120 24 3MB
German Pages 295 Year 2012
Schriften zum Strafrecht Heft 231
Erinnerungsstrafrecht Eine Neubegründung des Verbots der Holocaustleugnung auf rechtsvergleichender und sozialphilosophischer Grundlage
Von
Milosz Matuschek
Duncker & Humblot · Berlin
MILOSZ MATUSCHEK
Erinnerungsstrafrecht
Schriften zum Strafrecht Heft 231
Erinnerungsstrafrecht Eine Neubegründung des Verbots der Holocaustleugnung auf rechtsvergleichender und sozialphilosophischer Grundlage
Von
Milosz Matuschek
Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Universität Regensburg hat diese Arbeit im Jahre 2011 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten
© 2012 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 978-3-428-13733-6 (Print) ISBN 978-3-428-53733-4 (E-Book) ISBN 978-3-428-83733-5 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Für meine Eltern
„Wie auch immer dieser Krieg ausgeht – den Krieg gegen Euch haben wir gewonnen. Keiner von Euch wird übrigbleiben, um Zeugnis abzulegen, aber selbst wenn einer davonkommen sollte, würde ihm die Welt nicht glauben. Vielleicht wird es Vermutungen geben, Diskussionen, Untersuchungen von Historikern, aber es wird keinerlei Gewißheit geben, weil wir Euch samt den Beweisen zerstören werden. Und selbst wenn irgendein Beweis übrigbleiben und einer von euch überleben sollte, werden die Leute sagen, daß die Dinge, von denen ihr da berichtet, zu ungeheuerlich sind, als daß man sie glauben könnte . . . Die Geschichte der Lager werden wir diktieren.“1
1
SS-Mann zu KZ-Häftlingen, zitiert nach: Agamben, S. 137.
Vorwort Diese Arbeit wurde im Sommer 2011 von der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Regensburg als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Schrifttum wurden bis Ende Juli 2011 berücksichtigt. Für die Veröffentlichung wurde insbesondere der letzte Teil der Arbeit über den europäischen Rahmenbeschluss auf den neuesten Stand gebracht. Mein Dank gilt an erster Stelle meinem Doktorvater Prof. Dr. Tonio Walter für sein Interesse an diesem Thema, die Freiheit, die er mir beim Forschen ließ, sowie die vielfältige direkte, unbürokratische Unterstützung bei der Förderung erster Publikationen sowie bei Bewerbungen um Stipendien. Ich habe auch für das sorgfältig erstellte Erstgutachten zu danken. Herrn Prof. Dr. Michael Pawlik danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Zu danken habe ich auch Herrn Prof. Dr. Dr. Alfons Bürge von der Ludwig-Maximilians-Universität in München, der mich ebenfalls vielfältig unterstützt hat, z. B. in Form einer Stelle als wissenschaftliche Hilfskraft im Rahmen des Austauschprogramms mit der Université Panthéon-Assas (Paris II) und bei Bewerbungen um Stipendien. Mein besonderer Dank gilt meinen Eltern. Sie haben die Entstehung der Arbeit von Anfang bis Ende vorbehaltlos ideell und materiell unterstützt und mir erlaubt, meiner persönlichen Neigung nachzugehen, ohne die fehlende bilanzierbare Verwertbarkeit von über drei Jahren Forschungsarbeit zu beklagen. Dafür danke ich und widme ihnen diese Arbeit. Bei der Entstehung der Arbeit haben mich viele Personen begleitet, denen ich für förderliche Gespräche und Diskussionen, Kritik, Hinweise und Ideen zu danken habe. Gerade bei einer Arbeit, die über die Grenzen der Rechtswissenschaft hinausgeht, war mir dies von unschätzbarem Wert. Ich danke Dottore Dario Franzin (Rom), Doktorandin Aleksandra Gliszczyn´skaGrabias (Poznan´ /Yale), Dr. phil. Harald Münster (München), Dr. phil. Andreas Peschl (Bergen), Dr. phil. Jan-Markus Pinjuh (München), Dr. jur. Rupprecht Podszun (München) und Doktorand Stanisław Tosza (Krakau/ Luxemburg). Ganz besonders zu danken habe ich Rechtsanwältin Ania Lesinska (Berlin) für die selbstlose Bereitschaft, das Manuskript korrekturzulesen. Ebenso zu danken habe ich Frau Dr. jur. Ewa Weigand für das Korrekturlesen der Polen betreffenden Teile meiner Arbeit. Ihr danke ich zudem dafür, dass sie es mir als Referatsleiterin für Polen und Südosteuropa zwei Mal ermöglicht hat, am Max-Planck-Institut für internationales
10
Vorwort
und ausländisches Strafrecht in Freiburg zu forschen. Mein Dank gilt auch Doktorandin Sarah Kiesel, wissenschaftliche Mitarbeiterin am MPI in Freiburg, für das Korrekturlesen des Teils zum materiellen Verbrechensbegriffs sowie Doktorand Harald Weiß, ebenfalls wissenschaftlicher Mitarbeiter am MPI in Freiburg, für den regen Austausch über den europäischen Rahmenbeschluss. Meinem Bruder Dominik Matuschek danke ich für die helfende Hand bei den letzten Korrekturarbeiten am Manuskript. Mein besonderer Dank gilt schließlich auch der Fondation pour la Mémoire de la Shoah (Paris), die mein Dissertationsvorhaben zwei Jahre lang mit einem großzügigen Vollstipendium unterstützt hat. Eine thematisch passendere Stiftung hätte ich mir nicht wünschen können. Herrn Dr. Dominique Trimbur sei hier stellvertretend für die Stiftung herzlich gedankt. Mein herzlicher Dank gilt auch dem Regensburger Verein Bayhost e. V. für die Bezuschussung eines mehrmonatigen Forschungsaufenthalts an der Jagellonien Universität Krakau. Am Anfang der Arbeit stand ein Wort. Genauer gesagt: ein Widerwort. Und zwar zu einem Leitartikel in der F.A.Z. v. 12.03.2007, der sich kritisch mit der europaweiten Pönalisierung der Holocaustleugnung auseinandersetzte. Aus ersten Gedanken in einem kühnen Leserbrief vom 13.04.2007 wurde schließlich diese Arbeit. Danke für den Stein des Anstoßes, Herr Müller! Berlin, im Juli 2011
Milosz Matuschek
Inhaltsübersicht Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
Erster Teil Was schützt das Verbot der Holocaustleugnung?
33
1. Kapitel:
Negationismus als Straftat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
2. Kapitel:
Das Verbot der Holocaustleugnung in der rechtspolitischen Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46
Das Schutzgut des Verbots der Holocaustleugnung . . . . . . . . . . . . . .
86
3. Kapitel:
Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Zweiter Teil Das Verbot der Holocaustleugnung als Erinnerungsgesetz
105
4. Kapitel:
Die Erinnerung an den Holocaust als sozialer Zustand. . . . . . . . . . . 105
5. Kapitel:
Die Erinnerung an den Holocaust als rechtliches Postulat . . . . . . . . 118
6. Kapitel:
Die kollektive Erinnerung als strafrechtliches Schutzgut . . . . . . . . . 130
Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 Dritter Teil Sind Erinnerungsgesetze ideengeschichtlich vertretbar?
149
7. Kapitel:
Gemeinschaftliche Elemente in der neuzeitlichen Sozialphilosophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
8. Kapitel:
Gemeinschaftliche Elemente in der neuzeitlichen Strafrechtsphilosophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181
12
Inhaltsübersicht Vierter Teil Sind Erinnerungsgesetze strafrechtsdogmatisch integrierbar?
9. Kapitel:
183
Verbrechensbegriff und Gemeinschaftsinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . 183
10. Kapitel: Die Integration der kollektiven Erinnerung in die Strafrechtsdogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 Fünfter Teil Sind Erinnerungsgesetze verfassungsrechtlich rechtfertigbar?
220
11. Kapitel: Grund und Grenzen der Meinungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 12. Kapitel: Das Verbot der Holocaustleugnung in der Verfassungsrechtsprechung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Sechster Teil Europas Erinnerungsgesetz?
238
13. Kapitel: Der EU-Rahmenbeschluss (2008/913/JI) v. 28.11.2008 . . . . . . . . . . 238 Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 Sachwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290
Inhaltsverzeichnis Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zielsetzung und thematische Einbettung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zitierweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29 29 30 32
Erster Teil Was schützt das Verbot der Holocaustleugnung?
33
1. Kapitel Negationismus als Straftat
33
A. Was ist Negationismus? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
B. Geschichtliche und methodische Aspekte des Negationismus . . . . . . . . . . . I. Der Ursprung des Negationismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Methoden der Negationisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36 36 39
C. Der Begriff „lois mémorielles“ – Erinnerungsgesetze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Was sind Erinnerungsgesetze? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Klassifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Eingrenzung des Begriffs „Erinnerungsgesetz“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41 41 43 44
2. Kapitel Das Verbot der Holocaustleugnung in der rechtspolitischen Diskussion A. Deutschland: § 130 Abs. 3 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gesellschaftlicher Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Initiative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verlauf der parlamentarischen Debatte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Pro-Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Contra-Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtspolitische Stellungnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Stellungnahmen aus der Gesellschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Positive Kommentare. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kritische Kommentare. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46 46 46 47 48 48 50 51 51 51 52
14
Inhaltsverzeichnis 2. Stellungnahmen aus der Rechtswissenschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Positive Kommentare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kritische Kommentare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53 53 54
B. Frankreich: Art. 24bis frz. PresseG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gesellschaftlicher Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Initiative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verlauf der Debatte in der Assemblée Nationale und im Senat. . . . . . . . . 1. Pro-Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Contra-Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtspolitische Stellungnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Stellungnahmen aus der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Positive Kommentare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kritische Kommentare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stellungnahmen aus der Rechtswissenschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Positive Kommentare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kritische Kommentare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55 55 56 57 57 60 61 62 62 63 65 65 67
C. Polen: Art. 55 i. V. m. Art. 1 IPN-G . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gesellschaftlicher Hintergrund. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Initiative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verlauf der Debatte im Sejm und im Senat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Pro-Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Contra-Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtspolitische Stellungnahmen zu Art. 55 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 IPN-G 1. Stellungnahmen aus der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Positive Kommentare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kritische Kommentare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stellungnahmen aus der Rechtswissenschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Positive Kommentare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kritische Kommentare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68 68 70 71 71 72 73 73 73 74 75 75 76
D. England. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gesellschaftlicher Kontext und Initiative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Pro- und Contra-Argumente in Gesellschaft und Rechtswissenschaft . . .
77 77 78
E. Kritische Stellungnahme zur rechtspolitischen Diskussion . . . . . . . . . . . . . . I. Deontologische Argumente. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Totalitarismusargument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Übermaßargument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Ausnahmegesetzargument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Konsequentialistische Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Märtyrerargument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Aufmerksamkeitsargument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Dammbruchargument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
79 79 79 81 82 83 83 84 85
Inhaltsverzeichnis
15
3. Kapitel Das Schutzgut des Verbots der Holocaustleugnung A. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der öffentliche Friede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Definitionsansätze des öffentlichen Friedens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Anwendung auf das Verbot der Holocaustleugnung. . . . . . . . . . . . II. Individualschützende Rechtsgüter jenseits des öffentlichen Friedens . . . 1. Die Menschenwürde. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Ehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Strafgründe jenseits etablierter Rechtsgutskategorien . . . . . . . . . . . . . . . . .
86 86 87 87 89 91 91 92 93
B. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 I. Die kollektive Erinnerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 II. Der ordre public. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 III. Die Menschenwürde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 IV. Das demokratische Gemeinwesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 C. Polen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 I. Die Erinnerung und die historische Wahrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 II. Die Ehre und die Menschenwürde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
Zweiter Teil Das Verbot der Holocaustleugnung als Erinnerungsgesetz
105
4. Kapitel Die Erinnerung an den Holocaust als sozialer Zustand
105
A. Soziale Bindung im modernen Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Keine Gemeinschaft ohne Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Überholte staatliche Bindungselemente: Religion, Rasse und Abstammung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die moderne Nation als politische Glaubensgemeinschaft . . . . . . . . . . . . IV. Die moderne Nation als Erinnerungsgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
105 105
Erinnerungskultur an den Holocaust als Identifikationselement . . . . Die Entwicklung der Erinnerungskultur an den Holocaust . . . . . . . . . . . . Die Offizialisierung der Erinnerungskultur an den Holocaust. . . . . . . . . . Die Erinnerung als „soziale Tatsache“ (Durkheim) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
113 113 115 117
B. Die I. II. III.
107 109 111
16
Inhaltsverzeichnis 5. Kapitel Die Erinnerung an den Holocaust als rechtliches Postulat
118
A. Soziale Integration durch Recht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 B. Erinnerung und Öffentliches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Präambel zum Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Übergangsvorschrift des Art. 139 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die wehrhafte Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Der Begriff der „öffentlichen Ordnung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
120 120 121 122 124
C. Erinnerung und Strafrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Vergangenheitsbezug in den Straftheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kollektive Erinnerung durch Strafverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Materielle Grundentscheidungen für die Erinnerung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
126 126 127 128
6. Kapitel Die kollektive Erinnerung als strafrechtliches Schutzgut
130
A. Der Begriff der kollektiven Erinnerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 B. Konzeptionen der kollektiven Erinnerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 I. Die kollektive Erinnerung bei Halbwachs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 II. Die kollektive Erinnerung bei J. Assmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 C. Das Rechtsgut der kollektiven Erinnerung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 I. Die Erinnerung als werthafter Bewusstseinszustand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 II. Die kollektive Erinnerung als Gemeinrechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 D. Die Schutzbedürftigkeit der kollektiven Erinnerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Einsatz des Strafrechts als Ultima ratio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Notwendigkeit des Verbots der Holocaustleugnung . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die natürliche Erosionsanfälligkeit der kollektiven Erinnerung. . . . . . 2. Das personale Defizit in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung . . 3. Das strukturelle Defizit in der kommunikativen Auseinandersetzung
137 137 138 138 139 140
E. Erinnerungsstrafrecht als Identitätsstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Was ist Identitätsstrafrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die drei Ebenen des Identitätsstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die hybride Struktur des modernen Strafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
143 143 144 145
Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
Inhaltsverzeichnis
17
Dritter Teil Sind Erinnerungsgesetze ideengeschichtlich vertretbar?
149
7. Kapitel Gemeinschaftliche Elemente in der neuzeitlichen Sozialphilosophie
149
A. Welcher Staat? Eine sozialphilosophische Gefühlslage . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 B. Der Holismus in der Staatsphilosophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 I. Die Staatsgründung aus atomistischer Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 II. Die Staatsgründung aus holistischer Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 C. Der Kollektivismus in der Staatsphilosophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 I. Der Gesellschaftsvertrag als individualistisches Paradigma. . . . . . . . . . . . 157 II. Die Entdeckung der Gemeinschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 8. Kapitel Gemeinschaftliche Elemente in der neuzeitlichen Strafrechtsphilosophie
164
A. Hobbes: Strafrecht zum Schutz der Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 B. Locke: Strafrecht als Individual- und Kollektivschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 C. Montesquieu: Das Strafrecht als Ausdruck eines „esprit de nation“ . . . . 167 D. Rousseau: Das Verbrechen als Bruch des Gesellschaftsvertrages . . . . . . . 169 E. Beccaria: Gesellschaftsschutz vor Individualschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 F. Kant: Die Lüge als Verbrechen gegen den Urvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 G. Hegel: Die Strafe als Mittel zur Bewahrung des Allgemeinen . . . . . . . . . . 176 H. Durkheim: Verbrechen als Verletzung eines Kollektivbewusstseins . . . . . 178 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 Vierter Teil Sind Erinnerungsgesetze strafrechtsdogmatisch integrierbar?
183
9. Kapitel Verbrechensbegriff und Gemeinschaftsinteressen
183
A. Der materielle Verbrechensbegriff in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 I. Der Begriff des Rechtsguts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 II. Die Funktion des Rechtsguts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186
18
Inhaltsverzeichnis 1. Das Rechtsgut als Begrenzungskriterium des Strafrechts . . . . . . . . . . . 2. Das Rechtsgut als Auffangform für alle legitimen Interessen . . . . . . . 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gemeinschaftsbelange in der Strafrechtsdogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
186 187 188 189
B. Der materielle Verbrechensbegriff in Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Definition des Verbrechens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Funktion der Verbrechensdefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Rolle des „intérêt protégé“ oder „bien juridique“ . . . . . . . . . . . . . . . .
190 190 192 193
C. Der materielle Verbrechensbegriff in Polen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Von der Gesellschaftsgefährlichkeit zur Gesellschaftsschädlichkeit . . . . . II. Der Begriff der Gesellschaftsschädlichkeit in Art. 1 § 2 poln. StGB von 1997 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Ausklammerung aus der materiellen Verbrechensdefinition . . . . . 2. Die Integration in die materielle Verbrechensdefinition. . . . . . . . . . . . . III. Die Verbrechensdefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Funktion des Rechtsguts („dobro prawne“). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
195 195 198 199 200 201 203
D. Der materielle Verbrechensbegriff in England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriff und Funktion des Harm Principle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Stellenwert von Gemeinschaftsinteressen und Wertvorstellungen . . . 1. Die „Disintegration Thesis“ (Devlin) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Störungsgrundsatz und das schadlose Unrecht (Feinberg). . . . . . . 3. Die Verhinderung des Allgemeinwohls als Schaden (Raz) . . . . . . . . . . 4. Ideelle Schäden (MacKinnon, Delgado, Tsesis). . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
205 205 207 207 210 212 213
10. Kapitel Die Integration der kollektiven Erinnerung in die Strafrechtsdogmatik
214
A. Deutschland: Die Erinnerung als abstrakt-ideelles Gemeinrechtsgut . . . . 214 B. Frankreich: Die Erinnerung als valeur sociale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 C. Polen: Die Erinnerung als geschützter gesellschaftlicher Wert . . . . . . . . . . 216 D. England: Die Verletzung der Erinnerung als harm? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218
Inhaltsverzeichnis
19
Fünfter Teil Sind Erinnerungsgesetze verfassungsrechtlich rechtfertigbar?
220
11. Kapitel Grund und Grenzen der Meinungsfreiheit
220
A. Die Begründungsarten der Meinungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 B. Das „Truth Principle“ und die Holocaustleugnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das „Truth Principle“ (Milton, Mill) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der „Marketplace of Ideas“ (Wendell-Holmes) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Wahrheitssuche und Holocaustleugnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Wissensargument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Unfehlbarkeitsargument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Vitalitätsargument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
223 223 225 226 226 228 229
12. Kapitel Das Verbot der Holocaustleugnung in der Verfassungsrechtsprechung
230
A. Die Holocaustleugnung und das Grundrecht der Meinungsfreiheit . . . . . 230 I. Die kontinentaleuropäische Verfassungsrechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . 230 II. Die Verfassungsrechtsprechung im angelsächsischen Rechtskreis . . . . . . 233 B. Die kollektive Erinnerung als abwägungsrelevante Größe. . . . . . . . . . . . . . 235 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Sechster Teil Europas Erinnerungsgesetz?
238
13. Kapitel Der EU-Rahmenbeschluss (2008/913/JI) v. 28.11.2008
238
A. Der Inhalt des Rahmenbeschlusses. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 I. Die Genese. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 II. Die Straftatbestände des Rahmenbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 B. Die I. II. III. IV.
Konsequenzen für den deutschen Gesetzgeber. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Pflicht zur Umsetzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Art der Umsetzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Umfang der Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Problemfelder bei der Umsetzung des Rahmenbeschlusses . . . . . . . . . . . .
240 240 241 242 242
20
Inhaltsverzeichnis 1. Der Umfang des Art. 1 Abs. 1 Buchstabe c) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Wahrscheinlichkeit der Aufstachelung zu Gewalt und Hass. . . . . 3. Der Konflikt zwischen Justiz und Geschichtswissenschaft . . . . . . . . . . V. Die Lösung des deutschen Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
243 244 245 246
C. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 Sachwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290
Abkürzungsverzeichnis AA a. A. abl. Abs. AE-StGB AFDI AHSS AJE ALR Americ. J. Soc. Americ. Soc. Rev. A.N. Anm. Annu. Rev. L. Soc. Sci. AöR APuZ Arch. phil. droit Art. AT Aufl. Austl. J. Leg. Phil. A/W/H/H Bd. bearb. begr. BGBl. BGH BGHSt BGHZ BRD BT-Drs. BT-Prot. Buffalo Crim. L. Rev. B. U. L. Rev. BVerfG
Akademie-Ausgabe andere Ansicht ablehnend Absatz Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches Annuaire franc¸ais de droit international Annales. Histoire, Sciences Sociales American Journal of Education Allgemeines preußisches Landrecht The American Journal of Sociology The American Sociological Review Assemblée Nationale, französisches Parlament, im J. O. zitiert Anmerkung Annual Review of Law and Social Science Archiv des öffentlichen Rechts Aus Politik und Zeitgeschichte Archives de philosophie de droit Artikel Allgemeiner Teil Auflage Australian Journal of Legal Philosophy Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf Band bearbeitet begründet Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundesrepublik Deutschland Bundestag Drucksache Stenografische Protokolle des Bundestages Buffalo Criminal Law Review Boston University Law Review Bundesverfassungsgericht
22 BVerfGE B/W/M bzw. CA ca. Cah. fran. Cal. L. Rev. Card. L. Rev. Card. St. L. L. C. cass. C. cass. ch. crim. C. civ. C. const.
CDU C. E. Chap. CJCR CNRS Colum. L. Rev. C. R. Crim. Just. Ethics Crim. L. & Philosophy Crit. Crim. CSU D. DDHC ders. d.h. dies. Diss. DRiZ Dr. pén. Duke J. Comp. & Int’l L. Duke L. J. Duq. U. L. Rev. Dz. U.
Abkürzungsverzeichnis amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Baumann/Weber/Mitsch beziehungsweise Cour d’appel, französisches Berufungsgericht circa Cahiers franc¸ais California Law Review Cardozo Law Review Cardozo Studies in Law and Literature Cour de cassation, französischer Kassationsgerichtshof Cour de cassation, chambre criminelle, französischer Kassationsgerichtshof, Strafkammer Code Civil, französisches Zivilgesetzbuch Conseil constitutionnel, frz. Verfassungsgericht, zitiert nach der amtlichen Entscheidungssammlung (Recueil des arrêts du Conseil Constitutionnel) Christlich-Demokratische Union Conseil d’Etat, oberstes frz. Verwaltungsgericht Chapter/Chapitre = Kapitel Cardozo Journal of Conflict Resolution Centre National de la Recherche Scientifique Columbia Law Review Compte rendu des débats, Debatte im französischen Parlament, zitiert im J. O. Criminal Justice Ethics Criminal Law and Philosophy Critical Criminology Christlich-Soziale Union Recueil Dalloz Sirey (teilweise zitiert mit dem Zusatz „Chron.“ für „Chronique“ oder „J.“ für „Jurisprudence“) Déclaration des Droits de l’Homme et du Citoyen, frz. Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 derselbe das heißt dieselbe Dissertation Deutsche Richterzeitung Droit pénal, frz. Strafrechtszeitschrift Duke Journal of Comparative & International Law Duke Law Journal Duquesne University Law Review Dziennik Ustaw, polnisches Gesetzblatt
Abkürzungsverzeichnis EGMR EMRK
EMRKomm. etc. EU EuGRZ Eur. Comm’n H. R. Dec. & Rep EUV Fasc. FAZ ff. FG Fla. St. U. L. Rev Fn. fortgef. frz. frz. PresseG FS GA Ga. L. Rev. Gaz. Pal. Gaz. Wyb. Geo. Mason L. Rev. Germ. L. J. GG GW Harv. Blackletter L. J. Harv. C. R.-C. L. L. Rev. Harv. L. Rev. H. C.-Prot. HFR Hg. Hist. ZSchr. h. M. HRRS hrsg. HStR
23
Europäischer Gerichtshof für Menschenreche Europäische Menschenrechtskonvention, zitiert nach der amtlichen Entscheidungssammlung (Recueil des arrêts et décisions) Europäische Menschenrechtskommission et cetera Europäische Union Europäische Grundrechte Zeitschrift European Commission of Human Rights, Decision and Reports (zitiert mit Heftnummer und Seite) EU-Vertrag Fascicule (Nummerierte Sektion eines Werkes/Buches) Frankfurter Allgemeine Zeitung folgende (bei Seitenangaben) Festgabe Florida State University Law Review Fußnote fortgeführt französisch französisches Pressegesetz, loi du 29 juillet 1881 sur la liberté de la presse Festschrift Goltdammer’s Archiv Georgia Law Review Gazette du Palais Gazeta Wyborcza, linksliberale polnische Tageszeitung George Mason Law Review German Law Journal Grundgesetz Gesammelte Werke Harvard Blackletter Law Journal Harvard Civil Rights-Civil Liberties Law Review Harvard Law Review Stenografisches Protokoll der Debatte im britischen Unterhaus (House of Commons) Humboldt Forum Recht Herausgeber Historische Zeitschrift herrschende Meinung Online-Zeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung im Strafrecht herausgegeben Handbuch des Staatsrechts
24 ICERD
Abkürzungsverzeichnis
International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination IMG Internationaler Militärgerichtshof Ind. L. J. Indiana Law Journal insbes. insbesondere Int’l Rev. Soc. Hist. International Review of Social History IPbpR Internationaler Pakt für bürgerliche und politische Rechte IPN Instytut Pamie˛ci Narodowej, polnisches Institut für nationales Gedenken IPN-G Gesetz über die Errichtung des polnischen Instituts für nationales Gedenken i. S. d. im Sinne des IStGH Internationaler Strafgerichtshof i. V. m. in Verbindung mit J.-Cl. Jurisclasseur J.-Cl. comm. Jurisclasseur Communication J.-Cl. l. pén. spéc. Jurisclasseur lois pénales spéciales J. Crim. L. & Criminology Journal of Criminal Law and Criminology J. O. Journal Officiel, französisches Amtsblatt JöR Jahrbuch des öffentlichen Rechts JRE Jahrbuch für Recht und Ethik JuS Juristische Schulung kan. StGB kanadisches Strafgesetzbuch KJ Kritische Justiz Krak. Stud. Prawn. Krakowskie Studia Prawnicze, polnische Rechtszeitschrift krit. kritisch KritV Kritische Vierteljahreszeitschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft KZ Konzentrationslager LDH Ligue des Droits de l’Homme (frz. Menschenrechtsvereinigung) LICRA Ligue contra le racisme et l’antisemitisme (frz. Vereinigung gegen Rassismus und Antisemitismus) LK Leipziger Kommentar L/K Lackner/Kühl M/D Maunz/Dürig Mich. L. Rev. Michigan Law Review MK Münchener Kommentar MLR Modern Law Review M. L. Rev. Maine Law Review m. w. N. mit weiteren Nachweisen
Abkürzungsverzeichnis New Germ. Crit. NJW NKWD NP NS NStZ NVwZ o. ä. ONSKW
österr. VerbotsG Oxf. J. Leg. St. PA Pal. PiP PiPr. poln. poln. StGB poln. Verfassung Pos. PPK Prof. Dr. PS PSejm. Publ. Op. Quart. RDP Rec. RechtsA-Prot. Regards Rev. phil. Rev. sc. crim. RFDC RGSt RIDC RIDP Riv. it. Rn. R. Publ. RTD civ.
25
New German Critique Neue Juristische Wochenschrift Nationales Kommissariat für innenpolitische Belange, sowjetischer Geheimdienst Nowe Prawo, poln. Rechtszeitschrift Nationalsozialismus Neue Strafrechtszeitung Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht oder ähnlich(e) Orzecznictwo Sa˛du Najwyz˙szego Izby Karnej i Izby Wojskowej (Urteile des obersten Gerichtshofs Polens, Kammer für Straf- und Wehrsachen) österreichisches Verbotsgesetz Oxford Journal of Legal Studies Petites Affiches, frz. Rechtszeitschrift Palestra, poln. Rechtszeitschrift Pan´stwo i Prawo, poln. Rechtszeitschrift Prokuratura i Prawo, poln. Rechtszeitschrift polnisch polnisches Strafgesetzbuch, kodeks karny polnische Verfassung Position Przegla˛d Prawa Karnego, poln. Strafrechtszeitschrift Professor Doktor Przegla˛d Sa˛dowy, poln. Rechtszeitschrift Przegla˛d Sejmowy, poln. Rechtszeitschrift Public Opinion Quarterly Revue du Droit Public Recueil (frz.: Sammelband) Protokoll des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages Regards sur l’actualité, frz. Zeitschrift Revue philosophique de la France et de l’étranger Revue de science criminelle et de droit pénal comparé Revue franc¸aise de droit constitutionnel Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Revue internationale de droit comparé Revue internationale de droit pénal Rivista italiana di diritto e procedura penale Randnummer Res Publica Revue trimestrielle de droit civil, frz. Zivilrechtszeitschrift
26 RuP Rz. S. SB schweiz. StGB Sejm-Prot. SK Slav. Rev. SN s. o. South Centr. Rev. span. StGB SPD SS Stan. L. Rev. StGB Stud. Iur. StV s. u. Sydney L. Rev. Symp. SZ Taz T/F TGI TierSchG TK Trib. corr. u. a. U. Chi. L. Rev. unveröff. UP L. Rev. UWG v. v. a. VerbrBekG vgl.
Abkürzungsverzeichnis Recht und Politik Rzeczpospolita, konservative polnische Tageszeitung Seite, bzw. Sénat, wenn aus dem französischen Amtsblatt (J. O.) zitiert wird Słuz˙ba Bezpieczen´stwa, polnischer Geheimdienst von 1956–1990 Strafgesetzbuch der Schweiz Stenografische Protokolle der Debatten im polnischen Parlament (Sejm) Systematischer Kommentar Slavic Review Sa˛d Najwyz˙szy, oberstes polnisches Gericht siehe oben South Central Review spanisches Strafgesetzbuch Sozialdemokratische Partei Deutschlands Schutzstaffel Stanford Law Review Strafgesetzbuch Studia Iuridica Strafverteidiger siehe unten Sydney Law Review Symposium Süddeutsche Zeitung die Tageszeitung Tröndle/Fischer Tribunal de grande instance, frz. Gericht erster Instanz in Zivilsachen Tierschutzgesetz Trybunał Konstytucyjny, polnischer Verfassungsgerichtshof Tribunal correctionnel, Strafrechtskammer des Tribunal de grande instance unter anderem University of Chicago Law Review unveröffentlicht University of Pennsylvania Law Review Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom/von vor allem Verbrechensbekämpfungsgesetz vergleiche
Abkürzungsverzeichnis Vorbem. Vt. L. Rev. VVDStRL Wash. & Lee L. Rev. WPP Yale L. J. z. B. ZIS ZRP ZStW zust.
27
Vorbemerkung Vermont Law Review Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Washington & Lee Law Review Wojskowy Przegla˛d Prawniczy, poln. Rechtszeitschrift The Yale Law Journal zum Beispiel Zeitschrift für internationale Strafrechtsdogmatik Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft zustimmend
Einführung I. Zielsetzung und thematische Einbettung Das Verbot der Holocaustleugnung existiert in Form einer expliziten Strafnorm seit nunmehr 17 Jahren in Deutschland und seit 21 Jahren in Frankreich. An die 15 Staaten in Europa und der Welt haben diese Strafvorschrift eingeführt (z. B. Polen, Österreich, die Schweiz, Belgien, Luxemburg und zuletzt Ungarn) oder planen dies – oft unabhängig von einer direkten Implikation in den Holocaust (z. B. Argentinien).1 Die Strafnorm hat sich im Großen und Ganzen auch in der gerichtlichen Praxis bewährt und, soweit sich dies überblicken lässt, jedenfalls nicht zu einer Unmenge von Fehlentscheidungen geführt. Dennoch scheint das Verbot der Holocaustleugnung in der Strafrechtswissenschaft nie wirklich heimisch geworden zu sein, trotz einer Reihe sehr lesenswerter Arbeiten2 zu diesem Thema. Auf den ersten Blick mag dies nicht verwundern: eine Strafnorm, die bis zu fünf Jahre Haft für eine öffentliche Äußerung vorsieht, sollte zu Recht Skepsis und Verwunderung hervorrufen. Erstaunlich ist hingegen, dass vor allem die arrivierte deutsche Strafrechtswissenschaft vor der materiellen Begründung kapituliert zu haben scheint: Lenckner hat diese Norm einst resignativ als „Trauma“ für das Strafrecht bezeichnet (S/S § 130, Rn. 20). Andernorts liest man von einem „Fremdkörper“ (Junge, S. 2) und einer Strafnorm, die für den Rechtsgüterschutz nicht nötig sei (Roxin, AT I § 2, Rn. 42). Andere wiederum halten die Suche nach dem geschützten Rechtsgut – und damit immerhin nach dem materiellen Kern der Vorschrift! – sogar ausdrücklich für obsolet (Stratenwerth, Lenckner-FS, S. 388). Selbst der Vorstoß von Hörnle, das Verbot mit dem Schutz von Gefühlen zu erklären (vgl. Grob anstößiges Verhalten, S. 339), sollte letztlich eher die inhaltliche Leere des Verbots verdeutlichen, als zu deren Füllung beitragen. Die herbe und teils kategorische Kritik eines Teils der Strafrechtswissenschaft fordert (trotz aller Vorsicht gegenüber Äußerungsverboten im Allgemeinen), zu einer „Kritik der Kritik“ heraus. Diese soll hier mit einem 1
Vgl. Whine, in: Hare/Weinstein (Hg.), S. 543. Lediglich beispielhaft seien hier die Dissertationen von v. Dewitz, Stegbauer und Wandres genannt. 2
30
Einführung
konstruktiven Ansatz verknüpft werden: Ziel der Arbeit ist es, das Verbot der Holocaustleugnung auf eine neue rechtliche Begründungsbasis zu stellen und die Existenz der Norm unter Einbeziehung von Nachbarwissenschaften zu erklären. In der materiellen Begründbarkeit liegt die Herausforderung umstrittener Verbote. Das Strafrecht schützt idealiter etwas: einen Wert, ein Objekt bzw. ein Rechtsgut. Es kann sich nicht damit begnügen, ein Phänomen, und sei es auch der Antisemitismus und Negationismus, zu bekämpfen oder einfach „gegen etwas“ zu sein. Das wäre die Logik der Politik, nicht des Rechts. Gleichzeitig ist das Recht aber auch ein Reaktionsmedium. Dies gilt besonders für das Strafrecht. Ob Umweltschutz, Massentierhaltung, technische Innovationen (z. B. das Klonen) oder die Bedrohung durch den Terror: sozialerhebliche Phänomene von großem Ausmaß lassen das Strafrecht selten unberührt und fordern auch der Strafrechtsdogmatik Anpassungsleistungen ab. Der Holocaust hat die geistige Verfasstheit der Nachkriegsgenerationen in Europa wie kein zweites Ereignis des 20. Jahrhunderts beeinflusst. Spätestens seit den 80er Jahren hat die Erinnerungskultur einen regelrechten „Boom“ erfahren: Die Vergangenheit wurde in Literatur, Kunst und Gesellschaft thematisiert; die aufstrebende Gedächtnisforschung in den Geisteswissenschaften (Soziologie, Kulturwissenschaften, Geschichte) hat diesen Prozess intensiv begleitet; die Politik hat die Erinnerungskultur an den Holocaust offizialisiert und institutionalisiert. Der Bezug zu Auschwitz als Kristallisationspunkt der deutschen Nachkriegsidentität (insbesondere der Berliner Republik) ist aus dem politischen Diskurs nicht mehr wegzudenken. Das Thema Erinnerung besitzt zudem einen Brückenschlag zwischen den Disziplinen wie kaum ein anderes Thema (Erll, S. 2). Umso mehr verwundert es, dass die deutsche Rechtswissenschaft davon bisher kaum Notiz genommen hat (für eine der wenigen Ausnahmen siehe Kirste, ARSP 2008, 47 ff.). Zwischen Erinnerungsthematik und materiellem Strafrecht wurden bisher nur sehr zurückhaltend erste Brücken gebaut (vgl. Matuschek, SZ v. 15.07.2008, S. 13; kritisch: Zabel, ZStW 2010, 834, 853). Vermutlich trifft das Diktum Hegels, wonach die Eule der Minerva erst mit der einbrechenden Dämmerung ihren Flug beginnt, auch für die deutsche Strafrechtswissenschaft zu. II. Der Gang der Untersuchung Im ersten Teil wird eine Annäherung an das Schutzgut des Verbots der Holocaustleugnung unternommen. Im 1. Kapitel werden zunächst die Begriffe „Negationismus“ und „Erinnerungsgesetz“ vorgestellt und erläutert. Das 2. Kapitel widmet sich der Genese der einschlägigen Strafvorschriften
Einführung
31
und der rechtspolitischen Diskussion in Deutschland, Frankreich, Polen und England, also Ländern, die jeweils stellvertretend für einen bestimmten Rechtskreis (germanisch, romanisch, slawisch, angelsächsisch) stehen. Das 3. Kapitel behandelt die strafrechtliche Schutzgutsdiskussion in diesen Ländern. Im zweiten Teil wird ein neues Rechtsgut für das Verbot der Holocaustleugnung entworfen. Im 4. und 5. Kapitel wird der Stellenwert der Erinnerungsthematik in Gesellschaft, Politik und Recht analysiert. Im 6. Kapitel wird das Rechtsgut der kollektiven Erinnerung in Anlehnung an die Arbeiten von Halbwachs und Assmann konzipiert und die Notwendigkeit eines Erinnerungsschutzes am Maßstab des Ultima-ratio-Gedankens überprüft. Schließlich wird kurz eine neue Einordnung des Tatbestandes in das Verbrechenssystem vorgenommen. Der dritte, vierte und fünfte Teil folgen gedanklich der Trias „Legitimität“, „Legitimation“ und „Limitation“. Unter „Legitimität“ wird im dritten Teil eine Rückkoppelung des Erinnerungsstrafrechts an staats- (7. Kapitel) und (straf)rechtsphilosophische Begründungsmuster (8. Kapitel) der letzten 300 Jahre bis hin zu den Kommunitaristen vorgenommen. Im vierten Teil („Legitimation“) werden die Verbrechenskonzeptionen Deutschlands, Frankreichs, Polens und Englands vorgestellt (9. Kapitel) und die Integrierbarkeit des strafrechtlichen Erinnerungsschutzes in diese überprüft (10. Kapitel). Der fünfte Teil („Limitation“) befasst sich vor allem mit der rechtsphilosophischen Begründung der Meinungsfreiheit (u. a. der von John Stuart Mill) und ihrem Verhältnis zur Holocaustleugnung (11. Kapitel). Das 12. Kapitel spürt den Ausläufern des Millschen Denkens in der zeitgenössischen Verfassungsrechtsprechung Europas und des angelsächsischen Rechtskreises nach. Der sechste Teil widmet sich im abschließenden 13. Kapitel dem EURahmenbeschluss vom 6.12.2008 zur Bekämpfung bestimmter Formen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit und untersucht dessen Inhalt und Tragweite. Im Schlusswort wird in Anbetracht der bereits eingestreuten Zwischenergebnisse eine kapitelübergreifende, rechtstheoretische Erklärung für die Existenz des Verbots der Holocaustleugnung versucht. Der grundlegende Ansatz der Arbeit zwingt dazu, bestimmte rein strafrechtsdogmatische Fragen auszuklammern. Nicht behandelt werden u. a. die Tatbestandsauslegung, die Vorsatzproblematik sowie strafprozessuale Fragen. Die Arbeit versteht sich nicht vornehmlich als Handreichung für den Rechtsanwender in der Praxis, sondern richtet sich an all diejenigen, deren Interesse über das positive Recht hinausgeht. Das dürfen auch gerne Nichtjuristen sein.
32
Einführung
III. Zitierweise Die Zitierweise folgt den Gepflogenheiten des Lehrstuhls von Prof. Dr. Tonio Walter (näher dazu: Walter, T., Kern, S. 5 ff. bzw. Walter, T., Stilkunde, S. 256 ff.). Fremdsprachige Ausdrücke habe ich nahezu durchgehend ins Deutsche übertragen, so z. B. „poln. StGB von 1997“ statt „Kodeks Karny z roku 1997“; wörtliche Zitate im Englischen und Französischen habe ich teilweise in der Originalsprache belassen, soweit aus dem Kontext deren Sinn erschließbar ist. Im Literaturverzeichnis werden alle Zeitschriften (auch die ausländischen) stets in der gekürzten (also zitierten) Form angegeben. Der ausgeschriebene Name befindet sich im Abkürzungsverzeichnis. Die Heftnummer wird bei nicht heftübergreifend paginierten Zeitschriften vor der Jahreszahl in Klammern angegeben.
Erster Teil
Was schützt das Verbot der Holocaustleugnung? Im Folgenden soll die Nähe zwischen dem Verbot der Holocaustleugnung und der Erinnerungsthematik aufgezeigt werden. Dies erfolgt zunächst durch eine Behandlung des Phänomens des Negationismus und eine Analyse des Begriffs „Erinnerungsgesetz“. Dem folgt eine Darstellung der Genese der einschlägigen Strafgesetze mitsamt rechtspolitischer Diskussion in Deutschland, Frankreich, Polen und England und ein schutzgutsbezogener Strafrechtsvergleich in den untersuchten Rechtsordnungen, sofern sie diese Strafnorm eingeführt haben. 1. Kapitel
Negationismus als Straftat A. Was ist Negationismus? Der Begriff „Negationismus“ (frz.: „négationnisme“) ist ein Neologismus für die öffentliche Leugnung historischer Fakten, wie z. B. der Existenz des Holocaust. Er wurde durch den französischen Historiker Henry Rousso geprägt und ist nach der Übernahme durch andere Historiker1 in den fachlichen, und in manchen Ländern auch in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen2. Durch die Bezeichnung Negationismus soll eine Abgrenzung zur anerkannten Denkschule des historischen Revisionismus erreicht werden.3 Diese Distanzierung ist notwendig geworden, da in den 70er Jahren verstärkt Publikationen aufgetaucht waren, in welchen die Massentötungen in nationalsozialistischen Vernichtungslagern während der Zeit des „III. Reiches“ ge1 Siehe z. B. Backes, APuZ Nr. 9–10 1998, 27 (34); Bailer-Galanda, in: BailerGalanda/Benz/Neugebauer (Hg.), S. 19; Igounet, Valérie, Histoire du négationnisme en France (2000); Shermer/Grobman, S. xv („deniers“ statt „revisionists“); VidalNaquet, S. 7; Wetzel, in: Benz (Hg.), Lexikon des Holocaust, S. 199. 2 So Bloch, Vt. L. Rev. 2005, 627 (629). 3 Fresco, Encyclopaedia „Révisonnisme“; Shermer/Grobman, S. xv; Vidal-Naquet, S. 7 ff.
34
1. Teil: Was schützt das Verbot der Holocaustleugnung?
leugnet wurden.4 Die Autoren dieser Schriften gaben sich nach außen wissenschaftlich, verfolgten aber in Wirklichkeit ideologisch-politische Ziele, wie die Rehabilitierung der NS-Ideologie.5 Der Negationismus ist daher die Herangehensweise von „Pseudo-Revisionisten“.6 Dies klar zu zeigen ist notwendig, da sich Holocaustleugner selbst als Historiker sehen und für ihre Thesen wissenschaftliche Anerkennung suchen.7 Rousso schreibt in „Le syndrome de Vichy“: „Le grand public découvre le milieu interlope des ‚révisionnistes‘, un qualificatif qu’ils s’attribuent impunément: le révisionnisme de l’histoire étant une démarche classique chez les scientifiques, on préférera ici le barbarisme, moins élégant mais plus approprié, de ‚négationnisme‘, car il s’agit bien d’un système de pensée, d’une idéologie et non d’une démarche scientifique ou même simplement critique.“8
Welche Äußerungen genau noch unter den Begriff Negationismus fallen, wird unter Historikern nicht einheitlich bewertet. Die französische Historikerin Valérie Igounet versteht unter Negationismus die Leugnung der Absicht der Judenvernichtung auf Seiten der NS-Täter, die Leugnung der Durchführung von Massentötungen, u. a. mittels Gaskammern, bis hin zur Leugnung der systematischen Vernichtung.9 Nadine Fresco zählt zum Negationismus auch die Behauptung, der Holocaust sei ein politisch-finanzieller Betrug, eine zionistischen Erfindung, die dem deutschen und palästinensischen Volk schaden soll.10 Etwas (zu) weit fasst wohl Juliane Wetzel den Begriff Negationismus, wenn sie darunter auch die Neubewertung der Kriegsschuldfrage versteht.11 Nach Ansicht von Yves Ternon ist der Begriff Negationismus nicht allein auf den Holocaust zu beziehen, sondern gleichermaßen auf die Leugnung anderer Genozide anwendbar, wie den der Türken an den Armeniern, der Hutu an den Tutsi in Ruanda und der Khmer Rouge an der kambodschanischen Bevölkerung.12 Eine natürliche Grenze findet der Begriff Negationismus jedenfalls bei Äußerungen, die nicht mehr von der Nichtexistenz eines Ereignisses ausgehen, sondern sogar die Existenz eines Ereignisses zum Anlass für Äuße4
Vgl. Lipstadt, S. 72 ff.; Rousso, Cités 2008, 51 ff. So auch Auerbach, in: Benz (Hg.), S. 37; Bailer-Galanda, in: Bailer-Galanda/ Benz/Neugebauer (Hg.), S. 19; Lipstadt, S. 42; Shermer/Grobman, S. xv. 6 Cohen-Jonathan, RTDH 1997, 571; Vivant, S. 418. 7 Grynberg, S. 136; gleichwohl wird der Begriff Revisionismus bzw. „révisionnisme“ vielfach weiterbenutzt, wenn tatsächlich der Negationismus gemeint ist, so z. B. Lamy, S. 366. 8 Rousso, S. 176. 9 Igounet, S. 14. 10 Fresco, Encyclopaedia „Révisionnisme“. 11 Wetzel, in: Benz (Hg.) Lexikon des Holocaust, S. 199. 12 Ternon, S. 12; Wieviorka, Dictionnaire, S. 811. 5
1. Kap.: Negationismus als Straftat
35
rungen nehmen, wie z. B. im Fall der Rechtfertigung oder Billigung13 des Holocaust. Wer billigt, erkennt die Existenz des Ereignisses an. Trotz unterschiedlicher Definitionsansätze und der im Fall der Holocaustleugnung offenkundigen antisemitischen Motivation (vgl. Shermer/Grobman, S. 76), wird der Begriff Negationismus hier in folgendem Sinne verwendet: Negationistisch ist jede Äußerung, durch welche wider besseres Wissen die Existenz eines historischen Ereignisses ganz oder teilweise bestritten, geleugnet oder sonstwie in Abrede gestellt wird. Diese Definition deckt sich mit der in der französischen Rechtswissenschaft14 gängigen Definition des Negationismus bzw. dem was in Deutschland in Rechtsprechung15 und Literatur16 unter dem Begriff „einfache Holocaustleugnung“ oder „einfaches Auschwitz-Leugnen“ verstanden wird. Die einfache Holocaustleugnung ist das bloße Bestreiten, Leugnen oder quantitative Verharmlosen ohne weitere Schlussfolgerungen. In der qualifizierten Form der Holocaustleugnung wird die negationistische Äußerung hingegen durch Zusätze oder Wertungen ergänzt. Ein Beispiel für eine qualifizierte Form der Holocaustleugnung ist die Aussage: „Der Holocaust ist eine Erfindung der Juden, um von Deutschen Geld zu erpressen.“ Die qualifizierte Form der Holocaustleugnung wird in Deutschland und Frankreich von der allgemeinen Volksverhetzungsvorschrift erfasst (§ 130 Abs. 1 StGB bzw. Art. 24 frz. PresseG).
Die Bezeichnung „Revisionismus“ an Stelle des treffenderen „Negationismus“ besteht in der juristischen17 bzw. historischen18 Literatur teilweise fort, wird aber oftmals in Anführungsstriche gesetzt, um die Abgrenzung zur anerkannten Schule des Revisionismus zu verdeutlichen. Teilweise werden beide Begriffe zusammen und parallel benutzt („révisionnisme – négationnisme“), wenn der Negationismus gemeint ist.19 Zunehmend setzt sich der Begriff Negationismus gegen den Begriff Revisionismus durch. In der französischen Rechtsprechung20 ist er fest etabliert und wird auch in der Literatur21 als Deliktsbeschreibung anerkannt. Inzwischen wird er auch verstärkt in Ländern außerhalb der frankophonen Welt22 benutzt, so z. B. in 13 Anders Fronza, in: Vormbaum (Hg.), S. 444, die das Billigen noch zum Revisionismus zählt. 14 So z. B. Willmann, Arch. phil. droit 2006, 189 (203). 15 OLG Celle NJW 1982, 1545; BGHSt 40, 97 (100). 16 Siehe v. Dewitz, S. 194; Wandres, S. 97. 17 Lamy, J.-Cl. Comm., Fasc. 3160, S. 1. 18 Wetzel, in: Benz (Hg.) Lexikon des Holocaust, S. 199. 19 Francillon, Rev. sc. crim. 1998, 573 (576). 20 C. cass (Ass. Plén.) v. 16.2.2007 Gaz. Pal. Nr. 279, 29; C. cass. (ch. crim.) v. 14.2.2006, Bull. Crim. 2006, S. 155; C. cass. (ch. crim.) v. 14.6.2000 Nº 99-82737. 21 Asensi, Colloque CA Paris, S. 47; Fronza, Vt. L. Rev. 2005, 609 ff.; Robert, J., RDP 2006, 279 (285); Willmann, Arch. phil. droit 2006, 189 (203). 22 Siehe für Kanada: Imbleau, S. 32.
36
1. Teil: Was schützt das Verbot der Holocaustleugnung?
Deutschland („Negationismus“23), Italien („negazionismo“24), Polen („negacjonizm“25) und der englischsprachigen Welt („negationism“26). Die Bezeichnung „bloße radikale Geschichtsrevision“ von Wandres27 halte ich für problematisch. Der Begriff „radikale Geschichtsrevision“ verwischt den Unterschied zwischen Revisionisten und Negationisten mehr, als er ihn zur Geltung bringt. Auch der wissenschaftlich fundierte, geschichtliche Revisionismus kann in seinen Ergebnissen „radikal“ sein, bleibt aber dennoch Bestandteil einer wissenschaftlichen Schule. Die Radikalität einer wissenschaftlichen These kann nicht per se Basis für einen strafrechtlichen Vorwurf sein. Holocaustleugner hingegen haben das Feld der Wissenschaftlichkeit verlassen und sind mehr als radikale Revisionisten.
B. Geschichtliche und methodische Aspekte des Negationismus I. Der Ursprung des Negationismus Der Begriff Negationismus ist ein Neologismus, der seinen Siegeszug erst in den 90er Jahren feierte. Negationistische Schriften tauchten jedoch bereits in den 50er und verstärkt in den 70er und 80er Jahren auf.28 Die Technik der Vertuschung der Judenvernichtung ist noch älter: die ersten Holocaustleugner waren die NS-Verbrecher selbst.29 Der Versuch, die Ermordung der Juden so geheim wie möglich zu halten und alle Spuren der Verbrechen zu beseitigen, war immanenter Bestandteil der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik.30 Es gehörte, wie Lawrence Douglas schreibt, zur Logik der Endlösung, auch die Erinnerung an die Verbrechen auszulöschen.31 Dieser „Krieg gegen die Erinnerung“ (Levi32) zeigt sich zum einen an der Verwendung einer eigenen beschönigenden Code23 Auerbach, in: Benz (Hg.), S. 37; Backes APuZ Nr. 9–10 1998, 27 (34); Wetzel, in: Benz (Hg.) Lexikon des Holocaust, S. 199. 24 Fronza, Riv. it. 1999, 1034 ff. 25 Komorowski/Wróbel, Zeszyty Prawnicze (1) 2009, 239 (242). 26 Fronza, Vt. L. Rev. 2005, 609 ff. 27 Wandres, S. 98. 28 Bailer-Galanda, in: Bailer-Galanda/Benz/Neugebauer (Hg.), S. 20 ff.; Fronza, L’Astrée 1999, 16; Lipstadt, S. 35 ff. 29 Boyle, M. L. Rev. 2001, 487 (497). 30 Igounet, S. 14; Kattan, S. 6; Mayer, E., S. 41 ff.; Wachsmann, RTDH 2001, 585; zur Leugnung als Bestandteil eines jeden Genozids, siehe: Garibian, CJCR Vol. 9, S. 486 Fn. 38 m. w. N. 31 Douglas, S. 215. 32 Zitiert nach Todorov, S. 10.
1. Kap.: Negationismus als Straftat
37
sprache für die Judenvernichtung und zum anderen in dem Versuch der Nazis, die Spuren der Vernichtungsaktionen zu verwischen und Zeugen zu beseitigen. Die sprachlichen Vertuschungsmechanismen waren vielfältig33: Schon ein schriftlicher Führerbefehl wurde vermutlich nie gegeben.34 Im offiziellen Sprachgebrauch bzw. Schriftverkehr wurden Begriffe, die auf Massentötungen und Vernichtungsaktionen schließen lassen, hinter Neologismen, wie „Sonderbehandlung“ und „Endlösung“ oder Euphemismen, wie „Umsiedlung“ und „Judenevakuierung“, versteckt.35 Hinter dem Decknamen „Aktion Reinhard“ verbarg sich die Ermordung der meisten Juden im Generalgouvernement und in Białystok im Rahmen der „Endlösung“.36 Das beteiligte SS-Personal war zu äußerster Verschwiegenheit verpflichtet und hatte einen Eid hierauf zu leisten.37 Himmler hat bei zahlreichen Gelegenheiten auf einer strikten Geheimhaltung bestanden.38 So begann er den Teil seiner „Posener Rede“ vom 4.10.1943, in welchem er die Ausrottung des jüdischen Volkes thematisiert hat, mit folgenden Worten an die anwesenden SS-Offiziere: „Unter uns soll es einmal ganz offen ausgesprochen sein, und trotzdem werden wir in der Öffentlichkeit nie darüber reden.“39 Noch deutlicher wurde Himmler in einer Rede vor Reichs- und Gauleitern am 6.10.1943: „Damit möchte ich die Judenfrage abschließen. Sie wissen nun Bescheid und Sie behalten es für sich. (. . .) wir (. . .) nehmen dann das Geheimnis mit in unser Grab.“40 Hitler selbst hat sich konsequent an seine Sprachregelung gehalten und selbst bei Tischgesprächen vor engsten Mitarbeitern höchstens von einer Evakuierung oder Abschiebung der Juden gesprochen.41 Die äußere Ver33 Hilberg, Vernichtung, S. 651 ff.; ders., Quellen, S. 83 ff., insbes. 133 ff.; Wellers, S. 38 ff. 34 Neugebauer, in: Bailer-Galanda/Benz/Neugebauer (Hg.), S. 175; Reitlinger, S. 91; zu den Versuchen Hitlers, seine eigene Verantwortung zu verschleiern, siehe Fleming, S. 68. 35 Enzyklopädie des Holocaust, Bd. III, S. 1361; Matthäus, in: Benz (Hg.) Lexikon des Holocaust, S. 219; dass sich hinter dem Begriff „Judenevakuierung“ die Ausrottung der Juden verbirgt, hat Heinrich Himmler lediglich im Kreis von Eingeweihten offen zugegeben, so im Rahmen der „Posener Rede“ v. 4.10.1943, siehe: Internationaler Militärgerichtshof, Bd. XXIX 1919-PS, S. 145. 36 Enzyklopädie des Holocaust, Bd. I, S. 14. 37 Hilberg, Vernichtung, S. 651. 38 Siehe z. B. Hilberg, Quellen, S. 135; Smith/Peterson (Hg.), S. 169 und S. 311 Anm. Nr. 9. 39 Internationaler Militärgerichtshof, Bd. XXIX 1919-PS, S. 145. 40 Abgedruckt in: Smith/Peterson (Hg.), S. 171. 41 Hillgruber (Hg.), S. 41, 145, 172.
38
1. Teil: Was schützt das Verbot der Holocaustleugnung?
schwiegenheit stand in einem deutlichen Gegensatz zu der intern sonst so hochgepriesenen Aufgabe der Judenvernichtung. Himmler hat dieser verqueren Dichotomie ein „Denkmal“ gesetzt, indem er das Durchhaltevermögen der an der Ausrottung der Juden Beteiligten als „niemals geschriebenes und niemals zu schreibendes Ruhmesblatt unserer Geschichte“ bezeichnet hat.42 Auch die physische Vernichtung der Juden erfolgte unter größtmöglicher Geheimhaltung.43 Von den Opfern, den Zeugen und den Vernichtungsmitteln sollte es möglichst keine Spur geben. Es ist hinreichend dokumentiert, wie akribisch die SS versucht hat, die Spuren ihrer Morde und Mordinstrumente zu beseitigen:44 Die in den Gaskammern Ermordeten wurden in Krematorien oder Gruben verbrannt; die zu einem „Sonderkommando“ abgeordneten jüdischen Häftlinge, die für die Räumung der Gaskammern und die Verbrennung der Leichen zuständig waren, wurden in regelmäßigen Abständen selbst umgebracht.45 In der sogenannten „Aktion 1005“ wurden Massengräber ausgehoben, die Leichen verbrannt, ihre Knochen zermahlen, und das Knochenmehl in die Flüsse geschüttet.46 Die an der Judenermordung beteiligten SS-Verantwortlichen wurden später nicht selten zur Partisanenbekämpfung abkommandiert.47 Viele Unterlagen, die, so Arno Mayer, ohnehin meist unvollständig waren, wurden vor der Befreiung der Lager vernichtet; fast alle Tötungs- und Verbrennungsinstallationen in Auschwitz-Birkenau wurden vor der Ankunft der sowjetischen Truppen zerstört und sind heute nur noch als Trümmer vorhanden.48
Zur physischen Vernichtung der Juden kam eine „psychische Vernichtung“ hinzu, die in der versuchten Auslöschung eines gesamten Erinnerungsgeflechts bestand.49 Für die Gedächtnisforscherin Aleida Assmann folgte nach dem Genozid der Versuch des „Mnemozids“50. Andere Forscher sprechen von „Gedächtnozid“ (Münz) und „Gedächtnismord“, bzw. „Memorizid“ (Weinrich).51 Für einen möglichen Triumph dieser Gegen-Erinne42
Internationaler Militärgerichtshof, Bd. XXIX 1919-PS, S. 145. Hilberg, Vernichtung, S. 649. 44 Hilberg, Vernichtung, S. 660 ff.; Mayer, A., S. 541; Wieviorka, Dictionnaire, S. 809. 45 Enzyklopädie des Holocaust, Bd. III, S. 1337; Reitlinger, S. 518; für Augenzeugenberichte von Überlebenden der Sonderkommandos siehe: Greif, Gideon, wir weinten tränenlos (1995); Venezia, Shlomo, Sonderkommando. Dans l’enfer des chambres à gaz (2007). 46 Enzyklopädie des Holocaust, Bd. I, S. 10; Reitlinger, S. 160. 47 Hilberg, Vernichtung, S. 662. 48 Kreuzzug, S. 541. 49 Neubauer, Merkur 2007, 1078 (1083). 50 Assmann, A., Erinnerungsräume, S. 336. 51 Zitiert nach Rupnow, S. 22. 43
1. Kap.: Negationismus als Straftat
39
rung hatten die Nazis einen historischen Präzedenzfall. Hitler selbst stellte 1939 die Frage: „Wer spricht heute noch von den Armeniern?“52 Manche sehen in der systematischen Auslöschung jeglicher Erinnerung an die Opfer Parallelen zu der zur Zeit des römischen Kaiserreiches praktizierten Methode der „damnatio memoriae“, der Zerstörung von Statuen und Beseitigung von Namen auf Steintafeln.53 Die Tilgung der Erinnerung an die Opfer ist laut Hannah Arendt kennzeichnend für totalitäre Regime: „Die einzige Spur, die sie (die Opfer, M.M.) hinterlassen, ist die Erinnerung derer, die sie kannten, liebten und zu deren Welt sie gehörten. Daher gehört es zu den vornehmsten und schwierigsten Aufgaben der totalitären Polizei, auch diese Spur mit den Toten zugleich auszulöschen“.54
Der Nachkriegsnegationismus ist die Fortsetzung des von den Nationalsozialisten begonnenen Mnemozids bzw. Gedächtnismordes. Pierre Vidal-Naquet hat für Holocaustleugner den Begriff „Mörder der Erinnerung“ („Assassins de la Mémoire“) geprägt. Claude Lanzmann nennt Negationisten die „Erben der Täter“55. Für Deborah Lipstadt stellt die Holocaustleugnung einen Angriff auf Wahrheit und Erinnerung („Assault on Truth and Memory“56) dar. II. Die Methoden der Negationisten Die Methode der Negationisten besteht darin, Tatsachen zu verdrehen, Beweise zu verfälschen oder zu unterschlagen sowie Aussagen von Zeitzeugen und Historikern entstellt wiederzugeben.57 Ihr Ziel ist die gewaltsame Anpassung der Vergangenheit an die eigene oder eine andere Vorstellung.58 Es geht ihnen nicht darum, die Vergangenheit wiederzugeben „wie es eigentlich gewesen“ (von Ranke59), sondern sie so umzuformen, wie man sie heute gerne hätte. Dies unterscheidet sie von Historikern: Historiker erfinden und verändern nichts, sondern decken auf.60 52
Zitiert nach Godin, S. 19. So Rupnow, S. 23; zur damnatio memoriae siehe Vittinghoff, S. 13 ff. 54 Arendt, Elemente, S. 898; so auch Godin, S. 19; Todorov, S. 9. 55 Lanzmann, Libération v. 10.1.2006, S. 33; vgl. auch Assemblée Nationale, Rapport Nr. 1262, S. 44. 56 So der englische Untertitel ihres Buchs „Betrifft: Leugnen des Holocaust“. 57 Siehe u. a. Auerbach, in: Benz (Hg.), S. 37; Igounet, S. 236 ff.; Lipstadt, S. 132 ff.; Pressac, in: Shapiro (Hg.), S. 31 ff.; Shermer/Grobman, S. 99 ff.; Spann, in: Bailer-Galanda/Benz/Neugebauer (Hg.), S. 73 ff.; Tiedemann, M., S. 136 ff.; Vidal-Naquet, S. 7 ff.; Wellers, S. 38 ff. 58 Vgl. Fronza, in: Vormbaum (Hg.), S. 440. 59 Zitiert nach Stern, F. S. 57. 60 Hochmann, Droit et Société 2008, 527 (538 ff.). 53
40
1. Teil: Was schützt das Verbot der Holocaustleugnung?
Das Spektrum der negationistischen Äußerungen reicht von Pauschalleugnungen bis hin zur Hinterfragung diffiziler Details. Robert Faurisson hat beispielsweise als „Beweis“ für die Existenz des Holocaust die Aussage eines Zeugen gefordert, der im Moment der Vernichtung in den Gaskammern war. Er verlangt also, dass das Opfer die eigene Ermordung bezeugen können soll.61 David Irving geht nach der „Methode“ vor, die Geschichte des Dritten Reiches lediglich anhand von Dokumenten des Dritten Reiches rekonstruieren zu wollen. Was nicht in den Unterlagen des NS-Regimes vorkommt, existiert für ihn nicht. Die Existenz der Judenvernichtung lehnt er u. a. mangels eines schriftlichen Befehls Hitlers ab.62 Teilweise erfand er sogar gegenteilige Befehle.63 Darüber hinaus ist gerichtlich nachgewiesen, dass er Quellen gefälscht und Zitate entstellt wiedergegeben hat.64 Der selbsternannte „Hinrichtungsexperte“ Fred Leuchter versucht mit falschen Abmessungsdaten der Gaskammern, fehlenden Entlüftungsvorrichtungen und anderen technischen Details die Ungeeignetheit der Gaskammern in Auschwitz und Majdanek für Massentötungen zu belegen und so die Opferzahlen herunterzurechnen (sog. „Leuchter-Report“).65 Der deutsche Chemiker Germar Rudolf greift auf den Leuchter-Report zurück und versucht anhand der Konzentration von Blausäurerückständen in den Gaskammerwänden zu beweisen, dass diese nur der Entlausung gedient haben können.66 Vor allem dem technisch-naturwissenschaftlich orientierten Negationismus ist selbst mit solidem Geschichtswissen nicht beizukommen.67 Holocaustleugner bilden heute ein gut organisiertes Netzwerk, zu welchem neben medienwirksamen Protagonisten, wie Irving, Faurisson und Mahler auch ein eingespielter Apparat aus Publikationen, Instituten, Kongressen, Webseiten und Verlagen gehört. Schaltzentrale ist das seit 1978 in Kalifornien ansässige „Institute for Historical Review“ (IHR)68, dem kein ernstzunehmender Fachhistoriker angehört.69 Das IHR organisiert einschlä61
Zu diesem Paradoxon: Lyotard, Widerstreit, S. 17 ff.; ebenso: Agamben, S. 31. Neugebauer, in: Bailer-Galanda/Benz/Neugebauer (Hg.), S. 175. 63 Evans, S. 80. 64 Evans, S. 226 ff.; zum Ganzen: Lipstadt, Deborah, History on trial: my day in court with David Irving (2005); ein Gerichtsprotokoll ist abrufbar unter: http:// www.hdot.org/en/trial/judgement. 65 Bailer-Galanda, in: Bailer-Galanda/Benz/Neugebauer (Hg.), S. 117 ff. 66 Bailer-Galanda, in: Bailer-Galanda/Benz/Neugebauer (Hg.), S. 121. 67 Für Widerlegungen der negationistischen Literatur siehe z. B. Pressac, in: Shapiro (Hg.), S. 31 ff.; Wellers, S. 38 ff.; für einen guten Überblick: Tiedemann, M., S. 136 ff. 68 Näher dazu: Lipstadt, S. 170 ff.; Shermer/Grobman, S. 43 ff. 69 Benz, in: Bailer-Galanda/Benz/Neugebauer (Hg.), S. 47. 62
1. Kap.: Negationismus als Straftat
41
gige Konferenzen und gibt neben Flugblättern auch die Zeitschrift „Journal for Historical Review“ heraus, deren pseudowissenschaftlicher Charakter nicht auf Anhieb erkennbar ist.70 In Australien verstecken sich Holocaustleugner hinter unverfänglich klingenden Namen, wie dem „Adelaide Institute“ oder der „League of Rights“. Holocaustleugner agieren u. a. in Deutschland, Frankreich, Österreich, Spanien, England, den USA, Australien, dem Iran und Palästina.71 Der bekannteste Holocaustleugner ist wohl der iranische Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad. Unter seiner Federführung fand im Jahre 2006 in Teheran eine „Holocaust-Konferenz“ statt, auf welcher zahlreiche bekannte Negationisten auftraten.
C. Der Begriff „lois mémorielles“ – Erinnerungsgesetze I. Was sind Erinnerungsgesetze? Die Bezeichnung „Erinnerungsgesetze“ ist dem französischen Begriff „lois mémorielles“ entlehnt. Dieser Begriff tauchte im Jahr 2005 zum ersten Mal in der gesellschaftlichen Debatte auf.72 Vorgeschlagen wurden seitdem auch die Begriffe „lois historiennes“ (Franc¸oise Chandernagor) oder „lois compassionnelles“ (Robert Badinter).73 Unter Erinnerungsgesetzen können Gesetze verstanden werden, die vergangene Ereignisse von historischer Tragweite und von Bedeutung für das betreffende Land zum Gegenstand haben. Gemeinsam ist Erinnerungsgesetzen, dass sie zwischen Vergangenheit und Gegenwart eine Verbindung durch Anerkennung bestimmter Ereignisse herstellen, z. B. durch Bekräftigung der Realität, den Ausdruck von Dankbarkeit oder die Übernahme von Schuld.74 Von dem Bezugspunkt der Vergangenheit ausgehend werden Erinnerungsgesetze mal enger, mal breiter gefasst. So versteht Frangi unter Erinnerungsgesetzen nur nicht-normative, also deklaratorische Gesetze ohne Rechtsfolge.75 Im öffentlichen Sprachgebrauch wird der Begriff „lois mémorielles“ im Wesentlichen als Überbegriff für vier französische Gesetze gebraucht76: Das 70 Lipstadt, S. 18 beschreibt den Fall eines Yale-Studenten, der dem JHR nichtsahnend einen Geschichtsaufsatz zur Veröffentlichung angeboten hat. 71 Vgl. Wetzel, in: Bailer-Galanda/Benz/Neugebauer (Hg.), S. 52. 72 Assemblée Nationale, Rapport Nr. 1262, S. 22; Libération v. 13.12.2005, Appell „Liberté pour l’histoire“, unterschrieben von 19 Historikern, in dem die Abschaffung aller „lois mémorielles“ gefordert wird. 73 Assemblée Nationale, Rapport Nr. 1262, S. 22. 74 Assemblée Nationale, Rapport Nr. 1262, S. 22. 75 Frangi, RDP 2005, 241 (245); so auch Cartier, RFDC 2006, 509 (527).
42
1. Teil: Was schützt das Verbot der Holocaustleugnung?
Verbot der Holocaustleugnung („Loi Gayssot“77), das Gesetz über die Anerkennung des Genozids an den Armeniern78, das Gesetz über die Anerkennung von Sklavenhandel und Sklaverei als Verbrechen gegen die Menschlichkeit („Loi Taubira“79) und das Gesetz über die Anerkennung der Arbeit von französischen Staatsangehörigen in den ehemaligen französischen Kolonien bzw. Departements („Loi Mékachéra“80). Das letztgenannte Gesetz hat in Frankreich eine große Debatte über Erinnerungsgesetze ausgelöst, in deren Zusammenhang diese Bezeichnung in eher abwertender Weise benutzt wurde.81 In Art. 4 der Loi Mékachéra, der inzwischen abgeschafft worden ist82, war für den universitären und schulischen Lehrplan die Verpflichtung vorgesehen gewesen, auf die positive Rolle Frankreichs während der Kolonialzeit hinzuweisen: „Les programmes scolaires reconnaissent en particulier le rôle positif de la présence franc¸aise outre-mer, notamment en Afrique du Nord, et accordent à l’histoire et aux sacrifices des combattants de l’armée franc¸aise issus de ces territoires la place éminente à laquelle ils ont droit. La coopération permettant la mise en relation des sources orales et écrites disponibles en France et à l’étranger est encouragée.“ In Deutschland ist der Begriff des Erinnerungsgesetzes noch kaum verbreitet.83 Im angelsächsischen Rechtskreis wird der Begriff „memory laws“ als Übersetzung von „lois mémorielles“ hingegen bereits vereinzelt benutzt.84 Im Folgenden soll versucht werden, Gesetze mit Vergangenheitsbezug zu klassifizieren und den Erinnerungsbezug zu hinterfragen.
76 So auch z. B. Assemblée Nationale, Rapport Nr. 1262, S. 11; Fraisseix, RFDC 2006, 483; Willmann, Arch. phil. droit 2006, 189 (193); zum Ganzen: Kirste, ARSP 2008, 47 ff. 77 Loi nº 90-615 du 13 juillet 1990 tendant à réprimer tout acte raciste, antisémite ou xénophobe. 78 Loi nº 2001-70 du 29 janvier 2001 relative à la reconnaissance du génocide arménien de 1915. 79 Loi nº 2001-434 du 21 mai 2001 tendant à la reconnaissance de la traite et de l’esclavage en tant que crime contre l’humanité. 80 Loi nº 2005-158 du 23 février 2005 portant reconnaissance de la Nation et contribution nationale en faveur des Franc¸ais repatriés. 81 So auch Assemblée Nationale, Rapport Nr. 1262, S. 22. 82 Décret Nr. 2006-160 v. 15.2.2006, J. O. v. 16.2.2006, S. 2369; zust. Schoettl, PA Nr. 34 2006, S. 3 ff. 83 Siehe Matuschek, SZ v. 30.11.2007, S. 15; ders., Jüdische Allgemeine v. 10.4.2008, S. 7. 84 Fraser, in: Hare/Weinstein (Hg), S. 513.
1. Kap.: Negationismus als Straftat
43
II. Klassifizierung Es gibt in Europa zahlreiche Gesetze, die einen Vergangenheitsbezug aufweisen und an Aussagen hierüber rechtliche Folgen knüpfen oder nicht knüpfen. So gibt (oder gab es) in Frankreich Erinnerungsgesetze, die keine Rechtsfolge vorsehen, solche die eine Rechtsfolge für bestimmte Adressaten (z. B. nur Bildungseinrichtungen) vorsehen, bis hin zu solchen, die eine bestimmte Aussage unter Strafe stellen. Zwischen Strafgesetzen mit Vergangenheitsbezug sind teilweise gravierende Unterschiede feststellbar. So kann in manchen Ländern die Äußerung einer wahren Tatsache strafrechtliche Konsequenzen haben: die Türkei bestraft öffentliche Äußerungen über die Existenz des Genozids an den Armeniern als Beleidigung der türkischen Nation, Art. 301 türk. StGB; in Polen wurden auf Grund einer ähnlichen Vorschrift (Art. 132a poln. StGB) Anfangsermittlungen gegen den amerikanischen Historiker Jan T. Gross eingeleitet, der ein Buch über den Antisemitismus in Polen geschrieben hat.85 Daneben gibt es Strafgesetze, die nur die Leugnung wahrer Tatsachen bestrafen, und zwar einmal implizit über die Beleidigungsvorschriften (z. B. §§ 185, 189 StGB, Art. 32 frz. PresseG) oder ausdrücklich über ein spezielles Strafgesetz, wie § 130 Abs. 3 StGB, Art. 24bis frz. PresseG und in Polen Art. 55 IPN-G)86. Auf Grund der qualitativen Unterschiede zwischen den einzelnen Erinnerungsgesetzen kann eine Einteilung vorgenommen werden, und zwar in: 1. Echte und unechte Erinnerungsgesetze, 2. Unmittelbare und mittelbare Erinnerungsgesetze, 3. Normative und deklaratorische Erinnerungsgesetze sowie 4. Strafrechtliche Erinnerungsgesetze. Echte Erinnerungsgesetze sind Gesetze, die eine historische Tatsache zum Gegenstand haben, wie z. B. den Holocaust im Falle von § 130 Abs. 3 StGB. Ein unechtes Erinnerungsgesetz hat hingegen die Aufgabe, eine „Gegen-Erinnerung“ zu bewahren oder zu errichten; es proklamiert die historische Unwahrheit und ist daher als „offizielle Lüge“87 Ausdruck einer Realitätsverweigerung in Gesetzesform. Teile der Geschichte sollen nicht in das öffentliche Bewusstsein eindringen und werden bewusst aus dem öffentlichen Diskurs ausgeklammert.88 Beispiele für unechte Erinnerungsgesetze 85 Siehe dazu: Ga ˛ dek, S. 365 ff.; die Norm wurde am 19.9.2008 durch den poln. Verfassungsgerichtshof für nichtig erklärt. 86 Siehe für den Wortlaut in der aktuellen Fassung: S. 45. 87 Willmann, Arch. phil. droit 2006, 189 (200).
44
1. Teil: Was schützt das Verbot der Holocaustleugnung?
sind die inzwischen abgeschafften Art. 4 der Loi Mékachéra und Art. 132a poln. StGB sowie der in leicht modifizierter Fassung weiterhin bestehende Art. 301 türk. StGB. Die zur Zeit der Sowjetunion repressiv abgesicherte „Katyn´-Lüge“ ist ebenfalls ein Beispiel für ein unechtes Erinnerungsstrafrecht. Unmittelbare Erinnerungsgesetze (wie § 130 Abs. 3 StGB) nennen das historische Ereignis ausdrücklich, bzw. auf identifizierbare Weise (z. B. durch Verweis auf internationale Abkommen). Mittelbare Erinnerungsgesetze sind hingegen die Beleidigungsvorschriften, bei welchen sich der Bezug zu dem historischen Ereignis erst durch die Art der Aussage ergibt. Deklaratorische Erinnerungsgesetze sind Gesetze, die über die Feststellung eines historischen Ereignisses hinaus keinen weiteren Inhalt haben, insbesondere keine Rechtsfolge vorsehen, wie z. B. der einzige Artikel des frz. Gesetzes Nr. 2001-70 vom 29.1.2001: „La France reconnaît publiquement le génocide arménien de 1915.“ Normative Erinnerungsgesetze hingegen zeichnen sich durch eine Rechtsfolge aus. Strafrechtliche Erinnerungsgesetze sind in diesem Zusammenhang ebenfalls normative Erinnerungsgesetze, jedoch von besonderer Art: Sie sehen durch die Strafandrohung eine besonders drastische Rechtsfolge vor. Die hier getroffene Einteilung der verschiedenen Erinnerungsgesetze erlaubt eine (wenngleich eingeschränkte) Kombination der verschiedenen Kriterien. So ist Art. 301 türk. StGB nach der hier getroffenen Klassifizierung ein unechtes, mittelbares und normativ-strafrechtliches Erinnerungsgesetz, während § 130 Abs. 3 StGB ein echtes, unmittelbares, normativ-strafrechtliches Erinnerungsgesetz ist. III. Eingrenzung des Begriffs „Erinnerungsgesetz“ Auf Grund der teils immensen Unterschiede zwischen Gesetzen mit Vergangenheitsbezug wird deutlich, dass der Terminus „Erinnerungsgesetz“ nicht immer nachvollziehbar ist: Deklaratorische Gesetze sind für die Bewahrung einer Erinnerung mangels Rechtsfolge wirkungslos und besitzen allenfalls symbolisch-politischen Charakter; die Beleidigungsvorschriften schützen im Fall der Holocaustleugnung letztlich die Ehre des Einzelnen, entweder des Toten89 selbst oder seiner Nachkommen90 und nicht die Erin88 Für eine kulturgeschichtliche Analyse dieses Phänomens siehe: Lévi-Strauss, Das wilde Denken und seine Unterscheidung zwischen Staaten, die ihre Geschichte verinnerlicht haben („heiße Staaten“) und solchen, die eine andere Realität konstruieren wollen („kalte Staaten“); zitiert nach Assmann, J., S. 68 ff. 89 Hunger, S. 136.
1. Kap.: Negationismus als Straftat
45
nerung an den Toten; im Fall von unechten Erinnerungsgesetzen wird der Erinnerungsbegriff gar in sein Gegenteil verkehrt, da die natürliche Erinnerung nur an ein tatsächlich stattgefundenes Ereignis anknüpfen kann und nicht an ein vom Staat propagiertes Geschichtsbild. Die Bezeichnung „Erinnerungsgesetz“ ist in diesen Fällen kaum mehr als ein Schlagwort. Damit bleibt als „Erinnerungsgesetz“ sensu stricto nur das Verbot der Holocaustleugnung in der Tatbestandsalternative des Leugnens und Verharmlosens (bzw. für Frankreich: Bestreitens) übrig. Die Einordnung des Verbots der Holocaustleugnung als Erinnerungsgesetz steht allerdings unter dem Vorbehalt, dass diese Vorschrift materiell (zumindest auch) einen Schutz der Erinnerung impliziert. Diese Frage soll im Folgenden durch einen Strafrechtsvergleich geklärt werden. Die untersuchten Vorschriften haben jeweils folgenden Wortlaut: Für Deutschland: § 130 Abs. 3 StGB91 Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.
Für Frankreich: Art. 24bis frz. PresseG92 Mit den im Absatz 6 des Art. 24 vorgesehenen Strafen wird bestraft, wer mit den Mitteln des Art. 23 die Existenz eines oder mehrerer Verbrechen gegen die Menschlichkeit bestreitet, so wie sie in Art. 6 des Statuts des Internationalen Militärgerichtshofs im Anhang an das Londoner Abkommen vom 8.08.1945 definiert sind und welche entweder durch Mitglieder einer in Art. 9 des genannten Statuts für kriminell erklärten Organisation, oder durch eine Person, die von einem französischen oder internationalen Gericht für schuldig erklärt wurde, begangen wurden. Das Gericht kann außerdem die Veröffentlichung oder Verbreitung der Entscheidung anordnen, wie es Art. 131–35 des frz. StGB vorsieht.
Und für Polen: Art. 55 IPN-G93 Wer öffentlich und den Tatsachen zuwider Verbrechen leugnet, von denen in Art. 1 Abs. 1 die Rede ist, [Art. 1 Abs. 1: nationalsozialistische Verbrechen und 90 Zu diesem Unterschied zwischen Deutschland und Frankreich: Hochmann, Droit et Société 2008, 527 (532). 91 Eingeführt mit dem VerbrBekG v. 28.10.94 (BGBl. I 3186), geändert am 26.6.2002 (BGBl. I 2254). 92 Loi du 29 juillet 1881 sur la liberté de la presse, Art. 24bis eingeführt mit Gesetz Nr. 90-615 v. 13.7.1990 („Loi Gayssot“), siehe J. O. Nr. 162 v. 14.7.1990 (Übersetzung von mir). 93 Gesetz vom 18.12.1998 über das Institut der nationalen Erinnerung (Instytut Pamie˛ci Narodowej, IPN) – Kommission zur Verfolgung von Verbrechen gegen die polnische Nation, Dz. U. 1998 Nr. 155, Position 1016 (Übersetzung von mir).
46
1. Teil: Was schützt das Verbot der Holocaustleugnung?
kommunistische Verbrechen, die an Personen polnischer Nationalität oder an polnischen Staatsbürgern anderer Nationalität zwischen dem 1.09.1939 und dem 31.07.1990 verübt worden sind sowie sonstige Verbrechen gegen den Frieden, die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen . . .] wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft. Das Urteil wird veröffentlicht.
2. Kapitel
Das Verbot der Holocaustleugnung in der rechtspolitischen Diskussion Im Folgenden wird der parlamentarische Gesetzgebungsprozess des Verbots der Holocaustleugnung in Deutschland, Frankreich, Polen und England aufgezeigt. Ziel dieses Abschnitts ist es, zu zeigen, dass der Gesetzgeber durch das Verbot der Holocaustleugnung nicht nur die Bekämpfung von Rassismus und Antisemitismus beabsichtigt hat, sondern gleichzeitig die Schutzwürdigkeit einer „kollektiven Erinnerung“ an den Holocaust anerkennt. Dabei werden auch die rechtspolitischen Argumente, die gegen das Verbot vorgebracht worden sind, analysiert.
A. Deutschland: § 130 Abs. 3 StGB I. Gesellschaftlicher Kontext Das Verbot der Holocaustleugnung wurde mit dem VerbrBekG vom 28.10.1994 eingeführt. Als einer der Auslöser für die Schaffung einer ausdrücklichen Strafbestimmung kann das Urteil des BGH vom 15.3.1994 angesehen werden.94 Angeklagt war der Bundesvorsitzende der NPD, Günter Deckert, der einen öffentlichen Vortrag mit dem amerikanischen „Hinrichtungsexperten“ Fred Leuchter veranstaltet hat. Dieser referierte, er habe auf Grund eigener Recherchen in den Lagern Auschwitz-Birkenau und Majdanek herausgefunden, dass die dort angeblich installierten Gaskammern ein „Mythos“ bzw. eine „Lüge“ seien. Der Angeklagte übersetzte den Vortrag unter gelegentlicher Hinzufügung eigener Kommentare.95 Der Senat war der Ansicht, das bloße Bestreiten der Gaskammermorde erfülle nicht das Tatbestandsmerkmal der Verletzung der Menschenwürde und sei demnach keine strafbare Volksverhetzung.96 94 v. Dewitz, S. 101; König/Seitz, NStZ 1995, 1 (3); Kübler, AöR (125) 2000, 109 (114); Krauß, LK § 130 Rn. 101; Leukert, S. 28. 95 BGHSt 40, 97 (98).
2. Kap.: Verbot der Holocaustleugnung in der Diskussion
47
Dieses Urteil und das skandalös-tendenziöse erstinstanzliche Urteil des LG Mannheim97 haben in der BRD medial für großes Aufsehen98 gesorgt. Das BGH-Urteil wurde im Gesetzgebungsverfahren oftmals als Beispiel dafür zitiert, dass es in Bezug auf die einfache Holocaustleugnung eine Gesetzeslücke99 in Deutschland gab. II. Initiative Die Idee, die Leugnung des Holocaust unter Strafe zu stellen, war nicht neu.100 Schon Anfang der 80er Jahre gab es in Kreisen der SPD konkrete Überlegungen, entweder § 130 StGB oder § 140 StGB („Belohnung und Billigung von Straftaten“) zu erweitern, um die einfache Holocaustleugnung zu erfassen.101 Am 10.11.1982 brachte die SPD-Fraktion den Antrag in den Bundestag ein, § 140 StGB um das Tatbestandsmerkmal des Leugnens zu erweitern.102 Zwei Jahre später folgte ein erneuter Versuch103, der in einer vom Rechtsausschuss104 angeregten Änderung des § 194 StGB resultierte, die den Staatsanwaltschaften auftrug, von Amts wegen bei negationistischen Äußerungen zu ermitteln.105 Etwas über zehn Jahre später, am 18.2.1994, hat die Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP, aufgerüttelt durch eine ansteigende Zahl von Verbrechen mit rechtsextremem Hintergrund, einen Entwurf für ein Verbrechensbekämpfungsgesetz im Bundestag eingebracht.106 In diesem Entwurf wurde u. a. gefordert, auf das Tatbestandsmerkmal der Menschenwürde in § 130 a. F. StGB zu verzichten, um „die Anwendung dieses Tatbestands in der Praxis zu erleichtern“107. 96
BGHSt 40, 97 (100). NJW 1994, 2494; kritisch u. a. Bertram, NJW 1994, 2397 (2398); v. Dewitz, S. 102, da der Vorsitzende Richter dem Angeklagten seine „rechte“ Gesinnung als Zeichen der Charakterstärke strafmildernd wertete. 98 Z. B. Prantl, SZ v. 19.3.94, S. 9; eher medienkritisch: Bertram, NJW 1994, 2002; Grimm, SZ v. 7.5.94 S. 2; Leggewie/Meier, S. 144. 99 So z. B. BT-Drs. 12/7421 S. 3, Ullmann, BT-Prot. 227. Sitzung, S. 19665. 100 Siehe zur Gesetzgebungsgeschichte: Leukert, S. 9 ff. und v. Dewitz, S. 99 ff. 101 Im Detail: Wandres, S. 100 ff. 102 BT-Drs. 9/2090; zum Referentenentwurf: Schmude, RuP 1981, 153 ff. 103 BT-Drs. 10/891; fast wortgleich auch der Regierungsentwurf: BT-Drs. 10/1286. 104 BT-Drs. 10/3242. 105 Hierzu ausführlich: Stein, Mich. L. Rev. (85) 1986, 273 (305 ff.). 106 BT-Drs. 12/6853. 107 BT-Drs. 12/6853 S. 19. 97
48
1. Teil: Was schützt das Verbot der Holocaustleugnung?
Ähnlich hatte auch schon der Bundesrat im Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes vom 29.4.1993 vorgeschlagen, den Begriff „Menschenwürde“ durch den Begriff „Würde“ zu ersetzen, um den Anwendungsbereich des § 130 StGB „maßvoll zu erweitern“ (BT-Drs. 12/4825 S. 4, 6). Ob dies angesichts der restriktiven Auslegung dieses Tatbestands durch die Rechtsprechung jedoch für eine Pönalisierung der einfachen Holocaustleugnung ausgereicht hätte, darf bezweifelt werden.108
Am 11.4.1994 brachte die SPD-Fraktion ihren Vorschlag vom Jahre 1982, das Leugnen des Holocaust unter Strafe zu stellen, erneut ein, diesmal in einem neugeschaffenen Absatz 3 des § 130 StGB.109 Dem folgten Bündnis 90/Die Grünen am 27.4.94 mit einem eigenen Gesetzentwurf zur Schaffung eines § 131a StGB, in welchem sie ausdrücklich auf das Deckert-Urteil des BGH vom 15.3.94 Bezug nahm.110 Die bestehende Aburteilung der Holocaustleugnung als Beleidigung wurde als unzureichend angesehen, da eine bloße „private Auseinandersetzung“111 der gesamtgesellschaftlichen Dimension des Holocaust nicht gerecht werde und eine von § 194 StGB ermöglichte Ermittlung von Amts wegen in der Praxis faktisch nicht vorkomme112. Durch diese Vorgänge rückte das mehrfach initiierte Projekt der Pönalisierung der Holocaustleugnung wieder in das Zentrum der Aufmerksamkeit. Beide Vorschläge wurden von der Regierungskoalition aufgegriffen und in den eigenen Gesetzentwurf zur Neuregelung des § 130 StGB aufgenommen.113 Dieser wurde im Rechtsausschuss einstimmig verabschiedet.114 III. Verlauf der parlamentarischen Debatte 1. Pro-Argumente Die Debatte im Deutschen Bundestag war stark von gedächtnispolitischen Erwägungen geprägt.115 Es wurde betont, dass durch dieses Verbot der Ge108
So Werthebach, RechtsA-Prot. 12/120 S. 241. de With, RechtsA-Prot. 12/120 S. 392; der dem Vorsitzenden des Rechtsausschusses zugeleitete Entwurf sah die Pönalisierung in § 130 I Nr. 3 (Hervorhebung von mir) vor – vermutlich ein Versehen. 110 BT-Drs. 12/7421, S. 1. 111 So auch Ostendorf, NJW 1985, 1062 ff. 112 BT-Drs. 12/7421, S. 3; so auch v. Bubnoff, LK11 § 130, Rn. 42; a. A. König/ Seitz, NStZ 1995, 1 (3). 113 RechtsA-Protokoll 12/127, S. 53. 114 BT-Drs. 12/8588, S. 3; RechtsA-Prot. 12/127, S. 54, woraufhin Bündnis 90/Die Grünen ihren Antrag für erledigt erklärten, ebd., S. 64. 115 Vgl. v. Dewitz, S. 107. 109
2. Kap.: Verbot der Holocaustleugnung in der Diskussion
49
fahr einer Neuerstarkung des Nationalsozialismus oder damit verbundenen Ideologien in Deutschland entgegengewirkt werden soll, zumal die Holocaustleugnung einen bedeutenden Teil rechtsextremistischer Propaganda ausmacht. Der Abgeordnete Geis formulierte (stellvertretend für ähnliche Beiträge anderer), dass man sich nicht nachsagen lassen wolle, man würde nicht alles unternehmen, um mit aller Entschiedenheit gegen den Rechtsextremismus vorzugehen.116 Die beste Möglichkeit der Vermeidung einer Rehabilitation von NS-Gedankengut in der Öffentlichkeit sahen die Abgeordneten darin, das Bewusstsein bezüglich der Vergangenheit vor Verfälschung und Entstellung zu bewahren. So sagte der Abgeordnete Geis: „Im Kampf gegen den Rechtsextremismus sind sich die Parteien einig. Die Nazis haben in der Geschichte unseres Volkes zu großes Unheil angestiftet, als dass sie je noch einmal die Chance haben dürfen, in der Politik unseres Landes ein wichtiges Wort mitreden zu können.“117
Der Abgeordnete Mahlo machte klar, dass der Leugner versuche, die Naziideologie zu verharmlosen und sie dadurch wieder gesellschaftsfähig zu machen.118 Im Wortlaut ähnlich äußerten sich im Hinblick auf die Bekämpfung des Rechtsextremismus auch die Abgeordneten de With119, Gysi120 und Leutheusser-Schnarrenberger121. Der Holocaust wurde als Symbol für die ideologischen Verirrungen des 20. Jahrhunderts gewürdigt, das über die Opferzahlen hinaus eine besondere Bedeutung besitzt. Da die Bundesrepublik in scharfer Antithese zum NSRegime gegründet wurde, stellt der Holocaust auch eine Art Gründungsmythos dar: Wer Auschwitz leugnet, greift damit auch die Bundesrepublik und ihr Selbstverständnis an. So führte Ullmann aus, die Holocaustleugnung ziele auf die Infragestellung der Prozesse gegen die Kriegsverbrecher ab und wolle damit eine der „Grundvoraussetzungen unserer Demokratie“ zerstören.122 De With konstatierte in ähnlichem Sinne: „Auschwitz ist und bleibt unser Menetekel. Ich sage ganz einfach: Wer den nationalsozialistischen Massenmord, also den Holocaust, verharmlost oder leugnet, muss wissen, dass er an demokratischen Grundfesten rührt.“123 116 117 118 119 120 121 122 123
Geis, BT-Prot. 229. Sitzung, S. 19870. Geis, BT-Prot. 229. Sitzung, S. 19870. Mahlo, BT-Prot. 227. Sitzung, S. 19667. BT-Prot. 227. Sitzung, S. 19668. BT-Prot. 227. Sitzung, S. 19670. BT-Prot. 227. Sitzung, S. 19671. Ullmann, BT-Prot. 227. Sitzung, S. 19665. de With, BT-Prot. 227. Sitzung, S. 19669.
50
1. Teil: Was schützt das Verbot der Holocaustleugnung?
Der Abgeordnete van Essen erklärte, indem er ebenfalls auf die Erinnerung an die NS-Vergangenheit Bezug nahm: „Es kann nicht zugelassen werden, dass versucht wird, uns die notwendige Scham angesichts der tiefen Schatten unsererer Vergangenheit zu nehmen“124.
Dass nach Auschwitz das oberste Ziel die Erinnerung an dieses Verbrechen sein muss, hat Mahlo ausdrücklich in Worte gefasst: „(. . .) das einzige, was wir als Volk – für ein Volk gibt es eben nicht die Gnade der späten Geburt – tun können, um mit diesen Verbrechen irgendwie umzugehen, ist doch, uns ihrer zu erinnern. Wer diese Untaten abstreitet, der nimmt uns die Möglichkeit, sich ihrer zu erinnern, und sei es nur, um damit unsere Zukunft zu meistern.“125
Die bisherige Erfassung der Holocaustleugnung durch die Beleidigungsdelikte konnte dies nicht zum Ausdruck bringen, weshalb ein Sondertatbestand notwendig war, um die Bedeutung dieser Straftat zu unterstreichen. So forderte van Essen eine Heraushebung aus der „niedrigeren strafrechtlichen Ebene der Privatklagedelikte“126. 2. Contra-Argumente Trotz der großen Einigkeit in allen Fraktionen bezüglich der Notwendigkeit, die Leugnung des Holocaust strafrechtlich zu ahnden, gab es auch kritische Stimmen. So stellte Mahlo die Frage nach dem Grund der Strafverfolgung. Dem Strafgrund des Schutzes des „politischen Klimas“, wie es im Entwurf des Justizministeriums heißt, setzte er die fehlende Präzision des Begriffs und die vielfältig auf sonstige Weise mögliche – aber strafrechtlich nicht geahndete – Vergiftung des politischen Klimas entgegen.127 Des Weiteren kritisierte Mahlo, dass das Verfolgungsschicksal der Juden Bestandteil der Würde dieses Bevölkerungsteils sein soll, und äußerte Unverständnis darüber, dass „den jüdischen Menschen mindestens ein Teil ihrer Würde sozusagen durch die Untaten des Herrn Hitler verschafft sein sollen“128. Rechtspolitische und systematische Bedenken erhob noch der fraktionslose Abgeordnete Lowack. Er war dagegen, die Leugnung eines einzelnen geschichtlichen Vorgangs unter Strafe zu stellen, während dies bei zahlreichen anderen historischen Tatsachen unterbleibe. Darin sei ein Bruch der Rechtssystematik zu erkennen, durch den ein paar wenigen Unbelehrbaren vor Gericht ein neues Forum für Agitation eingeräumt werde.129 124 125 126 127 128
van Essen, BT-Prot. 227. Sitzung, S. 19669. Mahlo, BT-Prot. 227. Sitzung, S. 19666. van Essen, BT-Prot. 227. Sitzung, S. 19669. Mahlo, BT-Prot. 227. Sitzung, S. 19666. Mahlo, BT-Prot. 227. Sitzung, S. 19666.
2. Kap.: Verbot der Holocaustleugnung in der Diskussion
51
IV. Rechtspolitische Stellungnahmen 1. Stellungnahmen aus der Gesellschaft a) Positive Kommentare Das Verbot wurde in der Öffentlichkeit weitaus positiver aufgenommen als frühere Verschärfungen des Strafrechts bezüglich der Holocaustleugnung. So hat sich diesmal auch der Zentralrat der Juden für eine eigenständige Regelung eingesetzt, nachdem er in den 80er Jahren noch gegen ein strafrechtliches Verbot gewesen war.130 Der Soziologe und Politikwissenschaftler Hajo Funke ist der Ansicht, dass Holocaustleugner keine Irren, sondern gefährliche Antisemiten seien, denen auch mit Hilfe des Strafrechts Grenzen gesetzt werden dürften.131 Wolfgang Benz, Historiker und Antisemitismusforscher, erklärte das Verbot in einem Rundfunk-Interview für sinnvoll und richtig: „Diejenigen, gegen die sich das Verbot richtet, sind nicht an einem wissenschaftlichen und fairen Diskurs interessiert sondern tanzen frech und dreist auf den Gebeinen der Opfer indem sie sagen, das hat nicht existiert.“132
Auch der Historiker Hans-Ulrich Wehler befürwortet die Existenz der Vorschrift und sieht keinen Konflikt mit der Meinungsfreiheit: „Es sollte schon eine Rechtszone geben, in der diese Lüge verfolgt wird. Bei einer Güterabwägung finde ich – so sehr ich für das Recht auf Meinungsfreiheit bin –, kann man die Leugnung des Holocausts nicht mit einem Übermaß an Generösität hinter freier Meinungsäußerung verstecken.“133
Ähnlich argumentiert der ehemalige hessische Ministerpräsident Walter Wallmann, der zudem der Ansicht ist, das strafrechtliche Verbot könne das Grundwertebewusstsein stärken und auf das allgemeine Bewusstsein der Bevölkerung Einfluss nehmen.134 Heribert Prantl sieht den Sinn des Verbotes darin, das Gedenken an die NS-Opfer zu bewahren und Übergriffe auf jüdische Mitbürger zu verhindern.135 129
Lowack, BT-Prot. 243. Sitzung, S. 21547. Vogelgesang, NJW 1985, 2386 (2388) Fn. 27. 131 http://www.netz-gegen-nazis.de/artikel/keine-irren-sondern-gefaehrliche-antise miten (zuletzt aufgerufen am 22.07.2011). 132 http://www.3sat.de/dynamic/sitegen/bin/sitegen.php?tab=2&source=/kulturzeit/ themen/127931/index.html (zuletzt aufgerufen am 22.07.2011). 133 http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,402284,00.html (zuletzt aufgerufen am 22.7.2011). 134 Wallmann, FAZ v. 27.8.94, S. 27. 135 Prantl, SZ v. 16.2.2007, S. 4. 130
52
1. Teil: Was schützt das Verbot der Holocaustleugnung?
b) Kritische Kommentare Trotz des Konsenses bezüglich der Missbilligung der Holocaustleugnung lehnen kritische Stimmen das Mittel des Strafrechts zur Bekämpfung dieses Phänomens ab. Der Historiker Martin Broszat fand die Rechtsgründe für das Verbot kaum bestreitbar, wies jedoch darauf hin, dass Leugnern vorrangig mit gesellschaftlichen Mitteln begegnet werden müsse.136 Außerdem könnten Freisprüche fälschlicherweise als „Freisprüche in der Sache“ öffentlich plakatiert werden.137 Sein Kollege Eberhard Jäckel geht noch etwas weiter und empfiehlt, Leugner rechtlich mit Ignoranz zu strafen und sie stattdessen öffentlich, politisch und wissenschaftlich zu bekämpfen.138 Der konservative Historiker Ernst Nolte sieht in diesem „Gesetz für das Außergesetzliche“ eine Gefahr für die geistige Freiheit.139 Der links-liberale Geschichtswissenschaftler Götz Aly – wahrlich niemand der eine geistige Nähe zu Nolte unterhält – hält das Verbot für unnötig und verfassungswidrig.140 Der Publizist Horst Meier weist darauf hin, dass Verbote als Weg der Auseinandersetzung mit dem Rechtsradikalismus das Problem eher verschleierten als lösten, da diese sich auch kreativ umgehen ließen.141 Ein Verbot gebe durch die rechtliche Sonderstellung außerdem erneut Gelegenheit zu Hass gegen Juden und sei mithin ein „privilegium odiosum“.142 Ralf Dahrendorf plädierte ebenfalls für mehr Zurückhaltung und befürchtete durch ein gesondertes Strafgesetz ein mehr an Aufmerksamkeit für die Leugner. Eine Bloßstellung von Leugnern wie im Beleidigungsverfahren von David Irving gegen Deborah Lipstadt in Großbritannien sei besser als ein Strafgesetz, obwohl auch dadurch Publizität geschaffen werde.143 Vereinzelt gab es den Versuch, Leugner pauschal als Irre oder Verrückte abzutun und damit den Einsatz des Strafrechts als unverhältnismäßig erscheinen zu lassen.144 Bei den kritischen Stimmen herrschte insgesamt die Ansicht vor, die ungeteilte Empörung über das Gebaren der Leugner dürfe nicht in eine zu heftige Gegenreaktion des Staates umschlagen, da sich da136
Broszat, S. 294. Broszat, S. 294. 138 http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/kulturinterview/588968/ (zuletzt aufgerufen am 22.07.2011). 139 Nolte, FAZ v. 23.8.94, S. 7. 140 Aly, Taz v. 19.4.94, S. 10. 141 Meier, Merkur 1994, 1128 (1132). 142 Meier, Merkur 1994, 1128 (1129). 143 Dahrendorf, DIE ZEIT v. 20.4.2000, S. 11. 144 Fromme, FAZ v. 7.07.94, S. 10; dieses Argument fand auch in der Rechtswissenschaft Anhänger, z. B. Baumann, NStZ 1994, 391 (392); Geilen, LdR, S. 1178; Jakobs, GA 2001, 559 (561); Kühl, Geilen-Symp., S. 119. 137
2. Kap.: Verbot der Holocaustleugnung in der Diskussion
53
durch nicht nur der Rechtsstaat desavouiere, sondern auch den Leugnern willkommene Aufwertung verschaffe. Eine mögliche gesellschaftliche Antwort auf den Negationismus wurde darin gesehen, über die Leugner und ihre Thesen aufzuklären, bzw. auf mehr Bildung zu setzen.145 2. Stellungnahmen aus der Rechtswissenschaft a) Positive Kommentare Von einem Teil der Rechtswissenschaft ist das Verbot der Holocaustleugnung erleichtert aufgenommen worden.146 Der Deutsche Richterbund beispielsweise hatte schon kurz nach dem umstrittenen BGH-Urteil in einer Pressemitteilung für ein spezifisches Verbot der einfachen Holocaustleugnung plädiert und dessen Notwendigkeit damit begründet, dass Holocaustleugner die NS-Ideologie wieder hoffähig machen wollten.147 So wurde nach Inkrafttreten der Vorschrift positiv hervorgehoben, dass die ausdrückliche Pönalisierung in § 130 Abs. 3 StGB eine Klarstellung der Rechtslage bedeute.148 Dies vereinfache die Rechtsanwendung und erhöhe die Rechtssicherheit.149 Stegbauer sieht, trotz Kritik an der übereilten Entstehung der Vorschrift und deren symbolischem Charakter keine durchgreifenden Bedenken und begrüßt es, dass die einfache Holocaustleugnung nun auf dogmatisch sicherer Grundlage steht.150 Partsch sieht in der Novellierung auch die Erfüllung einer internationalen Verpflichtung.151 Nach Art. 4 a) des „Internationalen Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung“ (ICERD-Konvention), die am 4.1.1969 in Kraft getreten ist, sei auch jede Unterstützung rassistischer Aktivitäten zu bestrafen; eine solche Unterstützungshandlung liege beim Billigen, Leugnen oder Verharmlosen des Holocaust vor.152 Streng argumentiert, das Verbot der Holocaustleugnung stelle die notwendige Verteidigung einer zentralen moralischen Grundlage dar, nämlich der kollektiven Scham.153 Ein solches Gesetz könne zwar nur eine zeitgebundene Legitimation aufbieten, momentan tangiere die Leugnung jedoch den 145 146 147 148 149 150 151 152 153
So z. B. Broszat, S. 293; Markovits, DIE ZEIT v. 17.2.1995, S. 14. Wandres, S. 139 spricht von einer spürbaren Erleichterung in der Literatur. Deutscher Richterbund, DRiZ 1994, 229. Frommel, KJ 1994, 323 (324). Dahs, NJW 1995, 553 (554). Stegbauer, NStZ 2000, 281 (286). Partsch, EuGRZ 1994, 429 (434). Partsch, EuGRZ 94, 429 (434). Streng, JZ 2001, 205.
