlichen Zug, etwas, das in der Realität sicher selten, wenn überhaupt, vorgekommen ist. Im zweiten Teil des Gleichnisses, in dem der ehemalige Schuldner in der Rolle des Schuldherrn erscheint, ist alles wieder beim Alten: Trotz des Flehens des Schuldners gewährt er ihm keinen Aufschub und verlangt die sofortige Zurückzahlung der Schulden. Dieses Verhalten des Schuldherrn kann im Unterschied zum Verhalten des Königs im rabbinischen Gleichnis als unbarmherzig gelten. Im rabbinischen Gleichnis handelte der König nur seinem
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Recht entsprechend: Da er keinerlei Abzahlung der Schulden erhalten hatte, sah er sich genötigt, andere Maßnahmen zu ihrer Eintreibung zu ergreifen. In dem neutestamentlichen Gleichnis heißt es dagegen, dass der Schuldner seinen Schuldherrn um einen Aufschub der Abzahlungsfrist anflehte. Trotz seiner Bitten lenkte der Schuldherr nicht ein, sondern ließ ihn ins Gefängnis werfen. Im dritten Teil sorgt die Menge – hier in der Form der Mitknechte – für einen Umschwung, und auch der gütige König, der sich allerdings auch erst auf das Flehen hin als gütig erwies, wird wieder eingeführt. Es wird nun deutlich, dass es hier um einen Vergleich zwischen dem Verhalten des Königs und dem seines Knechtes geht. Das Verhalten des Königs hätte den Knecht veranlassen müssen, sich an ihm ein Beispiel zu nehmen, ebenso gnädig zu handeln und auf das Flehen seines Mitknechtes einzugehen. Wenn der König für Gott steht, wie es bei Königsgleichnissen üblich ist, hat das Gleichnis also zwei Aussageabsichten: (1) Gott erhört die Bitten der Menschen und ist ihnen gnädig; (2) Wie Gott sich einem gnädig erweist, so soll man sich auch seinem Nächsten gegenüber erbarmen. In dem in Sifre Dtn überlieferten rabbinischen Gleichnis fehlt das Motiv des Flehens aber ganz und die Aussageabsicht ist eine andere: Eine Schuld, für die man keine Reue zeigt (siehe das Motiv der Anzahlung bzw. Pfandübergabe zur Tilgung der Schuld), wird von Gott bestraft. Nur durch Reue wäre ein Aufschub der endgültigen Abzahlung und ein Entkommen vor der Bestrafung möglich gewesen. Man sieht also, dass bestimmte Motive miteinander kombiniert werden können, um unterschiedliche Aussageabsichten zu erzielen. Diese Motive sowie die literarische Form des Gleichnisses und stereotype Haupt- und Nebenfiguren (der Schuldherr, der Schuldner, die Menge) scheinen schon im ersten Jahrhundert in der jüdischen Erzähl- und Lehrtradition im Umlauf gewesen zu sein und Jesus und die Evangelienschriftsteller konnten aus diesem Erzählschatz schöpfen.
3. Zur Methodik des Vergleichs zwischen neutestamentlichen und rabbinischen Gleichnissen Wenn man die jeweilige redaktionelle Verwendung der rabbinischen und neutestamentlichen Gleichnisse in ihren literarischen Kontexten untersucht hat, kann man sich den Gleichniserzählungen selbst zuwenden. Man kann den Handlungsablauf, den szenischen Aufbau, Personen und Rollen sowie die verwendeten Motive miteinander vergleichen und versuchen, die Aussageabsicht und den „Sitz im Leben“ der Gleichnisse zu bestimmen. Die Untersuchung des Handlungsablaufs der Gleichnisse geht von der strukturalistischen Grundeinsicht aus, dass die literarische Struktur eines
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Textes für dessen Aussageabsicht relevant ist. Durch eine Analyse der narrativen Struktur der Gleichnisse kann ihre selektive Dominanzbildung ermittelt werden, d.h. es kann festgestellt werden, wo die jeweiligen Schwerpunkte liegen und wo der plot seinen Höhepunkt erreicht. Die selektive Dominanzbildung kann Aufschluss über die unterschiedliche Intention der Gleichnisse geben. Die methodischen Überlegungen Klaus Bergers können auch für die rabbinischen Gleichnisse fruchtbar gemacht werden.47 Berger betont, dass es einerseits darum geht, die Kohärenz eines Textes, d.h. die Verbindung der Sätze untereinander, festzustellen, andererseits aber auch darum, Gliederungsmerkmale aufzuspüren, welche als Kriterien zur Unterscheidung der einzelnen Teile dienen. Kohärenz stiftende Elemente sind zum Beispiel Wiederholungen, Konjunktionen und Bindewörter sowie Reihen gleichartiger Dinge. Gliederungsmerkmale, die Texte in verschiedene Szenen gliedern, sind Oppositionen, Zeitangaben, Tempuswechsel und Wechsel der agierenden Personen. Diese textimmanenten Hinweise steuern die Aufmerksamkeit des Lesers auf das vom Autor Intendierte hin. Ihnen hat der Exeget nachzuspüren. So besteht zum Beispiel das oben besprochene Gleichnis vom König und seinem Schuldner (Sifre Dtn 26) aus vier Teilen. Im ersten Teil, der aus nur einem Satz besteht, wird die Grundsituation beschrieben: Ein Mann hat sich vom König Weizen geliehen. Anschließend wird die Menge eingeführt, die auf diese Tat reagiert. Damit wird der Höhepunkt des Gleichnisses bereits vorbereitet, denn auch am Ende ist es die Menge, welcher die entscheidende Aussage in den Mund gelegt wird. Vorher aber müssen der König und sein Schuldner noch einmal auftreten. Dieser dritte Teil wird mit der Zeitbestimmung „einmal“ eingeleitet. Hier findet die eigentliche Handlung ihr Ende: Der Schuldner hat nichts bezahlt und der König versklavt seine Kinder. Aber es ist wieder die Reaktion der Menge, die Bestätigung ihres bereits vorher in die Welt gesetzten Gerüchts, welche den eigentlichen Abschluss und Höhepunkt des Gleichnisses bildet und die Handlung des Königs erst verständlich macht. Sie zeigt, dass das Handeln des Königs den Umständen entsprach und dass der Schuldner, weil er nichts an- bzw. abbezahlt hatte, das Leben seiner Familie leichtsinnig in Gefahr gebracht hatte. Das zum Vergleich herangezogene neutestamentliche Gleichnis vom König und seinem Schuldner (Mt 18,23–34) besteht aus drei Teilen, wobei jeder dieser Teile ähnlich wie das rabbinische Gleichnis aufgebaut ist, die drei Teile aber erst zusammen die eigentliche Aussageabsicht zu erkennen geben. Der erste Teil handelt vom König und seinem Knecht. Der Knecht ist dem König viel Geld schuldig. Damit ist wieder die Basissituation beschrieben. 47 Siehe K. Berger, Exegese des Neuen Testaments. Neue Wege vom Text zur Auslegung, Heidelberg 1977; Ders., Formgeschichte des Neuen Testaments, Heidelberg 1984.
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Dann heißt es, dass der Knecht seine Schulden nicht bezahlen kann. Der König droht, ihn und seine Familie zur Abzahlung der Schuld zu verkaufen. Im dritten Unterabschnitt fleht der Knecht den König um Erbarmen an. Im vierten und vorläufig letzten Teil erbarmt sich der König und erlässt ihm die Schuld. Diese erste Szene könnte auch alleine als Gleichnis vom barmherzigen König, der für Gott steht, erzählt worden sein. Die zweite Szene wird durch eine Ortsänderung eingeleitet („Kaum aber war jener Knecht draußen …“). Jetzt sind nicht mehr König und Knecht, sondern Knecht und Mitknecht die agierenden Personen. Der Aufbau dieser Szene ist parallel zur ersten Szene gestaltet, nämlich in vier Unterabschnitte eingeteilt: (1) Der Mitknecht schuldet dem Knecht Geld; (2) Der Knecht fordert ihn auf, die Schulden sofort zu bezahlen; (3) Der Mitknecht fleht ihn um Erbarmen an; (4) Der Knecht erbarmt sich seiner nicht, sondern wirft ihn ins Gefängnis. Mit diesem Handlungsablauf ist ein Gegenbild zur ersten Szene geschaffen. Man könnte fast sagen, dass es sich um ein Gegengleichnis zum ersten handelt. In der dritten und letzten Szene werden die beiden Teile nun direkt miteinander in Verbindung gebracht. Diese Verbindung wird durch die Reaktion der Mitknechte hergestellt. Sie empören sich und berichten dem König alles. Wie in der ersten Szene steht hier wiederum das Verhältnis zwischen dem König und seinem Knecht im Mittelpunkt. Das Verhalten der beiden wird verglichen und der Knecht für unwürdig befunden. Der Tadel des Königs und die Bestrafung des Knechts bilden den Höhepunkt des Gleichnisses. Sowohl in seiner Struktur als auch in seiner Aussageabsicht unterscheidet sich also das neutestamentliche vom rabbinischen Gleichnis. Und zwar geht es hier darum, die Zuhörer zu ermahnen, sich anderen gegenüber ebenso gütig zu verhalten, wie sie es von Gott erfahren haben. Außer der narrativen Struktur können Personen und Rollen innerhalb der Gleichnisse untersucht werden. Der Unterschied zwischen Personen und Rollen ist, dass verschiedene Personen ein und dieselbe Rolle haben können. Die Rollen bleiben konstant, während die Personen variabel sind. Es ist also zu fragen, ob bestimmte Personen und Gruppen gleiche Funktionen innerhalb der Erzählung erfüllen. In dem rabbinischen Gleichnis vom Schuldner begegnen zwei Hauptrollen, die durch den König und Schuldherrn einerseits und den Mann und Schuldner andererseits ausgefüllt sind. Die Menge spielt nur eine Nebenrolle, die das Verhalten der Akteure kommentiert und erklärt. Im ersten Teil des neutestamentlichen Gleichnisses ist ebenfalls der König der Schuldherr, und die Rolle des Schuldners ist durch den Knecht besetzt. Im zweiten Teil schlüpft dann der Knecht selbst in die Rolle des Schuldherrn, es kommt also zu einer Umkehrung der Rollenverhältnisse, die auch mit einer Umkehrung des Verhaltens des Schuldherrn einhergeht. Während der König, der dem Knecht hierarchisch überlegen ist, nicht auf seinem Recht besteht, sondern
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auf das, was ihm rechtmäßig zusteht, verzichtet, klagt der dem Mitknecht in Wahrheit ebenbürtige Knecht sein Recht ein. Deshalb verfährt auch der König mit ihm in der dritten Szene, wie bzw. noch schlimmer als er seinen Mitknecht behandelt hat. In dem neutestamentlichen Gleichnis nehmen die Mitknechte, die dem König das Verhalten des Knechts berichten, die Nebenrolle der Menge ein. Drittens kann man die in den Gleichnissen verwendeten Motive untersuchen. Dazu eignet sich besonders die Bildfeldanalyse, die ich bereits in einem anderen Kontext genauer beschrieben habe.48 Die von Harald Weinrich entworfene Bildfeldtheorie geht davon aus, dass es eine „überindividuelle Bildwelt als objektiven, materialen Metaphernbesitz einer Gemeinschaft“ gibt,49 aus dem die Gleichniserzähler die jeweils für ihren Zweck passenden Metaphern auswählten und in ihren Gleichnissen aktualisierten. Juden und Christen im römischen Palästina des ersten bis fünften Jahrhunderts können als Kulturgemeinschaft gelten, die durch das biblische Erbe einerseits und den griechisch-römischen Kontext andererseits geprägt war. Als Kulturgemeinschaft waren diesen Juden und Christen verschiedene Bildfelder gemeinsam. Ein solches Bildfeld wird zum Beispiel aus allen mit dem Bild der Schulden und des Schuldners verbundenen Assoziationen bestanden haben. Indem man rabbinische und neutestamentliche Gleichnisse im Hinblick auf die Aktualisierung dieses Bildfeldes untersucht, kann man feststellen, welche Elemente die jeweiligen Erzähler in ihren Gleichnissen aktualisiert und welche sie unberücksichtigt gelassen haben. Das hier vorgestellte rabbinische und das neutestamentliche Gleichnis vom Schuldner haben eine Reihe von mit Schulden verbundenen Assoziationen gemeinsam: den Schuldherrn, den Schuldner, die Schuld, die Schuldsklaverei. Darüber hinaus gibt es aber weitere Elemente des Bildfelds, die nur in einem der Gleichnisse verwendet werden. In dem rabbinischen Gleichnis ist dies die so genannte apoche, die Quittung für die teilweise Abzahlung der Schuld, und im neutestamentlichen Gleichnis die Bitte um Aufschub der Bezahlungsfrist sowie der Schuldenerlass. Gerade in diesen Motiven, die nur eines der Gleichnisse verwendet, wird die Aussageabsicht des jeweiligen Textes deutlich: Im rabbinischen Gleichnis hätte die Quittung dem Schuldner eine Sicherheit gegeben und ihn vor der Versklavung seiner Kinder bewahrt. Im neutestamentlichen Gleichnis hat sich der Schuldner dadurch, dass er den Schuldenerlass seines Schuldherrn nicht imitiert hat, ins Verderben gebracht. Beiden Gleichnissen ist der tragische Ausgang, der mit dem Ruin des Schuldners endet, gemeinsam. Insofern können beide Gleichnisse als Warnungen verstanden werden. Beide Gleichnisse warnen den Menschen vor einem bestimmten Verhalten: 48 49
Siehe dazu Hezser, Lohnmetaphorik und Arbeitswelt (s. Anm. 4), 220–234. H. Weinrich, Sprache in Texten, Stuttgart 1976, 277.
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vor dem allzu leichtfertigen Sich-Verlassen auf die Gunst des Königs (Sifre Dtn 26) und davor, aus dieser Gunst, wenn sie denn tatsächlich geschieht, keine Konsequenzen für das eigene Handeln zu ziehen (Mt 18,23–34). Die Gleichnisse verdeutlichen somit verschiedene Aspekte des Verhältnisses zwischen Gott und den Menschen, indem sie verschiedene Elemente des Bildfeldes „Schuld“ aktualisieren und zu Erzählungen verweben. Erst wenn man sie gemeinsam betrachtet, kann man das jeweils Besondere erkennen und verstehen.
Jesus’ Parables and Ancient Rhetoric The Contributions of Aristotle and Quintilian to the Form Criticism of the Parables* Ruben Zimmermann The New Testament is justifiably placed and interpreted within the corpus of ancient literature1 and within this context, the question remains unanswered as to whether and in which way the categories of ancient literary consciousness and rhetoric can help to broaden our understanding of the numerous parables within the earliest-Christian texts. The concrete references to ancient rhetoric within the scholarship on New Testament parables (1.) demonstrate a particular interest in the validation of the genre classification of the parables. This paper, thus, will outline some of the considerations of the ancient rhetoricians on the parable-form (2.) in order to then discuss the meaning of these texts for scholarship on the New Testament parables (3.).
1. Aspects of Past Research “It is said that an inappropriate law is imposed on Jesus’ parables when one forces them into the categories of Greek rhetoric.”2 With this verdict, * This paper represents the revised translation of the essay R. Zimmermann, “Urchristliche Parabeln im Horizont der antiken Rhetorik: Der Beitrag von Aristoteles und Quintilian zur Formbestimmung der Gleichnisse,” in Jesus als Bote des Heils: Heilsverkündigung und Heilserfahrung in frühchristlicher Zeit (ed. L. Hauser / F.R. Prostmeier / C. Zöller; FS D. Dormeyer; SBB 60; Stuttgart 2008, 201–225). I am grateful to David G. Horrell (Exeter) for proofreading this article. 1 See K. Berger, “Hellenistische Gattungen im Neuen Testament,” ANRW II 25.2: 1031– 1432; G. Strecker, Literaturgeschichte des Neuen Testaments (Göttingen 1992), esp. 23–27; D. Dormeyer, Das Neue Testament im Rahmen der antiken Literaturgeschichte: Eine Einführung (Darmstadt 1993); finally G. Theißen, Die Entstehung des Neuen Testaments als literaturgeschichtliches Problem (Heidelberg 2007); from the perspective of archaeology, Albrecht Dihle also classifies the New Testament writings as part of the history of ancient literature, see A. Dihle, Die griechische und lateinische Literatur der Kaiserzeit: Von Augustus bis Iustinian (München 1989). 2 J. Jeremias, Die Gleichnisse Jesu (11 th ed.; Göttingen 1998), 16: “Es heißt den Gleichnissen Jesu ein sachfremdes Gesetz aufzwingen, wenn man sie in die Kategorien griechischer Rhetorik presst.”
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Joachim Jeremias attempts to prove, above all, the uniqueness of Jesus as a parable teller by strictly isolating him from his environment. Nonetheless, scholarship on the parable has repeatedly deliberated on, in addition to the influence of Old Testament and Jewish parable texts,3 an embedding of the earliest Christian within the contemporaneous Greek texts and especially within ancient rhetoric. Thus, Adolf Jülicher has referred to Aristotle’s Poetics and above all to his Rhetoric in his work on parables.4 In addition to more incidental and confirmatory citations, Jülicher refers explicitly, in his identification of the class of “Gleichnis im engeren Sinn” (similitude), to the Rhetoric and associates with it “the meaning that Aristotle’s Rhet. II 20 assigns to the . The ‘similitude’ is comparison at a higher level, the illustration of one sentence by placing it next to another similar sentence.”5 Furthermore, in his description of the function of a similitude, Jülicher draws positively on Aristotle’s work. Just as Aristotle ranks “the parable (sic!), along with fable and historical example under argument ( ),”6 so, according to Jülicher, the similitude also appeals “in favour of something new, on the basis of something similar that is already established and accepted”7 in order to persuade without further analysis. Jülicher also primarily follows Aristotle’s Rhetoric in his definition of the second class, the narrative “parable,” and postulates an “equivalence of Jesus’ narrative with fable.”8 Particularly the fables of Stesichorus and Aesop, which Aristotle refers to, can be understood as a genre parallel to the New Testament parables, according
3 On this see A. Jülicher, Die Gleichnisreden Jesu (vols. 1–2; 2 nd ed.; Tübingen 1910 [repr. Darmstadt 1963]), I, 38 ff.; P. Fiebig, “Die Chronologie der jüdischen Gleichnisse und die Originalität der Gleichnisse Jesu,” in Altjüdische Gleichnisse und die Gleichnisse Jesu (Tübingen 1904), 107–163, again in Gleichnisse Jesu: Positionen der Auslegung von Adolf Jülicher bis zur Formgeschichte (ed. W. Harnisch; WdF 366; Darmstadt 1982), 20–57, 30 f.; idem., Die Gleichnisreden Jesu im Lichte der rabbinischen Gleichnisse des neutestamentlichen Zeitalters: Ein Beitrag zum Streit um die ‘Christusmythe’ und eine Widerlegung der Gleichnistheorie Jülichers (Tübingen 1912); W.O.E. Oesterley, “Die Gleichnisse der Evangelien im Lichte ihres jüdischen Hintergrundes (1936),” in Harnisch, ed., Gleichnisse Jesu (op. cit.), 137–153; D. Flusser, Das Wesen der Gleichnisse (vol. 1 of Die rabbinischen Gleichnisse und der Gleichniserzähler Jesus; Judaica et Christiana 4; Bern et al. 1981); P. Dschulnigg, Rabbinische Gleichnisse und das Neue Testament: Die Gleichnisse der PesK im Vergleich mit den Gleichnissen Jesu und dem Neuen Testament (Judaica et Christiana 12; Bern et al. 1988), 16 ff. 4 S. Alkier, “Die ‘Gleichnisreden Jesu’ als ‘Meisterwerke volkstümlicher Beredtsamkeit’: Beobachtungen zur Aristoteles-Rezeption Adolf Jülichers,” in Die Gleichnisreden Jesu 1899–1999: Beiträge zum Dialog mit Adolf Jülicher (ed. U. Mell; BZNW 103; Berlin / New York 1999), 39–74. 5 Jülicher, Gleichnisreden Jesu (n. 3), I, 69 f.: “Das ‘Gleichnis’ ist die Vergleichung auf höherer Stufe, die Veranschaulichung eines Satzes durch Nebenstellung eines anderen ähnlichen Satzes.” 6 Jülicher, Gleichnisreden Jesu (n. 3), I, 71. 7 Jülicher, Gleichnisreden Jesu (n. 3), I, 73. 8 Jülicher, Gleichnisreden Jesu (n. 3), I, 100.
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to Jülicher.9 Wolfgang Harnisch10, Mary Ann Beavis11, and François Vouga later adopted and expanded this way of thinking. Vouga sees in fable the ancient equivalent to the parable. “Die Parabel ist keine (Gleichnis), obwohl die beiden Formen der Parabel und des Gleichnisses zu der Klasse der erfundenen und fiktionalen Beispiele ( ) gehören. Das griechische Äquivalent für Parabel / Fabel ist (= “Logos”) oder (Mythos), das lateinische fabula.”12 While Jülicher finds that it is specifically the humorous tone of the antique fables that is missing in Jesus, Vouga sees this even as a characteristic of the fables of Jesus.13 Although it is not possible to discuss in detail the justification and appropriateness of Jülicher’s reception of Aristotle here,14 we can indeed affirm that Jülicher understands parables in the sense of Aristotelian rhetoric as an argumentative instrument of persuasive speech, which as a whole accommodates his programmatic approach to Jesus’ parable sermons. There is then a certain justification in drawing attention to Rudolf Bultmann’s dissertation, in which he brings the parables of the stoic-cynic diatribe, in particular of Epictetus, into relation with the New Testament (par-
9 Jülicher, Gleichnisreden Jesu (n. 3), I, 98. For the complete discussion, op. cit., 94–101. It is only because of the humorous tone of the fables that Jülicher is reluctant to assign the term fable to Jesus’ narrative parables and thus in the end advocates the term “parable.” 10 See W. Harnisch, Die Gleichniserzählungen Jesu: Eine hermeneutische Einführung (3 rd ed.; UTB.W 1343; Göttingen 1995), 97–105. 11 M.A. Beavis, “Parable and Fable,” CBQ 52 (1990): 473–498. 12 English transl.: “The parable is not a (simile) although both parable and simile belong to the class of the invented and fictional examples ( ). The Greek equivalent for parable / fable is (= “Logos”) or (myth), the latin fabula.” F. Vouga, “Die Parabeln Jesu und die Fabeln Äsops: Ein Beitrag zur Gleichnisforschung und zur Problematik der Literalisierung der Erzählungen der Jesus-Tradition,” WD 26 (2001): 149–164; also F. Vouga, “Jesus als Erzähler: Überlegungen zu den Gleichnissen,” WD 19 (1987): 63–85; F. Vouga, “Formgeschichtliche Überlegungen zu den Gleichnissen und zu den Fabeln der JesusTradition auf dem Hintergrund der hellenistischen Literaturgeschichte,” in The Four Gospels (ed. F. van Segbroeck et al.; FS F. Neirynck; BEThL 100; Leuven 1992), 173–187; F. Vouga, “Zur form- und redaktionsgeschichtlichen Definition der Gattungen: Gleichnis, Parabel / Fabel, Beispielerzählung,” in Mell, ed., Die Gleichnisreden Jesu (n. 4), 75–95. 13 See Vouga, “Zur Definition der Gattungen” (n. 12), 77: “Aesop’s Fables are instructive and moral stories. The narratives of Jesus’ tradition contain, on the other hand, a humorous turn and thus they instead belong to the genre of tragicomedy.” In contrast, Jülicher, Gleichnisreden Jesu (n. 3), I, 101. 14 See the overview in Alkier, “Meisterwerke” (n. 4), 41–47. H.G. Klemm (“Die Gleichnisauslegung Ad. Jülichers im Bannkreis der Fabeltheorie Lessings,” ZNW 60 [1969]: 153–174) had previously pointed out that here Jülicher is much more closely oriented to Lessing’s or Herder’s theory of fable than to Aristotle (op. cit., 159; also Harnisch, Gleichniserzählungen [n. 10], 120 f.; Alkier, “Meisterwerke” [n. 4], 63). In detail we could mention for example the primacy of the fictional fable over the historical example (in contrast to Arist. Rhet. II 20,8), the category of “clearness” or the rejection of all allegorical traits. Further, E. Jüngel, Paulus und Jesus: Eine Untersuchung zur Präzisierung der Frage nach dem Ursprung der Christologie (6 th ed.; HUT 2; Tübingen 1986 [1962]), 92–96, sharply criticizes Jülicher’s adoption of Aristotelian logic and ontology in his theory of parable.
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ticularly the sermons of Paul) and thus compares the figurative area of this popular form of instruction with the images of the parables of Jesus.15 Friedrich Hauck in his ThWNT article of 1954 also placed the into the “profane Greek” context and thus labelled it as a terminus technicus of antique rhetoric.16 The (collatio, similitudo) is grouped with image ( , imago), metaphor ( , translatio), catachresis (abusio), simile ( , simile), and allegory ( , inversio). The parable is thus defined “as the more or less designed analogy, in which two things or processes from different domains are placed next to each other in order, using the power of the similarity present, to clarify the unknown with the known.”17 “Allegory” has been repeatedly used as a category rooted in ancient rhetoric for the elucidation of the New Testament parable texts. Here, the work above all of Hans-Josef Klauck has led scholarship out of the dead-end of the anti-allegorical direction of Jülicher’s work.18 With reference to allegory in the Greco-Roman19 as well as in the Jewish writings of Hellenistic antiquity, Klauck can demonstrate that allegory represents a rhetorical and poetic method and does not constitute its own genre. Since this establishes a connection with features of parabolic style, the allegorising in the NT parables can thus be explained. A milestone in process of association back to the Hellenistic forms was set by Klaus Berger in his richly documented examination of the “Hellenistic genres in the New Testament.”20 Based on the rhetorical ‘Wirkungsgeschichte’ (Lausberg21), Berger differentiates among four genres of parable: 1. exemplum ( ), 2. similitude ( ), 3. fictional narratives, 4. allegory. For each of these he provides examples from Greco-Roman literature and the New Testament. In his Habilitation thesis, Eckhard Rau chose ancient rhetoric as the overall framework for parable exegesis and in doing this referred above all to Quintilian.22 Rau demonstrates that many aspects of more recent approaches to linguistic parable exegesis such as text pragmatics, reception 15 See. R. Bultmann, Der Stil der paulinischen Predigt und die kynisch-stoische Diatribe (FRLANT 13; Göttingen 1910), 35–42. 16 F. Hauck, “ ,” TDNT 5: 741–759. 17 Hauck, “ ” (n. 16), 742. 18 See H.-J. Klauck, Allegorie und Allegorese in synoptischen Gleichnistexten (2 nd ed.; NTAbh 13; Münster 1986 [1978]); for a reference back to Greco-Roman literature and rhetoric, op. cit., ch. V, 32–66. 19 Here in particular with reference to Pseudo-Heraclitus, Plutarch und Quintilian, see Klauck, Allegorie (n. 18), 41, 45–61. 20 See K. Berger, “Hellenistische Gattungen im Neuen Testament” (n. 1), here: 1074 f. (on fables), 1110–1124 (on parables). 21 See H. Lausberg, Handbuch der literarischen Rhetorik (vols. 1–2; München 1960), §§ 410–426. 22 See E. Rau, Jesu Kunst der Rede vom Gott Israels: Zur Methodik der Gleichnisinterpretation (Hamburg 1978); as well as the later revision of the same work, E. Rau, Reden in
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theory and narrative and metaphor scholarship had already been practised and discussed in ancient rhetoric (for example, the orientation of the listener, brevitas, luciditas). By tracing the New Testament parables back to oral tradition as far back as pre-Easter Jesus, Detlev Dormeyer also draws closely on rhetorical tradition, especially that of Quintilian. According to Dormeyer, one can recognize in the system of classification of the New Testament parables commonly used since Jülicher an analogy to Quintilian’s differentiated classification of text types.23
Summary If we now, in summary, investigate the motivation for connecting the parables back to ancient rhetoric, we come up with a variety of very different reasons. While for Jülicher the reference to antiquity was intended to give a foundation to the rhetorically persuasive power of the parable speeches, for Bultmann, Hauck, Klauck and Berger the historic-religious embedding of the parables in their Greco-Roman environment is of primary importance. For Berger, for example, this has the effect of pulling the foundation out from under an “apologetic argumentation as to the (falsely understood) uniqueness of Jesus.”24 For Vouga the fables are indicative because “the Aesopian tradition explicitly reflects the transition from the oral tradition to the literary composition of the miniature narratives.”25 In contrast, Rau uses “rhetoric less for the historical than for the systematic clarification of what a parable is”26 while for Dormeyer, ancient rhetoric had already prefigured a differentiation of the genre types of parables. According to interest and intent, either the system, definition of genre, the function or the historical context or parallels in content are brought to the fore. Often the process of referencing back takes place selectively and is meant to serve, ex post, as a legitimation. Clearly the rhetoric of AristoVollmacht: Hintergrund, Form und Anliegen der Gleichnisse Jesu (FRLANT 149; Göttingen 1990). 23 Dormeyer, Literaturgeschichte (n. 1), 143–146. 24 Berger, “Hellenistische Gattungen” (n. 1), 1112. 25 Vouga, “Parabeln Jesu” (n. 12), 153. Aesop’s fables are known to have first been recorded in a collection (which has not survived) by Demetrius of Phalerum (Diogenes Laertius, V 80) and then passed on above all by Phaedrus and Babrius. Quintilian himself had doubts as to the historical origins in Aesop, see Quint. Inst. V 11,19, see below. Clearly the time spans become problematic in a comparison with the New Testament oral tradition. Between the ‘historical Aesop’ (6 th century B.C.) and Phaedrus (approx. 18 B.C. – 50 A.D.) there is a difference of more than 500 years; between the working life of the historical Jesus and the collection of the Gospels the difference is only about 50 years. On ancient fables see N. Holzberg, Die antike Fabel: Eine Einführung (2 nd ed.; Darmstadt 2001); for an overview also R. Dithmar, Fabeln, Parabeln und Gleichnisse (UTB 1892; Paderborn 1995), 94–118. 26 Rau, Reden in Vollmacht (n. 22), 17.
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tle and Quintilian are emphasized and thus, within the limits present here, texts from both of these authors with an emphasis particularly on the term / similitude will be considered more closely in the following.27
2. Parables and Similitudes in the Discussion of Ancient Rhetoric 2.1 Aristotle Aristotle should in particular be credited with the fact that he set the starting point for the systematic analysis of literature. No longer did an implicit understanding of literature originate from the poets alone. Rather, the philosopher carried out external observations that can be seen as a sort of first ‘literary theory.’ In his ‘Poetics,’ Aristotle analysed the literary genres that were definitive for him – in Book 1, tragedy (chs. 6–22) and epos (chs. 23–26), in Book 2 (which has not survived), comedy. In his ‘Rhetoric’ he indicates how the literary genres of prose and oration should be constructed. This latter work also contains discussions of , which is why this text will be looked at more closely in the following. The Rhetoric28, written in about the mid-4 th century B.C., is divided into three books. Books I and II deal with the three means of persuasion important for the orator ( ). In Book III we find two independent examinations – one on the linguistic form of prose oration ( , III 1–12) and the other on the organization of the different parts of oration ( , III 13–19). Within the first two books of the Rhetoric, Aristotle emphasizes the presentation of the rhetorical proof, the use of which allows persuasion to take place in an objective and argumentative way. This aspect differentiates Aristotle’s rhetoric definitively from other oratory of his time.29 To achieve this, Aristotle follows, at the core, the principles of dialectic, for rhetori27 A lucid overview of the discussion of the figurative comparison as well as of the parable can be found in M.H. McCall, Jr., Ancient Rhetorical Theories of Simile and Comparison (Cambridge, Mass. 1969). Here we find in particular the representation of seldom considered Greek authors from 1 st century B.C. to 1 st century A.D. such as Dionysius Thrax, Philodemus, Dionysius of Halicarnassus as well as two anonymous texts from Ps-Demetrius ( ) and Ps-Longinos, op. cit., ch. V, 130–160. 28 See on this the text editions of W.D. Ross, Aristotelis ars rhetorica (SCBO; Oxford 1959); A. Plebe, Aristotele, Retorica (6 th ed.; Bari 1992 [1961]); see also the german translation and commentary of C. Rapp, Aristoteles Rhetorik: Aristoteles Werke in Deutscher Übersetzung (vols. 4/1 and 2; Berlin 2002). On Rapp’s dating, vol. 1, 178–193, Rapp advocates an early dating in the time before 347 B.C. 29 In addition to the objective and argumentative means of persuasion of rhetorical proof, the credibility / character type of the orator (see Arist. Rhet. II 12–17) as well as the suitable emotional state of the listener (see Arist. Rhet. II 2–11) are definitive in determining whether a speech is persuasive or not.
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cal proof is also a type of syllogism.30 However, rhetorical proof does not emanate from the highest and most true principles, as does scientific proof, but rather attempts to begin with the beliefs that the listener already holds. Listeners can be persuaded of assumption A if this assumption is derived from the already familiar and accepted assumption B. Individually, rhetorical arguments (as all arguments) can be divided into inductive and deductive arguments, in which the “example” ( ) corresponds to inductive arguments and the “enthymeme” ( )31 to deductive.32 While a large part of the first book outlines the means of persuasion specific to certain domains, concretely with an emphasis on the three genres of rhetoric (political rhetoric: I 4–8; ceremonial rhetoric: I 9; judicial rhetoric: I 10–14), the second book names topoi that are common to all genres of rhetoric (II 19; II 23–24). In II 20–22 as well as II 25 we find rather theoretical, genre-unspecific discussions of the argumentative-proofrelated means of persuasion. In II 20 Aristotle gives reports, parables and fables as forms of example; in II 21 he discusses the sentence as a part of the enthymeme; in II 22 he deals with general introductions to the enthymeme, and he devotes II 25 to the refutation of rhetorical arguments. Let us look more closely now at Chapter 20 of the second book. In the introduction, Aristotle states that he will discuss the means of persuasion common to all ( ) and in doing so he differentiates between two genres ( ) – example and enthymeme.33 Here example is again associated with induction ( , 1393 a 26) and dealt with first. Aristotle then differentiates between two types of example. In the first case, past facts are reported. In the second form, examples are invented. This second group is then divided again into two subgroups – parable and fable. ’ , . ’
30
,
.
See also Rapp, Rhetorik (n. 28), vol. 1, 172–178. Aristotle adopts the terminus technicus of means of persuasion that were commonly used in his time. Enthymeme comes from the verb ‘to consider,’ ‘to deliberate,’ ‘to conceive’ and can be literally translated as “something conceived,” “thought,” “idea.” 32 As in the introduction, Arist. Rhet. I 2 (1356 b 4 f.): “Ich bezeichne nämlich die rhetorische Deduktion als Enthymem, die rhetorische Induktion aber als Beispiel.” (trans. Rapp, Rhetorik [n. 28], vol. 1, 24). – “I call an enthymeme a rhetorical syllogism, and an example rhetorical induction.” 33 In a commentary, Rapp points out the confusing terminology: on the one hand it is incomprehensible that Aristotle does not speak here of “topoi” or “sentences,” but rather of . However, he does not mean with this the three in the sense of the “means of persuasion.” On the other hand the expression “two genre of the common means of persuasion” is unusual. See Rapp, Rhetorik (n. 28), vol. 2, 731. 31
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There are two kinds of examples; namely, one which consists in relating things that have happened before, and another in inventing them oneself. The latter are subdivided into comparisons or fables, such as those of Aesop and the Libyan.34 (Arist. Rhet. 1393 a 28–31)
One can portray this structure schematically.
Examples
Fictional Examples
Historical Examples
Parable
Fable
In the following, Aristotle gives examples for his subgroups. On parables he writes: , ’
, , .
Comparison is illustrated by the sayings of Socrates; for instance, if one were to say that magistrates should not be chosen by lot, for this would be the same as choosing as representative athletes not those competend to contend, but those on whom the lot falls; or as choosing any of the sailors as the man who should take the helm, as if it were right that the choice should be decided by lot, not by a man’s knowledge. (Arist. Rhet. 1393 b 4–8)
As an example of fable, Aristotle tells a fable by Stesichorus and one by Aesop. Both are animal fables; thus, the irreal moment of animals (or plants) taking action can be seen as constitutive for his definition of fable. Aristotle, at least, differentiates clearly between parable and fable, which is generally also maintained in later tradition.35 34 Text and translation according to Aristotle, The “Art” of Rhetoric, with an English translation by J.H. Freese (LCL; Cambridge, Mass. / London 1982). 35 Also Hauck, “ ” (n. 16), 743: “Unlike fables, parables take their material from observations of reality.” Also R. Zymner, “Parabel,” HWR 6: 502–514, 503: “The criteria (4) differentiates the P. ultimately for example from the globally anthropomorphized fable.” Similarly Th. Elm, Die moderne Parabel: Parabel und Parabolik in Theorie und Geschichte
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This reference to Socrates within the discussion of the parable is interesting and the fact that the example given involves athletes and navigators is characteristic. Plato and Xenophon agree in their reporting that Socrates gleaned his examples from everyday life: “For he speaks of pack mules, of blacksmiths, cobblers and tanners …” (Plato Symp. 221 e).36 At the end of the chapter, Aristotle describes the use of the fictional examples. He says that the invention of a fable – like that of a parable – is much easier than the discovery of past events (1394 a 3–8). To invent, one requires simply “the power of thinking out your analogy, a power developed by intellectual training” (1394 a 5 f.). We are unavoidably reminded here of a formulation that Aristotle used in his Poetics in connection with metaphor: “For to create good metaphors means being able to see similarities ( )” (see Arist. Poet. 1459 a 8). Thus it can be seen that for Aristotle, the rhetorical function of examples, as in metaphors, is derived from a relation of similarity. Only later, for example, with Longinus, are metaphors and parables brought into direct relation to each other.37 Aristotle concludes his discussion with the statement that, ultimately, examples should, like proof ( ), be used either in place of enthymemes or complementary to them, if enthymemes are already available. In the latter case, if one places examples before the enthymeme, they are equal to induction. If they are placed after it, they serve as witnesses and in this case one example is enough. The argumentative advantage of the inductive example is, according to Aristotle, that the agreement of the listener is more easily obtained on the level of comparison, because he or she does not yet have a sense as to which type of implementation on the subject level the example is used for. Aristotle describes this strategy in his theory of dialectic argumentation as the “concealment of the final sentence” ( ).38 Parables serve exactly this purpose: “It is also useful to present the arguments in such a way that they are simply a parable, for one more readily ac(München 1982), 54. Observed from this standpoint, the fact that F. Vouga brings the parables of Jesus into equivalence with fables does not seem to be justified. According to Vouga, fables are, in addition to animal and plant fables, also “human stories with several fictional roles.” However, he provides support for this only through references to the parables of Jesus, so that his argument is weakened by circular reasoning. See Vouga, “Parabeln Jesu” (n. 12), 149–164. 36 Also see Plato Gorg. 490 c–d: “You speak of food and drink and doctors and pranks.”; op. cit., 491 a: “By the gods, you do not cease to always speak of cobblers and tanners and cooks and doctors, as if we were speaking of them among ourselves.” Similarly in Xen. Mem. I 2,37: “You will have to cease with these, however, Socrates, he said, with the cobblers, builders and blacksmiths. I mean that they are completely worn out because you are always talking about them.” 37 See Longinos, ch. 37,1: …“, see also McCall, Rhetorical Theories (n. 27), 158. 38 See. Arist. Top. VIII 1,155 b 23, according to Rapp, Rhetorik (n. 28), vol. 2, 733.
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cepts that which is put forth for another purpose and not for its own self.” (Arist. Top. VIII 1,156 b 25–27) In summary, it can be seen that for Aristotle, is grouped under the heading of example within the rhetorical means of persuasion. Parable must be differentiated from fable, but is placed together with the latter in the category of fictional example. Different from these is the ‘historical’ example that reports past events. Like enthymemes, examples serve the objective-argumentative persuasion of oration and as such are similar to induction. As a whole, rhetorical proof functions through a type of transmission in which one starts from an already known or accepted assumption in order then to suggest the final assumption of which the listener in the end should be convinced.
2.2 Quintilian The Roman rhetoric teacher Marcus Fabius Quintilianus (approx. 35–96 A.D.) wrote, in his last years, a 12 volume textbook of rhetoric, the Institutio Oratoria (Institutes of Oratory39). This work brings together not only his life experiences but also the inheritance of Greek and Roman rhetoric from before his time so that what we have here is, not only chronologically but also epochally, a counterpart to Aristotle’s Rhetorica.40 After basic explanations of rhetoric, Quintilian turns in Books 4 and 5 to rhetorical reasoning and in this, in correspondence to Aristotelian rhetoric, differentiates between external proof such as documents (V 1–7) and internal proof that rests only on the art of oration (V 8–14). After the detailed presentation of the arguments (argumenta), with which he summarizes , and , Quintilian turns in Chapter 11 of Book 5 to the “examples.” The third kind of proof, which is drawn into the service of the case from without, is styled a by the Greeks, who apply the term to all comparisons of like with like, but more especially to historical parallels.41 (Quint. Inst. V 11,1 a)
Even in this introductory sentence, Quintilian makes it clear that he is maintaining the double meaning of as introduced by Aristotle,
39 See the Latin-German edition M. Fabius Quintilianus, Ausbildung des Redners: Zwölf Bücher (ed. and trans. H. Rahn; 4 th ed.; Part 1: Books I–VI; Part 2: Books VII–XII, Darmstadt 2006 [1972/1975]). 40 With justification, Klauck speaks of a “canonical validity” of this work. See Klauck, Allegorie (n. 18), 41. 41 See text from Rahn, ed., Ausbildung (n. 39), 596f. English translation from Quintilian, The Institutio Oratoria (ed. and trans. H.E. Butler; 4 vols.; LCL; London / Cambridge, Mass. 1966–1969).
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although in Latin rhetoric a terminological differentiation between the historical examples and the fictional was clearly attempted.42 Nostri fere similitudinem vocare maluerunt, quod ab illis dicitur, hoc alterum exemplum, quamquam et hoc simile et illud exemplum. Nos, quo facilius propositum explicemus, utrumque esse credamus et ipsi appellemus exemplum. Roman writers have for the most part preferred to give the name of comparison to that which the Greeks style , while they translate by example, although this latter involves comparison, while the former is of the nature of an example. For my own part, I prefer with a view to making my purpose easier of apprehension to regard both as and to call them examples. (Quint. Inst. V 11,1 b–2 a)
The close connection to Aristotle also becomes clear through the description of the function of the example as well as the reference to Socrates. As Aristotle before him, Quintilian describes the rhetorical function of the example analogously to the inductive argument and speaks correspondingly of the “rhetorical induction” (dixeruntque ). Concrete examples, summarily differentiated into three types, are subsequently given: Omnia igitur ex hoc genere sumpta necesse est aut similia esse aut dissimilia aut contraria. All arguments of this kind, therefore, must be from things like or unlike or contrary. (Quint. Inst. V 11,5)
In the question as to the function of the comparison within the argumentation, the historical examples and ‘examples more narrowly defined’ (quod proprie vocamus exemplum) are given first. This means “the use of (…) a useful, actual or supposedly actual fact” (id est rei gestae aut ut gestae utilis … commemoratio, Quint. Inst. V 11, 6). Furthermore, Quintilian differentiates various degrees of similarity; thus, one should be aware of whether the entirety is similar or only a part. In the same way, one should be mindful of whether one intends, with the example, to assume larger relations from smaller or smaller from larger. Quintilian demonstrates this with many examples, some of which are from Cicero, which themselves introduce similar, dissimilar or opposite proofs. 42 Quintilian refers expressly to Cicero, who differentiates between collatio (as fictional example) and exemplum (as historical), see Cic. Inv. I 30,49: Collatio est oratio rem cum re ex similitudine conferens; see also the Auct. Ad Her. IV 45,59: Similitudo est oratio traducens ad rem quampiam aliquid ex re dispari simile. On Cicero and the Rhetorica ad Herennium see McCall, Rhetorical Theories (n. 27), 57–129. In contrast, Seneca, diverging from this tradition, translated with imago, see McCall, Rhetorical Theories (n. 27), 161–177 with references.
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These different processes of comparison can, according to Quintilian, also be used with the fictional examples, i.e. examples that come from literature, as the rhetorician demonstrates by means of an example from Aeschylus:43 Eadem ratio est eorum, quae ex poeticis fabulis ducuntur, nisi quod iis minus adfirmationis adhibetur. A similar method is to be pursued in quoting from the fictions of the poets, though we must remember that they will be of less force as proofs. (Quint. Inst. V 11,17)
A precise terminological classification of this type of example is not found here. It is explained in the next example (see Cic. Mil. 3,8) that what we have here are “invented narratives” (fictae fabulae). Finally, Quintilian mentions, in a derogatory way, the fable, which he calls “fabella” (little story): Illae quoque fabellae, quae, etiam si originem non ab Aesopo acceperunt (nam videtur earum primus auctor Hesiodus), nomine tamen Aesopi maxime celebrantur, ducere animos solent praecipue rusticorum et imperitorum, qui et simplicius, quae ficta sunt, audiunt, et capti voluptate facile iis, quibus delectantur, consentiunt. Again those fables which, although they did not originate with Aesop (for Hesiod seems to have been the first to write them), are best known by Aesop’s name, are specially attractive to rude and uneducated minds, which are less suspicious than others in their reception of fictions and, when pleased, readily agree with the arguments from which their pleasure is derived. (Quint. Inst. V 11,19)
It should be noted that Quintilian emphasizes the emotional effect of the fables (“attract the minds,” “delights”) and points out that those addressed are “rustic and illiterate people.” Finally, he explicitly confirms that they are “inventions” (ficta), to which he, however, in the following example of Horace, gives the status of a genre (“generis huius usum”). In conclusion, Quintilian mentions the – which is noteworthy in view of the Johannine parable terminology – as a genre related to fable: Cui confine est genus illud, quod est velut fabella brevior et per allegorian accipitur: ‘non nostrum’, inquit, ‘onus: bos clitellas’. Similar to these is that class of proverb which may be regarded as an abridged fable and is understood allegorically: ‘The burden is not mine to carry,’ he said, ‘the ox is carrying panniers.’ (Quint. Inst. V 11,21)
In V 11,22 a new section begins that, in differentiation from the “exempla” previously mentioned, now introduces the “similitudo.” A first group of 43 Concretely this is Orestes, who killed his mother. Aeschylus deals with him in “The Eumenides.”
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these similitudo-comparisons are those that manage without metaphors and thus are scarcely less powerful than the exemplum. Proximas exempli vires habet similitudo, praecipueque illa, quae ducitur citra ullam translationum mixturam ex rebus paene paribus. Simile has a force not unlike that of example, more especially when drawn from things nearly equal without any admixture of metaphor, … (Quint. Inst. V 11,22)
Quintilian thus makes it clear that he is using the term similitudo in a specific way – one that differs from the usual understanding.44 The following sentence that uses the word borrowed from Greek, for parable, and also mentions Cicero’s translation with ‘collatio’ is then comprehensible. Nam , quam Cicero conlationem vocat, longius res quae comparentur repetere solet. For , which Cicero translates by ‘comparison,’ is often apt to compare things whose resemblance is far less obvious. (Quint. Inst. V 11,23)
According to McCall, what we have here is the concept of the similitudo, generally accepted but divergent from Quintilian, that, as is seen in the following examples, can include not only metaphors (as in the ship example),45 but also uses in comparison animals such as bees and ants as well as inanimate objects such as the earth – thus objects that do not arise from shared subject matter. The fine differentiation noticeable here between similitudo and is further confirmed by a note in which Quintilian, in the treatise on laughter, makes a difference between the ‘open’ similitudo and the parabolae (as a transcribed loanword).46 Not until 11,26 does Quintilian return to the similitudo in the first sense and provides a comparison that in meaning is obtained through close proximity to the subject being explained: “As oarsmen are useless without a steersman, so soldiers are useless without a general.”
Intermediate summary In attempting to systematize the examples set out by Quintilian, one arrives at the difficulty of constructing a clear hierarchy and definition of the 44
With great emphasis McCall, Rhetorical Theories (n. 27), 196–203. The set of images belonging to seafaring is for Quintilian very metaphoric and allegorical, as for example is seen in the examples on the allegory in the treatment of the tropoi, thus e.g. the quotation from Horace, Carm. I, 14: “O luckless bark! New waves will force you back to sea. O, haste to make the haven yours!” (Inst. IX 2,46). 46 See Quint. Inst. VI 3,59: adhibetur autem similitudo interim palam, interim inseri solet parabolae. (Such resemblances may be put to the service of wit either openly or allusively). For a discussion of this segment see McCall, Rhetorical Theories (n. 27), 213. 45
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main groups.47 As described at the beginning, Quintilian would like to unite “exempla” (more narrowly defined) and “similitudines” under the heading “exemplum.” This differentiation is then secured, on the one hand, by the historical examples (Inst. V 11,6–16) and on the other by the similitudines (V 11,22–31). The “fictional exempla” (Inst. V 11,17–21), however, take up a strange in-between position and under them the fables and paroimia are subsumed but are not (yet) named “similitudo.” If one does not want to find in Inst. V 11,17–21 an anticipatory digression on the later , then the discussion can be explained reasonably only on the basis that Quintilian’s dichotomy does not agree with the Aristotelian differentiation between historical and fictional examples. Instead “fictional examples” are also placed under the ‘exempla’ more narrowly defined or must even be separated out into a third group. We can portray Quintilian’s structure schematically (see p. 252). As in Aristotle, one can initially affirm that the parable-, similitudo / collation- or paroimia-concepts do not turn up in the ancient lists of the tropoi or figures.48 Within the linguistic elements that serve to embellish speech (ornatus), , , and are indeed listed but not or . Not until a late addition to the tropoi list of the Tryphon are, among others, also , , , , and grouped under the tropoi.49 This addition makes the following clear: The Greek rhetoricians differentiate functionally and conceptually strictly between the embellishment of speech (tropoi, rhetorical devices) and proof, to which, within the examples, parable / comparison also belong.50 Later – as is reflected in the addition – it becomes clear that the two domains are again connected, as seen above all 47 Dormeyer’s systematic, according to which in, addition to the historical exemplum, “fictional close comparison” and “fictional distant comparison” are differentiated and the latter is divided into the subgroups “figurative comparison,” “distant story” and “fable,” seems to me to be strongly influenced by Jülicher’s interest in the legitimation of the three genres of parable (see also the terminology such as “example narrative”), see Dormeyer, Literaturgeschichte (n. 1), 143–146. 48 The Auctor Ad Herennium names ten “exornationes verborum” (nominatio, pronominatio, denominatio, circumitio, transgressio, superlatio, intellectio, abusio, translatio, permutatio); see. Auct. Ad Her. IV 31,42–34,46; Quintilian differentiates fourteen types of “tropoi” (named explicitly here): metaphora, synecdoche, metonymia, autonomasia, onomatopoeia, abusio, metalepsis, epitheton, allegoria, aenigma, ironia, periphrasis, hyperbaton, hyperbole, see Quint. Inst. VIII 6,4.19.23.29.31.34.37.40.44.52.54.59.62.67. On this see the overview in J. Martin, Antike Rhetorik: Technik und Methode, Handbuch der Altertumswissenschaft (vol. 2/3; München 1974), 261–315; also the list in W. Eisenhut, Einführung in die antike Rhetorik und ihre Geschichte (5 th ed.; Darmstadt 1994 [1982]), 82–88. 49 See Trypho Trop. II p 198,23 ff. Sp. III. 50 Correspondingly the judgement on the addition in Tryphon by Martin, Rhetorik (n. 48), 262: “It is not only tropoi that are listed there.” Aristotle correspondingly uses different terms for figurative comparison: in argumentation, for the tropoi, see McCall, Rhetoric Theories (n. 27), 192.
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Examples (Inst. V 11) / exempla
Historical Examples exempla (V 11,6–16)
Fictional examples e.g. from poetry (V 11,17–18)
similitudines Comparisons / parables (V 11, 22–31)
similar
dissimilar
fables (fabellae) (V 11,19 f.) (V 11,21)
opposite
similitudo (more narrowly defined) – close comparison, from interpersonal domain – without metaphoric blending of the levels (V 11,22.26–31)
collatio / – distant comparison, e.g. animal world, inanimate objects – with metaphors – iconic ( ) (V 11,23–25)
in the Latin rhetoric. Quintilian’s incidental remark in Inst. V 11,5 that has up to now been ignored develops this further: Similitudo adsumitur interim et ad orationis ornatum. Similes are, it is true, sometimes employed for the embellishment of the speech … (Quint. Inst. V 11,5)
Quintilian makes it clear here that he does not only group the comparison (similitudo) into the domain of rhetorical argumentation (which is at the fore in V 11), but rather also into the domain of ornatus. Even in the Rhetorica ad Herennium, the polyvalence of the comparison for the rhetorical argument as well as for embellishment had come into use. Embellishment (ornandi causa) and proof (probandi causa) are mentioned within the four functions of the comparison.51 However, it is Quintilian who first reflectively establishes these ties terminologically and conceptually.52 51 See Auct. Ad Her. IV 45,59: Similitudo est oratio traducens ad rem quampiam aliquid ex re dispari simile. Ea sumitur aut ornandi causa aut probandi causa aut apertius dicendi aut ante oculos ponendi; see McCall, Rhetorical Theories (n. 27), 66. 52 This is similar to the opinion of McCall, Rhetoric Theories (n. 27), 192: “Quintilian is the first critic to distinguish these two purposes of comparison and yet to see that they are facets of a central idea of comparison and, while he is treating one of them, to show that he is aware of the other.”
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In Book 8 Chapter 3 of the Institutio, Quintilian examines linguistic embellishment and in Inst. VIII 3,72–82 again speaks about comparison (similitudo). Praeclare vero ad inferendam rebus lucem repertae sunt similitudines: quarum aliae sunt, quae probationis gratia inter argumenta ponuntur, aliae ad exprimendam rerum imaginem compositae … The invention of similes has also provided an admirable means of illuminating our descriptions. Some of these are designed for insertion among our arguments to help our proof, while others are devised to make our pictures yet more vivid … (Quint. Inst. VIII 3,72)
The comparison must be clear and well-established in the sense of its effectiveness in order for it to truly serve the purpose of clarification. Debet enim quod inlustrandae alterius rei gratia adsumitur, ipsum esse clarius eo, quod inluminat. (…) non idem oratorem decebit, ut occultis aperta demonstret. (…) for anything that is selected for the purpose of illuminating something else must itself be clearer than that which it is designed to illustrate. (…) it would be quite unsuitable for an orator to illustrate something quite plain by such obscure allusions. (Quint. Inst. VIII 3,73)
This self-evident assertion does not however exclude the argumentative function of the comparison nor even, in a surprising way, its function of opening up its meaning. To what extent comparisons simultaneously possess a dimension of proof and embellishment – for Quintilian these two aspects are inseparable – is made clear in the following example: Sed illud quoque, de quo in argumentis diximus, similitudinis genus ornat orationem facitque sublimem, floridam, iucundam, mirabilem. Nam quo quaeque longius petita est, hoc plus adfert novitatis atque inexpectata magis est. But even the type of simile which I discussed in connexion with arguments is an ornament to oratory, and serves to make it sublime, rich, attractive or striking, as the case may be. For the more remote the simile is from the subject to which it is applied, the greater will be the impression of novelty and the unexpected which it produces. (Quint. Inst. VIII 3,74)
Here Quintilian draws clearly on the traditional type of similitudo that he called in Inst. V 11,23–25. This is also underlined by the repetition of two examples (“land” in V 11,24 and VIII 3,75; “cliffs” from the speech for Archias in V 11,25 fin and VIII 3,75). If, within the discussion on similitudo in argument (see Inst. V 11,22–25), one had the impression of a clear preference for the ‘close comparison,’ now the comparative effect cre-
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ated by the distance of the objects being compared is being advanced – as in the sense of a bold metaphor. Finally Quintilian attempts a type of differentiation of both levels of comparison. He characterizes the levels as “similitudo” and “res” and then (clearly because of a lack of terminology) uses “parabole” as a transcribed loanword for the comparison. In omni autem parabole aut praecedit similitudo, res sequitur, aut praecedit res et similitudo sequitur. Sed interim libera et separata est, interim, quod longe optimum est, cum re, cuius est imago, connectitur, conlatione invicem respondente, quod facit redditio contraria, quae dicitur. In every comparison the simile either precedes or follows the subject which it illustrates. But sometimes it is free and detached, and sometimes, a far better arrangement, is attached to the subject which it illustrates, the correspondence between the resemblances being exact, an effect produced by reciprocal representation, which the Greeks style . (Quint. Inst. VIII 3,77)
The examples that follow in the text, however, make it clear that the “pre-” and “post-”grouping attempted here can not be maintained in the concrete text phenomena.53 Similarly to Jülicher with his differentiation into “image part” and “subject part,” Quintilian also tries to express the observation that each comparison has two levels, in a way that the transfer of meaning points more strongly in one direction so that one can differentiate between the (to be illustrated) object of comparison and the (illustrative) object compared. The question, already discussed in connection with the argument as to the type of relation of similarity or comparison is taken up here with a different emphasis. Finally Quintilian names still another subgroup of similitudines: The short forms that one sees above all in daily language are called “similia.” Sunt et illae breves: ‘vagi per silvas ritus ferarum’, et illud Ciceronis in Clodium: ‘quo ex iudicio velut ex incendio nudus effugit.’ Quibus similia possunt cuicumque etiam ex cotidiano sermone succurrere. We find also shorter similes, such as ‘Wandering like wild beasts through the woods,’ or the passage from Cicero’s speech against Clodius: ‘He fled from the court like a man escaping naked from a fire.’ Similar examples from everyday speech will occur to everyone. (Quint. Inst. VIII 3,81)
In summary we can state that Quintilian reflectively deals with the concept “comparison” ( / similitudo) as a figure of speech in inductive argument under the heading ‘exempla.’ The proximity to Aristotle suggested 53
See the criticism in McCall, Rhetoric Theories (n. 27), 222–224.
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here is, however, only superficial. This is true for the discussions on the differentiated perception of the exempla, for beyond the historical and fictional examples (in which fable and must be included), Quintilian also differentiates between similitudo and collatio / according to the closeness between the object of comparison and subject. One decisive expansion is further found in the fact that the parable (similitudo) for Quintilian also represents an aspect of linguistic embellishment. A bridge to poetry is built in the way that parables thus fulfil a function of accessibility.
3. Methodological-Hermeneutical Reflection: On the Sense and Nonsense of Drawing on Ancient Rhetoric for the Genre Classification of New Testament Parables What input can we expect from ancient rhetoric on the exegesis of the New Testament parables or specifically on the form-critical determination of figurative genres?
Jesus as rhetorian? The scholar who draws on ancient rhetoric in order to prove or disprove monolinear historical dependencies is missing the point of religio-historical comparison. Jülicher’s question as to whether Jesus was trained in rhetoric or even a teacher of rhetoric is completely mistaken.54 Neither Jesus nor the New Testament authors had to possess special knowledge of the rhetorical textbooks in order to participate in the contemporary uses of comparative speech reflected in these books.
Parable sermons or parable texts – on the problem of writing and speech While in his ‘Poetics’ Aristotle names only tragedy, epos, and comedy as genres, in his ‘Rhetoric’ the art of oration is explained. However, even the rhetoricians do not provide schematic instructions as to how oration should be effectively formulated55 but rather reflect on oratory and linguistic com54 Jülicher, Gleichnisreden Jesu (n. 3), I, 41: “Unterricht in der Rhetorik hat Jesus nicht erteilt, und hinter dem Inhalt seiner Predigt trat die Form derselben in seinem Interesse gewiss so zurück, daß er nie Reflexionen darüber angestellt hat.” (“Jesus did not give lessons in rhetoric and the form of his sermon was of such less importance to him than the content that he never gave thought to it.”) 55 Although instructions are given as to the individual elements of structure (inventio, dispositio, elocutio etc.), a recipe for literary reification is avoided. In Barthes they give individual instructions and are simultaneously analyses on the meta level, see R. Barthes, “Die
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petence in a broader sense and therefore, their influence on the production of literature cannot be denied.56 Thus it is not astonishing that the scope of the application of rhetoric in the time of Hellenism and of the Principate extended to literature as a whole.57 The possible influence of rhetorically reflected aspects of text thus should not be too narrowly limited to Jesus’ spoken parables but rather extended to include the written earliest Christian texts.
Systematics and genre classification? Within the works outlined at the beginning of this paper on New Testament parable scholarship, the impression is given in many cases that one can discover in ancient rhetoric the clear concepts of form criticism, such as the genre “comparison” with its subgroups “comparison more narrowly defined,” “parable” or “example narrative,” which demonstrate direct analogies to the earliest Christian texts. However such a transfer from one to the other is not possible. An examination, even as limited a one as here, of the discussions of Aristotle and Quintilian makes it clear that the form-critical issue in parable research does not come up here but rather that they deal with different issues and categories. Even if one can only conditionally speak of a literary consciousness of genre among the ancient rhetoricians, one can recognize a set of systematic and terminological differentiations that can provide starting points for one’s own analysis.
Comparison, parable, example narrative – and the problem of terminology? Although, in ancient times, various terms were used for the different types of comparison, one must be careful in transferring these terms in a one-toone relationship onto New Testament parable scholarship. The term ‘comparison’ itself is not the leading category that can be divided into individual subgroups. Instead, the are grouped under the collective term of the example ( , exemplum) and this is divided consistently into historical and fictional examples. The New Testament parables can be classified only as the latter, for even the so-called ‘example stories’ and the parables narrated in the aorist do not pretend to report on an historical event. Within these fictional examples, ancient rhetoric uses the terms or collatio / similitudo as well as fable ( , fabella) and the shorter comalte Rhetorik,” in Das semiologische Abenteuer (Frankfurt a.M. 1988 [Fr. 1985]), 15–102, here: 16 f. 56 In this way also Dormeyer, Literaturgeschichte (n. 1), 27. 57 Lausberg, Rhetorik (n. 21), §§ 32–41.
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parison (similia), each with their own criteria of differentiation. It should be noted that the term , found in the Gospel of John, also appears in Quintilian in this group. A uniform ancient language use can not be detected here, nor is a correspondence of the ancient subgroups to the types of parable introduced by Jülicher possible.
Figurative domains, length of text or tense as criteria of differentiation? While within New Testament parable scholarship since Jülicher, the subject of the figurative domain (for example daily events, interesting occurrences), the tense (aorist – present) or the elaborateness of the parable (figurative word – narrative parable) have been used as criteria of differentiation, these forms of distinction do not play a definitive role in ancient rhetoric. Here, for example for Quintilian, the proximity or distance of the object of comparison to the object of explanation is definitive. In this way, the daily working of farmland can be described as a comparison “brought in from afar” which, for Quintilian, leads to the category of the parable / collatio but not of the similitudo. The definitive criterion of parable / comparison is a relation of similarity between two levels whose mechanics of formation or relation to each other can in part be described in very different ways (part – whole, from smaller to larger and vice versa, similar – dissimilar – opposite, from close up – from far away, res – similitudo, etc.)
Rhetorical or poetic function? The parables, starting with Aristotle, are initially grouped wholly into the domain of rhetorical reasoning and argumentation and fulfil here the function of inductive rhetorical proof. In the discussion on the embellishment of speech (e.g. lists of tropoi) one searches for these terms in vain. Not until later Latin rhetoric and, in particular, in Quintilian is the dual function of the comparison within argumentation (probatio) as well as the aesthetics of speech (ornatus) reflected. Looking at New Testament parables, this opens up the scope of the as yet widely ignored question dealing with the extent to which the earliest Christian texts also fulfil an argument-proving function58 by attempting to make the unknown understandable through something known. On the other hand, we must consider whether, in the comparison texts, the division between rhetoric and poetics does not become moot, since the 58 On this see the writings of Rau, Reden in Vollmacht (n. 22), 18–106; also the linguistic pragmatic analysis of E. Güttgemanns, “Die linguistisch-didaktische Methodik der Gleichnisse Jesu,” in Studia linguistica neotestamentica (BEvT 60; München 1971), 99–183.
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tropoi too do not only represent dispensable ornamentation, but rather, particularly in the figurative forms of speech, also possess dimensions to make reality accessible. Here one should especially look at the question of reference, i.e. does the text paint a picture of its own world – for example, in the sense of a visionary anti-world – or does it refigure the present world by drawing this world into itself?59 The examination of the writings of ancient rhetoricians – as here of Aristotle and Quintilian – on texts which draw comparisons texts undoubtedly sharpens the analytical power of judgement in the systematic perception of early Christian parable texts. The ancient rhetoricians’ scope of variation in the description of the comparisons makes it clear that neither a uniform language use nor a uniform system was present in ancient understanding. A simple transferral of rhetorical classifications to the New Testament texts can therefore not take place. Moreover, a correspondence between ancient terminology and the patterns common in parable exegesis since Jülicher and marked by form criticism is not found. Scholars who want to systematically understand the early Christian parable texts will not be able to avoid – like Jülicher – defining their own concepts and criteria.60 It is reasonable to search for proximity between analytical scholarly language and the ancient source language, but this also proves to be a hermeneutical problem that could foster an unreflective transfer between the two realms.
59 I thank Thomas Braun (Marburg) for these thoughts; see also R. Zymner, Uneigentlichkeit: Studien zur Semantik und Geschichte der Parabel (Paderborn et al. 1991), 122–130. 60 On this see my paper R. Zimmermann, “Parabeln – sonst nichts! Gattungsbestimmung jenseits der Klassifikation in ‘Bildwort’, ‘Gleichnis’, ‘Parabel’ und ‘Beispielerzählung’” (in this volume).
Das Reich Gottes und seine performativen Abbildungen Gleichnisse, Parabeln und Bilder als Handlungsmodelle im Dokument Q Michael Labahn Ein Symbol und die Bilder – einführende Überlegungen zum Thema „Parabeln im Q-Dokument“ „Q“ ist ein Symbol – ein Zeichen oder ein Bild für einen Text, der in der neutestamentlichen Wissenschaft zu einer nicht unumstrittenen, aber doch etablierten Größe gehört.
(1) Das Symbol „Q“ bezeichnet im Rahmen der Zweiquellentheorie die zweite schriftliche Quelle von Matthäus und Lukas neben dem Markusevangelium.1 Das Symbol „Q“ steht dabei zunächst einmal genau für diesen Sachverhalt, nämlich dafür, eine rekonstruierte Quelle im Rahmen einer Theorie der synoptischen Frage zu sein. Es steht aber auch für mehr, nämlich für einen – durch Rekonstruktion und kritische Diskussion gewonnenen – Text.2 Diesem Text und Aspekten seiner Ethik soll das Interesse des folgenden Beitrages gelten. 1 Im Rahmen dieses Beitrages wird die Zweiquellentheorie als Arbeitshypothese vorausgesetzt; zu Geschichte, Begründung und Entfaltung muss an dieser Stelle der Hinweis auf die gängigen Einleitungen zum Neuen Testament genügen; exemplarisch sei genannt: U. Schnelle, Einleitung in das Neue Testament, UTB 1830, Göttingen 62007, 185–214, 198; zur „Logienquelle“ Q: a.a.O., 218–238. 2 Die entscheidende Textausgabe, die sich einem langen Diskussionsprozess verdankt, ist: J.M. Robinson / P. Hoffmann / J.S. Kloppenborg (Hgg.), The Critical Edition of Q. Synopsis Including the Gospels of Matthew and Luke, Mark and Thomas with English, German, and French Translations of Q and Thomas, Hermeneia. Supplement Series, Minneapolis, Minn. / Leuven 2000; vgl. die Handausgabe: Die Spruchquelle Q. Studienausgabe. Griechisch und Deutsch, hg.u. eingel. v. P. Hoffmann und Chr. Heil, Darmstadt / Leuven 2002. Zur Arbeit des Internationalen Q-Projekts und zu den Folgerungen vgl. Chr. Heil, Die Rekonstruktion des Internationalen Q-Projekts. Einführung in Methodik und Resultate, NT 43 (2001), 128–143. – Dass mit der Critical Edition of Q noch lange nicht jegliche Diskussion um die
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Die Veränderung der literarischen Klassifizierung von einer Logien-(= Sprüche-)Quelle hin zu einem Spruchevangelium in der Auslegungsgeschichte von Q3 zeichnet diese Entwicklung in der methodischen und hermeneutischen Wahrnehmung dieses Textes nach. Einige wenige Aspekte dieser Auslegungsgeschichte seien kurz rekapituliert. Ein klassisches und in manchen Vorstellungen noch immer präsentes Interpretationsmodell des Dokuments Q ist seine Beschreibung als frühchristliche „Schicht“4, die eine paränetische Ergänzung des urchristlichen Kerygmas darstellt.5 „Q“ ist in diesem Interpretationsmodell vor allem ein Quellentext, ein Text, der rekonstruiert wird, um einen anderen Text, genauerhin die Rezipienten dieses Textes besser zu verstehen; Q dient im Rahmen solcher Verwendung als Folie oder Metatext, dessen eigene Bedeutung als sekundär betrachtet wird. So wurde er in der vergangenen Forschungsgeschichte oft als „Ergänzung“ verstanden, die eine paränetische Funktion hat, aber neben etwas sachlich Wertvollerem steht, dem Kerygma. Seit Anwendung der redaktionsgeschichtlichen Methodik auch auf Q ist der eigenständige Beitrag dieser Schrift für das Verständnis des frühen Christentums sowohl in christologie- wie theologiegeschichtlicher Hinsicht wahrgenommen worden.6 „Q“ als sammelnder und bearbeitender Text ist nicht einfach mehr nur eine „Quelle“, sondern ein Text einer christRekonstruktion von Umfang und Text des Dokuments Q abgeschlossen ist, macht die Textausgabe deutlich, wird aber beständig zu betonen sein; vgl. hierzu auch M. Labahn, Rez. The Critical Edition of Q (s.o.), in: OLZ 97 (2002), 769–773. 3 Kurze Einführungen in die Forschungsgeschichte bieten z.B. F. Neirynck, Recent Developments in the Study of Q, in: ders., Evangelica. Gospel Studies. II : Collected Essays (1982–1991), hg.v. F. Van Segbroeck, BET hL 99, Leuven 1991, 409–464; R.A. Piper, In Quest of Q. The Direction of Q Studies, in: ders., The Gospel behind the Gospels. Current Studies on Q, NT .S 75, Leiden u.a. 1995, 1–18; J.M. Robinson, History of Q Research, in: The Critical Edition of Q (s. Anm. 2), xix–lxxi; s.a.J.S. Kloppenborg Verbin, Excavating Q. The History and Setting of the Sayings Gospel, Minneapolis 2000. 4 M. Dibelius, Die Formgeschichte des Evangeliums, hg.v. G. Bornkamm, Tübingen 61971, 236; vgl. im Rückgriff auf Erich Fascher (hierzu A. Jülicher / E. Fascher, Einleitung in das Neue Testament, GT hW III /1, Tübingen 71931, 348: „Q als einer wachsenden Schicht“) auch G. Bornkamm, Art. Evangelien, synoptische, RGG 3 II (1958) 753–766, 756. Dieses Modell wird in der neueren Forschung wieder durch Peter Stuhlmacher vertreten, der Q als „(schriftliche) Quellenschicht“ bezeichnet, die sich theologischer Auswertung eher verschließt (P. Stuhlmacher, Biblische Theologie des Neuen Testaments. II : Von der Paulusschule bis zur Johannesoffenbarung. Der Kanon und seine Auslegung, Göttingen 1999, 127 f.). 5 Jülicher / Fascher, Einleitung (s. Anm. 4), 339: Ergänzung des Evangeliums durch „eine Auswahl von Worten und Lehrreden des Herrn“. Gegenwärtig versteht auch H.W. Hollander, The Words of Jesus. From Oral Traditions to Written Record in Paul and Q, NT 42 (2000), 340–357, 350 f., Q als Ausdruck frühchristlichen Interesses an der Paränese. Er generalisiert noch weitergehend: „Hence, it does not seem to be too far-fetched to assume that the first oral and written early Christian traditions dealt with community rules …“. 6 Vgl. exemplarisch H.E. Tödt, Der Menschensohn in der synoptischen Überlieferung, Gütersloh 21963; D. Lührmann, Die Redaktion der Logienquelle, WMANT 33, NeukirchenVluyn 1969; P. Hoffmann, Studien zur Theologie der Logienquelle, NTA .NF 28, Münster 1972; A. Polag, Die Christologie der Logienquelle, WMANT 45, Neukirchen-Vluyn 1977. S.a. Darstellung und Kritik bei C.M. Tuckett, ‚Redaction Criticism‘ and Q, in: ders., Q and the History of Early Christianity. Studies on Q, Edinburgh 1996, 41–82.
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lichen Gruppe (oder gar ein literarisch in mehreren Schichten gewachsener Text7 christlicher Gruppen) oder Gemeinden mit eigenständiger Intention. Wenn in neuerer Zeit nunmehr das Symbol „Q“ durch die Bezeichnung „Spruchevangelium“ ausgezeichnet wird, so stellt dies eine noch weitergehende Aufwertung dieses Dokuments dar.8 Diesem Verständnis zufolge handelt es sich bei Q nicht, wie die ältere Forschung es nannte, um ein Halbevangelium,9 sondern um eine besondere Form des Evangeliums, eben das „Spruchevangelium“. Dass es auf der formalen Ebene besonders durch das Fehlen einer Passionsgeschichte gravierende Differenzen gibt, ist unbestritten. James Robinson, der den eher inhaltlich, denn gattungsgeschichtlich ausgerichteten Begriff prägte, verweist daher auf programmatische Textsignale: Q 7,22 in Verbindung mit 11,32 ( ), 6,47 ( ) und ein postuliertes incipit Q 3,[0], das mit Mk 1,1 vergleichbar sei. „Q“ ist in dieser Interpretation das Evangelium Jesu, das insbesondere in einzelnen Sprüchen durch dieses Dokument nicht unverändert, aber doch in besonderer Nähe zum Jesus der Geschichte bewahrt wurde.10 Auch wenn der Begriff „Spruchevangelium“ gattungsgeschichtlich anhand der formalen Differenzen zu den synoptischen Evangelien wie auch inhaltlich angesichts des eher marginal verwendeten Semens . etwas irreleitend ist, bereitet er einer größeren Gewichtung von Q in der Forschung den Weg. „Q“ ist angesichts dieser Forschungsgeschichte zu einem geprägten und inhaltsschweren Symbol in der neutestamentlichen Exegese geworden, das nicht mehr auf seine ursprüngliche Bedeutung als Quelle allein bezogen werden kann, sondern als eigenständige literarische Größe in der frühchristlichen Literatur zu betrachten ist. (2) In diesem Sinne wird das Symbol „Q“ in den folgenden Analysen verwendet und danach gefragt, welchen Beitrag die hierdurch repräsentierte Schrift 7 Zur Literarkritik von Q vgl. Schnelle, Einleitung in das Neue Testament (s. Anm. 1), 226–229. Eine herausragende Stellung in der gegenwärtigen Forschung nimmt J.S. Kloppenborg, The Formation of Q. Trajectories in Ancient Wisdom Collections, Studies in Antiquity and Christianity, Harrisburg, Pa. 1999, mit der Unterscheidung dreier Schichten ein, der aber gegenwärtig zunehmende Skepsis zuteil wird. 8 So schreibt R.A. Horsley, in: R.A. Horsley / J.A. Draper, Whoever Hears You Hears Me. Prophets, Performance and Tradition in Q, Harrisburg, Pa. 1999, 2, die gesteigerte Beachtung von Q auch in nichtwissenschaftlichen Kreisen besonders seiner Bezeichnung als Spruchevangelium zu. 9 S. hierzu auch Schnelle, Einleitung in das Neue Testament (s. Anm. 1), 230, der seinerseits dem eigenständigen literaturgeschichtlichen Charakter unter Anerkennung seiner narrativen Elemente nunmehr die Bezeichnung „Protoevangelium“ zuschreibt (a.a.O., 231 f.). 10 Vgl. zum dargestellten Modell die folgenden Beiträge z.B. J. M. Robinson, The Incipit of the Sayings Gospel Q, RHP hR 75 (1995), 9–33, 32 f.; ders., The Sayings Gospel Q, in: F. van Segbroeck / C.M. Tuckett / G. van Belle / J. Verheyden (Hgg.), The Four Gospels 1992 (FS F. Neirynck), BET hL 100, Leuven 1992, 361–388, 370 ff.; ders., Der wahre Jesus? Der historische Jesus im Spruchevangelium Q, Protokolle zur Bibel 6 (1997), 1–14, 3; ders., The Real Jesus of the Sayings Gospel Q, in: ders., Jesus according to the Earliest Witness, Minneapolis 2007, 65–80.
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zur ethischen Orientierung ihrer Adressaten11 leistet. Zwar ist die Frage zu stellen, ob in frühchristlichen Schriften Ethik als Theorie des menschlichen Handelns und der Lebensführung entwickelt wird,12 sachlich ist dieser Fragehorizont jedoch erfüllt, wenn unter „Thema und Gegenstand der Ethik“ verstanden wird, dass der „Mensch … als Subjekt der Lebensführung“ für sich verantwortlich ist.13 Mit dem Begriff der ethischen Orientierung geht diese Studie der Frage nach, wie der Text Q seine Adressaten als verantwortliche Subjekte ihrer Lebensgestaltung durch die Parabeln anspricht und auf diese Ausformung Einfluss zu nehmen sucht. Dieser Beitrag nimmt damit bewusst ältere Impulse, die das Werk vor allem paränetisch interpretierten, auf, setzt aber mit dem Verständnis von Q als eigenständigem Dokument eigene Akzente. Er konzentriert sich zudem auf die besondere Textsorte der Gleichnisse bzw. Parabeln, also kurze Erzählungen, die einen Sachverhalt im Dienst der Rhetorik und Argumentation in bildhafte Sprache wandeln und das Bild sachadäquat werden lassen. Als rhetorische Texte14 zielen sie auf Adressaten, die sich zu den vermittelten Sachverhalten zu verhalten haben, und bieten die Möglichkeit, die Gegenwart zu erschließen. (3) Rezeption und Interpretation sind es, die die Textgestalt von Q ausmachen. So ist dieser Text auch dort, wo er sprachlich und sachlich der Verkündigung Jesu nahe kommt, nämlich in der Bildersprache Jesu, Verkündigung vom Reich Gottes, nicht eine „Kopie“ dieser Predigt, sondern Ausdruck eines eigenen durch den Kontext von Q bestimmten Sinnkosmos. Der Hinweis auf die Parabeln wird zeigen, dass Q nicht einfach eine Spruchsammlung ist, sondern in seiner Textlichkeit den Anspruch einer als kohärent zu lesenden Schrift entwickelt. Die vorliegende Studie beschäftigt sich daher mit der Textgestalt, die sich aufgrund der literarkritischen Analyse aus Matthäus und Lukas erschließen lässt, und zwar unter Verwendung von The 11 Der Begriff „Adressaten“ bezieht sich zunächst auf die durch den Text konstruierten Leser als Ziel seiner Pragmatik und die von ihm konstruierte Identität. Es ist jedoch vorauszusetzen, dass der Text Teil einer Kommunikationssituation ist, die auf Leser und Leserinnen außerhalb des Textes zielt und diese in seiner Konstruktion mit der Absicht gelungener Kommunikation reflektiert. 12 Vgl. die kritische Reflexion dieser Frage bei U. Schnelle, Johanneische Ethik, in: C. Böttrich (Hg.), Eschatologie und Ethik im frühen Christentum (FS G. Haufe), GT hF 11, Frankfurt a.M. 2006, 309–327, 309 f. 13 T. Rendtorff, Ethik. Grundelemente, Methodologie und Konkretionen einer ethischen Theologie, ThW 13,1, Stuttgart u.a. 21990, 9. 14 Vgl. hierzu z.B. R. Zimmermann, Urchristliche Parabeln im Horizont der antiken Rhetorik. Der Beitrag von Aristoteles und Quintilian zur Formbestimmung der Gleichnisse, in: L. Hauser / F.R. Prostmeier (Hgg.), Jesus als Bote des Heils. Heilsverkündigung und Heilserfahrung in frühchristlicher Zeit. Detlev Dormeyer zum 65. Geburtstag, SBB 60, Stuttgart 2008, 201–225; zum rhetorischen Charakter der Parabeln s. auch E. Rau, Reden in Vollmacht. Hintergrund, Form und Anliegen der Gleichnisse Jesu, FRLANT 149, Göttingen 1990, 18 ff.
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Critical Edition of Q als jeweils kritisch geprüfter Textbasis.15 Dass auf dem Verbreitungsweg der Manuskripte von Q möglicherweise noch einzelne, im Sondergut von Matthäus oder Lukas zu findende Texte eingefügt wurden (QM t oder QL k),16 ist eine beachtenswerte Überlegung, führt aber zur Analyse einer anderen Textbasis (von QM t oder von QL k), die in diesem Beitrag nicht unternommen wird. Die Betonung der Textlichkeit17 von Q bedeutet in diesem Beitrag nicht, dass eine mündliche oder schriftliche Vorgeschichte der in Q tradierten Texte oder gar Entwicklungen, Neuinterpretationen oder situative Adaptionen in ihnen bestritten werden, sondern dass aufgrund der gewählten Fragestellung die analysierten Texte in ihrem „literarischen“ Kontext zum Sprechen gebracht18 und so als Teil des Dokuments und seiner Sinnbildung verstanden werden. Daher wird weitgehend auf eine Rekonstruktion einer literarischen Vorgeschichte der Gleichnisse und Parabeln bzw. ihrer traditionsgeschichtlichen Dekomposition verzichtet. Gerade im Blick auf Bilderwelten ist die Netzwerkbildung bzw. die Kontextualität innerhalb eines Textes eine hermeneutisch beachtliche Setzung, die zum Verstehen dieser Bilder anleitet.19 (4) Zwar mag die Zahl der Gleichnisse und Parabeln sowie die Klassifizierung der einzelnen Formen in den unterschiedlichen Analysen variieren,20 doch findet sich ohne Zweifel im Dokument Q eine Anzahl an Miniaturerzählungen, die in beachtlicher Weise am Porträt des verkündigenden Jesus zur Illustration seiner Botschaft und vor allem zur Orientierung und Unterweisung seiner textinternen Jünger beitragen. Die folgenden Bemerkungen
15 Abweichende Urteile oder Probleme der Rekonstruktion werden nur dort, wo es sachlich notwendig ist, angezeigt. 16 Hierzu kurz Schnelle, Einleitung in das Neue Testament (s. Anm. 1), 197. 17 Zum Problem des Begriffs „Text“ und seines Deutungsspektrums vgl. die Sammlung O. Wischmeyer / E.-M. Becker (Hgg.), Was ist ein Text?, NET 1, Tübingen / Basel 2001. 18 Auch wenn von einer frühchristlichen Schrift wie dem Johannesevangelium bewährte Ergebnisse keineswegs direkt auf ein anderes auch formkritisch differentes Werk übertragen werden können, so haben die Beobachtungen zur ethischen Orientierungsleistung von Bildern von J.G. van der Watt, Ethics Alive in Imagery, in: J. Frey / J.G. van der Watt / R. Zimmermann (Hgg.), Imagery in the Gospel of John. Terms, Forms, Themes, and Theology of Johannine Figurative Language, WUNT 200, Tübingen 2006, 421–448, 447: „Images are networked “, auch für das Dokument Q Berechtigung. 19 Vgl. z.B. R. Zimmermann, Metaphoric Networks as Hermeneutic Keys in the Gospel of John. Using the Example of the Mission Imagery, in: G. Van Belle / M. Labahn / P. Maritz (Hgg.), Repetitions and Variations in the Fourth Gospel, BET hL , Leuven 2008 (in Vorbereitung). 20 Zu den Gleichnissen in Q vgl. bes. Chr. Heil, Beobachtungen zur theologischen Dimension der Gleichnisrede Jesu in Q, in: A. Lindemann (Hg.), The Sayings Source Q and the Historical Jesus, BET hL 158, Leuven 2001, 649–659; J.S. Kloppenborg, Jesus and the Parables of Jesus in Q, in: R.A. Piper (Hg.), The Gospel Behind the Gospels. Current Studies on Q, NT .S 75, Leiden u.a. 1995, 275–319; Rau, Reden in Vollmacht (s. Anm. 14), 107–171.
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orientieren sich an der Aufstellung von Gabi Kern,21 wobei es um exemplarische Überlegungen anhand der jeweils vorgestellten Texte geht, und an der breiten Definition einer „Parabel“ im „Kompendium der Gleichnisse Jesu“.22 Im Fokus der Studie liegt die Frage nach einer narrativen Ethik:23 Wie entwickeln Parabeln und ihre Kurzgeschichten ethische Orientierungsleistung und wie ordnen sich die Orientierungsleistung von Jesus als Gleichniserzähler in Q und die Rezeption der Gottesreichsverkündigung dieses Dokuments zu? Dass erzählte Bilder eine tiefgreifende Wirkung haben, hat Hugh C. White anhand seiner Analyse der Performativität der Metaphern herausgearbeitet: Because the catachrestical and comparative metaphors operate on such a fundamental level of intersubjectivity, and often bring to light new understanding, they affect life more profoundly and pervasively than the conventional performatives. It is in this cauldron of figurative language that the new emotion-laden perceptions arise that produce philosophy, religion, and the values that undergird the social order with their more particularized conventions.24
Die Präsentation der Texte greift auf eine narrative Methodik zurück25 und versteht die erzählten Bildergeschichten als Handlungsmodelle aufgrund positiver oder negativer Exempel. Die sprachliche Präsentation kommt dieser These zufolge in der die Geschichte quasi ausführenden bzw. anwendenden Handlung der Adressaten zum Ziel, was in diesem Beitrag mit dem Begriff „performativ“ umrissen wird: Der erzählten Bildhandlung entspricht die intendierte Handlung der Adressaten.26 21 G. Kern, Parabeln in der Logienquelle Q, in: R. Zimmermann u.a. (Hgg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu, Gütersloh 2007, 49–60, 59 f. 22 Zur Diskussion um die formgeschichtliche Bestimmung der Gleichnisse in Q vgl. Heil, Beobachtungen (s. Anm. 20), 650–652, in Auseinandersetzung mit Kloppenborg, Jesus and the Parables of Jesus in Q (s. Anm. 20), 285–287. 23 Vgl. hierzu M. Labahn, Der Weg eines Namenlosen – Vom Hilflosen zum Vorbild (Joh 9): Ansätze zu einer narrativen Ethik der sozialen Verantwortung im vierten Evangelium, in: R. Gebauer / M. Meiser (Hgg.), Die bleibende Gegenwart des Evangeliums (FS O. Merk), MT hSt 76, Marburg 2003, 63–80, bes. 63–65; s. auch Schnelle, Johanneische Ethik (s. Anm. 12), 322–325; auch die Überlegungen von van der Watt, Ethics Alive in Imagery (s. Anm. 18), zum ethischen Beitrag von Bildern sind in diesem Sachkontext zu beachten. 24 H.C. White, Metaphor as Performative, in: G.A. Phillips / N. Wilkinson Duran (Hgg.), Reading Communities Reading Scripture (FS D. Patte), Harrisburg 2002, 66–87, 83. 25 Zur Methodik vgl. z.B. W. Egger, Methodenlehre zum Neuen Testament. Einführung in linguistische und historisch-kritische Methoden, Freiburg, Br. u.a. 31993, 119 ff.; M.A. Powell, What is Narrative Criticism?, Guides to Biblical Scholarship. New Testament Series, Minneapolis 1990; J.L. Resseguie, Narrative Criticims of the New Testament. An Introduction, Grand Rapids 2005. 26 Vgl. die Beschreibung performativer Sprache bei J.L. Austin, How to Do Things with Words, Cambridge, Mass. 1975, 6: „to utter the performative sentence (in, of course, the appropriate circumstances) is not to describe my doing of what I should be said in so uttering to be doing or to state that I am doing it: it is to do it“.
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1. Jesus, der Lehrer in Bildern, und seine Bedeutung für die Handlungsorientierung in Q Fragt man nach der Darstellung Jesu im Dokument Q, so ist er nach seiner Taufe (Q27 3,21 f.) und der Bewährung durch seinen Gehorsam als Gottes Sohn (Q 4,1–13)28 vor allem ein Redner und Lehrer. Seine Unterweisungen, Auseinandersetzungen, Seligpreisungen, Drohungen und Verurteilungen sind rhetorisch ausgestaltet durch die Verwendung von Bildern, die kurze Geschichten und Sachverhalte zur Illustration seiner Argumentation erzählen. Diese Bilder schaffen ein Klima der Übereinstimmung, fordern bisweilen verstörend zu Stellungnahmen und Akzeptanz heraus: Kurz, auch nach dem Porträt in Q ist Jesus ein Prediger in Bildgeschichten, der durch diese Kurzerzählungen Wirkung und Veränderung bei den Adressaten zu erzeugen sucht. Diese Präsentation des Bilderpredigers Jesu ist auch Reflexion, insofern der erinnerte Jesus in veränderter Situation Verkündiger von Gleichnissen bleibt, aber die Bilder auf die neue Situation hin appliziert werden. Zugleich wird Jesus, wie im Folgenden zu zeigen ist, in seinen Worten zur Autorität, auf die hin die Gleichnisse und Parabeln erzählt werden. Seine Worte sind der Metatext, auf dem die religiöse und ethische Orientierungsleistung der Gleichnisse und Parabeln in Q als Handlungsmodelle ihre inhaltliche Ausrichtung erhalten. Diese Autorität Jesu und die Grundorientierung auf seine Worte werden frühzeitig und programmatisch in Q festgestellt. Am Ende der ersten großen Rede, die Jesus in Q an seine Jünger richtet (Q 6,20–49), schärft der Sprecher seine Zusagen und Unterweisungen mit zwei Bildern ein: dem vom fruchtbringenden Baum (Q 6,43–45) und dem vom Hausbau (Q 6,47–49). Beide Bilder werden durch das Wort über das Kyrios-Bekenntnis verbunden (Q 6,46: „Was nennt ihr mich: Herr, Herr, und tut nicht, was ich sage [ ]?“29) und bilden eine Einheit; dem Bekenntnis zu Jesus als dem Kyrios hat das zu entsprechen; so erweist man sich als gut (ĺ 6,43 ff.) und hat im eschatologischen Gericht Bestand (ĺ 6,47 ff.). Mit den Stichworten und verbinden sich beide Bildfelder mit der Täuferpredigt (vgl. 3,8 [ 27 Wie es in der Forschung inzwischen weitgehend üblich geworden ist, verwendet diese Studie für die Referenz auf den rekonstruierten Q-Text das Sigel Q mit der bei Lukas zu findenden Kapitel- und Verszählung; damit ist keine Entscheidung über die jeweilige Textrekonstruktion bzw. über die Textakoluthie in Q impliziert. 28 Vgl. M. Labahn, Der Gottessohn, die Versuchung und das Kreuz: Überlegungen zum Jesusporträt der Versuchungsgeschichte in Q 4,1–13, ET hL 80 (2004), 402–422. Zur Einbeziehung der Taufe in den rekonstruierten Text von Q vgl. a.a.O., 406. 29 Alle deutschsprachigen Zitate sind um der leichteren Nachvollziehbarkeit willen der Handausgabe von Hoffmann / Heil, Die Spruchquelle Q (s. Anm. 2), entnommen.
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]. 9 [ 30]),
die von den Adressaten seiner Taufe fordert: (Q 3,8). Durch die Wiederaufnahme dieser Stichworte werden die Jünger Jesu als die, die das Kyriosbekenntnis zu Jesus sprechen und nach seinen Worten handeln, zu dem Personenkreis, der die Täuferforderung realisiert, und zu Menschen der Umkehr, die damit seine Gerichtspredigt nicht trifft. Die Qualität eines Baumes, so argumentiert in weisheitlichem Denken Q 6,43, erkennt man an seinen Früchten. Das entscheidende Stich- und Identifikationswort ist „gut“ ( ). Zwischen Tun (mit Q 6,46–49; s.a. 3,8) und Täter besteht eine Einheit. Die Pragmatik zielt nicht auf das Urteil über den Baum oder unbildlich über den Täter, sondern handlungsorientiert darauf, sich durch das eigene Handeln als gut zu erweisen: „Der gute Mensch holt aus seinem Schatz31 Gutes hervor ( … )“. Q 6,47–49 erzählt zwei parallel aufgebaute Geschichten von einem angesichts eines stürmischen Unwetters erfolgreichen und einem misslungenen Hausbau; die parallele Grundstruktur stellt die Einheit zwischen den beiden Kurzgeschichten heraus, unterstreicht aber zugleich die Differenzen zwischen Bild (Baugrund – Effekt) und Sachebene (Täter – Nicht-Täter). Erfolg und Misserfolg begründen sich im jeweils gewählten Fundament: (V. 48) oder (V. 49). Durch die Wendung wird der Bezug zwischen den Gesamtgeschichten und zwei Handlungsmodellen herausgestellt; die Kurzgeschichte vom erfolgreichen, Bestand garantierenden Hausbau steht für das Hören der Worte Jesu und dem entsprechenden Handeln, die zweite für das Hören und das Nicht-Handeln. Der Erfolg lädt zur Imitation ein, der Misserfolg hingegen warnt vor dem Nicht-Tun. Wenn allerdings am Ende der ‚mächtige Einsturz‘32 vermerkt wird, so ist dies mehr als eine allgemeine Warnung, sondern es ist ein drohendes, ein eschatologisches Gerichtsmoment mitzuhören.33 30 Die in der Täuferpredigt verwendete Gerichtsmetapher des Verbrennens im Feuer bleibt als Sanktion auch bei der Mahnung zum Fruchtbringen durch Jesus gültig; es findet sich in Q keine Korrektur, sondern in den Q-Parabeln wird dieses Themenfeld aufgenommen und variiert. 31 Hoffmann / Heil, Die Spruchquelle Q (s. Anm. 2), 45, übersetzen „Vorrat“; dies entspricht der Erntemotivik des weisheitlichen Bildes. Der Begriff drückt aber zumeist einen außergewöhnlichen Wert aus (vgl. D. Zeller, Art. ., ENWT 2 II [1992], 369–375, bes. 371 und 373 f. zu Q 6,43 ff.: „durch die Übung des Guten [wird; M.L.] in der Seele ein Schatz des gespeichert“). 32 Die Entscheidung zwischen dem mt (Mt 7,27) und dem lk (Lk 6,29) ist kaum möglich, allerdings besteht sachlich zwischen beiden Aussagen keine gravierende Differenz 33 Vgl. z.B. W.D. Davies / D.C. Allison, The Gospel According to Saint Matthew. I: Commentary on Matthew I –VII , ICC , London 1988, 724: „The house symbolizing a person, has collapsed in condemnation, and its ruin is total“ (Hervorhebung M.L.).
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Wenn die erste Rede Jesu, die an seine Jünger gerichtet ist, mit den beiden programmatischen und anwendungsorientierten Einheiten, Q 6,43–45.46. 47–49, abschließt, so ist hiermit in Q das entscheidende Fundament gelegt, wie sich die Jesusnachfolger verhalten sollen. Inhaltlich sind es die Worte Jesu, zunächst die in 6,20 b ff. aufgezeichneten, aber letztlich die Gesamtbotschaft von Q, die seine Nachfolger umzusetzen haben. Die offenen Bilder und Geschichten, die zu verantwortetem und radikalem Ausharren bis zum Wieder-Kommen des Menschensohnes auffordern, sind in dieser Perspektive zu lesen; sie erinnern zurück an die Mahnung, in Entsprechung zur Botschaft Jesu Frucht zu bringen und sich beständig an die Worte Jesu zu halten. Die Worte Jesu sind ein Metatext oder, bildlich gesprochen, die Leinwand, auf die die Bilder als Handlungsmodelle in Q aufgetragen werden. Der in den Parabeln immer wieder angedeutete eschatologische Horizont nimmt die Gerichtsbotschaft des Täufers auf, wobei zu beachten ist, dass das erste Wort Jesu an seine Jünger der Heilszuspruch Jesu in den Seligpreisungen ist (6,20 b–23; dazu s.u. Abschn. 2).
2. Abbildungen des Gottesreiches und ihre Rolle als Begründung für die Orientierung der Jesusnachfolger Zu den klassischen Gottesreichsgleichnissen, die in Q überliefert sind, gehören: Q 13,18 f.: das Senfkorn; 13,20 f.: der Sauerteig; der Verkündigung des Gottesreiches sind beispielsweise auch zuzuordnen: Q 12,42 ff.: das Gleichnis vom treuen und treulosen Knecht; 14,16 ff.: das Gleichnis vom Gastmahl. Es stellt sich die Frage, wie dieses Bildmaterial und die damit verbundene Einladung und Inszenierung des Reiches in Q aufgenommen und kontextualisiert wird. Kontinuität und Wandel der das Reich präsent machenden Erzählungen zeigt in besonders deutlicher Weise ein Gleichnis über einen „unmoralischen Helden“34, das Gleichnis vom Dieb in der Nacht (12,39 f.). Ein älterer plot ist im gegenwärtigen Erzählmodell überlagert, der die Unabwendbarkeit des Einbruchs berichtet, da sein Termin nicht vorhersehbar ist ( bezeichnet einen längeren Zeitraum) – der Dieb kommt zum Erfolg und darin bildet sich die unabänderliche Durchsetzung des Reiches ab. Die Anstößigkeit des Antihelden als Helden35 wird durch die Einführung eines neuen plots, der 34 Zum Titel und zu Q 12,39 f. vgl. T. Schramm / K. Löwenstein, Unmoralische Helden. Anstößige Gleichnisse Jesu, Göttingen 1986, 50–53; s. auch M. Labahn, Achtung Menschensohn! (Vom Dieb) – Q 12,39 f., in: Zimmermann u.a. (Hgg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu (s. Anm. 21), 154–160. 35 Der Dieb bildet im plot das Gottesreich ab – die Provokation ist ein Appell zu zustimmender Stellungnahme durch einen allgemein zu beobachtenden Sachverhalt.
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durch Ergänzung einer weiteren Figur, dem Menschensohn, erzeugt wird, genommen. Die neue Pointe wird durch eine ausdrückliche Anwendung herausgestellt: Es geht um die Stunde des Menschensohnes, die wie die Stunde des Einbruchs unbekannt ist. Da dieser Zeitpunkt ( ) nicht bekannt ist, hilft – eine schlagende Logik – nur die beständige Wachsamkeit, als ob es diese Stunde bereits wäre. Aus einer provozierenden, zum Bedenken des eigenen Verhältnisses zu diesem Reich aufrufenden Erzählung ist ein nicht minder verstörendes Wort über das Verhalten in der Erwartung des kommenden Menschensohnes geworden. Die mit Q 12,22 b–31 eindrücklich ergangene Aufforderung zum Suchen des Reiches (V. 31: „Sucht hingegen seine Königsherrschaft“ [ ]) bekommt durch die im Q-Text folgende Parabel einen Co-Text, der das beständige Suchen in den Horizont des Tages des Menschensohnes stellt (s.a. die Fortsetzung der Textakoluthie in Q: 12,42 ff.: vom treuen und treulosen Knecht – auch hier werden Treue und Beständigkeit eingeschärft). Aus dieser Beobachtung an einem Einzelbeispiel lässt sich folgender Vorschlag deduzieren: Weniger die Darstellung des Präsent-Werdens des Gottesreiches im Verkündigungswirken Jesu denn eine neue Dimension seiner Aneignung leitet die Rezeption der Gottesreichsgleichnisse in Q. Es geht um das aktive und verantwortlich-gestaltete Ausharren (vgl. Abschn. 3) in der Erwartung des Öffentlichwerdens des Reiches am Tag des Menschensohnes (so Q 17,23–37). Aber auch die Dimensionen des Wachsens und des SichDurchsetzens des Reiches werden in den Bildern und Erzählungen von Q bewahrt und adaptiert. Das Gottesreich ist in der Bilderwelt Jesu als unaufhaltsam vorgestellt; es bricht sich bereits in Jesu Handeln und seiner Verkündigung raumgreifend Bahn und wird sich so schließlich vollends durchsetzen.36 Analog illustrieren das Gottesreich in Q das Senfkorn- und das Sauerteiggleichnis (Q 13,18 f.20 f.). Die erzählten Geschichten vom Wachsen eines Senfkorns zum Baum, in dessen Geäst Vögel Schutz finden, und vom Durchsäuern eines Teigs durch Sauerteig beschreiben mit Begebenheiten aus dem ruralen Alltagsleben die Effektivität bisweilen kleiner37 Ursachen. Die Durchsetzungskraft des Reichs ist auch für Q angesichts der Konflikte seiner Adressaten (vgl. 6,22.28; 12,4.11 f.; s.a. 11,15: Konflikt um Jesus) und der Erfahrung von Ablehnung (vgl. Q 10,10 f.; 11,32; s.a. Q 10,13–15; 13,34 jeweils mit der Zentralfigur Jesus verbunden) ein entscheidendes Moment.
36 Vgl. z.B. H. Weder, Gegenwart und Gottesherrschaft. Überlegungen zum Zeitverständnis bei Jesus und im frühen Christentum, BT hSt 20, Neukirchen-Vluyn 1993, 24 ff.; s. auch M. Pfeiffer, Einweisung in das neue Sein. Neutestamentliche Erwägungen zur Grundlegung der Ethik, BE vTh 119, Gütersloh 2001, 65 ff. 37 Zum Kontrastmotiv z.B. Rau, Reden in Vollmacht (s. Anm. 14), 118.
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Platziert Q vor die Gleichnisse vom Senfkorn und Sauerteig die Aufforderung zu außergerichtlicher Einigung (Q 12,58 f.), so schärfen die Gottesreichsgleichnisse gegenüber den Nachfolgewilligen die Konzentration auf die verantwortliche Haltung gerade angesichts des sich durchsetzenden Reiches ein. Es gibt nicht die Möglichkeit, Zeit und Engagement auf etwas anderes als das Gottesreich zu richten, da die mangelnde Konzentration in das Gericht führen würde.38 Das Gleichnis vom Gastmahl (Q 14,16 ff.), zu dessen Rekonstruktion, Überlieferung und Stellung in Q sich viele Fragen stellen,39 dürfte trotz aller Ungewissheiten als ein Teil von Q zu betrachten sein.40 Unabhängig von den Details seiner Rekonstruktion berichtet es von der Ablehnung der Einladung durch die ursprünglich Eingeladenen zugunsten aller, die vom als Boten ausgesandten Sklaven gefunden werden. Das Gleichnis begründet die Ausrichtung der Botschaft vom Gottesreich an die religiös und sozial Marginalisierten.41 In der Reichgotteskonstruktion durch Q werden die Adressaten des Dokuments mit den auf den Wegen Gefundenen identifiziert. So ist auch das Gleichnis vom verlorenen Schaf (15,4–5 a.7) in Hinblick auf die Adressaten und die Konstruktion ihrer Identität zu lesen. Der Bezug auf die Adressaten ergibt sich im literarischen Kontext des Gleichnisses vom verlorenen42 Schaf dadurch, dass Q 15,4–5 a.7 darüber Auskunft gibt, wer die „Kleinen“ ( ) sind, die vor den Verführern geschützt werden (Q 17,1 f.). Es sind die, die gesucht und gefunden wurden. Sind die Adressaten in Q die Gefundenen, so sind sie auch die, über die im Himmel Freude herrscht (V. 7).43 Als Gefundene markieren die Adressaten zugleich einen 38
Vgl. hierzu unten S. 274. Vgl. z.B. Chr. Münch, Die Gleichnisse Jesu im Matthäusevangelium. Eine Studie zu ihrer Form und Funktion, WMANT 104, Neukirchen-Vluyn 2004, 241. 40 Zu diesem Urteil vgl. z.B. R. Hoppe, Das Gastmahlgleichnis Jesu (Mt 22,1–10/Lk 14,16–24) und seine vorevangelische Traditionsgeschichte, in: ders. / U. Busse (Hgg.), Von Jesus zum Christus. Christologische Studien (FS P. Hoffmann), BZNW 93, Berlin / New York 1998, 277–293, 277 ff.; Th. Söding, Das Gleichnis vom Festmahl (Lk 14,16–24 par Mt 22,1–10). Zur ekklesiologischen Dimension der Reich-Gottes-Verkündigung Jesu, in: R. Kampling / Th. Söding (Hgg.), Ekklesiologie des Neuen Testaments (FS K. Kertelge), Freiburg, Br. u.a. 1996, 56–84, 61, jeweils mit weiterer Lit.; eine Übersicht über die verschiedenen Bewertungen bietet J.S. Kloppenborg, Q Parallels. Synopsis, Critical Notes & Concordance, Foundation & Facets Reference Series, Sonoma 1988, 166. 41 Chr. Heil, Lukas und Q. Studien zur lukanischen Redaktion des Spruchevangeliums Q, BZNW 111, Berlin / New York 2003, 92; anders H. Weder, Die Gleichnisse Jesu als Metaphern. Traditions- und redaktionsgeschichtliche Analysen und Interpretationen, FRLANT 120, Göttingen 31984, 189, der auf „zwei Seiten im Hörer selbst“ verweist und die Parabel als Mittel begreift, den Widerstand gegen die Einladung aufzuheben. 42 Mit der Critical Edition of Q (s. Anm. 2) wird an für Q festgehalten, so dass ich weiterhin vom verlorenen Schaf spreche; anders z.B. Heil, Lukas und Q (s. Anm. 41), 153. 43 H.T. Fleddermann, Q. A Reconstruction and Commentary, Biblical Tools and Studies 1, Leuven 2005, 771 f., konstruiert das Ende im Sinne der narrativen Strategie, besonders dem Suchen (V. 4), der Parabel: „Thus there will be joy in heaven over one who is found“ (a.a.O., 775). Allerdings entspricht das „Finden“ zwar dem Suchen, hat aber in den Abschlussformu39
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Personenkreis, der zum Heil berufen ist;44 er ist darin transparent für den Selbstanspruch der Q-Gruppe. Wie das Gleichnis vom verlorenen Schaf so trägt auch die Nacherzählung des Gleichnisses vom Gastmahl in Q zur Konstruktion der Identität der Adressaten45 bei. Die Analyse des Kontexts von Q 14,16 ff. macht deutlich, dass diese Konstruktion in Auseinandersetzung mit Außenstehenden stattfindet und zugleich eine Öffnung der gestalteten Grenzen beinhaltet. Es wird gewissermaßen eine innertextliche soziale Geographie entworfen,46 die der Orientierung der Adressaten, ihrer Identität, aber auch ihres Handelns dient. Q 13,34 f. berichtet von zahlreichen erfolglosen Versuchen des Sprechers, die Bewohner Jerusalems zur Gemeinde zu versammeln ( [V. 34]), und vom vorläufigen Ende dieses Bemühens; ohne das Gastmahlgleichnis durch eine kontextuelle Lektüre allegorisieren zu wollen, hat das erfolglose Einladen durch den Sklaven (14,17 ff.) eine erzählerische Entsprechung im erfolglosen Sammlungsversuch der Jerusalemer, so dass die Jerusalemer eine mögliche intratextuelle Identifikationsgröße für die, die die Einladung ablehnen und den Q-Adressaten gegenüber stehen, darstellen. Ähnliches gilt für die, die als Täter der nicht durch die enge Pforte gelangen (13,24–27). Ihnen wurde erfolglos die Jesusbotschaft ausgerichtet, ohne dass sie zu Tätern wurden.47 Stattdessen kommen die Vielen von Osten und Westen (Q 13,29.28), wiederum in Abgrenzung zu einem sich der Jesusbotschaft verweigernden „ihr“ („ihr [ ] aber werdet in die äußerste Finsternis hinausgeworfen werden“; V. 28). In diesem Kontext ist weniger wahrscheinlich, dass an die eschatologische Sammlung Israels aus allen Völkern gedacht ist, vielmehr ist ein Nachdenken über das Schicksal der Heiden zu erkennen, die damit auch zu denen, die auf dem Wege gefunden werden (14,23), hinzugerechnet werden können.48 Die intratextuelle Abgrenlierungen der Seitenreferenten, die jeweils redaktionell bearbeitet sind, keinen Beleg und ist daher als Konjektur zu werten. 44 Fleddermann, Q. A Reconstruction and Commentary (s. Anm. 43), 772: „The verb ‚to find‘ stands as a metaphor for ‚to save‘ througout the parable“. A.a.O., 777, interpretiert Fleddermann die Parabel vor allem christologisch und arbeitet im Rahmen einer anders rekonstruierten Textakoluthie eine andere Pragmatik heraus; es ist der Appell an die Adressaten, in die Freude über das Gefundene einzustimmen, und damit auch die Aufforderung zur Teilnahme am Suchen als missionarischer Anspruch. Dieser Anspruch ist auch im Rahmen einer auf die Identitätskonstruktion zielenden Interpretation nicht zu bestreiten (vgl. hierzu nur Q 10,2), allerdings eher eine Schlussfolgerung aus der entsprechenden Aneignung, jedoch kein Gegensatz. 45 Zum Zusammenhang zwischen Erzählen und Identitätsbildung vgl. kurz Schnelle, Johanneische Ethik (s. Anm. 12), 312 f., sowie den Sammelband J. Straub (Hg.), Erzählung, Identität und historisches Bewußtsein. Die psychologische Konstruktion von Zeit und Geschichte, stw 1402, Frankfurt a.M. 1998. 46 Zum Modell einer sozialen Symbolwelt vgl. R. Gehlen, Welt und Ordnung. Zur soziostrukturellen Dimension von Raum in frühen Gesellschaften, RWR 8, Marburg 1995. 47 S. hierzu unten S. 274 f. 48 Heil, Lukas und Q (s. Anm. 41), 92, sieht in 14,23 die Heiden im Blick, aber „nicht im Zentrum der Aussage“. Für A. Vögtle, Die Einladung zum großen Gastmahl und zum
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zung erfolgt gegen die Sich-Verweigernden in Israel und entwickelt gleichzeitig eine Offenheit hin zu den Heiden. Abgrenzung und Öffnung dürften durchaus in der extratextuellen Welt, die den Kommunikationsrahmen des Dokuments bildet, ihre sachliche Entsprechung haben. Die wichtige Dimension der Unberechenbarkeit der Zeit fügt das Wort vom Mitgenommen- und Zurückgelassen-Werden (Q 17,34 f.) in die Aussagen zum Gottesreich ein. Ganz in den Kontext konservativ-ruraler Geschlechterverteilung hinein erzählt, mag es ursprünglich wohl die Macht und Unkontrollierbarkeit des raumgreifenden Gottesreiches beschreiben49 und die Adressaten vor die Alternative stellen, auf welcher Seite sie sich selbst sehen. Im Kontext der Aussagen über den erwarteten Tag des Menschensohns in Q (17,23–37) rauben die beiden Parallelerzählungen über die zwei Männer und die zwei Frauen die Sicherheit der Adressaten;50 die Plötzlichkeit, Universalität und Unberechenbarkeit des Tages des Menschensohns fordern stetige Bereitschaft, um in der Alternative zwischen Heil und Gericht auf der Seite des Heils zu stehen. Kurz zusammengefasst: Die Gleichnisse über das Gottesreich konstruieren die Identität der Q-Gruppe in Abgrenzung und Öffnung mit, wobei der literarische Kontext als Geographie der konstruierten Grenzen und Grenzüberschreitungen dient. Die Gleichnisse ordnen im literarischen Kontext von Q die Bilder der Präsenz und der Durchsetzungskraft des Gottesreiches in die Zeit der Erwartung des wiederkommenden Menschensohnes ein. Die Zeit wird so zu einer Zeit der beständigen aktiven Bewährung, die diesem Öffentlichwerden des Reiches angemessen ist. Es überrascht somit keineswegs, dass zahlreiche Bilder und Erzählungen in Q zur Orientierung der Jesusnachfolger darüber dienen, wie diese Zeit zu bewältigen ist (vgl. Abschn. 3). Diese religiös-ethische Orientierung erfolgt in dem Wissen, dass sich das Gottesreich unaufhaltsam durchsetzt und dass der Tag des Menschensohnes eine eschatologische Manifestierung der Macht dieses Reiches ist.
königlichen Hochzeitsmahl. Ein Paradigma für den Wandel des geschichtlichen Verständnishorizonts, in: ders., Das Evangelium und die Evangelien. Beiträge zur Evangelienforschung, KBANT , Düsseldorf 1971, 171–218, 194 f., adressiert bereits Jesus in V. 23 die Heiden. Mit Hinweis auf den Kontext von Q 13,29 lässt sich m.E. wenigstens für Q der Adressatenkreis auf die Heiden ausweiten, ohne dass auf ihnen der Fokus läge. 49 Aus diesem Umkreis stammen auch die Bilder in der Auseinandersetzung um den Beelzebul-Vorwurf: Q 11,21 f. (zu Rekonstruktion und Interpretation vgl. M. Labahn, Jesu Exorzismen [Q 11,19–20] und die Erkenntnis der ägyptischen Magier [Ex 8,15]: Q 11,20 als bewahrtes Beispiel für Schrift-Rezeption Jesu nach der Logienquelle, in: Lindemann [Hg.], The Sayings Source Q and the Historical Jesus [s. Anm. 20], 617–633, 623 ff., mit. Lit.). Ausgelöst ist die Einfügung dieses Wortes wohl durch die Argumentationsfigur eines in sich selbst uneinigen Reiches, die den Beelzebulvorwurf mit Ironie auf die Präsenz des Gottesreichs in den Exorzismen hinwendet; zur Sache Labahn, a.a.O., 623 f. 50 Diese Sicherheit einer sich in der Mitwelt einrichtenden und orientierenden Gemeinschaft nimmt der vorausgehende Vergleich mit der Noahzeit (Q 17,26 f.30) in den Blick.
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3. Die Parabeln und das Handeln der Nachfolger Wie in der Einführung bereits erwähnt, ist die Einsicht, dass das Dokument Q ethische Mahnung und Orientierung enthält, nicht neu, sondern mit der Beantwortung der Synoptischen Frage durch die Zweiquellentheorie und der Analyse dieser zweiten Quelle Q recht ursprünglich verbunden. In diesen älteren Interpretationen ist die Erkenntnis des paränetischen Charakters aber verbunden mit einer spruchorientierten Interpretation des Textes und seiner Elemente und bisweilen mit einer abwertenden Beurteilung der Bedeutung von Q gegenüber dem so genannten Kerygma. Demgegenüber haben die Gleichnisanalyse und die hermeneutische Interpretation des Gleichniserzählers Jesu sowie seiner Gleichnisse als Kunstwerke dazu geführt, sie als narrative Erschließungen seiner Reichgottesbotschaft zu erfassen.51 Die Reichgottesbotschaft nimmt durch das Erzählen die Hörer und Hörerinnen existentiell in die Botschaft mit hinein oder führt die Adressaten zu einer Veränderung ihrer Wirklichkeitswahrnehmung im Lichte der Gleichnisse hin.52 Formal sind die Gleichnisse von den so genannten Bildworten oder Paradoxien unterschiedene Erzählungen – oft verkürzt und abstrahiert –, die an die Mitarbeit ihrer Adressaten appellieren und auch die Hörer und Hörerinnen zu Künstlern machen, indem sie das Erzählte erfassen, auffüllen und in ihrem Leben neu gestalten. Wenn im Folgenden von Parabeln als ethischer Orientierung gesprochen wird, so wird die ältere Vorstellung von Q als Paränese im Blick auf die Gleichnis- und Parabeltexte in Q neu gefasst; Gleichnisse und Parabeln als ethische Orientierung sind Erzählungen, die positive oder negative und damit abzulehnende Handlungsmodelle für die Adressaten bereitstellen. Sie zielen auf Leser und Leserinnen, die die Gleichniserzählungen zu Erzählungen ihres Lebens machen und diese so durch ihre Biographie zu neuen Erzählungen des Gottesreiches werden lassen. Der Weg zwischen der Erinnerung der Parabeln und ihrer Neuerzählung im Dokument Q ist kein bruchloser. Einerseits erteilt der Text durch die Kontexteinbettung Verstehenshinweise, die die Offenheit metaphorischer Sprache durch ein neues textuelles Netzwerk determiniert und Leser und 51 Zur Geschichte der Gleichnisinterpretation vgl. z.B. die Sammlung klassischer Positionen von W. Harnisch (Hg.), Gleichnisse Jesu. Positionen der Auslegung von Adolf Jülicher bis zur Formgeschichte, WdF 366, Darmstadt 1982. 52 S. auch E. Ahrens, „Wer kann die großen Taten des Herrn erzählen?“ (Ps 106,2). Die Erzählstruktur christlichen Glaubens in systematischer Perspektive, in: R. Zerfass (Hg.), Erzählter Glaube – erzählende Kirche, QD 116, Freiburg, Br. u.a. 1988, 13–27, 15 f.: „Durch Jesu Gleichnisgeschichten werden seine Adressaten eingeladen und herausgefordert, in die fiktionale, d.h. frei erfundene, konstruierte Welt der Erzählung einzutreten, sich von ihr in ihren Denk- und Handlungsgewohnheiten verändern und bestimmen zu lassen. Ich verstehe Jesu Gleichnisse als kommunikative Handlungen, in und mit denen er im Blick auf seine Adressaten versucht, sein Wirklichkeitsverständnis und seine Handlungsorientierung narrativ einsichtig zu machen.“
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Leserinnen in ihrer Rezeption zu steuern sucht. Andererseits werden die Texte bisweilen ihrer Anstößigkeit und ihres provozierenden Charakters entblößt. Indem sie ihres verstörenden Charakters entledigt werden (bisweilen zugunsten neuer Überraschungselemente), werden sie leichter annehmbar. Fernerhin werden die Parabeln im Prozess ihrer Tradierung, und das gilt auch für das Dokument Q (s.o. Abschn. 2), mit einem christologischen Vorzeichen versehen. Jesus steht nicht nur als bewährter Sprecher und Lehrer hinter diesen Texten, sondern ist in ihnen als die das Reich Gottes verkündigende Autorität da. Einzelne Erzählungen werden so für ihren Sprecher als den zum Reich Einladenden transparent. So erzählt, öffnen sich die Erzählungen für das christologische Kerygma. Zu fragen bleibt, ob dies bereits den Charakter der Allegorie trägt53 oder ob es nicht gelegentlich dem Charakter der ursprünglichen Erzählung entspricht. So gehören zum Erzählinventar und plot der Gastmahl- und Hochzeitsgleichnisse ein Sklave (Q 14,17.21 f.) bzw. Boten für die Einladung, so dass jeglicher Sprecher dieser Erzählungen Teil der Erzählung selbst wird,54 ohne dass damit bereits das hermeneutische Phänomen der Allegorie angewendet wird.
3.1 Anleitung zu einem verantwortlich und radikal-aktiven Ausharren auf den Tag des Menschensohns Eine Anzahl der in Q integrierten Parabeln fordert zur Bewährung im Angesicht des anbrechenden Gottesreiches auf (vgl. Abschn. 2). Im Kontext von Q lassen sich durch die christologische Zuspitzung auf den Erzähler Jesus Ansätze zur Allegorisierung erkennen, indem der Bote zum abgelehnten Einladenden wird (vgl. Abschn. 3). Es stellt sich die Frage, warum gerade weitgehend deutungsoffene Bilder für die Gestaltung der Zeit der Erwartung des „Tages des Menschensohnes“ Verwendung finden. Modern formuliert lassen diese Bildworte Gestaltungsräume für die Rezipienten offen, um die geforderte Verantwortung in verschiedenen Wirkungsbereichen zu bewähren. Andererseits lässt sich zeigen, dass die Freiräume ihre Ausgestaltung durch die Jesusworte als Metatexte der Parabeltexte erfahren.55 Das Bild von der engen Tür ( ), durch die nur wenige ( … ) eintreten können (Q 13,24–27), viele aber außen vor gelassen werden, dient der Fixierung der Grenzen der Adressaten, indem durch das Bild von der Tür zwischen zwei sozialen Räumen, einem 53 Vgl. die Bemerkungen zur Transformation der Gleichniserzählungen bei W. Harnisch, Die Gleichniserzählungen Jesu. Eine hermeneutische Einführung, UTB 1343, Göttingen 1985, 312 ff., der in solcher christologisch motivierten Transformation zu allegorischer Rede beides erkennt: Sprachverlust und Sprachgewinn. 54 Vgl. Heil, Beobachtungen (s. Anm. 20), 656. 55 S. oben S. 265 f.
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innen und einem außen, unterschieden wird. Das Bild hat eschatologische Untertöne, so dass das Innen zugleich als Raum der Heilsgemeinschaft zu betrachten ist. Diese Untertöne werden im Text dadurch hervorgehoben, dass neben die räumliche Bildebene (enge Tür = nur wenige können eintreten) eine zweite tritt, die den Zeitpunkt der verschlossenen Tür hinzufügt: „Wenn ( ) der Hausherr sich erhoben und die Tür verschlossen hat“, ist die Entscheidung getroffen (die Tür ist verschlossen = niemand kann mehr eintreten). Durch den Kontext des Dokuments ist dieser Zeitpunkt auf die erwartete Wiederkunft des Menschensohns zu beziehen; diesen Zeitraum verantwortlich zu nutzen, ist ein wichtiges Element der ethisch-religiösen Forderung von Q. Entscheidendes Kriterium für die Differenzierung dieser beiden Räume ist ausdrücklich nicht eine Kenntnis Jesu (13,26), sondern ein Handeln entsprechend dem (im Gegensatz zum kritisierten Tun der ). Durch die unterschiedlichen, aber ineinander verschmolzenen Ebenen wird die Zeit der Adressaten bereits als Heilsraum in den Blick genommen. Diese ist aber noch eine Zeit der Bewährung im Horizont des eschatologischen Zu-Spät des Gerichts (zu vergleichen ist die einleitende Täuferpredigt, die diese Warnung als einen cantus firmus bereits vorgibt: 3,9; s.a. 3,17). Die Warnung vor dem Gericht begegnet auf der Bild- / Erzählebene von Q 12,58 f. unmittelbar; die Forderung zu außergerichtlicher Einigung, die durchaus mit anderen Distanzaussagen gegenüber dem Rechten (Q 6,29 f. [par. EvThom 95]; 6,37) auch eine unbildliche Bedeutung hat, stellt im Erzählmotiv des Weges zum Gericht den Adressaten die dringende Notwendigkeit vor Augen, eine angemessene Haltung der Hingabe an das Reich einzunehmen. Versuche, die Verse lediglich als usuelle Forderung zum Streitverzicht mit Gegnern angesichts des aufkommenden Gerichts zu verstehen,56 scheitern an der Kontexteinbindung, die einerseits deutlich von durch die Jesus-Verkündigung provozierter gewaltsamer Scheidung spricht (Q 12,51.53) und andererseits die Durchsetzungskraft des Gottesreiches entfaltet (Q 13,18–21) und damit den Kontext, also die Verknüpfung mit diesem Reich herstellt.57 Die sich stimmig im antik-juristischen Kontext bewegende Erzählung58 eröffnet erneut den Blick auf das Gericht als Sanktion, die mangelnder „Umkehr“ – so ließe es sich im Kontext des Bildes der Kurzerzählung bezeichnen – droht. Deutlicher als in Q 12,58 f. wird in 13,27 durch Kritik an falschem Verhalten zu einem Tun des Rechten ermahnt; das Gegenteil des Tuns der Ge56 D. Zeller, Die weisheitlichen Mahnsprüche bei den Synoptikern, FzB 17, Würzburg 1983, 67; genereller A. Jülicher, Die Gleichnisreden Jesu, Teile I –II , Tübingen 21910, 245; ursprünglich bezog sich das Wort allgemein auf Nachgiebigkeit. 57 S. auch Fleddermann, Q. A Reconstruction and Commentary (s. Anm. 44), 650. 58 Vgl. hierzu M. Reiser, Die Gerichtspredigt Jesu. Eine Untersuchung zur eschatologischen Verkündigung Jesu und ihrem frühjüdischen Hintergrund, NTA .NF 23, Münster 1990, 272–275, mit Literatur und Quellenzitaten aus dem Bereich des römischen Ägyptens. 2
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setzlosigkeiten ist vor allem nach dem Maßstab der Weisungen Jesu zu interpretieren, insbesondere seiner Eingangsrede an die Jünger. Befreiungserfahrung und die Mahnung zum Erhalt dieser Freiheit thematisiert in ihrem literarischen Kontext59 auch die Dämonenparabel, Q 11,24–26.60 Der ausgetriebene Dämon, in dem die Abbreviatur eines Exorzismus aus Q 11,14 wieder aufgenommen wird, ist zwar die Figur, der der größte Raum in dieser Erzählung eingeräumt wird, aber die eigentliche Identifikationsgestalt ist der Mensch, in dem der Dämon seine Wohnstätte verloren hat und wieder einnimmt. Das Austreiben des Dämons ist Ausdruck der Präsenz des Gottesreiches (Q 11,19 f.) und damit von Freiheit. Die geschaffene Freiheit gilt es nunmehr zu bewähren.61 So entsteht ein Drohszenarium; wird der gewährte Freiraum62 nicht ausgestaltet, so bereitet dies den Raum für eine noch schlimmere Unfreiheit vor (in V. 25 mit dem Bild vom Reinigen und Schmücken: ). Eine sachliche Ausschmückung, wie dieser Freiraum zu füllen ist, wird nicht gegeben,63 ist aber dem Schlusswort zur Einheit Q 11,14–23 zu entnehmen: „Wer nicht mit mir ist, der ist gegen mich, und wer nicht mit mir einsammelt, der zerstreut“ (V. 23). Diese christologische Bilanz der Debatte um Jesus als Exorzist und seine Autorität, die im Verhalten zu Jesus gezogen wird, ist letztlich auch entscheidend dafür, wie der durch die Befreiung zum Heil gewonnene Freiraum gestaltet wird – ‚für Jesus zu sein‘ (11,23: ) kann wieder gleichbedeutend mit dem Hören und dem Tun seiner Worte verstanden werden. Auch die Parabel vom anvertrauten Geld, Q 19,12–26,64 ist in dem Horizont der Bewährung des Heils durch das Handeln zu lesen.65 In der Erzäh59 Das Gleichnis könnte im Kontext der provozierenden Bilderwelt der Gleichnisverkündigung Jesu den Anti-Helden zum Helden und zur Projektion des sich durchsetzenden Gottesreiches machen. 60 Vgl. zur Interpretation auch M. Labahn, Füllt den Raum aus – es kommt sonst noch schlimmer! (Beelzebulgleichnis) – Q 11,24–26, in: Zimmermann u.a. (Hgg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu (s. Anm. 21), 126–132. 61 S. auch Fleddermann, Q. A Reconstruction and Commentary (s. Anm. 44), 508: „Anyone freed from the power of evil needs to submit to the power of the kingdom“. 62 In diesem Begriff lassen sich Bild und ethischer Gestaltungsspielraum sehr treffend fassen. 63 Lk 11,27 f. wäre mit seiner Seligpreisung ( ) eine passende Abschlusswendung, die sich in die Gesamtaussage von Q einfügt. 64 Wie beim Gastmahlgleichnis ist die Zugehörigkeit und Einordnung in Q umstritten (vgl. z.B. die Hinweise bei Kloppenborg, Q Parallels [s. Anm. 40]), da die sprachlichen Übereinstimmungen äußerst gering sind (nach Münch, Gleichnisse Jesu im Matthäusevangelium [s. Anm. 39], 244, nur bei Kernbegriffen und sprichwörtlichen Wendungen); es kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese Parabel einen je eigenen Überlieferungsweg zu Matthäus und Lukas gefunden hat, aber wenn man daran festhält, dass es sich um dieselbe Erzählung handelt und mit einer gewissen Freiheit im Umgang der Quellen bei den Seitenreferenten rechnet, so ist die Ableitung aus Q eine aufgrund der sprachlichen und sachlichen Parallelen durchaus zu ergreifende Option; vgl. z.B. A. Denaux, The Parable of the Talents / Pounds (Q 19,12–27). A Reconstruction of the Q Text, in: Lindemann (Hg.), The Sayings Source Q and the Historical Jesus (s. Anm. 20), 429–460; Heil, Lukas und Q (s. Anm. 41), 198 ff.
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lung wirtschaften die Sklaven mit dem ihnen überlassenen Geld und erzielen Gewinn66 – bis auf einen, der das Risiko scheut, das Geld vergräbt und somit lediglich das Erhaltene zurückerstattet. Die Forderung zur Aktivität geht vom überlassenen Gut aus und fordert dazu auf, es verantwortet und mutig einzusetzen. Eine enge narrative und sachliche Parallele bildet das Gleichnis vom treuen und untreuen Knecht (Q 12,42–46). Auch dieser wird für einen unbekannten Zeitraum zur Verwaltung eingesetzt und hat sich in dieser Zeit zu bewähren. Geschieht die Verwaltung in verantworteter Form, so wird diesem Verwalter das „selig“ zugesagt ( 67 ). Mit der Seligpreisung wird zudem an die grundlegende Heilszusage in Q erinnert. Die Adressaten – textintern die Jünger, durch die 2. Pers. Plural aber auch die textexternen Leser – werden zu Beginn der Darstellung des Wirkens Jesu selig gepriesen und damit als Glieder des Gottesreiches angesprochen (6,20 b–23). Q lässt jedoch keinen Zweifel aufkommen, dass dieses SeligSein eine zu bewährende Existenz ist. Solcher Einsatz orientiert sich, wie bereits mehrfach betont, auch im Blick auf 19,12 ff. oder auf 12,42 ff. an den Worten Jesu (vgl. 6,43–49). Weitergehend ist zu fragen, ob die Geschichte vom anvertrauten Gut als Ganzes nicht das gewährte Heil als das zu tragende und zu bewährende Gut im Handeln der an diesem Heil Teilhabenden ansieht.68 Ob dieser Interpretationsansatz eine unzulässige Allegorisierung darstellt oder sich als legitime Adaption der Erzähllogik erweist, darüber mag gestritten werden. In jedem Fall ist diese Parabel im rekonstruierten Text das vorletzte Wort, dem der Ausblick auf das Gericht folgt,69 in dem die Jesus Nachfolgenden ( ) laut dem in der Q-Textfolge folgenden abschließen-
65 Vgl. z.B. Heil, Lukas und Q (s. Anm. 41), 204; es wird „hier zum ‚Frucht bringen‘ aufgerufen“. 66 Vgl. U. Luz, Das Evangelium nach Matthäus. 3. Teilbd.: Mt 18–25, EKK I/3, Zürich / Düsseldorf / Neukirchen-Vluyn 1997, 500, denkt mit Hinweis auf R. MacMullen, Roman Social Relations: 50 B.C. to A.D. 284, New Haven 1974, 48–52, an „Handel mit Waren oder Spekulationen mit Land“. 67 Beachtenswert ist auch hier das Verb , das bildintern (vgl. ) die Erfüllung des Arbeitsauftrages reflektiert, aber im Gesamttext recht deutlich an 3,9; 6,43 ff. erinnert. 68 Weder, Gleichnisse Jesu als Metaphern (s. Anm. 41), 205, weist darauf hin, dass „auf den Minen ein Anspruch liegt, dem es unbedingt zu entsprechen gilt… Wer jenem Anspruch nicht entspricht, entzieht sich die Existenzgrundlage“. Der Anspruch der Gottesherrschaft konkretisiert sich nach Weder im Gebot der Liebe (a.a.O., 206). 69 Die passive Wendung (Q 19,26) mit Parallelen in Mk 4,25 und EvThom 41 trägt weisheitliche, bis in das gegenwärtige Sozialgefüge der Industriestaaten hinein sich bewahrheitende Züge. Dieser Abschluss mit seinem drohenden Ton verstärkt den verstörenden, die Sicherheit der Alltäglichkeit in Frage stellenden Charakter des auf den Tag des Menschensohns hinzielenden Q-Kontextes, vgl. hierzu Kloppenborg, Jesus and the Parables of Jesus in Q (s. Anm. 20), 298 f., der allerdings jegliche sachliche Interpretation der anvertrauten Güter ablehnt.
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den Ausblick 22,28.30 eine hervorragende Rolle einnehmen werden.70 Zu erklären, was Nachfolge in V. 28 heißt, ist im Zusammenhang von Q eine Aufgabe, die von 19,12 ff. erfüllt wird und dabei die Mahnung zu Einsatz und Hingabe prominent und provozierend platziert. Das Bild vom faden Salz erzählt, was mit Salz geschieht, das seine Würzkraft verloren hat (Q 14,34 f.). Die Parabel bildet einen alltäglichen Sachverhalt ab, radikalisiert ihn einerseits und durchbricht zugleich die Erzähllogik, indem die Kurzgeschichte davon erzählt, dass dieses Salz nicht zur Erde oder auf den Misthaufen geworfen wird, sondern („man wirft es hinaus“). Durch … werden normale und erwartete Alternativen benannt, die als Entsorgungsstätte für Salz dienen. Dass sie nicht benutzt werden, zeigt eine Steigerung an. Auf dieses rhetorische Signal abzielend, kümmert es die Erzählung nicht, dass auf der Bildebene keine wirkliche Alternative zum darstellt; denn dort landet es in der im Bild aufgemachten Alternative durch das Hinauswerfen. Die signalisierte Steigerung will Aufmerksamkeit und Wahrnehmung der Adressaten gewinnen und einen Deutungs- und Aneignungsprozess auslösen. Die offene Steigerung wirkt wie ein lesersteuernder gap, der nach sachlicher Füllung verlangt. Auf der literarischen Ebene von Q bieten sich verschiedene Texte an, die diese Lücke füllen; wichtig ist die sprachliche nahestehende Drohung, dass die als „ihr“ Angeredeten, also Israel als die „Kinder“ Abrahams, Isaaks und Jakobs, in die „äußerste Finsternis hinausgeworfen“ werden (13,28). Auch die Geschichte vom Umgang mit dem fade gewordenen Salz fordert die Adressaten zu radikalem Ausharren auf den kommenden Menschensohn auf, ohne dass in diesem Wort eine inhaltliche Füllung des „wie“ erfolgt; sie ist wiederum vor allem dem Ende der Eingangsrede Jesu zu entnehmen. Allerdings setzt diese Episode die Würzkraft voraus, was auf das Bewusstsein schließen lässt, dass die ethische Radikalität in einer elitären Identitätskonstruktion von Q beheimatet ist (s.o. Abschn. 2). Diese Überlegung bestätigt die „Licht“-Sequenz in Q 11,33.34 f. V. 33 fordert das Sichtbar-Machen des Lichtes. Ein Licht gehört auf den Leuchter und nicht unter den Scheffel, wobei erneut ein deutlicher gap zu beachten ist. Es wird nicht gesagt, dass das Licht mangels Sauerstoff unter einem Scheffel nicht brennen kann. Rezipienten, die dieser Pointe gewahr sind, erkennen, dass das Licht nur brennen kann, wenn es offen und sichtbar steht. So ist die erzählerisch entfaltete Aufforderung zum Aufstellen des Lichts zugleich eine 70 Zur Deutung des Verbs als „richten“ vgl. z.B. D. Zeller, Jesus, Q und die Zukunft Israels, in: Lindemann (Hg.), The Sayings Source Q and the Historical Jesus (s. Anm. 20), 351–369, 362–364; J. Verheyden, The Conclusion of Q. Eschatology in Q 22,28–30, in: Lindemann (Hg.), The Sayings Source Q and the Historical Jesus (s. Anm. 20), 697–718, 706 ff.; anders z.B. Horsley, in: Horsley / Draper, Whoever Hears You Hears Me (s. Anm. 8), 105–108 („in Jesus’ final pronouncement Q was proclaiming the deliverance or renewal of Israel in its twelfe tribes“; Zitat: 105 f.).
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Aussage darüber, dass zum Erhalt des Lichtes gehört, es sichtbar zu machen. Unbildlich gesprochen: Wer als Nachfolger / Nachfolgerin zu den Adressaten von Q gehört, hat diese Identität durch sein / ihr Handeln öffentlich zu machen, da nur so die Existenz als Nachfolgende möglich ist. Auch diese Worte sind also handlungsorientiert zu verstehen, wie es ebenfalls für das Wort über das Auge als Licht des Leibes, Q 11,34 f., zu gelten hat. Die erkenntnistheoretischen und anthropologischen Überlegungen71 haben ihre Spitze in der impliziten Aufforderung, Licht zu sein, was durch das Handeln realisiert wird. Inhaltlich fällt in Q eine kritische Distanz zu Macht und Reichtum auf: z.B. 4,5 ff. (Verzicht auf die Reiche der Welt als Ausdruck des Gottesgehorsams); 6,20;72 7,25. Die Distanz macht die materiale Ethik aus, so dass sie zum Leben und Handeln nach den Worten Jesu gehört. Wenn der Doppeldienst im Wort über die Verehrung des als Gottheit präsentierten73 Mammons ausgeschlossen wird (16,13), so ist diese in erzählerische Form verpackte Alltagsweisheit grundsätzlich zu interpretieren. Es geht um die Notwendigkeit ungeteilter Hingabe an Gott. So wird die mit der Einladung zum Reich verbundene und hinter dem Wort vom Doppeldienst stehende Umkehrforderung Jesu auch zu einer Grundforderung für die Gestaltung des Daseins der Adressaten von Q in einer Zeit der Erwartung des Kommens des Menschensohnes. Die Hinwendung zu Gott wird als Alternative dem göttlich stilisierten Geld gegenüber gestellt, wobei selbst rudimentäre wirtschaftsethische Detailbestimmungen weder dem Spruch noch seinem Kontext in Q zu entnehmen sind.74 Immerhin mögen die Aufforderungen zur Liebe (6,32) und Feindesliebe (6,27 f.35 c), aber sicherlich auch atl.-jüdische Frömmigkeitsmodelle wie das Almosengeben (vgl. die Aufforderung zur Barmherzigkeit; 6,3675) den geforderten Dienst der Hingabe an Gott im 71 Vgl. H.D. Betz, The Sermon on the Mount. A Commentary on the Sermon on the Mount including the Sermon on the Plain (Matthew 5:3–7:27 and Luke 6:20–49), Hermeneia, Minneapolis 1995, 442–448; ders., Matt. 6:22–23 and Ancient Greek Theories of Vision, in: ders., Synoptische Studien. Gesammelte Aufsätze II , Tübingen 1992, 140–154. 72 Kloppenborg Verbin, Excavating Q (s. Anm. 3), 13, betont die Nähe zwischen 6,20 und 16,13. Ohne eine ethisch-soziale Komponente bestreiten zu wollen, sind die Stichworte , , wohl eher Ausdruck des Selbstverständnisses der Jesusanhänger, an die Q gerichtet ist, wobei Vorstellungen atl.-jüdischer Armenfrömmigkeit im Hintergrund stehen werden; vgl. hierzu z.B. J. Un-Sok Ro, Die sogenannte „Armenfrömmigkeit“ im nachexilischen Israel, BZAW 322, Berlin / New York 2002. 73 Vgl. Betz, Sermon on the Mount (s. Anm. 61), 454: „choose between serving the true God and serving a pseudo-deity – Mammon“, 458. 74 Pointiert sieht Horsley keinen „call to social-economic solidarity“ (Horsley, in: Horsley / Draper, Whoever Hears You Hears Me [s. Anm. 8], 293); Q 16,13 ist keine wirtschaftsethische Aussage, hat aber sicherlich wirtschaftsethische Konsequenzen, indem die Rolle des Geldes als Kernpunkt aller Lebensorientierung (vgl. die Mythologisierung zur „Gottheit“ Mammon) radikal bestritten wird. Die Ethik der Zuwendung zum Nächsten ergibt sich in Q 16,13 aus dem Dienst an Gott. 75 Vgl. Zeller, Die weisheitlichen Mahnsprüche bei den Synoptikern (s. Anm. 56), 111 f.; W. Radl, Das Evangelium nach Lukas. Kommentar. I: 1,1–9,50, Freiburg, Br. u.a. 2003, 414 f.
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Blick auf Geld ausgestalten. Sachlich ist für den Umgang mit dem Geld das Streben nach dem Reich und das Empfangen des Lebensnotwendigen aus den Händen Gottes das von Q empfohlene Gegenmodell (12,22 b–31). Schreitet man die Parabeln in Q ab, so lässt sich feststellen, dass die Zeit der Erwartung des Menschensohnes die Zeit radikaler und verantwortlicher Zuwendung zu den Worten Jesu ist. Die im Dokument Q enthaltenen Aussagen Jesu bilden eine Leitorientierung, lassen aber viele Gestaltungsräume offen, da sie nur zu wenigen Feldern ethischer Gestaltung Stellung nehmen. Nicht vergessen werden darf, dass ein frühchristliches Dokument immer nur einen Ausschnitt des Denkens und der Tradition seiner Schreiber enthält;76 beide sind den modernen Auslegern nur begingt zugänglich und lassen daher nur wenig Raum für Schlussfolgerungen zu. Das zentrale Motiv solcher Leitorientierung ist die (Feindes-)Liebe (Q 6,32.27 f.35 c), selbst wenn auch dieser Leitgedanke nicht wiederholt ausgesagt wird. Die Radikalität des Ausharrens ist handlungsorientiert; sie fordert erkennbare Taten, die wie die Früchte eines Baumes sichtbar sind. Q steht mit dieser Ausrichtung dem ethischen Konzept des Matthäusevangeliums nahe (vgl. programmatisch Mt 5,20)77, auch wenn man es deshalb nicht so nah in dessen Dunstkreis stellen muss, wie es etwa Ulrich Luz tut.78 Das Handeln ruht auf vorausgängiger Zusage von Heil und erfahrener Befreiung auf. Es sollte dennoch nicht das inzwischen umstrittene paulinische Deutungsschema von „Indikativ und Imperativ“79 auf Q bezogen werden, vielmehr hat die Handlungsorientierung eine eigenständige Bedeutung und wird durch ein eschatologisches Drohschema begleitet, das in der elitären Identitätskonstruktion der Gruppe, auf die Q hin verfasst ist, eine entscheidende Rolle spielt. Am Tun der Worte Jesu entscheidet sich die Zugehörigkeit zum Kreis der Jünger und im Tun dieser Worte wird das Bewusstsein der Q-Gruppe öffentlich. Das Handeln ist zwar durch die Gerichtsdrohung begleitet, aber im besonderen Sein der Gruppe begründet.
76 Auf diesen Ausschnittscharakter von Q hat z.B. M. Frenschkowski, Welche biographischen Kenntnisse von Jesus setzt die Logienquelle voraus? Beobachtungen zur Gattung von Q im Kontext antiker Spruchsammlungen, in: J.M. Asgeirsson / K. de Troyer (Hgg.), From Quest to Q (FS J.M. Robinson), BET hL 146, Leuven 2000, 3–42, hingewiesen. Er betont, dass fehlende biographische und theologische Aussagen in Q „gar nichts“ über die Kenntnisse der hinter dem Dokument stehenden Personen aussagen (a.a.O., 42; ähnlich auch B.A. Pearson, A Q Community in Galilee?, NTS 50 [2004], 476–494, 489). 77 Vgl. hierzu z.B. W. Schrage, Ethik des Neuen Testaments, NTD .E 4, Göttingen 21989, 146 ff. 78 U. Luz, Matthäus und Q, in: Hoppe / Busse (Hgg.), Von Jesus zum Christus (s. Anm. 40), 201–215. 79 Vgl. K. Backhaus, Evangelium als Lebensraum. Christologie und Ethik bei Paulus, in: U. Schnelle / Th. Söding / M. Labahn (Hgg.), Paulinische Christologie. Exegetische Beiträge (FS H. Hübner), Göttingen 2000, 9–31; jetzt F. Blischke, Die Begründung und die Durchsetzung der Ethik bei Paulus, ABG 25, Leipzig 2007.
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3.2 Illustrationen der Treffen die vorstehenden Beobachtungen zu, so ist das Dokument Q in seinen ethischen Aussagen vor allem durch die stetige, völlige und aktive Ausrichtung seiner Anhänger auf den plötzlich kommenden Tag des Menschensohnes geprägt. Gleichzeitig fällt die Offenheit der Bilder auf, die gleichermaßen eine Chance für eine je aktualisierende Ausformung wie auch ein Problem aufgrund mangelnder Konkretion und damit letztlich auch mangelnder Orientierungsleistung sein kann. Betont werden muss nicht, dass Orientierung in Q auch durch andere Formen als durch bildliche Rede stattfindet,80 auch wenn diese bildliche Rede m.E. entscheidenden Anteil an dem ethischen und religiösen Orientierungskonzept von Q hat. Sucht man nach einem Terminus für die stetige, radikale und vor allem aktive Erwartung im Vertrauen auf Gott, so könnte man nach der Rolle von in Q fragen, ein Begriff, der zweimal ausdrücklich erwähnt wird. In Q 7,9 lobt Jesus das christologisch durch den -Begriff qualifizierte Vertrauen auf Jesus als besonderen Glauben und in 17,6 wird die Macht des Glaubens im Bild des ins Meer verpflanzten Baumes illustriert. Überschneidungen zwischen diesen Texten und der aktiven Erwartung sind eher marginaler Natur. Sachlich bekommt man die weitreichendste Auskunft über das Wesen des Glaubens in Q dort, wo der Begriff nicht ausdrücklich begegnet, in Q 12,22 b–31. Das radikale, in dieser Bildrede vorgestellte Vertrauen zu Gott dem Schöpfer und Erhalter von Gut und Böse ist wohl die deutlichste Entfaltung, was das Dokument Q als versteht: Suche der Gottesherrschaft als Empfangen und völlige Hinwendung zu Gottes Handeln. Mit Q 7,9 verbindet die bildliche Rede in Q 12,22 b ff. das Wesen des vollständigen Vertrauens in die Macht dessen, auf den sich dies Zutrauen richtet, Gott. Solches Zutrauen ist effektiv; es führt zur Heilung, zum täglichen Auskommen oder zum Möglich-Werden des Unmöglichen: Q 17,6. Solches Vertrauen kann sich auf die Zusagen, dass die Bittenden empfangen werden, stützen, was einen wichtigen Aspekt des Gottesbildes von Q beleuchtet. Solches Vertrauen ist es, das die Zentralität der Suche nach dem Gottesreich als aktive Hinwendung an die Worte Jesu nach Q ermöglicht. Illustriert Q 12,22 b ff. das, was Q unter „Glauben“ versteht, so verbinden sich in diesem Text auch die handlungsorientierte Hingabe der Nachfolge und die Vorstellung von Q 12,22 b ff.
80 Zur Ethik in Q s.a. U. Schnelle, Theologie des Neuen Testaments, UTB 2917, Göttingen 2007, 362–364.
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3.3 Innergemeindliche Regelungen Die Doppelfrage nach der Möglichkeit und dem Ergehen von blinden Blindenführern (6,39) knüpft an die Erfahrungen der Adressaten an; blinde Menschen sind nicht fähig, Blinde zu leiten. Die Frageform erzeugt aufgrund des gemeinsamen Erfahrungsschatzes Zustimmung und Einwilligung. Die augenscheinliche Banalität stellt einen Hinweis darauf dar, dass das Wort nicht auf diese Erfahrungsebene zielt, sondern auf den metaphorischen Gehalt des semantischen Feldes „blind“ anspielt. Das Wort selbst ist kontextuell ausgerichtet. Die Verhältnisbestimmung von Lehrer und Schüler (Q 6,40) ist zunächst einmal als Aussage über den Sprecher der Rede 6,20 b–49 selbst zu verstehen. Dies Verständnis wird durch 13,26 unterstrichen, wo auf Jesu eigenes Lehren hingewiesen wird: „Wir aßen und tranken vor dir, und du hast in unseren Straßen gelehrt ( )“. Allerdings wenden sich 6,39 und 6,41 f. an die Adressaten der Eingangsrede, also die Jünger Jesu; so gestaltet der Zusammenhang dieser drei Sprüche eine Reflexion über die Funktion der Lehrenden in der Nachfolge Jesu. Sie schärft einerseits eine gewisse Hierarchie ein, in der sich der Schüler am Lehrer orientiert, aber dennoch unterordnet.81 Andererseits formuliert sie Anforderungen an den Lehrer, die man mit Einsicht, Weitsicht und seelsorgerlichem Feingefühl umschreiben kann. Dass auch die Frage der Orthodoxie von Lehre im Raum steht, lässt eine weitere Aussage in Q vermuten, die um das Problem des Verführens (Q 17,1 f.) kreist. Das in dieser Aussage sanktionierte bzw. kritisierte Fehlverhalten korrespondiert der metaphorisch formulierten Warnung vor blinden Blindenführern. Die Orientierungsleistung durch Parabeln bewährt sich trotz eines textlich schmalen Bereichs, an dem diese zu überprüfen ist, auch bei innergemeindlichen Fragestellungen.
4. Zusammenfassung Das Dokument Q wäre ein anderes Dokument, wenn die verschiedenen Bilder und ihre Miniaturerzählungen fehlen würden. Diese Texte schlagen eine Brücke zum Auftreten und zur Verkündigung Jesu, auch wenn die Vorstellung, dass man durch das Fenster der Parabeln im Dokument Q den Jesus der Geschichte direkt und unmittelbar betrachten könnte, eine Illusion ist. Das Symbol „Q“ ist somit durch Bilder und Symbole geprägt. Der Text von Q sucht das Leben der Jesusnachfolger durch Bilder und bildliche Er81 Zum antiken Lehrer-Schüler-Verhältnis, das auch das Ziel der Überbietung des Lehrers kennt, vgl. M. Ebner, Jesus – ein Weisheitslehrer? Synoptische Weisheitslogien im Traditionsprozeß, HBS 15, Freiburg, Br. u.a. 1998, 342.
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zählungen zu gestalten und bei seinen Adressaten dadurch Sinn einzustiften. Nicht dass die Verwendung dieser Texte in einer ethisch-religiösen Pragmatik völlig aufgeht, aber die Bilder und Parabeln leisten einen wesentlichen Anteil daran, die Adressaten für die Zeit der Erwartung des wiederkommenden Menschensohnes zu präparieren. Q greift damit auf Jesus zurück, der als Gleichnis- und Bildererzähler präsentiert wird. Das Dokument nimmt damit auch die Rhetorik Jesu auf, weil sie dem Verfasser / den Verfassern von Q als angemessen und bewährt erscheint, um die Adressaten zu einer Neubewertung ihrer Existenz im Lichte dieser Bilder und Erzählungen zu führen. Das in diesem Beitrag entworfene Bild von Q im Horizont seiner Parabeln scheint vordergründig ein Verständnis von Q als Paränese zu befördern. Wenn man darunter konkrete ethische Einzelmahnungen versteht, ist diese Deutung hingegen nicht treffend. Die in den Parabeln oft mehr angedeuteten, denn ausgeführten Erzählungen fordern die Rezipienten eher generalisierend zu Stellungnahmen auf und suchen Handlungen anhand der Worte Jesu freizusetzen, für die das Liebesgebot das zentrale Leitbild darstellt.82 Die Bilder der Parabeln sind auf der Leinwand der Worte Jesu aufgetragen. Die Erzählungen zielen als sprachliche Akte auf nichtsprachliche Akte, indem der Inhalt die Wirklichkeit und Handlungen der Adressaten bestimmen will. Gegen Gleichgültigkeit und Aufgehen in der Mitwelt wird elitäres Selbstbewusstsein gefordert, das sich durch Handeln im Horizont der Jesusbotschaft bewährt. In diesem Sinne sind die „Bildergeschichten“ Modelle zur Nachahmung und Impulse zu nichtsprachlicher Handlung, die den Aussagen der Erzählungen entsprechen – sie lassen sich so in Q als performative Abbildungen des Gottesreiches lesen. Auch wenn die ethische Orientierungsleistung der Parabeln nicht das Gesamtspektrum ihres Beitrages zum Verständnis von Q abdeckt, noch die Parabeln als ethisches Gesamtmodell für Q anzusprechen sind, so kann man feststellen, dass auch für Q gilt: „Together these imageries give the reader a feeling of the essence of ethical behavior“.83 Mehr noch drängen die Erzähler die Adressaten zu einem handlungsorientierten Leben in der Nachfolge, das als einzig möglicher Lebensstil sowohl angesichts der Heilszusage als auch angesichts der Gerichtsbotschaft angesehen wird. Die Adressaten sind Licht, aber nur, wenn sie das Licht in ihrem Handeln leben. So ist das Warten auf den Menschensohn ein radikal-aktives Leben im Horizont der Bilder der Parabelerzählungen.
82 83
S. o. S. 279. Van der Watt, Ethics Alive in Imagery (s. Anm. 18), 448.
Die eschatologisch-kritische Funktion der synoptischen Parabeln1 Kurt Erlemann Fragestellung – These Gleichnisse sind wie gute Witze: Werden sie gut erzählt, ist der Lacherfolg sicher. Das Lachen erfolgt spontan, ohne großes Nachdenken. Was aber bewirkt, dass man bei einem guten Witz lachen muss? Zum einen die gekonnte Art des Erzählens, zum anderen das gezielte Wachrufen von Erfahrung und Erinnerung. Nur wenn beides gegeben ist, ist der Lacherfolg sicher. Wir wissen, wie nervig, wenn nicht peinlich es ist, wenn ein Witzeerzähler nicht zu seiner Pointe findet, sie zerredet. Und wir Älteren wissen, dass wir etwa mit DDR -Witzen bei der jüngeren Generation keinen Lacherfolg haben werden. Das liegt daran, dass wichtige Erfahrungen und Erinnerungen nicht mehr vorauszusetzen sind – die subtilen Anspielungen gehen fehl, und damit die Pointe, die zum Lachen zwingt. Gleichnisse sind wie gute Witze: Auch sie erreichen ihr Ziel nur, wenn sie gekonnt erzählt werden und wenn die darin geschilderten Erfahrungen und Erinnerungen Autor und Adressaten gemeinsam sind. Die Frage der Erzählkunst, der Erzählstrategie ist die Frage der Textpragmatik. Die Frage der Erfahrungen und Erinnerungen ist die der Sprachkonventionen und des sozialgeschichtlichen Kontextes. In meinem Beitrag wende ich mich der Frage zu, wie die Gleichnisse funktionieren und was sie bewirken, soweit wir dies aus den Texten erkennen können. In einem ersten Punkt werde ich Ziele, Zwecke und Funktionen der Gleichnisse theoretisch umreißen. Dann werde ich die Theorie an einem konkreten Gleichnis veranschaulichen. Die Erzählstrategie des Autors wird in einem dritten Schritt entfaltet, in einem weiteren Punkt werde ich die kritisch-eschatologische Funktion der Gleichnisse in den Blick nehmen. Was diese ihrerseits mit der Christologie und Eschatologie des Autors zu tun hat, wird der letzte Schritt beleuchten.
1 Überarbeiteter Vortrag, gehalten auf Einladung des Herausgebers an der Universität Bielefeld am 1. Februar 2007.
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Die Leitthese meines Beitrags, mit der ich meine früheren Ausführungen2 zum Thema weiterführe, lautet: Die Parabeln Jesu dienen nicht nur der Plausibilisierung umstrittener Inhalte, sondern vollziehen auf ihre Weise das eschatologische Gericht in erster Instanz.
1. Die Funktionen der Gleichnisrede Jesu Um Ziel, Zweck und Funktion der Gleichnisrede gibt es seit Adolf Jülichers Tagen3 eine fortwährende Debatte. Es ist der Gleichnisrede inhärent, dass sie sich nicht in eine bestimmte Schublade packen lässt. Gleichnisse sind polyfunktional und zielen auf unterschiedliche Wahrnehmungsebenen, und das macht einen Großteil ihrer bleibenden Faszination aus. Die unterschiedlichen Funktionen und angesprochenen Wahrnehmungsebenen lassen sich folgendermaßen beschreiben: – generell: Plausibilisierung umstrittener Inhalte (argumentative und apologetische Funktion; emotive und kognitive Ebene), – Illustration der Gottes als der eschatologischen Dimension der „Sache“ (illustrative Funktion; kognitive Ebene), – Darstellung und Begründung der Zuwendung Gottes zu den Marginalisierten als der theologischen Dimension der „Sache“ (illustrative und apologetische Funktion; kognitive Ebene), – Deutung und Begründung des Verhaltens Jesu als der christologischen Dimension der „Sache“ (illustrative und apologetische Funktion; kognitive Ebene), – Erzeugung einer neuen Wirklichkeitssicht, Neudeutung der Wirklichkeit (po[i]etische Funktion; emotive und kognitive Ebene), – Motivation zur Verhaltens- und Einstellungsänderung („Kampf um die Herzen“; symbuleutisch-praktische Funktion; emotive bzw. affektive Ebene). Gleichnisse sind nicht nur polyvalent, was die transportierten Inhalte bzw. die Aspekte der so genannten „Sache“,4 sondern auch, was die textpragmatische Zielsetzung und die angesprochenen Wahrnehmungsebenen im Menschen anbelangt. Eine äußerst komplexe Sprachform also mit einer hohen Vermittlungsdichte. Dabei verwischen die Grenzen zwischen kognitiv und affektiv, zwischen rhetorisch-argumentativ und po(i)etisch.5 Gleichnisse sind Sprachhandlungen, die zugleich illustrieren, generieren und motivieren. 2 K. Erlemann, Gleichnisauslegung. Ein Lehr- und Arbeitsbuch, UTB 2093, Tübingen / Basel 1999, 128–170. 3 A. Jülicher, Die Gleichnisreden Jesu, Teile I –II , Tübingen 21910. 4 Zu diesem Begriff vgl. Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 2), 100–117. 5 Vgl. die Diskussion zu diesen Gegensatzpaaren: Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 2), 54–60.
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Gleichnisse haben sowohl epideiktische als auch symbuleutische und dikanische Anteile. Das letztendliche Ziel, textpragmatisch gesehen, ist die Veränderung einer bestimmten Einstellung, eines bestimmten Verhaltens, sofern dies nötig erscheint. Die Deutung der konventionellen Wirklichkeitssicht in theologischer, christologischer und eschatologischer Hinsicht ist dabei Mittel zum Zweck. Gottesbild, Deutung des Wirkens und Geschickes Jesu sowie Gottesherrschaft gehen ineinander über und dienen dem textpragmatischen Ziel. Gleichnisse können somit als bildhaftes Plausibilisierungsgeschehen charakterisiert werden.6
2. Beispiel: Mk 12,1–12 parr. Anhand der Parabel von den Winzern, Mk 12,1–12 parr., ist die textpragmatische Polyvalenz der Gleichnisse zu konkretisieren. Ich werde dabei nicht auf die Frage der Authentizität oder einer möglichen mündlichen Urform eingehen, sondern die Parabel in ihrer literarisch überlieferten Gestalt betrachten.7 Die Parabel handelt nicht expressis verbis vom Gottesreich. Gleichwohl zeigt sie, wie Gott (auf den die -Figur verweist) seine Herrschaft ausübt: Bis hin zur Sendung des Sohnes fordert er das ihm Zustehende ein, verzichtet aber auf persönliches, das Urteil vorweg nehmendes Eingreifen. Dieser Gott ist langmütig, ja so geduldig, dass diese Geduld als Ohnmacht missverstanden werden kann. Doch wird er unweigerlich seine Macht demonstrieren, nachdem sein „geliebter Sohn“ ermordet wurde. Der Sohn ist nicht der verhasste Konkurrent, sondern, und das ist das zweite fatale Missverständnis, der entscheidende Baustein der Erwählung. An der Haltung ihm gegenüber vollzieht sich die über die Winzer. Das heißt, sie vollziehen sie selbst. Das Gottesbild ist demnach zeitlich strukturiert, der derzeitige Gott der Langmut wird bald schon als der Gott des Gerichts auftreten und keinen Zweifel an seiner Herrschaft lassen.8 Theologische, christologische und eschatologische Dimension der „Sache“ sind damit umrissen. Die Wirklichkeit ist neu gedeutet – der „Weinberg“, Metapher für den Erwählungsvorzug, erscheint in neuem Licht: als Gottes Eigentum, als Verpflichtung für die Winzer, als Gut, das auch weggenommen werden kann, und Jesus als letzter Appell, Gott endlich zukommen zu lassen, was ihm zusteht. Der Tod Jesu erscheint nicht als unvermeidliches Fatum, sondern als Folge der so nicht vorhersehbaren Ablehnung seitens der Winzer. 6
Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 2), 99 f. Zur Diskussion dazu vgl. zuletzt J.S. Kloppenborg, The Tenants in the Vineyard. Ideology, Economics, and Agrarian Conflict in Jewish Palestine, WUNT 195, Tübingen 2006. 8 Zum Gottesbild in Mk 12,1–12 vgl. K. Erlemann, Das Bild Gottes in den synoptischen Gleichnissen, BWANT 126, Stuttgart u.a. 1988, 222–241. 7
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Die Parabel hat eine dikanische und eine symbuleutische Seite: Mit Blick auf die historischen Gegner Jesu ist sie dikanisch, sie begründet das Urteil über sie. Mit Blick auf die christlichen Adressaten (und ggf. der Juden nach 70 n. Chr.) ist sie symbuleutisch, denn diese sollen aus dem schlechten Vorbild der Winzer lernen (vgl. die Rede von den „Früchten“ in Mt 21,43). Das evozierte Verhalten heißt: Anerkennung Jesu als des letzten, entscheidenden Boten Gottes und „Früchte bringen“.
3. Zur Erzählstrategie des Autors Wie nun erreicht Markus (den ich hier als Referenzvariante wähle) sein textpragmatisches Ziel? Wie macht er plausibel, dass alles darauf ankommt, die Sendung Jesu nicht misszuverstehen und das Nichteingreifen Gottes nicht falsch zu interpretieren? Oder anders gesagt: Jesus anzuerkennen und Gott das ihm Zustehende zu geben? Die Erzählstrategie des Markus lässt sich wie folgt umreißen: Zuerst setzt er alles daran, den in seiner Sorgfalt schon bei der Anlage des Weinbergs darzustellen (V. 1 b). Das Bild vom Weinberg ist der Lebenswelt der Adressaten entnommen, somit greift er auf vorhandene Erfahrungen zurück. Dabei ist die Sympathie der Adressaten nicht automatisch auf der Seite des , denn der erinnert deutlich an einen ausländischen Großgrundbesitzer, der für die sozialen Missstände in Palästina mitverantwortlich ist.9 Wie sich die Sympathie im Verlauf der Erzählung dreht, wird zu zeigen sein. Neben der Alltagserfahrung bietet Mk 12,1 eine deutliche Reminiszenz an Jes 5, das „Weinberglied“, das bis in wörtliche Formulierungen hinein hier anklingt. Mit der Exposition, die den Leser in eine pseudorealistische Welt einführt, ist der Grund gelegt, dass die Parabel funktionieren kann. Die nachfolgende Einforderung des Pachtzinses erscheint, aus der Sicht Not leidender, in Abhängigkeit lebender Pächter, als übliche, üble Zumutung, aus der Sicht des sorgfältigen hingegen als gerechtfertigte Forderung. Die Reaktion der Winzer auf den ersten Boten mag, sozialgeschichtlich betrachtet, allzu verständlich sein und die Winzer als Heroen des Widerstands erscheinen lassen. Die Reaktion erzeugt aber Spannung, da – ebenfalls der Erfahrung der Adressaten wohl nicht fremd – eine Reaktion des zu erwarten ist. Der Machtkampf ist eröffnet. Erstaunlich ist die zweite Sendung eines Boten, mithin der Verzicht des auf schnelle Bestrafung. Gänzlich extravagant, die soziale Wirklichkeit verfremdend, ist die Notiz von vielen weiteren Boten und ihrem Ergehen (V. 5). Der Hörer, die Leserin sehen sich vor die Frage gestellt, wie der zu beurteilen ist, und 9
Kloppenborg, Tenants in the Vineyard (s. Anm. 7), bes. 278 ff.
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stehen damit vor derselben Frage wie die Winzer selbst. Die Einschätzung des bzw. das Motiv seines extravaganten Nichteingreifens wird im Selbstgespräch V. 6 offen gelegt und geklärt: Nicht Ohnmacht, sondern die optimistische, schier naiv wirkende Hoffnung auf Respekt und Einlenken der Winzer lässt den schließlich seinen geliebten Sohn senden. Doch wie sich die Winzer im und dessen Sohn täuschen, so auch umgekehrt der in den Winzern. Eine Verkettung fataler Missverständnisse und Fehleinschätzungen. Spätestens mit dem Selbstgespräch sollte sich die Sympathielage zugunsten des gedreht haben. Die Winzer dagegen erscheinen auf ihre Idee fixiert, ja geradezu verstockt. Das Recht auf „Ersitzung“ des Weinbergs auf diese Weise erzwingen zu wollen, mag, sozialkritisch gesehen, heroenhaft sein. Die Hörerinnen und Leser aber wissen seit V. 6 entscheidend mehr: Mit dem ist durchaus noch zu rechnen, der Sohn kommt als letzter, entscheidender Bote, als geliebter Sohn, nicht als Gerichtsherr. Die Beseitigung des Sohnes muss das Kommen des zum Gericht nach sich ziehen. Die rhetorische Frage in V. 9, die vom Sprecher selbst beantwortet wird (anders als bei Mt), nimmt dieses Ende der Erzählung vorweg. Das nachfolgende Psalmzitat dient der Deutung der Geschehnisse (dikanisch).
4. Die eschatologisch-kritische Funktion der Parabeln So weit die Erzählstrategie des Markus. Wie das Gleichnis funktioniert, sein textpragmatisches Ziel erreicht, Jesus als entscheidenden Boten Gottes anzuerkennen und dem geduldigen Herrn des Weinbergs Gerechtigkeit zu zollen, sollte deutlich geworden sein. Die Wirklichkeit, besonders was Gott, Jesus und die Erwählung angeht, erscheint in neuem Licht – bei Gott und Jesus geht es deutlich anders zu als in einem sozialkritischen Bühnenstück. Und die Vollmachtsfrage, Kern des Konflikts zwischen Jesus und seinen Gegnern, wird nebenbei auch gleich geklärt: Er ist der geliebte Sohn und vom Vater gesandt als Zeichen seiner unermesslichen Geduld und zugleich als unüberbietbarer Endpunkt dieser Geduld. Allein, die Parabel verfehlt ein wichtiges textpragmatisches Ziel, das ihr von den Synoptikern durch die Kontextualisierung zugedacht wurde: die Gegner Jesu in letzter Minute von ihrem Vorhaben abzubringen. Dabei ist nicht die kognitive Ebene das Problem: Die Gegner verstehen, dass es um sie geht, dass sie mit den Winzern gemeint sind (V. 12). Und sie verstehen, dass sich Jesus als der Sohn Gottes präsentiert. Das Problem ist vielmehr auf der emotiven und praktischen Ebene zu sehen: Die Selbstpräsentation Jesu wird nicht akzeptiert, die Haltung der Gegner scheint eher noch mehr zementiert. Jesus wird aufgrund
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seines Selbstanspruchs abgelehnt, zu einem Innehalten und Nachdenken kommt es nicht. Die spontane Verhaftung wird lediglich aus praktischen und taktischen Gründen unterlassen. Anstatt Jesus nachzufolgen, gehen sie davon (V. 12 b). Somit ist neben den unter 1) genannten Funktionen synoptischer Parabeln zumindest für Mk 12,1–12 parr. eine weitere zu nennen, die gewissermaßen „quer“ zu den anderen liegt. Diese Funktion zielt nicht auf die kognitive oder die emotive Wahrnehmungsebene, sie zielt auch nicht auf eine Verhaltensänderung, zumindest nicht in Hinsicht auf die narrativ ausgestaltete Erstwirkung der Gleichnisrede Jesu. Was sie nach Auffassung der Evangelisten de facto bewirkt, ist eine Scheidung bzw. Unterscheidung zwischen den Zuhörern Jesu: Die einen hören, verstehen und lassen sich bewegen, die anderen hören und verstehen zwar, erscheinen aber in der Ablehnung Jesu und seiner Botschaft verhärtet. Ich nenne dies die Ebene der Trennung von „außen“ und „innen“, von „Insidern“ und „Außenstehenden“ (eschatologisch-kritische Funktion; Ebene der narrativen Erstwirkung). Die eschatologische Dimension der Gleichnisse Jesu bzw. der Punkt der als entscheidendes (existenziales) Motiv der Gleichnisbotschaft war die zentrale Entdeckung der Gleichnisforschung in der Zeit nach Jülicher. Im Kontext der Suche nach dem ursprünglichen Sinn der Gleichnisse im Munde Jesu votiert Joachim Jeremias für die Rekonstruktion ihres historischen Kontextes, da nur so der ursprüngliche Sinn wiederzugewinnen sei.10 Jeremias teilt dabei Jülichers Entgegensetzung von mündlichen und verschriftlichten Gleichnissen. Wie dieser versteht Jeremias die Gleichnisse als situationsbezogene ad-hoc-Bildungen, die typische Entstehungssituation sei die Auseinandersetzung Jesu mit seinen Gegnern.11 Die Reich-GottesBotschaft der Gleichnisse ziele auf eine eschatologische Entscheidung ( ) für oder gegen die Gottesherrschaft.12 Jesus selbst wird damit zum Punkt der sich realisierenden eschatologischen Erwartung.13
Wenn im Kontext dieses Aufsatzes von eschatologisch-kritischer Funktion die Rede ist, dann ist damit – im Gegensatz zur älteren Gleichnisforschung – nicht der ursprüngliche Sinnkern der Gleichnisse im Munde Jesu im Blick, sondern ein redaktionell-textpragmatisches Konzept zur Erklärung der ambivalenten Wirkung der Gleichnisbotschaft Jesu vor Ostern und zur Stimulierung der Nachfolgebereitschaft der nachösterlichen Adressaten des Evangeliums. Beide Funktionen werden in Mk 4,10–12 parr., der so genannten „Parabeltheorie“, programmatisch thematisiert.
10
J. Jeremias, Die Gleichnisse Jesu, Göttingen 101984, 15 f. Jeremias, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 10),17 f. 12 Jeremias, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 10), 227. 13 Jeremias, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 10), 226. Vgl. das Konzept der realized eschatology von C.H. Dodd, The Parables of the Kingdom, London 1935 (31961). 11
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5. Mk 4,10–12 parr. als Exposition der Parabelhermeneutik Mit der negativen Reaktion der Winzer in Mk 12,1–12 parr. bestätigt sich die Aussage der „Parabeltheorie“ Mk 4,10–12. Hier, zu Beginn der Lehrtätigkeit Jesu, wird die eschatologisch-kritische Funktion der Gleichnisrede thematisiert. Gleichnisse werden dabei als Redeform eingeführt, die gerade den Nichteingeweihten gilt. Nicht zuerst, um ihnen via bildhafte, fiktionale Sprache die Gottesherrschaft nahe zu bringen, sondern auch, um eine Unterscheidung herbeizuführen – zwischen denen, die die Gleichnisse hören und sich von ihnen bewegen lassen, und denen, die zwar akustisch die Gleichnisse wahrnehmen und sie kognitiv verstehen, aber auf ihrem alten Standpunkt beharren. Markus und Lukas erinnern in einem Zitat an die Verstockungsaussage Jes 6,9 f. und formulieren durch „ “ diese Verstockung als Ziel und Zweck der Gleichnisrede. Anders Matthäus, der Ursache und Wirkung vertauscht und in der Verstockung die Ursache für die Unfähigkeit bzw. den Unwillen, die Gleichnisrede umzusetzen, sieht. Die Gleichnisse sind nach Mk 4 nicht, wie Jülicher als Kind des 19. Jahrhunderts es sah, rhetorische Mittel, die mit äußerster Klarheit ihr Ziel, nämlich die Aufklärung über eine bestimmte religiöse Idee, erreichen,14 sondern ein Mittel der , der Klärung im anderen Sinne: In der Reaktion auf die Gleichnisse klärt sich, wer zu Jesus gehört und wer nicht. Entscheidende Voraussetzung, die Gleichnisse Heil bringend zu verstehen und umzusetzen, ist die Nachfolge Jesu (vgl. Mk 3,31–35). Und wer Jesus nachfolgt, kennt eigentlich schon die Geheimnisse der Gottesherrschaft und braucht keine Bilder mehr (Mk 4,11). Gleichwohl werden die Jünger exemplarisch über den Sinn der Gleichnisse aufgeklärt (allegorische Deutung des Sämanngleichnisses in Mk 4,13–20). Mit anderen Worten: Die Gleichnisrede Jesu wird von den Synoptikern programmatisch als Sprachform eingeführt, die neben allen inhaltlichen Aspekten vor allem einem dient: der Scheidung bzw. Unterscheidung ( ) zwischen Jüngern und Gegnern Jesu.15 An der Reaktion auf die Gleichnisse wird sichtbar, wer zu Jesus gehört und wer nicht.16 Wer nicht zu Jesus gehört, verpasst die Chance der Gleichnisse und wird in seiner ablehnenden Haltung zementiert. Wer sich in die Nachfolge begeben hat, hat im Grunde die pragmatische Zwecksetzung der Gleichnisse schon erfüllt. So haben die Gleichnisse, bezogen auf die Zeitgenossen Jesu (narrative Ebene), nicht nur 14 Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 3), I, 117; ders., Paulus und Jesus, RV 14, Tübingen 1907 (1962). 15 Auch wenn expressis verbis nur in wenigen Parabeln von einer negativen Reaktion der fiktiven Erstadressaten die Rede ist (Mt 22,1–14.15; Lk 16,1–9.14; Mk 12,1–12.12), fungiert Mk 4,10–12 parr. als „Vorzeichen vor der Klammer“ der Gleichnishermeneutik: Die Leserinnen und Leser des Evangeliums werden in jeder Parabel auf den Zusammenhang von Nachfolge und Verstehen verwiesen. 16 K. Haacker, Erwägungen zu Mc IV 11, NT 14 (1972), 219–225, 224.
