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German Pages 208 [206] Year 2019
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Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (Hrsg.) Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2018 Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung
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Schriftenreihe der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung (Hrsg.) Band 24
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Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2018 Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung (VGR) herausgegeben von der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung mit Beiträgen von
Prof. Dr. Michael Arnold Rechtsanwalt, Stuttgart
Prof. Dr. Ingo Drescher Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof, Karlsruhe
Dr. Johannes Hushahn LL.M. (Cambridge) Notar, Jüchen
Prof. Dr. Christoph Kumpan LL.M. (Univ. of Chicago) Attorney at Law (New York) Universitätsprofessor, Halle (Saale)
Prof. Dr. Stephan Schauhoff Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Bonn
Prof. Dr. Klaus Ulrich Schmolke LL.M. (NYU) Universitätsprofessor, Erlangen-Nürnberg
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-62724-9 ©2019 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung nach einem Entwurf von: Jan P. Lichtenford Satz: WMTP, Birkenau Druck und Verarbeitung: Stückle, Ettenheim Printed in Germany
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Vorwort Am 26. Oktober 2018 fand in Frankfurt am Main die 21. Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung mit wiederum deutlich mehr als 400 Teilnehmern statt. Der vorliegende 24. Band der VGR-Schriftenreihe enthält die Referate und Diskussionsberichte dieser Veranstaltung. Auch in diesem Jahr hatten sich Vorstand und Beirat bemüht, aktuelle Themen aus den verschiedenen Bereichen des Unternehmensrechts zu finden und dafür hoch qualifizierte Referenten zu gewinnen. Wie üblich begann die Tagung mit dem Bericht über die aktuelle gesellschaftsrechtliche Rechtsprechung des BGH durch den Vorsitzenden des II. Zivilsenats. Prof. Dr. Ingo Drescher gelang es schon bei der Auswahl der von ihm vorgestellten Urteile dem interessierten Publikum eine ganze Bandbreite an gesellschaftsrechtlich spannenden Themen vorzustellen. Drei Entscheidungen betrafen das Personengesellschaftsrecht, drei die GmbH und drei die Aktiengesellschaft. Eines der derzeit umstrittensten Themen im Organhaftungsrecht ist die Frage, ob und wie die Gesellschaft für Geldbußen, die an die Leistungsfähigkeit des Unternehmens anknüpfen, Rückgriff bei den Organmitgliedern nehmen kann, die diese durch pflichtwidriges Verhalten verursacht haben. In der Literatur sind praktisch alle relevanten Fragen umstritten; die Rechtsprechung hat bisher keine verlässliche Klärung herbeigeführt. Prof. Dr. Michael Arnold arbeitete die unterschiedlichen Wertungen aus den verschiedenen betroffenen Rechtsbereichen heraus: nach seiner Auffassung sprechen aus gesellschaftsrechtlicher Sicht die besseren Argumente dafür, den Bußgeldregress nicht grundsätzlich auszuschließen, während aus kartellrechtlicher Sicht beachtliche Argumente gegen einen solchen Bußgeldregress sprächen. Zugleich machte er deutlich, dass auch auf der prozessrechtlichen Seite erhebliche Unsicherheiten bestehen, wie und insbesondere vor welchem Gericht Regressklagen zu verfolgen sind. Anlass für das nachfolgende Thema „Stiftungen als Unternehmensträger“ war einerseits die zunehmende Bedeutung von Stiftungen als Unternehmensträger oder Komplementärgesellschaft von KG und KGaA, andererseits das Fremdeln vieler beratender Gesellschaftsrechtler mit dieser Rechtsform. Rechtsanwalt Prof. Dr. Stephan Schauhoff führte sehr klar in die rechtlichen Grundlagen und die aktuellen rechtspolitischen Entwicklungen ein. Es wurde deutlich, dass die Stiftung als Mittel der Nachfolgeregelung in bestimmten Konstellationen ein außerordentlich inte-
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Vorwort
ressantes Gestaltungsinstrument sein kann, gerade auch bei der gegenwärtigen erbschaftsteuerlichen Rechtslage. Zugleich wies er auf die große Verantwortung des Stifters hin, bei seinen Vorgaben eine ausreichend flexible unternehmerische Weiterentwicklung des Unternehmens zu ermöglichen: Aufgabe der Stiftung solle nicht das Bewahren der Asche, sondern die Weitergabe des unternehmerischen Feuers sein. Vom Stiftungsrecht ging es dann in das Kapitalmarktrecht. Dort ist eines der Themen, die die Praxis am meisten beschäftigen (und besorgen), die Behandlung von gestreckten Vorgängen im Insiderrecht. Zwar sind zukünftige Ereignisse nach Art. 7 Abs. 2 Satz 1 MMVO nur dann ausreichend präzise Informationen, wenn sie vernünftigerweise zu erwarten und daher überwiegend wahrscheinlich sind. In der Praxis gehen solchen Endereignissen aber eine Vielzahl von Zwischenschritten voraus, die ihrerseits daraufhin zu überprüfen sind, ob sie Insiderinformationen darstellen. Prof. Dr. Christoph Kumpan ordnete die Problematik in die Dogmatik der Insiderinformation ein und unterschied bei Zwischenschritten zwischen solchen, die für sich genommen eine eigenständige Bedeutung aufweisen, und solchen, die ihre Bedeutung ausschließlich aus ihrer Verknüpfung mit dem Endereignis ableiten. Für die unterschiedlichen Typen prüfte er die maßgeblichen Tatbestandsvoraussetzungen der Präzision und Kurserheblichkeit und kam dabei zu praktisch gut handhabbaren Leitlinien für den insiderrechtlichen Umgang mit Zwischenschritten. Im Anschluss daran ging es um die Frage, ob Business Combination Agreements der Zustimmung der Hauptversammlung einer beteiligten deutschen AG bedürfen. Hintergrund der Fragestellung war insbesondere der Zusammenschluss von Linde und Praxair, bei dem Aktionäre von Linde auf Feststellung klagen, dass die Linde-Hauptversammlung dem Business Combination Agreement hätte zustimmen müssen. Prof. Dr. Ulrich Schmolke prüfte die verschiedenen dogmatischen Ansätze zur Begründung einer solchen ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenz und kam zu dem klaren Ergebnis, dass sich eine Zuständigkeit der Hauptversammlung nicht begründen lässt, insbesondere weder aus den Holzmüller/Gelatine-Grundsätzen noch dem Gedanken eines verdeckten Beherrschungsvertrags oder qua Sachzusammenhangs mit nachfolgenden Strukturmaßnahmen. Zwischenzeitlich hat das Landgericht München seine Ergebnisse in einem noch nicht rechtskräftigen Urteil vom 20. Dezember 2018 in vollem Umfang bestätigt. Der letzte Vortrag betraf grenzüberschreitende Sitzverlegungen – ein Thema, das aufgrund des Polbud-Urteils des EuGH vom 25. Oktober 2017
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Vorwort
und des im letzten Jahr vorgelegten Vorschlags für eine diese regelnde Richtlinie besonders aktuell ist. Notar Dr. Johannes Hushahn stellte den Bruch der Polbud-Entscheidung mit der bisher herrschenden Auffassung deutlich heraus: Nach dem EuGH setzt die Anwendbarkeit der Niederlassungsfreiheit auf die grenzüberschreitende Sitzverlegung nicht mehr voraus, dass die formwechselnde Gesellschaft im Zuzugsstaat eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt. Er machte deutlich, dass bei derart geringen Anforderungen an den grenzüberschreitenden Formwechsel Überlegungen zum Schutz von Minderheitsgesellschaftern, Gläubigern und Arbeitnehmern ganz besondere Bedeutung erlangen, und stellte im Einzelnen vor, wie deren Interessen auf Basis des geltenden Rechts und nach dem Vorschlag zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen und dem darin vorgesehenen Verbot der „künstlichen Gestaltung“ gewahrt werden können. Zu jedem der Referate fand eine ausführliche und teilweise kontroverse Diskussion statt, die in den Diskussionsberichten im Anschluss an den jeweiligen Vortrag zusammengefasst ist. Vorstand und Beirat der VGR danken allen, die zum Gelingen der 21. Jahrestagung beigetragen haben, insbesondere den Referenten, den Diskussionsleitern und -teilnehmern, den Verfassern der Diskussionsberichte sowie Frau Heike Wieland, in deren bewährten Händen auch in diesem Jahr die perfekte Vorbereitung und Organisation der Tagung lag. München, im Februar 2019 Für Vorstand und Beirat der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung Jochen Vetter
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Inhalt* Seite
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Prof. Dr. Ingo Drescher Die aktuelle gesellschaftsrechtliche Rechtsprechung des BGH . . . .
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I. Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Kim Rohwetter Bericht über die Diskussion des Referats Drescher . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Personengesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. GmbH-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Prof. Dr. Michael Arnold Organhaftung für Unternehmensgeldbußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Rechtsgrundlagen für Unternehmensgeldbußen . . . . . . . . . . . . .
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C. Unternehmensgeldbußen im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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D. Entscheidungen zum Schienenkartell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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E. Argumente für und gegen die Regressfähigkeit von Unternehmensgeldbußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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F. Entscheidungsperspektive des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft und der Gesellschafterversammlung einer GmbH bei möglicher Organhaftung wegen Unternehmensgeldbußen .
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G. Rechtsweg und Zuständigkeit für Regressklagen . . . . . . . . . . . . .
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H. Zusammenfassung in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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* Ausführliche Inhaltsübersichten jeweils zu Beginn der Beiträge.
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Inhalt
Jan-David Geiger Bericht über die Diskussion des Referats Arnold . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Prof. Dr. Stephan Schauhoff Stiftungen als Unternehmensträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Unternehmensstiftungen in den Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Grundzüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Eignung von Stiftungen als Nachfolgeinstrument . . . . . . . . . . .
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IV. Rechtsentwicklungen im Stiftungs- und Erbschaftsteuerrecht
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V. Stiftungsrechtliche Gestaltungsgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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VI. Gestaltungsoptionen für Unternehmensträgerstiftungen . . . . . 101 VII. Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Judith Mehren Bericht über die Diskussion des Referats Schauhoff . . . . . . . . . . . . . . 105 Prof. Dr. Christoph Kumpan, LL.M. (Univ. of Chicago) Gestreckte Vorgänge und Insiderrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 II. Präzision und Kurserheblichkeit von Informationen . . . . . . . . . 110 III. Anwendung auf gestreckte Vorgänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 IV. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Ronny Grütze, LL.M. oec. Bericht über die Diskussion des Referats Kumpan . . . . . . . . . . . . . . . 128 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 II. Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 III. Antwort von Prof. Dr. Christoph Kumpan . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 IV. Conclusio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
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Inhalt
Prof. Dr. Klaus Ulrich Schmolke, LL.M. (NYU) Hauptversammlungszuständigkeit für Business Combination Agreements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 I. Thema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 II. Business Combination Agreements und deren typische Inhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 III. Ansatzpunkte für ein mögliches Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 IV. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . 163 Dominik Meier Bericht über die Diskussion des Referats Schmolke . . . . . . . . . . . . . . 165 Dr. Johannes Hushahn, LL.M. (Cambridge) Grenzüberschreitende Sitzverlegung: Polbud und die Folgen . . . . . . 171 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 II. Polbud-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 III. Folgen für den grenzüberschreitenden Formwechsel . . . . . . . . . . 180 IV. Ausblick auf Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 Nina Benz/Anton S. Zimmermann Bericht über die Diskussion des Referats Hushahn . . . . . . . . . . . . . . . 186
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
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Die aktuelle gesellschaftsrechtliche Rechtsprechung des BGH Prof. Dr. Ingo Drescher Vorsitzender Richter am BGH, Karlsruhe Rz.
Rz. I. Personengesellschaft . . . . . . . 1. Befugnis des Abwicklers zur Einforderung rückständiger Einlagen zum Zweck des Gesellschafterausgleichs, Urt. v. 30.1.2018 – II ZR 95/16, ZIP 2018, 721 . . . . . . . 2. Geltendmachung von Ansprüchen der Kommanditgesellschaft gegen den Fremdgeschäftsführer der Komplementär-GmbH durch einen Kommanditisten, Urt. v. 19.12.2017 – II ZR 255/16, ZIP 2018, 276 . . . . . . 3. Kommanditistenhaftung in der Insolvenz der KG, Urt. v. 20.2.2018 – II ZR 272/16, ZIP 2018, 640 . . . . . . II. GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anfechtungsbefugnis des Gesellschafters einer GbR als GmbH-Gesellschafterin, Urt. v. 26.6.2018 – II ZR 205/16, NJW 2018, 3014 . . . . 2. Zahlungsunfähigkeit, Urt. v. 19.12.2017 – II ZR 88/16, NJW 2018, 1089 . . . . .
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3. Haftung des Liquidators gegenüber einem bei der Vermögensverteilung nicht berücksichtigten Gläubiger, Urt. v. 13.3.2018 – II ZR 158/16, ZIP 2018, 870 . . . . . . III. Aktiengesellschaft . . . . . . . . 1. Klagefrist für Nichtigkeitsfeststellung eines Verwaltungsbeschlusses bei Bezugsrechtsausschluss, Urt. v. 10.7.2018 – II ZR 120/16, NJW 2018, 2796 = AG 2018, 706. . . . . . . . . . . . . 2. Berichtigung der notariellen Niederschrift über die Hauptversammlung BGH, Urt. v. 10.10.2017 – II ZR 375/15, NJW 2018, 52 = AG 2018, 28. . . . . . . . . . . . . . 3. Vorstandshaftung trotz Einwilligung des Alleinaktionärs, Urt. v. 10.7.2018 – II ZR 24/17, ZIP 2018, 1923 = AG 2018, 841. . . . . . . . . . . . .
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Drescher – Die aktuelle gesellschaftsrechtliche Rechtsprechung des BGH
I. Personengesellschaft 1. Befugnis des Abwicklers zur Einforderung rückständiger Einlagen zum Zweck des Gesellschafterausgleichs, Urt. v. 30.1.2018 – II ZR 95/16, ZIP 2018, 721 Sachverhalt: 1 Die Klägerin ist eine in Liquidation befindliche Publikumsgesellschaft in Form einer GmbH & Co. KG. Der Beklagte trat der Klägerin mit Beitrittserklärung vom 1.4.2009 als Treugeberkommanditist mit einem Zeichnungsbetrag von 120.000 Euro zzgl. 6 % Agio bei. Der Gesamtbetrag von 127.200 Euro sollte mit einer Kontoeröffnungszahlung von 37.200 Euro und monatlichen Raten i.H.v. je 1.000 Euro ab dem 15.4.2009 geleistet werden. 2 Mit Bescheid vom 6.10.2011 ordnete die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gem. § 38 Abs. 1 Satz 1 KWG die Abwicklung der Klägerin an, die sich seitdem in Liquidation befindet. Im Mai 2012 stellte der Beklagte seine Ratenzahlungen ein. Im Rechtsstreit hat er seine Beitritts- und Treuhandvertragserklärung widerrufen und die Kündigung der Beteiligung aus wichtigem Grund erklärt. 3 Die Klägerin, vertreten durch den nach § 38 Abs. 2 KWG bestellten Abwickler, nimmt den Beklagten auf Zahlung von rückständigen Raten i.H.v. 20.000 Euro sowie von 32 ab Januar 2014 fälligen Monatsraten i.H.v. je 1.000 Euro in Anspruch. Hilfsweise begehrt sie die Feststellung, dass in die Abfindungsrechnung der Parteien als unselbständiger Abrechnungsposten zu ihren Gunsten eine Einlageforderung von 52.000 Euro nebst Zinsen einzustellen sei, sowie weiter hilfsweise die Einstellung der offenen Einlageforderung in eine etwaige zu erstellende Ausscheidensbilanz. Rechtliche Würdigung: 4 Dass der Anleger seine Einlage in Raten zu zahlen hatte, bedeutet nicht, dass er mit den Ratenzahlungen bis zur Liquidation seinen Verpflichtungen vollständig nachgekommen ist. Geschuldete Einlage ist die bei Zeichnung vereinbarte Gesamteinlage. Die Einforderung der Resteinlage ist auch in der Liquidation nach § 38 KWG noch möglich, wenn sie zur Gläubigerbefriedigung benötigt wird, und ist kein neues werbendes Geschäft.
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Drescher – Die aktuelle gesellschaftsrechtliche Rechtsprechung des BGH
Der Anspruch der Kommanditgesellschaft ist mit dem Widerruf des Kom- 5 manditisten nach §§ 312, 355 BGB a.F. auch nicht ex nunc erloschen. Dabei konnte der BGH offen lassen, ob ein genereller Ausschluss des Widerrufsrechts in der Liquidation einer Gesellschaft dem verbraucherschützenden Charakter des Widerrufsrechts nach §§ 312, 355 BGB a.F. gemäß der Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20.12.1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (RL 85/577/EWG) widerspräche. Ein wirksamer Widerruf würde auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu den Folgen des Widerrufs eines Beitritts zu einem geschlossenen Fonds in Form einer Personengesellschaft die Verpflichtung des Gesellschafters zur Leistung seiner restlichen Einlage nicht entfallen lassen. Der Widerruf führt nach der vom Europäischen Gerichtshof als richtlinienkonform gebilligten Rechtsprechung zur Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft. Danach kann der widerrufende Gesellschafter keine Rückabwicklung seines Beitritts verlangen, sondern scheidet mit Zugang des Widerrufs ex nunc aus der Gesellschaft aus und hat einen Anspruch auf sein Auseinandersetzungsguthaben zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens seines Widerrufs. Der Gesellschafter bleibt – ebenso wie bei einer Kündigung – weiterhin zur Zahlung rückständiger, noch nicht erbrachter Einlageleistungen an die Gesellschaft verpflichtet. Zwar hat der Widerruf des Gesellschafters damit wirtschaftlich keine Auswirkung auf den Fortbestand seiner Leistungsverpflichtung. Diese Folge ist aber von der Billigung des Europäischen Gerichtshofs betreffend die Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft umfasst. Die von dem Kommanditisten erklärte Kündigung der Beteiligung aus 6 wichtigem Grund lässt seine Zahlungspflicht ebenfalls nicht entfallen. Die Anfechtung einer Beteiligung wegen Arglist ist in der Liquidation der Gesellschaft ausgeschlossen. Bei Auflösung der Gesellschaft vor der Anfechtung des Gesellschafters ist es nicht mehr erforderlich, ihm das Ausscheiden durch außerordentliche Kündigung (als Ersatz für die ihm eigentlich zustehende Auflösungsklage) zu ermöglichen. Der Anspruch der Gesellschaft auf Zahlung der offenen Einlage zu Ab- 7 wicklungszwecken scheiterte aber daran, dass der jeweils eingeforderte Betrag für die Abwicklung erforderlich sein muss und dies vom Liquidator nicht für den maßgebenden Zeitpunkt, den Schluss der mündlichen Verhandlung, dargelegt worden war. Die Darlegungs- und Beweislast da-
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Drescher – Die aktuelle gesellschaftsrechtliche Rechtsprechung des BGH
für, dass der eingeforderte Betrag für die Abwicklung nicht benötigt wird, obliegt zwar dem Gesellschafter. Der Liquidator hat jedoch die insoweit bedeutsamen Verhältnisse der Gesellschaft darzustellen, soweit nur er dazu imstande ist; er hat im Einzelnen darzulegen, wozu die eingeforderten Beträge im Rahmen der Abwicklung benötigt werden. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung dieser Erforderlichkeit ist der Schluss der mündlichen Verhandlung (vgl. § 128 Abs. 2, § 136 Abs. 4, §§ 296a, 310 ZPO), so dass eine etwaige positive Entwicklung der Liquiditätssituation, auch durch bereits eingezogene rückständige Einlagen anderer Gesellschafter, im Laufe des Verfahrens zu berücksichtigen ist. 8 Auch ein Anspruch der Gesellschaft auf Zahlung der rückständigen Einlage zum Ausgleich unter den Gesellschaftern konnte nicht bejaht werden. Zwar ist der BGH in Abweichung von früherer Rechtsprechung davon ausgegangen, dass die Liquidatoren gem. § 149 HGB sowohl zur Einforderung von rückständigen Einlagen als auch von Nachschüssen zum Zweck des internen Gesellschafterausgleichs befugt sind, da der Ausgleich unter den Gesellschaftern noch zu den Aufgaben des Liquidators gehört. Wie bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach §§ 730 bis 735 BGB besteht ein enger Zusammenhang zwischen der den Liquidatoren obliegenden Abwicklung des Gesellschaftsvermögens einerseits und dem Ausgleich der Gesellschafter untereinander andererseits. Hinzu kommt, dass die eingesetzten Liquidatoren grundsätzlich bis zur Vollbeendigung der Gesellschaft im Amt bleiben. Die frühere, den Materialien zum Handelsgesetzbuch entsprechende Auffassung der Rechtsprechung beruhte noch auf einem Gesamthandsverständnis der Personengesellschaften, das keine Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft kannte, inzwischen aber überholt ist. Jedenfalls im Fall der Auflösung einer Publikumskommanditgesellschaft in Form einer Massengesellschaft ist eine solche Befugnis des Liquidators auch deshalb zu bejahen, weil andernfalls der erforderliche Ausgleich unter den Gesellschaftern bei der für Massengesellschaften typischen Vielzahl von Gesellschaftern, die untereinander nicht persönlich verbunden sind, nicht gewährleistet, zumindest aber in unzumutbarer Weise erschwert wäre. 9 Die Einforderung rückständiger Einlagen zum Ausgleich unter den Gesellschaftern erfordert aber die Vorlage eines Auseinandersetzungsplans, der einen Passivsaldo des in Anspruch genommenen Gesellschafters ausweist. Der Liquidator, d.h. die Gesellschaft, muss den geltend gemachten
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Drescher – Die aktuelle gesellschaftsrechtliche Rechtsprechung des BGH
Ausgleichsanspruch dartun und beweisen und damit auch den Auseinandersetzungsplan aufstellen, woran es hier fehlte.
2. Geltendmachung von Ansprüchen der Kommanditgesellschaft gegen den Fremdgeschäftsführer der Komplementär-GmbH durch einen Kommanditisten, Urt. v. 19.12.2017 – II ZR 255/16, ZIP 2018, 276 Sachverhalt: Die Kläger sind zu je 1/2 die Erben der im Dezember 2006 verstorbenen 10 Erblasserin. Sie war alleinige Kommanditistin der A. GmbH und Co. KG und alleinige Gesellschafterin der Komplementär-GmbH. Der Beklagte war seit 1978 Steuerberater, Vermögensverwalter und Generalbevollmächtigter der Erblasserin. Im Dezember 2001 war er beauftragt worden, die Beratung und die Wahrung der Interessen der Erblasserin in wirtschaftlichen und steuerlichen Angelegenheiten als Privatperson sowie hinsichtlich der ihr gehörenden Unternehmen und Unternehmenskomplexe wahrzunehmen. Seit 2003 war er alleiniger Geschäftsführer der Komplementär-GmbH. Er erwarb mit Kaufvertrag vom 6.10.2006 ein Grundstück zu einem Kaufpreis von 7,2 Mio. Euro für die A. GmbH und Co. KG. Die Erblasserin hatte testamentarisch eine Testamentsvollstreckung für zehn Jahre angeordnet und den Beklagten zum Testamentsvollstrecker ernannt. Die Kläger machen geltend, dass der Beklagte das in Rede stehende 11 Grundstück wissentlich zu einem weit überhöhten Kaufpreis erworben habe. Ein Antrag der Kläger auf Auswechslung des Testamentsvollstreckers wurde vom Nachlassgericht abgelehnt. Zunächst haben die Kläger den Beklagten auf Zahlung an die Erbengemeinschaft in Anspruch genommen und dies mit einer Haftung aus dem Auftragsverhältnis zur Erblasserin begründet. In der Berufungsinstanz haben sie ihr Klagebegehren erweitert und Ansprüche der A. GmbH und Co. KG geltend gemacht. Rechtliche Würdigung: Eine actio pro socio liegt nicht vor. Actio pro socio ist die Verfolgung eines 12 Anspruchs aus dem Gesellschaftsverhältnis durch einen Gesellschafter im eigenen Namen gegen einen Mitgesellschafter auf Leistung an die Gesellschaft. Der Fremdgeschäftsführer der Komplementär-GmbH ist aber nicht Mitgesellschafter, Gesellschafter ist die GmbH.
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13 Eine Erweiterung dieser Grundsätze dahin, dass die Kommanditisten einer GmbH & Co. KG Ansprüche der Gesellschaft gegen Dritte (actio pro societate) und damit auch gegen den Fremdgeschäftsführer der Komplementär-GmbH geltend machen können, ist nicht angezeigt. Es besteht kein Bedürfnis für eine solche Durchgriffshaftung. Die KomplementärGmbH muss sich Pflichtverletzungen des Geschäftsführers zurechnen lassen. Daher ist eine actio pro socio des Kommanditisten gegen sie möglich. Der Kommanditist kann ggf. auf den Ersatzanspruch der GmbH nach § 43 Abs. 2 GmbH zugreifen.
3. Kommanditistenhaftung in der Insolvenz der KG, Urt. v. 20.2.2018 – II ZR 272/16, ZIP 2018, 640 Sachverhalt: 14
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der M. GmbH & Co. KG. Der Beklagte hatte einen Kommanditanteil i.H.v. 15.000 Euro an der Schuldnerin übernommen. Das Kapitalkonto des Beklagten war bereits im Beitrittsjahr unter die Hafteinlage herabgemindert worden. In den Jahren 2004 bis 2007 flossen Ausschüttungen i.H.v. insgesamt 5.100 Euro an den Beklagten.
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Über das Vermögen der Schuldnerin wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und darin der Termin zur Gläubigerversammlung bestimmt. Der Beklagte wurde über die Insolvenzeröffnung informiert. Einige Tage später wurde über das Vermögen der Komplementär-GmbH der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und ebenfalls der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.
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Der Kläger nimmt den Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Rückgewähr der geleisteten Kommanditeinlage persönlich in Anspruch. Rechtliche Würdigung:
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Wenn der Insolvenzverwalter einer Publikumskommanditgesellschaft die wegen Einlagenrückzahlung ausstehende Hafteinlage gegen den Kommanditisten einklagt, reicht es zur Darlegung der Forderung aus, wenn der Insolvenzverwalter die Insolvenztabelle mit festgestellten Forderungen, die nicht aus der Insolvenzmasse befriedigt werden können, vorlegt und darlegt, dass die vorhandene Masse zur Befriedigung dieser Forderungen nicht ausreicht. Er muss die geltend gemachten Gläubigerforderun-
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gen für den Anspruch nach § 171 Abs. 2 HGB – anders als im Fall von § 93 InsO – auch nicht etwa durch Angabe einer Reihenfolge individualisieren oder alle Gläubigerforderungen auf die Haftsumme aufteilen. Die nach Insolvenzeröffnung vom Insolvenzverwalter einzuziehende Hafteinlage darf nur noch zur gleichmäßigen (anteiligen) Befriedigung der berechtigten Gläubiger verwendet werden. Der in Anspruch genommene Kommanditist kann die Forderungen nicht 18 einfach mit Nichtwissen bestreiten. Eine nähere Stellungnahme zu den Forderungen, die in der Insolvenztabelle festgestellt wurden, ist ihm auch möglich. Die erforderlichen Informationen kann er von der Schuldnerin einfordern. Im Insolvenzverfahren richtet sich der Informationsanspruch des Kommanditisten nach § 166 Abs. 1 HGB, der während der laufenden Insolvenz gegen den Insolvenzverwalter der Kommanditgesellschaft geltend zu machen ist. Das Bestreiten ist darüber hinaus unbeachtlich, wenn die Forderungen 19 widerspruchslos zur Insolvenztabelle festgestellt worden sind. Die Feststellung der Forderungen zur Insolvenztabelle hat für die Kommanditgesellschaft nach § 201 Abs. 1 InsO die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils. Die Rechtskraftwirkung eines Titels gegenüber der Gesellschaft beschränkt grundsätzlich die Einwendungsmöglichkeiten für den persönlich haftenden Gesellschafter. Gegen die aus § 128 HGB begründete persönliche Haftung eines Gesellschafters einer offenen Handelsgesellschaft kann ein Gesellschafter gem. § 129 Abs. 1 HGB von persönlichen Einwendungen abgesehen nur die Einwendungen geltend machen, die auch von der Gesellschaft erhoben werden können. Ist im Gesellschaftsprozess ein rechtskräftiges Urteil gegen die Gesellschaft ergangen, wirkt dies auch gegen die Gesellschafter, indem es ihnen die Einwendungen nimmt, die der Gesellschaft abgesprochen wurden. Ob dies eine Rechtskrafterstreckung auf die Gesellschafter oder ein Einwendungsausschluss ist, ist für das Ergebnis ohne Bedeutung. Diese für die OHG bestehenden Grundsätze gelten gem. § 161 Abs. 2 HGB auch für die Haftung des persönlich haftenden Gesellschafters der Kommanditgesellschaft und die Haftung des Kommanditisten gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft nach §§ 171, 172 Abs. 4 HGB. Diese Wirkungen sind nicht einzuschränken, weil der OHG-Gesell- 20 schafter selbst Widerspruch einlegen könnte. Die Grundsätze für die Anwendung von § 129 Abs. 1 HGB gegenüber Gesellschaftern einer offenen Handelsgesellschaft im Hinblick auf widerspruchslos zur Insolvenz-
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tabelle festgestellte Gesellschaftsgläubigerforderungen sind nicht auf die Kommanditisten übertragbar. Für die Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft galt nach ehemaligem Konkursrecht, dass alle Gesellschafter Gemeinschuldner waren. Das Recht, eine angemeldete Forderung im Prüfungstermin zu bestreiten, stand jedem von ihnen zu. Die Ausübung dieses Rechts verhinderte die Rechtskraftwirkung einer Feststellung einer Forderung zur Konkurstabelle gegenüber dem Bestreitenden. Die Rechtsstellung der Kommanditisten ist im Rahmen der werbenden Gesellschaft und auch im Rahmen des Insolvenzverfahrens aber grundsätzlich anders ausgestaltet als diejenige der persönlich haftenden Gesellschafter. Gemäß § 164 Abs. 1 HGB sind die Kommanditisten von der Führung der Geschäfte der Gesellschaft ausgeschlossen; sie können einer Handlung der persönlich haftenden Gesellschafter nicht widersprechen, es sei denn, dass die Handlung über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft hinausgeht. Sofern nicht besondere gesellschaftsvertragliche Regelungen etwas anderes vorsehen, muss der Kommanditist vom vertretungsberechtigten Gesellschafter eingegangene Verpflichtungen und auch dessen Prozessführung hinnehmen. Auch im Rahmen der Haftung nach § 172 Abs. 4 HGB gibt das Gesetz die Unterscheidung zwischen den Kommanditisten und den persönlich haftenden Gesellschaftern nicht auf. Entscheidend bleibt, dass der Kommanditist mit der Erbringung seiner Einlage eine Haftung ausschließen kann (§ 171 Abs. 1 HGB) und auch im Falle der unmittelbaren Haftung gegenüber Gläubigern infolge der Entnahme der Hafteinlage nach § 172 HGB nur begrenzt bis zur Höhe des noch offenen Einlagebetrags haftet. 21 Auch im Insolvenzverfahren ist seine Rechtsstellung anders ausgestaltet als die der persönlich haftenden Gesellschafter. Das Widerspruchsrecht steht nach § 178 Abs. 1 Satz 2 InsO dem Schuldner, d.h. der Kommanditgesellschaft, zu. Widerspruchsberechtigt ist insoweit das vertretungsberechtigte Organ und damit nicht der Kommanditist. Ist der Schuldner eine durch die Verfahrenseröffnung in Liquidation befindliche juristische Person oder Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, so gelten für die Erhebung des Widerspruchs die gleichen Grundsätze wie zu § 15 InsO. Abweichendes wird nur für den hier nicht vorliegenden Fall diskutiert, dass der Kommanditist gem. § 176 HGB wie ein persönlich haftender Gesellschafter haftet. Nach § 30 Abs. 2 InsO ist der Eröffnungsbeschluss mit dem darin nach § 29 Abs. 1 InsO enthaltenen Prüfungstermin dem Schuldner, d.h. bei einer Kommanditgesellschaft dem vertretungsberechtigten Gesellschafter, jedoch nicht dem Kommanditisten zuzustellen.
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Dementsprechend steht eine Verletzung des Rechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs im Hinblick auf die Möglichkeit zur Teilnahme am Prüftermin und Erhebung eines Widerspruchs im Gegensatz zu den persönlich haftenden Gesellschaftern einer offenen Handelsgesellschaft bzw. einer Kommanditgesellschaft nicht in Rede. Der Kommanditist ist deshalb gehalten, auf einen Widerspruch des vertretungsberechtigten Gesellschafters hinzuwirken. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Komple- 22 mentär-GmbH, die zeitlich nur kurz nach derjenigen der Kommanditgesellschaft erfolgte (sog. Simultaninsolvenz), erforderte ebenfalls keine einschränkende Auslegung der § 161 Abs. 2, § 129 Abs. 1 HGB zugunsten des Kommanditisten. Durch die Insolvenzeröffnung wird die Komplementär-GmbH gem. § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG aufgelöst. Zugleich scheidet sie gem. § 161 Abs. 2, § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HGB aus der Kommanditgesellschaft – der nach § 161 Abs. 2, § 131 Abs. 1 Nr. 3 HGB bereits aufgelösten Schuldnerin – aus. Da hier mehr als ein Gesellschafter nach dem Ausscheiden der Komplementär-GmbH aus der Schuldnerin verbleibt, besteht die Kommanditgesellschaft im Insolvenzverfahren weiter. Wenn im Gesellschaftsvertrag keine abweichenden Vereinbarungen getroffen wurden, sind die verbliebenen Gesellschafter berufen, die Gesellschaft im Insolvenzverfahren zu vertreten (vgl. § 146 Abs. 1 HGB für den Fall der Liquidation außerhalb des Insolvenzverfahrens) oder dafür einen Vertreter zu bestellen. Eine Verletzung des Rechts des beklagten Kommanditisten auf Gewährung rechtlichen Gehörs lag im konkreten Fall ersichtlich auch aus einem anderen Grund nicht vor. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin war vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Komplementär-GmbH erfolgt. Die Bestimmung des Termins zur Prüfung der angemeldeten Forderungen war damit nicht nur öffentlich bekannt gemacht, sondern der Komplementär-GmbH als Vertreterin der Schuldnerin gem. § 30 Abs. 2 InsO zugestellt worden. Dies müssen die Schuldnerin und deren Gesellschafter gegen sich gelten lassen. Im Übrigen hat das Berufungsgericht festgestellt, dass der beklagte Kommanditist über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens informiert war.
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II. GmbH 1. Anfechtungsbefugnis des Gesellschafters einer GbR als GmbH-Gesellschafterin, Urt. v. 26.6.2018 – II ZR 205/16, NJW 2018, 3014 Sachverhalt: 23
Der Kläger war Gesellschafter der R. Rechtsanwaltsgesellschaft bürgerlichen Rechts, die ihrerseits alleinige Gesellschafterin der beklagten GmbH war. Der Kläger war zum Geschäftsführer der Beklagten bestellt. Sein Geschäftsführerdienstvertrag sollte im Falle des Ausscheidens des Klägers aus der GbR ohne Kündigung enden. Später traten Konflikte unter den Gesellschaftern auf. In der Gesellschafterversammlung der Beklagten wurde nach vorheriger Beschlussfassung in der Gesellschafterversammlung der GbR beschlossen, den Kläger aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung als Geschäftsführer der Beklagten abzurufen, den zwischen der Beklagten und dem Kläger bestehenden Geschäftsführeranstellungsvertrag aus wichtigem Grund außerordentlich zu kündigen, bestimmte Mandate zu prüfen und deren Niederlegung ggf. zu vollziehen und Schadensersatzansprüche bzw. anderweitige Ersatzansprüche der Beklagten gegen den Kläger zu prüfen und geltend zu machen.
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Der Kläger hat die Beschlüsse der GbR im schiedsrichterlichen Verfahren angefochten. Durch Schiedsspruch ist festgestellt worden, dass die Beschlüsse der GbR nichtig sind.
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Der Kläger hat begehrt, die Nichtigkeit der Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 13.6.2013 festzustellen, hilfsweise sie für nichtig zu erklären. Die Beklagte hat die Schiedseinrede erhoben. Rechtliche Würdigung:
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Die Schiedsabrede für die GmbH war unwirksam, weil sie nicht vorsieht, dass der Geschäftsführer Mitgesellschafter von der Erhebung der Anfechtungsklage informieren muss, und sie keine Zuständigkeitskonzentration bei nur einem Schiedsgericht regelt (wie in der Entscheidung des BGH „Schiedsfähigkeit II“).
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Dem GbR-Gesellschafter fehlt die Prozessführungsbefugnis für eine Anfechtungsklage bei der GmbH. Anfechtungsbefugt ist der Gesellschafter,
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Gesellschafter ist die GbR als Außengesellschaft, nicht auch der Kläger als deren Gesellschafter. Dem GbR-Gesellschafter kommt auch keine Notgeschäftsführungsbe- 28 fugnis zu. Zwar gibt es eine Notgeschäftsführungsbefugnis auch bei der GbR. Sie dient hier nicht wie bei der Gemeinschaft (§ 744 BGB) nur der Erhaltung bestimmter Gegenstände, sondern greift auch bei Gefahr für die Gesellschaft selbst ein, wenn ein rasches Handeln erforderlich ist. Die Beschlüsse sind keine Gefahr für die GbR selbst, nur für den Kläger als Gesellschafter der GbR. Die Wahrung eigener Interessen des Notgeschäftsführers rechtfertigt die Notgeschäftsführung nicht. Die GbR selbst wird durch Beschlüsse nicht in ihrer Rechtsstellung betroffen. Es ist auch kein rasches Handeln erforderlich. Zwar beträgt die Anfechtungsfrist nur einen Monat, aber die GbR als Alleingesellschafterin kann jederzeit die Beschlüsse aufheben und benötigt die Anfechtung nicht.
2. Zahlungsunfähigkeit, Urt. v. 19.12.2017 – II ZR 88/16, NJW 2018, 1089 Sachverhalt: Der Kläger ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der K. GmbH. Er nimmt den Beklagten als Geschäftsführer der Schuldnerin gem. § 64 Satz 1 GmbHG auf Ersatz von Zahlungen, die im Zeitraum vom 1.12.2008 bis zum 8.1.2009 vom Konto der Schuldnerin bei der D. Bank veranlasst wurden, in Anspruch. Der Kläger behauptet unter Vorlage einer auf der Buchhaltung der Schuldnerin beruhenden Liquiditätsbilanz, die Schuldnerin sei spätestens seit dem 1.12.2008 zahlungsunfähig gewesen. Der Beklagte behauptet, die Buchhaltung sei unzuverlässig gewesen, und belegt dies anhand einzelner Buchungen.
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Rechtliche Würdigung: Zur Darlegung der Zahlungsunfähigkeit bedarf es einer geordneten Ge- 30 genüberstellung der zu berücksichtigenden fälligen Verbindlichkeiten und liquiden Mittel des Schuldners, etwa in Form einer Liquiditätsbilanz. Diesen Anforderungen genügt die Klage. Der Kläger hat die Verbindlichkeiten in einer auf der Buchhaltung der Schuldnerin basierenden Tabelle alphabetisch nach Kontobezeichnung (jeweils unter Angabe von Kontonummer und -bezeichnung, Belegdatum und -nummer, Buchungstext,
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Rechnungsbetrag und Fälligkeitsdatum) aufgeführt. Die Vorlage der Rechnung ist nicht erforderlich. 31 Wenn der Insolvenzverwalter anhand der Buchungen der Schuldnerin eine Liquiditätsbilanz erstellt hat, ist es Sache des in Anspruch genommenen Geschäftsführers, einzelne Buchungen zu widerlegen. Der Geschäftsführer kann sich nicht auf die Behauptung beschränken, die Buchhaltung sei im fraglichen Zeitraum nicht mehr ordnungsgemäß geführt worden. 32 In die zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit aufzustellende Liquiditätsbilanz sind auf der Aktivseite neben den verfügbaren Zahlungsmitteln (sog. Aktiva I) die innerhalb von drei Wochen flüssig zu machenden Mittel (sog. Aktiva II) einzubeziehen und zu den am Stichtag fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten (sog. Passiva I) sowie den innerhalb von drei Wochen fällig werdenden und eingeforderten Verbindlichkeiten (sog. Passiva II) in Beziehung zu setzen. Die Liquiditätsbilanz ist nicht nur auf einen Stichtag bezogen. Es bestehen keine Abgrenzungsprobleme zu drohender Zahlungsunfähigkeit. Die Berücksichtigung der Passiva II entspricht dem Regelungsziel einer geordneten Abwicklung. Dem Schuldner würde andernfalls ermöglicht, mit den neu hinzukommenden Mitteln lediglich die Altverbindlichkeiten zu begleichen und damit eine unter Umständen erhebliche Unterdeckung dauerhaft vor sich herzuschieben, die am Ende des Dreiwochenzeitraums sogar noch größer sein könnte als zu Beginn.
3. Haftung des Liquidators gegenüber einem bei der Vermögensverteilung nicht berücksichtigten Gläubiger, Urt. v. 13.3.2018 – II ZR 158/16, ZIP 2018, 870 Sachverhalt: 33
Der Beklagte war Liquidator und Alleingesellschafter sowie Geschäftsführer der F. GmbH.
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Von Juli bis Dezember 2010 erbrachte die Klägerin für die F. GmbH Steuerberaterleistungen. Im gleichen Jahr erstellte sie den Jahresabschluss der Gesellschaft sowie deren Körperschafts- und Gewerbesteuererklärung jeweils für 2009. Der Jahresabschluss, welcher eine Rückstellung „für Abschluss und Prüfung“ i.H.v. 2.500 Euro auswies, wurde am 3.12.2010 zwischen den Parteien besprochen und dem Beklagten übergeben.
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Mitte 2010 beschloss der Beklagte die Auflösung der Gesellschaft. Am 24.6.2010 wurde die Auflösung der F. GmbH im Handelsregister eingetragen und anschließend im Bundesanzeiger bekannt gemacht. Am 24.1.2011 wurde die GmbH im Handelsregister gelöscht.
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Für die im Jahr 2010 erbrachten Leistungen stellte die Klägerin der F. GmbH mit Schreiben vom 29.6.2012 einen Betrag i.H.v. 2.246,96 Euro in Rechnung. Bei der Liquidation und vor Verteilung des Vermögens der GmbH war diese Forderung unberücksichtigt geblieben.
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Mit der Klage verlangt die Klägerin vom Beklagten die Bezahlung dieser Forderung.
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Rechtliche Würdigung: Ein Ersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 73 Abs. 3 GmbHG besteht nicht. § 73 Abs. 3 GmbHG ist kein Schutzgesetz, insbesondere würde die Verjährungsregel nach § 43 Abs. 4 GmbHG unterlaufen und das Verhältnis zu § 30 GmbHG wäre gestört.
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Ein Ersatzanspruch besteht aber in Analogie zu § 93 Abs. 5 AktG. Ein 39 Schutzdefizit für den Gläubiger besteht jedenfalls nach Löschung der Gesellschaft. Von der Gesellschaft ist nach Löschung keine Befriedigung mehr zu erlangen. Eine Geltendmachung der Ansprüche durch die Gesellschaft ist nicht zu erwarten. Der Gläubiger müsste danach erst einen Nachtragsliquidator bestellen lassen, den Anspruch gegen diesen durchsetzen, dann den Anspruch gegen den Liquidator pfänden und diesen verklagen. Daher besteht ein Anspruch auf Direktzahlung an den Gläubiger jedenfalls dann, wenn er der einzige Gläubiger ist.
III. Aktiengesellschaft 1. Klagefrist für Nichtigkeitsfeststellung eines Verwaltungsbeschlusses bei Bezugsrechtsausschluss, Urt. v. 10.7.2018 – II ZR 120/16, NJW 2018, 2796 = AG 2018, 706 Sachverhalt: Die Aktien der Beklagten werden an verschiedenen inländischen Börsen im Freiverkehr gehandelt. Ursprünglich hielten L., zugleich Vorstandsmitglied der Beklagten, und W. jeweils 32,5 % der Aktien. Im Oktober
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2011 veräußerte W. sein Aktienpaket an die Klägerin, die ihre Beteiligung erhöhte und nach ihrer Darstellung am 8.12.2011 42,5 % des Grundkapitals hielt. Der Vorstand der Beklagten war durch Beschluss der Hauptversammlung ermächtigt worden, mit Zustimmung des Aufsichtsrats das Grundkapital von 4 Mio. Euro gegen Bar- und/oder Sacheinlagen um insgesamt bis zu 2 Mio. Euro zu erhöhen, wobei das Bezugsrecht der Aktionäre unter bestimmten Voraussetzungen ausgeschlossen werden konnte. Am 8.12.2011 beschloss der Vorstand der Beklagten, das Grundkapital durch Ausgabe von bis zu 400.000 Stückaktien gegen Bareinlage um bis zu 400.000 Euro auf bis zu 4,4 Mio. Euro zu erhöhen und das Bezugsrecht der Aktionäre auszuschließen. Der Ausgabepreis wurde mit 4,50 Euro je neue Aktie festgesetzt. Nr. 4 des Vorstandsbeschlusses lautet: „Die neuen Aktien werden von der B. Bank AG in Abstimmung mit der Gesellschaft platziert.“ Mit Beschluss vom 12.12.2011 stimmte der Aufsichtsrat der Beklagten dem Vorstandsbeschluss zu. 41 Nachdem die B. Bank AG die Aktien aus der Kapitalerhöhung gezeichnet hatte, wurde die Durchführung der Barkapitalerhöhung in das Handelsregister eingetragen. Am selben Tag erfuhr die Klägerin von der Barkapitalerhöhung und teilte dem Registergericht sowie der Beklagten mit, dass sie die Kapitalerhöhung für rechtswidrig halte. Am 22.12.2011 erwarb der Vorstand L. die neuen Aktien von der B. Bank AG. 42 Mit ihrer am 17.2.2012 bei Gericht eingereichten Feststellungsklage hat sich die Klägerin gegen die zur Barkapitalerhöhung gefassten Vorstandsund Aufsichtsratsbeschlüsse gewandt. Rechtliche Würdigung: 43 Die Feststellungsklage gegen die Beschlüsse von Vorstand und Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft, das Grundkapital um 10 % unter Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre zu erhöhen, ist nicht innerhalb einer Monatsfrist entsprechend § 246 Abs. 1 AktG zu erheben. Gegen die Beschlüsse von Aufsichtsrat bzw. Vorstand findet die allgemeine Feststellungsklage, nicht die Anfechtungsklage statt. Das Feststellungsinteresse entfällt auch nicht durch die Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister. Zwar ist sie damit wirksam. Die Nichtigkeit von Entscheidungen des Vorstands und des Aufsichtsrats berührt nicht die Wirksamkeit der im Handelsregister eingetragenen Kapitalerhöhung und der damit entstandenen neuen Mitgliedschaftsrechte. Die Eintragung führt
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aber nicht zu einer Heilung der Nichtigkeit, und schon im Hinblick auf Sekundäransprüche der Aktionäre besteht ein Interesse an der Feststellung der Nichtigkeit der Verwaltungsbeschlüsse fort. Die in der Literatur umstrittene und in der Rechtsprechung des BGH bis- 44 her offen gelassene Frage, innerhalb welcher Frist die Feststellungsklage erhoben werden muss, ist nunmehr dahin entschieden, dass keine starre Frist gilt. Die Fragen nach der Dauer einer möglichen Frist einerseits und dem Beginn einer solchen Frist andererseits können nicht unabhängig voneinander beantwortet werden. Auszugehen ist von dem Grundsatz, dass die Feststellungsklage ohne unangemessene Verzögerung zu erheben ist. Danach beginnt der für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit zu berücksichtigende Zeitraum erst, wenn der Aktionär den Beschluss des Vorstands oder Aufsichtsrats sowie die eine Nichtigkeit des Beschlusses aus seiner Sicht nahelegenden tatsächlichen Umstände kennt oder kennen muss. Ferner ist dem Aktionär eine Klageerhebung nicht zumutbar, solange er nicht ausreichend Zeit hatte, schwierige tatsächliche oder rechtliche Fragen zu klären oder klären zu lassen, auf die es für die Beurteilung der Erfolgsaussicht der Klage ankommt. Die Möglichkeit, eine solche Klärung herbeizuführen, hängt wiederum von den für den Aktionär verfügbaren Informationen ab. Dies zugrunde gelegt beginnt der für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit einer Klageerhebung maßgebende Zeitraum spätestens mit der gebotenen Nachberichterstattung, also mit dem auf der nächsten ordentlichen Hauptversammlung der Gesellschaft über die Ausnutzung des genehmigten Kapitals unter Bezugsrechtsausschluss zu erstattenden Vorstandsberichts. In der Zeit bis zur nächsten Hauptversammlung ist der betroffene Aktionär zwar gehalten, eine mögliche Klage ohne unangemessene Verzögerung zu erheben. Hierfür gilt aber nicht in analoger Anwendung von § 246 Abs. 1 AktG eine an die Kenntnis des Verwaltungsbeschlusses anknüpfende Monatsfrist. Das Argument, die Feststellungsklage trete bei der Geltendmachung von Rechten der Aktionäre wegen rechtswidrigen Verwaltungshandelns der Aktiengesellschaft an die Stelle der Anfechtungsklage, vermag eine entsprechende Anwendung des § 246 Abs. 1 AktG nicht zu rechtfertigen. Zwischen Beschlüssen der Hauptversammlung und Beschlüssen von Vorstand oder Aufsichtsrat bestehen grundlegende Unterschiede, die gegen eine entsprechende Anwendung der §§ 241 ff. AktG auf Klagen gegen Beschlüsse des Vorstands oder Aufsichtsrats sprechen. Hervorzuheben sind hier vor allem die bei Hauptversammlungsbeschlüssen ungleich besseren Informationsmöglichkeiten der Aktionäre. Die Aktionäre können an der
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Hauptversammlung teilnehmen, sich anhand der Tagesordnung auf die Versammlung vorbereiten und in der Versammlung Auskünfte verlangen (§ 131 AktG). Dies gibt ihnen die Möglichkeit, sich über Inhalt, Begründung und Tragweite einzelner Beschlüsse ein wesentlich deutlicheres Bild zu verschaffen, als dies bei bloßer Kenntnis eines Beschlusses des Vorstands oder Aufsichtsrats der Fall ist. Auch für den Zeitraum bis zur Nachberichterstattung in der nachfolgenden Hauptversammlung bleibt es aber bei dem Grundsatz, dass der Aktionär eine Feststellungsklage ohne unangemessene Verzögerung und demnach mit der ihm zumutbaren Beschleunigung erheben muss, um eine Verwirkung des Klagerechts zu vermeiden. Diese Einschränkung findet ihre Rechtfertigung darin, dass Aktionäre auch die bei einem rechtswidrigen Verwaltungshandeln bestehenden Rechte nicht unter Verletzung der Rücksichtnahmepflicht gegenüber der Gesellschaft missbräuchlich ausüben dürfen. Ob eine unangemessene Verzögerung vorliegt, ist jeweils im Einzelfall unter Abwägung der beiderseitigen Interessen zu beurteilen. 45 Die Kapitalerhöhungsbeschlüsse waren im konkreten Fall nichtig. Nicht entschieden werden musste, ob und ggf. in welcher Weise der nach dem reinen Gesetzeswortlaut anzunehmende Anwendungsbereich des § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG, des vereinfachten Bezugsrechtsausschlusses, einzuschränken ist. In jedem Fall muss das Gleichheitsgebot nach § 53a AktG gewahrt bleiben, das im konkreten Fall verletzt war. Die Verwaltungsbeschlüsse, in denen formal das Bezugsrecht aller Aktionäre ausgeschlossen war, hatten nämlich die Zuteilung der neu geschaffenen Aktien an einen Großaktionär, der gleichzeitig Vorstand der Gesellschaft war, jedenfalls in die Wege geleitet. Sie bewirken damit nicht nur einen Eingriff in das Mitgliedschaftsrecht und eine Verwässerung der vermögensrechtlichen Position der Altaktionäre, die keine neuen Aktien erhalten. Vielmehr hat der Erwerb der neuen Aktien durch einen anderen Altaktionär eine Verschiebung der Beteiligungsquoten zur Folge. Dieser zusätzliche, die inneren Machtverhältnisse in der Gesellschaft möglicherweise berührende und ggf. verändernde Eingriff kann nicht schon deshalb als rechtmäßig gewertet werden, weil der Bezugsrechtsausschluss den formalen Anforderungen des § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG genügt. 46 Nach § 53a AktG sind Aktionäre unter gleichen Voraussetzungen gleich zu behandeln; eine Ungleichbehandlung ist nur dann zulässig, wenn sie sachlich berechtigt bzw. nicht sachwidrig ist und damit nicht den Cha-
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rakter der Willkür trägt. Ohne sachliche Berechtigung darf der Vorstand daher weder bei der Zuteilung einzelne Aktionäre vor anderen bevorzugen, noch, wenn er von vornherein einzelne Aktionäre berücksichtigen will, das Bezugsrecht ausschließen, noch den ohne solche Absicht vorgenommenen Bezugsrechtsausschluss dazu benutzen, um die neuen Aktien einzelnen Aktionären zuzuteilen. Diese sachliche Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung hat die Gesellschaft darzulegen und zu beweisen. Dies gelang der beklagten Gesellschaft hier nicht. Nach den getroffenen Feststellungen hatte die Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluss nicht dem Zweck gedient, einen außenstehenden Investor als Großaktionär zu gewinnen. Es bestand auch kein dringender Liquiditätsbedarf, zumal die Gesellschaft ohnehin über erhebliche Liquiditätsreserven verfügte. Einem Interesse der Gesellschaft an einer kurzfristig durchführbaren Kapitalerhöhung unter Ausnutzung aktuell günstiger Marktverhältnisse steht das Gleichbehandlungsinteresse der anderen Aktionäre gegenüber, dem im entschiedenen Fall besonderes Gewicht zukam. Der mit der Entscheidung für einen Bezugsrechtsausschluss verbundene Zeitgewinn genügt zur Rechtfertigung der hier in Rede stehenden Ungleichbehandlung nicht, zumal die Klägerin insoweit im Wesentlichen nur auf ein allgemein bestehendes Kursrisiko verweist. Das Interesse der Gesellschaft an der Erzielung eines möglichst hohen Ausgabepreises rechtfertigt die Bevorzugung eines Aktionärs jedenfalls dann nicht, wenn bei Beschlussfassung keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorgelegen haben, dass nur dieser, nicht aber die anderen Aktionäre bereit sein würden, den angestrebten Ausgabepreis zu bezahlen. Eine möglicherweise bestehende Prospektpflicht konnte die Bevorzugung eines einzigen der Aktionäre ebenfalls nicht rechtfertigen.
2. Berichtigung der notariellen Niederschrift über die Hauptversammlung BGH, Urt. v. 10.10.2017 – II ZR 375/15, NJW 2018, 52 = AG 2018, 28 Sachverhalt: Die Beklagte ist eine nicht börsennotierte Aktiengesellschaft mit einem 47 Grundkapital von 50.000 Euro verteilt auf 50.000 Aktien. Der Aufsichtsrat der Beklagten bestellte den Kläger zum Vorstand der Beklagten. Am 2.10.2013 ermächtigte das AG die Mehrheitsaktionärin M. AG, eine 48 Hauptversammlung einzuberufen, u.a. mit den Beschlussanträgen, den Aufsichtsrat abzuberufen und ihn neu zu wählen. Auf der Grundlage die-
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Drescher – Die aktuelle gesellschaftsrechtliche Rechtsprechung des BGH
ser gerichtlichen Ermächtigung fand am 8.10.2013 eine außerordentliche Hauptversammlung der Beklagten statt, auf der Beschlüsse zur Ab- und Neuwahl des Aufsichtsrats gefasst wurden. Der neu gewählte Aufsichtsrat berief den Kläger am selben Tag als Vorstand aus wichtigem Grund ab und bestellte Herrn P. zum neuen Vorstand der Beklagten. Das AG lehnte die Eintragung des Herrn P. als Vorstand ab, da die Beschlüsse mangels form- und fristgerechter Einladung nichtig seien. 49 Im Januar 2014 lud die M. AG, vertreten durch ihren Vorstand Herrn P., auf der Grundlage der gerichtlichen Ermächtigung erneut zu einer außerordentlichen Hauptversammlung auf den 10.3.2014 ein, u.a. mit den Beschlussanträgen, den Aufsichtsrat abzuberufen und ihn neu zu wählen. Das notarielle Protokoll der Hauptversammlung lautet u.a. wie folgt: „TOP 1: Abberufung der Mitglieder des Aufsichtsrat: Herr R. [der Kläger] wendet sich gegen eine Abberufung. Der Vorsitzende lässt insgesamt abstimmen. Herr P. (90 %) ist dafür, Herr R. (10 %) dagegen. Der Vorsitzende verkündet den Beschluss, dass die Mitglieder des Aufsichtsrats abberufen sind. Herr R. erhebt Widerspruch. TOP 2: Neuwahlen zum Aufsichtsrat: Der Vorsitzende lässt insgesamt abstimmen. Herr P. (90 %) stimmt zu. Herr R. (10 %) stimmt dagegen. …“
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Der im Anschluss neu gewählte Aufsichtsrat berief den Kläger am selben Tag als Vorstand aus wichtigem Grund ab und bestellte Herrn P. zum neuen Vorstand der Beklagten.
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Die notarielle Urkunde vom 10.3.2014 wurde durch den beurkundenden Notar durch Niederschrift am 4.4.2014 „gemäß § 44a BeurkG in folgender Weise zur Berichtigung ergänzt“: „Vor Eintritt in die Beschlussfassung erteilt der Vorsitzende nach Erörterung der Stimmrechtsverhältnisse den Hinweis, dass die Abstimmung der beiden Teilnehmer auf der Grundlage des Beschlusses des Amtsgerichts C. vom 2. Oktober 2013 im Übrigen auf Zuruf erfolgt.“
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Die Bestellung des neuen Vorstands P. wurde in das Handelsregister eingetragen.
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Der Kläger hat Anfechtungsklage gegen alle Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 10.3.2014 erhoben.
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Rechtliche Würdigung: Die angefochtenen Beschlüsse sind nicht wegen der fehlenden Angabe 54 der Abstimmungsart im notariellen Protokoll nichtig. Zwar ist auch bei der Zwei-Personen-Aktiengesellschaft die Art der Abstimmung anzugeben, die hier im Protokoll fehlte. Der Notar konnte aber wie geschehen diese Unrichtigkeiten durch eine Nachtragsbeurkundung berichtigen. Die Nachtragsbeurkundung ist auch möglich, nachdem die notarielle Niederschrift in den Verkehr gebracht worden ist („Entäußerung“). Die Versammlungsteilnehmer werden zur Berichtigung nicht benötigt, da es sich um einen Bericht des Notars über seine Wahrnehmungen handelt. Der Rechtsgrund für die gewählte Abstimmungsart muss nicht ins Protokoll aufgenommen werden.
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Nichtigkeit lag auch nicht vor, weil das Ergebnis der Abstimmung nicht 56 richtig angegeben war. Unter Ergebnis der Abstimmung ist nicht nur das rechtliche Ergebnis, ob ein Beschluss gefasst wurde oder nicht, sondern auch das rechnerische Ergebnis, die Stimmenzahl, zu verstehen. Die Angabe der Stimmenzahl in Prozent ist nicht zulässig, wenn eine unterschiedliche Stimmkraft möglich ist wie bei noch nicht voll eingezahlten Aktien. Dennoch lag ausnahmsweise keine Nichtigkeit vor, weil keine Zweifel am Ergebnis bestanden. Insoweit ist die in § 241 Nr. 2 AktG angeordnete Nichtigkeitsfolge teleologisch zu reduzieren. Auch ein zur Nichtigkeit führender Einberufungsmangel lag nicht vor. 57 Die Einberufung erfolgte durch eine befugte Person, weil die gerichtliche Ermächtigung zur Einberufung fortgilt, bis ein formell ordnungsgemäßer Hauptversammlungsbeschluss zustande kommt. Die fehlende Angabe zur Zusammensetzung des Aufsichtsrats in der Einladung war nicht relevant. Zwar stsie im Grundsatz ein relevanter, zur Anfechtung führender Mangel. Hier bestand aber eine Ausnahme: der Kläger musste als Vorstand die Zusammensetzung des Aufsichtsrats kennen und hätte außerdem die Hauptversammlung selbst unter Vermeidung des Fehlers einberufen müssen.
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3. Vorstandshaftung trotz Einwilligung des Alleinaktionärs, Urt. v. 10.7.2018 – II ZR 24/17, ZIP 2018, 1923 = AG 2018, 841 Sachverhalt: 59
Der Beklagte war Vorstand der Klägerin, einer Aktiengesellschaft, deren Alleinaktionärin die Stadt D. ist. Die Klägerin betreibt u.a. Parkhäuser und Tiefgaragen, zudem entwickelt und vermietet sie Gewerbeimmobilien. Die Stadt D. ist Eigentümerin eines u.a. mit dem Schloss E. bebauten Grundstücks. Die Klägerin erwog, den Gebäudekomplex zu übernehmen und verhandelte hierüber mit der Stadt. Die Satzung der Klägerin enthält in § 7 Zustimmungsvorbehalte. Unter anderem bedarf der Vorstand für die Ausführung von Bauten und Neuanschaffungen, soweit im Einzelfall 200.000 Euro überschritten werden, der Zustimmung des Aufsichtsrats. Der Aufsichtsrat stimmte der Sanierung des Schlosses E. entsprechend der Beschlussvorlage zu.
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In der Folgezeit wurden die zu erwartenden Sanierungskosten nach oben korrigiert. Danach war ein wirtschaftlicher Betrieb nicht mehr zu erwarten. Daraufhin fand eine Besprechung zwischen dem Beklagten und dem Oberbürgermeister der Stadt D. statt, der zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der Klägerin war. Der Inhalt des Gesprächs ist streitig.
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Der Beklagte schloss schließlich für die Klägerin mit der Stadt D. einen Erbbaurechtsvertrag auf die Dauer von 50 Jahren ab, in dem eine Nutzung des Gebäudeensembles so vorgesehen war, wie sie auch dem Aufsichtsratsbeschluss zugrunde gelegen hatte.
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Mit der Klage hat die Klägerin vom beklagten Vorstandsmitglied Schadensersatz verlangt. Rechtliche Würdigung:
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Ein Pflichtenverstoß des Vorstands (Kompetenzverstoß) lag vor, weil er den Aufsichtsrat nach Kalkulationsänderungen nicht mehr um die Zustimmung zu Erbbaurechtsvertrag und Durchführung des Projekts gefragt hat. Die Zustimmung des Aufsichtsrats muss vor einer Maßnahme eingeholt werden. Ob eine Ausnahme in Eilfällen denkbar ist, wurde offengelassen. Die Zustimmung des Aufsichtsratsvorsitzenden ersetzt dabei nicht die Zustimmung des Aufsichtsrats.
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Drescher – Die aktuelle gesellschaftsrechtliche Rechtsprechung des BGH
Die Geltendmachung des Schadensersatzanspruches ist kein Rechtsmiss- 64 brauch wegen der Zustimmung der Alleinaktionärin durch den Oberbürgermeister. Die Haftung entfällt nur nach förmlichem gesetzmäßigem Hauptversammlungsbeschluss. Die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches trotz Zustimmung des Alleinaktionärs ist allenfalls in Ausnahmefällen rechtsmissbräuchlich, wenn ein Vertrauenstatbestand geschaffen ist, dass kein Anspruch erhoben wird. Hier schied ein solcher Vertrauenstatbestand aus: der Oberbürgermeister als Vertreter der Alleinaktionärin kann nicht nach Belieben schalten und walten. Das Vorstandsmitglied kann sich aber auf rechtmäßiges Alternativver- 65 halten berufen, also darauf, dass der Aufsichtsrat zugestimmt hätte, wenn er gefragt worden wäre. Die Beweislast dafür liegt beim Vorstandsmitglied. Die Berufung auf rechtmäßiges Alternativverhalten ist bei einem Kompetenzverstoß möglich, da der Schadensersatzanspruch kein Sanktionsinstrument ist, sondern dem Ersatz von Vermögensschäden dient. Die Berufung auf ein rechtmäßiges Alternativverhalten greift, wenn eine Zustimmungspflicht bestand; sie ist ausgeschlossen, wenn eine Pflicht zur Zustimmungsverweigerung bestand. Die Berufung auf rechtmäßiges Alternativverhalten ist aber nicht ausgeschlossen, wenn ein unternehmerischer Handlungsspielraum des Aufsichtsrats bestand. Eine Pflicht zur Zustimmungsverweigerung bestand nicht schon deshalb, weil die Maßnahme nachteilig war. Der Aufsichtsrat hat bei Zustimmungsrechten einen unternehmerischen Handlungsspielraum, dafür gilt § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG entsprechend. Weder ein Nachteil noch sogar ein Schadenseintritt schließen den unternehmerischen Handlungsspielraum aus.
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Bericht über die Diskussion des Referats Drescher Kim Rohwetter Richterin am Landgericht, Hamburg/Karlsruhe Rz.
Rz.
I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . .
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III. GmbH-Recht. . . . . . . . . . . . .
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II. Personengesellschaftsrecht . .
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IV. Aktienrecht. . . . . . . . . . . . . .
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I. Einleitung 1 Der Diskussionsleiter Vetter dankte Drescher für sein Referat und eröffnete die Diskussion, die sich sodann auf die von Drescher dargestellten Entscheidungen aus den Bereichen des Personengesellschaftsrechts, des GmbH-Rechts sowie des Aktienrechts gleichermaßen erstreckte und nachfolgend entsprechend der Reihenfolge der besprochenen Entscheidungen dargestellt wird.