54
1. Teil: Was schützt das Verbot der Holocaustleugnung?
störungssensiblen Konsens über die Existenz der Judenvernichtung im Dritten Reich.154 Ähnlich sieht v. Dewitz in der Strafvorschrift eine Identitätsbestimmung des wiedervereinigten Deutschlands, welches sich kritisch der eigenen Geschichte stellt.155 Nach der Auffassung von Frommel steht Auschwitz als historisches Symbol für Menschenrechtsverletzungen. Eine Pönalisierung der Lüge sei daher gerechtfertigt und müsse auch von der Dogmatik zum Ausdruck gebracht werden können.156 Selbst wenn, wie von einigen angenommen, eine Strafbarkeitslücke auf Grund der Erfassung der einfachen Holocaustleugnung durch die Beleidigungsvorschriften nicht bestanden habe, so bedeute die ausdrückliche Pönalisierung jedenfalls ein „Signal“.157 b) Kritische Kommentare Insgesamt war der Aufruhr in der Rechtswissenschaft nicht so groß, wie dies in den 80er Jahren der Fall gewesen war.158 Damals wurde u. a. argumentiert, eine Novellierung offenbare eine gewisse Hilflosigkeit des Staates159 und sorge dafür, dass die Diskussion über Geschichte gestört werde160. Nichtsdestoweniger tauchten auch bezüglich § 130 Abs. 3 StGB ähnliche Argumente auf. So wurde befürchtet, durch das Gesetz könnte das Klima der Gedankenfreiheit Schaden erleiden, da bestimmte Debatten „eingefroren“ würden und dadurch die Tatsache Auschwitz an Eindrücklichkeit verlöre.161 Ob das Gesetz außerdem wirklich helfe, den Rechtsextremismus wirksam zu bekämpfen, wurde ebenfalls in Zweifel gezogen. Wahrscheinlicher erschien es manchen, dass die Leugner aus der prozessbedingten Aufmerksamkeit Profit schlagen und den Gerichtssaal als „Propagandaforum“162 für ihre Agitation nutzen könnten, bevor sie durch die Verurteilung eine Art „Märtyrerstatus“163 154
Streng, JZ 2001, 205 (207). v. Dewitz, S. 118. 156 Frommel, KJ 1995, 402 (405). 157 König/Seitz, NStZ 1995, 1 (3). 158 Günther, ZRP 1987, 117 (118); Kühl, Geilen-Symp., S. 106. 159 Eschen, ZRP 1983, 10 (12). 160 Köhler, NJW 1985, 2389 (2391). 161 So Roellecke, FAZ v. 18.5.1994, S. 13; vgl. auch Beisel, NJW 1995, 997 (1000) „Denkverbot“; Dietz, KJ 1995, 210 (221) „Mythos“ und „Tabuisierung“. 162 So schon Köhler, NJW 1985, 2389 (2391). 163 Zum Märtyrer-Argument u. a.: Cobler, KJ 1985, 159 (168); Hörnle, S. 335; Leukert, S. 311; Ostendorf, NJW 1985, 1062 (1064); Roxin, Marinucci-FS, S. 730; Schubert, S. 221. 155
2. Kap.: Verbot der Holocaustleugnung in der Diskussion
55
erlangten. Zudem wurde gefragt, ob der bisherige Normapparat nicht ausgereicht hätte, wenn dessen Möglichkeiten ausgeschöpft worden wären.164 Des Weiteren wurde kritisiert, dass es durch dieses Verbot zu einer Ausweitung des Strafrechts auf andere Genozide bzw. historische Tatsachen kommen könnte, was das Strafrecht überfordern dürfte.165 Das insofern exemplarische Verbot der Holocaustleugnung soll nach dieser Auffassung einen „Dammbruch“ herbeigeführt haben. Bei manchen trifft das Verbot gar auf prinzipielle Ablehnung. § 130 StGB enthalte, so Bertram, „irreguläres Ausnahmestrafrecht“166. Dieses zeigt sich für Geilen daran, dass das einzige historische Beispiel der Pönalisierung der Lüge die Häresie sei und es abgesehen vom Verbot der Holocaustleugnung in unserer Rechtsordnung keine dermaßen abstrahierte Lügevorschrift gebe.167 Zudem existierten laut Brugger weniger einschneidende Möglichkeiten, die Erinnerung an den Holocaust zu bewahren, als das Strafrecht.168 Zuletzt haben die ehemaligen Bundesverfassungsrichter Hassemer169 und Hoffmann-Riem170 öffentlich für die Abschaffung der Vorschrift plädiert.
B. Frankreich: Art. 24bis frz. PresseG I. Gesellschaftlicher Kontext In Frankreich hat das Thema Rassismus und Negationismus in den 80er Jahren einen Höhepunkt erreicht.171 Seinen Ursprung nahm der Negationismus in den 50er Jahren in Gestalt von Schriften von Maurice Bardèche und Paul Rassinier.172 Einer größeren Öffentlichkeit wurden Negationisten in den späten 70er Jahren bekannt: Im Jahre 1978 veröffentlichte der bis heute bekannteste französische Holocaustleugner, Robert Faurisson, ein ehemaliger Dozent für Sprachwissenschaft an der Universität Lyon II, in der Zei164
Werle/Wandres, S. 214. Eschen, ZRP 1983, 10 (11); a. A. Beisel, NJW 1995, 997 (1001). 166 Bertram, NJW 2005, 1476. 167 Geilen, LdR, S. 1177. 168 Brugger, Germ. L. J. 2003, 1 (36); ein Modell diesbezüglich entwirft Schubert, S. 311 ff. 169 SZ v. 11.6.2008, S. 4. 170 FAZ v. 10.7.2008, S. 4; dazu die Entgegnung von mir: SZ v. 15.7.2008, S. 13. 171 Vgl. Igounet, Valérie Histoire du négationnisme (2000); Rousso, Cités 2008, 51 ff. 172 Rousso, South Centr. Rev. 2006, 67 (70). 165
56
1. Teil: Was schützt das Verbot der Holocaustleugnung?
tung „Le Monde“ einen Artikel, in welchem er die Existenz von Gaskammern bestritt.173 Ihm folgte der Artikel des Vichy-Kollaborateurs Louis Darquier in der Zeitschrift „L’Express“, in welchem dieser behauptete, die Gaskammern in Auschwitz hätten nur der Vernichtung von Läusen gedient.174 Zur selben Zeit begann der Negationismus verstärkt an französischen Universitäten Fuß zu fassen:175 Negationisten verbreiteten ihre Thesen in Dissertationen (Roques) und wissenschaftlichen Publikationen (Notin) oder bekamen Diplome für negationistische Arbeiten (Platin). Selbst am anerkannten Forschungsinstitut CNRS fanden sich Anhänger negationistischer Thesen (Thion). Von universitärer Seite wurde erst spät gegen Holocaustleugner vorgegangen, indem Diplome aberkannt und Negationisten von Universitäten und Forschungseinrichtungen ausgeschlossen wurden.176 Negationistische Äußerungen wurden auch auf politischer Ebene artikuliert: So äußerte der Vorsitzende des rechtsextremen „Front National“, Jean-Marie Le Pen, in einem Rundfunkinterview, dass für ihn die Gaskammern nur ein „Detail der Geschichte“ seien; die gerichtliche Aufarbeitung dieser Aussage hat offenbar werden lassen, dass bezüglich negationistischer Äußerungen eine Strafbarkeitslücke bestand.177 II. Initiative Für die Bekämpfung des Rassismus gab es in Frankreich bereits vor der Loi Gayssot eine allgemeine gesetzliche Handhabe178: Die „Loi Pleven“179 von 1972 stellte die Anstachelung zum Rassenhass unter Strafe (Art. 24 frz. PresseG).180 Darunter fällt auch die „qualifizierte Holocaustleugnung“, sowie ausdrücklich (Art. 24 Abs. 3 frz. PresseG) die Billigung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Darüber hinaus verbietet Art. 32 frz. PresseG die Diffamierung mit rassistischem Bezug181 und Art. 34 frz. PresseG stellt die Verunglimpfung des Andenkens Verstorbe173
Le Monde v. 29.12.1978, S. 8. Siehe Rousso, Cités 2008, 51 (55). 175 Kahn, S. 104; Rousso, Cités 2008, 51 (55 ff.). 176 Kahn, S. 104; Rousso, South Centr. Rev. 2006, 67 (76 ff.); siehe zum Ganzen auch: Rousso, Henry, Le dossier Lyon III (2004). Siehe zu Notin auch das Urteil des C. E. v. 28.9.1998 Nr. 159236. 177 Siehe: TGI de Nanterre v. 23.9.1987, dazu: Bertin, Gaz. Pal. 1987, 685. 178 Siehe ausführlich: Laitenberger, S. 157 ff. 179 Loi nº 72-546 du 1er juillet 1972. 180 Siehe auch: Cammillieri-Subrenat, RIDC 2002, 513 (517 ff.). 181 Siehe ausführlich: Dreyer, Légipresse Nr. 199 2003, 19; ders., J.-Cl. l. pén. spéc. Fasc. 110; Vivant, S. 440. 174
2. Kap.: Verbot der Holocaustleugnung in der Diskussion
57
ner182 unter Strafe. Die einfache Holocaustleugnung wurde von diesem Normenapparat jedoch nicht erfasst. Lediglich zivilrechtlich konnten negationistische Äußerungen im Rahmen der deliktischen Generalklausel des Art. 1382 C. civ. relevant werden.183 Die Negationisten hatten früh versucht, die Lücken der „Loi Pleven“ auszunutzen, indem sie sich wissenschaftlich und weniger hetzerisch gaben. Um den Negationismus effektiver zu bekämpfen, hat Innenminister Pasqua deshalb 1987 die Schaffung eines „Delikts der Leugnung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ vorgeschlagen.184 Am 2.4.1988 brachte der Abgeordnete Sarre einen Gesetzentwurf ein, dessen Begründung auf diejenigen abzielte, „welche die Würde und die Erinnerung an die Opfer des Holocaust dadurch angriffen, dass sie den Holocaust leugneten oder dessen Ausmaß verharmlosten“185. Dieser ursprünglich von Fabius initiierte Entwurf war Vorlage für die 1990 schließlich in Kraft getretene „Loi Gayssot“, benannt nach ihrem Autor, dem Abgeordneten Gayssot.186 Den Beratungen zur Loi Gayssot in der Assemblée Nationale war kurz vorher die Schändung des jüdischen Friedhofs in Carpentras vorangegangen, was die Abgeordneten und die Öffentlichkeit zusätzlich für das Thema Antisemitismus sensibilisierte. III. Verlauf der Debatte in der Assemblée Nationale und im Senat 1. Pro-Argumente Vor dem Hintergrund der Geschehnisse in Carpentras wurde als erstes Argument für die Bestrafung der Holocaustleugnung die Bekämpfung des Rassismus angeführt. Dieser Bezug findet sich auch in der Gesetzesbezeichnung: „loi tendant à réprimer tout acte raciste, antisémite ou xénophobe“. Die Erweiterung der rechtlichen Mittel sei nötig, hieß es, da die bisherigen gesetzlichen Möglichkeiten keine Handhabe gegen die Holocaustleugnung lieferten.187 Letztere sei als rassistisch einzustufen, da sie Ausdruck einer 182 Ausführlich siehe: Haguenau-Moizard, RIDC 1999, 347 (357) und Laitenberger, S. 157 ff. 183 So z. B. im Fall Faurisson: TGI Paris v. 8.7.1981, siehe Cammillieri-Subrenat, RIDC 2002, 513 (525); Dhoquois, Ethnologie Franc¸aise 2006, 27 (29). 184 Assemblée Nationale, Rapport 1262, S. 19. 185 Siehe Assemblée Nationale, Rapport Nr. 1262, S. 19. 186 Mehr zum Kontext des Gesetzentwurfs: Asensi, Colloque CA Paris, S. 45. 187 So u. a. Gayssot, J. O. v. 3.5.1990 (A.N.), S. 917; ähnlich: Le Garrec, ebd., S. 924.
58
1. Teil: Was schützt das Verbot der Holocaustleugnung?
antisemitischen Propaganda sei und den Nationalsozialismus rehabilitieren wolle.188 Häufig wurde in diesem Zusammenhang auf den Satz von Sartre aus den „Réflexions sur la question juive“ Bezug genommen, wonach der Rassismus keine Meinung sei.189 Der Justizminister Arpaillange betonte, dass der Rassismus den ordre public störe und es deshalb nötig sei, seine Protagonisten zu bekämpfen. Den Pamphleten der Leugner sei jeder wissenschaftliche Gehalt abzusprechen.190 Neben der Bekämpfung des Rassismus wurde mehrfach ausdrücklich auf die Schutzbedürftigkeit der kollektiven Erinnerung an den Holocaust Bezug genommen. Dies brachte schon der Autor des Gesetzes, Gayssot zum Ausdruck, indem er sagte, dass diejenigen bestraft werden müssen, die durch die Leugnung oder Verharmlosung des Nazi-Holocaust die Erinnerung angreifen.191 Der Abgeordnete Boulard sah eine Pflicht darin, sich der Opfer zu erinnern. Seiner Ansicht nach versuchen die „Revisionisten“ die Erinnerung an die Opfer verschwinden zu lassen und durch die Auslöschung und Verdrehung der Geschichte den Verlust der Erinnerung herbeizuführen, um erneut Gehör für ihre Thesen zu finden.192 Ähnlich sah der Abgeordnete Autexier die Notwendigkeit für das Gesetz darin begründet, der natürlichen, zeitbedingten Erosion der direkten Erinnerung entgegenzuwirken, welche durch das allmähliche Verschwinden von Zeitzeugen zwangsläufig stattfinde.193 Der Abgeordnete Dosière hob hervor, dass Negationisten als Nachfolger der Naziideologen auf den Verlust der Erinnerung angewiesen sind, um weiter Zuspruch zu erhalten und an Einfluss zu gewinnen. Dem müsse Einhalt geboten werden, da die Menschheit ihre Dynamik verlieren würde, wenn sie die Vergangenheit vergäße.194 Ähnliche Argumente wurden auch im Senat vorgetragen. Der Berichterstatter der Gesetzeskommission, Lederman, versuchte die Senatoren zu einer Debatte über das Gesetz zu bewegen, indem er die Nähe des Negationismus zu den Methoden des NS-Regimes skizzierte und aufzeigte, dass auch diese schon versucht haben, ihre Spuren zu verwischen: „L’oubli est l’allié le plus précieux pour ceux qui n ’oublient pas leur Führer“.195 Die Negationisten, so Lederman, bedienten sich der Propagandamethoden eines 188
Asensi, J. O. v. 3.5.1990 (A.N.), S. 889. Asensi, J. O. v. 3.5.1990 (A.N.), S. 890; Dosière, J. O. v. 29.6.1990 (A.N.), S. 3123. 190 Arpaillange, J. O. v. 3.5.1990 (A.N.), S. 904. 191 Gayssot, J. O. v. 3.5.1990 (A.N.), S. 919. 192 Boulard, J. O. v. 3.5.1990 (A.N.), S. 928. 193 Autexier, J. O. v. 3.5.1990 (A.N.), S. 956. 194 Dosière, J. O. v. 29.6.1990 (A.N.), S. 3123. 195 Lederman, J. O. v. 12.6.1990 (S.), S. 1450. 189
2. Kap.: Verbot der Holocaustleugnung in der Diskussion
59
Goebbels, wonach eine Lüge desto eher geglaubt werde, je monströser sie sei. Dies habe mit Forschung nichts zu tun.196 Am deutlichsten verteidigte der Senator Allouche den Schutz der Erinnerung durch das Gesetz. Er sah die Grundlage für die Bekämpfung des Negationismus schon in der Präambel der Verfassung von 1946 angelegt, die sich auf den Sieg der freien Völker über das NS-Regime bezieht. Er betrachtete die Erinnerung als notwendig, da das Vergessen der Opfer, wie es Elie Wiesel ausdrückte, einer zweiten Tötung nahekomme. Nur durch die Erinnerung könne das Bewusstsein bezüglich der historischen Wahrheit aufrecht erhalten werden: „Sans la mémoire, la vérité devient mensonge, car elle ne prend que la masque de la vérité et qu’est-ce que un témoin sans mémoire?“197 Der Negationismus sei eine antisemitische Ideologie, die dem Schutz des Gesetzes nicht unterstehen dürfe und letztlich eine Rehabilitierung dieser Verbrechen und der Täter im Namen der akademischen und universitären Freiheiten zum Ziel habe: „Quelle offense à la vérité! Quelle offense à la mémoire d’une époque où l’on brûla les livres avant de brûler les hommes.“198 Bezüglich eines möglichen Eingriffs in die Forschungsfreiheit empfahl er die Interpretationsfreiheit von Historikern nicht mit der Leugnung von anerkannten und ernsthaft nicht bestrittenen Fakten zu verwechseln. Er betonte die Notwendigkeit, sich nicht durch das Schweigen selbst zum Komplizen zu machen, sondern dafür zu sorgen, dass die grausamen Kapitel der Geschichte nicht dem Vergessen anheim fallen sondern zukünftigen Generationen überliefert werden.199 Ebenfalls mit Bezug auf die Vergangenheit und die Erinnerung stellte die Senatorin Fraysse-Cazalis fest, dass die Leugnung von Gaskammern nie die Arbeit eines Historikers sein könne, sondern stets das Werk von Fälschern sei, welche die Menschheit einer ihrer schlimmsten Erinnerungen berauben möchten. Die Unverjährbarkeit von Verbrechen gegen die Menschlichkeit habe ebenfalls zum Ziel, das Vergessen für immer unmöglich zu machen.200 Das Gesetz habe für sie deshalb neben einer repressiven auch eine pädagogische Bedeutung, da im Kampf gegen das Vergessen ein Aufruf an das Bewusstsein der Nation liege. Der Antisemitismus der Revisionisten äußere sich für sie in der Auslöschung der Erinnerung: „Leurs auteurs (du révisionnisme, M.M.) cherchent à effacer des mémoires du régime nazi, à faire oublier la solution finale (. . .) les réalités historiques ne doivent pas être oubliées.“201 196 197 198 199 200
Lederman, ebd. Allouche, J. O. v. 12.6.1990 (S.), S. 1454. Allouche, J. O. v. 12.6.1990 (S.), S. 1454. Allouche, J. O. v. 12.6.1990 (S.), S. 1454. Fraysse-Cazalis, J. O. v. 12.6.1990 (S.), S. 1457.
60
1. Teil: Was schützt das Verbot der Holocaustleugnung?
2. Contra-Argumente Die parlamentarische Debatte um die Loi Gayssot wurde insgesamt recht kontrovers geführt202 und war u. a. auf Grund des Umstandes, dass der Gesetzentwurf von der Gruppe der Kommunisten eingebracht worden war, politisch und ideologisch stark aufgeladen.203 Abgeordnete der Konservativen und des Front National versuchten noch am Tag der Debatte zu verhindern, dass über den Gesetzentwurf debattiert wird.204 Redebeiträge kommunistischer Abgeordneten wurden häufig durch Zwischenrufe wie „Gulag!“ und „Katyn´!“ unterbrochen.205 Teilweise wurde offen darauf hingewiesen, dass der Gesetzentwurf deshalb abgelehnt wird, da er von den Kommunisten stammt.206 Die konservative Senatsmehrheit hat es nach Debatten zur Geschäftsordnung drei Mal abgelehnt, über das Gesetz zu beraten und so wurde das Gesetz letztlich allein mit der Parlamentsmehrheit verabschiedet. Der Grad der Politisierung lässt sich auch daran erkennen, dass keiner der Abgeordneten gefordert hat, das Gesetz dem französischen Verfassungsgericht zur Überprüfung vorzulegen.207 Die Vorbehalte waren vielfältig: Dem Gesetzentwurf wurde vorgeworfen, ein Ausnahmegesetz208 zu sein: es ginge nicht um die Bekämpfung des Rassismus sondern um die Bekämpfung bestimmter Personen209 einerseits und die Bevorzugung von Juden andererseits210, was mit republikanischen Werten nicht vereinbar sei. Die Vertreterin des Front National geißelte das Gesetz u. a. als willkürlich, als Verstoß gegen die Meinungs- und Forschungsfreiheit und als totalitär, da es eine offizielle Wahrheit festschreiben wolle.211 Sie verteidigte den Revisionismus als anerkannte Methode der Forschung und argumentierte, dass ein Strafgesetz nur Zweifel an der geschichtlichen Wahrheit wecken würde. Ein Strafgesetz bezüglich Aussagen 201
Fraysse-Cazalis, J. O. v. 12.6.1990 (S.), S. 1458. Siehe auch Beignier, Mourgeon-FS, S. 506 ff. 203 Siehe zum Ganzen auch Kahn, S. 105 ff. 204 Stirbois, J. O. v. 3.5.1990 (A.N.), S. 907; Toubon, J. O. v. 3.5.1990 (A.N.), S. 886 ff. 205 So z. B. die Abgeordneten Stirbois, Pandraud, Griotteray und Delattre: J. O. v. 3.5.1990 (A.N.), S. 889. 206 de Broissia, J. O. v. 3.5.1990 (A.N.), S. 928; Georges-Laurin, J. O. v. 12.6.1990 (S.), S. 1448. 207 Was allerdings auch politische statt rechtliche Gründe gehabt haben könnte, so Chantebout, S. 115. 208 de Broissia, J. O. v. 3.5.1990 (A.N.), S. 928. 209 Stirbois, J. O. v. 3.5.1990 (A.N.), S. 909. 210 Moreau, J. O. v. 3.5.1990 (A.N.), S. 926. 211 Stirbois, J. O. v. 3.5.1990 (A.N.), S. 930 ff. 202
2. Kap.: Verbot der Holocaustleugnung in der Diskussion
61
zu dem Massaker in Katyn´ an polnischen Intellektuellen durch russische Streitkräfte hätte die Wahrheit nicht ans Licht gebracht.212 Ähnliche Argumente kamen auch aus den Reihen der konservativen Minderheit. Der Abgeordnete Toubon war der Ansicht, dass sich das Gesetz gegen wissenschaftliche Arbeiten richte und dadurch revisionistische Thesen erst Recht ernstgenommen werden würden.213 Auch de Broissia betrachtete Negationisten als Historiker und Forscher und bezweifelte, dass deren Bestrafung richtig sei.214 Er argumentiert zudem, dass der Einsatz des Strafrechts nicht angemessen sei, da es zum einen bereits ausreichende rechtliche Möglichkeiten gebe, den Negationismus zu bekämpfen und zum anderen eine strafrechtliche Verfolgung die Leugner nur zu Märtyrern mache.215 Das Argument des Eingriffs in Bürgerrechte wurde auch in den Redebeiträgen im Senat immer wieder betont. Der Senator Paul Masson betrachtete den Eingriff in diese Rechte für nicht gerechtfertigt, hielt die bisherigen juristischen Mittel für ausreichend und sah in dem Gesetzentwurf eine Nähe zu totalitären Regimes.216 Der Senator Bernhard Seiller betonte, dass der Hass durch einen Verstoß gegen die Meinungsfreiheit nicht verschwinde.217 Die Gegenposition zu dem Gesetzentwurf variierte in ihrer Ausdrucksform von verhaltener Zurückhaltung aus politischen Gründen (Mazeaud218) über die formelle Kritik, man habe zu wenig Zeit gehabt, sich mit dem Entwurf auseinanderzusetzen (De Broissia219) bis zur offenen Feindseligkeit auf Seiten der Vertreterin des Front National (Stirbois220) und ihrem wiederholten Versuch, das Gesetz zu stoppen. Auffallend ist jedoch, dass selbst von den erbittertsten Gegnern keine Vorbehalte gegen die Bewahrung der Erinnerung als solche vorgebracht worden sind. IV. Rechtspolitische Stellungnahmen In Frankreich stand die Loi Gayssot seit ihrem Inkrafttreten immer wieder in der Öffentlichkeit und wurde kontrovers diskutiert. Dabei spielt auch 212 Stirbois, ebd., S. 907 ff., 914, 930 ff.; dies., J. O. v. 29.6.1990 (A.N.), S. 3125. 213 J. O. v. 3.5.1990 (A.N.), S. 955. 214 J. O. v. 29.6.1990 (A.N.), S. 3124. 215 J. O. v. 29.6.1990 (A.N.), S. 3124. 216 J. O. v. 12.6.1990 (S.), S. 1447. 217 J. O. v. 12.6.1990 (S.), S. 1450. 218 Mazeaud, J. O. v. 3.5.1990 (A.N.), S. 906. 219 de Broissia, J. O. v. 3.5.1990 (A.N.), S. 927. 220 Stirbois, J. O. v. 3.5.1990 (A.N.), S. 909; dies., J. O. v. 29.6.1990 (A.N.), S. 3139.
62
1. Teil: Was schützt das Verbot der Holocaustleugnung?
eine Rolle, dass das Thema Negationismus Gegenstand zahlreicher strafrechtlicher, zivilrechtlicher und verwaltungsrechtlicher Prozesse war. Im Jahre 2005 geriet die Loi Gayssot durch die Kontroverse rund um die Loi Mékachéra und den sich andeutenden Rahmenbeschluss der EU erneut in das Blickfeld der Kritik. 1. Stellungnahmen aus der Gesellschaft a) Positive Kommentare Ein mehrheitlich positives Echo hat die Loi Gayssot bei Opferverbänden und Anti-Rassismus-Verbänden hervorgerufen. Diese können seit der Novellierung als Nebenkläger auftreten und nutzen diese Möglichkeit häufig. Unter den Befürwortern der Loi Gayssot sind aber auch Schriftsteller, Regisseure und einige Historiker. Zu letzteren gehört Rousso, der sich zwar allgemein zurückhaltend gegenüber Erinnerungsgesetzen zeigt, die Loi Gayssot aber als notwendiges Mittel zur Bekämpfung des Antisemitismus betrachtet.221 Der Initiative „Liberté pour l’Histoire“ die für die Abschaffung aller Erinnerungsgesetze ohne Differenzierung eintritt, verweigerte namentlich auch die Historikerin Annette Wieviorka die Gefolgschaft, da sie die Abschaffung der Loi Gayssot nicht mittragen wollte. Die Loi Gayssot sei anders als die anderen „lois mémorielles“: sie habe Wirkung gezeigt und ihre Abschaffung würde die Geschichtsfälscher nur rehabilitieren.222 Die fehlende Differenzierung des Appells „Liberté pour l’Histoire“ hat den Gegenappell „Ne mélangeons pas tout!“ (Lasst uns nicht alles vermischen!)223 hervorgerufen, in welchem die Loi Gayssot gegen pauschale Kritik in Schutz genommen wird. Unter den 33 Unterzeichnern finden sich u. a. der Regisseur Claude Lanzmann, der Schriftsteller Didier Daeninckx, sowie die LICRA-Anwälte Alain Jakubowicz, Bernard Jouanneau sowie Serge Klarsfeld. Der Regisseur Claude Lanzmann argumentierte, dass die Negationisten direkte geistige Nachfahren der Nazi-Verbrecher seien und dass die Strafvorschrift eine Unterscheidung zwischen echten und falschen Historikern ermögliche.224 Nicht der Kampf gegen den Negationismus trage orwellhafte Züge, sondern der Negationismus selbst.225 Auch Jacques Tarnero, Regisseur 221 222 223 224 225
Rousso, Le Monde v. 24.12.2005, S. 19. Wieviorka, Regards Nr. 325 2006, 27 (30). Libération v. 20.12.2005. Lanzmann, Le Nouvel Observateur v. 9.10.2008, S. 98. Lanzmann, Libération v. 10.1.2006, S. 33.
2. Kap.: Verbot der Holocaustleugnung in der Diskussion
63
eines Dokumentarfilms über den Negationismus („Autopsie d’un mensonge“) sieht den Vorteil der Loi Gayssot darin, dass sich negationistische Aussagen leichter als solche identifizieren lassen.226 Deutlich hat sich auch der populäre Intellektuelle Bernard-Henri Lévy für die Bestrafung von Negationisten stark gemacht und eine Ausweitung des Gesetzes auf den Genozid an den Armenier gefordert. Nicht die Loi Gayssot, sondern die Negationisten störten den Historiker bei dessen Arbeit. Das Gesetz helfe Historikern, indem es Negationisten die Möglichkeit nimmt, sich als Historiker zu gerieren.227 Immer wieder wurde von Seiten der Befürworter darauf hingewiesen, dass durch dieses Gesetz noch nie ein Forscher an seiner Arbeit gehindert worden ist.228 Ebenfalls zurückgewiesen wurde das Argument, die Vorschrift errichte offizielle Wahrheiten: Der Holocaust ist keine neue, durch das Gesetz errichtete „offizielle“ Wahrheit, sondern war bereits vor dem Gesetz als Tatsache anerkannt gewesen.229 b) Kritische Kommentare Im Vergleich zu den Protesten gegen andere Erinnerungsgesetze, wie die Loi Mékachéra, hielt sich die direkte gesellschaftliche Kritik gegen die Loi Gayssot eher in Grenzen.230 Dennoch gab und gibt es immer noch eine Debatte über das „Ob“ und „Wie“ des Einsatzes des Strafrechts gegen negationistische Aussagen.231 Die Loi Gayssot hatte zu Beginn vor allem zwei prominente Kritiker: den Historiker Pierre Vidal-Naquet und die Historikerin und ehemalige Vorsitzende der Menschenrechtsorganisation LDH, Madeleine Rebérioux. Ihre Hauptargumente waren die Gefahr der Errichtung einer „offiziellen Wahrheit“232 (was ein Kennzeichen totalitärer Regime sei233), die Märtyrerbildung234 („Märtyrerargument“) auf Seiten der Holocaustleugner, die Einmischung des Gesetzgebers und Richters in die Arbeit von Historikern235 226
Sgherri, Le Figaro v. 15.1.2001, S. 34. Henri-Lévy, Le Monde v. 2.2.2007, S. 20. 228 Daeninckx, in: Michel (Hg.), S. 51; Henri-Lévy, Le Monde v. 2.2.2007, S. 20. 229 Daeninckx, in: Michel (Hg.), S. 50; Policar, Le Monde v. 18.10.2006, S. 19. 230 So auch Assemblée Nationale, Rapport Nr 1262, S. 21. 231 Vivant, S. 420; zum Ganzen siehe Colloque CA Paris, S. 1 ff. 232 Rebérioux, L’Histoire (138) 1990, 92 (94); so auch: Chandernagor, Le Figaro Magazine v. 11.10.2008, 42; dies., Le Monde v. 17.10 2005, S. 27; Vidal-Naquet, S. 80. 233 Terré, Le Figaro v. 15.5.1996, S. 2. 234 Rebérioux, Le Monde v. 21.5.1996, S. 14. 235 Siehe hierzu näher: Mallet-Poujol, D. 2000 (J.), 226 (229). 227
64
1. Teil: Was schützt das Verbot der Holocaustleugnung?
sowie die Verletzung der Meinungs- und Forschungsfreiheit. Vidal-Naquet beabsichtigte den Negationismus durch Schrift und Wort zu demaskieren und zu bekämpfen. Eine direkte Konfrontation mit dessen Vertretern lehnte er jedoch ab: man müsse letztlich mit Faurisson leben.236 Im Jahre 2005 starteten die Historiker René Rémond, Jean-Pierre Azéma und Pierre Nora einen Appell für die Abschaffung aller „lois mémorielles“ („Appel de 19“ oder „Liberté pour l’histoire“), den zahlreiche namhafte Historiker (darunter Pierre Vidal-Naquet) unterschrieben. Ein zweiter Appell im Jahr 2008 („Appel de Blois“) richtete sich gegen den Rahmenbeschluss der EU zur Einführung eines europaweiten Verbots der Leugnung von Genoziden und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.237 Diese Appelle wurden u. a. damit begründet, dass die Loi Gayssot, trotz legitimer Zielsetzung letztlich als „Präzedenzfall“238 für andere Gesetze gedient habe („Dammbruchargument“).239 Neben den sonstigen Erinnerungsgesetzen werden in diesem Zusammenhang auch gerne zwei Beispiele zitiert: So war der Historiker Olivier Pétré-Grenouilleau, der ein Buch über den Sklavenhandel geschrieben hatte, von Opferverbänden dafür verklagt worden, dass er den Sklavenhandel nicht als Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingeordnet hatte.240 Ähnlich erging es dem amerikanischen Historiker Bernard Lewis, der für den Genozid an den Armeniern nicht den Begriff Genozid verwendet hatte (Trib. corr. Paris 17è ch., v. 18.11.94, unveröff.). In beiden Fällen war jedoch nur das Zivilrecht impliziert, nicht das Strafrecht.241
Kernforderung des Appells ist die Bewahrung des Historikers vor staatlichen Dogmen und vor einem verstärkten Eindringen der Erinnerungskultur in die Geschichtswissenschaft. Das Verhältnis zwischen Geschichtswissenschaft und Erinnerungskultur ist seit der Jahrtausendwende Gegenstand einer größeren sozialwissenschaftlichen Kontroverse.242 Historiker kritisieren die immer stärker werdende Präsenz der Erinnerungskultur: sie beanspruche in Form von offiziellen Gedenktagen, Denkmälern und durch die Aktivität von Opferverbänden eine höhere Legitimität für sich als die Geschichtswissenschaft und verdränge, bzw. kriminalisiere diese sogar.243 236
Vidal-Naquet, S. 80. Zu sonstigen Appellen siehe Garibian, Esprit 2006, S. 158. 238 Rémond, Regards Nr. 325 2006, 17 (24). 239 Nora, Le Nouvel Obervateur v. 9.10.2007, S. 98; ders., Le Monde v. 11.10.2008, S. 21; Slama, Le Figaro Magazine, v. 7.10.2006, S. 20. 240 Garibian, Esprit 2006, S. 159 m. w. N. 241 Francillon, Rev. sc. crim. 1998, 573 (576). 242 Zum Ganzen: Nora, Le Débat (122) 2002, 24 ff.; Ricoeur, Paul, La Mémoire, l’Histoire, l’Oubli (2000); Todorov, Tzvetan, Les abus de la mémoire (1995). 243 Nora, Le Figaro v. 22.12.2005, S. 3. „La mémoire est de plus en plus tyrannique“; ders., Le Débat (122) 2002, 24. 237
2. Kap.: Verbot der Holocaustleugnung in der Diskussion
65
Die fehlende Differenzierung zwischen der Loi Gayssot und den anderen Erinnerungsgesetzen war wiederum auf teilweise massive Kritik gestoßen.244 Seitdem betonen die Kritiker der Erinnerungsgesetze des öfteren, dass die Kritik an der Loi Gayssot sich vor allem auf deren Vorreiterrolle beziehe, stellen aber den legitimen Zweck des Gesetzes nicht prinzipiell in Frage.245 2. Stellungnahmen aus der Rechtswissenschaft a) Positive Kommentare In der Rechtswissenschaft gibt es zahlreiche namhafte Befürworter der Loi Gayssot. Namentlich versuchen die Verfassungsrechtler Gérard CohenJonathan, Michel Troper und Patrick Wachsmann die positiven Aspekte dieses Gesetzes hervorzuheben und die Kritik daran zurückzuweisen.246 Cohen-Jonathan sieht die Gefahr des Negationismus in dessen Angriff auf die liberalen Grundfesten der staatlichen Ordnung und auf den Zusammenhalt der Gesellschaft.247 Troper kann in der Loi Gayssot weder einen Widerspruch zu den Traditionen der Aufklärung, noch eine Verletzung der Meinungsfreiheit erkennen, zumal letztere auch nie schrankenlos sei.248 Das Argument der Errichtung „offizieller Wahrheiten“ lässt er nicht gelten, da auch liberale Gesellschaften bestimmte Wahrheiten voraussetzten ohne diese ständig zu hinterfragen. Dies gelte insbesondere im akademischen Bereich: „Une université n’éxaminerait même pas la candidature d’un prétendu historien qui soutiendrait que Napoléon a gagné la bataille de Waterloo. La commission saisie écarterait immédiatement le dossier, sans le discuter et sans chercher à réfuter les thèses du candidat, parce qu’elle présumerait qu’elles sont fausses.“249
Wachsmann hält den Einwand der offiziellen Wahrheit für „oberflächlich“, da er die Besonderheiten des Negationismus außer Acht lasse.250 Gegen den Vorwurf der Geschichtsschreibung durch Gerichte hat schließlich Yan Thomas vorgebracht, dass das Gesetz nicht die Wahrheit selbst zum Gegenstand habe, sondern die negationistische Äußerung: „La loi n’a pas 244
Siehe z. B. Wieviorka, Regards Nr. 325 2006, 27 (29). Chandernagor, Le Figaro Magazine v. 11.10.2008, S. 42; Nora, Le Nouvel Obervateur v. 9.10.2007, S. 98. 246 Übersicht bei Lamy, S. 371; Vivant, S. 439 ff. 247 Cohen-Jonathan, RTDH 1997, 571. 248 Troper, AHSS 1999, 1239 ff. 249 Troper, AHSS 1999, 1239 (1251). 250 Wachsmann, RTDH 2001, 585 (591). 245
66
1. Teil: Was schützt das Verbot der Holocaustleugnung?
pour objet la vérité même du fait, mais l’acte verbal de sa négation.“251 Der Richter werde durch die Loi Gayssot davon befreit, die historische Wahrheit ergründen zu müssen; seine Aufgabe beschränke sich darauf, die Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens zu untersuchen.252 Andere haben darauf hingewiesen, dass es schon seit Langem ständige Rechtsprechung253 sei, die Arbeit des Historikers bezüglich der Einhaltung seiner Methodenwahl, den „règles de l’art“, wie z. B. Gutgläubigkeit, Genauigkeit und Vollständigkeit, überprüfen zu dürfen.254 Die Loi Gayssot helfe dabei, zwischen Historikern und Negationisten zu unterscheiden.255 Es sei auch nicht neu, auf vergangene Ereignisse gesetzlich Bezug zu nehmen, wie Sévane Garibian mit dem Hinweis auf die Festlegung von Gedenktagen per Gesetz feststellt. Schon die Präambel der Verfassung von 1946, die zu dem anerkannten256 Kernbestand des Verfassungsrechts („bloc de constitutionnalité“) gehört, verleugnet ihren geschichtlichen Kontext nicht.257 Gegen den Einwand der Bevorzugung von Minderheiten hat Krikorian vorgebracht, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit schon per definitionem die ganze Menschheit betreffen und nicht nur einzelne Mitglieder.258 Gerichtliche Auseinandersetzungen böten außerdem die Chance, die Wahrheit bekannter zu machen.259 Kritisiert wurde auch der von Bertrand Mathieu initiierte Aufruf zur Abschaffung aller Erinnerungsgesetze. So haben u. a. die Juristen Bernard Jouanneau, Chrstian Charrière-Bournazel, Alain Jakubowicz und Charles Korman in einer Gegenposition die Ansicht kundgetan, dass der Negationismus Teil des Genozids sei.260 Emmanuel Dreyer hat bemerkt, dass derartige Unterschriftensammlungen nicht die Legitimation einer Entscheidung gewählter Volksvertreter in Frage stellen könnten.261 Christian Charrière-Bournazel fehlte es, wie schon beim „Appell der 19“, an Differenzierungsbereitschaft 251
Thomas, Le Débat (102) 1998, 17 (24); ähnlich auch: Kahn, S. 111. So auch Cohen-Jonathan, RTDH 1997, 571 (591); Imbleau, Le Devoir v. 16.3.2007, S. 9; Troper, AHSS 1999, 1239 (1251); Vivant, S. 430. 253 C. cass. (ch. civ.) v. 27.2.1951, D. 1951, 329 – Branly. 254 Cartier, RFDC 2006, 509 (519); Cohen, Gaz. Pal. Nr. 86 2001, 28; Francillon, Rev. sc. crim. 1998, 573 (577); Garibian, Esprit 2006, S. 172. 255 Beignier, Mourgeon-FS, S. 532; Jakubowicz, Libération v. 21.12.2005, S. 7; Klarsfeld, Le Monde v. 28.1.2006, S. 21. 256 C. const. Entscheidung Nr. 71-44 DC v. 16.07.1971 veröff. im J. O. v. 18.7.1971. 257 Garibian, Esprit 2006, S. 167. 258 Krikorian, D. 2006, 1980. 259 Lamy, S. 379. 260 Le Monde v. 10.10.2006, S. 24. 261 Dreyer, D. 2007, 541 (542). 252
2. Kap.: Verbot der Holocaustleugnung in der Diskussion
67
auf Seiten der Kritiker. Er hält die Strafbarkeit des Negationismus als besonders verwerfliche Form des Antisemitismus für notwendig.262 Schließlich wurde vorgebracht, das Gesetz sei ein Ausdruck von Wehrhaftigkeit263, habe eine Lücke geschlossen264 und sei auf Grund seiner praktischen Wirksamkeit ein Fortschritt265 im Kampf gegen Negationisten. Bezüglich des angeblichen Verstoßes gegen die Meinungs- und Forschungsfreiheit wurde argumentiert, dass rassistische Äußerungen keine Meinungen darstellten bzw. dass der Eingriff gerechtfertigt sei.266 Die Tätigkeit der Negationisten unterliege als politische Propaganda nicht der Forschungsfreiheit267 und letztlich überwögen höherrangige Interessen, wie z. B. die Erinnerung268 und die Menschenwürde269 der Opfer. Gelegentlich wurde auch eine Ausweitung der Loi Gayssot auf andere Genozide gefordert, insbesondere auf die Leugnung des Genozids an den Armeniern im Jahr 1915.270 b) Kritische Kommentare Die Kritik aus der Rechtswissenschaft an dem Gesetz verlief im Großen und Ganzen in den gleichen Bahnen, wie sie die Parlamentsdebatte und die gesellschaftliche Auseinandersetzung vorgezeichnet hatte.271 Häufig zu hören war auch hier die Warnung vor der Errichtung „offizieller Wahrheiten“.272 Als negative Folge des Gesetzes wurden die erhöhte mediale Aufmerksamkeit273 für Negationisten, eine mögliche Märtyrerbildung274 und die Gefahr 262
Charrière-Bournazel, Gaz. Pal. 2006, 298 (299). Fraisseix, RFDC 2006, 483 (498). 264 Fraisseix, RFDC 2006, 483 (491); Klarsfeld, Le Monde v. 28.1.2006, S. 21; Krikorian, D. 2006, 1980; Rome, D. 2007, 489. 265 Willmann, Arch. phil. droit 2006, 189 (202); ähnlich: Dhoquois, Ethnologie Franc¸aise 2006, 27 (30). 266 Francillon, Rev. sc. crim. 1998, 573 (577); Troper, AHSS 1999, 1239 (1251). 267 Fraisseix, RFDC 2006, 483 (499); Francillon, Rev. sc. crim. 1998, 573 (577); Jakubowicz, Libération v. 21.12.2005, S. 7; Klarsfeld, Le Monde v. 28.1.2006, S. 21. 268 Cohen, Gaz. Pal. Nr. 86 2001, 28; Krikorian, D. 2006, 1980 (1981); Salas, Colloque CA Paris, S. 41, 43. 269 Beignier, Mourgeon-FS, S. 510. 270 Beignier, Mourgeon-FS, S. 533; Francillon, Rev. sc. crim. 1998, 573 (578); Krikorian, D. 2006, 1980 (1981); Racine, S. 146. 271 Für eine Übersicht über die gängigen Argumente: Feldman, Le Monde v. 18.10.2006, S. 19; Francillon, Rev. sc. crim. 1998, 573 (576 ff.); Garibian, in: Coquio (Hg.), S. 226; Lamy, S. 371 ff.; Vivant, S. 439 ff. 272 Chantebout, S. 115; Edelman, Droit et Société (38) 1998, 47; Morange, S. 104; Vivant, S. 452. 273 Hannoun, S. 114; Le Crom, Droit et société (38) 1998, 33 (44). 274 So z. B. Hannoun, S. 115. 263
68
1. Teil: Was schützt das Verbot der Holocaustleugnung?
einer Ausweitung275 des Gesetzes auf weitere Genozide genannt. Außerdem wurde die Verfassungskonformität des Gesetzes in Zweifel gezogen.276 Zwar sei es wahr, so Libchaber, dass jede Nation eine bestimmte Version ihrer Geschichte aufrecht erhalte und diese die aktuelle Politik bestimme, es sei jedoch gefährlich, wenn sie die Meinungsfreiheit einschränkt.277 Hinterfragt wurde auch die Notwendigkeit des Gesetzes: eine strafrechtliche Sondervorschrift gegen Negationisten sei nicht nötig, da eine Ahndung dieser Aussagen zivilrechtlich bereits vor der Einführung der Loi Gayssot möglich gewesen war.278 Anderen wiederum geht die Vorschrift nicht weit genug: Bernard Beignier ist der Ansicht, man müsse die Leugnung aller Genozide und auch die Rechtfertigung und Billigung der Nazi-Ideologie unter Strafe stellen.279 Im Jahr 2006 initiierte der Verfassungsrechtler Bertrand Mathieu unter Juristen einen Appell für die Abschaffung von Erinnerungsgesetzen, der von zahlreichen namhaften Professoren unterschrieben wurde.280 Neben der Meinungs- und Forschungsfreiheit – die auch sonst häufig genannt worden waren281 – wurde auch der „kommunitaristische“ Ansatz dieser Gesetze (gemeint ist hier die dadurch eingeräumte angebliche Sonderstellung bestimmter gesellschaftlicher Gruppen) für verfassungswidrig erklärt. Die Loi Gayssot sei außerdem zu unbestimmt und verstoße dadurch gegen das Legalitäts- und das Rechtsstaatsprinzip. Deshalb sei die Abschaffung dieser Gesetze notwendig, auch wenn dies, wie im Fall der Loi Gayssot, auch negative Folgen haben könne.282
C. Polen: Art. 55 i. V. m. Art. 1 IPN-G I. Gesellschaftlicher Hintergrund Die Erinnerungskultur in Polen ist geprägt von der Aufarbeitung zweier Fremdherrschaften: der nationalsozialistischen und der kommunistischen. 275
Bellescize, D. 2006, 1476. Mathieu, D. 2006, 3001. 277 Libchaber, RTD civ. (1) 1999, 245 (249). 278 Errera, Esprit (167) 1990, 82; Libchaber, RTD civ. (1) 1999, 245 (249); Vivant, S. 452. 279 Beignier, Mourgeon-FS, S. 533; für eine Ausweitung auch: Wachsmann, RTDH 2001, 585 (586). 280 Mathieu, D. 2006, 3001. 281 Z. B. De Gouttes, Gaz. Pal. 2001, 1443; Libchaber, RTD civ. (1) 1999, 245 (249); Morange, S. 104. 282 Mathieu, D. 2008, 3064. 276
2. Kap.: Verbot der Holocaustleugnung in der Diskussion
69
Zentrales Thema des Gedenkens sind die im Zuge beider Besatzungsregime verübten Verbrechen an polnischen Staatsbürgern.283 Die strafrechtliche Abrechnung mit nationalsozialistischen Verbrechen besteht bereits seit 1944.284 Die damals eingerichtete „Hauptkommission für die Verfolgung von Naziverbrechen“ lieferte u. a. Materialien für die ersten Kriegsverbrecherprozesse. Mit dem Systemwechsel im Jahre 1989 kam der Umgang mit der Vergangenheit erneut auf die politische Agenda. In der Gründungszeit der Republik Polen überwog zunächst das Bedürfnis nach Zukunftsorientierung und nach einer Historisierung der Vergangenheit durch einen „dicken Schlussstrich“285. Die Vergangenheit ließ sich jedoch nicht ausblenden. Durch ein eigens verabschiedetes Rehabilitationsgesetz286 wurden Urteile wegen Widerstands gegen das kommunistische Regime aufgehoben. Ein Durchleuchtungsgesetz287 sollte ehemalige Spitzel im Beamtenapparat aufdecken. Dieses stark umstrittene Gesetz verlangt von allen Personen288, die ein wichtiges Amt im Staatswesen bekleideten, oder bekleiden wollten, eine Erklärung, nicht mit dem kommunistischen Sicherheitsdienst (SB) zusammengearbeitet zu haben.289 Auf strafrechtlicher Ebene wurde u. a. die Verjährung für stalinistische Verbrechen290 und deren Verfolgung neu geregelt, indem die Befugnisse der Hauptkommission zur Verfolgung von Naziverbrechen erweitert wurden.291 Die mit der Verfolgung dieser Verbrechen beauftragte Kommission arbeitete jedoch wenig effizient, da etliche Ermittlungen von der Staatsanwaltschaft wiederholt werden mussten, was für erhebliche Verzögerungen sorgte.292 283 284
Siehe grundlegend: Weigend/Zoll, in: Eser/Arnold (Hg.), S. 37 ff. Siehe zu den Kriegsverbrecherprozessen: Kaniewski, Stud. Iur. (35) 1998, 159
(160). 285 Dieser Ausdruck wird dem ersten freigewählten Ministerpräsidenten der Republik Polen, Tadeusz Mazowiecki, zugeschrieben: Kochanowski, Stud. Iur. (38) 2000, 89 (90) Fn. 8. 286 Siehe Gesetz vom 23.2.1991, Dz. U. Nr. 34, Pos. 149 („Rehabilitationsgesetz“); zu Rehabilitationsgesetzen in anderen postkommunistischen Staaten siehe Hudala, Stud. Iur. (35) 1998, 193 ff. 287 Dz. U. 1997 Nr. 70, Pos. 443; zu den hiermit verbundenen Verwicklungen: Weigend/Zoll, in: Eser/Arnold (Hg.), S. 115. 288 Hierzu gehören neben dem Präsidenten der Republik Polen auch Richter, Staatsanwälte und Mitarbeiter der polnischen Rundfunkanstalten, siehe Hudala, Stud. Iur. (35) 1998, 171 (175). 289 Ausführlich: Hudala, Stud. Iur. (35) 1998, 171 ff. 290 Zu diesem Begriff: Zoll, ZStW 1995, 135 (137). 291 Vgl. Weigend/Zoll, in: Eser/Arnold (Hg.), S. 97 ff. 292 Zie ˛ ba-Załucka, PSejm. (5) 2005, 31; zu den staatsanwaltlichen Befugnissen: Stadnicki, PiPr. (9) 2006, 102 ff.
70
1. Teil: Was schützt das Verbot der Holocaustleugnung?
Erschwert wurde die Verfolgung zudem in Folge zwischenzeitlich gewährter Anmestien.293 Mit dem Gesetz vom 18.12.1998 über die Errichtung des „Instituts für Nationales Gedenken – Kommission zur Strafverfolgung von Verbrechen gegen das Polnische Volk“ („Instytut Pamie˛ci Narodowej – Komisja S´cigania Zbrodni przeciwko Narodowi Polskiemu – IPN“), wurde die Aufarbeitung von nationalsozialistischen und kommunistischen Verbrechen auf eine neue Grundlage gestellt und intensiviert.294 Zu den Aufgaben des IPN gehört nunmehr u. a. die politische Bildungsarbeit, die Sammlung, Archivierung, Auswertung und Zugänglichmachung von Akten des kommunistischen Geheimdienstes (SB) und ganz zentral: die Verfolgung nationalsozialistischer und kommunistischer Verbrechen295 mittels einer eigenen Staatsanwaltschaft.296 Das IPN-G markiert eine Zeitenwende in der Erinnerungskultur Polens, da durch die nunmehr aktive Aufarbeitungspolitik ein endgültiger Bruch mit der Politik des „dicken Schlussstrichs“ vollzogen worden ist. II. Initiative Geistiger Urheber der Vorschrift ist der Lodzer Strafrechtsprofessor und spätere erste Leiter der Hauptkommission zur Verfolgung von Verbrechen gegen das polnische Volk des IPN, Witold Kulesza. Er hat den Begriff „Auschwitz Lüge“ (poln.: „kłamstwo os´wie˛cimskie“) in den öffentlichen und rechtlichen Sprachgebrauch eingeführt. Als direkten Auslöser für die Einführung der Vorschrift nennt Kulesza die negationistischen Äußerungen des Neonazis Althans in Polen, der Auschwitz u. a. als „Disney-Land für Osteuropa“ bezeichnet hat.297 Diese und ähnliche Aussagen konnten mit den damals zur Verfügung stehenden strafrechtlichen Mitteln nicht geahndet werden.298 Das IPN-G war 1998 von der Regierungskoalition, bestehend aus dem Wählerbündnis Solidarität (Akcja Wyborcza Solidarnos´c´, AWS) und der 293
Zoll, ZStW 1995, 134 (139). So Zie˛ba-Załucka, PSejm. (5) 2005, 31; siehe weiter zum IPN: Kochanowski, Stud. Iur (38) 2000, 89 ff.; zum Regime des IPN: Kaniewski, Stud. Iur. (35) 1998, 159 ff. 295 Zum Streit um diesen Begriff siehe z. B. Kulesza, W., Kaczmarek-FS, S. 407 ff.; Kulesza, J., WPP (3) 2005, 103 ff.; Rejman, WPP (1) 2006, 3 ff. 296 Allgemein: Stadnicki, PiPr. (9) 2006, 102 (105); Zie ˛ ba-Załucka, PSejm. (5) 2005, 31 (34); Weigend/Zoll, in: Eser/Arnold (Hg.), S. 117 ff. 297 Kulesza, W., Szwarc-FS, S. 334, 335. 298 Kulesza, W., Szwarc-FS, S. 336. 294
2. Kap.: Verbot der Holocaustleugnung in der Diskussion
71
Freiheitsunion (Unia Wolnos´c´i, UW), verabschiedet worden und ist am 1.1.1999 in Kraft getreten. Das IPNG wurde seitdem zahlreichen Änderungen unterzogen.299 Das Verbot der Holocaustleugnung, welches sich in Teil VII des IPNG („Strafvorschriften“), in Art. 55 befindet, blieb davon jedoch unberührt. Gegen diese Vorschrift war eine Klage des ehemaligen Ombudsmanns für Bürgerrechte, Janusz Kochanowski, der Art. 55 IPN-G für verfassungswidrig hält, vor dem poln. Verfassungsgerichtshof anhängig, die jedoch auf Antrag der neuen Ombudsfrau, Irena Lipowicz, mit Beschluss vom 8.03.2011 zurückgezogen worden ist.300 III. Verlauf der Debatte im Sejm und im Senat 1. Pro-Argumente Im Rahmen der Parlamentsdebatte wurde die Strafnorm des Art. 55 IPN-G (im Gesetzentwurf noch Art. 56) selten angesprochen. An fehlenden Gelegenheiten zur Thematisierung dieser Vorschrift hat dies nicht gelegen. Das Gesetz wurde am 24.3.1998 von Premierminister Jerzy Buzek in den Sejm eingebracht, wurde in drei Lesungen debattiert und war Gegenstand von vier Gesetzgebungskommissionen, einer Stellungnahme des Senats und eines Vetos des Präsidenten, bevor es am 18.12.1998 verabschiedet wurde und am 1.1.1999 in Kraft getreten ist.301 Der Abgeordnete und Minister Pałubicki sah eines der Hauptziele des Gesetzes darin, im Gedächtnis der Nation das Prinzip zu verankern, dass Verbrechen des Staates gegen die eigenen Bürger nicht durch Staatsgeheimnisse geschützt werden können.302 Die Erinnerung solle aufrechterhalten werden, damit sich diese Ereignisse nicht mehr wiederholten.303 Der Abgeordnete Wawryniewicz sah in der Debatte über die nationale Erinnerung eine Debatte über die Grundlagen des polnischen Staates und des in ihm herrschenden demokratischen Grundkonsenses.304 Ähnlich hat auch Markiewicz das Gesetz als identitätsstiftendes Mittel gesehen. Nach seiner Ansicht helfe es eine Grenze zu ziehen zwischen dem kommunistischen System und dem im Entstehen befindlichen demokrati299
Stadnicki, PiPr. (9) 2006, 102 (105). TK Postanowienie v. 8.03.2011, 14/2/A/2011. 301 Druk Nr. 252 v. 24.3.1998; Druk Nr. 557 vom 23.7.1998; Druk Nr. 557-A v. 11.9.1998, Druk Nr. 644 v. 12.10.1998; Druk Nr. 658 vom 22.10.1998; Druk Nr. 770 v. 4.12.1998; Druk Nr. 782 v. 16.12.1998. 302 Pałubicki, Sejm-Prot. v. 2.4.1998, 15. Sitzung, 2. Tag, TOP 14. 303 Pałubicki, Sejm-Prot. v. 2.4.1998, 15. Sitzung, 2. Tag TOP 14. 304 Wawryniewicz, Sejm-Prot. v. 2.4.1998, 15. Sitzung, 2. Tag TOP 14. 300
72
1. Teil: Was schützt das Verbot der Holocaustleugnung?
schen System.305 Der Vorsitzende der Gesetzgebungskommission, Niesiołowski, hat die Strafvorschrift in Art. 55 als „sehr wichtig“ und „wesentlich“ bezeichnet.306 Seiner Ansicht nach schütze die Vorschrift der „Auschwitz-Lüge“ vor einer besonderen Abscheulichkeit, nämlich der „Besudelung der Erinnerung der Opfer“307. Für den Abgeordneten Szyszko bedeutete die Strafbarkeit des Negationismus, den Opfern und Überlebenden Gerechtigkeit zukommen zu lassen und ihr Leid anzuerkennen, indem es nicht vergessen wird. Er unterstütze die Vorschrift voll und ganz: Diese sei notwendig, da sie es schaffe, die Geschichte von Lügen zu befreien und es immer wieder, wie z. B. bezüglich Katyn´, den Versuch gegeben habe, die Geschichte zu leugnen.308 2. Contra-Argumente Die Strafnorm gegen negationistische Äußerungen bezüglich nazistischer und kommunistischer Verbrechen war, wie die wenigen Aussagen dazu zeigen, nur ein kleiner Teil eines großen und umstrittenen Regelwerks. Die linke Minderheit sah sich durch diese Norm direkt angegriffen und lehnte die Strafnorm ab. So hat die linke Parlamentsminderheit in der Gesetzgebungskommission beantragt, den gesamten Teil VII des Gesetzes („Strafvorschriften“) zu streichen.309 Diese pauschale Ablehnung erschwert jedoch gleichzeitig die Erforschung sachlicher Argumente gegen das Verbot der Holocaustleugnung. Der Abgeordnete Siemia˛tkowski kritisierte in der Debatte, dass das Verbot der „Auschwitz-Lüge“ sich nur gegen ein einziges Ereignis richte und in anderen Rechtsordnungen umstritten sei. Art. 55 trage außerdem einen Unsicherheitsfaktor in sich, da man nicht wisse, was „kommunistische Verbrechen“ genau seien. Er hielt diese Vorschrift vor dem Hintergrund der Judikatur des EGMR in Straßburg außerdem für eine Verletzung der Meinungsfreiheit.310 Ebenfalls auf vereinzelten Widerstand traf die Strafvorschrift im Senat. Der Senator Jarzembowski beantragte die Streichung des gesamten Artikels.311 Der Senat hat sich jedoch lediglich auf eine Änderung der Vor305 306 307 308 309 310 311
Markiewicz, Sejm-Prot. v. 9.9.1998, 27. Sitzung, 1. Tag TOP 2. Niesiołowski, Sejm-Prot. v. 9.9.1998, 27. Sitzung, 1. Tag TOP 2. Niesiołowski, Sejm-Prot. v. 4.11.1998, 33. Sitzung 1. Tag TOP 4. Szyszko, Sejm-Prot. v. 9.9.1998, 27. Sitzung 1. Tag TOP 2. Niesiołowski, Sejm-Prot. v. 9.9.1998, 27. Sitzung 1. Tag TOP 2. Siemia˛tkowski, Sejm-Prot. v. 9.9.1998, 27. Sitzung, 1. Tag TOP 2. Druk Nr. 125z v. 9.10.1998, Nr. 83.
2. Kap.: Verbot der Holocaustleugnung in der Diskussion
73
schrift geeinigt. Danach sollte mit Haftstrafe bis zu drei Jahren bestraft werden, wer die in Art. 1 Punkt 1 genannten Fakten „in der Absicht irrezuführen“ öffentlich bestreitet.312 Die Einführung einer ausdrücklichen „Irreführungsabsicht“ wurde jedoch von der Gesetzgebungskommission des Sejms abgelehnt.313 Der Vorsitzende der Kommission, Niesiołowski, führte aus, dass die Formulierung des Senats zu unscharf sei und Negationisten die Möglichkeit gebe, ihre Absicht zu verschleiern.314 Art. 55 wurde schließlich mit dem ursprünglichen Wortlaut verabschiedet. Im Rahmen der Änderungsanträge in den folgenden Jahren wurde bei einer Gelegenheit auch die Streichung des Art. 55 gefordert, wenngleich „mit Bedauern“: Erfahrungen in anderen Ländern, so der Abgeordnete Jan Lytin´ski, hätten gezeigt, dass diese Vorschriften keine andere Stimmung in der Gesellschaft herbeizuführen in der Lage seien, weshalb ein Verzicht auf die Strafvorschrift als „saubere Lösung“ erscheine. Gleichwohl sei das Phänomen des Negationismus weiterhin zu bekämpfen, nur eben lieber mit moralischen und gesellschaftlichen Mitteln.315 IV. Rechtspolitische Stellungnahmen zu Art. 55 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 IPN-G 1. Stellungnahmen aus der Gesellschaft a) Positive Kommentare In der rechtspolitischen Debatte wurde die Strafnorm eher selten thematisiert. Dies mag auch daran gelegen haben, dass der Negationismus polnische Gerichte bisher kaum beschäftigt hat. In Polen gab es bisher nur eine Verurteilung auf Grund dieser Vorschrift, nämlich gegen den Oppelner Geschichtsdozenten Dariusz Ratajczak. Die im Jahr 2001 verhängte Strafe wurde wegen „geringer Gesellschaftsschädlichkeit“ zur Bewährung ausgesetzt. Sein Buch „Gefährliche Themen“ („Tematy niebezpieczne“), in welchem der Autor negationistische Äußerungen tätigt, war nur in einer Buchhandlung erhältlich gewesen und hatte kaum Käufer gefunden. Der Ideengeschichtler Tomasz Merta ist zwar grundsätzlich der Ansicht, dass auch absurde Ansichten der Wahrheitsfindung dienen können.316 Er 312 313 314 315 316
Druk Nr. 125z v. 9.10.1998, Nr. 84. Druk Nr. 658 v. 22.10.1998, S. 5. Niesiołowski, Sejm-Prot. v. 4.11.1998, 33. Sitzung 1. Tag TOP 4. Lytin´ski, Sejm-Prot. v. 20.1.2001, 43. Sitzung 1. Tag TOP 7. Merta, Rz. v. 8.6.2002, X 1.
74
1. Teil: Was schützt das Verbot der Holocaustleugnung?
vermag jedoch nicht zu erkennen, wie die Holocaustleugnung der Wahrheit dienen soll, und befürwortet die Existenz der Strafvorschrift, um den Opfern Respekt zu zollen.317 Der Historiker Samsonowicz ist der Ansicht, dass es Grenzen der Wissenschaftsfreiheit und der Toleranz gibt; diesen müsse sich auch der Wissenschaftsbetrieb stellen und eine Selbstreinigung betreiben.318 Sein Fachkollege Ose˛ka sieht in der Leugnung des Holocaust einen Angriff auf die Staatsräson Deutschlands und Polens und tritt dafür ein, die Wahrheit auch dann zu verteidigen, wenn es absurd oder überflüssig erscheint, zumal die Auschwitz-Lüge keine Lüge wie jede andere sei.319 Der Publizist Marcin Masny verteidigt die Vorschrift mit dem Argument, dass sie gegen die Leugnung von an Polen verübten Verbrechen kämpfe. Einen Konflikt mit der Meinungsfreiheit verneint er, da diese nicht schrankenlos sei.320 Schließlich hat auch der ehemalige polnische Staatspräsident Kwas´niewski die Bedeutung des Verbots ausdrücklich gewürdigt: Es gebe eine Pflicht zu erinnern und die Wahrheit über den Holocaust an die zukünftige Generationen weiterzugeben; deshalb werde die Holocaustleugnung in zivilisierten Ländern strafrechtlich verfolgt.321 Ähnlich äußerte sich auch der ehemalige Minister Jerzy Wiatr, der den Holocaust zwar momentan noch für offenkundig erachtet, aber befürchtet, dass sich dies durch negationistische Publikationen ändern könnte.322 b) Kritische Kommentare Von den Gegnern der Vorschrift wurde hervorgehoben, dass der Einsatz des Strafrechts gegen negationistische Äußerungen der falsche Weg sei. Dieses Phänomen dürfe nicht „von oben herab“ durch den Staat bekämpft, sondern müsse gesellschaftlich behandelt werden: So kritisierte der Journalist Michał Urban´czak, dass eine Lüge kein Grund für eine Freiheitsstrafe sein dürfe.323 Er argumentierte, dass man historische Fakten nicht mit Hilfe des Strafrechts aufrechterhalten könne. Aus diesem Grund könne der Sinn der Vorschrift auch nicht darin liegen, zukünftigen Generationen die geschichtliche Wahrheit näher zu bringen.324 Die Journalistin Ewa Siedlecka sieht eine Nähe dieser Vorschrift zu dem Verbot der Beleidigung der pol317 318 319 320 321 322 323 324
Merta, Rz. v. 8.6.2002, X 1. Gaz. Wyb. v. 10.12.1999, S. 2. Gaz. Wyb. v. 23./24.10.1999, S. 10. Masny, MPP (12) 2005, 217 ff. Rz v. 28.2.2005, X 1. Gaz. Wyb. v. 10.12.1999, S. 2. Urban´czak, Rz. v. 21.5.2008, C 8. Urban´czak, Rz. v. 21.5.2008, C 8.
2. Kap.: Verbot der Holocaustleugnung in der Diskussion
75
nischen Nation in Art. 132a poln. StGB.325 Sie ist der Ansicht, dass antisemitische Hetzreden gesellschaftlich und nicht strafrechtlich bekämpft werden müssen; das Verbot kollidiere nicht nur mit der Meinungsfreiheit, sondern biete auch ein Alibi, sich untätig dahinter zu verstecken.326 2. Stellungnahmen aus der Rechtswissenschaft a) Positive Kommentare Der Krakauer Strafrechtler Andrzej Zoll, ehemaliger Präsident des polnischen Verfassungsgerichtshofs und ehemaliger Ombudsmann für Bürgerrechte, verteidigte das Verbot der Holocaustleugnung, indem er dafür eintrat, die Lüge „beim Namen zu nennen“327. Den Leugnern den Vorsatz und die Bösgläubigkeit nachzuweisen hält er für möglich. Auf Grund der Erfahrung mit dem Kommunismus müsse man zwar vorsichtig mit der Beschränkung der Meinungsfreiheit umgehen, jedoch sei diese nicht schrankenlos, und man dürfe nicht von einem Extrem ins andere fallen, indem man jede Aussage erlaube.328 Schließlich könne der Totalitarismus auch wiederkommen, und den zukünftigen Diktatoren wäre eine unbegrenzte Meinungsfreiheit nur dienlich.329 Aleksandra Gliszczyn´ska ist der Ansicht, dass diese Vorschrift nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern eine Daseinsberechtigung besitze, und befürwortet es, dass Polen zum Kreis dieser Länder gehört.330 Der Kampf gegen Antisemitismus und die Verfälschung der historischen Wahrheit sei ein weltweites Unterfangen, wie die Vereinten Nationen in der Resolution 61/255 vom 22.3.2007 gezeigt hätten. Das gegen die Vorschrift vorgebrachte „Märtyrerargument“ weist sie zurück, da in ihren Augen das Vertrauen der Bevölkerung in die Gerichte groß genug sei, dass Verurteilungen von Straftätern sich nicht gegen die Gerichte selbst richten.331 Bezüglich der Meinungsfreiheit ist sie in Anlehnung an die Judikatur des EGMR der Ansicht, dass Art. 10 EMRK falsche Tatsachenbehauptungen nicht umfasst.332 Komorowski und Wróbel sehen durch dieses Verbot noch nicht die Grenzen des rechtsstaatlich Möglichen überschritten, da nur öffentliche und vor325 326 327 328 329 330 331 332
Siedlecka, Gaz. Wyb. v. 21.6.2000, S. 21. Siedlecka, Gaz. Wyb. v. 21.6.2000, S. 21. Zoll, ZNAK Nr. 542 2000, 4. Zoll, ZNAK Nr. 542 2000, 4 (7). Zoll, ZNAK Nr. 542 2000, 4 (9). Gliszczyn´ska, Rz. v. 12.4.2008, C 7. Gliszczyn´ska, Rz. v. 12.4.2008, C 7. Gliszczyn´ska, Rz. v. 12.4.2008, C 7.
76
1. Teil: Was schützt das Verbot der Holocaustleugnung?
sätzliche Äußerungen strafbewehrt sind.333 Derartige Strafnormen seien aus rechtsvergleichender Sicht zudem nichts Ungewöhnliches mehr; sie sind vielmehr notwendig, um die Erinnerung an die Opfer zu schützen und sind verfassungsrechtlich insgesamt nicht zu beanstanden.334 b) Kritische Kommentare Der (in Smolensk verunglückte) Ombudsmann für Bürgerrechte, Janusz Kochanowski, betrachtete Art. 55 IPNG als verfassungswidrig und hatte einen Antrag auf Überprüfung der Vorschrift vor dem poln. Verfassungsgerichtshof gestellt, der noch zur Entscheidung aussteht.335 Er war der Auffassung, dass das Recht zwar auch eine Erziehungsfunktion haben könne, dass dadurch aber nicht die Meinungs- und Forschungsfreiheit eingeschränkt werden dürfe.336 Er sah in der Vorschrift das Vorbild für den Art. 132a poln. StGB, welcher die Beleidigung der polnischen Nation unter Strafe stellte und plädiert dafür, mit anderen Mitteln als mit denen „der Feinde“ die Wahrheit zu schützen.337 Er hat zwar hervorgehoben, dass die Erinnerung an die Opfer totalitärer Regime im 20. Jahrhundert die wichtigste Warnung für alle Bürger Polens darstellte.338 Die Leugnung des Holocaust stellte für ihn jedoch keine zwingend antisemitische Aussage dar.339 Das Verbot sei jedenfalls vor dem Hintergrund des Ultima-ratio-Gedankens disproportional340 und mache Holocaustleugner zu Märtyrern341. Außerdem sei es nicht Aufgabe des Staates, historische Wahrheiten zu definieren und strafrechtlich abzusichern.342
333
Komorowski/Wróbel, Zeszyty Prawnicze (1) 2009, 239 (253). Komorowski/Wróbel, Zeszyty Prawnicze (1) 2009, 239 ff.; so auch der ehemalige Präsident des poln. Verfassungsgerichtshofs und aktiver Richter am EGMR, Safjan: http://www.otwarta.org/marek-safjan-wolnosc-slowa-w-debacie-europejskiej, 400.html (zuletzt aufgerufen am 22.7.2011). 335 Kochanowski, Antrag, S. 1 aufrufbar unter: http://www.kochanowski.pl/ rzecznik.html (zuletzt aufgerufen am 22.07.2011). 336 Kochanowski, Rz v. 9.2.08, A 2. 337 Kochanowski, Rz v. 9.2.08, A 2. 338 Kochanowski, Antrag, S. 2. 339 Kochanowski, Antrag, S. 8. 340 Kochanowski, Antrag, S. 12. 341 Kochanowski, Antrag, S. 15. 342 Kochanowski, Antrag, S. 16. 334
2. Kap.: Verbot der Holocaustleugnung in der Diskussion
77
D. England I. Gesellschaftlicher Kontext und Initiative Bezüglich des Verbotes der Holocaustleugnung gibt es nach allgemeiner Auffassung eine Lücke im englischen (und auch im amerikanischen) Recht.343 Zwar gibt es in England unterschiedliche gesetzliche Mittel gegen „Hate Speech“, gegen Beleidigungen mit rassistischem Hintergrund und allgemein gegen die rassische Diskriminierung. Diese Gesetze sind aber nie gegen die Holocaustleugnung zur Anwendung gekommen.344 Auf Grund der fehlenden gesetzlichen Handhabe hat sich Großbritannien zu einem der Zentren für Negationisten entwickelt.345 Im Jahre 1997 wurde auf einem Parteitag der Labour-Partei unter Tony Blair beschlossen, die Holocaustleugnung ausdrücklich zu verbieten.346 Dieses Vorhaben mündete in einen Gesetzesvorschlag (Holocaust Denial Bill) des Labour-Abgeordneten Mike Gapes und elf weiterer Abgeordneter, der am 29.1.1997 im britischen Unterhaus eingebracht worden ist. Trotz der Unterstützung von jüdischen Organisationen und auch von einem Teil der konservativen Regierungsmehrheit konnte sich der Vorschlag von Gapes letztlich nicht durchsetzen und wurde gar nicht erst in zweiter Lesung debattiert.347 Die Holocaust Denial Bill hatte zum Ziel gehabt, dass sowohl die schriftliche als auch die mündliche Leugnung eines Vernichtungsplans gegen die Juden eine Straftat darstellen soll. Bei der Begründung des Antrags stellte Gapes den Bezug zur Vergangenheit und die Bewahrung der historischen Wahrheit in den Vordergrund. Der Abgeordnete referierte die Geschichte der Judenverfolgung von der Machtergreifung Hitlers über die Reichskristallnacht bis zu dem Völkermord an den Juden und wies darauf hin, dass es seitdem Teil der Neonazipropaganda sei, über die Art und das Ausmaß dieser Verbrechen Zweifel zu verbreiten und sie herunterzuspielen.348 Die Leugnung des Holocaust sei beleidigend und unwahr, weshalb die Strafbarkeitslücke entweder durch ein eigenes Gesetz oder durch Erweiterung des Public Order Act (der u. a. die Aufstachelung zum Rassenhass verbietet), 343
Z. B. Haguenau-Moizard, RIDC 1999, 347 (358); Laitenberger, S. 248, 288. Haguenau-Moizard, RIDC 1999, 347 ff. Als die wichtigsten Gesetze gelten hierbei der Race Relations Act von 1976, der Public Order Act von 1986 (zuletzt geändert durch den Racial and Religious Hatred Act von 2006) und der Malicious Communication Act von 1988. 345 Aronsfeld, Midstream (1) 1993, 28 ff. 346 Laitenberger, S. 248. 347 Institute for Jewish Policy Research, JPR-Report (3) 2000. 348 Gapes, H. C.-Prot. v. 19.1.1997 Col. 369. 344
78
1. Teil: Was schützt das Verbot der Holocaustleugnung?
geschlossen werden müsse.349 Obwohl Tony Blair Unterstützung für ein derartiges Gesetz signalisiert hatte, ist der Vorschlag von Gapes seitdem nicht wieder aufgegriffen worden. II. Pro- und Contra-Argumente in Gesellschaft und Rechtswissenschaft Trotz der Nichtexistenz eines Verbotes der Holocaustleugnung in England und Amerika ist die Frage der Pönalisierung Gegenstand einer akademischen und gesellschaftlichen Kontroverse. Hierbei überwiegen zahlenmäßig die Gegner eines Verbotes.350 Sie begründen ihre Ablehnung vor allem mit dem Stellenwert der Meinungsfreiheit sowie der unterschiedlichen Rechtskultur.351 So meint Ronald Dworkin, dass Meinungen nicht durch die herrschende Mehrheit für falsch erklärt werden können, auch wenn sie missliebig seien.352 Catriona Mckinnon ist der Ansicht, dass nicht jede Form der Holocaustleugnung antisemitisch sei, weshalb in dieser Form der Äußerung kein direkter Schaden liege.353 Sie kann sich lediglich ein Verbot der Holocaustleugnung an Universitäten vorstellen.354 Selbst Holocaustforscher wie Deborah Lipstadt und Raul Hilberg lehnen derartige Verbote ab. Letzterer hat sogar betont, dass die „Argumente“ der Leugner ihm dabei behilflich seien, die eigenen Ansichten besser abzusichern und zu hinterfragen.355 Das Institute for Jewish Policy Research (JPR) argumentiert neben der Verletzung der Meinungsfreiheit u. a. mit der unbeabsichtigten Nebenfolge der verstärkten Aufmerksamkeit für die Leugner.356 Das Aufmerksamkeitsund Märtyrerargument führt auch Timothy Garton Ash an: er glaubt zudem, dass derartige Gesetze einen Dammbruch zu Lasten bürgerlicher Freiheiten herbeiführen könnten.357 Schließlich wird von manchen befürch349
Gapes, H. C.-Prot. v. 19.1.1997 Col. 369. Vgl. zusammenfassend: Coliver, Sandra (Hg.), Striking a balance: hate speech, freedom of expression and non-discrimination (1992). 351 Zusammenfassend: Mckinnon, R. Publ. 2007, 9 (14 ff.); Smiddy, Vt. L. Rev. 2005, 645 ff. 352 Dworkin, The Guardian v. 14.2.2006, S. 32; ders., Index on Censorship (3) 1995, 43 ff. 353 McKinnon, R. Publ. 2007, 9 (20). 354 McKinnon, R. Publ. 2007, 9 (22); ähnlich: MacIntyre, in: Mendus (Hg.), S. 151. 355 Vgl. Ginzburg, WerkstattGeschichte 2001, 50 (51). 356 Institute for Jewish Policy Research, JPR-Report (3) 2000; vgl. auch Barendt, S. 176. 357 Ash, The Guardian v. 19.10.2006, S. 31. 350
2. Kap.: Verbot der Holocaustleugnung in der Diskussion
79
tet, dass derartige Verbote letztlich nur Sympathien für Holocaustleugner weckten.358 Für diese Verbote führen die Anhänger der amerikanischen Critical Race Theory, wie Richard Delgado, Mari Matsuda und Alexander Tsesis, an, dass diese Verbote in Europa keinen Schneeballeffekt gehabt hätten, sie die sozialschädliche Ideologie des Rassismus wirkungsvoll bekämpften und im Übrigen nicht im Widerspruch zur Meinungsfreiheit stünden.359 Die Existenz derartiger Gesetze, die u. a. den Schutz der Erinnerung360 an ein Ereignis zum Ziel hätten, könne demnach vor dem Hintergrund der starken gesellschaftspolitischen Missbilligung der Holocaustleugnung gerechtfertigt sein.361
E. Kritische Stellungnahme zur rechtspolitischen Diskussion Bei der rechtspolitischen Betrachtung geht es nicht darum, ob es ein Verbot der Holocaustleugnung geben darf, sondern ob es Strafnormen gegen den Negationismus geben soll. Im Folgenden werden die Hauptargumente, die gegen das Verbot vorgebracht worden sind, kritisch analysiert. Hierbei lassen sich zwei Arten von Argumenten unterscheiden: deontologische Argumente, die das Verbot der Holocaustleugnung aus prinzipiellen Gründen verurteilen, und konsequentialistische Argumente, die mögliche negative Folgen derartiger Verbote aufzuzeigen versuchen. I. Deontologische Argumente 1. Das Totalitarismusargument In der Warnung vor „offiziellen Wahrheiten“ schwingt das Szenario einer orwellhaften Wahrheits- und Meinungsdiktatur mit, die dem Bürger „von oben herab“ bestimmte „Meinungen“ vorschreibt. Durch das Verbot bestimmter Äußerungen, so diese Ansicht, stelle sich der freie, demokratische Staat als latent totalitär heraus und büße seine moralische Überlegenheit ein. Zuerst weckt der Begriff der „offiziellen“ Wahrheit Widerspruch. Bei der Existenz des Holocaust handelt es sich nicht um eine „offizielle“, vom 358 Lidsky, Wash. & Lee L. Rev. 2008, 1091 (1099); Teachout, Vt. L. Rev. 2005, 655 (675). 359 Siehe z. B. Delgado, S. 39, 58; Tsesis, S. 141. 360 Lasson, Geo. Mason L. Rev. 1997, 35 (75); Smiddy, Vt. L. Rev. 2005, 645 (646). 361 Fraser, in: Hare/Weinstein (Hg), S. 520.
80
1. Teil: Was schützt das Verbot der Holocaustleugnung?
Staat proklamierte Wahrheit, sondern um die geschichtliche Wirklichkeit, und zugleich um das wohl am besten erforschte historische Ereignis überhaupt. Das Bewusstsein bezüglich der Existenz des Holocaust war schon vorhanden, bevor die Strafvorschrift erlassen wurde. Es ist also umgekehrt die staatliche Sanktion, die an das in der Bevölkerung vorherrschende geschichtliche Bewusstsein anknüpft.362 Zudem suggeriert der Begriff „Wahrheit“ eine Nähe zu den eigentlich gemeinten „Unwahrheiten“ in totalitären Regimes. In totalitären Regimes kann alles „wahr“ sein, was nur wahr sein soll. So kann man in einem NSRassepamphlet den Satz lesen: „Der Führer ist blond, hat rosige Haut und blaue Augen, ist also rein (arisch-)germanischer Natur, und alle anderen Verbreitungen über sein Aussehen und seine Persönlichkeit hat die schwarze und rote Presse in die Volksseele gesät“363.
Deshalb stört hier auch der oft gezogene Vergleich mit dem Massaker von Katyn´. Wer mit der „Katyn´-Lüge“ der Sowjets gegen das Verbot der Holocaustleugnung argumentiert, vertauscht Wahrheit mit Unwahrheit und macht sich die Argumentation der Holocaustleugner zu eigen, die ebenfalls behaupten, der Holocaust sei ein staatliches Dogma, das aufgebrochen werden müsse. Nur in Despotien gibt es „Schein-Wahrheiten“, die sich auf Meinungen stützen und die Evidenz beiseite lassen.364 Offizielle „Wahrheiten“ charakterisieren sich durch drei Elemente: 1. Sie sind unwahr. 2. Sie werden „von oben“ auferlegt und nicht „von unten“ gefordert. 3. Sie entsprechen dem Machterhaltungsinteresse der herrschenden Klasse und nicht einem gesellschaftlichen Konsens. Darin unterscheiden sich die NS-Propaganda, die Katyn´-Lüge und die kirchlichen Dogmen des Mittelalters zum Weltbild von der geschichtlichen Tatsache des Holocaust.
Auf Grund der fehlenden Differenzierung zwischen Wahrheit und Unwahrheit und zwischen demokratischen Staaten und totalitären Regimes ist der Begriff „offizielle Wahrheit“ irreführend.365 In demokratischen Rechtsordnungen wird schließlich ständig mit Wahrheitsbegriffen gearbeitet, ohne dass darin eine Anmaßung des Staates liegt366: So ist der Richter gehalten, die Wahrheit durch ein formelles Beweisverfahren gemäß § 244 StPO zu Tage zu bringen.367 Die Wahrheit bzw. Un362
Siehe zur Entwicklung der Erinnerungskultur S. 113. Richter, Alfred, Unser Führer im Lichte der Rassenfrage und Charakterologie S. 16, zitiert nach Fest, S. 141. 364 Arendt, Wahrheit, S. 68. 365 Siehe deshalb die dringend notwendige Unterscheidung zwischen echten und unechten Erinnerungsgesetzen, S. 43. 366 Zum Ganzen: Sprenger, S. 11 ff. 367 Bezüglich der Tatsache des Holocaust ist der Richter davon befreit, ein historisches Beweisverfahren durchführen zu müssen. Gemäß § 244 Abs. 3 StPO gilt 363
2. Kap.: Verbot der Holocaustleugnung in der Diskussion
81
wahrheit von Aussagen ist ständig Gegenstand des Rechts, so z. B. im Beleidigungsrecht (§§ 186, 187 StGB), im Presserecht, im Wettbewerbsrecht bei irreführender Werbung (§ 5 UWG) und den Delikten der uneidlichen Falschaussage und des Meineids (§§ 153, 154 StGB). Einige Rechtsordnungen verbieten das Verbreiten von falschen Nachrichten (so ehemals Kanada, Art. 181 kan. StGB). Der Vorwurf des Totalitarismus ist diesen Vorschriften wohl kaum zu machen. Es kann in einem Rechtsstaat außerdem keine sozialerhebliche Handlung geben, die einer richterlichen Überprüfung grundsätzlich verschlossen ist, auch nicht die Arbeit des Historikers. Schon allein für die Bestimmung der Einschlägigkeit der verfassungsrechtlich garantierten Forschungsfreiheit sind rechtliche Parameter für die wissenschaftliche Tätigkeit notwendig. 2. Das Übermaßargument Das Übermaßargument besagt, dass die rechtliche Reaktion auf negationistische Äußerungen übertrieben bzw. disproportional ist und eine gesellschaftliche Auseinandersetzung vorzugswürdig ist. Was genau unter gesellschaftlicher Auseinandersetzung gemeint ist, bleibt allerdings offen. Das Argument der gesellschaftlichen Auseinandersetzung ist unbestimmt und birgt das Risiko, dass letztlich nichts geschieht und die Kenntnis bezüglich des Holocaust gerade bei jüngeren Generationen immer mehr abnimmt, was schon jetzt bereits der Fall ist.368 Außerdem bergen bestimmte Formen der Auseinandersetzung mit Holocaustleugnern Risiken, namentlich die von den Holocaustleugnern selbst so oft geforderte „freie Debatte“. Die Methoden der Leugner sind so professionell und perfide, dass es selbst historisch vorgebildeten Bürgern unmöglich sein dürfte, die Unwahrheit der Aussagen argumentativ zu widerlegen.369 Von welchem Normalbürger will man z. B. die Spezialkenntnis verlangen, dass die Tagesauslastung der Krematorien in Auschwitz nicht 156 Leichen, (wie die Negationisten behaupten) sondern bis zu 4400 Leichen umfasste?370 Wird ein über den Holocaust unterichteter Durchschnittsbürger erkennen, dass es eine Lüge der Holocaust als offenkundige Tatsache und macht ein Beweisverfahren entbehrlich. Ähnlich ist die Lage in Frankreich bei der Anwendung des Art. 24bis frz. PresseG. Etwas anderes ergibt sich dort in Verleumdungsfällen. 368 Bei einer Umfrage aus den 90er Jahren konnten nur 25–35% der Befragten US-Bürger erklären, was der Holocaust war; ein Fünftel der Befragten hielten es sogar für möglich, dass der Holocaust nicht existiert hat: Smith, Pub. Op. Quart. 1995, 269 ff. 369 Vgl. Backes, ApuZ Nr. 9–10 1998, 27 (34). 370 Siehe zu diesem und ähnlichen Beispielen u. a. aus dem sogenannten „Leuchter-Report“: Tiedemann, M., S. 143.
82
1. Teil: Was schützt das Verbot der Holocaustleugnung?
ist, wenn behauptet wird, die Bauart der Nazi-Gaskammern sei für eine Massenvernichtung unbrauchbar gewesen? Oder, dass das Zyklon B erst bei 26 ºC in Gas zerfällt, was ohne Heizung nicht möglich gewesen wäre? Oder dass fehlende Blausäurerückstände in den Wänden der Gaskammern die Nichtexistenz von Vergasungen „beweisen“?371
Selbst der angesehene Sprachwissenschaftler Noam Chomsky sah es nicht als problematisch an, ein Vorwort zu einem Buch des französischen Holocaustleugners Robert Faurisson zu schreiben und ihn darin als „apolitischen Liberalen“ zu bezeichnen.372 Wie viel mehr an Erkenntnisfähigkeit will man also dem „einfachen Bürger“ abverlangen? Bei vielen negationistischen Thesen geht es nicht um eine plumpe Pauschalnegation, sondern um sprachliche, historische und chemische Detailfragen. Wer mit Negationisten diskutiert, befindet sich schnell in einer (von den Leugnern gewünschten) verqueren Scheindiskussion wieder, wo alles relativiert wird, Beweise angeblich propagandistisch gefälscht wurden, Zeugenaussagen durch Folter erpresst sind und nichts als wahr anerkannt wird, sei es auch noch so offensichtlich.373 3. Das Ausnahmegesetzargument Als dritter prinzipieller Vorwurf wird erhoben, dass das Verbot der Holocaustleugnung auf Grund seiner Beschränkung auf ein historisches Ereignis illegitim sei.374 Es sei unverständlich, warum nur das Leugnen des Holocaust unter Strafe steht und nicht auch das Leugnen anderer Genozide bzw. Menschheitsverbrechen großen Ausmaßes. Im Vorwurf des Ausnahmegesetzes kommt das von der Rechts- und Tugendlehre Kants inspirierte Denken in Prinzipien und Imperativen zum Tragen. Nach dieser streng deontologischen Sichtweise ist das Verbot der Holocaustleugnung nur dann legitim, wenn auch ein allgemeines Prinzip existiert, welches ein Verbot der Lüge notwendig macht.375 Die Nichtpönalisierung der Leugnung eines Genozids bedeutet jedoch nicht gleichzeitig dessen Nichtanerkennung bzw. die Höherwertigkeit anderer Opfer (Problem der Opferkonkurrenz). Vielmehr können neutrale Parameter für eine derartige Entscheidung ausschlaggebend sein. Hier ist z. B. die Wahrnehmbarkeit und Präsenz der Holocaustleugnung in der Öffentlichkeit zu nennen. Der Staat muss nicht abstrakt auf jedes 371
Tiedemann, M., S. 138 ff. Vgl. dazu: Stern, K., S. 53. 373 Stern, K., S. 1 ff.; siehe dazu auch in Teil 2 Kap. 6, S. 140 ff. 374 In der Schweiz wird diesem Vorwand dadurch ausgewichen, dass die Leugnung aller Genozide unter Strafe steht, siehe § 261bis schweiz. StGB. 375 Näher zu Kant siehe S. 173. 372
2. Kap.: Verbot der Holocaustleugnung in der Diskussion
83
potentielle Phänomen reagieren, sondern darf sich auf praktisch relevante Erscheinungen und tatsächlich existierende Missstände konzentrieren. Zwar gibt es im Zusammenhang mit nahezu jedem Genozid den Versuch, diesen zu leugnen. Die Leugnung des Holocaust ist jedoch, was Organisation, Ausmaß, Verbreitung etc. betrifft, einzigartig.376 Die empirisch belegbare Wahrnehmung der Holocaustleugnung als ein bestimmender Teil moderner antisemitischer Propaganda war auch der äußere Anlass für eine staatliche Reaktion gewesen. Als zweites Argument ist der besondere kulturelle Kontext der Holocaustleugnung von Bedeutung. Der Antisemitismus hat die Geschichte Europas und zahlreicher europäischer Staaten besonders beeinflusst und zwar seit dem Mittelalter bis heute. Der Holocaust ist als massivster Ausbruch des Antisemitismus vor allem in den Ländern, welche die Erfahrung des Antisemitismus gemacht haben und in den Holocaust impliziert waren, besonders im Bewusstsein verankert. Es ist daher legitim, wenn sich Staaten bzw. Kontinente zuerst mit eigens erlittenem (oder verübtem) Unrecht befassen. II. Konsequentialistische Argumente 1. Das Märtyrerargument Das Märtyrerargument ist in den untersuchten Rechtsordnungen mit am häufigsten gegen das Verbot der Holocaustleugnung vorgebracht worden. In diesem Argument kommt der auf den ersten Blick durchaus berechtigte Einwand zum Tragen, den Holocaustleugnern durch eine Verurteilung nicht noch die Möglichkeit zu geben, sich als Opfer zu gerieren und für ihre vermeintlich „gute Sache“ eine Art gesellschaftlichen Heldentod zu sterben. Erstens verwundert, dass der Status verurteilter Straftäter innerhalb ihres Milieus als rechtspolitisches Argument gegen eine Vorschrift angeführt wird. Die eventuelle Verherrlichung eines Straftäters im Kreis seiner Gesinnungsgenossen ist noch kein Argument gegen eine Bestrafung. Zweitens verwundert die unterschwellig zum Ausdruck kommende Befürchtung, die Gesellschaft könnte Äußerungen, für die jemand sogar ins Gefängnis zu gehen bereit ist, gerade dadurch mehr Glauben schenken. Je größer das persönliche Opfer, so der Gedanke dahinter, desto bedeutungsvoller müsse das Anliegen erscheinen. Diese Befürchtung hat sich bisher nicht bewahrheitet. Holocaustleugner stoßen in der Bevölkerung eher auf Unverständnis als auf Interesse für ihre Äußerungen. Das Vertrauen der Bevölkerung 376
Siehe bereits 1. Kapitel, S. 39.
84
1. Teil: Was schützt das Verbot der Holocaustleugnung?
in Rechtsstaat und Gerichtswesen ist groß genug, um die „Märtyrer-Geste“ der Leugner nicht als Indiz für den Wahrheitsgehalt ihrer Thesen aufzufassen. Dies bewahrheitet sich sogar in Ländern wie England, wo ein Verbot der Holocaustleugnung nicht besteht: So ist beispielsweise David Irving erst nach dem Verleumdungsprozess gegen Deborah Lipstadt, in welchem der Beklagten erlaubt wurde, Irving einen Rassisten, Antisemiten und Holocaustleugner zu nennen, vollends in seiner Reputation gefallen, die er bis dahin auch außerhalb der rechtsextremen Szene genossen hatte. Die Bevölkerung vermag falsche Märtyrer also durchaus zu erkennen. Schon Nietzsche hat das Märtyrertum als Blendwerk charakterisiert, wenngleich in einem religionskritischen Kontext: „Dass Märtyrer etwas für die Wahrheit einer Sache beweisen ist so wenig wahr, dass ich leugnen möchte, es habe je ein Märtyrer überhaupt etwas mit der Wahrheit zu tun gehabt. . . . der Schluss aller Idioten, Weib und Volk eingerechnet, dass es mit einer Sache, für die jemand in den Tod geht (. . .), etwas auf sich habe – dieser Schluss ist der Prüfung, dem Geist der Prüfung und Vorsicht unsäglich zum Hemmschuh geworden. Die Märtyrer schadeten der Wahrheit (. . .)“377.
2. Das Aufmerksamkeitsargument Dem Aufmerksamkeitsargument liegt das Unbehagen zu Grunde, den Holocaustleugnern durch das Verbot ein neues Forum bzw. eine „Bühne“ für Hetzreden und Propaganda im Gerichtssaal zu bieten. In der Tat haben Holocaustleugner die Möglichkeit, durch Prozesse auf sich aufmerksam zu machen für sich entdeckt und nutzen sie intensiv. Es ist sogar Teil ihrer Strategie, Prozesse auszulösen: Auf einschlägigen Internetseiten werden negationistische Pamphlete zum Herunterladen bereitgestellt und mit dem Aufruf verbunden, diese auszudrucken, zu unterschreiben und an Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, wie Abgeordnete, Richter, Bürgermeister etc. zu senden und sich daraufhin selbst anzuzeigen.378 Die Aufmerksamkeitsproblematik stellt sich nicht allein bei Prozessen und bei Holocaustleugnern, sondern weitaus virulenter z. B. in Form von Trittbrettfahrern bei Terroranschlägen oder Amokläufen auf Grund der Berichterstattung in den Medien. Zudem besteht im Vergleich zu letzterem Beispiel ein erheblicher Unterschied: der Gerichtssaal ist ein begrenzt-öffentlicher Raum. Der Richter besitzt vielfältige Möglichkeiten, die Äußerungen der Holocaustleugner und deren Propagandaversuche einzudämmen. 377 378
Nietzsche, S. 235. Salch, SZ v. 13.1.2009, S. 5; Zastrow, FAZ v. 25.3.2006, S. 3.
2. Kap.: Verbot der Holocaustleugnung in der Diskussion
85
Die Teilhabe der Öffentlichkeit erfolgt an diesen Prozessen vor allem über die anwesenden Medienvertreter. Deren Berichterstattung ist im Bezug auf die Propaganda der Leugner jedoch ganz überwiegend unvorteilhaft, so dass sich jedenfalls kaum eine inhaltlich positive Aufmerksamkeit ergibt. Die potentielle Gefahr der Nutzung des Gerichtssaal als Forum für rassistische Propaganda ist also letztlich das kleinere Übel gegenüber unkommentierten öffentlichen Äußerungen auf Marktplätzen, in Bierzelten oder in Rundfunkinterviews. Schließlich stand (und steht) den Leugnern der Weg in die Gerichtssäle auch ohne ein ausdrückliches Verbot der Holocaustleugnung offen: nämlich über das Mittel der Verleumdungsklage gegen alle, die sie „Holocaustleugner“, „Geschichtsfälscher“ etc. nennen.379 3. Das Dammbruchargument Das Dammbruchargument ist der konsequentialistische Gegenspieler zum deontologischen Ausnahmegesetzargument. Das Dammbruchargument drückt die Befürchtung aus, es könne durch die Existenz eines Verbots zu vielen ähnlichen Verboten und sogar zu einem Klima eingeschränkter Meinungsfreiheit kommen. Das Verbot markiere also nur den Beginn einer Entwicklung, deren Fortsetzung wie auf einer schiefen Ebene („slippery slope“) nahezu zwangsläufig ist. Das Dammbruchargument ist vor dem Hintergrund, dass es z. B. in Frankreich Versuche gegeben hat, auch das Leugnen des Genozids an den Armeniern nach Vorbild der Loi Gayssot unter Strafe zu stellen, nicht gänzlich von der Hand zu weisen. Allerdings hängt dies mit der spezifisch französischen Situation zusammen, über die Existenz von Erinnerungsgesetzen die Anerkennung der Opfereigenschaft einer Gruppe zu verbinden („communautarisme“). Der Ausweitung des Verbots auf andere Genozide ist eine natürliche Grenze jedenfalls schon dadurch gesetzt, dass es nur eine beschränkte Anzahl von Genoziden gegeben hat. Zudem lässt sich anhand der Wahrnehmung und Intensität negationistischer Bestrebungen und der hiermit verbundenen Einschätzung der Opportunität eines Verbotes für eine Eindämmung derartiger Gesetze argumentieren.380 Empirisch hat sich die Befürchtung je379 Man denke nur an den Prozess von David Irving gegen Deborah Lipstadt in England oder von Robert Faurisson gegen Robert Badinter in Frankreich, siehe Lipstadt, Deborah, History on trial: my day in court with David Irving (2005); Jouanneau, Bernard, La justice et l’histoire face au négationnisme (2008). 380 Siehe hierzu die Argumentation beim Ausnahmegesetzargument S. 83.
86
1. Teil: Was schützt das Verbot der Holocaustleugnung?
denfalls nicht bestätigt, dass durch das Verbot der Holocaustleugnung ein Tor zur Pönalisierung der Leugnung anderer Tatsachen aufgestoßen worden ist.381 Die teilweise an der Loi Gayssot geäußerte Kritik, diese habe als Vorbild für andere Erinnerungsgesetze gedient, geht insoweit fehl, als die sonstigen Erinnerungsgesetze kein Verbot vorsahen. Trotz jahrzehntelanger Erfahrung mit derartigen Gesetzen, hat sich seitdem keine spürbare Einschränkung oder Veränderung des geistigen Klimas zum Negativen ergeben. Damit bewahrheitet sich, was Dammbruchargumenten generell vorzuwerfen ist: Sie haben ex ante eine starke Wirkung, indem sie den Eindruck vermitteln, zukünftige Ereignisse prognostizieren zu können, vermögen diesen Eindruck jedoch nur selten empirisch einzulösen.382 3. Kapitel
Das Schutzgut des Verbots der Holocaustleugnung Die Bezeichnung Schutzgut wird hier eingedenk der terminologischen und dogmatischen Unterschiede in den untersuchten Rechtsordnungen als Oberbegriff für den Zweck verwendet, den der Staat durch die Pönalisierung der Leugnung des Holocaust verfolgt, nämlich ein Objekt zu schützen bzw. einen Zustand zu bewahren. Der angelsächsische Rechtskreis muss bezüglich dieser Frage mangels expliziter Strafvorschrift ausgeklammert bleiben. Die Darstellung beschränkt sich im Folgenden also auf die Rechtsordnungen Deutschland, Frankreich und Polen.
A. Deutschland In der deutschen Strafrechtswissenschaft wird überwiegend vertreten, dass das Strafrecht Rechtsgüter schützen soll.383 Welches Rechtsgut genau durch das Verbot der Holocaustleugnung geschützt werden soll, ist umstritten.384 381
Zu der durch den EU-Rahmenbeschluss veränderten Lage siehe S. 210 ff. So auch MacIntyre, in: Mendus (Hg.), S. 151; Schauer, Harv. L. Rev. 1985, 361 (382). 383 Für die h. M. siehe: AE-StGB von 1969, S. 7; Freund, AT § 1, Rn. 5; Hassemer, NK vor § 1, Rn. 255; Hefendehl, GA 2002, 20 (23); Hilgendorf, A/W/H/H BT § 1, Rn. 2; Jescheck/Weigend, § 1 III. 1. (S. 7); Kaufmann, S. 5; Lampe, Schmitt-FS, S. 84; Lenckner/Eisele, S/S Vorbem § 13, Rn. 8; Maurach/Zipf, AT/1 § 19, Rn. 4; Roxin, AT I § 2, Rn. 1; Weber, B/W/M § 3, Rn. 10; Anhänger der Gegenansicht: Amelung, S. 330 ff.; Jakobs, AT, Rn. 2; Walter, T., LK Vor § 13, Rn. 9 m. w. N. 384 Aydin, S. 205; Fischer, T/F § 130, Rn. 2a. 382
3. Kap.: Das Schutzgut des Verbots der Holocaustleugnung
87
Die geäußerten Ansichten hierzu umfassen ein breites Spektrum an möglichen Schutzgütern; vereinzelt wird die Suche nach einem geeigneten Rechtsgut aufgegeben.385 I. Der öffentliche Friede 1. Definitionsansätze des öffentlichen Friedens Die herrschende Meinung in der Literatur386 sowie die Rechtsprechung387 gehen bei § 130 Abs. 3 StGB von einem Schutz des öffentlichen Friedens aus. Diese Ansicht wird im Wesentlichen mit dem Hinweis auf den Wortlaut und die Entstehung der Norm begründet.388 Was genau unter dem öffentlichen Frieden zu verstehen ist, ist strittig. Auf das Schutzgut des öffentlichen Friedens wird in zahlreichen Vorschriften Bezug genommen, die uneinheitlich über das StGB verteilt sind. Nach der Definition der h. M.389 und der Rechtsprechung390 lässt sich der öffentliche Friede umschreiben als ein objektiver Zustand allgemeiner Rechtssicherheit in Verbindung mit dem subjektiven Bewusstsein in der Bevölkerung, auf diesen Zustand vertrauen zu können. Diese Ansicht verbindet einen objektiv tatsächlich bestehenden Zustand (allgemeine Rechtssicherheit) mit subjektiven Kriterien („Gefühl der Sicherheit“).391 Der öffentliche Friede beruht demnach auf der Vermittlung des Gefühls, dass der Staat seiner ihm ureigenen Aufgabe nachkommt, nämlich „für Ordnung zu sorgen“. Der öffentliche Friede ist eine Art „Verlasserwartung“392 an den Staat. Darüber hinaus wird der öffentliche Friede auch mit der Bewahrung eines gewaltfreien Zustands (Sicherheit) assoziiert, der teilweise über das Zwi385 Stratenwerth, Lenckner-FS, S. 388; a. A. Miebach/Schäfer, MK § 130, Rn. 5 Fn. 20, die die Suche nach einem geschützten Rechtsgut bei § 130 Abs. 3 StGB nicht für sinnlos halten. 386 Beisel, NJW 1995, 997 (1000); v. Bubnoff, LK11 § 130, Rn. 43; v. Dewitz, S. 199; Huster, NJW 1996, 487 (488); Jahn, S. 180; Kühl, L/K § 130, Rn. 1; Lenckner/Sternberg-Lieben, S/S § 130, Rn. 1a; Rudolphi/Stein, SK § 130, Rn. 1b; Wandres, S. 213 ff.; Werle/Wandres, S. 214. 387 Z. B. BGHSt 46, 212 (221 ff.). 388 Vgl. Stegbauer, NStZ 2000, 281 (283). 389 Binding, S. 352; v. Dewitz, S. 189; Fischer, T/F § 126, Rn. 2; Hoyer, S. 134; Kühl, L/K § 126, Rn. 1; Lenckner/Sternberg-Lieben, S/S § 126, Rn. 1; Wehinger, S. 74. 390 BGHSt 34, 329 (331). 391 Hörnle, S. 92. 392 Ostendorf, NK § 126, Rn. 1.