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eine symbuleutische,17 sondern auch eine dikanische Ausrichtung: Sie begründen, weshalb viele Menschen Jesus ablehnten, und sie vollziehen quasi in erster Instanz das Endgericht. Die Bewertung von Mk 4,10–12 als Exposition der Parabelhermeneutik steht prima vista in diametralem Gegensatz zur älteren Gleichnisforschung, die von der prinzipiellen Klarheit der Gleichnisrede Jesu ausging. So betonte etwa Jeremias mit Nachdruck, dass die Textstelle nicht ursprünglicher Bestandteil des Gleichniskapitels ist und sich eigentlich auf die Gesamtbotschaft Jesu bezieht.18 Diese Bewertung ist im Kontext der (jülicherschen) Frage nach dem historischen Jesus und seiner Botschaft zu sehen und hat mit der hier gestellten, redaktionskritisch und textpragmatisch ausgerichteten Fragestellung nichts gemein. Unabhängig wäre zu fragen, ob das redaktionelle Konzept der Synoptiker nicht doch auf einen historischen Kern zurückgeht, Jesus also „Rätselrede“ zuzutrauen ist.19
6. Die kritische Funktion der Gleichnisrede im Kontext von Christologie und Eschatologie Mk 4,10–12 parr. impliziert das Bild von Jesus als des endzeitlichen Propheten.20 Die Synoptiker deuten Jesus einerseits in der Tradition der Schriftpropheten, die unter anderem mittels paradoxer Interventionen ihr Ziel – die Bekehrung Israels – zu erreichen suchten, aber mit ihrer Botschaft weithin scheiterten. Der Rückgriff auf Dtn 29,3 und Jes 6,9 f. erklärt zugleich, weshalb Jesus von vielen Menschen abgelehnt wurde: Seine Botschaft wurde zwar gehört und verstanden, aber längst nicht von allen akzeptiert. Sein Ruf, seine Einladung wurde zwar gehört, aber nicht wahr-genommen. Grund dafür war innere Verweigerung, „Verstockung“, angesichts der Konfrontation mit Jesu Vollmachtsanspruch. Dass eine solche Verweigerung überhaupt möglich war, erklärt sich aus der Christologie und Eschatologie der Synoptiker, die unter anderem in der Tradition des leidenden Gerechten aus DtJes stehen. Weiterhin ist eine Wechselwirkung mit dem frühjüdischen Konzept eines in zwei Phasen kommenden Messias nicht auszuschließen (vgl. 4 Esr 7,28 ff.; syrBar 29 f.).21 Nach 17 Im Sinne einer „paradoxen Intervention“, die gerade verhindern will, was sie ankündigt. Dazu V.A. Lehnert, Die Provokation Israels. Die paradoxe Funktion von Jes 6,9–10 bei Markus und Lukas, Neukirchener theologische Dissertationen und Habilitationen 25, Neukirchen-Vluyn 1999. 18 Jeremias, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 10), 9–14. 19 K. Erlemann, Adolf Jülicher in der Gleichnisforschung des 20. Jahrhunderts, in: U. Mell (Hg.), Die Gleichnisreden Jesu 1899–1999. Beiträge zum Dialog mit Adolf Jülicher, BZNW 103, Berlin / New York 1999, 5–37, sowie mein Beitrag im vorliegenden Band zu Allegorie, Allegorese, Allegorisierung. 20 Vgl. auch Lk 4,18–21 u.a. 21 Dieses Konzept entspricht dem apokalyptischen, mehrstufigen Gottesbild, wonach Gott in der Gegenwart die Durchsetzung seiner Macht zurückhält, um sie in Kürze dafür umso
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den synoptischen Evangelien ist der Messias-Christus zuerst inkognito, in Gestalt des Menschen Jesus von Nazareth, erschienen – verwechselbar, mit ambivalenter Wirkung, und am Ende von den Menschen verworfen. Bei seiner Parusie hingegen wird er für alle sichtbar, unverwechselbar und auf Ewigkeit kommen (Mk 13,24–27 parr.). Alle Zweideutigkeit, alle Fragen nach der Identität des „richtigen“ Messias-Christus werden sich dann erübrigt haben. Die ambivalente Wirkung des irdischen Jesus ist ein wichtiges Thema christologischer Reflexion nach Ostern. Sie führt zur narrativen Ausgestaltung seines Wirkens, wie wir es in den Evangelien kennen. Kennzeichnend für das MkEv, und abgeschwächt auch für Matthäus und Lukas, ist die Konzeption des von William Wrede so benannten „Messiasgeheimnisses“.22 Die Erklärungsversuche des „Messiasgeheimnisses“ sind von Heikki Räisänen übersichtlich gebündelt worden.23 Räisänen widerspricht der Theorie, wonach die Gleichnistheorie Mk 4, das Motiv des Jüngerunverständnisses und die Schweigegebote Jesu zu einer einheitlichen Konzeption gehören. Die Gleichnistheorie Mk 4 sieht er als letztlich nicht integralen Bestandteil mk Theologie, da sie durch die nachfolgende allegorische Jüngerunterweisung (die Jünger verstehen nicht) und durch Mk 12,1–12 (die Gegner verstehen) widerlegt werde. Dagegen ist die in Anm. 17 dargelegte Überlegung zu halten, wonach Mk 4,10–12 im Sinne einer „paradoxen Intervention“ zu deuten ist. Voraussetzung dafür ist, dass die Entscheidung, wer zu Jesus gehört und wer nicht bzw. wer Jesu Gleichnisse versteht (und umsetzt) und wer nicht, offen ist – auch mit Blick auf die mk Leserschaft. Die Parabeltheorie ist demnach eine Leseanweisung, sich in die Nachfolge zu begeben, sich wie die Jünger auf den Weg der Erkenntnis zu machen. Die Jünger mit ihren Rückfällen, ihrem Kleinglauben und zeitweiligen Nichtverstehen stehen paradigmatisch für die mk Gemeinde, die selbst um Glauben und Erkenntnis ringt.
Ohne auf die kontroverse Diskussion um dieses Theologumenon näher eingehen zu können,24 weist es m.E. auf den Versuch des Markus, Jesu ambivalente Wirkung zu deuten als eine Wirkung, die von Jesus selbst intendiert ist und die das Ringen der Gemeinde paradigmatisch abbildet. Zum einen sind es die Schweigegebote im Kontext von Wunderheilungen, die die Ambivalenz fördern, zum anderen ist es die Gleichnisrede nach dem Verständnis von Mk 4,10–12. Das heißt, Jesus war in seiner Verkündigung wie eindrucksvoller zu demonstrieren; K. Erlemann, Naherwartung und Parusieverzögerung im Neuen Testament. Ein Beitrag zur Frage religiöser Zeiterfahrung, TANZ 17, Tübingen 1995, 101. 22 W. Wrede, Das Messiasgeheimnis in den Evangelien. Zugleich ein Beitrag zum Verständnis des Markusevangeliums, Göttingen 1901 (31963). 23 H. Räisänen, Das „Messiasgeheimnis“ im Markusevangelium. Ein redaktionskritischer Versuch, SESJ 28, Helsinki 1976. 24 Neben Räisänen sind vor allem zu nennen: F. Watson, The Social Function of Mark’s Secrecy Theme, JSNT 24 (1985), 49–69; Chr. M. Tuckett, The Disciples and the Messianic Secret in Mark, in: I. Dunderberg / Chr. Tuckett / K. Syreeni (Hgg.), Fair Play. Diversity and Conflicts in Early Christianity (FS H. Räisänen), NT .S 103, Leiden u.a. 2002, 131–149.
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Kurt Erlemann
in seinem Wunderwirken nicht auf Eindeutigkeit aus, was seine Identität angeht, sondern hat diese nur bestimmten Menschen, die offen waren für seine Wahrheit, offenbart. Seine Identität sollte sich nach dieser Konzeption nicht zwingend, sondern im Glauben und in der Nachfolge erschließen. An Jesus sollten sich die Geister scheiden – die Tatsache seiner Verwerfung war in diesem Sinne kein zweifelhaftes Scheitern des Gottessohnes, sondern Teil der Sendung Jesu als des Repräsentanten und „Promoters“25 der Gottesherrschaft. Und damit Teil der Überzeugung, dass der Gott Israels vorläufig auf Beweise seiner Allmacht verzichtet, um die Menschen zur zu bewegen. Jesu Kommen ist der letzte Appell Gottes an sein Volk, ihn anzuerkennen, auch und gerade wenn er auf allseits sichtbare und unwiderlegbare Durchsetzung seiner Macht verzichtet. Die Erkenntnis und Anerkennung Gottes fordert vom Menschen die Bereitschaft, Gott in seinem Wirken innerhalb der geschichtlichen Abläufe, und damit in seiner Uneindeutigkeit, wahrzunehmen. Der Glaube des Menschen ist kein Ergebnis unwiderlegbarer Beweise, sondern der Offenheit, sich auf Gottes unspektakuläres Handeln einzulassen. Die Gleichnisrede in ihrer kritischen, subtil die Unterscheidung zwischen den Menschen herbei führenden Funktion weist auf den Gott, der sich in den Abläufen des Alltags zeigt und sich doch eindeutiger Erkenntnis entzieht. Im Verzicht auf das längst fällige Gericht erweist dieser Gott seine Barmherzigkeit und Langmut.26
7. Fazit – Ausblick Der Blick auf die Textpragmatik der Parabeln Jesu und insbesondere auf die eschatologisch-kritische Funktion ermöglicht anders so nicht mögliche Bezüge zu Christologie und Eschatologie der Synoptiker. Parabeln nicht nur als besonders gelungene Beispiele der Überzeugungskraft Jesu zu verstehen, sondern sie als Sprachformen zu begreifen, die erklären, weshalb Jesus eine ambivalente Wirkung entfaltete, ist das Resultat der Überlegungen. Darüber hinaus werden die Gleichnisse als Mittel erkennbar, die in der Deutung der Synoptiker eben diese ambivalente, kritische Wirkung erzielen sollten – im Gefolge der Verstockungsaussagen von Jes 6,9 f. Deutlich wird weiterhin, wie sich die endzeitliche nach Auffassung der Synoptiker vollzieht: In einer ersten Stufe in der doppelten Wirkung der Parabeln, die zur Neudeutung der Wirklichkeit einladen, aber nicht dazu zwingen, die konventionelle 25 K. Erlemann, Die Selbstrepräsentation Jesu in den synoptischen Gleichnissen, in: J. Frey u.a. (Hgg.), Metaphorik und Christologie, TBT 120, Berlin / New York 2003, 37–52. 26 Vgl. 2 Petr 3,9 u.a. Die Erklärung der (scheinbaren) Verzögerung der Parusie wird im frühen Christentum regelmäßig auf Gottes Langmut und seinen universalen Heilswillen zurückgeführt. – Weiter dazu K. Erlemann, Wer ist Gott? Antworten des Neuen Testaments, Neukirchen-Vluyn 2008, bes. Kap. 13.
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Sichtweisen infrage stellen, diese aber nicht unterbinden, die metaphorisch auf Jesu Identität hinweisen, sie aber letztlich offen lassen, die kognitiv für alle Menschen begreiflich sind, aber letztlich auf das Herz des Menschen zielen. Die zweite Stufe der wird mit der Parusie des Menschensohns eintreten. Für die Leserinnen und Leser der Evangelien kommt es entscheidend darauf an, aus den Parabeln die richtige Konsequenz zu ziehen, um dem Schicksal der Pharisäer und Schriftgelehrten zu entrinnen.27
27 Ich halte die eschatologisch-kritische Funktion der Gleichnisse für eine gewinnbringende Ebene für den Vergleich mit den joh. . Dazu vgl. K. Erlemann, Die Synoptischen Gleichnisse und die johanneischen – ein redaktionskritischer und textpragmatischer Vergleich, in: V.A. Lehnert / U. Rüsen-Weinhold (Hgg.), Logos – Logik – Lyrik. Engagierte exegetische Studien zum biblischen Reden Gottes (FS Klaus Haacker), Leipzig 2007, 340–349.
,Das Mysterion der Botschaft Jesu‘ Beobachtungen zur synoptischen Parabeltheorie und ihren Analogien im Johannesevangelium und Thomasevangelium Enno Edzard Popkes 1. Thematische Hinführung In der Geschichte der Erforschung der neutestamentlichen Gleichnistraditionen nimmt die so genannte Parabeltheorie (Mk 4,10–12*[13]; Mt 13,10–17; Lk 8,9 f.) eine besondere Stellung ein. Ein wesentliches Anliegen der durch die synoptischen Evangelien überlieferten Gleichnistraditionen besteht darin, den Lesern und Hörern dieser Werke durch unterschiedliche erzähltechnische Medien eine vertiefte Einsicht in die Botschaft Jesu zu ermöglichen.1 In den unterschiedlichen synoptischen Varianten der Parabeltheorie wird jedoch zudem hervorgehoben, dass es für ein angemessenes Verständnis der Gleichnisrede einer zusätzlichen Belehrung bedarf, die Jesus nur den Jüngern vermittelt hat. In diesem Sinne erfülle Jesu Gleichnisrede zugleich die Funktion, die Differenz zwischen Sympathisanten und Gegnern der Botschaft Jesu deutlicher zu Tage treten zu lassen bzw. bestimmte Gruppierungen in ihrer ablehnenden Haltung zu bestärken. Exegetische Untersuchungen der Parabeltheorie wurden zumeist von der Frage dominiert, wie die Entstehung einer solchen Vorstellung erklärt werden kann bzw. welche Funktion sie für die theologische Aussageintention der unterschiedlichen synoptischen Evan1 Zu Skizzen unterschiedlicher literarischer und metapherntheoretischer Beschreibungskonzepte der verschiedenen Kategorien neutestamentlicher Parabeltraditionen s. R. Zimmermann, Die Gleichnisse Jesu. Eine Leseanleitung zum Kompendium, in: ders. (Hg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu, hg.v. R. Zimmermann in Zusammenarbeit mit D. Dormeyer, G. Kern, A. Merz, Chr. Münch und E.E. Popkes, Gütersloh 2007, 3–46, 31 ff. (speziell zur Verwendung der Arbeitsterminologie ,Gleichnis‘ bzw. ,Parabeln‘ vgl. a.a.O., 24 f.); Chr. Münch, Die Gleichnisse Jesu im Matthäusevangelium. Eine Studie zu ihrer Form und Funktion, WMANT 104, Neukirchen-Vluyn 2004, 8–57; A.J. Hultgren, The Parables of Jesus. A Commentary, Grand Rapids, Mich. / Cambridge 2000, 1–5; K. Erlemann, Gleichnisauslegung. Ein Lehrund Arbeitsbuch, UTB.W 2093, Tübingen 1999, 78–85; H.-J. Klauck, Allegorie und Allegorese in den synoptischen Gleichnistexten, NTA N.F. 13, Münster 1978, 4–12; Chr. Kähler, Jesu Gleichnisse als Poesie und Therapie. Versuch eines integrativen Zugangs zum kommunikativen Aspekt von Gleichnissen Jesu, WUNT 78, Tübingen 1994, 1–16.
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gelien hat.2 Weniger Beachtung erfuhr demgegenüber das Phänomen, dass sich auch im Johannesevangelium und im Thomasevangelium Analogien zu dieser Tradition erkennen lassen. Dieser Sachverhalt ist umso verwunderlicher, wenn man bedenkt, dass die Frage nach dem Verhältnis dieser beiden Werke zu den synoptischen Evangelientraditionen eigentlich ein zentrales Thema neutestamentlicher Forschung ist.3 Dass das Johannesevangelium keinerlei Kenntnis der synoptischen Evangelientraditionen hatte, wird nur noch sporadisch konstatiert. Strittig ist jedoch die Frage, zu welchem Maße der vierte Evangelist die synoptischen Evangelientraditionen kannte (vielfach wird eine Kenntnis des Markusevangeliums und des Lukasevangeliums vermutet, zuweilen sogar eine Kenntnis aller drei synoptischen Evangelien4). Dieser Sachverhalt impliziert die Frage, in welcher Weise sich im vierten Evangelium Analogien zu den synoptischen Varianten der Parabeltheorie beobachten lassen. Auch wenn das vierte Evangelium diesbezüglich keine unmittelbaren Paralleltraditionen aufweist, lassen sich zwei indirekte Analogien beobachten. Zum Abschluss der zweiten johanneischen Abschiedsrede wird hervorgehoben, dass Jesus seine Botschaft zunächst „in verhüllter Rede“5 bzw. in Gestalt einer „Rätsel- bzw. Bildrede“6 vermittelt, deren Bedeutung nicht unmittelbar erkennbar war (vgl. Joh 16,25–30). Es stellt sich die Frage, inwieweit dieses Motiv „eine gewisse Analogie zur ,Parabeltheorie‘ von Mk 4,10 f. erkennen“ lässt, „bei der ebenfalls die öffentliche Parabel-Rede Jesu … im Jüngerkreis erläutert wird“7. Diese Frage legt 2 Zur Forschungsgeschichte bzw. zu Skizzen unterschiedlicher Interpretationsansätze s. u.a. V.A. Lehnert, Die Provokation Israels. Die paradoxe Funktion von Jes 6,9–10 bei Markus und Lukas. Ein textpragmatischer Versuch im Kontext gegenwärtiger Rezeptionsästhetik und Lesetheorie, Neukirchener theologische Dissertationen und Habilitationen 25, NeukirchenVluyn 1999, 21 ff.; H. Räisänen, Die Parabeltheorie im Markusevangelium, SESJ 26, Helsinki 1973, passim; J. Rauscher, Vom Messiasgeheimnis zur Lehre der Kirche. Die Entwicklung der sogenannten Parabeltheorie in der synoptischen Tradition (Mk 4,10–12; Mt 13,10–17; Lk 8,9 f.), Desselbrunn 1990, passim; J. Gnilka, Die Verstockung Israels. Isaias 6,9–10 in der Theologie der Synoptiker, StANT 33, München 1961, 9–19 bzw. 187 ff.; C.A. Evans, To see and not perceive. Isaiah 6.9–10 in early Jewish and Christian interpretation, JSOT.S 64, Sheffield 1989, 91–106. 3 Zur Übersicht über die Forschungsgeschichte und methodischen Prämissen einer Identifikation intertextueller Bezüge s. U. Schnelle, Einleitung in das Neue Testament, UTB 1830, 5., erw. Aufl., Göttingen 2005, 185 ff.; F. Neirynck, John and the Synoptics 1975–1990, in: A. Denaux (Hg.), John and the Synoptics, BEThL 101, Leuven 1992, 3–62; J. Frey, Das vierte Evangelium auf dem Hintergrund der älteren Evangelientradition. Zum Problem: Johannes und die Synoptiker, in: T. Söding (Hg.), Das Johannesevangelium – Mitte oder Rand des Kanons? Neue Standortbestimmungen, QD 203, Freiburg, Br. 2003, 60–118. 4 Zu dieser Diskusion vgl. zuletzt H. Thyen, Das Johannesevangelium, HNT 6, Tübingen 2005; Frey, Evangelientradition (s. Anm. 3), 74 ff. bzw. 104 ff.; Schnelle, Einleitung (s. Anm. 3), 543 f. 5 So Thyen, Johannesevangelium (s. Anm. 4), 675. 6 Vgl. R. Zimmermann, Christologie der Bilder im Johannesevangelium. Die Christopoetik des vierten Evangeliums unter besonderer Berücksichtigung von Joh 10, WUNT 171, Tübingen 2004, 30. 7 So als offene Frage formuliert von Zimmermann, Christologie (s. Anm. 6), 40.
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sich zudem nahe, weil der Terminus als johanneisches Pendant zum synoptischen Gleichnisbegriff verstanden werden kann und weil die traditionsgeschichtlichen Hintergründe der Parabeltheorie im Johannesevangelium ebenfalls an exponierter Stellung verarbeitet werden.8 Die synoptischen Varianten der Parabeltheorie basieren in unterschiedlicher Deutlichkeit auf der jesajanischen Verstockungsaussage Jes 6,9 f. Letztere dient wiederum im vierten Evangelium dazu, die Ablehnung zu reflektieren, die Jesus seitens seiner jüdischen Mitmenschen erfuhr (Joh 12,37–41).9 Dies entspricht im Spektrum der synoptischen Parabeltheorie wiederum am ehesten der matthäischen Fassung, die als eine heilsgeschichtliche Reformulierung von Mk 4,10–12 verstanden werden kann. Es stellt sich somit die Frage, inwieweit der johanneische Rekurs auf Jes 6,9 f. durch eine Rezeption bzw. Interpretation von Mk 4,10–12 par. bestimmt ist bzw. inwieweit es sich um eine von der synoptischen Parabeltheorie unabhängige Aufnahme der jesajanischen Verstockungsvorstellung handelt. Mit einer völlig anderen Problemstellung wird man konfrontiert, wenn man die Analogien zur synoptischen Parabeltheorie im Thomasevangelium betrachtet. Das Thomasevangelium bietet eine Vielzahl von Analogien zu synoptischen Gleichnissen, bei denen nach wie vor kontrovers diskutiert wird, ob sie ältere Entwicklungsstadien dieser Traditionen erkennen lassen, als dies bei den neutestamentlichen Evangelien der Fall ist. Entsprechend lässt sich auch eine Parallele zu Mk 4,10–12 erkennen, insofern der Leser des Thomasevangeliums mit der These konfrontiert wird, dass Jesus seine Mysterien nur denjenigen Menschen anvertraut, die dieser Botschaft würdig sind (vgl. EvThom 62,1 [NHC II,2 p. 43,34–44,1: [ ] [ ] ]). Dass dieser Text eine Affinität zu Mk 4,10–12 par. aufweist, wird kaum in Frage gestellt. Strittig ist nur, in welchem historisch-genetischen und inhaltlich-sachlichen Verhältnis diese Texte zueinander stehen. Kann z.B. EvThom 62,1 als eine frühe Fassung der so genannten Parabeltheorie verstanden werden, welche erst nachträglich im Sinne der jesajanischen Verstockungsvorstellung gedeutet wurde? Oder handelt es sich hierbei um eine jüngere Fassung bzw. freie Paraphrase von Mk 4,10–12, bei welcher der alttestamentliche Reflexionshintergrund bewusst oder unterbewusst ausgeblendet wurde?10 8 Zum Verhältnis der Termini bzw. vgl. U. Poplutz, Paroimia und Parabol . Gleichniskonzepte bei Johannes und Markus, in: J. Frey / J.G. Van der Watt / R. Zimmermann (Hgg.), Imagery in the Gospel of John. Terms, Forms, Themes, and Theology of Johannine Figurative Language; in Zusammenarbeit mit G. Kern, WUNT 200, Tübingen 2006, 103–120, 114 f. 9 Diese sachliche Affinität wurde verschiedentlich konstatiert, aber kaum analysiert (vgl. u.a. R. Kühschelm, Verstockung, Gericht und Heil. Exegetische und bibeltheologische Untersuchungen zum sogenannten „Dualismus“ und „Determinismus“ in Joh 12,35–50, BBB 76, Frankfurt a.M. 1990, 91–96). 10 So verstehen z.B. zuletzt A. D. DeConick, The Original Gospel of Thomas in Translation. With a commentary and New English Translation of the Complete Gospel, LNTS 287, Lon-
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Die skizzierten Fragen gestalten sich noch komplexer, wenn man bedenkt, dass ebenso nach wie vor kontrovers diskutiert wird, in welchem Verhältnis wiederum das Thomasevangelium und das Johannesevangelium zueinander stehen. Obwohl diese Werke sich in ihrer theologischen Aussageintention und literarischen Gestalt grundlegend voneinander unterscheiden, weisen sie eine Vielzahl markanter begriffs- und motivgeschichtlicher Analogien zueinander auf.11 Da diese gemeinsamen Motivbestände jedoch oft gegensätzlich entfaltet werden und in beiden Werken die Gestalt des Apostels Thomas völlig gegensätzlich dargestellt wird, stellt sich die Frage, inwieweit die Verfasser bzw. Trägerkreise dieser Schriften ihrerseits in einem traditionsgeschichtlichen Verhältnis zueinander standen. Aus diesem Grund gilt es auch zu fragen, warum in diesen Werken diese Analogien zur Parabeltheorie so unterschiedlich gestaltet sind und inwiefern diese Konzeptionen einen Einblick in die theologische Aussageintention dieser Werke ermöglichen. Den skizzierten Fragestellungen soll in der vorliegenden Studie in vier Arbeitsschritten nachgegangen werden. Um die entsprechenden Züge des Johannesevangeliums und des Thomasevangeliums analysieren zu können, gilt es sich zunächst die Charakteristika der unterschiedlichen synoptischen Fassungen der Parabeltheorie zu vergegenwärtigen (2). Vor diesem Hintergrund soll analysiert werden, in welcher Weise die entsprechenden Traditionen im Johannesevangelium (3) und im Thomasevangelium behandelt werden (4). Abschließend kann schließlich betrachtet werden, was diese Beachtungen für das Verständnis der im Johannes- und Thomasevangelium überlieferten Parabeltraditionen austragen (5).
don / New York 2006, 204 f.; R. Nordsieck, Das Thomas-Evangelium. Einleitung – Die Frage nach dem historischen Jesus – Kommentierung aller 114 Logien, 3., durchg. und erw. Aufl., Neukirchen-Vluyn 2006, 244 f., EvThom 62 als eine frühe, von den synoptischen Vergleichsgrößen unabhängige Variante dieser Tradition. Selbst W. Schrage, Das Verhältnis des Thomasevangeliums zur synoptischen Tradition und zu den synoptischen Evangelienübersetzungen. Zugleich ein Beitrag zur gnostischen Synoptikerdeutung, BZNW 29, Berlin 1964, 130 f., der ansonsten eine Vielzahl unmittelbarer Aufnahmen synoptischer Texte im Thomasevangelium erkennt, äußert sich in Bezug auf das Verhältnis von EvThom 62,1 und Mk 4,10–12 par. äußerst zurückhaltend und resümiert zumindest in Bezug auf das Verhältnis von EvThom 62,2 und Mt 6,3, dass eine direkte Abhängigkeit „kaum stichhaltig begründet werden“ kann. Entsprechend erkennt auch M. Fieger, Das Thomasevangelium. Einleitung, Kommentar und Systematik, NTA 22, Münster 1991, 181, lediglich eine „freie Zitation“. 11 Zu Skizzen der terminologischen und begriffs- bzw. motivgeschichtlichen Parallelen und zu unterschiedlichen Ansätzen des Verhältnisses dieser Schriften s. u.a. I. Dunderberg, The Beloved Disciple in Conflict? Revisiting the Gospel of John and Thomas, Oxford 2006, 14 ff.; E.E. Popkes, „Ich bin das Licht – Erwägungen zur Verhältnisbestimmung des Thomasevangeliums und der johanneischen Schriften anhand der Lichtmetaphorik“, in: J. Frey / U. Schnelle (Hgg.), Kontexte des Johannesevangeliums. Das vierte Evangelium in religions- und traditionsgeschichtlicher Perspektive, unter Mitarbeit von J. Schlegel, WUNT 175, Tübingen 2004, 641–674, 641 ff.; R.E. Brown, Gospel of Thomas and St. John’s Gospel, NTS 9 (1962/63), 155–177; G.J. Riley, Resurrection Reconsidered. Thomas and John in Controversy, Minneapolis 1995, 1–7 bzw. 176 ff.
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2. Die unterschiedlichen Varianten der synoptischen Parabeltheorie Die so genannte Parabeltheorie begegnet in den synoptischen Evangelientraditionen in drei Varianten, deren Gestaltungen und theologische Akzentsetzungen markante Unterschiede erkennen lassen. Um diesen Sachverhalt erläutern zu können, soll im Folgenden zunächst die markinische Parabeltheorie betrachtet werden, die im Spektrum der synoptischen Varianten zweifelsohne die älteste Traditionsstufe repräsentiert (2.1).12 Vor diesem Hintergrund kann erläutert werden, in welcher Weise die Verfasser des lukanischen Geschichtswerks und des Matthäusevangeliums diese Vorgaben aufnehmen und im Zeichen ihrer eigenen theologischen Aussageintention modifizieren (2.2).
2.1 Grundzüge der markinischen Parabeltheorie Im Kontext der synoptischen Varianten der Parabeltheorie bereitet die markinische Fassung die meisten und schwierigsten Interpretationsprobleme.13 Strittig ist bereits, wie die Parabeltheorie genau textlich abzugrenzen ist.14 Dieses Problem korrespondiert mit der Frage, ob es sich bei Mk 4,10–12*(13) im Wesentlichen um eine literarische Komposition des Verfassers des ältesten Evangeliums handelt bzw. ob diesem Text eine vormarkinische Tradition zugrunde liegt. Und falls die Parabeltheorie in der Tat eine vormarkinische Tradition sein sollte, bliebe strittig, ob sie als ein ursprünglich isoliertes Logion kursierte bzw. ob sie bereits ein integraler Bestandteil der vormarkinischen Gleichnissammlung war. Dass die Parabeltheorie in den bisherigen Forschungsdiskursen so unterschiedliche Beurteilungen erfahren konnte, liegt u.a. auch darin begründet, dass die jeweiligen Erklärungsmodelle auf unterschiedlichen methodischen Prämissen und Verständnissen der markinischen Theologie basieren (entsprechend wird man sich bei allen diesen Erklärungsversuchen nur schwer dem Sog argumentativer Zirkelschlüsse entziehen können15). Die Aufarbeitung dieser Interpre12 Der Begriff ,markinische Parabeltheorie‘ impliziert noch keine Wertung, ob es sich bei Mk 4,10–12 im Wesentlichen um eine literarische Komposition des Verfassers des ältesten Evangeliums handelt. Es geht zunächst schlicht darum, die Texteinheit Mk 4,10–12 von den lukanischen und matthäischen Korrespondenztexten abzugrenzen. 13 Entsprechend Hultgren, Parables of Jesus (s. Anm. 1), 453. 14 Während z.B. Lehnert, Die Provokation Israels (s. Anm. 2), 21 f., den gesamten Textbereich Mk 4,1–13 als Grundlage der markinischen Parabeltheorie versteht, vermutet z.B. W. Marxsen, Redaktionsgeschichtliche Erklärung der sogenannten Parabeltheorie des Markus, ZThK 52 (1955), 255–271, 260, dass Mk 4,10.13 als eine Überleitung zwischen dem Sämanngleichnis (Mk 4,3–9) bzw. dessen Auslegung (Mk 4,14–20) zu verstehen sei, in die wiederum die nur in Mk 4,11 f. vorliegende Parabeltheorie integriert ist. 15 Zu Skizzen unterschiedlicher traditionsgeschichtlicher Verortungen der Teilaussagen von Mk 4,10–12 vgl. u.a. Klauck, Allegorie (s. Anm. 1), 242–253; Lehnert, Die Provokation
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tationsprobleme ist für die Aufgabenstellung, die der vorliegenden Studie zu Grunde liegt, nur von sekundärer Bedeutung. Im Folgenden soll es primär darum gehen, sich die zentralen Charakteristika der markinischen Parabeltheorie zu vergegenwärtigen, um vor diesem Hintergrund die Eigentümlichkeiten der Korrespondenztexte zu erfassen, die im Johannesevangelium und Thomasevangelium überliefert wurden. Die markinische Parabeltheorie ist ein Teilaspekt der in Mk 4,1–34 überlieferten Gleichnistraditionen. Die Erzähldramaturgie dieses Textes kann folgendermaßen nachgezeichnet werden. Die auf einer vormarkinischen Sammlung basierende Gleichnisrede Mk 4,1–34 wird durch die Erzählnotiz eingeleitet, dass Jesus von einer großen Menschenschar umgeben ist, welche daraufhin von ihm belehrt wird (Mk 4,1 f.).16 In diesem Zusammenhang wird im Erzählverlauf des Markusevangeliums zum zweiten Mal konstatiert, dass Jesus seine Botschaft u.a. in Form von Gleichnissen vermittelte (vgl. Mk 4,2 a …).17 Während in der narrativen Einleitung dieser Sequenz eigens betont wird, dass Jesu Lehre einen großen Zulauf erfuhr (Mk 4,1 f.), wird in der Einleitung der markinischen Parabeltheorie hervorgehoben, dass Jesus nun ausschließlich im Kreise seiner Jünger weilt (Mk 4,10 a). Die Text- und Argumentationsstruktur dieser Erzähleinheit kann folgendermaßen gegliedert werden: Mk 4,10 a b 11 a b b 12 a b c Mk 4,10 a b
Und als er alleine war, befragten ihn die bei ihm seienden (Jünger) zusammen mit den Zwölfen über die Gleichnisse.
Israels (s. Anm. 2), 21–32; E. Linnemann, Gleichnisse Jesu. Einführung und Auslegung, Göttingen 61975, 180; Räisänen, Parabeltheorie (s. Anm. 2), 46 f.; E. Schweizer, Die Frage des Messiasgeheimnisses bei Markus, ZNW 56 (1965), 1–8; Hultgren, Parables of Jesus (s. Anm. 1), 453–461; Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 1), 93–97; Gnilka, Die Verstockung Israels (s. Anm. 2), 9–19 bzw. 187 ff.; Evans, To see and not perceive (s. Anm. 2), 91–106. 16 Zu unterschiedlichen Ansätzen einer Differenzierung zwischen vormarkinischer Tradition und markinischer Redaktion im Gleichniskapitel Mk 4 vgl. D. Dormeyer, Das Markusevangelium, Darmstadt 2005, 203 f.; Hultgren, Parables of Jesus (s. Anm. 1), 181–193; D. Lührmann, Das Markusevangelium, HNT 3, Tübingen 1987, 78 ff.; R. Pesch, Das Markusevangelium I: Einleitung und Kommentar zu Kap. 1,1–8,26, HThKNT 2, 4., durchges. Aufl., Freiburg, Br. 1984, 225–228. 17 Erstmals wird die Gleichnisrede Jesu bereits im Zusammenhang der Beurteilung der exorzistischen Tätigkeit Jesu erwähnt (Mk 3,23).
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11 a b b 12 a b c
Und er sagte zu ihnen: „Euch ist das Geheimnis der Gottesherrschaft gegeben, aber denen draußen geschieht es alles in Gleichnissen, damit sie sehend sehen und doch nicht erkennen, und hörend hören und doch nicht verstehen, damit sie nicht umkehren und ihnen vergeben werde.“
Mk 4,10 zufolge wollen die Jünger von Jesus erfahren, warum er in Gleichnissen spricht bzw. was die Gleichnisse bedeuten.18 Die Antwort Jesu beinhaltet zwei Teilaspekte. Zunächst gesteht er seinen Jüngern zu, dass nur ihnen das Geheimnis des Reiches Gottes anvertraut ist (11 b ).19 Den Außenstehenden ( ) werde es hingegen lediglich in Form von Gleichnissen vermittelt (11 b ). Worin der Sinn dieser Differenzierung besteht, erläutert der markinische Jesus anhand einer Aussage, die als eine freie Anspielung auf Jes 6,9 f. verstanden werden kann. Im Gegensatz z.B. zum matthäischen und johanneischen Korrespondenztext wird dieser Schriftrekurs nicht explizit als solcher gekennzeichnet. Doch auch wenn diese Worte bei einem entsprechend vorgebildeten Leser bzw. Hörer eine Assoziation zum Septuagintatext der jesajanischen Verstockungsvorstellung evozieren können,20 steht Mk 4,12 der aramäischen Überlieferungstradition näher als Jes 6,9 f. MT bzw. Jes 6,9 f. LXX.21 V. 12 zufolge spricht Jesus in Gleichnissen, damit die Außenstehenden „sehend sehen und doch nicht erkennen, und hörend hören und doch nicht verstehen, damit sie nicht umkehren und ihnen vergeben werde.“ Im Kontext von Mk 4,10–12 wird nicht zur Sprache gebracht, inwiefern diese Unfähigkeit zur Erkenntnis der Botschaft Jesu unter bestimmten Umständen aufgeho18 Textkritisch betrachtet ist unstrittig, dass der Plural … die ursprüngliche Lesart ist. Die singularischen Wendungen (A f 1 vgcl syc.h boms) bzw. (D W f 13 28. 565. 2542. it; Orlat) können als Versuche verstanden werden, die generelle Bedeutung dieser These für das markinische Gleichnisverständnis abzumildern (vgl. so u.a. Pesch, Markusevangelium I [s. Anm. 16], 264 f.). Die den Jüngern in den Mund gelegte direkte Frage (D W f 13 28. 565. 2542. it; Orlat) könnte dabei bewusst an die lukanische Parallele (Lk 8,9 b) angelehnt sein. 19 Da ein markinisches hapax legomenon ist, tritt gerade hier eindrücklich die Frage zu Tage, ob diese Aussage eine vormarkinische Tradition oder ein Bestandteil der markinischen Redaktion der Gleichnisrede ist (vgl. hierzu Lührmann, Das Markusevangelium [s. Anm. 16], 86; Hultgren, Parables of Jesus [s. Anm. 1], 454). Zu möglichen traditionsgeschichtlichen Hintergründen des Begriffs s.u. Anm. 78. 20 So Evans, To see and not perceive (s. Anm. 2), 91 f.; Lehnert, Die Provokation Israels (s. Anm. 2), 21 f.; Lührmann, Das Markusevangelium (s. Anm. 16), 86 f. 21 Einerseits fehlt gegenüber Jes 6,9 f. MT bzw. LXX das Motiv des Herzens als Umschreibung bzw. Verortung menschlicher Erkenntnisfähigkeit und die für die literarische Struktur von Jes 6,10 konstitutive chiastische Gestaltung, andererseits entspricht das Motiv der Vergebung (Mk 4,12 c … ) der Schlusssentenz von Tg Jes 6,10 (zur textkritischen Rekonstruktion der aramäischen Übersetzung von Jes 6,9 f. vgl. A. Sperber, The Bible in Aramaic III, Leiden 1962, 13. Zu unterschiedlichen Übersetzungsvorschlägen vgl. Evans, To see and not perceive [s. Anm. 2], 69–76; zur Eschatologie des Jesaja-Targums vgl. B.D. Chilton, The Glory of Israel. The Theology and Provenience of the Isaiah Targum, JSOT.S 23, Sheffield 1983, passim; Ders., The Isaiah Targum. Introduction, Translation, Apparatus and Notes, The Aramaic Bible 11, Collegeville 1990, 14–18).
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ben werden kann.22 Stattdessen wird zwischen den Nachfolgern Jesu und den Außenstehenden eine grundlegende Differenz aufgebaut. Jesu Gleichnisrede hat demnach die Funktion, zwischen Sympathisanten und Kontrahenten Jesu zu scheiden bzw. eine bestehende Unterscheidung zu vertiefen. In dieser Hinsicht eignet der markinischen Parabeltheorie eine markante prädestinatianische Tiefendimension, insofern streng genommen „die Ablehnung Jesu … in einem gewissen Sinne Gottes Werk“ ist.23 Dass die esoterisch anmutende Gestalt dieser Belehrung der Jünger für das Verständnis der Gleichnisse Jesu im ältesten Evangelium keinen theologisch zu vernachlässigenden Sonderfall bildet, zeigt sich nicht zuletzt am Abschluss der markinischen Gleichnisrede, die in die These mündet, dass Jesus viele weitere Gleichnisse erzählte und dass er seinen Jüngern deren Bedeutung erläuterte, wenn sie alleine waren (Mk 4,34 ).24 Es ist eine ebenso intensiv wie kontrovers diskutierte crux interpretum, wie die Entstehung dieser Vorstellung bzw. ihre Funktion im Gesamtzusammenhang der markinischen Theologie verstanden werden kann.25 Mehrheitlich wird davon ausgegangen, dass die Parabeltheorie in ihrer vorliegenden Gestalt nicht auf Jesus selbst zurückgeführt werden kann.26 Hier22 Verschiedentlich wurde versucht, die theologische Anstößigkeit dieses Textes abzumildern, indem man V. 12 c epexegetisch oder konsekutiv interpretierte (zur Skizze entsprechender Versuche vgl. Lehnert, Die Provokation Israels [s. Anm. 2], 21 ff.). Solche Ansätze sind jedoch grammatikalisch betrachtet unpräzise und konnten zu Recht kaum Zustimmung finden. Stattdessen kann mit J. Marcus, Mark 4,10–12 and the Marcan Epistomology, JBL 103 (1984), 557–574, 562 f., festgehalten werden: „ … the clearsightedness of the members of the covenant community and the blindness of those outside that community are connected with a divine appointment that works itself out through the mediation of God’s spirit and that of his enemy“; zustimmend aufgenommen u.a. von Poplutz, Paroimia und Parabol (s. Anm. 8), 120. 23 So treffend G. Guttenberger, Die Gottesvorstellung im Markusevangelium, BZNW 123, Berlin 2004, 108. 24 Auch wenn strittig ist, ob Mk 4,33 bereits einer vormarkinischen Gleichnissammlung entnommen ist, wird man Mk 4,34 angesichts der sachlichen Korrespondenz zu Mk 4,11 als markinische Schlussnotiz verstehen können (so u.a. Pesch, Markusevangelium I [s. Anm. 16], 264 f.). 25 Ein relativ großer Konsens besteht in der heutigen Forschung lediglich dahingehend, dass man die markinische Parabeltheorie nicht als ein Element des markinischen Messiasgeheimnisses verstehen muss, wie dies ursprünglich von W. Wrede, Das Messiasgeheimnis in den Evangelien. Zugleich ein Beitrag zum Verständnis des Markusevangeliums, Göttingen 1901, 58 f., postuliert wurde (kritisch hierzu u.a. J. Ernst, Das sogenannte Messiasgeheimnis – kein „Hauptschlüssel“ zum Markusevangelium, in: J. Hainz [Hg.], Theologie im Werden. Studien zu den theologischen Konzeptionen im Neuen Testament [FS O. Kuss], Paderborn / Wien 1992, 21–56, 30 f.; A. Bedenbender, Das „Messiasgeheimnis“ im Markusevangelium, TeKo 27 [2004], 1–96, 95 f.; K. Kertelge, Jüngerschaft und Nachfolge. Grundlegung von Kirche. Grundlegung von Kirche nach Markus, in: T. Söding [Hg.], Der Evangelist als Theologe, SBS 163, Stuttgart 1995, 151–165, 159 f.; Räisänen, Parabeltheorie [s. Anm. 2], 27 ff.). 26 Zu dieser Diskussion vgl. J.P. Meier, A Marginal Jew. Rethinking the Historical Jesus II: Mentor, Message, and Miracles, The Anchor Bible Reference Library, New York u.a. 1994, 491 f.; G. Bornkamm, Jesus von Nazareth, UB 19, Stuttgart 121980, 63 f. Freilich vermuten G. Theissen / A. Merz, Der historische Jesus. Ein Lehrbuch, 3., durchg. und um Literatur-
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gegen spricht nicht zuletzt das im Kern wohl auf Jesus selbst zurückgehende Bildwort von der Lampe bzw. dem Leuchter, in welchem eigens betont wird, dass die Botschaft Jesu nicht einem esoterischen Kreis vorbehalten bleiben soll (vgl. Q 11,33; Mk 4,21; Mt 5,15; Lk 8,16; 11,33; EvThom 33,2 f.).27 Plausibler scheint es zu sein, dass Mk 4,10–12 eine vormarkinische Gemeindetradition zu Grunde liegt, durch welche negative Erfahrungen reflektiert werden, welche Christen während ihrer nachösterlichen Missionstätigkeit erlebten.28 Gleichwohl stellt sich die Frage, welche Funktion dieser Text im Gesamtkontext des Markusevangeliums erfüllt. Einerseits scheint auf den ersten Blick eine derartig negative Beurteilung Außenstehender „mit dem Gesamtaufriß des MkEv schlechterdings unvereinbar“ zu sein.29 Andererseits werden in der Erzähldramaturgie des ältesten Evangeliums ja gerade die Jünger oftmals als diejenigen dargestellt, die wesentliche Dimensionen der Sendung Jesu nicht erfassen.30 Ebenso fällt auf, dass die zentralen Botschaften markinischer Gleichnisse eigentlich relativ gut verständlich sind und dass zuweilen sogar eigens betont wird, dass die Kontrahenten die Aussageintention Jesu verstehen können (vgl. bes. Mk 12,12). Würde man aufgrund der angesprochenen Aspekte zu dem Urteil gelangen, dass Mk 4,10–12 einen Fremdkörper innerhalb des Markusevangeliums bildet, so würde man implizit konstatieren, dass der Verfasser unbedacht unterschiedliche ihm zugängliche Traditionen miteinander verbindet und nicht darum bemüht ist, eine sachlich konsistente Gesamtaussage zu bilden. Eine nachtr. erg. Aufl., Göttingen 2001, 320, dass „Jes 6,9 f. … von Jesus als Anklage zitiert worden sein (könnte), um ,verstockte‘ Zuhörende zur Umkehr zu bewegen.“ Auch J. Jeremias, Die Gleichnisse Jesu, Göttingen 101984, 10 f., zufolge geht die Parabeltheorie in ihrem Kernbestand in der Tat auf Jesus selbst zurück, während ihre in Mk 4,10–12 vorliegende Form auf einem Übersetzungsfehler basiere. Dieser Erklärungsansatz geht von der grundsätzlich richtigen Beobachtung aus, dass die markinische Anspielung auf die jesajanische Verstockungstheorie der aramäischen Texttradition näher steht als der hebräischen und griechischen Texttradition (hierzu s.o. Anm. 21). In diesem Sinne könnte die gegenüber dem masoretischen Text und der Septuaginta eigentümliche Einleitung des Schlussverses erklärt werden, indem man die Partikel als eine unangemessene Übersetzung der aramäischen Vorgabe versteht, die an dieser Stelle eine konsekutive Einleitung aufweist (also z.B.: „es sei denn, dass …“). Jeremias postuliert somit, dass die Mk 4,12 zugrunde liegende Jesus-Tradition ursprünglich keine Verstockungsvorstellung propagierte. 27 Diese Tradition folgt im Erzählverlauf des Markusevangeliums unmittelbar auf die Deutung des Sämanngleichnisses und betont im Kontrast zu Mk 4,10–12 die „Aufgabe … des Sichtbarmachens des gegebenen Geheimnisses des Reiches Gottes“ (so jüngst K. Dronsch, Lieber eine Leuchte als ein unscheinbares Licht [Die Lampe auf dem Leuchter / Vom Licht auf dem Leucher] – Q 11,33 [Mk 4,21; Mt 5,15; Lk 8,16; 11,33; EvThom 33,2 f.], in: Zimmermann [Hg.], Kompendium der Gleichnisse Jesu [s. Anm. 1], 133–138). 28 Zu entsprechenden Erklärungsmodellen vgl. Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 1), 94–97; Hultgren, Parables of Jesus (s. Anm. 1), 453 ff. 29 So treffend Klauck, Allegorie (s. Anm. 1), 244. 30 Die Differenzen in der Darstellung der Jünger in Mk 4,10–12 und im übrigen Evangelium ist für H. Räisänen, Das „Messiasgeheimnis“ im Markusevangelium. Ein redaktionskritischer Versuch, SESJ 28, Helsinki 1976, 50–56, ein entscheidendes Indiz dafür, dass dieser Text nicht vom Verfasser des Markusevangeliums selbst konzipiert wurde.
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der wesentlichen Neuerungen der jüngeren Forschungen zum Markusevangelium ist jedoch, dass der Verfasser dieses Werks nicht nur als ein Sammler und Tradent zu verstehen ist, dessen theologische Reflexionsfähigkeit und literarische Gestaltungskraft hinter der der anderen Evangelisten zurücktritt.31 Wenn man jedoch diesen Verfasser für einen bewusst gestaltenden Theologen und Erzähler hält, so ist man auch in Bezug auf die Parabeltheorie genötigt, Interpretationsansätze zu entwickeln, welche die markinische Parabeltheorie nicht als einen Fremdkörper, sondern als einen Teilaspekt der literarischen Grundstruktur und Textpragmatik des Markusevangeliums zur Geltung bringen. Und dies ist in der Tat möglich. Mk 4,10–12.33 f. könnte darauf abzielen, bei den Lesern und Hörern des ältesten Evangeliums das Interesse an einer angemessenen Deutung der Gleichnisse Jesu zu wecken.32 Der markinischen Erzähldramaturgie zufolge hat Jesus lediglich seinen Jüngern eine solche Deutung der Gleichnisse anvertraut. Die textinternen Jünger präfigurieren wiederum die textexternen nachösterlichen Gemeinden, welche somit zu legitimen Interpreten der Worte und Taten Jesu erklärt werden.33 Und in dieser Hinsicht könnte Mk 4,11 f. durchaus als eine erste Interpretation des Sämanngleichnisses verstanden werden, durch welche die Jünger bzw. die späteren christlichen Gemeinschaftsbildungen indirekt als ein ,fruchtbarer Acker‘ bezeichnet werden, auf dem sich die Botschaft Jesu in Predigt, Lehre und Mission entfalten kann.34 Und ein Medium der Wahrung dieser angemessenen Deutung der Gleichnisse ist nicht zuletzt das Markusevangelium selbst, welches bereits die Existenz christlicher Gemeinden voraussetzt und in diese hineinsprechen will.35 31 Zu diesen Neuorientierungen in der Markusforschung vgl. L. Schenke, Das Markusevangelium. Literarische Eigenart – Text und Kommentierung, Stuttgart 2005, 26–29; D. Dormeyer, Das Markusevangelium als Idealbiographie von Jesus Christus, dem Nazarener, SBB 43, Stuttgart 1999, 4–11 bzw. 39 ff. 32 Dies würde zudem der lesedidaktischen Gestaltung der markinischen Gleichnisse entsprechen, welche offensichtlich darauf ausgerichtet ist, „in jedem Fall die Weiterarbeit des Lesers“ zu initiieren (so D. Dormeyer, Parabeln im Markusevangelium. Einleitung, in: Zimmermann [Hg.], Kompendium der Gleichnisse Jesu [s. Anm. 1], 255–261, 260; ähnlich Erlemann, Gleichnisauslegung [s. Anm. 1], 94–97). 33 Tendenziell ähnlich Kertelge, Jüngerschaft (s. Anm. 25), 151–165, 160; Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 1), 97. Entsprechend erkennt Räisänen, Parabeltheorie (s. Anm. 2), 62, hierin eine „Legitimation der eigenen Tradition auf eine historisierende Weise. Die eigene Lehre darf als die richtige gelten, weil sie mittels der Apostel auf eine private Auflösung der Geheimnisse durch Jesus zurückgeht.“ 34 So P. Lampe, Die markinische Deutung des Gleichnisses vom Sämann, ZNW 65 (1974), 140–150, 149, der die Aussageintention von Mk 4,11 f. folgendermaßen paraphrasiert: „Euch ist das Geheimnis des Gottesreiches gegeben, ihr seid – im Bilde gesprochen – ertragreicher Acker; denen draußen aber muß in Bildern (die noch leichter verständlich sind als ein Klartext) gesagt werden, daß sie zwar hören, aber nichts verstehen, daß sie wie ein unfruchtbarer Acker sind.“ Die eigentliche Aussageintention des Logions zielt nach Lampe somit auf eine Bekehrung der Außenstehenden (ebd., „Wenn sie das erkannt haben, werden sie vielleicht umkehren und Vergebung erlangen“). 35 Entsprechend resümiert S. Alkier, Die Bibel im Dialog der Schriften und das Problem der Verstockung in Mk 4. Intertextualität im Rahmen einer kategorialen Semiotik biblischer Texte,
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Problematischer hingegen erscheint es, die markinische Parabeltheorie im Sinne einer ,paradoxen Intervention‘36 zu interpretieren. Diesem Erklärungsansatz zufolge „ließe Markus Jesus die Verstockungsfinalität mit dem Ziel ins Spiel bringen, den Leser durch Ausschluß aus dem Verstehensprozess im Sinne einer Symptomverschreibung zu tieferem Verstehen anzuregen.“37 Der Verfasser dieses Textes würde demnach bei seinen Lesern eigentlich genau das Gegenteil von dem erreichen, was der Text vordergründig aussagt. Ein solcher Erklärungsansatz steht jedoch in der Gefahr, durch Berufung auf gegenwärtige rezeptionsästhetische und lesetheoretische Konzepte die theologische Anstößigkeit einer Vorstellung in einer Weise zu relativieren, die den religionshistorischen Gegebenheiten nicht mehr gerecht wird. Welches der angesprochenen Erklärungsmodelle der ursprünglichen Aussageintention der markinische Parabeltheorie am ehesten gerecht wird, kann nicht mit letzter Eindeutigkeit geklärt werden. Allerdings kann festgehalten werden, dass dieser Text nicht erst historisch-kritische Exegeten zur kritischen Reflexion herausfordert, sondern bereits seine frühesten Interpreten. Es fällt nämlich auf, dass bereits die Verfasser des Matthäus- und Lukasevangeliums die markinische Parabeltheorie nicht unverändert übernehmen, sondern mit eigenständigen Akzentsetzungen umgestalten.
2.2 Die lukanische Relativierung der markinischen Parabeltheorie Der Verfasser des Lukasevangeliums kann als einer, wenn nicht gar der erste Kritiker der markinischen Parabeltheorie verstanden werden, die er offensichtlich nur noch aufgrund seiner „Treue zur Tradition“ überliefert.38 Um dies erläutern zu können, gilt es sich zunächst zu vergegenwärtigen, in welcher Weise Lukas in Lk 8,9 f. auf die markinische Parabeltheorie Bezug in: ders. / R.B. Hays (Hgg.), Die Bibel im Dialog der Schriften. Konzepte intertextueller Bibellektüre, NET 10, Tübingen / Basel 2005, 1–22, 15: „Mit der Frage der zustimmenden und ablehnenden Lektüre des Evangeliums steht die Frage Heil oder Gericht auf dem Programm.“ 36 Zu dieser ursprünglich im Bereich psychoanalytischer Forschungen geprägten Terminologie und ihren wissenschaftstheoretischen Implikationen vgl. Lehnert, Die Provokation Israels (s. Anm. 2), 89 ff. 37 So Lehnert, Die Provokation Israels (s. Anm. 2), 161; tendenziell ähnlich Alkier, Bibel (s. Anm. 35), 14 f. 38 Vgl. F. Bovon, Das Evangelium nach Lukas. Teilbd. 1: Lk 1,1–9,50 II, EKK 3/1, Zürich / Neukirchen-Vluyn 1989, 413. Zuweilen wurde vermutet, dass die markanten Differenzen zwischen Mk 4,10–12 und Lk 8,9 f. nicht auf den theologischen Gestaltungswillen des auctor ad Theophilum zurückzuführen sind, sondern auf eine überarbeitete Fassung des Markusevangeliums, welche Lukas vorlag (so z.B. A. Ennulat, Die „minor agreements“. Untersuchungen zu einer offenen Frage des synoptischen Problems, WUNT II/62, Tübingen 1994, 417; Schnelle, Einleitung [s. Anm. 3], 193). Doch auch wenn in Lk 8,9/Mt 13,11 ein auffälliges minor agreement vorliegt (beide Varianten bieten den Plural statt [Mk 4,11 a]), scheint diese Erklärung wenig pausibel zu sein. Da der Verfasser des Matthäusevangeliums sich ansonsten deutlich an der überlieferten Form von Mk 4,10–12 orientiert, müssten Lukas und Matthäus an dieser Stelle somit zwei unterschiedliche Fassungen des Markusevangeliums verwendet haben.
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nimmt. Die lukanische Aufnahme der markinischen Parabeltheorie begegnet in dem großen Textabschnitt Lk 8,4–9,50, in welchem der Verfasser des dritten Evangeliums sich kompositionstechnisch weitestgehend an der markinischen Vorgabe orientiert. Dies zeigt sich auch an dem Text Lk 8,9 f., in welchem Mk 4,10–12 rezipiert wird. Auch wenn es unstrittig ist, dass sich der Text Lk 8,9 f. in seinem Grundbestand an Mk 4,10–12 orientiert,39 lassen sich zwei Differenzen erkennen, an denen die lukanische Relativierung der markinischen Parabeltheorie zu Tage tritt. Bereits in Lk 8,9 fällt auf, dass die Anfrage der Jünger eingeschränkt wird. Während Mk 4,10 zufolge die Jünger generell nach dem Sinn der Gleichnisrede Jesu fragen, fragen sie Lk 8,9 b zufolge nur nach der Bedeutung des Sämanngleichnisses ( ).40 Des Weiteren ist aufschlussreich, dass sich gegenüber Mk 4 die narrative Einbettung der Szene ändert. Lukas erwähnt nicht, dass die Jünger ihre Frage an Jesus richten, als sie mit ihm alleine sind. Stattdessen wird jene Frage in aller Öffentlichkeit debattiert. Die Antwort Jesu geht unmittelbar über in die Erklärung des Gleichnisses vom Sämann und in die Bildworte über das Licht, das richtige Hören etc. Erst in Lk 8,19 endet die Rede Jesu mit dem Hinweis, dass Jesus von seinen Familienangehörigen aufgesucht wird – und die Familie kann kaum zu ihm durchdringen, da er immer noch von vielen Menschen umringt wird. Dass dieses narrative Detail bewusst eingesetzt ist, zeigt sich nicht zuletzt in dem Phänomen, dass der auctor ad Theophilum auch Mk 4,33 f. nicht übernimmt, also jenen Text, in welchem am Ende der markinischen Gleichnisrede nochmals betont wird, dass Jesus zu Außenstehenden nur in Gleichnissen geredet hat und ausschließlich seinen Jüngern deren Deutung anvertraute.41 Die zweite Eigentümlichkeit von Lk 8,10 besteht darin, in welcher Weise der Reflexionshintergrund der jesajanischen Verstockungsaussage Jes 6,9 f. verarbeitet wird. Streng genommen kann Lk 8,9 f. nicht mehr als eine Rezeption der Verstockungsaussage Jes 6,9 f. verstanden werden, sondern 39 Ebenso wie im Markusevangelium folgt auf das Sämann-Gleichnis eine Frage der Jünger nach der Bedeutung der Gleichnisrede Jesu. Auch der lukanische Jesus gesteht seinen Jüngern zu, dass ihnen die Geheimnisse der Gottesherrschaft anvertraut sind, und ebenso wie in Mk 4,11 wird eine – wenn auch etwas abgeschwächte – Unterscheidung zwischen den Jüngern und den Außenstehenden aufgebaut. In diesem Kontext lassen sich lediglich kleine Differenzen erkennen, die jedoch noch keine grundlegende inhaltlich-sachliche Differenz gegenüber Mk 4,10–12 erkennen lassen (einerseits werden die Außenstehenden nicht mit , sondern mit bezeichnet, andererseits spricht Lukas im Plural von den Geheimnissen des Reiches Gottes). 40 Das Demonstrativpronomen verweist hier auf die unmittelbar vorhergehenden Worte Jesu zurück (vgl. Bovon, Lukas [s. Anm. 38], 413). 41 Die Modifikation der erzählerischen Einbettung verdient umso mehr Beachtung, wenn man bedenkt, dass Lukas ansonsten durchaus von gesonderten Jüngerbelehrungen spricht (Lk 12,22–52; 17,1–10; 17,22–18,8; 18,31–34). Dieses Detail spricht dafür, dass in Bezug auf die Parabeltheorie Lukas bewusst „den Abstand, den Markus herausstellte, auf(lockern)“ will (so treffend Gnilka, Die Verstockung Israels [s. Anm. 2], 120).
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als die Rezeption einer Rezeption, in welchem der Verweis auf Jes 6,9 f. kaum noch als solcher zu erkennen ist (alleine die lukanische Wendung in V. 10 b ist dermaßen abbreviativ, dass man den Text ohne den Prätext eigentlich nicht verstehen kann). Besonders auffällig ist, dass der letzte Teilaspekt des Prätextes, nämlich der Rekurs auf Jes 6,10 c in Mk 4,12 b völlig ausgeblendet wird. Durch die Auslassung der Wendung (Jes 6,10 c) bzw. in der markinischen Fassung (Mk 4,12 b) wird die theologische Schärfe von Mk 4,12 deutlich zurückgenommen. Eine solche Akzentverschiebung entspricht auch der sonstigen Gestaltung lukanischer Gleichnisse, die eine grundlegende Bedeutung für die theologische Aussageintention des dritten Evangeliums haben und sich durch eine hohe lesedidaktische Klarheit auszeichnen.42 Entsprechend überliefert der auctor ad Theophilum in seinen Sonderguttraditionen eine Vielzahl von Gleichnissen, die rezeptionsgeschichtlich eine besondere Aufmerksamkeit erfuhren (exemplarisch sei verwiesen auf das Gleichnis vom barmherzigen Samariter [Lk 10,25–37] und vom verlorenen Sohn [Lk 15,1–7]). Auf diese Weise avanciert das Lukasevangelium selbst zu einem Medium der Vermittlung und Deutung der Gleichnisse Jesu. Es kann somit festgehalten werden, dass Lukas sich markant von der markinischen Parabeltheorie abgrenzt. Für den dritten Evangelisten ist es theologisch offensichtlich nicht akzeptabel, dass die Gleichnisrede Jesu eine verhüllende Funktion haben soll, um so die Fronten zwischen den Sympathisanten und Kontrahenten Jesu zu vertiefen. Lukas weist den Gedanken ab, dass die Verstockungsaussage Jes 6,9 f. als ein Reflexionshintergrund der Botschaft Jesu verstanden werden kann. Des Weiteren gilt es zu beachten, dass die Relativierung von Mk 4,10–12 in Lk 8,9 f. nicht darauf zurückgeführt werden kann, dass Lk 8,9 f. „im Hinblick auf Apg 28,26 komponiert“43 ist, dass also der Verfasser des dritten Evangeliums das ausführliche Zitat von 42 Zu der ebenso theologisch komplexen wie lesedidaktisch durchdachten lukanischen Gestaltung der Gleichnistraditionen im dritten Evangelium resümiert zuletzt A. Merz, Parabeln im Lukasevangelium. Einleitung, in: Zimmermann (Hg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu (s. Anm. 1), 513–517, 516 f.: „Bei Lukas fallen einerseits fast überpädagogisch anmutende, gezielte Handlungs- und Interpretationsanweisungen des Gleichniserzählers Jesus und des allwissenden Erzählers ins Auge, in deren Dienst die Parabeln genommen werden. … Gleichzeitig praktiziert der Evangelist ein gegenläufiges Verfahren, nämlich durch Anhäufung von Logien, die Deutungsanweisungen in die unterschiedlichsten Richtungen geben …, und durch offenbar gezielte Platzierung von Gleichnissen mit unterschiedlicher Zielrichtung … einen pluralistischen Dialog über die Bedeutung der Gleichnisse zu dokumentieren und anzustoßen.“ 43 So G. Wasserberg, Aus Israels Mitte – Heil für die Welt. Eine narrativ-exegetische Studie zur Theologie des Lukas, BZNW 92, Berlin u.a. 1998, 108. Entsprechend vermutet auch Bovon, Lukas (s. Anm. 38), 414, dass der auctor ad Theophilum die Zitation von Jes 6,9 f. „reserviert … für das Ende der Apostelgeschichte, wo er die Trennung zwischen Gläubigen und Ungläubigen eindrucksvoll ausmalen“ kann. Zum Verhältnis von Lk 8,9 f. und Apg 28,25–28 vgl. ferner D. Rusam, Das Alte Testament bei Lukas, BZNW 112, Berlin u.a. 2003, 438 f.; Lehnert, Die Provokation Israels (s. Anm. 2), 194 f. bzw. 252.
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Jes 6,9 f. zunächst zurücknimmt, um es erst am Ende der Apostelgeschichte in einer noch wirkungsvolleren Weise zur Geltung zu bringen. Hiergegen spricht, dass Lukas streng genommen keine Parabeltheorie bietet, da die markinische Vorgabe in ihrer theologischen Schärfe entscheidend relativiert wird. Zum anderen handelt es sich bei Lk 8,9 f. um ein Jesus-Wort, während Apg 28,25–28 als Aussage des Heidenapostels Lukas gestaltet ist. Dieses Phänomen impliziert vielmehr die Frage, inwieweit Lukas gewusst haben könnte, dass Jes 6,9 f. einen Reflexionshintergrund der paulinischen Prädestinationsvorstellungen bildete.44 Doch obwohl der Verfasser des lukanischen Geschichtswerks somit keinen expliziten Rekurs auf die jesajanische Verstockungsaussage im Munde Jesu bietet, steht die in Apg 28,25–28 formulierte These der matthäischen Reformulierung (Mt 13,10–17) der markinischen Parabeltheorie nahe, in welcher Jes 6,9 f. ebenfalls dazu verwendet wird, die heilsgeschichtliche Stellung Israels zu reflektieren.
2.3 Die heilsgeschichtliche Interpretation der markinischen Parabeltheorie im Matthäusevangelium Im Matthäusevangelium lässt sich eine Reformulierung der markinischen Parabeltheorie erkennen, deren Aussageintention sich von der lukanischen Fassung deutlich unterscheidet. Während der auctor ad Theophilum die inhaltlich-sachliche Schärfe von Mk 4,10–12 in Lk 8,9 f. deutlich abmildert, bleiben die prädestinatianischen Implikationen der markinischen Vorgabe in Mt 13,10–17 gewahrt.45 Während Lk 8,9 f. lediglich auf das unmittelbar vorhergehende Gleichnis vom Sämann bzw. vielfachen Acker bezogen wird, bringt der Verfasser des Matthäusevangeliums zur Geltung, dass die Parabeltheorie nicht nur das Verständnis der Gleichnisse Jesu reflektiert, sondern prinzipiell das Phänomen der Ablehnung Jesu.46 Dies bedeutet zugleich, dass die Gleichnisse selbst als Medium einer Vermittlung der Botschaft Jesu eine Aufwertung erfahren.47
44 Auch wenn Paulus in seinen uns überlieferten Briefen Jes 6,9 f. nicht explizit zitiert, scheint dieser Text einen Hintergrund seiner Überzeugung gebildet zu haben, dass die christliche Botschaft von weiten Teilen des zeitgenössischen Judentums abgelehnt wird, weil diese ,verstockt‘ sind (vgl. v.a. Röm 11,7 b … ). Die in Röm 11,8 miteinander kombinierten Schriftzitate aus Dtn 29,3; Jes 29,10 scheinen dabei im Zeichen von Jes 6,9 f. interpretiert worden zu sein (vgl. hierzu K. Haacker, Der Brief des Paulus an die Römer, THNT 6, Leipzig 32006, 249 f.; Evans, To see and not perceive [s. Anm. 2], 81 bzw. 89). 45 Vgl. Evans, To see and not perceive (s. Anm. 2), 81 bzw. 89. 46 So Münch, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 1), 127: „Nach 13,10–17 spiegelt sich im Verstehen der Gleichnisse ein wesentlich grundsätzlicheres Verstehensproblem, das für die in Jesus nahekommende Basileia Gottes insgesamt gilt.“ 47 Treffend Hultgren, Parables of Jesus (s. Anm. 1), 463: „Matthew moves gingerly in the direction of rehabilitating the parables of Jesus as media of instruction.“
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Die bestimmende Eigentümlichkeit der matthäischen Fassung besteht darin, dass diese Tradition nun dazu verwendet wird, die Ablehnung zu begründen, die Jesus seitens der Mehrheit seiner jüdischen Mitmenschen erfuhr. Die Schärfe dieser Aussage wird durch den Verfasser des Matthäusevangeliums dramaturgisch eigens hervorgehoben. Ebenso wie in der markinischen Vorgabe wird auch in der matthäischen Fassung die Parabeltheorie zwischen dem Gleichnis vom vierfachen Acker (Mt 13,1–9) und dessen Deutung angeordnet (Mt 13,18–23). Im Gegensatz zu Mk 4,10 a wird jedoch nicht erwähnt, dass die Frage nach der Funktion der Gleichnisrede lediglich zwischen Jesus und seinen Jüngern erörtert wird.48 Die Erzähldramaturgie lässt vielmehr erahnen, dass der Jesus des Matthäusevangeliums die Parabeltheorie in aller Öffentlichkeit formuliert. Zudem bringt der erste Evangelist den Reflexionshintergrund dieses Motivs deutlicher zur Geltung. Während Mk 4,12 lediglich als eine indirekte Anspielung auf Jes 6,9 f. verstanden werden kann, die der aramäischen Überlieferung von Jes 6,9 f. nähersteht als Jes 6,9 f. MT bzw. Jes 6,9 f. LXX, wird in Mt 13,14 der Rekurs auf die jesajanische Verstockungsaussage Jes 6,9 f. LXX explizit als solcher benannt. Gegenüber der markinischen Vorgabe ändert Matthäus zudem die Einleitung des Zitats, indem er statt nun verwendet. Auf diese Weise dient Jes 6,9 f. nun nicht mehr dazu, einen Zweck der Gleichnisrede zu benennen, sondern die Erkenntnisunfähigkeit der Kontrahenten Jesu zu begründen.49 Der matthäischen Fassung zufolge vollzieht sich in der Ablehnung Jesu jenes Geschehen, welches bereits in der jesajanischen Thronsaalvision als Geschick Israels prophezeit wurde. Die Abgrenzung zwischen Sympathisanten und Kontrahenten Jesu wird von dem Verfasser des Matthäusevangeliums literarisch nochmals hervorgehoben. Zunächst lässt er Jesus in Anlehnung an die jesajanischen Motivvorgaben in Gestalt einer geradezu „überschwenglichen Seligpreisung“50 betonen, dass die Augen und Ohren seiner Nachfolger wahrnehmungsfähig sind (V. 16). Daraufhin wird in der Einleitung der Auslegung des Sämanngleichnisses nochmals die Hörbereitschaft der Jünger konstatiert (V. 18 a: … ). Der für die markinische Vorgabe konstitutive Tadel (Mk 4,13) der Unverständigkeit der Jünger wird demgegenüber ausgeblendet. 48 In Mt 13,10 a wird lediglich angesprochen, dass die Jünger näher an Jesus herantreten, aber nicht, dass sie mit ihm alleine sind (zur Funktion dieser Angabe vgl. Münch, Gleichnisse Jesu [s. Anm. 1], 95). Dass diese Angabe nicht gerade präzise in den Kontext eingebettet ist, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass Jesus der Erzähldramaturgie zufolge auf dem Boot weilt, während seine Jünger eigentlich noch am Ufer stehen, als sie an ihn herantreten. Hätte der Verfasser des ersten Evangeliums die Angabe Mk 4,10 a übernommen, wäre diese Leerstelle nicht entstanden. 49 Treffend U. Luz, Das Evangelium nach Matthäus. Teilbd. 2.: Mt 8–17, EKK I/2, 3., durchg. Aufl. Neukirchen-Vluyn u.a. 1999, 313: „Das Nichtverstehen und Nichthören Israels ist für Matthäus eine feststehende Tatsache. Es wird nicht durch Jesu Gleichnisse bewirkt, sondern eher ist Jesu Gleichnisrede ,Antwort‘ auf dieses Nichtverstehen.“ 50 So Luz, Matthäus (s. Anm. 49), 315.
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Nachdem nun die wesentlichen Charakteristika der synoptischen Fassungen der Parabeltheorie betrachtet wurden, soll im Folgenden analysiert werden, in welcher Weise das Johannesevangelium und das Thomasevangelium mit diesen Traditionen umgehen.
3. Analogien zur synoptischen Parabeltheorie im Johannesevangelium Wie bereits eingangs erwähnt wurde, wird in weiten Teilen der gegenwärtigen Johannesforschung die Ansicht vertreten, dass der vierte Evangelist wesentliche Teile der synoptischen Evangelientraditionen kannte (s.o. Anm. 5 bzw. Anm. 6). Auch wenn nicht eindeutig eingegrenzt werden kann, in welchem Maße dies der Fall war, lässt sich relativ deutlich erkennen, nach welchen theologischen Prämissen der vierte Evangelist synoptische Vorgaben aufnimmt und modifiziert. Eine zentrale Absicht des vierten Evangelisten besteht darin, seinen Adressaten den Glauben bzw. die Erkenntnis der Messianität und Gottessohnschaft Jesu zu ermöglichen (Joh 20,30 f.). Welche hohe Christologie seinem Werk zugrunde liegt, dokumentiert er bereits in dessen ersten Zeilen, in denen betont wird, dass Jesus als der bereits vor der Erschaffung bei Gott weilte bzw. mit Gott wesenseins war. Auch wenn der Name Jesus im Prolog erst verhältnismäßig spät erwähnt wird (Joh 1,17), entsprechen die Thesen über das Verhältnis zwischen Gott und dem Logos jenen Aussagen, die Jesus im weiteren Verlauf der johanneischen Erzählung in Bezug auf sein Verhältnis zu Gott formuliert (vgl. v.a. Joh 10,30: ; sachlich entsprechend Joh 3,35; 5,20; 10,16 f.; 14,8; 17,24–26).51 Im Zeichen dieser hohen christologischen Aussageintention scheut sich der Verfasser des vierten Evangeliums nicht, die von ihm benutzten traditionsgeschichtlichen Vorgaben in einer zum Teil äußerst freien Weise umzugestalten. Besonders deutlich lässt sich dies bei denjenigen Zügen der synoptischen Evangelientraditionen erkennen, die seiner theologischen Botschaft nicht entsprechen (symptomatisch zeigt sich dies an den Umgestaltungen der Passionserzählungen, in denen jeder Zweifel Jesu an der Bedeutung und Notwendigkeit seines Martyriums ausgeblendet
51 Vgl. u.a. L. Hurtado, Lord Jesus Christ. Devotion to Jesus in Earliest Christianity, Grand Rapids, Mich. 2005, 373 f. Die in Joh 3,35; 5,20; 10,16 f. formulierten und in 17,24–26 gipfelnden Thesen über die ewige Liebe zwischen dem Sohn und dem Vater entsprechen sachlich den Aussagen über das Verhältnis von und und können nur im Zusammenhang der johanneischen Christologie der Liebe Gottes angemessen verstanden werden (hierzu vgl. E.E. Popkes, Die Theologie der Liebe Gottes in den johanneischen Schriften. Studien zur Semantik der Liebe und zum Motivkreis des Dualismus, WUNT II/197, Tübingen 2005, 172 ff. bzw. 356–361).
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wird52). Dieses Phänomen könnte auch eine Ursache dafür sein, warum der vierte Evangelist synoptische Gleichnistraditionen nur in einer sehr modifizierten Gestalt aufnimmt. Während der für die synoptische Gleichnistradition zentrale Begriff der im Johannesevangelium lediglich in der Nikodemusperikope marginal thematisiert wird (Joh 3,3.5), spricht der johanneische Jesus in der Konfrontation mit Pilatus von seiner gottgleichen Königswürde.53 Jesus spricht nicht etwa in Gleichnissen über das Reich Gottes, sondern er spricht u.a. in Gestalt von Selbstprädikationen über sich. Auch wenn nahezu alle so genannten ,Ich-Bin-Worte‘ zu weiten Teilen als christologische Applikationen alttestamentlich-frühjüdischer Bildfeldtraditionen verstanden werden können,54 lassen sich gerade hier auch Analogien zu synoptischen Gleichnistraditionen beobachten.55 Im Sinne eines solchen christologisch pointierten Rezeptionsprozesses lassen sich auch zwei Facetten des Johannesevangeliums erkennen, die als indirekte Adaptionen der synoptischen Parabeltheorie verstanden werden können. Bemerkenswerterweise begegnen die für Mk 4,10–12 konstitutiven Aspekte im Johannesevangelium in unterschiedlichen thematischen und literarischen Kontexten. Die in Mk 4,10.34 formulierte These, derzufolge Jesus lediglich seinen Jüngern eine ausführliche zusätzliche Erläuterung seiner Botschaft anvertraute, entspricht prinzipiell der literarischen Gestaltung der johanneischen Abschiedsreden, die sich der textinternen Erzähldramaturgie zufolge ebenfalls nur im Kreise der vertrautesten Jünger ereignen. Im Abschluss der zweiten Abschiedsrede und unmittelbar vor dem Abschiedsgebet Joh 17 konfrontiert der johanneische Jesus die Jünger mit der These, dass 52 Während z.B. Joh 12,27; 18,11 als Korrekturen der Gethsemane-Traditionen verstanden werden können, bringen die Kreuzesworte Joh 19,30 a die Souveränität zur Geltung, die der johanneische Jesus selbst im Moment seines Todes ausstrahlt (vgl. u.a. R. Feldmeier, Die Krisis des Gottessohnes. Die Gethsemaneerzählung als Schlüssel der Markuspassion, WUNT II/21, Tübingen 1987, 128 ff. bzw. 237 ff.; J. Frey, Die „theologia crucifixi“ des Johannesevangeliums, in: A. Dettwiler / J. Zumstein [Hgg.], Kreuzestheologie im Neuen Testament, WUNT 151, Tübingen 2002, 169–238, passim). 53 Zur johanneischen Modifikation der traditionellen Rede von der vgl. J. Frey, Die johanneische Eschatologie III: Die eschatologische Verkündigung in den johanneischen Texten, WUNT 117, Tübingen 2000, 272. 54 Zu entsprechenden Implikationen der Selbstprädikation Jesu als ‚Licht der Welt‘ vgl. H. Thyen, Ich bin das Licht der Welt. Das Ich- und Ich-Bin-Sagen Jesu im Johannesevangelium, JAC 35 (1992), 19–42, 37 ff.; zur johanneischen Hirtenmetaphorik vgl. Zimmermann, Christologie (s. Anm. 6), 349–351; zur Prädikation Jesu als ,Brot des Lebens‘ vgl. A. Obermann, Die christologische Erfüllung der Schrift im Johannesevangelium. Eine Untersuchung zur johanneischen Hermeneutik anhand der Schriftzitate, WUNT II/83, Tübingen 1996, 132–150; M. Stare, Durch ihn leben. Die Lebensthematik in Joh 6, NTA. NF 49, Münster 2004, 142 ff. 55 Während z.B. die Selbstprädikation Jesu als das ,Licht der Welt‘ (Joh 8,12 b: ) als eine christologisch akzentuierte Variante der Prädikation der Jünger als Licht der Welt verstanden werden kann (Mt 5,14 a: ), so evoziert die Selbstprädikation Jesu als ‚der gute Hirte‘ (Joh 10,1 ff.) Assoziationen zum lukanischen Gleichnis über das verlorene Schaf bzw. den guten Hirten (Lk 15,1–7).
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er ihnen seine Botschaft bisher v.a. in Gestalt einer ,verhüllten Rede‘56 bzw. ,Rätsel- bzw. Bildrede‘57 vermittelt hat. Er betont jedoch, dass er in naher Zukunft nicht mehr … , sondern [ ] über seinen (Gott-)Vater sprechen wird.58 Insofern der Verfasser des vierten Evangeliums auf diese Weise hervorhebt, dass den Jüngern eine unmittelbare Einsicht in die Botschaft Jesu nicht möglich war, könnte man in Joh 16,25 „eine gewisse Analogie“ zu Mk 4,10–12.33 f. erkennen. Dieser Einschätzung entspricht es auch, dass der Begriff im Spektrum der johanneischen Traditionen am ehesten terminologisch mit dem für die synoptischen Gleichnisse zentralen Begriff korreliert.59 Ein Unterschied zwischen diesen Konzeptionen besteht freilich darin, dass im Johannesevangelium noch deutlicher zwischen der vorösterlichen und nachösterlichen Deutung der Botschaft Jesu unterschieden wird. Eine zentrale Aussageintention des vierten Evangeliums besteht darin, dass ein angemessenes Verständnis der Botschaft Jesu erst im Zeichen seines Todes und seiner Auferstehung möglich war und dass Gott bzw. Jesus selbst durch die Sendung des Parakleten dafür Sorge tragen, dass die Glaubenden die Tiefendimensionen der Worte und Taten Jesu erfassen können. Dass sich gerade in den Abschiedsreden eine Horizontverschmelzung dieser unterschiedlichen zeitlichen Ebenen beobachten lässt,60 ist auch für das Verständnis der in Joh 16,25.29 f. formulierten These relevant, die auf den ersten Blick den Eindruck vermittelt, dass die Jünger bereits vor dem Weggang Jesu die Tiefendimension seiner Botschaft erkennen können, da er nun nicht mehr in Gestalt einer Rätselrede, sondern offen zu ihnen spricht (vgl. V. 29 a … bzw. V. 30 a …).61 Im Sinne der johanneischen Pneumatologie antizipiert diese These allerdings 56
So Thyen, Johannesevangelium (s. Anm. 4), 675. Vgl. Zimmermann, Christologie (s. Anm. 6), 30. 58 Dieses Motiv unterscheidet freilich nicht zwischen zwei unterschiedlichen Formen der Lehre Jesu, sondern zwischen unterschiedlichen Stadien ihrer Deutung. Entsprechend resümiert A. Dettwiler, Die Gegenwart des Erhöhten. Eine exegetische Studie zu den johann. Abschiedsreden (Joh 13,31–16,33) unter bes. Berücksichtigung ihres Relecture-Charakters, FRLANT 169, Göttingen 1995, 256: „V. 25 will … nicht – wie eine vordergründige Lesart des Verses vermuten lässt – zwei grundsätzlich voneinander zu unterscheidende Modi des Offenbarungsredens Jesu beschreiben, sondern auf die mit ,Ostern‘ ermöglichte neue Dimension des Verstehens der Offenbarung Jesu hinweisen …“. 59 Zum Verhältnis der Termini und vgl. Poplutz, Paroimia und Parabol (s. Anm. 8), 103–120, 114–119; Zimmermann, Christologie (s. Anm. 6), 280–290. 60 Hierzu vgl. u.a. Chr. Hoegen-Rohls, Der nachösterliche Johannes. Die Abschiedsreden als hermeneutischer Schlüssel zum vierten Evangelium, WUNT II/84, Tübingen 1996, 27 f.; J. Frey, Die johanneische Eschatologie I: Ihre Probleme im Spiegel der Forschung seit Reimarus, WUNT 96, Tübingen 1997, 462. 61 Treffend K. Haldimann, Rekonstruktion und Entfaltung. Exegetische Untersuchungen zu Joh 15 und 16, BZNW 104, Berlin / New York 1999, 383: „Hinter der eigentlich unmöglichen Ankündigung von V. 25 b verbirgt sich die Erinnerung daran, dass der Paraklet eine fundamentale Wende der Verstehenssituation herbeiführen wird, gerade und in besonderer Weise für die Jünger.“ 57
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den nachösterlichen Erkenntnisfortschritt. Joh 16,29 f. nimmt somit „auf der textinternen Ebene die Wirklichkeit der textexternen nachösterlichen Gemeinde vorweg“62. Dass diese Unterscheidung der Zeitebenen in der markinischen Parabeltheorie nicht begegnet, muss nicht zwangsläufig als Indiz gewertet werden, dass Joh 16,25 unabhängig von Mk 4,10–12 konzipiert wurde. Dass der vierte Evangelist vielmehr die unterschiedlichen Teilaspekte der markinischen Parabeltheorie bewusst voneinander trennt und in unterschiedlichen Kontexten verarbeitet, dafür spricht seine Rezeption der jesajanischen Verstockungsaussage Jes 6,9 f., die für alle synoptischen Varianten dieser Vorstellung von konstitutiver Bedeutung ist und auf die der vierte Evangelist in Joh 12,37–41 rekurriert. Während sich Joh 16,25 in sachlicher Analogie zu Mk 4,1.34 b auf das Motiv einer gesonderten Unterrichtung der Jünger konzentriert, so konzentriert sich Joh 12,37–41 in Analogie zu Mk 4,11 f. auf die ablehnende Haltung der Nichtglaubenden. Und in diesem Zusammenhang lässt sich in einem noch deutlicheren Maße ein „intertextuelles Spiel mit Mk 4,10 ff.“63 erkennen, als dies zwischen Joh 16,25 und der markinischen Parabeltheorie der Fall ist. Um diese Einschätzung zu erläutern, gilt es sich zunächst zu vergegenwärtigen, welche Funktion die Aussageinheit Joh 12,37–41 in der Komposition des Johannesevangeliums einnimmt. Dieser Text ist ein Teilaspekt des in Joh 12,37–50 formulierten Erzählerkommentars, der zwischen der Darstellung der öffentlichen Tätigkeit Jesu und den Abschiedsreden angeordnet ist.64 Diese Verse verfolgen u.a. die Absicht, das Phänomen der Ablehnung zu reflektieren, die Jesus während seiner öffentlichen Tätigkeit erfuhr. Dem vierten Evangelist zufolge ereignet sich in diesem Geschehen eine Prophezeiung, die schon in den jesajanischen Traditionsbildungen vorgezeichnet war. In der Ablehnung Jesu vollziehe sich das Schicksal des ,Gottesknechtes‘, der Jes 53,1 zufolge gerade in seinem Leiden das Heil für jene Menschen schafft, die seinen göttlichen Auftrag zunächst nicht erkennen konnten. Dass jedoch gerade die jüdischen Mitmenschen Jesu den von Gott gesandten Gottessohn nicht anerkennen konnten, begründet der Verfasser des vierten Evangeliums mit einem Rekurs auf die jesaja62 So M. Labahn, Die des Gottessohnes im Johannesevangelium. Theologische Hermeneutik und philosophisches Selbstverständnis, in: Frey / Schnelle (Hgg.), Kontexte des Johannesevangeliums (s. Anm. 11), 321–363, 338; zustimmend aufgenommen u.a. von Zimmermann, Christologie (s. Anm. 6), 40. 63 So Thyen, Johannesevangelium (s. Anm. 4), 568. 64 Nachdem der Erzählerkommentar Joh 12,36 b die Schilderung der öffentlichen Tätigkeit Jesu abschließt, wird die textinterne Erzählebene erst ab Joh 13,1 ff. in Gestalt der Abschiedsreden wieder aufgenommen. Zwischen diesen Textbereichen wird zunächst eine Begründung der Ablehnung Jesu formuliert (Joh 12,37–43). Die in Joh 12,44–50 locierte Rede des johanneischen Jesus erfährt bewusst keine Verknüpfung mit der vorhergehenden und nachfolgenden Erzählebene, damit ihr Inhalt „zeitlich und örtlich enthoben … immer und überall gilt“ (so U. Schnelle, Das Evangelium nach Johannes, ThHK 4, Leipzig 1998, 209).
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nische Verstockungsaussage.65 Inhaltlich-sachlich betrachtet steht dieser Verweis auf Jes 6,10 dabei der matthäischen Reformulierung der synoptischen Parabeltheorie am nächsten. Einerseits dient der Hinweis auf Jes 6,10 v.a. dazu, die Ablehnung Jesu seitens seiner jüdischen Mitmenschen zu begründen. Andererseits wird im vierten Evangelium nicht etwa von einer speziellen Facette der Botschaft Jesu gesprochen, sondern von der Ablehnung der gesamten Botschaft Jesu.66 Auf den ersten Blick scheint gegen eine intertextuelle Beziehung zwischen Mk 4,10–12 par. zu sprechen, dass der vierte Evangelist den Rekurs auf Jes 6,10 nicht als eine Aussage Jesu gestaltet, sondern als einen Erzählerkommentar. Auf den zweiten Blick lässt sich jedoch erkennen, dass auch der johanneische Jesus Aussagen formuliert, die Jes 6,9 f. inhaltlich-sachlich entsprechen. Joh 12,37–41 ist lediglich ein Teilaspekt des facettenreichen Spektrums prädestinatianischer Vorstellungen, die im Erzählverlauf des vierten Evangeliums sukzessive entfaltet werden (Joh 3,3.5 f.8; 6,44 f.65; 8,46 f.; 9,39; 12,37–41 etc.).67 Zwei dieser prädestinatianischen Korrespondenztexte nehmen das für Jes 6,9 f. konstitutive Motiv erkenntnisunfähiger Augen und Ohren auf und reflektieren dabei ebenfalls die Ablehnung Jesu seitens seiner jüdischen Mitmenschen. Einerseits konstatiert der johanneische Jesus in der am polemischsten gestalteten Kontroverse des gesamten Evangeliums, dass seine Botschaft von seinen Gegnern nicht verstanden wird, weil sie ihn nicht hören können (Joh 8,46 f.). Andererseits kulminiert die johanneische Blindenheilungserzählung in der These, dass sich in Jesu Kommen das Gericht vollzieht, da die (körperlich) Blinden ihn erkennen können und die (körperlich) Sehenden blind für seine Botschaft sind (Joh 9,39). Auch wenn weder im Kontext Joh 8,42–48 bzw. Joh 9 explizit auf Jes 6,9 f. verwiesen wird, verarbeiten diese Texte inhaltlich-sachlich die Bildfeldtraditionen, die der jesajanischen Verstockungsvorstellung zugrunde liegen. Auch durch diese beiden Texte werden ebenso wie durch Joh 12,37–43 v.a. die Trennungsprozesse von der synagogalen Gemeinschaft reflektiert, die für die Entwick-
65 Dass in Joh 12,40 Jes 6,10 LXX nur partiell zitiert wird, kann damit zusammenhängen, dass die hebräische Fassung von V. 10 eine deutlicher prädestinatianisch akzentuierte Vorstellung formuliert, welche dem johanneischen Prädestinationsgedanken eher entspricht (so steht z.B. in der Phrase das Verb , das nicht in Jes 6,10 LXX begegnet, sachlich Jes 6,10 a MT näher [ ]). Zu den Differenzen zwischen Jes 6,9 f. MT und Jes 6,9 f. LXX s.o. Anm. 44. 66 Zu dieser Eigentümlichkeit der matthäischen Reformulierung der markinischen Parabeltheorie s.o. Anm. 46. Für Thyen, Johannesevangelium (s. Anm. 4), steht Apg 28,25–38 „sachlich in größerer Nähe zu Johannes“. Diesbezüglich gilt jedoch zu beachten, dass der Verfasser des lukanischen Geschichtswerks die Parabeltheorie selbst zunächst deutlich abändert und das Zitat von Jes 6,9 f. als eine Aussage des Heidenapostels gestaltet (zum Verhältnis von Lk 8,9 f. und Apg 28,25–28 s.o. Anm. 43). 67 Zur sukzessiven Entfaltung der johanneischen Prädestinationsvorstellung im Erzählverlauf des vierten Evangeliums vgl. Popkes, Theologie der Liebe Gottes (s. Anm. 51), 204–211.
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lungsgeschichte der johanneischen Gemeinde von grundlegender Bedeutung waren.68 In diesem Sinne wird man resümieren können, dass kein anderer neutestamentlicher Autor die jesajanische Verstockungsvorstellung in einer derartig elaborierten Weise aufnimmt und narrativ ausgestaltet, wie dies bei dem vierten Evangelisten der Fall ist.69 Es ist durchaus möglich, dass u.a. auch die unterschiedlichen Facetten der Parabeltheorie den Verfasser des Johannesevangeliums zu dieser Deutung von Jes 6,9 f. inspirierten.70 Einen klaren Beweis, der klassischen Kriterien einer Identifikation intertextueller Relationen gerecht wird, wird man jedoch nicht aufweisen können. Doch dieses Problem gilt nicht nur für die Frage einer möglichen johanneischen Adaption der Parabeltheorie, sondern für viele weitere Texte, bei denen erwogen wird, dass der vierte Evangelist sie u.a. vor dem Hintergrund synoptischer Traditionen gestaltet.
4. Analogien zur synoptischen Parabeltheorie im Thomasevangelium Im Gegensatz zum Johannesevangelium begegnet im Thomasevangelium eine Vielzahl unmittelbarer Analogien zu synoptischen Gleichnistraditionen.71 Dabei fällt freilich auf, dass wesentliche Charakteristika der synoptischen Gleichnisse im Thomasevangelium fehlen (insbesondere die narrativen Rahmungen der Gleichnisse und Ansätze einer allegorischen bzw. heilsgeschichtlichen Deutung).72 Diese Eigentümlichkeit lässt sich auch an dem 68 Während die erzählerische Einbettung von Joh 8,42–48 indirekt zu erkennen gibt, dass in dieser literarisch stilisierten Kontroverse zwischen Jesus und seinen jüdischen Gesprächspartnern Konflikte verarbeitet werden, welche die Entwicklungsgeschichte der johanneischen Gemeinde prägten (so zuletzt Thyen, Johannesevangelium [s. Anm. 4], 436), wird in Joh 9,22 f. expressis verbis der Ausschluss der Sympathisanten Jesu aus der synagogalen Gemeinschaft angesprochen. 69 Auch wenn eine Korrespondenz zu Jes 6,9 f. in Joh 9,39 und Joh 8,46 f. nur implizit vermutet werden kann, ist sie sachlich von Joh 12,37–41 her evident (vgl. M. Lieu, Blindness in the Johannine Tradition, NTS 34 [1988], 83–95, 84 f.; zuletzt Thyen, Johannesevangelium [s. Anm. 4], 569). 70 Entsprechend kommt auch Poplutz, Paroimia und Parabol (s. Anm. 8), 117, zu dem Ergebnis, dass sich „die Konzepte beider Evangelien doch enger berühren, als es auf den ersten Blick scheinen mag.“ 71 Während in EvThom 8; 9; 20; 21,5–7; 32; 33; 34; 35; 36; 40; 45; 47; 57; 63; 64; 65; 66; 73; 76; 96; 103; 107; 109 unmittelbare Parallelen zu synoptischen Texten vorliegen, besitzen die in EvThom 21,1–4; 97; 98 überlieferten Gleichnistraditionen keine Analogien in den neutestamentlichen Evangelien. 72 Dieses Phänomen erfuhr völlig unterschiedliche Erklärungen. Während z.B. DeConick, Original Gospel (s. Anm. 10), 10 f. bzw. 25 ff.; Nordsieck, Thomas-Evangelium (s. Anm. 10), 21 f., dazu tendieren, das Fehlen narrativer Rahmungen und allegorischer Deutungen als Kennzeichen eines frühen Überlieferungsstadiums zu verstehen, erkennen u.a. A. Lindemann, Zur Gleichnisinterpretation im Thomasevangelium, ZNW 71 (1980), 214–243, 214 ff.; Hultgren,
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Vergleichstext zur synoptischen Parabeltheorie beobachten, der in EvThom 62,1 (NHC II,2 p. 43,34–44,1) vorliegt. Es entspricht der literarischen Gestalt des Thomasevangeliums, dass dieser Text keinerlei erzählerische Einbettung erfährt. EvThom 62,1 lässt nicht einmal einen terminologischen oder inhaltlich-sachlichen Bezug zu dem vorhergehenden Logion EvThom 61 bzw. zu dem unmittelbar folgenden Teillogion EvThom 62,2 erkennen, welches eine Analogie zu Mt 6,3 bildet.73 Der Leser dieses Werks wird somit relativ unvermittelt mit folgender These konfrontiert: EvThom 62,1: [ EvThom 62,1:
] [
]
Jesus spricht: „Ich sage meine Geheimnisse denen, die [meiner] Geheimnisse [würdig sind].“74
EvThom 62 steht Mk 4,10–12 par. terminologisch nahe, insofern auch hier von der Vermittlung eines Geheimnisses bzw. Mysterions die Rede ist. Dabei fällt auf, dass die Variante des Thomasevangeliums ebenso wie die matthäische und lukanische Reformulierung der markinischen Parabeltheorie im Plural von Geheimnissen spricht.75 EvThom 62 bietet freilich eine andere inhaltliche Qualifizierung dieser Botschaft, da nicht etwa von dem (bzw. den) Geheimnis(sen) des Reiches Gottes (Mk 4,11; Lk 8,10) bzw. des Reiches der Himmel (Mt 13,11) die Rede ist, sondern von den Geheimnissen Jesu. Dass diese Facette der Botschaft Jesu sich speziell auf die Gleichnisrede bezieht, wird in EvThom 62 nicht zur Sprache gebracht. Zudem unterscheiden sich Mk 4,10–12 par. und EvThom 62 bezüglich der Zielgruppen, denen die geheime Botschaft Jesu anvertraut wird. Die synoptischen Varianten verstehen jeweils die Jünger Jesu als diejenige Gruppierung, denen das Geheimnis der Botschaft vom Reich Gottes anvertraut ist. Eine solche Spezifikation wird im unmittelbaren Kontext von EvThom 62 nicht vorgenommen. Ferner fällt auf, dass die für die synoptischen Varianten der Parabeltheorie konParables of Jesus (s. Anm. 1), 430 ff., hierin eine bewusste Ausblendung der synoptischen Deutungsansätze. 73 So bereits J. Leipoldt, Das Evangelium nach Thomas. Koptisch und deutsch, TU 101, Berlin 1967, 68; zuletzt entsprechend U.-K. Plisch, Das Thomasevangelium. Originaltext mit Kommentar, Stuttgart 2007, 163 f. 74 Zu diesem Logion ist in den griechischen Fragmenten des Thomasevangeliums keine Parallele erhalten. Aus diesem Grund muss sich der Versuch einer Rückübersetzung dieses Textes an der koptischen Vorgabe orientieren (vgl. Plisch, Thomasevangelium [s. Anm. 73], 163: „ [ ]). 75 Auch wenn der Übergang von zu nicht eindeutig erklärt werden kann (zur Problematik der diesbezüglich oftmals angeführten Deuteromarkus-Hypothese s.o. Anm. 40), ist es wenig wahrscheinlich, dass die Pluralvariante im Thomasevangelium bzw. in der matthäischen und lukanischen Fassung die ursprünglichere Überlieferungsgestalt widerspiegelt (gegen u.a. H. Koester, Q and Its Relatives, in: J. E. Goehring u.a. [Hgg.], Gospel Origins and Christian Beginnings [FS J.M. Robinson], Forum fascicles 1, Sonoma, Calif. 1990, 49–63, 53; T. Zöckler, Jesu Lehren im Thomasevangelium, NHS 47, Leiden / Boston / Köln 1999, 109).
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stitutive Anspielung auf die jesajanische Verstockungsvorstellung (Jes 6,9 f.) in EvThom 62 fehlt. Diese Differenzen erfuhren in der Forschungsdiskussion völlig unterschiedliche Erklärungen. Verschiedentlich wurde postuliert, dass EvThom 62 eine ältere Traditionsstufe der Parabeltheorie überliefert als die synoptischen Evangelien. Eine solche Einschätzung basiert u.a. auf der methodischen Prämisse, dass in der Entwicklungsgeschichte der synoptischen Gleichnistraditionen Rekurse auf alttestamentliche Bezugstexte erst sukzessive ergänzt wurden und dass die Sonderstellung der Jünger in den synoptischen Fassungen das nachösterliche Ringen unterschiedlicher Gruppierungen um den Deutungsanspruch der Botschaft widerspiegeln würde.76 Hiergegen spricht jedoch eine Reihe von Eigentümlichkeiten von EvThom 62. Hinsichtlich der synoptischen Fassungen der Parabeltheorie wurde verschiedentlich die These formuliert, dass der in diesem Kontext verwendete Begriff bzw. am ehesten aus jüdisch-apokalyptischen Traditionen hergeleitet werden kann, in denen exponierten literarischen Figuren bzw. Gruppierungen eine Offenbarung himmlischer Geheimnisse zuteil wird (vgl. u.a. Dan 2,18 f.28–30.47; 1 Hen 38,3; 63,3; 103,2; 1QS 11,5 f.; 1QpHab 7,5 f. etc.77). Diesbezüglich ist jedoch anzumerken, dass gerade die für die frühchristlichen Traditionsbildungen bedeutsamen apokalyptischen Erwartungshorizonte im Thomasevangelium bewusst ausgeblendet werden (vgl. v.a. EvThom 51).78 Zudem gilt es zu beachten, dass sich im Thomasevangelium im Gegensatz zu den synoptischen Parabeltheorien eine inhaltliche Bestimmung des Begriffsfeldes beobachten lässt. Während in den synoptischen Evangelien bzw. jeweils ein hapax legomenon ist, besitzt 76 So postuliert z.B. Zöckler, Jesu Lehren (s. Anm. 75), 109, dass EvThom 62 noch nicht den esoterischen Charakter der Jüngerbelehrung in Mk 4,10–12 par. dokumentiere; ferner hierzu Koester, Q and Its Relatives (s. Anm. 75), 53; DeConick, Original Gospel (s. Anm. 10), 10 f. bzw. 25 ff.; Nordsieck, Thomas-Evangelium (s. Anm. 10), 21 f. 77 Treffend Hultgren, Parables of Jesus (s. Anm. 1), 454: „In its background stand apocalyptic texts, in which the term ,mystery‘ signifies those hidden, eschatological secrets that can be revealed by God alone. … The secrets will be revealed to all at the end of time …, but they have already been disclosed to certain chosen ones, who are to disclose them, in term, to the wise … or to any others destined to receive them“. Entsprechend zu den traditionsgeschichtlichen Hintergründen dieser Terminologie in den synoptischen Varianten der Parabeltheorie vgl. R.E. Brown, The Semitic Background of the Term Mystery in the New Testament, FB.B 21, Philadelphia 1968, 34 f.; Pesch, Markus I (s. Anm. 16), 238 f.; zur Frage möglicher mysterientheologischer Hintergründe vgl. Dormeyer, Das Markusevangelium als Idealbiographie (s. Anm. 31), 188–191; H.-J. Klauck, Vorspiel im Himmel? Erzähltechnik und Theologie im Markusprolog, BThS 32, Neukirchen-Vluyn 1997, 112–117. 78 Zur Kritik apokalyptischer Traditionen im Thomasevangelium vgl. G. J. Riley, Resurrection Reconsidered. Thomas and John in Controversy, Minneapolis 1995, 131; R. Trevijano Etcheverría, La reconversión. La Reconversión de la Escatología en Protología (EvTom log. 18, 19, 24, 49 y 50), in: Salm. 40 (1993), 133–163, 161 f; E.E. Popkes, Von der Eschatologie zur Protologie. Die Transformation apokalyptischer Motive im Thomasevangelium, in: M. Becker / M. Öhler (Hgg.), Apokalyptik als Herausforderung neutestamentlicher Theologie, WUNT II/214, Tübingen 2005, 213–235.
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EvThom 62 verschiedene terminologische und inhaltlich-sachliche Bezugspunkte innerhalb des Thomasevangeliums. Eine terminologische Analogie zu begegnet bereits in der hermeneutischen Leseanweisung des Thomasevangeliums, die im Incipit bzw. im ersten Logion dieses Werkes formuliert wird. Die ersten Worte des Thomasevangeliums charakterisieren die in diesem Werk tradierten Logien als die verborgenen bzw. geheimen Worte, welche der ,lebendige Jesus‘ formuliert haben soll und die von Judas Didymos Thomas aufgeschrieben wurden.79 Die Hörer bzw. Leser werden mit der These konfrontiert, dass derjenige, der diese Worte angemessen zu deuten weiß, vor dem Todesschicksal bewahrt werden wird (so bereits in den griechischen Fragmenten zu EvThom 1,2: [ ] [ ] [P.Oxy 654,4 f.]). Das Thomasevangelium nimmt somit für sich in Anspruch, eine spezielle Gestalt der Botschaft Jesu zu überliefern, die Thomas anvertraut wurde. Diese Einleitung entspricht im weiteren Kontext des Thomasevangeliums dem Logienkomplex EvThom 12/13, in welchem Thomas eine besondere Stellung im Kreise der Jünger Jesu zugestanden wird. Diese Texteinheit kann als eine „key passage“80 des gesamten Thomasevangeliums verstanden werden, da sich hier signifikant das ekklesiologische Selbstverständnis des Verfassers bzw. der Trägerkreise dieses Werkes dokumentiert.81 In EvThom 12 wird zunächst eingeräumt, dass der Herrenbruder Jakobus für die nachösterliche Entwicklungsgeschichte christlicher Gemeinschaften eine zentrale Autorität bildet.82 Das Folgelogion stilisiert jedoch Thomas zu dem Tradenten einer 79 Diese hermeneutische Leseanweisung begegnet nicht erst in der koptischen Übersetzung des Thomasevangeliums, sondern sie liegt bereits in den griechischen Fragmenten vor (vgl. NHC II,2 32,10–14 und P.Oxy. 654,1–5). 80 So P. Sellew, The Gospel of Thomas. Prospects for Future Research, in: J.D. Turner / A. McGuire (Hgg.), The Nag Hammadi Library after Fifty Years. Proceedings of the 1995 Society of Biblical Literature Commemoration, NHS 44, Leiden / New York / Köln 1997, 327–346, 344. 81 Zum Verhältnis des Incipit bzw. EvThom 1 und EvThom 13 vgl. Plisch, Thomasevangelium (s. Anm. 73), 68 f.; Sellew, Thomas (s. Anm. 80), 342–344; H.-J. Klauck, Apokryphe Evangelien. Eine Einführung, Stuttgart 2002, 146 f. 82 EvThom 12 ist für die religionsgeschichtliche Verortung des Thomasevangeliums von hoher Bedeutung, da dies eines der wenigen Logien des Thomasevangeliums ist, in welchem zumindest indirekt sozialgeschichtliche Entwicklungen des frühen Christentums angesprochen werden. EvThom 12,2 reflektiert die Bedeutung, die Jakobus als Bruder Jesu für die nachösterlichen Entwicklungen der frühen, insbesondere judenchristlichen Gemeinschaften hatte (zur Geschichte des Ehrentitels ,Jakobus, der Gerechte‘ vgl. M. Hengel, Jakobus der Herrenbruder – der erste „Papst“?, in: ders., Kleine Schriften III: Paulus und Jakobus, WUNT 141, Tübingen 2002, 549–582, 557 f.; W. Pratscher, Der Herrenbruder Jakobus und die Jakobustradition, FRLANT 139, Göttingen 1987, 114 ff.). Dieses Phänomen muss jedoch nicht als Indiz verstanden werden, dass das Thomasevangelium in judenchristlichen Kreisen entstanden ist bzw. v.a. in solchen Kreisen kursierte (gegen u.a. H. Koester, Introduction to the New Testament II: History and Literature of Early Christianity, New York u.a. 22000, 157; A.J. Dewey, „Keep speaking until you find …“. Thomas and the School of Oral Mimesis, in: R. Cameron / M.P. Miller [Hgg.], Rediscribing Christian Origins, SBL.S 28, Atlanta 2004, 109–132, 121 f.). Einerseits kann der Herrenbruder Jakobus auch in gnostischen Traditionsbildungen als
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geheimen Botschaft Jesu, die nicht jedem Mitchristen anvertraut werden darf.83 So wie Thomas auf der textinternen Erzählebene von EvThom 13 in der Gefahr steht, aufgrund jener geheimen Worte Jesu von den anderen Jüngern gesteinigt zu werden (EvThom 13,7 f.), so obliegt dem Leser bzw. Hörer des Thomasevangeliums die Verantwortung, den Inhalt dieser geheimen Worte Jesu nicht öffentlich zu kommunizieren.84 Vor dem Hintergrund der Einleitung des Thomasevangeliums und des dreizehnten Logions legt sich eine Interpretation von EvThom 62 nahe, die diesen Text nicht als eine frühe Entwicklungsstufe der synoptischen Parabeltheorie versteht, sondern als eine Reformulierung von Mk 4,10–12, in der sich eindrücklich das theologische Proprium dieses Werkes dokumentiert. In den synoptischen Varianten der Parabeltheorie werden die Jünger Jesu als die Empfänger der geheimen Botschaft vom Reiche Gottes bezeichnet und auf diese Weise von den Außenstehenden bzw. Kontrahenten Jesu unterschieden. Demgegenüber impliziert EvThom 62 eine Unterscheidung innerhalb des Kreises der Jünger. In diesem Sinne kann man die in EvThom 13 vorliegende Stilisierung des Dialogs zwischen Thomas und Jesus geradezu als eine erzählerische Illustration von EvThom 62 verstehen. Jesus vertraut Thomas eine geheime Botschaft an, welche die anderen Jünger nicht erfahren dürfen. Das Thomasevangelium nimmt wiederum für sich in Anspruch, die geheimen Worte zu überliefern, die Jesus Thomas anvertraute (vgl. das Incipit bzw. EvThom 1).85 Und der esoterische Charakter dieses Werkes wird durch EvThom 62 legitimiert, indem hervorgehoben wird, dass Jesus eigens betont haben soll, dass er seine geheime Botschaft nur einem begrenzten Adressatenkreis anvertrauen möchte.86 Traditionsgarant verstanden werden (vgl. Pratscher, a.a.O., 102 ff.), andererseits ist die zentrale Aussageintention des Logienkomplexes EvThom 12/13 erst in EvThom 13 erkennbar, in welchem Thomas zum Traditionsgaranten der geheimen Botschaft Jesu stilisiert wird. 83 Treffend J. Schröter / H.-G. Bethge, Das Evangelium nach Thomas, in: H.-M. Schenke / H.-G. Bethge / U.U. Kaiser (Hgg.), Nag Hammadi Deutsch. Koptisch-Gnostische Schriften 2: NHC 1,1–5,1, GCS N.F. 8, Berlin / New York 2001, 151–181, 163: „An Jakobus werden die Jünger ausdrücklich für die Zeit der Abwesenheit Jesu verwiesen, Thomas dagegen gilt als derjenige, der die verborgene Lehre Jesu bereits empfangen hat.“ 84 Entsprechend konstatiert Klauck, Apokryphe Evangelien (s. Anm. 81), 152 f., dass der in EvThom 13 stilisierte „Ablauf sich jetzt in den innerchristlichen, innerkirchlichen Raum verlagert hat. Die Menge der Außenstehenden spielt keine Rolle mehr, die Jünger repräsentieren die Kirchenchristen, und Thomas repräsentiert eine kleine, elitäre Gruppe, die sich tieferer Einsichten rühmt und die wir mangels besserer Bezeichnungen ,Gnostiker‘ nennen.“ (entsprechend u.a. E.E. Popkes, Das Menschenbild des Thomasevangeliums. Untersuchungen zu seiner religionshistorischen und chronologischen Verortung, WUNT 206, Tübingen 2007, 63–71). 85 So auch Fieger, Das Thomasevangelium (s. Anm. 10), 181: „Die Aussprüche des Thomasevangeliums sind die Geheimnisse Jesu.“ Tendenziell ähnlich vermutet Plisch, Thomasevangelium (s. Anm. 73), 69, in Bezug auf EvThom 13, dass durch das Motiv der drei geheimen Worte, die Jesus Thomas mitteilt, eine „Beziehung zum Gesamtinhalt des Thomasevangeliums hergestellt werden“ könnte. 86 Entsprechend J.-É. Ménard, L’Évangile selon Thomas, NHS 5, Leiden 1975, 163, zum inhaltlich-sachlichen Verhältnis der Einleitung des Thomasevangeliums und EvThom 62:
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5. Zusammenfassung der Arbeitsergebnisse Joh 12,37–41; 16,25 und EvThom 62 können als inhaltlich-sachliche Analogien zur synoptischen Parabeltheorie verstanden werden, welche das theologische Profil des Johannesevangeliums und des Thomasevangeliums eindrücklich zu Tage treten lassen. Auch wenn im vierten Evangelium lediglich indirekte Berührungen mit synoptischen Gleichnistraditionen vorliegen, weisen Joh 12,37–41; 16,25 in mehrfacher Hinsicht Affinitäten zur markinischen Parabeltheorie auf. Bereits die erzählerische Einbettung von Joh 16,25 in den johanneischen Abschiedsreden steht Mk 4,10–12 nahe, insofern jeweils von einer besonderen, der Öffentlichkeit entzogenen Belehrung der Jünger Jesu gesprochen wird. In beiden Kontexten wird zur Geltung gebracht, dass Jesus seine Botschaft zunächst in Gestalt einer gleichnishaften bzw. bildhaften Rede vermittelte, deren Aussagehalt nicht unmittelbar erfasst werden konnte ( [Joh 16,25 a] kann dabei als Pendant zum synoptischen Gleichnisbegriff verstanden werden). Während jedoch in der markinischen Variante die Parabeltheorie dazu dient, die besondere Stellung der Nachfolger Jesu gegenüber ,Außenstehenden‘ abzugrenzen, ist Joh 16,25 ein Teilaspekt der für die johanneischen Theologie konstitutiven Vorstellung, dass erst der Paraklet in der nachösterlichen Anamnese der Worte und Taten Jesu die angemessene Erkenntnis der Botschaft Jesu ermöglicht (Joh 14,16–18; 25 f.; 15,26 f.; 16,5–15). Während somit in Joh 16,25 in Entsprechung zu Mk 4,11 a ein sukzessiv sich vollziehender Erkenntnisfortschritt der Nachfolger Jesu zur Sprache gebracht wird, begegnet das johanneische Pendant zu Mk 4,11 b.12 im Erzählverlauf des vierten Evangeliums bereits wesentlich früher. Der die Darstellung der öffentlichen Tätigkeit Jesu abschließende Erzählerkommentar Joh 12,37–41 kulminiert in einem Rekurs auf die jesajanische Verstockungstheorie, auf welche in Mk 4,11 f. indirekt angespielt wird und die in der matthäischen Parabeltheorie explizit zitiert wird (Mt 13,14 f.). Auch wenn der Rekurs auf Jes 6,9 f. in Joh 12,40 abbreviativer gestaltet ist als in Mt 13,14 f., steht die johanneische Adaption der jesajanischen Verstockungsaussage der matthäischen Reformulierung der Parabeltheorie deutlicher näher als Mk 4,10–12, insofern auch hier nicht nur eine bestimmte Vermittlungsform der Botschaft Jesu reflektiert wird, sondern das generelle Phänomen der Ablehnung Jesu seitens des zeitgenössischen Judentums. Die Reflexion der jüdischen Ablehnung Jesu hat für die im Thomasevangelium überlieferte Vergleichsgröße zur synoptischen Parabeltheorie keine Bedeutung. Dieses Werk lässt vielmehr bereits eine Distanz zu den jüdischen „… Thomas ne permet de transmettre les mystères divins qu’à un petit group d’initiés.“ Diese intertextuellen Bezüge zeigen, dass EvThom 62 im Gesamtzusammenhang eine wesentlich deutlichere esoterische Ausrichtung erkennen lässt, als dies bei Mk 4,10–12 der Fall ist (gegen z.B. Zöckler, Jesu Lehren [s. Anm. 75], 109).
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Wurzeln der frühen Jesusbewegung erkennen, die nicht mehr als Ausdruck einer innerjüdischen Erneuerungsbewegung verstanden werden kann (vgl. v.a. EvThom 14; 52; 53). Aus diesem Grunde kann EvThom 62 nicht als eine frühe Fassung der synoptischen Parabeltheorie verstanden werden, in welche der Rekurs auf die jesajanische Verstockungstheorie erst nachträglich integriert wurde. Stattdessen wird die Parabeltheorie nun dazu verwendet, das hermeneutische Konzept des Thomasevangeliums zu legitimieren, demzufolge Jesus nur speziellen Traditionsgaranten eine geheime Lehre anvertraut hat, die nur wenigen Auserwählten anvertraut werden darf (vgl. v.a. das Verhältnis von EvThom 62 zum Incipit bzw. EvThom 1 und zu der in EvThom 13 formulierten Sonderstellung des Traditionsgaranten Thomas im Kreis der Jünger).
Gibt es Gleichnisse im Johannesevangelium? Mira Stare 1. Einführung 1.1 Zur Aktualität der Frage nach Gleichnissen im Johannesevangelium Der folgende Artikel geht der Frage nach Gleichnissen im Johannesevangelium nach. Diese Frage hat in letzten Jahrzehnten in der neutestamentlichen Forschung wenig Platz und Relevanz gefunden. Denn es gilt auf diesem Forschungsgebiet unter dem starken Einfluss von A. Jülicher und seinen Ergebnissen die Prämisse, dass man Gleichnisse nur synoptischen Evangelien zuordnet. Diese Prämisse hat sich in der neutestamentlichen Gleichnisforschung durchgesetzt und gefestigt. Denn nach bereits etwas mehr als einem Jahrhundert ihres Bestehens wird sie in der neutestamentlichen Lehre wie auch in der neutestamentlichen Gleichnisforschung vom Großteil der Neutestamentler / innen unreflektiert von einem zum anderen wissenschaftlichen Werk übernommen. So scheint im Hinblick auf diese auch in der Gegenwart geltende Prämisse die Frage nach Gleichnissen im Johannesevangelium zunächst eher etwas fehl am Platz. Erst wenn man diesen Konsens, nämlich dass nur die synoptischen Evangelien Gleichnisse enthalten, hinterfragt, und die Bestimmungen der Gattung „Gleichnis“ mit neuen Ergebnissen der Literaturwissenschaften überprüft, ist die Frage nach Gleichnissen im Johannesevangelium wieder aktuell und aufgrund ihres langen Status quo sogar dringend notwendig.
1.2 Die Vorbehalte gegenüber der Frage nach Gleichnissen im Johannesevangelium Das Johannesevangelium wird vor allem unter dem starken Einfluss von A. Jülicher bereits am Ende des 19. Jh. grundsätzlich aus der Gleichnisforschung herausgenommen. Denn er setzt sich zum Ziel seines umfangreichen Werkes
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„eine Auslegung aller evangelischen Gleichnisreden“1, analysiert und interpretiert jedoch ausschließlich die entsprechenden Textabschnitte der synoptischen Evangelien. Demgemäß heißt der Untertitel zum zweiten Band seines Werkes „Auslegung der Gleichnisreden der drei ersten Evangelien“. Das Ausscheiden des Johannesevangeliums wird dabei im Vorwort dieses Kommentars weder erwähnt noch interpretiert. Die Suche nach der Erklärung führt zum ersten Teil seines Werkes,2 den er „Die Gleichnisreden Jesu im Allgemeinen“ betitelt. Der Leser / die Leserin trifft in diesem Band an mehreren Stellen auf die Auseinandersetzungen Jülichers mit dem Johannesevangelium bezüglich der Gleichnisrede Jesu. Diese führen jedoch nicht immer zu gleichen Ergebnissen. So behauptet A. Jülicher an einer Stelle, dass „Johannes gar keine [Gleichnisse] enthält“3. Dagegen behauptet er in demselben Werk: „Nun begegnen zwar auch einige einfache Gleichnisse bei dem vierten Evangelisten, die eher auf Jesum zurückgehen könnten, weil sie wirklich gleichnishaft gestaltet sind.“4 Er verdeutlicht dies anhand von einigen Beispielen wie Joh 16,21 f. Damit erkennt er johanneische Gleichnisse und die gleichnishafte Gestaltung dieser Textabschnitte an. Das bedeutet, dass für A. Jülicher nicht die gleichnishafte Gestaltung johanneischer Texte das Problem ist, sondern die Frage nach ihrer Quelle. So schreibt er auch in Bezug auf Joh 16,21: Der Verdacht liegt nahe, dass die Erinnerung an die jüdische Theorie von den Wehen ( ), die der Endvollendung vorangehen müssen Mc 13 8 f. I Thess 5 3, den Evangelisten veranlasste, die Trübsal der vom Sohne Gottes verlassenen Jünger und ihre Freude über die Parusie mit Trauer und Freude eines gebärenden Weibes zu vergleichen. Dann ist theologische Reflexion die Erzeugerin des Gleichnisses Joh 16 21: dem vierten Evangelisten liegt solche wahrlich näher als Jesu.5
Da A. Jülicher in Gleichnissen Jesu vor allem ureigene Worte (ipsissima verba) Jesu sucht, ist er in so einem Fall wie Joh 16,21 zurückhaltend und schließlich lehnt er diese Worte des johanneischen Jesus, die er als „wirklich gleichnishaft gestaltet“ anerkennt, ab. Denn diese Worte sind nach A. Jülicher eher eine theologische Reflexion. Was die Gleichnisthematik im Johannesevangelium betrifft, ist meines Erachtens die Arbeit von J. Kögel6 aus dem Jahr 1915 äußerst interessant, da er sich intensiv und kritisch mit den Thesen von Jülicher auseinander1 A. Jülicher, Die Gleichnisreden Jesu. Zweiter Teil: Auslegung der Gleichnisreden der drei ersten Evangelien, Tübingen 1899, III. 2 A. Jülicher, Die Gleichnisreden Jesu. Erster Teil: Die Gleichnisreden Jesu im Allgemeinen, Tübingen 21899. 3 Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 2), I, 7. 4 Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 2), I, 116. 5 Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 2), I, 116. 6 J. Kögel, Der Zweck der Gleichnisse Jesu im Rahmen seiner Verkündigung, Gütersloh 1915.
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setzt und auch die bereits bestehenden Vorbehalte dem Johannesevangelium gegenüber in der damaligen Gleichnisforschung zum Ausdruck bringt. Das Ziel seiner Arbeit ist auf „den Zweck“ der Gleichnisse Jesu und damit auf die Stelle Mk 4,12 f. (vgl. Mt 13,13 f.; Lk 8,10) fokussiert. In diesem Zusammenhang stellt er über Mk 4,12 eine große Meinungsverschiedenheit fest. Er versucht nicht, Einstimmigkeit zu gewinnen, dennoch „das eine oder das andere noch einmal zur Erwägung zu stellen“7. Hinsichtlich des Johannesevangeliums ist seine Kritik beachtenswert: Vielleicht herrscht zurzeit auch deshalb noch so manche Unsicherheit und Unklarheit über diese Frage, weil einzelne für sie grundlegende Punkte – ich denke da namentlich an ihre Beziehung zum Jesaja-Zitat, das ihr ja zum Rückhalt dient, oder auch an ihr Verhältnis zum Johannes=Evangelium usw. – noch nicht genügend zur Sprache gebracht worden sind. Von ihnen aus vermag die Frage möglicherweise in eine neue oder wenigstens schärfere Beleuchtung zu treten.8
Anschließend setzt er sich mit den Anschauungen Jülichers auseinander, die seiner Meinung nach trotz großer Fortschritte auch „alle Einseitigkeit“9 in die Gleichnisforschung mit sich bringen. Vorbehalte gegenüber dem Johannesevangelium bezüglich der Gleichnisfrage zeigen sich in zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen, angefangen bei Hilfsmitteln wie Lexika und Methodenbüchern bis zu einzelnen wissenschaftlichen Monographien und Artikeln. Häufig wird dieser Frage ganz ausgewichen oder sie wird nur marginal behandelt.10 In der neueren Forschung zu den Gleichnissen Jesu stellt auch U. Poplutz die Tatsache fest, dass in den Arbeiten zu den neutestamentlichen Gleichnissen das Johannesevangelium und die johanneischen grundsätzlich wenig zur Sprache kommen.11 Sie gibt einige mögliche Gründe für diese marginale Behandlung und die Vorbehalte gegenüber dem Johannesevangelium an. Erstens sind die johanneischen schwer zu klassifizieren. Zweitens unterscheiden sich diese johanneischen Abschnitte von den Gleichnissen Jesu in den synoptischen Evangelien deutlich. Das Interesse in der Gleichnisforschung liege jedoch bis jetzt vor allem auf der Seite der sy7
Kögel, Zweck der Gleichnisse Jesu (s. Anm. 6), 8. Kögel, Zweck der Gleichnisse Jesu (s. Anm. 6), 8. 9 Kögel, Zweck der Gleichnisse Jesu (s. Anm. 6), 9. 10 Da die marginale Behandlung des Johannesevangeliums bezüglich der Gleichnisfrage fast „zur Regel“ geworden ist, müsste hier eine fast unendlich lange Belegliste stehen. Zugleich möchte ich auch nicht nur einige Autoren nennen, da sie sich gemeinsam mit anderen unter demselben Einfluss finden und alleine nicht für diesen Zustand verantwortlich sind. Der Leser / die Leserin kann aber selber einige Werke in die Hand nehmen und sich von dieser marginalen Stellung des Johannesevangeliums überzeugen. 11 Vgl. U. Poplutz, Paroimia und Parabol . Gleichniskonzepte bei Johannes und Markus, in: J. Frey / J.G. van der Watt / R. Zimmermann (Hgg.), Imagery in the Gospel of John. Terms, Forms, Themes, and Theology of Johannine Figurative Language, WUNT 200, Tübingen 2006, 103–120, hier 103. 8
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noptischen Evangelien. Drittens lasse sich „Gleichnisrede bei Johannes“ von ihrem Kontext unterschiedlich abgrenzen. Es stelle sich dabei die Frage, ob Gleichnisrede bei Johannes auf die Bild- und Begriffsebene beschränkt sei oder einen größeren hermeneutischen Problemhorizont einbeziehe.12 Die Missachtung des Johannesevangeliums in der Gleichnisforschung stellt auch das neue Kompendium der Gleichnisse Jesu13 fest. Zum ersten Mal sind in diesem Werk aber auch die Gleichnisse aus dem Johannesevangelium ein fester Bestandteil des Kompendiums.14 Damit ist ein Prozess der Neuentdeckung des Johannesevangeliums unter diesem Gesichtspunkt ausgelöst worden, der den Lesern / innen neue Ansichten in dieser Frage öffnet und sie zu einer gründlichen Reflexion in dieser Frage führt.
1.3 Aufbau des Artikels Nach der einleitenden Sensibilisierung für die Aktualität der Frage nach Gleichnissen im Johannesevangelium (1.1) und dem Thematisieren der Vorbehalte gegenüber dieser Frage (1.2) folgt ein Gang in die Forschungsgeschichte (2.). Dabei gilt die Aufmerksamkeit zuerst dem johanneischen Begriff paroimia und dessen Interpretationen (2.1). Anschließend werden einige Exegeten und ihre Arbeiten erwähnt, die bereits von johanneischen Gleichnissen / Paroimiai / Parabeln reden, sie interpretieren oder sogar eine Auflistung dieser Texte erstellen (2.2). Im dritten Teil (3.) werden die Gleichnis / Parabel-Kriterien unter die Lupe genommen und vor allem die Ergebnisse der gegenwärtigen Literaturwissenschaften bezüglich dieser Kriterien dargestellt. Im vierten Teil (4.) wird nach dem Merkmalbündel der Gattung „Gleichnis“ im Johannesevangelium gesucht (4.1). Es folgt eine für das Verständnis der Gleichnisse im Johannesevangelium wichtige Auseinandersetzung mit der Etymologie und Traditionsgeschichte des johanneischen Begriffs (4.2). Ferner wird auf das Verhältnis zwischen johanneischen und synoptischen Gleichnissen (4.3) eingegangen. Hier wird ein neues Verständnis dieses Verhältnisses angeboten. Der letzte Unterpunkt im vierten Teil (4.4) stellt die Kurzhermeneutik der johanneischen Paroimiai durch den johanneischen Jesus selbst in Joh 16,25 dar. Im fünften Teil (5.) werden drei johanneische Gleichnisse exemplarisch besprochen: Joh 10,1–5 (5.1), Joh 12,24 (5.2) und Joh 16,21 (5.3). Dabei wird gesucht, inwiefern diese Texte den Gleichnis- bzw. Parabelkriterien entsprechen – das bedeutet, inwiefern sie narrativ, fiktional, realistisch, metaphorisch, appellativ und kontextbezogen sind. Im abschließenden Teil (6.) werden die wichtigsten
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Vgl. Poplutz, Paroimia und Parabol (s. Anm. 11), 103 f. R. Zimmermann u.a. (Hgg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu, Gütersloh 2007. 14 Zimmermann (Hg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu (s. Anm. 13), 699–847. 13
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Ergebnisse dieser Untersuchung noch einmal in einer komprimierten Form dargestellt.
2. Ein Blick in die Forschungsgeschichte Die johanneische Bildsprache in ihrer Vielfalt und Komplexität stellt in der Forschung sowohl in der Geschichte als auch in der Gegenwart immer wieder eine neue Herausforderung dar. Die Frage nach den Gleichnissen im Johannesevangelium ist eine der Fragen, die zu diesem komplexen Bereich der johanneischen Bildsprache dazugehören. In diesem Zusammenhang verdient auch aus forschungsgeschichtlicher Perspektive zuerst der johanneische Begriff paroimia und dessen Interpretationen die Aufmerksamkeit (2.1). Anschließend werden einige Exegeten genannt, die sich mit den Fragen nach johanneischen Gleichnissen / Paroimiai / Parabeln bereits auseinandergesetzt haben, einige von ihnen auch gefunden und in ihren Arbeiten dokumentiert haben (2.2).
2.1 Die johanneische Paroimia Hinsichtlich der Bildrede des johanneischen Jesus fällt auf, dass er den Begriff paroimia verwendet (vgl. Joh 10,6; 16,25[bis].29). Dagegen kommt der typisch synoptische Begriff parabol im Johannesevangelium kein einziges Mal vor. In der Forschungsgeschichte findet man unterschiedliche Interpretationen zu diesem johanneischen Begriff. Bereits A. Jülicher macht auf die johanneische aufmerksam und erwähnt alle vier expliziten Belege dieses Begriffs im Johannesevangelium. Er vergleicht sie mit den synoptischen und unterstreicht zuerst ihre Gemeinsamkeiten. Beiden gemeinsam ist vor allem ihre „Heimlichkeit“ und die Verwurzelung im alttestamentlichen Maschal der LXX.15 Demzufolge ergibt sich noch eine Gemeinsamkeit, nämlich „dass die Parabeln oder Parömien Jesu, um verstanden zu werden … einer Auflösung bedurften“16. Ebenso hebt A. Jülicher aber auch einige Unterschiede hervor:
15 Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 2), I, 44, schreibt: „Wenn er [der Verfasser des Johannesevangeliums] sonach die Vorstellung von einem verhüllten Reden Christi an den terminus festknüpft, den die Synoptiker nie verwenden, so dürfen wir uns erinnern, dass in den LXX und vielleicht schon vor ihnen die ‚Mischle‘ genannt wurden und vermuten, dass Johannes mit = Maschal dasselbe bezeichnet, was seine Vorgänger mit = Maschal bezeichnet haben.“ 16 Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 2), I, 115.
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In Joh 10 1–16 spielt eine Bildrede hin und her von Schafen, ihren Freunden und ihren Feinden … Auch eine Deutung erfolgt, bunt und kraus: denn bald ist Jesus die Stallthür, bald der Hirte, der durch sie eintritt.17
Dieser Text ist für ihn keine Erzählung und ist nicht streng geschlossen und demzufolge weder Parabel noch Gleichnis, sondern eine „mangelhafte Allegorie“18. Die Tatsache, dass A. Jülicher unterschiedlich oder sogar gegensätzlich das Verhältnis zwischen den synoptischen und den johanneischen darstellt, bemerkt kritisch J. Kögel. Ausgehend von Mk 4,12 sucht der Letztere vor allem nach dem Zweck der Gleichnisse Jesu und verweist dabei auch auf das Verhältnis dieser Stelle zum Johannesevangelium und den johanneischen .19 Er kommt zu dem Ergebnis, „daß Jesus die Wendung so allgemein braucht: “20. Anschließend weist er auf den Sinn des Redens von den in Joh 16,25.29 hin. Dieser ist: … durch den Gegensatz der Gegenwart zur Zukunft angezeigt: jetzt in Bildern … Die Zukunft wird das Verkündigen bringen … Auf alle Fälle ist danach das Reden in der Gegenwart überhaupt als solches ein Reden . Alles, was er [Jesus] ihnen sagt, wird ihnen gleichsam zum Bild. Jedes Wort gibt dem Gedanken ein sinnliches Gewand und erscheint als eine Einkleidung … Dann besteht aber der große Unterschied allein darin, daß sich nach Jesu Tod und Auferstehung den Jüngern in Kraft des Heiligen Geistes das volle innere Verständnis für Jesu Botschaft erschließt. Auf Grund dieses Erlebens fällt auf einmal die Binde von ihren Augen; es sinkt die Hülle herab, mit der das Wort den Gedanken umgab, und die Wahrheit steht unverhüllt, in ganzer Herrlichkeit vor des erstaunten Gläubigen Augen, dann, wenn er sie innerlich zu eigen hat21.
Die johanneischen fasst J. Kögel sehr weit; das kann jedes Wort des johanneischen Jesus sein. Und das unterscheidet sie nach seiner Meinung von den synoptischen .22 Der Schlüssel für ihr Verständnis ist das Osterereignis und die damit verbundene Gabe des Heiligen Geistes. Auch er erkennt die Analogie zwischen den synoptischen und den johanneischen : Darin stehen also die bis zu einem bestimmten Grade den gleich. Auch sie tragen in gewisser Weise den Doppelcharakter, daß sie auf der einen Seite für das ‚Verstehen‘ klar zu sein vermögen und sie auf der anderen Seite, wenn das innere Verständnis noch fehlt, doch nur die Bedeutung eines Bildes haben.23 17
Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 2), I, 115. Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 2), I, 115. 19 Vgl. Kögel, Zweck der Gleichnisse Jesu (s. Anm. 6), 111. 20 Kögel, Zweck der Gleichnisse Jesu (s. Anm. 6), 111. 21 Kögel, Zweck der Gleichnisse Jesu (s. Anm. 6), 111 f. 22 Vgl. Kögel, Zweck der Gleichnisse Jesu (s. Anm. 6), 114. 23 Kögel, Zweck der Gleichnisse Jesu (s. Anm. 6), 113. 18
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Schließlich ist für J. Kögel in diesem Zusammenhang noch der johanneische Begriff wichtig, indem er konstatiert, dass „für den Evangelisten alles, was Jesus tat und sagte, als ein anzusehen sei, ja schließlich er selbst in seiner ganzen Erscheinung ein großes war“24. Nach seiner Meinung kann … die Bedeutung der für das Johannes=Evangelium in eine gewisse Parallele gebracht werden zu der der für die Synoptiker. Beide haben ihre Geltung vornehmlich im Rahmen der Glaubens= und Unglaubens=entwicklung. Diese tritt uns nun im Johannes=Evangelium in besonders scharfer Beleuchtung entgegen, ja auf ihr ließe sich der ganze Aufbau des Evangeliums gründen25.
Das Johannesevangelium und seine Paroimiai kommen in der aktuellen Forschung (etwa in den letzten fünfzehn Jahren) ansatzweise allmählich wieder zu Wort. Im Jahr 1993 gibt S. Kaipuram in Rom seine Arbeit „Paroimiai in the Fourth Gospel and the Johannine Parables of Jesus’ Self-Revelation“ heraus. Leider wird in dieser Publikation nur ein Ausschnitt aus seiner Dissertation veröffentlicht, nämlich das vierte Kapitel, das sich auf Joh 12,24 konzentriert.26 Sowohl die johanneischen Paroimiai bzw. Parabeln als auch ihre Analogie zu den synoptischen Parabeln sind auch für E. Schweizer ein wichtiges Thema. Dabei fällt auf, dass E. Schweizer die johanneischen Parabeln eng mit den johanneischen Ich-bin-Worten verknüpft. In den synoptischen und in den johanneischen Parabeln gibt es fünf analoge Elemente zu finden: (1) die Alltagssprache Jesu; (2) der Verständnisschlüssel: das persönliche Eintreten in die Parabel und das Erfahren der Parabel von Innen her; (3) unerwartete und überraschende Fakten; (4) die Parabeln Jesu hören nie auf, zu ihren Hörern / Hörerinnen oder Lesern / Leserinnen zu sprechen; (5) alle Parabeln Jesu beschreiben einen Prozess und nicht ein statisches unveränderliches Objekt. E. Schweizer unterstreicht die nachösterliche Sprache des Johannesevangeliums. Irdische Menschen sind nicht Schatten der himmlischen Ideen, Personen oder Sachen. Sie sind „Schatten Jesu“, des Wortes Gottes, das Fleisch geworden ist, und das abgelehnt worden, auf das Kreuz gekommen und bei Gott erhöht worden ist.27
24
Kögel, Zweck der Gleichnisse Jesu (s. Anm. 6), 116. Kögel, Zweck der Gleichnisse Jesu (s. Anm. 6), 117. 26 S. Kaipuram, Paroimiai in the Fourth Gospel and the Johannine Parables of Jesus’ SelfRevelation. (With special Reference to John 12,24: the Grain of Wheat), Rom 1993. Das Inhaltverzeichnis der gesamten Dissertation ist über die Internetseiten http: / /opac.bncf.firenze. sbn.it / opac / controller.jsp (7.1.2008) vom „Catalogo del Polo BNCF Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze“ zugänglich. Dieses verweist auf eine gründliche Analyse der johanneischen Paroimia. 27 Vgl. E. Schweizer, What about the Johannine „Parables“?, in: R.A. Culpepper / C.C. Black (Hgg.), Exploring the Gospel of John (FS D. Moody Smith), Louisville, Ky. 1996, 208–219. 25
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Obwohl K. Erlemann in seinem Lehr- und Arbeitsbuch „Gleichnisauslegung“28 zu dem Schluss kommt, dass die johanneische Paroimia mit den Parabeln wenig Gemeinsamkeiten hat,29 bringt er trotzdem einige wichtige Beobachtungen im Zusammenhang mit zwei Texten, die er als johanneische erkennt (Joh 10,1–18; 15,1–8). Er bezeichnet die des Johannesevangeliums als „ein[en] Sonderfall der Gleichnisstoffe“30. Er erkennt in der Forschung bestehende Vorbehalte gegenüber ihnen.31 Er kommt zu folgenden Charakteristika: Die joh. Bildreden ( ) sind gleichnishafte Texte mit einer eigenen Erzähltechnik, die einen bestimmten, zentralen Sachverhalt mithilfe verschiedener Facetten eines Bildfeldes argumentativ plausibel machen. Der argumentative Charakter wird, wie bei den besprochenen Gleichnissen, durch die Wahl eines alltäglichen oder natürlichen Vorganges als Bildspender unterstrichen. Der Wechsel der semantischen Ebenen ist dem Vorgehen der Gleichnisdiskurse vergleichbar. Die explizite Identifikation der tragenden Bildelemente mit bildexternen Bezugsgrößen gehört zum Eigenprofil der Texte.32
In einem anderen Beitrag kommt K. Erlemann bezüglich der Christologie dieser Texte zu folgendem Ergebnis: Die Christologie der beiden joh. zielt auf die Betonung der exklusiven Heilsbedeutung Jesu (Christi) für Gegner wie für Jünger, auch über den Zeitpunkt seiner Erhöhung hinaus. Sie arbeiten mit anderen Mitteln als die synoptischen Gleichnisse, sie konfrontieren die Adressaten mit exklusivistischen Prädikationen, die zur Auseinandersetzung herausfordern.33
Eine besondere Funktion von im Johannesevangelium unterstreicht J.G. van der Watt: „Some self-reflection on the use of the imagery is found in the Gospel. The term is used to refer to this literary mode.“34 Unter diesem Aspekt stellt er Joh 16,25–33 dar.35 Ein eher pessimistisches und destruktives Verständnis von der johanneischen Paroimia vertritt P. Chatelion Counet.36 Er verbindet die 28 K. Erlemann, Gleichnisauslegung. Ein Lehr- und Arbeitsbuch, UTB 2093, Tübingen / Basel 1999. 29 Vgl. Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 28), 85. 30 Vgl. Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 28), 84. 31 Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 28), 84, schreibt: „Sie [die johanneischen Paroimiai] sind schwer einzuordnen und werden in der Forschung wegen ihrer Rätselhaftigkeit stiefmütterlich behandelt.“ 32 Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 28), 84 f. 33 K. Erlemann, Die Selbstpräsentation Jesu in den synoptischen Gleichnissen, in: J. Frey / J. Rohls / R. Zimmermann (Hgg.), Metaphorik und Christologie, TBT 120, Berlin / New York 2003, 37–52. 34 J. G. van der Watt, Family of the King. Dynamics of Metaphor in the Gospel according to John, BIS 47, Leiden / Boston / Köln 2000, 158. 35 Vgl. van der Watt, Family of the King (s. Anm. 34), 159 f. 36 P. Chatelion Counet, Paroimiai (John 16:25). A Post-Hermeneutical Model, in: P. Po-
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(vor allem in Joh 16,25) mit einem post-hermeneutischen Modell, das nach seiner Meinung die Apophtetik zum Ausdruck bringt.37 R. Zimmermann setzt sich in einem Teil seiner Habilitationsschrift „Christologie der Bilder im Johannesevangelium“ ausführlich sowohl mit dem Begriff als auch mit dessen Vorkommen im Johannesevangelium auseinander.38 Dabei analysiert er vor allem Joh 16,25.29 und den damit verbundenen Kontrast zwischen und . Er sieht einen Weg im Johannesevangelium, der über die Paroimia-Rede Jesu zum Verstehen und Glauben führt und als solcher auch in nachösterlicher Perspektive von Bedeutung ist. Sich stützend auf die Beobachtungen und Thesen von R. Zimmermann greift U. Poplutz in ihrem Beitrag „Paroimia und Parabol . Gleichniskonzepte bei Johannes und Markus“39 ein Thema auf, das vor mehr als neunzig Jahren bereits das Interesse von J. Kögel geweckt hat. Beide setzen sich dabei auch mit dem Vorbehalt A. Jülichers gegenüber dem Johannesevangelium auseinander. Unabhängig voneinander wie auch in einer großen zeitlichen Distanz und damit auf unterschiedliche Weise gehen sie derselben Problematik nach, vor allem dem Verhältnis zwischen der johanneischen und der markinischen (v.a. Mk 4,10–12). So beschreibt U. Poplutz ihr Anliegen: M.E. lohnt es sich, den johanneischen -Begriff vor dem Hintergrund der älteren synoptischen Gleichnisrede zu untersuchen, wie sie besonders im Konzept des Markusevangeliums greifbar wird (v.a. Mk 4,10–12).40
Die Ergebnisse ihrer Untersuchung zeigen, „dass sich die Konzepte beider Evangelien doch enger berühren, als es auf den ersten Blick scheinen mag“41. Beide dienen einem tieferen Verständnis der Person Jesu, obwohl sie auch Unverständnis auslösen können. Im Markusevangelium ist der Verständnisschlüssel der „inneren“ Gruppe der Jünger Jesu gegeben, im Johannesevangelium ist dieser Schlüssel erst nach dem Osterereignis zugänglich. Zugleich stellt aber U. Poplutz fest:
korný / J. Roskovec (Hgg.), Philosophical Hermeneutics and Biblical Exegesis, WUNT 153, Tübingen 2002, 252–269. 37 In diesem Sinn schreibt Chatelion Counet, Paroimiai (s. Anm. 36), 269: „Revelation is at the same time negation. The way Jesus’ Farewell Speech ends in a complete failure owing to the misunderstanding of the disciples (16:31–32) and in a reflection on the character of speech (16:25) turns John into a negative apophatic theologian.“ Gegenüber dieser These vertritt der Großteil der Exegeten ein anderes Verständnis der johanneischen . 38 R. Zimmermann, Christologie der Bilder im Johannesevangelium. Die Christopoetik des vierten Evangeliums unter besonderer Berücksichtigung von Joh 10, WUNT 171, Tübingen 2004, 30–45. 39 Poplutz, Paroimia und Parabol (s. Anm. 11). 40 Poplutz, Paroimia und Parabol (s. Anm. 11), 104. 41 Poplutz, Paroimia und Parabol (s. Anm. 11), 117.
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Kreuz und Auferstehung resp. Erhöhung und Verherrlichung sind die entscheidenden Daten, die für Markus und Johannes volles Verstehen möglich machen und deswegen mit den jeweiligen ‚Parabeltheorien‘ verknüpft sind.42
Das Gesamtkonzept der Parabeltexte in beiden Evangelien wirkt auf den Leser und die Leserin. Sie werden durch die Rätselrede in beiden Evangelien in einen Erkenntnisprozess hineingezogen. Die Frage nach dem wahren Jüngersein, das die Geschichte von Kreuz und Auferstehung als festen Bestandteil der eigenen, immer wieder gefährdeten christlichen Definition erfährt, ist fest in den Parabelbegriff miteingetragen und wird in besonderer Weise zur Sprache gebracht.43
Ferner setzt sich R. Hirsch-Luipold in seinem Beitrag „Klartext in Bildreden“44 zum Ziel, … die verschiedenen begrifflichen Aspekte einem zusammenhängenden Konzept der Bildlichkeit bei Johannes zuzuordnen und in diesem Rahmen … eine theologische Klärung der Bedeutung bildhafter Darstellungsweise zu versuchen45.
Dabei stellt er auch den Begriff als „den klarsten Bildterminus bei Johannes“46 dar und setzt sich ausführlich mit dem Verhältnis – im Johannesevangelium auseinander.47 Im oben bereits erwähnten neuen Kompendium der Gleichnisse Jesu ist der johanneische -Begriff einer der tragenden Begriffe. Bezüglich dieses Begriffes kommt R. Zimmermann in seiner Einleitung zu Parabeln im Johannesevangelium zu folgendem Fazit: Der Evangelist verwendet statt dem Parabel-Begriff den Terminus (paroimia), mit dem er in übergeordneter Weise die bildliche Redeweise Jesu klassifiziert (Joh 16,25–29). Im Blick auf konkrete Textpassagen wird der Terminus nur auf Joh 10,1–5 angewandt (vgl. Joh 10,6), wobei allerdings die generalisierende rückblickende Erörterung in Joh 16 es verbietet, die Paroimia-Rede nur auf diesen einen Einzeltext zu begrenzen.48
R. Zimmermann ist überzeugt, dass sich der Evangelist der bildlichen Redeweise Jesu bewusst ist, ohne dass er einzelne Parabeln durch spezifische Redeeinleitungen eigens einführt. Auch aufgrund der großen Formenvielfalt 42
Poplutz, Paroimia und Parabol (s. Anm. 11), 118. Poplutz, Paroimia und Parabol (s. Anm. 11), 118. 44 R. Hirsch-Luipold, Klartext in Bildern. ., – , als Signalwörter für eine bildhafte Darstellungsform im Johannesevangelium, in: J. Frey / J.G. van der Watt / R. Zimmermann (Hgg.), Imagery in the Gospel of John. Terms, Forms, Themes, and Theology of Johannine Figurative Language, WUNT 200, Tübingen 2006, 61–102. 45 Hirsch-Luipold, Klartext in Bildern (s. Anm 44), 68. 46 Hirsch-Luipold, Klartext in Bildern (s. Anm 44), 80. 47 Vgl. Hirsch-Luipold, Klartext in Bildern (s. Anm 44), 80–88. 48 R. Zimmermann, Parabeln im Johannesevangelium. Einleitung, in: ders. (Hg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu (s. Anm. 13), Gütersloh 2007, 699–708, hier 704. 43
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und Vernetzungstechnik gibt der Evangelist nach Meinung von R. Zimmermann keine konkreten Hinweise für die Suche nach parabolischen Texten, so dass man auf externe Kriterien angewiesen ist.49
2.2 Man hat schon von den johanneischen Gleichnissen gehört und gelesen Schon im Jahr 1882 schreibt B. Weiss über die johanneischen Gleichnisse, die „ganz wie die synoptischen“ sind. Dazu zählt er folgende Textabschnitte: Joh 8,34 ff.; 10,1 ff.; 12,20–24; 15,1–6.50 Wie schon erwähnt, erkennt sogar A. Jülicher „einige einfache Gleichnisse bei dem vierten Evangelisten“51. Als Beispiele führt er Joh 3,29 und Joh 16,21 f. an. Dabei gehen nach seiner Meinung diese johanneischen Gleichnisse auf „theologische Reflexion“ des Evangelisten und nicht direkt auf Worte Jesu selbst zurück. Dies drückt er auf folgende Weise aus: Die Periode der Parabelaufzeichnung ist schon vor Joh geschlossen; da für eine Periode der Parabelnachdichtung die Bedingungen fehlten, folgte die Periode der Parabelerklärung.52
Durch den starken Einfluss von A. Jülicher auf die Gleichnisforschung ist im 20. Jh. von den johanneischen Gleichnissen eher ausnahmsweise die Rede. Entgegen diesem Strom fällt die Arbeit „Historical Tradition in the Fourth Gospel“ von C.H. Dodd53 deutlich auf. Im zweiten Teil seiner Arbeit setzt er sich mit Reden („sayings“) Jesu im Johannesevangelium auseinander und widmet ein ganzes Kapitel den Parabeln bzw. parabolischen Formen („parabolic forms“).54 Er schreibt kritisch: It would not, however, be true to say that parables do not occur, unless the term be restricted to instances where the material offered for illustration or analogy is presented in a continuous narrative, with the use of historic tenses.55
Er plädiert für ein etwas weiteres Verständnis von „parables“: It is equally applicable where the illustration or analogy is suggested by the description of a single scene, with the use of primary tenses (like the Children in the Market Place), or where a typical or recurrent incident in human experience 49
Vgl. Zimmermann, Parabeln im Johannesevangelium. Einleitung (s. Anm. 48), 704. Vgl. B. Weiss, Das Leben Jesu II, Berlin 1882, 360 ff., 400 f., 411 ff., 464; Zimmermann, Parabeln im Johannesevangelium. Einleitung (s. Anm. 48), 704. 51 Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 2), I, 116. Ders., a.a.O., 201, schreibt weiter: „Allerdings soll das nicht wahr sein, dass Joh gar keine Parabel hat; fast alle Ausleger haben ihm wenigstens eine, manche aber eine ziemliche Anzahl zuerkannt.“ 52 Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 2), I, 202. 53 C. H. Dodd, Historical Tradition in the Fourth Gospel, Cambridge 1963. 54 Vgl. Dodd, Historical Tradition (s. Anm. 53), 366–387. 55 Dodd, Historical Tradition (s. Anm. 53), 366. 50
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is brought to mind by means of a compound sentence with or in the protasis (like the Returning Demon, or the Marcan form of the Mustard Seed), or by means of a conditional sentence with , in the protasis (like the Matthaean form of the Lost Sheep). These are essentially parabolic just as much as the narrative form, and parables of this type are not altogether lacking in the Fourth Gospel.56
C.H. Dodd stellt sieben johanneische Textabschnitte dar und dies in folgender Reihenfolge: Joh 12,24; 16,21; 11,9 f.; 8,35; 10,1–5; 3,29; 5,19–20 a. Zusammenfassend charakterisiert er sie noch einmal: They are genuinely parabolic, and not allegorical; in form, content, and purport, often even in vocabulary, in spite of such degree of rewriting as we must always expect from our evangelist, they find their natural place in the family to which the Synoptic parables belong. Yet in no case is there the remotest likelihood of derivation from Synoptic sources. It appears therefore in the highest degree probable that at any rate for parts of the teaching of Jesus John drew independently upon the common and primitive tradition, and that he has preserved valuable elements in that tradition which the Synoptic evangelists have neglected.57
In seinem Kommentar aus dem Jahr 1965 bezeichnet A.M. Hunter ausdrücklich mit dem Begriff „parable“ folgende johanneische Textabschnitte: Joh 4,35–38; 10,1–5; 11,9 f.; 12,24; 12,23 f.; 14,2 f.; 15,1 f.; 16,21.58 Eine eigenständige Arbeit über die johanneische Paroimia stellt die 1993 in Rom eingereichte Dissertation von S. Kaipuram dar.59 Zehn johanneische Abschnitte analysiert und deutet er als Parabel: Joh 3,8; 3,29; 5,19–20 a; 8,35; 10,1–5.11 b–13; 11,9 f.; 12,24; 15,1–17; 16,21. Der Schwerpunkt seiner Untersuchung liegt jedoch auf der detaillierten Analyse der „model -parable in John“, die er in Joh 12,24 erkennt.60 In einem ganzen Kapitel „Gleichnisse und weitere Bildworte“ behandelt M. Theobald in seiner Arbeit aus dem Jahr 2002 repräsentativ fünf johanneische Textabschnitte: Joh 5,19 b–20 c; 10,1–5; 10,11–13; 12,24; 15,1–8.61 Er schreibt von der unterschiedlichen Natur dieser Gleichnisse: „zwei Gleichnissen im engeren Sinn (Joh 5,19 f.; 10,1–5), einem knappen Bildwort (Joh 12,24) sowie den zwei ausgeführten Ego-Eimi-Bildreden Joh 10,11–13 und 15,1–8.“62 Insgesamt erkennt er fünfzehn parabolische Redeformen im Joh-Ev: Joh 3,8; 3,29; 4,35 f.; 4,37 b; 5,19 f.; 5,35; 8,35; 9,4; 10,3–5; 56
Dodd, Historical Tradition (s. Anm. 53), 366. Dodd, Historical Tradition (s. Anm. 53), 386–387. 58 Vgl. A. M. Hunter, The Gospel According to John, CNEB, Cambridge 1965, 51.101. 112.125.127 f. 141. 148.158. 59 Kaipuram, Paroimiai in the Fourth Gospel (s. Anm. 26). 60 Vgl. Kaipuram, Paroimiai in the Fourth Gospel (s. Anm. 26), 66. 61 M. Theobald, Herrenworte im Johannesevangelium, HBS 34, Freiburg, Br. / Basel / Wien u.a. 2002. 62 Theobald, Herrenworte (s. Anm. 61), 334. 57
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10,11 f.; 11,9 f.; 12,24; 12,35 f.; 15,1 f.5 f.; 16,21 f. Dabei unterscheidet er weiter im Hinblick auf folgende Gattungen: metaphorische Rede, Sentenz, Bildwort, Bildrede, Ego-Eimi-Bildrede und Gleichnis.63 Er behauptet, dass das Johannesevangelium parabolische Redeformen enthält und unter ihnen auch Gleichnisse im engeren Sinn, nicht aber Parabeln oder Gleichniserzählungen.64 In seiner Untersuchung nimmt er auch Bezug auf die Arbeit von C.H. Dodd und stellt sich unter anderem als Ziel auch, dessen These zu überprüfen. Anders als C.H. Dodd plädiert Theobald für die Möglichkeit, „die joh. Überlieferung als Fortschreibungen von syn. Erzähltraditionen zu begreifen, wodurch diese einer kreativen Neugestaltung unterworfen wurden“65. Nach seiner Meinung bevorzugt das Johannesevangelium die Gleichnisse im engeren Sinn, obwohl „auch die übrigen Evangelien diesbezüglich je eigenständiges Profil aufweisen“66. Im Unterschied zu einem synoptischen Gleichnis im engeren Sinn, unterstreicht M. Theobald, dass dieses im Johannesevangelium „doch ihres ursprünglichen Bezugs auf die entkleidet“67 ist. Stattdessen ist im Johannesevangelium von der die Rede und „die Theozentrik der Verkündigung Jesu hat einer christologischen Engführung der Gottesfrage weichen müssen“68. Nach M. Theobald ist „die Mehrheit der parabolischen Texte und Überlieferungen im JohEv christologisch zentriert: Jesus, der Bräutigam, der Sohn, der einzige Hirte, das Weizenkorn, der Wahre Weinstock.“69 Letztlich sieht M. Theobald die Gleichnisse aus Joh 10 sowie das Bildwort vom Weizenkorn als Frucht der Redaktion. Dabei hätte die Redaktion nicht nur spezifisch synoptische Überlieferungen nachgetragen, sondern sie verwendet „nur solche Materialien, die in der joh. Gemeinde lebendig waren und hier gepflegt wurden“70. Die Aufzählung von M. Theobald übertrifft das neue Kompendium der Gleichnisse Jesu, wo insgesamt fünfzehn Belegstellen und mit ihnen noch einige Parallelstellen aus dem Johannesevangelium als Gleichnisse erkannt und interpretiert werden. Diese Stellen sind: Joh 2,19; 3,3–7; 3,8; 4,13 f. (par. 7,37); 4,35–38; 5,19–23; 6,32–40.48–51; 10,1–5; 10,7–9; 10,12 f.; 11,9 f. (par. 8,12; 9,4 f.; 12,35 f.); 12,24; 14,1–4; 15,1–8; 16,21 f.71
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Vgl. Theobald, Herrenworte (s. Anm. 61), 419 f. Vgl. Theobald, Herrenworte (s. Anm. 61), 420. 65 Theobald, Herrenworte (s. Anm. 61), 420 f. 66 Theobald, Herrenworte (s. Anm. 61), 421. 67 Theobald, Herrenworte (s. Anm. 61), 421. 68 Theobald, Herrenworte (s. Anm. 61), 421. 69 Theobald, Herrenworte (s. Anm. 61), 422. 70 Theobald, Herrenworte (s. Anm. 61), 422. 71 Vgl. Zimmermann (Hg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu (s. Anm. 13), 709. 64
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3. Gleichnis / Parabel-Kriterien Der kurze Gang in die Forschungsgeschichte hat uns trotz allgemein verbreiteter Vorbehalte gegenüber Gleichnistexten im Johannesevangelium auch deutliche Spuren der Auseinandersetzungen mit der Gleichnisfrage gezeigt. Ferner wurde deutlich, dass sich die Diskussion auf bestimmte Texte aus dem Johannesevangelium konzentriert, die immer wieder als Gleichnistexte anerkannt werden. Bevor man auch in diesem Beitrag auf die Frage, ob es im Johannesevangelium Gleichnisse gibt, antworten kann, ist es zuerst wichtig zu wissen, was ein Gleichnis überhaupt ist, wie es definiert ist bzw. welchen Kriterien es entspricht. Es gab und gibt verschiedene Gleichnisdefinitionen wie auch Gleichniskriterien. Wie schon oben aufgezeigt, ist die neutestamentliche Gleichnisforschung im 20. Jh. vor allem durch die bisher auf diesem Forschungsgebiet umfangreichste Arbeit von A. Jülicher bestimmt. Sowohl der hermeneutische Teil seiner Arbeit als auch seine Art der Bestimmung bzw. der Auswahl der Gleichnisse wie auch seine Klassifizierung und Auslegung dieser Texte gehören zum neutestamentlichen Standardwissen. Kritische Auseinandersetzungen mit der Arbeit von A. Jülicher sind bisher eher Ausnahmen im Strom ihrer allgemeinen Akzeptanz. Aufgrund der neuen methodologischen wie auch hermeneutischen Entwicklungen (z.B. in der Sprach- und Literaturwissenschaft) kommt es auch im Bereich der neutestamentlichen Gleichnisforschung zur kritischen Auseinandersetzung mit bisheriger Arbeit und geltenden Standards. Hier ist die bereits jahrelange Forschungsarbeit von R. Zimmermann maßgeblich, die im neuen Kompendium der Gleichnisse Jesu72 wie auch in diesem begleitenden hermeneutischen Sammelband ihre Früchte bringt. Dabei ist es wichtig zu erwähnen, dass R. Zimmermann seine in kommunikativer Weise geschehende Forschungsarbeit und die daraus folgenden Ergebnisse von Anfang an in den internationalen Fachdiskurs einbringt.73 So wird die Jülicher-Klassifikation des Gleichnisstoffes in drei Untergattungen („Gleichnis im engern Sinn“, „Parabel“ und „Beispielerzählung“) 72
Zimmermann (Hg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu (s. Anm. 13). Aufgrund seiner Fähigkeit, seine wissenschaftliche Arbeit, Beobachtungen und die daraus folgenden Ergebnisse sowie den Forschungsbedarf verständlich zu vermitteln, gewinnt R. Zimmermann Mitarbeiter / innen für die projektorientierte Arbeit am Gleichniskompendium. Unter seiner fachlichen Leitung gelingt es, dieses Kompendium der Gleichnisse Jesu in der Zusammenarbeit mit fünf anderen Mitarbeitern / innen und mit einem Pool von über 45 Neutestamentlern / innen innerhalb von zwei Jahren im November 2007 herauszugeben. Die Teamarbeit und die Möglichkeit fachlicher Kommunikation, Auseinandersetzung und Vernetzung bereits im Entstehen des Kompendiums (sowohl bei den mit dem Projekt verbundenen Tagungen als auch über die intraaktive Homepage des Projektes) ermöglichten eine neue kommunikativere Art der neutestamentlichen Forschung, die gewiss andere Ergebnisse als lediglich die separate Einzelarbeit bzw. das Sammeln der Einzelbeiträge bringt. 73
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wie auch die Erweiterung dieser Klassifikation mit „Bildwort“ durch R. Bultmann im neuen Kompendium zuerst von R. Zimmermann überprüft.74 Er kommt zu dem Ergebnis, dass die Texte (vier Texte des lukanischen Sonderguts), die Jülicher als „Beispielerzählungen“ klassifiziert, ebenso den Kriterien der „Parabeln“ entsprechen und damit diese Differenzierung nicht sinnvoll ist. Weiter beweist er, dass auch die Unterscheidung von „Gleichnis im engeren Sinn“ und „Parabel“ aus einer Reihe von Gründen fragwürdig ist: So übt er (a) quellensprachliche Kritik, (b) Kritik im Horizont der antiken Rhetorik, (c) forschungsgeschichtliche Kritik und (d) sprachlich-formale und inhaltliche Kritik. Er kommt zu folgendem Schlussergebnis: Die genannten Kritikpunkte machen deutlich, dass die Differenzierung des ntl. Gleichnisstoffes in Bildwort, Gleichnis i.e.S., Parabel und Beispielerzählung den ntl. Texten eine sachfremde Logik aufzwingt … So ist es an der Zeit, sich nicht nur von der Untergattung ‚Beispielerzählung‘ zu verabschieden, sondern auch den Gattungsbegriff ‚Gleichnis im engeren Sinn‘ aufzugeben und den traditionellen Begriff ‚Gleichnis‘ nur noch als unscharfen Oberbegriff bildlicher Redeformen beizubehalten.75
Als Gattungsbegriff bevorzugt R. Zimmermann die von dem dominanten Quellenbegriff abgeleitete Bezeichnung „Parabel“,76 die allerdings nicht mit der „Parabel im engeren Sinn“ nach Jülicher identifiziert werden darf, sondern eher als Sammelgattung für parabolische Texte bzw. Gleichnisse überhaupt verstanden werden muss. Wenn man in diesem Zusammenhang von der Gattung „Gleichnis“ bzw. „Parabel“ redet, ist es wichtig, auch das veränderte literaturwissenschaftliche Gattungsverständnis zu berücksichtigen.77 Das Klassifikationssystem von Gattungen ist in seiner geschichtlichen Kontingenz und nicht mehr als eine übergeschichtliche Größe zu sehen. „Gattungen sind Teil eines Kommunikationsprozesses, bei dem sich die Teilnehmer / innen auf ein bestimmtes Merkmalbündel verständigen und Übereinstimmungen oder Abweichungen erkennen können.“78 Dabei können sowohl die urchristliche Gemeinschaft als auch heutige Leser / innen als Teilnehmer / innen dieses Kommunikationsprozesses in Betracht kommen. Gattungen sind „offene Systeme“, haben fließende Grenzen und können sich leicht ausdehnen, verengen oder verlagern. So können Einzeltexte sogar an den Merkmalen unterschiedlicher Gattungen partizipieren und damit eine Mischgattung zum Ausdruck bringen. 74 Siehe ausführlich in R. Zimmermann, Die Gleichnisse Jesu. Eine Leseanleitung zum Kompendium, in: ders. (Hg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu (s. Anm. 13), 3–46, hier 17–23. 75 Zimmermann, Gleichnisse Jesu (s. Anm 74), 23. 76 Vgl. Zimmermann, Gleichnisse Jesu (s. Anm 74), 23. 77 Ausführlich dazu siehe Zimmermann, Gleichnisse Jesu (s. Anm 74), 23 f. 78 Zimmermann, Gleichnisse Jesu (s. Anm 74), 23 f.
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Damit stellt sich in Bezug auf die Gattung „Gleichnis“ bzw. „Parabel“ die Frage nach dem für sie charakteristischen Merkmalbündel, durch welches sie für die Teilnehmer / innen des mit ihr verbundenen Kommunikationsprozesses erkennbar ist. Mit Hilfe der neuen literaturwissenschaftlichen Ergebnisse79 definiert R. Zimmermann die Gattung „Gleichnis“ bzw. „Parabel“ folgendermaßen: Eine Parabel ist ein kurzer narrativer (1), fiktionaler (2) Text, der in der erzählten Welt auf die bekannte Realität (3) bezogen ist, aber durch implizite oder explizite Transfersignale zu erkennen gibt, dass die Bedeutung des Erzählten vom Wortlaut des Textes zu unterscheiden ist (4). In seiner Appellstruktur (5) fordert er einen Leser bzw. eine Leserin auf, einen metaphorischen Bedeutungstransfer zu vollziehen, der durch Ko- und Kontextinformationen (6) gelenkt wird.80
Dieses Merkmalbündel der Gattung „Gleichnis“ bzw. „Parabel“ und seine Abgrenzungen stellt Tabelle 1 dar.81
4. Gleichnisse im Johannesevangelium: Johanneische Gleichnisse bzw. Paroimiai 4.1 Das Merkmalbündel der Gattung „Gleichnis“ – auch im Johannesevangelium zu finden Das Merkmalbündel der Gattung „Gleichnis“ zeigen im Neuen Testament und auch im Johannesevangelium zahlreiche Texte. Diese bleiben entweder ungenannt oder werden parabol bzw. paroimia genannt. Damit ist die Ausgangsfrage dieses Beitrages, ob es Gleichnisse im Johannesevangelium gibt, eindeutig beantwortet. Ja, es gibt die Gattung „Gleichnis“ im Johannesevangelium. Denn auch im Johannesevangelium sind die entsprechenden Texte, die so ein Merkmalbündel zeigen, zu finden. Diese Texte sind narrativ, fiktional, realistisch, metaphorisch, appellativ, kontextuell. Wenn man das Johannesevangelium nach diesen literarwissenschaftlichen Kriterien analysiert, lassen sich in ihm 15 Texte und mit ihnen noch einige Parallelstellen als johanneische Gleichnisse / Paroimiai erkennen. Diese sind: Joh 2,19; 3,3–7; 3,8; 4,13 f. (par. 7,37); 4,34–38; 5,19–23; 6,32–40 (par. 6,48–51); 10,1–5; 10,7.9; 10,12 f.; 11,9 f. (par. 8,12; 9,4 f.; 12,35); 12,24 f.; 14,1–4; 15,1–8; 16,21.82 79
Vgl. R. Zymner, Art. Parabel, HWR VI (2003), 502–514. Zimmermann, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 74), 25. 81 Die Tabelle fasst die Abbildung und Beschreibungen von Zimmermann, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 74), 25–28, zusammen. 82 Dieses Ergebnis stützt sich auf die ausführliche Analyse von Zimmermann, Parabeln im Johannesevangelium. Einleitung (s. Anm. 48), 704–709, für das neue Gleichniskompendium. In diesem Zusammenhang macht er auf einige Grenzen dieser Analyse und damit auch ihres 80
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Tabelle 1 Merkmalbündel der Gattung „Gleichnis“ bzw. „Parabel“
Abgrenzungen
1) narrativ = kurze Erzählungen („Erzählminiaturen“), d.h. narrative Texte mit mindestens einer Handlungssequenz oder einer Statusveränderung
≠ Tropen (Stilformen) der Rede: z.B. Metapher, Symbol, Typos, Synekdoche, Metonymie ≠ „bloße“ Vergleiche, die nicht narrativ sind
2) fiktional = erdachte und erdichtete Erzählungen
≠ Exemplum (Paradeigma), das nicht fiktional, sondern historisch ist
3) realistisch = erzählt von der erlebbaren Welt
≠ Fabel, Mythos, fantastische Erzählung (science fiction), apokalyptische Vision, deren Erzählhandlung die reale Erfahrungswelt sprengt
4) metaphorisch = Erzählungen mit internen oder externen Transfersignalen
≠ Erzählungen ohne Transfersignale
5) appellativ-deutungsaktiv = will gedeutet werden; vom Leser / der Leserin wird eine Sinnkonstitution erwartet = deutungsoffen, weil die Sinnkonstitution nicht festliegt und auf je unterschiedliche Weise erfolgt
≠ epideiktische Texte (Bericht, Beschreibung, Doxologie)
6) ko- bzw. kontextbezogen = eingebettet in größere Erzählzusammenhänge oder in Reden und Argumentationsgänge, die die Sinnkonstitution und Leserlenkung in hohem Maße beeinflussen
≠ Gnome, Sentenz, Sprichwort, Gedicht, die abgeschlossenen Formen darstellen
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Die Verteilung dieser Texte zeigt eine deutliche Absicht: Die johanneischen Paroimiai sind ein Merkmal der Verkündigung des johanneischen Jesus von seinem ersten Auftreten in der Öffentlichkeit (Joh 2,19 f.) bis zum Abschluss seiner Abschiedsgespräche vor den Seinen (Joh 16,21).83 Anschließend folgt in Joh 16,25–28 eine Klimax, nämlich eine Kurzhermeneutik Jesu zu seiner Redeweise , die zugleich einen Verständnisschlüssel für sein bisheriges Reden wie auch für alle seine Paroimiai darstellt.84 Im unmittelbar darauf folgenden hohepriesterlichen Gebet (Joh 17) wie auch in den Passions- und Ostererzählungen (Joh 18–21) sind keine johanneischen Paroimiai mehr zu finden. Mit der Stunde der Verherrlichung Jesu kann das Reden Jesu nur noch sein und wird seine Mitteilung direkt und in ganzer Fülle erfahrbar. Die Texte, die im Johannesevangelium das Merkmalbündel der Gattung „Gleichnis“ zeigen, kommen entweder ohne eine Gattungsbezeichnung vor oder werden vom johanneischen Jesus selbst genannt. Dabei fällt auf, dass das Wort im Mund des johanneischen Jesu nur dreimal vorkommt (Joh 10,6; 16,25[2 mal]) und er es auf zwei Arten anwendet: Erstens bezeichnet er mit in Joh 10,6 seine vorausgehenden Worte in Joh 10,1–5, das bedeutet einen konkreten Textabschnitt. Hier verwendet er den Terminus als Gattungsbezeichnung. Denn es geht um das konkrete von ihm gesprochene Gleichnis vom Hirten und von den Schafen, das er als Paroimia bezeichnet. Zweitens charakterisiert er mit bzw. in Joh 16,25[2 mal] eine bestimmte von ihm ausgeübte Redeweise. Hier ist „ein Terminus, der summarisch die (bildliche) Rede Jesu klassifiziert“85. Ergebnisses aufmerksam. Einerseits werden einige Texte als Gleichnisse erwähnt, obwohl sie nicht allen Kriterien entsprechen (z.B. Joh 6,32–40). Andererseits werden aber einige Texte, die wichtige Voraussetzungen haben, ausgelassen oder nicht selbstständig, sondern nur kurz in Verbindung mit einer anderen entsprechenden Stelle des gleichen Bildbereiches erwähnt. Dazu zählen folgende Texte: (a) parabolische Texte, deren Sprecher nicht der johanneische Jesus ist (Joh 1,29.36; 3,29 f.); (b) bildliche Texte des johanneischen Jesus ohne eine narrative Sequenz oder mit einer zu schwachen (Joh 5,35; 8,35; 13,16; 15,20). Weiter werden parabolische Texte, die aufgrund der johanneischen Repetitionstechnik werkimmanent parallel sind, nur an einer Stelle gemeinsam belegt: Joh 4,13 f. (par. 7,37 f.); 6,32–40 (par. 6,48–51); 11,9 f. (par. 8,12; 9,4 f.; 12,35 f.). 83 Zimmermann, Parabeln im Johannesevangelium. Einleitung (s. Anm. 48), 707, sieht weiter eine „inklusionsartige Zuordnung“ dieser Texte: „Um das Zentrum der vom Evangelisten selbst als paroimia ausgewiesenen Parabeln in Joh 10 gruppieren sich Parabeln, die sich in inklusionsartiger Weise aufeinander beziehen lassen“. So korreliert der „Wandel bei Tag“ (Joh 11,9 f.) dem Lichtwort (Joh 8,12), die Ernteparabel (Joh 4,35–38) dem Wort vom sterbenden und fruchtbringenden Weizenkorn (Joh 12,24 f.), die Worte vom Wasser (Joh 4,13 f.; 7,37 f.) der Parabel vom Weinstock (Joh 15,1–8), die Geburtsparabel im Nikodemusgespräch (Joh 3,3–7) der Geburtsparabel in den Abschiedsgesprächen (Joh 16,21), die Parabel vom Tempel (Joh 2,19 f.) der Parabel vom Vaterhaus (Joh 14,1–4). 84 Zimmermann, Parabeln im Johannesevangelium. Einleitung (s. Anm. 48), 706, spricht in Bezug auf Joh 16,25–29 von der „retrospektiven Reflexion“. 85 Zimmermann, Christologie der Bilder (s. Anm. 38), 30.
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Ferner ist zu beachten, dass das Wort nur der johanneische Jesus verwendet (Joh 10,6; 16,25[2 mal]); niemals kommt es im Mund Jesu der synoptischen Evangelien vor. Dort wird für die Gattung „Gleichnis“ die Bezeichnung gebraucht. Ungeachtet der Verschiedenheit der sprachlichen Gestaltung zeigen die Texte, die im NT paroimia oder parabol genannt werden, doch verbindende Charakteristika, die es gerechtfertigt erscheinen lassen, hier von einer gemeinsamen ‚Gattung‘ zu sprechen.86
Diese These kann auch durch einen traditionsgeschichtlichen Hintergrund verstärkt werden. Denn auch die Septuaginta (LXX) gibt den hebr. Begriff m š l nicht nur mit dem griech. Wort , sondern auch mit dem griech. Wort wieder (siehe Ausführungen in 4.2).