II. Personengesellschaftsrecht 2 J. Wertenbruch (Universität Marburg) bezog sich auf die Entscheidung des Senats betreffend die Befugnis des Abwicklers zur Einforderung rückständiger Einlagen zum Zweck des Gesellschafterausgleichs vom 30.1.2018 (II ZR 95/16, NZG 2018, 539) und begrüßte die Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft im Fall des Widerrufs der Beteiligung bei einer Publikums-KG. Er wies darauf hin, dass der EuGH dies zwar nicht so deutlich gesagt habe, in solchen Fällen jedoch immer zwei Arten von Verbrauchern/Anlegern zu unterscheiden seien. Diejenigen, die die Beitrittserklärung zu Hause unterschrieben und diejenigen, die dies in der Bank getan hätten. Würden die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft nicht angewendet, würden die Verbraucher, die zu Hause unterschrieben hätten, auf Kosten der anderen Verbraucher bessergestellt. Mit der Anwendung der fehlerhaften Gesellschaft würden alle Verbraucher gleichbehandelt. Hinsichtlich des Kontenausgleichs zwischen Gesellschaftern verwies Wertenbruch auf Rechtsprechung des Senats, wonach dies Sache der Gesellschafter sei und stellte heraus, dass diese Rechtsprechung noch vor Anerkennung der Rechtsfähigkeit der
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Rohwetter – Bericht über die Diskussion des Referats Drescher
GbR ergangen sei. Mit Anerkennung der Rechtsfähigkeit der GbR und auch der anderen Personengesellschaften seien die Ansprüche als Sozialansprüche der Gesellschaft gegen den Gesellschafter einzuordnen, der zu wenig gezahlt habe. Der, der zu viel gezahlt habe, habe seinerseits einen Anspruch gegen die Gesellschaft. Seiner Auffassung nach habe der Senat dies für die Publikumsgesellschaft richtig entschieden, für die Nicht-Publikumsgesellschaft könne es nicht anders sein. Bei der Zwei-Personengesellschaft hätte es indes keinen Sinn über die Gesellschaft bzw. den Liquidator zu gehen. In diesem Fall müsse es direkt gehen. T. Heidel (RA aus Bonn) merkte zur selben Entscheidung an, ihm er- 3 schließe sich nicht, warum derjenige, der in Anspruch genommen werde, belegen müsse, dass die Beträge, die dieser einzahlen soll, zu Abwicklungszwecken nicht erforderlich seien. Vielmehr müsse doch auch hier gelten, dass derjenige, der die Beträge einfordere, auch die Voraussetzungen dafür darlegen müsse, wozu auch die Erforderlichkeit für Abwicklungszwecke gehöre. Drescher verwies darauf, dass der Liquidator – soweit er die Einlagen zum Zwecke des Gesellschafterausgleichs einfordere – einen Ausgleichsplan zu erstellen habe, aus dem sich die Zahlungspflicht des betreffenden Gesellschafters ergebe. Wie der Ausgleich in der Insolvenz stattfinden könne, wäre noch zu überlegen. Nach der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats ende die Befugnis des Insolvenzverwalters mit der Schlussverteilung. F. Mylich (derzeit TU Dresden) stellte dazu ergänzend dar, in der Insol- 4 venz werde zumeist etwas nachgefordert, um die Quote zugunsten der Insolvenzgläubiger zu erhöhen. Auch die fehlerhafte Gesellschaft solle ja die Gläubiger schützen. In dem vorliegenden Fall sei der Kommanditist nun zwar fehlerhaft beigetreten, habe jedoch – so verstehe er die Entscheidung – seine Hafteinlage gezahlt. In diesem Fall seien die Gläubiger gegenüber den Kommanditisten nicht mehr schutzwürdig. Daher frage er sich, ob der Senat die fehlerhafte Gesellschaft hier eher auch als Schutzprinzip zum Schutze des Vermögens der Gesellschaft verstehe. Darauf aufbauend stelle sich die Frage, ob fehlerhaft beigetretene stille Gesellschafter – soweit die Rechtsprechung auch hier anzuwenden sei –, wenn sie ihren fehlerhaften Beitritt erkennen und noch Raten offen seien, diese weiterzahlen müssten und ob dies auch für typische Gesellschafter gelte. Drescher stellte insoweit klar, dass in dem zu entscheidenden Fall die Einlage noch nicht vollständig gezahlt gewesen sei und deswegen der Li-
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Rohwetter – Bericht über die Diskussion des Referats Drescher
quidator den klassischen Einlageanspruch gegen den Gesellschafter geltend gemacht habe. 5 G. Bachmann (Humboldt-Universität zu Berlin) bezog sich auf die Entscheidung des Senats zur Geltendmachung von Ansprüchen der KG gegen den Fremdgeschäftsführer der Komplementär-GmbH durch einen Kommanditisten (BGH, Urt. v. 19.12.2017 – II ZR 255/16, GmbHR 2018, 308 = NZG 2018, 220). Er verwies darauf, dass der Senat in einem ähnlichen Fall (BGH v. 18.6.2013 – II ZR 86/11, abgedruckt in BGHZ 197, 304 = GmbHR 2013, 1044 m. Anm. Werner), in dem vermeintlich kein Anstellungsvertrag zwischen dem Geschäftsführer und der GmbH bestand, entschieden habe, über die Grundsätze des Vertrags zugunsten Dritter hinauszugehen und den Geschäftsführer auch ohne drittschützenden Vertrag unmittelbar gegenüber der KG haften zu lassen. Das überzeuge, denn wenn die GmbH nur den Zweck habe, die Geschäfte der KG zu führen, sei der Betreffende faktisch der KG-Geschäftsführer. Bachmann bemerkte, in der Entscheidung vom Dezember 2017 hätte sich nun die Chance geboten, rechtsfortbildend einen Schritt weiter zu gehen und zuzulassen, dass die Kommanditisten gegen den GmbH-Geschäftsführer, der praktisch die Geschäfte der KG führe, unmittelbar vorgehen könnten. Das doch sehr formale Argument, der GmbH-Geschäftsführer sei für die Kommanditisten ein fremder Dritter, sei wenig überzeugend. Trotz der von der Rechtsprechung bejahten Drittwirkung, müssten die Kommanditisten nun erst umständlich Klage gegen die GmbH und dann gegen den GmbH-Geschäftsführer erheben. Das Urteil des Senats nehme der Praxis damit etwas von dem weg, was die vorherige Rechtsprechung ihr zu Recht gegeben habe. 6 S. Brandes (RA aus Frankfurt) schloss sich den Ausführungen Bachmanns an und merkte dazu an, es stelle sich die Frage, ob die Entscheidung des Senats eine Distanzierung von der früheren BGH-Rechtsprechung darstelle, die eine unmittelbare Haftung des GmbH-Geschäftsführers gegenüber der KG aus dem Anstellungsvertrag hergeleitet habe und ob diese ältere Rechtsprechung nunmehr obsolet sei. Praktisch sehe auch er das Bedürfnis für eine Durchgriffshaftung. Denn wenn der Kommanditist erst die GmbH in Anspruch nehmen müsse, wisse er nicht, ob am Ende des Prozesses der Regressanspruch der GmbH gegen den Geschäftsführer nicht bereits verjährt sei. Insofern werde damit der Anspruch entwertet oder zumindest in seiner Durchsetzbarkeit gehemmt. Brandes verwies weiter darauf, dass es auch im Konzernrecht eine Bestimmung gebe, nach
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Rohwetter – Bericht über die Diskussion des Referats Drescher
der die Organe des herrschenden Unternehmens im Vertragskonzern unmittelbar gegenüber der abhängigen Gesellschaft für fehlerhafte Weisungen hafteten. Während die Organe des herrschenden Unternehmens dort das schädigende Verhalten zunächst über eine Weisung durchsetzen müssten, könnten sie dieses in der GmbH & Co KG direkt herbeiführen. Insoweit stelle es seines Erachtens nach einen Wertungswiderspruch dar, wenn es eine Durchgriffshaftung im Konzernrecht gebe, in der GmbH jedoch nicht. Drescher stellte zunächst klar, dass sich der Senat mit seiner aktuellen Entscheidung nicht von der älteren Rechtsprechung des Senats (BGH v. 18.6.2013 – II ZR 86/11, BGHZ 197, 304 = GmbHR 2013, 1044 m. Anm. Werner) distanziert, sondern diese vielmehr bestätigt habe. Die Haftung werde in der Entscheidung vom Dezember 2017 damit begründet, dass der Fremdgeschäftsführer der GmbH zur KG ein Drittrechtsverhältnis habe, also mit einem Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte bzw. mit der Organstellung als Schutzwirkung für Dritte. Daher könne der Senat im umgekehrten Fall, wenn die KG klagen wolle, sich nicht darauf berufen, dies betreffe das Innenverhältnis der Gesellschaft. Aus diesem Grund habe der Senat ausgeführt, eine actio pro socio sei nicht gegeben, vielmehr komme nur die actio pro societate in Betracht. In der Praxis sei der Kommanditist im Regelfall auch in der GmbH Gesellschafter. Daher könnten die Gesellschafter in der GmbH die Abberufung des Fremdgeschäftsführers, der die Gesellschaft geschädigt habe, beschließen und einen neuen bestellen, welcher angewiesen werden könne, die Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Sie könnten auch – so wie der Senat bereits für die Publikumskommanditgesellschafter entschieden habe – als Kommanditisten beschließen, einen besonderen Vertreter einzusetzen, der für die KG Ansprüche geltend mache. In dem hier zu entscheidenden Fall habe der Kommanditist indes allein aus der actio pro socio geklagt. Diese könne aber nur gegen einen Mitgesellschafter geltend gemacht werden. S. Dietz (RA aus Glattbach) ergänzte weiter, für ihn stelle sich die Fra- 7 ge, ob diese Rechtsprechung des Senats auch auf den Kommanditisten als Geschäftsführer zu übertragen sei. Denn auch dieser habe allein seine Pflichten als Geschäftsführer gegenüber der GmbH verletzt, nicht hingegen seine Pflichten als Kommanditist gegenüber der KG. Drescher erläutert, die Sachlage stelle sich möglicherweise anders als in dem zu entscheidenden Fall dar, wenn der Kommanditist gleichzeitig Geschäftsführer sei. Dann sei dieser gleichzeitig auch Gesellschafter und habe deswegen, auch wenn er Fremdgeschäftsführer der Komplementär GmbH
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Rohwetter – Bericht über die Diskussion des Referats Drescher
sei, als Gesellschafter bestimmte Pflichten innerhalb der Gesellschaft. Über diese Fallkonstellation habe der Senat in der genannten Entscheidung jedoch nicht zu befinden gehabt. 8 T. Heidel (RA aus Bonn) gab schließlich zu bedenken, er könne dem Senat nur folgen, wenn Drescher erklären würde, wie der Kläger rechtssicher die Verjährungsfrist gegen den Geschäftsführer hemmen könne. Seiner Auffassung nach könne man als Kläger dem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH jedenfalls nicht wirksam den Streit verkünden, wie dies auf der diesjährigen Tagung der Fachanwälte für Steuerrecht der vormalige Vorsitzende des Gesellschaftsrechtssenat, Prof. Bergmann, in den Raum gestellt habe.
III. GmbH-Recht 9 J. Wertenbruch (Universität Marburg) bezog sich auf das Urteil vom 26.6.2018 (II ZR 205/16, NJW 2018, 3014) zur Anfechtungsbefugnis des Gesellschafters einer GbR als GmbH-Gesellschafterin und verwies darauf, dass sich das Problem der Anfechtungsbefugnis auch bei der Erbengemeinschaft stelle. Die praktische Bedeutung der Notgeschäftsführung sei seiner Auffassung nach unter Berücksichtigung der möglichen Erreichbarkeit über E-Mail und Mobiltelefon nahezu entfallen. In dem genannten Fall und auch in den Erbengemeinschaftsfällen sei in Wirklichkeit eine Streitigkeit im Rahmen der Gesellschaftergemeinschaft bzw. Gesellschaftergesellschaft gegeben. Hier gelte für die Klageerhebung die Monatsfrist. Die Gesellschafter hätten einen Monat Zeit, zu entscheiden, ob Klage erhoben werden soll oder nicht. Wenn keine Mehrheit zustande komme, dann sei es einfach ein Akt der Willensbildung und keine Gefahr im Verzug i.S.d. §§ 744, 2038 BGB. In diesem Fall könne die Klage eben nicht erhoben werden.
IV. Aktienrecht 10
Vetter warf in Bezug auf den von ihm so bezeichneten „Mangusta-Reloaded-Fall“ (BGH, Urt. v. 10.7.2018 – II ZR 120/16, AG 2018, 706 = NJW 2018, 2796) die Frage auf, was die Rechtsfolge sei, wenn der Beschluss über die Ausübung des genehmigten Kapitals rechtswidrig sei. Drescher stellte klar, dass der Senat in der Entscheidung festgestellt habe, dass der Beschluss nichtig sei. Die Maßnahme sei aber – abgesehen von Ausnahmefällen – nicht rückgängig zu machen. Die Nichtigkeit würde wahr-
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Rohwetter – Bericht über die Diskussion des Referats Drescher
scheinlich zunächst dazu führen, dass gegen den Vorstand und gegen den Aufsichtsrat vorgegangen werden könne. F. Bortfeldt (RA aus München) nahm Bezug auf die Entscheidung betref- 11 fend die Berichtigung der notariellen Niederschrift über die Hauptversammlung (BGH, Urt. v. 10.10.2017 – II ZR 375/15, AG 2018, 28 = NJW 2018, 52) und bat um Klärung, ob der Senat die Berichtigungsmöglichkeit auch für die Niederschriften, die vom Aufsichtsratsvorsitzenden als Versammlungsleiter angefertigt worden seien, sehe, oder diese lediglich auf notarielle Niederschriften beschränken würde. Drescher stellte heraus, dass der Senat die Frage der Berichtigungsmöglichkeit einer durch den Aufsichtsratsvorsitzenden angefertigten Niederschrift noch nicht zu entscheiden hatte und er daher lediglich seine persönliche Meinung dazu mitteilen könne. Er führte weiter aus, Notare seien der Auffassung, dass dem Notar, weil er ein öffentliches Amt innehabe, Berichtigungspflichten oblägen und die Berichtigungsmöglichkeit daher für die privatschriftliche Niederschrift nicht bestehen könne. Er persönlich meine, wenn der Notar, für den es die Vorschrift des § 44a BeurkG gebe, seine Niederschrift berichtigen könne, dann sollte davon ausgegangen werden, dass der Aufsichtsratsvorsitzende, für den keine Beurkundungsvorschriften bestünden, dies erst recht könne. Insoweit seien Notare indes anderer Auffassung. G. Bachmann (Humboldt-Universität zu Berlin) bezog sich auf die Ent- 12 scheidung des Senats zur Vorstandshaftung (BGH, Urt. v. 10.7.2018 – II ZR 24/17, AG 2018, 841 = NZG 2018, 1189) und verwies darauf, dass dieser Fall von den Fakten her sehr brisant sei. Dies zeige sich an dem Dilemma, in dem sich der Vorstand befinde: Wenn er den Aufsichtsrat über das Projekt informiere, dann sei davon am nächsten Tag in der Presse zu lesen und das Projekt sei tot. Wenn er den Aufsichtsrat nicht informiere, habe er ein Haftungsproblem. Überzeugend sei, dass der Senat vor diesem Hintergrund den Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens zugelassen habe, da es bei der Organhaftung nicht um Strafschadensersatz gehe. Im Ergebnis laufe es dann aber doch ein wenig in diese Richtung, wenn der Senat zugleich ausführe, es müsse der „sichere“ Nachweis geführt werden, dass der Aufsichtsrat im Falle seiner Beteiligung zugestimmt hätte. Besser wäre es gewesen, das Wort „sicher“ in der Entscheidung zu streichen. Die Formulierung, der „sichere“ Nachweis sei erforderlich, gebe das Signal an die Untergerichte, dass eine Zustimmung des Aufsichtsrats im Regelfall verneint werden müsse.
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13 Bachmann merkte weiter kritisch an, dass der Senat die Strenge, dass die versäumte Einholung der Aufsichtsratszustimmung regelmäßig zur Haftung führe, damit begründe, dass ein formloses Einverständnis des Alleinaktionärs nicht ausreiche. Denn nur wenn die Hauptversammlung förmlich zustimme, begründe dies eine Folgepflicht des Vorstandes; ohne förmlichen Beschluss gebe es keine Folgepflicht und damit auch keine Enthaftung. Dies halte er nicht für überzeugend. Er würde es eher wie bei der GmbH handhaben wollen: Wenn die Gesellschafter zustimmen, entfällt die Haftung, weil der Prinzipal einverstanden sei und damit kein pflichtwidriges Handeln des Agenten vorliege. Auch die Begründung des Senats, es müsse deshalb ein förmlicher Hauptversammlungsbeschluss vorliegen, da sonst die zwingenden Verfahrensvorschriften der Hauptversammlung umgangen werden könnten, sei abzuschwächen. Gebe es – wie hier – nur einen Alleinaktionär, dann liege immer eine Vollversammlung vor und die Einberufungsvorschriften des AktG fänden ohnehin keine Anwendung. Das Argument der Umgehung von Verfahrensvorschriften sei bei einem Alleinaktionär also nicht tragend. Drescher führte hierzu aus, über die Frage des „sicheren“ Nachweises könne man diskutieren. Hinsichtlich des Hauptversammlungsbeschlusses sei anzumerken, dass hier eine Dokumentationspflicht ausdrücklich angeordnet sei. Diese solle u.a. Rechtsklarheit schaffen. Gerade dieser Fall, in dem umstritten gewesen sei, was der Oberbürgermeister am Telefon gesagt habe, zeige, dass es sachgerecht erscheine, eine formale Niederlegung der Zustimmung zu fordern. Dafür sei auch kein Notar erforderlich, vielmehr reiche die Protokollierung durch den Aufsichtsratsvorsitzenden aus. 14 Abschließend bedankte sich Vetter erneut noch einmal ganz herzlich bei Drescher für seinen Vortrag und dessen Ausführungen in der anschließenden Diskussion.
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Organhaftung für Unternehmensgeldbußen Prof. Dr. Michael Arnold Rechtsanwalt, Stuttgart* Rz.
Rz. A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . B. Rechtsgrundlagen für Unternehmensgeldbußen . . . . . . . . I. Allgemeines Ordnungswidrigkeitenrecht . . . . . . . . . 1. Geldbußen gegen natürliche Personen . . . . . . . . . a) Ordnungswidrigkeiten durch Unternehmer . . b) Ordnungswidrigkeiten durch Organmitglieder 2. Unternehmensgeldbußen II. Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . 1. Geldbußen gegen natürliche Personen . . . . . . . . . 2. Unternehmensgeldbußen III. Unternehmensgeldbußen in sonstigen Rechtsgebieten . . . C. Unternehmensgeldbußen im Konzern . . . . . . . . . . . . . . D. Entscheidungen zum Schienenkartell . . . . . . . . . . . E. Argumente für und gegen die Regressfähigkeit von Unternehmensgeldbußen . . . . . . . . I. Ausgangspunkt: Wortlaut der Haftungsnormen . . . . . . . II. Ausschluss des Regresses wegen Unternehmensgeldbußen aufgrund des Normzwecks der Organhaftungsnormen? . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Verbandsinterne Verhaltenssteuerungsfunktion und Bußgeldregress . . . . . 2. Schadenskompensation und Bußgeldregress . . . . . a) Abschließende ordnungsrechtliche Bestimmung des Bußgeldadressaten? . . aa) Europäisches Kartellrecht . . . . . bb) Deutsches Kartellund allgemeines Ordnungswidrigkeitenrecht . . . . . b) Vereitelung des Sanktionszwecks? . . . aa) Verbandsexterne Verhaltenssteuerung . . . . . . . . . . . bb) Vorteilsabschöpfung . . . . . . . . . . . c) Entgegenstehende Wertungen des Kartellrechts – insbesondere der Kronzeugenregelungen? . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . III. Beschränkungen des Regressumfangs . . . . . . . . . . 1. Beschränkungen des Regressumfangs wegen wirtschaftlicher Überforderung?. . . . . . . . . . . . . . .
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* Der Verfasser dankt herzlich Herrn RA Jan-David Geiger für wertvolle Vorarbeit und die Mitwirkung bei der Bearbeitung des Manuskripts.
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Arnold – Organhaftung für Unternehmensgeldbußen Rz.
Rz. 2. Beschränkung des Regressumfangs durch Vorteilsausgleich . . . . . . . IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . F. Entscheidungsperspektive des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft und der Gesellschafterversammlung einer GmbH bei möglicher Organhaftung wegen Unternehmensgeldbußen . . . . . . . . I. Entscheidung des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft II. Entscheidung der Gesellschafterversammlung einer GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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G. Rechtsweg und Zuständigkeit für Regressklagen. . . . . . . . . . 70
I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . II. Kartellrechtliche Vorfrage . . III. Konsequenzen für verschiedene Fallgruppen von Regressklagen wegen kartellrechtlicher Unternehmensgeldbußen. . . . . . . . 1. Regressklage bereits bei einem Nicht-Kartell-LG erhoben . . . . . . . . . . . . . . 2. Regressklage bereits bei einem ArbG erhoben. . . . 3. Regressklage bereits bei Kartell-LG erhoben . . . . . 4. Erhebung künftiger Regressklagen . . . . . . . . .
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H. Zusammenfassung in Thesen
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A. Einleitung 1 Im deutschen Strafrecht gilt: Juristische Personen können sich nicht strafbar machen – noch nicht. Seit einigen Jahren ist aber die Diskussion um ein Unternehmensstrafrecht in Deutschland vor dem Hintergrund internationaler Vorbilder aufs Neue entfacht worden.1 Das Ordnungswidrigkeitenrecht ist längst einen Schritt weiter: Unternehmensgeldbußen gehören seit Jahrzehnten zu den Instrumenten des Ordnungswidrigkeitenrechts und erfahren in der Praxis zunehmend Aufmerksamkeit.2 Besondere Bedeutung haben Unternehmensgeldbußen schon seit langem im Kartellrecht. Beispielsweise verhängte das BKartA jüngst gegen verschiedene Unternehmen der Edelstahlbranche Geldbußen i.H.v. mehr
1 Vgl. nur Beschluss der Justizministerkonferenz vom 9.11.2011 zur Verbesserung der Möglichkeiten einer wirksamen Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität; die Große Anfrage der SPD-Fraktion, BT-Drucks. 13/9682; die Antwort der Bundesregierung, BT-Drucks. 13/11425; Überblick Heine/Weißer in Schönke/Schröder, 30. Aufl. 2019, Vor §§ 25 ff. StGB Rz. 123 ff. 2 Überblick über die rechtstatsächliche Entwicklung bei: Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 39 f.; Fabisch, ZWeR 2013, 91, 92 ff.
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Arnold – Organhaftung für Unternehmensgeldbußen
als 200 Mio. Euro3. Aber auch im allgemeinen Ordnungswidrigkeitenrecht können Unternehmensgeldbußen verhängt werden. So verhängte die Staatsanwaltschaft Braunschweig im Sommer diesen Jahres gegen die Volkswagen AG im Zusammenhang mit der Dieselthematik eine Geldbuße i.H.v. einer Milliarde Euro.4 Nach der Verhängung einer Unternehmensgeldbuße stellen sich gesell- 2 schafts- und arbeitsrechtliche Fragen. Denn ein rechtswidriges Verhalten, an das sich eine Unternehmensgeldbuße anknüpfen kann, geht nicht von der juristischen Person aus, sondern stets von ihren Mitarbeitern und/ oder Organmitgliedern. Es verwundert daher nicht, dass sich in der Praxis die Frage stellt, ob Mitarbeiter und Organmitglieder, die durch ihr Verhalten eine Unternehmensgeldbuße ausgelöst haben, der bebußten Gesellschaft auf Schadensersatz haften. Die Frage, ob ein Bußgeldadressat ein gegen ihn verhängtes Bußgeld im Wege des Schadensersatzes von einem Dritten ersetzt verlangen kann, stellt sich auch in anderen Bereichen. Einige Aufmerksamkeit hat in der breiteren Öffentlichkeit die Frage erfahren, ob ein Fußballverein eine durch den DFB verhängte Strafzahlung als Schadensersatz von einem Zuschauer ersetzt verlangen kann, der den Spielbetrieb stört.5 Die vertragliche Haftung des Zuschauers eines Fußballspiels gegenüber dem gastgebenden Verein ist aber entscheidend durch Elemente der Vertragsauslegung und den Parteiwillen von Verein und Zuschauer bei Erwerb der Eintrittskarte geprägt und unterscheidet sich dadurch deutlich von der gesetzlichen Organhaftung.6 Diesen Fragen soll im Folgenden nachgegangen werden.
3 https://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/preisabsprachen-kartell amt-verhaengt-millionen-bussgeld-gegen-edelstahlfirmen/22794478.html?ticket =ST-4048900-Q2ZhsdjZXDez1FvPCuqm-ap3; zuletzt abgerufen am 18.1.2019. 4 https://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/dieselskandal-staatsan waelte-verhaengen-milliarden-bussgeld-gegen-vw/22683126.html; zuletzt abgerufen am 18.1.2019. 5 Dazu ausführlich OLG Rostock, Urt. v. 28.4.2006 – 3 U 106/05, NJW 2006, 1819 ff.; OLG Köln, Urt. v. 17.12.2015 – 7 U 54/15, BeckRS 2015, 21052; Grunewald, NZG 2016, 1121, 1123 f. 6 Vgl. dazu insbesondere OLG Köln, Urt. v. 17.12.2015 – 7 U 54/15, BeckRS 2015, 21052.
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B. Rechtsgrundlagen für Unternehmensgeldbußen I. Allgemeines Ordnungswidrigkeitenrecht 1. Geldbußen gegen natürliche Personen a) Ordnungswidrigkeiten durch Unternehmer 3 Zahlreiche Ordnungswidrigkeitstatbestände richten sich an Unternehmer. Soweit diese Tatbestände an ein eigenes Handeln des Unternehmers anknüpfen, sind sie in unterschiedlichen Gesetzen geregelt: Z.B. handelt ein Unternehmer nach §§ 62 Abs. 1 Nr. 1, 4 Abs. 1 BImSchG ordnungswidrig, der ohne die erforderliche Genehmigung eine Anlage errichtet, die geeignet ist, schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen. Zumeist verstößt aber nicht ein Unternehmer selbst durch eigenes Handeln gegen eine bußgeldbewehrte Norm, sondern seine Mitarbeiter. § 130 Abs. 1 OWiG bestimmt daher, dass auch der Inhaber eines Betriebs oder Unternehmens ordnungswidrig handelt, wenn er vorsätzlich oder fahrlässig erforderliche Aufsichtsmaßnahmen unterlässt und Mitarbeiter des Betriebs oder Unternehmens Ordnungswidrigkeiten begehen, die durch die Aufsichtsmaßnahmen unterbunden oder wesentlich erschwert worden wären. Der ordnungsrechtlichen Verantwortlichkeit des überwachungspflichtigen Unternehmensinhabers nach § 130 OWiG kommt in der Praxis große Bedeutung zu.7 Die Ordnungswidrigkeit des Unternehmensinhabers nach § 130 Abs. 1 OWiG ist gem. § 130 Abs. 3 Satz 1 OWiG mit einer Geldbuße i.H.v. bis zu einer Million Euro bedroht, wenn ein Mitarbeiter eine Straftat begeht. Begeht ein Mitarbeiter eine Ordnungswidrigkeit, bestimmt sich das Höchstmaß der Geldbuße gegen den aufsichtspflichtigen Unternehmer gem. § 130 Abs. 3 Satz 2 OWiG nach dem Höchstmaß der Geldbuße gegen den Mitarbeiter. Für alle Formen der Geldbuße bestimmt § 17 Abs. 4 Satz 2 OWiG, dass das gesetzliche Höchstmaß überschritten werden kann, wenn das erforderlich ist, um eine Geldbuße zu verhängen, die über die Vorteile hinausgeht, die durch das ordnungswidrige Verhalten erlangt wurden.
b) Ordnungswidrigkeiten durch Organmitglieder 4 Auch Organmitglieder können Ordnungswidrigkeiten begehen. Zum Teil richten sich Ordnungswidrigkeitstatbestände unmittelbar an Organmitglieder, wie etwa § 334 Abs. 1 HGB. Nach § 334 Abs. 1 HGB handelt 7 Vgl. Geuenich/Ludwig, BB 2018, 1303, 1305; Rönnau, ZGR 2016, 277, 278 ff.
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ein Organmitglied einer Kapitalgesellschaft ordnungswidrig, das gegen bestimmte Regeln zur Aufstellung oder Feststellung eines Jahres- oder Konzernabschlusses verstößt. Daneben bestimmt § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG, dass auch für Organmitglieder die Ordnungswidrigkeitsnormen gelten, die sich an die juristische Person als Unternehmens- oder Betriebsinhaber selbst richten. Denn die Unternehmensinhaberschaft ist ein besonderes persönliches Merkmal i.S.v. § 9 Abs. 1 OWiG.8 Insbesondere handelt nach §§ 130 Abs. 1, 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG auch ein Organmitglied ordnungswidrig, das erforderliche Überwachungsmaßnahmen gegenüber Unternehmensmitarbeitern unterlässt, die Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten begehen.
2. Unternehmensgeldbußen Allgemeine Rechtsgrundlage für Unternehmensgeldbußen ist § 30 OWiG.9 Danach kann gegen eine juristische Person eine Geldbuße festgesetzt werden, wenn eine natürliche Person
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1. als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als sonstige Person oder als Mitglied eines solchen Organs, die für die Leitung des Betriebs oder Unternehmens einer juristischen Person verantwortlich handelt, 2. eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begeht, durch die Pflichten verletzt worden sind, die die juristische Person oder die Personenvereinigung treffen, oder durch die die juristische Person oder Personenvereinigung bereichert worden ist oder werden sollte. Bei vorsätzlichen Straftaten beträgt die Höhe der Unternehmensgeldbußen bis zu zehn Millionen Euro und bei fahrlässigen Straftaten bis zu fünf Millionen Euro. Bei Ordnungswidrigkeiten berechnet sich die Höhe einer Unternehmensgeldbuße ausgehend von dem im jeweiligen Ordnungswidrigkeitstatbestand für natürliche Personen angedrohten Höchstmaß. Nach § 30 Abs. 2 Satz 3 OWiG können in bestimmten Fällen Unterneh-
8 Bohnert/Krenberger/Krumm in Krenberger/Krumm, 5. Aufl. 2018, § 9 OWiG Rz. 4; vgl. auch OLG Nürnberg, Urt. v. 10.4.2014 – 8 U 627/13, NJW-RR 2014, 852, 583; Valerius in BeckOK OWiG, 20. Ed. 2018, § 9 OWiG Rz. 6 ff.; Rogall in Karlsruher Komm/OWiG, 5. Aufl. 2018, § 9 Rz. 27 ff. 9 Näher zur Bedeutung von § 30 OWiG auch im Zusammenspiel mit kartellrechtlichen Bußgeldnormen Labusga, VersR 2017, 394, 395; Bunte, NJW 2018, 123, 125; Eufinger, ZIP 2018, 615, 620; Baur/Holle, NZG 2018, 14 ff.
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mensgeldbußen i.H.v. bis zum Zehnfachen des für natürliche Personen angedrohten Höchstmaßes festgesetzt werden.
II. Kartellrecht 1. Geldbußen gegen natürliche Personen 7 Ordnungswidrig handelt gem. Art. 23 Abs. 2 lit. a) der Verordnung zur Durchführung der in den Art. 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln (VO (EG) Nr. 1/2003; „Wettbewerbsregeln-DVO“) und gem. § 81 Abs. 1 GWB, wer gegen das Kartellverbot aus Art. 101 AEUV oder gegen das Verbot zum Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung aus Art. 102 AEUV verstößt. 8 Soweit nach Art. 4 ff. Wettbewerbsregeln-DVO die europäische Kommission für die Ahndung von Kartellverstößen zuständig ist, hat die Kommission keine Möglichkeit, Geldbußen gegen natürliche Personen zu verhängen. Das BKartA kann hingegen in seinem Zuständigkeitsbereich Geldbußen gegen Organmitglieder i.H.v. bis zu einer Million Euro gem. § 81 Abs. 4 Satz 1 GWB verhängen. 9 Ordnungswidrig handeln Unternehmer, wenn sie einen Kartellverstoß durch eigenes Handeln begehen gem. § 81 Abs. 1 GWB, und gem. §§ 81 Abs. 1 GWB, 130 OWiG, wenn sie Aufsichtsmaßnahmen unterlassen, die erforderlich sind, um Kartellverstöße durch Mitarbeiter abzuwenden oder zu erschweren. Für Organmitglieder gilt dasselbe gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG.
2. Unternehmensgeldbußen 10
In ihrem Zuständigkeitsbereich verhängt die europäische Kommission nach Art. 23 Abs. 1 Wettbewerbsregeln-DVO Geldbußen direkt gegen Unternehmen. Auch das BKartA kann gem. §§ 81 GWB, 30 OWiG Geldbußen direkt gegen ein Unternehmen verhängen. In beiden Fällen kann die Unternehmensgeldbuße bis zu 10 % des konzernweiten Umsatzes im Geschäftsjahr vor der Bußgeldentscheidung betragen (Art. 23 Abs. 2 Wettbewerbsregeln-DVO; § 81 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 GWB).
III. Unternehmensgeldbußen in sonstigen Rechtsgebieten 11
In der Praxis haben Unternehmensgeldbußen außerhalb des Kartellrechts vor allem auch im Kapitalmarktrecht eine große Bedeutung.
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Nach § 120 WpHG können u.a. bei Verstößen gegen kapitalmarktrechtliche Mitteilungs-, Melde- und Insiderpublizitätspflichten sowie bei Verstößen gegen das Verbot der Marktmanipulation Geldbußen verhängt werden. In Verbindung mit § 30 OWiG sind kapitalmarktrechtliche Unternehmensgeldbußen auch gegen Unternehmen möglich.10 Abhängig von der verletzten Pflicht kann eine kapitalmarktrechtliche Unternehmensgeldbuße bis zu 15 % des Umsatzes im Geschäftsjahr vor der Bußgeldentscheidung betragen.11 Zunehmend praktische Relevanz könnten Unternehmensgeldbußen 12 auch im Datenschutzrecht gewinnen.12 Nach Art. 83 Abs. 3–6 der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Verordnung (EU) 2016/679, „Datenschutz-Grundverordnung“ – „DSGVO“) können bei bestimmten Verstößen gegen die DSGVO Geldbußen gegen „Verantwortliche“ oder „Auftragsverarbeiter“ verhängt werden. Verantwortliche und Auftragsverarbeiter können nach Art. 4 Nr. 7, 8 DSGVO auch juristische Personen sein. Nach Art. 83 Abs. 4–6 DSGVO kann eine Unternehmensgeldbuße bis zu 4 % des Umsatzes im Geschäftsjahr vor der Bußgeldentscheidung betragen.
C. Unternehmensgeldbußen im Konzern Im europäischen Kartellrecht kann eine Unternehmensgeldbuße wegen 13 Rechtsverstößen in Tochtergesellschaften auch direkt gegen die Konzernobergesellschaft verhängt werden.13 Im deutschen Kartellrecht hat das BKartA nach § 81 Abs. 3a GWB seit der 9. GWB-Novelle 2017 eine entsprechende Möglichkeit, Unternehmensgeldbußen zu verhängen. Tatsächlich verhängen die Kartellbehörden heutzutage Geldbußen zumeist gegen die Konzernobergesellschaft. Demgegenüber ist im allgemeinen Ordnungswidrigkeitenrecht umstritten, ob bei Pflichtverstößen in einer Tochtergesellschaft eine Unterneh10 Vgl. § 120 Abs. 25 Satz 3 WpHG. 11 Vgl. näher zu Unternehmensgeldbußen im Wertpapierhandelsrecht: Achenbach, wistra 2018, 13 ff.; Achenbach, WM 2018, 1337 ff. 12 Dazu im Einzelnen Neun/Lubitzsch, BB 2017, 1538, 1541 ff. 13 EuGH, Urt. v. 14.12.2006 – C-217/05, Slg. 2006, I-11987, Rz. 40; EuGH, Urt. v. 20.1.2011 – C-90/09 P, Slg. 2011, I-1-63, Rz. 35; Timmerbeil/Blome, BB 2017, 1544, 1545; Beck, AG 2017, 726, 728 ff.
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mensgeldbuße nach § 130 OWiG auch gegenüber der Konzernobergesellschaft infrage kommt.14 Nach § 130 OWiG handelt ordnungswidrig, wer „als Inhaber eines Betriebs oder Unternehmens“ vorsätzlich oder fahrlässig erforderliche Aufsichtsmaßnahmen unterlässt. Für die Frage, ob eine Unternehmensgeldbuße wegen Rechtsverstößen in Tochtergesellschaften auch gegen die Konzernobergesellschaft verhängt werden kann, ist entscheidend, ob man die Konzernobergesellschaft als Inhaberin eines konzernweiten Betriebs oder Unternehmens ansehen kann.15 Auf diese Frage kann hier nicht näher eingegangen werden.16 15
Soweit eine Unternehmensgeldbuße wegen Rechtsverstößen in Tochtergesellschaften gegen die Konzernobergesellschaft verhängt wird, stellt sich auch die Frage, ob die Konzernobergesellschaft nicht nur gegen ihre eigenen Vorstandsmitglieder, sondern auch gegen Mitglieder der Geschäftsleitung in den betroffenen Tochtergesellschaften Schadensersatzansprüche geltend machen kann.17 In Betracht kommt dabei, dass die Tochtergesellschaft ihre Vorstandsmitglieder wegen der gegen die Obergesellschaft verhängten Unternehmensgeldbuße im Wege der Drittschadensliquidation in Anspruch zu nehmen versucht.18
D. Entscheidungen zum Schienenkartell 16
Über die Organhaftung wegen einer kartellrechtlichen Unternehmensgeldbuße hatten das ArbG Essen19, das LAG Düsseldorf20 und das BAG21 im sog. „Schienenkartellfall“ zu entscheiden. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Beklagte war Geschäftsführer einer GmbH (Klägerin) und zugleich Arbeitnehmer einer AG, der Muttergesellschaft der Kläge14 Vgl. dazu OLG München, Beschl. v. 23.9.2014 – 3 Ws 599/14, StraFo 2015, 82 ff.; Beck, AG 2017, 726, 727; Hüffer/Koch, 13. Aufl. 2018, § 76 AktG Rz. 21; Koch, WM 2009, 1013, 1018; Karbaum, AG 2013, 863, 865; Paefgen, WM 2016, 433, 441; Grundmeier, Der Konzern 2012, 487, 488 ff.; Theurer, ZWH 2018, 59, 61 ff. 15 Grundmeier, Der Konzern 2012, 487, 488 ff.; Theurer, ZWH 2018, 59, 61 ff. 16 Näher zur Diskussion Aberle/Holle in Eisele/Koch/Theile, Der Sanktionsdurchgriff im Unternehmensverbund, 2014, S. 117, 118 ff.; Arnold/Geiger, BB 2018, 2306, 2309. 17 Dazu näher Arnold/Geiger, BB 2018, 2306, 2310 f. 18 Vgl. dazu einerseits Arnold/Geiger, BB 2018, 2306, 2311 und andererseits Kuntz, Der Konzern 2007, 802, 807 f. 19 ArbG Essen, Urt. v. 19.12.2013 – 1 Ca 657/13, juris. 20 LAG Düsseldorf, Urt. v. 20.1.2015 – 16 Sa 459/14, GmbHR 2015, 480. 21 BAG, Urt. v. 29.6.2017 – 8 AZR 189/15, AG 2018, 108 = NJW 2018, 184.
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rin. Für die Klägerin wirkte der Beklagte an rechtswidrigen Kartellabsprachen mit. Deshalb verhängte das BKartA gegen die Klägerin Kartellbußgelder i.H.v. insgesamt ca. 190 Mio. Euro (§§ 30 Abs. 1 OWiG, 81 Abs. 4 GWB). Die Klägerin verlangte vom Beklagten wegen der Bußgelder Regress aus Organhaftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG bzw. aus Arbeitnehmerhaftung nach § 280 Abs. 1 BGB. Das ArbG Essen wies die Klage mangels Pflichtverletzung ab. Obiter dictum hielt es die Klage zudem insoweit für rechtsmissbräuchlich, als die Klägerin im Rahmen der Organhaftung die Kartellbußgelder in voller Höhe geltend machte, obwohl die maximal mögliche Geldbuße gegen den Kläger als natürliche Person nur 1 Mio. Euro hätte betragen können.22 In der Berufungsinstanz urteilte das LAG Düsseldorf, eine GmbH könne eine gegen sie verhängte Geldbuße generell nicht von ihrem pflichtwidrig handelnden Geschäftsführer im Rahmen der Organhaftung ersetzt verlangen.23 In der Revision hob das BAG die Entscheidung des LAG Düsseldorf auf, ohne in der Sache zu entscheiden.24 Nach Auffassung des BAG ist die Frage, ob kartellrechtliche Unternehmensgeldbußen grundsätzlich im Rahmen der Organhaftung regressfähig sind, eine kartellrechtliche Vorfrage.25 Für die Entscheidung kartellrechtlicher Vorfragen seien nach § 87 Satz 2 GWB ausschließlich die Kartellgerichte zuständig.26 In der Folge verwies das LAG Düsseldorf den Rechtsstreit an die für Kartellsachen zuständige Kammer für Handelssachen des LG Dortmund.27 Es ist derzeit nicht absehbar, ob und wann mit einer höchstrichterlichen Entscheidung des Kartellsenats des BGH über die Frage der Regressfähigkeit von Kartellbußgeldern zu rechnen ist. Vor diesem Hintergrund sind die Argumente für und gegen die Regressfähigkeit von Unternehmensgeldbußen kritisch zu würdigen (E.) und die Entscheidungsoptionen des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft und der Gesellschafterversammlung einer GmbH bei der Entscheidung über die Durchsetzung möglicher Organhaftungsansprüche wegen Unternehmensgeldbußen in den Blick zu nehmen (F.). Abschließend ist auf 22 ArbG Essen, Urt. v. 19.12.2013 – 1 Ca 657/13, juris Rz. 139 f. 23 LAG Düsseldorf, Urt. v. 20.1.2015 – 16 Sa 459/14, 1. LS, GmbHR 2015, 480. 24 BAG, Urt. v. 29.6.2017 – 8 AZR 189/15, NJW 2018, 184, 185 Rz. 14 = AG 2018, 108. 25 BAG, Urt. v. 29.6.2017 – 8 AZR 189/15, NJW 2018, 184, 187 Rz. 36 = AG 2018, 108. 26 BAG, Urt. v. 29.6.2017 – 8 AZR 189/15, NJW 2018, 184, 185 Rz. 36 = AG 2018, 108. 27 LAG Düsseldorf, Beschl. v. 29.1.2018 – 14 Sa 591/17, juris Rz. 164.
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Probleme des Rechtswegs und der Zuständigkeit bei Regressklagen wegen kartellrechtlicher Unternehmensgeldbußen einzugehen (G.).
E. Argumente für und gegen die Regressfähigkeit von Unternehmensgeldbußen I. Ausgangspunkt: Wortlaut der Haftungsnormen 18
Rechtsgrundlage für die Organ- und Arbeitnehmerhaftung sind §§ 93 Abs. 1, 2 AktG, 43 Abs. 1, 2 GmbHG, 249 ff. BGB. Nach dem Wortlaut dieser Normen scheint auf der Hand zu liegen, dass ein Organmitglied der Gesellschaft auch für Bußgelder haftet, die auf ein Verhalten zurückzuführen sind, für das das Organmitglied verantwortlich ist.28 Alle Tatbestandsmerkmale der einschlägigen Haftungsnormen können vorliegen, wenn eine Unternehmensgeldbuße verhängt wurde: Ein Organmitglied verstößt gegen seine Pflichten zum einen, wenn es selbst eine bußgeldbewehrte Handlung vornimmt („Legalitätspflicht“).29 Zum anderen handelt ein Organmitglied pflichtwidrig, wenn es Überwachungsmaßnahmen unterlässt, die erforderlich sind, um Mitarbeiter der Gesellschaft von bußgeldbewehrtem Verhalten abzuhalten („Legalitätskontrollpflicht“).30 Wird infolge einer bußgeldbewehrten Handlung eine Unternehmensgeldbuße verhängt, erleidet die Gesellschaft einen Vermögensschaden, der auf die Pflichtverletzung des Organmitglieds kausal zurückzuführen ist.31
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Dennoch ist die Frage, ob eine Gesellschaft für Unternehmensgeldbußen im Rahmen der Organhaftung Regress bei ihren verantwortlichen Organmitgliedern nehmen kann, Gegenstand lebhafter Diskussion. Das ist auch methodisch richtig. Denn Auslegung und Rechtsfindung können nicht an der Grenze des Wortlauts der anzuwendenden Haftungs-
28 Vgl. Bayreuther, NZA 2015, 1239, 1240; Bayer/Scholz, GmbHR 2015, 449, 450; Spindler in MünchKomm/AktG, 4. Aufl. 2014, § 93 AktG Rz. 172; Hüffer/Koch, 13. Aufl. 2018, § 93 AktG Rz. 48; Kersting, ZIP 2016, 1266, 1266; Binder/Kraayvanger, BB 2015, 1219, 1225; Koch in Gedächtnisschrift Winter, 2011, S. 327, 330. 29 Wilsing in Krieger/Uwe H. Schneider, Handbuch Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, Rz. 31.19 f.; Kersting, ZIP 2016, 1266, 1266; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 41. 30 Binder/Kraayvanger, BB 2015, 1219, 1220. 31 Wilsing in Krieger/Uwe H. Schneider, Handbuch Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, Rz. 31.29.
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normen enden. Vielmehr kommt es auf den Normzweck der Haftungsnormen an.
II. Ausschluss des Regresses wegen Unternehmensgeldbußen aufgrund des Normzwecks der Organhaftungsnormen? Stellt man sich die Frage, ob ein Regress wegen Unternehmensgeldbußen 20 im Rahmen der Organhaftung aus teleologischen Gründen ausscheiden muss, ist in erster Linie der Normzweck der betreffenden Organhaftungsnormen, also der Normzweck der §§ 93 Abs. 1, 2 AktG, 43 Abs. 1, 2 GmbHG, 249 ff. BGB, zu betrachten.32 Dem Normzweck der Organhaftungsnormen kommt für die Frage des Bußgeldregresses eigenständige und erhebliche Bedeutung zu. Er ist vom Normzweck der Bußgeldnormen zu unterscheiden. Die Literatur missachtet diesen Unterscheid teilweise, wenn sie ohne weiteres argumentiert, der Normzweck der Bußgeldnormen stehe einem Regress wegen Unternehmensgeldbußen im Rahmen der Organhaftung entgegen.33 Die Organhaftungsnormen verfolgen insbesondere zwei Zwecke: Zum ei- 21 nen hat die Organhaftung eine verbandsinterne Steuerungsfunktion für das Verhalten von Organmitgliedern („verbandsinterne Verhaltenssteuerungsfunktion“)34, in deren Hände das operative Geschäft gelegt ist. Zum anderen bezweckt die Organhaftung im Interesse der Gesellschafter und Gesellschaftsgläubiger, Schäden zu kompensieren, die im Gesellschaftsvermögen entstehen („Schadenskompensation“).35 32 Im Ausgangspunkt zutreffend Labusga, VersR 2017, 394, 397; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2012, S. 293; Rust, ZWeR 2015, 299, 304 f. 33 So stellvertretend für viele Bayer/Scholz, GmbHR 2015, 449, 451. 34 Hopt/Roth in Großkomm/AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 AktG Rz. 32; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 55; Hölters in Hölters, 3. Aufl. 2017, § 93 AktG Rz. 8; Hopt/ Roth in Großkomm/AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 AktG Rz. 28; Koch in Gedächtnisschrift Winter, 2011, S. 327, 338; zurückhaltender Marsch-Barner, ZHR 173 (2009), 723, 729: „Nebenfolge“; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 251 ff. 35 Fabisch, ZWeR 2013, 91, 103; Fleischer in Spindler/Stilz, 3. Aufl. 2015, § 93 AktG Rz. 2; Hölters in Hölters, 3. Aufl. 2017, § 93 AktG Rz. 8; Hopt/Roth in Großkomm/AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 AktG Rz. 28; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2012, S. 293; Labusga, VersR 2017, 394, 397; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 55; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 251 ff.
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1. Verbandsinterne Verhaltenssteuerungsfunktion und Bußgeldregress 22
Droht einem Organmitglied persönliche Haftung, wenn es durch Verletzung seiner Pflichten einen Schaden verursacht, wird das Organmitglied im Eigeninteresse seinen Pflichten mit besonderer Sorgfalt nachkommen. Mit diesem einfachen Gedanken lässt sich die verbandsinterne Verhaltenssteuerungsfunktion der Organhaftung beschreiben. Die verbandsinterne Verhaltenssteuerung der Organhaftung leistet einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung des für das Gesellschaftsrecht typischen Prinzipal-Agenten-Problems36: Die Gesellschafter als Prinzipale können oder wollen die Einzelheiten der Geschäftsführung nicht bestimmen und legen sie daher in die Hände der Geschäftsführer oder des Vorstands, die die Geschäftsführung in eigener Verantwortung und selbständig als Agenten wahrnehmen. Am deutlichsten kommt das in der Aktiengesellschaft zum Ausdruck: Nach § 76 Abs. 1 AktG hat der Vorstand die Gesellschaft „unter eigener Verantwortung zu leiten“. Auch in der GmbH, nach deren Organisationsverfassung die Gesellschafterversammlung den Geschäftsführern gem. § 37 Abs. 1 GmbHG in weitem Umfang Weisungen erteilen kann, liegt es im Interesse der Gesellschafter, das Tagesgeschäft grundsätzlich der selbständigen Ausführung durch die Geschäftsführer zu überlassen. Die eigenverantwortliche Geschäftsführung von Vorstand und Geschäftsführern bedarf aber eines Korrektivs, um sicherzustellen, dass Vorstand und Geschäftsführer ihre Pflichten im Interesse der Gesellschaft beachten. Ein solches Korrektiv sind neben dem Widerruf der Bestellung und der Kündigung des Anstellungsvertrags vor allem auch die Organhaftungsnormen, die die im Interesse der Gesellschaft liegende Befolgung der Sorgfaltspflichten bei der Geschäftsführung mit dem Eigeninteresse der Organmitglieder verknüpfen, eine persönliche Haftung zu vermeiden.37
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Für den Regress wegen Unternehmensgeldbußen im Rahmen der Organhaftung folgt daraus: Unternehmensgeldbußen liegt ein bußgeldbewehrtes Verhalten durch Organmitglieder oder Mitarbeiter der Gesellschaft zugrunde. Organmitglieder haben eine Legalitätspflicht, bußgeldbewehr36 Vgl. Goette, ZHR 176 (2012), 588, 590; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2012, S. 293; Hopt/Roth in Großkomm/AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 AktG Rz. 32. 37 Vgl. auch für die GmbH: Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, 21. Aufl. 2017, § 43 GmbHG Rz. 1; Fabisch, ZWeR 2013, 91, 116.
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tes Verhalten zu unterlassen, und eine Legalitätskontrollpflicht, bußgeldbewehrtes Verhalten von Mitarbeitern zu verhindern und zu unterbinden.38 Aus der drohenden Organhaftung wegen Unternehmensgeldbußen folgt ein Anreiz für Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer, ihren Legalitäts- und Legalitätskontrollpflichten sorgfältig nachzukommen. Dieser Anreiz ist wesentlich größer, als wenn einem Organmitglied nur der Widerruf der Bestellung und die Kündigung des Anstellungsvertrags drohen würden. Die verbandsinterne Verhaltenssteuerungsfunktion der Organhaftung spricht danach dafür, Unternehmensgeldbußen im Rahmen der Organhaftung für regressfähig zu halten.39 Abzugrenzen ist diese Argumentation mit der verbandsinternen Verhal- 24 tenssteuerungsfunktion von der im Schrifttum oft herangezogenen, verbandsexternen spezial- und generalpräventiven Funktion der Bußgeldnormen, auf die noch gesondert zurückzukommen sein wird.40 Die verbandsinterne Verhaltenssteuerungsfunktion der Organhaftungsnormen ist im Grundsatz unabhängig von Zweck und Rechtsgrund der durch Organmitglieder verletzten Pflichten: Sie erfasst den Verstoß gegen Bußgeldnormen ebenso wie „schlichte“ Verstöße gegen die gesetzliche Organisationsverfassung der Gesellschaft oder gegen die Satzung.41 Festzuhalten bleibt danach: Wer die Regressfähigkeit von Unternehmens- 25 geldbußen im Rahmen der Organhaftung verneint, der schwächt die gesetzlich vorgesehene Verknüpfung zwischen Leitungsmacht und Verantwortlichkeit und damit eine maßgebliche Verhaltenssteuerungsfunktion im Organisationsgefüge der Kapitalgesellschaften empfindlich.
2. Schadenskompensation und Bußgeldregress Auch die Kompensationsfunktion der Organhaftungsnormen spricht 26 grundsätzlich dafür, Unternehmensgeldbußen für regressfähig anzusehen.42 Die Unternehmensgeldbuße führt zu einer Minderung des Ver38 Dazu näher Rz. 18. 39 Rust, ZWeR 2015, 299, 305; a.A. Thomas, NZG 2015, 1409, 1414: Es reiche aus, dass die Organhaftung wegen sonstiger Kartellschäden verhaltenssteuernde Funktion entfalte. 40 Dazu näher Rz. 38 ff.; ohne Differenzierung z.B. Wilsing in Krieger/Uwe H. Schneider, Handbuch Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, Rz. 31.36. 41 Vgl. auch Zimmermann, WM 2008, 433, 437. 42 Labusga, VersR 2017, 394, 398; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 54; Koch in Gedächtnisschrift Winter, 2011, S. 327, 338.
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mögens der Gesellschaft, das im Interesse der Gesellschafter und Gläubiger erhalten werden soll. 27 Im bürgerlichen Schadensersatzrecht wird ein Vermögensschaden aber nicht nur durch einen rechnerischen Vergleich der Vermögenslage vor und nach einem schädigenden Ereignis bestimmt. Es ist anerkannt, dass bei der Schadensbestimmung normative Elemente zu berücksichtigen sind. Schädiger und Geschädigter dürfen durch einen Schadensersatzanspruch nicht unbillig, insbesondere nicht im Widerspruch zur sonstigen Rechtsordnung be- bzw. entlastet werden („normative Begrenzungen der Schadenskompensation“).43 Genannt seien hier nur stellvertretend die normative Schadensberechnung bei Nutzungsausfallschäden44 und die normativen Einschränkungen des Vorteilsausgleichs bei bestimmten Versicherungsleistungen, die nach ihrem Zweck den Schädiger nicht entlasten sollen.45 Zu normativen Begrenzungen der Schadenskompensation könnten verschiedene in der Diskussion gegen einen Bußgeldregress vorgebrachte Argumente führen, die nachfolgend im Einzelnen behandelt werden:
a) Abschließende ordnungsrechtliche Bestimmung des Bußgeldadressaten? 28
Das LAG Düsseldorf sieht den Bußgeldregress im Rahmen der Organhaftung als Umgehung der ordnungsrechtlichen Bestimmung des Bußgeldadressaten und damit als einen Widerspruch innerhalb der Gesamtrechtsordnung: „Die zivilrechtliche Innenhaftung im Gesellschaftsrecht würde dazu führen, dass die Entscheidung des Normgebers, dass ein Unternehmen nach § 81 GWB zur Verantwortung gezogen werden soll, ins Leere liefe. Das Zivilrecht würde quasi die ordnungsrechtliche Entscheidung korrigieren.“46
43 Labusga, VersR 2017, 394, 396, 398; Thomas, NZG 2015, 1409, 1412; Bayreuther, NZA 2015, 1239, 1240; Wilsing in Krieger/Uwe H. Schneider, Handbuch Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, Rz. 31.30; Lotze/Heyers, NZKart 2018, 29, 31; Binder/Kraayvanger, BB 2015, 1219, 1225. 44 Grundlegend BGH, Beschl. v. 9.7.1986 – GSZ 1/86, NJW 1987, 50, 51 f. 45 Dazu näher Oetker in MünchKomm/BGB, 7. Aufl. 2016, § 249 BGB Rz. 254 ff. 46 LAG Düsseldorf, Urt. v. 20.1.2015 – 16 Sa 459/14 Rz. 161, GmbHR 2015, 480; zustimmend Labusga, VersR 2017, 394, 398.
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Grundsätzlich ist zwischen der ordnungsrechtlichen Bestimmung des 29 Bußgeldadressaten und der zivilrechtlichen Frage, wen die wirtschaftlichen Lasten aus einer Geldbuße im Ergebnis treffen, zu unterscheiden.47 Der Bußgeldregress im Rahmen der Organhaftung könnte nur dann den ordnungsrechtlichen Regelungen über den Bußgeldadressaten widersprechen, wenn diese Regelungen den durch eine Geldbuße wirtschaftlich Belasteten bestimmen würden.48 Weder das europäische Kartellrecht noch das nationale deutsche Kartell- und allgemeine Ordnungswidrigkeitenrecht treffen jedoch eine Aussage über den wirtschaftlich durch eine Unternehmensgeldbuße nach Durchsetzung etwaiger Regressansprüche letztlich Belasteten:49
aa) Europäisches Kartellrecht Nach Art. 23 Abs. 1 Wettbewerbsregeln-DVO kann die Kommission in 30 ihrem Zuständigkeitsbereich Geldbußen gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen verhängen, die gegen die Art. 101, 102 AEUV verstoßen. Geldbußen gegen natürliche Personen kann die Kommission hingegen nicht verhängen. Daraus kann man aber nicht ableiten, dass der europäische Verordnungsgeber abschließend regeln wollte, dass natürliche Personen durch eine Unternehmensgeldbuße nicht belastet werden. Nach Art. 5 Satz 2, 4. Spiegelstrich der Wettbewerbsregeln-DVO können die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten bei Verstößen gegen die Art. 101, 102 AEUV Geldbußen, Zwangsgelder oder sonstige im innerstaatlichen Recht vorgegebene Sanktionen verhängen. Die Verhängung von Bußgeldern gegen natürliche Personen ist danach europarechtlich nicht ausgeschlossen.50 Hinzu kommt: Verhängt die Kommission ein Bußgeld gegen eine Unternehmensvereinigung und ist die Unternehmensvereinigung nicht zahlungsfähig, muss die Unternehmensvereinigung Regress bei ihren Mitgliedern suchen (Art. 23 Abs. 4 Wettbewerbs-
47 Fleischer, DB 2014, 345, 347. 48 Bayreuther, NZA 2015, 1239, 1240. 49 Rust, ZWeR 2015, 299, 306; Spindler in MünchKomm/AktG, 4. Aufl. 2014, § 93 AktG Rz. 172; Hüffer/Koch, 13. Aufl. 2018, § 93 AktG Rz. 48; Fabisch, ZWeR 2013, 91, 106; Koch in Gedächtnisschrift Winter, 2011, S. 327, 333; a.A.: Thomas, NZG 2015, 1409, 1411; Lotze/Smolinski, NZKart 2015, 254, 256; Baur/Holle, ZIP 2018, 459, 463 mit dem Kryptoargument, es gehöre zum „Wesen“ staatlicher Sanktionierung, dass der Sanktionsvorwurf auch „spürbar“ gemacht werde. 50 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 8 der Wettbewerbsregeln-DVO.
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regeln-DVO).51 Das europäische Kartellbußgeldrecht macht damit deutlich, dass es mit der Bestimmung des Bußgeldadressaten den wirtschaftlich durch ein Bußgeld Belasteten grundsätzlich nicht endgültig festlegen will.52
bb) Deutsches Kartell- und allgemeines Ordnungswidrigkeitenrecht 31
Auch das deutsche Kartell- und allgemeine Ordnungswidrigkeitenrecht enthält keine Anhaltspunkte für eine abschließende Bestimmung des wirtschaftlich Belasteten. Bestimmt wird in § 30 OWiG lediglich, dass eine juristische Person im Außenverhältnis zum Staat Adressatin einer Unternehmensgeldbuße sein kann.53 Darüber, ob die juristische Person wegen einer gegen sie verhängten Geldbuße von einer anderen Person Ersatz verlangen kann, sagt § 30 OWiG nichts aus. In der Rechtsprechung gibt es sogar mehrere Anknüpfungspunkte dafür, dass die ordnungsrechtlichen Bestimmungen einem Bußgeldregress grundsätzlich nicht entgegenstehen.
(1) Rechtsprechung zum Bußgeldregress im Rahmen der Beraterhaftung 32
Schon das Reichsgericht54, das Reicharbeitsgericht55 und später auch der BGH56 haben in mehreren Entscheidungen angenommen, dass Berater oder fachlich besonders qualifizierte Mitarbeiter eines Unternehmens auf Schadensersatz haften, wenn wegen ihrer fehlerhaften Beratungsleistun51 Dazu auch Fabisch, ZWeR 2013, 91, 104. 52 Koch in Gedächtnisschrift Winter, 2011, S. 327, 335 f.; Rust, ZWeR 2015, 299, 306; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 55; Fabisch, ZWeR 2013, 91, 104; Binder/ Kraayvanger, BB 2015, 1219, 1227; Bayer/Scholz, GmbHR 2015, 449, 451 weisen darauf hin, dass das europäische Kartellrecht den Ausschluss der Regressfähigkeit von Unternehmensgeldbußen nicht zwingend verbiete. Das ist ebenso zutreffend wie unerheblich. Um Wortlaut und Normzweck der Organhaftungsnormen zu überwinden, die für einen Bußgeldregress sprechen, müsste das europäische Kartellrecht im Gegenteil einen Ausschluss des Bußgeldregresses gebieten. Dafür bestehen keine Anhaltspunkte. 53 Koch in Gedächtnisschrift Winter, 2011, S. 327, 336. 54 RG, Urt. v. 10.6.1942 – III 14/42, RGZ 169, 267, 270. 55 RAG, Urt. v. 27.11.1942 – 88/42, RAGE 27, 43, 43 f. 56 BGH, Urt. v. 31.1.1957 – II ZR 41/56, NJW 1957, 586, 586 f.; BGH, Urt. v. 14.11.1996 – IX ZR 215/95, NJW 1997, 518, 519; BGH, Urt. v. 15.4.2010 – IX ZR 189/09, VersR 2011, 132, 133.
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gen gegen das Unternehmen eine Geldbuße verhängt wird. Das Ordnungswidrigkeitenrecht enthalte keine Wertungen, die einem Bußgeldregress gegenüber einem Berater entgegenstünden, der gegen seine Pflichten verstoßen hat.57 Das LAG Düsseldorf vertritt die Auffassung, dass diese Rechtspre- 33 chungslinie auf die Frage des Bußgeldregresses im Rahmen der Organhaftung nicht übertragen werden könne.58 Die Rechtsprechung zur Beraterhaftung beruhe darauf, dass der Berater eine besondere vertragliche Verpflichtung habe, das Unternehmen durch fachkundige Beratung vor Bußgeldrisiken zu schützen. Eine entsprechende vertragliche Garantenstellung habe ein Organmitglied nicht.59 Da eine juristische Person Arbeitnehmer oder Organmitglieder stets einsetzen müsse, fehle ihnen die herausgehobene Verantwortung eines nur im Einzelfall herangezogenen Beraters.60 Die Auffassung des LAG Düsseldorf ist nicht überzeugend: Zu den ge- 34 setzlichen Kardinalpflichten eines Organmitglieds gehören sowohl die Legalitäts- als auch die Legalitätskontrollpflicht, aufgrund derer das Organmitglied verantwortlich ist, Unternehmensgeldbußen zu vermeiden. Diese Verantwortung ist sogar noch größer als die Verantwortung eines Beraters.61 Denn der Rat eines externen Beraters muss von Organmitgliedern und Mitarbeitern der juristischen Person nicht beachtet werden. Er kann – berechtigt oder unberechtigt – ungehört bleiben. Das Ver-
57 BGH, Urt. v. 14.11.1996 – IX ZR 215/95, NJW 1997, 518, 519; dazu näher Bayer in FS K. Schmidt, 2009, S. 85, 96. 58 LAG Düsseldorf, Urt. v. 20.1.2015 – 16 Sa 459/14 Rz. 178, GmbHR 2015, 480; wohl auch Wilsing in Krieger/Uwe H. Schneider, Handbuch Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, Rz. 31.36 mit vagem Verweis auf eine „besondere Interessenlage im Bereich der Unternehmensbußgelder“. 59 LAG Düsseldorf, Urt. v. 20.1.2015 – 16 Sa 459/14 Rz. 176, 179, GmbHR 2015, 480. 60 LAG Düsseldorf, Urt. v. 20.1.2015 – 16 Sa 459/14 Rz. 180, GmbHR 2015, 480; Thomas, NZG 2015, 1409, 1413; vgl. auch Labusga, VersR 2017, 394, 399, die darauf abstellt, dass Vorstandsmitglieder anders als Berater keine fachlichen Spezialisten seien. 61 Bayer/Scholz, GmbHR 2015, 449, 451; Rust, ZWeR 2015, 299, 306 f.; Bayreuther, NZA 2015, 1239, 1240; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2012, S. 290; Kersting, ZIP 2016, 1266, 1267; Baur/Holle, ZIP 2018, 459, 461; Fleischer, DB 2014, 345, 347.
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halten von Organmitgliedern und Mitarbeitern bestimmt hingegen das Verhalten der juristischen Person unmittelbar.62
(2) Rechtsprechung zu Begünstigung und Strafvereitelung 35
Auch die strafrechtliche Rechtsprechung liefert ein wichtiges Indiz dafür, dass die Bußgeldnormen einem Bußgeldregress zumindest nicht grundsätzlich entgegenstehen. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Erstattung einer gegen eine Person verhängten Geldstrafe durch eine andere Person weder den Tatbestand der Begünstigung nach § 257 StGB noch den Tatbestand der Strafvereitelung nach § 258 StGB erfüllt.63 Die Erstattung einer Geldstrafe im Innenverhältnis des Verurteilten zu einer dritten Person berührt nach dem BGH den staatlichen Strafanspruch nicht.64 Die Erstattung einer Geldstrafe könne zwar den Strafzweck berühren. Die bloße Strafzweckvereitelung sei aber nicht unter Strafe gestellt.65
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Das LAG Düsseldorf merkt grundsätzlich zutreffend an, dass sich aus dieser Rechtsprechung nicht zwingend ableiten lasse, dass der Dritte auch zivilrechtlich zur Erstattung verpflichtet sein könne.66 Was nicht strafbar ist, muss noch lange nicht rechtmäßig sein.67 Die Rechtsprechung zu Begünstigung und Strafvereitelung zeigt aber zumindest eines: Die materiellen Regelungen des Straf- und Ordnungsrechts zur Verhängung von Geldstrafen und Geldbußen befassen sich nicht damit, welche Person letztendlich die wirtschaftlichen Lasten der Gelstrafe oder Geldbuße zu tragen hat.68 Auch nach den prozessualen Regelungen über die Strafvollstreckung kann nicht vollstreckt werden, dass der Bestrafte selbst eine Geldstrafe bezahlt und keine Erstattung von Dritten erhält. Es kann daher nicht behauptet werden, der Bußgeldregress im Rahmen der Organhaftung umgehe eine abschließende ordnungsrechtliche Be62 Kersting, ZIP 2016, 1266, 1267; Binder/Kraayvanger, BB 2015, 1219, 1226. 63 BGH, Urt. v. 8.7.2014 – II ZR 174/13, NZG 2014, 1058, 1059 = AG 2014, 751; BGH, Urt. v. 6.4.1964 – II ZR 11/62, NJW 1964, 1270, 1272; BGH, Urt. v. 7.11.1990 – 2 StR 439/90, NJW 1991, 990, 992. 64 BGH, Urt. v. 6.4.1964 – II ZR 11/62, NJW 1964, 1270, 1272. 65 BGH, Urt. v. 7.11.1990 – 2 StR 439/90, NJW 1991, 990, 992 f. 66 LAG Düsseldorf, Urt. v. 20.1.2015 – 16 Sa 459/14 Rz. 157 ff., GmbHR 2015, 480; Thomas, NZG 2015, 1409, 1411; Lotze/Smolinski, NZKart 2015, 254, 255. 67 Bayer/Scholz, GmbHR 2015, 449, 451; Baur/Holle, ZIP 2018, 459, 463 f. 68 Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2012, S. 289.