88
1. Teil: Was schützt das Verbot der Holocaustleugnung?
schenrechtsgut des „toleranten Klimas“ vermittelt wird.393 Bezogen auf § 130 StGB kann darunter ein geistiger Zustand verstanden werden, dessen Aufrechterhaltung Gewaltakte gegen Einzelne verhindert.394 Das tolerante Klima lässt sich als „Zustand einträchtigen Mit- und Nebeneinanderlebens“395 bzw. schlicht als „harmonisches und einträchtiges Zusammenleben der Menschen“396 beschreiben. Der Vorteil dieser Interpretation des öffentlichen Friedens wird im Hinblick auf § 130 StGB darin gesehen, dass der Bezug auf das „Klima“ als vorgeschaltetes, eigenständiges Rechtsgut die schwerer zu beweisende Gefahr für Einzelpersonen obsolet werden lässt.397 Eine dritte Lesart nähert den „öffentlichen Frieden“ den Staatsschutzdelikten an, aus welchen er sich geschichtlich ableitet: Unter „Staatsverbrechen“ wurden erstmals im ALR Handlungen verstanden, welche die Zerstörung des Staates bezweckten, dessen Grundsäulen angriffen und eine Zerrüttung befürchten ließen.398 Das Reichsgericht hat eine Gefährdung des öffentlichen Friedens mit dem Gefühl assoziiert, ob der Staat im Fall einer Infragestellung seines Fundaments ausreichenden Rechtsschutz gewähren könne.399 Die Friedensgefährdung beruhe auf der Erschütterung „des Bewusstseins staatlicher Zusammengehörigkeit im Volke“400. Die Selbstbehauptung des Staates und das Interesse der Bürger an dieser Selbstbehauptung sei als Interesse schutzwürdig. Der öffentliche Friede wird nach dieser Interpretation mit einem Zusammengehörigkeitsgefühl der Bürger gleichgesetzt. Da dieses Gefühl „staatlich“ ist und nicht nur „gesellschaftlich“, bezieht es sich auf die Bindung zwischen Bürger und Staat. Der Bürger ist mit dem Staat loyal verbunden, identifiziert sich mit ihm und hat ein Interesse an der Bewahrung dieses Zustands. Mit der Identitätsfunktion legitimieren ein Teil der Literatur401 und die Rechtsprechung402 z. B. die Existenz von § 90a StGB („Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole“). 393 BT-Drs. 12/8588, S. 8; Geilen, LdR, S. 1176; Lenckner/Sternberg-Lieben, S/S § 126, Rn. 1; Müller-Dietz, in: Scholler/Philipps (Hg.), S. 98; für die Rechtsprechung siehe z. B. BGHSt 46, 212 (221). 394 So auch schon RGSt 2, 431 (432). 395 v. Bubnoff, LK11 § 125, Rn. 41. 396 Wehinger, S. 83. 397 Hörnle, S. 97. 398 Dazu: Fischer, S. 153 ff. 399 RGSt 18, 314 (316). 400 RGSt 18, 314 (316). 401 Schroeder, JR 79, 89, (90) spricht ausdrücklich von einer Verletzung des öffentlichen Friedens; Stree/Sternberg-Lieben, S/S § 90a, Rn. 1. m. w. N. 402 BGH, NStZ 1998, 408; BVerfGE 81, 278 (293).
3. Kap.: Das Schutzgut des Verbots der Holocaustleugnung
89
Welcher Lesart des öffentlichen Friedens generell der Vorzug zu geben ist, ist schwer zu bestimmen. Aus der gesetzgeberischen Diskussion lässt sich eine verbindliche Definition kaum zuverlässig ableiten, da der öffentliche Friede je nach rechtspolitischen Erwägungen mal mehr dem Staatsschutz, mal mehr der Sphäre des Bürgers zugeordnet wird.403 Überzeugend ist daher der Ansatz von F.-C. Schroeder, den öffentlichen Frieden als interpretationsbedürftiges (Mantel-)Rechtsgut abzulehnen und das je nach Norm dahinter stehende Interesse ausfindig zu machen.404 2. Die Anwendung auf das Verbot der Holocaustleugnung Auf Grund des schillernden Charakters des öffentlichen Friedens wurde dessen Eignung als Rechtsgut im Allgemeinen (z. B. Roxin, Marinucci-FS, S. 731) und für das Verbot der Holocaustleugnung im Besonderen405 immer wieder in Zweifel gezogen. Bezüglich der Lesart des öffentlichen Friedens als „Zustand und Gefühl der (Rechts)sicherheit“ wurde ins Feld geführt, dass die Bewahrung des Zustand und des Gefühls der Sicherheit zu den grundsätzlichen Aufgaben des Strafrechts im Allgemeinen gehört.406 Der öffentliche Friede als Rechtsgut beinhaltet nach dieser Auslegung keinen über diese Grundfunktion hinausgehenden eigenen materiellen Gehalt und sei als Rechtsgut zu vage.407 Nach der zweiten Auslegungsalternative bewahrt das Verbot der Holocaustleugnung den Zustand des gewaltlosen politischen Klimas aufrecht.408 Die Verhinderung einer „Vergiftung des politischen Klimas“ ist in den Gesetzgebungsmaterialien als schutzwürdiges Interesse genannt worden.409 Den Anhängern dieser Ansicht zu Folge soll durch § 130 Abs. 3 StGB die Entstehung eines Meinungsklimas verhindert werden, welches zuerst zu Ausgrenzung und dann zu Gewalt gegenüber bestimmten Bevölkerungsteilen führt.410 403
So Fischer, S. 383. Schroeder, S. 13. 405 Z. B. Hefendehl, S. 298 ff.; Hörnle, S. 316; Stegbauer, NStZ 2000, 281 (283); Streng, JZ 2001, 205 („unscharfes Meta-Rechtsgut“). 406 Fischer, S. 530; Hörnle, S. 106. 407 Vgl. Fischer, S. 530; Hörnle, S. 93; Schroeder, S. 12; Stegbauer, NStZ 2000, 281 (283); Wohlers, S. 270; allgemein kritisch: Hassemer, S. 59. 408 So z. B. Hefendehl, S. 299. 409 BT-Drs. 12/8588, S. 8. 410 Für die wohl h. M.: Fischer, T/F § 130, Rn. 24a; Jahn, S. 177; Kübler, AöR (125) 2000, 109 (125); Lenckner/Sternberg-Lieben, S/S § 130, Rn. 1a; Streng, JZ 2001, 205; Wandres, S. 213; Geilen, LdR, S. 1176 spricht sogar von einem politi404
90
1. Teil: Was schützt das Verbot der Holocaustleugnung?
Im Fall der einfachen Holocaustleugnung offenbart sich hier jedoch ein Begründungsproblem: es ist nämlich unklar, wie die bloße Leugnung einer geschichtlichen Tatsache ohne „Agitationscharakter“ (Kühl, Geilen-Symp., S. 103), also ohne direkte Aufforderung zu Gewalt, eine Gefahr für das Leben und die körperliche Unversehrtheit von Einzelpersonen bedeuten soll.411 Zwischen der einfachen Holocaustleugnung und Gewaltausbrüchen gibt es keine nachgewiesene, direkte Konnexität.412 Die verbale Klimavergiftung kann nicht als erstes Glied einer Kausalkette hin zu Ausschreitungen betrachtet werden.413 Für diese Ansicht streitet auch die Täterlogik. Eine direkter Gewaltakt in Reaktion auf negationistische Äußerungen macht kaum Sinn, da der Negationismus als Form rechtsextremer Propaganda gerade auf die Rehabilitation des NS-Regimes zielt und der Rehabilitationsversuch durch unmittelbar nachfolgende Gewaltausbrüche gegen Juden konterkariert würde. Den Holocaustleugnern dürften ihre Aussagen daher als Provokation und Form der Selbstbestätigung genügen.414 In der Bevölkerung sorgt die Holocaustleugnung eher für eine Solidarisierung mit der jüdischen Minderheit und für eine Missbilligung der Leugnungstätigkeit. Die damit verbundene emotionale Ablehnung („Aufregungspotential“) selbst kann jedoch nicht mit einem gewaltfreien, politischen Klima gemeint sein.415 Vielmehr ist die emotionale Ablehnung des Negationismus für die allgemeine Anerkennung der Strafnorm in der Bevölkerung notwendig und kann nicht gleichzeitig Verhinderungszweck der Norm sein („Zirkelschluss“).
Schließlich bleibt noch die dritte Auslegungsmöglichkeit des öffentlichen Friedens als Verteidigung eines politisch-gesellschaftlichen Identitätskerns übrig.416 Hier stellt sich die Frage, weshalb es hierfür den öffentlichen Frieden als Rechtsgut braucht und man nicht stattdessen „das Kind beim Namen nennt“. Unabhängig von der Tragfähigkeit der Begründung einer Strafnorm mit dem Ausdruck von politischer Identität ist dem öffentlichen Frieden in der dritten Lesart vorzuwerfen, dass diese Zweckrichtung durch den Begriff des öffentlichen Friedens eher verschleiert als zu Tage gefördert wird. Der öffentliche Friede fungiert hier als „Scheinrechtsgut“417, – besser noch: „Camouflage-Rechtsgut“ – und ist deshalb auch in der letzten Funktion wenig überzeugend. Es ist deshalb der Kritik eines Teils der Literatur schen Klima, das die massenpsychologische Bereitschaft zum Völkermord atmosphärisch begünstigt; ähnlich auch die Rechtsprechung: BGHSt 46, 36 (40). 411 So z. B. v. Dewitz, S. 200; Hörnle, S. 95. 412 Hörnle, S. 320. 413 Kühl, Geilen-Symp., S. 111; Geilen, LdR, S. 1176, der diese Konnexität zwar für „zu nebulös“ hält, sie letztlich aber doch zu akzeptieren scheint. 414 Hörnle, S. 318. 415 So aber wohl Aydin, S. 209. 416 Isensee, S. 38 setzt den öffentlichen Frieden mit Verhaltenserwartungen und einem Common Sense gleich. 417 Hefendehl, GA 2007, 1 (5).
3. Kap.: Das Schutzgut des Verbots der Holocaustleugnung
91
beizupflichten, dass der öffentliche Friede weniger den Unrechtsgehalt des § 130 Abs. 3 StGB beschreibt als vielmehr dem Ausschluss von Bagatellfällen dient.418 Damit ist die materielle Begründung nach wie vor offen. II. Individualschützende Rechtsgüter jenseits des öffentlichen Friedens 1. Die Menschenwürde Die fehlende Überzeugungskraft des „öffentlichen Friedens“ als geschütztes Rechtsgut des § 130 Abs. 3 StGB hat in der Literatur eine Suche nach anderen, vornehmlich individuelle Interessen schützenden Rechtsgütern, ausgelöst. Als ein solches Rechtsgut wurde z. B. die Menschenwürde vorgeschlagen.419 Dieser Ansicht scheint sich auch teilweise der BGH angeschlossen zu haben, der als Rechtsgüter den öffentlichen Frieden und die „Würde“ nennt.420 Nach Ansicht von Stegbauer ist die Menschenwürde in ihrer Ausgestaltung als postmortaler Achtungsanspruch gemeint.421 Rudolphi/Stein sehen eine würdigen Umgang mit den verstorbenen Betroffenen als das geschützte Gut an.422 Gegen die Menschenwürde als Rechtsgut des § 130 Abs. 3 StGB wurden jedoch zu Recht Zweifel erhoben: zum einen wurde ins Feld geführt, dass das Leugnen des Holocaust nicht auf die Abqualifizierung der Opfer als minderwertig, sondern vielmehr auf die Aufwertung der Täter abziele.423 Es gehe also nicht primär um eine Kränkung der Opfer. Doch selbst wenn man dies annehmen würde, so könne jedenfalls nicht jede Kränkung, also Ehrverletzung, mit einer Verletzung der Menschenwürde gleichgesetzt werden.424 Dies würde den Unterschied zwischen beiden Rechtsgütern nivellieren. Zudem fehle es der Äußerung der Holocaustleugnung in der Regel an dem erforderlichen individuellen Bezug, so dass auch aus diesem Grund die Menschenwürde nicht tangiert sein kann.425 v. Bubnoff, LK11 § 130, Rn. 46; Fischer, NStZ 1988, 159 (164); Stratenwerth, Lenckner-FS, S. 389. 419 v. Bubnoff, LK11 § 130, Rn. 4, 43; Kühl, L/K § 130, Rn. 1; in der Tendenz auch: Ostendorf, NK § 130, Rn. 4. 420 BGHSt 40, 97 (105). 421 Stegbauer, S. 176; ders., NStZ 2000, 281 (282). 422 Rudolphi/Stein, SK § 130, Rn. 1b, d. 423 So Jakobs, GA 2001, 559 (560); ders., StV 1994, 540 (541); zust. v. Dewitz, S. 167; Hörnle, S. 323; ähnlich kategorisch ablehnend auch: Hirsch, Lüderssen-FS, S. 261; Wandres, S. 189. 424 v. Dewitz, S. 166. 425 v. Dewitz, S. 187; Hefendehl, S. 301. 418
92
1. Teil: Was schützt das Verbot der Holocaustleugnung?
Schließlich spricht auch die Gesetzesgenese gegen dieses Rechtsgut. Im Zuge der Novellierung des § 130 StGB war von Anfang an beabsichtigt gewesen, auf die Menschenwürde als Tatbestandsmerkmal zu verzichten, um den Anwendungsbereich der Vorschrift zu erweitern.426 Die Streichung des Tatbestandsmerkmals hat zumindest Indizwirkung für die Schutzgutsdiskussion. 2. Die Ehre Vereinzelt wurde versucht, in § 130 Abs. 3 StGB einen Schutz der Ehre zu erblicken.427 Diese Ansicht hat jedoch nur wenig Anhänger gefunden und konnte sich am Wenigsten durchsetzen.428 So wurde dem Vorschlag beispielsweise von Hörnle entgegengehalten, dass die Ehre von Einzelpersonen wohl nur dann in Frage kommen dürfte, wenn diese auch persönlich angesprochen werden, so z. B. wenn Juden als Lügner bezeichnet werden.429 Die direkte Ansprache lässt sich bei der einfachen Holocaustleugnung jedoch problemlos vermeiden. Es ist zudem prinzipiell unklar, ob die Ehrverletzung die primäre Absicht der Holocaustleugnung ist. Gemäß Jakobs geht es hier mehr um die Rehabilitierung der Unehre der Täter als um die Verletzung der Ehre der Opfer und ihrer Angehörigen.430 Hier sind die gleichen Argumente einschlägig wie im Bezug auf den Schutz der Menschenwürde. Demgemäß bestreitet ein Teil der Literatur, dass die Holocaustleugnung im Rahmen der Beleidigungsvorschriften eine Ehrverletzung darstellt.431 Dies dürfte erst Recht gelten, wenn das gleiche Verbot explizit in einer Vorschrift außerhalb des Beleidigungsrechts normiert wird. Nimmt man einen Ehrenschutz jedoch an, so bleibt unklar, warum ein über den Schutz der Ehre in §§ 185 ff. StGB hinausgehender Ehrenschutz in § 130 Abs. 3 StGB überhaupt notwendig ist. § 130 Abs. 3 StGB erschiene dann als bloße Fortsetzung des Beleidigungsrechts, was systematische Bedenken aufwirft.432 Schließlich spricht auch die Gesetzesgenese ge426
So auch Aydin, S. 207; Lenckner/Sternberg-Lieben, S/S § 130, Rn. 1a; vgl. auch BT-Drs. 12/6853, S. 19. 427 Junge, S. 123. 428 Dagegen sind u. a. Beisel, NJW 1995, 997 (1000); Brugger, AöR (128) 2003, 372 (400 ff.); Hirsch, Lüderssen-FS, S. 261; Huster, NJW 1996, 487 (488); Jakobs, StV 1994, 540 (541); Wandres, S. 187. 429 Hörnle, S. 324. 430 Jakobs, StV 1994, 540 (541). 431 v. Dewitz, S. 186; Hirsch, Lüderssen-FS, S. 261; Stegbauer, S. 148; anders: BGHZ 75, 160, (164). 432 v. Dewitz, S. 198.
3. Kap.: Das Schutzgut des Verbots der Holocaustleugnung
93
gen diese Ansicht: in der parlamentarischen Debatte wurde ausdrücklich hervorgehoben, dass mit der Novellierung auch eine neue Qualität der Pönalisierung einhergehen sollte.433 III. Strafgründe jenseits etablierter Rechtsgutskategorien Schließlich wurden in der wissenschaftlichen Debatte auch Strafgründe genannt, die sich nicht in etablierte Rechtsgutskategorien fassen lassen bzw. allenfalls dem öffentlichen Frieden in seiner identitätsbestärkenden Lesart zuzuordnen sind. So wurde mehrfach hervorgehoben, dass das Verbot der Holocaustleugnung sich auf einen politischen Grundkonsens stütze und Ausdruck der deutschen Nachkriegsidentität sei.434 Das Verbot der Holocaustleugnung sei demnach eine „historisch-politische Standortbestimmung“435 bzw. Ausdruck für einen „staatsbürgerlichen Wertkonsens“436; Geschichte sei ein „elementarer Aspekt für das Selbstverständnis unserer Gesellschaft“437; das Verbot erfülle „konsentierte Wertvorstellungen“ und lasse sich auf „entsprechende Überzeugungen in der Gesellschaft“ zurückführen.438 „Rechtsgut“ des Verbotes sei damit eine „Wertüberzeugung“439. Jakobs legitimiert das Verbot ausschließlich über diese Identitätsfunktion: das Verbot mache nur dann Sinn, wenn man nicht bei der Ehre oder dem öffentlichen Frieden ansetzt, sondern bei der Identität der Opfer und der Identität der Bundesrepublik Deutschland.440 Zur Identität kann man auch die von Streng ins Spiel gebrachte Scham für die verübten Verbrechen zählen.441 Denn diese gründet wiederum auf einem die historische Faktenlage anerkennenden Konsens.442 Der Identitäts- bzw. Gemeinschaftsbezug dieser Vorschrift lässt unterschiedliche Schlussfolgerungen zu. Man kann darin zum einen den Beweis für ein Begründungsdefizit sehen, das letztlich zeige, dass es bei diesem Verbot nur um den Ausdruck von „political correctness“ gehe.443 Von an433
van Essen, BT-Prot. 227. Sitzung, S. 19669. Z. B. Hörnle, S. 335. 435 v. Dewitz, S. 279. 436 Leukert, S. 203. 437 Wandres, S. 54. 438 Hefendehl, S. 301. 439 Jescheck/Weigend, § 26 I 3. a) (S. 259). 440 Jakobs, GA 2001, 559 (561). 441 Streng, JZ 2001, 205; kritisch: Fischer, T/F § 130, Rn. 24; Kühl, GeilenSymp., S. 113. 442 Streng, JZ 2001, 205 (207). 434
94
1. Teil: Was schützt das Verbot der Holocaustleugnung?
deren wurde geschlussfolgert, dass eine „normative Grundentscheidung“ des Gesetzgebers als Legitimation genüge und eine Einordnung in Rechtsgutskategorien entbehrlich sei: es komme letztlich darauf an, wie sich eine politische Gemeinschaft definiere.444 Schließlich wurde für dieses Verbot eine neue Kategorie von gefühlsschützenden Normen ins Spiel gebracht: es gehe hier um die Pönalisierung eines Sprechtabus.445 Diese Begründung wird jedoch für unzureichend gehalten, um den Straftatbestand zu legitimieren.446 Mit der Bedeutung des Holocaust für die geistige Verfassung der BRD wurde auch die „historische Wahrheit“ als Schutzgut des § 130 Abs. 3 StGB zu begründen versucht.447 Dieses Ansinnen wurde von der h. M. ziemlich massiv zurückgewiesen.448 Dies mag auch auf einem Missverständnis dessen beruht haben, was unter „historischer Wahrheit“ tatsächlich zu verstehen ist. Denn natürlich war damit nicht die unverrückbare, außersoziale Tatsache selbst, sondern deren unverfälschter, aber störungssensibler Bestand im Bewusstsein der Bevölkerung, also das „Andenken“449 an das Ereignis und die Opfer gemeint.450 Der Frage, ob das Strafrecht auch Erinnerungen schützen kann, wurde erst im neueren Schrifttum nachgegangen, wenngleich dieses Ansinnen letztlich verworfen wird.451
B. Frankreich In der französischen Verbrechenslehre ist die Bedeutung von Rechtsguts-, Schutzguts-, und Schadenskonzeptionen geringer als z. B. in Deutschland, Polen, Italien, Spanien oder Großbritannien.452 Teilweise wird nicht auf den Schutz bestimmter Güter rekurriert, sondern auf die Bekämpfung eines Phä443
Hirsch, Lüderssen-FS, S. 262. So z. B. Stratenwerth, in: Hefendehl (Hg.), S. 256. 445 Hörnle, S. 339. 446 Hörnle, S. 482; gegen eine Abschaffung noch in: Hefendehl (Hg.), S. 280; a. A. wohl Frommel, KJ 1994, 323 (334 ff.). 447 Ostendorf, NJW 1985, 1062; ders., NK § 130, Rn. 4; teilw. zust. v. Dewitz, S. 199; zust. Jahn, S. 182; Leggewie/Meier, S. 140. 448 Bertram, NJW 2005, 1476 (1477); Brugger, AöR (128) 2003, 372 (399); Fischer, T/F § 130, Rn. 25; Hörnle, S. 316 („offensichtlich absurd“); Köhler, NJW 1985, 2389 (2390); Reichel, S. 156; Saliger, in: Depenheuer (Hg.), S. 102; Stegbauer, S. 175; Wandres, S. 241; Zaczyk, S. 188 Fn. 240; fast schon polemisch: Cobler, KJ 1985, 159 (166); Frommel, KJ 1995, 402 (409); Meier, Merkur 1994, 1128. 449 Hufen, JuS 1995, 638. 450 Ostendorf, NJW 1985, 1062; siehe auch Aydin, S. 460. 451 Zabel, ZStW 2010, 834 (853). 452 Siehe dazu S. 193 ff. 444
3. Kap.: Das Schutzgut des Verbots der Holocaustleugnung
95
nomens, nämlich das des Rassismus und Antisemitismus.453 Dennoch wurde auch in Frankreich das hinter dem Verbot stehende Interesse diskutiert.454 I. Die kollektive Erinnerung Die Ansicht, dass der Negationismus einen Angriff auf die Erinnerung an den Holocaust darstellt, ist nicht erst seit dem Bestehen der Loi Gayssot anzutreffen, sondern geht bereits auf die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Phänomen des Negationismus zurück. Der Historiker Pierre Vidal-Naquet, selbst Gegner einer Strafvorschrift gegen den Negationismus, hat für Holocaustleugner den Begriff „Mörder der Erinnerung“ („Assassins de la Mémoire“455) geprägt, der seitdem auch in der Rechtwissenschaft immer wieder rezipiert worden ist456. Nach seiner Ansicht kann das Verbreiten von negationistischen Thesen zwar nicht die geschichtliche Wahrheit als solche zerstören, wohl aber das Bewusstsein bezüglich dieser Wahrheit.457 Ähnlich wie Vidal-Naquet sieht Madeleine Réberioux in negationistischen Äußerungen einen Angriff auf die Erinnerung der Gemeinschaft.458 Andere sehen die Gefahr für die Erinnerung darin, dass es den Negationisten gelungen sei, einen Teil der öffentlichen Meinung zu erschüttern und Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.459 Die Holocaustleugnung wird in der gesellschaftlichen Debatte deshalb auch häufig als Verbrechen gegen die Erinnerung („Crime contre la Mémoire“) bezeichnet.460 In der Rechtswissenschaft wird der Schutz der Erinnerung („la Mémoire“) von zahlreichen Autoren als Legitimationsgrund für die Loi Gayssot genannt: es geht bei dieser Vorschrift demnach um die „Bewahrung der Erinnerung“461, bzw. die „Verteidigung der Erinnerung“462. Manche sprechen auch von der „Bewahrung der historischen Wahrheit“463. Zwar fehlt 453
Arpaillange, J. O. v. 12.6.1990 (S.), S. 1446; Beignier, Mourgeon-FS, S. 521; Cohen-Jonathan, RTDH 1997, 571 ff.; Troper, AHSS 1999, 1239 (1249); Vivant, S. 422. 454 Siehe Garibian, in: Coquio (Hg.), S. 226. 455 Der Begriff selbst stammt von Yosef Yerushalmi, siehe Vidal-Naquet, S. 8. 456 Z. B. Vivant, S. 418. 457 Vidal-Naquet, S. 7. 458 Rebérioux, L’Histoire (138) 1990, 92 ff. 459 Forges, Colloque Toulouse, S. 7. 460 Rothschild, Le Monde v. 14.2.2009, S. 22. 461 Bloch, Vt. L. Rev. 2005, 627 (634); Boulouque, Colloque CA Paris, S. 5. 462 Salas, Colloque CA Paris, S. 43. 463 Haguenau-Moizard, RIDC 1999, 347 (358).
96
1. Teil: Was schützt das Verbot der Holocaustleugnung?
es an einem einheitlichen Gebrauch des Begriffs der Erinnerung als Schutzgut, bzw. an einer juristischen Ausarbeitung zu diesem Thema. Jedoch nimmt dieser Terminus inzwischen einen festen Platz als Rechtsbegriff, z. B. in der Rechtsprechung464 ein. Die Erinnerung wird in der Literatur als anerkannter Wert, bzw. als Recht aufgefasst („un droit opposable de mémoire est institué“465). Es ist verletzbar („une intolérable aggression envers la mémoire“466, „mémoire blessée“467), muss deshalb rechtlich geschützt468 werden und kann gegen andere Rechte, wie das Recht auf freie Meinungsäußerung, abgewogen werden.469 Die Rechtsprechung, so Christophe Willmann, entscheide sich dabei in der Regel zu Gunsten der Erinnerung („tranche en faveur de la Mémoire“470). Bezüglich der Verwendung des Begriffs Erinnerung kann man eine subjektive und eine objektive Ebene unterscheiden. Die subjektive Ebene betrifft die Frage, wer erinnert, die objektive Ebene betrifft die Frage an was oder an wen erinnert wird. Auf der subjektiven Ebene wird die Erinnerung nicht als individuelle Rückschau auf ein selbst erlebtes Ereignis, sondern als allgemeiner Bewusstseinszustand verstanden. Es gehe darum, den Holocaust in einem Kollektivbewusstsein zu behalten und ihn vor der natürlichen, zeitbedingte Erosion und der aktive Dekonstruktion durch Holocaustleugner zu bewahren.471 Die Äußerungen der Negationisten, so Vivant, spielten mit dem Vergessen und der Schwächung der Erinnerung („jouent avec l’oubli et l’affaiblissement de la mémoire“472). 464
Vgl. die unveröffentlichten Urteile: TGI Paris, 17e ch., v. 18.4.1991; CA v. 26.4.1983; CA Paris v. 9.12.1992, zitiert nach: Jur.-Cl. comm. Fasc. 3160, S. 7; Trib. corr. Paris v. 10.6.1993, zitiert nach: EMRKomm. Marais v. France Eur. Comm’n H. R. Dec. & Rep. 86-A, 184, 186; dass das durch die Diffamierung angegriffene Interesse ein anderes als das durch die Leugnung angegriffene, nimmt der Kassationsgerichtshof an: C. Cass. (ch. crim.) v. 12.9.2000 Juris-Data Nº 006323, C. Cass. (ch. crim.) v. 12.9.2000, Juris-Data Nº 006325, Dr. Pén. (1) 2001, 17 (18), note Véron. 465 Rome, D. 2007, 489. 466 Errera, Esprit (167) 1990, 82 (91); vgl. auch: Trib. corr. Paris v. 10.6.1993, zitiert nach: EMRKomm. Marais v. France Eur. Comm’n H. R. Dec. & Rep. 86-A, 184, 186 („atteinte à la mémoire“). 467 Cartier, RFDC 2006, 509 (519). 468 Krikorian, D. 2006, 1980. 469 Krikorian, D. 2006, 1980; Libchaber, RTD civ. (1) 1999, 245 (249). Salas, Colloque CA, S. 41. 470 Willmann, Arch. phil. droit 2006, 189 (209) m. w. N.; so auch Ghnassia, zitiert nach Assemblée Nationale Rapport Nr. 1262, S. 46. 471 Z. B. Cartier, RFDC 2006, 509 (519); Cohen, Gaz. Pal. Nr. 86 2001, 28; Errera, Esprit (167) 1990, 82 (91); Krikorian, D. 2006, 1980 (1981); Lamy, S. 471; Nadal, Colloque CA Paris, S. 11 „érode la mémoire collective“; Roumelian, PA Nr. 117 1995, 27.
3. Kap.: Das Schutzgut des Verbots der Holocaustleugnung
97
Die Gesellschaft erinnert; sie behält ein Ereignis in ihrer „mémoire collective“473, an welcher der Einzelne Anteil hat, ohne eine direkte persönliche Erinnerung an ein Ereignis zu haben. Durch das Errichten eines „lien social“ kämpft die Gesellschaft gegen das Vergessen und die zeitbedingten Folgen.474 Die Loi Gayssot schützt daher ausschließlich die Erinnerung an den jüdischen Genozid475 und zwar: die „kollektive Erinnerung“ („la mémoire collective“476). Die Erinnerung stellt demnach einen gesellschaftlichen Wert dar, an dessen Existenz einerseits positiv gesellschaftlich gearbeitet wird und welcher andererseits negativ durch das Recht stabilisiert wird. Jacques Francillon drückt dies deutlich aus: „Quant au droit pénal, il est fait pour protéger des valeurs que la société dans son ensemble juge essentielles (. . .) or la falsification de l’histoire tronque la mémoire.“477
Die Überindividualität der Erinnerung zeigt sich auch daran, dass nur die öffentliche, nicht auch schon die private Äußerung sanktioniert wird. Auf der objektiven Ebene bezieht sich die Erinnerung nach weit verbreiteter Ansicht auf ein Ereignis von öffentlichem Interesse („intérêt public“) und nicht eines von individuellem Interesse („intérêt particulier“).478 Das Verbot der Holocaustleugnung zielt nicht auf die Leugnung eines Einzelschicksals ab. Auch Holocaustleugner stellen in erster Linie nicht das Schicksal einzelner Personen in Frage, sondern vor allem die Existenz und das Ausmaß der Vernichtungsaktionen. Dies geschehe, so Claude Cohen, um den Nazismus zu entlasten und den Antisemitismus zu rehabilitieren, indem dessen schlimmste Folgen verschleiert werden.479 Nach dieser Ansicht bezieht sich die Erinnerung vor allem auf das Ereignis das Holocaust selbst, dessen Realität, Möglichwerdung, Durchführung, Ausmaß etc. und nicht auf das Gedenken an einzelne Opfer. Gegen den Schutz der Erinnerung an einzelne Opfer spricht auch, dass mit der Loi Gayssot eine eigene Vorschrift geschaffen worden ist und nicht die bestehende Vorschrift der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener (Art. 34 frz. PresseG) erweitert worden ist, die ein Interesse der Angehöri472
Vivant, S. 427. Lasfargeas, Gaz. Pal 2005, 887 (888); Nadal, Colloque CA Paris, S. 11. 474 Vivant, S. 428. 475 Garibian, CJCR Vol. 9, S. 480 Fn. 5. 476 Nadal, Colloque CA Paris, S. 11; so auch ausdrücklich: Lasfargeas, Gaz. Pal 2005, 887 (888). 477 Francillon, Rev. sc. crim. 1998, 573 (576, 577). 478 Vivant, S. 397. 479 Cohen, Gaz. Pal. Nr. 86 2001, 28. 473
98
1. Teil: Was schützt das Verbot der Holocaustleugnung?
gen des Toten schützt.480 In der Literatur und Rechtsprechung finden sich allerdings auch Stimmen, die sich auf den Schutz der Erinnerung an die Opfer481 bzw. die Toten482 beziehen. Im Schutz der Erinnerung kommen damit auch die Anerkennung und der Respekt vor dem Schicksal des Einzelnen zum Ausdruck.483 Vereinzelt wird auch suggeriert, es ginge um den Schutz einer ungestörten Erinnerung.484 II. Der ordre public Der Begriff „ordre public“ ist ein vielseitiger Rechtsbegriff der sich besser „erfühlen statt erklären lässt“485 und den man nur unzureichend mit „öffentliche Ordnung“ übersetzen kann. Der ordre public umfasst grundlegende Wertentscheidungen, die für das geordnete Zusammenleben und den sozialen Frieden in einer Gesellschaft von essentieller Bedeutung sind.486 Er wird sowohl für bestimmte Delikte des französischen StGB als auch des französischen PresseG (Art. 24, 32, 33 etc.) als Schutzgut genannt.487 Diese Nennung erfolgt in der Regel ohne weitere Ausführungen darüber, worin die Störung des ordre public genau besteht.488 Rassistische und negationistische Äußerungen waren schon vor dem Inkrafttreten der Loi Gayssot als Verletzung des ordre public eingeordnet worden.489 Der ordre public wird teilweise auch als Schutzgut dieser Sondervorschrift zitiert490, allerdings in unterschiedlichen Konstellationen: In der Rechtsprechung stören negationistische Äußerungen teilweise ausschließlich den ordre public491, teilweise zusammen mit persönlichen Rechten („droits des individus“492) 480 Dreyer, J.-Cl. lois pén. spéc. Fasc. 110, Rn. 104; Hochmann, Droit et Société 2008, 527 (532 ff.). 481 Gonnard, J.-Cl. l. pén. spéc. Fasc. 70, Rn. 54; C. cass (Ass. plén.) v. 16.2.2007 Gaz. Pal. v. 6.10.2007 Nr. 279, S. 29; C. cass. (ch. crim.) v. 12.9.2000, Az. Nr. 98-88200 unveröff.; vgl. auch Bourrettes, Colloque CA Paris, S. 56. 482 Cohen-Jonathan, RTDH 1997, 571 (597): „offensent outrageusement la mémoire des morts“; Dreyer, D. 2007, 541 (543). 483 Bloch, Vt. L. Rev. 2005, 627 (634). 484 Waintrater, Libération v. 16.12.2005, S. 35. 485 Drago, in: Polin (Hg.), S. 48. 486 Vincent-Legoux, S. 525. 487 Cousin/Delcros, S. 243 ff.; Laitenberger, S. 157 ff. 488 Lamy, S. 371. 489 Bilger/Prévost, S. 120, 121; TGI Paris v. 25.5.1987, Gaz. Pal 1987 (J.), 369. 490 Z. B. Bourettes, Colloque CA Paris, S. 56; Jouanneau, Jakubowicz, Korman et al., Le Monde v. 10.10.2006, S. 24; Krikorian, D. 2006, 1980 (1981). 491 CA Paris ch. corr. v. 4.7.2007 nº 06/08383, numéro JurisData (unveröff.).
3. Kap.: Das Schutzgut des Verbots der Holocaustleugnung
99
oder der Sicherheit („sécurité publique“493). In anderen Urteilen erscheinen dagegen die Verletzung der Erinnerung an die Opfer und das harmonische Zusammenleben in der Gesellschaft als zwei voneinander unterschiedliche Schutzobjekte.494 So sei der Angriff auf die Erinnerung der Opfer dazu geeignet, für Unruhe zu sorgen, da dadurch die NS-Ideologie rehabilitiert würde.495 Auch in der Literatur werden die Erinnerung an den Holocaust und der ordre public bisweilen als zwei nebeneinander existierende Schutzgüter genannt.496 Andere Autoren suggerieren dagegen, dass bei negationistischen Äußerungen die Störung des ordre public nur die mittelbare Folge der Verletzung anderer Schutzgüter ist. So ist für Garibian die Menschenwürde das unmittelbar verletzte Schutzgut, und die Störung des ordre public die Folge dieser Verletzung: „la raison d’être de tels textes reste le caractère potentiellement dangereux pour l’ordre public (. . .) en particulier lorsque l’on perc¸oit la négation come atteinte à la sauvegarde de la dignité humaine.“497
Nach anderer Ansicht schließen sich der Schutz der Erinnerung und des ordre public nicht aus, sondern bedingen sich gegenseitig. Negationistische Äußerungen sind nach Ansicht von Willmann „attentatoire à l’ordre public, les droits des individus, c’est-à-dire le respect de la Mémoire.“498 Es gehe also, wie eine Untersuchungskommission des französischen Parlaments festgestellt hat, im Kern um die Erinnerung, die im Namen des Kampfes gegen Rassismus und Antisemitismus geschützt werde.499 III. Die Menschenwürde Von einigen Autoren wird schließlich die Menschenwürde als Schutzgut der Loi Gayssot genannt. Insbesondere Beignier stellt die Menschenwürde als das der Meinungsfreiheit entgegensetzbare Recht dar und äußert Gewissheit darüber, dass dieses vom frz. Verfassungsgerichtshof im Jahre 492
CA Paris v. 21.5.1992, zitiert nach: Lamy, J.-Cl. comm. Fasc. 3160, S. 7. Trib. corr. Paris v. 10.6.1993, zitiert nach: EMRKomm. Marais v. France Eur. Comm’n H. R. Dec. & Rep. 86-A, 184 (186). 494 CA Paris v. 9.12.1992; zitiert nach: Lamy, J.-Cl. comm. Fasc. 3160, S. 7. 495 Trib. corr. Paris v. 10.6.1993, zitiert nach: EMRKomm. Marais v. France Eur. Comm’n H. R. Dec. & Rep. 86-A, 184, 186. 496 Krikorian, D. 2006, 1980; Libchaber, RTD civ. (1) 1999, 245 (249). 497 Garibian, Le Monde v. 13.5.2006, S. 22. 498 Willmann, Arch. phil. droit 2006, 189 (210); verschiedene Schutzgüter nennen auch Bourette, Colloque CA Paris, S. 56 und Krikorian, D. 2006, 1980 ff. 499 Assemblée Nationale, Rapport Nr. 1262, S. 26. 493
100
1. Teil: Was schützt das Verbot der Holocaustleugnung?
1994 anerkannte Recht500 bei einer verfassungsrechtlichen Überprüfung der Loi Gayssot gegenüber der Meinungsfreiheit den Vorzug bekäme.501 Die Menschenwürde erfährt unterschiedliche Ausprägungen. Während Willmann den Existenzgrund der Vorschrift in der Bewahrung der Würde der Opfer sieht502 und damit in den Individualschutz einordnet, vertritt Garibian einen kollektiven Würdeansatz und sieht eine Verletzung der Menschenwürde in ihrem objektiven Inhalt. Darunter versteht sie ein Recht, das die Solidarität unter Menschen als Gleiche ausdrückt.503 IV. Das demokratische Gemeinwesen Insbesondere in der Rechtsprechung des EGMR wurde das demokratische Gemeinwesen als Schutzobjekt ins Spiel gebracht.504 Es ist allerdings unklar, ob das demokratische Gemeinwesen als direkt angegriffenes Schutzgut fungieren soll, oder ob nicht vielmehr die Bekämpfung des Negationismus als Ausdruck eines demokratischen Gemeinwesens gerechtfertigt wird.505 Für Cohen-Jonathan zerstört der Negationismus das gesellschaftliche Band zwischen den Menschen, woraus man zumindest indirekt schließen kann, dass Gesetze zur Bekämpfung des Negationismus die gesellschaftliche und staatliche Ordnung zusammenhalten.506 Nach Ansicht von Beignier verletzt ein Verbot negationistischer Äußerungen die Meinungsfreiheit nicht, da diese die Demokratie unterstützen soll.507
C. Polen In der polnischen Strafrechtswissenschaft geht man ebenfalls von dem Schutz von Rechsgütern aus („dobra prawne“). Wolter definiert das Rechtsgut als gesellschaftlichen Wert, den das Strafgesetz schützt und den der Straftäter angreift.508 Laut Marek betrifft die in Art. 1 § 2 poln. StGB genannte „Gesellschaftsschädlichkeit“ ein unter dem Schutz des Rechts ste500 C. Const. Recueil 1994, 100; Edelman, D. 1997 (Chron.), 185 ff.; Mathieu, D. 1996 (Chron.), 282 ff. 501 Beignier, Mourgeon-FS, S. 510. 502 Willmann, Arch. phil. droit 2006, 189 (201). 503 Garibian, Le Monde v. 13.5.2006, S. 22. 504 EGMR Garaudy c. France Rec. 2003-IX, 335 (361); EGMR Lehideux et Isorni c. France D. 1999 (J.) 223, 226, Anm. Rolland. 505 Vgl. Rolland, D. 1999 (J.), 223 (226 ff.). 506 Cohen-Jonathan, RTDH 1997, 571 (577); ders., Dubois-FS, S. 517. 507 Beignier, Mourgeon-FS, S. 510. 508 Wolter, S. 41.
3. Kap.: Das Schutzgut des Verbots der Holocaustleugnung
101
hendes Gut.509 Die Frage nach der Funktion des Rechtsguts in der polnischen Strafrechtsdogmatik wird im vierten Teil behandelt. I. Die Erinnerung und die historische Wahrheit Am Rechtsgut des Verbots der Holocaustleugnung ist von Seiten der polnischen Strafrechtswissenschaft eher wenig Kritik geübt worden. Die Diskussion dreht sich hier vor allem um die Begriffe „historische Wahrheit“ und „Erinnerung“. Nach Ansicht von Bojarski ist das geschützte Rechtsgut des Art. 55 IPN-G die historische Wahrheit der in Art. 1 IPN-G genannten Verbrechen.510 Auch der ehemalige Bürgerrechtsbeauftragte Polens, Kochanowski, der von einer Verfassungswidrigkeit des Art. 55 IPN-G ausging, sah den Zweck der Norm darin, die historische Wahrheit zu schützen.511 Die Grenze zwischen historischer Wahrheit und Erinnerung ist fließend, zumal die Übermittlung der historischen Wahrheit einer Erinnerung an diese gleichkommt. Jedenfalls gilt die Bewahrung des Bewusstseins an den Holocaust als schutzwürdiges Gut: Nach Ansicht von Gliszczyn´ska entscheidet sich der Gesetzgeber eines jeden Landes für die Einführung eines Verbots der Holocaustleugnung, um zukünftigen Generationen die Wahrheit übermitteln zu können und sie vor pseudowissenschaftlichen Thesen und Lügen zu schützen.512 Es gehe also um den Schutz der Erinnerung an das historische Ereignis und die Opfer.513 Dies sieht der ehemalige Präsident des poln. Verfassungsgerichtshofs, der Strafrechtler Zoll, ähnlich. Das rechtliche Tabu schütze einen Wert, der bei der Holocaustleugnung für die Nationalstaaten und die europäische Zivilisation in dessen Vermächtnis liege, nämlich der Warnung vor der Gefahr des Totalitarismus.514 Um diese Warnung an zukünftige Generationen weiterzugeben, habe sich der Gesetzgeber entschlossen, die Meinungsfreiheit einzuschränken.515 Dies bekräftigt auch Safjan, der darauf hinweist, dass das menschliche Gedächtnis schwach und unzuverlässig sei und die öffentliche Leugnung des Holocaust negative Folgen für die junge Generation haben könne.516 509
Marek, Kommentar, S. 8. Bojarski/Radecki, Art. 55, Rn. 1. 511 Kochanowski, Antrag, S. 15. 512 Gliszczyn ´ ska, Rz. v. 12.4.2008, C 7. 513 Gliszczyn ´ ska, Vortrag, S. 8, 9 (unveröff.). 514 Zoll, ZNAK Nr. 542 2000, 4 (6). 515 Zoll, ZNAK Nr. 542 2000, 4 (6). 516 Siehe: http://www.otwarta.org/marek-safjan-wolnosc-slowa-w-debacie-euro pejskiej,400.html (zuletzt aufgerufen am 22.07.2011). 510
102
1. Teil: Was schützt das Verbot der Holocaustleugnung?
Ausdrücklich für die kollektive Erinnerung als Rechtsgut sprechen sich auch Komorowski/Wróbel aus. Sie sind der Ansicht, dass nicht die historische Wahrheit das hauptsächlich geschützte Rechtsgut darstellt, sondern die als werthaft anerkannte individuelle und gesellschaftliche Erinnerung an die Opfer und an das Verbrechen.517 Die Strafwürdigkeit des Negationismus beruhe nicht auf der geäußerten Lüge bezüglich historischer Fakten sondern auf der Verletzung der Erinnerung an die Opfer.518 Unmissverständlich äußert dies schließlich der Urheber der Vorschrift, Kulesza: „Die Strafvorschrift schützt auf diese Weise nicht die Gefühle der lebenden Mitglieder der Familien von Opfern der nationalsozialistischen und kommunistischen Verbrechen (. . .) sondern (. . .) das Gedenken der Nation (. . .).“519
Für diese Ansicht streitet auch der Wortlaut des IPN-G: In dessen Präambel heißt es an erster Stelle, dass das Institut für Nationales Gedenken zur Aufgabe habe „die Erinnerung an die gewaltige Zahl der Opfer, die Verluste und Schäden, welche die polnische Nation während und nach dem Zweiten Weltkrieg erlitten hat, zu bewahren“520. II. Die Ehre und die Menschenwürde Die Ehre und die Menschenwürde wurden als Rechtsgüter der Vorschrift kaum thematisiert. Zwar spricht z. B. Kulesza von der Würde als geschütztem Rechtsgut, er meint aber die Würde der Nation, zu deren nationalem Bewusstsein die historische Wahrheit über den Holocaust gehört.521 Es geht bei ihm nicht um die Würde der einzelnen Person oder des Opfers, sondern die eines Kollektivs, an welchem der Bürger Anteil hat und mit welchem er sich identifiziert.
Ergebnis Es ist gezeigt worden, dass hinsichtlich der Legitimierung des Verbots der Holocaustleugnung im deutschen Strafrecht eine Lücke besteht. Die Einbeziehung der Erinnerungsthematik zur Legitimierung des Verbots hat bisher nur in begrenztem Umfang stattgefunden. Dabei drängt sich ein Schutz der Erinnerung aus mehreren Gründen nahezu auf: 517 518 519 520 521
Komorowski/Wróbel, Zeszyty Prawnicze (1) 2009, 239 (250). Komorowski/Wróbel, Zeszyty Prawnicze (1) 2009, 239 (250). Kulesza, W., Szwarc-FS, S. 339. IPN-G v 18.12.98; siehe dazu auch Zie˛ba-Załucka, PSejm. (5) 2005, 31 ff. Kulesza, W., Szwarc-FS, S. 338.
Ergebnis
103
Erstens spricht für diese Bewertung ein geschichtliches Argument. Der Negationismus ist die Fortsetzung der Vertuschungsaktionen der Nationalsozialisten mit Worten. Holocaustleugner versuchen, wie schon die Nazis selbst, ein bestehendes Erinnerungsgeflecht bezüglich des Holocaust auszulöschen. Der Negationismus zielt direkt auf das bestehende Bewusstsein bezüglich der Existenz des Holocaust und versucht eine „Gegen-Erinnerung“ zu errichten. Zweitens streitet für diese Annahme die Gesetzesgenese: Der Entstehung dieser Normen waren in allen drei untersuchten Rechtsordnungen konkrete negationistische Ereignisse vorausgegangen (Deckert-Rede in Deutschland; Le Pen-Interview in Frankreich, Althans-Aussagen in Polen). In den Parlamentsdebatten der untersuchten Rechtsordnungen und auch in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung ist die Erinnerung an den Holocaust immer wieder entweder ausdrücklich oder implizit als Wert hervorgehoben worden. Aus rechtspolitischer Sicht wurde an dem Verbot zwar eine nicht unerhebliche prinzipielle und folgenorientierte Kritik geübt; dabei stand jedoch der Wert der Erinnerung meist völlig außer Frage. Drittens ist die bisherige rechtliche Begründung in Deutschland defizitär: Das Rechtsgut des öffentlichen Friedens symbolisiert paradigmatisch, was dem Rechtsgut von Welzel allgemein vorgeworfen worden ist: nämlich ein wahrer Proteus zu sein, der sich ständig ändere. Der öffentliche Friede verschleiert im Fall der Holocaustleugnung das Schutzinteresse mehr, als er es zum Ausdruck bringt. Insbesondere die Verbindung zwischen Leugnung und potentiellen Gewaltakten erschließt sich nicht. Weder der Schutz der persönlichen Ehre noch der Menschenwürde können zudem überzeugen. Die Reaktion der gefühlsmäßigen Abneigung gegenüber der Holocaustleugnung legitimiert die Vorschrift ebenfalls nicht: die Beschreibung der missbilligenden Reaktion ersetzt nicht die Frage nach dem Bestehensgrund der Vorschrift. Viertens zeigt schließlich die rechtsvergleichende Sicht, dass die Strafrechtsdiskussion in Ländern wie z. B. Frankreich oder Polen in dieser Hinsicht bereits weiter ist und die kollektive Erinnerung als schutzwürdiges Interesse thematisiert.522 Bei aller Vorsicht vor der leichtfertigen Übernahme von Begründungsmustern aus fremden Rechtsordnungen bleibt an die deutsche Strafrechtsdogmatik die Frage gerichtet, warum ein und dasselbe Delikt in verschiedenen Ländern einen jeweils anderen Schutzzweck haben soll. Insbesondere die Verbindung zwischen Leugnung und Gewaltakten wird in den anderen Rechtsordnungen gar nicht thematisiert. 522 Für Italien nimmt dies z. B. an: Fronza, Vt. L. Rev. 2005, 609 ff.; § 3 g), h) österr. Verbotsgesetz bestraft die Leugnung des Holocaust passend hierzu als „Wiederbetätigung im nationalsozialistischen Sinn“.
104
1. Teil: Was schützt das Verbot der Holocaustleugnung?
Es besteht daher Bedarf an einer Öffnung der Rechtsgutsdiskussion für die „kollektive Erinnerung“. Im Folgenden soll der Versuch gemacht werden, die kollektive Erinnerung als Rechtsgut zu konkretisieren. Dabei gilt es auch zu untersuchen, ob dieses Konstrukt eine tragfähigere Begründung für das Verbot liefern kann und die Bezeichnung „Erinnerungsgesetz“ für das Verbot der Holocaustleugnung inhaltlich zutrifft.
Zweiter Teil
Das Verbot der Holocaustleugnung als Erinnerungsgesetz Im Folgenden wird versucht werden, die kollektive Erinnerung als Rechtsgut zu konzipieren und ihre Schutzbedürftigkeit näher darzulegen. Zuvor soll aufgezeigt werden, welchen Stellenwert die Erinnerungsthematik in Gesellschaft, Politik und Recht allgemein besitzt. Ziel dieser Ausführungen ist der Nachweis, dass die Erinnerung als Wert bereits anerkannt war, bevor sie einen rechtlichen Schutz erfahren hat. Insbesondere soll der gesellschaftliche Wertkonsens, der in der Bewahrung der kollektiven Erinnerung zum Ausdruck kommt, näher konkretisiert werden und dessen Tragweite verdeutlicht werden. Dies erfolgt unter Heranziehung geschichtlicher, (rechts)soziologischer, sozialphilosophischer, kulturwissenschaftlicher und schließlich rechtlicher Begründungsmuster. 4. Kapitel
Die Erinnerung an den Holocaust als sozialer Zustand A. Soziale Bindung im modernen Staat I. Keine Gemeinschaft ohne Identität Von einer Gemeinschaft vermag man erst dann zu sprechen, wenn sie sich durch Gemeinsamkeiten unter ihren Mitgliedern auszeichnet. Über die Familie, den Verein bis hin zur Gesellschaft und den Staat, ist diese Eigenschaft allen Gruppierungen zueigen. Im Einzelnen mag zwar umstritten sein, was eine Gesellschaft zusammenhält.1 Dass sie jedoch durch bestimmte Bindungselemente zusammengehalten wird, kann angenommen wer1 Alpert, in: Hamilton (Hg.), S. 28 ff.; zum Ganzen: Heitmeyer, Wilhelm, Was hält die Gesellschaft zusammen? (1997) Kaluza, Martin, Der Kitt der Gemeinschaft (2008); zur Idee des Solidarismus: Hayward, Int’l Rev. Soc. Hist. (4) 1959, 261 ff.; Paugam, S. 7 ff.
106
2. Teil: Verbot der Holocaustleugnung als Erinnerungsgesetz
den. Sonst wäre sie von einer losen Ansammlungen von Individuen nicht zu unterscheiden.2 Noch lange bevor Hegel den Begriff der Gesellschaft prägte, definierte Cicero in seiner staatstheoretischen Schrift „De re publica“ das Volk nicht als „jede irgendwie zusammengescharte Ansammlung von Menschen, sondern [als] die Ansammlung einer Menge, die in der Anerkennung des Rechtes und der Gemeinsamkeit des Nutzens vereinigt ist.“3 Tönnies unterteilt Gruppierungen in das Begriffspaar „Gemeinschaft“ oder „Gesellschaft“, je nach dem, ob die Gründe für den Zusammenhalt einer Gruppe dauerhaft, positiv und natürlich (z. B. Familie, Stamm, Sitte, Religion) oder vorübergehend, zweckorientiert und künstlich sind (z. B. Politik, Vertragsrecht, öffentliche Meinung).4 Bei Durkheim wird die Zugehörigkeit eines Individuums zu einer Gruppe emotiv bestimmt und äußert sich in gemeinsam geteilten Gefühlen: Der Gesellschaft liegt ein über die Summe der Individuen hinausgehendes „Kollektivbewusstsein“ (conscience collective) zu Grunde, das er als „die Gesamtheit der gemeinsamen religiösen Überzeugungen und Gefühle im Durchschnitt der Mitglieder einer bestimmten Gesellschaft“ definiert.5 Max Weber folgt dieser Einteilung nach Gefühlen und spricht bei einer subjektiv gefühlten Zusammengehörigkeit von Beteiligten einer Gruppe von „Vergemeinschaftung“, während er die auf rationale Gründe gestützte Interessenverbindung als „Vergesellschaftung“ bezeichnet.6 Dass einer Gesellschaft Gemeinsamkeiten, bzw. ein „lien social“7 oder ein „normativer Grundkonsens“ zu Grunde liegen, wird in der Soziologie auch damit begründet, dass die Nichterfüllung gemeinsamer Merkmale die Exklusion aus der Gruppe zur Folge haben kann. Parsons benutzt für die Differenzierungsform, anhand deren über Inklusion oder Exklusion in eine Gruppe entschieden wird, den Begriff „Code“, den er charakterisiert als „the pattern of action in question“, den Gruppen oder Individuen erfüllen müssen, um Akzeptanz zu finden: „individuals and/or groups who act in accord with that pattern coming to be accepted in a status of more or less full membership in a wider solidary social system“8. Selbst sein Schüler Luhmann, dessen deskriptiv-positivistisch wirkende Systemtheorie den ausdrücklichen Bezug auf einende, bindende Element für die gesamte Gesellschaft vermissen lässt, führt solche Elemente implizit für 2 3 4 5 6 7 8
Vgl. Fink-Eitel, in: Brumlik/Brunkhorst (Hg.), S. 309. Cicero, S. 53. Tönnies, S. 5 ff. Durkheim, Arbeitsteilung, S. 128. Weber, S. 21. Für eine Einführung in den Begriff siehe Paugam, Serge, Le lien social (2008). Parsons, in: Effrat (Hg.), S. 306.
4. Kap.: Erinnerung an den Holocaust als sozialer Zustand
107
die Teilbereiche der Gesellschaft wie Recht, Politik und Kultur wieder ein, wenn er streng zwischen System und Umwelt unterscheidet und Systeme anhand binärer Codes charakterisiert. Denn, so Luhmann, „wenn eine Einheit differenziert gedacht wird, muss sie als Einheit doch noch erkennbar sein; sie muss die Zusammengehörigkeit ihrer Teile ausweisen können“9. Die kollektiven Codes erlauben, eine Grenze zwischen dem Binnenraum einer Gemeinschaft und der Außenwelt der Andersartigen zu ziehen.10 Für den Staat gesprochen ist der Code die inhaltliche Beschreibung eines „einigenden Bandes“11, das die Bürger untereinander und mit dem Staat verbindet. Der Bürger möchte sein eigenes Selbstverständnis im Staat reflektiert sehen. Er begreift sich als Element des Staates und definiert seine Zugehörigkeit zum Staat durch die Wiedererkennung seines Selbstverständnisses in der größeren Einheit. Oder mit Habermas in Anlehnung an Durkheim gesprochen, ist die Identität der Person zunächst nur Spiegelbild der kollektiven Identität.12 In der sozialpsychologischen Sicht G.H. Meads verschmelzen Ich und Ich und generieren ein Hochgefühl, „das zu den religiösen und patriotischen Haltungen gehört, in denen die bei anderen hervorgerufene Reaktion mit der eigenen identisch ist.“13 Fehlt diese Wiedererkennung, dann fehlt auch die Integration in ein Gemeinwesen. Ohne Identität unter den Mitgliedern einer Gesellschaft bezüglich eines programmatischen Codes, bzw. bestimmter Differenzierungskriterien ist eine Einheit nicht denkbar. Der Logiker W. V. O. Quine hat dies plakativ auf den Punkt gebracht: „No entity without identity“14. II. Überholte staatliche Bindungselemente: Religion, Rasse und Abstammung Auf der Ebene des Staates haben sich die Differenzierungskriterien, die für die Bindung des Einzelnen an den Staat maßgeblich waren, immer wieder verändert. Der Beginn der Nationalstaatsbewegung in Deutschland im 19. Jahrhunderts war von heute überholten staatlichen Bindungselementen („primordiale Codes“15) geprägt. Bis zum 19. Jahrhundert war die Re9
Luhmann, in: Berding (Hg.), S. 15. Giesen, S. 26. 11 Den Begriff benutzt u. a. Böckenförde, Recht, S. 111. 12 Habermas, Theorie Bd. 2, S. 86. 13 Mead, Geist, S. 321. 14 Quine, S. 23. 15 Giesen/Junge/Kritschgau, in: Berding (Hg.), S. 349. 10
108
2. Teil: Verbot der Holocaustleugnung als Erinnerungsgesetz
ligion die tiefste Bindungskraft für die politische Ordnung und das staatliche Leben.16 Protestantische Theologen, Historiker, Schriftsteller und sonstige Intellektuelle wie v. Humboldt, Schlegel, Schleiermacher, Fichte und Arndt lösten sich nach und nach von kirchlichen Dogmen und erfanden mit der Nation ihre „Ersatzreligion“.17 Besondere Zugkraft besaß der Verweis auf eine gemeinsame ethnisch-kulturelle Abstammung und Erlebniserfahrung. Mangels staatlicher Einheit wurde „die Kultur“ zum Differenzierungskriterium (Herder, Arndt, Fichte). Deutschland wird zur „Kulturnation“ (Meinecke18) erklärt. Primordiale Codes sind von exklusiver Natur. Die Anpassung an einen primordialen Code ist nicht ohne Weiteres möglich. Diese überholten Bindungselemente schafften zwar Einigkeit, aber eine Einigkeit ex negativo. Die Zusammengehörigkeit speiste sich im Politischen aus dem Bewusstsein, anders zu sein, z. B. nicht Franzose, wie in den frankophoben Äußerungen eines Ernst Moritz Arndt nachzulesen ist.19 Solidarität entsprang aus der Existenz eines gemeinsamen Feindes: Napoleon.20 Der aufkeimende Nationalismus gründete auf dem Glauben der historisch-politisch bzw. biologischen Überlegenheit der eigenen Nation. Das Herausbilden von „Kultur“ erfolgte auch durch die Glorifizierung der eigenen Vergangenheit.21 Norbert Elias beschreibt das idealisierte Bild auf die eigene Nation als besonders prägend für die Deutschen und bedauert die Ausblendung „von humanistischen und moralischen Beiklängen“22. Ende des 19. Jahrhunderts gewann das Merkmal der Ethnizität Oberhand. Ethnizität bezeichnet die Bindung an Stamm und Volk durch Abstammung.23 Die nationale Bewegung wurde auf den völkischen Code verkürzt. Die Differenzierung erfolgte nach Herkunft, Abstammung und Rasse, verbunden mit einer Konkurrenz-, Überlegenheits- und Kampfesrhetorik. Im Windschatten des völkischen Codes breiteten sich Rassismus und Antisemitismus in Europa aus.24 Gobineaus Rassenlehre, Houston Stewart Chamberlains Judenhass und der rassische Mystizismus eines Richard Wagner vermischten sich zu dem dumpfen fin de siècle-Antisemitismus, den Hein16 17 18 19 20 21 22 23 24
Böckenförde, Recht, S. 107; siehe z. B. Fichte, Werke Bd. VII, S. 298. König, H., S. 382; Wehler, in: Berding (Hg.), S. 167. Meinecke, S. 10 ff. Vogt (Hg.), S. 102 ff. Giesen, S. 276; Jeismann, S. 76. Wehler, in: Berding (Hg.), S. 167. Elias, S. 177. Leggewie, in: Berding (Hg.), S. 50. Mosse, S. 76 ff.
4. Kap.: Erinnerung an den Holocaust als sozialer Zustand
109
rich v. Treitschke zuvor in die Formel „Die Juden sind unser Unglück“ gepresst hatte und den später der NS-Staat, flankiert von der dezisionistischen Staatstheorie Carl Schmitts, zur Staatsräson machen sollte. Der völkische Code stellt ein hermetisch verschlossenes Differenzierungskriterium dar und ist als Rückschritt zu werten, da er nicht auf Integration, sondern auf Exklusion gerichtet war.25 Er war die Verkehrung des einigenden Bandes in sein Gegenteil: vielmehr musste, wie Hannah Arendt schreibt, jeder Deutsche befürchten, dass er vielleicht doch jüdische Wurzeln hatte, oder dass diese, wie im Fall einiger NS-Kader (z. B. Heydrich), bekannt wurden.26 Die Zugehörigkeit zu dieser „Volksgemeinschaft“ war für Außenstehende unerreichbar: Während Sprache erlernbar und die Religionszugehörigkeit durch Konversion erwerbbar war, bedeutete das völkische Denken in Rassen-, Herkunftszugehörigkeit und Blutsverwandschaft eine Abriegelung des Bürgerstatus. Auch der deutschsprechende und sogar getaufte Jude blieb immer Jude. Wer von anderer Herkunft bzw. Rasse war, blieb unveränderbar Fremder. Er wurde, wie im Fall der Juden, stigmatisiert, ausgegrenzt, und in letzter Konsequenz rechtlos gestellt, vertrieben und vernichtet. Die Ausgrenzung der Juden als „Bürgerverrat“ (Böckenförde27) war der Tiefpunkt eines fehlgeleiteten Nationalismus und markierte zugleich eine Zeitenwende in der Verwendung der Differenzierungsmuster. III. Die moderne Nation als politische Glaubensgemeinschaft Die moderne Nation stützt sich nicht mehr auf starre kulturelle oder ethnische Kriterien, sondern auf die ideelle, geistige Bindungskraft ihrer Ideen. Sie weist den Bürger nicht nach äußeren Kriterien zu oder ab, sondern wirbt um seine Loyalität mit der Attraktivität des von ihr ausgedrückten Wertegerüsts. Die moderne Nation ist eine politische Glaubensgemeinschaft, der jeder angehören kann, der sich mit ihren Ideen identifiziert. Dies ist die Grundidee des französischen Republikanismus. Während der Aufklärung kam die Idee auf, der Citoyenneté einen höheren Stellenwert zuzuweisen, als der vorpolitischen Volkszugehörigkeit. In Frankreich wurde die Nation zum ersten Mal als gruppenübergreifender „corps social“ (Sieyès28) begriffen und zur Vollendung gebracht. Nicht 25 Arendt, Elemente, S. 365 ff.; Giesen/Junge/Kritschgau, in: Berding (Hg.), S. 392. 26 Arendt, Elemente, S. 731. 27 Böckenförde, Staat, S. 276. 28 Zitiert nach: Habermas, Praxis, S. 109.
110
2. Teil: Verbot der Holocaustleugnung als Erinnerungsgesetz
Rasse, Sprache, Geographie konstituierten diese Nation, sondern ein „geistiges Prinzip“ (Renan29). Die geistige Zugehörigkeit hatte sich als tägliches Plebiszit, als „plébiscite de tous les jours“ zu manifestieren.30 Frankreich als „Staatsnation“ (Meinecke31) erfand während der Aufklärung den Patriotismus als eine Tugendlehre; diese Lehre übernahm die Gelehrten-Republik der deutschen Klassik zunächst: Patriot war man nicht durch Abstammung, sondern durch eine rechtschaffene Gesinnung.32 Mit der Idee des Republikanismus geht eine Abgrenzung von biologischen und kulturellen Differenzierungskriterien hin zu ideenorientierten, geistigen Kriterien einher. Dieses Konzept erlaubt Vielfalt statt Homogenität und sogar eine „Liebe zum Staat“ (Arendt33). Dadurch wurden zwar totalitäre Entgleisungen in der Zeit des postrevolutionären Terrors in Frankreich und später antisemitische Ressentiments nicht verhindert. Das geistige Prinzip war jedoch so stark, dass Versuche der Entbürgerlichung oder Diskreditierung auf Grund der Herkunft (Dreyfus-Affäre) dieses Prinzip eher stabilisiert als fragmentiert haben. Die ideell-geistigen Bindungselemente des modernen Staates sind begrenzt: Die Religion ist entzaubert (Weber); Die großen Ideologien des 20. Jahrhunderts haben sich selbst diskreditiert; den (post)modernen Staat zeichnet aus, dass er nur noch sich selbst zur Verfügung hat und keine „Metaerzählungen“ (Lyotard34) mehr für seine Legitimität heranziehen kann. Der Liberalismus als wirtschaftliches und politisches Ordnungsprinzip eignet sich als Bindeglied ebenfalls nicht. Hannah Arendt hat treffend bemerkt, dass sich Solidarität nicht durch die unsichtbare Hand des Marktes einstellt, wenn jeder seinen eigenen Interessen folgt.35 Letztlich gilt, was Habermas in Anlehnung an den jungen Hegel schreibt: „Die Moderne kann und will ihre orientierenden Maßstäbe nicht mehr Vorbildern einer anderen Epoche entlehnen, sie muß ihre Normativität aus sich selber schöpfen. Die Moderne sieht sich, ohne Möglichkeit der Ausflucht, an sich selbst verwiesen.“36
Die moderne Nation als politische Glaubensgemeinschaft verfügt über wenige Begegnungspunkte zwischen Bürgern untereinander und zwischen Bürger und Staat. Ihr einendes Band ist geistig-ideell. Die moderne Nation 29 30 31 32 33 34 35 36
Renan, S. 56. Renan, S. 57. S. 10. MacIntyre, in: Honneth (Hg.), S. 87. Arendt, Revolution, S. 286. Lyotard, Postmoderne, S. 32. Arendt, Elemente, S. 718. Habermas, Philosophischer Diskurs, S. 16.
4. Kap.: Erinnerung an den Holocaust als sozialer Zustand
111
existiert in den Köpfen; sie ist eine „vorgestellte Gemeinschaft“, eine „imagined community“37. Daher wird es nicht ausbleiben, dass Identifikation auch jenseits des Staates gesucht wird, wo die Berührungspunkte intensiver sind: in der Familie, in Vereinen, Religionsgemeinschaften, Communities, Netzwerken etc.38 Die ideelle Zusammengehörigkeit zeigt sich unter den Bürgern jedoch an gemeinsam (privat und öffentlich) gelebten Idealen, den schon von Alexis de Tocqueville ausgemachten „Gewohnheiten des Herzens“ (Bellah39). Bei der „vorgestellten Gemeinschaft“ der Nation stehen bildprogrammatische, zivilreligiöse und geschichtliche Aspekte im Vordergrund.40 Auf staatlicher Seite sind dies gemeinsame „Kollektivrituale“ (Durkheim), wie Gedenktage, politische Reden, oder Gesten. Eines der wichtigsten Bindungselemente für den modernen Staat ist die reflektierte Einbindung seines Handelns in den Kontext der Vergangenheit.41 Moderne staatliche Gemeinschaften sind auf Grund ihrer unausweichlichen Selbstorientierung42 notwendigerweise auch „Erinnerungsgemeinschaften“. IV. Die moderne Nation als Erinnerungsgemeinschaft Von einer Erinnerungsgemeinschaft kann man sprechen, wenn über die Anbindung an gemeinsam erlebte Freude oder gemeinsam durchlittenes Leid, Bindung und Identifikation hergestellt wird. Diese Ereignisse müssen nicht unbedingt persönlich erlebt worden sein, um Bindungskraft zu entfalten. Die Erinnerungsgemeinschaft baut auf geteilte Traditionen und Praktiken auf, die Bedeutungsinhalte für ihre Mitglieder vermitteln.43 So hat Durkheim für enge organische Strukturen (er verwendet hier das Vokabular von Tönnies) wie z. B. die Familie festgestellt, dass diese eine „Communauté de souvenirs“ sei.44 Dies gilt im verstärkten Maße für die Nation, die sich nach der modernen Codierung nicht auf Blutsbande, eine gemeinsame Abstammung o. ä. primordiale Codes stützt. Das Fehlen dieses Codes macht die Betonung der geistigen Nähe in Form einer gemeinsamen Erinnerungskultur umso wichtiger. Die moderne Nation wird von Anthony Smith u. a. danach bestimmt, ob sie sich aus einer Bevölkerung zusammensetzt, die gemeinsame histori37 38 39 40 41 42 43 44
Anderson, S. 6. Taylor, Gemeinschaft, S. 140. Bellah, S. 55, 167 ff. König, H., S. 381; vgl. auch: Walzer, Toleration, S. 76. Vgl. Habermas, Vergangenheit, S. 90; Taylor, Gemeinschaft, S. 208. Vgl. ausführlicher: Frankenberg, S. 194 ff. Vgl. Bellah, S. 153. Durkheim, Rev. phil. 1889, 416 (418).
112
2. Teil: Verbot der Holocaustleugnung als Erinnerungsgesetz
sche Erinnerungen teilt.45 Für Weber sind es die Erinnerungen, die dem Nationalbewusstsein erst die letzte entscheidende Note geben: „gemeinsame politische Kämpfe auf Leben und Tod, knüpfen Erinnerungsgemeinschaften, welche oft stärker wirken als Bande der Kultur-, Sprach- oder Abstammungsgemeinschaft.“46
Das „geistige Prinzip“, das bei Renan die Nation konstituiert, ist wesentlich auf die Beziehung zwischen Vergangenheit und Gegenwart bezogen und drückt sich in zwei Elementen aus, einmal dem Besitz an Erinnerungen und dem Willen, dieses Erbe hochzuhalten.47 Diese Zustimmung ist für die moderne Nation auch dann nicht ausgeschlossen, wenn die gemeinsame Erinnerungskultur schmerzhafte und unangenehme Erinnerungen umfasst.48 Renan hebt deutlich hervor, dass das gemeinsame Leid mehr vereint als die Siege, denn die Niederlagen verlangen der Nation eine größere Gemeinschaftsleistung ab: „Jawohl, das gemeinsame Leid verbindet mehr als die Freude.“49 Diesen Gedanken hat auch John Stuart Mill deutlich zum Ausdruck gebracht, wenn er die stärkste Ursache für das nationale Zusammengehörigkeitsgefühl in der gemeinsamen politischen Vergangenheit sieht, zu der auch negative Erfahrungen, wie die der Erniedrigung und Scham gehören: „the possession of a national history, and consequent community of recollections; collective pride and humiliation, pleasure and regret, connected with the same incidents in the past.“50
Es muss daher kein Widerspruch darin liegen, auch negative Ereignisse als identitätsstiftend anzusehen. Der moderne Code ist nicht auf den Mythos von der glorreichen Vergangenheit beschränkt.51 Für eine ideengestützte Bindungskraft wäre ein oberflächlicher „Jubel-Patriotismus“ zu wenig. Die Bindungskraft der modernen Erinnerungsgemeinschaft stellt sich im Fall des Holocaust über die Distanz und Ablehnung des NS-Regimes her sowie über die Identifikation mit dem Umgang des Staates bezüglich dieses Ereignisses.52 Kaum ein Deutscher identifiziert sich glücklicherweise mit den Verbrechen der Nazis, so wie sich kaum ein Franzose mit der Kollaboration des Vichy-Regimes identifiziert. Aber sehr viel mehr Bürger identifizieren sich mit dem Bekenntnis des Staates zu früheren Verfehlungen. Die 45 46 47 48 49 50 51 52
Smith, S. 14. Weber, S. 515. Renan, S. 56. Candau, S. 147. Renan, S. 57. Mill, S. 427. Rüsen, in: Welzer (Hg.), S. 245 ff. Osiel, S. 192 m. w. N.
4. Kap.: Erinnerung an den Holocaust als sozialer Zustand
113
moderne Erinnerungskultur bringt über die Anknüpfung an schmerzhafte Ereignisse Eigenschaften des Staates und seiner Repräsentanten, wie z. B. Aufrichtigkeit und Verantwortungsbereitschaft zum Ausdruck, welche wiederum Bindung und Identifikation schaffen. Die moderne, ideelle Bindungform der Erinnerungsgemeinschaft beruht somit auch auf einer „Eigenschaftsidentifikation“. Es ist ein Zeichen von Stärke, sich zu Fehlern und Verbrechen zu bekennen. Bellah schreibt, dass die ehrliche Erinnerungsgemeinschaft sich auch des Leidens erinnert, das Dritten angetan wurde: „(. . .) will remember stories not only of suffering received but of suffering inflicted – dangerous memories, for they call the community to alter ancient evils.“53
Vielleicht ist der Satz des ehemaligen deutschen Bundeskanzlers Schröder, das Mahnmal für die ermordeten Juden in Berlin solle ein Ort sein, „wo die Menschen gerne hingehen“, auch in diese Richtung zu verstehen. Nicht die Vernichtung der Juden ist als „Gründungsmythos“ der BRD anzusehen und als „Sinnstiftung deutscher Geschichte“ (Winkler54) zu betrachten, sondern die Erinnerung an dieses Verbrechen. Die Bundesrepublik gründete sich nicht in den 40er Jahren in Auschwitz, Treblinka oder Sobibór, sondern geistig-ideell verspätet in den 80er Jahren, als sie anfing, sich dieser Verbrechen aktiv und offiziell zu erinnern.
B. Die Erinnerungskultur an den Holocaust als Identifikationselement I. Die Entwicklung der Erinnerungskultur an den Holocaust Die Erinnerung an den Holocaust als fester Bestandteil des „staatlichen Codes“ der Bundesrepublik Deutschlands hat sich erst spät etabliert.55 Im Moment der politischen und rechtlichen Konstituierung der BRD durch das Inkrafttreten des Grundgesetzes im Jahre 1949 herrschte lediglich eine Distanzierung vom Naziregime (wie auch vom Kommunismus) vor. Insofern trifft auch auf die BRD noch das geflügelte Wort Norbert Elias’ von Deutschland als der „verspäteten Nation“ zu. Die Erinnerung beschränkte sich in den 50er Jahren zunächst auf den eigenen Opferstatus: Deutsche als Opfer eines verbrecherischen Regimes, 53
Bellah, S. 153. Zitiert nach Assmann, A./Frevert, S. 66. 55 Zum Ganzen: Augstein, in: Frei/Knigge (Hg.), S. 221; Bodemann, in: Michman (Hg.), S. 43 ff.; Herf, S. 334 ff. 54
114
2. Teil: Verbot der Holocaustleugnung als Erinnerungsgesetz
Kriegstote und zerstörte deutsche Städte standen im Vordergrund. Ein „kollektives Beschweigen“ (Lübbe56) prägte die 50er Jahre.57 Erst in den 60er Jahren bekam die Mauer des Schweigens Risse. T. W. Adorno erklärte die Aufarbeitung der Vergangenheit und den Kampf gegen das Vergessen zur Grundbedingung für Aufbau und Stabilisierung der BRD.58 Die Vergangenheit ließ sich zudem nicht ausblenden: antisemitische Schmierwellen riefen alte Erinnerungen wach; der Eichmann-Prozess in Jerusalem59 und die Frankfurter Auschwitz-Prozesse60 Anfang der 60er Jahre trafen auf ein reges Interesse der Öffentlichkeit. Theaterstücke, wie Hochhuths „Stellvertreter“ oder Bücher, wie Grass’ „Blechtrommel“ und Bölls „Billard um halb zehn“, brachten die Vergangenheit wieder in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zurück. Eine Erinnerungskultur an den Holocaust ging damit jedoch ebenso wenig einher wie in den 70er Jahren.61 Politische Figuren wie Willy Brandt als Bundeskanzler oder Gustav Heinemann als Bundespräsident beflügelten immerhin eine Hinwendung zur Geschichte. Allerdings war dies nicht mit einer Revitalisierung der Nation verbunden.62 Erst ab 1979 wurde der Holocaust zum zentralen Inhalt des kollektiven Gedächtnisses der BRD: Der Bundestag hob die Verjährung für den Straftatbestand des Mordes auf, um die Bestrafung von NS-Verbrechen zu ermöglichen.63 Eine US-amerikanische Fernsehserie mit dem Titel „Holocaust“ prägte das Wort für die Verbrechen des NS-Regimes an den Juden und brannte sich im kollektiven Gedächtnis ein.64 Richard von Weizsäcker erklärte in einer historischen Rede im Jahre 1985 zum 40. Jahrestag des Kriegsendes die Erinnerung an den Holocaust zum moralischen Postulat. Der Historikerstreit von 1986 über die Einzigartigkeit des Holocaust politisierte die Öffentlichkeit. Debatten, wie die über die Errichtung des Holocaust-Denkmales und die Walser-Bubis-Debatte65 in den 90er Jahren machten den Holocaust zum Kristallisationspunkt des politischen Selbstverständnisses. 56
Lübbe, Hist. ZSchr. 1983, 579 (594). Ausführlich Olick/Levy, Americ. Soc. Rev. 1997, 921 (928); siehe auch Frei, in: Fritz Bauer Institut (Hg.), S. 124. 58 Adorno, Dialektik, S. 358; ders., Eingriffe, S. 125. 59 Zum Ganzen: Arendt, Hannah, Eichmann in Jerusalem (1964). 60 Siehe ausführlich: Fritz-Bauer-Institut (Hg.), Auschwitz-Prozeß 4 Ks 2/63 Frankfurt am Main (2004); Werle/Wandres, Auschwitz vor Gericht (1995). 61 König, H., S. 535. 62 König, H., S. 538. 63 Herf, S. 335 ff. 64 Wolffsohn, APuZ Nr. 3–4 1997, 14 (18); so auch Brauch, S. 23. 57
4. Kap.: Erinnerung an den Holocaust als sozialer Zustand
115
II. Die Offizialisierung der Erinnerungskultur an den Holocaust Die Erinnerungskultur vollzog sich nie allein im gesellschaftlichen Raum durch Aktivitäten von Intellektuellen, Historikern, Kulturschaffenden, Opferverbänden etc., sondern wurde bald auch zum Gegenstand offizieller Handlungen.66 In der Rede zum 40. Jahrestag des Kriegsendes, am 8. Mai 1985 sagte Bundespräsident Richard von Weizsäcker: „Erinnern, das heißt, eines Geschehens so ehrlich und rein zu gedenken, daß es zu einem Teil des eigenen Innern wird.“67
Die Erinnerung an den Holocaust wurde zur essentiellen Basis dafür, Versöhnung mit den Juden zu erreichen. Die Erinnerung an den Holocaust ist seitdem Teil der Staatsräson der Bundesrepublik Deutschland. Die Intaktheit des Stellenwerts der Erinnerung wurde bei zahlreichen Gelegenheiten wiederholt und bekräftigt. Der deutsche Bundestag hielt in einem fraktionsübergreifenden Antrag vom 10.12.2003 fest, dass Deutschland eine besondere Verantwortung habe, die Erinnerung an den Holocaust wach zu halten, und dass die Erinnerung an das Geschehen „Teil unserer nationalen Identität“68 sei. In einer Rede vor der Knesset wiederholte Bundespräsident Horst Köhler: „Die Verantwortung für die Shoah ist Teil der deutschen Identität (. . .) Vergleiche, die die Shoah verharmlosen, sind ein Skandal.“69
Für Bundeskanzler Gerhard Schröder ist es ebenfalls die Erinnerung an den Holocaust, welche die Identität der BRD ausmacht; durch sie bekommt die Gegenwart einen Sinn.70 Joschka Fischer stellte als Bundesaußenminister in einem Interview fest, dass alle Demokratien eine Basis haben, an der sie sich ausrichteten, und dass dieses Fundament für die Berliner Republik nur die Erinnerung an Auschwitz sein könne.71 Bundeskanzlerin Angela Merkel begründete ihre Intervention im Streit um den Holocaustleugner Bischof Williamson so: „es ist für mich Teil der deutschen Staatsräson, dass (. . .) eine Leugnung des Holocaustes (sic) niemals ohne Folgen im Raum stehenbleiben kann.“72 65 Siehe dazu ausführlich: Schirrmacher, Frank (Hg.), Die Walser-Bubis-Debatte (1999). 66 Für einen Überblick über die sozialwissenschaftliche Bewertung siehe: Osiel, S. 240. 67 v. Weizsäcker, S. 41. 68 BT-Drs. 15/2164. 69 Die Welt v. 3.2.2005, S. 28. 70 Die Welt v. 3.12.2004, S. 35. 71 FAZ v. 18.2.1999, S. 46. 72 FAZ v. 12.3.2009, S. 4.
116
2. Teil: Verbot der Holocaustleugnung als Erinnerungsgesetz
Die offizielle Erinnerungskultur in Deutschland geht somit heute über eine bloße Dauerpräsenz der Geschichte hinaus: Als politische Erinnerung ist die Erinnerung zugleich Standortbestimmung und moralischer Appell an die Zukunft.73 Die Bedeutung der Erinnerungskultur an den Holocaust beschränkte sich nicht auf Israel und die BRD, sondern erfuhr eine Europäisierung und Internationalisierung.74 Der polnische Staatspräsident Kwas´niewski forderte 1995 in einer Rede, dass man sich der Wahrheit stellen müsse und es eine Pflicht gebe, sich zu erinnern und die Erinnerung an die nächsten Generationen weiterzugeben.75 Der französische Staatspräsident Jacques Chirac hat im gleichen Jahr die Verantwortung des französischen Staates für die Deportationen von Juden in die Vernichtungslager anerkannt und davon gesprochen, dass es Momente im Leben einer Nation gibt, welche die Erinnerung verletzen.76 Im Jahre 2005 gedachten die Staatschefs von Deutschland, Frankreich und Russland erstmals gemeinsam der Befreiung von Auschwitz anlässlich des 60. Jahrestages. Im Jahr 2003 argumentierten die Intellektuellen Jürgen Habermas und Jacques Derrida in einem Aufruf für eine gemeinsame europäische Identität, die ihre Wurzeln u. a. in der Erfahrung des Holocaust hat.77 Die Vereinten Nationen haben am 1. November 2005 durch die Resolution 60/7 den 27. Januar zum Holocaustgedenktag erklärt.78 Unter Punkt 3 der Resolution weist die Generalversammlung jede teilweise oder ganze Leugnung des Holocaust als historisches Ereignis zurück. In Reaktion auf die negationistischen Äußerungen des iranischen Staatspräsidenten und die im Jahre 2006 in Teheran organisierte Konferenz, zu der zahlreiche Holocaustleugner eingeladen waren, verabschiedete die UN-Generalversammlung am 26.1.2007 die Resolution 61/255, in welcher die Generalversammlung jede Leugnung des Holocaust verurteilt und alle Mitgliedstaaten nachdrücklich auffordert, jede vollständige oder teilweise Leugnung des Holocaust vorbehaltlos zurückzuweisen. Auch auf europäischer Ebene wird die Erinnerung an den Holocaust in Form von pädagogischen Initiativen gewürdigt und die Leugnung oder Verharmlosung zurückgewiesen. Zu nennen sind z. B. die Erklärung des internationalen Stockholm-Forums zum Holocaust von Seiten der EU, diverse OSZE-Erklärungen (Berlin, Cordoba, Brüssel) und eine Resolution des Europarates.79 Das 73
Pollok, in: Lotz (Hg.), S. 176. Wieviorka, Cah. fran. Nr. 303 2001, 83. 75 Rz. v. 28.2.2005, X 1. 76 Abgedruckt in Kattan, S. 137. 77 Habermas/Derrida, FAZ v. 31.05.2003, S. 34. 78 Siehe dazu Fronza, in: Vormbaum (Hg.), S. 438, die darin eine rechtliche Form des Gedenkens sieht. 79 Vgl. Whine, in: Hare/Weinstein (Hg.), S. 541 Fn. 11. m. w. N. 74
4. Kap.: Erinnerung an den Holocaust als sozialer Zustand
117
Inkrafttreten des EU-Rahmenbeschlusses zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Ausdrucksformen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (2008/ 913/JI) am 6.12.2008, der ein generelles Verbot der Genozid-Leugnung in ganz Europa vorsieht, bedeutet den konkretesten Vorstoß zur rechtlichen Bekämpfung der Holocaustleugnung auf internationaler Ebene seit der Anti-Rassismus-Konvention (ICERD) und der Cybercrime-Konvention.80
Offizielle und legislative Maßnahmen verdeutlichen den mit der zunehmenden zeitlichen Distanz wachsenden Wert der Erinnerung an den Holocaust.81 Das muss nicht heißen, dass die Wertschätzung der Erinnerung in alle Ewigkeit gleichbleibend hoch sein muss.82 Es kann durchaus sein, dass nach Phasen einer starker Erinnerungskultur und Verinnerlichung, der Wert des Vergessens neu entdeckt wird: Dann nicht mehr mit dem Odium des Vertuschens, sondern als Zeichen der Überwindung von Geschehenem und gleichzeitig als Ausdruck der Intensität dieser Verinnerlichung. Auf die heilsame Wirkung des Vergessens haben z. B. Nietzsche und Renan hingewiesen. III. Die Erinnerung als „soziale Tatsache“ (Durkheim) Die Erinnerungskultur in Deutschland und Europa ist ein in der gesellschaftlichen Wirklichkeit real existierendes Phänomen: Sie ist eine soziale Tatsache, bzw. ein „fait social“. Durkheim empfahl, soziale Tatbestände wie Dinge zu behandeln und die Existenz von gesellschaftlichen Zuständen an der Reaktion der Gesellschaft bezüglich des Verstoßes oder der Infragestellung des gesellschaftlichen Zustands zu überprüfen. Denn diese Tatsachen, so Durkheim, „bestehen in besonderen Arten des Handelns, Denkens und Fühlens, die außerhalb der Einzelnen stehen und mit zwingender Gewalt ausgestattet sind, kraft deren sie sich ihnen aufdrängen“83. Die öffentlichen Reaktionen in Fragen der Erinnerungskultur, bezüglich der Frage nach kollektiver Schuld und Verantwortung und der gesellschaftlichen Bedeutung des Holocaust waren stets lebhaft und zeugen von einer uneingeschränkten Vitalität und Bedeutung der Holocaust-Thematik für das deutsche Selbstverständnis.84 Anknüpfungspunkte zur Überprüfung der Intaktheit der Erinnerungskultur und der Ablehnung des Antisemitismus gab 80
Vgl. Knechtle, Fla. St. U. L. Rev. 2008, 41 (47). Siehe auch Fronza, Vt. L. Rev. 2005, 609 (612). 82 Unterschiede zwischen den Ländern gibt es schon jetzt, vgl. Burke, in: Assmann A./Harth (Hg.), S. 297; dazu auch Diner, in: Fritz Bauer Institut (Hg.), S. 12. 83 Durkheim, Regeln, S. 107. 84 So auch Steinbach, APuZ Nr. 3–4 1997, 3 (5); für die Präsenz des Holocaust in Bundestagsdebatten siehe. Dubiel, Helmut, Niemand ist frei von der Geschichte (1999). 81
118
2. Teil: Verbot der Holocaustleugnung als Erinnerungsgesetz
es viele.85 Zu nennen sind beispielhaft der Historikerstreit (Einzigartigkeit des Holocaust), die Jenninger-Rede (Entschuldigungstendenz für fehlenden Widerstand im Nazireich), die Walser-Bubis-Debatte (Dauerpräsenz der Vergangenheit), der Skandal um den CDU-Abgeordneten Hohmann (Juden als Tätervolk), die Flugblatt-aktionen des FDP-Politikers Möllemann (Antisemitismus-Vorwurf) und zuletzt die Leugnung des Holocaust durch den katholischen Bischof Williamson. Die Norm („Die Erinnerung an den Holocaust ist wichtig und werthaft“) und die Missbilligung des Normbruchs waren schon vor dem Inkrafttreten des Strafgesetzes vorhanden.86 Die Strafnorm erweitert nunmehr die gesellschaftliche Reaktion durch eine rechtliche Reaktion. Sie „erschafft“ jedoch weder die Norm noch den Normbruch und auch nicht die missbilligende Reaktion auf dieses Verhalten. Die rechtliche Verankerung des Verbots der Holocaustleugnung ist nicht der Anfang des gesellschaftlichen Aufarbeitungsprozesses, sondern dessen (vorläufiger?) Endpunkt. Nicht das (materielle) Recht hat die Entwicklung der Erinnerungskultur als werthaften Zustand vorangetrieben; vielmehr hat das Recht auf die Existenz dieses Wertes in der Gesellschaft reagiert und ihn institutionalisiert. 5. Kapitel
Die Erinnerung an den Holocaust als rechtliches Postulat A. Soziale Integration durch Recht Bezüglich der Anerkennung des Werts der kollektiven Erinnerung an den Holocaust geht das Strafrecht Hand in Hand mit der Ausbildung gesellschaftlicher Normen. In diesem Fall wird besonders deutlich, wie stark rechtliche Normen durch einen gesellschaftlichen Kontext beeinflusst werden können. Die Rechtsnorm drückt die Identität einer (in diesem Fall: „politischen“) Gemeinschaft aus und offenbart die Janusköpfigkeit des Rechts, das, wie Habermas schreibt, gleichermaßen als Befehl und als Kristallisationspunkt unserer Überzeugungen existiert.87 Nach Parsons müssen institutionalisierte Werte eine Entsprechung in internalisierten Werten finden. Institutionalisierte Ereignisse in der Lebens85 Z. B.: Olick/Levy, Americ. Soc. Rev. 1997, 921 (931); für einen Überblick über Antisemitismus-Debatten in Deutschland siehe Hoffmann, S. 124 ff. 86 Vgl. Fronza, Vt. L. Rev. 2005, 609 (623). 87 Habermas, Faktizität, S. 661.
5. Kap.: Erinnerung an den Holocaust als rechtliches Postulat
119
welt – in unserem Fall die Erinnerungskultur, öffentliche Gedenkriten und Gesetze – sollen sich auf die in der Mehrheitsgesellschaft existierende Anerkennung des Werts der Erinnerung stützen können. Nur dann sichert das Recht gesellschaftliche Solidarität.88 Das muss nicht heißen, dass sich das Recht immer auf bestehende soziale Zustände stützen muss. In manchen Fällen kann es diese sogar erst schaffen. Im Idealfall „zieht die Gesellschaft dann nach“89. Als erfolgreiches Beispiel kann man hier die staatliche Intervention zur Bekämpfung des Rauchens anbringen. Durch staatliche Aufklärungsarbeit, Werbeverbote bis hin zum Verbot des Rauchens in öffentlichen Räumen oder in Gaststätten wurde eine gesellschaftliche Missbilligung des Rauchens erreicht.90 Ein misslungener Versuch war hingegen die Prohibition in den USA der 30er Jahre. Zwischen Recht und sozialem Zustand besteht eine Wechselwirkung. Das Recht tritt vergangenheitsbewusst und vergangenheitsbewahrend auf. Es hat durch diesen Vergangenheitsbezug einen „sozialintegrativen Sinn“ (Habermas91). Das Recht stabilisiert einen gesellschaftlichen Zustand und hält ihn dadurch aufrecht. Damit leben das Recht und der Staat in leichter Abwandlung der Formel Böckenfördes von Voraussetzungen, die sie zu einem gewissen Grad sichern können. Im Fall des Verbots der Holocaustleugnung gilt dies zumindest so lange, wie es eine vitale Erinnerungskultur und einen mehrheitlichen Grundkonsens über den Wert der Erinnerung gibt. Der gesellschaftliche Zustand der Erinnerung an den Holocaust, das Bewusstsein für die Vergangenheit und die Ablehnung sowie Bekämpfung extremistischer Gruppierungen weist für das Recht (vor allem das Öffentliche Recht und Strafrecht) eine strukturelle Nähe zu dem auf, was Durkheim in Bezug auf das Privatrecht die nichtkontraktuellen Elemente des Vertrages genannt hat.92 Wenn ein Vertrag eingehalten werden soll, so setzt dies die Existenz nichtkontraktueller Elemente voraus, die nicht stets aufs Neue ausgehandelt werden müssen, sondern stets Geltung besitzen, ohne ausdrücklich betont zu werden: Sie sind „das Werk der Gesellschaft und nicht das von Einzelpersonen“93 und sichern die soziale Stabilität in Abgrenzung von kurzfristigen, interessegesteuerten (und damit unverlässlichen) Wirtschaftsverträgen. Diese Elemente sind die unsichtbaren, normativ-moralischen Stützen gesellschaftlicher Vereinbarungen.94 88
Zitiert nach Habermas, Faktizität, S. 99; so auch für das Strafrecht: Gropp, AT § 1, Rn. 75. 89 Vgl. Walter, T., Kern, S. 52. 90 Siehe hier Etzioni, S. 196. 91 Habermas, Faktizität, S. 70. 92 Durkheim, Arbeitsteilung, S. 256 ff.; siehe dazu König, R., Einleitung, S. 33; ausführlich auch: Röhl, Schelsky-FS, S. 435 ff. 93 Durkheim, Arbeitsteilung, S. 267; vgl. Parsons, Structure, S. 319 ff. 94 Vgl. für den Bezug zum Staat: Habermas, Theorie Bd. 2, S. 125, 126.
120
2. Teil: Verbot der Holocaustleugnung als Erinnerungsgesetz
Wie der privatrechtliche Vertrag hängt auch die Existenz und Vitalität des Grundgesetzes von einem ihm vorausgehenden „sozialen Zustand“ ab, dessen „Quellcode“ lautet, nie wieder eine faschistische Diktatur auf deutschem Boden zuzulassen. Der Anti-Faschismus, bzw. der „anti-nationalsozialistische Gründungskonsens“95 ist eine nichtkontraktuelle Grundbedingung des deutschen Grundgesetzes. Im Folgenden soll am Beispiel des deutschen Öffentlichen Rechts sowie Strafrechts aufgezeigt werden, an welchen Stellen in diesen beiden Rechtsgebieten der beschriebene soziale Zustand in Form von gedächtnispolitischen Elementen durchscheint.96
B. Erinnerung und Öffentliches Recht I. Die Präambel zum Grundgesetz Das deutsche Verfassungsrecht kennt keinen Erinnerungsbegriff und auch kaum eine explizite Nennung des NS-Regimes. Als das Grundgesetz verabschiedet wurde, war es vielmehr beabsichtigt gewesen, explizite Vergangenheitsbezüge auszublenden, um einen Neuanfang möglich zu machen. Die Streichung des Bezugs zur „nationalsozialistischen Zwingherrschaft“ in der Präambel zum GG wurde vom Abgeordneten Kaufmann mit den Worten gefordert: „je weniger man von diesen Dingen sieht und hört, desto besser ist es.“97 Präambeln von Landesverfassungen, wie die von Bremen („Erschüttert von der Vernichtung, die die autoritäre Regierung der Nationalsozialisten . . .“) oder von Bayern („Trümmerfeld“) kennen deutlichere Vergangenheitsbezüge.98 In den Verfassungen anderer Länder kommt der Vergangenheitsbezug ebenfalls deutlicher hervor. Die Präambel zur französischen Verfassung von 1946 beginnt mit den Worten: „Au lendemain de la victoire remportée par les peuples libres sur les régimes qui ont tenté d’asservir et de dégrader la personne humaine (. . .).“ In der Präambel zur polnischen Verfassung von 1997 bleibt die Vergangenheit präsent, wenn es heißt: „Im Gedenken an bittere Erfahrungen aus der Zeit, in der die Grundfreiheiten und Grundrechte der Menschen in unserem Vaterland verletzt wurden (. . .).“99 Das heißt jedoch nicht, dass dem deutschen Verfassungsrecht Bezüge zur Vergangenheit fehlen. Im Gegenteil: diese sind so implizit wie zahlreich und 95
Frei, S. 23. Zu Erinnerung und Recht, siehe allgemein: Kirste, ARSP 2008, 47 (56 ff.). 97 Kaufmann, JöR (1951), 27. 98 Siehe Rühl, NVwZ 2003, 531 (533). 99 http://www.sejm.gov.pl/prawo/konst/niemiecki/niem.htm (zuletzt aufgerufen am 22.07.2011). 96
5. Kap.: Erinnerung an den Holocaust als rechtliches Postulat
121
spiegeln eine eigene verfassungsrechtliche Gedächtnispolitik wider, in welcher die NS-Vergangenheit als mahnendes „Nie wieder“ über und zwischen den positiven Normen schwebt.100 Davon zeugen an exponierter Stelle die Menschenwürdegarantie in Art. 1 Abs. 1 GG, der Gleichheitsgrundsatz in Art. 3 GG, die Normen der Staatsorganisation sowie die Ewigkeitsgarantie in Art. 79 Abs. 3 GG. Das Grundgesetz ist sich der Umstände seiner Entstehung durchaus bewusst und bringt dies auch zum Ausdruck. Die Verfassung ist ein Produkt ihrer Zeit, keine „creatio ex nihilo“101. Es gab keinen „juristischen Urknall“102 bzw. eine Stunde Null. Vielmehr hat der „soziale Zustand“ die Entstehung des GG maßgeblich beeinflusst. Es ist daher nicht verfehlt, das Grundgesetz als „Gedächtnis der Demokratie“ (P. Kirchhof) zu bezeichnen. II. Die Übergangsvorschrift des Art. 139 GG Der das Grundgesetz tragende soziale Zustand wird in seinem antifaschistischen Grundkonsens zum Ausdruck gebracht. Diese Grundhaltung wird durch die kollektive Erinnerung an die Vergangenheit perpetuiert. Denn, so Brugger in Anlehnung an Dan Diner: „Das kollektive Gedächtnis haftet ganz ohne außengeleitetes Zutun an jener Vergangenheit und konstituiert derart vermittelt paradoxerweise Zugehörigkeit.“103
Das Grundgesetz ist nicht neutral. Ihm liegt eine bestimmte „Idee des Guten“104 zu Grunde, die sich aus dem sozialen Kontext der Verfassungsentstehung ergibt sowie dem Auftrag, diese Idee zu bewahren.105 Konrad Hesse hat diesen Gedanken 1959 in seiner Antrittsvorlesung an der Universität Freiburg zum Ausdruck gebracht: „Die Verfassungsnorm hat kein eigenes, von der Wirklichkeit unabhängiges Sein. (. . .) Dazu (den sozialen Bedingungen, M. M.) gehören nicht minder die geistigen Gehalte, die in einem Volke Wirklichkeit geworden sind, die konkreten gesellschaftlichen Anschauungen und Wertvorstellungen, welche die Gestaltung, das Verständnis und die Autorität der Rechtssätze entscheidend beeinflussen.“106
Für den positivrechtlichen Nachweis der antifaschistischen Grundhaltung des Grundgesetzes lässt sich die Norm des Art. 139 GG anführen: 100
v. Dewitz, S. 3 ff.; Minsker, Harv. Blackletter L. J. 1998, 113 (117); zuletzt deutlich in: BVerfG, NJW 2010, 47 ff. 101 Uhle, S. 23 m. w. N. 102 Kirchhof, P., HStR I § 19, Rn. 16. 103 Brugger, HFR 2006 100 (108). 104 Frankenberg, S. 197. 105 Siehe allgemein zur Frage der Integration durch Verfassungsrecht: Bogdandy, VVDStRL 2003, 156 ff.; Korioth, ebd., 117 ff. 106 Hesse, in: Häberle/Hollerbach (Hg.), S. 7.
