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German Pages 131 [132] Year 1975
Rainer Stuhlmann-Laeisz Kants Logik
w DE
G
Quellen und Studien zur Philosophie Herausgegeben von Günther Pateig, Erhard Scheibe, Wolf gang Wieland
Band 9
Walter de Gruyter · Berlin · New York 1976
Kants Logik Eine Interpretation auf der Grundlage von Vorlesungen, veröffentlichten Werken und Nachlaß von Rainer Stuhlmann-Laeisz
Walter de Gruyter · Berlin · New York 1976
D 7 Göttinger philosophische Dissertation
CIP-Kurztitelaufnahme
der Deutschen
Bibliothek
Stuhlmann-Laeisz, Rainer Kants Logik: Eine Interpretation auf d. Grundlage von Vorlesungen, veröff. Werken u. Nachlaß. (Quellen und Studien zur Philosophie; Bd. 9) ISBN 3-11-005840-5
© 1975 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Gösdien'sche Verlagshandlung · J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung · Georg Reimer * Karl J. Trübner * Veit & Comp.» Berlin 30» Genthiner Straße 13. Printed in Germany Alle Rechte, insbesondere das der Obersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie, Xerokopie) zu vervielfältigen. Satz und Drude: Walter Pieper, Würzburg Einband: Wübben & Co., Berlin
Vorwort Die vorliegende Untersuchung ist die überarbeitete und erweiterte Fassung meiner Dissertation, die im Sommersemester 1972 von der Philosophischen Fakultät der Georg-August-Universität in Göttingen angenommen worden ist. In der jetzt vorgelegten Form wurde die Arbeit im März 1974 abgeschlossen. Professor G. Patzig, mein Lehrer, hat das Thema zu dieser Arbeit vorgeschlagen und ihre Entwicklung durch fortlaufende Gespräche gefördert. Ihm gebührt mein besonderer Dank. Professor E. Scheibe hat wichtige sachliche Verbesserungen für die Überarbeitung angeregt. Den Herausgebern der „Quellen und Studien zur Philosophie" danke ich für die Aufnahme meiner Arbeit in diese Reihe. Die Philosophische Fakultät der Georg-August-Universität, Göttingen, hat den Drude durch einen großzügigen Zuschuß unterstützt. Nicht zuletzt gilt mein Dank der Studienstiftung des deutschen Volkes, die mich während meines ganzen Studiums gefördert hat. Göttingen, August 1975 Rainer Stuhlmann-Laeisz
Inhaltsverzeichnis Vorwort
V
0. 0.1. 0.1.1. 0.1.2. 0.2.
Einleitung Das Thema Philologische Vorbemerkung Die Sachfragen Vorliegende Bearbeitungen
1 1 1 2 3
1. 1.1. 1.2.
Kants Charakterisierung der Logik Die verschiedenen Gliederungen des Titels „Logik" . . . Der Ort der formalen Logik in Kants Entwurf der Philosophie Über die Gewißheit formallogischer Gesetze
5 5
1.3. 2. 2.1. 2.2. 2.3.
Die Abgrenzung der formalen von der transzendentalen Logik Was heißt »Logik der Wahrheit" ? Die Begriffe „Verträgliches Urteil" und „Grundsatz einer möglichen empirischen Wissenschaft" : zwei Explikate . . Konsequenzen für die Unterscheidung von formaler und transzendentaler Logik
14 15
19 21 35 49
3.
Kants Definitionen eines Urteils
55
4. 4.1.
Kants Begriff der formalen Wahrheit Exkurs: Logische Modalität
61 66
5. 5.1.
Merkmal und Begriff Begriffslehre
73 74
Inhaltsverzeidinis
Vili
5.1.1. Was sind Begriffe? 5.1.1.1. „Conceptas communes" 5.1.1.2. ,.Conceptas singulares" 5.1.2. Der Beitrag des Verstandes zum Besitz von Begriffen . . 5.1.3. Der Ursprung der Begriffe in materialer Hinsicht . . . 5.1.4. Umfang und Inhalt von Begriffen 5.2. Merkmalslehre 5.2.1. Diskursive Merkmale 5.2.2. Notwendige Merkmale; logisches und reales Wesen . . .
6. 6.0. 6.1. 6.1.1. 6.1.2.
Kants Definitionslehre „Deutlichkeit" von Begriffen Definitionen im engeren Sinne „Ausführlichkeit" „Präzision"
Schlußwort. Kants Logik und seine Transzendentalphilosophie
74 74 77 81 84 87 89 91 93
105 105 106 107 112
. .
115
Literaturverzeichnis
117
Namenverzeichnis
121
Sachverzeichnis
122
Kants Schriften werden — mit Ausnahme der „Kritik der reinen Vernunft" — nach der Akademie-Ausgabe zitiert, und zwar so, daß römische Ziffern in den Verweisen sich auf die jeweilige Bandnummer beziehen. Die „Kritik der reinen Vernunft" wird — wie üblich — ohne weitere Angabe mit „A" bzw. „B" zitiert. Kursivdruck in Zitaten stammt durchweg von mir.
0. Einleitung 0.1. Das Thema 0.1.1. Philologische Vorbemerkung Die vorliegende Arbeit ist aus der Aufgabe heraus entstanden, Kants formale Logik aufgrund der Nachschriften seiner Vorlesungen über diese Disziplin neu darzustellen und zu beurteilen. Dabei zeigte sich alsbald, daß es weder möglich ist, Kants Begriff von formaler Logik deutlich zu machen, noch fundierte Einsichten in seine innerlogischen Lehren zu gewinnen, ohne audi auf die Fülle von logischen Bemerkungen zurückzugreifen, die sich über seine veröffentlichten Werke und den handschriftlichen Nachlaß verstreut finden. Diese Tatsache läßt sich in philologischer Hinsicht auf zwei Umstände zurückführen: (1) Die uns verfügbaren Nachschriften zu Kants Logikvorlesungen stammen nicht aus seiner Hand, sondern sind von verschiedenen Hörern seiner Kollegs angefertigt. Sie sind also — streng genommen — bereits Interpretationen. Schon aus diesem Grund können sie allein als Quelle für ein Studium von Kants Logik nicht dienen (2) Bekanntlich waren zu Lebzeiten Kants die akademischen Lehrer in Deutschland gehalten, ihren Vorlesungen als einschlägig angesehene Lehrbücher über den betreffenden Gegenstand zugrundezulegen. Bei seinen Logikvorlesungen benutzte Kant zu diesem Zweck G. F. Meiers „Auszug aus der Vemunftlehre" 2. Die vorliegenden Nachschriften sind nun in einem Stil Dies gilt audi für das von G. B. Jäsche herausgegebene Kompendium „Immanuel Kants's Logik. Ein Handbuch zu Vorlesungen". Was die Zuverlässigkeit dieses Textes angeht, so sdiließe idi midi dem Urteil von Klaus Reich an, der ihn für inkorrekt in der Darstellung von Kants Logik hält. (Reidi, Klaus: Die Vollständigkeit der kantischen Urteilstafel (1932). 2Berlin 1 9 4 8 > S. 21—24). Den von Reidi hierfür gegebenen Belegen füge idi nur die Bemerkung hinzu, daß Jäsdies Ausführungen über das Verhältnis zwischen hypothetischem und kategorischem Urteil ganz unverständlich sind (vgl. IX, S. 105 f.), während man in Kants Vorlesungen eine präzise Auffassung hierüber findet (vgl. ζ. Β. XXIV, S. 934). Die Bearbeitung Jäsdies wird deshalb im folgenden als Beleg gar nicht herangezogen. 2 Das Buch ist abgedruckt im Bd. XVI der Akademie-Ausgabe von Kants Sdiriften.
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Einleitung
gehalten, der in vielen Fällen, wo Kant Auffassungen vorträgt, die sich schon bei Meier finden, nur schwer entscheiden läßt, ob Kant hier die Lehre Meiers bewußt übernimmt oder nicht. Für die Lektüre der folgenden Ausführungen wäre es nützlich, zu wissen, von wann die herangezogenen Vorlesungen datieren. Hier sind nur vorsichtige Vermutungen möglich. Die folgenden Zahlen gründen sich auf die Ausführungen des Herausgebers: Die Logiken Blomberg und Philippi stammen aus der Zeit nach 1770. Die Logik Pölitz wurde Ende der 80er, die Wiener Logik und die des Grafen Dohna-Wundlacken in den 90er Jahren niedergeschrieben. Die Logik Busolt ist vor 1790 aufgezeichnet3.
0.1.2. Die Sachfragen Die vorliegende Arbeit will Kants Begriff von formaler Logik klären und einen Beitrag zur Interpretation seiner innerlogischen Lehrmeinungen leisten. Da Kant durchaus verschiedene Disziplinen unter den Titel „Logik" subsumiert, wird es zuerst erforderlich sein, die unterschiedlichen Gliederungen dieses Titels durchsichtig zu machen, um dann den systematischen Ort der formalen Logik innerhalb von Kants Philosophie zu bestimmen. Die für das Verständnis von Kants Begriff einer formalen Logik zentrale Frage ist die nach dem Sinn seiner Unterscheidung dieser Logik von der von ihm so genannten „transzendentalen". Den Schlüssel zur Beantwortung dieser Frage liefert Kants Charakterisierung der transzendentalen Analytik als einer „Logik der Wahrheit" (A 62/B 87). Um diese Beschreibung und ihre Schlüsselstellung für die genannte Frage deutlich herauszuarbeiten, sind Überlegungen nötig, die weit in das Gebiet von Kants eigentlicher Transzendentalphilosophie hineinreichen und insofern den Rahmen einer Interpretation seiner formalen Logik überschreiten. Andererseits sind diese Untersuchungen Dieser Band enthält im übrigen Kants Reflexionen zur Logik. George Friedrich Meier (1718—1777) war ein Schüler Baumgartens (vgl. Windelband-Heimsoeth: Lehrbuch der Geschichte der Philosophie. «Tübingen 1957, S. 383). 3 Vgl. die Einleitung zu den Logikvorlesungen von G. Lehmann, Bd. X X I V , S. 955 fi. Einigermaßen gesichert ist nach Lehmann nur, daß die Wiener Logik im Zeitraum 1794—1796 niedergeschrieben wurde (vgl. S. 983) und die Logik Busolt vor 1790 (vgl. S. 981). Da ich im Verlauf meiner Untersuchungen audi die Datierung von Kants Reflexionen angeben werde, sei hier vorausgeschickt, daß ich mich dabei auf E. Adickes stütze. Auch diese Datierungen sind nicht gleichmäßig gesichert (vgl. Adickes' Einleitung zum B d . X I V der Akademie-Ausgabe von Kants Schriften, a . a . O . , S . X X X V f i . ) .