4.2 Zur Etymologie und Traditionsgeschichte des johanneischen Begriffs Der johanneische Begriff ist etymologisch auf die Wortverbindung zurückzuführen. Diese bedeutet wörtlich „längs / entlang des Weges“. Schon seit Homer bezeichnet er im übertragenen Sinn „den Gang einer Erzählung oder eines Liedes“ bzw. „Liedweise oder Erzählungsverlauf“.87 Der Begriff ist bei Autoren in der griechischen Antike häufig belegt.88 So nennt Aischylos das Sprichwort in Agamemnon 264 f. (458 v. Chr.) explizit .89 Weiter fällt das Nebeneinander von und in diesen Schriften auf; z.B. in Socraticorum Epistulae 36.1.29.90 Auch der römische Rhetoriklehrer Marcus Fabius Quintilianus (ca. 35–96 n. Chr.), der Autor eines 12-bändigen Lehrbuches der Rhetorik „Institutio Oratoria“91, stellt den Begriff als eine Art kürzere Fabel, die allegorisch zu verstehen ist (vgl. Quint. Inst. V 11,21), dar
86
Zimmermann, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 74), 25. Vgl. Zimmermann, Christologie der Bilder (s. Anm. 38), 32–35; Poplutz, Paroimia und Parabol (s. Anm. 11), 104 f.; H.G. Liddell / R. Scott, A Greek-English Lexicon, Oxford 9 1996, 1342; F. Hauck, Art. , ThWNT V (1954), 852–855, 852 f. 88 Zimmermann, Christologie der Bilder (s. Anm. 38), 31 f. 89 Vgl. Poplutz, Paroimia und Parabol (s. Anm. 11), 105 f.; W. Bauer, Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der frühchristlichen Literatur, völlig neu bearb., hg.v. K. Aland / B. Aland, Berlin / NewYork 61988, 1270. 90 So heißt es in Socraticorum Epistulae 36.1.29: , , . Diesen Beleg berücksichtigt auch Bauer, Wörterbuch (s. Anm. 89), 1270. 91 Vgl. die lateinisch-deutsche Textausgabe M. F. Quintilianus, Ausbildung des Redners. Zwölf Bücher, hg. und übers. v. H. Rahn, Teil 1: Buch I–VI; Teil 2: Buch VII–XII, Darmstadt 42006 (1972/1975). 87
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und unmittelbar darauf noch die ihm am nächsten stehende „Vergleichung“ bzw. .92 In der Septuaginta (LXX) kommt das Wort 7 mal vor. Diese Belege sind: Spr 1,1; 26,7; Sir 6,35; 8,8; 18,29; 39,3; 47,17. Dabei sind folgende Tendenzen auffällig: (a) Das Wort ist eine der Übersetzungsmöglichkeiten, mit der in der Septuaginta der hebr. Begriff m š l wiedergegeben wird. Obwohl dieser Begriff in der LXX am häufigsten dem Wort korrespondiert, ist die Wiedergabe mit dem Wort bedeutungsvoll. So wird es bereits am Beginn des Buches der Sprichwörter in Spr 1,1 – als erstes Wort in diesem Buch überhaupt und damit auch als Überschrift bzw. Oberbegriff – programmatisch verwendet:93 Spr 1,1 MT : LXX Der zweite Beleg des Terminus im Buch der Sprichwörter ist in Spr 1,6 zu finden. Diesen übersetzt die Septuaginta (LXX) nicht wie in Spr 1,1 mit dem Wort , sondern mit dem Wort : Spr 1,6 MT : LXX Spr 1,1 und Spr 1,6 zeigen, dass die Septuaginta (LXX) die Begriffe und synonym als Wiedergabe des hebr. Begriffs verwendet.94 (b) Im Sirachbuch (LXX), vor allem in Sir 39,3 und Sir 47,17, fällt auf, dass beide Begriffe ( und ) synonym nebeneinander oder im ersten Fall sogar als Bestandteile eines parallelismus membrorum vorkommen: 92 Mehr dazu siehe in R. Zimmermann, Urchristliche Parabeln im Horizont der antiken Rhetorik. Der Beitrag von Aristoteles und Quintilian zur Formbestimmung der Gleichnisse, in: L. Hauser / F.R. Prostmeier / C. Zöller (Hgg.), Jesus als Bote des Heils. Heilsverkündigung und Heilserfahrung in frühchristlicher Zeit (FS D. Dormeyer), SBB 5, Stuttgart 2008 (im Erscheinen). 93 In diesem Sinn schreibt auch Hauck, Art. (s. Anm. 87), 853: „So werden durch die Überschrift Prv 1, 1 die im Gesamtbuch folgenden Sprüche, die nach der Überschrift von Salomo, dem Urbild des Weisen, ausgehen, zugleich als solche bezeichnet.“ Auch in 2 Petr 2,22, dem einzigen neutestamentlichen -Beleg außerhalb des Johannesevangeliums, führt zu zwei konkreten Sprichwörtern hin. 2 Petr 2,22 lautet: „Es ist eingetroffen (für) sie, was das wahre Sprichwort ( ) (besagt): Ein Hund kehrt zu seinem Auswurf zurück. Ein Schwein badet, um sich (wieder) im Dreck zu wälzen.“ 94 Dazu kommt in Spr 25,1 noch das Wort und in Spr 26,9 das Wort . Das Letztere ist eher schwer nachvollziehbar.
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LXX Sir 39,3 Sir 47,17
Die synonyme und parallele Verwendung der Begriffe und in Sir 39,9 kommt auch in einigen deutschen Bibelübersetzungen deutlich zum Ausdruck. Denn nicht der Begriff , sondern der Begriff wird mit dem Wort „Gleichnis“ wiedergegeben und der Terminus mit dem Wort „Sinnspruch“ / „Rätselspruch“.95 Sir 39,3 bringt aber nicht nur die Parallelität der Begriffe und nahe, sondern auch den Gedanken, dass beide Begriffe einen verborgenen Sinn haben bzw. rätselhaft sind und erforscht werden müssen.96 Ergebnis: kann einerseits als Gattungsbegriff „Sprichwort“ verstanden werden, andererseits aber als eine bestimmte Art der Bildrede bzw. Rätselrede, die den Leser / die Leserin in einen Erkenntnisprozess führt und ihn / sie auf diesem Weg begleitet.97 Ferner bieten Befunde aus der Etymologie und der Traditionsgeschichte eine Verständnishilfe auch für das Verhältnis zwischen den im Johannesevangelium und den in den synoptischen Evangelien. Diese Befunde machen deutlich, dass beide Begriffe bzw. die von ihnen intendierten Texte und Redeweisen sowohl nebeneinander als auch getrennt voneinander ihre Berechtigung haben.
4.3 Das Verhältnis zwischen johanneischen und synoptischen Gleichnissen Die Gleichnisse im Johannesevangelium bzw. die johanneischen Paroimiai wurden jahrzehntelang, vor allem aber seit der Arbeit von A. Jülicher, übersehen, unbeachtet gelassen bzw. missachtet. Denn die Gleichnisse der synoptischen Evangelien galten als Maßstab schlechthin, auch für johanneische Gleichnisse. Nach den Kriterien aus den synoptischen Evangelien wurde das Johannesevangelium gelesen, wie die Abbildung 1 zeigt. 95 Sir 39,3 nach der Einheitsübersetzung lautet: „Er erforscht den verborgenen Sinn der Gleichnisse und verweilt über den Rätseln der Sinnsprüche.“ Nach der Lutherübersetzung lautet Sir 39,3: „Er muß den verborgenen Sinn der Gleichnisse erforschen und mit Rätselsprüchen vertraut sein.“ 96 So schreibt auch Hauck, Art. (s. Anm. 87), 853: „In 39,3 … u 47,17 stellt er (= Sir) und direkt in Parallele zueinander u betont bei beiden den Charakter verborgener Weisheit.“ 97 Vgl. Zimmermann, Christologie der Bilder (s. Anm. 38), 35.
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Synoptische Gleichnisse / = Maßstab, übergeordnete Ebene
n Johanneische Gleichnisse / Unterschiede zu synoptischen Gleichnissen = Defizite = untergeordnete Ebene ≠ Gleichnisse Abbildung 1
Da die johanneischen Gleichnisse nur im Licht der synoptischen Gleichnisse verglichen wurden, wurden ihre Besonderheiten und Unterschiede als Defizite oder sogar als Grund für die Ablehnung dieser johanneischen Texte als Gleichnisse gesehen.98 In der Perspektive literaturwissenschaftlicher Exegese bekommt auch die biblische Gleichnisforschung ein neues Instrumentarium. Die Gattung „Gleichnis“ wird mit Hilfe eines Merkmalbündels bestimmt. In diesem Bündel finden sich sowohl synoptische als auch johanneische Gleichnisse. Die Unterschiede bzw. die Besonderheiten der johanneischen Gleichnisse werden damit nicht mehr als Defizit bzw. Ausscheidungsargument gesehen. Das neue Verhältnis zwischen den synoptischen Evangelien und dem Johannesevangelium in der Gleichnisfrage zeigt Abbildung 2. Wie die Abbildung zeigt, finden sich hier johanneische Gleichnisse auf gleicher Ebene wie synoptische Gleichnisse sowohl mit ihren Gemeinsamkeiten als auch mit ihren Unterschieden. Diese Stellung entspricht auch besser den Befunden aus der Etymologie und der Traditionsgeschichte beider Begriffe (siehe oben 4.2). Der Vergleich zwischen johanneischen und synoptischen Gleichnissen bringt wesentlich andere Ergebnisse, wenn man ihn auf dieser einen Ebene durchführt und johanneische Gleichnisse nicht a priori den synoptischen Gleichnissen unterordnet.
98 So behauptet Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 2), I, 7, dass das Johannesevangelium gar keine Gleichnisse hat.
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Synoptische Gleichnisse
Gleichnis / Parabel 1) narrativ 2) fiktional 3) realistisch 4) metaphorisch 5) appellativ-deutungsaktiv 6) ko- bzw. kontextbezogen
Johanneische Gleichnisse
Abbildung 2
4.4 Die Kurzhermeneutik der johanneischen Paroimiai durch den johanneischen Jesus selbst in Joh 16,25 Der johanneische Jesus ist nicht nur derjenige, der in seinen direkten Personenreden die Paroimiai erzählt, sondern er vermittelt diesbezüglich auch eine bestimmte Hermeneutik und setzt dabei deutliche Akzente für das Verständnis seiner Paroimiai. Dabei ist die Schlüsselstelle Joh 16,25. Dort findet sich der -Begriff in seiner hermeneutischen Funktion zweimal.99 Es ist kein Zufall, dass sich diese Kurzhermeneutik Jesu gerade in Joh 16,25 findet. Zwei Gründe sprechen für diese bewusst ausgewählte Stellung der Hermeneutik Jesu: Erstens geht es hier um den Schluss der Abschiedsgespräche Jesu mit den Seinen, unmittelbar vor dem Gebet Jesu in Joh 17 und den darauf folgenden Passions- und Osterereignissen. Zweitens findet sich das letzte johanneische Gleichnis / Paroimia in Joh 16,21 f. – unmittelbar vor diesen hermeneutischen Worten Jesu in Joh 16,25.100 Nicht zufällig spricht der johanneische Jesus erst nach der ganzen Sequenz aller johanneischen Gleichnisse / Paroimiai seine wichtigsten hermeneutischen Worte zu diesen Texten bzw. zu dieser Art seiner Rede. Denn diese Worte sind für das Verständnis aller johanneischen Gleichnisse / Paroimiai von Bedeutung wie auch für das bisherige Reden des johanneischen Jesu insgesamt. 99 In diesem Sinn meint auch Zimmermann, Christologie der Bilder (s. Anm. 38), 30, „dass man vermuten kann, dass im -Begriff in Joh in der Tat ein hermeneutischer Schlüssel zum Verständnis der Bilderrede im gesamten Evangelium gegeben ist.“ 100 Vgl. auch die tabellarische Aufzählung der betreffenden Johannes-Texte in Zimmermann (Hg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu (s. Anm. 13), 709, ebenso mit dem letzten Text in Joh 16,21 f.
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Die Aussage des johanneischen Jesus in Joh 16,25 lautet: , Dies in Paroimiai habe ich geredet zu euch; (es) kommt eine Stunde, da ich nicht mehr in Paroimiai reden werde zu euch, sondern in Offenheit über den Vater werde ich euch verkünden.
In Joh 16,25 sind folgende Aspekte auffällig: (a) Jesus stellt sein bereits geschehenes Reden in Paroimiai / Gleichnissen / Bildreden / Rätselreden seinem künftigen Reden gegenüber. Dieses wird kein Reden in Paroimiai mehr sein, sondern in Offenheit. (b) Das „Kommen der Stunde“ ermöglicht eine neue Art der Kommunikation, nämlich die unmittelbare offene Redeweise Jesu. Denn das „Kommen der Stunde“ ist im Johannesevangelium ein deutliches Signal für die unmittelbar bevorstehende Verherrlichung Jesu auf dem Kreuz und durch die Auferstehung, aber auch für die Gabe des Parakleten an die Seinen. In dieser Offenheit braucht der johanneische Jesus nicht mehr indirekt / rätselhaft in Paroimiai zu sprechen. (c) Das Reden Jesu – bis jetzt indirekt mit Hilfe der Paroimiai und künftig direkt in Offenheit – bezieht sich nicht auf einen beliebigen Sachverhalt, sondern auf den Vater und seine Wirklichkeit. Diese Funktion und dieses Ziel hat das Reden des johanneischen Jesus insgesamt, sei es bis jetzt in Gleichnissen / Paroimiai oder künftig in ganzer Offenheit. Auch hier zeigt sich, wie stark die johanneische Christologie theozentrisch ist. (d) Das Reden des johanneischen Jesus sowohl in Paroimiai als auch das direkte offene Reden Jesu ist die Verkündigung Jesu über den Vater. Damit sind auch johanneische Gleichnisse / Paroimiai als ein Wesenselement der Verkündung des johanneischen Jesus zu verstehen, mit denen er seine Adressaten zum Vater führen möchte. Joh 16,25 ist umrahmt mit zwei Aufforderungen Jesu an die Seinen betreffend ihre Beziehung zum Vater in Joh 16,23 f. und Joh 16,26 f. Vor seiner Rückkehr zum Vater, über die er offen redet, motiviert er die Seinen, sich direkt an den Vater zu wenden, in seinem [Jesu] Namen bittend. Er lehrt sie bitten und beten. Er vermittelt ihnen die innere Sicherheit durch das erhörungsgewisse Beten. Denn der Vater selbst liebt sie (Joh 16,27). In Joh 16,29 f. folgt die Antwort der Jünger Jesu. Im ersten Teil ihrer Antwort wird das Reden Jesu in Offenheit seinen Paroimiai / Rätselreden gegenübergestellt (in umgekehrter Reihenfolge wie in Joh 16,25 und damit chiastisch zu dieser Stelle): . Siehe, jetzt in Offenheit redest du und keine Paroimiai mehr sagst du.
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Es geschieht eine bedeutungsvolle Wende im Gesprächsverlauf. Der Spannungsbogen, der sich durch die ganzen Abschiedsgespräche zieht und durch Missverständnisse der Jünger Jesu bezeichnet ist, löst sich hier in dieser Antwort der Jünger Jesu und ihrem Bekenntnis auf.101 Denn die Jünger Jesu erkennen und bekennen, dass Jesus nun offen redet und kein / e Paroimia / Gleichnis / Bildrede / Rätselrede mehr sagt. Die Jünger erkennen die neue direkte Weise des Redens Jesu. In dieser Offenheit seines Redens braucht man nicht mehr Fragen an ihn zu stellen (vgl. Joh 16,23.30). Seine Jünger bekennen, dass er alles weiß, und glauben, dass er von Gott ausgegangen ist. Jesus ist der Weg zum Vater – sowohl in all seinem Reden als auch in seinem Tun und in seinem Vorausgehen zum Vater. Er öffnet den Seinen durch das Kreuz und die Auferstehung und durch die Gabe des Parakleten den Weg und den unmittelbaren Zugang zum Vater, von dem er gekommen ist.102 Das Reden in Paroimiai und das Reden in Offenheit wirken wechselseitig aufeinander. Einerseits sensibilisiert das Reden Jesu in Paroimiai mit seiner Bildsprache die Adressaten Jesu für die Stunde seiner Verherrlichung durch den Vater und damit auch für die tiefe Beziehungswirklichkeit zwischen ihm und dem Vater, in welche auch sie, die Adressaten, hineingenommen sind. Andererseits ist mit dem Kommen der Stunde Jesu und damit mit seiner Verherrlichung diese Beziehungswirklichkeit und ihre Sprache, auf die das Reden Jesu in Paroimiai hinweist, in ganzer Fülle und Tiefe unmittel-
101 In diesem Sinn schreibt Zimmermann, Christologie der Bilder (s. Anm. 38), 38: „In narrativ-dialogischer Hinsicht wird mit der Jüngerantwort in Joh 16,29 f. der Höhepunkt von Kapitel 16 oder sogar vom ganzen Abschiedsredenkomplex erreicht. Formal wird Jesus hier innerhalb des Redekomplexes Joh 15–16 zum ersten Mal direkt von den Jüngern angesprochen, inhaltlich reagieren die Jünger erstmals – und das gilt sogar für die Abschiedsreden insgesamt – als Verstehende und erweisen sich, indem sie Jesus verstehen, gerade als Glaubende, was durch die Jesusreplik in V. 31 b nochmals bekräftigt wird.“ 102 Auch Poplutz, Paroimia und Parabol (s. Anm. 11), 106–120, unterstreicht die hermeneutische Bedeutung von Joh 16,25.29 für das johanneische -Konzept. Dabei kommen vor allem drei Aspekte zur Sprache: (1) Zeit (die Relevanz des Osterereignisses für das Verständnis der Rede / auch der Paroimiai Jesu); (2) Inhalt (das nachösterliche Verstehen der Reden Jesu als unmittelbarerer Zugang zum Vater und die damit neuerschlossene Gebetsmöglichkeit); (3) Adressaten / Rezipienten der Rede Jesu und der in ihnen damit verbundene Erkenntnisprozess (die Notwendigkeit der nachösterlichen Perspektive „modus intelligendi“ für das Verständnis der Paroimiai Jesu). Ferner vergleicht sie die johanneischen (vor allem in Joh 16,25.29) und die markinische (in Mk 4,10–12) bzw. vor allem die dahinter stehenden Konzepte einer markinischen und johanneischen Parabeltheorie. Wie Poplutz sieht auch Hirsch-Luipold, Klartext in Bildern (s. Anm. 44), 79–88, die Spannung – in Joh 16,25.29 vor allem aus der Perspektive und der Wahrnehmung der Rezipienten und weniger in der Redeweise Jesu. Nach meiner Meinung sind beide Aspekte wichtig. Denn die Tatsache, dass die Rezipienten zwei Arten des Redens Jesu wahrnehmen, setzt voraus, dass diese zuerst Jesus als Redner differenziert. Diese Differenz zwischen dem Reden in und dem in schließt aber die gemeinsame Intention der beiden Arten des Redens Jesu, nämlich Jesus und den Vater zu erkennen, keineswegs aus. In diesem Sinn sind die beiden Redeweisen Jesu komplementär. Vgl. Zimmermann, Christologie der Bilder (s. Anm. 38), 43–45; anders Hirsch-Luipold, Klartext in Bildern (s. Anm. 44), 86–88.
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bar sichtbar und erfahrbar.103 Im Licht der Verherrlichung Jesu durch den Vater, im Osterlicht, sind die johanneischen Paroimiai bestätigt und erfüllt. Dadurch bleiben sie auch in der nachösterlichen Zeit die zuverlässigen und leuchtenden Begleiterinnen für Menschen – auch Leser / innen des Evangeliums – auf ihrem Glaubensweg zu Jesus, dem auferstandenen und verherrlichten Sohn, und zum Vater.
5. Beispielexegese: Das Merkmalbündel der Gattung „Gleichnis“ in Joh 10,1–5, Joh 12,24 und Joh 16,21 Nach den bisherigen Überlegungen und Ausführungen zu den johanneischen Gleichnissen werden nun drei Textbeispiele exemplarisch dargestellt. Dabei wird vor allem nach dem Merkmalbündel der Gattung „Gleichnis“ im jeweiligen Text gesucht. Es geht um die Frage, inwiefern diese Texte den Gleichnis- bzw. Parabelkriterien entsprechen – das bedeutet, inwiefern sie narrativ, fiktional, realistisch, metaphorisch, appellativ und kontextbezogen sind. Im Rahmen dieses Beitrages kann bei jedem Beispiel nur eine skizzenhafte Analyse dargestellt werden. Ausführliche Analysen können die Leser / innen im neuen „Kompendium der Gleichnisse Jesu“ finden.104
5.1 Das johanneische Gleichnis (= „Paroimia“) vom Hirt und den Schafen – Joh 10,1–5105 5.1.1 Text 1 Amen, amen, ich sage euch: Der nicht Hineingehende durch die Tür in den Hof der Schafe, sondern Hinaufsteigende anderswoher, jener ist ein Dieb und Räuber. 2
Der aber Hineingehende durch die Tür ist Hirt der Schafe.
103 Ähnlich schreibt van der Watt, Family of the King (s. Anm. 34), 160: „ (16:25,29) is used in tandem with . In the ancient world was linked to the openness and honesty which existed between friends. This might suggest that the open relationship between the Father and his children is established and that the family of God is functioning as it should. The Father and the Son stand in an intimate relation to the children of God (cf. 14:23), where communication is direct.“ 104 Zimmermann (Hg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu (s. Anm. 13). 105 Eine ausführliche Gleichnisanalyse von Joh 10,1–5 siehe B. Kowalski, Ruf in die Nachfolge (Vom Hirt und den Schafen) – Joh 10,1–5, in: Zimmermann (Hg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu (s. Anm. 13), 768–780. Eine genaue Analyse von Joh 10 und seiner Bildsprache siehe in der Habilitationsschrift von R. Zimmermann, im dritten Teil „Joh 10 als Beispiel johanneischer Bilderchristologie“: Zimmermann, Christologie der Bilder (s. Anm. 38), 239–404.
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Diesem öffnet der Türhüter und die Schafe hören auf seine Stimme und die eigenen Schafe ruft er nach Namen und er führt sie hinaus. Wenn er die eigenen alle hinausgetrieben hat, geht er vor ihnen, und seine Schafe folgen ihm, weil sie seine Stimme kennen. Einem Fremden aber werden sie gewiss nicht folgen, sondern sie werden (weg) vor ihm fliehen, weil sie die Stimme der Fremden nicht kennen.
6 Diese Paroimia sprach Jesus zu ihnen, jene aber wussten nicht, was es war, was er zu ihnen redete.
5.1.2 Merkmalbündel der Gattung „Gleichnis“ in Joh 10,1–5 a) Narrativ Die Heilung eines Blindgeborenen und die damit verbundenen Reaktionen und Gespräche in Joh 9 gehen dem Gleichnis Jesu in Joh 10,1–5 voraus. Dieses Gleichnis führt der johanneische Jesus selbst ein. Mit der typischen johanneischen Formel , mit der er sein darauf folgendes Gleichnis als absolute und göttliche Wahrheit bekräftigt, beginnt er in Joh 10,1 zu sprechen. Dieses johanneische Gleichnis (= Paroimia) umfasst die klar abgegrenzte direkte Personenrede Jesu in Joh 10,1–5 vom Beginn bis zum Schluss. Denn in Joh 10,6 kommt der johanneische Erzähler zur Sprache, der die vorausgehenden Worte Jesu in Joh 10,1–5 ausdrücklich und nur hier im Johannesevangelium nennt und das Missverständnis der Adressaten Jesu bezüglich dieser Paroimia Jesu thematisiert. Der johanneische Jesus erwähnt nicht unmittelbar, wer die Adressaten seiner Paroimia sind. Erst nach der Fortsetzung des Redens Jesu (Joh 10,7–18), wo er an das Gleichnis direkt anknüpft (in seinen Ich-bin-Bildworten von der Tür und vom Hirten), werden in der Beschreibung der darauf folgenden Reaktionen die Juden als unmittelbare Adressaten und Gesprächspartner Jesu (Joh 10,19) erwähnt. Es kommt zur Spaltung unter ihnen. Dabei zeigt sich, dass diese Juden auch die vorausgehende Handlung Jesu in Joh 9, nämlich die Heilung eines Blindgeborenen, kennen. Die Paroimia Jesu in Joh 10,1–5 kann man in drei Teile gliedern, wobei der erste (Joh 10,1) und der dritte Teil (Joh 10,5) eine kontrastierende Inklusion bzw. einen Rahmen um den mittleren Teil (Joh 10,2–4) bilden. Denn in diesem Rahmen wird von einem Dieb / Räuber und einem Fremden bzw. Fremden (Pl.) und ihren Handlungen gegenüber den Schafen erzählt. Diese stehen im Kontrast zur Hauptfigur des mittleren Teils, zum Hirten, wie auch zu seinen Handlungen und seinem Verhalten zu den Schafen. So ist
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derjenige, der anderswoher als durch die Tür in den Hof der Schafe geht, ein Dieb und Räuber (Joh 10,1). Die Schafe bleiben dabei nicht passiv. Einem Fremden folgen sie gewiss nicht, sondern fliehen vor ihm. Denn sie kennen die Stimme der Fremden nicht (Joh 10,5). Völlig anders handelt der Hirt der Schafe in Joh 10,2–4: Er geht durch die Tür zu den Schafen hinein bzw. ihm öffnet der Türhüter. Er ruft die eigenen Schafe beim Namen, führt sie hinaus und geht ihnen voraus. Auch dem Hirten gegenüber bleiben die Schafe nicht passiv. Sie hören auf seine Stimme, die sie kennen, und folgen ihm. Sie folgen ihm gerade deswegen, weil sie seine Stimme kennen. Die Erzählfiguren werden nur in ihren Handlungen, ihren Wahrnehmungen und ihrem Kennen dargestellt. Sie kommen dabei in keiner direkten Personenrede innerhalb des Gleichnisses zu Wort. Der ganze Akzent wird auf die Kontrastierung gelegt, mit deren Hilfe der Blick der Adressaten Jesu sowie auch der Leser / innen des Johannesevangeliums deutlich zur Hauptfigur, zum Hirten, und zu seinem vorbildlichen Verhalten den Schafen gegenüber (wie auch zum Verhalten der Schafe ihm gegenüber) gelenkt wird. b) Fiktional Die Erzählung in Joh 10,1–5 ist ausgedacht. Das gilt sowohl für die Erzählfiguren als auch für ihr Verhalten. Fiktional sind die Handlungsabläufe im Rahmen wie auch im mittleren Teil des Gleichnisses / der Paroimia. Denn es handelt sich um keine „faktuale Erzählung“ eines tatsächlich stattgefundenen geschichtlichen Ereignisses. Ebenso vermittelt Joh 10,1–5 direkt keine geschichtliche Referenz. c) Realistisch Sowohl biblische als auch außerbiblische Zeugnisse106 zeigen aus der sozialgeschichtlichen Perspektive, dass das Bildfeld vom Hirten im hier behandelten Gleichnis (Joh 10,1–5) zu einer zur Zeit Jesu im Alltag allgemein vertrauten Erfahrungswelt mit einer weit ausgebreiteten Tradition gehört. So ist der „Hirte“ (hebr. ro ce[h], griech. poim n) in der Bibel einer der wichtigsten Alltagsberufe (bereits in Gen 4,2) der Männer, aber auch der Frauen (z.B. Rachel in Gen 29,9). Das Alte Testament berichtet vielfach auch kritisch über die Hirten: Sie streiten untereinander (Gen 13,7 f.; 26,20), üben Gewalt aus (Ex 2,17–19) und versagen völlig in ihrem Dienst und zerstreuen die Schafe (Ez 34,8). So spiegelt die Bibel das altorientalische bzw. antike Hirtenwesen in allen seinen – auch spannungsvollen und kontrastreichen – Facetten. Gleichzeitig sind aus der sozialgeschichtlichen Perspektive in Joh 10,1–5 einige Angaben gegenüber der alltäglichen Hirtenpraxis überraschend: So 106
Vgl. Kowalski, Ruf in die Nachfolge (s. Anm. 105), 775 f.
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geht z.B. der Hirt den Schafen voraus (Joh 10,4) und nicht wie üblich hinterher. Dann ist das Unterscheidungsvermögen der Schafe (ihr Kennen der Stimme des Hirtens bzw. Nicht-Kennen der Stimme der Fremden) bewusst akzentuiert und verstärkt. Damit werden den Schafen fast persönliche Züge und Fähigkeiten zugeschrieben. Auch der Begriff aul , der terminus technicus des Tempelvorhofes, ist als Bezeichnung eines Schafhofes überraschend.107 d) Metaphorisch Die metaphorische Sprache im johanneischen Gleichnis in Joh 10,1–5 vermittelt wichtige Transfersignale. Dabei hat das verwendete Hirtenbildfeld eine reiche Traditionsgeschichte.108 Bereits im Alten Testament wird der Hirte oft als Metapher verwendet, mit welcher Herrscher oder sogar Gott, JHWH, charakterisiert werden. In beiden Fällen steht im Zentrum der Aspekt des zuverlässigen Sorgens für Tiere bzw. die damit gemeinten anvertrauten Menschen. Demgegenüber gibt es auch im Alten Testament Texte, die mit dem Hirtenbild eine kritische Stimme mitteilen. Besonders kritisch gegenüber Hirten sind prophetische Texte: Die Hirten, die den Herrn nicht suchen, sind dumm (Jer 10,21); sie haben den Weinberg des Herrn verdorben und seinen Acker zertreten (vgl. Jer 12,10). Diese Hirten weiden sich selbst (vgl. Ez 34,2). Sie werden mit Weh-Rufen (vgl. Jer 23,1; Ez 34,2) ermahnt. Denn ihre Zuflucht ist verloren (vgl. Jer 25,35) und ihre Weide verwüstet (vgl. Jer 25,36). Gott, JHWH, wird ihrem Dienst ein Ende bereiten. Wie ein Hirte seine Herde so wird JHWH selbst Israel wieder sammeln, retten, hüten und weiden (Jer 31,10; 33,12 f.; Ez 34,12). Er wird einen anderen Hirten über sie einsetzen: seinen Knecht David (Ez 34,23). Diese Verheißung hat der johanneische Jesus in Joh 10 auf sich bezogen. Die Transfersignale vom metaphorischen Netzwerk in Joh 10,1–5 werden von den Adressaten Jesu nicht sofort verstanden (Joh 10,6). Sie werden erst in der darauf folgenden Deutung Jesu erklärt. Wie das Gleichnis leitet Jesus auch seine Deutung mit dem doppelten Amen-Wort ein. Zuerst entschlüsselt er das Bild von der Tür und verbindet es mit seiner Person: „Ich bin die Tür zu den Schafen“ (Joh 10,7). Dieses Ich-bin-Bildwort nimmt Jesus in Joh 10,9 wieder im Zusammenhang mit dem Rettungsgedanken auf: „Wenn einer durch mich hineingeht, wird er gerettet werden, und er wird hineingehen und hinausgehen, und Weide wird er finden“ (Joh 10,9).109 Im 107 Vgl. Zimmermann, Christologie der Bilder (s. Anm. 38), 295 f.; Kowalski, Ruf in die Nachfolge (s. Anm. 105), 775. 108 Ausführlich dazu vgl. Zimmermann, Christologie der Bilder (s. Anm. 38), 316–344. 109 Zur Bezeichnung Jesu als „Tür“ und zur parabolischen Erzählminiatur in Joh 10,7–10 siehe Th. Popp, Die Tür ist offen (Die Tür) – Joh 10,7–10 (vgl. Agr 51), in: Zimmermann (Hg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu (s. Anm. 13), 781–787.
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Kontrast zu sich selbst spricht Jesus von denen, die vor ihm gekommen sind. Diese identifiziert er mit den bereits aus dem Gleichnis bekannten Dieben und Räubern. Wie im Gleichnis redet er noch weiter von den Schafen im metaphorischen Sinn. Diese haben auf die Diebe und Räuber nicht gehört (Joh 10,8). Im folgenden Vers redet Jesus von demjenigen, der durch ihn als Tür hineinkommt. Hier ist deutlich, dass es sich um Menschen und nicht um Schafe handelt, die auf diese Weise ihre „Weide“ und damit das Leben finden werden (Joh 10,9). In Joh 10,10 stellt Jesus sein Kommen dem Kommen des Diebes gegenüber. Der Dieb kommt nur, um zu stehlen, zu schlachten und zu vernichten. Demgegenüber ist die Absicht des Kommens Jesu völlig konträr. Seine Intention ist nicht das Vernichten, sondern das Leben. „Ich bin gekommen, damit sie Leben haben, und es im Überfluss haben“ (Joh 10,10). Ferner erklärt der johanneische Jesus das Hirtenbild. Ähnlich wie JHWH versteht auch er sich selbst als Hirt und zwar als „guter“ Hirt. Zweimal drückt er dies mit dem Ich-bin-Bildwort aus. Zum ersten Mal in Joh 10,11: „Ich bin der gute Hirt. Der gute Hirt gibt sein Leben für die Schafe.“ Noch radikaler als alttestamentliche Texte hebt Jesus die Bereitschaft des guten Hirten hervor. Sie geht bis zum Äußersten: Er gibt sein Leben für die Schafe (Joh 10,11.15.17–18). Das verdeutlicht Jesus weiter auch mit einer Kontrastfigur, mit dem Lohnknecht, dem die Schafe nicht gehören und der sie in der Gefahr (das Bild vom Wolf und seiner vernichtenden Tätigkeit) im Stich lässt und flieht (Joh 10,12–13). Zum zweiten Mal kommt das Ichbin-Bildwort Jesu vom guten Hirten in Joh 10,14 vor: „Ich bin der gute Hirt, und ich kenne die Meinen, und (es) kennen mich die Meinen.ì Das gegenseitige Kennen kennzeichnet den guten Hirten und das Verhältnis zwischen ihm und den Seinen. Weiter wird Jesus, der gute Hirt, die Schafe aus verschiedenen Höfen zusammenbringen: „Es wird eine Herde, ein Hirt sein“ (Joh 10,16). Sowohl das gegenseitige Kennen zwischen Jesus und den Seinen und die Bereitschaft seiner Lebenshingabe für die Schafe ist zutiefst mit der Beziehung zwischen Jesus und dem Vater verbunden (Joh 10,15.17–19). In der Gleichnisdeutung (Joh 10,7–10) fällt einerseits auf, dass Jesus das Gleichnisbildfeld, seine Metapher und Transfersignale zu erklären versucht. Andererseits verwendet er aber auch in seiner Deutung diese Metapher und Bilder noch weiter. Das bedeutet, dass die Gleichnisdeutung noch kein Ende der metaphorischen Sprache Jesu an sich bedeutet. Vielmehr ist seine Sprache in der Deutung eine Kombination der metaphorischen und nichtmetaphorischen Ausdrucksweise. Die Reaktionen der unmittelbaren Adressaten Jesu, der Juden, auf seine Paroimia und deren Deutung sind unterschiedlich. Es kommt zu einer Spaltung zwischen denen, die Jesus für einen Besessenen halten, und den anderen, die dies aufgrund seines heilenden Wirkens ablehnen (Joh 10,19–21).
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e) Appellativ-deutungsaktiv Die Gleichniserzählung in Joh 10,1–5 stellt den Hirten und das gegenseitige Verhältnis zwischen ihm und den Schafen in die Mitte. Im Kontrast dazu stehen ein Dieb / Räuber / Fremder (Fremde) und ihr Verhalten zu den Schafen wie auch die Reaktionen der Schafe ihnen gegenüber. Die Fragen, woran dieses Gleichnis appelliert und wie es gedeutet werden soll, helfen sowohl der johanneische Erzähler in Joh 10,6 als auch der johanneische Jesus in Joh 10,7–18 selber zu beantworten. Die erste Deutung von Joh 10,1–5 gibt der johanneische Erzähler, indem er diesen Text als Paroimia (Joh 10,6) bezeichnet. Es scheint ihm auch wichtig mitzuteilen, dass diese Paroimia bei den Adressaten Jesu auf der Textebene auf Unverständnis stößt. Anschließend legt der johanneische Jesus selbst das Gleichnis und dessen Absicht aus. Durch seine Ich-bin-Bildworte, mit denen er sich zweimal mit dem Bild von der „Tür“ (Joh 10,7.9) und ebenso zweimal mit dem Bild vom „guten Hirten“ darstellt und identifiziert, vermittelt er seinen Adressaten eine klare Deutungsrichtung seiner Paroimia. Er ist die „Tür“, durch die man zur Rettung wie auch zum Leben in Fülle („Weide“) gelangt (Joh 10,9). Er ist der „gute Hirt“: Er kennt die Seinen und die Seinen kennen ihn (Joh 10,14). Er führt all seine Schafe in eine Herde zusammen (Joh 10,16). Er ist schließlich bereit, sein Leben für die Schafe zu geben (Joh 10,11.15.17–18). Dabei entspricht diese Bereitschaft seinem freien Willen, in der er aber von seinem Vater geliebt wird (Joh 10,17). Im Bild vom guten Hirten klingen vor allem alttestamentliche Bildtraditionen an. Gleichzeitig werden sie aber durch die Eigenschaften, die Jesus dem guten Hirten zuschreibt, überboten – vor allem gilt dies für die Bereitschaft der Lebenshingabe für die Schafe. Durch die Kontrastierung zu den anderen Figuren (Dieb / Räuber / Fremder) wird diese Selbstoffenbarung Jesu verstärkt. Die christologische, theologische und soteriologische Pointe des Gleichnisses (Joh 10,1–5) kommt in der Deutung Jesu stark zum Ausdruck. Zugleich wird mit der ständigen Kontrastierung sowohl im Gleichnis als auch in der Deutung Jesu eine konfliktreiche Realität zum Ausdruck gebracht. Die Kontrastfiguren zu dem guten Hirten nennt Jesus namentlich nicht. Dennoch spricht er damit eine durch bestimmte Autoritäten vertretene dunkle und konfliktreiche Realität an, die den Seinen das Leben bedrohen und rauben möchte. Die Tatsache, dass sich der johanneische Jesus in seiner Deutung sowohl mit der „Tür“ als auch mit dem „guten Hirten“ identifiziert, weist darauf hin, dass weder ein Bild noch ein Ich-bin-Bildwort für sich das ganze Wesen der Person Jesu umfassen und präsentieren kann. Das johanneische Gleichnis in Joh 10,1–5 vermittelt noch andere Appellative an seine Adressaten und bietet damit noch weitere Deutungsmöglichkeiten an. Zu diesen zählen auch der Appell zur Unterscheidung, „der
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Ruf in die Nachfolge“ und die ekklesiologische Deutung.110 Joh 10,1–5 bietet eine Unterscheidungshilfe für seine Adressaten und auch für die Leser / innen des Evangeliums, Jesus als „guten Hirten“ zu erkennen und ihn von Dieben / Räubern zu unterscheiden. Die Seinen und auch die Leser / innen werden in der Gewissheit gestärkt, dass Jesus ihnen vorausgeht und sie zum Leben in Fülle führt. Sie werden ermutigt, sich für ihn zu entscheiden und ihm nachzufolgen. f) Kontextbezogen Die direkte Personenrede des johanneischen Jesus in Joh 10,1–5 wird im unmittelbaren Kontext vom johanneischen Erzähler als Paroimia bezeichnet (Joh 10,6). Diese Paroimia Jesu stößt bei ihren ersten Zuhörern auf der Textebene auf Unverständnis. Es folgt die Deutung des johanneischen Jesus in Joh 10,7–18 mit starken christologischen, theologischen und soteriologischen Aspekten. Diese Rede Jesu gemeinsam mit der vorausgehenden Heilung eines Blindgeborenen führt bei den unmittelbaren Adressaten Jesu auf der Textebene, das ist bei den Juden, zu unterschiedlichen Meinungen gegenüber der Person Jesu und dadurch zu einer Spaltung unter ihnen (Joh 10,19–21). Das Gespräch Jesu mit Juden setzt sich im Kontext des Tempelweihfestes im Tempel in Jerusalem fort (Joh 10,22–39). Auf die Frage der Juden, ob Jesus der Messias ist, weist er auf ihren Unglauben und auf die Tatsache hin, dass sie nicht zu seinen „Schafen“ gehören (Joh 10,26). Anschließend charakterisiert er seine Schafe, beschreibt sich selber in seiner Hirtenfunktion und beleuchtet das gegenseitige Verhältnis seiner „Schafe“ zu ihm und dem Vater wie auch zwischen ihm und dem Vater. Dabei greift er Gedanken aus Joh 10,1–5.7–18 auf und entfaltet sie weiter. Die Konflikte zwischen Jesus und Juden verschärfen sich. Sie versuchen Jesus zu steinigen und festzunehmen (Joh 10,31.39). Die Charakterisierung des guten Hirten / Jesus als desjenigen, der bereit ist, sein Leben für die Schafe zu geben (Joh 10,11.15.17–18) wie auch die Absicht seines Kommens und seiner Proexistenz, die im „Leben in Fülle“ für die Seinen besteht, weisen auf die Passions- und Osterereignisse und ihre Bedeutung hin. Auch der Begriff aul in Joh 10,1, mit dem der Schafhof im Gleichnis bezeichnet wird, lenkt die Leser / innen des Gleichnisses zum Tempel in Jerusalem, sowohl zur Tempelreinigungsaktion (Joh 2,13–22) vor dem ersten Paschafest Jesu in Jerusalem als auch zum oben erwähnten Tempelweihfest in Jerusalem (Joh 10,22–39) wie auch zur johanneischen 110 Mehr dazu siehe in Kowalski, Ruf in die Nachfolge (s. Anm. 105), 777 f. Sie sieht den Hauptakzent bzw. die Hauptpointe dieses Gleichnisses gerade im „Ruf in die Nachfolge“ (so auch die von ihr gewählte Überschrift des Gleichnisses). In diesem Zusammenhang macht sie auf den Dreischritt des Hirten „rufen – führen – vorausgehen“ und auf die dementsprechende dreiteilige Re-Aktion der Schafe „hören – folgen – kennen“ aufmerksam.
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Passionserzählung (vgl. Joh 18,15 – das Hineingehen des Simon Petrus gemeinsam mit Jesus in den Hof des Hohenpriesters).111 Das Hirtenbildfeld in Joh 10,1–5 ist noch mit dem weiteren Kontext im Johannesevangelium vernetzt. Der johanneische Jesus ist nicht nur der „gute Hirte“ und die „Tür“, sondern er wird von Johannes dem Täufer bereits am Anfang des Evangeliums „Lamm Gottes“ (Joh 1,29.36), der die Sünde der Welt trägt, genannt. Obwohl vom „Hirten“ nur in Joh 10 die Rede ist, kommen die Hirtenaufgaben auch im nachösterlichen Gespräch zwischen Jesus und Petrus in Joh 21,15–19 deutlich zur Sprache. In diesem Gespräch fragt Jesus Petrus dreimal, ob er ihn liebt. Dreimal gibt Petrus Jesus eine positive Antwort und dreimal vertraut Jesus dem Petrus die Hirtenaufgaben und seine Lämmer / Schafe an. In diesem Gespräch versöhnt sich Jesus mit seinem Verleugner. Noch mehr, er vertraut ihm die Hirtenaufgaben für die Seinen an und ruft ihn in seine Nachfolge. Das johanneische Gleichnis in Joh 10,1–5, das als einziges im Johannesevangelium mit dem Begriff explizit bezeichnet wird, liegt in der Mitte des Johannesevangeliums. Mit ihm ist ein sichtbares Zeichen in der Mitte des Johannesevangeliums gesetzt, das für andere johanneische Gleichnisse ein bleibender Bezugspunkt ist.112 5.2 Die parabolische Erzählminiatur Jesu vom sterbenden und fruchtbringenden Weizenkorn – Joh 12,24113 5.2.1 Text , , , . Amen, amen, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht fallend in die Erde stirbt, bleibt es allein. Wenn es aber stirbt, bringt (= trägt) es viel Frucht.
111 In Joh 18,17 begegnet man auch der „Türhüterin“ bzw. dem Begriff (vgl. Joh 10,1). 112 Zu einigen weiteren neutestamentlichen Parallelen und zur reichen Wirkungsgeschichte von Joh 10,1–5 siehe Kowalski, Ruf in die Nachfolge (s. Anm. 105), 778 f. 113 Eine ausführliche Analyse siehe in R. Zimmermann, Das Leben aus dem Tod (Vom sterbenden Weizenkorn) – Joh 12,24, in: ders. (Hg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu (s. Anm. 13), 804–817.
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5.2.2 Merkmalbündel der Gattung „Gleichnis“ in Joh 12,24 a) Narrativ Die parabolische Erzählminiatur in Joh 12,24 findet sich in der Antwort Jesu an Andreas und Philippus. Sie kommen zu Jesus, um ihm das Anliegen der Griechen, nämlich dass sie ihn sehen wollen, mitzuteilen. In seiner Antwort bildet Jesus mit den zwei wichtigen johanneischen Motiven der „Stunde“ (Joh 12,23.27) und der „Verherrlichung“ (Joh 12,23.28) eine Inklusion um dieses Gleichnis vom Weizenkorn. Das Gleichnis selbst leitet Jesus mit dem autoritätsvollen doppelten Amen-Wort ein. Es umfasst nur einen Vers (Joh 12,24). Obwohl nach diesem Vers Jesus seine Antwort fortsetzt und auch einige Motive aus dieser Erzählminiatur aufgreift und weiterentwickelt, redet er vom Weizenkorn nicht mehr. Die Erzählminiatur vom Weizenkorn kommt in einem konditional und zugleich antithetisch formulierten Satz vor (Joh 12,24). Das aktive Subjekt ist jeweils das Weizenkorn. Es geht um folgende Gegenüberstellung: das Weizenkorn nicht sterben n allein bleiben
j j
sterben n viel Frucht bringen
Abbildung 3
Zwei Gegenüberstellungen fallen auf. Nicht nur das Nicht-Sterben wird dem Sterben des Weizenkorns gegenübergestellt, sondern auch deren Folgen. Durch das Nicht-Sterben bleibt das Weizenkorn allein, dagegen bringt es durch das Sterben viel Frucht. Die Notwendigkeit des Sterbens des Weizenkorns ist damit hervorgehoben, damit es viel Frucht bringen kann. b) Fiktional Die Erzählminiatur in Joh 12,24 hat fiktionale Züge. Diese zeigen sich in der Darstellung eines einzigen Weizenkorns als eines aktiven und selbstständigen Subjekts: Es stirbt nicht und bleibt allein. Es stirbt und bringt viel Frucht. In diesem Zusammenhang ist weder von einem Sämann noch von anderen Weizenkörnern die Rede. c) Realistisch Der johanneische Jesus knüpft in seiner Erzählminiatur in Joh 12,24 an die im Alltag erfahrbare Welt seiner Zuhörer an, nämlich an diejenige aus der Landwirtschaft. In der Wortverbindung „Weizenkorn“ ( )
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kommen zwei wichtige Agrarbegriffe vor. Der erste ist das „Korn“ ( ), der wichtigste Teil der Pflanze. Denn es ist Same und Frucht zugleich. Der zweite ist das Wort , das vor allem als Oberbegriff für Getreide aufgrund der antiken Zeugnisse zu verstehen ist und weniger als eine besondere Getreidesorte.114 Wichtig und realistisch ist auch die Beschreibung der Fruchtbarkeit des Korns, nämlich dass ein Korn viel Frucht bringen kann. d) Metaphorisch Bereits mit dem einleitenden doppelten Amen-Wort in Joh 12,24 setzt Jesus ein starkes externes Transfersignal. Das bedeutet, dass seine darauf folgenden Worte besondere Autorität und Bedeutung vor allem im religiösen Sinn haben. In der Erzählminiatur selbst ist die auffällige Subjektivität und Selbstständigkeit des Weizenkorns ein deutliches Transfersignal, dass damit mehr als ein tatsächliches Weizenkorn gemeint ist. In metaphorischem Sinn sind sowohl das „Nicht-Sterben“ und das damit verbundene „allein Bleiben“ wie auch das „Sterben“ und demzufolge das „viel Frucht Bringen“ des Weizenkorns zu verstehen. Damit bringt diese Erzählminiatur die Transfersignale zur Sprache, die den Lesern / innen des Johannesevangeliums nicht nur an dieser Stelle begegnen. Diese Bilder bzw. bildhaften Vorgänge in Joh 12,24 haben sowohl zahlreiche biblische als auch außerbiblische Traditionen. In diesem Sinn schreibt R. Zimmermann: Der Vergleich zwischen dem Vorgang von Saat und Ernte in der Natur und dem Leben und Sterben des Menschen ist bald so alt wie die Menschheitsgeschichte. Entsprechend vielfältig sind auch die Bildfelder und Mythen, die die Grundaporie des menschlichen Lebens im Angesicht des Todes mit Vorgängen aus dem Vegetationszyklus verbinden.115
Trotz starker Bildfeldtradition sind die innovativen Momente in Joh 12,24 nicht zu übersehen. Denn der johanneische Jesus nimmt ein einziges Weizenkorn in den Blick und spricht von ihm, wie von einem selbstständigen und souveränen Subjekt. Auch die Hervorhebung der Folge des Nicht-Sterbens für das Weizenkorn, nämlich das „allein Bleiben“ zählt zu den besonderen johanneischen Momenten. e) Appellativ-deutungsaktiv Nach der parabolischen Erzählminiatur in Joh 12,24 setzt der johanneische Jesus seine Antwort fort. Dabei bietet er einige Verständnisschlüssel für sein Gleichnis an. Parallel zu Joh 12,24 steht Joh 12,25 – ebenso konditional und antithetisch formuliert: „Der Liebende sein Leben verliert es, und der Hassende sein Leben in dieser Welt, zum ewigen Leben wird er es bewahren.“ 114 115
Vgl. Zimmermann, Das Leben aus dem Tod (s. Anm. 113), 807. Zimmermann, Das Leben aus dem Tod (s. Anm. 113), 809.
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nicht sterben / /das (eigene) Leben lieben sterben / /das (eigene) Leben hassen n n j n n allein bleiben / /das (eigene) Leben verlieren viel Frucht bringen / /das (eigene) Leben zum ewigen Leben bewahren Abbildung 4
In Joh 12,25 ist das aktive Subjekt ein Mensch und nicht mehr das Weizenkorn. Das bedeutet, dass die Logik des Weizenkorns für jeden Menschen gelten kann. Ein Mensch, der sein Leben liebt, ist dem Weizenkorn ähnlich, das nicht stirbt. Er muss jedoch damit rechnen, dass er das (eigene) Leben verlieren wird. Dieser Verlust des Lebens zeigt sich vor allem darin, dass er allein bleibt. Umgekehrt gleicht ein Mensch, der sein Leben hasst, dem sterbenden Weizenkorn. Er bleibt nicht allein, sondern bringt viel Frucht und wird damit sein Leben zum ewigen Leben bewahren. Im Kontrast zum „allein Bleiben“ handelt es sich beim Frucht-Bringen und beim Bewahren des Lebens zum ewigen Leben um eine Beziehungs- bzw. Gemeinschaftswirklichkeit. Mit Joh 12,26 lenkt Jesus den Gedankengang zum Thema „Dienen und Nachfolge Jesu“. Ihm zu dienen ist nur in der Nachfolge möglich. Seinem Nachfolger verspricht Jesus, dass er dort sein wird, wo Jesus ist, und dass sein Vater ihn ehren wird. Hier können die Leser / innen des Evangeliums bereits die Logik Jesu verstehen. Der Weg seiner Nachfolger / innen ist nicht ein Weg, der zum „allein Bleiben“ führt, sondern in eine Gemeinschaft mit ihm und dem Vater. Der Weg der Nachfolge Jesu ist dadurch dem Weg des sterbenden und fruchtbringenden Weizenkorns ähnlich. Unmittelbar danach spricht Jesus in Joh 12,27 f. von seiner gegenwärtigen Erschütterung angesichts der Stunde. Aus dieser Stunde gerettet zu werden oder in sie hineinzugehen erinnert an die bereits erwähnten Gegensätze zwischen dem „nicht Sterben“ und „Sterben“ und zwischen dem „Lieben“ und dem „Hassen“ des eigenen Lebens. Nun setzt sich Jesus selbst mit diesen Gegensätzen auseinander. Er wählt den Weg des sterbenden Weizenkorns, das aber notwendig viel Furcht bringt. Seine Entscheidung mündet in die Bitte um die Verherrlichung: „Aber deswegen bin ich in diese Stunde gekommen. Vater, verherrliche deinen Namen!“ (Joh 12,27 f.). Sofort folgt in Joh 12,28 die Bestätigung durch die Himmelsstimme: „Ich habe ihn schon verherrlicht und werde ihn wieder verherrlichen“. Nach der Reaktion der Menge (Joh 12,29) spricht Jesus weiter (Joh 12,30–32) und verspricht: „Und ich, wenn ich erhöht werde von / aus der Erde, werde / will ich alle zu mir ziehen“ (Joh 12,32). Der johanneische Erzähler kommentiert die Absicht dieser Worte Jesu folgendermaßen: „Dies aber sagte er, um anzuzeigen, welchen Todes er sterben würde“ (Joh 12,33). Das Gleichnis vom Weizen-
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korn bekommt hier eine christologisch-soteriologische Deutung. Jesus selbst ist das sterbende und fruchtbringende Weizenkorn. Er wird nicht allein bleiben, sondern durch sein Sterben wird er „alle“ zu sich ziehen. Sein Sterben wird dem fruchtbringenden Weizenkorn ähnlich. Nicht nur eine bestimmte Gruppe wird er durch seine Erhöhung „von / aus der Erde“ zu sich ziehen, sondern „alle“. Die universelle und missionarische Ausrichtung der Erhöhung Jesu, des sterbenden Weizenkorns, das für alle viel Frucht bringt, kommt hier deutlich zum Ausdruck. Es ist kein Zufall, dass diese Aussage Jesu sich gerade innerhalb einer Antwort findet, die an sich über die Vermittlung der Jünger (Andreas und Philippus) den Griechen als Vertreter der „Welt“ gilt.116 f) Kontextbezogen Wie oben im Punkt (e) gezeigt, ist das kurze Gleichnis vom Weizenkorn stark kontextbezogen. Es befindet sich innerhalb einer direkten Personenrede Jesu, die sich nach dem Gleichnis weiter fortsetzt und einige Verständnisschlüssel für diese parabolische Erzählminiatur anbietet.117 Ferner ist dieses Gleichnis auch mit anderen johanneischen Stellen vernetzt. In Joh 11,25 f. spricht Jesus zu Martha: „Ich bin die Auferstehung und das Leben; der an mich Glaubende wird, auch wenn er stirbt, leben, und jeder Lebende und an mich Glaubende stirbt gewiss nicht in Ewigkeit.“
Auch hier wird das Leben für den an Jesus Glaubenden möglich, auch wenn er stirbt. Mit anderen Worten ausgedrückt wird dieser Glaubende in Ewigkeit nicht sterben. Durch die Beziehung zu Jesus hat er Anteil am unzerstörbaren ewigen Leben. Dieser Mensch ist dem Weizenkorn in Joh 12,24 ähnlich. Durch das Sterben wird es nicht vernichtet, sondern bringt viel Frucht. Im Unterschied zu Joh 11,25 f. ist das „Sterben“ in Joh 12,24 nicht nur unausweichlich („auch wenn er stirbt“), sondern notwendig. Nur wenn das Weizenkorn stirbt, kann es viel Frucht bringen. Da im Kontext auch von der Notwendigkeit der Stunde und der Erhöhung Jesu die Rede ist, zielt diese Notwendigkeit des Sterbens zuerst auf die Proexistenz Jesu und seine Lebenshingabe. Dieses Sterben ist auch als Kontrast zu einer Einstellung zu verstehen, die nur das (eigene) Leben liebt und für die Proexistenz unfähig ist.
116 Verschiedene Deutungen (christologisch-soteriologische Deutung [Tod Jesu], ekklesiologisch-missionarische Deutung [Heiden], asketisch-märtyriologische Deutung) von Joh 12,24 wie auch ihre Synthese siehe bei Zimmermann, Das Leben aus dem Tod (s. Anm. 113), 811–814. 117 In diesem Sinn stellt Zimmermann, Das Leben aus dem Tod (s. Anm. 113), 804, fest: „Wird das Wort von Weizenkorn (Joh 12,24) aus seinem Kontext isoliert, dann handelt es sich offenbar um nichts weiter als um eine Spruchweisheit aus dem Bereich der Landwirtschaft.“
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Durch das Frucht-Motiv ist die Erzählminiatur in Joh 12,24 auch mit Joh 4,35–38 und der „Frucht zum ewigen Leben“ wie auch mit dem Gleichnis vom Weinstock in Joh 15,1–8.16 und seinem Kontext verbunden. Das letztere hebt die Beziehungswirklichkeit und Verbundenheit (das gegenseitige Bleiben) der Seinen mit Jesus und dem Vater als Voraussetzung, um Frucht zu bringen, hervor. Die Bildwelt von Joh 12,24, die mit Hilfe der Abläufe in der Natur vor allem ein Verständnis von Tod und Leben Jesu vermittelt, findet auch in anderen Schriften des Neuen Testaments und ebenso in der Wirkungsgeschichte häufig einen Anklang.118
5.3 Die parabolische Erzählminiatur von der gebärenden Frau – Joh 16,21119 5.3.1 Text
, , . Die Frau wann sie gebiert, wann sie aber das Kind geboren hat, hat Schmerzen / Kummer, erinnert sie sich nicht mehr an die Bedrängnis wegen der Freude, weil ihre Stunde gekommen ist; dass ein Mensch in die Welt geboren wurde.
5.3.2 Merkmalbündel der Gattung „Gleichnis“ in Joh 16,21 a) Narrativ Die parabolische Erzählminiatur in Joh 16,21 findet sich in der letzten ausführlichen Antwort Jesu an seine Jünger / innen (Joh 16,19–28) innerhalb der Abschiedsgespräche. Sie ist zugleich das / die letzte konkrete Gleichnis / Paroimia / Parabel des johanneischen Jesus. Sie umfasst nur einen Vers, der klar abgegrenzt ist. Denn nur hier erzählt der johanneische Jesus von der gebärenden Frau. Vor und nach dieser Erzählminiatur kündet er den Seinen die für sie kommenden Veränderungen an. Dabei versucht er die Perspektive der Seinen nahe zu bringen, nämlich wie es ihnen bei diesen Veränderungen gehen wird und was für ein Prozess dadurch in ihnen ausgelöst 118
Dazu mehr Zimmermann, Das Leben aus dem Tod (s. Anm. 113), 814–816. Ausführlicher siehe in J. Hartenstein, Aus Schmerz wird Freude (Die gebärende Frau) – Joh 16,21 f., in: Zimmermann (Hg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu (s. Anm. 13), 840–847. 119
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wird. Mit diesem Rahmen ist die in der Mitte positionierte Paroimia mehrfach verbunden – auf der Wort- und Satzebene wie auch in ihrer Semantik. Sowohl dem Rahmen als auch der Parabel geht in Joh 16,20 ein doppeltes Amen-Wort voraus. Mit ihm werden die Wichtigkeit und die Autorität der anschließenden Worte Jesu, zu denen auch die Parabel in Joh 16,21 gehört, signalisiert. In der parabolischen Erzählminiatur nimmt Jesus die gebärende Frau und ihre Perspektive ganzheitlich in den Blick. Der erste Teil des Verses beschreibt ihre Situation und vor allem ihr ganzheitliches Empfinden während der Geburt und der zweite Teil den Abschluss der Geburt, wenn das Kind bereits geboren ist. Dabei besteht zwischen beiden Teilen ein Kontrast (siehe die Textstruktur im Punkt [a]), so wie das Empfinden der Frau kontrastreich ist. Beim Gebären empfindet sie sowohl physische als auch psychische „Schmerzen“ / „Kummer“ ( ), und beim Abschluss der Geburt die ganzheitliche „Freude“ ( ). Der Grund für Schmerzen / Kummer ist die Tatsache, dass ihre Stunde gekommen ist. Die Stunde der Geburt kommt und mit ihr unausweichlich auch Schmerzen und Kummer. Der Grund für die Freude am Schluss dieser Stunde ist die Tatsache, dass „ein Mensch in die Welt geboren wurde“. Diese Freude über das Kind ist so groß, dass sich die Frau an die „Bedrängnis“ ( ) während der Geburt nicht mehr erinnert bzw. daran denkt. Mit dem Kommen des Kindes verändert sich der Zustand der Frau: Ihre Schmerzen / Kummer / Bedrängnis werden in Freude verwandelt. Obwohl die Frau in der Stunde der Geburt unvermeidlich Schmerzen und Kummer hat, ist das Ende und zugleich der Höhepunkt dieser Stunde – das Kommen des Kindes auf die Welt – mit der Erfahrung der Freude verbunden, die alles überragt. b) Fiktional Die Erzählminiatur in Joh 16,21 ist fiktional. Die gebärende Frau, ihr Handeln und Empfinden, bezieht sich nicht auf ein bestimmtes historisches Ereignis bzw. eine bestimmte Geburt. Vielmehr werden die Erfahrungen der Frauen bei der Geburt allgemein aufgegriffen und als Erfahrungswert fiktional und didaktisch vom johanneischen Jesus verwendet. Denn mit ihrer Hilfe versucht Jesus, den Seinen ihre bevorstehende Situation und die Veränderung ihres Zustands und ihrer Stimmung zu verdeutlichen. c) Realistisch Der johanneische Jesus erzählt in Joh 16,21 vom Gebären und damit von der für die Frauen zutiefst erlebbaren Welt. Seitdem es Menschen gibt, gibt es unausweichlich auch das Gebären. Denn der Mensch kann nur durch das Gebären bzw. die Geburt in diese Welt hineinkommen. Die Geburtsthematik ist sowohl in biblischen als auch außerbiblischen Texten durch-
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gehend auf verschiedene Arten und Weise bezeugt.120 Im Vergleich mit diesen Zeugnissen fällt jedoch in Joh 16,21 die starke Konzentration auf die Perspektive der Frau, ihr Empfinden und die Verwandlung ihres Zustandes bzw. ihrer Stimmung besonders auf. Die heutigen Leser / innen sollen dabei noch berücksichtigen, dass diese johanneische Erzählminiatur wie auch das Johannesevangelium noch aus einer stark patriarchalischen Zeit stammt. Damit wird das Überraschungsmoment durch die Perspektive der Frau in Joh 16,21 noch größer. d) Metaphorisch Biblische und außerbiblische Zeugnisse sprechen von der Geburt und vom Gebären sowohl im eigentlichen als auch im übertragenen Sinn.121 Betrachtet man Joh 16,21 isoliert, dann fällt vor allem die Beschreibung des Gebärens der Frau aus ihrer Perspektive und die Verwandlung ihrer Schmerzen in Freude auf. Metaphorische Züge von Joh 16,21 kommen auf diese Weise nicht leicht zur Sprache. Wenn man aber diese Stelle gemeinsam mit ihrem Kontext liest, dann kann man die Transfersignale nicht mehr übersehen. In den beiden die Parabel umrahmenden Versen bereitet Jesus die Jünger / innen für seine bereits gekommene Stunde vor. Dabei macht er sie in beiden Versen auf die Veränderung ihrer Situation von der jetzigen Betrübnis zur künftigen Freude aufmerksam. Dieser unmittelbare Kontext macht deutlich, dass der johanneische Jesus die gebärende Frau und die Verwandlung ihrer Situation metaphorisch versteht. Damit versucht er seinen Jüngern / innen ihre bevorstehende Situation zu verdeutlichen. Er thematisiert sowohl unausweichliche Betrübnisse, die sie zuerst treffen werden, aber auch die Gewissheit, dass sich diese Betrübnisse in Freude verwandeln werden. Dabei braucht er bewusst einige Begriffe, die sowohl die Situation der Frau als auch die der Jünger / innen bezeichnen: z.B. (Joh 16,20.21.22) und (Joh 16,20); (Joh 16,20.21.22). Ebenso bringt das bewusst ausgewählte Vokabular in Joh 16,21 auch im Kontext des gesamten Johannesevangeliums noch weitere Transfersignale zum Anklang (z.B. bzw. + , , ). e) Appellativ-deutungsaktiv Mit der Parabel in Joh 16,21 greift der johanneische Jesus aus der Perspektive der Frau die Erfahrungen der Geburt und des Gebärens auf. Dabei bringt er vor allem die damit verbundenen Veränderungsprozesse betreffend den Zustand und die Stimmung der gebärenden Frau zum Ausdruck. Die mit Geburt unausweichlich verbundenen Schmerzen und der Kummer der Frau verwan120 121
Vgl. Hartenstein, Aus Schmerz wird Freude (s. Anm. 119), 842 f. Mehr dazu Hartenstein, Aus Schmerz wird Freude (s. Anm. 119), 843 f.
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deln sich in Freude, wenn die Frau das Kind zur Welt bringt, und gerade deswegen, weil ein Mensch in die Welt geboren wurde. Die Adressaten Jesu sowohl auf der Textebene als auch die Leser / innen des Evangeliums werden für diese äußerst große Verwandlung der Stimmung der Frau von Schmerzen zur Freude, die ihre vorausgehende Bedrängnis völlig überbietet, sensiblisiert. Wie bereits oben beim Punkt (e) gezeigt, verwendet der johanneische Jesus diese kurze Erzählminiatur in der letzten längeren Antwort an die Seinen innerhalb der Abschiedsgespräche vor seiner Passion. Mit der Verwandlung, die die gebärende Frau erlebt, veranschaulicht Jesus bildhaft das Geschehen und die Veränderungen, die seine Jünger / innen mit dem Kommen der Stunde zutiefst erfahren werden. Wie auf die Frau, werden auch auf die Jünger unvermeidlich Schmerzen / Kummer / Bedrängnis kommen. Ebenso aber wie die Frau mit der Geburt des Kindes die Freude erlebt, die keine Erinnerung an die vorausgehende Bedrängnis zulässt, so wird sich auch der Kummer / die Bedrängnis der Jünger / innen in Freude verwandeln (vgl. Joh 16,20.22). In Joh 16,22 stellt Jesus noch zwei Aspekte dieser Freude heraus: Erstens wird sich das Herz der Jünger / innen freuen. Das bedeutet, dass ihre Freude eine tiefe und ganzheitliche Freude sein wird. Zweitens wird diese Freude bleiben und nicht mehr bedroht. Niemand wird sie ihnen nehmen. Wie das möglich ist, lässt sich aus dem Grund ihrer Freude erklären. Wie für die Frau die Geburt des Kindes – „dass ein Mensch in die Welt gekommen ist“ (Joh 16,21) – der Grund ihrer Freude ist, so wird für die Jünger / innen Jesu der Grund ihrer bleibenden Freude das gewisse Wiedersehen mit Jesus sein („aber ich werde euch wieder sehen [ ]“ – Joh 16,22). Mit diesen Worten kündet Jesus das Wiedersehen mit ihm nach seinem Tod und seiner Auferstehung und die damit verbundene Osterfreude an. f) Kontextbezogen Die starke Kontextbezogenheit der Parabel in Joh 16,21 ist mehrmals bei anderen Punkten (a – e) erwähnt. Mit Hilfe dieser letzten Parabel Jesu im Johannesevangelium unterstreicht Jesus am Ende der Abschiedsgespräche bereits die österliche Freude, die alle gegenwärtigen Schmerzen und Bedrängnisse überragen und verwandeln wird. Ein nachösterliches Wiedersehen mit den Seinen kündet er an. Die Parabel in Joh 16,21 steht in einer engen Beziehung zur Parabel vom sterbenden und fruchtbringenden Weizenkorn in Joh 12,24. Beide Erzählminiaturen stehen im Kontext der Stunde Jesu. In Joh 12,23 sagt Jesus mit Nachdruck, dass seine Stunde bereits eingetroffen ist: „Die Stunde ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht wird.“ Am Beginn dieser Stunde verdeutlicht Jesus mit der Parabel vom Weizenkorn, dass der Weg des sterbenden und fruchtbringenden Weizenkorns sein eigener Weg ist. Mit dieser Erzählminiatur bietet er seinen Adressaten aber auch den Lesern /
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innen des Evangeliums eine Verständnishilfe an, die Notwendigkeit seines Sterbens begreifen zu können. Denn nur so wird er viel Frucht / die Gemeinschaft aller bringen. Auch im Schlussteil der Abschiedsgespräche unterstreicht Jesus, dass seine Stunde bereits da ist (vor allem in Joh 16,32). Auf diese Stunde weist auch „die Stunde der gebärenden Frau“ in der Parabel in Joh 16,21 hin. Wenn die Parabel vom Weizenkorn das notwendige und fruchtbringende Sterben Jesu verdeutlicht, so weist die Parabel in Joh 16,21 vor allem auf das Wiedersehen mit dem Auferstandenen und auf die österliche Freude, die alle Bedrängnisse und allen Kummer der Jünger / innen Jesu übersteigen wird, hin. Vom sterbenden Weizenkorn und von der gebärenden Frau können die Jünger / innen Jesu Orientierungshilfe und Hoffnung in der Stunde Jesu finden – in der Stunde, die auch ihnen mit Schmerzen / Kummer / Bedrängnis begegnet. Die Parabel von der gebärenden Frau mit ihrem Kontext lädt auch die heutigen Leser / innen in der nachösterlichen Zeit ein, sich der bleibenden Freude, die durch das Kommen Jesu, des Auferstandenen, in dieser Welt da ist, bewusst zu sein und sich in dieser Freude mitzufreuen.122
6. Schlussfolgerungen und Ausblick In diesem Beitrag wurde der Frage nach Gleichnissen im Johannesevangelium nachgegangen – einer Frage, der man schon seit Jahrzehnten vor allem unter dem starken Einfluss von A. Jülicher und der Prämisse, Gleichnisse seien nur den synoptischen Evangelien zuzuordnen, lieber ausweicht bzw. mit Vorbehalten begegnet. Ein Blick in die Forschungsgeschichte zeigt jedoch, dass gegenüber diesem Strom manche Forscher schon längst auf den johanneischen -Begriff aufmerksam geworden sind. Sie haben die Frage nach den Gleichnissen aus dem vielfältigen und komplexen Netzwerk der johanneischen Bildsprache nicht ausgeschlossen. So ist in einigen Werken zum Johannesevangelium (auch bereits aus der Zeit vor A. Jülicher) von Gleichnissen Jesu als einer Selbstverständlichkeit die Rede. Es finden sich auch verschiedene Auflistungen der johanneischen Gleichnisse. Der Frage nach Gleichnissen Jesu im Johannesevangelium geht die Frage nach dem, was überhaupt ein Gleichnis ist, voraus. So nehme ich in dieser Arbeit die Gleichnis / Parabel-Kriterien unter die Lupe. Auf der einen Seite werden aufgrund des starken Einflusses die noch immer dominierenden Kriterien von A. Jülicher analysiert. Auf der anderen Seite werden die aus den modernen Literaturwissenschaften stammenden Kriterien von R. Zymner, die von R. Zimmermann auf die biblischen Texte übertragen worden sind, 122 Weitere kontextuelle Bezüge von Joh 16,21 (z.B. zum Thema „Geburt“, „Frau“ und zur „Mutter Jesu“) siehe bei Hartenstein, Aus Schmerz wird Freude (s. Anm. 119), 844–847.
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untersucht. Die Gleichniskriterien Jülichers scheitern beim Johannesevangelium, denn er setzt den Hauptakzent in seiner Suche nach den Gleichnissen auf die ureigenen Worte (ipsissima vox) Jesu. Es ist für ihn nicht möglich einen Text, der aus der „theologischen Reflexion“ des Evangelisten stammt, mit der Gattung „Gleichnis“ zu verbinden. Demzufolge lehnt er die Gleichnisse im Johannesevangelium entschieden ab, auch wenn er in seiner Hermeneutik in dieser Frage an einigen Stellen nicht eindeutig ist. Seine Arbeit hält die johanneische Gleichnisforschung Jahrzehnte zurück. Denn seit A. Jülicher werden die Gleichnisse Jesu hauptsächlich nur den synoptischen Evangelien zugeschrieben und demzufolge die entsprechenden johanneischen Texte nur an den synoptischen Gleichnistexten gemessen, aber kaum noch selbstständig in der Gleichnisfrage analysiert. Völlig andere Ergebnisse bringen die Gleichnis / Parabel-Kriterien der modernen Literaturwissenschaften für die biblische Gleichnisforschung. Ein Gleichnis- / Parabeltext wird durch ein Merkmalbündel erkannt. Er ist narrativ, fiktional, realistisch, metaphorisch, appellativ-deutungsaktiv und kontextbezogen. Mit Hilfe dieses feinen literaturwissenschaftlichen Instrumentariums, das A. Jülicher noch nicht zur Verfügung hatte, lassen sich die Gleichnisse Jesu sowohl in den synoptischen Evangelien als auch im Johannesevangelium in all ihrer Vielfalt erkennen. Nach diesen Kriterien werden die johanneischen Gleichnisse Jesu zuerst für sich analysiert. Ein erstes Ergebnis dieser Analyse ist die Auflistung der johanneischen Gleichnisse / Paroimiai / Parabeln. Ein zweites Ergebnis ist das veränderte Verhältnis zwischen den synoptischen und johanneischen Gleichnissen. Die synoptischen Gleichnisse finden sich nicht mehr a priori als Maßstab für die johanneischen Gleichnisse. Die Besonderheiten der johanneischen Texte werden auch nicht mehr als Defizit abgewertet. Das gleichwertige Nebeneinander (und nicht das abhängige Voneinander) von den synoptischen und den johanneischen Gleichnissen bestätigen ferner auch die etymologische wie auch die traditionsgeschichtliche Analyse des johanneischen Begriffs und des synpotischen Begriffes (z.B. die Übersetzung des hebr. Begriffs mit beiden Begriffen und in der Septuaginta [LXX]). Ein drittes Ergebnis ist die Aufwertung des johanneischen Begriffs und die Anerkennung seiner doppelten Funktion im Johannesevangelium. Mit kann ein johanneisches Gleichnis / Parabel bezeichnet werden (z.B. Joh 10,1–5 bekommt diese Bezeichnung in Joh 10,6). kann aber auch als „Art des Redens Jesu“ in seiner hermeneutischen Funktion gesehen werden (vgl. Joh 16,25). Der johanneische Jesus bietet in Joh 16,25 eine Kurzhermeneutik der johanneischen Paroimiai. An drei Texten ist eine konkrete Anwendung der Gleichnis / Parabel-Kriterien (R. Zymner / R. Zimmermann) in diesem Beitrag exemplarisch umgesetzt. Die johanneischen Paroimiai / Gleichnisse / Parabeln gehören zum Netzwerk der johanneischen Bildsprache. Sie sind eine Art der Verkündigung
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des johanneischen Jesus, mit der er seine Adressaten und auch die Leser / innen des Johannesevangeliums zu einem tieferen Verständnis seiner Person und durch sie zum Vater führt. Auf einer theologischen Ebene bilden diese Parabeln ein Netzwerk von Christologie, Theologie, Soteriologie und Anthropologie. Sie sind Zeichen und leuchtende Begleiterinnen für Menschen entlang des Weges zur Stunde Jesu hin, zur Stunde des offenen Redens, zur Stunde, die Schmerzen / Kummer / Bedrängnis Jesu und der Seinen und aller an Jesus Glaubenden in die bleibende österliche Freude und in Fülle des Lebens mit Jesus und dem Vater verwandelt.
in Hebrews Clare K. Rothschild I. Introduction The word, occurs twice in Hebrews at 9:9 and 11:19.1 In both cases it does not refer to a narrative with a comparative intention as in 1 See F. Hauck, “ ,” TDNT 5 (1967): 744–761. Books and articles of direct importance include: H.W. Attridge, “The Uses of Antithesis in Hebrews 8–10,” HTR 79 (1986): 1–9; J.M. Boyer, “Las Variantes Mellonton y Genomenon en Heb 9:11,” Bib 32 (1951): 232–236; O. Hofius, “Das ‘erste’ und das ‘zweite’ Zelt: Ein Beitrag zur Auslegung von Hbr 9:1–10,” ZNW (1970): 271–277; W.G. Johnsson, “The Cultus of Hebrews in Twentieth-Century Scholarship,” ExpTim 89 (1977–1978): 104–108; C. Koester, The Dwelling of God: The Tabernacle in the Old Testament, Intertestamental Jewish Literature and the New Testament (CBQMS 22; Washington, D.C. 1989); J.P. Michaud, “‘Parabolê’ dans l’Epitre aux Hebreux et typologie,” Semiotique et Bible 46 (1987): 19–34; A.P. Salom, “Ta Hagia in the Epistle to the Hebrews,” AUSS 5 (1967): 59–70; St. Stanley, “Hebrews 9:6–10: The ‘Parable’ of the Tabernacle,” NovT 37 (1995): 385–399; J. Swetnam, “On the Imagery and Significance of Heb 9:9–10,” CBQ 28 (1966): 115–173; idem, “Hebrews 9,2 and the Uses of Consistency,” CBQ 32 (1970): 205–221; idem, “‘The Greater and More Perfect Tent.’ A Contribution to the Discussion of Heb 9:11,” Bib 47 (1966): 91–106; F.C. Synge, Hebrews and the Scriptures (London 1959); J. Thompson, “Hebrews 9 and Hellenistic Concepts of Sacrifice,” JBL 98 (1979): 567–578; A. Vanhoye, “‘Par la Tente plus Grand et plus Parfait’ [Heb 9:11],” Bib 46 (1965): 1–28; N.H. Young, “The Gospel according to Hebrews 9,” NTS 27 (1981): 198–210. Commentaries consulted: H.W. Attridge, The Epistle to the Hebrews (Hermeneia; Philadelphia 1989); H. Braun, An die Hebräer (HNT 14; Tübingen 1984); F.F. Bruce, The Epistle to the Hebrews (NIC; Grand Rapids 21990); G.W. Buchanan, To the Hebrews (AB; Garden City, N.Y. 31980); P. Ellingworth, The Epistle to the Hebrews (NIGTC; Grand Rapids, Mich. 1993); E. Grässer, An die Hebräer (EKK XVII/1–3; Neukirchen-Vluyn 1990/1993/1997); H. Hegermann, Der Brief an die Hebräer (ThHK 16; Berlin 1988); L.D. Hurst, The Epistle to the Hebrews: Its Background of Thought (SNTSMS 65; Cambridge 1990); L.T. Johnson, Hebrews (Louisville and London 2006); C. Koester, Hebrews (AB 36; New York 2001); W.L. Lane, Hebrews (WBC 47 a–b; Waco, Tex. 1991); O. Michel, Der Brief an die Hebräer (Göttingen 1936); A.C. Mitchell, Hebrews (SP 13; Collegeville, Minn. 2007); J. Moffatt, The Epistle to the Hebrews (ICC; Edinburgh 1979); H.W. Montefiore, A Commentary on the Epistle to the Hebrews (BNTC; London 1964); A. Strobel, Der Brief an die Hebräer (NTD 9; Göttingen 41991); H.F. Weiss, Der Brief an die Hebräer (KEK 13; Göttingen 1991); B.F. Westcott, The Epistle to the Hebrews (London and New York 21892); H. Windisch, Der Hebräerbrief (HNT 14; Tübingen 2 1931). Monographs consulted include: E. Käsemann, The Wandering People of God (Minneapolis 1984); W. Loader, Sohn und Hoherpriester: Eine traditionsgeschichtliche Untersuchung zur Christologie des Hebräerbriefes (WMANT 53; Neukirchen-Vluyn 1981); M. Rissi, Die Theologie des Hebräerbriefes (WUNT 41; Tübingen 1987); G. Theißen, Untersuchungen zum Hebräerbrief (SNT 2; Gütersloh, 1969); A. Vanhoye, Structure and Message of the Epistle to the Hebrews (Rome 1989).
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many of the parables of Jesus (e.g., Mark 4:2), but to a comparison itself.2 Although more than one syntactical ambiguity obstructs a clear reading of the passage,3 in Heb 9:9, the Day of Atonement (Lev 16:29–34) in particular and the entire Jewish cultic system in general are, in some way, construed as the subject of a comparison, designated . In Heb 11:19, the most likely interpretation is that Abraham’s reception of his son “back” from sacrifice (Gen 22:1–19) is the subject of comparison referred to as . In commentaries the two passages are given separate treatment with only passing reference to a connection between the two occurrences of the term. In contrast, the present essay attempts to show that such cursory attention to the relationship of the only two occurrences of in Hebrews radically understates their significance. The passages are not just related, but each emblematic of a central point of the text, namely, that the Hebrew scriptures offer a shadowy portent of the heavenly reality perceptible through faith to Christians living in the last days. Furthermore, although the occurrences of this lexical item and others, such as (Heb 3:3; 7:20; 9:27), play an important role in developing this point in Hebrews, the pervasiveness of the general concept should not be confined to any single or handful of Greek words or expressions. Studies restricting themselves to any single lexeme miss this point. In Hebrews illustrative analogies in which the subject of comparison found in the Jewish scriptures is shown to be inferior to the Christian object of comparison is a creative manifestation of the a fortiori argument observable widely throughout the text.4 The structure of this essay is as follows. The argument is divided into two parts. First, it summarizes positions on the issues presented by the two occurrences of in Hebrews, offering an exegetical overview that highlights grammatical ambiguities. Second, it attempts to demonstrate how the two occurrences of in Hebrews are not only related to each other but integral to the above-mentioned recognized aim of this text.
II. Parable in Hebrews 9:6–10 Although often translated as a few separate sentences in English, in Greek Heb 9:9 is only one phrase in a long sentence extending from v. 6 to v. 10. 2 The term is very broadly construed in classical antiquity. See Arist., Rhet. 2.20; Demetr. Eloc. 89; Tryph. Trop. 2.5; Quint., Inst. 5.11.22–24; [Ammon.] Diff. 374; Iul. Rufin. 22. Cf. et al. 3 N.B. Luke Timothy Johnson’s comment on Heb 9:6–10: “This seems, in general, what the passage means. The devil, however, is in the details” (Hebrews [n. 1], 225). 4 E.g., 1:4. Cf. numerous occurrences of in Heb 1:4; 6:9; 7:7, 19, 22; 8:6; 9:23; 10:34; 11:16, 35, 40; 12:24. Cf. also in Heb 2:9. Such arguments can be found in both Greek rhetoric (Arist., Rhet. 2.23; Cicero, De or. 2.40, 170) as well as rabbinic exegesis. Philo uses it (Sobr. 3; Her. 88). See Attridge, Hebrews (n. 1), 47.
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The following provisional translation will suffice as a launching point for our discussion: 6Such preparation having been made, the priests, on one hand, continually enter into the first tent to carry out their ritual duties, 7but, on the other hand, only the high priest enters into the second [tent] once a year, [and] not without blood which he offers on behalf of himself and the unintentional sins of the people. 8In this manner, the Holy Spirit indicates ( ) that the way [i.e., entrance] into the sanctuary [i.e., second tent] has not yet been revealed as long as the first tent still has standing ( ). 9This is a parable of the present time ( ), during which gifts and sacrifices are offered that cannot perfect the conscience of the worshiper ( ),5 10[dealing] only with food and drink and a variety of baptisms, regulations for the flesh laid down until the time to set things right ( , ).
On most readings, in vv. 6–10, is connected back, through the relative pronoun , to the antecedent, of v. 8. Simultaneously, it is connected forward, to the object of comparison, . The result is the following overall meaning of the phrase: “[the first tent] is a parable of the present time.”6 Scholars, however, rightly de5 Cf. Heb 8:5; 9:14; 10:2; 12:28; and, 13:10. In Hebrews, the substantive may refer to ancient Levites (9:14; 10:2) or contemporary Christians (8:14; 12:28). Heb 13:10 may mix the two referents, that is, the Levites worshiping in the tabernacle act as a metaphor for contemporary Christian opponents. 6 B.F. Westcott (1892) does not specify a technical meaning for parable, simply reading it as indicating a comparison (The Epistle to the Hebrews [London et al. 1892], 252–253). H.W. Montefiore (1964) also endorses present versus future model, stating: “It will not be until the full establishment of the world to come that the way to God will be absolutely open. Of course it has been opened already through the sacrifice that Jesus has offered. But his sacrifice belongs properly not to this present time but to the ‘world to come’: and the accomplishment of Jesus’ sacrifice is in itself a proof that the ‘world to come’ has already broken into this present time (cf. Gal. i.4). The cultus of the earthly sanctuary is therefore a symbol of human existence under the old covenant which has ‘nearly disappeared’ (viii.13), but which still exists at the present time when this Epistle was written, even if it was antiquated and out of date. It is symbolic (or as we might say, ‘typical’) because it entails the offering of gifts and sacrifices which could not give the worshipper a perfectly clear conscience” (A Commentary on the Epistle to the Hebrews [n. 1], 149). G.W. Buchanan (1972) points out that the present versus future model leads to difficulties in ascertaining exactly what is criticized in the present. As a criticism of Jews of the day, ‘food and drink and various baptisms’ suggests to Buchanan a group of legalists (To the Hebrews [n. 1], 145–146). Craig Koester (2001) argues: “The first tent is a symbol for ‘the present time,’ which is associated with Jewish regulations (9:9)” (Hebrews [n. 1], 398). According to Koester, present time is either: (1) time then present when the Tabernacle existed or (2) author’s own time. If (2), then (a) present time is further clarified as time in which first covenant’s regulations are in force as opposed to future age of redemption. H. Attridge, P. Ellingworth and others take present time as synonymous with “the time of restoration” (v. 10). Koester advocates a mediating position in which the times overlap offering Paul as example (Hebrews [n. 1], 398.): “Listeners had already experienced ‘the powers of the age to come’ (6:5), but had not yet received their inheritance in the world to come (1:14; 2:5). The new covenant had been inaugurated, but the old had not yet vanished (8:13). The tension
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bate both sides of the parable’s comparison. With regard to the subject, it is not certain to what refers. The options put forward for its referent are: (1) the first / outer portion of the ; (2) its entirety; or (3) the circumstances produced by its divisions in general.7 Most today agree it refers to the outer portion of the tabernacle and the circumstances it produces, namely an impasse to the inner portion.8 On this basis it is frequently concluded that, rather than a mechanism for accomplishing atonement,9 Hebrews views this crucial apparatus of the levitical system as an impediment to the process. Another possibility, however, is that the antecedent of is , meaning “ordinance” or “decree.”10 This antecedent results in the following English translation: “The holy spirit indicates this, that the entrance to the inner sanctuary has not yet been revealed while the first tent still has status11 as a decree,12 which is a parable of the present time in accordance with which [decree] gifts and sacrifices are offered which cannot perfect the 13 conscience of the worshiper.” This meaning of is attested in Dan 6:8 (LXX) in which the king is asked by prefects, satraps, counselors and governors to establish an “ordinance,” mandating: “Whoever prays to anyone, divine or human, for thirty days, except to you, O king, shall be thrown into a den of lions” (NRSV). It is likewise attested in 1 Macc 7:18 as a reference to the peace agreement violated by Alcimus and Bacchides that results in the murder of sixty Hasideans in a single day. Both passages reflect contexts of Jewish persecution. is similar to that depicted by Paul, who could speak, of the ‘the present evil age’ (Gal 1:4) even though ‘the fullness of time’ had come, bringing liberation (Gal 4:4).” No one, to my knowledge, takes “the present time” as the author’s own time, speaking to Christians, not other Jews, and offering an alternative position on Christian, possibly Pauline, worship practices. 7 In this case the gender of the relative pronoun is understood as influenced by that of . E.g., Montefiore, The Epistle to the Hebrews (n. 1), 149; Michel, Der Brief an die Hebräer (n. 1), 307; Bruce, The Epistle to the Hebrews (n. 1), 195 n. 60; Loader, Sohn und Hoherpriester (n. 1), 164. 8 E.g., Koester, Hebrews (n. 1), 398; Lane, Hebrews 9–13 (n. 1), 223; Attridge, Hebrews (n. 1), 241. The first tent is a parable or analogy for the current situation (so Buchanan, To the Hebrews [n. 1], 145). 9 Lev 16:16 (LXX): . 10 On reading a draft of this essay, Robert Matthew Calhoun brought forward this possibility. 11 I.e., “keeps up,” “maintains,” “is,” perhaps even, “fulfills.” See LSJ, 749–750; BAGD, 332–334. According to James Moffatt, “the writer has chosen for the sake of assonance with , but is a good Greek phrase for ‘to be in existence’” (The Epistle to the Hebrews [n. 1], 118). 12 Or possibly: “is a decree” (BAGD, 334). 13 The more prevalent use of in the LXX refers to the foundations of a building (2 Chr 23:13; Neh 8:7; Dan 10:11). A play on meanings: “decree” concerning a “building” (i.e., tabernacle) may be intended. is not synonymous with law, rather the law prescribes cult in its issuance of “decrees.”
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Commentators rather interpret as “has standing” on parallels with, for example, Polybius, Histories 5.5.3, Epictetus, Diss. 1.21.1 and Plutarch, Quaest. conv. 8.9.1. However, both the author’s predilection for the LXX and prior reference to two scriptural passages as spoken by the holy spirit (Heb 3:7 [Ps 95:7–11] and Heb 10:15 [Jer 31:33]) suggest that the antecedent of is , that is, the status as law or legal ‘standing’ of the parts of scripture under discussion.14 The legal overtones of and in v. 10 strongly suggest such a reading.15 of vv. 1 and 10 provides a synonym.16 This interpretation would be, then, closely related to Heb 7:19 in which the law is specifically denoted as unable to perfect ( ).17 Furthermore, Heb 10:1 summarizes the point of 9:10, specifying as the law or decree that, as parable, is unable to perfect: “Since the law has only a shadow of the good things to come and not the true form of these realities, it can never, by the same sacrifices that are continually offered year after year, make perfect those who approach.” Heb 10:1 suggests the meaning of allegory for parable, that is, temporary delusion experienced by a reader or listener before a secondary, less immediately apparent, but truer meaning is perceived (Arist. Rhet. 3.11.6–10).18 In the specific case of Heb 9:9, Lev 16:29–34 is the ; that is, in order to apprehend its true (i.e., ‘Christian’) meaning, this passage must be read figuratively. Such a use of possesses striking resemblance to Paul’s assertion in 1 Cor 10:11: “These things happened to them to serve as an example ( ), and they were written down to instruct us, on whom the ends of the ages have come.”19 John Chrysostom made this connection.20 Hebrews also expresses belief in such a decontextualized, contemporary relevance of the Jewish scriptures in the following hortatory passages: Heb 3:6, 13–15; 4:3, 7, 11, 13; 12:5–7. 14 For related interpretations, see P.E. Hughes, A Commentary on the Epistle to the Hebrews (Grand Rapids, Mich. 1977); Lane, Hebrews 9–13 (n. 1), 223 and “Note t,” 216. Lane draws a connection between in Heb 9:8 and in Heb 10:9. I agree. Both “abrogate” and “establish” in v. 9 possess legal implications, following from in v. 8. H. Attridge comments, “In commenting on the two principles opposed in the citation, our author again reverts to technical legal terminology for laws and testaments. The text indicates that the speaker with his critical remarks ‘annuls’ ( ) the ‘first’ or former set of cultic principles summarized in vs 8. He does so in order to ‘establish’ ( ) the second principle of obedience to God’s will” (Hebrews [n. 1], 275–276). 15 Cf. Acts 15:10. See Attridge, Hebrews (n. 1), 242–243. 16 N.B. parallelism: [ ] (Heb 9:1) and (Heb 9:8), that is, “the first covenant had regulations” (Heb 9:1) and “the first tabernacle has legal status” (Heb 9:1). : of law, generally, in Num 15:16; 1 Macc 2:21; and Philo, Det. 67–68. 17 This verse represents the second most recent occurrence of the verb prior to 9:10. Cf. also 7:28. 18 For Hebrews, this delusion is combated by faith. 19 This important Pauline passage is addressed at greater length below. 20 Hom. Heb. XV (Heb 9:9).
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The object of the comparison further complicates interpretation. “The present time” ( ) most likely refers to the author’s own time.21 A difficulty arises, however, concerning the relationship of “the present time” and “the time of correction” ( ) in v. 10.22 Some scholars assume that the “time of correction” is the second of the two ages of apocalyptic Judaism, the first being “the present.”23 Such an interpretation judges the present with disapproval. Harold Attridge rejects this reading insisting that, in light of Christ’s sacrifice, “the present” cannot be so negatively valued. “Nothing,” Attridge writes, “could be further from our author’s perspective than to see the present time in such a negative light.”24 However, the two other occurrences of in Hebrews, although different in meaning, too possess negative connotations (Heb 11:11 [old age], 15 [missed opportunity]). Furthermore, all of the other NT occurrences of possess negative connotations: Rom 8:38; 1 Cor 3:22, 7:26; Gal 1:4; cf. also 2 Thess 2:12; 2 Tim 3:1.25 Citing Heb 6:5, Paul Ellingworth points out, the author clearly believes that “the powers of the age to come” ( ) are already evident in the present.26 However, the context of Heb 6:5 makes clear that the author harbors strong resentment for contemporaries falling away from belief (Heb 6:6). The prepositional phrase, appears to provide clarification of the meaning of “the present time.” However, the antecedent of the feminine relative pronoun is ambiguous.27 Some accept a referent of ,28 others, , but the likely referent here is also . In this case, the meaning conveyed is: according to the decree, “gifts and sacrifices are offered that cannot perfect the conscience of the worshiper” ( ).29 Granted, “according to the decree” has the same essential meaning as “according to the parable” and even “according to the tent.” Harold Attridge, for example, states, “It is in accordance with its function as parable or image 21 E.g., Westcott, The Epistle to the Hebrews (n. 1), 252; Montefiore, The Epistle to the Hebrews (n. 1), 149; Moffatt, Hebrews (n. 1), 118; Attridge, Hebrews (n. 1), 241; Ellingworth, The Epistle to the Hebrews (n. 1), 440; Koester, Hebrews (n. 1), 398. 22 On the basis of Heb 2:5, 6:5 and 10:1, the author compares “the present time” with the future. Westcott takes the author’s selection of instead of to suggest a present crisis, comparing Rom 3:26, 11:5 and 2 Cor 8:13 (The Epistle to the Hebrews [n. 1], 252–253). 23 E.g., Michel, Der Brief an die Hebräer (n. 1), 307; Buchanan, To the Hebrews (n. 1), 250. 24 Attridge, Hebrews (n. 1), 241. 25 N.B. all texts are by Paul or forged in Paul’s name. 26 Ellingworth, The Epistle to the Hebrews (n. 1), 440. 27 : the preposition may refer to parable or to or (feminine by attraction). 28 In this case “this is a symbol of the present time” is parenthetical. 29 B.F. Westcott comes very close to this idea in his English translation: “While the first tabernacle still has an appointed place answering to a Divine order” (The Epistle to the Hebrews [n. 1], 252).
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that certain types of offerings are made in the .”30 The tent does not have to be a parable in this case for Attridge’s interpretation to work. It is the tent qua tent not qua parable in which certain types of offerings are made. The “parable” is, thus, for Attridge, a synonym for the merely pointing to a qualified parabolic value of, not just the overall entity, but the details of daily tabernacle business. Paul Ellingworth’s summarization here is apt: “In any case, the is secondary to the reality to which it corresponds.”31 Such an interpretation, however, overlooks the prior description of the parable as one . The implications of this phrase on the parable rely on the meaning of the preposition, . Three major options have been put forward for its interpretation: (1) “until”; (2) “throughout, into”; and (3) “according to which.”32 If is a decree, then options one and two attach themselves less well than option three. Option three indicates the content of the : “it is a decree according to which gift and sacrifices are offered.” The temporal content of the phrase should not inadvertently influence the meaning of the preposition over the subject of that phrase. If, as scholars agree, indicates a figure, then the preposition is most likely intended to specify the nature of that figure: it is a “parable about.” The feminine relative pronoun probably refers to , which is a about the present. Present tense (passive) of the subsequent verb (v. 9) helps to ensure this intention. Thus, if means “in accordance with the decree,” and the parable’s object is the present time, then implies a shift from the original context of the to the parabolic context, namely, the present. Of interpreters opting for a present Christian (rather than a Jewish) content for this passage, all view a Christian temporal content in a positive light.33 Correspondingly, “gifts and sacrifices unable to perfect” refer to the Jewish law and priesthood in the present, emphasizing not their general ineffectiveness, but their specific inability to “perfect conscience.” This interpretation, however, creates the notorious difficulty of construing regulations regarding ,34 and as contemporary Jewish practices.35 As nearly all commentators acknowledge, 30
Attridge, Hebrews (n. 1), 242; emphasis added. Ellingworth, The Epistle to the Hebrews (n. 1), 440. 32 Ellingworth, The Epistle to the Hebrews (n. 1), 440. 33 E.g., Moffatt, The Epistle to the Hebrews (n. 1); Montefiore, The Epistle to the Hebrews (n. 1), 118–119; F. Laub, Bekenntnis und Auslegung: Die paränetische Funktion der Christologie im Hebräerbrief (Regensburg 1980), 193–195; Attridge, Hebrews (n. 1), 241. 34 The only other NT reference to is 1 Cor 10:4, a passage in Paul’s warnings from Israel’s history. Here Paul claims that the Israelites wandering in the desert not only eat of a spiritual food, but drink from a spiritual rock that is Christ. 35 G.W. Buchanan’s explanation of the difficulty of understanding this phrase as a reference to Jewish customs is worth citing in full: “The liturgical situation of that time seemed analo31
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, in particular, strains this interpretation. Although numerous Jewish statutes for purity mention food,36 regulations about drink are rare.37 In contrast, discussions concerning both food and drink are widely attested in early Christianity.38 Of surpassing importance in this regard is, however, that in Heb 13:9 the author explicitly condemns Christian practice of food regulations as (“diverse and strange teachings”) without benefit for participants. The only circumstances under which Christians are said to “eat” in Hebrews is from , that is, the sacrificial death of Christ (13:10).39 Furthermore, “baptism” is rarely used outside of the Christian context to refer to ablutions as a religious rite. As Joan Taylor points out, in the Bellum and the Antiquitates, Josephus uses the verb, only in the sense of drowning, as in the example of Herod’s agents who “baptize” the last Hasmonean priest, Aristobulus III (B.J. 1.437; Ant. 15.15).40 The only other gous to the first tent which stood in the way and obstructed the view. This was ‘not able to perfect’ the worshiper’s ‘conscience,’ perhaps because the worshiper went away doubting or wondering whether his gift had really been offered and his sin removed. He was left either to trust where he could not see or to have an imperfected ‘conscience.’ If he had no confidence in the priesthood or the efficacy of their sacrifice, he had to rely on the rules that laymen could observe: dietary laws, fast, and levitical ablutions. This explanation would make rather good sense if the author had not spoken about ‘drinks’ as well as about ‘foods and various ablutions.’ There are no general rules in the Pentateuch concerning the drinking of intoxicating liquors or prohibition of drinking any other kind of liquids, that would affect the average layman. Priests refrain from drinking alcoholic beverages as part of the fast on the Day of Atonement (Mos. II.24). There are regulations of priests (Lev 10:9) that prohibit their use of wine or strong drink while they functioned at the tent of meeting, and there are prohibitions against the Nazirite’s drinking any kind of juice from grapes. This kind of regulation would apply only to a group of priests who were disgruntled with the administration of the temple in Jerusalem or to some very rigorous group of legalists like the ‘mourners for Zion’ who were sometimes, if not always, under Nazirite vows. The other possibility is that it referred to the fasting and purification associated with the Day of Atonement, i.e. part of the service in which the laymen could participate” (To the Hebrews [n. 1], 145). 36 Ep. Arist. 128, 142, 158, 162. 37 Cf. Lev 11:33–34 on drinking vessels. H. Attridge dispenses with the difficulty explaining: “No special significance can be attached to the term, since Jewish apologetic literature was accustomed to explaining the concern of Mosaic laws with ‘foods and drinks.’” However, literary parallels adduced by Attridge are confined to the Epistle of Aristeas (Hebrews [n. 1], 243). See n. 31 above. 38 E.g., Matt 6:25, 31; 11:18, 19; 20:22, 23; 24:38, 49; 26:27, 29, 42; 27:34; Mark 2:16; 7:1–23; 10:38, 39; 14:23, 25; 15:23; 16:18; Luke 1:15; 5:30, 33, 39; 7:33, 34; 10:7; 12:19, 29, 45; 13:26; 17:8, 27, 28; 22:18, 30; John 4:7, 8, 10, 12, 13, 14; 6:53, 54, 56; 7:37; 18:11; Acts 9:9; 15:22–29; 23:12, 21; Rom 14:17, 21; 1 Cor 8:1–13; 9:4; 10:4, 7, 21, 31; 11:17–34; 15:32; Gal 2:11–14; Rev 14:10; 16:6; 18:3; Did. 9:5; 10:3. Interestingly the only other occurrence of in the NT is found in 1 Cor 10:4, Paul’s discussion of the Israelites in the wilderness: “They drank from the spiritual rock that followed them and the rock was Christ.” Here it is a probable reference to the Eucharist. 39 N.B. although in chapter 7 Hebrews makes extensive use of Gen 14:17–24 (LXX), it omits mention of Melchizedek’s bread and wine offering ( , v. 18). 40 J.E. Taylor, The Immerser: John the Baptist within Second Temple Judaism (Grand Rapids, Mich. 1997), 49–50.
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occurrence of “baptism” in Hebrews is 6:2, a sure reference to a Christian rite. Although Attridge claims that the author’s reference to these rites as “for the flesh” reflects levitical practices41 (cf. Heb 7:16: priesthood, “not through a legal requirement concerning physical descent [ ]),” on a few occasions in Hebrews the noun, appears without such a reference (e.g., Heb 5:7 [Jesus]; Heb 10:20 [Jesus]; and Heb 12:9 [“parents according to the flesh”]). Only in Heb 9:13 is levitical practice clear. The criticism of reliance on Christian rituals (Eucharist and baptism) is implicit by virtue of their similarity to levitical custom. In addition, the reference to conscience, a concept with strong Pauline connections,42 is anachronistic in pre-Hellenistic Jewish milieux.43 As the author of Hebrews is surely aware, ancient levitical sacrifices were never intended to perfect the conscience of worshipers. Thus, if v. 10 indicates an interpretation of the Mosaic tabernacle as parable in the present time, then, short of an unsupported shift back to the time of the tabernacle, these futile offerings of food, drink and baptismal rites seem as likely to be Christian practices that, in this author’s mind, imitate the offerings of the outer tent of the Mosaic tabernacle as Jewish ones. As Christian practices they are not simply naïve, but abhorrent in that they disregard the once-for-all sacrifice made by Christ for the purification of conscience.44 “The present time” is, thus, synonymous with “the time of correction” (v. 10), insofar as practitioners of early Christianity heed the “correction” by demonstrating ability and willingness to forego offerings of the externally-oriented type in favor of more perfect conscience-purifying worship of the exalted Christ. The author’s contemporaries persisting in rites of food, drink and baptism of the ineffective, type, either overlook or deny that such regulations for the “flesh” were only imposed until the time when Christ came to set things right.45 The “first tent” then does not refer to the entire tabernacle, nor does it refer to the circumstances surrounding the entire tabernacle. Rather it refers to the decree as parable, that is, as a representation of certain objectionable early Christian habits of worship. Evidently, some contemporary Christians persist in gifts and sacrifices neglecting that Jesus entered the inner portion of the heavenly sanctuary once and for all negating
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Attridge, Hebrews (n. 1), 242. Rom 2:15; 13:5; 1 Cor 4:4; 8:7, 10, 12; 10:25–28; 2 Cor 1:2; 4:2; 5:11. 43 See Chr. Maurer, “ , ,” TDNT 7 (1971): 898–919; C.A. Pierce, Conscience in the New Testament (SBT 1,15; London and Chicago 1955). 44 James Moffatt, thinking of levitical sacrifices, comments about the phrase: : “a striking phrase (cp. 13:9) of scorn” (The Epistle to the Hebrews [n. 1], 118). In a note, H. Attridge refers to vaguely as: “another disparaging reference to some sort of Jewish traditions” (Hebrews [n. 1], 243 n. 156). 45 E. Schweizer, “ , .,” TDNT 7 (1971): 101–102; only other NT occurrences in Paul (Rom 7:14; 1 Cor 3:1; and 2 Cor 3:3). 42
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all future need of such forms of worship.46 In the , continuous, as opposed to once-for-all sacrifices occurred. Thus Christians indulging in sacrificial rites indulge in something perpetual that Christ’s once-for-all sacrifice rendered moot. This contemporary relevance of the passage is not only prefigured in v. 8 in which the Holy Spirit’s signifying suggests a present relevance of the scriptures,47 but also makes sense of the conjunction in v. 11, indicating a rereading of “the present time.” Both present times (vv. 9–10 and vv. 11–14) explain Christian cult, the former, as in error, the latter, correctly. It is perhaps relevant that the former reflects practices strenuously promoted by Paul’s letters.48 On a final point, the “dead works” ( ) of v. 14 are the same acts from which listeners are called to repent in Heb 6:1 (cf. ),49 as noted above, a passage in which Hebrews is critical of a group of unspecified Christian contemporaries. To sum up, according to Heb 9:9–10, Christian gifts and sacrifices, such as food, drink and various baptismal regulations currently being offered, are as equally unable as any sacrifice in the outer tent of the Mosaic tabernacle to perfect worshipers (cf. also 7:11). Probably similar to Heb 6:1–2, this passage reflects a critique of unstipulated, perhaps elementary-level, Christian teachings.50 Having made its point negatively (“gifts and sacrifices cannot perfect …”), in vv. 11–14 Hebrews then presents a positive case. In what A. Van Hoye views as the heart of Hebrews, the message is clear: “When Christ came … he entered once for all into the Holy Place, not with the blood of goats and calves, but with his own blood, thus obtaining eternal redemption” (Heb 9:11–12).51 Unlike other interpretations of the section, the present proposal concerning Heb 9:1–12 offers a simple, balanced comparison.52 Heb 9:1–8 describes the past: the outer and inner tent of the Mosaic tabernacle, whereas vv. 9–14 describes the present: the outer and inner tent-like practices of the author’s contemporaries.53 V. 9 a provides the hinge in which the former (vv. 1–8) are 46
Contrast critique in Heb 8:5. So Attridge, Hebrews (n. 1), 240. 48 Esp. e.g., Rom 14:13–23; 1 Cor 10:14–22, 23–33;11:17–34; Gal 2:11–14. 49 Attridge, Hebrews (n. 1), 252. 50 With regard to attempts to separate “the present time” and the “time of restoration,” Attridge rightly points out that “nothing could be further from our author’s perspective than to see the present time in such a negative light” (Hebrews [n. 1], 241). That the present is a positive era does not, however, rule out that certain apostate Christians fail to appreciate it as such. 51 A. Vanhoye, Structure and Message of the Epistle to the Hebrews (SubBi 12; Rome 1989), 33–36, 40a–b. This publication is based on the two earlier booklets: A. Vanhoye, Le message de l’épître aux Hébreux (CaE 19; Paris 1977) and A. Vanhoye S. J., A Structured Translation of the Epistle to the Hebrews (Rome 1964), both translated by James Swetnam, S.J. 52 See Stanley, “Hebrews 9:6–10: The ‘Parable’ of the Tabernacle” (n. 1), 385–399, esp. 398. Cf. also Vanhoye, Structure and Message of the Epistle to the Hebrews (n. 51), 39. 53 H. Attridge’s structural outline reflects the difference of only two verses (i.e., vv. 9, 10): Heb 9:1–10 = “The old, earthly sacrifice” and Heb 9:11–14 = “The new, heavenly sacrifice” 47
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qualified as a parable in the present, that is, the former provide a pattern or shadow of the truly efficacious latter on view now in these the last days. The parable has two components on both the Israelite and Christian sides. The Mosaic Tabernacle’s outer tent with its regular sacrifices is a parable for early Christian practices of regular food, drink and baptismal rites. The Mosaic Tabernacle’s inner tent or Holy of Holies with its annual sacrifice by the High Priest is a parable for the once-for-all sacrifice made by Christ as High Priest. The outer tent is an analogy for contemporary practices he wishes to abolish and the inner tent is an analogy for Christ’s once-for-all sacrifice perfecting consciences that initiated this corrective shift. The only difference is that the High Priest’s annual entrance into the Holy of Holies perpetuated the levitical system, whereas Christ’s once-for-all entrance into heaven halted any future need for the system (10:1–3). If the author’s intended listeners would recognize this difference they would bring a halt to their misguided prolongation of the levitical system, referred to as regulations about eating, drinking and baptism. The author never suggests that the sacrifices of the Mosaic tabernacle were not effective. On the contrary in 10:13 we find a guarantee that these sacrifices were effective, until the once-for-all cleansing of conscience accomplished by Christ’s self-sacrifice in heaven made them moot. The author’s conviction of the impossibility of a second repentance probably drove this interpretation.54 That human beings only die one time was a point the author thought his listeners would not feel at liberty to deny. This certitude, then, was easily converted into the argument that, if he could not die twice, Christ could not reenter heaven with a sacrifice to cleanse the conscience of human beings a second time because he cannot give his life a second time. Christians, therefore, must not put themselves in a situation to require such an absurd, second total absolution of conscience. Interestingly, perhaps, in Heb 6 the author’s point concerning the impossibility of second repentance (cf. Heb 6:18; 10:4; 11:6) is conveyed by a parable.55 Although not referred to as a , this illustration in which good soil that absorbs ( , “drinks”) the rain well should bear edible vegetation not thorns, illustrates the point made in 6:4 that it is impossible to restore to repentance a person who, having been enlightened, falls away. The one occurrence of a narrative with comparative intention in Hebrews stands out as not attracting the designation .
(Hebrews [n. 1], 19). The present proposal emphasizes a literary inclusio between vv. 1 and 14, focusing on the word, / over, although without entirely denying, one between vv. 1 and 10 focusing on . 54 See H. Löhr, Umkehr und Sünde im Hebräerbrief (BZNW 73; Berlin and New York 1994). 55 E.g., Mark 4:3–9; Matt 13:1–9, 24–30; Luke 8:48; cf. also 1 Cor 3:5–9.
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III. Parable in Hebrews 11:17–19 A segment from the catalogue of the faithful in Hebrews 11, most commentators agree that Heb 11:17–19 refers not to the birth but the sacrifice of Isaac.56 By faith Abraham, being tested, brought Isaac and offered his only child–[Abraham, the one] who had received the promises, [and] to whom it was said, “through Isaac descendants shall be named for you,” reasoning that God is even able to raise from the dead, wherefore he received him [Isaac] back, though in a parable.
A possible logical sequence of the passage is: I. Abraham had faith in God. II. Abraham reasoned ( ), (perhaps on the basis of Isaac’s birth to Abraham in Abraham’s old age [cf. esp. Heb 11:12]), that God raises the dead. III. Abraham, thus, deduced, prior to sacrificing his son, that he would ultimately receive him back.57 Although it is relatively certain that the author attributes to Abraham confidence in God’s ability to raise from the dead, what is parabolic remains unclear.58 suggests either that Isaac’s escape from sacrificial 56 B.F. Westcott prefers Heb 11:19 as a reference, not to Isaac’s deliverance from the altar, but to his birth (cf. Heb 11:11–12). According to Westcott, “It seems to be pointless to complete the description of Abraham’s faith by saying that something really came to pass far less than he was able to look forward to. On the other hand there is great meaning in the clause if it reveals the grounds of the patriarch’s expectation” (The Epistle to the Hebrews [n. 1], 367). In other words, the circumstances of Abraham’s old age (v. 12 ) at the birth of his son, Isaac led Abraham to his conviction that earthly realities are purely figurative, later resulting in his ability to sacrifice his son if called. Westcott writes, “Abraham received the gift of his son [originally, not after the magical appearance of the ram] not literally from the dead [Abraham was himself still alive but very old] but figuratively in such a way that the gift suggested a further lesson” (ibid.). Here Westcott takes with the compound verb, reading not “whence in figure he also received him,” but “whence he also received him in figure” (The Epistle to the Hebrews [n. 1], 366–367.) He also points to the alternate explanations of Chrysostom and Theophylact and recalls Primasius’s solution that “the ram represented the manhood of Christ in which He was not only offered but slain” (ibid.). G.W. Buchanan takes “one who was dead ( )” in v. 12 to refer to Sarah: “Whereas Paul held that Abraham was reckoned righteous because he believed against all odds that Sarah would bear a son (Gal 3:6–19; Rom 4:1–25), others believed that the real basis for his justification was his willingness to offer Isaac (Jas 2:20–22; Sir 44:20; Wis 10:5; Aboth 5:4; 4 Macc 16:18–20)” (To the Hebrews [n. 1], 195–196). 57 , if “receive,” is Isaac’s birth; if “get back,” Isaac’s sacrifice. Most commentators accept the latter. C. Koester writes, “Abraham’s actions imply that he not only believed that God could raise the dead but that God would raise Isaac from the dead. Isaac’s birth to Abraham, who was ‘dead’ in old age, showed God’s power to give life (Heb 11:12). Since death was not the last word for Abraham, he could be confident that it would not be the last word for Isaac” (Hebrews [n. 1], 499.) 58 F.F. Bruce points out: “When Abraham left his servants behind while he and Isaac went to the place of sacrifice, he said to them: ‘The boy and I will go on there and worship, and we will come back to you’ indicating that Abraham expected to come back with Isaac” (The Epistle to the Hebrews [n. 1], 304).
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death (1) was a resurrection;59 (2) represents a resurrection, figuratively speaking, because Isaac was never actually killed;60 (3) was or represents a resurrection that prefigures the resurrection of Christ;61 (4) was or represents a resurrection that prefigures the resurrection of Christ and / or a general resurrection from the dead; or (5) some combination of these choices.62 Unfortunately the author never makes clear precisely his meaning for the passage. Acknowledging the dilemma, Harold Attridge simply favors a symbolic reading: “The noun is used in the same sense as at 9:9, of a symbol pointing to an eschatological reality,” adding that this reality is a “deliverance that all the faithful can expect.”63 Although not novel among Hellenistic Jews,64 the focus in Hebrews on Abraham’s willingness to sacrifice his son represents something of a novelty among early Christians.65 In contrast, Paul argues that Abraham was reckoned as righteous on the basis of his trust that God would bring him a child in old age (Rom 4:1–17; cf. esp. Rom 4:17 c). It is possible that Hebrews deliberately intends to counter Paul’s view.66 Another possibility is that evidence of both positions in Hebrews implies amplification of Paul’s position.67 In either case, utilizing Israel’s written history as a means of con59 According to G.W. Buchanan, “Some rabbis said that Abraham and Isaac learned that God would raise the dead when Abraham received the command not to hurt Isaac. At that time Isaac’s soul really left his body and was then restored, and he was raised from the dead to bless the Lord (PRE 31, 16 b)” (To The Hebrews [n. 1], 195). 60 Cf. Hugh Montefiore: “God’s abrogation of his order for Isaac’s sacrifice was the result of Abraham’s palpable willingness to kill him. The consequent salvation of Isaac’s life was, in a figurative sense, the resurrection of one who was as good as dead” (A Commentary on the Epistle to the Hebrews [n. 1], 199). 61 The sacrifice of Isaac is treated as a parable of the sacrifice of Christ in Ep. Barn. 7:3. Irenaeus argued that Isaac carrying the wood is analogous to Christ carrying the cross (Haer. 4.5.4). 62 Cf. comment by C. Koester: “The binding and release of Isaac is a ‘symbol’ of resurrection (11:19)” (Hebrews [n. 1], 398). The argument hinges in part on the meaning of the word . Although B.F. Westcott understands the conjunction as a reference to the place from which Abraham received Isaac back (The Epistle to the Hebrews [n. 1], 360) the usage is more likely inferential: “God is even able to raise the dead, the foregoing reason explaining how Abraham received him back as a parable.” The clarification, however, does not rule out any of the above interpretive possibilities. 63 Attridge, Hebrews (n. 1), 335. 64 E.g., Sir 44:20; Jub. 17.15–18; 18.16; 1 Macc 2:52; 4 Macc 16.18–20; Wis 10:5; Josephus, Ant. 1.31.1–4; Philo, Abr. 167–207; Deus 4. See J. Swetnam, Jesus and Isaac: A Study of the Epistle to the Hebrews in the Light of the Aqedah (AnBib 94; Rome 1981). 65 Cf. Jas 2:21. This passage in James (2:14–26) clearly recalls Rom 3:19–5:1 and Gal 2:15–3:24. Contra H. Attridge (Hebrews [n. 1], 334 n. 6), the allusion in Rom 8:32 is, with E. Käsemann, “possible” yet “hardly certain” (Commentary on Romans [Grand Rapids, Mich. 1980], 247). Cf. also: John 3:16. See J.E. Wood, “Isaac Typology and the New Testament,” NTS 14 (1967/68): 583–589. 66 Lane, Hebrews 9–11 (n. 1), 362–363. 67 The passage suggests synecdoche: a widely-accepted interpretation referred to here in abbreviated form. Craig Koester comments: “The symbolism suits the listeners’ context because they, like Abraham, were being tested. To be sure, they had not been commanded to sacrifice their firstborn, but their dispiriting circumstances did call God’s promises into questions (pp.
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veying Christian eschatological expectation is observable in Paul’s letters to both the Corinthians and the Romans (Rom 15:4; 1 Cor 10:11).68 In Rom 15:4, Paul expresses it as a methodological principle: “For whatever was written in former days was written for our instruction, so that by steadfastness and by the encouragement of the scriptures we might have hope.” As noted above, in 1 Cor 10:11, after describing the Israelites destroyed by serpents (i.e., Num 21:5–6) as having “put Christ to the test” (1 Cor 10:9) – as the culmination of a series of warnings made from Israel’s history – Paul writes, “These things happened to them to serve as an example ( ), and they were written down to instruct us, on whom the ends of the ages have come ( ).”69 In Heb 11:26, the author of Hebrews seems to borrow this strategy in his claim that Moses understands his sufferings as for “the Christ.” Craig Koester refers to this projection of Christian theology back into the Jewish scriptures as “a fusion of horizons.”70 Whether a fusion or not, Hebrews never implies that Moses in this passage or Abraham in 11:19 understands his experience on ‘Christian’ terms. Rather, the author points to meanings he takes to be unavailable prior to the Christian era, perhaps even prior to his own revelation.71 Furthermore knowledge of resurrection of the dead is not an exalted teaching in Hebrews (e.g., Heb 6:2). For Abraham to have known it emphasizes both Abraham’s and resurrection’s secondary status. In Hebrews, in the encomium on faith (chapter 11) in particular, Christian faith perceives that the Jewish scriptures offer a broad collection of antitypes cast by Christian archetypes. For the author of Hebrews, is a somewhat pejorative term denoting this perspective on the Jewish scripures. Closely akin to ,72 it suggests that the Jewish scriptures contain a dazzling array of enigmatic oracles both solved and fulfilled in Christ.
IV. Summation Different from the NT gospels, in Hebrews is not a narrative establishing a comparison, it is, rather, a comparison itself. That said, the 71–72). The author does not explain why God would allow the listeners to be so tested (2:18), emphasizing instead that testing is not God’s final word, but something that issues into new life for the faithful” (Hebrews [n. 1], 499). 68 C. Koester comments, “Similarly, Paul said, ‘whatever was written in former days was written for our instruction’ (Rom 15:4; cf. 1 Cor 10:11; Michaud, “Parabolê)” (Hebrews [n. 1], 398). 69 Cf. Heb 9:26. 70 Koester, Hebrews (n. 1), 499 n. 401. 71 Cf. also where “Moses suffers denunciation for Christ in a manner that reflects the listeners own experience” (11:26) (Koester, Hebrews [n. 1], 499 n. 401). 72 Philodemus divides into , (cf. John 10:6; 16:25, 29) and (Rhet. 1.181 S).
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two sets of examples are not entirely unrelated. As Craig Koester correctly points out, “Hebrews uses the term [ ] for typological connections between the old and new covenants.73” In Hebrews, Jewish history as portrayed by the scriptures is taken, neither as valuable in and of itself, nor as useless. Rather it is seized as clues anticipating present, last day realities.74 The parabolic comparisons in Hebrews share in common with those of the NT gospels expression of critique. However, different from the NT gospels where, more often than not, life as a disciple affords ample opportunity for parabolic teaching, in Hebrews as in Paul, the Jewish scriptures are the source of parables requiring deciphering. The shift certainly reflects transition from a more oral to more written ‘Christian’ culture. It is, however unlikely confined to mere media transferal and probably reflects the influence of Paul’s theology on early Christian belief and practice.75 Faith in Christ, in Hebrews, is the means by which the riddles of the scriptures are solved and the delusions, clarified. By faith (aided by the teaching of Hebrews), listeners are able to perceive the real meaning of, for example, the tabernacle in Heb 9:9 and the Aqedah or Binding of Isaac in Heb 11:19. Although are only specifically referenced twice, the general concept of the contemporary application of scripture conveyed by the concept is a central theme of the treatise. Thus, Hebrews emphasizes parabolic thinking throughout the treatise, a hallmark that – although possessing a distinctive thrust in Hebrews – is common to much early Christian composition.76 My hope is that by offering a few new interpretive possibilities for the meaning of this word in Hebrews this essay will help to invigorate discussion of all occurrences of this important early Christian concept.
73
Koester, Hebrews (n. 1), 398. See W. Eisele, Ein unerschütterliches Reich: Die mittelplatonische Umformung des Parusiegedankens im Hebräerbrief (BZNW 116; Berlin and New York 2003). 75 N.B. of course the so-called parabolic teachings of Jesus (e.g., Mark 4) are not recorded until the same decades in which Hebrews is composed. 76 See A.N. Wilder, Early Christian Rhetoric: The Language of the Gospel (Cambridge, Mass. 41980), 71–88. 74
III. Sprach- und literaturwissenschaftliche Perspektiven
Parabeln – sonst nichts! Gattungsbestimmung jenseits der Klassifikation in „Bildwort“, „Gleichnis“, „Parabel“ und „Beispielerzählung“* Ruben Zimmermann Die Gattungsbestimmung der Gleichnisse war stets eine vieldiskutierte Frage. Von Beginn der formgeschichtlichen Arbeit an biblischen Texten vor ca. 100 Jahren bis in die Gegenwart war die Gattung der Gleichnisse ein beliebtes Paradigma, an dem der Ertrag der Formkritik demonstriert werden konnte. Mit den Gleichnissen glaubte man eine Textgruppe zusammenfassen zu können, die auf mündlichen Vorstufen beruhe, ja letztlich bis zum historischen Jesus zurückverfolgt werden könne. Aufgrund der nur spärlichen Analogien in Vor- und Umfeldtexten sah man in den Gleichnissen zugleich eine Gattung sui generis des Urchristentums. Durch die Mehrfachüberlieferung, Einleitungen und Zusammenstellung zu Gleichnissammlungen in einzelnen Evangelien (etwa Mk 4 oder Mt 13) bis hin zur Metareflexion (vgl. die so genannte ‚Parabeltheorie‘ bei Mk 4,10–12) konnte auch ein ideales Anschauungsfeld für Überlieferungs- und Redaktionsgeschichte gewonnen werden. Ungeachtet mancher richtiger Einzelbeobachtungen ist die Kohärenz dieser Betrachtung brüchig geworden. So wurden bereits mit der literaturwissenschaftlichen Wende der Exegese in den 70er Jahren viele Grundannahmen der alten Formgeschichte zur Entstehung der Evangelien wie auch speziell zu den Gleichnissen in Zweifel gezogen.1 Ferner hat sich die * Der Beitrag basiert auf einem Referat auf der ersten Gleichnistagung (unter demselben Titel) in Vorbereitung auf das „Kompendium der Gleichnisse Jesu“ (Okt. 2005 in Bielefeld); Teile daraus wurden in der Einleitung des Kompendiums verwendet, vgl. R. Zimmermann, Die Gleichnisse Jesu. Eine Leseanleitung zum Kompendium, in: ders. (Hg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu, hg.v. R. Zimmermann in Zusammenarbeit mit D. Dormeyer, G. Kern, A. Merz, Chr. Münch und E.E. Popkes, Gütersloh 2007, 3–46, hier 17–28. 1 Vgl. etwa die Arbeiten von E. Güttgemanns, Offene Fragen zur Formgeschichte des Evangeliums, BEvTh 54, München 1970; ferner Ders., Die linguistisch-didaktische Methodik der Gleichnisse Jesu, in: ders., studia linguistica neotestamentica. Gesammelte Aufsätze zur linguistischen Grundlage einer Neutestamentlichen Theologie, BEvTh 60, München 1971, 99–183, hier 142–147, sowie Ders., Der literaturwissenschaftliche Kontext der Gleichnisauslegung von D.O. Via (Nachwort des Übersetzers), in: D. O. Via, Die Gleichnisse Jesu. Ihre literarische und existentiale Dimension, BEvTh 57, München 1970, 202–212. Ferner K. Berger,
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literaturgeschichtliche Beurteilung der Schriften des Urchristentums nicht zuletzt durch Einbeziehung soziolinguistischer Methoden grundlegend verändert.2 Auch die Einbindung der Jesusbewegung mitsamt ihrer Textproduktion in ihr religionsgeschichtliches Umfeld, insbesondere des Judentums, wurde wieder neu gewürdigt. Gleichwohl halten sich bestimmte Grundannahmen der alten Formgeschichte zu den Gleichnissen hartnäckig durch und sind bis in neueste Veröffentlichungen hinein anzutreffen. Eine davon ist die von A. Jülicher eingeführte und von R. Bultmann vertiefte formgeschichtliche Binnendifferenzierung der Gleichnisse in „Gleichnis im engeren Sinn“, „Parabel“ und „Beispielerzählung“ sowie „Bildwort“ (bei Bultmann). Eine Klassifikation, die – zumindest im deutschsprachigen Raum – kanonischen Charakter angenommen hat, ist sie von Lehrbüchern3 bis hin zu neuesten Spezialuntersuchungen zum Thema4 im akademischen Diskurs nahezu unverändert anzutreffen, ganz zu schweigen von den Schulbüchern und der Predigtliteratur. Der vorliegende Beitrag ist von der These geleitet, dass diese Binnendifferenzierung weder den ntl. Texten selbst noch dem Gattungsbewusstsein ihrer Autoren gerecht wird und deshalb aufgegeben werden muss. Entsprechend wird das Schema einer grundlegenden Kritik unterzogen (1.). Nach einer kurzen Klärung zum „Gattungsbegriff“ unter Einbeziehung neuerer literaturwissenschaftlicher Gattungstheorien (2.) wird dann eine Gattungsdefinition vorgestellt, die versucht, der Breite der unter dem Begriff zusammengefassten Texte im Neuen Testament gerecht zu werden, ohne damit die analytisch erforderliche Präzision einer Gattungsdefinition preisEinführung in die Formgeschichte, Tübingen 1987, Teil A, insb. § 1: Alte Formgeschichte – neue Formgeschichte (13–18); § 8: Die wichtigsten Grundsätze der herkömmlichen und der neueren Formgeschichte (85–90). 2 Vgl. etwa D. Dormeyer, Das Neue Testament im Rahmen der antiken Literaturgeschichte. Eine Einführung, Darmstadt 1993, zuletzt G. Theissen, Die Entstehung des Neuen Testaments als literaturgeschichtliches Problem, Heidelberg 2007. 3 So etwa G. Theissen / A. Merz, Der historische Jesus. Ein Lehrbuch, Göttingen 32001, 294 f.; C. Böttrich, Themen des Neuen Testaments in der Grundschule. Ein Arbeitsbuch für Religionslehrerinnen und Religionslehrer, Stuttgart 2001, 119–122. 4 Siehe z.B. O. Knoch, Wer Ohren hat, der höre. Die Botschaft der Gleichnisse Jesu. Ein Werkbuch zur Bibel, mit 36 Holzschnitten von A. Braungart, Stuttgart 31987, 18–20; B. Heininger, Metaphorik, Erzählstruktur und szenisch-dramatische Gestaltung in den Sondergutgleichnissen bei Lukas, NTA.NF 24, Münster 1991, 12; G. Strecker, Literaturgeschichte des Neuen Testaments, Göttingen 1992, 181–189; F. Vouga, Zur form- und redaktionsgeschichtlichen Definition der Gattungen: Gleichnis, Parabel / Fabel, Beispielerzählung, in: U. Mell, Die Gleichnisreden Jesu 1899–1999. Beiträge zum Dialog mit Adolf Jülicher, BZNW 103, Berlin / New York 1999, 75–95, hier: 76; K. Erlemann, Die Gleichnisauslegung. Ein Lehr- und Arbeitsbuch, UTB.W 2093, Tübingen / Basel 1999, 97: „Die Jülichersche Unterscheidung von Gleichnis im engeren Sinn, Parabel und Beispielerzählung lässt sich gattungskritisch bestätigen.“; P. Müller u.a., Die Gleichnisse Jesu. Ein Studien- und Arbeitsbuch für den Unterricht, Stuttgart 2002, 22; M. Hengel / A.M. Schwemer, Geschichte des frühen Christentums I: Jesus und das Judentum, Tübingen 2007, 402 f.
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zugeben. Anhand von sechs Kriterien wird hierbei eine Definition der Gattung „Parabel“ gegeben und erläutert (3.), die auch für das „Kompendium der Gleichnisse Jesu“ maßgeblich wurde. Viele wichtige Aspekte zur Gattung der Gleichnisse können im Folgenden nicht explizit bearbeitet werden. So wird keine umfassende Forschungsgeschichte zur Gattungsbestimmung der Gleichnisse geboten.5 Auch die diachrone Analyse der Überlieferungssituation, nach der die Gleichnisgattung etwa als „Medium der Erinnerung“ betrachtet werden kann,6 oder der Vergleich mit Vor- und Umfeldtexten, die eine Verhältnisbestimmung zum jüdischen Mashal7 oder zum / exemplum der griechisch-römischen Rhetorik erfordern,8 werden hier nicht durchgeführt. Schließlich wird die zweifellos notwendige und inzwischen neu entfachte Diskussion zu einem allegorischen Verständnis der Gleichnisse bzw. zur Gattung Allegorie hier nicht weitergeführt.9
1. Die klassische Gattungsdifferenzierung und deren Kritik 1.1 Die formgeschichtliche Differenzierung der Gleichnisse in „Bildwort“, „Gleichnis i.e. Sinn“, „Parabel“ und „Beispielerzählung“ nach A. Jülicher und R. Bultmann Eine der wirkmächtigsten Ideen von Adolf Jülicher in seinem zweibändigen Werk „Die Gleichnisreden Jesu (1886/1899)“ war, das Gleichnismaterial in eine klare und relativ einfache Systematik aufgeteilt zu haben: So dif5 Vgl. hierzu etwa R.H. Stein, The Genre of the Parables, in: R.N. Longenecker (Hg.), The Challenge of Jesus’ Parables, Grand Rapids, Mich. 2000, 30–50; C. L. Weber, Gathering. A mythic parable, in: M.A. Beavis (Hg.), The lost coin. Parables of Women, Work and Wisdom, The biblical seminar 86, New York 2002, 308–312. 6 Vgl. dazu meinen Beitrag „Gleichnisse als Medien der Jesuserinnerung“ (in diesem Band), sowie umfassender „Formen und Gattungen als Medien der Jesuserinnerung. Zur Wiederentdeckung der Diachronie in der Formgeschichte des Neuen Testaments“, in: O. Fuchs / B. Janowski (Hgg.), Die Macht der Erinnerung, JBTh 22, Neukirchen-Vluyn 2008. 7 Vgl. dazu die Beiträge von A. Schüle und C. Hezser in diesem Band. 8 Vgl. dazu meinen Beitrag „Jesus’ Parables and Ancient Rhetoric“ in diesem Band. 9 Vgl. hier M. Black, The Parables as Allegory, BJRL 42 (1960), 273–287; C.E. Carlston, Parable and Allegory. Revised: An interpretative Review, CBQ 43 (1981), 228–242; ferner die immer noch exzellente Arbeit von H.-J. Klauck, Allegorie und Allegorese in synoptischen Gleichnistexten, NTA N.F. 13, Münster 1978, sowie M. Boucher, The Mysterious Parable. A Literary Study, CBQ.MS, Washington 1977; G. Sellin, Allegorie und „Gleichnis“. Zur Formenlehre der synoptischen Gleichnisse, ZThK 75 (1978), 281–335 (wieder in: W. Harnisch [Hg.], Die ntl. Gleichnisforschung im Horizont von Hermeneutik und Literaturwissenschaft, Darmstadt 1982, 367–429); neuerdings C.L. Blomberg, Interpreting the Parables, Leicester 1990; J.W. Sider, Interpreting the Parables, Grand Rapids, Mich. 1995; D.P. Parris, Imitating the Parables. Allegory, Narrative and the Role of Mimesis, JSNT 25 (2002), 33–53; ferner die Beiträge von K. Erlemann und A. Weissenrieder in diesem Band.
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ferenzierte er „Gleichnis im engeren Sinn (i.e.S.)“, „Parabel“ und „Beispielerzählung“.10 Rudolf Bultmann hatte in seiner formgeschichtlichen Arbeit „Die Geschichte der synoptischen Tradition“ das Repertoire noch um „Bildworte“ erweitert, die er auf der untersten Stufe bildlicher Redeweise ansiedelte und mit Metaphern und Vergleichen parallelisierte.11 Diese Gattungsklassifikationen dürfen von geringfügigen Modifikationen abgesehen innerhalb deutschsprachiger Exegese12 unangefochten Geltung beanspruchen. Ich möchte zunächst die bekannten Überzeugungen kurz in Erinnerung rufen, um dann kritisch zu ihnen Stellung zu beziehen. Die weite Verbreitung der Begründung dieser Gattungstypen, lässt es gerechtfertigt erscheinen, hier die Wiederholung des Rasters auf einige wenige Skizzen zu beschränken. Bildwort Unter der Überschrift „Gleichnisse und Verwandtes“ fasste Rudolf Bultmann unter der Gruppe der „Herrenworte“ im Redestoff das Gleichnismaterial zusammen.13 Bultmann differenzierte hier drei kleinere Formen: „Vergleich“, „Metapher“ und eben „Bildworte“. Während sich der „korrekte Vergleich“ durch die Vergleichspartikel (so – wie) auszeichne (vgl. etwa Mt 10,16: Ich sende Euch wie Schafe unter Wölfe. Seid nun klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben.“), könnten die anderen beiden Formen als abgekürzte Vergleiche betrachtet werden. Beim Bildwort, das häufig unter den Meschalim des Alten Testaments anzutreffen sei, werde „Bild und Sache ohne Vergleichspartikel nebeneinandergestellt.“14 10 A. Jülicher, Die Gleichnisreden Jesu. Erster Teil: Die Gleichnisreden Jesu im Allgemeinen. Zweiter Teil: Auslegung der Gleichnisreden der drei ersten Evangelien, Tübingen u.a. 2 1910, I, 25–118. Vgl. zu Jülicher insgesamt H.-J. Klauck, Adolf Jülicher – Leben, Werk, Wirkung, in: G. Schwaiger (Hg.), Historische Kritik in der Theologie. Beiträge zu ihrer Geschichte, SThGG 32, Göttingen 1980, 99–150 (wieder in: Ders., Alte Welt und neuer Glaube, NTOA 29, Freiburg (CH) / Göttingen 1994, 181–211). 11 R. Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, Göttingen 101995, 181–184. 12 In der englisch-sprachigen Gleichnisforschung hatte zwar Charles H. Dodd die Klassifizierung übernommen und von „figurative sayings“, „similitudes“, „parables proper“ und „example stories“ gesprochen (vgl. Ch. H. Dodd, The Parables of the Kingdom, New York 1961 [zuerst 1935], 5–7); besonders die amerikanische Forschung aber hatte etwa seit Crossan und Funk weitgehend auf die Bezeichnung „similitudes“ verzichtet und stattdessen eine eigene Einteilung in „aphoristic parable“ und „narrative parable“ vorgeschlagen (vgl. etwa die Zusammenfassung bei J.D. Crossan, Art. Parable, ABD V [1992], 146–152). Eine Ausnahme ist Arland J. Hultgren, der von „similitudes“ in Abgrenzung von „narrative parables“ spricht, aber dann nur letztere bespricht, vgl. A.J. Hultgren, The Parables of Jesus. A Commentary, Grand Rapids, Mich. 2000, 3. 13 Vgl. Bultmann, Geschichte (s. Anm. 11), 179–222. Bultmann hat den Redestoff in die beiden Großgruppen „A. Apophthegmata“ und „B. Herrenworte“ unterteilt, letzte werden dann in „1. Logien“, „2. Prophetische und apokalyptische Worte“, „3. Gesetzesworte und Gemeinderegeln“, „4. Ich-Worte“ und schließlich „5. Gleichnisse und Verwandtes“ untergliedert. 14 Bultmann, Geschichte (s. Anm. 11), 181.
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Bultmann unterschied zwischen eingliedrigen Bildworten15 und doppelgliedrigen, denen ein Parallelismus membrorum zu Grunde liege.16 Einige Bildworte könnten noch weiter ausgesponnen werden und auch die Verwendung eines antithetischen Parallelismus der Glieder zeigen.17 Die Kürze der Bildworte fordere besonders einleitende und abschließende Zusätze der Redaktion heraus, so dass die Einfügung in den Zusammenhang des Evangeliums verhindere, die „konkrete Bedeutung, die sie nach der Absicht Jesu (oder der Gemeinde) hatten“18, zu rekonstruieren. Das Bildwort blieb dann auch in der nachfolgenden Gleichnisforschung beliebt: So bezeichnete W. Harnisch damit die Restklasse aller Gleichnistexte, die nicht der Form der dramatischen Gleichniserzählungen (Parabeln) oder narrativer Miniaturstücke entsprechen.19 „Ausgezeichnete Stilcharaktere (der Bildworte) sind Prägnanz der Sprache, Knappheit der Formulierung, Verwendung des parallelismus membrorum und Selbständigkeit des sentenzhaft Gesagten.“20 Auch K. Erlemann hielt innerhalb einer Reihe von „Grundformen“21 am „Bildwort“ fest und definierte es als „diejenige Form gleichnishafter Sprache, die gewissermaßen zwischen Metapher und Gleichnis angesiedelt ist. Das sind Texte (…), die zwar die Metapher als Baustein verwenden, aber keine dramaturgische Entfaltung mit szenischer und zeitlicher Strukturierung aufweisen.“22 Gleichnis im engeren Sinn Das Gleichnis i.e.S. ist nach Jülicher „die Veranschaulichung eines Satzes durch Nebenstellung eines anderen ähnlichen Satzes“, also ein ausgeführter 15 Vgl. in der eigenartigen Reihenfolge bei Bultmann: Mt 5,14 (Bergstadt); Mt 3,10 (Der unfruchtbare Baum kommt ins Feuer); Lk 5,39 (Der alte Wein); Mk 2,17 (Arzt und Kranke); Mk 2,19 (Fasten an der Hochzeit); Mt 24,28 (Aas und Adler); Lk 4,23 (Arzt, heile dich selbst.), vgl. Bultmann, Geschichte (s. Anm. 11), 181. 16 Vgl. Lk 6,44 b (Feigen und Trauben); Mt 10,24 (Schüler und Sklave); Mk 2,21 f. (Flicken und Wein); Mk 3,24 f. (entzweites Reich und Haus); Mt 7,9 f. (Bitte um Brot und Fisch); Mt 12,30 (Für und Wider, Sammeln und Zerstreuen), vgl. Bultmann, Geschichte (s. Anm. 11), 181. 17 Vgl. Lk 6,39 (blinder Blindenführer); Lk 6,43 f. (Baum und Frucht); Lk 14,34 f. (Salz); Mk 3,27 (Plünderung des Starken); Mk 4,21 (Licht); vgl. Bultmann, Geschichte (s. Anm. 11), 182. 18 Bultmann, Geschichte (s. Anm. 11), 182 f.; zur redaktionellen Einbindung bereits a.a.O., 95 f. 19 Vgl. W. Harnisch, Die Gleichniserzählungen Jesu. Eine hermeneutische Einführung, 4., grundlegend rev. Aufl., Göttingen 2001 (zuerst 1985), 105–107. 20 Harnisch, Gleichniserzählungen (s. Anm. 19), 106. 21 Erlemann nennt insgesamt zehn kleinere Einheiten wie „Exemplum“, „Vergleich“, „Metapher“, „Metaphorische Personalprädikation“, „Metaphorische Mahnrede“, „Bildwort“, „Chiffre“, „Synekdoche“, „Metonymie“, „Symbol“, vgl. Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 4), 63–75. 22 Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 4), 70.
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Vergleich auf der Basis einer Ähnlichkeitsbeziehung.23 Es wird von ihm strikt von der Allegorie unterschieden, bei der eine Verkettung der Elemente auf der Übertragungsebene vollzogen werde.24 Das Gleichnis i.e.S. appelliere „zu Gunsten eines Neuen an das allgemein Bekannte und Anerkannte ähnlicher Art.“25 Bei der Schilderung des typischen und wiederkehrenden Geschehens werde das Präsens verwendet. Indem das Gleichnis i.e.S. auf einen allgemein bekannten und natürlichen Vorgang bzw. auf Erfahrungswissen zurückgreife, sei eine gesonderte Deutung überflüssig. Während Jülicher 28 Texte dieser Untergattung zuschrieb, hat Bultmann, für den sich die „eigentlichen Gleichnisse“ nur durch die Ausführlichkeit von Bildworten oder Vergleichen unterscheiden, durch Absonderung von 18 Bildworten noch 17 Texte dieser Kategorie zugeschrieben, die im Folgenden genannt werden:26 a) Weiterbildung von Bildworten – Lk 12,39–40 (par. Mt 24,43–44): Vom Dieb – Lk 12,42–46 (par. Mt 24,45–51): Vom treuen und untreuen Knecht – Lk 12,54–56: Die Zeichen der Zeit – Lk 12,57–59 (par. Mt 5,25 f.): Rechtzeitiger Ausgleich – Lk 14,28–33: Turmbau und Kriegführen – Lk 15,4–10 (par. Mt 18,12–14): Vom verlorenen Schaf – Lk 17,7–10: Sklave und Herr b) Weiterbildung von Vergleichen – Mk 4,26–29: Von der selbstwachsenden Saat – Mk 4,30–32 (par. Mt 13,31 f.; Lk 13,18 f.): Vom Senfkorn – Mk 13,28 f. (par. Mt 24,32 f., Lk 21,29–31): Vom Feigenbaum – Mk 13,34–37: Vom spät heimkehrenden Hausherrn – Lk 6,47–49 (par. Mt 7,24–27): Vom Hausbau – Lk 7,31–35 (par. Mt 11,16–19): Die launischen Kinder – Lk 13,20 f. (par. Mt 13,33): Vom Sauerteig – Mt 13,44: Vom Schatz im Acker 23 Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 10), I, 69: „Das Gleichnis ist die Vergleichung auf höherer Stufe, die Veranschaulichung eines Satzes durch Nebenstellung eines anderen ähnlichen Satzes.“ 24 Vgl. Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 10), I, 80: „Ich definiere das Gleichnis als diejenige Redefigur, in welcher die Wirkung eines Satzes (Gedankens) gesichert werden soll durch Nebenstellung eines ähnlichen, einem andern Gebiet angehörigen, seiner Wirkung gewissen Satzes. Ausgeschlossen ist damit jede Verwechslung und Vermengung mit der Allegorie, als derjenigen Redefigur, in welcher eine zusammenhängende Reihe von Begriffen (ein Satz oder Satzkomplex) dargestellt wird vermittelst einer zusammenhängenden Reihe von ähnlichen Begriffen aus einem anderen Gebiete.“ Vgl. dazu auch das luzide Schaubild bei H. Weder, Die Gleichnisse Jesu als Metaphern. Traditions- und redaktionsgeschichtliche Analysen und Interpretationen, Göttingen 41992, 71. 25 Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 10), I, 73. 26 Vgl. Bultmann, Geschichte (s. Anm. 11), 184 ff.
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– Mt 13,45 f.: Die kostbare Perle – Mt 13,47–50: Das Fischnetz
Die nachfolgende Gleichnisforschung hat nahezu unverändert an dieser Definition festgehalten.27 Nennenswerte insbesondere terminologische Modifikationen bestanden darin, dass die englischsprachige und skandinavische Forschung von „aphoristischen Parabeln / Meshalim“ sprach,28 während in der deutschsprachigen Tradition der Begriff der „besprechenden Gleichnisse“29 Verbreitung fand. Jeweils wurde hierbei die fehlende Narratio hervorgehoben und ein Kontrast zu „narrativen Parabeln / Meshalim“ bzw. „erzählenden Gleichnissen“ aufgebaut. Parabel Als weitere Untergattung wird dann die Parabel genannt, die vielfach kontrastiv zum Gleichnis i.e.S. beschrieben wird. Das für Jülicher entscheidende Merkmal der Parabel ist, dass es sich hier um einen „interessierenden Einzelfall“ handelt, der in einer teilweise „verschwenderischen Ausführlichkeit“ im Vergangenheitstempus Aorist erzählt werde. Das Bild im Gleichnis ist der jedermann zugänglichen Wirklichkeit entnommen, weist hin auf Dinge, die jeden Tag geschehen, auf Verhältnisse, deren Dasein der schlechteste Wille anerkennen muss; (…) Hier dagegen (sc. bei den Parabeln) werden uns Geschichten frei erzählt, frei von Jesus erfundene, zum Teil mit einer selbst in kleinen Nebenzügen verschwenderischen Ausführlichkeit; nicht, was jeder thut,
27 So z.B. Via, Gleichnisse (s. Anm. 1), 22: Das Gleichnis stellt „eine typische, familiäre, wiederkehrende, alltägliche Szene dar, und zwar mit mehr als einem Verb, gewöhnlich im Präsens, obwohl auch das Futur und der konjunktiv(isch)e Aorist vorkommen können.“ Auch K. Berger spricht unverändert von „Gleichnisse[n] im engeren Sinn“ (so K. Berger, Formgeschichte des Neuen Testaments, Heidelberg 1984: § 14, 45–50; nahezu unverändert in K. Berger, Formen und Gattungen des Neuen Testaments, Tübingen / Basel 2005, § 24, 101–105); ferner Harnisch, Gleichniserzählungen (s. Anm. 19), 67: „Es greift auf die alltägliche Erfahrung zurück, bringt typische, vertraute oder wiederkehrende Vorgänge zur Sprache und artikuliert das Regelhafte oder natürliche.“ 28 So spricht John D. Crossan von „aphoristic parable“ und „narrative parable“ (vgl. Crossan, Art. Parable [s. Anm. 12], 146–152), Birger Gerhardsson entsprechend von „aphoristic meshalim“ und „narrative meshalim“, vgl. B. Gerhardsson, The Narrative Meshalim in the Synoptic Gospels, NTS 34 (1988), 339–342; Ders., Illuminating the Kingdom. Narrative Meshalim in the Synoptic Gospels, in: H. Wansbrough (Hg.), Jesus and the Oral Gospel Tradition, JSNT.S 64, Sheffield 1991, 266–309. 29 E. Rau differenziert unter Aufnahme eines terminologischen Vorschlags von H. Weinrich in „erzählendes“ und „besprechendes Gleichnis“ (E. Rau, Reden in Vollmacht. Hintergrund, Form und Anliegen der Gleichnisse Jesu, FRLANT 149, Göttingen 1990, 26–35), eine Unterscheidung, die von K. Erlemann aufgenommen und ausgeweitet wird. Erlemann differenziert bei den größeren Texteinheiten in „Besprechende Gleichnisse (Gleichnisse im engeren Sinn)“, „Erzählende Gleichnisse (Gleichniserzählungen, Parabeln)“, „Beispielerzählungen“, „Gleichnisdiskurse“ sowie „joh. Paroimia“, siehe Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 4), 79–85.
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was gar nicht anders sein kann, wird uns vorgehalten, sondern was einmal jemand gethan hat, ohne zu fragen, ob andre Leute es auch so machen würden.30
Stoff der Parabel ist also nicht das Alltägliche und Gewohnte, sondern gerade das Außergewöhnliche, Überraschende, ein nicht-alltägliches Ereignis. So hat nicht jeder Vater zwei Söhne, von denen einer sein Erbteil fordert, um in die Welt hinauszuziehen, erst recht ist es ungewöhnlich, dass der Vater ein Fest mit seinem gestrauchelten Sohn nach dessen Rückkehr feiert. Die Extravaganz des Erzählten fordere im Gegensatz zum Gleichnis i.e.S. eine Deutung heraus. Jülicher hatte insgesamt 21 Parabeln ausgewiesen, was bei Bultmann auf 15 Texte reduziert wird: – – – – – – – – – – – – – – –
Mk 4,3–9 (parr.): Sämann Mk 12,1–9 (par. Mt 21,22–44; Lk 20,9–18): Die bösen Winzer Lk 7,41–43: Die beiden Schuldner Lk 11,5–8: Der bittende Freund Lk 13,6–9: Der unfruchtbare Feigenbaum Lk 14,16–24 (par. Mt 22,2–14): Das Gastmahl Lk 15,11–32: Der verlorene Sohn Lk 16,1–8: Der ungerechte Haushalter Lk 18,1–8: Der gottlose Richter Lk 19,12–27 (par. Mt 25,14–30): Die anvertrauten Gelder Mt 13,24–30: Das Unkraut unter dem Weizen Mt 18,23–35: Der unbarmherzige Knecht Mt 20,1–16: Der gleiche Lohn Mt 21,28–31: Die beiden Söhne Mt 25,1–13: Die zehn Jungfrauen
Auch diese Kriterien werden in der nachfolgenden Gleichnisforschung entsprechend beibehalten31 oder – wie zum Beispiel bei W. Harnisch oder B. Heininger – narratologisch präzisiert, was letztlich zu einer Reduktion auf nur 10 Parabeltexte führt.32 30
Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 10), I, 93. So z.B. E. Fuchs, Hermeneutik, Tübingen 41970, 222: „Gleichnisse unterscheiden sich von den Parabeln also lediglich durch den Wechsel der Parabel vom Typischen, Regelhaften zum prägnanten Einzelfall, der natürlich erzählt werden muß.“ Ebenso Via, Gleichnisse (s. Anm. 1), 22: „In der Parabel haben wir (…) eine frei erfundene Geschichte, die mit einer Reihe von Verben im Imperfekt erzählt wird. Die Parabel befasst sich nicht mit dem, was jeder typischerweise tut, sondern sie erzählt etwas Besonderes, an dem eine Person oder mehrere Personen einst beteiligt waren. Das Gleichnis erhält seine zwingende Kraft von seiner Berufung auf das allgemein Anerkannte, während die Parabel ihre Kraft dadurch erhält, dass sie das Besondere glaubhaft und wahrscheinlich macht.“ Ferner Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 4), 81. 32 Vgl. Harnisch, Gleichniserzählungen (s. Anm. 19), für den die in „Dreierformation“ szenisch gegliederten, dramatisch ausgestalteten Gleichniserzählungen (= Parabeln), die formal am klarsten profilierte Untergruppe darstellen, auf die er auch seine ganze Auslegung konzentriert. Harnisch weist (unter Einbeziehung der Beispielerzählungen) insgesamt 12 Texte mit dieser Struktur aus, wobei Mt 21,28 ff. und Lk 7,41 ff. nur skizzenhaft ausgeführt sind, so dass 31
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Beispielerzählung Jülicher hatte darüber hinaus noch die Beispielerzählung als eigene Gleichnisgattung benannt und damit vier Texte des lukanischen Sonderguts klassifiziert: – – – –
Der barmherziger Samariter (Lk 10,30–35) Der reiche Kornbauer (Lk 12,16–21) Der reiche Mann und der arme Lazarus (Lk 16,19–31) Der Pharisäer und der Zöllner (Lk 18,10–14)
Obgleich die Beispielerzählung manche Kriterien mit der Parabel teile, da es sich auch hier um eine erfundene Erzählung mit Tiefensinn handelt, sei sie doch aufgrund des Inhalts und der Intention klar davon abzugrenzen: Was sie unterscheidet, ist allein, dass sie sich bereits auf dem höheren Gebiete bewegen, welches ausschliesslich Jesu Interesse beherrscht. Während die Fabeln und die Parabeln in Mt 13–25 samt und sonders den Leser in irdische Verhältnisse, Gastereien, häusliche und Berufsarbeit, Verhandlungen zwischen Gebietern und Hörigen hineinführen, stellen jene vier Stücke uns Ereignisse vor, die ohne weiteres der religiös-sittlichen Sphäre angehören und nicht erst durch Vergleichung mit Höherem für dies Gebiet nutzbar werden. Die Geschichte läuft nicht, wie unsre ‚Parabel‘-Definition es forderte, auf anderem Gebiete ab, sondern auf demselben, auf dem der zu sichernde Satz liegt, mit anderen Worten: Die Geschichte ist ein Beispiel des zu behauptenden Satzes. Ich kann denn auch diese Kategorie nicht anders als Beispielerzählungen (…) nennen.33
Während die Parabel indirekt auf etwas anderes verweise, präsentiere die Beispielerzählung bereits in der Erzählfolge das, worauf es eigentlich ankomme, „Bild- und Sachhälfte fallen ineinander, die Bilder gehören der religiös-sittlichen Sphäre an“34. In der Beispielerzählung werde – so Dan O. Via – „nicht auf den Sinn, den Gedanken oder die Realität verwiesen, mit denen sich die Geschichte befasst, sondern diese sind in der Geschichte präsent. Die Geschichte ist ein direktes Beispiel für sie und braucht nur noch verallgemeinert zu werden.“35 Es hat den Anschein, als könne und solle sich der Leser / die Leserin unmittelbar mit einer der auftretenden Erzählfiguren identifizieren, Deutungen werden hier wiederum überflüssig. Die Protagonisten sollen zum Modell, zum Beispiel
für ihn „zehn Gleichniserzählungen den eigentlichen Kernbestand des neutestamentlichen Parabelkorpus“ bilden (a.a.O., 80 f.). 33 Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 10), I, 112. 34 Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 10), I, 112. 35 Via, Gleichnisse (s. Anm. 1), 23; vgl. Ders., Parable and Example Story. A LiteraryStructuralist Approach, Semeia 1 (1974), 105–133, hier: 119.
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des eigenen Handelns werden. Ziel der Beispielerzählung sei deshalb auch die ethische Anwendung.36 Trotz mancher Kritik am Modell der Beispielerzählung (s.u.) hielten doch die meisten Forscher auch an dieser Untergattung der Gleichnisse mit Repräsentation der vier genannten Texte fest.37 Bultmann rechnet noch Lk 14,7–11 (Rangordnung beim Gastmahl) sowie Lk 14,12–14 (Die rechten Gäste) zur Gruppe der Beispielerzählungen, auch wenn er ihnen einen Vorstufencharakter zuschreibt.38
1.2 Kritik an der Beispielerzählung Beginnen wir mit der Kritik an der Untergattung „Beispielerzählung“, weil hier am frühesten und ausführlichsten das Raster Jülichers in Frage gestellt wurde.39 Schon die von Jülicher postulierte Identität von Sach- und Erzählebene bei der Beispielerzählung ist fragwürdig, wie man mit Blick auf die konkret von ihm benannten Sachinhalte sehen kann. So postulierte Jülicher, dass es beim Samaritergleichnis um den Wert der „echten, opferfreudigen Liebe“ gehe, beim Pharisäer und Zöllner um „Demut“;40 beim reichen Kornbauern werde die falsche Sicherheit durch Reichtum thematisiert,41 während beim reichen Mann und armen Lazarus „Freude an einem Leben im Leiden“ und „Furcht vor dem Genussleben“42 erzeugt werden soll. Allein die vielfältige Auslegungsgeschichte der genannten Texte wie z.B. zum Samaritergleichnis widerlegt diese interpretatorischen Engführungen. Umgekehrt gibt es auch eine ganze Anzahl anderer Parabeln, in deren Erzählwelt das religiöse Leben eine Rolle spielt (z.B. Mk 2,18–20: Fasten; Mk 3,22–26: Beelzebul; Mk 7,14–23: rein – unrein; Mt 25,32 f.: Menschensohn), ohne dass sie von Jülicher zu den Beispielerzählungen gerechnet wurden. So ist bereits die Absonderung der Texte aufgrund eines bestimmten Gegenstandsbereichs problematisch. 36 Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 10), I, 114: „praktische Anwendung wünschen sie sich.“ 37 So z.B. H. Conzelmann / A. Lindemann, Arbeitsbuch zum Neuen Testament. 14., durchges. Aufl. Tübingen 2004, 105; Sellin, Allegorie und „Gleichnis“ (s. Anm. 9), 424–428; Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 4), 81 f. 38 Vgl. Bultmann, Geschichte (s. Anm. 11), 193. 39 Vgl. J.D. Crossan, Parable and Example in the Teaching of Jesus, NTS 18 (1971/72), 285–307; Ders., In Parables. The Challenge of the Historical Jesus, New York 1973; E. Baasland, Zum Beispiel der Beispielerzählungen. Zur Formenlehre der Gleichnisse und zur Methodik der Gleichnisauslegung, NT 28 (1986), 193–219; Harnisch, Gleichniserzählungen (s. Anm. 19), 84–97; ausführlich J.T. Tucker, Example Stories. Perspectives on Four Parables in the Gospel of Luke, JSNT.S 162, Sheffield 1998. 40 Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 10), I, 112; II, 596. 41 Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 10), II, 616: Es gehe um die Erkenntnis, „wonach es Thorheit ist, sein Glück durch Reichtum gesichert zu wähnen“. 42 Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 10), II, 638.
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Auch die unmittelbare Vorbildfunktion der Erzählfiguren ist nicht nachvollziehbar, wie bereits W. Harnisch betont hat.43 Denn dass z.B. beim Samariter-Gleichnis jüdische Ersthörer im Samariter ihre Identifikationsfigur finden sollen, ist kaum vorstellbar. Auch beim Pharisäer und Zöllner oder beim Kornbauern werden keine direkten Identifikationsfiguren geboten, sondern vielmehr wird vor Augen geführt, dass „die Maßstäbe einer theologisch normierten Welt aus den Angeln zu heben“44 sind. Ferner ist das angeblich fast völlige Zurücktreten der Bildlichkeit bei den Beispielerzählungen nicht zutreffend. Die Nennung von Ortsangaben (Jerusalem; Jericho) oder der Namen einzelner Akteure (Lazarus) entbinden den Leser / die Leserin nicht, über das konkrete Szenario hinaus eine abstrakte Sinnebene zu suchen. Ganz wie bei anderen Parabeln wird ein Einzelfall konstruiert, der aber in grundlegendere und auch sachfremde Bedeutungsebenen hinein übertragen werden muss. Der Tiefensinn des realitätsbezogen Erzählten erschließt sich auch hier erst durch metaphorische Interaktion.45 Konkret: Dass es bei dem Hilfshandeln des Samariters um die Erfüllung des Tora-Gebots der Nächstenliebe geht, wird in der Erzählung selbst gar nicht gesagt, sondern erst im „Neben- und Ineinander“ zwischen Kontext und Erzählung sichtbar. Entsprechend muss der Mangel an Bildlichkeit und Metaphorizität – oder allgemeiner: an ästhetischer Fiktionalität, wie er immer wieder behauptet wurde,46 kritisiert werden: „Auch die These von der fehlenden oder abgeschwächten ästhetischen Distanz des Erzählten erweist sich bei näherem Zusehen als irreführend.“47 Darüber hinaus hat vor allem Ernst Baasland die Ableitung einer Gattung aus inhaltlichen Erwägungen grundsätzlich kritisiert. Gattungen können nur aufgrund sprachlich-formaler Gründe bestimmt werden. Eine (von Parabeln abweichende) „gemeinsame formale Struktur lässt sich in den Beispielerzählungen aber nicht nachweisen.“48 Aufgrund der narratologischen Struktur besteht hingegen auch für Harnisch „kein Hinderungsgrund, auch die vier strittigen Texte aus dem lukanischen Sondergut als Parabeln zu betrachten und sie dem Formtyp der dramatischen Gleichniserzählungen zuzurechnen.“49 43
Vgl. Harnisch, Gleichniserzählungen (s. Anm. 19), 86–88. Harnisch, Gleichniserzählungen (s. Anm. 19), 87. So auch R.W. Funk, The Parable as Metaphor, in: R.W. Funk, Language, Hermeneutic, and Word of God. The Problem of Language in the New Testament and Contemporary Theology, New York 1966, 124–222. 46 Vgl. etwa Sellin, Allegorie und „Gleichnis“ (s. Anm. 9), 425: „so liegt bei der Beispielerzählung die Bildhälfte vollständig auf dem Gebiet der Sachhälfte.“ 47 Harnisch, Gleichniserzählungen (s. Anm. 19), 88. 48 Baasland, Beispielerzählungen (s. Anm. 39), 197; wie bereits in seiner Dissertation Ders., Teologi og metodologi. En analyse av Rudolf Bultmanns tidligste arbeider, Oslo 1980, 579. 49 Harnisch, Gleichniserzählungen (s. Anm. 19), 91. 44 45
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Unter formgeschichtlicher Perspektive erscheint es überhaupt fragwürdig, ob sich aus vier Texten eines Autors eine eigene Textsorte rekonstruieren lässt. Denn Gattungen können nur aus dem Vergleich von Texten aus unterschiedlichen Zusammenhängen gewonnen werden, indem man zeigen kann, dass gemeinsame Textmerkmale und Funktionen vorliegen, oder eine Metareflexion ein Gattungsbewusstsein der Kommunikationsteilnehmer erkennen lässt. Für Lukas selbst werden diese Texte aber keinesfalls abgehoben, zumindest zwei von ihnen werden wie die anderen Gleichnistexte mit dem Begriff eingeleitet und klassifiziert (Lk 12,16; 18,9). Schließlich rechtfertigt auch eine Zuordnung zur Exempla-Klassifikation der antiken Rhetorik keineswegs die Absonderung einer Untergattung „Beispielerzählung“, wie besonders Jeffrey T. Tucker herausgearbeitet hat.50 „The ancient rhetoricians consulted here, then, do not provide discrete criteria with respect to the functions of the parable and the example that can be seized upon to solidify a categorical distinction between the Parabeln and the Beispielerzählungen.“51 Abgesehen davon, dass es unter den überlieferten Werken antiker Rhetoren keinen Konsens zur Klassifikation der Parabeln oder der Exempla gibt,52 kann man zumindest erkennen, dass alle Formen faktualer Erzählungen und fiktionaler Gleichnisse hier unter dem großen Dach der , der Beispiele also, vereint werden: Parabeln sind in der Einschätzung der antiken Rhetoriker immer Beispiele (vgl. Arist. Rhet. 1393 a, 28–31; Quint. Inst. V 11, s.u.). Entsprechend könnte man aus dieser Perspektive Tucker zustimmen, wenn er appliziert: „Having read Aristotle and Quintilian, we are forced to acknowledge that all of the parables ( ) of Jesus recorded in the synoptic gospels are examples ( ).“53 Zuletzt ist auch die Gegenprobe stichhaltig, denn nicht nur die als Beispielerzählungen abgesonderten Texte sind unmittelbar an den Leser appellierende Texte. Alle Parabeln fordern eine Parteinahme, ein Urteil, ja ein bestimmtes Verhalten von den Leserinnen und Lesern, so dass die Appellstruktur und ethische Ausrichtung54 keine Sonderstellung rechtfertigt. Dass die Beispielerzählungen zuletzt nicht nur ein primär ethisches Interesse verfolgen, hatte Crossan eingefordert. 50 Vgl. Tucker, Example Stories (s. Anm. 39), hier Chap. 5: „Parable and Example in the Ancient Rhetorical Tradition“, 275–395. 51 Tucker, Example Stories (s. Anm. 39), 388. 52 Vgl. dazu meine Ausführungen in „Jesus’ Parables and Ancient Rhetoric“ in diesem Band; ebenso Tucker, Example Stories (s. Anm. 39), 383: „There is no unified theory of parable and example in the ancient rhetorical tradition.“ 53 Tucker, Example Stories (s. Anm. 39), 395. 54 John D. Crossan hatte hier den umgekehrten Weg eingeschlagen und behauptet, dass sich auch die Beispielerzählungen nicht auf einen ethischen Impuls engführen lassen. Diese Einschätzung muss nicht meiner Argumentation widersprechen, setzt aber ein auf moralische Anweisung reduziertes Ethik-Verständnis voraus; vgl. Crossan, In Parables (s. Anm. 39), 55 ff.: „neither are they moral examples“.
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Fazit Die Texte, die Jülicher als Beispielerzählung klassifiziert hat, können aufgrund sprachlicher und inhaltlicher Kriterien keine Sonderstellung im Verbund anderer Parabeltexte beanspruchen. Auch lässt die antike Kommunikationsgemeinschaft oder besonders der Verfasser des Lukasevangeliums keine Anzeichen erkennen, dass für diese Texte das Bewusstsein einer eigenen Untergattung bestanden hat. Die Rede von einer eigenständigen Gattung „Beispielerzählung“ ist deshalb aufzugeben.
1.3 Kritik an der Unterscheidung von „Gleichnis i.e.S.“ und „Parabel“ Unkritischer wird hingegen bis in neueste Veröffentlichungen hinein die Unterscheidung zwischen „Gleichnis im engeren Sinn“ und „Parabel“ aufrechterhalten.55 Die hierbei angeführten Unterscheidungskriterien müssen jedoch aus einer Reihe von Gründen in Zweifel gezogen werden: Quellensprachliche Kritik Eine terminologische Differenzierung zwischen „Gleichnis i.e.S.“ und „Parabel“ lässt sich an den ntl. und urchristlichen Schriften nicht nachweisen. Die Autoren der ntl. Schriften sprechen in der Einleitung gerade auch zu solchen Texten von , die in der Forschungstradition den Gattungen „Bildwort“, „Gleichnis i.e.S.“ oder „Beispielerzählung“ zugewiesen wurden. Dies sei kurz am Beispiel des Verfassers des Lukasevangeliums erläutert: Hier werden so genannte „Bildworte“ wie vom „neuen Flicken auf altem Gewand“ (Lk 5,36) oder vom „blinden Blindenführer“ (Lk 6,39) in der Einleitung genannt. Ferner werden so genannte „Gleichnisse i.e.S.“ wie z.B. „Die Rangordnung der Tischgäste“ (Lk 14,7) oder „Von der Frucht des Feigenbaums“ (Lk 21,29) als eingeführt. Auch die von Jülicher als „Parabeln“ klassifizierten Texte wie das Sämann-Gleichnis (Lk 8,4.9.11) oder die „bittende Witwe“ (Lk 8,1) werden mit demselben Terminus belegt, ebenso wie schließlich die so genannten „Beispielerzählungen“ „Vom reichen Kornbauern“ (Lk 12,16) oder „Vom Pharisäer und Zöllner“ (Lk 18,9). Eine entsprechende Breite der Texte lässt sich auch bei den anderen Evangelisten nachweisen.56 Die früher zum Teil aus diesem Befund vollzogene Schlussfolgerung, dass der Begriff in den ntl. Texten nicht konsequent und einheitlich 55 So auch die Einschätzung bei Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 4), 79: „An Jülichers Unterscheidung von ‚Gleichnis im engeren Sinn‘ und ‚Parabel‘ wird im Grundsatz bis heute festgehalten.“ 56 Weitere Texte, die als „Gleichnis i.e.S.“ klassifiziert wurden, aber im ntl. Text genannt werden, sind: Mk 4,13.30; 13,28; Mt 13,18.31.33.36; 24,32; Lk 8,4.9.11; 12,41; 13,6; 15,3; 21,29.
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verwendet werde,57 ordnet den ntl. Texten eine bestimmte retrospektive Gattungsklassifikation vor. Im Vorwissen, dass es Gleichnisse, Parabeln und Beispielerzählungen gibt, muss man feststellen, dass die ntl. Autoren diese Differenzierung in ihrer Begriffsverwendung nicht konsequent einhalten. Die hermeneutische Brille der Gattungsklassifikation nach Jülicher hat hier aber für den eigentlichen Textbefund blind gemacht. Gerade weil die ntl. Autoren mit dem Gattungsbegriff in Länge und Gegenstandsbereich recht unterschiedliche Texte zusammenfassen, müssen wir die Kriterien unserer Gattungsdifferenzierung in Frage stellen lassen. Die ntl. Schriften bestätigen terminologisch keineswegs die von Jülicher u.a. eingeführte Binnendifferenzierung. Dies ist umso beachtenswerter, als die griech. Sprachwelt ausgehend etwa von Aristoteles rhetorischen und poetischen Schriften durchaus reich an verschiedenen Termini der Bildsprache war, man denke etwa an (Gleichnis, vgl. [Ähnlichkeit / Gleichheit]), (Metapher), (Allegorie), (Symbol), (Mythos), / (Rätsel) etc.58 Die urchristlichen Evangelisten verwenden insgesamt nur zwei Begriffe zur Klassifikation der Gleichnistexte: und – was häufig übersehen wurde – . Dabei zeigt sich eine quellenspezifische Differenz, denn während die Synoptiker ausschließlich und in auffälliger Häufigkeit von der sprechen, nennt der vierte Evangelist diesen Begriff gar nicht und spricht stattdessen von (nur vier Mal). Der Beleg in Joh 10,6 bezieht sich hierbei auf einen konkreten Text, während die Nennungen in Joh 16,25[bis].29 den Begriff als eine übergeordnete Klassifizierung der Rede Jesu verstehen und gerade damit ein an diesen Terminus gebundenes Gattungsbewusstsein des Evangelisten zum Ausdruck bringen.59 Beide Begriffe werden aber in der LXX als Übersetzung des gemeinsamen hebräischen Begriffs m sch l benutzt und tauchen auch in der Rhetorik Quintilians unter der Überschrift der Exempla auf (s.u.). 57 Der Begriff kommt überwiegend in den synoptischen Evangelien vor: 17 mal bei Mt, 13 mal bei Mk und 18 mal bei Lk; ferner zweimal im Hebr (Hebr 9,9; 11,19). G. Haufe nennt als mögliche Bedeutungen „Sprichwort (Lk 4,23; 6,39)“, „Ausspruch (Mk 7,17; Mt 15,15)“, „Bildwort (Mk 3,23; Lk 5,36)“, „Rätselrede (Mk 4,11; Mt 13,10; Lk 8,10)“, „Regel (Lk 14,7)“, „das (einen typischen Vorgang schildernde) Gleichnis (Mk 4,13.30; 13,28; Mt 13,18.31.33.36; 24,32; Lk 8,4.9.11; 12,41; 13,6; 15,3; 21,29)“, „Parabel (Mk 12,12; Mt 13,24; 21,33; Lk 18,1; 19,11; 20,9.19)“, „Beispielerzählung (Lk 12,16; 18,9)“, vgl. G. Haufe, Art. , EWNT III (1992), 35–38, hier: 36. Vgl. zur ntl. Verwendung des Begriffs auch Vouga, Gattungen (s. Anm. 4), 78–91. 58 Vgl. zur Vielfalt der Bildbegriffe R. Zimmermann, Christologie der Bilder im Johannesevangelium. Die Christopoetik des vierten Evangeliums unter besonderer Berücksichtigung von Joh 10, WUNT 171, Tübingen 2004, 62. 59 Vgl. zum -Begriff Zimmermann, Christologie (s. Anm. 58), 29–45; U. Poplutz, Paroimia und Parabol . Gleichniskonzepte bei Johannes und Markus, in: J. Frey / J.G. van der Watt / R. Zimmermann (Hgg.), Imagery in the Gospel of John. Terms, Forms, Themes, and Theology of Johannine Figurative Language, WUNT 200, Tübingen 2006, 103–120; sowie den Beitrag von M. Stare, Gibt es Parabeln im Johannesevangelium? (in diesem Band).
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Wenn wir versuchen wollen, zunächst das Gattungsbewusstsein der urchristlichen Autoren einschließlich verwendeter Termini aufzunehmen, dann lässt sich m.E. keine terminologisch manifestierte Gattungsdifferenz aus den Quellensprachen ableiten, denn diese wäre nur zu bestimmen, wenn ein Autor mehrere Begriffe (z.B. parabol und paroimia) auf ähnliche Texte unterschiedlich anwendete. Zugleich kann man aber feststellen, dass die Autoren durchaus ein Gattungsbewusstsein mit den jeweils verwendeten Begriffen verbinden, sei es, dass eine Meta-Reflexion ausgeführt wird (vgl. die so genannte Parabel-Theorie in Mk 4,10–12; oder zu paroimia in Joh 16,25–29), sei es, dass z.B. Lukas übernommene Texte abweichend von der Vorlage nun explizit als klassifiziert (so etwa Lk 6,39; vgl. in Q 6,39; Mt 15,14 ohne Parabel-Begriff; Lk 5,36 im Vgl. zu Mk 2,21; Mt 9,16). Will man aus der Quellensprache dennoch einen übergreifenden Gattungsbegriff ableiten, bietet sich am ehesten die „Parabel“ an. Zwar ist die etymologisch nahe liegende Übersetzung von parabol mit „Parabel“ nicht zwingend, allerdings ist sie dem terminologischen Bewusstsein der urchristlichen Autoren, die gerade mit dem Begriff ein Gattungsbewusstsein zeigen,60 näher als alle anderen Begriffe. Kritik im Horizont der Antiken Rhetorik Immer wieder wurde darauf hingewiesen, dass die Binnendifferenzierung zwischen „Gleichnis i.e.S.“ und „Parabel“ mit einer Unterscheidung von Gattungen der antiken Rhetoriken korreliere. So sei etwa die terminologische Differenz zwischen und bei Aristoteles im 20. Kapitel des zweiten Buches der Rhetorik (Arist. Rhet. 1393 a, 28–31) oder zwischen similitudo und collatio, wie sie Quintilian im 11. Kapitel des 5. Buches seiner „Institutio Oratoria“ vollziehe, eine unmittelbare Entsprechung zu Jülichers Unterscheidung. Betrachtet man die innerhalb der Rhetoriken gegebene Klassifikation im Einzelnen, dann wird vor allem die Inkongruenz der Termini und der damit bezeichneten Phänomene mit den Rastern der Gleichnisforschung evident. So gibt Aristoteles in seiner Rhetorik Gestaltungshinweise für Reden, wobei er unter anderem die „Beispiele“ ( ) in Analogie zur Induktion als mögliches Überzeugungsmittel anführt. Neben den Beispielen, die auf geschehene Dinge zurückgreifen, gebe es fiktive, also frei erfundene Beispiele, die Aristoteles wiederum in und unterteilt, wobei erstere sokratische Analogien aus dem Erfahrungsbereich bezeichnen, letztere Fabeln wie die Äsopischen oder Lybischen. Aristoteles benutzt also gerade den 60 Vgl. etwa den Nachweis zum Matthäus-Evangelium bei Chr. Münch, Die Gleichnisse Jesu im Matthäusevangelium. Eine Studie zu ihrer Form und Funktion, WMANT 104, Neukirchen-Vluyn 2004, 73 ff.