122
2. Teil: Verbot der Holocaustleugnung als Erinnerungsgesetz
Sie ist die einzige Norm im Grundgesetz, die den Nationalsozialismus als Gegnerin der freiheitlich-demokratischen Grundordnung explizit nennt. Art. 139 GG hatte ursprünglich die Funktion zu verhindern, dass alliiertes Besatzungsrecht gegen das GG verstoßen könnte.107 Heute ist Art. 139 GG also eher von symbolischer Bedeutung;108 er passt jedoch in die Erinnerungsarchitektonik des Grundgesetzes. Oder in den Worten von Battis/ Grigoleit: „Soll das Wort von der Verfassung als dem „historischen Gedächtnis“ der Nation einen Sinn haben, so aktualisiert sich dieser gerade in Bestimmungen wie der des Art. 139 GG.“109
In der Literatur ist heute umstritten, inwiefern Art. 139 GG eine spezifisch antinazistische bzw. antifaschistische Fundamentalentscheidung zum Ausdruck bringt.110 Jedoch kommt es auf die letztgültige Einordnung wohl nicht entscheidend an. Wie Lübbe-Wolff zutreffend bemerkt, definiert sich das GG mit hinreichender Deutlichkeit als eine dem Nationalsozialismus entgegengesetzte Verfassung.111 III. Die wehrhafte Demokratie Die Grundhaltung der Ablehnung des Nationalsozialismus artikuliert sich u. a. im Konzept der „wehrhaften Demokratie“, das dem GG zueigen ist.112 Das Konzept der „wehrhaften Demokratie“ bzw. „militant democracy“113 sagt im Kern aus, dass es vom Boden dieser Verfassungsordnung keine Möglichkeit der Abschaffung des Systems mit den Mitteln des Systems gibt.114 Die Nazis selbst hatten sich damit gerühmt, sich „im Waffenarsenal der Demokratie“ (Goebbels) frei mit allen Mitteln ausgestattet zu haben, um die Demokratie letztlich abzuschaffen.115 Die Wehrhaftigkeit konkretisiert sich nunmehr u. a. in Normen wie Art. 18, 20 Abs. IV und 79 Abs. 3 GG. Der Vorsatz „Nie wieder Nationalsozialismus!“ sorgte dafür, dass auch 107
Lübbe-Wolff, NJW 1988, 1289 (1291). Bzw. „obsolet“, so Herzog, M/D Art. 139, Rn. 4. 109 Battis/Grigoleit, NVwZ 2001, 121 (124). 110 Dafür z. B. Battis/Grigoleit, NVwZ 2001, 121 (124); Frowein, AöR (105) 1980, 169 (182), Fn. 70; abl.: Herzog, M/D § 139, Rn. 4; Lübbe-Wolff, NJW 1988, 1289 ff.; Rühl, NVwZ 2003, 531 ff. m. w. N. 111 Lübbe-Wolff, NJW 1988, 1289 (1294). 112 Dazu Thiel, in: Thiel (Hg.), S. 1 ff. 113 Dieser Begriff wurde geprägt von Karl Löwenstein, „Militant democracy and fundamental rights“, The American Political Science Review, 1937, 417 ff. 114 Grimm, NJW 1989, 1305 (1306); vgl. eingehend: Kirchhof, P., HStR § 19 Rn. 44 ff. 115 Brenner, in: Eichenhofer (Hg.), S. 95. 108
5. Kap.: Erinnerung an den Holocaust als rechtliches Postulat
123
das Verfahren der Verfassungsänderung im GG anders ausgestaltet ist als in der wertneutralen und letztlich wehrlosen Weimarer Republik.116 Das Konzept der „wehrhaften Demokratie“ stabilisiert das politische System der Bundesrepublik und erfüllt die Funktion der Selbstbewahrung des politischen Gemeinwesens. Darin besteht kein Widerspruch zu einer sonst liberalen Gesellschaftsordnung, die keine für das Individuum verbindliche „Idee des Guten“ festsetzt. Die Neutralität des liberalen Staates gilt zuvörderst auf gesellschaftlicher Ebene und schließt nicht aus, politisch nichtneutral gegenüber anderen Regierungsformen zu sein. Letzteres ist für die Vitalität des politischen Gemeinwesens sogar von zentraler Wichtigkeit. Ansonsten drohte zuerst die Fragmentierung der Staatsordnung durch ein Modell, das selbstbewahrender (und auch militanter) auftritt, als es die liberale Staatsdoktrin mancher Staaten zuzulassen scheint und damit letztlich auch die Abschaffung der gesellschaftlichen Neutralität selbst. Der Liberalismus als politische Doktrin darf dieser Konzeption zufolge nicht einem „neutralistischen Selbstmissverständnis“117 unterliegen. Es wäre eine „demokratische Falle“118, wenn in der liberalen Programmatik zwingend angelegt wäre, dass die Prinzipien, die dem staatlichen System inhärent sind und es charakterisieren, jederzeit zugunsten eines anderen Programms preisgegeben werden könnten. Karl R. Popper hat diese Sichtweise in „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“ als „Paradox der Toleranz“119 bezeichnet. Toleranz darf nicht so weit gehen, die Bedingungen der Toleranz selbst zu beseitigen. Es ist daher laut Böckenförde für den Staat unerlässlich, die Freiheit auch gegen Angriffe der eigenen Bürger zu verteidigen, wenn er sich nicht selbst aufgeben will.120 Der Gegenansicht von Hans Kelsen, der eine Neutralität des Staates gegenüber der Vereinnahmung durch andere Modelle damit begründet hat, dass die Demokratie andernfalls ihre eigenen Prinzipien verrät („Man muss seiner Fahne treu bleiben, auch wenn das Schiff sinkt“121) hat sich die Bundesrepublik bewusst nicht angeschlossen.
Das Konzept der „wehrhaften Demokratie“ beschränkt sich nicht auf den Ausdruck eines gesellschaftlichen Grundkonsenses. Ihm lässt sich auch ein wichtiger gedächtnispolitischer Aspekt abgewinnen. Die wehrhafte Demokratie setzt voraus, dass den Bürgern stets bekannt ist, wogegen sie sich verteidigen und welches System und welche Prinzipien sie bewahren wollen. Die Erinnerung an den Holocaust spielte bei der Verabschiedung des GG zwar keine explizite Rolle. Dies war jedoch nicht darauf zurückzuführen, dass die Loslösung von der Vergangenheit kein zentrales Anliegen dar116 117 118 119 120 121
Roellecke, NJW 1991, 2441 (2443). Kersting, Recht, S. 462. Cohen-Almagor, Scope, S. 2. Popper, S. 54. Böckenförde, Recht, S. 56. Kelsen, S. 237.
124
2. Teil: Verbot der Holocaustleugnung als Erinnerungsgesetz
stellte. Im Gegenteil: die Vergangenheit war zu diesem Zeitpunkt übermächtig und die Erinnerung so frisch, dass sie drohte, den Neuanfang des GG als bloße Negation von Weimar und der NS-Zeit zu neutralisieren. Erst als das kommunikative Beschweigen der 50er bis 70er Jahre in ein Vergessen zu münden drohte, wurde der Wert der Erinnerung erneuert und gestärkt: dieser Prozess hat seitdem bis heute an Bedeutung gewonnen. Für die wehrhafte Demokratie steigt die Bedeutung des Wachhaltens der Erinnerung in dem Maße, wie Desinformation, Gleichgültigkeit (oder im Extremfall: die aktive Zerstörung und Fragmentierung der Erinnerung durch die Holocaustleugnung) zunehmen. Erinnerung und Wehrhaftigkeit sind zueinander akzessorisch. Die Erinnerung an den Holocaust als werthafter Zustand bedingt die Wehrhaftigkeit der Demokratie und umgekehrt. Im gedächtnispolitischen Zusammenhang erhält die Charakterisierung „Wehrhaftigkeit durch Werthaftigkeit“122 damit einen eigenen Sinn. Wehrhaftigkeit lebt nicht nur davon, bestimmte inhaltliche Grundentscheidungen als „werthaft“ zu verteidigen, sondern auch davon, ein Bewusstsein bezüglich dieser Werthaftigkeit zu besitzen. Die Erinnerung an die NS-Vergangenheit ist damit ein implizites verfassungsrechtliches Postulat, das sich in der wehrhaften Demokratie verorten lässt. IV. Der Begriff der „öffentlichen Ordnung“ Ein weiteres Beispiel für die Ausprägung des antifaschistischen Grundkonsenses ist der einfachgesetzliche Begriff der „öffentlichen Ordnung“, der u. a. im Polizei- und Versammlungsrecht verwendet wird. Nach Ansicht von Battis/Grigoleit bietet der Begriff der „öffentlichen Ordnung“ als Ausdruck eines antifaschistischen Grundkonsenses eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für das Verbot bzw. die Auflösung rechtsradikaler Demonstrationen.123 Dieser Ansicht hat sich das OVG Münster124 in seiner Judikatur angeschlossen, während das BVerfG125 dieser Einschätzung nicht folgt. Auch die Literatur übt an dieser Ansicht einige Kritik.126 Der Streit selbst muss an dieser Stelle offen gelassen werden. Bemerkenswert an dem Vorschlag von Battis/Grigoleit ist jedoch die Tatsache, dass hier eine Rechtsfortbildung im Bezug auf mögliche Eingriffsermächtigungen gegen neonazistische Demonstrationen vorgeschlagen wird, die 122 123 124 125 126
Tillmanns, in: Thiel (Hg.), S. 25. Battis/Grigoleit, NVwZ 2001, 121 (128). OVG Münster, NJW 2001, 2111 und 2114. BVerfG, NJW 2001, 2069. Rühl, NVwZ 2003, 531 (536).
5. Kap.: Erinnerung an den Holocaust als rechtliches Postulat
125
sich nicht auf die Verteidigung von elementaren individuellen Rechtsgütern (wie im Begriff der öffentlichen Sicherheit) beschränkt, sondern im Begriff der öffentlichen Ordnung einen kollektiven Identitätskern als Eingriffsermächtigung nennt. Battis/Grigoleit bezeichnen die „öffentliche Ordnung“ als den „Grundkonsens, der sich in der Rechtsordnung als Summe des positiven Rechts niedergeschlagen hat“127. Dadurch wird die „öffentliche Ordnung“ weiter gefasst als bisher. Nach verbreiteter Auffassung wird die öffentliche Ordnung definiert als „die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln für das Verhalten des Einzelnen in der Öffentlichkeit, deren Beachtung nach den jeweils herrschenden Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten staatsbürgerlichen Zusammenlebens betrachtet wird“128. Diese neue Definition der öffentlichen Ordnung als Ausdruck eines antifaschistischen Grundkonsenses stellt eine politisch nicht-neutrale Grundhaltung in den Vordergrund des Begriffs. Das positive Recht bezeichnet die Summe aller gesetzlichen Anordnungen. Wenn aus diesen positiven Rechtsnormen neben deren bloßer Existenz auch eine politische Standortbestimmung, bzw. ein Identitätskern hervor scheint, wird die öffentliche Ordnung zum Substrat einer nichtkontraktuellen Stabilisierungserwartung, die der Bürger an den Staat richtet. Nichtkontraktuell deshalb, weil weder die öffentliche Ordnung positiv normiert ist, noch die Normen, auf die sie sich in diesem Zusammenhang bezieht (u. a. §§ 86, 130 StGB) offen als Ausdruck der politischen Identität begründet wurden.129 Die Eingriffsbefugnis des Staates wird so über den Schutz individueller Güter hinaus auf den bewusst und wiederholt bestätigten Grundkonsens der politischen Gemeinschaft erweitert.
Mit anderen Worten: wo positiv, bzw. „kontraktuell“ normierte individuelle Güter fehlen, kann die Lücke durch Rückgriff auf identitätsbezogene (eben: „nichtkontraktuelle“) Elemente gefüllt werden. Battis/Grigoleit nennen hier ausdrücklich den sozialwissenschaftlich geprägten Begriff der „kollektiven Identität“ und bezeichnen Auschwitz als negativen Gründungsmythos.130
127
Battis/Grigoleit, NVwZ 2001, 121 (128). Götz, § 5 Rn. 1 (S. 29). 129 Dies kann man aber im Hinblick auf § 130 Abs. 4 StGB inzwischen anders sehen, siehe BVerfG, NJW 2010, 47 (49). 130 Battis/Grigoleit, NJW 2004, 3459 (3462). 128
126
2. Teil: Verbot der Holocaustleugnung als Erinnerungsgesetz
C. Erinnerung und Strafrecht I. Der Vergangenheitsbezug in den Straftheorien Das Strafrecht hat viele Berührungspunkte zur Vergangenheit im Allgemeinen und zur Erinnerungsthematik im Besonderen. Dies beginnt schon damit, dass das Strafrecht per se retrospektiv wirkt. Strafrecht ist repressives Recht und ahndet einen vergangenen Sachverhalt. Das Thema Erinnerung lässt sich zudem mit der Schuld verknüpfen.131 Schuld und Reue sind demnach „Formen der Erinnerung“132. In besonderem Maße spiegelt sich das Phänomen der Erinnerung jedoch in den Straftheorien wider.133 Nach der absoluten Theorie, die u. a. von Kant und Hegel vertreten wurde, hat die Strafe die Funktion, die Rechtsordnung wiederherzustellen. Die Strafe folgt, weil eine Straftat begangen worden ist („quia peccatum est“). Sie ist die Antwort der Rechtsordnung auf eine vergangene Tat.134 Der Vergeltungsaspekt wird in seiner Reinform in der heutigen Literatur zwar nur noch selten vertreten, findet sich aber neben dem Ziel der General- bzw. Spezialprävention im deutschen Strafgesetzbuch berücksichtigt (§ 46 Abs. 1 S. 1 StGB). Gerade bei der Aufarbeitung von Systemunrecht (NS-Regime, DDR etc.) bietet die absolute Straftheorie die einzig sinnvolle Erklärungsmöglichkeit für die Notwendigkeit der Strafe. In der absoluten Strafrechtstheorie kommt damit ein gedächtnispolitischer Aspekt des Strafrechts zum Tragen: das Recht vergisst eine Tat nicht einfach deshalb, weil sie lange zurückliegt, die Täter heute alt und gebrechlich sind und die veränderten gesellschaftlichen bzw. politischen Umstände heute eine Wiederholung der Tat unwahrscheinlich machen.135 Ebenso deutlich, aber in abgeänderter Form besteht ein Erinnerungsaspekt bei den relativen Straftheorien (General- und Spezialprävention).136 Nach dieser Ansicht besteht das Institut der Strafe, damit keine Straftat begangen wird („ne peccetur“). Ohne die Voraussetzung der Erinnerung an die möglichen negativen Folgen einer Handlung in Form der Strafe, also das „memento poenae“ bei dem potentiellen Delinquenten, wäre diese Straftheorie nicht denkbar. P. J. A. Feuerbach nannte die Erinnerungsfunktion der Strafe, den diese auf die Normtreue des Menschen ausüben sollte, „psy131
Günther, in: Smith/Avishai (Hg.), S. 48 ff. Lotz, in: Lotz (Hg.), S. 148. 133 Und zwar sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft gerichtet, vgl. Kirste, ARSP 2008, 47 (63). 134 Pawlik, Jakobs-FS, S. 480. 135 Vgl. Kirste, ARSP 2008, 47 (62). 136 Schlink, in: König, H. (Hg.), S. 440; Reichel, S. 21 ff. 132
5. Kap.: Erinnerung an den Holocaust als rechtliches Postulat
127
chologischer Zwang“. Der potentielle Täter soll durch die bloße Existenz der Strafe, die er selbst erlebt (Spezialprävention) oder an anderen Menschen miterlebt hat (Generalprävention) von der Begehung einer strafbaren Handlung abgehalten werden. Aus dem Präventionsgedanken heraus übernimmt die Strafe im Kern eine Funktion als „Erinnerung an ein Übel“. II. Kollektive Erinnerung durch Strafverfahren Neben der Funktionalisierung der Erinnerung in den Strafrechtstheorien besteht eine enge Verbindung zwischen Strafprozessen und Erinnerungsthematik. Das Strafrecht wirkt durch Strafverfahren formell an der Schaffung kollektiver Erinnerung mit.137 Durch große medienwirksame Strafprozesse wird das kollektive Bewusstsein bezüglich der Vergangenheit ausgebildet.138 Die strafrechtliche Aufarbeitung der Taten während der NS-Herrschaft bis hin zu Prozessen gegen Holocaustleugner stellen einen der wichtigsten Grundpfeiler in der Erinnerungsarchitektonik dar.139 Insbesondere die großen Strafverfahren gegen NS-Verbrecher oder ihre Helfer (die Nürnberger Prozesse, die Frankfurter Auschwitz-Prozesse, der Eichmann-Prozess in Jerusalem, der Barbie-Prozess in Lyon, der PaponProzess in Bordeaux etc.) haben die kollektive Erinnerung an den Holocaust bedeutend geprägt.140 Die Strafprozesse haben das Ausmaß der Verantwortung Einzelner zum Ausdruck gebracht, dem Regime ein Gesicht gegeben und das kollektive Bewusstsein über die Vergangenheit ausgebildet. Die Prozesse haben – auch wenn dies nicht ihre ureigenste Rolle war – den Holocaust an die Öffentlichkeit vermittelt und eine erwiesene Faktenlage bezüglich des Holocaust geschaffen.141 Hey bezeichnet die NS-Prozesse als „Inkarnation der Vergangenheitsbewältigung“142. In Deutschland ist die Bindungswirkung des Auschwitz-Prozesses über die Norm des § 190 StGB sogar positivrechtlich normiert.143 Schon die Entscheidung, formell ein Strafverfahren gegen NS-Täter zu eröffnen, deutet auf eine inhaltliche Anerkennung des Wertes der Erinne137
So auch Sambale, S. 112; Osiel, UP L. Rev. 1995, 463 (470). Vgl. Steinbach, APuZ Nr. 3–4 1997, 3 (6). 139 Siehe allgemein Douglas, Lawrence, The memory of judgment (2001). 140 Frei, in: Fritz Bauer Institut (Hg.), S. 126; Osiel, UP L. Rev. 1995, 463 (470); Savelsberg/King, Annu. Rev. L. Soc. Sci. 2007, 189 ff.; Streng, JZ 2001, 205; zum Ganzen: Kirste, ARSP 2008, 47 (63) m. w. N. 141 Ranki, Card. St. L. L. (1) 1997, 15 (35); Hey, in: Weber/Steinbach (Hg.), S. 52; Werle/Wandres, S. 214. 142 Hey, in: Weber/Steinbach (Hg.), S. 53. 143 Vgl. Streng, JZ 2001, 205 (207). 138
128
2. Teil: Verbot der Holocaustleugnung als Erinnerungsgesetz
rung hin. Als im Jahre 1979 die Verjährbarkeit des Mordes endgültig abgeschafft wurde, um die Bestrafung von NS-Verbrechern zu ermöglichen, wurde dies mit dem Bedürfnis nach Vergangenheitsbewältigung und einem Kampf gegen das Vergessen begründet.144 Darin lag eine Absage gegen das „rechtliche Vergessen“ und eine Art „Amnestie durch Zeitablauf“. Der Gesetzentwurf war außerdem gesellschaftlich flankiert durch die stärker werdenden Erinnerungsthematik und eine öffentliche Präsenz des Holocaust, u. a. in Filmen und Büchern. In Form des Strafverfahrens wurde ein erstes inhaltliches Zeichen für die Vergangenheitsbewältigung in Deutschland gesetzt. Heute wird vor allem im Fall von Prozessen gegen Holocaustleugner die Infragestellung der kollektiven Erinnerung von Seiten der Leugner zurückgewiesen und das gemeinsame Bewusstsein über die Existenz des Holocaust gestärkt.145 Eine wichtige Rolle spielte hier in der anglo-amerikanischen Welt zuletzt der Beleidigungsprozess von David Irving gegen Deborah Lipstadt.146 Emanuela Fronza bezeichnet Gerichtsurteile zutreffend als „mnemonic order“.147 III. Materielle Grundentscheidungen für die Erinnerung Des Weiteren hat das Strafrecht inhaltlich einen Normapparat zur Bekämpfung von rechtsextremem Gedankengut geschaffen. Auch wenn Normen wie die §§ 130, 86, 86a StGB etc. im rechtswissenschaftlichen Diskurs nicht mit der Bewahrung einer Erinnerung begründet werden, so besitzen diese Normen dennoch einen deutlichen Vergangenheitsbezug.148 Das Verbot der NS-Propaganda (§ 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB) und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a StGB i. V. m. § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB) wird entweder mit dem Schutz des öffentlichen Friedens oder mit dem Gedanken der Völkerverständigung begründet.149 In beiden Fällen besteht eine Anknüpfung an ein gemeinsames Bewusstsein über die ehemalige Bedeutung und Tragweite des Zeichens. Das Verbot besteht in beiden Fällen deshalb, weil NS-Propaganda und Kennzeichen in der Bevölkerung auf ein Bewusstsein über den Sinngehalt der Parolen und Symbole stoßen. Die Erinnerung ist hier zwar nicht direkter Schutzgegenstand, aber mittelbar Voraussetzung für die genannten Strafgründe. 144 145 146 147 148 149
Vgl. Sambale, S. 112. Fronza, Vt. L. Rev. 2005, 609. McNamara, Sydney L. Rev. 2004, 353 (355). Fronza, Vt. L. Rev. 2005, 609. Vgl. v. Dewitz, S. 54. So die wohl h. M. vgl. v. Dewitz, S. 230, 231 m. w. N.
5. Kap.: Erinnerung an den Holocaust als rechtliches Postulat
129
Dies gilt auch dann, wenn man, wie Hörnle, den Schutz eines Tabus oder von Gefühlen annimmt.150 Auslöser für die Anstößigkeit, also die Gefühlsäußerung, ist stets das Bewusstsein, bzw. die Kenntnis des Symbols oder der Parole. Ohne die Kenntnis des Sinngehalts gäbe es keine Missbilligung. Dies erklärt auch, warum es in anderen Länder, und dort vor allem unter der jugendlichen Bevölkerung, einen weitaus lockereren Umgang mit NS-Symbolen gibt – erinnert sei nur an die Partyverkleidung eines britischen Prinzen.
Ein ebenfalls mittelbarer Erinnerungsbezug liegt § 130 Abs. 4 StGB zu Grunde. Die Rechtfertigung und Verherrlichung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft aktiviert über die Rückkoppelung an die Kenntnis der NS-Taten in der Regel einen Abneigungsreflex. Dieser Reflex ist Teil des Selbstverständnisses der Bundesrepublik und auch des Grundgesetzes. Das BVerfG hat diese Norm unlängst für verfassungskonform erklärt.151 Bezeichnenderweise rechtfertigte der Senat die Ausnahme von dem in Art. 5 Abs. 2 GG ausdrücklich (!) normierten Erfordernis der Allgemeinheit des meinungsbeschränkenden Gesetzes mit der „gegenbildlich identitätsprägenden Bedeutung“152 der NS-Vergangenheit für die Bundesrepublik. In diesem Fall setzt sich der erinnerungsbezogene „Quellcode“ des GG sogar über den Wortlaut eines so elementar wichtigen Grundrechts, wie die Meinungsfreiheit, hinweg.153 Das Verbot der Holocaustleugnung trägt die deutlichste Nähe zur aktiven Bewahrung der Erinnerung in sich.154 Wie bereits gezeigt worden ist, kennen die Nachbarrechtsordnungen Frankreich und Polen einen rechtlichen Schutz der Erinnerung bereits, wenngleich auch dort eine rechtliche Einordnung dieses Phänomens noch nicht erfolgt ist. So ist die kollektive Erinnerung als Objekt des Rechts in Frankreich noch weitestgehend unbestimmt: „La Mémoire ne répond à aucune définition juridique précise: elle couvre un ensemble de questions assez vaste: souvenirs que conserve une nation d’évènements traumatisants pour sa population“155.
In der deutschen Strafrechtswissenschaft wurde die Erinnerungsthematik für die Begründung des § 130 Abs. 3 StGB bisher noch nicht fruchtbar gemacht. Wie also könnte die „kollektive Erinnerung“ als strafrechtliches Schutzgut gefasst werden?
150 151 152 153 154 155
Hörnle, S. 276 ff. BVerfG, NJW 2010, 47 ff. BVerfG, NJW 2010, 47 (51). Vgl. Volkmann, NJW 2010, 417 (420); krit. Meier, Merkur 2010, 539 (541). Vgl. auch Fronza, in: Vormbaum (Hg.), S. 436. Willmann, Arch. phil. droit 2006, 189.
130
2. Teil: Verbot der Holocaustleugnung als Erinnerungsgesetz
6. Kapitel
Die kollektive Erinnerung als strafrechtliches Schutzgut A. Der Begriff der kollektiven Erinnerung Der Begriff der kollektiven Erinnerung geht auf den französischen Soziologen Maurice Halbwachs zurück. Beeinflusst von den Gedächtnisforschungen Henri Bergsons („Materie und Gedächtnis“) und der Idee Emil Durkheims von der Existenz sozialer Tatsachen entwickelte Halbwachs ein überindividualistisches Gedächtniskonzept. In den Sozialwissenschaften und im allgemeinen Sprachgebrauch hat der Begriff der kollektiven Erinnerung zusammen mit der gesamten Erinnerungsthematik in den letzten Jahrzehnten eine wahre Renaissance erlebt.156 Was in den 60er und 70er Jahren unter dem Etikett von Mythos oder Ideologie diskutiert wurde, wird heute in dem Bedürfnis nach staatlicher bzw. nationaler Identität, Selbsterkennung und bildhafter Verkörperung ausgedrückt.157 Jacques Lacan prägte hierfür den Begriff „das soziale Imaginäre“, während Benedict Anderson in ähnlicher Tendenz von „imagined communities“ spricht.158 Seit den 80er bzw. 90er Jahren dominiert der Begriff des kollektiven Gedächtnisses bzw. der kollektiven Erinnerung. Pierre Nora definiert das kollektive Gedächtnis als Gesamtheit der Erinnerungen an ein erlebtes oder mythenbehaftetes Ereignis einer lebenden Gemeinschaft.159 Der Begriff des sozialen Gedächtnisses160 bezeichnet ein wechselndes Generationengedächtnis, das sich durch Kommunikation zwischen Generationen ausbildet und eine „gemeinsame Weltauffassung“ (Schelsky) ausdrückt.161 Die Intensität der Erinnerungsthematik scheint inzwischen ein für andere Disziplinen nahezu bedrohliches Maß angenommen zu haben. So fürchtet Pierre Nora, dass die Erinnerungsthematik für die Deutung der Vergangenheit eine höhere Legitimität beanspruchen könnte als die Geschichtswissenschaft.162 Der Philosoph Tzvetan Todorov warnt vor einer obsessiven Erinnerung, die zur Zwangsveranstaltung verkommt.163 156
Vgl. Erll, S. 2; Savelsberg/King, Annu. Rev. L. Soc. Sci. 2007, 189 (191). Assmann, A., Schatten, S. 30. 158 Assmann, A., ebd. 159 Nora, in: Le Goff (Hg.), S. 398; ansonsten ist der Begriff durchaus umstritten: Osiel, S. 18. 160 Der Begriff geht wohl auf Durkheim zurück, so Assmann, J./Czaplicka, New Germ. Crit. 1995, 125 Fn. 1. 161 Allg. Welzer, Harald (Hg.), Das soziale Gedächtnis (2001). 162 Nora, in: Le Goff (Hg.), S. 399. 163 Todorov, S. 51. 157
6. Kap.: Kollektive Erinnerung als strafrechtliches Schutzgut
131
Im Folgenden sollen zwei Erinnerungsmodelle vorgestellt werden: zum einen das von Maurice Halbwachs und zum anderen das von Jan Assmann. Ausgehend von diesen Modellen soll versucht werden, ein Rechtsgut der kollektiven Erinnerung zu entwerfen.
B. Konzeptionen der kollektiven Erinnerung I. Die kollektive Erinnerung bei Halbwachs Die Gedächtnistheorie von Maurice Halbwachs ist in zwei seiner Werke niedergelegt: einmal in „Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen“ („Les cadres sociaux de la mémoire“) von 1925 und in „Das kollektive Gedächtnis“ („La mémoire collective“), das posthum erstmals im Jahre 1950 auf französisch erschien. Wie den Titeln bereits im Ansatz zu entnehmen ist, hat Halbwachs zwei Kernthesen vertreten: zum einen die These, dass individuelle Erinnerungen gesellschaftlich beeinflusst sind und zum anderen die These, dass Gruppen ein eigenes Gedächtnis haben können. Da beide Gedächtniskonzeptionen unterschiedlich weit gehen, kann man die erste Variante als „schwach“ und die zweite Variante als „stark“ bezeichnen.164 Der schwachen Lesart des Gedächtnisses liegt die Erkenntnis zu Grunde, dass Menschen keine isolierten Lebewesen sind und dies sich auf Erinnerungsebene dadurch äußert, dass individuelle Erinnerungen durch einen Rahmen kollektiver Erinnerungen ergänzt bzw. mitbestimmt werden.165 Nach Ansicht von Halbwachs sind individuelle Erinnerungen ohne den gesellschaftlichen Bezugsrahmen, der die Menschen umgibt, nicht möglich: „il n’y a pas de mémoires possibles en dehors de cadres dont les hommes vivant en société se servent pour fixer et retrouver leurs souvenirs.“166 Die starke Gedächtniskonzeption beruht auf dem Gedanken, dass Gruppen (z. B. die Familie, der Verein, die Nation) ein eigenes „Gruppengedächtnis“ zugeordnet wird. Dieses Gruppengedächtnis ist nicht im wörtlich-biologischen Sinn zu verstehen, sondern als eine Art Summe der Einzelerinnerungen der Mitglieder, bzw. als Bewusstseinszustand oder „état de conscience“.167 Das Verhältnis zwischen Gruppen- und Einzelgedächtnis beschreibt Halbwachs wie zwei Seiten derselben Medaille:168 Individuen erinnern sich als Mitglieder einer Gruppe. Das Gruppengedächtnis beeinflusst 164
König, H., S. 94. Halbwachs, Cadres, S. XVI. 166 Halbwachs, Cadres, S. 79. 167 Halbwachs, Mémoire, S. 24; ders., Americ. J. Soc. 1939, 812 (818); vgl. auch Kirste, ARSP 2008, 47, (51). 168 König, H., S. 99. 165
132
2. Teil: Verbot der Holocaustleugnung als Erinnerungsgesetz
das individuelle Gedächtnis.169 Gleichzeitig umfasst das Gruppengedächtnis das individuelle Gedächtnis und konstituiert sich daraus, ohne sich jedoch mit diesem zu vermischen.170 Das kollektive Gedächtnis ist damit eine eigene Realität und bildet sich durch Kommunikation aus.171 Bezogen auf die Nation grenzt Halbwachs die Geschichte von der Erinnerung ab. Geschichtliche Ereignisse vollziehen sich außerhalb von Gruppen, bzw. der Gesellschaft und sind damit als „außersozial“, da unveränderbar, zu charakterisieren. Die kollektive Erinnerung dagegen reflektiert die Innenschau172 einer Gruppe; sie ist ein gesellschaftlicher Zustand und damit lebhaft und veränderbar. Die Nation als Gruppe bewahrt aus der Geschichte diejenigen Ereignisse, die noch lebendig sind, für die Gegenwart auf.173 Halbwachs benutzt hier zwar den Begriff der Identität nicht ausdrücklich, trotzdem ist dieser omnipräsent.174 Zweck des kollektiven Gedächtnisses ist es u. a., die Identität einer Gruppe zu stiften und zu erhalten.175 II. Die kollektive Erinnerung bei J. Assmann Die Gedächtniskonzeption des Ägyptologen Jan Assmann baut auf den zwei Thesen von Halbwachs auf und erweitert diese durch eine Differenzierung zwischen kommunikativem und kulturellem Gedächtnis.176 Das kommunikative Gedächtnis unterliegt einem hohen Grad an Formbarkeit. Es ist lebendig, alltagsbezogen, und wird durch Kommunikationsprozesse gestaltet.177 Zeitlich ist es auf selbst erlebte oder durch direkte Kommunikation vermittelte Ereignisse der neueren Vergangenheit beschränkt und umfasst einen Zeitraum von 80–100 Jahren.178 Das kulturelle Gedächtnis hingegen setzt sich aus gesellschaftlich relevanten Fixpunkten der Vergangenheit zusammen. Es befindet sich nicht mehr im Fluss, sondern ist erstarrt.179 Es bezieht sich auf Geschichte bzw. Erzählungen und ist zeitlich unbegrenzt.180 Das kulturelle Gedächtnis löst sich von der Bedin169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179 180
Halbwachs, Americ. J. Soc. 1939, 812 (818). Halbwachs, Mémoire, S. 26. So Bloch, M., S. 247, 250. Halbwachs, Mémoire, S. 46. Halbwachs, Mémoire, S. 43. Assmann, J., S. 46; Marchetta, S. 35. Müller, in: Hastedt (Hg.), S. 32. Assmann, J., S. 45. Assmann, J./Czaplicka, New Germ. Crit. 1995, 125 (126). Assmann, J., S. 50. Assmann, J., S. 52. König, H., S. 105.
6. Kap.: Kollektive Erinnerung als strafrechtliches Schutzgut
133
gung des Selbsterlebten und bezeichnet alle Inhalte, die für eine Gesellschaft so bedeutsam sind, dass diese festgehalten, weitergegeben und rezipiert werden. Das kulturelle Gedächtnis fixiert im Gegensatz zum kommunikativen Gedächtnis bestimmte Ereignisse, gießt sie in feste Formen und kodifiziert sie womöglich.181 Assmanns Gedächtnistheorie beschreibt zwei „Aggregatzustände“ der kollektiven Erinnerung, die ineinander übergehen. Das kommunikative Gedächtnis, bzw. Teile davon werden zum kulturellen Gedächtnis. Halbwachs vertrat hier noch die These, dass sich die kollektive Erinnerung auflöst und zur Geschichte wird.182
C. Das Rechtsgut der kollektiven Erinnerung I. Die Erinnerung als werthafter Bewusstseinszustand Die Holocaustleugnung zielt auf eine Fragmentierung der Erinnerung ab. Sie möchte den kommunikativen Prozess dahingehend beeinflussen, dass sich im Bewusstsein der Öffentlichkeit Zweifel über die Existenz, bzw. das Ausmaß des Holocaust festsetzen. Die ungehinderte öffentliche Holocaustleugnung während der Zeitspanne, in der sich das kommunikative Gedächtnis ausbildet (also momentan), birgt die Gefahr, dass die Wahrnehmung bezüglich dieses Ereignisses sich irgendwann in gewandelter Form im kulturellen Gedächtnis (Assmann) oder der „Geschichte“ (Halbwachs) wiederfindet. Es wäre dann geglückt, zwar nicht die geschichtliche Existenz (als außersoziale Größe) zu verfälschen, aber deren Wahrnehmung, also die Erinnerung. Das Recht hat die Aufgabe, durch die Sanktionierung der Holocaustleugnung den kommunikativen status quo zu bewahren und den erreichten, durchschnittlichen Bewusstseinszustand bezüglich des Holocaust abzusichern.183 Der Kommunikationsprozess stellt nach Auffassung von Halbwachs einen sozialen Rahmen dar, der das einzelne Bewusstsein prägt. Das Recht stärkt diesen sozialen Rahmen, indem es die Einführung einer falschen Tatsachenbasis in die öffentliche Diskussion strafrechtlich sanktioniert. Das Recht wird damit selbst zu einem sozialen Rahmen („cadre social“) und flankiert die Bewahrung des Bewusstseinszustands: einmal positiv, indem es das Unrechtsbewusstsein bezüglich der Holocaustleugnung 181
König, H., S. 105. Assmann, J./Czaplicka, New Germ. Crit. 1995, 125 (128). 183 So auch Fronza, Vt. L. Rev. 2005, 609 (613), die das Verbot der Holocaustleugnung aber aus verfassungsrechtlichen Gründen verwirft. 182
134
2. Teil: Verbot der Holocaustleugnung als Erinnerungsgesetz
stärkt (pädagogischer Aspekt184) und einmal negativ, indem es die kommunikative Sphäre von negationistischen Diskursen frei hält und den Bestand einer kollektiven Erinnerung ohne falsche Gegen-Erinnerungen sichert. Die Werthaftigkeit des Bewusstseins bezüglich des Holocaust lässt sich in zwei Richtungen entwickeln: utilitaristisch und deontologisch. Die utilitaristische Begründung besagt, dass das Bewusstsein an den Holocaust ein Ziel hat, nämlich eine Wiederholung der geschichtlichen Katastrophe in Form der Judenvernichtung zu verhindern.185 Diese Ansicht ist jedoch gewissen Vorbehalten ausgesetzt: Die Bewahrung der Erinnerung an ein Ereignis schützt nicht per se vor der Wiederholung dieses oder ähnlicher Ereignisse.186 Die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg hat den Zweiten Weltkrieg nicht verhindern können; und auch nach dem Holocaust hat es wieder Menschheitsverbrechen großen Ausmaßes sowie Genozide gegeben. Die vorzugswürdige deontologische Begründung entwickelt den Wert der kollektiven Erinnerung als Wert an sich.187 Es ist bereits gezeigt worden, dass die Erinnerung an den Holocaust auf einem vitalen gesellschaftlichen Konsens beruht. Die Bewahrung einer bestimmten Form der Erinnerung ist ein schutzwürdiges Interesse.188 Die Anerkennung der Erinnerung an den Holocaust ist ein Postulat objektiver Würde. Damit ist mehr als die personale Menschenwürde des einzelnen Opfers des Holocaust gemeint. Der Holocaust hat mitten in Europa eine gewaltige Lücke hinterlassen, die physisch nicht mehr geschlossen werden kann. Psychisch bleibt die Erinnerung als einzige geistige Aufbewahrungsform für die Existenz des Ereignisses übrig. Die Erinnerung drückt so die Zerbrechlichkeit, Verletzlichkeit aber auch die Unbesiegbarkeit der conditio humana aus.189 Wo das Leben gegen den Tod verloren hat, soll wenigstens die Erinnerung gegen das Vergessen und die Leugnung gewinnen.190 Die Erinnerung ist eine Form des Anerkennes: sie hebt den Toten auf eine Stufe mit dem Lebendigen oder Überlebenden und akzeptiert ihn dadurch als Gleichen.
184
Vgl. allgemein: Kirste, ARSP 2008, 47 (62). Siehe z. B. Adorno, Dialektik, S. 356 ff.; Kattan, S. 3 m. w. N.; Stein, Mich. L. Rev. (85) 1986, 277 (321); Wiesel, S. 32. 186 Todorov, Cah. fran. Nr. 303 2001, 7; Ders., S. 61. 187 Vgl. Fronza, in: Vormbaum (Hg.), S. 436. 188 Fronza, Vt. L. Rev. 2005, 609 (610). 189 Wiesel, S. 32; Ansätze einer Ethik der Erinnerung finden sich bei Kattan, S. 121 ff. und Marchetta, S. 53 ff. 190 Vgl. Todorov, S. 16. 185
6. Kap.: Kollektive Erinnerung als strafrechtliches Schutzgut
135
II. Die kollektive Erinnerung als Gemeinrechtsgut Rechtsgüter sind abstrakte, ideelle Werte191, die durch Handlungen nicht materiell „verletzt“ werden können. Der strafrechtliche Rechtsgüterschutz kann nicht den Schutz vor der konkreten Verletzung eines materiellen Handlungsobjekts bedeuten. Sonst würde es täglich aufs Neue scheitern. Die Strafe drückt vielmehr aus, dass die Anerkennung eines Wertes im Enttäuschungsfall (Normbruch) nicht preisgegeben, sondern aufrecht erhalten wird.192 Das Rechtsgut der kollektiven Erinnerung ist der werthafte Bewusstseinszustand bezüglich der Existenz und des Ausmaßes des Holocaust. Dieses Bewusstsein als ideeller Wert ist per se unverletzlich. Selbst bei täglicher tausendfacher Holocaustleugnung würde sich an der Anerkennung dieses Wertes (wie auch an der geschichtlichen Wahrheit als außersoziale Größe) nichts ändern. Ebenso ändert der Diebstahl an der Zuordnung eines körperlichen Gegenstandes zum Eigentümer nichts, ebenso wenig wie die Ohrfeige an der körperlichen Integrität.193 Das Rechtsgut der kollektiven Erinnerung unterscheidet sich hinsichtlich seines „Aggregatzustandes“ somit nicht von anderen Rechtsgütern. Die kollektive Erinnerung ist wie alle anderen Rechtsgüter auch ein abstrakter, ein „ideeller Wert“194. Sie lässt sich ebenso wenig materiell greifen wie die Rechtsgüter Eigentum, Leben und Gesundheit. Das Strafrecht kennt zudem zahlreiche Delikte, insbesondere des Wirtschaftsstrafrechts, welche die Existenz von Bewusstseinszuständen (namentlich in Form des Vertrauens), voraussetzen und diese schützen.195 Das Verbot des Kapitalanlagebetrugs (§ 264a StGB) sichert das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes. Das Verbot wettbewerbsbeschränkender Absprachen bei Ausschreibungen (§ 298 StGB) sichert das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs, und das Verbot der Geldfälschung (§ 146 StGB) bewahrt das Vertrauen in die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Geldverkehrs (Stree/ Sternberg-Lieben, S/S § 146, Rn. 1).196 Bewusstseinzustände sind Teil unserer Lebenswelt und damit auch des Rechts, auch wenn dies nicht immer deutlich wird, da es zu selbstverständlich geworden ist. So ist ein Geldschein nichts anderes als bedrucktes Papier. Erst durch die dem 191 Siehe z. B. Jescheck/Weigend, § 26 I 2 (S. 257); Walter, T., LK Vor § 13 Rn. 13; für die Gegenansicht: Sternberg-Lieben, in: Hefendehl (Hg.), S. 67. 192 Vgl. Jakobs, AT, Rn. 2. 193 Walter, T., GA 2001, 131. 194 Walter, T., Kern, S. 22. 195 Vgl. Hefendehl, S. 255 ff. 196 Zum Ganzen: Walter, T., GA 2001, 131 ff.
136
2. Teil: Verbot der Holocaustleugnung als Erinnerungsgesetz
Schein zugewiesene und von allen anerkannte Werthaftigkeit wird das Papier zum Zahlungsmittel. Damit das Vertrauen in die Werthaftigkeit erhalten bleibt, ist die Geldfälschung verboten.197
Vom Rechtsgut zu unterscheiden ist das Angriffsobjekt das durch eine Handlung konkret angegriffen werden kann. Im Falle des Diebstahls ist dies die Verfügungsbefugnis über einen Stift, ein Auto oder eine Handtasche. Auch das Verbot der Holocaustleugnung kennt ein konkretes Angriffsobjekt. Die Holocaustleugnung greift die Summe der Vorstellungsbilder Einzelner, also den kollektiven Kenntnis- bzw. Bewusstseinsstand bezüglich des Holocaust an. So wie ein körperlicher Gegenstand Mittler bzw. Anknüpfungspunkt für das Eigentum ist und direkt angegriffen, bzw. im Fall der Sachbeschädigung stofflich zerstört werden kann, fungiert das kognitive Vorstellungsbild des Einzelnen als Handlungsobjekt für den negationistischen Diskurs. Die Summe der Vorstellungsbilder der einzelnen Kommunikationsteilnehmer ist das kollektive Vorstellungsbild bezüglich des Holocaust in seiner materiellen Ausprägung. Rechtsgut und Handlungsobjekt fallen hier also nur scheinbar begrifflich zusammen: Rechtsgut ist die kollektive Erinnerung, ein Bewusstseinszustand in Form eines ideellen Wertes; Angriffsobjekt ist das kollektive Vorstellungsbild, also die Summe der veränderbaren Vorstellungsbilder bzw. Sinnhorizonte der einzelnen Kommunikationsempfänger. Die kollektive Erinnerung als werthafter Bewusstseinszustand ist als Rechtsposition der politischen Gemeinschaft zugeordnet und nicht dem Einzelnen. Als individuelles Recht auf Bewahrung des einzelnen Vorstellungsbildes wäre die Erinnerung einem Dritten nicht als Recht entgegensetzbar. Es lässt sich nicht sagen: „Hör auf, mein Vorstellungsbild bezüglich einer Tatsache zu zerstören“, wie es sich gegenüber dem Dieb sagen lässt: „Hör auf, mir die Ausübung meines Besitzrechts dadurch zeitweise unmöglich zu machen, dass du eine meiner Sachen an dich gebracht hast“. Die kollektive Erinnerung lässt sich nur als vom Individuum losgelöstes Gemeinrechtsgut begreifen, als tertium zum Einzelrechtsgut und zum individuell zurückführbaren Gemeinrechtsgut. Im Fall der öffentlichen Holocaustleugnung fürchtet man nicht um die Beeinflussung des eigenen Vorstellungsbildes, sondern um die des kollektiven, allgemeinen Vorstellungsbildes. Erst über die Gemeinschaft kommt das Interesse des Einzelnen zum Tragen, bestimmte Tatsachen in der Öffentlichkeit als feststehend anzuerkennen und sie als Basis für den kommunikativen Prozess vor Verfälschung zu schützen. Die kollektive Erinnerung stellt eine kollektive Anspruchsposition an den Staat dar, einen geistigen Zustand 197
So auch Hefendehl, S. 238 ff.
6. Kap.: Kollektive Erinnerung als strafrechtliches Schutzgut
137
aufrechtzuerhalten. Dieser Zustand vermittelt als tragendes Element bürgerschaftlichen Selbstverständnisses Identität. Eine Preisgabe dieses geistigen Zustands hätte die Abkehr vom Staat, oder eine Schwächung des Staat-Bürger-Verhältnisses zur Folge. Die kollektive Erinnerung ist somit als Gemeinrechtsgut zu verstehen.
D. Die Schutzbedürftigkeit der kollektiven Erinnerung I. Der Einsatz des Strafrechts als Ultima ratio Ein Teil der Strafrechtswissenschaft versucht, den Einsatz des Strafrechts durch den Staat anhand von bestimmten Prinzipien zu begleiten, bzw. zu steuern.198 Als eines der wichtigsten dieser Mäßigungsprinzipien, bzw. „Mediating Principles“ gilt das Ultima-ratio-Prinzip. Es besagt, dass der Einsatz des Strafrechts zum Schutz eines Rechtsguts nur dann zulässig ist, wenn kein weniger intensives Mittel zur Verfügung steht.199 Dieses Postulat ergibt sich für das Strafrecht aus dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Rechtsstaatsprinzip.200 Strafwürdig ist eine Handlung nach verbreiteter Meinung in der deutschen Strafrechtslehre dann, wenn sie sozialschädlich ist, bzw. ein Rechtsgut verletzt.201 Ein solches Rechtsgut ist in Form der kollektiven Erinnerung ausgemacht worden. Die Strafbedürftigkeit der Holocaustleugnung besteht erst dann, wenn das Verbot als Mittel zur Bekämpfung zwingend notwendig ist und die subsidiäre Anwendung des Strafrechts nachgewiesen wird, es also keine weniger eingriffsintensive Möglichkeit zur Verhinderung des negationistischen Diskurses gibt. In der Praxis hat sich der Subsidiaritätsgedanke bisher als wenig effektiv dargestellt. Es ist deshalb nicht völlig von der Hand zu weisen, dass es sich bei diesem Grundsatz wohl weniger um ein Prinzip, als vielmehr um eine Wunschvorstellung handelt.202 Für das Wirtschaftsstrafrecht wird zudem teilweise verlangt, eine Ausnahme vom Subsidiaritätsgedanken zu machen.203 Man kann daher auch die Frage stellen, ob nicht das Strafrecht teilweise einer eigenen, nichtuniversalisierbaren Notwendigkeit folgt, sozusagen einer Propria ratio.
198 Zum Ganzen: v. Hirsch/Seelmann/Wohlers (Hg.), Mediating Principles (2006) (im Schrifttum nachgewiesen); für den angelsächsischen Rechtskreis siehe Husak, Oxf. J. Leg. St. (2) 2004, 207 ff. 199 Hassemer/Neumann, NK Vor § 1, Rn. 72, 74; Roxin, AT I § 2, Rn. 38. 200 Roxin, AT I § 2, Rn. 98; BVerfGE 39 1, (47). 201 Stellv.: Hassemer/Neumann, NK Vor § 1, Rn. 62, 66. 202 Wohlers, in: Hirsch (Hg.), S. 56; krit. auch: Lampe, Schmitt-FS, S. 91. 203 Hefendehl, S. 234 m. w. N.
138
2. Teil: Verbot der Holocaustleugnung als Erinnerungsgesetz
Trotz der fehlenden kriminalpolitischen Wirkung des Ultima-ratio-Gedankens ist diesem zu Gute zu halten, dass er eine Reflexion darüber anregt, ob die Strafe immer das beste Mittel ist, um einem Verhalten zu begegnen. Frei nach dem Bonmot Montesquieus: „Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, ist es nötig, kein Gesetz zu machen.“ Im Folgenden soll deshalb untersucht werden, ob im Fall der Holocaustleugnung ein strafrechtliches Verbot erforderlich ist. II. Die Notwendigkeit des Verbots der Holocaustleugnung 1. Die natürliche Erosionsanfälligkeit der kollektiven Erinnerung Die kollektive Erinnerung an den Holocaust ist als gesellschaftlicher Zustand einer ständigen Veränderbarkeit unterworfen. Die Frage der Bewahrung oder Unterbindung einer kollektiven Erinnerung ist von einem Bewertungsprozess abhängig, der sich primär außerhalb des Rechts vollzieht. Die offizielle Anerkennung des Gedenkens an und des Bewusstseins über den Holocaust musste gegen Widerstände mühsam erkämpft werden. Auch in der Zukunft wird sich der status quo der kollektiven Erinnerung immer wieder aufs Neue behaupten müssen. Die kollektive Erinnerung ist einer natürlich-zeitlichen Erosion unterworfen. Jede Erinnerung wird mit der Vergrößerung des zeitlichen Abstands zu dem erinnerten Ereignis schwächer. Dies muss umso stärker für Ereignisse gelten, die nicht selbst erlebt worden sind, sondern durch gesellschaftlichen Kommunikationsprozesse übertragen werden, an welchen der Einzelne nur über eine kollektive Erinnerung Anteil hat. Denn bei diesen Ereignissen besteht die Gefahr, dass durch die Abschwächung oder den Wegfall des sozialen Bezugsrahmens die Eindrücklichkeit und Präsenz der kollektiven Erinnerung entfällt und darüber auch das Vorstellungsbild des Einzelnen verloren geht. Schon jetzt kann das Wissen bezüglich des Holocaust bei nachkommenden Generationen nicht ohne Weiteres vorausgesetzt werden. Nach einer Umfrage aus dem Jahr 2000 können zwei Drittel der befragten 14–18jährigen Jugendlichen mit dem Begriff Holocaust nichts anfangen.204 Es ist zu befürchten, dass der soziale Rahmen noch schwächer wird, wenn erst die letzten Zeitzeugen des Holocaust gestorben sind.205 204 205
Holzbach, Die Zeit v. 10.08.2000, S. 5. So auch Wiesel, S. 49.
6. Kap.: Kollektive Erinnerung als strafrechtliches Schutzgut
139
Flankiert wird die natürliche Erosion durch psychologische Entlastungsmechanismen.206 Die natürliche Reaktion auf schmerzhafte Erinnerungen ist Verdrängung statt Bewältigung.207 Jede nachkommende Generation muss aufs Neue die Frage beantworten, ob sie die Vergangenheit noch als die „ihre“ annimmt und eine aktive Erinnerungskultur aufrecht erhalten oder lieber aufgeben will. Zudem übersteigt die Dimension des Holocaust (Opferzahl, Art und Weise der Ermordung, Grausamkeit), die Kapazität des menschlich Vorstellbaren. Eine Erinnerung an ein kaum vorstellbares Ereignis hat es schwerer, sich zukünftig durchzusetzen, als diejenige an ein selbstverständliches Alltagsereignis. Eine Entlastung der strapazierten Vorstellungskraft durch die von Holocaustleugnern propagierte „frohe Botschaft“, dass alles nur eine Lüge gewesen sei, besitzt daher eine gewisse verführerische Anziehungskraft.208 Die natürliche Erosion offenbart eine Fragilität der Erinnerung, aber nicht die Notwendigkeit eines rechtlichen Schutzes. Diese stellt sich erst dann ein, wenn zu der natürlichen Erosion die künstliche Erosion in Form des negationistischen Diskurses hinzutritt. Die Holocaustleugnung bringt die ohnehin störungssensible kollektive Erinnerung in eine Schieflage.209 Der Negationismus zielt auf die Beseitigung und vollständige Ersetzung des sozialen Zustands durch eine Art „Gegenerinnerung“ bzw. „anti-memory“ (Geoffrey Hartman210) ab. Um hier „Waffengleichheit“ herzustellen, ist die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Negationisten zu wenig. Die gesellschaftlich-öffentliche Auseinandersetzung mit Holocaustleugnern bewahrt die Erinnerung nicht vor Abwertung, sondern erweckt eher den Eindruck der beliebigen Disponibilität historischer Ereignisse. 2. Das personale Defizit in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung Auf personaler Ebene stellt sich die Frage, welcher Personenkreis sich durch die Holocaustleugnung dazu berufen fühlen soll, diese mit gesellschaftlichen Mitteln zu bekämpfen. Die Notwendigkeit des Strafrechts zur Bekämpfung eines gesellschaftlichen Phänomens nimmt in dem Ausmaß zu, in welchem es an gesellschaftlichen Protagonisten zur Übernahme dieser Aufgabe fehlt. 206
Mitscherlich, S. 44 ff.; für die Unterscheidung zwischen Opfer- und Tätergedächtnis siehe: Diner, in: Fritz Bauer Institut (Hg.), S. 11 ff. 207 Freud, GW Bd. X, S. 126 ff. 208 Vgl. Werle/Wandres, S. 213. 209 A. A. Brugger, Germ. L. J. 2003, 1 (33); Hirsch, Lüderssen-FS, S. 261. 210 Zitiert nach Douglas, S. 216.
140
2. Teil: Verbot der Holocaustleugnung als Erinnerungsgesetz
Im Fall der Holocaustleugner macht sich ein personales Defizit bemerkbar: Historiker betrachten die Holocaustleugnung zu Recht nicht als wissenschaftlichen Diskurs und setzen sich mit diesem Phänomen nur am Rande auseinander und wenn, dann meist in Publikationen, die der großen Öffentlichkeit kaum zugänglich sind. Öffentliche Medien versuchen (nicht ganz zu Unrecht), Aufmerksamkeit für negationistische Ansichten zu vermeiden und kein Forum für antisemitische Propaganda zu bieten. Übrig bleiben auf gesellschaftlicher Ebene letztlich v. a. Opferverbände, jüdische Organisationen oder mit ihnen sympathisierende Einrichtungen. Allein den Opfern, ihren Nachkommen und ihnen nahestehenden Organisationen die Aufgabe der Verteidigung der Erinnerung zu übertragen, wäre vor dem Hintergrund der staatlichen Verantwortung für den Holocaust jedoch reichlich zynisch. Das personale Defizit macht eine rechtliche Auseinandersetzung notwendig. Denn ohne rechtliche Reaktion besteht die Gefahr, dass sich das Übermaßargument und das Aufmerksamkeitsargument gegenseitig ausspielen: Je stärker die gesellschaftliche Auseinandersetzung würde, desto stärker würde die Aufmerksamkeit für die Leugner und die Warnung vor dieser. Letztlich könnte sich eine kollektive Ignoranz durchsetzen, die dem Abbau der Erinnerung Vorschub leistet. Durch die strafrechtliche Reaktion wird die Holocaustleugnung zu einem Thema der gesamtgesellschaftlichen und nicht nur der privaten Auseinandersetzung. Dies war im Übrigen auch der Sinn der Novellierung der Strafvorschrift außerhalb der Beleidigungsdelikte: nämlich die Holocaustleugnung aus der niedrigeren Stufe der Privatklagedelikte herauszuheben.211 3. Das strukturelle Defizit in der kommunikativen Auseinandersetzung Der negationistische Diskurs stellt eine Ausdrucksform sui generis dar, die mit der „normalen“ Form der Kommunikation nicht kompatibel ist und dies auch nicht sein will. Die Holocaustleugnung unterscheidet sich von anderen Kommunikationsformen grundlegend durch die Wahl eines eigenen „Kommunikationsregelsystems“. Die redliche Kommunikation beruht auf bestimmten Regeln. Damit sind nicht inhaltliche Positionen oder Sprachtabus gemeint, sondern grundlegene Strukturelemente, die einen rationalen Diskurs überhaupt erst als sinnvoll erscheinen lassen. Es handelt sich hierbei, mit Karl-Otto Apel gesprochen, um eine „Dogmatik“ für die sprachlich zu erschließende Wahrheit, die eine 211
van Essen, BT-Prot. 227. Sitzung, S. 19669.
6. Kap.: Kollektive Erinnerung als strafrechtliches Schutzgut
141
Weltorientierung möglich macht.212 Diese Dogmatik ist der Kommunikation a priori unterlegt und muss nicht stets aufs Neue festgelegt werden. Kommunikation setzt demnach stets die Anerkennung dieser Dogmatik und die Existenz einer Kommunikationsgemeinschaft voraus.213 Zu dieser Kommunikationsdogmatik gehört die Anerkennung der Existenz von Tatsachen – Leibniz unterschied hier zwischen logischen Vernunftwahrheiten (vérités de raison) und erfahrbaren Tatsachenwahrheiten (vérités de fait).214 Redliche Kommunikationsteilnehmer erkennen verifizierbare Tatsachen an und fühlen sich der Wahrheit verpflichtet.215 Sie diskutieren, um der Wahrheit näher zu kommen. Sie einigen sich laut Habermas darauf, „ihr Handeln auf Situationsdeutungen zu stützen, die den jeweils als wahr akzeptierten Aussagen nicht widersprechen“216. Es macht nach dieser Ansicht daher Sinn, alles, außer dem besseren Argument, aus der idealen Sprechsituation auszuschließen.217 Die Wahrheitspflicht ist hierbei mehr als ein ethischer Anspruch; sie ist nicht weniger als eine Kommunikationsbedingung. Die Wahrheit verbindet die Menschen laut Luhmann zu einer gemeinsamen Weltvorstellung: „Jeder Kommunikationsteilnehmer muss den mitgeteilten Sinn akzeptieren, wenn er nicht aus dem Kreis vernünftiger Menschen ausscheiden will.“218 Die grundsätzliche Annahme der Wahrhaftigkeit der Kommunikationsteilnehmer schafft Vertrauen und reduziert dadurch Komplexität.219 Das Vertrauen löst das Problem der „ doppelten Kontingenz“. Darunter verstand Luhmann in Anlehnung an Parsons die Situation, dass bei der Begegnung zweier Personen in einer sozialen Situation eine Nullstelle auftreten kann, an welcher Kommunikation unwahrscheinlich ist, da auf beiden Seiten Ungewissheit über den Fortgang des Verhaltens des Gegenübers besteht.220 Die doppelte Kontingenz kann aufgelöst werden, z. B. durch Sozialisation, Organisation oder auch Vertrauen, wenn eine Person das Risiko der Ungewissheit bewusst auf sich nimmt. Ein kommunikativer Fall der doppelten Kontingenz ist der „Widerstreit“, eine Art kommunikative Patt-Situation, von welcher der französische Philosoph Jean-Franc¸ois Lyotard sprach. Im Fall des Widerstreits fehlt es an einer kommunikativen Meta-Regel, die den beim 212 213 214 215 216 217 218 219 220
Apel, Transformation Bd. 1, S. 132. Apel, Transformation Bd. 2, S. 223. Apel, Transformation Bd. 2, S. 235; siehe auch Arendt, Wahrheit, S. 48. Habermas, Erläuterungen, S. 132. Habermas, Moralbewusstsein, S. 69. Post, Harv. L. Rev. 1990, 601 (659). Luhmann, Liebe, S. 18. Vgl. Luhmann, Vertrauen, S. 27 ff. Luhmann, Systeme, S. 154 ff.
142
2. Teil: Verbot der Holocaustleugnung als Erinnerungsgesetz
Aufeinandertreffen zweier Kommunikationssysteme entstehenden Konflikt überwinden könnte.221 Lyotard bringt folgende von Faurisson verwendete „Argumentation“ als Beispiel: Faurisson erkennt nur die Opfer des Holocaust als Zeugen an.222 Da aber niemand seine eigene Hinrichtung (Vergasung) nachträglich bezeugen kann, fehlt es für Faurisson an Zeugen und damit an Beweisen für die Existenz des Holocaust. Diese verquere „Beweisführung“ läuft immer auf das gleiche Ergebnis hinaus, nämlich, dass es keinen Holocaust gegeben hat. Denn wer Opfer war, kann nicht Zeuge sein. Wer aber überlebt hat, war nicht Opfer und damit hat der Holocaust ebenfalls nicht existiert.
Im Fall einer Missachtung der basalen Kommunikationsregeln besteht die doppelte Kontingenz fort und verhindert Kommunikation. Wenn die Wahrheitsverpflichtung für Tatsachen und ein Interesse an der Wahrheitsfindung fehlen, hat der normale Gesprächspartner keine Veranlassung, das Risiko des Fortgangs dieses Verhaltens zu übernehmen. Das Vertrauen wird enttäuscht. Die Kommunikation kann ihren Nullpunkt nicht verlassen. Sie erscheint als sinnlos, da die Verwendung basaler Kommunikationsparameter ungeklärt ist. Da es sich bei der Existenz des Holocaust nicht um eine Vernunftwahrheit, sondern um eine Tatsachenwahrheit handelt, wäre es falsch, den Widerstreit oder die Kontingenz mit dialektischen Mitteln zu lösen und eine Synthese zu suchen. Aus Nichtexistenz und Existenz des Holocaust lässt sich nicht eine halbe Wahrheit konstruieren. Bei einer Fortsetzung der Kommunikation mit Holocaustleugnern entstünde für den unvoreingenommenen Beobachter der Eindruck, dass dieses Thema strittig ist, da es dialektisch aufgearbeitet wird. Negationistische Lügen sind im öffentlichen Diskurs (beispielsweise in einer Fernsehdiskussion) kaum widerlegbar. Die Wahrnehmung bezüglich der Wahrheit würde also eher geschwächt, wenn die Existenz des Holocaust als diskussionswürdige Tatsache zur Debatte stünde.223 Der Fall der Holocaustleugnung ist damit einer der seltenen Fälle, in welchem ein „mehr“ an kommunikativer Auseinandersetzung nicht die Wahrheit fördert, sondern dieser Abbruch tut. Hannah Arendt hatte Recht mit ihrer Feststellung, dass Tatsachenwahrheiten gefährdeter sind als Vernunftwahrheiten.224 Die Holocaustleugnung führt das marktorientiert organisierte Spiel aus Rede und Gegenrede ad absurdum.225 Holocaustleugner sind nicht „Gegner“ im Sinne von „adversarii“ im Rahmen einer redlichen Debatte. 221 222 223 224 225
Lyotard, Widerstreit, S. 58. Lyotard, Widerstreit, S. 65. Siehe für derartige Fälle im amerikanischen Fernsehen: Kahn, S. 133. Arendt, Wahrheit, S. 48. Vgl. Godin, S. 10.
6. Kap.: Kollektive Erinnerung als strafrechtliches Schutzgut
143
Sie sind „Feinde“ („inimici“) der redlichen Debatte. Die Holocaustleugnung ist im Grunde kein Diskurs, keine Kommunikationsmethode, sondern ein Mittel, das auf den Abbruch oder die Provokation des Abbruchs jeglicher Kommunikation durch den Gesprächspartner abzielt.226 Sie sorgt letztlich für ein Verstummen der gegnerischen Ansicht und nicht für eine Diskussion.227 Auf Grund der strukturellen Diskrepanz bei der Wahl der Kommunikationsparameter kann eine effektive gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Holocaustleugnern nicht erfolgen. Diese muss sich auf die Kundgabe der Missbilligung dieses Verhaltens beschränken. Damit wird jedoch den Fragmentierungsversuchen an der kollektiven Erinnerung nicht in gleichem Maße und mit geeigneten Mitteln begegnet. Aus strukturellen Gründen ist die strafrechtliche Reaktion – auch wenn dies drastisch klingt – vielleicht sogar die sinnvollste Reaktion und als Ultima ratio zulässig.
E. Erinnerungsstrafrecht als Identitätsstrafrecht I. Was ist Identitätsstrafrecht? Die Themen Erinnerung und Identität sind inhaltlich eng verbunden.228 Teilweise werden Identität und Erinnerung gleichgesetzt.229 Dies gilt insbesondere im Staat-Bürger-Verhältnis. Im modernen Staat vermitteln die Einbindung des Einzelnen in die Geschichte und die damit verbundene Option ihrer Mitgestaltung Zugehörigkeit.230 In der Erzählung konstituiert sich das Selbst und verbindet sich mit anderen Menschen.231 Für Habermas garantiert die soziale Identität auf horizontaler Ebene die „Erfüllbarkeit differierender gesellschaftlicher Ansprüche“232. Eine besondere identitätsbezogene Gestaltungskraft haben ausgesuchte historische Ereignisse: In der kulturellen Erinnerung (Assmann) wird ausgedrückt, wer wir sind und wer wir nicht sind.233 Wir leben im Zeitalter der großen Identitätssuche, der „age 226 Eaglestone, S. 53 spricht in Anlehnung an Lyotard von einem Diskurs außerhalb des Diskurses. 227 Siehe für die Hassrede im Allgemeinen: Matsuda, Mich. L. Rev. 1989, 2320 (2376). 228 So schon Halbwachs, Mémoire, S. 43; siehe auch Erll, S. 17; Kattan, S. 11; Marchetta, S. 37; Steinbach, APuZ Nr. 3–4 1997, 3 (6); für eine sozialpsychologische Begründung: Mead, Philosophie, S. 232. 229 Palazzo, in: Lotz (Hg.), S. 181. 230 Vgl. dazu Pawlik, Verhalten, S. 12 ff. 231 Benhabib, S. 14; MacIntyre, S. 288; Taylor, Quellen, S. 57 ff. 232 Zitiert nach Palazzo, in: Lotz (Hg.), S. 181. 233 Assmann, J./Czaplicka, New Germ. Crit. 1995, 125 (30).
144
2. Teil: Verbot der Holocaustleugnung als Erinnerungsgesetz
des identités“234 und wohl nicht zufällig zugleich auch im „Zeitalter des Gedenkens“235. Die Suche nach Sinn wird durch das Recht flankiert und teilweise auch in dieses verlagert. Das Strafrecht ist als „angewandtes Verfassungsrecht“236 für den Ausdruck von Identität ein beliebtes Feld. Schon Durkheim hatte die Strafe mit der Verletzung kollektiver Gefühle begründet, der „conscience collective“, einem Kanon an (zivil)religiösen Glaubensgrundsätzen.237 Bezüge zum Thema Identität sind der Strafrechtsliteratur nicht fremd. Für Jakobs dient die Strafe im Allgemeinen der Bestätigung gesellschaftlicher Identität.238 Pawlik sieht in der Selbstgesetzgebung nach Vernunftmaßstäben gleichermaßen einen Ausdruck von Identität als auch eine Bedingung der Freiheit.239 Mit der Anerkennung eines Erinnerungsstrafrechts wird rechtlich eine politische Standortbestimmung verteidigt und zum Ausdruck gebracht.240 Das Verbot der Holocaustleugnung hat eine starke Symbolkraft und steht damit auch für ein „Identitätsstrafrecht“. Unter Identitätsstrafrecht im hier verstandenen Sinnen sind Normen zu verstehen, die sich nicht über den Schutz individueller Interessen, sondern nur über den Ausdruck kollektiver Wertüberzeugungen, die eine Zugehörigkeit zu einer Gruppe vermitteln, legitimieren lassen. In der Normenarchitektur des Identitätsstrafrechts kann man drei Identitätsebenen unterscheiden. Erstens: Delikte, die eine menschlich-natürliche Identität zum Ausdruck bringen. Zweitens: Delikte, die eine kulturelle Identität zum Ausdruck bringen. Und drittens: Delikte die eine staatsbürgerliche Identität zum Ausdruck bringen. II. Die drei Ebenen des Identitätsstrafrechts Die erste Ebene ist die menschlich-natürliche Identität (identité humaine). Die Selbstwahrnehmung des Menschen als Mensch ist mit der Anerkennung bestimmter Minimalstandards verbunden, die uns als Menschen charakterisieren. Diese menschlich-natürliche Identität kommt z. B. im Tierschutzgesetz zum Ausdruck. Gemäß § 17 TierSchG ist es verboten, Tiere ohne Grund zu töten oder zu quälen. Die Empfindsamkeit des Menschen ver234 So Nora, Le débat (122) 2002, 24 (29); vgl. allgemein: Mäder, ARSP Beiheft Nr. 76, 61 (66). 235 Nora, in: Nora (Hg.), S. 543. 236 Lagodny, S. 4. 237 Ausführlich dazu in Teil 3. 238 Jakobs, ZStW 1995, 843 (844). 239 Pawlik, Verhalten, S. 18 ff. 240 So auch Willmann, Arch. phil. droit 2006, 189 (211).
6. Kap.: Kollektive Erinnerung als strafrechtliches Schutzgut
145
pflichtet diesen zur Rücksichtnahme gegenüber anderen empfindsamen Lebewesen, wie Tieren, die Roxin als „fremde Brüder“241 bezeichnet. Durch den Schutz eines subjektiven menschlichen Interesses lässt sich diese gemeinhin als legitim empfundene Norm nicht begründen.242 Die zweite Ebene betrifft die kulturelle Identität (identité culturelle). Die kulturelle Identität bezeichnet die Anerkennung von geschichtlich-kulturell gewachsenen gesellschaftlichen Instituten. Das kulturelle Identitätsstrafrecht bringt die Eigenschaften einer „partikularen Lebensform“ zum Ausdruck.243 Im Strafrecht spiegelt sich die kulturelle Identität z. B. in Form folgender, oft umstrittener, Delikte wider: dem Verbot der Doppelehe (§ 172 StGB), dem Inzestverbot (§ 173 StGB) und dem Verbot der Bekenntnisbeschimpfung (§ 166 StGB). Bei all diesen Delikten ist ein griffiges Rechtsgut nicht auszumachen.244 Auf der dritten Ebene befindet sich die staatsbürgerliche Identität (identité de citoyen). Damit ist die Identifikation des Bürgers mit dem Staat und das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer politischen Gemeinschaft gemeint. Hier sind vor allem Delikte zur Bekämpfung des Rassismus zu nennen (§§ 86, 86a und 130 StGB) sowie die Verunglimpfung von nationalen Symbolen (§ 90a StGB). Mit diesen Delikten wird zum Ausdruck gebracht, dass ein Verhalten nicht mit den „geistigen Prinzipien“, die ein Großteil der Staatsbürger untereinander teilt, in Einklang steht.245 Mancher Rechtsgutsskeptiker lässt den Ausdruck gesellschaftlicher Identität an Stelle eines Individualrechtsguts für die Legitimation bestimmter Strafvorschriften genügen.246 Würde sich der Staat in diesem Fall passiv verhalten, würde er die Nähebeziehung zum Bürger schwächen, da dieser sich die Frage stellen würde, ob der Staat noch für das gleiche geistige Prinzip steht, welches ihn mit anderen Bürgern und mit ihm verbindet.247 III. Die hybride Struktur des modernen Strafrechts Das Strafrecht ist heute de lege lata hybrid ausgestaltet: es schützt einerseits individuelle Interessen und bringt andererseits einende, identitätsstif241
Roxin, AT I § 2 Rn. 21. Amelung, in: Hefendehl (Hg.), S. 161; Stratenwerth, Lenckner-FS, S. 387. 243 Hörnle, ARSP Beiheft Nr. 113, 315 (316). 244 Allg. Hörnle, ARSP Beiheft Nr. 113, 315 ff.; siehe zur Diskussion bei § 166 StGB: Worms, S. 110 ff. 245 Ablehnend: Meliá, ZStW 2005, 267 (271). 246 Stratenwerth, in: Hefendehl (Hg.), S. 256. 247 Siehe zu dieser Argumentation bei § 90a StGB Stree/Sternberg-Lieben, S/S § 90a, Rn. 1; BVerfGE 81, 293; BGH, NStZ 98, 408; siehe für eine Differenzierung zum angelsächsischen Rechtskreis: Smiddy, Vt. L. Rev. 2005, 645 (651). 242
146
2. Teil: Verbot der Holocaustleugnung als Erinnerungsgesetz
tende Elemente, bzw. einen „lien social“ zum Ausdruck. Letzteres häufig besonders dann, wenn ein individuelles Interesse fehlt. Unser Strafrecht hat damit einen kommunitaristischen Ansatz: es verbindet den liberalen Einzelrechtsgüterschutz mit der Verwirklichung einer „Idee des Guten“. Man kann sich dabei durchaus die Frage stellen, ob alle Formen des Identitätsstrafrechts legitim sind. So haftet der kulturellen Identität etwas Anachronistisches an.248 Ein Strafrecht, das kulturelle Gemeinsamkeiten ausdrücken will, nimmt primordiale Codes auf, die sich für das moderne Staatsverständnis überlebt haben. In der strafrechtlichen Abhandlung von Globig und Huster aus dem Jahr 1783 ist zu lesen: „Ein jeder Staat hat seine Religion. Diejenigen, welche sie antasten, sind strafbar, nicht weil sie sündigen, oder weil sie falsche Meynungen hegen, sondern weil sie eine Stütze der bürgerlichen Gesellschaft untergraben.“249
Dies kann in einer pluralistischen Gesellschaft nicht mehr uneingeschränkt gelten. Der Wandel des Codes macht sich bereits im Strafrecht bemerkbar. So geht das Verbot der Bekenntnisbeschimpfung in der Praxis ins Leere.250 Die Identifikation mit der Religion wurde durch die Identifikation mit dem Staat abgelöst.251 Das Identitätsstrafrecht moderner Prägung spielt sich daher zunehmend auf der dritten Ebene, jener der identité de citoyen ab. Der Strafanspruch des Staates kann sich also im Fall der Holocaustleugnung, sinnvollerweise nur auf eine elementar wichtige „Idee des Guten“ staatlicher Provenienz beziehen.
Ergebnis Es ist gezeigt worden, dass das Verbot der Holocaustleugnung als Erinnerungsstrafrecht konzipierbar ist. Die Erinnerung an den Holocaust ist gesellschaftlich und staatlich als werthafter Zustand mit Identitätsbezug anerkannt. Der Staat stabilisiert die Ergebnisse des verständigungsorientierten Kommunikationsprozesses durch das Recht. Der Erinnerungs- und Identitätsbezug kommt im Öffentlichen Recht und Strafrecht vielfach zum Ausdruck. Im Fall des Verbots der Holocaustleugnung wird die kollektive Erinnerung als geistiger Zustand geschützt. Das Bewusstsein bezüglich der Existenz der Holocaust wird vor Verfälschung bewahrt und in seiner Werthaftigkeit anerkannt. 248 Ablehnend zu einer Idee des Guten in Bezug auf kulturelle Elemente: Hörnle, ARSP-Beiheft Nr. 113, 315 (337). 249 Globig/Huster, Abhandlung von der Criminalgesetzgebung (1783), S. 22 ff., zitiert nach Pawlik, in: Isensee (Hg.), S. 34. 250 Pawlik, in: Isensee (Hg.), S. 38, 39. 251 Schroeder, JR 79, 89 (90).
Ergebnis
147
Die kollektive Erinnerung als Rechtsgut schafft ein umfassendes Schutzregime und schließt die strafrechtsdogmatische Begründungslücke. Es geht bei dieser Vorschrift nicht um die Bestrafung des Bruchs einer ethischen Wahrheitspflicht, also die Strafbarkeit der Lüge252, sondern um die Bewahrung eines sozialen Zustands.253 Der materielle Kern in Form des Erinnerungsschutzes unterscheidet die Leugnung des Holocaust von anderen straflosen Lügen, wie z. B. der Behauptung, die Erde sei eine Scheibe oder der Mond bestehe aus blauem Roquefort-Käse. Des Weiteren geht der Vorwurf des Täterstrafrechts ins Leere. Nicht die Person des Täters steht im Vordergrund, sondern das „angegriffene“ Schutzgut. Gleiches gilt für den Vorwurf des Gesinnungsstrafrechts254 bzw. des politischen Strafrechts. Das Rechtsgut der kollektiven Erinnerung ist gegenüber der Gesinnung und der Motivation des Täters indifferent. Es ist gleichgültig, ob ein Neonazi den Holocaust leugnet, ein Bischof oder ein irregeleiteter Geschichtsprofessor. Der Schutz der kollektiven Erinnerung vermag zudem zu verdeutlichen, dass es sich bei dieser Norm nicht um ein „symbolisches Strafrecht“ im Sinne einer ins Leere gehenden Reaktion des Staates handelt.255 Durch den Schutz der kollektiven Erinnerung zeigt der Staat, dass es bei diesem Verbot tatsächlich inhaltlich um etwas geht und nicht nur um des Handelns Willen256 oder aus Erwägungen der „political correctness“ (Hirsch, Lüderssen-FS, S. 262) heraus gehandelt wurde.257 Im Erinnerungsstrafrecht kommen selbstverständlich, wie bei anderen Normen auch, Wertüberzeugungen zum Tragen. Die Erinnerung ist nicht neutral, sondern von moralischen Erwägungen geprägt.258 Diese Wertüberzeugungen sind jedoch nunmehr auf einen wahrnehmbaren sozialen Zustand bezogen und bleiben nicht im Dunkeln einer wolkigen Moralvorstellung verborgen. Schließlich ist gezeigt worden, dass das Verbot vor dem Hintergrund des Ultima-ratio-Gedankens notwendig ist: Auf Grund der Eigenstruktur der Holocaustleugnung ist eine kommunikative Auseinandersetzung nicht möglich. Das Verbot der Holocaustleugnung kommt damit der Forderung Apels entgegen, eine Kommunikationsdogmatik politisch-juristisch zu institutionalisieren.259 252
So die Kritik u. a. von Geilen, LdR, S. 1177 und Dietz, KJ 1995, 210 (222). So auch Saliger, in: Depenheuer (Hg.), S. 102. 254 Generell kritisch dazu: Schmidhäuser, Gallas-FS, S. 88. 255 So Roxin, Marinucci-FS, S. 731; ähnlich: Leggewie/Meier, S. 139. 256 So Günther, ZRP 1987, 117 (118) zur Modifizierung des § 194 Abs. 1 StGB. 257 Siehe zum Vorwurf des „symbolischen Strafrechts“ bereits eingehend: v. Dewitz, S. 270 ff. 258 Wiesel, S. 40. 259 Apel, Transformation Bd. 2, S. 426. 253
148
2. Teil: Verbot der Holocaustleugnung als Erinnerungsgesetz
Das Verbot der Holocaustleugnung kann zu der neuen Kategorie der Normen des Identitätsstrafrechts gezählt werden. Das in diesem Fall bestehende Vakuum an schützbaren subjektiven Rechten zwingt zu einer Begründung des Verbots über identifikatorische Elemente. Dieser Umstand ist auch der geistig-politischen Verfasstheit des modernen Staates geschuldet, sich selbstbezogen ohne „Metaerzählungen“ (Lyotard) konstituieren zu müssen. Doch besitzt dieses Postulat auch Legitimität im Sinne von Anerkennungswürdigkeit? Oder bedeuten Identitäts- und Erinnerungsstrafrecht einen Bruch mit dem traditionell-modernen Strafrechtsverständnis seit der Aufklärung?
Dritter Teil
Sind Erinnerungsgesetze ideengeschichtlich vertretbar? Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, ob in der Staats- und Sozialphilosophie der letzten 300 Jahre ein gemeinschaftsbildender (nicht moralischer) Grundkonsens zu Grunde gelegt wird, der in letzter Konsequenz auch mit Hilfe des Strafrechts verteidigt werden darf. Es ist hier also den hybriden Wurzeln nachzuspüren, die dem modernen Strafrecht im vorhergehenden Kapitel unterstellt worden sind. Insbesondere soll untersucht werden, ob und gegebenenfalls inwieweit die Bewahrung eines gesellschaftlichen Bandes durch das Strafrecht zum Kanon des europäischen Denkens gehört. Lässt sich das heutige Strafrecht ideengeschichtlich vertretbar nur auf den Schutz von individuellen Rechtspositionen beschränken oder wurde dem Strafrecht seit der Aufklärung auch eine breitere, gemeinschaftsorientierte Lesart unterlegt? Außen vor bleibt hier hingegen die Erinnerungsthematik im Speziellen, die seit den antiken Denkern über Locke, Hume und Fichte bis zu Heidegger und Ricoeur immer wieder Gegenstand philosophischer Überlegungen gewesen ist.1 7. Kapitel
Gemeinschaftliche Elemente in der neuzeitlichen Sozialphilosophie A. Welcher Staat? Eine sozialphilosophische Gefühlslage Die Frage, wo die Grenzen staatlichen Handelns und damit auch des Strafrechts liegen, ist eng verknüpft mit der Frage nach dem Wesen des Staates.2 Ist der Staat Schutzmacht oder potentieller Tyrann? Ist er Kristallisationspunkt für die Überzeugungen des Einzelnen oder lediglich ein funktionalistischer Nachtwächter? Ist er ein übermächtiger Leviathan oder ein fragiles Konstrukt? Rousseau stellt diese Dichotomie exponiert an den An1 Siehe allgemein: König, Helmut, Politik und Gedächtnis (2008); Lotz/Wolf/Zimmerli (Hg.), Erinnerung (2008), jeweils im Schrifttumsverzeichnis nachgewiesen. 2 So auch Hösle, in: Hösle (Hg.), S. 4.
150
3. Teil: Sind Erinnerungsgesetze ideengeschichtlich vertretbar?
fang seines „Contrat Social“, den er mit folgendem Satz einleitet: „Der Mensch ist frei geboren, und überall liegt er in Ketten.“3 Was auf den ersten Blick nach Versklavung und Unfreiheit klingt, entpuppt sich bei Rousseau als dessen Gegenteil: Die Ketten, die sich die Menschen in Form von Gesetzen auferlegen, sind die Bedingungen ihrer Freiheit.4 Für die Beantwortung der grundlegenden Frage nach dem Wesen des Staates wurde in der Staatsphilosophie seit jeher der Mensch und sein Charakter herangezogen. In seiner Schrift „De re publica“ machte Cicero nicht die Angst und Schwäche des Einzelnen als Motivation für die Staatsgründung aus, sondern den Drang nach Gemeinschaft.5 Der Mensch ist demnach ein animal sociale, oder in den Worten von Aristoteles: ein zóon politikón. Die gleiche selbstbewusste Konstitution liegt dem Bild Hegels vom Staatsbürger zu Grunde.6 Bei Hegel wird die Gesellschaft nicht als Schranke, sondern als Bedingung der Freiheit gesehen, die den Menschen aus seinen alten Bindungen emanzipiert hat.7 Dagegen findet sich der Mensch bei Hobbes vor der Staatsgründung in einem kriegsähnlichen Naturzustand wieder, wo ein „Krieg aller gegen alle“ tobt, und das Leben geprägt ist von „tausendfachem Elend, Furcht, gemordet zu werden, stündlicher Gefahr“8. Um diesen Zustand zu verlassen, schließen die Menschen untereinander einen Vertrag, mit dem die Herrschaft eines „Oberherrn“ errichtet wird, mag dieser nun ein Einzelner (Monarchie), ein Bürgerstand (Aristokratie) oder eine Versammlung (Demokratie) sein.9 Auf staatlicher Ebene haben Locke und Montesquieu ihren Skeptizismus im Bezug auf den Menschen in einer Begrenzung und Aufteilung der staatlichen Gewalt ausgedrückt. Bei Mill und Alexis de Tocqueville setzt sich die Skepsis fort: nunmehr bedroht den Einzelnen nicht mehr ein anderer Mensch, sondern der gesellschaftliche Despotismus, die öffentliche Meinung oder der ungerechtfertigte Eingriff des Staates.10 Der zeitgenössische Denker Robert Nozick folgt dieser Denkrichtung und beschränkt die legitimen Staatsaufgaben deshalb auf ein Minimum.11 Bei den Kommunitaristen und ihrem geistigen Vater Durkheim steht dagegen nicht die Angst vor, sondern die Angst um den Staat im Vorder3
Rousseau, Gesellschaftsvertrag 1. Buch 1. Kap. (S. 5). Rousseau, Gesellschaftsvertrag 1. Buch 6. Kap. (S. 17). 5 Cicero, S. 53. 6 Hegel, GW 7 § 268 (S. 413). 7 Ottmann, in: Maier/Denzer (Hg.), S. 141. 8 Hobbes, Kap. 8, S. 115, 116. 9 Hobbes, Kap. 9, S. 167. 10 Vgl. Rinderle, in: Brocker (Hg.), S. 435. 11 Nozick, S. 13. 4
7. Kap.: Elemente in der neuzeitlichen Sozialphilosophie
151
grund.12 Letzterer ist in Gefahr, wenn der Mensch lediglich als ein aus dem sozialen Kontext herausgelöstes und ungebundes Wesen („unencumbered self“13) begriffen und der Staat auf die Durchsetzung individueller Rechte reduziert wird. Damit der Staat als Gemeinschaftsform existieren und als bewahrenswert betrachtet werden kann, müsse er auch eine Form der Tugendhaftigkeit, bzw. eine „Idee des Guten“ zum Ausdruck bringen.14 Der Vorrang des Subjekts in der liberalen Staatstheorie habe diese für die verheerendste Krankeit der Moderne anfällig gemacht: Entwurzelung.15 Diesen anthropologischen und sozialpsychologischen Grundannahmen verdankt sich ein breites Spektrum an Positionen, von atomistisch-individualistisch bis hin zu holistisch-kollektivistisch orientierten Denkern. Die meisten Denker jedoch sind eher schwer in eine eindeutige Kategorie einordenbar, sondern vertraten gemischte Positionen.16 Es wäre müßig, die Frage beantworten zu wollen, welcher Denker am meisten Einfluss auf das europäische Strafrecht hatte. Es war sicher nicht nur einer. Es erscheint deshalb wenig aussagekräftig, aus der Philosophie eines Denkers (z. B. Kants) selektiv Teile herauspräparieren und als Beweis für eine Denkrichtung zu präsentieren, wie es in strafrechtlichen Grenzfragen immer wieder gerne gemacht wird; schließlich lässt sich für nahezu jede Position ein griffiges Zitat finden. Deshalb soll im Folgenden ein breiter und zugleich differenzierter Ansatz verfolgt werden: Gibt es in dem breiten Spektrum an Denkrichtungen, Positionen und anthropologischen Prämissen einen tragenden Gemeinschaftsgedanken, der sich – mit unterschiedlicher Ausprägung versteht sich – durch all diese Konzepte zieht, der aber selbst in der liberalen, minimalistischen Variante unabdingbar ist? Gibt es jenseits des Versuchs, Denker und ihre Positionen zu katalogisieren, einen gemeinsamen Strang an Ideen, sozusagen ein „gemeinschaftliches Minimum“?17 Dafür ist erstens unter dem Begriff Holismus zu untersuchen, ob in den unterschiedlichen staatsphilosophischen Konzeptionen der Mensch als Gemeinschaftswesen oder als atomistischer18 Monade zu Grunde gelegt wird. 12
Durkheim, Physik, S. 151; siehe auch: Cladis, S. 156. Sandel, S. 121. 14 Vgl. von der Pfordten, S. 276. 15 Barber, in: Brink/Reijen (Hg.), S. 362; allgemein zum Kommunitarismus: Brumlik, Micha/Brunkhorst, Hauke, Gemeinschaft und Gerechtigkeit (1993); Forst, Rainer, Kontexte der Gerechtigkeit (1994); Frankenberg, Günter (Hg.), Auf der Suche nach der gerechten Gesellschaft (1994); Honneth, Axel (Hg.), Kommunitarismus (1995); Reese-Schäfer, Walter, Was ist Kommunitarismus? (1995); Zahlmann, Christel (Hg.), Kommunitarismus in der Diskussion (1994). 16 von der Pfordten, S. 259 ff.; Taylor, in: Honneth (Hg.), S. 106. 17 Abl. Waldron, in: Brink/Reijen (Hg.), S. 108. 18 Vgl. Taylor, in: Brink/Reijen (Hg.), S. 73 ff. 13
152
3. Teil: Sind Erinnerungsgesetze ideengeschichtlich vertretbar?
Zweitens ist unter dem Stichwort Kollektivismus zu klären, ob es die Gemeinschaft als Rechtfertigungskategorie für staatliches Handeln gegenüber dem Individuum gibt und sie in bestimmten Fällen über individuelle Belange gestellt werden kann. Aus strafrechtsphilosophischer Sicht stellt sich dann die Frage, ob gemeinschaftliche Belange auch mit dem Strafrecht verteidigt werden dürfen oder dieses auf den Schutz individueller Güter beschränkt ist.
B. Der Holismus in der Staatsphilosophie I. Die Staatsgründung aus atomistischer Sicht Der Gedanke, den Menschen als Ausgangspunkt des Staates zu betrachten, findet sich in der Neuzeit erstmals bei Thomas Hobbes.19 In seinem „Leviathan“ entwickelt Hobbes aus der Prämisse des Naturzustands und der Idee der kontraktualistischen Staatsgründung eine Philosophie, die als besonders individualistisch und atomistisch gilt.20 In seiner Konzeption des Naturzustands herrscht ein „Krieg aller gegen alle“ (bellum omnium contra omnes).21 Der Mensch ist auf sich allein gestellt und befindet sich im Zustand der Gefahr, zumindest aber der Rechtlosigkeit. Der Vertrag als Rechtsinstitut wird von Einzelpersonen untereinander geschlossen, um diesem Zustand zu entfliehen. Bei Locke ist der Naturzustand, anders als bei Hobbes, ein Zustand der Freiheit und Gleichheit.22 Es herrscht das Naturgesetz der Vernunft, das dem Einzelnen Respekt vor individuellen Rechten (Leben, Gesundheit, Freiheit, Besitz) gebietet.23 Lockes Naturzustand ist anthropologisch neutral und normativ ausgestaltet.24 Der Mensch ist von Natur aus Träger von subjektiven Rechten. Rousseau streift in seinem Contrat Social den Naturzustand eher beiläufig, hat aber im „Discours sur l’origine et les fondements de l’inégalité parmi les hommes“ den Urzustand als Zustand der Ungleichheit beschrieben, der durch den Gesellschaftsvertrag verlassen werden muss.25 Im Contrat Social heißt es, dass der Widerstreit der Einzelinteressen im Naturzustand die Gründung von Gesellschaften nötig gemacht hat.26 19
So Kersting, in: Brocker (Hg.), S. 212. Siehe z. B. Kersting, in: Brocker (Hg.), S. 212; Pawlik, ARSP Beiheft Nr. 93, 115 (116); Schottky, S. 8. 21 Hobbes, Kap. 14, S. 119. 22 Locke, Regierung, Kap. II § 4 (S. 13). 23 Locke, Regierung, Kap. II § 6 (S. 14). 24 Kersting, Gesellschaftsvertrag, S. 110; Schottky, S. 19. 25 Kersting, Gesellschaftsvertrag, S. 156. 20
7. Kap.: Elemente in der neuzeitlichen Sozialphilosophie
153
Kant hat den Naturzustand in ausdrücklicher Anlehnung an dessen Erfinder als „Ideal des Hobbes“27 bezeichnet und ist (teilweise) auch dessen Charakterisierung gefolgt, wonach man in diesem „jederzeit in Kriegsrüstung seyn“28 müsse. Diesen Apriori-Zustand in Form einer von gesellschaftlichen Einflüssen freien, hermetisch-bloßen Existenz des Menschen macht auch Rawls zur Grundlage seiner „Theorie der Gerechtigkeit“, in welcher er den Urzustandsbewohner in eine „original position“ versetzt und den Blick auf seine gesellschaftliche Position mit einem „Schleier des Nichtwissens“ („veil of ignorance“) verwehrt.29 Auch der besonders individualistisch orientierte Denker Robert Nozick geht vom Naturzustandsparadigma Lockescher Prägung aus, das für ihn den besten anarchischen Zustand darstellt, auf den man vernünftigerweise hoffen kann.30 Allen Naturzustandskonzeptionen ist gemeinsam, dass der einzelne Mensch dem Staat als Apriori vorausgeht.31 Der Mensch existiert allein, ohne Bindungen, in seiner bloßen Existenz. Er hat stets Bedürfnisse und Interessen. Manchmal ist er Träger von Rechten (Locke, Rousseau, Kant, Rawls), manchmal nicht (Hobbes); er kann sich im Naturzustand im Frieden befinden (Locke, Rousseau) oder im Krieg (Hobbes). Stets jedoch zieht er es vor, den Naturzustand zu verlassen. Dieses Bedürfnis kann existentiell notwendig sein (Hobbes), sich aus einer pragmatischen Betrachtung heraus ergeben (Locke, Kant32), oder der gesellschaftlichen Natur des Menschen entsprechen, die ihm zueigen ist (Locke, Rousseau). Bevor der Staat als Gebilde gedacht wird, steht der Mensch für sich allein ohne politische Bindung in einem staatsleeren Raum. Nur das eigene Tun setzt dem Menschen Schranken. Damit ist der Naturzustand der Protozustand des bindungslosen, atomistischen Individuums, bzw. die „Inthronisation des autonomen Individuums“33. II. Die Staatsgründung aus holistischer Sicht Der Gründungsmythos des Staates aus einer gemeinschaftslosen Ursituation und das daraus resultierende Apriori des Menschen vor der Gemein26
Rousseau, Gesellschaftsvertrag, 2. Buch 1. Kap. (S. 27). Kersting, Gesellschaftsvertrag, S. 187; so auch: Herb, S. 57. 28 Kant, AA XIX, R 7646; allerdings rückte Kant später von Hobbes ab, siehe in AA VIII, S. 289. 29 Rawls, S. 159. 30 Nozick, S. 26. 31 von der Pfordten, S. 169; Schottky, S. 75. 32 Kant, AA XIX, R 6593. 33 So v. Kielmannsegg, S. 99 ff. 27
154
3. Teil: Sind Erinnerungsgesetze ideengeschichtlich vertretbar?
schaft ist immer wieder in Zweifel gezogen worden. Schon bei Aristoteles ist die Existenz des Menschen nur innerhalb der Gemeinschaft denkbar, die dem Einzelnen zeitlich vorausgeht.34 Montesquieu verzichtet auf einen Naturzustand und begreift den Menschen ähnlich wie Aristoteles aus seinem situativen Kontext heraus. Aus den gesellschaftlichen, kulturellen und natürlichen Bezügen leitet er die besondere Eigenheit des Rechts, den „Geist der Gesetze“ ab.35 Für Rousseau braucht es ein Minimum an Gemeinsamkeiten, um den Staat zu errichten, ein „gesellschaftliches Band“36. Selbst bei Kant taucht ein sich aus der Vernunft ergebender Volkswille als Apriori zur staatlichen Ordnung auf.37 Dieser Wille setzt eine Interaktion der Menschen voraus, ohne die es letztlich keine Vernunft gäbe.38 Wilhelm von Humboldt, eigentlich ein eher individualistischer Denker, schreibt in Montesquieus Geist: „Staatsverfassungen lassen sich nicht auf Menschen, wie Schößlinge auf Bäume pfropfen. Wo Zeit und Natur nicht vorgearbeitet haben; da ist’s, als bindet man Blüthen mit Fäden an; (. . .) den Kranz vermag nur das Gedächtnis zu flechten, das die Vergangenheit mit der Gegenwart verknüpft. Wie mit dem einzelnen Menschen, so mit ganzen Nationen.“39.
Hegel fand grundsätzliches Missfallen an einem außerhalb der Gemeinschaft befindlichen Menschen und einer Staatsgründung durch Vertrag: „(. . .) es liegt nicht in der Willkür der Individuen, sich vom Staate zu trennen, da man schon Bürger desselben nach der Naturseite hin ist. Die vernünftige Bestimmung des Menschen ist, im Staate zu leben, und ist noch kein Staat da, so ist die Forderung der Vernunft vorhanden, daß er gegründet werde. (. . .) Es ist falsch, wenn man sagt, es sei in der Willkür aller, einen Staat zu gründen: es ist vielmehr für jeden absolut notwendig, daß er im Staate sei.“40
Aus der Kritik an der vertraglichen Staatsgründung entstand die utilitaristische Denkschule, die auf einen Urvertrag verzichtet und stattdessen auf das Interesse des Einzelnen und der Allgemeinheit abstellt.41 Die liberalismuskritische Strömung der Kommunitaristen hat die aristotelische Position wiederbelebt und kritisiert u. a. die atomistische Prämisse des individualistischen Liberalismus.42 Liberale Staatlichkeit kann nach dieser Ansicht nicht 34 35 36 37 38 39 40 41 42
Aristoteles, 1253a (S. 4). Montesquieu, Geist, 1. Buch. 3. Kap (S. 104). Rousseau, Gesellschaftsvertrag, 2. Buch 1. Kap. (S. 27). Kant, AA VI, S. 326. Haase, S. 160. v. Humboldt, GW Bd. 1, S. 305, 306. Hegel, GW 7, § 75, Zusatz (S. 158). Vgl. z. B. Hume, S. 47. Reese-Schäfer, S. 13 ff.; Vorländer, APuZ Nr. 16–17/2001, 16.
7. Kap.: Elemente in der neuzeitlichen Sozialphilosophie
155
ohne eine „Idee des Guten“, also den von allen Mitgliedern einer Gesellschaft geteilten Grundüberzeugungen bestehen.43 Abgesehen von den klassischen und modernen Kritikern scheinen auch die Naturzustandsanhänger selbst nicht ganz an ihre atomistische Ausgangslage geglaubt zu haben. Denn die Staatsgründung durch Vertragsschluss leidet an einem logischen Fehler:44 Wenn für Hobbes, wie er schreibt, im Naturzustand Verträge keine Gültigkeit haben, kann ein Herrschaftsbegründungsvertrag damit ebenso wenig Bestand haben. Denn der Vertragsschluss setzt voraus, dass Verträge eingehalten werden (pacta sunt servanda). Dies kann erst durch den Staat garantiert werden, der aber zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch gar nicht existiert. Damit lebt der Hobbessche Leviathan – um mit Böckenförde zu sprechen – von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann, nämlich der Verbindlichkeit des Vertragsschlusses im Naturzustand; er verbleibt damit in einem rechtlich prekären Zustand.45 Deshalb ist es überzeugender, den Naturzustand eher als zeitlich nachrangig zur Staatsgründung zu verstehen; sozusagen als Zustand, den es zu vermeiden gilt.46 Laut Leo Strauss erzählt Hobbes ohnehin keine wirkliche Geschichte, sondern nur eine typische Geschichte.47 Oder aber man unterstellt bei Hobbes einen fiktiven Gesellschaftsvertrag vor der Herrschaftsübertragung.48 Der angebliche Atomismus der Vertragstheoretiker lässt sich so jedenfalls nicht mehr aufrecht erhalten. „Eindeutig zweideutig“ lässt sich der holistische Charakter auch bei Rousseau feststellen, der – im Grunde widersprüchlich – mal eine Einigkeit des Staatsvolkes vor der Übertragung der Souveränität suggeriert („engagement réciproque du public avec les particuliers“49), andererseits aber die Einheit des Staatsvolkes auf den Vertragsschluß zurückführt („cet acte d’association produit un corps moral et collectif“50). Bei Rousseau fällt zudem ins Auge, dass, anders als bei Hobbes und Locke, der Einzelne einen Vertrag mit dem Kollektiv, einer „Öffentlichkeit“, oder wie es im Französischen treffender heißt: „le public“, (also einem Apriori) schließt. Nach Ansicht Haymanns hat niemand das so43
Z. B. Sandel, S. 133. Vgl. Haase, S. 280. 45 Für einen lediglich „rechtlichen Naturzustand“ siehe auch: Geismann, JRE 1997, 229 (241). 46 Kersting, Gesellschaftsvertrag, S. 81, 82. 47 Strauss, S. 105. 48 Schottky, S. 23. 49 Rousseau, Contrat, Livre I Chap. VII (S. 55). 50 Rousseau, Contrat, Livre I Chap. VI (S. 54); Schottky, S. 88 sieht darin einen Beweis für Rousseaus universalistisches Denken. 44
156
3. Teil: Sind Erinnerungsgesetze ideengeschichtlich vertretbar?
ziale Phänomen der Atomisierung der Gesellschaft energischer bekämpft als der Genfer Sozialphilosoph.51 Aber auch Locke, der von einem Naturzustandsparadigma ausgeht, vertrat die Ansicht, dass die Gesellschaft als „civil society“ der Regierung vorausgeht, was ebenfalls gegen eine atomistische Version der Staatsgründung spricht; als politische Gesellschaft wird sie durch eine gemeinsame Fessel („common bond“52) zusammengehalten. Kant löst den Widerspruch so auf, dass er den anthropologisch-historischen Charakter des Naturzustandsbildes beiseite lässt und stattdessen von einer Vertragsfiktion ausgeht.53; der Vertrag ist nicht „Geschichtsurkunde“ sondern „Vernunfturkunde“.54 In der „Metaphysik der Sitten“ lautet die eher „beiläufige Beschreibung“55 der Umwandlung des natürlichen in einen bürgerlichen Zustand: „Der Act, wodurch sich das Volk selbst zu einem Staat constituirt, eigentlich aber nur die Idee desselben, nach der die Rechtmäßigkeit desselben allein gedacht werden kann, ist der urspüngliche Contract (. . .).“56
In der Rawlsschen Version des Urzustands schließlich befinden sich die Menschen als Außenstehende wie auf einem fernen Planeten und legen Gerechtigkeitsparameter fest, ohne dass sie ihren eigenen späteren sozialen Status kennen.57 Doch auch hier ist der hermetisch-atomistische Zustand eine Fiktion. Denn die Gerechtigkeitsmaximen, die Rawls ausmacht, stellt er nicht als Aussenstehender fest, sondern auf Basis kulturell eingebetteter Vorstellungen, bzw. einer Idee des Guten.58 In seiner Theorie gibt es somit zumindest eine Person, die durch den „Schleier des Nichtwissens“ blickt und das ist Rawls selbst. Rawls hat später eine Wende weg vom Atomismus vollzogen und anerkannt, dass sich seine Gerechtigkeitskonzeption immer nur auf eine bestimmte Gesellschaft und ihre Grundstruktur („basic structure“) beziehen kann.59 Manche bezeichnen ihn deshalb als Kommunitaristen, was insoweit zutrifft, als er versucht hat, Gerechtigkeitsprinzipien und eine Idee des Guten zusammenzuführen.60 Dies zeigt auch, so Rorty, dass sich Gerechtig51
Haymann, S. 400. Locke, Treatises, Chap. XV § 172 (S. 383). 53 Herb, S. 58. 54 Kersting, Freiheit, S. 351. 55 So Herb, S. 62. 56 Kant, AA VI, S. 315 (Hervorhebung von mir). 57 Rawls, S. 159 ff. 58 Brink, in: Brink/Reijen (Hg.), S. 17; Forst, ebd., S. 220. 59 Rawls, Philosophy & Public Affairs (3) 1985, 223 (224); vgl. auch: Cladis, S. 257 ff.; Taylor, Freiheit, S. 273. 60 Rawls, S. 433 ff.; Sandel, S. 150. 52
7. Kap.: Elemente in der neuzeitlichen Sozialphilosophie
157
keitsvorstellungen letztlich kaum anders durchsetzen lassen als dadurch, dass sie mit den Vorstellungen anderer Menschen weitgehend übereinstimmen.61 Die Einbettung des Individuums in der Gemeinschaft wird somit auch von liberalen Denkern nicht mehr bestritten.