Vorliegende Bearbeitungen
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zur Klärung der für eine solche Interpretation zu stellenden Fragen unerläßlidi. überdies leisten sie, wie wir sehen werden, einen wichtigen Beitrag zur Erhellung von Kants Urteilstheorie. Die Ausführlichkeit der Überlegungen zu Kants Logikbegriff macht im Rahmen dieser Arbeit Einschränkungen bei der Darstellung seiner innerlogisdien Lehren erforderlich: So wird Kants Darstellung der Syllogistik ganz ausgespart4. Hinsichtlich seiner Urteilstheorie beschränke ich mich auf die Interpretation der Urteilsdefinition. Dieser Fragenkreis ist — wie sich zeigen wird, aus sachlichen Gründen — angeschlossen an die Ausführungen über „Logik der Wahrheit". Die speziellen Probleme der Urteilstafel hingegen bleiben außer acht. Ausführlich zur Sprache kommen Kants Ausführungen über „formale Wahrheit", seine Begriffstheorie und die bei ihm in unmittelbarem Zusammenhang damit stehende Merkmals- und Definitionslehre.
0.2.
Vorliegende
Bearbeitungen
Eine Untersuchung zu den angeführten Fragen, die sämtliche Logikvorlesungen Kants berücksichtigt, liegt bisher nicht vor. Die vorhandene Literatur zu Kants logischen Theorien läßt sich ganz grob in zwei Klassen einteilen: (1) Die allgemeine Literatur zu Kants theoretischer Philosophie, insbesondere zur Kritik der reinen Vernunft. Hier wird i. a. auch das Verhältnis von formaler und transzendentaler Logik behandelt. Mit einer einzigen Ausnahme wird aber — soweit ich sehe — hier die zentrale Stellung von Kants Charakterisierung der Analytik für das betreffende Problem nicht berücksichtigt. Lediglich ein Aufsatz von G. Prauss gibt einen Hinweis in diese Richtung5. Allerdings kann ich der Interpretation von Prauss in entscheidenden Punkten nicht folgen. Dies wird an geeigneter Stelle erörtert werden. (2) Es gibt eine Reihe von Spezialuntersuchungen zu formallogischen Themen bei Kant. Mit einigen Ausnahmen sind diese Arbeiten aber so wenig interessant, daß es mir nicht lohnend erscheint, sie im einzelnen zu diskutieren. Dies liegt oft daran, daß die betreffenden Autoren lediglich philosophie-historisch interessiert sind oder selbst offenbar nur wenige lo* Dieses Thema wird demnächst in größerem Rahmen in einem Buch von E. Fries zur Sprache kommen. Diese Mitteilung mache ich mit freundlicher Genehmigung des Autors. 5 Prauss, Gerold: Zum Wahrheitsproblem bei Kant. In: Kant-Studien 60 (1969), S. 166—182.
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Einleitung
gische Kenntnisse mitbringen oder auch daran, daß man Kant als einen Logiker von solchem Gewicht ansieht, der er — und das sage ich in tiefem Respekt vor seiner philosophischen Leistung — doch nicht gewesen ist 6 . Die wichtigsten Ausnahmen — soweit sie nicht ohnehin durch Verweise im Verlaufe meiner Arbeit angemerkt sind — möchte ich hier ausdrücklich anführen: 1. Die bereits erwähnte Arbeit von Klaus Reich. 2. Lorenz Krüger: Wollte Kant die Vollständigkeit seiner Urteilstafel beweisen? In: Kant-Studien 59 (1968), S. 333—356. 3. Michael Frede und Lorenz Krüger: über die Zuordnung der Quantitäten des Urteils und der Kategorien der Größe bei Kant. In: KantStudien 61 (1970), S. 28—49. 4. Hans Lenk: Kritik der logischen Konstanten. Philosophische Begründungen der Urteilsformen vom Idealismus bis zur Gegenwart. Berlin 1968, S. 5—45. 5. Kurt Wuchterl: Die Theorie der formalen Logik bei Kant und in der Logistik. Diss. phil. Heidelberg 1958 (maschinenschriftlich). Die letztgenannte Arbeit behandelt Fragen, die auch in den folgenden Erörterungen zur Sprache kommen werden. Wuchterl stellt sich aber eine ganz andere Aufgabe als ich, nämlich „Gedanken der Kantischen Philosophie nutzbringend auf logistische Systeme anzuwenden und damit die Logistik vom Standpunkte Kants aus zu beleuchten" (a. a. O., S. 4). Dabei stellt er in den Mittelpunkt seiner Darstellung von Kants formaler Logik die Urteilsdefinition des §en 19 der transzendentalen Deduktion der zweiten Auflage der Kritik der reinen Vernunft (vgl. Wuchterl, a.a.O., S.5 und S. 15). Einen solchen Ansatz halte ich für fragwürdig, und zwar deswegen, weil, wie ich meine zeigen zu können, dieser Urteilsbegriff bei Kant nicht in die formale Logik gehört, sondern charakteristisch ist für seine transzendentale Logik.
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Typisches Beispiel einer solchen Arbeit ist die Dissertation von J.Nathan (Nathan, Julius: Kants logische Ansichten und Leistungen. Jena 1878).
1. Kants Charakterisierung der Logik 1.1. Die verschiedenen Gliederungen des Titels „Logik" Die allgemeinste Bestimmung des Begriffs „Logik" im Rahmen der Philosophie Kants ist orientiert an seiner Lehre von den „zwei Grundquellen des Gemüts" (A 50/B 74), nämlich der sinnlichen Anschauung und dem Denken. Auf dem Boden dieser Lehre erklärt Kant die Logik als die „Wissenschaft der Verstandsregeln überhaupt" — im Unterschied zur Ästhetik als „Wissenschaft der Regeln der Sinnlichkeit überhaupt" (A 52/B 76) Alle von Kant näher bestimmten „Logiken" lassen sich unter diesen allgemeinsten Begriff von Logik subsumieren, wie wir im folgenden sehen werden. Bei der Charakterisierung von Kants engeren Logikbegriffen möchte ich unterscheiden zwischen Gliederungen der Logik a) in subjektiver und b) in objektiver Hinsicht. Diese Terminologie ist folgendermaßen zu verstehen: Kant unterscheidet ζ. B. zwischen einem „allgemeinen" und einem „besonderen Verstandesgebrauch" (A52/B76). „Die Logik des besonderen Verstandesgebrauchs enthält die Regeln, über eine gewisse Art von Gegenständen richtig zu denken" ; sie ist „das Organon dieser oder jener Wissenschaft" (A52/B76). Kant unterscheidet hier also verschiedene Tätigkeiten des Denkens je nach dem Gegenstandsbereich, auf welchen sich dieses richtet. Und er ist der Meinung, daß es zu jedem Gegenstandsbereich Regeln des richtigen Denkens über die betreffenden Gegenstände gibt. So könnte es etwa Regeln des richtigen Denkens mathematischer oder physikalischer Objekte geben, und man hätte dann eine Gliederung der „Logik" in eine solche des mathematischen und eine des physikalischen „Verstandesgebrauchs". In einem solchen Falle will ich von einer Gliederung in objektiver Hinsicht sprechen. Was ich unter einer Gliederung der Logik in subjektiver Hinsicht verstehen will, läßt sich gut zeigen an der schon in die formale Logik selbst ι Vgl. audi die Anthropologie: „Das u n t e r e . . . Erkenntnißvennögen . . . hat den Charakter der P a s s i v i t ä t des inneren Sinnes der Empfindungen, dieses [sc. das obere Erkenntnisvermögen] der Spontaneität der Apperception, d.i. des reinen Bewußtseins der Handlung, welche das Denken ausmacht und zur Logik (einem System der Regein des Verstandes) . . . gehört" (Bd. VII, S. 140 f.).