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stimmung des Bußgeldadressaten. Allein der hinter der Verhängung einer Geldstrafe oder Geldbuße stehende Sanktionszweck, mit dem sich die strafrechtliche Rechtsprechung nicht näher zu befassen hatte,69 kann Grundlage sein, den Bußgeldregress im Rahmen der Organhaftung normativ einzuschränken.70
b) Vereitelung des Sanktionszwecks? Der Sanktionszweck der Unternehmensgeldbuße hat zwei Zielrichtun- 37 gen: Das Ziel der präventiven Verhaltenssteuerung,71 die hier in Abgrenzung zum Normzweck der Organhaftung als „verbandsexterne Verhaltenssteuerung“ bezeichnet wird (Rz. 38 ff.), und das Ziel, rechtswidrig erlangte Vorteile abzuschöpfen (Rz. 49 ff.).72
aa) Verbandsexterne Verhaltenssteuerung (1) Verbandsexterne Verhaltenssteuerung gegenüber Organmitgliedern gerade durch Bußgeldregress Die spezial- und generalpräventive Funktion einer Geldbuße ist darauf 38 ausgerichtet, Verhaltensanreize zu setzen.73 Die Geldbuße soll dazu beitragen, dass rechtswidriges und mit einem Bußgeld bedrohtes Verhalten unterbleibt. Dafür muss die Person mit einer Geldbuße belangt werden, von der rechtswidriges Verhalten ausgeht. Rechtswidriges Verhalten kann nur von natürlichen Personen, insbesondere von Organmitgliedern und Mitarbeitern juristischer Personen ausgehen, nicht aber von der juristischen Person selbst.74 Eine Unternehmensgeldbuße muss daher am Verhalten der Mitarbeiter und Organmitglieder ansetzen. Wenn gegen die Gesellschaft wegen des Verhaltens eines Mitarbeiters oder Organmitglieds eine Unternehmensgeldbuße verhängt wird, kann die Gesellschaft versuchen, die Bestellung zum Vorstandsmitglied aus wichtigem Grund zu widerrufen und den Anstellungs- oder Arbeitsvertrag zu kündigen. Das kann für Mitarbeiter und Organmitglieder ein Anreiz zu rechtmäßi69 BGH, Urt. v. 7.11.1990 – 2 StR 439/90, NJW 1991, 990, 992 f. 70 Insoweit zutreffend Thomas, NZG 2015, 1409, 1411. 71 BT-Drucks. 10/318, 38 ff.; Bayer/Scholz, GmbHR 2015, 449, 451; Thomas, NZG 2015, 1409, 1411; Kredel/Kresken, KSzW 2015, 276, 276. 72 BT-Drucks. V/1269, 59; BT-Drucks. 17/11053, 21; Bayer/Scholz, GmbHR 2015, 449, 452; Thomas, NZG 2015, 1409, 1413; Kredel/Kresken, KSzW 2015, 276, 276. 73 Im Grundsatz zutreffend Bunte, NJW 2018, 123, 124. 74 Bayreuther, NZA 2015, 1239, 1241; Kersting, ZIP 2016, 1266, 1268.
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gen Verhalten sein.75 Ein wesentlich stärkerer Anreiz für Mitarbeiter und Organmitglieder, sich nicht rechtswidrig zu verhalten, ist aber gegeben, wenn dem Mitarbeiter oder Organmitglied die persönliche Haftung droht. Daher scheint das Ziel der verbandsexternen Verhaltenssteuerung durch eine Unternehmensgeldbuße dafür zu sprechen, dass die juristische Person wegen Unternehmensgeldbußen Regress im Wege der Organhaftung bei ihren Organen suchen kann.76 Denn gerade durch den Bußgeldregress kommt die präventive Wirkung der Unternehmensgeldbuße bei den Organmitgliedern und Mitarbeitern an.77
(2) Verbandsexterne Verhaltenssteuerung gegenüber der juristischen Person selbst oder gegenüber den Gesellschaftern? (a) Verhaltenssteuerung gegenüber Gesellschaftern widerspricht gesellschaftsrechtlicher Organisationsverfassung 39
Das LAG Düsseldorf78 und Teile des Schrifttums79 nehmen dennoch an, dass der Zweck einer verbandsexternen Verhaltenssteuerung einem Bußgeldregress entgegenstehe. Sie stützen sich dafür auf zwei Argumente:
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Erstens: Das LAG Düsseldorf und Teile des Schrifttums gehen davon aus, dass die juristische Person für das Verhalten ihrer Organmitglieder und Mitarbeiter „verantwortlich“ sei,80 da ihr das Verhalten der Organmitglieder und Mitarbeiter zugerechnet wird. Zutreffend ist, dass eine juristische Person das Verhalten ihrer Organmitglieder und Mitarbeiter nach §§ 31, 278 BGB grundsätzlich gegen sich gelten lassen muss. Die juristische Person haftet nach außen für das Verhalten ihrer Organmitglieder und Mitarbeiter. Gerade für die verbandsexterne Verhaltenssteue75 Bunte, NJW 2018, 123, 126. 76 Rust, ZWeR 2015, 299, 305; Bayreuther, NZA 2015, 1239, 1241; Fleischer in Spindler/Stilz, 3. Aufl. 2015, § 93 AktG Rz. 213b; Kredel/Kresken, KSzW 2015, 276, 277; konzedierend auch Baur/Holle, ZIP 2018, 459, 465 f. 77 Bayer/Scholz, GmbHR 2015, 449, 452; Kersting, ZIP 2016, 1266, 1268; Kapp/ Hummel, ZWeR 2011, 349, 358; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 54; Fleischer, DB 2014, 345, 348. 78 LAG Düsseldorf, Urt. v. 20.1.2015 – 16 Sa 459/14 Rz. 165, GmbHR 2015, 480. 79 Labusga, VersR 2017, 394, 399; Baur/Holle, ZIP 2018, 459, 466. 80 LAG Düsseldorf, Urt. v. 20.1.2015 – 16 Sa 459/14 Rz. 163 ff., GmbHR 2015, 480; Bunte, NJW 2018, 123, 125; Thomas, NZG 2015, 1409, 1413; Lotze/Heyers, NZG 2018, 29, 31.
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rungsfunktion der Unternehmensgeldbuße hat die Haftungsverantwortung der juristischen Person aber keine entscheidende Bedeutung.81 Wenn eine Geldbuße Verhalten steuern soll, muss sie bei der Person ankommen, von der das Verhalten tatsächlich ausgeht, nicht bei einer anderen Person, die für dieses Verhalten zivilrechtlich nach außen haftungsverantwortlich ist. Zweitens stützen sich das LAG Düsseldorf und Teile des Schrifttums darauf, dass die Unternehmensgeldbuße ein Verhalten steuern solle, das gar nicht von Organmitgliedern oder Mitarbeitern der juristischen Person ausgehe, sondern von den Gesellschaftern. Den Gesellschaftern sei der Vorwurf zu machen, dass sie die Organmitglieder und Mitarbeiter, von denen rechtswidriges Verhalten ausgehe, nicht sorgfältig ausgewählt und überwacht hätten.82 Dies Argumentation würde zumindest konsequent zum Ergebnis des LAG Düsseldorf führen: Wenn man einen Bußgeldregress ablehnt, tragen im Ergebnis die Gesellschafter die wirtschaftlichen Lasten einer Unternehmensgeldbuße.
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Die Argumentation überzeugt gleichwohl nicht,83 da sie an einem Ver- 42 halten der Gesellschafter ansetzt, das das mit einem Bußgeld bedrohte Verhalten der Organe und Mitarbeiter bestenfalls ermöglicht haben kann. Die Gesellschafter haben selbst keine Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten begangen. Und selbst die Annahme, dass die Gesellschafter bei Auswahl und Überwachung nicht mit der gebotenen Sorgfalt gehandelt haben, ist eine bloße Unterstellung.84 Denn eine Unternehmensgeldbuße kann auch verhängt werden, wenn die Unternehmensträger Organmitglieder sorgfaltsgemäß ausgewählt und überwacht haben. Erforderlich für die Verhängung einer Geldbuße ist lediglich, dass sich Organmitglieder oder Mitarbeiter rechtswidrig verhalten. Zudem steht die Argumentation des LAG Düsseldorf in fundamentalem Widerspruch zur Organisationsverfassung des Kapitalgesellschafts-
81 Rust, ZWeR 2015, 299, 305. 82 LAG Düsseldorf, Urt. v. 20.1.2015 – 16 Sa 459/14 Rz. 165 a.E., GmbHR 2015, 480, 167; Labusga, VersR 2017, 394, 399; Bunte, NJW 2018, 123, 125; Dreher in FS Konzen, 2006, S. 85, 106; wohl auch Baur/Holle, ZIP 2018, 459, 466. 83 Anhaltspunkte dafür, dass eine Steuerung des Verhaltens von Gesellschaftern durch Unternehmensgeldbußen gesetzlich intendiert ist, finden sich nicht: Bayer/Scholz, GmbHR 2015, 449, 453. 84 Kersting, ZIP 2016, 1266, 1268; vgl. auch Reuter, BB 2016, 1283, 1292 f.
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rechts,85 insbesondere des Aktienrechts. In der Aktiengesellschaft hat der Vorstand nach § 76 Abs. 1 AktG die Geschäfte in eigener Verantwortung zu führen. Die Auswahl und Überwachung der Vorstandsmitglieder obliegen nicht den Aktionären, sondern dem Aufsichtsrat nach §§ 84 Abs. 1, 111 Abs. 1 AktG. Kontrollrechte der Aktionäre bestehen nur in sehr eingeschränktem Umfang und grundsätzlich nur im Rahmen der Hauptversammlung, §§ 131, 142, 148 AktG. Natürlich ist es im Einzelfall möglich, dass die Aufsichtsratsmitglieder bei Auswahl und Überwachung der Vorstandsmitglieder ihre Pflichten verletzen. Aber auch wenn Aufsichtsratsmitgliedern ein Auswahl- oder Überwachungsverschulden vorzuwerfen ist, das ein ordnungswidriges Verhalten des Vorstands mittelbar erleichtert haben mag, kann eine Unternehmensgeldbuße die Aufsichtsratsmitglieder nur treffen, wenn man die Regressfähigkeit von Unternehmensgeldbußen zumindest im Rahmen der Aufsichtsratshaftung nach §§ 116, 93 AktG bejaht. Es wäre aber kaum begründbar, warum der Bußgeldregress im Rahmen der gegen Vorstandsmitglieder gerichteten Organhaftung ausgeschlossen, gegenüber Aufsichtsratsmitgliedern aber zulässig sein sollte. 44 Ablehnen ließe sich die Regressfähigkeit von Unternehmensgeldbußen mit dem LAG Düsseldorf daher nur, wenn man den Aktionären zum Vorwurf machen wollte, sie hätten ungeeignete Aufsichtsratsmitglieder gewählt, die ungeeigneten Aufsichtsratsmitglieder hätten den Vorstand unzureichend ausgewählt und überwacht und dadurch ein rechtswidriges Verhalten des Vorstands erleichtert. Das den Aktionären im Rahmen dieser Argumentation vorwerfbare „Fehlverhalten“ wäre aber konstruiert und fernliegend. Noch ferner liegt ein vorwerfbares Verhalten der Aktionäre, wenn ordnungswidriges Verhalten nicht von einem Vorstandsmitglied, sondern von einem Mitarbeiter ausgeht. Denn für die Auswahl und Überwachung von Mitarbeitern sind nicht die Aktionäre zuständig, sondern die Vorstandsmitglieder. Auch für die Einrichtung eines geeigneten Kartell-Compliance-Managementsystems, die nach den Vorstellungen des Bußgeld-Gesetzgebers durch Unternehmensgeldbußen veranlasst werden soll,86 ist der Vorstand zuständig und nicht die Hauptversammlung. Es bleibt festzuhalten: Jedes Verhalten, das einen ernstzunehmenden Einfluss auf die Verhängung einer Unternehmensgeldbuße hat, geht entweder von Mitarbeitern oder Organmitgliedern der Aktiengesellschaft 85 Bayreuther, NZA 2015, 1239, 1241; vgl. auch Bayer/Scholz, GmbHR 2015, 449, 45; Kersting, ZIP 2016, 1266, 1268. 86 BT-Drucks. 18/12760, VI.
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aus, nicht aber von deren Aktionären. Das relevante Verhalten von Organmitgliedern und Mitarbeitern kann die Unternehmensgeldbuße aber nur beeinflussen, wenn wegen ihr im Rahmen der Organ- und Arbeitnehmerhaftung Regress bei Organmitgliedern und Mitarbeitern gesucht werden kann. Entsprechendes gilt auch für die GmbH. Zwar hat die GmbH nach dem 45 gesetzlichen Leitbild und außerhalb des Anwendungsbereichs der Mitbestimmungsgesetze keinen Aufsichtsrat, und die Auswahl und Überwachung der Geschäftsführer obliegen der Gesellschafterversammlung. Aber auch in der GmbH ist es gerade nicht Aufgabe der Gesellschafterversammlung, jede einzelne Handlung der Geschäftsführer zu überwachen. Vielmehr sind auch die Gesellschafter einer GmbH berechtigt, den Geschäftsführern im laufenden Geschäft weitgehend freie Hand zu lassen.87 Die Gesellschafter dürfen grundsätzlich darauf vertrauen, dass die Geschäftsführer ihrer Legalitätspflicht entsprechen und nicht gegen Bußgeldnormen verstoßen, nicht zuletzt weil den Geschäftsführern bei Legalitätspflichtverstößen die persönliche Haftung nach § 43 Abs. 1, 2 GmbHG droht.
(b) Unternehmensgeldbußen belasten Gesellschafter auch dann wirtschaftlich, wenn die Regressfähigkeit von Unternehmensgeldbußen zu bejahen ist Im Übrigen würde eine verhaltenssteuernde Funktion der Unterneh- 46 mensgeldbuße gegenüber den Gesellschaftern auch durch einen Bußgeldregress im Rahmen der Organ- und Arbeitnehmerhaftung nicht ausgeschlossen.88 Denn bei Kartellbußgeldern i.H.v. mehreren hundert Millionen Euro ist es praktisch ausgeschlossen, dass die Gesellschaft in voller Höhe des durch die Geldbuße entstandenen Schadens bei ihren Organmitgliedern Regress erlangen kann.89 Auch D&O-Versicherungen decken den durch eine Unternehmensgeld- 47 buße entstandenen Schaden jedenfalls nicht in voller Höhe ab. Denn üblicherweise ist die Haftung der D&O-Versicherung bei wissentlichem, 87 Vgl. nur Lenz in Michalski, 3. Aufl. 2017, § 37 GmbHG Rz. 18; Reuter, BB 2016, 1283, 1293. 88 Kersting, ZIP 2016, 1266, 1268; dagegen: Baur/Holle, ZIP 2018, 459, 465: „rechtstatsächliche Zufälligkeiten“. 89 Bayer/Scholz, GmbHR 2015, 449, 452 f.; Bayreuther, NZA 2015, 1239, 1242; Kersting, ZIP 2016, 1266, 1267; Binder/Kraayvanger, BB 2015, 1219, 1225.
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pflichtwidrigem Verhalten von Organmitgliedern ausgeschlossen und unabhängig davon auf eine Deckungssumme begrenzt.90 Zum Teil ist in den Versicherungsbedingungen eine Deckung für Bußgelder auch generell ausgeschlossen.91 Von einer Verlagerung der wirtschaftlichen Belastung durch Unternehmensgeldbußen auf die Versicherungswirtschaft, die bei Anerkennung eines Bußgeldregresses im Rahmen der Organhaftung vereinzelt befürchtet wurde,92 kann daher keine Rede sein. Im Übrigen bliebe eine Unternehmensgeldbuße für die Gesellschaft selbst dann wirtschaftlich spürbar, wenn eine D&O-Versicherung für den vollen Bußgeldbetrag haften würde. Denn in vielen Fällen müsste die Gesellschaft dann beim Abschluss eines neuen D&O-Versicherungsvertrags wegen des Schadensfalls höhere Versicherungsprämien zahlen.
(3) Exkurs: Rechtsprechung zur Verweigerung von Aufwendungsersatz bei Bußgeldern, die direkt gegen Arbeitnehmer verhängt werden 48
Das LAG Düsseldorf beruft sich für seine Ansicht, dass die verbandsexterne Verhaltenssteuerungsfunktion der Unternehmensgeldbuße einem Bußgeldregress entgegenstehe, auf die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung zum Aufwendungsersatz.93 Verschiedene LAG haben in der Vergangenheit entschieden, dass Arbeitnehmer, gegen die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit eine Geldbuße verhängt wurde, von ihrem Arbeitgeber keine Erstattung der Geldbuße im Rahmen des Aufwendungsersatzes analog § 670 BGB verlangen können.94 So wie Arbeitnehmer danach eine gegen sie verhängte Geldbuße nicht auf den Arbeitgeber abwälzen können, soll es nach dem LAG Düsseldorf auch einer juristischen Person versagt sein, eine gegen sie verhängte Unternehmensgeldbuße im Rahmen der Organhaftung auf Organmitglieder ab90 Bayreuther, NZA 2015, 1239, 1242; Kersting, ZIP 2016, 1266, 1267; Kredel/ Kresken, KSzW 2015, 276, 277; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 62 f. 91 Dazu näher Koch in Gedächtnisschrift Winter, 2011, S. 327, 331; Rust, ZWeR 2015, 299, 314; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 63 ff. 92 So etwa Thomas, NZG 2015, 1409, 1409; Lotze/Smolinski, NZKart 2015, 254, 256. 93 LAG Düsseldorf, Urt. v. 20.1.2015 – 16 Sa 459/14 Rz. 164, GmbHR 2015, 480. 94 LAG Köln, Urt. v. 29.2.2012 – 9 Sa 1464/11, juris; LAG Köln, Urt. v. 11.3.1993 – 5 Sa 1068/92, juris; LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 26.1.2010 – 3 Sa 497/09, juris; LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 30.3.2000 – 4 Sa 450/99, juris; LAG Hamm, Urt. v. 20.12.1991 – 18 Sa 506/91, juris.
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zuwälzen.95 Die Rechtsprechung zum Aufwendungsersatz spricht aber bei näherer Betrachtung nicht für, sondern gegen die Auffassung des LAG Düsseldorf zum Bußgeldregress.96 Denn der Arbeitnehmer, dem die Rechtsprechung Aufwendungsersatz wegen einer gegen ihn verhängten Geldbuße versagt, hat sich selbst ordnungswidrig verhalten. Umgekehrt ist die Ausgangslage beim Bußgeldregress wegen Unternehmensgeldbußen im Rahmen der Organ- oder Arbeitnehmerhaftung: Das ordnungswidrige Verhalten geht nicht von der juristischen Person aus, gegen die eine Unternehmensgeldbuße verhängt wird, sondern von den Organmitgliedern oder Arbeitnehmern, die in Regress genommen werden sollen.97
bb) Vorteilsabschöpfung Die Abschöpfung rechtswidrig erlangter, wirtschaftlicher Vorteile ist ne- 49 ben der verbandsexternen Verhaltenssteuerung Zweck der Verhängung von Unternehmensgeldbußen.98 Insbesondere Kartellverstöße führen in der Regel zu wirtschaftlichen Vorteilen für die juristischen Person. Die kartellrechtswidrigen Vorteile sollen durch die Unternehmensgeldbuße nach §§ 81 Abs. 3a, 4 Satz 2 GWB, 30 Abs. 3, 17 Abs. 4 OWiG abgeschöpft werden.99 Es liegt auf der Hand, dass der Zweck der Vorteilsabschöpfung vereitelt würde, wenn die juristische Person auch in Höhe der rechtswidrig durch einen Kartellverstoß erlangten Vorteile, die durch eine Unternehmensgeldbuße abgeschöpft wurden, im Rahmen der Organ- oder Arbeitnehmerhaftung Regress nehmen könnte.100 Soweit durch eine Unternehmensgeldbuße rechtswidrig erlangte Vorteile abgeschöpft werden sollen, 95 LAG Düsseldorf, Urt. v. 20.1.2015 – 16 Sa 459/14 Rz. 164, GmbHR 2015, 480. 96 Rust, ZWeR 2015, 299, 305; Bayreuther, NZA 2015, 1239, 1241 f. 97 Rust, ZWeR 2015, 299, 305; Bayreuther, NZA 2015, 1239, 1242; Kredel/Kresken, KSzW 2015, 276, 277. 98 Insoweit zutreffend LAG Düsseldorf, Urt. v. 20.1.2015 – 16 Sa 459/14, juris Rz. 169; Labusga, VersR 2017, 394, 399; Bayer/Scholz, GmbHR 2015, 449, 452. 99 Grundlegend bereits die Begründung zu § 19 OWiG (1967): BT-Drucks. V/1269, 59; vgl. auch Schöne/Petersen, AG 2012, 700, 703, dazu dass sich die Höhe kartellrechtlicher Unternehmensgeldbußen vor allem durch die Gewinnabschöpfungsfunktion erklärt. 100 LAG Düsseldorf, Urt. v. 20.1.2015 – 16 Sa 459/14 Rz. 169, GmbHR 2015, 480.
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muss daher ein Bußgeldregress zumindest im Ergebnis ausscheiden. Allerdings rechtfertigt es der Zweck der Vorteilsabschöpfung nicht, den Bußgeldregress insgesamt von vornherein auszuschließen.101 51
Denn zum einen soll sich die Unternehmensgeldbuße nach dem Gesetz gerade nicht auf eine Vorteilsabschöpfung beschränken, sondern durch eine in der Höhe über die rechtswidrig erlangten Vorteile hinausgehende Sanktion nach §§ 81 Abs. 5 Satz 1, 30 Abs. 3, 17 Abs. 4 OWiG auch verbandsexterne Verhaltensanreize setzen. Der Zweck der Vorteilsabschöpfung kann daher nur eine summenmäßige Einschränkung des Regressumfangs im Einzelfall, nicht aber einen kategorischen Ausschluss des Regresses wegen Unternehmensgeldbußen im Rahmen der Organ- und Arbeitnehmerhaftung rechtfertigen.
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Zum anderen kennt das allgemeine Schadensrecht mit den Grundsätzen des Vorteilsausgleichs geeignete normative Kriterien, um zu verhindern, dass der durch die Unternehmensgeldbuße geschädigten juristischen Person im Ergebnis auch rechtswidrig erlangte Vorteile erstattet werden.102 Ein Ausschluss der Regressfähigkeit von Unternehmensgeldbußen ist mit Blick auf den Zweck der Vorteilsabschöpfung daher nicht erforderlich.
c) Entgegenstehende Wertungen des Kartellrechts – insbesondere der Kronzeugenregelungen? 53
Auch spezifisch kartellrechtliche Wertungen könnten einen normativen Ausschluss des Bußgeldregresses wegen Unternehmensgeldbußen rechtfertigen. Das LAG Düsseldorf argumentiert, dass der Regress wegen kartellrechtlicher Unternehmensgeldbußen im Rahmen der Organ- und Arbeitnehmerhaftung auch wegen der Effektivität der kartellrechtlichen Kronzeugenregelungen ausgeschlossen sei.103 Wenn ein Bußgeldregress im Rahmen der Organ- und Arbeitnehmerhaftung den Zweck der kartellrechtlichen Kronzeugenregelungen vereiteln würde, könnte das eine 101 Kersting, ZIP 2016, 1266, 1268. 102 Bayer/Scholz, GmbHR 2015, 449, 450; Bayer in FS K. Schmidt, 2009, S. 85, 94 f.; Rust, ZWeR 2015, 299, 308; Bayreuther, NZA 2015, 1239, 1242; Wilsing in Krieger/Uwe H. Schneider, Handbuch Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, Rz. 31.35; Kersting, ZIP 2016, 1266, 1271; Kredel/Kresken, KSzW 2015, 276, 278; Fabisch, ZWeR 2013, 91, 106 ff.; Zimmermann, WM 2008, 433, 438 ff. 103 LAG Düsseldorf, Urt. v. 20.1.2015 – 16 Sa 459/14 Rz. 172, GmbHR 2015, 480.
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normative Begrenzung der Schadenskompensation im Rahmen des Bußgeldregresses rechtfertigen.104 Bei der Verhängung von kartellrechtlichen Geldbußen entspricht es stän- 54 diger Praxis der europäischen105 und deutschen Bußgeldbehörden,106 dass erhöhte Kooperationsbereitschaft von natürlichen Personen und Unternehmen, denen ein Kartellverstoß vorgeworfen wird, zu einer Reduktion oder sogar zu einem Ausschluss einer Geldbuße führen kann („Kronzeugenregelung“). Eine spürbare Reduktion oder einen Erlass der Geldbuße gewähren die Kartellbehörden aber unter weiteren Voraussetzungen grundsätzlich nur, wenn ein Unternehmen freiwillig umfassende Angaben zum Kartellverstoß macht und Beweismittel zu Verfügung stellt, bevor die Kartellbehörden eigenständig wesentliche Ermittlungen durchgeführt haben.107 Die Kronzeugenregelungen haben danach den Zweck, einen Kartellanten zur freiwilligen, frühzeitigen und umfassenden Kooperation anzureizen.108 Da die juristische Person selbst nicht handlungsfähig ist, kann eine juristische Person nur dann an einer Kronzeugenregelung teilnehmen, wenn ihre Organmitglieder und Mitarbeiter die erforderlichen Kooperationsmaßnahmen vornehmen. Im Innenverhältnis kann die juristische Person zur Inanspruchnahme einer Kronzeugenregelung daher auf Kooperation der Organmitglieder und Mitarbeiter angewiesen sein, die kartellrechtswidrig gehandelt haben.109 Auch wenn diese Personen das Unternehmen bereits verlassen haben, verfügen meist nur sie über ausreichende Informationen, um der juristischen Person die umfassende Kooperation mit den Kartellbehörden zu ermöglichen, die für die Inanspruchnahme der Kronzeugenregelungen erforderlich ist. 104 Auf die methodische Frage, ob der Zweck der Kronzeugenregelungen, die sich überwiegend auf ständige Verwaltungspraxis stützen, eine normative Einschränkung der gesetzlichen Regelungen zur Organ- und Arbeitnehmerhaftung rechtfertigen können, kann hier nicht näher eingegangen werden. 105 Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen vom 8.12.2006, ABl. EU Nr. C 298, 17, zuletzt geändert am 5.8.2015, ABl. EU Nr. C 256, 1. 106 Bekanntmachung des BKartA Nr. 9/2006 über den Erlass und die Reduktion von Geldbußen in Kartellsachen – Bonusregelung, vom 7.3.2006, BAnz. 2006, 1663. 107 Dreher, ZWeR 2009, 397, 417 f.; Burrichter in FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 191, 209. 108 Vgl. nur Dannecker/Müller in Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 4. Aufl. 2014, 18. Kapitel Rz. 224. 109 Konrads, ZWeR 2016, 429, 431 f.; Dreher, ZWeR 2009, 397, 418; Burrichter in FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 191, 208 f.
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55 Es liegt auf der Hand, dass (aktuelle und ehemalige) Organmitglieder und Mitarbeiter nur eine geringe Bereitschaft haben werden, an einem Kronzeugenantrag der juristischen Person mitzuwirken, wenn sie sich dadurch zugleich dem Risiko aussetzen, wegen einer trotz der versuchten Inanspruchnahme einer Kronzeugenregelung verhängten Unternehmensgeldbuße im Rahmen der Organ- oder Arbeitnehmerhaftung in Anspruch genommen zu werden.110 56
Ein Bußgeldregress beeinträchtigt danach die nicht zuletzt im öffentlichen Interesse gewünschte Effektivität von Kronzeugenprogrammen. Das spricht jedenfalls bei kartellrechtlichen Unternehmensgeldbußen dagegen, einen Bußgeldregress zuzulassen. Nicht abschließend beurteilt werden kann an dieser Stelle, ob die Effektivität von Kronzeugenprogrammen auch bei Annahme der Regressfähigkeit von Unternehmensgeldbußen dadurch gewährleistet werden kann, dass der Aufsichtsrat im Rahmen eines Amnestieprogramms darauf verzichtet, Schadensersatzansprüche gegen Organmitglieder geltend zu machen,111 die an einem Kronzeugenprogramm teilnehmen.112 Dagegen spricht, dass der Aufsichtsrat im Einzelfall entscheiden müsste, im Rahmen eines Amnestieprogramms auf die Durchsetzung von Haftungsansprüchen gegen Organmitglieder zu verzichten. Für Organmitglieder, die sich überlegen, an einem Kronzeugenantrag mitzuwirken, ist eine solche Entscheidungshoheit des Aufsichtsrats im Einzelfall mit erheblicher Rechtsunsicherheit verbunden. Wäre ein Bußgeldregress hingegen grundsätzlich ausgeschlossen, hätten Organmitglieder kein Risiko, sich selbst Haftungsansprüchen auszusetzen, wenn sie an einem Kronzeugenantrag mitwirken.
57 Umgekehrt überzeugt auch das Argument nicht, erst das Risiko einer persönlichen Inanspruchnahme durch einen Bußgeldregress im Rahmen der Organhaftung vermöge insbesondere ehemalige Organmitglieder überhaupt zu animieren, an einem Kronzeugenantrag mitzuwirken. Denn unabhängig von der Frage der Regressfähigkeit von Unternehmensgeldbu110 Rust, ZWeR 2015, 299, 314; Konrads, ZWeR 2016, 429, 432; Dreher, ZWeR 2009, 397, 418; Burrichter in FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 191, 208; Säcker, WuW 2009, 362, 371; Harbarth in Gedächtnisschrift Winter, 2011, S. 215, 222; Binder/Kraayvanger, BB 2015, 1219, 1228. 111 BGH, Urt. v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, NJW 1997, 1926, 1927 f. = AG 1997, 377; vgl. dazu auch Habersack in MünchKomm/AktG, 4. Aufl. 2014, § 111 AktG Rz. 34 ff.; Hüffer/Koch, 13. Aufl. 2018, § 111 AktG Rz. 7; Spindler in Spindler/Stilz, 3. Aufl. 2015, § 116 AktG Rz. 58 f. 112 So wohl Binder/Kraayvanger, BB 2015, 1219, 1228.
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ßen unterliegen auch ehemalige Organmitglieder nachwirkenden Treuepflichten,113 die sie u.a. dazu verpflichten können, an Kronzeugenprogrammen wegen kartellrechtswidrigen Verhaltens während ihrer Amtszeit auch nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt mitzuwirken. Verletzen ehemalige Organmitglieder ihre nachlaufenden Treuepflichten und entgeht der Gesellschaft dadurch eine mögliche Haftungsmilderung im Rahmen eines Kronzeugenprogramms, droht den Organmitgliedern erneut die persönliche Haftung nach § 93 Abs. 2 AktG. Gegen diese Haftung wegen unterbliebener Mitwirkung an einem Kronzeugenantrag könnten sich Organmitglieder voraussichtlich auch nicht mit Erfolg auf Zweifel an der Regressfähigkeit von Unternehmensgeldbußen berufen, da in dieser besonderen Konstellation neben den gesellschaftsrechtlichen auch die weitaus besseren kartellrechtlichen Gründe dafür sprechen, jedenfalls eine entgangene Minderung der Unternehmensgeldbuße als ersatzfähig anzusehen.
3. Zwischenergebnis Die Frage, ob eine Gesellschaft ihre Organmitglieder wegen einer Unternehmensgeldbuße in Regress nehmen kann, ist danach insbesondere bei kartellrechtlichen Unternehmensgeldbußen offen. Aus gesellschaftsrechtlicher Sicht sprechen zwar die wohl besseren Gründe dafür, einen Bußgeldregress nicht grundsätzlich auszuschließen. Dem stehen aber ernstzunehmende kartellrechtliche Wertungen entgegen.
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III. Beschränkungen des Regressumfangs Neben der Frage, ob ein Bußgeldregress wegen Unternehmensgeldbußen grundsätzlich ausgeschlossen ist, ist auch die Frage nicht abschließend geklärt, ob der Regressumfang zu beschränken ist.
113 Fleischer in Spindler/Stilz, 3. Aufl. 2015, § 93 AktG Rz. 158; Hopt/Roth in Großkomm/AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 AktG Rz. 273 f.; vgl. auch BGH, Urt. v. 28.2.2012 – II ZR 244/10, NZG 2012, 547, 548 = AG 2012, 371, wonach ein ausgeschiedenes Vorstandsmitglied (dort: Abwickler) verpflichtet sein kann, seinen Nachfolgern Hinweise zu dringenden Angelegenheiten zu erteilen, die aus seiner eigenen Amtszeit herrühren.
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1. Beschränkungen des Regressumfangs wegen wirtschaftlicher Überforderung? 60
In der Diskussion um die Regressfähigkeit von Unternehmensgeldbußen spielt das Argument eine große Rolle, dass der Regress wegen Unternehmensgeldbußen zu einer wirtschaftlichen Überforderung von Organmitgliedern und Mitarbeitern führen könnte.114 Gerade kartellrechtliche Unternehmensgeldbußen können mitunter einen beträchtlichen Umfang haben, weil nach Art. 23 Abs. 2 Wettbewerbsregeln-DVO und nach § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB Unternehmensgeldbußen bis zur Höhe von 10 % des Umsatzes verhängt werden können, den das Unternehmen im Geschäftsjahr vor Erlass des Bußgeldbescheids erzielt hat.
61 Überlegungen, einen Bußgeldregress auf die Höchstgrenze für Bußgelder gegen natürliche Personen i.H.v. einer Million Euro nach § 81 Abs. 4 Satz 1 GWB zu begrenzen,115 führen nicht weiter.116 Die Bußgeldhöchstgrenze nach § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB passt auf Unternehmensgeldbußen nach Art. 23 Abs. 2 Wettbewerbsregeln-DVO systematisch nicht.117 Zudem können auch sonstige Schäden, für die ein Organmitglied aufgrund von Pflichtverletzungen im Rahmen der Organhaftung grundsätzlich unbeschränkt in Anspruch genommen werden kann, bei Unternehmen sehr hohe Beträge ausmachen.118 Das Problem einer wirtschaftlichen Überforderung von Organmitgliedern und Mitarbeitern ist danach kein spezifisches Problem der Regressfähigkeit von Bußgeldern, sondern ein allgemeines Problem der Organ- und Arbeitnehmerhaftung, das an dieser Stelle nur skizziert werden kann:119
114 Goette, ZHR 176 (2012), 588, 603. 115 So etwa ArbG Essen, Urt. v. 19.12.2013 – 1 Ca 657/13, juris Rz. 139 f.; Fabisch, ZWeR 2013, 91, 111; Marsch-Barner, ZHR 173 (2009), 723, 730; hilfsweise dafür auch Dreher in FS Konzen, 2006, S. 85, 105. 116 Bayer/Scholz, GmbHR 2015, 449, 454; Bayer in FS K. Schmidt, 2009, S. 85, 96; Rust, ZWeR 2015, 299, 309 f.; Bayreuther, NZA 2015, 1239, 1242; Ackermann, NZKart 2018, 1, 2; Kersting, ZIP 2016, 1266, 1268; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 626. 117 Rust, ZWeR 2015, 299, 310; Kersting, ZIP 2016, 1266, 1270; Kredel/Kresken, KSzW 2015, 276, 278. 118 Bayer/Scholz, GmbHR 2015, 449, 454; Kersting, ZIP 2016, 1266, 1270. 119 Näher dazu Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2012, S. 296 ff.; Koch in Gedächtnisschrift Winter, 2011, S. 327, 336 ff.; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 77; Bayer in FS K. Schmidt, 2009, S. 85, 96 f.; Bayer/Scholz, GmbHR 2015, 449,
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1. Bei Arbeitnehmern kommen Grundsätze über die beschränkte Arbeitnehmerhaftung zur Anwendung, die von der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung entwickelt wurden.120 Wegen der organisatorischen Mitverantwortung des Arbeitgebers analog § 254 BGB haftet der Arbeitnehmer in Abhängigkeit vom Grad seines Verschuldens nur anteilig: Bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer vollumfänglich. Bei leichtester Fahrlässigkeit ist eine Haftung des Arbeitsnehmers ausgeschlossen. Zwischen diesen beiden Extremen muss die Haftungsquote des Arbeitnehmers im Einzelfall bestimmt werden, wobei auch die begrenzte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers berücksichtigt werden kann.121 2. Für Organmitglieder hat die obergerichtliche Rechtsprechung eine Übertragung der arbeitsrechtlichen Grundsätze über die beschränkte Arbeitnehmerhaftung stets abgelehnt.122 Denn Organmitglieder seien anders als Arbeitnehmer grundsätzlich nicht weisungsgebunden. Das Schrifttum versucht in jüngerer Zeit aber verstärkt, eine vergleichbare Haftungsbeschränkung für Organmitglieder über die Treue- und Fürsorgepflichten der juristischen Person gegenüber ihren Organmitgliedern zu begründen.123 Zur methodischen Tragfähigkeit dieser Überlegungen kann an dieser Stelle nicht näher Stellung genommen werden.124 Klare Kriterien für die Reichweite der Treue- und Fürsorgepflichten der Gesellschaft gegenüber ihren Organmitgliedern hat zumindest die Rechtsprechung bislang noch nicht herausgearbeitet.
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455 f.; Rust, ZWeR 2015, 299, 310 ff.; ablehnend Krieger/Sailer-Coceani in K. Schmidt/Lutter, 3. Aufl. 2015, § 93 AktG Rz. 39. Bayreuther, NZA 2015, 1239, 1242; Fabisch, ZWeR 2013, 91, 117. Vgl. nur BAG, Urt. v. 18.1.2007 – 8 AZR 250/06, NZA 2007, 1230, 1235. BGH, Urt. v. 27.2.1975 – II ZR 112/72, VersR 1975, 612; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.6.1995 – 6 U 104/94, AG 1995, 416, 420 = GmbHR 1995, 662; dazu auch Wilsing in Krieger/Uwe H. Schneider, Handbuch Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, Rz. 31.37; Hoffmann, NJW 2012, 1393, 1397. Koch in Gedächtnisschrift Winter, 2011, S. 327, 338 ff.; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 636 ff.; Bayer in FS K. Schmidt, 2009, S. 85, 97; Rust, ZWeR 2015, 299, 310 ff.; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2012, S. 302 ff.; Fleischer, DB 2014, 345, 349; Spindler in MünchKomm/AktG, 4. Aufl. 2014, § 93 AktG Rz. 172; nur für die Geschäftsführer einer GmbH: Bayer/Scholz, GmbHR 2015, 449, 45 f.; vgl. aus rechtspolitischer Perspektive auch die Erörterungen des 70. Deutschen Juristentags in Hannover, 2014, Beschlüsse S. 17. Kritisch z.B. Kersting, ZIP 2016, 1266, 1269 f.; Schöne/Petersen, AG 2012, 700, 701 ff.; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 76 ff.; Binder/Kraayvanger, BB 2015, 1219, 1228.
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Arnold – Organhaftung für Unternehmensgeldbußen
Es wird abzuwarten sein, wie sich die Rechtsprechung in Zukunft zu einer Haftungsbeschränkung aufgrund der Treue- und Fürsorgepflichten verhalten wird. In der Praxis ist jedenfalls bei den Eingangsgerichten zunehmend eine Tendenz zu beobachten, die einer Haftungsbeschränkung für Organmitglieder aufgeschlossener gegenüber steht.125 3. Spezifisch im Zusammenhang mit der Regressfähigkeit von kartellrechtlichen Unternehmensgeldbußen ist auf drei Punkte hinzuweisen, die in der Diskussion um Erforderlichkeit einer Beschränkung des Haftungsumfangs eine wesentliche Rolle spielen, aber häufig nicht ausreichend differenziert betrachtet werden: a) Gelegentlich wird behauptet, dass sich Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer bei Kartellverstößen regelmäßig nicht auf die Business Judgment Rule nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG berufen könnten, die in anderen Fällen die gesetzliche Grundlage für eine sachgerechte Eingrenzung der Organhaftung ist.126 Diese Behauptung trifft nur zum Teil zu. Denn tatsächlich ist Organmitgliedern eine Berufung auf die Business Judgment Rule versagt, soweit sie gegen ihre Legalitätspflicht verstoßen haben.127 Gegen ihre Legalitätspflichten verstoßen Organmitglieder bei Kartellverstößen aber nur, wenn sie selbst an einer Kartellabsprache mitwirken oder Mitarbeiter direkt zu einer Kartellabsprache anweisen. Häufig ist Organmitgliedern hinsichtlich Kartellabsprachen aber nur vorzuwerfen, dass sie Mitarbeiter nicht ausreichend überwacht und keine ausreichenden präventiven Maßnahmen ergriffen haben, um kartellrechtswidriges Verhalten zu verhindern (Verstoß gegen die Legalitätskontrollpflicht). Stehen Verstöße gegen die Legalitätskontrollpflicht in Rede, kann sich ein Organmitglied aber grundsätzlich auf die Business Judgment Rule berufen.128 b) Häufig wird zudem behauptet, dass die Überlegungen zu Haftungsbeschränkungen für Organmitglieder bei kartellrechtlichen 125 Vgl. z.B. ArbG Essen, Urt. v. 19.12.2013 – 1 Ca 657/13, juris Rz. 139 f.; ähnlich ein unveröffentlichter Hinweisbeschluss des LG Saarbrücken v. 11.6.2018 – 7 HK O 6/16, in einem anderen laufenden Organhaftungsverfahren, der eine Haftungsbeschränkung nach dem Grad des Verschuldens andeutet. 126 Wilsing in Krieger/Uwe H. Schneider, Handbuch Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, Rz. 31.23; Koch in Gedächtnisschrift Winter, 2011, S. 327, 344. 127 Spindler in MünchKomm/AktG, 4. Aufl. 2014, § 93 AktG Rz. 75. 128 Hopt/Roth in Großkomm/AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 AktG Rz. 77.
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Arnold – Organhaftung für Unternehmensgeldbußen
Unternehmensgeldbußen im Ergebnis leerliefen.129 Denn nach dem Vorbild der arbeitsrechtlichen Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung sei auch für Organmitglieder eine Haftungsbeschränkung bei vorsätzlichem Verhalten ausgeschlossen. Jedenfalls wenn ein Organmitglied selbst an einer Kartellabsprache beteiligt sei,130 handle es aber stets vorsätzlich und könne daher nicht von einer Haftungsbeschränkung profitieren.131 Diese Behauptung führt in die Irre. Richtig ist zwar, dass sich ein Organmitglied grundsätzlich nur bewusst an einer Kartellabsprache beteiligen kann. Neben dem Bewusstsein für die Teilnahme an einer Absprache gehört zum zivilrechtlichen Vorsatz aber auch das Bewusstsein, gegen geltendes (Kartell-)Recht zu verstoßen.132 Gerade im Kartellrecht, das eine relativ geringe Regelungsdichte aufweist und dessen Ergebnisse für den Rechtsanwender daher oft schwer vorhersehbar sind,133 kann einem Organmitglied in vielen Fällen leicht ein Rechtsirrtum unterlaufen.134 Ist der Rechtsirrtum nach den Grundsätzen der ISION-Rechtsprechung des BGH unvermeidbar, ist eine Haftung des Organmitglieds ausgeschlossen.135 War der Rechtsirrtum hingegen vermeidbar, ist die Haftung des Organmitglieds zwar nicht ausgeschlossen, dem Organmitglied aber nur fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen.136 In diesen praktisch häufigen Fällen stellt sich die Frage einer Beschränkung des Haftungsumfangs. c) Der überwiegende Teil des Umfangs einer Unternehmensgeldbuße dient in der Regel dazu, Vorteile abzuschöpfen, die die Gesellschaft aus dem rechtswidrigen Verhalten ihrer Arbeitnehmer oder 129 Fabisch, ZWeR 2013, 91, 110; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 71. 130 Verletzt ein Organmitglied lediglich seine Überwachungspflichten, ist ihm in aller Regel nur Fahrlässigkeit vorzuwerfen: Thomas, NZG 2015, 1409, 1417; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 45, 51 f., 75. 131 Bayreuther, NZA 2015, 1239, 1242; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 71. 132 Vgl. nur BGH, Urt. v. 27.3.1995 – II ZR30/94, NJW 1995, 1960, 1961; dazu näher Grundmann in MünchKomm/BGB, 7. Aufl. 2016, § 276 BGB Rz. 158 ff. 133 Insoweit zutreffend Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 45 f. 134 Thomas, NZG 2015, 1409, 1418. 135 BGH, Urt. v. 20.9.2011 – II ZR 234/09, NZG 2011, 1271, 1273 = AG 2011, 876. 136 Vgl. zum vermeidbaren Rechtsirrtum: Stadler in Jauernig, 17. Aufl. 2018, § 276 BGB Rz. 21; Schulze in Schulze, 9. Aufl. 2017, § 276 BGB Rz. 7; Wagner in MünchKomm/BGB, 7. Aufl. 2017, § 823 BGB Rz. 49; Spindler in MünchKomm/AktG, 4. Aufl. 2014, § 93 AktG Rz. 178.
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Arnold – Organhaftung für Unternehmensgeldbußen
Organmitglieder erlangt hat. Rechtswidrig erlangte Vorteile sind aber grundsätzlichim Rahmen des schadensrechtlichen Vorteilsausgleichs haftungsmindernd zu berücksichtigen. Bereits die Durchführung des Vorteilsausgleichs kann daher im Einzelfall dazu führen, dass der Umfang eines Bußgeldregresses wegen Unternehmensgeldbußen auf einen Umfang beschränkt ist, der nicht zu einer wirtschaftlichen Überforderung von Organmitgliedern führt.
2. Beschränkung des Regressumfangs durch Vorteilsausgleich 62
Bei der Bestimmung des Regressumfangs ist ein Vorteilsausgleich vorzunehmen.137 Grundlage des Vorteilsausgleichs ist eine normative Erwägung. Der Geschädigte darf durch den Schadensersatzanspruch nicht unbillig entlastet, der Schädiger nicht unbillig belastet werden.138 Übertragen auf den Bußgeldregress wegen Unternehmensgeldbußen bedeutet das: Die Gesellschaft darf keinen Ersatz für rechtswidrig erlangte Vorteile erhalten, die durch eine Unternehmensgeldbuße abgeschöpft werden sollten. Als Grundsatz lässt sich daher festhalten, dass nach den anerkannten Regeln des Vorteilsausgleichs wegen Unternehmensgeldbußen insoweit kein Regress bei Organmitgliedern genommen werden kann, als eine Geldbuße nur rechtswidrig erlangte Vorteile abschöpft. Rechtswidrig erlangte Vorteile muss sich die Gesellschaft vielmehr auf ihren Schadensersatzanspruch anrechnen lassen.
63 Teilweise wird in Höhe der durch eine Geldbuße abgeschöpften Vorteile bereits ein Schaden der Gesellschaft verneint: Ohne das rechtswidrige Verhalten hätte die Gesellschaft keine Vorteile erlangt. Die Abschöpfung rechtswidrig erlangter Vorteile sei daher im Rahmen der Differenzhypothese kein Schaden, sondern stelle gerade die Situation her, die ohne Pflichtverletzung bestünde.139 Kerngedanke dieser Argumentation ist eine schadensrechtliche Vorabsaldierung rechtswidrig erlangter und durch eine Geldbuße wieder abgeschöpfter Vorteile. Diese Vorabsaldierung würde jedoch voraussetzen, dass sich der vorteilsabschöpfende Teil einer Unternehmensgeldbuße eindeutig bestimmen und zuordnen lässt. Das ist 137 Vgl. Rz. 49 ff. 138 BGH v. 28.6.2011 – KZR 75/10, NJW 2012, 928, 933 Rz. 59; BGH v. 28.6.2007 – VII ZR 81/06, BGHZ 173, 83 = NJW 2007, 2695 Rz. 18; BGH v. 24.3.1959 – VI ZR 90/58, NJW 1959, 1078, 1079. 139 So etwa Thole, ZHR 173 (2009), 504, 528; Ekkenga/Kuntz in Soergel, 13. Aufl. 2014, Vor § 249 BGB Rz. 325.
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aber nicht der Fall.140 Denn zum einen weisen die Bußgeldbehörden separate Ahndungs- und Abschöpfungsanteile in der Praxis nicht immer, im Kartellrecht sogar regelmäßig nicht aus, und zum anderen muss der ausgewiesene, behördlich geschätzte Abschöpfungsanteil mit den real entstandenen Vorteilen nicht übereinstimmen.141 Die tatsächlichen, rechtswidrig erlangten Vorteile können im Einzelfall ebenso über einen behördlich ausgewiesenen Abschöpfungsanteil hinausgehen, wie sie hinter ihm zurückbleiben können. Aus denselben Gründen können auch die im Rahmen des Vorteilsaus- 64 gleichs anzurechnenden Vorteile nicht allein nach der Festsetzung separater Ahndungs- und Abschöpfungsanteile durch die Kartellbehörden bestimmt werden.142 Im Rahmen des zivilrechtlichen Bußgeldregresses muss der tatsächliche und nicht nur der behördlich geschätzte Vorteil in Abzug gebracht werden, der der juristischen Person aufgrund des rechtswidrigen Verhaltens von Organmitgliedern und Mitarbeitern zugeflossen ist.143 Der von den Bußgeldbehörden ausgewiesene Abschöpfungsanteil kann nur eine Vermutung für die Höhe des Vorteils begründen, der der juristischen Person aufgrund des rechtswidrigen Verhaltens von Organmitgliedern und Mitarbeitern tatsächlich zugeflossen ist. Maßgeblich ist der nach dem sog. Nettoprinzip ermittelte, tatsächlich erlangte Vorteil, der auch durch den Abschöpfungsanteil der Unternehmensgeldbuße abgeschöpft werden soll.144 Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die von der Gesellschaft zunächst rechtswidrig erlangten Vorteile durch Schadensersatzansprüche Dritter und Rechtsverteidigungskosten bereits wieder teilweise aufgezehrt sein können. Soweit die Vorteile wieder aufgezehrt sind, können sie einen Organhaftungsanspruch nicht im Rahmen des Vorteilsausgleichs mindern. Praktisch bedeutsam ist bei Anwendung der Grundsätze des Vorteilsausgleichs allerdings, dass nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen die Beweislast für die rechtswidrig erlangten Vorteile bei dem im Rahmen der Organ- oder Arbeitnehmerhaftung in Regress genommenen 140 Zutreffend Kersting, ZIP 2016, 1266, 1272. 141 Wilsing in Krieger/Uwe H. Schneider, Handbuch Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, Rz. 31.35; Kersting, ZIP 2016, 1266, 1272 f.; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 58; Binder/Kraayvanger, BB 2015, 1219, 1219. 142 So aber wohl Hüffer/Koch, 13. Aufl. 2018, § 93 AktG Rz. 48; Schöne/Petersen, AG 2012, 700, 703. 143 Dazu näher: Kersting, ZIP 2016, 1266, 1273 f. 144 BGH, Beschl. v. 8.12.2016 – 5 StR 424/15, juris.
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Organmitglied oder Arbeitnehmer liegt.145 Kartellvorteile sind jedoch überaus schwer nachzuweisen.146 Daher wird in der Literatur erwogen, den von einer Gesellschaft wegen einer Unternehmensgeldbuße in Anspruch genommenen Organmitgliedern und Mitarbeitern Beweiserleichterungen zugutekommen zu lassen.147 Prozessrechtlich sind Beweiserleichterungen für die in Regress genommenen Arbeitnehmer und Organmitglieder zweifelhaft. Denn für die Gesellschaft ist der Beweis, dass sie keine Kartellvorteile erlangt hat, ebenfalls mit großen Schwierigkeiten verbunden. Für diese Beweisschwierigkeiten sind die Arbeitnehmer und Organmitglieder verantwortlich, die sich pflichtwidrig verhalten haben. Es ist daher nicht überzeugend, den Arbeitnehmern und Organmitgliedern Beweiserleichterungen zu Lasten der Gesellschaft zukommen zu lassen.
IV. Zwischenergebnis 66
Die Frage, ob eine Gesellschaft ihre Organmitglieder wegen einer Unternehmensgeldbuße in Regress nehmen kann, ist danach insbesondere bei kartellrechtlichen Unternehmensgeldbußen offen. Aus gesellschaftsrechtlicher Sicht sprechen zwar die wohl besseren Gründe dafür, einen Bußgeldregress nicht grundsätzlich auszuschließen. Dem stehen aber ernstzunehmende kartellrechtliche Wertungen entgegen. Den kartellrechtlichen Wertungen könnte in der Rechtspraxis sogar eine besonders große Bedeutung zukommen. Denn nach der Rechtsprechung des BAG im Schienenkartellverfahren werden die Kartellgerichte, letztlich der Kartellsenat des BGH, die Frage zu entscheiden haben, ob kartellrechtliche Unternehmensgeldbußen im Rahmen der Organhaftung regressfähig sind.
145 LAG Düsseldorf, Urt. v. 20.1.2015 – 16 Sa 459/14 Rz. 169, GmbHR 2015, 480; Bayreuther, NZA 2015, 1239, 1242; Wilsing in Krieger/Uwe H. Schneider, Handbuch Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, Rz. 31.35; Kersting, ZIP 2016, 1266, 1273; Baur/Holle, ZIP 2018, 459, 465; Lotze/Smolinski, NZKart 2015, 254, 257; Koch in Gedächtnisschrift Winter, 2011, S. 327, 331. 146 Vgl. im Einzelnen Thomas, NZG 2015, 1409, 1415; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 58. 147 Bayreuther, NZA 2015, 1239, 1242; Kersting, ZIP 2016, 1266, 1274; Hauger/ Palzer, ZGR 2015, 33, 58.
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F. Entscheidungsperspektive des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft und der Gesellschafterversammlung einer GmbH bei möglicher Organhaftung wegen Unternehmensgeldbußen Bis zu einer Entscheidung der Frage der Regressfähigkeit von Unternehmensgeldbußen durch den Kartellsenat des BGH besteht danach erhebliche Rechtsunsicherheit. Für eine Gesellschaft, gegen die eine Unternehmensgeldbuße wegen eines ordnungswidrigen Verhaltens eines Organmitglieds oder Mitarbeiters verhängt worden ist, stellt sich die Frage, wie mit dieser Rechtsunsicherheit umzugehen ist.
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I. Entscheidung des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft Der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft hat nach § 112 AktG über die 68 Geltendmachung von Organhaftungsansprüchen gegenüber (ehemaligen) Vorstandsmitgliedern wegen einer Unternehmensgeldbuße zu entscheiden. Nach der Rechtsprechung des BGH in der Sache ARAG/Garmenbeck muss der Aufsichtsrat eigenverantwortlich über die Durchsetzung von Organhaftungsansprüchen entscheiden und dabei grundsätzlich eine zweistufige Prüfung durchlaufen.148 Bei einer sorgfaltswidrigen Entscheidung droht den Aufsichtsratsmitgliedern die persönliche Haftung. Nach der jüngsten Rechtsprechung des BGH beginnt die gem. § 93 Abs. 6 AktG fünf- bzw. zehnjährige Verjährungsfrist für Haftungsansprüche gegen Aufsichtsratsmitglieder, die sorgfaltswidrig erfolgsversprechende Ansprüche gegen Vorstandsmitglieder verjähren lassen, erst mit der Verjährung der Ansprüche gegen Vorstandsmitglieder.149 Das daraus resultierende, jahrelange Haftungsrisiko sollte Aufsichtsratsmitglieder zu besonderes sorgfältiger Entscheidung veranlassen. Mit Blick auf § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG entbindet auch eine Entscheidung der Hauptversammlung den Aufsichtsrat grundsätzlich nicht von seiner Pflicht, über die Durchsetzung von Organhaftungsansprüchen auf den beiden Stufen sorgfältig zu entscheiden.
148 BGH, Urt. v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, NJW 1997, 1926, 1927 f. = AG 1997, 377; BGH, Urt. v. 18.9.2018 – II ZR 152/17 Rz. 31, AG 2018, 893; vgl. dazu auch Habersack in MünchKomm/AktG, 4. Aufl. 2014, § 111 AktG Rz. 34 ff.; Hüffer/Koch, 13. Aufl. 2018, § 111 AktG Rz. 7; Spindler in Spindler/Stilz, 3. Aufl. 2015, § 116 AktG Rz. 58 f. 149 BGH, Urt. v. 18.9.2018 – II ZR 152/17 Rz. 31, AG 2018, 893.
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–
Auf der ersten Stufe hat der Aufsichtsrat zu prüfen, ob Organhaftungsansprüche wegen einer gegen die Gesellschaft verhängten Unternehmensgeldbuße bestehen. Dazu muss der Aufsichtsrat den Sachverhalt sorgfältig aufklären. Er muss prüfen, ob Vorstandsmitglieder ihre Pflichten verletzt haben und ob diese Pflichtverletzungen für die Verhängung der Unternehmensgeldbuße kausal geworden sind.150 Dabei hat der Aufsichtsrat auch eine Prozessrisikoanalyse durchzuführen.151 Umstrittene Rechtsfragen hat der Aufsichtsrat grundsätzlich eigenverantwortlich zu bewerten. Zu diesem Zweck muss er gegebenenfalls qualifizierten Rechtsrat einholen. Das gilt auch für die Rechtsfrage, ob ein Bußgeldregress wegen Unternehmensgeldbußen im Rahmen der Organhaftung zulässig ist. Es ist davon auszugehen, dass auch bei Einholung qualifizierter Beratung in der Frage der Regressfähigkeit von Unternehmensgeldbußen Unsicherheiten verbleiben werden.152 Vor diesem Hintergrund wird der Aufsichtsrat in jedem Einzelfall sorgfältig zu prüfen haben, wie hoch er die Wahrscheinlichkeit einschätzt, dass sich der Kartellrechtssenat des BGH für bzw. gegen die Regressfähigkeit von Kartellgeldbußen ausspricht. Zudem muss der Aufsichtsrat prüfen, ob neben dem Risiko, dass sich der Kartellrechtssenat des BGH gegen die Regressfähigkeit entscheiden könnte, weitere Prozessrisiken bestehen und diese Prozessrisiken abwägen. Unter Berücksichtigung weiterer bedeutender Prozessrisiken kann der Aufsichtsrat im Einzelfall zu dem Ergebnis gelangen, dass ein Organhaftungsanspruch wegen einer kartellrechtlichen Unternehmensgeldbuße nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gegeben und durchsetzbar ist.153 Andere bedeutende Prozessrisiken, die der Aufsichtsrat dabei zu berücksichtigen hat, sind insbesondere Risiken bei der Bestimmung der Pflichtverletzung, der Kausalität und der Verjährung, ganz besonders aber auch Risiken bei der Bemessung des Schadens. Insbesondere kann zweifelhaft sein, ob ein Organhaftungs-
150 Vgl. BGH, Urt. v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, NJW 1997, 1926, 1927 f. = AG 1997, 377. 151 BGH, Urt. v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, NJW 1997, 1926, 1927 = AG 1997, 377; Habersack in MünchKomm/AktG, 4. Aufl. 2014, § 111 AktG Rz. 34; Hambloch-Gesinn/Gesinn in Hölters, 3. Aufl. 2017, § 116 AktG Rz. 38; Spindler in Spindler/Stilz, 3. Aufl. 2015, § 116 AktG Rz. 58. 152 Baur/Holle, ZIP 2018, 459, 466. 153 Vgl. Kredel/Kresken, KSzW 2015, 276, 280; Reuter, BB 2016, 1283, 1287; Baur/Holle, ZIP 2018, 459, 466.
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anspruch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit besteht und durchsetzbar ist, wenn die Gesellschaft aus dem Rechtsverstoß erhebliche Vorteile ziehen konnte. Denn diese Vorteile könnten im Rahmen des Vorteilsausgleichs dazu führen, dass kein Anspruch besteht. In anderen Fällen kann der Aufsichtsrat hingegen zu dem Ergebnis kommen, dass ein Organhaftungsanspruch wegen einer Unternehmensgeldbuße mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gegeben und durchsetzbar ist. –
Auf der zweiten Stufe hat der Aufsichtsrat zu prüfen, ob gewichtige Gründe des Gesellschaftswohls, beispielsweise nachteilige Wechselwirkungen mit anderen Rechtsstreitigkeiten, ausnahmsweise das Interesse der Gesellschaft an einer Durchsetzung von Organhaftungsansprüchen wegen einer gegen die Gesellschaft verhängten Unternehmensgeldbuße überwiegen.154 Im Rahmen der Abwägung und im Zusammenspiel mit gewichtigen Gründen des Gesellschaftswohls kann die bestehende Rechtsunsicherheit in der Frage der Regressfähigkeit von Unternehmensgeldbußen eine Entscheidung des Aufsichtsrats rechtfertigen, von einer Durchsetzung möglicher Organhaftungsansprüche gegen Vorstandsmitglieder wegen einer gegen die Gesellschaft verhängten Unternehmensgeldbuße abzusehen.155 Angesichts der bereits auf der ersten Stufe bestehenden Rechtsunsicherheit dürfte der Aufsichtsrat auf der zweiten Stufe eine geringere Argumentationslast haben, aus gewichtigen Gründen des Gesellschaftswohls von einer Anspruchsdurchsetzung abzusehen.
II. Entscheidung der Gesellschafterversammlung einer GmbH Die Gesellschafterversammlung einer GmbH hat einen wesentlich grö- 69 ßeren Entscheidungsspielraum. Die Gesellschafterversammlung ist nach § 46 Nr. 8 GmbHG zuständig zu entscheiden, ob Geschäftsführer wegen einer gegen die Gesellschaft verhängten Unternehmensgeldbuße in Regress genommen werden sollen, soweit nicht die GmbH einen Aufsichtsrat hat und diesem Aufsichtsrat die Zuständigkeit für die Entscheidung über das Vorgehen gegen die Geschäftsführer zugewiesen ist. Dabei kann sich die Gesellschafterversammlung am erwarteten Prozessrisiko orien154 Vgl. BGH, Urt. v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, NJW 1997, 1926, 1928 = AG 1997, 377; BGH, Urt. v. 18.9.2018 – II ZR 152/17, Rz. 31, AG 2018, 893. 155 Baur/Holle, ZIP 2018, 459, 466, 467.
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tieren. Sie kann aber, selbst wenn sie das Prozessrisiko als überschaubar einordnet, aus anderen Gründen von einer Anspruchsdurchsetzung absehen, soweit sie keine evident unsachliche und daher treuwidrige Entscheidung trifft. Für die Folgen ihrer Entscheidung über die Durchsetzung möglicher Organhaftungsansprüche haften die Gesellschafter einer GmbH grundsätzlich nicht persönlich.156
G. Rechtsweg und Zuständigkeit für Regressklagen 70
Durch den Schienenkartellfall ist auch die Frage nach Rechtsweg und Zuständigkeit für Regressklagen aufgeworfen.
I. Allgemeines 71
Grundsätzlich ist für Organhaftungsklagen der ordentliche Rechtsweg eröffnet.157 In der Regel sind nach dem Streitwert der Organhaftungsklage in der Praxis die Landgerichte sachlich zuständig.
72
Ausnahmsweise kann jedoch für eine Haftungsklage gegen Organmitglieder der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet sein. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist eröffnet, wenn das Organmitglied einer Tochtergesellschaft gleichzeitig Arbeitnehmer der Muttergesellschaft ist und die Muttergesellschaft das Organmitglied verklagt.158 Klagt neben der Muttergesellschaft auch die Tochtergesellschaft gegen ihr Organmitglied, ist für die streitgenossenschaftlich erhobene Klage nach § 2 Abs. 3 ArbGG ebenfalls der Arbeitsrechtsweg eröffnet. Außerdem ist nach § 2 Abs. 3 ArbGG der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet, wenn sich eine Haftungsklage zugleich gegen Organmitglieder und Arbeitnehmer einer Gesellschaft richtet.
73 Bei Organhaftungsklagen im Zusammenhang mit kartellrechtlichen Fragen gilt Abweichendes: § 87 Satz 2 GWB begründet sowohl den ordentli-
156 Baur/Holle, ZIP 2018, 459, 470: Grenze ist lediglich das Verbot der vorsätzlichen, sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB. 157 Fleischer in Spindler/Stilz, 3. Aufl. 2015, § 93 AktG Rz. 306; Hopt/Roth in Großkomm/AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 AktG Rz. 602; Spindler in MünchKomm/AktG, 4. Aufl. 2014, § 93 AktG Rz. 337. 158 OLG Frankfurt, Urt. v. 5.6.1997 – 5 W 4/97, AG 1997, 521 = BB 1997, 2341; Müller-Glöge in Germelmann (u.a.), 9. Aufl. 2017, § 5 ArbGG Rz. 48; Hueck, ZfA 1985, 25, 36.
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chen Rechtsweg159 als auch eine ausschließliche Zuständigkeit der Landgerichte für Rechtsstreite, deren Entscheidung von einer kartellrechtlichen Vorfrage abhängt. Zusätzlich haben die meisten Länder von der Verordnungsermächtigung des § 89 Abs. 1 Satz 1 GWB Gebrauch gemacht und die Zuständigkeit für Rechtsstreitigkeiten mit kartellrechtlicher Vorfrage bestimmten „Kartell-Landgerichten“ zugewiesen.160
II. Kartellrechtliche Vorfrage Nach einhelliger Auffassung liegt eine kartellrechtliche Vorfrage i.S.v. 74 § 87 Satz 2 GWB vor, wenn kartellrechtliche Vorschriften inzident geprüft werden müssen, um einen ansonsten nichtkartellrechtlichen Rechtsstreit entscheiden zu können.161 In der Literatur wird vereinzelt bezweifelt, dass die Frage der Regressfähigkeit von Unternehmensgeldbußen nach § 81 Abs. 3a, 4 GWB als kartellrechtliche Vorfrage zu qualifizieren ist.162 Denn die Frage der Regressfähigkeit von Unternehmensgeldbußen stelle sich beispielsweise auch dann, wenn eine Verbandsgeldbuße außerhalb des Kartellrechts nach § 30 OWiG gegen ein Unternehmen verhängt wird. Auf kartellrechtliche Erwägungen komme es dann nicht an.163 Das BAG qualifizierte die Frage der Regressfähigkeit von kartellrechtlichen Unternehmensgeldbußen nach § 81 Abs. 3a, 4 GWB dagegen ausdrücklich als kartellrechtliche Vorfrage.164 Denn um die Frage der Regressfähigkeit von Unternehmensgeldbußen beantworten zu können, sei die Auslegung und Anwendung kartellrechtlicher Bestimmungen erforderlich.165
159 BAG, Urt. v. 29.6.2017 – 8 AZR 189/15, NJW 2018, 184, 185 Rz. 21 m.w.N. = AG 2018, 108. 160 Vgl. zu den einzelnen Regelungen der Länder und zu den Ausnahmen Dicks in Loewenheim (u.a.), 3. Aufl. 2016, § 89 GWB Rz. 2 f.; K. Schmidt in Immenga/Mestmäcker, 5. Aufl. 2014, § 89 GWB Rz. 2. 161 BAG, Urt. v. 29.6.2017 – 8 AZR 189/15, NJW 2018, 184, 185 Rz. 18 = AG 2018, 108; LAG Düsseldorf, Beschl. v. 29.1.2018 – 14 Sa 591/17, juris Rz. 170; Dicks in Loewenheim (u.a.), 3. Aufl. 2016, § 87 GWB Rz. 3; K. Schmidt in Immenga/Mestmäcker, 5. Aufl. 2014, § 87 GWB Rz. 25. 162 Lotze/Heyers, NZKart 2018, 29 ff.; kritisch auch Ackermann, NZKart 2018, 1, 1; Baur/Holle, ZIP 2018, 459, 462. 163 Lotze/Heyers, NZKart 2018, 29, 30 f. 164 BAG, Urt. v. 29.6.2017 – 8 AZR 189/15, NJW 2018, 184, 187 Rz. 36 = AG 2018, 108; zustimmend Bunte, NJW 2018, 123, 124. 165 BAG, Urt. v. 29.6.2017 – 8 AZR 189/15, NJW 2018, 184, 185 Rz. 18 = AG 2018, 108.