C. Der Kollektivismus in der Staatsphilosophie I. Der Gesellschaftsvertrag als individualistisches Paradigma Den neuzeitlichen Vertragstheorien wird gemeinhin eine streng liberale Sichtweise unterlegt. Dies erfolgt nicht ganz zu Unrecht: von Hobbes, Locke, Rousseau und Kant bis Rawls und Nozick wird die Sicherung individueller Rechte immer wieder als Grund für die Staatsgründung betont. Ein erstes zentrales individuelles Interesse des Gesellschaftsvertrages ist die Sicherheit des Vertragsschließenden. In Hobbes’ „strikt individualistischer Philosophie“62 befinden sich die Menschen vor der Staatsgründung in einem permanenten Kriegszustand. Der primäre Staatszweck ist demnach, „sich Frieden und Schutz zu verschaffen.“63 Hobbes meint damit die individuelle Sicherheit, zumal jeder mit jedem den Vertrag schließt und nicht etwa der Einzelne mit einem Kollektiv: „auf diese Weise werden alle Einzelnen eine Person und heißen Staat oder Gemeinwesen. So entsteht der große Leviathan (. . .).“64 Locke verzichtet auf einen anthropologisch geprägten Naturzustand à la Hobbes. Bei ihm ist der Naturzustand friedlich. Deshalb kann Locke den Staatszweck breiter fassen, wenngleich auch er individuellen Positionen das größte Gewicht zuweist: denn das hauptsächliche Ziel des Zusammenschlusses zu einem Staat ist die Erhaltung des Eigentums.65 Unter Eigentum ist nicht nur der Schutz von körperlichen Gegenständen gemeint, sondern alles, was zur Selbsterhaltung nötig ist, also auch das Leben, die körperliche Unversehrtheit und die Freiheit.66 Für Rousseau ist Endzweck jeder Gesetzgebung die Bewahrung von Freiheit und Gleichheit.67 Der Staat ist um des Bürgers Willen da. Der Gesellschaftsvertrag verfolgt individualistische Ziele und hat die Erhaltung der Vertragsschließenden zum 61
Rorty, in: Brink/Reijen (Hg.), S. 146. Kersting, in: Brocker (Hg.), S. 212. 63 Hobbes, Kap. 18, S. 157, 160. 64 Hobbes, Kap. 17, S. 155. 65 Locke, Regierung, Kap. IX § 124 (S. 104). 66 Locke, Regierung, Kap. XV § 173 (S. 141); So Kersting, Gesellschaftsvertrag, S. 126; Olivecrona, ARSP 1975, 109 ff. m. w. N. 67 Rousseau, Gesellschaftsvertrag, 2. Buch 11. Kap. (S. 56). 62
158
3. Teil: Sind Erinnerungsgesetze ideengeschichtlich vertretbar?
Zweck.68 Der Staat stützt sich auf den Menschen und ist damit eine ontologisch sekundäre Erscheinung.69 Eine moralische Verpflichtung des Souveräns auf die Beachtung des Gemeinwillens nimmt auch Kant an: „was das Volk (die ganze Masse von Unterthanen) nicht über sich selbst und seine Genossen beschließen kann, das kann auch der Souverän nicht über das Volk beschließen“70. Der Staat ist ein Produkt des Individuums und nicht umgekehrt. Kant leitet bürgerliche Rechte aus natürlichen Rechten ab (und stellt sich damit gegen Hobbes).71 Die Staatsgründung ist für Kant nicht willkürlich, sondern hat die Sicherheit des Einzelnen zur Aufgabe.72 Das Aufgabenspektrum des Staates ist bei Kant also eher beschränkt. Gesellschaft ist nicht als etwas Vorrechtliches, sondern als etwas Nachrechtliches zu betrachten: „Die Gesellschaft ist auch nicht die Ursache dieses Zustands sondern die Wirkung. Der practisch souveraine Grund des Rechts macht eine Gesellschaft (. . .).“73 Das Recht gründet auf der Freiheitsverbürgung des Einzelnen. Sonstige innere Antriebe können für Kant nicht Recht sein und sind daher auch nicht zum gesellschaftlichen Zweck zu erheben.74 Fast zur gleichen Zeit entwarf auch Wilhelm von Humboldt in seinen „Ideen zu einem Versuch, die Gränzen [sic!] der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen“ den prototypisch liberalen Staat des ausgehenden 18. Jahrhunderts, dessen Zweck sich in der Aufrechterhaltung der inneren und äußeren Sicherheit der Bürger erschöpft und der kein Konzept des Guten verfolgt.75 Denn Sicherheit sei, so von Humboldt in Anlehnung an Mirabeau, die einzige Sache, die sich der Einzelne nicht selbst verschaffen kann.76 Von Humboldt beeinflusste u. a. John Stuart Mill, der in seiner Schrift „On Liberty“ – wenngleich ohne Rückgriff auf Vertragstheorien – sein berühmtes „Harm Principle“ entwickelte. Dieses besagt, dass der Staat nur aus einem Grund in die Freiheitssphäre des Einzelnen eingreifen darf, nämlich um Schaden von anderen abzuwenden: „(. . .) the sole end for which mankind are warranted, individually or collectively, in interfering with the liberty of action of any of their number, is self-protection. 68
Rousseau, Gesellschaftsvertrag, 2. Buch 5. Kap. (S. 37); für eine individualistische Lesart siehe auch Schottky, S. 85. 69 Schottky, S. 52. 70 Kant, AA VI, S. 329. 71 Kant, AA VIII, S. 291. 72 Kant, AA XIX, S. 533. 73 Kant, AA XIX, S. 533 R 7847. 74 Vgl. Kant, AA VIII, S. 289. 75 v. Humboldt, GW Bd. 7, S. 35, 43. 76 v. Humboldt, GW Bd. 7, S. 43.
7. Kap.: Elemente in der neuzeitlichen Sozialphilosophie
159
That the only purpose for which power can be rightfully exercised over any member of a civilized community, against his will, is to prevent harm to others.“77
Einen Schritt weiter geht wohl nur noch Nozick, der Staatsbefugnisse jenseits derer des individualistisch orientierten Minimalstaats als Verletzung der Rechte der Menschen ansieht.78 II. Die Entdeckung der Gemeinschaft Die minimalistische Festlegung des Staates allein auf die Sicherheit des Einzelnen und den Schutz individueller Güter wirkt zwar einleuchtend, ist jedoch bei näherer Betrachtung defizitär. Denn auch in den liberalen Staatstheorien gibt es Situationen, in denen der Staat eigene Interessen über die unmittelbaren individuellen Interessen stellt und dem Bürger ein loyales Bekenntnis zu ihm abverlangt. Dies wiederum setzt voraus, dass eine affektive Bindung zum Staat, bzw. ein Gemeinschaftsgefühl besteht, an welches der Staat appellieren kann. Die extremste Situation ist der Kriegsfall. Laut den individualistischen Staatstheorien wäre dies der Zustand, in welchem der Staat eigentlich seine ureigenste Aufgabe wahrnehmen müsste, nämlich die Sicherheit der Bürger zu bewahren. In der Praxis kann der Staat diese Aufgabe jedoch nicht ohne seine Bürger wahrnehmen. Deshalb begibt er sich auf die Ebene des Bürgers zurück und verlangt von ihm, nicht nur sein eigenes Leben, sondern auch das Überleben des Staates (der ihn eigentlich schützen müsste) zu sichern. Im Moment der Bewährung seiner Existenz kann der Staat ohne den Bürger nicht existieren. Er fordert die eingriffsintensivste Loyalitätsbekundung überhaupt ein, bzw. die „erste Form harter Arbeit“ (Walzer79): den potentiellen Tod des Einzelnen um der Erhaltung des großen Ganzen Willen. Damit wird der Kriegsfall zum scheinbaren Dilemma der liberalen Staatstheorie: welchen Sinn kann man in einer Staatsgründung, die nur der existentiellen Sicherheit dient, noch sehen, wenn im Verteidigungsfall der Bürger diese Sicherheitsleistung selbst zu erbringen hat, nicht also der Staat ihn, sondern er den Staat schützt? Dieses Bild ändert sich erst, wenn man den Schutz und die Sicherheit von der existentiellen Ebene auf die Ebene der Identifizierung mit dem Staat en tant que tel verlagert und damit das Anwendungsspektrum von Sicherheit und Schutz erweitert. Denn nur wenn unter Schutz die Bewahrung staatlicher Eigenheiten, also dem, „was einen bestimmten Staat ausmacht“ verstanden wird und unter Sicherheit auch die 77 78 79
Mill, S. 14. Nozick, S. 201. Walzer, Sphären, S. 168.
160
3. Teil: Sind Erinnerungsgesetze ideengeschichtlich vertretbar?
Sicherung des politischen, nationalen, kulturellen, religiösen und gesellschaftlichen status quo gefasst wird, lässt sich der Verteidigungsfall erklären. Der Bürger verteidigt das, wofür er selbst steht: zu seiner Identität gehört auch die Zugehörigkeit zu einer besonders gearteten Gemeinschaft. Damit gibt es keinen Schutz individueller Rechte ohne den Wert der Gemeinschaft. Die unterschiedlichen liberalen Staatstheoretiker gehen diesen Problemkomplex unterschiedlich an: Hobbes löst das Problem am Konsequentesten; da sich der Oberherr einerseits aus den Bürgern zusammensetzt und andererseits trotzdem eine von der Gemeinschaft der Bürger zu unterscheidende Persönlichkeit bildet (sogenannte „bloße Identitätsfiktion“80), kann die Verteidigung des Staates eigentlich nur durch die Glieder des Staates, also die Bürger selbst, erfolgen. Hobbes greift hier auf Söldner zurück und entgeht damit dem Konflikt.81 Bei Locke gibt es zwei Situationen, in der eine Gesamtheit von Menschen ihre Gemeinsamkeiten kollektiv verteidigt: den Kriegsfall und die Ausübung des Widerstandsrechts. Locke unterscheidet in seiner Gewaltenteilungslehre zwischen Legislative, Exekutive und Föderative. Unter exekutiver Gewalt versteht er den Gesetzesvollzug innerhalb der Gesellschaft und unter föderativer Gewalt die Sicherheit und die Interessen des Volkes nach Außen.82 Das Kollektiv der Bürger befindet sich gegenüber anderen Menschen (Fremden) im Naturzustand und tritt als ein Körper auf; der Angriff von Außen auf ein Mitglied des Kollektivs wird wie ein Angriff auf das Kollektiv („Community“) selbst gehandhabt.83 Locke tritt auch für ein Widerstandsrecht ein, sofern sich der Herrscher nicht an den Herrschaftsvertrag hält.84 Dieses Recht wird ebenfalls kollektiv ausgeübt und zielt auf die Wiederherstellung des politischen Rechts der Gesamtheit ab und nicht auf die Genugtuung gekränkter Rechter Einzelner.85 Damit liegt er nicht weit von der Auffassung Montesquieus entfernt, dass alle Staaten das gleiche Ziel haben: nämlich ihre Selbsterhaltung.86 Im Widerspruch zu seiner minimalistischen Staatsauffassung befindet sich hingegen von Humboldt, der zwar einerseits in der Verteidigung der inneren und äußeren Sicherheit der Bürger den einzigen Staatszweck erblickt, andererseits aber im Kriegsfall vom Bürger verlangt „den Geist wahrer Krieger, oder vielmehr edler Bürger (. . .)“ zu zeigen, „welche für ihr 80 81 82 83 84 85 86
Statt vieler: Pawlik, ARSP Beiheft Nr. 93, 115 (117). Roellecke, in: Mehring (Hg.), S. 107; Strauss, S. 119. Locke, Regierung, Kap. XII § 147 (S. 121). Locke, Regierung, Kap. XII § 145 (S. 120). Locke, Regierung, Kap. XVIII § 203 (S. 162). Schottky, S. 17. Montesquieu, Geist, 11. Buch 5. Kap. (S. 119).
7. Kap.: Elemente in der neuzeitlichen Sozialphilosophie
161
Vaterland zu fechten immer bereit sind“87. Die vermeintlich streng zu wahrende negative Freiheit des Einzelnen wird bei von Humboldt im Kriegsfall plötzlich umgekehrt und durch eine heroisch-romantische Verklärung des Krieges ersetzt.88 Der Krieg ist für ihn „eine der heilsamsten Erscheinungen zur Bildung des Menschengeschlechts“89. Kant fragt in der „Metaphysik der Sitten“, woher der Staat das Recht nimmt, seine Untertanen (nicht nur Soldaten) gegen andere Staaten in den Krieg zu schicken.90 Kant verlangt die ausdrückliche Zustimmung des Bürgers zum Kriegsfall. Der Souverän selbst muss das Volk um Erlaubnis fragen; Kant stellt an die Art der Zustimmung jedoch keine allzu großen Ansprüche und lässt wohl auch die passive Zustimmung gelten, da der Souverän seine Macht ja bereits aus dem Volk bezieht. Als Kriegsgrund beschränkt er sich nicht auf den urliberalen Zweck des Staates, also die Sicherheit des Einzelnen, sondern sieht ein Recht zum Krieg auch in der „Beleidigung des einen Volks durch das Volk des andern Staates“91. Der Krieg ist für Kant ein Zustand, in dem ein Gemeinwesen seinen Erhaltungswillen unter Beweis stellen kann. Im Krieg wird die loyale Bindung der Bürger zum Staat offenbar. Der Bürger kämpft für die Erhaltung seines Gemeinwesens: „Der Krieg kann nur Tugenden hervorbringen, wenn er patriotisch ist, d.i. wenn er nicht dazu dient sich Geld u. Unterhalt zu erwerben, sondern sich zu erhalten, und wenn der Soldat wieder Bürger wird.“92
Auch die liberalen, individualistischen Staatstheorien unterstellen somit eine Wertschätzung für die Existenz der politischen Gemeinschaft und damit die eines Kollektivgutes. Dieses genießt im Fall des Krieges Vorrang gegenüber individuellen Interessen. Ohne ein Gemeinschaftsgefühl wäre der Einzelne nicht zu diesen Opfern bereit. Inwieweit hier noch das Attribut „liberal“ zutreffend ist, bliebe zu diskutieren: Bei Hobbes wird das Gemeinwesen, der Leviathan, sogar so stark, dass er selbst im Falle einer Überschreitung seiner Befugnisse nicht mehr vom Einzelnen abgeschafft werden kann.93 Der Einzelne entäußert sich seiner Rechte vollständig. Der Individualismus weicht in letzter Konsequenz einer kollektivistischen Sicht, oder wie Habermas es treffend ausdrückt „verschlingt die Macht die liberale Raison des Hobbes’schen Staates im Ergebnis“.94 87 88 89 90 91 92 93 94
v. Humboldt, GW Bd. 7, S. 50. Kost, S. 143; Petersen, S. 96. v. Humboldt, GW Bd. 7, S. 45. Kant, AA VI, S. 344. Kant, AA VI, S. 346. Kant, AA XX, S. 76. Vgl. Barber, in: Brink/Reijen (Hg.), S. 361. Habermas, Praxis, S. 74.
162
3. Teil: Sind Erinnerungsgesetze ideengeschichtlich vertretbar?
Bei anderen Denkern, wie z. B. Rousseau und Montesquieu, gilt die Unterwerfung gegenüber dem Staat als Akt der Freiheit und des Selbstbewusstseins des Individuums.95 Tugend ist Liebe zur Republik, heißt es bei Montesquieu.96 Rousseau spricht von der „süßen Gewohnheit, sich zu sehen und zu erkennen“; die Vorstellung subjektiv öffentlicher Rechte als Abwehr gegen den Staat ist ihm hingegen fremd.97 Von Humboldt hielt die „höchste und proportionirlichste Bildung seiner Kräfte zu einem Ganzen“ für den „wahren Zweck des Menschen“98. Der Utilitarismus eines Bentham bzw. Mill leitet die Bewertung politischer Institutionen von einem gemeinsamen politischen Motiv ab, dem „größten Glück der größten Zahl“99. Besonders strikt verwahrte sich auch Hegel gegen die streng liberale Sicht, dass der Schutz und die Sicherung des Lebens und Eigentums der Individuen das „substantielle Wesen des Staates“ sei.100 Vielmehr bedürfe der Staat des Menschen: die Aufopferungsbereitschaft des Einzelnen gründet auf seinem Willen und seiner Selbsttätigkeit und wird vom Staat nicht vorgegeben. Das ist der „schöne Patriotismus der Griechen“101. Das Gemeinschaftliche als Kollektivgut bzw. als gemeinsamer Grundkonsens findet sich in der Ideengeschichte in unterschiedlichen Bezeichnungen wieder. Bei Hobbes „entsteht“ der Staat einfach; der Grundkonsens ist auf ein lakonisches „fiat“, also eine Belebungsgeste durch den Bürger reduziert.102 Schon bei Locke ist es mehr als das: vor dem Staat bestehen bereits eine politische Gemeinschaft („fellowship“) und ein gemeinsames Band.103 Rousseau hat den Ausdruck dessen, was von Vorteil für die politische Gemeinschaft ist, als „volonté générale“ bezeichnet, die gerade mehr ist, als die Summe von Einzelinteressen („volonté de tous“): „Das Gemeinsame nämlich (. . .) bildet das gesellschaftliche Band.“104 Wenn Rousseau von der Verbundenheit zwischen Bürger und Staat spricht, gebraucht er auch den Begriff „esprit social“, der wohl mit „amour de la patrie“ oder Patriotismus gleichgesetzt werden kann.105 95
Taylor, in: Honneth (Hg.), S. 111, 116. Montesquieu, Geist, 5. Buch 2. Kapitel (S. 141). 97 Herb, S. 47. 98 v. Humboldt, GW Bd. 7, S. 10. 99 Nagel, in: Brink/Reijen (Hg.), S. 330. 100 Hegel, GW 7, § 100 (S. 190). 101 Hegel, GW 4, § 56 (S. 265). 102 Kersting, in: Brocker (Hg.), S. 220. 103 Locke, Regierung, Kap. XV § 172 (S. 140). 104 Rousseau, Gesellschaftsvertrag, 2. Buch 1. Kap (S. 27). 105 Schottky, S. 128. 96
7. Kap.: Elemente in der neuzeitlichen Sozialphilosophie
163
Bei Montesquieu wird der Staat in allen seinen Teilbereichen von einem alles umfassenden Mittelpunkt beeinflusst, dem Gemeingeist, bzw. „esprit général“, zu welchem z. B. auch die Geschichte einer Nation gehört;106 aus diesem folgt, dass die Gesetze eines jeden Volkes für dieses nach Sitten, Natur, Klima, gesellschaftlichen Umständen etc. eigentümlich zu sein haben. Kant ging ebenfalls von einem gemeinsamen Konsens aus, einem sensus communis107, bzw. einer „Einheit des vereinigten Willens Aller“108 aus, der den Menschen mit der Gesellschaft vereint.109 Zur Wertintegration zieht Kant auch das Gesetz heran und erkennt die Notwendigkeit einer Tugend durch Selbstbezug („Autotelie“) an.110 Der Staat Kants kann ohne eine intrinsische Loyalität zwischen der Mehrheit der Bürger letztlich nicht existieren.111 Bei seinem Schüler Fichte ist zu lesen: „eine wahre Vereinigung begreift man nicht eher, bis man ein Vereinigungsband außer dem Begriffe aufgezeigt hat“112; dies kann man ebenfalls als Ausdruck des Kollektivismus deuten.113 Hegel nannte die Einheit des Einzelnen mit der Allgemeinheit in Anlehnung an Montesquieu schlicht „Geist“.114 Tocqueville sprach von „Gewohnheiten des Herzens“; Durkheim von einer „conscience collective“115 die u. a. von einer gemeinsamen Vergangenheit beeinflusst ist.116 Parsons sprach von einem „Code“; bei Habermas ist von einem „intersubjektiven Konsens“ die Rede und Rawls unterstellt einen „overlapping consensus“117, also einen Grundkanon an politisch-moralischen Werten, dem die große Mehrheit einer Gesellschaft zuzustimmen vermag. Die Kommunitaristen umschreiben das Gemeinschaftliche u. a. mit einem „mental set“ (Walzer118) oder einer „sozialen These“ (Taylor119). Der Kollektivismus in der politischen Theorie bedeutet dabei nicht zwangsläufig eine Nivellierung von individuellen Rechtspositionen, sondern 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119
Montesquieu, Geist, 19. Buch 4. Kap. (S. 295). Kant, AA V, S. 293. Kant, AA VIII, S. 371. Siehe Arendt, Lectures, S. 68 ff.; Haase, S. 285. Kersting, Recht, S. 455, 465 m. w. N.; ders., Liberalismus, S. 51. Pawlik, JRE 2006, 269 (272). Fichte, Werke Bd. III, S. 208. Schottky, S. 242; Weischedel, S. 150. Hegel, GW 7, § 156 Zusatz (S. 305). Durkheim, Arbeitsteilung, S. 128. Siehe Bellah, in: Hamilton (Hg.), S. 257. Rawls, Oxf. J. Leg. St. 1987, 1 (13); vgl. auch Schaub, S. 220. Walzer, Sphären, S. 29. Taylor, in: Honneth (Hg.), S. 116, 118.
164
3. Teil: Sind Erinnerungsgesetze ideengeschichtlich vertretbar?
ergänzt diese vielmehr. So war z. B. Durkheim zugleich ein großer Verfechter von Menschenrechten.120 Zwar ist die grundsätzliche Kritik zutreffend, dass „die Gemeinschaft“ nicht unbedingt ein Wert an sich sein muss, da sie auch despotisch sein kann.121 Das Problem der Missbrauchsmöglichkeit gilt dann aber nicht weniger auch für einen rein individualistischen Gesellschaftsentwurf. Der Kernansatz des kommunitaristischen Denkens liegt darin, dass sich eine Staatsordnung ohne Gemeinschaftsbezug selbst unterminiert.122 Die negative Freiheitskonzeption, die den Einzelnen vom Staat unbehelligt lässt, ist durch eine positive Freiheitsvorstellung zu ergänzen, zu welcher u. a. die Identifikation des Einzelnen mit der Ordnung seiner sozialen Gemeinschaft gehört.123 Die Gemeinschaft als Rechtfertigungsgröße ist dabei keine Erfindung der letzten 20 Jahre, sondern ist in unterschiedlicher Ausprägung seit Aristoteles ein fester Bestandteil der Staatsphilosophie.124 8. Kapitel
Gemeinschaftliche Elemente in der neuzeitlichen Strafrechtsphilosophie Nachdem bei zahlreichen Denkern sowohl holistische als auch kollektivistische Elemente festgestellt werden konnten, ist nun zu analysieren, inwieweit sich diese auch in den Strafrechtstheorien niedergeschlagen haben. Ein besonderes Augenmerk ist dabei darauf zu legen, was unter dem Begriff des „Gesellschaftsschadens“ zu verstehen ist, der in der heutigen Strafrechtslehre des öfteren als Argument für eine Begrenzung des Strafrechts auf den Schutz individueller Positionen herangezogen wird.125
A. Hobbes: Strafrecht zum Schutz der Gemeinschaft Hobbes thematisiert das Strafrecht im 27. Kapitel des Leviathan „Von Verbrechen, Entschuldigungen und Strafmilderungen“. Zwar widmet sich Hobbes an anderen Stellen des „Leviathan“ ausgiebig der Definition von 120 Für eine individualistische Deutung Durkheims siehe Giddens, in: Hamilton (Hg.), S. 300. 121 MacIntyre, S. 377. 122 Vgl. Reese-Schäfer, S. 30. 123 Waldron, in: Brink/Reijen (Hg.), S. 112. 124 Reese-Schäfer, S. 29. 125 Vgl. z. B. Schünemann, in: Hefendehl (Hg.), S. 141.
8. Kap.: Elemente in der neuzeitlichen Strafrechtsphilosophie
165
Begriffen.126 Eine Verbrechensdefinition hingegen sucht man vergebens. Zwei Elemente nennt er jedoch: zum einen ist jedes Verbrechen zugleich eine Sünde.127 Zum anderen können Verbrechen nach dem Ausmaß des Schadens eingeteilt werden. Aus der Formulierung, die Hobbes benutzt, geht aber nicht zwangsläufig hervor, dass jedes Verbrechen einen Schaden verursachen muss: „Wird bei einem Verbrechen der Schaden berücksichtigt, so ist die Tat umso größer, je mehr darunter leiden.“128
Eine Begrenzung des Strafrechts auf die Verteidigung von Individualgütern lässt sich nicht ausmachen: Hobbes beginnt seine Einteilung nicht mit Verbrechen gegen Güter von Einzelpersonen, sondern gegen Kollektive. Verbrechen gegen letztere wiegen schwerer. Er nennt z. B. die „Lehren, die der Religion eines Staates schaden“, die „Majestätsverbrechen“ (z. B. den Verrat von Staatsgeheimnissen) und den Diebstahl öffentlicher Gelder im Vergleich zum Privatdiebstahl.129 Zwar nimmt Hobbes auch eine Rangfolge individueller Güter an (Leben, Vermögen etc.). Diese spielen jedoch eine eher untergeordnete Rolle. So lehnt Hobbes ein Recht der persönlichen Ehre mit der Begründung ab, dass Schmähungen nur kleinmütige Menschen aufzubringen vermögen.130 Sein Interesse gilt eher den Verbrechen gegen den Staat. Hobbes fällt es zudem schwer, das Recht zum Strafen („ius puniendi“) direkt vom Bürger her zu begründen, und sucht daher Ausflüchte.131 Dieses Recht, über das der Einzelne im Naturzustand selbst verfügte, wurde dem Staat vom Einzelnen nicht übertragen, sondern „gelassen“.132 Dem Staat wächst das ius puniendi quasi von Natur aus zu. Er kann es zum Schutz der Bürger „frei und ungehindert gebrauchen“133. Gegenüber erklärten Feinden des Staates darf er sogar willkürlich strafen.134 Das Strafrecht dient so der Bewahrung des Staates als Ganzes: „Gegen erklärte Feinde des Staates aber, welche dem Staate schaden können, erlaubt das Naturrecht, zu den Waffen zu greifen.“135 Verbrechen gegen den Staat sind beispielsweise: Hass gegen die Regierung, Aufrührung des Vol126 127 128 129 130 131 132 133 134 135
Z. B. Hobbes, Kap. 6, S. 47 ff. Hobbes, Kap. 29, S. 244. Hobbes, Kap. 27, S. 255. Hobbes, Kap. 27, S. 255, 256. Hobbes, Kap. 27, S. 257. So Norrie, Law & Philosophy 1984, 299 (302). Hobbes, Kap. 28, S. 259. Hobbes, Kap. 28, S. 259. Hobbes, Kap. 28, S. 262. Hobbes, Kap. 28, S. 264.
166
3. Teil: Sind Erinnerungsgesetze ideengeschichtlich vertretbar?
kes und solche Handlungen, die ohne Bestrafung den Anschein erwecken würden, dass sie vom Staat (Oberherrn) gebilligt werden.136 Bei dieser Aufzählung fühlt man sich nicht nur an den Straftatbestand der Volksverhetzung, sondern auch an die hier vorgestellte Kategorie des Identitätsstrafrechts (identité de citoyen) erinnert. Die Bewahrung der staatlichen Gemeinschaft ist bei Hobbes oberstes Ziel; schon die Störung gemeinschaftlicher Bindungselemente, z. B. in Form der Verbreitung fremder Religionslehren, ist für ihn Anlass zur Strafe.137 Die fehlende Strafrechtslimitation ist in der Vertragslehre angelegt: gemäß der Maxime „volenti non fit iniuria“ wird fingiert, dass der Einzelne in jede Tätigkeit des Gesetzgebers eingewilligt hat und es kein „unrechtes Recht“ gibt. Das Handeln des Souveräns wird nicht durch normative Vorgaben beschränkt.138 Dies spricht zusammen mit dem strengen Relativismus und der Überbetonung des Staatsschutzes gegen die Annahme eines streng liberalen Strafrechtskonzepts bei Hobbes.
B. Locke: Strafrecht als Individual- und Kollektivschutz Locke gilt gemeinhin als Vertreter einer liberalen Staatstheorie.139 Für ihn besteht das Ziel des Zusammenschlusses von Menschen zu einem Staat darin, individuelle Rechte, bzw. in seinen Worten: ihr „Eigentum“ (z. B. Leben, Gesundheit, Besitz), zu schützen.140 Es verwundert daher nicht, dass auch das Strafrecht bei Locke auf den Schutz dieser individuellen Güter bezogen ist. Schon im Naturzustand verfügt der Einzelne über die Gewalt, sein Eigentum zu schützen, und über die Möglichkeit, die Verletzung dieses Gesetzes durch andere zu bestrafen; dieses Recht wird zu Gunsten der politischen Gesellschaft aufgegeben.141 Der Einsatz des Strafrechts ist jedoch nicht auf den Schutz dieser Güter beschränkt. Es hat darüber hinaus die Funktion, die politische Gemeinschaft als solche zu verteidigen. Deshalb gibt Locke dem Staat neben dem Schutz des Eigentums auch die Macht, Vergehen gegen das Naturgesetz zu bestrafen, und zwar zum Zwecke der Erhaltung seiner selbst und der gesamten Menschheit.142 Lockes Strafrechtstheorie folgt nicht allein der Logik des in136
Hobbes, Kap. 30, S. 290. Hobbes, Kap. 27, S. 245. 138 Kersting, in: Brocker (Hg.), S. 223. 139 Rau, S. 144. 140 Locke, Regierung, Kap. IX § 124 (S. 104); Brocker, in: Brocker (Hg.), S. 265 spricht von „Rechtsgütersphäre“. 141 Locke, Regierung, Kap. VII § 87 (S. 73). 142 Locke, Regierung, Kap. XV § 171 (S. 139). 137
8. Kap.: Elemente in der neuzeitlichen Strafrechtsphilosophie
167
dividuellen Schadens. Denn dieser kann zivilrechtlich ausgeglichen werden. Der Verbrecher wird auch deshalb bestraft, weil er durch die Verletzung des Naturgesetzes ein „Vergehen gegen das ganze Menschengeschlecht“143, also einen „Gemeinschaftsverstoß“144 begeht. Für Locke ist die Gesetzesverletzung, also die Übertretung der Norm, bereits ein Verbrechen; für die Schadenswiedergutmachung spricht er von einem zusätzlichen Recht.145 Strafe scheint für Locke also nicht nur gegen schädliches Verhalten, sondern gegen unrechtes Verhalten im Allgemeinen möglich zu sein.146 Das Strafrecht Lockes hat daher eine utilitaristische147 Begründungsbasis und dient dem Nutzen des Einzelnen, aber auch dem Nutzen der Allgemeinheit. Die Nutzenorientierung kann im Extremfall laut Locke auch die Todesstrafe notwendig machen. Der Straftäter wird dann „wie ein wildes Tier“148 als außerhalb der Gesellschaft befindlich aufgefasst. Die Gesellschaft tritt ihm gegenüber als ein Körper auf, als ein Kollektiv. Locke offenbart ein kollektivistisch-geprägtes, organisches Staatsverständnis, wenn er schreibt, dass der Schaden gegenüber einem der Glieder eines (Staats-)Körpers die Gesamtheit zur Wiedergutmachung verpflichtet.149 Die Stoßrichtung bleibt bei Locke insgesamt zwar eine liberale; die rechtliche Begründung hierfür weicht von den heute verwendeten liberalen Mustern ab. Die strafrechtliche Reaktion ist eher auf eine Normverletzung als auf eine Rechtsgutsverletzung zugeschnitten.
C. Montesquieu: Das Strafrecht als Ausdruck eines „esprit de nation“ Montesquieu hat sich als einer der ersten Vertreter eines humaneren Strafrechts hervorgetan.150 In seinem Esprit des Lois151, aber auch in den Lettres persanes152 plädiert er für mildere Strafen und verurteilte z. B. die Folter. Die Todesstrafe betrachtete er zwar als gerechtfertigt, dennoch setzte mit ihm ein aufgeklärtes Strafrechtsdenken ein, das Juristen wie Filangieri und Beccaria beeinflusste und sich schließlich in ganz Europa verbreitete. 143 144 145 146 147 148 149 150 151 152
Locke, Regierung, Kap. II § 8 (S. 16). Eser, Mestmäcker-FS, S. 1007. Locke, Regierung, Kap. II § 10 (S. 17). Simmons, Philosophy and Public Affairs 1991, 311 (319). So Calvert, Philosophy (4) 1993, 211 (221). Calvert, Philosophy (4) 1993, 211 (218). Locke, Regierung, Kap. XII § 145 (S. 120). Vgl. Cattaneo, S. 75. Montesquieu, Geist, 6. Buch 9. Kap. (S. 176). Montesquieu, Lettres LXXX, S. 172.
168
3. Teil: Sind Erinnerungsgesetze ideengeschichtlich vertretbar?
Montesquieu erkannte, dass die Freiheit des Bürgers hauptsächlich von der Trefflichkeit der Strafgesetze abhängt.153 Für alle Gesetze gilt, dass diese dem Geist der Nation („esprit de nation“), also den „Besonderheiten, die eine Gemeinschaft charakterisieren“154, entsprechen müssen.155 Damit gilt auch für das Strafrecht eine holistisch-relativistische Sicht. Die Deliktseinteilung bei Montesquieu ist hybrid: er unterscheidet private Verbrechen und öffentliche Verbrechen.156 Private Verbrechen betreffen individuelle Rechtspositionen, und öffentliche Verbrechen verletzen die Interessen der Gemeinschaft.157 Straftaten gegen die Gemeinschaft oder den Staat scheinen bei Montesquieu eine stärkere Gewichtung einzunehmen als solche gegen individuelle Güter. Bei seiner Aufteilung der Straftaten in vier Arten, nämlich solche gegen die Religion, die Sitten, die Ruhe und die Sicherheit des Bürgers, betrifft nur die letzte Kategorie persönliche Rechtsgüter wie das Leben und das Vermögen (vgl. 12. Buch 4. Kap.). Die anderen Straftaten zielen eher auf die Bewahrung der öffentlichen Ordnung ab.158 Zudem widmet sich Montesquieu im 8. Kapitel des 12. Buches verhältnismäßig ausführlich den Majestätsverbrechen, die er als Ungehorsam der Untergebenen gegenüber dem Herrscher definiert. Montesquieus Strafrechtslehre begründet im Großen und Ganzen die liberale Tradition mit, wie sich an seinen Forderungen nach Eindämmung von Exzessen und Willkür, der Bestimmtheit des Strafgesetzes und der Ausklammerung bestimmter Delikte, wie diejenigen gegen Ketzerei und Zauberei, veranschaulichen lässt. Strafen für Worte befürwortet er nur, wenn diese einem Verbrechen vorausgehen, es begleiten oder ihm nachfolgen.159 Gleichwohl ist Montesquieus Strafrechtslehre nicht auf den Schutz individueller Rechtspositionen beschränkt. Er vertritt mit dem Konzept des „esprit de nation“ auch eine relativistische Position: Gesetze werden, wie Menschen, von äußeren Umständen beeinflusst und sollen diesen deshalb möglichst ähnlich sein, bzw. diese widerspiegeln. Zu diesen Umständen gehören auch „Beispiele aus der Geschichte“160. Das Verbot der Holocaustleugnung ist ein Paradebeispiel für ein Gesetz, das sich im besonderen Maße aus dem geschichtlichen Kontext heraus erklären lässt und damit einen „esprit général“ als zeit- und gesellschaftsbezogene Größe reflektiert. 153 154 155 156 157 158 159 160
Montesquieu, Geist, Böhlke, S. 85. Montesquieu, Geist, Montesquieu, Geist, Christ, S. 146. Christ, S. 152. Montesquieu, Geist, Montesquieu, Geist,
12. Buch 2. Kap. (S. 255). 19. Buch 5. Kap. (S. 296). 11. Buch 18. Kap. (S. 247).
12. Buch 11. Kap. (S. 256). 19. Buch 4. Kap. (S. 295).
8. Kap.: Elemente in der neuzeitlichen Strafrechtsphilosophie
169
D. Rousseau: Das Verbrechen als Bruch des Gesellschaftsvertrages Rousseau widmet sich dem Strafrecht eher am Rande. Das Strafgesetz fungiert bei ihm nicht als eigene Gattung von Gesetzen, sondern als Sanktionierung aller anderen Gesetze.161 Das Verbrechen wird von Rousseau als Aufkündigung des Gesellschaftsvertrages verstanden und existentiell-dezisionistisch zugespitzt: der Verbrecher wird zum „Verräter am Vaterland“, er hört auf, „sein Glied zu sein“, bzw. liegt mit diesem „im Krieg“.162 Gegenüber dem Verbrecher muss sich der Staat entscheiden: entweder der Staat geht unter – oder sein „Feind“. Rousseau gilt deshalb nicht zu Unrecht als Urvater der Kategorie des „Feindstrafrechts“.163 Gegenüber Verbrechern wie dem Staatsfeind, den man nicht ohne Gefahr erhalten kann, hält Rousseau sogar die Todesstrafe für angebracht.164 Obwohl Rousseaus Lehre vom Gesellschaftsvertrag individualistische Züge erkennen lässt, ist in seiner Strafrechtstheorie eine Limitierung des Gesetzgebers auf den Individualschutz kaum ausgeprägt. Zwar dient der Gesellschaftsvertrag der Bewahrung der Person und seines Vermögens, und damit individuellen Gütern.165 Ziel des Gesellschaftsvertrages ist die Erhaltung der Vertragsschließenden.166 Aber zugleich geht der Bürger im Staat vollständig auf und entäußert sich vollständig all seiner Rechte („aliénation totale“).167 Der Angriff auf den Einzelnen ist damit auch immer ein Angriff auf das Kollektiv: „Sobald jene Menge auf solche Art zu einer Körperschaft verschmolzen ist, kann man keines ihrer Glieder verletzen, ohne die Körperschaft anzugreifen.“168 Das Staatsverständnis Rousseaus lässt für Rechte des Bürgers, die dieser dem Staat entgegensetzen könnte, keinen Raum. Ein derartiges Recht des Einzelnen wäre logische Voraussetzung für den Gedanken der Strafrechtslimitierung. Bei Rousseau fehlt dieses Recht. Mit der Staatsgründung unterwirft sich der Einzelne dem Diktat des Gemeinwillens. Diese Unterwerfung geht so weit, dass derjenige, der sich weigert, dem Gemeinwillen zu folgen, von der Gemeinschaft dazu gezwungen wird, „was nichts anderes heißt, als dass man ihn zwingt, frei zu sein“169. 161 162 163 164 165 166 167 168
Rousseau, Gesellschaftsvertrag, 2. Rousseau, Gesellschaftsvertrag, 2. Jakobs, HRRS (3) 2004, 88 (89). Vgl. auch Fischl, S. 36. Rousseau, Gesellschaftsvertrag, 1. Rousseau, Gesellschaftsvertrag, 2. Rousseau, Gesellschaftsvertrag, 1. Rousseau, Gesellschaftsvertrag, 1.
Buch 12. Kap. (S. 60). Buch 5. Kap. (S. 37).
Buch Buch Buch Buch
6. 5. 6. 6.
Kap. Kap. Kap. Kap.
(S. (S. (S. (S.
17). 37). 17). 20).
170
3. Teil: Sind Erinnerungsgesetze ideengeschichtlich vertretbar?
Eine Begrenzung des Strafrechts auf bestimmte Delikte mittels einer übergesellschaftlichen „Meta-Regel“ würde bedeuten, dass der Gemeinwille eben doch irren kann und nicht ausschließlich dem öffentlichen Wohl dient; das schließt Rousseau aber ausdrücklich aus.170 Selbst wenn der Gesetzgeber irren wollte, könnte er es nicht, da er dem Diktat der Vernunft nicht entrinnen kann.171 Damit ist letztlich die Festlegung auf ein liberal-kritisches, ausschließlich am Einzelnen orientiertes Strafrecht verbaut. Jedes Gesetz ist in sich vernünftig und damit legitim, sonst wäre es nicht erlassen worden. Der Gedanke der Volkssouveränität verträgt sich nicht mit dem Gedanken der Begrenzung des Gesetzgebers; denn souverän ist nur der, der in eigenen Angelegenheiten Letztentscheidungsbefugnis besitzt.
E. Beccaria: Gesellschaftsschutz vor Individualschutz In „Dei delitti e delle pene“ skizziert Beccaria die Grundlagen des modernen, humanen Strafrechts. Das Element der Gesellschaftsschädlichkeit spielt dabei eine gewichtige Rolle. Für ihn steht fest, „dass der wahre und einzige Maßstab der Größe und Schwere eines Verbrechens lediglich nur der Schaden sei, welcher der Gesellschaft daraus entsteht.“172 Was unter Schaden zu verstehen ist, definiert Beccaria indes nicht. Ebenso fehlt eine Definition des Verbrechens.173 Aus dem Kontext ist jedoch ersichtlich, dass unter seinen Schadensbegriff nicht nur messbare körperliche Schäden zu fassen sind.174 Das Strafrecht ist vielmehr auch ein Erziehungsmittel, durch welches sich die Bürger mit ihrem Staat identifizieren sollen.175 So heißt es bei ihm ausdrücklich: „Man beachte, dass das Wort Recht dem Worte Zwang (Macht176) nicht geradezu widerspricht.“177 Beccaria meint, wenn er von gutem und richtigem Strafrecht spricht, dasjenige Strafrecht, das zu einem Volk am besten passt. Damit folgt er dem Gedanken vom „Geist der Gesetze“ Montesquieus.178 169
Rousseau, Gesellschaftsvertrag, 1. Buch 6. Kap. (S. 21). Rousseau, Gesellschaftsvertrag, 2. Buch 3. Kap. (S. 30). 171 Vgl. Rousseau, Gesellschaftsvertrag, 2. Buch 4. Kap. (S. 33). 172 Beccaria, Hommel-Ausgabe, S. 51. 173 Reuter, in: Deimling (Hg.), S. 67. 174 So Naucke, in: Deimling (Hg.), S. 45, 52. 175 So Deimling, in: Deimling (Hg.), S. 175. 176 Beccaria, Alff-Ausgabe, S. 53. 177 Beccaria, Hommel-Ausgabe, S. 39. 178 Beccaria, wollte in Anlehnung an Montesquieu den „Geist der Strafgesetze“ schreiben, so Kräupl, in: Deimling (Hg.), S. 152. 170
8. Kap.: Elemente in der neuzeitlichen Strafrechtsphilosophie
171
Im Zentrum der Verbrechenseinteilung Beccarias steht nicht das Individuum, sondern die Gesellschaft.179 Nicht die Verletzung subjektiver Rechte zieht die schärfste Strafe nach sich, sondern, wie schon bei Hobbes, das Verhalten, das der Gesellschaft den größten Schaden zufügt. Zwar haben Strafen auf den „Endzweck der geselligen Verbindung abzuzielen“ und dieser ist als Grund des Gesellschaftsvertrages die „allgemeine Sicherheit“.180 Darin liegt jedoch keine Limitation des Strafrechts auf individuelle Belange. Beccaria distanziert sich vielmehr von einem Bezug des Strafrechts zum Einzelnen, indem er schreibt: „Andere bewerten die Verbrechen eher nach der Würde der betroffenen Person als nach der Bedeutung des Verbrechens für das öffentliche Wohl“181. Damit weist er dem Begriff „Gesellschaftsschaden“ eine eher kollektivistische Bedeutung zu. Diese Grundhaltung wird durch die Geringschätzung flankiert, mit der Beccaria beispielsweise dem Privateigentum begegnet. Im Kapitel über den Diebstahl schreibt Beccaria hinter dem Wort „Eigentumsrecht“ in Klammern: „ein schreckliches und vielleicht nicht nöthiges Recht“182, (im Original: „terribile e forse non necessario diritto“183). Diese Aussage hat u. a. bei Radbruch für Irritationen gesorgt, war von Beccaria aber beabsichtigt gewesen.184 Sie wird im Kapitel über den Privatbankrott bestätigt, wo es heißt, dass das Recht des Eigentums der Güter nicht der Zweck der gesellschaftlichen Verträge sei.185 Zu den schwersten Verbrechen gehören für Beccaria diejenigen, die „auf die Zerrüttung und den Untergang der ganzen Gesellschaft unmittelbar abzielen“.186 Diese Art von Verbrechen, das als das gefährlichste beschrieben wird, zielt auf den Untergang des Volkes und den, der ihr vorsteht ab, und wird je nach Übersetzung „Hochverrat“187 oder „Majestätsverbrechen“188 179 Reuter, in: Deimling (Hg.), S. 68; Hommel geht daher wohl in seiner Interpretation Beccarias zu weit, wenn er das Verbrechen als etwas definiert, wodurch dem anderen etwas entzogen wird, S. 54. 180 Beccaria, Hommel-Ausgabe, S. 39. 181 Beccaria, Alff-Ausgabe, S. 64; in der Hommel-Ausgabe S. 52 lautet die Passage: „Andere Staatslehrer wollen die Verbrechen vielmehr nach der Würde des Beleidigten, als nach den traurigen Folgen, die dem gemeinen Wesen daher entstehen, abgemessen wissen.“ 182 Beccaria, Glaser-Ausgabe, S. 78; in der Übersetzung von Hommel fehlt diese Passage. 183 Beccaria, Turotti-Ausgabe, S. 351. 184 Reuter, in: Deimling (Hg.), S. 64. 185 Beccaria, Hommel-Ausgabe, S. 151. 186 Beccaria, Hommel-Ausgabe, S. 48. 187 Beccaria, Hommel-Ausgabe, S. 57. 188 Beccaria, Alff-Ausgabe, S. 66.
172
3. Teil: Sind Erinnerungsgesetze ideengeschichtlich vertretbar?
genannt. Gemeint ist hier ein Angriff auf den Bestand des Gemeinwesens, so wie es sich durch den Vertragsschluss konstituiert hat. Die Schwere dieser Verbrechen spiegelt sich auch im Strafmaß wider. Wie bekannt ist, übernahm Beccaria von Rousseau die Konzeption des Gesellschaftsvertrages, weicht aber in zentralen Punkten von ihr ab. Wo Rousseau eine völlige Entäußerung aller Rechte des Einzelnen fordert (aliénation totale), schließt Beccaria dies für das Leben aus, da die freiheitsdienende Funktion des Gesellschaftsvertrages eine Übertragung des Lebensrechts nicht beinhalten könne.189 Demzufolge lehnt Beccaria die Todesstrafe ab. Auf der untersten Stufe der Verbrechensrangfolge steht die „gar geringe Beleidigung, die man einzelnen Mitgliedern der Gesellschaft zufügt“.190 Zu diesen zwei Kategorien gesellt sich noch eine dritte Kategorie, nämlich die Verstöße gegen das öffentliche Wohl. Zur letzten Kategorie gehört z. B. die öffentliche Ruhe, die durch Lärm oder sonstigen Aufruhr auf öffentlichen Straßen gestört wird. Hier erwähnt Beccaria zur Illustration auch sog. „fanatische Reden“191 („fanatici sermoni“192). Nach der Klassifizierung Beccarias könnte man die Holocaustleugnung in die schwerste Stufe der Verbrechen einordnen, da sie sich auch gegen den Bestand der aktuell gefassten staatlichen Ordnung als solche richtet.193 Dieser etwas drastische Befund wird gestützt durch den Vergleich mit anderen Delikten der letzten Kategorie, wie dem Unfug und der Zänkerei194 bzw. in der Übersetzung von Alff, dem Lärm und der Lustbarkeit195. Hommel übersetzt den Ausdruck „fanatici sermoni“ systematisch passender und dem gemeinten Inhalt angemessener mit „schwärmerischen Reden“196. Zu letzteren eher harmlosen Handlungen zählte Beccaria wohl auch die Gotteslästerung.197 Die Strafrechtstheorie Beccarias zeigt, dass der Gesellschaftsschaden keine rein individuelle Kategorie ist, sondern einen Schutz des Kollektivs bezwecken kann. Das utilitaristische Strafrecht Beccarias geht zwar von dem Einzelnen als Vertragspartner des Gesellschaftsvertrages aus, hat aber 189
Beccaria, Hommel-Ausgabe, S. 115. Beccaria, Hommel-Ausgabe, S. 48; unter Beleidigung fallen auch der vorsätzliche Mord, Straßenraub, Vergiftung und andere individualrechtsschützenden Delikte, so die Bemerkung von Hommel, S. 56. 191 Beccaria, Alff-Ausgabe, S. 72. 192 Beccaria, Turotti-Ausgabe, S. 357. 193 Dem Strafmaß nach zu urteilen, geschieht dies so gesehen in einigen Staaten: in Deutschland beträgt die Höchststrafe 5 Jahre, in Österreich gar 15 Jahre. 194 Beccaria, Hommel-Ausgabe, S. 65. 195 Beccaria, Hommel-Ausgabe, S. 72. 196 Beccaria, Hommel-Ausgabe, S. 65. 197 Schünemann, in: Hefendehl (Hg.), S. 139. 190
8. Kap.: Elemente in der neuzeitlichen Strafrechtsphilosophie
173
nicht primär den Schutz des Einzelnen zum Gegenstand, sondern rechtfertigt das Strafrecht durch die Bedürfnisse der Gemeinschaft. Dieser Gedanke setzt dem Strafrechtsgesetzgeber kaum Grenzen und besitzt allenfalls einen schwachen kritisch-liberalen Gehalt.198
F. Kant: Die Lüge als Verbrechen gegen den Urvertrag In Kants Strafrechtstheorie lässt sich, trotz der liberalen Tendenz in seiner Staatsphilosophie, gemeinhin keine Begrenzung des Strafrechts auf bestimmte Delikte erkennen.199 Kant definiert das Verbrechen allgemein als „Übertretung des öffentlichen Gesetzes“.200 Wenig untersucht ist bisher die Frage, inwieweit Kant kollektivistische Positionen im Recht vertritt. Eine grundsätzliche Anerkennung solcher Positionen wird angenommen.201 Diese Frage soll hier anhand des Beispiels der Lüge vertieft werden, zumal die Position Kants zur Lüge auch eine Annäherung an das Verbot der Holocaustleugnung ermöglicht. Kant hat sich in seinem Werk mehrfach zum Problem der Lüge geäußert und sie unter moralischen wie rechtlichen Gesichtspunkten behandelt.202 In der Tugendlehre der „Metaphysik der Sitten“ geißelt er die Lüge mit scharfen Worten als „größte Verletzung der Pflicht des Menschen gegen sich selbst“ und „Vernichtung der eigenen Menschenwürde“, durch die der Mensch „einen noch geringeren Werth [hat], als wenn er blos Sache wär“.203 Das Lügeverbot wird als moralisches „Verbot“ verstanden, als „Pflicht gegen sich selbst“. Zusätzlich zur moralischen Verwerflichkeit wird die Lüge rechtlich nur dann missbilligt, wenn sie die äußere Sphäre eines anderen berührt, so z. B. wenn sie das Recht eines anderen behindert: „Im rechtlichen Sinne aber will man, daß nur diejenige Unwahrheit Lüge genannt werde, die einem anderen unmittelbar an seinem Rechte Abbruch thut, z. B. das falsche Vorgeben eines mit jemandem geschlossenen Vertrags, um ihn um das seine zu bringen“204.
Außerhalb dieses Falles soll ein rechtliches Verbot der Lüge, z. B. in Form der Holocaustleugnung, nach dieser Lesart deshalb illegitim sein.205 198 199 200 201 202 203 204 205
So auch Naucke, in: Deimling (Hg.), S. 52; a. A. Baratta, S. 331; Persˇak, S. 51. So z. B. Höffe, S. 158; Schünemann, in: Hefendehl (Hg.), S. 139. Kant, AA VI, S. 331. Eser, Mestmäcker-FS, S. 1009 Fn. 23. Siehe z. B. Höffe, S. 125 ff. Kant, AA VI, S. 429 (Die Beifügung in Klammern stammt von mir). Kant, AA VI, S. 238. So ausdrücklich Kühl, ZStW 2004, 870 (889).
174
3. Teil: Sind Erinnerungsgesetze ideengeschichtlich vertretbar?
Dieser tendenziell individualistischen Sicht in der „Metaphysik der Sitten“ steht jedoch noch ein sehr viel allgemeiner formuliertes rechtliches Lügeverbot zur Seite. In der Spätschrift „Über ein vermeintes Recht aus Menschenliebe zu lügen“ postuliert Kant eine allgemeine Pflicht zur Wahrheit und begründet damit ein allgemeines rechtliches206 Lügeverbot: „Ich mag hier nicht den Grundsatz bis dahin schärfen, zu sagen: ‚Unwahrhaftigkeit ist Verletzung der Pflicht gegen sich selbst.‘ Denn dieser gehört zur Ethik; hier aber ist von einer Rechtspflicht die Rede. – Die Tugendlehre sieht in jener Übertretung nur auf die Nichtswürdigkeit, deren Vorwurf der Lügner sich selbst zuzieht.“207
Für eine rechtliche Einordnung spricht neben dem Wortlaut („Rechtspflicht“) auch ein systematisches Argument. Kant definiert die ethische Wahrheitspflicht als Pflicht gegen sich selbst.208 Wenn er das rechtliche Lügeverbot auf eine individuelle (den Lügner selbst bezogene) Pflicht gestützt hätte, würde der Staat paternalistisch handeln, wenn er ein allgemeines Lügeverbot festschreibt; gegen den Paternalismus verwahrt sich Kant jedoch an anderer Stelle mit deutlichen Worten.209 Anders verhält es sich nur, wenn man die Rechtspflicht, die Wahrheit zu sagen, von der Ebene des Individuums löst. Dies tut Kant nunmehr: Er postuliert die Pflicht, die Wahrheit zu sagen, selbst wenn dies bedeutet, den Mördern eines Menschen den Aufenthaltsort des Opfers zu verraten („Mörder-Beispiel“); vielen gilt dies als Paradebeispiel für eine rigoristisch-deontologische Sichtweise.210 Kant hat in der „Metaphysik der Sitten“ in Anlehnung an die berühmte Trias Ulpians (honeste vive, neminem laede, suum cuique tribue) als äußere Rechtspflicht den Grundsatz „neminem laede“ ausgemacht. In der Schrift „Über ein vermeintes Recht aus Menschenliebe zu lügen“ unterscheidet Kant zwischen zwei Rechtspflichten: nämlich niemandem Unrecht zu tun (laedere), und niemandem zu schaden (nocere).211 Die Rechtspflicht, niemandem Unrecht zu tun (neminem laede) gilt im „Mörder-Beispiel“ vorrangig und wird nicht deshalb im Ergebnis neutralisiert, weil die Folgen des Handelns einen Schaden für eine Person bedeuten (nocere). Im Beispiel 206 So z. B. Annen, S. 107 Fn. 51 m. w. N.; Geismann, in: Oberer/Seel (Hg.), S. 297; Pawlik, Verhalten, S. 91; Wagner, Kant-Studien (1) 1978, 90 (91); dagegen wohl: Dietz, ARSP Beiheft Nr. 75, 83 (90); Gillespie, in: Geismann/Oberer (Hg.), S. 86; Kühl, Spendel-FS, S. 90. 207 Kant, AA VIII, S. 426 (Hervorhebung von mir). 208 Kant, AA VI, S. 431; siehe auch Annen, S. 108. 209 Kant, AA VIII, S. 290. 210 Schünemann, GA 2007, 644 (647) Fn. 8 „doktrinärer Standpunkt“. 211 Siehe zur Unterscheidung zwischen „harm“ und „wrongdoing“ auch: Feinberg, The Moral Limits of the Criminal Law Bd. 1–4.
8. Kap.: Elemente in der neuzeitlichen Strafrechtsphilosophie
175
Kants verstößt derjenige, der einen Mörder bezüglich des Aufenthaltsorts des potentiellen Opfers belügt, gegen die Rechtspflicht, niemandem Unrecht zu tun. Die schadensträchtigen Folgen (im Sinne von nocere) für das Opfer hingegen sind demjenigen, der die Wahrheit sagt, laut Kant nicht mehr zurechenbar: „Es war bloß ein Zufall (casus), daß die Wahrhaftigkeit der Aussage dem Einwohner des Hauses schadete, nicht eine freie That (in juridischer Bedeutung).“212 Auf Grund dieser Aufteilung lässt sich auf eine Hierarchie bei Kant bezüglich Rechtspflichten schließen: Die einzige und entscheidende Rechtspflicht bei Kant ist diejenige, nicht Unrecht zu tun. Der Schaden hingegen ist als Kategorie unbrauchbar.213 Die juristische Definition der Lüge als „falsiloquium in praeiudicium alterius“214 scheint Kant hier zu verwerfen, wenn er schreibt: „die Lüge schadet jederzeit einem anderen, wenn gleich nicht einem andern Menschen, doch der Menschheit überhaupt, indem sie die Rechtsquelle unbrauchbar macht.“215 Kants rechtliches Verbot der Lüge, die er sogar als „Verbrechen“216 bezeichnet haben will, stützt sich also nicht auf das Recht eines Einzelnen, welches durch die Lüge beeinträchtigt wird, vielmehr argumentiert Kant kollektivistisch.217 Spiegelbildlich zur Pflicht des Einzelnen, die Wahrheit zu sagen, steht das kollektive Recht der Menschheit auf die Wahrheit. Kant behauptet, die Lüge mache die Rechtsquelle unbrauchbar.218 Damit meint Kant nicht nur alle positiven Verträge, sondern auch den Urvertrag selbst.219 Die Rechtsquelle als solche ist kein verletzbares Objekt, dem man im Sinne von „nocere“ schaden kann.220 Die Rechtsquelle ist vielmehr der Ursprung aller Beziehungen zwischen Menschen. Pawlik nennt diesen Ursprung das „soziale Vertrauen in die Wahrhaftigkeit von Äußerungen“221. Wird diese Quelle unbrauchbar gemacht, ist das gesellschaftliche Band in Gefahr. Denn bei Kant entsteht Gesellschaft erst durch Recht: 212
Kant, AA VIII, S. 428. So Geismann, in: Oberer/Seel (Hg.), S. 300. 214 Kant, AA VIII, S. 426. 215 Kant, AA VIII, S. 426. 216 Kant gibt zu, die Lüge gegen einen Mörder als „Verbrechen“ bezeichnet zu haben, Ort und Zeitpunkt der Aussage sind ihm jedoch nicht bekannt: Kant, AA VIII, S. 425. 217 Dietz, ARSP Beiheft Nr. 75, 83 (90); Ebbinghaus, in: Geismann/Oberer (Hg.), S. 80. 218 Kant, AA VIII, S. 426. 219 Annen, S. 112; Wagner, Kant-Studien (1) 1978, 90 (94). 220 Annen, S. 111. spricht von einem „rechtslogischen Schaden“; Geismann, in: Oberer/Seel (Hg.), S. 307 von einem „Schaden der Form nach“. 221 Pawlik, Verhalten, S. 91. 213
176
3. Teil: Sind Erinnerungsgesetze ideengeschichtlich vertretbar?
„Der practisch souveraine Grund des Rechts macht eine Gesellschaft“222. Ähnlich zu Kant sah auch Bentham in der Lüge eine „dissolution of human society“223. Damit ist die hier vertretene Ansicht bezüglich der Holocaustleugnung als eine bewusste Infragestellung der Legitimität des politisch-gesellschaftlichen status quo von der Kantschen Auffassung der Verletzung des Urvertrages nicht mehr allzu weit entfernt. Der Unterschied liegt jedoch darin, dass Kant die Lüge per se, also universell, als rechtlich verwerflich und für den Urvertrag als abträglich einstuft, während nach der hier vertretenen Auffassung „nur“ das Leugnen des Holocaust als Angriff auf den situativen Grundkonsens des republikanisch-demokratischen Staates der Post-NS-Ära als strafwürdig eingeordnet wird, nicht jedoch jede Lüge. Kant argumentiert normentheoretisch also auf deontologische Weise und nicht axiologisch-anthropologisch, bzw. in gesellschaftlichen Wert- und Interessenskategorien.224 Nach der hier vertretenen Auffassung besteht nicht an der Unterbindung jeder Lüge ein gleich großes Interesse (so z. B. bezüglich der Behauptung, die Erde sei eine Scheibe). Auf Grund der deontologischen Begründung des Lügeverbots bei Kant lässt sich das Verbot der Holocaustleugnung aber mit einem argumentum a fortiori legitimieren. Denn wenn die Menschheit laut Kant bereits ein kontextunabhängig und ausnahmslos geltendes Recht auf Wahrheit hat, so müsste dieses erst Recht dann bestehen, wenn an der Unverfälschtheit einer bestimmten Wahrheit, die als besonders schützenswert gilt, ein legitimes Interesse besteht. Das Verbot der Holocaustleugnung ist damit kein Verbot, das der Ansicht Kants inhaltlich prinzipiell zuwider läuft.225
G. Hegel: Die Strafe als Mittel zur Bewahrung des Allgemeinen Hegels Rechts- und Staatsphilosophie bedeutete die stärkste Zäsur mit dem damaligen Zeitgeist in der Philosophie, das Individuum zum Maß aller Dinge zu erklären.226 Hegel hat versucht, Individuum und Kollektiv zu vereinen.227 Einen bloß negativen Freiheitsbegriff lehnte Hegel ab. Freiheit be222
Kant, AA XIX, S. 533 R 7847. Bentham, S. 260. 224 Siehe zur Terminologie: Alexy, S. 126. 225 Kühl, Geilen-Symp., S. 117 behandelt die Lüge bei Kant nur unter dem moralischen, nicht aber auch rechtlichen Aspekt und damit verkürzt; vgl. auch ZStW 2004, 870 (889). 226 Vgl. Seelmann, S. 34. 227 Stübinger, S. 87. 223
8. Kap.: Elemente in der neuzeitlichen Strafrechtsphilosophie
177
deutete für ihn ein freies „Bei-Sich-Selbst-Sein im anderen“ (Ottmann): Hegels Freiheit „sucht nicht nach Abgrenzung, sondern nach Gemeinsamkeit, und sie verwirklicht sich in Gemeinschaften, in denen der andere nicht als Schranke der eigenen Freiheit, sondern als deren Bedingung und Erfüllung erfahren wird.“228 Der Staat ist demnach als ein sittliches Gebilde zu verstehen, in welchem das Individuum und das Kollektiv vereint sind: „Das Sittliche Ganze ist die Einheit der Individualität und des Ganzen.“229 Die Sittlichkeit als Vereinigungsprinzip zwischen dem Einzelnen und dem Kollektiv drückt sich auch in Gesetzesform aus. Die Gesetze und die Verfassung sind das innere Leben des Volksgeistes.230 Gesetze werden in Anlehnung an Montesquieu als Ausdruck der konkreten geistigen Verfasstheit eines Staates betrachtet.231 Ihre Existenz rechtfertigt Hegel holistisch, indem er sie nicht isoliert und abstrakt betrachtet, sondern vom Charakter einer Nation und ihrer Zeit abhängig macht; „in diesem Zusammenhang erhalten sie ihre wahrhafte Bedeutung sowie damit ihre Rechtfertigung.“232 Dies gilt auch für das Strafrecht: Eine Strafe kann je nach der Verfasstheit einer Gesellschaft stärker oder schwächer ausfallen; Hegel nennt den Kindermord und den Diebstahl als Beispiel.233 Hegel entnimmt aus der Gegebenheit des Rechts dessen Rechtfertigung. Sein positivistisches Credo lautet: „was vernünftig ist, das ist wirklich; und was wirklich ist, das ist vernünftig.“234 Unter anderem hier vereint sich seine Auffassung mit der von Rousseau, wonach die volonté générale nicht irren kann, selbst wenn sie es wollte: sie bleibt unverrückbar der Vernunft verpflichtet.235 Der Gedanke der Strafrechtslimitation scheidet dieser Denkart zu Folge aus.
Im Zentrum der Strafrechtstheorie Hegels steht nicht der Schutz individueller Güter, obwohl sich auch bei ihm die Höhe der Strafe nach der Gefährlichkeit der Handlung für die bürgerliche Gesellschaft bestimmt.236 Hegel definiert Verbrechen materiell als „Verletzung des Rechts“,237 bzw. als „Verletzung des Rechts als Recht“238. Das Strafgesetz dient der Bewahrung des „Allgemeinen“239, das er als das durch das Denken hervorgebrachte Gute de228 229 230 231 232 233 234 235 236 237 238 239
Ottmann, in: Maier/Denzer (Hg.), S. 141. Zitiert nach Habermas, Philosophischer Diskurs, S. 53. Hegel, GW 4, § 200 (S. 63). Hegel, GW 7, § 261 (S. 408). Hegel, GW 7, § 3 (S. 34). Hegel, GW 7, § 96 Anm. (S. 183). Hegel, GW 7, S. 24 (Vorrede). Rousseau, Gesellschaftsvertrag, 2. Buch 3. Kap. (S. 30). Hegel, GW 7, § 218 (S. 371); zur Gefährlichkeit siehe Seelmann, S. 25. Hegel, GW 7, § 95 (S. 181). Hegel, GW 7, § 97 (S. 184). Hegel, GW 7, § 95 (S. 181).
178
3. Teil: Sind Erinnerungsgesetze ideengeschichtlich vertretbar?
finiert240. Der Verbrecher versucht durch seine Handlung, das durch das Recht festgelegte „Allgemeine“ durch das von ihm anvisierte „Besondere“ zu ersetzen241, also einen eigenen „Gegen-Weltentwurf“ (Pawlik242) durchzusetzen. Er negiert die im Recht ausgedrückte allgemeine Normgeltung. Seine Handlung ist nichtig, insofern sie versucht, das Recht als Recht aufzuheben, denn dies ist auf Grund des absoluten Charakters des Rechts unmöglich.243 Verbrechen werden bestraft, damit sie sich nicht als Recht durchsetzen, bzw. das Besondere nicht zum Allgemeinen wird.244 Die Strafe ist die Negation der Negation des Rechts: „Das wirkliche Recht ist nun Aufhebung dieser Verletzung, das eben darin seine Gültigkeit zeigt und sich als ein notwendiges vermitteltes Dasein bewährt.“245 Ebenso ist die Strafe für den Verbrecher etwas, worauf er ein Recht hat, um wieder Zugang zur Gesellschaft zu finden.246 Oder wie es in der „Phänomenologie des Geistes“ heißt: „Das Verbrechen seinem Inhalte nach aber hat seine Reflexion-in-sich oder seine Verkehrung an der wirklichen Strafe; diese ist die Aussöhnung des Gesetzes mit der ihm im Verbrechen entgegengesetzten Wirklichkeit.“247
Hegels Strafrechtstheorie beruht auf dem Gedanken, dass das Verbrechen eine Rechtsverletzung darstellt. Das Verbrechen ist die Störung der abstrakten Geltungssphäre des Rechts. Auf Schadenskategorien im Strafrecht verzichtet er und verweist hierfür auf das Zivilrecht.248 Auf Grund der sittlichen Einheit von Individuum und Kollektiv sowie der Kontextabhängigkeit des Rechts entstehen automatisch legitime Normen, ohne dass es für diese noch eines übergeordneten Referenzmaßstabs bedürfte.
H. Durkheim: Verbrechen als Verletzung eines Kollektivbewusstseins Emile Durkheim widmet sich dem Strafrecht in seiner Dissertation „Über soziale Arbeitsteilung“249, um die Zusammengehörigkeit einfacher Gesell240
Hegel, GW 18, S. 467. Baermann, S. 26. 242 Verhalten, S. 56. 243 Hegel, GW 7, § 97 Zusatz (S. 185). 244 Hegel, GW 7, § 218 Zusatz (S. 372). 245 Hegel, GW 7, § 97 Zusatz (S. 185). 246 Baermann, S. 30. 247 Hegel, GW 3, S. 130. 248 Hegel, GW 7, § 98 (S. 185); für eine überindividualistische Deutung auch: Pawlik, Jakobs-FS, S. 483. 249 Laut Parsons, Structure, S. 308: „the most important landmark in the history of social thought“. 241
8. Kap.: Elemente in der neuzeitlichen Strafrechtsphilosophie
179
schaften rechtlich zu verdeutlichen. Was diese Gesellschaften zusammenhält ist ein lien social, das Band einer Solidarität aus Gemeinsamkeiten („mechanische Solidarität“), das im Strafrecht seine wesentlichste Ausprägung findet: „Das Band der sozialen Solidarität, dem das Strafrecht entspricht, ist jenes, dessen Bruch das Verbrechen darstellt.“250 Die Gesellschaft bringt durch die Pönalisierung einer Handlung ihre Missbilligung und soziale Verachtung zum Ausdruck. Die Untersuchung dieses Bandes der sozialen Solidarität soll allgemein Aufschluss darüber bringen „welches die Ursache der Bestrafung ist, oder deutlicher, worin das Verbrechen wesentlich besteht“251. Denn, so unterschiedlich Verbrechen auch sein mögen, so eint sie die immer gleiche Reaktion.252 Im Kern der Strafrechtstheorie Durkheims befindet sich der Begriff des Kollektivbewusstseins („conscience collective“).253 Eine Handlung ist kriminell, „wenn sie starke und bestimmte Zustände des Kollektivbewusstseins verletzt“254. Dieses Bewusstsein definiert er als „die Gesamtheit der gemeinsamen religiösen Überzeugungen und Gefühle im Durchschnitt der Mitglieder einer bestimmten Gesellschaft“255. Diese Gefühle sind tief in uns allen verwurzelt und weisen eine bestimmte mittlere Intensität auf.256 Somit ist das repressive Recht auch ein Gradmesser für die Vitalität des Kollektivbewusstseins.257 Diese Gefühle sind zudem – im Gegensatz zu Moralvorstellungen – relativ starr und unnachgiebig; moralische Regeln seien hingegen verschwommen.258 Durkheim hat versucht, aus der emotiven Reaktion auf eine Handlung der Ursache des Strafrechts näherzukommen: „Aber allein dadurch, dass sich ein Gefühl, welches auch immer sein Ursprung und sein Ziel sei, in dem Bewusstsein aller mit einem bestimmten Grad an Stärke und Genauigkeit wiederfindet, wird jede Handlung, die es verletzt, zum Verbrechen.“259
Die Ursache der Bestrafung liegt in den Beziehungen, die strafbare Handlungen zu einer externen Bedingung wie dem Kollektivbewusstsein haben. Eine solche Bedingung ist nichts anderes als die Frage nach der Legitima250 251 252 253 254 255 256 257 258 259
Durkheim, Arbeitsteilung, S. 118. Durkheim, Arbeitsteilung ebd. Durkheim, Arbeitsteilung, S. 153. Eingehend zu diesem Begriff: Gephart, Strafe, S. 39 ff. u. 56 ff. Durkheim, Arbeitsteilung, S. 129. Durkheim, Arbeitsteilung, S. 128. Durkheim, Arbeitsteilung, S. 126. Parsons, Structure, S. 318. Durkheim, Arbeitsteilung, S. 127, 128. Durkheim, Arbeitsteilung, S. 131.
180
3. Teil: Sind Erinnerungsgesetze ideengeschichtlich vertretbar?
tion. Bei einer kollektivistischen Strafrechtstheorie, wie der Durkheims, fallen Legitimität und Legitimation zusammen: Die gemeinsamen Wertvorstellungen sind in ihrer im Gesetz verdichteten Form bereits die Legitimationsgrundlage. Andere externe Bedingungen lehnt Durkheim ab. So ist für ihn beispielsweise der Schaden einer Handlung als Gradmesser unbrauchbar, da eine Tat für eine Gesellschaft verheerend sein könne, ohne dass diese Handlung untersagt sei: „Im Strafrecht der zivilisierten Völker wird der Mord weltweit als das größte Verbrechen angesehen. Trotzdem können aber eine ökonomische Krise, ein Börsenkrach, sogar ein Konkurs einen sozialen Körper viel ernsthafter desorganisieren als ein einzelner Mord.“260
Die Strafe ist nicht nur Ausdruck einer Missbilligung, sondern gleichzeitig Vergewisserung darüber, dass die Gefühle, die verletzt worden sind, von allen geteilt werden.261 Das Verbrechen ist Prüfstein für die Existenz des Kollektivbewusstseins und damit eine „notwendige“ Erscheinung. In der gemeinsamen Reaktion verschmelzen die Individuen gegen das Unheil in einer organischen Reaktion und legen „subkutane Kräfte des emotiven Lebens“262 frei. Die Strafe hat daher die Funktion, die cohésion sociale zu bewahren. Die Strafe als Ausdruck der kollektiven Gefühle bestätigt das Nähegefühl der Bürger untereinander, aber auch das Nähegefühl der Bürger zum Staat. Die Bürger vergewissern sich durch das Strafrecht, dass das Recht eine mehr oder weniger starke Rückkoppelung zu den eigenen Vorstellungen hat.263 Diese Funktion des Strafrechts ist modernen Rechtsordnungen nicht fremd: Die deutsche Strafprozessordnung legt in § 153 den Begriff des „öffentlichen Interesses“ zu Grunde, der nur eine von vielen dieser Rückkoppelungseinheiten ist, die Durkheim gemeint hat; eine ebenfalls nicht zu unterschätzende Rolle dürfte der Erregungsgrad des Kollektivbewusstseins der Gesellschaft für den Strafrichter bei der Strafzumessung spielen.
Eine besondere Nähe zum Kollektivbewusstsein weist die Person der „Führungsmacht“, also der Repräsentant eines Kollektivs, auf. Dieser Ausdruck des sozialen Typus bekommt die Aufgabe „den Glaubensbekenntnissen, den Überlieferungen, den kollektiven Praktiken Ansehen zu verleihen, d.h. das gemeinsame Bewusstsein gegen innere und äußere Feinde zu verteidigen.“264 Somit kann ein Verbrechen auch darin bestehen, dass es einen Angriff auf die transzendente Autorität der Führungsmacht darstellt. Damit 260 261 262 263 264
Durkheim, Arbeitsteilung, S. 121. Durkheim, Arbeitsteilung, S. 153. Gephart, Strafe, S. 122. So auch Mead, Americ. J. Soc. 1918, 577 (598). Durkheim, Arbeitsteilung, S. 133.
Ergebnis
181
ließen sich beispielsweise der Straftatbestand der Beleidigung des Staatsoberhauptes erklären. Aber auch die Erinnerung an den Holocaust als „soziale Praxis“, die gegen Leugner verteidigt werden muss, speist sich aus der Zentrierung kollektiver Gefühle. Angela Merkels Intervention gegenüber dem Vatikan in der Causa Williamson mit der Begründung, dass Relativierungen des Holocaust mit der deutschen Staatsräson unvereinbar seien, lässt sich mit Durkheims Lehre vom Kollektivbewusstsein erklären. Die Legitimation des Strafrechts mit Gefühlen war auf Grund des bereits vorangeschrittenen Versuchs der Entzauberung der Welt (Weber) bestimmt nicht zeitgeistkonform und wirkt vielleicht heute etwas anachronistisch und psychologisierend; sie zeigt jedoch, dass es im Rationalen auch einen Kern Irrationales gibt, das sich nicht bis ins letzte Detail entschlüsseln lässt. Die integrationsstiftende Wirkung des Strafrechts hat jedenfalls niemand stärker betont als Durkheim. Diese Wirkung ist jedoch nicht nur, wie Durkheim schreibt, auf einfache Gesellschaften beschränkt. Denn gerade bei arbeitsteiligen Industriegesellschaften kann nicht schon auf Grund einer organischen Solidarität auf eine gemeinsame Moral geschlossen werden. Die Anwendbarkeit seiner Strafrechtstheorie auf moderne Gesellschaften ist in Durkheims Theorie unausgeleuchtet geblieben.265
Ergebnis Es ist gezeigt worden, dass die neuzeitliche Strafrechtsphilosophie gemeinschaftsorientierte Rechtfertigungsmuster kennt. Die Begründung einer Strafrechtsnorm mit gemeinschaftlichen Argumenten muss daher keinen Bruch mit der Tradition der Strafrechtsphilosophie bedeuten, sondern steht vielmehr in deren Kontinuität – mit allen Nuancen und Gewichtungen, die es zwischen den Denkern gibt. Bei den Vertragstheoretikern, insbesondere Hobbes, Rousseau und Beccaria lässt sich aus dem Gedanken des Gesellschaftsschadens nicht ohne Weiteres eine Verpflichtung des Gesetzgebers zur Strafrechtslimitation ableiten. Individuelle Güter finden stets auf niedrigerem Rang Erwähnung als Kollektivbelange. Es ist daher wenig überzeugend, eine individualistische Orientierung als einzig legitime Variante des modernen Strafrechts aus den Vertragstheorien abzuleiten. Dies zeigt auch, dass vermeintlich einfache Kategorien wie „liberal“ oder „nicht liberal“ wenig Aussagekraft besitzen. Der Gedanke der Strafrechtslimitation verlangt schließlich nicht zwingend eine Rückkoppelung mit individuellen Interessen. Selbst die kollekti265 Vgl. Gephart, Strafe, S. 46, 48, 102 („Fehlkonstruktion“); Joas, S. 107; Tyrell, in: Luhmann (Hg.), S. 223.
182
3. Teil: Sind Erinnerungsgesetze ideengeschichtlich vertretbar?
vistisch argumentierenden Denker (insbesondere Hegel und Durkheim) verlangen eine Rückkoppelung mit einenden gemeinschaftlichen Elementen (Geist, Kollektivbewusstsein) und setzen dadurch der Willkür des Gesetzgebers immanente Schranken. Dort, wo individuelle Rechtspositionen als Rechtfertigung fehlen, darf die Gemeinschaft als kollektive Größe herangezogen werden. Dies zeigt sich deutlich in Kants Begründung der Lüge als Verbrechen gegen die Menschheit. Die Hybridität des Strafrechts offenbart einerseits einen Schutz individueller Rechte und ist anderseits Ausdruck des Selbstverständnisses einer Gesellschaft. Damit letztere Funktion nicht überhand nimmt, gibt es die Möglichkeit der Limitation, entweder im Strafrecht selbst oder im Verfassungsrecht. Im Folgenden ist zu untersuchen, inwiefern Gemeinschaftsbezüge einen Platz in der Strafrechtsdogmatik haben und ob sich das Rechtsgut der „kollektiven Erinnerung“ darin einordnen lässt.
Vierter Teil
Sind Erinnerungsgesetze strafrechtsdogmatisch integrierbar? Im Folgenden ist die Frage zu klären, ob, und gegebenenfalls wie das Rechtsgut der kollektiven Erinnerung in die Strafrechtsordnungen Deutschlands, Frankreichs, Polens und Englands integrierbar ist. Dabei ist vornehmlich der Frage nachzugehen, ob die einzelnen Rechtsordnungen an die Qualität eines strafrechtlich schützbaren Interesses, Guts o. ä. bestimmte Ansprüche stellen und wenn ja, ob die kollektive Erinnerung diese erfüllt. Zu diesem Zweck werden zuerst die jeweiligen Kriterien für den materiellen Verbrechensbegriff, sofern diese vorhanden sind, untersucht. Dabei gilt das besondere Augenmerk gemeinschaftlichen Belangen. Danach wird versucht werden, das Gut der „kollektiven Erinnerung“ unter diese Kriterien zu fassen. Auf dogmengeschichtliche Aspekte wird dort eingegangen, wo dies für nötig erachtet wird, ansonsten muss hierfür aus Platzgründen auf andere Werke verwiesen werden.1 9. Kapitel
Verbrechensbegriff und Gemeinschaftsinteressen A. Der materielle Verbrechensbegriff in Deutschland I. Der Begriff des Rechtsguts Unter dem materiellen Verbrechensbegriff wird die Beschreibung dessen verstanden, was inhaltlich als strafwürdige Handlung gelten soll. Der materielle Verbrechensbegriff versucht, Kriterien für die Verbrechensdefinition festzulegen, die über die bloße Existenz der Strafnorm (formeller Verbrechensbegriff) hinausgehen.2 Eine maßgebliche (wenngleich nicht ausschließliche) Rolle kommt dabei dem Begriff des Rechtsguts zu. Ein Verbrechen ist demnach eine Handlung, die Rechtsgüter verletzt.3 Aktuell 1 2
Siehe z. B. die Monographien von Amelung und Sina. Roxin, AT I § 2, Rn. 1.
184
4. Teil: Sind Erinnerungsgesetze strafrechtsdogmatisch integrierbar?
scheint es so, als habe das Konzept des Rechtsguts nach der ein oder anderen heftigen „Breitseite“ und einer sich ausbreitenden „Rechtsgutsmüdigkeit“4 wieder mehr Unterstützer bekommen, so dass sich die Rechtsgutslehre insgesamt eines steigenden Interesses erfreut. Ob sich diese Entwicklung zu einer neuen Popularität der Rechtsgutstheorie auswachsen wird, oder dies das letzte Auflodern einer anachronistischen Lehre war, wird die Zukunft zeigen. Momentan ist das Rechtsgut ein bedeutendes Maß für die Legitimation von Delikten. Der Begriff des Rechtsguts wurde maßgeblich von Binding5 geprägt, der in Anlehnung an Vorarbeiten Birnbaums6 die von Kant inspirierte und noch bei Feuerbach7 anzutreffende „Rechtsverletzung“ endgültig ablöste.8 Binding verstand unter dem Rechtsgut „alles, was in den Augen des Gesetzgebers als Bedingung gesunden Lebens der Rechtsgemeinschaft für diese von Wert ist, an dessen unveränderter und ungestörter Erhaltung sie nach seiner Ansicht ein Interesse hat, und das er desshalb [sic] durch seine Normen vor unerwünschter Verletzung oder Gefährdung zu sichern bestrebt ist“9.
Trotz zahlreicher Divergenzen mit Binding vertrat v. Liszt, der von Jherings soziologischer Zweckorientierung des Rechts beeinflusst war, ebenfalls einen gemeinschaftsorientierten Rechtsgutsbegriff. Er definierte das Rechtsgut als „rechtlich geschütztes Interesse“ und entwickelte den Verbrechensbegriff aus dem apriorischen Unwerturteil der Gesellschaft und menschlichen Bedürfnissen.10 Welzel verstand unter Rechtsgütern sozialethische Werte: das Recht schützt demnach einen sozialen Zustand vor Verletzungen.11 Seitdem scheinen sich in der Strafrechtsdogmatik zwei große Lager herausgebildet zu haben: zum einen diejenigen, die sich vom Rechtsgut keinen großen Beitrag zur Verbrechensdefinition erwarten und darin kaum mehr als eine „Abbreviatur des Zweckgedankens“ (Grünhut12) bzw. „Zweck 3 Hassemer/Neumann, NK Vor § 1, Rn. 147; Jescheck/Weigend, § 1 III. 1. (S. 7); für weitere Nachweise s. o. S. 86. 4 Roxin, AT I § 2, Rn. 120. 5 Binding, S. 353 ff. 6 Birnbaum, Archiv des Criminalrechts 1834, 149 ff. 7 Feuerbach, S. 16 ff. 8 Siehe eingehend zur Dogmengeschichte: Amelung, S. 5 ff.; Fiolka, Bd. 1, S. 5 ff.; Sina, S. 14 ff. 9 Binding, S. 353. 10 v. Liszt, S. 64, 65; ders., ZStW 1888, 133 (134 ff.); näher dazu: Amelung, S. 94; Eser, Mestmäcker-FS, S. 1014. 11 Welzel, S. 4. 12 Grünhut, in: Frank-FG, S. 8.
9. Kap.: Verbrechensbegriff und Gemeinschaftsinteressen
185
in seiner kürzesten Formel“ (Honig13) sehen. Und zum anderen diejenigen, die sich von Welzels Rechtsgutscharakterisierung als „wahrer Proteus, der sich ständig ändere“14 nicht abschrecken lassen und durch immer wieder neue Definitionsversuche den Kern des Rechtsguts zu bestimmen versuchen (so z. B. Marx).15 Die Definitionsversuche offenbaren für Rechtsgutskritiker allerdings mehr den schillernden Charakter des Rechtsguts, als dass durch sie hinreichend geklärt worden wäre, wann eine Handlung strafwürdig ist. Demzufolge wendet sich ein Teil der Literatur vom Rechtsgutsdogma inzwischen mehr oder weniger ab. Das Spektrum an Ansichten reicht hier von einer grundlegenden Kritik des Rechtsguts (Stratenwerth16) über die Ergänzung um Deliktstypen (Wohlers17) bis hin zur Einbettung der Strafrechtslegitimation in einen größeren gesellschaftlichen (Amelung18) oder normentheoretischen (Jakobs19) Kontext. Doch selbst Rechtsgutskritiker halten das Rechtsgut nicht für gänzlich verzichtbar. So dient es u. a. noch der Auslegung von Normen, der Systematisierung von Straftatbeständen und der Bestimmung der Strafbarkeit im Rahmen der Konkurrenzen.20 Der bisher ungelösten Frage nach der Definition des Verbrechens liegt eine weitere strittige Frage zu Grunde: die nach der Funktion des Rechtsguts. Kann über die Rechtsgutsdefinition ein kriminalpolitischer Anspruch nach Eingrenzung der gesetzgeberischen Tätigkeit erhoben werden? Oder hat das Rechtsgut als neutrale und offene Figur allen vom Gesetzgeber erlassenen Strafgesetzen eine „dogmatische Heimat“ zuzuweisen? Beide Positionen werden für unvereinbar gehalten.21 Entweder verdrängt das Rechtsgut nichtrechtsgutsbasierte Normen oder diese verdrängen ihrerseits das Rechtsgut in seiner limitierenden Prägung.22
13
Honig, S. 94. Welzel, ZStW 1939, 491 (509). 15 Die Umschreibungen sind nahezu uferlos: Interesse, Funktion, Partizipialie, gedankliches Gebilde etc., siehe Hassemer/Neumann, NK Vor § 1 Rn. 143 und Stratenwerth, Lenckner-FS, S. 378; der wohl ausführlichste Überblick findet sich bei Fiolka, Bd. 1, S. 153 ff. 16 Lenckner-FS, S. 377 ff. 17 In: Hefendehl, (Hg.), S. 282 ff.; ders., GA 2002, 15 (17 ff.). 18 S. 48 ff.; in: Hefendehl (Hg.), S. 180. 19 Jakobs, AT, Rn. 2. 20 Walter, T., LK Vor § 13, Rn. 8. 21 Müller-Dietz, Schmitt-FS, S. 105: a. A. Krüger, S. 75. 22 Weniger kategorisch: Wohlers, in: Hefendehl (Hg.), S. 283. 14
186
4. Teil: Sind Erinnerungsgesetze strafrechtsdogmatisch integrierbar?
II. Die Funktion des Rechtsguts 1. Das Rechtsgut als Begrenzungskriterium des Strafrechts Von elementarer Bedeutung für die Einordnung des Rechtsguts der kollektiven Erinnerung in die deutsche Strafrechtsdogmatik ist die Frage, ob das Rechtsgut bestimmten Vorgaben an seine funktionelle Beschaffenheit unterliegt. Ein bedeutender Strang in der Strafrechtswissenschaft nimmt dies an, indem er dem Rechtsgut eine kritisch-liberale (sog. „systemkritische“) Funktion zuweist.23 Wohl am strengsten definiert Hassemer das Rechtsgut als „strafrechtlich schutzbedürftiges menschliche Interesse“24 und klammert „gesellschaftliche Institutionen oder werthafte Funktionseinheiten“25 aus (sog. „personale Rechtsgutslehre“). Roxin legt seinem liberalen Rechtsgutsbegriff ebenfalls den Individualschutz zu Grunde und definiert Rechtsgüter als „Gegebenheiten und Zwecksetzungen, die für die freie Entfaltung des Einzelnen (. . .) notwendig sind“26. Er verpflichtet den Strafgesetzgeber auf die Einhaltung der Ziele des Grundgesetzes. Auch bei Marx ergibt sich die Begrenzung des Strafrechts auf den Individualschutz aus dem normativen Maßstab, welcher dem Grundgesetz zu Grunde liegt. Rechtsgüter sind für ihn „Gegenstände, die der Mensch zu seiner freien Selbstverwirklichung braucht“27. Für den systemkritischen Strang der Literatur ist die Anzahl von legitimen Rechtsgütern beschränkt. Rechtsgüter der Allgemeinheit (Gemeinrechtsgüter, Universalrechtsgüter, Kollektive Rechtsgüter) sind nach dieser Ansicht zwar nicht ausgeschlossen, müssen aber nachweisen, dass sie sich letztlich auf die Interessen des Einzelnen zurückführen lassen.28 Die Vertreter dieser Ansicht stützen sich vor allem auf die Dogmengeschichte des Rechtsguts.29 Das Rechtsgut drücke demnach einen in den Gesellschaftsvertragskonzeptionen der Aufklärung verbürgten Limitierungsanspruch aus.30 23 Z. B. Hassemer, in: Hefendehl (Hg.), S. 57; ders., S. 85; Jäger, S. 116 ff.; Müller-Dietz, Schmitt-FS, S. 95 ff.; Roxin, AT I § 2, Rn. 7; Sina, S. 89, 91. 24 Hassemer/Neumann, NK Vor § 1, Rn. 144. 25 Hassemer, in: Scholler/Philipps (Hg.), S. 91. 26 Roxin, AT I § 2, Rn. 7. 27 Marx, S. 62. 28 U. a. Hefendehl, S. 60; Roxin, AT I § 2, Rn. 11 m. w. N. 29 Sina, S. 3 ff. 30 Vgl. Hassemer, ARSP Beiheft Nr. 44, 130 (136); Schünemann, in: Hefendehl (Hg.), S. 137; Roxin, AT I § 2, Rn. 8.
9. Kap.: Verbrechensbegriff und Gemeinschaftsinteressen
187
In Anlehnung an die von Lisztsche Konzeption des Rechtsguts als „menschliches Interesse“ wird die Forderung abgeleitet, dass Rechtsgüter dem Staat als Apriori vorausgehen sollen und nur im Ausnahmefall vom Gesetzgeber „geschaffen“ werden können.31 2. Das Rechtsgut als Auffangform für alle legitimen Interessen Dem stellen die Vertreter der aufstrebenden systemimmanenten Rechtsgutslehre einen positivistischen Rechtsgutsbegriff entgegen, wie ihn auch Binding vertreten hat. Demnach ist das Rechtsgut jedes Interesse, das in den Augen des Gesetzgebers schützenswert ist. Nicht das Strafrecht entscheidet demzufolge, was zum Rechtsgut werden darf, sondern der Gesetzgeber.32 Das Rechtsgut selbst hat nach dieser Ansicht also eine „bescheidene Grenzfunktion“33. Hauptkritikpunkt der systemimmanenten Lehre ist, dass sich Rechtsgüter letztlich nicht definieren lassen.34 Wenn dies doch versucht wird, sind im Rechtsgutsbegriff selbst schon immer all die Wertungen enthalten, welche dieses vorgibt, von außerhalb des Rechts an das Recht heranzutragen. Mit dieser Bürde ist das Rechtsgut letztlich überfordert.35 Die systemkritische Rechtsgutsfunktion läuft deshalb auf die triviale Forderung hinaus, dass sich der Strafgesetzgeber über den Sinn und Zweck der Strafnorm Gedanken machen soll.36 Demnach spiegeln Rechtsgüter letztlich die „ratio legis“ wider, bzw. sind eine „Abbreviatur des Zweckgedankens“37. Nach der systemimmanenten Lehre ist das Rechtsgut nicht auf individuelle Güter beschränkt. Eine Begrenzung des Rechtsguts durch spezielle Charakteristika wird abgelehnt. Vielmehr stellt die Offenheit des Rechtsgutsbegriffs zugleich dessen Reichtum dar; denn das Rechtsgut erlaubt die Integration von schutzwürdigen Gemeinschaftsbelangen in die Strafrechtsdogmatik, ohne diese jedes Mal neu anpassen zu müssen.38 Die Frage der 31
Weniger kategorisch: Roxin, AT I § 2, Rn. 7. Appel, KritV 1999, 278 (303); Hörnle, S. 41 ff. plädiert dagegen für eine verfassungsrechtliche Einschränkung des Kreises schützbarer Güter; Lagodny, S. 64 ff.; zum Ganzen: Walter, T., LK Vor § 13, Rn. 9 m. w. N. 33 Frisch, in: Hefendehl (Hg.), S. 216; dies bedeutet freilich nicht, dass der Staat willkürlich strafen dürfe, so Zaczyk, S. 189. 34 Rudolphi, Honig-FS, S. 152. 35 Vgl. Wohlers, in: Hefendehl (Hg.), S. 281. 36 Amelung, in: Hefendehl (Hg.), S. 161. 37 Grünhut, v. Frank-FG Bd. I, S. 8. 38 Amelung, in: Hefendehl (Hg.), S. 159. 32
188
4. Teil: Sind Erinnerungsgesetze strafrechtsdogmatisch integrierbar?
Strafrechtslimitation stellt sich daher erst im Verfassungsrecht bzw. ergibt sich aus kriminalpolitischen Erwägungen.39 Trotz unterschiedlicher Auffassungen über die Funktion des Rechtsgutes scheint es bezüglich der Frage nach dessen Rechtsnatur in der Literatur Berührungspunkte zu geben. Das Rechtsgut ist demnach etwas Abstraktes, Ideelles, ein als werthafter vorgestellter Zustand, bzw. ein Wert.40 Anders wäre eine Abgrenzung vom Angriffsobjekt nicht gegeben.41 3. Stellungnahme Die letztgenannte Ansicht ist aus mehreren Gründen vorzugswürdig. Zum einen ist die Beschränkungsfunktion des Rechtsguts in der gesetzgeberischen Praxis wirkungslos geblieben (siehe z. B. § 17 TierSchG, § 30 BtMG, § 216 StGB). Der Gesetzgeber lässt die Frage nach dem zu schützenden Rechtsgut selten in die Bewertung einfließen und stützt sich eher auf rechtspolitische Argumente. Im Zuge der Strafrechtsreform Ende der 60er Jahre, die eine Abschaffung z. B. des Verbots der Homosexualität und der Sodomie zur Folge hatte, wurde der Begriff des Rechtsguts zwar thematisiert (AE-StGB von 1969). Allerdings ist hier dessen Einfluss auf Grund der bereits brüchigen Moralvorstellungen umstritten.42 Auch das BVerfG zieht die Rechtsgutslehre bei der Überprüfung von Strafrechtsnormen kaum heran, sondern stützt sich u. a. auf verfassungsrechtlich legitime Interessen oder die breitere Figur der „wichtigen Gemeinschaftsbelange“43. Zum anderen lässt sich die kritische Funktion des Rechtsguts in Anlehnung an die Dogmengeschichte bestreiten. Das Rechtsgut selbst ist eine Erfindung des Positivismus.44 Amelung hat anhand der Entstehungsgeschichte 39
Appel, KritV 1999, 278 (305). Anastasopoulou, S. 211; Freund, AT § 1, Rn. 6 ff.; Hefendehl, GA 2002, 21 (23) fasst auch geistig-seelische Phänomene als „real“ auf; Jäger, S. 14 ff.; Jescheck/Weigend, § 26 I 2 (S. 257); Lenckner/Eisele, S/S Vorbem § 13, Rn. 9; Schmidhäuser, AT, S. 83; Tiedemann K., S. 123; Walter, T., LK Vor § 13, Rn. 13; Weber, B/W/M § 3, Rn. 18; Wohlers, GA 2002, 15 (16); a. A. z. B. Amelung, S. 173; Binding, S. 329 ff.; Kahlo, in: Hefendehl (Hg.), S. 28; Roxin, AT I § 2, Rn. 67; Sternberg-Lieben, in: Hefendehl (Hg.), S. 67. 41 So schon Honig, S. 86 ff. m. w. N.; siehe auch: Hefendehl, GA 2002, 20 (23); Lenckner/Eisele, S/S Vorbem § 13, Rn. 9. 42 Appel, KritV 1999, 278 (285); Frisch, in: Hefendehl (Hg.), S. 218; Wohlers, in: Hefendehl (Hg.), S. 281. 43 BVerfGE 90, 145 (184); besonders deutlich wird die Rechtsgutslehre in der „Inzestentscheidung“ zurückgewiesen: BVerfG, NStZ 2008, 614 (ebd.); grundlegend: Appel, KritV 1999, 278 (300). 44 Amelung, S. 5. 40
9. Kap.: Verbrechensbegriff und Gemeinschaftsinteressen
189
des Rechtsguts aufgezeigt, dass dieses in Abgrenzung von den Sozialvertragslehren konzipiert worden ist und damit die systemkritische Rechtsgutslehre einem historischen Fehlschluss unterliegt.45 Wie in Teil 3 gezeigt worden ist, ist zudem das Konzept des Gesellschaftsvertrages kein rein individualistisches Konzept, so dass sich schon aus diesem Grund nicht zwingend eine Strafrechtsbegrenzung ergibt. Das Postulat der Strafrechtsbegrenzung war zudem schon in seinen Anfängen nicht konsequent: Schon Feuerbach hat Delikte gegen die Sittlichkeit lediglich in Polizeigesetze auslagern wollen.46 Ähnlich verweist heute Hassemer auf eine neue Kategorie des Interventionsstrafrechts.