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Kants Charakterisierung der Logik
gehörigen Gliederung derselben in Begriffs-, Urteils- und Schlußtheorie. Diese ist orientiert an Kants Unterscheidung von Verstand und Vernunft als verschiedener Denk- oder Erkenntnis- „Vermögen". Der Verstand ist das „Vermögen der Begriffe" und ein „Vermögen zu urteilen" (A 160/B 199 bzw. A 69/B 94), die Vernunft ist „das Vermögen zu schließen" (A 330/ Β 386). Begriffs- und Urteilslehre auf der einen und Schlußtheorie auf der anderen Seite sind verschiedene Teile der formalen Logik nicht deswegen, weil sie die Regeln des Denkens in seiner Ausrichtung auf je bestimmte Gegenstandsbereiche studieren würden, sondern weil sie sich beziehen auf verschiedene Tätigkeiten des denkenden Subjekts, die dieses ausüben kann beim Denken von welchen Gegenständen auch immer. Die für Kants Philosophie wichtigste Einteilung der Logik (im oben erklärten, allgemeinsten Sinne dieses Wortes) ist die in formale und transzendentale Logik. In dieser Unterscheidung ist die transzendentale von der allgemeinen Logik durch ein Moment abgegrenzt, das gewissermaßen Grenzfall einer in meinem Sinne objektiven Auszeichnung ist. Ihr Gegenstand ist zwar nicht jedes Denken bzw. nicht jede Erkenntnis, sondern nur die Erkenntnis a priori bzw. das „reine Denken" : „Weil es nun aber sowohl reine, als empirische Anschauungen gibt, . . . so könnte auch wohl ein Unterschied zwischen reinem und empirischem Denken der Gegenstände angetroffen werden. In diesem Falle würde es eine Logik geben, in der man nicht von allem Inhalt der Erkenntnis abstrahierte; denn diejenige, welche bloß die Regeln des reinen Denkens eines Gegenstandes enthielte, würde alle diejenigen Erkenntnisse ausschließen, welche von empirischem Inhalt wären" (A 55/ Β 79f.). „Eine solche Wissenschaft . . . würde t r a n s z e n d e n t a l e Logik heißen müssen, weil sie es bloß mit den Gesetzen des Verstandes und der Vernunft zu tun hat, aber lediglich, sofern sie auf Gegenstände a priori bezogen wird" (A 57/B 81 f.). Diese Unterscheidung des „reinen" vom „empirischen Denken eines Gegenstandes" bzw. zwischen empirischer Erkenntis und solcher a priori ist aber objektiv, weil das „reine Denken eines Gegenstandes" die apriorische Struktur eines solchen thematisiert und sich insofern auf etwas anderes bezieht als das empirische2. Zugleich haben wir damit einen Grenzfall von Auszeichnung in objektiver Hinsicht vor uns: Die Gegenstände, deren apriorische Strukturen die transzendentale Logik 2 Dies schließt nicht aus, daß es audi von empirischen Gegenständen — wie etwa denen der Physik — Erkenntnis a priori geben kann. Denn audi solche Gegenstände genügen gewissen apriorischen Bedingungen. Vgl. hierzu die Vorrede zu den „Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft", IV, S. 467 ff.
Die verschiedenen Gliederungen des Titels „Logik"
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untersucht, sind Gegenstände möglicher Erfahrung3. Genau diese Entitäten sind aber einer näheren objektiven Bestimmung zugänglich. Die transzendentale Logik bestimmt die Klasse dieser Gegenstände dadurch, daß die von ihr entwickelten Gesetze der Erkenntnis in bezug auf sie, aber auch nur auf sie, gelten. Sie eröffnet damit erst die Möglichkeit, die „Logik überhaupt" in irgendeiner Weise des näheren objektiv zu gliedern. Während also die transzendentale Logik in dieser Weise objektiv vor der allgemeinen Logik ausgezeichnet ist, gelten die Regeln der letzteren für jedes Denken, sowohl in subjektiver als auch in objektiver Hinsicht: Sie „enthält die schlechthin notwendigen Regeln des Denkens, ohne welche gar kein Gebrauch des Verstandes stattfindet, und geht also auf diesen, unangesehen der Verschiedenheit der Gegenstände, auf welche er gerichtet sein mag" (A 5 2 / B 76). Sie hat es „mit den Gesetzen des Verstandes und der Vernunft zu tun . . . , sofern sie . . . auf die empirischen sowohl, als reinen Vernunfterkenntnisse ohne Unterschied" bezogen werden ( A 5 7 / B 81 f.). Damit bleibt sogar offen, ob es sich überhaupt um ein Denken von Gegenständen handelt: „ D e n k e n kann ich, was ich will, wenn ich mir nur nicht selbst widerspreche, d. i. wenn mein Begriff nur ein möglicher Gedanke ist, ob ich zwar nicht dafür stehen kann, ob im Inbegriff aller Möglichkeiten diesem auch ein Objekt korrespondiere oder nicht" (Β X X V I Anm.). Diese Abgrenzung der transzendentalen gegen die allgemeine Logik wird besonders deutlich im Lichte von Kants Bestimmung der transzendentalen Analytik. Sie soll darum in einem hierfür eigens vorgesehenen Kapitel erneut und ausführlich behandelt werden. Wie gesagt, nach Kants Erklärung abstrahiert „die allgemeine L o g i k . . . von allem Inhalt der Erkenntnis, d. i. von aller Beziehung derselben auf das Objekt, und betrachtet nur die logische Form im Verhältnisse der Erkenntnisse aufeinander, d. i. die Form des Denkens überhaupt" (A 5 5 / B 79). Diese allgemeine Logik gliedert er in einen „reinen" und einen „angewandten" Teil: „Die allgemeine Logik ist nun entweder die reine, oder die angewandte Logik" (A 5 2 / B 77). „In der ersteren abstrahieren wir von allen empirischen Bedingungen, unter denen unser Verstand ausgeübt wird, ζ. B. vom Einfluß der Sinne, vom Spiel der Einbildung, den Gesetzen des Gedächtniss e s . . . Eine a l l g e m e i n e , aber r e i n e L o g i k , hat es also mit lauter Prinzipien a priori zu tun, und ist ein K a n o n d e s V e r s t a n d e s und 3 Oder jedenfalls Gegenstände möglicher (theoretischer) Erkenntnis. Auf diesen Unterschied weise idi hin, weil diese Disziplin auch die Möglichkeit von Mathematik begründet. Deren Objekte sind aber als solche einer nichtempirisdien Wissenschaft nicht im engeren Sinne Gegenstände möglicher Erfahrung.
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Kants Charakterisierung der Logik
der Vernunft, aber nur in Ansehung des Formalen ihres Gebrauchs. . . Eine a l l g e m e i n e L o g i k heißt aber alsdann a n g e w a n d t , wenn sie auf die Regeln des Gebrauchs des Verstandes unter den subjektiven empirischen Bedingungen, die uns die Psychologie lehrt, gerichtet ist. Sie hat also empirische Prinzipien, ob sie zwar insofern allgemein ist, daß sie auf den Verstandesgebrauch ohne Unterschied der Gegenstände geht" (A 52 f./ Β 77). Es handelt sich also hierbei um eine Gliederung der „allgemeinen Logik" in subjektiver Hinsicht. Beide Disziplinen betrachten das Denken ungeachtet möglicher Unterscheidungen der Gegenstände desselben. Dagegen hat der Begriff „Denken" einen anderen Sinn in der reinen als in der angewandten Logik. Jene handelt vom Denken als einer Tätigkeit des Bewußtseins überhaupt (im Sinne der transzendentalen Deduktion, K.d.r.V. B, § 16), diese hat das Denken empirischer Subjekte, als Tätigkeit eines empirischen Bewußtseins also, zum Thema. Diese Gliederung der allgemeinen Logik finden wir in Kants Logikvorlesungen wieder in seiner Unterscheidung einer Logik des „gesunden" (= „gemeinen und richtigen") Verstandes von einer Logik des „spekulativen Verstandes" oder — in anderer Terminologie — als Einteilung in „natürliche" und „künstliche Logik" 4. Den „gemeinen" Verstand definiert Kant hier als „das Vermögen der Regeln in concreto", den „spekulativen" als „das Vermögen der Regeln in abstracto" (Logik Pölitz, XXIV, S. 503). Hierunter versteht Kant die Fähigkeit, Regeln zu formulieren und, falls sie beweisbar sind, sie zu beweisen. Das „Vermögen der Regeln in concreto" hingegen ist die Fähigkeit, nach Regeln zu handeln, wobei eine explizite Kenntnis derselben nicht vorausgesetzt wird: Es „findet sich bei uns das Vermögen zu handeln, und daher entstehet die natürliche Logik. Denn die Logik ist die Wißenschaft der Regeln. Der Mensch handelt im Anfange nach Regeln, denen er sich nicht bewußt ist; also hat er so lange eine natürliche Logik; komt er zu reiferem Alter so berichtigt er diese durch Regeln, und so entsteht die künstliche Logik. So redet jemand deutsch und bringet sich nachher Regeln aus einer deutschen Grammatik bei" (Logik Busolt, XXIV, S. 608 f.). Der „gesunde" Verstand „hat" also nach Kant (nur) eine „natürliche Logik", insofern er zwar vermag, „in concreto" richtig zu denken, als „gemeiner" Verstand die Regeln dieses Denkens aber nicht ( „in abstracto" ) einsehen kann. Diese Einsicht hat allein der „gelehrte" Verstand, der sie als „künstliche Logik" vorträgt. 4 Vgl. XXIV, S. 503—505 u. S. 696 f.