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75 Sinn und Zweck der Regelungen in § 87 Satz 2 GWB und in § 89 GWB ist, Qualität und Einheitlichkeit der Rechtsprechung in Kartellsachen sicherzustellen.166 Nach der Rechtsprechung des BAG ist die Sicherstellung einer einheitlichen Rechtsprechung in Kartellsachen jedoch nicht notwendig, wenn sich eine kartellrechtliche Vorfrage zweifelsfrei beantworten lässt, insbesondere wenn eine kartellrechtliche Vorfrage bereits höchstrichterlich geklärt wurde.167 Lässt sich eine kartellrechtliche Vorfrage zweifelsfrei beantworten, bleiben die Nicht-Kartell-Gerichte ausnahmsweise zuständig, den Rechtsstreit zu entscheiden.168
III. Konsequenzen für verschiedene Fallgruppen von Regressklagen wegen kartellrechtlicher Unternehmensgeldbußen 76
Daraus ergeben sich prozessuale Konsequenzen:
1. Regressklage bereits bei einem Nicht-Kartell-LG erhoben 77
Ist eine Regressklage wegen einer kartellrechtlichen Unternehmensgeldbuße bereits bei einem Nicht-Kartell-LG erhoben, hat sich das Nicht-Kartell-LG grundsätzlich für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit auf Antrag des Klägers gem. § 281 Abs. 1 ZPO an das zuständige KartellLG zu verweisen.169 Ist der Rechtsstreit hingegen entscheidungsreif, ohne dass es auf die kartellrechtliche Vorfrage ankommt, hat das angerufene Nicht-Kartell-LG die Klage abzuweisen.170 Besteht lediglich die Möglichkeit, dass die Klage auch ohne Beantwortung der kartellrechtlichen Vor166 BAG, Urt. v. 29.6.2017 – 8 AZR 189/15, NJW 2018, 184, 186 Rz. 30 = AG 2018, 108; Dicks in Loewenheim (u.a.), 3. Aufl. 2016, § 87 GWB Rz. 1; Ollerdißen in Wiedemann, Kartellrecht, 3. Aufl. 2016, § 59 Rz. 30; K. Schmidt in Immenga/Mestmäcker, 5. Aufl. 2014, § 87 GWB Rz. 1. 167 BAG, Urt. v. 29.6.2017 – 8 AZR 189/15, NJW 2018, 184, 186 Rz. 30 = AG 2018, 108. 168 BAG, Urt. v. 29.6.2017 – 8 AZR 189/15, NJW 2018, 184, 186 Rz. 30 = AG 2018, 108; so auch K. Schmidt in Immenga/Mestmäcker, 5. Aufl. 2014, § 87 GWB Rz. 36; a.A. Bosch in Bechthold/Bosch, 9. Aufl. 2018, § 87 GWB Rz. 7; Dicks in Loewenheim (u.a.), 3. Aufl. 2016, § 87 GWB Rz. 21. 169 Dicks in Loewenheim (u.a.), 3. Aufl. 2016, § 87 GWB Rz. 29; Ollerdißen in Wiedemann, Kartellrecht, 3. Aufl. 2016, § 59 Rz. 49; K. Schmidt in Immenga/ Mestmäcker, 5. Aufl. 2014, § 87 GWB Rz. 52. 170 Vgl. BAG, Urt. v. 29.6.2017 – 8 AZR 189/15, NJW 2018, 184, 185 Rz. 20 = AG 2018, 108; LAG Düsseldorf, Beschl. v. 29.1.2018 – 14 Sa 591/17, juris Rz. 171; Dicks in Loewenheim (u.a.), 3. Aufl. 2016, § 87 GWB Rz. 19; Oller-
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frage abgewiesen wird, hat das angerufene Nicht-Kartell-LG insoweit eine Beweisaufnahme durchzuführen.171 Zum Beispiel hätte ein Nicht-Kartellgericht danach den Einwand der Verjährung zu prüfen und insoweit gegebenenfalls auch Beweis zu erheben, bevor eine Verweisung des Rechtsstreits an die Kartellgerichte in Betracht kommt. Gegen eine Klageabweisung durch ein Nicht-Kartell-LG, wenn es auf die kartellrechtliche Vorfrage im konkreten Fall nicht ankommt, führen Lotze/Heyers zwar an, dass die Klageabweisung durch das Nicht-Kartell-LG den prozessualen Vorrang von Fragen der Zulässigkeit gegenüber Fragen der Begründetheit missachten würde.172 Allerdings ist dem Wortlaut des § 87 Satz 2 GWB eindeutig zu entnehmen, dass die Kartellgerichte nur zuständig sind, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von der kartellrechtlichen Vorfrage „abhängt“.173 Ferner sprechen prozessökonomische Gründe dafür, dass Nicht-Kartell-Landgerichte eine Regressklage abweisen, wenn die Klage auch ohne Beantwortung der kartellrechtlichen Vorfrage abgewiesen werden kann.174 Denn dadurch wird verhindert, dass die KartellLG durch Verweisungsbeschlüsse überlastet werden.
2. Regressklage bereits bei einem ArbG erhoben Eine bei einem ArbG erhobene Klage, bei der eine kartellrechtliche Vorfrage entscheidungserheblich ist, ist unabhängig von einem Antrag nach Anhörung der Parteien an das zuständige Kartell-LG zu verweisen (§ 17a Abs. 2 Satz 1 GVG, § 48 Abs. 1 ArbGG). Dies gilt jedenfalls, wenn man § 87 GWB mit dem BAG auch als Regelung über den ordentlichen Rechtsweg ansieht.175 Ist die Klage jedoch entscheidungsreif, ohne dass es auf die kartellrechtliche Vorfrage ankommt, ist der Rechtsstreit nicht an das Kartell-LG zu verweisen. Stattdessen hat das ArbG in diesem Fall die Kla-
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dißen in Wiedemann, Kartellrecht, 3. Aufl. 2016, § 59 Rz. 37; K. Schmidt in Immenga/Mestmäcker, 5. Aufl. 2014, § 87 GWB Rz. 29. Vgl. BAG, Urt. v. 29.6.2017 – 8 AZR 189/15, NJW 2018, 184, 185, 187 Rz. 20 a.E., 37 = AG 2018, 108; LAG Düsseldorf, Beschl. v. 29.1.2018 – 14 Sa 591/17, juris Rz. 173; a.A. Ollerdißen in Wiedemann, Kartellrecht, 3. Aufl. 2016, § 59 Rz. 37. Lotze/Heyers, NZKart 2018, 29, 3. Ebenso Dicks in Loewenheim (u.a.), 3. Aufl. 2016, § 87 GWB Rz. 19. BAG, Urt. v. 29.6.2017 – 8 AZR 189/15, NJW 2018, 184, 186 Rz. 26 = AG 2018, 108. Dazu näher BAG, Urt. v. 29.6.2017 – 8 AZR 189/15, NJW 2018, 184, 186 Rz. 24 ff. = AG 2018, 108; LAG Düsseldorf, Beschl. v. 29.1.2018 – 14 Sa 591/17, juris Rz. 174 m.w.N. auch zur Gegenauffassung.
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ge abzuweisen.176 Besteht nur die Möglichkeit, dass die Klage entscheidungsreif ist, ohne dass es auf die kartellrechtliche Vorfrage ankommt, hat das ArbG insoweit Beweis zu erheben.177
3. Regressklage bereits bei Kartell-LG erhoben 79
Wurde eine Regressklage direkt beim Kartell-LG erhoben, ist das Kartell-LG zuständig, wenn der Kläger schlüssig einen Sachverhalt vorträgt, bei dessen rechtlicher Bewertung es auf die Frage der Regressfähigkeit von Unternehmensgeldbußen ankommt.178 Stellt das Kartell-LG bei näherer Prüfung und gegebenenfalls nach einer Beweisaufnahme fest, dass die Klage aus anderen als kartellrechtlichen Gründen abzuweisen ist, hat es nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht den Rechtsstreit an das zuständige Nicht-Kartell-LG zur Abweisung zu verweisen.179 Das überzeugt aus prozessökonomischen Gründen nicht. Das Kartell-Gericht hat in einem solchen Fall daher die Klage selbst abzuweisen.180 Das angerufene Kartell-LG dürfte auch zuständig bleiben, wenn die Frage der Regressfähigkeit von Unternehmensgeldbußen nach Klageerhebung vom Kartellrechts-Senat des BGH rechtskräftig entschieden wird. Zwar ist davon nach der Rechtsprechung eine erneute Befassung der Kartellgerichtsbarkeit mit der Frage der Regressfähigkeit nicht mehr erforderlich. Gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO wird die Zuständigkeit des Kartell-LG nach Rechtshängigkeit der Klage durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände aber nicht berührt.181
4. Erhebung künftiger Regressklagen 80
Schließlich ist die für die Praxis relevante Frage zu beantworten, bei welchem Gericht künftig Regressklage wegen kartellrechtlicher Unternehmensbußgelder erhoben werden sollte. Um Zeit und Kosten zu spa176 BAG, Urt. v. 29.6.2017 – 8 AZR 189/15, NJW 2018, 184, 185 Rz. 20 = AG 2018, 108. 177 BAG, Urt. v. 29.6.2017 – 8 AZR 189/15, NJW 2018, 184, 185 Rz. 20 a.E. = AG 2018, 108; LAG Düsseldorf, Beschl. v. 29.1.2018 – 14 Sa 591/17, juris Rz. 173; a.A. Ollerdißen in Wiedemann, Kartellrecht, 3. Aufl. 2016, § 59 Rz. 37. 178 LAG Düsseldorf, Beschl. v. 29.1.2018 – 14 Sa 591/17, juris Rz. 177 ff.; nach Dicks in Loewenheim (u.a.), 3. Aufl. 2016, § 87 GWB Rz. 20 soll es auf die Schlüssigkeit des Vortrags nicht ankommen. 179 Meyer-Lindemann in Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, GWB, 89. Lieferung 2017, § 87 Rz. 58. 180 Dicks in Loewenheim (u.a.), 3. Aufl. 2016, § 87 GWB Rz. 19. 181 K. Schmidt in Immenga/Mestmäcker, 5. Aufl. 2014, § 87 GWB Rz. 37.
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ren, sollte eine Regressklage beim zuständigen Kartell-LG erhoben werden. Denn selbst wenn der Kartellrechts-Senat des BGH nach Klageerhebung beim Kartell-LG über die Regressfähigkeit von Unternehmensgeldbußen rechtskräftig entscheidet, dürfte das Kartell-LG für die Regressklage zuständig bleiben. Wird hingegen bei einem Nicht-Kartell-LG Regressklage erhoben, ist bis zu einer Entscheidung des Kartellrechts-Senats des BGH über die Regressfähigkeit von Unternehmensgeldbußen damit zu rechnen, dass eine schlüssige Klage an das zuständige Kartell-LG verwiesen werden muss.
H. Zusammenfassung in Thesen 1. Sowohl im allgemeinen Ordnungswidrigkeitenrecht als auch im deutschen und im europäischen Kartellrecht kann eine Geldbuße unter bestimmten Voraussetzungen direkt gegen eine Gesellschaft verhängt werden (Rz. 5, 10 f.). 2. Im europäischen Kartellrecht kann eine Unternehmensgeldbuße wegen Rechtsverstößen in Tochtergesellschaften auch gegen die Muttergesellschaft eines Konzerns verhängt werden. Ob dasselbe auch im allgemeinen Ordnungswidrigkeitenrecht gilt, ist umstritten. Soweit eine Unternehmensgeldbuße wegen Rechtsverstößen in Tochtergesellschaften gegen die Muttergesellschaft eines Konzerns verhängt wird, kommt insbesondere in Betracht, dass die Tochtergesellschaft ihre Vorstandsmitglieder wegen der gegen die Muttergesellschaft verhängten Unternehmensgeldbuße im Wege der Drittschadensliquidation in Anspruch zu nehmen versucht (Rz. 13 ff.). 3. Gegenstand der Rechtsprechung zum Schienenkartell war die Frage, ob ein Unternehmen wegen einer Unternehmensgeldbuße im Rahmen der Organ- und Arbeitnehmerhaftung Regress bei verantwortlichen Organmitgliedern oder Mitarbeitern nehmen kann (Rz. 16 f.). 4. Das BAG hat die Frage der Regressfähigkeit von kartellrechtlichen Unternehmensgeldbußen in der Sache nicht entschieden, sondern die Kartellgerichte für zuständig erklärt. Mit einer klärenden höchstrichterlichen Entscheidung durch die Kartellgerichte ist noch für längere Zeit nicht zu rechnen (Rz. 16). 5. Die Frage, ob ein Unternehmen wegen einer Unternehmensgeldbuße seine Organmitglieder und Mitarbeiter in Regress nehmen kann, ist insbesondere bei kartellrechtlichen Unternehmensgeldbußen offen. Aus gesellschaftsrechtlicher Sicht sprechen zwar die wohl besseren
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Argumente dafür, einen Bußgeldregress jedenfalls nicht grundsätzlich auszuschließen. Dem stehen aber ernstzunehmende kartellrechtliche Argumente entgegen. 5.1 Einen Bußgeldregress wegen Unternehmensgeldbußen zuzulassen, entspricht dem Wortlaut und dem Zweck der Normen über die Organ- und Arbeitnehmerhaftung. Der Bußgeldregress trägt entscheidend zur verbandsinternen Verhaltenssteuerung bei. Er entspricht auch der Schadenskompensationsfunktion der Organund Arbeitnehmerhaftung (Rz. 18 f.). 5.2 Grundsätzlich kann die Schadenskompensationsfunktion aus normativen Erwägungen beschränkt oder ausgeschlossen sein. Aus gesellschaftsrechtlicher Sicht sprechen die besseren Gründe gegen einen Ausschluss der Schadenskompensation durch einen Bußgeldregress aus normativen Erwägungen. Ein Bußgeldregress steht nicht im Widerspruch zu anderen Regelungen und Wertungen der Rechtsordnung (Rz. 20 ff.): 5.2.1 Das europäische und deutsche Kartellrecht und das allgemeine Bußgeldrecht enthalten keine Regelung, die den durch eine Geldbuße im Ergebnis wirtschaftlich Belasteten abschließend bestimmt. 5.2.2 Durch einen Bußgeldregress kommt die von den Normen über die Unternehmensgeldbuße intendierte verbandsexterne Verhaltenssteuerung bei den natürlichen Personen an, von denen rechtswidriges Verhalten tatsächlich ausgeht. 5.2.3 Es widerspricht der gesellschaftsrechtlichen Organisationsverfassung, wenn das LAG Düsseldorf und Teile des Schrifttums davon ausgehen, dass eine Unternehmensgeldbuße die „Unternehmensträger“ selbst treffen solle, um sie zu sorgfältigerer Überwachung der Geschäftsleiter und Mitarbeiter zu veranlassen, von denen rechtswidriges Verhalten ausgeht. 5.2.4 Ein Bußgeldregress steht einer Abschöpfung rechtswidrig erlangter Vorteile nicht entgegen, die Zweck der Bußgeldnormen ist. Das allgemeine Schadensrecht kennt mit den Grundsätzen des Vorteilsausgleichs geeignete normative Kriterien, um zu verhindern, dass der juristischen Person
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im Ergebnis auch rechtswidrig erlangte Vorteile erstattet werden. 5.3 Aus kartellrechtlicher Sicht sprechen aber ernstzunehmende Argumente gegen einen Bußgeldregress. Insbesondere mit dem Zweck kartellrechtlicher Kronzeugenregelungen kann ein Bußgeldregress in Konflikt geraten (Rz. 53 ff.). 5.4 Grundsätzlich beachtlich ist auch das Argument, dass ein Regress wegen Unternehmensgeldbußen im Einzelfall zu einer wirtschaftlichen Überforderung der Organmitglieder führen könnte. Dabei handelt es sich aber um ein allgemeines Problem der Organhaftung, das nicht durch einen Ausschluss des Regresses wegen Unternehmensgeldbußen gelöst werden kann (Rz. 60 f.). 6. Der Aufsichtsrat muss nach den Grundsätzen der ARAG-Rechtsprechung des BGH eigenverantwortlich in zwei Stufen über die Durchsetzung möglicher Organhaftungsansprüche wegen Unternehmensgeldbußen entscheiden (Rz. 67 ff.): 6.1 Auf der ersten Stufe ist zu prüfen, ob ein Organhaftungsanspruch besteht und mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durchgesetzt werden kann. Dabei hat der Aufsichtsrat auch die Rechtsfrage eigenverantwortlich zu bewerten, ob Unternehmensgeldbußen grundsätzlich regressfähig sind. Die Rechtslage ist nach derzeitigem Stand offen. Der Aufsichtsrat hat daher jeden Einzelfall sorgfältig zu prüfen. Unter Berücksichtigung anderer bedeutsamer Prozessrisiken kann der Aufsichtsrat im Einzelfall zu dem Ergebnis gelangen, dass ein Organhaftungsanspruch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit besteht und durchsetzbar ist. In anderen Fällen kann der Aufsichtsrat hingegen zu dem Ergebnis kommen, dass ein Organhaftungsanspruch wegen einer Unternehmensgeldbuße mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gegeben und durchsetzbar ist. 6.2 Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob gewichtige Unternehmensbelange der Durchsetzung eines bestehenden und mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durchsetzbaren Organhaftungsanspruchs entgegenstehen. Angesichts der erheblichen Rechtsunsicherheit auf der ersten Stufe dürfte der Aufsichtsrat auf der zweiten Stufe eine geringere Argumentationslast haben, aus gewichtigen Gründen des Gesellschaftswohls von einer Anspruchsdurchsetzung abzusehen.
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7. Nach der Entscheidung des BAG zum Schienenkartellverfahren sind die Kartellgerichte zuständig, um über Organhaftungsklagen wegen Unternehmensgeldbußen zu entscheiden (Rz. 70 ff.): 7.1 Die Frage der Regressfähigkeit von Unternehmensgeldbußen ist nach der Rechtsprechung des BAG eine kartellrechtliche Vorfrage. 7.2 Die Kartellgerichte sind ausschließlich zuständig, wenn die kartellrechtliche Vorfrage der Regressfähigkeit von Unternehmensgeldbußen entscheidungserheblich ist. Eingangsinstanz der Kartellgerichtsbarkeit ist ausschließlich das LG. 7.3 Wurde eine Organhaftungsklage wegen einer Unternehmensgeldbuße bereits bei einem Nicht-Kartell-LG oder einem ArbG erhoben und ist die Klage nicht aus einem nicht-kartellrechtlichen Grund abzuweisen, hat sich das Nicht-Kartell-LG oder ArbG für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das zuständige Kartell-LG zu verweisen. 7.4 Wurde Organhaftungsklage wegen einer Unternehmensgeldbuße bereits bei einem Kartell-LG erhoben, ist das Kartell-LG zuständig, wenn der Kläger schlüssig einen Sachverhalt vorträgt, bei dessen rechtlicher Bewertung es auf die Frage der Regressfähigkeit von Unternehmensgeldbußen ankommt. Die Zuständigkeit des Kartell-LG entfällt nicht, wenn sich nach Klageerhebung herausstellt, dass die Klage aus anderen Gründen abzuweisen ist, oder wenn der BGH die Frage der Regressfähigkeit von Unternehmensgeldbußen entscheidet (perpetuatio fori). 7.5 Organhaftungsklagen wegen einer Unternehmensgeldbuße sollten künftig, jedenfalls bis zu einer Entscheidung des Kartellrechts-Senats des BGH über die Frage der Regressfähigkeit von Unternehmensgeldbußen, vor dem zuständigen Kartell-LG erhoben werden.
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Bericht über die Diskussion des Referats Arnold Jan-David Geiger Rechtsanwalt, Stuttgart
I. Zur Beginn der Diskussion machte Bergmann deutlich, dass man einer Entscheidung des Kartellsenats des BGH über die Frage der Regressfähigkeit von Unternehmensgeldbußen zuversichtlich entgegensehen könne. Traditionell sei immer mindestens ein Mitglied des II. Zivilsenats mit einem Teil seiner Arbeitskraft zugleich im Kartellsenat tätig. Dadurch sei gesichert, dass die gesellschaftsrechtliche Sichtweise bei einer künftigen Entscheidung des Kartellsenats ausreichend berücksichtigt werde.
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II. Kersting ging zunächst auf den Vorteilsausgleich ein. Er führte aus, dass 2 Europäische Kommission und BKartA in kartellrechtlichen Bußgeldbescheiden üblicherweise Abschöpfungs- und Ahndungsanteil nicht getrennt ausweisen. Im Rahmen der Beweislastverteilung leuchte ihm das Argument von Arnold nicht ein, dass das Organmitglied die Beweislast für rechtswidrig erlangte Vorteile für das Unternehmen tragen müsse, weil das Organmitglied die Beweisschwierigkeiten durch sein rechtswidriges Verhalten mitverursacht habe. Nach Kerstings Verständnis könne das Organmitglied nur für den Kartellverstoß und damit für den Anlass einer Geldbuße verantwortlich sein, nicht hingegen für die spezifischen Beweisprobleme bei der Vorteilshöhe. Abschließend trat Kersting dafür ein, die Bedeutung der Kronzeugenregelung in der Diskussion um die Regressfähigkeit nicht zu sehr ins Zentrum zu stellen. Keinesfalls könne der Zweck der Kronzeugenregelungen einen grundsätzlichen Regressausschluss rechtfertigen. Ein Regressausschluss setze im Gegenteil äußerst fragwürdige Anreize für ein pflichtwidriges Verhalten von Organmitgliedern.
III. Enderle stellte die Frage, ob die Grundsätze der ARAG-Rechtsprechung 3 auch vor dem Hintergrund hoher Unternehmensgeldbußen noch zeitge-
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Geiger – Bericht über die Diskussion des Referats Arnold
mäß seien. Er halte es für problematisch, dass die ARAG-Rechtsprechung es dem Aufsichtsrat auf der zweiten Stufe in vielen Fällen ermögliche, von einer Durchsetzung von Organhaftungsansprüchen, insbesondere wegen besonders hoher Schäden, mit dem Argument abzusehen, dass bei Anspruchsdurchsetzung ein noch höherer Schaden drohe. Es könne nicht angehen, dass sich ein Organmitglied gegen eine persönliche Inanspruchnahme dadurch schützen könne, dass es einen besonders großen Schaden mit der Gefahr vieler Folgeschäden verursache.
IV. 4 Bachmann stimmte zunächst den von Arnold vertretenen Thesen de lege lata zu. Er warf zudem einen Blick auf den Bußgeldregress bei der GmbH. In der GmbH seien die Gesellschafter für die Bestellung und Überwachung der Geschäftsführer zuständig. Das könne dafür sprechen, einen Bußgeldregress im GmbH-Recht abweichend vom Aktienrecht zu bewerten. Auch die ARAG-Grundsätze seien bei der Entscheidung der Gesellschafterversammlung einer GmbH über die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegen ihre Geschäftsführer nicht anwendbar. Die Gesellschafter hätten daher größere Entscheidungsfreiheit von einem Bußgeldregress abzusehen. Rechtspolitisch sah Bachmann spätestens nach einer Entscheidung des Kartellsenats des BGH den Gesetzgeber in der Pflicht, über die Frage der Regressfähigkeit zu entscheiden. Er verwies auf das österreichische Verbandsverantwortlichkeitsgesetz sowie den Kölner Entwurf für ein Verbandssanktionengesetz, die einen Bußgeldregress explizit ausschließen. Jedenfalls mit Blick auf Unternehmensgeldbußen wegen fahrlässiger Pflichtverletzungen bei der Compliance-Überwachung im Rahmen von § 130 OWiG habe er rechtspolitisch Sympathien für einen Ausschluss des Bußgeldregresses.
V. 5 Mock warf die Frage auf, ob nicht der Umfang eines Bußgeldregresses jedenfalls dann nach § 254 BGB gemindert sein müsse, wenn die Gesellschaft zuvor nicht alle Rechtsmittel gegen eine Unternehmensgeldbuße ausschöpfe, sondern diese akzeptiere.
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Geiger – Bericht über die Diskussion des Referats Arnold
VI. Anzinger nahm auf den Vorteilsausgleich Bezug. Nach seinem Eindruck 6 sei es Gesellschaften in der Praxis oft möglich, mit den Bußgeldbehörden auszuhandeln, welche Teile des Bußgelds als Abschöpfungs- und welche als Ahndungsanteil ausgewiesen werden. Steuerlich sei es für Gesellschaften attraktiv, einen möglichst hohen Abschöpfungsanteil auszuhandeln, da der Abschöpfungsanteil steuerlich absetzbar sei. Daher habe er Zweifel, ob beim Vorteilsausgleich an die Unterscheidung zwischen Abschöpfungs- und Ahndungsanteil angeknüpft werden könne.
VII. Verse trat für einen grundsätzlichen Ausschluss des Bußgeldregresses 7 ein. Wenn das deutsche Bußgeldrecht sowohl die Möglichkeit einer individuellen Geldbuße gegen das Organmitglied als auch eine Verbandsgeldbuße vorsehe, dann könne der Zweck der Verbandsgeldbuße nach Ansicht Verses offensichtlich nur darin bestehen, gerade den Verband und nicht das Organmitglied zu treffen. Lasse man einen Bußgeldregress zu, könne es dazu kommen, dass ein Organmitglied wegen seines ordnungswidrigen Verhaltens im Ergebnis gleich doppelt mit einer staatlichen Sanktion belastet werde, einmal durch die individuelle Geldbuße und ein zweites Mal durch den Bußgeldregress im Rahmen der Organhaftung. Zudem orientiere sich die Höhe einer Unternehmensgeldbuße an den wirtschaftlichen Verhältnissen des Unternehmens, nicht an denen des einzelnen Organmitglieds. Würde der Staat eine solche Geldbuße direkt gegen das Organmitglied verhängen, liege darin nach Ansicht Verses offensichtlich ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Gebot schuldangemessener Ahndung. Warum sich dieser Verstoß in Luft auflösen solle, wenn dem Organwalter eine derart unverhältnismäßige Sanktion nicht direkt, sondern über den Umweg des Bußgeldregresses auferlegt werde, erschließe sich nicht.
VIII. Habersack trat der Argumentation Verses entgegen und stimmte den 8 Thesen Arnolds zu. Es treffe zwar zu, dass sich die Höhe einer Unternehmensgeldbuße an der Leistungsfähigkeit des Unternehmens orientiere und dass die Leistungsfähigkeit des einzelnen Organmitglieds typischerweise geringer sei. Das sei aber kein spezifisches Problem bei Geldbußen.
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Geiger – Bericht über die Diskussion des Referats Arnold
Denn auch sonstige Schäden, etwa durch Kundenklagen, könnten die Leistungsfähigkeit des einzelnen Organmitglieds übersteigen. Im Rahmen der Organhaftung müsse das Organmitglied das erhöhte Schadensrisiko aus der unternehmerischen Tätigkeit der Gesellschaft mittragen. Habersack übte Kritik an den kartellrechtlichen Bedenken gegen einen Bußgeldregress. Insbesondere der Zweck der Kronzeugenregelungen spreche nicht gegen, sondern für einen Bußgeldregress. Organmitglieder hätten keinerlei Anreiz, an einem Kronzeugenantrag mitzuwirken, wenn ihnen grundsätzlich keine persönliche Haftung wegen Unternehmensgeldbußen drohe, die sie durch Mitwirkung an einem erfolgreichen Kronzeugenantrag der Gesellschaft verhindern oder vermindern könnten. Abschließend wies Habersack auf eine am Vortag veröffentlichte Entscheidung des BGH vom 18.9.2018 hin (II ZR 152/17, AG 2018, 893), aus der folge, dass der II. Zivilsenat an den ARAG-Grundsätzen unverändert festhalte. Der Aufsichtsrat dürfe danach von der Anspruchsdurchsetzung nur ausnahmsweise absehen.
IX. 9 Kuntz warf die Frage auf, ob in den Regressfällen von einem Vorteilsausgleich gesprochen werden könne. Die Vorteile, die ein Unternehmen aus einem rechtswidrigen Verhalten erlange, würden durch die Unternehmensgeldbuße gerade abgeschöpft. Sie gingen der Gesellschaft dadurch bereits vor einer Organhaftungsklage wieder verloren. Seiner Auffassung zufolge seien Vorteile, die ein Unternehmen aus einem rechtswidrigen Verhalten erlange, im Rahmen der Schadensbestimmung nach der Differenzhypothese schadensmindernd zu berücksichtigen.
X. 10
Heidel nahm Bezug auf die bereits von Habersack erwähnte Entscheidung des II. Zivilsenats des BGH vom 18.9.2018. Übertragen auf die von ihm als offen bezeichnete Rechtslage zur Regressfähigkeit von Unternehmensgeldbußen lasse sich aus dieser Entscheidung nur ein Schluss ziehen: Der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft müsse bis zu einer klärenden Entscheidung des Kartellsenats des BGH mindestens Maßnahmen zur Hemmung der Verjährung von möglichen Organhaftungsansprüchen ergreifen. Andernfalls drohe den Aufsichtsratsmitgliedern ihrerseits die persönliche Haftung.
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Geiger – Bericht über die Diskussion des Referats Arnold
XI. Abschließend nahm Arnold zu den Fragen und Anregungen Stellung. Er halte den Vorteilsausgleich für grundsätzlich geeignet, eine unbillige Entlastung der Gesellschaft im Rahmen des Bußgeldregresses zu verhindern. An seiner Auffassung, dass das Organmitglied die Beweislast für anzurechnende Vorteile trage, halte er fest. Indem das Organmitglied einen Kartellverstoß begehe oder pflichtwidrig nicht verhindere, sei es auch mitverantwortlich für die infolge des Kartellverstoßes auftretenden Beweisschwierigkeiten mit Blick auf kartellwidrig erlangte Vorteile. Einen wichtigen Anwendungsbereich habe der Vorteilsausgleich insbesondere bei einer Kartellrendite, die auch nicht in jedem Fall in vollem Umfang durch eine Unternehmensgeldbuße abgeschöpft werde. Im GmbH-Recht seien auch nach seiner Auffassung zum Teil andere Gesichtspunkte zu berücksichtigen als im Aktienrecht. Das müsse aber nicht zwingend zu einem anderen Ergebnis führen. Für Einzelheiten verwies Arnold auf seine schriftlichen Ausführungen.
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Stiftungen als Unternehmensträger Prof. Dr. Stephan Schauhoff Rechtsanwalt, Bonn Vorstand Bundesverband Deutscher Stiftungen, Berlin Rz.
Rz. I. Unternehmensstiftungen in den Medien . . . . . . . . . . . .
1
II. Grundzüge . . . . . . . . . . . . . . .
5
III. Eignung von Stiftungen als Nachfolgeinstrument . . . . . . 1. Empirische Erkenntnisse . . . 2. Rechtliche Unterschiede gegenüber anderen Nachfolgegestaltungen. . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklungen im Stiftungs- und Erbschaftsteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . 1. Stiftungsreform . . . . . . . . . . . 2. Verschonungsbedarfsprüfung. . . . . . . . . . . . . . . . . .
11 11
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13 13 14
V. Stiftungsrechtliche Gestaltungsgrenzen. . . . . . . . . . . . . 1. Verbot der Selbstzweckstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vermögenserhalt und Aufsicht. . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Foundation Governance und Unternehmensverfassung . . 4. Satzungsänderungen. . . . . . .
17 18
VI. Gestaltungsoptionen für Unternehmensträgerstiftungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gemeinnützige Stiftungen . . 2. Familienstiftung . . . . . . . . . . 3. Unternehmensstiftung . . . . .
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VII. Thesen. . . . . . . . . . . . . . . . . .
22
15 15 16
I. Unternehmensstiftungen in den Medien Mein Thema lautet: Stiftungen als Unternehmensträger.
1
Im engen Sinne versteht man darunter Stiftungen, die selbst ein Unter- 2 nehmen betreiben.1 Tatsächlich sind Stiftungen in aller Regel an Unternehmen, meist in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft, beteiligt. Man nennt sie auch unternehmensverbundene Stiftungen. Im Folgenden werde ich unternehmensverbundene Stiftungen in allen ihren verschiedenen Erscheinungsformen darstellen und den Begriff „Unternehmensträgerstiftungen“ als Sammelbegriff verwenden. Nach einem einleitenden 1 Vgl. Fleisch in Fleisch/Eulerich/Krimmer/Schlüter/Stolte, Modell unternehmensverbundene Stiftungen, 2008, S. 30; auch Hüttemann/Rawert in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2017, Vorbem. zu §§ 80 ff. BGB Rz. 207 ff.
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Überblick werde ich mich mit den typischen Grundzügen, deren Eignung als Nachfolgeinstrument, den aktuellen Rechtsentwicklungen im Stiftungs- und Erbschaftsteuerrecht sowie den stiftungsrechtlichen Gestaltungsgrenzen näher beschäftigen. 3 Unternehmensverbundene Stiftungen finden sich immer öfter in der Wirtschaftspresse. Eine kleine Auswahl von Überschriften aus dem Handelsblatt aus den letzten Monaten: „Stiftungen können zur tückischen Fallen werden – Das zeigt das Chaos bei Thyssen Krupp“,2 „Unternehmen und Kettler Stiftung streiten über Schuld für Insolvenz“,3 „Machtkampf bei Aldi geht weiter“4 oder aber „Deutschlands Stiftungen sind reich – vor allem die Unternehmensstiftungen“.5 In dem letztgenannten Artikel heißt es, das Vermögen der Stiftungen in Deutschland sei weitaus größer als gedacht. Schätzungen belaufen sich auf mindestens 200 Mrd. Euro. Es soll in Deutschland 700 unternehmensverbundene Stiftungen mit einem Gesamtvermögen von jedenfalls weitaus mehr als 100 Mrd. Euro geben.6 Die Schätzungen sind deswegen ungewiss, weil viele Stiftungen als Unternehmenswert nur den Buchwert der Beteiligung melden, der Verkehrswert aber erheblich davon abweicht. Ständig kommen neue unternehmensverbundene Stiftungen hinzu. Der Bundesverband der Deutschen Stiftungen veröffentlicht fortlaufend eine – nicht vollständige – Auflistung der Stiftungen mit dem größten Vermögen.7 Wer diese Liste betrachtet, wird feststellen, dass darunter nicht nur Stiftungen im rechtlichen Sinne aufgeführt sind, sondern auch gemeinnützige GmbHs oder öffentlich-rechtliche Stiftungen, die Unternehmensgruppen besitzen. Die Stadt Friedrichshafen ist über eine nichtrechtsfähige Stiftung Eigentümerin von ZF Friedrichshafen. Die wertvollsten gemeinnützigen GmbHs sind von Robert Bosch und den Gründern der SAP gegründet worden. Bosch wird im allgemeinen Sprach2 Handelsblatt v. 16.7.2018. 3 Handelsblatt v. 19.7.2018. 4 Handelsblatt v. 18.5.2018; Hintergrund ist, dass Aldi Nord sich im Besitz von drei Stiftungen befindet: Der Markus-, der Lukas- und der Jakobus-Stiftung. In einem langjährigen Gerichtsverfahren geht es um die rechtliche Kontrolle über die Jakobus-Stiftung: OVG Schleswig, Urt. v. 7.12.2017 – 3 LB 2/17, 3 LB 3/13; Nichtzulassungsbeschwerde anhängig. 5 Handelsblatt vom 30.9.2018. 6 Vgl. dazu Fleisch in Fleisch/Eulerich/Krimmer/Schlüter/Stolte, Modell unternehmensverbundene Stiftungen, 2008, S. 18 ff. 7 Stand deren Vermögen zuletzt 68 Mrd. Euro, https://www.stiftungen.org/stif tungen/zahlen-und-daten/statistiken.html, zuletzt aufgerufen am 7.1.2019.
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gebrauch mitunter als Stiftungsunternehmen bezeichnet, rechtlich gehört die Gesellschaft ganz wesentlich einer gemeinnützigen GmbH. Die Leitungsmacht über die Unternehmensgruppe Bosch wird wiederum über eine Unternehmenstreuhand KG ausgeübt, deren Anteile, praktisch vermögenslos gestellt, in einem Kreis erfahrener Unternehmenslenker und anderer Persönlichkeiten weitergegeben werden. Es fällt auf, dass der Großteil der Stiftungen gemeinnützig ist.8 Große Unternehmen, die von einer oder mehreren gemeinnützigen oder Familienstiftungen mehr oder weniger beherrscht werden, sind in Deutschland bspw. Fresenius, Thyssen-Krupp, Bertelsmann, Würth, Aldi Nord, Aldi Süd und Lidl oder Carl Zeiss und SAP. Außer diesen bekannten Global Playern gibt es auch eine zunehmende Zahl mittelständischer Unternehmen, die als Stiftungsunternehmen organisiert sind. Zudem gibt es nicht wenige gemeinnützige Stiftungen, die eine bedeutsame, aber nicht beherrschende Beteiligung an einer Unternehmensgruppe halten. Warum werden Stiftungen als Unternehmensträger errichtet?
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II. Grundzüge Im Regelfall verfolgen Stifter oder Stifterinnen9 mit der Stiftungserrich- 5 tung eine doppelte Absicht: Die Erträge aus dem Unternehmen sollen entweder der Allgemeinheit zur Förderung gemeinnütziger Zwecke zugutekommen oder die Erträge sollen die Versorgung der Familienmitglieder sicherstellen, gleichzeitig soll das Unternehmen oder die Unternehmensbeteiligung in ihrem Bestand erhalten und das Unternehmen weiterentwickelt werden. Mit einer Stiftungsstruktur wird angestrebt, Zweckverwirklichung und Unternehmenserhalt nach Maßgabe des Stifterwillens verbinden zu können.10 Schon der knappe Überblick über die tatsächlich vorhandenen Unternehmensträgerstiftungen zeigt, dass das Stiftungsrecht eine Vielzahl vollkommen unterschiedlicher Gestaltungsmöglichkeiten bietet. Das Stiftungsrecht schreibt nicht vor, zu welchem Zweck eine Stiftung gegründet 8 Laut Bundesverband Deutscher Stiftungen 95 % aller rechtsfähigen Stiftungen in Deutschland, https://www.stiftungen.org/stiftungen/zahlen-und-daten/sta tistiken.html, zuletzt aufgerufen am 7.1.2019. 9 Aus Vereinfachungsgründen wird nachfolgend nur die männliche Form verwandt. 10 Es geht den Gründern um die Perpetuierung ihrer Wertevorstellungen, vgl. dazu Fleischer, NZG 2017, 1201, 1210, sowie Rawert, ZGR 2018, 835, 844.
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werden soll. Es lässt dem Stifter große Freiheit darin, die Corporate Governance der Stiftung festzulegen und den Organen vorzugeben, wie das Stiftungsvermögen im Einzelnen zu erhalten ist.11 Die signifikante Regelungslosigkeit der Stiftung steht im Gegensatz zu den – im Recht der Kapitalgesellschaft durch die Vorschriften über die Kapitalausstattung und -erhaltung, die Prinzipien der Haftung im Gründungsstadium, das Organvertretungsrecht, die Publizitätsvorschriften, die Corporate-GovernanceRegelungen, die insolvenzrechtlichen Organpflichten und das Unternehmensmitbestimmungsrecht – institutionalisierten Schutzvorschriften für Gläubiger, Arbeitnehmer und Rechtsverkehr.12 Stiftungen werden im deutschen Recht wie natürliche Personen oder Familien als Anteilseigner gleichsam der Privatsphäre zugeordnet. Trotz der immer wieder aufkommenden Kritik an diesen weiten Gestaltungsmöglichkeiten besteht Einigkeit, dass das Stiftungsrecht die weitgehend freie Gestaltung unternehmensverbundener Stiftungen erlaubt.13 Allein das Gemeinnützigkeitsrecht ordnet insbesondere durch den Ausschließlichkeitsgrundsatz die funktionale Unterordnung des gewidmeten Vermögens unter die Verfolgung des gemeinnützigen Zwecks an. De lege ferenda werden gesetzliche Verschärfungen z.B. im Mitbestimmungsrecht oder zur Publizität diskutiert. Denkbar ist, dass es im Zuge der Reform des Non-Profit-Bereiches zu Änderungen kommen wird. Das Stiftungsrecht zwingt nicht zum ewigen Vermögenserhalt, sondern es erlaubt auch die Errichtung einer Verbrauchsstiftung. Die Stiftung wird definiert als „mit einem Vermögen zur dauernden und nachhaltigen Erfüllung eines vom Stifter vorgegebenen Zwecks ausgestattete mitgliederlose juristische Person“.14 Die Stif11 Vgl. Hüttemann/Rawert in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2017, Vorbem. zu §§ 80 ff. BGB Rz. 216 ff. sowie Rz. 219 mit zahlreichen Literaturhinweisen zu unternehmensverbundenen Stiftungen. 12 Hüttemann/Rawert in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2017, Vorbem. zu §§ 80 ff. BGB Rz. 217 ff. 13 Zu kritisch Rawert, ZGR 2018, 835, 864; allerdings spricht m.E. der Umstand, dass die Steuergesetze Vermögen in Stiftungsgestaltungen zwingen, um die übermäßige Wegzugbesteuerung zu vermeiden, nicht gegen das Stiftungsrecht, sondern gegen die steuerrechtlichen Regelungen. Im Übrigen sind die perpetuierten Befürchtungen vor der Herrschaft der toten Hand empirisch nicht belegt (dazu III.1.). Die wesentliche Frage ist, warum ein Mensch für das von ihm geschaffene Vermögen den nachfolgenden Generationen die Verwaltungs- und Verwendungsleitlinen nicht mitgeben dürfen soll. Diese Frage wurde in der Geschichte unterschiedlich beantwortet. 14 So die Definition der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Stiftungsrecht“, die künftig in § 80 Abs. 1 BGB-Entwurf aufgenommen werden soll, vgl. https://www.innen
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tung ist „auf unbestimmte Zeit zu errichten, kann aber für einen bestimmten Zeitraum errichtet werden, innerhalb dessen ihr gesamtes Vermögen zur Erfüllung ihres Zwecks zu verbrauchen ist (Verbrauchsstiftung)“. Soweit im BGB und den Stiftungsgesetzen der Bundesländer materielle stiftungsrechtliche Vorgaben enthalten sind, legen sie größtenteils fest, was gilt, wenn der Stifter keine nähere Vorgabe getroffen hat. Die Stiftung kann darauf beschränkt werden, dass das Organ verpflichtet wird, die Erträge aus dem zu erhaltenden Vermögen auf Dauer zu einem bestimmten Zweck zu verwenden. Wesentlich ist, dass das Stiftungswirken auf einen bestimmten oder bestimmbaren Stifterwillen zurückgeführt werden kann.15 Deswegen gibt es Unternehmensträgerstiftungen, deren Zweck die Ver- 7 folgung gemeinnütziger Zwecke ist. Es gibt Unternehmensträgerstiftungen, deren Zweck die Versorgung einer Familie ist. Oder es gibt Unternehmensträgerstiftungen, deren Zweck neben dem Unternehmenserhalt auch die Förderung gemeinnütziger Zwecke oder die Versorgung der Familie oder der Mitarbeiter des Unternehmens ist, deren Vermögen aber vor allem im Interesse des Unternehmenserhalts dem Familieneinfluss entzogen werden soll. Zudem gibt es, rechtlich zweifelhaft, Stiftungen als Komplementärin einer Stiftung & Co. KG, um Mitbestimmung zu vermeiden und Veröffentlichungen auf die Pflichten nach Maßgabe des PublG zu begrenzen. Eine Stiftung als herrschendes Unternehmen eines Konzerns haftet insbesondere nach den §§ 302 ff. AktG. Entspricht die konzernbeherrschende Funktion dem Stifterwillen, ist dies zulässig, da der Stifter eine Stiftung mit unternehmerischem Vermögen und den damit verbundenen Chancen und Risiken ausstatten darf.16 Erst wenn anstelle des abstrakten Risikos eine konkrete Gefährdung der Stiftungstätigkeit zu befürchten ist, müssen Stiftungsorgane prüfen, wie sie dieses Risiko vermeiden oder beseitigen können.17 Die Stiftung ist somit das einzige Rechtsmittel im deutschen Recht, mit 8 dem der Stifter auf unbestimmte Zeit den Einfluss über sein Vermögen nach Maßgabe der von ihm vorgegebenen Zweckausrichtung festlegen ministerkonferenz.de/IMK/DE/termine/to-beschluesse/2018-06-08_06/anlagezu-top-46-2.pdf?__blob=publicationFile&v=2, zuletzt abgerufen am 7.1.2019. 15 Zutreffend Rawert, ZGR 2018, 835, 850 m.w.N. 16 Jakob/Uhl in BeckOGK BGB, § 80 BGB Rz. 493. 17 Ähnlich Weitemeyer in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2018, § 80 BGB Rz. 219; Hüttemann/Rawert in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2017, Vorbem. zu §§ 80 ff. BGB Rz. 247.
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kann. Die Organe der Stiftung haben sich an die Vorgaben des Stifters, die er bei Stiftungserrichtung in der Satzung niedergelegt hat, zu halten. Welcher Entscheidungsspielraum ihnen verbleibt, wird in der Satzung definiert. Dies bezieht sich auch auf die Möglichkeit Satzungsänderungen durchzuführen. In der Aufklärung wurden Stiftungen daher auch als Herrschaft der toten Hand charakterisiert.18 Künftig soll im BGB geregelt werden, dass der Stifter die Möglichkeit der Änderung der Satzung ausschließen oder beschränken kann. Satzungsänderungen können den Organen aber auch erleichtert werden, wenn der Stifter Inhalt und Ausmaß der Änderungsermächtigung hinreichend bestimmt festlegt. Damit ermöglicht das Stiftungsrecht dem Stifter einen weiten Gestaltungsspielraum.19 Er allein entscheidet, wie eng oder weit die Vorgaben an die Stiftungsorgane gefasst werden sollen, wobei er die grundlegenden Entscheidungen selbst treffen muss und nicht nachfolgenden Generationen überlassen darf.20 Hat der Stifter eine Ewigkeitsstiftung errichtet, können die Organe sie nur, wenn das ursprüngliche Konzept gescheitert ist, in eine Verbrauchsstiftung umwandeln.21 Hat er die Verfolgung bestimmter gemeinnütziger Zwecke angeordnet, können die Organe nicht einfach andere Zwecke verfolgen oder gar die Gemeinnützigkeit abschütteln. Der Stifter kann den Organen viele Entscheidungsspielräume lassen. Den zu verfolgenden Zweck, das zu erhaltende Vermögen, die Organstruktur und die Zeitstruktur gibt der Stifter vor. Änderungen sind nur möglich, wenn der Stifter dazu konkrete Vorgaben gemacht hat. Zu den Vorgaben, die er machen kann, gehört, in der Satzung festzulegen, was „Vermögenserhalt“ genau bedeutet. Ohne nähere Satzungsvorgabe geht das Stiftungsrecht davon aus, dass das Stiftungsvermögen „in seinem Bestand ungeschmälert zu erhalten ist“. Dieser Satz kann bezogen auf den einzelnen Gegenstand, bspw. auf die Anteile an einem Unternehmen, verstanden werden. Er kann aber auch wertmäßig eingeordnet werden, insbesondere wenn, wie im typischen Fall für Stiftungen, Kapitalvermögen gestiftet worden ist. Der Stifter kann näher definieren, wann das gestiftete Vermögen um18 Turgot, Encyclopédie ou Dictionaire raisonné des sciences, des arts et des métiers, Band 7, 1757, S. 72 ff. [Fondation], https://fr.wikisource.org/wiki/L%E 2%80%99Encyclop%C3%A9die/1re_%C3%A9dition/FONDATION, zuletzt abgerufen am 7.1.2019; dazu Hüttemann/Rawert in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2017, Vorbem. zu §§ 80 ff. BGB Rz. 105 ff. 19 Vgl. dazu im Einzelnen Rawert, ZGR 2018, 835, 854 ff. 20 Ganz h.M; s. auch Weitemeyer in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2018, § 85 BGB Rz. 2; Backert in BeckOK BGB, 48. Edition 2018, § 85 BGB Rz. 4. 21 VG Gelsenkirchen, Urt. v. 12.7.2018 – 12 K 499/18.
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geschichtet werden darf und unter welchen Voraussetzungen dies erlaubt ist. In der Öffentlichkeit wird mitunter der Eindruck erweckt, der Erhalt des Stiftungsvermögens verbiete jegliche Umschichtung von Vermögen und die Rechtsform „Stiftung“ führe deswegen zu irrationalen Entscheidungen der Stiftungsorgane. Dies ist falsch. Vielmehr sind die Stiftungsorgane gehalten, stets die notwendigen Maßnahmen zu treffen, damit das Vermögen dauerhaft erhalten bleibt. Dazu kann u.U. die Berechtigung gehören, die Aufspaltung eines Unternehmens zuzulassen oder die Unternehmensgruppe zu veräußern, wenn eine stand-alone-Lösung nicht mehr aussichtsreich ist. Allerdings kann der Stifter auch insoweit strengere oder weitere Vorgaben in der Satzung machen. Das Stiftungsrecht, bislang im BGB und den Landesstiftungsgesetzen der Bundesländer niedergelegt, regelt insbesondere, was gilt, wenn die Stiftungssatzung schweigt. Oberster Maßstab für jede Stiftung ist der im Stiftungsgeschäft und der Stiftungssatzung niedergelegte Stifterwille bei Errichtung der Stiftung. Darüber, dass der Stifterwille stets beachtet wird, wacht die staatliche 9 Stiftungsaufsichtsbehörde. Die Stiftungsaufsicht ist eine reine Rechtsaufsicht, d.h. sie überprüft alleine, ob die Stiftungsorgane nach Maßgabe des Entscheidungsspielraumes, der ihnen vom Stifter in der Stiftungssatzung gelassen wurde, eine vertretbare Entscheidung getroffen haben.22 Auch stiftungsrechtlich gilt die business judgement rule.23 Die Entscheidung selbst wird nicht im Einzelnen überprüft, wenn sie mit den rechtlichen Vorgaben, insbesondere aus Stiftungsrecht, ggf. Gemeinnützigkeitsrecht und Stiftungsgeschäft, sowie der Stiftungssatzung übereinstimmt. Vielfach wird daher die Ordnungsmäßigkeit des Verfahrens überprüft werden. Gelegentlich gibt es Fälle, bei denen der Eindruck bei der Aufsichtsbehörde entsteht, die Organe würden sich auch bei nachhaltigem Vermögensverfall nicht hinreichend um das Stiftungsvermögen kümmern. In solchen Fällen wird die Aufsicht tätig.24 Andererseits ist den Stiftungsaufsichten durchaus bewusst, dass Vermögensentwicklungen vielfach volatil verlaufen und daher keine Pflichtwidrigkeit der Organe vor-
22 Grundlegend BVerwG, Urt. v. 22.9.1972 – VII C 27.71, BVerwGE 40, 347; Rawert, Jahrbuch des Öffentlichen Rechts der Gegenwart, Band 65, Tübingen 2017, S. 179, 194 ff. 23 OLG Oldenburg, Urt. v. 8.11.2013 – 6 U 50/13, npoR 2014, 143 m. Anm. Hüttemann/Kampermann. 24 Zu Recht kritisiert Rawert, Jahrbuch des Öffentlichen Rechts der Gegenwart, Band 65, Tübingen 2017, S. 208 f., dass in einer Reihe von Bundesländern die Rechtsaufsicht über Familienstiftungen erheblich eingeschränkt wurde.
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liegt, wenn aufgrund allgemeiner Umstände wie Marktentwicklungen der Wert eines Vermögens – hoffentlich vorübergehend – erheblich geschmälert wird. Die staatliche Stiftungsaufsicht muss daher nicht abschrecken, sie gewährleistet aber ebenso wenig wie die Rechtsform „Stiftung“ als solche den Vermögenserhalt. Die staatliche Stiftungsaufsicht ist nicht dafür geeignet, die Unternehmensführung zu überwachen. In aller Regel wird daher unterhalb der Stiftung das Unternehmen in der Rechtsform der Kapital- oder Personengesellschaft geführt. Dem Unternehmen selbst wird ein Aufsichtsorgan beigegeben. Die Stiftung übt allein die Eigentümerstellung aus und beruft die Mitglieder des Aufsichtsgremiums, ist aber nicht selbst diejenige, die im Detail in die Unternehmensführung eingreift.25 Die staatliche Stiftungsaufsicht ist nicht dazu geschaffen, Unternehmensführungen im Einzelnen auf rechtliche Zulässigkeitsgrenzen zu überprüfen, das weite Organermessen wird daher tatsächlich praktiziert. Staatliche Stiftungsaufsichtsbehörden kennen auch gelegentlich den Fall, dass Stiftungsunternehmen saniert werden müssen oder gar in Insolvenz fallen. Dies sind keine Umstände, die stiftungsrechtlich gleichsam verboten wären. Bei persönlichem Interessenskonflikt wird die Aufsicht allerdings zu Recht besonders genau hinschauen. 10 Zusammenfassend lässt sich sagen: mit der Stiftungserrichtung wird festgelegt, zu welchem Zweck das Stiftungsvermögen in welcher Form dauerhaft bewirtschaftet werden soll. Die Stiftungsaufsicht wacht darüber, dass die Stiftungsorgane diese Vorgaben beachten. Durch die Stiftungserrichtung wird somit erreicht, dass die verantwortlichen Organe das Vermögen wie fremdes Vermögen nach den Vorgaben des Stifters verwalten müssen und diese höhere Verantwortlichkeit den Unternehmenserhalt (hoffentlich) wahrscheinlicher werden lässt. Gegen die Stiftungseinrichtung kann die ewige Bindung nachfolgender Generationen an den historischen Stifterwillen sprechen.26 Jeder Stifter sollte sich bei Stiftungserrichtung dieser Stärken oder Schwächen der Rechtsform „Stiftung“ bewusst sein.
25 Vgl. zu den Gestaltungsvarianten Fleisch/Stolte in Fleisch/Eulerich/Krimmer/ Schlüter/Stolte, Modell unternehmensverbundene Stiftungen, 2008, S. 147 ff. 26 Sehr kritisch Rawert, ZGR 2018, 835, 865, wobei die Bindung gemeinnützige wie privatützige Unternehmensträgerstiftungen gleichermaßen betrifft.
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III. Eignung von Stiftungen als Nachfolgeinstrument 1. Empirische Erkenntnisse Mittlerweile gibt es in den Wirtschaftswissenschaften vereinzelt Unter- 11 suchungen dazu, wie sich das Stiftungsmodell auf die wirtschaftliche Entwicklung von Stiftungsunternehmen auswirkt.27 In der öffentlichen Debatte findet sich sowohl die These, Stiftungsunternehmen wären als gesellschaftspolitische Alternative zu kapitalistischen Unternehmensformen denkbar,28 da sie besonders gemeinwohlorientiert angelegt seien, als auch die These, die Unternehmensentwicklung sei bei einer Stiftung als Unternehmensträgerin in besonderer Weise behindert.29 Empirische Befunde aus der Wirtschaftswissenschaft zeigen, dass sich bislang weder die eine noch die andere These wissenschaftlich belegen lässt. Insbesondere eine Untersuchung zu den dänischen Unternehmensstiftungen zeigt, dass die Governance und der Erfolg von Stiftungsunternehmen keineswegs hinter Familienunternehmen oder hinter am Kapitalmarkt befindlichen Unternehmen zurückstehen. Ob ein Unternehmen reüssiert oder nicht reüssiert, hängt nicht von der Rechtsform des Gesellschafters oder der Anzahl der Gesellschafter ab, sondern anscheinend vor allem davon, welche Persönlichkeiten gefunden werden, um gute Entscheidungen in den jeweiligen Gremien zu treffen. Aus Sicht der Unternehmen kann es, um ihnen Wachstum zu ermöglichen, natürlich angezeigt sein, dass sich Dritte an der Unternehmung beteiligen können, um dem Unternehmen die Kapitalaufnahme zu ermöglichen. Dann ist denkbar, dass die Herrschaft der Stiftung auch dann erhalten bleibt, wenn der Kapitalanteil weit unter 50 v.H. oder deutlich weniger absinkt, wie dies bspw. bei der Fresenius SE & Co. KGaA geregelt ist, bei der die Komplementärgesellschaft von einer gemeinnützigen Stiftung beherrscht wird.
27 Eulerich, Stiftungsverbundene Unternehmen in Deutschland, 2016, S. 216; Thomsen/Hansmann, Virtual Ownership and Managerial Distance – The Governance of industrial foundations, Workingpaper Copenhagen Business School, 2013, abrufbar unter https://web.law.columbia.edu/sites/default/files/micro sites/contract-economic-organization/files/ Hansmann%20paper%20revised.pdf, zuletzt eingesehen am 7.1.2019; dazu auch Hüttemann, DB 2017, 591, 597; Fleisch in Fleisch/Eulerich/Krimmer/ Schlüter/Stolte, Modell unternehmensverbundene Stiftungen, 2008, S. 41 ff. 28 Frühbrodt, Das soziale Stiftungsunternehmen, 2014; Wagenknecht, Reichtum ohne Gier – Wie wir uns vor dem Kapitalismus retten, 2016, S. 264 ff. 29 Vgl. nur die Berichterstattung über die Krupp-Stiftung als Anteilseignerin von Thyssen-Krupp.
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Mir sind aber auch Stiftungsgestaltungen bekannt, bei denen sich der Stifter bewusst entscheidet, es sei in Ordnung, wenn eines Tages die Mehrheit infolge von Kapitalerhöhungen verloren gehen sollte und die Stiftung damit nur ein weiterer Anteilseigner neben anderen würde, weil kluge Stifter das Wachstum des Unternehmens nicht behindern wollen. Letztlich sollte eine Stiftungssatzung den zuständigen Organen hinreichend Möglichkeit geben, die Unternehmensentwicklung zuzulassen und ggf. auch die Mehrheit am Unternehmen aufzugeben. Aber natürlich ist es Sache eines jeden Stifters, wie wichtig ihm die Herrschaft durch die Stiftung über sein Unternehmen auf Dauer ist und ob und inwiefern das Interesse der Unternehmensgruppe, wachsen zu können, dahinter ggf. zurücktritt. Eine Stiftung als Eigentümerin ist insofern in keiner anderen Lage als eine Familie, die ebenso häufig entscheiden muss, inwiefern sie Dritte als Gesellschafter zulässt, um Unternehmenswachstum weiterhin möglich zu machen. Empirisch lässt sich derzeit weder festhalten, dass Stiftungen als Nachfolgelösung das Wunderinstrument sind, noch fallen sie negativ ab. Tatsächlich überlegen viele potentielle Stifter bei der Gestaltung ihrer Nachfolgelösung, ob entweder das Unternehmen kurz nach Stiftungserrichtung verkauft wird, was vielfach erhebliche steuerliche Vorteile hat, oder an die Börse gebracht wird, oder welche Freiheit den Organen in Bezug auf die Beteiligung Dritter oder die Veräußerung des Unternehmens im Ganzen für spätere Jahre gelassen wird. Die Erkenntnis, dass es dem Menschen nicht möglich ist, über viele, viele Jahrzehnte Entwicklungen vorherzusehen, ist jedenfalls weit verbreitet, woraus folgt, dass im Regelfall den Organen in der Stiftungssatzung ein erheblicher eigener Entscheidungsspielraum gelassen wird, um das jeweils Beste für das Unternehmen und den Unternehmenserhalt entscheiden zu können, andererseits aber das geschaffene Vermögen dauerhaft als Grundlage der vom Stifter gesetzten Zweckverwirklichung zu erhalten.
2. Rechtliche Unterschiede gegenüber anderen Nachfolgegestaltungen 12
Stiftungen als Unternehmensträger werden typischerweise dann erwogen, wenn der Unternehmenserhalt für den Stifter auf absehbare Zeit von zentraler Bedeutung ist und die Vielzahl der Familienmitglieder nicht als zukünftige Herrscher über das Unternehmen in Betracht kommt. Vielfach gibt es auch keine direkten Angehörigen, denen das Unternehmen vererbt werden soll. Oder die direkten Angehörigen werden nicht für geeignet gehalten, das Unternehmen in eigener Verantwortung fortzufüh-
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ren. Mit einer Stiftungslösung wird dann erreicht, dass zum Einen der Unternehmenserhalt festgeschrieben, zum anderen auch festgelegt werden kann, in welchem Umfang die Familienangehörigen in den Genuss von Erträgen des Unternehmens kommen und welche Persönlichkeiten die Herrschaft über die Unternehmensgruppe letzten Endes ausüben sollen. Mir ist schon der Fall begegnet, dass ein Unternehmer detailliert Regelungen zu einem Beirat getroffen hat, der die beiden Kinder als Unternehmenserben kontrollieren und letztlich die Oberaufsicht über das Unternehmen nach Tod des Gründers ausüben sollte. Kaum war er verstorben, haben die Kinder einvernehmlich die Unternehmenssatzung geändert und den Beirat abgeschafft. Solches Hinwegsetzen über den väterlichen Willen vermag eine Stiftungslösung natürlich zu vermeiden. Auch kann mit einer Stiftungslösung verhindert werden, dass anstelle der gewollten Förderung gemeinnütziger Zwecke entgegen dem Willen des Unternehmers die Förderung der finanziellen Interessen der Familienangehörigen erfolgt. Schließlich ermöglicht die Stiftungslösung, dass nicht das Veräußern des Unternehmens zu einem möglichst hohen Preis im Vordergrund steht, sondern das Weiterführen und der Ausbau des Unternehmens, auch wenn dies für die Familienangehörigen zeitweise Verzicht auf Ausschüttungen bedeutet. Insofern bietet eine Stiftungslösung gegenüber anderen Nachfolgegestaltungen handfeste Vorteile und sollte daher bei Beratungen zu Nachfolgegestaltungen mitdiskutiert werden. Zu dieser Diskussion gehört auch die Feststellung, dass Misstrauen gegenüber den eigenen Nachkommen als zukünftigen Unternehmensführern nicht automatisch sicherstellt, dass mit dem Kreis der gleichaltrigen Vertrauten die Unternehmensführung auf Dauer geregelt ist. Manche Stiftungen leiden unter dem Problem, dass der Stifter Altersgenossen in die Gremien berufen hat und deswegen die entscheidende Frage ist, welche Persönlichkeiten anschließend die Unternehmensentwicklung zu gewährleisten vermögen. Die Rechtsform der Stiftung schafft keine Nachfolgelösung, sondern bereitet diese vor. Am langen Ende müssen die richtigen Personen für die jeweiligen Ämter auch tatsächlich gefunden werden. Nachteil einer Stiftungslösung kann sein, dass diese Pflichtteilsergänzungsansprüche der weichenden Erben auslösen kann.30 Als Alternative zur Stiftungslösung sind die Gestaltung einer Familiengesellschaft mit begrenztem Einfluss der einzelnen Erben denkbar oder auch stiftungsähn30 Ganz herrschende Auffassung, vgl. BGH, Urt. v. 10.12.2003 – IV ZR 249/02, NJW 2004, 1382; Hüttemann/Rawert in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2017, § 81 BGB Rz. 28; s.a. von Löwe, Familienstiftung und Nachfolgegestaltung, 2. Aufl. 2016, S. 5 f.
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liche Gestaltungen, wie bspw. bei Bosch.31 Andere überlegen, anstelle des deutschen Stiftungsrechts eine ausländische Stiftung, bspw. die österreichische Familienstiftung, zu nutzen, was Wegzugsteuer auslösen kann32 und erbschaftsteuerlich sorgfältig geprüft werden muss. Auch ist nach österreichischem Recht die Besetzung der Organe einschließlich der Aufsichtsgremien durch Destinatäre, also Familienangehörige, nicht möglich. Die scharfe Trennung von wirtschaftlichen Begünstigungen und deren Ausschluss von jeglicher Aufsicht führt häufig zu erheblichem Streitpotential und ist regelmäßig nicht zu empfehlen. Der Instrumentenkasten zur Gestaltung der Nachfolge sollte sorgfältig geprüft werden, um die optimale steuerliche und rechtliche Struktur auf Grundlage der eigenen Vorstellungen zu schaffen.
IV. Rechtsentwicklungen im Stiftungs- und Erbschaftsteuerrecht 1. Stiftungsreform 13
Das Stiftungsrecht wird nicht so bleiben, wie es momentan gesetzlich geregelt ist. Stiftungsrecht verteilt sich auf drei verschiedene Regelungsmaterien: Die Grundlagen sind in den §§ 80 ff. BGB geregelt, daneben sind in 18 Landesstiftungsgesetzen der deutschen Bundesländer gleichfalls stiftungsrechtliche Regelungen enthalten und schließlich wird das tatsächliche Handeln der gemeinnützigen Stiftungen insbesondere von den in den §§ 51 ff. AO niedergelegten Rechtsvorschriften bestimmt.33 Diese Verteilung der Rechtsmaterie hat dazu geführt, dass das Stiftungsrecht von den jeweiligen Stiftungsaufsichtsbehörden dann, wenn es spannend wird, tatsächlich häufig unterschiedlich angewandt wird. Nur selten finden Gerichtsverfahren gegen Entscheidungen der Stiftungsaufsichtsbehörden statt. Dies liegt auch daran, dass Klagerechte gegen Entscheidungen der Stiftungsaufsicht im deutschen Recht nur eingeschränkt vorhanden sind und bspw. eine Stiftungsaufsichtsbeschwerde von interessierten Beteiligten nach deutscher Rechtsauffassung nur in
31 Dazu z.B. Roth in BeckOGK BGB, § 80 BGB Rz. 717; Dutta, Warum Erbrecht?, Tübingen 2014; Hüttemann/Rawert in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2017, Vorbem. zu §§ 80 ff. BGB Rz. 269 ff.; Jakob/Picht in BeckOGK BGB, § 85 BGB Rz. 60 ff. und 64 ff. 32 § 6 AStG. 33 Vgl. dazu Schauhoff, npoR 2016, S. 2 ff.
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sehr eingeschränktem Maße zulässig ist.34 Seit Ende 2014 hat eine BundLänder-Arbeitsgruppe „Stiftungsreform“ unter Leitung des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz auf Initiative des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen Veränderungen des Stiftungsrechtes auf der Grundlage der festgestellten unterschiedlichen Rechtsanwendungen beraten. Diese Arbeitsgruppe schlägt eine für unseren föderalen Staat weitreichende Reform vor: Voraussichtlich 2019 wird das materielle Stiftungsrecht einheitlich im BGB niedergelegt werden. Dabei werden für die Abgrenzung von zu erhaltendem Stiftungsvermögen und Erträgen, für die Veranwortlichkeitsmaßstäbe für die Vermögensanlage, für die Reichweite der Satzungsänderungskompetenz und für Strukturentscheidungen bei Stiftungen einheitliche Regelungen für sämtliche Stiftungen in Deutschland geschaffen werden. Diese Rechtsvereinheitlichung wird wiederum zu einer einheitlicheren Anwendung durch die Aufsichtsbehörden führen und der Rechtsrahmen, den Stiftungsorgane vorfinden, wird dementsprechend klarer abgesteckt sein. Alle diese Regelungen haben, wie erwähnt, vor allem Bedeutung, wenn die Satzung schweigt, im einzelnen Fall ist der niedergelegte Stifterwille entscheidend. Bei der Satzungsgestaltung sollten diese angekündigten Änderungen bereits jetzt in den Blick genommen werden, da sie zukünftig das Stiftungswesen prägen werden.35
2. Verschonungsbedarfsprüfung Die Übertragung von Unternehmen ist derzeit erbschaftsteuerlich in er- 14 heblichem Maße begünstigt. Dies muss nicht so bleiben. Das geltende Erbschaftsteuerrecht sieht in den §§ 13a ff., 28a ErbStG vor, dass unternehmerisches Vermögen, welches im Regelfall fünf oder sieben Jahre nach der Übertragung fortgeführt wird, erbschaftsteuerfrei übertragen werden kann. Besteuert wird dann nur Verwaltungsvermögen, welches im unternehmerischen Vermögen über einen bestimmten unschädlichen Umfang hinaus steckt, oder sog. junges Verwaltungsvermögen. Zudem regelt das ErbStG im Anschluss an die Rechtsprechung des BVerfG,
34 Vgl. dazu Hüttemann/Rawert in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2017, Vorbem. zu §§ 80 ff. BGB Rz. 150 ff. 35 Abrufbar unter Innenministerkonferenz Stiftungsreform, https://www.innen ministerkonferenz.de/IMK/DE/termine/to-beschluesse/2016-11-29_30/nummer %2026%20reform%20stiftungsrecht.pdf?__blob=publicationFile&v=2, zuletzt eingesehen am 7.1.2019; vgl. zusammenfassend Hüttemann/Rawert in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2017, Vorbem. zu §§ 80 ff. BGB Rz. 94 ff.; Mehren, DStR 2018, 1773 ff.