Gegen eine rein individualistische Deutung des Rechtsguts spricht auch die Tatsache, dass selbst das anti-individualistisch orientierte NS-Strafrecht die Abschaffung des Rechtsgutsdogmas, wie z. B. von der Kieler Schule (Dahm, Schaffstein) gefordert, letztlich nicht für notwendig erachtet hat.47 Die systemkritische Rechtsgutslehre bezieht ihre Daseinsberechtigung aus der (verständlichen) normativen Anziehungskraft des liberalen Individualschutzes, damit aber letztlich aus einer Selbsterklärung.48 Das Rechtsgut ist nicht per se systemkritisch, sondern wird es erst durch die plausible (aber nicht immer vollständige) Wertung, die ihm diese Funktion zuweist. Eine Einschränkung auf einen für alle Zeit geltenden bestimmten Pool von Werten und Interessen würde jedoch für ein starre Systematisierung sorgen und Anpassungsmöglichkeiten des Rechts einschränken. Es ist deshalb fraglich, ob die systemkritische Rechtsgutslehre der gesellschaftlichen Entwicklung (Umweltprobleme, Terrorismusbekämpfung, Tierschutz) und dem Auftrag des Gesetzgebers, auf moderne Phänomen reagieren zu dürfen, ausreichend Rechnung trägt. Rechtsgüter sind laut Hassemer in ihrem historischen Kontext zu begreifen.49 Dies muss die Möglichkeit mitumfassen, „mit der Zeit zu gehen“. III. Gemeinschaftsbelange in der Strafrechtsdogmatik Zu den schutzwürdigen Interessen im Rahmen des Rechtsgutsbegriffs gehören auch Gemeinschaftsbelange. Als eigene Legitimationsfigur wurden Gemeinschaftsbelange bisher jedoch kaum entwickelt.50 Gesellschaftliche 45
S. 16 ff.; ders., in: Hefendehl (Hg.), S. 159. Feuerbach, S. 375 ff.; vgl. dazu auch: Fischl, S. 184; Schünemann, in: Hefendehl (Hg.), S. 135. 47 Amelung, S. 214, 228 ff.; Dubber, ZStW 2005, 485 (506); zum Ganzen: Marxen, S. 172 ff. 48 Vgl. zu diesem Zirkelschluss auch: Appel, KritV 1999, 278 (296). 49 Hassemer, S. 126. 46
190
4. Teil: Sind Erinnerungsgesetze strafrechtsdogmatisch integrierbar?
Wertungen spielen zwar bei der Begründung von Rechtsgütern eine wichtige Rolle.51 Eine eigene kollektivistische bzw. kommunitaristische Strafrechtstheorie existiert jedoch nicht.52 Der dogmatische Anknüpfungspunkt für den Schutz von Gemeinschaftsbelangen ist die Figur des Gemeinrechtsguts, bzw. Universal- oder Kollektivrechtsguts.53 Deren genaue Charakterisierung und Schutzweite sind im Einzelnen umstritten. Hefendehl unterscheidet u. a. aufzehrbare (z. B. Umweltressourcen) und nichtaufzehrbare (z. B. das Vertrauen) Rechtsgüter.54 Umstritten ist auch, ob eine (zumindest mittelbare) Anknüpfung an individuelle Interessen erfolgen muss („personale Rechtsgutslehre“) oder bereits der Schutz einer „Institution“55, die von der Gesellschaft für wertvoll erachtet wird, möglich ist. Nach der ersteren, sog. „monistischen“ Konzeption gibt es nur entweder Individualrechtsgüter oder Kollektivrechtsgüter; die „dualistische“ Konzeption nimmt hingegen an, dass beide Kategorien gleichberechtigt nebeneinander bestehen können.56 So ist es z. B. nach Ansicht von Anastasopoulou generell nicht möglich, kollektive Rechtsgüter auf Individualrechtsgüter zurückzuführen.57 Gleichwohl hat dies nicht die Illegitimität dieser kollektiven Rechtsgüter zu Folge.58 Die Existenz von individuumsunabhängigen kollektiven Rechtsgütern, z. B. im Wirtschaftsrecht, lässt sich zudem kaum abstreiten.59
B. Der materielle Verbrechensbegriff in Frankreich I. Die Definition des Verbrechens Im französischen Strafrecht haben in den letzten 200 Jahren verschiedene Strafrechtsschulen ihre Spuren hinterlassen.60 Dies blieb nicht ohne Einfluss 50
Fiolka, Bd. 1, S. 365. Fiolka, Bd. 1, S. 365 ff. 52 Ansätze hierzu finden sich bei Amelung, S. 387; vgl. für den angelsächsischen Rechtskreis: Duff, S. 35 ff. 53 Siehe allgemein die Arbeiten von Anastasopoulou, Hefendehl und Wohlers. 54 Hefendehl, GA 2002, 20 (26). 55 Zu diesem Begriff siehe Lampe, Tiedemann-FS, S. 82 ff. 56 Tiedemann, K., S. 120; kritisch: Wohlers, S. 222. 57 Anastasopoulou, S. 43. 58 Anastasopoulou, S. 44, wenngleich sich verfassungsrechtliche Probleme stellen können, siehe S. 39. 59 Für Beispiele siehe: Hefendehl, GA 2002, 20 (26); derartige Güter werden aber von den Vertretern der personalen Rechtsgutslehre meist abgelehnt, siehe S. 186 ff. 51
9. Kap.: Verbrechensbegriff und Gemeinschaftsinteressen
191
auf die Verbrechensdefinition. Allerdings haben diese Einflüsse nicht dazu geführt, dass eine zentrale Figur, wie die des Rechtsguts in Deutschland, geschaffen wurde.61 Der materielle Verbrechensbegriff ist in Frankreich hauptsächlich von der Ideengeschichte beeinflusst geblieben und weniger von der Strafrechtsdogmatik geformt worden. Der zentrale Gedanke, der sich in Bezug auf den Verbrechensbegriff durch zahlreiche Strafrechtsschulen zieht, ist der Gedanke der Gesellschaftsschädlichkeit. Schon in Art. 5 der Déclaration des Droits de l’Homme et du Citoyen (DDHC) von 1789 ist der Verfassungsgrundsatz verankert, dass das Recht nur gegen gesellschaftsschädliche Handlungen eingesetzt werden darf („la loi n’a le droit de défendre que les actions nuisibles à la société“). Dieser Grundsatz soll offensichtliche Verfehlungen des Gesetzgebers unterbinden und den exzessiven Einsatz des Strafrechts eindämmen.62 Die Definition des Verbrechens als gesellschaftsschädliches Verhalten trägt die Handschrift der klassischen Strafrechtsschule (Montesquieu, Rousseau, Beccaria), deren Hauptziel darin lag, die Staatsgewalt an das Recht zu binden.63 Die Gesellschaftsschädlichkeit war auch für die soziologische Schule in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch maßgeblich, allerdings unter eher umgekehrten Vorzeichen zur klassischen Schule: Nach der täterorientierten Konzeption von Lombroso, Ferri und Garofalo sollte sich die Reaktion der Gesellschaft auf das Verbrechen an der Schädlichkeit des Täters für diese messen lassen.64 Der Täter wurde als Schädling (Lacassagne) eingestuft, vor dem die Gesellschaft zu bewahren war. Erst die Schule der „défense sociale nouvelle“ unter Marc Ancel nach dem Zweiten Weltkrieg humanisierte den Gedanken der Gesellschaftsschädlichkeit wieder, indem sie der Besserung und Resozialisierung des Täters mehr Raum einräumte. In die Zeit des Positivismus fällt auch die Definition Durkheims vom Verbrechen als Verletzung des Kollektivbewusstseins, dessen Einfluss bis heute sehr präsent ist.65 Der Ansicht Durkheims zu Folge spiegelt das Strafrecht die Bewusstseinszustände und die Werteordnung der Gesellschaft wider.66 Dieser Ansatz wird heute in Frankreich sowohl vom Gesetzgeber als auch von einem gewichtigen Teil der Literatur geteilt. So lässt sich den Ge60
Desportes/Le Gunehec, S. 21 ff. v. Liszt behauptete angeblich, dass eine französische Strafrechtstheorie nicht existiert, zitiert nach Vogel, GA 1998, 127. 62 Desportes/Le Gunehec, S. 14. 63 Merle/Vitu, S. 108. 64 Pradel, S. 21. 65 Durkheim, Arbeitsteilung, S. 129. 66 Vgl. Lelieur/Pfützner/Volz, in: Sieber/Cornils (Hg.) Bd. 2, S. 384; siehe ausführlich S. 178. 61
192
4. Teil: Sind Erinnerungsgesetze strafrechtsdogmatisch integrierbar?
setzesmotiven für den Nouveau Code Pénal die Erfordnis eines starken Bezugs zwischen Strafnorm und Kollektivbewusstsein entnehmen: „Par exemple, lorsque la peine subsiste mais que la valeur qui la fondait n’est plus admise par la conscience collective, la sanction pénale ne satisfait plus mais heurte la sensibilité publique. Elle choque la conscience collective. Et dans une démocratie, elle tombe en déshérence.“67
Auch in der Literatur wird das Strafrecht mit gesellschaftlichen Wertzuständen verknüpft; teilweise unter ausdrücklichem Bezug zu Durkheim.68 Laut Decocq stört das Verbrechen einen gesellschaftlichen Wert („valeur de société“), der eben deshalb durch das Strafrecht geschützt wird.69 Für Desportes/Le Gunehec besitzt das Strafrecht eine „fonction expressive“, die untrennbar mit der repressiven Funktion verbunden ist und darin besteht, die grundlegenden Werte einer Gesellschaft auszudrücken („expression des valeurs essentielles de la société“).70 Laut Canin ist es Aufgabe des Gesetzgebers, festzustellen, wann ein gesellschaftlicher Wert es verdient, strafrechtlich geschützt zu werden.71 Oder in den Worten von Larguier/Conte/ Maistre du Chambon: „Le Droit pénal (. . .) ne s’intéresse qu’aux valeurs fondamentales de la société et laisse les valeurs de moindre importance aux autres disciplines.“72 So ist denn auch der Feststellung Pradels zuzustimmen, dass der Verbrechensbegriff in Frankreich nicht nur die Sicht des Juristen, sondern auch die des Moralisten und Soziologen mit umfasst.73 II. Die Funktion der Verbrechensdefinition Die Funktion der Verbrechensdefinition in der französischen Strafrechtsdogmatik liegt eher in der Erklärung der Reaktion der Strafe, als in der Begrenzung des Strafrechts auf bestimmte Verhaltensweisen. Schon durch die Anknüpfung an die Verbrechensdefinition Durkheims wird ein dem Grunde nach schwach-liberales Verbrechensverständnis in den Vordergrund gerückt. Für diese Einordnung spricht auch der Umstand, dass Durkheim einen Teil seiner Studienzeit in Deutschland verbracht hat und dort mit der Normentheorie Bindings in Kontakt gekommen ist.74 67
Zitiert nach: Desportes/Le Gunehec, S. 25. Z. B. Merle/Vitu, S. 31; Vogliotti, Rev. sc. crim. 2002, 721 (734). 69 Decocq, S. 81. 70 Desportes/Le Gunehec, S. 25. 71 Canin, S. 12. 72 Larguier/Conte/Maistre du Chambon, S. 13. 73 Pradel, S. 18. 74 Vgl. den Verweis auf Binding in: Durkheim, Arbeitsteilung, S. 124; vgl. auch Gephart, Strafe, S. 110; ders., Kultur, S. 80. 68
9. Kap.: Verbrechensbegriff und Gemeinschaftsinteressen
193
Der Gedanke der Strafrechtslimitation spielt somit eine untergeordnete Rolle in der Literatur. Die Verbrechensdefinition wird nur vereinzelt mit dem Erfordernis eines individuellen Schadens verknüpft. So definiert beispielsweise Cusson das Verbrechen als „acte passible d’une sanction pénale et causant un préjudice à autrui“75. Die Grenzen der Strafbefugnis des Staates ergeben sich erst aus dem Verfassungsrecht, dem „bloc de constitutionnalité“, der neben der Verfassung und den Präambeln auch Erklärungen und gesetzlich anerkannte Grundprinzipien umfasst.76 Dem verfassungsrechtlichen „Schadensprinzip“ aus Art. 5 DDHC von 1789 wird von Seiten der Literatur ein eher schwacher kritisch-liberaler Gehalt attestiert.77 Dies gilt auch in der Rechtsprechung: der französische Verfassungsgerichtshof ersetzt die Einschätzung des Gesetzgebers erst bei einem offensichtlichen Ungleichgewicht („disproportion manifeste“).78 Sowohl der Ausdruck „action nuisible“ als auch „société“ sind auslegungsbedürftig und lassen keinen Rückschluss auf den Schutz bestimmter Einzelrechtsgüter zu. Vom Millschen Harm Principle unterscheidet sich das französische Schadensprinzip dadurch, dass Mill ziemlich eindeutig von Einzelpersonen („others“) spricht, die DDHC aber nur von „société“. Dies setzt wohl allenfalls voraus, dass Strafgesetze sich auf sozialerhebliche Handlungen beziehen müssen, denn nur diese können überhaupt die Gesellschaft betreffen und negative Wirkungen entfalten. III. Die Rolle des „intérêt protégé“ oder „bien juridique“ In der französischen Strafrechtsdogmatik spielt der Begriff des Rechtsguts bzw. des geschützten Interesses eine eher untergeordnete Rolle.79 Dies bedeutet jedoch nicht, dass diese Figur in der Strafrechtsdogmatik gänzlich unbekannt ist.80 Insbesondere für die Rechtsprechung ist es wichtig, zu wissen, welches Interesse der Gesetzgeber schützen wollte.81 Der Begriff des Rechtsguts wurde in der französischen Strafrechtsdogmatik zum ersten Mal von René Garraud in seinem Strafrechtslehrbuch von 1913 erwähnt.82 Garraud war von Binding und Durkheim beeinflusst und 75
Cusson, S. 20. Robert, J.-H., S. 119. 77 Heinze, S. 10 sieht darin ein Erbe Rousseaus. 78 Desportes/Le Gunehec, S. 14. 79 Lelieur/Pfützner/Volz, in: Sieber/Cornils (Hg.), Bd. 3, S. 520. 80 So aber Bacigalupo, Jakobs-FS, S. 1. 81 So Delmas Saint-Hilaire, Rev. sc. crim. 2001, 584; Vitu, Droit pénal spécial, S. 29. 82 Garraud, S. 203. 76
194
4. Teil: Sind Erinnerungsgesetze strafrechtsdogmatisch integrierbar?
sah das Wesen des Verbrechens im Bruch einer Norm begründet. Den Rechtsgutsbegriff verortete er in der Rechtswidrigkeit und nicht im Tatbestand.83 Die Begriffe „Rechtsgut“ und „schützwürdiges rechtliches Interesse“ wurden parallel verwendet: „Le droit pénal est l’arme utilisée pour défendre des intérêts juridiques protégés (. . .) l’infraction implique donc une agression contre les biens protégés.“84
Bei der parallelen Verwendung ist es heute im Wesentlichen geblieben. Im Lehrbuch von Robert findet sich der Ausdruck des „intérêt protégé par la loi pénale“85. Im Lehrbuch von Merle/Vitu werden die Begriffe „bien protégé“ oder „intérêt protégé“ synonym verwendet.86 Eine strafrechtslimitierende Funktion maß Garraud dem Rechtsgut nicht bei. Nach seiner Auffassung ist das ius puniendi des Gesetzgebers im Grunde grenzenlos („en fait illimité“) und findet seine Grenzen – ganz nach Bindings Auffassung – erst im Recht selbst („droit de punir (. . .) limité par le droit“87). Dies bedeutet auch, dass das Strafrecht Änderungen unterliegen kann, die sich aus der psychischen Verfasstheit einer Gesellschaft ergeben.88 Der Versuch Garrauds, das Rechtsgut nach deutschem Vorbild als Figur des materiellen Verbrechensbegriffs zu etablieren, scheiterte letztendlich.89 Eine ausdifferenzierte Rechtsgutskonzeption fehlt in der französischen Strafrechtsdogmatik. Hingegen wird das Rechtsgut zur Erklärung des Zwecks, den der Gesetzgeber mit der Strafvorschrift verfolgt, herangezogen, allerdings ohne eine strikte Festlegung auf diesen Begriff. Damit erfüllt das geschützte Interesse auch ein verfassungsrechtliches Postulat: nämlich zu zeigen, dass eine Strafvorschrift notwendig war (Art. 8 DDHC von 1789).90 Das Rechtsgut fungiert damit in erster Linie als Auffangform für geschützte gesellschaftliche Werte.91 In der Literatur wird auf das geschützte Interesse vielfach Bezug genommen.92 Die Bedeutung der Schutzrichtung des Strafgesetzes wird beispiels83
Robert, J.-H., Rev. sc. crim. 1977, 269 (277). Garraud, S. 203. 85 Robert, J.-H., S. 225. 86 Vitu, Droit pénal spécial, S. 29. 87 Garraud, S. 5. 88 Vgl. Garraud, S. 201. 89 Decocq, S. 87; Robert, J.-H., Rev. sc. crim. 2001, 811 (814). 90 Robert, J.-H., S. 225. 91 Vgl. Poncela, Rev. sc. crim. 1993, 455 (456); Vitu, Droit pénal spécial, S. 29. 92 Delmas Saint-Hilaire, Rev. sc. crim. 2001, 584; Martin, Rev. sc. crim. 2006, 767 (771); Robert, J.-H., Rev. sc. crim. 1999, 327; ders., Rev. sc. crim. 2001, 811 (814): „l’intérêt juridique est l’avatar franc¸ais du ‚bien juridique‘ allemand“. 84
9. Kap.: Verbrechensbegriff und Gemeinschaftsinteressen
195
weise bei der Systematisierung der einzelnen Verbrechen im frz. StGB deutlich. Nach Robert ermöglicht das geschützte Interesse eine Klassifizierung der Straftaten nach der Schwere des Angriffs auf die Gesellschaft.93 Die positivistische Tendenz des französischen Verbrechensbegriffs kann letztlich als eine Art Gegenprobe für die Behauptung gelten, dass die Strafrechtstheorie der Sozialvertragsdenker keine strikte Idee der Limitation des Strafrechts auf individuelle Interessen vorsah. Sonst hätte sich die positivistische Normentheorie Bindings über Durkheim nicht so leicht implementieren lassen.
C. Der materielle Verbrechensbegriff in Polen I. Von der Gesellschaftsgefährlichkeit zur Gesellschaftsschädlichkeit In der polnischen Strafrechtstheorie haben unterschiedliche Denkrichtungen ihre Spuren hinterlassen.94 Dieser Umstand ist u. a. der Situation geschuldet, dass Polen auf Grund seiner Geschichte oftmals unter Fremdherrschaft gestanden hat und häufig den Einflüssen anderer Rechtsordnungen ausgesetzt war. Doch darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch in der polnischen Strafrechtstheorie exponierte Vertreter bestimmter Schulen gegeben hat, wie z. B. Szymanowski, Czochron´ und Weysenhoff für die humanistische Schule oder Hube und Krzymuski für die von Kant und Hegel beeinflusste klassische Schule.95 Die erste in einem polnischen Strafrechtslehrbuch verwendete Verbrechensdefinition als „Verletzung des Rechts als Recht“96 stammt von Hube. Der Kantianer Krzymuski definierte das Verbrechen als „rechtswidrige Handlung, die eine Gefahr für rechtliche Interessen in einer die Strafe notwendig machenden Weise darstellt“97. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verbreitete sich der Positivismus und damit auch die Normentheorie Bindings.98 Diese beeinflusste beispielsweise Glaser99 und hat heute einen prominenten Fürsprecher in Zoll, einen der Mitverfasser des poln. StGB von 1997.100 Großen Einfluss auf die Entwicklung des polnischen Strafrechts hatte die in der ersten Hälfte des 93
Robert, J.-H., S. 225, 226. Zum Ganzen ausführlich: Zawłocki, S. 20 ff. 95 Wa ˛ sowicz, Czasopismo prawno historyczne (1) 1987, 74 (85). 96 Zitiert nach Zawłocki, S. 26. 97 Zitiert nach Zawłocki, S. 26. 98 Ratajczak, S. 74. 99 Królikowski, Stud. Iur. (66) 2006, 179 (186) Fn. 15. 100 Vgl. z. B. Królikowski, Stud. Iur. (66) 2006, 179 (188); Zoll, Dt.-Poln. Symp., S. 102; ders., Krak. Stud. Prawn. 1990, 67 ff. 94
196
4. Teil: Sind Erinnerungsgesetze strafrechtsdogmatisch integrierbar?
20. Jahrhunderts verbreitete soziologische Schule101, deren Vertreter Wróblewski, Makowski und allen voran Makarewicz auch heute noch zitiert und geschätzt werden. Diese Rechtsphilosophen und Strafrechtler einte die Betrachtung von Verbrechen und Strafe als gesellschaftliche Phänomene. In der Sanktion sollte eine gemeinsame Reaktion zum Tragen kommen, die sich aus gesellschaftlichen Gemeinsamkeiten und dem Gefühl der Zusammengehörigkeit („Solidarismus“102) speiste. Makarewicz definierte das Verbrechen als „(. . .) die vom Mitgliede einer gegebenen Association begangene Handlung, welche von den übrigen Mitgliedern derselben, als für dieselbe als so schädlich betrachtet wird, dass sie gegen den Thäter öffentlich, äusserlich, gemeinschaftlich reagieren, indem sie eines seiner Güter zu verkürzen suchen“103.
Als primär gesellschaftliches Phänomen war das Verbrechen ein den gesellschaftlichen Interessen entgegengesetztes Verhalten.104 Was für die Gesellschaft schädlich war, bestimmte kein übergeordneter Maßstab oder eine abstrakte Idee, sondern die Gesellschaft selbst, vorausgesetzt sie verfolgte überhaupt bestimmte Ideale.105 Ausgangspunkt jeder Pönalisierungsbestrebung war daher die Frage nach dem Ziel, das die Gesellschaft verfolgte, und welche Störungsintensität die verbotene Handlung diesbezüglich hatte.106 Gesellschaftlich schädlich war, „was die Grundlagen des socialen Verbandes gefährdet“107. Das Verbrechen als Angriff auf grundlegende Werte einer Gemeinschaft hatte damit einen kollektiven Daseinsgrund.108 Wróblewski war derjenige Strafrechtler, der am stärksten von Durkheim und dessen Vorstellung der „conscience collective“ beeinflusst war.109 Wróblewski sah die Negation gemeinschaftlicher Gefühle und Normen, die aus einer sozialen Bindung herrührten, als Verbrechen an: „Jede bewusste Handlung, die unvereinbar ist mit dem gesellschaftlichen Urteil, welches sich auf die Gruppensolidarität stützt, wird für diese Gruppe ein Verbrechen sein.“110 Er vertrat die Idee des gesellschaftlichen Solidarismus, die für ihn 101
Kritisch zum Begriff der „Schule“ deshalb Wa˛sowicz, S. 230. Wa˛sowicz, S. 241. 103 Makarewicz, Wesen, S. 51; in der „Einführung in die Philosophie des Strafrechts“ nennt Makarewicz, neben der Schädlichkeit der Handlung auch die antisoziale Gesinnung des Täters, siehe dort S. 80. 104 Makarewicz, Prawo karne, S. 3 ff. 105 Makarewicz, Einführung, S. 44. 106 Wa ˛ sowicz, S. 149. 107 Makarewicz, Wesen, S. 42. 108 So auch Szeleszczuk, in: Grzes ´kowiak (Hg.), Makarewicz, S. 122. 109 Kolarzowski, Stud. Iur. (34) 1997, 37. 110 Kolarzowski, ebd. 102
9. Kap.: Verbrechensbegriff und Gemeinschaftsinteressen
197
direkt von der gesellschaftlichen Natur des Menschen herrührte.111 Daher musste sich auch der Verbrechensbegriff an der Natur des Menschen und der Gesellschaft orientieren. Einen lediglich formalen Verbrechensbegriff lehnte er als tautologisch ab.112 In Anlehnung an Durkheim kritisierte er das Kriterium der „Schädlichkeit“, welches – wie er zugab – zwar bei den meisten Straftaten erfüllt sei; aus seiner Sicht waren jedoch auch Straftaten denkbar, die dieses Kriterium nicht erfüllten.113 Unter kommunistischer Fremdherrschaft wurde der Begriff der „Gesellschaftsgefährlichkeit einer Handlung“ („społeczne niebezpieczenstwo czynu“) nach Vorbild des sowjetischen Strafgesetzbuchs in Polen eingeführt.114 Die Frage des materiellen Verbrechensbegriffs spielte als ideologische Standortbestimmung eine Schlüsselrolle im kommunistischen Strafrecht.115 Eine Integration der Gesellschaftsgefährlichkeit erfolgte zuerst im Prozessrecht und ab 1969 auch im reformierten poln. StGB, wo der materielle Verbrechensbegriff an zwei Stellen zentral zur Geltung kam: in Art. 1 poln. StGB von 1969 hieß es: „Der strafrechtlichen Verantwortung unterliegt nur, wer sich einer gesellschaftlich gefährlichen Handlung (. . .) schuldig gemacht hat (dopuszcza sie˛).“; Art. 26 § 1 poln. StGB von 1969 lautete: „Eine Handlung, deren Gesellschaftsgefährlichkeit geringfügig ist, stellt keine Straftat dar.“ Damit wurde der Grundsatz „nullum crimen sine pericoli sociali“ im polnischen StGB verankert.116 Was unter Gesellschaftsgefährlichkeit genau zu verstehen war, war unklar. Der Begriff selbst wurde nicht näher definiert. Allerdings, so Andrejew, wisse man „in groben Zügen, um was es geht“117. In der Praxis der Gerichte wurden unter diesen Begriff aber auch Handlungen subsumiert, die den Interessen der herrschenden politischen Klasse zuwider liefen.118 Durch den materiellen Verbrechensbegriff sollte eine mit den politischen Leitsätzen übereinstimmende Interpretation des Strafrechts gesichert werden.119 Der marxistischen Strafrechtstheorie lag die Auffassung zugrunde, dass ein materieller Verbrechensbegriff, der sich nur an den Allgemeininte111
Kolarzowski, Stud. Iur. (34) 1997, 37 (38). Wa˛sowicz, S. 242. 113 Zitiert nach Wa ˛ sowicz, S. 242. 114 Zum Ganzen: Gałazka, in: Grzes ´kowiak (Hg.), S. 135 ff.; Weigend, in: Sieber/ Cornils (Hg.) Bd. 2, S. 425. 115 Vgl. nur Lernell, S. 56, 57; Jescheck, Spendel-FS, S. 852. 116 Kunicka-Michalska, Rejman-Kommentar Art. 1, Rn. 1. 117 Andrejew, NP (12) 1957, 8. 118 Gała ˛ zka, in: Grzes´kowiak (Hg.), S. 136; Kaczmarek, ZStW 1976, 1116 (1121); Weigend, in: Sieber/Cornils (Hg.) Bd. 2, S. 426; Wolter, S. 13. 119 Gała ˛ zka, in: Grzes´kowiak (Hg.), S. 156; Weigend, in: Sieber/Cornils (Hg.) Bd. 2, S. 426. 112
198
4. Teil: Sind Erinnerungsgesetze strafrechtsdogmatisch integrierbar?
ressen der Nation bzw. den moralischen Werten der Gesellschaft orientiert, das Wesen des Verbrechens als Klassenphänomen nicht ausreichend zur Geltung bringe, sondern es verstecke. Die Kritik der marxistischen Strafrechtstheorie richtete sich daher auch gegen solidaristische Konzepte.120 Erst der Sozialismus sollte durch die Beseitigung der Klassenunterschiede auch die Gründe für die Existenz des Verbrechens beseitigen.121 II. Der Begriff der Gesellschaftsschädlichkeit in Art. 1 § 2 poln. StGB von 1997 Der materielle Verbrechensbegriff erfreut sich in der polnischen Strafrechtsdogmatik einer hohen Aufmerksamkeit. Sowohl zum Begriff der „Gesellschaftsgefährlichkeit“ im poln. StGB von 1969 als auch zum Begriff der „Gesellschaftsschädlichkeit“ im poln. StGB von 1997 gibt es zahlreiche Publikationen.122 Im geltenden poln. StGB von 1997 wird der Begriff der „Gesellschaftsschädlichkeit“ in Art. 1 § 2 verwendet. Dort heißt es: „Eine Handlung, deren Gesellschaftsschädlichkeit geringfügig ist, stellt keine Straftat dar.“ Als Grund für die Ablösung des Begriffs „Gesellschaftsgefährlichkeit“ durch den Begriff „Gesellschaftsschädlichkeit“ werden in der Begründung des Regierungsentwurfs zwei Gründe angegeben: zum einen war der Begriff „Gesellschaftsgefährlichkeit“ politisch und ideologisch vorbelastet; zum anderen sollte eine Distanzierung zu den früheren Interpretationstendenzen der Gerichte erfolgen, Kriterien wie die Lebensführung oder Meinungen des Delinquenten in die Strafzumessung einzubeziehen.123 Das Verhältnis zwischen den Begriffen „Gesellschaftsschädlichkeit“ und „Gesellschaftsgefährlichkeit“ war schon im früheren Recht umstritten. Die Kontroverse wird nun unter „Umkehrung“ der Begriffe weitergeführt. Zur früheren Rechtslage wurde die Ansicht vertreten, dass nur die konkrete Tat als „gesellschaftschädlich“ gilt, während sich die Gesellschaftsgefährlichkeit abstrakt auf wiederholbare Erscheinungen bezog.124 Diese Aufteilung wurde jedoch nicht streng gehandhabt, so dass unter den Begriff „Gesellschaftsgefährlichkeit“ – entgegen dem Wortlaut – auch tatsächlich 120
Olszewski, PiP 1958, 425. Piontkowski, PiP 1963, 233. 122 Siehe z. B. Cies ´lak, ZStW 1978, 504 ff.; Kaczmarek, ZStW 1976, 1116 ff.; Kunicka-Michalska, RejmanKommentar Art. 1, Rn. 97 m. w. N.; Zoll, PiPr. (2) 1997, 7; die aktuellsten Monografien zu dem Thema stammen von Zawłocki (2008) und Plebanek (2009), siehe Schrifttum. 123 Majewski, PS (6) 1996, 74 (75); Warylewski, PS (7–8) 1998, 3 (6). 124 Lernell, S. 57; Marek, (1) NP 1966, 199 (204). 121
9. Kap.: Verbrechensbegriff und Gemeinschaftsinteressen
199
erfolgte Rechtsgutsschädigungen gerechnet wurden.125 Für Wolter hingegen ergab sich die Gesellschaftsgefährlichkeit erst als Summe aus der objektiven Verwirklichung eines Tatbestands (Gesellschaftsschädlichkeit) und der Verwirklichung des subjektiven Tatbestands.126 Für die Rechtslage seit 1997 wird von Warylewski behauptet, dass sich der Begriff der Gesellschaftsgefährlichkeit nunmehr erübrigt habe und nicht weiter verwendet werden sollte.127 Nach Ansicht von Zawłocki wird heute mit der Gesellschaftsschädlichkeit einer Handlung eine konkrete Tat bezeichnet, während die Gesellschaftsgefährlichkeit bei der Auswahlentscheidung des Gesetzgebers bezüglich der Strafwürdigkeit einer Handlung verwendet wird.128 Der Begriff der Gesellschaftsschädlichkeit bezieht sich damit auf die Strafwürdigkeit eines konkreten Verhaltens. Dem Richter obliegt nicht die Möglichkeit, eine gesetzliche Straftatkategorie als solche in Frage zu stellen, sondern nur festzustellen, ob die Gesellschaftsschädlichkeit einer konkreten Handlung zu bejahen ist. Diese Einteilung entspricht im Grunde derjenigen von Lernell und Marek für die Gesellschaftsgefährlichkeit im poln. StGB a. F. Zumindest die begriffliche Loslösung des Neuentwurfs von Art. 1 poln. StGB von 1969 ist daher eher schwach ausgeprägt. Ein Unterschied ergibt sich jedoch insoweit, als jetzt die Gesellschaftsschädlichkeit, die in Art. 115 § 2 poln. StGB legaldefiniert ist, als Element des materiellen Verbrechensbegriffs in Frage steht. 1. Die Ausklammerung aus der materiellen Verbrechensdefinition Umstritten und teilweise widersprüchlich sind die Aussagen zu der Frage, ob der Begriff der Gesellschaftsschädlichkeit überhaupt noch als ein Element des materiellen Verbrechensbegriffs angesehen werden kann. Von einzelnen Autoren ist die Kritik geäußert worden, die Verankerung einer Verbrechensdefinition im Strafgesetzbuch sei in freiheitlichen Rechtsordnungen nicht üblich.129 Eine Minderheitsmeinung in der polnischen Strafrechtslehre vertritt die Ansicht, dass die Neufassung des Art. 1 poln. StGB keinen materiellen Verbrechensbegriff mehr enthält, sondern lediglich eine Voraussetzung für die Bestimmung einer Straftat im konkreten Fall vorsieht.130 Für diese 125 126 127 128 129 130
So Cies´lak, S. 250; ders., ZStW 1978, 504 (508). Wolter, S. 18. Warylewski, PS (7–8) 1998, 3 (11). Zawłocki, S. 73. Siehe schon Kochanowski, Pal. Nr. 8–9 1990, 11 (16). Wojciechowski, Kommentar, S. 6.
200
4. Teil: Sind Erinnerungsgesetze strafrechtsdogmatisch integrierbar?
Ansicht spricht, dass sich die Rechtsfolgen des Art. 1 § 2 poln. StGB von 1997 von denen des Art. 1 poln. StGB a. F. unterscheiden: Während bei letzterem die geringe Gesellschaftsgefährlichkeit den Ausschluss der Verbrechenseigenschaft zur Folge hatte, bedeutet eine geringfügige Gesellschaftsschädlichkeit nunmehr „nur“ noch, dass die Strafverfolgung ausgesetzt wird. Dies hat eine unterschiedliche Qualität. Die Aussetzung der Strafverfolgung ist nicht gleichzusetzen mit einem Freispruch in der Sache. Vielmehr wird die Bewertung aufrechterhalten, dass die Verfolgung einer Tat rechtlich begründet war.131 Art. 1 § 2 poln. StGB von 1997 ist demnach Ausdruck des Opportunitätsgrundsatzes und hat seinen eigentlichen Platz in der Strafprozessordnung.132 2. Die Integration in die materielle Verbrechensdefinition Nach der wohl herrschenden Lehrmeinung spricht die Tatsache, dass neben der formalen Existenz eines Tatbestands Kriterien für die inhaltliche Bestimmung einer Straftat geliefert werden, für die Annahme eines materiellen Verbrechensbegriffs in Art. 1 § 2 poln. StGB von 1997.133 Laut Majewski wird durch den Begriff Gesellschaftschädlichkeit die Verbrechenseigenschaft konkretisiert.134 Zoll sieht in dem der Vorschrift zugrunde gelegten Grundsatz „nullum crimen sine pericoli sociali“ zwar ein Prinzip, das eher in die Verfassung passt.135 Er verteidigt Art. 1 § 2 jedoch gegen den Vorwurf der Nähe zu Strafgesetzbüchern totalitärer Regime und betrachtet die Beibehaltung des materiellen Verbrechensbegriffs als „außerordentlich nützlich“136. Zawłocki ist der Ansicht, dass das polnische Strafrecht nach wie vor von einem materiellen Verbrechensbegriff ausgeht und zwei Adressaten hat, nämlich Gesetzgeber und Richter.137 Ein Teil der Lehre bietet schließlich eine vermittelnde Position an. So stellt Art. 1 § 2 poln. StGB von 1997 nach Ansicht von Kunicka-Michalska eine Kompromisslösung dar, da die materielle Verbrechensdefinition aus Art. 1 poln. StGB von 1969 gestrichen und eine systematische Änderung vorgenommen worden sei: Art. 1 § 2 sei nicht die Fortsetzung des früheren Art. 1, sondern die Entsprechung des früheren Art. 26 § 1 poln. StGB von 131
Kunicka-Michalska, PPK 1998, 3 (16); Majewski, PS (6) 1996, 74 (79). Majewski, PS (6) 1996, 74 (79). 133 Stellv. Marek, Kommentar, S. 6. 134 Majewski, PS (6) 1996, 74 (85); siehe auch: Ratajczak, S. 211; Rejman, Stud. Iur. (38) 2000, 133 (139). 135 Zoll, PiPr. (2) 1997, 7 (11). 136 Zoll, PiPr. (2) 1997, 7 (14); kritischer aber Zoll, in: Zoll Kommentar, S. 25 ff. 137 Zawłocki, S. 73. 132
9. Kap.: Verbrechensbegriff und Gemeinschaftsinteressen
201
1969. Dadurch werde ein neuer Grundsatz aufgestellt: „nullum crimen sine damno sociali magis quam minimo“.138 Dieser Grundsatz drücke einen materiellen Verbrechensbegriff aus.139 III. Die Verbrechensdefinition Unabhängig davon, ob das polnische StGB von 1997 expressis verbis oder „nur“ implizit eine materielle Verbrechensdefinition enthält, stellt sich die Frage, auf Grund welcher Kriterien der Gesetzgeber eine Handlung als Straftat qualifiziert. Denn auch wenn ein materieller Verbrechensbegriff nicht explizit im StGB verankert sein sollte, wie ein Teil der polnischen Strafrechtslehre behauptet, so muss sich der Gesetzgeber trotzdem nach bestimmten Maßstäben richten, wenn er eine Handlung unter Strafe stellen will. Als solcher Maßstab steht die Gesellschaftsschädlichkeit/Gesellschaftsgefährlichkeit einer Handlung im Mittelpunkt des Interesses. Das Postulat an den Gesetzgeber, nur gesellschaftsschädliche Handlungen unter Strafe zu stellen, haben die Verfasser des poln. StGB von 1997 aus Art. 5 DDHC von 1789 abgeleitet; das Kriterium der Gesellschaftsschädlichkeit der Tat wird in der polnischen Strafrechtslehre nunmehr in allen Definitionen der Straftat gebraucht.140 So definiert Gardocki stellvertretend für viele die Straftat als „menschliche Handlung, die als Verbrechen oder Vergehen strafbewehrt, rechtswidrig, schuldhaft und in einem mehr als geringfügigen Maße gesellschaftsschädlich ist“141. Unter Gesellschaftsschädlichkeit wird verstanden, dass die strafbewehrte Handlung jemandem oder etwas Schaden bringt oder verlustreiche Folgen hat.142 Das Objekt, auf das sich die Schädlichkeit bezieht, ist jedoch nicht die „Gesellschaft“. Vielmehr wird als Objekt der Schädlichkeit ein Rechtsgut („dobro prawne“) ausgemacht. „Die Gesellschaftsschädlichkeit einer Handlung bedeutet“, so Marek, „dass diese Handlung ein Rechtsgut verletzt oder gefährdet (und zwar ein individuelles oder gesellschaftliches)“143. Die Schädlichkeit für die Gesellschaft wird mit der Schädlichkeit für ein geschütztes Gut gleichgesetzt.144 Rechtsgut kann nur sein, was von der Gesellschaft als solches anerkannt wird. Nach Ansicht von A. Ra138 139 140 141 142 143 144
Kunicka-Michalska, PPK 1998, 5 (17). Kunicka-Michalska, Rejman-Kommentar Art. 1, Rn. 93. So Ratajczak, S. 172. Gardocki, S. 47. Ratajczak, S. 213. Marek, Kommentar, S. 8. Ratajczak, S. 213.
202
4. Teil: Sind Erinnerungsgesetze strafrechtsdogmatisch integrierbar?
tajczak sind Rechtsgüter grundlegende und allgemein akzeptierte Werte oder nach solidaristischer Sichtweise: gesellschaftliche, nationale und humane Interessen.145 Den Entstehungsprozess einer Strafvorschrift hat Zawłocki in enger Anlehnung an Zoll skizziert.146 Nach seiner Auffassung besteht das materielle Prinzip „nullum crimen sine pericoli sociali“ in einer dualistischen Form fort: nämlich zum einen in der Entscheidung des Gesetzgebers zur Pönalisierung einer Handlung aufgrund ihrer Gesellschaftsgefährlichkeit und zum anderen in der Anwendung bei der Bestimmung der Gesellschaftsschädlichkeit einer konkreten Tat.147 Zawłocki behält – nach Zoll – das Kriterium der Gesellschaftsgefährlichkeit bei der vom Gesetzgeber vorzunehmenden Qualifizierung einer Handlung als Straftat bei. Der Gesetzgeber bewertet zunächst nach teleologischen und axiologischen Kriterien, was gesellschaftsgefährlich ist. Die Pönalisierung einer Handlung erfolgt in sechs Etappen: Nach einer moralischen Unterscheidung zwischen gut und schlecht (1) werden individuelle oder gesellschaftliche Werte herauspräpariert und zu einem Wertesystem zusammengefügt (2); das Wertesystem erlaubt die Anerkennung bestimmter Güter (3); Aus der Anerkennung von Gütern werden gesellschaftliche Normen (4), aus deren Übertretung teilweise Rechtsnormen (5) entstehen, die im Fall strafrechtlicher Normen Rechtsgüter schützen (6).148 Die Entscheidung des Gesetzgebers für die Pönalisierung eines Verhaltens ist daher an Werte, Moralvorstellungen und gesellschaftlich akzeptierte Grundsätze geknüpft. Mit der Existenz der Strafvorschrift ist gemäß Art. 1 § 2 poln. StGB von 1997 ein strafbewehrtes Verhalten als gesellschaftsschädlich einzustufen. Die Hauptfunktion dieses Artikels sieht Kochanowski darin, dass er es möglich macht, sich auf ein außerrechtliches System moralischer Werte zu berufen.149 Unter Moral versteht Zawłocki eine „solidaristische Moral“, welche die Beziehung zwischen Einzelnem und der Gruppe regelt.150 Dies wird von der Rechtsprechung ähnlich gesehen. Der poln. Oberste Gerichtshof (Sa˛d Najwyz˙szy, SN) vertritt die Ansicht, dass nur ein Verhalten, das wesentliche gesellschaftliche Werte verletzt, eine Straftat sein kann.151 Eine Straftat muss zumindest in minimalem 145
Ratajczak, S. 169. Zawłocki, S. 92. 147 Zawłocki, S. 97. 148 Zawłocki, S. 102; ähnlich schon Zoll, PiPr. (2) 1997, 7; für eine Orientierung an der Verfassung: Plebanek, S. 103. 149 Kochanowski, Pal. Nr. 8–9 1990, 11 (15). 150 Zawłocki, S. 103. 151 OSNKW, 1991 Nr. 10–12 Pos. 49, S. 25. 146
9. Kap.: Verbrechensbegriff und Gemeinschaftsinteressen
203
Ausmaß gesellschaftlich anerkannte Werte betreffen.152 Dagegen hat die marxistische Lehre hier noch die Ansicht vertreten, dass der materielle Kern einer Vorschrift ohne das Wissen und ohne die Absicht des Gesetzgebers bestehen kann.153 Die Konzeption der Gesellschaftsschädlichkeit bzw. Gesellschaftsgefährlichkeit zeigt deutlich den Einfluss der soziologischen Schule zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf.154 Darin liegt, trotz der zwar nicht identischen, wohl aber ähnlichen Begriffe, der stärkste Bruch mit der marxistischen Strafrechtstheorie, da Werte und Güter der Gesellschaft das Interesse der herrschenden Klasse ablösen. Was Rechtsgut sein darf, entscheidet zwar auch in der Demokratie letztlich die aktuell herrschende Mehrheit, jedoch ist ihr die Werthierarchie von der Gesellschaft und von der Orientierung am gesellschaftlichen Wohl vorgegeben.155 IV. Die Funktion des Rechtsguts („dobro prawne“) Der Begriff des Rechtsguts taucht in der polnischen Strafrechtsdogmatik bzw. im Gesetz vor allem an drei Stellen auf: bei der Systematisierung der Straftatbestände, als Kriterium zur Konkretisierung der Gesellschaftsschädlichkeit eines Verhaltens (Strafzumessung) sowie bei der Bestimmung des materiellen Verbrechensbegriffs. In der Systematik des poln. StGB von 1997 wird die Ordnungsfunktion der Rechtsgüter sichtbar: Die verschiedenen Abschnitte des StGB, aber auch des Nebenstrafrechts sind nach Schutzobjekten aufgeteilt. „Rechtsgüter“, so Gardocki, „sind Schutzobjekte des Strafrechts; daher werden Straftaten anhand von Rechtsgütern klassifiziert“156. Innerhalb der Straftatbestände erlaubt die Intensität der Rechtsgutsbeeinträchtigung zudem die Einteilung in Verletzungs- und Gefährdungsdelikte.157 Eine Kernfunktion erfüllt das Rechtsgut bei der Bestimmung des materiellen Verbrechensbegriffs: Ziel des Strafrechts ist der Schutz von ausgewählten Rechtsgütern vor Handlungen, die gesellschaftsgefährlich sind.158 Das Rechtsgut spielt hier insoweit eine wichtige Rolle, als es die Gesellschaftsgefährlichkeit bzw. -schädlichkeit einer Handlung näher bestimmt. 152 153 154 155 156 157 158
OSNKW, 1993 Nr. 11–12 Pos. 72, S. 46 ff. Andrejew, NP (12) 1957, 8. Rejman, Stud. Iur. (38) 2000, 133 (139). Vgl. Majewski, PS (6) 1996, 74. Gardocki, S. 84. Gardocki, S. 84. Plebanek, S. 100; Ratajczak, S. 14.
204
4. Teil: Sind Erinnerungsgesetze strafrechtsdogmatisch integrierbar?
Ein Verhalten ist erst dann gesellschaftsschädlich bzw. -gefährlich, wenn es Rechtsgüter bedroht oder verletzt. Das Rechtsgut stellt die Konkretisierung bzw. Verdinglichung der Gesellschaftsschädlichkeit dar und ist daher in Abhängigkeit von dieser zu betrachten. Es ist eine Aufbewahrungsform für moralische Postulate (Normen).159 Eine kritisch-liberale, den Gesetzgeber in seinem Handlungsspielraum eingrenzende Funktion ist dem Rechtsgut in der polnischen Strafrechtsdogmatik nicht zu entnehmen. So gilt beispielsweise der Mitautor des polnischen StGB von 1997, Zoll, als Anhänger der Bindingschen Normenlehre und folgt dessen Unterscheidung zwischen Norm und Vorschrift.160 Aus der Strafvorschrift lassen sich demnach zwei Normen ableiten: Erstens eine sanktionierte Norm (z. B. „töte nicht!“), die eine Pflicht zu einem bestimmten Verhalten ausdrückt; und zweitens eine sanktionierende Norm, welche die Strafbarkeit der sanktionierten Norm einführt („bestraft wird, wer einen Menschen tötet“). Dies setzt voraus, dass die sanktionierte Norm der sanktionierenden Norm voraus geht.161 Das Strafrecht begleitet den Normbruch lediglich durch die Sanktion und leistet dabei einen Beitrag zur Sicherung der Rechtsordnung.162 Für die Bestimmung des Rechtsguts als Konkretisierung der Norm bedeutet dies, dass sich die Norm prinzipiell aus der Rechtsordnung ergibt und keinen außerrechtlichen Begrenzungsmustern unterfällt. Ein Rechtsgut kann nach Ansicht von Zoll all dasjenige sein, was sich in der gesellschaftlichen Sphäre bewegt und verletzt werden kann.163 Es bleibt jedoch abstrakte Größe und ist vom Handlungsobjekt (welches tatsächlich „verletzt“ werden kann) zu unterscheiden.164 In seiner dritten Eigenschaft kommt dem Rechtsgut die Funktion des Gradmessers für die Gesellschaftsschädlichkeit einer Handlung zu. Diese Funktion erfüllt das Rechtsgut zusammen mit anderen Parametern. In Art. 115 § 2 poln. StGB von 1997 heißt es: „Bei der Bestimmung des Grades der Gesellschaftsschädlichkeit einer Handlung berücksichtigt das Gericht die Art und den Charakter des verletzten Gutes, das Ausmaß des eingetretenen bzw. drohenden Schadens, die Art und Weise sowie die Umstände der Tatbegehung (. . .).“
In dem bisher einzigen Prozess gegen einen Holocaustleugner in Polen, Dariusz Ratajczak, hatte das Gericht die Gesellschaftsschädlichkeit der 159 160 161 162 163 164
Zoll, PiPr. (2) 1997, 7. Zoll, Krak. Stud. Prawn. 1990, 67 (69). So schon Binding, S. 4. Królikowski, Stud. Iur. (66) 2006, 179 (187). Zoll, PiPr. (2) 1997, 7. Gardocki, S. 84.
9. Kap.: Verbrechensbegriff und Gemeinschaftsinteressen
205
Handlung als geringfügig eingestuft und das Strafverfahren eingestellt. Als Grund wurde angegeben, dass das betreffende Buch mit den negationistischen Inhalten nur lediglich 300 Käufer gefunden hatte und zudem nur in einem Buchgeschäft erhältlich gewesen war. An diesem Urteil war u. a. deshalb Kritik geübt worden, weil dadurch der Eindruck entstanden war, das Leugnen des Holocaust sei „an sich“ nicht gesellschaftsschädlich. Eine derart grundsätzliche Einschätzung eines Delikts hatte das Gericht jedoch nicht ausgesprochen; die Entscheidung über die grundsätzliche Gesellschaftsgefährlichkeit ist einzig dem Gesetzgeber vorbehalten. Das Beispiel zeigt jedoch, welche Probleme und Missverständnisse diese Begrifflichkeiten hervorrufen können.
D. Der materielle Verbrechensbegriff in England I. Begriff und Funktion des Harm Principle Das zentrale Element des materiellen Verbrechensbegriffs im angelsächsischen Rechtskreis ist das Harm Principle.165 Dessen Urheber J. S. Mill wollte damit ein allgemeines (nicht bloß strafrechtliches) Kriterium entwickeln, das unabhängig von einem konsentierten Werturteil der Gesellschaft oder der politischen Mehrheit Grenzen für Eingriffe in die Freiheitssphäre des Einzelnen aufstellt.166 Der einzige Grund, so seine Formel, aus welchem über den Einzelnen legitimerweise Gewalt ausgeübt werden darf, sei Schaden von anderen fernzuhalten („to prevent harm to others“)167. In dieser Logik hält Mill beispielsweise auch die Verhinderung der Selbstschädigung durch den Staat für illegitim (Paternalismus). Das Harm Principle hat schon früh Kritik hervorgerufen und lässt viele Fragen offen. Zum einen irritiert die streng individualistische Sichtweise, die eine gewisse Dichotomie zu Mills utilitaristischer Morallehre offenbart.168 In „Utilitarianism“ plädiert Mill in einer gewissen Gegensätzlichkeit zu „On Liberty“ für kollektive Interessen und das allgemeine Glücks165
Ashworth, S. 27; Eser, Duq. U. L. Rev. 1965–66, 345 (349); Simester/Sullivan, S. 2; die Bedeutung des Harm Principle ist jedoch umstritten, in manchen Lehrbüchern kommt es gar nicht vor: vgl. z. B. Jefferson, Michael, Criminal Law (6. Aufl. 2003); Molan/Bloy/Lanser, Modern Criminal Law (5. Aufl. 2003); Norrie, Alan, Crime, Reason and History (1992); so auch der Befund von Husak, S. 14; für die Bedeutung in Australien siehe Lauterwein, S. 51 ff.; in der amerikanischen Rechtsprechung spielt es ebenfalls kaum eine Rolle, so Dubber, ZStW 2005, 485 (500 Fn. 41). 166 Für die wohl h. M.: Hondrich, S. 185; a. A. Husak, S. 237. 167 Mill, S. 14. 168 Vgl. Husak, S. 236.
206
4. Teil: Sind Erinnerungsgesetze strafrechtsdogmatisch integrierbar?
prinzip.169 In seiner Frühschrift „Law of Libel and Liberty of the Press“ war Mill zudem noch der Ansicht gewesen, dass sogar wahre (!) Tatsachen in der Öffentlichkeit unterdrückt werden dürfen, wenn sie lediglich ein Ärgernis („annoyance“) hervorrufen.170 Selbst in „On Liberty“ spricht Mill noch von „offenses against decency“ die legitimerweise verboten werden können.171 Mills stärkster Kritiker James Fitzjames Stephen lehnte das Harm Principle u. a. mit der Begründung ab, dass das Strafrecht auch eine moralische Dimension besitze, die im Gedanken der Vergeltung zum Ausdruck gebracht, aber durch das Harm Principle nicht erfasst werde.172 Jerome Hall stellt bei der Abgrenzung des Strafrechts vom Zivilrecht fest, „that damage is not an essential element anywhere in the criminal law“173. In der englischen Verbrechenslehre war lange Zeit ein formeller Verbrechensbegriff vorherrschend, der das Verbrechen mit der Gesetzesverletzung gleichstellte.174 Nicht gänzlich geklärt ist bei Mills Harm Principle, was unter „harm“ zu verstehen ist und wer unter „others“ fällt.175 Sind Schäden nur direkt messbare materiell-verkörperte Schäden oder ist auch die Störung von Bewusstseinszuständen als Schaden aufzufassen? Beziehen sich die Schäden nur auf andere Individuen, oder fallen auch Tiere176 oder der Staat177 darunter? Seit Mill hat es zahlreiche Arbeiten zum legitimen Einsatz des Strafrechts unter Berücksichtigung und Erweiterung des Harm Principle gegeben, die sich mit diesen Fragen befassen.178 So definiert Feinberg den Schaden als „wrongful setback of interests“179. Unter „interest“ versteht er Ansprüche, die eine Person auf ihr Wohlergehen hat („stakes in well-being“).180 Von Hirsch spricht ähnlich wie Feinberg von „resources“181. Feinberg erweitert 169 Mill, Utilitarianism, S. 164, 165, 188; kritisch: Stephen, S. 142; vgl. auch Hondrich, S. 188. 170 Mill, Libel, S. 15; ausführlich Cohen-Almagor, Scope, S. 17. 171 Mill, Liberty, S. 109. 172 Stephen, S. xxii und S. 152. 173 Hall, S. 201. 174 Vgl. Eser, Duq. U. L. Rev. 1965–66, 345 (353) und die Verbrechensdefinition von Wharton, S. 17 ff. 175 Ashworth, S. 28; ausführlich hierzu: Dubber, ZStW 2005, 485 (499); Eser, Duq. U. L. Rev. 1965–66, 345 (348); Seher, S. 22. 176 Zust. Pers ˇak, S. 21; Wellman, Legal Theory (3) 2005, 213; Begründungsschwächen des Harm Principle oder der Rechtsgutslehre räumt auch v. Hirsch, GA 2002, 2 (13) ein. 177 Zust. Pers ˇak, S. 49. 178 Die detaillierteste Ausarbeitung ist das vierbändige Werk von Joel Feinberg, The Moral Limits of the Criminal Law. 179 Feinberg, Harm, S. 26. 180 So auch Baker, Austl. J. Leg. Phil. 2008, 66 (74); Hondrich, S. 187.
9. Kap.: Verbrechensbegriff und Gemeinschaftsinteressen
207
das Harm Principle zudem um einen Störungsgrundsatz („Offense to Others“) und legitimiert in Ausnahmefällen unrechte Handlungen ohne Schäden („Harmless Wrongdoing“) sowie Selbstschädigungen („Harm to Self“). Diese Erweiterungen, die Feinberg noch von einem liberalen Verbrechensbegriff umfasst sieht, werfen die Frage nach der Tragfähigkeit des Harm Principle auf.182 Was bleibt vom Harm Principle Millscher Prägung noch übrig, wenn selbst Befürworter des Prinzips es als „defizitär“183 einstufen?184 Der minimalistische Ansatz des Harm Principle scheint das Strafbedürfnis nicht befriedigend zum Ausdruck zu bringen.185 In der Literatur wird deshalb teilweise von einem „Kollaps“186 des Harm Principle gesprochen bzw. nach anderen Begründungsmustern, z. B. in Kants moralischem Imperativ, gesucht.187 Dripps hält das Harm Principle für zu vage, zu offen und schlicht für katastrophal, was die Aussagefähigkeit als Begrenzungkriterium betrifft.188 Auch die deutsche Rechtsgutslehre stößt seit einigen Jahren auf ein gewisses Interesse.189 Im Folgenden sollen vier gemeinschaftsorientierte Begründungsmuster vorgestellt werden, die das Harm Principle entweder völlig übergehen (Devlin), es um weitere Kriterien (Feinberg, Raz) oder um eine ideelle Komponente erweitern (MacKinnon, Delgado, Tsesis) und damit letztlich über eine streng individualistische Schadensauslegung hinausgehen. II. Der Stellenwert von Gemeinschaftsinteressen und Wertvorstellungen 1. Die „Disintegration Thesis“ (Devlin) Patrick Devlin stellte sich gegen die verbreitete These, dass das Strafrecht individuelle Interessen zum Ziel habe. Er behauptete stattdessen in 181
v. Hirsch, in: Hefendehl (Hg.), S. 16; näher zum Begriff: ders., Herzberg-FS, S. 917; vgl. Persˇak, S. 58. 182 Vgl. z. B. Stewart, Crim. L. & Philosophy 2010, 17 ff. 183 Husak, S. 236. 184 Vgl. Pers ˇak, S. 78 ff.; für eine harsche Kritik siehe: Dripps, Crim. Just. Ethics 1998, 3 ff. 185 Warnock, in: Mendus (Hg.), S. 126. 186 Harcourt, J. Crim. L. & Criminology 1999, 109. 187 Ripstein, Philosophy & Public Affairs 2006, 215 ff.; kritisch dazu: Baker, Aust. J. Leg. Phil. 2008, 66 ff.; ein weiterer Ansatz findet sich bei v. Hirsch/Jareborg, Oxf. J. Leg. St. 1991, 1 ff. 188 Dripps, Crim. Just. Ethics 1998, 3. 189 Dubber, ZStW 2005, 485 (500) Fn. 42 m. w. N.; v. Hirsch, in: Hefendehl (Hg.), S. 17; ders., GA 2002, 2 ff.
208
4. Teil: Sind Erinnerungsgesetze strafrechtsdogmatisch integrierbar?
„The Enforcement of Morals“, dass das Strafrecht auf einem moralischen Konsens gründet und diesen umsetzt.190 Devlin geht davon aus, dass die Vernachlässigung gesellschaftlicher Bindungselemente (beispielsweise durch fehlenden strafrechtlichen Schutz) dazu führen kann, dass Gesellschaften sich auflösen: „There is disintegration, when no common morality is observed.“191 Dies legitimiert es laut Devlin, ein von der allgemein geteilten Moral abweichendes Verhalten, wie Prostitution oder Homosexualität unter Männern, strafrechtlich zu ahnden. Diese Ansicht ist wiederholt und zu Recht mehrfach scharf kritisiert worden.192 Dennoch vermag Devlin gegen den individualschützenden Charakter des Harm Principle einige Punkte vorzubringen, die außerhalb der abstrusen These liegen, dass Homosexualität ganze Gesellschaften aufzulösen vermag. Gegen die Einordnung des Strafrechts als Individualschutz spricht aus seiner Sicht dessen Charakter als öffentliches Recht. Das Strafrecht wird nicht vom Einzelnen ausgeübt, sondern durch den Staat durchgesetzt. Dies geschieht selbst dann, wenn der Einzelne dem Verbrecher verzeiht und von Strafe absehen würde. Hierin liegt der fundamentale Unterschied zwischen Zivilrecht und Strafrecht. Devlin schließt daraus, dass das Strafrecht aus diesem Grund nicht Einzelinteressen zu dienen vermag, sondern eine „offense against society“ darstellt.193 Viele Delikte, wie das Verbot der Abtreibung, des Inzests, des Duells etc. spielten sich nicht in der Öffentlichkeit ab, sondern im Privaten und seien schwer über einen Schaden für andere Menschen erfassbar. Daher müsse es einen Rechtfertigungsgrund für das Strafrecht geben, der außerhalb der Interessen des Einzelnen liegt. Hierfür greift Devlin auf gemeinsame Wertüberzeugungen und Gemeinschaftsinteressen politischer und moralischer Art zurück: „What makes a society of an sort is community of ideas, not only political ideas but also ideas about the way its members should behave and govern their lives; these latter ideas are its morals.“194
Damit beschreibt Devlin das, was Durkheim mit der conscience collective gemeint haben soll.195 Das Recht gilt nicht nur, weil es Recht ist, sondern dadurch, dass es einen sozialen Kontext vorfindet und diesen abbildet. Die190
Devlin, S. 7. Devlin, S. 13. 192 Am schärfsten von H. L. A. Hart, Law, Liberty and morality (1963); siehe auch Dworkin, R., S. 240 ff.; ders., Yale L. J. 1966, 966 (990); vgl. für Deutschland z. B.: Papageorgiou, S. 260. 193 Devlin, S. 6. 194 Devlin, S. 9. 195 Ähnlich auch Hart, U. Chi. L. Rev. 1967–1968, 5 ff. 191
9. Kap.: Verbrechensbegriff und Gemeinschaftsinteressen
209
ser soziale Kontext ist der tragende Grundkonsens der Gesellschaft. Das hat zur Folge, dass ein Verhalten, das gegen die Grundlage einer Gesellschaft gerichtet ist, unterbunden werden darf. Es gibt laut Devlin ein Mindestmaß an anerkannten Wertvorstellungen, dessen status quo mit Hilfe des Strafrechts abgesichert werden darf.196 Am Beispiel der Pönalisierung der Homosexualität unter Erwachsenen entzündete sich H. L. A. Hart’s Fundamentalkritik. Er kritisierte nicht Devlin’s grundlegenden Gedankenansatz, sondern bestritt dessen Ansicht, dass eine einheitlich Sexualmoral so staatstragend bzw. gesellschaftsprägend sein könne, dass davon abweichendes Verhalten als gefährlich für die Gesellschaft und den Staat angesehen werden müsse: „No evidence is produced to show that deviation from accepted sexual morality, even by adults in private, is something which, like treason, threatens the existence of society.“197
Devlin’s These scheitert also nicht an ihrer Prämisse, sondern an ihrer Anwendung.198 Devlin missachtet die Grenze zwischen staatlicher und gesellschaftlicher Sphäre und erhebt die Durchsetzung einer Moralvorstellung zum Vitalitätsgrund der Gesellschaft. Dies wirft erstens angesichts der pluralen Wertvorstellungen moderner Gesellschaften Zweifel auf. Zweitens ist auf Grund der staatlichen Neutralitätspflicht gegenüber gesellschaftlichen Konzepten des „guten Lebens“ prinzipiell Zurückhaltung gefordert. Nicht auf gesellschaftlicher Ebene besteht eine Interventionspflicht des Staates, sondern wenn dessen politische Grundausrichtung, also indirekt er selbst in Frage gestellt wird; der Staat ist kein Abbild einer gesellschaftlich-privaten Lebensform, sondern ein politischer Verband. Es kann also nicht um die Strafbarkeit eines unsittlichen Verhaltens gehen, sondern es muss sich vielmehr um „core values“ der Gesellschaft handeln, wenn Gemeinschaftsbelange als Rechtfertigungsgrund herangezogen werden.199 Letztere sind etwas anderes als das bloß unmoralische Verhalten in den Augen von Devlin.200 Devlin’s disintegration thesis ist daher im Einzelfall zu hinterfragen: befördert das inkriminierte Verhalten tatsächlich eine Auflösung sozialer und politischer Bande oder ist die disintegration nur vorgeschoben, um ein anderweitig nicht legitimierbares Strafgesetz zu rechtfertigen? 196
Devlin, S. 10, 114; ähnlich auch: Feinberg, Wrongdoing, S. 135; Hart, S. 48,
51. 197
Hart, S. 50. So Husak, S. 230. 199 Dworkin, R., S. 255; Hondrich, S. 196; insbes. Pers ˇak, S. 21. 200 Wohlers, S. 266; Feinberg, Wrongdoing, S. 141 nennt dies „private immorality“. 198
210
4. Teil: Sind Erinnerungsgesetze strafrechtsdogmatisch integrierbar?
2. Der Störungsgrundsatz und das schadlose Unrecht (Feinberg) Feinberg plädiert grundsätzlich für eine Begrenzung des Strafrechts und eine Orientierung am Harm Principle. Dennoch geht er in seinem Hauptwerk „The Moral Limits of the Criminal Law“ teilweise weit über dieses hinaus, so dass sein Harm Principle nicht mehr mit demjenigen von Mill gleichgesetzt werden kann.201 Für ihn ist das Harm Principle, im Unterschied zu Mill, ein Grund, und nicht der einzige Grund für die Pönalisierung eines Verhaltens.202 Im zweiten Band („Offense to Others“) und im vierten Band („Harmless Wrongdoing“) seines Werkes finden sich zwei Begründungen für die Kriminalisierung von Verhaltensweisen, die das Harm Principle ergänzen. In „Offense to Others“ löst sich Feinberg vom Erfordnis eines materiell überprüfbaren Schadens. Unter Störung („Offense“) versteht er unerwünschte Bewusstseinszustände („disliked mental states“) wie Ärger, Abscheu und Scham, die unrechtmäßig („wrongful“) herbeigeführt werden.203 Als Beispiel für ein störendes Verhalten nennt er u. a. den despektierlichen Umgang mit der Nationalflagge (beschmutzen, bespucken) und den dadurch verursachten „shock to (. . .) patriotic sensibilities“204. Feinberg leitet daraus zwar keine Verbotspflicht ab, da er verfassungsrechtliche Vorbehalte ins Felde führt.205 Allerdings sieht er derartige Verbote nicht schon deshalb als illegitim an, weil das Verhalten „nur“ einen Bewusstseinszustand verletzt und nicht ein materiell messbares Objekt. Rassistische Hetzreden oder das Problem der Holocaustleugnung hat Feinberg nicht thematisiert.206 Einem Verbot von Nazi-Symbolen wie dem Hakenkreuz scheint er jedoch offen gegenüberzustehen, wenn er schreibt: „the inherent nature of this profoundly offended mental state is itself ground, quite apart from harm, for the prohibition of certain symbols“207. Laut Hörnle kann Feinbergs Ansatz jedenfalls dabei helfen, manche umstrittenen Delikte im deutschen StGB besser zu erklären.208 Laut Feinberg stehen Bewusstseinszustände als solche dem Strafrecht durchaus offen.209 201
So Duff, Buffalo Crim. L. Rev. 2002, 13. Duff, Buffalo Crim. L. Rev. 2002, 13; v. Hirsch, GA 2002, 2 (4). 203 Feinberg, Offense, S. 1. 204 Feinberg, Offense, S. 11. 205 Feinberg, Offense, S. 38. 206 Wolf, ARSP-Beiheft Nr. 76, 37 (51). 207 Feinberg, Offense, S. 90. 208 Hörnle, Buffalo Crim. L. Rev. 2002, 255 (274); das Verbot der Holocaustleugnung nimmt sie davon aber wohl aus, S. 277. 209 So Shoemaker, Law & Philosophy 2000, 548 (550), der eine Störung auch als Schaden betrachtet; krit.: Simester/von Hirsch, Legal Theory (8) 2002, 269 (282 ff.) die den Störungs-Grundsatz als Zwischenstufe zum Schaden verstehen. 202
9. Kap.: Verbrechensbegriff und Gemeinschaftsinteressen
211
In „Harmless Wrongdoing“ untersucht Feinberg die Legitimität von Verhaltensweisen, die unter den Begriff des Strafrechtsmoralismus („Legal Moralism“) zu fassen sind.210 Darunter sind Handlungen zu verstehen, die weder unter Schadens- noch Störungskategorien fallen, sondern nur deshalb verboten werden könnten, weil sie ein Übel anderer Art darstellen oder zur Folge haben („constitute or cause evils of other kinds“211). Für verbotswürdige „free-floating evils“ hält er z. B. die vorsätzliche Zeugung eines stark behinderten Kindes212 oder die Übertragung von echten Gladiatorenkämpfen nach römischem Vorbild im Fernsehen213. Für nicht legitimierbar hält er dagegen das Verbot der Homosexualität oder der Pornographie.214 Feinberg unterscheidet somit zwischen moralischen Zuständen, die strafrechtlich gefördert werden dürfen, und solchen, die es nicht dürfen. Zu dem Liberalismus, den Feinberg vertritt, gehört auch die Bindung des Einzelnen an die Gemeinschaft: „community memberships form a part of his identity, the ‚true self‘, that rightfully determines his lot in life“215. Die Begründung für das Verbot von „free-floating evils“ ist im Grunde kommunitaristisch. Feinberg lehnt es zwar ab, das abweichende Verhalten eines Einzelnen nur wegen der Andersartigkeit und Missbilligung der Gesellschaft zu kriminalisieren, wenn weder Schaden noch Störung vorliegen.216 Seine Beispiele lassen sich jedoch kaum anders erklären als damit, dass sie auf die Missbilligung eines Großteils der Gesellschaft stoßen. Die Interessen der Gemeinschaft als Rechtfertigungskategorie nennt er an anderer Stelle ausdrücklich: „Injury to the good of a community or subcommunity is ultimately harm to the interests of its individual members (. . .)“.217 Dass das Strafrecht auch eine expressive Funktion hat, bejaht Feinberg an anderer Stelle.218 Die hier genannten Beispiele sind dennoch mit Vorsicht zu genießen. Durch Feinbergs Werk zieht sich insgesamt eine janusköpfige Haltung, die er selbst wohl „cautious liberalism“ nennen würde. Sie besteht darin, oftmals in Beispielen weit über die Grenzen des klassischen Liberalismus hinauszugehen, um dann jedoch „zurückzurudern“ und die Ausnahmen immer noch unter die Bezeichnung „Liberalismus“ zu fassen. Die Grenzen des 210 211 212 213 214 215 216 217 218
Siehe dazu z. B. Arneson, Ethics 1990, 368 ff. Feinberg, Wrongdoing, S. 3. Feinberg, Wrongdoing, S. 328. Feinberg, Wrongdoing, S. 328 ff. Feinberg, Wrongdoing, S. 54 und S. 141. Feinberg, Wrongdoing, S. 121. Feinberg, Wrongdoing, S. 122; so auch Arneson, Ethics 1990, 368 (376). Feinberg, Wrongdoing, S. 89. Feinberg, Essays, S. 95 ff.
212
4. Teil: Sind Erinnerungsgesetze strafrechtsdogmatisch integrierbar?
Liberalismus verteidigt Feinberg also auf eher undogmatische Weise: „Liberalism, after all, is just a name.“219 3. Die Verhinderung des Allgemeinwohls als Schaden (Raz) Raz entwirft in seinem Werk „The morality of freedom“ ein Konzept der Freiheit auf nichtindividualistischer Basis.220 Raz, der sich wie Feinberg selbst als Liberaler bezeichnet, stellt zwei liberale Grundaussagen in Frage: zum einen das Postulat der staatlichen Neutralität, die er für eine Schimäre hält, und zum anderen den nichtperfektionistischen Ansatz des Harm Principle.221 Bezüglich letzterem ist er der Ansicht, dass das Harm Principle moralische Aussagen trifft und dadurch auch eine pädagogische Wirkung für zukünftige Generationen entfaltet (Perfektionismus).222 Liberale Rechte besitzen über die subjektive Dimension hinaus daher immer auch einen kollektiven Aspekt.223 Insbesondere verwahrt sich Raz dagegen, das Wesen von Rechten mit einem Konflikt zwischen individuellen Rechten auf der einen und dem Allgemeinwohl auf der anderen Seite zu begründen; denn erstere verdankten ihren Schutz erst dem Umstand, dass sie dem Allgemeinwohl dienten.224 Raz’s Rechtstheorie besitzt einen kommunitaristischen Ansatz. Der archimedische Punkt des Rechts ist die Existenz des Allgemeinwohls („Common Good“), nicht die subjektive Freiheitssphäre des Einzelnen. Raz argumentiert für einen positiven Freiheitsbegriff auf nichtindividualistischer Grundlage. Dies erweitert zwangsläufig auch die Konzeption des Harm Principle. Ein Schaden ist nicht erst dann gegeben, wenn die Rechtsposition eines Einzelnen verkürzt wird, sondern schon dann, wenn gleiche Entfaltungsmöglichkeiten verwehrt werden. In letzter Konsequenz bedeutet dies jedoch auch, dass der Staat nach Razscher Deutung einen gesellschaftlichen Moralismus erzwingen und verteidigen darf. Eine kritische, den Gesetzgeber einschränkende Bedeutung kommt dieser Form des Harm Principle nicht zu.225
219 220 221 222 223 224 225
Feinberg, Wrongdoing, S. 321. Raz, S. 18. Sadurski, Oxf. J. Leg. St. 1990, 122. Raz, S. 161. Raz, S. 250. Vgl. Raz, Ratio Juris (2) 1992, 127 (135). Stewart, Crim. L. & Philosophy 2010, 17 (26).
9. Kap.: Verbrechensbegriff und Gemeinschaftsinteressen
213
4. Ideelle Schäden (MacKinnon, Delgado, Tsesis) Ein weiterer Strang in der rechtswissenschaftlichen Literatur befasst sich mit der Öffnung des Begriffs harm über materielle Schädigungen hinaus hin zu ideellen Schäden. Damit sind nicht in erster Linie psychologische Schäden gemeint.226 Diese sind messbare Gesundheitsbeeinträchtigungen, die sich in Schmerz oder (wie im Fall von Beleidigungen) in einer schweren Kränkung niederschlagen. Unter ideellen Schäden sind dagegen Schäden für nicht messbare gesellschaftliche Bewusstseinszustände zu verstehen. MacKinnon weist die Existenz von ideellen Schäden anhand der Wirkung von Pornografie nach;227 bei Delgado und Tsesis findet sich ein ähnlicher Ansatz in Bezug auf rassistische Aussagen. MacKinnon ist der Ansicht, dass Pornografie verbotswürdig ist, da sie Frauen in despektierlicher und herablassender Weise instrumentalisiert: „(women are) humiliated, molested, objectified, and used. In all pornography, women are prostituted.“228 Neben den psychischen Schäden für die Frauen selbst beklagt sie die Verrohung des moralischen Klimas. Dadurch würde letztlich die Gefahr von gewaltsamen Übergriffen auf Frauen steigen, da Männer glauben könnten, Frauen genössen es tatsächlich, erniedrigt und benutzt zu werden.229 Pornografie ist ihrer Ansicht nach diskriminierend und beleidigend. Sie verstößt gegen die verfassungsrechtlich geschützte Gleichheit der Geschlechter. Der Schaden, den die Pornografie verursacht, ist unsichtbar, denn er geht in der sozialen Realität (die von Männern dominiert ist) vollständig auf.230 Eine ähnliche Situation besteht bei der rassischen Diskriminierung. Wenn Schwarze als als von Weißen verschieden aufgefasst werden, besteht kein Schaden durch eine Rassentrennung, da der Unterschied zwischen beiden lediglich aufgezeigt wird.231 Erst wenn das Vergleichsmoment des Geschlechts oder der Hautfarbe verschwindet und echte Gleichheit hergestellt wird, wird der Schaden der Diskriminierung offenbar. Ähnlich wie MacKinnon identifiziert Delgado den psychologischen, soziologischen und politischen Schaden von rassistischen und antisemitischen Äußerungen („Hate Speech“). Einen Schaden sieht er einerseits für die Person selbst in ihrer Abwertung, Erniedrigung und Infragestellung ihres Selbstwerts und ihrer Identität.232 Andererseits bestehe ein Schaden für die Gesellschaft als Ganzes 226 227 228 229 230 231
Schwartz, Colum. L. Rev. 1963, 669 (671). MacKinnon, S. 101. MacKinnon, B. U. L. Rev. 1991, 791 (796). MacKinnon, B. U. L. Rev. 1991, 791 (799). MacKinnon, Harv. C. R.-C. L. L. Rev. 1985, 1 (20). MacKinnon, Harv. C. R.-C. L. L. Rev. 1985, 1 (27).
214
4. Teil: Sind Erinnerungsgesetze strafrechtsdogmatisch integrierbar?
durch den Bruch des Gleichheitsgedankens in Folge der Verweigerung von Anerkennung gegenüber der anderen Person.233 Die Verletzung der Gleichheit bewirke einen Ausschluss von Minderheiten aus der Gesellschaft.234 Das Grundrecht auf Gleichheit ist somit mehr als eine individuelle Rechtsposition, sondern gleichsam ein kollektives Gut der Demokratie, das für deren Funktionsfähigkeit notwendig ist und deshalb nicht aufgegeben werden darf. Die Idee der Gleichheit muss als mentaler Bewusstseinszustand gestärkt und aufrecht gehalten werden. Es kann im Rahmen des Harm Principle also auch Schädigungen von ideellen Gütern geben, die für die gesamte Gesellschaft eine überragende Wichtigkeit besitzen.235 Auch die Leugnung des Holocaust verursacht demzufolge einen „echten“ Schaden.236 Einen gesellschaftlich orientierten Schadensansatz hat im Fall der Holocaustleugnung der kanadische Supreme Court angenommen.237 10. Kapitel
Die Integration der kollektiven Erinnerung in die Strafrechtsdogmatik A. Deutschland: Die Erinnerung als abstrakt-ideelles Gemeinrechtsgut Die kollektive Erinnerung lässt sich grundsätzlich in die deutsche Strafrechtsdogmatik einordnen. Wie in Teil 2 dargestellt wurde, wird die kollektive Erinnerung als ideeller Wert in Form eines Gemeinrechtsguts verstanden. Die Anerkennung dieses Werts drückt sich durch einen gesellschaftlichen Konsens aus, der auch dem GG in Form einer immanenten Distanzierung zum NS-Regime innewohnt. Strafrechtliche Einordnungsschwierigkeiten ergeben sich, wenn man dem Rechtsgut eine systemkritische, individualistische Funktion unterstellt. Diese Funktion ist hier vor allem aus historischen und kriminalpolitischen Gründen abgelehnt worden. Eine Begrenzung des Strafrechts ist demnach 232 Delgado, Harv. C. R.-C. L. L. Rev. 1982, 133 (137); siehe auch Lawrence, Duke L. J. 1990, 431 ff. 233 Delgado, Harv. C. R.-C. L. L. Rev. 1982, 133 (140); ders., S. 7; Tsesis, S. 81, 137. 234 Mookherjee, R. Publ. 2007, 29 (51). 235 Kritisch aus verfassungsrechtlichen Gründen: Sadurski, Oxf. J. Leg. St. 1996, 713 (717). 236 Douglas-Scott, R. Publ. 1998, 29 (31). 237 So Cohen-Almagor, AJE 2008, 215 (218).
10. Kap.: Integration der kollektiven Erinnerung in die Strafrechtsdogmatik 215
erst durch das Verfassungsrecht angezeigt.238 Die Existenz von Gemeinrechtsgütern, die sich nicht aus einem individuellen Interesse ableiten, wird selbst von eher liberal orientierten Vertretern der Rechtsgutslehre angenommen, („dualistische Konzeption“).239 Ein Teil der Literatur wird dieses Rechtsgut dennoch vermutlich als „Scheinrechtsgut“ ablehnen. Dem ist entgegenzuhalten, dass die kollektive Erinnerung, anders als z. B. die „Volksgesundheit“, tatsächlich einen gesellschaftlichen Anknüpfungspunkt hat, und zwar in Form der Kommunikation. Eine Gesellschaft kann sich einer sozialen Tatsache empirisch nachprüfbar bewusst sein und diese verteidigen. Die Gesundheit als auf den Einzelnen bezogenes Rechtsgut ist dagegen nicht ohne weiteres auf die Gesellschaft übertragbar. Im Gegensatz zum Rechtsgut des „öffentlichen Friedens“ ist die kollektive Erinnerung zudem konkreter und wird der Stoßrichtung des Negationismus eher gerecht.
Die Neuformulierung des Rechtsguts des Verbots der Holocaustleugnung legt auch eine Veränderung der Deliktsnatur nahe, die hier nur kurz angerissen werden soll. Nach bisher verbreiteter, gleichwohl umstrittener Auffassung wird § 130 Abs. 3 StGB u. a. als abstraktes240, abstrakt-konkretes241 bzw. potentielles Gefährdungsdelikt242 eingeordnet. Nimmt man als Rechtsgut die kollektive Erinnerung an, ist eine Einordnung des Delikts als Verletzungsdelikt plausibler. Verletzungsdelikte lassen sich von Gefährdungsdelikten dadurch unterscheiden, dass erstere das Angriffsobjekt verletzen, letztere hingegen nicht.243 Zwar können Rechtsgüter nicht im materiellen Sinne „verletzt“ werden, da sie ideelle Werte darstellen.244 Über diesen sprachlichen „Makel“ kann aber hinweggesehen werden.245 Als Handlungs- bzw. Angriffsobjekt wurde hier die Summe der veränderbaren Vorstellungsbilder/Sinnhorizonte der einzelnen Kommunikationsempfänger ausgemacht. Dieses Vorstellungsbild versuchen Holocaustleugner direkt anzugreifen, indem sie Zweifel über die Existenz des Holocaust in die Welt setzen. Dadurch wird das materielle Substrat des Wertes der Erinnerung in seiner aktuellen Gestalt „verletzt“. Die fehlende Griffigkeit und Stofflichkeit dieses Begriffs hindert die Einordnung als Verletzungsdelikt nicht. Auch bei Delikten, die stofflich konkretere Angriffsobjekte beinhalten, ist eine „Verletzung“ ohne materielle Einbußen möglich.246 Durch das
238 239 240 241 242 243 244 245
Vgl. Walter, T., LK Vor § 13, Rn. 9 m. w. N. Anastasopoulou, S. 44. Fischer, T/F § 130, Rn. 2a. Lenckner/Sternberg-Lieben, S/S § 130, Rn. 1a. Kühl, L/K § 130, Rn. 1. Walter, T., Kern, S. 22 m.w. N. Walter, T., Kern, S. 22. Walter, T., Kern, S. 23.
216
4. Teil: Sind Erinnerungsgesetze strafrechtsdogmatisch integrierbar?
Rechtsgut der kollektiven Erinnerung wird zudem das Problem der Vorfeldstrafbarkeit entschärft.
B. Frankreich: Die Erinnerung als valeur sociale In der französischen Strafrechtsdogmatik ergeben sich kaum Einordnungsschwierigkeiten für die kollektive Erinnerung. Die Funktion des Strafrechts wird in der Bewahrung und im Ausdruck gesellschaftlicher oder menschlicher Interessen gesehen. An die Beschaffenheit dieser Interessen werden keine besonderen Anforderungen gestellt, außer dass sich ihre Existenz auf einen gesellschaftlichen Konsens stützen soll. Der materielle Verbrechensbegriff ist eng mit der Verletzung kollektiver Gefühle (Durkheim) verknüpft. Die gesellschaftliche Missbilligung des Negationismus und die Anerkennung des Wertes der Erinnerung wird durch zahlreiche legislative Maßnahmen verdeutlicht. Die kollektive Erinnerung steht damit paradigmatisch für die enge Verbindung von Strafrechtstheorie und Soziologie in Frankreich.
C. Polen: Die Erinnerung als geschützter gesellschaftlicher Wert Auch in der polnischen Strafrechtsdogmatik ergeben sich kaum Einordnungsschwierigkeiten. Weder das Konzept der Gesellschaftsschädlichkeit noch das des damit eng verbundenen Rechtsguts besitzen einen zwangsläufig liberal-kritischen Inhalt, der den Gesetzgeber auf eine bestimmte Kategorie von Straftaten festlegt. Eine Begrenzungsfunktion für die Pönalisierungsbestrebungen des Gesetzgebers ergibt sich somit lediglich über den Nachweis, dass das geschützten Interesse gesellschaftlich anerkannt ist. Die unkritische Funktion des Rechtsguts in der polnischen Strafrechtsdogmatik mag auf den ersten Blick überraschen. In Anbetracht des Missbrauchs des Strafrechts unter kommunistischer Fremdherrschaft als prima ratio247, wäre, ähnlich wie in Deutschland nach Kriegsende, ein größere Nähe zu liberalen angelsächsischen Mustern zu erwarten gewesen. Vor dem Hintergrund des friedlichen Systemwechsels wird das Wiederaufgreifen solidaristischer Begründungsmuster jedoch wieder verständlich: der neugegründete polnische Staat wird nicht als Bedrohung wahrgenommen, dem (zumindest nicht strafrechtsintern) Grenzen zu setzen sind, sondern als mitgestaltetes und mitgestaltbares Gemeinwesen, das als Projektionsfläche für 246 Siehe Walter, T., Kern, S. 23 ff. und den Fall des Luftablassens aus Autoreifen etc. 247 Plebanek, S. 29 ff.
10. Kap.: Integration der kollektiven Erinnerung in die Strafrechtsdogmatik 217
gemeinsame Überzeugungen dient. Das Strafgesetzbuch gilt damit weiter als Charakteristikum der Gesellschaft (Makarewicz). Auch in anderen post-kommunistischen Rechtsordnungen geht der Begriff der Gesellschaftsschädlichkeit über den bloßen Individualschaden hinaus und besitzt ein Begrenzungskriterium nur durch die Anbindung der Straftat an gesellschaftlich anerkannte Werte.248 Die kollektive Erinnerung an ein für die polnische Nation bedeutungsvolles historisches Ereignis sowie dessen Unverfälschtheit stellt ein solches schützenswertes gesellschaftliches Interesse dar.
D. England: Die Verletzung der Erinnerung als harm? Größere Schwierigkeiten wirft dagegen das Harm Principle auf. Die kollektive Erinnerung ist keine individuelle Rechtsposition und kann auch nicht materiell geschädigt werden. Sofern man den Schaden also in der Beeinträchtigung eines individuellen Interesses oder einer Anspruchsposition bzw. Ressource sieht, müsste die kollektive Erinnerung streng genommen ausscheiden. Allerdings ist gezeigt worden, dass die Begrenzungsfunktion des Harm Principle nicht sehr effektiv ist, zumal es Delikte gegeben hat und gibt, die nicht in individuelle Schadenskategorien passen, wie z. B. das Verbot „unmoralischer“249 Handlungen (u. a. Homosexualität, Prostitution und Ehebruch), das Verbot weicher Drogen (z. B. Cannabis), das Verbot des Glücksspiels und das Verbot der Tierquälerei.250 Von Seiten der Lehre lässt sich für nahezu jedes Gesetz entweder eine Schadenskategorie finden oder diese ablehnen.251 Wo eine Schadenskategorie gänzlich unauffindbar ist, lässt sich, wie Feinberg am Beispiel des schadlosen Unrechts gezeigt hat, auch ohne diese die Legitimation einer Strafnorm begründen. Die an Schadensgrundsätzen orientierte Verbrechenslehre steht daher vor einem Dilemma: Sie vermag nicht zu erklären, warum der Staat auch dann straft, wenn dies mit der liberalen Theorie nicht vereinbar ist. Akzeptiert sie schadenslose Verbote als Ausnahmen, so schwächt dies ihre Deutungskraft ebenso.252 Eine Erklärungsmöglichkeit für dieses Problem könnte da248
Siehe z. B. für Slowenien: Persˇak, S. 102. Siehe hierzu: Sandel, in: Dworkin G. (Hg.), S. 123, 124; für einen Überblick über Moralstrafgesetzgebung in den USA: Clement/Barbrey, Crit. Crim. 2008, 105 (111 ff.). 250 Vgl. auch Forster, in: Sieber/Cornils (Hg.) Bd. 2, S. 375. 251 Husak, S. 15. 252 Vgl. Duff/Green, in: Duff/Green (Hg.), S. 7. 249
218
4. Teil: Sind Erinnerungsgesetze strafrechtsdogmatisch integrierbar?
rin zu finden sein, dass das Harm Principle seine Anziehungskraft und Plausibilität in Wirklichkeit weniger aus der Trennung von einem gesellschaftlichen Wertkonsens (wie Mill es verlangte) bezieht, als vielmehr aus der Anknüpfung an diesen und dessen Flankierung. Dann ist das Harm Principle aber, wie z. B. Husak behauptet, ein moralisches und politisches Prinzip.253 Wo ein starker gesellschaftlicher Konsens unter Verzicht auf Schadenskategorien besteht, vermag das Harm Principle kaum etwas zu ändern. Wie sonst lässt sich erklären, dass es trotz der Existenz des Harm Principle 200 Jahre nicht möglich war, die Strafbarkeit bestimmter Sexualpraktiken abzuschaffen, dies jedoch plötzlich möglich wurde, als der gesellschaftliche Konsens sich zu ändern begann? Dies zeigt, dass das Harm Principle letztlich eher ein dogmatisches „Fähnlein im Winde“ ist. Sobald der „gesellschaftliche Wind“ in die richtige Richtung dreht, ist es zur Stelle und flankiert den Konsens durch die Bestätigung eines Schadensdefizits. Auf sich allein gestellt vermag es jedoch wenig auszurichten. Für die Bewertung einer Handlung als strafwürdig lassen sich zudem gesellschaftliche Wertüberzeugungen nicht gänzlich ausblenden, wie Feinberg am Beispiel des schadlosen Unrechts gezeigt hat.
Der Grund für die Nichtexistenz des Verbotes der Holocaustleugnung in England oder den USA ist somit weniger in der Unvereinbarkeit der kollektiven Erinnerung mit der kritischen Potenz des materiellen Verbrechensbegriffs zu suchen, als vielmehr in den grundsätzlichen rechtspolitischen und verfassungsrechtlichen Bedenken in Bezug auf derartige Verbote. Zudem ist die Erinnerung an ein Ereignis, wie den Holocaust, in England und den USA nicht ausgeprägt.254 Auch diesen Unterschied gilt es zu respektieren. Es wäre daher zumindest aus diesem Grund verfehlt, ein derartiges Verbot zwanghaft einführen zu wollen.
Ergebnis Die kollektive Erinnerung gehört bestimmt zu den weniger griffigen Rechtsgütern. Ein stofflicher Schaden jedenfalls ist durch die Verletzung der kollektiven Erinnerung mit Sicherheit nicht gegeben. Gleichwohl muss das Strafrecht nicht vor dem Schutz abstrakter bzw. neuer Rechtsgüter zurückschrecken. Ebenso wenig ist es überflüssig, bei umstrittenen Vorschriften eine (wenngleich abstrakte) Schutzgutsbestimmung vorzunehmen. Der Gutsbegriff ist mehr als ein verdichteter legislativer Konsens. Er ermöglicht es, die Daseinsberechtigung einer Vorschrift auf einen materiellen Kern hin 253
Vgl. Ashworth, S. 28; Husak, S. 236 meint, dass sich Mill dessen bewusst
war. 254 Smiddy, Vt. L. Rev. 2005, 645 (649) m. w. N. macht eher eine Konkurrenz von Gruppenerinnerungen aus.
Ergebnis
219
zu konkretisieren. Dies hilft, sachfremde Erwägungen (wie parteipolitische, situationsbedingte etc.) aus dem Recht fernzuhalten. Der Strafrechtsvergleich hat gezeigt, dass die kollektive Erinnerung als schützenswertes Gut bzw. Interesse nicht schon dogmatisch an unüberwindbare Grenzen stößt. In allen untersuchten Rechtsordnungen ist das Strafrecht nicht auf den Schutz individueller Interessen und körperlicher Gegenstände reduziert. Insgesamt kann dem materiellen Verbrechensbegriff also nur ein schwacher apriorischer Einfluss auf die Ausgestaltung des Strafrechts bescheinigt werden. Dies zeigt sich besonders deutlich an einem Vergleich zwischen Frankreich und England. Obwohl die französische Strafrechtsordnung nahezu keine Verbrechenslehre enthält und England mit dem Harm Principle über das vermeintlich restriktivste Begrenzungskriterium verfügt, lässt sich daraus nicht die pauschale Behauptung ableiten, dass England über ein rechtsstaatlicheres Strafrecht verfüge. Mehr Einfluss als dem Verbrechensbegriff auf das Strafrecht kann der kulturell gewachsenen Rolle des Rechts bescheinigt werden. Der Verbrechensbegriff ist somit weitgehend Abbild eines gesellschaftlichen Konsenses und nicht dessen Vorbild. Es ist letztlich gleichgültig, ob man den Begriff des Gutes oder des Schadens benützt; diese Begriffe werden stets mit den Inhalten gefüllt werden, die eine politische Gemeinschaft zu einer bestimmten Zeit für wertvoll (Rechtsgut) oder schädlich (harmful) hält. Insofern schöpft jede politische Ordnung für die Legitimation des Strafrechts aus ihrem eigenen, autotelisch begründeten Fundus.
Fünfter Teil
Sind Erinnerungsgesetze verfassungsrechtlich rechtfertigbar? Als letzter Schritt der Trias „Legitimität, Legitimation und Limitation“ ist zu erörtern, ob der Schutz der kollektiven Erinnerung einer verfassungsrechtlichen Überprüfung standhält. Da nach der hier vertretenen Auffassung dem Strafrecht schwache immanente Grenzen zu Grunde liegen, ist das Verfassungsrecht die letzte und einzige Schranke für das gesetzgeberische Handeln. Der Schwerpunkt dieses Abschnitts liegt auf der Analyse der Meinungsfreiheit. Bezüglich dieser wurden in allen Rechtsordnungen die meisten Bedenken an dem Verbot formuliert. Zudem wird hier gemeinhin die größte Kluft zwischen angloamerikanischem und kontinentaleuropäischem Rechtskreis ausgemacht.1 In den USA ist im 1st Amendment eine besonders großzügige Ausgestaltung dieses Grundrechts anzutreffen, weshalb der amerikanischen Sicht hier zu Lasten Englands besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden wird. Insbesondere soll hier der Frage nachgegangen werden, ob die kontinentaleuropäische Auslegung der Meinungsfreiheit und die (schon begrifflich) extensiver anmutende „freedom of expression“ tatsächlich so weit auseinanderklaffen, wie dies den Anschein hat. Dazu sind zuerst die grundlegenden Funktionen der Meinungsfreiheit zu untersuchen und in Bezug zum Negationismus zu setzen. Danach wird die kontinentaleuropäische und angloamerikanische Verfassungsrechtsprechung im Hinblick auf Divergenzen und mögliche Berührungspunkte beim Verbot der Holocaustleugnung verglichen. 11. Kapitel
Grund und Grenzen der Meinungsfreiheit A. Die Begründungsarten der Meinungsfreiheit Nach dem modernen Verfassungsverständnis gilt die Meinungsfreiheit als ein besonders wertvolles Bürgerrecht. Diese Anerkennung wird von den 1 Boyle, M. L. Rev. 2001, 487; Brugger, Germ. L. J. 2003, 1 (2); Sieber, ZRP 2001, 97 (102).
11. Kap.: Grund und Grenzen der Meinungsfreiheit
221
Rechtsordnungen der gesamten westlichen Welt geteilt. Die französische Verfassung spricht in Art. 11 DDHC von 1789 vom wertvollsten Recht des Menschen („le droit le plus précieux de l’homme“). Der amerikanische Jurist Benjamin Cardozo bezeichnete die Meinungsfreiheit als „indispensable condition of nearly every other form of freedom“ und verankerte sie in den USA als kulturelles Symbol.2 Doch woher kommt die Wertbegründung der Meinungsfreiheit?3 Die Idee der Meinungsfreiheit hat ihre Wurzeln in der Zeit der Aufklärung. Das Recht des Einzelnen auf freie Meinungsäußerung musste gegen die Macht von kirchlichen und staatlichen Autoritäten erkämpft werden.4 In diesem Kampf haben sich Autoren wie Spinoza, Milton, Locke, Kant, Voltaire und Mill besonders hervorgetan.5 Bei Spinoza heißt es im 20. Kapitel seines „Theologisch-Politischen Traktats“, dass es jedermann gestattet sein soll, „zu denken, was er will, und zu reden, wie er denkt“6. Die Meinungsfreiheit lässt sich sowohl prinzipiengestützt, bzw. deontologisch, als auch konsequentialistisch begründen.7 Sie stützt sich in den hier untersuchten Rechtsordnungen auf mindestens drei Grundpfeiler:8 Erstens ist sie Ausdruck der freien Entfaltung des Individuums.9 Das Recht auf Meinungsfreiheit gestaltet sich historisch als subjektives Freiheitsrecht und ist tendenziell gegen den Staat gerichtet.10 Diese Ausgestaltung als negative Freiheit ist in England und den USA besonders stark.11 Im 1st Amendment zur amerikanischen Verfassung (eingefügt 1791) heißt es: „Congress shall make no law (. . .) abridging the freedom of speech.“ 2
Bollinger, S. 7; Schauer, Harv. L. Rev. 2004, 1765 (1789). Raz, Oxf. J. Leg. St. 1991, 303 spricht von „puzzle“ oder „mystery“; laut Troper, AHSS 1999, 1239 (1249) Fn. 16 gibt die DDHC von 1789 nur eine tautologische Begründung für den Wert der Meinungsfreiheit. 4 Wolf, ARSP Beiheft Nr. 76, 37 (38). 5 Hochhuth, S. 115. 6 Spinoza, S. 345. 7 Greenawalt, Colum. L. Rev. 1989, 119 (127); Schauer, Cal. L. Rev. 1986, 761 (770). 8 Siehe für die USA: Bollinger, S. 45; Greenawalt, S. 165 ff.; Rosenfeld, TroperFS, S. 887; Schauer, Harv. L. Rev. 2004, 1765 (1786); für England: Barendt, S. 6 ff.; Davis, S. 171 ff.; Heinze, MLR 2006, 543 (552 ff.); siehe für Frankreich: Troper, AHSS 1999, 1239 (1249); siehe für Deutschland: Herzog, M/D Art. 5, Rn. 6; siehe für Polen: Komorowski/Wróbel, Zeszyty Prawnicze (1) 2009, 239 (247 ff.) m. w. N.; Sadurski, PiP (10) 1992, 3 (4 ff.). 9 Dworkin, R., S. 190; Moles, R. Publ. 2007, 53; Schauer, Cal. L. Rev. 1986 Fn. 50 m. w. N. 10 Vgl. BVerfGE 7, 198 (208). 11 Rosenfeld, Card. L. Rev. 2002-03, 1523, (1539). 3
222
5. Teil: Sind Erinnerungsgesetze verfassungsrechtlich rechtfertigbar?
Zweitens ermöglicht die Meinungsfreiheit die Wahrheitsfindung und fördert dadurch den gesellschaftlichen Fortschritt.12 Neben der individuellen Begründung wurden schon früh die Vorteile der freien Rede für die Gesellschaft und den sozialen Fortschritt erkannt. Milton und Mill sahen die freie Meinungsäußerung als unverzichtbares Element, um der Wahrheit näher zu kommen („Truth Principle“). Ihrer rational-optimistischen Ansicht nach setzen sich in einem ungehinderten Austausch von Rede und Gegenrede letztlich immer die Wahrheit und die bessere Idee durch, so dass auf lange Sicht die weitgehend schrankenlos gewährleistete Meinungsfreiheit den gesellschaftlichen Fortschritt befördert.13 Die Begründung der Meinungsfreiheit mit dem Bedürfnis der Wahrheitsfindung ist bisher die historisch beständigste gewesen.14 Der Prozess der Wahrheitsfindung macht die Meinungsfreiheit schließlich zum unverzichtbaren Element der Demokratie beim Ringen um die beste politische Lösung.15 In der Demokratie ist die freie Meinungsäußerung ein unverzichtbares Mittel in der Auseinandersetzung um die beste Lösung.16 So schreibt Cass Sunstein: „A well-functioning democracy has a culture of free speech, not simply legal protection of free speech.“17 Das BVerfG betrachtet den Kampf der Meinungen als „Lebenselement der Demokratie“18. Die Funktionen der Meinungsfreiheit sollten zwar in ihrer Bedeutung nicht überbewertet werden. Sie können das Wesen der Meinungsfreiheit immer nur teilweise erklären. So ist es laut Schauer z. B. nicht unmittelbar einleuchtend, was pornografische Schriften oder Kunstwerke zur politischen Meinungsbildung oder für die Wahrheitsfindung beitragen.19 Die wahrheitsfördernde Funktion der freien Rede wird jedoch insbesondere in den Fällen von „Hate Speech“ thematisiert20 und gilt heute als die dominierende Begründung für die Meinungsfreiheit21. Es ist daher angebracht zu untersuchen, inwieweit ein Verbot der Holocaustleugnung mit dieser Funktion vereinbar ist.
12
Siehe hierzu gleich mehr bei Mill, Milton und Wendell-Holmes S. 223. Bollinger, S. 59. 14 Barendt, S. 7. 15 Meiklejohn, S. 3 ff.; näher: Ingber, Duke L. J. 1984, 1 (4). 16 Meiklejohn, S. 3 ff.; Raz, Oxf. J. Leg. St. 1991, 302 (310). 17 Sunstein, S. 110. 18 Vgl. BVerfGE 7, 198 (208). 19 Schauer, Harv. L. Rev. 2004, 1765 (1785). 20 Rosenfeld, Troper-FS, S. 893. 21 So Bollinger, S. 45; Greenawalt, Colum. L. Rev. 1989, 119 (130); Marshall, GA L. Rev. 1995, 1; Troper, AHSS 1999, 1239 (1250). 13
11. Kap.: Grund und Grenzen der Meinungsfreiheit
223
B. Das „Truth Principle“ und die Holocaustleugnung I. Das „Truth Principle“ (Milton, Mill) Die Idee, dass die Meinungsfreiheit der Wahrheitsfindung dient, wurde zum ersten Mal von John Milton formuliert. In seinem Buch „Areopagitica“ von 1644 argumentiert er gegen die Zensur der britischen Presse und für die Freiheit der Rede: „Though all the winds of doctrine were let loose to play upon the earth, so Truth be in the field, we do injuriously by licensing and prohibiting to misdoubt her strength. Let her and Falsehood grapple; who ever knew Truth put to the worse, in a free and open encounter?“22
Diese Ansicht reflektiert den in der Zeit der Aufklärung verbreiteten, optimistischen Blick auf die Kraft der menschlichen Vernunft.23 Nach dieser Auffassung sind Worte per se harmlos und von Handlungen grundsätzlich verschieden.24 J. S. Mill erhebt diese Funktion der freien Rede in seinen Werken „On Liberty“ und „On Representative Gouvernment“ zum Prinzip. Für Mill bedeutet die Beschränkung der Redefreiheit einen Raub an der Menschheit.25 Das geistige Wohlergehen und das Wissen der Menschheit hängt von der Meinungsfreiheit ab, da der ungehinderte Austausch von Meinungen im Stande ist, das Wissen der Gesellschaft zu fördern („Wissensargument“).26 Neben dem Wissensargument führt Mill noch das „Unfehlbarkeitsargument“ und das „Vitalitätsargument“ an.27 Ersteres besagt, dass niemand unfehlbar ist und deshalb falsche Meinungen nicht verboten werden dürfen. Geschieht dies doch, so maßt sich der Staat an, im Besitz der letzten Wahrheit, also unfehlbar zu sein.28 Letzteres Argument besagt, dass die freie Diskussion dafür sorgt, dass Wahrheiten lebhaft bleiben und nicht zu toten Dogmen verfallen.29 In „On Liberty“ scheint Mill die Unterbindung jeder Aussage zu verurteilen, egal ob es sich dabei um eine Meinung oder Tatsache handelt.30 Dies sieht in seiner Frühschrift „Law of Libel and Liberty of the Press“ noch an22
Milton, S. 74. Bollinger, S. 59. 24 Bollinger, S. 59. 25 Mill, Liberty, S. 21. 26 So auch Heinze, MLR 2006, 543 (552). 27 Mill, Liberty, S. 59; siehe auch: Cohen-Almagor, Philosophia 1997, 131 (134); ders., Boundaries, S. 108. 28 Mill, Liberty, S. 22. 29 Mill, Liberty, S. 59. 23
224
5. Teil: Sind Erinnerungsgesetze verfassungsrechtlich rechtfertigbar?
ders aus.31 Dort unterschied Mill streng zwischen Meinungen und Tatsachen und machte die Begründung letzterer nicht von konfligierenden Sprechakten abhängig: „The truth or falsehood of an alleged fact is matter, not of opinion, but of evidence; and may be safely left to be decided by those, on whom the business of deciding upon evidence in other cases devolves.“32
Sogar die Äußerung wahrer Tatsachen kann unterbunden werden, wenn sie für die Öffentlichkeit nicht vorteilhaft sind und imstande sind, ein Ärgernis hervorzurufen: „There is one case, and only one, in which there might appear to be some doubt of the propriety of permitting the truth to be told without reserve. This is when the truth, without being of any advantage to the public, is calculated to give annoyance to private individuals.“33
Seine Sicht in „On Liberty“ ist jedoch rigider: Ausnahmen von der Meinungsfreiheit macht Mill nur für Aussagen in bestimmten Kontexten, namentlich solchen, die Gewaltausbrüche nach sich ziehen könnten. So soll die Aussage, dass Maishändler für die Armut der Bevölkerung verantwortlich sind, z. B. in einer Zeitung stehen dürfen, aber verboten sein dürfen, wenn eine wütende Menschenmenge vor dem Haus eines Maishändlers versammelt ist („Corn-dealer-Beispiel“).34 Außerhalb dieses Kontextes soll die Diskussion nicht eingeschränkt werden dürfen. Denn der Austausch von Meinungen sei immer vorteilhaft für die Wahrheitsfindung: „If opinion is right, they are deprived of the opportunity of exchanging error for truth: if wrong, they lose, what is almost as great a benefit, the clearer perception and livelier impression of truth, produced by its collision with error.“35
Das Truth Principle besitzt in der (nicht nur amerikanischen) Literatur zahlreiche Anhänger.36 Zu einem der maßgeblichen Kriterien für die Begründung der Meinungsfreiheit wurde es durch die Rechtsprechung des U. S. Supreme Court.
30 Mill, Liberty, S. 25; Cohen-Almagor begründet dies damit, dass „On Liberty“ vor allem eine populäre und keine wissenschaftliche Schrift sein sollte, Boundaries ebd. 31 O’Rourke, S. 20 ff. 32 Mill, Libel, S. 14; vgl. auch: Cohen-Almagor, Philosophia 1997, 131 (138). 33 Mill, Libel, S. 15 (Hervorhebung von mir). 34 Mill, Liberty, S. 62. 35 Mill, Liberty, S. 21. 36 Bork, Ind. L. J. 1971, 1 (23); BeVier, Stan. L. Rev. 1977, 299 (318): Marshall, Ga. L. Rev. 1995, 1 m. w. N.; krit.: Ingber, Duke L. J. 1984, 1 ff.
11. Kap.: Grund und Grenzen der Meinungsfreiheit
225
II. Der „Marketplace of Ideas“ (Wendell-Holmes) Das Truth Principle ist heute wesentlicher Bestandteil der 1st Amendment-Dogmatik in den USA. Seine exponierte Stellung verdankt es Richter Oliver Wendell-Holmes, der es in seinem berühmten Sondervotum in der Entscheidung Abrams neu formulierte.37 Nach Ansicht von WendellHolmes ist der Austausch von Meinungen einem Markt gleichzusetzen, auf welchem alle Ideen ungehindert und frei zirkulieren können sollen: „the best test of truth is the power of thought to get itself accepted in the competition in the market.“38 Diese Ansicht hat sich in der Rechtsprechung39 des Supreme Court durchgesetzt und wird von der überwiegenden Mehrheit der Literatur40 geteilt. Nach diesem Marketplace-Modell gibt es grundsätzlich keine falschen Meinungen: „under the First Amendment there is no such thing as a false idea.“41 Die amerikanische Rechtsprechung ist daher äußerst zurückhaltend, was das Verbot von Inhalten („content regulation“) angeht.42 Die Anerkennung des Unterschieds zwischen Meinungen und „falschen Tatsachen“ und seiner Bedeutung für die Wahrheitsfindung offenbart ein durchwachsenes Bild. Die Rechtsprechung geht zwar davon aus, dass das 1st Amendment alle Arten von Meinungen schützt. Sie erkennt aber gleichzeitig an, dass nur wahre Tatsachen in der Lage sind, der Wahrheitsfindung zu dienen und die demokratische Auseinandersetzung zu fördern.43 Falsche Tatsachenbehauptungen genießen keinen verfassungsrechtlichen Schutz: „There is no constitutional value in false statements of facts.“44 Richter Rehnquist schreibt im Urteil Hustler v. Falwell ausdrücklich: „false statements of fact are particularly valueless; they interfere with the truthseeking function of the marketplace of ideas.“45 Dies entspricht der Ansicht Mills in seiner Libel-Schrift. Die Rechtsprechung leitet daraus jedoch nicht generell ab, dass falsche Tatsachenbehauptungen aus dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit ausscheiden. In der konkreten Anwendung der Marketplace-Doktrin verlangt Wendell-Holmes in Anlehnung an Mill’s „Corn-dealer-Beispiel“, dass Aus37 38 39 40 41 42 43 44 45
Allgemein zu diesem Urteil: Chafeeh, S. 108 ff. Abrams, 630 U.S. (1919). Z. B. New York Times Co. v. Sullivan, 376 U.S. 254, 271 (1964). Ingber, Duke L. J. 1984, 1 (4) Fn. 9 m. w. N. Gertz v. Robert Welch, Inc. 418 U.S. 323, 339 (1974). Ely, Harv. L. Rev. 1975, 1482, (1497). Gertz v. Robert Welch, Inc. 418 U.S. 323, 340, 341 (1974). Gertz v. Robert Welch, Inc. 418 U.S. 323, 340 (1974). Hustler v. Falwell, 485 U.S. 45, 52 (1987).