Die versdiiedenen Gliederungen des Titels „Logik"
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Kants in den Vorlesungen getroffene Unterscheidung einer Logik „des gesunden" von einer solchen des „gelehrten" („spekulativen") Verstandes ist nicht zu verwechseln mit seiner Gliederung der Logik in „zwei Gattungen" aus der „Nachricht von der Einrichtung seiner Vorlesungen in dem Winterhalbjahre von 1765—1766". Kant sagt dort: Die Logik von der ersten Gattung „ist eine Kritik und Vorschrift des g e s u n d e n V e r standes, gleichsam die Quarantaine . . w e l c h e der Lehrling halten muß, der aus dem Lande des Vorurtheils und des Irrthums in das Gebiet der aufgeklärteren Vernunft und der Wissenschaften übergehen will. Die zweite Gattung von Logik ist die Kritik und Vorschrift der e i g e n t l i c h e n G e l e h r s a m k e i t und kann niemals anders als nach den Wissenschaften, deren Organon sie sein soll, abgehandelt werden" (Bd. II, S. 310). Trotz der nahezu gleichlautenden Formulierungen meint Kant hier dodi etwas ganz anderes als in den Vorlesungen. Die dort aufgezählten Logiken des „gesunden" bzw. des „spekulativen" Verstandes sind nämlich beide allgemein und — obwohl diese „rein" und jene „angewandt" — betreffen sie doch in objektiver Hinsicht jeden Gebrauch des Verstandes; keine von beiden ist deshalb das Organon einer Wissenschaft, denn dazu wäre notwendig, daß sie sich auf einen in objektiver Hinsicht spezifizierten Gebrauch des Verstandes bezögen. Bei den „zwei Gattungen" aus der zitierten „Nachricht" handelt es sida vielmehr um Kants Unterscheidung zwischen einer Logik des „allgemeinen" und einer des „besonderen" Verstandesgebrauchs. Wie bereits erwähnt (vgl. o. S. 7), nimmt er diese Unterscheidung audi in der K. d . r . V . vor. Die Logik des allgemeinen „Verstandesgebrauchs" ist die schon erklärte allgemeine Logik mit ihrem reinen und angewandten Teil. Und „die Logik des besonderen Verstandesgebrauchs enthält die Regeln, über eine gewisse Art von Gegenständen richtig zu denken. Jene kann man die Elementarlogik nennen, diese aber das Organon dieser oder jener Wissensdiaft" (A 5 2 / Β 76). Weder hier noch in der zitierten „Nachricht" hat Kant eine — in meinem Sinne subjektive — Gliederung der allgemeinen Logik vor Augen sondern deren — in objektiver Hinsicht vorzunehmende — Abgrenzung gegen die Methodenlehren der Wissenschaften von bestimmten Objekten. Im Rahmen von Kants Philosophie ist nun eine solche Methodenlehre aber nur môglidi als Teil der transzendentalen Logik. Denn sie soll ja methodische Anweisungen für wissenschaftliche Erkenntnis von Gegenständen enthalten, und die Bedingungen der Möglichkeit solcher Erkenntnis formuliert erst die transzendentale, nicht aber schon die allgemeine Logik. Aus diesem Grunde kritisiert Kant in der transzendentalen Methodenlehre
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Kants Charakterisierung der Logik
der K. d. r.V. die ihm bekannte Schullogik wegen ihrer Absicht, im Rahmen der allgemeinen Logik eine solche Methodenlehre vorzutragen: „Wir werden . . . dasjenige in transzendentaler Absicht leisten, was, unter dem Namen einer p r a k t i s c h e n L o g i k , in Ansehung des Gebrauchs des Verstandes überhaupt in den Schulen gesucht, aber schlecht geleistet wird; weil, da die allgemeine Logik auf keine besondere Art der Verstandeserkenntnis (ζ. B. nicht auf die reine), auch nicht auf gewisse Gegenstände eingeschränkt ist, sie, ohne Kenntnisse aus anderen Wissenschaften zu borgen, nichts mehr tun kann, als Titel zu m ö g l i c h e n M e t h o d e n und technische Ausdrücke, deren man sich in Ansehung des Systematischen in allerlei Wissenschaften bedient, vorzutragen" (A 708/B 736). Von der transzendentalen Methodenlehre und den Organa bestimmter Wissenschaften ist wiederum zu unterscheiden die allgemeine Methodenlehre: „Die M e t h o d e n l e h r e handelt nur von der Art, das Mannigfaltige der Erkenntnis zu einer Wissenschaft zu verknüpfen" (Rfl. 3332, X V I , S.783; nach 1780). „Die practische Logik handelt blos von der Form einer Wissenschaft überhaupt und des Vortrags derselben. Also von der Methode" (Rfl. 3333, XVI, S. 784; nach 1780). Dieser Teil der Logik ist in subjektiver Hinsicht vor der allgemeinen Logik ausgezeichnet, weil er nicht jeden Verstandesgebrauch, sondern nur den wissenschaftlichen betrifft, ohne sich dabei an einer durch einen Gegenstandsbereich bestimmten, speziellen Wissenschaft zu orientieren. Kants Kritik richtet sich auch gegen das Unternehmen einer solchen allgemeinen Methodenlehre. Aber diese ist als Teil der allgemeinen Logik immerhin möglich, wenn sie nach Kants Meinung auch dürftig ausfallen muß (vgl. das obige Zitat) 5 , während im Rahmen der allgemeinen Logik weder das Organon bzw. die Methodenlehre einer speziellen Wissenschaft noch eine transzendentale Methodenlehre möglich sind, weil ja diese Disziplin die Bedingungen objektiver Erkenntnis (Erkenntnis von Gegenständen möglicher Erfahrung) nicht berücksichtigt. Wir haben oben Kants Einteilung der allgemeinen Logik in einen reinen und einen angewandten Teil unterschieden von seiner Gliederung der „Logik überhaupt" (im eingangs erklärten, allgemeinsten Sinne dieses Wortes also) in allgemeine Logik und Methodenlehre. Es ist lohnend, noch einen Blick auf die Absicht zu werfen, die Kant mit der genannten Gliederung der allgemeinen Logik verfolgt. Damit will er nämlich die allgemeine, reine Lo5 Trotz seiner erwähnten Kritik trägt Kant diese allgemeine Methodenlehre in seinen Logikvorlesungen vor (vgl. z . B . B d . X X I V , S. 682—686 und S. 779—784). Sie fällt dort aber auch so dürftig aus, wie sie nach seinen Ausführungen in der K. d. r. V. auszufallen hat.
Die verschiedenen Gliederungen des Titels „Logik"
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gik, die er dann auch „formale Logik" nennt 6 , abgrenzen gegen eine bloß psychologische Denklehre: „Als reine Logik hat sie keine empirischen Prinzipien, mithin schöpft sie nichts (wie man sich bisweilen überredet hat) aus der Psychologie, die also auf den Kanon des Verstandes gar keinen Einfluß hat" (A 54/B 78). Und zwar soll die Abgrenzung der formalen Logik von einer psychologischen Denklehre jene als eine normative von dieser als einer deskriptiven Wissenschaft unterscheiden. Es ist nämlich „eine a l l g e m e i n e , aber r e i n e L o g i k . . . ein K a n o n d e s V e r s t a n d e s und der Vernunft, aber nur in Ansehung des Formalen ihres Gebrauchs" (A 53/B 77), und Kant versteht „unter einem Kanon den Inbegriff der Grundsätze a priori des richtigen Gebrauchs gewisser Erkenntnisvermögen überhaupt" (A 796/B 824) 7 . Und in der Reflexion 1627 heißt es über die Logik: „Nicht: nach welchen Regeln wir d e n k e n , — sondern d e n k e n s o l l e n . Nicht psychologie" (XVI, S. 43; nach 1790). Daß Kant die formale Logik als normative Wissenschaft verstanden wissen will, drückt sich auch in seinem Vergleich zwischen Logik und Ethik aus. In der K. d. r. V. sagt er in dem Abschnitt „Von der Logik überhaupt": Zur angewandten „verhält sich die allgemeine und reine Logik wie die reine Moral, welche bloß die notwendigen sittlichen Gesetze eines freien Willens überhaupt enthält, zu der eigentlichen Tugendlehre, welche diese Gesetze unter den Hindernissen der Gefühle, Neigungen und Leidenschaften, denen die Menschen mehr oder weniger unterworfen sind, erwägt, und welche . . . ebensowohl als jene angewandte Logik empirische und psychologische Prinzipien bedarf" (A 54 f./B 79). Wenn Logik eine Wissenschaft von normativen Denkregeln sein soll, dann muß man fragen, welche Instanz erklären kann, warum wir die Gesetze der Logik in unserem Denken zu befolgen haben8. Kant stellt sich diese Frage nicht explizit, gehen wir ihr aber nach, dann finden wir in seiner Theorie der Logik eine Antwort, die erstens eine andere und der Sache 6
Vgl. A 131/B 170: „Da gedachte bloß formale Logik . . . sich bloß mit der Form des Denkens . . . überhaupt beschäftigt . . . " . ι Kant fährt an dieser Stelle fort: „So ist die allgemeine Logik in ihrem analytischen Teile ein Kanon für Verstand und Vernunft überhaupt, aber nur der Form nach, denn sie abstrahiert von allem Inhalte." 8 Vgl. hierzu auch die Bemerkungen von G. Patzig zu Husserls Unterscheidung zwischen theoretischer und angewandter Logik (im Artikel „Logik" des FischerLexikons „Philosophie", Frankfurt/Main 1970, S. 130 fi.). Man beachte aber, daß bei Husserl gerade die angewandte Logik normativen Charakter hat und deshalb zu ihrer Begründung einer theoretischen Wissenschaft (Husserls „reiner Logik") bedarf. (Vgl. E. Husserl: Logische Untersuchungen. Erster Band. ZHallea. d. S. 1913, S. 30 ff.).
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Kants Charakterisierung der Logik
besser angemessene Auffassung von Logik hergibt als die gerade besprochene und die zweitens zeigt, daß es um den doch von Kant so ausdrücklich hervorgehobenen normativen Charakter der Logik auch nach seiner eigenen Theorie schlecht bestellt ist; nur sagt Kant dies nicht ausdrücklich. Nach Kant — und auch der Sache nach — können nämlich unsere Sätze nur dann w a h r sein, wenn sie den Gesetzen der formalen Logik nicht widersprechen. Er sagt hierzu: „Also ist das bloß logische Kriterium der Wahrheit, nämlich die Übereinstimmung einer Erkenntnis mit den allgemeinen und formalen Gesetzen des Verstandes und der Vernunft zwar die c o n d i t i o s i n e q u a n o n , mithin die negative Bedingung aller Wahrheit" (A 59 f ./B 84). Wir „sollen" uns also in unserem Denken nach den Gesetzen der Logik richten, weil diese Gesetze notwendige Bedingungen von Wahrheit sind; und daß sie diese Eigenschaft haben, wird eben in der formalen Logik bewiesen. Diese Wissenschaft ist also selbst diejenige Instanz, welche erklärt, warum wir die logischen Regeln in unserem Denken befolgen „sollen". Daraus folgt aber, daß die Gesetze der Logik normativ nur in dem trivialen Sinne sind, in dem jeder wahre Satz normativ genannt werden kann, nämlich so, daß, sofern wir Wahres behaupten wollen, wir unsere Behauptungen so einrichten müssen, daß diese schon als wahr erkannten Sätze nicht widersprechen. Auf diese Tatsache hat Frege im Rahmen seiner Auseinandersetzung mit dem Psychologismus in der Logik aufmerksam gemacht: „Der Doppelsinn des Wortes ,Gesetz' ist hier verhängnisvoll. In dem einen Sinne besagt es, was ist, in dem andern schreibt es vor, was sein soll. Nur in diesem Sinne können die logischen Gesetze Denkgesetze genannt werden, indem sie festsetzen, wie gedadit werden soll. Jedes Gesetz, das besagt, was ist, kann aufgefasst werden als vorschreibend, es solle im Einklänge damit gedacht werden, und ist also in dem Sinne ein Denkgesetz. Das gilt von den geometrischen und physikalischen nicht minder als von den logischen" (Grundgesetze der Arithmetik, S. XV) 9 . Aus Kants eigenen Bemerkungen über den Charakter der logischen Regeln folgt also, daß seine Auffassung derselben als normativer Denkgesetze entweder trivial ist oder falsch. Logik ist vielmehr eine Wissenschaft von Tatsachen. Eine solche „logische Tatsache" ist z. B., daß Widerspruchsfreiheit eine notwendige Bedingung von Wahrheit ist. Hier hat Kant einen wichtigen Zug der formalen Logik richtig erkannt. Er hat aber nicht ge® Frege will hier die zu seiner Zeit landläufige logische Meinung abweisen, die logischen Gesetze „regierten in derselben Weise das Denken, wie die Naturgesetze die Vorgänge der Aussenwelt" (ibid.).