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dass dann, wenn der Erwerb von begünstigtem Vermögen die Grenze von 26 Mio. Euro übersteigt, Erbschaftsteuer geschuldet wird, es sei denn, der Erwerber wäre nicht in der Lage, aus seinem eigenen verfügbaren Vermögen die Erbschaftsteuer zu entrichten. Wegen dieser erbschaftsteuerlichen Regelung sind Übertragungen auf Stiftungen attraktiv. Sie ermöglichen, den Erbschaftsteuerfall durch die Stiftungserrichtung auszulösen. Verfügt die Stiftung über kein sonstiges eigenes Vermögen, kann es auch bei Erwerben über 26 Mio. Euro im Rahmen der Verschonungsbedarfsprüfung dazu kommen, dass praktisch kaum Erbschaftsteuer geschuldet wird.36 Gleichzeitig ist es möglich, dass der Unternehmer sich selbst zu Lebzeiten als Vorstand der Stiftung einsetzt und die Herrschaft über das unternehmerische Vermögen behält.37 Wird das Vermögen auf eine Familienstiftung übertragen, bleibt der Wechsel in der Destinatärstellung der Begünstigten dieser Familienstiftung erbschaftsteuerlich regelmäßig außer Betracht.38 Vielmehr kommt es im Abstand von 30 Jahren zur Erhebung der sog. Erbersatzsteuer. Wird das Vermögen auf eine ausländische Stiftung übertragen, wird es nicht zwingend zum Anfall deutscher Erbschaftsteuer kommen, allerdings muss die Wegzugsteuer vermieden werden. Die Trägerschaft über ein Unternehmen durch eine Stiftung kann gegenwärtig somit erbschaftsteuerlich attraktiv sein.
V. Stiftungsrechtliche Gestaltungsgrenzen 1. Verbot der Selbstzweckstiftung 15
Auch wenn das Stiftungsrecht einen sehr weiten Gestaltungsspielraum bietet: alles ist nicht erlaubt. Eine Stiftung beruht auf der Widmung eines Vermögens zu einem bestimmten Zweck. Daraus folgt, dass sich der Zweck der Stiftung nicht in der Erhaltung des Stiftungsvermögens erschöpfen darf, weil das Vermögen nur ein Mittel zur Erfüllung eines darüber hinausgehenden Zwecks sein darf. Die schlichte Erhaltung eines Unternehmens ist nach ganz h.M. für sich genommen kein zulässiger Stiftungszweck.39 Daraus folgt, dass Stiftungen, in denen untersagt 36 Dazu Werder/Wystrcil, BB 2016, 1558, 1563; Wachter, GmbHR 2017, 1, 12. 37 Dazu Rawert, ZGR 2018, 835; Theuffel-Wehrhahn, ZEV 2017, 17, 22. Bei einer Stiftungserrichtung ist nur in äußerst seltenen Ausnahmefällen ein Missbrauch steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten denkbar. 38 Zur Besteuerung der Familienstiftung vgl. ausführlich von Löwe, Familienstiftung und Nachfolgegestaltung, 2. Aufl. 2016, S. 43 ff. 39 Hüttemann, DB 2017, 591, 593; Weitemeyer in MünchKomm/BGB, 7. Aufl. 2016, § 80 BGB Rz. 116; Hüttemann/Rawert in Staudinger, BGB, Neubearbei-
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werden soll, ein Unternehmen auch bei massivem Wertverlust jemals veräußern zu dürfen, als verbotene verdeckte Selbstzweckstiftungen betrachtet werden könnten.40 Auch die verdeckte Selbstzweckstiftung ist unzulässig.41 Vielmehr soll das Unternehmen als Ertragsgrundlage für die Stiftung dienen und insofern im Bestand erhalten und ggf. erweitert werden. Die vollständige Thesaurierung sämtlicher Gewinne auf Unternehmensebene kann unter Gemeinnützigkeitsgesichtspunkten nur im Ausnahmefall als unschädlich betrachtet werden.42 In anderen Rechtsordnungen, bspw. in den USA, wird dagegen ein Verbot von Mehrheitsbeteiligungen an Unternehmen oder eine Mindestausschüttungspflicht in erheblicher Höhe angeordnet. In der deutschen Gestaltungspraxis finden sich zur Vermeidung dieses Rechtsproblems, welches ggf. auch im Laufe der weiteren Rechtsentwicklung sich einmal verschärfen könnte, vielfach Gestaltungsmaßnahmen, wie die Errichtung sog. Doppelstiftungen, bei denen das Organ, welches über die Ausschüttungshöhe aus dem Unternehmen im Unternehmensinteresse entscheidet, anders besetzt wird als die Organe der Stiftung, die die Ausschüttungen erhält.43 Bislang wird in der Rechtspraxis in Deutschland eine Thesaurierung von Gewinnen in erheblichem Umfang auf Ebene des Unternehmens nicht beanstandet. Das deutsche Recht kennt eben keine Ausschüttungsverpflichtung. Welche Rendite aus dem Stiftungsvermögen gezogen wird, unterliegt gegenwärtig keiner rechtlichen Kontrolle. Kontrolliert wird vielmehr, wenn das Vermögen erheblich unter den Wert bei Einbringung in die Stiftung absinkt. In diesem Punkt herrscht in Deutschland somit ein liberales Regime, wobei allerdings sichergestellt sein muss, dass der Unternehmenserhalt nicht zum Selbstzweck wird, sondern gewisse Erträge der Stiftung entweder zur Erfüllung ihrer gemeinnützigen Zwecke oder zur Versorgung der Familie oder zu einer Mischung aus verschiedenen Zwecken ausgegeben werden. Eine Unterform der verbotenen Selbstzweckstiftung bildet die reine Funktions- oder Verwaltungsstiftung, de-
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tung 2017, Vorbem. zu §§ 80 ff. BGB Rz. 7 ff.; Backert in Bamberger/Roth, BGB, 3. Aufl. 2012, § 80 BGB Rz. 18; ebenso der Bericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Stiftungsrecht“ v. 9.9.2016, S. 13; a.A. etwa Pruhns in Schiffer (Hrsg.), Die Stiftung in der Beratungspraxis, 4. Aufl. 2016, S. 546 ff. Hüttemann, DB 2017, 591, 593. Dazu Rawert, ZGR 2018, 835, 853 mit Indizien zur Prüfung der Verdeckung. BFH, Urt. v. 15.7.1998 – I R 156/94, BFHE 186, 546 = GmbHR 1998, 1139 = BStBl. II 2002, 162. Zu den Gestaltungsgrenzen s. Hüttemann/Rawert in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2017, Vorbem. zu §§ 80 ff. BGB Rz. 237.
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ren Zweck sich darin erschöpft, Komplementärin einer Stiftung & Co. KG aus Gründen der Vermeidung der Mitbestimmung oder zur Begrenzung der Publizität zu sein. Nachdem sich die Bund-Länder-Kommission dazu eine ablehnende Rechtsauffassung gebildet hat, wird deren Errichtung kaum noch möglich sein.44 Denkbar bleibt aber, die Stiftung mit Vermögen auszustatten und einen eigenen Zweck neben dem Innehaben der Komplementärstellung festzulegen.45
2. Vermögenserhalt und Aufsicht 16
Im deutschen Stiftungsrecht ist gegenwärtig nicht geklärt, was die Pflicht zum dauernden Erhalt des Stiftungsvermögens tatsächlich bedeutet. Solange keine Notwendigkeit auftritt, die Beteiligungsansätze in der Stiftungsbilanz abzuschreiben, wird der Werterhalt bei Unternehmensträgerstiftungen regelmäßig nicht überprüft. Insbesondere führen unrealisierte Wertsteigerungen der Beteiligung nicht dazu, dass der zwischenzeitlich erhöhte Wert zu erhalten wäre. Vielmehr wird bei Unternehmensträgerstiftungen von einer gegenständlichen Erhaltungspflicht ausgegangen, bei der Wertschwankungen in Bezug auf den zu erhaltenden Gegenstand in erheblichem Umfang toleriert werden. Das Stiftungsrecht muss sich davor hüten, die rechtlichen Maßstäbe an die Erhaltungspflicht zu überziehen. Erst allmählich bilden sich im Stiftungsrecht Untergrenzen heraus, bei denen die Stiftungsaufsichtsbehörden ein Handeln von den Stiftungsorganen verlangen können, um vor dem Vermögensverlust die Notbremse zu ziehen. Nach richtiger Auffassung darf der Stifter selbst in der Stiftungssatzung diese Fälle mitbedenken und regeln.46 Jedem Unternehmer ist bewusst, in welchem Maße Unternehmen als Stiftungsgegenstand Wertschwankungen unterliegen können. Wann ein nachhaltiger Wertverlust, der zum Handeln zwingt oder zumindest berechtigt, tatsächlich zu konstatieren ist, darüber lässt sich zwischen Stiftungsorganen und Aufsichtsbehörde streiten, es sei denn, der Stifter selbst hätte hierzu Vorgaben gemacht. Allerdings ist die Aufsicht auch häufiger untätig, insofern können Kontrolldefizite drohen. Das deutsche Recht kennt leider 44 Bericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Stiftungsrecht v. 9.9.2016 unter B.III 1a; dazu ebenso Hüttemann/Rawert in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2017, Vorbem. zu §§ 80 ff. BGB Rz. 212. 45 Ebenso Hüttemann/Rawert in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2017, Vorbem. zu §§ 80 ff. BGB Rz. 234. 46 Vgl. dazu Hüttemann/Rawert in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2017, § 81 BGB Rz. 68 und § 86 BGB Rz. 31.
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bislang kaum eine Stiftungsaufsichtsbeschwerde, im Gegensatz bspw. zur Schweiz, mit der Dritte, bspw. die Nachkommen des Stifters, überprüfen können, dass die Aufsicht zumindest bei Strukturentscheidungen im Interesse des Stifterwillens die Kontrolle tatsächlich ausübt.
3. Foundation Governance und Unternehmensverfassung Der Stifter ist frei darin, wie er die Foundation Governance gestaltet. Stif- 17 tungsvorstand und Stiftungsrat, deren Besetzung bei großen Stiftungen regelmäßig angeraten ist, können ausgestaltet werden wie Aufsichtsrat und Vorstand bei der Aktiengesellschaft oder der Stiftungsrat kann ein Weisungsrecht gegenüber dem Vorstand erhalten oder eine Destinatärsversammlung hat letztendlich Entscheidungsrechte oder je nach Beratungsgegenstand wird differenziert.47 In der Rechtspraxis finden sich ganz viele unterschiedliche Gestaltungsformen. Nicht selten sind auch Streitigkeiten zwischen Organen über die jeweiligen Befugnisse. Starke Persönlichkeiten in den Organen streben nach Einfluss. Eine klare, widerspruchsfreie Kompetenzverteilung in der Satzung ist geboten. Im Regelfall empfiehlt es sich, die Gremien, die die Geschäftsführung des Unternehmens überwachen, anders zu besetzen als die Gremien, die den Stiftungsvorstand in seiner Tätigkeit wiederum überwachen. Natürlich ist eine teilweise Personalunion möglich, teilweise auch sinnvoll, um eine enge Verknüpfung des beherrschenden Unternehmenseigentümers mit den Unternehmensorganen sicherzustellen.48 Wegen dieses Interessenstreites mehren sich Gerichtsverfahren zur Kompetenzverteilung der Organe oder Wirksamkeit von Satzungsänderungen.49 Andererseits sind die Stiftungsorgane nicht nur für den Unternehmenserhalt, sondern auch für die Ertragsverwendung zuständig. Sie sollen wie ein Eigentümer die ordnungsgemäße Verwaltung und Weiterentwicklung des Unternehmens überwachen, insbesondere auch indem die Tätigkeit des Aufsichtsgremiums überwacht und die Auswahl der diesem Gremium angehörenden Persönlichkeiten bestimmt wird. Was erfolgreiche Foundation Governance oder Corporate Governance auszeichnet, dies wird immer in Diskussion bleiben. Letztlich ist es der Stifter selbst, der die entscheidenden Vorgaben dazu machen muss. Stiftungen dazu gesetzliche Vorgaben 47 Dazu auch Rawert, ZGR 2018, 835, 859 ff. 48 Vgl. dazu auch Fleisch/Stolte in Fleisch/Eulerich/Krimmer/Schlüter/Stolte, Modell unternehmensverbundene Stiftungen, 2008, S. 154 ff. 49 Siehe OVG Schleswig, Urt. v. 7.12.2017 – 3 LB 2/17, 3 LB 3/1; dazu Kraus, npoR 2018, 97 ff.
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zu machen, wäre allenfalls angezeigt, wenn sie selbst ein Unternehmen betreiben würden. Allein das Unternehmen, welches in bestimmten Rechtsformen betrieben wird, unterliegt gesetzlichen Vorgaben in Bezug auf die Corporate Governance. Die Eigentümerin, ob Privatperson oder Stiftung, haftet ggf. nach den konzernrechtlichen Regeln nach unzulässigen Eingriffen mit dem Vermögen, ist aber frei darin, wie und ob das eigene Vermögen durch eine gute Governance geschützt wird. Daraus ergibt sich, dass der Stifter, um das gestiftete Vermögen zu schützen, umfangreiche Schutzmechanismen in der Satzung niederlegen kann, aber nicht muss.
4. Satzungsänderungen 18
Bei der beabsichtigten Reform des Stiftungsrechtes soll in § 85 Abs. 4 BGB-Entwurf geregelt werden, dass der Stifter in der Stiftungssatzung vorsehen kann, dass die Stiftungsorgane Satzungsänderungen umfassenderer Art vornehmen dürfen. Dazu muss der Stifter nach Art und Umfang bestimmen, was geändert werden darf. In der Tat sollte ein Stifter sehr sorgfältig abwägen, welche Regelungen der Stiftungssatzung änderungsfest bleiben sollen. Typische umstrittene Punkte fangen schon beim Stiftungsnamen an. Stört den Stifter, wenn nachfolgende Generationen seinen Namen aus der Stiftung tilgen? Stört den Stifter, wenn die Altersgrenze für Organmitglieder, die er auf 70 Jahre festgesetzt hatte, deutlich erhöht wird? Will der Stifter, dass die Stiftungszwecke unabänderlich bleiben und die Stiftung auf diese Tätigkeiten fokussiert ist, oder darf die Stiftung sich neue angrenzende Arbeitsfelder erschließen, wenn die Organe meinen, auf diesen Feldern sei es sinnvoller tätig zu werden? Mit der Festlegung der Stiftungszwecke auf Dauer übernimmt der Stifter eine hohe Verantwortung in Bezug auf die Ausgestaltung der Stiftung. Das Stiftungsrecht geht von einer Unabänderlichkeit zahlreicher Bestimmungen des Stifters aus, wenn nicht in der Satzung eindeutig zum Ausdruck kommt, dass Anderes gewollt ist. Auch habe ich schon öfter erlebt, dass Stifter zehn Jahre nach Stiftungserrichtung doch einen ganz anderen Willen verfolgt haben möchten, als er damals niedergelegt wurde. Mit der Stiftungserrichtung entäußert sich der Stifter seines Vermögens, anschließende Willensänderungen von ihm sind stiftungsrechtlich unbeachtlich, wenn er bei Errichtung keine entsprechenden Vorbehalte gemacht hat. Von daher verbietet sich, Stiftungssatzungen nach Mustern zu gestalten, insbesondere wenn es um große Stiftungen geht. Vielmehr
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müssen im Detail und sorgfältig die denkbaren Alternativen durchdacht werden.50
VI. Gestaltungsoptionen für Unternehmensträgerstiftungen 1. Gemeinnützige Stiftungen Abschließend möchte ich kurz auf die verschiedenen Gestaltungsoptio- 19 nen für Unternehmensträgerstiftungen eingehen. Die Entscheidungsalternativen zwischen den verschiedenen Stiftungsformen müssen stets sowohl die steuerlichen als auch die stiftungsrechtlichen Unterschiede einbeziehen. Der Großteil der Unternehmensträgerstiftungen sind gemeinnützige Stiftungen, bei denen Unternehmensgründer die Erträge des von ihnen geschaffenen Vermögens gemeinnützigen Zwecken widmen. Die Initiative von Bill Gates und Warren Buffet „The Giving Pledge“ macht öffentlich, was auch in Deutschland vielfach geschieht: Gemeinnützige Zweckverwirklichung und Unternehmensentwicklung können verbunden werden.51 Bei der Vermögensübertragung auf eine gemeinnützige Stiftung bleibt die Vermögensübertragung vollständig erbschaftsteuerfrei. In begrenztem Umfang kann der steuerliche Spendenabzug in Anspruch genommen werden. Gemeinnützig ist die Stiftung nur dann, wenn sie ausschließlich gemeinnützige Zwecke verfolgt. In begrenztem Rahmen ist auch die Versorgung von nahen Familienangehörigen neben der gemeinnützigen Zweckverfolgung möglich, allerdings typischerweise nur auf drei Generationen und der Höhe nach begrenzt. Zudem erlauben die Gemeinnützigkeitsvorschriften keine unbegrenzte Thesaurierung von Erträgen auf Ebene der gemeinnützigen Stiftung, da Erträge der Stiftung der zeitnahen Mittelverwendung unterliegen. Allerdings ermöglicht das Gemeinnützigkeitsrecht, regelmäßig ein Drittel der ausgeschütteten Dividenden der Unternehmensgruppe zeitlich unbegrenzt zu thesaurieren und in das Unternehmen reinvestieren zu können. Darüber hinaus kann auch noch Eigenkapital gebildet werden, sofern dies zur Erhaltung der Beteiligungsquote bei der Unternehmensgruppe erforderlich ist. Andererseits wird gemeinnützigkeitsrechtlich schärfer geprüft, ob es tatsächlich vernünftige wirtschaftliche Gründe für die Gewinnthesaurierung auf Ebene der Unternehmensgruppe gibt. Wenn ein erheblicher dauerhafter Wertverfall für das gestiftete Vermögen droht, 50 Zu denkbaren Satzungsänderungen auch Rawert, ZGR 2018, 835, 862. 51 Unter https://givingpledge.org/ ausführlich beschrieben.
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kann Handeln geboten sein. Ein stiftungsrechtliches Kapitalerhaltungskonzept sollte bei der Errichtung mitbedacht werden. Wesentlich für die Errichtung einer gemeinnützigen Stiftung sollte sein, dauerhaft gemeinnützige Zwecke verfolgen zu wollen.
2. Familienstiftung 20
Eine Stiftung ist aber auch ein geeignetes Mittel, durch eine Familienstiftung die gemeinschaftliche Unternehmensbeherrschung durch die Familie, in den Organen ggf. gemeinsam mit Dritten, sicherzustellen. Bei dem gegenwärtig geltenden Erbschaftsteuerrecht kann im Regelfall das Unternehmen weitgehend erbschaftsteuerfrei auf eine Familienstiftung übertragen werden. Eine Familienstiftung ist eine auch ertragsteuerlich interessante Option, da die Ausschüttungen aus dem Unternehmen auf Stiftungsebene weitgehend körperschaftsteuerfrei vereinnahmt werden können und das übrige Vermögen nur einem Steuersatz von 15 v.H. unterliegt. Damit wird die Familienstiftung weitaus günstiger besteuert, als regelmäßig die natürliche Person. Allerdings wird dafür die Ausschüttung an die Familienmitglieder als Destinatäre noch der Abgeltungsteuer unterworfen, so dass durchgerechnet ertragsteuerlich die Familienstiftung nicht günstiger ist, als die Direktbeteiligung der Familienmitglieder. Die Familienstiftung erlaubt somit eine steuergünstige Vermögensbildung für die Familie auf Stiftungsebene. Erbschaftsteuerlich führt der Wechsel in der Destinatärstellung durch Versterben von Familienmitgliedern oder durch Austritt aus der Destinatärstellung bei Erreichen eines bestimmten Lebensalters nicht zur Entstehung von Erbschaftsteuer. Auch ermöglicht die Familienstiftung, dass deren Organe frei von Rechtsansprüchen der Familienmitglieder darüber entscheiden können, in welcher Höhe diese Zahlungen erhalten. Die Familienstiftung führt allerdings alle 30 Jahre zur sog. Erbersatzsteuer, bei der, wenn das derzeitige Erbschaftsteuerrecht dann auch noch bestehen sollte, gleichfalls die Privilegierungen für Unternehmensübertragungen greifen. Nur bei einer vollständigen Kappung des Familieneinflusses ist vorstellbar, dass erbschaftsteuerlich keine Familienstiftung angenommen wird und die Erbersatzsteuer entfällt.52 Ob das Stiftungsrecht einmal die privatnützige Stiftung wegen des Ewigkeitscharakters im Unterschied zu zeitlich begrenzten erbrechtlichen Bindungen bei Testamentsvollstre-
52 ErbStRL 2011 § E_1.2; BFH, Urt. v. 10.12.1997 – II R 25/94, BStBl. II 1998, 114; BFH, Urt. v. 9.12.2009 – II R 22/08, BStBl. II 2010, 363.
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ckung etc. auf 30 Jahre untersagen wird, ist denkbar, gegenwärtig aber unwahrscheinlich.53
3. Unternehmensstiftung Denkbar ist auch die Stiftung so zu gestalten, dass der Erhalt des Un- 21 ternehmens tatsächlich bei Beachtung der Grenzen des Verbots der Selbstzweckstiftung wesentlich für die Stiftung ist. Wird die Familienversorgung nicht angestrebt und soll andererseits aber auch das Gemeinnützigkeitsregime mit seinen Zwängen vermieden werden, damit in erster Linie die Freiheit besteht, im Interesse des Unternehmens dessen Fortentwicklung sicherzustellen, so ist auch dies stiftungs- und steuerrechtlich gestaltbar.
VII. Thesen Rund um das Thema „Stiftungen als Unternehmensträger“ bestehen trotz der erheblichen praktischen Bedeutung, die Stiftungen für zunehmend viele Unternehmensgruppen haben, noch zahlreiche offene Rechtsfragen. Manches davon wird in der anstehenden Stiftungsreform geklärt werden, anderes wird aber erst die Zukunft zeigen. Der bestehende Rechtszustand lässt sich mit folgenden Aussagen zusammenfassen: –
Stiftungen stellen ein geeignetes Mittel zur Nachfolgeregelung für Unternehmer dar.
–
Wie die Stiftung im Einzelnen ausgestaltet wird, kann der Stifter selbst festlegen. Das Stiftungsrecht bietet zahlreiche unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten. Der Stifter sollte sich im Einzelnen überlegen, welche seiner Anordnungen er änderungsfest ausgestalten möchte und welche Entscheidungen er den zuständigen Stiftungsorganen überträgt. Auch das Schweigen der Stiftungssatzung hat eine Rechtsfolge.
–
Die Stiftung kann als gemeinnützige Stiftung, als Familienstiftung oder als Unternehmensstiftung ausgestaltet werden. Sie kann als Verbrauchsstiftung für eine begrenzte Zeit eingerichtet werden. Denkbar ist, für jeden nachfolgenden Familienstamm eine eigene Stiftung einzusetzen und die Gremien der Stiftung teilweise oder vollständig personenidentisch zu besetzen. Denkbar ist auch, anstelle einer Stiftung eine gemeinnützige GmbH als Unternehmensträger
53 Dafür Rawert, ZGR 2018, 835, 840; dazu oben Fn. 13.
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zu verankern. Ausgestaltbar ist, wie lange bei welchen Umständen die Stiftungsorgane an der Unternehmensträgerschaft festhalten müssen und wann sie berechtigt oder gar verpflichtet sind, sich vom Unternehmen zu trennen, um den Wert des Stiftungsvermögens noch zu erhalten. Auch ist regelbar, dass die Stiftung nicht für alle Zeiten errichtet wird, sondern das Stiftungsvermögen nach einer bestimmten Zeitperiode, bspw. 50 oder 100 Jahre nach dem Tod des Stifters, verbraucht werden darf. –
Bei der gegenwärtigen erbschaftsteuerrechtlichen Rechtslage ist der Einsatz von Stiftungen als Unternehmensträger im Rahmen der Nachfolgegestaltung attraktiv. Auch das Ertragsteuerrecht erleichtert die Vermögensbildung auf Stiftungsebene im Interesse der Familie. Selbst unter den gemeinnützigkeitsrechtlichen Regeln der zeitnahen Mittelverwendung ist den Stiftungen in erheblichem Umfang die Vermögensbildung durch Thesaurierung von Erträgen möglich.
–
Betrachtet man die praktischen Beispiele der Unternehmensträgerstiftungen, so stellt man fest, dass diese den ihnen gehörenden Unternehmensgruppen vielfach eine großartige unternehmerische Weiterentwicklung ermöglicht haben. Das Stiftungsrecht verhindert keine gute Governance. Es garantiert diese aber auch nicht. Gute Stifter werden den von ihnen gestifteten Unternehmen regelmäßig eine deutliche Weiterentwicklung, sogar ggf. außerhalb des Stiftungsrahmens, ermöglichen. Mit Stiftungen soll auf Dauer, ggf. auf Ewigkeit, eine gute Tradition begründet werden. Nicht das Bewahren der Asche, sondern die Weitergabe des unternehmerischen Feuers als Aufgabenstellung für die Stiftung begründet eine gute Tradition. So gestaltete Stiftungen werden sich als Unternehmensträger weiterhin bewähren.
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Bericht über die Diskussion des Referats Schauhoff Judith Mehren Rechtsanwältin, Steuerberaterin, Fachanwältin für Steuerrecht, Bonn Einleitend dankte Diskussionsleiterin Kalss Schauhoff für den umfangreichen Überblick über das Thema „Stiftungen als Unternehmensträger“.
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Den ersten Diskussionsbeitrag lieferte Binge, der fragte, inwieweit vor 2 dem Hintergrund der derzeitigen Stiftungsreform der Aspekt der Verlagerung einer Stiftung in das Ausland im Auge behalten werden müsse. Bei der GmbH sei eine Sitzverlegung in das Ausland möglich oder auch eine grenzüberschreitende Verschmelzung. Auf die Stiftung sei das Umwandlungsrecht jedoch nicht anwendbar und die Liquidation der Stiftung – als erster Schritt vor dem Transfer des Vermögens in das Ausland – müsse in der Stiftungssatzung zugelassen sein. Schauhoff erläuterte, das regulatorische Umfeld könne sich natürlich stets verändern und es sei zu überlegen, für diese Fälle als „wesentliche Änderung der Verhältnisse“ die Möglichkeit einer Satzungsänderung zuzulassen, wenn sich das regulatorische Umfeld einmal ändert. Bislang bestehe nicht die Möglichkeit, den Stiftungssitz unmittelbar unter Wahrung der Identität des Rechtsträgers in das Ausland zu verlagern, dies sei keine genehmigungsfähige Satzungsänderung. Daran werde sich durch die derzeit diskutierte Stiftungsreform auch nichts ändern. Im Übrigen seien Umstrukturierungen bei Stiftungen durchaus möglich. So könne auch bei gemeinnützigen Stiftungen die Zweckerfüllung unmöglich werden und die Auflösung der Stiftung in Betracht kommen. Mit der Stiftungsreform solle nun die Möglichkeit der Zulegung und Zusammenlegung von Stiftungen ausdrücklich im BGB geregelt und dafür die Gesamtrechtsnachfolge eingeführt werden. Kalss knüpfte daran an und fragte, ob in Deutschland dann auch die Möglichkeit der Spaltung einer Stiftung bestehe; in Österreich sei die Abspaltung eines Teils des Stiftungsvermögens durch Errichtung einer Substiftung grundsätzlich zulässig. Dies verneinte Schauhoff für das deutsche Recht, verwies aber darauf, dass im Ausnahmefall, wenn die Satzung dies zulasse, die Errichtung einer Substiftung aus Erträgen der Stiftung mög-
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lich sei. Dazu enthalte § 58 Nr. 6 AO eine Ausnahme vom Gebot der zeitnahen Mittelverwendung. 4 Zu den Ausführungen von Schauhoff, dass Dritten grundsätzlich keine Klagebefugnisse zustünden, fragte Kalss nach, ob dies auch für Begünstigte gelte, wenn bspw. Zuwendungen der Stiftung an diese verringert würden. Schauhoff führte aus, dass Destinatären von Gesetzes wegen keine einklagbaren Rechte zustünden, grundsätzlich also auch nicht den Destinatären auf Leistungen der Stiftung. Etwas anderes könne nur gelten, wenn die Satzung den Destinatären ein Forderungsrecht im Sinne eines klagbaren Anspruchs auf Stiftungsleistungen gewähre. Hiervon würde jedoch eher selten Gebrauch gemacht, zumal in diesen Fällen das Vorliegen einer Vermögenszuwendung in Form einer Belastung des übertragenen Vermögens bei Stiftungserrichtung diskutiert werde. 5 Hopt griff das Thema der Foundation Governance auf und fragte, ob es im Rahmen der Stiftungsrechtsreform hierzu Überlegungen gebe, da andere Länder insoweit weiter seien und es zum Teil missbräuchliches Verhalten gebe, insbesondere bei großen Vermögen. Eine generelle Regelung sei bei der Unterschiedlichkeit der Stiftungen schwer vorstellbar. Schauhoff verwies auf die große Gestaltungsfreiheit, die es im Stiftungsrecht auch weiterhin geben solle. Nur bei Errichtung einer Stiftung werde die Governance einer Stiftung zum Teil mit den Aufsichtsbehörden diskutiert. Insoweit seien keine weiteren Vorgaben geplant, zumal Größe und Struktur der Stiftungen dazu zu unterschiedlich seien. 6 In Bezug auf die Stiftungsreform wollte Hölscher wissen, in welchem ausländischen Recht das beste Potential für ein gutes Stiftungsrecht zu finden sei. Schauhoff erwiderte, in verschiedenen anderen Rechtsordnungen gebe es einzelne Regelungen, die er für gut befinden würde. Es gebe aber nicht eine bestimmte ausländische Rechtsordnung, die er uneingeschränkt für empfehlenswert halte. Ergänzend führte Schauhoff aus, seiner Ansicht nach gebe es zunehmend ein Defizit an Kontrolle, damit gewährleistet werde, dass der Stifterwillen gewahrt werde. Eine „Stiftungsaufsichtsbeschwerde“ gebe es nicht und für die Einführung von Klagerechten gegen staatliche Behörden fehle bislang der Reformwille, obwohl beispielsweise die Schweiz zu Recht eine derartige Aufsichtsbeschwerde kenne, um Kontrolldefizite zu vermeiden. Daher sei es Aufgabe der Berater, für eine gute Foundation Governance bei Stiftungserrichtung oder späterer Satzungsänderung zu sorgen. Die Stiftungsreform lasse aber auch noch weitere Punkte vermissen: so gebe es im
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deutschen Recht auch bis heute kein öffentliches Stiftungsregister ähnlich dem Handelsregister oder dem Vereinsregister, trotz der Milliardenvermögen, die von Stiftungen verwaltet würden. In der Praxis müsste mit den von den Aufsichtsbehörden ausgestellten Vertretungsbescheinigungen agiert werden. Eine Kommission prüfe jetzt die Kosten, die ein Stiftungsverzeichnis verursache. Seit Jahrzehnten bemühe sich der Bundesverband Deutscher Stiftungen um eine Reform, leider bislang ohne Erfolg.
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Gestreckte Vorgänge und Insiderrecht Prof. Dr. Christoph Kumpan, LL.M. (Univ. of Chicago) Attorney at Law (New York) Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg1 Rz.
Rz. I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . II. Präzision und Kurserheblichkeit von Informationen . . . . . 1. Präzision bzw. Kursspezifität a) Abgrenzung von Kursspezifität und Kurserheblichkeit . . . . . . . . . . b) Begriff der Kursspezifität . 2. Kurserheblichkeit . . . . . . . . . a) Voraussetzungen . . . . . . . b) Probability/MagnitudeTest . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Herangehensweise in der Praxis . . . . . . . . . . . . . III. Anwendung auf gestreckte Vorgänge . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kursspezifität. . . . . . . . . . . . . a) Endereignis als zukünftiges Ereignis . . . . . . . . . .
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b) Bereits eingetretener Zwischenschritt als präzise Information . . . . . c) Folgender Zwischenschritt als präzise Information . . . . . . . . . . . . . . . d) Auswirkungen des Endereignisses auf „unpräzisen“ Zwischenschritt . . . 2. Kurserheblichkeit von Zwischenschritten . . . . . . . . 3. Beispiel: Rechtliche Einordnung von Vorgesprächen . . . a) Im Hinblick auf das Endergebnis . . . . . . . . . . . b) Als Zwischenschritt . . . . IV. Schlussbetrachtung . . . . . . .
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I. Einleitung Die Marktmissbrauchsverordnung (engl.: Market Abuse Regulation, kurz 1 MAR) und die gegenwärtigen Konkretisierungen durch die ESMA und die BaFin haben zu einigen erheblichen Veränderungen beim Insiderrecht und der Ad-hoc-Publizität geführt. Insbesondere bei sog. gestreckten Vorgängen ist die Aufsichtspraxis strenger geworden. Gestreckte Geschehensabläufe sind mehrgliedrige Abläufe, bei denen das Endziel über mehrere Zwischenschritte erreicht wird. So ist beispielsweise für das 1 Der Verfasser dankt Herrn RA Prof. Dr. Jochen Vetter für wertvolle Hinweise und Herrn Robin Misterek für seine hilfreiche Unterstützung bei der Vorbereitung.
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Endziel Unternehmenszusammenschluss eine Reihe von Zwischenschritten erforderlich, wie etwa Vorverhandlungen, der Abschluss von Vertraulichkeitsvereinbarungen, eine Due Diligence, Organbeschlüsse, ggf. eine Kontrolle durch die Kartellbehörden etc.2 2 Die Unternehmen sehen die neuen Veränderungen beim Insiderrecht und der Ad-hoc-Publizität kritisch, wie eine Umfrage zur Ad-hoc-Publizität unter der MAR vom Deutschen Aktieninstitut und Hengeler Mueller vom 6. und 19.9.2018 zeigt. Beklagt werden Rechtsunsicherheit im Hinblick auf (1) den Begriff der „präzisen Information“, (2) die Eignung einer Information zur erheblichen Kursbeeinflussung und (3) den Zeitpunkt des Entstehens einer Insiderinformation, vor allem bei gestreckten Sachverhalten. Den Unternehmen zufolge ist die Bürokratie in diesem Zusammenhang stark gestiegen. Immer häufiger suchen sie daher externen Rechtsrat. Zwar ist die Rechtslage unter der MAR nicht grundlegend anders als zuvor unter dem WpHG, aber es zeichnet sich doch ab, dass die BaFin strenger verfährt. Hinzu kommen zwischenzeitlich drastisch verschärfte Sanktionen. Diese neuen Entwicklungen sollen im Folgenden aufgegriffen und die von den Unternehmen besonders kritisierten Merkmale der Präzision (II.1) und der Kurserheblichkeit von Informationen (II.2) sowie deren Anwendung im Zusammenhang mit gestreckten Geschehensabläufen (III.) näher beleuchtet werden.
II. Präzision und Kurserheblichkeit von Informationen 1. Präzision bzw. Kursspezifität 3 Die Prüfung, ob eine Insiderinformation vorliegt, die ggf. ad hoc publiziert werden muss, beginnt mit dem Merkmal der „präzisen Information“, wie sich aus Art. 7 Abs. 1 lit. a MAR ergibt. Konkretisiert wird dies durch Art. 7 Abs. 2 Satz 1 MAR. Art. 7 Abs. 2 Satz 1 a.E. MAR enthält das Erfordernis der sog. Kursspezifität. Die Information muss spezifisch genug sein, um einen Schluss auf Kursauswirkungen zuzulassen. Dieser Wortlaut legt eine besondere Nähe dieses Merkmals zu dem der Kurserheblichkeit nahe. Die genaue Abgrenzung der beiden Kriterien ist in Wissenschaft und Praxis schon seit längerem umstritten und bisher nicht endgültig geklärt. 2 Für eine rechtliche Untersuchung von Unternehmensübernahmen und -zusammenschlüssen im Hinblick auf die MAR z.B. Hopt/Kumpan, ZGR 2017, 765; Hopt in FS K. Schmidt, 2019 (Manuskript).
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a) Abgrenzung von Kursspezifität und Kurserheblichkeit Um der Kursspezifität einen eigenständigen, konturierten Sinngehalt zu 4 geben, kann dieses Merkmal so verstanden werden, dass mit ihm die Verlässlichkeit von Nachrichten erfasst wird. Präzise sind demnach Informationen, die einen hinreichenden Grad objektiver Zuverlässigkeit aufweisen3 und bei denen der Zweifel an der Wahrheit nicht schon explizit angelegt ist4. Die BaFin5 und der BGH6 fragten bisher danach, ob die Information be- 5 stimmt genug ist, um eine hinreichende Grundlage für eine Einschätzung über den zukünftigen Verlauf des Börsen- oder Marktpreises bilden zu können. Auf dieser Grundlage sind nach dem BGH „bloße Überlegungen“ schon im Rahmen der Kursspezifität und nicht erst bei der Kurserheblichkeit auszuscheiden.7 Der Ausschuss der europäischen Wertpapierregulierungsbehörden (CESR) 6 hatte seinerzeit abstrakte Fallgruppen zur Beschreibung der Abgrenzungswirkung aufgestellt. Hiernach ist die Kursspezifität zu bejahen, wenn die Information einem vernünftigen Anleger erlaubt, eine Anlageentscheidung zu treffen, ohne dabei ein nennenswertes finanzielles Risiko einzugehen oder wenn sie so beschaffen ist, dass sie unmittelbar am Markt genutzt werden kann.8 Diese Einteilung besticht zwar durch eine größere Bestimmtheit im Wortlaut, versagt aber bei der Frage, wann genau ein
3 Grundmann in Staub, Großkomm/HGB, Band 11, Bankvertragsrecht 2, 5. Aufl. 2017, Rz. 344; Hopt/Kumpan in Schimansky/Bunte/Lwowski, BankrechtsHandbuch, 5. Aufl. 2017, § 107 Rz. 43; Klöhn in Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 MAR Rz. 84. 4 Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 13 WpHG Rz. 14. 5 BaFin Emittentenleitfaden, 4. Aufl. 2013, III.2.1.1 (S. 32). 6 BGH v. 23.4.2013 – II ZB 7/09 – Geltl, NZG 2013, 708, 711 Rz. 19 = AG 2013, 518, 519 Rz. 19; vgl. auch noch zum WpHG RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, 33 f. 7 BGH v. 23.4.2013 – II ZB 7/09 – Geltl, NZG 2013, 708, 711 Rz. 19 = AG 2013, 518, 519 Rz. 19. 8 Market Abuse Directive Level 3 – second set of CESR guidance and information on the common operation of the Directive to the market, CESR/06-562b, July 2007, Rz. 1.8. Vgl. auch den ähnlichen Wortlaut von CESR’s Advice on Level 2 Implementation Measures for the proposed Market Abuse Directive, CESR/02–089, December 2002, Rz. 20 (Spiegelstrich 3).
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ausreichendes Risiko vorliegt.9 Zudem lässt sich damit ebenfalls keine genaue Grenze zwischen Kursspezifität und Kurserheblichkeit ziehen10. Vielmehr wird letztendlich nur von letzterer auf erstere geschlossen und damit der zweite Prüfungsschritt vor den ersten gezogen.11 7 Im Ergebnis gelingt es keinem der oft auch gemischt vertretenen Ansätze, sauber zwischen den beiden Prüfungen zu unterscheiden, also auf der einen Seite, ob die Information einen Schluss auf mögliche Preisauswirkungen zulässt, und auf der anderen Seite, ob von der Information ein Handelsanreiz ausgeht, d.h. ob sie kurserheblich ist.12 Angesichts dessen ist ein Großteil der Literatur zu der Erkenntnis gelangt, dass die Kursspezifität als allgemeine Vorgabe nur die Aufgabe einer Evidenzkontrolle hat, in der schon vorab im Überblick offensichtlich irrelevante Informationen herausgefiltert werden sollen, ohne dass es einer vollständigen Prüfung der Kurserheblichkeit bedarf.13
b) Begriff der Kursspezifität 8 Demnach hat das Merkmal der Kursspezifität im Wesentlichen eine negative Abgrenzungsfunktion. Es geht darum, Informationen auszuscheiden, die als „unpräzise“ einzuordnen sind. Unpräzise ist eine Information, wenn schon bei ihrer isolierten Betrachtung klar ist, dass sie abstrakt unter keinen Umständen jemals einen Handelsanreiz begründen kann. In der Evidenzprüfung sind also Faktoren zu prüfen, die der Information
9 Ähnlich Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 13 WpHG Rz. 14, die aber mit Verweis auf CESR/02–089, Rz. 20 hauptsächlich darauf abstellen, dass die genaue Art des Risikos nicht hinreichend deutlich gemacht wird. Jedoch war schon in CESR/06-562b, Rz. 1.8 klargestellt worden, dass ein finanzielles Risiko gemeint ist. 10 Ritz in Just/Voß/Ritz/Becker, 2015, § 13 WpHG Rz. 37. 11 So Ritz in Just/Voß/Ritz/Becker, 2015, § 13 WpHG Rz. 37. Nach Schwark/ Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 13 WpHG Rz. 14 sind die Ausführungen von CESR als Umschreibung der Anforderungen an die Verlässlichkeit einer Information zu verstehen. 12 Vgl. Ritz in Just/Voß/Ritz/Becker, 2015, § 13 WpHG Rz. 37. 13 Klöhn in Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 MAR Rz. 82 ff.; Klöhn, NZG 2015, 809, 810; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Hdb. Marktmissbrauchsrecht, 2018, § 6 Rz. 28 f.; Bayram/Meier, WM 2018, 1295, 1301; Hopt/Kumpan in Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 107 Rz. 43; Ritz in Just/Voß/Ritz/Becker, 2015, § 13 WpHG Rz. 40.
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selbst unmittelbar anhaften. Beispiele dafür sind ihre Bestimmtheit14 oder ihre Verlässlichkeit15. Mangels Kursspezifität scheiden in der Regel nur weiche Informationen 9 mit hohem Unsicherheitsfaktor bzw. vage oder allgemeine Informationen aus.16 Dabei handelt es sich um Informationen mit evident fehlendem Kursbeeinflussungspotential, wie etwa Gerüchte, Meinungen oder Werturteile ohne jegliche Tatsachengrundlage17 sowie unsubstantiiertes Gerede, insbesondere sog. „Börsentratsch“.18 Weiterhin nicht ausreichend präzise sind regelmäßig rein innere Umstände, wie Gedanken oder vage Hoffnungen.19
2. Kurserheblichkeit Die Kurserheblichkeit, die in Art. 7 Abs. 4 MAR genauer geregelt ist, bildet demgegenüber einen zweiten Schritt, der die konkrete Beziehung der Information zur Außenwelt (dem Markt) herstellt. Nach Art. 7 Abs. 4 MAR setzt Kurserheblichkeit voraus, dass ein verständiger Anleger die Information wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageent-
14 Hilgendorf/Kusche in Park, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl. 2017, Teil 3, Kap. 5.3, Rz. 21; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, KapitalmarktrechtsKommentar, 4. Aufl. 2010, § 13 WpHG Rz. 14; siehe auch BaFin Emittentenleitfaden, 4. Aufl. 2013, III.2.1.1 (S. 32). 15 Grundmann in Staub, Großkomm/HGB, Band 11, Bankvertragsrecht 2, 5. Aufl. 2017, Rz. 344; Hopt/Kumpan in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 107 Rz. 43; Schwark/Kruse in Schwark/ Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 13 WpHG Rz. 14; Klöhn in Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 MAR Rz. 84 f. 16 EuGH v. 11.3.2015 – C-628/13 – Lafonta, NZG 2015, 432, 433 f. Rz. 31 = AG 2015, 388, 389 Rz. 31. 17 Klöhn in Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 MAR Rz. 91; Ritz in Just/Voß/Ritz/Becker, 2015, § 13 WpHG Rz. 54; Mennicke/Jakovou in Fuchs, 2. Aufl. 2016, § 13 WpHG Rz. 51; Pananis in MünchKomm/StGB, Band 7, 2. Aufl. 2015, § 38 WpHG Rz. 45. 18 Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2018, § 15 Rz. 42; Ritz in Just/Voß/Ritz/Becker, 2015, § 13 WpHG Rz. 54; Mennicke/Jakovou in Fuchs, 2. Aufl. 2016, § 13 WpHG Rz. 51; Cahn, Der Konzern 2005, 5, 7; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 13 WpHG Rz. 23; Pananis in MünchKomm/StGB, Band 7, 2. Aufl. 2015, § 38 WpHG Rz. 45. 19 Klöhn in Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 MAR Rz. 91; Ritz in Just/Voß/Ritz/Becker, 2015, § 13 WpHG Rz. 54.
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scheidungen nutzen würde. Auf den tatsächlichen Eintritt einer Kursänderung kommt es dabei nicht an.20
a) Voraussetzungen 11
Das Merkmal der Kurserheblichkeit besteht somit aus zwei Teilen: (1) einer Prognose hinsichtlich der Eignung zur Preisbeeinflussung und (2) einer Erheblichkeitsschwelle. Da die meisten anderen Merkmale des Art. 7 Abs. 1 lit. a MAR geringe bis keine Abgrenzungswirkung entfalten, erfolgt anhand dieses Kriteriums die größtmögliche inhaltliche Einschränkung der Insiderinformation.
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Im Rahmen des ersten Prüfungsschrittes („Prognose“) geht es darum, dass die nicht öffentlich bekannte Information die Eignung aufweisen muss, den Börsenkurs eines Finanzinstruments zu beeinflussen. Es ist also zu prüfen, ob ein Bekanntwerden der Information wahrscheinlich zu einer Kursbewegung führen würde. Wenn man das Modell der halbstrengen Markteffizienzhypothese zugrunde legt, ist das der Fall, wenn es bei dem betroffenen Finanzinstrument zu einer objektiven Wertänderung kommt. Es geht also um Fundamentalwertrelevanz. Fundamentalwert ist derjenige Wert, auf den sich alle Marktteilnehmer in Kenntnis aller öffentlich verfügbaren Informationen vernünftigerweise einigen würden (der sog. wahre oder innere Wert).21 Nach der Markteffizienzhypothese wäre das der Börsenpreis. 20 Statt vieler Hopt/Kumpan in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 107 Rz. 54; Klöhn in Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 MAR Rz. 169; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Hdb. Marktmissbrauchsrecht, 2018, § 6 Rz. 103; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider/Mülbert, Wertpapierhandelsrecht, 7. Aufl. 2019, Art. 7 MAR Rz. 88; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 9. Aufl. 2017, § 6 Rz. 328; Hilgendorf/Kusche in Park, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl. 2017, Teil 3, Kap. 5.3, Rz. 67; BGH v. 27.1.2010 – 5 StR 224/09 – Freenet, NZG 2010, 349, 350 Rz. 16 = AG 2010, 249. 21 Bei der Ermittlung der Fundamentalwertrelevanz ist eine umfassende und individuelle Würdigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dies beschränkt sich allerdings auf jene Faktoren, die dem verständigen Anleger schon im relevanten Handlungszeitpunkt zur Verfügung standen. Gemäß Erwägungsgrund 14 Satz 3 MAR sind insbesondere die Gesamttätigkeit des Emittenten, die Verlässlichkeit der Informationsquelle und sonstige Marktvariablen zu berücksichtigen. Im Hinblick auf den Emittenten ist dessen Größe, jüngere Entwicklungen, das Marktsentiment bezüglich des Unternehmens sowie dessen Branche und die Assetklasse des betroffenen Finanzinstruments zu berücksichtigen. Zu den Marktvariablen mit Kurseinfluss gehören typi-
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Von einer Eignung zur Kursbeeinflussung kann also ausgegangen werden, wenn der vom Markt anhand öffentlicher Informationen ermittelte Fundamentalwert von dem aus Sicht des Insiders bestehenden Fundamentalwert abweicht.
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b) Probability/Magnitude-Test Um die Kurserheblichkeit fassbar zu machen, wird von einer Reihe von 14 Autoren der sog. Probability/Magnitude-Test herangezogen.22 Nach diesem Test ist die von dem möglichen Umstand erwartete Kursauswirkung (magnitude) mit seiner Eintrittswahrscheinlichkeit (probability) zu multiplizieren und das Ergebnis auf den heutigen Tag abzuzinsen.23 Liegt dann ein Handelsanreiz vor, ist die Information schon gegenwärtig kursrelevant. Dadurch können vor allem Zwischenschritte, deren Endereignis nicht überwiegend wahrscheinlich ist, preisrelevant sein, wenn nur der Informationsgegenstand (des Zwischenschritts) ein ausreichend hohes Kursbeeinflussungspotential hat. EuGH24 und BGH25 haben in der Rechtssache Geltl den Probability/ 15 Magnitude-Test im Zusammenhang mit dem Merkmal der präzisen Information deutlich abgelehnt. Für die Kurserheblichkeit lässt sich dies aber nicht feststellen. Hierzu führte der EuGH obiter aus, verständige Anleger würden „nicht nur die ‚möglichen Auswirkungen‘ eines Ereignisses auf den Emittenten in Betracht ziehen, sondern auch den Grad der Wahr-
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scherweise Preis, Ertrag, Liquidität, Angebot, Nachfrage, Marktenge und Volatilität. Klöhn in Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 MAR Rz. 198 f., 204 ff.; Klöhn, ZIP 2012, 1885, 1891; Hopt/Kumpan in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 107 Rz. 55; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2018, § 15 Rz. 50; Langenbucher, NZG 2013, 1401, 1403; Grundmann in Staub, Großkomm/HGB, Band 11, Bankvertragsrecht 2, 5. Aufl. 2017, Rz. 353; Schall, ZIP 2012, 1286, 1288; Veil, ZBB 2014, 85, 90; Steinrück, Das Interesse des Kapitalmarkts am Aufschub der Ad-hoc-Publizität, 2018, S. 51 f.; wohl auch Bingel, AG 2012, 685, 690. Klöhn in Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 MAR Rz. 198; Krause in Meyer/Veil/ Rönnau, Hdb. Marktmissbrauchsrecht, 2018, § 6 Rz. 110; Teigelack, BB 2016, 1604, 1606; Steinrück, Das Interesse des Kapitalmarkts am Aufschub der Adhoc-Publizität, 2018, S. 51; Leuering, DStR 2008, 1287, 1289 f. EuGH v. 28.6.2012 – C-19/11 – Geltl, NZG 2012, 784 = AG 2012, 555. BGH v. 23.4.2013 – II ZB 7/09 – Geltl, NZG 2013, 708 = AG 2013, 518.
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scheinlichkeit des Eintritts dieses Ereignisses.“26 Hierauf aufbauend geht der BGH ebenfalls davon aus, „dass ein Anleger den Grad der Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines künftigen Ereignisses in Betracht zieht“ und „insoweit den möglichen künftigen Verlauf abschätzen muss“.27 16
Darin eine ausdrückliche Bestätigung des Probability/Magnitude-Tests zu sehen, würde den Wortlaut der Entscheidung überdehnen. Eine Ablehnung ist dem aber auch nicht zu entnehmen,28 vor allem weil der BGH seine Stellungnahme zur Einbeziehung des Wahrscheinlichkeitsgrades sogar mit zwei Aufsätzen29 belegt, die explizit eine Anwendung dieses Tests befürworten.30 Auch der EuGH scheint dem nicht grundsätzlich abgeneigt zu sein. Denn er führt aus, es könne nicht ausgeschlossen werden, „dass eine Information über ein Ereignis, dessen Eintritt wenig wahrscheinlich ist, den Kurs der Titel des betreffenden Emittenten spürbar beeinflusst, weil die Folgen dieses Ereignisses für ihn besonders weitreichend wären“.31
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Allerdings kann der Probability/Magnitude-Test keine absolute Sicherheit geben. Denn es bleibt die Schwierigkeit, den genauen Unsicherheitsfaktor prozentual zu bestimmen. Fast immer liegen allenfalls Schätzwerte vor. Auch die erwarteten Auswirkungen des Ereignisses lassen sich nur näherungsweise berechnen. Aufgrund dieser Fehlerquote bei der Ermittlung der einzusetzenden Variablen kann der Probability/Magnitude-Test in der Praxis nicht als finale Wertberechnung verstanden werden. Viel26 EuGH v. 28.6.2012 – C-19/11 – Geltl, NZG 2012, 784, 787 Rz. 55 = AG 2012, 555, 557 Rz. 55. 27 BGH v. 23.4.2013 – II ZB 7/09 – Geltl, NZG 2013, 708, 712 Rz. 25 = AG 2013, 518. 28 Wie hier annehmend, der EuGH habe die Frage nicht entschieden: Krause, CCZ 2014, 248, 251; Wilsing/Goslar, DStR 2013, 1610, 1611; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 9. Aufl. 2017, § 6 Rz. 329; Grundmann in Staub, Großkomm/ HGB, Band 11, Bankvertragsrecht 2, 5. Aufl. 2017, Rz. 353; ähnlich Sethe in Assmann/Schütze, Hdb. Kapitalanlagerecht, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 70 (der EuGH habe die Anwendbarkeit des Tests nur angedeutet, anders aber noch in Rz. 41); wohl auch Langenbucher, NZG 2013, 1401, 1404. 29 BGH v. 23.4.2013 – II ZB 7/09 – Geltl, NZG 2013, 708, 712 Rz. 25 = AG 2013, 518, 520 Rz. 25, mit Verweis in der Urteilsbegründung auf Schall, ZIP 2012, 1286, 1288; Klöhn, ZIP 2012, 1885, 1891. 30 Siehe Wilsing/Goslar, DStR 2013, 1610, 1611; Brellochs, ZIP 2013, 1170, 1172; Klöhn in Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 MAR Rz. 199. 31 EuGH v. 28.6.2012 – C-19/11 – Geltl, NZG 2012, 784, 787 Rz. 54 = AG 2012, 555, 557 Rz. 54.
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mehr handelt es sich um ein Modell, dessen Grundsätze als Ausgangspunkt die stochastisch logische Systematisierung und Gewichtung von Unsicherheitsfaktoren innerhalb der Einzelfallabwägung erlauben. Deshalb kommt es weniger auf ein formelbasiertes Vorgehen an, als vielmehr darauf, eine möglichst umfassende Würdigung aller relevanten Faktoren vorzunehmen und sich der Bedeutung des Wahrscheinlichkeitselementes bewusst zu bleiben.
c) Herangehensweise in der Praxis In der Praxis wird eine Kurserheblichkeit auf verschiedene Weise ermit- 18 telt. Das geschieht etwa anhand von Katalogen oder Listen, die die Aufsichtsbehörden erstellen und in denen sie Ereignisse definieren, bei denen von einer Kurserheblichkeit ausgegangen wird. Weiterhin kann die tatsächliche Kursbewegung als Indikator herangezogen werden.32 Das muss allerdings dann seine Grenze finden, wenn die Information bei öffentlichem Bekanntwerden nicht mehr dieselbe ist. Dann darf die tatsächliche Preisänderung nicht als Indiz fungieren. Wenn beispielsweise ein Insider das Wissen um eine Due Diligence bei seinen Anlageentscheidungen nutzt und der Markt später die Veröffentlichung der abgeschlossenen Übernahme mit Kursbewegungen quittiert, so ist nicht klar, ob dies auch bei bloßem Bekanntwerden der Due Diligence passiert wäre.
III. Anwendung auf gestreckte Vorgänge Wendet man diese Ausführungen auf gestreckte Geschehensabläufe an, 19 so ist bei der Untersuchung zwischen dem Endereignis und dem Zwischenschritt zu trennen. In Art. 7 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 MAR ist nunmehr ausdrücklich klargestellt, dass Zwischenschritte für sich genommen Insiderinformationen sein können, sofern sie die Voraussetzungen des Art. 7 MAR selbstständig erfüllen. Im Fall mehrgliedriger Geschehensabläufe sind in diesem Zusammenhang grundsätzlich folgende drei Informationsgegenstände möglich: (1) Schon eingetretene Zwischenschritte als gegenwärtiger Umstand, (2) noch ausstehende Zwischenschritte als zukünftige Umstände und (3) das Endereignis als zukünftiger Umstand. Dabei können Zwischenschritte auf zwei Weisen denkbare Anknüpfungspunkte bieten: Zum einen als bloße Vorstufe des Endereignisses und zum anderen als eigenständiges Ereignis unter Ausblendung des Endereignisses. 32 Vgl. dazu Erwägungsgrund 15 MAR.
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1. Kursspezifität a) Endereignis als zukünftiges Ereignis 20
Das Endergebnis hat insiderrechtliche Relevanz, wenn es sich dabei zum Betrachtungszeitpunkt um eine „präzise“ Information handelt. Das Endereignis ist ein zukünftiger, d.h. ein noch nicht existenter, Umstand. Hat eine Information noch nicht existente Umstände oder Ereignisse zum Gegenstand, ist sie gem. Art. 7 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 MAR nur präzise, wenn ihr zukünftiges Eintreten vernünftigerweise erwartet werden kann. Wann ein zukünftiges Ereignis vernünftigerweise erwartet werden kann, wird von der MAR nicht ausdrücklich beantwortet. Nach Erwägungsgrund 16 Satz 2 MAR ist hierfür auf der Grundlage einer Gesamtbewertung aller zum relevanten Zeitpunkt vorhandenen Faktoren zu ermitteln, ob eine realistische Eintrittswahrscheinlichkeit besteht. Mit dieser Formel ist jedoch kein inhaltlicher Gewinn verbunden.
21
Greift man auf die Geltl-Entscheidung des EuGH zurück, sieht man, dass er die eigentlich relevante Frage, wie wahrscheinlich das zukünftige Ereignis sein muss, unbeantwortet gelassen hat.33 Fraglich ist, ob man aus der Entscheidung diesbezüglich dennoch etwas ableiten kann. Das dem Urteil zugrunde gelegte Konzept lässt sich am besten im Kontext der konkreten vom BGH zur Vorabentscheidung gestellten Frage ergründen. In dieser waren drei zum damaligen Zeitpunkt in der deutschen Literatur vertretene Auslegungsvarianten herausgearbeitet worden: (1) Die starre Notwendigkeit einer hohen34 oder (2) einer überwiegenden35 Wahrscheinlichkeit sowie (3) der flexible Probability/Magnitude-Test36. Die 33 Klöhn in Hirte/Möllers, KölnKomm/WpHG, 2. Aufl. 2014, § 13 WpHG Rz. 16; Klöhn, ZIP 2012, 1885, 1889; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Hdb. Marktmissbrauchsrecht, 2018, § 6 Rz. 61; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider/Mülbert, Wertpapierhandelsrecht, 7. Aufl. 2019, Art. 7 MAR Rz. 47 f.; Krause/ Brellochs, AG 2013, 309, 313; Heider/Hirte, GWR 2012, 429, 430. Andere Sprachfassungen können hierbei auch nicht Aufschluss geben, da die Verfahrenssprache Deutsch war und gem. Art. 41 VerfO-EuGH nur diese Fassung verbindlich ist, dazu m.w.N. Bingel, AG 2012, 685, 688 Fn. 50. 34 Seinerzeit Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, 6. Aufl. 2012, § 13 WpHG Rz. 25; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, KapitalmarktrechtsKommentar, 4. Aufl. 2010, § 13 WpHG Rz. 12. 35 Seinerzeit BGH v. 25.2.2008 – II ZB 9/07, NZG 2008, 300 = AG 2008, 380; Pawlik in Hirte/Möllers, KölnKomm/WpHG, 2007, § 13 WpHG Rz. 93; Mennicke/Jakovou in Fuchs, 2009, § 13 WpHG Rz. 68. 36 Seinerzeit Fleischer, NZG 2007, 401, 405; Harbarth, ZIP 2005, 1898, 1901; Hupka, EuZW 2011, 860, 864 f.; Klöhn, NZG 2011, 166, 168 f.; Veil in Veil,
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Heranziehung des Probability/Magnitude-Tests, hat der EuGH, wie gesagt, für die Kursspezifität ausdrücklich abgelehnt.37 Bestätigt wird diese Ablehnung nun zudem durch Erwägungsgrund 16 Satz 3 MAR, so dass angesichts der ausdrücklichen Wertung in der Verordnung auch im Nachgang am EuGH geäußerte Kritik38 nun nicht mehr durchdringen kann.39 Da der EuGH auch eine hohe Wahrscheinlichkeit ablehnt, die Möglich- 22 keiten (1) und (3) somit wegfallen, ergibt sich daraus, dass sich der EuGH inzident dem zweiten Ansatz angeschlossen hat, d.h. dass er eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für erforderlich erachtet.40 Im Ergebnis kommt es somit darauf an, ob der künftige Eintritt des Ereignisses wahrscheinlicher ist als sein Ausbleiben (kurz auf eine Formel gebracht: „50 % plus x“).41
37
38 39 40
41
Europäisches Kapitalmarktrecht, 2011, § 9 Rz. 35 (in der aktuellen 2. Aufl. von 2014 wird in § 13 Rz. 73 die Heranziehung des Probability/MagnitudeTests nur noch für die Kurserheblichkeit vertreten). Dem folgte auch der Generalanwalt Mengozzi in seinen Schlussanträgen zum Geltl-Fall, NZG 2012, 464. Poelzig, NZG 2016, 528, 532; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Hdb. Marktmissbrauchsrecht, 2018, § 6 Rz. 63; Klöhn in Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 MAR Rz. 93; Giering, CCZ 2016, 214, 215; Heider/Hirte, GWR 2012, 429, 430; Wilsing/Goslar, DStR 2013, 1610; Möllers/Seidenschwann, NJW 2012, 2762, 2764; Bingel, AG 2012, 685, 688; Lutter/Bayer/Schmidt, Europäisches Unternehmens- und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2017, § 35 Rz. 21; Mennicke/Jakovou in Fuchs, 2. Aufl. 2016, § 13 WpHG Rz. 71; Ritz in Just/Voß/Ritz/Becker, 2015, § 13 WpHG Rz. 91; Sethe in Assmann/Schütze, Hdb. Kapitalanlagerecht, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 41; Lösler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, 2. Aufl. 2013, § 2 Rz. 43; Mock, ZBB 2012, 286, 289; Schall, ZIP 2012, 1286, 1288. Vgl. z.B. Mock, ZBB 2012, 286, 288 f. Klöhn in Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 MAR Rz. 94. Zu dieser Herleitung im Ausschlussverfahren Klöhn in Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 MAR Rz. 97; Klöhn, ZIP 2012, 1885, 1889; Schall, ZIP 2012, 1286, 1288; ähnlich Krause/Brellochs, AG 2013, 309, 313; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Hdb. Marktmissbrauchsrecht, 2018, § 6 Rz. 61; kritisch Bingel, AG 2012, 685, 688, der ausführt, wenn der EuGH den BGH hätte bestätigen wollen, so hätte er dessen Vorlage ausdrücklich aufgegriffen. Zur Auslegung des Geltl-Urteils: Veil in Veil, Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2014, § 13 Rz. 44; Bingel, AG 2012, 685, 689; Hitzer, NZG 2012, 860, 862; Wilsing/Goslar, DStR 2012, 1709, 1711 f.; Ihrig/Kranz, AG 2013, 515, 517; Schall, ZIP 2012, 1286, 1288; Kocher/Widder, BB 2012, 1820; Kocher/Widder, BB 2012, 2837, 2838; Klöhn, ZIP 2012, 1885, 1889; Ritz in Just/ Voß/Ritz/Becker, 2015, § 13 WpHG Rz. 92; Mennicke/Jakovou in Fuchs, 2. Aufl. 2016, § 13 WpHG Rz. 71; Heider/Hirte, GWR 2012, 429, 431; Krause/
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b) Bereits eingetretener Zwischenschritt als präzise Information 23
Während insbesondere am Anfang gestreckter Vorgänge Endereignisse in der Regel noch zu vage sind und daher eine Kursspezifität oder Präzision ganz häufig zu verneinen ist, sieht dies bei bereits eingetretenen Zwischenschritten anders aus. Jeder Zwischenschritt auf dem Weg hin zum Endergebnis ist unabhängig von dem Endergebnis darauf hin zu überprüfen, ob er für sich genommen die Anforderungen des Art. 7 MAR erfüllt.
24
Der bereits eingetretene Zwischenschritt muss als gegenwärtiger Umstand anders als das Endergebnis nicht die Wahrscheinlichkeitsschwelle des Art. 7 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 MAR überwinden. Es kommt dann weder im Rahmen der Präzision noch bei der Kurserheblichkeit auf das Vorliegen einer überwiegenden Eintrittswahrscheinlichkeit an.
25
Zum Beispiel würde nach den Ausführungen des BGH ein verständiger Anleger die Information über die Amtsmüdigkeit des Vorstandsvorsitzenden für sich genommen als Grundlage für seine Anlageentscheidung mitberücksichtigen, weil bereits die Amtsmüdigkeit als solche potentielle Auswirkungen auf die Unternehmensführung hat und insbesondere bedeuten kann, dass die vom Vorstandsvorsitzenden verfolgte Geschäftspolitik nicht oder nicht mit Nachdruck weiterverfolgt wird.42 Die Amtsmüdigkeit kann also für Anleger unabhängig davon Bedeutung haben, ob es tatsächlich zu einer vorzeitigen Beendigung des Vorstandsamts kommt.
c) Folgender Zwischenschritt als präzise Information 26
Weiterhin ist es möglich, dass zwar das Endereignis noch keine über 50%ige Eintrittswahrscheinlichkeit aufweist, wohl aber der nächste Brellochs, AG 2013, 309, 312 f.; v. Bonin/Böhmer, EuZW 2012, 694, 696; Di Noia/Gargantini, ECFR 2012, 484, 496; Gellings, Der gestreckte Sachverhalt im Insiderrecht, 2015, S. 224. In Übertragung auf die MAR: Poelzig, NZG 2016, 528, 532; Klöhn in Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 MAR Rz. 97; Klöhn, AG 2016, 423, 428; Hopt/Kumpan in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 107 Rz. 45; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Hdb. Marktmissbrauchsrecht, 2018, § 6 Rz. 61; Giering, CCZ 2016, 214, 215. A.A. (gegen 50 %-Grenze, aber ohne Alternativvorschlag) Möllers/Seidenschwann, NJW 2012, 2762, 2763 f.; Mock, ZBB 2012, 286, 288 f. (EuGH hätte dies nicht endgültig entschieden). 42 BGH v. 23.4.2013 – II ZB 7/09 – Geltl, NZG 2013, 708, 711 f. Rz. 24 = AG 2013, 518, 520 Rz. 24.