226
5. Teil: Sind Erinnerungsgesetze verfassungsrechtlich rechtfertigbar?
sagen eine offensichtliche und gegenwärtige Gefahr darstellen müssen, um aus dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit auszuscheiden („clear and present danger“46). Diese Voraussetzung gilt seit der Entscheidung Brandenburg v. Ohio in veränderter Form bis heute: nunmehr werden unter dem 1st Amendment solche Meinungen nicht mehr geschützt, die zu „imminent lawless actions“ führen. Wo also die Möglichkeit der Diskussion noch gegeben ist, soll diese genutzt werden. Oder in den Worten des Supreme Court: „the remedy to be applied is more speech, not enforced silence.“47 Im Ergebnis liegt die Verfassungsrechtsprechung damit wieder auf der Linie von Mill in „On Liberty“. Die Marketplace-Doktrin ist als dogmatisches Konzept vor allem darum bemüht, die Offenheit des 1st Amendment bezüglich Äußerungen jeder Art zu bestätigen, anstatt die Grenzen der Meinungsfreiheit aufzuzeigen.48 Daraus resultiert die in den USA verbreitete Auffassung, dass jedes Thema zwei Seiten hat und ein „mehr“ an freier Rede selbst bei falschen Tatsachenäußerungen die vorzugswürdige Alternative ist. Im Folgenden gilt es zu untersuchen, inwieweit dieser Ansatz im Fall der Holocaustleugnung Bestand hat und mit dem Wahrheitsfindungsanspruch vereinbar ist. III. Wahrheitssuche und Holocaustleugnung 1. Das Wissensargument Dem Truth Principle liegt das Argument zu Grunde, dass die schrankenlos gewährleistete Redefreiheit das Wissen der Menschheit erhöht und grundsätzlich vorteilhaft ist. Es ist bisher kaum erforscht worden, inwieweit Mill in „On Liberty“ streng zwischen Meinungen und Tatsachen unterscheidet.49 Mill spricht zwar auffallend oft ausdrücklich von Meinungen („opinion“50), wenn er die Redefreiheit meint; er lässt aber an einer Stelle in „On Liberty“ anklingen, dass auch unaufrichtig argumentierende Redner oder solche, die Fakten und Argumente unterschlagen, in den Genuss der Meinungsfreiheit kommen sollen.51 Doch kann die Äußerung falscher Tatsachen der Wahrheit dienen? 46
Schenck v. United States, 249 U.S. 47, 52 (1919). Whitney v. California, 274 U.S. 357, 377 (1927). 48 Krit. u. a. Rosenfeld, Card. L. Rev. 2002-03, 1523 (1531). 49 Barendt, S. 10. 50 Z. B. Mill, Liberty, S. 39, 40, 41, 50, 51, 52, 59. 51 Mill, Liberty, S. 60; dagegen vertritt Peonidis, Austl. J. Leg. Phil. 2008, 60 (64) die Auffassung, dass Mill seine Ansicht aus der Libel-Schrift nicht geändert hat, da er dies sonst deutlicher gekennzeichnet hätte. 47
11. Kap.: Grund und Grenzen der Meinungsfreiheit
227
Der Aussage „den Holocaust hat es gegeben“ ist die Aussage, dass es ihn nicht gegeben habe, nicht gleichwertig. Es gibt bei verifizierbaren Tatsachen keine Kompromisse: entweder sie sind wahr oder sie sind falsch. Deshalb macht es Sinn, so wie Mill es in der Libel-Schrift ausgeführt hat, Tatsachen aus dem Spiel von Rede und Gegenrede herauszuhalten. Mill schreibt noch in „On Liberty“: „very few facts are able to tell their own story.“52 Für geschichtliche Fakten, die, wie der Holocaust, so gut erforscht sind wie sonst kein anderes Ereignis der neueren Geschichte, dürfte diese Einschränkung gelten. Die Geschichtswissenschaft gibt die Ereignisse so wieder, wie sie stattgefunden haben. Nur hinsichtlich der Frage, wie es zu einem Ereignis kam, werden Interpretationen zugelassen. Auf Mill übertragen möchte man sagen: „history tells its own story.“ Auch der „Marketplace of Ideas“ ist mit falschen Tatsachen überfordert. Der Markt ist nicht das geeignete Instrument, um die Richtigkeit von Tatsachen zu beweisen.53 Aus Rede und Gegenrede ergibt sich in Bezug auf Tatsachen kein Erkenntnisgewinn, da Argumente mit Sinneswahrnehmungen, Zeugenbeweisen, Dokumenten etc. nicht auf gleicher Ebene konkurrieren können. Die von den Negationisten vorgestellten „Beweise“ für die Nichtexistenz des Holocaust haben sich bei näherer Überprüfung durch Historiker allesamt als „Schein-Beweise“ herausgestellt, oft waren sie sogar gefälscht. Was sollen also Argumente leisten können, wo schon Beweise versagen?54 Die Holocaustleugnung hat nichts mit der Erforschung der Wahrheit zu tun, allenfalls mit Wahrheitsverzerrung.55 Das von der liberalen Wirtschaftstheorie (Smith, Ricardo) inspirierte Konzept des „Marketplace of Ideas“ ist, genauso wie der wirtschaftliche Markt auch, vor Marktversagen nicht gefeit.56 Die Behauptung falscher Tatsachen ist daher, wie der amerikanische Supreme Court zutreffend feststellt, für die Wahrheitssuche hinderlich.57 Es lässt sich im Fall von unrichtigen Informationen schwer ergründen, worin der Vorteil von „mehr“ freier Rede gegenüber „weniger“ freie Rede liegt. Trotzdem vertritt beispielsweise die amerikanische Bürgerrechtsvereinigung UCLA auch in den „Hate Speech“-Fällen unbeirrt einen „More-Speech-Approach“.58 52
Mill, Liberty, S. 25. Rosenfeld, Troper-FS, S. 894. 54 Weitere Gründe für die Ungeeignetheit der Marketplace-Doktrin in Bezug auf die Wahrheitsfindung nennt Barendt, S. 12. 55 Lasson, Geo. Mason L. Rev. 1997, 35 (81). 56 Ingber, Duke L. J. 1984, 1 (5). 57 Hustler v. Falwell, 485 U.S. 45, 52 (1987). 58 Strossen, Academic Questions 1997, 33 (35). 53
228
5. Teil: Sind Erinnerungsgesetze verfassungsrechtlich rechtfertigbar?
Die Einbeziehung von „falschen Tatsachen“ stellt das Truth Principle vor ein gewichtiges Problem. Denn falsche Tatsachenbehauptungen erweitern nicht das Wissen der Menschheit, sondern sind in der Lage, bestehende Kenntnisse zu verringern und Zweifel zu wecken. Falsche Tatsachenbehauptungen schwächen die wahrheitsfördernde Funktion des Truth Principles und stellen die Wirkung des Prinzips selbst in Frage.59 2. Das Unfehlbarkeitsargument Das zweite Argument Mills, nämlich dass Aussagen deshalb nie unterdrückt werden dürften, da dies einer Anmaßung der Unfehlbarkeit von Seiten des Gesetzgebers gleich komme, ist so allgemein ausgedrückt ebenfalls zweifelhaft. Dies zeigt sich insbesondere bei der Anwendung dieses Arguments auf verifizierbare Tatsachen. So fallen laut Stephen alle Fälle aus dem Anwendungsbereich dieses Arguments heraus, die mit den Sinnen erfahrbar oder beweisbar sind: „There are plenty of reasons for not forbidding people to deny the existence of London Bridge and the river Thames, but the fear that the proof of those propositions would be weakened or that the person making the law would claim infallibility is not among the number.“60
Wenn verifizierbare Tatsachen dem Unfehlbarkeitsargument Mills subsumiert würden, hieße das gleichzeitig, dass keine Tatsache mehr als sicher und wahr gelten dürfte und daher staatliche Entscheidungen, die sich auf Tatsachen gründen, generell unterbleiben müssten.61 Dies hätte weitreichende Folgen, denn es würde bedeuten, die Lebenswirklichkeit an sich in Frage zu stellen. So wären gerichtliche Beweisverfahren a priori unzulässig, weil sie den Anforderungen eines epistemischen Wahrheitsbegriffs kaum genügen würden. Es wäre jedoch nur schwer nachvollziehbar, wenn ein Richter die Existenz eines vor ihm liegenden Dokuments, das die Erschießung von Juden in einem litauischen Dorf belegt, mit dem Verweis auf einen philosophischen Wahrheitsbegriff bestreiten würde und sagen dürfte: „Woher wissen wir, ob dieses Dokument tatsächlich existiert? Oder dieser Stuhl? Oder dieser Tisch?“ Mill scheint einen derart weiten Wahrheitsbegriff auch nicht wirklich zur Grundlage seines Truth Principle gemacht zu haben. Die Redefreiheit soll konkret den gesellschaftlichen Fortschritt unterstützen und politische Sachfragen entscheiden helfen. Die im freien Austausch von Meinungen zustande gekommenen, von allen akzeptierten „Wahrheiten“, werden letztlich 59 60 61
Vgl. Cohen-Almagor, Philosophia 1997, 131 (136). Stephen, S. 76. Haworth, R. Publ. 2007, 77 (80).
11. Kap.: Grund und Grenzen der Meinungsfreiheit
229
nicht als fiktiv abgelehnt, sondern akzeptiert, angewendet und nicht mehr in Frage gestellt. Dies ist laut Mill sogar ein Gradmesser für den sozialen Fortschritt: „The well-being of mankind may almost be measured by the number and gravity of the truths which have reached the point of being uncontested.“62 Zudem unterscheidet Mill zwischen naturwissenschaftlichen Axiomen und Meinungen zu Themen der Religion, der Politik, der Moral, etc.: „on every subject on which difference of opinion is possible, the truth depends on a balance to be struck between two sets of conflicting reasons.“63 Eine verifizierbare Tatsache, wie diejenige der Existenz des Holocaust, ist bereits entschieden worden, und zwar, um mit Mill zu sprechen „by those, on whom the business of deciding upon evidence in other cases devolves“64, also in unserem Fall von Historikern und Richtern. Selbst Mill ist also nicht grenzenlos autoritätskritisch. Auf Grund der erdrückenden Tatsachenbasis ist es ausgeschlossen, dass ein redlicher Beweis dafür geführt wird, dass es den Holocaust nicht gegeben hat. Die Existenz des Holocaust ist kein Thema, bei welchem eine „difference of opinion“ möglich ist. Ein Verbot der Leugnung bereits verifizierter Tatsachen kollidiert daher nicht mit dem Unfehlbarkeitsargument.65 3. Das Vitalitätsargument Auch die letzte Befürchtung Mills, dass die Unterbindung der freien Rede tote Dogmen hervorbringt, trifft im Fall der Holocaustleugnung nicht zu. Die Existenz des Holocaust ist kein staatliches Dogma, sondern eine geschichtliche Tatsache, die von Historikern eingehend erforscht worden ist und im Bewusstsein der Bevölkerung präsent ist. Gegen das Argument des toten Dogmas streitet ein Vergleich mit der Behandlung der Holocaustleugnung im akademischen Bereich. Noch bevor es ein Verbot der Holocaustleugnung gab, wurden Holocaustleugner aus dem Universitätsbetrieb entfernt.66 Die Ausklammerung des Negationismus aus der seriösen Geschichtsforschung hat die wissenschaftliche Diskussion in Bezug auf den Holocaust aber keineswegs zum Verstummen gebracht. Auch das Verbot der Holocaustleugnung hat aus der Existenz des Holocaust weder in der Forschung noch in der Öffentlichkeit ein totes Dogma ge62
Mill, Liberty, S. 49. Mill, Liberty, S. 41; siehe auch Barendt, S. 10. 64 So Mill, Libel, S. 14; ausführlich: Cohen-Almagor, Philosophia 1997, 131 (138). 65 So auch Haworth, R. Publ. 2007, 77 (82). 66 Siehe z. B. für Frankreich: Rousso, Cités 2008, 51 ff. 63
230
5. Teil: Sind Erinnerungsgesetze verfassungsrechtlich rechtfertigbar?
macht. Jenseits des relativ klar umrissenen negationistischen Spektrums besteht schlicht keine Veranlassung, den Holocaust zu leugnen. Inwiefern aber gerade die Leugnung des Holocaust dazu beitragen soll, das Thema Holocaust in der Öffentlichkeit lebendig zu halten, ist schleierhaft.67 Tote Dogmen zeichnet aus, dass sie nur auf Grund des Zwangs einer Autorität anerkannt werden, nicht aber ihres Inhalts wegen. Dies ist für den Holocaust aber gerade nicht der Fall. Es besteht im Fall des Holocaust keine Diskrepanz zwischen staatlicher und gesellschaftlicher Bewertung. Die Existenz des Holocaust ist bewiesen und beweisbar. Dies unterscheidet die Existenz des Holocaust von Dogmen im Sinne von z. B. kirchlichen Lehrmeinungen; diese sind Meinungen im klassischen Sinne. Sie sind Beweisen nicht zugänglich. Das Argument des toten Dogmas passt daher nicht auf verifizierbare Tatsachen. Im Fall des Holocaust droht weniger eine Dogmenbildung, sondern eine Erosion der Erinnerung an dieses Ereignis. Diese Gefahr war auch Mill durchaus bewusst. Als Warnung vor unechten Erinnerungsgesetzen lässt sich diese Passage verstehen: „the dictum that truth always triumphs over persecution is one of those pleasant falsehoods which men repeat after one another till they pass into commonplaces, but which all experience refutes.“68 Eine zusammenfassende Betrachtung der drei Hauptargumente Mills für eine unbeschränkte Redefreiheit im Dienste der „Wahrheit“ lässt den Schluss zu, dass Mill eher „Meinungen“ im Sinn hatte und weniger „Tatsachenbehauptungen“. Jedenfalls passen seine Argumente auf letztere nur sehr eingeschränkt. 12. Kapitel
Das Verbot der Holocaustleugnung in der Verfassungsrechtsprechung A. Die Holocaustleugnung und das Grundrecht der Meinungsfreiheit I. Die kontinentaleuropäische Verfassungsrechtsprechung In der kontinentaleuropäischen Verfassungsrechtsprechung haben sich bisher u. a. das BVerfG und der EGMR mit dem Verbot der Holocaustleugnung befasst. In Frankreich gibt es keine nachträgliche verfassungsgerichtliche 67 68
So aber allen Ernstes: Brugger, Germ. L. J. 2003, 1 (36). Mill, Liberty, S. 33.
12. Kap.: Verbot der Holocaustleugnung in der Verfassungsrechtsprechung 231
Kontrolle; die Möglichkeit, Art. 24bis frz. PresseG vor dem Inkrafttreten der Vorschrift dem frz. Verfassungsgerichtshof vorzulegen, wurde nicht genutzt.69 In Polen wurde im September 2008 vor dem poln. Verfassungsgerichtshof ein Antrag auf Überprüfung des Art. 55 IPN-G gestellt, der sich inzwischen durch Rücknahme erledigt hat.70 Das BVerfG hat § 130 Abs. 3 StGB in einem Beschluss vom 13.04.1994 für verfassungskonform erklärt.71 Das Gericht differenzierte dabei zwischen Tatsachen und Meinungen. Letztere seien durch ein Element der Stellungnahmen und des Dafürhaltens gekennzeichnet und ließen sich, anders als Tatsachenbehauptungen, nicht auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüfen.72 Nach Ansicht der Richter fallen falsche Tatsachenbehauptungen nicht unter den Schutz von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, da sie „zu der verfassungsrechtlich vorausgesetzten Meinungsbildung nichts beitragen können. Unter diesem Gesichtspunkt ist unrichtige Information kein schützenswertes Gut“73. Damit folgt das BVerfG im Ergebnis der Ansicht Mill’s in dessen LibelSchrift. Die Richter reduzieren den Schutzbereich der Meinungsfreiheit auf Meinungen und wahre Tatsachenbehauptungen (so schon BVerfGE 85, 1, 17). Die einfache Holocaustleugnung fällt nicht in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit i. S. d. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.74 Zu dem gleichen Ergebnis kommen der EGMR und die Europäische Menschenrechtskommission bei der Überprüfung der Holocaustleugnung am Maßstab des ebenfalls die Meinungsfreiheit normierenden Art. 10 EMRK, allerdings mit einer etwas abweichenden Begründung.75 So bestätigte die Europäische Menschenrechtskommission im Jahr 1996 die Vereinbarkeit des Art. 24bis frz. PresseG mit Art. 10 EMRK, ohne eine Beweiserhebung bezüglich der Existenz des Holocaust durchzuführen (Marais v. France).76 Der EGMR schließt die Holocaustleugnung aus dem Anwendungsbereich von Art. 10 EMRK gänzlich aus, da sie sich gegen den Geist der Konvention richtet (Art. 17 EMRK): in Garaudy c. France urteilte der Gerichtshof, dass, wer derartige Thesen gegen die historische Wahrheit ver69
So auch Cammillieri-Subrenat, RIDC 2002, 513 (529). Kochanowski, Antrag, S. 1 ff.; TK, Postanowienie v. 8.03.2011, 14/2/A/2011. 71 BVerfGE 90, 241. 72 BVerfGE 90, 241 (246). 73 BVerfGE 90, 241 (246). 74 Zust. Beisel, NJW 1995, 997 (1000); v. Dewitz, S. 211; Jahn, S. 195; Stegbauer, S. 8 ff. m. w. N. aus der verfassungsrechtlichen Literatur; a. A.: Brugger, Germ. L. J. 2003, 1 (33); Huster, NJW 1996, 487; Kübler, AöR (125) 2000, 109 (125) Fn. 75; Leukert, 210 ff.; Wandres, S. 284 ff. 75 Zust. Weber, ZRP 2008, 21 (23). 76 EMRKomm. Marais v. France Eur. Comm’n H. R. Dec. & Rep. 86-A, 184, (188 ff.). 70
232
5. Teil: Sind Erinnerungsgesetze verfassungsrechtlich rechtfertigbar?
tritt, sich nicht auf den Schutz der Konvention berufen kann.77 Die Holocaustleugnung diene der Rehabilitation des NS-Regimes und sei auf die Abschaffung der Rechte und Freiheiten der Konvention gerichtet.78 Etwas anderes gelte bei interpretationsfähigen Äußerungen zu historischen Fragen, wie der Rolle von Marschall Pétain während der deutschen Okkupation in Frankreich. In Lehideux et Isorni c. France urteilte der Gerichtshof, dass wertende Äußerungen kein historisches Faktum darstellten und demnach im Fall einer Bestrafung eine Verletzung von Art. 10 EMRK vorliege.79 Auch der EGMR verweigert somit negationistischen Äußerungen den Schutz der Meinungsfreiheit. Dies erfolgt über den Tatbestandsausschluss des Art. 17 EMRK. Anders als das BVerfG stützt sich der EGMR aber auf den Inhalt der Aussage und nicht die Aussagestruktur. Der Ausschluss der Holocaustleugnung aus dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit wird auch im Verfassungsrecht anderer Länder diskutiert: In Frankreich wird oft darauf hingewiesen, dass der Rassismus keine Meinung, sondern ein Verbrechen sei;80 Andere weisen deutlich darauf hin, dass die Holocaustleugnung nichts zur Wahrheitsfindung beitrage.81 In der polnischen Literatur wird im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit von Art. 55 IPN-G ebenfalls ein Ausschluss der falschen Tatsachenbehauptung aus dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit befürwortet.82 Einzig der spanische Verfassungsgerichtshof hatte sich zuletzt gegen diese Option entschieden und die Tatbestandsalternative des Leugnens in Art. 607 Abs. 2 span. StGB für verfassungswidrig erklärt.83 Auf internationaler Ebene war die Holocaustleugnung ebenfalls Gegenstand von Entscheidungen. In der Causa Faurisson hat der UN-Menschenrechtsausschuss entschieden, dass negationistische Äußerungen nicht den Schutz des Art. 19 IPbpR genießen.84
77 EGMR Garaudy c. France Rec. 2003-IX, 335 (361); zust. Levinet, RTDH 2004, 653 (661); Roets, D. 2004 (J.), 240; Wachsmann, RTDH 2001, 585 (599). 78 EGMR Garaudy c. France Rec. 2003-IX, 335 (361). 79 EGMR Lehideux et Isorni c. France Rec. 1998-VII, 2864 (2887); siehe hierzu auch Cohen-Jonathan, AFDI 1997, 593 (597 ff.). 80 De Gouttes, Gaz. Pal. 2001, 1443 (1446). 81 Troper, AHSS 1999, 1239 (1250); Wachsmann, RTDH 2001, 585 (589). 82 Gliszczyn ´ ska, Rz. v. 12.4.08, C 7; Komorowski/Wróbel, Zeszyty Prawnicze (1) 2009, 239 (253). 83 Siehe auch Rackow, ZIS (5) 2010, 366 (368) Fn. 9 m. w. N. 84 Robert Faurisson vs. France, Communication No. 550/1993 U.N. Doc. CCPR/ C/58/D/550/1993 (1996); vgl. Boyle, M. L. Rev. 2001, 487 (498).
12. Kap.: Verbot der Holocaustleugnung in der Verfassungsrechtsprechung 233
II. Die Verfassungsrechtsprechung im angelsächsischen Rechtskreis In den meisten Ländern des angelsächsischen Rechtskreises gibt es kein ausdrückliches Verbot der Holocaustleugnung und somit auch keine verfassungsrechtlichen Urteile.85 Der überwiegende Teil der amerikanischen Literatur nimmt an, dass ein derartiges Verbot mit dem 1st Amendment unvereinbar wäre bzw. steht diesem Verbot kritisch gegenüber.86 Diese Einstellung deckt sich mit der tendenziell zurückhaltenden Linie der amerikanischen Rechtsprechung in Hate Speech-Fällen. So hat der amerikanische Supreme Court beispielsweise ein Verbot des öffentlichen Verbrennens von Kreuzen, also einer bekannten Drohgebärde des Ku-KluxKlans, für verfassungswidrig erklärt.87 Auch ein Neo-Nazi-Aufmarsch durch die überwiegend von jüdischen Bürgern bewohnte Stadt Skokie wurde genehmigt.88 Zwar verdienen falsche Tatsachenbehauptung auch unter dem 1st Amendment keinen Schutz.89 Die Unterscheidung zwischen Meinungen und Tatsachen entspricht dabei der kontinentaleuropäischen Differenzierung: erstere sind dem Beweis nicht zugänglich, letztere schon.90
Damit eine Aussage jedoch aus dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit herausfällt, muss sie zusätzlich einen Schaden für individuelle Interessen darstellen. Der Supreme Court misst falschen Tatsachen bisher nur im Fall der Verleumdung („diffamation“) relevante Bedeutung in Bezug auf die Meinungsfreiheit bei.91 Das Recht auf Meinungsfreiheit unter dem 1st Amendment ist eher als absolutes Recht konzipiert. Eine Abwägung mit anderen Gütern findet zumindest in der Rechtsprechung kaum statt.92 Ein aufstrebender Strang in der amerikanischen Literatur kritisiert diese rigide Auslegung des 1st Amendment und beruft sich auf im Wesentlichen drei Argumente. Die erste Stoßrichtung dieser Kritik versucht den Schaden der Holocaustleugnung oder von Hate Speech im Allgemeinen nachzuweisen. Ein Verbot 85
Vgl. Lewis, S. 158. Barendt, S. 177; stellvertretend für viele: Teachout, Vt. L. Rev. 2005, 655 (660 ff.); für einen Überblick: Knechtle, Fla. St. U. L. Rev. 2008, 41, (48 ff.); kritisch bezüglich dieser Verfassungsrechtsprechung: Lasson, Geo. Mason L. Rev. 1997, 35 ff. m. w. N.; Tsesis, S. 180. 87 R.A.V. v. City of St. Paul, 505 U.S. 377 (1992). 88 Nat’l Socialist Party of Am. v. Skokie, 432 U.S. 43 (1977). 89 Gertz v. Robert Welch, Inc. 418 U.S. 323, 340 (1974). 90 Post, Harv. L. Rev. 1990, 601 (656) m. w. N. 91 Gertz v. Robert Welch, Inc., 418 U.S. 323, 348 (1974). 92 Emerson, Yale L. J. 1962–63, 877. 86
234
5. Teil: Sind Erinnerungsgesetze verfassungsrechtlich rechtfertigbar?
der Holocaustleugnung wäre demnach verfassungskonform, da der negationistische Diskurs schädlich für individuelle und gesellschaftliche Interessen ist, namentlich die Würde und die kollektive Erinnerung.93 In diese Richtung argumentieren auch die Vertreter der Critical Race Theory (Delgado, Tsesis, Matsuda). Die Critical Race Theorists betrachten bestimmte Äußerungsformen nicht mehr als Äußerung, sondern als Handlung, und schließen sie aus diesem Grund aus dem Anwendungsbereich der Meinungsfreiheit aus.94 Diese an die Sprechakttheorie J. L. Austin’s angelehnte Betrachtung lenkt den Blick weg davon, was freie Rede ist, und hin zu der Frage, welche Folgen sie verursacht.95 Ein zweiter Ansatzpunkt liegt darin, die fehlende Relevanz von bestimmten Aussagen für die Wahrheitsfindung aufzuzeigen. So argumentiert Bollinger, dass das Wahrheitsargument bei der NS-Propaganda allgemein nicht durchschlägt: „the chance that the Nazi messages may turn out to be ‚true‘ is hardly a persuasive basis on which to defend such spech“96. Er ist der Ansicht, dass die Wertlosigkeit von unwahren Tatsachenbehauptungen, wie sie in Verleumdungsfällen anerkannt ist, auch auf bestimmte Meinungen ausgedehnt werden soll.97 Der Ansatz Bollingers gilt erst Recht für die Holocaustleugnung, die ja nicht mal eine Meinung, sondern lediglich eine falsche Tatsachenbehauptung darstellt. Die Existenz des Holocaust ist in der amerikanischen Zivilrechtsprechung bereits als „indisputable fact“ anerkannt.98 Schließlich stört sich ein inzwischen bedeutender Strang in der Literatur an der Inkonsequenz der amerikanischen Verfassungsrechtsprechung.99 Diese Ansicht kritisiert, dass der Supreme Court in mehreren Fällen auch „content regulation“ für verfassungskonform erklärt hat. Dies zeige, dass der Supreme Court weniger neutralen, bzw. strikt dogmatischen Maßstäben, als eher einem kulturellen, ökonomischen und politischen Konsens folge.100 So wurde die Anwendbarkeit des 1st Amendment ausgeschlossen im Fall von irreführender Werbung, bei bestimmten Formen von Pornografie, dem 93
Lidsky, Wash. & Lee L. Rev. 2008, 1091 (1093, 1094). Matsuda, Mich. L. Rev. 1989, 2320 (2357 ff.). 95 Douglas-Scott, R. Publ. 1998, 29 ff.; siehe ausführlich: Austin, J. L., How to do things with words (1963). 96 Bollinger, S. 54. 97 Bollinger, ebd.; zust. Tsesis, S. 129 ff. 98 Mermelstein v. Institute for Historical Review, No. C356 542 (Cal. Super. Ct. v. 22.7.1985). 99 Z. B. Ingber, Duke L. J. 1984, 1 (48); Post, Harv. L. Rev. 1990, 601 (645); Schauer, Harv. L. Rev. 2004, 1765 (1787). 100 Abel, S. 125 ff.; Fish, S. 104; Ingber, Duke L. J. 1984, 1 (48); Post, Harv. L. Rev. 1990, 601 (645); Schauer, Harv. L. Rev. 2004, 1765 (1787). 94
12. Kap.: Verbot der Holocaustleugnung in der Verfassungsrechtsprechung 235
Aufruf zur Wehrdienstverweigerung im Ersten Weltkrieg101 und bei kommunistischer Propaganda. Im Fall von kommunistischen Inhalten war der Supreme Court in den 20er Jahren mehrheitlich der Ansicht, dass die freie Rede selbst dann nicht für Feinde der Demokratie gilt, wenn die Aussagen keinen „clear and present danger“ verkörpern.102 Gegenüber rassistischen Äußerungen hat sich die Rechtsprechung dagegen fast103 immer großzügig gezeigt.104 Vor diesem Hintergrund ist es z. B. nach Ansicht von Lasson unschlüssig, die Leugnung des Holocaust zu schützen.105
B. Die kollektive Erinnerung als abwägungsrelevante Größe Wenn man der hier dargestellten Auslegung des Truth Principle folgt und falsche Tatsachenbehauptungen als für den Wahrheitsfindungsprozess schädlich bzw. nutzlos einstuft, kommt es gar nicht erst zu einer Abwägung von schützbaren Interessen. Der Schutzbereich der Meinungsfreiheit wäre nicht eröffnet. Dieses Modell macht sich die kontinentaleuropäische Rechtsprechung (BVerfG, EMRK) zu eigen. In der amerikanischen Rechtsprechung wäre die kollektive Erinnerung nur relevant, wenn a) eine Güterabwägung („balancing test“) grundsätzlich zugelassen würde und b) der Schaden für die kollektive Erinnerung unter „immanent lawless action“ subsumiert würde. Eine derartige Tendenz lässt sich in der Rechtsprechung seit Brandenburg v. Ohio nicht mehr erkennen. Die Abwägung mit dem Schutzgut der kollektiven Erinnerung käme im deutschen Verfassungsrecht nur bei der Eröffnung des Schutzbereichs der Meinungsfreiheit in Betracht, was das BVerfG im Fall der einfachen Holocaustleugnung verneint. Etwas anderes soll aber bei hybriden Aussagen gelten, also wenn sich Meinung und Tatsachenbehauptung nicht voneinander trennen lassen.106 Bei einer hilfsweisen Prüfung von Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG ergibt sich dann folgendes Bild: 101
Debs v. United States, 249 U.S. 211 (1919). Gitlow v. New York, 268 U.S. 652 (1925); Whitney v. California, 274 U.S. 357 (1927) Emerson, Yale L. J. 1962–63, 877. Die Ablehnung des „clear and present danger-tests“ erfolgte in: Dennis, 494 U.S. 517 (1951); vgl. zum Ganzen: Chafee, S. 285 ff. 103 Die Ausnahme war das Urteil Beauharnais v. Illinois, 343 U.S. 250, 255 (1951). 104 Brandenburg v. Ohio, 395 U.S. 444 (1969) hob das Beauharnais-Urteil wieder auf; Rosenfeld, Card. L. Rev. 2002–03, 1523 (1530) wirft der amerikanischen Verfassungsrechtsprechung vor, auf dem rechten Auge blind zu sein. 105 Lasson, Geo. Mason L. Rev. 1997, 35 (70) m. w. N. 106 Aydin, S. 460; Beisel, NJW 1995, 997 (1000); Brugger, Germ. L. J. 2003, 1 (33). 102
236
5. Teil: Sind Erinnerungsgesetze verfassungsrechtlich rechtfertigbar?
(1) Der Schutzbereich ist eröffnet und ein Eingriff liegt vor. (2) § 130 Abs. 3 StGB ist formell verfassungskonform und stellt ein allgemeines107 Gesetz i. S.v Art. 5 Abs. 2 GG dar. (3) Das Strafrecht soll nach Auffassung des BVerfG überragend „wichtige Gemeinschaftsbelange“ bzw. „elementare Werte des Gemeinschaftslebens“ schützen.108 Der Schutz der kollektiven Erinnerung als gesellschaftlich anerkannter Wert stellt insbesondere vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte ein grundsätzlich legitimes Interesse dar. (4) Wie bereits dargelegt, ist die rein gesellschaftliche Bekämpfung negationistischer Äußerungen im Hinblick auf die Bewahrung der Erinnerung defizitär.109 Die Strafnorm ist daher als geeignet und erforderlich einzustufen. (5) Bei einer Abwägung des Gemeinrechtsguts der kollektiven Erinnerung mit der Meinungsfreiheit kann man zu Gunsten der Erinnerung u. a. ihren gesellschaftlichen Stellenwert, ihre historische Bedeutung und ihre Schutzbedürftigkeit ins Feld führen. Zu Lasten des Rechts auf Meinungsfreiheit auf Seiten des Holocaustleugners ist hingegen neben der verachtenswürdigen antisemitischen Motivation die mangelnde Schutzbedürftigkeit der bösgläubig getätigten falschen Tatsachenbehauptung zu veranschlagen.
Lehnt man die Eröffnung des Schutzbereichs des Art. 5 Abs. 1 GG jedoch zutreffend ab, so ergibt sich eine Abwägung der kollektiven Erinnerung erst im Rahmen der Prüfung des Art. 2 Abs. 1 GG („Allgemeine Handlungsfreiheit“). Das BVerfG rechtfertigt einen Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG dann, wenn die dem Eingriff zugrunde liegende Rechtsnorm im Ganzen verfassungskonform ist.110 (1) Der Schutzbereich ist eröffnet und ein Eingriff liegt vor. (2) Im Rahmen der Schrankenbestimmung dieses „Auffanggrundrechts“ wäre die Schranke der „verfassungsmäßigen Ordnung“ am ehesten einschlägig. (3) Die kollektive Erinnerung ist Ausdruck der antithetisch zum NS-Staat konzipierten Identität der BRD und kommt beispielsweise in dem ungeschriebenen Verfassungsprinzip der „wehrhaften Demokratie“ zum Tragen.111 § 130 Abs. 3 StGB ist daher auch mit Art. 2 Abs. 1 GG vereinbar.112
Die kollektive Erinnerung wird auch in der Literatur anderer Rechtsordnungen als abwägungsrelevantes, schutzwürdiges Interesse diskutiert, so z. B. in Frankreich113, Italien114, Polen115, den USA116 und Kanada117.
107 BVerfGE 90, 241 (251); nach neuester Rechtsprechung wäre selbst dieser „Makel“ nicht mehr hinderlich: BVerfG, BvR 2150/08 v. 4.11.09. 108 Siehe z. B. BVerfG, BvR 392/07 v. 26.02.2008 Rn. 76. 109 Siehe Teil 2 6. Kapitel S. 137 ff. 110 Di Fabio, M/D Art. 2, Rn. 40. 111 Siehe Teil 2 5. Kapitel S. 122 ff. 112 A. A. Jahn, S. 204. 113 Bloch, Vt. L. Rev. 2005, 627 (642); Willmann, Arch. phil. droit 2006, 189 (209) m. w. N. 114 Fronza, in: Vormbaum (Hg.), S. 435; Visconti, S. 16 ff.
Ergebnis
237
Ergebnis Die Meinungsfreiheit stellt einen in den westlichen Demokratien überragend wichtigen Wert dar. Die Begründung der Meinungsfreiheit folgt in den hier untersuchten Rechtskreisen ähnlichen Grundvorstellungen und Zielen, z. B. dem Ziel der Wahrheitsfindung („Truth Principle“). In der Interpretation dieses Grundsatzes gibt es zwischen der kontinentaleuropäischen und der angloamerikanischen Rechtsprechung Unterschiede. Gemeinsam ist der Rechtsprechung beider Rechtskreise jedoch, dass die Wertlosigkeit falscher Tatsachenbehauptungen für die Wahrheitsfindung erkannt wurde. Als dogmatisch sauberste und widerspruchsfreie Lösung erscheint es deshalb, unwahre Tatsachenbehauptungen generell aus dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit auszuschließen. Dies ist auch das Ergebnis der hier vorgenommenen Analyse des Millschen Truth Principle und des „Marketplace of Ideas“ in der Anwendung auf die Holocaustleugnung.
115 Komorowski/Wróbel, Zeszyty Prawnicze (1) 2009, 239 (253): so zuletzt auch der Sejmmarschall Grzegorz Schetyna, TK Postanowienie v. 8.03.2011, 14/2/A/2011. 116 Lidsky, Wash. & Lee L. Rev. 2008, 1091 (1093, 1094); Smiddy, Vt. L. Rev. 2005, 645 (646); Stein, Mich. L. Rev. (85) 1986, 277 (321). 117 Schabas, Duke J. Comp. & Int’l L. 1996, 461 (516).
Sechster Teil
Europas Erinnerungsgesetz? Im Folgenden wird der EU-Rahmenbeschluss zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Ausdrucksformen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit untersucht. Ein Schwerpunkt der Untersuchung liegt hier auf den Konsequenzen des Rahmenbeschlusses für das deutsche Strafrecht. 13. Kapitel
Der EU-Rahmenbeschluss (2008/913/JI) v. 28.11.2008 A. Der Inhalt des Rahmenbeschlusses I. Die Genese Die Bekämpfung des Rassismus stellt ein Kernanliegen der EU im Rahmen der intergouvernementalen Zusammenarbeit dar. Das Problem des Rassismus, Antisemitismus und der Fremdenfeindlichkeit ist in der Vergangenheit Gegenstand zahlreicher Resolutionen und Initiativen des Rates und des Europäischen Parlaments gewesen.1 So wurde beispielsweise im Jahr 1997 das „Europäische Jahr gegen Rassismus“ ausgerufen und eine Beobachtungsstelle für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Wien eingerichtet. Ausgangspunkt des Rahmenbeschlusses zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit war die im Jahre 1996 verabschiedete Gemeinsame Maßnahme („Joint Action“) des Rates, die neben einer effektiveren Kooperation der Mitgliedsstaaten bei der Bekämpfung von Rassismus auch die Harmonisierung von Straftatbeständen vorsah, etwa desjenigen der Aufstachelung zum Rassenhass und der Holocaustleugnung.2 Dadurch wurde bekräftigt, dass ein Kernbestand 1 Diese betrafen u. a. das Arbeitsrecht und die Bildungspolitik, vgl. Gualtieri, RIDP 2006, 263. 2 Gemeinsame Maßnahme 96/443/JI v. 15.7.1996 OJ L 185 v. 24.7.1996; näher: Gualtieri, RIDP 2006, 263 (265); zur Entstehungsgeschichte auch Weiß, in: Europäisches Strafrecht § 25, Rn. 28 ff.
13. Kap.: Der EU-Rahmenbeschluss (2008/913/JI) v. 28.11.2008
239
an europaweit geltenden Straftatbeständen zur Bekämpfung von Rassismus und Antisemitismus notwendig ist. Im Jahre 2001 hat die Kommission einen Entwurf für einen Rahmenbeschluss vorgelegt, der die Leugnung des Holocaust und anderer Verbrechen gegen die Menschlichkeit unter Strafe stellen sollte.3 Bei der Verabschiedung des Entwurfs kam es immer wieder zu Verzögerungen. Manchen Staaten war das Spektrum der pönalisierten Handlungen zu weit, anderen zu eng. Heftig umstritten war z. B. das in diesem Zusammenhang ebenfalls diskutierte europaweite Verbot von neonazistischen Symbolen, auf das letztlich verzichtet worden ist.4 Insbesondere Großbritannien und Dänemark hatten sich bezüglich dieses Vorstoßes zurückhaltend gezeigt. Für eine ausdrückliche Erweiterung des Rahmenbeschlusses um die Leugnung kommunistischer Verbrechen hatten sich hingegen einige baltische Länder und Polen stark gemacht. Dieser Vorschlag wurde letztlich ebenfalls nicht berücksichtigt.5 Im April 2007 konnte unter deutscher EU-Präsidentschaft eine politische Einigung über den Rahmenbeschluss erzielt werden. Am 6.12.2008 ist der Rahmenbeschluss des Rates zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (2008/913/JI) schließlich in Kraft getreten.6 II. Die Straftatbestände des Rahmenbeschlusses Der Rahmenbeschluss sieht in Artikel 17 drei unterschiedliche Straftatbestände vor: Art. 1 Abs. 1 Buchstabe a) stellt das öffentliche Aufstacheln zu Gewalt und Hass gegen eine Gruppe von Personen oder einzelne Mitglieder unter Strafe, wenn diese nach den Kriterien Rasse, Hautfarbe, Abstammung, Religion oder nationale bzw. ethnische Herkunft bestimmbar sind. Buchstabe b) nennt Begehungsformen für in Buchstabe a) genannten Handlungen (öffentliche Verbreitung von Schriften etc.). Art. 1 Abs. 1 Buchstabe c) pönalisiert das öffentliche Billigen, Leugnen oder gröbliche Verharmlosen von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen, so wie sie in Art. 6, 7 und 8 des Statuts des IStGH („Rom-Statut“) definiert sind. Diese Aussagen müssen sich 3
OJC 75 E/269 v. 26.03.2002. Vgl. Weber, ZRP 2008, 21. 5 Vgl. Black, The Guardian v. 20.4.2007, S. 21. 6 Zur Entwicklungsgeschichte allgemein siehe Fronza, Riv. it. 1999, 1035 (1045 ff.); Gualtieri, RIDP 2006, 263 ff.; Weber, ZRP 2008, 21. 7 Die zitierten Artikel beziehen sich stets auf den Rahmenbeschluss, wenn nicht anders gekennzeichnet. 4
240
6. Teil: Europas Erinnerungsgesetz?
gegen Gruppen oder deren Mitglieder richten, die nach den gleichen Kriterien wie in Ziffer a) bestimmbar sind. Zudem müssen die Handlungen in einer Weise begangen werden, die wahrscheinlich zu Gewalt oder Hass gegen den genannten Personenkreis aufstachelt. Art. 1 Abs. 1 Buchstabe c) stellt also ein allgemeines Leugnungsverbot für Genozide und Menschheitsverbrechen größten Ausmaßes dar. Art. 1 Abs. 1 Buchstabe d) stellt das öffentliche Billigen, Leugnen und gröbliche Verharmlosen von Verbrechen nach Artikel 6 der Charta des Internationalen Militärgerichtshofs im Anhang zum Londoner Abkommen von 1945 unter Strafe. Hauptanwendungspunkt von Art. 1 Abs. 1 Buchstabe d) ist die Leugnung des Holocaust. Diese Äußerungen müssen sich, anders als in Art. 1 Abs. 1 Buchstabe c), nicht nur gegen eine näher definierte Gruppe oder ihre Mitglieder richten, sondern auch ihr „gegenüber“ geäußert oder in einer Weise vorgenommen werden, die wahrscheinlich zu Hass oder Gewalt aufstachelt. Gemäß Art. 3 Abs. 2 beträgt die Mindesthöchststrafe für die in Art. 1 des Rahmenbeschlusses genannten Handlungen zwischen einem und drei Jahren Freiheitsentzug.
B. Die Konsequenzen für den deutschen Gesetzgeber I. Die Pflicht zur Umsetzung Der Europäischen Union fehlt es nach h. M. an einer originären Kompetenz zum Erlass strafrechtlicher Normen.8 Eine der wenigen Möglichkeiten, eine europäische Strafrechtsharmonisierung zu erreichen, ergab sich bisher aus der Kompetenz zum Erlass von Rahmenbeschlüssen gemäß exArt. 29, 31, 34 Abs. 2 Buchstabe b) EUV.9 Rahmenbeschlüsse sind nicht automatisch rechtsverbindlich, sondern bedürfen, ähnlich wie Richtlinien im Gemeinschaftsrecht, der Umsetzung in nationales Recht. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, den Rahmenbeschluss bis zum 28.11.2010 umzusetzen (Art. 10 Abs. 1) und den Rat über den Wortlaut der Vorschriften zu informieren (Art. 10 Abs. 2). Von der Umsetzungspflicht sieht der Rahmenbeschluss einige Ausnahmen vor. Die erste Einschränkung ergibt sich aus Art. 1 Abs. 2: Darin wird den Mitgliedstaaten freigestellt, nur solche Handlungen unter Strafe zu stellen, die geeignet sind, die öffentliche Ordnung zu stören, oder die Drohungen, Beschimpfungen oder Beleidigungen darstellen. 8 9
Z. B. Hecker, S. 163 Rn. 101; Satzger, S. 98 Rn. 25 m. w. N. BT-Drs. 16/4689, S. 3.
13. Kap.: Der EU-Rahmenbeschluss (2008/913/JI) v. 28.11.2008
241
Als weitere Einschränkung ist in Art. 1 Abs. 4 vorgesehen, dass Mitgliedstaaten eine Erklärung beifügen können, wonach die Leugnung oder gröbliche Verharmlosung der in Art. 1 Abs. 1 Buchstabe c) und d) genannten Verbrechen nur dann unter Strafe gestellt wird, wenn ein nationales Gericht dieses Mitgliedstaats und/oder ein internationales Gericht oder ausschließlich ein internationales Gericht ihre Existenz „endgültig festgestellt“ haben. Als letzte Ausnahme von der Pflicht zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses ist der verfassungsrechtliche Vorbehalt in Art. 7 zu nennen. Er sieht vor, dass Mitgliedstaaten nicht verpflichtet sind, Maßnahmen zu ergreifen, die im Widerspruch zu Grundprinzipien stehen, die sich aus Verfassungsüberlieferungen ergeben und die Meinungs-, Presse-, und Versammlungsfreiheit betreffen. II. Die Art der Umsetzung Rahmenbeschlüsse sind in ihrer Ausgestaltung dem bisherigen gemeinschaftsrechtlichen Instrumentarium der Richtlinie ähnlich; dies bedeutet, dass sie hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich sind, aber dem Mitgliedsstaat bei der Wahl des Mittels Handlungsspielräume lassen.10 Für die Art der Umsetzung bot sich im deutschen Recht sowohl eine Erweiterung des Beleidigungsrechts als auch eine Änderung des Volksverhetzungstatbestands (§ 130 StGB) an. Für eine Lösung im Rahmen des Beleidigungsrechts sprach die Tatsache, dass die in Art. 1 Abs. 1 genannten Handlungen gemäß Art. 1 Abs. 2 nur dann pönalisiert werden müssen, wenn sie eine Störung des öffentlichen Friedens oder eine Drohung, Beschimpfung und Beleidigung darstellen. Auch das Erfordernis des Art. 1 Abs. 1 Buchstabe d), dass die Leugnung nationalsozialistischer Verbrechen „gegenüber“ dem genannten Personenkreis erfolgen muss, deutete auf die Verletzung persönlicher Rechtsgüter hin. Für die (letztlich erfolgte) Umsetzung im Rahmen des Volksverhetzungstatbestands (§ 130 Abs. 1 StGB) sprach die Bezeichnung des Rahmenbeschlusses („zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Erscheinungsformen von Rassismus . . .“) und die Wortwahl in Art. 1 Abs. 1 („Gewalt“, „Hass“, „aufstacheln“). Schließlich legte auch die Nähe des Wortlauts des Art. 1 Abs. 1 Buchstabe d) (Billigen, Leugnen, gröbliches Verharmlosen) zu § 130 Abs. 3 und 4 StGB eine Umsetzung im Rahmen dieser Vorschrift nahe. Das Gesetz zur Änderung des § 130 Abs. 1 StGB ist am 22.03.2011 in Kraft getreten.11 10
Hecker, S. 396.
242
6. Teil: Europas Erinnerungsgesetz?
III. Der Umfang der Umsetzung Der Rahmenbeschluss sieht eine De-minimis-Harmonisierung der genannten Straftatbestände vor. Die Mitgliedstaaten können (z. B. bezüglich des Mindeststrafrahmens) über die im Rahmenbeschluss genannten Vorgaben hinausgehen. Der Umfang der Umsetzungspflicht richtet sich zudem nach dem Umfang der de lege lata bestehenden strafrechtlichen Regelungen zur Bekämpfung der in Art. 1 genannten Handlungen sowie nach den im Rahmenbeschluss gewährten Befreiungstatbeständen. Was die deutsche Rechtslage angeht, war zu differenzieren, und zwar zwischen Äußerungen, welche die während der NS-Herrschaft begangenen Verbrechen betreffen, und Äußerungen, die sich auf andere Ereignisse beziehen. Für das bestehende Verbot der Holocaustleugnung ergab sich für den deutschen Gesetzgeber z. B. keine Änderungspflicht aus dem Rahmenbeschluss. Nach deutscher Rechtslage (§ 130 Abs. 3 StGB) sind die Voraussetzungen des Rahmenbeschlusses aus Art. 1 Abs. 1 Buchstabe d) i. V. m. Art. 3 Abs. 2 (über-)erfüllt. Anders stellte sich die Situation bezüglich der in Art. 1 Abs. 1 Buchstabe c) genannten Verbrechen dar.12 Ein ausdrückliches generelles Verbot des Billigens, Leugnens und Verharmlosens von Völkermorden, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen sah das deutsche StGB bisher nicht vor. Zwar sind die §§ 185, 189 StGB auch auf das Leugnen und gröbliche Verharmlosen anderer Genozide etc. anwendbar, so z. B. auf den Genozid der Türken an den Armeniern 1915;13 für das Billigen dieser Taten gilt § 189 StGB aber nicht. Zudem gab es für diese Arten der Beleidigung bzw. Verunglimpfung Verstorbener keine Mindesthöchststrafe. Art. 1 Abs. 1 Buchstabe c) deutete somit eine Erweiterung des § 130 Abs. 3 StGB an.14 IV. Problemfelder bei der Umsetzung des Rahmenbeschlusses Der Rahmenbeschluss stellte die bisher am weitesten reichende und konkreteste gesetzgeberische Maßnahme auf internationaler Ebene dar, um den Negationismus bezüglich des Holocaust und anderer schwerer Menschheitsverbrechen zu bekämpfen. Die zahlreichen Befreiungstatbestände verdeutlichten, dass ein Kompromiss bezüglich des Inhalts des Rahmenbeschlusses 11 BT-Drs. 17/3124; BT-Drs. 17/4123; BR-Drs. 495/10 BGBl. Teil I 2011 Nr. 11 v. 21.03.2011, S. 418. 12 So auch Rackow, ZIS (5) 2010, 366 (367). 13 Vgl. BGHSt 40, 97 (105); ausdrücklich: OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.3.2006. 14 Vgl. Lohse, SSW-StGB § 130 Rn. 8.
13. Kap.: Der EU-Rahmenbeschluss (2008/913/JI) v. 28.11.2008
243
nur schwer zu erzielen war. Trotz der generellen Befürwortung des Rahmenbeschlusses war nicht auszuschließen, dass dessen Umsetzung und die Anwendung der Straftatbestände in der gerichtlichen Praxis auf Schwierigkeiten trifft. Drei Problemfelder stellten sich bei der Umsetzung des Rahmenbeschlusses. 1. Der Umfang des Art. 1 Abs. 1 Buchstabe c) Art. 1 Abs. 1 Buchstabe c) sieht ein Verbot der Leugnung, Billigung und gröblichen Verharmlosung aller in Art. 6, 7 und 8 des IStGH-Statuts genannten Verbrechen vor. Dies eröffnete ein potentiell sehr weites Feld an pönalisierbaren Äußerungen. Insbesondere lassen sich zahlreiche Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit aus der jüngeren und älteren Geschichte benennen (z. B. von der gewaltsamen Kolonialisierung Amerikas und Afrikas bis hin zum Afghanistan-Krieg). Gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchstabe g) des IStGH-Statuts stellt z. B. auch die Vergewaltigung und die Zwangsprostitution ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar.15 Zwar sah der Rahmenbeschluss die Einschränkungsmöglichkeit vor, dass durch die genannten Tathandlungen eine Aufstachelung zu Gewalt wahrscheinlich sein muss. Die strukturelle Nähe von Art. 1 Abs. 1 Buchstabe c) zu § 130 Abs. 3 StGB ließ eine Erweiterung der letztgenannten Vorschrift erwarten. Die Einordnung in § 130 Abs. 3 StGB wiederum hätte den Gesetzgeber dazu „zwingen“ können, die Strafbarkeit der Leugnung, Billigung und Verharmlosung der in Art. 1 Abs. 1 Buchstabe c) genannten Verbrechen an die Leugnung nationalsozialistischer Verbrechen anzupassen. Gleiches galt auch für das Strafmaß. Eine Andersbehandlung dagegen lief Gefahr, den Anschein zu erwecken, dass zwischen dem Leid der Opfer unterschiedlicher Menschheitsverbrechen eine Hierarchie bestehe (Problem der Opferkonkurrenz). Prima facie erstaunt es jedenfalls, wenn die Leugnung, Billigung oder gröbliche Verharmlosung einer Vergewaltigung (Art. 7 Abs. 1 Buchstabe g) IStGH-Statut) oder einer Geiselnahme (Art. 8 Nr. 2 a) viii) IStGH-Statut) die gleiche Mindesthöchststrafe vorsieht wie die Leugnung, Billigung oder gröbliche Verharmlosung eines Völkermordes (z. B. an den Juden oder an den Armeniern), während die gesetzliche Höchststrafe für die direkte Begehung (nicht Leugnung) dieser Handlungen unterschiedlich ausgestaltet ist.
Andererseits konnte eine Erweiterung des § 130 Abs. 3 StGB um weitere historische Ereignisse zur Folge haben, dass ein symbolischer Normenapparat geschaffen wird, der so gut wie nie praktisch relevant werden dürfte. Die Leugnung der Genozide in Darfur, Ruanda, Kambodscha oder Osttimor 15
Näher dazu: Boot/Hall, Triffterer-Kommentar Art. 7 Rn. 41.
244
6. Teil: Europas Erinnerungsgesetz?
ist in Europa jedenfalls nicht im gleichen Maße wahrnehmbar wie die Leugnung des Holocaust oder die des Völkermordes an den Armeniern. Einem Teil der Bevölkerung dürften einige dieser Genozide vielleicht sogar gänzlich unbekannt sein. Es stellte sich deshalb die Frage, ob ein derartig verallgemeinertes Leugnungsverbot wirklich notwendig ist. 2. Die Wahrscheinlichkeit der Aufstachelung zu Gewalt und Hass Sowohl in Art. 1 Abs. 1 Buchstabe c) als auch in Buchstabe d) sah der Rahmenbeschluss vor, dass die genannten Tathandlungen nur dann unter Strafe gestellt werden müssen, „wenn die Handlung in einer Weise begangen wird, die wahrscheinlich zu Gewalt oder Hass gegen solch eine Gruppe oder gegen ein Mitglied solch einer Gruppe aufstachelt“. Diese Formulierung ist höchst problematisch und kann in den EU-Mitgliedstaaten unterschiedliche Konsequenzen haben: Länder, die bereits die einfache Leugnung, Billigung und Verharmlosung von Völkermorden unter Strafe stellen (wie z. B. Deutschland im Fall nationalsozialistischer Verbrechen) dürften geneigt sein, auf die Gewalt- bzw. Hass-Konnexität zu verzichten, um eine formale „Schlechterstellung“ der neuen Tatbestände im Vergleich zu den bestehenden zu vermeiden. Mitgliedstaaten, die keine Verbote der einfachen Genozidleugnung kennen, können sich hingegen leicht darauf berufen, dass in der einfachen Leugnung eines geschichtlichen Ereignisses noch kein Aufruf zu Hass und Gewalt liegt. Man kann an dieser Stelle grundsätzlich bezweifeln, ob die Leugnung, Billigung oder Verharmlosung eines Ereignisses überhaupt in der Lage ist, zu Hass und Gewalt gegen eine Personengruppe aufzustacheln. Wahrscheinlicher ist es, dass dieses Verhalten eher die Solidarität mit dieser Personengruppe verstärkt.16 In welcher Form muss beispielsweise die öffentliche Leugnung, Verharmlosung und Billigung der Vergewaltigung von Frauen während des Genozids in Ruanda erfolgen, um eine „wahrscheinliche“ Aufstachelung zu Hass und Gewalt gegen ruandische Personengruppen zu bedeuten?
Die Verknüpfung der Leugnung, Billigung und gröblichen Verharmlosung bestimmter Taten mit der wahrscheinlichen Folge der Aufstachelung zu Gewalt bzw. Hass ist ein Konstruktionsfehler im Rahmen des Art. 1 Abs. 1 Buchstaben c) und d).17 Er beruht auf der gesetzestechnisch zweifelhaften Vermischung von Elementen zweier unterschiedlicher Delikte: solchen der Aufstachelung zu Hass und Gewalt (z. B. § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB oder 16
Siehe dazu bereits: S. 90 ff. Ähnlich auch Weiß, in: Europäisches Strafrecht § 25, Rn. 37 „Zwitterkonstruktion“. 17
13. Kap.: Der EU-Rahmenbeschluss (2008/913/JI) v. 28.11.2008
245
Art. 1 Abs. 1 Buchstabe a) Rahmenbeschluss) und solchen der Leugnung von Genoziden (z. B. § 130 Abs. 3 StGB). Beide Delikte haben jedoch eine unterschiedliche Stoßrichtung und erinnern deshalb in ihrer Kombination in Art. 1 Abs. 1 Buchstaben c) und d) an die Schaffung eines „juristischen Zentauren“. Diese Konstruktion vereinfacht nicht die Harmonisierung des Straftatbestands sondern erleichtert und manifestiert die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten. Offenbar sah sich der europäische Gesetzgeber dazu gezwungen, eine möglichst große Bedrohungslage durch den negationistischen und propagandistischen Diskurs für die Güter von Einzelpersonen zu Grunde zu legen, um die Vorschrift zu legitimieren. De facto hat er hierdurch einen weiteren, gesetzesimmanenten Befreiungstatbestand von der Pflicht zur Umsetzung geschaffen. 3. Der Konflikt zwischen Justiz und Geschichtswissenschaft Der Rahmenbeschluss verweist in Art. 1 Abs. 1 Buchstabe c) auf die Definitionen von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen aus Art. 6, 7 und 8 des IStGH-Statuts. Anders als nationalsozialistische Verbrechen sind viele der dort genannten Verbrechen nie vor einem deutschen Gericht verhandelt worden und damit nicht gerichtsnotorisch. Daher kommt dem Gericht (bereits in der Zusammensetzung als Einzelrichter) die Aufgabe zu, über die Einordnung historischer Ereignisse bestimmen zu müssen18, also eine Bewertung vorzunehmen, die (auch) in den Bereich der Geschichtswissenschaft fällt. Zwar sieht Art. 1 Abs. 4 die Möglichkeit vor, die Leugnung oder Verharmlosung der in Buchstabe c) und/oder d) genannten Verbrechen nur dann unter Strafe zu stellen, wenn diese Ereignisse von einem internationalen Gericht „endgültig festgestellt“ worden sind.19 Dies hilft dem Richter jedoch nur bedingt: denn es gibt Ereignisse, die heute gerichtlich anders bewertet werden würden, z. B. die Ermordung von über 20 000 polnischen Offizieren und Zivilisten in Katyn´ durch den sowjetischen Geheimdienst NKWD im Jahre 1940, die der IMG noch fälschlicherweise als deutsches Verbrechen eingeordnet hat. Zudem gibt es Verbrechen, z. B. die Massaker an den Armeniern im Jahre 1915 durch die jungtürkische Regierung, die nie Gegenstand eines internationalen Gerichtsverfahrens gewesen sind, aber von nahezu allen Historikern und zahlreichen Staaten als Völkermord anerkannt werden.20 Die Einordnung historischer Ereignisse in die Kategorien 18 19 20
Vgl. BT-Drs. 16/4689, S. 5. Krit. z. B. Hayden, Slav. Rev. (2) 2008, 384 (393). Racine, S. 87.
246
6. Teil: Europas Erinnerungsgesetz?
der Art. 6, 7 und 8 IStGH-Statut steht daher in einem Spannungsverhältnis zur Geschichtswissenschaft und birgt die Gefahr der Überforderung der Justiz mit schwierigen Beweisverfahren. V. Die Lösung des deutschen Gesetzgebers Der deutsche Gesetzgeber hat mit dem Gesetz vom 16.03.2011 eine Umsetzung des Rahmenbeschlusses vorgenommen, die sich auf eine Änderung des § 130 Abs. 1 und Abs. 2 StGB beschränkt. In beiden Absätzen wurde jeweils der Personenkreis erweitert, und zwar über die „Gruppe“ oder „Teile der Bevölkerung“ hinaus auch auf den „Einzelnen“. Somit soll eine Volksverhetzung schon dann vorliegen, wenn zu Hass, Gewalt oder Willkürmaßnahmen gegen ein einzelnes Mitglied einer Gruppe oder eines Bevölkerungsteils wegen seiner nationalen, rassischen, religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit aufgerufen wird (Abs. 1 Nr. 1) oder dieser Einzelne in einer die Menschenwürde verletzenden Weise aufgrund seiner Zugehörigkeit zu den vorbezeichneten Gruppen oder Bevölkerungsteilen beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet wird (Abs. 1 Nr. 2). In § 130 Abs. 2 wird die Begehungsalternative der Verbreitung von Schriften mit Inhalten des Abs. 1 ebenfalls um den Begriff „Einzelner“ erweitert. Weiteren Umsetzungsbedarf sah die Bundesregierung nicht. Der Rahmenbeschluss sehe keine Verpflichtung vor, das einfache Billigen, Leugnen und Verharmlosen von Taten nach Art. 1 Abs. 1 Buchstabe c) des Rahmenbeschlusses unter Strafe zu stellen, sondern nur solche Handlungen, die zu Hass und Gewalt aufstachelten.21 Eine Verpflichtung zur Ausdehnung des § 130 Abs. 3 StGB auf andere Völkermorde oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit bestehe somit nicht.22
C. Stellungnahme Formal ist die Begründung der Umsetzung des Rahmenbeschlusses nicht zu beanstanden. Im Ergebnis zieht sich die Bundesregierung auf die durch den Rahmenbeschluss eingeräumte Minimallösung zurück, die im Wesentlichen der Rechtsprechung der BGH zur „qualifizierten Leugnung“ vor der Einführung des § 130 Abs. 3 StGB entspricht: danach kann die Leugnung eines Völkermordes, eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder eines Kriegsverbrechens im Rahmen des § 130 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB geahn21 22
BT-Drs. 17/3124, S. 7. BT-Drs. 17/3124, S. 7.
13. Kap.: Der EU-Rahmenbeschluss (2008/913/JI) v. 28.11.2008
247
det werden, wenn dadurch zum Hass aufgerufen wird oder die Menschenwürde angegriffen wird. Für sonstige Konstellationen bleibt eine Ahndung im Rahmen des Beleidigungsrechts möglich. Hierfür hätte es, so kann man kritisieren, eines Europäischen Rahmenbeschlusses nicht bedurft. In Anbetracht der Rolle, die Deutschland bei der Ausarbeitung des Rahmenbeschlusses und vorhergehender Instrumente auf europäischer Rolle gespielt hatte, ist die Umsetzung enttäuschend. Im Raum stehen bleibt zudem das Problem der Opferkonkurrenz, da der deutschen Lösung der Vorwurf gemacht werden kann, dass sie zwischen der Leugnung des Holocaust und der Leugnung anderer Menschheitsverbrechen juristisch unterscheidet: letztere werden im Fall der einfachen Leugnung „nur“ als Beleidigungsdelikte erfasst, während im Fall der Leugnung des Holocaust ein Strafrahmen von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe besteht. Bestätigt hat sich schließlich auch die Befürchtung, dass das gesetzestechnische Kuriosum der Koppelung von Leugnungstatbestand und Aufstachelungswahrscheinlichkeit („juristischer Zentaur“) sich als weiteres „Schlupfloch“ bei der Umsetzung des Rahmenbeschlusses erweisen würde. Im Fall der deutschen Umsetzung wurde deutlich, was sich dahinter verbirgt: nämlich die Möglichkeit, nur qualifizierte Leugnungen, Billigungen oder Verharmlosungen zu pönalisieren. Dies gibt der Wortlaut des Rahmenbeschlusses zwar her, jedoch stellt sich die Frage, inwieweit noch von einer Umsetzung gesprochen werden kann, wenn in der Gesetzesbegründung auf eine Rechtsprechung verwiesen wird, die z. B. über eine „qualifizierte Leugnung des Genozids an den Armeniern“ oder „des Genozids in Srebrenica“ noch nie zu urteilen hatte, de facto also nicht existiert.
Ergebnis Der EU-Rahmenbeschluss trat mit dem Ziel an, den Wert der Erinnerung an sämtliche anerkannten Genozide, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen zu universalisieren. Dieses Ziel war moralisch wünschenswert, hätte sich jedoch in der Umsetzung nur über die Inkaufnahme symbolischer Normen erreichen lassen. Die Einschränkungs- und Ausnahmetatbestände des Rahmenbeschlusses (Aufstachelung zu Gewalt und Hass, Störung der öffentlichen Ordnung/Beleidigung etc. sowie der verfassungsrechtliche Vorbehalt) haben letztlich dazu geführt, dass Deutschland sich zu einer minimalen Änderung des § 130 Abs. 1 und 2 StGB entschlossen hat. Eine juristische Aufwertung der Erinnerung an andere Genozide und Menschheitsverbrechen größten Ausmaßes kommt in der deutschen Lösung somit nicht zum Tragen.
248
6. Teil: Europas Erinnerungsgesetz?
Damit offenbarte der Rahmenbeschluss die ihm innewohnende Dichotomie, die letztlich „alles möglich macht, aber zu nichts zwingt“: Der Rahmenbeschluss verband eine sachlich breite, fast schon universelle Pönalisierung des Negationismus mit dem Ziel der Gewaltprävention und diversen Ausnahmetatbeständen. Im Ergebnis zeigte sich darin exemplarisch der Konflikt des europäischen Strafrechts de lege lata: wenn das Ziel der Strafrechtsharmonisierung auf kulturell bedingte Eigenheiten trifft, sorgen letztere – trotz einer möglicherweise jahrzehntelangen Diskussion – für eine Durchsetzung des kleinstmöglichen Nenners. Und damit letztlich zu einem Ergebnis, das sich von der bisherigen Rechtslage am wenigsten unterscheidet.
Schluss Was schützt das Verbot der Holocaustleugnung? Diese Arbeit hat versucht, auf diese Frage eine Antwort zu geben. Der Großteil der deutschen Strafrechtslehre hatte bisher davor zurückgeschreckt, dieses Verbot als Ausdrucksform der kollektive Identität Nachkriegsdeutschlands zu sehen und in der Stabilisierung dieses geistigen Zustands den primären Daseinsgrund für die Vorschrift auszumachen. Dies ist verständlich: denn so einleuchtend die Kontextabhängigkeit eines solchen Verbots auch ist, so schwer lässt sich die kommunitaristische Aufladung des Strafrechts in rechtlich greifbare Kategorien fassen. Diese Lücke hat die vorliegende Arbeit zu schließen versucht. Die kollektive Erinnerung an den Holocaust als das Rechtsgut des § 130 Abs. 3 StGB konkretisiert den Identitätsbezug der Vorschrift. Mit der kollektiven Erinnerung an den Holocaust wird ein strafrechtlich schutzbedürftiger Wert beschrieben, den die Negationisten nicht nur ablehnen, sondern in seiner konkreten Ausprägung als Kenntnis- und Bewusstseinszustand in der Bevölkerung aktiv angreifen. Dies war schon bei den nationalsozialistischen Tätern der Fall und ist als rechtsextreme Propaganda bis heute präsent. Dass dies auch der Gesetzgeber gesehen hat, zeigt die wiederholte Betonung der Notwendigkeit der Erinnerungsarbeit in den parlamentarischen Debatten Deutschlands, Polens und Frankreichs. Die Rechtsvergleichung, insbesondere mit Polen und Frankreich hat schließlich gezeigt, dass andere Rechtsordnungen weit weniger Berührungsängste mit dem Begriff der Erinnerung (poln.: „pamie˛c´“, frz. „mémoire“) haben, wenngleich die rechtlich-konzeptionelle Ausarbeitung dieses Begriffs auch dort nur ansatzweise vorhanden ist. Eine solche erste rechtlich-konzeptionelle Ausarbeitung des Begriffs der kollektiven Erinnerung als Rechtsgut ist hier erstmals vorgelegt worden. In Anlehnung an die These von der sozialen Bedingtheit des individuellen Gedächtnisses bei Maurice Halbwachs fungiert das Recht als „cadre social“, als staatlich-gesellschaftlicher Rahmen für die Bewahrung der Erinnerung. Die Pönalisierung der Holocaustleugnung dient der Stabilisierung einer sozialpsychologisch vermittelten Ethik der Erinnerung und versucht gleichzeitig den kollektiven Kenntnisstand für zukünftige Generationen zu konservieren. Darin liegt der ideelle Wert eines Rechtsguts der „kollektiven Erinnerung“.
250
Schluss
Gleichwohl bleibt das Verbot der Holocaustleugnung umstritten und stellt weiterhin einen Prüfstein für moderne Rechtsordnungen dar. Bei kaum einem anderen Thema lässt sich in der Öffentlichkeit und Wissenschaft eine solche Hin- und Hergerissenheit zwischen liberaler Großzügigkeit auf der einen Seite und politisch-moralischer Pflicht zur Restriktion dieser Äußerungen auf der anderen Seite beobachten. Wenngleich durch das Konzept des „Erinnerungsstrafrechts“ eine Möglichkeit an die Hand gegeben wird, das Verbot zu rechtfertigen, so ändert dies nichts an dem liberalen Grundkonflikt, dass bei der Identitätsfrage oft ein verschämter Hang zur Preisgabe statt zur Verteidigung eigener Werte zu beobachten ist. Dies ist insbesondere im Umgang mit dem Antisemitismus im liberalen Staat der Fall, dem das ideelle Rüstzeug zu fehlen scheint, Verdrehungen der dargebotenen Freiheiten in ihr Gegenteil aufzuspüren und zu benennen. Dies äußert sich folgendermaßen: Der Antisemitismus ist eine vormoderne Erscheinung, die es geschafft hat, sich bis weit in die Moderne auszudehnen. Antisemitismus und Rassismus folgen primordialen Codes: Sie stehen für Differenzierungskriterien, die gesellschaftliche Zugehörigkeit nach veralteten Begründungsmustern zuweisen und nicht zuletzt deshalb heute zu Recht mehrheitlich abgelehnt werden. Westliche Rechtsordnungen folgen mehrheitlich modernen Leitprinzipien, insbesondere denen des Liberalismus, der nach wie vor eine nahezu ungebrochene normative Anziehungskraft besitzt: Das Zivilrecht geht vom Grundsatz der Privatautonomie aus und wird zunehmend auch nach ökonomischen Effizienzkriterien bewertet; das Strafrecht soll idealiter individuelle Güter schützen oder Schäden von diesen fernhalten (Rechtsgutslehre, Harm Principle) und im Übrigen zurückhaltend eingesetzt werden; die Meinungsfreiheit wird in der amerikanischen Verfassungsrechtsprechung nach Marktprinzipien organisiert: möglichst alle Äußerungen sollen sich durch Rede und Gegenrede selbst regulieren („Marketplace of Ideas“). Die Holocaustleugnung ist sprachphilosophisch ein postmodernes Phänomen, für welche das (lediglich) moderne Recht nur unzureichend gerüstet scheint. Negationisten halten sich nicht an Kommunikationsparameter und führen einen Diskurs außerhalb des Genres des Diskurses. Die Holocaustleugnung ist die „ideale“ Darreichungsform eines vormodernen Gedankenguts im Gewande des modernen, freiheitsbeanspruchenden „offenen Diskurses“ bzw. skeptischen Wahrheitsfindungsinteresses. Mit Hilfe des Skeptizismus der Postmoderne versuchen Leugner, die Wirklichkeit selbst in die Nähe einer Konstruktion bzw. einer „Meta-Erzählung“ zu rücken. Ihr Erfolg misst sich, trotz der generellen inhaltlichen Ablehnung negationistischer Thesen, auch an der Zurückhaltung bei der Pönalisierung der Holocaustleugnung in einigen Ländern.
Schluss
251
Die Begründung des Verbots der Holocaustleugnung, so wie sie hier vorgestellt wurde, ist nunmehr postmodern. Lyotard sah das Hauptmerkmal der Postmoderne in der Überwindung alleserklärender Muster, sogenannter Meta-Erzählungen. Auch die Rechtswissenschaft besitzt in Form bestimmter dogmatischer Figuren ihre eigenen Meta-Erzählungen, wie das Rechtsgut im Strafrecht (dessen Unzulänglichkeit selbst Rechtsgutsbefürworter anerkennen) oder das Truth-Principle bei der Begründung des Werts der Meinungsfreiheit. Das hier entwickelte Erinnerungsstrafrecht steht paradigmatisch für die Notwendigkeit, eine nur schwer einordenbare Norm, wie das Verbot der Holocaustleugnung, sowohl jenseits der Grenzen etablierter Rechtsgüter als auch unter Hinterfragung festgerückter philosophischer und verfassungsrechtlicher Wertvorstellungen begründen zu müssen.
Literaturverzeichnis (Pauschal zitierte Werke ohne Seitenangaben, Internetseiten und Publikumszeitschriften, wie z. B. Tageszeitungen, werden ausschließlich in den Fußnoten nachgewiesen.) Abel, Richard L., Speaking Respect, Respecting Speech (1998). Zitiert: „Abel, S. 1“. Adorno, Theodor W., Negative Dialektik, gesammelte Schriften Band 6 (5. Aufl. 1996). Zitiert: „Adorno, Dialektik, S. 1“. – Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit (1959) in: Eingriffe. Neun kritische Modelle (1963). Zitiert: „Adorno, Eingriffe, S. 1“. Agamben, Giorgio, Was von Auschwitz bleibt. Das Archiv und der Zeuge – Homo Sacer III (2003). Zitiert: „Agamben, S. 1“. Alexy, Robert, Theorie der Grundrechte (1986). Zitiert: „Alexy, S. 1“. Alpert, Harry, Emile Durkheim and the Theory of Social Integration, in: Hamilton, Peter (Hg.), Emile Durkheim. Critical Assessments. Vol. II (1990) S. 28. Zitiert: „Alpert, in: Hamilton (Hg.), S. 1“. Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches (1969), vorgelegt von Jürgen Baumann, Anne-Eva Brauneck et al. Zitiert: „AE-StGB, S. 1“. Amelung, Knut, Der Begriff des Rechtsguts in der Lehre vom strafrechtlichen Rechtsgüterschutz, in: Die Rechtsgutstheorie, hrsg. von Roland Hefendehl, Andrew von Hirsch und Wolfgang Wohlers (2003) S. 155. Zitiert: „Amelung, in: Hefendehl (Hg.), S. 1“. – Rechtsgüterschutz und Schutz der Gesellschaft (1972). Zitiert: „Amelung, S. 1“. Anastasopoulou, Ionna, Deliktstypen zum Schutz kollektiver Rechtsgüter (Diss. München 2005). Zitiert: „Anastasopoulou, S. 1“. Anderson, Benedict, Imagined Communities (1991) Zitiert: „Anderson, S. 1“. Andrejew, Igor, O „społecznej szkodliwosci“ w zwia˛sku z dyrektywami co do wymiaru kary, NP (12) 1957, 8. Annen, Martin, Das Problem der Wahrhaftigkeit in der Philosophie der deutschen Aufklärung (1997). Zitiert: „Annen, S. 1“. Apel, Karl-Otto, Transformation der Philosophie, Band 1 Sprachanalytik, Semiotik, Hermeneutik (1976). Zitiert: „Apel, Transformation Bd. 1, S. 1“. – Transformation der Philosophie, Band 2 Das Apriori der Kommunikationsgemeinschaft (1976). Zitiert: „Apel, Transformation Bd. 2, S. 1“. Appel, Ivo, Rechtsgüterschutz durch Strafrecht, KritV 1999, 278.
Literaturverzeichnis
253
Arendt, Hannah, Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft (1996). Zitiert: „Arendt, Elemente, S. 1“. – On Revolution (1963). Zitiert: „Arendt, Revolution, S. 1“. – Lectures on Kant’s Political Philosophy (1992). Zitiert: „Arendt, Lectures, S. 1“. – Wahrheit und Politik, in: Wahrheit und Lüge in der Politik, zwei Essays (1972). Zitiert: „Arendt, Wahrheit, S. 1“. Aristoteles, Politik, übersetzt von Eug. Rolfes (3. Aufl. 1948). Zitiert: „Aristoteles, 1 (S. 1)“. Arneson, Richard J., Review: Liberalism, Freedom and Community. Reviewed Works: Harmless Wrongdoing, Vol. 4 The Moral Limits of the Criminal Law by Joel Feinberg, Ethics 1990, 368. Aronsfeld, Caesar C., Holocaust „Revisionists“ Are Busy in Britain. Midstream (1) 1993, 28. Arzt, Gunther/Weber, Ulrich/Heinrich, Bernd/Hilgendorf, Eric, Strafrecht, Besonderer Teil (2009). Zitiert: „Bearbeiter, A/W/H/H BT § 1, Rn. 1“. Ashworth, Andrew, Principles of Criminal Law (6. Aufl. 2009). Zitiert: „Ashworth, S. 1“. Assemblée Nationale, Rapport Nr. 1262 v. 18.11.2008, Berichterstatter: Bernard Accoyer, Präsident der Assemblée Nationale. Zitiert: „Assemblée Nationale, Rapport Nr. 1262, S. 1“. Assmann, Aleida, Der lange Schatten der Vergangenheit. Erinnerungskultur und Geschichtspolitik (2007). Zitiert: „Assmann, A., Schatten, S. 1“. – Erinnerungsräume: Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächnisses (2003). Zitiert: „Assmann, A., Erinnerungsräume, S. 1“. Assmann, Aleida/Frevert, Ute, Geschichtsvergessenheit – Geschichtsversessenheit (1999). Zitiert: „Assmann, A./Frevert, S. 1“. Assmann, Jan, Das kulturelle Gedächtnis (2007). Zitiert: „Assmann, J., S. 1“. Assmann, Jan/Czaplicka, John, Collective Memory and Cultural Identity, New Germ. Crit. 1995, 125. Association contre le Négationnisme/La Bibliothèque Municipale/Le Musée Départemental de la Résistance et de la Déportation (Hg.), Négationnisme: Péril en la Mémoire, Colloque les 30 et 31 mars 1998 à Toulouse. Zitiert: „Autor, Colloque Toulouse, S. 1“. Association francaise pour l’histoire de la Justice/Commission Nationale Consultative des Droits de l’Homme/Ecole Nationale de la Magistrature (Hg.), La lutte contre le négationnisme. Bilan et perspectives de la loi du 13 juillet 1990, Actes du Colloque du 4 juillet 2002 à la Cour d’Appel de Paris (2003). Zitiert: „Autor, Colloque CA Paris, S. 1“. Auerbach, Hellmuth, „Auschwitzlüge“ in: Benz, Wolfgang (Hg.), Legenden, Lügen, Vorurteile (1992) S. 36. Zitiert: „Auerbach, in: Benz (Hg.), S. 1“.
254
Literaturverzeichnis
Aydin, Öykü Didem, Die strafrechtliche Bekämpfung von Hassdelikten in Deutschland und in den Vereinigten Staaten von Amerika (2006). Zitiert: „Aydin, S. 1“. Bacigalupo, Enrique, Rechtsgutsbegriff und Grenzen des Strafrechts, in: Festschrift für Günther Jakobs zum 70. Geburtstag (2007) S. 1. Zitiert: „Bacigalupo, Jakobs-FS, S. 1“. Backes, Uwe, Rechtsextremismus in Deutschland. Ideologien, Organisationen und Strategien, APuZ Nr. 9–10 1998, 27. Baermann, Rolf-Artur, Sittlichkeit und Verbrechen bei Hegel (Diss. Frankfurt/Main 1980). Zitiert: „Baermann, S. 1“. Bailer-Galanda, Brigitte, „Revisionismus“ – pseudowissenschaftliche Propaganda des Rechtsextremismus, in: Bailer-Galanda, Brigitte/Benz, Wolfgang/Neugebauer, Wolfgang (Hg.), Die Auschwitzleugner (1996) S. 19. Zitiert: „BailerGalanda, in: Bailer-Galanda/Benz/Neugebauer (Hg.), S. 1“. – Leuchter und seine Epigonen, in: Bailer-Galanda, Brigitte/Benz, Wolfgang/Neugebauer, Wolfgang (Hg.), Die Auschwitzleugner (1996) S. 117. Zitiert: „BailerGalanda, in: Bailer-Galanda/Benz/Neugebauer (Hg.), S. 1“. Baker, Dennis J., The Harm Principle vs. Kantian Criteria for Ensuring Fair, Principled and Just Criminalisation, Austl. J. Leg. Phil. 2008, 66. Baratta, Alessandro, Philosophie und Strafrecht (1985). Zitiert: „Baratta, S. 1“. Barber, Benjamin R., Die liberale Demokratie und der Preis des Einverständnisses, in: Bürgergesellschaft, Recht und Demokratie, hrsg. von Bert van den Brink/ Willem van Reijen (1995) S. 360. Zitiert: „Barber, in: Brink/Reijen (Hg.), S. 1“. Barendt, Eric, Freedom of Speech (2. Aufl. 2005). Zitiert: „Barendt, S. 1“. Battis, Ulrich/Grigoleit, Klaus, Rechtsextremistische Demonstrationen – Roma locuta?, NJW 2004, 3459. – Neue Herausforderungen für das Versammlungsrecht?, NVwZ 2001, 121. Baumann, Jürgen, Anmerkung zu BGH, Urt. v. 15.3.1994 – 1 StR 179/93 (LG Mannheim), NStZ 1994, 391. Baumann, Jürgen/Weber, Ulrich/Mitsch, Wolfgang, Strafrecht Allgemeiner Teil (11. Aufl. 2003). Zitiert: „Bearbeiter, B/W/M § 1, Rn. 1“. Beccaria, Cesare, Dei delitti e delle pene. Edizione nuovissima per Felice Turotti (1858). Zitiert: „Beccaria, Turotti-Ausgabe, S. 1“. – Über Verbrechen und Strafen, in: Des Herrn Marquis von Beccaria unsterbliches Werk von Verbrechen und Strafen, hrsg. von Karl Ferdinand Hommel (1966). Zitiert: „Beccaria, Hommel-Ausgabe, S. 1“. – Über Verbrechen und Strafen, hrsg. von Wilhelm Alff (1966). Zitiert: „Beccaria, Alff-Ausgabe S. 1“. – Über Verbrechen und Strafen, hrsg. von Julius Anton Glaser (1851). Zitiert: Beccaria, Glaser-Ausgabe, S. 1“. Beignier, Bernard, „De la langue perfide, délivre-moi . . .“, réflexion sur la loi du 13 juillet 1990 dite „Loi Gayssot“, in: Pouvoir et liberté, Etudes offertes à Jacques Mourgeon (1998) S. 497. Zitiert: „Beignier, Mourgeon-FS, S. 1“.
Literaturverzeichnis
255
Beisel, Daniel, Die Strafbarkeit der Auschwitzlüge. Zugleich ein Beitrag zur Auslegung des neuen § 130 StGB, NJW 1995, 997. Bellah, Robert N., Durkheim and History, in: Hamilton, Peter (Hg.), Emile Durkheim. Critical Assessments. Vol. II (1990) S. 255. Zitiert: „Bellah, in: Hamilton (Hg.), S. 1“. Bellah, Robert et al., Habits of the Heart (1985). Zitiert: „Bellah, S. 1“. Bellescize, Diane de, Délits d’opinion et liberté d’expression, D. 2006, 1476. Benhabib, Seyla, Selbst im Kontext: Kommunikative Ethik im Spannungsfeld von Feminismus, Kommunitarismus und Postmoderne (1995). Zitiert: „Benhabib, S. 1“. Bentham, Jeremy, Theory of Legislation (1894). Zitiert: „Bentham, S. 1“. Benz, Wolfgang, Die Leugnung des Genozids im internationalen Vergleich, in: Bailer-Galanda, Brigitte/Benz, Wolfgang/Neugebauer, Wolfgang (Hg.), Die Auschwitzleugner (1996) S. 52. Zitiert: „Benz, in: Bailer-Galanda/Benz/Neugebauer (Hg.), S. 1“. Bertram, Günter, Der Rechtsstaat und seine Volksverhetzungs-Novelle, NJW 2005, 1476. – Entrüstungsstürme im Medienzeitalter – der BGH und die „Auschwitzlüge“, NJW 1994, 2002. – Noch einmal: Die „Auschwitzlüge“ – Anmerkungen zum Urteil der 6. Großen Strafkammer des LG Mannheim vom 22.6.1994, NJW 1994, 2397. BeVier, Lillian R., The First Amendment and Political Speech: An Inquiry into the Substance and Limits of Principle, Stan. L. Rev. 1977, 299. Bielefeldt, Heiner, Neuzeitliches Freiheitsrecht und politische Gerechtigkeit (1990). Zitiert: „Bielefeldt, S. 1“. Bilger, Philippe/Prévost, Bernard, Le droit de la presse (1995). Zitiert: „Bilger/Prévost, S. 1“. Binding, Karl, Die Normen und ihre Übertretung, Bd. 1 (3. Aufl. 1916). Zitiert: „Binding, S. 1“. Birnbaum, J. F. M., Über das Erfordernis einer Rechtsverletzung zum Begriffe des Verbrechens, mit besonderer Rücksicht auf den Begriff der Ehrenkränkung, Archiv des Criminalrechts 1834, 149. Bloch, Marc, Kollektives Gedächtnis, Tradition und Brauchtum, in: Aus der Werkstatt des Historikers. Zur Theorie und Praxis der Geschichtswissenschaft (2000) S. 241. Zitiert: „Bloch M., S. 1“. Bloch, Pascale, Response to Professor Fronza’s The punishment of negationism, Vt. L. Rev. 2005, 627. Böckenförde, Ernst-Wolfgang, Recht, Staat, Freiheit. Studien zur Rechtsphilosophie, Staatstheorie und Verfassungsgeschichte (1991). Zitiert: „Böckenförde, Recht, S. 1“. – Staat, Nation, Europa. Studien zur Staatslehre, Verfassungstheorie und Rechtsphilosophie (2000). Zitiert: „Böckenförde, Staat, S. 1“.
256
Literaturverzeichnis
Bodemann, Michal Y., The Uncanny Clatter: The Holocaust in Germany before Its Mass Commemoration, in: Michman, Dan (Hg.) Remembering the Holocaust in Germany, 1945–2000 (2002) S. 45. Zitiert: „Bodemann, in: Michman (Hg.), S. 1“. Bogdandy, Armin von, Europäische und nationale Identität: Integration durch Verfassungsrecht? VVDStRL 2003, 156. Böhlke, Effi, „Esprit de nation“. Montesquieus politische Philosophie (1999). Zitiert: „Böhlke, S. 1“. Bojarski, Marek/Radecki, Wojciech, Pozakodeksowe prawo karne Tom 1 (2002). Zitiert: „Bojarski/Radecki S. 1“. Bollinger, Lee C., The tolerant society (1988). Zitiert: „Bollinger, S. 1“. Bork, Robert H., Neutral principles and some First Amendment problems, Ind. L. J. 1971, 1. Boyle, Kevin, Hate Speech – The United States of America versus the rest of the world?, M. L. Rev. 2001, 487. Brauch, Julia, Nationale Integration nach dem Holocaust. Israel und Deutschland im Vergleich (2004). Zitiert: „Brauch, S. 1“. Brenner, Michael, Die wehrhafte Demokratie: eine Lehre aus Weimar?, in: Eichenhofer, Eberhard (Hg.), 80 Jahre Weimarer Reichsverfassung: was ist geblieben? (1999) S. 95. Zitiert: „Brenner, in: Eichenhofer (Hg.), S. 1“. Brink, Bert van den, Die politisch-philosophische Debatte über die demokratische Bürgergesellschaft, in: Bürgergesellschaft, Recht und Demokratie, hrsg. von Bert van den Brink/Willem van Reijen (1995) S. 7. Zitiert: „Brink, in: Brink/Reijen (Hg.), S. 1“. Brocker, Manfred, John Locke, Zwei Abhandlungen über die Regierung (1690), in: Brocker, Manfred (Hg.) Geschichte des politischen Denkens (2007) S. 258. Zitiert: „Brocker, in: Brocker (Hg.), S. 1“. Broszat, Martin, Nach Hitler. Der schwierige Umgang mit unserer Geschichte (1986). Zitiert: „Broszat, S. 1“. Brugger, Winfried, The treatment of hate speech in German Constitutional Law, Germ. L. J. 2003, 1. – Verbot oder Schutz von Haßrede?, AöR (128) 2003, 372. – Vergangenheitsbewältigung im Kreuz der Entscheidung, HFR 2006, 100. Bruyère, Claire, Interdit d’interdire? paradoxes étatsuniens, Ethnologie Franc¸aise 2006, 35. Burke, Peter, Geschichte als soziales Gedächtnis, in: Assmann, Aleida/Harth, Dietrich (Hg.), Mnemosyne. Formen und Funktionen der kollektiven Erinnerung (1993) S. 289. Zitiert: „Burke, in: Assmann, A./Hart (Hg.), S. 1“. Calvert, Brian, Locke on Punishment and the Death Penalty, Philosophy (4) 1993, 211.
Literaturverzeichnis
257
Cammillieri-Subrenat, Anne, L’incitation à la haine et la Constitution, RIDC 2002, 513. Candau, Joel, Mémoire et Identité (1998). Zitiert: „Candau, S. 1“. Canin, Patrick, Droit pénal général (4. Aufl. 2007). Zitiert: „Canin, S. 1“. Cartier, Emmanuel, Histoire et droit: Rivalité ou complémentarité?, RFDC 2006, 509. Cattaneo, Mario A., Montesquieus Strafrechtsliberalismus (2002). Zitiert: „Cattaneo, S. 1“. Chafee, Zechariah Jr., Free Speech in the United States (1969). Zitiert: „Chafee, S. 1“. Chantebout, Bernard, La Constitution franc¸aise, propos pour un débat (1992). Zitiert: „Chantebout, S. 1“. Charrière-Bournazel, Christian, Les lois inutiles et les lois nécessaires, Gaz. Pal. 2006, 298. Christ, Alexander Ulrich, Bürgerliche Freiheit und Strafrecht bei Montesquieu im Kontext seiner Gesetzes- und Staatslehre (Diss. Augsburg 2001). Zitiert: „Christ, S. 1“. Cicero, Marcus Tullius, Der Staat. Übersetzt und herausgegeben von Karl Büchner (5. Aufl. 1993). Zitiert: „Cicero, S. 1“. Cies´lak, Marian, Der materielle Verbrechensbegriff im polnischen Strafrecht, ZStW 1978, 504. – Polskie Prawo Karne. Zarys systemowego uje˛cia (3. Aufl. 1995). Zitiert: „Cies´lak S. 1“. Cladis, Mark S., A Communitarian Defense of Liberalism: Emile Durkheim and Contemporary Social Theory (1992). Zitiert: „Cladis, S. 1“. Clement, Keith E./Barbrey, John W., Criminal Laws on the Fringe: An analysis of legislated punishment for morality crimes in the 50 States, Crit. Crim. 2008, 105. Cobler, Sebastian, Das Gesetz gegen die „Auschwitz-Lüge“. Anmerkungen zu einem politischen Ablaßhandel, KJ 1985, 159. Cohen, Claude, Le négationisme: du ressort de l’Histoire ou des Tribunaux? Gaz. Pal. Nr. 86 2001, 28. Cohen-Almagor, Raphael, Hate in the Classroom: Free Expression, Holocaust Denial, and Liberal Education, AJE 2008, 215. – The Boundaries of Liberty and Tolerance (1994). Zitiert: „Cohen-Almagor, Boundaries, S. 1“. – The Scope of Tolerance. Studies on the costs of free expression and freedom of the press (2006). Zitiert: „Cohen-Almagor, Scope, S. 1“. – Why tolerate? Reflections on the Millian truth principle, Philosophia 1997, 131.
258
Literaturverzeichnis
Cohen-Jonathan, Gérard, Abus de droit et libertés fondamentales, in: „Au carrefour des droits“. Mélanges en l’honneur de Louis Dubois (2002) S. 517. Zitiert: „Cohen-Jonathan, Dubois-FS, S. 1“. – Activité de la Commission européenne des droits de l’homme, AFDI 1997, 593. – Négationnisme et droits de l’homme. Droit européen et international (la sentence du Comité des droits de l’homme – Faurisson c. France), RTDH 1997, 571. Colloque CA Paris, siehe: Association francaise pour l’histoire de la Justice Cousin, Bertrand/Delcros, Bertrand, Le droit de la communication Tome 1 (1990). Zitiert: „Cousin/Delcros, S. 1“. Cusson, Maurice, Criminologie actuelle (1998). Zitiert: „Cusson, S. 1“. Daeninckx, Didier, „Ce n’est pas tout que de ne pas brûler les gens . . .“, in: Michel, Natascha (Hg.), Paroles à la bouche du présent. Le négationnisme: histoire ou politique? (1997) S. 45. Zitiert: „Daeninckx, in: Michel (Hg.), S. 1“. Dahs, Hans, Das Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 28.10.1994 – ein Produkt des Superwahljahres, NJW 1995, 553. Davis, Howard, Human Rights and Civil Liberties (2004). Zitiert: „Davis, S. 1“. De Gouttes, Régis, À propos du conflit entre le droit à la liberté d’expression et le droit à la protection contre le racisme, Gaz. Pal. 2001, 1443. Decocq, André, Droit pénal général (1971). Zitiert: „Decocq, S. 1“. Deimling, Gerhard (Hg.), Cesare Beccaria, Die Anfänge moderner Strafrechtspflege in Europa (1989). Zitiert: „Bearbeiter, in: Deimling (Hg.), S. 1“. Delgado, Richard, Must we defend Nazis? (1997). Zitiert: „Delgado, S. 1“. – Words that wound: A tort action for racial insults, epithets, and name-calling, Harv. C. R. -C. L. L. Rev. 1982, 133. Delmas Saint-Hilaire, Jean-Pierre, Infractions contre la Nation, l’Etat et la paix publique, Rev. sc. crim. 2001, 584. Desportes, Frédéric/Le Gunehec, Francis, Droit pénal général (16. Aufl. 2009). Zitiert: „Desportes/Le Gunehec, S. 1“. Deutscher Richterbund, DRB fordert Strafandrohung für Verbreiten der „AuschwitzLüge“, Presseerklärung vom 15.4.1994, DRiZ 1994, 229. Devlin, Patrick, The Enforcement of Morals (1965). Zitiert: „Devlin, S. 1“. Dewitz, Clivia von, NS-Gedankengut und Strafrecht. Die §§ 86, 86a StGB und § 130 StGB zwischen der Abwehr neonazistischer Gefahren und symbolischem Strafrecht (Diss. Berlin 2005). Zitiert: „v. Dewitz, S. 1“. Dhoquois, Régine, Les thèse négationnistes et la liberté d’expression en France, Ethnologie Franc¸aise 2006, 27. Dictionnaire des sciences humaines, hrsg. von Sylvie Mesure und Patrick Savidan (2006). Zitiert: „Bearbeiter, Dictionnaire, S. 1“.
Literaturverzeichnis
259
Dietz, Simone, Die Lüge von der „Auschwitz-Lüge“ – wie weit reicht das Recht auf freie Meinungsäußerung, KJ 1995, 210. – Recht, Lügen und Moral, ARSP Beiheft Nr. 75, 83. Diner, Dan, Gedächtnis und Methode. Über den Holocaust in der Geschichtsschreibung, in: Fritz Bauer Institut (Hg.), Auschwitz: Geschichte, Rezeption und Wirkung (1996) S. 11. Zitiert: „Diner, in: Fritz Bauer Institut (Hg.), S. 1“. Douglas, Lawrence, The Memory of judgement: making law and history in the trials of the Holocaust (2001). Zitiert: „Douglas, S. 1“. Douglas-Scott, Sionaidh, Psychoanalysis, speech acts and the language of „free speech“, R. Publ. 1998, 29. Drago, Roland, Les atteintes à l’ordre public, in: Raymond Polin (Hg.), L’ordre public (1995) S. 47. Zitiert: „Drago, in: Polin (Hg.), S. 1“. Dreyer, Emmanuel, J.-Cl. l. pén. spéc. (2005) Fascicule 110, Rn. 1. – La mémoire des morts, le juge et la loi, Anm. zu C. cass 1re civ. v. 12.12.2006, D. 2007, 541. – Le fondement de la prohibition des disours racistes en France, Légipresse Nr. 199 2003, 19. Dripps, Donald A., The Liberal Critique of the Harm Principle, Crim. Just. Ethics 1998, 3. Dubber, Markus Dirk, Positive Generalprävention und Rechtsgutstheorie: Zwei zentrale Errungenschaften der deutschen Strafrechtswissenschaft aus amerikanischer Sicht, ZStW 2005, 485. Duff, R. A., Harms and Wrongs, Buffalo Crim. L. Rev. 2002, 13. – Punishment, Communication and Community (2001). Zitiert: „Duff, S. 1“. Duff, R. A./Green, Stuart P., Introduction: The Special Part and its Problems, in: Defining Crimes. Essays on the Special Part of the Criminal Law, hrsg von R. A. Duff/Stuart P. Green (2005). Zitiert: „Duff/Green, in: Duff/Green (Hg.), S. 1“. Durkheim, Emile, Die Regeln der soziologischen Methode (1984). Zitiert: „Durkheim, Regeln, S. 1“. – Physik der Sitten und des Rechts (1991). Zitiert: „Durkheim, Physik, S. 1“. – Rezension zu: Tönnies, Ferdinand, Gemeinschaft und Gesellschaft, Rev. phil. 1889, 416. – Über soziale Arbeitsteilung. Studie über die Organisation höherer Gesellschaften (1992). Zitiert: „Durkheim, Arbeitsteilung, S. 1“. Dworkin, Ronald, Lord Devlin and the Enforcement of Morals, Yale L. J. 1966, 966. – Taking Rights seriously (2002). Zitiert: „Dworkin, R., S. 1“. – The Unbearable Cost of Liberty, Index on Censorship (3)1995, 43.
260
Literaturverzeichnis
Eaglestone, Robert, Postmodernism and Holocaust Denial (2001). Zitiert: „Eaglestone, S. 1“. Ebbinghaus, Julius, Kant’s Ableitung des Verbotes der Lüge aus dem Rechte der Menschheit, in: Kant und das Recht der Lüge, hrsg. von Georg Geismann und Hariolf Oberer (1986) S. 75. Zitiert: „Ebbinghaus, in: Geismann/Oberer (Hg.), S. 1“. Edelman, Bernard, „La dignité de la personne humaine, un concept nouveau“, D. 1997, (Chron.), 185. – L’office du juge et l’histoire, Droit et Société (38) 1998, 47. Elias, Norbert, Studien über die Deutschen. Machtkämpfe und Habitusentwicklung im 19. und 20. Jahrhundert (1992). Zitiert: „Elias, S. 1“. Ely, John Hart, Flag desecration: a case study in the roles of categorization and balancing in First Amendment analysis, Harv. L. Rev. 1975, 1482. Emerson, Thomas I., Towards a general theory of the First Amendment, Yale L. J. 1962–63, 877. Enzyklopädie des Holocaust, Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden, begr. von Israel Gutman, hrsg. von Eberhard Jäckel, Peter Longerich und Julius H. Schoeps, 3 Bände (1993). Zitiert: „Enzyklopädie des Holocaust, Bd. I, S. 1“. Erll, Astrid, Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen (2005). Zitiert: „Erll, S. 1“. Errera, Roger, „Sur les justes limites de la liberté d’expression“, Esprit (167) 1990, 82. Eschen, Klaus, Das 21. Strafrechtsänderungsgesetz – eine stumpfe Waffe gegen den Rechtsradikalismus, ZRP 1983, 10. Eser, Albin, Rechtsgut und Opfer: Zur Überhöhung des einen auf Kosten des anderen, in: Festschrift für Ernst-Joachim Mestmäcker (1996) S. 1005. Zitiert: „Eser, Mestmäcker-FS, S. 1“. – The principle of „harm“ in the concept of crime: a comparative analysis of the criminally protected legal interests, Duq. U. L. Rev. 1965–66, 345. Etzioni, Amitai, Verantwortungsgesellschaft (1999). Zitiert: „Etzioni, S. 1“. Evans, Richard J., Lying about Hitler. History, Holocaust and the David Irving Trial (2001). Zitiert: „Evans, S. 1“. Feinberg, Joel, Doing and Deserving. Essays in the Theory of Responsibility (1970). Zitiert: „Feinberg, Essays, S. 1“. – The Moral Limits of the Criminal Law, 4 Bände: – Harm to Others (Band 1 1984). Zitiert: „Feinberg, Harm, S. 1“. – Offense to Others (Band 2 1985). Zitiert: „Feinberg, Offense, S. 1“. – Harmless Wrongdoing (Band 4 1990). Zitiert: „Feinberg, Wrongdoing, S. 1“.
Literaturverzeichnis
261
Feldman, Jean-Philippe, Anm. zu Cass. crim. v. 17.6.1999, D. 1999 (J.), 50. – Le délit de contestation de crimes contre l’humanité et la 17è chambre du Tribunal de grande instance de Paris, D. 1999 (Chron.), 8. Fest, Joachim, Das Gesicht des Dritten Reiches (1996). Zitiert: „Fest, S. 1“. Feuerbach, Paul Joachim Anselm Ritter von, Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen peinlichen Rechts (9. Aufl. 1826). Zitiert: „Feuerbach, S. 1“. Fichte, Johann Gottlieb, Grundlage des Naturrechts nach Principien der Wissenschaftslehre 1796, in: Fichtes Werke, hrsg. von Immanuel Hermann Fichte (Band III 1971). Zitiert: „Fichte, Werke Bd. III, S. 1“. – Reden an die deutsche Nation 1808, in: Fichtes Werke, hrsg. von Immanuel Hermann Fichte (Band VII 1971). Zitiert: „Fichte, Werke Bd. VII, S. 1“. Fink-Eitel, Hinrich, Gemeinschaft als Macht. Zur Kritik des Kommunitarismus, in: Brumlik, Micha/Brunkhorst, Hauke (Hg.), Gemeinschaft und Gerechtigkeit (1993), S. 306. Zitiert: „Fink-Eitel, in: Brumlik/Brunkhorst (Hg.), S. 1“. Fiolka, Gerhard, Das Rechtsgut (Diss. Freiburg/Ch. 2006) Bd. 1. Zitiert: „Fiolka, Bd. 1, S. 1“. Fischer, Thomas, Die Eignung den öffentlichen Frieden zu stören – zur Beseitigung eines „restriktiven“ Phantoms, NStZ 1988, 159. – Öffentlicher Friede und Gedankenäußerung. Grundlagen und Entwicklung des Rechtsguts „öffentlicher Friede“, insbesondere in den §§ 126, 130, 140 Nr. 2, 166 StGB (Diss. Würzburg 1986). Zitiert: „Fischer, S. 1“. Fischl, Otto, Der Einfluss der Aufklärungsphilosophie auf die Entwicklung des Strafrechts in Doktrin, Politik und Gesetzgebung und Vergleichung der damaligen Bewegung mit den heutigen Reformversuchen (1913). Zitiert: „Fischl, S. 1“. Fish, Stanley Eugene, There’s no such thing as free speech and it’s a good thing, too (1994). Zitiert: „Fish, S. 1“. Fleming, Gerald, Hitler und die Endlösung (1987). Zitiert: „Fleming, S. 1“. Forges, Jean-Franc¸ois, siehe Association contre le Négationnisme. Forst, Rainer, Kontexte der Gerechtigkeit (1994). Zitiert: „Forst, S. 1“. – Welche Person? Wessen Gemeinschaft? Zur Kontroverse zwischen Liberalismus und Kommunitarismus, in: Bürgergesellschaft, Recht und Demokratie, hrsg. von Bert van den Brink/Willem van Reijen (1995) S. 213. Zitiert: „Forst, in: Brink/ Reijen (Hg.), S. 1“. Fraisseix, Patrick, Le droit mémoriel, RFDC 2006, 483. Francillon, Jacques, Infractions de presse: délit de contestation de crimes contre l’humanité, Rev. sc. crim. 1998, 573. Frangi, Marc, Les „lois mémorielles“: de l’expression de la volonté générale au législateur historien, RDP 2005, 241. Frankenberg, Günter, Autorität und Integration (2003). Zitiert: „Frankenberg, S. 1“.