Die verschiedenen Gliederungen des Titels „Logik"
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sehen, daß die Gesetze dieser Wissenschaft sich als Bedingungen nicht der Form von Gedanken, sondern der Form von Aussagen stellen. Außer den bisher besprochenen Gliederungen nimmt Kant noch die traditionelle Einteilung der Logik in Analytik und Dialektik auf. Diese betrifft sowohl die formale als auch die transzendentale Logik10, ich beschränke mich hier aber auf die fragliche Gliederung der formalen Logik. In der Logik Pölitz heißt es: „Wir haben also 2 Theile in der Logik nehmlich A n a l y t i k die die formalen Kriterien der Wahrheit vorträgt, und D i a l e k t i k die die Merkmahle enthalten wird, wodurch wir erkennen, ob etwas mit den formalen Kriterien der Wahrheit nicht übereinstimmt, wenn es gleich würklich mit denselben übereinzustimmen scheint" (XXIV, S. 507). Aufgabe der formallogischen Dialektik ist hiernach das, was Kant in der K. d. r. V. die Kritik des „logischen Scheins" nennt. Dieser „logische Schein, der in der bloßen Nachahmung der Vernunftform besteht, (der Schein der Trugschlüsse), entspringt lediglich aus einem Mangel der Achtsamkeit auf die logische Regel" (A 296/B 353). Der typische Fall für einen solchen logischen Schein ist ein „logischer Paralogismus", d. i. ein kategorischer Syllogismus mit äquivokem Mittelbegriff11. Hier ist die Regel verletzt, daß ein kategorischer Syllogismus nur drei Begriffe enthalten darf. Mit den Mitteln der Syllogistik kann man aber diesen Fehler nicht entdecken, und weil der Paralogismus im übrigen ein korrekter Schluß ist 12 , erweckt er den logischen Schein eines gültigen Syllogismus. In der Einleitung zur transzendentalen Logik stellt Kant aber der formallogischen Dialektik noch eine andere Aufgabe: Sie soll Argumentationen kritisieren, die (nicht nur scheinbar, sondern tatsächlich) formallogisch korrekt sind, aber schon deswegen den Anspruch erheben, gültige Begründungen oder Beweise (oder aber auch Widerlegungen) für vorgegebene Behauptungen zu sein13. Mit dieser Aufgabenstellung für die Dialektik will Kant deren io Vgl, K. d. r. V. A 57/B 82 — A 64/B 88. π Vgl. z.B. Logik Pölitz, XXIV, S.594f. 12 Dies zeigt sich darin, daß ein Paralogismus nach Einsetzung von Variablen für die darin vorkommenden außerlogischen Ausdrücke (in einen gültigen syEogistisdien Modus übergeht. 13 Da die allgemeine Logik „uns gar nichts über den Inhalt der Erkenntnis lehrt, sondern nur bloß die formalen Bedingungen der Übereinstimmung mit dem Verstände, welche übrigens in Ansehnung der Gegenstände gänzlich gleichgültig sind; so muß die Zumutung, sich derselben als eines Werkzeuges (Organon) zu gebraudien, um seine Kenntnisse, wenigstens dem Vorgeben nach, auszubreiten und zu erweitern, auf nichts als Geschwätzigkeit hinauslaufen, alles, was man will, mit einigem Schein zu behaupten, oder auch nach Belieben anzufechten. Eine solche Unterweisung ist der Würde der Philosophie auf keine Weise gemäß. Um deswillen hat man diese Be-
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Kants Charakterisierung der Logik
Bestimmung durch die „Alten" (A 61/B 85) abweisen. Diese hatten nämlich, sagt Kant, „jene allgemeine Logik, die bloß ein K a n o n zur Beurteilung ist, gleichsam wie ein O r g a n o n zur wirklichen Hervorbringung wenigstens zum Blendwerk von objektiven Behauptungen gebraucht", und zwar unter dem Namen „Dialektik" (B 85). Was Kant die Kritik „des logischen Scheins" nennt, wird man — etwa im Hinblick auf die Russellsche Paradoxie der naiven Mengenlehre — auch heute zur Logik im weiteren Sinne rechnen dürfen. Dagegen kann es gar nicht Aufgabe der formalen Logik sein, Argumente oder Theorien, die in formaler Hinsicht einwandfrei sind, zu kritisieren. Lediglich eine Metatheorie der Logik kann, gewissermaßen ein für alle Mal, feststellen, daß die formale Korrektheit einer Theorie nicht hinreicht, um auf deren Gültigkeit in empirischer Hinsicht zu schließen.
1.2. Der Ort der formalen Logik in Kants Entwurf der Philosophie Im Architektonikkapitel der transzendentalen Methodenlehre gliedert Kant die Philosophie folgendermaßen: „Alle Philosophie aber ist entweder Erkenntnis aus reiner Vernunft, oder Vernunfterkenntnis aus empirischen Prinzipien. Die erstere heißt reine, die zweite empirische Philosophie" (A 840/B 868). Diese, in dem eingangs von mir erklärten Sinne, Einteilung der Philosophie in subjektiver Hinsicht überschneidet sich mit einer solchen in objektiver Hinsicht: „Die Gesetzgebung der menschlichen Vernunft (Philosophie) hat nun zwei Gegenstände, Natur und Freiheit" (ibid.), es handelt sich also hier um die Einteilung: theoretische — praktische Philosophie. Wo hat die formale Logik innerhalb dieses Grundrisses ihren Ort? Eine Gliederung der Philosophie derart, daß der formalen Logik ausdrücklich ein Ort zugewiesen wird, finden wir in der Vorrede zur „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten". Kant sagt dort: „Alle Vernunfterkenntniß ist entweder m a t e r i a l und betrachtet irgend ein Object; oder f o r m a l und beschäftigt sich bloß mit der Form des Verstandes und der Vernunft selbst und den allgemeinen Regeln des Denkens überhaupt ohne Unterschied der Objecte. Die formale Philosophie heißt Logik, die materiale aber . . . ist wiederum zwiefach." Sie gliedert sich in „natürliche" und „sittliche Weltweisheit" nennung der Dialektik lieber, als eine K r i t i k des d i a l e k t i s c h e n S c h e i n s , der Logik beigezählt, und als eine solche wollen wir sie auch hier verstanden wissen" (A 61 f./B 86).
Uber die Gewißheit formallogischer Gesetze
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(IV, S. 387) 14 . Hieraus können wir entnehmen, daß die oben angeführte objektive Einteilung der Philosophie in einen theoretischen und einen praktischen Teil die formale Logik nicht einschließt. Diese Teile gehören beide in die materiale Philosophie, und diese „betrachtet" jedenfalls „irgend ein Object" (s.o.), und zwar „alles, was d a i s t " bzw. „nur . . . , was da s e i n s o l l " (A 840/B 869), während doch die formale Logik jedes Denken ohne Unterscheidung nach dessen Gegenständen betrifft. Daraus folgt weiter, daß die formale Logik sowohl der theoretischen als audi der praktischen Philosophie vorgeordnet ist. Wenn schon nicht in der objektiven, hat dann die formale Logik wenigstens in Kants Einteilung der Philosophie in subjektiver Hinsicht einen Ort? Auf diese Frage gibt Kant ebenfalls in der Vorrede zur GMdS eine Antwort: „Man kann alle Philosophie, so fern sie sich auf Gründe der Erfahrung fußt, e m p i r i s c h e , die aber, so lediglich aus Principien a priori ihre Lehre vorträgt, r e i n e Philosophie nennen. Die letztere, wenn sie bloß formal ist, heißt L o g i k " (IV, S. 388). Kant betrachtet also — und das ist nach unseren bisherigen Überlegungen ja auch zu erwarten — die formale Logik als einen Teil der Philosophie „aus reiner Vernunft" 15 .
1.3.
über die Gewißheit formallogischer
Gesetze
In der K. d. r. V. unterscheidet Kant zwischen der intuitiven Gewißheit mathematischer Axiome und Lehrsätze auf der einen und der diskursiven Gewißheit philosophischer Grundsätze auf der anderen Seite: „Die Mathematik dagegen ist der Axiomen fähig, weil sie vermittelst der Konstruktion der Begriffe in der Anschauung des Gegenstandes die Prädikate desselben a priori und unmittelbar verknüpfen k a n n , . . . Diskursive Grundsätze sind Vgl. auch die erste Fassung der Einleitung in die K. d. U.: „Die Eintheilung des Systems [sc. des Systems der Philosophie] kann zuerst nur die in ihren formalen und materialen Theil seyn, davon der erste (die Logik) blos die Form des Denkens in einem System von Regeln befaßt" ( X X , S. 195). Und in der Logik Dohna-Wundlacken heißt es: „Wir haben nun eigentlich die Philosophie eingeteilt: 1. in die formale, dies ist die Logik. 2. in die materiale. Diese kann man einteilen in die theoretische und praktische" ( X X I V , S. 699). •5 Wie man sieht, steht bei Kant der Ausdrude „Logik'' hier für die allgemeine, reine, also die formale Logik. Und in diesem Zusammenhang sagt er dann auch: „Die Logik kann keinen empirischen Theil haben, d.i. einen solchen, da die allgemeinen und nothwendigen Gesetze des Denkens auf Gründen beruhten, die von der Erfahrung hergenommen wären" (IV, S . 3 8 7 ) . Solche „Gesetze" enthält aber die allgemeine, angewandte Logik; folglich ist diese der Philosophie „aus empirischen Prinzipien" zuzurechnen.