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Zwischenschritt, dessen bevorstehende Verwirklichung nach dem jetzigen Verfahrensstand vernünftigerweise zu erwarten ist. Dieser Zwischenschritt ist dann ein künftiger Umstand, dessen Eintritt wahrscheinlich ist. Ist er ausreichend kursrelevant, gelten die Verbote und Pflichten der MAR – insbesondere die Vorschriften zur Ad-hoc-Publizität – auch hinsichtlich dieses künftigen Zwischenschritts. Somit stellt sich die Frage, wie die einzelnen Zwischenschritte voneinander abzugrenzen sind, wann also beispielsweise das Fortschreiten von Vertragsverhandlungen eine neue Ad-hoc-Veröffentlichung erfordert.
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Einzige Vorgabe des Art. 7 Abs. 3 MAR in diesem Fall ist, dass Einzelakte für sich genommen die Voraussetzungen der Insiderinformation erfüllen müssen. Hieraus ergibt sich, dass jeder Schritt im Verhältnis zu dem ihm vorangegangenen einen neuen Informationsgegenstand aufweisen muss, der isoliert betrachtet zu einer nochmaligen erheblichen Kursbewegung führen kann.43 Es ist also die Bekanntheit aller vorherigen Zwischenschritte zu unterstellen und zu prüfen, nach wie langem Fortgang des Prozesses Art. 7 MAR erneut erfüllt wäre.
28
d) Auswirkungen des Endereignisses auf „unpräzisen“ Zwischenschritt Schließlich ist der Fall zu betrachten, dass ein Zwischenschritt für sich 29 genommen keine eigenständige Bedeutung aufweist, sondern seine Bedeutung ausschließlich aus seiner Verknüpfung mit dem Endereignis ableitet. In dieser Situation bedarf es aus systematischen und teleologischen Gründen für die Annahme der Kursspezifität des Zwischenschritts einer hinreichenden Eintrittswahrscheinlichkeit des Endereignisses. Andernfalls würde die Wertung in Art. 7 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 MAR unterlaufen werden. Würde man nämlich für einen Zwischenschritt, der seine Bedeutung 30 ausschließlich aus der Verknüpfung mit dem Endereignis ableitet, einen geringeren Wahrscheinlichkeitsmaßstab des Endereignisses genügen lassen, würde das in Art. 7 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 MAR aufgestellte Erfordernis der hinreichenden Eintrittswahrscheinlichkeit des Endereignisses ins Leere laufen. 43 Misterek, Insiderrechtliche Fragen bei Unternehmensübernahmen, Beiträge zum Transnationalen Wirtschaftsrecht, Heft 152, Mai 2018, S. 22 f.
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31 Außerdem ist zu bedenken, dass Zwischenschritte, die ihre Relevanz allein aus ihrer Bezogenheit auf das Endereignis ableiten – anders als Zwischenschritte, die aus sich selbst heraus insiderrechtlich relevant sind –, dem Kapitalmarkt ohne hinreichende Wahrscheinlichkeit des Endergebnisses gar nicht nachvollziehbar und verständlich kommuniziert werden können. 32 Auch würde ein divergierender Maßstab für die Präzision, d.h., ob das Endereignis „präzise“ ist, und, ob ein (für sich genommen bedeutungsloser) Zwischenschritt unter Berücksichtigung des Endereignisses „präzise“ ist, zu einem beträchtlichen Maß an Rechtsunsicherheit für den Emittenten führen. In Anbetracht der erheblichen straf- und ordnungsrechtlichen Relevanz eines Verstoßes ist dies rechtlich nicht akzeptabel. 33 Ein „unpräziser“ Zwischenschritt, der seine Kursspezifität ausschließlich aus dem Endergebnis ableitet und daher darauf angewiesen ist, dass das Endergebnis überwiegend wahrscheinlich ist, ist daher insiderrechtlich nicht relevant. Denn ist das Endergebnis noch nicht überwiegend wahrscheinlich, wäre der Zwischenschritt nicht präzise genug. Ist aber das Endergebnis bereits überwiegend wahrscheinlich, so ist das Endergebnis bereits insiderrechtlich relevant und bei Kurserheblichkeit ad hoc zu veröffentlichen. Dann aber ist nicht ersichtlich, welche Relevanz daneben der Zwischenschritt noch haben soll, weil seine Bedeutung von derjenigen des Endergebnisses überlagert wird.
2. Kurserheblichkeit von Zwischenschritten 34
Ist der Zwischenschritt kursspezifisch, hat er also einen eigenen Bedeutungsgehalt, ist weiter zu prüfen, ob er auch kurserheblich ist. Den Ausführungen des EuGH und des BGH in der Rechtssache Geltl ist zu entnehmen, dass ein verständiger Anleger bei seiner Bewertung der Kurserheblichkeit eines Zwischenschritts den Grad der Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Endereignisses berücksichtigt.44 Preiserheblich werden Zwischenschritte also häufig nicht isoliert „aus eigener Kraft“. 44 EuGH v. 28.6.2012 – C-19/11 – Geltl, NZG 2012, 784, 787 Rz. 55 = AG 2012, 555, 557 Rz. 55. Der BGH hat im Anschluss an den EuGH ausgeführt: „Da … bei der Kursrelevanz generell davon auszugehen ist, dass ein Anleger den Grad der Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines künftigen Ereignisses in Betracht zieht, muss dies auch gelten, wenn eine präzise Information über einen eingetretenen Umstand vorliegt, der auf ein künftiges Ereignis hinweist, und der Anleger insoweit den möglichen künftigen Verlauf abschätzen muss.“
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Vielmehr beziehen sie ihre Kursrelevanz zu großen Teilen aus dem zukünftigen Endereignis.45 Daher kommt es zunächst einmal darauf an, dass das Endergebnis, gesetzt den Fall, dass es eintritt, kurserheblich sein würde. Andernfalls, wenn also schon das Endergebnis eines gestreckten Vorgangs für den Markt unerheblich ist, wird auch der Zwischenschritt keine Kursrelevanz haben.
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Ob das Eintreten des Endereignisses überwiegend wahrscheinlich ist, ist 36 dagegen für die Kurserheblichkeit von schon eingetretenen Zwischenschritten nicht relevant. Für diese besteht weder auf Präzisions- noch auf Kursrelevanzebene eine Sperrwirkung, falls das Endereignis nicht überwiegend wahrscheinlich ist. Das lässt sich Art. 7 Abs. 3 MAR entnehmen und zwar für beide Merkmale, d.h. für die Präzision und für die Kurserheblichkeit.46 Eine eigene kurserhebliche Bedeutung kommt Zwischenschritten vor al- 37 lem dann zu, wenn der Verfahrensabschluss eines gestreckten Vorgangs noch nicht zu 50 % erwartet wird, aber im Fall seines Eintritts den Fundamentalwert des betroffenen Finanzinstruments derart stark beeinflussen würde, dass selbst nach Multiplikation mit einer geringen Eintrittswahrscheinlichkeit (Probability/Magnitude-Test) schon heute ein Handelsanreiz besteht. BGH v. 23.4.2013 – II ZB 7/09 – Geltl, NZG 2013, 708, 712 Rz. 25 = AG 2013, 518, 520 Rz. 25. 45 Vgl. Schall, ZIP 2012, 1286, 1288; v. Bonin/Böhmer, EuZW 2012, 694, 696. 46 Nach Klöhn in Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 MAR Rz. 107; Klöhn, AG 2016, 423, 429 trifft das Gesetz keine Aussage zur Sperrwirkung auf Kursrelevanzebene, dennoch sei diese im Ergebnis abzulehnen. Nicht mehr haltbar ist die Auffassung, auch im Rahmen der Kursrelevanz komme es auf eine 50%ige Wahrscheinlichkeit an, so aber seinerzeit Kocher/Widder, BB 2012, 1820, 1821; Kocher/Widder, BB 2012, 2837, 2840; Bachmann, DB 2012, 2206, 2209; Ihrig in VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2012, 2013, S. 113, 123; Heider/ Hirte, GWR 2012, 429, 431; unklar v. Bonin/Böhmer, EuZW 2012, 694, 696; dagegen Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider/Mülbert, Wertpapierhandelsrecht, 7. Aufl. 2019, Art. 7 MAR Rz. 55; Klöhn in Klöhn, MAR, 2018, Art. 7 MAR Rz. 108 ff.; Teigelack, BB 2016, 1604, 1606; Teigelack, ZIP 2012, 1885, 1892; Schall, ZIP 2012, 1286, 1287 f.; Herfs, DB 2013, 1650, 1654; Mennicke/Jakovou in Fuchs, 2. Aufl. 2016, § 13 WpHG Rz. 76b f.; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Hdb. Marktmissbrauchsrecht, 2018, § 6 Rz. 74; differenzierend Gellings, Der gestreckte Sachverhalt im Insiderrecht, 2015, S. 233 ff.
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38 Lässt sich dies auch aus dem Zwischenschritt ablesen, so ist dieser für sich genommen kursrelevant und erfüllt – anders als das noch unpräzise Endereignis – die Voraussetzungen des Art. 7 MAR. Da hierfür aber außerordentliche Kursreaktionen in Aussicht stehen müssen, die einen rationalen Anleger trotz überwiegender Verlustwahrscheinlichkeit vom Nutzen der Anlage überzeugen können, sollte diese Konstellation nur mit äußerster Vorsicht angenommen werden. Zudem darf die Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Endereignisses nicht gegen Null tendieren. D.h., der Eintritt des Endereignisses darf nicht lediglich eine theoretische Möglichkeit darstellen. Denn eine solche Betrachtung käme im Ergebnis einem reinen „Magnitude“-Test gleich, bei dem der Grad der Wahrscheinlichkeit gänzlich außer Betracht bleiben würde. Das stünde im Widerspruch zu Erwägungsgrund 16 Satz 2 MAR, wonach eine realistische Wahrscheinlichkeit bestehen muss, dass die jeweiligen Ereignisse oder Umstände eintreten. Auch widerspräche es der weiterhin anwendbaren Rechtsprechung des EuGH und des BGH, in der jeweils ein Mindestgrad an Eintrittswahrscheinlichkeit des Endereignisses vorausgesetzt wird.47
3. Beispiel: Rechtliche Einordnung von Vorgesprächen 39
Ein illustratives Beispiel für die vorangegangenen Ausführungen sind Vorgespräche. Diese finden bei vielen wichtigen Veränderungen in Unternehmen ganz am Anfang des jeweiligen Prozesses statt und waren bisher im Hinblick auf das Insiderrecht regelmäßig für bedeutungslos gehalten worden. Diese Einschätzung ist ins Wanken geraten, seit die BaFin unter der MAR begonnen hat, sogar schon bloße Vorgespräche als insider- und ad-hoc-rechtlich beachtlich einzustufen. Damit ist der Anwendungsbereich des Insiderrechts und vor allem der Ad-hoc-Publizität weit nach vorne gezogen worden. Dies gilt es, anhand der vorangegangenen Erkenntnisse kritisch zu überprüfen.
a) Im Hinblick auf das Endergebnis 40
Vorgespräche erfolgen bei vielen gestreckten Sachverhalten, wie etwa bei Zusammenschlüssen oder Veränderungen in der Zusammensetzung von Organen. So gibt es etwa im Hinblick auf einen Zusammenschluss 47 EuGH 28.6.2012 – C-19/11 – Geltl, NZG 2012, 784, 787 Rz. 55 = AG 2012, 555, 557 Rz. 55; BGH v. 23.4.2013 – II ZB 7/09 – Geltl, NZG 2013, 708, 712 Rz. 25 = AG 2013, 518, 520 Rz. 25.
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eine Vielzahl von Themen, die erst einmal geklärt werden müssen, damit eine Transaktion überhaupt als möglich angesehen werden kann. Dazu zählen etwa (i) die fusionskontrollrechtliche Machbarkeit der Transaktion, (ii) vorhandene Synergiepotentiale, (iii) negative steuerliche Auswirkungen etc. Weiterhin ist eine Einigung über die wesentlichen Eckpunkte der Transaktion erforderlich, also etwa die Bewertung der beteiligten Unternehmen, die Festlegung eines für beide Seiten akzeptablen Umtauschverhältnisses etc. Angesichts dieser zahlreichen zu lösenden Fragen und der zu diesem Zeitpunkt noch nicht absehbaren Antworten ist das Endergebnis, der Zusammenschluss der beteiligten Unternehmen, zu diesem Zeitpunkt nur minimal und keinesfalls überwiegend wahrscheinlich. Zu diesem Zeitpunkt kann das Endereignis daher nicht als kursspezifisch bzw. als präzise Information eingestuft werden.
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Sofern die Vorgespräche nicht selbst eine präzise Information darstellen, sind sie daher insiderrechtlich irrelevant.
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b) Als Zwischenschritt Fraglich ist, ob Vorgespräche für sich genommen, also unabhängig vom 43 Endergebnis, kursspezifisch bzw. „präzise Informationen“ sein können. Dass Vorgespräche stattfinden, ist eine gegenwärtige Information. Damit kommt es auf das Überwinden der Wahrscheinlichkeitsschwelle nach Art. 7 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 MAR nicht an. Dass sie bei isolierter Betrachtung abstrakt unter keinen Umständen jemals einen Handelsanreiz begründen können, wird man nicht grundsätzlich behaupten können. Sieht man die Kursspezifität als eine lediglich weitgezogene Evidenzkontrolle, muss man daher die Kursspezifität von Vorgesprächen bejahen. Fraglich ist, ob sie auch als kurserheblich eingestuft werden können. Da man hier auf den Fundamentalwertbezug und die Eintrittswahrscheinlichkeit des Endergebnisses abstellen muss, wird man dies bei Vorgesprächen verneinen müssen. Denn bloße Vorgespräche führen als solche nicht zu einer Fundamentalwertänderung, wenn sie keine über das Endergebnis hinausgehende Information transportieren. Ist also die Kurserheblichkeit anhand des Endergebnisses zu ermitteln, so ist hier zu berücksichtigen, dass angesichts der noch zu lösenden zahlreichen Vorfragen die Wahrscheinlichkeit des Zusammenschlusses minimal klein ist. Eine Kurserheblichkeit anzunehmen, liefe auf einen bloßen Magnitude-Test hinaus. Daher
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Kumpan – Gestreckte Vorgänge und Insiderrecht
haben Vorgespräche, wenn sie keine eigenständige Bedeutung haben, keine Kursrelevanz. 44 Eine eigenständige Bedeutung können Vorgespräche allerdings z.B. dann haben, wenn sich in ihnen das Scheitern einer bisher auf unternehmerische Unabhängigkeit setzende Strategie oder eine wirtschaftliche Notlage manifestiert, die nur durch einen Zusammenschluss mit einem Wettbewerber abzuwenden ist.
IV. Schlussbetrachtung 45
Die vorangegangenen Ausführungen können in fünf Thesen zusammengefasst werden:
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1.) Das Merkmal der Kursspezifität bzw. Präzision von Informationen ist von demjenigen der Kurserheblichkeit zu unterscheiden. Es dient einer ersten Evidenzkontrolle, bei der es um Faktoren geht, die der Information selbst anhaften. Eine Information ist nur dann als „unpräzise“ einzustufen, wenn schon bei isolierter Betrachtung der Information klar ist, dass diese abstrakt unter keinen Umständen jemals einen Handelsanreiz begründen kann.
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2.) Die Kurserheblichkeit betrifft die Frage, ob das Bekanntwerden der Information wahrscheinlich zu einer Kursbewegung führen würde. Hierbei geht es um eine objektive Wertänderung des betroffenen Finanzinstruments, d.h. die Fundamentalwertrelevanz. In diesem Zusammenhang kann der Probability/Magnitude-Test herangezogen werden. Das darf aber nicht zu trügerischer Sicherheit verleiten. Denn dieser Test ermöglicht nur eine Näherung und keineswegs ein eindeutiges Ergebnis. Greift man auf die spätere tatsächliche Kursbewegung zurück, ist zu beachten, dass auf diese nur dann abgestellt werden kann, wenn die unmittelbar vor der Kursbewegung veröffentlichte Information auch noch dieselbe ist wie diejenige, deren insiderrechtliche Qualität überprüft werden soll. Die Informationslage darf sich nicht zwischenzeitlich durch weitere Entwicklungen verändert haben.
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3.) Bei gestreckten Sachverhalten wird das Endereignis als künftiger Umstand lange Zeit zu unspezifisch sein, um insiderrechtliche Relevanz zu entfalten. Daher wird es regelmäßig auf die Zwischenschritte ankommen. Diese müssen selbst alle Voraussetzungen der Insiderinformation erfüllen. Ihre Kursspezifität kann grundsätzlich nicht aus dem Endereig-
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nis abgeleitet werden. In den Fällen, in denen man dies ausnahmsweise erwägen könnte, muss jedenfalls das Endereignis bereits selbst kursspezifisch sein. Dann aber ist fraglich, inwieweit es überhaupt noch auf für sich genommen unpräzise Zwischenschritte ankommt. 4.) Die Kurserheblichkeit von Zwischenschritten leitet sich im Regelfall 49 vom Endergebnis ab. Da immer auch die Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Endergebnisses zu dem jeweiligen Zeitpunkt berücksichtigt werden muss, darf diese nicht gegen Null tendieren. Das heißt, der Eintritt des Endereignisses darf nicht lediglich eine theoretische Möglichkeit darstellen. Ist hingegen der Zwischenschritt aus sich selbst heraus ausreichend kurserheblich, kommt es auf die Kurserheblichkeit des Endergebnisses nicht an. 5.) Vorgespräche sind auch unter der MAR in der Regel insiderrechtlich 50 unerheblich. Zu dem Zeitpunkt, in dem Vorgespräche stattfinden, ist das künftige Endergebnis in der Regel nur minimal und nicht überwiegend wahrscheinlich, so dass es noch keine ausreichend präzise Information darstellt. Die Vorgespräche selbst sind zwar für sich genommen präzise Informationen, allerdings sind sie in der Regel nicht kurserheblich, weil sie selbst regelmäßig nicht zu einer Fundamentalwertänderung führen. Anders ist dies nur, wenn Vorgespräche für sich genommen einen über das Endereignis hinausgehenden Informationsgehalt haben.
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Bericht über die Diskussion des Referats Kumpan Ronny Grütze, LL.M. oec. Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Rz.
Rz. I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beitrag Prof. Dr. Dr. Klaus J. Hopt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beitrag Prof. Dr. Peter Hommelhoff . . . . . . . . . . . . . 3. Beitrag Prof. Dr. Jochen Vetter, RA München . . . . . . . 4. Beitrag Dr. Matthias Hentzen, RA Düsseldorf . . . . . . . . . . . . 5. Beitrag Dr. Laurenz Wieneke, RA Frankfurt . . . . . . . . . . . . .
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6. Beitrag Dr. Holger Alfes, RA Frankfurt . . . . . . . . . . . . . 7. Beitrag Dr. Tobias de Raet, RA Berlin. . . . . . . . . . . . . . . . 8. Beitrag Prof. Dr. Mathias Habersack . . . . . . . . . . . . . . . 9. Beitrag Prof. Dr. Katja Langenbucher . . . . . . . . . . . .
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III. Antwort von Prof. Dr. Christoph Kumpan . . . . . . . . . . . .
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IV. Conclusio . . . . . . . . . . . . . . .
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8 9 10
I. Einleitung 1 Die bei gestreckten Vorgängen entstehenden Insiderinformationen sind Gegenstand einer bisher ergebnisoffenen Diskussion rund um ihre rechtliche Würdigung und insbesondere ihre praktische Einordnung. Die Diskussion im Anschluss an den Vortrag von Prof. Dr. Christoph Kumpan zu dem Thema „Gestreckte Vorgänge und Insiderrecht“ auf der Jahrestagung der VGR 2018 veranschaulichte, welchen Problemfeldern der wissenschaftliche Diskurs besondere Aufmerksamkeit zukommen lassen sollte. Zu erkennen ist, dass insbesondere der praktische Umgang mit dem Thema für die Diskutanten von zentraler Bedeutung war. Darüber hinaus skizzierte die Diskussion zum einen die unterschiedlichen Lösungs- und Konkretisierungsansätze der Diskutanten, zum anderen zeigte sich aber auch durch eine kritische Betrachtung der Materie, an welchen Stellen Nachbesserungsbedarf besteht.
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II. Diskussion 1. Beitrag Prof. Dr. Dr. Klaus J. Hopt In einer ersten Stellungnahme identifizierte Prof. Dr. Dr. Klaus J. Hopt 2 als Kern des Problems eine große Unklarheit in Bezug auf den Umgang mit Zwischenschritten und Ad-hoc-Publizität – vor allem bei den Unternehmen. Prof. Hopt bezweifelte, dass dem Wunsch der Unternehmen nach Schaffung von mehr Klarheit und Rechtssicherheit angesichts des „dichten Regelungsdschungels“ rund um die präzise Information hinreichend entsprochen werde. Das von Prof. Kumpan Vorgetragene sei ein sehr guter Beitrag, der dogmatisch stimmig sei und eine passende Argumentationslinie zum BGH und auch zum EuGH herstelle. Aber in der Praxis verblieben weiterhin Unklarheiten über die konkrete rechtliche Würdigung. Prof. Hopt sah eine gewisse Abhilfe in BaFin- und ESMA-Erläuterungen. Dabei kämen insbesondere auch Q&As bzw. FAQs in Betracht, wie sie auch schon derzeit teilweise praktiziert würden. Angesichts einer fraglichen Rechtsnatur von FAQs der ESMA bzw. der BaFin seien aber auch damit erhebliche rechtliche Probleme verbunden. Namentlich seien dies die Frage nach der Möglichkeit einer isolierten Anfechtung einzelner FAQs oder die Frage nach welchen Maßstäben eine Auslegung von FAQs zu erfolgen habe. Da grundsätzlich der Ansatz einer europäischen Auslegung verfolgt werde, dränge sich auch hier die Frage auf, was dies konkret bedeute. Schließlich vereine Europa verschiedenste Rechtskreise und Rechtskulturen, so dass eine deutsche Auslegung zu anderen Ergebnissen komme als beispielsweise eine französische. Offen bleibe auch hier, ob es einen gemeinsamen Ansatz geben könne oder ob auch in dieser Hinsicht ein undurchsichtiger Dschungel verbleibe, bis der EuGH Klarheit schafft.
2. Beitrag Prof. Dr. Peter Hommelhoff Prof. Dr. Peter Hommelhoff hielt zu Beginn seines Beitrags zunächst fest, 3 dass der Thematik sowohl enorme dogmatische Relevanz als auch praktische Unerlässlichkeit zukommt. Insbesondere Letztere dürfe neben einer intensiven dogmatischen Auseinandersetzung nicht vernachlässigt werden. Betont wurde die Frage, wie der Sachverhalt von der Praxis bewertet wird und welche praktischen Maßnahmen zur Einhaltung der Regelungen getroffen werden könnten. Der von Prof. Kumpan präsentierte Vortrag zeige zwar eine hochdifferenzierte, sorgfältige Betrachtung für komplizierte – bildlich gesprochen „in den Bach gefallene“ – Sachverhalte,
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aber für die Rechtspraxis und viele börsennotierte Unternehmen stelle die angerissene Problematik Alltag dar. In diesen Unternehmen frage man sich, wie praktikable, alltagsverträgliche Lösungen aussähen und wie diese effizient in Informations- und Entscheidungsprozesse eingebaut werden könnten. Prof. Hommelhoff vertrat die Ansicht, dass eine Überwachung von Zwischenschritten in ein Compliance-System eingefügt werden könne, da es schließlich um Fragen rechtskonformen Verhaltens gehe. Fraglich sei dabei aber wiederum, auf welche Art und Weise ein Compliance-System diese Aufgabe wahrnehmen könne. Es bestünde die Möglichkeit, dass eine Überwachungsstelle sowohl alle Vorstandsentscheidungen als auch alle Vorstandsgespräche nachverfolge und anschließend unter insiderrechtlichen Aspekten würdige. Angesichts der Fülle an Informationen könne jedoch bezweifelt werden, ob das System überhaupt praktikabel und effizient sei. 4 Ebenso seien Anschlussfragen ungeklärt: Offen sei beispielsweise die Frage, wann eine Ad-hoc-Meldung notwendig wird und ob es schon genüge, nur die Vorstandsebene zu betrachten oder ob auch nachgeordnete Ebenen betrachtet und überprüft werden müssten. Im Gegensatz zu den hier aufgezeigten Problemen müsse man sich aber auch fragen, ob durch die Diskussion nicht lediglich ein großes Risikofass eröffnet werde und ob die Aufsichtspraxis letztlich nur denjenigen erwische, der zwar einen Fehler begangen hat, aber eben nur zufällig dabei erwischt und sanktioniert wurde. Insofern müsse auch die Aufsichtspraxis angepasst werden.
3. Beitrag Prof. Dr. Jochen Vetter, RA München 5 Prof. Dr. Jochen Vetter warnte davor, für eine für die Praxis taugliche Auslegung nur auf den EuGH zu hoffen. Wir hätten ein deutsches Problem, das wir auch einzelstaatlich lösen könnten, da es einen weichen europäischen Rechtsrahmen gebe, der von den nationalen Rechtsanwendern ausgefüllt werden müsse und könne. Dies zeige sich beispielsweise an der unterschiedlichen Anwendung der (europarechtlichen) Regeln zum Insiderrecht in den verschiedenen Mitgliedsstaaten. Dies verdeutlichte er an dem Beispiel eines börsennotierten französischen Unternehmens, das vor Veröffentlichung einer Ad-hoc-pflichtigen M&A-Transaktion zunächst den Betriebsrat informierte, was in Deutschland völlig undenkbar wäre. Die BaFin nähme demgegenüber teilweise extrem strenge Positionen ein, die so nicht zwingend durch Europarecht vorgegeben seien, sondern schlicht dem Verständnis oder dem Regelungswunsch der BaFin entsprächen. So stelle sie in ihren F&Qs klar, dass bei Zwi-
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schenschritten die Eintrittswahrscheinlichkeit des Endereignisses völlig irrelevant sei, solange das fragliche Ereignis nicht völlig ausgeschlossen werden könne. Diesem Maßstab folgend müssten letztlich alle noch so unwahrscheinlichen, aber wirtschaftlich möglicherweise bedeutenden Ereignisse zu einem sehr frühen Zeitpunkt veröffentlicht werden, da praktisch immer schon zu einem frühen Zeitpunkt von einem Ad-hocpflichtigen Zwischenschritt ausgegangen werden müsste. Damit würde die Ad-hoc-Publizitätspflicht zu weit nach vorne verlagert. Stattdessen bedürfe es, dem bisherigen Emittentenleitfaden entsprechend, bei Zwischenschritten, die ihre Kurserheblichkeit allein aus einem zukünftigen Endergebnis ableiten, einer wertenden Betrachtung derart, dass das Endergebnis überwiegend wahrscheinlich sein muss. Eine frühe Selbstbefreiung sei keine Lösung, da diese ein hohes Risiko berge, aufgrund des „information fishing“ der Medien in einem sehr frühen Stadium eine Adhoc-Mitteilung zu erzwingen. Zusammenfassend sei daher eine weniger rigide Norminterpretation der BaFin und deren Kommunikation in praktikablen Leitlinien wünschenswert.
4. Beitrag Dr. Matthias Hentzen, RA Düsseldorf RA Matthias Hentzen eröffnete ein weiteres Problemfeld, das durch die 6 Berücksichtigung eines „spekulativen Anlegers“ neben dem rationalen Anleger für die Bestimmung des verständigen Anlegers entstanden sei. Die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit für den Eintritt eines kursbeeinflussenden Ereignisses würden dadurch weiter gesenkt, da es immer möglich sei, dass ein Marktteilnehmer („spekulativer Anleger“) auf jedwedes Ereignis spekuliert. In diesem Zusammenhang komme es auch nicht mehr darauf an, in welche Richtung eine Kursveränderung erwartet werden könne. Aufgrund dessen führe schon die Annahme eines „spekulativen Anlegers“ an sich zu einer Inflation von Ad-hoc-Meldungen. Die Flucht in die Selbstbefreiung könne keine Lösung bieten, weil jedes konkrete Gerücht dann doch die Ad-hoc-Meldung erzwinge.
5. Beitrag Dr. Laurenz Wieneke, RA Frankfurt RA Laurenz Wieneke äußerte die Ansicht, dass es keine Ad-hoc-Mittei- 7 lungen ohne Selbstbefreiung gibt. Ohne eine angefügte Selbstbefreiung würden Aufsichtsbehörden (namentlich die BaFin) nachhaken, ob das Ereignis auch schon zu einem früheren Zeitpunkt überwiegend wahrscheinlich hätte sein können und eine Ad-hoc-Publizitätspflicht möglicherweise zu spät ausgelöst wurde. Ebenso ging RA Wieneke auf das von
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seinem Vorredner ins Feld gebrachte Konstrukt des „spekulativen Anlegers“ ein. Seiner Ansicht nach stelle die BaFin offenbar teilweise auch auf einen „unbedarften Privatanleger“ ab, für den jede Information relevant sei. Damit seien dann auch Informationen umfasst, die vom offenlegenden Unternehmen als nicht kursrelevant eingestuft und von der Informationspolitik des Unternehmens daher bewusst ausgeklammert würden (wie beispielsweise ein außerordentlicher Ertrag). Am Ende seines Beitrages fügte RA Wieneke hinzu, dass es auch seinem Eindruck entspräche, dass die Regelungen zur Ad-hoc-Publizität in den Rechtsordnungen anderer Mitgliedstaaten wesentlich weniger streng interpretiert werden als dies in Deutschland der Fall ist.
6. Beitrag Dr. Holger Alfes, RA Frankfurt 8 RA Holger Alfes kritisierte das vermeintliche Allheilmittel Selbstbefreiung und mahnte, dass die Flucht in die Selbstbefreiung zu einer dauerhaften Spirale von sich überlagernden Selbstbefreiungen führen könnte. Unternehmen, die immerwährend in Selbstbefreiungen von der Ad-hocPublizität hingen, seien in ihrer Geschäftstätigkeit erheblich gehemmt. Die Durchführung von Kapitalmaßnahmen sowie Directors’ Dealings seien nahezu unmöglich, wenn bei jedem Zwischenschritt eine Selbstbefreiung vorgenommen werden würde. Daher sei die Flucht in die Selbstbefreiung keine Lösung.
7. Beitrag Dr. Tobias de Raet, RA Berlin 9 Auch RA Tobias de Raet mahnte, die Flucht in eine immer frühere Selbstbefreiung helfe der Praxis nicht weiter. Während seine Mandanten unter der früheren Rechtslage wesentlich seltener Nachfragen zum Thema hatten, habe die Rechtsunsicherheit erheblich zugenommen, so dass vermehrt nachgefragt werde. Mangels klarer Vorgaben, müsse im Zweifel eine Selbstbefreiung empfohlen werden. Festzuhalten gelte es aber, dass die Selbstbefreiung keinen sog. „safe space“ schaffe. Der Selbstbefreiungsprozess stelle vielmehr eine Spirale dar, in der man kontinuierlich stecke und schwer entrinnen könne. Schließlich müsse die Frage, wann und wo ein neuer Zwischenschritt abzugrenzen sei, immer wieder aufs Neue beantwortet werden. Daher vertrat auch RA de Raet die Auffassung, die BaFin müsse durch die Herausgabe von Verlautbarungen konkret definieren, was nach Auffassung der Aufsichtsbehörden unter „normalen“ Zwischenschritten in einem M&A-Prozess und unter einer präzisen Information zu verstehen sei.
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8. Beitrag Prof. Dr. Mathias Habersack Prof. Dr. Mathias Habersack nahm in seinem Beitrag eine differenzierte 10 Sicht ein. Zunächst müsse unterschieden werden, welche Zwischenschritte für die Herausgabe einer Ad-hoc-Publizitätsmeldung geeignet seien. Zum einen seien Zwischenschritte, die aus sich selbst heraus keine oder nur wenig Aussagekraft besitzen, nicht für eine Ad-hoc-Publizität geeignet. Demgegenüber seien andere Sachverhalte als Ad-hoc-publizitätspflichtige Zwischenschritte dann geeignet, wenn sie einen isolierten Aussagewert haben. Prof. Habersack führte hierfür beispielhaft das Ausscheiden oder die Erkrankung eines Vorstandsmitglieds an. Weiterhin wies Prof. Habersack darauf hin, dass die strenge Haltung der 11 BaFin erst im Zusammenhang mit dem Verdacht auf Insiderhandelsverstöße zu beobachten sei. Dies führe zu der Frage, ob es sinnvoll sei, de lege ferenda zwischen der Ad-hoc-Publizität und den Insiderhandelsverboten zu trennen und letztere schon früher eingreifen zu lassen, evtl. schon bei der Vorlage einer Insiderinformation „light“. Dieses Konzept sei schließlich schon im Vorfeld der MAR angedacht gewesen, bedauerlicherweise aber nicht in die finale Fassung der MAR übernommen worden.
9. Beitrag Prof. Dr. Katja Langenbucher Als letzte Rednerin stieg Frau Prof. Dr. Katja Langenbucher mit der Frage 12 in die Diskussion ein, wie das US-amerikanische Recht mit diesen Sachverhalten umgeht. Damit warf sie den Blick auf eine rechtsvergleichende Betrachtung, die noch nicht Bestandteil der Diskussion war und begründete dies damit, dass gerade das US-amerikanische Recht häufig eine Vorbildwirkung für die Ausprägung des europäischen Kapitalmarktrechts darstelle. Im Fortgang ging Frau Prof. Langenbucher auf die Änderung des Fun- 13 damentalwertes bei Zwischenschritten ein. Konkret wurde die Annahme, bei der Bestimmung der Prognose der Erheblichkeit müsse sich die Wertänderung auf den Fundamentalwert beziehen, bezweifelt. Dies werde besonders unter Einbeziehung des spekulativen Anlegers deutlich. Schließlich gehe dieser bei seiner Spekulation davon aus, es werde in jedem Fall eine Kursveränderung geben und sei damit von einer Veränderung des Fundamentalwertes unabhängig. Für den spekulativen Anleger setze Kurserheblichkeit daher schon viel früher ein. Dasselbe gelte erst
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recht bei Zwischenschritten: Nicht jeder Zwischenschritt könne eine Änderung des Fundamentalwertes ergeben. 14 Eine letzte Anmerkung betraf die „50% + x“-Formel für die Bestimmung der Kurserheblichkeit. Nach Ansicht der Rednerin lasse sich diese aus der EuGH-Rechtsprechung (Geltl) nicht entnehmen, da es dort lediglich eine vage Formulierung in diese Richtung gebe. Dies führe im Endeffekt wohl kaum zu einer „50% + x“- Formel.
III. Antwort von Prof. Dr. Christoph Kumpan 15 In seiner Antwort auf die Fragen und Kommentare bemerkte Prof. Dr. Christoph Kumpan zunächst, dass die vorgetragenen Erfahrungen aus der Rechtspraxis beispielhaft veranschaulichten, dass die verschiedenen Mitgliedstaaten sehr unterschiedliche Auffassungen bei der Auslegung der Marktmissbrauchsverordnung (MAR) verträten. Eine Reihe von ihnen gehe um einiges gelassener mit dem Marktmissbrauchsrecht um als man dies in Deutschland tue. Das dürfe in Deutschland nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben. 16 Prof. Kumpan widersprach sodann der Ansicht, dass sich der Geltl-Entscheidung nichts zum Wahrscheinlichkeitsmaßstab entnehmen lasse. Auch dürfe man die Bestimmung der Wahrscheinlichkeit nicht als völlig irrelevant ansehen. Das sei mit den Regelungen der MAR kaum zu vereinbaren. Die MAR erwähne in Erwägungsgrund 16 sogar ausdrücklich die Wahrscheinlichkeit, so dass die Wahrscheinlichkeitsbetrachtung zwingender Bestandteil der Beurteilung sein müsse. Zugegebenermaßen treffe der EuGH allerdings keine konkrete Aussage, was unter dem Begriff „wahrscheinlich“ zu verstehen sei. 17 Im Hinblick auf den Maßstab des „verständigen Anlegers“ sei zu konstatieren, dass dieser nach wie vor erheblich umstritten sei. Hierzu hätten sich verschiedene Auffassungen herausgebildet. Grob unterteilen ließen sich diese in individualbezogene und marktbezogene Ansätze. Die individualbezogenen Ansätze stellten zum Teil auf den Durchschnittsanleger ab, zum Teil würden sie diesen aber auch anhand der Bereichsöffentlichkeit noch näher konkretisieren. Marktbezogene Ansätze legten hingegen ein bestimmtes Marktmodell, wie die Effizienzmarkthypothese, zugrunde und sähen in dem „verständigen Anleger“ eine Personifizierung dieses Marktmodells. Von diesen verschiedenen Konzepten sei jedenfalls dasjenige, das auf den spekulativen Anleger als Maßstab abstelle, höchstpro-
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blematisch. Zwar gebe es in der Rechtswirklichkeit spekulative Anleger, die „wild“ spekulierten und jedem Gerücht nachjagten. Für sie seien alle Informationen kursrelevant. Aber diese Anleger seien nicht geeignet, das abstrakte Konstrukt des verständigen Anlegers schlüssig und auf eine Rechtssicherheit bietende Weise auszufüllen. Denn das Konzept eines Anlegers, der auf jedwede irgendwie geartete Information und jedes Gerücht reagiere, mache jegliche Beurteilung anhand von einheitlichen Maßstäben und Kriterien unmöglich, weil für ihn alles relevant sei. Um den Betroffenen Rechtssicherheit zu geben, müsse ein Ansatz gefunden werden, der es einerseits erlaube, die Kursrelevanz eindeutig und konsistent zu ermitteln, andererseits aber auch die Unternehmen nicht dazu zwinge, auch völlig belanglose und irrelevante Informationen ad hoc zu veröffentlichen. Hier müsse zwischen der Lebenswirklichkeit auf der einen Seite und der rechtlichen Konzeption der MAR, die als abstrahierende Regelung einem bestimmten Marktmodell folge, auf der anderen Seite unterschieden werden. Das Konzept des „verständigen Anlegers“ müsse sich an dem Modell der MAR orientieren. Diese orientiere sich letztlich an der Effizienzmarkthypothese. Damit müsse es auf objektive Wertänderungen ankommen, so dass nur relevant sein könne, was sich auf den Fundamentalwert des jeweiligen Finanzinstruments auswirke. Daher müsse Börsentratsch und ähnliches ausgeklammert werden. Damit sei dann aber auch das Handeln spekulativer Anleger (also von Anlegern, die auf jeden Hype/jedes kleine Gerücht aufspringen) nicht mehr der allgemeine Maßstab für die Kurserheblichkeit. Im Weiteren stimmte er der Aussage zu, dass im Hinblick auf das Markt- 18 missbrauchsrecht für mehr Klarheit und Rechtssicherheit gesorgt werden müsse. Die Q&As und FAQs seien ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Allerdings sei ihre Rechtsqualität fraglich. Die Rechtsunterworfenen seien aber zurückhaltend, die Rechtsqualität zu testen, denn derzeit sei kein Unternehmen bereit, diesbezüglich einen offenen Konflikt mit der ESMA auszutragen. Angesichts der Unsicherheit würde den Unternehmen als letzter Ausweg zur Vermeidung der Ad-hoc-Publizität insbesondere bei Zwischenschritten die Flucht in die Selbstbefreiung zwar möglich sein, aber die Diskussion habe deutlich gemacht, dass diese keine wirkliche Option für die Unternehmen sei. Das gelte umso mehr, wenn man bzgl. der Einstufung der Informationen auf den Maßstab des spekulativen Anlegers abstelle und damit die Ad-hoc-Mitteilungspflicht sehr weit ziehen würde. Aber auch wenn man dies nicht täte, bestünden praktische Probleme, wie sie in der Diskussion angeklungen seien.
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19 Denkbar sei die Überwachung von Zwischenschritten in ein Compliance-System zu integrieren. Das würde aber auch bedeuten, dass der Vorstand angesichts der vielen Fallstricke im Marktmissbrauchsrecht fortwährend von der Compliance-Abteilung kontrolliert und beraten werden müsse. Das sei in der Tat wenig praxistauglich. Hier seien die Aufsichtsbehörden gefordert, für den Umgang mit Zwischenschritten Rechtssicherheit zu schaffen. Insbesondere könne ein neuer Emittentenleitfaden der BaFin wichtige Hilfestellungen bieten. Keinesfalls dürften Unternehmen zum Spielball der Rechtsfindung werden, nur weil Aufsichtsbehörden zögerten, klare Vorgaben zu machen.
IV. Conclusio 20
Wie auch die Diskussion gezeigt hat, handelt es sich bei gestreckten Vorgängen und Insiderrecht um ein Thema, das auch zukünftig noch viel Raum für Diskussion und ein enormes wissenschaftliches Potential besitzt. Parallel zur wissenschaftlichen Diskussion darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Materie für viele Kanzleien und Unternehmen alltäglich ist und damit nicht nur dogmatisch stimmige, sondern praxistaugliche, effektive Lösungen herausgearbeitet werden müssen. Sicher ist nur eines: Einfache Antworten wird es nicht geben.
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Hauptversammlungszuständigkeit für Business Combination Agreements Prof. Dr. Klaus Ulrich Schmolke, LL.M. (NYU) Universität Erlangen-Nürnberg Rz.
Rz. I. Thema . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Business Combination Agreements und deren typische Inhalte . . . . . . . . . . . 1. Abgrenzung zu Investment Agreements und Gesellschaftervereinbarungen . . . . . . . . . 2. Mehrheitserwerb und Zusammenschluss unter Gleichen . 3. Typische Regelungsinhalte und Klauseln . . . . . . . . . . . . . III. Ansatzpunkte für ein mögliches Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung. . 1. Bestandsaufnahme möglicher geschriebener und ungeschriebener Hauptversammlungskompetenzen . . . 2. § 179 AktG – Unternehmensgegenstand und „passive Konzernklausel“ . . . . . . . . . . 3. § 179a AktG analog? . . . . . . . 4. § 293 AktG (analog) – BCAs als „verdeckte Beherrschungsverträge“ oder „Organisationsverträge sui generis“? . . .
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a) BCA als Beherrschungsvertrag im materiellen Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vereinbarung von Einflussmöglichkeiten unterhalb der Beherrschung. . . 5. §§ 71 Abs. 1 Nr. 8, 202, 221 AktG: Ermöglichung des Verzichts auf die Ausübung von HV-Ermächtigungen durch Vorweg- oder Änderungsbeschluss . . . . . . . . . . . 6. Zur Anwendung von Holzmüller/Gelatine auf BCAs bei Zusammenschlüssen unter Gleichen . . . . . . . . . . . a) Holzmüller-Zuständigkeit bei Abschluss von BCAs . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zum Fall Linde/Praxair . 7. Ungeschriebene Kompetenz qua „Sachzusammenhang“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen . . . . . .
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I. Thema Fragen zu den aktienrechtlichen Wirksamkeitsbedingungen für die Inhal- 1 te von Business Combination Agreements (BCAs) werden bereits seit einiger Zeit und zunehmend intensiver diskutiert. Die Debatte wird dabei im-
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Schmolke – Hauptversammlungszuständigkeit für BCAs
mer wieder von prominenten Fällen angefacht, die bisweilen auch vor die Gerichte gelangen.1 Der aktuelle Kristallisationspunkt der Diskussion ist der Unternehmenszusammenschluss zwischen der U.S.-amerikanischen Praxair und der deutschen Linde AG. Das Linde-Management hatte nämlich eine Befassung der Hauptversammlung mit dem im BCA festgelegten „Aktionsfahrplan“ abgelehnt. Hiergegen hatten einzelne Linde-Aktionäre – unterstützt von der DSW – eine Klage zur Feststellung der Erforderlichkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses angestrengt. Das LG München I hat die Klage indes jüngst in seiner Entscheidung vom 20.12.2018 abgewiesen.2 2 Vor diesem aktuellen Hintergrund beschränkt sich mein Vortrag auf die Frage der Hauptversammlungszuständigkeit für den Abschluss eines BCA3 nach geltendem Aktienrecht.4 Selbstredend ist es auch bei dieser Themeneingrenzung angesichts des knappen Raums erforderlich, Schwerpunkte zu setzen. Ein maßgeblicher Schwerpunkt wird dabei – wenig überraschend – die Frage der Hauptversammlungskompetenz für die Verabredung von Gestaltungen à la Linde/Praxair sein.
II. Business Combination Agreements und deren typische Inhalte 3 Bevor wir uns dem Kern des Themas zuwenden, sind zunächst einige knappe Vorbemerkungen angezeigt. Diese betreffen neben begrifflichen Klärungen (1.) und der Unterscheidung verschiedener Zusammenschlusskonstellationen (2.) vor allem einen kurzen Überblick über die typischen Regelungsinhalte und Klauseln eines BCA (3.).
1 S. etwa BGH, Urt. v. 16.11.1981 – II ZR 150/80 – Hoesch/Hoogovens, BGHZ 82, 188; OLG München, Beschl. v. 14.12.2011 – 7 AktG 3/11 – WET/Amerigon, NZG 2012, 261; LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 18.12.2008 – 1 HK O 4286/08 – Alcon/Wavelight, AG 2010, 179 und jüngst LG München I, Urt. v. 20.12.2018 – 5 HK O 15236/17 – Linde/Praxair, juris; w.N. im folgenden Text. 2 LG München I, Urt. v. 20.12.2018 – 5 HK O 15236/17 – Linde/Praxair, juris; dazu Jung, FAZ v. 20.12.2018, online: https://www.faz.net/-iju-9hwh8. Der dem Text zugrunde liegende Vortrag wurde bereits am 26.10.2018 gehalten. 3 S. zu weiteren Aspekten der Zulässigkeit und Wirksamkeit von BCAs hier nur Hippeli/Diesing, AG 2015, 185, 191 ff. 4 S. für einen jüngeren Vorschlag zur Regelung der Hauptversammlungszuständigkeit bei Strukturveränderungen de lege ferenda Stephan/Strenger, AG 2017, 346 ff.
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1. Abgrenzung zu Investment Agreements und Gesellschaftervereinbarungen Die hier interessierenden BCAs sind zunächst von den häufig in einem 4 Atemzug genannten Investment Agreements (IAs) abzugrenzen: Als BCA oder Zusammenschlussvereinbarung pflegt man Abreden von typischerweise schuldrechtlicher Natur5 zu bezeichnen, welche die beteiligten Rechtsträger im Vorfeld eines in Aussicht genommenen Unternehmenszusammenschlusses treffen. Diese Abreden haben insbesondere die Bedingungen und unternehmerischen Ziele des Zusammenschlusses sowie dessen organisatorische Durchführung zum Gegenstand.6 Bei Investorenvereinbarungen oder IAs geht es hingegen um Vereinbarungen im Zusammenhang mit einem strategischen Beteiligungserwerb unterhalb des Unternehmenszusammenschlusses, die etwa transaktionsschützende Regelungen oder die Sicherung der Unabhängigkeit der Beteiligungsgesellschaft zum Inhalt haben.7 Sowohl BCAs als auch IAs sind von (bloßen) Gesellschaftervereinbarungen abzugrenzen. Hier sind ausschließlich Gesellschafter Parteien der Abrede, während bei einem BCA (bzw. einem IA) die Gesellschaft selbst als Partei beteiligt ist.8 5 S. Seibt in Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht in der Reformdiskussion, 2013, S. 105, 108 f.; zur hier nicht näher entfalteten Diskussion um die Rechtsnatur von BCAs s. auch Schall in Kämmerer/Veil, Übernahmeund Kapitalmarktrecht in der Reformdiskussion, 2013, S. 75, 80 ff.; Reichert, ZGR 2015, 1, 4 f.; Strohn, ZHR 182 (2018), 114, 120 ff. 6 So die Definition bei Seibt in Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht in der Reformdiskussion, 2013, S. 105, 108 m.w.N.; im Anschluss hieran etwa auch Reichert, ZGR 2015, 1, 3. S. zu den typischen Klauselinhalten noch unten Rz. 7. 7 Schall in Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht in der Reformdiskussion, 2013, S. 75, 77; gleichsinnig Reichert, ZGR 2015, 1, 3; Seibt in Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht in der Reformdiskussion, 2013, S. 105, 108 f. Die Sicherung der Unabhängigkeit als Ziel von IAs betont U.J.K. König, Geschäftspolitische Bindungen der Aktiengesellschaft, 2018, S. 124 f. S. auch Zetzsche in KölnKomm/AktG, 3. Aufl. 2019, § 179 AktG Rz. 320: Ein IA sei auf fortgesetzte Eigenständigkeit der Beteiligungsgesellschaft gerichtet, ein BCA auf Integration. 8 Reichert, ZGR 2015, 1, 3 f. Zur Einbeziehung wesentlicher Gesellschafter, Arbeitnehmervertreter, Kreditgeber und Vertragspartner in die Zusammenschlussvereinbarungen s. die Äußerung von Seibt wiedergegeben bei Fleischer in Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht in der Reformdiskussion, 2013, S. 135.
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2. Mehrheitserwerb und Zusammenschluss unter Gleichen 6 Die von einem BCA geregelten Unternehmenszusammenschlüsse lassen sich grob in zwei verschiedene Konstellationen einteilen. Im Regelfall erwirbt ein Unternehmen die Anteilsmehrheit an einer Zielgesellschaft, daneben finden sich aber auch Unternehmenszusammenschlüsse „unter Gleichen“.9 Während BCAs in beiden Konstellationen der Erhöhung der Transaktionssicherheit dienen, laufen die Interessen beim Zusammenschluss unter Gleichen zwischen den beteiligten Gesellschaften weitgehend parallel. Ihnen geht es um die Formulierung und Kommunikation gemeinsamer Ziele sowie die Sicherung des paritätischen Einflusses in der späteren Unternehmensstruktur.10 Demgegenüber ist der Zusammenschluss qua Mehrheitserwerb von divergierenden Interessen geprägt. Dem Erwerber geht es regelmäßig um die Ermöglichung und Absicherung des Mehrheitserwerbs, während die Zielgesellschaft typischerweise den Einfluss des Erwerbers zu begrenzen sucht.11
3. Typische Regelungsinhalte und Klauseln 7 Welche typischen Regelungsinhalte haben solche BCAs? Aus der Anwaltspraxis werden folgende Großkategorien genannt:12 (1) Absprachen über künftige Unternehmensstrategien und -ziele, also über die „Unternehmenspolitik“13, (2) Abmachungen über die Einzelschritte der Transaktion und die Bedingungen ihres Fortgangs („Aktionsfahrplan“), (3) Vereinbarungen über die künftige Besetzung von Vorstand und Aufsichtsrat
9 S. zu dieser grundlegenden Unterscheidung bereits Seibt in Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht in der Reformdiskussion, 2013, S. 105, 108. 10 Seibt in Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht in der Reformdiskussion, 2013, S. 105, 110. 11 Schall in Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht in der Reformdiskussion, 2013, S. 75, 76; Seibt in Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht in der Reformdiskussion, 2013, S. 105, 110 ff. 12 S. zum Folgenden Reichert, ZGR 2015, 1, 6 ff.; ferner die ganz ähnliche Einteilung bei Schall in Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht in der Reformdiskussion, 2013, S. 75, 94 ff.; Zetzsche in KölnKomm/AktG, 3. Aufl. 2019, § 179 AktG Rz. 330 ff.; Oppenhoff in Fleischer/Paschos, Handbuch Übernahmerecht nach dem WpÜG, 2017, § 9 Rz. 75 ff.; zu den typischen Inhalten von BCAs auch Hippeli/Diesing, AG 2015, 185, 187. 13 S. hierzu monografisch jüngst U.J.K. König, Geschäftspolitische Bindungen der Aktiengesellschaft, 2018.
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nach Abschluss der Transaktion („Gremienklauseln“)14, ferner (4) Abreden über kapitalbezogene Maßnahmen sowie schließlich (5) Vereinbarungen zur Transaktionsabsicherung, sog. „Deal-Protection“-Klauseln. Für die uns hier interessierende Frage der Hauptversammlungszustän- 8 digkeit möchte ich die letztgenannte Kategorie (5) ausklammern. Denn rechtliche Fragen zu den hierbei gebräuchlichen Klauseln (no shop, no talk, break fee) stellen sich vornehmlich in Bezug auf die Vereinbarkeit mit den Organpflichten des Vorstands (und Aufsichtsrats).15 Ausgeklammert bleiben auch Vereinbarungen über die Besetzung von Gremien (3). Insofern besteht weitgehende Einigkeit, dass eine Vorabbindung des Aufsichtsrats oder der Hauptversammlung mit Blick auf den Vorschlag und die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern oder die Bestellung von Vorstandsmitgliedern jedenfalls im Grundsatz unzulässig sind.16 Hingegen scheint es angezeigt, die Frage der Hauptversammlungszuständigkeit bei Abreden über die Geschäftspolitik (1) hier näher in den Blick zu nehmen. Dies gilt nicht nur dann, wenn sich solche Abreden – ggf. in Verbindung mit anderen Vereinbarungen – materiell möglicherweise als offene oder verdeckte Beherrschungsverträge darstellen.17 Vielmehr ist aus dem Schrifttum jüngst der Vorschlag unterbreitet worden, geschäftspoliti14 S. dazu hier nur Reichert, ZGR 2015, 1, 7 unter Verweis auf entsprechende Klauseln im Daimler/Chrysler-BCA sowie beim Zusammenschluss von mobilcom mit der France Télécom. 15 S. hierzu den instruktiven Überblick bei Oppenhoff in Fleischer/Paschos, Handbuch Übernahmerecht nach dem WpÜG, 2017, § 9 Rz. 92 ff.; ferner Seibt in Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht in der Reformdiskussion, 2013, S. 105, 125 f. Das Thema spielt natürlich auch im Rahmen des Themenkreises „Entäußerung von Vorstandskompetenzen“ eine Rolle [s. J. Koch in Fleischer et al., 50 Jahre Aktiengesetz, 2016, S. 65, 93] und kann dabei im Verein mit anderen Abreden möglicherweise materiell in die Übertragung von Leitungsmacht umschlagen. Ferner kann unter übernahmerechtlichen Gesichtspunkten [vgl. in diesem Zusammenhang nur Oppenhoff in Fleischer/Paschos, Handbuch Übernahmerecht nach dem WpÜG, 2017, § 9 Rz. 98] die Notwendigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses in Rede stehen (vgl. § 33a Abs. 2 Nr. 1 WpÜG). 16 S. dazu hier nur Reichert, ZGR 2015, 1, 7 f.; Zetzsche in KölnKomm/AktG, 3. Aufl. 2019, § 179 AktG Rz. 334 m.w.N.; ausführlich Oppenhoff in Fleischer/ Paschos, Handbuch Übernahmerecht nach dem WpÜG, 2017, § 9 Rz. 114 ff. (dort auch zur Zulässigkeit von Zusagen der Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder, ihr Amt zu einem bestimmten Zeitpunkt niederzulegen). 17 S. dazu Reichert, ZGR 2015, 1, 10 ff. mit Verweis auf den Fall HVB/Unicredit; ferner noch ausführlicher unten Rz. 20 ff.
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schen Bindungen der AG gegenüber einem Dritten in der Form von Organisationsverträgen sui generis Verbindlichkeit zu verleihen, an deren Abschluss die Hauptversammlung gem. § 293 AktG analog zwingend zu beteiligen sei.18 9 Mit Blick auf Abreden über kapitalbezogene Maßnahmen (4) sind hier vor allem solche Vereinbarungen von Interesse, in denen zugesagt wird, auf die Ausnutzung bereits seitens der Hauptversammlung erteilter Ermächtigungen zu verzichten. Dies betrifft die Ausnutzung eines genehmigten Kapitals, aber etwa auch die Veräußerung oder den Erwerb eigener Aktien oder die Begebung von Wandelschuldverschreibungen und Optionsanleihen.19 Die Zulässigkeit dieser Klauseln wird regelmäßig unter dem Gesichtspunkt diskutiert, ob die Ausübung der Ermächtigung eine unentziehbare Leitungsaufgabe des Vorstands i.S.d. § 76 AktG oder doch nur eine Geschäftsführungsmaßnahme i.S.d. § 77 AktG sei.20 Das LG München I sowie das OLG München gingen bekanntlich davon aus, dass derlei Klauseln in dem zwischen der Amerigon Europe GmbH und der W.E.T. Automotive AG geschlossenen BCA einen Verstoß gegen die zwingende Kompetenzordnung der AG begründen und daher nach § 134 BGB nichtig sind.21 Hieraus wird eine Frage der Hauptversammlungskompetenz, wenn man die Wirksamkeit solcher Verzichtsklauseln daher an die Änderung oder Aufhebung des Ermächtigungsbeschlusses durch die Hauptversammlung knüpft.22 Aber selbst wenn man – entgegen der Ansicht der Münchener Gerichte – zumindest den sachlich und zeit-
18 U.J.K. König, Geschäftspolitische Bindungen der Aktiengesellschaft, 2018, insb. S. 256 ff. S. dazu noch Rz. 23 ff. 19 S. dazu Oppenhoff in Fleischer/Paschos, Handbuch Übernahmerecht nach dem WpÜG, 2017, § 9 Rz. 101, wonach „praktisch alle BCAs“ derlei Abreden enthalten. S. auch LG München I, Urt. v. 5.4.2012 – 5 HK O 20488/11 – Amerigon Europe/W.E.T. Automotive, NZG 2012, 1152, 1153; ferner LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 18.12.2008 – 1 HK O 4286/08 – Alcon/Wavelight, AG 2010, 179, 180. 20 S. etwa Oppenhoff in Fleischer/Paschos, Handbuch Übernahmerecht nach dem WpÜG, 2017, § 9 Rz. 102 f.; J. Koch in Fleischer et al., 50 Jahre Aktiengesetz, 2016, S. 65, 94 ff.; Reichert, ZGR 2015, 1, 8, 21 ff.; U.J.K. König, NZG 2013, 452, 453 f.; Bungert/Wansleben, ZIP 2013, 1841, 1843 f. 21 LG München I, Urt. v. 5.4.2012 – 5 HK O 20488/11 – Amerigon Europe/W.E.T. Automotive, NZG 2012, 1152, 1153; s. ferner OLG München, Beschl. v. 14.11.2012 – 7 AktG 2/12 – Amerigon Europe/W.E.T. Automotive, NZG 2013, 459, 461. 22 S. dazu noch Rz. 29 f.
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lich beschränkten Ausübungsverzicht für zulässig erachtet,23 finden sich Stimmen, welche die zeitlich zulässige Höchstgrenze konkret auf die nächste ordentliche Hauptversammlung legen wollen. Längere Bindungen des Vorstands sollen indes eine Zustimmung der Hauptversammlung erforderlich machen.24 Was schließlich den in einem BCA festgelegten „Aktionsfahrplan“ be- 10 trifft (2), so stellt sich die Frage, ob die Vereinbarung künftiger Strukturmaßnahmen, wie etwa Verschmelzungen, Ausgliederungen oder die „Umhängung“ der beteiligten Gesellschaft unter eine zu gründende NewCo, satzungsändernden Charakter hat (§ 179 AktG),25 aufgrund des engen Sachzusammenhangs mit den vereinbarten Strukturmaßnahmen einer Hauptversammlungszustimmung bedarf26 oder deshalb, weil die in Aussicht genommene Umstrukturierung der Gesellschaft an die „Kernkompetenz der Hauptversammlung, über die Verfassung der Gesellschaft zu bestimmen,“ rührt und „in ihren Auswirkungen einem Zustand nahezu [entspricht …], der allein durch eine Satzungsänderung herbeigeführt werden kann“.27 Die zuletzt in Bezug genommene Holzmüller-Zuständigkeit wird gegenwärtig intensiv für den erwähnten Fall Linde/Praxair diskutiert. Dort folgte man einer üblichen Praxis für die gesellschaftsrechtliche Umsetzung eines Unternehmenszusammenschlusses unter Gleichen. Konkret hatte man vereinbart,28 die beiden Gesellschaften in 23 So etwa Fleischer in Spindler/Stilz, 3. Aufl. 2015, § 76 AktG Rz. 78; Bungert/ Wansleben, ZIP 2013, 1841, 1843 f.; Reichert, ZGR 2015, 1, 23. 24 So Zetzsche in KölnKomm/AktG, 3. Aufl. 2019, § 179 AktG Rz. 332. 25 S. dazu näher Rz. 15. 26 Vgl. BGH, Urt. v. 16.11.1981 – II ZR 150/80 – Hoesch/Hoogovens, BGHZ 82, 188 = AG 1982, 129 = NJW 1982, 933; dazu im Zusammenhang mit BCAs etwa Decher in FS Hüffer, 2010, S. 145, 154 ff.; Reichert, ZGR 2015, 1, 17 f.; Strohn, ZHR 182 (2018), 114, 142 f.; dazu näher Rz. 36 f. 27 BGH, Urt. v. 26.4.2004 – II ZR 155/02 – Gelatine I, BGHZ 159, 30, 44 f. = AG 2004, 384 unter Bezugnahme auf BGH, Urt. v. 25.2.1982 – II ZR 174/80 – Holzmüller, BGHZ 83, 122 = AG 1982, 158; dazu im Zusammenhang mit BCAs etwa Decher in FS Hüffer, 2010, S. 145, 153 f.; Reichert, ZGR 2015, 1, 14 ff. 28 Die folgenden Informationen stammen aus der Sachverhaltsschilderung des LG München I, Urt. v. 20.12.2018 – 5 HK O 15236/17, juris; s. ferner die Ausführungen in der Angebotsunterlage der Linde plc unter 8. und 9., online: http://lindepraxairmerger.com/lindepraxair/pdf/Angebotsunterlage-Umtausch angebot.pdf. Eine Zusammenfassung der „Kernpunkte“ der Zusammenschlussvereinbarung findet sich in der Pressemitteilung v. 1.6.2017, online: https://www.the-linde-group.com/de/images/010617_Presseemitteilung_Linde %20Praxair%20Merger_BCA_DEU_tcm16-416171.pdf.
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der neuen Holdinggesellschaft Linde plc zusammenzuschließen. Praxair sollte dabei auf eine Enkelgesellschaft der Linde plc verschmolzen werden. Die Aktionäre der Linde AG sollten im Rahmen eines öffentlichen Angebots ihre Anteile an der AG gegen solche der Linde plc tauschen. Ziel war die paritätische Beteiligung der ehemaligen Praxair- und LindeAktionäre an der Linde plc. Die fortbestehende Linde AG wird dabei (zunächst) zur Tochtergesellschaft der Linde plc. Aktionäre, die das Umtauschangebot nicht annehmen, sollten ggf. mittels Squeeze-out ausgeschlossen werden. Für den Fall, dass die Annahmequote unter 90 % bleiben sollte, war der Abschluss eines Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsvertrags beabsichtigt.
III. Ansatzpunkte für ein mögliches Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung 1. Bestandsaufnahme möglicher geschriebener und ungeschriebener Hauptversammlungskompetenzen 11
Mit Blick auf die genannten Regelungsinhalte von BCAs gilt es nun, sich in einem vorbereitenden Schritt über die möglichen normativen Ansatzpunkte für eine Hauptversammlungszuständigkeit zu vergewissern. Dabei ist zwischen geschriebenen, also ausdrücklich im Gesetz vorgesehenen, und ungeschriebenen, also im Wege der Gesetzesanalogie oder der freien Rechtsfortbildung gewonnenen Hauptversammlungskompetenzen zu unterscheiden. Eine überblicksartige Bestandsaufnahme der erstgenannten Kategorie fördert dabei folgende, keineswegs vollständige Liste zustimmungsbedürftiger Maßnahmen zutage: (1) Die in § 119 Abs. 1 Nr. 1 bis 8 AktG aufgelisteten Gegenstände, wobei im hiesigen Zusammenhang vor allem auf Satzungsänderungen (§ 119 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 179 AktG) sowie Maßnahmen der Kapitalbeschaffung und Herabsetzung (§ 119 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. §§ 182 Abs. 1, 186 Abs. 3, 192 Abs. 1, 202 Abs. 1, 203 Abs. 1 und 2, 207, 221, 222 Abs. 1, 229 Abs. 1, 237 Abs. 2 AktG) hinzuweisen ist. Ferner (2) die Hauptversammlungszuständigkeiten für Erwerb, Veräußerung und Einziehung eigener Aktien nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG, (3) die Verpflichtung zur Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens (§ 179a Abs. 1 Satz 1 AktG) sowie (4) die Auflösung der Gesellschaft und ihre spätere Fortsetzung (§§ 119 Abs. 1 Nr. 8, 274 AktG). Die Hauptversammlung muss ferner zustimmen bei (5) Abschluss und Änderung eines Unternehmensvertrags (§§ 293, 295 AktG) sowie bei der Eingliederung und deren Beendigung (§§ 319,
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320, 327 Abs. 1 Nr. 1 AktG), dem Squeeze-out (§ 327a Abs. 1 AktG), ferner bei Umwandlungsvorgängen wie der Verschmelzung (§ 13 UmwG), Spaltung (§ 125 UmwG) oder dem Formwechsel (§ 193 UmwG).29 Bei öffentlichen Übernahmen nach dem WpÜG ist eine zwingende Hauptversammlungszuständigkeit hingegen nur für Abwehrmaßnahmen nach Maßgabe der §§ 33, 33a WpÜG vorgesehen.30 Demgegenüber gibt es keine Hauptversammlungskompetenz als Instrument des Konzerneingangsschutzes auf Ebene der (potenziell) abhängigen Gesellschaft.31 Zu diesen geschriebenen Hauptversammlungszuständigkeiten treten un- 12 geschriebene Zuständigkeiten hinzu, die schon aufgrund der gesetzlichen Vorgabe in § 119 Abs. 1 AktG bzw. des gesetzlich vorgegebenen Kompetenzgefüges die Ausnahme bleiben müssen.32 Dabei kann die Anerkennung solcher Kompetenzen allein für die sog. Holzmüller/Gelatine-Fälle als einigermaßen gesichert gelten.33 Die Anwendbarkeit der Holzmüller/ Gelatine-Doktrin jenseits der quantitativ erheblichen Ausgliederungsfälle bzw. Umhängungen „nach unten“ ist hingegen ebenso umstritten wie die Existenz ungeschriebener Hauptversammlungszuständigkeiten, die auf gänzlich anderen Begründungsmustern ruhen.34 Im Zusammenhang mit BCAs im Allgemeinen und dem Linde/Praxair-Fall im Besonderen werden neben Analogieschlüssen zu § 293 AktG und § 179a AktG vor allem ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeiten aufgrund eines weiten Holzmüller-Verständnisses diskutiert, aber auch unter dem Gesichtspunkt des „engen Sachzusammenhangs“ zwischen BCA und zustimmungsbedürftiger Maßnahme.35 29 S. für eine solche Bestandsaufnahme etwa Mülbert in Großkomm/AktG, 5. Aufl. 2017, § 119 AktG Rz. 24 bis 29, im hiesigen Zusammenhang auch Wilsing in FS Marsch-Barner, 2018, S. 595, 597. 30 S. dazu noch unter Rz. 34. 31 Mülbert in Großkomm/AktG, 5. Aufl. 2017, § 119 AktG Rz. 177; im hiesigen Zusammenhang auch Wilsing in FS Marsch-Barner, 2018, S. 595, 597; dazu später noch Rz. 15 ff. 32 Zu diesem Ausnahmecharakter auch BGH, Urt. v. 26.4.2004 – II ZR 155/02 – Gelatine I, BGHZ 159, 30 = AG 2004, 384; BGH, Urt. v. 26.4.2004 – II ZR 154/02 – Gelatine II, NZG 2004, 575, 577 ff. 33 S. dazu noch Rz. 31. Zum Meinungsstand Mülbert in Großkomm/AktG, 5. Aufl. 2017, § 119 AktG Rz. 37 mit Fn. 84. 34 Ausführlich Mülbert in Großkomm/AktG, 5. Aufl. 2017, § 119 AktG Rz. 30 ff. 35 S. etwa Decher in FS Hüffer, 2010, S. 145, 149 ff.; Reichert, ZGR 2015, 1, 17 f., jeweils unter Bezugnahme auf BGH v. 16.11.1981 – II ZR 150/80 – Hoesch/ Hoogovens, BGHZ 82, 188 = AG 1982, 129 = NJW 1982, 933; speziell zu Linde/Praxair Strohn, ZHR 182 (2018), 114 ff.