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Begriff „Parabel“ für das, was Jülicher „Gleichnis i.e. Sinn“ genannt hatte. Aber auch eine phänomenologische Analogie jenseits der verwendeten Termini – wie sie immer wieder erwogen wurde61 – scheidet aus, wenn man die konkreten Beispiele von Aristoteles mit den Kriterien Jülichers vergleicht.62 Eine Identifikation der logos-Fabel mit der Jülicherschen „Parabel“ ist insofern aus Aristoteles nicht abzuleiten. Auch bei dem lateinischen Rhetoriklehrer Quintilian (ca. 35–96 n. Chr.) findet sich der Terminus in seinen Ausführungen zu den Beweisgründen unter der Überschrift der exempla.63 In scheinbarer Anknüpfung an Aristoteles differenziert auch er zwischen den geschichtlichen und den erfundenen Beispielen, allerdings werden dann die geschichtlichen Beispiele als „Beispiele im engeren Sinn“ bezeichnet, die „die Erwähnung eines (…) nützlichen, wirklichen oder angeblich wirklichen Vorgangs“ (id est rei gestae aut ut gestae utilis … commemoratio, Quint. Inst. V 11,6) beinhalten. Daneben stehen die fiktiven Beispiele, denen Quintilian die Fabeln (abschätzend ‚fabella‘ genannt) und paroimiai zuordnet, letztere seien „eine Art kürzere Fabel und allegorisch zu verstehen“ (Quint. Inst. V 11,21). Als weitere, von den bisher genannten abzugrenzende Gruppe benennt Quintilian nun noch die similitudines, wobei er weiter in similitudo im engeren Sinn als Vergleichung ohne Übertragung und collatio (synonym mit dem Lehnwort ) als Vergleich von weit her (z.B. aus dem leblosen Bereich) differenziert.64 Wer nun versucht ist – wie seinerzeit noch D. Dormeyer65–, in der von Quintilian gegebenen Unterscheidung von similitudo und collatio das metaphernlose „Gleichnis i.e.S.“ und die den ungewöhnlichen Einzelfall schildernde „Parabel“ im Sinne Jülichers wiederzuerkennen, der wird durch die konkreten Beispiele des Quintilian eines Besseren belehrt. Entscheidend ist 61 Vgl. Harnisch, Gleichniserzählungen (s. Anm. 19), 97–105; M.A. Beavis, Parable and Fable, CBQ 52 (1990), 473–498; F. Vouga, Die Parabeln Jesu und die Fabeln Äsops. Ein Beitrag zur Gleichnisforschung und zur Problematik der Literalisierung der Erzählungen der Jesus-Tradition, WuD 26 (2001), 149–164; Ders., Formgeschichtliche Überlegungen zu den Gleichnissen und zu den Fabeln der Jesus-Tradition auf dem Hintergrund der hellenistischen Literaturgeschichte, in: F. van Segbroeck u.a. (Hgg.), The Four Gospels (FS F. Neirynck), BEThL 100, Leuven 1992, 173–187. Vgl. etwa die Formulierung bei F. Vouga, Parabeln Jesu, a.a.O., 150: „Die Parabel ist keine (Gleichnis), obwohl die beiden Formen der Parabel und des Gleichnisses zu der Klasse der erfundenen und fiktionalen Beispiele ( ) gehören. Das griechische Äquivalent für Parabel / Fabel ist (= „Logos“) oder (Mythos), das lateinische fabula.“ 62 Vgl. die Einzelheiten in meinem Beitrag „Jesus’ Parables and Ancient Rhetoric“ (in diesem Band). 63 Vgl. zur „Exempla-Gattung“ die umfassende Arbeit P.v. Moos, Geschichte als Topik. Das rhetorische Exemplum von der Antike zur Neuzeit und die historiae im „Policraticus“ Johanns von Salisbury, Ordo 2, Hildesheim u.a. 1988, zu Quintilian hier: 48–68. 64 Vgl. dazu das Schaubild in meinem Beitrag „Jesus’ Parables and Ancient Rhetoric“ (in diesem Band). 65 Dormeyer, Literaturgeschichte (s. Anm. 2), 142–146. Dormeyer hat inzwischen seine Sicht revidiert, wie er mir im persönlichen Gespräch versichert hat.
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für Quintilian nicht die Alltäglichkeit oder Außergewöhnlichkeit des Erzählten, sondern vielmehr die Nähe oder Ferne des Vergleichsgegenstands zum Erklärungsgegenstand. So kann der besondere Fall, dass sich Kandidaten auf dem Wahlplatz haben Geld geben lassen, zur similitudo für bestechliche Richter werden, während der alltägliche Vorgang der Pflege des Ackerbodens als Beispiel einer „aus der Ferne“ geholten collatio / parabol angeführt wird (Quint. Inst. V 11,22.24). Das maßgebliche Kriterium für die Gattungsdifferenzierung ist eine Ähnlichkeitsbeziehung zwischen zwei Ebenen. Die Bildungsmechanismen oder Formen des Ineinandergreifens wurden dann z.T. sehr differenziert beschrieben (Teil – Ganzes, vom Kleineren zum Größeren und vice versa, ähnlich – unähnlich – gegensätzlich, von Nahem – von Weitem etc.). Dass auch der Sprachgebrauch in der antiken Rhetorik eine klare Trennschärfe vermissen lässt, gibt Quintilian schließlich mit folgendem Zitat zu erkennen, in dem er die Synonymität der Begriffe und similitudo oder collatio anzeigt: Nostri fere similitudinem vocare maluerunt, quod ab illis quam Cicero collationem vocat.
dicitur, […]
Unsere (lateinische Schriftsteller) bevorzugen in der Regel (die Bezeichnung) similitudo, für das, was bei jenen (griech. Autoren) heißt, […] die (parabol ) Cicero collatio (Vergleich) nennt. (Quint. Inst. V 11,1.23)
Zwar werden innerhalb antiker Rhetorik mit und sogar Termini verwendet, die auch im Neuen Testament vorkommen. Eine Entsprechung der damit beschriebenen Phänomene zur Binnendifferenzierung der Gleichnisse in der Jülicher-Tradition kann aber keineswegs erkannt werden.66 Forschungsgeschichtliche Kritik Auch wenn weder aus dem Gattungsbewusstsein der Quellenautoren noch aus Klassifikationen im Umfeld das bekannte Raster abzuleiten ist, so mag man doch auf der Ebene wissenschaftssprachlicher Analytik daran festhalten können. Im heuristischen Sinn darf man retrospektiv auch quellenfremde Klassifikationsraster an die Texte herantragen, wenn damit Erkenntnisgewinn zu erzielen ist. Allerdings macht eine solche wissenschaftstheoretische Rechtfertigung einer formalen Binnendifferenzierung nur dann Sinn, wenn damit auch konsensfähige Ergebnisse zu erzielen sind. Doch genau dies ist mit Blick in die Forschungsgeschichte zweifelhaft: Zum Teil wird unter der gleichen Über66 Zur möglichen Beziehung der Jesusgleichnisse zur antiken Rhetorik dann meine Stellungnahme in Zimmermann, Jesus’ Parables and Ancient Rhetoric (in diesem Band).
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schrift Unterschiedliches verstanden oder sogar radikal gegensätzlich begründet. So ist das Gleichnis i.e.S. bei Jülicher strikt von der Metapher zu trennen (ähnlich noch Erlemann67), während für Dodd oder Harnisch und viele andere Gleichnisse gerade erweiterte Metaphern darstellen. Häufig kommen Forscher, die sich zu dem genannten Klassifikationsraster von „Gleichnis i.e.S.“ und „Parabel“ bekennen, in Applikation auf die konkreten Texte zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen. Als Beispiel möchte ich hier nur auf die für die Formgeschichte in unserem Bereich prägenden Exegeten Jülicher und Bultmann verweisen, die dieselben Texte teilweise in konträrer Weise unterschiedlichen Gattungen zuordnen: Text
Jülicher
Bultmann
Mk 4,26–29 (selbstwachsende Saat) Mk 4,30–32 (Senfkorn) Lk 7,31–35 (spielende Kinder) Lk 15,4–7 (verlorenes Schaf) Lk 15,8–10 (verlorene Drachme) Mt 13,44–46 (Schatz im Acker) Mt 13,47–50 (Fischnetz)
Parabel Parabel Parabel Parabel Parabel Parabel Parabel
Gleichnis Gleichnis Gleichnis Gleichnis Gleichnis Gleichnis Gleichnis
Eine entsprechende Abweichung der Einschätzung lässt sich dann auch bei der Zuordnung von einzelnen Texten zu „Gleichnis i.e.S.“ und „Bildwort“ bzw. „Metapher“ zeigen.68 So klar und eindeutig vielfach Unterscheidungskriterien aufgestellt werden, so unklar und diffus wird dann der Befund bei der Anwendung auf die konkreten ntl. Gleichnistexte. So finden sich bei nahezu allen Forschern zur formgeschichtlichen Binnendifferenzierung Zugeständnisse an die Schwierigkeit bis Unmöglichkeit eindeutiger Ergebnisse. So schreibt etwa Jülicher: „Allerdings sind die Grenzen fliessende; man kann bei einigen Perikopen zweifeln, ob sie mit mehr recht zu der ersten Gruppe oder zu einer höheren gezählt werden dürfen, z.B. bei Mt 7,24–27 dem Bildwort vom Hausbau auf Felsen oder Sand, bei Lk 11,5–8 der vom ungestüm bittenden Freund.“69 Auch Bultmann muss die Begrenzung der Anwendung seines 67 Vgl. dazu Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 4), 79: „Gleichnisse sind nicht erweiterte Metaphern, sondern fiktionale Erzählstücke (…)“. 68 So rechnet z.B. Bultmann, Geschichte (s. Anm. 11), 184–186, die Texte vom Feigenbaum (Mk 13,28 f.), von den spielenden Kindern (Lk 7,31–35), vom Dieb (Lk 12,39 f.), von den „Zeichen der Zeit“ (Lk 12,54–56) und vom rechtzeitigen Ausgleich (Lk 12,57–59) zu den Gleichnissen i.e.S., während Harnisch sie allesamt zu den Bildworten zählt (Gleichniserzählungen, 106). Oder Bultmann (Bultmann, Geschichte [s. Anm. 11]), 183, schlägt das Wort vom Splitter und Balken (Mt 7,3–5) den Metaphern zu, während es für Erlemann (Erlemann, Gleichnisauslegung [s. Anm. 4]) ein typisches „Bildwort“ ist, während das Bultmannsche Bildwort vom Doppeldienst (Mt 6,24) für Erlemann zu den Vergleichen zählt (Erlemann, Gleichnisauslegung [s. Anm. 4], 65). Die Beispiele ließen sich reichlich vermehren. 69 Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 10), I, 92.
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Rasters auf konkrete Texte eingestehen,70 ebenso wie Dodd die Problematik benennt: „It cannot be pretended that the line can be drawn with any precision between these three classes of parable – figurative sayings, similitudes, and parables proper. (…) But one class melts into another, and it is clear that in all of them we have nothing but the elaboration of a single comparison.“71 Schließlich gesteht auch Harnisch mehrfach die Schwierigkeit ein, jenseits seiner Bestimmung der dramatischen Erzählparabeln noch weitere Gattungsbeschreibungen zu vollziehen.72 Eignet sich aber ein analytisches Klassifikationssystem nicht, um zu klaren, konsensfähigen Ergebnissen zu gelangen, sollte man die postulierten Kriterien oder übergeordneten Deutungskategorien wie die genannten TeilGattungen in Frage stellen. Sprachlich-formale und inhaltliche Kritik Überzeugend schien die Differenz vor allem auch wegen einer Konvergenz sprachlicher und inhaltlicher Kriterien: So war man der Überzeugung, dass das „Gleichnis i.e.S.“ im Präsens von einem alltäglichen Vorgang berichtete, während die „Parabel“ von einem außergewöhnlichen Einzelfall im griech. Vergangenheitstempus Aorist erzähle (s.o.). Die hierbei postulierte Differenz der Referenzbereiche zwischen Alltäglichem und Außergewöhnlichem ist allerdings zweifelhaft, wie bereits des Öfteren bemerkt wurde.73 Während sich Jülicher und Bultmann einig waren, dass es sich beim Sämann-Gleichnis um einen außergewöhnlichen Einzelfall, gemäß ihrer Definition also um eine Parabel, handele,74 hat schon Jeremias korrigierend an die antike Aussaatpraxis erinnert: Nach Jeremias sei hier „der Regelfall des Säens geschildert (…) man erkennt das, wenn man weiß, wie in Palästina gesät wird: nämlich vor dem Pflügen! Der Sämann des Gleichnisses schreitet also über das ungepflügte Stoppelfeld (…) Was dem Abendländer als Ungeschick erscheint, erweist sich für palästinische Verhältnisse als Regel.“75 Auch andere Beispiele lassen Zweifel am Kriterium des Extravaganten aufkommen. „Mutet (es) fast sensationell an“76, wenn ein Richter aus dem Bedürfnis endlich seine Ruhe zu haben, einer insistierenden Witwe nachgibt (Lk 18,2 ff.) oder wenn man einem Freund eine dringende Bitte erfüllt (Lk 11,5–8)? Und welcher Vater würde sich nicht über die Rückkehr seines verloren geglaubten Sohnes freuen und feiern (Lk 15,11–32)? 70
Vgl. Bultmann, Geschichte (s. Anm. 11), 189. Dodd, Parables (s. Anm. 12), 17 f. 72 Harnisch, Gleichnisauslegung (s. Anm. 19), 105.108. 73 Vgl. Rau, Reden in Vollmacht (s. Anm. 29), 26–35. 74 Vgl. Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 10), II, 514–38; Bultmann, Geschichte (s. Anm. 11), 188 f. 75 J. Jeremias, Die Gleichnisse Jesu, Göttingen 111998, 9. 76 Harnisch, Gleichniserzählungen (s. Anm. 19), 67. 71
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Ein außergewöhnlicher Einzelfall? Ebenso kann man umgekehrt fragen, ob es sich etwa um einen alltäglichen Vorgang handelt, wenn ein Blinder sich als Blindenführer anbietet (Q 6,39), wenn man einen Schatz in einem Acker findet (Mt 13,44) oder wenn ein Hausherr auf Reisen sein Haus den Sklaven überlässt (Mk 13,34–37)? Die Grenzen zwischen Alltäglichem und Außergewöhnlichem, zwischen Allgemeinem und Individuellem sind fließend.77 Alltäglich erscheinende Vorgänge, wie die Brotteigbereitung, erweisen sich bei näherem Hinsehen (Teigmenge; Auslassung des Knetvorgangs) gerade als ungewöhnlich.78 Außergewöhnlich erscheinende Begebenheiten (wie die nächtliche Ankunft eines Bräutigams nach Mt 25,1–13) lassen sich hingegen durch vertiefte Kenntnis der sozialgeschichtlichen Ausgangssituation erklären.79 Die Beurteilung von extravaganten Zügen hängt in hohem Maße von der Kenntnis des bildspendenden Bereichs und der Kommunikationssituation ab, die uns aber vielfach nicht (mehr) zugänglich sind oder die hypothetische Konstrukte bleiben. Hieraus ein Gattungs-Kriterium abzuleiten, erscheint deshalb problematisch. Auch alltägliche Vorgänge sind in der fiktionalen Präsentation „einmalig“, wie „einmalige“ Vorgänge im Gleichnis den Charakter des Typischen annehmen.80 Bei jedem Gleichnistext vollzieht sich in seinem übertragenen Referenz-Kontext eine Abstraktion vom Allgemeinen oder Individuellen, die erst ein Verstehen ermöglicht. Eine kategoriale Unterscheidung der Texte scheint mir deshalb im Blick auf ihren bildspendenden Bereich nicht möglich. E. Rau hatte aber mit Rückgriff auf die Arbeit zur Funktion der Tempora bei H. Weinrich die Tempusdifferenz als Unterscheidungsmerkmal aufrechterhalten wollen. Durch den Gebrauch des Präsens (wie auch des Futur oder Perfekts) werde das Thema unmittelbar an den Adressaten gerichtet, während die Wahl von Vergangenheitstempora einen indirekten Weg über eine zeitliche Distanzierung wähle. Entsprechend kehrt Jülichers Unterscheidung in den von Weinrichs Terminologie inspirierten Untergattungen „besprechendes“ und „erzählendes“ Gleichnis wieder.81 Ungeachtet der problematischen Übertragung der Tempusfunktion moderner Sprachen auf das Koine-Griechisch soll nicht bestritten werden, dass 77 Dies hatte schon R. Bultmann eingestanden, aber aus heuristischen Gründen an der Differenzierung festhalten wollen, vgl. Bultmann, Geschichte (s. Anm. 11), 189: „Die begriffliche Scheidung ist notwendig zum Verständnis der formgebenden Motive; dass aber der Einzelfall eine Form rein zum Ausdruck bringen müsste, kann kein Verständiger fordern; deshalb soll man um den Einzelfall nicht viel streiten.“ 78 Vgl. dazu K.-H. Ostmeyer, Gott knetet nicht (Vom Sauerteig) – Q 13,20 f., in: Zimmermann (Hg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu (s. Anm. *), 185–192. 79 Vgl. dazu R. Zimmermann, Das Hochzeitsritual im Jungfrauengleichnis. Sozialgeschichtliche Hintergründe zu Mt 25.1–13, NTS 48 (2002), 48–70. 80 So auch Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 4), 79, im Anschluss an Rau. 81 Vgl. Rau, Reden in Vollmacht (s. Anm. 29), 26–35, mit Verweis auf H. Weinrich, Tempus. Besprochene und erzählte Welt, Stuttgart 21971.
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die Wahl des Tempus eine je unterschiedliche Funktion erfüllt und somit die Pragmatik eines Textes entscheidend beeinflusst. Allerdings können anhand des Tempusgebrauchs in den ntl. Gleichnistexten keineswegs zwei Gruppen von Texten eindeutig bestimmt werden. So finden sich bei vielen Texten Zeitenmischungen („Dieb in der Nacht“ Mt 24,43 f.; „wachende Knechte“ Lk 12,35–38; „Weg zum Gericht“ Lk 12,58 f.; „Brot der Hunde“ Mk 7,27 f. etc.), ferner wechseln die Zeitformen innerhalb der synoptischen Überlieferung: So wird z.B. das Senfkorngleichnis bei Mk 4,30–32 im Präsens als Grundzeitform wiedergegeben, während dasselbe Gleichnis unter Lk 13,18 f. und Mt 13,31 f. im Aorist erzählt wird. Haben Matthäus und Lukas hier tatsächlich aus dem ‚Gleichnis i.e.S.‘ eine ‚Parabel‘ gemacht? Schließlich muss man anerkennen, dass ein Erzählcharakter auch durch Szenenwechsel und Dramatik erzeugt werden kann und nicht an die Zeitform gebunden ist.82 Wenn man die Kriterien der Erzählung allerdings nicht zu eng an eine dramatische Figurenkonstellation bindet, dann kann kaum bestritten werden, dass viele so genannten „Gleichnisse i.e.S.“ narrativen Charakter haben, so dass auch dieses Kriterium auf ein rein quantitatives zusammenschrumpft. Auch hinsichtlich des Tempusgebrauchs bzw. Erzählcharakters müssen wir deshalb konstatieren, dass daraus mit Blick auf die konkreten Texte kein Kriterium für eine Gattungsunterscheidung gewonnen werden kann. Fazit Die Rede von einer Untergattung „Gleichnis i.e.S.“ widerspricht dem Gattungsbewusstsein und Terminusgebrauch der antiken Quellen. Auch als Begriff der analytischen Wissenschaftssprache kann damit keine Präzision erlangt werden. Schließlich gibt es in formaler und inhaltlicher Hinsicht keine überzeugenden Kriterien, die es gerechtfertigt erscheinen lassen, eine Gruppe von Sondertexten als „Gleichnisse i.e.S.“ abzugrenzen. Hinzu kommt die Problematik, dass mit dem Begriff „Gleichnis“ zum einen ein indifferenter Oberbegriff für alle gleichnishaften Texte, zum anderen ein Gattungsbegriff zur Deskription einer spezifischen Textsorte vorliegt. Die hieraus resultierende Unschärfe hat B. Heininger im „Historischen Wörterbuch der Rhetorik“ treffend auf den Punkt gebracht: Die präzise Bestimmung dessen, was ein G. ist, sieht sich vor die Schwierigkeit gestellt, dass der Begriff zu allen Zeiten als eine Art ‚terminologischer Joker‘ im Bereich des bildlichen Sprechens verwendet wurde und so verschiedene Formen wie
82 So auch C. Kähler, Jesu Gleichnisse als Poesie und Therapie. Versuch eines integrativen Zugangs zum kommunikativen Aspekt von Gleichnissen Jesu, WUNT 78, Tübingen 1995, hier: 45 mit Verweis auf Lk 15,8–9.
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die Metapher und den Vergleich, das Gleichnis im engeren Sinn, die Parabel und die Allegorie unter sich vereinigt.83
Wir können hier soviel festhalten, dass die in der Foschung angeführten Argumente für eine Untergattung „Gleichnis i.e.S.“ einer kritischen Prüfung aus den vorgenannten Gründen nicht standhalten. Die Binnendifferenzierung zwischen „Gleichnis i.e.S.“ und „Parabel“ sollte deshalb nicht aufrechterhalten werden.
1.4 Kritik am Bildwort Kommen wir zuletzt zur Untergattung des „Bildworts“. Eine genaue Abgrenzung zwischen Bildwort und Metapher gelingt schon Bultmann nicht,84 denn rein formal wird die gleiche Definition gegeben. „Auch die Metapher ist ein abgekürzter Vergleich, bei dem die Vergleichungspartikel fehlt.“85 Er betont denn auch ausdrücklich die Verwandtschaft, ferner spricht er vom metaphorischen Gebrauch der Bildworte durch die Evangelisten oder von Texten, die „zwischen einem Bildwort und einer Metapher spielen (…)“ (zu Mt 7,6).86 Bezeichnenderweise trifft für Harnisch gerade die Definition, die Jülicher generell für die Gleichnisrede postuliert hatte, auf das Bildwort zu.87 Harnisch selbst gesteht zu, dass „die formkritische Aufgabe weitaus weniger leicht lösbar als die Beschreibung der Parabelgattung“88 sei. Durch das Subtraktionsverfahren von Harnisch, das zunächst dramatische Erzählgattungen sowie „eine weniger klar profilierte Gruppe narrativer Miniaturstücke (Gleichnisse)“ abgrenzt, gewinnt er letztlich kein positives Kriterium zur Beschreibung einer Gattung „Bildwort“.89 Eine ganz ähnliche Problematik weist auch der Abgrenzungsversuch von Erlemann auf. Auch für ihn sind Bildworte Texte, „die gewissermaßen zwischen Metapher und Gleichnis angesiedelt (sind …), die sich weder ein-
83 B. Heininger, Art. Gleichnis, Gleichnisrede, HWR III (1996), 1000–1009, hier: 1000. Vgl. ebenso die Einschätzung bei J. Grimm / W. Grimm, Deutsches Wörterbuch IV (1984), 8195; ferner R. Zymner, Uneigentlichkeit. Studien zur Semantik und Geschichte der Parabel, 1991, 122. 84 Mit Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 4), 70: „Es gelingt Bultmann nicht, das Bildwort vom Gleichnis exakt abzugrenzen.“ 85 Bultmann, Geschichte (s. Anm. 11), 183. 86 Bultmann, Geschichte (s. Anm. 11), 183. 87 Vgl. Harnisch, Gleichniserzählungen (s. Anm. 19), 105: „Auf das Bildwort trifft zu, was A. Jülicher generell für die Gleichnisrede postuliert.“ 88 Harnisch, Gleichniserzählungen (s. Anm. 19), 105. 89 Vgl. etwa seinen Schlusssatz in Harnisch, Gleichniserzählungen (s. Anm. 19), 108: „Das übrige Material ist aus dem Korpus der eigentlichen Gleichnisse auszugrenzen und unter die Kategorie der Bildworte zu subsumieren.“
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deutig der einen noch der anderen Kategorie zuordnen lassen.“90 Auch für ihn zeichnen sich diese Texte durch Defizite aus, indem sie „keine dramaturgische Entfaltung mit szenischer und zeitlicher Strukturierung“91 aufweisen. Allerdings widersprechen die von Erlemann konkret genannten Beispiele selbst dieser Einschätzung: So wird im Gleichnis vom Splitter und Balken ausdrücklich zwischen der ersten Szene des Sehens (Mt 7,3) und einer weiteren der wörtlichen Rede (Mt 7,4) unterschieden, im anschließenden Appell wird der Vorgang des Herausziehens des Holzstücks noch einmal in zwei weitere Szenen (zuerst – dann, vgl. Mt 7,5) untergliedert. In Mt 13,52 teilt ein Hausherr ( ) Neues und Altes aus einem Schatz aus – kaum vorstellbar, dass er das gleichzeitig tut. Das Salzwort spricht von einer dreifachen Handlungssequenz: von der Salzanalyse, vom Hinauswerfen und vom Zertreten durch Menschen (Mt 5,13). Schließlich werden in den Gleichnissen von Flicken und Wein jeweils zwei Szenen (Nähen – Zerreißen; Einfüllen – Zerreißen) ausgeführt (Mk 2,21 f.92). Die so genannten ‚Bildworte‘ weisen aber nicht nur eine Szenenfolge auf,93 es werden auch Akteure der Handlung genannt (z.B. Brüder, Hausherr bzw. Arzt, Schüler – Lehrer), ja es kommt sogar zur wörtlichen Rede – alles Kriterien, die auch diese Texte als Erzähltexte ausweisen. Gewiss sind diese narrativen Elemente bisweilen auf ein Minimum reduziert, gleichwohl kann aus der Quantität kein Gattungskriterium abgeleitet werden. Die Länge bzw. hier Kürze der Texte kann nicht zum Gattungsmerkmal erhoben werden, da letztlich auch die so genannten Langparabeln in einem größeren literaturwissenschaftlichen Horizont betrachtet Erzählminiaturen bleiben. Weder aus der Beschreibung von Defiziten noch aus der Zusammenfassung von Texten zu einer diffusen Restklasse kann aber der Anspruch einer eigenständigen Gattung abgeleitet werden. Die meisten der unter dem Label „Bildwort“ zusammengeführten Texte zeigen in ihrer narrativen, metaphorischen, appellativen Gestalt und kontextuellen Einbettung hingegen Textmerkmale, die sie in eine Reihe mit anderen Gleichnistexten stellen. So ist schließlich auch die Rede von einer eigenständigen Textsorte „Bildwort“ aufzugeben.
90 Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 4), 70; vgl. auch sein Ringen um Begrifflichkeit, wenn er das Bildwort mit „erweiterter Metapher“, „fragmentarische[m] Gleichnis“ oder „Gleichnisskizze“ synonymisiert (ebd.). 91 Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 4), 70. 92 Erlemann verschreibt sich hier, wenn er auf Mk 2,20 f. statt 2,21 f. verweist, vgl. Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 4), 70. 93 Dass hier in „keinem Fall die szenische Entfaltung einer in sich selbstständigen Texteinheit“ vorliegt, kann dann wohl kaum behauptet werden, vgl. Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 4), 70.
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Fazit Die genannten Kritikpunkte machen deutlich, dass die Differenzierung des ntl. Gleichnisstoffes in „Bildwort“, „Gleichnis i.e.S.“, „Parabel“ und „Beispielerzählung“ den ntl. Texten eine sachfremde Logik aufzwingt, die nicht länger fortgeschrieben werden darf. So ist es an der Zeit, sich nicht nur von der Untergattung „Beispielerzählung“ zu verabschieden, sondern auch die Gattungsbegriffe „Bildwort“ und „Gleichnis i.e.S.“ aufzugeben.94 Versuche, wie diejenigen von K. Berger, K. Erlemann oder neuerdings K. Snodgrass, die eine Binnendifferenzierung des Gleichnismaterials vorschlagen, sind extrem komplex und konnten bisher keinen Konsens finden.95 So halte ich den weisen Ratschlag von Aristoteles in der Nikomachischen Ethik auch hier für angebracht, dass es ein Zeichen des gebildeten Geistes sei, keine größere Präzision zu beanspruchen, als der Gegenstand es zulässt.96 Ausgehend von dem Gattungsbewusstsein und Terminusgebrauch der ntl. Autoren sowie der Fülle des Textmaterials scheint mir „Parabel“97 die einzige angemessene Gattungsbezeichnung für das ntl. Gleichnismaterial zu sein: Parabeln – sonst nichts!
94 Ganz im Gegensatz zu Hengel / Schwemer, Jesus und das Judentum (s. Anm. 4), 402: „Diese Unterscheidung hat sich trotz einiger Proteste im ganzen bewährt, und es besteht unseres Erachtens kein Grund, sie aufzugeben.“ Am ehesten in diese Richtung denkt Kähler, Jesu Gleichnisse als Poesie und Therapie (s. Anm. 82), der mehrfach darauf hinweist, dass die Unterschiede der Untergattungen „geringer und weniger grundsätzlich“ (a.a.O., 44) sind, als die Forschung ihnen zuschreibt bzw. dass die „Grenzen (…) fließend bleiben“ (a.a.O., 45). 95 K. Berger unterschied 12 Kategorien, darunter etwa „Metaphorische Personalprädikation“ oder „Gleichnis-Diskurs“, vgl. Berger, Formgeschichte (s. Anm. 27), 25–62; Ders., Formen und Gattungen (s. Anm. 27), 81–120; K. Erlemann differenziert 10 „Grundformen“ und 6 „größere Texteinheiten“, vgl. Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 4), 63–98 (vgl. die Auflistungen in Anm. 21 und 29); K. Snodgrass unterscheidet sechs Kategorien : 1. similitudes (double indirect) ; 2. interrogative parables (double indirect) ; 3. double indirect narrative parables ; 4. juridical parables, a particular type of double indirect narrative parables; 5. single indirect narrative parables; 6. „how much more“ parables (a logic used with other categories); vgl. K. Snodgrass, Stories with Intent, Grand Rapids, Mich. 2008, sowie seinen Beitrag in diesem Band. 96 Arist. Eth. nic. I 1, 1094 b, 12–27: „Wir werden uns aber mit demjenigen Grad an Bestimmtheit begnügen müssen, der dem gegebenen Stoffe entspricht. Denn man darf nicht bei allen Fragen die gleiche Präzision verlangen, wie man es ja auch nicht im Handwerklichen tut. […] Denn es kennzeichnet den Gebildeten, in jedem einzelnen Gebiet nur soviel Präzision zu verlangen, als es die Natur des Gegenstandes zulässt.“ 97 Genau genommen wird hierbei einer bisherigen Engführung des Parabelbegriffs als „Parabel im engeren Sinn“ entgegengewirkt und „Parabel“ als übergeordneter Gattungsbegriff zurückgewonnen. Dem Begriff „Parabel“ wird hier aus unterschiedlichen Gründen der Vorzug gegenüber dem dt. Begriff „Gleichnis“ eingeräumt: 1. Der Begriff „Parabel“ liegt näher am quellensprachlichen Gattungsbegriff ; 2. „Parabel“ ist in der Literaturwissenschaft als Gattungsbegriff etabliert; 3. „parable“ ist im englisch-sprachigen Raum der Standardbegriff, so dass hier größere Kompatibilität erzeugt wird; der Begriff „Gleichnis“ wird als Sammelbegriff beibehalten und kann synonym verwendet werden; der zweite ntl. Gattungsbegriff hat keine Übersetzungstradition und kommt deshalb nicht als übergeordneter Gattungsbegriff in Frage.
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2. Gattungstheoretische Fragen Bevor nun im Folgenden eine eigene (und für das „Kompendium der Gleichnisse Jesu“ maßgebliche) Gattungsdefinition der Parabel gegeben wird, ist es hilfreich, einige grundsätzliche Bemerkungen zu Form und Gattung voranzustellen. Entgegen der früheren Überzeugung von der Existenz eines übergeschichtlichen Klassifikationssystems von Gattungen, in das dann Einzeltexte aufgrund von Übereinstimmung oder Abweichung einzelner Merkmale eingeordnet werden könnten, wird heute in der literaturwissenschaftlichen Gattungstheorie an der geschichtlichen Kontingenz eines Gattungssystems nicht mehr gezweifelt.98 Gattungen müssen „als eine bestimmte kommunikative Praxis, die immer auch eine hermeneutische Praxis ist“99, betrachtet werden. „Gattungen sind institutionalisierte Kommunikationsformen. Sie lenken Produktion und Rezeption von Texten durch vorgeprägte Muster und Motive (…) Die Benutzung von vorgegebenen Gattungen ist Teil eines allgemeinen sozialen Austauschs.“100 Gattungen sind also Teil eines Kommunikationsprozesses, bei dem sich die Teilnehmer / innen auf ein bestimmtes Merkmalbündel verständigen und Übereinstimmungen oder Abweichungen erkennen können. Dabei können Gattungen jedoch nicht im Sinne der normativen oder auch induktiven Gattungspoetik als allgemeine Idealformen oder natürliche Urformen beschrieben werden. Vielmehr sind sie „offene Systeme“, die im Sinne von Wittgensteins Familienähnlichkeit durch Übereinstimmung einer Vielzahl von Merkmalen konstituiert werden. Dieser Ansatz besagt zugleich, dass sich Gattungen „nicht mehr trennscharf voneinander unterscheiden, sondern fließende Grenzen haben und sich ob ihrer Nichtabgeschlossenheit auch leicht ausdehnen, verengen oder verlagern können“101. Auf diese Weise können nicht nur Transformationsprozesse innerhalb der Entstehung und Veränderung einer Gattung leichter erfasst werden, auch Mischgattungen (hybride genres) sind erklärbar, da Einzeltexte an den Merkmalen unterschiedlicher Gattungen partizipieren können. Wenn sich Gattungen somit nicht mehr allein aus philologischen Kriterien ableiten lassen, können sie rezeptionsästhetisch als Konstrukte im Bewusstsein ihrer Leser / innen betrachtet werden. Diese generative Dimension von Gattungen hat vor allem Paul Ricœur im Anschluss an Roland Barthes ins Bewusstsein gerufen und sogar auf Gleichnistexte appliziert.102 Gattungen 98 Vgl. D. Duff (Hg.), Modern Genre Theory, Harlow 2000; R. Zymner Gattungstheorie. Probleme und Positionen der Literaturwissenschaft, Paderborn 2003, 7–36. 99 Zymner, Gattungstheorie (s. Anm. 98), 59. 100 Theissen, Entstehung (s. Anm. 2), 52. 101 P. Wenzel, Art. Gattungstheorie und Gattungspoetik, Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie, 3. Aufl. Weinheim 2004, 212–214, hier: 214. 102 Vgl. auch P. Ricœur, Biblische Hermeneutik, in: W. Harnisch (Hg.), Die Neutestamentliche Gleichnisforschung im Horizont von Hermeneutik und Literaturwissenschaft, WdF 575,
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funktionieren demnach wie „Codierungen“, d.h., eine Botschaft wird mittels einer bestimmten Form „encodiert“, die von den Adressaten, denen die Form geläufig ist, wieder „decodiert“ werden kann.103 Die Gattungen liefern also „eine allgemeine Grundlage für das Verständnis und die Interpretation von Texten, insofern sie aufgrund ihrer bekannten Merkmale oder Charakteristika dem Empfänger der einzelnen Botschaft Anleitung geben, diese Botschaft (besser) zu verstehen.“104 Doch wie lassen sich diese konventionalisierten Merkmale erkennen, wenn sie letztlich vom Ermessen einer Kommunikationsgemeinschaft abhängen? Im Blick auf die formgeschichtliche Bestimmung der Gleichnisse Jesu besagt dies Folgendes: Statt eines übergeordneten Klassifikationssystems kann man verschiedene Kommunikationskreise bestimmen, innerhalb derer ein bestimmtes Bewusstsein für die Parabel-Gattung besteht. Auf der einen Seite ist hier an die urchristliche Kommunikationsgemeinschaft zu denken, bei der ein bestimmtes Gattungsverständnis vorausgesetzt werden darf. Auf der anderen Seite steht die Interpretationsgemeinschaft gegenwärtiger Leser / innen. Eine Deckungsgleichheit zwischen beiden Gruppen wird zwar nicht zu erzielen sein, allerdings sollten gravierende Widersprüche vermieden werden, wie sie etwa im Falle der genannten Jülicher-Klassifikation aufgezeigt wurden. Ausgangspunkt ist also zunächst das Gattungsbewusstsein der urchristlichen Autoren, die offensichtlich eine Fülle unterschiedlicher Texte unter ihren Gattungsbegriffen vereinen konnten. Wir müssen entsprechend fragen, welche Merkmale alle der unter den quellensprachlichen Gattungsbegriffen und genannten Texte aufweisen. So kann man eine kleinste gemeinsame Schnittmenge von Merkmalen bestimmen, die z.B. Narrativität und Metaphorizität als Minimalkriterien umfasst. Andere wie Kontextualität, Fiktionalität etc. ließen sich hinzunehmen. Ist die Selbstklassifikation zwar ein hilfreiches und auch hinreichendes Kriterium zur Bestimmung von Parabel-Texten, so ist sie doch keine notwendige Bedingung. Dies wird besonders daran sichtbar, dass Parabel-Texte im Laufe der synoptischen Überlieferung ihren Textcharakter beibehalten, aber nicht von allen Evangelisten gleichermaßen als klassifiziert werden. Umgekehrt werden Texte, die ähnliche oder sogar gleiche Merkmale aufweisen, nicht konsequent mit dem Gattungsbegriff eines Autors belegt, was z.B. in den narrativen Quellen wie den Evangelien auch dem Stil der Erzählung geschuldet ist. Es gibt also Texte, die durchaus aufgrund eines beDarmstadt 1982, 248–339, hier: 277: „kein Mittel der Klassifikation, sondern ein Mittel des Herstellens.“ Vgl. dazu auch die Nachbereitung von H.-J. Meurer, Die Gleichnisse Jesu als Metaphern. Paul Ricœurs Hermeneutik der Gleichniserzählungen Jesu im Horizont des Symbols „Gottesherrschaft / Reich Gottes“, BBB 111, Bodenheim 1997, 182–185. 103 Vgl. Ricœur, Hermeneutik (s. Anm. 102), 277 f. 104 Meurer, Gleichnisse Jesu als Metaphern (s. Anm. 102), 185.
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stehenden Merkmalbündels zu den Parabeln gerechnet werden dürfen, auch wenn die terminologische Benennung im Einzelfall fehlt. So gilt es, zwar ausgehend von den urchristlichen Texten, aber im heuristischen Sinn darüber hinausführend, ein Merkmalbündel zu bestimmen, das dann bei der Untersuchung und Bestimmung von Parabeltexten angewandt werden kann.
3. Die Gattung „Parabel“ Ungeachtet der Verschiedenheit der sprachlichen Gestaltung zeigen die Texte, die im NT oder genannt werden, doch verbindende Charakteristika, die es gerechtfertigt erscheinen lassen, hier von einer gemeinsamen „Gattung“ zu sprechen. Als markanteste Kriterien werden vielfach „Narrativität“ und „Metaphorizität“ benannt,105 manche fügen noch die „Kürze“ hinzu.106 Allerdings stehen diese Merkmale im engen Verbund mit anderen Kriterien, die zur Präzisierung ebenfalls benannt werden müssen.107 In Anlehnung an die von R. Zymner vorgeschlagene Beschreibung108 soll folgende Definition gelten, die auch für das „Kompendium der Gleichnisse Jesu“ maßgeblich wurde: Eine Parabel ist ein kurzer narrativer (1) fiktionaler (2) Text, der in der erzählten Welt auf die bekannte Realität (3) bezogen ist, aber durch implizite oder explizite Transfersignale zu erkennen gibt, dass die Bedeutung des Erzählten vom Wortlaut des Textes zu unterscheiden ist (4). In seiner Appellstruktur (5) fordert er einen Leser bzw. eine Leserin auf, einen metaphorischen Bedeutungstransfer zu vollziehen, der durch Ko- und Kontextinformationen (6) gelenkt wird.
Zugespitzt auf Attribute lassen sich sechs Merkmale der Parabel unterscheiden, die im Folgenden näher erläutert werden. Die „Parabel“ ist demnach 105 Ricœur, Hermeneutik (s. Anm. 102), 248; Heininger, Metaphorik (s. Anm. 4), 1991, 21–30; Th. Söding, Die Gleichnisse Jesu als metaphorische Erzählungen. Hermeneutische und exegetische Überlegungen, in: B. Janowski / N. Zchomelidse (Hgg.), Die Sichtbarkeit des Unsichtbaren. Zur Korrelation von Text und Bild im Wirkungskreis der Bibel, AGWB 3, Stuttgart 2003, 81–118; D. Dormeyer, Gleichnisse als narrative und metaphorische Konstrukte – sprachliche und handlungsorientierte Aspekte, (in diesem Band). 106 J.D. Crossan, Cliffs of fall. Paradox and polyvalence in the parables of Jesus, New York 1980, 2–5; Rau, Reden in Vollmacht (s. Anm. 29), 73–83; B. B. Scott, Hear then the Parable. A Commentary on the Parables of Jesus, Minneapolis 1989, 35: „a short narrative fiction“. 107 Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 4), 75 f. nennt sogar 12 gemeinsame Merkmale, die für ihn für alle Gleichnistexte gelten. 108 R. Zymner, Art. Parabel, HWR VI (2003), 502–514, hier: 502: „Die Parabel ist ein (1) episch-fiktionaler Text mit (2) mindestens einem impliziten oder expliziten Transfersignal, das darauf aufmerksam macht, dass die Bedeutung des Erzählten vom Wortlaut des Textes zu unterscheiden ist, und das eben dadurch zudem dazu auffordert, eine vom Wortlaut des Textes unterschiedene Bedeutung zu suchen, also eine ‚Richtungsänderung des Bedeutens‘ vorzunehmen. Diese Richtungsänderung wird (3) entweder durch Ko- oder Kontextinformation gelenkt, (…) In keinem Fall darf (4) anthropomorphisiertes Figural vorkommen, das an sich aus der bekannten Realität vertraut ist (wie ‚die sprechende Eiche‘).“
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1) narrativ, 2) fiktional, 3) realistisch, 4) metaphorisch, 5) appellativ-deutungsaktiv und 6) ko- bzw. kontextbezogen. Definieren heißt nicht nur bestimmen, sondern im ureigenen Sinn auch begrenzen, deshalb sollen bei den Kurzcharakteristika in idealtypischer Weise auch Abgrenzungen der Parabel zu anderen Gattungen benannt werden:
3.1 Die Narrativität der Parabel Parabeln sind kurze Erzählungen, d.h. narrative Texte, bei denen mindestens eine Handlungssequenz oder eine Statusveränderung berichtet oder vorgestellt wird. Die Narrativität wurde bereits früher zum maßgeblichen Kriterium für die „Parabeln“ (im Sinne Jülichers) bzw. „erzählenden Gleichnisse“ erhoben. Neu ist also lediglich, dass die Voraussetzungen für Narrativität herabgesetzt werden. Parabeln sind Erzählminiaturen, die auf das Wesentliche konzentriert sind und im Extremfall nur z.B. aus einem Handlungsverb bzw. einem Handlungssubjekt bestehen. Entscheidend ist nicht die quantitative Ausgestaltung einer Handlung, sondern dass überhaupt eine Handlung erzählt oder vorgestellt wird. So kann selbst die in Frageform gefasste Parabel vom „blinden Blindenführer“ (Q 6,39) eine Handlungssequenz bzw. Handlungsfolge erkennen lassen, indem im zweiten Versteil das Fallen in die Grube vor Augen geführt wird.109 Vielfach wird aber von unterschiedlichen Figuren in komplexeren Beziehungskonstellationen und mehrstufigen Handlungssträngen erzählt. Diese Erzählstrukturen wurden innerhalb der Gleichnisforschung intensiv besprochen, man denke etwa an die strukturalistische Erzählanalyse von E. Güttgemanns110 oder R.W. Funk111 aus den 70 er Jahren. Ähnlich wie Funk hatte dann W. Harnisch die Drei-Figuren-Konstellation als maßgebliches Gestaltungsprinzip vieler Parabeln wahrgenommen und als „dramatische Dreierformation“ ausgebaut.112 Eine dramatisch verlaufende Handlung hatte auch Dan O. Via beschrieben, wobei er inhaltlich zwischen zwei Typen von Episodenreihung differenzierte: a) Tat – Krise – Lösung; b) Krise – Tat – Lösung. Die Handlungsbewegung charakterisierte er aufsteigend (komisch) oder absteigend (tragisch).113 Für B. Heininger wird die dramatische Gestaltung zusätzlich durch die häufig vorkommenden inneren Monologe und Dialoge in den Parabeln unterstri109 Vgl. dazu die narrative Analyse bei G. Kern, Absturzgefahr (Vom Blinden als Blindenführer) – Q 6,39 f., in: Zimmermann (Hg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu (s. Anm. *), 61–67, hier: 61 f. 110 E. Güttgemanns, Narrative Analyse synoptischer Texte, in: Harnisch, Gleichnisforschung (s. Anm. 9), 179–223. 111 R.W. Funk, Die Struktur der erzählenden Gleichnisse Jesu, in: Harnisch, Gleichnisforschung (s. Anm. 9), 224–247 (zuerst Ders., Structure in the Narrative Parables of Jesus, Semeia 2 [1974], 51–81). 112 Vgl. etwa Harnisch, Gleichniserzählungen (s. Anm. 19), 80 f. 113 Vgl. Via, Gleichnisse (s. Anm. 1), passim.
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chen, die für ihn zugleich ein markantes Abgrenzungskriterium zur antiken Fabel darstellt.114 Diese strukturalistisch beeinflusste Erzähltheorie ließe sich problemlos um die Einbeziehung der Komponenten von Raum und Zeit ausweiten, die – wie etwa Jurij Lotman im Konzept seiner Raumsemantik gezeigt hat – nicht selten in unmittelbarer Korrelation zu inhaltlichen Kontrasten und Sequenzen stehen. Gleichwohl bleiben auch die ausgestalteten Parabeln auf wenige Sätze beschränkt und verzichten auf Ausschmückung und sprachliche Plerophorie. Die Erzählung ist äußerst knapp gefasst, jedes Wort, jedes Detail ist mit Bedacht gesetzt. Diese Konzentration auf das Wesentliche bleibt für alle Parabeln charakteristisch. Aus dem schwer fassbaren quantitativen Befund zwischen einem Vers oder z.B. vier Versen kann keine Gattungsdifferenzierung abgeleitet werden, wie das zum Teil in der Forschung versucht wurde. Als Erzählminiaturen unterscheiden sich die Parabeln in jedem Fall von längeren Erzählgattungen wie Bios, Epos oder in der späteren Literaturgeschichte Roman oder Kurzgeschichte etc. Auf der anderen Seite gibt es auch Kurztexte, die nicht narrativ sind, wie etwa weisheitliche Sentenz, Sprichwort oder . Auch diese können bildliche, d.h., z.B. metaphorische oder symbolische Elemente beinhalten, die aber auf der Ebene von Stilformen anzusiedeln sind. So unterscheiden sich Parabeln von bildhaften Stilformen / Tropen (Wortmetaphern, Symbol, Metonymie, Synekdoche) oder Vergleichen mit Vergleichspartikel. Entsprechend liegen in Q 17,24 (Menschensohn „wie Blitz vom Himmel“) oder Mt 10,16 (Jüngersendung „wie Schafe unter Wölfe“) bloße Vergleiche vor. In Mt 5,13–16 („Ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt“) fehlt die Vergleichspartikel, stattdessen werden einfache Satzmetaphern der Form „A ist B“ gebildet. Die Sätze lassen für sich betrachtet jeden Ansatz einer Handlung vermissen, so dass aufgrund mangelnder Narrativität hier keine Parabel vorliegt.
3.2 Die Fiktionalität der Parabel Die Parabel ist eine „fiktionale“ Erzählung, sie ist ausgedacht – im Gegensatz zu einer „faktualen“ Erzählung, die sich auf tatsächlich stattgefundene (oder als solche geglaubte) geschichtliche Ereignisse bezieht, um die Sprechweise von Gerard Genette in „Fiktion und Diktion“115 aufzunehmen. Obgleich auch die „faktualen Erzählungen“ wie die neuere Geschichtstheorie herausgearbeitet hat, in hohem Maße fiktional sind, es also immer nur die
114 115
Vgl. etwa die statistische Auswertung in Heininger, Metaphorik (s. Anm. 4), 14. Vgl. R. Genette, Fiktion und Diktion, übers. v. H. Jatho, München 1992, 66.
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„Fiktion des Faktischen“ geben kann,116 gibt es Erzähltes, das von vornherein nicht den Anspruch auf eine geschichtliche Referenz erhebt. Um solche erdachten und erdichteten Erzählungen geht es hier. Auch die antike Rhetorik unterschied bereits zwischen geschichtlichen und erfundenen Beispielen. So hatte Aristoteles im 2. Buch der Rhetorik (20) unter dem Oberbegriff „Beispiele“ ( ) das im engeren Sinn als historisches Beispiel definiert und davon die „künstlichen“, d.h. frei erfundenen Beispiele abgegrenzt, für die unter anderem der Begriff verwendet wurde. Entsprechendes lässt sich bei Quintilian beobachten, denn für ihn ist das „exemplum“ die erzählte Erinnerung an ein wirklich geschehenes oder als historisch geltendes Ereignis.117 Ein ntl. Beispiel wäre hier etwa das Beispiel in Mt 12,40: „Denn wie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des Seeungetüms war, so wird der Menschensohn drei Tage und drei Nächte im Herzen der Erde sein.“ Hier handelt es sich zweifellos um eine kleine Erzählung, die metaphorisch auf einen anderen Sachverhalt (Menschensohn) übertragen wird. Allerdings ist die Erzählung nicht fiktional, sondern bezieht sich auf ein geschichtlich vorgestelltes Ereignis (Prophet Jona). Es handelt sich hier folglich nicht um eine Parabel im Sinne der hier vorgestellten Definition. Andere biblische Beispiele wären die joh Semeia-Erzählungen wie z.B. die Hochzeit von Kana (Joh 2,1–11), deren metaphorischer Charakter in der Perspektive eines narrativen Rollentauschs kaum geleugnet werden kann,118 die aber im narrativen Rahmen als faktuale Erzählung bestimmt wird.
3.3 Der Realitätsbezug der Parabel Auch wenn die Parabeln fiktional, d.h. erdacht sind, bleiben sie auf die bekannte Realität bezogen. Dies hatte schon Ch.H. Dodd deutlich benannt: „In the parables of the Gospels, however, all is rue to nature and to life. Each similitude or story is a perfect picture of something that can be observed in 116 Vgl. dazu H.V. White, Die Fiktionen der Darstellung des Faktischen, in: ders., Auch Klio dichtet oder Die Fiktion des Faktischen. Studien zur Tropologie des historischen Diskurses, Stuttgart 1991, 145–160; Ders., Die Bedeutung der Narrativität in der Darstellung der Wirklichkeit, in: ders., Die Bedeutung der Form. Erzählstrukturen in der Geschichtsschreibung, Frankfurt a.M. 1990, 14 ff. Ferner J. Rüsen, Historische Sinnbildung durch Erzählen. Eine Argumentationsskizze zum narrativistischen Paradigma der Geschichtswissenschaft und der Geschichtsdidaktik im Blick auf nicht-narrative Faktoren, Internationale Schulbuchforschung 18 (1996), 501–544; eine überarbeitete Fassung dieses Beitrags dann in: Ders., Historisches Erzählen, in: ders., Zerbrechende Zeit. Über den Sinn der Geschichte, Köln u.a. 2001, 43–105. 117 Vgl. Quint. Inst. V 11,6. Vgl. dazu auch Moos, Topik (s. Anm. 63), 50. Innerhalb der Gleichnisexegese hat D. Dormeyer diese Klassifikation der antiken Rhetorik aufgenommen, indem er folgende Differenzierung vorschlägt: 1. Exemplum als historisches Beispiel; 2. Gleichnis (similitudo) als fiktives exemplum mit minderer Beweiskraft, abgestuft nach dem Grad seiner Nähe zum diskutierten realen Fall, vgl. Dormeyer, Literaturgeschichte (s. Anm. 2), 143–146. 118 Vgl. dazu Zimmermann, Christologie (s. Anm. 58), 203–215.
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the world of our experience. The processes of nature are accurately observed and recorded.“119 Die Parabeln sind zwar erfunden, aber – um es mit Körtner zu sagen – es geht um ‚erfundene Wahrheit‘.120 Das, was hier erzählt wird, könnte tatsächlich so stattgefunden haben, sie sind ‚realistisch‘.121 Methodisch ist hier vor allem die Aufgabe gestellt, diesen Realbezug durch historische und sozialgeschichtliche Analysen möglichst präzise zu fassen. Der in den urchristlichen Parabeln angesprochene Wirklichkeitsbezug ist ebenso konkret wie vielfältig:122 So werden nahezu alle Bereiche des privaten sowie öffentlichen Lebens einbezogen, angefangen von elementaren Lebenssituationen wie Geburt, Krankheit und Tod, über die Stillung von Grundbedürfnissen wie Schlafen, Essen und Trinken oder Kleidung, bis hin zu den räumlichen Lebensverhältnissen wie das Bauen oder Abreißen eines Hauses. Häufig geht es aber weniger um die Beschaffenheit eines Gegenstandes als um die damit verknüpften sozialen Verhältnisse. So ist – um am Beispiel des Hauses zu bleiben – die Spaltung der Hausgemeinschaft (Q 17,34 f.; Mk 3,25; EvThom 61) von Interesse. Gerade die spannungsvollen Beziehungen unter Menschen werden zum Anschauungsgegenstand, so etwa das Verhältnis zwischen Eltern und Kind, zwischen Brüdern und Freund(inn) en oder Sklaven und Herren. Auch Arbeits- und Dienstverhältnisse im weiteren Sinn wie z.B. die Entlohnung von Tagelöhnern (Mt 20,1–16) oder die Entlassung eines Verwalters (Lk 16,1–8) spielen eine Rolle. Innerhalb der Arbeitswelt wird häufig auf Verhältnisse Bezug genommen, wie sie im kleinbäuerlichen Milieu etwa des galiläischen Dorfes anzunehmen sind (Fischfang, Ackerbau etc.).123 Besonders wird hier auch die Lebenswelt der Frauen zur Geltung gebracht.124 Doch die erzählte Welt der Parabeln lässt sich nicht 119 Ch. H. Dodd, The Parables of the Kingdom, London 1935 (hier zitiert nach PaperbackAusgabe, Glasgow 1978, 19). 120 Vgl. U.H.J. Körtner, Theologie des Wortes Gottes. Positionen – Probleme – Perspektiven, Göttingen 2001, 370–373, der hierbei eine Formulierung von Marcel Reich-Ranicki aufnimmt, vgl. M. Reich-Ranicki (Hg.), Erfundene Wahrheit. Deutsche Geschichten 1945–1960, 8. Aufl., Neuausg. München / Zürich 1995. 121 Erlemann spricht von „pseudorealistisch“, um das fiktive Element gleichsam in einem Begriff miteinzubeziehen, vgl. Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 4), 75. Die Vorsilbe „pseudo-“ ist aber nicht zuletzt durch die Diskussionen um die ntl. Pseudepigraphie als Wertbegriff belastet, so dass sie hier nicht aufgenommen wird. Ich danke hier E. Reinmuth für seine klärenden Rückfragen. 122 Vgl. zur detaillierten Auflistung der Bereiche unter Einbeziehung von Textverweisen die Zusammenstellung in Zimmermann, Gleichnisse Jesu (s. Anm. *), 37–39; ferner das tabellarische Motivfeld-Register im Anhang in Zimmermann (Hg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu (s. Anm. *), 1003–1010. 123 Vgl. dazu etwa ferner W. Bösen, Galiläa als Lebensraum und Wirkungsfeld Jesu, Freiburg, Br. 31998; Ders., Die Figurenwelt der Gleichnisse, WUB 24 (2002), 60–66; ferner S. Freyne, Jesus, a Jewish Galilean. A New Reading of the Jesus-Story, London 2006. 124 Vgl. dazu M.-A. Beavis (Hg.), The Lost Coin. Parables of Women, Work and Wisdom, The Biblical Seminar 86, London / New York / Sheffield 2002.
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auf eine bestimmte soziale Schicht begrenzen.125 So steht etwa bei einer ganzen Reihe von Parabeln der Bereich der Finanzen oder des Rechts im Mittelpunkt. Schließlich kann auch der außermenschliche Bereich eigens in den Mittelpunkt gerückt werden, indem z.B. Tiere oder Pflanzen die Hauptakteure bzw. Anschauungsfelder der Parabeln darstellen,126 ohne dass diese aber anthropomorphisiert würden. Die Art der Bezugnahme ist sehr unterschiedlich. Teilweise scheint mit einem Stichwort wie z.B. dem „Dieb“ (Q 12,39 f.; Agr 45) bereits ein ganzer Vorstellungsbereich vor Augen gestellt, teilweise werden Einzelheiten bis hinein zu inneren Monologen (Lk 15,17–19) oder mehrstufigen Handlungsverläufen (Mt 20,1–16) über längere Zeiträume hinweg (Q 19,12–26) erzählt. Zum Teil werden einzelne, scheinbar nebensächliche Details hervorgehoben wie die Lampen / Fackeln beim Hochzeitszug (Mt 25,1–13), das Abfüllen des neuen Weins (Mk 2,22), die Tischordnung von Gästen (Lk 14,7–11) oder das Verhalten des Lohnhirten bei der Schafhaltung (Joh 10,12 f.). Häufig geht es um Grundlegendes einer bestimmten Handlung (Aufstellen der Lampe Q 11,33; Hausbau Q 6,47–49; Aussaat Mk 4,3–20; Festeinladung Mt 22,1–14). Im Kompendium wird versucht, anhand des vorhandenen Quellenmaterials möglichst konkret Einzelaspekte des Erzählten zu erhellen, die dann zum „bildspendenden Bereich“ für die Parabel innerhalb einer metaphorischen Interaktion (s.u.) werden können. Eine solche Rekonstruktion der Realia bleibt angesichts der Quellenlage gleichwohl immer fragmentarisch und ist der Gefahr von hermeneutischen Zirkelschlüssen ausgesetzt.127 Parabeln unterscheiden sich durch ihren Realitätsbezug deutlich von fantastischen Erzählungen (science fiction) oder apokalyptischen Visionen. Sie unterscheiden sich auch von Fabeln, in denen z.B. Tiere oder Pflanzen in anthropomorphisierender Weise sprechen und handeln, oder von Mythen, in denen die allgemeine Erfahrungswelt gesprengt wird.128
3.4 Die Metaphorizität der Parabel Die parabolische Erzählung ist aber nicht bloß realitätsbezogene Dichtung. Sie ist zugleich Bildrede, d.h. sie verweist anhand von internen oder externen 125 So etwa die befreiungstheologische Lektüre von W.R. Herzog II, Parables as Subversive Speech. Jesus as Pedagogue of the Oppressed, Louisville, Ky. 1994. 126 So lesen wir von Schweinen (Mt 7,6; Agr 165), von Hunden (Mk 7,27 f.; EvThom 102, vgl. Lk 16,21) und Pferden (EvThom 47,1–2), ebenso wie von Raben (Q 12,24), Wölfen (Joh 10,12) und Aasgeiern (Q 17,37). Auch von Pflanzen wie dem Feigenbaum (Mk 13,28 f.; Lk 13,6–9) und der Dattelpalme (EpJac NHC I 7,23–35), den Lilien (Q 12,27) oder sogar einzelnen Senf- (Mk 4,30–32) und Weizenkörnern (Joh 12,24; EpJac NHC I 8,10–27) ist die Rede. 127 Vgl. dazu den Beitrag von Ostmeyer in diesem Band. 128 Mit Zymner, Art. Parabel (s. Anm. 108), 502.
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Transfersignalen129 auf eine Ausssage hin, die jenseits der primären Sinnebene liegt. Die Parabel hat also eine ‚übertragene‘ oder so wörtlich „metaphorische“ ( = übertragen) Bedeutung. Mit anderen Worten findet ein semantischer Bedeutungstranfer zwischen verschiedenen Sinnbezirken statt. Bei den Parabeln Jesu geht es hierbei vereinfacht gesprochen um eine Bedeutungsübertragung von der realen Lebenswelt auf den religiösen Bereich bzw. die Wirklichkeit Gottes und umgekehrt. In den Parabeln wird dieser Übertragungsimpuls zum Teil schon durch die Einleitung gegeben, indem im Rahmenvers die folgende Erzählung zum Beispiel mit dem „Reich Gottes“ verknüpft wird. So lautet etwa eine häufige Einleitungsformel: „Das Reich der Himmel gleicht …“ ( …, Mt 13,24; vgl. Lk 13,18.20 etc.). Aber auch wenn diese Zuordnung nicht explizit erfolgt oder die „Reich-Gottes-Metapher“ fehlt, bleibt das Erzählte im Kontext der urchristlichen Überlieferung doch immer in irgendeiner Weise auf die Wirklichkeit Gottes bezogen. Gleichnisse verknüpfen somit die menschliche und die göttliche Welt miteinander, sie setzen sie zueinander in Beziehung, sie setzen sie ineinander, sie setzen sie gleich. Das hierbei vorausgesetzte Metaphernverständnis knüpft an die von I. Richards und M. Black beschriebene und von P. Ricœur weiterentwickelte „Interaktionstheorie der Metapher“ an. Eine Metapher ist demnach nicht auf ein substituiertes Wort begrenzt, sondern schließt immer ein Stück Text ein,130 innerhalb dessen eine Wechselwirkung zwischen zwei oder mehreren semantischen Bereichen erzeugt wird. Auf dieser Ebene konnten nun auch längere Texteinheiten als Ganze metaphorische Qualität beanspruchen. Während Jülicher die Gleichnisrede strikt von der Metaphorik getrennt hatte, hat die Gleichnisforschung viel Fleiß darauf verwandt, gerade die Metaphorizität der Parabeln herauszuarbeiten. Man denke hier etwa an die Arbeiten aus den 70er Jahren von R.W. Funk, P. Ricœur und H. Weder131 oder in jüngerer Zeit von B. Heininger oder H.-J. Meurer.132 Ohne diese Diskussion in Einzelheiten hier aufnehmen zu können, sei auf zwei Aspekte hingewiesen: Zum einen wird die Metaphorizität des Textes gerade durch die Erzählung selbst erzeugt. Wie bei der Metapher die Spannung zwischen zwei eigentlich nicht zusammengehörigen Sinnbereichen zu einer semantischen Innovation führt, so erschließt sich dem Leser bzw. der Hörerin einer Parabel 129
Vgl. dazu Zymner, Uneigentlichkeit (s. Anm. 83), 87–96. Vgl. dazu P. Ricœur, Die Lebendige Metapher, München 32004; ferner den Überblick in: R. Zimmermann, Metapherntheorie und biblische Bildersprache. Ein methodologischer Versuch, ThZ 56 (2000), 108–133. 131 Vgl. R.W. Funk, The Parable as Metaphor, in: ders., Language, Hermeneutic, and Word of God (s. Anm. 45), 124–222; Ricœur, Hermeneutik (s. Anm. 102); Weder, Gleichnisse Jesu als Metaphern (s. Anm. 24), 58–62. 132 Vgl. Heininger, Metaphorik (s. Anm. 4), 15–30; Meurer, Gleichnisse Jesu als Metaphern (s. Anm. 102). 130
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bereits durch die innere Struktur der Erzählung eine neue Einsicht, ja zum Teil eine „unglaubliche Möglichkeit“.133 Man könnte hier von einer „metaphorischen Erzählung“ sprechen, weil die Erzählung als Ganze Träger des metaphorischen Prozesses ist. Zum anderen wird der Übertragungsprozess allerdings auch durch Rückgriff auf konventionalisierte Kernmetaphern wie das Bildfeld von Gott – Vater oder durch den „konterdeterminierenden Kontext“ im Horizont des Evangeliums gelenkt. Dann würde man eher von einer narrativen Ausdehnung einer Metapher sprechen. Sowohl das Verständnis von der Parabel als „metaphorischer Erzählung“ wie auch als „erzählter Metapher“ sind weiterführend und müssen nicht gegeneinander ausgespielt werden.134 Gerade das Wechselspiel aus stehenden Metaphern (= Bildfeldern) und aus kühnen Metaphern, wie auch die spezifische Verschmelzung von Narrativität und Metaphorizität machen den Reiz und die Originalität der Parabeln Jesu aus.
3.5 Die deutungsaktive Appellstruktur der Parabel Die Parabel spricht an, sie will gedeutet werden. Gerade auch aufgrund des metaphorischen Charakters wird unterstrichen, dass der Sinn einer Parabel nicht schon in den Buchstaben festgelegt ist. Der metaphorische Übertragungs- und Sinnfindungsprozess ist nicht schon abgeschlossen, sondern muss im Akt des Lesens je und je neu vollzogen werden. Gerade auch die narrativen und sprachlichen Elemente wie die Figurenkonstellation, rhetorische Fragen, offenes Ende etc. rufen einen Deutungsprozess hervor. R. Zymner hat hier den rezeptionsästhetischen Begriff der „Appellstruktur“ von W. Iser135 auf die Parabel appliziert.136 Innerhalb der Gleichnisforschung wurde dieser Appellcharakter der Parabel immer wieder wahrgenommen. So hatte Joachim Jeremias die Parabeln sogar als „Streitwaffe“ bezeichnet, die eine sofortige Stellungnahme erfordere.137 Andere haben die erschließende (T. Aurelio), kommunikative (E. Arens) oder sogar therapeutische (C. Kähler) Funktion dieses Anredecharakters herausgearbeitet.138 Dabei ist es nicht nur die Stellungnahme des Einzel133
So Harnisch, Gleichniserzählungen (s. Anm. 19), 285 f. mit Bezug auf Lk 10,30–35. In diesem Abgrenzungsbemühen etwa Heininger, Metaphorik (s. Anm. 4), 21–30. 135 Vgl. W. Iser, Die Appellstruktur der Texte, in: R. Warning (Hg.), Rezeptionsästhetik. Theorie und Praxis, München 1975, 325–342. 136 Zymner, Uneigentlichkeit (s. Anm. 83), 60–62; eine Übertragung auf die ntl. Gleichnistexte auch davon unabhängig bei Baasland, Beispielerzählungen (s. Anm. 39), 214 f. 137 Jeremias, Gleichnisse (s. Anm. 75), 18: „die Gleichnisse sind nicht ausschließlich, aber zum großen Teil Streitwaffe. Jedes von ihnen fordert eine Antwort auf der Stelle.“ Für Jeremias ist dieser Anredecharakter freilich primär an die „konkrete Situation des Lebens Jesu“ gebunden, die er als „Kampfsituation“ beschreibt: „Wie mußte sein Wort auf die Hörer wirken“? (ebd.). 138 Vgl. T. Aurelio, Disclosures in den Gleichnissen Jesu, Frankfurt a.M. u.a. 1977; E. Arens, Kommunikative Handlungen. Die paradigmatische Bedeutung der Gleichnisse Jesu für 134
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nen, sondern besonders der Gruppe, die herausgefordert wird. J.D. Crossan hat gerade diese kommunikative Dimension der Appellstruktur hervorgehoben: „It was up to the hearers to raise their own consciousness through communal agreement and disagreement. Jesus’ parables were lures not for personal thought by isolated readers but for corporate debate by interactive hearers.“139 William R. Herzog, von dem Crossan hierbei beeinflusst war, geht noch einen Schritt weiter. Die Parabeln werden von ihm als „discussion-starters“140 bezeichnet, die nicht nur zur gemeinsamen Auseinandersetzung einladen, sondern letztlich in befreiungspädagogischer Intention zum gemeinsamen Handeln befähigen und beflügeln. Die parabolische Problematisierung von Ungerechtigkeit dränge die Hörer zur Umsetzung der in den Parabeln angedachten Gerechtigkeit Gottes in der konkreten Welt, von der die Parabeln reden. Eine solche Zuspitzung führt zugleich zum zweiten Teilkriterium. Der Anredecharakter muss nicht nur zu irgendeiner Reaktion, sondern zu einer persönlichen Stellungnahme, zu einer Deutung führen, die Parabeln sind also „deutungsaktiv“.141 Während Gleichnisse und auch Beispielerzählungen nach Jülicher gerade keine Deutung mehr vertragen (s.o.),142 ist es m.E. für die Parabel konstitutiv, dass sie nicht univoke Sprache darstellt, die Sachverhalte darstellt oder bloß bespricht. Vielmehr sind Parabeln aufgrund ihrer narrativen und metaphorischen Gestalt auf Deutung angewiesen. Durch ihre ‚konzise Unschärfe‘ (Zymner) provozieren sie einen Leser oder eine Hörerin immer wieder neu zur Stellungnahme. Sie drängen ihn oder sie zu einer Einsicht, zu einem vertieften Verstehen, ja sogar zum Handeln. So sehr eine spezifische und persönliche Sinnkonstitution vom Leser / von der Leserin erwartet wird, bleiben die Parabeln doch auch „deutungsoffen“, weil ihre Bedeutung nicht in einer Weise festliegt, sondern je nach Rezeptionskontext auf eigene Weise erfolgt. Als methodische Konsequenz wird im Kompendium daraus abgeleitet, dass nicht eine einzige, verbindliche Auslegung, sondern vielmehr Verstehensmöglichkeiten aufgezeigt werden.143
eine Handlungstheorie, Düsseldorf 1982; Kähler, Jesu Gleichnisse als Poesie und Therapie (s. Anm. 82), 46–62. 139 J.D. Crossan, The Parables of Jesus, Interp. 56 (2002), 247–259, hier 251. 140 Vgl. Herzog, Subversive Speech (s. Anm. 125), 261: „(…) parables were discussionstarters. They were used to invite conversation and to lure their hearers into the process of decoding and problematizing their world.“ 141 Vgl. dazu auch meine Einleitung in diesem Band. 142 Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 10), I, 114: „Sie vertragen keine Deutung, sie sind so klar und durchsichtig wie möglich, praktische Anwendung wünschen sie sich. Wenn man (…) jemandem einen Spiegel vorhält, dass er seine Hässlichkeit oder Schmutzflecke, die ihn entstellen, wahrnehme, so bedarf man dazu keines weiteren erklärenden Wortes; der Spiegel deutet eben besser, wie es in Wahrheit steht, als man es mit den längsten Beschreibungen zu Stande brächte.“ 143 Vgl. dazu Einzelheiten in Zimmermann, Gleichnisse Jesu (s. Anm. *), 41–43.
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3.6 Der Ko- und Kontextbezug der Parabel Parabeln sind schließlich eingebettet in größere Erzählzusammenhänge oder in Reden und Argumentationsgänge, die die Sinnkonstitution und Leserlenkung in hohem Maße beeinflussen. Diese Kontextbezogenheit der Parabel wird hier als konstitutiv betrachtet. Entgegen einer früheren strukturalistischen Betrachtung, die die Autonomie der Form des Gleichnisses und die daraus resultierende „Dekontextualisierung“ hervorgehoben hat,144 ist es gerade der jeweilige Kontext, der die Sinnfindung bei der Auslegung eines Gleichnisses prägt. Sowohl die Transfersignale, die den metaphorischen Charakter einer Parabel anzeigen, als auch die Verstehensimpulse, die die Sinnstiftung des Textes vorstrukturieren, liegen meist nicht ausschließlich in der Parabel selbst. Erst der konkrete Ort innerhalb einer Sammlung von Sprüchen, im literarischen Umfeld bzw. im Kontext der Ganzschrift erlaubt eine Sinnzuschreibung. Dies wird besonders an parallel überlieferten Parabeln in so unterschiedlichen Kontexten wie Q, Lk oder EvThom sichtbar.145 Der Kontext bleibt aber nicht auf den Makro-Text z.B. eines Evangeliums begrenzt, sondern lässt sich auf ganze Textsammlungen ausweiten, wie insbesondere an der Diskussion des Thomasevangeliums ablesbar ist. Auch wenn besonders in der amerikanischen Diskussion die Herauslösung des Thomasevangeliums aus seinem gnostischen Kontext verbreitet ist, kann die Auslegung der Parabeltexte in EvThom nicht von dem bestehenden Überlieferungskontext des konkret vorhandenen Textes innerhalb der Nag Hammadi-Codices absehen. Dies hat E.E. Popkes exemplarisch an EvThom 83 f. gezeigt.146 Die Einbeziehung der gesamten Sprech- und Lesesituation sowie der Lebenswelt der Kommunikationssituation einschließlich der geprägten Sprachformen (z.B. Bildfelder) als Ko-texte147 lässt sich dann aber nicht auf die historische Textproduktion begrenzen, sondern muss ebenso im Blick auf den jeweiligen Rezeptionsprozess gelten. Die Parabel wird gerade dann als dynamischer Gattungsbegriff verstanden, wenn auch der je und je spezifische hermeneutische Prozess des Verstehens als konstitutiv betrachtet wird. Bezogen auf die kanonischen Texte muss dann nicht nur der Erzählkontext im Engeren, sondern auch im Grundsätzlichen berücksichtigt werden. Die Parabeln des Neuen Testaments werden hierbei grundsätzlich an Jesus zurückgebunden. Die Einbettung der Texte in die Evangelien schafft aber nicht 144
So etwa Meurer, Gleichnisse Jesu als Metaphern (s. Anm. 102), 185. Vgl. z.B. die Parabel vom verlorenen Schaf in den unterschiedlichen Kontexten wie Q 15,4–5 a.7, Mt 18,12–14; Lk 15,1–7 und EvThom 107, dazu A. Oveja, Neunundneunzig sind nicht genug! (Vom verlorenen Schaf) – Q 15,4–5 a.7, in: Zimmermann (Hg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu (s. Anm. *), 205–219. 146 Vgl. dazu E.E. Popkes, Das Licht in den Bildern – EvThom 83, in: Zimmermann (Hg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu (s. Anm. *), 909–915. 147 Mit Heininger, Metaphorik (s. Anm. 4), 26. 145
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nur einen historischen Rahmen im Leben Jesu, sondern vor allem auch einen christologischen Kontext, der Jesus als den bleibenden Gleichniserzähler präsentiert. Die frühere Engführung der Fragestellung auf einen „Sitz im Leben Jesu“ und seiner Erstadressaten muss dann aber ausgeweitet werden zu einem „Sitz im Leben der Leser / innen“. Indem die Parabeln im weiteren Kontext des neutestamentlichen Kanons eingebettet sind, erhalten sie bleibende Bedeutung als Maßstab für ein Leben im Glauben jedes Lesenden. Diese theologische Dimension der Parabeln gilt es bei der Auslegung wieder neu in Erinnerung zu rufen.148
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Vgl. dazu auch den Beitrag von A.J. Hultgren in diesem Band.
Gleichnisse als narrative und metaphorische Konstrukte – sprachliche und handlungsorientierte Aspekte Detlev Dormeyer 1. Forschungsstand Zum komplexen Thema „Gleichnisse als narrative und metaphorische Konstrukte“ sollen hier schlagwortartig einige Thesen beigesteuert werden. Adolf Jülicher bringt 1899 „Die Gleichnisreden Jesu im Allgemeinen“ als Band I von „Die Gleichnisreden Jesu“ heraus.1 Die hieraus entwickelte Theorie bleibt grundlegend bis heute. In Band II seines Doppelwerkes bietet er die Auslegung zu allen synoptischen Gleichnissen Jesu.2 Zu den Gleichnissen im engeren Sinne rechnet er synoptische Bildworte und Gnomen hinzu. Diese Zusammenstellung wurde als problematisch diskutiert.3 Otto Knoch bietet 1983 wieder eine Auslegung aller synoptischen Gleichnisse, aber ohne Bildworte und Gnomen. Knoch hält sich zunächst an die Definitionen von Jülicher. Für die Zuordnung von „Bildwirklichkeit“ und „Sachwirklichkeit“ nimmt er den neuen Ansatz der Verschränkung auf.4 Außerdem erarbeitet er für jedes Gleichnis den traditionsgeschichtlichen und redaktionellen Rahmen.5 Existentiale und spirituelle Anregungen sollen jeweils abschließend den Leser zur Übernahme der theologischen Botschaft anregen.6 Dieses „Werkbuch zur Bibel“ bildet eine hervorragende, kurze Zusammenfassung der Gleichnisexegese der Nachkriegszeit. Allerdings bleibt Knoch noch ganz dem Vorrang der objektiven historisch-kritischen Redaktionsgeschichte und der Nachrangigkeit der subjektiven Anwendung durch den Leser verhaftet. 1
A. Jülicher, Die Gleichnisreden Jesu, Teile I–II, Tübingen 1910 (repr. Darmstadt 1976). Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 1), II. 3 R. Zimmermann, Die Gleichnisse Jesu. Eine Leseanleitung zum Kompendium, in: ders. (Hg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu, hg.v. R. Zimmermann in Zusammenarbeit mit D. Dormeyer, G. Kern, A. Merz, Chr. Münch und E.E. Popkes, Gütersloh 2007, 3–49, 17–28. 4 O. Knoch, Wer Ohren hat, der höre. Die Botschaft der Gleichnisse Jesu, Stuttgart 1983, 18. 5 Knoch, Wer Ohren hat, der höre (s. Anm. 4), 51–59. 6 Knoch, Wer Ohren hat, der höre (s. Anm. 4), 63–67. 2
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1999 legt Kurt Erlemann vor: „Gleichnisauslegung. Ein Lehr- und Arbeitsbuch“.7 Kap. 1 „Einführung in die Forschungsgeschichte“8 liefert einen präzisen Überblick über die Entwicklung der Gleichnistheorie ab Jülicher. Dann entwickelt Erlemann „Ansätze zur Überwindung von Polaritäten“.9 Den Polaritäten kann uneingeschränkt zugestimmt werden: historische Verkündigung in einer Abfolge von Stadien gegen die Dominanz der Kommunikationssituationen heutiger und damaliger Leser. In meinem Buch von 1993: „Das Neue Testament im Rahmen der antiken Literaturgeschichte“ hatte ich ähnliche Überlegungen angestellt.10 Doch nun stellt sich ein neues Problem. Wenn die neuen Ansätze sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern jeweils einen Aspekt der Texttheorie zur Textsorte Gleichnis ausarbeiten, wie kann dann noch eine übersichtliche Methodologie der Gleichnisexegese erarbeitet werden? Es ist konsequent, dass Erlemann nur 3 Beispiele ausarbeiten kann. Diese drei „Musterexegesen“ nehmen 43 Seiten ein. Diese sind aufgrund der vielen Unterpunkte sehr anstrengend zu lesen. Die Frage ist, ob eine Orientierung am Leseprozess der Gleichnisse einen durchsichtigeren Verlauf der Gleichnisexegese mit kommentierender Unterstützung ermöglicht.
2. Gleichnis als narratives Konstrukt 2.1 Erzähltextanalyse Übereinstimmung besteht ab Jülicher, dass die Gleichnisse eine Erzählhandlung besitzen müssen. Aber auch Bildworte können eine Erzählhandlung beinhalten. Jülicher rechnet daher solche Bild-Handlungen zu den Gleichnissen im engeren Sinne. Die Gleichnisrede Mk 4,1–34 bestätigt in der Tat diesen weiten Ansatz. Der Evangelist Markus rechnet die Bildhandlung vom Licht-Anzünden Mk 4,21 zu den Gleichnissen; für die Bildhandlungen vom Untergang der uneinigen Königsherrschaft und uneinigen Familie und vom Einbruch in das Haus des Starken Mk 3,24–25.27 verwendet Markus sogar ausdrücklich die Bezeichnung parabol (Mk 3,23). Er hat den weiten Maschal-Begriff der jüdischen Bibel.11 Was unterscheidet die Bildhandlung von einem Gleichnis?
7 K. Erlemann, Gleichnisauslegung. Ein Lehr- und Arbeitsbuch, UTB.W 2093, Tübingen / Basel 1999. 8 Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 7), 11–53. 9 Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 7), 53–61. 10 D. Dormeyer, Das Neue Testament im Rahmen der antiken Literaturgeschichte, Darmstadt 1993, 140–159; von Erlemann nicht berücksichtigt. 11 D. Dormeyer, Parabeln im Markusevangelium. Einleitung, in: Zimmermann (Hg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu (s. Anm. 3), 257–261, 257 f.
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2.1.1 Handlungsträger Das Gleichnis hat immer mehr als einen Handlungsträger, das Bildwort hat explizit nur einen Handlungsträger: z.B. das kraftlos werdende Salz (Mk 9,50 parr.) und der rechte Schriftgelehrte (Mt 13,52); doch es kann auch vom Leser beim Bildwort vom Salz wie bei anderen Bildworten ein weiterer Handlungsträger, z.B. die „Hausfrau“, ergänzt werden.12 Die Handlung von der Fesselung des Starken und Ausraubung seines Hauses kann wiederum als eigenständiges Gleichnis erzählt werden. Es hat eine Parallele in der Parabel vom barmherzigen Samariter (Lk 10,30–35). Die Bildworte vom Arzt Mk 2,17/Lk 4,23, vom Bräutigam Mk 2,18–20 parr., vom alten Kleid und alten Schläuchen Mk 2,21–22 parr., vom Licht-Anzünden, vom bittenden Sohn Mt 7,9–11/Lk 11,11–13, von der uneinigen Königsherrschaft, uneinigen Familie und dem starken Hausbesitzer Mk 3,24–25.27, von den Kindern und Hunden Mk 7,27 f., vom Schüler und Lehrer Mt 10,24 f. / Lk 6,40, vom Salz Mk 9,50 parr. und vom rechten Schriftgelehrten Mt 13,52, die Jülicher alle zu den Gleichnissen im engeren Sinne rechnet,13 haben implizit ebenfalls mehr als einen Handlungsträger. Der Handlungsverlauf muss als zusätzliches Kriterium herangezogen werden. So können aus Jülichers Liste von 28 Gleichnissen im engeren Sinne außer der Gnome von der Offenbarung des Verborgenen Mk 4,22 parr. die anderen 27 Texte übernommen werden.14 Es können auch die johanneischen Bildworte übernommen werden, wenn sie mehr als einen Handlungsträger aufweisen.15 Wie verhalten sich die Handlungsträger zueinander? Vladimir Propp ermittelte bei seiner Analyse der Zaubermärchen einen Satz von 7 Handlungsbereichen = Aktanten: Held, falscher Held, Sender, Gegner / Schadenstifter, Helfer, Schenker, gesuchte Person und ihr Vater.16 Diese lassen sich wieder auf 3 Strukturrollen reduzieren: Held, Gegner, Helfer / Erhalter.17 Via, Harnisch und Rau stellten die Beziehungsverhältnisse zwischen diesen drei handelnden Personen in den Mittelpunkt der Gleich12 J. Leonhardt-Balzer, Vom Wirken des Salzes (Vom Salz) – Q 14,34 f., in: Zimmermann (Hg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu (s. Anm. 3), 200–204, 200, gegen Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 1), II, 67–79; P. Müller, Neues und Altes aus dem Schatz des Hausherrn (Vom rechten Schriftgelehrten) – Mt 13,52, in: Zimmermann (Hg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu (s. Anm. 3), 435–440, gegen Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 1), II, 128–133. 13 Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 1), II, 79–259. 14 Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 1), II, VII; s. Gesamttabelle der Einzelgleichnisse (alphabetisch) und Vollständige Liste der Parabeln nach Quellenbereichen (mit Parallelen) in Zimmermann (Hg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu (s. Anm. 3), 983–1003. 15 Zimmermann (Hg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu (s. Anm. 3), 699–851. 16 V. Propp, Morphologie des Märchens (russ. 1928), hg.v. K. Eimermacher, stw 131, Frankfurt 1975. 17 D. Dormeyer, Der Sinn des Leidens Jesu, SBS 96, Stuttgart 1979, 97 f.
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nis-Analyse.18 Harnisch spricht vom „dramatischen Dreieck“: „Handlungssouverän (HS)“, „dramatische Hauptfigur (dHF)“, „dramatische Nebenfigur (dNF)“.19 2.1.2 Erzählhandlung Wenn also die drei Akteure miteinander handeln, wird eine selbständige, übertragbare Erzählhandlung erzeugt. Dabei kann der dritte Akteur, der Gegner oder Helfer, nur virtuell anwesend sein (vgl. das Gleichnis vom grünenden Feigenbaum Mk 13,28 f. parr.); beim Bildwort können sogar der zweite und dritte Akteur nur virtuell vorhanden sein. Zunächst eine Definition zur Erzählhandlung: Mindestens zwei Ereignisse oder Handlungen müssen so aufeinander folgen, dass eine Veränderung des Ausgangszustandes eintritt.20 Harald Weinrich unterscheidet dementsprechend die Sprechhaltungen Erzählen und Besprechen. Die Gnome vom Verborgenen (Mk 4,22 parr.), die Jülicher zu den Gleichnissen im engeren Sinne rechnet, ist eine Besprechung, keine Erzählung und scheidet daher aus. Jülicher räumt auch zu diesem Text ein: „… selbst wenn dies Wort nicht den Namen eines parabolischen Spruches (B. Weiss) verdient, sondern ein allgemeiner Satz der Volksweisheit ist, dessen Formulierung von Jesus herrühren mag, und den er auf einen bestimmten Fall angewendet wissen will, dürfen wir ihn nicht übergehen, weil er mit dem Lichtgleichnis eng verknüpft auftritt“.21 Die Sentenz vom Offenbarwerden des Verborgenen ist ein Sprichwort und wird durch den Kontext zur Parabel. Diese Beobachtung Jülichers trifft für den weiten Maschal-Begriff im Mk-Ev zu. Sie deckt auf, dass nicht nur kleine, besprechende Parabeln, sondern auch Sprichwörter im Kontext einer Gleichnisrede zu Gleichnishandlungen werden können (Mk 4,1–34; Lk 8,9–18). Es kann in diesem Kontext alles für den Leser frei nach Goethe zum „Gleichnis“ werden. Gegen Jülicher sollte aber auf die Einordnung dieser Sentenz in die Gattung Parabel verzichtet werden, auch wenn es die Evangelisten Markus und Lukas ausnahmsweise unschärfer gehandhabt haben; Mt versetzt ja formgerecht diese Sentenz (Mt 10,26) in die Missionsrede Mt 10,5–42.
18 D. O. Via, Die Gleichnisse Jesu. Ihre literarische und existentiale Dimension, BEvTh 57, München 1970; W. Harnisch, Die Gleichniserzählungen Jesu. Eine hermeneutische Einführung, UTB 1343, Göttingen 1985 (4., grundlegend rev. Aufl. 2001); E. Rau, Reden in Vollmacht. Hintergrund, Form und Anliegen der Gleichnisse Jesu, FRLANT 149, Göttingen 1990. 19 Harnisch, Gleichniserzählungen Jesu (s. Anm. 18), 77 f. 20 Handbuch der Linguistik, hg.v. H. Stammerjohann, Darmstadt 1975, 113. 21 Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 1), II, 91 f.
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Wie kommt ein Ereignis oder eine Ereignis-Sequenz zustande? Nach Bremond hat eine Sequenz drei Stadien: 1. Zustand in Virtualität ohne oder mit beginnender Veränderung des Zustands, 2. Gegenaktion als Aktionsaktivierung oder Aktionswechsel, 3. Neuer Zustand.22 Zeit, Raum und Umstände bilden den Rahmen der Erzählhandlung. Die Bildhandlungen wie Mk 2,18–20; 2,21.22; 3,24 f.27; 7,15.27 f. enthalten wie die umfangreichen Gleichnisse (s.o. 2.1.1) diese drei Phasen einer Sequenz. Allerdings werden sie besprechend und nicht erzählend vorgetragen, und zwar als Gnome. So erklärt sich die Rezeption, diese Texte entgegen Jülicher weiterhin nur als besprechende Bildworte zu behandeln. Wenn sie in die Erzählhaltung transformiert werden, können sie in vollem Sinne als Gleichnisse im engeren Sinne verstanden werden.
3. Das Bildfeld (Semantik) der Gleichnisse 3.1 Denotativa und Metonymie In großem Maße arbeiten die Gleichnisse mit denotativen Begriffen und mit Metonymien. Metonymie meint nach Cicero (Orat. 93) die Verwendung eines Wortes in einer anderen, ihm nahe stehenden Bedeutung, aber nicht den Vergleich, der die Metapher schafft.23 Die Gleichniserzählungen stammen sowohl aus der gängigen Alltagserfahrung als auch aus fernen, der Erfahrung weiterhin zugänglichen Welten. Die Oppositionen und Gemeinsamkeiten zwischen den Begriffen erzeugen den Bildspender / das Bildfeld, bauen zugleich eine Spannung auf und bleiben in der Erfahrungswelt der Metonymie.
3.2 Metaphorik Metaphorik ist innerhalb der Erzählebene der Gleichnisse selten. Allerdings ist die gesamte Erzählebene darauf angelegt, einen metaphorischen Prozess in Gang zu setzen (Transfer-Signale).24 Durch die Übertragung auf die theologische Bedeutung entsteht die schöpferische Metaphorik. Die vorgängige Metaphorisierung eines Begriffs in den hl. Schriften Israels erleichtert die erneute Metaphorisierung. Die Verwendung des „Allegorie“-Begriffs für diese Re-Metaphorisierung halte ich allerdings für irreführend. 22 C. Bremond, Die Erzählnachricht, in: J. Ihwe (Hg.), Literaturwissenschaft und Linguistik Bd. 2, Frankfurt 1973, 177–218. 23 H. Hummel, Art. Metonymie, LAW II (2001), 1951. 24 Zimmermann, Die Gleichnisse Jesu (s. Anm. 3), 25–28.
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3.3 Allegorie und Allegorese Von Albrecht verwendet in seinem Artikel „Allegorie“ im Artemis-Lexikon nur einen Satz für die Allegorie; alle weiteren Ausführungen handeln über die Allegorese. Sie ist eine spezielle Auslegungsmethode, die hinter einem Text einen verborgenen Sinn entdeckt;25 die Allegorie hingegen ist nach Quint. Inst. 8,6,44 „die durchgehende Anwendung von Metaphern“. Diese Unterscheidung von Quintilian zwischen Allegorese und Allegorie prägt die gegenwärtige Diskussion.26 Gegen Quintilian ist aber zu fragen, ob die konstante Kodierung einer Metapher tatsächlich für jede Kommunikationssituation oder nur für die rhetorischen Ausschmückungen = Tropen in der griechisch-römischen Gerichtssituation zutrifft. Die gegenwärtige Rezeptionsforschung macht darauf aufmerksam, dass die Rezipienten mit „künstlicher Dummheit“ lesen, wenn sie bei neuen und alten Texten ein „Lesevergnügen“ entwickeln wollen.27 Wollte Jesus von Nazaret den eingeweihten Zuhörer mit den gängigen Allegorie-Feldern anreden oder wollte er den Hörer, der seine Vorkenntnisse suspendierte und Überraschungen zuließ, gewinnen? Wenn das Zweite zutrifft, was insbesondere für das Volk Sinn machen würde, sollte man nicht von feststehenden allegorischen Linien der biblischen Redeweise sprechen, sondern von kohärenten Bildfeldern, die mit der damaligen Erfahrung korrelieren und mit Intertextualität mit atl. und antiken Texten als „stehende Metapher“ vertieft werden können. Diese Bildfelder können vom gegenwärtigen Leser mit und ohne Vorkenntnisse neu aufgebaut werden.
3.4 Gleichnis im engeren Sinne und Parabel Jülichers Differenzierung von Gleichnis im engeren Sinne und Parabel bleibt m.E. weiterhin anregend. Bildfeld, Handlungsverlauf, Handlungsträger und Tempus der Verben bewirken die Differenzen. Die Zuordnung der einzelnen Texte zu diesen beiden Referenz-Strategien durch Jülicher bleibt allerdings problematisch.28 Zu Jülichers vier „Beispielerzählungen“ bildet sich gegenwärtig ein Konsens heraus, sie nicht als eigene Gattung von den Parabeln abzuheben.29 25
M. von Albrecht, Art. Allegorie, LAW I (2001), 121–124. H.-J. Klauck, Allegorie und Allegorese in synoptischen Gleichnistexten, NTA NF 13, Münster 1978, 32–132; Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 7), 85–94. 27 R. Hitzler, Dummheit als Methode. Eine dramatologische Textinterpretation, in: D. Garz / K. Kraimer (Hgg.), Qualitativ-empirische Sozialforschung, Opladen 1991, 295–318; D. Dormeyer, Das Markusevangelium als Idealbiographie von Jesus Christus, dem Nazarener, SBB 43, 2., verb. und erw. Aufl. Stuttgart 2002, 14. 28 Zimmermann, Die Gleichnisse Jesu (s. Anm. 3), 19–23. 29 Dormeyer, Das Neue Testament im Rahmen der antiken Literaturgeschichte (s. Anm. 10), 146 f.; Zimmermann, Die Gleichnisse Jesu (s. Anm. 3), 18–19. 26
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4. Die Aktivierung des moralischen und theologischen Urteils 4.1 Moralischer Satz und Urteilsbildung Jülicher hatte die Aufgabe des Gleichnisses in erster Linie darin gesehen, den Hörer zur Bildung eines ethischen Satzurteils nach Aristoteles anzuregen.30 Nach Jülichers berühmter These besteht die Vergleichung zwischen der Bildhälfte und der Sachhälfte lediglich in der Nebeneinanderstellung von zwei Sätzen aus unterschiedlichen Gebieten: „Ich definiere das Gleichnis als diejenige Redefigur, in welcher die Wirkung eines Satzes (Gedankens) gesichert werden soll durch Nebenstellung eines ähnlichen, einem anderen Gebiet angehörigen, seiner Wirkung gewissen Satzes“31. Daher „redet man auch bei ihm nur von einem tertium comparationis …, nicht von mehreren tertia“32. Die Bildhälfte wird auf einen Satz reduziert, der in der Rede als Beweismittel ein anderes Satzurteil unterstützen soll.33 Jülicher bezieht sich hier zwar auf Aristoteles, übersieht aber dessen Bemerkungen: „… das Beispiel ist dem Induktionsbeweis ähnlich … Das Gleichnis aber ist der sokratische Gebrauch des Beispiels“ (Arist. Rhet. 2,20,2–4). Aristoteles will auf gar keinen Fall das Gleichnis auf einen Satz reduzieren und mit diesem Satz ein Enthymem (Beweissatz) anreichern, sondern er will einen induktiven Denkakt in sokratischer Weise beim Hörer in Gang setzen, an dessen Ende die Aufnahmebereitschaft eines Enthymems stehen kann. Bei Quintilian wird diese Überzeugungsarbeit des Gleichnisses beim Hörer noch deutlicher herausgearbeitet (Quint. Inst. 5,11).34 Jülichers Reduktion des Gleichnisses auf einen Satz entspricht dagegen der technologischen Engführung der Rhetorik in der Neuzeit aufgrund ihrer Verschulung.35 Bereits Fiebig bemerkte die rationalistische Instrumentalisierung bei Jülicher und verwies darauf, dass das Gleichnis vielfältige Übertragungsmöglichkeiten bietet.36 In der gegenwärtigen Gleichnisdiskussion wird daher gegen Jülicher wieder auf die ge30
Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 1), I, 71. Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 1), I, 80. 32 Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 1), I, 70. 33 Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 1), I, 71; Rau, Reden in Vollmacht (s. Anm. 18), 19. 34 Dormeyer, Das Neue Testament im Rahmen der antiken Literaturgeschichte (s. Anm. 10), 143–146; R. Zimmermann, Urchristliche Parabeln im Horizont der antiken Rhetorik. Der Beitrag von Aristoteles und Quintilian zur Formbestimmung der Gleichnisse, in: L. Hauser / F.R. Prostmeier / Ch. Georg-Zöller (Hgg.), Jesus als Bote des Heils. FS D. Dormeyer, SBB 60, Stuttgart 2008, 201–226. 35 R. Barthes, Die alte Rhetorik, in: ders., Das semiologische Abenteuer (frz. 1985), Frankfurt 1988, 15–102. 36 P. Fiebig, Die Gleichnisreden Jesu im Lichte der rabbinischen Gleichnisse des neutestamentlichen Zeitalters. Ein Beitrag zum Streit um die „Christusmythe“ und eine Widerlegung der Gleichnistheorie Jülichers, Tübingen 1912, 128. 31
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samte Kommunikationsbreite der Gleichnisrede verwiesen.37 Doch es wird übersehen, dass inzwischen die empirische Erforschung des moralischen und religiösen Urteils die Gleichnistexte als Dilemma-Geschichten funktional einsetzt.38 Jülicher muss weitergeführt werden, aber auf dem heutigen Stand der empirischen Wissenschaften.
4.2 Handlungsdilemma und Urteilsbildung In den Untersuchungen von Kohlberg und Oser / Gmünder zur Entwicklung des moralischen und religiösen Urteils bilden u.a. ntl. Gleichnisse eine beliebte Grundlage. Sie bieten Dilemmata an, an deren Lösung das moralische und religiöse Urteil auf unterschiedlichem Niveau arbeitet und sich entwickelt. Nun unterstellen die empirisch arbeitenden Wissenschaftler, dass die vorgelegten Gleichnisse sofort intuitiv mit ihrem Dilemma verstanden werden. Doch trifft dieses intuitive, volle Verstehen der Gleichnisse tatsächlich zu? Kritische Vorbehalte erhebt Bucher mit empirischen Untersuchungen bei Schülern.39 Und ist das Dilemma immer der Mittelpunkt eines Gleichnisses oder nur die Hinführung zur angezielten Metaphorisierung?
5. Pragmatik: die kognitive und emotionale Behaltensleistung und die Identifikation 5.1 Die empirische Untersuchung von Joachim Theis Joachim Theis hat eine empirische Untersuchung zum Gleichnis vom barmherzigen Samariter mit rund 1000 Schülern der gymnasialen Oberstufe durchgeführt.40 Es geht ihm um den Nachweis der Interferenz von Textstruktur und Textverständnis. Für Bibeltexte ist eine solche Untersuchung noch immer Neuland. Theis legt den propositionalen Ansatz von van Dijk zugrunde. Alle Sätze eines selbständigen Makro-Textes werden auf Propositionen zurückgeführt. Im Experiment sollen die Leser eine Geschichte mit einer Inhaltsangabe wiedergeben. Jede Inhaltsangabe wird wieder in Propositionen zerlegt und mit der Propositionsliste des Original-Textes ver37 W. Harnisch (Hg.), Die neutestamentliche Gleichnisforschung im Horizont von Hermeneutik und Literaturwissenschaft, WdF 575, Darmstadt 1982. 38 L. Kohlberg, Die Psychologie der Moralentwicklung, Frankfurt 1995; F. Oser / P. Gmünder, Der Mensch. Stufen seiner religiösen Entwicklung, Gütersloh 41996; A. Bucher, Gleichnisse verstehen lernen. Strukturgenetische Untersuchungen zur Rezeption synoptischer Parabeln, PTD 5, Freiburg, CH 1990; P. Müller / G. Büttner u.a., Die Gleichnisse Jesu. Ein Studien- und Arbeitsbuch für den Unterricht, Stuttgart 2002, 63–74. 39 Bucher, Gleichnisse verstehen lernen (s. Anm. 38). 40 J. Theis, Biblische Texte verstehen lernen. Eine bibeldidaktische Studie mit einer empirischen Untersuchung zum Gleichnis vom barmherzigen Samariter, PTh 64, Stuttgart 2005.
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glichen. Die Statistik der Vergleiche ergibt eine Skala der Behaltensleistung für die einzelnen Propositionen. Das Ergebnis ist ernüchternd. Theis ist zuzustimmen, dass beim spontanen Lesen die ethische Dimension, also das Dilemma, sogleich in Grundzügen erkannt und behalten wird. Daher können die Ethiker erfolgreich die Gleichnisse auf die Dilemma-Struktur reduzieren; aber nicht für alle Jahrgänge ist diese Reduzierung brauchbar. Als zweites trifft zu, dass die Leser sofort den strukturellen Aufbau einer Geschichte erfassen. An dieser Stelle muss Theis ergänzt werden. Die Leser erkennen nicht nur spontan die Handlungsstruktur (= die wichtigsten Propositionen), sondern auch die Handlungsträger in ihrer Beziehung zueinander. 75 % haben die Propositionen mit einem neuen Handlungsträger behalten. Näher nachgefragt werden muss der Umgang von Schülern und Erwachsenen mit dem Dilemma der Gleichnisse. Denn es gilt, das Dilemma mit einer angemessenen Stufe des moralischen und religiösen Urteils zu lösen. Schüler der Primarstufe sind weitgehend überfordert, die Dilemmata der synoptischen Gleichnisse im Sinne der ntl. Textkommunikation zu lösen und auf die theologische Ebene angemessen zu übertragen, so die Ergebnisse von Bucher und von Büttner. Hier gilt der Satz der 70 er Jahre: „Bibel ist ein Buch für Erwachsene, nicht für Kinder.“ Heißt das, dass Kinder keine Teilhabe an der religiösen Kommunikation der Erwachsenen haben sollen? Das Gegenteil ist der Fall, Kinder wollen in der Regel an der Kommunikation der Erwachsenen teilhaben, in unserem Fall an der theologischen Kommunikation und an der Kommunikation mit biblischen Texten.
5.2 Das Experiment: Religiöse Kommunikation über biblische Texte von Gerhard Büttner und Detlev Dormeyer Religiöse Kommunikation bestimmt sich vor allem durch ihr Thema. Im christlich-jüdischen Kontext geschieht dies häufig, wenngleich nicht nur, durch Rekursnahme auf biblische Texte. Insofern erscheint es sinnvoll, diesen spezifischen Modus von religiöser Kommunikation näher zu untersuchen. Dabei gelten folgende Prämissen: 1. Auf der Ebene der Kommunikation. Kommunikation erfolgt auf der Ebene bestimmter Sprachspiele mit spezifischer „Grammatik“. Diese Grammatik manifestiert sich u.a. in bestimmten Schemata des Sprechers und Hörers (Scripts). 2. Auf der Ebene der Exegese. Biblische Exegese hat – wie auch die Literaturwissenschaft – differierende Sprechhaltungen (Erzählen, Besprechen) und
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geprägte Gattungen mit bestimmten Motiven und Strukturen ausgemacht (z.B. Gleichnisse). Diese korrespondieren mit den o.g. Schemata = Scripts. 3. Auf der Ebene der Rezeption. Hier werden drei Zugangsmodi unterschieden. Auf einer ersten Ebene (linearer Zugang) geht es um die Wahrnehmung „objektiver“ Textsignale bzw. den Rekurs auf historisches Kontextwissen. Auf der zweiten (interaktionaler Zugang) geht es um die Wahrnehmung der im Text eingewobenen Aktanten und deren Rollenspiel. Auf der dritten Ebene (dialogischer Zugang) geht es um die spezifischen Beziehungen zwischen einzelnen Textelementen und der Lebenswelt des Interpreten. Es wird die Hypothese vertreten, dass die Rezeption auf allen drei Interpretationsebenen nach bestimmten Regeln erfolgt. 4. Zur Methode. Erste explorative Versuche haben gezeigt, dass es sinnvoll ist, Gruppen von Studierenden oder Schülern ohne Anleitung mit einem narrativ-strukturierten Gleichnistext arbeiten zu lassen und dies per Video zu dokumentieren. Diese Szenen können dann per Video oder als Transkript wiederum in dieselbe oder andere Gruppen eingebracht werden. Auf diese Weise wird es möglich, implizite Auslegungsregeln explizit zu machen. 5. Entwicklungspsychologisch begründete Schemata. Forschungen im Hinblick auf typische Schemata bei der Interpretation liegen bislang vor allem aus dem Bereich der strukturalen Entwicklungstheorie vor.41 Es gibt von daher begründete Annahmen, dass sich eine Beschäftigung mit biblischen Texten im o.g. Sinne u.a. auch in Entwicklungsfortschritten bei moralischem bzw. religiösem Urteilen niederschlagen wird. 6. Traditionsbildung und kulturelles Gedächtnis. Soll der Rekurs auf die Notwendigkeit einer Erinnerungskultur nicht bloß appellativ bleiben, dann bedarf es genauerer Kenntnisse über Rezeption und Vernetzung von Traditionselementen der biblischen Texte, insbesondere der Parabeln. Welche Kommunikationsregeln bestimmen die Rezeption von Parabeln?
5.3 Erwartungen auf der Ebene der Rezeption 5.3.1 Linearer Zugang Mit linearem Zugang ist das elementare Informationsmodell gemeint. Ein Sender übermittelt eine Nachricht an einen Empfänger. Dieser speichert die ihm zugänglichen Informationen und selektiert die unverständlichen Infor41 Kohlberg, Die Psychologie der Moralentwicklung (s. Anm. 38); Oser / Gmünder, Der Mensch (s. Anm. 38).
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mationen aus. Dieser lineare Zugang wird auch als spontaner, naiver Leseakt bezeichnet. Denn Informationen der Gleichnisse zu Zeiteinteilungen, Raumvorstellungen, Akteuren und Handlungen werden normalerweise vom Leser sofort verstanden und kurzfristig behalten. Diese Informationen sind für jedes Verstehen notwendig. Das Informationsmodell sollte daher nicht nur in seiner Begrenzung gesehen werden,42 sondern gerade in seiner positiven notwendigen Informationsleistung gewürdigt und gefördert werden. 5.3.2 Interaktionaler Zugang Ich unterscheide hier mit Massimo Grilli zwischen interaktionalem und dialogischem Zugang.43 Bisher hatte ich in meinem Modell des „Interaktionalen Lesens“ beide Zugänge ungetrennt gelassen.44 „Der Empfänger wird hier (beim interaktionalen Zugang, Verf.) nicht nur als ein passives Element angesehen, dem nur die Aufgabe zukommt, die Absicht des Senders zu erkennen, sondern er ist ein aktiver Gesprächspartner, der auf die Impulse des Senders antwortet und reagiert.“45 Der Empfänger soll also im Gleichnistext die Akteure erkennen, ihr Handeln mit eigener Erfahrung auffüllen und sich mit ihnen identifizieren.46 Dann kann er auch die moralischen und religiösen Dilemmata der Gleichnisse erkennen und je nach eigenem Standort im Sinne der Ursprungssituation lösen. Rollen sind in den Erzählgattungen die hervorstechenden Angebote an den Leser zur Identifikation,47 während die Rollen in den Argumentationen nur den Rahmenhintergrund der Beziehung zwischen Adressat und Adressant bilden. Beim Erzähltext in den Erzählwerken und Briefen spricht der allwissende oder verdeckte Autor über den impliziten Leser, der die Antizipation des Lesers durch den Autor ist, den realen Leser an. Kommunikation
realer Autor
realer Leser
Text
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42 D. Dormeyer / M. Grilli, Gottes Wort in menschlicher Sprache. Die Lektüre von Mt 18 und Apg 1–3 als Kommunikationsprozess, SBS 201, Stuttgart 2004, 19 f. 43 Dormeyer / Grilli, Gottes Wort in menschlicher Sprache (s. Anm. 42), 20 f. 44 D. Dormeyer, Die Bibel antwortet. Einführung in die interaktionale Bibelauslegung, München / Göttingen 1978. 45 Dormeyer / Grilli, Gottes Wort in menschlicher Sprache (s. Anm. 42), 20. 46 Dormeyer / Grilli, Gottes Wort in menschlicher Sprache (s. Anm. 42), 136–145. 47 W. Iser, Der Akt des Lesens. Theorie ästhetischer Wirkung, UTB 636, München 1976, 204 f. 48 B. C. Lategan, Coming to Grips with the Reader in Biblical Literature, Semeia 48 (1989), 3–21, 10; Iser, Der Akt des Lesens (s. Anm. 47), 204 ff.
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Der reale Leser wiederum schafft sich über den impliziten Leser als Gegenüber den impliziten Autor, der aus einer Verbindung von Textstruktur und Lesererfahrung49 besteht. Der Leser schließt von ihm auf den realen Autor. Nach dem Sendermodell verläuft eine Kommunikation zwischen Autor und Leser immer medial und nicht unmittelbar. Es bietet der reale Autor seinem impliziten Leser mit der Charakterisierung der Rollen Identifikationen an, die deutlich positiv oder negativ wirken sollen. Er kann einen Charakter komplex oder typisierend („flat“) gestalten oder ihn als gut oder böse werten, um den realen Leser über den impliziten Leser zur Übernahme seiner Intentionen zu veranlassen.50 Diese Leserbeeinflussung verläuft aber nicht monokausal. Es wird vielmehr die Autorstrategie vielfältig durch die unterschiedlichen Konstruktionen des impliziten Autors durch die realen Leser abgeändert. Impliziter Autor und impliziter Leser bleiben polysemantisch.51 So lassen sich zwischen dem realen Autor und dem impliziten Autor die Erzähl-Rollen als Teil der Textstruktur und entsprechend zwischen implizitem Leser und realem Leser die Rollen-Erfahrungen als Teil der Aktstruktur explizieren. realer Autor
realer Leser
Erzähl-Rollen
Rollen-Erfahrungen
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impliziter Leser
Der implizite Autor schafft und lenkt die Erzähl-Rollen in „allwissender“ oder in „verdeckter“ Weise. Die literarische Gestaltung der Rollen lässt Rückschlüsse auf die Intentionen des realen Autors zu. Will er die Charaktere gut oder böse, komplex oder flach darstellen? Andererseits überprüft der reale Leser als impliziter Autor, wie der reale Autor die Erzählrollen mit den Erfahrungen des realen Lesers verknüpft hat. Handelt es sich um eine reale oder irreale / phantastische Geschichte für die Erfahrungswelt des realen Lesers,52 um eine erfahrungsferne oder eine erfahrungsnahe Christologie? Die Identifikation mit den Erzählrollen investiert durch Konnotationen reale Lebenserfahrung in den Text und lässt umgekehrt die Textwelt auf 49
Aktstruktur nach Iser, Der Akt des Lesens (s. Anm. 47), 61. D. Rhoads / D. Michie, Mark as Story. An Introduction to the Narrative of a Gospel, Philadelphia 1982, 39 ff.; 103 f.; 117 f. 51 R. Barthes, S / Z, stw 687, Frankfurt 1987, 20 f.; A. Fumagalli, Gesù crocifisso, straniero fino alle fine dei tempi. Una lettura della rivelazione apocalittica di Mt 25,31–46 in chiave comunicativa, Frankfurt 2000, 26–37. 52 T. Todorov, Einführung in die fantastische Literatur (frz. 1970), München 1975, 25 ff. 50
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reale Rollen-Erfahrungen einwirken.53 Der Leser soll seine Lebenserfahrung bestätigen, erweitern und verändern, „umkehren“ (Apg 2,38). Bisher wurde in der Redaktionsgeschichte herausgestellt, dass die Identifikationsfigur der Evangelien nicht Jesus, sondern die Jünger seien.54 Tiefenpsychologische und textpragmatische Auslegungen wiesen zusätzlich darauf hin, dass auch die Gegnerrolle die Identifikation mit dem Ziel der Bearbeitung einfordere.55 N.R. Petersen macht darauf aufmerksam, dass der Autor die Identifikation mit der Hauptperson Jesus unumgehbar angelegt hat.56 Der Reiz der biblischen Erzähltexte liegt also texttheoretisch darin, dass der Leser jede Rolle mit seiner Erfahrung auffüllen und aus der Perspektive jeder Rolle die Beziehungen zu den anderen Rollen innerhalb der Handlungsverläufe beurteilen soll. Die Autorperspektive wiederum lässt sich in Distanz zu den Erzählrollen als metasprachliche Rahmung bestimmen, weil sie in hierarchisch übergeordneter Weise alle untergeordneten Gattungen und die wieder ihnen untergeordneten Rollenperspektiven erfasst und sich daher eigenständig vom Erzählgeschehen abheben lässt.57 5.3.3 Dialogischer Zugang Der Leser soll nun nicht beim Nachverstehen der Akteure stehen bleiben, sondern die Akteure aus eigener Sicht dialogisch umgestalten. Die Rekonstruktion der damaligen Textwelt setzt einen heutigen Kommunikationsprozess in Gang. Der heutige Leser tritt mit dem damaligen Leser und Autor in einen Austausch. Der heutige Leser versucht, den Autor und den damaligen Leser zu verstehen. Gleichzeitig betont der heutige Leser Aspekte, die ihm heute wichtig sind. Er erkennt die vielen „Handlungsperspektiven“ und Übertragungsmöglichkeiten damals und intensiviert für sich die vielen Impulse, die er für die Gegenwart besonders wichtig hält. Die Auslegung aktualisiert dialogisch, indem sie die Kommunikationsprozesse
53
P. Ricœur, Erzählung, Metapher und Interpretationstheorie, ZThK 84 (1987), 232–254. W. Egger, Nachfolge als Weg zum Leben. Chancen neuerer exegetischer Methoden, ÖBS 1, Klosterneuburg 1979, 208 ff.; C. Breytenbach, Nachfolge und Zukunftserwartung nach Markus. Eine methodenkritische Studie, AThANT 71, Zürich 1984, 77 ff.; H.-J. Klauck, Die erzählerische Rolle der Jünger im Markusevangelium, NT 24 (1982), 1–26, dort 2. 55 M. Kassel, Biblische Urbilder. Tiefenpsychologische Auslegung nach C.G. Jung, PfeifferWerkbücher 147, München 1980, 258 ff.; D. Dormeyer, Die Passion Jesu als Verhaltensmodell. Literarische und theologische Analyse der Traditions- und Redaktionsgeschichte der Markuspassion, NTA 2 NF 11, Münster 1974, 283 f.; Ders., Der Sinn des Leidens Jesu (s. Anm. 17), 109 f. 56 N. R. Petersen, Die „Perspektive“ in der Erzählung des Markusevangeliums [1978], in: F. Hahn (Hg.), Der Erzähler des Evangeliums. Methodische Neuansätze in der Markusforschung, SBS 118/119, Stuttgart 1985, 67 – 93, dort 69. 57 E. Gülich / W. Raible, Linguistische Textmodelle. Grundlagen und Möglichkeiten, UTB 130, Stuttgart 1973, 21 ff.; K. Berger, Hermeneutik des Neuen Testaments, Gütersloh 1988, 232 ff. 54
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betont, die heute noch immer nachvollziehbar sind und Impulse zur Umkehr geben (partielle Horizontverschmelzung; Bibliodrama).58 Der Gleichnistext trägt zugleich aus der Perspektive von damals eine literarische Gestaltung. Diese wird bei jedem verstehenden Lesen und Interpretieren intensiver verstanden. Es findet ein weiterer Dialog zwischen literarischem und theologischem Text und Leser, sowie zwischen den einzelnen Lesern statt. Nur im Dialog innerhalb der Gruppe oder verschiedener Gruppen miteinander werden gemeinsam Einsichten gewonnen, die schließlich zu einem verantwortlichen, vom Glauben getragenen Handeln führen. Die Bibel wird zu „meiner“ und „unserer“ Text- und Lebenswelt, die „mich“, den Leser, und „uns“, die Leser, verändert. 5.3.4 Ergebnis Es entsteht eine offene Aneignung. Die Leser entwickeln die Gleichnistexte dialogisch weiter. Sie legen die ethischen Dilemmata hinein, die sie zu erkennen vermögen und die sie religiös bewegen. Sie übertragen die so produktiv veränderte Bildhälfte auf ihre theologischen Vorstellungen und verändern diese. Der Dialog unter den unterschiedlichen Interpreten verhindert, dass eine einzige Interpretation als allein wahr durchgesetzt wird (katholischer Weg), oder jeder auf seine eigene, begrenzte Auslegung fixiert bleibt (protestantischer Weg). Der offene Dialogprozess ist ein Wagnis. Er erfordert die Beteiligung von exegetischen Experten, aber nicht mit dem Einsatz von Herrschaftswissen im Sinne linearer Informationen (= Kommentarwissen), sondern mit dem interaktionalen Angebot der Identifikation und dem dialogischen Angebot übersehener Auslegungsmöglichkeiten.59 Wie die Jesusanhänger können in einem solchen Dialog die Teilnehmer begreifen, dass in ihnen der Geist und der Auferstandene wirken.60
58 Dormeyer, Die Bibel antwortet (s. Anm. 44); R. Dillmann, Consideraciones en torno a la pragmática, in: C. Mora Paz / M. Grilli / R. Dillmann, Lectura pragmalingüística de la Biblia. Teoría y aplicación, Evangelio y cultura 1, Estella 1999, 59–74 (dt.: Überlegungen zur Pragmatik, in: R. Dillmann / M. Grilli / C. Mora Paz, Vom Text zum Leser. Theorie und Praxis einer handlungsorientierten Bibelauslegung, SBS 193, Stuttgart 2002, 59–75). 59 R. Huning, Bibelwissenschaft im Dienste popularer Bibellektüre, SBB 54, Stuttgart 2005. 60 Fumagalli, Gesù crocifisso, straniero fino alle fine dei tempi (s. Anm. 51), 146.
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Anhang: Beispiel einer narrativen Gliederung Lk 10,25–3761 S 1 V. 25
V. 26
S 2 V. 27
V. 28
V. 29 S3 V. 30 3.1
Da stand ein Gesetzeslehrer auf, und um Jesus auf die Probe zu stellen, fragte er ihn: Lehrer, was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen? Jesus sagte zu ihm: Was steht im Gesetz? Was liest du dort? Er antwortete: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deiner Kraft und all deinen Gedanken, und: Deinen Nächsten sollst du lieben wie dich selbst. Jesus sagte zu ihm: Du hast richtig geantwortet. Handle danach, und du wirst leben. Der Gesetzeslehrer wollte seine Frage rechtfertigen und sagte zu Jesus: Und wer ist mein Nächster? Darauf antwortete ihm Jesus: Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho hinab und wurde von Räubern überfallen. Sie plünderten ihn aus
3.2
und schlugen ihn nieder; dann gingen sie weg und ließen ihn halbtot liegen.
3.3 V. 31
Zufällig kam ein Priester denselben Weg herab; er sah ihn und ging weiter.
61 D. Dormeyer, Die Parabel vom barmherzigen Samariter Lk 10,25–37 oder die Kunst, dem anderen Nächster zu werden, in: F.P. Tebartz-van Elst (Hg.), Katechese im Umbruch. Positionen und Perspektiven (FS D. Emeis), Freiburg, Br. u.a. 1998, 100–116; ähnlich R. Zimmermann, Berührende Liebe (Der barmherzige Samariter) – Lk 10,30–35, in: ders. (Hg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu (s. Anm. 3), 538–555.
Gleichnisse als narrative und metaphorische Konstrukte
435
3.4 V. 32
Auch ein Levit kam zu der Stelle; er sah ihn und ging weiter.
3.5 V. 33
Dann kam ein Mann aus Samarien, der auf der Reise war. Als er ihn sah, hatte er Mitleid,
3.6 V. 34
ging zu ihm hin, goß Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie.
3.7
Dann hob er ihn auf sein Reittier, brachte ihn zu einer Herberge und sorgte für ihn.
3.8 V. 35
Am anderen Morgen holte er zwei Denare hervor, gab sie dem Wirt und sagte: Sorge für ihn, und wenn du mehr für ihn brauchst, werde ich es dir bezahlen, wenn ich wiederkomme.
S 4 V. 36
Was meinst du: Wer von diesen dreien scheint dir der Nächste geworden zu sein dem, der unter die Räuber gefallen war? Der Gesetzeslehrer antwortete: Der, der barmherzig an ihm gehandelt hat. Da sagte Jesus zu ihm: Dann geh und handle genauso!
V. 37
Sprachlich-narrative Analyse (Bildlichkeit) Die Parabel ist in ein Gespräch zwischen einem jüdischen Gesetzeslehrer und Jesus eingebettet. Das Gespräch selbst erlaubt keine klare Zuordnung zu den Untergattungen Schul- oder Streitgespräch. Einerseits stellt der Schriftgelehrte Jesus, den er ehrenvoll mit „Lehrer“ anredet, eine Schulfrage nach dem verheißenen ewigen Leben, andererseits bezeichnet der Evangelist diese
436
Detlev Dormeyer
Frage als Provokation, als „Erprobung“, so dass der Dialog als „Streitgespräch“ klassifiziert werden kann.62 Doch die Vorlage Mk 12,28–34 ist noch ohne „Erprobung“, während die Parabel Mt 22,34–40 sie unabhängig von Lk 10,26 zufügt. So bleibt offen, ob das Gespräch als ein Streitgespräch oder als ein Schulgespräch mit prüfender Absicht zwischen gleichrangigen Gelehrten rezipiert werden soll.63 Die neun Sequenzen (Abkürzung: S) der Parabel sind konzentrisch parallel aufgebaut. S 3.1 (V. 30 a) bildet die Ausgangssituation. Ein Mensch wird auf seinem Weg von Räubern überfallen und ausgeplündert. S 3.2 (V. 30 b) bringt die Fortsetzung. Sie schlagen ihn nieder, gehen weg und lassen ihn „halbtot“ liegen. Der Zustand „halbtot“ hält für den Überfallenen die gesamte Parabel über an und wird zum Schlüsselwort. S 3.3 (V. 31) führt mit dem Priester eine Gegenfigur zu den Räubern ein. Dieser „sieht“ den Halbtoten, geht aber überraschenderweise weiter. Die sozialgeschichtliche Erklärung liefert die Gründe.64 S 3.4 (V. 32) verdoppelt mit dem Leviten den Anteil des Klerus und bereitet die erzählerische Dreizahl vor. Mit Priester und Levit sind die Repräsentanten des Judentums gemeint.65 S 3.5 (V. 33) Mit dem Samariter tritt der dritte Wanderer auf. Im Gegensatz zu den ersten beiden Repräsentanten hilft er. Er sieht und wird in den Eingeweiden angerührt. Während das Gefühl bei Priester und Levit stumm geblieben ist, rührt es sich beim Samariter. Er wird vom Gefühl geradezu überschwemmt, vergisst alle Todesgefahr, wartet nicht auf die zuständigen Anderen, sondern gießt Öl und Wein, die damaligen Heilmittel, in die Wunden, verbindet sie, hebt den Verletzten auf das Reittier, bringt ihn bis zur Herberge, sorgt für ihn und stellt dort die weitere Pflege sicher. Ähnlich wird der Vater bei der Rückkehr des verlorenen Sohnes in „den Eingeweiden berührt“ (Lk 15,20). Ähnlich haben sich bei Jesus zuvor beim Anblick der trauernden Witwe von Nain um ihren einzigen Sohn die Eingeweide gerührt (Lk 7,13). Der Samariter wie der Vater und Jesus selbst können gar nicht mehr anders, sondern müssen ihrem Gefühl gehorchen. Die Sequenz 5 steht daher im Mittelpunkt der Erzählung. Zugleich leitet sie in die zweite Hälfte über, die spiegelbildlich die erste Hälfte kontrastiert.66 Zum Vorübergehen der beiden jüdischen Repräsentanten (S 3–4) 62
F. Bovon, Das Evangelium nach Lukas. Teilbd. 2: Lk 9,51–14,35, Düsseldorf u.a. 1996,
85. 63
Dormeyer, Die Parabel vom barmherzigen Samariter (s. Anm. 61), 104–107. Zimmermann, Berührende Liebe (s. Anm. 61), 543–549; N. Mette, „Geh auch du hin, tue desgleichen!“ (Lk 10,37). Das beispielhafte Tun des Samariters, in: G. Büttner (Hg.), Zwischen Nachbarschaft und Abgrenzung. Fremde Religionen in der Bibel, Dortmunder Beiträge zu Theologie und Religionspädagogik 1, Münster 2007, 89–97. 65 Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 2), II, 589. 66 W. Harnisch, Die Gleichniserzählungen Jesu (s. Anm. 18), 279 f. 64
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437
steht das Berührt-Werden und die Versorgung im Gegensatz (S 5–6). Die Fürsorge geht weiter mit dem Bringen zur Herberge im Kontrast zum Niederschlagen und Liegen-Lassen. Der Auftrag für den Wirt setzt diesen in Kontrast zu den Räubern (S 7–8). Die Raumangaben unterstützen den konzentrischen, parallelen Aufbau. Der Gang von Jerusalem, einer damals weltbekannten Stadt, nach Jericho benennt zwei verifizierbare Ortsnamen und baut eine konkrete Vorstellung von einer Straße zwischen diesen Orten auf. Die Stelle des Überfalls bleibt unbeschrieben (S 1–2), ist also eine Leerstelle. S 3–4 erwähnen kurz das Kommen, Sehen und Vorübergehen an der Stelle. S 5 bringt die Wende, weil das Sehen des Halbtoten zur inneren Kontaktaufnahme führt. S 6 beschreibt im Gegensatz zu S 3–4 das Hingehen und die Versorgung der Wunden. Das Setzen auf das Reittier hebt das Liegen am Boden auf, und die Herberge wird zum neuen Abschluss des Weges (S 7–8). Der Hörer ist über die Stationen Räuber (2 Sequenzen) und Priesterschaft (2 Sequenzen) in die Mitte der Parabel gelenkt worden. Jetzt wird er wieder hinausgelenkt über den Liebesdienst des Samariters (2 Sequenzen) und die Situation der Herberge (2 Sequenzen).67 Noch immer vermögen die Sequenzen den Hörer zu führen, der offen den Sinn der Geschichte von den Verben, ihren Handlungsträgern (Aktanten)68 und den Umständen in seinem Erfahrungswissen aufbauen lässt und nicht die Begriffe und den Auslegungssatz schon vorher kennt. Das genaue Hinhören ermöglicht, die von der Exegese bisher übersehene Hauptrolle des Überfallenen wiederzuentdecken, seine Aktivitäten wahrzunehmen und auf das eigene Leben zu beziehen. Denn die selbstsichere Frage nach den personalen Kriterien für die Definition Nächster („Wer ist mein Nächster“) wandelt sich zur unsicheren Frage nach der personalen Qualifikation, überhaupt Nächster werden zu können („Wer von diesen dreien scheint dir der Nächste geworden zu sein dem, der unter die Räuber gefallen war?“). Der halbtote Überfallene bestimmt, wer ihm Nächster geworden ist.
67 68
Ausführlich Zimmermann, Berührende Liebe (s. Anm. 61), 539–541. H. Weinrich, Sprache in Texten, Stuttgart 1976, 46–53.
Form und Referenz von Gleichnissen in den synoptischen Evangelien Christian Münch 1. Problematisierung 1.1 Ein gattungskritischer Streitfall In Mt 12,43–45 par. Lk 11,24–26 findet sich eine Erzählung, die in der Exegese sicher nicht zu den prominenten und häufig diskutierten Texten gehört: die Geschichte von der Rückkehr des unreinen Geistes.1 Für die folgenden Überlegungen interessant ist die Frage: Ist Mt 12,43–45 par. Lk 11,24–26 ein Gleichnis? A. Jülicher spricht sich dagegen aus, die ursprüngliche Erzählung als Gleichnis zu verstehen. Es handle sich um eine „einfache Aussage Jesu“, die allerdings die spätere Überlieferung als Gleichnis verstanden habe.2 Diese Einschätzung bleibt umstritten. R. Bultmann hält ein ursprüngliches Gleichnis für möglich.3 J. Jeremias bespricht den Text in seinem Gleichnisbuch, bleibt damit aber unter den gängigen Gleichnisbüchern eine Ausnahme.4 Untypisch für ein Gleichnis sind Dämonen als Akteure. Die Bildwelt der Gleichnisse bewegt sich sonst in anderen Sujets. Wenn die Erzählung kein Gleichnis ist, muss man sie als eine Art exorzistische Belehrung beurteilen.5 Im Rahmen des Matthäusevangeliums verstehen viele Ausleger den Text als eine Art Gleichnis. Das wichtigste Argument ist die mit (‚so‘) 1 In jüngster Zeit z.B. J.J. Kilgallen, The Return of the Unclean Spirit (Luke 11,24–26), Bib. 74 (1993), 45–59; T. Onuki, Tollwut in Q? Ein Versuch über Mt 12.43–5/Lk 11.24–6, NTS 46 (2000), 358–374, sowie den Beitrag von M. Labahn, Füllt den Raum aus – es kommt sonst noch schlimmer! (Beelzebulgleichnis) – Q 11,24–26, in: R. Zimmermann u.a. (Hgg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu, Gütersloh 2007, 126–132. 2 Vgl. A. Jülicher, Die Gleichnisreden Jesu, Teile I –II , Ausgabe in einem Band, Tübingen 1910, repr. Darmstadt 1976, II , 239 f. (das Zitat a.a.O., 238). 3 Vgl. R. Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, FRLANT 29, Göttingen 10 1995, 176 f. 4 Vgl. J. Jeremias, Die Gleichnisse Jesu, Göttingen 91977, 196 f. 5 Vgl. neben Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 2) zum Beispiel O. Böcher, Christus Exorcista. Dämonismus und Taufe im Neuen Testament, BWANT 16, Stuttgart 1972, 17; U. Luz, Das Evangelium nach Matthäus. 2. Teilbd. Mt 8–17, EKK I/2, Neukirchen-Vluyn 21996, 281 f.; Onuki, Tollwut in Q? (s. Anm. 1), 374.
Form und Referenz von Gleichnissen in den synoptischen Evangelien
439
eingeleitete Anwendung Mt 12,45 c („So wird es auch mit diesem bösen Geschlecht sein.“).6 Für den lukanischen Text ist die Einschätzung seiner Gleichnis- oder Bildhaftigkeit deutlich schwieriger. Wenn der Text in erster Linie die Aussage von V. 23 illustrieren soll, hat er gleichnishafte Züge.7 Kehrt er dagegen thematisch zum Exorzismus von V. 14 zurück, dann bewegt er sich semantisch auf der Ebene des Kontextes. Das Schicksal des Mannes kann dann freilich exemplarisch stehen für die von Jesus Befreiten und ihre Gefährdung.8 Im Kontext lässt das gekehrte und geschmückte Haus vielleicht an die Gabe des Geistes (vgl. Lk 11,13 b) oder an die in den Dämonenaustreibungen nahe kommende Gottesherrschaft (vgl. Lk 11,20) zurückdenken.9 Also: Ist die Erzählung ein Gleichnis? Wie ist der Streit zu entscheiden? Woran erkennt man Gleichnisse? Gleichnisse zeichnen sich durch eine besondere Art von Sinnbildung aus. Vorsichtig formuliert gibt es dabei zwei Ebenen, die oft als ‚Bild‘ und ‚Sache‘, ‚Bildebene‘ und ‚Ausgangsebene‘ o.ä. bezeichnet werden. Zwischen diesen beiden besteht eine Ähnlichkeit, eine Analogie, um die es dem Gleichnis geht.10 Der diskutierte Text handelt offenkundig zunächst von unreinen Geistern. Strittig ist, ob ‚eigentlich‘ etwas anderes gemeint ist. Die Interpretation des Textes als dämonologische Belehrung verneint eine solche ‚andere‘ Bedeutung neben dem offenkundigen Textsinn. Im Falle einer Auslegung des Textes als Gleichnis ist die zweite Sinnebene, auf die der Text verweist, zu suchen oder zu konstruieren. Um die Beschreibung dieser Ebenen11 und das angemessene Verständnis ihres Zusammenhangs dreht sich die gleichnistheoretische Diskussion seit Jülicher. Im Folgenden steht die Frage im Mittelpunkt, auf welche Weise bei den Gleichnissen der Synoptiker die zweite Ebene geschaffen oder ins Spiel 6 Zur Diskussion (mit Lit.) Chr. Münch, Die Gleichnisse Jesu im Matthäusevangelium. Eine Studie zu ihrer Form und Funktion, WMANT 104, Neukirchen-Vluyn 2004, 130. 7 So das Verständnis, das nach Jülicher vielleicht Lukas, auf jeden Fall jedoch die lukanische Quelle vom Text hatte (Gleichnisreden Jesu [s. Anm. 2], II , 238 f.). 8 Im Kontext der exorzistischen Thematik deutet z.B. F. Bovon, Das Evangelium nach Lukas. 1. Teilbd. Lk 1,1–9,50, EKK III /1, Zürich / Neukirchen-Vluyn 1989, 179–181. – R. von Bendemann (Zwischen und . Eine exegetische Untersuchung der Texte des sogenannten Reiseberichts im Lukasevangelium, BZNW 101, Berlin / New York 2001, 271) sieht einen Bezug zu V. 14, versteht den Text zugleich aber als einen weiteren paradigmatischen Fall analog zu den V. 21 f. Im Sinne des Lukas sei der Text als (‚Gleichnis‘) zu kennzeichnen. 9 Vgl. H. Schürmann, Das Lukasevangelium. Teil 2: Kommentar zu Kapitel 9,51–11,54, HT hK.NT III /2, Freiburg, Br. u.a. 1994, 223–225.249–253. 10 B. Heininger, Art. Gleichnis, Gleichnisrede, HWR III (1996), 1000–1009, hier 1000: „Das G. ist eine Ausdrucksform, bei der ein Sachverhalt (Sachsphäre) mit einem anderen, analogen Sachverhalt (Bildsphäre) verglichen wird.“ Heininger weist darauf hin, dass eine präzisere Bestimmung des Begriffs schwierig ist, weil er zu allen Zeiten als terminologischer Joker für verschiedene Arten der bildlichen Rede verwendet wurde. 11 Der Begriff „Ebene“ ist vorerst sehr weit gefasst. Nach D.O. Via, W. Harnisch, F. Vouga u.a. haben Parabeln keine „Sache“, sondern zielen auf eine Änderung im Existenzverständnis. Auch ein solches Gleichnisverständnis soll eingeschlossen sein.
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gebracht wird und wie die besondere Sinnbildung der Gleichnisse dann abläuft. Der Prozess wird, da es um die Bewegung, Beziehung und Wechselwirkung zwischen zwei Ebenen geht, im Folgenden als „Referenz“ bezeichnet. Die Überlegungen stehen unter der Annahme, dass die besondere Referenzbewegung in der Sinnbildung bei Gleichnissen auf sprachlichen und literarischen Signalen beruht, die diesen Referenzprozess auslösen und steuern.12 Die skizzierte Diskussion um den Gleichnischarakter der Erzählung vom unreinen Geist weist schon auf einige solche Merkmale hin: die Bildwelt; Anwendungen; metaphorisch deutbare Elemente; semantische Spannungen zum Kontext. Es geht im Folgenden um einen Einblick in die typischen und charakteristischen Referenzsignale der Gleichnisse Jesu in den synoptischen Evangelien und ihre Wirkung.
1.2 Ein Blick auf die Gleichnisforschung Der Blick soll nicht vorzeitig durch ein bestimmtes z.B. am Modell der Metapher orientiertes Referenzmodell verengt werden. Die Phänomene sollen auf möglichst breiter Basis erfasst werden. Zugleich ist klar, dass im Rahmen eines Aufsatzes nur ausgewählte Punkte angesprochen werden können.13 Die gleichnistheoretische Diskussion der vergangenen Jahrzehnte steht im Hintergrund und liefert Anhaltspunkte, wo solche die Sinnbildung der Gleichnisse auslösenden und tragenden Formmerkmale und Signale zu suchen sind und wie sie aussehen könnten. Nach systematischen, nicht chronologischen Gesichtspunkten geordnet seien folgende Punkte genannt: (1) Gleichnisse skizzieren einen Sachverhalt oder erzählen eine Geschichte. Die Skizze resp. Erzählung als Ganze, in ihrem sachlichen oder erzählerischen Zusammenhang trägt wesentlich zur Sinnbildung bei. Jülicher hat die entscheidende Differenz zwischen Gleichnis und Allegorie darin gesehen, dass im Gleichnis beide Teile, Bild und Sache, mit gleichem Recht und in ihrer natürlichen, eigentlichen Bedeutung nebeneinander stehen, während bei der Allegorie das Bild von der gemeinten Sache dominiert wird und in seinem eigenen inneren Zusammenhang für das Verstehen der Allegorie ohne jede Bedeutung bleibt.14 In seinen Gleichnisdefinitionen wird betont, das Bild müsse seiner Wirkung gewiss sein,15 wobei er drei Strategien unterscheidet, wie die Gewissheit entsteht: durch die Autorität des allgemein Bekannten und Anerkannten, durch die Kraft erzählerischer Anschaulichkeit oder durch den überzeugenden Musterfall (exemplum), dem Zustimmung 12 Vgl. die Parabeldefinition von R. Zymner, Art. Parabel, HWR VI (2003), 502–514, hier 502 f.; ausführlicher: ders., Uneigentlichkeit. Studien zu Semantik und Geschichte der Parabel (Explicatio), Paderborn u.a. 1991. 13 Für das Matthäusevangelium habe ich diese Fragestellung intensiver durchgeführt, vgl. Münch, Gleichnisse Jesu im Matthäusevangelium (s. Anm. 6). 14 Vgl. Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 2), I, 80–82. 15 Vgl. Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 2), I, 80.98; auch I, 114.
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nicht verweigert werden kann.16 In den letzten Jahrzehnten sind vor allem die stärker erzählenden Gleichnisse in den Blick genommen und ihre spezifisch narrativen Strategien weiter untersucht worden.17 (2) Daneben stehen in der Gleichnisforschung punktuell wirkende Referenzsignale zur Debatte, vor allem einzelne Elemente der Gleichniserzählungen, die metaphorisch deutbar sind. Während Jülicher solche punktuellen Bezüge ausschließlich der Allegorie und der irrtümlich allegorischen Deutung der Gleichnisse im Verlaufe ihrer Überlieferung zuschreibt, haben zum Beispiel P. Fiebig18 und später J. Jeremias19 betont, dass es schon in den Gleichnissen Jesu metaphorisch deutbare Einzelzüge gibt. In den neueren Gleichnisbüchern gibt es einen gewissen, allerdings nicht uneingeschränkten Konsens, dass die Gleichnisse Jesu in ihren Erzählstoffen und bei der Gestaltung einzelner Erzählelemente auf konventionelle, im biblischen Traditionsraum bekannte Metaphern zurückgreifen, die Hinweise auf das Verständnis der Gleichnisse geben.20 Diese Einsicht besteht bei vielen unabhängig von der Frage, ob sie die Unterscheidung von Gleichnis und Allegorie weiterhin für sinnvoll halten.21 (3) Neben diesen internen Faktoren tragen auch solche von außerhalb des ‚Bildes‘ zur Referenz des Gleichnisses bei.22 Zu denken ist vor allem an die verschiedenen Formen von Gleichniseinleitungen und -schlüssen: Gleichnisformeln, einleitende Fragen, Aufforderungen zu hören u.Ä. können zum Gleichnis hinführen. Am Ende der Gleichnisse finden sich Anwendungen, Mahnungen, sprichwortartige Sätze, allegorische Auslegungen, Fragen an die Hörer und anderes. Forschungsgeschichtlich beachtlich ist, dass solche Elemente auf der einen Seite nach Ausweis literaturgeschichtlicher Parallelen gattungsgemäß sind, sich auf der anderen Seite aber oft literarkritisch als sekundär erweisen.23
16
Vgl. Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 2), I, 96–98.114 f. Im deutschsprachigen Bereich sehr einflussreich war und ist das Gleichnisbuch von W. Harnisch, Die Gleichniserzählungen Jesu. Eine hermeneutische Einführung, UTB 1343, Göttingen 42001. 18 Vgl. P. Fiebig, Altjüdische Gleichnisse und die Gleichnisse Jesu, Tübingen 1904, 77–106. 19 Vgl. Jeremias, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 4), 87. 20 So etwa die Gleichnisbücher von H. Weder (1978); H.-J. Klauck (1978); O. Knoch (1983); B. Heininger (1991); Chr. Kähler (1995); K. Erlemann (1999); D. Massa (2000); J. Liebenberg (2001) u.a.; kritisch dagegen Harnisch, Gleichniserzählungen Jesu (s. Anm. 17); L. Schottroff, Die Gleichnisse Jesu, Gütersloh 2005, 131–134. 21 Zur Literatur die knappen Hinweise bei Münch, Gleichnisse Jesu im Matthäusevangelium (s. Anm. 6), 15 f., sowie den Beitrag von K. Erlemann, Allegorie, Allegorese, Allegorisierung, im vorliegenden Band. 22 Zur Unterscheidung interner und externer Signale Zymner, Uneigentlichkeit (s. Anm. 12), 87–96 passim; D. Massa, Verstehensbedingungen von Gleichnissen. Prozesse und Voraussetzungen der Rezeption aus kognitiver Sicht, TANZ 31, Tübingen 2000, 224–231.360 f. 23 So schon Bultmann, Geschichte (s. Anm. 3), 199. 17
442
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(4) Zur Sensibilisierung der Textwahrnehmung sind zwei weitere Differenzierungen hilfreich.24 Zum einen kann man zwischen expliziten und impliziten Signalen für die Bildung einer zweiten Sinnebene unterscheiden. Zur ersten Kategorie gehören die Ankündigung eines Gleichnisses, Gleichnisformeln oder Gleichnisdeutungen. Zur zweiten Kategorie zählen die Aufnahme von Stichworten aus dem Kontext, unerwartete Wendungen im erzählten Geschehen oder der Mangel an offenkundigem Sinn, die zum Nachdenken anregen und eine tiefere Bedeutung suchen lassen.25 Zum anderen kann in der Analyse zwischen dem Anstoßen des besonderen Sinnbildungsprozesses und dessen inhaltlicher Steuerung und Ausrichtung differenziert werden. So ist zum Beispiel das Fehlen eines offenkundigen Sinns Anlass zur Suche nach einer anderen oder tieferen Bedeutung, besagt aber nichts darüber, worin sie besteht. Ganz anders dagegen der Impuls einer konventionell geprägten Metapher, die ein bestimmtes Assoziationspotential mitbringt. Grundsätzlich ist in allen Aspekten der Fokus darauf zu richten, was über das allgemeine Verstehen z.B. einer Erzählung hinaus den besonderen Sinnbildungsprozess der Gleichnisse Jesu ausmacht. Es sind also die gleichnisspezifischen – genauer: die für die synoptischen Gleichnisse spezifischen – Formmerkmale zu erarbeiten.
1.3 Die Textbasis Zum Abschluss der Vorüberlegungen ist zu entscheiden, welche Gleichnisse in welcher Überlieferungsgestalt Gegenstand der Untersuchung sein sollen. Textbasis werden im Folgenden die Gleichnisse in den Evangelien sein, nicht rekonstruierte Versionen einer früheren Überlieferungsstufe. Dieser Ansatz ist nicht nur im Lichte von Jülichers Urteil, die Evangelisten hätten die Gleichnisse Jesu grundlegend missverstanden, sondern auch aus der Sicht neuerer Arbeiten zu den Gleichnissen nicht selbstverständlich, die mehrheitlich an den Gleichnissen im Munde Jesu interessiert sind.26 Der Ansatz liegt zunächst in eben dieser Tatsache begründet, dass die Frage nach Form und Verständnis der Gattung Gleichnis in den Evangelien ein im Vergleich zur jesusorientierten Forschung bislang vergleichsweise wenig bearbeitetes Gebiet ist. Darüber hinaus ist die Fragestellung im Interesse der Gattungs-
24 Vgl. zum Folgenden grundsätzlich und wesentlich differenzierter Zymner, Uneigentlichkeit (s. Anm. 12), 45–52 (bes. 50 ff.) und 87–96; Massa, Verstehensbedingungen von Gleichnissen (s. Anm. 22), 224–231.360 f. 25 Vgl. zum Letzten auch die Überlegungen bei Chr. Kähler, Jesu Gleichnisse als Poesie und Therapie. Versuch eines integrativen Zugangs zum kommunikativen Aspekt von Gleichnissen Jesu, WUNT 78, Tübingen 1995, 26–30. 26 Zur Begründung des Ansatzes und zur Forschungsgeschichte aus dieser Perspektive (mit Schwerpunkt auf Mt) vgl. Münch, Gleichnisse Jesu im Matthäusevangelium (s. Anm. 6), 4–5 und 8–57.
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443
geschichte lohnend. Ein Vorzug der Analyse auf Ebene der Evangelien ist die gut gesicherte Textbasis. Der Ansatz richtet sich ausdrücklich nicht gegen die jesusorientierte Forschung, sondern will diese ergänzen und bereichern. Selbst bei skeptischer Einschätzung der Gleichnisüberlieferung bietet das Gleichnisverständnis der Evangelien insofern einen Anhaltspunkt für die jesusorientierte Forschung, als die Entstehung dieses Gleichnisverständnisses aus den Gleichnissen Jesu heraus nachvollziehbar sein muss. Bei optimistischerer Einschätzung sind die Evangelisten zeitnahe Interpreten der Gleichnisse Jesu und bezeugen eine Gleichnisüberlieferung, in der charakteristische Merkmale der Gleichnisse Jesu bewahrt und vielleicht sogar deutlicher herausgearbeitet worden sind. In der Konsequenz des Ansatzes bei den Evangelien liegt es eigentlich, auch den Kontext der Gleichnisse (erzählte Situationen, Sprecher, Adressaten etc.) in die Analyse einzubeziehen. Ich muss aus Raumgründen auf eine systematische Darstellung verzichten und werde nur einzelne Beobachtungen einbringen, sofern sie mit den Formmerkmalen der Gleichnisse in Beziehung stehen. Der Blick richtet sich auf die Gleichnisse und die ihnen unmittelbar zugeordneten Äußerungen Jesu (Gleichniseinleitungen und -schlüsse).
2. Beobachtungen zu Form und Referenz in den Gleichnissen der synoptischen Evangelien 2.1 Gleichniseinleitungen und -anfänge Der Anfang eines Textes ist wichtig und ein sensibles Feld für die Wahrnehmung des Gesagten oder Geschriebenen durch die Rezipienten des Textes, das weiß die antike Rhetorik ebenso wie die moderne Erzählforschung. Wie also fangen die Gleichnisse Jesu nach dem Zeugnis der Evangelien an und was bedeutet dies für ihre Referenz?27 2.1.1 Die Gleichniseinleitungen der synoptischen Evangelien im Überblick Gleichnisformeln mit (‚gleich / ähnlich‘) oder (‚vergleichen‘) sind in der frühchristlichen Literatur breit belegt. Sie finden sich bei Matthäus und Lukas (Mt 13,24.31.33 u.ö.; Lk 12,36; 13,18–21; vgl. auch Mk 4,30), sind für die Redenquelle nachzuweisen (Mt 7,24.26; 11,16; Lk 6,47–49; 7,31 f.) und kommen (koptisch) im Thomasevangelium (EvThom 8.13.20–22.57.76 u.ö.) ebenso vor wie im apokryphen Jakobusbrief (EpJac 27 Jeremias, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 4), 99–102, unterscheidet Nominativ- und Dativanfänge. Dativanfänge sind mit Gleichnisformeln eingeleitete Gleichnisse. Nominativanfänge sind nach Jeremias „reine Erzählung ohne jede Einleitungsformel“ (a.a.O., 99). Fragegleichnisse gelten ihm als Sonderform des Nominativanfangs (a.a.O., 102). Andere Formen der Gleichniseinleitung hat er nicht im Blick.
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7,24 ff.; 8,16 ff.; 12,22 ff.). Markus kennt ebenfalls Gleichnisformeln, formuliert sie aber in der Regel mit ( …) (‚so … wie‘: Mk 4,26.30 f.; 13,34). Die Gleichnisformeln sind kraft ihrer großen Verbreitung28 zunächst ein Gattungssignal. Sie zeigen an: „Achtung, ein Gleichnis!“ Die Gleichnisformeln benennen zudem die ‚Sache‘, um die es geht (vgl. aber Mt 25,14). Immer wieder wird in diesen Formeln das Reich Gottes (mit verschiedenen Begriffen bezeichnet) als Thema des Gleichnisses benannt. Daneben gibt es aber auch andere Größen, denen Gleichnisse gelten (Mt 11,16: „diese Generation“; Mt 13,52: „jeder Schriftgelehrte, der…“; Lk 12,36: „ihr“; EvThom 22: „diese Kleinen“; u.a.). Der Grundimpuls ist ein Vergleich zwischen der in der Gleichnisformel genannten Sache und dem Gleichnis. Zwei Dinge sind für die Referenzwirkung dieses Impulses zu bedenken. Zum einen hat die Gleichnisformel – vor allem mit der Bezugsgröße „Reich Gottes“ oder „Himmelreich“ – stark stereotypen Charakter. Darauf wird zurückzukommen sein. Zum anderen besteht in der Vergleichsformel eine „Inkonzinnität“.29 Nach grammatisch strengem Verständnis wird z.B. in Mt 13,45 f. das Himmelreich mit einem Mann verglichen, wohingegen in den meisten Auslegungen eher die Perle mit dem Himmelreich assoziiert wird. In der Forschung herrscht Einigkeit darüber, dass die Formel das Gottesreich (oder eine andere Vergleichsgröße) zur gesamten folgenden Erzählung in Beziehung setzen soll („Mit dem Gottesreich verhält es sich wie mit der folgenden Erzählung …“).30 Der durch die Gleichnisformel eingeleitete Referenzprozess ist also auf die Weiterführung durch andere Verweissignale angewiesen. Zu sagen, die Gleichnisformeln seien „inkonzinn“, heißt allerdings nicht, dass sie zufällig gewählt oder ungenau sind. Das Dativobjekt der Gleichnisformeln ist jenes Element, mit dem der Gleichniserzähler seine Erzählung beginnt, und diese Entscheidung kann wesentlichen Einfluss auf das Verständnis eines Gleichnisses haben.31 Eine zweite Form von Gleichniseinleitung sind Fragen, die auf das Urteil der Hörer oder Leser zum nun geschilderten Sachverhalt zielen (Mt 18,12; 21,28; 24,45; Lk 12,42). Eine spezielle, gattungsmäßig vorgeprägte Form
28 Zu den Einleitungen rabbinischer Gleichnisse, die manchmal zum Vergleich herangezogen werden, z.B. Fiebig, Altjüdische Gleichnisse (s. Anm. 18), 77–82; P. Dschulnigg, Rabbinische Gleichnisse und das Neue Testament. Die Gleichnisse der PesK im Vergleich mit den Gleichnissen Jesu und dem Neuen Testament, JudChr 12, Bern u.a. 1988, 530–539; Münch, Gleichnisse Jesu im Matthäusevangelium (s. Anm. 6), 145–147. 29 Vgl. P. Fiebig, Die Gleichnisreden Jesu im Lichte der rabbinischen Gleichnisse des neutestamentlichen Zeitalters. Ein Beitrag zum Streit um die „Christusmythe“ und eine Widerlegung der Gleichnistheorie Jülichers, Tübingen 1912, 131 u.ö. 30 Vgl. nur Fiebig, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 29), 131; Jeremias, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 4), 100 f.; E. Linnemann, Gleichnisse Jesu. Einführung und Auslegung, Göttingen 4 1966, 26; G. Haufe, Art. , EWNT II (21992), 1251. 31 Ausführlicher Münch, Gleichnisse Jesu im Matthäusevangelium (s. Anm. 6), 141–144.
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sind die -Gleichnisse32 (‚Wer unter euch …‘: Mt 7,9; Lk 11,5.11; 14,28; 15,4; 17,7; vgl. Lk 14,31; 15,8). Auch kürzere Gleichnisse und Bildworte können als Frage formuliert oder mit einer solchen eingeleitet sein (Mk 2,19 par.; 4,21; Lk 6,39). Fragen appellieren an die Einsichtsfähigkeit, das Urteilsvermögen der Hörer, beziehen sie ein, sprechen ihre Kompetenz und Erfahrung an. Letzteres gilt verstärkt für die -Gleichnisse, die betont auf das eigene Tun und Wissen verweisen. Fragen heben die argumentative Funktion des Gleichnisses hervor, dem sie voranstehen (sehr deutlich z.B. Lk 15,4), und machen die Angesprochenen bei ihrem Urteil haftbar (Mt 21,28; Lk 12,57–59).33 Schließlich werden einige Gleichnisse durch Imperative eingeleitet, die zum Hören, Verstehen oder Lernen u.Ä. auffordern (Mk 4,3; 7,14; 13,28; Mt 15,10; 21,33; 24,32.43; Lk 12,39; 21,29; vgl. Mt 13,3). Die Imperative sind zunächst Aufmerksamkeitsmarker. Viele zeigen darüber hinaus an, dass das Wahrnehmen und Verstehen nicht selbstverständlich ist. Solche Hinweise hängen offenbar mit dem (thematischen) Kontext zusammen, in dem diese Gleichnisse in den Evangelien begegnen: Zum einen finden sich im Anschluss an die so eingeleiteten Gleichnisse mehrfach Gespräche über das Verstehen des speziellen Gleichnisses oder der Gleichnisse überhaupt (Mk 4,10–12; 7,17 ff.; Mt 13,10–18; 15,15 ff.; 21,40–44). Zum anderen sind solche Einleitungen bei Gleichnissen gebräuchlich, die über endzeitliche Ereignisse belehren. Mit den Einleitungen korrespondieren dann Wachsamkeitsmahnungen, Aufforderungen zu erkennen u.Ä. (Mk 13,29; Mt 24.33.42.44; Lk 12,40; 21,31). In ihrer Funktion ähneln die Imperative den nachgestellten Weckrufen, die einigen Gleichnissen – und zwar häufig in denselben Kontexten – angefügt werden (Mk 4,9.23; Mt 13,9.43; Lk 8,8; 14,35). Nicht alle Gleichnisse sind eingeleitet. Kürzere Bildworte setzen relativ häufig unmittelbar ein (Mk 2,17.19; 9,50; Mt 5,14 f.; 6,22 f.; 7,6; Lk 11,34 u.a.). Aber auch etliche lukanische Gleichnisse haben keinerlei Vergleichsformeln o.Ä. Auffällig ist, dass viele von ihnen mit den Worten „Ein Mensch …“ beginnen. Variationen dieser Form sind Gleichnisanfänge mit zwei Menschen, einem Richter u.a. Auf den Gleichnisanfang dieser sog. -Gleichnisse (‚Ein Mensch …‘) wird im nächsten Abschnitt noch einmal zurückzukommen sein. 32 Zu dieser Form H. Greeven, „Wer unter euch…?“, in: W. Harnisch (Hg.), Gleichnisse Jesu. Positionen der Auslegung von Adolf Jülicher bis zur Formgeschichte, WdF 366, Darmstadt 1982, 238–255; K. Berger, Materialien zu Form und Überlieferungsgeschichte neutestamentlicher Gleichnisse, NT 15 (1973), 1–37, hier 31–33; ders., Zur Frage des traditionsgeschichtlichen Wertes apokrypher Gleichnisse, NT 17 (1975), 58–76, hier 58–61; K. Dorn, Die Gleichnisse des lukanischen Reiseberichts aus Sondergut und Logienquelle, Diss. masch., Würzburg 1988, 9–109; von Bendemann, Zwischen und (s. Anm. 8), 197 f. 33 Das v.a. betont Jeremias, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 4), 102, der die Gleichnisse Jesu ja als Streitwaffen in Konflikten versteht (a.a.O., 17 f.); vgl. auch Bultmann, Geschichte (s. Anm. 3), 194.195 f.
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2.1.2 Besonderheiten des Matthäusevangeliums Vielfach ist den Einleitungen zufolge das Reich Gottes resp. das Himmelreich Thema der Gleichnisse. Besonders im Matthäusevangelium treten gehäuft stark stereotypisierte Gleichnisformeln dieser Art auf.34 – (‚Das Himmelreich ist gleich einem …‘) + Dativ (Mt 13,31.33.44.45.47; 20,1) – (‚Das Himmelreich gleicht35 einem …‘) + Dativ (Mt 13,24; 18,23; 22,2) – (‚Das Himmelreich wird gleichen …‘) + Dativ (Mt 25,1) Hinsichtlich der Häufigkeit und des stereotypen Charakters dieser Formeln vergleichbar ist allenfalls das Thomasevangelium. Oben wurde schon festgehalten, dass solche Gleichnisformeln wegen ihrer Bekanntheit als Gattungssignal fungieren. Diese Feststellung gilt verstärkt für das erste Evangelium. Bei Matthäus zeigen die Gleichnisformeln deutlich ein Bewusstsein für die besondere Textgruppe der (jesuanischen) Gleichnisse und stehen im Zusammenhang mit der Überlieferung und ‚Pflege‘ dieser Gattung. Das Gattungsbewusstsein wird auch an anderen Regelmäßigkeiten des matthäischen Umgangs mit den Gleichnissen deutlich: an der Zusammenstellung der Gleichnisse zu Gruppen und Gleichnisreden (Mt 13,1–52; 21,28–22,14; 24,42–25,30); an Einleitungen wie „ein anderes Gleichnis redete er zu ihnen / legte er ihnen vor“ (Mt 13,24.31.33; vgl. 21,33; 22,1); an weiteren Stereotypisierungen in der Erzählweise der Gleichnisse (s.u.) und in den Gleichnisschlüssen. Der literaturgeschichtliche Vergleich zeigt, dass ähnliche Regelmäßigkeiten auch in den Zusammenstellungen der rabbinischen Gleichnisse36 oder der Fabeln Äsops37 zu beobachten sind. Trotz ihres stereotypen Charakters sind die Gleichnisformeln weiterhin als – wenn auch sehr weite – Themenangabe zu verstehen. Sie bezeugen 34
Vgl. dazu Münch, Gleichnisse Jesu im Matthäusevangelium (s. Anm. 6), 144–150. Zum Tempus der Einleitungsformel (hier Aorist, in der nächsten Futur) und zu seiner Bedeutung vgl. Münch, Gleichnisse Jesu im Matthäusevangelium (s. Anm. 6), 138–140. 36 Zur Stereotypisierung der rabb. Gleichnisse D. Stern, Parables in Midrash. Narrative and Exegesis in Rabbinic Literature, Cambridge / London 1991, 21–37; B. H. Young, The Parables. Jewish Tradition and Christian Interpretation, Peabody 22000, 24, vermutet eine Standardisierung der rabbinischen Einleitungsformeln im Zusammenhang mit ihrer Verschriftlichung. 37 F. Vouga macht mit Recht auf die Sammlung der Fabeln aufmerksam, die ein auch in dieser Hinsicht interessantes Vergleichsfeld für die Gleichnissammlungen der Evangelien bieten, auch wenn ich seinen Folgerungen in vielem nicht zustimmen kann (F. Vouga, Formgeschichtliche Überlegungen zu den Gleichnissen und zu den Fabeln der Jesus-Tradition auf dem Hintergrund der hellenistischen Literaturgeschichte, in: F. van Segbroeck u.a. [Hgg.], The Four Gospels 1992 [FS F. Neirynck], BET hL C, Leuven 1992, I, 173–187, bes. 179 ff.; Ders., Die Parabeln Jesu und die Fabeln Äsops. Ein Beitrag zur Gleichnisforschung und zur Problematik der Literarisierung der Erzählungen der Jesus-Tradition, WuD 26 [2001], 149–164). Vgl. außerdem Bendemann, Zwischen und (s. Anm. 8), 367–379, der die Fabeln der Vita Aesopi und die Gleichnisse des LkEv vergleicht. 35
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das Wissen darum, dass die Gleichnisse eine herausragende Form der Verkündigung des Himmelreiches waren. Es lässt sich ihnen im Matthäusevangelium keine andere Textsorte an die Seite stellen, in der Jesus auch nur in annähernd vergleichbarer Weise über das Himmelreich spricht. Schließlich sind die Gleichnisformeln ein hermeneutisches Signal. Matthäus bringt in der Parabeltheorie (Mt 13,10–17) und anderorts (Mt 21,31 f.40–46) zum Ausdruck, dass die Gleichnisse als Rede vom Himmelreich letztlich – d.h. in ihren Konsequenzen für den Glauben und das Handeln – nur denen verständlich sind, die Jesu Vollmacht als Sohn Gottes und Offenbarer des Willens Gottes anerkennen und sich von Jesus die Gleichnisse erschließen lassen. Durch die Doppelfunktion als Gattungssignal und Themenangabe, durch die stereotype Verknüpfung der Gleichnisform mit dem Himmelreich verweisen die Himmelreichformeln m.E. immer wieder auch auf den Sprecher der Gleichnisse, Jesus, der für Matthäus in besonderer Weise zu den Verstehensbedingungen der Gleichnisse gehört.
2.2 Referenzstrategien im Gleichnis Die Formmerkmale der Gleichnis-Corpora, d.h. der Gleichnisse abgesehen von Einleitung und Schluss, sind sehr vielfältig. Ich möchte im Lichte der oben skizzierten Diskussion in der Forschung im Folgenden drei Referenzstrategien der Gleichnisse in den Evangelien und die ihnen zugrunde liegenden Formmerkmale in den Blick nehmen. Ziel ist es nicht, Untergattungen der Gleichnisse zu definieren! Es geht vielmehr darum Grundformen der Referenz zu beschreiben, die innerhalb eines konkreten Textes sehr wohl miteinander kombiniert werden können. 2.2.1 Die Evidenz der Normalität / Alltäglichkeit / Natürlichkeit Jülicher definierte „das Gleichnis als diejenige Redefigur, in welcher die Wirkung eines Satzes (Gedankens) gesichert werden soll durch Nebenstellung eines ähnlichen, einem andern Gebiet angehörigen, seiner Wirkung gewissen Satzes.“38 Die sichere Wirkung, die Evidenz des nebengestellten „Satzes“ oder „Gedankens“ beruht dabei auf der Normalität / Alltäglichkeit / Natürlichkeit des geschilderten Vorgangs. Man kann mit guten Gründen diskutieren, ob sich eine eigene Gattung „Gleichnis“ im Unterschied etwa zu Parabeln begründen lässt.39 Richtig bleibt aber, dass etliche Gleichnisse die 38
Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 2), I, 80. Vgl. die Einleitung von R. Zimmermann in: ders. u.a. (Hgg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu, Gütersloh 2007, 3–46, bes. 19–23. Für eine eigene Gattung votieren (mit unterschiedlichen konstitutiven Merkmalen) zum Beispiel Harnisch, Gleichniserzählungen Jesu (s. Anm. 17), 107 f.; E. Rau, Reden in Vollmacht. Hintergrund, Form und Anliegen der Gleichnisse Jesu, FRLANT 149, Göttingen 1990, 26–35; F. Vouga, Zur form- und redaktionsgeschichtlichen Definition der Gattungen: Gleichnis, Parabel / Fabel, Beispielerzählung, in: 39
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von Jülicher beschriebene Referenzstrategie verfolgen. Die Form der Gleichnisse gewährleistet und stützt diese Strategie durch verschiedene Merkmale, die freilich nicht alle in jedem Fall vorkommen müssen:40 – Die Sache muss benannt werden, sonst ist diese Form der Referenz unverständlich. Die Benennung geschieht oft in der Gleichnisformel. V.a. bei kürzeren Bildworten wird sie aber auch einfach neben das Bild gestellt (z.B. Mk 2,17; Lk 4,23; 16,13). Ist das Bild durch Bildfeldtraditionen mit bestimmten Themen verknüpft, kann dies den Bezug auf die Sache unterstützen (wie z.B. bei Saat- und Wachstums-Gleichnissen). – Die Schilderungen sind kurz, klar und anschaulich. Wenn es sich um Erzählungen (im Sinne der Schilderung eines mehrschrittigen Geschehens) handelt, ist diese knapp gehalten, oft nur mit einer agierenden Person und ohne Dialog. Es geht insgesamt nicht darum, die Hörer / Leser in eine erzählte Welt hineinzuziehen (s.u.). – Die Gleichnisse sind – nach den Kategorien von H. Weinrich – meistens in besprechenden Tempora (v.a. Präsens) gehalten, die signalisieren, dass es um die Hörer betreffende Dinge geht.41 – Das Bildfeld ist lebens- und erfahrungsnah gewählt, spiegelt entweder etwas Typisches, Charakteristisches, Natürliches oder etwas offenkundig Unsinniges, Absurdes. Es hat mit der verhandelten Sache aber auf den ersten Blick nichts zu tun. – Natur oder Alltag werden keineswegs 1:1 abgebildet, sondern selektiv und zugespitzt dargestellt, so dass das Charakteristische klar hervortritt. Auf diese Weise kann eine Plausibilität erzeugt werden, die sich bei anderer Betrachtung desselben Sachverhaltes vielleicht gar nicht einstellen würde (z.B. im Falle von Lk 15,4–10).42 – Die Adressaten werden auf ihre eigenen Erfahrungen direkt angesprochen. Sprachlich spiegelt sich das z.B. in der Frageform, in der die Gleichnisse oder ihr Anfang gehalten sind (z.B. die -Gleichnisse [‚Wer unter euch …‘]), in der Verwendung von (‚doch nicht etwa‘: Mk 4,21; Mt 7,16; Lk 6,39), im Beginnen mit (‚niemand‘: Mk 2,21.22; Mt 6,24; Lk 11,33) oder in der Formulierung mit einem Bedingungssatz (Mk 3,24 ff.; 9,50; 13,28). U. Mell (Hg.), Die Gleichnisreden Jesu 1899–1999. Beiträge zum Dialog mit Adolf Jülicher, BZNW 103, Berlin / New York 1999, 75–95, hier 76 f. 40 Vgl. zu den Merkmalen der Gleichnisse im engeren Sinne neben der oben Anm. 39 genannten Literatur auch Bultmann, Geschichte (s. Anm. 3), 195–197; K. Erlemann, Gleichnisauslegung. Ein Lehr- und Arbeitsbuch, UTB 2093, Tübingen / Basel 1999, 79 f.; K. Berger, Formen und Gattungen im Neuen Testament, UTB 2532, Tübingen / Basel 2005, 101–105. 41 Vgl. grundlegend H. Weinrich, Tempus. Besprochene und erzählte Welt, Sprache und Literatur 16, Stuttgart 21971; für die Gleichnisse wertet Rau die Unterscheidung zwischen erzählenden und besprechenden Tempora als wichtiges Gattungskriterium aus, vgl. ders., Reden in Vollmacht (s. Anm. 39), 26–35. 42 Darauf weist Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 40), 79, mit Recht hin.
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2.2.2 Die Evidenz des Dramatischen und Paradigmatischen In der ersten Form der Referenz konnte das Erzählen als (allerdings selektive, zugespitzte) Abbildung von Geschehen im Alltag oder in der Natur eine Rolle spielen. Für eine zweite Form der Referenz ist es in weit ausgeprägterem Maße konstitutiv. Nach Ausweis der Forschung beruht eine zweite, vor allem in den bei Jülicher so genannten Parabeln und Beispielerzählungen anzutreffende Referenzstrategie darauf, die Hörer oder Leser mit einer erzählten Welt zu konfrontieren, der sie zunächst als Betrachter gegenüberstehen, in die sie aber durch die Erzählung verwickelt werden. Die Hörer begegnen auf diesem Wege ihren eigenen oder ihnen vertrauten Vorurteilen und Einstellungen, werden zu neuen Perspektiven, veränderten Wahrnehmungen und Urteilen angeregt etc.43 Innerhalb der Gleichnisse entsprechen dieser Strategie verschiedene Formmerkmale, die man unter die Oberbegriffe des Dramatischen und Paradigmatischen44 fassen könnte. – Die Erzählungen sind relativ lang und komplexer. – Erzähltempora schaffen Distanz.45 – Die ohne Gleichnisformel, einleitende Frage o.Ä. unmittelbar mit der Erzählung einsetzenden -Gleichnisse (‚Ein Mensch …‘: Lk 10,30; 12,16; 14,16; 15,11; 16,1.19; 19,12) und andere lukanische Parabeln (z.B. Lk 18,2.10; 20,9) entsprechen dieser Distanzierung, indem sie den Blick unmittelbar auf einen anderen Menschen richten, den die Hörer / Leser nun aus der Zuschauerperspektive betrachten. – Wenn die handelnden Personen aus Sicht der Adressaten ‚weit weg‘ sind (z.B. in sozialer Hinsicht: reiche Leute, Könige), verstärkt dies die Distanz. – Die erzählte Welt ist in der Alltagswelt verwurzelt. Im Rahmen der Erzählung begegnen aber – durch die fiktive Erzählung und ihr Arrangement plausibel eingebunden – auch Ereignisse und Verhaltensweisen, die dem
43 Vgl. Harnisch, Gleichniserzählungen Jesu (s. Anm. 17), bes. 141–158, der Überlegungen von P. Ricœur weiterführt (Biblische Hermeneutik, in: W. Harnisch [Hg.], Die neutestamentliche Gleichnisforschung im Horizont von Hermeneutik und Literaturwissenschaft, WdF 575, Darmstadt 1982, 248–339; Stellung und Funktion der Metapher in der biblischen Sprache, in: P. Ricœur / E. Jüngel, Metapher. Zur Hermeneutik religiöser Sprache, EvTh.S, München 1974, 45–70). Zur kritischen Diskussion: Th. Söding, Die Gleichnisse Jesu als metaphorische Erzählungen, in: B. Janowski / N. Zchomelidse (Hgg.), Die Sichtbarkeit des Unsichtbaren. Zur Korrelation von Text und Bild im Wirkungskreis der Bibel, AGWB 3, Stuttgart 2003, 81–118. 44 Die Begriffe werden von Harnisch, Gleichniserzählungen Jesu (s. Anm. 17), 71, und G. Sellin, Lukas als Gleichniserzähler: Die Erzählung vom barmherzigen Samariter (Lk 10,25–37), ZNW 65 (1974), 166–189, hier 178, verwendet. „Paradigmatisch“ ist hier nicht auf historische Exempla / Paradeigmata enggeführt; vgl. zum Begriff auch D. Dormeyer, Das Neue Testament im Rahmen der antiken Literaturgeschichte. Eine Einführung, Darmstadt 1993, 143–146. 45 Zu den Tempora s.o. Anm. 41.
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Gewöhnlichen, im Alltag zu erwartenden Verhalten und Geschehen widersprechen (‚Extravaganzen‘). Sie lassen das ‚Normale‘, die gewöhnliche Geschichte dieser Welt, in einem neuen Licht erscheinen.46 Die Personenkonstellation ist häufig durch ein gegensätzliches Paar von Akteuren bestimmt (antithetisches Zwillingspaar), die manchmal einer Autoritätsperson unterstellt sind. Das antithetische Zwillingspaar provoziert durch seine Gegensätzlichkeit zur (positiven oder negativen) Identifikation und zur Stellungnahme.47 Im Verlauf der Ereignisse gibt es Handlungsoptionen für die beteiligten Figuren und sie treffen Entscheidungen.48 Das Rechenschaftablegen vor der übergeordneten Figur – mit entsprechenden Dialogen und einem ausgesprochenen oder angezielten Urteil (Mt 18,31–34; 25,19–30; Lk 19,15–27; vgl. Mt 20,11–15; Lk 15,29–32) – verstärkt den Effekt, die Hörer oder Leser zu einem Urteil zu bewegen. Auch der „offene Schluss“ von Mt 20,1–15 oder Lk 15,11–32, der die endgültige Reaktion angesprochener Figuren nicht mehr erzählt, weist in diese Richtung. Wenn dem Gleichnis Fragen nach einem Urteil zur Erzählung vorausgehen (Mt 18,12; 21,28; 24,45; Lk 12,42) oder folgen (Mk 12,9; Mt 21,31.40 f.; Lk 10,36 f.; vgl. Lk 7,42), wird die Forderung nach einer Stellungnahme explizit gemacht.49 Monologe, die v.a. in lukanischen Sondergutgleichnissen zu beobachten sind (Lk 12,17–19; 15,17–19; 16,3–4; 18,4–5; vgl. 12,45; 20,13), verstärken die Anteilnahme (oder Abneigung), indem sie Einblicke in das Innenleben der Figuren erlauben. Bernhard Heininger hat durch den Vergleich mit den Monologen im antiken Drama und Roman plausibel gemacht, dass sie Schnittstellen der Kommunikation zwischen dem Monologsprecher und den Lesern bzw. Zuschauern sind.50 Die Sujets oder einzelne Elemente der Gleichnisse können aus (v.a. biblischen) Motivtraditionen bekannt sein (z.B. familiäre Metaphern für das Gottesverhältnis wie Hochzeit / Ehe oder Vater–Kinder). Dies sichert und unterstützt im Sinne einer Themenanzeige den religiösen Bezug der
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So v.a. Ricœur und Harnisch. Vgl. oben in Anm. 43. Vgl. zu dieser Personenkonstellation Sellin, Lukas als Gleichniserzähler (s. Anm. 44), 180–189; Harnisch, Gleichniserzählungen Jesu (s. Anm. 17), 30–32.73–84. 48 Dazu – neben Sellin und Harnisch – auch M. Wolter, Interaktive Erzählungen. Wie aus Geschichten Gleichnisse werden und was Jesu Gleichnisse mit ihren Hörern machen, GlLern 13 (1998), 120–134, hier 131. 49 Vgl. zu diesem und zum vorangehenden Punkt auch Berger, Formen und Gattungen (s. Anm. 40), 107 f. 50 Vgl. hierzu B. Heininger, Metaphorik, Erzählstruktur und szenisch-dramatische Gestaltung in den Sondergutgleichnissen bei Lukas, NTA .NF 24, Münster 1991, 31–82; außerdem Ph. Sellew, Interior Monologue as a Narrative Device in the Parables of Luke, JBL 111 (1992), 239–253. 47
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Gleichnisse, ohne die narrativen Möglichkeiten des Gleichnisses damit außer Kraft zu setzen.51 Der Wirkweise dieser Gleichnisse entsprechen häufig – vor allem bei Lukas – die erzählten Situationen, in denen sie begegnen. Sie werden in Szenen eingebettet, in denen Streit herrscht, Jesus mit Zweifeln und Kritik begegnet wird, implizit oder explizit die Frage des rechten Handelns zur Debatte steht oder Jesus mit dem Gleichnis „erzieherisch“ und belehrend tätig ist.52 Häufig stehen im Kontext Personen bereit, die mit denen des Gleichnisses leicht identifiziert werden können und bestimmte Verhaltenstypen repräsentieren.53 Bei Matthäus ist für die Gleichnisse von Mt 21,28–32 und 21,33–43 ein ähnlicher Kontext gegeben. Vor allem aber ist auf jene Gleichnisse zu verweisen, die im Kontext paränetischer Reden Jesu bestimmte Verhaltensweisen noch einmal einschärfen wollen (z.B. Mt 18,23–35; 24,45–51; 25,1–13; 25,14–30, vielleicht auch 20,1–16). 2.2.3 Die Evidenz der (heils-)geschichtlichen Entsprechung Zum Teil an dieselben textlichen Voraussetzungen wie die zweite Referenzstrategie anknüpfend gibt es eine dritte Variante, die z.B. in Mk 12,1–11 zu beobachten ist und vor allem im Matthäusevangelium zu einer gewissen Reife geführt wurde. Sie beruht darauf, die Erzählung des Gleichnisses mit einer zweiten ‚Erzählung‘ zu konfrontieren. Es ist im weitesten Sinne die Geschichte Gottes mit den Menschen; genauer werden die Geschichte Gottes mit Israel, das Wirken Jesu oder die Ereignisse der eschatologischen Zukunft in den Blick genommen. Der Bezug der Gleichniserzählung zu jener anderen Geschichte wird durch verschiedene Formelemente der Gleichnisse ermöglicht und etabliert: – Die Gleichnisse erzählen einen Ereignisverlauf. Die Ereignisse nehmen häufig mit der Saat (Mt 13,3.24.31) oder mit einer Art Aufgabe (Mk 12,1 parr.; Mt 20,1 ff.; 24,45; 25,1.14–15; Lk 19,12–13 u.ö.) ihren Anfang und laufen auf die Ernte, den Ertrag oder eine Rechenschaftsszene zu,54 sind also zielgerichtet. Oft haben sie eine ausgeprägte Zeitstruktur, 51 Vgl. z.B. Heininger, Metaphorik (s. Anm. 50), 27–29; Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 40), 101 f. Siehe auch oben Anm. 20. 52 Von einem Streit, in den Jesus einbezogen wird, berichtet Lk 12,13 ff. Kritik an Jesus bildet zu Lk 15,4 ff.8 ff.11 ff.; 20,9 ff. (nach 20,1–8) den Zusammenhang des Gleichnisses; vgl. 7,39 ff. und 16,19–31 (bes. V. 31). Die Debatte um eine Frage des richtigen Verhaltens wird Lk 10,25–29 berichtet; in Lk 14,15 ff.; 19,11 ff. geben Aussagen oder Meinungen von Anwesenden den Anlass zu einer Belehrung über das rechte Verhalten angesichts der Basileia. Ausdrücklich pädagogische Ziele verfolgen die -Gleichnisse in Lk 18,1 ff. und 18,9 ff.; vgl. außerdem Lk 13,6–9 (nach 13,1–5); 16,1–8 (mit V. 9–12). – Vgl. dazu auch Sellin, Lukas als Gleichniserzähler (s. Anm. 44), 178 f. 53 Vgl. Heininger, Metaphorik (s. Anm. 50), 80–82. 54 Vgl. neben den schon genannten Gleichnissen noch Mt 13,47–50; 18,23–35; 22,11–14; Lk 16,1–8.