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16
Kants Charakterisierung der Logik
also ganz etwas anderes als intuitive, d. i. Axiomen. Jene erfordern jederzeit noch eine Deduktion, deren die letzteren ganz und gar entbehren können, und, da diese eben um desselben Grundes willen evident sind, welches die philosophischen Grundsätze, bei aller ihrer Gewißheit, doch niemals vorgeben können,..." (B 760 f.). Da die formale Logik ein Teil der Philosophie ist, können also ihre Sätze offenbar nur von diskursiver und nicht von intuitiver Gewißheit sein. Hierfür spricht auch die folgende Stelle aus der Logik Dohna-Wundlacken: „Alle logisch überhaupt erweislichen Regeln sind doch noch immer eines Grundes bedürftig, wovon sie abgeleitet sind" (XXIV, S. 694). Und eine solche Ableitungs- oder Deduktionsbedürftigkeit scheint doch, der K. d. r. V. zufolge, höchstens diskursive Gewißheit zuzulassen. Diese Auffassung steht jedoch im Widerspruch zu einigen Bemerkungen Kants. Er sagt ζ. B., das Beweisverfahren der formalen Logik sei die „Demonstration" : Die Regeln der Logik „müssen können demonstrirt werden" (Rfl. 1620, X V I , S. 41; aus den 80er Jahren). Die formale Logik ist „doch demonstrirte doctrin, also C a n o n " (Rfl. 1627, XVI, S. 43; nach 1790) 16 ; und „nur ein apodiktischer Beweis, sofern er intuitiv ist, kann Demonstration heißen" (A 734/B 762) 1 7 . Diese Textstellen geben Anlaß zu der Frage, ob sich bei Kant eine Verwendungsweise des Terminus „intuitiv gewiß" belegen läßt derart, daß dieser Ausdruck eine Eigenschaft bezeichnet, die auch den formallogischen Gesetzen zukommt. Um hierauf eine Antwort zu bekommen, wollen wir nachsehen, unter welchen Bedingungen Kant einem Satz intuitive Gewißheit zuspricht. Dabei fällt auf, daß er in der K. d. r. V. im Kapitel über die „Grundsätze des reinen Verstandes" sowohl das Prinzip der „Axiome der Anschauung" als auch das der „Antizipationen der Wahrnehmung" — bzw. auch die dort gar nicht aufgeführten, sondern nur durch ihre jeweiligen Titel angezeigten „Axiome" und „Antizipationen" selbst — als „intuitiv gewiß" bezeichnet, während die „Analogien der Erfahrung" und die „Postulate des empirischen Denkens" „einer bloß . . . diskursiven Gewißheit fähig sind" (vgl. A 162/B 201). Und diser Umstand veranlaßt Kant, „jene die m a t h e m a t i s c h e n , diese die 16 Vgl. auch Rfl. 1628, wo Kant sagt, daß die Logik „Principien a priori enthält, welche sich demonstriren lassen, weil sie nothwendig seyn" (XVI, S. 44; nach 1780). 17 Vgl. auch die Logik Dohna-Wundlacken : „Einen Beweis, der völlig a priori gemacht ist [zugleich intuitiv mit Einsehn der Notwendigkeit], nennt man Demonstration. . . . [Die Logik . . . kann heißen ein Kanon des Verstandes und der Vernunft. Ein Kanon ist demonstrierte Kritik . . . ] " (XXIV, S. 694; die Zusätze in eckigen Klammern finden sich nach Angabe des Herausgebers A. Kowalewski in der Handschrift als Randnotizen; vgl. XXIV, S.688).
Über die Gewißheit formallogischer Gesetze
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d y n a m i s c h e n Grundsätze" zu nennen, obwohl er „hier ebensowenig die Grundsätze der Mathematik in einem Falle, als die Grundsätze der allgemeinen (physischen) Dynamik im anderen, sondern nur die des reinen Verstandes . . . vor Augen" hat (A 162/B 201 f.). Trotz ihrer intuitiven Gewißheit werden aber diese „mathematischen" Grundsätze des reinen Verstandes n i c h t durch „Konstruktion in der reinen Anschauung" bewiesen. Dies lehrt sowohl ein Blick auf die von Kant in der K. d. r. V. vorgelegten Beweise derselben (vgl. Β 202 fi. und Β 207 S.) als audi die Tatsache, daß er sie ausdrücklich von eigentlich mathematischen Sätzen unterschieden wissen will (vgl. o.) — und nach seiner Theorie der Mathematik werden ja genau deren Sätze durch solche „Konstruktion" bewiesen. Die „mathematischen" Grundsätze des reinen Verstandes sind also zugleich zwar beweisbedürftig und nicht bewiesen durch Konstruktion in der reinen Anschauung einerseits, aber andererseits doch von intuitiver Gewißheit. Im Falle der Grundsätze des reinen Verstandes begründet Kant nun seine Auffassung bezüglich deren unterschiedlicher Gewißheit. Die „mathematischen" Grundsätze formulieren nämlich die notwendigen Bedingungen von Anschauung, die „dynamischen" hingegen die notwendigen Bedingungen von empirischem Dasein 18 . Die Gewißheit der Notwendigkeit dieses Bedingungsverhältnisses braucht für unser Problem nicht näher untersucht zu werden, es ist jedenfalls a priori notwendig. Nun ist aber allgemein die Gewißheit eines Satzes, der eine notwendige Bedingung für einen Sachverhalt formuliert, abhängig von der Gewißheit, mit der wir wissen, ob der betreffende Sachverhalt besteht, und zwar so, daß, wenn ich a priori wissen kann, daß der betreffende Sachverhalt besteht, ich auch a priori wissen kann, daß der die notwendige Bedingung formulierende Satz gilt, während meine Kenntnis des betreffenden Bedingungsverhältnisses mir bei bloß empirisch möglichem Wissen um das Bestehen des Sachverhalts mir auch nur zu empirischer Gewißheit über die Erfülltheit der notwendigen Bedingung verhilft, sofern der diese Bedingung formulierende Satz nicht schon selbst a priori notwendig ist und nicht nur als Bedingung. Daß es Gegenstände der 18 Vgl. A 160/B 199: „In der Anwendung der reinen Verstandesbegriffe auf mögliche Erfahrung ist der Gebrauch ihrer Synthesis entweder m a t h e m a t i s c h , oder d y n a m i s c h : denn sie geht teils bloß auf die A n s c h a u u n g , , teils auf das D a s e i n einer Erscheinung überhaupt." Die Grundsätze sind aber die „Regeln" des „Gebrauchs" der Kategorien (vgl. A 161/B200). Notwendige Bedingungen von Anschauung (bzw. empirischem Dasein) sind die Grundsätze insofern, als ein Begriff (eine Theorie) nur dann Begriff (Theorie) von Gegenständen der Anschauung (bzw. empirischen Gegenständen) ist, wenn er (sie) mit den Grundsätzen „übereinkommt" (vgl. hierzu das folgende Kapitel).
18
Kants Charakterisierung der Logik
(reinen) Anschauung gibt und Begriffe von solchen Gegenständen, ist aber im Rahmen von Kants Erkenntnistheorie a priori gewiß: Dies beweist das Vorhandensein der „reinen Vernunftwissenschaft" Mathematik. Also sind auch die die notwendigen Bedingungen solcher Gegenstände formulierenden Sätze selbst a priori gewiß: „Daher werden die Grundsätze des mathematischen Gebrauchs unbedingt notwendig d. i. apodiktisch lauten" (A 160/B 199). Daß es empirische Gegenstände gibt, können wir dagegen nur a posteriori wissen, und daher sind „die Bedingungen a priori . . . des Daseins der Objekte einer möglichen empirischen Anschauung an sich nur zufällig" (ibid.). Deshalb „werden die Grundsätze . . . des dynamischen Gebrauchs . . . zwar audi den Charakter einer Notwendigkeit a priori, aber nur unter der Bedingung des empirischen Denkens in einer Erfahrung, . . . bei sich führen, folglich diejenige unmittelbare Evidenz nicht enthalten, . . . die jenen eigen ist" (A 160 f./B 199 f.). Kant spricht also den dynamischen Grundsätzen die intuitive Gewißheit deshalb ab, weil sie — zwar a priori notwendige — Bedingungen für einen Sachverhalt formulieren, von dessen Bestehen wir nur empirisch wissen können, während die mathematischen Grundsätze die intuitive Gewißheit gerade deshalb besitzen, weil durch sie a priori notwendige Bedingungen für eine selbst a priori gewisse Tatsache ausgedrückt sind, nämlich die, daß es Gegenstände der (reinen) Anschauung gibt , 9 . Letztere Bedingung erfüllen nun aber auch die Gesetze der formalen Logik. Wir haben gesehen, daß Kant diese Gesetze auffaßt als notwendige Bedingungen für das Denken (bzw. Erkennen) von Wahrheit: Unsere Erkenntnisse müssen jedenfalls diesen Bedingungen genügen, um überhaupt in irgendeinem Sinne wahr sein zu können. Dem obigen Argument zufolge werden also die Gesetze der formalen Logik jedenfalls so gewiß sein, wie es gewiß ist, daß es überhaupt wahre Sätze (Kant würde sagen: wahre „Erkenntnisse") 20 gibt. Und dank unserer Kenntnis der analytisch wahren Sätze wissen wir dies a priori. Auch die formallogischen Gesetze sind also Bedingungen für selbst a priori Notwendiges und können in diesem Sinne als „intuitiv gewiß" angesehen werden.