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13 Ungeachtet eines solchen „Sachzusammenhangs“ muss im Ausgangspunkt jedoch klar unterschieden werden zwischen der Hauptversammlungszuständigkeit für die im BCA in Aussicht genommene Maßnahme und der Hauptversammlungszuständigkeit für das BCA selbst.36 Um letztere geht es hier. 14
Mit Blick auf die oben genannten typischen Klauselinhalte und auf die Konstellation des Zusammenschlusses unter Gleichen à la Linde/Praxair möchte ich mich dabei auf die nähere Betrachtung der folgenden Anknüpfungspunkte für eine Hauptversammlungszuständigkeit bei Abschluss eines BCA beschränken:
2. § 179 AktG – Unternehmensgegenstand und „passive Konzernklausel“ 15
Die im BCA vereinbarten Inhalte können eine Satzungsänderung und damit die Mitwirkung der Hauptversammlung gem. § 119 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 179 AktG erforderlich machen.37 Dies ist insbesondere dort der Fall, wo das BCA Gruppenbildungsmaßnahmen, wie etwa Beteiligungserwerbe oder die Ausgliederung von Unternehmensteilen auf Tochtergesellschaften vorsieht, die vom statutarisch festgelegten Unternehmensgegenstand (vgl. § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG) nicht gedeckt sind.38 Letzteres kann nach h.M. auf zwei verschiedenen Gründen beruhen: Zum einen kann die Gruppenbildungsmaßnahme dazu führen, dass der Unternehmensgegenstand dauerhaft über- oder unterschritten wird.39 Zum anderen kann die Gruppenbildungsmaßnahme dazu führen, dass die Gesellschaft den Unternehmensgegenstand nicht mehr unmittelbar selbst, sondern nur noch mittelbar über eine Tochtergesellschaft ausfüllt. Letzteres ist nach h.M. nur zulässig, wenn die Satzung der betroffenen Gesell-
36 Klar Reichert, ZGR 2015, 1, 9 f. 37 S. dazu nur Zetzsche in KölnKomm/AktG, 3. Aufl. 2019, § 179 AktG Rz. 329; Wilsing in FS Marsch-Barner, 2018, S. 595, 600. 38 Unstr., Wilsing in FS Marsch-Barner, 2018, S. 595, 600: „Eine Satzungsänderung ist notwendig, wenn die von der Gesellschaft ausgeübte und in der Satzung festgelegte Unternehmenstätigkeit tatsächlich voneinander abweichen oder der Vorstand eine Abweichung beabsichtigt.“ Speziell zu Gruppenbildungsmaßnahmen etwa Mülbert in Großkomm/AktG, 4. Aufl. 2012, § 293 AktG Rz. 188 f. 39 Mülbert in Großkomm/AktG, 4. Aufl. 2012, § 293 AktG Rz. 189 m.w.N.
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schaft eine Konzern(öffnungs)klausel enthält.40 Im Zusammenhang mit der Linde/Praxair-Konstellation wird für den umgekehrten Fall, dass die bislang unabhängige Gesellschaft ihr Unternehmen künftig als Tochtergesellschaft betreibt, teilweise auch eine „passive Konzernierungsklausel“ in der Satzung gefordert.41 Für die Notwendigkeit einer solchen Klausel könnte man anführen, dass nicht nur die unternehmerische Betätigung mittels Tochtergesellschaften, sondern auch die unternehmerische Betätigung als Tochtergesellschaft eine „andere Sach- und Rechtsqualität habe […] und es daher für die Aktionäre von erheblicher Bedeutung sei, ob der Vorstand das Unternehmensziel in einem Unternehmensverbund erreichen und welcher Art dieser Verbund ggf. sein solle.“42 Schaut man genauer hin, zeigt sich jedoch, dass sich allein durch den Wechsel von einer unabhängigen Gesellschaft zu einer Tochtergesellschaft die unternehmerische Tätigkeit als solche gar nicht verändert. Hier wird nicht auf den Unternehmensgegenstand, sondern auf die Aktionärsstruktur Einfluss genommen.43 Hat man dies aber erkannt, dann muss man feststellen, dass sich die Notwendigkeit einer passiven Konzernöffnungsklausel in der Satzung nicht mit der konzernoffenen Ausgestaltung der AG durch den Gesetzgeber verträgt.44 40 S. dazu etwa Hüffer/Koch, 13. Aufl. 2018, § 179 AktG Rz. 34; ferner wiederum Mülbert in Großkomm/AktG, 4. Aufl. 2012, § 293 AktG Rz. 189 f. m.w.N., der hier selbst differenzieren will. Im Zusammenhang mit BCAs s. etwa Zetzsche in KölnKomm/AktG, 3. Aufl. 2019, § 179 AktG Rz. 329. 41 Strohn, ZHR 182 (2018), 114, 132 ff.; für den Fall, dass die Satzung die konzernleitende Funktion der Gesellschaft festschreibt, besteht jedenfalls Satzungsänderungsbedarf, s. Zetzsche in KölnKomm/AktG, 3. Aufl. 2019, § 179 AktG Rz. 329. Vgl. auch den Klägervortrag im Feststellungsprozess referiert in LG München I, Urt. v. 20.12.2018 – 5 HK O 15236/17, juris Rz. 193. 42 S. Strohn, ZHR 182 (2018), 114, 129. 43 S. speziell zu Linde/Praxair Wilsing in FS Marsch-Barner, 2018, S. 595, 600: „Zur Vorbereitung oder Durchführung des Zusammenschlusses ist kein Satzungsänderungsbeschluss der Hauptversammlung gem. § 179 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2 AktG erforderlich. […] Strukturänderungen nach dem Vorbild Linde/Praxair berühren das Tätigkeitsfeld der Gesellschaft nicht. Die Gesellschaften bleiben als rechtliche und wirtschaftliche Einheiten (zunächst) unverändert bestehen und führen ihr operatives Geschäft fort. Es findet lediglich eine Einflussnahme auf die Aktionärsstruktur statt“. Bei Strohn, ZHR 182 (2018), 114, 133 wird dieser Unterschied eingeebnet, wenn er im Laufe seiner Argumentation pauschal von „konzernrelevanten Strukturmaßnahmen“ spricht, die „Teil des Unternehmensgegenstands sein können“. 44 S. dazu hier nur Mülbert in Großkomm/AktG, 5. Aufl. 2017, § 119 AktG Rz. 134. Strohn, ZHR 182 (2018), 114, 132 konzediert dies auch selbst, schwächt
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Nach den §§ 311 ff. AktG steht die faktische Abhängigkeit der AG gerade nicht unter dem Vorbehalt einer entsprechenden Grundlage in der Satzung. Und es findet sich auch kein die Satzungsänderung substituierendes Verfahren wie beim Abschluss eines Unternehmensvertrags (vgl. § 293 Abs. 1 AktG). Eine passive Konzernöffnungsklausel für Fälle der faktischen Abhängigkeit wäre mithin lediglich eine Wiederholung des gesetzlich ohnehin Vorgesehenen. 17 Allerdings ließe sich umgekehrt überlegen, ob sich die Hauptversammlung ein Mitspracherecht durch einen entsprechend eng gefassten Unternehmensgegenstand in der Satzung („Konzernleitungsfunktion“) vorbehalten könnte.45 Eine entsprechende satzungsmäßige Mitsprache bei der Zusammensetzung des Aktionärskreises lässt das Gesetz jedenfalls im Rahmen des § 68 Abs. 2 Satz 3 AktG zu.46
3. § 179a AktG analog? 18
Ein BCA bedarf gem. § 179a AktG der Hauptversammlungszustimmung, wenn der dortige „Aktionsfahrplan“ die Übertragung des ganzen oder nahezu ganzen Gesellschaftsvermögens der beteiligten AG vorsieht und diese Übertragung bereits verbindlich festgeschrieben werden soll.47 Darüber hinaus wird die analoge Anwendung des § 179a AktG für bestimmte Strukturänderungen diskutiert. Für Ausgliederungsfälle à la Holzmüller hat der BGH die Frage bereits verneint.48 Auch für Verschmel-
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den Befund aber ab, indem er von einem „gewissen Spannungsverhältnis“ zu diesem gesetzlichen Konzept spricht. Näher zur gesetzlichen Konzeption J. Vetter in Fleischer et al., 50 Jahre Aktiengesetz, 2016, 231, 258 f. m.w.N. Wie hier auch LG München I, Urt. v. 20.12.2018 – 5 HK O 15236/17, juris Rz. 231. In diese Richtung Zetzsche in KölnKomm/AktG, 3. Aufl. 2019, § 179 AktG Rz. 329. S. zu dieser Möglichkeit des „Konzerneingangsschutzes“ auf Ebene der prospektiv abhängigen Gesellschaft nur Mülbert in Großkomm/AktG, 5. Aufl. 2017, § 119 AktG Rz. 177. S. zur Differenzierung zwischen der Hauptversammlungszuständigkeit für das BCA selbst und die dort in Aussicht genommenen Strukturmaßnahmen unter 1. bei Fn. 36 sowie noch Rz. 13 sowie noch Rz. 36 ff. S. BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 128 = AG 1982, 158 zur Vorgängervorschrift des § 361 AktG a.F.; dazu Strohn, ZHR 182 (2018), 114, 144; ferner Hüffer/Koch, 13. Aufl. 2018, § 179a AktG Rz. 26 m.N. aus dem älteren Schrifttum.
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zungsvorhaben ist § 179a AktG nicht analog anwendbar.49 Die Vorschrift findet ausweislich ihres Wortlauts auf Umwandlungsvorgänge nach dem UmwG gerade keine Anwendung. Entsprechend wäre für „fusionsähnliche“ Umstrukturierungen50 allenfalls an eine Analogie zu den §§ 13, 65 Abs. 1 Satz 1 UmwG zu denken.51 Auch im Zusammenhang mit Gestaltungen à la Linde/Praxair wird die 19 analoge Anwendung des § 179a AktG zwar diskutiert, im Ergebnis aber einhellig abgelehnt.52 Insofern wird zu Recht darauf hingewiesen, dass die Vorschrift für eine großzügige Analogiebildung nicht taugt. Der BGH hat in Holzmüller überzeugend ausgeführt, dass § 361 AktG a.F. als Vorgängernorm zu § 179a AktG den Schutz der Aktionäre davor bezweckt, dass „die Gesellschaft ohne ihren Willen das Gesellschaftsvermögen als die Grundlage ihrer satzungsmäßigen Unternehmenstätigkeit völlig aus der Hand gibt“.53 Solche Fälle lassen sich als evidente Überschreitung der Vorstandsbefugnisse begreifen,54 so dass hierfür die Ausgestaltung als Vertretungsschranke mit Außenwirkung das Richtige treffen mag. Eine über den in § 179a AktG explizit geregelten Fall hinausgehende Aufweichung der tatbestandlichen Grenzen der Vorschrift verträgt sich mit diesen rigorosen Rechtsfolgen hingegen schlecht.55 Dies gilt ganz sicher für die im Linde/Praxair-BCA vereinbarte Konstruktion des Zusammen49 Vgl. dazu Zetzsche in KölnKomm/AktG, 3. Aufl. 2019, § 179a AktG Rz. 37: „§ 179a wird jedenfalls als Wertungsgrundlage für den Fall der sog. Verschmelzung unter Gleichen (Merger of Equals) herangezogen, bei dem die später zu verschmelzenden Aktiengesellschaften zunächst eine Tochtergesellschaft gründen und diese sodann mit seitens Dritter gestellten Kreditlinien die Anteile der Aktionäre beider zu verschmelzender Gesellschaften erwerben, den Restteil der Aktionäre ausschließen und sodann die Verschmelzung oder kontrollierte Führung der Altgesellschaft ohne Hauptversammlung einer Publikums-AG und damit verbundener Imponderabilien betrieben werden kann.“ 50 S. dazu Lutter, Die Rechte der Gesellschafter beim Abschluss fusionsähnlicher Unternehmensverbindungen, 1974, S. 14 ff., 46 f. 51 S. auch Wilsing in FS Marsch-Barner, 2018, S. 595, 600. 52 Strohn, ZHR 182 (2018), 114, 144; Wilsing in FS Marsch-Barner, 2018, S. 595, 600; Zetzsche in KölnKomm/AktG, 3. Aufl. 2019, § 179a AktG Rz. 38 f. 53 BGH, Urt. v. 25.2.1982 – II ZR 174/80 – Holzmüller, BGHZ 83, 122, 128 = AG 1982, 158 unter Verweis auf BGH, Urt. v. 16.11.1981 – II ZR 150/80 – Hoesch/Hoogovens, BGHZ 82, 188 = AG 1982, 129 = WM 1982, 86. 54 S. zu diesem Verständnis des § 361 AktG a.F. K. Schmidt in FS Heinsius, 1991, S. 715, 725 f. 55 Hüffer/Koch, 13. Aufl. 2018, § 179a AktG Rz. 26.
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schlusses unter Gleichen. Die dort in Rede stehende Ausstattung der NewCo (Linde plc) mit Finanzmitteln ist jedenfalls mit der Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens i.S.d. § 179a AktG nicht vergleichbar.56 Sie bleibt in puncto Vermögensübertragung auch hinter den Holzmüller/Gelatine-Fällen zurück, für welche die Rspr. die Rechtsfolgen der fehlenden Hauptversammlungszustimmung ganz bewusst auf das Innenverhältnis beschränkt hat.57
4. § 293 AktG (analog) – BCAs als „verdeckte Beherrschungsverträge“ oder „Organisationsverträge sui generis“? 20
Als weiterer potenzieller Anknüpfungspunkt für eine Hauptversammlungszuständigkeit bei Abschluss eines BCA wird § 293 AktG ins Spiel gebracht.
a) BCA als Beherrschungsvertrag im materiellen Sinne 21
Selbstredend ist § 293 AktG anzuwenden, wenn es sich bei dem BCA in materieller Hinsicht um einen Unternehmensvertrag i.S.d. §§ 291, 292 AktG, insbesondere einen Beherrschungsvertrag i.S.d. § 291 Abs. 1 Satz 1 AktG handelt. Im Fall Unicredit/HVB hat das LG München I bekanntlich entschieden, dass es für die Qualifizierung eines BCA als Beherrschungsvertrag i.S.d. § 291 Abs. 1 Satz 1 AktG „[e]rforderlich, aber auch ausreichend [sei …], dass die Gesamtschau des Vertrages ergibt, dass der herrschende Vertragspartner […] in die Lage versetzt wird, eine auf das Gesamtinteresse der verbundenen Unternehmen ausgerichtete Zielkonzeption zu entwickeln und gegenüber dem Vorstand der beherrschten Gesellschaft […] durchzusetzen.“58 Diese materielle, auf eine Gesamtschau 56 Wilsing in FS Marsch-Barner, 2018, S. 595, 600; im Ergebnis auch Strohn, ZHR 182 (2018), 114, 144. 57 Zur Frage der Hauptversammlungszuständigkeit nach den Holzmüller/Gelatine-Grundsätzen s. noch Rz. 31. 58 LG München I, Urt. v. 31.1.2008 – 5 HK O 19782/06 – Unicredit/HVB, ZIP 2008, 555, 560. Vor diesem Hintergrund hat das LG das streitgegenständliche BCA aufgrund besagter Gesamtschau als Beherrschungsvertrag im materiellen Sinne angesehen, weil (1) die HVB als Tochtergesellschaft unter der Unicredit-Holding angesiedelt werden sollte, wobei sich die HVB verpflichtete, sich um eine Besetzung der Anteilseignerbank des eigenen Aufsichtsrats mit einer Mehrheit von Unicredit-Vertretern zu bemühen, das BCA ferner (2) den Verzicht der HVB auf Durchführung von Kapital- und Strukturmaßnahmen im Vorfeld des beabsichtigten Umtauschangebots ohne Zustimmung der Unicredit vorsah, (3) eine Strategie zur Übertragung des Geschäfts in Zen-
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der vertraglichen Bestimmungen abstellende Sichtweise ist nicht nur vom OLG München bestätigt worden,59 sondern entspricht auch der ganz herrschenden Ansicht in der Literatur.60 Zur Debatte steht allerdings die Einschätzung des LG München I, wonach es im Rahmen der Gesamtschau unerheblich sei, dass die HVB über einige der im BCA festgelegten Maßnahmen die Entscheidungsgewalt behalte, weil die zuständigen Organe zum maßgeblichen künftigen Zeitpunkt bereits mehrheitlich in der Hand der Unicredit seien.61 Die vorstehenden Fälle werden teils auch unter der Rubrik des „verdeck- 22 ten Beherrschungsvertrags“ diskutiert, ohne dass sich in der Sache hierdurch etwas ändern würde: Liegen die materiellen Voraussetzungen eines Beherrschungsvertrags vor,62 dann beanspruchen die §§ 291 ff. AktG Geltung.63 Die Hauptversammlung muss nach § 293 AktG zustimmen. Ein BCA, das sich seinem Inhalt nach als Beherrschungsvertrag darstellt, die Regeln der §§ 291 ff. AktG jedoch nicht einhält, ist typischerweise aber schon deshalb nichtig, weil es entgegen § 304 Abs. 1 Satz 1 AktG keine Ausgleichszahlung vorsieht (§ 304 Abs. 3 Satz 1 AktG).64 Die Annahme eines fehlerhaften Beherrschungsvertrags scheitert in den hier interessie-
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tral- und Osteuropa von der HVB auf die Unicredit beinhaltete, (4) die Unicredit darüber entscheiden sollte, ob die HVB in der Rechtsform der AG weitergeführt wird, (5) die Geschäftsleiter der regionalen Einheiten und der Divisions Heads unmittelbar an den CEO der Holding berichten sollten und (6) die Beendigung und Verlängerung des BCA weitgehend in den Händen der Unicredit lag. OLG München, Beschl. v. 24.6.2008 – 31 Wx 83/07 – HVB/Unicredit, WM 2008, 1932, 1933 = NZG 2008, 753 = AG 2008, 672. S. zum Fall Linde/Praxair auch LG München I, Urt. v. 20.12.2018 – 5 HK O 15236/17, juris Rz. 220 ff. m.w.N. S. nur Mülbert in Großkomm/AktG, 4. Aufl. 2013, § 291 AktG Rz. 74, 126 f. Vgl. zur Kritik Decher in FS Hüffer, 2010, S. 145, 152, 155; zurückhaltend auch Mülbert in Großkomm/AktG, 4. Aufl. 2013, § 291 AktG Rz. 127 a.E. S. zur entsprechenden Verwendung dieses Begriffs etwa LG München I, Urt. v. 31.1.2008 – 5 HK O 19782/06 – Unicredit/HVB, ZIP 2008, 555, 560. Für ein entsprechendes Begriffsverständnis des „verdeckten Beherrschungsvertrags“ etwa auch Kienzle, Verdeckte Beherrschungsverträge im Aktienrecht, 2010, S. 19 f. Zur Frage der (analogen) Anwendung der §§ 302 ff. AktG s. sogleich bei Fn. 66. S. dazu etwa OLG München, Beschl. v. 24.6.2008 – 31 Wx 83/07 – HVB/Unicredit, WM 2008, 1932, 1933 = AG 2008, 672; OLG Schleswig v. 27.8.2008 – 2 W 160/05, AG 2009, 374, 377.
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renden Fällen zudem an der fehlenden Handelsregistereintragung.65 Der Kategorie des „verdeckten Beherrschungsvertrags“ kommt insofern dann nur noch eine Bedeutung zu, wenn man hier zum Schutz der außenstehenden Aktionäre die §§ 302 f. und 304 f. AktG i.V.m. SpruchG analog anwenden will.66
b) Vereinbarung von Einflussmöglichkeiten unterhalb der Beherrschung 23
Der Begriff des „verdeckten Beherrschungsvertrags“ wird teils auch für solche Verträge verwendet, die in der durch sie vermittelten Einwirkungsintensität hinter einem materiellen Beherrschungsvertrag67 zurückbleiben, auf die aber gleichwohl die für Beherrschungsverträge geltenden Regeln entsprechend angewendet werden sollen.68 Soweit dieser Analogieschluss nicht nur die Rechtsfolgen gem. §§ 302 ff. AktG,69 sondern auch die Wirksamkeit des Vertragsabschlusses betrifft, ist auch die hier verhandelte Hauptversammlungszuständigkeit nach § 293 AktG angesprochen. Die Anerkennung eines so verstandenen „verdeckten Beherrschungsvertrags“ würde jedoch ebenso wie die Idee des „Organisationsvertrages sui generis“ bei geschäftspolitischen Festlegungen des
65 Jedenfalls für das Aktienrecht ganz h.M., s. etwa OLG München, Beschl. v. 24.6.2008 – 31 Wx 83/07 – HVB/Unicredit, WM 2008, 1932, 1933 = AG 2008, 672; OLG Schleswig, Urt. v. 27.8.2008 – 2 W 160/05 – Mobilcom, AG 2009, 374, 377 f.; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 8. Aufl. 2016, § 291 AktG Rz. 24c m.w.N.; aus steuerrechtlicher Perspektive auch BFH, Urt. v. 23.8.2017 – I R 80/15, GmbHR 2018, 212, 213; anders für das GmbH-Recht BGH, Urt. v. 14.12.1987 – II ZR 170/87, BGHZ 103, 1, 4 ff. = AG 1988, 133; BGH, Urt. v. 11.11.1991 – II ZR 287/90, BGHZ 116, 37, 39 = GmbHR 1992, 34 = AG 1992, 83; BGH, Urt. v. 5.11.2001 – II ZR 119/00, GmbHR 2002, 62 = AG 2002, 240; s. zu dieser älteren Rspr. etwa Kiefner in Priester et al., MünchHdbGesR, 5. Aufl. 2018, § 70 Rz. 16 m.w.N. 66 So Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 8. Aufl. 2016, § 291 AktG Rz. 24c; a.A. OLG München, Beschl. v. 24.6.2008 – 31 Wx 83/07 – HVB/Unicredit, WM 2008, 1932, 1934 = AG 2008, 672. 67 Wo diese Schwelle liegt, ist wiederum umstritten, s. zur Diskussion nur Mülbert in Großkomm/AktG, 4. Aufl. 2013, § 291 AktG Rz. 67 ff.; Hüffer/Koch, 13. Aufl. 2018, § 291 AktG Rz. 9 ff. jew. m.w.N. 68 S. dazu etwa Hüffer/Koch, 13. Aufl. 2018, § 291 AktG Rz. 14; ferner Ederle, Verdeckte Beherrschungsverträge, 2010, S. 119 f. 69 S. LG München I v. 31.1.2008 – 5HK O 19782/06, ZIP 2008, 555, 559; Hüffer/ Koch, 13. Aufl. 2018, § 291 AktG Rz. 14.
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Vorstands70 auf der Prämisse ruhen, dass vertragliche Einschränkungen der Leitungsautonomie nach § 76 AktG – gleichsam a maiore ad minus – auch unterhalb der Bindungsintensität des Beherrschungsvertrags im materiellen Sinne zulässig sind, sofern nur das Verfahren nach §§ 293 ff. AktG eingehalten wird.71 Insofern hätte die Einbeziehung der Hauptversammlung in den Abschluss des BCA „ermöglichenden“ Charakter. Freilich widerspricht ein solches Verständnis der weithin geteilten An- 24 nahme eines Numerus Clausus der Unternehmensverträge,72 der auch eine aussagekräftige Typenfixierung verlangt. Danach besteht für die Frage der Leitung der AG nur die Wahl zwischen Leitungsautonomie des Vorstands i.S.d. § 76 AktG und der Unterstellung unter die Leitung des anderen Vertragsteils, der hierdurch zur einheitlichen Leitung i.S.d. § 18 Abs. 1 AktG befähigt wird (§ 291 Abs. 1 Satz 1 AktG).73 Die Möglichkeit zu einheitlicher Leitung im Konzerninteresse wird hier als rechtfertigender Grund angesehen, warum der Gesetzgeber den Beherrschungsvertrag als Instrument zur Einschränkung der Leitungsautonomie des Vorstands überhaupt zugelassen hat.74 Diese strenge Sichtweise wird teils allein für vertragliche Leitungsabreden mit einer abhängigen AG vertreten. Denn (nur) in diesem Falle sei „die äquivalenzsichernde Funktion der Vertragsfreiheit“ nicht gesichert.75 Die liberalere Gegenposition will indes die gesetzlich in § 76 AktG vorgegebene Leitungsautonomie des Vorstands über das Vehikel des § 293 AktG (analog) auch unterhalb der Leitungsunterstellung i.S.d. § 291 Abs. 1 Satz 1 AktG weitreichender Gestaltung zugänglich machen.76 Sofern dann aber gleichzeitig auf die Schutzvorkeh-
70 U.J.K. König, Geschäftspolitische Bindungen der Aktiengesellschaft, 2018, insb. S. 256 ff.; s. dazu bereits oben Rz. 8. 71 Klar etwa U.J.K. König, Geschäftspolitische Bindungen der Aktiengesellschaft, 2018, S. 270 ff. 72 S. Mülbert in Großkomm/AktG, 4. Aufl. 2013, Vor §§ 291 ff. AktG Rz. 7 f., § 291 AktG Rz. 66 ff. m.w.N.; Altmeppen in MünchKomm/AktG, 4. Aufl. 2015, § 291 AktG Rz. 42 f.; vgl. auch Hüffer/Koch, 13. Aufl. 2018, § 291 AktG Rz. 14 f. 73 Mülbert in Großkomm/AktG, 4. Aufl. 2013, § 291 AktG Rz. 68 ff. m.w.N.; Hüffer/Koch, 13. Aufl. 2018, § 291 AktG Rz. 14 f. 74 Vgl. Mülbert in Großkomm/AktG, 4. Aufl. 2013, § 291 AktG Rz. 68. 75 S. Schall in Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht in der Reformdiskussion, 2013, S. 75, 86 f. 76 S. etwa U.J.K. König, Geschäftspolitische Bindungen der Aktiengesellschaft, 2018, insb. S. 285; vgl. ferner Kiefner, ZHR 178 (2014), 547, 578.
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rungen der §§ 302 ff. AktG verzichtet wird,77 erscheint der durch das AktG vorgegebene Rahmen überspannt. 25
Vorzugswürdig erscheint es daher, den Bedürfnissen der Praxis auf anderem Wege entgegenzukommen. Zu denken ist hier zum einen an ein weitherzigeres Verständnis des Beherrschungsvertrags im materiellen Sinne. Wenn man es etwa mit Emmerich für eine Überschreitung der Schwelle zum (verdeckten) Beherrschungsvertrag genügen lässt, dass sich die Vereinbarung „auch auf unternehmenspolitische Leitentscheidungen, insbesondere hinsichtlich des Finanz- oder Personalwesens der Gesellschaft erstreckt“,78 dann wird die für geschäftspolitische Bindungen diskutierte Figur des Organisationsvertrages sui generis79 insofern entbehrlich.80 Für Abreden in BCAs, die auch nach diesem Verständnis keinen materiellen Beherrschungsvertrag darstellen, ist zum anderen eine „Engfassung“ des § 76 Abs. 1 AktG bei gleichzeitiger Verlagerung des Prüfmaßstabs auf § 93 AktG zu erwägen.81
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Auch wenn man diesen permissiveren Weg gehen möchte, gilt: Jenseits – mehr oder weniger voraussetzungsvoller – materieller Beherrschungsverträge bleibt der Gesellschaft nur der Schutz der §§ 117, 311 ff. AktG sowie der Treupflichtbindung des anderen Vertragsteils, sofern nicht der Vertrag ohnehin wegen Verstoßes gegen § 76 AktG nichtig ist (§ 134 BGB).82 Verpflichtungen hinsichtlich der Leitung der Gesellschaft sind dann unterhalb der Schwelle eines materiellen Beherrschungsvertrags keine Frage der Hauptversammlungskompetenz mehr, sondern eine solche der zuläs77 Vgl. U.J.K. König, Geschäftspolitische Bindungen der Aktiengesellschaft, 2018, S. 306 f., die jedoch für die von ihr behandelten „geschäftspolitischen Bindungen“ bereits einen Eingriff in den sachlichen Anwendungsbereich des § 76 Abs. 1 AktG bestreitet. Anders liest sich dies freilich auf S. 285 („Verkürzung“ der Unternehmensleitungsautonomie des Vorstands nach § 76 Abs. 1 AktG). 78 Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 8. Aufl. 2016, § 291 AktG Rz. 24d. 79 U.J.K. König, Geschäftspolitische Bindungen der Aktiengesellschaft, 2018. Geschäftspolitik wird dabei verstanden als das „Setzen von Schwerpunkten und Zielvorgaben in den Bereichen Produktions-, Markt-, Finanz-, Personalund Sozialpolitik“ (s. dort S. 374 und öfter). 80 Freilich um den Preis der Anwendung der §§ 302 ff. AktG. 81 S. hierzu nur J. Koch in Fleischer et al., 50 Jahre Aktiengesetz, 2016, S. 65, 94 ff. m.w.N. 82 Ganz richtig Hüffer/Koch, 13. Aufl. 2018, § 291 AktG Rz. 14a; vgl. ferner etwa Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 8. Aufl. 2016, § 291 AktG Rz. 24d m.w.N.
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sigen externen Bindung des Vorstands in seiner Leitungs- bzw. Geschäftsführungskompetenz. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass Zusammenschlüsse un- 27 ter Gleichen gerade nicht auf die Unterstellung des einen unter das andere Unternehmen gerichtet sind. Dementsprechend sind hierzu vereinbarte BCAs ganz typischerweise keine Beherrschungsverträge.83
5. §§ 71 Abs. 1 Nr. 8, 202, 221 AktG: Ermöglichung des Verzichts auf die Ausübung von HV-Ermächtigungen durch Vorweg- oder Änderungsbeschluss Für die Durchführung von Kapitalerhöhungen oder -herabsetzungen nach 28 §§ 182 Abs. 1, 186 Abs. 3, 192 Abs. 1, 207, 221, 222 Abs. 1, 229 Abs. 1, 237 Abs. 2 AktG versteht sich die zwingende Mitwirkung der Hauptversammlung an diesen Maßnahmen von selbst. Eine Vorabbindung der Gesellschaft nach außen im Rahmen eines BCA scheitert ohne Zustimmung der Hauptversammlung wegen Verstoßes gegen die gesetzliche Kompetenzordnung.84 Die Hauptversammlung kann den Vorstand einer AG allerdings bereits vor dem Abschluss eines BCA ermächtigen, derartige Kapitalmaßnahmen durchzuführen bzw. eigene Aktien zu erwerben oder zu veräußern (§§ 71 Abs. 1 Nr. 8, 202, 221 AktG). In BCAs finden sich häufig Verpflichtungen zur Vornahme oder zum 29 Verzicht auf die Ausübung solcher Ermächtigungen, teils finden sich auch Zustimmungsvorbehalte.85 Die Zulässigkeit solcher Klauseln wird typischerweise unter dem Stichwort „Entäußerung der Leitungsautonomie“ bzw. „abdication of authority“ geführt.86 Die Einzelheiten sind umstritten.87 Sofern man hier die Grenzen eng zieht und derlei Abreden wegen Verstoßes gegen die zwingende Kompetenzordnung des AktG die
83 Vgl. für das BCA zwischen Linde und Praxair auch LG München I, Urt. v. 20.12.2018 – 5 HK O 15236/17, juris Rz. 222 ff.; ferner Strohn, ZHR 182 (2018), 114, 139 ff. 84 S. dazu nur Kuntz, AG 2016, 101, 105, 111 m.w.N. 85 S. dazu bereits Rz. 9. 86 In diesem Sinne LG München I, Urt. v. 5.4.2012 – 5 HK O 20488/11 – WET/ Amerigon, NZG 2012, 1152, 1153 f.; Paschos, NZG 2012, 1142 ff.; ferner bei J. Koch in Fleischer et al., 50 Jahre Aktiengesetz, 2016, S. 65, 93. 87 S. dazu den allgemeinen Überblick bei J. Koch in Fleischer et al., 50 Jahre Aktiengesetz, 2016, S. 65, 93 ff.; speziell zum Verzicht auf die Ausübung des genehmigten Kapitals Kuntz, AG 2016, 101, 112 ff. m.w.N.
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Bindungswirkung versagt,88 gerät wieder die Hauptversammlung in den Blick, die derlei Bindungen durch ihre Zustimmung ermöglichen könnte.89 30
So kann der Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung nach §§ 71 Abs. 1 Nr. 8, 202, 221 AktG zum einen bereits vorab der möglichen Vereinbarung solcher Klauseln in einem BCA Rechnung tragen.90 Zum anderen kann in der Zustimmung der Hauptversammlung zu einem entsprechend ausgestalteten BCA ein Änderungsbeschluss in Bezug auf die ursprüngliche Ermächtigung gesehen werden.91 Teilweise wird sogar angenommen, der Vorstand könne sich mit diesem Beschluss bis zur nächsten ordentlichen Hauptversammlung Zeit lassen.92 Das erscheint fraglich. Wenn nämlich der Verzicht auf die Ausübung der Ermächtigung tatsächlich eines (Änderungs-)Beschlusses der Hauptversammlung bedarf, ist nicht recht erklärlich, wieso dies zwischen zwei ordentlichen Hauptversammlungen anders sein soll. Dem nicht abstreitbaren praktischen Bedürfnis nach solchen Mittelpositionen fehlt leider das dogmatische Fundament. Zumindest konsequenter erschiene dann noch der Standpunkt, zeitlich beschränkte Ausübungsverzichte als Ausübung der Geschäftsführungskompetenz des Vorstands anzusehen, die sich im Rahmen allfälliger Ermächtigungsbeschlüsse hält.93
88 S. etwa die strikte Positionierung bei Kuntz, AG 2016, 101, 111 ff.; ferner LG München I, Urt. v. 5.4.2012 – 5 HK O 20488/11 – WET/Amerigon, NZG 2012, 1152, 1153; zu letzerem etwa Reichert, ZGR 2015, 1, 8; großzügiger hingegen etwa Paschos, NZG 2012, 1142, 1143 f.; Schall in Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht in der Reformdiskussion, 2013, S. 75, 102; ferner Bungert/Wansleben, ZIP 2013, 1841, 1842 ff.; Reichert, ZGR 2015, 1, 21 ff. 89 S. auch Kuntz, AG 2016, 101, 111, 113 re. Sp. 90 S. etwa Kuntz, AG 2016, 101, 113 unter Verweis auf Wiedemann in Großkomm/AktG, 4. Aufl. 1995, § 182 AktG Rz. 37. 91 Zu den Anforderungen an einen solchen Änderungsbeschluss s. nur Hüffer/ Koch, 13. Aufl. 2018, § 202 AktG Rz. 18 m.w.N. 92 So Zetzsche in KölnKomm/AktG, 3. Aufl. 2019, § 179 AktG Rz. 332. 93 So etwa Bungert/Wansleben, ZIP 2013, 1841, 1843 f.; Reichert, ZGR 2015, 1, 22 ff.; wohl auch Schall in Kämmerer/Veil, Übernahme- und Kapitalmarktrecht in der Reformdiskussion, 2013, S. 75, 102; dazu (ablehnend) Kuntz, AG 2016, 101, 113.
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6. Zur Anwendung von Holzmüller/Gelatine auf BCAs bei Zusammenschlüssen unter Gleichen a) Holzmüller-Zuständigkeit bei Abschluss von BCAs Die Regelungen zum „Aktionsfahrplan“ in einem BCA können bereits 31 Strukturmaßnahmen enthalten, die nach den Rechtsprechungsgrundsätzen zu Holzmüller und Gelatine eine Zustimmung der Hauptversammlung erforderlich machen. Für die Frage, ob hieraus eine Hauptversammlungszuständigkeit für das BCA selbst folgt, ist – dies ist bereits angeklungen94 – zu unterscheiden: Soll das BCA tatsächlich nur den „Fahrplan“ festlegen, über die Strukturmaßnahme aber erst zu dem im „Fahrplan“ vorgesehenen (späteren) Zeitpunkt verbindlich entschieden werden, dann bedarf das BCA – vorbehaltlich einer Hauptversammlungszuständigkeit „kraft engen Sachzusammenhangs“95 – selbst noch keiner Zustimmung der Hauptversammlung. Werden hingegen bereits im Rahmen eines BCA Strukturmaßnahmen verbindlich (!) verabredet, welche die qualitativen und quantitativen Vorgaben der Holzmüller/GelatineRspr. erfüllen, dann besteht insofern eine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit für den Abschluss des BCA.96 Die Entscheidungen zu Holzmüller und Gelatine betrafen bekanntermaßen den Fall der „Ausgliederung“ eines wesentlichen Unternehmensteils auf eine Tochtergesellschaft (Holzmüller) bzw. die Umstrukturierung einer Tochtergesellschaft in eine Enkelgesellschaft („Umhängung“; Gelatine). Nach diesen Grundsätzen kann „eine im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehene Mitwirkung der Hauptversammlung bei Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstands nur in engen Grenzen, nämlich dann in Betracht kommen, wenn sie an die Kernkompetenz der Hauptversammlung, über die Verfassung der Gesellschaft zu bestimmen, rühren und in ihren Auswirkungen einem Zustand nahezu entsprechen, der allein durch eine Satzungsänderung herbeigeführt werden kann.“97 In Holzmüller wurde diese Auswirkung mit dem Volumen der dort in Rede stehenden Ausgliederung, konkret waren rund 80 % des Betriebsvermögens betroffen, sowie dem hiermit verbundenen „Mediatisierungseffekt“, also der Schwächung der Einflussmöglichkeiten des Aktionariats begründet. Bei einer solchen Ausgliederung von Betriebsvermögen auf eine 100-prozentige Tochterge94 95 96 97
S. bereits Rz. 13. S. dazu sogleich Rz. 36 f. Reichert, ZGR 2015, 1, 15 f.: „Eine Einzelfallprüfung ist unvermeidbar.“ BGH, Urt. v. 26.4.2004 – II ZR 155/02 – Gelatine I, BGHZ 159, 30, 44 f. = AG 2004, 384.
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sellschaft werde nämlich die Rechtsstellung der Aktionäre dadurch geschwächt, dass alle Gesellschafterrechte im Tochterunternehmen durch den Vorstand ausgeübt werden. Damit würden wichtige Entscheidungen mit dem übertragenen Geschäftsvermögen aus der Ober- in die Tochtergesellschaft verlegt. Darüber hinaus bestehe die Gefahr, dass der Vorstand namentlich durch Unternehmensverträge mit Dritten oder durch Aufnahme fremder Gesellschafter, etwa im Wege einer Kapitalerhöhung, die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre vollends aushöhle.98 Die GelatineRspr. hat dann klargestellt, dass sie nicht nur in quantitativer Hinsicht an Holzmüller Maß nimmt,99 sondern zudem ebenfalls auf den „Mediatisierungseffekt“ abstellt, dort in Form eines „weiteren Mediatisierungseffekts“.100 Dieser ergab sich in Gelatine aus der Umstrukturierung einer Tochter- in eine Enkelgesellschaft.101 In seinem Nichtannahmebeschluss in Sachen Stuttgarter Hofbräu hat der BGH die Bedeutung des Mediatisierungseffekts für die Annahme der Holzmüller-Kompetenz noch einmal betont. Bei der streitgegenständlichen Beteiligungsveräußerung fehle es an besagtem Mediatisierungseffekt. Die Holzmüller/Gelatine-Rspr. sei mithin nicht einschlägig.102
b) Zum Fall Linde/Praxair 32
Im Zusammenhang mit dem Linde/Praxair-BCA ist nun die Frage aufgeworfen worden, ob die dort verabredeten Maßnahmen zumindest in 98 BGH, Urt. v. 25.2.1982 – II ZR 174/80 – Holzmüller, BGHZ 83, 122, 136 f. = AG 1982, 158; s. dazu etwa die Einordnung bei Mülbert in Großkomm/ AktG, 5. Aufl. 2017, § 119 AktG Rz. 33 ff. 99 BGH, Urt. v. 26.4.2004 – II ZR 155/02 – Gelatine I, BGHZ 159, 30 = AG 2004, 384, Ls. b sowie 45: „[D]ie beschriebenen Voraussetzungen, die zur Durchbrechung der vom Gesetz vorgesehenen Kompetenz- und Arbeitsteilung führen, werden vielmehr regelmäßig erst dann erfüllt sein, wenn der Bereich, auf den sich die Maßnahme erstreckt, in seiner Bedeutung für die Gesellschaft die Ausmaße der Ausgliederung in dem vom Senat entschiedenen „Holzmüller“Fall erreicht.“; s. auch BGH, Beschl. v. 20.11.2006 – II ZR 226/05 – Stuttgarter Hofbräu, AG 2007, 203 = NZG 2007, 234. 100 S. BGH, Urt. v. 26.4.2004 – II ZR 155/02 – Gelatine I, BGHZ 159, 30 Ls. b = AG 2004, 384. 101 S. BGH, Urt. v. 26.4.2004 – II ZR 155/02 – Gelatine I, BGHZ 159, 30 Ls. b und S. 47 = AG 2004, 384. 102 BGH, Beschl. v. 20.11.2006 – II ZR 226/05 – Stuttgarter Hofbräu, AG 2007, 203 = NZG 2007, 234; für alternative Konzepte zur Begründung der Holzmüller-Doktrin s. etwa Mülbert in Großkomm/AktG, 5. Aufl. 2017, § 119 AktG Rz. 38 ff.
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ihrer Gesamtschau eine Holzmüller-Zuständigkeit begründen. Eine erste unbefangene Analyse spricht freilich dagegen, weil es an dem erforderlichen „Mediatisierungseffekt“ fehlt.103 Das Betriebsvermögen der Linde AG bleibt erhalten, diese findet sich nach dem vollzogenen Umtauschangebot allein in der Rolle der Tochtergesellschaft wieder. Dies ist jedoch per se keine Holzmüller-Situation. Die Holzmüller-Grundsätze sind nicht als Konzerneingangsschutz auf Ebene der abhängigen Gesellschaft konzipiert. Der Schutz der außenstehenden, d.h. der auch nach dem Umtauschangebot in der Linde AG verbleibenden Aktionäre gewährleisten vielmehr die §§ 311 ff. AktG.104 Die Befürworter einer Holzmüller-Zuständigkeit wollen indes im Rah- 33 men einer Gesamtschau des zwischen Linde und Praxair vereinbarten „Aktionsfahrplans“ auch die Situation der Linde-Aktionäre in den Blick nehmen, die das Umtauschangebot angenommen haben:105 Am Ende des Tages fänden sich diese – vergleichbar der Holzmüller-Situation – ebenfalls in einer Obergesellschaft wieder – hier: der NewCo –, die nur vermittelten Einfluss auf die (weiterhin) operativ tätige Linde AG hat. Diese als „Mediatisierung nach oben“ apostrophierte Beeinträchtigung der – dann ehemaligen – Linde-Aktionäre in ihren mitgliedschaftlichen Interessen werde noch dadurch verschärft, dass sie sich in der Obergesellschaft nicht alleine, sondern mit den ehemaligen Praxair-Aktionären wiederfänden.106 Aus dieser Argumentation spricht ein tiefes Unbehagen gegenüber dem 34 Übernahmerecht des WpÜG. Ihr liegt die klar artikulierte Vorstellung zugrunde, dass der plangemäße Erfolg des Umtauschangebots bereits ex ante außer Frage steht. Aktionäre, die mit dem Umtauschangebot nicht 103 S. zur Erforderlichkeit des Mediatisierungseffekts auch Strohn, ZHR 182 (2018), 114, 147 f. 104 Vgl. allgemein Mülbert in Großkomm/AktG, 5. Aufl. 2017, § 119 AktG Rz. 134; zum Fall Linde/Praxair LG München I, Urt. v. 20.12.2018 – 5 HK O 15236/17, juris Rz. 215; im Zusammenhang mit BCAs unter Gleichen à la Linde/Praxair ferner Zetzsche in KölnKomm/AktG, 3. Aufl. 2019, § 179a AktG Rz. 38 ff., insb. Rz. 44; scheinbar anders Strohn, ZHR 182 (2018), 114, 153. 105 S. aber auch den Fokus auf die in der Linde AG verbleibenden Aktionäre bei Strohn, ZHR 182 (2018), 114, 153. 106 Strohn, ZHR 182 (2018), 114, 149 ff.; einen „Mediatisierungseffekt“ bei Annahme eines Tauschangebots allgemein bejahend Bachmann in Veil, Übernahmerecht in Praxis und Wissenschaft, 2009, S. 109, 114.
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einverstanden seien, seien auf das Verfahren nach §§ 39a f. WpÜG verwiesen oder fänden sich in einer dann abhängigen Linde AG wieder. Es gebe also praktisch keine Möglichkeit sich dem Sog des Umtauschangebots zu entziehen. Zu dieser Einschätzung passt es auch, bereits im Abschluss des BCA eine Vorabbindung in Bezug auf diese „Station“ des vereinbarten „Aktionsfahrplans“ zu sehen.107 Die gesetzliche Vorstellung eines Übernahmeverfahrens nach dem WpÜG ist indes eine völlig andere. Dieses Verfahren soll gerade sicherstellen, dass altbekannte Kollektivhandlungsprobleme nicht zu einem „pressure to tender“ führen. Als Sicherungsmittel sind hier namentlich die Preisregelungen des § 31 WpÜG sowie die Zaunkönigregelung in § 16 Abs. 2 WpÜG zu nennen.108 Man mag diese Schutzvorkehrungen de lege ferenda für unzulänglich, jedenfalls einer Hauptversammlungszuständigkeit nicht gleichwertig109 halten. Vermeintliche Schutzlücken des WpÜG vermögen aber keine Hauptversammlungszuständigkeit praeter legem zu begründen, auf welche der Gesetzgeber intra legem bewusst verzichtet hat.110 35
Vor dem Hintergrund dieser gesetzlichen Wertung fehlt es daher an einer Vergleichbarkeit zwischen der Linde/Praxair-Konstellation und den
107 Allgemein zur Frage der Bindung bereits durch das BCA für dort vereinbarte zustimmungspflichtige Strukturmaßnahmen s. Rz. 10. 108 Hierauf verweist auch Zetzsche in KölnKomm/AktG, 3. Aufl. 2019, § 179a AktG Rz. 40; s. ferner allgemein etwa Pötzsch in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, 2. Aufl. 2013, Einl. Rz. 10. 109 S. zu Letzterem Strohn, ZHR 182 (2018), 114, 133; insofern zust. Zetzsche in KölnKomm/AktG, 3. Aufl. 2019, § 179a AktG Rz. 40. 110 Ganz in diesem Sinne nunmehr auch Linde/Praxair LG München I, Urt. v. 20.12.2018 – 5 HK O 15236/17, juris Rz. 214 unter Verweis auf die Gesetzesgeschichte. S. ferner Zetzsche in KölnKomm/AktG, 3. Aufl. 2019, § 179a AktG Rz. 40, 45. Eine ähnlich bewusste Entscheidung gegen eine „ungeschriebene“ Hauptversammlungszuständigkeit enthalten die Regelungen in § 32 Abs. 2 bis 6 BörsG zum Delisting. Diese beschränken sich ebenfalls auf eine kapitalmarktrechtliche Lösung mit Anleihen beim Übernahmerecht; s. dazu Mülbert in Großkomm/AktG, 5. Aufl. 2017, § 119 AktG Rz. 141, 147 f. m.w.N. Letztlich kann hierin eine Bekräftigung der für das WpÜG selbst getroffenen Entscheidung gesehen werden; vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie, BT-Drucks. 18/6220, 86: „Erweiterte Mitentscheidungsrechte für die Aktionäre, wie sie die Rechtsprechung bislang durch den von ihr geforderten Hauptversammlungsbeschluss verlangte, sind vor dem Hintergrund der nunmehr vorgesehenen umfassenden kapitalmarktrechtlichen Schutzbestimmungen nicht geboten.“
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Holzmüller-Fällen, weil hier kein Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte der Linde-Aktionäre stattfindet, den diese passiv erdulden müssten. Vielmehr treffen sie eine aktive Entscheidung über den Umtausch ihrer Aktien und damit über einen wesentlichen Baustein des im BCA vorgesehenen Aktionsfahrplans.111 Das LG München I hat dies in seiner Entscheidung vom 20.12.2018 genauso gesehen und die Klage der Linde-Aktionäre folgerichtig abgewiesen.112
7. Ungeschriebene Kompetenz qua „Sachzusammenhang“? Eine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit für den Ab- 36 schluss von BCAs wird schließlich auch unter dem Gesichtspunkt des (engen) Sachzusammenhangs mit Strukturmaßnahmen diskutiert, die ihrerseits einer Zustimmung der Hauptversammlung bedürfen.113 Als autoritativer Anknüpfungspunkt gilt hier die BGH-Entscheidung Hoesch/ Hoogovens.114 Im zugrunde liegenden Fall ging es um einen Zusammenschluss unter Gleichen, bei dem die beteiligten Gesellschaften ihr Betriebsvermögen jeweils auf eine Arbeitsgesellschaft übertragen sollten, deren Anteile dann jeweils in eine neue Zentralgesellschaft eingebracht werden sollten. In diesem Zusammenhang wurde ein „Grundvertrag“ geschlossen, der u.a. Vereinbarungen über Gewinnverwendung, gemeinsame Stimmrechtsausübung und Grundsätze für die Geschäftsführung der Zentralgesellschaft enthielt. Der BGH stellte hierzu fest, dass sich die Zustimmung der Hauptversammlung auf alle mit der Vermögensübertragung zusammenhängenden schuldrechtlichen Abreden erstrecken müsse, die rechtsverbindlich die Beziehungen der Vertragsschließenden bestimmen und nur als einheitliches Ganzes gelten sol111 So nunmehr auch Linde/Praxair LG München I, Urt. v. 20.12.2018 – 5 HK O 15236/17, juris Rz. 213; bereits zuvor Wilsing in FS Marsch-Barner, 2018, S. 595, 601 ff.; in diesem Sinne auch Reichert, ZGR 2015, 1, 16; ferner Bachmann in Veil, Übernahmerecht in Praxis und Wissenschaft, 2009, S. 109, 114. 112 LG München I, Urt. v. 20.12.2018 – 5 HK O 15236/17 – Linde/Praxair, s. dort insbesondere sub I.2.a. 113 S. dazu etwa Decher in FS Hüffer, 2010, S. 145, 154 ff.; sowie Oppenhoff in Fleischer/Paschos, Handbuch Übernahmerecht nach dem WpÜG, 2017, § 9 Rz. 46 ff.; Reichert, ZGR 2015, 1, 17 f.; Strohn, ZHR 182 (2018), 114, 142 f.; knapp ferner Bachmann in Veil, Übernahmerecht in Praxis und Wissenschaft, 2009, S. 109, 114. 114 BGH, Urt. v. 16.11.1981 – II ZR 150/80 – Hoesch/Hoogovens, BGHZ 82, 188 = AG 1982, 129 = NJW 1982, 933.
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len.115 Eine solche Einheitlichkeit wird teils für ein BCA und einen Verschmelzungsvertrag bejaht.116 37
Indes bestehen Zweifel, ob ein im Rahmen eines BCA vereinbarter „Aktionsfahrplan“ als solcher bereits einen „Einheitlichkeitszusammenhang“ zwischen dem BCA und der in ihm vorgesehenen zustimmungsbedürftigen Maßnahmen herbeiführt, der eine Zustimmung der Hauptversammlung bereits für das BCA selbst erforderlich macht. Eine „Einheitlichkeit“ dergestalt, dass das BCA bereits eine Vorabbindung in Bezug auf den später notwendig werdenden Hauptversammlungsbeschluss begründet, ist typischerweise gar nicht beabsichtigt. Sie wäre ohne Mitwirkung der Hauptversammlung auch nicht zulässig. Mithin verbleibt den Aktionären die Entscheidungshoheit für den späteren Beschluss über die zustimmungsbedürftige Maßnahme.117 In der Entscheidung Hoesch/Hoogovens schien es denn auch eher um die ausreichende Information der Hauptversammlung für den – gleich am Beginn des vorgesehenen „Aktionsfahrplans“ stehenden – Beschluss über die Vermögensübertragung zu gehen. Insofern ginge es dann also gar nicht um die Hauptversammlungszustimmung zum Abschluss des BCA, sondern um die Frage, ob und inwieweit die Hauptversammlung im Vorfeld des Beschlusses über die zustimmungsbedürftige Maßnahme über die Inhalte des BCA informiert werden muss.118 In diesem Sinne ist auch die Entscheidung des LG NürnbergFürth zum Zusammenschluss Alcon/Wavelight zu verstehen. Dort stritt man um die Frage, ob die Aktionäre anlässlich der Entscheidung über den Abschluss eines Beherrschungsvertrags (!) Auskunft über die wesentlichen Inhalte des auf diesen Beherrschungsvertrag hinführenden BCA verlangen können.119
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Im Linde/Praxair-Fall schied das Umtauschangebot als Anknüpfungspunkt für einen solchen Sachzusammenhang mit einer der Hauptversammlung vorzulegenden Strukturmaßnahme ohnehin aus. Denn hierfür sieht das Gesetz gerade keinen Hauptversammlungsbeschluss der Zielge115 BGH, Urt. v. 16.11.1981 – II ZR 150/80 – Hoesch/Hoogovens, BGHZ 82, 188 Ls. b sowie S. 196 = AG 1982, 129. 116 S. die N. bei Decher in FS Hüffer, 2010, S. 145, 154. 117 In diesem Sinne Decher in FS Hüffer, 2010, S. 145, 154 ff. 118 In diese Richtung argumentierend Reichert, ZGR 2015, 1, 17 f. 119 LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 18.12.2008 – 1 HK O 4286/08 – Alcon/Wavelight, AG 2010, 179 f., das seinerseits auf die Entscheidung des OLG Schleswig, Urt. v. 8.12.2005 – 5 U 57/04 – Mobilcom, NZG 2006, 951 verweist; s. dazu etwa Decher in FS Hüffer, 2010, S. 145, 154 f.
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sellschaft vor.120 Für den im BCA in Aussicht genommenen Abschluss eines Beherrschungsvertrags zwischen der NewCo als herrschendem Unternehmen und der Linde AG, der als weiterer Anknüpfungspunkt dienen könnte, gilt das soeben Gesagte: Das BCA nimmt die Entscheidung über den Abschluss des Beherrschungsvertrags nicht vorweg. Diese bleibt bei den Aktionären (§ 293 AktG). Für einen Vorweg-Beschluss bei Abschluss des BCA besteht kein Bedürfnis. Mit der Ende 2018 ins Werk gesetzten Durchführung eines umwandlungsrechtlichen Squeeze-out121 hat sich die Frage des Abschlusses eines Beherrschungsvertrags mit der Linde AG als beherrschter Gesellschaft denn auch tatsächlich erledigt.122
IV. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen 1. Im Ausgangspunkt ist zwischen der Hauptversammlungszuständigkeit für die im BCA in Aussicht genommenen Strukturmaßnahmen und der Hauptversammlungszuständigkeit für das BCA selbst zu unterscheiden (s. noch Thesen 5.a) und 6). 2. a) Eine Zustimmung der Hauptversammlung zum BCA wird gem. § 179 AktG erforderlich, wo dessen Inhalte satzungsändernde Qualität haben. Dies ist insbesondere dort der Fall, wo das BCA verbindliche Vereinbarungen über Gruppenbildungsmaßnahmen vorsieht, die zu einer dauerhaften Über- oder Unterschreitung des statutarisch festgelegten Unternehmensgegenstands führen. Die Gruppenbildungsmaßnahme kann auch dazu führen, dass die Gesellschaft den Unternehmensgegenstand nicht mehr unmittelbar selbst, sondern nur noch mittelbar über eine Tochtergesellschaft ausfüllt. Nach h.M. bedarf es hierfür in der Satzung einer sog. Konzern(öffnungs)klausel. b) Sieht der „Aktionsfahrplan“ des BCA vor, dass die beteiligte AG im Zuge der Umstrukturierung zur Tochtergesellschaft wird, bedarf es hingegen keiner passiven Konzernklausel in der Satzung. Ausweislich der §§ 311 ff. AktG geht das Gesetz vielmehr davon aus, dass eine AG auch ohne entsprechende Satzungsbestimmung zur abhängigen Gesellschaft werden kann. 3. a) Handelt es sich bei dem BCA in materieller Hinsicht um einen Unternehmensvertrag i.S.d. §§ 291, 292 AktG, insbesondere einen Be120 S. soeben Rz. 34. 121 S. dazu nur die Ad-hoc-Mitteilung v. 1.11.2018, online: https://www.the-lin de-group.com/de/news_and_media/press_releases/adhoc/news_20181101. 122 S. bereits Strohn, ZHR 182 (2018), 114, 143.
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Schmolke – Hauptversammlungszuständigkeit für BCAs
herrschungsvertrag i.S.d. § 291 Abs. 1 Satz 1 AktG, ist für dessen Wirksamkeit die Zustimmung der Hauptversammlung erforderlich (§ 293 AktG). b) Einer Entäußerung von Leitungsmacht unterhalb der Schwelle zum Beherrschungsvertrag kann nicht (allein) über die Einhaltung des Verfahrens nach §§ 293 ff. AktG (analog) zur Wirksamkeit verholfen werden. Ein so verstandener „verdeckter Beherrschungsvertrag“ oder „Organisationsvertrag sui generis“ widerspricht der Kompetenzordnung des AktG. 4. Die Verpflichtung zur (Nicht-)Ausübung einer HV-Ermächtigung gem. §§ 71 Abs. 1 Nr. 8, 202, 221 Abs. 2 AktG wird teilweise wegen Verstoßes gegen § 76 Abs. 1 AktG für unwirksam erachtet. Hier kann ein Vorweg-Beschluss oder ein Änderungsbeschluss der Hauptversammlung der BCA-Abrede Wirksamkeit verleihen. 5. a) Werden (bereits) im Rahmen eines BCA Strukturmaßnahmen verbindlich (!) verabredet, welche die qualitativen und quantitativen Vorgaben der Holzmüller/Gelatine-Rspr. erfüllen, dann besteht insofern eine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit für den Abschluss des BCA. b) Ein „Aktionsfahrplan“ à la Linde/Praxair für den Zusammenschluss unter Gleichen begründet keine Holzmüller-Zuständigkeit. Eine „Mediatisierung nach oben“ ist keine Mediatisierung i.S.d. Holzmüller-Doktrin. Die mitgliedschaftlichen Interessen der Aktionäre bleiben durch die freie Entscheidung über die Annahme des Umtauschangebots gewahrt. 6. Im Anschluss an die Hoesch/Hoogovens-Entscheidung wird teilweise eine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit für ein BCA angenommen, das im Rahmen des vereinbarten „Aktionsfahrplans“ eine zustimmungsbedürftige Maßnahme (Verschmelzung, Vermögensübertragung, Beherrschungsvertrag …) vorsieht („Sachzusammenhang“). Der hierfür erforderliche Bedingungszusammenhang bzw. die „Vorprägung“ der Maßnahme durch das BCA liegt typischerweise nicht vor. Eine Vorwegbindung der Hauptversammlung durch das BCA ist regelmäßig gar nicht beabsichtigt, die Zustimmung der Hauptversammlung zur konkreten Maßnahme ausreichend.
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Bericht über die Diskussion des Referats Schmolke Dominik Meier Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
I. Die Diskussion im Anschluss an das Referat von Prof. Dr. Klaus Ulrich 1 Schmolke über die Hauptversammlungszuständigkeit für Business Combination Agreements (im Folgenden: BCA) wurde von Prof. Dr. Mathias Habersack geleitet. Angesichts des engen Zeitrahmens wurden zunächst alle Diskussionsbeiträge und Fragen aus dem Auditorium gesammelt, ehe der Referent hierzu Stellung nahm. An der Diskussion beteiligt waren Dr. Lutz Angerer, Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Peter Hommelhoff, Dr. Christian Decher, PD Dr. Marco Staake, Dr. Konrad von Nussbaum, Dr. Christoph Rothenfußer und RiBGH a.D. Prof. Dr. Lutz Strohn. Die Beiträge und Antworten werden zur besseren Übersicht thematisch untergliedert wiedergegeben. Diskussionsgegenstand waren allgemeine Erwägungen zur Zustimmung der Hauptversammlung zu BCAs (II.), die Anwendung der Holzmüller/Gelatine-Doktrin bei Zusammenschlüssen unter Gleichen à la Linde AG/Praxair Inc. (III.) und die ungeschriebene Hauptversammlungskompetenz in Anlehnung an die Hoesch/Hoogovens-Entscheidung des BGH1 (IV.). Bei dem Zusammenschluss der Linde AG mit der Praxair Inc., welcher im Fokus des Referats stand, wurde eine Feststellungsklage zur Erforderlichkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses angestrengt, welche das LG München I nunmehr mit seiner Entscheidung vom 20.12.2018 abgewiesen hat.2
II. Decher pflichtete Schmolkes Auffassung bei, dass ein BCA als bloßer „Aktionsfahrplan“ keiner Hauptversammlungskompetenz unterliege. Diese Auffassung sei praxisgerecht. Zuvörderst sei der Begriff des „Aktionsfahrplans“ passend, da ein BCA gerade keine verbindliche Regelung für die nachfolgenden Schritte begründen soll. Nur die einzelnen, zu1 BGH, Urt. v. 16.11.1981 – II ZR 150/80, AG 1982, 129 = ZIP 1982, 172. 2 LG München I, Urt. v. 20.12.2018 – 5HK O 15236/17, AG 2019, 225.
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Meier – Bericht über die Diskussion des Referats Schmolke
stimmungsbedürftigen Folgemaßnahmen müssen der Hauptversammlung zur Abstimmung vorgelegt werden. Decher führte weiter an, dass die Diskussion über BCAs auf den Zusammenschluss der Daimler-Benz AG mit der Chrysler Corp. im Jahre 1998 zurückzuführen sei. Dort sei das BCA aus Gründen rechtlicher Vorsorge zusammen mit der Verschmelzung der Hauptversammlung zur Zustimmung vorgelegt worden. Die damalige juristische Diskussion sei aber eindeutig gewesen: Es habe weder eine Holzmüller-Situation, noch eine Hoesch/Hogoovens-Situation vorgelegen. Für Letztere habe zwischen dem BCA und der Verschmelzung kein Zusammenhang in dem Sinne bestanden, dass beide ein einheitliches Ganzes bilden und miteinander stehen und fallen sollten. Seit diesem Zusammenschluss habe es keinen Fall mehr gegeben, in dem ein BCA der Hauptversammlung zur Zustimmung vorgelegt wurde. Und das obwohl BCAs, gerade in grenzüberschreitenden Fällen, in der Praxis nunmehr Standard seien – denn die Parteien kommen häufig aus verschiedenen Rechtsordnungen und wollen durch ein BCA Rechtssicherheit erlangen. Schließlich bemerkte Decher noch, dass der im Fokus des Referats stehende Merger of Equals in der Praxis die Ausnahme sei und in der Regel eine Übernahme vorliege. Gerade in Übernahme-Konstellationen diene ein BCA dem Schutz der Zielgesellschaft. Die Zielgesellschaft lege oftmals Wert auf Regeln zu ihrem Schutz in einem BCA. 3 Hommelhoff äußerte Bedenken, dass für Unternehmen ein Risiko bestehe, wenn das BCA nicht zustimmungsbedürftig sei. Denn wenn die Hauptversammlung erst bei der Zustimmung zu den einzelnen Ausführungsmaßnahmen angerufen werde, könne sie sich auch erst dann zu den Aspekten des Gesamtvorhabens äußern. Und auch erst dann werde ein informeller Gesamtzusammenhang hergestellt. Dann bestehe jedoch für jede einzelne, zustimmungsbedürftige Maßnahme die Gefahr, dass die Hauptversammlung ihr nicht zustimmt. Dadurch könne der gesamte Aktionsfahrplan gestört oder gar zerstört werden. Aus diesen Gründen warf Hommelhoff die Frage auf, ob das Unternehmen nicht besser von sich aus – freiwillig – das BCA der Hauptversammlung zur Abstimmung vorlegen sollte, um dadurch eine Vorabbindung für die Folgemaßnahmen zu begründen. Dann könne der Gesamtplan nicht torpediert werden. Schmolke entgegnete, dass eine Vorab-Zustimmung dem informationellen Bedürfnis der Hauptversammlung nicht entgegenkomme. Schließlich könne sich die Sachlage im Laufe der Zeit noch ändern. Es bestehe eine bessere Informationsgrundlage, wenn die jeweilige Maßnahme anstehe. Decher erwiderte auf den Ansatz von Hommelhoff, kein Aktionär könne durch
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eine Beschlussfassung der Hauptversammlung verpflichtet werden, das Übernahmeangebot anzunehmen; zudem führe die freiwillige Beschlussfassung zur Gefahr von Anfechtungsklagen, so dass sie aus Sicht des Unternehmens auch nicht empfehlenswert sei. Aus diesen Gründen werde dies in praxi auch unterlassen. Zu der Problematik um den verdeckten Beherrschungsvertrag und die Entscheidung des LG Nürnberg-Fürth3 wies Decher darauf hin, dass im dortigen Verfahren die Vorstellung bestand, es gebe neben einem geschlossenen offenen Beherrschungsvertrag noch einen verdeckten Beherrschungsvertrag, der durch das BCA begründet wurde. Dies sehe er anders – würde man ein BCA im Vorfeld eines Beherrschungsvertrags als Vorprägung eines Beherrschungsvertrags ansehen und deshalb als zustimmungspflichtig erachten, werde die Grenze zwischen faktischem Konzern und Vertragskonzern aufgehoben.
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III. Im Zentrum der Diskussion stand die Frage, ob ein BCA als „Aktionsfahrplan“ bei einem Zusammenschluss à la Linde AG/Praxair Inc. eine ungeschriebene Hauptversammlungskompetenz entsprechend der Holzmüller/Gelatine-Doktrin begründet. Der Großteil der Diskutanten teilte Schmolkes Auffassung, dass in der vorliegenden Konstellation keine Mediatisierung vorliege und dementsprechend eine ungeschriebene Zuständigkeit abzulehnen sei.
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Konkret bemerkte Decher, dass die Annahme, eine „Mediatisierung nach oben“ löse eine ungeschriebene Hauptversammlungskompetenz aus, zu einem Widerspruch mit dem WpÜG führe. Der Gesetzgeber habe sich im WpÜG gegen eine Hauptversammlungskompetenz bei Konzernbildungsmaßnahmen entschieden. Würde man in solchen Fällen die Holzmüller/ Gelatine-Rechtsprechung für einschlägig erachten, werde entgegen der gesetzgeberischen Intention eine Hauptversammlungskompetenz durch die Hintertür eingeführt.