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in der die Zeit der Saat oder des Wachstums besonders hervorgehoben (Mt 13,3 ff.24 ff. parr.; vgl. Mk 4,26–29) oder durch die Abwesenheit des Auftraggebers eine Zeit für verantwortliches und rechenschaftspflichtiges Handeln der Figuren gegeben wird (Mk 12,1 parr.; 13,34; Mt 24,45 par.; 25,1 ff.; 25,14–15 par.; Lk 12,36–38; vgl. Mt 18,28–30).55 Es gibt häufig eine übergeordnete Autoritätsperson und ihr untergeordnete Figuren, so dass eine Deutung auf Gott oder den Parusie-Christus und ihr Handeln gegenüber den Menschen möglich wird. Die Autoritätsfigur bestimmt das Geschehen.56 Übertreibungen und Verfremdungen signalisieren das Ungenügen des offenkundigen Sinns und lassen nach einer anderen Bedeutung suchen (etwa die erzählerisch überflüssige Ausstattung des Weinbergs in Mk 12,1, das befremdliche Einladungsgebaren in Lk 14,21–23 oder die eklatant hohen Summen in Mt 25,14 ff.).57 Im Unterschied zu den oben schon besprochenen fiktionalen Zuspitzungen und Extravaganzen geht es dabei auch um Erzählzüge, die die Plausibilität des Erzählten bis an die Grenzen strapazieren oder diese Grenzen zum Teil auch überschreiten, zum Beispiel exzessive Gewalt (Mt 22,7), überzogen harte Strafen (Mt 22,13; 24,51 u.ö.; vgl. auch Lk 14,24)58, übertriebenes Lob (Mt 25,21.23). Hinweise des Erzählers signalisieren eine besondere Bedeutung bestimmter Elemente der Erzählung – häufig mit formuliert (‚Ich sage euch‘: Mt 5,26; 18,13; 24,47; Lk 12,37.44.59; 18,14; vgl. Mt 25,12; Lk 14,24).59 Das bei Matthäus mit Abstand wichtigste Element zur Konstituierung des Bezugs auf eine zweite Geschichte ist jedoch geprägtes Gut, das die eingespielte Ebene identifizieren hilft, weil es ein bestimmtes Bedeutungspotential mitbringt.60 Darunter zu fassen sind: (1) Elemente der Gleichniserzählung, die aus der biblischen Überlieferung und aus dem Kontext des Evangeliums als geprägte Metaphern und Bildfelder vertraut sind (Saat und Ernte, Frucht, Weinberg, Hirt und Schaf,
55 Vgl. K. Erlemann, Das Bild Gottes in den synoptischen Gleichnissen, BWANT 126, Stuttgart u.a. 1988, 251–253; B. B. Scott, Hear then the Parable. A Commentary on the Parables of Jesus, Minneapolis 1990, 205–215; Münch, Gleichnisse Jesu im Matthäusevangelium (s. Anm. 6), 166–175. 56 Vgl. neben den Anm. 55 genannten Titeln auch Sellin, Lukas als Gleichniserzähler (s. Anm. 44), 185–189, der in diesen Merkmalen den entscheidenden Unterschied zu den lukanischen -Gleichnissen sieht. 57 Für die mt Gleichnisse siehe dazu Münch, Gleichnisse Jesu im Matthäusevangelium (s. Anm. 6), 175–183. 58 Dazu auch B. E. Reid, Violent Endings in Matthew’s Parables and Christian Nonviolence, CBQ 66 (2004), 237–255. 59 Vgl. Bultmann, Geschichte (s. Anm. 3), 197; zur Formel K. Berger, Zur Geschichte der Einleitungsformel „Amen, ich sage euch“, ZNW 63 (1972), 45–75. 60 Vgl. dazu (mit Belegen) Münch, Gleichnisse Jesu im Matthäusevangelium (s. Anm. 6), 184–216.
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Besitz und Finanzen, Arbeit und Lohn, Hochzeit, Bräutigam, Mahl, König, Herr, Hausherr, Vater, Sklave / Knecht, Sohn, …);61 (2) theologisch besetzte Begriffe und Formulierungen, ebenfalls aus der biblischen Sprachtradition oder dem literarischen Kontext heraus bekannt und mit bestimmten Assoziationen besetzt („vergeben“, „schulden / Schuld“, „erbarmen“, „gerecht“, „Wille des Vaters“, „bereit sein / bereiten“ u.a.) sowie biblische Anspielungen und Zitate (Mt 21,33 par.: Jes 5,1 f.); (3) Formelsprache und formelhaftes Erzählen. Gemeint sind damit Begriffe, Wortfelder, Erzählzüge u.Ä., die in den Gleichnissen wiederholt und immer wieder in denselben Zusammenhängen auftauchen. Zur formelhaften Erzählweise matthäischer Gleichnisse gehört zum Beispiel seine Vorliebe für gegensätzliche Adjektivpaare wie gut–schlecht, klug–töricht etc., die eine ethische Interpretation der Gleichnisse unterstützen. Noch auffälliger sind Formeln und Wortfelder, die der Evangelist offenbar assoziativ mit dem Thema ‚Gericht‘ verbindet („sammeln“, „werfen / hinauswerfen“, „dort wird Heulen und Zähneknirschen sein“, „äußerste Finsternis“; Schilderungen massiver physischer Schädigungen am Ende von Gleichnissen wie „umhauen“, „ausreißen“, „zertreten“, „verbrennen“, „binden“, „den Folterknechten übergeben“). Auch die anderen Evangelien kennen diese oder ähnliche Mittel, verwenden sie aber deutlich zurückhaltender. Die beiden Erzählungen – das Gleichnis und die in Erinnerung gerufene Geschichte Gottes mit den Menschen – werden durch diese Mittel miteinander ins Spiel gebracht.62 Das Gleichnis wird mit geschichtlichen Ereignissen verknüpft, so dass das Verständnis dieser Ereignisse durch die Gleichniserzählung neu strukturiert wird: Das Wirken der Propheten und Jesu erscheint im Lichte des Winzergleichnisses (Mk 12,1–9 parr.) als ein wiederholtes Werben Gottes um die ihm zustehenden Früchte des Weinbergs. Das matthäische Gastmahlgleichnis (Mt 22,1–14) lehrt die Christen, sich als zum eschatologischen Festmahl Eingeladene zu verstehen, die sich freilich bewähren und ebenso wie die zuvor geladenen Israeliten dieser Einladung entsprechend handeln müssen. Die Gleichnisse von Mt 24,42–25,30 beleuchten mit ganz unterschiedlichen Geschichten und Akzenten die christliche Existenz während der Abwesenheit des Herrn Jesus Christus und angesichts seiner Wiederkunft zum endzeitlichen Gericht. Es geht nicht darum, das Gleichnis durch eine eigentlich gemeinte Geschichte zu ersetzen – so wie Jülicher das Phänomen der Allegorie verstanden hat. Die Gleichniserzählung ist und bleibt für das Verstehen konstitutiv. 61
Zu konventionalisierten Metaphern in Gleichnissen s.o. Anm. 20. Vgl. zum Folgenden Münch, Gleichnisse Jesu im Matthäusevangelium (s. Anm. 6), 226–231. 62
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Das zeigt sich etwa daran, dass die geprägten Elemente nicht im Sinne eines Codes eindeutig bestimmte geschichtliche Ereignisse und Rollen identifizieren, sondern die assoziierten Themen und Themengeflechte erst im Zusammenspiel mit der Erzählung und dem Kontext zu einem deutlicheren Bild führen. Mal gehört zum Beispiel der Weinberg nur zur erzählten Szenerie (Mt 20,1 ff.; 21,28 f.), mal ist er ein metaphorisch aufgeladener Begriff (Mt 21,33). Es wird aber auch deutlich an offensichtlich bedeutsamen, aber nicht klar entschlüsselbaren ‚Requisiten‘ wie dem Hochzeitsgewand im Gleichnis vom Hochzeitsmahl (Mt 22,11 ff.), dem Öl im Gleichnis von den Jungfrauen (Mt 25,1 ff.) oder den Talenten im Gleichnis vom anvertrauten Geld (Mt 25,14 ff.). Der Erzähler spielt hier mit dem erzählerischen Potential der Geschichten. Der Versuch, die Erzählungen durch punktuelle Deutungen einzelner Elemente entschlüsseln und die eigentlich gemeinte Sache an ihre Stelle setzen zu wollen, geht fehl. Gleichwohl spielen metaphorisch deutbare Züge eine wesentliche Rolle. Der Versuch, Gleichnisse als narrative Entfaltungen traditionell vorgegebener Metaphern und Bildfelder zu verstehen, wie H.-J. Klauck dies getan hat,63 geht in die richtige Richtung, weil bei seinem Modell beide Ebenen, das Bild und der traditionell damit verknüpfte Inhalt, in ihrer Unterscheidung und in ihrem Zusammenhang gesehen werden. Stärker als dies bei Klauck geschieht, sind die narrativen Grundlagen der Referenz zu berücksichtigen. Besser gelingt das im Beitrag von J. Liebenberg, der ausgehend vom kognitivistischen Metaphernkonzept, das Lakoff und Johnson grundgelegt haben,64 konventionelle Metaphorik in Gleichnissen erschließt.65 Reizvoll und fruchtbar macht seinen Ansatz, dass es ihm – wie uns – um die Frage geht, wie das Verstehen des Gleichnisses als Gleichnis zustande kommt.66 Liebenberg sieht durchaus den Einfluss der Erzählung für das Verstehen des Gleichnisses.67 Allerdings reduziert er im Kern die Erzählungen immer wieder auf metaphorische Konzepte (wie „live is a journey“, „people are plants“, „deeds are fruit“). Mit Blick auf den hier besprochenen Referenztypus (den Liebenberg freilich nicht gesondert im Blick hat) ist dabei zu wenig bedacht, dass die Erzählstruktur des Gleichnisses mit ihrer Personen63 Vgl. H.-J. Klauck, Allegorie und Allegorese in synoptischen Gleichnistexten, NTA .NF 13, Münster 21986, 141–143. 64 G. Lakoff / M. Johnson, Metaphors We Live By, Chicago 1980. Die zentrale These zum Metaphernbegriff lautet: „The essence of metaphor is understanding and experiencing one kind in terms of another.“ (a.a.O., 5). Die Definition weist Ähnlichkeiten mit der hier beschriebenen Form der Referenz auf. 65 Vgl. J. Liebenberg, The Language of the Kingdom and Jesus. Parable, Aphorism, and Metaphor in the Sayings Material Common to the Synoptic Tradition and the Gospel of Thomas, BZNW 102, Berlin / New York 2001, 84–166, bes. 94–99. 66 Vgl. Liebenberg, Language of the Kingdom and Jesus (s. Anm. 65), 75–85. 67 Vgl. seine Gleichnisdefinition, Liebenberg, Language of the Kingdom and Jesus (s. Anm. 65), 157, und die knappen Überlegungen zur Narrativität in Anschluss an diese Definition (a.a.O., 158 f.).
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konstellation, ihrer zeitlichen Gliederung etc. eine wesentliche Grundlage und Voraussetzung der Referenz ist.
2.3 Gleichnisschlüsse Die Gleichnisschlüsse, d.h. die dem Gleichnis im Anschluss zugeordneten und jenseits der Bildebene angesiedelten Sätze und Texte, können – insbesondere in redaktionsgeschichtlicher Perspektive – als die Deutung des Gleichnisses erscheinen. Sie erweisen sich oft als sekundär und bieten damit einen guten Ansatzpunkt, das Gleichnisverständnis der Redaktoren zu erkennen. Aber auch unabhängig von der diachronen Perspektive sind sie das „letzte Wort“, das der Erzähler zum Gleichnis spricht, und deshalb von herausragender Bedeutung für den Verstehensprozess. Gleichwohl gehen die Gleichniseinleitung und das Gleichnis selbst voraus, so dass der Referenzprozess des Gleichnisses nicht allein durch den Gleichnisschluss bestimmt wird. Insgesamt ist die Gestalt der Gleichnisschlüsse sehr vielfältig, und keineswegs alle Gleichnisse haben so etwas wie einen Gleichnisschluss. Die Funktion der Gleichnisschlüsse ist grundsätzlich eine Absicherung des Referenzprozesses, den das Gleichnis vollzieht. Dies ist an verschiedenen Formmerkmalen ablesbar:68 – Häufig setzt ein den Gleichnisschluss einleitendes (‚so‘) das Signal zur Analogiebildung, die durch den auf diese Weise angeschlossenen Satz mehr oder weniger explizit gemacht oder zumindest gestützt wird (Mk 13,29; Mt 12,45; 13,49; 18,14.35; 20,16; 24,33; Lk 12,21; 14,33; 15,7.10; 17,10; 21,31). – Überleitungen zum Gleichnisschluss mit oder (‚denn, weil‘) signalisieren eine erläuternde oder begründende Funktion (Mk 4,22; Mt 11,18; 22,14; Lk 7,33 bzw. Lk 16,8; 18,14). Durch (‚deshalb‘) und (‚also‘) wird eine Folgerung aus dem Gleichnis angezeigt (Mt 21,43; 24,44 bzw. 25,13; vgl. 13,40). – Dialogische Elemente wie die Bitte um eine Erklärung (Mt 13,36; Lk 8,9; vgl. Mk 4,10; Mt 13,10), rhetorische oder echte Fragen Jesu an die Adressaten zum Gleichnis (Mk 12,9; Mt 21,31.40; Lk 7,42; 10,36; 20,15), Aufrufe zu hören (Mt 13,18.43; Lk 18,6; vgl. Mk 13,37 und die Wendung „ich sage euch“69) oder Reaktionen der Hörer, die Jesus zu weiteren Erklärungen motivieren (Lk 20,16), weisen in Richtung auf ein Absichern des Verstehensprozesses. – Der angezielte Sachverhalt kann bei sehr kurzen Gleichnissen oder Bildworten auch ohne jede Verbindung neben das Bild gestellt werden und ist 68 Einen Überblick über die Formen der Gleichnisschlüsse gibt Bultmann, Geschichte (s. Anm. 3), 182 f.197–203. 69 Mk 13,30; Mt 21,31; Lk 15,7.10; s. auch Anm. 59.
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dann durch die parallele Struktur als Analogie verständlich (z.B. Mt 6,24; 12,33–37; Lk 5,31 f.; 16,13). Weiter kann dann genauer gefragt werden, wie die Schlüsse den Referenzprozess stützen, auf welche Art von Referenz sie zielen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien einige Beobachtungen vorgetragen. – Viele lukanische, aber auch einige matthäische Gleichnisse münden in einer Art Spruch oder Merksatz von allgemeinem Charakter (Mt 18,14; 24,44; 25,13; Lk 12,21.48 b; 14,11.33; 15,7.10; 16,9; 17,10; 18,14). Auch bei kurzen Gleichnissen und Bildworten ist diese Form von Gleichnisschluss verbreitet (z.B. Mt 5,16; 6,24; 7,20; Lk 16,13 u.a.). Der Spruch oder Merksatz ist häufig auf die im Kontext des Gleichnisses gegebene Situation oder Themenstellung abgestimmt. Er zielt aber letztlich auf die Sicherung einer den Zusammenhang der erzählten Jesusgeschichte überschreitenden, auch für die Leserinnen und Leser des Evangeliums relevanten Bedeutung des Gleichnisses, die – unscharf formuliert – in den Bereich christlicher Grundfragen und Grundhaltungen fällt (Ethik, Gottesbild, …). – Auf einer etwas anderen Ebene liegen Sprüche von rätselhaftem oder paradoxem Charakter (Mt 20,16; 22,14; 25,29; Lk 7,35; 8,17; 19,26), die offenbar im Sinne einer ‚Weisheit‘ herangezogen werden, die Licht auf das Gleichnis werfen kann70 oder umgekehrt durch das Gleichnis Erhellung erfährt. Bei ihnen ist der Merksatzcharakter nicht so ausgeprägt und das Verhältnis zum Gleichnis zum Teil komplexer.71 – Eine Reihe von Gleichnisschlüssen enthält den Impuls zum Handeln oder zu einem bestimmten Verhalten. Deutlich ist dies der Fall bei imperativischen Wendungen (Mt 24,33.44; 25,13; Lk 10,37; 11,9; 12,40; 16,9; vgl. Mk 9,50). Auch etliche ‚Merksätze‘ – so sie nicht ohnehin als Imperativ formuliert sind – enthalten den Impuls zu bestimmtem Verhalten oder wollen die richtige Haltung gegenüber anderen anmahnen (Mt 18,14; Lk 12,21; 14,11.33; 15,7.10; 16,9; 17,10; 18,14). Schließlich implizieren viele Gleichnisschlüsse, die sprachlich Futurformen sind und / oder inhaltlich auf das Gericht zielen, in pragmatischer Hinsicht Handlungsappelle (Mk 13,29 parr.; Mt 13,37–43.49 f.; 18,35; 20,16; Lk 18,8 b; vgl. Mt 20,2672). – Die Schlüsse anderer Gleichnisse beziehen sich auf bestimmte Ereignisse der vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Geschichte. Be70 Bultmann, Geschichte (s. Anm. 3), 200–202, stellt diesen Logien das Anhängen von Schriftzitaten an die Seite (wie in Mk 12,10 f. und bei rabb. Gleichnissen). 71 Vgl. Berger, Formen und Gattungen (s. Anm. 40), 105 f. 72 Für Mt 12,45; 21,31.43 ist nicht ganz klar, wie sehr die Gerichtsansage noch der Umkehr dienen soll. Eine Antwort hängt letztlich an der Gesamteinschätzung der matthäischen Israeltheologie. An die Adresse der matthäischen Gemeinde schwingt aber vermutlich im angekündigten Schicksal der Angesprochenen eine gewisse Mahnung mit.
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zugspunkte sind die Geschichte Israels (Mt 11,18; 12,45; 21,31 f.43; Lk 7,33), das Schicksal und Wirken Jesu (Mk 2,17; Mt 11,19; 13,37–39; Lk 7,34.44 f; 11,23; vgl. Mk 12,10–11 parr.), die urchristliche Mission (Mk 4,13–20 parr.; Mt 13,37–39) oder die eschatologische Zukunft (Mt 13,40–43.49 f.; Lk 18,8 b; vgl. Mk 13,29 parr.). Diese Schlüsse verankern zum Teil das Gleichnis in der erzählten Situation (Mk 2,17; Lk 7,44 f.; 11,23). In den anderen Fällen, wenn vergangene, zukünftige oder die konkrete Situation überschreitende Geschehnisse genannt werden, dann weist dieses Benennen geschichtlicher Ereignisse in dieselbe Richtung wie die oben als dritte beschriebene Referenzstrategie innerhalb der Gleichnisse: Geschichte wird im Lichte einer Erzählung betrachtet.73 Bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang besonders Gleichnisschlüsse, die Elemente des Gleichnisses mit Elementen der gemeinten Sache identifizieren. Mt 13,36–43 entspricht m.E. deutlich dieser Referenzstrategie und macht sie ein Stück weit explizit. Mk 4,13–20 parr. kann ähnlich aufgefasst werden. Die Kontamination z.B. der Formulierung der markinischen Auslegung durch Begriffe und Wendungen des Gleichnisses74 zeigt: Hier wird die Situation der Verkündigung durch die Strukturen der Erzählung hindurch betrachtet.75 Andere Hinweise auf geschichtliche Ereignisse fallen deutlich knapper aus (Mt 12,45; 13,49 f; 21,43; Lk 18,8 b) oder sind verschlüsselt (Mk 12,10–11 parr.). Sie reichen aber, um – manchmal in Verbindung mit Hinweisen aus der Gleichniserzählung selbst (z.B. bei Mk 12,1–9 parr.) – einen bestimmten geschichtlichen Zusammenhang als zweite Ebene für den Referenzprozess zu etablieren.
3. Differenzierung zwischen den Evangelien Schaut man auf die Skizze zurück, zeigen sich auf Grundlage deutlicher Gemeinsamkeiten, die alle Teile der Gleichnisse betreffen, das Gleichniscorpus ebenso wie die Einleitungen und Schlüsse, Eigenheiten der Evangelien. Von dem Gleichnisverständnis der Evangelien kann nicht ohne Weiteres gesprochen werden. 73 Vgl. dazu Münch, Gleichnisse Jesu im Matthäusevangelium (s. Anm. 6), 262–273. 275 f. 74 V. 15 ff.: das Wort ist in sie „gesät“; V. 16: „sogleich“ nehmen sie das Wort auf; V. 17: sie haben keine „Wurzeln“; V. 19: „ersticken“ und „fruchtlos“; V. 20: „Frucht“ und die Zahlenwerte. 75 Diachronisch betrachtet werden die Texte Mk 4,13–20 parr. oder Mt 13,36–43 häufig als Allegoresen beurteilt. Ob das zutrifft und was genau Allegoresen sind, kann hier offen bleiben. Festgehalten sei nur, dass ein Begriff von Allegorese oder allegorischer Deutung, der in Kategorien von Substitution, Dechiffrierung o.Ä. denkt, den Texten m.E. nicht gerecht wird (vgl. ähnlich Massa, Verstehensbedingungen von Gleichnissen [s. Anm. 22], 323–325).
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Im Markusevangelium scheinen zumindest in nuce fast alle beschriebenen Referenzstrategien belegt zu sein. Diskutieren kann man, wie sehr bei ihm das Winzergleichnis noch als Erzählung wirkt und wie stark hier immer schon die Anspielung auf den geschichtlichen Hintergrund mitzudenken ist. Die Verweise auf diesen Hintergrund finden sich von Anfang an (Mk 12,1: Jes 5,1 f.). Der Typus des v.a. als dramatische Erzählung wirksamen Gleichnisses ist bei ihm jedenfalls unterrepräsentiert, ggf. sogar gar nicht präsent.76 Das Matthäusevangelium kennt alle Referenzformen. Besonders markant tritt bei Matthäus jene Referenzstrategie hervor, bei der das Gleichnis mit einer anderen Geschichte hinterlegt wird, so dass beide miteinander ins Spiel geraten und die Gleichniserzählung zum Raster wird, durch das hindurch die ‚andere Geschichte‘ betrachtet wird. Mit dieser Strategie ist eine Reihe von formalen Besonderheiten verbunden, von ausgeprägten Extravaganzen über eine reich geprägte Metaphorik bis hin zur Formelhaftigkeit der Erzählsprache. Anders als bei Markus finden sich im Matthäusevangelium auch wunderbare, raffinierte und suggestive Erzählungen (Mt 18,23–35; 20,1–16; 25,15–30). Eine bemerkenswerte Eigenheit des Matthäusevangeliums sind die stereotypen Himmelreichformeln zur Einleitung der Gleichnisse.77 Lukas ist der große Erzähler, der Maler. Markant tritt im Vergleich der Evangelien v.a. seine dramatische Erzählkunst hervor, die den Eindruck von den lukanischen Gleichnissen prägt. Dass hinter seinen Gleichnissen – wenn auch dezent – immer wieder heilsgeschichtliche Verweise auftauchen, ist allerdings nicht zu leugnen (z.B. Lk 19,11–27; 20,9–18). Formale Auffälligkeiten sind z.B. die Gleichnismonologe (neben zahlreichen Dialogen), der
76 Zur Eigenart der markinischen Gleichnisse M. D. Goulder, Characteristics of the Parables in the Several Gospels, JT hS 19 (1968), 51–69 passim; Klauck, Allegorie und Allegorese (s. Anm. 63) passim; V. Fusco, Parola e regno. La sezione delle Parabole (Mc. 4,1–34) nella prospettiva marciana, Aloisiana 13, Brescia 1980; J. Drury, The Parables in the Gospels. History and Allegory, New York 1989, 39–69; J.R. Donahue, The Gospel in Parable. Metaphor, Narrative, and Theology in the Synoptic Gospels, Philadelphia 1990, 28–62.194–199; E. Cuvillier, Le concept de dans le second évangile. Son arrière-plan littéraire, sa signification dans le cadre de la rédaction marcienne, son utilisation dans la tradition de Jésus, EB 19, Paris 1993 sowie Zimmermann u.a. (Hgg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu (s. Anm. 39), 257–261 (D. Dormeyer). 77 Als Weiterführung zu Mt: J.D. Kingsbury, The Parables of Jesus in Matthew 13. A Study in Redaction-Criticism, London 1969; Goulder, Characteristics of the Parables (s. Anm. 76), passim; Drury, Parables in the Gospels (s. Anm. 76), 70–107; Donahue, Gospel in Parable (s. Anm. 76), 63–125.199–203; I. H. Jones, The Matthean Parables. A Literary and Historical Commentary, NT .S 80, Leiden / New York / Köln 1995; J. Lambrecht, Out of the Treasure. The Parables in the Gospel of Matthew, LT hPM 10, Leuven 1998; W. Carter / J. P. Heil, Matthew’s Parables. Audience-Oriented Perspectives, CBQ .MS 30, Washington 1998; Münch, Gleichnisse Jesu im Matthäusevangelium (s. Anm. 6); W. G. Olmstead, Matthew’s trilogy of parables. The nation, the nations and the reader in Matthew 21:28–22:14, MSSNTS 127, Cambridge 2003 sowie Zimmermann u.a. (Hgg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu (s. Anm. 39), 385–391 (Chr. Münch).
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-Auftakt (‚Ein Mensch …‘) oder die -Gleichnisse (‚Wer unter euch‘).78 Das Bild ließe sich noch weiter differenzieren, wenn man die Kontexte einbezöge. Ich kann hier nur kurz verweisen auf die großen Gleichniskompositionen des Matthäusevangeliums oder auf die in Dialoge und Gespräche eingebetteten Gleichnisse des Lukas. Die ausgeprägten Eigenheiten bei deutlich erkennbaren Überschneidungen und Gemeinsamkeiten reizen dazu an, über den Ursprung nachzudenken, aus dem sie hervorgegangen sind, und über die Gründe für die spätere Differenzierung. Hier bieten sich Anschlusspunkte zur Jesusforschung einerseits und zu gattungsgeschichtlichen Fragen andererseits. Ausgangspunkt war die Frage, woran Gleichnisse für die Leserinnen und Leser eines Evangeliums als Gleichnisse zu erkennen sind und durch welche sprachlichen und literarischen Signale der besondere Verstehensprozess dieser Texte gewährleistet wird. Die Analyse hat gezeigt: Die Referenz der Gleichnisse stützt sich auf eine Vielzahl von Signalen und mehrere grundlegende Referenzstrategien. Methodisch scheint mir wichtig, bei der Gleichnisauslegung für diesen Pluralismus und für das Zusammenwirken der verschiedenen Signale sensibel zu sein. Narrative Untersuchungen oder die Analyse von Bildfeldtraditionen sind in der Gleichnisexegese etabliert. Gleichniseinleitungen und -schlüsse sind ein eher vernachlässigtes Gebiet. Die oben beschriebene Evidenz der heilsgeschichtlichen Entsprechung ist belastet durch das Stigma „allegorischer“ Auslegung. Wahrzunehmen wäre, dass all die verschiedenen sprachlichen und literarischen Signale Merkmale der Gattung Gleichnis im Neuen Testament sind.
78 Weiterführend zu Lukas Goulder, Characteristics of the Parables (s. Anm. 76), passim; Sellin, Lukas als Gleichniserzähler (s. Anm. 44); K.E. Bailey, Poet and Peasant. A Literary Cultural Approach to the Parables in Luke, Grand Rapids 1976; G. Scholz, Gleichnisaussage und Existenzstruktur. Das Gleichnis in der neueren Hermeneutik unter besonderer Berücksichtigung der christlichen Existenzstruktur in den Gleichnissen des lukanischen Sonderguts, EHS .T 214, Frankfurt a.M. 1983; Drury, Parables in the Gospels (s. Anm. 76), 108–157; Donahue, Gospel in Parable (s. Anm. 76), 126–193.204–211; Dorn, Gleichnisse (s. Anm. 32); Heininger, Metaphorik (s. Anm. 50); J.T. Tucker, Example Stories. Perspectives on four Parables in the Gospel of Luke, JSNT .S 162, Sheffield 1998; G.W. Forbes, The God of Old. The Role of the Lukan Parables in the Purpose of Luke’s Gospel, JSNT .S 198, Sheffield 2000 sowie Zimmermann u.a. (Hgg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu (s. Anm. 39), 513–517 (A. Merz).
Wenn zwischen den Zeilen ein Funke aufblitzt Überlegungen zur Metaphorik lukanischer Gleichnisse im Anschluss an Paul Ricœur und am Beispiel von Lk 17,7–10 Thomas Braun 1. Der Anfang: Adolf Jülicher und die Folgen Vor 122 Jahren hat Adolf Jülicher den „Kampf gegen die allegorisirende Auslegung der Parabeln“1 ausgerufen und mit diesem Ruf die moderne Gleichnisauslegung begründet. Bei näherem Hinsehen ist dieser Kampf allerdings nur vordergründig gegen die Redeform der Allegorie gerichtet, denn eigentliches Ziel ist die literarkritische Abtragung der allegorischen Zusätze. Das Unterscheidungskriterium Allegorie oder Gleichnis ist das Jülicher’sche Werkzeug, um zum historischen Jesus selbst zu gelangen. Es gilt den Teil der parabolischen Jesusüberlieferung, „vielleicht über die Missverständnisse schon der ältesten Referenten hinweg, so zu verstehen, wie Jesus ihn verstanden wissen wollte, und damit einen Beitrag zu liefern zum Verständnis des Grössten selber“2. Fast jeder wesentliche Baustein des Jülicher’schen Theoriegebäudes ist mehrfach umgedreht, versetzt und gelegentlich auch wieder an den Platz gestellt worden, den sein ursprünglicher Architekt ihm zugewiesen hatte. Weitgehend bestehen blieb aber das Ziel seines Ansatzes – das Vordringen zur ursprünglichen Verkündigung Jesu. Gleichnisauslegung ist seit Jülicher
1 A. Jülicher, Die Gleichnisreden Jesu. Erster Teil: Die Gleichnisreden Jesu im Allgemeinen, Freiburg, Br. 1886 (Nachdr. Freiburg, Br. 1888), 50. In der überarbeiteten Fassung von 1899 (A. Jülicher, Die Gleichnisreden Jesu, Teile I –II , Tübingen 21910 [Nachdr. Darmstadt 1969], I, 50), nach der im Folgenden zitiert wird, formuliert Jülicher: „Der Sinn des Wortes ‚Allegorie‘ muss hier in erster Linie genau umschrieben werden, weil es der Kampf gegen die allegorisierende Auslegung von Jesu-‚Parabeln‘ ist, an dem ich mich mit dieser Arbeit beteiligen möchte, ein schon seit mehreren Generationen mit wechselnder Energie geführter Kampf. Man muss den Feind kennen, wenn man ihn zu vernichten wünscht.“ 2 Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 1), II , 1.
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immer gleichzeitig und grundlegend historische Jesusforschung.3 Dieser und nur dieser eruierten Urfassung der Gleichnisse wird theologische Normativität zugesprochen. Ein deutliches und besonders wirkmächtiges Beispiel ist hierfür Joachim Jeremias und seine Suche nach der „ipsissima vox Jesu“4, bei der das Ergebnis historischer Jesusforschung und Theologie identisch miteinander zu sein scheinen. Aber auch diejenigen Ansätze, die sich dezidiert nicht als Jesusforschung begreifen bzw. an einer streng historischen Forschung Kritik üben, wie etwa diejenigen Dan Otto Vias und Hans Weders,5 bleiben im Wesentlichen dem Gefälle der Argumentation Jülichers verhaftet, denn auch sie orientieren sich an einer Größe, die mittels historischer Jesusforschung eruiert wird. Diese ursprüngliche Jesusverkündigung bildet den archimedischen Punkt, von dem die weitere Tradierung her verstanden wird. Eine gewisse Wertschätzung erfuhr die Weitertradierung der Gleichnisse Jesu durch die frühchristlichen Gemeinden im Zuge der begrifflichen und sachlichen Kritik am Allegoriebegriff Jülichers. Die allegorische Redeform wurde nicht mehr als ‚Missverständnis‘ in Jülichers Sinne verstanden, sondern als notwendige Ausdrucksweise der frühchristlichen Gemeinden und damit notwendiges Mittel der Tradierung selbst akzeptiert.6 Diese Neueinschätzung der Allegorie ging einher mit und war Folge einer Neubewertung der Metapher und damit derjenigen Redeform, die für Jülicher Grundform der Allegorie darstellte und damit ihre negativen Eigenschaften auf diese überträgt.7 Diese Neubewertung und Zuwendung zur Metapher innerhalb der ‚metapherntheoretischen Wende‘8 der deutschsprachigen Exegese in den 3 Vgl. hierzu und zur allgemeinen Forschungsgeschichte K. Erlemann, Gleichnisauslegung. Ein Lehr- und Arbeitsbuch, UTB 2093, Tübingen / Basel 1999, 11–52, bes. 51 und 151–154; ders., Wohin steuert die Gleichnisforschung?, ZNT 3 (1999), 2–10, 8 f.; ders., Adolf Jülicher in der Gleichnisforschung des 20. Jahrhunderts, in: U. Mell (Hg.), Die Gleichnisreden Jesu 1899–1999. Beiträge zum Dialog mit Adolf Jülicher, BZNW 103, Berlin / New York 1999, 5–37, 29–36. 4 J. Jeremias, Die Gleichnisse Jesu, Göttingen 111998, 5. Vgl. auch Jeremias, a.a.O., 18.114. 5 Vgl. D. O. Via, Die Gleichnisse Jesu. Ihre literarische und existentiale Dimension, BE vTh 57, München 1970, 9 f.30–33; H. Weder, Die Gleichnisse Jesu als Metaphern. Traditionsund redaktionsgeschichtliche Analysen und Interpretationen, FRLANT 120, Göttingen 1978 (41990), 5.7 f. 6 Vgl. bes. H.-J. Klauck, Allegorie und Allegorese in synoptischen Gleichnistexten, NTA 13, Münster 1978; Weder, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 5). 7 Einiges, das Jülicher noch dem Vergleich zuordnete (z.B. Eigentlichkeit, Verständlichkeit), wird im Zuge dessen auf die Metapher übertragen. Gleichzeitig werden bestimmte positive Eigenschaften (Schönheit, Reiz, Interessantheit), die auch Jülicher trotz seiner prinzipiellen Abneigung schon gelegentlich der Metapher zusprach, besonders betont. Vgl. Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 1), I, 57: „Der Erklärung dient also die Metapher niemals, aber sie ist deshalb nicht überflüssig, nicht ein blosser farbiger Redeschmuck, sie regt an und bereichert. Die Vergleichung ist unterrichtend, die Metapher ist interessant.“ 8 Vgl. hierzu Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 3), 29–33. Im deutschsprachigen Kontext, auf den ich hier wie im Folgenden reduziere, waren bes. einflussreich P. Ricœur / E. Jüngel, Metapher. Zur Hermeneutik religiöser Sprache, mit e. Einführung v. P. Gisel, EvTh
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1970 er Jahren führte aber gerade nicht zu einer Relativierung der normativen Funktion des historischen Jesus und damit Aufwertung der Tradierung und Redaktion der Gleichnisse, sondern in gewissem Sinne sogar zu einer Verstärkung dieser Funktion. Galten für Jülicher und Jeremias historischer Jesus und dessen gleichnishafte Verkündigung als zwei voneinander zu trennende Größen (Jesus hat in Gleichnissen gesprochen), so nähern sich Sprachereignis und Person im Zuge jener ‚Wende‘ aneinander an und sind gelegentlich identisch miteinander (Jesus spricht in metaphorischen Gleichnissen und sein Leben und Schicksal bzw. er selbst ist metaphorisch). Diese enge Verbindung mag nicht zuletzt darin begründet sein, dass zahlreiche Vertreter der metapherntheoretischen Wende und wichtige Vorläufer in einem direkten Schülerinnen- oder Schülerverhältnis zu exponierten Vertretern der ‚neuen Frage nach dem historischen Jesus‘, wobei v.a. an Ernst Fuchs9 zu denken ist, standen (so Eta Linnemann, Eberhard Jüngel, Wolfgang Harnisch)10 oder zu dieser Frage (bzw. zu Fuchs) eine deutliche Affinität aufwiesen (Dan Otto Via, Hans Weder, Hans-Josef Klauck).11 Damit rückte zum einen die Frage nach Verhältnis und Kontinuität von vorösterlicher Gleichnisverkündigung Jesu und nachösterlichem Kerygma in den Blick, zum anderen aber damit zusammenhängend die Frage des Verhältnisses von Person Jesu und der Form seiner Verkündigung. Beispielhaft lassen sich die genannten Bezüge anhand von Hans Weders „Die Gleichnisse Jesu als Metaphern“ zeigen. Grundeinsicht Weders ist, „daß die christologische Interpretation als die notwendige Folge der geschichtlichen Wende vom Kreuz zur Auferstehung die den Gleichnissen Jesu angemessene Interpretation darstellt“12. Der Werdegang dieser Interpretation sei kritisch zu befragen, ob er „der theologischen Grundmetapher ‚Jesus Sonderheft, München 1974; H. Weinrich, Sprache in Texten, Stuttgart 1976, 276–341. Im Gefolge dieser Veröffentlichungen erschienen dann 1978: Klauck, Allegorie und Allegorese (s. Anm. 6); G. Sellin, Allegorie und „Gleichnis“. Zur Formenlehre der synoptischen Gleichnisse, ZT hK 75 (1978), 281–335 (zitiert nach W. Harnisch [Hg.], Die neutestamentliche Gleichnisforschung im Horizont von Hermeneutik und Literaturwissenschaft, WdF 575, Darmstadt 1982, 367–429); Weder, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 5). 9 Zu dessen eigener Bewertung der Metapher vgl. E. Fuchs, Hermeneutik, Bad Cannstatt 1954 (Tübingen 41970), 211–230. 10 E. Linnemann, Gleichnisse Jesu. Einführung und Auslegung, Göttingen 1961 (61978); E. Jüngel, Paulus und Jesus. Eine Untersuchung zur Präzisierung der Frage nach dem Ursprung der Christologie, HUT h 2, Tübingen 1962 (61986); W. Harnisch, Die Sprachkraft der Analogie. Zur These vom ‚argumentativen Charakter‘ der Gleichnisse Jesu, StTh 28 (1974), 1–20 (zitiert nach ders., Die Zumutung der Liebe. Gesammelte Aufsätze, hg.v. U. Schoenborn, FRLANT 187, Göttingen 1999, 45–64. 11 In der ‚Fuchs-Schule‘ sind die Bezüge jeweils recht deutlich. Eher am Rande begegnen sie dagegen bei Klauck; vgl. aber Klauck, Allegorie und Allegorese (s. Anm. 6), 357.361. Zu seiner Affinität zur ‚neuen Frage‘ vgl. aber ders., Adolf Jülicher – Leben, Werk und Wirkung; in: G. Schwaiger (Hg.), Historische Kritik in der Theologie. Beiträge zu ihrer Geschichte, ST hGG 32, Göttingen 1980, 99–150, 122, wo er bezüglich der vor der ‚neuen Frage‘ liegenden von Rudolf Bultmann und Karl Barth bestimmten Zeit von „dunklen Jahren“ spricht. 12 Weder, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 5), 96.
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(der Gekreuzigte) ist Christus (von den Toten auferweckt)‘“13 entspricht und sich damit in dem Ereignis gründet, das selbst zur Bildung dieser Metapher geführt hat: Gottes Kommen zur Welt. Die theologische Grundmetapher hat hier die Funktion eines ‚sachkritischen Filters‘, der weitestgehend der kriteriologischen Funktion der Rechtfertigungslehre entspricht.14 Weder geht daher so vor, dass er nach je erfolgter Rekonstruktion der ursprünglichen Fassung eines Gleichnisses die einzelnen Redaktionsschichten synthetisch zu dieser hinzufügt und sachkritisch nach der Konzinnität mit jener jesuanischen Fassung befragt.15 Auch wenn er die nachösterliche Tradierung nicht negativ auffasst, kommt er damit faktisch zu einer Lektüre, die die nachösterlichen zugewachsenen Interpretationen an der metaphorischen Stoßkraft der historischen Erstverkündigung und dem darin enthaltenen implizit-christologischen Anspruch der Reich-Gottes-Verkündigung Jesu misst. Sind die Gleichnisse deswegen metaphorisch wirkmächtig, weil sie es einst im Munde Jesu waren? Die Überzeugungskraft eines sprachlichen Ausdruckes wird hier, wie eigentlich in der gesamten metapherntheoretischen Wende, exklusiv an eine historische Situation gebunden und die Metapher wird nachösterlich als „in gewisser Weise beim Wort genommen“16 verstanden. Kann dies aber erklären, warum Gleichnisse auch heute – und in ihrem literarischen Kontext – wirken? Denn sie wären ja hier nicht mehr eigentlich metaphorisch, sondern der geschichtliche Niederschlag einer Metapher. Die diesem Niederschlag vorausliegende historische Situation sieht man dem Gleichnis (und der Metapher) selbst aber nicht an. Literaturtheoretisch gesprochen – nicht theologisch! – ist der Autor und Sprecher dieses sprachlichen Ausdruckes und damit seine historische Situation tot17 und wird durch literarkritische ‚Wiederbelebungsmaßnahmen‘ nicht lebendiger.
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Weder, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 5), 98; vgl. auch a.a.O., 82 f.86 f. Für den Begriff der „theologischen Grundmetapher“ wie für den gesamten Gedankengang verweist Weder auf E. Jüngel, Metaphorische Wahrheit. Erwägungen zur theologischen Relevanz der Metapher als Beitrag zur Hermeneutik einer narrativen Theologie, in: Ricœur / Jüngel, Metapher (s. Anm. 8), 71–122. Jüngel (a.a.O., 116) begreift als das Ereignis des Zur-Welt-Kommens Gottes „das Leben, Sterben und Auferstehen Jesu Christi als Ereignis der Rechtfertigung des Sünders. In diesem Geschehen hat die freie Wahl theologischer Metaphern sowohl ihren Grund als auch ihre Grenze.“ 15 Vgl. Weder, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 5), 97 f., sowie die Auslegungen a.a.O., 99–273. Konsequenterweise benennt Weder (a.a.O., 73 f.275) daher den Werdegang der Gleichnisse Jesu als Auslegungs- bzw. Wirkungsgeschichte eines ursprünglichen Sprachereignisses. Die Wirkung haftet somit an dieser Ursprünglichkeit und wirkt nicht selbst. 16 Weder, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 5), 278 (dort kursiv). Die Terminologie entstammt H. Blumenberg, Beobachtungen an Metaphern, ABG 15 (1971), 161–214, 209. Vgl. auch ders., Paradigmen zu einer Metaphorologie, stw 1301, Frankfurt a.M. 21999, 22. Die oben stehenden Anfragen richten sich implizit auch gegen Blumenberg und ihm folgende Ansätze. 17 In Anlehnung an R. Barthes, Der Tod des Autors, in: F. Jannidis u.a. (Hgg.), Texte zur Theorie der Autorschaft, Stuttgart 2000, 185–193. 14
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Hiermit zusammenhängend ist festzustellen, dass die theologische Grundmetapher „Jesus ist Christus“ extratextuell nicht greifbar ist. Sie wird einzig greifbar in ihrer narrativen Umsetzung, d.h. aber den Evangelien selbst und ihren Erzählungen vom Leben, Sterben und Auferstehen Jesu, der Christus ist. In diesen Erzählungen des Ereignisses der Rechtfertigung des Sünders und der Sünderin, und nicht in einer ausgelagerten Quasi-Sachhälfte, hat die freie Wahl theologischer Metaphern ihren Grund und also auch ihre Grenze. Teil dieser Erzählung sind die Gleichnisse, die durch den erzählten Jesus erzählt18 werden. Sie begründen damit jenes Sprachereignis, von dem her sie selbst zu kritisieren sind. Ausgangspunkt der Gleichnisexegese und der Gleichniskritik ist damit – darauf hat Gerhard Sellin vor Jahren aufmerksam gemacht – narrativer Kontext und Gleichnis, wie sie sich narratologisch beschreiben und redaktionskritisch erklären lassen.19 Wenn man so will, ist dies das ‚primum interpretationis‘. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass Jesu Gleichnisse in der Situation ihrer Erstverkündigung metaphorisch wirkten. Es kann aber ebenso wenig ausgeschlossen werden, dass sie außerhalb dieser Situation metaphorisch wirken.20 18 Der Begriff „erzählter Erzähler“ in Bezug auf den erzählten Jesus der Evangelien stammt von H. Weinrich, Narrative Theologie, Conc(D) 9 (1973), 329–334, 330. 19 Vgl. G. Sellin, Studien zu den großen Gleichniserzählungen des Lukas-Sonderguts. Die - -Erzählungen des Lukas-Sonderguts – besonders am Beispiel von Lk 10,25–37 und 16,14–31 untersucht, Diss. Masch., Münster 1973; ders., Lukas als Gleichniserzähler: Die Erzählung vom barmherzigen Samariter, ZNW 65 (1974), 166–189/ZNW 66 (1975), 19–60; ders., Allegorie und „Gleichnis“ (s. Anm. 8), bes. 404–406.416. Auf weitere Ansätze, die in unterschiedlichem Maße ein nicht abwertendes Interesse an den Gleichnissen innerhalb der Evangelien zeigen, kann ich hier nur verweisen: J. R. Donahue, The Gospel in Parable, Philadelphia 21989; B. Heininger, Metaphorik, Erzählstruktur und szenisch-dramatische Gestaltung in den Sondergutgleichnissen bei Lukas, NTA 24, Münster 1991; J. Liebenberg, The Language of the Kingdom and Jesus. Parable, Aphorism, and Metaphor in the Sayings Material Common to the Synoptic Tradition and the Gospel of Thomas, BZNW 102, Berlin / New York 2001. Einen Sonderfall stellt L. Schottroff, Die Gleichnisse Jesu, Gütersloh 2005, bes. 138–140, dar. Denn sie sieht zwar von einer Rekonstruktion der Gleichnisverkündigung des historischen Jesus ab, ersetzt aber deren Normativität durch die der ersten Nachfolgegruppen. Die von diesen Gruppen tradierten Gleichnisse seien dazu besonders glaubwürdig, weil sich ihre Lebensumstände kaum von denjenigen Jesu unterschieden (vgl. a.a.O., 139). Negativ abgesetzt wird von dieser Stufe der Tradition die weitere kirchliche Tradierung (die „ekklesiologische“ Deutung). Im Prinzip haben wir also auch hier das Jülicher’sche Gefälle vor uns, nur dass die leer gewordene Stelle des historischen Jesus durch die historischen Ersttradenten und -tradentinnen ersetzt wird. 20 Es geht mir hier nicht, dies sei besonders betont, um die Beseitigung des kritischen Potentials der historischen Kritik bezüglich der Gleichnisse Jesu, sondern um die theologische und metapherntheoretische Kritik der Identifikation von Historizität und Metaphorizität / Theologizität. Ausgangspunkt meiner Überlegungen ist die Auffassung, dass Gleichnisse in einem Evangelium einen neuen Kontext gewinnen und bilden, metaphorisch wirken und interagieren können. Meine Anfragen an den Hauptstrom der Gleichnisforschung lassen sich so auch homiletisch formulieren: Wenn es theologische Aufgabe der Gleichnispredigt wäre, die jesuanische Erstverkündigung identisch abzubilden, dann bedeutete dies nicht nur eine gewisse Überforderung, sondern es wäre dazu immer nur Nachahmung jenes einmaligen Sprachereignisses, Repristinierung eines historischen Sprechaktes.
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2. Die synoptischen Gleichnisse und die „lebendige Metapher“: Eine Re-Lektüre von Paul Ricœur Überlegungen in die angedeutete Richtung finden sich bereits bei Paul Ricœur und damit dem ‚Kronzeugen‘ der metapherntheoretischen Wende.21 Er geht grundsätzlich davon aus, dass es eine eigentliche Bedeutung von Wörtern nicht gibt, sehr wohl aber die lexikalisierte gewöhnliche Bedeutung. Eine metaphorische Aussage ist dann eine lebendige Metapher, wenn sie die Bedeutungsregeln der Lexika bricht, d.h. ein Wort gegen seine übliche Verwendung im Kontext eines Satzes (oder einer Erzählung) verwendet. Dadurch geraten die Termini des Satzes in Spannung, weil sie keinen befriedigenden (d.h. gewöhnlichen) Sinn ergeben. Der Ort der Metapher „in der Sprache liegt zwischen den Worten und den Sätzen“22. Die Auslegung wird zu einer „Arbeit am Sinn“23 provoziert und diese Arbeit erzeugt das Überspringen der semantischen Dissonanz. Die Metapher stiftet daher Sinn, wo vorher keiner war, und sagt damit etwas Neues über die Wirklichkeit aus. Vorausgesetzt ist damit, dass Metaphern nicht die vorgängige Ähnlichkeit von den Begriffen der metaphorischen Aussage sehend aufnehmen, sondern dass sie vielmehr „neue Ähnlichkeiten sichtbar“24 machen und solche, da sie nicht vorhanden waren, überhaupt erst stiften. Beide Momente der Metaphorizität, die Dissonanz der einzelnen Termini der metaphorischen Aussage und die darauf aufbauende Konsonanz des metaphorischen Satzes, gehören notwendig zusammen. Im Augenblick ihres Lebendigseins verbindet die Metapher Identität und Differenz und bringt vorher nicht Vereinbares zusammen, ohne dessen Differenz zu negieren.25 Wird diese Differenz nicht mehr wahrgenommen, ist die Metapher keine Metapher mehr, weil sie zum gewöhnlichen Gebrauch eines Wortes geworden ist. Remetaphorisierung oder Repristinierung von Metaphern – also auch die literarkritische Isolierung der Gleichnisse des historischen Jesus mit dem 21 Zu Ricœurs Metaphorologie und deren Anwendung auf die neutestamentlichen Gleichnisse vgl. jetzt ausführlich H.-J. Meurer, Die Gleichnisse Jesu als Metaphern. Paul Ricœurs Hermeneutik der Gleichniserzählungen Jesu im Horizont des Symbols ‚Gottesherrschaft / Reich Gottes‘, BBB 111, Bodenheim 1997. 22 Vgl. P. Ricœur, Die lebendige Metapher. Mit einem Vorwort zur deutschen Ausgabe, aus dem Französischen von R. Rochlitz, Übergänge 12, München 32004, 117. 23 Ricœur, Die lebendige Metapher (s. Anm. 22), 161. 24 Ricœur, Die lebendige Metapher (s. Anm. 22), 188. 25 Vgl. Ricœur, Die lebendige Metapher (s. Anm. 22), 189: „Die Metapher als Redefigur stellt den Prozeß, der verdeckt durch Verschmelzung der Differenzen in der Identität die semantischen Felder hervorbringt, offen durch einen Konflikt zwischen Identität und Differenz dar.“ Diese Einheit des Differenten und die Differenz der Einheit ist m.E. der zentrale Gedanke des Ricœur’schen Ansatzes. Er wird unten in variierter Form in der Bestimmung der Gleichnisse als autonome und nicht-autonome Redeformen wieder begegnen. Der Gedanke der Synthesis des Heterogenen ist ebenso grundlegend für die ‚Geschwisterbände‘ zur „lebendigen Metapher“, also dem dreibändigen Werk „Zeit und Erzählung“: P. Ricœur, Zeit und Erzählung I –III , Übergänge 18,1–3, München 1988/1989/1991.
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Ziel der Wiedergewinnung ihrer ursprünglichen metaphorischen Potenz – wäre nach Ricœur damit metapherntheoretisch sinnlos, denn es gäbe nichts mehr, was es zu reanimieren gilt. Thematisch ist dagegen das fortwährende Entstehen von lebendigen Metaphern auf dem „Friedhof ausgelöschter, aufgehobener, ‚toter‘ Metaphern“26, den unser Wortschatz darstellt: „Erst in der Erzeugung eines neuen Satzes, in einem Akt unerhörter Prädizierung entsteht die lebendige Metapher wie ein Funke, der beim Zusammenstoß zweier bisher voneinander entfernter semantischer Felder aufblitzt“.27 Besonders in einem Aufsatz zur „biblischen Hermeneutik“28 hat Ricœur seinen metaphorologischen Ansatz auf Gleichnisse angewandt und hier finden sich Überlegungen, die im Horizont meiner Fragestellung von größtem Interesse sind. Ricœur stellt zunächst die grundsätzliche Frage, woran man überhaupt ein Gleichnis als bildhafte, verweisende, also metaphernanaloge Redeform erkennen könne.29 Gleichnisse seien zwar einerseits im Anschluss an Via als ästhetisch autonome, fiktionale Erzählungen aufzufassen,30 die darin repräsentierte Extravaganz, die zwar als ein notwendiger Verweisungsanzeiger der Parabolizität fungiere, reiche für die Bestimmung eines Gleichnisses als Gleichnis aber allein nicht aus, denn es bedürfe der Referenz und Unterstützung durch den Kontext des Evangeliums, um diese Extravaganz überhaupt zu identifizieren.31 Dies bedeutet andererseits, dass das Gleichnis als Gleichnis also notwendig auf den Kontext angewiesen ist, mithin also eine nicht-autonome, fiktionale Erzählung darstellt. Kontext und Extravaganz unterstützen sich wechselseitig. Die abgeschlossene narrative Form des Gleichnisses und der durch den Kontext ausgelöste metaphorische Prozess geraten zueinander in Spannung, sodass in der Bearbeitung dieser Spannung das Gleichnis als Gleichnis erscheint. Damit ist die von Via übernommene 26
Ricœur, Die lebendige Metapher (s. Anm. 22), VI . Ricœur, Die lebendige Metapher (s. Anm. 22), VI . 28 Vgl. P. Ricœur, Biblische Hermeneutik, in: Harnisch (Hg.), Gleichnisforschung (s. Anm. 8), 248–339. Vgl. auch ders., Stellung und Funktion der Metapher in der biblischen Sprache, in: ders. / Jüngel, Metapher (s. Anm. 8), 45–70. 29 Vgl. Ricœur, Biblische Hermeneutik (s. Anm. 28), 305 ff. Ich spreche oben von „metaphernanalog“, weil ich mit Ricœur von einer bleibenden Differenz von Gleichnis und Metapher ausgehe. Diese zeigt sich nicht zuletzt darin, dass Gleichnisse im Gegensatz zu ‚lebendigen Metaphern‘ resistenter hinsichtlich ihres Absterbens zu sein scheinen. Vgl. hierzu Ricœur, a.a.O., 302 f. 30 Vgl. Via, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 5), bes. 78–80. 31 Vgl. Ricœur, Biblische Hermeneutik (s. Anm. 28), 309. Ein Beispiel für diese These: Das Gleichnis vom Sauerteig (Lk 13,21) wäre isoliert oder in einem Kochbuch (antik oder nicht) maximal merkwürdig und minimal extravagant. Möglicherweise wäre die Menge des Mehles auffällig, aber dies auch nicht notwendigerweise. Nur relative Bedeutung hat hierbei, dass im Neuen Testament Gleichnisse mit einem unterschiedlichen Grad an Extravaganz vorliegen. Derjenige des Sauerteiggleichnisses ist gering. Dagegen wären die Parabeln vom verlorenen Sohn (Lk 15,11–32) oder den Arbeitern im Weinberg (Mt 20,1–16) als stärker extravagant zu bezeichnen. An dem Dargelegten ändert sich damit wenig, denn auch diese Parabeln und die enthaltenen Extravaganzen bedürfen der Erhellung als parabolische Extravaganzen durch den Kontext. 27
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Erkenntnis der ästhetischen Autonomie der Gleichnisse freilich nicht relativiert, sondern paradoxerweise sind Gleichnisse autonom und sind es doch nicht. Sie sind offen und geschlossen zugleich.32 Dies ist gerade die Voraussetzung für das Erkennen und Wirken des metaphorischen Gleichnisses, denn diese Verbindung von Dissonanz und Konsonanz, Differenz und Identität durch das im Kontext eingelagerte Gleichnis verhält sich analog zur Semantik der „lebendigen Metapher“. „Die Spannung zwischen der Form des Gleichnisses und der Form des Evangeliums ist unerlässlicher Bestandteil der Bedeutung des Gleichnisses als Erzählung und Metapher.“33 Dies bedeutet, dass metaphorische Bedeutung einzig34 im Gegenüber von Jesu erzähltem Verhalten und seiner erzählten Rede entsteht. In Ricœurs eigenen Worten: Der Prozeß wechselseitiger Erhellung, der sich zwischen einzelnen Gleichnissen innerhalb eines deutlich abgehobenen Korpus, dann zwischen diesem Korpus und den anderen ‚Logien‘ Jesu entwickelt, muß noch einen Schritt weiter verfolgt werden, nämlich bis zum Wechselspiel gegenseitiger Erhellung, das sich zwischen der ‚Verkündigung‘ als solcher (dem Korpus des gesamten Redestoffes) und dem ‚Verhalten‘ Jesu vollzieht.35 Das Verhalten Jesu – wie es uns durch die Texte bedeutet wird – ist uns keineswegs weniger zugänglich als die Gleichnisse und anderen Sprüche Jesu. Der Prozeß ‚wechselseitiger Erhellung‘ bleibt selbst in den Grenzen des ‚Textlichen‘ aufbehalten: Er legt einen Text durch einen anderen Text innerhalb eines größeren Textkomplexes aus.36
Die Eintragung eines Gleichnisses in das Evangelium ermöglicht also erst metaphorischen Sinn und eine Interpretation als Gleichnis. Es ermöglicht aber weiter im spannungsvollen Gegenüber von Gleichnis und Evangelium die Identifikation jenes Sprechers, als dessen Zitate die Gleichnisse im Kontext der Evangeliumserzählung erscheinen. Die Gleichnisse werden hier als 32
Vgl. Ricœur, Biblische Hermeneutik (s. Anm. 28), 309. Ricœur, Biblische Hermeneutik (s. Anm. 28), 316. 34 Dies „Einzig“ ist im Gegenüber zu einer Hermeneutik des isolierten Gleichnisses formuliert. Es bedeute nicht, dass nur ein Kontext mit einem Gleichnis in ein bedeutungsstiftendes Gegenüber treten kann. Es sind natürlich die unterschiedlichsten Erzählungen des Verhaltens Jesu als Kontext eines erzählten Gleichnisses denkbar (z.B. Mk, Mt, Lk, EvThom etc.). Als nicht-narrativer Kontext ist ebenso die Situation der Erstverkündigung denkbar – aber eben nicht nur und nicht normativ. Vgl. auch das oben bei Anm. 20 Gesagte. Gleichnisse können als ästhetisch autonome Texte neue Situationen bilden und mit diesen in eine nicht-autonome metaphorische Interaktion treten. Vgl. auch grundsätzlich U. H. J. Körtner, Historischer Jesus – geschichtlicher Christus. Zum Ansatz einer rezeptionsästhetischen Christologie, in: K. Huizing / U.H.J. Körtner / P. Müller, Lesen und Leben. Drei Essays zur Grundlegung einer Lesetheologie, Bielefeld 1997, 99–135, 107. 35 Ricœur, Biblische Hermeneutik (s. Anm. 28), 312. An diesem Punkt ist die Nähe zu Überlegungen Ernst Fuchs’ offensichtlich. Vgl. z.B. E. Fuchs, Die Frage nach dem historischen Jesus, in: ders., Zur Frage nach dem historischen Jesus, Gesammelte Aufsätze II , Tübingen 1960, 143–167, 155. 36 Ricœur, Biblische Hermeneutik (s. Anm. 28), 312. 33
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‚Gleichnisse Jesu‘ identifizierbar und insofern sie damit in Verhältnis zu seiner Geschichte gestellt sind, werden sie zu ‚Gleichnissen des Gekreuzigten‘: Sobald das Kerygma von Jesus als dem ‚Gekreuzigten‘ mit den Erzählungen seiner ‚Taten‘ und ‚Worte‘ verflochten wird, eröffnet sich durch die Etablierung eines ‚Raumes‘ wechselseitiger Erhellung (wie ich es nenne) eine ganz bestimmte Möglichkeit der Interpretation, nämlich die Möglichkeit, das Kerygma von Jesus als dem ‚Gleichnis Gottes‘ in Jesu Gleichnisverkündigung von Gott hineinzulesen.37
Paradoxerweise ist die gegebene Möglichkeit des Hineinlesens des Kerygmas von Jesus als Christus aber damit „zugleich ein Moment seiner Bedeutung für uns, die wir den Text von der Kirche empfangen haben, und Beginn seiner Fehldeutung“,38 weil dieses allegorische Hineinlesen den Sinn auf einen ganz bestimmten einzuengen scheint. Ricœur geht hier aber nicht den durch die Geschichte der Gleichnisforschung so breit geebneten Weg, das Gleichnis aus seinem Kontext Evangelium herauszulösen, denn es würde damit zum „bloße[n] ‚Kunstprodukt‘ der historischen Kritik“39, wäre kein Gleichnis mehr und degenerierte zur Bedeutungslosigkeit. Ausgangspunkt der Kritik der Fehldeutung ist vielmehr das Evangelium selbst: „So haben wir die Gleichnisse ebensosehr mit Hilfe von und im Widerspruch zu Verdrehungen zu interpretieren, die durch diesen grundlegenden Kontext hervorgebracht wurden.“40 Notwendiges Kriterium zur Kritik der Interpretation, die Mitte der Kritik, ist also das durch die Evangeliumserzählung selbst dargestellte Ineinander von Jesu Verhalten und seiner Rede als metaphorischer Spannung. Repräsentiert wird diese Spannung damit durch die Größen Evangelium und Gleichnis.
3. Ein Beispiel: Das Gleichnis vom Sklavenlohn (Lk 17,7–10) 3.1 Das Gleichnis vom Sklavenlohn – ein Gleichnis? Wendet man die Ricœur’sche Grundfrage – woran erkennt man ein Gleichnis als Gleichnis – auf Lk 17,7–941 an, so ist man vor nicht geringe Probleme 37
Ricœur, Biblische Hermeneutik (s. Anm. 28), 315. Ricœur, ebd. 39 Ricœur, ebd. 40 Ricœur, ebd. (Hervorhebung teilweise von mir). 41 Die Anwendung V. 10 thematisiere ich hier zunächst nicht, da sie selbst bereits dem Kontext angehört. Literarkritische Überlegungen, besonders die Frage, wie eine mögliche jesuanische Form ausgesehen haben könnte, werden im Folgenden ausgeklammert, da sie meine Fragestellung – ist ein isoliertes Gleichnis überhaupt ein Gleichnis? – nicht tangieren. Relativ wahrscheinlich entstammt V. 8 der lukanischen Feder und V. 10 gehörte nicht zur ältesten Variante. Vgl. auch Heininger, Metaphorik (s. Anm. 19), 192 f., der aber für V. 10 lukanische Verfasserschaft erwägt. 38
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gestellt. Wendet man sich zunächst der Form des Textes zu, dann gibt er sich als ein Fragegleichnis, genauer als -Gleichnis42 zu erkennen, das aus insgesamt drei Fragen besteht. Diese Fragen sind nun insofern rhetorisch bzw. suggestiv zu nennen, als sie die Antwort selbstverständlich voraussetzen. Niemand würde sich als Besitzer eines Sklaven so verhalten wie es V. 7 in Frageform suggeriert wird; V. 8 dagegen reagiert auf den vorangehenden Vers mit der fragenden Skizzierung des selbstverständlichen Verhaltens eines Sklavenbesitzers und erfordert die Antwort „Ja, natürlich wird er Folgendes zu ihm sagen …“; V. 9 als direkte Frage der Erzählstimme erwartet wiederum eine negative Antwort: Der Sklave darf von seinem Herrn wohl keinen Dank erwarten. Aufgrund dieser rhetorischen Struktur haben Wilhelm Ott und in seinem Gefolge besonders Wolfgang Harnisch Lk 17,7–9 nicht zu den Gleichnissen im engeren Sinne, sondern die -Gleichnisse insgesamt zu den als Frage formulierten Bildworten gezählt.43 Zwar mag man, da diese Gleichnisse zumindest zur Erzählung hintendieren, der Auffassung sein, dass hier ein weiterer Fall vorläge, bei dem die formgeschichtlichen Grenzen als fließend zu bezeichnen seien und deshalb Bultmanns Aufforderung nachzukommen sei, dass man doch „um den Einzelfall nicht viel streiten“44 solle. Die in Lk 17,7–9 angedeutete Erzählfolge ist nun aber ganz eingebettet in die bis zum Schluss durchgehaltene rhetorische Frageform, so dass mit Harnisch zu konstatieren ist, dass hier nicht nur ein offensichtlicher „argumentativer Richtungssinn der Aussage“ vorliegt, sondern dass damit weiter „das in die Form der rhetorischen Frage gekleidete Gleichnis den Hörer auf ein ganz bestimmtes Urteil“45 fixiert. Innerhalb der Diskussion der Form ist die Frage der Narrativität von Lk 17,7–9 bereits kurz angeklungen und auch hier kommen Zweifel hinsichtlich der Gleichnishaftigkeit auf. Der Text ist zunächst betreffs der narrativen Ausführlichkeit, die sich als mögliche Handlungsabfolge innerhalb der rhetorischen Frageform verbirgt, rein quantitativ mit den anderen größeren -Gleichnissen vergleichbar.46 In Frageform wird hier nicht nur ein einziges narratives Bild vor Augen oder Ohren gemalt, sondern es sind 42 Vgl. hierzu die kurze Übersicht bei R. von Bendemann, Zwischen und . Eine exegetische Untersuchung der Texte des sogenannten Reiseberichts im Lukasevangelium, BZNW 101, Berlin / New York 2001, 197 f. 43 Vgl. W. Ott, Gebet und Heil. Die Bedeutung der Gebetsparänese in der lukanischen Theologie, StANT 12, München 1965, 26 Anm. 20; W. Harnisch, Die Gleichniserzählungen Jesu. Eine hermeneutische Einführung, Göttingen 42001, 106 f.; ders., Sprachkraft der Analogie (s. Anm. 10), 51 f. 44 R. Bultmann, Geschichte der synoptischen Tradition, FRLANT 29, Göttingen 101995, 189, bezüglich der fließenden Grenzen von Gleichnis im engeren Sinne und Parabel. 45 Harnisch, Sprachkraft der Analogie (s. Anm. 10), 51. Das eingeforderte Urteil, das implizit in die rhetorische Form des Gleichniskorpus V. 7–9 eingeschrieben ist, erhält dann seine explizite Gestalt in der Anwendung V. 10. 46 Lk 17,7–9 verwendet neunzehn Verbformen, z.B. 15,4–6 deren fünfzehn.
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mehrere Situationen, die als Erzählsukzession in kausalem Verhältnis zueinander stehen.47 Damit genügt Lk 17,7–9 mindestens den Grundkriterien einer Erzählung.48 Lk 17,7–9 ist bezüglich der Ereignisabfolge mit den anderen längeren -Gleichnissen zwar vergleichbar, unterscheidet sich aber hinsichtlich der konkreten Umsetzung dieser Abfolge. Denn die anderen Gleichnisse sind entweder durch eine ungewöhnliche und nicht alltägliche Situation gekennzeichnet – nächtliches Bitten um Nahrung,49 Planung eines Turmbaus oder eines Krieges (Lk 11,5–8; 14,28–30.31 f.) – oder aber durch einen ungewöhnlichen Zug, der in die Erzählabfolge selbst eingetragen ist, wobei hier die Ausgangssituation durchaus alltäglich sein kann – übergroße Freude angesichts des Fundes von etwas Verlorenem (Lk 15,4–6.8 f.). Ein solcher Zug oder außergewöhnliche Ausgangssituation lässt sich dagegen (zunächst) in der fragend angedeuteten Erzählfolge Lk 17,7–9 nicht feststellen. Damit fehlt jener extravagante Zug einer Erzählung, der im Anschluss an Ricœur als Verweisungsanzeiger der Parabolizität fungieren könnte. Es ist zwar so, dass der Text Extravaganz andeutet, denn er bietet die Möglichkeit, dass der Sklave nach geleisteter Arbeit von seinem Herrn zu Tisch gebeten wird und Dank für seine Arbeit erhält. Aber gerade diese mögliche Extravaganz wird rhetorisch negiert und für unmöglich erklärt!50 Der Text sperrt sich damit also sogar explizit gegen jede extravagante Lesart. 47 Jemand besitzt einen Sklaven – dieser arbeitet auf dem Feld – kommt von dort zurück. An dieser Stelle werden nun zwei Alternativen geboten: 1) Der Herr könnte seinen Sklaven ansprechen – dieser kommt herzu – und legt sich nieder. Oder aber die wahrscheinlichere Variante: 2) Der Herr könnte seinen Sklaven ansprechen – dieser bereitet etwas zu essen für seinen Besitzer – dieser isst und trinkt – danach isst und trinkt auch der Sklave. Als letzte Handlungsfolge wird dann der mögliche Dank an den Sklaven hypothetisch ins Auge gefasst. Lässt man die kaum realisierbare Option 1) beiseite, dann kommt man zu einer Erzählsukzession von immerhin acht möglichen Ereignissen (oder Situationen) und befindet sich damit in vergleichbarer Nähe zur Erzählung vom verlorenen Schaf Lk 15,4–6 (neun oder zehn Ereignisse / Situationen). Dadurch aber, dass hier zwei mögliche Optionen narrativ gezeichnet werden, wird ein im Vergleich zu den meisten anderen -Gleichnissen (außer Lk 11,5–8) höherer Komplexitätsgrad erreicht. 48 Zum Prinzip der Sukzession als Charakteristikum einer Erzählung vgl. E. Lämmert, Bauformen des Erzählens, Stuttgart 81993, 19. Zur Kausalität einer sukzessiven Ereignisabfolge vgl. M. Martinez / M. Scheffel, Einführung in die Erzähltheorie, München 62005, 25. 49 Dagegen möchte Heinrich Greeven in Lk 11,5–8 eine „ganz gewöhnliche“ Situation sehen, „in die der Hörer täglich kommt oder kommen kann“. Vgl. H. Greeven, „Wer unter euch…?“, in: W. Harnisch (Hg.), Gleichnisse Jesu. Positionen der Auslegung von Adolf Jülicher bis zur Formgeschichte, WdF 366, Darmstadt 1982, 238–255, 240. Dass die Hörerin / Leserin oder der Hörer / Leser in eine solche Situation kommen kann, ist Voraussetzung dafür, diese Erzählung für plausibel und vorstellbar zu halten – alltäglich wird sie damit nicht. 50 Dies unterscheidet Lk 17,7–9 kategorial von den anderen -Gleichnissen, denn diese versuchen ja gerade auf dem Boden einer extravaganten Ausgangssituation oder eines außergewöhnlichen Erzählzuges ein bestimmtes Verhalten evident zu machen. Im Falle von 17,7–9 ist dies quasi umgekehrt: Es wird eine extravagante oder außergewöhnliche Erzählung vor Augen geführt, die dann rhetorisch als evidentermaßen unmöglich beschrieben wird.
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Dieser Eindruck verstärkt sich noch, wenn man Lk 17,7–9 mit den anderen Knechts- bzw. Sklavengleichnissen vergleicht, wobei hierzu mit John Dominic Crossan nicht nur die expliziten Sklaven- / Knechtsgleichnisse, sondern auch andere Gleichnisse mit einer Herr-Untergebener-Figurenkonstellation zu zählen sind (also auch die Parabeln vom unehrlichen Verwalter und von den Arbeitern im Weinberg).51 In dieser Gruppe sind besonders diejenigen Gleichnisse mit extravaganten Zügen ausgestattet, in denen die für diesen Gleichnistyp charakteristische Abrechnung (oder auch ein Vertrag oder ‚Kassensturz‘) zwischen den Erzählfiguren Herr und Sklave / Untergebener zu Beginn erzählt wird, worauf sich dann, mit der Ausnahme Mk 12,1 ff. parr.,52 die untergeordnete Figur räumlich entfernt. Im Gefolge der Abrechnung (o.Ä.) wird dann von Handlungen berichtet, die quer zu diesen Ausgangssituationen stehen und sich nicht adäquat zur Welt des Erwarteten verhalten. Crossan fasst diese Gleichnisse als Gruppe B zusammen: Die bösen Weingärtner Mk 12,1 ff. parr. brechen einerseits den V. 1 geschlossenen Vertrag, worauf der geprellte Weinbergbesitzer andererseits mit kaum nachvollziehbarer Naivität und schließlich Härte reagiert. Der unehrliche Verwalter (Lk 16,1 ff.) reagiert auf den Vorwurf der Verschwendung und die Einforderung eines Rechenschaftsberichtes wiederum mit Verschwendung, nämlich Schuldenminderung.53 Der Mt 18,23–35 eingeführte Sklave verhält sich seinem Mitsklaven gegenüber nicht in analoger Weise zum gütigen Verhalten seines eigenen Herrn. Der Arbeitgeber der Arbeiter im Weinberg (Mt 20,1 ff.) schließlich entspricht mit seiner Lohnauszahlung nicht den Erwartungen, die durch den Anstellungszeitpunkt geweckt werden.
Hier liegt die Extravaganz also offen zu Tage. Etwas versteckter ist sie in denjenigen Gleichnissen, die nach räumlicher Entfernung der hierarchisch übergeordneten Figur zuerst von dem Verhalten der Sklaven und dann zum Analog verhält sich hierzu innerhalb des genannten Textkorpus einzig das narrativ kaum ausgebaute Textstück Lk 11,11 f. par. 51 Vgl. hierzu und zum Folgenden den ertragreichen Artikel J. D. Crossan, The Servant Parables of Jesus, Semeia 1 (1974), 17–62. Crossan untersucht die von ihm rekonstruierten ursprünglichen Fassungen von Mk 12,1–8 parr.; 13,34–37 par. Lk 12,36–38; 12,42–46 par. Mt 24,45–51; Lk 19,12–27 par. Mt 25,14–30; Lk 16,1–7; Lk 19,12 b.14–15 a.27 (vom Thronanwärter); Mt 18,23–35; Mt 20,1–13 sowie Lk 17,7–10. 52 Hier entfernt sich der Weinbergbesitzer, also die übergeordnete Figur. Crossan entgeht dieser Ausnahme dadurch, dass er die Variante des Thomasevangeliums (EvThom 65) für ursprünglich hält, in der sich keine Person der Figurenkonstellation – Weinbergbesitzer und Pächter, die Sklaven haben nur Mittlerfunktion – explizit entfernt. Vgl. Crossan, Servant Parables (s. Anm. 51), 19.33. 53 Die Parabel Lk 16,1 ff. ist bekanntlich schwer zu deuten. Ich gehe davon aus, dass der Verwalter sich mit der Schuldenminderung Zugang zu den Häusern der Schuldner seines Herrn verschaffen will und dies ironischerweise mit dem Ziel der Einstellung als Verwalter in jenen Häusern. Sein laxer Umgang in dieser Position hat ihn nun aber gerade die Anstellung gekostet und die Berechtigung der Anschuldigungen seines Herrn erweist er nun gerade in dem in der Parabel Erzählten! Ähnlich auch S. E. Porter, The Parable of the Unjust Steward (Luke 16.1–13), in: D.J.A. Clines / S.E. Fowl / S.E. Porter (Hgg.), The Bible in Three Dimensions, JSOT .S 87, Sheffield 1990, 127–153, bes. 142. Auch wenn man diese Parabel nicht derart versteht, bleibt ein in jedem Fall extravaganter Zug.
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Schluss der Erzählung von einer Abrechnung zwischen zurückgekehrtem Herrn und Sklaven berichten (Crossan: Gruppe A). In diesem Fall entspricht die Abrechnung dem Verhalten der Untergebenen und bewegt sich damit im Rahmen des Erwarteten. Ein angemessenes Verhalten wird durch die hierarchisch übergeordnete Person angemessen belohnt, ein unangemessenes wird dagegen bestraft (vgl. Mk 13,34–37 par.; Lk 12,42–46 par.; 19,12–27 par.).54 Die Adäquatheit von Verhalten und Lohn ist hier zwar gegeben, sie wird aber, und hier liegt der extravagante Zug dieser Gleichnisgruppe, fast über die Grenzen der Plausibilität und Erwartbarkeit hinaus strapaziert: Die lukanische Parallele zu Mk 13,34 ff.55 berichtet vom Tischdienst durch den Sklavenbesitzer und von Seligsprechung der Sklaven (vgl. Lk 12,36–38). Überproportional ist auch die Belohnung bzw. Bestrafung im folgenden Gleichnis gehalten, Seligsprechung und Beförderung einerseits, Tötung andererseits (vgl. Lk 12,42–46). Ebenso erwartet die Untergebenen in der Parabel von den anvertrauten Talenten übermäßige Entlohnung (vgl. Lk 19,17.24; Mt 25,21.28) oder aber Bestrafung (vgl. Lk 19,24.26; Mt 25,28–30), wobei die lukanische Variante sogar einen anonymen Einspruch gegen die überproportionale Entlohnung des ersten Sklaven kennt (vgl. 19,25).
Lk 17,7–9 lässt sich nun in das skizzierte und in Anlehnung an Crossan formulierte Schema nicht ganz zwanglos einordnen,56 denn es enthält Strukturmerkmale aus beiden Untergruppen der Sklaven- / Knechtsgleichnisse. Mit denen der Gruppe B, also denen, die nach Abrechnung (o.Ä.) und räumlicher Entfernung der untergeordneten Figur von einer besonders extravaganten Handlungsfolge berichten, teilt die (Frage-)Erzählung 17,7 ff. das Strukturmoment der räumlichen Entfernung und Rückkehr des Untergeordneten. Hier wäre also eine ähnliche, quer zu den Erwartungen der Rezipientinnen und Rezipienten liegende, Extravaganz zu erwarten, wenn eine gewisse Vertrautheit mit den übrigen Gleichnissen dieser Gruppe vorausgesetzt werden darf. Analoges gilt für einen Vergleich mit der Gruppe A.57 Mit diesen Gleichnissen teilt der Text, dass zunächst vom Verhalten bzw. von Handlungen des Sklaven berichtet wird (V. 7) und hierauf eine Art Abrechnung / Lohn folgen könnte. Genau dies wird rhetorisch fragend erwogen 54 Zur Differenzierung der Gruppen A und B vgl. Crossan, Servant Parables (s. Anm. 51), 20–37. Crossan zählt zur Gruppe A noch die seines Erachtens in Lk 19,12 ff. enthaltene eigenständige Parabel vom Thronanwärter (V. 12 b.14–15 a.27). 55 Die markinische Gleichnisvariante ist in diesem Fall die Ausnahme von der Regel, denn hier wird eine Strapazierung des Plausiblen mittels übermäßiger Belohnung / Strafe nicht berichtet. 56 Crossan entgeht auch dieser Schwierigkeit, denn er ordnet Lk 17,7–10 zwar theoretisch der Gruppe B zu, vermutet aber, dass die ursprüngliche Fassung nur aus V. 7 bestand, damit als „proverb“, nicht als „parable“ zu bezeichnen, und so keiner der genannten Gruppen zuzuordnen sei. Vgl. Crossan, Servant Parables (s. Anm. 51), 17.28–31. 57 Wird das Evangeliums von vorne nach hinten gelesen, so sind mindestens die Sklavengleichnisse Lk 12,36–38; 12,42–46; 16,1–7 bekannt.
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(V. 7 Aufforderung zum Mahl, V. 9 Dank seines Besitzers). Gerade die Nähe zu Lk 12,36–38 würde eine solche extravagant positive Würdigung durch die übergeordnete Figur erwarten lassen. Doch sie unterbleibt hier genauso wie die durch die Nähe zur Gruppe B evozierte Erwartung einer irgendwie extravaganten Reaktion auf die Rückkehr des Sklaven, etwa durch eine die Grenzen des Plausiblen fast sprengende Belohnung des Sklaven durch seinen Herrn. Es ergibt sich damit ein im Wesentlichen ähnlicher Befund, wie er sich auch schon durch den Vergleich mit den -Gleichnissen ergeben hatte: Lk 17,7–9 entspricht den Erwartungen, die durch die strukturelle Nähe zu den anderen Sklaven- / Knechtsgleichnissen evoziert werden, indem eine mögliche extravagante Ereignisabfolge in Aussicht gestellt wird. Diese Möglichkeit wird aber wiederum negiert, rhetorisch als Illusion dargestellt und explizit verworfen. Die Grenzen der Wirklichkeit werden hier nicht strapaziert. Die angedeutete Handlung wird sogar betont in diese Grenzen, die hier Schranken sind, verwiesen. Der Vergleich des Gleichnisses vom Sklavenlohn mit den Gleichnissen und denjenigen Gleichnissen, in denen ein deutlich hierarchisches Figurenarsenal vorliegt, zeigt also eine eigentümliche Nüchternheit und einen ausgeprägten Realitätssinn in sozialgeschichtlicher Hinsicht. Der beschriebene Sklavenalltag dürfte den realen Gegebenheiten weitestgehend entsprechen.58 Zu Recht bemerkte schon Adolf Jülicher: „Der Jesus, der [Lk 17,]7–9 spricht, ist nicht der Ethiker, sondern der Menschenkenner, der die Dinge beschreibt, wie sie damals waren, ohne Sentimentalität, auch ohne Uebertreibung des Sklavenelends.“59 Zu diesem realistischen Bild gehört natürlich auch die Reihenfolge der Nahrungsaufnahme, wie sie 17,7 f. rhetorisch untermauert und betont wird. Die hier rhetorisch zur Möglichkeit erhobene Aufforderung des Herrn an den Sklaven, sich sogleich zu Tisch zu begeben, um hier nach ausgeführter, anstrengender Feldarbeit die Mahlzeit (gemeinsam mit seinem Herrn?) einzunehmen, kann aber, auch wenn sie rhetorisch negiert wird, für sich in Anspruch nehmen, dass sie zwar ungewöhnlich, aber immerhin im Rahmen des Möglichen und damit Plausiblen wäre.60 Denn zumindest Seneca kann über diejenigen herzhaft lachen, „die 58
Vgl. hierzu insgesamt Heininger, Metaphorik (s. Anm. 19), 194–196. Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 1), II , 16. Vgl. auch das ähnliche Urteil bei A. Weiser, Die Knechtsgleichnisse der synoptischen Evangelien, StANT 29, München 1971, 105. 60 Die genannte Möglichkeit würde sich noch weiter in Richtung der Grenzen des Möglichen bewegen, wenn in Lk 17,7–9 eine symposiumsähnliche Situation anvisiert wäre. In diese Richtung weisen zum einen das Vokabular, v.a. (V. 7; vgl. Lk 14,10; 22,14 diff. Mk 14,17) und die betonte Erwähnung des Trinkens (V. 8), wie zum anderen die implizite Diskussion von Statusfrage innerhalb des gesamten Textes. Man kommt hier freilich nicht darüber hinaus, die Möglichkeit zu konstatieren, dass der Text für eine solche Lektüre offen ist, vielleicht auch sein will. 59
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es für entehrend halten, mit ihrem Sklaven zusammen zu speisen.“61 Auch wenn dies nicht die Regel gewesen sein dürfte, ist damit doch angezeigt, dass ein solches Verhalten des Sklavenbesitzers wenigstens denkbar ist. Doch diese extravagante Möglichkeit wird durch Lk 17,7–9 ebenso rhetorisch zerschlagen wie die durch die Analogien zu den - und Sklaven- / Knechtsgleichnissen evozierten Erwartungen bezüglich einer extravaganten Erzählfolge. Die auf Lk 17,7–9 angewandte Ricœur’sche Grundfrage nach den Auslösern der Identifikation eines Gleichnisses als Gleichnis kommt also zu einem negativen Ergebnis: Isoliert man diesen Text, wie ich es getan habe und wie die Gleichnisforschung im Gefolge Jülichers nahezu durchgehend verfährt,62 dann ist er nicht als Gleichnis zu bezeichnen. Gerade wenn man annehmen würde, dass ein extravagantes Erzählgefälle allein als Hinweis auf die Metaphorizität und Parabolizität eines Textes ausreiche, wovon ich im Anschluss an Ricœur nicht ausgehe, müsste man zu dem Ergebnis kommen, dass hier kein Gleichnis vorliegt. Denn der Vergleich mit anderen Gleichnissen vergleichbaren Typs und die sozialgeschichtlichen Überlegungen haben gezeigt, dass Lk 17,7–9 nicht nur das notwendige extravagante Erzählgefälle oder eine solche erzählte Situation nicht bietet,63 sondern vielmehr mögliche extravagante Erzählzüge rhetorisch als Illusion erweist. Wenn man so will, wehrt sich damit der Text, ein Gleichnis zu sein. In dieser Perspektive ist er ein Anti-Gleichnis.
3.2 Das Gleichnis vom Sklavenlohn – ein Gleichnis! Liest man das Gleichnis nun aber im Kontext des Lukasevangeliums, so kommen kaum Zweifel an seiner Gleichnishaftigkeit auf und ich möchte behaupten, dass es damit auch seine Extravaganz gewinnt. Ein erster, wenngleich schwacher Hinweis auf Metaphorizität geht vom direkten Kontext aus, genauer von der Anwendung 17,10. Auf der Erzählebene ist die Aufforderung und das Folgende an die Apostel aus V. 5 gerichtet, die sich mit dem Sklaven des Gleichnisses identifizieren und nach Ausfüh61 Sen.ep. 47,2 (Übersetzung M. Rosenbach). Zu Senecas Verhältnis zur Sklaverei vgl. W. Richter, Seneca und die Sklaven, Gym. 65 (1958), 196–218. Dass die im Gleichnis gebotene Möglichkeit einer Mahlteilnahme des Sklaven zwar nicht alltäglich, aber immerhin denkbar gewesen ist, zeigt dazu die Analogie des am Jahresende stattfindenden röm. Saturnalienfestes. Seneca erwähnt im Zusammenhang des obigen Zitates (ep. 47,14) den Brauch des gemeinsamen Mahles von Sklaven und Besitzern, und Macrobius (sat. 1,24,23) kennt sogar die karnevalistische Umkehrung der Verhältnisse wie sie Lk 17,7–9 als realistisch dargestellt wird, also das Mahl der Untergebenen zeitlich vor ihren Herrn. 62 Dies gilt auch dann, wenn das aus dem Kontext des Evangeliums isolierte Gleichnis in eine mögliche Situation im Leben des historischen Jesus kontextualisiert wird. Denn auch diese kann ja nur aus dem (isolierten) Gleichnis selbst rekonstruiert werden. 63 Hierin stellt sich Lk 17,7–9 verglichen mit der Parabel vom verlorenen Sohn, aber auch mit dem Sauerteiggleichnis, als ein Sonderfall dar. Vgl. auch oben Am. 31.
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rung des Befohlenen sprechen: „Sklaven sind wir (d.h. anspruchslos / ohne Ansprüche, denn uns ist niemand einen Lohn schuldig).64 Was wir zu tun schuldig waren, haben wir getan.“ In diesem Sinne wäre das Gleichnis als Beispielerzählung im Jülicher’schen Sinne verstanden, denn die Situation des Sklaven des Gleichnisses würde zum besonderen Einzelfall für das allgemein eingeforderte Selbstverständnis und Verhalten der Angesprochenen. Die Forschung ist diesen Auslegungsweg fast durchweg gegangen und trifft hier, zumindest was den direkten Kontext angeht, auch teilweise das Richtige, wenn sie die konventionalisierte Metapher ernst nimmt und das Gleichnis in dem Sinne versteht, dass hier von besonders hervorgehobenen Christen und Christinnen erwartet wird, „daß sie ihre Aufgabe mit Eifer und Treue erfüllen, ohne dafür eine besondere Form von Glückwunsch oder Belohnung zu erwarten“65. Problematisch wird diese Auslegung, wenn mit ihr einhergeht, dies als befreienden „Geschenkcharakter alles dienenden und daher sinnvollen Lebens“66 zu betonen, denn dies mag angesichts eines Sklavengleichnisses doch etwas verwundern. Weitere und offenere Sinnpotenzen ergeben sich im Zuge einer Lektüre, die nach wechselseitiger Sinnstiftung von erzähltem Verhalten und der übrigen erzählten Verkündigung Jesu fragt. Auffallend ist im weiteren Kontext, dass der lukanische Jesus bereits ein Gleichnis erzählt hat, das als Geschwis64 Mit dieser Paraphrase versuche ich das umstrittene zu umschreiben. M.E. betont das Adjektiv hier den Sklavenstand der Sklaven, ohne eine besonders wertende Nuance auszudrücken. So aber die gängigen Übersetzungen (unnütz, unbrauchbar, unprofitable, wertlos o.ä.), die damit eine Verschärfung gegenüber 17,7–9 bieten. Ohne Wert oder ohne Nutzen sind der Sklave des Gleichnisses und die Sklaven der Anwendung aber nicht, denn sie führen ja das Befohlene aus. V. 10 nimmt zu Beginn den vorausgehenden Vers fast wörtlich auf ( ). Die Fortsetzung korrespondiert dann dem hypothetisch erwogenen Dank des Sklavenbesitzers, ist aber aus der Perspektive der Sklaven gesprochen. Wie jener keinen Dank auszusprechen muss, haben diese keinen Anspruch auf einen solchen Dank. Sie bedürfen solcher Zuwendung nicht und können sie nicht einfordern, da sie eben Sklaven sind. Als solche erhalten sie Nahrung als Lohn und ausreichende wie notwendige Zuwendung (vgl. Ps.-Arist. Oikonomikos 1,5,1344 b4). Ähnlich auch J. J. Kilgallen, What Kind of Servants are we? (Luke 17,10), Bib. 63 (1982), 549–551, 551; K. E. Bailey, Through Peasant Eyes. More Lucan Parables, Their Culture and Style, Grand Rapids 1980, 124; von Bendemann, Zwischen und (s. Anm. 42), 267 Anm. 192 („ohne daß ihnen der Herr etwas schuldet“). In einem älteren Entwurf hatte ich bei analoger Argumentation mit „unbedürftig / ohne besondere Bedürfnisse“ übersetzt. Die hier gewählte Übersetzung von mit „anspruchslos / ohne Ansprüche“ verdankt sich einem Vorschlag von Frau Dr. Sieghild von Blumenthal. 65 F. Bovon, Das Evangelium nach Lukas. 3. Teilbd. Lk 15,1–19,27, EKK III /3, Düsseldorf / Zürich / Neukirchen-Vluyn 2001, 142. Vgl. auch CA VI . Mit der skizzierten Auslegung kann zwar die Adressierung an die Apostel plausibel gemacht werden, gelingt dies aber auch für die Stellung des Gleichnisses im Zusammenhang 17,1–10 (bes. V. 5 f.)? Zu diesem Problem vgl. schon Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 1), II , 11, zum Gleichnis vom Sklavenlohn, „das sowohl nach vorn wie nach hinten nur künstlich in Zusammenhang gebracht werden kann.“ Zu meiner Interpretation der Stellung des Gleichnisses im direkten Kontext wie im Gesamt des Lukasevangeliums vgl. unten den Ertrag und dort bes. Anm. 80. 66 E. Schweizer, Das Evangelium nach Lukas, NTD 3, Göttingen 21986, 175. Dieser befreiende Aspekt des Gleichnisses findet sich in zahlreichen Auslegungen.
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tergleichnis von 17,7–10 gelten kann, nämlich das so genannte Gleichnis vom Türhüter (12,36–38). Das Gleichnis vom Sklavenlohn ist durch zahlreiche Analogien zu diesem Gleichnis gekennzeichnet, es fällt aber auf, dass das Lk 12 Erzählte sich quasi spiegelverkehrt zu Kap. 17 verhält: Nicht die Sklaven kommen ins Haus, sondern ihr Herr (V. 36); dieser schürzt sich, bittet die Sklaven zu Tisch, kommt herbei und dient ihnen (V. 37); der Demutsäußerung der Anwendung 17,10 entspricht schließlich die doppelte Seligsprechung der Sklaven (V. 37 f.).67 Analog ist ebenso, dass dem Mahl eine notwendige Handlung der Sklaven vorausgeht: wachsame Türhüterdienste oder Feldarbeit und vorbereitende Tätigkeiten bezüglich der Mahlzeit selbst. Die entscheidende Differenz ist aber, dass diese Handlungen in dem einen Fall notwendige Voraussetzungen sind für das Mahl der Sklaven selbst, in dem anderen aber im Mahl des Herrn münden, und erst dann, chronologisch davon abgesetzt, Nahrungsaufnahme seines Sklaven in Aussicht gestellt wird (vgl. 17,8). Vor dem Hintergrund dieser Beobachtungen ist nun die rhetorische Durchschlagskraft im Sinne einer zwingenden Logik, die dem isolierten Gleichnis vom Sklavenlohn eigen ist, in Frage gestellt. Es scheint vor dem Hintergrund einer vorausgesetzten Kenntnis des Gleichnisses aus Lk 12 nicht mehr als derart selbstverständlich, dass das als Frage gekleidete Gleichnis Lk 17,7–10 „auf ein ganz bestimmtes Urteil“ abzielt und damit die Adressatinnen und Adressaten in die Richtung einer bestimmten Antwort drängt, indem es „eine ganz bestimmte Stellungnahme abzwingt“68. Denn das Gleichnis vom Türhüter ist zu einem Teil der im Lukasevangelium erzählten Welt geworden und konstituiert diese selbst mit. Die Koordinaten der erzählten Welt werden von Lk 12,36–38 her mitbestimmt und dort in das Lexikon der Leser und Leserinnen eingetragen, d.h. die dortigen Begriffe, Themen, Kausalitäten und Handlungszusammenhänge werden zu lexikalisierten und gewöhnlichen Begriffen, Themen, Kausalitäten und Handlungszusammenhängen.69 Setzt man nun voraus, dass in einer Lektüre eines narrativen Textes wie des Lukasevangeliums die Leserin oder der Leser bestrebt ist, „die erzählte Welt als eine stabile und konsistente Totalität zu konstituieren“,70 dann scheitert dieses Bestreben an dieser Stelle, wo der erzählte lukanische Jesus das Gleichnis vom Sklavenlohn erzählt. Denn dieses Gleichnis bricht die Bedeutungsregeln des durch Lk 12,36–38 erstellten Lexikons, d.h. der gewöhnlichen Verwendung der dortigen Begriffe etc. Damit werden die Rezipientinnnen 67 Auffallend ist weiter, dass im Kontext beider Gleichnisse von einer besonderen Spezifikation des Adressatenkreises berichtet wird. Vgl. 17,1.5 ff. mit 12,41. 68 Harnisch, Sprachkraft der Analogie (s. Anm. 10), 51 f. (dort teilweise kursiv). 69 Sie werden damit Teil der „enzyklopädischen Kompetenz“. Vgl. hierzu U. Eco, Lector in fabula. Die Mitarbeit der Interpretation in erzählenden Texten, München 31998, 15–30.94–106. Zum Begriff des „Leselexikons“ vgl. von Bendemann, Zwischen und (s. Anm. 42), 199. 70 Martinez / Scheffel, Einführung in die Erzähltheorie (s. Anm. 48), 126.
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und Rezipienten zu einer ‚Arbeit am Sinn‘ herausgefordert, wollen sie nicht in der parabolischen Dissonanz beider Gleichnisse verharren. Bevor der Versuch einer Deutung gemacht werden kann, zu welchem Ergebnis diese ‚Arbeit am Sinn‘ kommen könnte, ist noch ein weiterer, vielleicht noch wichtigerer Bezug des Gleichnisses vom Sklavenlohn zum direkteren Kontext aufzuzeigen, und auch dieser Kontext ist wiederum weitgehend parabolischer Natur. Lk 17,7–10 steht am Ende einer Reihe von Gleichnissen, die zum einen durch den gemeinsamen Erzählzusammenhang zusammengefasst sind. Dieser beginnt mit der 14,1 ff. gebotenen Verortung und Situationsangabe und bewegt sich dann ab 14,25 im relativ unbestimmten Raum. Bestimmt werden einzig wechselnde Adressierungen der Rede Jesu.71 Erst 17,11 f. wird wieder eine feste räumliche Verortung geboten. Die in diesem Zusammenhang eingeschlossenen Gleichnisse, immerhin sieben an der Zahl,72 sind nun aber zum anderen durch eine gemeinsame Motivstruktur zusammengefasst, die thematisch zu Beginn jenes Erzählzusammenhanges vorgestellt wird: Es geht um Mahlzeiten in einem Haus (vgl. 14,1), Statusfragen solche Mahlzeiten betreffend (vgl. 14,7 ff.) und hierbei besonders um die Einladung von Menschen, die für gewöhnlich nicht in diesen Häusern an festlichen Mahlzeiten teilnehmen (vgl. 14,13). Diese Struktur findet sich dann durchgehend in den nun folgenden Gleichnissen wieder: Wird von dem Schicksal einer dort erzählten Figur positiv berichtet, dann wird dies mittels des Motivs ausgedrückt, dass sich diese Figur in einem Haus befindet. Wird aber von einem dramatischen Schicksal berichtet, dann befindet sich diese Figur außerhalb eines Hauses (oder einer äquivalenten Größe). Dieses Motiv wird dazu näher spezifiziert, denn im Haus zu sein bedeutet positiv, Nahrung im Überfluss zu haben. Außerhalb des Hauses zu sein bedeutet dagegen, von diesem Nahrungsüberfluss ausgeschlossen zu sein, ja zu hungern.73 In einer (groben) Paraphrase gestaltet sich dies folgendermaßen: Die Parabel vom Gastmahl betont besonders, dass das geplante Fest stattfinden muss und dies auch und gerade mit Menschen, die sich besonders ‚außerhalb‘ befinden (14,21.23). Ihnen gilt dann die in der lukanischen Fassung mehrfache und drän71 Vgl. neben 14,25 noch 15,1 f.; 16,1.14; 17,1.5. Zum „unbestimmten Unterwegs“ Jesu ab 14,25 vgl. auch M. Wolter, Lk 15 als Streitgespräch, ET hL 78 (2002), 25–56, 30. 72 Von der Einladung zum Gastmahl (Lk 14,15–24), vom verlorenen Schaf (15,4–7), von der verlorenen Drachme (15,8–10), vom verlorenen Sohn (15,11–32), vom ungerechten Verwalter (16,1–8 ab), vom reichen Mann und armen Lazarus (16,19–31) und vom Sklavenlohn (17,7–10). 73 Für Lk 16,19–32 findet sich die Beobachtung, dass sich die Umkehrung der Verhältnisse mittels der Darstellung als ‚drinnen oder draußen‘ äußert, auch bei F. Schnider / W. Stenger, Die offene Tür und die unüberschreitbare Kluft. Strukturanalytische Überlegungen zum Gleichnis vom reichen Mann und armen Lazarus (Lk 16,19–31), NTS 25 (1978/79), 273–283, 277 f. Die Beobachtung der positiven Lösung einer Krise mittels Aufnahme in „a place to live“ bezüglich Lk 15,11–32; 16,1–8; 19–31 auch bei von Bendemann, Zwischen und (s. Anm. 42), 233, mit Verweis auf A. O’Leary, The Role of Possessions in the Journey Narrative of Luke 9:51–19,27, Miltown Studies 28 (1991), 41–60, 50.
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gende Einladung, denn das Haus des Gastgebers muss voll werden (V. 23). Diejenigen aber, die sich nicht im Haus befinden, werden keinen Geschmack am Mahl finden (V. 24). Die Gleichnisse vom verlorenen Schaf und verlorenen Groschen münden jeweils in der Notiz des Herbeirufens von Freundinnen / Freunden / Nachbarinnen / Nachbarn in das Haus des glücklichen Finders und der glücklichen Finderin. Von einem Fest oder auch nur von schlichter Nahrungsaufnahme wird hier nicht gesprochen, aber das Wortfeld ‚Freude‘ (15,5.6.7.9.10) wird in der folgenden Parabel vom verlorenen Sohn Synonym eines vor allem durch Nahrung spezifizierten Festes (15,23 f.29 f.32).74 In dieser Parabel besteht wiederum die Verbindung von Haus und Nahrung, denn die Wiedereingliederung des hungernden jüngeren Sohnes in den väterlichen Oikos erfährt in dem exzessiven, von der Schlachtung des Mastkalbes geprägten Fest seinen Ausdruck (15,22–24). Genau hiergegen protestiert der ältere Sohn, wenn er darauf verweist, dass ihm selbst ein Ziegenbock vorenthalten wurde (V. 29 f.). Sein Protest äußert sich darin, dass er sich weigert, in das Haus hineinzugehen (V. 28) und damit Anteil am Mastkalb zu bekommen. Der ungerechte Verwalter sorgt sich, nachdem seine Schandtaten bekannt geworden sind, um seinen Lebensunterhalt und trifft Maßnahmen, um ‚in ihre Häuser‘ aufgenommen zu werden (16,4).75 Lazarus schließlich liegt vor dem Tor des Reichen und bittet um Nahrung (16,21). Diese wird ihm verwehrt und damit auch der Einlass ins Haus. Im zweiten Akt der Parabel bittet der Reiche um Wasser, welches ihm genauso wie zuvor Lazarus verwehrt wird. Er bleibt draußen.76 Die folgende Bitte um Einkehr Lazarus’ in das Haus seiner Brüder wird genauso negiert. Sie werden, so sie Mose und die Propheten nicht hören, ein ähnlich dürstendes Schicksal außerhalb erlangen.
Am Abschluss des Erzählabschnittes 14,1–17,10 steht nun das Gleichnis vom Sklavenlohn und muss vor diesem Hintergrund befremdend wirken. Denn in das Lexikon der Leserinnen und Leser ist zum einen mittels der Rahmenhandlung zu Beginn des Abschnittes, zum anderen mittels der darauf folgenden sechs Gleichnisse die genannte Motivstruktur fest eingetragen worden und damit zum gewöhnlichen Motivgebrauch geworden: Im Haus zu sein bedeutet, Anteil an Nahrung, ja sogar an einem festlichen Mahl zu haben. Diese lexikalisierte Erwartungshaltung wird nun aber durch das Gleichnis irritiert und gleichzeitig vorausgesetzt, denn es setzt die Be74 Vgl. auch die Verknüpfung der Einladung von Freunden bzw. Nachbarn und einer Mahlzeit im direkten Kontext 14,12. Die beiden Gleichnisse am Beginn des 15. Kapitels sind also im Kontext mindestens dafür offen, dass hier „eine fröhliche ‚Party‘ mit Freunden und Nachbarn“ (Bovon, Evangelium nach Lukas [s. Anm. 65], 27) anvisiert ist. 75 Das Motiv der Nahrung bzw. des Hungers ist hier nicht explizit. Das für den Lebenswandel des Verwalters 16,1 verwendete Verb ( ) ist aber das gleiche, das die den Hunger auslösende Handlung des jüngeren Sohnes umschreibt, deren Folge schließlich der Entschluss ist, zum Vater (und zur Nahrung!) zurückzukehren (vgl. 15,13). 76 Das Motiv ‚Mahl im Haus‘ wird hier repräsentiert durch die Umschreibung des Liegens an der Brust Abrahams (16,22 f.), womit bildlich der Ehrenplatz beim himmlischen Mahl umschrieben wird. Vgl. Jeremias, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 4), 183; Heininger, Metaphorik (s. Anm. 19), 186 f. Anm. 32. Eine solche Deutung ist dazu nahe gelegt durch das Gefüge der Parabel, also Umkehrung der Verhältnisse zu Lebzeiten. In diesen hungerte Lazarus und der Reiche schwelgte.
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deutungsregeln jenes Lexikons voraus, um sie in Frage zu stellen. Es ergibt sich ein analoger Befund wie jener, der betreffs Lk 12,36–38 festgestellt werden konnte. Ein Sklave kommt von der Feldarbeit heim und dies weckt vor dem Hintergrund des seit 14,1 Erzählten die Erwartungshaltung, dass dieses Heimkommen gleichzusetzen ist mit der festlichen Darbietung eines Mahles.77 Genau dies wird 17,7 fragend in Aussicht gestellt. Provoziert ist damit in der Tat ein ganz bestimmtes Urteil, aber nicht jenes, das auf dem Hintergrund eines isolierten Gleichnisses 17,7–9 durch die rhetorische Form des Gleichnisses und sozialgeschichtliche Referenzen zu erwarten wäre. Vor dem Hintergrund des literarischen Kontextes drängt die Frage V. 7 damit nicht auf eine negative Antwort („niemand verhält sich derart“), sondern im Gegenteil auf eine positive Antwort („natürlich wird der Herr seinen Sklaven zu Tische bitten“). Der Kontext ‚zieht‘ das Gleichnis, das sich nun nicht mehr hiergegen ‚sperrt‘, in Richtung einer extravaganten Erzählfolge, nämlich der möglichen Einladung des Sklaven durch seinen Besitzer nach geleisteter Feldarbeit. Diese hypothetische Erzählfolge, die auf dem Resonanzboden von 12,36–38 und 14,1 ff. möglich ist, wird hier rhetorisch vor Augen geführt. Dieser die Regeln der wirklichen Welt brechenden Ereignisfolge wird nun aber noch eine weitere Brechung hinzugefügt. Denn in 17,7–9 erscheint das sich zu dieser neuen Wirklichkeit abermals extravagant Verhaltende, das den fast schon zur Gewohnheit gewordenen lexikalisierten Mahlgenuss nach Betreten eines Hauses in Frage stellt.78 Wird der Besitzer nicht doch eher von seinem Sklaven erwarten, dass dieser ihm ein Mahl bereitet? Dankt er ihm etwa für seine Arbeit? Die extratextuell sozialgeschichtliche und die rhetorisch in das Gleichnis selbst eingetragene Evidenz der Welt des Normalen, das Leben eines Sklaven besteht aus Arbeit und nicht aus festlichen Mahlzeiten, tritt zur erzählten Welt des Lukasevangeliums in narrative Dissonanz. Sie verhält sich damit metaphorisch hierzu. Die Erzählfolge des Gleichnisses fordert die Leserin oder den Leser damit auf, in einer ‚Arbeit am Sinn‘ neue Ähnlichkeiten zu sehen, wo vorher keine waren, und die narrative Dissonanz zu verbinden mit einer narrativen Konsonanz, ohne beides ineinander aufzulösen. 77 Diese Erwartungshaltung ist besonders dadurch verstärkt, dass 17,7 explizit ein Motiv aufnimmt, das auch in der Parabel vom verlorenen Sohn eine zentrale Rolle gespielt hatte: Der jüngere Sohn möchte in seinem Hunger ein Tagelöhner seines Vaters werden, weil diese Nahrung im Überfluss besitzen (vgl. 15,17.19). Der ältere Sohn kommt vom Feld (!) und weigert sich hineinzugehen, wobei dies Anteil am Fest und am geschlachteten Mastkalb bedeuten würde (vgl. 15,25.28). Eine weitere Analogie besteht zum Verhalten der beiden zuerst Absagenden in der Parabel vom Gastmahl (vgl. 14,18 f.): Mit Landwirtschaft assoziierte Tätigkeiten schließen, wenn man die Einladung nicht annimmt, die Teilnahme am Fest aus. Die Absagenden entscheiden sich also ähnlich wie der ältere Sohn dafür, draußen zu bleiben. 78 Der Zusammenhang seit 14,1 bietet somit einen einzigen großen Karneval, in dem die Verhältnisse als umgekehrt erscheinen, denn die Niedrigen nehmen exponiert am Festmahl teil (vgl. oben Anm. 61). Innerhalb dieser Umkehrung übernimmt 17,7–10 dann die Funktion eines Anti-Karnevals, also quasi die Umkehrung innerhalb der Umkehrung.
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Thomas Braun
4. Ertrag: Wenn zwischen den Zeilen ein Funke aufblitzt Der Anknüpfungspunkt der gängigen Auslegungen des Gleichnisses vom Sklavenlohn ist, wie kurz angeklungen, vor allem die spezifische Adressierung von Lk 17,7–10 an „die Apostel“. Blickt man nun von diesem Stichwort „Apostel“ und vom Gesamt der beobachteten Intersignifikationen des Gleichnisses vom Sklavenlohn, des Gleichnisses vom Türhüter (Lk 12,36–38) sowie der Rahmung 14,1 ff. selbst und der darauf folgenden sechs Gleichnisse, dann ergibt sich daraus das Gegenüber von Teilnahme am Mahl und Nicht-Teilnahme am Mahl, Tischdienst und Bedientwerden am Tisch. Dieses Gegenüber ist ein dissonantes Gegenüber, das die Leserin oder den Leser zu einer Überbrückung dieser Dissonanz herausfordert. Das Stichwort „Apostel“ führt nun zu einem weiteren Text, der der Möglichkeit dieser Überbrückung eine Richtung weist, nämlich dem Abendmahlsgespräch Jesu mit den Aposteln (Lk 22,24–38). Im Anschluss an den Abendmahlsbericht verheißt Jesus hier die eschatologische Teilnahme am Tisch des ihm von seinem Vater zugeeigneten Reiches (vgl. V. 29 f.). Im Vorlauf dieser Verheißung begegnet nun die herausgearbeitete dialektische Struktur des Gegenübers von Dienen und Bedientwerden explizit: Der ‚Führende‘ unter den Jüngern soll sein ‚wie ein Diener‘ (vgl. V. 26). Erläutert wird dies in 22,27. Größer ist derjenige, der bedient wird. Größe und Dienen beziehen sich hier also chiastisch aufeinander79 und damit begegnet jene Struktur hier zusammengefasst auf engstem Raume. Sein ‚Zentrum‘, seinen ‚Brennpunkt‘ erhält dieses Gegenüber in der Person dessen, der die Worte spricht, also Jesus. Denn dieser ist mitten unter ihnen wie ein Diener (V. 27). Gleichzeitig ist er es, dem das Reich Gottes zugeeignet ist, und er wird hier Gastgeber sein (V. 29 f.). Die paradoxe Grundstruktur, die (u.a.) durch die Einfügung von Lk 17,7–10 in den Zusammenhang entstanden ist, ist versammelt – nicht aufgelöst – in der Grundmetapher dieses metaphorischen Prozesses: Jesus (der Gekreuzigte) ist Christus (der Auferstandene), welcher ist Diener und Herr.80 Diese Prädikation bringt Sinnbezirke miteinander in Verbindung, die vorher getrennt 79 Ähnlich auch Lk 14,7–14, bes. V. 11, also am Beginn jenes Abschnitts, der mit 17,7–10 zu seinem Abschluss kommt. 80 Diese metaphorische Struktur begegnet dazu im nächsten Kontext, nämlich der Reaktion Jesu auf die Bitte der Apostel um Mehrung ihres Glaubens (17,5–10). Glauben bedeutet, Maulbeerbäume versetzen zu können, bedeutet aber gleichzeitig, sich mit einem anspruchslosen Sklaven zu identifizieren. Vgl. auch die Verbindung von Demut und Glaube in 17,15–19 und die Erwähnung des Glaubens im Kontext des oben skizzierten Abendmahlsgespräches 22,32. Vor diesem Hintergrund ist eine paradigmatische Funktion des Gleichnisses möglich – also als direkte Aufforderung an (hervorgehobene) Christinnen und Christen, sich mit den erzählten Figuren zu identifizieren (vgl. oben bei Anm. 64 und 65). Das Gleichnis ist aber gleichzeitig – wenn nicht primär – narratives Darstellungsmittel jener beschriebenen Struktur. Diese ist m.E. offener zu interpretieren als Plausibilisierung einer eigenen narrativen Welt und damit weniger im Sinne eines ‚argumentativen‘, sondern eines ‚poetischen‘ Richtungssinnes.
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waren. In der lukanischen Erzählung vom Schicksal dieses Jesus entsteht aber ein plausibler Zusammenhang, in der diese Verbindung Sinn ‚macht‘, also schafft und selbst ist. In den Worten Paul Ricœurs: „Erst in der Erzeugung eines neuen Satzes, in einem Akt unerhörter Prädizierung entsteht die lebendige Metapher wie ein Funke, der beim Zusammenstoß zweier bisher voneinander entfernter semantischer Felder aufblitzt.“81
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Ricœur, Die lebendige Metapher (s. Anm. 22), VI .
Allegorie, Allegorese, Allegorisierung Kurt Erlemann Das Phänomen des Allegorischen steht nach wie vor unter dem Verdikt Adolf Jülichers, wonach die Allegorie und die Metapher als ihr Baustein Formen uneigentlicher Rede sind, die eher verhüllend als klärend wirken und daher Jesus unbedingt abzusprechen seien.1 Philosophisch-formkritisches und hermeneutisches Urteil gehen hier Hand in Hand. So kann sich Jülicher auf Aussagen der antiken Allegorik und Rhetorik berufen, die Metapher und Allegorie zu den uneigentlichen, die eigentliche Aussage substituierenden und daher substituierbaren Redeweisen zählen. Solch uneigentliche Rede, die das eigentlich Gemeinte verhüllt, passt nicht zum Bild Jesu als des klaren, genialen Überbringers des Evangeliums. Das formkritische Urteil wurde inzwischen einer gründlichen Revision unterzogen: Seit ca. 1960 vollzog sich eine fundamentale Neubewertung der Metapher als eigentliche, po(i)etische Redeform und im Gefolge eine Differenzierung des Begriffs des Allegorischen. Mit Hans-Josef Klauck2 sind Allegorie (als literarische Form bzw. literarisches Gestaltungsmittel), Allegorese (als hermeneutisch-exegetische Methode) und Allegorisierung (als Prozess der allegorischen Aufladung von Texten) voneinander zu unterscheiden. Klauck weist nach, dass der „antiallegorische Affekt“ Jülichers mit seiner formkritischen Polarisierung von Gleichnis und Allegorie ins Leere geht, da zum einen die Metapher nicht einseitig als „uneigentliche Redeweise“ zu bewerten und zum anderen „Allegorie“ nicht als literarische Gattung, sondern als literarisches Gestaltungsmittel zu charakterisieren ist, das auch auf Gleichnisse angewendet werden kann (und wird). Was bleibt, ist die Fundamentalkritik am exegetisch-hermeneutischen Verfahren der Allegorese, der Form der Textlektüre, die Texte entgegen ihrem Primärsinn als Allegorien liest und versteht. Und selbst diese Kritik wird mehr und mehr hinterfragt. So weist Renate Banschbach Eggen3 1 A. Jülicher, Die Gleichnisreden Jesu, Teile I –II , Tübingen 1886/1899 (21910); K. Erlemann, Gleichnisauslegung. Ein Lehr- und Arbeitsbuch, UTB 2093, Tübingen / Basel 1999; R. Banschbach Eggen, Gleichnis und Allegorie. Zur Kritik der Gleichnisauslegung seit Adolf Jülicher, Trondheim 2006; dies., Gleichnis, Allegorie, Metapher. Zur Theorie und Praxis der Gleichnisauslegung, TANZ 47, Tübingen 2007. 2 H.-J. Klauck, Allegorie und Allegorese in synoptischen Gleichnistexten, NTA NF 13, Münster 1978. 3 Banschbach Eggen, Gleichnis und Allegorie (s. Anm. 1).
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auf grundsätzliche Differenzen zwischen der Allegorese in synoptischen Texten und bei Kirchenvätern hin, mit dem Schluss, dass Allegorese, sofern die literarische Struktur des Bildtextes beachtet und kein fremder Kontext eingetragen wird, ein legitimes Auslegungsverfahren darstellt. Banschbach Eggen schlägt in letzter Konsequenz vor, den von Jülicher eingebrachten, negativ konnotierten Begriff der „Allegorie“ aus der Gleichnisdiskussion zu entfernen. Im Folgenden möchte ich einige weiterführende Gedankenanstöße zum Thema anbieten.
1. Allegorie bei Adolf Jülicher Wie bereits an anderer Stelle dargelegt, sind bei Jülichers Verdikt gegen das Allegorische programmatische Gründe leitend.4 Jülichers Ziel ist es, die Gleichnisse in ihrer ursprünglichen, unverfälschten und klaren Form zurückzugewinnen. Jesus als genialer Rhetor und Pädagoge bediente sich seines Erachtens ausnahmslos der Form des Gleichnisses, das auf den Vergleich als Baustein eigentlicher Redeweise aufbaut. Diese Redeweise ziele auf ein eindeutiges tertium comparationis im Sinne einer religiösen Satzwahrheit, die in ihrer Klarheit und Eindeutigkeit keiner Interpretation bedürfe. Klarheit und Eindeutigkeit seien jedoch durch das Missverständnis der Evangelisten verloren gegangen, die ursprünglichen Gleichnisse mutierten im Verlauf ihrer Verschriftlichung zu schwer verständlichen Allegorien. Jülicher setzt mit dieser These den Idealtyp des eindeutigen Gleichnisses voraus, dem der Idealtyp der allegorischen Rätselrede entgegengesetzt ist. Jülicher definiert die Allegorie als diejenige „Redefigur, in welcher eine zusammenhängende Reihe von Begriffen (ein Satz oder Satzkomplex) dargestellt wird vermittelst einer zusammenhängenden Reihe von ähnlichen Begriffen aus einem andern Gebiete.“5 Leitend bei dieser Definition ist das Substitutionsmodell, wonach ein eigentlich, wörtlich zu verstehender Text durch die Reihung uneigentlich zu verstehender Metaphern ersetzt wird. Diese Substitution rückgängig zu machen, ist das Ziel der Jülicherschen Gleichnisinterpretation.
2. Allegorie und Metapher – eigentliche oder uneigentliche Redeweise? Hans-Josef Klauck hat in seinem grundlegenden Beitrag „Allegorie und Allegorese in synoptischen Gleichnistexten“6 die längst überfällige Begriffs4 Zum Folgenden vgl. meine Ausführungen in: Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 1), 12–24.85–94. 5 Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 1), I, 80 (dort gesperrt gedruckt). 6 Vgl. Anm. 2.
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differenzierung zwischen Allegorie, Allegorese und Allegorisierung vollzogen und damit einen wichtigen Beitrag zur kritischen Würdigung des Jülicherschen Ansatzes geleistet. Im Rückgriff auf die antike Allegorik, auf welche sich auch Jülicher bezieht, weist Klauck nach, dass die Zuordnung von Metapher und Allegorie zu den uneigentlichen Redeweisen nicht die einzige Sichtweise ist. So orientiert sich der Rhetoriker Quintilian zwar am Substitutionsmodell und definiert die Allegorie als ‚fortgesetzte Metapher‘ (Inst.Orat. IX 2,46), sieht sie aber zugleich als Sprachmittel im Schnittfeld zwischen Rhetorik und Poesie, das, je nach Bedarf, klärend oder verhüllend eingesetzt werden könne. Allegorie als schwer verständliche Rätselrede ist für Quintilian der Extremfall (Inst.Orat. VIII 6,52), ansonsten zeichne sich die Allegorie durch Kernmetaphern, Analogien oder Anspielungen aus, deren Kenntnis den Sinn des Gesamten entschlüssele. Einen Gegensatz zur Parabel konstruiert Quintilian nicht, im Gegenteil favorisiert er die Kombination aus Gleichnis, Allegorie und Metapher, um die Wirkung der Rede zu steigern.7 Die Feststellungen Klaucks resultieren in eine grundsätzliche hermeneutische Neubewertung des Allegorischen, so wie sie auch schon für die Metapher vollzogen wurde. Das Allegorische als Grenzfall zwischen eigentlicher (klärender) und uneigentlicher (verhüllender) Redeweise ist nicht per se exklusivistischem bzw. esoterischem Sprachgebrauch zuzuordnen. Damit stellt sich auch die Frage nach dem Verhältnis zwischen Gleichnis und Allegorie neu.
3. Allegorie – eine literarische Gattung? Die Jülichersche Position setzt das Verständnis von Allegorie als einer literarischen Gattung voraus, die sich von der Gattung des Gleichnisses grundlegend unterscheide. Jülicher orientiert sich dabei nicht an der literarischen Endgestalt der synoptischen Gleichnisse, sondern am Postulat formkritischer „Idealtypen“ im Munde Jesu: Das Gleichnis, basierend auf dem einfachen Vergleich, sei durch ein einziges tertium comparationis mit seiner „Sache“, die Jülicher als zeitlos gültige, religiöse (Satz-)Wahrheit denkt, verbunden. Durch das Gleichnis werde die „Sache“ verständlich und deutlich, eine Interpretation des in sich klaren Gleichnisses sei nicht nötig, ja verbiete sich. Die Allegorie hingegen arbeite mit deutungsbedürftigen Metaphern und sei ohne Interpretation, ohne Decodierung unverständlich. In den letzten Jahrzehnten, und maßgeblich von Klauck unterstützt, wurde die Bestimmung der Allegorie als literarischer Gattung in Frage gestellt.
7 Inst.Orat. VIII 6,49: „Illud vero longe speciosissimum genus orationis, in quo trium permixta est ratia, similitudinis, allegoriae, translationis.“
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Klauck weist nach, dass Jülichers Allegoriebegriff der Homerschen Mythenexegese entstammt, die sich durch Esoterik, Personifikationen und erzählerische Brüche auszeichnet.8 Dieser Allegoriebegriff wurde durch die Literaturwissenschaft des 20. Jahrhunderts überwunden. Seither ist ein weiterer Allegoriebegriff leitend, der in „Allegorie“ keine literarisch abgrenzbare Gattung, sondern ein Gestaltungsmerkmal verschiedenster literarischer Formen erkennt.9 „Allegorisch“ können demnach Romane ebenso sein wie Gedichte, Fabeln, ja sogar Werke der bildenden Kunst und der Musik. „Allegorisch“ bezeichnet dabei das Charakteristikum eines literarischen oder nicht-literarischen Werkes, auf eine Referenzebene außerhalb des „eigentlich“ Erzählten bzw. Dargestellten hinzuweisen.10 „Allegorisch“ sind in diesem Sinne alle Kunstwerke, die über sich selbst hinaus auf (mindestens) eine weitere Sinnebene verweisen. Das Gestaltungsmittel des Allegorischen baut auf der Analogie zwischen der Welt des Erzählten und der referenzierten, außertextlichen Sinnebene auf und dient dem Zweck, die Wirklichkeit zu deuten, sie neu verstehen zu lassen. Es ist von daher Renate Banschbach Eggen zuzustimmen, dass der Begriff „Allegorie“ in der Gleichnisdiskussion allenfalls missverständlich und daher zu suspendieren ist.11
4. Neubestimmung des Verhältnisses von Allegorie und Parabel Mit dieser Neubestimmung von „Allegorie“ – ich spreche der Exaktheit wegen lieber vom „Allegorischen“ oder „allegorischen Elementen“ – als Gestaltungsmittel literarischer und nichtliterarischer Werke verliert die formkritische Opposition von Gleichnis und Allegorie ihre Grundlage.12 Die li8
Klauck, Allegorie und Allegorese (s. Anm. 2), 45 ff. Dazu A. Fletcher, Allegory. The Theory of a Symbolic Mode, Ithaca 31967, 8: „The main point is surely that in discussing literature generally we must be ready to discern in almost any work at least a small degree of allegory.“ – Zur Kritik der „klassischen“ Gattungsmerkmale von Allegorie vgl. Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 1), 88–90. – Ebenfalls erfüllt die Allegorie nach K. Berger, Hellenistische Gattungen im Neuen Testament, ANRW II 25/2 (1984), 1031–1432, 1038 ff., wesentliche Merkmale einer Gattung nicht. Vor allem lasse sie sich nicht klar von den Nachbargattungen abgrenzen. 10 Vgl. Klaucks Definition in ders., Allegorie und Allegorese (s. Anm. 2), 354: Allegorie ist „eine rhetorische und poetische Verfahrensweise, die zu den wenigen grundlegenden Modi zählt, die bei der Textproduktion angewandt werden können. Sie konstituiert selbst keine Gattung, sondern geht mit den verschiedensten Gattungen, nicht zuletzt mit parabolischen Kleinformen wie Gleichnis und Fabel, eine mehr oder minder enge Verbindung ein. Ihr Effekt besteht darin, daß sie den Texten eine symbolische Dimension verleiht.“ 11 Vgl. Anm. 1 und 3. 12 Mit Klauck, Allegorie und Allegorese (s. Anm. 2), 135. Eine eigene Kritik an der Gegenüberstellung bringt D.P. Parris, Imitating the Parables. Allegory, Narrative and the Role of Mimesis, JSNT 25/1 (2002), 33–53, vor: Eine Parabel eröffnet immer mehrere Lektüremöglichkeiten – als reine Erzählung oder als „Allegorie“, je nach Vorverständnis des Lesers. 9
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teraturwissenschaftliche Neubewertung der Metapher hat zudem erbracht, dass Gleichnisse durchaus mit Metaphern arbeiten13 und allegorische Erzählelemente beinhalten, die ihren gleichnishaften Charakter unterstreichen. Zu diesen Elementen gehören neben Metaphern auch Extravaganzen, die den Rahmen einer realistischen Erzählung sprengen und eine Enttäuschung der Lesererwartung bewirken. Weiterhin fallen zeitgeschichtliche Anspielungen innerhalb der Erzählung und Lesehinweise in der Einleitung oder am Schluss der Parabel (Weckruf, ethische Anwendung) unter diese Kategorie. Schließlich sind konventionalisierte Bildfelder und religiöse termini technici, die beim kundigen Leser einen religiösen Sinnkontext wachrufen, zu diesen Elementen zu zählen. Per se gibt es keinen Grund, diese Erzähltechnik Jesus abzusprechen, im Gegenteil: Die Verkündigung der Gottesherrschaft verlangt nach einer Sprachform, die als „Sprungbrett“ des Verstehens der transzendenten Wirklichkeit Gottes dienen kann, die mittels Vergleich und Metapher diese Wirklichkeit mit der Wirklichkeit des Menschen analogisiert. Durch das Mittel des Allegorischen wird die in den Gleichnissen geschilderte Welt des menschlichen Alltags transparent auf Gottes Art, seine Herrschaft zu etablieren, und umgekehrt wird Gottes Herrschaft in ihrer Menschlichkeit und Weltlichkeit erfassbar. In der Analogie zwischen beiden Bereichen liegt zugleich der Schlüssel für die Decodierung der Gleichnisbotschaft.14 Im Unterschied zur Metapher kann die Parabel als Erzählung aber nicht nur Analogien, sondern auch Unterschiede zwischen Welterfahrung und Gottesherrschaft entfalten. Die Analogie zwischen erzählter und referenzierter, außersprachlicher Welt eröffnet zum einen die Möglichkeit, das Außersprachliche überhaupt in den Kategorien sprachlicher Wirklichkeit auszudrücken und damit menschlicher Erkenntnis zugänglich zu machen. Zum anderen verbietet es die analoge Struktur, Gleichnis, Metapher und „Allegorie“ nach dem Substitutionsmodell zu behandeln: Die Gottesherrschaft in ihrer Dynamik, in ihrer Bezogenheit auf Geschichte und Geschichten, ist nicht abstrakt, sondern ausschließlich erfassbar in allegorisch bzw. metaphorisch angelegten Sprachformen.15 Die Dynamik bedingt außerdem, dass es nicht nur eine einzige legitime und mögliche Analogie zwischen Gesagtem und Gemeintem, sondern prinzipiell viele Analogien gibt, die von den Rezipienten eines Gleichnisses, 13 Diese Erkenntnis ist an sich nicht neu, führte aber zur Unterscheidung von Metaphern mit und ohne verhüllende Funktion: F. Hauck, Art. , ThWNT V (1954), 741–759, 749; H. Weder, Die Gleichnisse Jesu als Metaphern. Traditions- und redaktionsgeschichtliche Analysen und Interpretationen, FRLANT 120, Göttingen 1978, 70. 14 Die Rätselrede als Extremfall des Allegorischen kommt im Neuen Testament nicht vor. Jedes Gleichnis beinhaltet Hinweise – auf der Bildebene, in der Einleitung, Anwendung oder durch Einbettung in den Makrokontext des Evangeliums – auf seine Referenzebene und damit den Schlüssel zu seiner „Decodierung“. 15 „Zwischen gesagtem und gemeintem Begriff besteht eine Analogie“ (G. Sellin, Die Allegorese und die Anfänge der Schriftauslegung, in: H. Graf Reventlow (Hg.), Theologische Probleme der Septuaginta und der hellenistischen Hermeneutik, Gütersloh 1997, 91–132, 95).
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entsprechend ihrer je eigenen Welterfahrung, zu erschließen sind. Die Gleichnisse erweisen ihren bleibenden Sinnüberschuss darin, dass sie die Dynamik der Gottesherrschaft immer neu mit der dynamischen Welt des menschlichen Alltags in Beziehung setzen können. Fazit: Parabeln sind literarische Formen, die mittels allegorischer Elemente auf eine außersprachliche Sinnebene verweisen. Ohne solche Verweiselemente verliert eine Parabel ihre bildhafte Struktur. Es ist Aufgabe des Exegeten, die Verweiselemente historisch-kritisch zu rekonstruieren, um so die Parabel als Element der Botschaft Jesu und der frühen Christen in ihrem innovativen, aufbauenden, aber auch ideologiekritischen und provokativen Potenzial erkennbar zu machen.
5. Zum Phänomen der Allegorisierung Offen ist bisher die Frage geblieben, wie das Phänomen einer nachträglichen Allegorisierung, sprich: Anreicherung eines Textes mit allegorischen Verweiselementen, zu beurteilen ist. Es soll nicht in Abrede gestellt werden, dass bestimmte Texte – nicht nur Parabeln, sondern z.B. auch Wundergeschichten16 – im Verlaufe ihrer mündlichen Überlieferung bis hin zur Verschriftlichung eine allegorisierende Re-Lektüre erfahren haben. Historische Erfahrungen und Ereignisse wirkten auf das Verständnis von Erzählungen zurück und stellten sie in einen neuen, ursprünglich so nicht absehbaren Referenzrahmen. Solange die Texte nicht kanonisch und damit semantisch unveränderbar waren, konnten solche neuen Referenzen direkt in die Erzählungen einfließen, etwa in Form zeitgeschichtlicher Anspielungen oder in Form verstärkter Analogisierung zwischen Erzählwelt und Referenzebene.17 Diese exegetische Beobachtung wirft zwei Fragestellungen auf: Zum einen die nach den historischen Umformungsprozessen und nach der „Urgestalt“ der Gleichnisse, zum anderen die nach der hermeneutischen Bewertung solcher Prozesse. Die Beantwortung der ersten Fragestellung ist äußerst hypothesenbehaftet, da die vermeintliche „Urgestalt“ der Texte einem bestimmten Jesusbild entspricht oder dogmatischen Vorgaben folgt. So setzt etwa die Bestimmung von Mt 22,7 als allegorisierendes Element ex eventu voraus, dass Jesus zu solchen Prophezeiungen nicht in der Lage war. Aussagen, die auf eine Verzögerung der Parusie hinweisen, werden im Allgemeinen der nachösterlichen Gemeinde zugeschrieben.18 Das zugrunde liegende Postulat, dass Jesus 16
Klauck, Allegorie und Allegorese (s. Anm. 2), 340–354. Klassisches Beispiel für letztere Tendenz ist die Umkehrung der Reihenfolge töten – hinauswerfen in den mt und lk Varianten des Gleichnisses von den bösen Winzern Mk 12,1–12. 18 Vgl. dazu K. Erlemann, Naherwartung und Parusieverzögerung im Neuen Testament. Ein Beitrag zur Frage religiöser Zeiterfahrung, TANZ 17, Tübingen 1995. 17
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selbst solche Erfahrungen nicht vorweg genommen haben könnte, ist indes nicht zu beweisen. Somit bewegt man sich in dieser Frage in einem Zirkel, so dass, bis auf wenige Ausnahmen, wie die genannte in Mk 12,1–12 parr., hier keine Sicherheit zu gewinnen ist. Das bedeutet umgekehrt, dass Jesus allegorisierende Elemente nicht per se abzusprechen sind. Selbst die Allegoresen in Mt 13 könnten, ein entsprechendes Jesusbild vorausgesetzt, auf Jesus zurückgehen. Die hermeneutische Bewertung von Allegorisierung fällt, sofern der „Urgestalt“ eines Textes der hermeneutische Primat zugesprochen wird, negativ aus. Was als sekundär erachtet wird, wird hermeneutisch „ausgeschieden“. Das ist aus mehreren Gründen fragwürdig: Zuerst ist eine Entscheidung über ursprünglich und sekundär aus den genannten Gründen oft gar nicht sicher möglich. Sodann fußt diese Bewertung auf dem nicht verifizierbaren Postulat einer allegoriefreien „Urgestalt“ der Texte.19 Dagegen ist zu halten, dass jede Erzählung, jeder Vorgang, egal ob mündlich oder schriftlich überliefert, schon allein durch den Bezug auf Jesus als Verkünder der Gottesherrschaft oder als Wundertäter eine transzendierende Deutung provoziert: Was Jesus sagt und tut, hat potenziell über das äußerlich erfahrbare Geschehen bzw. über die wörtliche Sinnebene hinaus eine religiöse Dimension, die erschlossen werden will. Das Hinzutreten allegorischer Elemente liegt im Gefälle dieser Erfahrung. Sofern Jesus selbst allegorisiert haben sollte, unterstützte er damit diese Tendenz, sofern spätere Tradenten dies getan haben, bestätigten sie damit die religiöse Legitimität Jesu. In jedem Falle wird durch solche Allegorisierungen das Verständnis des Erzählten und Erlebten modellhaft determiniert (vgl. beispielhaft die Allegoresen in Mt 13 oder die Brotrede als Deutung des Speisungswunders in Joh 6). Das schließt nicht aus, dass die Erzählung und das wunderhafte Geschehen noch andere Sinnebenen freisetzen können, die sich dann in einem Spannungsverhältnis zum ursprünglichen Verstehensmodell befinden. Fazit: Allegorisierung ist ein natürlicher Prozess gerade bei Texten und Geschehnissen, deren religiöser Kontext anerkannt ist. Allegorisierende Lektüre trägt diesem religiösen Kontext Rechnung und ist grundsätzlich sachgemäß. Allegorisierung ist außerdem der Versuch, das Erlebte auf den weiteren Kontext des Wirkens Jesu oder auf die aktuelle Situation zu beziehen. Allerdings determiniert die Allegorisierung das Verstehensspektrum, was für die aktuelle Situation hermeneutisch angebracht ist, aber keine Festlegung für alle Zeiten bedeuten muss.20 Offen ist die Frage, ob Allegorisierungen auch jenseits der historisch authentischen Modelle des Neuen Testaments legitim sind bzw. ob man Grenzen legitimer Allegorisierung benennen kann. 19 Vgl. W. Harnisch, Die Gleichniserzählungen Jesu. Eine hermeneutische Einführung, UTB 1343, Göttingen 1985. 20 Die Interpretation von Parabeln ist prinzipiell unabgeschlossen, eine Parabel lässt mehrere Lektüreformen zu (Sellin, Allegorese [s. Anm. 15], 98).
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Damit sind wir bei der methodischen und hermeneutischen Bewertung der Allegorese als Auslegungsverfahren.
6. Allegorese – ein legitimes Auslegungsverfahren religiöser Texte? Die Allegorese gilt seit Jülichers Bahn brechendem Werk als kategoriale Fehlinterpretation biblischer Texte. Die moderne historisch-kritische Methode zielt darauf ab, den Verstehenshorizont von Autor und Erstadressaten zu rekonstruieren, um so ein kritisches Gegengewicht zum subjektiven Vorverständnis des Auslegers zu gewinnen. Der Willkür allegoretischer Stichwortassoziationen wird damit ebenso entgegengewirkt wie der Vereinnahmung der Texte durch die Dogmatik.21 Dem Primärsinn biblischer Texte kommt ein hermeneutischer Primat vor allen späteren Deutungen zu, die, geleitet von einem inspirierten Schriftverständnis, intertextuelle Bezüge zwischen den unterschiedlichsten Texten herstellen, selbst wenn sie augenscheinlich dem Autor selbst verborgen waren.22 Die Allegorese als Auslegungsverfahren hat eine lange Tradition und wird bereits bei Philo von Alexandrien im großen Stil eingesetzt.23 Das Neue Testament liest die Schriften des Alten Testaments als allegorische Hinweise auf Jesus Christus (christologische Schriftauslegung) bzw. auf theologische Sachzusammenhänge, die vom Literalsinn der Texte nicht abgedeckt sind (Beispiel: Gal 4,21–31, allegorische Deutung von Hagar und Sara auf den alten und neuen Bund). Die Allegorese als Auslegungsverfahren erscheint vor diesem Hintergrund durchaus traditionsreich und legitimiert. Sie steht und fällt freilich mit der Annahme, dass der Heilige Geist Autor der Schriften ist und die Ausleger bei der rechten Auslegung leitet (2 Tim 3,16; 2 Petr 1,20 f.). Stammen die Schriften alle aus einer Hand, so sind Querbezüge wie Verknüpfungen in einem großen Teppich nicht nur Ergebnis von exegetischer Phantasie, son21 Dieses Argument spricht nach P. Stuhlmacher, Vom Verstehen des Neuen Testaments. Eine Hermeneutik, NTD .E 6, Göttingen 21986, 93, für die Unwiederholbarkeit der Allegorese. 22 Der Strukturalismus hat darauf aufmerksam gemacht, dass jeder Text Ober- und Untertöne hat, die vom Autor selbst nicht bewusst angelegt sind, die aber ihre Wirkung entfalten können und müssen (Sellin, Allegorese [s. Anm. 15], 98). 23 Dazu G. Sellin, Art. Allegorese, Typologie, Midrasch, in: K. Erlemann u.a. (Hgg.), Neues Testament und Antike Kultur. Bd. I: Prolegomena – Quellen – Geschichte, Neukirchen-Vluyn 2004, 68–71; weiter E. Reinmuth, Wunderbare Geburten. Zur Allegorese biblischer Erzählinhalte bei Philo von Alexandrien, in: W. Kraus / K.-W. Niebuhr (Hgg.), Frühjudentum und Neues Testament im Horizont Biblischer Theologie, WUNT 162, Tübingen 2003, 80–95, 94. Reinmuth unterscheidet für Philo deutlich zwischen Mythos und Allegorese. Allegoresen werden als „narrative Gestalten des tatsächlichen Geschehens, das der Text repräsentiert“ definiert.
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dern vom Geist als Autor der Schriften sogar bewusst erstellt, und es gilt, sie herauszuarbeiten. Es ist evident, dass ohne die Allegorese die Theorie vom mehrfachen Schriftsinn (Origenes, Augustin) nicht zu denken ist und dass sie, gerade im Hinblick auf schwierige Texte, ein ideales Mittel ist, den Texten eine symbolische Dimension abzugewinnen, die sich hermeneutisch auswerten lässt.24 Was die Inspirationslehre als hermeneutische Grundlage der Allegorese anbelangt, möchte ich folgende Gedanken ausführen: Inspiration ist nicht per se zu verbinden mit zeit- und geschichtsloser Wahrheit, das gilt allenfalls für das Modell der Verbalinspiration, die im historischen Autor das Medium des pneumatischen Schreibvorgangs sieht. In diesem Falle spielen in der Tat die historischen Umstände, die Verstehensvoraussetzungen und das theologische Denken des historischen Autors keine Rolle. Anders ist das bei einem weiteren Begriff von Inspiration, den ich hier favorisieren möchte: „Inspiration“ meint die Gabe des Heiligen Geistes, zur rechten Zeit und am rechten Ort das Richtige, d.h. das helfende, Heil schaffende Wort zu sagen bzw. zu schreiben.25 Schriften sind dann inspiriert und inspirierend, wenn sie in bestimmten historischen Situationen helfen, Orientierung geben, Wahrheit evident werden lassen. Inspiration in diesem Sinne ist nicht von der historischen Situation zu entkoppeln, im Gegenteil: Der Heilige Geist wirkt nach diesem Modell in konkreten geschichtlichen Zusammenhängen, immer da, wo ein Prophet, Evangelist oder Apostel den richtigen Ton trifft, um konkrete Frage- und Problemstellungen seiner Klientel Heil fördernd zu klären. Es darf als Hinweis auf die besondere Inspiriertheit von Texten und ihrer (historischen) Autoren gelten, wenn sie nicht nur in die konkrete Situation hinein, sondern über sie hinaus für immer neue Situationen hilfreich und Heil schaffend wirken. Die Gleichnisse mit ihrem bleibenden Sinnüberschuss sind in diesem Sinne der Ausweis von Jesu exklusiver Geistbegabung. Bei diesem Verständnis von „Inspiration“ bleibt die Rekonstruktion der Entstehungssituation eines biblischen Textes notwendig und legitim. Die Intention des Autors und die Verstehensvoraussetzungen seiner Adressaten sind historische Manifestationen inspirierten Redens und Schreibens. Die Entstehungssituation der biblischen Texte zu rekonstruieren heißt, konkrethistorische Inspiration nachzeichnen und würdigen zu lernen. Die inspirierte Art und Weise, in der die biblischen Autoren ihre Botschaft formulierten, ist außerdem ein authentisches Modell für heutiges, Heil schaffendes, Wahrheit evident machendes, sprich: inspiriertes Neuformulieren des Evangeliums.26 24
M. Reiser, Hat die spirituelle Exegese eine eigene Methode?, GuL 77 (1984), 430–443. Mit K. Berger, Hermeneutik des Neuen Testaments, UTB 2035, Tübingen / Basel 1999, 113–156. 26 Berger, Hermeneutik (s. Anm. 25), 156. 25
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Ein weiterer Gewinn lässt sich aus diesem Verständnis von Inspiration ziehen: „Wort Gottes“ ist nicht identisch mit dem Buchstaben der kanonischen Schriften. Somit muss nicht jedem Buchstaben, nicht jeder Aussage, nicht jedem Text zu jeder Zeit Anspruch auf Verständlichkeit und Wahrheit zugeschrieben werden. Schwer verständliche Passagen müssen nicht allegoretisch auf einen symbolischen Sinn hin abgeklopft werden. Die biblischen Texte dürfen einer hermeneutischen Kritik, die die historischen Verstehensbedingungen in Anschlag bringt, unterzogen werden. Fazit: Die Frage der Legitimität von Allegorese ist eine Frage des Schriftverständnisses und der Erkenntnis leitenden Interessen: Halte ich die biblischen Schriften für verbalinspiriert, gibt es zu wörtlichem und allegoretischem Verständnis keine Alternative. Setze ich eine historisch sich vollziehende Inspiration voraus, bietet die historisch-kritisch arbeitende Exegese das Instrumentarium, authentische Modelle für eine hermeneutisch angemessene und immer wieder neu Heil fördernde Reformulierung des Evangeliums zu gewinnen. Gilt mein Interesse dem Bestreben, die als zeitlos erachtete Wahrheit des Gotteswortes in ihrer bleibenden Aktualität zu reklamieren, werde ich auf historisches Arbeiten verzichten und mich an dem orientieren, was „schon immer“ im Sinne der regula fidei als wörtlicher oder symbolischer Sinn der Texte gegolten hat.27 Ist es mein Bestreben, das als historisch geworden erachtete Evangelium hermeneutisch verantwortet immer wieder neu zur Sprache zu bringen, werde ich den „garstigen Graben“ der Geschichte respektieren und nach den authentischen Modellen, Heil schaffende Wahrheit zu formulieren, suchen.
7. Konsequenzen Jülichers Verdikt gegen das Allegorische trifft nur einen Teil des Gesamtphänomens. Allegorische Elemente gehören zu jeder Parabel dazu. Das macht sie nicht zu einer esoterischen Sprachform, sofern der Schlüssel zum Verständnis mitgeliefert wird. Bis auf die Rätselrede als Extremfall eines allegorisch durchsetzten Textes sind Verständnishilfen in Form von Verweiselementen, die von Autor und Adressaten als solche erkannt werden, vorhanden. Allegorisierung als Prozess allegorischer Anreicherung eines Textes oder Geschehens ist ein natürlicher Vorgang hermeneutischer Anwendung und kann schon von Jesus selbst vorgenommen worden sein. Ursprünglicher Text und nachträgliche Allegorisierungen lassen sich in der Regel nicht trennscharf bestimmen (Gefahr des Zirkelschlusses). Wo dennoch Allegorisierungen im Neuen Testament erkennbar sind, bieten sie ein authentisches Modell her27 So das Programm spiritueller Exegese unter anderem bei Reiser, Spirituelle Exegese (s. Anm. 24). Weiter R.L. Wilken, In Defense of Allegory, MoTh 14 (1998), 197–212, und G. Keith, Can Anything Good Come out of Allegory?, EvQ 70 (1998), 23–49.
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meneutischer Aneignung dar, dem aber kein Monopolanspruch zukommt. Allegorese als Auslegungsverfahren der gesamtbiblischen Kontextualisierung eines Textes, ohne dass die intertextuellen Bezüge im Gefälle des Textes selbst liegen, folgt dem Modell der Verbalinspiration, das die biblischen Texte als Netzwerk des Heiligen Geistes versteht. Alle Texte sind demnach Gotteswort mit zeitlos gültiger Wahrheit. Durch Allegorese gelingt eine Integration auch schwieriger Texte in den Verstehensrahmen der regula fidei. Eine historisch gedachte Inspirationslehre verzichtet auf Allegorese und fragt mit den Mitteln historisch-kritischer Methode nach authentischen Modellen inspirierter Rede bzw. Textproduktion, um sie hermeneutisch fruchtbar zu machen. Allegorese hat allerdings dort ihre bleibende Legitimität, wo biblische Texte für den Zweck der Auferbauung und Kontemplation assoziativ aufeinander bezogen werden.28 In einem weiteren Sinne ist auch christologische und typologische Exegese der Allegorese zuzuordnen. So betrachtet, gehen ohne Allegorese wichtige Verstehensmöglichkeiten verloren. Allerdings finden diese Lektüreformen in der historischen Kritik, die die Texte in ihrer Unterschiedlichkeit und in ihrem ursprünglichen Verstehenskontext wahrnimmt, ihr kritisches Korrektiv.29 Mit Blick auf die Gleichnisinterpretation heißt die Konsequenz für historisch-kritisches Arbeiten, die Verweiselemente zu rekonstruieren, um so der „Technik“ der Gleichnisrede und den primären Verstehensbedingungen auf die Spur zu kommen. Von den Verweiselementen sind rein illustrative Bildelemente, die nicht der Pointe dienen, zu unterscheiden. Prinzipiell ist von mehreren tertia comparationis zwischen Bild und „Sache“ auszugehen, die ihrerseits auf die eine Pointe bezogen sind. – Mit Blick auf das Jesusbild ist zu fragen, ob das Spiel mit allegorischen Verweiselementen nicht originär Jesus zuzusprechen ist.30 Gleichnisse dienen nach Mk 4,10–12 der Unterscheidung zwischen Insidern und Outsidern, das Verstehen der Gleichnisrede resultiert nicht aus der „allegoriefreien“ Art der Parabeln, sondern aus der Akzeptanz Jesu und seiner Botschaft.31 Gegen die Gefahr willkürlich verfahrender Allegorese, der Absolutsetzung des eigenen Vorverständnisses und gegen die Gefahr dogmatischer Vereinnahmung gleichnishafter Texte hat die historisch-kritische Methode den ursprünglichen Verstehenskontext, die prinzipielle Fremdheit der Texte sowie 28 Mit O. Wischmeyer, Hermeneutik des Neuen Testaments. Ein Lehrbuch, NET 8, Tübingen / Basel 2004, 206. 29 Unter dieser Rahmenbedingung ist Sellin, Allegorese (s. Anm. 15), 132, zuzustimmen, wenn er resümiert: „Die Allegorese ist eine Lektüremethode, die aus dem ständigen Mehrwert der Texte Gewinn für die Gegenwart schöpft.“ 30 Ausführlich dazu D. Flusser, Die rabbinischen Gleichnisse und der Gleichniserzähler Jesus. Teil 1: Das Wesen der Gleichnisse, JudChr 4, Bern u.a. 1981, 161–163. 31 Die Tatsache, dass Gleichnisse gedeutet werden müssen, ist kein Indiz für Esoterik, sondern Ausdruck dafür, „daß die ‚Wahrheit‘, um die es hier geht, nicht frei verfügbar und unverbindlich ist“ (Berger, Hellenistische Gattungen [s. Anm. 9], 1116).
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authentische Modelle der Aneignung herauszuarbeiten. Es ist das bleibende Verdienst Adolf Jülichers, auf dieser Notwendigkeit insistiert zu haben, auch wenn im Gefolge weiterer Reflexion mancher Aspekt seiner Gleichnistheorie heute überholt erscheinen mag.32
32 Weiter dazu vgl. K. Erlemann, Adolf Jülicher in der Gleichnisforschung des 20. Jahrhunderts, in: U. Mell (Hg.), Die Gleichnisreden Jesu 1899–1999. Beiträge zum Dialog mit Adolf Jülicher, BZNW 103, Berlin / New York 1999, 5–37.
Didaktik der Bilder Allegorie und Allegorese am Beispiel von Mk 4,3–201 Annette Weissenrieder Eine Untersuchung über Allegorie und Allegorese im Urchristentum unternehmen zu wollen, muss zunächst als seltsames Unterfangen erscheinen – denn wie sollte man etwas untersuchen, das es nach allgemeiner Auffassung in der Sprachwelt des historischen Jesus, die sich in den synoptischen Evangelien niedergeschlagen hat, nicht gebe. Dem Diktum von A. Jülicher „[…] die Allegorie, die nicht verkündigt, sondern verhüllt, die nicht offenbart, sondern verschliesst, die nicht verbindet, sondern trennt, die nicht überredet, sondern zurückweist, diese Redeform konnte der klarste, der gewaltigste, der schlichteste aller Redner für seine Zwecke nicht gebrauchen,“2 scheinen sich jedenfalls auch heute noch eine Mehrzahl der Exegeten anzuschließen.3 Die in der Sprachwelt des historischen Jesus verwendeten Bilder orientierten sich, so der allgemeine Konsens, an den Realia von Judäa und Syrien. Diese Bilder sind dementsprechend auch den einfachen Bevölkerungsschichten sofort eingängig. Vor allem zwei Aspekte, die sich einander ergänzen, mögen für die Diskussion grundlegend sein: Zum einen führte der Konflikt zwischen Wertungen, nämlich der Normativität des Urchristentums und der Verachtung der „mysteriösen Allegorie“4 als Kunstform in der Exegese zu Versuchen dazu, 1 Prof. Dr. Ruben Zimmermann sei herzlich für die Möglichkeit der Publikation wie die rege Diskussion und die weiterführenden Literaturhinweise gedankt. 2 A. Jülicher, Die Gleichnisreden Jesu, Teile I–II, Tübingen 1910 (= Nachdr. Darmstadt 1969), I, 118. Vgl. außerdem U. Mell (Hg.), Die Gleichnisreden Jesu 1899–1999. Beiträge zum Dialog mit Adolf Jülicher, BZNW 103, Berlin / New York 1999. Vgl. aber schon Quintilian, der gerade verneint, dass die Bildung dessen, der Allegorie und Allegorese bildet, ausschlaggebend sei: Ceterum allegoria parvis quoque ingeniis et cotidiano sermoni frequentissime servit. (Quint. Inst. Orat. 8.6.51 „Again, Allegory is often put to use by men of no great talent and in everyday speech.“ [LCL, J. Henderson]) 3 Hilfreich für eine allgemeine Allegoriediskussion R. Hahn, Die Allegorie in der antiken Rhetorik, Diss., Tübingen 1967, bes. 15–34. Instruktiv ist auch K. Erlemanns Buch: Gleichnisauslegung. Ein Lehr- und Arbeitsbuch, UTB 2093, Tübingen / Basel 1999, und ders., Wohin steuert die Gleichnisforschung, ZNT 3 (1999), 2–10. 4 H.-J. Klauck, Allegorie und Allegorese in synoptischen Gleichnistexten, NTA N.F. 13, Münster 21986, 259. „Die Allegoriefeindlichkeit, der die Gleichnisexegese im Banne Jülichers verfallen ist, läßt sich forschungsgeschichtlich sehr genau als Relikt der ‚allgemeinen Ver-
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die allegorischen Ausdrucksweisen zu negieren. Zum anderen behauptet man eine Art „Verfallsgeschichte“ des Textes im Laufe des Prozesses der Verschriftlichung, die durch ein erst allmähliches Voranschreiten zur Allegorie, besonders auch durch die Allegorese bedingt sei.5 Diese Vermutung führt in der exegetischen Literatur zur Rekonstruktion des originalen Grundbestandes der Parabel,6 die zudem auf den historischen Jesus zurückgeht, aber mit Blick auf Mk 4,3–20 zu einer Geringschätzung der Allegorese beiträgt (Mk 4,13–20). Die Didaktik der Bilder in dem Gleichnis sei, so sind zahlreiche Stimmen seit Jülicher zu hören, an der offensichtlichen und bäuerlich einfachen Bilderwelt der Realia des Landes orientiert. Die Didaktik der Bilder in der Allegorese wird aber dabei in der Regel nicht mit bedacht. Fraglich ist, ob sich nicht diese bäuerliche einfache Bilderwelt stark an unseren Vorstellungen von Judäa und Syrien orientiert. So haben wir beispielsweise ein breites Wissen darüber, wie die Landwirtschaft Palästinas zur Zeit Jesu organisiert war, so dass wir die möglicherweise vordergründigen landwirtschaftlichen Aussagen in den synoptischen Evangelien als Angaben über die Realia des Landes hören, weil wir diese noch in unsere eigene Enzyklopädie übertragen können. Die Folge ist eine Metaphernabwertung für Mk 4,13–20. Als zwei weiterführende und instruktive Ansätze, die ein didaktisches Potential auch für Mk 4,13–20 annehmen und zu einer Metapherneubewertung kommen, sind die Allegorie- und Allegoresedefinition von H.-J. Klauck zu nennen und die Bildfeldtheorie von H. Weinrich, die von P. von Gemünden weitergeführt wird. Beide Ansätze werden im Folgenden kurz skizziert.
ketzerung‘ (H.G. Gadamer) der Allegorie in der Ästhetik des 19. Jh. bestimmen.“ (Klauck, a.a.O., 355). 5 Eine Ausnahmeerscheinung stellt die Exegese rabbinischer Texte, der sog. meshalim, dar, die in der Regel als allegorische Texte gedeutet werden. Als einer der Hauptvertreter gilt D. Flusser, der in seinem Buch: Die rabbinischen Gleichnisse und der Gleichniserzähler Jesus I: Das Wesen der Gleichnisse, Bern / Frankfurt a.M. 1981, die Bilder der Gleichnisse als „pseudorealistisch“ (35) deutet: Sie täuschen nur vor, im Alltag verortet zu sein, haben aber eigentlich eine traditionelle allegorische Bedeutung. Die Gleichniserzählungen sind demnach als literarische Kunstprodukte zu bewerten. David Stern führt Flussers Ansatz weiter; vgl. D. Stern, Jesus’ Parables from the Perspective of Rabbinic Literature. The Example of the Wicked Husbandmen, in: C. Thoma / M. Wyschogrod (Hgg.), Parable and Story in Judaism and Christianity, New York / Mahawah 1989, 42–80; ders., Rhetoric and Midrash. The Case of the Mashal, Prooftexts 1 (1981), 261–291; ders., Parables in Midrash. Narrative and Exegesis in Rabbinic Literature, Cambridge, Mass. / London 1991; ders., Imitatio Hominis. Anthropomorphism and the Character(s) of God in Rabbinic Literature, Prooftexts 12 (1992), 151–174. Stern betont, dass sich jüdische Gleichnisse aus einer Erzählung mit impliziter Botschaft und dem nimshal – der allegorischen Anwendung – konstituieren. Die Rabbis gestalten die Midraschim vor dem Hintergrund der Realia um. In diesem Sinne sind die meshalim fiktive und gleichzeitig reale Erzählungen. L. Schottroff, Die Gleichnisse Jesu, Gütersloh 2005; Schottroff greift mit ihrem Beitrag „Die sozialgeschichtliche Gleichnisauslegung“ (in diesem Band) die Ansätze rabbinischer Exegese auf und vertieft diese sozialgeschichtlich. 6 Zur Einordnung als Parabel vgl. Klauck, Allegorie und Allegorese (s. Anm. 4), 191.
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1. Die Didaktik der Bilder in der Allegorese. Die Ansätze von H.-J. Klauck und P. von Gemünden Es ist das Verdienst von H.-J. Klauck, der mit seinem Buch Allegorie und Allegorese in synoptischen Gleichnistexten von 1984 eine konzise Annäherung an das Thema Allegorie wagt, das eine breite Rezeption in der exegetischen Literatur erfahren hat, allerdings – soweit ich das sehen kann – ohne dass sein Ansatz wesentlich weitergeführt wurde. Grundlegend ist für ihn eine Binnendifferenzierung von Allegorie, Allegorese und Allegorisierung: Allegorie wird als kreativer Prozess der Verbildlichung und Vermittlung von in der Regel nicht-sinnlichen Inhalten gedeutet, die sich in besonderer Weise aus Metaphern konstituieren; Allegorese wird als hermeneutisches Verfahren angesehen, als allegorische Exegese eines Textes, der an sich nicht allegorisch gemeint war.7 Am Beispiel von Mk 4,3–8.13–20 bedeutet diese Binnendifferenzierung, dass die Sämannsparabel in der Reich-Gottes-Botschaft Jesu verortet wird, die durch mündliche Tradition im Sinne der Allegorisierung ausgemalt wurde. Die Deutung, die als Allegorese eines eigentlich nicht allegorischen Textes plausibel gemacht wird, konkretisiert die Parabel dann für die Gegenwart der Hörer / innen.8 Diese Konkretisierung – besonders in den nichtbildlichen Begriffen – liege in der Annahme der Verkündigung trotz gegenwärtiger Not gläubiger Existenz begründet. Die Reich-Gottes-Botschaft Jesu trete dementsprechend zurück. Schon anhand Klaucks Analyse der griechisch-römischen Literatur zeigt sich, was dann auch in der Exegese der neutestamentlichen Texte klar hervortritt: Zahlreiche Anspielungen auf Realia und zeitgeschichtliche Aspekte durchwirken diese Texte. Diese Anspielungen werden in Bezug auf Mk 4,3–20 jedoch kaum für die Bestimmung der Allegorese fruchtbar gemacht als vielmehr für die Parabel. Für den Hörerbezug in Mk 4,3–8 ist es zentral, „daß die Widerstände, die dem Wachstum im Wege stehen, aus realen Verhältnissen zu belegen sind“9. Ebenso wie für die Parabel wird auch für die Allegorese das Wortfeld bestimmt. Unklar bleibt jedoch der Bezug zwischen Saatmetaphorik einerseits und den Hinweisen auf Nachstellungen und Anfeindungen andererseits. Indem die Allegorese nicht auf die Parabel bezogen gedeutet wird, bleibt die Allegorese somit immer nachgeordnet. Eine Allegorese ohne Parabel muss jedoch beziehungslos erscheinen und umgekehrt: Eine Parabel ohne die Allegorese lässt an Aktualität für die Hö7 Mit Allegorisierung ist dann schließlich die nachträgliche Überarbeitung eines an sich nicht allegorischen Textes gemeint, der zuvor schon allegorische Textelemente erkennen ließ. Die Allegorisierung verbleibt streng innerhalb der Bildwelt der Metapher. Vgl. Klauck, Allegorie und Allegorese (s. Anm. 4), 190. 8 Klauck, Allegorie und Allegorese (s. Anm. 4), 202–206. 9 Klauck, Allegorie und Allegorese (s. Anm. 4), 190.
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rerinnen und Hörer vermissen. Offen bleibt an dieser Stelle das hermeneutische Verfahren der Allegorese. Wie können wir das Verfahren der Allegorese hermeneutisch sinnvoll im Textgeschehen deuten? Schon Klauck verbindet einen aus der Linguistik abgeleiteten Begriff mit seiner Theorie zu Allegorie und Allegorese: das Bildfeld. Der Begriff des Bildfeldes wurde von H. Weinrich für die Linguistik entwickelt, um die Analyse einer Einzelmetapher zu erweitern.10 Grundgelegt wird eine Bildwelt im Sinne eines objektiven, individuellen Metaphernbestands einer Gemeinschaft. Wird ein Bild aus einem Bildfeld auf der Ebene der parole syntagmatisch realisiert, bringt es den Bedeutungsgehalt mit ein, der ihm im Paradigma aufgrund seiner Relation zu anderen virtuellen Gebilden zukommt. Zentrale Bedingung ist der Rückgriff der konventionalisierten Metapher auf zwei Sinnbezirke.11 Eine Isolation des einen Bereichs vor dem anderen führt hier nicht weiter. Sie führt in eine Sackgasse der Semasiologie bzw. der Onomasiologie, „[d]enn konstitutiv für die Bildfelder ist ja, daß zwei Sinnbezirke durch einen geistigen, analogielosen Akt zusammengekoppelt sind“12. Dabei geht es nun nicht darum, eine leere Stelle in einem vorhandenen Bildfeld auszufüllen, sondern die vorgegebenen Bildfelder geschickt zu nutzen, um die zahlreichen virtuellen Gebilde, die durchaus vorhanden sind, herauszuarbeiten. Das Bildfeld bezieht sich nach Klauck demnach auf eine einzelne Metapher, so dass Teilbilder miteinander kombiniert und Bildvarianten miteinander ausgetauscht werden können. Im Fall von Mk 4,3–8 wird die Saatmetaphorik zugrunde gelegt, die mit Teilbildern wie „Wurzellosigkeit“ und „fruchtlose Saat“ verknüpft werden konnte. Eines ist jedoch deutlich: Der Bezug verbleibt rein auf einer sprachlichen Ebene. Die Verwendung von visuellem Bildmaterial ist gerade nicht vorgesehen. Besonders erwähnenswert ist die ebenfalls auf Weinrich aufbauende Bildfeldtheorie von Petra von Gemünden,13 die sie mit einer linguistischen Metapherntheorie verknüpft.14 Mit Weinrich verbindet sie die Einsicht, dass die
10 H. Weinrich, Münze und Wort, in: ders., Sprache in Texten, Stuttgart 1976, 276–290; ders., Semantik der Metapher, Folia Linguistica 1 (1967), 3–17; ders., Linguistik der Lüge. Kann Sprache Gedanken verbergen? Antwort auf die Preisfrage der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung vom Jahre 1964, Heidelberg 1966. 11 Möglicherweise ist dies auch der Hintergrund dafür, dass die Bildfeldtheorie zwar in der Linguistik große Erfolge vorlegen kann, der Nachweis für die Antike jedoch nicht so leicht zu erbringen ist, wie es zunächst scheint. Mir ist jedenfalls keine Arbeit aus dem Bereich der Altphilologie bekannt. 12 Weinrich, Münze und Wort (s. Anm. 10), 284. 13 Vgl. zum Bildfeld ebenso C. Heszer, Lohnmetaphorik und Arbeitswelt in Mt 20,1–16, NTOA 15, Freiburg (CH) / Göttingen 1990, und G. Röhser, Metaphorik und Personifikation der Sünde. Antike Sündenvorstellungen und paulinische Harmatia, WUNT II/25, Tübingen 1987. 14 P. von Gemünden, Vegetationsmetaphorik im Neuen Testament und seiner Umwelt. Eine Bildfelduntersuchung, NTOA 18, Freiburg (CH) / Göttingen 1993, 4–35.
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Einzelmetapher im Kontext eines Bildfeldes gedeutet werden muss.15 Mit ihm verbindet sie zudem die Einsicht, dass das Bildfeld auf seine Sprachbezogenheit reduziert ist:16 Das Bildfeld wird als „strukturierter Sprachbesitz einer Bildfeldgemeinschaft reflektiert“17. Die konventionalisierte Metapher biete somit ein „usuell stabilisiertes Interpretationsangebot, hat also stabilisierend-versichernde Funktion“18. So geht von Gemünden bei Mk 4,3–8.13–20 davon aus, dass Parabel und Deutung eng aufeinander bezogen sind, indem eine „ganze Reihe von Metaphern (…) allegorisierend ausgelegt“19 werden. Der Saatmetaphorik komme in der Parabel „tröstendermutigende Funktion“ zu, während die Deutung stärker das Scheitern der missionarischen Verkündigung – das aufgrund des absoluten als zentrale Aussage der Deutung gewertet wird – in den Blick nimmt. Auch in dieser Auslegung liegt der Bezug zwischen Saatmetaphorik und Verkündigungsmetapher nicht unbedingt auf der Hand. Ein Unterschied zwischen Weinrich und von Gemünden liegt m.E. in der praktischen Anwendung begründet: Sorgfältig erarbeitet von Gemünden den Bereich der Vegetationsmetaphorik im Neuen Testament anhand der Bildfelder „Baum – Frucht“ und „Saat – Wachstum – Ernte“. Die Benennung „Bildfeld“ ist an dieser Stelle jedoch irreführend, sind sie doch nur einem Sinnbezirk entnommen. Der zweite Sinnbezirk wird dann in den Einzelexegesen erarbeitet, wobei in der Analyse häufiger auf „Gemeinschaftsbilder“ verwiesen wird. Konstituieren diese konventionalisierten Metaphern dann ausschließlich in der Innenkommunikation der Gemeinde Bedeutung? Auf der Textebene liegt diese Schlussfolgerung nahe, wird doch zwischen „innen“ und „außen“ in Mk 4,10 ff. unterschieden.20 Weinrich gibt einen kleinen Überblick über die Bildfelder der heutigen Sprache und spricht von einer begrenzten Anzahl der Bildfelder. Dabei macht er deutlich, dass die von ihm gesammelten Bildfelder auch in anderen Kulturen Gültigkeit besitzen. Er lässt uns jedoch im Unklaren darüber, ob diese auch für die Antike Geltung besitzen. Damit einher geht eine zweite Beobachtung: Für manche Texte lassen sich zwei Sinnbereiche sehr schön 15 Obwohl von Gemünden, Vegetationsmetaphorik (s. Anm. 14), 36–44, ausführlich die Frage nach Metapher, Allegorie und Chiffre verfolgt, bleibt der Zusammenhang zwischen Allegorie und Bildfeld unklar und findet bezüglich des uns interessierenden Textes kaum Anwendung. 16 Zwar bietet P. von Gemünden zahlreiches Bildmaterial, das sie sorgsam ausgewählt hat, aber dieses beeinflusst ihre Auslegung nur indirekt. Vgl. von Gemünden, Vegetationsmetaphorik (s. Anm. 14), 213.215. 17 Von Gemünden, Vegetationsmetaphorik (s. Anm. 14), 44. 18 Von Gemünden, Vegetationsmetaphorik (s. Anm. 14), 14. 19 Von Gemünden, Vegetationsmetaphorik (s. Anm. 14), 223. 20 Von Gemünden, Vegetationsmetaphorik (s. Anm. 14), orientiert sich in ihren Vergleichen häufiger am Ersten Testament, wenn sie beispielsweise feststellt, dass das Bildfeld Baum – Frucht durch Saat-Wachstum-Ernte ersetzt wird. M.E. wäre es durchaus lohnenswert, sich eine für die Antike mögliche Grundlage der konventionalisierten Bildfelder zu verschaffen.
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explizieren. Schwierigkeiten ergeben sich dann, wenn – wie in Mk 4,13–20 – die Metaphern fehlen, die ja eigentlich für das Bildfeld konstitutiv sind. Allegorie und Allegorese wurden bislang aus der Perspektive der exegetischen Literatur skizziert wie sie von H.-J. Klauck aufgearbeitet wurde und um den Ansatz der Bildfeldtheorie bei von Gemünden erweitert worden ist. Die folgenden Überlegungen wollen und können weder die Allegorie- bzw. Allegoresedefinition H.-J. Klaucks noch die Bildtheorie mit ihrer Metaphernorientierung von P. von Gemünden ersetzen! Sie wollen diese lediglich um den Aspekt des visuellen Bildes erweitern. Extratextuelle Codebestände haben die Diskussion gerade hinsichtlich der Realia aus galiläischer und judäischer Lebenswelt schon immer stark beeinflusst, wenngleich diese kaum Gegenstand einer methodischen Reflexion waren. Im Folgenden beziehe ich deshalb die kunsthistorische Diskussion mit ein. In den letzten Jahren wird auch in der kunsthistorischen Diskussion die Frage nach der Bedeutung von Allegorie und Allegorese wieder verstärkt diskutiert, wofür J.J. Winckelmann in ganz besonderer Weise hinsichtlich der Antike ausgewiesen ist.21 Es ist bemerkenswert, dass gerade dieser Aspekt seiner kunsttheoretischen Überlegungen erst in den letzen Jahren in den Mittelpunkt der Rezeption seines Œuvres gerückt ist. Für Winckelmann waren Allegorie und Allegorese das „positive Zentrum“ seiner Kunsttheorie, da die Bedeutungshaltigkeit der empirisch erfahrbaren Welt, allgemeiner Werte und Wahrheiten lediglich durch Allegorie und Allegorese erfolgen könne, denn die „Wahrheit, so liebenswürdig sie an sich selbst ist, gefällt und machet einen stärkeren Eindruck, wenn sie in einer Fabel eingekleidet ist: was bey Kindern die Fabel, im engsten Verstande genommen, ist, das ist die Allegorie dem reifen Alter“22. Für diese Ansicht beruft sich Winckelmann letztlich auf die Natur: Zum einen im Sinne der Natur des Menschen als Herausforderung seines Verstands und der emotiven Ansprache, zum anderen dadurch, dass diese selbst allegorisch sei, da sie in Bildern spreche. In diesem Sinne umfasst Allegorie den Sinngehalt der erfahrbaren Welt.
21 J. J. Winckelmann, Erläuterungen der Gedanken der Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst; und Beantwortung des Sendschreibens über diese Gedanken, Berlin 1755 = ders., Kleine Schriften, Vorreden, Entwürfe, hg.v. W. Rehm, Berlin 1968, 97–144; ders., Gedancken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst (1755) = ders., Kleine Schriften, Vorreden, Entwürfe (s.o.), 27–59; ders., Reifere Gedanken über die Nachahmung der Alten in der Zeichnung und Bildhauerkunst (Fragment 1756/57?) = ders., Kunsttheoretische Schriften. 10: Kleinere Schriften, SDKG 349, Baden-Baden 1971, 145 f.; ders., Abhandlung von der Fähigkeit der Empfindung des Schönen in der Kunst und dem Unterricht in derselben (1763) = ders., Kleine Schriften, Vorreden, Entwürfe (s.o.), 211–233. 22 Winckelmann, Erläuterungen (s. Anm. 21), 134. – Einen guten Überblick zur Geschichte der Allegorie und Rezeption bietet Chr. Meier, Überlegungen zum gegenwärtigen Stand der Allegorie-Forschung, FMSt 10 (1976), 1–69.
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Aber Winckelmann geht noch weiter, indem er die Allegorie nicht nur als Sinngehalt definiert, sondern ebenso als Prozess der Entstehung wie der Deutung der Bildfelder.23 Entstehung und Deutung kann er von zwei Seiten beschreiben: von Seiten der Dichtung wie der visuellen Bilder. Grundlage jeder Allegorie sei, dass Dichterin oder Künstler die in der menschlichen Natur ausgedrückten Begriffe erkennen müsse. Die Allegorie kommt dabei ebenso wie die Allegorese einem hermeneutischen Verfahren gleich.24 In einem zweiten Schritt muss er die aus der menschlichen Natur gewonnen Begriffe seinerseits in Bilder umsetzen, sprachliche oder visuelle. Bedeutungshaltige Bilder und Begriffe können demnach ebenso sprachlich wie visuell gedeutet sein.25 In einem zweiten Schritt muss die Künstlerin oder der Erzähler die aus der menschlichen Natur gewonnenen Begriffe in Bilder umsetzen, visuelle oder sprachliche. Bedeutungshaltige Bilder und Begriffe können demnach ebenso sprachlich wie visuell umgesetzt sein. Wichtig ist jedoch eines: Beide Prozesse, von der Sprache zum Bild oder vom Bild zur Sprache, sind als Folge von Allegorie und Allegorese zu deuten. Dieser kreative Prozess, diese Art von Denken – von der Natur zum dichterischen oder bildenden Kunstwerk – gilt es wieder aus dem Kunstwerk herauszuschälen. Dies ist ein „rekreativer Akt, der durch historisches Wissen geleitet sein muß.“26 Es ist nun für die folgenden Überlegungen zentral, dass Winckelmann den Begriff der Allegorie mit den Personifikationen verbindet. Die Personifikationen werden nach Winckelmann eingeführt, ohne jedoch in einer bestimmten Person aufzugehen. Und noch mehr: Die Personifikationsallegorien geben die Richtung an, in die sich die Allegorese bewegen soll. Der Begriff der „Personifikation“ scheint mir von daher zentral, als auch in Mk 4,13–20 vier verschiedene Hörertypen angesprochen werden. Man kann demnach sagen: Nach Winckelmann ist antikes kreatives Schaffen, sei es verbal oder visuell, und dessen Deutung als stetiger Wechsel zwischen Allegorie und Allegorese zu verstehen. Allegorese wenden der Schriftsteller und die Künstlerin beim Schaffen eines Werks an und soll auch von den modernen Betrachtern angewandt werden, um Bedeutung zu generieren. Allegorie ist demnach der dazwischen liegende kreative Akt, der dem Werk erst Bedeutung beilegt, und Allegorese ist der rekreative Akt der Deutung. 23 Vgl. zu den folgenden Ausführungen M. Käfer, Winckelmanns hermeneutische Prinzipien, Heidelberg 1986; B. Fischer, Kunstautonomie und Ende der Ikonographie. Zur historischen Problematik von ‚Allegorie‘ und ‚Symbol‘ in Winckelmanns, Moritz’ und Goethes Kunsttheorie, DVfLG 64 (1990), 247–255, und bes. B. E. Borg, Allegorie der Kunst – Kunst der Allegorie. Winckelmanns ‚Kunstbeschreibungen‘ als archäologischer Kommentar, in: G.W. Most (Hg.), Commentaries – Kommentare, Aporemata 4, Göttingen 1999, 282–295. 24 Vgl. Winckelmann, Erläuterungen (s. Anm. 21), 167. 25 Die visuelle Bildkunst ist in diesem Sinne als „stumme Dichtkunst“ zu verstehen; vgl. Winckelmann, Erläuterungen (s. Anm. 21), 123. 26 Käfer, Winckelmanns hermeneutische Prinzipien (s. Anm. 23), 95.