19 Aber auch die Gesetze der Mathematik selbst formulieren solche Bedingungen: „ . . . die Mathematik der Ausdehnung (Geometrie) mit ihren Axiomen, welche die Bedingungen der sinnlichen Anschauung a priori ausdrücken, unter denen allein das Schema eines reinen Begriffes der äußeren Erscheinung zustande kommen kann" (A 163/B 204). 20 Vgl. hierzu Anm. 1 auf S. 19.
2. Die Abgrenzung der formalen von der transzendentalen Logik Die wenigen und knappen Bemerkungen, mit denen Kant in der Kritik der reinen Vernunft seinen Begriff einer formalen Logik entwickelt, kennzeichnen diese Disziplin vornehmlich negativ. Die formale Logik handelt zwar — wie nach Kant jede Logik — von „Verstandesregeln überhaupt" (vgl. o. 1.1.) und bezieht sich insofern auf Erkenntnis; sie abstrahiert aber von einem Moment derselben, welches zu berücksichtigen eine andere Doktrin — nämlich die transzendentale Logik — definiert und das außer acht zu lassen eben charakteristisch ist für die formale Logik. Dieses Moment ist der Inhalt der Erkenntnis bzw. deren Beziehung auf Objekte: „Eine a l l g e m e i n e , aber r e i n e [formale] L o g i k ist ein K a n o n d e s V e r s t a n d e s und der Vernunft, aber nur in Ansehung des Formalen ihres Gebrauchs, der Inhalt mag sein, welcher er wolle" (A 5 3 / B 77). „Die allgemeine Logik abstrahiert . . . . von allem Inhalt der Erkenntnis, d. i. von aller Beziehung derselben auf das Objekt, und betrachtet nur die logische Form im Verhältnisse der Erkenntnisse aufeinander, d. i. die Form des Denkens überhaupt" (A 55/B 79) Und wenn Kant in der Vorrede zur zweiten Auflage der Kritik der reinen Vernunft die formale Logik positiv bestimmt als „eine Wissenschaft..., welche nichts als die formalen Regeln alles Denkens . . . ausführlich darlegt und strenge beweist" (Β VIII f.), dann hat man auch dort die Formalität der fraglichen Regeln in dem Sinne zu verstehen, daß sie von der Beziehung des von ihnen geregelten Denkens auf Gegenstände, also von dessen Inhalt, abstrahieren. Umgekehrt bestimmt Kant die transzendentale Logik gerade ι Der Ausdruck „Erkenntnis" ist im Sprachbuch Kants mehrdeutig, und zwar steht er mindestens sowohl für „Begriff" als auch für „Urteil" (vgl. A 8 4 f f . / B 116 ff. und A 150 f./B 189 f.). Auch von „Beziehung auf ein Objekt" (oder „einen Gegenstand" ) spricht Kant sowohl im Hinblick auf Urteile als audi in bezug auf Begriffe (vgl. A 68 f . / B 93 f.; A 2 3 9 / B 2 9 8 ; A 58 f./B 83, hier spricht Kant zwar von wahrer und falscher Erkenntnis und „dem Gegenstande, worauf sie bezogen wird", aber „W a h r h e i t und I r r t h u m steckt niemahls in denen Begriffen, sondern blos in den Urtheilen" (LogikBlomberg, X X I V , S . 8 3 ) ; vgl. weiter K . d . U . § 8 , V, S. 215, wo Kant sagt, daß ein subjektiv allgemeingültiges (ein ästhetisches) Urteil „gar nicht auf das Object geht").
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Die Abgrenzung der formalen von der transzendentalen Logik
dadurch, daß sie eben dieses Moment der Erkenntnis berücksichtigt: Sie ist „eine Logik . . i n der man nicht von allem Inhalt der Erkenntnis" abstrahiert (A 55/Β 80). In unmittelbaren Zusammenhang mit der die formale von der transzendentalen Logik abgrenzenden Abstrahierung vom Inhalt der Erkenntnis bringt Kant nun in beiden Disziplinen ein Thema, das er unter den Titel „Wahrheit" stellt. Und zwar weist er der Analytik im Rahmen der formalen Logik einerseits, der transzendentalen Analytik andererseits jeweils eine bestimmte Funktion im Hinblick auf dieses Thema zu: Die formale Analytik ist „der wenigstens negative Probierstein der Wahrheit", und das von ihr bereitgestellte „bloß logische Kriterium der Wahrheit, nämlich die Übereinstimmung einer Erkenntnis mit den allgemeinen und formalen Gesetzen des Verstandes und der Vernunft [ist] zwar die conditio sine qua non, mithin die negative Bedingung aller Wahrheit: weiter aber kann die Logik nicht gehen, und den Irrtum, der nicht die Form, sondern den Inhalt trifft, kann die Logik durch keinen Probierstein entdecken" (A 59 f./B 84), eben weil sie „von allem Inhalt der Erkenntnis (Beziehung auf ihr Objekt) abstrahiert, und Wahrheit gerade diesen Inhalt angeht" (A 58 f./B 83). Hingegen ist „der Teil der transzendentalen Logik . . . , der die Elemente der reinen Verstandeserkenntnis vorträgt, und die Prinzipien, ohne welche überall kein Gegenstand gedadit werden kann, . . . die transzendentale Analytik, und zugleich eine Logik der Wahrheit. Denn ihr kann keine Erkenntnis widersprechen, ohne daß sie zugleich allen Inhalt verlöre, d. i. alle Beziehung auf irgendein Objekt, mithin alle Wahrheit" (A 63 f./B 87). Wir wollen nun im folgenden untersuchen, was genau Kant meint, wenn er den Unterschied und die Abgrenzung der formalen von der transzendentalen Logik durch die Berücksichtigung bzw. Abstraktion von der Beziehung zwischen Erkenntnis und Gegenstand bestimmt, und wenn er die transzendentale Analytik erklärt als eine „Logik der Wahrheit" im Unterschied zur formalen, welche die nur „negative Bedingung aller Wahrheit" formuliert. Wir müssen also fragen: Was heißt „Beziehung auf einen Gegenstand" und inwiefern betrifft dieser die von Kant sogenannte „Wahrheit" 2 der Erkenntnis so, daß der angedeutete Unterschied zwischen formaler und transzendentaler Analytik besteht. Diese Überlegungen liefern auch — wie wir sehen werden — einen selbständigen Beitrag zur Interpretation von Kants Charakterisierung der transzendentalen Analytik. ζ Es ist —wie sich später zeigen wird — keineswegs klar, ob Kant hier die Wahrheit im herkömmlichen Sinne meint.
Was heißt „Logik der Wahrheit" ?
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2.1. Was heißt „Logik der Wahrheit*? An der oben angeführten Textstelle A 63/B 87 charakterisiert Kant die transzendentale Analytik dadurch, daß sie Prinzipien entwickle, denen zu widersprechen für eine Erkenntnis den Verlust der zur Diskussion stehenden Beziehung auf ein Objekt nach sich zieht. Dabei spricht er von Erkenntnissen im Hinblick auf jedenfalls drei Gesichtspunkte, sie können nämlich: a) der transzendentalen Analytik bzw. deren Prinzipien widersprechen b) alle Beziehung auf irgendein Objekt oder
verlieren.
c) alle Wahrheit Diese drei Eigenschaften sind dem Text zufolge nicht logisch unabhängig voneinander. Wir wollen darum zunächst untersuchen, in welchen Beziehungen sie zueinander stehen.
I. Kant sagt, eine Erkenntnis könne der transzendentalen Analytik nicht widersprechen, ohne alle Beziehung auf ein Objekt zu verlieren. D. h. aber: Wenn eine Erkenntnis der transzendentalen Analytik widerspricht, dann verliert sie die fragliche Beziehung. Mit V' für die Klasse der in der genannten Weise widersprechenden Erkenntnisse und mit AB' für die Klasse der Erkenntnisse ohne Beziehung auf ein Objekt ergibt dies: V' Ç AB'
(1)
(mengentheoretische Inklusion).
Weiter lesen wir, daß eine Erkenntnis die fragliche Beziehung und „mithin alle Wahrheit" verliert. D. h. aber: Wenn einer Erkenntnis die fragliche Beziehung nicht zukommt, dann ist sie audi ohne „alle Wahrheit". Mit AW' für die Klasse der letzteren Erkenntnisse ergibt das: AB' S AW'
(2).
Hieraus folgt mit (1) audi: V' S AW'
(3).
Einen weiteren Hinweis auf das Verhältnis zwischen den zur Diskussion stehenden Eigenschaften gibt A 131/B 170. Kant sagt dort: „Verstand und Urteilskraft haben demnach ihren Kanon des objektiv gültigen, mithin wahren Gebrauchs, in der transzendentalen Logik, und gehören also in ihren
22
Die Abgrenzung der formalen von der transzendentalen Logik
analytischen Teil." Wörtlich spricht er hier nicht von Erkenntnissen, sondern von einem „objektiv gültigen, mithin wahren Gebrauch" von Verstand und Urteilskraft. Nun zielt aber der Gebrauch dieser Vermögen auf Erkenntnis ab, und ihr „objektiv gültiger, mithin wahrer" Gebrauch wird dementsprechende Erkenntnisse zum Ergebnis haben. Ohne schon jetzt entscheiden zu müssen, welche Eigenschaft Kant hier mit dem Wort „wahr" bezeichnen will, können wir doch annehmen, daß eine „wahre" Erkenntnis im Sinne unserer Textstelle jedenfalls nicht „alle Wahrheit verliert". Ebenfalls voraussetzen können wir, daß eine Erkenntnis, die „nicht alle Beziehung auf irgendein Objekt verliert", „objektiv gültig ist" — und umgekehrt 3 . Dann aber ist die Klasse AB derjenigen Erkenntnisse, die nicht alle Beziehung auf irgendein Objekt verlieren, enthalten in AW, der Klasse der nicht alle Wahrheit verlierenden Erkenntnisse: AB S AW
(4).