262
Literaturverzeichnis
Fraser, David, „On the Internet, Nobody Knows You’re a Nazi“: Some Comparative Legal Aspects of Holocaust Denial on the WWW, in: Hare, Ivan/Weinstein, James (Hg.), Extreme Speech and Democracy (2008) S. 511. Zitiert: „Fraser, in: Hare/Weinstein (Hg.), S. 1“. Frei, Norbert, Der Frankfurter Auschwitz-Prozeß und die deutsche Zeitgeschichtsforschung, in: Fritz Bauer Institut (Hg.), Auschwitz: Geschichte, Rezeption und Wirkung (1996) S. 123. Zitiert: „Frei, in: Fritz Bauer Institut (Hg.), S. 1“. – Vergangenheitspolitik. Die Anfänge der Bundesrepublik und die NS-Vergangenheit (1996). Zitiert: „Frei, S. 1“. Frei, Norbert/Knigge, Volkhard (Hg.), Verbrechen erinnern. Die Auseinandersetzung mit Holocaust und Völkermord (2002). Zitiert: Bearbeiter, in: Frei/Knigge (Hg.), S. 1“. Fresco, Nadine, Des illuminés imperméables, in: Catherine Coquio (Hg.), L’histoire trouée (2004) S. 169. Zitiert: „Fresco, in: Coquio (Hg.), S. 1“. – Les „révisionnistes“ négateurs de la Shoah, in: l’article „Révisionnisme“, Encyclopaedia Universalis (1990). Zitiert: „Fresco, Encyclopaedia ‚Révisionnisme‘ “. Freud, Sigmund, Erinnern, Wiederholen und Durcharbeiten, in: Werke aus den Jahren 1913–1917, Gesammelte Werke Band X, hrsg. von Anna Freud et al. (1999) S. 126. Zitiert: „Freud, GW Bd. 10, S. 1“. Freund, Georg, Strafrecht Allgemeiner Teil (2. Aufl. 2009). Zitiert: „Freund, AT § 1 Rn. 1“. Frisch, Wolfgang, Rechtsgut, Recht, Deliktsstruktur und Zurechnung im Rahmen der Legitimation staatlichen Strafens, in: Die Rechtsgutstheorie, hrsg. von Roland Hefendehl/Andrew von Hirsch/Wolfgang Wohlers (2003) S. 215. Zitiert: „Frisch, in: Hefendehl (Hg.), S. 1“. Frommel, Monika, Das Rechtsgut der Volksverhetzung, KJ 1995, 402. – Fremdenfeindliche Gewalt, Polizei und Strafjustiz, KJ 1994, 323. Fronza, Emanuela, Negationisme et droit pénal, L’Astrée 1999, 16. – Profili penalistici del negazionismo, Riv. it. 1999, 1035. – Recht und Gedenken: ein schwieriger Dialog, in: Vormbaum, Thomas (Hg.), Jahrbuch der juristischen Zeitgeschichte, Band 6 (2004/2005) S. 435. Zitiert: „Fronza, in: Vormbaum (Hg.), S. 1“. – The punishment of negationism: the difficult dialogue between law and memory, Vt. L. Rev. 2005–2006, 609. Frowein, Jochen Abr., Reform durch Meinungsfreiheit, AöR (105) 1980, 169. Ga˛dek, Marek (Hg.), Wokól strachu. Diskusja o ksia˛z˙ce Jana T. Grossa (2008). Zitiert: „Ga˛dek, S. 1“. Gałazka, Małgorzata, Społeczne niebezpieczen´stwo czynu w komunistycznym prawie karnym Polski Ludowej, in: Grzes´kowiak, Alicja (Hg.), Komunistyczne Prawo Karne Polski Ludowej (2007). Zitiert: „Gałazka, in: Grzes´kowiak (Hg.), S. 1“.
Literaturverzeichnis
263
Gardocki, Lech, Prawo karne (11. Aufl. 2005). Zitiert: „Gardocki, S. 1“. Garibian, Sévane, La loi Gayssot, ou le droit désaccordé, in: Coquio, Catherine (Hg.), L’histoire trouée (2003) S. 223. Zitiert: „Garibian, in: Coquio (Hg.), S. 1“. – Pour une lecture juridique des quatre lois „mémorielles“, Esprit 2006, 158. – Taking denial seriously: Genocide denial and freedom of speech in the french law, CJCR Vol. 9, 479. Garraud, René, Traité théorique et pratique du droit pénal franc¸ais, Tome 1 (3. Aufl. 1913). Zitiert: „Garraud, S. 1“. Geismann, Georg, Die Grundlegung des Vernunftstaates der Freiheit durch Hobbes, JRE 1997, 229. – Versuch über Kants rechtliches Verbot der Lüge, in: Oberer, Hariolf/Seel, Gerhard (Hg.), Kant. Analysen – Probleme – Kritik, Band 1 (1988) S. 297. Zitiert: „Geismann, in: Oberer/Seel (Hg.), S. 1“. Gephart, Werner, Recht als Kultur (2006). Zitiert: „Gephart, Kultur, S. 1“. – Strafe und Verbrechen. Die Theorie Emile Durkheims (Diss. Göttingen 1990). Zitiert: „Gephart, Strafe, S. 1“. Giddens, Anthony, The „individual“ in the writings of Emile Durkheim, in: Hamilton, Peter (Hg.), Emile Durkheim. Critical Assessments. Vol. II (1990) S. 300. Zitiert: „Giddens, in: Hamilton (Hg.), S. 1“. Giesen, Bernhard, Kollektive Identität (1999). Zitiert: „Giesen, S. 1“. Giesen, Bernhard/Junge, Kay/Kritschgau, Christian, Vom Patriotismus zum völkischen Denken: Intellektuelle als Konstrukteure der deutschen Identität, in: Berding, Helmut (Hg.) Nationales Bewusstsein und kollektive Identität (1994) S. 245. Zitiert: „Giesen/Junge/Kritschgau, in: Berding (Hg.), S. 1“. Gillespie, Norman, Exceptions to the Categorial Imperative, in: Kant und das Recht der Lüge, hrsg. von Georg Geismann/Hariolf Oberer (1986) S. 85. Zitiert: „Gillespie, in: Geismann/Oberer (Hg.), S. 1“. Ginzburg, Carlo, Beweis, Gedächtnis, Vergessen, WerkstattGeschichte 2001, 50. Godin, Christian, Négationnisme et totalitarisme (2000). Zitiert: „Godin, S. 1“. Gonnard, Jean-Marie, J.-Cl. l. pén. spéc., Fasc. 70, Presse. – Provocation aux crimes et aux délits (1998). Zitiert: „Gonnard, J.-Cl. l. pén. spéc. Fasc. 1 Rn. 1“. Götz, Volkmar, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht (14. Aufl. 2008). Zitiert: „Götz, § 1 Rn. 1 (S. 1). Greenawalt, Kent, Free speech justifications, Colum. L. Rev. 1989, 119. – Speech, Crime and the uses of language (1989). Zitiert: „Greenawalt, S. 1“. Grimm, Dieter, Das Grundgesetz nach vierzig Jahren, NJW 1989, 1305. Gropp, Walter, Strafrecht Allgemeiner Teil (3. Aufl. 2005). Zitiert: „Gropp, AT § 1, Rn. 1“.
264
Literaturverzeichnis
Grünhut, Max, Methodische Grundlagen der heutigen Strafrechtswissenschaft, in: Festgabe für Reinhard von Frank zum 70. Geburtstag Bd. 1 (1930) S. 1. Zitiert: „Grünhut, in: Frank-FG, S. 1“. Grynberg, Anne, La Shoah, l’impossible oubli (1995). Zitiert: „Grynberg, S. 1“. Gualtieri, Claudia, Racism and Xenophobia, RIDP 2006, 263. Günther, Klaus, Der strafrechtliche Schuldbegriff als Gegenstand einer Politik der Erinnerung in der Demokratie, in: Smith, Gary/Avishai, Margalit (Hg.), Amnestie oder die Politik der Erinnerung in der Demokratie (1997) S. 48. Zitiert: „Günther, in: Smith/Avishai (Hg.), S. 1“. Günther, Uwe, Gegen eine Entkoppelung von Demokratie und Recht, ZRP 1987, 117. Haase, Marco, Grundnorm-Gemeinwille-Geist. Der Grund des Rechts nach Kelsen, Kant und Hegel (Diss. Berlin 2004). Zitiert: „Haase, S. 1“. Habermas, Jürgen, Der philosophische Diskurs der Moderne (1988). Zitiert: „Habermas, Philosophischer Diskurs, S. 1“ – Erläuterungen zur Diskursethik (1991). Zitiert: „Habermas, Erläuterungen, S. 1“. – Faktizität und Geltung (1992). Zitiert: „Habermas, Faktizität, S. 1“. – Moralbewusstsein und kommunikatives Handeln (1983). Zitiert: „Habermas, Moralbewusstsein, S. 1“. – Theorie des kommunikativen Handelns, Zweiter Band (1988). Zitiert: „Habermas, Theorie Bd. 2, S. 1“. – Theorie und Praxis (1988). Zitiert: „Habermas, Praxis, S. 1“. – Vergangenheit als Zukunft (1993). Zitiert: „Habermas, Vergangenheit, S. 1“. Haguenau-Moizard, Catherine, La lutte contre le racisme par le droit en France et au Royaume-Uni, RIDC 1999, 347. Halbwachs, Maurice, Individual Consciousness and Collective Mind, Americ. J. Soc. 1939, 812. – La mémoire collective (1950). Zitiert: „Halbwachs, Mémoire, S. 1“. – Les cadres sociaux de la mémoire (1975). Zitiert: „Halbwachs, Cadres, S. 1“. Hall, Jerome, General Principles of Criminal Law (1947). Zitiert: „Hall, S. 1“. Hannoun, Michel, L’homme est l’espérance de l’homme. Rapport sur le racisme et les discriminations en France au secrétaire d’État auprès du Premier ministre chargé des Droits de l’Homme (1987). Zitiert: „Hannoun, S. 1“. Harcourt, Bernard E., The collapse of the Harm Principle, J. Crim. L. & Criminology 1999, 109. Hart, H. L. A., Law, Liberty and Morality (1963). Zitiert: „Hart, S. 1“. – Social Solidarity and the Enforcement of Morality, U. Chi. L. Rev. 1967–1968, 1.
Literaturverzeichnis
265
Hassemer, Winfried, Darf es Straftaten geben, die ein strafrechtliches Rechtsgut nicht in Mitleidenschaft ziehen?, in: Die Rechtsgutstheorie, hrsg. von Roland Hefendehl/Andrew von Hirsch/Wolfgang Wohlers (2003) S. 57. Zitiert: „Hassemer, in: Hefendehl (Hg.), S. 1“. – Grundlinien einer personalen Rechtsgutslehre, in: Scholler, Heinrich/Philipps, Lothar (Hg.), Jenseits des Funktionalismus (1989) S. 85. Zitiert: „Hassemer, in: Scholler/Philipps (Hg.), S. 1“. – Rechtsphilosophie, Rechtswissenschaft, Rechtspolitik – am Beispiel des Strafrechts, ARSP-Beiheft Nr. 44, 130. – Theorie und Soziologie des Verbrechens – Ansätze zu einer praxisorientierten Rechtsgutslehre (1973). Zitiert: „Hassemer, S. 1“. Haworth, Alan, On Mill, Infallibility, and Freedom of Expression, R. Publ. 2007, 77. Hayden, Robert M., „Genocide Denial“ Laws as Secular Heresy: A Critical Analysis with Reference to Bosnia, Slav. Rev. (2) 2008, 384. Haymann, Franz, Jean-Jacques Rousseau’s Sozialphilosophie (1898). Zitiert: „Haymann, S. 1“. Hayward, J. E. S., Solidarity: the social history of an idea in nineteenth century France, Int’l Rev. Soc. Hist. (4) 1959, 261. Hecker, Bernd, Europäisches Strafrecht (2. Aufl. 2007). Zitiert: „Hecker, S. 1 Rn. 1“. Hefendehl, Roland, Das Rechtsgut als materialer Angelpunkt einer Strafnorm, in: Die Rechtsgutstheorie, hrsg. von Roland Hefendehl/Andrew von Hirsch/Wolfgang Wohlers (2003) S. 119. Zitiert: „Hefendehl, in: Hefendehl (Hg.), S. 1“. – Die Materialisierung von Rechtsgut und Deliktsstruktur, GA 2002, 20. – Mit langem Atem: Der Begriff des Rechtsguts Oder: Was seit dem Erscheinen des Sammelbandes über die Rechtsgutstheorie geschah, GA 2007, 1. – Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht (2002). Zitiert: „Hefendehl, S. 1“. Hegel, Georg Wilhelm Friedrich, Grundlinien der Philosophie des Rechts, in: Gesammelte Werke in 20 Bänden, hrsg. von Eva Moldenhauer/Karl Markus Michel, Band 7 (3. Aufl. 1993). Zitiert: „Hegel, GW 7, § 1 (S. 1)“. – Nürnberger und Heidelberger Schriften 1808–1817, in: Gesammelte Werke in 20 Bänden, hrsg. von Eva Moldenhauer/Karl Markus Michel, Band 4 (3. Aufl. 1996). Zitiert: „Hegel, GW 4, S. 1“. – Phänomenologie des Geistes, in: Gesammelte Werke in 20 Bänden, hrsg. von Eva Moldenhauer/Karl Markus Michel, Band 3 (5. Aufl. 1996). Zitiert: „Hegel, GW 3, § 1 (S. 1)“. – Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, in: Gesammelte Werke in 20 Bänden, hrsg. von Eva Moldenhauer/Karl Markus Michel, Band 18 (2. Aufl. 1993). Zitiert: „Hegel, GW 18, S. 1“. Heinze, Eric, The Logic of Constitutional Rights (2005). Zitiert: „Heinze, S. 1“. – Viewpoint Absolutism and Hate Speech, MLR 2006, 543.
266
Literaturverzeichnis
Herb, Karlfriedrich, Bürgerliche Freiheit (1999). Zitiert: „Herb, S. 1“. Herf, Jeffrey, Divided memory: the nazi past in the two Germanys (1997). Zitiert: „Herf, S. 1“. Hesse, Konrad, Die normative Kraft der Verfassung, in: Häberle, Peter/Hollerbach, Alexander (Hg.), Ausgewählte Schriften (1984) S. 3. Zitiert: „Hesse, in: Häberle/Hollerbach (Hg.), S. 1“. Hey, Bernd, Die NS-Prozesse – Probleme einer juristischen Vergangenheitsbewältigung, in: Weber, Jürgen/Steinbach, Peter (Hg.), Vergangenheitsbewältigung durch Strafverfahren? (1984) S. 51. Zitiert: „Hey, in: Weber/Steinbach (Hg.), S. 1“. Hilberg, Raul, Die Quellen des Holocaust. Entschlüsseln und interpretieren (2001). Zitiert: „Hilberg, Quellen, S. 1“. – Die Vernichtung der europäischen Juden. Die Gesamtgeschichte des Holocaust, hrsg. von Ulf Wolter (1982). Zitiert: „Hilberg, Vernichtung, S. 1“. Hillgruber, Andreas (Hg.), Henry Picker: Hitlers Tischgespräche (1968). Zitiert: „Hillgruber (Hg.), S. 1“. Hirsch, Andrew von, Der Rechtsgutsbegriff und das „Harm Principle“, GA 2002, 2. – Harm und Offence: Schädigungsprinzip und Belästigungsprinzip als Kriterien für die Kriminalisierung von Verhalten, in: Festschrift für Rolf Herzberg zum 70. Geburtstag (2008) S. 915. Zitiert: „v. Hirsch, Herzberg-FS, S. 1“. Hirsch, Andrew von/Jareborg, Nils, Gauging Criminal Harm: A Living Standard Analysis, Oxf. J. Leg. St. 1991, 1 ff. Hirsch, Andrew von/Simester A. P., Rethinking the Offense Principle, Legal Theory, (8) 2002, 269. Hirsch, Hans-Joachim, Tatstrafrecht – ein hinreichend beachtetes Grundprinzip?, in: Festschrift für Klaus Lüderssen zum 70. Geburtstag (2002) S. 253. Zitiert: „Hirsch, Lüderssen-FS, S. 1“. Hobbes, Thomas, Leviathan, übersetzt von Jacob Peter Mayer (2002). Zitiert: „Hobbes Kap. 1, S. 1“. Hochhuth, Martin, Die Meinungsfreiheit im System des Grundgesetzes (2007). Zitiert: „Hochhuth, S. 1“. Hochmann, Thomas, Les limites à la liberté de l’„historien“ en France et en Allemagne, Droit et Société (69/70) 2008, 527. Höffe, Otfried, A counterpoint of modernity (2002). Zitiert: „Höffe, S. 1“. Hoffmann, Arne, Warum Hohmann geht und Friedman bleibt. Antisemitismusdebatten in Deutschland von Möllemann bis Walser (2005). Zitiert: „Hoffmann, S. 1“. Hondrich, Ted, Punishment. The supposed justifications (1984). Zitiert: „Hondrich, S. 1“. Honig, Richard, Die Einwilligung des Verletzten. Teil 1: Die Geschichte des Einwilligungsproblems und die Methodenfrage (1919). Zitiert: „Honig, S. 1“.
Literaturverzeichnis
267
Hörnle, Tatjana, Der Schutz von Gefühlen im StGB, in: Die Rechtsgutstheorie, hrsg. von Roland Hefendehl/Andrew von Hirsch/Wolfgang Wohlers (2003) S. 268. Zitiert: „Hörnle, in: Hefendehl (Hg.), S. 1“. – Grob anstößiges Verhalten. Strafrechtlicher Schutz von Moral, Gefühlen und Tabus (2005). Zitiert: „Hörnle, S. 1“. – Offensive Behaviour and German Penal Law, Buffalo Crim. L. Rev. 2002, 255. – Strafrechtliche Verbotsnormen zum Schutz von kulturellen Identitäten, ARSP Beiheft Nr. 113, 315. Hösle, Vittorio, Was darf und was soll der Staat bestrafen? Überlegungen im Anschluss an Fichtes und Hegels Straftheorien, in: Hösle, Vittorio (Hg.), Die Rechtsphilosophie der Aufklärung (1989) S. 1. Zitiert: „Hösle, in: Hösle (Hg.), S. 1“. Hoyer, Andreas, Die Eignungsdelikte (Diss. Kiel 1985). Zitiert: „Hoyer, S. 1“. Hudala, Leszek M., Analiza ustaw rehabilitacyjnych w niektórych panstwach postkomunystycznych, Stud. Iur. 1998, 193. – Ustawa lustracyjna – i co dalej? Stud. Iur. 1998, 171. Hufen, Friedhelm, Anm. zu BVerfG, Beschl. v. 13.4.1994, JuS 1995, 638. Humboldt, Wilhelm von, Ideen über die Staatsverfassung durch die neue Französische Constitution veranlasst, in: Gesammelte Werke Band 1 (1841) S. 301. Zitiert: „v. Humboldt, GW Bd. 1, S. 1“. – Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen, in: Gesammelte Werke Band 7 (1852) S. 1. Zitiert: „v. Humboldt, GW Bd. 7, S. 1“. Hume, David, On the original contract, in: David Hume’s Political Essays, edited by Charles W. Hendel (1965). Zitiert: „Hume, S. 1“. Hunger, Kai-Uwe, Das Rechtsgut des § 189 StGB (Diss. Köln 1994/95). Zitiert: „Hunger, S. 1“. Husak, Douglas N., Philosophy of Criminal Law (1987). Zitiert: „Husak, S. 1“. – The Criminal Law as Last Resort, Oxf. J. Leg. St. 2004, 207. Huster, Stefan, Das Verbot der Auschwitzlüge, die Meinungsfreiheit und das Bundesverfassungsgericht, NJW 1996, 487. Igounet, Valérie, Histoire du négationnisme en France (2000). Zitiert: „Igounet, S. 1“. Imbleau, Martin, La négation des génocides: liberte d’expression ou crime raciste?, Le Devoir v. 16.3.2007 2007, 9. – La négation du génocide nazi. Liberté d’expression ou crime raciste? Le négationnisme de la Shoah en droit international et comparé (2003). Zitiert: „Imbleau, S. 1“. Ingber, Stanley, The Marketplace of Ideas: A legitimizing myth, Duke L. J. 1984, 1.
268
Literaturverzeichnis
Institute for Jewish Policy Research, JPR-Report (3) 2000; abrufbar unter www.jpr.org.uk./Reports. Internationaler Militärgerichtshof Nürnberg, Der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof, hrsg. von S. Paul A. Joosten, Band XXIX Nummer 1850-PS–2233 PS (1948). Zitiert: „Internationaler Militärgerichtshof, Bd. XXIX 1850-PS S. 1“. Isensee, Josef, Tabu im freiheitlichen Staat: jenseits und diesseits der Rationalität des Rechts (2003). Zitiert: „Isensee, S. 1“. Jäger, Herbert, Strafgesetzgebung und Rechtsgüterschutz bei Sittlichkeitsdelikten. Eine kriminalsoziologische Untersuchung (1957). Zitiert: „Jäger, S. 1“. Jahn, Joachim, Strafrechtliche Mittel gegen Rechtsextremismus (Diss. Hannover 1998). Zitiert: „Jahn, S. 1“. Jakobs, Günther, Anmerkung zu BGH, Urt. v. 15.3.1994, StV 1994, 540. – Bürgerstrafrecht und Feindstrafrecht, HRRS (3) 2004, 89. – Das Strafrecht zwischen Funktionalismus und „alteuropäischem“ Prinzipiendenken, ZStW 1995, 843. – Rezension zu: Thomas Wandres, Die Strafbarkeit des Auschwitz-Leugnens, GA 2001, 559. – Strafrecht, Allgemeiner Teil (2. Aufl. 1991). Zitiert: „Jakobs, AT, Rn. 1“. Jeismann, Michael, Das Vaterland der Feinde: Studien zum nationalen Feindbegriff und Selbstverständnis in Deutschland und Frankreich 1792–1918 (1992). Zitiert: „Jeismann, S. 1“. Jescheck, Hans-Heinrich, Der allgemeine Teil des Entwurfs eines polnischen Strafgesetzbuches von 1990 in rechtsvergleichender Sicht, in: Festschrift für Günter Spendel zum 70. Geburtstag (1992) S. 849. Zitiert: „Jescheck, Spendel-FS, S. 1“. Jescheck, Hans-Heinrich/Weigend, Thomas, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil (5. Aufl. 1996). Zitiert: „Jescheck/Weigend, § 1 I 1 a (S. 1)“. Joas, Hans, Die Entstehung der Werte (1999). Zitiert: „Joas, S. 1“. Junge, Iris, Das Schutzgut des § 130 StGB (Diss. Augsburg 2000). Zitiert: „Junge, S. 1“. Kaczmarek, Tomasz, Der Begriff der gesellschaftlichen Gefährlichkeit der Tat im polnischen Strafrecht, ZStW 1976, 1116. Kahlo, Michael, Über den Zusammenhang von Rechtsgutsbegriff und objektiver Zurechnung im Strafrecht, in: Die Rechtsgutstheorie, hrsg. von Roland Hefendehl/ Andrew von Hirsch/Wolfgang Wohlers (2003) S. 26. Zitiert: „Kahlo, in: Hefendehl (Hg.), S. 1“. Kahn, Robert A., Holocaust Denial and the law. A comparative study (2004). Zitiert: „Kahn, S. 1“.
Literaturverzeichnis
269
Kaniewski, Stanisław, Główna Komisja Badania Zbrodni przeciwko Narodowi Polskiemu – Instytut Pamie˛ci Narodowej. Kierunki i perspektywy działan´, Stud. Iur. (35) 1998, 159. Kant, Immanuel, Gesammelte Werke, hrsg. von der Preußischen Akademie der Wissenschaften (Akademieausgabe): – Bemerkungen zu den Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen (Handschriftlicher Nachlass). Zitiert: „Kant, AA XX, S. 1“. – Die Metaphysik der Sitten (1797). Zitiert: „Kant, AA VI, S. 1“. – Erläuterungen Kants zu G. Achenwalls Iuris naturalis Pars posterior (Handschriftlicher Nachlass). Zitiert: „Kant, AA XIX, S. 1“. – Kritik der Urteilskraft (1790). Zitiert: „Kant, AA V, S. 1“. – Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis (1793). Zitiert: „Kant, AA VIII, S. 1“. – Über ein vermeintes Recht aus Menschenliebe zu lügen (1797). Zitiert: „Kant, AA VIII, S. 1“. Kattan, Emmanuel, Penser le devoir de mémoire (2002). Zitiert: „Kattan, S. 1“. Kaufmann, Armin, Die Aufgabe des Strafrechts (1982). Zitiert: „Kaufmann, S. 1“. Kelsen, Hans, Verteidigung der Demokratie, in: Verteidigung der Demokratie: Abhandlungen zur Demokratietheorie (2006) S. 229. Zitiert: „Kelsen, S. 1“. Kersting, Wolfgang, Die politische Philosophie des Gesellschaftsvertrags (1994). Zitiert: „Kersting, Gesellschaftsvertrag, S. 1“. – Der liberale Liberalismus. Notwendige Abgrenzungen (2006). Zitiert: „Kersting, Liberalismus, S. 1“. – Recht, Gerechtigkeit und demokratische Tugend. Zitiert: „Kersting, Recht, S. 1“. – Thomas Hobbes, Leviathan (1651) in: Brocker, Manfred (Hg.), Geschichte des politischen Denkens (2007) S. 212. Zitiert: „Kersting, in: Brocker (Hg.), S. 1“. – Wohlgeordnete Freiheit. Immanuel Kants Rechts- und Staatsphilosophie (1993). Zitiert: „Kersting, Freiheit, S. 1“. Kielmannsegg, Peter Graf von, Volkssouveränität (1977). Zitiert: „v. Kielmannsegg, S. 1“. Kirchhof, Paul, Die Identität der Verfassung in ihren unabänderlichen Inhalten, in: Isensee, Josef/Kirchhof, Paul (Hg.), Handbuch des Staatsrechts Band I (1995). Zitiert: „Kirchhof, P., HStR I § 1, Rn. 1“. Kirste, Stephan, Der Beitrag des Rechts zum kulturellen Gedächtnis, ARSP 2008, 47. Knechtle, John C., Holocaust Denial and the concept of dignity in Europe, Fla. St. U. L. Rev. 2008, 41. Kochanowski, Janusz, Antrag auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit von Art. 55 IPN-G vor dem poln. Verfassungsgerichtshof v. 19.9.2008 http://www.kocha nowski.pl/rzecznik.html. Zitiert: „Kochanowski, Antrag, S. 1“.
270
Literaturverzeichnis
– Prawo karne wobec upiorów preszłosci i wyzwan´ wspólczesnos´ci, Stud. Iur. 2000, 89. – Przeciwko pos´piesznej kodyfikacji karnej, Pal. Nr. 8–9 1990, 11. Köhler, Michael, Zur Frage der Strafbarkeit des Leugnens von Völkermordtaten, NJW 1985, 2389. Kolarzowski, Jerzy Z., Bronisław Wróblewski Prekursor Socjologii Historycznej, Stud. Iur. (34) 1997, 37. Komorowski, Bronisław/Wróbel, Włodzimierz, Stanowisko Sejmu w sprawie wniosku Rzecznika Praw Obywatelskich (sygn.aktK29/08), dotycza˛cego ustawy z dnia 27 lipca 2001 r. – Prawo o ustroju sa˛dów powszechnych, Zeszyty Prawnicze (1) 2009, 239. König, Helmut, Politik und Gedächtnis (2008). Zitiert: „König H., S. 1“. König, Peter/Seitz, Helmut, Die straf- und strafverfahrensrechtlichen Regelungen des Verbrechensbekämpfungsgesetzes, NStZ 1995, 1. König, René, in: Durkheim, Emil, Die Regeln der soziologischen Methode (1984) Einleitung S. 21. Zitiert: „König R., Einleitung, S. 1“. Korioth, Stefan, Europäische und nationale Identität: Integration durch Verfassungsrecht? VVDStRL 2003, 117. Kost, Jürgen, Wilhelm von Humboldt – Weimarer Klassik – Bürgerliches Bewusstsein (2004). Zitiert: „Kost, S. 1“. Krikorian, Philippe, Le droit à la dignité et la liberté d’expression face aux crimes contre l’humanité, D. 2006, 1980. Królikowski, Michal, Kontekstowa Teoria (Dogmatyki) Prawa Karnego, Stud. Iur. (66) 2006, 179. Krüger, Matthias, Die Entmaterialisierungstendenz beim Rechtsgutsbegriff (Diss. Halle 1999). Zitiert: „Krüger, S. 1“. Kübler, Friedrich, Rassenhetze und Meinungsfreiheit – Grenzüberschreitende Aspekte eines Grundrechtskonflikts, AöR (125) 2000, 109. Kühl, Kristian, Auschwitz-Leugnen als strafbare Volksverhetzung?, in: Bochumer Beiträge zu aktuellen Strafrechtsthemen. Vorträge anlässlich des Symposions zum 70. Geburtstag von Gerd Geilen am 12./13.10.2001 (2003) S. 103. Zitiert: „Kühl, Geilen-Symp., S. 1“. – Naturrechtliche Grenzen strafwürdigen Verhaltens, in: Festschrift für Günter Spendel zum 70. Geburtstag (1992) S. 75. Zitiert: „Kühl, Spendel-FS, S. 1“. – Die ethisch-moralischen Grundlagen des Strafrechts, ZStW 2004, 870. Kulesza, Jerzy A., Z problematyki Strony Podmiotowej Zbrodni Komunisticznej, WPP (3) 2005, 103. Kulesza, Witold, Auschwitzlüge, in: Vergleichende Strafrechtswissenschaft, Festschrift für Andrzej J. Szwarc zum 70. Geburtstag (2009), S. 331. Zitiert: „Kulesza, W., Szwarc-FS, S. 1“.
Literaturverzeichnis
271
– Zbrodnia Katyn´ska w procesie norymberskim – refleksje nad stenogramem rozprawy, in: Jacek Giezek (Hg.), Przestepstwo – kara – polityka kryminalna. Problemy tworzenia i funkcjonowania prawa. Ksie˛ga jubileuszowa z okazji 70. rocznicy urodzin Profesora Tomasza Kaczmarka (2006) S. 407. Zitiert: „Kulesza, W., Kaczmarek-FS, S. 1“. Kunicka-Michalska, Barbara, Z problematyki społecznej szkodliwos´ci czynu, PPK 1998, 5. Lackner/Kühl, Strafgesetzbuch, Kommentar, bearb. von Kristian Kühl (26. Aufl. 2007). Zitiert: „Kühl, L/K § 1 Rn. 1“. Laitenberger, Angelika, Die Strafbarkeit der Verbreitung rassistischer, rechtsextremistischer und neonazistischer Inhalte (Diss. Würzburg 2001). Zitiert: „Laitenberger, S. 1“. Lampe, Ernst-Joachim, Gedanken zum materiellen Straftatbegriff, in: Festschrift für Rudolf Schmitt zum 70. Geburtstag (Datum) S. 77. Zitiert: „Lampe, Schmitt-FS, S. 1“. – Überindividuelle Rechtsgüter, Institutionen und Interessen, in: Festschrift für Klaus Tiedemann zum 70. Geburtstag (2008) S. 79. Zitiert: „Lampe, in: Tiedemann-FS, S. 1“. Lamy, Bertrand de, La liberté d’opinion et le droit pénal, (Diss. Toulouse 2000). Zitiert: „Lamy, S. 1“. – „Révisionnisme“, in: J.-Cl. comm. 2005, Fasc. 3160 (2005) Zitiert: „Lamy, J.-Cl. Comm., S. 1“. Larguier, Jean/Conte, Philippe/Maistre du Chambon, Patrick, Droit pénal général (21. Aufl. 2008). Zitiert: „Larguier/Conte/Maistre du Chambon, S. 1“. Lasfargeas, Sylvia, Le juge et l’historien: à propos de l’arrêt Branly, Gaz. Pal. 2005, 887. Lasson, Kenneth, Holocaust denial and the First Amendment: the quest for truth in a free society, Geo. Mason L. Rev. 1997, 35. Lauterwein, Carl Constantin, The Limits of Criminal Law. A Comparative Analysis of Approaches to Legal Theorizing (2010). Zitiert: „Lauterwein, S. 1“. Lawrence, Charles R. III., If he hollers let him go: Regulating racist speech on campus, Duke L. J. 1990, 431. Le Crom, Jean-Pierre, Juger l’histoire, Droit et Société (38) 1998, 33. Leggewie, Claus, Ethnizität, Nationalismus und mulitkulturelle Gesellschaft, in: Berding, Helmut (Hg.), Nationales Bewusstsein und kollektive Identität (1994) S. 46. Zitiert: „Leggewie, in: Berding (Hg.), S. 1“. Leggewie, Claus/Meier, Horst, Republikschutz. Maßstäbe für die Verteidigung der Demokratie (1995). Zitiert: „Leggewie/Meier, S. 1“. Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch, hrsg. Von Heinrich Wilhelm Laufhütte u. a., Band 1 (§§ 1–31., 12. Aufl. 2006), Band 5 (§§ 110–145d, 12. Aufl. 2006).
272
Literaturverzeichnis
Der zweite Band wird auch in der 11. Auflage verwendet. Zitiert: „Bearbeiter, LK § 1, Rn. 1“. Lernell, Leszek, Wykład prawa karnego. Cze˛s´c´ ogólna (1961). Zitiert: „Lernell, S. 1“. Levinet, Michel, La fermeté bienvenue de la Cour Européenne des Droits de l’Homme face au négationnisme, Obs. S/la décision du 24 juin 2003, Garaudy c. France, RTDH 2004, 653. Lewis, Anthony, Freedom for the thought that we hate (2007). Zitiert: „Lewis, S. 1“. Lexikon des Holocaust, hrsg. von Wolfgang Benz (2002). Zitiert: „Bearbeiter, in: Benz (Hg.), Lexikon des Holocaust, S. 1“. Lexikon des Rechts, hrsg. von Gerhard Ulsamer (2. Aufl 1996). Zitiert: „Bearbeiter, LdR, S. 1“. Libchaber, Rémy, L’Histoire aux prises avec le droit, RTD civ. (1) 1999, 245. Lidsky, Lyrissa Barnett, Where’s the harm?: Free speech and the regulation of lies, Wash. & Lee L. Rev. 2008, 1091. Lipstadt, Deborah E., Betrifft: Leugnen des Holocaust (1994). Zitiert: „Lipstadt, S. 1“. Liszt, Franz von, Der Begriff des Rechtsgutes im Strafrecht und in der Encyklopädie der Rechtswissenschaft, ZStW 1888, 133. – Lehrbuch des deutschen Strafrechts (15. Aufl. 1905). Zitiert: „v. Liszt, S. 1“. Locke, John, Two Treatises of Government, hrsg. von Peter Laslett (2005). Zitiert: „Locke, Treatises, Chap. I § 1 (S. 1). – Zweite Abhandlung über die Regierung, kommentiert von Ludwig Siep (2007). Zitiert: „Locke, Regierung, Kap. I § 1 (S. 1). Lotz, Christian, Schuld und Reue. Die Konstitution der Erinnerung in ethischen Selbstverhältnissen, in: Lotz, Christian/Wolf, Thomas R./Zimmerli, Walther Ch. (Hg.), Erinnerung (2004) S. 147. Zitiert: „Lotz, in: Lotz (Hg.), S. 1“. Lübbe, Hermann, Der Nationalsozialismus im deutschen Nachkriegsbewußtsein, Hist. ZSchr. 1983, 579. Lübbe-Wolff, Gertrude, Zur Bedeutung des Art. 139 GG für die Auseinandersetzung mit neonazistischen Gruppen, NJW 1988, 1289. Luhmann, Niklas, Inklusion und Exklusion, in: Berding, Helmut (Hg.), Nationales Bewusstsein und kollektive Identität (1994) S. 15. Zitiert: „Luhmann, in: Berding (Hg.), S. 1“. – Liebe. Eine Übung (2008). Zitiert: „Luhmann, Liebe, S. 1“. – Vertrauen. Ein Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität (4. Aufl. 2000). Zitiert: „Luhmann, Vertrauen, S. 1“. – Soziale Systeme (1984). Zitiert: „Luhmann, Systeme, S. 1“. Lyotard, Jean-Franc¸ois, Der Widerstreit (2. Aufl. 1989). Zitiert: „Lyotard, Widerstreit, S. 1“.
Literaturverzeichnis
273
– Postmoderne für Kinder: Briefe aus den Jahren 1982–1985 (1996). Zitiert: „Lyotard, Postmoderne, S. 1“. MacIntyre, Alasdair, Der Verlust der Tugend (1987). Zitiert: „MacIntyre, S. 1“. – Ist Patriotismus eine Tugend?, in: Honneth, Axel (Hg.), Kommunitarismus (1995) S. 84. Zitiert: „MacIntyre, in: Honneth (Hg.), S. 1“. – Toleration and the goods of conflict, in: Mendus, Susan (Hg.), The Politics of Toleration in Modern Life (2000) S. 133. Zitiert: „MacIntyre, in: Mendus (Hg.), S. 1“. MacKinnon, Catherine A., Only Words (1993). Zitiert: „MacKinnon, S. 1“. – Pornography, Civil rights, and speech, Harv. C. R.-C. L. L. Rev. 1985, 1. – Pornography as defamation and discrimination, B. U. L. Rev. 1991, 791. Mäder, Ueli, Kommunitäre Individualität und neue Identität, ARSP Beiheft Nr. 76, 61. Majewski, Jarosław, Materialny element przeste˛pstwa w projekcie kodeksu karnego, PS (6) 1996, 74. Makarewicz, Juliusz, Das Wesen des Verbrechens. Eine criminalsociologische Abhandlung auf vergleichender und rechtsgeschichtlicher Grundlage (1896). Zitiert: „Makarewicz, Wesen, S. 1“. – Einführung in die Philosophie des Strafrechts auf entwicklungsgeschichtlicher Grundlage (1906). Zitiert: „Makarewicz, Einführung, S. 1“. – Prawo karne ogólne (1914). Zitiert: „Makarewicz, Prawo karne, S. 1“. Mallet-Poujol, Nathalie, „Diffamation et „vérité historique“, Anm. zu CA Paris, 11è ch. A. v. 10.2.1999, D. 2000 (J.), 226. Marchetta, Maria, Erinnerung und Demokratie. Holocaust-Mahnmale und ihre Erinnerungspolitik: Das Beispiel Ravensbrück (2001). Zitiert: „Marchetta, S. 1“. Marek, Andrzej, Komentarz do kodeksu karnego, Cze˛s´c´ Ogólna (1999). Zitiert: „Marek, Kommentar, S. 1“. – W sprawie społecznego niebezpieczen´stwa czynu, (1) NP 1966, 199. Marshall, William, P., In defense of the search for truth as a First Amendment justification, Ga. L. Rev. 1995, 1. Martin, Adán Nieto, Américanisation ou européanisation du droit pénal économique, Rev sc. Crim. 2006, 767. Marx, Michael, Zur Definition des Begriffs „Rechtsgut“. Prolegomena einer materialen Verbrechenslehre (Diss. Saarbrücken 1972). Zitiert: „Marx, S. 1“. Marxen, Klaus, Der Kampf gegen das liberale Strafrecht (Diss. Berlin 1975). Zitiert: „Marxen, S. 1“. Masny, Marcin, Przepisem w oszczerstwa, Mie˛dzynarodowy Prze˛glad Polityczny (MPP) (12) 2005, 217. Mathieu, Bertrand, L’abandon des lois mémorielles, D. 2008, 3064.
274
Literaturverzeichnis
– La dignité de la personne humaine: quel droit? quel titulaire?, D. 1996 (Chron.), 282. – „Les lois mémorielles“ ou la violation de la Constitution par consensus, D. 2006, 3001. Matsuda, Mari J., Public Response to Racist Speech: Considering the Victim’s Story, Mich. L. Rev. 1989, 2320. Maunz/Dürig, Grundgesetz, Kommentar. Begründet von Theodor Maunz und Günter Dürig, Band 1und Band VI (56. Erg.-Lieferung, Stand: 10/2009). Zitiert: „Bearbeiter, M/D § 1, Rn. 1“. Maurach, Reinhart/Zipf, Heinz, Strafrecht Allgemeiner Teil, Teilband 1 (8. Aufl. 1992). Zitiert: „Maurach/Zipf, § 1, Rn. 1“. Mayer, Arno J., Der Krieg als Kreuzzug. Das Deutsche Reich, Hitlers Wehrmacht und die „Endlösung“ (1989). Zitiert: „Mayer, A., S. 1“. Mayer, Elke, Verfälschte Vergangenheit (Diss. Augsburg 2001). Zitiert: „Mayer, E., S. 1“. Mckinnon, Catriona, Should we tolerate Holocaust Denial? R. Publ. 2007, 9. McNamara, Lawrence, History, memory and judgment: Holocaust Denial, the history wars and law’s problem with the past, Sydney L. Rev. 2004, 353. Mead, George Herbert, Geist, Identität und Gesellschaft (1969). Zitiert: „Mead, Geist, S. 1“. – Philosophie der Sozialität (1969). Zitiert: „Mead, Philosophie, S. 1“. – The Psychology of Punitive Justice, Americ. J. Soc. 1918, 577. Meier, Horst, Das Strafrecht gegen die „Auschwitz-Lüge“, Merkur 1994, 1128. – Sonderrecht gegen Neonazis? Über Meinungsfreiheit und Konsensbedarf in Deutschland, Merkur 2010, 539. Meiklejohn, Alexander, Free Speech and its Relation to Self-Government (2001). Zitiert: „Meiklejohn, S. 1“. Meinecke, Friedrich, Weltbürgertum und Nationalstaat, hrsg. von Hans Herzfeld (7. Aufl. 1962). Zitiert: „Meinecke, S. 1“. Meliá, Manuel Cancio, Feind„strafrecht“?, ZStW 2005, 267. Merle, Roger/Vitu, André, Traité de droit criminel, Tome 1, Problèmes généraux de la science criminelle, Droit pénal général, (7. Aufl. 1997). Zitiert: „Merle/Vitu, S. 1“. – Traité de droit criminel. Droit pénal spécial par André Vitu (1. Aufl. 1982). Zitiert: „Vitu, Droit pénal spécial, S. 1“. Mill, John Stuart, Law of Libel and Liberty of the Press, in: Collected Works, Band XXI, hrsg. von John M. Robson und Stefan Collini (1996) S. 1. Zitiert: „Mill, Libel, S. 1“. – On Liberty and other essays, eingeleitet von John Gray (1998). Zitiert: „Mill, Liberty, S. 1“ und „Mill, Utilitarianism, S. 1“.
Literaturverzeichnis
275
Milton, John, Areopagitica: a speech of Mr. John Milton for the liberty of unlicensed printing to the Parliament of England, eingeleitet von James Russell Lowell (2006). Zitiert: „Milton, S. 1“. Minsker, Natasha L., „I have a dream-never forget“: When rhetoric becomes law, a comparison of the jurisprudence of race in Germany and the United States, Harv. Blackletter L. J. 1998, 113. Mitscherlich, Alexander und Margarete, Die Unfähigkeit zu trauern (1969). Zitiert: „Mitscherlich, S. 1“. Moles, Andrés, Autonomy, free speech and automatic behaviour, R. Publ. 2007, 53. Montesquieu, Charles Louis de Secondat, Baron de la Brède, Lettres persanes, édition de Laurent Versini (1995). Zitiert: „Montesquieu, Lettres I, S. 1“. – Vom Geist der Gesetze, Auswahl, Übersetzung und Einleitung von Kurt Weigand (2001). Zitiert: „Montesquieu, Geist, 1. Buch 1. Kap. (S. 1)“. Mookherjee, Monica, Permitting dishonour: culture, gender and freedom of expression, R. Publ. 2007, 29. Morange, Jean, La liberté d’expression (1993). Zitiert: „Morange, S. 1“. Mosse, George L., Die Geschichte des Rassismus in Europa (1990). Zitiert: „Mosse, S. 1“. Müller, Werner, Erinnerung an zwei deutsche Diktaturen, in: Hastedt, Heiner/Thies, Christian/Werz, Nikolaus (Hg.), Politik der Erinnerung (2000) S. 9. Zitiert: „Müller, in: Hastedt (Hg.), S. 1“. Müller-Dietz, Heinz, Aspekte und Konzepte der Strafrechtsbegrenzung, in: Festschrift für Rudolf Schmitt zum 70. Geburtstag (1992) S. 95. Zitiert: „MüllerDietz, Schmitt-FS, S. 1“. – Instrumentelle vs. Sozialethische Funktionen des Strafrechts – am Beispiel der Pönalisierung von Verhaltensweisen, in: Scholler, Heinrich/Philipps, Lothar (Hg.), Jenseits des Funktionalismus (1989) S. 95. Zitiert: „Müller-Dietz, in: Scholler/Phillips (Hg.), S. 1“. Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, hrsg. von Wolfgang Joecks und Klaus Miebach, Band 2/2 (§§ 80–184) (2005). Zitiert: „Bearbeiter, MK § 1, Rn. 1“. Nagel, Thomas, Moralischer Konflikt und politische Legitimität, in: Bürgergesellschaft, Recht und Demokratie, hrsg. von Bert van den Brink und Willem van Reijen (1995) S. 325. Zitiert: „Nagel, in: Brink/Reijen (Hg.), S. 1“. Neubauer, Caroline, Erinnern, Wiederholen, Durcharbeiten, Merkur 2007, 1078. Neugebauer, Wolfgang, Gab es einen schriftlichen Hitlerbefehl zur Judenvernichtung?, in: Bailer-Galanda, Brigitte/Benz, Wolfgang/Neugebauer, Wolfgang (Hg.), Die Auschwitzleugner (1996). S. 175. Zitiert: „Neugebauer, in: Bailer-Galanda/ Benz/Neugebauer (Hg.), S. 1“. Nietzsche, Friedrich, Der Antichrist, in: Kritische Studienausgabe, hrsg. von Giorgio Colli und Mazzino Montinari (2. Aufl. 1988) S. 165. Zitiert: „Nietzsche, S. 1“. Nomos Kommentar zum Strafgesetzbuch, hg. Von Urs Kindhäuser u. a. Band 1 (2. Aufl. 2005). Zitiert: „Bearbeiter, NK § 1, Rn. 1“.
276
Literaturverzeichnis
Nora, Pierre, Das Zeitalter des Gedenkens, in: Erinnerungsorte Frankreichs, hrsg. von Pierre Nora (2005) S. 543. Zitiert: „Nora, in: Nora (Hg.), S. 1“. – „Mémoire collective“, in: Le Goff, Jacques (Hg.), La nouvelle histoire, (1978) S. 400. Zitiert: „Nora, in: Le Goff (Hg.), S. 1“. – „Pour une histoire au seconde degré“, Le Débat (122) 2002, 24. Norrie, Alan, Thomas Hobbes and the Philosophy of Punishment, Law and Philosophy 1984, 299. Nozick, Robert, Anarchie, Staat, Utopia (2006). Zitiert: „Nozick, S. 1“. Olick, Jeffrey K./Levy, Daniel, Collective Memory and Cultural Constraint: Holocaust Myth and Rationality in German Politics, Americ. Soc. Rev. 1997, 921. Olivecrona, Karl, The Term „Property“ in Locke’s Two Treatises of Government, ARSP 1975, 109. Olszewski, Marek, Czy utrzymac´ poje˛cie społecznego niebezpieczen´stwa w prawie karnym? PiP 1958, 425. O’Rourke, Kevin C., John Stuart Mill and freedom of expression: the genesis of a theory (2001). Zitiert: „O’Rourke, S. 1“. Osiel, Mark J., Ever again: Legal Remembrance of Administrative Massacre, UP L. Rev. 1995, 463. – Mass Atrocity, Collective Memory, and the Law (1997). Zitiert: „Osiel, S. 1“. Ostendorf, Heribert, Im Streit: Die strafrechtliche Verfolgung der „Auschwitzlüge“, NJW 1985, 1062. Ottmann, Henning, Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770–1831) in: Maier, Hans, Denzer, Horst (Hg.), Klassiker des politischen Denkens. Band 2: Von Locke bis Max Weber (2001) S. 131. Zitiert: „Ottmann, in: Maier/Denzer (Hg.), S. 1“. Palazzo, Guido, Demokratisierung der Erinnerung, in: Lotz, Christian/Wolf, Thomas R./Zimmerli, Walther Ch. (Hg.), Erinnerung (2004) S. 181. Zitiert: „Palazzo, in: Lotz (Hg.), S. 1“. Papageorgiou, Konstantinos, Schaden und Strafe (1994). Zitiert: „Papageorgiou, S. 1“. Parsons, Talcott, Commentary on Clark, in: Effrat, Andrew (Hg.), Perspectives in Political Sociology (1973) S. 299. Zitiert: „Parsons, in: Effrat (Hg.), S. 1“. – The Structure of Social Action Vol. 1 (1968). Zitiert: „Parsons, Structure, S. 1“. Partsch, Karl Josef, Neue Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassen- und Fremdenhass. Bessere Durchführung der internationalen Verpflichtungen Deutschlands, EuGRZ 1994, 429. Paugam, Serge, Le lien social (2008). Zitiert: „Paugam, S. 1“. Pawlik, Michael, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug (1999). Zitiert: „Pawlik, Verhalten, S. 1“. – Der strafrechtliche Schutz des Heiligen, in: Isensee, Josef (Hg.), Religionsbeschimpfung. Der rechtliche Schutz des Heiligen (2007) S. 31. Zitiert: „Pawlik, in: Isensee (Hg.), S. 1“.
Literaturverzeichnis
277
– Kants Volk von Teufeln und sein Staat, JRE 2006, 271. – „Selbstgesetzgebung der Regierten“. Glanz und Elend einer Legitimationsfigur, ARSP-Beiheft Nr. 93, 115. – Strafrechtswissenschaftstheorie, in: Festschrift für Günther Jakobs zum 70. Geburtstag (2007) S. 469. Zitiert: „Pawlik, Jabobs-FS, S. 1“. Peonidis, Filimon, A Note on Mill’s Early Theory of Free Speech, Austl. J. Leg. Phil. 2008, 60. Persˇak, Nina, Criminalising Harmful Conduct. The Harm Principle, its Limits and Continental Counterparts (Diss. Cambridge 2007). Zitiert: „Persˇak, S. 1“. Petersen, Jens, Wilhelm von Humboldt’s Rechtsphilosophie (2. Aufl. 2007). Zitiert: „Petersen, S. 1“. Pfordten, Dietmar von der, Rechtsethik, (2001). Zitiert: „von der Pfordten, S. 1“. Piontkowski, A. A., Podstawowe zagadnienia radzieckiego prawa karnego w okresie rozwinie˛tej budowy społeczen´stwa komunistycznego, PiP 1963, 233. Plebanek, Ewa, Materialne okres´lenie przeste˛pstwa (2009). Zitiert: „Plebanek, S. 1“. Pollok, Konstantin, „Wider das Vergessen“ Umwege über Locke und Wittgenstein zum politischen Begriff der Erinnerung, in: Lotz, Christian/Wolf, Thomas R./ Zimmerli, Walther Ch. (Hg.), Erinnerung (2004) S. 161. Zitiert: „Pollok, in: Lotz (Hg.), S. 1“. Poncela, Pierrette, Livre I du nouveau code pénal, Rev. sc. crim. 1993, 455. Popper, Karl R., Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, Band 2, Falsche Propheten: Hegel, Marx und die Folgen (2003). Zitiert: „Popper, S. 1“. Post, Robert C., The Constitutional Concept of Public Discourse: Outrageous Opinion, Democratic Deliberation and Hustler Magazine v. Falwell, Harv. L. Rev. 1990, 601. Pradel, Jean, Droit pénal général (17. Aufl. 2008/2009). Zitiert: „Pradel, S. 1“. Pressac, Jean-Claude, The deficiencies and inconsistencies of „The Leuchter Report“, in: Shapiro, Shelley (Hg.), Truth Prevails (1990) S. 31. Zitiert: „Pressac, in: Shapiro (Hg.), S. 1“. Quine, Willard van Orman, Speaking of Objects. Ontological Relativity and Other Essays (1969). Zitiert: „Quine, S. 1“. Racine, Jean-Baptiste, Le génocide des Arméniens. Origine et permanence du crime contre l’humanité (2006). Zitiert: „Racine, S. 1“. Rackow, Peter, Was ist Verharmlosen? Überlegungen zu § 130 Abs. 3 StGB, ZIS (5) 2010, 366. Ranki, Vera, Holocaust History and the Law: Recent Trials Emerging Theories, Card. St. L. L. (1) 1997, 15. Ratajczak, Aleksander, Zarys Wykładu Prawa Karnego (2002). Zitiert: „Ratajczak, S. 1“. Rau, Zbigniew, Contractarianism versus holism: reinterpreting Locke’s Two Treatises of Government (1995). Zitiert: „Rau, S. 1“.
278
Literaturverzeichnis
Rawls, John, Eine Theorie der Gerechtigkeit, übersetzt von Hermann Vetter (1975). Zitiert: „Rawls, S. 1“. – Justice as Fairness: Political not Metaphysical, Philosophy & Public Affairs (3) 1985, 223. – The Idea of an Overlapping Consensus, Oxf. J. Leg. St. 1987, 1. Raz, Joseph, Free Expression and Personal Identification, Oxf. J. Leg. St. 1991, 303. – Rights and Individual Well-Being, Ratio Juris (2) 1992, 127. – The Morality of Freedom (1986). Zitiert: „Raz, S. 1“. Rebérioux, Madeleine, Les Arméniens, le juge et l’historien, L’histoire (192) 1995, 98. – Le génocide, le juge et l’historien, L’histoire (138) 1990, 92. Reese-Schäfer, Walter, Was ist Kommunitarismus? (1995). Zitiert: „Reese-Schäfer, S. 1“. Reichel, Peter, Vergangenheitsbewältigung in Deutschland. Die Auseinandersetzung mit der NS-Diktatur in Politik und Justiz (2001). Zitiert: „Reichel, S. 1“. Rejman, Genowefa, Kodeks Karny, Cze˛s´c´ ogólna. Komentarz (1999). Zitiert: „Bearbeiter, Rejman-Kommentar Art. 1, Rn. 1“. – Zasady Kodeksu Karnego z 1997 roku, Stud. Iur. (38) 2000, 133. – Zbrodnie komunistyczne w koncepcji polskiego prawa karnego, (1) WPP 2006, 3. Rémond, René, Pourquoi abroger les lois mémorielles? Regards Nr. 325 2006, 17. Renan, Ernest, Was ist eine Nation? Und andere politische Schriften. Eingeleitet von Walter Euchner (1995). Zitiert: „Renan, S. 1“. Rinderle, Peter, John Stuart Mill, Über die Freiheit (1859), in: Manfred Brocker (Hg.), Geschichte des politischen Denkens (2007) S. 435. Zitiert: „Rinderle, in: Brocker (Hg.), S. 1“. Ripstein, Arthur, Beyond the Harm Principle, Philosophy & Public Affairs 2006, 215. Robert, Jacques, L’histoire, la repentance et la loi, RDP 2006, 279. Robert, Jacques-Henri, Droit pénal général (6. Aufl. 2005). Zitiert: „Robert J.-H., S. 1“. – Infractions relevant du droit de l’environnement et de l’urbanisme, Rev. sc. crim. 1999, 327. – Infractions relevant du droit de l’environnement et de l’urbanisme, Rev. sc. crim. 2001, 811. – L’histoire des éléments de l’infraction, Rev. sc. crim. 1977, 269. Roellecke, Gerd, Brauchen wir ein neues Grundgesetz?, NJW 1991, 2441.
Literaturverzeichnis
279
– „Die Entscheidung über Krieg und Feind“ (45–54), Tötungs- und Todesbereitschaft, in: Mehring, Reinhard (Hg.), Carl Schmitt – Der Begriff des Politischen. Ein kooperativer Kommentar (2003) S. 93. Zitiert: „Roellecke, in: Mehring (Hg.), S. 1“. Roets, Damien, Epilogue européen dans l’affaire Garaudy: les droits de l’homme à l’épreuve du négationnisme, Anm. zu EGMR, Urteil v. 24.6.2003 D. 2004 (J.), 240. Röhl, Klaus F., Über außervertragliche Voraussetzungen des Vertrages, in: Festschrift für Helmut Schelsky zum 65. Geburtstag (1978) S. 435. Zitiert: „Röhl, Schelsky-FS, S. 1“. Rolland, Patrice, Anm. zu EGMR, Urt. v. 23.9.1998, D. 1999 (J.), 223. Rome, Félix, Retour sur les lois mémorielles, D. 2007, 489. Rorty, Richard, Der bürgerliche Liberalismus postmoderner Prägung, in: Bürgergesellschaft, Recht und Demokratie, hrsg. von Bert van den Brink und Willem van Reijen (1995) S. 141. Zitiert: „Rorty, in: Brink/Reijen (Hg.), S. 1“. Rosenfeld, Michel, Hate Speech in constitutional jurisprudence: a comparative analysis, Card. L. Rev. 2002–03, 1523. – La philosophie de la liberté d’expression en Amérique. La liberté d’expression en théorie et en pratique, in: L’architecture du droit – Mélanges en l’honneur du Professeur Michel Troper (2006) S. 883. Zitiert: „Rosenfeld, Troper-FS, S. 1“. Roumelian, Olivier, La faute de l’historien, PA Nr. 117 1995, 27. Rousseau, Jean-Jacques, Du contrat social ou principes du droit politique, introduit par Gérard Mairet (1996). Zitiert: „Rousseau, Contrat, Livre I Chap. I (S. 1)“. – Vom Gesellschaftsvertrag oder Grundsätze des Staatsrechts, hrsg. von Hans Brockard 1977. Zitiert: „Rousseau, Gesellschaftsvertrag, Erster Teil Kap. 1 (S. 1)“. Rousso, Henry, Les racines du négationnisme en France, Cités 2008, 51. – Le syndrome de Vichy (1987). Zitiert: „Rousso, S. 1“. – The Political and Cultural Roots of Negationism in France, South Centr. Rev. 2006, 67. Roxin, Claus, Strafrecht, Allgemeiner Teil, Band I (4. Aufl. 2006). Zitiert: „Roxin, AT I § 1, Rn. 1“. – Was darf der Staat unter Strafe stellen? Zur Legitimation von Strafdrohungen, in: Studi in onore di Giorgio Marinucci, Bd. 1, Teorie del diritto penale, criminologie e politica criminale (2006) S. 715. Zitiert: „Roxin, Marinucci-FS, S. 1“. Rudolphi, Hans-Joachim, Die verschiedenen Aspekte des Rechtsgutsbegriffs, in: Festschrift für Richard M. Honig zum 80. Geburtstag (1970) S. 151. Zitiert: „Rudolphi, in: Honig-FS, S. 1“. Rühl, Ulli, „Öffentliche Ordnung“ als sonderrechtlicher Verbotstatbestand gegen Neonazis im Versammlungsrecht?, NVwZ 2003, 531.
280
Literaturverzeichnis
Rupnow, Dirk, Vernichten und Erinnern. Spuren nationalsozialistischer Gedächtnispolitik (2005). Zitiert: „Rupnow, S. 1“. Rüsen, Jörn, Holocaust, Erinnerung, Identität, in: Welzer, Harald (Hg.) Das soziale Gedächtnis (2001) S. 243. Zitiert: „Rüsen, in: Welzer (Hg.), S. 1“. Sadurski, Wojciech, Joseph Raz on Liberal Neutrality and the Harm Principle, Oxf. J. Leg. St. 1990, 122. – On „Seeing Speech Through an Equality Lens“: A Critique of Egalitarian Arguments for Suppression of Hate Speech and Pornography, Oxf. J. Leg. St. 1996, 713. – Prawo do wolnos´ci słowa w pan´stwie demokratycznym (Zagadnienia teoretyczne), PiP (10) 1992, 3. Saliger, Frank, Kann und soll das Recht die Lüge verbieten?, in: Depenheuer, Otto (Hg.), Recht und Lüge (2005). Zitiert: „Saliger, in: Depenheuer (Hg.), S. 1“. Sambale, Anica, Die Verjährungsdiskussion im Deutschen Bundestag. Ein Beitrag zur juristischen Vergangenheitsbewältigung (Diss. Halle 2001). Zitiert: „Sambale, S. 1“. Sandel, Michael J., Liberalism and the Limits of Justice (2. Aufl. 1998). Zitiert: „Sandel, S. 1“. Sartre, Jean-Paul, Réflexions sur la question juive (1954). Zitiert: „Sartre, S. 1“. Satzger, Helmut, Internationales und Europäisches Strafrecht (3. Aufl. 2009). Zitiert: „Satzger, S. 1 Rn. 1“. Satzger, Helmut/Schmitt, Bertram/Widmaier, Gunter (Hg.), Strafgesetzbuch. Kommentar (1. Aufl. 2009). Zitiert: „Bearbeiter, SSW-StGB § 1, Rn. 1“. Savelsberg, Joachim J./King, Ryan D., Law and Collective Memory, Annu. Rev. L. Soc. Sci. 2007, 189. Schabas, William A., Sentencing by international tribunals. A human rights approach, Duke J. Comp. & Int’l L. 1996, 461. Schaub, Jörg, Gerechtigkeit als Versöhnung. John Rawls’ politischer Liberalismus (2009). Zitiert: „Schaub, S. 1“. Schauer, Frederick, Slippery Slopes, Harv. L. Rev. 1985, 361. – The Boundaries of the First Amendment: A Preliminary Exploration of Constitutional Salience, Harv. L. Rev. 2004, 1765. – The Role of the People in First Amendment Theory, Cal. L. Rev. 1986, 761. Schlink, Bernhard, Die Bewältigung von Vergangenheit durch Recht, in: Vergangenheitsbewältigung am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts, hrsg. von Helmut König, Michael Kohlstruck und Andreas Wöll (1998) S. 433. Zitiert: „Schlink, in: König, H. (Hg.), S. 1“. Schmidhäuser, Eberhard, Gesinnungsethik und Gesinnungsstrafrecht, in: Festschrift für Wilhelm Gallas zum 70. Geburtstag (1973) S. 81. Zitiert: „Schmidhäuser, Gallas-FS, S. 1“. – Strafrecht Allgemeiner Teil (1982). Zitiert: „Schmidhäuser, S. 1“.
Literaturverzeichnis
281
Schmude, Jürgen, Aufgaben und Grenzen des Strafrechts im Kampf gegen Neonazismus, RuP 1981, 153. Schoettl, Jean-Eric, „Loi, histoire et déclassement“, PA Nr. 34 2006, 3. Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, begr. von Adolf Schönke, fortgef. von Horst Schröder, bearb. von Theodor Lenckner u. a. (27. Aufl. 2006). Zitiert: „Bearbeiter, S/S § 1, Rn. 1“. Schottky, Richard, Untersuchungen zur Geschichte der staatsphilosophischen Vertragstheorie im 17. und 18. Jahrhundert. Hobbes – Locke – Rousseau – Fichte (1995). Zitiert: „Schottky, S. 1“. Schroeder, Friedrich-Christian, Die Straftaten gegen das Strafrecht (1985). Zitiert: „Schroeder, S. 1“. – Probleme der Staatsverunglimpfung, JR 1979, 89. Schubert, Claudia, Verbotene Worte? Versuch einer Neubestimmung im Umgang mit rassistischen Äußerungen jenseits des Strafrechts (Diss. Mainz 2004). Zitiert: „Schubert, S. 1“. Schünemann, Bernd, Das Rechtsgüterschutzprinzip als Fluchtpunkt der verfassungsrechtlichen Grenzen der Straftatbestände und ihrer Interpretation, in: Die Rechtsgutstheorie, hrsg. von Roland Hefendehl/Andrew von Hirsch/Wolfgang Wohlers (2003) S. 133. Zitiert: „Schünemann, in: Hefendehl (Hg.), S. 1“. – Kommentar zur Abhandlung von Luís Greco, GA 2007, 644. Schwartz, Louis B., Moral Offenses and the Model Penal Code, Colum. L. Rev. 1963, 669. Seelmann, Kurt, Anerkennungsverlust und Selbstsubsumtion. Hegels Straftheorien (1995). Zitiert: „Seelmann, S. 1“. Shermer, Michael, Grobman, Alex, Denying History. Who says the Holocaust never happened and why do they say it? (2000). Zitiert: „Shermer/Grobman, S. 1“. Shoemaker, David W., „Dirty Words“ and the Offense Principle, Law and Philosophy 2000, 548. Sieber, Ulrich, Die Bekämpfung von Hass im Internet, ZRP 2001, 97. Sieber, Ulrich/Cornils, Karin (Hg.), Nationales Strafrecht in rechtsvergleichender Darstellung, Teilband 2 und 3 (2008). Zitiert: „Autor, in: Sieber/Cornils (Hg.) Bd. 1, S. 1“. Simester, A. P./Sullivan, G. R., Criminal Law, Theory and Doctrine (2000). Zitiert: „Simester/Sullivan, S. 1“. Simmons, John A., Locke and the Right to punish, Philosophy and Public Affairs 1991, 311. Sina, Peter, Die Dogmengeschichte des strafrechtlichen Begriffs „Rechtsgut“ (Diss. Erlangen-Nürnberg 1962). Zitiert: „Sina, S. 1“. Smiddy, Linda O., An essay on Professor Fronza’s paper: should Holocaust denial be criminalized?, Vt. L. Rev. 2005, 645.
282
Literaturverzeichnis
Smith, Anthony, National Identity (1991). Zitiert: „Smith, S. 1“. Smith, Bradley F./Peterson, Agnes F. (Hg.), Heinrich Himmler. Geheimreden 1933–1945 (1974). Zitiert: „Smith/Peterson (Hg.), S. 1“. Smith, Tom W., The Holocaust Denial Controversy, Publ. Op. Quart. 1995, 269. Spinoza, Baruch de, Der theologisch-politische Traktat (1967). Zitiert: „Spinoza, S. 1“. Sprenger, Gerhard, Von der Wahrheit zum Wert. Gedanken zu Recht und Gerechtigkeit (2009). Zitiert: „Sprenger, S. 1“. Stadnicki, Tomasz, Funkcja S´ledcza Instytutu Pamie˛ci Narodowej – Komisji S´cigania Zbrodni przeciwko Narodowi Polskiemu, PiPr. (9) 2006, 102. Stegbauer, Andreas, Der Straftatbestand gegen die Auschwitzleugnung – eine Zwischenbilanz, NStZ 2000, 281. – Rechtsextremistische Propaganda im Lichte des Strafrechts (Diss. München 2000). Zitiert: „Stegbauer, S. 1“. Stein, Eric, History against Free Speech: The New German Law against the „Auschwitz“: And Other „Lies“, Mich. L. Rev. (85) 1986, 277. Steinbach, Peter, Die Vergegenwärtigung von Vergangenem. Zum Spannungsverhältnis zwischen individueller Erinnerung und öffentlichem Gedenken, APuZ Nr. 3–4 1997, 3. Stephen, James Fitzjames, Liberty, equality, fraternity (1991). Zitiert: „Stephen, S. 1“. Stern, Fritz, The varieties of history (1973). Zitiert: „Stern, F., S. 1“. Stern, Kenneth, Holocaust Denial (1993). Zitiert: „Stern, K., S. 1“. Sternberg-Lieben, Detlev, Rechtsgut, Verhältnismäßigkeit und die Freiheit des Strafgesetzgebers, in: Die Rechtsgutstheorie, hrsg. von Roland Hefendehl/Andrew von Hirsch/Wolfgang Wohlers (2003) S. 65. Zitiert: „Sternberg-Lieben, in: Hefendehl (Hg.), S. 1“. Stewart, Hamish, The Limits of the Harm Principle, Crim. L. & Philosophy 2010, 384. Stratenwerth, Günther, Kriminalisierung bei Delikten gegen Kollektivrechtsgüter, in: Die Rechtsgutstheorie, hrsg. von Roland Hefendehl/Andrew von Hirsch/Wolfgang Wohlers (2003) S. 255. Zitiert: „Stratenwerth, in: Hefendehl (Hg.), S. 1“. – Zum Begriff des „Rechtsgutes“, in: Festschrift für Theodor Lenckner (1998) S. 377. Zitiert: „Stratenwerth, Lenckner-FS, S. 1“. Strauss, Leo, Hobbes politische Wissenschaft (1965). Zitiert: „Strauss, S. 1“. Streng, Franz, Anmerkung zu BGH, Urteil v. 6.4.2000 – 1StR 502/99 (LG Mannheim), JZ 2001, 205. Strossen, Nadine, Why the American Civil Liberties Union opposes campus hate speech codes, Academic Questions 1997, 33. Stübinger, Stephan, Das idealisierte Strafrecht (2008). Zitiert: „Stübinger, S. 1“.
Literaturverzeichnis
283
Sunstein, Cass R., Why societies need dissent (2003). Zitiert: „Sunstein, S. 1“. Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, hg. von Hans-Joachim Rudolphi u. a., Band 2 (§§ 80–200, Stand: Oktober 2005). Zitiert: „Bearbeiter, SK § 1, Rn. 1“. Szeleszczuk, Damian, Juliusza Makarewicza wizja prawa karnego, in: Grzes´kowiak, Alicja, Prawo Karne w pogla˛dach Profesora Juliusza Makarewicza (2005) S. 119. Zitiert: „Szeleszczuk, in: Grzes´kowiak (Hg.), Makarewicz, S. 1“. Taylor, Charles, Aneinander vorbei: Die Debatte zwischen Liberalimus und Kommunitarismus, in: Honneth, Axel (Hg.), Kommunitarismus (1995) S. 103. Zitiert: „Taylor, in: Honneth (Hg.), S. 1“. – Atomismus, in: Bürgergesellschaft, Recht und Demokratie, hrsg. von Bert van den Brink und Willem van Reijen (1995) S. 73. Zitiert: „Taylor, in: Brink/Reijen (Hg.), S. 1“. – Negative Freiheit? (1988). Zitiert: „Taylor, Freiheit, S. 1“. – Quellen des Selbst (1996). Zitiert: „Taylor, Quellen, S. 1“. – Wieviel Gemeinschaft braucht die Demokratie? Zitiert: „Taylor, Gemeinschaft, S. 1“. Teachout, Peter, Making „Holocaust Denial“ a crime: Reflections on European antinegationist laws from the perspective of U.S. constitutional practice, Vt. L. Rev. 2005, 655. Ternon, Yves, Du négationnisme: mémoire et tabou (1999). Zitiert: „Ternon, S. 1“. Thiel, Markus, Zur Einführung: Die „wehrhafte Demokratie“ als verfassungsrechtliche Grundentscheidung in: Thiel, Markus (Hg.), Wehrhafte Demokratie (2003) S. 1. Zitiert: „Thiel, in: Thiel (Hg.), S. 1“. Thomas, Yan, La vérite, le temps, le juge et l’historien, Le Débat (102) 1998, 17. Tiedemann, Klaus, Tatbestandsfunktionen im Nebenstrafrecht (1969). Zitiert: „Tiedemann, K., S. 1“. Tiedemann, Markus, „In Auschwitz wurde niemand vergast“. 60 rechtsradikale Lügen und wie man sie widerlegt (1998). Zitiert: „Tiedemann, M., S. 1“. Tillmanns, Reiner, Wehrhaftigkeit durch Werthaftigkeit – der ethische Grundkonsens als Existenzvoraussetzung des freiheitlichen Staates, in: Thiel, Markus (Hg.), Wehrhafte Demokratie (2003) S. 25. Zitiert: „Tillmanns, in: Thiel (Hg.), S. 1“. Todorov, Tzvetan, Les abus de la mémoire (1995). Zitiert: „Todorov, S. 1“. Tönnies, Ferdinand, Gemeinschaft und Gesellschaft (3. Auflage 1972). Zitiert: „Tönnies, S. 1“. Triffterer, Otto, Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court (2. Aufl. 2008). Zitiert: „Bearbeiter, Triffterer-Kommentar Art. 1, Rn. 1“. Tröndle/Fischer, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, erläutert von Thomas Fischer (57. Aufl. 2010). Zitiert: Fischer, T/F § 1, Rn. 1“. Troper, Michel, La loi Gayssot et la Constitution, AHSS 1999, 1239.
284
Literaturverzeichnis
Tsesis, Alexander, Destructive Messages (2002). Zitiert: „Tsesis, S. 1“. Tyrell, Hartmann, Émile Durkheim – das Dilemma der organischen Solidarität in: Luhmann, Niklas (Hg.), Soziale Differenzierung (1985) S. 181. Zitiert: „Tyrell, in: Luhmann (Hg.), S. 1“. Uhle, Arnd, Freiheitlicher Verfassungsstaat und kulturelle Identität (2004). Zitiert: „Uhle, S. 1“. Vidal-Naquet, Pierre, Les assassins de la mémoire. „Un Eichmann de papier“ et autres essais sur le révisionnisme, hrsg. von Gisèle Sapiro (2005). Zitiert: „VidalNaquet, S. 1“. Vincent-Legoux, Marie Caroline, L’ordre public. Etude de droit comparé interne (Diss. Dijon 2001). Zitiert: „Vincent-Legoux, S. 1“. Visconti, Costantino, Aspetti penalistici del discorso pubblico (2008). Zitiert: „Visconti, S. 1“. Vittinghoff, Friedrich, Der Staatsfeind in der römischen Kaiserzeit. Untersuchungen zur „damnatio memoriae“ (1936). Zitiert: „Vittinghoff, S. 1“. Vivant, Carole, L’historien saisi par le droit. Contribution à l’étude des droits de l’histoire (Diss. Montpellier 2007). Zitiert: „Vivant, S. 1“. Vogel, Joachim, Elemente der Straftat: Bemerkungen zur französischen Straftatlehre und zur Straftatlehre des common law, GA 1998, 127. Vogelgesang, Klaus, Die Neuregelung zur sog. „Auschwitz-Lüge“ – Beitrag zur Bewältigung der Vergangenheit oder „widerliche Aufrechnung“?, NJW 1985, 2386. Vogliotti, Massimo, Mutations dans le champ pénal contemporain. Vers un droit pénal en réseau?, Rev. sc. crim. 2002, 721 (734). Vogt, Hannah (Hg.), Nationalismus gestern und heute (1967). Zitiert: „Vogt (Hg.), S. 1“. Volkmann, Uwe, Die Geistesfreiheit und der Ungeist – Der Wunsiedel-Beschluss des BVerfG NJW 2010, 417. – Kulturelles Selbstverständnis als Tabuzone für das Recht, ARSP Beiheft Nr. 113, 245. Vorländer, Hans, Dritter Weg und Kommunitarismus, APuZ Nr. 16–17 2001, 16. Wachsmann, Patrick, Liberté d’expression et négationnisme, RTDH 2001, 585. Wagner, Hans, Kant „gegen ein vermeintes Recht aus Menschenliebe zu lügen“, Kant-Studien (1) 1978, 90. Waldron, Jeremy, Theoretische Grundlagen des Liberalismus, in: Bürgergesellschaft, Recht und Demokratie, hrsg. von Bert van den Brink/Willem van Reijen (1995) S. 107. Zitiert: „Waldron, in: Brink/Reijen (Hg.), S. 1“. Walter, Tonio, § 298 StGB und die Lehre von den Deliktstypen, GA 2001, 131. – Der Kern des Strafrechts (2006). Zitiert: „Walter, T., Kern, S. 1“. – Kleine Stilkunde für Juristen (2. Aufl. 2009). Zitiert: „Walter, T., Stilkunde, S. 1“.
Literaturverzeichnis
285
Walzer, Michael, On Toleration (1997). Zitiert: „Walzer, Toleration, S. 1“. – Sphären der Gerechtigkeit (2006). Zitiert: „Walzer, Sphären, S. 1“. Wandres, Thomas, Die Strafbarkeit des Auschwitzleugnens (Diss. Regensburg 1999). Zitiert: „Wandres, S. 1“. Warnock, Mary, The limits of toleration, in: Mendus, Susan/Edwards, David (Hg.), On Toleration (1987) S. 125. Zitiert: „Warnock, in: Mendus (Hg.), S. 1“. Warylewski, Jarosław, Społeczna szkodliwos´c´ czynu w nowym kodeksie karnym – próba okres´lenia, PS (7–8) 1998, 3 ff. Wa˛sowicz, Marek, Kara w polskiej mys´li prawniczej XIX, Czasopismo prawno historyczne (1) 1987, 74. – Nurt socjologiczny w polskiej mys´li prawnokarnej (Diss. Warschau 1989). Zitiert: „Wa˛sowicz, S. 1“. Weber, Max, Wirtschaft und Gesellschaft, besorgt von Johannes Winckelmann (5. Aufl. 1980). Zitiert: „Weber, S. 1“. Weber, Sebastian, Strafbarkeit der Holocaustleugnung in der Europäischen Union, ZRP 2008, 21. Wehinger, Markus, Kollektivbeleidigung – Volksverhetzung. Der strafrechtliche Schutz von Bevölkerungsgruppen durch die §§ 185 ff. und § 130 StGB (Diss. Tübingen 1993). Zitiert: „Wehinger, S. 1“. Wehler, Hans Ulrich, Nationalismus und Nation in der deutschen Geschichte in: Berding, Helmut (Hg.) Nationales Bewusstsein und kollektive Identität (1994) S. 163. Zitiert: „Wehler, in: Berding (Hg.), S. 1“. Weigend, Ewa/Zoll, Andrzej, Polen, in: Strafrecht in Reaktion auf Systemunrecht, hrsg. von Albin Eser/Jörg Arnold (2002) S. 29. Zitiert: „Weigend/Zoll, in: Eser/ Arnold (Hg.), S. 1“. Weischedel, Wilhelm, Der Aufbruch der Freiheit zur Gemeinschaft. Studien zur Philosophie des jungen Fichte (1939). Zitiert: „Weischedel, S. 1“. Weiß, Harald, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, in: Sieber, Ulrich/Brüner, Franz-Hermann/Satzger, Helmut/v. Heintschel-Heinegg, Bernd (Hg.), Europäisches Strafrecht, 2011. Zitiert: „Weiß, in: Europäisches Strafrecht § 25, Rn. 1“. Weizsäcker, Richard von, Demokratische Leidenschaft. Reden des Bundespräsidenten. Hrsg. von Eberhard Jäckel (1994). Zitiert: „v. Weizsäcker, S. 1“. Wellers, Georges, Les chambres à gaz ont existé (1981). Zitiert: „Wellers, S. 1“. Wellman, Christopher Heath, Feinberg’s two concepts of rights, Legal Theory (3) 2005, 213. Welzel, Hans, Das deutsche Strafrecht. Eine systematische Darstellung (11. Auflage 1969). Zitiert: „Welzel, S. 1“. – Studien zum System des Strafrechts, ZStW 1939, 491. Werle, Gerhard/Wandres, Thomas, Auschwitz vor Gericht (1995). Zitiert: „Werle/ Wandres, S. 1“.
286
Literaturverzeichnis
Wetzel, Juliane, Die Leugnung des Genozids im internationalen Vergleich, in: Bailer-Galanda, Brigitte/Benz, Wolfgang/Neugebauer, Wolfgang (Hg.), Die Auschwitzleugner (1996). S. 52. Zitiert: „Wetzel, in: Bailer-Galanda/Benz/Neugebauer (Hg.), S. 1“. Wharton, Francis, Philosophy of Criminal Law (1880, reprint 1989). Zitiert: „Wharton, S. 1“. Whine, Michael, Expanding Holocaust Denial and Legislation Against it, in: Hare, Ivan/Weinstein, James (Hg.), Extreme Speech and Democracy (2008) S. 538. Zitiert: „Whine, in: Hare/Weinstein (Hg.), S. 1“. Wiesel, Elie, Ethik und Erinnerung (1997). Zitiert: „Wiesel, S. 1“. Wieviorka, Annette, L’abrogation des lois mémorielles est-elle une solution?, Regards Nr. 325 2006, 27. – La mémoire de la Shoah, Cah. fran. Nr. 303 2001, 83. Willmann, Christophe, Contribution judiciaire au débat sur la Mémoire, Arch. phil. droit 2006, 189. Wohlers, Wolfgang, Deliktstypen des Präventionsstrafrechts – zur Dogmatik „moderner“ Gefährdungsdelikte (2000). Zitiert: „Wohlers, S. 1“. – Die Tagung aus der Perspektive eines Rechtsgutsskeptikers, in: Die Rechtsgutstheorie, hrsg. von Roland Hefendehl, Andrew von Hirsch und Wolfgang Wohlers (2003) S. 281. Zitiert: „Wohlers, in: „Hefendehl (Hg.), S. 1“. – Rechtsgutstheorie und Deliktsstruktur, GA 2002, 15. – Strafrecht als ultima ratio – tragender Grundsatz eines rechtsstaatlichen Strafrechts oder Prinzip ohne eigenen Aussagegehalt? in: Mediating Principles, Begrenzungsprinzipien bei der Strafrechtsbegründung, hrsg. von Andrew von Hirsch, Kurt Seelmann und Wolfgang Wohlers (2006) S. 54. Zitiert: „Wohlers, in: von Hirsch (Hg.), S. 1“. Wojciechowski, Janusz, Kodeks karny, Komentarz (3. Aufl. 2002). Zitiert: „Wojciechowski, Kommentar, S. 1“. Wolf, Jean-Claude, Wie kommunitaristisch darf der Liberalismus sein?, ARSP Beiheft Nr. 76, 37. Wolffsohn, Michael, Von der äußerlichen zur verinnerlichten „Vergangenheitsbewältigung“. Gedanken und Fakten zu Erinnerungen, APuZ Nr. 3–4 1997, 14. Wolter, Władysław, Nauka o przeste˛pstwie (1973). Zitiert: „Wolter, S. 1“. Worms, Martin J., Die Bekenntnisbeschimpfung im Sinne des Paragraphen 166 Absatz 1 StGB und die Lehre vom Rechtsgut (Diss. Frankfurt 1984). Zitiert: „Worms, S. 1“. Wróblewski, Bronisław, Prawo karne a moralnos´c´, Gaz. Administracji i policji panstwowej 1927, 571. Zabel, Benno, Soll das Strafrecht Erinnerungen schützen? ZStW 2010, 834. Zaczyk, Rainer, Das Unrecht der versuchten Tat (1989). Zitiert: „Zaczyk, S. 1“.
Literaturverzeichnis
287
Zawłocki, Robert, Poje˛cie i funkcje społecznej szkodliwosci czynu w prawie karnym (2008). Zitiert: „Zawłocki, S. 1“. Zie˛ba-Załucka, Halina, Status prawny Instytutu Pamie˛ci Narodowej, PSejm. (5) 2005, 31. Zoll, Andrzej, Die strafrechtliche Aufarbeitung von staatlich gesteuertem Unrecht in Polen, ZStW 1995, 134. – Karalnos´c´ i Karygodnos´c´ czynu jako odre˛bne elementy struktury przeste˛pstwa in: Kaczmarek (Hg.), Sympozium Polsko-Niemieckie „Teoretyczne Problemy Odpowiedzalnos´c´i Karnej w Polskim oraz Niemieckim Prawie Karnym (1990) S. 101. Zitiert: „Zoll, Dt.-Poln. Symp, S. 1“. – Kodeks Karny, Cze˛s´c´ Ogólna, Komentarz, Tom 1 (Art. 1–116 k. k. (2. Aufl. 2004). Zitiert: „Bearbeiter, in: Zoll Kommentar, S. 1“. – Materialne okres´lenia przeste˛pstwa, PiPr. (2) 1997, 7. – Nazywac kłamstwo po imieniu, ZNAK Nr. 542 2000, 4. – O Normie Prawnej z Punktu Widzenja Prawa Karnego, Krak. Stud. Prawn. 1990, 67.
Materialien 1. Deutschland Entwurf eines Einundzwanzigsten Strafrechtsänderungsgesetzes (21. StrÄndG), eingebracht von der Abgeordneten Schmidt (et al.) und der Fraktion der SPD, BT-Drs. 9/2090. Zitiert: „BT-Drs. 9/2090, S. 1“. Entwurf eines Einundzwanzigsten Strafrechtsänderungsgesetzes (21. StrÄndG), eingebracht von der Abgeordneten Schmidt (et al.) und der Fraktion der SPD, BT-Drs. 10/891. Zitiert: „BT-Drs. 10/891, S. 1“. Entwurf eines Einundzwanzigsten Strafrechtsänderungsgesetzes, (21. StrÄndG), eingebracht von der Bundesregierung, BT-Drs. 10/1286. Zitiert: „BT-Drs. 10/1286, S. 1“. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses a) zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Einundzwanzigsten Strafrechtsänderungsgesetzes (21. StrÄndG) Drs. 10/1286 – b, und dem von den Abgeordneten Schmidt (et al.) und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Einundzwanzigsten Strafrechtsänderungsgesetzes (21. StrÄndG) – Drs. 10/891, BT-Drs. 10/3242. Zitiert: „BT-Drs. 10/3242, S. 1“. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Strafbarkeit der Leugnung des nationalsozialistischen Völkermordes, BT-Drs. 12/7421. Zitiert: „BT-Drs. 12/7421, S. 1“. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozessordnung und anderer Gesetze (Verbrechensbekämpfungsgesetz), BT-Drs. 12/6853. Zitiert: „BT-Drs. 12/6853, S. 1“.
288
Literaturverzeichnis
Bericht des Rechtsausschusses zu dem a) Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/ CSU und F.D.P – Drs. 12/6853 – b) Gesetzentwurf der Fraktion der SPD – Drs. 12/6784 –, c) Gesetzentwurf des Bundesrates Drs. 12/4825, BT-Drs. 12/8588. Zitiert: „BT-Drs. 12/8588, S. 1“. Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes, Entwurf des Bundesrates, BT-Drs. 12/4825. Zitiert: „BT-Drs. 12/4825, S. 1“. Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung und anderer Gesetze (Verbrechensbekämpfungsgesetz) – Drucksachen 12/6853, 12/7584, 12/7872, 12/7841, BT-Drs. 12/7837. Zitiert: „BT-Drs. 12/7837, S. 1“. Protokoll der 227. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 18.5.1994 S. 19605. Zitiert: „Redner, BT-Prot. 227. Sitzung, S. 1“. Protokoll der 229. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 20.5.1994 S. 19863. Zitiert: „Redner, BT-Prot. 229. Sitzung, S. 1“. Protokoll der 243. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 21.9.1994 S. 21543. Zitiert: „Redner, BT-Prot. 243. Sitzung, S. 1“. Protokoll der 120. Sitzung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages vom 5.4.1994. Zitiert: „RechtsA-Prot. 12/120, S. 1“. Protokoll der 127. Sitzung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages vom 18.4.1994. Zitiert: „RechtsA-Prot. 12/127, S. 1“. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sevim Dagdelen, Ulla Jelpke und der Fraktion DIE LINKE – Drucksache 16/4401, Bekämpfung von Rassismus in der EU unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft vom 15.3.2007. Zitiert: „BT-Drs. 16/4689 S. 1“. Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/913/JI des Rates vom 28. November 2008 zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit und zur Umsetzung des Zusatzprotokolls vom 28. Januar 2003 zum Übereinkommen des Europarats vom 23. November 2001 über Computerkriminalität betreffend die Kriminalisierung mittels Computersystemen begangener Handlungen rassistischer und fremdenfeindlicher Art v. 1.10.2010. Zitiert: „BT-Drs. 17/3124, S. 1“. 2. Frankreich Protokoll der ersten Lesung der „Loi Gayssot“ in der Assemblée Nationale, J. O. v. 3.5.1990 Nº 18 (2). A.N. (C. R.), S. 917. Zitiert: „Redner, J. O. v. 3.5.1990 (A. N.), S. 1“. Protokoll der zweiten Lesung der „Loi Gayssot“ in der Assemblée Nationale, J. O. v. 29.6.1990 Noº 52 A.N. (C. R.), S. 3123. Zitiert: „Redner, J. O. v. 29.6.1990 (A. N.) S. 1.“ Protokoll der Lesung der „Loi Gayssot“ im Sénat, J. O. v. 12.6.1990 Nº 37 S. (C. R.), S. 1450. Zitiert: „Redner, J. O. v. 12.6.1990 (S.), S. 1“.
Literaturverzeichnis
289
3. Polen Entwurf der Regierung über ein Gesetz zur Errichtung eines Institutes für nationales Gedenken, Druk (= Drucksache) Nr. 252. v. 14.3.1998. Zitiert: „Druk Nr. 252 v. 24.3.1998, S. 1“. Stellungnahme der Sonderkommission für Gesetzesentwürfe über die Öffnung von Archiven des ehemaligen Geheimdienstes, Druk Nr. 557 v. 23.7.1998. Zitiert: „Druk Nr. 557 v. 23.7.1998, S. 1“. Zusätzliche Stellungnahme der Sonderkommission für Gesetzesentwürfe über die Öffnung von Archiven des ehemaligen Geheimdienstes, Druk Nr. 557-a v. 11.9.1998. Zitiert: „Druk Nr. 557-a v. 11.9.1998, S. 1“. Änderungsvorschläge des Senates zum Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung eines Institutes für nationales Gedenken, Druk Nr. 125z v. 9.10.1998. Zitiert: „Druk Nr. 125z v. 9.10.1998, Nr. 1“. Stellungnahme des Senates zum Entwurf eines Gesetzes zur Errichung eines Institutes für nationales Gedenken, Druk Nr. 644 v. 12.10.1998. Zitiert: „Druk Nr. 644 v. 12.10.1998, S. 1“. Stellungnahme der Sonderkommission zur Stellungnahme des Senates, Druk Nr. 658 v. 22.10.1998. Zitiert: „Druk Nr. 658 v. 22.10.1998, S. 1“. Veto des polnischen Staatspräsidenten, Druk Nr. 770 v. 4.12.1998. Zitiert: „Druk Nr. 770 v. 4.12.1998, S. 1“. Stellungnahme der Sonderkommission zum Veto des Staatspräsidenten, Druk Nr. 782 v. 16.12.1998. Zitiert: „Druk Nr. 782 v. 16.12.1998, S. 1“. Protokoll der ersten Lesung des IPN-G im polnischen Parlament (Sejm) v. 2.4.1998, 15. Sitzung 2. Tag TOP 14. Zitiert: „Redner, Sejm-Prot. v. 2.4.98, 15. Sitzung 2. Tag, TOP 14“. Protokoll der zweiten Lesung des IPN-G im polnischen Parlament (Sejm) v. 9.9.1998, 27. Sitzung 1. Tag TOP 2. Zitiert: „Redner, Sejm-Prot. v. 9.9.1998, 27. Sitzung 1. Tag TOP 2“. Protokoll der dritten Lesung des IPN-G im polnischen Parlament (Sejm) v. 4.11.1998, 33. Sitzung 1. Tag TOP 4. Zitiert: „Redner, Sejm-Prot. v. 4.11.1998, 33. Sitzung 1. Tag TOP 4“. Protokoll über den Vorschlag einer Änderung des IPN-G im polnischen Parlament v. 20.1.2001, 43. Sitzung 1. Tag TOP 7. Zitiert: „Redner, Sejm-Prot. v. 20.1.2001, 43. Sitzung 1. Tag TOP 7“. 4. England Protokoll der Ersten Lesung des Gesetzes gegen Holocaustleugnung (Holocaust Denial Bill) v. 29.1.1997 im britischen Unterhaus, Bound Volume Hansard – Debate, Vol. 289, Column 369 ff. Zitiert: „Redner, H. C.-Prot. v. 29.1.1997, Column 1“.
Sachwortregister 1st Amendment 220–221, 225–226, 233–234 Abstammung 107–108, 110–111, 239 Aktion Reinhard 37 aliénation totale 169, 172 Amnestie 128, 264 Angriffsobjekt 136, 188, 215 Antisemitismus 24, 30, 43, 46, 57, 59, 62, 67, 75, 83, 95, 97, 99, 108, 117–118, 238–239, 250 Atomismus 155–156, 283 Aufklärung 65, 109–110, 148–149, 186, 221, 223, 252, 267 Aufmerksamkeitsargument 84, 140 Aufstachelungswahrscheinlichkeit 247 Auschwitz 30, 35, 38, 40, 46, 49–50, 54, 56, 70, 72, 74, 81, 113–116, 125, 127, 252, 257–259, 262, 268, 270, 274, 282–285 Ausnahmegesetzargument 82, 85 Barbie-Prozess 127 Bewusstseinszustand 96, 131, 133, 135–136, 210, 214, 249 BGH 21, 46–48, 53, 91, 246, 254–255, 268, 282 bien juridique 193 bien protégé 194 Billigung 35, 47, 56, 68, 243–244 BVerfG 21, 124, 129, 188, 222, 230–232, 235–236, 267, 284 cadre social 133, 249 Charta des Internationalen Militärgerichtshofs 240 clear and present danger 226, 235
common bond 156 Community 160, 253, 259 conscience collective 106, 144, 163, 179, 192, 196, 208 Corn-dealer-Beispiel 224–225 Critical Race Theory 79, 234 Cybercrime-Konvention 117 Dammbruchargument 64, 85 damnatio memoriae 39, 284 Der öffentliche Friede 87–91, 103 Die Ehre 92, 102 Diffamierung 56 Disintegration Thesis 207 Diskurs 30, 43, 51, 128, 136, 140, 142–143, 234, 245, 250, 264 dobro prawne 201, 203 doppelte Kontingenz 141–142 EGMR 23, 72, 75, 100, 230–232, 279 Eichmann-Prozess 114, 127 Eigenschaftsidentifikation 113 Einzelgedächtnis 131 EMRK 23, 75, 231–232, 235 Endlösung 36–37, 261, 274 Erinnerung 30–31, 36, 38–39, 43–46, 50, 55, 57–59, 61, 67, 71–72, 76, 79, 95–99, 101–105, 113–121, 123–124, 126–140, 143, 146–147, 181–183, 186, 214–220, 230, 234–236, 247, 249, 256, 264, 272–273, 275–277, 280, 282, 286 Erinnerungsgemeinschaft 111–113 Erinnerungsgesetze 41–44, 62–63, 65–66, 86, 149, 183, 220 Erinnerungskultur 30, 64, 68, 70, 111–119, 139, 253
Sachwortregister Erinnerungsstrafrecht 44, 143, 146–148, 251 Ethnizität 108, 271 EU-Rahmenbeschluss 31, 238, 247 Eule der Minerva 30 Ewigkeitsgarantie 121 Feindstrafrecht 169, 268 Forschungsfreiheit 59–60, 64, 67–68, 76, 81 Frankfurter Auschwitz-Prozesse 114, 127 Freiheit 9, 52, 123, 144, 150, 152, 157, 161–162, 168, 176–177, 212, 221, 223, 255, 257, 263, 266, 269, 278, 282–283, 285 Gedächtnis 71, 101, 114, 121–122, 130–133, 154, 253, 255–256, 259–260, 263, 269–270, 280 Gegenerinnerung 139 Gemeinrechtsgut 135–137, 214 Gemeinsame Maßnahme 238 Gemeinschaft 94–95, 105–107, 111, 118, 125, 130, 136, 145, 150, 152–154, 157, 159–162, 164, 166, 168–169, 173, 182, 196, 211, 219, 259, 261, 283, 285 Genozid 38, 63–64, 83, 97, 117, 242 Gesellschaft 30–31, 51, 62, 65, 73, 78, 83, 93, 97–99, 105–107, 117–119, 123, 132–133, 146, 150, 155–156, 158, 160, 163, 166–167, 170–172, 175–180, 182, 184, 190–198, 201, 203, 205, 209, 211, 213–215, 217, 222–223, 252, 259, 271, 274, 277, 283, 285 Gesellschaftsgefährlichkeit 195, 197–203, 205 Gesellschaftsschaden 171–172 Gesellschaftsschädlichkeit 73, 100, 170, 191, 195, 198–204, 216–217 Gesellschaftsvertrag 152, 155, 157, 169, 269, 279 Gewohnheiten des Herzens 111, 163
291
Glaubensgemeinschaft 109–110 Grundgesetz 23, 120–122, 186, 263, 274, 278 Grundkonsens 93, 106, 119, 121, 125, 149, 162, 176, 209, 283 Gründungskonsens 120 Gründungsmythos 49, 113, 125, 153 Gruppengedächtnis 131–132 Harm Principle 158, 193, 205–208, 210, 212, 214, 217–219, 250, 254, 259, 264, 266, 277–278, 280, 282 Harmonisierung 238, 242, 245 Hate Speech 77, 213, 222, 227, 233, 256, 265, 279–280 Historikerstreit 114 historische Wahrheit 66, 94, 101–102, 231 Holismus 151–152 Holocaust 29–30, 33–35, 40–41, 43, 46–50, 53, 55, 57–58, 63, 74, 76–77, 79–83, 86, 91, 94–97, 99, 101–103, 105, 112–119, 123–124, 127–128, 133–136, 138–140, 142, 146–147, 176, 181, 205, 214–215, 218, 227, 229–231, 234–235, 239–240, 242, 244, 247, 249, 253, 256–257, 259–260, 262, 266, 268–269, 271–274, 276–277, 280–283, 286, 289 Holocaustgedenktag 116 Holocaustleugner 34, 36, 39–41, 51, 53, 55–56, 63, 76, 79–80, 83–85, 95–97, 103, 115–116, 127–128, 140, 142, 204, 215, 229 Holocaustleugnung 10, 29–31, 33, 35, 39, 42, 44–57, 71–72, 74–75, 77–80, 82–86, 89–93, 95, 97, 101–105, 117–119, 124, 129, 133, 135–140, 142–144, 146–148, 168, 172–173, 176, 210, 214–215, 218, 220, 222–223, 226–227, 229–235, 237–238, 242, 249–251, 285, 289 humanistische Schule 195
292
Sachwortregister
ICERD-Konvention 53 Idee des Guten 121, 123, 146, 151, 155–156 Ideengeschichte 162, 191 Identität 90, 93, 105, 107, 115–116, 118, 125, 130, 132, 137, 143–146, 160, 213, 236, 249, 256, 263, 269–274, 280, 284–285 Identitätsstrafrecht 143–146, 166 imagined community 111 Individualismus 161 Individuum 123, 136, 152, 171, 176–178 Institute for Historical Review 40 Institute for Jewish Policy Research 78, 268 Instytut Pamiêci Narodowej 24, 70, 269 intérêt protégé 193–194 IStGH 24, 239, 243, 245–246 ius puniendi 165, 194
Legitimität 31, 64, 110, 130, 148, 176, 180, 211, 220, 275 Leugnung 33–34, 43, 47, 50–51, 53, 57–59, 64, 67–68, 74, 76–77, 82–83, 86, 90, 97, 101, 103, 115–118, 134, 147, 214, 229–230, 235, 239–241, 243–247, 255, 286–287 Leviathan 149, 152, 155, 157, 161, 164, 266, 269 Liberalismus 110, 123, 154, 211, 250, 261, 269, 279–280, 284, 286 lien social 97, 106, 146, 179, 276 Limitation 31, 171, 182, 195, 220 Loi Gayssot 42, 56–57, 60–68, 85–86, 95, 97–100, 254, 288 Loi Mékachéra 42, 44, 62–63 Loi Pleven 56–57 Loi Taubira 42 lois mémorielles 41–42, 62, 64, 261, 273–274, 278–279, 286 Londoner Abkommen 45, 240
Katyn´ 44, 60–61, 72, 80, 245 kłamstwo os´wie˛cimskie 70 klassische Schule 195 Kollektiv 155, 157, 160, 167, 169, 176–178 Kollektivbewusstsein 96, 106, 179–182, 192 kollektive Erinnerung 95, 97, 102–105, 121, 127, 129–133, 135–139, 146–147, 183, 214–219, 234–236, 249 kollektives Beschweigen 114 Kollektivismus 152, 157, 163 Kommunitaristen 31, 150, 154, 156, 163 kommunitaristisch 211, 286 Kriegsverbrecherprozesse 69 Kulturnation 108
Marketplace of Ideas 225, 227, 237, 250, 267 Marketplace-Modell 225 Märtyrerargument 63, 75, 78, 83 Meinungsfreiheit 31, 51, 61, 65, 68, 72, 74–75, 78–79, 85, 99–101, 129, 220–226, 230–237, 250–251, 262, 266–267, 270, 274 Mémoire 10, 39, 95–96, 99, 129, 253, 257, 264, 276, 286 mémoire collective 97, 131, 264 Menschenwürde 46–48, 67, 91–92, 99–100, 102–103, 134, 173, 246–247 Meta-Erzählung 250 Mnemozids 38–39 More-Speech-Approach 227
Legitimation 31, 53, 66, 94, 145, 179–181, 184, 217, 219–220, 262, 279
Nation 43, 59, 68, 71, 75–76, 102, 108–114, 116, 122, 131–132, 163, 168, 177, 198, 217, 255, 258, 261, 278, 285
Sachwortregister Negationismus 30, 33–36, 40, 53, 55–59, 61–67, 72–73, 79, 90, 95, 100, 102–103, 139, 215–216, 220, 229, 242, 248 NS-Gedankengut 49, 258 NS-Propaganda 80, 128, 234 NS-Verbrechen 114 Nürnberger Prozesse 127 öffentliche Ordnung 98, 125, 240 Opferkonkurrenz 82, 243, 247 ordre public 58, 98–99, 259, 284 overlapping consensus 163 pacta sunt servanda 155 Paradox der Toleranz 123 Patriotismus 110, 112, 162, 263, 273 political correctness 93, 147 Positivismus 188, 191, 195 Postmoderne 250–251, 255, 273 primordiale Codes 107, 111, 146 Rahmenbeschluss 9–10, 31, 62, 64, 238–240, 242–248 Rasse 107–109, 239 Rassismus 24, 31, 46, 55–58, 60, 62, 79, 95, 99, 108, 117, 145, 232, 238–239, 241, 250, 275, 285, 288 Rechtsgut 29–31, 86–93, 100–105, 131, 133, 135–137, 145, 147, 182–189, 194, 201, 203–204, 214–215, 219, 249, 251, 260–262, 265, 267, 273, 281–282, 286 Rechtsgutsdogma 185 Rechtsgutslehre 184, 186–190, 207, 215, 250, 265 Republikanismus 109–110 Revisionismus 33, 35–36, 60, 254 Schaden 54, 78, 158, 165, 167, 170–171, 174–175, 180, 201, 205–206, 208, 211–214, 217–218, 233, 235, 276
293
Scheinrechtsgut 90, 215 Schleier des Nichtwissens 153, 156 Schlussstrich 69 Schutzgut 30, 86–87, 94, 96, 98–100, 129–130, 147, 235, 268 sensus communis 163 Shoah 10, 115, 264, 267, 286 Sittlichkeit 177, 189, 254 Skokie 233 slippery slope 85 Solidarismus 196 Solidarität 70, 100, 108, 110, 119, 179, 181, 244, 284 Sonderbehandlung 37 Sozialismus 198 soziologische Schule 191, 196 Sprechakttheorie 234 Staatsgründung 150, 152–159, 169 Staatsnation 110 Strafrechtsdogmatik 30, 101, 103, 182, 184, 186–187, 189, 191–194, 198, 203–204, 214, 216 Strafrechtsphilosophie 164, 181 Strafrechtstheorie 126, 166, 169, 172–173, 177–181, 190, 195, 197–198, 203, 216 Straftheorien 126, 267, 281 Supreme Court 214, 224–227, 233–235 Tabu 101, 268 Totalitarismus 75, 81, 101 Totalitarismusargument 79 Truth Principle 222–226, 228, 235, 237 Truth-Principle 251 Tugendlehre 82, 110, 173–174 Übermaßargument 81, 140 Ultima-ratio 31, 76, 137–138, 143, 147 Ultima-ratio-Prinzip 137 unencumbered self 151
294
Sachwortregister
Unfehlbarkeitsargument 223, 228–229 Utilitarismus 162 Verbrechen gegen die Menschlichkeit 42 Verbrechensbegriff 183–184, 190–192, 195, 197–201, 205–207, 216, 219, 257 Verbrechensdefinition 165, 183–184, 191–193, 195, 199–201 Verfassungsrecht 120, 144, 182, 188, 193, 215, 220, 232, 235, 256, 270 Vergangenheit 30, 39, 41, 49–50, 58–59, 69, 77, 108, 111–112, 114, 118–121, 123–124, 126–127, 129–130, 132, 139, 154, 163, 238, 252–253, 262, 264, 274, 280, 284 Vergangenheitsbewältigung 127–128, 256, 266, 278, 280, 286
Vergessen 59, 96–97, 114, 124, 128, 134, 263, 277 Verharmlosung 58, 116, 241, 243–245 Vertragstheorien 157–158, 181 Vitalitätsargument 223, 229 Völkermord 77, 239, 245, 262 Walser-Bubis-Debatte 114, 118 wehrhafte Demokratie 122–124, 256, 283 Wertvorstellungen 93, 121, 180, 207, 209, 251 Widerstreit 141–142, 152, 272 Wissensargument 223, 226 zóon politikón 150 Zyklon B 82