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Mein Anliegen ist es nun zu zeigen, dass, mit Blick auf Klauck, die Allegorese auf den nicht-allegorischen Text bezogen ist und diesen hinsichtlich der konkreten römischen Bedrohung nochmals plausibel macht, mit Blick auf von Gemünden, dass Bildfelder textbezogen sind und nicht als Innovation gedeutet werden müssen. Letztlich soll eine methodische Reflexion darüber angeregt werden, dass rhetorische Verfahren dann Plausibilität haben, wenn sie mit der materialen Kultur der Text- und Bildwelt in Einklang gebracht werden können. Zunächst möchte ich darlegen, dass der Allegorie des „Fruchtbringens“ in der visuellen Bildwelt des 1. Jh.n. Chr. gerade auch in Judäa und Syrien eine große Bedeutung zukommt. Das Ergebnis wird in einem zweiten Schritt historisch reflektiert und dann auf die literarische Ebene in Mk 4,13–20 angewandt. Zuletzt sollen dann einige Anregungen für eine weiterführende Diskussion gegeben werden.
2. Getreide als Allegorie römischer Herrschaft Im Folgenden soll der Versuch unternommen werden, die Allegorese in Mk 4,13–20 zu würdigen und sie methodisch zu konturieren. Früchte des Landes, besonders aber Getreide begegnet nämlich auf zahlreichen Stempeln der ersten Münzen des Kaisers Augustus zum Festjahr der aurea aetas und ist dann seit Pontius Pilatus auch für Judäa und Syrien belegt.27
2.1 Die Didaktik der visuellen Bilder: Getreide als Allegorie römischer Herrschaft in Judäa und Syrien Das Münzprivileg für Judäa und Syrien, von dem u.a. auch 1 Makk 15,2.5 f. zu berichten weiß, wurde 138 v. Chr. erteilt. Die Münzen der Hasmonäer waren durchweg aus Kupfer und immer Kleingeld, denn größere Denominationen gab es nicht. Wie die Hasmonäer hielt sich später dann auch Herodes Agrippa an das Verbot, Menschen und Tiere auf den Münzen abzubilden. Die Befugnis, Münzen zu prägen, war an den Rechtsstatus als Polis gebunden, welcher vom Kaiser verliehen werden musste.28 Münzen sind eines der ältesten Kommunikationsmittel. In der Antike sind sie eines der wenigen 27 Siehe zu dem Verhältnis Bild und Text in den unterschiedlichen Theorien A. Weissenrieder / F. Wendt, Images of Communication, in: dies. / P. von Gemünden, Picturing the New Testament, WUNT II/196, Tübingen 2005, und A. Weissenrieder / F. Wendt, Phänomenologie des Bildes. Ikonographische Zugänge zum Neuen Testament, ZNT 16 (2005), 3–12. Vgl. ebenso den instruktiven Aufsatz von St. Alkier, „Geld“ im Neuen Testament, in: ders. / J. Zangenberg, Zeichen aus Text und Stein. Studien auf dem Weg zu einer Archäologie des Neuen Testaments, TANZ 42, Tübingen / Basel 2003, 308–335. 28 Vgl. K.W. Harl, Civic Coins and Civic Politics in the Roman East A.D. 180–275, Berkeley 1987, 13.
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Medien, durch das politische Machthaber alle Untertanen erreichen konnten.29 Münzen können als Medium mit genuiner, aufeinander abgestimmter Propaganda gedeutet werden.30 Die Symbole auf den Münzen in Judäa und Syrien waren einige wenige, ständig wiederkehrende Motive: Anker und Sonnenrad, das doppelte Füllhorn, Palmzweige und Blumen. Dies ist jedenfalls bis Herodes Agrippa gültig.31 Getreideähren oder Samenmotive haben zwar eine längere römische ikonographische Tradition und kamen schon früh – insbesondere bei Augustus – zum Tragen, sind aber dann in Judäa und Syrien in besonderer Weise seit Pontius Pilatus bekannt, der sich dieses Motivs bewusst bediente. Agrippa I. / II. und auch die Prokuratoren haben das Motiv dann aufgegriffen und nochmals in der Symbolik erweitert.32 2.1.1 Prototyp: Die Ährenabbildungen im 1. Jh. Es mag eine banale Feststellung sein, dass die römische Kaiserzeit von der Landwirtschaft lebte. Diese ist ein komplexes soziales und ökonomisches System, das Ackerbau und Weidewirtschaft, Klein- und Großbetriebe umfasst. Judäa und Syrien waren in besonderer Weise für sein Getreidevorkommen bekannt.33 In diesem Sinne können wir bei Columella lesen: „So kommt es, dass wir in diesem ‚Latium und Lande Saturns‘, wo die Götter ihren Kindern die Früchte des Feldes übermittelt haben, Einfuhrprivilegien für Getreide aus überseeischen Provinzen versteigern, um nicht zu verhun29 Fraglich ist, ob der Kaiser etwas über sich selbst sagt, oder eben andere über ihn. Fest steht jedoch eines: Waren bis zur Herrschaft des Augustus Tresviri für die Signierung von Münzen zuständig und bestimmten somit auch das Münzprogramm mit, wurde ihnen diese Eigenschaft entzogen. Das Münzprogramm lag danach in den Händen des Kaisers, beziehungsweise des Münzstättenpersonals. Man kann möglicherweise einen abgemilderten Propagandabegriff heranziehen, wenn man feststellt: Indem die kaiserliche Münzstätte den Kaiser lobt, fordere sie zugleich die Öffentlichkeit zu analogem Verhalten heraus. Möglicherweise sind sie damit auch Reflexe von Ehrungen, die wiederum aber kaiserlich inszeniert sind. Münzprägungen können demnach politische Programme widerspiegeln. Vgl. M. Bergmann, Die Strahlen der Herrscher. Theomorphes Herrscherbild und politische Symbolik im Hellenismus und in der römischen Kaiserzeit, Mainz 1998, 91 ff. 30 Vgl. die Diskussion dazu bei A. H. M. Jones, Essays in Roman Coinage (FS H. Mattingly), London 1965, 13 ff. 31 Zwar unterscheiden wir im Folgenden zwischen Obverse und Reverse. Diese Ausdrücke sind jedoch nicht automatisch gleichzusetzen mit Vorder- und Rückseite. Die technische und staatsrechtliche Seite fallen manchmal zusammen, aber häufiger nicht. Fest steht nur, dass das Obverse immer die technische Seite zum Tragen bringt. Vgl. dazu R. Göbl, Antike Numismatik I: Einführung Münzkunde, Münzgeschichte, Geldgeschichte, Methodenlehre. Praktischer Teil, München 1978, 41. 32 Die Datierung der Münzen ist ohne Zweifel sehr schwierig, so dass ich mich im Folgenden nur auf einen kleinen Ausschnitt in der breiten Diskussion innerhalb der Numismatik beziehen kann. 33 Vgl. die Tabelle bei W. Hondelmann, Die Kulturpflanzen der griechisch-römischen Welt. Pflanzliche Ressourcen der Antike, Berlin / Stuttgart 2002, 107. Die Tabelle kann zeigen, dass etwa die Hälfte der Fruchtgruppenarten aus dem Nahen Osten und dem angrenzenden Mittelmeer stammt.
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gern […]“.34 Hungersnöte in der Bevölkerung waren keine Seltenheit. H.J. Drexhage u.a. haben jüngst darauf hingewiesen, dass neben ungünstigen Wetterbedingungen und hohen Staatsabgaben auch eine „schlampige Arbeitshaltung“ zu Hungersnöten führen konnte,35 die wohl recht zahlreich aufgetreten sind.36 So verwundert es nicht, dass die Getreideversorgung als Kernstück kaiserlicher Sozialpolitik angesehen wurde und somit ein Politikum war. Nicht nur finanziell, sondern auch logistisch lag sie in der Hand des Kaisers. An den Agrarsektor war wiederum eine „Anschlussökonomie“ angebunden, wie Getreideschiffe zwischen Alexandria und Italien, Mühlen, Getreidespeicher und Bäckereien zeigen. Getreideähren signalisieren aber im Römischen Reich noch mehr als nur die Ernährung und damit die Erhaltung des inneren Friedens. Sie können seit Augustus als Verweis auf die aurea aetas, das Goldene Zeitalter, gedeutet werden,37 in besonderer Weise jedoch auf die ersten Feierlichkeiten, bei denen Priester Erstlingsfrüchte des Landes von Bauern entgegennahmen und diese dann in kultischen Darbietungen innerhalb der Feierlichkeiten eine weitreichende Bedeutung erlangten. Sie waren Gegenstand von Beschwörung von Fruchtbarkeit und Heil in verschiedenen Kulten. Thema war die kultische Überhöhung des „neuen“ Staates.38 Münzmeister erinnerten in den folgenden Jahren an das Ereignis, indem dieser Münztyp u.a. eine Münzprägung mit sechs Ähren und dem Namen Augustus schnitten. Uns sind zahlreiche Stempel dieser Münze überliefert. Das bedeutet aber auch, dass dieser Münztyp ungeheuer populär gewesen sein muss, wie A. Banti und L. Simonetti in ihrem Band Corpus Nummorum Romanorum eindrucksvoll belegt haben.39 34 Colum. Rust. I, Praef. 20; Übersetzung nach W. Richter (Hg.), Lucius Iunius Moderatus Columella. Zwölf Bücher über Landwirtschaft: lateinisch-deutsch, München 1981–1983. Es sind uns einige Inschriften erhalten, die von Getreideimporten aus Ägypten berichten, doch geben diese keinerlei Auskunft über Art, Ausmaß und Ursache; vgl. Chr. Börker u.a., Die Inschriften von Ephesos Teil II, Nr. 101–599 (Repertorium), Bonn 1979, Nr. 274, Z.12 f.; R.v. Meriç u.a., Die Inschriften von Ephesos Teil VII 1, Nr. 3001–3500, Bonn 1981, Nr. 3016, Z.3. 35 Zur Hungersnot vgl. die drastische Beschreibung von Galen VI,749 f. (Kühn). 36 H. J. Drexhage / H. Konen / J. Ruffing, Die Wirtschaft des römischen Reiches (1.–3. Jahrhundert). Eine Einführung, Berlin 2002, 67. Vgl. Tac. Ann. XII,43: „Auch Getreidemangel und die daraus entstehende Hungersnot wurde als Vorzeichen angesehen. Und nicht nur im geheimen klagte man darüber; als vielmehr Claudius Recht sprach, umringten sie ihn mit erregtem Geschrei, trieben ihn in die äußerste Ecke des Forums und setzten ihm mit Gewalt zu, bis er mit einer Schar Soldaten die erbitterte Menge durchbrach.“ (Übersetzung: Till) 37 Ob dieser Verweis auf das Goldene Zeitalter auch noch hinsichtlich Tiberias gültig ist, ist jedoch nicht sicher. 38 Vgl. ausführlich P. Zanker, Augustus und die Macht der Bilder, München 1987, 173 ff. 39 Vgl. A. Banti / L. Simonetti, Corpus Nummorum Romanorum Vol. IV. Augusto. Prospetto dei ritratti per l’identificazione delle zecche orientali Monete d’oro e d’argento, Firenze 1974, 262–283, die mehr als hundert verschiedene Prägungen des Typs anführen können. Die Unterschiede liegen neben den Inschriften und dem Wert vor allem in den unterschiedlichen Portraits und der Art und Weise, die Ähren abzubilden. Sie führen zudem unterschiedliche Belege für den Münztyp in Syrien an, vgl. dazu a.a.O., 29.34 f.
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Von daher ist es sicherlich bedeutungsvoll, dass uns eine ähnliche Prägung auch für Judäa und Syrien begegnet. Die Bildtradition präsentiert auf dem Obverse, wo sonst der Kaiser abgebildet ist, eine einzelne Ähre oder ein Kornbündel mit drei, vier oder auch sechs Ähren. Dass eine Personifikation für ein abstraktes Konzept und ein abstraktes Konzept für eine Person stehen kann, hat Roger Hinks in seinem Buch Myth and Allegory40 gezeigt. Unter Berufung auf die Etymologie der Allegorie betont er die Existenz zweier Bedeutungsebenen, die allerdings im Bewusstsein getrennt seien: „By its very form the word ‚allegory‘ implies saying one thing and meaning another: displaying, for example, a woman with an olive-branch in her hand and saying peace.“41 Die Bedeutung sei demnach nicht zwingend an die Erscheinung gebunden, wie dies bei einer symbolischen Darstellung der Fall sei. Die Grundelemente der Allegorie seien dagegen Personifikationen abstrakter Konzepte.
Abbildung 1: Madden, History (s. Anm. 56), 136 Abb.1
Dass mit der Ährendarstellung jedoch nicht die landwirtschaftlichen Betriebe besonders gewürdigt werden, macht die Inschrift [ ] deutlich, die sich rechts und links am Rand des Bildes befindet. Es ist der Kaiser, der mit der Ernte identifiziert wird. Das Reverse zeigt einen Palmenbaum mit zwei Früchten. Zudem verweisen Jahreszahlen auf die regierenden Prokuratoren.42 Eine größere Anzahl Stempel sind uns aus den Jahren 36–41 n. Chr. erhalten.43 Von Caligula sind uns wenige Münzstempel erhalten, für Judäa und Syrien gar keine. Doch finden sich unter den uns zugänglichen mehrere, die ein Kornbündel auf dem Reverse führen. Man geht jedoch davon aus, dass Caligula dieses Motiv auch für Judäa und Syrien schneiden ließ.
40
R. Hinks, Myth and Allegory in Ancient Art, London 1939. Hinks, Myth and Allegory (s. Anm. 40), 18 (Hervorhebung im Original). 42 Vgl. G. F. Hill, Catalogue of the Greek Coins of Palestine (Galilee, Samaria, and Judaea). With one Map, table of the Hebrew Alphabet and forty-two plates, London 1914, 248 ff., pl. XXVIII,1–6; die Jahreszahl verweist hier auf das Jahr L – Jahr 36 = 6 n. Chr. Die Münze ist vielfach belegt. 43 Hill, Catalogue of the Greek Coins of Palestine (s. Anm. 42), 248 ff. Tafel XXVIII, Abb.1–6. 41
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Die Münzprägung mit einer einzelnen Ähre oder einem Ährenbündel finden wir, wenn auch mit kleinen Unterscheidungen im Stempel, bis zur ersten Revolte!44 Besonders beachtenswert ist eine Münze, die uns von Pontius Pilatus erhalten ist. Pontius Pilatus begann seine Herrschaft mit dem Auftrag einer neuen Münzprägung. Dieser Vorgang war an sich nichts Ungewöhnliches. Doch das Motiv, das er für Judäa und Syrien ausgewählt hat, muss Aufsehen erregt haben. Ein erstes Beispiel dafür bietet eine Münze, die vielfältig unter Tiberius aufgenommen worden war: Das Obverse stellt ein simpulum dar, ein Opfergerät aus dem Kaiserkult und in diesem Sinne ein Kultgefäß, das in Rom zum Opfern der Weinspende verwendet wurde.45 Das Getreide zusammen mit dem Wein wird durch die Münze als Gabe für den Kaiser gedeutet. Die Münzen zeigen demnach eine Personalisierung des Götterkults mit dem Kaiser an, denn im paganen Bereich galt Getreide als Gabe für die Götter und hatte demnach eine hohe religiöse Bedeutung. Durch die Symbolik auf den Münzen kommt nun eine politische hinzu.
Abbildung 2: Madden, History (s. Anm. 56), 147 Abb. 2.
Verehrt man damit den Kaiser gleichzeitig als einen der Götter? Price46 hat in seinem Buch Rituals und Power einen hervorragenden Beitrag zu dieser Frage geleistet. Herrscherkult ist eine Form der Religion, es ist theomorpher Herrscherkult. Religiöse Rituale konstituieren kulturelle Bedeutungssysteme, die die Welt strukturieren, deuten und ordnen. Auf den Herrscher bezogen definieren sie dessen Stellung. Der Herrscherkult verdankt seine Entstehung einer Übergangs- und Konfliktsituation – einer Situation, in der 44 Es sei jedoch erwähnt, dass nun nicht mehr der Palmbaum als vielmehr ein Kranz aus Palmwedeln auf dem Revers abgebildet ist; vgl. dazu Hill, Catalogue of the Greek Coins of Palestine (s. Anm. 42), 271, Tafel XXI. 45 Vgl. die zahlreichen Abbildungen bei Hill, Catalogue of the Greek Coins (s. Anm. 42), 257 ff., Tafeln 54–68; an dieser Stelle können im Vergleich die kleinen Unterschiede in der Drucklegung der verschiedenen Jahre deutlich werden; vgl. auch A. Reifenberg, Ancient Jewish Coins, Jerusalem 21947, 56, Abb. 131, jedoch in kleinerem Umfang. 46 S.R.F. Price, Rituals and Power. The Roman Imperial Cult in Asia Minor, Cambridge 1984, bes. Kap. Sacrifice. Vgl. ebenso die Diskussion von E. La Rocca, Theoi epiphaneis. Linguaggio figurativo e culto dinastico da Antioco IV ad Augusto, in: K. Rosen (Hg.), Macht und Kultur im Rom der Kaiserzeit, Bonn 1994, 9–62, bes. 11 ff.
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kulturelle Bedeutungssysteme neu geordnet und strukturiert werden müssen. Eine solche Situation finden wir auch unter der Regentschaft von Pontius Pilatus vor. Pilatus strukturiert nun das Bedeutungssystem in dem Sinne, dass er nicht nur die Ähren als Allegorie des inneren Friedens aufnimmt, sondern dieses gleichzeitig noch mit dem Herrscherkult verknüpft. Zu bedenken ist: Brot und Wein galt als Grundmahlzeit für die arme Bevölkerung, wie eine Reihe von Inschriften belegen.47 Eine Inschrift auf einem römischen Tonlämpchen (Abb. 3) ist besonders deutlich: „pauperis cena panem vinum radicem“ – „Die Mahlzeit der Armen: Brot, Wein und Rettich.“48
Abbildung 3: CIL III 141/4, 13 a.
Ist nun diese Mahlzeit auf den Münzen mit dem Namen des Kaisers verbunden, erscheint jede Mahlzeit, besonders die der ärmeren Bevölkerungsschichten, damit als Speisung durch und für den Kaiser. Brot und Wein sind jedoch mehr als eine Grundmahlzeit. Für die ersten Christen und Christinnen sind Brot und Wein eucharistische Speise des letzten Mahls Jesu. Damit haben Brot und Wein eine tiefe religiöse Bedeutung, auch wenn wir für das Urchristentum verschiedene Mähler belegen können. Damit können wir festhalten: Die kultisch-politische Dimension der Nahrung begleitete nun die Arbeit der ärmeren Bevölkerungsschichten und die frühen Christen und Christinnen. Die politische Dimension der Münze (Abb. 2) wird noch durch die Inschrift vertieft. Sie besagt, dass das Opfer zu Ehren des Kaisers getätigt wird: 47 H. Kloft, Die Wirtschaft der griechisch-römischen Welt. Eine Einführung, Darmstadt 2006. 48 CIL III 141/4, 13 a.
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. Die Münze ist in das Jahr 29 zu datieren, wie man den Buchstaben L.IS entnehmen kann. Das Reverse zieren entweder eine einzelne Ähre oder drei Kornähren, die nicht, wie häufiger, aus einer einzigen Ähre hervorgehen, sondern zusammengebunden sind.49 Die Verbindung von Ähre und Kult wird noch durch die sog. aurea aetas vertieft. 2.1.2 Die Ährenabbildungen und die aurea aetas Mit der societas festae pacis (dem gemeinsamen, glücklichen Frieden, Plinius) oder der Pax Romana sind zivilisatorische Leistungen markiert, für die letztlich der römische Kaiser zu bürgen hatte. Friedliche Zustände nach innen werden durch gesichertes Einkommen, Übernahme römischer Lebensart und Wohlfahrt gesichert, wovon Gnaeus Iulius Agricola zu berichten weiß.50 Im Rahmen der Repräsentationsarchitektur wird die für die wirtschaftliche Entwicklung zentrale Pax in der Ara Pacis auf dem sog. Tellusrelief bildlich dargestellt. Die Allegorie des Friedens im Bildnis einer Frau – Symbole der Erdgöttin Telus und der Venus gleichermaßen vereinend – wird von Augustus in erster Linie durch reiche Ernte symbolisiert. Die Pflanzen wirken gegenüber den Tieren überdimensional groß, besonders aber die Ähren. Das von Horaz gedichtete carmen saeculare muss in diesem Kontext genannt werden. Dort heißt es: „Reich an Vieh und Früchten soll Mutter Erde / Mit der Ähre kränzen der Ceres Stirne“. In der Panegyrik wird das Motiv der Ähren als Allegorie für das Goldene Zeitalter nun zentral.
Abbildung 4: Madden, History (s. Anm. 56), 125.
Die Ara Pacis findet sich nun auch in Münzstempeln in Judäa und Syrien wieder. Es ist wahrscheinlich Pax oder Nike, die einen Kranz aus Kornähren in der rechten Hand trägt.51 Mehrfach ist sie auch bei den Münzprägungen 49 Auffallend ist auch die Inschrift , die wahrscheinlich auf die Mutter des Tiberius verweist, die bis zum Jahr 29 gelebt hat. 50 Vgl. Tac. Agr. 21. 51 H. Mattingly, Coins of the Roman Empire in the British Museum I, Augustus to Vitellius, with an Introduction and 64 Plates, London 1965, 312, pl.52.10. Abgebildet ist ein später Münztyp aus dem Jahre 86 n.Chr.
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bei Agrippa II. unter Titus belegt und später auch unter Domitian. Daneben finden sich zahlreiche Münzen, die wie auch schon die Pax keiner einzelnen Gottheit zugerechnet werden können. Die Gottheit ist hier mit Kornähren in der Rechten und dem Füllhorn in der Linken gekennzeichnet.52 Eine Inschrift verweist wiederum auf Agrippa I.: .53 Zentral ist hier jedoch eine neue Dimension der Personifikation der antiken Religion. „Die neuen Gottheiten verkörpern keine mythischen Gestalten mehr, sondern Werte und Kräfte, die nur mit Attributen umschrieben werden können.“54 Somit evoziert schon ein Attribut oder eine Haltung ein ganzes Bildprogramm, wie die unter Augustus vielfach geprägten Münzen, die ein Ährenbündel mit drei, vier oder sechs Ähren präsentieren.55 Die eine (sprießende) Ähre haltende Pax symbolisiert den inneren Frieden, der u.a. auch durch eine reiche Ernte stabilisiert wird. Es ist nun auffallend, dass uns auch zahlreiche Lokalprägungen von der Frau, die eine Venus, Telus oder auch Tyche gleichermaßen sein kann,56 erhalten sind. Auch wenn der Typos sich unterscheidet, ist das Attribut der Ähre von zentraler Bedeutung. Die Frucht der Ähre ist es, die den Wert des Friedens symbolisiert. Eine weitere Münzprägung ist in Judäa und Syrien vom 1.–3. Jh. n. Chr. belegt. Auf dem Obvers verweist eine Büste und eine Inschrift auf den jeweiligen Imperator. Auf dem Reverse findet sich nun Zeus als ein Sämann, der mit landwirtschaftlichen Geräten ausgestattet ist.
Abbildung 5: Hill, Catalogue of the Greek Coins of Palestine (s. Anm. 42), Tafel XIV,20.
52 Gleichwohl gibt es auch Stimmen, die hier von Tyche oder einer Stadtheiligen sprechen, vgl. dazu auch Reifenberg, Ancient Jewish Coins (s. Anm. 45), 46, Abb. 86. 89. 53 Vgl. British Museum pl. LXI Æ 8; vgl. ebenso pl. LXI 2–5 und Cabinet des Médailles, Paris; vgl. aber auch H.C. Reichardt, Inedited Coins of Judea, Numismatic Chronicle II (1961–1962), 268–277, hier: 275 f. pl. VI,6. 54 Zanker, Augustus (s. Anm. 38), 178. 55 J. B. Giard, Bibliothèque Nationale. Catalogue des Monnaies de l’Empire Romain I, Paris 1976, Nr. 920 = W. Niggeler: Griechische Münzen der römischen Kaiserzeit: Römische Münzen: Republik bis Augustus (Bank Leu MM AG 21/10/1966), Basel 1967, 2. Teil Nr. 1028. 56 Vgl. die Beispiele bei F.W. Madden, History of Jewish Coinage, and of Money in the Old and New Testament, LBS, New York 1967, 121 Abb. 1 und 2; 122 Abb. 3 und 4; 123 Abb. 5 und 6; 124 Abb. 1.
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Die Wahl des Ährenmotivs bzw. des Motivs des Fruchtbringens hat demnach eine lange Tradition, die bis zu Augustus zurückreicht und verschiedene Bildinhalte miteinander kombinieren kann. Neben der kaiserlichen Sozialpolitik und dem damit verbundenen Konzept des inneren Friedens evoziert die Ikonographie des Fruchtbringens auf das Goldene Zeitalter. In diesem Sinne kommt dem abgebildeten Getreide ein kultisch-religiöser und politischer Status zu. Es ist nun bemerkenswert, dass die Mehrzahl der Münzen auf die Zeit zwischen 31 bis ca. 44 zurückzuverfolgen ist. Dies ist jedoch die Zeit, in der das Urchristentum noch als eine Randgruppe des Judentums zu deuten ist.57
2. Die historische Einordnung der Bilder Ährenbündel oder einzelne Ähren konnten gut als Frucht des Landes mit dem Kaiser und den Prokuratoren assoziiert werden, denn dort, wo sonst der Kopf eines Machthabers erscheint, steht nun die Metapher der Ähre als Allegorie für den Staat und die aurea aetas.58 Wie schon angedeutet: Mit Augustus hat sich auch der ikonographische Ausdruck verändert. Die Ikonographie ist nun weniger auf die Darstellung mythologischer Geschichten als vielmehr auf die allegorische Umsetzung einzelner Werte konzentriert, die sich mit direktiven Botschaften an die Bevölkerung richtete. Die Legenden auf den Münzen mit dem Verweis auf die Machthaber mussten diese Assoziation noch vertiefen: Die Frucht des Landes gehört den Machthabern des Landes. Können wir voraussetzen, dass die einfachen Leute Palästinas die Embleme auf den Avers- und Reversseiten mit den Fürsten und Machthabers assoziiert haben? Daran kann m.E. kein Zweifel bestehen. Drei Gründe seien hierfür angeführt: Zum einen ist es bemerkenswert, dass auf den Münzen in der Regel eine Wertangabe fehlt. Die Motive auf den Münzen waren demnach derart bekannt, dass man darauf verzichten konnte! Dies muss besonders dann gelten, wenn die Motive sich von anderen unterscheiden und diese Aufsehen oder gar Unmut erregen. Somit können wir festhalten, dass Münzen zwar ursächlich Geld im Sinne von Wertträger, Tauschmittel oder Ware waren, aber doch auf ihrem Weg als Hauptgeldverkehrsträger von Anfang an – von Seiten des Staates mit Aufschrift und Bild versehen – eine Menge intentionalen Nachrichtenverkehrs mit sich bringen. Sie werden des57 So scheint mir ein Verweis auf die „Missionserfahrung“ der Urgemeinde in Mk 4,14 ff. nicht so sicher zu sein; jedenfalls können wir von daher mit H. Schlier, Art. , ThWNT III (1935), 142 f., nicht teilen, dass die „ständige Bedrängnis Israels im AT (…) der notwendigen Bedrängnis der Kirche gewichen“ ist (Schlier, a.a.O., 143). 58 Einen hervorragenden Einblick in die historische Situation gibt J. J. Collins, The Jewish World and the Coming of Rome, in: W.G. Dever / S. Gitin (Hgg.), Symbiosis, Symbolism, and the Power of the Past. Canaan, Ancient Israel, and their Neighbors from the Late Bronze Age through Roman Palaestina, Winona Lake, Ind. 2003, 352–361.
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halb in der numismatischen Fachliteratur auch gern als „Zeitung des kleinen Mannes“ oder auch „biblia pauperum“ genannt.59 „Kurz gesagt ist die Münze demnach staatliches Metallgeld mit der Nebenfunktion eines Nachrichten- und Kommunikationsmittels.“60 Zum anderen wurde das Bildprogramm der Münzen noch durch Reliefs vertieft. Die Reliefs waren mit verschiedenen Tieren und Pflanzen geschmückt. Auffallend ist nun aber, dass die Kulturpflanzen wie Weizen und Hafer im Verhältnis zu den Tieren überdimensioniert wirken und großen Ernteertrag versprechen. Nach Zanker61 lassen diese Reliefs keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie auch von einfachen Bürgerinnen und Bürgern gelesen werden konnten. Sie waren eine Allegorie für das Goldene Zeitalter verbunden mit der Aufforderung zum Fruchtbringen. Zudem sind uns zahlreiche Reliefs bekannt, die eine auf dem Boden liegende Person in gedemütigter Haltung zeigen, über der Ranken sprossen und überdimensionierte Ähren Frucht zu tragen scheinen. Schließlich zeigt ein weiterer Münztyp das Motiv der drei Ähren, die von einem einzigen Stängel sprossen. Dieses Motiv auf dem Reverse von Münzen ist in der Antike mehrfach belegt. In der Kombination mit einem „Schirm“ oder „Baldachin“ auf dem Obverse ist dieses Motiv jedoch reichlich ungewöhnlich.62 Agrippa I., der von 41–44 über Palästina agierte, hat diese Münzen ausschließlich für die jüdischen Gebiete prägen lassen, während er für das stark heidnisch geprägte Caesarea Münzen mit seinem eigenen Portrait oder dem des Kaisers Claudius schneiden ließ. Das Motiv des Schirms in Verbindung mit den Ähren ersetzt zwar nun die Abbildung des Machthabers, evoziert aber eine vergleichbare Botschaft.
Abbildung 6: Madden, History (s. Anm. 56), 104; LS – Jahr 6 = 42 n. Chr.
Mit dem Schirmmotiv können zwei Inschriften einhergehen: oder aber . Mit diesem Titel wird Agrippa als Herr über unterstellte Gebiete besonders gekennzeichnet. Aber der Schirm zeigt noch mehr an als ein konkretes geographisches Gebiet: Das Motiv des 59
Göbl, Antike Numismatik I (s. Anm. 31), 23 (im Original kursiv). Göbl, Antike Numismatik I (s. Anm. 31), 29 (im Original kursiv). 61 Zanker, Augustus (s. Anm. 38), 179 f. 62 Vgl. auch Reifenberg, Ancient Jewish Coins (s. Anm. 45), Abb. 59. 60
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Schirms ist dem persischen Kontext entnommen, wo der Grosse König während seiner zahlreichen Audienzen im Palast des Dareios I. (521–486 v. Chr.) sich unter einem Schirm aufhielt. Zudem verweist der Schirm in der Antike auch auf die Streitwagen des Alten Orients, wo diese den Triumph über ein anderes Land ausdrückten.63 Ein im Louvre ausgestelltes Alabasterrelief des Palasts von Ninive unterstützt diese Deutung; hier wird der Grosse König Assurbanipal (669–626 v. Chr.) auf einem Streitwagen stehend gezeigt, über ihm schützend ein Schirm.64 Bemerkenswert ist, dass die Einfassung des Schirms genau mit der unserer Münzen übereinstimmt. Es war E. Baldwin Smith, der zeigen konnte, dass der Schirm in der Antike mehr war als nur ein Schutz gegen Sonnenstrahlen und Hitze. Ein Schirm in der Art einer Domkuppel repräsentierte im Orient den himmlischen Dom oder den himmlischen Bau, umbrella quam coelum dicunt, als eschatologische Allegorie.65 Dieses Motiv des himmlischen Schirms hat dann auch Einzug im Westen gehalten, besonders aber bei Tiberius (42 v. Chr.–37 n. Chr.) und Claudius (10 v. Chr.–54 n. Chr).66 Es ist jedoch bemerkenswert, dass nun bei Claudius aus einem Schirm eine Schale wird, die die Früchte des Landes darstellt. Wenn nun Agrippa das Attribut des „himmlischen Doms“ auf den Münzen abbilden lässt, dann verbindet er damit das Konzept der römischen aurea aetas als eschatologisches Konzept. Als Herrscher über dieses Reich wird jedoch kein Gott angenommen. Es ist Agrippa als König, der seine Herrschaft mit diesem Attribut verbindet.67 Wenn wir bedenken, dass das Ährenmotiv an die Stelle des kaiserlichen oder fürstlichen Portraits treten konnte oder mit einem weitergehenden Attribut eine Verbindung eingeht, dann kann das Attribut der Ähre als persönliches Attribut der römischen Herrschaft aufgefasst werden.
63 H. E. Stier, Die Weltreiche des Alten Orients. Neue Propylaeen Weltgeschichte, Bd. I, Berlin 1940, 164. 64 Vgl. dazu auch H. Schmökel, Ur, Assur und Babylon, Zürich 1955, 255, Tafel 55. 65 G. Theissen, Lokalkolorit und Zeitgeschichte in den Evangelien. Ein Beitrag zur Geschichte der synoptischen Tradition, NTOA 8, Freiburg (CH) / Göttingen 1989, 35, deutet darin einen Baldachin, unter dem sich der Kaiser in Jerusalem sehen ließ. 66 S. Aurigemma, La Terme di Diocleziano, Rom 21950, 90, Tafel L I, links. 67 Vgl. den weiterführenden Ansatz von W. E. Arnal, Jesus and the Village Scribes. Galilean Conflicts and the Setting of Q, Minneapolis 2001, bes. 134–146, auf den mich H.O. Maier hingewiesen hat. Arnal argumentiert, dass Galiläa von 18 n. Chr. an eine Monetarisierung erlebt hat, was dann wiederum Konsequenzen für die Wirtschaft in Galiläa hatte. Damit ist jedenfalls deutlich, dass sehr wahrscheinlich die Münzprägung mit den Ähren bekannt war. Dies gilt besonders auch dann, wenn man, wie für Tiberius wahrscheinlich ist, den Bezug zum sog. Goldenen Zeitalter nicht mehr unbedingt voraussetzen kann.
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3. Die Didaktik der Bilder am Beispiel von Mk 4,3–20 als Politik der Bilder. Die literarische Ebene Wir konnten sehen, dass die Ährenabbildungen auf Münzen ebenso wie auf Reliefs als Allegorie für die römische Herrschaft über Judäa und Syrien in der Zeit von ca. 30–43/56–100 n. Chr. vorkommen. Liegt es nun aber auch vom Text her nahe, beim Fruchtbringen an die Fürsten und Machthaber in Judäa und Syrien zu denken, und welche Auswirkungen kommen dieser politischen Dimension dann auf den Bezug zwischen Parabel und Allegorese zu? Oder mit anderen Worten: Zeigen die visuellen Bilder auf den Münzen aus Judäa und Syrien der Jahre 30–43/56–100 auf der Bildebene des Textes eine Wirkung? Die Parabel und ihre Deutung zeichnen sich durch Symmetrie und Asymmetrie im Aufbau aus, sowie dadurch, dass einige Aspekte in der Deutung aufgenommen werden, andere jedoch ohne Deutung bleiben. Den Auftakt des Gleichniskapitels bildet bei Mk die Parabel vom Säenden und seiner Deutung und mit ihr lässt der Autor des MkEv die erste große Rede Jesu beginnen.68 In drei Geschichten69 wird die Dramatik von Aussaat und Vergehen der Saat erzählt, wobei drei Kriterien zentral sind, nämlich Ort, Zeit und Opponenten: Die ungünstigen Orte bedingen, dass die Saat gar nicht ( V. 4 d), zu früh ( V. 6 a) oder aber zu spät wächst ( V. 4,6 b; V. 4,7 c). Der Weg und Vögel, Sonne und die Dornen als Opponenten tun ihr übriges. Die Unfähigkeit der Pflanze zu wachsen, ist Folge der ungünstigen Bedingungen, die auf die Nachlässigkeit beim Säen und letztlich des Säenden zurückgehen.70 Die Saat wird nicht konkreter benannt; durch die Nähe zum Gleichnis von der selbstwachsenden Saat bietet sich möglicherweise „Weizen“ als Präzisierung an. Der Vollzug des Fruchtbringens ist imperfektisch unabgeschlossen beschrieben. Am Schluss stehen das dreifach gesteigerte Fruchtbringen und gerade nicht der Verlust. Dieser bleibt unerwähnt. Worin das Fruchtbringen allerdings besteht, bleibt zunächst offen. Während wir bezüglich der ersten 68 Das Erste Testament in der Septuagintaversion kennt das Säen von Menschen und Säen Israels: Sach 10,9; Hos 2,25; Jer 38(31),27 f.; Ez 36,9; vgl. ebenso 4 Esr 8,43 ff. Weitere Stellen bei Klauck, Allegorie und Allegorese (s. Anm. 4), 193. 69 U. Luz, Das Evangelium nach Matthäus. Teilbd. 2: Mt 8–17, EKK I/2, Neukirchen-Vluyn 2 1996, 308. 70 Es gibt eine breite neutestamentliche Diskussion um die Saatverluste und die mit der palästinischen Landwirtschaft verbundene unwirtschaftliche Anbaumethode, über die „großen“ Saatverluste und die wirtschaftliche Notlage der Menschen in Palästina. All dies scheint mir im Text wenig Anhalt zu haben (vgl. die neuere Diskussionen bei K. Dronsch, Vom Fruchtbringen [Sämann mit Deutung] – Mk 4,3–20, in: R. Zimmermann [Hg.], Kompendium der Gleichnisse Jesu, hg.v. R. Zimmermann in Zusammenarbeit mit D. Dormeyer, G. Kern, A. Merz, Chr. Münch und E.E. Popkes, Gütersloh 2007, 297–312; Schottroff, Gleichnisse Jesu [s. Anm. 5], 97 ff.; U. Mell, Die Zeit der Gottesherrschaft. Zur Allegorie und zum Gleichnis von Markus 4,1–9, BWANT 144, Stuttgart u.a. 1998, 82–109).
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drei Geschichten eine Symmetrie im Aufbau erkennen können, erfolgt in der vierten Geschichte ein Bruch, denn das in Mk 4,8 a eingeleitete, positive Geschick einer Saat wird nicht von einem „Adjuvanten“ begleitet,71 so dass an dieser Stelle eine Leerstelle entsteht, was K. Dronsch vor dem Hintergrund narrativ-sprachlicher Überlegungen plausibel machen konnte. Der Text lässt uns diesbezüglich im Stich. Wenn wir an dieser Stelle nochmals das Ergebnis der numismatischen Überlegungen miteinbeziehen, legt sich eine andere Schlussfolgerung nahe: Die Leerstelle des Textes scheint auf die visuelle Allegorie des Fruchtbringens auf den Münzen, als deren Adjuvant der Kaiser und die römischen Prokuratoren gelten können, anzuspielen. In Mk 4,8 a erscheint die Leerstelle nun als eine Art Sollbruchstelle: Als Adjuvant ist an dieser Stelle gerade nicht der Kaiser vorgesehen. Dieser kann nicht als derjenige eingesetzt werden, der Frucht bringt. Dass ein Verweis auf den Kaiser in Mk 4,8 gänzlich unmöglich ist, zeigt sich nun in besonderer Weise in den Konkretionen der Allegorese und schließlich in Mk 4,20. Die Deutung, die besprochene Welt,72 erfolgt wiederum in drei „Verlustgeschichten“, die dadurch gekennzeichnet sind, dass das ausgesäte Wort präsentisch ist und damit unabgeschlossen; das Hören kann demnach nur punktuell erfolgen (Präsens), was durch die Aoriste gekennzeichnet ist.73 Lediglich in der vierten Geschichte in V. 20, die als „Gewinngeschichte“ gekennzeichnet ist, wird die Aussaat durch die Verwendung des Aorists als ein abgeschlossenes, zu ihrem Ziel kommendes Faktum verstanden. In Mk 4,13–20 werden die narrativen Elemente auf vier verschiedene Hörertypen angewandt, die entsprechend der vier verschiedenen Saatgruppen identifiziert und dann auch bewertet werden. Während der Duktus in der Parabel stärker auf der agrarischen Ebene verbleibt, zeichnet sich der allegorische Teil durch Konkretion hinsichtlich der Hörer / innen aus.74 Einzelne Begriffe der Parabel werden aufgegriffen und konkretisiert, aber nicht bildlich umgesetzt. Obwohl der Samenvergleich beibehalten wird, rückt das Vokabular nun in eine Richtung, die – wenn auch nur fragil – auf eine Reflexion auf eine spezielle politische Situation schließen lässt, die jedenfalls auch im Kontext einer Verfolgung gedeutet werden kann.75 Dabei ist es nun von Interesse, dass eine Reihe von Vokabeln auf 71
Dronsch, Vom Fruchtbringen (s. Anm. 70), 298. So ausführlich G. Sellin, Allegorie und Gleichnis. Zur Formenlehre der synoptischen Gleichnisse, ZThK 75 (1978), 281–335. 73 So ausführlich und sehr einleuchtend Klauck, Allegorie und Allegorese (s. Anm. 4), 200. 74 Klauck, Allegorie und Allegorese (s. Anm. 4), 201: „Der Gattung nach handelt es sich Mk 4,14–20 um eine Allegorese, die aber nicht in der Tradition der hellenistischen Mythenallegorese steht, sondern in der Tradition des prophetisch-apokalyptischen Traum- und Visionsdeuteschemas.“ 75 Dagegen Klauck, Allegorie und Allegorese (s. Anm. 4), 204: „An unserer Stelle ist zu72
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eine apokalyptische, sich immer mehr steigernde Drangsalperiode zu verweisen scheinen. So meint eine Lebensbedrohung als Todesmacht, wie sie auch in 1 Thess 3,3 ff. und Offb 2,10 vorkommt, die konkret eine Bedrohung für die Gemeinde darstellt. Im MkEv finden wir diesen Begriff neben Mk 4 nochmals in der sog. apokalyptischen Rede Mk 13. G. Theißen hat überzeugend dargelegt, dass in Mk 13 die Prophetie der Caligulakrise (36 n. Chr.) für die Zeit des Jüdischen Krieges aktualisiert wurde. Im Hintergrund steht sicherlich der das jüdische Geschichtsbewusstsein prägende Gedanke vom Hereinbrechen des messianischen Reiches.76 ist im Neuen Testament häufiger verbunden mit im Sinne einer Bedrängnis aufgrund der Nachfolge. Diese trifft Verkündiger des Evangeliums ebenso wie die Hörerinnen.77 In diesem Kontext ist auch zu verstehen wie B. Gerhardsson gezeigt hat.78 Es geht um die Sorge um die menschliche Existenz überhaupt. So zeigen gerade 1 Petr 5,7 ebenso wie Herm 4,2,5, dass diese Sorge nicht ausschließlich eine Sorge um etwas, sondern vielmehr eine Sorge vor etwas ist.79 In diesem Sinne ist dann auch zu verstehen, das die Unfruchtbarkeit des Wirkens in Hinblick auf das Endgericht ausdrückt.80 Damit verweisen die Begriffe möglicherweise auf konkrete Erfahrungen, ohne jedoch in der Konkretion und Sichtbarkeit aufzugehen. Die drei Geschichten zeigen drei Hörer / innentypen, die keine Frucht tragen. Sie bleiben somit sowohl auf der Ebene der politischen Propaganda als auch auf der Ebene der religiösen Aufforderung zum Fruchttragen zurück. Damit erhält die Konkretion, die auch schon von Klauck und von Gemünden gezeigt werden konnte, einen präziseren Ort in der Lebenswirklichkeit der Hörer / innen. Es ist gerade die politische Herrschaft Roms, der die Verlustgeschichten zuzuschreiben sind. Aufgrund der Symmetrie von Parabel und Deutung erwartet man nun auch für die vierte Geschichte eine allegorische Erläuterung, die das Fruchtbringen näher spezifiziert. Doch diese bleibt aus. Die Allegorese verharrt in diesem Punkt in der Unbestimmtheit. Eine Aufforderung zum Handeln, wie jüngst auch L. Schottroff wieder für diese Perikope mit Hinweis auf das Shema’ herausgearbeitet hat, ist mir nicht plausibel. Offensichtlich sind die intertextuellen Bezüge zum Hören des Wortes, auf die schon Gerhardsson nächst wohl nicht an die großen Christenverfolgungen im Römischen Reich gedacht, sondern an die Anfeindungen und Nachstellungen, von denen die Apg berichtet.“ 76 Anders von Gemünden, Vegetationsmetaphorik (s. Anm. 14), 227, die in Bezug auf Mk 4 an „Not gläubiger Existenz“ denkt. 77 Vgl. 2 Kor 4,8 f und Röm 8,35, zudem in 2 Thess 1,4 und Mk 10,29 f. 78 Vgl. B. Gerhardsson, The Parable of the Sower and its Interpretation, NTS 14 (1967/68), 165–193, 170 f. 79 So R. Bultmann, Art. ., ThWNT IV (1942), 595. 80 Dieser Begriff steht im Gegensatz zu , der im NT meist im übertragenen Sinne als „Frucht der Frommen“ bezeichnet wird. In diesem Sinne wird mit dem Begriff, ebenso wie mit , eine innerliche Festigkeit ausgedrückt.
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hingewiesen hat.81 K. Dronsch hat diese Bezüge jüngst aufgenommen und erläutert. Es geht um das Hörbarmachen der Worte Jesu. So kann sie zusammenfassen: „Es geht also nicht um das Hören der Worte Jesu, sondern um das Hörbarmachen der Worte Jesu – es geht unter Berücksichtigung antiker Lektürepraxis um die Fähigkeit, mit den Ohren lesen zu können. Hören ist […] ein aktiver verstehensrelevanter Wahrnehmungsakt.“82 Vergleichbares kann man auch für das Sehen anführen: Es geht um ein Sehen, das sich unserem heutigen Verständnis entzieht. Ein Sehen, das eben nicht in Konkretion aufgeht, sondern um ein Sichtbarmachen des Reiches Gottes.83 Dieses Hörbarmachen und Sichtbarmachen bezieht sich gerade nicht auf ein sichtbares (römisches) Reich, sondern auf ein nur in jedem Einzelnen wirksam sich ereignendes Reich Gottes. Dieses geht wiederum auch nicht in einem Bild des himmlischen Domes auf, wie es uns bei der Münze mit dem Schirm / Baldachin begegnet ist. Wie die fruchtbringende Saat ist auch der Säende merkwürdig unbestimmt.84 Auch dieser wird nicht – analog den drei Hörer / innentypen – näher erläutert. Er geht nicht in der Sichtbarkeit und Konkretion dieser Welt auf. In diesem Sinne kann und muss er unbildlich bleiben. Damit verschließt sich der Säende ebenso wie die Fruchtbringenden vor der Sichtbarkeit der vorzustellenden Bilder. Dies ist umso auffälliger, als der Säende und die Fruchtbringenden gerade in den konkreten Bildern der politischen aurea aetas-Vorstellungen aufzugehen scheinen, wie sie uns in den Münzen belegt sind. Denn es ist das Fruchtbringen und Säen, das auf den politischen Machthaber verweist. Damit lässt sich die Hauptschwierigkeit der Verse 14–19 narratologisch präziser fassen: In der Erwartungshaltung der Leser / innen und Hörer / innen des Textes, könnten die Verse 14–19 wegfallen, denn diese führen nur die Konkretion der Fruchtlosigkeit aus, wie sie möglicherweise von einigen Hörer / innen selbst erfahren wurde. Der Text Mk 4,13 und 20 erfüllte somit alle Bedingungen der vorhergehenden Ausführungen: Das Fruchtbringen ist das sachlich Entscheidende und Grundlegende. Dieses bildet die Grundlage für das nahe Reich Gottes, das sich sichtbar und hörbar schon ereignet. 81
Gerhardsson, Parable of the Sower (s. Anm. 78), 170 f. K. Dronsch hat in ihrer bislang unveröffentlichten Dissertation Die Bedeutung als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft. Texttheoretische und semiotische Entwürfe zur Kritik der Semantik anhand des Begriffs (Frankfurt 2006) überzeugend dargelegt, dass unser bisheriger neutestamentlicher Zugang zum Begriff des Hörens, vermittels dessen Hören die Aneignungsform der Offenbarung sei, zugunsten eines Hörbarmachens des Wortes, das zeit- und sprachunabhängig ist, aufzugeben sei. Zudem vermag sie noch ein Zweites zu zeigen: Die Hörertypen in dem Text sind keinesfalls textunabhängig zu deuten, sondern beziehen sich auf die Hörertypen, die innerhalb des MkEv entwickelt wurden. 83 Vgl. zu dem besonderen Sehensverständnis A. Weissenrieder, Der Blick in den Spiegel. II Kor 3,18 vor dem Hintergrund antiker Spiegeltheorien und ikonographischer Abbildungen, in: dies. / Wendt / von Gemünden, Picturing the New Testament (s. Anm. 27), 313–343. 84 Mell, Die Zeit der Gottesherrschaft (s. Anm. 70), 113 Anm. 113. 82
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Die Verse 14–19 thematisieren das Leben unter der Bedingung der Herrschaft des Römischen Reiches, ohne jedoch in der Bildlichkeit aufzugehen. Die Allegorese legt in den VV.14–19 die Parabel zu den grundlegenden aktuellen Aspekten christlicher Lehre für die Gegenwart der Hörerinnen und Hörer des MkEv aus. Die Belehrung erfolgt in unbildlichen Begriffen, denn die anzusprechenden Probleme sind nicht bildlich zu kleiden. Oder mit anderen Worten: Das Belehrende an der Deutung ist der unbildliche Teil. Die Allegorese ist demnach eine Methode, mittels derer man sich vor den Verstrickungen, die ausführlich auf den Münzen dargestellt werden, bewahren kann. Denn eines wird deutlich: Das Scheitern des Fruchtbringens wird als Zeichen für das Einwirken des Römischen Reiches gedeutet und letztlich möglicherweise als ein Zeichen des Scheiterns dieses politischen Systems. Denn was bleibt ist das Säen und Fruchtbringen. In diesem Sinne erhält die Darstellung der Allegorese, die auf die Bilder der Gleichnisse aufbaut, eine politische Dimension. Wir kommen zu folgendem Ergebnis: Vom historischen Befund her ist es möglich, die Münzabbildungen mit der Ährenallegorie mit der Allegorese zu verknüpfen. In Verbindung mit dem Ergebnis der literarischen Ebene gewinnt dies sogar einen hohen Grad an Wahrscheinlichkeit.
4. Die Didaktik der Bilder: Allegorie und Allegorese in Bild und Text Die Bilder der Parabel vom Sämann und seiner Deutung sind Gegenstand einer breiten exegetischen Debatte. Sie enthalten eine konkrete Lehre und wollen deshalb entschlüsselt werden. Die engere Fragestellung lautete: Wie lassen sich die Bilder vom Säen und Fruchtbringen so plausibel machen, dass die Allegorese in Mk 4,13–20 nicht nur als zufällige Vertiefung eines Textes zu deuten ist, sondern sich auf die Parabel angewiesen zeigt? Die bislang genannten Verweise auf extratextuelle Codes der Antike, die in besonderer Intensität der Landwirtschaft Palästinas gewidmet waren, führen hier – wie gezeigt werden konnte – nicht weiter. Demgegenüber wurde auf Münzen als extratextuelle Codes der Antike verwiesen. Aufgrund des numismatischen Materials, das vornehmlich aus der Zeit von 29–43/56–100 n. Chr. stammt, konnte gezeigt werden, dass die Bilder eines Säenden und vom Fruchtbringen in Judäa und Syrien im 1. Jh. einen breiten Bekanntheitsgrad hatten und auf die Herrschaft Roms, besonders aber auf die Propaganda des Fruchtbringens für den Kaiser vor dem Hintergrund des inneren Friedens, bezogen waren. Der Kaiser, so die Botschaft der Münzen, ist der Fruchtbringer des Landes. Die Frucht des Bodens ist dem Kaiser zugeordnet und qualifiziert ihn auf doppelte Weise: politisch und kultisch. Durch die Frucht des Landes, als dessen Sämann sich die po-
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litische Macht Roms sieht, qualifiziert er sich als Stifter des Friedens nach Innen. Und durch die Frucht des Landes, die auch Gabe des Kaiserkultes ist, kommt der Kaiser den Göttern gleich; sein Ziel ist der himmlische Dom. Die Bilderwelt der Parabel und ihrer Deutung ist somit eine politische. Während die Bilder des Säens und Fruchtbringens in der politischen Propaganda Roms mit dem Kaiser verbunden waren, gehen Säen und Fruchtbringen in Parabel und Allegorese gerade nicht in einem Bild auf. Sie sind auf Unbildliches verwiesen: das Sehen des Reiches Gottes und das Hörbarmachen des Wortes. Damit werden die herrschaftlichen Bilder von der Saat und vom Fruchtbringen in die theologische Enzyklopädie des Urchristentums aufgenommen und erfahren dort eine neue Deutung. Die ursprüngliche Herrschaftsterminologie und -bilderwelt wird neu interpretiert und für die Gemeinde fruchtbar gemacht. Im Kontext der politischen Propaganda werden nun auch die Begriffe Verfolgung, Bedrängnis oder auch Sorge verständlich. Sie konkretisieren damit die Bilder der Parabel, ohne selbst in Bildlichkeit aufzugehen. Damit steht jedoch eine Identifikationsleistung im Vordergrund. Die Didaktik der Bilder hat uns demnach auf das Bildfeld der Herrschaftssaat verwiesen, das in der theologischen Enzyklopädie des MkEv eine neue Deutung erhält, indem es sich auf das Reich Gottes bezogen erweist. Das Bildfeld ist dementsprechend textbezogen und nicht, wie Petra von Gemünden folgert, innovativ. Diese enge Fragestellung war mit einer allgemeinen Fragestellung nach Allegorie und Allegorese in Bild und Text verbunden. Ausgangspunkt waren die methodischen Überlegungen Winckelmanns zu Bild und Text als Allegorie und Allegorese im Sinne eines kreativen und rekreativen Akts. Diese Überlegungen waren darin begründet, dass sowohl Bilder als auch Texte Gegenstand von Allegorie und Allegorese sein können. Bilder und Texte haben an der Produktion und Rezeption von antiken und frühchristlichen Vorstellungen teil, deren Basis immer schon Kommunikation ist. Bilder und Texte sind Teil von Kultur und damit auch Teil des Zeichensystems, mit dessen Hilfe Menschen sich verständigen. Winckelmanns Konzept führt jedoch bei einer Fundierung der Allegorese nicht weiter. Wir haben bislang gesehen: Schriftliche und visuelle Texte können ihre historische Situation und ihren ursprünglichen sozialen Kontext überdauern. Unter Umständen bedürfen sie jedoch schon bald einer Erklärung: Texte können nach einer gewissen Zeitspanne missverständlich, schwer verständlich oder widersprüchlich wirken. Besonders gilt das dann, wenn sich die in dem Text enthaltenen Metaphern als erklärungsbedürftig erweisen, was verstärkt Geltung hat, wenn diese zeitgebundene Attribute und Allegorien aufgreifen. Und dies gilt umso mehr, wenn es sich um einen für eine Gemeinschaft zentralen Text handelt. Die Allegorese in diesem Sinne ermöglicht eine Vertiefung oder Erläuterung des Sinns. Eine Allegorese re-
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sultiert immer aus einer Übersetzung und hat es von daher stets mit einem vorausgehenden Text zu tun, der durch die Allegorese substituiert wird. Angestoßen wird diese Vertiefung durch politische, gesellschaftliche oder religiöse Gruppenprozesse oder Umbrüche, die eine immanent diskontinuierliche Temporalität voraussetzen. Auf dieses Phänomen trifft man häufiger dann, wenn verschiedene Gruppierungen einer Gemeinschaft aufeinander treffen. Die Allegorese kann demnach vermitteln. Als ein Beispiel eines solchen Vermittlungsprozesses können die Schriften des Philo von Alexandrien gedeutet werden, der eine Vermittlung zwischen dem Ersten Testament und der Philosophie angestrebt hat.85 Besonders deutlich wird dies in den Quaestiones zu Genesis und Exodus und den Schriften über Abraham und Josef. In diesen Traktaten treffen jedoch nicht nur Philosophie und Erstes Testament, sondern auch Literalisten und Anhänger der Allegorie aufeinander. Philo wendet sich in gewisser Weise gegen die Literalisten, die sich vor einer Allegorese des Textes zu sperren scheinen.86 Wohin das führen kann, gibt er unmissverständlich zu verstehen: Er sieht die literalistischen Versuche analog den griechischen Mythen. Einen Ausweg sieht er lediglich in der Allegorese.87 Diese ist bei Philo stets auf den auszulegenden Text angewiesen. Die Allegorese in diesem Sinne ist dann eine Vermittlung des Ersten Testaments hin zur Philosophie. Ist nun die Allegorese in Mk 4,13–20 ebenso als Vermittlungsprozess zu deuten? An eine Vermittlung könnte man in Mk 4,3–20 nur hinsichtlich der 85 In diesem Sinne ist m.E. die Allegorese, die Vermittlung zum Ziel hat, zu unterscheiden von einer philosophisch-literarischen Allegorese, wie sie uns beispielsweise von Platon überliefert ist. Vgl. dazu G.W. Most, Cornutus and Stoic Allegoresis. A Preliminary Report, ANRW II. 36.3 (1989), 2014–2065. 86 Vgl. Philo Opif. 157; Agr. 97; Deus 21 f.59; Plant. 35. 87 Eine ähnliche Tendenz lässt sich auch in den patristischen Schriften feststellen. Äußerst instruktiv bezüglich der patristischen Exegese ist der Ansatz von M. Mitchell zu dem Thema Allegorie und Literalismus, dem ich jedoch hier aus Platzgründen nicht weiter nachgehen kann. Siehe aber beispielsweise dies., The Heavenly Trumpet. John Chrysostom and the Art of Pauline Interpretation, HuTh 40, Tübingen 2000 = Louisville 2001, wo sie die literale-allegorische Dichotomie als Grundlage für die Personifikation mit und die Charakterisierung von Paulus durch Chrysostomos analysiert; ein Ausschnitt mit Zusammenfassung auch in dies., Reading Rhetoric with Patristic Exegetes. John Chrysostom on Galatian, in: dies. / A.Y. Collins (Hgg.), Antiquity and Humanity. Essays on Ancient Religion and Philosophy presented to H.D. Betz on his 70th Birthday, Tübingen 2001, 333–356; dies., Patristic Rhetoric on Allegory. Origen and Eustathius put 1 Samuel 28 on Trial, JR 85 (2005), 414–445, wo sie zusammenfasst: „I have argued that this way (literal and allegorical) of approaching the biblical interpretation […] emerged quite naturally from the rhetorical education shared by the literate elite in late antiquity, which was, after all, the essential tool kit drawn upon by early Christian interpreters. […] But under this rhetoric of a simple choice – yes or no, true or false, literal or allegorical – each author is actually engaged in an argument of much more complex, nuanced, and even clever proportions. And for both of them (Origen and Eustathius) the case at hand is in some ways the pretext for larger hermeneutical and theological issues that they which to press much more broadly, if not absolutely.“ (442.444) Vgl. zudem J.D. Dawson, Christian Figural Reading and the Fashion of Identity, Berkeley 2002, der sogar zwischen acht unterschiedlichen Formen der antiken Allegorie zu unterscheiden vermag.
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vier Hörertypen denken, die ausführlich im Text bedacht werden. Gegen ein Verständnis der Allegorese in Mk 4,13–20 im Sinne einer Vermittlung sprechen zwei Gründe: Zum einen ein textanalytischer Grund: Parabel und Allegorese zeichnen sich dadurch aus, dass jeweils vier unterschiedliche Saatorte bzw. vier verschiedene Hörertypen genannt werden. Bemerkenswert ist dabei die indexikalisch unpräzise Benennung der Gruppen ( V. 15; V. 16; V. 18 und V. 20), deren Verhalten jedoch gleichsam zugeordnet werden kann: Die auf dem Weg Befindlichen sind dem Satan ausgeliefert, die Wurzellosen sind Verfolgungen und Repressalien ausgesetzt, die auf Dornen Gesäten verharren in Existenzsorgen und Begierden. All diese Faktoren verhindern das Hören des Wortes. Die Fruchtbringenden schließlich „hören mit hörenden Ohren“88 (Mk 4,12). Es ist nun bemerkenswert, dass sowohl in Mk 4,13–20 als auch in Mt 13,36–43 die Allegorese in Individualfälle aufgelöst wird. Es geht hier demnach weniger um einen Vermittlungsprozess zwischen Gruppen oder Positionen. Wie wir sehen konnten, wurde in den drei „Verlustgeschichten“ vielmehr das Scheitern unter den Bedingungen des Römischen Reiches skizziert. Das Furchtbringen unter diesen Bedingungen wird zwar mit den Allegorien der Münzbilder artikuliert, doch umbewertet. Es geht um ein Fruchtbringen im Sinne von Hörbarmachen und Sichtbarmachen des Wirkens Jesu. Zum anderen ein intertextueller Grund: Thema der Allegorese ist eine Bedeutungsgenerierung unter veränderten Bedingungen. Diese entsteht in einem Verfahren des variierenden Wiederholens. Das schon Bekannte und Erinnerbare wird aufgerufen und damit ein Erinnerungszusammenhang gestiftet, der aber in eine neue Zeit überführt wird. So sind die räumlichen Bedingungen in Mk 4,3–20 unverändert: fruchtloser und fruchtbringender Boden. Und auch der Säende und das Thema des erfolgreichen Fruchtbringens ist gleich bleibend. Die veränderten Bedingungen beziehen sich allein auf das Scheitern des Fruchtbringens. Mk 4,13–19 wird für eine neue Zeit gedeutet und konkretisiert. Die Temporalität hat nun eine Differenz und Relationalisierung des ursprünglichen Textes zur Folge. Es entsteht ein Spannungsverhältnis, auf das in der Exegese häufig hingewiesen wurde. Diese Differenz bleibt als Differenz bestehen und kann nicht in Bedeutungssynthesen überführt werden. Es zeigt lediglich die Temporalität des Scheiterns von Fruchtbringen und ermöglicht in diesem Sinne eine Mehrfachlektüre. In diesem Sinne ist die Allegorese eng auf den Prätext bezogen. Die Deutung in Mk 4,13–20 ist – anders als H.-J. Klauck vermutet – eng auf die Parabel bezogen. Sie generiert Bedeutung unter veränderten Lebensbedingungen. Die Didaktik der Bilder ist in Mk 4,3–8.13–20 vor dem Hintergrund der römischen Propaganda des Fruchtbringens zu lesen. Fruchtbringen kann 88
Vgl. dazu die Ausführungen von K. Dronsch in diesem Band.
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dementsprechend in der Enzyklopädie des Urchristentums auf die Verbindung zwischen zwei Welten hinweisen, der politischen und religiösen Wirklichkeit, der Propaganda eines neuen goldenen Zeitalters und des Anbrechens des Reiches Gottes. Die Gemeinde kann Frucht bringen, indem jeder und jede Einzelne das Wort hörbar und das Reich Gottes sichtbar macht, jedoch ohne in der Sichtbarkeit dieser Welt aufzugehen. Das Scheitern des Fruchtbringens ist situationsbedingt und erhält in diesem Sinne auch polyseme Bedeutungszuschreibungen.
The Discourse in Parables in Mark 4 Adela Yarbro Collins Since the rise of form criticism, scholars have treated the parables as independent compositions, attempting either to strip off later accretions to discover the original form that allegedly goes back to the historical Jesus or to interpret them as aesthetic artifacts. The discourse in parables in Mark has been treated as a source to be mined for “original forms” of the parables or as a collection of parables that have little to do with one another, as pearls on a string as it were. In this study I will attempt to show that the parable discourse is indeed made up of source material, but that the evangelist has become master of his material and has shaped it into a rhetorical composition with particular aims.
The Parable Speech in Literary Context The scene in which Jesus speaks in parables is introduced (4:1) in a way suggesting that it is a typical scene in the life of Jesus: “And again ( ) he began to teach beside the sea.” A scene in which Jesus teaches a crowd by the sea is introduced also in 2:13. In 4:1, the size of the crowd forces Jesus to get into a boat and to address the crowd opposite him on the land. Just such a situation is anticipated in 3:9. Jesus’ teaching in parables is also portrayed in 3:23. These features all integrate Mark 4:1–34 into its context in the Gospel as a whole. There is tension, however, between certain elements of the speech in parables and other passages in Mark. Such tension will be addressed in the section on the literary history of the passage below.
Literary History of 4:1–34 A number of tensions within this passage and between aspects of it and other passages in Mark have provided grounds for source-critical theories. Within the passage itself, the first problem is that in v. 10, those who were around him with the Twelve asked him about the parables (plural). The response in vv. 11–12 fits well with this question, but then in v. 13, Jesus gives another response, as if the question had been about the parable (singular) that he
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has just spoken, the parable of the sower. A second problem is that, at the beginning of the passage, Jesus is sitting in a boat on the Sea of Galilee addressing a crowd that stands opposite him on the shore. The scene shifts in v. 10, so that Jesus is alone with a group of disciples. But vv. 33–34 imply that some or all of the material in vv. 21–32 was spoken to the crowd, although no transition from solitude to being with the crowd again was narrated. Vv. 35–36 imply that Jesus remained in the boat the whole time, or was in the boat again by the end of the speech in parables. A third problem is that v. 33 seems to indicate that Jesus spoke to the crowd in parables in order to teach them, on the assumption that they could understand the parables, whereas vv. 11–12 state that Jesus spoke in parables in order that “those outside,” presumably those who are not technically disciples of Jesus, including the crowd, would not understand what he was saying. A fourth problem is that v. 34 seems to contradict v. 33. V. 34 fits well with vv. 11–12; Jesus spoke in parables to the crowd and explained them only to his disciples. Finally, the many introductory formulas (vv. 9, 13, 21, 24, 26, 30) provide evidence of the secondary combination of originally independent units.1 Two main tensions have been observed between Mark 4:11–12, on the one hand, and the rest of Mark, on the other. The so-called parable theory of vv. 11–12 makes a sharp distinction between insiders and outsiders, which are taken to be equivalent to the disciples and all other people, respectively. But elsewhere in Mark, Jesus shows concern for the crowd and they manifest sympathy and some understanding of Jesus.2 In contrast, the disciples, who have been given the secret of the kingdom of God, show the same lack of understanding as the outsiders.3 The second type of tension lies in the fact that, apparently contrary to the parable theory, the opponents of Jesus seem to understand Jesus’ speech in parables elsewhere in the Gospel.4 The second tension, however, may only be apparent. V. 12 speaks of seeing, but not perceiving, and of hearing, but not comprehending. The point is not that those who are pre-eminently outsiders, the opponents of Jesus, fail to understand the rhetorical force of Jesus’ parables (they do “see” and “hear”), but rather that their hearts are hardened so that they do not accept Jesus’ point of view and therefore reject his proclamation (they do not “perceive” and “comprehend”). In any case, the tensions within the passage are sufficient to warrant the conclusion that the evangelist made use of two sources in composing Jesus’ speech in parables. The similarity in theme, outlook, and structure among 1 H. Räisänen, The ‘Messianic Secret’ in Mark (SNTW; Edinburgh 1990), 85; see also P. Sellew, “Oral and Written Sources in Mark 4.1–34,” NTS 36 (1990): 234–267. Both of these studies contain bibliographical information and discussion of older theories. 2 Mark 1:21–28; 3:32–34; 6:34; 7:37; 12:37 b; 11:18 b; Räisänen, ‘Messianic Secret’ (n. 1), 92–96. 3 Mark 4:40; 6:51–52; 7:18; 8:17–21; cf. Räisänen, ‘Messianic Secret’ (n. 1), 97–101. 4 Mark 3:22–27; and esp. 12:12; cf. Räisänen, ‘Messianic Secret’ (n. 1), 87–92.
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the parable of the sower (vv. 3–8), the similitude of the seed growing by itself (vv. 26–29), and the similitude of the mustard seed (vv. 30–32) supports the hypothesis that these constituted a source used by the evangelist. They all use the image of the growth of seed, and the two similitudes explicitly compare the kingdom of God with this growth. Various features indicate that this source was orally composed and transmitted, such as the use of a group of three units, but it may have been committed to writing by the time the author of Mark received it.V. 33 represents the conclusion of this source.5 The second source was a brief didactic dialogue, including a version of the parable of the sower (vv. 3–8) and the interpretation of this parable (vv. 13–20). It probably also included the saying about having ears to hear in v. 9 and the “parable theory” in vv. 11–12. This source portrays Jesus’ parables as riddles or symbolic sayings requiring interpretation through the use of established techniques. V. 34 represents the conclusion of this source. It was almost certainly written, since it makes use of an interpretive schema characteristic of prophetic and apocalyptic literature, namely, a formal pattern used in the interpretation of dreams and visions. The pattern, as adapted, contained a saying, a request for interpretation, and a structured explanation.6 The ways in which the author of Mark combined these sources and the meaning of the resulting composition will be discussed in the comments on the component parts of the discourse below.
Literary Unity of 4:1–34 Although the respective texts differ greatly in date, it seems relevant to the interpretation of Mark 4:1–34 that the Jewish exegetical texts called midrashim sometimes contain chains or series of parables or meshalim. In the Hebrew Bible, the term mashal is used for a variety of types of figurative sayings, and it is often translated by the Greek word , “parable.” In rabbinic literature the mashal is usually a brief narrative in the past tense and thus similar to the Greek fables and the New Testament parables. Nearly all rabbinic meshalim have two parts. The fictional narrative proper is called the mashal and its application is the nimshal. Each begins with a formulaic phrase. The mashal usually begins with the phrase “It is like” or the equivalent. The nimshal usually opens with the word “similarly.” The nimshal usually concludes by citing a verse from scripture, the mashal’s
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Sellew, “Oral and Written Sources” (n. 1), 251–260. Sellew, “Oral and Written Sources” (n. 1), 255, 260–263; H.-J. Klauck, Allegorie und Allegorese in synoptischen Gleichnistexten (NTAbh NF 13; 2 nd rev. ed. 1986; Münster 1978), 67–91; J. Marcus, The Mystery of the Kingdom of God (SBLDS 90; Atlanta 1986), 62–64. 6
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prooftext. The citation from scripture is both the exegetical occasion for the mashal and its climax.7 According to Stern, the parables in a rabbinic chain or series usually have parallel narratives and parallel applications.8 Sometimes a group of parables is used to transport the audience from an opening verse to a prooftext. He cites an example in which the opening verse is Jer 9:17, “Thus said the Lord of Hosts: Listen! Summon the dirge-singers, let them come.” The prooftext is Lam 1:1, “How lonely sits the city that was full of people etc.” Three parables lead from the first text to the second. They each have the same themes and purposes, but each one arranges them differently so that the three are similar, yet distinct. The changes result in a movement that leads to a suprising conclusion. The speaker in the opening verse of Lamentations is no longer personified Zion, but God.9 An analogous movement may be seen in Mark 4:1–34. The parable of the sower itself, the fictional narrative, may be seen as an introduction to the parabolic discourse. It does not have an explicit theme, and it also lacks an application. The lack of these makes the parable somewhat opaque, although, as will be shown below, the imagery was familiar enough to lead members of the audience to recall themes which they knew from oral discourse or other texts in their respective cultures. Jesus’ dialogue with his disciples forms a transition from the fictional narrative about the sower to its application. In the dialogue, a theme or topic is expressed: the mystery of the kingdom of God. In the interpretation or application of the parable of the sower, the mystery of the kingdom of God is not mentioned, but another theme or topic is introduced, “the word.” “The word,” as will be shown below, is equivalent in Mark to the “good news” or “gospel.” The summary of Jesus’ proclamation in 1:14–15 shows that the “good news” is that the time has been fulfilled and the kingdom of God has drawn near. Thus the fictional narrative, the transitional dialogue, and the interpretation or application all thematize the kingdom of God in different ways. The two-part saying that follows the interpretation of the parable of the sower (vv. 21–22) continues the theme of the “mystery of the kingdom of God” by substituting for that phrase first “what is hidden” and then “what is secret.” This saying suggests that the mystery is not to be kept secret, but to be proclaimed. The following three-part saying (vv. 24–25) develops first the theme of proclaiming and then the theme contrasting the insiders and outsiders, which was introduced in vv. 11–12.10 7 D. Stern, Parables in Midrash: Narrative and Exegesis in Rabbinic Literature (Cambridge, Mass. / London 1991), 8. 8 Stern, Parables in Midrash (n. 7), 176. 9 Stern, Parables in Midrash (n. 7), 160–162. 10 For a fuller treatment, see below.
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The shifts introduced by the sayings in vv. 21–25 lead the audience to infer that the sower in the parable of the seed growing by itself represents the followers of Jesus carrying on his proclamation, rather than Jesus himself. This parable and the following one about the mustard seed, both explicitly related to the kingdom of God, have the effect of encouraging the audience to be patient in their efforts to spread the gospel and in their expectations of the fulfillment of the kingdom. The parable of the mustard seed, with its parody of messianic expectation, alludes to the suffering and death of Jesus. Thus, the collection of figurative sayings or parables in 4:1–34 transports the audience from a focus on God’s act through Jesus in announcing the good news of the kingdom of God (vv. 3–9) to a foreshadowing of the surprising turn of events in which the messiah must die before the full manifestation of that kingdom (vv. 30–32). Support for this analysis may be found in the argument that there is an analogous movement in the sequence of three parables in Matt 21:28–22:14. The three parables may be seen as linked by a chronological succession of topics. The parable about the two sons concerns response to the mission of John the Baptist (21:32). The parable about the wicked tenants depicts response to the mission of Jesus as “the son” of the owner of the vineyard (21:37–39) and the consequences of that response (21:40–44). Finally, the parable about the wedding banquet concerns the mission of the apostles after Jesus’ death (22:9–10). Both the good and the bad are invited, but the bad will be judged at the final judgment (22:13).
The Parable of the Sower (4:1–9) In the context of ancient figurative speech, it is odd that this parable only expresses one element of the comparison. Both elements are expressed in Aristotle’s instances of the figure of speech he calls “parable” ( ), for example, Socrates’ saying that choosing government officials by lot is like choosing athletes by lot instead of by ability.11 One could explain the lack of the second element in the parable of the sower by arguing that it belongs to a different genre. Aristotle’s “parable” ( ) is actually a simile or similitude in the present tense, whereas the parable of the sower is a metaphorical narrative in the past tense. Aristotle refers to fictional, metaphorical narratives in the past tense as “fables” ( ). His illustrations of this literary type, however, also express both elements of the comparison. He tells the fable, for example, devised by Stesichorus about Phalaris. When the people of Himera had made Phalaris a dictator over them and were about to appoint a bodyguard for him, Stesichorus told the following story: 11
Aristotle Rhet. 1393 b = 2.20.4.
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A horse was in sole occupation of a meadow. A stag having come and done much damage to the pasture, the horse, wishing to avenge himself on the stag, asked a man whether he could help him to punish the stag. The man consented, on condition that the horse submitted to the bit and allowed him to mount him javelins in hand. The horse agreed to the terms and the man mounted him, but instead of obtaining vengeance on the stag, the horse from that time became the man’s slave.12
Stesichorus told the people that they should be careful, in their desire to avenge themselves on their enemy, not to end up like the horse. They already wore the bit, since they had made him dictator; if they gave him a bodyguard and allowed him to mount them, they would immediately become his slaves.13 Like the Greek fables, rabbinic parables regularly express both elements of the comparison. According to Stern, nearly all rabbinic parables have two parts: a fictional narrative, the parable or mashal-proper; and the narrative’s application, the nimshal.14 The parable of the sower was probably orally composed, perhaps by the historical Jesus.15 Whether it was composed by Jesus or by one of his followers after his death, the parable originally had a rhetorical purpose. Its significance would have been clear in the situation in which it was told.16 In an oral collection of parables, such as the source mentioned above (Literary History of 4:1–34), the rhetorical situation would still provide the application. Once the collection was written down, however, the rhetorical situation was lost and is virtually irrecoverable. In the second source utilized by the evangelist, the second element of the comparison was deliberately omitted in order to evoke the question of the disciples regarding the meaning of the parable. As noted in the section on Literary History above, the interpretation of the parable of the sower, now found in vv. 14–20, was part of the source consisting of a brief, written, didactic dialogue. It is generally agreed that the 12 Aristotle Rhet. 1393 b = 2.20.5. Translation from J.H. Freese, Aristotle (23 vols.; LCL; Cambridge / London 1926), 22:274–277. 13 On the rhetorical use of fables in antiquity, see G.-J. van Dyck, : Fables in Archaic, Classical, and Hellenistic Greek Literature with a Study of the Theory and Terminology of the Genre (Mnemosyne Supplement 166; Leiden 1997). 14 Stern, Parables in Midrash (n. 7), 8. 15 For attempts to reconstruct the original form of the parable, see J.D. Crossan, In Parables: The Challenge of the Historical Jesus (New York 1973), 39–44; Klauck, Allegorie und Allegorese (n. 6), 188–189; Marcus, The Mystery of the Kingdom of God (n. 6), 31–33. 16 For a critique of New Critical approaches to the parables of Jesus as aesthetic compositions and for an argument that they had a primarily rhetorical significance, see W.F. Brosend II, “The Recovery of Allegory” (Ph.D. diss., University of Chicago, 1993). For a case study on the rhetorical use of a parable by a folklorist, see B. Kirshenblatt-Gimblett, “A Parable in Context: A Social Interactional Analysis of Storytelling Performance,” in Folklore: Performance and Communication (eds. D. Ben-Amos and K.S. Goldstein; Approaches to Semiotics 40; The Hague / Paris 1975), 105–130. See also M.A. Beavis, “The Power of Jesus’ Parables: Were They Polemical or Irenic?,” JSNT 82 (2001): 3–30.
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parable of the sower is older than this interpretation.17 Since the pre-Markan rhetorical situation of the parable is unknown, the interpretation of vv. 14–20 is later, and the parable itself does not indicate the second element in the comparison, the best way to understand the significance of the parable is to investigate whether the imagery of the parable was used in specific ways in its cultural settings.18 The most striking and most fully elaborated analogous use of the image of sowing in roughly contemporary Jewish literature is 4 Ezra 8:37–41: [The angel] answered [Ezra] and said, “Some things you have spoken rightly, and it will come to pass according to your words. For indeed I will not concern myself about the fashioning of those who have sinned, or about their death, their judgment, or their destruction; but I will rejoice over the creation of the righteous, over their pilgrimage also, and their life, and their receiving their reward. As I have spoken, therefore, so it shall be. For just as the farmer sows many seeds and plants a multitude of seedlings, and yet not all that have been sown will live in due season, and not all the plants will take root; so also those who have been sown in the world will not all live.”19
In this text, God is the sower, and the results of sowing and planting are human beings. “Living in due season” alludes to a happy, eternal afterlife. Those who do not “live” are the wicked who are eternally damned.20 As Klauck has pointed out, the imagery of this passage has precedents in the Bible.21 In Hos 2:23–25 (2:21–23 English), God is the sower and what is sown is the people of Israel.22 Another Jewish apocalyptic work roughly contemporary with Mark, the Similitudes of Enoch (1 Enoch 37–71), uses the imagery of sowing and applies it specifically to the new age, rather than to the present: 17 The case for this conclusion was made persuasively by J. Jeremias, The Parables of Jesus (rev. ed.; New York 1963; trans. from 6 th German ed., 1962), 77–79. The fact that the version of the parable in the Gos. Thom. 9 is briefer than Mark’s and lacks the interpretation does not constitute evidence that the version of Gos. Thom. is older than that of Mark. The version in Gos. Thom. could well have resulted from the commonly practiced technique of reformulating a text in a more concise manner; see B.L. Mack and V.K. Robbins, Patterns of Persuasion in the Gospels (Foundations and Facets: Literary Facets; Sonoma, Calif. 1989), 17–18. The omission of the interpretation is also in keeping with the cryptic style of Gos. Thom. 18 See Klauck’s investigation of the parable’s “field of images” (Bildfeld) in Allegorie und Allegorese (n. 6), 192–196; for explanation of the concept “field of images,” see op. cit., 142–143. 19 Translation from M.E. Stone, Fourth Ezra (Hermeneia; Minneapolis 1990), 276. Note that the Latin version reads salvatio (“salvation”) rather than “life” and salvabuntur (“will be saved”) instead of “live.” 20 Stone, Fourth Ezra (n. 19), 283–284. 21 Klauck, Allegorie und Allegorese (n. 6), 193 and n. 43. 22 Cf. Jer 31:27–28 (LXX 38:27–28), which alludes to and elaborates the passage in Hosea cited above; see W.L. Holladay, Jeremiah: A Commentary on the Book of the Prophet Jeremiah, Vol. 2: Chapters 26–52 (Hermeneia; Minneapolis 1989), 196–197. See also Ezek 36:8–11; Zech 10:9 LXX. See also 4 Ezra 9:18–22, where God’s saving of a remnant is portrayed as exercising agricultural labor.
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For from the beginning the Son of Man was hidden, and the Most High preserved him in the presence of his might, and he revealed him to the chosen. And the congregation of the chosen and the holy will be sown; and all the chosen will stand in his presence on that day.23
The context implies that the community of the holy and the chosen will be established at the beginning of the new age, when the Son of Man is revealed. One of the Thanksgiving Hymns from Qumran speaks about the members of the community as follows: Their root] will sprout like a flo[wer of the field f]orever, and shall cause a shoot to grow into the boughs of an everlasting Plant. It shall cover the whole ea[rth] with its shade [and] its [crown] (shall reach) up to the sk[y]. Its roots (shall go down) to the Abyss, and all the rivers of Eden [shall water] its [branches].24
In this text, the community has already been planted, and its members express hope that it will grow and flourish.25 In Greek literature, the image of sowing was also used for the generation of human beings by divine power.26 In his discussion of the creation of the universe, Plato has the Demiurge instruct the younger gods to create the bodies of mortal living creatures and state that he himself will deliver to them the immortal part when he has “sown it and given it origin.”27 After he had produced these immortal souls, “He proceeded to sow them, some in the Earth, some in the Moon,” and the others in various stars.28 Analogously, Seneca wrote: The gods are not disdainful or envious; they open the door to you; they lend a hand as you climb. Do you marvel that a human being goes to the gods? God comes to humans; no, he comes nearer,–he comes into humans. No mind that has not God, is good. Divine seeds are scattered throughout our mortal bodies; if a good culti23 1 En. 62:7–8; translation (slightly modified) from G.W.E. Nickelsburg and J.C. VanderKam, 1 Enoch: A New Translation (Minneapolis, Minn. 2004), 80. 24 1QH 14:14–16 (Sukenik, col. 6 + frg. 26):
Text and trans. (modified) from F. García Martínez and E.J.C. Tigchelaar, eds., The Dead Sea Scrolls Study Edition (2 vols.; Leiden 1997–1998), 1:174–175. 25 The apocalyptic use of the planting image has a precedent in Isa 60:19–21. 26 J.R. Asher, Polarity and change in 1 Corinthians 15: A Study of Metaphysics, Rhetoric, and Resurrection (HUT 42; Tübingen 2000), 137–138. 27 (Plato Tim. 41C); text and translation from R.G. Bury, Plato (12 vols.; LCL; Cambridge, Mass. / London, UK 1929), 9:88–89. 28 (Tim. 42D); Bury, Plato (n. 27), 9:92–93.
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vator receives them, they spring up in the likeness of their source and of a parity with those from which they came. If, however, the cultivator is bad, like a barren or marshy soil, he kills the seeds, and causes tares to group up instead of wheat.29
These texts, the Greek, Latin, and the Jewish, suggest that the sower in the parable is God, or perhaps Jesus as the agent of God. Since Mark summarizes Jesus’ teaching with the words “The time is fulfilled, and the kingdom of God has drawn near” (1:15), the parable probably addresses the crisis of the last days. Like 4 Ezra, the Markan parable does not expect all seeds to bear fruit. In 4 Ezra, the characteristic that is analogous to bearing fruit is righteousness, ethical living in response to God’s instruction. Similarly, in the Similitudes of Enoch, the community that is “sown” are the holy, who will be rewarded, whereas the wicked will be punished. The latter text adds the theme of the oppression of the poor righteous by the wealthy wicked. The Thanksgiving Hymns from Qumran also imply that the community is holy and righteous, but a new element there is loyalty to the community and its divinely revealed teaching. It is likely, at least for members of the audience familiar with these traditions, that analogous connotations were present in the Markan parable as well. Those who bear fruit are the members of the eschatological community constituted by those who respond positively to the proclamation of Jesus. Those educated in Greek and Hellenistic literature and tradition would also recognize the description of sowing and its results as an analogy to or allegory of education. The Law is a brief statement of the characteristics desirable in a student of medicine. This work is attributed to Hippocrates, the famous Greek physician. It includes the following statement: The learning of medicine may be likened to the growth of plants. Our natural ability is the soil. The views of our teachers are as it were the seeds. Learning from childhood is analogous to the seeds’ falling at the right time upon the prepared ground. The place of instruction is as it were the nutriment that comes from the surrounding air to the things sown. Diligence is the working of the soil. Time strengthens all these things, so that their nurture is perfected.30
This passage is a simile rather than a fable, but the points of comparison are very similar to those implied by the parable of the sower. It is noteworthy, however, that the element of “industrious toil” is missing in the parable of the sower. In a similar vein, Diogenes Laertius wrote concerning the Stoics: “Or, again, they liken Philosophy to a fertile field: Logic being the encircling 29 Seneca Ep. 73.16; translation (modified) from R. Gummere, Seneca: Ad Lucilium Epistulae Morales (3 vols.; London / Cambridge 1920), 2:112–113. This passage is cited by J.B. Lightfoot as analogous to Jesus’ parables: St. Paul’s Epistle to the Philippians (London 1913; repr. Grand Rapids, Mich. 1953), 285–286. 30 Hippocrates, Law 3; translation (modified) from W.H.S. Jones, Hippocrates (LCL; Cambridge / London 1923), 2:264–265.
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fence, Ethics the crop, Physics the soil or the trees.”31 This passage is an extended metaphor, rather than a metaphorical narrative or parable, but like the Law, it suggests that agricultural metaphors were common in ancient discourse about education. Seneca compared educating people in philosophy to sowing seed: Words should be scattered like seed; no matter how small the seed may be, if it has once found favorable ground, it unfolds its strength and from an insignificant thing spreads to its greatest growth. Reason grows in the same way; it is not large to the outward view, but increases as it does its work. Few words are spoken; but if the mind has truly caught them, they come into their strength and spring up. Yes, precepts and seeds have the same quality; they produce much, and yet they are slight things. Only, as I said, let a favorable mind receive and assimilate them. Then of itself the mind also will produce bounteously in its turn, giving back more than it has received.32
An analogous notion appears in 4 Ezra in the prayer of Ezra that precedes his vision of the heavenly Jerusalem. He attributes the following speech to God on the occasion of the giving of the Law in the wilderness: Hear me, O Israel, and give heed to my words, O seed of Jacob. For behold, I sow my law in you, and it shall bring forth fruit in you, and you shall be glorified through it forever.33
Once again, God is depicted as the sower, but this time it is the Law, the instruction of God, that is sown in the people. By analogy with this text, the Markan parable of the sower could be understood as God sowing “the good news of God” ( ) into the people through the agency of the proclamation and teaching of Jesus.34 Since the original rhetorical context of the parable is lost, it is uncertain whether the three ways in which some seeds fail to thrive (vv. 4–7) were intended to be interpreted allegorically. It is noteworthy, however, that Ezra, as a character in 4 Ezra, attributes the failure of the Law to bear fruit in the people of Israel to the “evil heart” with which human beings apparently were created (3:20).
31 Diogenes Laertius, Vit. Phil. 7.40; translation from R.D. Hicks, Diogenes Laertius (2 vols.; Cambridge, Mass. / London, UK 1925), 2:150–151. 32 Seneca Ep. 38.2; translation from Gummere, Seneca (n. 29), 1:256–259. This passage is cited in relation to the parable of the mustard seed and the parable of the sower by B.T.D. Smith, The Parables of the Synoptic Gospels: A Critical Study (London / New York 1937), 120, 125–126. 33 4 Ezra 9:30–31; cf. 3:20; translation from Stone, Fourth Ezra (n. 19), 306. 34 According to Stern, the rabbinic parables are “about events and characters, and particularly one character – the king, or God” (Stern, Parables in Midrash [n. 7], 93). This centrality of God as a character in rabbinic parables supports the inference that God or God’s agent is the sower in the Markan parable.
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Whereas, again, no precise allegorical interpretation of the threefold fruitfulness (v. 8) may be recovered, the imagery does imply that there are degrees of insight, righteousness, or other appropriate response to the sowing. The author of 1 Clement offers the following interpretation: “The sower went out” and cast each of the seeds onto the soil. Because they are dry and barren they decay when they fall onto the soil. But then the magnificent providence of the Master raises them up out of their decay, and from the one seed more grow and bring forth fruit.35
The context is an argument that there will be a future resurrection. The interpretation seems to be an allegorical one, in which the sowing of seed represents death, and the plants and fruit the resurrected body. Irenaeus takes the different degrees of fruitfulness as representing degrees of reward in the afterlife. He says that, according to the elders, those who are deemed worthy of an abode in heaven will go there, others will be in Paradise, and yet others will inhabit the new Jerusalem. The first are those who, according to the parable of the sower, bear one hundredfold, the second those who bear sixtyfold, and the third those who bear thirtyfold.36 The readings of 1 Clement and Irenaeus are analogous to the eschatological employment of the imagery in 4 Ezra and the Similitudes of Enoch (see above). Col 1:5 b–6, probably dependent on this verse, speaks about the true word of the gospel “bearing fruit and growing in the whole world.”37 The reference to seed yielding a hundredfold (v. 8) is not unrealistic.38 The exhortation to hear (v. 9) repeats the invitation to listen in v. 3, using the same Greek verb ( ). The invitation of v. 3 is addressed to the whole crowd. The exhortation of v. 9, on the literal level, implies that all who have the physical ability to hear are able to understand the parable. On the metaphorical level, however, it prepares for the parable theory that follows by hinting that not all who have the physical ability to hear have also the capacity to understand.39 According to the Thanksgiving Hymns from Qumran, it is God who opens a human being’s ears “to wondrous mysteries.”40
35 1 Clem. 24.5; translation (modified) from B.D. Ehrman, The Apostolic Fathers (2 vols.; LCL; Cambridge, Mass. / London 2003), 1:80–81; see also K. Lake, The Apostolic Fathers (2 vols.; LCL; Cambridge / London 1912), 1:52–53. 36 Irenaeus, Haer. 5.36.1–2. 37 O. Leppä, The Making of Colossians: A Study on the Formation and Purpose of a Deutero-Pauline Letter (Publications of the Finnish Exegetical Society 86; Helsinki / Göttingen 2003), 219, 257–258. 38 J.T. Fitzgerald, “Gadara: Philodemus’ Native City,” in Philodemus and the New Testament World (eds. J.T. Fitzgerald, D. Obbink and G.S. Holland; NovTSup 111; Leiden 2004), 343–397, esp. 387. 39 Cf.J. Marcus, Mark 1–8 (AB 27; New York 2000), 297. 40 (1QH 9:21; Sukenik, 1:21).
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The Dialogue about the Parables The use of the plural, (“parables”), in the disciples’ question (v. 10) takes up the editorial comment in v. 2, that “he was teaching them many things in parables.” Jesus’ response (vv. 11–12) is twofold. The first statement is “To you has been given the mystery of the kingdom of God.” It is only in the middle section of Mark that Jesus reveals the most difficult aspect of the “mystery of the kingdom of God,” namely, that he, God’s anointed, must suffer and die. The disciples’ question about the parables may foreshadow their difficulties in understanding and accepting this revelation. This hypothesis is supported by the fact that in 4:2 Jesus speaks “in parables” ( ), whereas in 8:32 he is explicitly said to speak “openly” ( ). The contrast seems to be deliberate. In the second part of his response, Jesus states, “to those who are outside, everything happens in parables, in order that, seeing, they may see and not perceive, and hearing, they may hear and not comprehend, lest they turn and it be forgiven them” (v. 11 b–12). Many interpreters understandably object to the implication of the text that God predestines some people for damnation. The passage seems to have a more limited goal when seen in its historical context. The latter part of the statement alludes to Isa 6:9–10 in which Isaiah’s prophetic mission to the people of Judah and Jerusalem is portrayed as doomed from the start. The passage in Isaiah may have been written after the fact, and thus may be an attempt to understand and explain why the people did not respond to God’s revelation and teaching through Isaiah.41 It is also a way of affirming the sovereignty of God: whatever happens is God’s will and human beings must accept it as such. The situation may have been analogous with Mark and his audience. The passage may have been composed after many people to whom the word had been proclaimed had rejected it. This discouraging situation is made bearable by interpreting it in terms of an authoritative text and by accepting it as part of the divine plan.42 A literary approach to vv. 11–12 leads to the inference that only a member of the community of followers of Jesus is able to understand his parables. 41 Joseph Blenkinsopp concludes that it was written in response to the rejection of the prophet’s message by Ahaz and those who supported his pro-Assyrian policy; J. Blenkinsopp, A History of Prophecy in Israel (rev. ed.; Louisville, Ky. 1996), 102. 42 Mark’s use of Isa 6:9–10 implies that the failure of the outsiders to understand, and thus “turn” or repent and be forgiven, is the will of God brought about by Jesus as God’s agent. This interpretation is all the more striking in comparison with the “softening” of the passage in the DSS and in the versions; see C.A. Evans, To See and Not Perceive: Isaiah 6.9–10 in Early Jewish and Christian Interpretation (JSNTSup 64; Sheffield 1989), esp. 53–80. Mark’s usage is analogous to Paul’s, though apparently not dependent on it. On Paul’s use of Isa 6:9–10, see op. cit., 81–89; on Mark’s, 91–106.
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The capacity for understanding is created by identification with the community. The community has its own language, and only a member of it can speak and understand that language.43 Another kind of literary approach leads to the conclusion that “Mark is a strong witness to the enigmatic and exclusive character of narrative, to its property of banishing interpreters from its secret places.”44 Jesus’ chiding of the inner circle (v. 13) for not understanding the parable of the sower seems to be a rhetorical device. It highlights the importance of what follows and engages the audience’s attention. It may also foreshadow the disciples’ difficulty in understanding the revelation of the necessity of Jesus’ suffering in the middle section of Mark.
The Interpretation of the Parable of the Sower The interpretation that follows (vv. 14–20) remains to a significant degree on the figurative level. Verse 14 reveals that what is sown is (“the word”). Jeremias demonstrated that this absolute use of the word is a technical term for the gospel in the early church.45 In the context of Mark, its use here recalls 2:2, “And many were gathered together, … and he was speaking the word to them.” In order to understand the nature of this “word,” the audience must have recourse to the summary of Jesus’ teaching in 1:15. So, although the interpretation does not explicitly identify the sower, the context of Mark suggests that this figure represents Jesus. Furthermore, the relationship between 1:14–15 and 2:2 suggests that for Mark, “the good news” or “gospel” and “the word” are equivalent. In verse 15, the interpretation of the sowing along the road is introduced by the demonstrative pronoun (“these”). The use of such demonstratives is typical of the interpretation of dreams and of scripture in the Joseph story, prophetic vision reports, Daniel, apocalyptic literature, the Dead Sea Scrolls, and rabbinic literature.46 The audience is not told how Satan’s taking away the word that had been sown would be experienced. Presumably Satan was thought to work through other human beings to persuade those who had accepted the word to change their minds and to commit or re-commit themselves to other points of view and ways of life. Another possibility is that Satan was believed to work directly by inspiring certain thoughts, words and actions. Jesus’ rebuke of Peter in 8:33 may indicate that the au43
Stern, Parables in Midrash (n. 7), 204–205. F. Kermode, The Genesis of Secrecy: On the Interpretation of Narrative (Cambridge, Mass. / London, UK 1979), 33–34. 45 Jeremias, The Parables of Jesus (n. 17), 77. 46 Klauck, Allegorie und Allegorese (n. 6), 67–91. See also M. Himmelfarb, Tours of Hell: An Apocalyptic Form in Jewish and Christian Literature (Philadelphia 1983), 41–67. 44
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thor of Mark considers Peter’s response to Jesus’ prediction of his sufferings to be an example of Satan’s taking away the word from Peter.47 In vv. 16–17, the explanation of the rocky ground is illuminating in its reference to “tribulation or persecution on account of the word.” This detail reveals that some of those who accepted the message of Jesus experienced social pressure to reject it later. This pressure may have taken a variety of forms, anything from being ostracized to being executed. The implied invitation to “take up your cross and follow me” in 8:34 suggests that some had died or at least that death was a threatening possibility. The explanation of the thorns (vv. 18–19) in terms of the cares of the world, the delight in riches and other things, suggests that at least some in the movement or community of Jesus’ followers were committed to an ascetic lifestyle. This commitment was probably related to the perceived need to travel about and proclaim the word.48 The interpretation, like the parable, ends on a positive note (v. 20). Even though many seeds fail to bear fruit, those that do will bear in extraordinary abundance. As Jeremias has shown, the metaphorical use of the verb (“bearing fruit”) and the notion of the word bearing fruit do not occur in the Synoptic Gospels, apart from this passage and those dependent on it, but they do occur in other early Christian literature.49 In Romans, Colossians and 4 Ezra, the image represents living in accordance with the will of God; it has a primarily ethical force.50 As in Colossians, the image in Mark is closely related to the “growth” of the word, that is, the spread of the gospel throughout the world.51
The Sayings in 4:21–23 Following the interpretation of the parable of the sower is a pair of sayings that comes close to the classic rhetorical comparison.52 Just as a lamp is put on a stand, what is hidden or secret must come out into the open. The kingdom of God is not an explicit theme here, but this pair of sayings contrasts with the transitional dialogue between Jesus and his disciples. There it is said that the mystery of the kingdom is given to the disciples and withheld from outsiders. The term “mystery” is given two substitutes in this pair of sayings: (“what is hidden”) and (“what is secret”). The 47 Mary Ann Tolbert argued in this way; M.A. Tolbert, Sowing the Gospel: Mark’s World in Literary-Historical Perspective (Minneapolis 1989), 148–159, 195–203. 48 Cf. Mark 10:17–31. 49 Jeremias, The Parables of Jesus (n. 17), 77–78. 50 Rom 7:4; Col 1:6, 10; 4 Ezra 3:20; 9:31; see the discussion in E. Lohse, Colossians and Philemon (Hermeneia; Philadelphia 1971), 19–20, 29. 51 Cf. Mark 4:8 b, 20 with Col 1:6. 52 See the discussion above on the parable of the sower.
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comparison with the lamp suggests that the mystery of the kingdom is not to be kept secret, but is to be proclaimed.53 There will always be outsiders who will reject the proclamation, but the circle of insiders is an open, not a closed one. The exhortation to hear or listen in v. 23 continues the theme introduced in v. 3. There a simple call to listen ( ) focused the audience’s attention on the parable of the sower. Verse 9, a variant of the saying in v. 23, hints that this parable may not be easy to understand, or that its meaning, when grasped, may be difficult to accept. If the interpretation of vv. 21–22 above is correct, the exhortation to hear in v. 23 may call attention to a shift from the secrecy expressed in vv. 11–12 to the revelation advocated in vv. 21–22.
The Saying in 4:24–25 This three-part saying is a “parable” in the sense attested in the LXX, namely, an enigmatic or riddling saying.54 If the previous pair of sayings (vv. 21–22) alludes to the proclamation of the mystery of the kingdom, this unit may develop that theme further. The introductory statement, “Pay attention to what you hear” (v. 24 a), stands in some tension with the metaphorical saying, “By the measure with which you measure, it will be measured to you and it will be added to you” (v. 24 b). The opening statement seems to define the addressees as those who hear the proclamation, whereas the first metaphorical saying seems to identify them as those who proclaim. The tension is resolved by the assumption that, as soon as one has grasped what one has heard, one is called to proclaim it to others. The third part of the saying, “For with regard to the one who has, it will be given to him; and the one who does not have, even that which he has will be taken away from him,” seems to refer to the insiders and the outsiders of the dialogue (vv. 11–12) once again. Those who have the mystery of the kingdom will proclaim it and thus receive a greater reward, whereas those who do not have it, will not understand the parables and thus lose their opportunity to participate in the kingdom of God.
The Simile of 4:26–29 Unlike the parable of the sower, which is a narrative, a story told by verbs in the past tense, this parable is a simile, a comparison made in the pre53 54
On the lamp as a symbol for God’s word, see Marcus, Mark 1–8 (n. 39), 318. Ps 77:2 LXX; Prov 1:6; Sir 39:3; Ezek 17:2; Dan 12:8 OG.
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sent tense. Unlike the classic rhetorical comparisons, however, its point is not crystal clear. The kingdom of God is compared with a man who sows seed on the ground. Without his further participation, the seed sprouts and grows. The earth produces of itself. But when the grain is ready, the man puts in the sickle, because the harvest-time has come. No application or interpretation is explicit. The parable-discourse began with the parable of the sower, in which the sower was likely to be identified by the audience with God or with Jesus as God’s agent. The sayings of vv. 21–25, however, have suggested that those to whom the mystery of the kingdom of God has been given are expected to proclaim it. Since this mystery is equivalent to the “word,” which in turn is equivalent to the “good news” or the “gospel,” these individuals may also be seen as sowers of the seed or word. If the man sowing seed in the simile of vv. 26–29 represents the disciples of Jesus, then the emphasis on his not knowing how the seed sprouts and grows and on the earth producing of itself implies that the disciples should not become impatient or discouraged. They cannot control the manifestation of the kingdom nor force it. They are expected only to proclaim and to trust that the kingdom will be manifested at the proper time. This interpretation implies a correspondence between the divine mysteries related to the growth of plants and those related to historical and eschatological events. The first speech of the angel Uriel in 4 Ezra implies a similar correspondence: Ezra cannot weigh the weight of fire nor measure the wind nor call back a day that is past; likewise, he cannot understand the way of the Most High with regard to history.55 Uriel presents a positive analogy for eschatology from the processes of pregnancy and birth. When Ezra asks when the final judgment will occur, Uriel compares Hades to a pregnant woman’s womb. Just as delivery takes place after nine months, so Hades will give up the souls in it at the proper time.56
The Parable of the Mustard Seed Like the preceding parable, the Mustard Seed (4:30–32) is actually a simile. Here again, the kingdom of God is the point of comparison, but there is no explicit interpretation or application. A link with the previous simile may be found in the likelihood that the implied impatience or discouragement of the previous comparison is directly addressed in this final one. It addresses discouragement and frustration by alluding to a passage from scripture and transforming it. The older passage is Ezekiel 17. As noted above, it is 55 4 Ezra 4:1–12; for discussion see K.M. Hogan, “Theologies in Conflict in 4 Ezra: Wisdom Debate and Apocalyptic Solution” (Ph.D. diss., University of Chicago, 2002), ch. 4. 56 4 Ezra 4:40–43.
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presented as a “parable” in the LXX; it is actually a political allegory. In it, an eagle represents the king of Babylon, the top of the cedar stands for the house of David, and a vine by many waters is the exiled king of Judah, Jehoiakin, who rebelled against the king of Babylon. This rebellion is condemned, and God promises to plant a twig from the cedar that will become a noble cedar under which all kinds of beasts will dwell and in whose branches birds of every sort will nest (vv. 22–24). This last part of the parable or allegory expresses hope for the restoration of the house of David. From the point of view of eschatologically oriented groups in the late Second Temple period, one could call it a messianic parable.57 In the concluding parable of the discourse in parables, the starting point is a mustard seed rather than a twig from a cedar. The end point is a shrub, rather than a noble cedar. The author of Mark has chosen to place this simile in a climactic position in order to parody overblown messianic expectation. As argued above, the most difficult aspect of the mystery of the kingdom of God in Mark is the revelation that the messiah, Jesus, must suffer and die. Mark has arranged the parable-discourse so that it transports the audience from an initial emphasis on the proclamation of Jesus to a foreshadowing of his passion and its results. Jesus, who was handed over, scourged and executed, was not the military leader and king that some groups were expecting. Instead of a cedar they got a shrub. Nevertheless, the kingdom of God will become manifest through him. The shrub will be capacious enough for the birds of the air to make nests in its branches.
The Conclusion of the Discourse As noted above (Literary History of 4:1–34), v. 33 seems to imply that some or all of the material from v. 21 to v. 32 was spoken to the crowd and not just to the inner circle, although there is no indication of a transition from the private conversation that began in v. 10 back to public speech. Furthermore, the statement in v. 33 that Jesus spoke “the word” to them “in parables” “as they were able to hear” or understand is in tension with vv. 11–12, which state that Jesus spoke in parables to the outsiders so that they could not understand the mystery of the kingdom of God. These tensions suggest that v. 33 probably represents the conclusion to one of the two sources used in the composition of vv. 1–34, namely, a collection of parables consisting of a version of the parable of the sower (vv. 3–8), the similitude of the seed growing by itself (vv. 26–29), and the similitude of the mustard seed (vv. 30–32). 57 Walther Zimmerli defines Ezek 17:22–24 as an oracle of salvation; W. Zimmerli, Ezekiel: 1. A Commentary on the Book of the Prophet Ezekiel, Chapters 1–24 (Hermeneia; Philadelphia 1979), 366.
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As noted above in the same section of this paper, v. 34 fits well with the “parable-theory” of vv. 11–12. Jesus speaks to the crowd or the outsiders only in parables, but reveals their meaning only to the disciples, the insiders. This private instruction fits also with the interpretation of the parable of the sower (vv. 13–20), which only the insiders hear. Thus, v. 34 probably represents the conclusion of the second source used by the evangelist, a brief didactic dialogue that included a version of the parable of the sower (vv. 3–8), its interpretation (vv. 13–20), the saying about having ears to hear in v. 9, and the “parable theory” in vv. 11–12. This source portrays Jesus’ parables as enigmatic sayings requiring interpretation through the use of traditional techniques. In this second source, (“his own disciples”) probably refers to “those who were around [Jesus] with the Twelve” in v. 10. It is thus not clear that “the disciples” here refers to the Twelve, even from the point of view of the evangelist.58 In any case, this analysis has suggested that the evangelist has composed 4:1–34 as a meaningful rhetorical composition that addresses the situation of his audience. In spite of his failure to smooth out all the tensions and inconsistencies resulting from his combination of sources, he has not simply combined them mechanically and has not presented a collection of isolated parables like pearls on a string.
58 David Rhoads argued that, after 3:13–19, all the instances of “the disciples” refer to the Twelve; D. Rhoads, Reading Mark: Engaging the Gospel (Minneapolis, Minn. 2004), 125.
IV. Rezeptionsästhetische und theologische Perspektiven
Vom Sprachereignis zum Kommunikationsereignis Diskurstheoretische Überlegungen zu den Kontexten der Gleichnisrede Jesu Eckart Reinmuth Das Stichwort ‚Sprachereignis‘ spielt in der gegenwärtigen Gleichnisauslegung und ihrer hermeneutischen Reflexion keine erkennbare Rolle mehr. Es gehört offensichtlich zu den Begriffsveteranen, die nur noch an streitbare Wortwechsel erinnern, aber nicht mehr selber fechten können. Was ein Sprachereignis ist, wird heute im Bereich der neutestamentlichen Wissenschaft kaum noch kommuniziert. Dabei wird jedoch übersehen, dass dieser Begriff unbemerkt seine sprachphilosophische Kampfbahn verlassen hat und auf diskurstheoretischem Turnierplatz angekommen ist. Ich werde zunächst den Ansatz referieren, dem der Begriff des Sprachereignisses sich verdankt; anschließend wende ich mich dem diskursanalytischen ‚Sprachereignis‘ zu und frage abschließend nach hermeneutischen und theologischen Konsequenzen für die Gleichnisforschung.
1. Das Sprachereignis in der ‚neuen Hermeneutik‘. Eine Skizze zur Vorgeschichte Der Begriff ‚Sprachereignis‘ wurde im Zuge der ‚neuen Hermeneutik‘ geprägt, die – anknüpfend an die Theologie Rudolf Bultmanns – v.a. durch Ernst Fuchs und Gerhard Ebeling in den 50 er und 60 er Jahren des vergangenen Jahrhunderts geprägt wurde. Dabei spielte die Sprachphilosophie Martin Heideggers eine entscheidende Rolle. Entscheidend für meine Überlegungen ist die spezielle Prägung des Begriffs im Blick auf die Gleichnisforschung durch Ernst Fuchs (1903–1983). Für ihn verband sich mit dem Begriff ‚Sprachereignis‘ die Erwartung, aktuelle Aufgaben einer theologischen Hermeneutik des Neuen Testaments lösen zu können, allen voran die Integration historischer und theologischer Fragerichtungen. Aufgabe einer solchen Hermeneutik sei es, eine „Sprachlehre des Glaubens“ zu erarbeiten,
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wie er in der Einleitung zu seiner Hermeneutik schrieb.1 Mit diesem Buch, dessen erste Auflage 1954 erschien, legte Fuchs die Grundlage seines hermeneutischen Denkweges, dessen Prägung durch die Sprachphilosophie Martin Heideggers deutlich erkennbar ist und von Fuchs selbst eindrücklich hervorgehoben wird.2 Ein für die weitere Entwicklung entscheidender Gedanke wird hier bereits umrissen, ohne dass der Begriff ‚Sprachereignis‘ schon verwendet wird: „Wo Bedeutung ist, da ist auch Sprache. Und wo Sprache ist, da ist Wirklichkeit. Die Sprache gehört so eng zur Wirklichkeit, dass sie die Wirklichkeit sogar allererst freigibt: die Sprache spricht die Wirklichkeit ‚aus‘ (dieses ‚aus‘ ist das ‚aus‘ in der Existenz). … Die Wirklichkeit ist das Gesprochene der Sprache.“ (131) Fuchs führt diesen Gedanken folgendermaßen weiter: „Weil die Sprache das Wirkliche erscheinen lassen will, strebt sie zur Rede, entlässt diese im ‚Satz‘ und lässt so das Wirkliche wahrhaft sein, was ‚es‘ sagt. In der Sprache wird der Wirklichkeit zu ihrer Wahrheit verholfen: erst in der Sprache erscheint die Wahrheit der Wirklichkeit. Wirklichkeit ist nur Wirklichkeit in der Wahrheit der Sprache und wartet deshalb auf ihre Entbindung durch die Sprache.“ (132)3 Diese sprachphilosophischen Überlegungen zielen auf die Einsicht, dass die Sprache selbst es ist, die im Gesprochenwerden Wirklichkeit ‚entbindet‘. Damit hat Fuchs eine wesentliche Voraussetzung für die These umrissen, dass das Wort des Glaubens immer neu zum Sprachereignis werden kann.4 Im Sprachereignis geht es nach Ernst Fuchs um die Selbsterschließung Gottes, die Menschen zu Angeredeten macht und ihnen ihre Welt und Existenz erschließt. Das Sprachereignis, verstanden als Ereignis der Selbsterschließung Gottes, war der Begriff, mit dem Fuchs den Kern der dem Neuen Testament innewohnenden Hermeneutik benannte.5 Gemeint war damit zunächst Jesu Wort, v.a. sein Sprechen in Gleichnissen. Meint der Begriff ‚Sprachereignis‘, dass sich Gott als der Unverfügbare und Unsichtbare als Sprache, im Geschehen des Wortes ereignet, so ist für Fuchs die vornehmste Weise des sich so ereignenden Gottes die von Jesus bevorzugte Sprachform des Gleichnisses.
1
E. Fuchs, Hermeneutik, Tübingen 41970, III . Vgl. v.a. die Relektüre Heideggerscher Gedanken in den Prolegomena §5 „Die Frage nach Gott (M. Heidegger)“ bei Fuchs, Hermeneutik (s. Anm. 1), 62–72. 3 Vgl. vor diesem Hintergrund die unter dem Stichwort „Analogie“ zusammengefassten Überlegungen zur Gleichnisrede Jesu (Fuchs, Hermeneutik [s. Anm. 1], 211–230). Alle Kursivschreibungen in diesem Beitrag entstammen dem jeweiligen Original. 4 E. Fuchs, Marburger Hermeneutik, HUT h 9, Tübingen 1968, 2. 5 Ernst Fuchs ging es darum, das im Neuen Testament selbst aufzufindende „hermeneutische Potential zu entdecken und begrifflich zu explizieren“ (U.H.J. Körtner, Einführung in die theologische Hermeneutik, Darmstadt 2006, 63). 2
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Ernst Fuchs führte den Begriff ‚Sprachereignis‘ in einem grundlegenden Aufsatz, der auf einen Vortrag vor der Evangelisch-Theologischen Fachschaft in Bonn im Jahr 1959 zurückgeht, so ein, dass er zunächst – keineswegs auf die Gleichnisse begrenzt – „von Ereignissen im Bereich der Sprache“ redete.6 Dieser sprachphilosophische, an Martin Heidegger und seiner Deutung sprachlicher Artikulationen orientierte7 Ausgangspunkt scheint mir bemerkenswert. Fuchs verweist auf Sprachereignisse wie „ein Gedicht, aber auch eine Predigt“, und stellt sogleich fest: „Der Ausdruck Sprachereignis meint aber zugleich die Sprache selbst, als Ereignis.“ (ebd.). Damit ist offenbar eine Unterscheidung zwischen einem „Ereignis im Bereich der Sprache“, einer konkreten Artikulation, und der „Sprache selbst, als Ereignis“ gedacht, vorausgesetzt. Diese Unterscheidung bleibt jedoch undeutlich; sie wird nicht kritisch expliziert.8 In der Sache ging es Ernst Fuchs um eine theologische Adaption wesentlicher Überlegungen Martin Heideggers zum Begriff des Ereignisses und zum Ereigniswerden des Seins als (gesprochene) Sprache.9 Das Stichwort ‚Ereignis‘10 ist eines der philosophischen Leitworte Heideggers.11 Heidegger hat ab Mitte der 30 er Jahre den Begriff ‚Ereignis‘ als zentrale Kategorie favorisiert (1936–1938 schrieb er seine Beiträge zur Philosophie mit dem Untertitel: ‚Vom Ereignis‘).12 Heidegger veröffentlichte dieses sein zweites Hauptwerk 6 E. Fuchs, Das Sprachereignis in der Verkündigung Jesu, in der Theologie des Paulus und im Ostergeschehen, in: ders., Zum hermeneutischen Problem in der Theologie. Die existentiale Interpretation, Ges. Aufs. I, Tübingen 21965 (1960), 281–305, 281. 7 Heidegger ging es um das sprachlich sich realisierende „Ereignis des Seins“, das, wie er v.a. in M. Heidegger, Der Ursprung des Kunstwerks, in: ders., Holzwege, Frankfurt a.M. 1950, darlegte, durchaus v.a. im dichterischen Wort erfahrbar werde. 8 Fuchs erläutert sein Verständnis von ‚Ereignis‘ u.a. mit Hinweis auf das Stichwort „Kriegsereignis“ als einem „Ereignis, in welchem der Krieg als Krieg erscheint.“ Das ‚Wesentliche‘ des Krieges werde im Kriegsereignis sichtbar. Daraus sei zu schließen, dass Wesentliches der Sprache im Sprachereignis erfahrbar werde. Sie ereigne sich, „wenn sie sich auf das Wesentliche einlässt und so das in aller Bewegung Bleibende bei sich selbst belässt“ (Fuchs, Sprachereignis [s. Anm. 6], 282). 9 Knappe Orientierung zum Sprachverständnis Heideggers bietet S. Majetschak, Art. Sprache, III . Neuzeit, HWP IX (1995), 1468–1495, hier: 1492 f. 10 Vgl. z.B. M. Heidegger, Zeit und Sein, in: ders., Zur Sache des Denkens, Tübingen 3 1988, 1–25. Der Text erschien zuerst 1962. Zur breiten Rezeption Heideggers in der deutschsprachigen Theologie vgl. A. Grethmann-Sieffert, Art. Heidegger, Martin (1889–1976), in: TRE XXIV (1985), 562–574, 564 f.570 ff. 11 „Um den ‚Ort‘, an dem sich das Seinsgeschehen offenbart, in seiner den Menschen vorbestimmenden, Stimmung evozierenden und Erfahrung zeichnenden Art zu charakterisieren, ist der Terminus ‚Ereignis‘ der für das Heideggersche Denken zentrale Titel. Das Philosophem ‚Ereignis‘ steht dabei für eine relationale Struktur; seinsgeschichtlich formuliert, nennt Heidegger sie einen Bezug zwischen Mensch und Sein. Im Zentrum dieses Strukturterminus steht jene Begründung des Ereignisses des Seins im und als Denken dieses Ereignisses selbst als einer geschichtlichen Erfahrung im Menschen.“ (R. Wansing, Im Denken erfahren. Ereignis und Geschichte bei Heidegger, in: M. Rölli [Hg.], Ereignis auf Französisch. Von Bergson bis Deleuze, München 2004, 81–102, 87). 12 Vgl. dazu neben dem in Anm. 11 genannten Beitrag von Wansing: F.-W. von Herrmann, Wege ins Ereignis. Zu Heideggers ‚Beiträgen zur Philosophie‘, Frankfurt a.M. 1994; H.
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zu Lebzeiten nicht, weil er meinte, es würde ‚noch nicht‘ verstanden werden; es erschien postum 1989.13 Es war Heideggers philosophisches Interesse, mit dem Ereignisbegriff das Unverrechenbare, Unvordenkliche des Seins zu erfassen, und es war ein spezifisch hermeneutisches Interesse, genau diesen Akzent theologisch zu interpretieren. Fuchs geht es vor diesem Hintergrund darum, die biblischen Texte vom „Zentrum der Sprache“ aus zu verstehen.14 Er betont, indem er sich implizit Heidegger anschließt und sich wie dieser gegen die „Bevormundung der Sprache durch die traditionelle Metaphysik“ wendet, „dass erst die Sprache das Sein und in ihm das Seiende und das Seiende als Sein gewährt oder erlaubt.“15 Es geht um „solche Ereignisse, die Erlaubnis erteilen, Freiheit gewähren, das Sein rechtfertigen.“16 Demgegenüber sei das „Aufzählen dessen, was sein muss“, z.B. „die Gebote“, nicht als Sprachereignis zu bezeichnen. Fuchs geht es darum, das Gültige, Wesentliche der Verkündigung Jesu herauszuarbeiten. Als Sprachereignis ist Jesu Wort die „Erlaubnis zur Freiheit“ und „zugleich die Befreiung zu dieser Erlaubnis“ (290).17 Diesen Ausführungen liegt offensichtlich die Entscheidung voraus, unter einem Sprachereignis ‚Wesentlicheres‘ verstehen zu wollen als ein Ereignis ‚im Bereich der Sprache‘ (s.o.). Fuchs konturiert unter der Hand die „göttliche Herrlichkeit der Sprache“18 nach dem Bild seines evangelischen Vorverständnisses des Neuen Testaments und der Wirksamkeit Jesu. Damit vollzieht sich unter dem Stichwort ‚Sprachereignis‘ schließlich ein theologischer Aneignungsprozess, der zu einer solitären Position der Gleichnisse Jesu führt: Jesu Gleichnisse sind als „unübertroffene Sprachbildungen … Sprachereignisse“.19 Die Gleichnisse Jesu sind „das Sprachereignis kat’ exochen“.20 Eine Philosophie sprachlicher Artikulationen wird bei Ernst Hübner, „Vom Ereignis“ und vom Ereignis Gott. Ein theologischer Beitrag zu Martin Heideggers „Beiträgen zur Philosophie“, in: P.-L. Coriando (Hg.), Herkunft aber bleibt stets Zukunft. Martin Heidegger und die Gottesfrage, Martin-Heidegger-Gesellschaft. Schriftenreihe Bd. 5, Frankfurt a.M. 1998, 135–158, 143 ff.; vgl. ders., Biblische Theologie des Neuen Testaments III , Göttingen 1995, 200 ff. 13 Vgl. dazu Wansing (s. Anm. 11), 81. 14 Fuchs, Sprachereignis (s. Anm. 6), 283. 15 Fuchs, Sprachereignis (s. Anm. 6), 283. 16 Fuchs, Sprachereignis (s. Anm. 6), 283. 17 Analog kommt es Fuchs, Sprachereignis (s. Anm. 6), im Blick auf Paulus darauf an, auf das die konkrete historische Situation Transzendierende hinzuweisen. „Das Verhalten des Apostels übertrifft das menschlich zu Erwartende so unerhört, dass wir uns hüten sollten, die Wahl seiner Antithesen, seiner theologischen Begriffe bloß aus aktuellen Anlässen abzuleiten.“ (a.a.O., 291). Fuchs streift im Zusammenhang des Stichwortes ‚Glauben‘ bei Paulus die Problematik der Relation zwischen dem Inhalt des Glaubens und der Sprache seiner Verkündigung (a.a.O., 292 f.). Der Glaube versteht sie nicht als Information, sondern als „unser aller Leben (1. Kor 8,6!)“ (a.a.O., 293). 18 Fuchs, Sprachereignis (s. Anm. 6), 293. 19 E. Fuchs, Art. Logos, RGG 3 IV (1960), 434–440, 438. 20 E. Fuchs, Jesus. Wort und Tat, Tübingen 1971, 88.
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Fuchs als Alleinstellungsmerkmal der Gleichnisse Jesu verwendet und zugleich in dem Sinne theologisch überhöht, dass im Sprachereignis des Gleichnisses nun Gott selbst zur Sprache kommt: „Gott kommt zur Sprache.“21 Diese hermeneutische Entscheidung führt zu einer problematischen Verabsolutierung der Gleichnisse.22 Ich sehe in ihr den Versuch einer ‚objektivierenden‘ Sicherung – nicht theologischer Wissensbestände, sondern christlichen Bekenntnisses, die nebenher offensichtlich die Konstruktion einer scheinbar empirisch wahrnehmbaren Gegnerschaft befördert. Im genannten Vortrag von 1959 geschieht das mit Hilfe einer Negativfolie, die Fuchs durch die als ‚gesetzlich‘ verstandene jüdische Religion vorgezeichnet und zugleich bleibend repräsentiert sieht. Weder die Gebote noch die „Verweigerungen“23 des Menschen können nach Fuchs Sprachereignisse sein. Abgesehen davon, dass mit solchen Andeutungen ein historisch unzutreffendes Vorurteil perpetuiert wurde, wird an diesem Detail sichtbar, dass auf diese Weise zeitloser Verallgemeinerung die theologische Hermeneutik der historischen Grundierung entzogen wird.24 Der Bezug auf „das Gesetz“ ist für Fuchs keine Nebensache. Es steht für „Leistungsstreben“, „Werkgerechtigkeit“25, „pharisäische Gesetzeskasuistik“, die seitens der „gnostischen Schwärmer“ in Korinth und Rom, die „immerhin Juden“ seien, durch „ein Gesetz des eigenen Unwesens“ ersetzt werde, das Fuchs in Röm 7 und 8,2 gemeint sieht.26 Es ist das Stichwort des 21
Fuchs, Marburger Hermeneutik (s. Anm. 4), 19. Vgl. bereits die kritische Auseinandersetzung, die G. Sellin 1978 mit der Rezeption der Position von E. Fuchs durch E. Jüngel vorgelegt hat: G. Sellin, Allegorie und ‚Gleichnis‘. Zur Formenlehre der synoptischen Gleichnisse, ZT hK 75 (1978), 281–335, wiederabgedr. in: W. Harnisch (Hg.), Die neutestamentliche Gleichnisforschung im Horizont von Hermeneutik und Literaturwissenschaft, WdF 575, Darmstadt 1982, 367–429, spez. 411–413. Für Jüngels Dissertationsschrift, E. Jüngel, Paulus und Jesus. Eine Untersuchung zur Präzisierung der Frage nach dem Ursprung der Christologie, HUT h 2, Tübingen 1962, hatte der Begriff des Sprachereignisses programmatische Bedeutung, insofern seine Frage nach den Ursprüngen der Christologie sich nicht an christologischen Hoheitstiteln und den damit verbundenen Vorstellungen, sondern „an den diese Vorstellungen bewegenden Sprachereignissen des Neuen Testaments“ orientierte (Jüngel, a.a.O., 3). Sowohl die Verkündigung Jesu als auch die Rechtfertigungslehre des Paulus werden im Anschluss an Ernst Fuchs als Sprachereignisse identifiziert. Sellin fragt: „Was ist das Besondere an der Sprache des Gleichnisses, dass in ihm das Gottesreich ‚da‘ ist?“ und kritisiert zu Recht den „universalen Anspruch, der implizit in der Formel vom Gleichnis als Sprachereignis des Gottesreiches enthalten ist“ (Sellin, Allegorie und ‚Gleichnis‘, a.a.O., 411). Sellins Kritik bezieht sich auch auf die Frage, ob „nur die authentischen Jesus-Gleichnisse ein solches Sprachereignis“ seien (a.a.O., 412); er impliziert damit die uns interessierende Frage nach der interpretierenden Diskursivität der Gleichnisrede Jesu. Sellin stellt fest: „Die Ereignung des Gottesreiches lässt sich nicht an einer bestimmten Sprachform festmachen.“ Er fragt, ob die Gleichnisse ihre „gleichsam kanonische Stellung nicht einfach deshalb erhalten, weil sie als authentisch gelten“ (a.a.O., 413). 23 Alle Zitate Fuchs, Sprachereignis (s. Anm. 6), 283. 24 Gleiches gilt grundsätzlich für die tatsächliche Bedeutung des „Historischen Jesus“, Fuchs, Sprachereignis (s. Anm. 6), 284. 25 Fuchs, Sprachereignis (s. Anm. 6), 291. 26 Fuchs, Sprachereignis (s. Anm. 6), 292. 22
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„Alten“, das erst durch das eschatologisch „Neue“ des Neuen Testaments zum „Alten“ gemacht wird: „… dieses Neue macht das Alte alt, weil es alles neu macht (Apok Joh 21,5).“27 Vor diesem Hintergrund stellt Fuchs fest: „Gottes Gesetz lernt der Jude gerade bei seinen Brüdern, den Heiden, richtig kennen, sobald er sich nicht mehr gegen Jesus sperrt. Denn Gottes Gesetz gebietet uns allen, und gewiss schon dem Juden, nichts mehr um unser selbst willen zu tun, sondern alles im Namen Gottes zu tun …“ (295). Hier verführt der hermeneutische Versuch, das Bibelwort unter dem Begriff ‚Sprachereignis‘ theologisch absolut zu setzen, Fuchs zur aktualisierenden Verwendung antijüdischer Klischees. Der Entwurf einer ‚neuen Hermeneutik‘ war für Ernst Fuchs mit der Frage nach dem ‚historischen Jesus‘ verknüpft. An ihm habe sich die Auslegungsarbeit zu orientieren. Ernst Fuchs schloss sich damit der von Ernst Käsemann 1953 inaugurierten neuen Rückfrage nach Jesus an,28 ohne ihm in jeder Hinsicht zu folgen.29 Im Blick auf die Interpretation der Gleichnisse nahm Fuchs damit in der Sache das Anliegen Adolf Jülichers auf und trug auf seine Weise zur Verfestigung einer diachron auf den historischen Jesus fixierten Gleichnisauslegung bei. Bereits Adolf Jülichers Gleichnisinterpretation war von der Unterscheidung zwischen den „Gleichnisreden Jesu“ und ihrer nach Jülicher allegorisierenden Auslegung in den Evangelien bestimmt.30 Jülichers Arbeit hatte das Ziel, Jesu ursprüngliche Gleichnisrede gegen die spätere Auslegungstradition mit ihren christologischen und dogmatischen Interessen aufzubieten. Damit
27 Fuchs, Sprachereignis (s. Anm. 6), 284. Vor diesem Hintergrund erfolgen die Ausführungen zu der fraglichen These „Jesus war der Prediger des Gesetzes“ (285; 285–290; vgl. die analoge These im Blick auf Paulus, a.a.O., 294), der hier nicht nachzugehen ist. 28 Vgl. E. Käsemann, Das Problem des historischen Jesus, in: ders., Exegetische Versuche und Besinnungen I, Göttingen 61970 (1960), 187–214. Dieser auf der ‚Tagung alter Marburger‘ im Oktober 1953 gehaltene Vortrag wurde zuerst in ZT hK 51 (1954), 125–153, veröffentlicht. 29 Vgl. dazu Körtner, Hermeneutik (s. Anm. 5), 65. 30 Vgl. A. Jülicher, Die Gleichnisreden Jesu, Teile I –II , Tübingen 21910, I, 49: „Nach der Theorie der Evangelisten sind die Allegorien, also uneigentliche, gewissermaßen der Uebersetzung bedürftige Rede, in Wirklichkeit sind sie – resp. waren sie, ehe die Hand eifriger Ueberarbeiter an sie kam – recht Verschiedenes zwar, Gleichnisse, Fabeln, Beispielerzählungen, aber immer eigentliche Rede.“ (im Orig. gesperrt) Jülicher ging davon aus, dass die Evangelisten die Gleichnisse Jesu „grundsätzlich so behandeln wie ein hellenistischer Theologe Allegorien behandelte“ (50). Vgl. St. Alkier, Die ‚Gleichnisreden Jesu‘ als ‚Meisterwerke volkstümlicher Beredsamkeit‘. Beobachtungen zur Aristoteles-Rezeption Adolf Jülichers, in: U. Mell (Hg.), Die Gleichnisreden Jesu 1899–1999. Beiträge zum Dialog mit Adolf Jülicher, BZNW 103, Berlin / New York 1999, 39–74. Alkier erinnert an die bereits von Wolfgang Harnisch „zu Recht vorgetragene Kritik an der dem Ursprungsdenken verpflichteten Orientierung an der mündlichen Ursprungssituation der Gleichnisreden Jesu“; demgegenüber müsse „die pragmatische Fragestellung die Bedingungen des schriftlichen Mediums der überlieferten Gleichnisreden in Rechnung stellen“ (a.a.O., 73).
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war ein bis heute wirksames Forschungsparadigma in Geltung gesetzt, das sich in der Gleichnisinterpretation am historischen Jesus orientiert.31 Freilich ist der historische Jesus, auf den Fuchs sich bezieht, v.a. durch die aktuellen Auslegungsinteressen seiner theologisch reflektierten Hermeneutik bestimmt.32 Es geht im Wesentlichen um den in den Evangelien rezipierten Jesus,33 also um die Anstöße seiner Verkündigung, die in den Evangelien ihren Niederschlag fanden;34 es geht ihm um „die Frage nach dem historischen 31 Entsprechend gipfelt Peter Lampes Versuch einer konstruktivistischen und wissenssoziologischen Annäherung an das Neue Testament in einer exemplarischen Darstellung der Gleichnisverkündigung des historischen Jesus; vgl. P. Lampe, Die Wirklichkeit als Bild. Das Neue Testament als ein Grunddokument abendländischer Kultur im Lichte konstruktivistischer Epistemologie und Wissenssoziologie, Neukirchen-Vluyn 2006, 150–160. 32 Dabei ist zu beachten, dass Fuchs sich durchaus skeptisch im Blick auf die Echtheit von Jesusworten äußert. In seinem Aufsatz „Die Theologie des Neuen Testaments und der historische Jesus“ von 1960 (in: ders., Zur Frage nach dem historischen Jesus, Ges. Aufs. II , Tübingen 1960, 377–404) stellt Fuchs fest, es ließe „sich nicht einmal sicher entscheiden, ob uns ein unzweifelhaft echtes Jesuswort überliefert worden ist“ (392), und formuliert in einem Aufsatz aus demselben Jahr (E. Fuchs, Das Zeitverständnis Jesu, in: ders., Zur Frage nach dem historischen Jesus, Ges. Aufs. II , Tübingen 1960, 304–376) die Überzeugung: „Wenn es richtig ist, dass Q mit Bewusstsein auch solche Worte gesammelt hat, die damals niemand als echte Worte Jesu auffasste, so ist das ein Grund mehr, Jesu Verkündigung nicht aus unter allen Umständen ‚echten‘ Jesusworten zusammensetzen zu wollen“ (305). Daraus folgert Fuchs die Aufgabe, im Blick auf den historischen Jesus „die älteste, mit seinen Worten noch im Zusammenhang stehende Überlieferung im Blick auf die sie beherrschenden Gedanken“ zu befragen (ebd.). Eine vergleichbare, freilich von anderen Voraussetzungen inspirierte Kopplung der Kontexte des historischen Jesus und der Evangelien wird von Luise Schottroff in ihrem neuesten Gleichnisbuch vorgenommen (L. Schottroff, Die Gleichnisse Jesu, Gütersloh 2005). Sie stellt grundsätzlich fest: „Auch wenn die Gleichnisrede des historischen Jesus nicht rekonstruierbar ist, sie wird in den drei Versionen, in denen sie literarisch vorliegt, im Wesentlichen gleichartig wiedergegeben. Die Gleichnisrede des historischen Jesus ist nicht rekonstruierbar, und doch ist sehr viel über sie bekannt. In den Evangelien finden sich drei glaubwürdige Versionen der Gleichnisreden Jesu. Sie sind glaubwürdig nicht deshalb, weil die Tradenten historisch genau sein wollen, sondern weil die Lebensbedingungen und Ausdrucksweisen der Befreiungsarbeit Jesu und der Nachfolgegruppe zu seinen Lebzeiten sich nicht wesentlich von der der Nachfolgegruppen unterscheiden, die in den synoptischen Evangelien zu Wort kommen“ (a.a.O., 139). 33 Als Leitfrage seines Jesusbuches formuliert Fuchs: „Hat das NT (sic) recht, wenn es vom historischen Jesus gerade nicht als von einem Rätsel, sondern von Gottes Offenbarung spricht, indem es den historischen Jesus als ‚Sohn Gottes‘ weitergibt?“ (Fuchs, Jesus [s. Anm. 20], 9; das Buch ist laut Vorrede die Wiedergabe einer Vorlesung vom Sommersemester 1963). Fuchs’ Antwort setzt die „These“ voraus: „Die Glaubenden müssen als Adressaten der Verkündigung Jesu mitgedacht werden, wenn Jesu Verkündigung verstanden werden soll“ (Fuchs, a.a.O., 105). Das bedeutet u.a.: „Jesu eigenes Wort (historische Verkündigung des historischen Jesus) wird nun zur Anleitung für das Verständnis dafür, dass Jesus selbst als Gottes Wort unter uns festgehalten und verkündigt werden muss. Denn das ist unser Problem: Warum wird nach dem historischen Jesus gefragt? Antwort: Die historische Verkündigung des historischen Jesus hat hermeneutische Bedeutung“ (Fuchs, a.a.O., 43). 34 Bereits Käsemann, Problem des historischen Jesus (s. Anm. 28), hatte zu bedenken gegeben: „Der historische Jesus begegnet uns im NT (sic), der einzigen wirklichen Urkunde über ihn, eben nicht, wie er an und für sich gewesen ist, sondern als der Herr der an ihn glaubenden Gemeinde“ (194), und fragt angesichts dieser Feststellung, „ob die Formel ‚der historische Jesus‘ überhaupt geeignet und statthaft genannt werden kann, weil sie fast zwangs-
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Jesus in kerygmatischer Absicht“.35 In der Vorrede zu seinem Aufsatzband „Zur Frage nach dem historischen Jesus“ stellt Fuchs fest: „Interpretierten wir früher den historischen Jesus mit Hilfe des urchristlichen Kerygmas, so interpretieren wir heute dieses Kerygma mit Hilfe des historischen Jesus – beide Richtungen der Interpretation ergänzen sich.“36 Diese Entscheidung läuft darauf hinaus, auf der Grundlage der vorausgesetzten Analogizität zwischen historischem Jesus und urchristlichem Kerygma dieses von der aus diesem erschließbaren Verkündigung Jesu her zu interpretieren. Fuchs insistiert einerseits auf dem historischen Jesus, andererseits trennt er dessen Reden in Gleichnissen von seiner Historizität. Zu vermuten ist, dass die weitgehende Fixierung der Gleichnisforschung auf einen historischen Jesus, dessen Sprachhandeln dann als idealer Anfang absolut gesetzt wird,37 hier eins ihrer Ursprungsmotive hat. Problematisch ist m.E. nicht die Frage nach dem historischen Jesus, sondern die Fixierung auf diese Frage und mithin die hermeneutische Überlast, die ihr weithin immer noch zugemutet wird. Kritisch ist auch zu fragen, ob der so verstandene Begriff des Sprachereignisses nicht gerade das aufgibt, was er zu integrieren versucht – das Geschichtliche. Die theologische Aufladung dieser Wortverbindung verhindert tendenziell die wissenschaftliche und alltagssprachliche Diskursfähigkeit neutestamentlicher Textinterpretation. Die mit der Theologie des Sprachereignisses verbundene Hermeneutik beansprucht einen Sonderbereich des Verstehens, der durch die systematisch-theologisch modifizierte Adaption eines philosophischen Denkversuchs nur scheinbar interdisziplinärer, interkultureller und interreligiöser Kommunikation offen steht. In gewisser Weise spiegelt sich dieser Umstand an der stillschweigenden Untersetzung des Begriffs ‚Sprachereignis‘ durch die Theorie performativer Sprechakte38, wie sie z.B. von Henning Schröer39 und Kurt Erlemann vor-
läufig die Illusion einer möglichen und befriedigenden Reproduktion seines Bios weckt und nährt“ (ebd.). 35 Körtner, Hermeneutik (s. Anm. 5), 65. 36 E. Fuchs, Zur Frage nach dem historischen Jesus, Ges. Aufs. II , Tübingen (1960) 21965, VII . Schon 1949 stellte Ernst Fuchs fest, es sei „ein entscheidender hermeneutischer Fehler, wenn man Jesus dem Neuen Testament abtrotzen will, indem man die Verkündigung ausklammert. Man wird dann dem Neuen Testament gerade nicht historisch gerecht, weil es Jesus nur als Gegenstand der Verkündigung, als Herrn und Christus, gehört und verstanden wissen will“ (E. Fuchs, Christus das Ende der Geschichte, in: ders., Zur Frage nach dem historischen Jesus, Ges. Aufs. II , Tübingen [1960] 21965, 79–99, urspr. ersch. in EvTh 8 [1948/49], 447–461). 37 Vgl. dazu St. Alkier, Urchristentum. Zur Geschichte und Theologie einer exegetischen Disziplin, BHT h 83, Tübingen 1993, bes. 110–172. 38 J.L. Austin, Zur Theorie der Sprechakte, RUB 9396, Stuttgart 31968. 39 H. Schröer, Jesu Gleichnisse als biblisches Sprachereignis (theo)poetischer Didaktik, ZPT 53 (2001), 144–152, 146–149.
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genommen wurde.40 Erlemann behandelt das „Sprachereignis“ weniger unter diachronem Aspekt, sondern stattdessen als sprachliche Gegebenheit;41 er referiert Weder, Jüngel, Via und Linnemann, nicht aber Fuchs (oder Ebeling) und verortet den Begriff „Sprachereignis“ in der „Sprechakttheorie von Austin“,42 der Theorie also, „dass sich die Funktion von Sprache nicht auf bloße Information begrenzen lasse. Wer spricht, handelt oder bewirkt damit Handlung.“43 Erlemann referiert kritische Stimmen zur Leistungsfähigkeit und Angemessenheit der Kategorie des Sprachereignisses44 und formuliert seine Kritik an der „Theorie des ‚Sprachereignisses‘“.45 Sie richtet sich gegen ihr „apologetisches Interesse“, das in der implizierten Einzigartigkeit der Gleichnisse Jesu liege, gegen die Vermischung von „Glaubensaussagen (‚im Gleichnis ist Gott am Werk‘) und historisch möglichen Aussagen“46 und gibt zu bedenken, dass nicht alle Gleichnisse vom Reich Gottes sprechen.47 Die Frage der Performativität wird uns im Rahmen diskurstheoretischer Überlegungen erneut beschäftigen (s.u.). Die Orientierung der Gleichnisinterpretation am historischen Jesus und den imaginierten Situationen seines sprachlichen Handelns ist auch vor dem Hintergrund der Antithetik von Mündlichkeit und Schriftlichkeit zu verstehen.48 Mit der Fixierung der Gleichnisse auf den historischen Jesus erfolgte eine Minderbewertung der schriftlichen Evangelientexte, die einer historisierenden Bevorzugung von Oralität als dem scheinbar ausschlaggebenden Medium der Authentizität entsprach. Literatur muss als eigenständige Diskursformation analysiert werden.
40 Eine solche Verbindung war von Fuchs nicht indendiert; vgl. z.B. J.B. Brantschen, Zeit zu verstehen. Wege und Umwege heutiger Theologie. Zu einer Ortsbestimmung der Theologie von Ernst Fuchs, Zürich 1974, 333. 41 K. Erlemann, Gleichnisauslegung. Ein Lehr- und Arbeitsbuch, UTB 2093, Tübingen / Basel 1999, 31 f. 42 Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 41), 32. 43 Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 41), 32, Anm. 2. 44 Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 41), 43 f. 45 Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 41), 112 ff. 46 Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 41), 112. 47 Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 41), 113. Erlemann behandelt „Situative Anlässe der Gleichnisbildung“ (Erlemann, a.a.O., 7.117–127) und subsumiert ihnen „Innergemeindliche Themenstellungen“ (118–122), „Konflikte mit Gegnern der Gemeinde“ (123–127), ohne dass erkennbar wird, wie sich das Verhältnis von Gleichnisrezeption und „Gleichnisbildung“ verhält. 48 Vgl. dazu S. Krämer, Die ‚Rehabilitierung der Stimme‘. Über die Oralität hinaus, in: D. Kolesch / S. Krämer (Hgg.), Stimme. Annäherung an ein Phänomen, stw 1789, Frankfurt a.M. 2006, 269–295; wichtige Beiträge zur Bedeutung der Debatte um Mündlichkeit und Schriftlichkeit finden sich in G. Sellin / F. Vouga (Hgg.), Logos und Buchstabe. Mündlichkeit und Schriftlichkeit im Judentum und Christentum der Antike, TANZ 20, Tübingen / Basel 1997.
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2. Das Sprachereignis im diskurstheoretischen Ansatz In diskurstheoretischer Perspektive geht es mit Sprachereignissen um sprachliche Äußerungen, die als diskursive Artikulationen die signifikanten Elemente eines Diskurses bilden. Einzelne Sprachereignisse werden von der kritischen Diskursforschung vor sprachwissenschaftlichem Hintergrund analysiert.49 Dabei geht es immer auch um die doppelte Beziehung, in der sprachliche Artikulationen zu ihren diskursiven Kontexten sowie zu den thematisierten Ereignissen stehen. Sprachereignisse sind hier diskursive Artikulationen, die von dem Geschehen, auf das sie sich beziehen, signifikant unterschieden sind. Diese Unterscheidung spielt aktuell z.B. da eine Rolle, wo es um den Bezug regierungsamtlicher Verlautbarungen auf konkrete Ereignisse und ihre journalistische bzw. mediale Aufbereitung geht. Wie werden außersprachliche Ereignisse zu Ereignissen im Bereich der Sprache? Der kritischen Diskursanalyse geht es um die Frage, wie sich Ereignisse sprachlichen Geschehens, also diskursive Artikulationen, auf nichtdiskursives Geschehen, also außersprachliche Ereignisse, beziehen. Dabei wird vorausgesetzt, dass ein Geschehen, sei es nun gegenwärtig oder vergangen, nie kontextlos, sondern stets eingebunden in konkrete Diskursformationen und somit als Ereignis wahrgenommen wird. Die Diskursivität von Ereignissen bedeutet jedoch keineswegs, dass sie in ihre Diskurse aufgelöst werden können. Sie erhalten vielmehr durch die diskursive Praxis ihre kommunizierbare Einzigartigkeit. Ihre Wirklichkeit und Strittigkeit ist nicht kontextlos zu denken.50 Diskurstheorie und Argumentationsanalyse verwenden das Wort „Sprachereignis“, um die konkrete Kontextualität sprachlicher Äußerungen zu unterstreichen. Kontextunabhängige, d.h. diskursunabhängige Ereignisse gibt es in diesem Sinne deshalb nicht, weil Wahrnehmung immer schon diskursiv disponiert, ‚gerahmt‘51 ist. Sprachliche Artikulationen werden also einerseits durch ihre diskursiven Kontexte ermöglicht und geprägt, und sie sind andererseits Artikulationen, die die Diskurse konkret prägen und gestalten. Sprachereignisse gehören in dieser Perspektive zur kulturellen bzw. gesellschaftlichen Selbstverständigung des Menschen. 49 R. Keller, Wissenssoziologische Diskursanalyse. Grundlegung eines Forschungsprogramms, Wiesbaden 2005, 159. 50 Vgl. dazu Th. Rathmann, Ereignisse – Konstrukte – Geschichten, in: ders. (Hg.), Ereignis. Konzeptionen eines Begriffs in Geschichte, Kunst und Literatur, Köln u.a. 2003, 1–19, 11 f. 51 Zum Begriff des Deutungsrahmens (frame) vgl. einführend H. Bublitz, Diskurs, Bielefeld 2003, 20, sowie P.R. Donati, Die Rahmenanalyse politischer Diskurse, in: R. Keller / A. Hirseland u.a. (Hgg.), Handbuch Sozialwissenschaftliche Diskursanalyse, I: Theorien und Methoden, Wiesbaden 22006, 147–177, 151.
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Der Forschungsansatz der Diskursanalyse verdankt sich in wesentlichen Anstößen den Arbeiten von Michel Foucault.52 Dieser hatte u.a. gefordert, die diskursiven (Macht-)Verhältnisse, die die konkreten Sprachereignisse erzeugen und bestimmen,53 zu analysieren. Kritische Diskursanalyse knüpft hier an und macht es sich u.a. zur Aufgabe, „das Wechselverhältnis zwischen Diskursstruktur und einzelnem diskursivem Ereignis“ zu untersuchen.54 Damit geht es um „die Analyse konkreter gegenwärtiger Sprachereignisse. Deren Erscheinen wird jedoch nicht primär als Herstellungsleistung der beteiligten sozialen Akteure untersucht, sondern als Aktualisierung situationsübergreifender Diskursstrukturen.“55 Unter diesem Gesichtspunkt ergeben sich neue Perspektiven für die Gleichnisforschung. Wird der Begriff ‚Sprachereignis‘ konsequent diskurstheoretisch gedacht, so stellt sich einerseits die Frage, wie das Verhältnis der Gleichnisse als diskursive Artikulationen zu den Ereignissen, auf die sie sich beziehen, zu bestimmen ist und wie andererseits ihre Bedingtheit durch und Bezogenheit auf je konkrete Diskurse verstanden werden kann. Dabei ist die Schriftlichkeit der neutestamentlichen Gleichnisdiskurse56 als eigenständige Diskursformation57 zu berücksichtigen. Im Blick auf die Beziehung zwischen dem Gleichnis als diskursiver Artikulation und dem Ereignis, auf das sie sich bezieht, geht es um die Frage der extratextuellen Referentialität des Gleichnisses als Sprachereignis. In der Perspektive der Evangelien gehören die Gleichnisse Jesu in den Kontext der Praxis Jesu, die als integraler Bestandteil seiner Geschichte als Christus Gottes verstanden wird. Diskursanalytisch orientierte Gleichnisinterpretation konzentriert sich folglich auf die Interpretationsprozesse der Jesus-ChristusGeschichte in den Makrotexten der Evangelien. Auf diese Weise kann realisiert werden, wie die extratextuelle Referenzialität dieser Texte diskursiv 52
Vgl. Keller, Diskursanalyse (s. Anm. 49), 120–148. Vgl. dazu A. Seier, Kategorien der Entzifferung. Macht und Diskurs als Analyseraster, in: H. Bublitz / A.D. Bührmann u.a. (Hgg.), Das Wuchern der Diskurse. Perspektiven der Diskursanalyse Foucaults, Frankfurt a.M. 1999, 75–86; weitere Beiträge in diesem Band sind der Bedeutung dieses Aspekts für die gegenwärtige Diskurstheorie gewidmet. 54 Keller, Diskursanalyse (s. Anm. 49), 147. 55 Keller, Diskursanalyse (s. Anm. 49), 149. 56 Ich verstehe das Stichwort ‚Gleichnisdiskurs‘ unter diskurstheoretischen Gesichtspunkten und – anders als Erlemann, Gleichnisauslegung (s. Anm. 41), 82 f. – nicht als eigenständige Gattung. Als Gattungsbezeichnung scheint mir der Begriff, blickt man auf die Abgrenzungsprobleme der genannten Beispiele (Erlemann, a.a.O., 83), kaum geeignet. 57 Vgl. dazu programmatisch B. Kaute, Die Ordnung der Fiktion. Annäherung an eine Diskursanalyse der Literatur, in: J. Angermüller / K. Bunzmann / M. Nonhoff (Hgg.), Diskursanalyse. Theorien, Methoden, Anwendungen, Hamburg 2001, 139–152. Die auf Literatur bezogene Diskursanalyse kreist nach Kaute um das „Problem, das Verhältnis von literarischem Text und Geschichte zu bestimmen, oder anders formuliert, um die Frage, wie sich ein Text mit seinen historischen Existenzbedingungen in Verbindung bringen lässt. Das Dilemma der klassischen literaturwissenschaftlichen Ansätze besteht darin, dass sie entweder die Textualität zugunsten der Geschichtlichkeit oder die Geschichtlichkeit zugunsten der Textualität vernachlässigen.“ (Kaute, a.a.O.,139). 53
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verstanden worden ist. Ihr Kontext ist nicht die unmittelbare Wirklichkeit, sondern die Wirklichkeit ihrer Diskurse, konkret der jeweils bereits überlieferten, rezipierten Praxis Jesu. Diese Rezeptionsprozesse begründen und verantworten die Ereignishaftigkeit des Berichteten, Erzählten, Beurteilten. Damit ergibt sich die Frage, ob nicht in der Gleichnisforschung, aber auch z.B. in der religionspädagogischen Praxis,58 deutlicher zwischen dem irdischen und dem historischen Jesus zu unterscheiden wäre.59 Es könnte dann gelingen, die einseitige Fixierung der Gleichnisauslegung auf die Praxis des historischen Jesus zu lösen und die damit verbundenen Prozesse der Dekontextualisierung, die die Gleichnisse von ihren vorfindlichen Diskursen abstrahieren und im jeweiligen Konstrukt eines historischen Jesus verorten, zu überwinden.60 Stattdessen würde es möglich, sich entschlossener der frühchristlichen diskursiven Praxis zuzuwenden, deren Fragmente uns mit den synoptischen Evangelien und den übrigen Texten des Neuen Testaments vorliegen. Sie sind der erste Kontext, dem die Interpretation sich zuwendet, und den sie im Blick auf seine diskursiven Voraussetzungen befragt. Die Frage nach dem historischen Jesus im Zusammenhang der Gleichnisforschung ist damit weder überflüssig noch erledigt; sie ist jedoch nicht mit der Gleichnisinterpretation der Evangelien zu identifizieren. Dieser diskursive Primärkontext der Gleichnisse ist narrativ geprägt. Die Jesus-Christus-Geschichte ist das Grundmuster für die Prozesse der Rezeption und Produktion, der Kommentierung, Rahmung und Auswahl der Gleichnisse, als deren erster Sprecher Jesus vorausgesetzt wurde.
58 Diese Bemerkung beruht auf einer kursorischen Durchsicht einschlägiger Fach- und Schulliteratur (v.a. für den Religionsunterricht der Klassen 5/6 bzw. 7/8), die hier nicht vorgeführt werden kann. Es fällt jedoch auf, dass die Gleichnisse meist unreflektiert als die Gleichnisse des ‚historischen‘ Jesus dargeboten werden. Hier wirkt die Jülichersche Frontstellung immer noch nach. Gerade beim Thema Gleichnisse liegt die Verwechslung zwischen irdischem und historischem Jesus nahe, weil das Reden in Gleichnissen als gesichertes Element der Praxis des historischen Jesus gilt. 59 Zur Unterscheidung zwischen irdischem und historischem Jesus vgl. zuletzt J. Schröter, Die Bedeutung des Kanons für eine Theologie des Neuen Testaments. Konzeptionelle Überlegungen angesichts der gegenwärtigen Diskussion, in: C. Breytenbach / J. Frey (Hgg.), Aufgabe und Durchführung einer Theologie des Neuen Testaments, WUNT 205, Tübingen 2007, 135–158, bes. 154–156. 60 Chr. Münch, Die Gleichnisse Jesu im Matthäusevangelium. Eine Studie zu ihrer Form und Funktion, WMANT 104, Neukirchen-Vluyn 2004, stellt z.B. als Fazit seines forschungsgeschichtlichen Überblicks (Münch, a.a.O., 8–57) u.a. ein Auseinanderklaffen zwischen „der jesuszentrierten Forschung“ und der „Matthäusexegese“ in der Exegese der matthäischen Gleichnisse fest (Münch, a.a.O., 57). Ergänzend ist festzustellen, dass in den Fällen, in denen die neutestamentliche Kontextualität der Gleichnisse in den Blick kommt, zumeist eine diachrone, wirkungsgeschichtlich orientierte Perspektive in Anschlag kommt; vgl. das entsprechende forschungsgeschichtliche Fazit von D. Massa, Verstehensbedingungen von Gleichnissen. Prozesse und Voraussetzungen der Rezeption aus kognitiver Sicht, TANZ 31, Tübingen / Basel 2000, 43 f.
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Es ist der erinnerte, irdische Jesus, der hier spricht; kein ‚historischer‘ Jesus.61 Der irdische Jesus der Gleichnisse ist das Implikat der Jesus-ChristusGeschichte. Sie ist das entscheidende Narrativ, das die Evangelisten rezeptiv und produktiv bearbeiten. Aus dem Ereignis der Gottesherrschaft wird das Ereignis der Praxis Jesu, die im Rahmen seiner Geschichte mit den Gleichnissen vergegenwärtigt wird. Der zentrale Bezugspunkt der Evangelien ist nicht die anbrechende Gottesherrschaft, sondern Gottes Handeln in der Geschichte Jesu Christi. Es geht im Blick auf die Gleichnisrede Jesu um eine sekundäre Diskursivierung – seine erinnerte und interpretierte Redepraxis wird Teil eines fiktionalen Textes. Der Gleichnisdiskurs der Evangelien ist als Element ihrer Präsentation der Geschichte Jesu Christi zu verstehen. Die Gleichnisse Jesu bilden folglich einen Spezialdiskurs im Makrotext der Evangelien, der den diskursiven Bedingungen ihrer jeweiligen Interpretation und Gestaltung der Jesus-Christus-Geschichte unterliegt. Dieser Spezialdiskurs ist keineswegs auf die Gleichnisse selbst beschränkt, sondern betrifft ihre vielfältigen Kontextualisierungen und Kommentierungen. Der narrativ imaginierte irdische Jesus ist der unmittelbare Kontext der Gleichnisse. Mit der Wahrnehmung der rezeptiven und produktiven Diskursivität der Gleichnisverwendung in den Evangelien wird ihre sozialgeschichtliche Materialität62 deutlicher wahrnehmbar. Ihre Einbindung in die Dispositive, Fragestellungen und kommunikativen Handlungsoptionen des frühen Christentums wird erkennbar, so dass die Textinterpretation unter diesem Gesichtspunkt die theologische Arbeit frühchristlicher Gleichnisinterpretation in den Mittelpunkt stellen kann. Dabei werden die Prozesse der Transformation, Weiterdeutung und Literalisierung berücksichtigt, die die Kontextualisierung der Gleichnisse begleiteten.63 61 Vgl. E. Reinmuth, Hermeneutik des Neuen Testaments. Eine Einführung in die Lektüre des Neuen Testaments, UTB 2310, Göttingen 2002, 26 f. u.ö. 62 Vgl. dazu Ph. Sarasin, Diskurstheorie und Geschichtswissenschaft, in: Keller / Hirseland u.a. (Hgg.), Sozialwissenschaftliche Diskursanalyse (s. Anm 51), 55–81. Sarasin versteht unter der sozialgeschichtlichen Materialität von Diskursen v.a. ihre historisch geprägte Eigenlogik; er unterscheidet in diesem Sinne die drei Ebenen der Diskursordnung, der entsprechenden Medien und drittens das jeweilige Zeichensystem. Nach Sarasin beachtet die Diskurstheorie, „dass sich die ‚Eigenlogik‘ des überlieferten Materials nicht quellenkritisch erledigen lässt, um so eine allein durch Verzerrungen und Fälschungen verdunkelte Transparenz wieder herzustellen, sondern dass diese ‚Eigenlogik‘ untersucht werden soll und zu einem konstitutiven Teil der Geschichtsschreibung wird“ (Sarasin, a.a.O., 75). Vgl. ders., Geschichtswissenschaft und Diskursanalyse, in: ders., Geschichtswissenschaft und Diskursanalyse, stw 1639, Frankfurt a.M. 2003, 10–60, 37–46 (‚Die Materialität von Diskursen‘). 63 Vgl. dazu z.B. R. Zimmermann, ‚Deuten‘ heißt erzählen und übertragen. Narrativität und Metaphorik als zentrale Sprachformen historischer Sinnbildung zum Tod Jesu, in: J. Frey / J. Schröter, Deutungen des Todes Jesu im Neuen Testament, WUNT 181, Tübingen 2005, 315–373; speziell zur literarischen Refiguration der Wortüberlieferung Jesu vgl. J. Schröter, Die Frage nach dem historischen Jesus und der Charakter historischer Erkenntnis, in: A. Lindemann (Hg.), The Sayings Source Q and the Historical Jesus, BET hL 158, Leuven u.a. 2001, 207–254, 244–251.
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Der Fokus richtet sich also auf den theologischen Diskurs der Makrotexte und ihrer weiteren Kontexte. An ihm beteiligt sich die gegenwärtige Auslegung, indem sie sich mit ihm auch in interpretationsethischer Hinsicht auseinandersetzt. Die Wahrheit der Texte hängt nicht an einer reinen Urform, für die dann ein historischer Jesus zu konstruieren ist, sondern an den diskursiven Kontexten, in denen Wahrheit in konkreter Kommunikation verantwortet wird. Es geht nicht um eine abstrakte, absolute Seinswahrheit, für die es nur eine richtige Rezeptionsweise geben kann. Dieser Gesichtspunkt gilt nicht erst für die gegenwärtigen Rezeptionssituationen. Bereits für die neutestamentlichen Gleichnisdiskurse ist eine stete Pluralität der Gleichnisrezeptionen zu veranschlagen; sie äußert sich sowohl in den divergenten Kontextualisierungen und Kommentierungen jeweiliger Makrotexte als auch in spannungsvollen Kommentierungen einzelner Gleichnisse.64 Die ethische und politische Dimension der neutestamentlichen Gleichnisdiskurse sowie des gegenwärtigen Auslegungshandelns muss also mitreflektiert und -verantwortet werden. Es gibt – gerade auch unter diskursanalytischem Aspekt – keine unschuldige Gleichnisauslegung. Vielmehr ist zu fragen, wie und welche Macht in diesen Diskursen kommuniziert, ausgeübt oder unterminiert wird,65 und wie die theologische Interpretationspraxis einschließlich ihrer Geschichte in ethischer, politischer und gesellschaftlicher Hinsicht zu verantworten und selbstkritisch zu reflektieren ist. Auf diese Weise kann es gelingen, die Gleichnisdiskurse der Evangelien einer kritischen Interpretationspraxis zu erschließen. Gott kommt nicht in oder als synoptisches Gleichnis zur Wirklichkeit, und kein Gleichnis ist dieser Annahme wegen der kritischen Rückfrage entzogen. Das Ereignis des Herrschaftsantritts Gottes wird, wie oben festgestellt, zum Ereignis der Jesus-Christus-Geschichte. Der neutestamentliche Gleichnisdiskurs leistet exakt dieses: Die Gleichnisse des erinnerten Jesus als wesentliche Komponente der Jesus-Christus-Geschichte zu interpretieren und damit den entscheidenden Schritt getan zu haben, das im Gleichnis Jesu thematisierte Ereignis dem Ereignis seiner Geschichte zu integrieren, folglich das ‚Außen‘ (s.u.) zu wahren und nicht Text und Ereignis zu identifizieren. Dieser Schritt schützt die Gleichnisinterpretation vor der Identifikation von diskursiver Artikulation (Sprachereignis) und Ereignis. Es macht die Texte einer kritischen Interpretationsethik zugänglich, und es bewahrt sie vor der Zumutung einer performativen Überlast.
64 Vgl. z.B. meinen Beitrag zu Lk 16,1–13: E. Reinmuth, Der beschuldigte Verwalter (Vom ungetreuen Haushalter) – Lk 16,1–8, in: R. Zimmermann u.a. (Hgg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu, Gütersloh 2007, 634–646. 65 „Diskursstrukturen sind zugleich Machtstrukturen; diskursive Auseinandersetzungen sind machthaltige Konflikte um Deutungsmacht.“ (Keller, Diskursanalyse [s. Anm. 49], 203).
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Damit wird es möglich, die produktiven Rezeptionsprozesse selber genauer zu studieren und die konkreten Beziehungen zwischen den vorgängigen diskursiven Strukturen und dem jeweiligen Sprachereignis als konkreter Artikulation zu bestimmen. In diskurstheoretischer Perspektive ist deshalb auch die Performativität der neutestamentlichen Gleichnisdiskurse zu beachten. Diskurse mögen unabschließbar sein; unbegrenzt sind sie nicht. Überlegungen zur Verhältnisbestimmung zwischen diskursiver Wirklichkeit und ihrem ‚Außen‘ spielen diskurstheoretisch eine fundamentale Rolle. Jeder Diskurs ist performativ, indem er Wirklichkeit ein- oder ausschließt; er ist insofern eine Wirklichkeitsbedingung.66 Alle Diskurse müssen das jeweils nicht Sagbare jenseits der diskursiv erfassten Wirklichkeit ausgrenzen. Mit den Grenzen konkreter Diskurse ist auch die Konkretheit dessen zu denken, was Gleichnisse in ihren jeweiligen Kontexten ‚sagen‘ sollen. Sie sind weder Definitionen noch Performative mit universalem bzw. ontologischem Anspruch, sondern diskursive Ereignisse, die darum als Ereignisse zu bezeichnen sind, weil sie diskursive Grenzen bearbeiten und in ihren Grenzrelationen wirksam und verständlich sind. Das vorgestellte Modell ermöglicht es, den Zusammenhang von Diskursen und Regeln zu berücksichtigen und in dieser Hinsicht auch die den neutestamentlichen Gleichnisdiskursen implementierten Exklusionsregeln zu beachten, die als hermeneutische Restriktionen die Deutungsmacht dieser Diskurse sichern. Folglich sind die neutestamentlichen Gleichnisdiskurse wie alle Diskurse immer auch im Blick auf die ihnen eigene Performativität zu interpretieren.67 Die Gleichnisrezeption definiert den jeweiligen Gleichnisdiskurs. Mit der Aufnahme eines Jesusgleichnisses wird zugleich dessen ‚Außen‘ diskursiv bestimmt. Dieses ‚Außen‘ ist als die Fülle der Möglichkeiten zu bestimmen, Gegengeschichten zur mit dem Gleichnis beanspruchten Wirklichkeit zu erzählen. Die These liegt nahe, dass im Rezeptionsprozess auch das jeweilige Außen modifiziert wird. Jede Kontextualisierung ist zugleich eine aktuelle 66 Vgl. dazu St. Deines, Über die Grenzen des Verfügbaren. Zu den Bedingungen und Möglichkeiten kritischer Handlungsfähigkeit, in: St. Deines / S. Jaeger / A. Nünning, (Hgg.), Historisiserte Subjekte – Subjektivierte Historie. Zur Verfügbarkeit und Unverfügbarkeit von Geschichte, Berlin 2003, 63–76, 70: Der Diskurs „bestimmt, was zu denken und wie zu sein möglich ist und wie nicht. Diese Festschreibung dessen, was möglich ist, erfordert die Operation der Festlegung auch dessen, was fortan als unmöglich gilt. Die Wirklichkeit wird, heißt das, auf Kosten der Ausschließung und Verwerfung aller anderen denkbaren – und das heißt im Falle des Gelingens eben gerade nicht mehr denkbaren – Möglichkeiten konstituiert. Diese verdrängten und verworfenen (Un-)Möglichkeiten sind das ‚konstitutive Außen‘ dessen, was als positive Wirklichkeit erscheinen kann.“ 67 Deines, Grenzen des Verfügbaren (s. Anm. 66), 70, stellt pointiert fest: „Die Sprache des Diskurses ist aufgrund seiner Performativität genau so produktiv, wie es Austin in How to Do Things with Words für die illokutionären Sprechakte wie das Taufen, das Verheiraten usw. konstatiert.“
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Absicherung gegen ein Außen, gegen das Andere der im Gleichnisdiskurs vermittelten Wirklichkeit. Dieses Außen ist in seiner Reichweite prinzipiell unbegrenzt. Das Außen eines Diskurses kann jedoch konkret nur in Relation zu diesem artikuliert werden; es ist nie ganz ‚außen‘, sondern impliziter oder bisweilen expliziter Bestandteil eines Diskurses. Im Gleichnis von den beiden Söhnen Lk 15,11–32 übernimmt der ältere Bruder diese Rolle; in ihr deutet sich der Part einer alternierenden Geschichte an. Auch diese Einsicht sollte eine Verlagerung des Performativen in die fiktive Sprechsituation68 eines ‚historischen Jesus‘ vermeiden. Wir sind nicht mit ihr, sondern mit den Diskursen und Texten konfrontiert, in deren Kontexten sie uns begegnen. Mit der Fixierung auf einen ‚historischen Jesus‘ verbindet sich die Erwartung reiner Wahrheit, eines reinen, entscheidungsfreien Ethos. Das ist jedoch nicht nur in historischer Hinsicht eine Illusion.69 Denn zur Pragmatik der Gleichnisse gehört die Entscheidung, die nicht auf eine Plus-Minus-Entscheidung reduziert werden darf. Zu jedem Gleichnis sind nicht nur eine, sondern viele Gegengeschichten zu erzählen. Die schriftliche Diskursivierung der Gleichnisse wird ohne diesen Aspekt nicht verständlich. Sie ruft – wenn auch in transponierter Form – die Diskursivität ursprünglicher Situationen in Erinnerung – und mit ihr die Aufgabe ethischer Interpretation. Der Weg vom Sprachereignis zum Kommunikationsereignis zeigt im Rückblick eine (selbst-)kritische Perspektive auf. Bis heute überwiegt der Forschungstrend, die Gleichnisauslegung primär in der Verkündigung Jesu zu verorten.70 Das dabei leitende Paradigma setzt immer noch den historischen Jesus als reinen Uranfang voraus, dessen Erforschung den Maßstab seiner Interpretation in den Evangelien bildet. Auf diese Weise kommen je68 Wolfgang Harnisch hatte bereits gegenüber Jülicher geltend gemacht, dass in der Konsequenz seines Ansatzes „streng genommen selbst die Berücksichtigung der momentanen Gestimmtheit, in der sich Redner und Hörer befinden“ in die Auslegung Eingang finden müsste (W. Harnisch, Die Sprachkraft der Analogie. Zur These vom ‚argumentativen Charakter‘ der Gleichnisse Jesu, StTh 28 (1974), 1–20, 12). „Die im Ansatz Jülichers implizierte Forderung, das Sachanliegen eines Gleichnisses durch den Rekurs auf dessen Ursprungssituation zu ermitteln, erweist sich als unerfüllbares Desiderat der Exegese.“ (Harnisch, a.a.O., 13). 69 Vgl. zur angesprochenen Problematik sowie zur Disparatheit der Forschungen zum historischen Jesus jetzt auch D.C. Allison, Secularizing Jesus, in: ders., Resurrecting Jesus, New York 2005, 1–26, sowie die kritischen Überlegungen bei W.H. Kelber, Der historische Jesus. Bedenken zur gegenwärtigen Diskussion aus der Perspektive mittelalterlicher, moderner und postmoderner Hermeneutik, in: J. Schröter / R. Brucker (Hgg.), Der historische Jesus. Tendenzen und Perspektiven der gegenwärtigen Forschung, BZNW 114, Berlin / New York 2002, 15–66. 70 Das gilt auch für den Ansatz von P. Lampe, Die Gleichnisverkündigung Jesu von Nazareth im Lichte konstruktivistischer Wissenssoziologie, in: U. Mell (Hg.), Die Gleichnisreden Jesu 1899–1999. Beiträge zum Dialog mit Adolf Jülicher, BZNW 103, Berlin / New York 1999, 223–236. Der Aufsatz bezieht sich ausschließlich auf die imaginierte Kommunikationssituation zwischen ‚Jesus‘ und seiner galiläischen Zuhörerschaft; er ist durch Aspekte wissenssoziologischer Diskursanalytik zu ergänzen.
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doch die frühchristlichen Diskurse, auf die diese Texte hinweisen, zu kurz. Der uns gegebene und erkennbare Primärkontext der Gleichnisse Jesu ist der Kontext seiner Geschichte, wie sie in den Evangelien rezipiert, konzipiert und produziert wird. Hier wird die Wahrheit der Gleichnisse diskursiv ausgehandelt und angesichts denkbarer und erzählbarer Alternativen verantwortet. Die diskursanalytische Verwendung des Begriffs ‚Sprachereignis‘ macht einen kritischen Rückblick auf die Prägung dieses Begriffs im Zuge der ‚neuen Hermeneutik‘ und speziell im Blick auf die Gleichnisinterpretation durch Ernst Fuchs erforderlich. Bei einem Vergleich beider Verwendungsweisen werden grundlegende Unterschiede deutlich, deren wissenssoziologische Konsequenzen für die Gleichnisinterpretation bisher kaum theoretisch diskutiert wurden. Geht es bei dem hermeneutisch verstandenen Sprachereignis um das ZurSprache-Kommen (der Herrschaft) Gottes als Gleichnis, so geht es beim Gleichnis als diskursanalytisch verstandenem Sprachereignis um die Interpretation der Geschichte Jesu Christi. Der kommunikativen Situation eines historischen Jesus steht die Kommunikation des Evangeliums, wie sie mit der narrativen Gestaltung der Makrotexte intendiert wird, gegenüber. An die Stelle der scheinbaren Unmittelbarkeit des Zur-Sprache-Kommens Gottes im Gleichnis tritt der Gleichnisdiskurs der Evangelien. Bildete das Sprachereignis der neuen Hermeneutik eine solitäre Autoritätskonstruktion, deren Autorität sich einem von den Evangelien gezeichneten Jesusbild, also dem christologischen Diskurs des frühen Christentums verdankte, so muss eine diskurstheoretisch fundierte Gleichnisinterpretation sich diesem christologischen Diskurs als ihrem genuinen Kontext zuwenden. Dabei ist nicht die „Autorität des historischen Jesus“ durch die der Evangelien zu ersetzen; vielmehr sind die vielfältigen Diskursivierungsprozesse, die an ihnen sichtbar werden, diskursanalytisch und interpretationsethisch zu reflektieren. So können die Gleichnisse Jesu interdisziplinär und interreligiös, aber auch im genuinen Sinn theologisch kommuniziert werden.
Parable and Vocative Word A Dialogue with Levinas Stephen Curkpatrick Which would you prefer not to lose – sight or hearing? Whenever this question is asked, the prevailing preference is not to lose hearing. The reason often given for this response is an awareness of someone who is acutely isolated and reticent within family or community through the loss of hearing, while loss of sight bears testimony to surprising forms of adaptation and social connection. Anecdotal? Perhaps. Hearing relates to the vocative – being addressed by another. Someone speaks into our existence. The source of this speaking is unique and uniquely creative within human life through decisions and actions, generating events beyond the sum of material items that constitute our surroundings. In the vocative, we are confronted, not by the world of things but by relationship(s). Information may be exchanged but an event occurs beyond what is seen as tangible. The phenomenon of being addressed by another precedes any correlation of facts as to who and what this person is by reference to a context. In the vocative, I am addressed by another as unique as myself. I may see this person but beyond seeing is the inner event that goes unseen as heard – the event of address. I am addressed, however incidentally, by this person who is in proximity to my existence – not a hypothetical parent, partner, child, sibling, friend or colleague, but this person here at this time. I exist as an addressed-one among many who likewise have as their primary locale of meaningful existence the fact of being addressed by specific others. No one is merely constituted as a bundle of facts and statistics. The vocative establishes me as a person, which precedes any such data about my material existence within phenomena. Being addressed by another, I am also held to account by another, which occurs at various levels of ethical response as responsibility, whether this responsibility is ultimately appropriate and accepted or not. Whatever transacts in the acceptance or rejection of responsibility occurs through the initial prism of vocative address or summons by another and volitional response. As volitional, response to another human being is particular to each. It is
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therefore a response to the vocative, even if no words are uttered. By responding or ignoring I answer another who has addressed me. The vocative gives me a unique relationship to every other, who is also unique beyond generic nomination – social, racial, economic etc. – but as addressed and summoned by another to some form of personal response. The vocative sense is hermeneutical as it invokes hearing and response – an interpretive process in which deliberative choice is called forth in the addressed, unlike nomination, which relates to collation and systemisation, and does not require a moral volitional decision unless the vocative enters. The vocative requires a relational or social response, which is therefore intrinsically ethical. Phenomena may be correlated and ordered into data that is then applied to certain use. This use in the context of others will involve interpretation that extends well beyond the first procedure, collating and ordering, and ultimately involves the vocative. Interpreted data in the social realm will become a question of: What is my response – acceptance, rejection, obedience or refusal? It will be vocative.