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Staake äußerte Zweifel an der Auffassung. Zwar bestehe keine originäre 7 Holzmüller/Gelatine-Situation, aber durch den Tausch nach oben bestehe gleichwohl „ein bisschen“ Mediatisierung. Er warf die Frage in den Raum, ob für die Aktionäre nicht ein faktischer Zwang zum Umtausch 3 LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 18.12.2008 – 1 HKO 4286/08.
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bestehe, da aus ihrer Sicht nur ein solcher wirtschaftlich sinnvoll sei. Dann aber bestehe eine mittelbare Mediatisierung durch die Herstellung einer Konzernstruktur, die mit einer Ausgliederung entsprechend der Holzmüller-Doktrin vergleichbar sei. Schmolke erwiderte darauf, dass für die Aktionäre kein faktischer Zwang bestehe, nur weil der Umtausch für sie wirtschaftlich sinnvoll sei. Gegen ein wirtschaftlich vorteilhaftes Angebot sei nichts einzuwenden, solange nicht die Ablehnung des Angebots künstlich und in einer unlauteren Art unattraktiv gemacht werde. Eine solche Situation liege im Fall Linde AG/Praxair Inc. aber nicht vor. Strohn zeigte sich wenig überzeugt und blieb bei seiner konträren Auffassung, die er in einem Aufsatz vertritt4: Eine isolierte Betrachtung des BCA werde dem Zusammenschlussvorhabens der Linde AG mit der Praxair Inc. nicht gerecht. Das BCA müsse im Gesamtkontext gesehen werde. Und in einem solchen bestehe eine „Mediatisierung von oben“, die mit einer Holzmüller/Gelatine-Situation vergleichbar sei und demnach eine ungeschriebene Hauptversammlungskompetenz auslöse. Für eine andere Perspektive plädierte von Nussbaum. Er warf die Frage in den Raum, ob man sich nicht fragen müsse: Warum sollte der Vorstand überhaupt für eine solche Maßnahme zuständig sein? 8 Weiterhin hielt Staake die Anführung des WpÜG als Begründung für eine Nichtanwendung der Holzmüller/Gelatine-Doktrin für fraglich. Die Regelungen des WpÜG indizieren nicht automatisch einen Verzicht auf eine ungeschriebene Hauptversammlungskompetenz. Man könne auch sagen, das WpÜG interessiere sich schlicht nicht für das aktienrechtliche Kompetenzgefüge, welches die Rechtsprechung entwickelt hat. Dafür spreche auch, dass der Gesetzgeber bekanntermaßen absichtlich von einer Kodifizierung dieser Grundsätze absehe. Abschließend wies Staake noch darauf hin, dass – folge man der Auffassung von Schmolke – das WpÜG-Argument möglicherweise darauf hinweise, dass in solchen Fällen zwischen börsennotierten und nichtbörsennotierten Unternehmen zu differenzieren sei. Rothenfußer konzedierte, dass es im deutschen Aktienrecht keinen Konzerneingangsschutz gebe. Ausweislich des WpÜG setze der Gesetzgeber voraus, dass der Vorstand in solchen Fällen ohne Zustimmung der Hauptversammlung handeln könne (vgl. §§ 33 ff. WpÜG). Auch könne der Vorstand dabei mitwirken, dass anderen Aktionären ein Angebot unterbreitet werde. Mündet dies dann in Konzernierungsmaßnahmen – was genau der Konstellation bei einem BCA ent4 Strohn, ZHR 182 (2018), 114.
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spreche – stelle sich die Frage, warum es dem Vorstand verboten sein solle, darüber eine Vereinbarung zu schließen. Schließlich sei eine solche im Interesse des Unternehmens.
IV. Angerer teilte die Einschätzung von Schmolke, dass eine ungeschrie- 9 bene Hauptversammlungskompetenz in Anlehnung an die Hoesch/ Hoogovens-Entscheidung abzulehnen sei. Wenn der „Aktionsfahrplan“ eines BCA zustimmungspflichtige Maßnahmen vorsehe, dann sei nicht das BCA selbst, sondern nur die jeweiligen Maßnahmen zustimmungsbedürftig. Angerer sah dann aber einen Widerspruch zu der These, dass verbindliche Vereinbarungen zu Strukturmaßnahmen im Rahmen eines BCA, welche die qualitativen und quantitativen Vorgaben der Holzmüller/Gelatine-Doktrin erfüllen, zu einer ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenz für den Abschluss des BCA führen. Schmolke stellte den vermeintlichen Widerspruch klar. Dieser beruhe auf einem Missverständnis über den jeweiligen Regelungsgehalt eines BCA. Man müsse differenzieren: Es bestehe nur dann eine ungeschriebene Hauptversammlungskompetenz, wenn im BCA solche Maßnahmen vorab verbindlich vereinbart werden. Will das BCA keine verbindliche Regelung treffen, bestehe auch keine Zustimmungspflicht. Staake wies ferner darauf hin, dass eine ungeschriebene Hauptversammlungskompetenz qua Sachzusammenhang nicht handhabbar sei, da dort trennscharfe Kriterien fehlen.
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Grenzüberschreitende Sitzverlegung: Polbud und die Folgen Dr. Johannes Hushahn, LL.M. (Cambridge) Notar, Jüchen Rz. I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Polbud-Entscheidung . . . . . . 1. Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtliche Würdigung . . . . .
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Rz. III. Folgen für den grenzüberschreitenden Formwechsel .
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IV. Ausblick auf Richtlinie . . . .
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I. Einleitung Auf dem Gebiet des Europäischen Kapitalgesellschaftsrechts ist der EuGH seit Jahren ein „Motor der Integration“ in Europa. Die Namen der wegweisenden Entscheidungen1 sind „Daily Mail“,2 „Centros“,3 „Überseering“4 und „Inspire Art“5. Die Entscheidung in Sachen „SEVIC“6 ebnete im Dezember 2005 den Weg für grenzüberschreitende Verschmelzungen, noch bevor die Mitgliedstaaten die vom Unionsgesetzgeber nur kurz zuvor erlassene Verschmelzungsrichtlinie umgesetzt hatten.
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Vor diesem Hintergrund war es nur eine Frage der Zeit, bis sich der Ge- 2 richtshof auch mit der grenzüberschreitenden Sitzverlegung zu befassen hatte. Grenzüberschreitende Sitzverlegung meint die Verlegung des Satzungssitzes einer Kapitalgesellschaft7 zwischen Mitgliedstaaten der EU. Da die grenzüberschreitende Verlegung des Satzungssitzes die Identität des Rechtsträgers unberührt lässt und zudem zwingend mit einem Statutenwechsel einhergeht, kann man insoweit auch griffiger vom „grenz1 Einen knappen, aber guten Überblick bietet Friedl in Beck’sches Handbuch Umwandlungen international, 2013, S. 48 f. 2 EuGH v. 27.9.1988 – C-81/87, NJW 1989, 2186. 3 EuGH v. 9.3.1999 – C-212/97, DNotZ 1999, 593. 4 EuGH v. 5.11.2002 – C-208/00, DNotZ 2003, 139. 5 EuGH v. 30.9.2003 – C-167/01, DNotZ 2004, 55. 6 EuGH v. 13.12.2005 – C-411/03, DNotZ 2006, 210. 7 Zu Personengesellschaften verhält sich dieser Beitrag nicht.
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überschreitenden Formwechsel“ sprechen. Was der EuGH sodann in seiner Cartesio-Entscheidung8 in einem obiter dictum bereits mehr als andeutete, ist seit seiner Entscheidung in Sachen „VALE“9 Gewissheit: Die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV, Art. 54 AEUV10) schützt grundsätzlich auch den grenzüberschreitenden Formwechsel. 3 Allerdings gilt dies nicht uneingeschränkt: Zwar darf der Wegzugsstaat – anders als den Wegzug durch isolierte Verlegung des Verwaltungssitzes – den „Herausformwechsel“ durch grenzüberschreitende Verlegung des Satzungssitzes nicht durch Auflösung und Liquidation der Gesellschaft sanktionieren.11 Er darf aber nach allgemeinen Grundsätzen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls, insbesondere zum Schutz der Rechte von Minderheitsgesellschaftern, Gläubigern und Arbeitnehmern, vorsehen.12 Der Zuzugsstaat muss den „Hineinformwechsel“ nur insoweit gestatten, wie er nach nationalem Umwandlungsrecht auch „seinen“ Gesellschaften gestattet ist.13 Das gebietet der Gleichbehandlungsgrundsatz. 4 Die Mitgliedstaaten dürfen den grenzüberschreitenden Formwechsel nicht unnötig erschweren. Insbesondere müssen die nationalen Register einen Rechtsnachfolgevermerk eintragen, wenn dies bei einem innerstaatlichen Formwechsel erfolgt, und ist den Dokumenten des Herkunftsstaates „gebührend Rechnung zu tragen“. Das gebietet der effet utile. 5 Die bisherige Rechtsprechung des EuGH zur Verlegung des Satzungsoder des Verwaltungssitzes lässt sich daher wie folgt zusammenfassen: 6 Die unionsrechtliche Bewertung der Verlegung des Sitzes einer Gesellschaft ist abhängig davon, ob (i) die Perspektive des Zuzugs- oder Wegzugsstaats eingenommen wird, ob (ii) die Gesellschaft den (tatsächlichen) 8 EuGH v. 16.12.2008 – C-210/06, DNotZ 2009, 553. 9 EuGH v. 12.7.2012 – C-378/10, GmbHR 2012, 860 = NJW 2012, 2715. 10 Da Artt. 31, 34 EWRV mit Art. 49 AEUV, Art. 54 AEUV inhaltsgleich sind, gelten die Ausführungen des EuGH sinngemäß auch für Formwechsel aus und in „EWR-Rechtsträger“ aus Island, Liechtenstein und Norwegen (Bayer/ Schmidt, ZIP 2012, 1481, 1482 Fn. 10). 11 Das entsprach aber lange Zeit der herrschenden Meinung, vgl. BayObLG v. 11.2.2004 – 3Z BR 175/03, DNotZ 2004, 725, 726 m.w.N. 12 EuGH v. 25.10.2017 – C-106/16, NZG 2017, 1308, 1312 Rz. 52 = GmbHR 2017, 1261 m. Anm. Bochmann/Cziupka. 13 EuGH v. 12.7.2012 – C-378/10, NZG 2012, 871, 875 Rz. 54 = GmbHR 2012, 860.
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Verwaltungssitz oder (auch) den Satzungssitz als Ort ihrer Registrierung ändert, und ob (iii) der Satzungssitz unter Beibehaltung des auf die Gesellschaft anwendbaren Rechts oder unter gleichzeitiger Umwandlung in das Recht eines Zuzugsstaats erfolgen soll.14 Lässt das Recht des Gründungsstaates es zu, dass eine Gesellschaft 7 ihren Verwaltungssitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegt, ist der Zuzugsstaat verpflichtet, die bisherige Rechtsfähigkeit nach dem Wegzugsstaat zu achten.15 Umgekehrt ist es mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar, wenn ein Mitgliedstaat es einer nach seinem Recht gegründeten Gesellschaft verwehrt, ihren Verwaltungssitz in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen.16 Der Wegzugsstaat kann nach einem obiter dictum des EuGH in der Rechtssache Cartesio eine Kapitalgesellschaft aber nicht daran hindern, sich – ohne Auflösung und Abwicklung – in eine Gesellschaft nach dem nationalen Recht eines anderen Mitgliedstaats umzuwandeln, soweit dies nach dem Recht des Zuzugsstaats möglich ist.17 Sieht der Zuzugsstaat für inländische Gesellschaften die Möglichkeit einer Umwandlung vor, kann dieser nach dem VALE-Urteil des EuGH die Umwandlung einer dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegenden Gesellschaft in eine inländische Gesellschaft mittels Gründung nicht verwehren; der Aufnahmestaat bleibt allerdings befugt, das für einen solchen Vorgang maßgebende nationale Recht über innerstaatliche Umwandlungen, einschließlich der Gründungsvorschriften anzuwenden.18 Dies war sozusagen die „Ausgangslage“ vor der PolbudEntscheidung, die die Verlegung des Satzungssitzes aus Sicht des Wegzugsstaates betraf. Hauptmotiv für einen grenzüberschreitenden Formwechsel sind ökonomische und steuerliche Aspekte: Ökonomisch dürften oft Fragen der Unternehmensfinanzierung eine Rolle spielen, insbesondere der Zugang 14 Vgl. Wicke, NZG 2017, 702. 15 EuGH v. 9.3.1999 – C-212/97 – Centros, DStRE 1999, 414; EuGH v. 5.11.2002 – C-208/00 – Überseering, AG 2003, 37 = NJW 2002, 3614; EuGH v. 30.9.2003 – C-167/01 – Inspire Art, IStR 2003, 849. 16 EuGH v. 16.12.2008 – C-210/06 – Cartesio, DStR 2009, 121 m. Anm. Goette = GmbHR 2009, 86 m. Anm. Meilicke. 17 EuGH v. 16.12.2008 – C-210/06, NJW 2009, 569 Rz. 12 = GmbHR 2009, 86 m. Anm. Meilicke; ferner EuGH v. 13.12.2005 – C-411/03 – SEVIC Systems, GmbHR 2006, 140 m. Anm. Haritz = DStR 2006, 49. 18 EuGH v. 12.7.2012 – C-378/10 – VALE, GmbHR 2012, 860 = NJW 2012, 2715; dazu Wicke, DStR 2012, 1756.
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zu (günstigem) Fremdkapital, der maßgeblich von der Rechtsform des Unternehmens und des anwendbaren Gesellschafts-, Insolvenz- und Prozessrechts abhängen kann. Steuerlich ist der grenzüberschreitende Formwechsel attraktiv, weil der Rechtsträger nur „sein Rechtskleid wechselt“, seine Identität aber behält. Anders als bei der grenzüberschreitenden Verschmelzung kommt es daher nur zum Rechtsform-, nicht aber zum Rechtsträgerwechsel. Das hat insbesondere zur Folge, dass der Vorgang auch außerhalb von § 6a GrEStG, der nur konzerninterne Vorgänge ausnimmt, grunderwerbsteuerneutral für in Deutschland belegene Grundstücke gestaltet werden kann. 9 Die identitätswahrende Satzungssitzverlegung hat weiter den Vorteil, dass öffentlich-rechtliche Genehmigungen und Konzessionen mit „übergehen“.19 Außerdem besteht nicht die Gefahr, dass change-of-controlKlauseln ausgelöst und Verträge gekündigt werden.20 10 Als Alternative käme im Wesentlichen nur die Umwandlung in eine SE mit anschließender Sitzverlegung in Betracht.21 Der Umweg über eine SE ist jedoch zeit- und kostenintensiv und insbesondere für kleinere Unternehmen daher wenig attraktiv. 11 Daneben mag die Wahl eines „attraktiven“ Sachrechts (insbesondere für den Mehrheitsgesellschafter22) ein Grund sein, weshalb manche Gesellschaften über einen grenzüberschreitenden Formwechsel nachdenken, z.B. um in den Genuss eines Gesellschaftsrechts mit schwächer ausgeprägtem Minderheiten- oder Gläubigerschutz zu gelangen.23 Dies wurde bislang aber dadurch maßgeblich erschwert, dass die isolierte Verlegung des Satzungssitzes (Stichwort: „Briefkastengesellschaften“), ohne dass die Gesellschaft auch tatsächlich im Zuzugsstaat wirtschaftlich tätig wird, von der herrschenden Auffassung – auch unter Berufung auf die Rechtsprechung des EuGH – als unzulässig erachtet wurde. Die herrschende Lehre sah bereits den Anwendungsbereich der Niederlassungs19 Anders bei der Verschmelzung, vgl. Wicke, DStR 2012, 1756, 1759; Schönhaus/Müller, IStR 2013, 174, 176; Wöhlert/Degen, GWR 2012, 432, 434. 20 Auch insoweit anders bei der Verschmelzung, vgl. Wicke, DStR 2012, 1756, 1759; Schönhaus/Müller, IStR 2013, 174, 176; Wöhlert/Degen, GWR 2012, 432, 434. 21 Zu sonstigen Gestaltungsmöglichkeiten vgl. Wicke, DStR 2012, 1756, 1759. 22 Vgl. Kindler, NZG 2018, 1, 2. 23 Kindler, NZG 2018, 1, 2.
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freiheit erst eröffnet, wenn die formwechselnde Gesellschaft eine wirkliche wirtschaftliche Tätigkeit im Zuzugsstaat ausübt bzw. jedenfalls konkret auszuüben beabsichtigt.24 Nach ständiger Rechtsprechung ist der Begriff der Niederlassung zwar sehr weit gefasst und impliziert zunächst einmal die Möglichkeit, in stabiler und kontinuierlicher Weise am Wirtschaftsleben eines anderen Mitgliedstaats teilzunehmen und daraus Nutzen zu ziehen.25 Hierzu muss aber eine dauernde Präsenz im Zuzugsstaat sichergestellt sein, die sich auf der Grundlage objektiver und nachprüfbarer Anhaltspunkte feststellen lässt.26 Dies hatte der EuGH auch in der Rechtssache VALE noch einmal bekräftigt.27 Anderenfalls – so die bislang herrschende Auffassung – könnte die Gesellschaft z.B. Kosten im Rechts- und Steuersystem des Zuzugsstaates verursachen, ohne dort tatsächlich eine wirtschaftliche Tätigkeit zu entfalten.28 Noch wichtiger ist aber, dass im Wegzugsstaat Rechte von Gläubigern, Minderheitsgesellschaftern und Arbeitnehmern betroffen sein können. Scheinauslandsgesellschaften oder Briefkastengesellschaften sollen vom grenzüberschreitenden Formwechsel ausgeschlossen sein. Daher könne sich umgekehrt auch eine Gesellschaft, die im Wegzugsstaat keine wirkliche wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, nicht auf die Niederlassungsfreiheit be24 Eckhardt/Hermanns/Piehler, Kölner Handbuch Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 2017, Kap. 7 Rz. 481; Krafka/Kühn, Registerrecht, 9. Aufl. 2013, Rz. 1211 f.; Limmer/Limmer, Handbuch der Unternehmensumwandlung, 5. Aufl. 2016, S. 999; Melchior, GmbHR 2014, R305, R306; vgl. Wicke DStR 2012, 1756, 1758; Mörsdorf/Jopen, ZIP 2012, 1398, 1399; Wöhlert/Degen, GWR 2012, 432, 433; Hushahn, RNotZ 2014, 137, 147; Hushahn, DNotZ 2014, 150, 156 (Anm. zu OLG Nürnberg v. 19.6.2013 – 12 W 520/13); Hushahn, notar 2014, 175, 176; Hushahn, RNotZ 2016, 618, 621 f.; Hushahn, RNotZ 2017, 257, 265; Wohlrab, GPR 2012, 316, 317; Wittmann/Molitor, jurisPR-HaGesR 2/2014 Anm. 1, D.; Cranshaw, jurisPR-HaGesR 9/2016, Anm. 5; vgl. auch die Entschließung des Europäischen Parlaments v. 2.2.2012 mit Empfehlungen an die Kommission zu einer 14. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie zur grenzüberschreitenden Verlegung von Unternehmenssitzen (P7_TA-PROV(2012)0019), wonach bei grenzüberschreitenden Verlegungen des Satzungssitzes der Missbrauch von Briefkastengesellschaften zur Umgehung rechtlicher, sozialer und steuerlicher Bedingungen verhindert werden soll. 25 EuGH v. 30.11.1995 – C-55/94, Reinhard Gebhard gegen Consiglio dell’Ordine degli Avvocati e Procuratori di Milano. 26 EuGH v. 14.9.2006 – C-386/04, Centro di Musicologia Walter Stauffer gegen Finanzamt München für Körperschaften. 27 EuGH v. 12.7.2012 – C-378/10 – VALE, NJW 2012, 2715, 2717 Rz. 34 = GmbHR 2012, 860. 28 Wohlrab, GPR 2012, 316, 317.
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rufen, selbst wenn sie im Zuzugsstaat beabsichtigt, eine solche auszuüben.29 12
Eine andere Ansicht verstand den EuGH bislang so, dass die Ausübung einer wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit nicht den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit betreffe, sondern vielmehr ihr Fehlen die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit rechtfertigen könne.30 Gestützt wurde diese Ansicht meist auf ein recht formales Argument: Der EuGH habe sich in seiner Entscheidung auf Rechtfertigungsebene geäußert und nicht bereits auf Ebene des Anwendungsbereichs.
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Zum Teil wurde weiter vertreten, es komme darauf an, ob der Zuzugsstaat einen Gleichlauf von Satzungs- und Verwaltungssitz vorsehe.31 Nur wenn dies der Fall sei, sei eine wirkliche wirtschaftliche Tätigkeit im Zuzugsstaat erforderlich. Es sei bloße Förmelei, eine wirkliche wirtschaftliche Tätigkeit zu fordern, wenn direkt nach dem Zuzug der Verwaltungssitz wieder (zurück) ins Ausland verlegt werden könne. Außerdem stelle es eine Diskriminierung gegenüber nach dem Recht des Zuzugsstaats gegründeten bzw. tätigen Gesellschaften dar, da für sie das inländische Recht nicht die Ausübung einer wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit fordere.32
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Andere meinten dagegen, es bedürfe generell keiner realen wirtschaftlichen Aktivität im Zuzugsstaat. Zur Begründung wurde die Entscheidung in Sachen Centros33 herangezogen, wonach der Satzungssitz den Sitz der Hauptniederlassung bestimme, so dass die bloße Verlegung des Satzungssitzes und damit der isolierte grenzüberschreitende Formwechsel auch von der Niederlassungsfreiheit gedeckt sei.34
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Um diese Frage – ob und inwieweit die Niederlassungsfreiheit als Rechtsformwahlfreiheit bis hin zum isolierten grenzüberschreitenden Form-
29 Böttcher/Kraft, NJW 2012, 2701, 2703; Kindler, EuZW 2012, 888, 892; G.H. Roth, ZIP 2012, 1744, 1745; Melchior, GmbHR 2014, R305, R306. 30 Schaper, ZIP 2014, 810, 816; Drygala, EuZW 2013, 569, 570; Behme, NZG 2012, 936, 939; Bayer/Schmidt, ZIP 2012, 1481, 1486 f.; Teichmann, ZGR 2011, 639, 672. 31 Teichmann, DB 2012, 2085, 2088; Schaper, ZIP 2014, 810, 813 f. 32 Schaper, ZIP 2014, 810, 813. 33 EuGH v. 9.3.1999 – C-212/97, EuZW 1999, 216. 34 Franz, EuZW 2016, 930, 935.
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wechsel ohne jede wirkliche wirtschaftliche Tätigkeit im Zuzugsstaat zu verstehen ist – ging es im Kern in der Rechtssache Polbud35.
II. Polbud-Entscheidung 1. Sachverhalt Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung polnischen Rechts mit (ver- 16 kürztem) Namen „Polbud“ wollte ihren (Satzungs-)Sitz nach Luxemburg verlegen und zwar (möglicherweise) ohne in Luxemburg wirklich wirtschaftlich tätig zu werden. Daher beschloss die Gesellschafterversammlung die Sitzverlegung. Die Gesellschaft meldete anschließend beim zuständigen polnischen Handelsregister die Einleitung des nach polnischem materiellen Recht erforderlichen Auflösungsverfahrens an, da die grenzüberschreitende Sitzverlegung nach polnischem Recht offenbar als gesetzlicher Auflösungsgrund gilt. Ohne das Auflösungsverfahren tatsächlich durchzuführen, fasste die Gesellschafterversammlung über ein Jahr später vor einem luxemburgischen Notar den Beschluss, die Sitzverlegung durchzuführen. Kurz darauf wurde die Gesellschaft im Gesellschaftsregister in Luxemburg eingetragen. Danach beantragte die Gesellschaft beim polnischen Handelsregister die Löschung, was dieses unter Hinweis auf das nicht durchgeführte Liquidationsverfahren verweigerte. Im Rahmen des anschließenden Rechtsstreits legte schließlich der polnische Oberste Gerichtshof dem EuGH den Fall zur Vorabentscheidung vor. Der Ort der tatsächlichen Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit blieb 17 (jedenfalls zunächst) unverändert. Neben weiteren zu klärenden Fragen36 erhielt der EuGH daher Gelegenheit, seine Rechtsprechung in Bezug auf das Erfordernis der wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit im Zuzugsstaat zu präzisieren.
35 EuGH v. 25.10.2017 – C-106/16, RNotZ 2018, 48. 36 Das polnische Recht sieht offenbar bei jeder grenzüberschreitenden Satzungssitzverlegung zwingend die Liquidation der Gesellschaft vor, was eine unverhältnismäßige Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellt. Damit befassen sich die erste und zweite Vorlagefrage.
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2. Rechtliche Würdigung 18
Auf Grundlage der bisherigen Entscheidungen des Gerichtshofs37, insbesondere der bereits erwähnten Definition einer „Niederlassung“, und der Schlussanträge der Generalanwältin38 war davon auszugehen, dass der EuGH für die grenzüberschreitende Satzungssitzverlegung jedenfalls die Absicht einer tatsächlichen Ansiedlung im Zuzugsstaat und der Ausübung einer wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit fordern würde.
19 Die Generalanwältin kam daher auch in ihren Schlussanträgen39 sehr schnell und zutreffend zu dem Ergebnis, dass ein isolierter grenzüberschreitender Formwechsel bereits nicht vom Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit erfasst sei, da zum einen eine Niederlassung unstreitig eine Anwendungsvoraussetzung der Niederlassungsfreiheit bilde und zum anderen der Niederlassungsbegriff in gefestigter Rechtsprechung eine tatsächliche Ansiedlung im Zuzugsstaat und die Ausübung einer wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit impliziere.40 Dafür sei das Bestehen einer gewissen Infrastruktur im Zuzugsstaat erforderlich, die es erlaubt, dort in stabiler und kontinuierlicher Weise einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen. Darüber hinaus genüge auch schon die Absicht, eine solche Niederlassung zu errichten.41 Gehe es einer Gesellschaft dagegen ausschließlich um den Wechsel des auf sie anwendbaren Gesellschaftsrechts, sei die Niederlassungsfreiheit nicht einschlägig, da sie keine freie Rechtswahl umfasse. Ein isolierter grenzüberschreitender Formwechsel sei daher nicht von der Niederlassungsfreiheit umfasst, sondern nur in Verbindung mit einer tatsächlichen Niederlassung.42 Diese Auffassung, die die herrschende Ansicht in der Literatur bestätigt, ist richtig, dogmatisch stimmig und konsequent: Ist der Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit gar nicht eröffnet, kommt es auf die
37 Insbesondere EuGH v. 12.7.2012 – C-378/10 – VALE Építési kft Rz. 34, NZG 2012, 871, 873 Rz. 34 = GmbHR 2012, 860. 38 EuGH, Schlussanträge der Generalanwältin Kokott v. 4.5.2017 – C-106/16 – Polbud-Wykonawstwo sp. z o.o. in Liquidation. 39 EuGH, Schlussanträge der Generalanwältin Kokott v. 4.5.2017 – C-106/16 – Polbud-Wykonawstwo sp. z o.o. in Liquidation. 40 EuGH, Schlussanträge der Generalanwältin Kokott v. 4.5.2017 – C-106/16 – Polbud-Wykonawstwo sp. z o.o. in Liquidation, Rz. 35. 41 EuGH, Schlussanträge der Generalanwältin Kokott v. 4.5.2017 – C-106/16 – Polbud-Wykonawstwo sp. z o.o. in Liquidation, Rz. 36. 42 EuGH, Schlussanträge der Generalanwältin Kokott v. 4.5.2017 – C-106/16 – Polbud-Wykonawstwo sp. z o.o. in Liquidation, Rz. 38.
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von Teilen der Literatur herangezogenen Unterscheidungskriterien nicht an. Der EuGH hingegen entschied überraschend, dass die Anwendbarkeit 20 der Niederlassungsfreiheit nicht voraussetzt, dass die formwechselnde Gesellschaft im Zuzugsstaat eine wirtschaftliche Tätigkeit tatsächlich ausübt bzw. auszuüben beabsichtigt. Vielmehr falle die Definition der Anknüpfung einer Gesellschaft an eine Rechtsordnung in die Zuständigkeit jedes einzelnen Mitgliedstaates. Es kommt dem EuGH zufolge nur auf das im Zuzugsstaat erforderliche Kriterium für die Verbundenheit einer Gesellschaft mit der dort herrschenden Rechtsordnung (Satzungssitz, Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung) an.43 Mit anderen Worten: Nur wenn der Zuzugsstaat die Ausübung einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung (oder auch des Verwaltungssitzes bei Sitzgleichlauf) im Inland für seine eigenen Gesellschaften verlangt, darf er es von aus dem EU-Ausland zuziehenden Gesellschaften verlangen. Eine isolierte Satzungssitzverlegung in einen Mitgliedstaat, der für seine eigenen Gesellschaften nicht mindestens eine wirkliche wirtschaftliche Inlandstätigkeit („genuine link“) fordert, ist also möglich, sonst hingegen nicht.44 Ein europäisches Recht auf uneingeschränkte isolierte Satzungssitzverlegung gewährt der EuGH folglich nicht.45 Der Wegzugsstaat kann dagegen grundsätzlich nicht verlangen, dass die formwechselnde Gesellschaft im Zuzugsstaat eine wirkliche wirtschaftliche Tätigkeit ausübt. Er kann aber – auf Rechtfertigungsebene – aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit vorsehen.46 Es sei für sich allein kein Missbrauch der Niederlassungsfreiheit, wenn eine Gesellschaft ihren Sitz verlegt, um in den Genuss günstigerer Rechtsvorschriften zu kommen.47 43 EuGH v. 25.10.2017 – C-106/16 – Polbud-Wykonawstwo sp. z o.o. in Liquidation, Rz. 29 ff., 34, NZG 2017, 1308, 1310, Rz. 29 ff., 34 = GmbHR 2017, 1261 m. Anm. Bochmann/Cziupka. 44 Kindler, NZG 2018, 1, 4. 45 So auch Teichmann/Knaier, GmbHR 2017, 1314, 1318. 46 EuGH Urt. v. 25.10.2017 – C-106/16 – Polbud-Wykonawstwo sp. z o.o. in Liquidation, Rz. 39, NZG 2017, 1308, 1310 Rz. 39 = GmbHR 2017, 1261 m. Anm. Bochmann/Cziupka. 47 EuGH v. 25.10.2017 – C-106/16 – Polbud-Wykonawstwo sp. z o.o. in Liquidation, Rz. 40 = NZG 2017, 1308, 1310 Rz. 40 = GmbHR 2017, 1261 m. Anm. Bochmann/Cziupka.
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III. Folgen für den grenzüberschreitenden Formwechsel 22
Anders als vor der Polbud-Entscheidung angenommen, bedarf es daher de lege lata nach deutschem Recht weder für den Hinein- noch für den Herausformwechsel einer Kapitalgesellschaft der Versicherung in der Handelsregisteranmeldung, dass die Ausübung einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit im Zuzugsstaat jedenfalls beabsichtigt ist.48 Denn das deutsche Gesellschaftsrecht setzt dies nicht expressis verbis voraus bzw. ordnet z.B. in § 4a GmbHG ausdrücklich an, dass für die Verbindung mit dem deutschen Recht der (isolierte) Satzungssitz genügt.49
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Daraus folgt nach der Polbud-Entscheidung, dass das deutsche Handelsregister bei Zuzugsfällen auch von Gesellschaften, die ihren Satzungssitz aus dem Ausland nach Deutschland verlegen, grundsätzlich keine wirkliche wirtschaftliche Tätigkeit oder gar einen inländischen Verwaltungssitz verlangen kann. Für Wegzugsfälle ergibt sich dies nun unmittelbar daraus, dass der EuGH den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit unabhängig vom Vorliegen einer wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit im Zuzugsstaat als eröffnet betrachtet. Wachter50 formuliert daher bewusst plakativ: „Gesellschaften können das deutsche Gesellschaftsrecht somit mittels eines ausländischen Briefkastens schlicht und einfach abwählen.“
24 Schon dogmatisch ist dieses Ergebnis höchst zweifelhaft, da der Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit überhaupt nicht eröffnet ist, legt man die vom EuGH selbst aufgestellten Kriterien einer Niederlassung51 sowie deren Sinn und Zweck zugrunde.52 Rechtspolitisch ist es 48 So auch Teichmann/Knaier, GmbHR 2017, 1314, 1323. 49 Vgl. Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 21. Aufl. 2017, § 4a GmbHG Rz. 11. 50 Wachter, NZG 2017, 1308, 1313 (Anm. zu EuGH v. 25.10.2017 – C-106/16 – Polbud-Wykonawstwo sp. z o.o. in Liquidation). 51 EuGH v. 25.7.1991 – C-221/89 – Factortame u.a., Rz. 20, BeckRS 2004, 75196, Rz. 20: tatsächliche Ansiedlung im Zuzugsstaat und Ausübung einer wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit. Sehr kritisch daher auch Mörsdorf, ZIP 2017, 2381: „[Der Gerichtshof“] erweitert […] den gegenständlichen Anwendungsbereich einer zentralen primärrechtlichen Verbürgung in einer methodisch wie legitimatorisch fragwürdigen Weise“. 52 So auch richtig Stelmaszczyk, EuZW 2017, 890, 893: „[Die Niederlassungsfreiheit] soll den Wirtschaftsteilnehmern in der Union die freie Wahl des Standorts ihrer wirtschaftlichen Betätigung gewähren, nicht aber die freie Wahl des auf sie anwendbaren Rechts.“; ähnlich Kindler, NZG 2018, 1, 3: „bloße Register-
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ein fatales Signal in Zeiten von Panama- und Paradise-Papers.53 Auch nach Polbud ist der isolierte grenzüberschreitende Formwechsel ohne jede Einschränkung aber nicht zulässig, da der Wegzugsstaat als zwingende Gründe des Allgemeinwohls die Rechte von Minderheitsgesellschaftern, Gläubigern und Arbeitnehmern schützen darf. Um diesen zwingenden Gründen des Allgemeinwohls Rechnung zu tra- 25 gen, ist m.E. daher nach wie vor eine analoge Anwendung des Art. 8 Abs. 2 bis 8 SE-VO und der entsprechenden Vorschriften der §§ 12 bis 14 SEAG und des SEBG zum Schutz von Minderheitsgesellschaftern, Gläubigern und Arbeitnehmern angezeigt. Im Einzelnen heißt das insbesondere konkret, dass man auch nach Polbud keinesfalls vorbeikommt an einem (analog § 122c Abs. 4 UmwG beurkundeten) Verlegungsplan insbesondere mit Informationen über die Haftungs- und sonstige interne Verfassung der neuen Rechtsform (z.B. Mehrheitserfordernisse, Quoren, Gewinnbezugsrecht, Ausschließungsmöglichkeiten) und mit Abfindungsangebot für widersprechende Gesellschafter54, Hinweis auf mögliche Sicherheitsleistungen für Gläubiger55 sowie Darstellung der Folgen präsenz im Zuzugsstaat verfehlt ersichtlich das von der Niederlassungsfreiheit verfolgte Ziel der Marktintegration; a.A. Teichmann/Knaier, GmbHR 2017, 1314, 1319. 53 Sehr kritisch deshalb auch Kindler, NZG 2018, 1, 1 ff. 54 Die in § 12 Abs. 2 SEAG angeordnete entsprechende Anwendung von § 7 Abs. 2 bis 7 SEAG hat sich auf die Eintragung und Bekanntmachung des grenzüberschreitenden Formwechsels zu beziehen. Insbesondere ist danach die Angemessenheit einer anzubietenden Barabfindung durch Umwandlungsprüfer zu prüfen, sofern die Berechtigten darauf nicht in notariell beurkundeter Form verzichten (§ 7 Abs. 3 SEAG). Bis zum Ablauf der Frist des § 7 Abs. 4 SEAG kann jeder Gesellschafter entsprechend § 7 Abs. 6 SEAG ungeachtet einer etwaigen Vinkulierung seinen Geschäftsanteil veräußern. Da am Herausformwechsel nur ein Rechtsträger deutschen Rechts beteiligt ist, fallen in § 7 Abs. 5 und 7 SEAG die Einschränkungen des Art. 25 Abs. 3 Satz 1 SE-VO weg. Mängel des Abfindungsangebots berühren somit nie die Wirksamkeit des Umwandlungsbeschlusses (zum Ganzen s. Hushahn, RNotZ 2014, 137, 143). 55 Der Verlegungsplan hat entsprechend Art. 8 Abs. 7 SE-VO i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 3 SEAG einen Hinweis zu enthalten, dass die Gläubiger entsprechend § 13 Abs. 1 und 2 SEAG Sicherheit verlangen können, wenn sie glaubhaft machen, dass der Formwechsel ihre Forderungen gefährdet. Dabei ist die Frist des § 13 Abs. 1 Satz 1 SEAG konkret berechnet wiederzugeben. Daneben werden Gläubiger durch die Regelungen zum Gerichtsstand analog Art. 8 Abs. 13 Satz 2 und Abs. 16 SE-VO geschützt (zum Ganzen s. Hushahn, RNotZ 2014, 137, 143).
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für die Beteiligung der Arbeitnehmer, einem Verlegungsbericht und den Offenlegungsfristen vor dem gem. § 193 Abs. 3 Satz 1 UmwG56 notariell zu beurkundenden57 Gesellschafterbeschluss über die Sitzverlegung sowie dem Fortbestand des Gerichtsstands im Wegzugsstaat für Altverbindlichkeiten. Zur Sicherung der Arbeitnehmerbeteiligung besteht analog § 18 Abs. 3 SEBG eine Verhandlungspflicht, wenn durch den Formwechsel Beteiligungsrechte gemindert werden können.58 26
Anschließend erfolgt der Antrag auf Erteilung der Bescheinigung analog Art. 8 Abs. 8 SE-VO und die damit verbundene Anmeldung zum Handelsregister (§§ 198 Abs. 1, 246 UmwG), in der nach der Polbud-Entscheidung wie bereits oben erwähnt nicht mehr die Versicherung enthalten sein muss, dass die Ausübung einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit im Zuzugsstaat jedenfalls beabsichtigt ist.59 Das Registergericht erteilt die Bescheinigung nur dann, wenn nach seiner Auffassung den für den Wegzug maßgeblichen (ggf. analog anzuwendenden) Normen genügt wurde.
IV. Ausblick auf Richtlinie 27
Über eine Richtlinie zur grenzüberschreitenden Sitzverlegung60 ist schon lange diskutiert worden, auch wenn der Unionsgesetzgeber sie bis heute
56 Oder auch entsprechend Art. 9 Abs. 1 lit. c) ii) SE-VO i.V.m. § 53 Abs. 2 Satz 1 GmbHG. 57 Hushahn, RNotZ 2014, 137, 146 m.w.N. 58 Ebenfalls für Verhandlungen bei der Herausverschmelzung Widmann/Mayer/ Vossius, UmwG, 139. Aktualisierung (November 2013), § 122k UmwG Rz. 22. Ähnlich Verse, ZEuP 2013, 458, 482 f. in Bezug auf mögliche Rechtfertigungsgründe einer Beschränkung. I.Ü. lehnt Verse aus dogmatischen Gründen die Analogie zum SEBG ab, da es nur die Hineinsitzverlegung regele. M.E. ist das nicht genug, um den für die Analogie erforderlichen vergleichbaren Sachverhalt auszuschließen. Zuzugeben ist jedoch, dass der Rechtsträger nach Wirksamwerden des Formwechsels dem deutschen Recht und damit auch dem SEBG entzogen ist. Die Auffanglösung kann also nur greifen, wenn der Zuzugsstaat die SE-RL bzw. die auf ihrer Grundlage ergangenen nationalen Normen anwendet. 59 Insoweit muss ich meine Auffassung aus RNotZ 2014, 137, 147, aufgeben. 60 „Vorschlag für eine Vierzehnte Richtlinie […] über die Verlegung des Sitzes einer Gesellschaft in einen anderen Mitgliedstaat mit Wechsel des für die Gesellschaft maßgebenden Rechts“ vom 20.4.1997 (ZIP 1997, 1721 – im Folgenden auch „Sitzverlegungsrichtlinie 1997“ genannt).
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nicht erlassen hat.61 Nachdem die Kommission die Arbeit an der Sitzverlegungsrichtlinie 1997 zwischenzeitlich bereits eingestellt hatte, war damit zunächst ungewiss, ob die grenzüberschreitende Sitzverlegung und damit der grenzüberschreitende Formwechsel in absehbarer Zeit einen europarechtlichen Rahmen erhält. In ihrem „Plan zur Modernisierung des europäischen Gesellschaftsrechts und der Corporate Governance“ vom 12.12.2012 kündigte die Kommission „weitere Untersuchungen mit Blick auf eine mögliche Initiative zur grenzübergreifenden Verlegung des Unternehmenssitzes“62 an. Eine erste Konsultation hatte die Kommission im April 2013 abgeschlossen. Grenzüberschreitende Umwandlungen erwähnte sodann das Arbeitsprogramm der Kommission für das Jahr 201763, bevor die Kommission schließlich am 25.4.2018 das sog. „Company Law Package“ veröffentlichte, das auch einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen64 enthält.65 Unter dem für deutsche Rechtsanwender missverständlichen Begriff der 28 grenzüberschreitenden Umwandlung meint der Vorschlag die grenzüberschreitende identitätswahrende Verlegung des Satzungssitzes, also den grenzüberschreitenden Formwechsel. Das Verfahren orientiert sich an dem Ablauf einer grenzüberschreitenden Verschmelzung.66 Im Lichte der Polbud-Entscheidung ist aber vor allem Art. 86c Abs. 3 des Vorschlags interessant: Danach „stellen [die Mitgliedstaaten] sicher, dass die zuständige Behörde des Wegzugsmitgliedstaats die grenzüberschreitende Umwandlung nicht genehmigt, wenn sie nach Prüfung des betreffenden Falls und unter Berücksichtigung aller relevanten Tatsachen und Umstände feststellt, dass es sich um eine künstliche Gestaltung mit dem Ziel handelt, unrechtmäßige Steuervorteile67 zu erlangen oder die gesetzlichen oder vertraglichen Rechte der Arbeitnehmer, Gläubiger oder Minder-
61 Zum Aktionsplan der Kommission vom 12.12.2012 Behrens, EuZW 2013, 121. 62 EuZW 2013, 3. 63 Arbeitsprogramm der Kommission 2017, COM(2016) 710 final v. 25.10.2016, S. 9. 64 COM(2018) 241 final v. 25.4.2018. 65 Ausführlich hierzu Wachter, GmbH-StB 2018, 283 ff., 317 ff. 66 So auch Knaier, GmbHR 2018, 607, 617. 67 In der englischen Fassung heißt es – möglicherweise weitergehender – „undue tax advantages“.
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heitsgesellschafter unrechtmäßig68 zu beschneiden“. Das ist nur scheinbar strenger als nach „Polbud“, da der allgemeine Missbrauchsvorbehalt ohnehin stets gilt.69 Ob eine solche künstliche Gestaltung vorliegt, ist grundsätzlich70 gem. Art. 86g des Vorschlags im Rahmen einer Verlegungsprüfung durch einen „unabhängigen Sachverständigen“ und auch durch die zuständige Behörde (in Deutschland also das Registergericht) gem. Art. 86m des Vorschlags zu prüfen. 29 Der Begriff der künstlichen Gestaltung ist vage und ausfüllungsbedürftig.71 Die Mitgliedstaaten können und sollten dies bei der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht möglichst konkret tun, beispielsweise dadurch, dass die Gesellschafter in der Handelsregisteranmeldung versichern müssen, dass ihre Gesellschaft im Zuzugsstaat eine tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit ausübt bzw. auszuüben beabsichtigt,72 durch Vorlage entsprechender Nachweise wie Gewerbeerlaubnisse oder Steuererklärungen über inländische Betriebsstätten etc.73 Dazu könnte auch eine Stellungnahme der IHK eingeholt und dem Registergericht vorgelegt werden gem. § 380 FamFG.74 Man könnte zusätzlich auch an der Definition der Zweigniederlassung durch den EuGH anknüpfen und einen Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit verlangen, der auf Dauer als Außenstelle einer Hauptniederlassung hervortritt, eine Geschäftsführung hat und sachlich so ausgestattet ist, dass Dritte unmittelbar mit der Zweignieder-
68 Auch hier heißt es in der englischen Fassung „unduly prejudicing the legal or contractual rights of employees, creditors or minority members“ (Hervorhebung durch den Autor). 69 Vgl. EuGH v. 25.10.2017 – C-106/16 – Polbud-Wykonawstwo sp. z o.o. in Liquidation, Rz. 39, 60, 33 f., NZG 2017, 1308, 1310, 1312 = GmbHR 2017, 1261 m. Anm. Bochmann/Cziupka. 70 Eine Ausnahme für Kleinstunternehmen und kleine Unternehmen sieht Art. 86g Abs. 6 des Vorschlags vor. 71 Schollmeyer, NZG 2018, 977, spricht in Anlehnung an die Figur aus „Jim Knopf und Lukas dem Lokomotivführer“ pointiert vom Herrn Tur Tur unter den Rechtsfiguren, also einem „Scheinriesen“. 72 So schon Heckschen, ZIP 2015, 2049, 2062. 73 Krebs, GWR 2014, 144, 146; i.E. ebenso Wachter, NZG 2017, 1308, 1313 (Anm. zu EuGH v. 25.10.2017 – C-106/16, Polbud-Wykonawstwo sp. z o.o. in Liquidation). 74 Krafka/Kühn, Registerrecht, 9. Aufl. 2013, Rz. 1211f; Melchior, GmbHR 2014, R305, R306; Winter/Marx/De Decker, DStR 2016, 1997, 1998.
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lassung Geschäfte abschließen können, ohne sich an die ausländische Hauptniederlassung wenden zu müssen.75 Selbst wenn die Mitgliedstaaten den Begriff der künstlichen Gestaltung 30 ausfüllten, bestünden weiterhin große Rechtsunsicherheiten, da der EuGH weiterhin über Vorlageverfahren zu klären hätte, welche Konkretisierungen zulässig sind. Vorzugswürdig wäre es daher, wenn bereits der Unionsgesetzgeber den vagen Begriff durch etwas Konkreteres ersetzen würde, insbesondere durch die Sitzeinheit von Verwaltungs- und Satzungssitz. Dies ist der beste Schutz gegen missbräuchliche Briefkastengesellschaften. Für die Sitzeinheit sprechen nicht zuletzt die Parallele zu Art. 7 SE-VO und der damit mögliche Gleichlauf zur internationalen Insolvenzeröffnungszuständigkeit und zum anwendbaren Insolvenzrecht.76 Jedenfalls aber sollte eine wirkliche wirtschaftliche Tätigkeit als materielle, mit einer Nichtigkeitssanktion verbundene Voraussetzung im Zuzugsstaat verlangt werden, dem man die oben genannten Kriterien zugrunde legen könnte. Der Festschreibung der Sitzeinheit oder eines „genuine link“ auf euro- 31 päischer Ebene stünde nichts entgegen, da die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten zur Definition der Anknüpfung für das Gesellschaftsrecht dem EuGH in „Polbud“ zu Folge unter dem Vorbehalt einer unionseinheitlichen Regelung steht („mangels Vereinheitlichung im Unionsrecht“77), dem Unionsgesetzgeber wiederum die Ausgestaltung der Niederlassungsfreiheit gem. Art. 50 AEUV obliegt und er dabei über einen weiten Beurteilungsspielraum verfügt.78 Im Übrigen richten sich die Grundfreiheiten ohnehin vor allem an die Mitgliedstaaten, denen dadurch einseitige Maßnahmen zur Behinderung des Binnenmarktes untersagt werden. Der einheitlichen Ausgestaltung des Unionsrechts selbst stehen die Grundfreiheiten hingegen nicht entgegen.79
75 EuGH v. 22.11.1978 – Rs. 33/78 – Somafer, BeckEuRS 1978, 67189 Rz. 12; Stelmaszczyk, EuZW 2017, 890, 894 m.w.N. 76 Kindler, NZG 2018, 1, 6. 77 EuGH v. 25.10.2017 – C-106/16 – Polbud-Wykonawstwo sp. z o.o. in Liquidation, Rz. 33 f., NZG 2017, 1308, 1310 Rz. 33 f. = GmbHR 2017, 1261 m. Anm. Bochmann/Cziupka. 78 EuGH v. 10.12.2002 – C-491/01 Rz. 123– British American Tobacco, BeckRS 2004, 77482, Rz. 123. 79 Zutreffend Stelmaszczyk, EuZW 2017, 890, 894 m.w.N.; König/Bormann, NZG 2012, 1241, 1243.
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Bericht über die Diskussion des Referats Hushahn Nina Benz/Anton S. Zimmermann Wissenschaftliche Mitarbeiter, Universität Heidelberg 1
Bayer (Universität Jena) eröffnete die Diskussion, indem er Hushahn für seinen Vortrag dankte und noch einmal die Bedeutung der EuGH-Entscheidung für die Freiheit der Sitzverlegung betonte.
2 Wertenbruch (Universität Marburg) begann anschließend die Diskussion mit der Anmerkung, dass in Polbud einmal mehr eine Kapitalgesellschaft unter Berufung auf die Niederlassungsfreiheit den Weg zum EuGH gesucht habe. Interessant sei daneben aber auch, wie es um die grenzüberschreitende Mobilität von Personengesellschaften stehe. Im Ausgangspunkt könne für rechtsfähige Personengesellschaften im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit kaum etwas anderes gelten als für Kapitalgesellschaften. Auch der konstruktiv denkbare Umweg, die Personengesellschaft vor der Grenzüberschreitung in eine Kapitalgesellschaft umzuwandeln, sei eher unpraktikabel und deshalb im Ergebnis nicht befriedigend. 3 Hushahn antwortete darauf, er habe die Personengesellschaften aus seinem Vortrag bewusst ausgeklammert, weil es hierzu noch keine Rechtsprechung gebe, so dass noch keine eindeutige rechtspraktische Leitlinie erkennbar sei. Grundsätzlich liege die Vergleichbarkeit beider Gesellschaftstypen mit Blick auf die Niederlassungsfreiheit aber in der Tat nahe. 4 Zwirlein (München) gab zu bedenken, dass die Entscheidung in der Sache Polbud nicht notwendigerweise als überraschend wahrgenommen werden müsse – zumindest dann nicht, wenn man sich von der deutschen, kollisionsrechtlichen Lesart der bisherigen EuGH-Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit löse. Ein alternatives Verständnis der Vorgaben des EuGH könne etwa darin bestehen, dass den Mitgliedstaaten eine Definitionshoheit für die nach ihrem Recht konstituierten Gesellschaften eingeräumt werde. Bei einem solchen Verständnis hätte der EuGH seine Rechtsprechung lediglich insofern weiterentwickelt, als auch das in Polbud in Rede stehende Konstrukt ausreichen kann. Daneben äußerte Zwirlein Zweifel daran, dass innerhalb der EU, auf deren Mitgliedstaaten sich der Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit und damit die EuGH-Rechtsprechung beschränke, von Briefkastenge-
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sellschaften tatsächlich eine erhebliche Gefahr ausgehe. Schließlich befinde man sich hier in einem regulierten und teilweise auch harmonisierten Binnenmarkt. Hushahn antwortete mit Blick auf das Überraschungsmoment der Entscheidung, dass diese immerhin im Widerspruch zur generalanwaltlichen Stellungnahme stehe, obwohl diese die vorangegangene Rechtsprechung des EuGH rezipiert hatte. Auch die herrschende Lehre war zuvor von einer anderen Rechtslage ausgegangen. Die Sorge um Briefkastengesellschaften, so Hushahn weiter, sei auch innerhalb der EU begründet, weil von den Mitgliedstaaten sehr unterschiedliche Anforderungen gestellt würden. Die Vorstellung eines Europas als einheitlicher Raum des Rechts und des gegenseitigen Vertrauens sei mit Blick auf die bestehenden Missbrauchspotentiale (insbesondere zur Geldwäsche und Firmenbestattung) zu idealistisch. Es bestehe schlicht kein schutzwürdiger Grund für reine Briefkastengesellschaften.
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Könen (Universität zu Köln) adressierte das im Vortrag angesprochene Erfordernis eines genuine link. Hierfür fehle es dem europäischen Gesetzgeber bereits an der erforderlichen Regelungskompetenz, vielmehr bestünde insofern eine Regelungsautonomie der Mitgliedstaaten.
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Otte (Köln) wies in Ansehung von Art. 86c Abs. 3 des RL-Vorschlags auf 7 die englische Sprachfassung hin. Diese sei weitergehend als die deutsche, indem sie nicht bloß die Unrechtmäßigkeit adressiere, sondern stattdessen mit dem zumindest prima facie weiteren Begriff „undue“ arbeite. Hushahn erklärte, dass man sich in der Kommission der verschiedenen 8 Anforderungsniveaus der beiden Sprachfassungen eventuell nicht bewusst sei, der Punkt sei aber in der Tat von Interesse. Behme (Universität Leipzig) äußerte vier Anmerkungen. Erstens schloss 9 er sich der Bemerkung von Zwirlein dahingehend an, dass die Entscheidung nicht notwendig als überraschend wahrgenommen werden müsse. Die Rechtsprechung verfolge im Hinblick auf die grenzüberschreitende Mobilität eine schlichte Anerkennungslogik, von der auch Polbud getragen sei: Wenn ein Mitgliedstaat einen bestimmten Tatbestand (Neugründung oder Formwechsel) für die Entstehung einer Gesellschaft nach seinem nationalen Recht ausreichen lasse, müssen die anderen Mitgliedstaaten dies anerkennen. Zweitens merkte Behme an, dass eine isolierte Satzungssitzverlegung in einen Sitztheoriestaat im Grundsatz durchaus
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denkbar sei. Dies sei dann möglich, wenn der Verwaltungssitzstaat (= ursprünglicher Herkunftsstaat), dessen Recht durch die Sitztheorie kollisionsrechtlich zur Anwendung berufen werde, auf das Recht des Satzungssitzes (= Aufnahmestaat) zurückverweise, der über die Zulässigkeit der isolierten Satzungssitzverlegung dann auf sachrechtlicher Ebene entscheiden müsse. Drittens sei die Analogie zum Mitbestimmungsrecht des SEGB praktisch schwer vorstellbar, solange es auf dem Gebiet keine unionsrechtlichen Vorgaben gebe und der Aufnahmestaat möglicherweise keine Mitbestimmung von Arbeitnehmern im Aufsichtsrat kenne; eine Verpflichtung des Aufnahmestaates zur Durchsetzung einer im Verhandlungswege gefundenen oder kraft gesetzlicher Auffanglösung bestehenden Mitbestimmung sei de lege lata nicht erkennbar. Viertens äußerte Behme Bedenken daran, dass das Erfordernis eines genuine link durch unionales Sekundärrecht eingeführt werden könne: Wenn primärrechtliche Vorgaben in Gestalt der Niederlassungsfreiheit bestünden, determiniere dies auch den Handlungsspielraum des unionalen Sekundärrechts. 10 Hushahn antwortete auf die erste Anmerkung, die bisherigen Anerkennungskonstellationen wiesen erhebliche Unterschiede zur Fallkonstellation in der Sache Polbud auf. In Polbud seien nämlich im Wegzugsstaat bereits Rechtsbeziehungen zwischen der Gesellschaft und anderen Personen entstanden. Das mit der bereits aufgenommenen Geschäftstätigkeit begründete Vertrauen von Gläubigern, Arbeitnehmern und Minderheitsgesellschaftern sei eine beachtliche Besonderheit der Fallkonstellation. Der zweiten Bemerkung stimmte Hushahn zu. Die Darstellung im Vortrag sei an dieser Stelle bewusst vereinfachend gewesen. Über einen Renvoi sei bei Annahme der Rückverweisung auch eine Satzungssitzverlegung in einen Sitztheoriestaat denkbar, wenn die Rückverweisung angenommen werde. Zur dritten Anmerkung erklärte Hushahn, dass dies in der Tat ein schwieriger Punkt sei. Mit seiner Ansicht sei nicht zuletzt auch ein rechtspolitischer Impetus verbunden. Insbesondere der Arbeitnehmerschutz erfordere für seine Wirksamkeit eine europäische Regelung. Zur vierten Anmerkung entgegnete Hushahn, dass das Primärrecht gerade nicht ein bestimmtes Anknüpfungsmerkmal von Gesellschaften zur Rechtsordnung eines Mitgliedstaates vorgebe. Der EuGH habe in Polbud vielmehr nochmals klargestellt, dass die Anknüpfung nur „mangels Vereinheitlichung im Unionsrecht“ den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen vorbehalten sei.
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Allmendinger (Frankfurt/M.) warf die Frage nach dem Nutzen von Han- 11 delsregisterbescheinigungen auf. Dafür werde schließlich nur die Absicht einer wirtschaftlichen Betätigung im entsprechenden Staat verlangt. Damit seien jedenfalls noch keine unumkehrbaren Maßnahmen gefordert. Daneben wies Allmendinger noch auf ein aktuelles Urteil des OLG Frankfurt hin, demzufolge die erfolgreiche Eintragung in einem anderen Mitgliedstaat als Zuzugsstaat deutsche Register dazu zwinge, den Wegzug anzuerkennen. Hushahn verwies demgegenüber auf den Zweck der Bescheinigungen, 12 in deren Ansehung präventiv wirkende Sanktionen bei Abgabe falscher Versicherungen in Betracht kämen. Diese Sanktionen hätten durchaus Abschreckungswirkung. Zudem merkte er an, dass in der Praxis mit der Absicht, sich wirtschaftlich in einem Land zu betätigen, regelmäßig auch bereits ein gewisses Maß wirtschaftlicher Betätigung (etwa durch Zweigniederlassungen) einhergehe. Die von Allmendinger angesprochene Entscheidung des OLG Frankfurt kritisierte Hushahn als krasse Fehlentscheidung: Eine heilende Wirkung ausländischer Eintragungen für nationale Rechtsvorschriften sei gerade nicht unionsrechtlich vorgegeben, der EuGH verlange in derartigen Konstellationen nur eine sukzessive Anwendung beider Rechte. Diese erfolge aber nicht, wenn die Eintragung im Zuzugsstaat die Erfüllung der Voraussetzungen im Wegzugsstaat entbehrlich mache. Hushahn äußerte sich ferner zu praktischen Bedenken aus dem Plenum: 13 In der Tat werde weder das Bescheinigungserfordernis noch die Rechtsgrundlage der Vorgänge einheitlich gehandhabt. Gerade dies sei jedoch ein Argument für die Wichtigkeit einer Verständigung mit allen Beteiligten im Wegzugs- und Zuzugsstaat. Im Übrigen seien §§ 122a ff. UmwG, die nach Berichten aus dem Plenum teilweise anstelle von Art. 8 SE-VO angewendet würden, zwar möglicherweise verbreiteter, bekannter und würden deshalb vermehrt herangezogen, Art. 8 SE-VO stelle aber dennoch das sachnähere Gesetz dar. Insgesamt zeigten die zahlreichen Wortbeiträge – so Hushahn –, dass das Thema für die Rechtspraxis von größter Bedeutung sei und es sich um eine Debatte handle, die mit einem eher hohen Maß an Emotion geführt werde.
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Stichwortverzeichnis Die Angaben beziehen sich auf die Seitenzahlen. actio pro socio – Fremdgeschäftsführer einer Komplementär-GmbH 5 f., 25 Aktionär – Ungleichbehandlung 16 f. Ad-hoc-Publizität – Selbstbefreiung 131 f., 135 – Zwischenschritt 129, 131, 133 Business Combination Agreements (BCAs) – Anwendung von Holzmüller/Gelatine 157 ff. – Abgrenzung zu Investment Agreements und Gesellschaftervereinbarungen 139 – Beherrschungsvertrag, verdeckter 150 ff., 167 – Hauptversammlungszuständigkeit 144 ff., 165 ff. – Holzmüller/Gelatine-Rechtsprechung 157 ff., 167 f. – Inhalte 138 ff. – Klauseln 140 ff., 146 – Regelungsinhalt 140 ff. Feststellungsklage – Klagefrist 13 ff. – Vorstands- und Aufsichtsratsbeschluss 13 ff. Formwechsel, grenzüberschreitender – Folgen 180 ff. GbR-Gesellschafter – Anfechtungsbefugnis 10 f., 26 – Notgeschäftsführungsbefugnis 11, 26 – Prozessführungsbefugnis 10 f. Gesellschafterausgleich – rückständige Einlagen, Einforderung 2 ff., 22 f.
gestreckte Vorgänge – Compliance-System 130 – Insiderinformation 109 ff., 128 ff. – Kurserheblichkeit 122 ff. – Kursspezifität 118 ff. GmbH – Zahlungsunfähigkeit 11 f. Haftung – Kommanditist 6 ff. – Liquidator 12 f. – Vorstand 20 f. Hauptversammlung – Business Combinations Agreements (BCAs) 144 ff., 165 ff. – notarielle Niederschrift, Berichtigung 17 ff., 27 – Zustimmung 144 ff., 165 ff. Insiderinformation – gestreckte Vorgänge 117 ff., 128 ff. – Kurserheblichkeit 113 ff. – Präzision 110 ff. – Vorgespräch 124 ff., 127 – Zwischenschritt 120 ff. Kapitalerhöhungsbeschluss – Nichtigkeit 16 KG – Insolvenz 6 ff. – Kommanditistenhaftung 6 ff., 24 f. Kommanditist – Geltendmachung von Ansprüchen der KG 5 f., 24 f. – Haftung 6 ff. Kurserheblichkeit – Probability/Magnitude-Test 115 ff. – Zwischenschritt 122 ff.
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Stichwortverzeichnis Liquidation – Haftung 12 f. – Resteinlage 2 ff., 22 f. Organhaftung – Schienenkartellfall 36 f. – Unternehmensgeldbuße 29 ff. Polbud-Entscheidung – Folgen 180 ff. – rechtliche Würdigung 178 ff., 186 ff. Regressklage – Rechtsweg 68 ff. – Zuständigkeit 68 ff. Sitzverlegung, grenzüberschreitende – Herausformwechsel 172 – Hineinformwechsel 172 – Polbud-Entscheidung 177 ff., 186 ff. – Richtlinie 182 ff. Stiftung – Auslandsverlagerung 105 – Foundation Governance 99 f., 106 – Gestaltungsgrenze 96 ff. – Gestaltungsoption 101 ff. – Nachfolgeinstrument 91 ff. – Rechtsentwicklung 94 ff.
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Spaltung 105 f. Stifterwillen 85, 89, 106 Corporate Governance 85 f. Unternehmensträger 83 ff. unternehmensverbundene ~ 83 ff.
Unternehmensgeldbuße – Kartellrecht 34 – Konzern 35 f. – Ordnungswidrigkeitenrecht 32 ff. – Organhaftung 65 ff. – Regressfähigkeit 38 ff., 77 ff. – Regressumfang 57 ff., 78 ff. – Vorteilsausgleich 79 Vorstand – Haftung 20 f., 27 f. Vorstandshaftung – Einwilligung Alleinaktionär 20 f. Zustimmung – Hauptversammlung 144 ff. Zwischenschritt – Ad-hoc-Publizität 129, 131 – Compliance-System 130, 136 – Fundamentalwert 133 f. – Kurserheblichkeit 122 ff. – präzise Information 120 f. – Vorgespräch 125 f.
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Tiefe
Schriftenreihe der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung (VGR) Bd. 1 – Gesellschaftsrecht in der Diskussion 1998 Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung. Herausgegeben von der Vereinigung. 1999, 146 S., brosch. 29,80 7. ISBN 978-3-504-62701-0 Bd. 2 – Gesellschaftsrecht in der Diskussion 1999 Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung. Herausgegeben von der Vereinigung. 2000, 281 S., brosch. 49,80 7. ISBN 978-3-504-62702-7 Bd. 3 – Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2000 Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung. Herausgegeben von der Vereinigung. 2001, 200 S., brosch. 38,– 7. ISBN 978-3-504-62703-4 Bd. 4 – Umwandlungen in den neuen Bundesländern nach der Rechtsprechung des BGH Von RiLG Dr. Guido Wißmann, RiLG Dr. Markus Märtens und VorsRiLG Dr. Enno Bommel. Herausgegeben von der Vereinigung. 2001, 171 S., brosch. 34,80 7. ISBN 978-3-504-62704-1 Bd. 5 – Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2001 Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung. Herausgegeben von der Vereinigung. 2002, 205 S., brosch. 42,80 7. ISBN 978-3-504-62705-8 Bd. 6 – Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2002 Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung. Herausgegeben von der Vereinigung. 2003, 204 S., brosch. 49,80 7. ISBN 978-3-504-62706-5 Bd. 7 – Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling Von RA Dr. Jochen Vetter und RA Dr. Christoph Stadler. Herausgegeben von der Vereinigung. 2003, 168 S., brosch. 34,80 7. ISBN 978-3-504-62707-2
Bd. 8 – Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2003 Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung. Herausgegeben von der Vereinigung. 2004, 195 S., brosch. 49,80 7. ISBN 978-3-504-62708-9 Bd. 9 – Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2004 Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung. Herausgegeben von der Vereinigung. 2005, 187 S., brosch. 47,80 7. ISBN 978-3-504-62709-6 Bd. 10 – Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2005 Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung. Herausgegeben von der Vereinigung. 2006, 179 S., brosch. 47,80 7. ISBN 978-3-504-62710-2 Bd. 11 – Die GmbH-Reform in der Diskussion Sondertagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung. Herausgegeben von der Vereinigung. 2006, 244 S., brosch. 59,80 7. ISBN 978-3-504-62711-9
Tiefe
Schriftenreihe der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung (VGR) Bd. 12 – Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2006 Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung. Herausgegeben von der Vereinigung. 2007, 226 S., brosch. 54,80 7. ISBN 978-3-504-62712-6 Bd. 13 – Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007 Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung. Herausgegeben von der Vereinigung. 2008, 196 S., brosch. 54,80 7. ISBN 978-3-504-62713-3 Bd. 14 – Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2008 Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung. Herausgegeben von der Vereinigung. 2009, 206 S., brosch. 54,80 7. ISBN 978-3-504-62714-0 Bd. 15 – Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2009 Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung. Herausgegeben von der Vereinigung. 2010, 182 S., brosch. 49,80 7. ISBN 978-3-504-62715-7 Bd. 16 – Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2010 Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung. Herausgegeben von der Vereinigung. 2011, 254 S., brosch. 64,80 7. ISBN 978-3-504-62716-4 Bd. 17 – Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2011 Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung. Herausgegeben von der Vereinigung. 2012, 215 S., brosch. 54,80 7. ISBN 978-3-504-62717-1 Bd. 18 – Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2012 Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung. Herausgegeben von der Vereinigung. 2013, 205 S., brosch. 54,80 7. ISBN 978-3-504-62718-8 Bd. 19 – Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2013 Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung. Herausgegeben von der Vereinigung. 2014, 166 S., brosch. 44,80 7. ISBN 978-3-504-62719-5 Bd. 20 – Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2014 Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung. Herausgegeben von der Vereinigung. 2015, 244 S., brosch. 59,80 7. ISBN 978-3-504-62720-1 Bd. 21 – Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2015 Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung. Herausgegeben von der Vereinigung. 2016, 192 S., brosch. 49,80 7. ISBN 978-3-504-62721-8 Bd. 22 – Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2016 Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung. Herausgegeben von der Vereinigung. 2017, 252 S., brosch. 64,80 7. ISBN 978-3-504-62722-5 Bd. 23 – Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2017 Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung. Herausgegeben von der Vereinigung. 2018, 226 S., brosch. 64,80 7. ISBN 978-3-504-62723-2