Vocative Encounter in Biblical Testimony The biblical tradition of resistance to idols and satire of idolatry is central to the incursion of a word, volitional and significant for existence founded on the vocative register of human experience in eventful hearing and response. The prophetic satire of idols makes the point that these figures and images remain dumb (Jer 10:5; Bar 6:8). They cannot speak for the Absolute. The idolater cannot see that what is made an ultimate source of meaning as a medium of the Absolute is consumed for warmth and cooking. It is one with the material objects that can cease to exist. These are consumed in sustaining daily existence. There is total passivity. The idol is unable to give effect to anything of eventful consequence. Indeed, the material idol is of less value than the material that has pragmatic use (Isa 44). This is a decisive word on the status of the material vis-à-vis human existence; it is of pragmatic use but is dumb as an idol or medium of the divine. This satire is replicated in brief vignettes throughout biblical tradition. The stupidity of the idolater is in assuming that mere matter, what can be nominated within a generic series, could represent the Absolute. The alternative is the living and evocative, volitional and relational word of hearing and response, which cannot be represented but is given effect in eventful and responsible human life. The vocative encounter is not primarily aesthetic – based on appearance of the more or less beautiful – but volitional, relational and ethical, even if adorned with the aesthetic, which is seen for having heard in inheriting a social language.
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Language is always and already ahead of us in the vocative.1 Because addressed in the specificity of existence by this partner, child, parent or sibling, we are always located within a particular vocative constellation that is unique – I do not share the same parents with my partner even if we share the same children but not the same experience of their natality or the same gender with each child. As unique, this constellation is also arbitrary; it summons in the midst of life: this parent, this child, this sibling, this partner – yes, despite choice, for we discover many things about our spouse that we have not “chosen” and vice versa. This context of relationships is as if arbitrarily given, yet in its arbitrariness, I am completely responsible because every instance of the arbitrary – this one and not another person before me, beside me, with me – calls me to responsibility and therefore accountability. Here the biblical tradition’s strange pedagogy in depicting chosen ones who are given seemingly arbitrary responsibilities while being totally accountable is a relevant image. The critical site of hearing and response is germane to this. The vocative encounter is not a static space, like the idol and the Absolute, but living and eventful, responding to temporal and volitional factors in the midst of acting subjects in time. It occurs eventfully as a word-otherwise because always coming from beyond my assimilative powers to control or to determine. This incursion of a word-otherwise is essential to ethics that is exposed to its other as genuine other. This is well known from the interpersonal dimension of biblical tradition that Martin Buber and Emmanuel Levinas have helped substantially to promote.2 Biblical testimony is primarily about hearing in contrast to the eidetic world of Greek philosophical tradition with its legacy of seeing and evidence (an idea is to see Gk. idein to see). If something is to be seen, in biblical testimony it must also be heard or interpreted as heard. “Whoever has ears to hear …” implies that existence before its other is sustained in word and response, is nowhere substantiated as such, but is everywhere given effect in word, hearing and volitional response. Consequently, the enigmatic 1 M. Heidegger, “The Way To Language,” in Basic Writings: From “Being and Time” (1927) to “The Task of Thinking” (1964) (ed. D.F. Krell; rev. and expanded ed.; London 1978, 1993, 2002), 397–426. 2 M. Buber, I and Thou (trans. with prologue and notes by W. Kaufmann; New York 1970, 1996); idem, Between Man and Man (trans. R.G. Smith; London and New York 1947, 2002); E. Levinas, Totality and Infinity: An Essay on Exteriority (trans. A. Lingis; Pittsburgh, Pa. 1969, 2000); idem, Otherwise than Being or Beyond Essence (trans. A. Lingis; Pittsburgh, Pa. 1981, 1997); idem, Difficult Freedom: Essays on Judaism (trans. S. Hand; Baltimore 1990). For Levinas, the vocative is “an incomparable case among the other cases of the declension” – it is eventful, ethical, and unmediated in its “association with the unknown.” Idem, “Martin Buber, Gabriel Marcel and Philosophy,” in Outside the Subject (trans. M.B. Smith; Stanford, Calif. 1994), 33. The “vocative” is “relation” with the other, while confirming the other in “heterogeneity.” Levinas, Totality and Infinity, op. cit., 69.
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sayings throughout the biblical tradition that reiterate in various ways the aphorism: “Let the one with ears to hear, hear” (variations: Isa 6:9; Jer 5:21, 6:10; Ezek 12:2; Matt 13:9–17 and parallels; Acts 28:26–27; Rom 11:7–8; Rev 2:7, 11, 17, 29; 3:6, 13, 22; 13:9). If “they look and do not see,” what is to be seen is not seen because there is no hearing or word from which to interpret what is before one’s eyes. A word might illuminate something, its absence leave it unperceived. While it is possible to see persons as objects, in the biblical priority of hearing, the interpersonal is made primary, and therefore a word, which because it comes from another, however proximate, will also be a word otherwise than our own. Various modes of vocative testimony, encounter and invocation in biblical tradition are given both diverse and summary expression in the Synoptic Gospel parables.
Vocative Dynamics in Gospel Parables Parables give expression to many dynamics that have priority in the vocative encounter, both biblical and existential. First, the vocative encounter extends beyond any possibility that can emerge through engagement with natural phenomena. Second, having “ears to hear” (hos echei ta akouein akouet ) is juxtaposed with a rationale for the use of parables in each Synoptic Gospel (Matt 13:10–17 with v. 9; Mark 4:10–13 with v. 9; Luke 8:9–10 with v. 8). Third, the arbitrary constellation of relationships, life situations and human limits constitute a locale of response and responsibility in the parables. Parables intensify the mystery of the interpersonal within arbitrary limits of life. Fourth, the possibility of incursion by and response to another kind of reality is given in and with the word “God” in the phrase “kingdom of God” (or “kingdom of the heavens”) that is frequently juxtaposed with parable stories, but which nevertheless remains apocalyptic – hidden yet eventful in disclosure. This last dynamic encompasses the others, as the parables present variegated modes of vocative encounter as a word-otherwise amid the many familiar words and constraints of human life. Parables are suspended before a strange word that intensifies the imperative to have “ears to hear.” Through their seemingly familiar yet skewed events, parables generate for their auditors, diverse forms of vocative encounter. These occur between various characters of a parable (e.g. Weeds among the wheat Matt 13:24–30, 36–43; An unforgiving servant Matt 18:23–35; Wicked tenants Matt 21:33–41, Mark 12:1–9, Luke 20:9–18; Labourers in a vineyard Matt 20:1–16; A father and two sons Matt 21:28–31; A wedding banquet Matt 22:1–14 etc.). These occur in telling a parable amid interlocutors in the gos-
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pels (e.g. parables that begin “Who among you?” or to interlocutors “A certain person”: A good Samaritan Luke 10:30–37; A friend at midnight Luke 11:5–8; A rich fool Luke 12:16–21; A lost sheep Luke 15:3–5; A prodigal son and his brother Luke 15:11–32; A dishonest steward Luke 16:1–8; A slave’s obligations Luke 17:7–10; A widow and a judge in a certain city Luke 18:1–8). These scenes of vocative encounter also occur as a literary device in which a parable intensifies the vocative texture of gospel narrative by casting it into the realm of familiar human contexts and conversation (e.g. An unforgiving servant; A good Samaritan; A rich fool; A great feast Luke 14:16–24; Three parables of the lost Luke 15). Even parable soliloquy generates a vocative context for hearing and response (e.g. House swept clean Matt 12:43–45, Luke 11:24–26; A rich fool; A prodigal son and his brother; A dishonest steward; A widow and a judge; A publican and a Pharisee Luke 18:9–14). God is present yet also hidden in the world of parables. A parable could be any story but for the presence of the word “God.” The phrase “the kingdom of God” (or “the heavens” connoting God) sustains a tension of strange presence and opacity, for it thrusts a seemingly ordinary story into another realm of expectation and encounter (e.g. Growing seed Mark 4:26–29; Finding treasure Matt 13:44; Pearl of great value Matt 13:45–46; Mustard seed Matt 13:31–32; Mark 4:30–32; Luke 13:18–19; Leaven Matt 13:33, Luke 13:20–21). This expression, “the kingdom of God” (“… the heavens”), coupled with parables, remains both transparent in assumed signification and opaque in its density of meaning; it remains at once arbitrary in delineating human limits and liberating in opening human possibilities amid these limits. These tensions enhance their vocative capacity as auditors are invited further into their seemingly familiar world of phenomena, stimulated to dialogue by the juxtaposition of strange and ordinary in an arbitrary context vis-à-vis others. Yet parable auditors are also silenced to listen to a word-otherwise on human existence within the very specificity of their circumstances.
A Vocative Word in Arbitrary Contexts Who or what is encountered in the parables? The word “God” can serve as either an alibi or an alias for that which is otherwise – in the juxtaposition of “kingdom of God” with scenes of life – with mention of God that is also seemingly reticent in mention of God. As an alias, the word “God” does not give the identity of that which is named – in short, naming without naming. If the word “God” is superfluous to what is signified, it is also a necessary alibi because it cannot be signified otherwise. This tension between alibi and alias occurs in biblical invocation and doxology, which also refer to God as
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unsearchable and inscrutable. The word “God” serves as a necessary alibi for an other that cannot be named except by an alias.3 If the word “God” is an incision in language that is at once ambiguous and excessive in meaning, this is also true for the term “kingdom of God” in parables. Their sustained, near-aphoristic statements reiterate that a thought, a reality or a perspective “otherwise” intersects human existence on the smallest theological hinge. The word “God” deployed as an alias in testimony to that which is otherwise, does not present itself other than by this alibi for its intersection with human existence and phenomena. While the parables are sparing, perhaps even reticent in mention of God, they nevertheless mention God. In their mention of “God,” do parables introduce an other that cannot be certified as such? Such otherness, even if named by the word “God,” nevertheless retains, as Levinas suggested, the possibility of also being named il y a (“there is”) – the “anonymous” pervasive “there is” of existence extended to infinity; the thought that at bottom, what is, is an abyssal anonymity within being.4 The “elemental” il y a is a context of bodily “groping” to establish a cause commensurate with the effect; it is an insomniac anonymity, an endless “night” that sustains a perpetual upsurge of mythology.5 In a perennial human desire before the anonymity of il y a, the word “God” is quoted and counterfeited incessantly, inexorably from anterior texts as a signification able to hide or cover the abyss of Levinas’ il y a – the “there is,” the endless murmur of the elemental. In order to alleviate human disquiet in the terrifying abyssal thought that at bottom there is nothing, the word “God,” however cited or quoted, is preferred by humans to the abyssal anonymity of il y a.6 This is apparent in the perennial resilience of interest in 3 “Alibi” apropos Jacques Derrida’s testimony to the other (the trace) is “without alibi.” J. Derrida, “Provocation,” in Without Alibi (ed., trans., and with an introduction by P. Kamuf; Stanford, Calif. 2002), xvi–xvii, xxvii–xxviii. Similarly, Levinas: “God” signifies an otherwise than “immanence” (in particular “intentionality”), which is nevertheless thought and articulated within the horizon of immanence. The alibi nevertheless sustains an ambiguity that is inscribed in transcendence. E. Levinas, “Hermeneutics and the Beyond,” in Entre Nous: On Thinking-of-the-Other (trans. M.B. Smith and B. Harshav; New York 1998) 70, 73–74. 4 Levinas, Otherwise than Being (n. 2), 163–164, 176. God is not a calculable “first other,” “the ‘other par excellence,’ or ‘the absolutely other,’” but “otherwise” and potentially confused with “il y a.” E. Levinas, “God and Philosophy,” in Of God who Comes to Mind (trans. B. Bergo; Stanford, Calif. 1998), 69. Levinas speaks of “transcendence to the point of absence, to the point of his possible confusion with the agitation of the there is.” E. Levinas, “God and Onto-theo-logy,” in God, Death, and Time (trans. B. Bergo; Stanford, Calif. 2000), 224. “Levinas’ il y a does not disclose a who or a what, but instead, instates the possibility of ‘the nonsense of an indecipherable trace, the tohu vavohu.’” E. Levinas, “From Consciousness to Wakefulness: Starting from Husserl,” in idem, Of God who Comes to Mind, op. cit., 190 n. 30. 5 Levinas, Totality and Infinity (n. 2), 41–142, 167–168; E. Levinas, Alterity and Transcendence (trans. M.B. Smith; New York 1999), 59–60. 6 Levinas’ mention of God retains ambiguity in the context of il y a. This ambiguity is reflected in Levinas’ earlier use of “insomnia” referring to il y a as the “horror of the night” in the endless anonymity of existence. E. Levinas, Existence and Existents (trans. A. Lingis; The Hague 1978), 52–64; idem, Time and the Other (trans. R.A. Cohen; Pittsburgh, Pa. 1987),
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religion. Yet even this phenomenon, religion, can be construed merely from the elemental without a response to a vocative word beyond variegated configurations of the anonymous “there is.” Whether announced as alias or alibi, the word “God,” in biblical tradition gives priority to a vocative dimension to reality and human existence. For Levinas, amid the undecidable phenomenon of “there is,” a word speaks and in speaking, as a site of hearing and response, it can speak otherwise.7 A word speaks and in speaking is also address and hearing. It is the mystery of the inter-personal and therefore always the possibility of hearing a wordotherwise amid the elemental. In the vocative encounter, a word is heard beyond the limits of arbitrary contexts, however these are nominated. In the absence of this primary impetus – the vocative incursion of another word and its response – we could never be sure whether humans are to be conflated with phenomena as their only correlate; we could also never be sure that humans are not consigned to listen to a dumb murmur of “there is” as the only word to be heard as an imprimatur on human existence. Humans are immersed in the elemental as an always potential anonymous undifferentiated existence – Levinas’ il y a “there is” – which is fleetingly displaced by “enjoyment” within the elemental.8 The elemental evokes desire, yet without exteriority, desire is also suffocated, enfolding the subject in a closed world of facades endlessly mirroring one another, compounded by banal echoes that are lost in a nocturnal murmur of silence.9 Levinas suggested that exteriority is exposure to the other made proximate in the face – the enigma of the other person – which gives ethical testimony to infinity.10 The face, for Levinas, is an aperture to infinity, an infinity that could be named “God,” but this is a nomination that remains ambiguous, without certification, as a site of atheism as readily as theism – only naming a trace to infinity in an assignation to vocative and therefore ethical 61–64. This is later translated into the insomnia of ethical intrigue awakening to infinity incised in the subject (Levinas, “God and Onto-theo-logy” [n. 4], 207–212), for which the word “God” is mentioned obliquely as an alias (Levinas, Existence and Existents, op. cit., 52–64; Levinas, Time and the Other, op. cit., 46–51; Levinas, “God and Onto-theo-logy” [n. 4], 207, 215–217). The abyss of il y a is not alleviated by mention of God – who remains unknown. 7 “Saying” (“dire”) that “signifies otherwise” than the “Said” (“dit”) articulating the essence of being is a significant self-attested thesis of Otherwise than Being (n. 2), 46. 8 Levinas, Totality and Infinity (n. 2), 127–140, 167–168, 187–193. Levinas’ “elemental” il y a is an abyss into which enjoyment is refracted – the “elemental” from which enjoyment is drawn and into which it is always capable of falling back (op. cit., 141–142, 167–168). 9 Apropos Levinas, Totality and Infinity (n. 2), 141, 142; Levinas, Existence and Existents (n. 6), 51–60. 10 The “inviolable” face goes to infinity and is unknowable (“irreducible” in its “depth”), except that it is the source of the “face-to-face” relation of “speaking” in which the ethical is prior knowledge (seizure and violation), and sociality is established in conversation. Hence, “the Other does not appear in the nominative, but in the vocative.” E. Levinas, “Ethics and Spirit,” in Levinas, Difficult Freedom (n. 2), 7–10. The face is not a “mask” for some other signification or “concept.” E. Levinas, “The I and the Totality,” in Levinas, Entre Nous (n. 3), 33.
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response. The other is not God but the “Word of God” is heard in the face of the other. The face of the other is a summons – a vocative call to ethics – the most ancient word from infinity that comes as a wakening of one’s humanity in the midst of being where one is merely one more thing alongside everything else. This vocative word from infinity is mediated by, while also receding from the face.11 Yet there is a weakness here in Levinas’ level of abstraction that is addressed in the parables as they double-back from his testimony to an other receding to infinity, to be immersed in the most tangible and arbitrary expressions of human life. Without an alibi for our actions vis-à-vis others in the world – and here we are not seeking a categorical reference point, which Levinas sought to avoid12 – we are before competing demands by so many others, without responsibility as accountability beyond relative criteria for responding one way and not another. Even if exposure to a proximate other might recede to infinity, this exposure nevertheless remains without an alibi 11 E. Levinas, “From the One to the Other,” in idem, Entre Nous (n. 3), 151–153; Levinas, Otherwise than Being (n. 2), 128; Levinas, “Totality and Infinity: Preface,” (n. 2), 198–199; E. Levinas, “Philosophy, Justice, and Love,” in idem, Entre Nous (n. 3), 108–110; E. Levinas, “Outside the Subject,” in idem, Outside the Subject (n. 2), 158; E. Levinas, “Transcendence and Height,” in Basic Philosophical Writings (eds. A.T. Peperzak, S. Critchley and R. Bernasconi; Bloomington, Ind. 1996), 17–18. In Levinas’ evaluation of Buber’s “I – Thou,” the Infinite addressed in the vocative you recedes in the trace of the Third. E. Levinas, “Signature,” in idem, Difficult Freedom (n. 2), 294–295. Similarly, Levinas, “Martin Buber, Gabriel Marcel and Philosophy” (n. 2), 34–35; E. Levinas, “Apropos of Buber: Some Notes,” in idem, Outside the Subject (n. 2), 44, 46–47. Levinas does not equate God with “an interlocutor in a dialogue.” Levinas, “God and Onto-theo-logy” (n. 4), 224. E. Levinas, “A Man-God?,” in idem, Entre Nous (n. 3), 57–58. Levinas refers to “illeity” in which a third, unknown, recedes from the other as other than the other person in whom illeity is traced. The other person is not a substitute for, or a sign of the divine, but the other presents an exposure otherwise and to infinity. Levinas, Otherwise than Being (n. 2), 12–13, 93–94. Levinas’ phrase, “the other,” sustains intentional ambiguity, signifying the possibility of being interpreted the other person (autrui) and the infinite other (l’Autre). Cf. translator’s notes, Levinas, Totality and Infinity (n. 2), 24–26; E. Levinas, “Ideology and Idealism,” in idem, Of God who Comes to Mind (n. 4), 186 n. 7. Levinas’ use of “transcendence” is “without any theological presupposition.” E. Levinas, “Philosophy and Awakening,” in idem, Entre Nous (n. 3), 87–88. 12 Levinas is concerned with interrupting the discourse of the said with saying that cannot be integrated into the same (le même) as a said. Even when the human logos is negated by silence, silence is nevertheless inhabited by that which it seeks to negate – the logos of the said. Levinas, Otherwise than Being (n. 2), 169–171. Negation, as Hegel showed, is eventually integrated and synthesized into the same (J. Wild, “Introduction,” in Levinas, Totality and Infinity [n. 2], 18–19); Levinas, Totality and Infinity (n. 2), 296. The logos as the said, suggests Levinas, dominates the scene of meaning, having the last word, refusing to be interrupted and always reasserting itself. Levinas, Otherwise than Being (n. 2), 169. Levinas proposes that saying as encounter with an other is a site of such interruption – a source of truth that is without substantiation within the given. While the human logos is incorrigible in securing the same in a said, and Levinas suggests that there is saying that is beyond the logos of the same, the upsurge of language (saying) in encounter with the other is a site of saying that is open to its other. Levinas, “The I and the Totality” (n. 10), 32. Saying is an “original vocation” of “responsibility” that cannot be exhausted in the “thematization” under which saying is betrayed by the said (Levinas, Otherwise than Being [n. 2], 6).
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for our actions beyond every proximate encounter and the contested adjudication of its demands by others. Certainly, the abyssal il y a of the elemental and its endless configurations and interpretations cannot give this alibi. On the one hand, in their elemental textures, parables can yield the possibility of il y a, the “there is,” in the context of engagement within life’s exigencies and secular perspective. Yet parables also invoke God as an alibi in the term “kingdom of God,” an alias for otherness that nevertheless has tangible expectations – an alibi that is more than an alias for every “other” in a trace to infinity and the “good beyond being.”13 While Levinas’ concepts of “substitution” of oneself for another and “assignation” to the face of the other14 have uncanny correlation with parables such as the sheep and goats (Matt 25:31–46) and the good Samaritan, parables work toward interpersonal specificity instead of abstraction. Parables are contingent on a context of sustained testimony to a vocative word within tangible and arbitrary contexts. They are specific in their portrayal of the interpersonal. Parables give “the other” that we all encounter – this person and this community at this time, in this place and not another – an “other” that is arbitrary as tangible. It is precisely as tangible and arbitrary not abstract, that the new and unique can emerge in the interpersonal. The parables’ capacity to articulate arbitrary limits in human life sets a scene for specific and interpersonal incursion of another word and response. In parables, the vocative word, which transcends nomination of so much stuff after pervasive testimony in biblical tradition, testifies to strange possibilities beyond the elemental, yet wholly within the interpersonal, which as tangible is also arbitrary. In their assumed self-standing, humans come up against limits beyond their contingent powers and purview. Parables depict this reality. Inscrutable limits of human life, especially as these find 13 The Infinite must remain enigmatic, ambiguous in “re-presentation” to remain infinite (Levinas, Otherwise than Being [n. 2], 154). In the “Foreword” of Levinas, Of God Who Comes to Mind (n. 4), Levinas asks whether it possible to think and speak about God without diminishing the exteriority and infinity this name signifies. (xii) Infinity is outside “intentional” grasp and “thematization.” It is “noncoincidence and dispossession” in the “diachrony of time.” (xiv) Levinas’ good beyond being exceeds the various contingent configurations of the good; otherwise than being, the good cannot be known as such. It is therefore a focus of desire. Levinas invokes Plato’s good beyond being in order to articulate the non-contingency of the good as the priority of ethics to being. Levinas, Otherwise than Being (n. 2), 11, 15, 18–19, 136; Levinas, “God and Philosophy” (n. 4), 67–69; Levinas, Totality and Infinity (n. 2), 102–103; E. Levinas, “Totality and Infinity: Preface to the German Edition,” in idem, Entre Nous (n. 3), 200; E. Levinas, “Essence and Disinterestedness,” (trans. A. Lingis) in Peperzak, Critchley and Bernasconi, eds., Basic Philosophical Writings (n. 11), 124–125. 14 “Substitution” in Levinas’ “assignation” to the other (E. Levinas, “one-for-the-other” in idem, Otherwise than Being [n. 2], 135–140, 165–167, 170) is prophetic in its anarchic apprehension of the same by the other whereby one is wakened, yet without having the capacity to represent to what or to whom one is wakened. Such representation would be a diminution of infinity. The prophetic witnesses can only cite themselves in testimony to the infinite and without any form of certification that they speak of or for the infinite (149, 151, 156).
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definition in the interpersonal realm, are articulated in various ways within the parables, such as parables of crisis and accountability (e.g. The net Matt 13:47–50; Ten bridesmaids Matt 25:1–13; Talents Matt 25:14–30; Sheep and goats; Watchful and negligent servants Luke 12:35–48; A tower builder and a king going to war Luke 14:28–32; A dishonest steward; A rich man and Lazarus Luke 16:19–31; A slave’s obligations Luke 17:7–10; Ten pounds 19:12–27). Life generates limits and crises that test human self-competence amid others. For example, there are various levels of human limits depicted in the parable of the prodigal son when the younger son, an image of independence, is unable to sustain his dignity within a solitary ordeal among others in a far country; the father is unable to determine his son’s actions and must wait patiently for his return – if he returns. The father can neither force the elder son’s acceptance of his brother’s celebrated return nor can the father determine his elder son’s future attitude to himself; here too, the father must wait with the same patience. Precisely because there are human limits there is the possibility of grace within tangible, arbitrary events and constraints. The limits articulated by parables are necessarily complimented by an explicit word expounding the reality of these limits, and how these are met, quintessentially in grace. Humans are very good at surmounting challenges and overcoming difficulties within the elemental. Yet there is the possibility of grace only as humans encounter limits to their assumed self-competence and self-standing among others. This occurs in a vocative incursion into their world through a wordotherwise on human possibilities precisely as interpersonal and tangible.
Vocative Parables and Keno¯sis Parables isolated from their Christological contexts, and further, from New Testament testimony, give little impetus to interpersonal clarity. They give even less clarity to interpretation that begins with phenomena, which is deployed widely as the natural ingredients of language within parables. The parables’ invocation of a genuine “otherwise” in relation to human existence and the familiar phenomena of life require yet a further word to be heard, precisely within the tangible and arbitrary interpersonal realm. Parables provide a phenomenological point of reference for a unique word-otherwise within the context of New Testament kerygma, but they do not provide the sense from which phenomena, even interpersonal, gives this otherwise as a kenotic or self-relinquishing dimension, which is articulated succinctly and pervasively in the aphorism: “Whoever seeks to save their life will lose it, but whoever loses their life for my sake and the gospel’s, will save it” (Matt 16:25, 10:39; Mark 8:35; Luke 9:24, 17:33; similarly, John 12:25). Similarly, the kenotic is given in aphorisms that provide the same impetus,
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juxtaposed as they so often are with parables (e.g. “the last will be first and the first will be last” with Labourers in a vineyard; “some who are last will be first” etc. with The closed door Luke 13:24–30) or “everyone exalting himself will be humbled, and the one humbling himself will be exalted” with Places at table Luke 14:7–11; A publican and Pharisee). Similarly, an excess of tangible deference to an other occurs in the imperative to forgive “seventy times seven,” juxtaposed as this imperative is, with a parable (An unforgiving servant); or in the prodigal son, that “the dead” can “come to life” presupposes this entire aphoristic tradition toward paradoxical inversion of life and death in the kenotic aphorism – whoever seeks to save their life etc. Self-relinquishing images are suggested in parabolic aphorisms such as: loss of pride, even dignity in turning the other cheek (Matt 5:39; Luke 6:29), loss of possessions in relinquishing to a litigant, one’s coat as well as one’s shirt (Matt 5:40; Luke 6:29); loss of time in going an extra distance (Matt 5:41); or yet, relinquishing the assumption and verbal satisfaction of being right, according to the parable of log and splinter (Matt 7:3–5; Luke 6:41–42). These kenotic suggestions are a latent source and possibility of grace. Yet these aphoristic imperatives can also be dismissed as quaint and spurned as unrealistic. The excision of parables from their wider New Testament context as a move to preserve either their aphoristic or aesthetic character, ultimately removes them from any reality that would sustain a way of ken sis – for example, the kind of reality that is necessary for the imperative, consistently, altruistically to love one’s enemy as we see in the parable of a good Samaritan. The New Testament context gives the reality for acting as the Samaritan, without which, the story could be cited as an ideal of human compassion, which may or may not be followed in the absence of any other resource to sustain this difficult, if not impossible way. Its imperative may also be contested for so many reasons conjured from an aggregate of selected social or political phenomena. Humans are consistent in obfuscating seemingly obvious responsibilities. Another example among many examples of kenotic possibility can be cited from the parable of a prodigal son, when the father absorbs the anger of the elder son in the event of his surprising generosity toward the profligate younger son. Or yet, labourers in a vineyard are invited to relinquish their calculation of fair remuneration for a social possibility that extends beyond just-desserts. Similarly, an imperative to reconciliation is given priority over seeking judicial adjudication on one’s claim to be right (e.g. Settling with an opponent Matt 5:25–26; Luke 12:57–59). The imperative to relinquish oneself to another beyond an initial claim (Relinquishment to a litigant; Going an extra distance), whatever the rationale for such a claim, accentuates the vocative possibilities present. Parables venture the dialogical and therefore vocative dimension of encounter preserved in biblical tradition and integral to human life, while the
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mystery of the kingdom of God sustains their testimony to an “otherwise” amid familiar scenes and limits of life. They intensify the mystery of the interpersonal beyond the dumb murmur of “there is.” Yet it is as if parables are suspended before a strange word that is always near, especially in the interpersonal. “Ears to hear” are required to hear the surprising possibility of grace in the event of vocative encounter; parables are exposed to yet another word, otherwise than the words too, of parables. It is as if the stories that invoke “ears to hear” more explicitly than any other biblical genre, require yet further “ears to hear” in the very success of their simple incursion into our familiar world. Levinas has given ample testimony to the possibility of transcendence inherent in the vocative encounter. Yet here, parables gesture to another possibility in the vocative and kenotic event of grace, which in their immediate context of gospel narrative and more broadly, Christian theology, has its focus in Christ. Christian theology not only articulates a vocative and interpersonal but also a perichoretic reality – that is, vocative self-deference and social co-inherence in God. This testimony gives the possibility of reality being vocative both within and beyond phenomena, in which the perichoretic sociality of God, unlike theism, is neither alibi nor alias for the unknowable, but a kenotic or self-giving phenomenon in Christ. Here the biblical elevation of humans beyond the elemental is invoked, while providing a way in which the vocative has its most integral expression in the interpersonal as grace. As the source of a vocative word-otherwise, the perichoretic possibility is therefore not confused with il y a, the elemental “there is,” which nevertheless remains a possibility in parables removed from a context that informs their latent kenotic possibilities within the interpersonal. In Christian theology, faith is a vocative response to the interpersonal and kenotic nature of reality. The ordinary can speak otherwise within arbitrary contexts vis-àvis others. Among humans, words speak and words are heard. There is address and there is response. The novel occurs, the unique is summoned, even within the arbitrary; but there is more. That God is present to these events is marked by the incision of a word, an imperative toward a particular kenotic way. This incision is underpinned Christologically and speaks of interpersonal reality that can be imbued with grace as its most indigenous possibility, especially within, not in spite of, arbitrary human contexts and limits. This possibility goes beyond either the word of mono-personal theism that finally, in the ambiguity of language about God, can only remain ambiguous as a word-otherwise. This possibility also goes beyond the word of the elemental (il y a), which in its anonymous murmur cannot speak an interpersonal or ethical word, much less a self-relinquishing word.
Auf der Suche nach der Bedeutung der Gleichnisse – semiotische Aspekte Kristina Dronsch Gleichnisauslegung und Gleichnistheorie sind zum Treffpunkt interdisziplinärer Ansätze geworden und nirgends sonst in der Exegese steht exegetisches Arbeiten zu einem Thema auf einem so soliden Fundament von Interdisziplinarität. Einhellig ist allen an dieser Diskussion beteiligten Exegetinnen und Exegeten daran gelegen, die den Gleichnissen innewohnende besondere Bedeutung mittels theoretischer Explikation herauszuarbeiten. Allerdings lässt diese theoretische Explikation in ihrer Vielfältigkeit die Situation der Forschung als unübersichtlich erscheinen, sodass dem Urteil von Rau in seiner 1990 veröffentlichten Gleichnisstudie immer noch zugestimmt werden kann: „Und ein Ende der Diskussion ist ebenso wenig abzusehen, wie sich eine Theorie abzeichnet, die der Forschung einen neuen Rahmen zu geben vermag […]“.1 Die Vielzahl theoretischer Zugänge zur Gleichnisauslegung ist auf den ersten Blick verwirrend, doch zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass sich die differenten theoretischen Explikationen zur Bestimmung der Bedeutung der Gleichnisse zwei grundlegenden Paradigmen verdanken, die miteinander nicht zu vereinen sind, aber die eine Vielzahl von Gleichnistheorien innerhalb des jeweiligen Paradigmas unterstützen: einem an der Größe „Geschichte“ orientierten Paradigma und einem an der Größe „Text“ orientierten Paradigma. Es ist davon auszugehen, dass es sich hinsichtlich der beiden Paradigmen „Geschichte“ versus „Text“ nicht um einen Methodenstreit handelt, sondern vielmehr um eine hermeneutische Verschiebung der im Hintergrund stehenden Bedeutungsauffassung.2
1 E. Rau, Reden in Vollmacht. Hintergrund, Form und Anliegen der Gleichnisse Jesu, FRLANT 149, Göttingen 1990, 11. 2 So auch D. Marguerat, La construction du lecteur par le texte, in: C. Focant (Hg.), The Synoptic Gospels, BET hL 110, Leuven 1993, 239–262, hier: 240: „Ce passage, bien connu en méthodologie, […] s’appuie sur un autre déplacement, plus fondamental celui-là – et c’est le changement de paradigme: le passage d’une herméneutique centrée sur l’historie à une herméneutique centrée sur le texte, … la totalité significante que constitue le texte.“
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Deshalb soll es in einem ersten Schritt des vorliegenden Beitrages darum gehen, das innerhalb der beiden Paradigmen wirksame Bedeutungsverständnis herauszuarbeiten.
1. Die Bestimmung der Bedeutung der Gleichnisse in einem geschichtsorientierten Paradigma Zu den Gleichnisauslegungen in einem historischen Paradigma gehören – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – einerseits die Klassiker von A. Jülicher, R. Bultmann, C.H. Dodd, J. Jeremias, E. Linnemann, aber auch E. Fuchs, E. Jüngel und H. Weder sowie historisch arbeitende kommunikationsorientierte Modelle der Gleichnisauslegung wie E. Arens, H. Frankemölle und E. Rau. Das verbindende Element all dieser unterschiedlichen Ansätze liegt darin, dass sie das „Gleichnis als auf etwas außerhalb ihm selbst Liegendes bezogen“3 betrachten, das historisch zu ermitteln ist. So hebt Jeremias hervor: „Jesu Gleichnisse sind nicht – jedenfalls nicht primär – Kunstwerke, sie wollen nicht allgemeine Grundsätze einprägen […], sondern jedes von ihnen ist in einer konkreten Situation des Lebens Jesu gesprochen […]“4 und diese gilt es zu ermitteln. Rau hält fest: „Erst die konsequente Historisierung eröffnet den Zugang zu dem, was die Gleichnisse auch heute zu sagen haben“.5 Weder hebt hervor, dass „wir in der Geschichte der Gleichnisse vom historischen Jesus als ihrem ursprünglichen Erzähler bis zur nachösterlichen Interpretation durch die Gemeinde ein Modell vor uns [haben], das uns erlaubt, den Stellenwert zu erheben, den der historische Jesus im Blick auf den Glauben an Christus im urchristlichen Traditionsprozeß einnahm“.6 Was diese Vertreter unterschiedlicher Theorien zu den Gleichnissen über ihre differenten methodischen Ansätze hinaus eint, ist die Bestimmung der Bedeutung der Gleichnisse aufgrund der Schaffung eines referentiellen Bezuges. Die Bedeutung der Gleichnisse wird bestimmt über einen außersprachlichen Bezug, sodass in der Konsequenz die Bedeutung der Gleichnisse außerhalb der Gleichnisse selbst liegt. Diese referenztheoretische Bestimmung der Bedeutung gründet somit auf dem allgemeinen Bezug von Sprache und außersprachlichen Faktoren. In den meisten Fällen verbürgt die Konzentration auf den Produzenten des Gleichnisses als Autorisierungsinstanz die „richtige“ Bedeutung. So beson3 D. Massa, Verstehensbedingungen von Gleichnissen. Prozesse und Voraussetzungen der Rezeption aus kognitiver Sicht, TANZ 31, Tübingen 2000, 58. 4 J. Jeremias, Die Gleichnisse Jesu, Göttingen 81970, 17. 5 Rau, Reden in Vollmacht (s. Anm. 1), 395. 6 H. Weder, Die Gleichnisse Jesu als Metaphern. Traditions- und redaktionsgeschichtliche Analysen und Interpretationen, FRLANT 120, Göttingen 1978. Im Original teilweise Kursivsetzung.
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ders in den historisierenden Ansätzen zur Gleichnisauslegung, nach denen die Gleichnisse eine Bedeutung haben, weil der historische Jesus sie gesprochen hat: „Welch großes Geschenk, wenn es gelingt, hier und da hinter dem Schleier das Antlitz des Menschensohnes wiederzufinden. Auf sein Wort kommt alles an! Erst die Begegnung mit ihm gibt unserer Verkündigung Vollmacht.“7 Ein wenig überspitzt könnte man sagen, dass hier eine Spielart einer im Gefolge Platons idealistischen Bedeutungstheorie zum Tragen kommt: Erkenntnis ist nur dort möglich, wo es keine Veränderung gibt, da die Texte aber als intellegible Objekte der Veränderung unterworfen sind, muss auf den Urzustand rekurriert werden, wie er durch den historischen Jesus / die historische ursprüngliche Situation repräsentiert worden ist. Hier ist auch Jülichers grundlegende Konzeption einzuordnen,8 wenn er festhält, dass die Gleichnisse „am getreuesten offenbar“ machen, „was und wie Jesus gelehrt hat“.9 Gleichnisse sind der „Teil seiner Lehre, […] wo wir ihm am tiefsten ins Herz sehen“.10 Der Gleichnistext stellt somit das Abbild dieses Urzustandes in einer gebrochenen Weise dar. Mit der Konsequenz, um zu diesem Urzustand zu kommen, muss die bruchlose Kontinuität zwischen mündlicher und schriftlicher Überlieferung bei den historisierenden Ansätzen postuliert werden.11
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Jeremias, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 4), 114. Jülicher bedient sich argumentativ zwar aristotelischer Terminologie für die Darlegung der rhetorischen Aspekte der Gleichnisse als argumentative Überzeugungsmittel (vgl. St. Alkier, Die Gleichnisreden Jesu als ‚Meisterwerke volkstümlicher Beredtsamkeit‘. Beobachtungen zur Aristoteles-Rezeption Adolf Jülichers, in: U. Mell [Hg.], Die Gleichnisreden Jesu 1899–1999. Beiträge zum Dialog mit Adolf Jülicher, BZNW 103, Berlin / New York 1999, 73: „[…] Jülichers Einteilung der Gleichnisreden folgt zwar kaum den inhaltlichen Ausführungen der aristotelischen Rhetorik, [….] aber indem er neben ihren formalen Unterschieden ihre je unterschiedlichen Wirkweisen zum maßgeblichen Kriterium der ‚verschiedenen Klassen‘ der Gleichnisreden erhebt, argumentiert er mit einer grundlegenden sprachpragmatischen Einsicht der aristotelischen Rhetorik“), denkt aber platonisch, wenn er die schriftliche Form der Gleichnisse als Verunreinigung ihrer ursprünglich mündlichen Form versteht, aus der einzig die „richtige“ Bedeutung eruiert werden kann. Aus diesem Grund ist den Gleichnissen „ein echter Kern nicht abzustreiten“, da sie zu den sichersten Bausteinen der ipsissima vox Jesu gehören: „Und wesentlich bestärkt in dieser Überzeugung müssen wir werden, wenn sich bei der Untersuchung über Wesen und Zweck der Gleichnisreden Jesu herausstellt, daß die Evangelisten wohl über beides falsche Vorstellungen haben; eine Lehrart, für deren Motiv ihnen alles Verständnis fehlt, kann doch nicht wohl von ihnen geschaffen worden sein. Und wenn wir so häufig eine reinere, durchsichtigere und unanstößigere Form der Parabelrede durch ihre ‚emendierten‘ Gestalten und noch hinter ihren Quellen anzunehmenden Gestalt hindurchleuchten sehen, so bleibt für den Urtypus kaum ein anderer Schöpfer als Jesus selber übrig“ (A. Jülicher, Die Gleichnisreden Jesu, Teile I –II , Tübingen 1910, hier I, 24). „[…] ihren ungeheuren Wert haben diese Parabeln doch nur, insofern sie Zeugnisse aus dem Munde Jesu sind, als Zeugnisse über Stimmungen, Geschmack, religiöse Anschauung innerhalb der christlichen Gemeinde, die sie an uns überliefert hat, blos einen sekundären“ (Jülicher, a.a.O., I, 10). 9 Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 8), I, 150. 10 Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 8), I, 148 f. 11 Das gilt selbstverständlich auch für Jülichers „Missverständnisthese“ bezüglich des Parabelverständnisses der Evangelisten. Sie führt lediglich ein Kriterium zur qualitativen Abwer8
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Aber die Konzentration auf den Textproduzenten bzw. auf die Ursprungssituation der Gleichnisse gilt ebenso für die pragmatischen12 bzw. kommunikationsorientierten13 Gleichnistheorien, bei denen ebenfalls die Fokussierung auf die Intention des Autors nicht verlassen wird, nur wird diese Intention in Relation zu den Hörerinnen und Hörern gefasst.14 „Die Bedingungen des Hörers werden als Bedingungen für das Erfassen der Intention [des Autors, Anm. K.D.] relevant, wenn man die gesamte Wirkung der Sprachhandlung aus der historischen Distanz herstellen will“.15 Auch die sog. metapherntheoretischen Zugänge im historischen Paradigma arbeiten mit einem referenztheoretischen Zugang zur Bedeutung, die zwar dem Phänomen der Wirkkraft in Form der Metapher eine große Evidenz einräumen und die Gleichnisse kennzeichnen als eine Sprachform, die nicht ohne Hörer existieren kann. Aber auch hier steht eine referentielle Bedeutungsbestimmung im Hintergrund, die betont, dass die Bedeutung der Gleichnisse unaufgebbar an den historischen Jesus gebunden ist. So etwa in christologischer Zuspitzung bei Weder: „In der theologischen Explikation, die die Gleichnisse vollziehen, steckt der ‚christologische‘ Anspruch, den Jesus als Sprecher der Gleichnisse erhebt und der auf der Ebene des historischen Jesus als impliziter zum Ausdruck kommt. Aus dem eben skizzierten Zusammenhang ergibt sich für die Gleichnisauslegung: die Gleichnisse sind über ihr Subjekt, nämlich die Gottesherrschaft, mit der Person des historischen Jesus unlösbar verbunden.“16 Die Bedeutung der Gleichnisse wird in allen angeführten Fällen damit gleichgesetzt, was der Autor des Gleichnisses oder die Gemeinde bzw. die Tradition damit sagen wollte. Die Theorie der Bedeutung wird in diesen tung der Textgestalt der Gleichnisse ein, ohne zu problematisieren, dass die Rückfrage nach der mündlichen Ursprungsform nur auf der Grundlage des Textes erfolgen kann. 12 Hier sei schon vorausschickend angemerkt, dass der linguistische Pragmatikbegriff von dem semiotischen Pragmatikbegriff zu trennen ist. Der semiotische Pragmatikbegriff ist primär dadurch akzentuiert, dass er auf die Relation zwischen Zeichen und Zeichenbenutzern Bezug nimmt und die Frage nach der Funktion der Zeichen für die Kommunikation thematisch macht. Der linguistische Pragmatikbegriff ist dagegen dadurch akzentuiert, dass er auf die Rolle des situativen Kontextes bei der Sprachproduktion Bezug nimmt. 13 Massa, Verstehensbedingungen (s. Anm. 3), 49, hält kritisch gegenüber diesen Ansätzen fest: „Die Anwendung der Kommunikationstheorie auf historische Texte, die grundsätzlich nur einen Bruchteil der konkreten geschichtlichen Situation und den kommunikativen Faktoren spiegeln können, brachte diesen Zweig der Forschung unter das alte und methodologisch vorbelastete Diktum, hinter die Überlieferung zum historischen Jesus und zu den Bedingungen seiner Verkündigung zurückzukehren“. 14 Vgl. H. Frankemölle, Biblische Handlungsanweisungen. Beispiele pragmatischer Exegese, Mainz 1993, 14, betont: „pragmatische Exegese“ ist „autororientiert“; T. Aurelio, Disclosures in den Gleichnissen Jesu. Eine Anwendung der disclosure-Theorie von I.T. Ramsey, der modernen Metaphorik und der Theorie der Sprechakte auf die Gleichnisse Jesu, Frankfurt a.M. 1977, 21, hält fest, dass Gleichnisse „als Versprachlichung der Intention des Erzählers angesehen“ werden. 15 Massa, Verstehensbedingungen (s. Anm. 3), 49. 16 Weder, Gleichnisse Jesu als Metaphern (s. Anm. 6), 95.
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Fällen zu einer vortextlichen: Die Rekurrenz auf Größen wie der historische Jesus, die Gemeinde oder Tradition stellen daher den Versuch dar, die Eindeutigkeit der Gleichnisbedeutung quasi durch die das „Urheberrecht“ innehabende Instanz theoretisch verbürgen zu lassen. Diese am Paradigma „Geschichte“ orientierten Ansätze in der Gleichnistheorie operieren deshalb mit einem statischen und apriorischen Bedeutungsverständnis, das zwar damit rechnet, dass ein Text in seiner Bedeutungszuweisung historischem Wandel unterworfen ist, aber nur im Akt seiner Vertextlichung, nicht als in die Theorie integriert, die festhält, dass Bedeutung an sich konstant und vorgängig „feststehend“ ist. Bedeutung ist eine in ihrem Inhalt konstante, die durch den Gleichnistext hindurch rekonstruiert werden kann, weil Sprache in einem nachträglichen Verhältnis zur Welt der Gegenstände steht. Der Vorwurf an die Gleichnistheorien in einem historischen Paradigma lautet, dass hier ein Denotatum im Sinne eines in der sogenannten realen Welt existenten Objektes vorausgesetzt wird, auf welches sich zu beziehen ist, um die Bedeutung festzulegen. Dabei verkennen die gleichnistheoretischen Zugänge innerhalb eines geschichtsorientierten Paradigmas, dass die Bedeutung nicht allein davon abhängig zu machen ist, dass es ein Denotatum gibt. In Parenthese sei angemerkt: Ein großer Reiz der metaphernorientierten Gleichnistheorien in einem am Paradigma „Geschichte“ orientierten Ansatz liegt darin, dass sie auf eine sprachtheoretische Weise ablenken von diesem Denotatum. Hier verschränken sich Historie und Theologie in einer das Denotatum letztlich transzendierenden Art und Weise. Es läuft auf eine metaphorische Theologie hinaus, deren Grundstruktur tief mit dem christlichen Glauben verbunden ist: mit der Inkarnation des Wortes Gottes im Menschen Jesus. Die Metapher wiederholt sozusagen sprachlich die in der Inkarnation geschehene Zuwendung Gottes zur Welt. Aber dennoch ist auch für den metapherntheoretischen Zugang in einem historischen Paradigma festzuhalten, dass auch hier die Originalität und Ursprünglichkeit die die Bedeutung sichernde Instanz ist, da der historische Jesus im Blick auf den Glauben an Christus diese Originalität verbürgt. Als Fazit kann deshalb festgehalten werden: Die Bedeutung der Gleichnisse ist in allen am Paradigma „Geschichte“ orientierten Ansätzen eine statische und apriorische Größe, die außerhalb der Gleichnisse liegend erschlossen wird.
2. Die Bestimmung der Bedeutung der Gleichnisse in einem textorientierten Paradigma Eine andere Bedeutungsbestimmung vertreten Ansätze zur Gleichnistheorie, die vom Paradigma „Text“ ausgehen. Zu den am Paradigma „Text“ orientierten Gleichnistheorien können z.B. (der frühe) J.D. Crossan, A.N. Wilder,
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E. Güttgemanns, R.W. Funk, D.O. Via und W. Harnisch gezählt werden. Sie alle lehnen es ab, die Bedeutung der Gleichnisse über einen außersprachlichen Bezug herzustellen, sondern heben den narrativen Charakter der Gleichnisse hervor, sodass nun rein innersprachliche Komponenten für die Bestimmung der Bedeutung verantwortlich sind. Mit der Beachtung des Narrativen geht die Ästhetisierung der Gleichnisse einher (außer bei dem Ansatz von Güttgemanns, dem es mehr um eine narrative „Logik“ als um eine narrative Ästhetik geht17). Betont wird die Dynamik einer autarken Bedeutung, die es nun methodisch zu entfalten gilt: „Es gibt mehr als ein bedeutsames Element in einem Gleichnis, und alle diese Züge müssen beachtet werden, aber sie beziehen sich nicht primär und zunächst auf ein Ereignis, Ereignisse oder Ideen außerhalb des Gleichnisses. Sie beziehen sich zunächst einmal innerhalb des Gleichnisses aufeinander, und die Struktur der Verbindungen dieser Elemente wird nicht bestimmt durch Ereignisse oder Ideen außerhalb des Gleichnisses, sondern durch die schöpferische Komposition des Autors“.18 Das Hauptaugenmerk liegt bei allen Ansätzen innerhalb des textorientierten Paradigmas auf dem Gleichnis als vollständigem Signifikanten, einem Text mit seiner literarischen Welt, die aus dem Gleichnis selber erschlossen werden muss und nicht aus der historischen Situation, in der es entstand.19 Es wird deshalb abgelehnt, dass Indizien für vortextliche Absichten des Autors oder der Situation relevant sein können, um die ‚Bedeutung‘ des Gleichnisses zu erschließen. So wird von Via überhaupt bezweifelt, dass es möglich ist „die konkrete Sprech-Situation eines Gleichnisses exakt herauszufinden“,20 auch Harnisch behält sich die Überzeugung vor, dass die Rekonstruktion der „Ursprungssituation“ angesichts der Quellenlage prinzipiell ein „unerfüllbares Desiderat der Exegese“ darstellt.21 17 Vgl. E. Güttgemanns, Narrative Analyse synoptischer Texte, in: W. Harnisch (Hg.), Die neutestamentliche Gleichnisforschung im Horizont von Hermeneutik und Literaturwissenschaft, WdF 575, Darmstadt 1982, 223: „Unsere zufällige Textauswahl beweist also, daß ‚Erzählung‘ eine dialektische Vermittlung von ‚Sinn‘ mittels Spiels mit der logischen Kombinatorik der Oppositionen ist. Semantik, Logik, Dialektik und Syntax werden so als einheitliche Aufgabe einer begründeten Theorie der Evangelienerzählung erkannt.“ Allerdings ist hinsichtlich des Zitats anzumerken, dass die Textauswahl von Güttgemanns nicht so zufällig ist, sondern besonders davon geleitet ist, dass den gewählten Texten eine Konfliktstruktur zugrunde liegt und eine ausweisbare Aktantenstruktur. Gerade die Gleichnisse aus Mk 4 werden nicht berücksichtigt, da sie sich m.E. mit dem narrativen Modell von Güttgemanns nicht erfassen lassen, welches vorrangig an der oppositionellen Struktur innerhalb der narrativen Gleichnissequenz orientiert ist. 18 D. O. Via, Die Gleichnisse Jesu, BE vTh 57, München 1970, 34. 19 Vgl. auch Massa, Verstehensbedingungen (s. Anm. 3), 125: „Die literaturwissenschaftlich orientierte Richtung stellt sich gegen die Erkenntnis der historischen Exegese, daß die Gleichnisse außertextuelle Bezüge in spezifischen historischen Kontexten besitzen, ohne den sich die Bedeutung eines Gleichnisses gar nicht beschreiben lässt“. 20 Via, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 18), 31. 21 W. Harnisch, Die Sprachkraft der Analogie. Zur These vom ‚argumentativen Charakter‘ der Gleichnisse Jesu, in: ders. (Hg.), Gleichnisse Jesu. Positionen der Auslegung von Adolf Jülicher bis zur Formgeschichte, WdF 366, Darmstadt 1982, 404.
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Aufgrund der Ablehnung der Bedeutungsbestimmung der Gleichnisse über einen außersprachlichen Bezug wird der Gleichnistext zu einer Größe sui generis, dessen Bedeutung von textimmanenten Komponenten bestimmt wird, denn dem Verständnis der Gleichnisse ist „mit der Erkenntnis ihrer ästhetischen Natur besser gedient als mit der […] Ableitung ihres Sinns vom historischen Kontext“.22 In Folge dessen wird das Gleichnis zu einem „poetischen Kunstwerk“,23 das eine in sich geschlossene Bedeutungseinheit aufbaut und dem deswegen eine „Autonomie“24 zugesprochen wird. Der Gleichnistext ist dementsprechend als eine eigenständige Sinneinheit zu erfassen, in der sich die Bedeutung in den durch die Erzählstruktur festgelegten Beziehungen zeigt. Bedeutung ist deshalb innerhalb des textorientierten Paradigmas als eine im Gleichnistext immanente Größe zu bestimmen, die es mittels theoretischer Explikation herauszuarbeiten gilt. Mit dieser Konzentration auf den Gleichnistext als bedeutungsgenerierender Größe geht die Auffassung der Bedeutung als apriorische und statische Größe einher, die immer schon im Text ist. Aus diesem Grund kann zu jeder Zeit in nahezu gleicher Weise die Bedeutung eines Gleichnisses erfasst werden. Hierin zeigt sich die Anschlussfähigkeit für eine existentiale Interpretation der Gleichnisse. Als Fazit lässt sich für die Gleichnistheorien innerhalb eines textorientierten Paradigmas festhalten, dass auch hier ein statisches und apriorisches Bedeutungsverständnis vorliegt, das nun allerdings nicht auf der Grundlage eines referentiellen Bezuges gewonnen wird, sondern textintrinsisch bestimmt wird. Die durch beide Paradigmen festgeschriebene statische Bedeutungsauffassung, die Bedeutung als apriorisch gegebene Größe versteht, erlaubt nun wiederum auch Annäherungen der Positionen innerhalb der beiden Paradigmen – nicht Annäherung der beiden Paradigmen! So können die Gleichnistheorien in einem am Paradigma „Text“ orientierten Entwurf durchaus aufgrund des statischen Bedeutungsverständnisses die Frage nach den Gleichnissen des historischen Jesus (meist am Ende der jeweiligen Arbeiten; vgl. Harnisch, Via) aufgreifen, obwohl die Gleichnistheorie einer Erfassung der Kategorie der Bedeutung in einem am Paradigma „Text“ orientierten Zugriff auf die Sinnautonomie der Gleichnisse aufbaut. Da aber Bedeutung 22 Via, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 18), 33. Damit ist auch die seit Jülicher bestehende Zweiteilung in Bild- und Sachhälfte grundsätzlich in Frage gestellt und wird zugunsten einer Unabhängigkeit des Bildes neu konzipiert. 23 W. Harnisch, Die Gleichniserzählungen Jesu. Eine hermeneutische Einführung, UTB 1343, Göttingen 1985, 12. Die Kategorie des Kunstwerks wird auch von Via, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 18), 9.60.96 ff., J. D. Crossan, In Parables. The Challenge of the Historical Jesus, New York u.a. 1973, 13 ff., A. N. Wilder, Early Christian Rhetoric. The Language of the Gospel, Cambridge, Mass. 21971, XXII ff.28 ff., vertreten. 24 Harnisch, Gleichniserzählungen Jesu (s. Anm. 23), 64 f.; ähnlich Via, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 18), 10.78.84.190.
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von ästhetischen Objekten als gleichbleibend verstanden wird, kann der Rekurs auf den historischen Jesus problemlos integriert werden in den dem Paradigma „Text“ verpflichteten Ansätzen zur Gleichnistheorie. Ebenso können Gleichnistheorien innerhalb des Paradigmas Geschichte auch die besondere Ästhetik der Gleichnisse betonen. Es liegen m.E. sowohl in einem geschichtlichen Paradigma als auch in einem an der Größe „Text“ orientierten Paradigma Kommunikationsmodelle zugrunde, die zu kurz greifen: In beiden wird angenommen – im Rahmen ihres statischen Bedeutungsbegriffs –, dass die Botschaft, die von einem Sender in einen Text hineingelegt wird, dieselbe bleibt, wenn sie bei dem Empfänger ankommt. Dies trägt gewiss zur Beliebtheit dieser beiden Paradigmen bei, „because it allows us to think that the mental meaning can pass unaffected through the physical channel. In the case of any non-oral (written or electronically produced) message, you necessarily encounter the message in the sender’s absence, and the absence of the sender turns that party into a hypothetical entity. […]. In the case of the biblical texts, all that you have are the physical transmission of the message (…) and your own understanding of its meaning (…), neither of which can be corrected by the sender“.25
3. Eine semiotische Alternative Beide Paradigmen betonen zwar die Bedeutung der Gleichnisse, arbeiten aber mit einem Bedeutungsbegriff, der aufgrund seiner statischen Konzeption immer zu einer exklusiven eindimensionalen Gleichnisbedeutung führen muss, die durch das Paradigma „Text“ intensional oder durch das Paradigma „Geschichte“ extensional bestimmt wird. Um diese intensionalen und extensionalen Aspekte in einem Bedeutungsmodell zu erfassen (nicht diachroner versus synchroner Ansatz!), soll stattdessen im Folgenden ein semiotisches Paradigma zur Erfassung der Bedeutung für die Gleichnisexegese fruchtbar gemacht werden, das sich einer dynamischen Bedeutungskonzeption verpflichtet weiß. Dieses semiotische Paradigma bietet ein integratives Bedeutungsverständnis für die Gleichnisexegese, das (a) geeignet ist, die Engführungen der beiden eben genannten Paradigmen zu überwinden, (b) ein Theoriemodell liefert, das durch seine theoretische Explizitheit geeignet ist, die im Rahmen der Gleichnisexegese etablierte „Interdisziplinarität“ integrativ weiterzuführen, jenseits einer bloßen Funktionalisierung der verschiedenen Disziplinen und jenseits einer bloßen Addition fachlicher Einsichten.
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G. Aichele, Sign, Text, Scripture. Semiotics and the Bible, Sheffield 1997, 27 f.
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Dieses semiotische Paradigma weiß sich der kategorialen26 Semiotik von Charles Sanders Peirce verpflichtet und trägt eine kulturwissenschaftliche Perspektive zur Bestimmung der Bedeutung. Um die Grundlage dieses semiotischen Bedeutungsverständnisses darzulegen, sei kurz auf den für das semiotische Paradigma grundlegenden Zeichenbegriff rekurriert, der wegen seiner gleichberechtigten Behandlung sprachlicher und nichtsprachlicher Zeichen eine ausgezeichnete interdisziplinäre Fundierung bietet. „Ein Zeichen […] ist alles, was in einer solchen Beziehung zu einem zweiten steht, das sein Objekt genannt wird, daß es fähig ist, ein Drittes, das sein Interpretant genannt wird, dahingehend zu bestimmen, in derselben triadischen Relation zu jener Relation auf das Objekt zu stehen, in der es selber steht. Dies bedeutet, daß der Interpretant selbst ein Zeichen ist, das ein Zeichen desselben Objekts bestimmt und so fort ohne Ende.“27 Für Peirce ist das Zeichen: – immer dreistellig (triadisch) (Zeichen – Objekt – Interpretant) – relational und funktional (es bestimmt etwas / es bezieht sich auf etwas) – prozessual (ad infinitum / ohne Ende) – universal (alles kann ein Zeichen sein) Im Rahmen dieses semiotischen Verständnisses mittels des Peirceschen Bezugsrahmens kann von Bedeutung wie folgt gesprochen werden: „[…] the idea of meaning is irreducible to those of quality and reaction. It depends on two main premisses. The first is that every genuine triadic relation involves meaning, as meaning is obviously a triadic relation. The second is that a triadic relation is inexpressible by means of dyadic relations alone“.28 Bedeutung ist demnach nicht als mögliche im Zeichen angelegt, sondern als notwendige im Zeichen verankert. Besonders dem Interpretanten kommt so eine Doppelfunktion zu: Er entwickelt einerseits die Bedeutung eines konkreten Zeichens, andererseits ist er aber auch das Folgezeichen, das das erste interpretiert.29 Die Bedeutung eines Zeichens ist also zugleich auch immer 26 Eine kategoriale Semiotik grenzt sich von dem strukturalistischen und poststrukturalistischen Zeichenmodell, das auf de Saussure zurückgeht, ab und weiß sich stattdessen dem triadischen Zeichenmodell von Charles Sanders Peirce verpflichtet, das auf der Basis seiner Kategorienlehre erarbeitet wurde. Vgl. dazu St. Alkier, Wunder und Wirklichkeit in den Briefen des Apostels Paulus. Ein Beitrag zu dem Wunderverständnis jenseits von Entmythologisierung und Rehistorisierung, WUNT 134, Tübingen 2001. 27 C. S. Peirce, Phänomen und Logik der Zeichen, hg.u. übers. v. H. Pape, Frankfurt a.M. 1983, 64. Vgl. auch die Zeichendefinition in C.S. Peirce, Semiotische Schriften I, hg.v. C.J.W. Koesel / H. Pape, Frankfurt a.M. 2000, 375: „Zeichen: Alles, was etwas anderes (seine Interpretanten) bestimmt, sich auf ein Objekt zu beziehen, auf das es sich selbst (als sein Objekt) auf die gleiche Weise bezieht, wodurch der Interpretant seinerseits zu einem Zeichen wird und weiter ad infinitum.“ 28 C. S. Peirce, Collected Papers I –VI , hg.v. C. Hartshorne / P. Weiss, Cambridge 1931–35, hier I, 345. 29 Gegen Aichele, Sign, Text, Scripture (s. Anm. 25), 67, der festhält: „However, Peirce’s terminology that the word ‚meaning‘ is deeply ambiguous. Is the sign’s meaning its object, […]
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die Repräsentation in einem folgenden Zeichen. Dies impliziert, dass sich nur in spezifischen prozessualen Zeichenzusammenhängen von Bedeutung sprechen lässt. Mit der Konsequenz, dass die Bedeutung eines Zeichens ein anderes Zeichen ist. Dies setzt für die Kategorie der Bedeutung in einem semiotischen Paradigma voraus, dass es sich hierbei um eine nicht statische Größe handelt. Um diese sehr formale Zeichenkonzeption für die interdisziplinäre Arbeit besonders mit antiken Texten zu plausibilisieren, ist diese formale Sichtweise um eine kulturwissenschaftliche Perspektive zu bereichern, die die Funktionsweisen sprachlicher und nichtsprachlicher Zeichensysteme30 in einen Raum überführt, der die Erforschung kultureller Voraussetzungen der Zeichenkomplexe ermöglicht. Die Darstellung der Kultur als Zeichensystem halte ich mit Posner für angemessen, da so die sozialen, materialen und mentalen Aspekte der Kultur in einem Modell bedacht werden können, die sonst in getrennte Gegenstandsbereiche der Sozialwissenschaften, Geisteswissenschaften und Normwissenschaften aufgeteilt werden.31 Texte verkörpern in diesem Zusammenhang einen zentralen Aspekt der materialen Kultur bzw. der medialen Ausdrucksformen, durch die eine Kultur beobachtbar wird. Diese kulturwissenschaftliche Perspektive der Semiotik hebt hervor, dass Bedeutung jeder kulturellen Ausprägung vorgegeben ist, aber vorgegeben nur als Kategorie, nicht als bestimmter Inhalt. Mit Blick auf biblische Texte or is its meaning the interpretant […]?” Aichele verkennt hier die Rolle des Interpretanten, dem im Rahmen des dreidimensionalen Bedeutungsbegriffs eine Doppelfunktion zukommt. 30 Der Begriff des „Zeichensystems“ soll an dieser Stelle darauf hinweisen, dass der Akt der Bedeutungskonstitution sich nicht auf das Seiende bezieht. Das bloß Seiende hat keine Bedeutung, sondern nur Zeichen haben Bedeutung. Denn nur das Zeichen mit seiner Fähigkeit, auf etwas hinzuweisen, was es selbst nicht ist, kann eine Bedeutung haben. Die Notwendigkeit im Rahmen der Bedeutungskonstitution von Zeichenprozessen zu sprechen, erlaubt die Konstituierung der Bedeutung durch die Transformation eines Zeichenzusammenhangs in einen anderen (beispielsweise die Transformation eines Bibeltextes in eine Interpretation, eine biblische Erzählung in eine Predigt, einen Zustand in eine Photographie oder ein Bild in eine Beschreibung). 31 Bei der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Phänomen „Kultur“ sieht Roland Posner drei relativ unverbundene Wissenschaftstraditionen, die sich jeweils mit einem besonderen Aspekt von Kultur beschäftigen. So konzentrieren sich die Sozialwissenschaften vor allem auf die soziale Seite der Kultur – die Gesellschaft – auf ihre Institutionen, Formen und Rituale. Die Geisteswissenschaften in erster Linie auf die materiale Seite der Kultur – die Zivilisation – wobei sich beispielsweise die Kunstgeschichte mit Bildern, die Literaturwissenschaften mit literarischen Texten, die Architektur mit Gebäuden beschäftigt. In jeden Fall stehen sogenannte Artefakte mit ihren Herstellungs- und Verwendungsweisen im Zentrum des wissenschaftlichen Interesses. Die dritte Wissenschaftstradition, die sich mit einem Aspekt von Kultur befasst, wird von Posner Normwissenschaft genannt. Sie untersucht die mentale Seite der Kultur, genannt Mentalität. Zur Mentalität gehören die in einer Kultur entwickelten Ideen und Werte sowie die Konventionen ihrer Darstellung und Verwendung. Als prototypische Normwissenschaft nennt Posner die Linguistik, daneben gelten auch die Logik, die Ästhetik, Mathematik und Informatik als Beispiele für Normwissenschaften (vgl. R. Posner, Kultur als Zeichensystem. Zur semiotischen Explikation kulturwissenschaftlicher Grundbegriffe, in: A. Assmann / D. Harth [Hgg.], Kultur als Lebenswelt und als Monument, Frankfurt a.M. 1991, 38).
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kann dementsprechend nicht einfach von „der“ Bedeutung des Textes gesprochen werden, sondern von der textuellen Zeichenzusammenhängen attribuierten Bedeutung im Zusammenhang mit Transformationsprozessen der Zeichenzusammenhänge. Entsprechend der triadischen Zeichenkonzeption von Peirce ist festzuhalten, dass in dieser kulturwissenschaftlichen Perspektive der Semiotik das Rezipiertwerden des Zeichens nicht zu einem beliebigen Anhang des Zeichenprozesses erklärt werden kann. So erlaubt die semiotische kulturwissenschaftliche Auffassung der Kategorie der Bedeutung die Rehabilitierung der bedeutungsgenerierenden Funktion der Rezeptionsprozesse gegenüber dem Text, die – wie Massa hervorhebt32 – in den bisherigen Gleichnistheorien unzureichend erfasst wurden. Es sind in dieser Ausarbeitung der Kategorie der Bedeutung gerade die Praktiken der Rezeption, die angewendet werden auf einen spezifischen materialen Rahmen und die kulturelle Artefakte zu relevanten Zeichen machen. Eine semiotisch orientierte Analyse von kulturellen Artefakten wird deshalb eine Analyse dieser spezifischen Rezeptionsprozesse betreiben müssen, will sie jenen Fehleinschätzungen entgehen, dass textimmanente Bedeutungen apriorisch als Inhalt vorhanden sind oder in der neoromantischen Version von den Intentionen der wie auch immer gefassten Autorinnen und Autoren verantwortet werden. Mit diesem semiotisch-kulturwissenschaftlichen Ansatz zur Bestimmung der Bedeutung der Gleichnisse sind aber zwei Verlustmeldungen für eine Gleichnistheorie bekannt zu geben: Einerseits ist die jesuszentrierte Forschung der Gleichnisse zu verabschieden und das daraus resultierende Wahrheitskonzept, das sich an der historischen Referenz andockt. Andererseits ist die Selbstevidenz der Gattungsbewertungen im Anschluss an Jülicher ebenso in Frage zu stellen, welche auf dem Fundament einer referenztheoretischen Bedeutungskonzeption steht, die an der Rekonstruktion der ursprünglichen Gleichnisreden Jesu interessiert ist und den textuellen Zusammenhang vernachlässigt, um auf der Spur der „Unmittelbarkeit der Stimme“33 eine Gleichnistheorie zu entwerfen, die strikt der Unterscheidung der Gleichnisse der Evangelien und der Gleichnisse Jesu folgt.34 Im Rahmen einer kulturwissenschaftlichen Semiotik muss stattdessen auf die Vorgegebenheit der Zeichen insistiert werden, die sich materialisiert hat in den textuellen Artefakten und für die damit der textuelle Zeichenzusam32
Vgl. Massa, Verstehensbedingungen (s. Anm. 3), 164 f. u.ö. Alkier, Gleichnisreden (s. Anm. 8), 50. 34 Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 8), hier I, 194: „Dass Missverstehen Jesu durch die Evangelisten muss zugegeben, die Parabeln der Evangelien müssen von den Parabeln Jesu unterschieden werden, wenn beiden Teilen ihr Recht werden soll: der Bruch mit jedem Inspirationsdogma muss unverhüllt und uneingeschränkt vollzogen werden, ehe wir hoffen können, sowohl Jesu als auch die Evangelisten gerecht zu interpretieren.“ Hinter dem Anliegen Jülichers steht selbst nur eine kulturell determinierte Rezeptionspraktik, die sich der „Logik des Ursprungsdenkens“ (Alkier, Gleichnisreden [s. Anm. 8], 49) verpflichtet weiß. 33
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menhang maßgeblich wird, um die Prozesse der Bedeutungsgenerierung darzustellen. Deshalb ist hinsichtlich der semiotisch orientierten Gleichnistheorie der Weg weiterzuverfolgen, der im deutschsprachigen Raum wesentlich von G. Sellin35 und im englischsprachigen Raum von J.R. Donahue initiiert worden ist. Was diese beiden Autoren auszeichnet, ist der einheitliche Ansatz, die Gleichnisse in ihrem textuellen Kontext zu untersuchen – als Texte, die in Texte eingebunden sind. „The parabels of Jesus, therefore, as we find them in the Gospels are texts that exist in a definite context.“36 In einem dynamischen Bedeutungsverständnis ist allerdings die textuelle Eingebundenheit in ihrer bedeutungsgenerierenden Funktion erst vollständig erfasst, wenn der Rezeptionsprozess mit einbezogen wird. Dieser Rezeptionsprozess ist auf der Grundlage des dynamischen triadischen Bedeutungsverständnisses im Gefolge von Peirce als ein doppelter auszuweisen: Einerseits ist zu berücksichtigen, dass Texte auf Elemente, Regeln und Konventionen – oder kurz auf sprachliche und andere Kodes – zu beziehen sind, die sozusagen das Bedeutungspotential eines Gleichnistextes für die Rezeptionsprozesse bilden. Davon zu unterscheiden ist die aktuelle Interpretation eines Gleichnistextes im Rahmen der Rezeptionsprozesse. Im Sinne der Terminologie von Peirce können die Kodes – verstanden als das Bedeutungspotential eines Textes – die unmittelbaren Interpretanten genannt werden, während eine bestimmte Bedeutungsinterpretation der dynamische Interpretant des Textes genannt wird.37 Es ist deshalb vor allem zu betonen, dass kein Gleichnis alle zum Verständnis notwendigen Voraussetzungen macht, folglich basiert jeder Rezeptionsprozess auf Schlussfolgerungen darüber, was in einem Gleichnistext zwar nicht gesagt, aber im Rahmen des Rezeptionsprozesses geschlussfolgert werden kann. Dies gilt für intensionale wie auch extensionale Aspekte der Bedeutungsbestimmung gleichermaßen.
35 Vgl. grundlegend G. Sellin, Allegorie und ‚Gleichnis‘. Zur Formenlehre der synoptischen Gleichnisse, in: W. Harnisch (Hg.), Die neutestamentliche Gleichnisforschung im Horizont von Hermeneutik und Literaturwissenschaft, WdF 575, Darmstadt 1982, 367–429 (ursprünglich erschienen in ZT hK 75 [1978], 281–335). 36 J. R. Donahue, The Gospel in Parable. Metaphor, Narrative, and Theology in the Synoptic Gospels, Philadelphia 21990, 4. 37 Daneben gibt es noch den finalen Interpretanten. Während der unmittelbare und der dynamische Interpretant in jeder Semiose gegeben ist – oder in jedem dynamischen Bedeutungsprozess gegeben ist – ist der finale Interpretant „die regulative Idee einer im umfassendsten Sinn des Wortes wahren Interpretation“ (St. Alkier / J. Zangenberg, Zeichen aus Text und Stein. Ein semiotisches Konzept zur Verhältnisbestimmung von Archäologie und Exegese, in: dies. [Hgg.], Zeichen aus Text und Stein. Studien auf dem Weg zu einer Archäologie des Neuen Testaments, TANZ 42, Tübingen / Basel 2003, 39 f.). Doch lassen wir den finalen Interpretanten erst einmal beiseite.
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4. Analogisches Schlussfolgern und die Bedeutungsbestimmung der Gleichnisse in einem semiotischen Paradigma Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, dass es im Rahmen der semiotischen Bedeutungsbestimmung wesentlich um die Frage geht, welche Art von Schlussfolgerung bei der Interpretation der Gleichnistexte eine Rolle spielt. Hierfür ist wiederum ein Blick zu Peirce hilfreich: Zusätzlich zu induktiver und deduktiver erwähnt Peirce noch die abduktive (hypothetische Schlussfolgerung) sowie eine vierte Schlussfolgerungsart: Beweisführung durch Analogie. Die Schlussfolgerung durch Analogie ist nicht zu verwechseln mit dem Produkt ‚Analogie‘, sondern hier geht es um ein analogisches Verfahren als ein konstruierendes Verfahren, mit dem das Produkt erst hergestellt werden kann. Im Folgenden soll gezeigt werden, dass das analogische Schlussfolgern maßgeblich zur Bedeutungsbestimmung der Gleichnisse beiträgt und dass dieses analogische Schlussfolgern implizit aber auch schon in gleichnistheoretischen Entwürfen formuliert ist, die sich einem statischen und apriorischen Bedeutungsverständnis verpflichtet wissen. Die Analogie ist von der Antike an als eine wichtige Schlussfolgerungsart betrachtet worden.38 Bei Aristoteles lesen wir: „Die Betrachtung der Übereinstimmung ist von Nutzen für die induktiven Begründungen, die hypothetischen Schlüsse und die Angabe der Begriffe. Für die induktiven Begründungen, weil wir durch Anführung einzelner übereinstimmender Fälle das Allgemeine zu beweisen glauben. Es ist ja nicht leicht, induktiv zu schließen, wenn man das Übereinstimmende nicht kennt. Für die hypothetischen Schlüsse, weil es wahrscheinlich ist, daß es sich so wie in einem von mehreren übereinstimmenden Fällen auch in den übrigen verhält. Und so werden wir, wo immer wir über eine Reihe verwandter Dinge reichlichen Stoff zur Verfügung haben, zuvor übereinkommen, daß es sich, wie mit ihnen, so auch mit dem Vorliegenden verhält. Haben wir aber dort den Sachverhalt gezeigt, so werden wir hypothetisch auch das Vorliegende gezeigt haben.“39 Aristote38 Es kann hier nicht eingegangen werden auf das komplexe Analogieverständnis der Antike. Schon in Griechenland war der Begriff der Analogie mehrdeutig und wurde unterschiedlich, aber doch aufeinander bezogen verwendet. In der Mathematik wurde der Begriff sehr früh von den Pythagoreern zur Bezeichnung einer Verhältnisgleichung von Zahlenausdrücken verwendet (vgl. A. Szabó, Anfänge der griechischen Mathematik, München 1969, 193 f.). 39 Aristoteles, Topik, übers. v. E. Rolfes, Einl. v. G. Zekl, Hamburg 1992, I, XVIII , 108 b. Aristoteles als den Gewährsmann der Substitutionstheorie der Metapher in Anspruch zu nehmen, scheint mir von diesem Analogieverständnis her äußerst fraglich, vielmehr ist bei der Metapher ein dynamischer Prozess zu veranschlagen, wie auch R. Zimmermann, Metapherntheorie und biblische Bildersprache. Ein methodologischer Versuch, ThZ 56 (2000), 108–130, 117 hervorhebt. Ebenso macht Zimmermann darauf aufmerksam, dass in der Metapherdiskussion z.T. mit einer Rehabilitierung des Ähnlichkeitsbegriffs gearbeitet wird. Auf S. 117 finden sich in Fußnote 39 einige Autoren genannt.
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les verbindet hier die Hypothese mit der Analogie.40 Aristoteles’ Verständnis der Analogie und die Wichtigkeit für das praktische und wissenschaftliche Schlussfolgern wird von Peirce geteilt, der folgende elementare Definition von ihr gibt: „Analogie ist die Schlussfolgerung, daß eine nicht besonders große Menge von Objekten, die in verschiedenen Hinsichten übereinstimmen, sehr wahrscheinlich auch in anderer Hinsicht übereinstimmen.“41 Bei Peirce und auch bei Aristoteles wird die Analogie zu einer Schlussfolgerungsart, die Relationen aufzeigt.42 In Anwendung auf ein dynamisches semiotisches Bedeutungsverständnis möchte ich deshalb behaupten, dass die Analogie ein grundlegendes interpretatorisches Prinzip ist, aber ebenso möchte ich für die Kodes bestimmter biblischer Texte – zu denen auch die Gleichnisse zählen – behaupten, dass es zu ihrem Bedeutungspotential gehört, Analogien zu stiften im Rahmen des Rezeptionsprozesses. Als Gewährsmann ist kein geringerer als Jülicher anzuführen, der mit seiner Definition des Maschal als „vergleichende Rede“ den entscheidenden Ansatz zu seiner Wesensbestimmung der Gleichnisrede Jesu vorlegt.43 Die Analogie (als in einem Verhältnis stehend) wird hier für die Meschalim als grundlegend erkannt. Die Analogie wird bei Jülicher im „allergemeinsten Sinn des Wortes“44 verstanden – und darf keinesfalls begrenzt werden auf die aristotelische Lehre von der analogia entis, wie Sellin zutreffend feststellt mit Blick auf Jüngels Kritik an Jülicher: „Mit der aristotelischen Logik möchte Jüngel auch die Rede von 40 Die Ausführungen zu Aristoteles’ Analogieverständnis heben hervor, dass eine Analogie keinesfalls statisch ist, sondern relational. Sie schwebt im Raum von Identität und NichtIdentität. 41 Peirce, Collected Papers (s. Anm. 28), 69. 42 Diese Schlussfolgerungsart der Analogie ist wesentlich weiter zu fassen als die Analogie bei Quintilian, für den die Analogie ein Mittel zur Identifizierung der richtigen grammatischen Kategorie oder der richtigen sprachlichen Form ist: „Die Analogie kann etwas, das in Frage steht, auf etwas Ähnliches beziehen, das nicht in Frage steht, und so das Ungewisse durch das Gewisse darstellen.“ (Quintilian, Ausbildung des Redners, 12 Bücher, hg.u. übers. v. H. Rahn, Darmstadt 21988, hier: I,6,4). Es geht bei Quintilians Bestimmung der Analogie um die Gleichsetzung zweier Relationskopplungen, statt zweier Relationen. Auch das Analogieverständnis von de Saussure – ein Zeitgenosse Jülichers – ist nicht kompatibel mit dem hier vorausgesetzten relationalen Analogieverständnis: Nach de Saussure gilt die Analogie nicht wie bei Quintilian als Mittel zur Erhellung dunkler Flecken des gegebenen Sprachzustandes, sondern – in Konkurrenz zu den Lautgesetzen – als Triebkraft der Sprachentwicklung. De Saussure widmet ihr die Kapitel IV und V seines Cours de linguistique générale (dt.: Ders., Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft, Berlin 2001): „Die Schule der Junggrammatiker hat zum ersten Mal der Analogie ihren wahren Platz zuerkannt, indem sie zeigte, dass die Analogie neben dem Lautwandel der große Wirkfaktor der Sprachentwicklung ist, das Verfahren nämlich, das die Sprache von einem Organisationszustand zum nächsten führt“ (De Saussure, a.a.O., 223). Nach de Saussure stellt die Analogie eine Verhältnisgleichung dar, bei der auf beiden Seiten des Gleichheitszeichens derselbe grammatische oder semantische Unterschied mit demselben Unterschied der Zeichenkörper verbunden ist. 43 Auch G.v. Rad, Weisheit in Israel, Göttingen 1970, 160, hebt die Analogie bei den Meschalim hervor: „Diese Vergleiche haben keine pädagogische, sondern […] noetische Funktion. Sie dienen dem Aufweis von Analogien, fast sind sie als Entdeckungen zu werten von Gemeinsamkeiten, die sich auch zwischen ganz verschiedenen Phänomenen erkennen lassen“. 44 Alkier, Gleichnisreden (s. Anm. 8), 52.
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Sachhälfte und Bildhälfte sowie von tertium comparationis zurückweisen. Aber er selber spricht von der ‚analogischen Kraft‘ der Gleichnisse sowie von dessen ‚Pointe‘. Prinzip der Analogie ist es aber, aus zwei Hälften zu bestehen, die ein gemeinsames Drittes haben. Dies hängt nicht an der aristotelischen Satzlogik, sondern gilt z.B. schon für die Form der parallel gebauten weisheitlichen Analogiesprüche in der alten israelitischen Weisheit.“45 Diese analogische Struktur findet Jülicher übrigens auch an dem Parabelbegriff der Evangelisten, selbst wenn dieser abqualifiziert wird gegenüber dem von Jesus vertretenen Maschal-Verständnis. Nach Jülicher konstituieren demgemäss drei Momente die Parabel bei den Evangelisten: „ein vollständiger Gedanke muss es sein, eine Rede von vergleichendem Charakter, und endlich eine, die tieferen Sinn verhüllt“.46 Und ein Blick auf Jülichers Metapherverständnis zeigt, dass auch hier ein analogisches Potential wirksam ist, selbst wenn die Metapher nicht so rühmlich beschrieben wird wie der Vergleich.47 Dennoch lehrt die Metapher nach Jülicher die Leserinnen und Leser „Ähnlichkeiten wahrnehmen, apperzipieren, Vorstellungen verbinden, auch dünne Verbindungsfäden bemerken“.48 Dies gilt einzig nicht mehr für die Allegorie nach der Jülicherschen Definition: „nicht vergleichen soll ihr Leser, sondern ersetzen“.49 Es kann nicht bestritten werden, dass sowohl für die Vergleichung wie auch für die Metapher die Analogie beansprucht wird; sie ist somit sowohl für den Vergleich als auch für die Metapher das Bedeutungspotential, welches im Rahmen des Rezeptionsprozesses durch Leser(innen) / Hörer(innen) in den Kodes eines Textes zu finden ist. Die Abqualifizierung von Metapher und damit auch von der Allegorie bei Jülicher entsteht somit nicht hinsichtlich der Analogie, sondern hinsichtlich der Dichotomie von eigentlicher versus uneigentlicher Rede, die ursprungsontologisch gewendet wird in die Opposition von schriftlicher, künstlicher Allegorie und mündlicher, natürlicher Gleichnisrede – im Übrigen, wie Alkier betont, ohne überhaupt aristotelisches Gedankengut zu benutzen.50 Wir können also festhalten: Die Analogie wird als das Bedeutungspotential sowohl des Vergleichs wie auch der Metapher und eo ipso auch des Gleichnisses und (wäre Jülicher konsequent) der Allegorie bestimmt. Doch lässt sich dieses analogische Konzept von Jülicher für unsere semiotische 45
Sellin, Allegorie und ‚Gleichnis‘ (s. Anm. 35), 371. Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 8), I, 42. Kursivsetzung durch K.D. 47 Vgl. Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 8), I, 57. 48 Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 8), I, 57. 49 Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 8), I, 65; Sellin, Allegorie und ‚Gleichnis‘ (s. Anm. 35), 391, spürt ein gewisses Unbehagen, wenn er einerseits festhält, dass die Allegorie der Substitution folgt, aber gleichzeitig auch meint, dass jede Allegorie zugleich Momente der Analogie enthält. Für die Allegorese gibt Sellin folgende Definition: „Die Allegorese ist ein Mittel der Interpretation der eigenen Situation (die man als Primärtext verstehen könnte) durch einen vorgegebenen Text. Da sie enträtseln will, muß sie sich an die Analogien halten“ (392 f.). 50 Alkier, Gleichnisreden (s. Anm. 8), 54. 46
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Bedeutungstheorie in Anspruch nehmen, welche die Analogie im Rahmen der Rezeptionsprozesse auch zu einer Schlussfolgerungsart als interpretatorisches Prinzip erklärt? Hält doch Jülicher gerade fest, dass sich die Gleichnisreden „nicht an den regelrecht Schlüsse ziehenden Verstand wenden, sondern an den ganzen Menschen, zugleich an seine Sinne, seine Erfahrung, sein Gefühl und sein Gewissen“.51 Wogegen sich Jülicher hier abgrenzt, ist eine im Sinne einer Satzlogik gewonnene Dichotomie von „wahr“ / „falsch“-Aussagen, wie sie induktiven und deduktiven Schlussfolgerungen zugrunde liegen.52 Ich meine, dass es gerade der Analogieschluss ist, der genau dieses Sich-„an den ganzen Menschen“-wenden als interpretatorisches Prinzip vollzieht. Hierzu sei noch einmal an Peirce erinnert: „Analogie ist die Schlussfolgerung, daß eine nicht besonders große Menge von Objekten, die in verschiedenen Hinsichten übereinstimmen, sehr wahrscheinlich auch in anderer Hinsicht übereinstimmen.“53 Dazu gibt er folgendes Exempel: „Zum Beispiel stimmen Erde und Mars in so vieler Hinsicht überein, daß es nicht unwahrscheinlich ist, daß sie auch darin übereinstimmen, bewohnt zu sein“. M.E. ist das analogische Schlussfolgern von Peirce in Relation zu setzen mit den von Jülicher hervorgehobenen Aspekten bei der Rezeption der Gleichnisse. Auch der von Peirce dargelegte Analogieschluss rekurriert auf die Erfahrung, vielleicht auch auf die Sinne und das Gefühl. Analogisches Schlussfolgern ist dementsprechend das Schlussfolgern, bei dem wir durch Analogie von einer Art Universum auf eine andere Art in der gleichen Weise schließen. Mit anderen Worten werden Gründe und Kräfte, die in unserem gemeinsamen Universum als wirksam unterstellt werden, genauso einem anderen Universum unterstellt, sofern nicht deutlich gemacht worden ist, dass andere Schlussfolgerungsregeln am Werk sind. Wir müssen uns also nicht von Jülicher trennen bei unserer Bestimmung der Analogie als grundlegendes interpretatorisches Prinzip. Das Problem entsteht in anderer Hinsicht. Es wurde eben festgehalten, dass Parallelismus, Vergleich, Metapher, Gleichnisse und Allegorien hinsichtlich ihres Bedeutungspotentials mit Kodes operieren, um Relationen aufzudecken oder herzustellen im Rahmen des Rezeptionsprozesses. Sie entsprechen der doppelten Absicht, die Einheit des Textes sowohl als materielle Struktur wie auch als Beweisführung wahrnehmen zu lassen und das Thema verständlich und glaubhaft zu machen, indem gezeigt wird, wie es mit dem verbunden ist, was anderweitig bekannt ist. Allerdings kann im Rahmen des dynamischen semiotischen Bedeutungsverständnisses dieses Bedeutungspotential der Analogie nicht auf ein bestimmtes tertium comparationis festgelegt werden bei den Gleichnistexten. Semiotisch gesprochen kann der unmittelbare Inter51
Jülicher, Gleichnisreden Jesu (s. Anm. 8), I, 164. Vgl. Alkier, Gleichnisreden (s. Anm. 8), 71. 53 Peirce, Collected Papers (s. Anm. 41), 69. 52
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Kristina Dronsch
Der doppelte Rezeptionsprozess der Gleichnisse im Rahmen eines semiotischen Bedeutungsverständnisses
Unmittelbarer Interpretant = Kodes als Bedeutungspotential
Dynamischer Interpretant = aktuelle Interpretation
Analogie als interpretatorisches Prinzip
Analogien stiften
Hat folgende Aspekte zu berücksichtigen: syntagmatische semantische pragmatische
textuelle intertextuelle extratextuelle
pretant nicht mit einem bestimmten tertium comparationis kurzgeschlossen werden, sondern das Bedeutungspotential hat immer syntagmatische, semantische und pragmatische Aspekte, die u.U. zu verschiedenen Vergleichspunkten führen. Das Bedeutungspotential der in den Texten manifestierten Kodes kann zwar das „Dass“ der Analogie festhalten, aber das „Wie“ der Analogie zwischen Bild und Sache kann für die Gleichnisse nicht über die Festlegung eines tertium comparationis abgesichert werden, sondern muss als dynamisch verstanden werden. M.E. liegt darin auch die Schwäche der meisten gleichnistheoretischen Entwürfe, bei denen es völlig unklar bleibt, wie und warum es Bezüge zwischen Sache und Bild gibt.54 Aus dem Blickwinkel des Peirceschen Entwurfs und unter Zugrundelegung der Analogie als Interpretationsstrategie kann nun aber die Analogie für die Grundlegung eines mentalen Prozesses gewonnen werden, der die Kategorie der Sache und die Kategorie des Bildes durch die Wissensbestände der Rezipienten und Rezipientinnen initiiert sein lässt und beide in Relation zueinander setzt im Akt der Rezeption. Die Bildung des dynamischen In54 Um den Bezug zwischen Gottesreich und Gleichnis herzustellen, werden in der Forschung unter Ausklammerung der interpretatorischen Prozesse folgende Verknüpfungen zwischen Bild und Sache angeboten: Anwendung (Jülicher), Konkretisierung (Lohmeyer), Projektion (Sellin), metaphorische Prädikation (Weder) oder Umsetzung (Rau).
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terpretanten bleibt somit immer abhängig von den für die jeweilige Bedeutungsinterpretation ausgewählten textuellen, intertextuellen und extratextuellen Wissensbeständen. Folglich scheint es eher unwahrscheinlich, dass der hier auf diesem Kolloquium55 initiierte Dialog zum finalen Interpretanten – im Sinne einer letztgültigen Bedeutung – der Gleichnisse führen wird, aber durchaus zu einer Menge von Argumenten, die ihre Bedeutung durch dasjenige erklären, was Roman Jakobson einmal „die einschränkenden Wahrscheinlichkeiten des Kontextes“ genannt hat.
55 An dieser Stelle sei Herrn Prof. Ruben Zimmermann und seinem Team herzlich gedankt für die konstruktive und diskussionsfreudige Durchführung des Symposions.
Himmel und Hölle Zur Kontextualität und Referenz gleichnishafter Rede unter besonderer Berücksichtigung des Gleichnisses vom Fischnetz (Mt 13,47–50) Stefan Alkier Wie von Gott sprechen? Die Gleichnisse des historischen Jesus als Paradigma theologischer Rede Adolf Jülicher gelang mit seinem zweibändigen Werk „Die Gleichnisreden Jesu“ eine Grundlagenkritik an jeglicher willkürlichen allegorischen1 Auslegung der Gleichnisse und zugleich erarbeitete er metasprachliche Differenzierungen gleichnishafter Rede, die der Gleichnisforschung einen erheblichen Erkenntnisfortschritt einbrachten. Eine in theologischer Hinsicht sehr ertragreiche Kritik an Jülichers Gleichnistheorie hat Eberhard Jüngel in seinem Buch „Paulus und Jesus“2 vorgetragen. Er erkennt uneingeschränkt die oben aufgeführten Verdienste Jülichers an, ja, er plädiert sogar dafür, seine Textsortendifferenzierungen auch terminologisch zu übernehmen, und dennoch kommt er zu der fundamentalen Kritik, Jülicher habe das angemessene Verständnis der Gleichnisse Jesu mit seinem am Vergleich orientierten Konzept nicht nur verfehlt, sondern mit dieser Verfehlung die Gleichnisinterpretation auf den Irrweg von Rheto-
1 Die Kritik an Jülichers Gleichniskonzept beklagt zu Recht, dass Jülicher die Differenz zwischen allegorischer und gleichnishafter Rede überbetont, ist sich aber mit Jülicher in der Grundhaltung einig, dass der Kritik einer willkürlichen allegorischen Auslegung dauerhafte Gültigkeit zukommt. Zu unterscheiden sind mit H.-J. Klauck, Allegorie und Allegorese in synoptischen Gleichnistexten, NA .NF 13, Münster 1978, allegorische Lektüreverfahren von Textsorten, die als Allegorien konzipiert sind. Dabei sind die Übergänge fließend. Auch die Gleichnisreden Jesu enthalten K. Erlemann, Wohin steuert die Gleichnisforschung? ZNT 3 (1999), 1–10, zufolge allegorische Züge. Vgl. auch R. Zimmermann, Christologie der Bilder im Johannesevangelium. Die Christopoetik des vierten Evangeliums unter besonderer Berücksichtigung von Joh 10, WUNT 171, Tübingen 2004. 2 E. Jüngel, Paulus und Jesus. Eine Untersuchung zur Präzisierung der Frage nach dem Ursprung der Christologie, HUT h 2, 2., durchges. Aufl. Tübingen 1964, insbes. 87–215.
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rik und Didaktik geführt, während sie doch von der Poetik metaphorischer Sprache her als Sprachereignisse zu erschließen seien.3 Gerade Jüngels Kritik an Jülicher zeigt an, dass mit der Frage nach dem Verstehen der Gleichnisse mehr als nur eine literaturwissenschaftliche Textsortenbestimmung auf dem Programm steht. Vielmehr wird die theologische Gleichnisforschung von der Frage getrieben, wie angemessen von Gott und seinem Reich zu sprechen sei. Wie Jesus vorzüglich von der Basileia Gottes bzw. vom Himmelreich geredet hat, daran soll sich auch heutige christliche theologische Rede ausrichten. Die Gleichnisreden bzw. die Gleichnisse des historischen Jesus gelten ausgesprochen oder unausgesprochen als Paradigma angemessener Rede von Gott.4 Nicht die schriftlichen Gleichnisse des Protagonisten Jesus von Nazareth, wie sie die neutestamentlichen und insbesondere die synoptischen Evangelien zu lesen geben, erhitzen die Gemüter, sondern die mit historischer und theologischer Phantasie literarkritisch und formgeschichtlich konstruierten Gleichnisreden Jesu als bevorzugte theologische Redeweise des historischen Jesus. Die Grundüberzeugung lautet: Wie von Gott und seinem Reich reden? So, wie der historische Jesus es getan hat.5
Gleichnistheorie, Jesusforschung und Theologie Mit dieser Grundüberzeugung handelt sich die Gleichnistheorie die Grundlagenprobleme der historischen Jesusforschung ein, die bereits Albert Schweitzer beschrieb: Die Rekonstruktionen sind maßgeblich von den Konstruk-
3
Vgl. Jüngel, Paulus und Jesus (s. Anm. 2), 95 f. Jüngel, Paulus und Jesus (s. Anm. 2), 87: „Wenn aber die Basileia in der Verkündigung Jesu nicht definiert, wohl aber definitiv zur Sprache gekommen ist, so wird eine theologische Untersuchung, die sich um den das Wesen der Gottesherrschaft begreifenden Begriff bemüht, die Verkündigung Jesu auf jene Sprache hin untersuchen, in der sich die Gottesherrschaft von selbst als sie selbst begreifen lässt. Dies geschieht in ausgezeichneter Weise in den Gleichnissen Jesu.“ 5 Jüngel, Paulus und Jesus (s. Anm. 2), 87: „Der die Verkündigung Jesu in ausgezeichneter Weise bestimmende Begriff ist der Begriff der Basileia. Dieser ‚Begriff‘ ist im logisch strengen Sinne freilich nur eine Vokabel. Was mit dieser Vokabel in der Verkündigung Jesu zur Sprache kam, wird dort nicht in der Weise einer Definition begriffen, sondern das Phänomen Basileia läßt sich von sich selbst her (nur) so begreifen, wie es in der Verkündigung Jesu zur Sprache gekommen ist. Deshalb bleibt die Verkündigung Jesu etwas Eigenes, ein Sprachereignis, das sich durch keine Theologie des Glaubens ersetzen läßt, wohl aber eine solche Theologie des Glaubens hervorruft, weil es nämlich den Glauben selbst allererst gewährt.“ Zustimmend zitiert Jüngel, ebd., Anm. 3, H. Conzelmann, Gegenwart und Zukunft in der synoptischen Tradition, ZT hK 54 (1957), 277–296, 284: „Es ist methodisch geboten, da einzusetzen, wo wir einen gesicherten Komplex authentischer Überlieferung fassen können, bei den Gleichnissen. In ihnen finden wir nicht nur Jesu Aussagen über das Gottesreich, sondern vor allem über den Zusammenhang zwischen diesem und seiner eigenen Person. Weissagung und Selbstauslegung bilden eine unauflösliche Einheit.“ 4
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tionen der eigenen Theologie abhängig. Jülichers Jesus ist ein Volksredner.6 Klar und verständlich erklärt er den Willen Gottes und damit den Weg zu einem gottgefälligen Leben, der schon jetzt das Reich Gottes zumindest punktuell spürbar und erlebbar werden lässt. Die Gleichnisse führen in das Verständnis des Reiches Gottes so authentisch und ungezwungen ein, dass jeder und jede, ja auch schon Kinder verstehen können, worum es letztlich geht: um die praktizierte und immer konkrete Liebe der dankbaren Geschöpfe Gottes als angemessene Antwort auf die ihnen von Gott entgegengebrachte Liebe. Jülicher geht es nicht um moralische Satzwahrheiten. Es geht ihm um die Praxis einer Ethik des Reiches Gottes inmitten dieser Welt. Jülicher steht mit seinem Jesusbild und mit seinem Reich-Gottes-Verständnis7 in der Tradition der religionsgeschichtlichen Schule, deren theologischer Gewährsmann Albrecht Ritschl ist. Jülicher zwingt die Gleichnisse Jesu nicht in ein rhetorisch-didaktisches Korsett, sondern er ist begeistert von der Vorstellung eines gegenwartsrelevanten Evangeliums für alle, die sich von der Botschaft der Gleichnisse treffen lassen wollen. Das kognitive Verstehen darf kein Hinderungsgrund sein für das Wirken der Botschaft Jesu. Keine schwer zu durchschauende Rätselrede, keine allegorischen Codes für Eingeweihte, keine esoterischen Geheimbotschaften, nicht Geheimniskrämerei, sondern gute Nachricht, frohe Botschaft für alle sind die Gleichnisreden Jesu für Jülicher. Sie können deshalb nicht Gerichtsbotschaft sein, sondern führen in das Leben des Reiches Gottes schon jetzt ein. Sie sind im besten Sinne didaktisch, denn sie eröffnen mit einfachsten Mitteln ganzheitliche Denkprozesse, die nicht nur das Verständnis der eigenen Existenz neu definieren, sondern zu einem neuen, heilvollen, schöpfungsgemäßen Leben führen. Die Rhetorik der Gleichnisse ermöglicht diese evangelische Didaktik auf poetische Weise. Rhetorik und Poetik sind für Jülicher – wie auch für Aristoteles, den Begründer der abendländischen Poetologie, – keine Gegensätze, sondern verschiedene, aber ineinander wirkende Bereiche des Sprachgeschehens. Die Rhetorik der Gleichnisse bewegt die Zuhörer auf die Werte des Reiches Gottes zu, indem sie durch die Gleichnisse auf erfreuliche Art und Weise unterrichtet werden. Die Gleichnisse Jesu sind frohe Botschaft, sie lassen das Reich Gottes zum ansprechenden und überzeugenden Ereignis werden. Der Titel „Die Gleichnisreden Jesu“ ist auf moderne Weise Programm. Nicht nur der Inhalt der Gleichnisse, sondern eben auch ihre Form, ihre 6 Vgl. ausführlicher und mit Belegen S. Alkier, Die „Gleichnisreden Jesu“ als „Meisterwerke volkstümlicher Beredsamkeit“. Beobachtungen zur Aristotelesrezeption Adolf Jülichers, in: U. Mell (Hg.), Die Gleichnisreden Jesu 1899–1999. Beiträge zum Dialog mit Adolf Jülicher, BZNW 103, Berlin / New York 1999, 39–74. 7 Vgl. dazu C. Walther, Typen des Reich-Gottes-Verständnisses. Studien zur Eschatologie und Ethik im 19. Jahrhundert, FGLP 20, München 1961.
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Rhetorik, ihre Didaktik und ihre grundlegende Intention haben diesen Vorbildcharakter für jede theologische Rede, die den Anspruch erhebt, in der Nachfolge Jesu zu geschehen. Jülicher denkt Sprache ganzheitlich. Anders als viele seine Kritiker weiß er noch über den Zusammenhang von Rhetorik und Poetik Bescheid und versteht Didaktik nicht als ein sekundäres Phänomen reiner Vermittlung, sondern als ein ganzheitliche Denkprozesse eröffnendes Geschehen. Gleichnisse geben zu denken und lassen spielerisch lernen, schon jetzt ein Leben zu führen, das von der Freude über die Liebe Gottes, die in seinem Reich gilt, bestimmt sein möchte. Davon ist Jülicher überzeugt und diese Überzeugung ist das Fundament seiner Gleichnistheorie. Alles aber, was dieser Grundauffassung der Gleichnistheorie und Theologie Jülichers widerspricht, wird konsequent nicht Jesus zugeschrieben, sondern den Evangelisten, die ihn missverstanden haben sollen. Alle Allegorien und ebenso die höchst unerfreulichen Drohungen mit dem Höllenfeuer gehen demzufolge nicht auf Jesus zurück. Und das allein zählt. Christliche Rede von Gott orientiert sich in der Logik der impliziten Theologie der historischen Jesusforschung nämlich nicht mehr an den biblischen Texten, sondern an der historisch rekonstruierten Rede Jesu. Und dieser Jesus Jülichers ist ein frühes Exemplar der Gattung „Jesus light“. Es handelt sich um den lieben Jesus, der reduktionistisch den freundlichen Jesus überzeichnet und den streitbaren Jesus ausblendet. Nur Himmel – keine Hölle. Dieses Bild des historischen Jesus vernachlässigt auch die Frage nach der Christologie und die eschatologische Dimension der Reich-Gottes-Verkündigung. Die Entkontextualisierung der Gleichnisse aus ihrem schriftlichen Zusammenhang bringt eine erhebliche Komplexitätsreduktion ihrer semiotischen und theologischen Kraft und Bedeutungsfülle mit sich. Jüngel teilt Jülichers Interesse, die Gleichnisse in der Geschichte des historischen Jesus zu verorten. Aber im Gegensatz zu Jülicher findet Jüngel in der Reich-Gottes-Verkündigung des historischen Jesus den „Ursprung der Christologie“, wie es bereits der Untertitel seiner Studie „Paulus und Jesus“ anzeigt. Jesus ist für Jüngel mehr als nur ein genialer Volksredner, der auf authentische und vorbildliche Weise von der Liebe erzählt, die das Reich Gottes auszeichnet und schon jetzt die Praxis der von Jesus Unterrichteten bestimmen soll. Jüngels historischer Jesus ist bereits der Christus, der mit der eschatologischen Botschaft der Reich-Gottes-Gleichnisse zugleich das christologische Geheimnis seiner eigenen Identität zur Sprache bringt.8 Jüngels produktives Missverständnis der Aristotelesrezeption Jülichers9 führt ihn zu einem neuen, theologisch höchst ertragreichen Verständnis der 8 Jüngel, Paulus und Jesus (s. Anm. 2), 87: „Die Gleichnisse führen uns jedoch nicht nur in das Zentrum der Verkündigung Jesu, sondern verweisen zugleich auf die Person des Verkündigers, auf das Geheimnis Jesu selbst.“ 9 Jüngel, Paulus und Jesus (s. Anm. 2), 88, überschreibt seinen Jülicher gewidmeten Abschnitt so: „Der aristotelische Ansatz der Gleichnisauslegung – Adolf Jülicher.“ Dieser Jülicher-
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Gleichnisse, das aber nicht mehr der Reich-Gottes-Theologie des 19. Jahrhunderts und dem Jesusbild der liberalen Theologie verpflichtet ist, sondern mit Johannes Weiß die eschatologische Botschaft der Verkündigung Jesu im Blick hat und mit der dialektischen Theologie die Differenz zwischen Mensch und Gott zu betonen gelernt hat und nun mit den Gleichnissen als Sprachereignisse verstanden eine theologische Redeweise entdeckt, die auf faszinierende Art und Weise beides vermag: die Differenz zwischen Mensch und Gott zu wahren und dennoch Gott und sein Reich zur Sprache kommen zu lassen. Das Nachdenken über die Metapher führt Jüngel zu der semiotischen Erkenntnis, dass Sprache im Kern metaphorisch funktioniert.10 Jüngel gewinnt damit einen entscheidenden und überzeugenden Impuls für eine Sprachlehre des Glaubens, die zugleich eine nicht nur theologisch relevante Erkenntnistheorie auf den Weg bringt. Gegenüber Jülichers auf die Lebenspraxis zielende Gleichnisinterpretation aber bleiben die metaphorischen Deutungen ausgesprochen lebensfern. Ihre konkrete soziale und politische Botschaft kommt ebenso wenig zur Geltung wie ihre emotionalen Dimensionen. Die Differenz zwischen Gott und Mensch, zwischen Reich Gottes und Lebenswelt wird aus dogmatischen Gründen so zugespitzt, dass die Sprachform der Gleichnisse bestenfalls noch Gymnasiasten der Oberstufe zugemutet werden kann, keineswegs aber mehr Grundschulkindern. Die Entkontextualisierung der Gleichnisse aus ihrem schriftlichen Zusammenhang der Evangelien führt auch bei Jüngel zu einer erheblichen Komplexitätsreduktion ihrer semiotischen und theologischen Kraft und Bedeutungsfülle. Fasziniert von der die Differenz wahrenden Ankunft des Himmels im Sprachereignis der Gleichnisse Jesu kommt auch hier die Hölle kaum in den Blick. Die Gleichnisse als Metaphern werden zum abstrakten theologischen Modell und verlieren ihre Leben erschließende Kraft.11
Probleme der (Ent-)Kontextualisierung Jüngels Kritik am rhetorischen und didaktischen Ansatzpunkt Jülichers entzündet sich aus theologischen Gründen an Jülichers Idee eines tertium comparationis zwischen Bildhälfte und Sachhälfte, denn dieses Modell setzt Interpretation habe ich widersprochen in meinem Aufsatz, Alkier, „Gleichnisreden Jesu“ (s. Anm. 6). 10 Vgl. dazu E. Jüngel, Metaphorische Wahrheit. Erwägungen zur theologischen Relevanz der Metapher als Beitrag zur Hermeneutik einer narrativen Theologie, in: P. Ricœur / E. Jüngel, Metapher. Zur Hermeneutik religiöser Sprache, mit einer Einführung v. P. Gisel, EvTh Sonderheft, München 1974, 71–122. A.a.O., 105, spricht Jüngel von dem, „was man das metaphorische Wesen der Sprache nennen könnte.“ 11 Vgl. zu dieser Kritik I. Baldermann, Auf der Suche nach der verlorenen Didaktik der Hoffnung, in: Mell (Hg.), Die Gleichnisreden Jesu 1899–1999 (s. Anm. 6), 209–221.
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voraus, dass auch außerhalb gleichnishafter Rede zu wissen und zu sagen ist, was das Reich Gottes ist. Um nämlich das Dritte, den Vergleichspunkt zu bestimmen, muss man in dem Modell Jülichers eine Vorstellung von der verglichenen Sache, dem Reich Gottes, und ihrer bildhaften Darstellung, dem Gleichnis, haben. Aber kommt die metaphorische Gleichnisauslegung Jüngels ohne diesen Vergleichspunkt aus? Jüngel entgeht nicht, dass „Reich Gottes“ ebenfalls eine Metapher ist. Die Metapher des Reiches Gottes kommt also im Gleichnis metaphorisch zur Sprache. Woher aber nimmt Jüngel das Wissen darüber, dass „Reich Gottes“ eine Metapher ist? Und woher weiß er, dass das diese Metapher zur Sprache bringende Gleichnis eine angemessene Metapher dieser Metapher ist? Schauen wir uns noch einmal das klassische Beispiel an: „Achill ist ein Löwe“. Die Metapher funktioniert nur, wenn gewusst wird, wer Achill ist, und wenn ich weiß, was ein Löwe ist. Machen wir den Substitutionstest: „Achill ist ein BWGFVC “. Man wird dies ebenso wenig als Metapher verstehen können wie „BWGFVC ist ein Löwe“. Aristoteles wusste, dass Metaphern nur funktionieren können, wenn sie innerhalb einer konventionalisierten Enzyklopädie angesiedelt sind und wenn sie in einem Redezusammenhang, einem Diskursuniversum platziert werden, in dem Sprecher und Hörer mit dieser Enzyklopädie vertraut sind. Ohne konventionalisiertes Weltwissen und ohne Zeichenzusammenhang funktioniert keine Metapher, denn Metaphern unterliegen wie jede sprachliche Erzeugung den formalen Bedingungen jedes Zeichenprozesses. Gleichnisse sind komplexe Zeichenereignisse: Semiose.12 Als solche ereigneten sich die Gleichnisse des historischen Jesus in konkreten Redesituationen. Die ontologische Bedingung der Mündlichkeit der Gleichnisse aber war die körperliche Anwesenheit des Menschen Jesus von Nazareth und seiner Zuhörer. Diese Redesituationen sind aber nicht wiederholbar. Die Körper der Beteiligten sind abwesend. Gemäß der ontologischen Bedingungen der Schriftlichkeit werden sie ersetzt durch den schriftlichen Kontext der Evangelien. In ihnen spricht und handelt aber nicht der Mensch Jesus aus Fleisch und Blut, sondern der durch die Evangelien in das Medium der Schriftlichkeit transformierte erinnerte und mit jedem Leseakt wiederholbare Jesus. Die Makrotexte der Evangelien bilden das uns erreichbare 12 Vgl. dazu auch R. Zimmermann, Metapherntheorie und biblische Bildersprache. Ein methodologischer Versuch, ThZ 56/2 (2000), 108–133, 107–133, insbes. 118–129. Zimmermann referiert hier eine Reihe weiterführender Differenzierungen mit Blick auf die intratextuellen Unterscheidungen von Syntax, Semantik und Pragmatik. Das Ganze wäre weiter mit Blick auf intertextuelle Phänomene und dann auch extratextuell zu entfalten. Mit Blick auf Extratextualität vgl. Zimmermann, a.a.O., 117. Vgl. auch S. Alkier, Neutestamentliche Wissenschaft – Ein semiotisches Konzept, in: C. Strecker (Hg.), Kontexte der Schrift. Bd. 2: Kultur, Politik, Religion, Sprache – Text (FS W. Stegemann), Stuttgart 2005, 343–360.
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Diskursuniversum der Gleichnisse des erinnerten Jesus. Im Rahmen der Evangelien entfalten sie ihre didaktische und theologische Kraft. Um ein Missverständnis zu vermeiden: Der Ausgangspunkt bei einer kritischen Lektüre der Gleichniskonzepte von Jülicher und Jüngel zeigt nicht an, dass ihre Beiträge für Irrwege der Gleichnisforschung angesehen werden sollten, die getrost der Theologiegeschichtsschreibung überlassen werden könnten. Das Gegenteil ist der Fall. Eine kritische Relektüre Jülichers und Jüngels könnte zu dem Ergebnis führen, dass sie – in ein semiotisches Modell übertragen – keine kontradiktorischen Gegensätze bilden, sondern verschiedene Aspekte zum Tragen bringen, die die theologische Gleichnisforschung und die christliche Verkündigung gleichermaßen weiterhin nachhaltig befördern würden. Die auf das soziale und politische Leben zielenden Konkretionen Jülichers und die die Differenz zwischen Schöpfer und Geschöpf angemessen berücksichtigende theologische Sprachlehre Jüngels gilt es gleichermaßen zu bedenken, wenn die neutestamentlichen Gleichnistexte interpretiert werden. Aber der Gegenstand der Interpretation wird von beiden ontologisch mangelhaft bestimmt. Das Objekt der Gleichnisinterpretation ist nicht die mündliche Gleichnisrede Jesu. Die eigene Stimme Jesu ist unwiederbringlich mit dem Zerfall seines Körpers aus Fleisch und Blut verloren gegangen. Jesu irdisches Wirken – und schon gar nicht das des auferweckten Gekreuzigten – und das seiner mündlich vorgetragenen Gleichnisse aber hat damit nicht aufgehört. Einige seiner Gleichnisse und auch andere Reden Jesu und ebenso einige seiner Handlungen wurden tradiert und einige von ihnen wurden Schrift. Wir wissen aber nicht, welche der Gleichnisse und wie weit sie in der sprachlichen Ausgestaltung auf den mündlichen Vortrag Jesu zurückgehen, und können darüber nur mehr oder weniger – und in aller Regel weniger – begründete Hypothesen aufstellen. Die Identität zwischen der mündlichen Verkündigung Jesu und den Schrift gewordenen Gleichnissen bleibt über die Denkfigur der Erinnerung gewahrt, aber wir kennen den Grad der Identität nicht.13 Die Ersetzung der Schrift durch das hypothetische Konstrukt „Historischer Jesus“ führt nicht nur theologisch und insbesondere christologisch in die Irre, sondern sie generiert auch einseitige Gleichniskonzeptionen, die in unsachgemäßer Weise die neutestamentlichen Gleichnisse auf den Himmel reduzieren, sei es als 13 Vgl. dazu die während der Abfassung dieser Zeilen noch im Druck befindliche, höchst aufschlussreiche Kontroverse zwischen J.D.G. Dunn und J. Schröter in ZNT 20, Themenheft „Der erinnerte Jesus“ (voraussichtlich 10/2007), die bei gewichtigen Unterschieden aufs Ganze gesehen zu Recht für einen Paradigmenwechsel vom historischen zum erinnerten Jesus plädiert. Der Sachverhalt nötigt zu einer grundsätzlichen schrifttheologischen Entscheidung: Woran soll sich christliche Theologie orientieren? Wer sich für das protestantische sola scriptura entscheidet, wird die Schrift zum Ausgangspunkt nehmen, wer sich weiterhin an den vagen Hypothesen der historischen Jesusforschung theologisch orientiert, folgt bestenfalls einer Variante des katholischen Prinzips „Schrift und Tradition“.
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Ethik des anbrechenden Reiches Gottes oder als zur Sprache-Kommen der Basileia Gottes. Die Gleichnisse des durch die Schrift erinnerten Jesus aber sagen mehr als das und sie sagen nicht immer nur dasselbe. Die Gleichnisinterpretation wird der Fülle von Sinnmöglichkeiten der neutestamentlichen Schriften und eben auch der Gleichnisse dann entsprechen, wenn sie die Texte in ihren schriftlichen Kontexten angemessen wahrnimmt. Eine Leitfrage der Gleichnisinterpretation sollte daher lauten: „Wie ist das Bild im Text bzw. im Kontext eingebunden?“14 Im Folgenden möchte ich hinsichtlich des Gleichnisses vom Fischnetz dieser Frage mit Blick auf die Einbindung des Gleichnisses in den Makrotext Matthäusevangelium skizzenhaft nachgehen. Um diesen Schritt auszuführen, bedarf es aber zunächst einer knappen Analyse des Mikrotextes selbst.
Das Gleichnis vom Fischnetz (Mt 13,47–50) „Wiederum gleicht die Königsherrschaft der Himmel einem Schleppnetz, das ins Meer geworfen wurde und (Fische) aus allen Arten sammelte. Als es aber voll wurde, zogen sie es an den Strand und setzten sich hin; das Gute lasen sie zusammen in Behälter; das Schlechte aber warfen sie hinaus. So wird es am Ende der Zeit sein: Die Engel werden herauskommen und die Bösen aus der Mitte der Gerechten aussondern und sie in den Feuerofen werfen; dort wird Heulen und Zähneknirschen sein.“15 Verglichen wird das Syntagma „Königsherrschaft der Himmel“ mit einer Erzählung. Das Gleichnis funktioniert also nicht wie die Metapher „Achill ist ein Löwe“, in der auf den ersten Term des Vergleichs ausgewählte semantische Marker des zweiten Terms übertragen werden. Die Aussage des Gleichnisses lautet also nicht: Die Königsherrschaft der Himmel ist ein Schleppnetz. Vielmehr wird in das Syntagma „Königsherrschaft der Himmel“ durch den Vergleich mit einer Erzählung die Dynamik der Erzählung eingeschrieben oder anders formuliert: Handelt es sich bei Metaphern, in der zwei Terme in Beziehung gebracht werden um ein semantisches Phänomen, so wird bei dem Vergleich eines Termes mit einer Erzählung eine syntagmatische Struktur auf den Term übertragen und damit die Statik eines semantischen Phänomens durch die Dynamik 14
Zimmermann, Metapherntheorie (s. Anm. 12), 130. Diese Übersetzung und auch die noch folgenden richten sich weitgehend nach U. Luz, Das Evangelium nach Matthäus. 2. Teilbd. Mt 8–17, EKK I/2, 2., durchges. Aufl. Solothurn u.a. 1996, hier: 356. Zum Schleppnetz erläutert Luz, a.a.O., 359: „Eine ist ein Schleppnetz. Schleppnetze am See Gennesaret sind nach neuzeitlichen Beschreibungen ca 250 m oder bis 450 m lang und ca 2 m breit. An beiden Enden ist ein Seil befestigt. Die eine Längsseite ist mit Gewichten beschwert, so dass sie sinkt, die andere mit Kork oder leichtem Holz versehen, so dass sie schwimmt. Das Schleppnetz wird per Boot ausgefahren und dann an Land gezogen. Fischnetz und Fischfang waren keine konventionalisierten Metaphern.“ 15
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eines syntagmatischen Phänomens aufgebrochen. Die Königsherrschaft der Himmel wird damit nicht mehr als ein Zustand vorstellbar, sondern als ein Handlungszusammenhang. Die Königsherrschaft der Himmel gleicht also einem Vorgang: Ein Schleppnetz wird ausgeworfen und mit diesem unterschiedslos alle Arten von Fischen zusammengesammelt. Wenn sich das Schleppnetz gefüllt hat, werden „sie“ es an das Ufer ziehen und dann unterscheiden: Das Gute wird in Behältern zusammengelesen, das Schlechte aber wird nach draußen geworfen. Die Königsherrschaft der Himmel beinhaltet also das unterschiedslose Einsammeln und das nachträgliche Unterscheiden von aufzubewahrendem Guten und nach außerhalb geworfenem Schlechten. Die Königsherrschaft der Himmel übt Macht aus. Sie sammelt alle zusammen und wirft alles Schlechte hinaus. Nur das Gute wird aufbewahrt. Der sich an den Erzählteil anschließende Vers 49 bestätigt in seiner einleitenden Formulierung, dass die Königsherrschaft der Himmel mit dem erzählten Vorgang als Ganzem zu vergleichen ist, und ergänzt zugleich eine zeitliche Angabe, die nun darüber informiert, wann dieser Vorgang stattfinden wird: „So wird es am Ende der Zeit sein“. Die folgende Deutung besetzt nun die unbestimmten Akteure der Erzählung „sie“ mit den „Engeln“. Die Unterscheidung von Gutem und Schlechtem wird ersetzt durch die Unterscheidung von Gerechten und Bösen. Die Aufbewahrung des Guten findet keine Ersetzung. Dagegen wird das Hinauswerfen des Schlechten ersetzt durch das Inden-Feuerofen-Werfen der Bösen, deren Leiden dann veranschaulicht wird durch den Schlusssatz: „da wird Heulen und Zähneklappern sein“. Vers 49 lenkt also das Verständnis der verglichenen Erzählung auf dreierlei Weise: Identifikation, Ergänzung, Ersetzung. Identifiziert wird der Handlungsaspekt der Gleichniserzählung mit dem sich in Vers 49 aussprechenden Vorgang. Ergänzt wird eine zeitliche Bestimmung und ersetzt werden drei Terme (sie, das Gute, das Böse) und eine Handlung (nach draußen werfen). Weder das Netz noch das Meer, noch das Vollsein, noch das Herausziehen, noch das Hinsetzen werden ersetzt. Es handelt sich bei der Strategie der Ersetzung um eine partielle allegorische Deutung, die aber die Dynamik der Erzählung nicht zerstört. Die als Vergleich dienende Erzählung und die sich anschließende Deutung stellen die Königsherrschaft der Himmel gleichermaßen als einen Vorgang dar, der die Ausübung der Herrschaft, die Anwendung der Macht dieser Königsherrschaft thematisiert. Weder die Fische haben eine Wahl noch die Gerechten noch die Bösen. Die Herrschaft wird ausgeübt, ohne sie zu fragen und ohne die Auswahl zu begründen. Bei der so beschriebenen Herrschaft handelt es sich um die Ausübung absoluter und nicht mehr zu hinterfragender Macht. Die Deutung in Vers 49 betont, dass das Hineinwerfen der Bösen in den Feuerofen zur Königsherrschaft der Himmel gehört. Zur Königsherrschaft der Himmel gehören Himmel und Hölle.
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Kontext und Referenz: Das Gleichnis vom Fischnetz und die Pragmatik des Matthäusevangeliums „Die Basileia kommt im Gleichnis als Gleichnis zur Sprache.“16 Das Gleichnis vom Fischnetz lässt aber wohl eher verstummen. Gepredigt wird darüber bestenfalls von selbstgerechten Fundamentalisten, die sich selbst im Korb der Gerechten wissen. Gern möchte man daher mit Jülicher Vers 49 f. allein der Allegorese des Matthäus zuschreiben und diese Verse damit loswerden und Jesu intendierte Botschaft des Fischnetzgleichnisses, von Jülicher als Parabel klassifiziert, so beschreiben: „Ihr Kleinmütigen werdet doch nicht an dem Dasein des Lichtreichs auf Erden verzweifeln, weil ihr überall noch so viel Finsternis, so viel Aergernis, so viel Schwachheit in ihm findet?“17 So viel sollte klar sein: Jülichers Deutung kann wohl kaum als moralische Satzwahrheit verstanden werden. Es handelt sich vielmehr um einen tröstenden Zuspruch, der zur Weiterarbeit am Reich Gottes motivieren möchte. Der Aspekt der Machtausübung der Königsherrschaft der Himmel und die Gerichtsbotschaft des Gleichnisses werden dabei aber gleichermaßen ignoriert. Ulrich Luz ist zuzustimmen, wenn er beobachtet: „Auf der Strecke bleibt oder an den Rand gerückt wird bei solchen Deutungen das letzte Gericht. Moderne Exegese kann sich bei dieser theologisch und weltanschaulich schwierigen Sache dann so aus der Affäre ziehen, dass sie darauf hinweist, dass das Gericht eben erst das Interesse des Matthäus sei […] Jesus selber habe anders akzentuiert. Es ist schon erstaunlich, was man mit einem hypothetisch rekonstruierten Jesustext alles vermuten kann! Aber über Jesu Urfassung wissen wir nichts. Angesichts der Ergebnisse der Analyse bleibt nichts anderes übrig, als den matthäischen Text zu deuten.“18 Es wird das Beste sein, der Aufforderung von Luz zu folgen und zwar so, dass das Gleichnis im Kontext des Matthäusevangeliums interpretiert wird und die Probleme der Referenz von Himmel und Hölle in Bezug auf sein Diskursuniversum entfaltet werden. Das Matthäusevangelium spannt mit der Genealogie zu Beginn des Buches das Diskursuniversum auf, in dessen Rahmen die Realitätsannahmen, Plausibilitätsstrukturen und die eingebrachten Werte und Urteile ihren Sinn entfalten. Es ist die durch die Genealogie19 intertextuell eingebrachte Ge16
Jüngel, Paulus und Jesus (s. Anm. 2), 135. A. Jülicher, Die Gleichnisreden Jesu. Zweiter Teil: Auslegung der Gleichnisreden der drei ersten Evangelien, Tübingen 21910, 567. 18 Luz, Evangelium nach Matthäus I/2 (s. Anm. 15), 358 f. 19 Vgl. dazu S. Alkier, From Text to Intertext: Intertextuality as a paradigm for reading Matthew, HTS 61 (2005), 1–18; ders., Zeichen der Erinnerung – Die Genealogie in Mt 1 als intertextuelle Disposition, in: K.-M. Bull / E. Reinmuth (Hgg.), Bekenntnis und Erinnerung (FS F. Weiß), RTS 16, Münster 2004, 108–128. Vgl. auch S. Alkier / R. B. Hays (Hgg.), Die Bibel im Dialog der Schriften. Konzepte intertextueller Bibellektüre, NET 10, Tübingen / Basel 2005. 17
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schichte Israels, wie sie in den Heiligen Schriften Israels entfaltet wird. Die Genealogie trägt aber bereits das Problem dieser Geschichte vor. Sie ist nicht nur vom Vertrauen Abrahams geprägt, sondern eben auch durch die Untreue Israels, die ins Exil führte, und durch Ehebruch und Mord, wie sie exemplarisch durch die ergänzenden Angaben bezüglich König Davids erinnert werden. Dennoch handelt es sich um eine geordnete Geschichte, die man in dreimal vierzehn gliedern kann und die damit das absichtsvolle Handeln Gottes erkennen läßt. Die Durchbrechung der stereotypen Formulierung und die umständliche Einführung Jesu am Ende der Genealogie schreibt den Namen Jesus in diese Geschichte ein und zeigt zugleich an, dass mit diesem Jesus etwas anderes einsetzt, das nicht den natürlichen, gewohnten Lauf der Dinge fortsetzt. Die sich anschließende Geschichte seiner Erzeugung gibt dann auch den Sinn seines Auftretens kund. Der Engel spricht zu Joseph: „Sie wird aber einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk erretten von den Sünden.“ (1,21) Der sich anschließende Vers stellt durch die intertextuelle Verknüpfung mit der Prophetie Jesajas klar, dass dieser Jesus deshalb dazu in der Lage ist, sein Volk zu retten, weil er der von Gott durch Jesaja angekündigte Immanuel ist, und auch die Bedeutung dieses Namens ist Programm für den Verlauf der Erzählung des Matthäusevangeliums, was durch die eingebrachte Übersetzung angezeigt wird: „was übersetzt heißt: mit uns ist Gott.“ (1,24 c) Jesus wird Israel von seinen Sünden befreien. Er kann das, weil er der „mit uns ist Gott“ ist. Es ist ihm durch die Erzählung zu folgen, um zu erfahren, wie er seinen Auftrag erfüllt. Aber schon am Beginn des Evangeliums ist klar, dass es um eine Nachfolge geht, die sich am Problem des verfehlten Lebens abarbeitet, in der es also um die Alternative geht, einen Lebensweg zu gehen, der den Werten der Herrschaft Gottes entspricht, wie sie sich in den Heiligen Schriften Israels darstellt, oder eben diesen Weg weiterhin zu verfehlen. Von Anfang an ist der Weg Jesu gefährdet. Die politische Macht in der Gestalt des römischen Vasallenkönigs Herodes trachtet schon dem Kind Jesus nach dem Leben und die ganze rücksichtslose Grausamkeit dieser politischen Macht wird exemplarisch, aber für die gesamte Lektüre des Evangeliums nachhaltig wirksam im Kindermord von Bethlehem dargestellt. Die Königsherrschaft des Herodes steht in kontradiktorischem Gegensatz zur Königsherrschaft Gottes, dessen Repräsentant Jesus, der „Gott mit uns“, ist. Das Matthäusevangelium erzielt seinen narrativen Spannungsbogen durch diese nicht zu vermittelnde konfliktreiche Gegensätzlichkeit und ruft in die Entscheidung. Es gibt keinen dritten Weg zwischen diesen Herrschaftsformen. Um die Königsherrschaft Gottes zu konkretisieren, steht gleich zu Beginn des Wirkens Jesu die Bergpredigt (Mt 5–7). Sie zeigt programmatisch die Werte der Königsherrschaft Gottes auf. Sie setzt mit dem gnadenvollen Zu-
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spruch der Makarismen ein und entwirft damit bereits ein Bild des Reiches Gottes. Darin zählen nicht Macht, Stärke, Besitz und Durchsetzung des eigenen Rechtsanspruchs, sondern Sanftmut, Friedfertigkeit, kindliches Vertrauen zu Gott und Vergebung. Auf der Grundlage des Gnadenzuspruchs der Makarismen geben die Antithesen die Leitlinien exemplarisch zu erkennen, die sich aus der dankbaren Annahme der Gnade Gottes ergeben: Es handelt sich um eine Ethik, die am Recht des anderen orientiert ist, weil der andere ein Geschöpf Gottes ist. Mit der Orientierung am Recht des anderen wird der Sinn des Gesetzes erfüllt, nämlich die Barmherzigkeit und Gerechtigkeit Gottes zum Maßstab der eigenen Lebensführung zu machen. Die Wahl, vor die die Bergpredigt stellt, lautet: „Geht durch das enge Tor ein! Denn das Tor ist weit und der Weg ist breit, der ins Verderben führt, und viele sind es, die durch es hineinkommen! Wie eng ist das Tor und wie mühselig der Weg, der ins Leben führt, und wenige sind es, die es finden.“ (Mt 7,13 f) Tod oder Leben, Verderben oder Ewiges Leben, das ist die Wahl, vor die das Matthäusevangelium als Ganzes stellt. Seine Behauptung ist es, dass nur der Weg, der konform mit den von Jesus vertretenen Werten der Königsherrschaft Gottes ist, in das ewige Leben führt, der Weg der Königsherrschaft aber des Herodes, des Imperium Romanum,20 der Orientierung am Besitz, der Orientierung am eigenen Recht, an eigener Macht und Stärke aber ins Verderben führt. Jesu unbeirrter, der Königsherrschaft Gottes gemäßer Weg führt ihn aber offensichtlich nicht in ein sorgloses und väterlich behütetes Leben, sondern ans Kreuz. Die Königsherrschaft der Mächtigen setzt sich durch. Der Repräsentant der Königsherrschaft Gottes wird als Verbrecher gewaltsam durch das Mordinstrument für solche, die kein römisches Bürgerrecht haben, getötet. Der „Gott mit uns“ stirbt auf Betreiben der Macht habenden jüdischen Repräsentanten am Kreuz der Königsherrschaft des Imperium Romanum. Erst die Erzählung von der Auferweckung Jesu lässt das Buch des Matthäus zum Evangelium werden. Die Auferweckung des Gekreuzigten bestätigt die von Jesu Verkündigung eingebrachten Werte als Werte der Königsherrschaft Gottes, und sie zeigt zugleich die unermessliche, alle anderen Herrschaftsansprüche übersteigende Macht der Königsherrschaft Gottes auf. Doch diese Einsicht wird nicht zwangsläufig durch die Macht der Fakten bewiesen. Nicht nur die jüdischen Repräsentanten, die von den römischen Wachen über das irritierende Ereignis informiert werden, bleiben auf ihrem Weg der eigenen Machtansprüche. Selbst einige Jünger zweifeln, obwohl sie den Auferweckten sehen (vgl. Mt 28,17 b).21 Die Plausibilität der Auferweckung erschließt sich nicht durch die Macht des Faktischen, sondern allein 20
Vgl. dazu W. Carter, Matthew and Empire. Initial Explorations, Harrisburg, Pa. 2001. Vgl. dazu E. Reinmuth, Ostern – Ereignis und Erzählung. Die jüngste Diskussion und das Matthäusevangelium, ZNT 19 (2007) Themenheft Auferstehung, 3–14. 21
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durch das Vertrauen auf die unermessliche Macht der Königsherrschaft Gottes und der damit verbundenen Überzeugung, dass sich diese gültig in den Worten und Taten Jesu zum Ausdruck gebracht hat. Die Auferweckung des gekreuzigten Jesus wird nur dem glaubhaft, der sich mit dem Vaterunser so vertrauensvoll an den barmherzigen und gerechten Gott wenden kann, wie es Jesus anempfohlen hat. Der auferweckte Gekreuzigte wird dann aber durch diesen Machtakt Gottes vom „Gott mit uns“ zum „Ich bin bei Euch bis ans Ende der Welt“ (vgl. Mt 28,20 b). Mit dieser Zuversicht schließt das Matthäusevangelium und eröffnet damit die Geschichte der Präsenz des Auferweckten. Sicherlich kann das Voranstehende nur eine knappe Skizze, einen Entwurf der narrativen Struktur der Theologie des Matthäusevangeliums anbieten. Aber die Botschaft der Gleichnisse wird erst aus einer Gesamtinterpretation des Makrotextes, in dem sie ihre narrative und theologische Funktion erfüllen, angemessen konstruiert. Längst vor Jesu Reich-Gottes-Gleichnissen wird der Leser über das Reich Gottes und seine Umwertung der Werte irdischer Herrschaftsformen etwa durch die Bergpredigt informiert. Nur mit diesem Wissen und dem Wissen darum, dass Jesus ihr Verkünder ist, kann die Königsherrschaft Gottes durch die Gleichnisse entfaltet werden. Das Gleichnis vom Fischnetz bringt die Königsherrschaft Gottes so zur Sprache, dass deutlich wird, dass die je eigene Lebensführung entscheidende Konsequenzen haben wird. Das Gutsein ist kein abstraktes ethisches Prinzip, sondern die Orientierung eines Lebens an den Werten, die das Matthäusevangelium durch die Erzählfigur Jesus repräsentiert. Und diese Werte sind nicht einer abstrakten metaphorischen Theologie geschuldet, sondern einer in der Politik des Alltags wirksamen Lebensführung. Der Kontext des Matthäusevangeliums füllt das Gute und Schlechte, die Unterscheidung zwischen Gerechten und Bösen mit konkreten Handlungsanweisungen, wie sie z.B. in der Bergpredigt entfaltet werden, und ebenso durch die Orientierung an den Handlungen Jesu, seiner heilsamen Zuwendung zu den Verlierern der an menschlicher Macht, Stärke und Besitz orientierten Herrschaftsformen. Auch das wäre nun viel eingehender zu zeigen, doch ich begnüge mich hier mit nur einem Zitat: „Dann wird der König denen zu seiner Rechten sagen: ‚Kommet her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbt das Reich, das Euch von Grundlegung der Welt an bereitet ist. Denn ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben, ich war durstig und ihr habt mich getränkt, ich war fremd und ihr habt mich beherbergt, ich war nackt und ihr habt mich bekleidet, ich war krank und ihr habt mich besucht, ich war im Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen.‘ Dann werden ihm die Gerechten antworten: ‚Herr, wann sahen wir dich hungrig und haben dich gespeist? Oder durstig und haben dich getränkt? Wann sahen wir dich als Fremden und haben dich beherbergt? Oder nackt und haben dich bekleidet? Wann sahen wir dich krank oder im Gefängnis und sind zu dir gekommen?‘ Und der König wird ihnen
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antworten und sagen: ‚Wahrlich, ich sage Euch: Wiefern ihr es einem dieser meiner geringsten Brüder getan habt, habt ihr es mir getan.‘“ (25,34–40)22 Die Gerechten, von denen das Fischnetzgleichnis spricht, sind nicht die, die abstrakt vom Reich Gottes reden, sondern die selbst ohne expliziten Bezug auf das Reich Gottes seinen Werten gemäß handeln. Diejenigen werden vom Matthäusevangelium als Gerechte bezeichnet, die sich dem anderen in seiner Bedürftigkeit zuwenden, nicht weil sie gerecht sein wollen, sondern weil sie das Leiden des anderen berührt. Und die Hölle? Der Feuerofen? Das Verderben? Das Matthäusevangelium ist davon überzeugt, dass nicht nur die Hinwendung zum anderen in das ewige Leben führt, wie es an Jesu Auferweckung ersichtlich wird, sondern dass zur Königsherrschaft Gottes auch seine Machtausübung gegenüber den den anderen verfehlenden Lebensführungen gehört. Die Bösen sind die, die nur auf ihr eigenes Recht, ihren eigenen Wohlstand, ihre eigene Macht zielen, und auch die, die Jesu Namen zwar im Munde führen, aber die Hilfe unterlassen (vgl. Mt 25,41–45). „Und diese werden in die ewige Strafe gehen, die Gerechten aber in das ewige Leben.“ Himmel und Hölle gehören für das Matthäusevangelium zusammen. Beides sind Wirkweisen der Königsherrschaft Gottes. Die Botschaft des Matthäusevangeliums führt in die Entscheidung und zwar in die permanente Entscheidung. Böse-Sein oder Gerecht-Sein sind keine ontologischen Eigenschaften, sondern man erweist sich als böse oder gerecht durch die Lebenspraxis. Der Sinn des Gleichnisses vom Fischnetz ist deshalb auf der pragmatischen Ebene zu beschreiben, oder mit anderen Worten: als seine theologische Rhetorik und Didaktik. Das Gleichnis vom Fischnetz möchte die Rezipienten davon überzeugen, dass nicht schon die erklärte Zugehörigkeit zu einer Gemeinde in das ewige Leben führt, sondern die Lebenspraxis der Nachfolge des auferweckten gekreuzigten Jesus. Darüber dass es im Gleichnis und auch in seiner Deutung nicht definiert, wer gut und schlecht ist, wer gerecht und wer böse ist, fordert es didaktisch geschickt zu einer gründlichen und wiederholten Lektüre auf, um die Werte der Königsherrschaft Gottes zu erfassen, damit sie praktiziert werden. Das Reich Gottes bleibt dabei eine eschatologische Größe. Die Königsherrschaft Gottes wird nicht durch die gerechten Taten als Reich Gottes auf Erden gebaut. Seine Herrschaft ist immer schon da und ereignet sich in der Gegenwart und wird sich auch in der Zukunft ereignen. Auch die Gerichtsbotschaft zeigt auf, dass Gottes Sein im Werden ist.
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Die Übersetzung folgt hier der Zürcher Bibel, Zürich 201991.
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Himmel und Hölle – oder: Wie heute von Gott sprechen? Werden die Gleichnisse isoliert von ihrem Makrotext betrachtet, verlieren sie erheblich an Bedeutungsfülle. Ohne den Kontext der Evangelien würde auch das Syntagma „Königsherrschaft Gottes“ bzw. „der Himmel“ unverständlich bleiben. Die Botschaft der Gleichnisse bleibt unausgeschöpft, wenn man sie als autonome Kunstwerke oder als isolierte Sprachereignisse ausgibt. Auf diese Weise verlieren sie ihre lebenspraktischen Konkretionen. Wer den Kontext der Gleichnisse berücksichtigt, wird auch die Gerichtsbotschaft nicht ausblenden können. Die hypothetische Kontextualisierung in die Verkündigung des historischen Jesus birgt die Gefahr, die Gleichnisse das sagen zu lassen, was man selbst gern hören möchte. Die Sperrigkeit und Unverzehrbarkeit der Schrift hingegen bewahrt das Andere der Botschaft Jesu. Die Materialität der Schrift, die Unbestechlichkeit der Signifikanten vor aller Bedeutungsgebung widerstrebt allen Verkürzungsversuchungen der Interpretationen. Mit Jülicher ist die konkrete Botschaft von der Liebe Gottes in der Differenziertheit der sprachlichen Formen der Gleichnisreden in den Blick zu nehmen und mit Jüngel ihre erkenntnistheoretische Kraft, die davor bewahrt, eines der sprachlichen Zeichen mit der bezeichneten Sache selbst gleichzusetzen. Menschen können nur metaphorisch von Gott sprechen und das gilt auch für die biblischen Schriftsteller. Die Königsherrschaft der Himmel ist ebenso eine Metapher wie der Feuerofen oder die Hölle. Aber wird der Metapher „Königsherrschaft Gottes“ durch die Interpretation der Schrift eine Referenz auf eine Realität zugeschrieben, die über das empirisch und historisch Wahrnehmbare hinausgeht, so auch der Metapher „Hölle“. Wir können ohne Gleichnisse durchaus annäherungsweise und abduktiv beschreiben, worauf diese Metaphern zielen. Und wir müssen das machen, wenn die Pointe der Metapherntheologie kein Glasperlenspiel für Theologen sein soll. Die Metapher des Himmels zielt auf die Überzeugung, dass Gottes Kreativität die allmächtige, umfassende Realität ist, von der aus sich alles Leben erschließt, auch über den Tod hinaus. Wie Gott den Gekreuzigten auferweckt hat und ihn in sein ewiges göttliches Leben hineingeholt hat, so wird er es auch mit dem Geringsten seiner Brüder und der Geringsten seiner Schwestern tun. Die Metapher der Hölle zielt darauf, dass Gott keine Ungerechtigkeit dieser Welt vergessen wird, sei sie auch noch so unbedeutend. Gott ist kein „Schwamm-drüber-Gott“. Es macht einen Unterschied, wie wir im Leben handeln. Und das ist keine Metapher.
Feminist (and other) Reflections on the Woman with Seven Husbands (Mark 12:20–23) A Neglected Synoptic Parable1 Mary Ann Beavis When I published The Lost Coin: Parables of Women, Work and Wisdom, an edited volume of feminist interpretations by women scholars of fifteen parables about women, women’s work, and Divine Wisdom,2 I thought that I had thoroughly mined the gospels (including the Gospel of Thomas) for parables involving women and female imagery.3 However, I realised after the book was published that there was one I had missed: the story of a woman with seven husbands found in all three synoptic gospels (Mark 12:20–23; Matt 22:25–28; Luke 20:29–33). The reason I missed it – and the reason why it has received very little attention from other New Testament scholars – is that it is not presented as a parable of Jesus. Rather, it is framed as a question posed to Jesus by a group of Sadducees as a challenge to the belief in the resurrection, and is usually called “The Question about the Resurrection.” The woman, who is mentioned seven or eight times in the parable4 but passed over by most scholarly commentators on the passage, is the wife of
1 A version of this paper was presented at the Parables of Jesus Conference, Amherst College, Amherst, Ma. April 9, 2005. 2 M.A. Beavis, ed., The Lost Coin: Parables of Women, Work and Wisdom (New York / London 2002). For my own contributions to this work, see “Introduction: Seeking the ‘Lost Coin’ of Parables about Women,” in op. cit., 17–33; “Joy in Heaven, Sorrow on Earth: Luke 15.10,” in op. cit., 39–45; “Making Up Stories: A Feminist Reading of the Parable of the Prodigal Son (Lk. 15.11 b–32),” in op. cit., 98–123. See also my Mark’s Audience: The Literary and Social Context of Mark 4:11–12 (JSNTSup 33; Sheffield 1989). 3 The “woman-parables” covered are: The Woman Seeking a Lost Coin (Luke 15:8–9); The Persistent Widow (Luke 18:2–5); The Wise and Foolish Virgins (Matt 25:1–13); The Patched Garments and Ruined Wine (Mark 2:21–22 and par.); The Bakerwoman and the Lilies of the Field (Matt 13:33 and par.; Matt 6:28–30 and par.); The Woman Carrying a Jar of Meal (Gos. Thom. 97); The Nursing Mother (Gos. Thom. 22); The Abusive Steward (Luke 12:41–45); Parables of Labour and Childbirth (John 3:1–10; 21–22); The Bride (John 3:29); Parables of Divine Wisdom (Matt 23:37–39; Matt 11:28–30; Matt 11:16–29 and par.). 4 The woman is mentioned 7 x in Matthew and Luke; 8 x in Mark.
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the first of seven brothers who died without issue (sperma).5 According to the levirate law (yibbum; Deut 25:5–10), she is obliged to marry the second brother, who likewise dies childless, and so on down the line, until the seventime widow finally dies herself without having produced a child for her first husband. The question posed by the Sadducees after recounting the tale is “in the resurrection [when they rise] whose wife (gyn ) will she be? For the seven had her as a wife” (Mark 12:23). The question that a biblical scholar might ask at this point is whether this little narrative is really a parable. Arguably, it is, since the biblical understanding of parable (mashal, parabol ) includes many different kinds of metaphorical or paradoxical speech – proverbs, riddles, oracles, allegories, similitudes, fables. The anecdote certainly fits C.H. Dodd’s famous definition of a parable as “a metaphor or simile drawn from nature or common life, arresting the hearer by its vividness or strangeness, and leaving the mind in sufficient doubt about its precise application to tease it into active thought.”6 According to Adolf Jülicher’s classification scheme, based on Aristotle’s Rhetoric, the tale can be classified as an exemplary story (paradeigma), as opposed to a similitude (a brief narration of a typical or recurrent event from everyday life), or a parable proper (a short narrative about a one-time, fictitious event, similar to an Aesopic fable). Aristotle distinguished between two kinds of paradeigmata: illustrations from famous historical events (cf. Luke 13:1–5); and invented stories illustrating some quality or behaviour. The NT parables generally identified as belonging to this genre, all in Luke, include the Good Samaritan (Luke 10:30–35); the Rich Fool (Luke 12:16–20); the Pharisee and the Publican (18:10–13); and the Rich Man and Lazarus (16:19–31). In their Lucan contexts, these stories are clearly construed as exemplary: Of neighbourliness: “Which one of these three, do you think, was a neighbor to the man who fell into the hands of the robbers?” (Luke 10:36). Of spiritual imprudence: “So it is with those who store up treasures for themselves but are not rich toward God” (Luke 12:21). Of spiritual pride: “He also told this parable to some who trusted in themselves that they were righteous and regarded others with contempt” (Luke 18:9). Of the hard-heartedness of the rich: “He said to him, ‘If they do not listen to Moses and the prophets, neither will they be convinced even if someone rises from the dead’” (Luke 16:31).7
5 E.g., C.S. Mann’s coverage of this passage in the Anchor Bible commentary does not mention the word “woman” once (Mark: A New Translation with Introduction and Commentary [AB 27; Garden City, N.Y. 1986], 473–476). 6 C.H. Dodd, The Parables of the Kingdom (New York 1961), 16. 7 Unless otherwise indicated, English quotations of scripture are from the NRSV.
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If my identification of Mark 12:20–23 as an exemplary story is apt, it is the only one in the gospels that is not distinctively Lucan.8 In all three synoptic gospels, the story is offered by the Sadducees as an example, based on the application of Torah, that is supposed to prove the absurdity of the belief in the resurrection; in Matthew, it is presented as a situation that had actually arisen in the Sadducee community (par’ h min; Matt 22:25). Jesus easily foils his opponents by demonstrating his superior knowledge of Torah and “the power of God” (Mark 12:24; Matt 22:29; Luke 20:34–38). Contrary to the Sadducees’ assumption, in the life to come there will be no marriage; Jesus’ ingenious interpretation of Exod 3:6 (“I am the God of Abraham, the God of Isaac, and the God of Jacob”) demonstrates that the patriarchs are living, not dead. Apart from the requisite sections in commentaries on the synoptic gospels, the story of the woman with seven husbands has attracted little scholarly attention. It is not included in academic books on the parables, and very few articles have been published on it.9 In this chapter, the story will be interpreted from four perspectives. First, in keeping with the approach pioneered in my 1990 article “Parable and Fable,”10 I shall juxtapose the parable with widow fables in the Aesopic tradition. Second, I shall ask the question of how an ancient Greco-Roman reader would have interpreted the parable.11 Third, I will place the parable in the context of its Jewish parallels, with particular reference to the Mishnaic tractate Yebamot. Finally, I shall offer the feminist interpretation that I neglected to include in The Lost Coin. Throughout, my focus will be mostly on the Marcan version of the parable, although the Matthean and Lucan parallels will be considered.
1. Widows in Fable and Bible In general, it can be said that women are portrayed in highly sexualized terms in the Aesopic fable tradition.12 A few of the less salacious examples will make the point. The fable of “Juno, Venus, and the Hen” portrays all 8 It should be noted that several scholars have questioned the usefulness of the distinction between parables and example stories; see especially J.T. Tucker, Example Stories: Perspectives on Four Parables in the Gospel of Luke (JSNTSup 162; Sheffield 1998). 9 P.C. Bolt, “What were the Sadducees Reading? An Enquiry into the Literary Background of Mark 12:18–23,” TynBul 45 (1994): 369–394; J.J. Kilgallen, “The Sadducees and Resurrection from the Dead: Luke 20:27–40,” Bib 67 (1986): 478–495. 10 M.A. Beavis, “Parable and Fable,” CBQ 52 (1990): 473–498. 11 See Beavis, Mark’s Audience (n. 2). 12 The fable collection used in this paper is B.E. Perry, ed., Babrius and Phaedrus (LCL 436; Cambridge, Mass. / London 1965). Phaedrus is the oldest extant fable collection (Latin), dating to the reign of Tiberius (14–37 C.E.); the Greek collection of Babrius was compiled shortly afterward (Perry, Babrius and Phaedrus, xi).
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women other than the goddess Juno as lustful, as the hen is for grain.13 Phaedrus’ collection includes an anecdote about a woman undergoing the pains of childbirth who refuses when her husband urges her to relieve herself by lying on their bed because she is not convinced that her troubles can be ended in the place where they began.14 A Babrian fable relates Aphrodite’s anger at an ugly slave girl who worships the goddess and snubs her mistress because the master of the house is besotted with her, and concludes with the epimythium: “Every man who rejoices in ugly things as though they were fair and good is god-cursed and blind of heart.”15 There are two notable fables about widows in the Aesopic tradition, both of which portray bereaved women as gullible and inclined to promiscuity. The Life of Aesop contains a story about a woman weeping copiously beside the tomb of her husband. A ploughman comes along, and gains her sympathy by lying about his own wife’s recent death. As they are having sex, someone comes along and drives off the man’s oxen, which, the fable concludes, really gives him something to cry about.16 A better-known anecdote is found both in Perotti’s Appendix to Phaedrus17 and in an embroidered form in Petronius’ Satyricon (111–112) under the title “The Widow of Ephesus.”18 The simpler, Phaedrian fable is about a widow famed for her chaste devotion to the memory of her husband, so distraught by his death that she could not be torn away from his tomb, where she spent all her days mourning. A soldier guarding a nearby crucifixion site catches a glimpse of the widow and is consumed with lust for her, finds excuses to visit her, and gradually overcomes her resistance to his advances. During one of their trysts, the body of one of the crucified criminals disappears, thus placing the guard’s life in danger. The woman saves her lover by callously handing over her husband’s body to be hung up on the cross. The epimythium concludes (in Perry’s translation): “Thus did infamy take by storm the stronghold of fair fame.” In Petronius, the widow story is presented as an example of “how no woman was so chaste that she could not be led away into utter madness by a passion for a stranger” (Satyricon 110). Compared to the lascivious portrayal of widows in the Aesopic material, the sympathetic attitude to widows (almanah, ch ra) in the biblical tradition
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Perry, Babrius and Phaedrus (n. 12), 387–389. Perry, Babrius and Phaedrus (n. 12), 213–215. 15 Perry, Babrius and Phaedrus (n. 12), 17. 16 Perry, Babrius and Phaedrus (n. 12), 493. 17 A 15 th century collection attributed to the archbishop of Siponto, containing 64 fables attributed to Phaedrus, 30 of them unknown, when the text was discovered at the beginning of the 18 th century in Parma (online edition of the 1911 edition of the Encyclopedia Britannica; http: / /19.1911 encyclopedia.org / P / PH / PHAEDRUS.htm). 18 M. Heseltine and W.H.D. Rouse, eds., Petronius, Seneca (LCL; Cambridge, Mass. / London 1975), 269–277. 14
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is somewhat refreshing.19 However, the divine compassion expressed for widows in the scriptures is an artefact of their tenuous legal position. Basing her comments on G. Stählin’s TDNT article, Bonnie Bowman Thurston observes: “The main plight of widows was in the legal sphere.” In contrast to the Babylonian, Hittite, and Assyrian codes of law, the Hebrew code made no provision for the widow, except in the case of levirate marriage. In every other code, the widow had rights of inheritance, “but in Hebrew legislation, she is passed over completely.” In the Old Testament, the widow’s lot was so unhappy and piteous that undue severity against her was prohibited and, along with strangers, orphans and the poor, she was commended to the charity of the people.20
Over against the apparently dismal picture of the lot of Israelite / Jewish widows, Thurston concedes that the Deuteronomic code contains some specific stipulations for the provision and assistance of widows: … every three years the widow is to receive a portion of the tithe of produce (Deut. 14:28–29); her garment is not to be taken in pledge (Deut. 24:17–18); she is to be invited to meals at public festivals (Deut. 16:11, 14); and she is allowed to glean in the vineyards and fields (Deut. 24:19–24; cf. Ruth). Since the widow apparently wore special clothing (Gen. 38:14, 19), ignorance was no excuse in the matter of the protection of widows.21
By rabbinic times, the Jewish marriage contract (ketubah) often contained provisions for the support of the widow, who could not inherit her husband’s estate, but could be “admitted to the enjoyment of his estate without restriction.”22 Nonetheless, the prophetic image of God as the protector of widows (Isa 1:17; 10:2; Jer 7:6; 22:3; 49:11; Ezek 22:7; Zech 7:10; Mal 3:5) – and as widow-maker (Isa 47:8; Jer 15:18; 18:21) – undoubtedly reflects their legally and socially disadvantaged status at many times and places in Israelite / Jewish history. The Lucan parable of the Persistent Widow (Luke 18:2–5) testifies both to the vulnerability and strength of such women in a patriarchal society, and to theme of divine preference for almanoth.23 In contrast to the weak and lustful widows of the fables, the woman with seven husbands appears to be a paragon of Jewish virtue. She dutifully marries all the brothers and repeatedly suffers widowhood according 19 E.g., Exod 22:22; Deut 10:18; 24:16–21; 26:12–13; 27:19; Ruth 1–4; 1 Kgs 17:8–24; Ps 146:9; Isa 1:17; Jer 7:6; 22:3; Zech 7:10; Jdt 7–16; Mark 12:40 and par.; 12:41–44 and par.; Luke 2:36–37; 7:11–16; 18:1–8) 20 B.B. Thurston, The Widows: A Women’s Ministry in the Early Church (Minneapolis 1989), 13–14. 21 Thurston, Widows (n. 20), 14. 22 L.M. Epstein, The Jewish Marriage Contract: A Study of the Status of the Woman in Jewish Law (New York 1973), 176. 23 See M.W. Matthews, C. Shelley and B. Scheele, “Proclaiming the Parable of the Persistent Widow (Lk. 18.2–5),” in Beavis, ed., Lost Coin (n. 2), 46–70.
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to the stipulations of Torah, in the hope that she will bear her first husband an heir. Likewise, the six brothers conscientiously marry the widow, the birth of whose son might diminish the inheritance of the other offspring of the brothers-in-law.24 However, as John J. Kilgallen notes, the Lucan version of the parable particularly emphasizes the forced nature of the multiple marriages;25 unless the living brothers are all willing to release her, the woman is obligated by law to be married seven times whether she likes it or not. Kilgallen surmises that the Sadducees’ question, “in the resurrection, whose wife will she be?”, is asking “who of the seven husbands will be the one to raise up a male heir from this woman” in the life to come,26 implying that even in the afterlife, the woman will be obligated to try to produce an heir.27 Despite the Sadducees’ veneer of concern for the application of the law, then, the parable presents a disturbing picture of a woman at the mercy of a system of religious law that views her as a passive breeder with no choice but to be “given in marriage,” possibly even in the resurrection.
2. The Parable and Ancient Readers In Jesus’ Defeat of Death: Persuading Mark’s Early Readers, Peter G. Bolt uses a form of reader-response criticism inspired by my approach in Mark’s Audience (see n. 2 above). Whereas I combined reader-response with ancient rhetoric, Bolt blends it with “social description of relevant aspects of the first-century Graeco-Roman world”28 specifically, the tenuousness of life and the fear of magic among Mark’s “real-life” readers. Surprisingly, considering the troubles experienced by the family in the parable, Bolt does not mention magic in his comments on Mark 12:18–27.29 On the one hand, from an ancient Jewish perspective, the family has been abundantly blessed by God: they have seven sons. On the other hand, they are extremely unfortunate: all of the sons die, as does the widow, without producing an heir for the eldest. While there is no indication in the story whether the sons have 24 See T. Frymer-Kensky, “Deuteronomy,” in The Women’s Bible Commentary (eds. C.A. Newsom and S.H. Ringe; London / Louisville 1992), 60–61. 25 Kilgallen, “Sadducees and Resurrection” (n. 9), 479, 484. 26 Kilgallen, “Sadducees and Resurrection” (n. 9), 484. Kilgallen does not acknowledge that the daughters of a man who dies without sons could inherit (Num 27:1–11). 27 On Pharisaic belief in marriage in the afterlife, see F.M. Gillman, Herodias: At Home in That Fox’s Den (Collegeville 2003), 46, citing Josephus, Ant. 17.351–353; J.W. 2.115–116). Josephus tells the story of Glaphyra of Cappadocia who incestuously marries the half-brother of her deceased husband. The first husband appears to her in a dream, accusing her of her sin, and promising to make her his own in the afterlife. A few days later, Glaphyra dies, presumably to be reunited with her legitimate spouse. 28 P.G. Bolt, Jesus’ Defeat of Death: Persuading Mark’s Early Readers (SNTSMS 125; Cambridge 2003), 2 n. 7. 29 Bolt, Jesus’ Deafeat of Death (n. 28), 249–250. Bolt connects the controversy to Jesus’ proclamation of the kingdom of God, which presupposed the resurrection of the dead.
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children from other marriages, the sparse narration of the tale leaves the impression that the family is left entirely without progeny. An ancient reader, Jewish or Gentile, might surmise that the family is suffering the effects of a magical curse,30 or perhaps afflicted by evil eye (cf. the reference to ho ophthalmos pon ros in Mark 7:22).31 A family with seven sons would be especially prone to the envy (baskania) believed to activate the evil eye, which, as John H. Elliott observes, was a dreaded force in the ancient world.32 Aaron Brav notes that in Jewish folk tradition, the eye is believed to be the haunt of “numerous evil spirits … which at certain occasions, under provocation, may do harm to others, cause disease and even death.”33 References to the evil eye in both the Jewish and Christian scriptures indicate that the belief was current in early Judaism and Christianity (see Deut 15:9; 28:54, 56; Prov 23:1–8; 28:22; Sir 14:8–10; Matt 20:15 [cf. Matt 6:23; Luke 11:34]; Mark 7:22; Gal 3:1). Women were believed to be particularly apt to have the evil eye (as well as the good eye).34 In the midrashic literature, Sarah’s evil eye is said to have caused Hagar to miscarry; later, she overlooked Ishmael, thus making him sick with a fever.35 Even as great a personage as Queen Esther is said to have used her evil eye to make the king jealous of her and Haman, so that he would kill both Haman and herself.36 One rabbinic saying holds that the evil eye can be avoided if one’s firstborn is a daughter, possibly because the child will not be envied, as she has no inheritance rights, or because the family will not be envied, due to the misfortune of having a daughter rather 30
On curses inflicted on families, see Bolt, Jesus’ Defeat of Death (n. 28), 161 n. 100. A Matthean parable that explicitly mentions the evil eye is Matt 20:1–15; see J.H. Elliott, “Matthew 20:1–15: A Parable of Invidious Comparison and Evil Eye Accusation,” BTB 22 (1992): 52–65; see also Elliott’s “The Fear of the Leer: The Evil Eye from the Bible to L’il Abner,” Foundations and Facets Forum 4 (December 1988), 42–71. 32 Elliott, “Evil Eye” (n. 31), 62. 33 A. Brav, “The Evil Eye among the Hebrews,” in The Evil Eye: A Folklore Casebook (ed. A. Dundes; New York / London 1981), 50. 34 This is not necessarily a misogynistic belief, as certain respected rabbis were regarded as having the evil eye: “Simeon ben Yohai and the popular amora R. Johanan could, with a look, transform people into a heap of bones (Pesik. 90 b, 137 a; B.M. 84 a; B.K. 11 a; see Blau, ‘Das Altjüdische Zauberwesen,’ p. 50). According to R. Eliezer (Sanh. 93 a), Hananiah, Mishael, and Azariah, after they had been rescued from the fiery furnace, were killed by the many eyes which were directed at them in astonishment. ‘When R. Eliezer ben Hyrcanus was shut out of the place of teaching, every spot upon which he turned his eye was burned up; even a grain of wheat upon which his glance fell was half burned while the other half remained untouched, and the pillars of the gathering-place of the scholars trembled’ (B.M. 59 b; Shab. 33 b)” (see http://www.jewishencyclopedia.com/view.jsp?artid=531&letter=E). Cf. the story of the withering of the fig tree, where Jesus destroys the barren tree with his word, rather than with his glance (Mark 11:12–14, 20; Matt 21:18–20). 35 Midrash Bereshit Rabbah 45:5. 36 See B. Kern-Ulmer, “The Power of the Evil Eye and the Good Eye in Midrashic Literature,” Judaism 40 (1991): 344–353. Cf. Midrash Megillah (Ogar Midrashim, 60 b); Talmud, Megillah 15 b. 31
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than a son.37 The woman who survives all her husbands might thus be suspected of voluntarily or involuntarily casting the evil eye on them, perhaps out of jealousy of their other wives and children,38 or of some other form of witchcraft.39 In this case, the parable would be a sort of “accursed widow” tale (cf. Gen 38:11; Tob 3:7–9), recast as a legal puzzle for Jesus decisively to illumine.
3. The Parable and the Mishnah Several scholars have looked for literary antecedents for the parable of the woman with seven husbands. Peter Bolt argues that it draws from the book of Tobit, specifically the story of Sarah and her seven demonically murdered husbands.40 Another suggestion is that the parable draws from the Maccabean tale of the mother and her seven martyred sons (2 Macc 7; 4 Macc 8:3–16:1).41 However, a richer and more plausible source of literary parallels is the Mishnaic tractate Yebamot (“Sisters-in-Law”), about a third of which is made up of case studies relevant to levirate marriage.42 Contrary to Thurston’s assertion that “the widow was expected to wait for levirate marriage … or a public refusal before she could remarry outside her husband’s family”,43 the levirate law only applied in very specific circumstances: when brothers dwelt together,44 when a woman’s husband had died without an heir by any of his wives, concubines or other women (Deut 25:5), when an eligible brother-in-law wanted to marry the widow (Deut 25:7–10), and when there was no kinship tie between the widow and her brother-in-law that would result in an incestuous union (e.g., if the brother-in-law was already married to the widow’s sister).45 According to Tal Ilan, in the Second Temple period, “levirate marriage was more frequently practised than 37
Babylonian Talmud, Bava Batra 141 a. Cf. Kern-Ulmer, “Evil Eye” (n. 36). On women’s susceptibility to evil eye accusations in the Middle East in the late twentieth century, see B. Spooner, “The Evil Eye in the Middle East,” in Witchcraft Confessions and Accusations (ed. M. Douglas; London 1970), 315. Spooner lists barren women as among those particularly liable to suspicion. 39 On Jewish women and witchcraft, see T. Ilan, Jewish Women in Greco-Roman Palestine (Peabody, Mass. 1995), 221–225. 40 Bolt, “Sadducees” (n. 9); This interpretation seems implausible, since the idea of resurrection is not prominent in Tobit, and there is no hint that Sarah is bound to her seven bridegrooms by any kind of levirate obligation. 41 See Bolt, “Sadducees” (n. 9), 371–373. 42 See J. Neusner, The Talmud of the Land of Israel 21: Yebamot (Chicago 1987), 21–97. 43 Thurston, Widows (n. 20), 13. As noted above, Stählin makes a similar claim (“ch ra,” 440). 44 I.e., when they had not divided their patrimony; see C. Pressler, “Levirate Marriage,” in Eerdmans Dictionary of the Bible (Grand Rapids, Mich. / Cambridge, UK 2000), 803. 45 See J. Neusner, A History of the Mishnaic Law of Women, Part One: Yebamot, Translation and Explanation (Leiden 1980), 6–8, 22–70. 38
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halitzah, the rite by which a man renounces any intention of marrying his deceased brother’s widow. … in the tannaitic period, the situation was reversed and halitzah was practised instead of yibbum.”46 That is, by the time the Mishnah was compiled, levirate marriage was seldom if ever practiced,47 possibly because the custom came perilously close to incest (Lev 18:16),48 or simply because it was an outdated practice that might necessitate polygyny.49 Yebamot (1:1–5:6, 12:1–13:13) contains numerous case studies that are reminiscent of the parable of the woman with seven husbands, e.g., Three brothers married to three unrelated women, and one brother died – these perform the rite of halisah and do not enter into levirate marriage, since the levirate tie is to a single brother-in-law and not to two brothers-in-law.50 Four brothers married to four women and they died, leaving more brothers – if the oldest surviving brother wanted to take all four widows into levirate marriage, he has the right to do so. He who was married to two women and who died – the levirate marriage or halisah of one exempts the co-wife from further connection.51
Although none of the cases deal with the issue of marriage in the afterlife, chs. 15–16 discuss the status of a woman whose husband is presumed to be dead, e.g., A woman whose husband and co-wife went overseas, and they came and said to her, “your husband has died,” should not remarry without halisah or enter into levirate marriage until she ascertains whether her co-wife is pregnant. But she does not have to wait on the pregnancy of her mother-in-law, to see whether a levir will come afterward.52
It is plausible to speculate that such case studies were current prior to 70 C.E., and that the Sadducees were inclined to mock the Pharisaic fascination with hypothetical legal conundrums. In this instance, the parable would be a parody of the kind of material preserved in Yebamot. This is especially likely considering the exaggerated scenario presented by the case: the family is both perfectly blessed and horribly cursed; the woman and her brothers-inlaw are scrupulously righteous, to no avail. A simple story about the widow of two husbands would have made the same point: which one would she be married to in the resurrection?
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T. Ilan, Jewish Women (n. 39), 155. See Ilan, Jewish Women (n. 39), 152–157; W.G. Plaut, The Torah: A Modern Commentary (New York 1981), 1511–1512. Plaut asserts that levirate marriages were performed “well into Mishnaic times.” 48 Plaut, Torah (n. 47), 1511. 49 Ilan, Jewish Women (n. 39), 155. 50 Neusner’s summary of Yebam. 3:9 (Neusner, Yebamot [n. 42], 8). 51 Neusner’s summary of Yebam. 4:11 (Neusner, Yebamot [n. 42], 9). 52 Neusner’s summary of Yebam. 16:1 (Neusner, Yebamot [n. 42], 17); cf. Ruth 1:11–13. 47
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4. Feminist Commentary There has not been much feminist interpretation of Mark 12:20–23 and its parallels. The two standard one-volume feminist bible commentaries give the parable some coverage: Amy-Jill Levine discusses it in her chapter on Matthew in the Women’s Bible Commentary,53 but it is not singled out for comment in the chapters on Mark or Luke. In Searching the Scriptures, Joanna Dewey devotes a brief paragraph to Mark 12:18–27;54 Turid Karlsen Seim gives Luke 20:27–38 the most extensive coverage.55 Dewey observes that the issue in Mark 12:18–27 is the question of whose property the woman will be in “heaven,” but “Jesus is shown affirming the equal status of women with men on earth and in heaven.”56 However, the Marcan story is not about the status of the woman in heaven, but in the resurrection. More importantly, Jesus’ pronouncement does not apply to women’s lot in this age; it is only in the resurrection that men do not marry (gamousin) and women are not given in marriage (gamidzontai) (Mark 12:25). Levine, who, as in this chapter, refers to the story as “The Woman with Seven Husbands,” notes that the Sadducees’ question is partly designed to trick Jesus into condoning “a woman’s having multiple husbands,”57 implying that Jesus had a preference for univiracy. Seim’s comment on the Lucan version regards it as “a key to understanding the ascetic position of Luke.”58 According to Seim, the Sadducees see levirate marriage as a kind of “resurrection,” in that it is a raising up of posterity for the eldest son.59 Luke’s version of the passage is unique in that vv. 34–37 a is an independent little treatise on the ethos of immortality. … The opposition between the present age of death and the age to come after resurrection is anticipated and already visible in the difference between the sons of this age and those who are accounted worthy to attain to resurrection and the age to come. … While the sons of this age marry and let themselves be married, this is not so with the sons of God; they do not enter into marriage.60
Seim also notes the Lucan use of the rare middle form of the verb “to marry” (gamidzontai), which is usually translated as a passive, but actually makes women the subject: “they let (or do not let) themselves be taken in 53 A.-J. Levine, “Matthew,” in The Women’s Bible Commentary (eds. C.A. Newsom and S.H. Ringe; London / Louisville 1992), 252–262, here: 260. 54 J. Dewey, “Mark,” in Searching the Scriptures: A Feminist Commentary (ed. E. Schüssler Fiorenza; New York 1994), 470–509, here: 499. 55 T.K. Seim, “The Gospel of Luke”, in Schüssler Fiorenza, ed., Searching the Scriptures (n. 54), 728–762, here: 758–761. 56 Dewey, “Mark” (n. 54), 499. 57 Levine, “Matthew” (n. 53), 260. 58 Seim, “Luke” (n. 55), 758. 59 Seim, “Luke” (n. 55), 758–759. 60 Seim, “Luke” (n. 55), 759.
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marriage.”61 For Seim, this passage typifies an ascetic strain in Luke that has both benefits and drawbacks for women. Negatively, the promise of immortality takes away patriarchal men’s need for women to bear offspring. Positively, asceticism gives women “an opportunity to move outside the limiting constraints of their conventional roles as daughter, wife, and mother.”62 This minimal feminist commentary on this story can begin to be augmented by applying the feminist hermeneutical perspectives articulated by Elisabeth Schüssler Fiorenza to the story.63 First, a hermeneutic of suspicion, which inquires as to how a biblical text can be oppressive to women. If, as Tal Ilan holds, levirate marriage was still practised during Jesus’ time, and if the passage reflects an authentic encounter between some Sadducees and Jesus, Jesus’ response is open to feminist critique. Granted, the reply includes both women and men as heirs of the life to come, but it seems an inadequate response to an anachronistic and potentially oppressive practice that entailed forced marriage, especially for women (since the levir could legally refuse to marry the widow, if he was willing to undergo chalitzah, but the woman had no choice in the matter), and treated widows as incubators for their first husbands’ potential heirs. Compared to the rabbinic treatment of the legislation, which made chalitzah rather than levirate marriage the norm,64 Jesus’ relegation of the abolition of levirate marriage (and marriage in general) to the afterlife seems unsatisfactory. Of course, the emergent ancient (Gentile) Christian preference for asceticism and the tendency to set aside Torah led to a similar result; there is no record of Christians observing the levirate law.65 A hermeneutic of suspicion is also in order with respect to the scholarly explication of the nature of levirate marriage (mostly by Christian scholars) that is often found in commentary on this narrative, both feminist and nonfeminist. The description offered by Elizabeth Struthers Malbon in a standard feminist reference work is typical: “This law provides that a surviving brother should marry the widow and raise up children for his brother.”66 61
Seim, “Luke” (n. 55), 759. Seim, “Luke” (n. 55), 760. These are a hermeneutics of suspicion, a hermeneutics of proclamation, a hermeneutics of remembrance, and a hermeneutics of ritualization and celebration (see E. Schüssler Fiorenza, But She Said: Feminist Practices of Biblical Interpretation [Boston 1992], 20–50). 64 See Frymer-Kensky, “Deuteronomy” (n. 24), 61; Plaut, Torah (n. 47), 1511–1512; E. Frankel, The Five Books of Miriam: A Woman’s Commentary on the Torah (New York 1996), 284; J.S. Antonelli, In the Image of God: A Feminist Commentary on the Torah (Northvale, N.J. / London 1995), 107–108. It should be noted that for Orthodox Jewish women, a brotherin-law’s refusal to release her can still be a problem. 65 Although it is possible that the practice survived among early Torah-observant Christians. 66 E.S. Malbon, “Mark 12:18–25: Woman Married to Seven Brothers in Succession,” in Women in Scripture: A Dictionary of Named and Unnamed Women in the Hebrew Bible, the Apocryphal / Deuterocanonical Books, and the New Testament (ed. C. Meyers; Grand Rapids, Mich. 2000), 431. See also Thurston, Widows (n. 20), 13. 62 63
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As noted above, this is not an accurate depiction of the levirate law and its application; it applied only to the widow of a man with no progeny, male or female, by any woman, not to widows in general. Although the law was intended to preserve the inheritance of the firstborn son, as Carolyn Pressler notes, it may have offered some benefits to the widow: One purpose of this law may be to protect the widow by providing her with the social status and economic security of marriage and a child. … The law assumes that the widow is an agent, not merely an object. She can bring a complaint to court and can perform legally binding ritual acts.67
It should also be noted that levirate marriage is not distinctive to Judaism but is, as Pressler observes, a cross-cultural custom.68 Commentators virtually never mention that the custom was discontinued in the rabbinic period. The unfortunate result of the truncated and distorted description of levirate marriage in commentary on this passage is a naïvely anti-Jewish portrayal of the levirate law as one of the many miserable prospects – in this case forced marriage – facing Jewish widows in biblical times. While the law is fundamentally androcentric, and potentially oppressive, its impact in ancient Israel may have been beneficial to some widows, although its application was extremely limited. The second of Schüssler Fiorenza’s feminist hermeneutical perspectives is a hermeneutics of proclamation, which recognizes the ongoing power of the bible to shape the believing community and demands that texts promoting sexism or patriarchy no longer be proclaimed in the context of worship.69 Of course, this strategy should include the avoidance of interpretations of texts in sexist, patriarchal, or otherwise oppressive ways. The Marcan and Matthean versions of the parable are not included in the Sunday readings in the Revised Common Lectionary, but Luke 20:27–38 is the reading for the 24 th Sunday after Pentecost.70 The presence of this passage in the lectionary certainly provides the opportunity for homiletical explication of the androcentric and patriarchal context of the story, but it also is a text featuring a Jewish woman character that demands feminist proclamation.71 Thirdly, as Barbara E. Reid notes, “A Hermeneutics of Remembrance reclaims the struggles of women of past decades and attempts to reconstruct 67 C. Pressler, “Deut 25:5–10: Wife in Levirate Marriage”, in Meyers, ed., Women in Scripture (n. 66), 234. Victor P. Hamilton notes that in the Ancient Near East, the custom is cited in Ugaritic, Hittite, Middle Assyrian and possibly Nuzi texts (“Marriage [OT and ANE],” ABD 4, 567). 68 Pressler, “Levirate Marriage” (n. 67), 803. 69 As noted by B.E. Reid, Choosing the Better Part? Women in the Gospel of Luke (Collegeville, Minn. 1996), 9–10. 70 See http://www.crivoice.org/lectionary/lectionlistgs.html. 71 On the tendency of lectionary readings to exclude passages about women, see R. Fox, OSB, “Women in the Bible and the Lectionary” (http://www.cta-usa.org/reprint6–96/fox. html).
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their history. It is conscious that the canonical Scriptures relate only part of the experience of the early Church. It searches for clues and allusions that indicate the reality of women’s experience about which the text is silent.”72 In the context of the faith community, remembrance and proclamation are complementary, as women are recalled, invoked and evoked through scripture reading, interpretation and preaching. For example, although the woman of the parable appears to be a passive victim of misfortune within a patriarchal family system that values her primarily as the mother of an heir for the firstborn son, as a partner in levirate marriage, she belongs to the venerable biblical tradition of women who faithfully fulfilled the obligation of Torah to bear an heir for their deceased husbands that includes the righteous Tamar (Gen 38:26) and the worthy Ruth (Ruth 4:15), both of whom appear in Matthew’s genealogy of Jesus (Matt 1:3, 5). Unlike her biblical predecessors, the woman of the parable is vindicated not by the birth of a child, but by her share in the resurrection.73 Finally, the hermeneutics of ritualization and celebration points to the role of women’s creativity and active role in infusing the biblical story with feminist meaning. This both involves the retelling of the stories of biblical women from a feminist perspective,74 and for the use of the creative arts – music, art, dance, poetry – to “liberate the imagination from the confines of a patriarchal worldview.”75 How might the Woman with Seven Husbands be brought to life in ritual and art in a contemporary Christian feminist setting? One of many possible approaches is inspired by the work of Carol Rose, a Jewish Canadian feminist spiritual teacher, writer and poet. Her poem about another biblical woman whose story involves a form of levirate marriage is quoted below, followed by my poem about the Woman with Seven Husbands, whom I have named “Sheva” (Hebrew for “seven”): ruth Trusting your Mother As you journey to her home Joining the nation You’ve chosen as your own. Gleaning their rich fields From corners as decreed Filling your apron With forgotten sheaves. Lying on the threshing floor Beneath shekinah’s wings 72
Reid, Choosing the Better Part? (n. 69), 10. Cf. Malbon, “Mark 12:18–25” (n. 66), 432. 74 See, e.g., A. Brenner, I Am …: Biblical Women Tell Their Own Stories (Minneapolis 2004); B. Santor, Some Women Amazed Us: Biblical Studies from a Christian Feminist Perspective (Grand Bend, Ont. 2003). 75 Reid, Choosing the Better Part? (n. 69), 10. 73
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Healing ancestral wounds Refreshing ancient springs. Harvesting redeemers From lines long entwined Birthing a future Divinely aligned.76 sheva Faithfully upholding Torah of ancient times Seven times married And widowed seven times Trusting in G*d through mourning, scorn and shame, disappointments, miscarriages barren was your name. Like Matriarchs before you – Sarah, Rivkah, Rachel, Tamar, Naomi, Ruth, Samson’s mother, Hannah – you waited for the time when your offspring would renew the family line. Were you disappointed that the baby never came? Or did you know that you would live again, and that someday women would remember your name?77
5. Conclusions The parable of the “Woman with Seven Husbands” is an exemplary story related to the legal case studies in the Mishanic tractate Yebamot. Since the synoptic gospels attribute it to Jesus’ Sadducee opponents, it has received much less attention from scholars – including feminist scholars – than the parables attributed to Jesus. Unlike the Aesopic fable tradition, which tends to portray women, and especially widows, as lustful and easily seduced, the woman in the parable is a paragon of virtue who marries the seven brothers in obedience to the law of Moses. She, and the family into which she has 76 C. Rose, Walking the Motherpath: A Set of Poetry and Visuals Designed to use the Biblical Mothers as Models for Growth and Transformation (with L.-A. Lynde; Winnipeg 1987). Lu-Ann Lynde is an artist whose drawings accompany the poems – all based on biblical women – by Rose. 77 Original poem by Mary Ann Beavis.
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married, are also extremely unfortunate, so much so that an ancient reader might see them as victims of magical attack, or even view the widow as the cause of the deaths of her husbands. Perhaps more significantly, the question about the woman with seven husbands is quite possibly a Sadducean parody of Pharisee case study of the kind found in Yebamot – an example of legal material pertaining to the practice of levirate marriage that predates the Mishnah by several centuries. For a feminist reader, the parable is somewhat disturbing. Although in each synoptic version the woman, like her husbands, is promised an angelic state in the resurrection, there is no hint of criticism in any version of the parable of the levirate law, which is surprising in view of the liberal statements attributed to Jesus on purity codes, marriage and divorce (e.g., Mark 7:1–22; 10:2–12 and par.). Also disappointing is the naïve anti-Judaism of some feminist scholars, who have overstated the plight of Jewish widows in antiquity, and misunderstood the scope and application of levirate marriage, which was only practised under very specific circumstances (and was soon to be set aside by rabbinic authorities when the gospels were written). As noted above, there is much scope for further feminist (and non-feminist) commentary on the parable. The scholarly neglect of this story is an intriguing example of what Mary Ann Tolbert has described as the confusion of the speaker (Jesus) with that which is spoken (the parables).78 Since the story, which is arguably a kind of parable, is attributed to a group of Sadducees and not to Jesus, it has been overlooked by generations of parable interpreters. Even feminist exegetes have neglected to comment on the tale, which, among its other features, is a parable whose central character is a woman.
78 M.A. Tolbert, Perspectives on the Parables: An Approach to Multiple Interpretations (Philadelphia 1979), 42–43.
Jesus, Kafka und die Gräuel des 20. Jahrhunderts Gleichnishermeneutik nach der Shoah Tania Oldenhage 1972 erschien in den Vereinigten Staaten ein Aufsatz mit einem für die damalige Zeit recht provokativen Titel: „Jesus and Kafka“.1 Der Autor war der inzwischen verstorbene Neutestamentler Robert W. Funk. Der Aufsatz beginnt mit einer Meditation über verschiedene Kafka-Texte und endet mit der Frage, ob Kafka unser Verständnis jesuanischer Gleichnisse möglicherweise verändern kann: „[D]oes Kafka modify the way we read Jesus?“2 Funk lässt die Frage offen, doch es ist nicht schwer, zwischen den Zeilen herauszuspüren, zu welcher Antwort er tendiert. Der Aufsatz lebt von Funks Faszination von der Vorstellung, in Jesus einen literarischen Wegbereiter von Franz Kafka zu haben. Mit seinem suggestiven Stil war Funks Aufsatz äußerst unkonventionell. Trotzdem ist er typisch für einen wichtigen Strang US -amerikanischer Gleichnisforschung. In der ersten Hälfte der 70 er Jahre vollzog sich das, was in Amerika der „literary turn in parable studies“ genannt wird.3 Eine Gruppe Neutestamentler hatte sich vom historisch-kritischen Paradigma deutschsprachiger Forschung emanzipiert und ging eigenen Interessen nach. Funk, John Dominic Crossan und einige andere Kollegen waren der Auffassung, dass die deutschsprachige von Joachim Jeremias geprägte Forschung die literarische Qualität und dichterische Funktion der Gleichnisse nicht angemessen wahrgenommen hatte. Dieses Versäumnis sollte nun nachgeholt werden. Neuere Theorien des Strukturalismus und der Sprachphilosophie wurden rezipiert und mit grosser Experimentierfreude an den Gleichnissen Jesu ausprobiert.
1 R.W. Funk, Jesus and Kafka, University of Montana (Missoula). College of Arts and Sciences. CAS Faculty Journal 1, 1 (1972), 25–32. 2 Funk, Jesus and Kafka (s. Anm. 1), 32. 3 Vgl. dazu N. Perrin, Jesus and the Language of the Kingdom. Symbol and Metaphor in New Testament Interpretation, Philadelphia 1976; S.D. Moore, Literary Criticism and the Gospels. The Theoretical Challenge, New Haven 1989.
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Ein wichtiges hermeneutisches Resultat dieser Experimente wurde wenige Jahre später von John Dominic Crossan folgendermaßen auf den Punkt gebracht: [T]he teachings of Jesus…are best understood not only within their own contemporary situation by comparative historical criticism but also, and indeed especially, in confrontation with texts within our own world which are functionally, generically, and philosophically on the same literary trajectory, that is, through comparative literary criticism.4
Zur Debatte stand damals u.a. die Frage, in welchem Kontext die Gleichnisse Jesu zu deuten sind. Zwar berücksichtigten die meisten US -amerikanischen Forscher weiterhin den Kontext der Gleichnisse, wie ihn Jeremias definiert hatte, nämlich ihren ursprünglichen historischen Ort im Rahmen der Wirksamkeit Jesu.5 Doch wichtiger wurde für viele eine andere Kategorie, nämlich die der literarischen Gattung. Betrachtet man die Gleichnisse als poetische Texte mit spezifischen Gattungsmerkmalen, werden sie – so lautete das Argument – vergleichbar mit Texten, die diese Merkmale teilen. Damit wurden die Gleichnisse aus dem Palästina des ersten Jahrhunderts hinaus in einen neuen Zusammenhang geworfen und zwar in den Kontext der Weltliteratur. In seinem Buch Raid on the Articulate (1976) brachte Crossan die Gleichnisse Jesu ins Gespräch nicht nur mit Franz Kafka, sondern mit einer ganzen Reihe moderner und postmoderner Autoren, darunter Jorge Luis Borges, Kurt Vonnegut, Samuel Beckett, Albert Camus und Elie Wiesel. Heute, über drei Jahrzehnte später, ist der literaturtheoretische Zugang zu den Gleichnissen Jesu auch im deutschsprachigen Raum längst etabliert. Vergleiche zwischen Jesus und Kafka gehören zum hermeneutischen Repertoire vieler GleichnisinterpretInnen und beleben so manche neutestamentliche Lehrveranstaltung. Wenn ich mich hier dennoch mit diesem Stück Forschungsgeschichte auseinandersetze, dann treibt mich dabei ein bestimmter Verdacht. Ich habe den Verdacht, dass die Konfrontation der Gleichnisse Jesu mit Texten aus unserer eigenen Welt weit mehr mit sich bringt als die Entdeckung ästhetischer Ähnlichkeiten. Wenn Crossan die Gleichnisse Jesu mit Texten von Kafka, Borges, Vonnegut, Becket, Camus und Wiesel in Verbindung bringt, dann ist er – so möchte ich zeigen – nicht nur auf der Suche nach den literarischen Qualitäten der Gleichnisse. All diese Autoren erinnern mich, auf unterschiedliche Weise, an Katastrophen des 20. Jahrhunderts. Diese Assoziationen sprengen die Kategorie der literarischen Gattung und werfen Fragen auf, die weit über den literaturtheoretischen Diskurs hinaus4 J.D. Crossan, Raid on the Articulate. Comic Eschatology in Jesus and Borges, New York 1976, xv. 5 J. Jeremias, Die Gleichnisse Jesu, Göttingen 101984, 19.
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gehen. Insbesondere der Vergleich zwischen Jesus und Kafka – so meine These – kann uns vor die Frage stellen, wie die Gleichnisse Jesu im Schatten der Shoah zu verstehen sind.6
1. Historische Anspielungen Wer sich Publikationen zu den Gleichnissen aus den 70 er Jahren genau anschaut, wird feststellen, dass Argumente zur Gattung, zur Struktur oder zur Funktion von Gleichnissen immer wieder auf seltsame Weise gestört werden. Ein Beispiel ist der eingangs erwähnte Aufsatz von Robert W. Funk. Der Aufsatz stellt die Frage, ob die Gleichnisse Jesu und die Gleichnisse Kafkas womöglich zur selben literarischen Tradition gehören. Funk interessiert sich vor allem für die Funktion der Gleichnisse. Was machen Gleichnisse eigentlich? Die Gleichnisse Kafkas verwirren und irritieren ihre LeserInnen, da sie jede klare Botschaft verweigern. Die Gleichnisse Jesu enthalten angeblich klare Botschaften. Modernen InterpretInnen zufolge wollen sie uns das Verständnis für das Reich Gottes erleichtern. Doch wer weiß? Liest man Jesus zusammen mit Kafka könnte sich herausstellen, dass auch die Gleichnisse Jesu uns irritieren und verwirren und eben gerade keine eindeutigen Aussagen über das Gottesreich machen wollen. So weit Funks hermeneutische Überlegung. Doch an einer Stelle verlässt Funk unvermittelt die Ebene dieser Argumentation und macht eine Beobachtung, die nichts mit der Funktion von Gleichnissen zu tun hat: Although Kafka has nothing to say about Jesus, the two men are nevertheless related. The curious will be struck by four remarkable affinities: both men were displaced Jews; both wrote or spoke in an alien tongue…; both anticipated a holocaust; both were makers of parables.
Mit diesem kurzen Seitenblick auf die Biographien von Jesus und Kafka lässt Funk seine LeserInnen wissen, dass die Person Kafkas für ihn mehr ist als nur ein moderner Gleichniserzähler. Sowohl Jesus als auch Kafka ahnen einen Holocaust voraus, schreibt Funk, als läge es auf der Hand, was damit gemeint ist. Ich verstehe diese Bemerkung so, dass Funk eine Parallele herstellen will zwischen dem Nazi-Genozid und der Zerstörung Jerusalems durch die römische Imperialmacht im ersten Jahrhundert. Was diese geschichtliche Anspielung mit der Funktion von Gleichnissen zu tun haben könnte, bleibt offen. Ähnlich vage historische Anspielungen finden sich in Crossan’s Raid on the Articulate. Wie der Titel des Buches schon zeigt, bestätigt Crossan Funks 6 Der vorliegende Artikel stützt sich auf T. Oldenhage, Parables for Our Time. Rereading New Testament Scholarship after the Holocaust, Oxford 2002.
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Vermutung, dass es sich bei den Gleichnissen Jesu keinesfalls um didaktische Texte handelt, sondern dass sie uns irritieren, ja schockieren wollen. Crossan spielt mit einer Zeile aus T.S. Eliot’s East Cocer: „And so each venture / Is a new beginning, a raid on the inarticulate.“ Gleichnisse richten sich nach Crossans Auffassung nicht an das „inarticulate“, sondern an das „articulate“. Es geht ihnen nicht darum, etwas auszudrücken, was noch nicht in Worte gefasst ist. Gleichnisse sind im Gegenteil kleine Überraschungsattacken gegen das allzu Vertraute, gegen das, was schon zu viele Male artikuliert wurde. Crossan reiht die Gleichnisse Jesu in die Art von Literatur ein, die unsere konventionellen Vorstellungen der Dinge untergraben. Crossan interessiert sich insbesondere für die Art von paradoxer Literatur, die auf dem griechischen Prinzip der Komödie basiert und aus dem Bewusstsein entsteht, dass Menschen nicht nur weinen, sondern auch lachen, nicht nur leiden, sondern auch schlafen, trinken und essen müssen. Angesichts der Gräuel des 20. Jahrhunderts, so Crossan, zeigt sich, dass nicht die Tragödie, sondern eine „comic vision“ auf die menschliche Kondition angemessen reagiert. Ganz egal wie ernst und furchtbar menschliches Leid gerade in unserer Zeit auch ist, am Ende siegt die Erkenntnis, dass doch alles relativ ist, und wir lachen über unsere menschlichen Grenzen. Eine solche „comic vision“ entdeckt Crossan in der Literatur von Borges, Kafka, Camus und anderen – und auch in den Gleichnissen Jesu. Um seine Option für die Komödie selbst in Konfrontation mit menschlichem Leid zu begründen, bezieht sich Crossan auf den in den 70 er Jahren gern gelesenen US -amerikanischen Schriftsteller Kurt Vonnegut. Crossan beschreibt eine Szene aus Vonneguts Cats’ Cradle. In Cat’s Cradle Kurt Vonnegut has the son of a jungle doctor tell what happened during an epidemic of bubonic plague. The ‘grisly tale’ describes in specific detail how the ‘House of Hope and Mercy in the Jungle looked like Auschwitz and Buchenwald’ with bulldozers stalling as the mounting death toll left too many corpses for them to shove towards a common grave. His father worked without sleep for many days but was unable to do very much to save the doomed patients. After one sleepless and fruitless night with every bed eventually holding a corpse the doctor suddenly started giggling. ‘He couldn’t stop. He walked out into the night with his flashlight beam dance over all the dead people stacked outside. He put his hand on my head, and do you know what that marvelous man said to me?… ‘Son,’ my father said to me, ‘someday this will all be yours.’’7
Selbst angesichts von Leichenbergen sind Menschen in der Lage zu lachen. In Vonneguts Szene bestätigt sich für Crossan, dass die Komik selbst unbeschreiblichem Horror gegenüber siegt. Ähnlich wie Robert Funk in seiner Randbemerkung über Jesus, Kafka und die Vorhersage eines Holocaust, so beschwört auch Crossan, indirekt und 7
Crossan, Raid on the Articulate (s. Anm. 4), 20.
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nur für einen kurzen Moment, die Ereignisse der Shoah herauf. Die Bilder der Leichenberge von Auschwitz und Buchenwald blitzen durch mehrere Schichten literarischer Zitate auf, ohne dass die Gelegenheit genutzt würde, genau hinzuschauen und zu fragen, wie diese Bilder unser Verständnis der Gleichnisse Jesu beeinflussen könnten. Doch erinnern wir uns an die Zeit, in der das Buch erschien. Mitte der 70 er Jahre war das US -amerikanische Publikum Seitenblicke auf Auschwitz und Buchenwald gewohnt. In seinem Buch While America Watches. Televising the Holocaust beschreibt Jeffrey Shandler, wie prominente US -amerikanische Fernsehsendungen in den 60 er und 70 er Jahren anfingen, mit Referenzen zur Shoah zu spielen.8 Nazis und verfolgte Juden tauchten in diesen Jahren immer mal wieder in Serien wie Raumschiff Enterprise oder Lou Grant auf und prägten den Plot einzelner Episoden. Was diese „Gastauftritte“ der Shoah auszeichnet, ist die Tatsache, dass es ihnen kaum um ein geschichtliches Verständnis der Ereignisse geht. Vielmehr werden die Anspielungen an den Nazi-Holocaust gebraucht, um dem Fernseh-Publikum allgemeine moralische Fragen zu stellen und Probleme wie Intoleranz oder Rassismus zu thematisieren. Der deutsche Nationalsozialismus wird in diesen Sendungen radikal dekontextualisiert – wie sonst könnten Captain Kirk und Mr. Spock einem Diktator begegnen, der Jahrhunderte nach Hitlers Machtergreifung auf einem fernen Planeten das nationalsozialistische Deutschland kopiert? Aus Shandlers Analyse lässt sich schließen, dass es sich bei den vagen Anspielungen an die Shoah in den Texten von Funk und Crossan möglicherweise um eine gängige kulturelle Praxis der damaligen Zeit handelt. Trotzdem lässt sich fragen, was genau die Gleichnisinterpreten motiviert, wenn sie diese Praxis übernehmen. Die Produzenten von Raumschiff Enterprise wurden von dem Wunsch getrieben, das gesellschaftliche Problem des Rassismus unterhaltsam abzuhandeln. Doch welches gesellschaftliche Problem bewegt Crossan, wenn er auf die Gräuel des 20. Jahrhunderts hinweist? Die Schnappschüsse von Auschwitz und Buchenwald stehen losgelöst von jeder konkreten sozialen oder politischen Situation. Sie bleiben in ihrer Bedeutung nebulös und unspezifisch. Sie mögen bei LeserInnen Gefühle des Horrors auslösen, aber sie bewirken nicht, dass unser Blick für menschliche Schicksale geschärft wird. Hätte Crossan sich nur für einen kurzen Moment auf die konkrete Situation eingelassen, in denen Fotografien der Leichenberge in Auschwitz und Buchenwald aufgenommen wurden, dann – so möchte ich behaupten – hätte er weniger selbstsicher für die „comic vision“ plädiert. Es stimmt, dass Menschen weinen und lachen, dass sie leiden und trotzdem
8 J. Shandler, While America Watches. Televising the Holocaust, New York 1999, 133–135.
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essen, trinken und schlafen. Doch in den Konzentrationslagern wurden diese grundsätzlichen Zusammenhänge des menschlichen Lebens zerstört. „Some hideous impression of Auschwitz is in every mind,“ schrieb der Literaturwissenschaftler Terrence Des Pres in seinem Buch The Survivor.9 Das Buch ist einer der ersten Versuche im US -amerikanischen Raum, die vielen Zeugnisse aus den NS -Todeslagern zu reflektieren und einer Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Des Pres zwingt seine LeserInnen, vage Eindrücke von den KZ s – „hideous impressions of Auschwitz“ – zu ersetzen durch konkrete Details über die extremen Bedingungen in den Lagern, in denen es Menschen verwehrt wurde, elementare Bedürfnisse zu stillen, nicht nur nach Nahrung, sondern auch nach Hygiene und Würde. Das Buch kam 1976 heraus, im selben Jahr, in dem Crossan Raid on the Articulate veröffentlichte. In den folgenden Jahren häuften sich Publikationen, die sich den Erfahrungen von Holocaust-Überlebenden widmeten. Schon wenige Jahre später wäre auch Crossan, so denke ich, etwas sorgsamer mit Anspielungen auf „Auschwitz und Buchenwald“ umgegangen. Dass Crossan nicht daran denkt, dass die Überlebenden von „Auschwitz und Buchenwald“ ihren Durst und Hunger nicht ohne weiteres stillen konnten, ist also nicht so sehr ein Zeichen der Ignoranz. Es ist viel eher ein Symptom dafür, dass Erinnerungen an die Shoah in den USA Mitte der 70 er Jahre zwar regelmässig auftauchten, aber vage blieben. Damit könnte auch erklärt sein, warum Robert Funk in seinem Aufsatz unbedarft eine Parallele zwischen zwei – geschichtlich betrachtet – so unterschiedlichen Katastrophen herstellen kann wie dem Nazi-Holocaust und der Zerstörung von Jerusalem im Jahr 70 n. Chr.
2. Von Amerika nach Deutschland Viele US -amerikanische Diskussionen erreichen bekanntlich irgendwann auch den deutschsprachigen Raum. Was geschah wohl mit Funks und Crossans hermeneutischem Diskurs, als er ein Jahrzehnt später von Amerika nach Deutschland wanderte? 1985 erschien das Gleichnisbuch des Marburger Neutestamentlers Wolfgang Harnisch.10 Das Buch rezipiert ausführlich die literaturwissenschaftlichen Erkenntnisse der US -amerikanischen Kollegen. Harnisch macht sich das Anliegen des „literary turn in parable studies“ zu eigen, die Gleichnisse Jesu als poetische Texte zu würdigen. Allerdings orientiert sich Harnisch nicht am Modell des Paradox, sondern an dem der métaphore vive, der kühnen Metapher, und folgt dabei den sprachphiloso9
T. Des Pres, The Survivor. An Anatomy of Life in the Death Camps, New York 1976,
170. 10 W. Harnisch, Die Gleichniserzählungen Jesu. Eine hermeneutische Einführung, Göttingen 1985.
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phischen Erläuterungen Paul Ricœurs. Die Gleichnisse Jesu, so Harnisch, funktionieren ähnlich wie gute Metaphern: Sie lassen neue Sinnzusammenhänge entdecken. Wie Funk und Crossan macht auch Harnisch Literaturbeispiele des 20. Jahrhunderts für seine Gleichnishermeneutik fruchtbar. Insbesondere der Vergleich zwischen den Gleichnissen Jesu und den Gleichnissen Kafkas wird von Harnisch übernommen. Kafkas bekannte Erzählung „Gib’s auf!“ wird von Harnisch zitiert, um eine sprachliche Besonderheit aufzuzeigen, die er auch in den Gleichnissen Jesu wiederfindet, nämlich die Kombination von einer alltäglichen Szene mit Elementen des Außergewöhnlichen. Der Mann, der früh morgens zum Bahnhof geht, irgendwann merkt, dass er spät dran ist, und sich plötzlich nicht mehr sicher ist über den Weg, macht eine alltägliche Erfahrung. Im weiteren Erzählverlauf wird diese Alltagserfahrung jedoch gebrochen durch das eigentümliche Verhalten des Schutzmannes, der sich mit enigmatischer Rede und einem Lachen abwendet, anstatt Auskunft zu geben. Ganz ähnlich, so Harnisch, funktionieren einige der Gleichnisse Jesu. Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg (Mt 20) beginnt ebenfalls mit der alltäglichen Erfahrung von Tagelöhnern. Das Gleichnis endet jedoch mit der außergewöhnlichen Handlung des Weinbergbesitzers, der allen Arbeitern den gleichen Lohn auszahlt. Sowohl das Gleichnis Jesu als auch das Gleichnis Kafkas zeichnen sich also durch eine Doppelbödigkeit aus, die von LeserInnen bearbeitet werden muss. In diesem Sinne sind beide Texte metaphorische Erzählungen. So weit in Kürze Harnischs hermeneutisches Argument. Doch ganz ähnlich wie in den Texten von Robert W. Funk und John Dominic Crossan finden sich in Harnischs Buch historisierende Gesten, die das Argument zur Erzählstruktur und Wirkung der Gleichnisse auf seltsame Weise stören. Sieht man genau hin, dann zeigt sich, dass der Name Franz Kafkas auch für Harnisch überdeterminiert ist. Kafka kommt in Harnischs Ausführung noch an einer anderen Stelle vor, und zwar dort, wo Harnisch die Eigenarten der kühnen Metapher erläutert. Auch dort bedient sich Harnisch bestimmter Literatur des 20. Jahrhunderts. Zunächst kommt dabei nicht Kafka in den Blick, sondern ein Text von Marie Luise Kaschnitz. Ausgerechnet eines ihrer Gedichte zur Shoah wird von Harnisch ausführlich zitiert, und zwar der erste Teil von Kaschnitz’ Zoon Politikon, das erstmals 1964 veröffentlicht wurde.11 In diesem Gedichtsegment beschreibt Kaschnitz unter dem Eindruck der Auschwitz-Prozesse in Frankfurt, wie die Erinnerung an die toten Jüdinnen und Juden die bürgerliche Fassade einer deutschen Wohnung durchbricht:
11
M.L. Kaschnitz, Gedichte, Frankfurt a.M. 71993.
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Wenn die Wand Rosentapete sich auftut / Und ausstösst die Bettlade voll / Von gemergelten Judenköpfen / Wenn durch den versiegelten schön / Glänzenden Estrich hinausdrängt / Nichts. Nur ein Rauch / Stinkender…
Für Harnisch wird das Gedicht zum Beispiel metaphorischer Sprache, die auf Grund von semantischen Spannungen AdressatInnen dazu anregt, neuen Sinn zu entdecken. Franz Kafka taucht in diesem Zusammenhang in einer Fußnote zu Kaschnitz’ Gedicht auf. Dort schreibt Harnisch: Das Gedicht wiederholt ex eventu die grauenvolle Vision vom Schicksal der Juden, die Franz Kafka in zynischer Selbstironie einem der Briefe an Milena anvertraut hat…. Auf diesen Zusammenhang verweist das im Kaschnitz-Gedicht begegnende Motiv der ‚Bettlade‘.12
Harnisch bezieht sich in dieser Fußnote auf einen Abschnitt aus den Briefen Kafkas an Milena Jesenská. Wer Harnischs Literaturangabe nachgeht, trifft auf folgende Passage: … eher könnte ich Dir den Vorwurf machen, dass Du von den Juden, die Du kennst (mich eingeschlossen) – es gibt andere! –, eine viel zu gute Meinung hast, manchmal möchte ich sie eben als Juden (mich eingeschlossen) alle etwa in die Schublade des Wäschekastens dort stopfen, dann warten, dann die Schublade ein wenig herausziehn, um nachzusehn, ob sie schon alle erstickt sind, wenn nicht, die Lade wieder hineinschieben und es so fortsetzen bis zum Ende.13
Kafka schrieb diese Zeilen im Juni 1920. Nach Harnisch handelt es sich beim Bild der Schublade um eine Vision des Schicksals von Jüdinnen und Juden in den 30 er und 40 er Jahren. Harnisch stellt außerdem fest, dass sich Kaschnitz, die in den 60 er Jahren schreibt, in ihrer Zeile über die Bettlade voll ausgemergelter Judenköpfe auf dasselbe Motiv bezieht. So wie Robert W. Funk, nur auf subtilere Art und Weise, beschreibt Harnisch Kafka als jemanden, der den Holocaust vorausahnte.
3. Gleichnishermeneutik nach der Shoah In den Texten von Harnisch, Funk und Crossan brechen die Ereignisse der Shoah durch den hermeneutischen Diskurs – in der Form von Anspielungen, Randbemerkungen und Fußnoten. Dabei bringen die drei Autoren die Leichenberge von Auschwitz und Buchenwald, die ausgemergelten Judenköpfe in das Bewusstsein ihrer LeserInnen, ohne jedoch darauf einzugehen, was diese schrecklichen Bilder mit den Gleichnissen des Neuen Testaments zu tun haben könnten. Als Leserin ihrer Texte bekomme ich einen vagen Eindruck 12 13
Harnisch, Gleichniserzählungen Jesu (s. Anm. 10), 131. F. Kafka, Briefe an Milena, hg.v. J. Born / M. Müller, Frankfurt a.M. 1986, 61.
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von etwas Dunklem und Entsetzlichem, doch ich warte vergebens darauf, dass dieser Eindruck aufgenommen und weiter erläutert wird. In seinem Buch Foregone Conclusions kritisiert Michael Bernstein die Verbindung zwischen Kafka und dem Holocaust auf energische Weise.14 Kafka als Prophet des Holocaust, sagt Bernstein, ist eine eindrückliche Vorstellung, die jedoch keiner historischen Prüfung standhält. Es ist völlig unrealistisch zu denken, dass Kafka, der 1924 starb, auf irgendeine Weise das Ausmaß des Nazi-Genozids hätte vorausahnen können. Selbst 10 Jahre später wäre es niemandem möglich gewesen, vorauszusagen, dass die anti-jüdische Gesetzgebung der 30 er Jahre einmal zum Mord an Millionen von Menschen führen würde. Jahrzehnte nach dem Ende des 2. Weltkrieges mag es uns schwer fallen, Kafkas Brief an Milena Jesenská nicht mit dem Massenmord am europäischen Judentum in Verbindung zu bringen. Bernstein weist jedoch darauf hin, wie wichtig es ist, Kafka in seiner eigenen geschichtlichen Situation zu verstehen, einer Situation, die von Anti-Semitismus und dem Druck der Assimilation geprägt war, in der Gaskammern und Krematorien jedoch nicht vorstellbar waren. Bernstein vermutet, dass historisch nicht durchdachte Überlegungen, wie sie Harnisch und Funk anstellen, energiestiftend sind und bei LeserInnen eine fragwürdige Art von Genuss hervorrufen können. Die Verbindung zwischen Kafka und dem Holocaust, so Bernstein, gibt dem hermeneutischen Diskurs die Aura einer gewissen Dringlichkeit, die sowohl Unbehagen als auch Faszination auslösen kann. Diese Faszination beruht jedoch darauf, dass die Shoah im Hintergrund gehalten wird, dass das Ausmaß an Leid und Gewalt nur vage gespürt, nicht jedoch wirklich angeschaut wird. Könnte es sein, dass Harnischs Hermeneutik – und zu einem geringeren Maße auch die Hermeneutik von Funk und Crossan – von dem unbewussten Wunsch gesteuert wird, die Gleichnisse Jesu mögen im Angesicht des Grauens der Shoah bedeutungsvoll werden? Unter der Oberfläche von Harnischs metapherntheoretischen Ausführungen spüre ich den Wunsch, dass die Gleichnisse Jesu weiterhin zu uns sprechen mögen, auch und gerade in einer Situation, die geprägt ist durch die Erinnerung an die toten jüdischen Menschen in Kaschnitz’ Gedicht und in Kafkas Brief, die Hoffnung, dass uns die Gleichnisse, diese zentralen Texte des christlichen Kanons, nach Auschwitz etwas zu sagen haben. Diese Hoffnung ist legitim. Der Wunsch, die eigene religiöse Tradition möge Katastrophen der Gegenwart sinnvoll beleuchten ist m.E. einer der wichtigsten Impulse für die biblische Hermeneutik überhaupt.15 Das Pro14 M.A. Bernstein, Foregone Conclusions. Against Apocalyptic History, Berkeley, Calif. 1994, 21. 15 In eine andere Richtung weist der sozialgeschichtliche Zugang zu den Gleichnissen, der seit einigen Jahren in den USA wie auch in Deutschland vorangetrieben wird. Wenn das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg mit seinen eigenen gesellschaftskritischen Resonan-
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blem an den Texten von Harnisch und seinen US -amerikanischen Kollegen ist, dass dieser Wunsch nirgends ausgedrückt wird und nirgends Raum bekommt. Würde man ihm nachgehen, dann müsste man sich der Tatsache stellen, dass die neutestamentliche Gleichnishermeneutik selbst in die Gewaltgeschichte der Shoah mit impliziert ist.
4. Das Erbe des Anti-Judaismus Harnisch, Crossan und Funk sind in verschiedener Weise Erben von Joachim Jeremias, dem wohl einflussreichsten Gleichnisinterpreten des 20. Jahrhunderts. Jeremias’ Buch Die Gleichnisse Jesu wurde von zahlreichen NeutestamentlerInnen rezipiert, weiterentwickelt und – wie oben gezeigt – literaturtheoretisch ergänzt und hinterfragt. Spätestens seit den 90 er Jahren verschafft sich eine Kritik Gehör, die besonders nach der Shoah besonders dringlich erscheint, nämlich die Kritik an Jeremias’ Anti-Judaismus. Diese Kritik betrifft sowohl Jeremias’ Rekonstruktionen der „Kampfsituationen“, in denen Jesus angeblich seine Gleichnisse erzählte, als auch seinen Umgang mit rabbinischer Literatur. In seiner Suche nach dem ursprünglichen Sinn des Gleichnisses der Arbeiter im Weinberg kommt Jeremias beispielsweise zu folgendem Schluss: Offensichtlich ist das Gleichnis zu Menschen gesagt, … die die Frohbotschaft kritisieren, an ihr Anstoß nehmen – etwa zu Pharisäern. Ihnen will Jesus zeigen, wie unberechtigt, wie hässlich, wie lieblos und unbarmherzig ihre Kritik ist. … Er rechtfertigt die Frohbotschaft gegenüber ihren Kritikern.16
Nach E.P. Sanders gehen solche Aussagen an der geschichtlichen Realität von damals völlig vorbei. Sanders’ Buch Jesus and Judaism (1985) ist ein frühes Beispiel für die gründliche Infragestellung von Jeremias’ Rekonstruktionen des ersten historischen Ortes der Gleichnisse.17 Jeremias’ Vorstellung, dass sich die Pharisäer an Jesu Frohbotschaft für die Armen gestoßen hätten, kann nach Sanders durch keinerlei historische Quellen gestützt werden. Heute bemühen sich zahlreiche NeutestamentlerInnen in den USA wie auch in Deutschland um eine angemessenere Darstellung der jüdischen Welt im 1. Jahrhundert.18
zen ernst genommen wird, wenn die soziale Katastrophe in den Blick kommt, in denen sich TaglöhnerInnen zur Zeit Jesu befanden, dann käme das Gleichnis als Zeugnis menschlicher Schicksale in sein eigenes Recht, ohne sich die Aura der Dringlichkeit aus unserer zeitgenössischen Literatur stehlen zu müssen. 16 Jeremias, Gleichnisse Jesu (s. Anm. 5), 34. 17 E. P. Sanders, Jesus and Judaism, Philadelphia 1985, 196. 18 Als Beispiel sei hier die Gruppe „Early Jewish Christian Relations“ der Society of Biblical Literature genannt.
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Die Kritik an Jeremias’ anti-jüdischer Rhetorik ist unerlässlich. Gleichzeitig scheint sie mir die Brisanz von Jeremias’ Publikation für eine Gleichnishermeneutik nach der Shoah nicht vollständig zu erfassen. Jeremias’ Veröffentlichung ist nicht nur ein Beispiel eines problematischen Trends innerhalb der neutestamentlichen Wissenschaft. Ich halte es für bemerkenswert, dass Jeremias’ Buch mit seinen nachhaltigen Stereotypen über das frühe Judentum erstmals 1947 erschien, kurz nachdem die deutsche Öffentlichkeit mit Bildern der befreiten Lager konfrontiert worden war und sich dem begangenen Genozid an Millionen europäischer Jüdinnen und Juden stellen musste. Jeremias’ Konstrukte vom verblendeten Volk Israel und seinen „lieblosen und unbarmherzigen“ Führern sind Symptome für das, was oft nach Alexander und Margarete Mitscherlich „die Unfähigkeit zu trauern“ genannt wurde.19 Nun wäre es in der unmittelbaren Nachkriegszeit für einen Neutestamentler sehr viel verlangt gewesen, die Gräueltaten des Nationalsozialismus so schnell in den eigenen moralischen und religiösen Referenzrahmen zu integrieren, um dann Schlüsse für den wissenschaftlichen Umgang mit jüdischen Quellen zu ziehen. Doch in den Neuauflagen von Jeremias’ Buch wurden die anti-jüdischen Deutungsstrategien nicht abgeschwächt, sondern durch den Negativ-Vergleich mit rabbinischen Parallelen erweitert.20 Schliesslich exportieren revidierte Ausgaben des Buches Jeremias’ Anti-Judaismus in die USA . Bei all seiner innovativen Energie zeigt sich John Dominic Crossan in den 70 er Jahren doch auch als Nachkomme von Joachim Jeremias. Zwar sind für ihn die Gleichnisse Jesu keine Rechtfertigungen, Mahnungen oder Warnungen, wie es für Jeremias der Fall ist. Trotzdem wird er von der prinzipiellen Vorstellung eines Gegensatzes zwischen Jesus und dem Judentum geleitet. Dies macht sich bereits im Titel des Buches bemerkbar, auf das ich oben bereits einging: Raid on the Articulate. Was in Crossans Vorstellung in Jesu Gleichnissen attackiert wird, sind natürlich die jüdischen Traditionen 19 Die These von der Unfähigkeit zu trauern wurde inzwischen auf vielfältige Weise kritisiert und weiterentwickelt. Siehe z.B. E. Santner, Stranded Objects. Mourning, Memory, and Film in Postwar Germany, Ithaca 1990. 20 In den späteren Ausgaben seines Buches unterstreicht Jeremias seine Interpretation von Mt 20,1–15 durch den Vergleich mit einem rabbinischen Gleichnis aus dem Jerusalemer Talmud. Jeremias benutzt das rabbinische Gleichnis vor allem, um die überlegene literarische Qualität von Jesu Gleichnis herauszustreichen: „Die Klarheit und Schlichtheit, mit der unser Gleichnis die Frohbotschaft zum Ausdruck bringt, tritt besonders deutlich hervor beim Vergleich mit der rabbinischen Paralle …“, die von ihm als gekünstelt abqualifiziert wird (138). Seit Catherine Hezser’s Studie zur „Lohnmetaphorik und Arbeitswelt in Mt 20,1–16“ (Untertitel: Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg im Rahmen rabbinischer Lohngleichnisse, NTOA 15, Freiburg [CH ] / Göttingen 1990) ist ein solcher Umgang mit rabbinischen Texten schon allein aus quellengeschichtlichen Gründen nicht mehr akzeptabel. In ihrem Buch „Der Historische Jesus“ (Untertitel: Ein Lehrbuch, Göttingen 1996) benutzen Gerd Theißen und Annette Merz Jeremias’ Passage sogar als Musterbeispiel, an dem Studierende der Theologie den Missbrauch jüdischer Quellen problematisieren können.
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und Konventionen, wie Crossan sie zu verstehen glaubt. Ähnlich wie Jeremias, so benutzt auch Crossan rabbinische Literatur als Negativ-Folie, um Jesu Gleichnisse zu deuten. Zwar legt er dabei andere Kriterien an. Während für Jeremias „Klarheit und Schlichtheit“ die überlegene Qualität der Jesus-Gleichnisse ausmachten, sieht Crossan den Unterschied woanders. Er stellt einen Gegensatz zwischen der moralisierenden Wirkung rabbinischer Literatur und der subversiven Wirkung der Gleichnisse Jesu auf. Doch letztlich interpretiert auch Crossan die Gleichnisse Jesu im Rahmen einer Kampfesarena, in der Jesus die Oberhand über seine jüdischen Zeitgenossen gewinnt. Was Crossan von Jeremias in wichtiger Hinsicht unterscheidet, ist die Tatsache, dass Crossan einer gewissen Sensibilität für die Ereignisse der Shoah Ausdruck verleiht. Kollektive Erinnerungen an „Auschwitz und Buchenwald“ hinterlassen ihre Spuren in Crossans Gleichnisinterpretation – wie oben beschrieben – in der Form von vagen Anspielungen und Zitaten. Darüber hinaus scheinen Crossan die eigenen anti-jüdischen Deutungsstrategien selbst nicht ganz geheuer zu sein. Oder wie lässt sich sonst folgende kurze Bemerkung verstehen? The comparison of Jesus’ with that of the Rabbis was not intended to exalt one over the other but to differentiate their functions as clearly as possible.21
Diese Art apologetischer Absichtserklärung findet sich in Crossans Büchern zu den Gleichnissen immer mal wieder. Es gibt gute Gründe, solchen Bemerkungen zu misstrauen. Crossans Gleichnis-Opus der 70 er Jahre basiert auf dem grundsätzlichen Dualismus von moralisierender und paradoxer Literatur, von jüdischen Konventionen und jesuanischer Herausforderung. Und es gibt keinen Zweifel daran, welche der beiden Crossan vorzieht. Doch Crossans Absichtserklärungen sind für eine Gleichnishermeneutik nach der Shoah historisch bedeutsam. Jeremias degradierte das Judentum des 1. Jahrhunderts, ohne sich bewusst darüber zu sein, dass diese exegetische Praxis besonders nach den jüngsten geschichtlichen Ereignissen problematisch sein könnte. Crossan jedoch ist bereits befangener. Seine Versicherung, dass er „die Rabbis“ nicht gegen Jesus ausspielen will, zeugt möglicherweise von einer Ahnung, dass die Ereignisse der Shoah die neutestamentliche Gleichnisinterpretation konkret tangieren könnten. Obwohl Crossan seine eigene Praxis nicht ändert, kündigen seine Bemerkungen doch zukünftige Entwicklungen an.22 21
Crossan, Raid on the Articulate (s. Anm. 4), 156. Im Jahr 1995 – auf der Höhe des so genannten „Holocaust Memory Booms“ in den USA – veröffentlicht J.D. Crossan ein Buch, das die Auseinandersetzung mit dem christlichen AntiJudaismus in Zusammenhang mit den Passionserzählungen an vielen Orten ermöglichte: Who killed Jesus? Exposing the Roots of Anti-Semitism in the Gospel Story of the Death of Jesus, San Francisco 1996. 22
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Etwa zehn Jahre später, im Jahr 1985, interpretiert Wolfgang Harnisch die Gleichnisse im Rahmen eines strikt ahistorischen hermeneutischen Entwurfs. Harnisch weigert sich, die Botschaft der Gleichnisse innerhalb eines historischen Referenzrahmens zu suchen. Stattdessen will er der narrativen Autonomie der Gleichnisse gerecht werden, die uns als HörerInnen in die erzählte Welt hineinverweist. Mit diesem Zugang vermeidet Harnisch – ohne dass er dies je explizit ausdrücken würde – die anti-jüdische Rhetorik von Jeremias und Crossan. Der Preis dafür ist eine Auslegung, die von jeder konkreten menschlichen Situation abstrahiert und davon auszugehen scheint, dass die Gleichnisse Jesu in allen LeserInnen, egal wann und wo sie leben, das Gleiche auslöst. Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg will nach Harnisch seine HörerInnen dazu bewegen, „die Wirklichkeit mit den Augen und mit dem Herzen der Liebe wahrzunehmen.“23 Harnisch entwickelt diese Deutung ohne Bezug auf einen konkreten geschichtlichen Kontext und ohne die Hilfe einer negativen jüdischen Folie. Vielleicht kann Harnischs abstrakte, abstrahierende Deutung auch als Indiz gelesen werden, dass sich der Autor – bewusst oder unbewusst – dem Anti-Judaismus seiner Vorgänger entziehen wollte.
5. Fazit In diesem Aufsatz habe ich versucht, ein Stück Gleichnishermeneutik nach dem Holocaust aufzuarbeiten. Dabei wollte ich ein historisch spezifisches Problem in den Blick nehmen, das über den christlichen Anti-Judaismus hinausgeht. Ich wollte zeigen, dass die Gleichnisinterpretation des 20. Jahrhunderts an entscheidenden Punkten ihrer Geschichte wichtige Chancen der Trauerarbeit verpasst hat. Dies geschah bereits 1947, als sich durch Joachim Jeremias’ Buch negative Bilder über das frühe Judentum in den theologischen Diskussionen im Deutschland der Nachkriegszeit verbreiten konnten. Die Chance der Trauerarbeit wurde in den folgenden Jahrzehnten wiederholt verpasst, bei jeder Neuauflage von Jeremias’ Buch und auch im Übergang des „literary turns“ durch US -amerikanische Kollegen. Heute können uns die älteren Publikationen Crossans daran erinnern, dass es durchaus möglich ist, die Ereignisse der Shoah als bedeutsam wahrzunehmen, ohne daraus Konsequenzen für die eigene Hermeneutik zu ziehen. Die Forschungsgeschichte, die ich hier skizziert habe, zeigt außerdem, wie lange es dauern kann, bis Katastrophen in unseren theologischen Wissenschaftsbetrieben so zur Geltung kommen, dass sich Interpretationsstrategien ändern können und Paradigmenwechsel möglich werden.
23
Harnisch, Gleichniserzählungen Jesu (s. Anm. 10), 195.
Interpreting the Parables of Jesus Giving Voice to Their Theological Significance Arland J. Hultgren Recent hermeneutical proposals have posed challenges to the theological interpretation of the parables of Jesus. Perhaps that state of affairs is primarily, or even entirely, an American phenomenon. But it may be of interest to others as well. In any case, it is illustrated in the works of two major proponents. Of the two, the book on the parables by William R. Herzog has received the widest international attention.1 He has provided a sharply worded challenge: Jesus used parables to present situations familiar to the rural poor, to encode the systems of oppression that controlled their lives and held them in bondage … The parable, then, was not primarily a vehicle to communicate theology or ethics but a codification designed to stimulate social analysis and to expose the contradictions between the actual situation of its hearers and the Torah of God’s justice.2
Immediately one might raise a question. How can one say that in this approach one is not understanding parables as vehicles to communicate theology or ethics? To speak of God’s justice is to speak about God and about ethics. Perhaps the key to understanding the statement is to pay close attention to the words “not primarily.” That still allows for theological and ethical interpretation. But that is not what Herzog seems to be driving at, for elsewhere he says more generally: Jesus’ parables codify systems of oppression in order to unveil them and make them visible to those victimized by them.3
Another interpreter who has asserted that the parables of Jesus can be analyzed without theological reference is Charles W. Hedrick. He has called for a non-referential analysis of the parables, saying: 1 See, for example, the frequent references and credits given to this book by L. Schottroff, Die Gleichnisse Jesu (Gütersloh 2005); English translation: The Parables of Jesus (Minneapolis, Minn. 2006). Her own work, however, is decidedly theological. 2 W.R. Herzog, II, Parables as Subversive Speech: Jesus as Pedagogue of the Oppressed (Louisville, Ky. 1994), 27–28. 3 Herzog, Parables as Subversive Speech (n. 2), 87. Herzog admits that “some parables simply will not fit the framework proposed here” (p. 4).
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A reader is not authorized to go outside the world of the story or to use non-story ‘referential’ language in ‘interpreting’ the story, unless it is mandated by particular semantic markers in the story itself … We should begin reading the parables on their own terms, as ordinary stories, rather than for what we imagine they might ‘reveal’ about the kingdom of God, morality, human existence, or some other value.4
Here the words “we should begin” are no doubt important in the second sentence quoted. But subsequently the author has written: We are left with the parables, which make good sense when read as stories, but poor sense if the object is to find theological or allegorical messages in them. In the main, the parables are thoroughly secular, and realistic slices of first-century Palestinian life. When read for themselves, they give the impression that they are completely transparent. Their qualities of secularism, realism, and transparency work against the idea that they are opaque, encoded, arcane, and allegorical.5
Hedrick goes on to a reader-response approach to the parables and concludes as follows: Those who ponder the parables are custodians of secular narratives, which are characterized essentially by human immediacy – not divine immediacy, which is always brought to the parable as a particular reader’s response. They do not ‘teach’ anything in particular or in general; they do not provide normative guides for ethical human behavior; they do not reveal theological truths or overtly push any particular values – certainly not religious values. On the contrary, when read in historical context, it is in their nature to undermine paradigms, whether social, religious, or cultural.6
The purpose of this essay is to propose that one cannot dispense with a theological interpretation of the parables of Jesus without destroying their purpose and function. This will be done in a series of steps, beginning with the question whether the parables are referential.
1. Referentiality in the Parables To claim that the parables of Jesus are non-referential goes against the traditions which have yielded them to us and against elements within the parables themselves that cannot be trimmed away as redactional. This discussion can be broken down into three main parts. In regard to the traditions that have brought the parables to us, a distinction can be made between (1) the 4 C.W. Hedrick, Parables as Poetic Fictions: The Creative Voice of Jesus (Peabody, Mass. 1994), 3–4. 5 C.W. Hedrick, Many Things in Parables: Jesus and His Modern Critics (Louisville, Ky. 2004), 35. 6 Hedrick, Many Things in Parables (n. 5), 103.
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introductory scenes provided for parables by the evangelists and (2) the referential remarks attached to the beginning or end of many of the parables. To these can be added, finally, (3) the internal elements.
1.1 Introductory Scenes The evangelists (especially Luke) have provided a good number of introductory scenes for the parables. The degree to which the scenes that the evangelists portray are relevant to the actual historical occasion for any of the parables is a matter of debate. Nevertheless, they are evidence that the evangelists themselves thought that the parables were referential. All three synoptic evangelists, for example, attach a statement after the Parable of the Wicked Tenants indicating that the parable was directed against the opponents of Jesus and his message (Matt 21:45–46/ / Mark 12:12/ / Luke 20:19). But it is Luke, above all, who provides scenes at the beginning of various parables to suggest the occasion on which they were spoken, and therefore illumines what he considers their referentiality. The Parable of the Two Debtors is preceded by a scene at the home of a Pharisee, in which a woman (“who was a sinner,” 7:37) anointed Jesus’ feet, striking up a dialogue between Jesus and the Pharisee (7:36–40). The Parable of the Good Samaritan follows a dialogue between Jesus and a lawyer concerning how one can identify one’s neighbor (10:25–29). The Parable of the Great Banquet comes after a statement made by a dinner guest (14:15). The Parables of the Lost Sheep, Coin, and Prodigal Son are preceded by accusations by some Pharisees and scribes (15:1–2). All these scenes indicate that the parables have been transmitted by the evangelists as though they referred to realities outside of themselves.
1.2 Referential Remarks The most common referential remarks appearing at the beginning of certain parables are those that direct the hearer’s attention to the kingdom of God. These begin with the claim that the kingdom of God or kingdom of heaven can be compared to what is portrayed within a given parable (Mark 4:26, 30/ / Matt 13:31/ / Luke 13:18; Matt 13:33/ / Luke 13:20; Matt 13:24, 44, 45, 47; 18:23; 20:1; 22:2; 25:1). Other introductory, referential remarks concern prayer (Luke 18:1), self-righteousness (18:9), and the question of the nearness of the kingdom (19:11). Various parables are also concluded with remarks that amount to applications of the parables, corresponding to the nimshal of rabbinic parables. In Matthew’s version of the Parable of the Lost Sheep the lesson drawn by a saying of Jesus is that the “Father in heaven” does not will that any should be lost (18:14). But again it is Luke who has the most applications at the end of the parables, each of which is a saying of Jesus. In these cases the do-
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minical sayings have to do with the giving of the Holy Spirit to those who ask (11:13), the cost of discipleship (14:33), the need for wisdom among the children of light (16:8 b), and the sufficiency of the law and the prophets to teach compassion for the poor (16:31).
1.3 Internal Elements While the foregoing points can be dismissed by some as redactional, there are elements within certain parables that cannot be considered such. They belong to the internal integrity of the parables themselves, and they are referential. These include a Son of man saying in the Q-Parable of the Children in the Marketplace (Matt 11:19/ / Luke 7:34). The Parable of the Father’s Good Gifts can hardly survive if one takes out of it the saying about the generosity of God (Matt 7:11/ / Luke 11:13). And what is one to make of the Parable of the Two Sons if the sayings about tax collectors, prostitutes, and the preaching of John the Baptist are excised from it (Matt 21:31 b–32)? The Parable of the Rich Fool contains a speech in which God addresses the foolish man within the story (Luke 12:20), and that prompts the hearer to consider his or her own life before God. Not to be missed (but easily missed) is the very striking directness of address that introduces the parables, a feature that is attested in all streams of tradition – Mark, Q, Luke, and Matthew (and thus has the ring of authenticity) – and in each of the Synoptic Gospels. This feature is so pervasive that it cannot be considered redactional in every case, but can be considered to have its origins in the earliest strata of the gospel tradition. It is present to one degree or another in all of the parables of Jesus, but it is particularly evident in those in which Jesus begins to speak to his hearers with such penetrating questions to them as: “which one of you?” (Luke 11:5; 14:28; 17:7; 15:4/ / Matt 12:11),7 “what woman?” (Luke 15:8), “what father among you?” (Matt 7:9/ / Luke 11:11), “what king?” (Luke 14:31), “will any one of you?” (Luke 17:7), “who then is the faithful and wise one?” (Matt 24:45/ / Luke 12:42), and “what do you think?” (Matt 18:12; 21:28). At other times the question is more oblique: “with what can we compare the kingdom?” (Mark 4:30) or “to what shall I compare the kingdom?” (Luke 13:20). Or at still other times there is the simple indicative: “everyone who hears …” (Matt 5:24). Such opening phrases engage hearers immediately, putting them on the spot and eliciting a response. The very fact that questions like these are posed at the outset of their telling indicates that the parables can hardly 7 It has been claimed that this formulation does not seem to have any contemporary parallels; cf. J. Jeremias, The Parables of Jesus (2 nd ed.; Upper Saddle River, N.J. 1972), 103. But that is not so, as illustrated by K. Berger, “Materialien zu Form und Überlieferungsgeschichte neutestamentlicher Gleichnisse,” NovT 15 (1973): 1–37, 32–33. He provides illustrations from the writings of Epictetus and Philo.
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be understood as non-referential. The parables provoke the hearer to reflect on something of significance, and those things of significance have to do with God, God’s kingdom, and God’s expectations.
2. Theological Referentiality The parables of Jesus are thoroughly theological and / or ethical. It seems rather banal to make such a point, but as the apostle Paul has said after reciting things known to his readers, “Nevertheless on some points” it is good to write things “rather boldly by way of reminder” (Rom 15:15). Here there are three points to be made, each of which is related to the earliest stages of the gospel tradition and therefore most likely rooted in the proclamation of Jesus of Nazareth.
2.1 The Parables and the Kingdom The parables of Jesus originated in a world of memories and expectations of God’s presence and activity. That is nowhere more clear than in Jesus’ proclamation of the “kingdom of God,” a phrase that appears some 51 times within the Synoptic Gospels (counting parallels and leaving aside the textually uncertain cases of Mark 1:14 and Luke 12:31), and its equivalent expression “kingdom of heaven,” which appears another 32 times in the Gospel of Matthew.8 By means of this expression, insofar as it has a basis in his proclamation at all, Jesus reached back into the scriptural tradition of Israel where it is affirmed that God is king of the universe and reigns over all things, both nature and human affairs (Pss 22:28; 47:2, 7–8; 95:1–3; 103:19; Isa 43:15; 44:6). But God’s reign was not always evident in the history of Israel. In various eras of that history God’s reign became a future hope (Pss 102:12–22; 145:10–13; Dan 7:18; Mic 4:6–8). The sheer abundance of kingdom of God sayings in the proclamation of Jesus in the Synoptic Gospels leads to the conclusion that Jesus revitalized the concept of the reign of God, affirming that it is both a present reality and a future hope. It is dawning already so that its effects are made known in the healings that Jesus performed, and the ethic that he taught was essentially a “kingdom ethic,” that is, a declaration of what life in God’s kingdom (or under the rule of God) entails. As the dawn precedes the rising of the sun, but its effects can be seen as lighting up the present, so the ministry of Jesus was, in this way of thinking, a time in which the effects of the
8 The statistics are taken from J.R. Kohlenberger et al., The Greek-English Concordance to the New Testament (Grand Rapids, Mich. 1997), 107.
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kingdom could be seen, even if its coming in fullness had to be awaited as a future event.9 The proclamation of the kingdom of God is reflected in all strands of the synoptic tradition and in each of the Synoptic Gospels. Several of the parables open with explicit reference to the kingdom of God, as indicated already in the previous section. They are introduced by a formula, such as “The kingdom of God / heaven is like …” There are eleven such parables,10 which is nearly one-third of them. Moreover, the theme of the kingdom is present to some degree in virtually all of the parables of Jesus, as well as in so much of the saying materials in the gospels in general. That means, in turn, that the parables of Jesus are explicitly and unapologetically theological.
2.2 The Imagery The imagery employed in the parables is that of days gone by, and it is therefore helpful to look at comparable materials to help understand it. Collections of rabbinic parables are one example of comparative materials.11 Within those parables one finds features similar to what appears in the parables of Jesus. About half of them contain imagery in which a king is a major figure,12 and the king is unquestionably a symbol for God.13 Likewise, two of the parables of Jesus have a king as a major figure (Matt 18:23–35; 22:2–14); others have wealthy landowners (Matt 20:1–16; 21:33–44/ / Luke 20:9–19), other men of wealth (Matt 24:45–51; Luke 12:42–48; 14:16–24), and fathers (Matt 7:9–11/ / Luke 11:11–13; Matt 21:28–32; Luke 15:11–32) as the major figure. Within Jewish parables a landowner can be a metaphor 9 The metaphor of the kingdom as “dawning” has been employed especially effectively by G. Bornkamm, Jesus of Nazareth (New York 1960), 92. 10 Two are in Mark and parallels: the Parables of the Seed Growing Secretly (4:26–29) and the Mustard Seed (4:30–32/ / Matt 13:31–32/ / Luke 13:18–19). One is from Q: the Parable of the Leaven (Matt 13:33/ / Luke 13:20–21). Eight can be assigned to the Special Matthean tradition: the Parables of the Weeds in the Wheat (Matt 13:24–30), the Treasure in the Field (13:44), the Pearl of Great Price (13:45–46), the Dragnet (13:47–50), the Unforgiving Servant (18:23–35), the Workers in the Vineyard (20:1–16), the Wedding Feast (22:1–14), and the Ten Maidens (25:1–13). None can be assigned solely to the Special Lucan tradition. 11 By one estimate, 325 rabbinic parables exist from the Tannaitic period (roughly from the beginning of the common era to 220 C.E.). They have been collected in the work by H.K. McArthur and R.M. Johnston, They Also Taught in Parables: Rabbinic Parables from the First Centuries of the Christian Era (Grand Rapids, Mich. 1990). 12 McArthur and Johnston, They Also Taught in Parables (n. 11), 119 (“more than half”), 174 (“nearly half”). 13 Cf.D. Stern, Parables in Midrash: Narrative and Exegesis in Rabbinic Literature (Cambridge, Mass. 1991), who analyzes twenty-four king parables. He says: “Typically, the character of the king symbolizes God” (op. cit., 19). Cf. the parable of y. Ber. 2.7–8. Cf. also C.A. Evans, “Parables in Early Judaism,” in The Challenge of Jesus’ Parables (ed. R.N. Longenecker; Grand Rapids, Mich. 2000), 51–75, 67.
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for God.14 It should go without saying that a father can represent God, and so it is.15 Likewise, then, one can expect that such persons represent God in the parables of Jesus. Furthermore, in oral story telling one can expect that they will take on stereotypical roles. As stock characters, they are typically wealthy, very much in charge, powerful, and capable of being either benevolent or ruthless, depending of the needs of the story.16 To disallow the imagery of kings, wealthy men, landowners, and fathers as symbols for God in the parables of Jesus would mean tearing the parables out of their historical settings in ancient Palestine and from their backgrounds in the Old Testament and ancient Judaism.
2.3 The Portrait of God If it can be accepted that the rich imagery just indicated was employed in the parables of Jesus as means to portray God, the field of theological imagination is opened broadly. The parables do not of course describe God’s attributes or discuss God’s nature theoretically. As parables, they can hardly do that. What is characteristic of them rather is the sense of God’s intimacy and familiarity through the use of common metaphors – a father, king, shepherd, owner of a vineyard, or a woman who sweeps her house. The concreteness of the metaphors keeps the discussion from abstractions. What is distinctive about the parables is the way that these metaphors for God are put to work. The behavior of the protagonist is so often not typical,17 since the parables are about God, whose love and grace exceed normal expectations. A theology of the parables affirms certain facets about the character of God that can be discerned. The clearest affirmation about God is that God is good and gracious beyond human expectations. In the Parable of the Prodigal Son Jesus compares God to a father who runs to meet his wayward son who is coming home (Luke 15:20). Where else in the world of Jesus can one find anything comparable? Aristotle has written that a dignified man walks with slow steps,18 and a middle-aged father cannot be expected to run down the road to meet a son who has become a gross embarrassment to him in a world where honor and shame guide one’s behavior. Furthermore, the father will not listen to the son’s litany of repentance (contrast the son’s broken-off speech 14 God is portrayed as both king and wealthy landowner in Deut. Rab. 6.2.; Midr. Pss. 26.3; 37.3; Eccl. Rab. 5.11.5. Cf. the metaphor of God as a taskmaster in m. ’Abot 2.16. 15 As in the parables in Jos. Asen. 12.8; Mek. Beshallach 4.35–41; Exod. Rab. 21.8. 16 Cf. Schottroff, The Parables of Jesus (n. 1), 103: “The parable stories work with narrative means – exaggerations, compacting, the rule of three, or contrasts of opposites.” 17 Cf.N. Huffman, “Atypical Features in the Parables of Jesus,” JBL 97 (1978): 207–220, 209. 18 Aristotle, Nichomachean Ethics 4.3.1125.10–15; cited by K.E. Bailey, Finding the Lost: Cultural Keys to Luke 15 (St. Louis 1992), 144.
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of 15:21 with what he had practiced in 15:18–19). The father is clearly a metaphor for God, and so in this parable Jesus portrays God as more loving and merciful than any human father that one might know. Similarly, in the Parable of the Unforgiving Servant (Matt 18:23–35), in which a king forgives his slave an indebtedness of 10,000 talents, the figure is so astounding that it is impossible to imagine. In order to earn that amount of money, a common laborer would have to work for about 200,000 years. Another way of putting it is that it is comparable to a year’s wages for 200,000 laborers. The amount owed and subsequently forgiven simply for the asking is ridiculously high. Once again, however, the parable is about the love, mercy, and grace of God. The love, mercy, and grace of God extend to persons who are not considered worthy of it by normal standards of judgment. That becomes clear in those parables that portray God as reaching out to the lost, as in the Parables of the Lost Sheep (Matt 18:12–14/ / Luke 15:4–7) and Lost Coin (Luke 15:8–10) and in the speech of the father to the elder son in the Parable of the Prodigal Son (Luke 15:31–32). The same theme appears in the Parable of the Workers in the Vineyard (Matt 20:1–16); those who work only one hour are not worthy of the wages given to those who work all day, and yet they are paid the same. In these parables we have God portrayed as a shepherd, a woman, a father, and a wealthy landowner who employs day laborers for his vineyard. Their actions are not typical of ordinary persons in those roles. Jesus is a masterful storyteller who has these persons act in extremely unusual, non-typical ways, since they symbolize God. But if God’s love, mercy, and grace extend to persons not ordinarily considered worthy, the obverse is also the case. God opposes the proud who parade their righteousness, as in the Parable of the Pharisee and the Tax Collector (Luke 18:9–14). Although God is clearly loving and merciful, God is also a God of judgment. That is illustrated in the parable just mentioned. God has already made a judgment when, according to Jesus, the one man goes down to his house “justified” (Luke 18:14), but the other does not. God condemns those who, though lavishly forgiven, will not forgive others, as in the Parable of the Unforgiving Slave, in which the slave who does not forgive is cast into prison (Matt 18:23–35). Similarly the rich man in the Parable of the Rich Man and Lazarus is consigned to torment because of his arrogant, uncaring, and inattentive conduct in this life (Luke 16:19–31). The Parables of the Weeds in the Wheat and the Dragnet (Matt 13:24–30, 47–50) use metaphors for a final judgment (reaping, gathering, and burning in the first of them; sorting and casting away in the second).
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3. Diversity in Interpretation It is generally conceded that Adolf Jülicher went too far in his insistence that “the parable is there only to illuminate … one point,”19 and that the interpreter “must draw from the parable only one thought.”20 The history of interpretation over the decades has affirmed that the parables of Jesus are polyvalent, and various interpretive possibilities present themselves.21 If that is so, it follows that a theological interpretation of the parables would be – at least in principal – valid; in fact, diverse theological interpretations can be allowed. From the beginning, within the history of interpretation, the earliest interpretations available for later generations are those of the evangelists, and they are theological and / or ethical. To be sure, some would say that that is precisely the problem. They might go on to say that the evangelists set in motion a history of “theological” or “ecclesiastical” interpretations that have unduly affected subsequent interpretation. What is needed is an array of alternatives, by which one can hear the parables afresh apart from the theological referentiality that has been given to them. By way of response to this, one must grant that the theologies of the evangelists are reflected in the ways that the parables of Jesus are contextualized and told in the gospels. These include ways that the evangelists have located and framed the parables22 and instances where the evangelists have rendered the actual narrative content of parables in ways that express their own theological or ecclesial interests.23 But once that point has been made, where does one go from there? One response has been that one should go behind the theological voices of the evangelists to the voice of Jesus himself. That approach has been around for a long time,24 and it continues to have some support.25 It is possible for interpreters to probe the history of a particular parable “behind” the gospel in which it is presented. That is so especially for those
19 A. Jülicher, Die Gleichnisreden Jesu (2 vols.; 2 nd ed.; Tübingen 1899; repr., Darmstadt 1963), 1:317. 20 Jülicher, Gleichnisreden Jesu (n. 19), 1:74. 21 The polyvalence of the parables has been discussed by, among others, M.A. Tolbert, Perspectives on the Parables: An Approach to Multiple Interpretations (Philadelphia 1979), 35–50. 22 Illustrations of this are made above in section I (1). 23 An illustration is the way that Matthew’s concern for one who goes astray is reflected in his version of the Parable of the Lost Sheep (Matt 18:12–14) in comparison to the version in Luke (15:4–7), to say nothing of the version at the Gos. Thom. 107. 24 As well known, one of the most explicit, early advocates was J. Jeremias, Parables of Jesus (n. 7), 22. 25 An example is the work of the Jesus Seminar; cf. R.W. Funk et al., The Parables of Jesus: Red Letter Edition (Sonoma, Calif. 1988), 74.
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parables appearing in the double or triple tradition.26 But the degree of confidence one can have diminishes quickly concerning the content of a parable in its original telling by Jesus. In the final analysis, what we have are the gospels, not Jesus. Moreover, whether one can get to a “non-theological” original version from Jesus is highly questionable. Even when one has set the parables aside from further consideration, virtually all of the sayings traditions remaining in the gospels (including the sources and traditions – Mark, Q, Matthew, and Luke) are theological and / or ethical. To expect that the parables as spoken by Jesus would not be theological and / or ethical seems unfounded.
4. Closing Comment It has been observed that one’s “hermeneutical freedom” can be increased “immensely” by detaching the parables from their canonical contexts.27 Then one can find in them an “inexhaustible hermeneutic potential” that is comparable to that of the patristic writers in their use of allegory.28 One of the emphases needed in biblical studies at virtually every level is to recognize that the study of the Bible is a cross-cultural experience. To enter the world of the biblical text is not as simple as moderns often realize. It is a foreign land to many, but if one goes there, it is necessary to adapt to it. It is a world in which heaven is much closer to the earth than it is back home in the world of the twenty-first century. In the world of the Bible we discover inhabitants very much at home with a world-view that takes the presence and activity of God for granted, and to ignore them, their views, and their voices is to fail to be truly cross-cultural. To return to where we began, it has been asserted that from the beginning the parables of Jesus were “not primarily” vehicles “to communicate theology or ethics.” But the author of that statement can find only nine parables of Jesus out of three-dozen or more to fit his concern. That could mean that there is something wrong with the approach taken – in spite of all that is worthy to ponder in that volume.
26 An example is the work of C.E. Carlston, The Parables of the Triple Tradition (Philadelphia 1975). 27 B. Gerhardsson, “If We Do Not Cut the Parables Out of Their Frames,” NTS 37 (1991): 321–335, 325. 28 F. Kermode, The Genesis of Secrecy: On the Interpretation of Narrative (Cambridge, Mass. 1979), 44.
Autorinnen und Autoren Stefan Alkier (geb. 1961), Dr. theol. habil., ist Professor für Neues Testament und Geschichte der Alten Kirche an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main, Deutschland. Mary Ann Beavis (geb. 1955), Ph.D. (Cambridge University), ist Associate Professor for Religious Studies an der St. Thomas More University of Saskatchewan, Saskatoon, Kanada. Thomas Braun (geb. 1975), ist wiss. Mitarbeiter am Lehrstuhl für Neues Testament im Fachbereich Evangelische Theologie der Philipps-Universität Marburg, Deutschland. Warren Carter (geb. 1955), Ph.D. (Princeton Theological Seminary), ist Professor of New Testament an der Brite Divinity School, Fort Worth, Texas, U.S.A. Adela Yarbro Collins (geb. 1945), Ph.D. (Harvard University), ist Buckingham Professor for New Testament Criticism and Interpretation an der Yale University Divinity School, New Haven, Connecticut, U.S.A. Stephen Curkpatrick (geb. 1955), Ph.D., ist lecturer for Christian Thought and History am Melbourne College of Divinity (MCD). Ferner ist er resident lecturer am Churches of Christ Theological College, einem constituent college des MCD und Research Associate im Bereich der Historical Studies der Arts Faculty an der Monash University, Melbourne, Australien. Detlev Dormeyer (geb. 1942), Dr. theol. habil., ist Professor Emeritus für Neues Testament an der Fakultät für Humanwissenschaften und Theologie der Universität Dortmund, Deutschland. Kristina Dronsch (geb. 1971), Dr. theol., ist wiss. Mitarbeiterin im Fachbereich Neues Testament und Geschichte der Alten Kirche der EvangelischTheologischen Fakultät der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main, Deutschland. Kurt Erlemann (geb. 1958), Dr. theol. habil., ist Professor für Neues Testament und Geschichte der Alten Kirche an der Bergischen Universität Wuppertal, Deutschland.
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Autorinnen und Autoren
Charles W. Hedrick (geb. 1934), Ph.D. (Claremont Graduate School), ist distinguished Professor Emeritus an der Southwest Missouri State University, Springfield, Missouri, U.S.A. Catherine Hezser (geb. 1960), Dr. theol. (Heidelberg), Ph.D. (Jewish Theological Seminary, New York), Habilitation (Freie Universität Berlin), ist Professorin für Jewish Studies an der School of Oriental and African Studies (SOAS) der University of London, Großbritannien. Arland Hultgren (geb. 1939), Ph.D. (Union Theological Seminary, New York), ist Asher O. and Carrie Nasby Professor of New Testament am Luther Seminary, St. Paul, Minnesota, U.S.A. Michael Labahn (geb. 1964), Dr. theol., ist Dozent an der Theologischen Fakultät an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Deutschland. Christian Münch (geb. 1968), Dr. theol., ist Akademischer Rat am Institut für Philosophie und Theologie der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg, Deutschland. Tania Oldenhage (geb. 1969), Ph.D. (Temple University Philadelphia), war bis 2003 Assistant Professor für Religion am Mount Union College, Alliance, Ohio, U.S.A., und ist nun Studienleiterin am Evangelischen Tagungsund Studienzentrum Boldern in Männedorf, Schweiz. Karl-Heinrich Ostmeyer (geb. 1967), Dr. theol. habil., ist Privatdozent für Neues Testament am Fachbereich für Evangelische Theologie der PhilippsUniversität Marburg, Deutschland. Enno Edzard Popkes (geb. 1969), Dr. theol. habil., ist Privatdozent für Neues Testament an der Theologischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Deutschland. Uta Poplutz (geb. 1971), Dr. theol. habil., ist Oberassistentin an der Theologischen Fakultät der Universität Zürich, Schweiz. Eckart Reinmuth (geb. 1951), Dr. theol. habil., ist Professor für Neues Testament an der Theologischen Fakultät der Universität Rostock, Deutschland. Claire K. Rothschild (geb. 1964), Ph.D. (Divinity School, Chicago), ist Professorin für New Testament Studies an der Lewis University, Chicago, Illinois, U.S.A. Luise Schottroff (geb. 1934), Dr. theol. habil., ist Professorin für Neues Testament an der Pacific School of Religion, Berkeley, Kalifornien, U.S.A. Andreas Schüle (geb. 1967), Dr. theol. Dr. phil. (Heidelberg), ist Aubrey L. Brooks Professor für Biblical Theology am Union Theological Seminary und
Autorinnen und Autoren
643
an der Presbytarian School of Christian Education, Richmond, Virginia, U.S.A. Klyne Snodgrass (geb. 1944), Ph.D. (St. Andrews), ist Paul W. Brandel Professor für New Testament Studies am North Park Theological Seminary, Chicago, Illinois, U.S.A. Mira Stare (geb. 1965), Dr. theol., ist wiss. Mitarbeiterin am Institut für Bibelwissenschaften und Historische Theologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Leopold-Franzens-Universität, Innsbruck, Österreich. Annette Weissenrieder (geb. 1971), Assistent Professor of New Testament am San Francisco Theological Seminary, San Anselmo und Graduate Theological Union, Berkeley, Kalifornien, U.S.A. Ruben Zimmermann (geb. 1968), Dr. theol. habil., ist Professor für Biblische Theologie in der Abteilung Evangelische Theologie der Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie der Universität Bielefeld, Deutschland.
Stellenregister (erstellt von Dominik Mahr und Christoph Brinker)
1. Altes Testament Genesis 4,2 12,3 13,7 f. 22,1–14 22,1–19 26,20 27,29 29,9 38,11 38,14 38,19 38,26
348 214 348 170 366 348 214 348 610 607 607 615
Exodus 2,17–19 3,6
348 605
Levitikus 16,29–34 18,16
366, 369 611
Numeri 17,14 21,5 f. 22–24 23 f. 23,7 23,9 23,10 23,18 24,3 24,15 24,17
229 378 205 54, 213–215 113 214 214 113 113 113 213 f.
24,20 f. 24,23 27,14
113 113 227
Deuteronomium 3,23 227 4,6 f. 214 6,4 145 14,28 f. 607 15,9 609 16,11 607 16,14 607 24,17 f. 607 24,19–24 607 25,5 610 25,5–10 604 25,7–10 610 28,54 609 28,56 609 29,3 290 32,8–10 214 Richter 8,22 f. 8,30 9,7–15 9,16–22 9,22–57 9,56 14,11 14,20 15,2 15,5
198 198 198 198 198 198, 200 78 78 78 78
646
Stellenregister
Ruth 4,15
615
1. Samuel 10 10,12 19,24
210 113, 206 206
2. Samuel 11 12,1–4 12,1–14 12,6 14,5–7
230 168 162 230 168
1. Könige 4,32
207
Hiob 13,12 27 27–31 27,1 29 29 f. 29,1
208 215 209 208 f. 215 209 208 f.
Psalmen 1 7 f. 19,6 22,28 37 44,14 45 47,2 49,5 78,2 95,1–3 102,12–22 103,19 118,22 f. 145,10–13
214 635 81 635 193 207 81 635 113 154 635 635 635 148 635
Proverbien (Sprüche) 1,1 113, 215
1,5 f. 1,6 10,1 11,19 15,22 18,23 23,1–8 25,1 25,15 26,27 28,22
206 3 113 206 206 227 609 113 208 206 609
Kohelet (Prediger) 9,14 f. 168 Jesaja 1,17 5 5,1 f. 5,1–7 6,9 f.
6,10 7,34 10,2 16,9 25,10 27,2–4 33,10–15 43,15 44 44,6 47,8 61,10 62,5
607 286 453, 458 216 56, 289 f., 292, 296, 300, 305 f., 308, 312, 316, 319, 532, 561 306, 313 80 607 80 80 73 80 635 559 635 607 77 80
Jeremia 2,2 5,21 6,10 7,6 9,17 10,21 12,10 15,18
80 561 561 607 524 349 349 607
647
Stellenregister
18,21 22,3 23,1 25,10 25,35 25,36 31,10 33,12 f. 33,15 49,11
607 607 349 81 349 349 349 349 81 607
Klagelieder 1,1
524
Ezechiel 12,2 12,22 f. 16,8 17 17,1–10 17,2 17,3 f. 17,3–24 17,22–24 17,5 f. 17,7 f. 17,11 f. 17,13 f. 17,15–21 17,15–24 17,22 f. 17,22–24 17,24 18,2 19,2 f. 22,7 24 31,1 31,1–18 31,2 31,5 f. 31,9 31,12 31,15–17 31,18 34,2
561 113 80 54, 210 f., 536 210 3, 210 198 198 f. 537 198 198 198 198 198, 200 200 199 199 f. 199 f. 206 113 607 54, 212 199 199 199 199 199 f. 199 199 199 349
34,8 34,12 34,23
348 349 349
Daniel 2,18 f. 2,28–30 2,47 4,1–36 4,1–17 4,12 4,17 4,22 4,25 4,26 4,28–33 4,34 4,34 f. 4,35 4,36 7,13 f. 7,18 12,1–3
316 316 316 199 199 199 199 199 199 199 199 200 199 200 199 f. 192 635 192
Hosea 2,21 2,23–25 7,4
80 527 127
Micha 2,4 4,6–8
207 635
Habakuk 2,6
207
Sacharja 7,10
607
Maleachi 3,5
607
LXX Psalmen 77,2 (LXX) 132, 535 95,7–11 (LXX) 369
648 Proverbien 1,1 1,6 26,7 Jesaja 6,9 f. 40,1–13
Stellenregister
340 340 340
300, 308 80
Ezechiel 36,8–11
527
Habakuk 2,7
206
Sacharja 10,9
527
Jeremia 31,33 (LXX) 369 38,27 f. (LXX) 527
2. Pagane antike Literatur Aischylos Agamemnon 264 f.
339
Ammonius grammaticus De adfinium vocabulorum differentia 374 366 Aristoteles Ethica nichomachea I 1,1094b,12–27 406 IV 3,1125,10–15 637 Poetica I 6–22 I 23–26 II 20 7,1450b,26–34 VIII 9,1–3 8,1451a,30–35 10,1452a,18–21 XIV 20 XV 1–8,10 XVI 5 18,1455b,24–29
243 243 239 69 176 69 69 176 176 176 69
Rhetorica I 2,4 f. I 4–8
244 244
I9 I 10–14 II 2–11 II 12–17 II 19 II 20 II 20,2–4 II 20,4 II 20,4–8 II 20,5 II 20,26 II 20,28–31 II 20–22 II 21 II 22 II 23 II 23 f. II 25 III 1–12 III 11,6–10 III 13–19
244 244 243 243 244 244, 366 426 525 245 526 244 38, 245, 394, 397 244 244 244 366 244 244 243 369 243
Topica VIII 1,155b,23 246 VIII 1,156b, 25–27 246 Pseudo-Aristoteles Oikonomikos 1,5,1344b4 474
649
Stellenregister
I 27,19 f. III 5,17
161 161
Hippocrates Lex 3
529
De inventione rhetorica I 30,49 248
Horaz Carmina I 14
250
De oratore 2,40,170
366
Iulius Rufinus 22
366
Pro Milone 3,8
249
Macrobius Saturnalia 1,24,23
474
Martial De spectaculis IX
192
Petronius Satyricon 110 111 f.
606 606
Plato Gorgias 490c–d
246
Phaidros 267
115
Dio Chrysostomos De Fortuna II (Or. 64) 13,2 161
Symposion 221e
246
Dionysius v. Halicarnassus Antiquitates Romanae 7,42,2,1 161
Plinius d. Ä. Naturalis historia XIII 44 135
Epictetus Diatribai / Dissertationes I 4,31 161 I 21,1 369
Plutarch De Fortuna Romanorum 320F.7 161
Arrian Anabasis 7,10,1,3
161
Cicero In Verrem actio secunda 5,162 192
Auctor ad Herennium IV 31,42–43 251 IV 31,46 251 IV 45,59 248, 252 Columella De re rustica I,20
503
Corpus Inscriptionum Latinarum CIL 141/4,13a 508 Demetrius De elocutione 89
366
650
Stellenregister
Quaestionum convivalium libri IX 8,9,1 369 Polybius Historiae 5,5,3
369
Quintilian Institutio oratoria IV 1,5 69 V 1–7 247 V 8–14 247 V 11 38, 394, 397, 426 V 11,1 399 V 11,1a 247 V 11,1b–2a 248 V 11,1–31 247–252 V 11,5 248, 252 V 11,6 248, 398, 412 V 11,6–16 251 V 11,17 249 V 11,17–21 251 V 11,19 249 V 11,21 249, 339, 398 V 11,22 249 f., 399 V 11,22–24 366 V 11,22–31 251 V 11,23–25 253 V 11,23 250, 399 V 11,23–25 253 V 11,24 253, 399 V 11,25 253 V 11,26 250 VI 3,59 250 VII 6,4–67 251 VIII 3,72 253 VIII 3,72–82 253–255 VIII 3,73 253 VIII 3,74 253
VIII 3,75 VIII 3,77 VIII 3,81 VIII 6,44 VIII 6,49 VIII 6,51 VIII 6,52 IX 2,46 XI 2,39
253 254 254 425 484 494 484 484 115
Seneca Epistulae morales 47,14 474 73,16 529 Socratis et Socraticorum epistulae 36,1,29 339 Strabo Geographica XVI 2
135
Tacitus Annales XII 43
503
Agricola 21
507
Historiae V6 V9 V 13
135 134 185
Trypho Peri tropon II p 198,23 f. 2,5
251 366
3. Frühjüdische Literatur Aristeasbrief 128 142
372 372
158 162
372 372
651
Stellenregister
Baruch, syrischer 29 f. 290 4. Esra 3,20 4,1–12 4,40–43 5,23 7,28 f. 8,37–41 9,18–22 9,30 9,31
530, 534 536 536 73 290 527 527 530 534
Gemeinderegel (1QS) 11,5 f. 316 Henoch, äthiopischer 37–71 527 38,3 316 62,7 f. 528 63,3 316 101,4–9 154 103,2 316 Hodayot (1QS) 14,14–16 528 Joseph and Aseneth 12,8 154, 637 Josephus Antiquitates Judaicae 1,31,1–4 377 14,78 196 15,15 372 14,203 135 15,9 f. 299–316 135 15,299–316 135 18,1 191 18,8 136 19,278–291 186 19,286,291 186 19,289 187 20,51 136 20,251 185
Bellum Judaicum (B.J. / JWR) 1,437 372 2,115–116 608 2,196 f. 185 2,408–416 185 2,360,390 f. 185 2,376 161 2,592 f. 135 3,8,29 191 3,123 194 5,520 191 5,362–368,378 185 5,412 185 5,449–451 192 7,41–62 191 7,43 191 7,58 f. 191 7,96 191 7,103,106–111 191 Vita § 75
135
Jubiläen 17,15–18 18,16
377 377
Liber Antiquitatum Biblicarum 12,8 73 1. Makkabäer 2,21 2,52 7,18 9,39 15,2 15,5 f.
369 377 368 78 501 501
2. Makkabäer 7
192, 610
4. Makkabäer 16,18–20
376 f.
Pesher Habakuk (1 QpHab) 7,5 f. 316
652 Philo De Abrahamo 167–207 De agricultura 97
Stellenregister
De sobrietate 3
366
377 De specialibus legibus 2,63 184 518 Sapientia Salomonis 10,5 376 f.
De decalogo 20,108–110,154 184 Quod deterius potiovi insidavi soleat 67 f. 369 Quod Deus sit immutabilis 4 377 21 f. 518 59 518 Quis rerum divinarum heres sit 88 366 De opificio mundi 157 518
Sirach 6,35 8,8 14,8–10 18,29 39,3 39,9 44,20 47,17
340 340 609 340 340 f. 341 376f, 340 f.
Testament Hiobs 18,6–8 154 Tobit 3,7–9
610
De plantatione 35 518
4. Rabbinische Literatur Mischna- und Talmudtraktate Mischna Avot 2,15 2,16 3,17 f. 4,16 4,20 5,4 5,15
154 637 154 154 154 376 154
Beshallach 4,35–41
637
Ketubbot 1,4
78 f.
Nidda 2,5 5,7
37, 99, 154 37, 99, 154
Sanhedrin 3,5
78
653
Stellenregister
Sukka 2,9
37, 99, 154
Babylonischer Talmud Bava Batra 141a 610 Bava Mezi’a 59b 84a
609 609
Bava Qamma 11a
609
Berakhot 6b 13b
78 145
Joma 86b
229
Sanhedrin 93a
609
Shabbat 33b
609
Midraschim, Targumim, Sammelwerke Bammidbar Rabba 1,184a 78
Bereshit Rabba 45,5 609 63–100 225 Devarim Rabba 6,2 637 Jesajah Targum 61,10 81 Pesiqta de Rav Kahana 1,3 37 11,3 37 90b 609 137a 609 Qohelet Rabba 5,11,5 637 Shemot Rabba 21,8 23–30 41 46,1 206
637 225 78 78 78
Sifre Deuteronomium 26 55, 227–237 137 229 Tehillim Psalm 26,3 637 37,3 637
5. Neues Testament Texte, die der Logienquelle Q zugeschrieben werden, werden hier unter „Q“ eigens aufgeführt. Matthäus 1 1,3 1,5 1,21 1,23 1,24
109 615 615 598 201 598
2,1–14 2,2 3,10–12 4,8 4,17 4,23–25 4,24
100 192 82 193, 200 192 197 201
654 5,3 5,5 5,13 5,13–16 5,14 f. 5,15 5,16 5,20 5,24 5,25 5,25 f. 5,26 5,39 5,39–41 5,40 5,41 6,2–4 6,10 6,22 f. 6,23 6,24 7,3 7,3–5 7,4 7,5 7,6 7,9 7,9–11 7,11 7,13 f. 7,16 7,20 7,24 7,24–27 7,26 8,16 9,16 9,36 10,3 10,5–42 10,7 f. 10,16 10,24 f. 10,26 11,2–6 11,16
Stellenregister
192 193 405 411 445 302 456 279 634 168 388, 568 452 194, 568 194 568 568 194 192 445 609 448, 456 405 568 405 405 404 445, 634 422, 636 164, 634 599 448 456 443 388, 400 443 197 397 193, 197 177 423 194 411 422 423 193 443 f.
11,16–19 11,18 11,19 12,1–14 12,11 12,29 12,33–37 12,40 12,42 12,43–45 12,45 13 13,1–9 13,1–52 13,3 13,3–5 13,3–8 13,9 13,9–17 13,10 13,10–17 13,10–18 13,11–52 13,13 f. 13,18 13,24 13,24–26 13,24–30 13,25 13,28 13,29 13,31 13,31 f. 13,32 13,33
13,35 13,36 13,36–43 13,37–39 13,37–43
388 455, 457 177, 457, 634 197 634 97 456 412 444 438–440, 562 455, 457 40, 383, 488 308 446 445, 451 452 97 445 561 455 197, 294, 307, 447, 561 445 196 323 455 415, 443, 446, 451, 633 452 131 f., 169, 390, 561, 638 171 171 445, 456 443, 446, 451, 633 97, 181–201, 388, 403, 562 175 97, 123 f., 124–132, 160, 168, 388, 443, 446, 562 132, 154 3, 455 4, 132, 457, 519, 561 457 456
Stellenregister
13,40 13,40–43 13,43 13,44 13,44–46 13,45 13,45 f. 13,47 13,47 f. 13,47–50
13,49 13,49 f. 13,52 14,13–21 15,10 15,13 15,14 15,15–17 15,32–39 16,1–16 16,25 17,24–27 18,12 18,12 f. 18,12–14 18,13 18,14 18,21 f. 18,23 18,23–34 18,23–35 18,28–30 18,29–43 18,31–34 18,34 18,35 19,16–24 19,28 20 20,1 20,1–3
455 457 445, 455 97, 169, 388, 402, 562, 633 147, 400 633 97, 169, 175, 389, 444, 562 633 168 62, 194 f., 201, 389, 400, 567, 588–602, 638 455, 596 456 f. 405, 422, 444 193 445 193 397 445 193 39 567 194 444, 450, 634 97, 169 114, 388, 638 452 455 f., 633 138 146, 633 55, 97, 169, 234–237 138, 147, 390, 451, 458, 561, 636, 638 452 230 450 138 455 f. 193 193 624 145 f., 633 451, 454
20,1–15 20,1–16
20,8–15 20,11–15 20,15 20,16 20,25 f. 20,26 21,1–11 21,22–44 21,13 21,23 21,23–46 21,28 21,28 f. 21,28–31 21,28–32 21,31 21,31 f. 21,32 21,33 21,33–39 21,33–41 21,33–43 21,33–45 21,33–44 21,35–39 21,37–39 21,40 21,40 f. 21,40–44 21,40–46 21,41–43 21,43 21,45 21,45 f. 22,1 22,1–10 22,1–14 22,2 22,2–4 22,2–13 22,2–14
655 97, 169, 450 73, 138, 147, 220, 390, 413 f., 451, 458, 561, 636, 638 139 450 609 455 f. 193 456 167 390 193 196 193 73, 444 f., 450, 634 454 390, 561 162, 451, 636 450, 455 196, 447, 457, 634 177, 525 445 f., 453, 454 97 561 451 162 636 196 525 455 450 445, 525 447 196 455, 457 195 633 446 193 114, 138 f., 143, 147, 195, 200, 414, 453 633 78 97, 174 390, 636
656 22,5 22,7 22,9 f. 22,11–13 22,13 22,14 22,15–22 22,25 22,25–28 22,29 23,13 23,15 23,23 24,27–31 24,32 24,32 f. 24,33 24,42 24,43 24,43 f. 24,44 24,45 24,45–51 24,47 24,51 25,1 25,1–3 25,1–11 25,1–13 25,2 25,12 25,13 25,14 25,14 f. 25,14–16 25,14–28 25,14–30 25,15–30 25,19–30 25,21 25,23 25,28 25,28–30 25,29
Stellenregister
171 143, 452, 487 525 139, 454 452 455 f. 194 605 603 605 193, 525 193 193, 196 194, 201 167, 445 167, 388 445, 455 f. 445 445 388, 403 445, 455 f. 444, 450–452, 634 388, 451, 636 452 452 451, 633 452, 454 169 390, 402, 414, 451, 567 169 139, 142, 144; 452 455 f. 444 451 f. 452, 454 97 138, 169, 390, 451, 567 458 450 452, 472 452 472 472 456
25,30 25,31–46 25,32 f. 25,41–45 26,64 27,29 27,37 27,57 f. 28,10 28,17 28,20 Markus 1,1 1,14 1,14 f. 1,15 1,16–20 2,2 2,13 2,14 2,15 f. 2,17 2,18–20 2,19 2,19 f. 2,20 2,21 2,21 f. 2,22 2,27 3,22–26 3,23 3,24 f. 3,24–26 3,25 3,27 3,31–35 4 4,1 4,1 f. 4,1–9 4,1–34 4,2
139 194 f., 201, 566 392 601 192 192 192 177 166 599 600
261 635 524, 533 529 177 533 521 177 177 422, 445, 448, 457 82, 392, 422, 424 78, 445 82 82 397, 424, 448 405, 422 414, 424, 448 100 392 521 421 f., 424 448 413 97, 421 f., 424 289 383, 514, 521–538 521 299 525–531 299, 421, 423, 521– 525, 537 f. 299, 366, 532
657
Stellenregister
4,3 4,3–8 4,3–9 4,3–20 4,9 4,9–12 4,10 4,10–12
4,10–13 4,11 4,11 f. 4,12 4,12 f. 4,13 4,13–19 4,13–20 4,14–19 4,14–20 4,20 4,21 4,21–23 4,21–25 4,22 4,23 4,24 f. 4,26 4,26–29 4,30 4,30 f. 4,30–32 4,33 4,34 4,35 f. 7,1–22 7,14 7,14–32
445, 535 97, 496–501, 519, 537 f. 390 60 f., 414, 494–520, 512–516 20, 120, 445, 535, 538 4 f. 3, 299, 300, 308, 455, 532, 537 f. 56, 289–292, 294– 320, 319, 329, 383, 397, 445, 492, 498 561 300, 315 303, 319, 522, 532, 535, 537 f. 132, 300, 306, 519 323 515, 533 519 4, 289, 457, 496–501, 513, 516–520, 538 515 f. 526 f., 533 f. 513, 515 302, 445, 448, 537 534 f. 536 422 f., 455 445 535 117, 444, 633 39, 97, 131, 388, 400, 452, 535 f. 117, 443, 633 f. 444 97, 131, 168, 388, 400, 403, 536 f., 562 118, 537 4, 301, 538 522 617 445 392
7,15 7,22 7,27 f. 8,32 8,33 8,35 9,50 10,2–12 11,27 12,1 12,1–3 12,1–8 12,1–9
12,6 12,7 12,9 12,10 f. 12,10–12 12,12 12,17 12,18–27 12,20–23 12,24 12,25 12,29 13 13,14 f. 13,28 13,28 f. 13,29 13,34 13,34–37 13,34–36 13,37 15,43 16,7
424 609 403, 422, 424 532 533 567 422, 448, 456 617 148 286, 451 f., 458 471 97 73, 100, 390, 453, 457, 561 175, 216, 451 47, 56, 138, 162, 285– 287, 289, 290, 488 139 143 450, 455 457 148 f. 148, 302, 633 175 608, 612 62, 612 605 612 145 109, 514 319 167, 445, 448 167, 388, 423 445, 455, 457 444, 452 388, 402, 472 472 455 177 166
Lukas 4,23 5,31 f. 5,36 5,36–39
167, 448 456 395 167
12,1–11 12,1–12
658 6,29 6,39 6,40 6,41 f. 6,47–49 7,11–17 7,13 7,31 f. 7,31–35 7,33 7,34 7,35 7,36–40 7,40–47 7,41 f. 7,41–43 7,42 7,44 f. 8,1 8,1–3 8,4 8,5–8 8,8 8,9 8,9 f. 8,9–18 8,10 8,11 8,16 8,17 8,19 9,24 10,25–29 10,25–37 10,30 10,30–35 10,30–37 10,36 10,36 f. 10,37 11,5 11,5–8 11,9 11,11 11,11–13
Stellenregister
395, 568 397, 445, 448 422 568 388, 443 109 436 443 388, 400 455, 457 457, 634 456 633 162 169 390 450, 455 457 395 177 395 97 445 305, 395, 455 294, 304–310, 561 423 305 f., 315, 323 395 302 456 305 567 633 306, 434–437 166, 449 97, 391, 422, 604 53, 123, 132–134, 562 455, 604 450 162, 456 160, 445, 634 390, 400 f., 470, 562 456 445, 634 422, 636
11,13 11,21 f. 11,23 11,24–26 11,33 11,34 12,16 12,16–20 12,16–21 12,17–19 12,20 12,21 12,31 12,35–38 12,35–48 12,36 12,36–38 12,37 12,39 12,39 f. 12,40 12,42 12,42–46 12,42–48 12,44 12,45 12,48 12,54–56 12,57–59 12,58 f. 12,59 13,1–5 13,6 13,6–9 13,10–17 13,18 13,18 f. 13,18–21 13,19 13,20 13,20 f. 13,24–30 14,1
164, 439, 634 97 457 438–440, 562 302, 448 445 394 f., 449 97, 169, 171, 175, 604 391, 562 450 634 455 f., 604 635 403 567 443 f., 476 452, 472 f., 476, 479 f. 452, 476 445 388 445 f. 444, 450, 634 388, 472 636 452 450 456 388 388, 445, 568 403 452 604 73 175, 390 124 f. 415, 633 97, 388, 403, 562 443 175 124, 388, 415, 633 f. 97, 124–132, 562 568 479
Stellenregister
14,1–3 14,1–17 14,7 14,7–9 14,7–11 14,10 14,11 14,12–14 14,13 14,15 14,15–24 14,16 14,16–23 14,16–24 14,18–20 14,21 14,21–23 14,23 14,24 14,25 14,28 14,28–30 14,28–32 14,28–33 14,31 14,31 f. 14,33 14,35 15,1–7 15,3–5 15,4 15,4–6 15,4–7 15,4–10 15,5 15,6 15,7 15,8 15,8 f. 15,8–10 15,9 15,10 15,11 15,11–32
477, 479 f. 478 395 477 392, 414, 568 478 456 392 477 633 100, 114 449 97 138, 390, 636 171 477 452 477 452 477 634 470 567 388 445, 634 174, 470 455 f., 634 445 114 , 306 562 445, 634 97, 175, 470 39, 400, 638 388 478 478 455 f., 478 445, 634 47, 97, 470 72, 400, 638 478 455 f., 478 449 97, 100, 135, 144, 147, 169, 175, 390 f., 450, 556, 562, 636
15,17 15,17–19 15,18 f. 15,20 15,21 15,22–24 15,23 f. 15,29 f. 15,29–32 15,31 f. 15,32 16,1 16,1 f. 16,1–7 16,1–8 16,3 f. 16,4 16,8 16,8–13 16,9 16,13 16,19 16,19–31 16,21 16,31 17,7 17,7–9 17,7–10 17,10 17,11 f. 17,33 18,1 18,1–8 18,2 18,2–4 18,2–5 18,2–13 18,4 f. 18,6 18,8 18,9 18,9–14 18,10
659 135 171, 414, 450 638 436, 637 638 478 478 478 450 638 478 449 471 39, 167, 171 97, 390, 413, 562 450 478 455, 634 167 456 448, 456 449 169, 391, 567, 604, 638 478 604, 634 634, 634 468–474, 479 59, 388, 460–481, 562, 567 155, 456, 474–479 477 567 633 390, 562 449 401 47, 97, 171, 175, 607 171 450 455 456 f. 394 f., 633 72, 562, 638 166, 449
660 18,10–13 18,10–14 18,13 18,14 19,11 19,11–27 19,12 19,12 f. 19,12–27
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19,13–24 19,15–27 19,17 19,24 19,25 19,26 19,28–44 20,9 20,9–15 20,9–18 20,9–19 20,13 20,15 20,16 20,19 20,27–38 20,29–33 20,34–38 21,29 21,29 f. 21,29–31 21,31 22,2–14 22,24–38 22,27 23,50–52 23,51
604 97, 391 72 452, 455 f., 638 633 138, 148 f., 458 449 451 149, 174, 390, 472, 567 97 450 472 472 472 456, 472 148 449 97 390, 458, 561 162, 636 450 455 148, 455 633 612–616 603 605 395, 445 167 167, 388 445, 455 636 480 480 177 177
Johannes 1,7 f. 1,8 f. 1,17 1,19–34 1,23 1,29 1,30
79 82 120, 309 76 79 f. 353 79
1,31 1,34 1,36 1,49 2,1–11 2,13–22 2,19 2,19 f. 3,1 3,3 3,3–7 3,5 3,8 3,10 3,22–36 3,23–29 3,28 3,29 3,29 f. 3,30 3,35 4,1–3 4,13 f. 4,34–38 4,35 f. 4,35–38 4,37 5,19 f. 5,19–23 5,20 5,24 f. 5,28 5,35 6,32–40 6,48–51 7,37 8,12 8,34–36 8,35 9 9,4 9,4 f. 10,1 10,1–3 10,1–5
79, 82 79 353 76 77, 412 172, 352 333, 336 338 177 310 333, 336 310 332 f., 336 177 76–78 80 81 80–83, 331 f. 51, 64–83 81 309 76 333, 336 336 332 332 f., 358 332 332 333, 336 309 80 81 77, 332 333, 336 333, 336 333, 336 77, 333, 336 331 332 347 332 333, 336 347 f. 331 57, 330, 332 f., 336, 338, 346–353, 363
Stellenregister
10,1–18 10,2–4 10,3 10,3–5 10,4 10,5 10,6
10,7 10,7–9 10,7–10 10,7–18 10,9 10,10 10,11 10,11 f. 10,11–13 10,12 f. 10,14 10,15 10,16 10,16 f. 10,17 10,17 f. 10,17–19 10,19 10,19–21 10,22–39 10,26 10,27 10,30 11,9 f. 11,11 11,25 f. 12,20–24 12,23 12,23 f. 12,24 12,24 f. 12,25 12,26 12,27 12,27 f. 12,28
328 347 f. 80 332 349 347 3, 325, 330, 338 f., 349, 351, 363, 396 336, 349, 351 333 350 347, 351 f. 336, 349, 351 350 350–352 333 332 333, 336, 350, 414 350 f. 350–352 80, 350 f. 309 351 350–352 350 347 350 352 352 80 309 332 f., 336 81 357 331 354 332 57, 327, 332 f., 353–358 336 355, 567 356 354 356 354, 356
12,29 12,30–32 12,32 12,33 12,35 12,35 f. 12,37–40 12,37–41 12,40 14,1–4 14,2 f. 14,7 14,8 15,1 f. 15,1–6 15,1–8 15,1–17 15,5 f. 15,13–15 15,16 16,13 16,19–28 16,20 16,21 16,21 f. 16,22 16,23 16,23 f. 16,25
16,25–28 16,25–29 16,25–30 16,25–33 16,26 f. 16,27 16,29 16,29 f. 16,30 16,32 17 17,24–26 18–21
661 356 356 356 356 336 333 56 296, 312 f., 319 319 333, 336 332 120 309 332 f. 331 73, 328, 332 f., 336, 358 332 333 81 f. 358 80 358 360 f. 57, 322, 332, 336, 338, 358–362 322, 331, 333, 343 360 f. 345 343 118, 311, 319, 325 f., 329, 338 f., 343–346, 363 338 330, 396 f. 56, 295 328 343 343 325 f., 329 311, 343 345 362 338 309 338
662 18,15 19,38 19,38–40 19,39 f. 19,41 f. 20,30 f. 21,1 21,15–19
Stellenregister
353 177 177 177 177 309 166 353
Apostelgeschichte (Act) 1,15 177 1,15 f. 177 2,7 177 7,48–50 144 10,1 f. 189 13,16 187 14,1 187 16,14 187 17,4 187 17,12 187 17,29 144 28,25–28 307 28,26 306 28,26 f. 561 Römer 1,23 4,1–17 4,17 8,38 11,7 f. 15,4
144 377 377 370 561 378
1. Korinther 3,22 7,26 10,9 10,11
370 370 378 369, 378
2. Korinther 4,4 11,2 11,32 f.
120 83 165
Galater 1,4
370
3,1 4,21–31
609 489
Epheser 5,21–32
83
Kolosser 1,5 f. 1,15
531 120
1. Thessalonicher 3,3–5 514 2. Thessalonicher 2,12 370 1. Timotheus 3,16
489
2. Timotheus 3,1
370
Hebräer 3,3 3,6 3,7 3,13–15 4,3 4,7 4,11 4,13 5,7 6,2 6,5 6,6 6,9 6,18 7,11 7,16 7,19 7,20 9,1–8 9,1–12 9,6–10 9,9
366 369 369 369 369 369 369 369 373 373 370 370 371 375 374 373 369 366 374 374 366–375 57 f., 365 f., 369, 379
663
Stellenregister
9,9 f. 9,9–14 9,10 9,11 9,11 f. 9,11–14 9,27 10,1 10,1–3 10,4 10,13 10,15 10,20 11,6 11,11 11,12 11,17–19 11,19 11,26 12,5–7 12,9 13,9 13,10
374 374 373 374 374 374 366 369 375 375 375 369 f. 373 375 370 376 376–379 57 f., 365 f., 378 f. 378 369 373 372 372
1. Petrus 5,7
514
2. Petrus 1,20 f.
489
3. Johannes 15
82
Offenbarung (Apk) 2,7 561 2,10 514 2,11 561 2,17 561 2,29 561 3,6 561 3,13 561 3,22 561 13,9 561 18,22 81 21,5 546 21,2 83
21,9 22,17
83 83
Q 3,8 3,9 3,17 3,21 f. 6,20 6,20–49 6,20–23 6,27 f.35 6,29 f. 6,32 6,35 6,36 6,37 6,39 6,40 6,41 f. 6,43 6,43–49 6,46–49 6,47 6,47–49 6,48 6,49 7,9 7,22 7,25 11,14 11,14–23 11,19 f. 11,23 11,24–26 11,32 11,33 11,33–35 11,34 f. 12,22–31 12,24 12,27 12,39 f. 12,42–44 12,42–46 12,51.53
266 274 274 265 278 265–267 276 278 f. 274 278 f. 278 278 274 281, 397, 402, 410 281 281 266 276 266 261 266, 414 266 266 280 261 278 275 275 275 275 275 261 302, 414 277 278 268, 279 f. 414 414 267, 414 276 267, 276 274
664 12,58 f. 13,8 f. 13,18 f. 13,18–21 13,20 f. 13,24–27 13,26 13,27 13,29.28 13,34 f. 14,16 f. 14,17 14,17 f. 14,21 f.
Stellenregister
269, 274 117 267 f. 274 117, 124–132, 267 f. 270, 273 274, 281 274 270 270 267, 269 f. 273 270 273
14,23 14,34 f. 15,4–5a.7 16,13 17,1 f. 17,6 17,23–37 17,24 17,34 17,34 f. 17,37 19,12–26 19,12 f. 22,28.30
270 277 114, 269, 418 278 269, 281 280 268, 271 411 271 413 414 275, 414 276 f. 277
6. Antike christliche Schriften Agrapha 45 165
414 414
1. Clemens 24,5
531
Hieronymus Commentarii in Mathaeum 18,23 99 Hirt des Hermas 4,2,5 514 Irenaeus Adversus haereses V 36,1 f. 531 Johannes Chrysostomos Homiliae in epistulam ad Hebraeos XV 369 Justin Apologia I 66,3
102
Nag Hammadi Texte Epistula Iacobi Apocrypha (NHC I/2) 7,23–35 414 7,24–26 443 f. 8,10–27 414 8,16–18 443 f. 12,22–24 443 f. Thomasevangelium (NHC II/2) 1 317 f. 1,2 317 8 443 9 527 12 317 12,2 317 13 317 f., 443 13,7 318 14 319 20–22 443 22 117, 444, 603 33,2 f. 302 47,1 f. 414 51 316 52 319 53 319 57 443
665
Stellenregister
61 62 62,1 63 64 65 76
413 297, 316, 318 f. 56 f., 296, 315 173 114, 169, 171 169, 471 443
95 96 97 98 102 107 109
274 124–132 47 171, 174 414 114, 418, 639 117
Autorenregister (erstellt von Fredrik Wagener) Ahrens, E. 272 Aichele, G. 577–579 Aland, B. 79, 130, 138, 339 Aland, K. 79, 130, 138, 339 Albrecht, M. von 425 Alkier, S. 37, 239 f., 303 f., 501, 546, 548, 572, 578, 580 f., 583–585, 590, 592 f., 597 Allen, L.C. 212 Allison, D.C. 152, 197, 266, 556 Anderegg, J. 66 Angehrn, E. 7 Angermüller, J. 551 Ankersmit, F. 102 Antonelli, J.S. 613 Arav, R. 177 Arens, E. 43 f., 416 f. Arnal, W.E. 511 Arnold, B.T. 178 Arp, T.R. 170 Asgeirsson, J.M. 279 Asher, J.R. 528 Assmann, A. 102, 106 f., 119, 579 Assmann, J. 102, 106–108 Attridge, H.W. 365 f., 368–375, 377 Auerbach, E. 171 Aurelio, T. 43, 416, 573 Aurigemma, S. 511 Austin, J.L. 264, 548 Avery-Peck, A.J. 182 Baasland, E. 162 f., 392 f., 416 Bacher, W. 218 Backhaus, K. 10, 12, 71, 103, 279 Bail, U. 144 Bailey, K.E. 28 f., 459, 475, 637 Balabanski, V. 140
Baldermann, I. 592 Balentine, S. 209 Banschbach Eggen, R. 39, 482 Banti, A. 503 Barclay, J.M.G. 185–187 Barlett, F.C. 107 Barrett, C.K. 83 Barthes, R. 8, 255 f., 426, 431, 463 Basseler, M. 110 Baudler, G. 160 Bauer, D.R. 184 Bauer, W. 79, 130, 138, 146, 339 Baum, A.D. 115 Baur, F.Chr. 89 Beardsley, M.C. 156 f. Beavis, M.A. 39, 47, 80, 117, 140, 240, 385, 398, 413, 526, 603, 605, 607 Becker, E.-M. 263 Becker, M. 316 Bedenbender, A. 301 Ben-Amos, D. 526 Bendemann, R. von 439, 445 f., 469, 475–477 Berg, H.K. 10 Berger, K. 11, 37, 65, 161, 234, 238, 241 f., 383 f., 389, 406, 432, 445, 448, 450, 452, 456, 485, 490, 492, 634 Bergmann, M. 502 Bernasconi, R. 565 f. Bernhardt, R. 121 Bernstein, M.A. 626 Bethge, H.-G. 317 Betz, H.D. 170, 278 Beutner, E.F. 27, 96 Billerbeck, P. 146, 220
Autorenregister
Birke, D. 110 Black, C.C. 327 Black, M. 385 Blasi, A.J. 182 Blass, F. 77 Blau, L. 609 Blenkinsopp, J. 532 Blischke, F. 279 Block, D.I. 211 f. Blomberg, C.L. 26, 48, 151, 385 Blum, H. 115 Blumenberg, H. 463 Blümner, H. 126, 130 Böcher, O. 438 Böhm, M. 133 Bolt, P.C. 605, 608–610 Boothe, B. 70 Borg, B.E. 500 Borg, M.J. 129 Borgen, P. 188 Börker, Chr. 503 Born, J. 625 Bornkamm, G. 260, 301, 636 Borsò, V. 106, 110 Bösen, W. 29, 117, 413 Böttrich, C. 262, 384 Boucher, M. 39, 157, 159, 385 Bourquin, Y. 69 Bovon, F. 133, 139, 304–306, 436, 439, 475, 478 Boyarin, D. 153, 222 Boyer, J.M. 365 Brandt, M.J. 126 f. Brantschen, J.B. 549 Braun, H. 365 Brav, A. 609 Brecht, B. 140 Breech, J. 27, 92 Bremond, C. 424 Brenner, A. 615 Brett, M.G. 181 f. Breytenbach, C. 432, 552 Brosend II, W.F. 526 Brown, R.E. 183, 297, 316 Brownlee, W.H. 217 Bruce, F.F. 365, 368, 376
667
Brucker, R. 88, 92, 136, 556 Buber, M. 560 Bublitz, H. 550 f. Buchanan, G.W. 365, 367f, 370–372, 376 f. Bucher, A. 49 f., 427 Bühler, K. 10, 70 Bührmann, A.D. 551 Bull, K.-M. 597 Bultmann, R. 127–129, 141, 162, 241, 386–388, 392, 400–402, 404, 438, 441, 445, 448, 452, 455 f., 469, 514 Bunzmann, K. 551 Bury, R.G. 528 Busse, U. 269, 279 Butler, H.E. 247 Büttner, G. 134, 427, 436 Butts, J.R. 166 Caesar, L.O. 113 Cameron, R. 317 Card, O.S. 176 Carleton Paget, J. 183 Carlston, C.E. 385, 640 Carter, W. 143, 181, 188, 191–196, 201, 458, 599 Casey, M. 182 f. Chance, J.B. 179 Chatelion Counet, P. 328 f. Chilton, B.D. 26, 151, 182, 300 Claussen, C. 103 Clifford, R. 206 Clines, D.J.A., 471 Cohen, S.J.D. 182 Collins, A.Y. 518 Collins, J.J. 182, 509 Coloe, M.L. 78, 83 Conzelmann, H. 392, 589 Coriando, P.-L. 544 Craig, F.I.M. 102 Critchley, S. 565 f. Crossan, J.D. 6, 19, 27, 32, 39, 44 f., 69, 88 f., 94 f., 121, 162, 386, 389, 392, 394, 409, 417, 471 f., 526, 576, 619, 621, 629 Cuddon, J.A. 170
668
Autorenregister
Culpepper, R.A. 327 Curkpatrick, S. 207 Cuvillier, E. 458 Dalman, G. 126, 129 Daniélou, J. 183 Dannhauer, J.C. 7 Davies, W.D. 183 f., 197, 266 Dawson, J.D. 518 Debrunner, A. 77 DeConick, A.D. 296 f., 314 f. Deines, St. 555 Denaux, A. 275, 295 Denzey, N. 182 Derrida, J. 563 Des Pres, T. 623 De Troyer, K. 279 Dettwiler, A. 310 f. Dever, W.G. 509 Dewey, A.J. 317 Dewey, J. 612 Dibelius, M. 91, 105, 260 Dierk, H. 6 Dihle, A. 238 Dillmann, R. 433 Dithmar, R. 242 Dodd, Ch.H. 28, 92 f., 156, 197, 288, 331 f., 386, 401, 413, 604 Domay, E. 134 Donahue, J.R. 48, 458 f., 464, 581 Donati, P.R. 550 Dormeyer, D. 37, 64, 88, 115, 117, 238, 242, 251, 256, 294, 299, 303, 316, 324, 383 f., 398, 412, 420–422, 425 f., 430, 432–434, 436, 449, 458, 512 Dorn, K. 445, 459 Douglas, M. 610 Draper, J.A. 114, 116, 261, 277 f. Drexhage, H.J. 503 Dronsch, K. 302, 512 f., 515 Drury, J. 39 f., 458 f. Dschulnigg, P. 26, 37, 99, 239, 444 Duebe, D. 217 Duff, D. 407 Duhaime, J. 182
Dunderberg, I. 182, 291, 297 Dundes, A. 609 Dunn, J.D.G. 88, 103, 118, 182, 594 Dutzmann, M. 49, 134 Ebeling, G. 68 Ebner, M. 281 Eco, U. 9, 71, 74 f., 476 Egger, W. 264, 432 Ehrman, B.D. 531 Eichholz, G. 22 f., 41 Eisele, W. 379 Eisenhut, W. 251 Eissfeldt, O. 113, 168, 207 Ellingworth, P. 365, 370 f. Elliott, J.H. 609 Elm, T. 245 f. Ennulat, A. 304 Epstein, L.M. 607 Erlemann, K. 5, 26, 46, 123, 138, 143, 145, 284 f., 290–294, 299, 302 f., 328, 384, 387, 389 f., 395, 400, 402, 404–406, 409, 413, 421, 425, 448, 451 f., 461, 482 f., 485, 487, 489, 493 f., 549–551, 588 Erll, A. 106–110 Ernst, J. 301 Esler, P.F. 183 Esslinger, D. 66 Evans, C.A. 26, 151, 295, 299 f., 307, 532, 636 Eynikel, E. 217 Fanon, F. 195 Fascher, E. 260 Feldmeier, R. 310 Fenske, W. 75 Fiebig, P. 36, 219 f., 239, 426, 441, 444 Fieger, M. 297, 318 Finkelstein, L. 227 Fischel, H.A. 217 Fischer, B. 500 Fischer, E.P. 102 Fitzgerald, J.T. 531 Fleddermann, H.T. 269 f., 274 f.
Autorenregister
Fletcher, A. 485 Flusser, D. 37, 99, 223 f., 239, 492, 495 Focant, C. 570 Foley, J.M. 114, 116 Forbes, G.W. 459 Forster, E.M. 169 Fowl, S.E. 471 Fox, R. 614 Fraade, St.D. 227, 231 Frank, M. 7 Frankel, E. 613 Frankemölle, H. 43, 573 Fredriksen, P. 140 Freese, J.H. 245, 526 Frenschkowski, M. 279 Frerichs, E.S. 182 Freund, E. 71 Frey, J. 64, 78, 83, 108, 263, 292, 295–297, 310–312, 323, 328, 330, 396, 552 f. Freyne, S. 177, 413 Frymer-Kensky, T. 608, 613 Fuchs, E. 41, 390, 462, 467, 542–448 Fuchs, O. 104, 385 Fumagalli, A. 431, 433 Funk, R.W. 27, 33 f., 96–98, 128 f., 137, 166, 180, 393, 410, 415, 618, 639 Fusco, V. 458 Gadamer, H.-G. 8 f., 21 Gänzle, M.G. 126 f. García Martínez, F. 528 Gardner, H. 50 Gardner, J.F. 68 Garhammer, E. 10 Garnsey, P. 193 Garz, D. 425 Gebauer, R. 264 Gehlen, R. 270 Gemünden, P. von 497 f., 501, 514 f. Genette, R. 411 Geninasca, J. 33 Gerhardsson, B. 40, 102, 113 f., 118, 155, 164, 389, 514 f., 640
669
Gertz, J.C. 213 Giard, J.B. 508 Gibson, L. 194 Giehl, B. 134 Gillman, F.M. 608 Gitin, S. 509 Gmünder, P. 427, 429 Gnilka, J. 197, 295, 299, 305 Göbl, R. 502, 510 Goehring, J.E. 170 Goertz, H.-J. 102 Goldberg, A. 223 Goldstein, K.S. 526 Golka, F.W. 154 Goodman, N. 67 Goulder, M.D. 40, 458 f. Gowler, D. 26, 195 Graf, D.F. 165 Graffy, A. 161 Graf Reventlow, H. 6, 486 Grässer, E. 365 Graumann, C.F. 70 Green, J.B. 134 Green, M. 30 Green, W.S. 221 Greenberg, M. 211 Greeven, H. 161, 445, 470 Greimas, A.J. 33 Grethmann-Sieffert, A. 543 Grilli, M. 430, 433 Grimm, J. 404 Grimm, W. 404 Gruen, E.S. 190 Gülich, E. 432 Gummere, R. 529 f. Guttenberger, G. 301 Güttgemanns, E. 33, 257, 383, 410, 575 Haacker, K. 289, 307 Habbe, J. 135 Häfner, G. 71, 103 f., 111 Hagner, D. 182 Hahn, F. 88 Hahn, R. 494 Hainz, J. 301
670
Autorenregister
Halbwachs, M. 109 Haldimann, K. 311 Hanson, K.C. 178 Harl, K.W. 501 Harland, P.A. 188 Harmon, W. 170 f. Harnisch, W. 5, 33–36, 39, 42, 64, 70, 163, 239 f., 272 f., 385, 387, 389–393, 398, 401, 404, 407 f., 410, 416, 423, 427, 436, 441, 445, 447, 449 f., 462, 466, 469 f., 476, 488, 545, 556, 575 f., 581, 623, 625, 630 Harrington, D. 192, 197 Hartenstein, J. 358, 360, 362 Harth, D. 102, 107, 579 Hartshorne, C. 578 Hauck, F. 241, 245, 339–341, 365, 486 Haufe, G. 396, 444 Hauptmann, E. 140 Hauser, L. 238, 262, 340 Haynes, St.R. 178 Hays, R.B. 304, 597 Hedrick, Ch.W. 25 f., 30 f., 92 f., 167 f., 170–175, 177 f., 632 Hegermann, H. 365 Heidegger, M. 543, 560 Heil, Chr. 259 f., 263–266, 269 f., 273, 275 f. Heil, J.P. 195 f., 458 Heiligenthal, R. 134 Heininger, B. 35 f., 118, 384, 404, 409, 411, 415 f., 418, 439, 450 f., 459, 464, 468, 473, 478 Henderson, J. 494 Hengel, M. 88, 99, 114 f., 118, 317, 384, 406 Hermann, R. 102 Hermans, C. 50 Herms, E. 104 Herrmann, F.-W. von 543 Herrmann, T. 70 Herzog II, W.R. 29, 116 f., 140, 172, 175, 414, 417, 631 Heseltine, M. 606
Hezser, C. 99, 124, 217, 219 f., 231, 236, 497, 628 Hicks, R.D. 530 Hill, G.F. 504 f., 508 Himmelfarb, M. 533 Hinks, R. 504 Hirsch-Luipold, R. 64, 330, 345 Hirseland, A. 550, 553 Hitzler, R. 425 Hock, R.F. 179 Hoegen-Rohls, Chr. 311 Hoffman, M.J. 169 Hoffmann, P. 259 f., 265 f. Hofius, O. 135, 365 Hogan, K.M. 536 Holladay, W.L. 527 Holland, G.S. 531 Hollander, H.W. 260 Holman, C.H. 170 f. Holmen, T. 174 Hölscher, T. 102, 108 Holzberg, N. 242 Hondelmann, W. 502 Hong, E.H. 159 Hong, H.V. 159 Hoppe, R. 102, 269, 279 Horbury, W. 183 f. Hornblower, S. 165 Horrell, D.G. 118, 183 Horsley, R.A. 102, 114, 116, 261, 277 f. Hübner, H. 543 f. Huffman, N. 637 Hughes, P.E 365 Huizing, K. 467 Hultgren, A.J. 48 f., 92, 294, 298–300, 302, 307, 314–316, 386 Hummel, H. 424 Humphrey, R. 107, 111 Huning, R. 433 Hunter, A.M. 332 Hurst, L.D. 365 Hurtado, L. 309 Ihwe, J. 424 Ilan, T. 610 f. Iser, W. 8, 13, 416, 430 f.
Autorenregister
Jackson-MacCabe, M.A. 181 Jaeger, S. 555 Jannidis, F. 463 Janowski, B. 104, 385, 409, 449 Jeremias, J. 27, 66, 79, 83, 88, 91, 93 f., 122, 129, 131, 133–135, 151, 158, 161, 238, 288, 290, 302, 401, 416, 438, 441, 443–445, 461, 478, 527, 533 f., 571 f., 619, 627, 634, 639 Johnson, G. 170 Johnson, L.T. 365 f. Johnson, M. 67, 454 Johnsson, W.G. 365 Johnston, R.M. 37, 221 f., 636 Jones, A.H.M. 502 Jones, G.V. 32 Jones, I.H. 41, 458 Jones, W.H.S. 529 Jülicher, A. 4, 27, 37, 39 f., 66, 90 f., 128–130, 141, 143, 150 f., 219, 239 f., 255, 260, 274, 284, 289, 322, 325 f., 331, 342, 386, 388, 390–392, 400 f., 417, 420, 422 f., 426, 436, 438–441, 447, 460 f., 473, 475, 482 f., 494, 546, 572, 580, 584 f., 597, 639 Jüngel, E. 8, 34, 42, 70, 120, 122 f., 139 f., 449, 461–463, 466, 545, 588 f., 591 f., 597 Kaempfert, M. 68 Käfer, M. 500 Kafka, F. 625 Kähler, C. 23, 44, 129, 294, 403, 406, 417, 442 Kaipuram, S. 327, 332 Kaiser, U.U. 317 Kampling, R. 269 Kaschnitz, M.L. 624 Käsemann, E. 88, 95 f., 122, 129, 365, 377, 546–548 Kassel, M. 432 Kaute, B. 551 Kautsky, J. 193 Keith, G. 491
671
Kelber, W.H. 114–116, 556 Keller, R. 550 f., 553 f. Kermode, F. 533, 640 Kern, G. 64, 88, 115, 117, 264, 294, 296, 324, 383, 410, 420, 512 Kern-Ulmer, B. 609 f. Kertelge, K. 301, 303 Kierkegaard, S. 159, 162 Kilgallen, J.J. 438, 475, 605, 608 Kingsbury, J.D. 40, 458 Kirk, A. 102 Kirshenblatt-Gimblett, B. 526 Kissinger, W.S. 26 Klauck, H.-J. 38, 241, 247, 294, 298, 302, 316–318, 385 f., 425, 432, 454, 458, 461 f., 482, 485, 487, 494–496, 512–514, 523, 526 f., 533, 588 Klein, H. 133 Klemm, H.G. 240 Kloft, H. 506 Kloppenborg, J.S. 169, 259, 261, 263 f., 269, 275 f., 285 f. Kloppenborg Verbin, J.S. 260, 278 Knibb, M.A. 214 Knoch, O. 49, 92, 384, 420 Koesel, C.J.W. 578 Koester, C. 365, 367 f., 370, 376–379 Koester, H. 315, 317 Kögel, J. 322 f., 326 f. Kohlberg, L. 427, 429 Kohlenberger, J.R. 635 Kolesch, D. 549 Kollmann, B. 98 f. Konen, H. 503 Konstan, D. 179 Körtner, U.H.J. 6 f., 13, 413, 467, 542, 546, 548 Kowalski, B. 346, 348 f., 352 f. Kraft, R.A. 183 Kraimer, K. 425 Krämer, S. 549 Kraus, W. 489 Krauss, S. 126 Krell, D.F. 560 Kreller, H. 41 Krohn, W. 7
672
Autorenregister
Krumeich, G. 106, 110 Kühschelm, R. 296 Küppers, G. 7 Kutsch, E. 79 Labahn, M. 117, 260, 263–265, 267, 271, 275, 279, 312, 438 Ladd, G.E. 156 Lake, K. 531 Lakoff, G. 67, 454 Lambrecht, J. 458 Lämmert, E. 470 Lampe, P. 46 f., 303, 547, 556 Landy, F. 217 Lane, W.L. 365, 368 f., 377 La Rocca, E. 505 Lategan, B.C. 430 Laub, F. 371 Lauer, S. 37, 224 f. Lausberg, H. 241, 256 Lehnert, V.A. 290, 293, 295, 298–301, 304, 306 Leinhäupl-Wilke, A. 71 Leipoldt, J. 315 Lenski, G. 193 Leonhardt-Balzer, J. 422 Leppä, O. 531 Levinas, E. 560, 563–566 Levine, A.-J. 140, 188, 612 Liddell, H.G. 67, 339 Liebenberg, J. 26, 31, 114, 136, 454, 464 Lieu, M. 314 Lightfoot, J.B. 529 Lindemann, A. 263, 271, 275, 277, 314, 392, 553 Link, C. 121 Link-Wieczorek, U. 121 Linnemann, E. 28, 41, 126, 133, 135, 299, 444, 462 Livni, M. 217 Loader, W. 365, 368 Logan, A.H.B. 154 Lohfink, G. 71 Lohmeyer, E. 5 Löhr, H. 375
Lohse, E. 534 Longenecker, R.N. 26, 151, 183, 385, 636 Lorenz, C. 102 Löwenstein, K. 44 f., 267 Lugowski, C. 70 Lührmann, D. 260, 299 f. Luomanen, P. 182 Luz, U. 124, 126–128, 131 f., 139, 142, 276, 279, 308, 438, 512, 595, 597 Mack, B.L. 527 MacMullen, R. 276 Madden, F.W. 504 f., 507 f., 510 Maier, J. 153, 222 Majetschak, S. 543 Malbon, E.S. 613, 615 Malina, B.J. 71 f., 78, 83 Mann, C.S. 604 Marcus, J. 301, 523, 526, 531 Marguerat, D. 69, 570 Maritz, P. 263 Martin, D.B. 178 Martin, J. 251 Martinez, M. 470, 476 Marxsen, W. 298 Massa, D. 45 f., 441 f., 457, 552, 571, 573, 575, 580 Matthews, M.W. 607 Matthews, S. 194 Matthews, V.H. 178 Matthiae, K. 102 Mattingly, H. 507 Maurer, Chr. 373 May, R.E. 179 McArthur, H.K. 37, 222, 636 McCall, Jr., M.H. 243, 246, 248, 250– 252, 254 McGuire, A. 317 McKenzie, St.L. 178, 217 McKnight, S. 88, 155, 182 McWhirter, J. 80, 83 Meier, Chr. 499 Meier, J.P. 301 Meiser, M. 264
Autorenregister
Mell, U. 26 f., 37, 40, 46, 161, 239 f., 290, 384, 448, 461, 493 f., 512, 515, 546, 556, 572, 590, 592 Ménard, J.-É. 318 Meriç, R. von 503 Merz, A. 64, 88 f., 94, 98 f., 115, 117, 129, 136, 141, 215, 294, 301 f., 306, 324, 383 f., 420, 459, 512, 628 Mette, N. 436 Meurer, H.-J. 36, 70 f., 408, 415, 418, 465 Meyers, C. 613 f. Michaud, J.P. 365, 378 Michel, O. 365, 368, 370 Michie, D. 431 Miller, M.P. 317 Mimouni, S.C. 183 Mitchell, A.C. 365 Mitchell, M. 518 Moffatt, J. 365, 386, 370 f., 373 Moloney, F.J. 81 Montefiore, H.W. 365, 367 f., 370 f., 377 Moore, S.D. 618 Moos, P. von 398, 412 Mora Paz, C. 433 Most, G.W. 500, 518 Müller, M. 625 Müller, P. 6, 26, 49–51, 134, 384, 422, 427, 467 Müller-Friese, A. 6 Müllner, I. 71 Münch, C. 41, 64, 88, 115, 117, 145, 147, 269, 275, 294, 307 f., 324, 383, 397, 420, 439–442, 444, 446, 452 f., 457 f., 512, 552 Murphy, P.D. 169 Musarra-Schroeder, U. 107 Nalbantian, S. 106 Navè Levinson, P. 145 Neirynck, F. 260, 295 Nelson, K.E. 50 Neubrand, M. 26 Neusner, J. 37, 99, 113, 154, 182, 217, 226, 610 f.
673
Newsom, C.A. 608, 612 Newton-de Molina, D. 156 Nickelsburg, G.W.E. 528 Nicklas, T. 65 Niebuhr, K.-W. 489 Niggeler, W. 508 Nisslmüller, T. 13 Nonhoff, M. 551 Nord, C. 65 Nordsieck, R. 297, 314 f. Noy, D. 187 Nünning, A. 106 f., 109 f., 555 Nünning, V. 107 Oakman, D.E. 178 Obbink, D. 531 Obermann, A. 310 Oechslen, R. 41 Oeming, M. 10–13 Oesterley, W.O.E. 36, 239 Öhler, M. 316 Oldenhage, T. 47, 620 O‘Leary, A. 477 Olmstead, W.G. 458 Onuki, T. 92, 100, 438 Osborne, G.R. 182 Oser, F. 427, 429 Ostmeyer, K.-H. 130, 134 f., 402 Ott, W. 469 Oveja, A. 418 Paivio, A. 115 Pape, H. 578 Parris, D.P. 385, 485 Patte, D. 33 Patten, P. 153 Patterson, S.J. 129 Pearson, B.A. 279 Peirce, C.S. 578, 583, 585 Peperzak, A.T. 565 f. Perkins, J. 179 Perrin, N. 26, 34, 88, 151, 174, 618 Perrine, L. 170 Perry, B.E. 605 f. Pesch, R. 299–301, 316 Petersen, N.R. 432
674
Autorenregister
Pfeifer, A. 50 Pfeiffer, M. 268 Phillips, G.A. 264 Pierce, C.A. 373 Piper, R.A. 260, 263 Plaut, W.G. 611, 613 Plebe, A. 243 Plisch, U.-K. 315, 317 f. Pokorný, P. 92, 328 f. Polag, A. 260 Poltermann, A. 119 Popkes, E.E. 18, 64, 88, 115, 117, 294, 297, 309, 313, 316, 318, 324, 383, 418, 420, 512 Poplutz, U. 15, 64, 66, 74, 296, 301, 311, 314, 323 f., 329 f., 339, 345, 396 Popp, Th. 349 Porter, S.E. 174, 471 Posner, R. 579 Powell, M.A. 184, 264 Pratscher, W. 317 Pressler, C. 610, 614 Preston, C.E. 170 Price, S.R.F. 505 Propp, V. 422 Prostmeier, F.R. 238, 262, 340 Quintilianus, M.F. 339 Rad, G. von 207 f., 583 Radl, W. 278 Ragaz, L. 30 Rahn, H. 247, 339, 583 Rahner, J. 5 Raible, W. 432 Railton, B. 178 Räisänen, H. 291, 295, 299, 301–303, 522 Rajak, T. 187 Randall, W.L. 111 Rapp, C. 243 f., 246 Rathmann, Th. 550 Rau, E. 37 f., 121, 125, 133, 135–137, 160, 241 f., 257, 262 f., 268, 389, 401 f., 409, 423, 447 f., 570 f.
Rauscher, J. 295 Rehkopf, F. 77 Rehm, W. 499 Reichardt, H.C. 508 Reich-Ranicki, M. 413 Reid, B.E. 452, 614 f. Reifenberg, A. 505, 508, 510 Reinhartz, A. 80 f., 83, 140 Reinmuth, E. 67, 104, 489, 553 f., 597, 599 Reiser, M. 274, 490 f. Rendtorff, T. 262 Resseguie, J.L. 69, 264 Reynolds, J.M. 188 Rhoads, D. 431, 538 Riches, J.K. 192 f. Richter, W. 474, 503 Ricœur, P. 8, 34 f., 42 f., 70, 111, 123, 139, 407–409, 415, 432, 449 f., 461–463, 465–468, 481 Riesner, R. 114 Riley, G.J. 297, 316 Ringe, S.H. 608, 612 Rissi, M. 365 Ristow, H. 102 Robbins, V.K. 527 Robinson, J.M. 259–261 Rohls, J. 328 Rohrbaugh, R.L. 29, 78, 83, 116 Röhser, G. 497 Rölli, M. 543 Roloff, J. 41 Römer, Th. 217 Rose, C. 616 Rösel, M. 214 Rosen, K. 505 Roskovec, J. 329 Ross, W.D. 243 Rouse, W.H.D. 606 Rousseau, J.J. 177 Rowland, C. 184 Rubins, D.C. 114 Ruffing, J. 503 Rusam, D. 306 Rüsen, J. 102, 412 Rüsen-Weinhold, U. 293
Autorenregister
Saldarini, A.J. 181, 193, 217 Salom, A.P. 365 Sand, A. 197 Sanders, E.P. 182, 627 Sanders, J.T. 170 Santner, E. 628 Santor, B. 615 Sarasin, Ph. 553 Saussure, F. de 583 Scheele, B. 607 Scheffel, M. 470, 476 Schenke, H.-M. 317 Schenke, L. 303 Schiffmann, L.H. 182 Schillebeeckx, E. 120 Schindler, C. 224 Schlegel, J. 297 Schleiermacher, F.D.E. 7 Schlier, H. 509 Schmid, K. 213 Schmid, W. 110 Schmidt, S.J. 7 Schmitz, T.A. 69 Schmökel, H. 511 Schnackenburg, R. 77 Schneider, W. 66 Schnelle, U. 259, 261–264, 270, 279 f., 295, 297, 304, 312 Schnider, F. 477 Schoenborn, U. 462 Schoeps, H.J. 183 Scholz, G. 459 Schöpflin, K. 113, 207, 212 Schöttler, H.-G. 10 Schottroff, L. 29, 31, 72, 117, 123, 125 f., 130, 135 f., 138–140, 142, 147 f., 152, 441, 464, 495, 512, 547, 631, 637 Schottroff, W. 135 Schrage, W. 279, 297 Schramm, T. 44 f., 267 Schröer, H. 548 Schröter, J. 88, 92, 102–104, 108, 115, 136, 317, 552 f., 556, 594 Schüle, A. 213 Schürmann, H. 439
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Schüssler Fiorenza, E. 612 f. Schwaiger, G. 386, 462 Schwankl, O. 102, 110 Schweizer, E. 120, 299, 327, 373, 475 Schwemer, A.M. 88, 99, 114 f., 118, 384, 406 Scott, B.B. 27, 88, 166, 170, 180, 409, 452 Scott, J.C. 194 Scott, R. 67, 339 Seibel, K. 107 f. Seier, A. 551 Seim, T.K. 612 f. Sellew, P. 36, 317, 450, 522 Sellin, G. 39 f., 385, 392 f., 449–452, 459, 462, 464, 486, 488 f., 492, 513, 545, 549, 581, 584 Shandler, J. 622 Shelley, C. 607 Shillington, V.G. 45 Sider, J.W. 39, 164, 385 Sim, D.C. 181, 183, 192 Simon, U. 161 Simonetti, L. 503 Skinner, Q. 156 Smallwood, E.M. 190 Smith, B.T.D. 179, 530 Snodgrass, K.R. 26–28, 53, 152, 156 f., 184, 406 Söding, T. 4, 70, 92, 102–104, 110, 118, 269, 279, 295, 301, 409, 449 Söhngen, G. 67 Sokoloff, M. 228 Sorger, K. 49 Sparshott, F.E. 74 Späth, T. 68 Spawforth, A. 165 Sperber, A. 300 Spooner, B. 610 Stammerjohann, H. 423 Stanley, St. 365, 374 Stanton, G.N. 182 Stare, M. 310 Stegemann, E.W. 72 Stegemann, W. 71 f., 135
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Autorenregister
Stein, R.H. 385 Steinhauser, M.G. 31 Stemberger, G. 227 Stenger, W. 477 Stern, D. 222, 446, 495, 524, 526, 530, 533, 636 Stern, F. 37, 99 Stier, H.E. 511 Stone, M.E. 527, 530 Strack, H.L. 146, 220 Straub, J. 270 Strauß, D.F. 89 f. Strecker, C. 593 Strecker, G. 238, 384 Strobel, A. 365 Stuhlmacher, P. 215 f., 260, 489 Sturdy, J. 183 f. Swetnam, J. 365, 377 Synge, F.C. 365 Syreeni, K. 182, 291 Szabó, A. 582 Szondi, P. 21 Tannenbaum, R. 188 f. Taylor, J.E. 183, 372 Tcherikover, V. 190 Tebartz-van Elst, F.P. 434 Tigchelaar, E.J.C. 528 Thatcher, T. 102 Theis, J. 50, 427 Theißen, G. 71 f., 88 f., 94, 98 f., 109, 129, 136, 141, 215, 238, 301 f., 365, 384, 407, 511, 628 Theobald, M. 102, 332 f. Thierfelder, J. 134 Thoma, C. 37, 224 f., 495 Thompson, J. 365 Thurston, B.B. 607, 610, 613 Thyen, H. 77, 295, 310–314 Todorov, T. 431 Tödt, H.E. 260 Tolbert, M.A. 45, 155, 534, 617, 639 Tollers, V.L. 153, 222 Trebilco, P. 186 f. Trevijano Etcheverría, R. 316 Trucotte, P.-A. 182
Tucker, J.T. 38, 162 f., 392, 394, 459, 605 Tuckett, C.M. 182, 260 f., 291 Turner, J.D. 317 Tuving, E. 102 Un-Sok Ro, J. 278 van Belle, G. 261, 263 VanderKam, J.C. 528 van der Watt, J.G. 64, 73, 78, 83, 263 f., 282, 296, 323, 328, 330, 346, 396 van Dyck, G.-J. 526 van Gorp, H. 107 Vanhoye, A. 365, 374 van Noppen, J.P. 119 Vanoni, G. 118 van Segbroeck, F. 40, 240, 260 f., 398, 446 Vellacott, P. 170 Verheyden, J. 261, 277 Vetter, D. 213 Via, D.O. 32 f., 162, 383, 389–391, 410, 423, 461, 466, 575 f. Vögtle, A. 270 f. Vouga, F. 40, 240, 242, 246, 384, 396, 398, 446–448, 549 Wagner-Hasel, B. 68 Waldenfels, B. 52 Walther, C. 590 Waltke, B. 206 Wander, B. 189 Wansbrough, H. 114, 164, 389 Wansing, R. 543 f. Warning, R. 13, 416 Wasserberg, G. 306 Watson, F. 291 Weber, C.L. 385 Weder, H. 11, 31, 35, 70, 268 f., 276, 388, 415, 461–463, 486, 571, 573 Weinrich, H. 16, 236, 402, 437, 448, 462, 464, 497 Weiser, A. 473 Weiss, B. 331
Autorenregister
Weiss, H.F. 365 Weiss, P. 578 Weissenrieder, A. 501, 515 Wendt, F. 501, 515 Wengst, K. 78 Wenham, D. 4 f., 30 Wenzel, P. 407 Wepfer, R. 70 Westcott, B.F. 365, 367, 370, 376 f. Westermann, C. 154 White, H.C. 264 White, H.V. 102, 108, 110, 412 Wild, J. 565 Wilder, A.N. 379, 576 Wilken, R.L. 491 Wilkinson Duran, N. 264 Williamson, H.G.M. 178 Wilmshurst, S.M.B. 160 Wilson, S.G. 183 Wimsatt, W.K. 156 f. Winckelmann, J.J. 499 f. Windisch, H. 365 Wink, W. 194 Winter, D. 94 Wintermantel, M. 70 Wischmeyer, O. 6, 11 f., 263, 492 Witte, B. 106, 110 Witte, M. 213 f. Wolter, M. 38, 450, 477 Wood, J.E. 377 Wrede, W. 291, 301
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Wright, N.T. 152, 154 f. Wyl, A. von 70 Wyschogrod, M. 224 f., 495 Yee, G. 161 Young, B.H. 37, 99, 225, 446 Young, N.H. 365 Zangenberg, J. 501, 581 Zanker, P. 503, 508, 510 Zchomelidse, N. 409, 449 Zeller, D. 266, 274, 277 f. Zerfass, R. 272 Ziegler, I. 220 Zimmerli, W. 537 Zimmermann, M. 78–80, 83 Zimmermann, R. 15 f., 18, 21, 23, 64, 68, 74, 78–81, 83, 87 f., 104, 106, 108, 110 f., 114–118, 120, 238, 262–264, 267, 275, 294–296, 302 f., 306, 310–312, 323 f., 328–331, 333–336, 338–341, 343, 345 f., 349, 353, 355, 357 f., 383, 396, 402, 410, 412 f., 415, 417 f., 420–422, 424– 426, 434, 436–438, 447, 458 f., 512, 553 f., 582, 588, 593, 595 Zöckler, T. 315, 318 Zöller, C. 238, 340 Zumstein, J. 119, 310 Zymner, R. 69, 245, 258, 336, 404, 407, 409, 414–416, 440–442
Sachregister Abraham 58, 169 f., 225, 277, 376– 378, 478, 518, 598 Abschiedsrede(n) 80, 310–314, 319, 345 Aktanten 33, 422, 429, 437, 575 (ĺ Figur, Erzählfigur) Allegorese 38, 425, 482–493, 494– 520, 597 Allegorie 17, 34, 38 f., 48, 58, 83, 141, 150, 211–219, 273, 326, 385, 388, 396, 404, 424 f., 440 f., 453 f., 460 f., 482–493, 494–520, 584 f., 591, 604 Ambiguität 21, 291 Änigma 3, 207, 378, 533–538, 560–564, 624 (ĺ Rätsel) Anti-Judaismus 47, 220, 627–630 Antiochien 54, 191–195 Appellstruktur (der Gleichnisse) 5, 20–22, 42, 120 f., 270, 272, 324, 336 f., 351, 394, 409, 416 f., 445, 456 Aristoteles 37, 55, 238, 243–247, 248–258, 394, 396–398, 406, 412, 426, 482 f., 490, 525 f., 582–584, 590–593, 604 Ästhetik 3–24 – literarische Ästhetik 32, 577 – Kunstästhetik 44 – Rezeptionsästhetik 8, 12, 14, 19– 22, 41–51, 52–61, 61–71, 74–76, 304–312, 407–419 – Wirkungsästhetik 5, 9, 575 Auslegung (der Gleichnisse) 6–22 – Auslegungstradition 21, 29, 47, 50, 138 f., 142–145, 546 – Auslegungsvielfalt 21 – befreiungstheologische 13, 414
– feministische 13, 47, 72, 159, 603– 617 – psychologische 7, 151, 157, 159, 432 – religionsgeschichtliche 26, 37, 92, 99, 218 f., 384, 590 – sozialgeschichtliche 15, 29, 71–73, 78–81, 125, 138–149, 283, 286– 288, 348 f., 402, 413 f., 436, 473 f., 479, 533, 626 f. – sozial-revolutionäre 29 (ĺ Methodik, ĺ Hermeneutik) Authentizität (der Gleichnisse) 88, 90, 96–99, 285, 549 Autor – impliziter 430–432 Befreiungspädagogik 29, 417 Befreiungstheologie 29, 123, 547 (ĺ Auslegung) Beispiel 243–258 ĺ Paradigma) – Beispielerzählung 36, 38, 150, 162 f., 217, 224, 335, 391–395, 406, 449, 475 – fiktionales Beispiel 240, 245–256 – historisches Beispiel 252, 412 Bild – Bild Gottes / Abbild 120, 140, 144 Bildfeld(er) 16 f., 23, 30, 35, 55, 60, 73 f., 145, 236 f., 328, 348–350, 416, 418, 424 f., 448, 452, 486, 500 f. – Bildfeldtheorie 236, 495–498 – Bildfeldtradition 20, 73 f., 79 f., 310, 313, 355, 448, 459 Bildwort 224, 272 f., 302, 305, 332– 335, 347, 349–351, 386 f., 404 f., 421 f., 445, 456, 469 – Doppelbildwort 31
Sachregister
Bileam 54, 113, 213–215 Blasphemie(vorwurf) 48 Blut 145 f., 221, 593 f. Braut 76 f., 78–83, Bräutigam 76 f., 78–83, 139, 142 f., 333, 402, 453 – Stimme des Bräutigams 76–81 – Freund des Bräutigams 76–83 (ĺ Hochzeit) Christologie 48, 57, 283, 290–292, 309, 328 f., 344, 364, 431, 591 – implizite Christologie 48 Christus (als Titel) 59, 120, 142, 226, 291, 452, 464, 468, 480, 489, 551–554 ĺ Messias, ĺ Theologie) Dämon 197, 275 f., 332, 436–439 David 118, 162, 227–231, 349, 598 Deutung – Deutungshorizonte 20 f., 74 f., 82 f. – Deutungsvielfalt 4, 22, 45, 47 (ĺ Auslegung) Didaktik 589–592, 601 – Didaktik der Bilder 494–520 – Gleichnisdidaktik 49 f. Dieb(e) 139, 267, 346–352, 388, 400, 414 Diener 480 ĺ Sklave) Differenzkriterium 94, 128 f. (ĺ Jesus, historischer Jesus) Dualismus 53, 140–142, 629 Echtheit 88, 90, 128, ĺ Authentizität) Entstehungssituation 8 f., 11–13, 28, 32, 49, 51, 62, 288, 490 Erfahrungswelt 31, 50, 70, 281, 337, 348, 359, 397, 414, 424, 431, 437, 448 Erfüllungszitat(e) 132 Erinnerung 102–105
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– erinnerter Jesus 52, 87, 102–107, 118–120, 265, 553 f., 593–595 ĺ Jesus, ĺ Gedächtnis) Erkenntnis – Christuserkenntnis 308 f., 319 – Erkenntnisfähigkeit 300, 308, 313 – Erkenntnisprozess / Erkenntnisfortschritt 312, 319, 330, 341, 345, 399, 588 – Erkenntnistheorie 35, 62, 104, 278, 592, 602 – Erkenntnisweg 20 (ĺ Sehen, ĺ Verstehen) Erlöser 145 ĺ Retter) Erzählung – Beispielerzählung 36–38, 58, 150, 217, 224, 334–336, 384–396, 406, 417, 425, 449, 475, ĺ Gleichnis) – Einzelne Erzählungen 273 – Erzählerkommentar 312 f., 319 – Erzählfigur(en) 33, 348, 391, 393, 471, 600 – Erzählpragmatik / Erzählstrategie 56, 283–293 – Erzähltheorie 33, 411 – Erzählwelt 392, 487 – Erzählzeit 69 Erziehung 142 Eschatologie 42, 56, 81–83, 92, 128, 136, 140, 192, 195, 199, 201, 214, 265–267, 270 f., 274, 279, 283–293, 377 f., 480, 511, 536, 591 f. – eschatologisches Festmahl 453 – realized eschatology 92, 288 Esoterik 4, 57, 314–318, 485, 492 Ethik – Interpretationsethik 554 – johanneische Ethik 262 – narrative Ethik 264 f. Fabel 38–40, 99, 224, 240, 242, 249, 252, 256, 337, 339, 391, 397 f., 411, 414, 446, 485, 499
680
Sachregister
Familie 72, 78, 103, 109, 180, 187, 230–235, 305, 407, 421 f. Fasten 83, 387, 392 Fest(e) – Festeinladung 414 – Festmahl 100 – Tempelweihfest 352 Figur – Drei-Figuren-Konstellation 410 – Erzähl- / Handlungsfigur 23, 47, 69–71, 77, 117, 188, 275, 351, 410, 432, 450, 452, 471, 480, 559, 600, 638 – Figurenarsenal / -welt 29, 54, 117, 413, 473 – Figurenkonstellation 19, 34, 50, 403, 416, 471 – Hauptfigur 347 f., 423, 636 – Identifikationsfigur 20, 121, 393, 432 – imperial figures 188 – Kontrastfigur 350 f. – Kyrios-Figur 145, 285 – Nebenfigur 233, 423 – Redefigur / rhetorische Figur 206, 208, 251, 371, 426, 447, 483, 525 (ĺ Erzählung) Fiktion / Fiktionalität 44, 98, 108, 143, 179, 383, 408, 411–412 – Fiktion des Faktischen 103, 412 – fiktionale Erzählung 120, 143, 168–171, 466 – fiktionale Texte 53, 58, 71, 289, 336 f., 348, 354, 359, 410, 553 Formgeschichte 112, 400 – alte Formgeschichte 90–92, 100–102, 105, 383 f. (ĺ Gattung) Fortschreibung 333 ĺ Relecture) Freude 72, 76–83, 147, 269, 322, 359–364, 470, 491 – Hochzeitsfreude 79 f. – Wortfeld Freude 478
Gattung – Gattungsbewusstsein 41, 58, 112 f., 384, 394, 396 f., 399, 403, 406, 408, 446 – Gattungstheorie 407–409 – Gedächtnisgattung 105–107, 111, 114, 119 – Gleichnisgattung 36 f., 101, 223 f., 385, 391 Gebet 145, 338, 343 Geburt 359–362, 413 – Geburtsparabel 338 Gedächtnis – Gedächtnisforschung 15, 52, 105– 121 – Gedächtniskonzepte 106 – kollektives Gedächtnis 106, 172 f. – kulturelles Gedächtnis 107 Geld 72, 138, 147, 234, 275 f., 278 f., 399, 454, 509 f. Gemeinde 75, 93, 136, 225, 261, 270, 291, 302, 387, 514, 517, 520, 573 f., 601 – Brautgemeinde 83 – johanneische Gemeinde 314, 333 – nachösterliche Gemeinde 303, 312, 461, 487, 571 Gemeinschaft – Christusgemeinschaft 119 – Erzähl- und Erinnerungsgemeinschaft 114–121 – Frauengemeinschaft 147 – gemeinschaftstiftende Funktion (der Parabeln) 52, 87, 109–114, – Hausgemeinschaft 413 ĺ Familie) – Heilgemeinschaft 274 – Kommunikationsgemeinschaft 73, 395, 408 – Lebensgemeinschaft 121 – Sprach- und Kulturgemeinschaft 16 f., 44, 73, 106 f., 236 – synagogale Gemeinschaft 313 f. Gericht (endzeitlich) 56, 139, 265– 267, 290–293
Sachregister
– Gerichtsbotschaft 267, 279, 285, 590, 597, 601 f. – Gerichtshof 129 f. – Gerichtsprophezeiung / Gerichtspredigt 81, 266 Gesandter 80, 287, 312 Geschichte – Erinnerungsgeschichte 15, 114 – Geschichtstheorie 71, 102–104, 411 – Literaturgeschichte 37, 411, 421 – Sozialgeschichte 28 f. (ĺ Methodik, ĺ Auslegung) – Ursprungsgeschichte 15 (ĺ Historizität) Gesellschaft 29 – mediterrane 29 Glaube 280 – an Christus 58, 181, 292, 309, 311, 357, 364, 571, 574 – Klein-, Nicht- und Unglaube 291, 312, 352 – Sprachlehre des Glaubens 541–549, 592 – Weg des Glaubens 20, 42, 80, 346 ĺ Verstehen) Gleichnis passim – Anti-Gleichnis 53, 474 – Gleichnis im engeren Sinn (Jülicher) 4, 36, 143, 239, 333, 335, 384, 387–389, 404, 425 – Gleichnisdiskurs 328, 551, 553–557 – synoptische Gleichnisse 283–293, 298–309, 342 ĺ Erzählung) Gott 142, 144 f., 233 – Bild Gottes 139, 280, 285 – Götterbilder 144 – Gottesgericht 132 – Gottesherrschaft 36, 42, 70, 132, 145–148, 226, 280, 289, 292, 300, 439, 486–488, 553, 573 – Gottesreich 27, 43 f., 48, 53, 55, 60, 100, 117–121, 140, 142, 259–271, 282, 285, 288, 318, 415, 444, 446, 480, 496, 515, 517–520, 549, 589– 599, 620
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– Gottessohnschaft 309–312, 322, 447 – Gotteswirklichkeit 20, 35 – Gotteswort 491 f., 574 – Königsherrschaft Gottes 600–602 Gottesfürchtige 189 f. Gottesknecht 312 Handlungsmodell 55, 264–267, 272 Hausgemeinschaft 413 ĺ Gemeinschaft) Heiden 270 f., 546 Heil – Heilszeit 80, 82 f. (ĺ Retter, ĺ Soteriologie) Heilsgeschichte 307–309 Herde 349–351 Hermeneutik passim, 6–13 – biblische 6, 11, 13, 466, 542 – Gleichnishermeneutik (nach 1945) 618–630 – hermeneutisches Dreieck 10, 12 – hermeneutischer Zirkel 122, 133 – historische 13, 101 – Kurzhermeneutik 324, 338, 343– 346, 363 – literarische 21 – Parabelhermeneutik 289 f. – philosophische 8 f. – rezeptionsästhetische 46–51 – semiotische 33 – Texthermeneutik 11 – theologische 545–557 (ĺ Verstehen) Herr 138–140, 145 f., 228, 232 f., 265, 274, 287 f., 349, 402– 405, 413, 453, 469–479, 480, ĺ Kyrios) Herrlichkeit 226, 544 Himmel 588–602 Hingabe 274, 277 f., 280 – Lebenshingabe 250–257 ĺ Leben) Hirte – guter Hirte 310, 350–353 – der eine Hirte 333
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Sachregister
– Hirtenbildfeld 349 f., 353 Historie 95 f., 574 ĺ Geschichte) Historizität 51, 95 f., 111 f., 179, 548 Hochzeit 77 f. – von Kana 77, 412 (ĺ Fest) Hof – der Schafe 346, 348 f., 352 – Kaiserhof 320 – Vorhof (des Tempels) 349 ĺ Heiden) Hölle 588–602 Holocaust (Shoa) 47, 620–630 Horizontverschmelzung 311 Hören 20, 22, 28, 43, 47, 80, 121, 146–149, 275, 289, 305, 445, 513– 515, 519 Ich-bin-Worte 310, 327, 347, 349, 350 f., 357 Identität – Gruppenidentität / kollektive I. 109 f. – Identität des Lesers / narrative I. 111 Ikonographie 509 Imagination 169, 172 f., 176, 179, 637, 650 Inclusio 214 ĺ Inklusion) Inkarnation 574 Inklusion 347, 354 Inspiration 490–492 Intention 4, 7, 9, 27, 46, 91, 234, 261, 490 – Aussageintention 295, 297 f., 302– 311 – Autorenintention 573, 580 – Leserintention 74 – pädagogische 117, 417 – Textintention 137, 156 f. Interpretation – christologische 42 – Gleichnisinterpretation 35, 39, 47– 49, 53, 59, 62 f., 123, 137, 272, 483, 492, 546–557, 629 f. – Grenzen der Interpretation 75 f., 103
– Interpretationsstrategie 62, 586 – polyvalente 6, 45, 639 – Textinterpretation 8 ipsissima verba (Jesu) 158, 322 ipsissima structura 27 ipsissima vox (Jesu) 27, 94, 96 f., 101, 118, 122, 129, 136 f., 363, 461, 572 (ĺ Jesus, historischer Jesus) Jakob 277 Jericho 133 f., 393, 434, 437 Jerusalem 83, 133 f., 143, 148 f., 155, 177, 185, 193, 198, 200, 212, 270, 352, 434, 437, 511, 530, 620, 623 Jesus – authentische Jesusworte 15, 17, 136 f., 322 ĺ ipsissima vox) – erinnerter Jesus 16, 102–105, 111 f., 118–120, 163 f., 172–174, 418 f., 464, 554, 556 f. – historischer Jesus 26 f., 52 f., 87– 102, 122, 128, 136 f., 383, 460–464, 494 f., 521, 526, 546–554, 556, 571–574, 576 f., 588–602 – Jesusbewegung 116, 192–201, 319 f., 384 – Jesus als Lehrer der Jünger 298–304 ĺ Parabeltheorie) – Jesus als Prediger in Bildgeschichten 265–282 – Jesus als Rhetor 255 f., 483 – Leben-Jesu-Forschung 89–91, 93, 589–592 – neuere Jesusforschung 119–121, 460– 464, 580 f., 589–592 – Selbstverständnis Jesu 87 f., 290– 292 ĺ Messiasbewusstsein, ĺ Christologie) Johannes – Evangelist 83, 309–314, 322–331, 363, 396 ĺ Autor, ĺ Johannesevangelium) – Johannes der Täufer 65, 76–82, 177, 265–267, 274, 353, 525, 634
Sachregister
Johannesevangelium – Gleichnisse im Johannesevangelium 321–364 – Parabeltheorie im Johannesevangelium 294–320 ĺ Parabeltheorie) Joseph – Sohn Jakobs 518, 533 – Vater Jesu 598 – aus Arimathäa 177 Juden – Gesprächspartner Jesu 40, 347, 350, 352 – Judenchristen 181–185 – Judentum 98 f., 182 f. – Frühjudentum 181, 218–226, 628– 630 – antikes und hellenistisches Judentum 78, 319, 384, 509 – Diasporajudentum 186–190 – König der Juden ĺ König) Kaiser(zeit) 60, 220 f., 501–517 Kerygma 42, 96, 260, 272 f., 462, 468, 548, 567 Kind 164, 206, 231–236, 358–361, 377, 388, 413, 422, 428, 450, 529, 560, 590, 598 f., 604, 606, 609 f. – Kinder des Lichtes 634 Kirche 25, 83, 93 f., 142, 468 – Alte Kirche 17, 138 – Kirchengeschichte 83, 132 – Kirchenjahr 134 – Kirchenväter 76, 483 (ĺ Urkirche) König(tum) 145 f. – Jesus als König 16 – Königreich / Königtum Gottes 92, 117 f., 123, 132, 145, 268, 421, 595–602 ĺ Reich Gottes) – Königsgleichnis 220–232 – Königsherrschaft Herodes 598 f. – Königsherrschaft David 598
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Kommunikation – indirekte Kommunikation 159 – Kommunikationsereignis 541–557 – Kommunikationsformen 109 f., 402, 407, 498, 501, 510 – Kommunikationsgemeinschaft 16, 395, 408 – Kommunikationsmodell 9–13, 571– 577 – Kommunikationsprozess 335 f., 407, 430–432 – Kommunikationssituation 418–421, 425 – Kommunikationstheorie 43, 571–577 Konstruktivismus 46 f., 182 Kosmos ĺ Welt) 197, 199 Kreuz – Kreuzestheologie (theologia crucis) 310, 327, 330, 344 f., 362, 463, 480 – Kreuzestitel 463, 468, 480, 594, 599–602 – Kreuzigung 175, 599 Kult – Herrscherkult 501–509, 517 – Mysterienkult 501 Kyrios 138 f., 145, 147, 265 f., 285 Lamm 83, 216, 231, 353 – Lamm Gottes 353 (ĺ Schaf) Leben – Ewiges Leben 8, 15, 80,358, 435 – Lebensgestaltung 262, 272, 278, 281 f., 590–592, 598–601 – Lebenshingabe 350–352, 357 – Lebenswelt 23, 29–31, 68, 71–73, 75, 93, 109–111, 116–123, 135 f., 147, 215, 219, 268, 286, 413, 415, 418, 429, 431–433, 499, 514, 519 – Lebenszyklus 335, 356–358 – „Sitz im Leben“ 101, 105, 223–225, 233, 419 Leerstelle 22, 127 f., 437, 513
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Sachregister
Lehrer – Jesus als Lehrer 99, 265–267, 273, 281 (ĺ Rabbi) Leiden 312, 596, 601 Leser / Leserin 21 f. – Akt des Lesens 8, 19, 62, 416, 430 f. – Leserbeeinflussung 125, 226, 234, 277, 337, 341, 346, 418 – Leseerwartung / Leserperspektive 44, 46, 430–432 – Leserorientierung 12 f., 41, 47, 55 Licht 81, 277 f. – Jesus als Licht (der Welt) 77, 411 Liebe 42, 80, 244, 355, 590 f., 602, 630 – Liebesgebot 278–282, 434 – Nächstenliebe 393, 437 linguistic turn 13, 32 Literarkritik 101, 141 Logienquelle Q 17 f., 31, 55, 75, 103, 114 f., 124, 259–282 Logos 39, 240, 309, 398 Martha 357 Mashal / Meshalim 36, 54, 99, 153 f., 162 f., 205–216, 221–223, 228, 385, 495, 523 f., 526, 604 (ĺ Rabbinica, ĺ Nimshal) Medien – Medien der Jesuserinnerung 87–121 – Medien des kulturellen Gedächtnisses 52, 105 Menschensohn 56, 267 f., 271, 273– 283, 361, 392, 411 f., 572 (ĺ Sohn) Messias 77, 81 f., 148, 214, 290 f., 352 – Messiasgeheimnis 291, 301 f. (ĺ Christus, ĺ Titel) Metapher passim – kognitive 45 f. – konventionalisierte Metapher 498 f. – Metapherntheologie 602 – Metapherntheorie 35 f., 53, 59, 451–455, 461 f., 465–468, 497, 574, 626
– lebendige Metapher 465–481 – Metaphernverständnis von Kindern 49 f., 590 – Metaphorizität 18 f., 32, 34, 70 f., 408 f., 414–416, 464 f., 474 – parabolische Grundmetapher 59, 462–464 – Remetaphorisierung 495 (ĺ Bild) Methodik 7, 11–22, 46, 101, 114, 126, 233–237, 255, 384, 413, 417, 429, 516 f. ĺ Auslegung) – Methodenschritte 51, 64–83 Midrash(im) 40, 153, 222 f., 226–233, 523 f., 609 Mimesis 110 Missverständnis 5, 91, 287, 345, 460, 345, 460, 483, 572 – joh Missverständnisse 5 Mose 227–230, 378, 478, 604, 616 Mündlichkeit 101, 115, 449, 493 (ĺ Oralität) Mysterion / Mysterium 294–320 Mythos / Mythologie – als Form der Bildersprache 337, 396 Nachfolge – Jesu 4, 36, 56, 267, 271–282, 289, 291 f., 301, 308, 319, 353, 356, 514, 591, 598, 601 – der Schafe 346–353 Narrativität passim – narrative Bildlichkeit 69–71, 76–78, 119–123, 435–437, 469 – narrative Parabeln 95, 159–162, 257, 389 – narrative criticism 41, 69 – narrative Ethik 264 – narrative Exegese 18 f.(zu Joh ) – narrative Strukturen 234 f. (ĺ Erzählung) Nikodemus 177, 310 Nimshal 55, 153 f., 161, 222–224, 226 f., 495, 523, 526, 633
Sachregister
Offenbarung 83, 147 – Offenbarungsrede 40, 351, 422 – Offenbarungsentwurf 36 Oralität 115, 549 Organon 10 f. (ĺ Kommunikation) Parabel passim – Parabel als Gattung 334–337, 409–419 – im engeren Sinn (Jülicher) 389 f., 395–404 – Parabelinterpretation 137 – Parabeltheorie 56 f., 289 f., 294–320, 330, 383, 347 (ĺ Bild, ĺ Gleichnis) Paradigma ( ) 15, 32 f., 61 f., 200 f., 383, 449–451, 497, 547, 556, 570–579, 588 f., 617, 632 – Paradigmenwechsel 52, 87, 102, 630 (ĺ Beispiel, ĺ Rhetorik) Paraklet 57, 311, 319, 344 f. Paroimia 57, 64, 311, 325–331, 336–359, 363, 397 f. (ĺ Bild) Parusie (Jesu) 56, 291, 293, 322, 352, 487 Passion (Jesu) 148, 261, 309, 338, 343, 352 f., 361, 537 (ĺ Erzählung, ĺ Kreuz, ĺ Leiden) Petrus 353 Philippus 354, 357 Pilatus 310, 501–506 Poetik 407, 589–591 – generative Poetik 33 Politik 29, 148, 503, 509, 600 – Politik der Bilder 512–516 – zoon politicon 624 Plot 33, 50, 69, 97, 160 f., 163 f., 170, 191, 234, 267, 273, 622 – emplotment 108 – Plotstruktur 108 (ĺ Erzählen) Pneumatologie 311
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Prophet(en) 53 f. 152, 209–212, 290, 453 – Jesus als Prophet 152 Q ĺ Logienquelle) Quelle (geschichtlich) 16–19, 31, 53– 55, 72 f., 75, 90 f., 95, 103 f.,113– 120, 123–134, 221, 259–261, 272, 322, 335, 395– 397, 414, 575, 627 f. ĺ Zwei-Quellen-Theorie) Rabbi 98, 629 ĺ Lehrer) – rabbinische Gleichnisse 36 f., 54 f., 74, 76, 81, 89, 99, 217–237, 239, 444, 446, 524, 526, 628, 633, 636 ĺ Mashal) – rabbinische Literatur 94, 153 f., 164, 523, 533, 627 – rabbinische Zeit 613 f. Rätsel – Rätselspruch 341 – Rätselrede / -sprache 3–6, 90, 98, 121, 290, 295, 311, 330, 340–345, 396, 483 f., 491, 590 (ĺ Änigma, ĺ Bild, ĺ Paroimia) Raum – Raum-Zeit-Kontinuum 69, 119, 424, 430 – Deutungsraum 111 (ĺ Erzählen) Realität – Realität Gottes 129 – Realitätsbezug der Gleichnisse 15, 31, 116 f., 393, 412–414 – Realitätsdeutung der Gleichnisse 284 Rede – Rede Jesu 28, 53, 56, 69, 89–91, 267, 277, 329, 338, 347, 352, 357, 396, 477, 512, 591 – Gleichnisrede 27, 42, 56, 99–101, 284–293, 305 f., 322, 553, 583, 594 – Hiobreden 208 f. – Bildrede 56 ĺ Bild)
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Sachregister
– öffentliche / verborgene 295, 317, 341, 423 Referenz(ialität) der Gleichnisse 59, 117, 152, 155 f., 165, 179, 195, 373, 401 f., 438–459, 466, 479, 485, 487, 531, 551, 571, 580, 588–602, 628, 630, 636 Reich Gottes 25, 43, 48, 53, 55, 117– 119, 125, 140, 197–201, 259–282, 310, 315, 415, 444, 480, 515–520, 549, 567, 590–601, 620 – Reich-Gottes-Gleichnisse 92 f., 172– 174, 444–446, 549, 591, 600 – Reich-Gottes-Metapher 415, 593 – Reich-Gottes-Theologie 592 – Reich-Gottes-Verkündigung 27, 92, 463, 496, 591 (ĺ König) Religionsgeschichtliche Schule 92, 99, 218 f., 590 Relecture 75 ĺ Erinnerung) Remetaphorisierung ĺ Metapher) Retter – Jesus als Retter (der Welt) 81 – endzeitliche Rettergestalt 81, 145 (ĺ Heil, ĺ Soteriologie) Rezeption ĺ Ästhetik, ĺ Leser / in) – rezeptionsästhetische Auslegung 19– 22, 41–51, 71, 74 f., 304, 407, 416 Rhetorik – antike Rhetorik 37 f., 51, 55, 113, 238–258, 335, 339, 385, 394, 396– 399, 412, 426, 484 – in der Logienquelle 262, 282 Richter 399, 401, 445 ĺ Gericht) Rom 181–203, – römische Armee 143 – Römisches Reich 54, 60, 140, 175, 184–195, 200, 220, 501–511, 598 f. – römisches Palästina 176 f., 179 f.
Sabbat 145, 191, 197, 228–230 Sakrament 110 ĺ Taufe) Samaritaner / Samariter 132–134, 392 f., 437 Sauerteig 124–132, 268 Schaf passim – Schafhaltung 16, 414 – Schafstall 324 f. ĺ Hof, ĺ Herde, ĺ Lamm) Schrift 58, 149 ĺ Altes Testament) – Schriftgelehrte 293, 422, 435, 444 Schuld – Schuldherr 231–236 – Schuldner 55, 138, 230–236, 390 ĺ Sklave) Sehen – Sehen und glauben 121, 147, 271 (ĺ Erkenntnis, ĺ Verstehen) Semantik 67, 123, 127, 130, 359, 424 f. – historische Semantik 18, 58 – Raumsemantik 411 – Semantisierung der Formen 15, 110 f., 120 Semiotik 33, 61, 578–580 Sendung – Aussendung der Jünger 411 – der Gesandte 286 – des Parakleten 311 – Sendung Jesu / des Sohnes 285 f., 292, 302 (ĺ Christologie) Senfkorn (-Gleichnis) 4, 54, 100, 128, 131, 195–201, 267–269, 388, 400, 403 Sinn 4 – Lebenssinn 5, 23 – Sinnstiftung 13, 20, 23, 107, 110 f., 418, 475 (ĺ Hermeneutik, ĺ Verstehen) Sklave 16, 138–145, 180, 192, 270, 273, 276, 526, 562, 567, 606, 638 ĺ Diener)
Sachregister
– Schuldsklave 232, 236 – Sklavenherr 53, 138, 469, 472, 474, 475 ĺ Kyrios) – Sklavenlohn 468–481 Sohn – Sohn Gottes 287, 447, 547 (ĺ Menschensohn) Soteriologie 140, 163 ĺ Heil, ĺ Retter) Speisungswunder 488 ĺ Erzählung) Spiel 23 – Spielfeld 22–24, 68 (ĺ Verstehen) Sprachereignis 42, 61, 462, 464, 541– 557, 589, 592, 602 Sprachhandlung 43, 284, 573 Sprechakt(theorie) 10, 43, 100, 548, 549 Sprichwort 205–208, 339–341, 411, 423 (ĺ Paroimia, ĺ Rätsel) Stimme 76–83, 347–349 ĺ Bräutigam, ĺ Hirte) Stil – Sprachstil 107 Story 149, 157–178, 412, 535, 562, 568, 604–617, 630, 637 (ĺ Erzählung, ĺ Geschichte, ĺ Narrativität) Strukturalismus 33, 618 (ĺ Narrativität) Stunde – Stunde Jesu 345, 361–364 ĺ Kreuzigung) Symbol 73, 194, 198, 210, 212, 259– 282, 377, 411, 490 f., 502–509, 636, 638 – Symboltheorie 36–38, (ĺ Bild) Synagoge 142, 181, 184–190, 195 Tagelöhner 413, 624 Taufe 265
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Tempel 148, 349 – Tempeldienst 133 f. – Tempelreinigung 352 – Tempelweihfest 352 – Tempelzerstörung 217 tertium comparationis 141, 220, 426, 483 f., 584–586, 592 Textpragmatik 283, 292, 303 (ĺ Erzählpragmatik) Theologie – metaphorische Theologie 602 – Theologie der Gleichnisse 48, 591 – Theologie der Sprache 548, 600 – Theologiegeschichtsschreibung 594 – urchristliche T. (Evangelisten) 83, 298, 301, 319 Thomas 317 f. Torah 5, 154, 181–184, 211, 225, 228, 393, 605, 608, 613, 615, 631 Tür 273–275, 346–353 – Jesus als Tür 326, 349–353 Übersetzung 66–68 Umwelt Jesu 122–137 Urchristentum 3, 55, 96, 103, 113, 115, 383 f., 494, 506, 509, 517, 520 Urform 112 – der Gleichnisse / Parabeln 27, 31, 114, 407, 554 Urkirche 28, 93 Ursprungssituation 15, 28, 111, 223, 430, 573 (ĺ Entstehungssituation) Urtext 67 f., 136 Vater 16, 100, 135, 139, 144, 147, 390, 401, 436, 453 – Gott als Vater 120, 145, 147, 287, 311, 344, 345 f., 350–352, 356, 358, 416, 453, 480, 600 ĺ Familie, ĺ Sohn) Verfremden 44, 286 Verlorener Sohn 135 f., 139, 306, 401, 436, 478 f. Versöhnungstag 58
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Sachregister
Verstehen – Verstehensprozess 10–12, 22, 45, 50, 59, 74, 304, 455, 459 – Spielraum des Verstehens 22–24 (ĺ Erkenntnis, ĺ Hermeneutik, ĺ Missverständnis) Verstockung(stheorie) 5, 56, 289 f., 292, 296 f., 300–320 Virginität (der Braut) 79 Vorbild 55, 91, 130 ,286, 348, 393, 591 Wahrheit – historische Wahrheit (Verbalinspiration) 491 f. – Wahrheit des Textes 9, 22 f., 61, 413, 491, 542, 554 Wasser 126 f., 130 f., 228, Weg – Jesus als Weg 329, – Wegbegleitung 339, 341, 345 f. ĺ Paroimia) Wein – Weinspende 505–507 Weinberg(gleichnis) 138, 148, 285–287, 452–454, 471, 627, 630 – Jesus als Weinstock 333, 358 Weisheit – Weisheitsliteratur 54, 97, 113, 266, 584 – Weisheitssentenzen 411, 456 – Weisheitsspruch / -wort 207, 217 (ĺ Sprichwort) Weizenkorn 333, 353–358, 361 f. – Jesus als Weizenkorn 356 f. Werk(e) – Gottes / des Vaters 42, 301 Welt 35, 44, 53, 71, 121, 145–147, 271, 278, 286, 415, 417 f., 449 f., 463, 471, 476 ,479, 485 f.
– Bild(er)welt 60, 121, 236, 263, 268, 358, 438, 440, 495, 497, 501, 517 – Erzählwelt 392, 497 – Sprachwelt 396, 494 (ĺ Lebenswelt) Wiedergeburt 357 f. ĺ Geburt) Wirklichkeit 35, 139, 542 – Alltagswirklichkeit / Lebenswirklichkeit 44, 72, 143, 286, 514 – Beziehungswirklichkeit 29, 312, 345, 356, 358 – Gotteswirklichkeit 20, 35, 44, 287, 344, 415, 486, 554 – neue Wirklichkeit 284 f., 292, 479, 485, 554 f., 630 – Textwirklichkeit 67, 110, 136, 143, 420 (ĺ Realität) Wirkungsgeschichte 75 f. Wissenssoziologie 46 Witz 283 Wunder – Wunder(erzählung) 291 f., 487 f. (ĺ Erzählung) Zeit 69 – Heilszeit 80, 82 f. (ĺ Erzählung, Erzählzeit) Zeichen 412, 516 – Jesus als Zeichen 287 – joh Zeichen ( ) 77 – Sprach- / Textzeichen 33, 517, 578–580, 593 – Zeichentheorie 62 (ĺ Symbol, ĺ Wunder) Zitat (der Schrift) 149, 221–223, 287, 289, 306, 323, 453, 467, 600 – Erfüllungszitat 132 Zwei-Quellen-Theorie 75, 91, 259–264