Zusammen mit AB' Ç AW' ergibt dies: AB = AW
(5).
Die Klasse der Erkenntnisse, die nicht alle Beziehung auf ein Objekt verlieren, ist also identisch mit der Klasse der nicht alle Wahrheit verlierenden Erkenntnisse, und ebenso für die jeweiligen Komplemente. Wie aber verhält sich die Klasse AB zur Klasse V derjenigen Erkenntnisse, die der transzendentalen Analytik nicht widersprechen? Bei der Beantwortung dieser Frage gehe ich davon aus, daß Kant in der Analytik mit den Grundsätzen des reinen Verstandens die Bedingungen der Möglichkeit von Erfahrung formuliert 4 und daß der Analytik zu widersprechen heißt, diese Bedingungen nicht zu erfüllen. Zugleich formuliert Kant mit diesen Grundsätzen jedenfalls notwendige Bedingungen dafür, daß eine Erkenntnis Beziehung auf ein Objekt hat bzw. nicht alle Wahrheit verliert 5 . Nun sagt Kant in A 237/B 296, die „Grundsätze des reinen Verstandes" seien 3
Vgl. hierzu den §en 19 der transzendenten Deduktion B. Hier führt Kant aus, daß ein Urteil genau dann objektiv gültig ist, wenn die darin verknüpften „Vorstellungen" (also etwa der Subjekts- und Prädikatsbegriff oder auch Teilurteile) „im Objekt . . . verbunden" sind. (Β 140fi.). 4 Vgl. hierzu „das oberste Principium aller synthetischen Urteile" (A 158/B 197). s Vgl. hierzu noch einmal A 62 f./Β 87 sowie A 161/Β 200: „Die Tafel der Kategorien gibt uns die ganz natürliche Anweisung zur Tafel der Grundsätze, weil diese dodi nichts anderes, als Regeln des objektiven Gebrauchs der ersteren sind." Die Grundsätze formulieren also jedenfalls notwendige Bedingungen dafür, daß eine Erkenntnis in die Klasse AB (bzw. AW) fällt.
Was heißt „Logik der Wahrheit"?
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nicht allein „a priori wahr", „sondern sogar der Quell aller Wahrheit, d. i. der Übereinstimmung unserer Erkenntnis mit Objekten". Dies verstehe ich dahin, daß den fraglichen Bedingungen zu genügen nicht nur notwendig, sondern auch hinreichend dafür ist, daß eine Erkenntnis nicht „alle Wahrheit" und damit auch nicht „alle Beziehung auf irgendein Objekt verliert", dafür also, daß sie zu AB bzw. AW gehört. Hieraus aber folgt: V Ç AB = AW (6) 6 . Diese Interpretation hat eine Stütze an Kants Ausführungen in A 131/ Β 170. Es heißt dort, „daß der t r a n s z e n d e n t a l e G e b r a u c h d e r V e r n u n f t gar nicht objektiv gültig sei, mithin nicht zur L o g i k d e r W a h r h e i t , d.i. der Analytik gehöre". Wie bereits bemerkt (vgl. o. S. 22), spricht Kant hier wörtlich nicht von (objektiv gültigen oder nicht gültigen) Erkenntnissen, sondern von dem entsprechenden Gebrauch eines Erkenntnisvermögens. Ein solcher aber zielt ab auf Erkenntnisse und diese werden objektiv gültig sein (Beziehung auf ein Objekt haben) oder nicht, je nachdem, ob dies auf den jeweiligen Gebrauch des Vermögens zutrifft. Daß der transzendentale Gebrauch der Vernunft nicht objektiv gültig ist und mithin nicht zur Logik der Wahrheit gehört, verstehe ich dahin, daß jeder nicht objektiv gültige Gebrauch eines Erkenntnisvermögens bzw. jede nicht objektiv gültige Erkenntnis nicht zur Logik der Wahrheit (der transzenden talen Analytik) gehört in dem Sinne, daß sie den dort gestellten Bedingungen nicht genügen. D. h. aber, daß AB' Ç y
(6')
gilt. Und diese Beziehung ist äquivalent zu V S AB (6). 6
Idi werde im folgenden gelegentlich darauf hinweisen, daß man im Rahmen von Kants Erkenntnistheorie unterscheiden kann zwischen den Klassen Ki und K2 der Gegenstände möglicher (theoretischer) Erkenntnis bzw. möglicher Erfahrung. Kreis und Dreieck etwa gehören als Objekte der Mathematik zwar zu Kj, als nicht-empirische Gegenstände fallen sie aber nicht in K2. Andererseits ist K2 Teilklasse von Kj. — Daß die Grundsätze des reinen Verstandes notwendige und hinreichende Bedingungen für die Möglichkeit von Erfahrung formulieren, ist streng genommen äquivalent damit, daß genau die Elemente von K2 diesen Bedingungen genügen. Dann aber ist die Zugehörigkeit einer Erkenntnis e zur Klasse AB äquivalent damit, daß e sich auf ein Objekt aus K¡ ( in welchem Sinne auch immer) bezieht. Notwendig für die Beziehung etwa auf einen Gegenstand der Mathematik sind hier nur die „mathematischen" Grundsätze (vgl. A 162/B 201). — Die folgenden Überlegungen sind aber gegenüber dieser Unterscheidung invariant. Ich werde deshalb in der Regel schlicht von „Gegenständen" oder „Gegenständen möglicher Erkenntnis" sprechen.
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Die Abgrenzung der formalen von der transzendentalen Logik
Daraus aber ergibt sich zusammen mit den oben hergeleiteten Relationen V' _c AB'(1) und AB = AW (3), daß V = AB = AW (7). Damit haben wir die Antwort auf unsere Frage nach den Beziehungen zwischen den zur Diskussion stehenden Eigenschaften von Erkenntnissen gefunden: Sie sind untereinander äquivalent. Erkenntnisse, denen diese Eigenschaften zukommen, will ich im folgenden „verträglich" nennen, solche, denen sie fehlen, dagegen „unverträglich" 7 . II. Dieses Ergebnis legt die folgende Charakterisierung der „Verträglichkeit" und der transzendentalen Analytik als einer „Logik der Wahrheit" nahe: Eine Erkenntnis, die alle Beziehung auf ein Objekt verliert, verliert auch alle Wahrheit — und umgekehrt. D. h. aber auch, daß eine Erkenntnis, der eine Beziehung auf ein Objekt zukommt, nicht alle Wahrheit verliert, also „eine" Wahrheit besitzt — wie man hier in Anlehnung an Kants Sprachgebrauch sagen könnte. Die Klasse dieser Erkenntnisse wird definiert durch die „Logik der Wahrheit". Also — so möchte man meinen — sind die fraglichen Erkenntnisse eben wahr im herkömmlichen Sinne 8 , die untersuchte Beziehung (auf ein Objekt) ist die Übereinstimmung zwischen wahrer Erkenntnis und ihrem Gegenstand, und die transzendentale Analytik unterscheidet sich von der formalen eben dadurch, daß sie nicht wie diese 7 Im folgenden werde idi gelegentlich benutzen, daß die Klasse der verträglichen Erkenntnisse identisch ist mit der Klasse der „möglichen" Erkenntnisse im Sinne des ,ersten Postulat des empirischen Denkens' (vgl. Á218/B265). Kant erklärt dort: „Was mit den formalen Bedingungen der Erfahrung ( der Anschauung und den Begriffen nach) übereinkommt, ist m ö g l i c h " (ebda.). Diese Bedingungen sind formuliert in den Grundsätzen des reinen Verstandes. Die Postulate sind aber „Erklärungen der Begriffe der Möglichkeit, Wirklichkeit und Notwendigkeit ...". (A 219/B 266). Dann aber ist die hier genannte Möglichkeitsbedingung nicht nur — wie es die Formulierung unmittelbar hergibt — hinreichend, sondern auch notwendig. D. h., daß die Klasse der im Sinne des Postulats möglichen Begriffe oder Urteile mit der der verträglichen Erkenntnisse identisch ist. (Daß Kant modale Prädikate nicht nur auf Begriffe sondern auch auf Urteile anwendet, geht hervor etwa aus A 74 f./ Β 100 f. oder A 593 f,'/B 621 f.). 8 In diesem Sinne spricht Kant von Wahrheit jedenfalls dort, wo er deren „Namenerklärung" erwähnt: „Die Namenerklärung der Wahrheit, daß sie nämlich die Übereinstimmung der Erkenntnis mit ihrem Gegenstande sei, wird hier geschenkt, und Vorausgesetzt" (A58/B82).
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nur notwendige, sondern notwendige und hinreichende Wahrheitsbedingungen formuliert. Diese aufgrund unserer bisherigen Überlegungen naheliegende Auffassung läßt sich jedoch nicht halten. Im einzelnen kann man die folgenden Argumente gegen sie vorbringen: (i) Die Eigenschaft, der transzendentalen Analytik bzw. den dort in den Grundsätzen des reinen Verstandes formulierten Bedingungen zu widersprechen bzw. mit ihnen übereinzustimmen — also verträglich zu sein — kann auch Begriffen zukommen9. Wahrheit im herkömmlichen Sinne — bzw. in in dem der von Kant sogenannten „Namenerklärung" derselben — ist aber — sowohl tatsächlich als auch nach Kant — eine Eigenschaft von Urteilen bzw. Sätzen10. Schon dieser Umstand schließt aus, daß Kant in den Redewendungen „Logik der Wahrheit" bzw. „alle Wahrheit verlieren" das Wort „Wahrheit" im Sinne der Namenerklärung verwendet. (ii) Immerhin könnte trotzdem gelten, daß die Klasse VU der verträglichen Urteile, als Teilklasse der Klasse V der verträglichen Erkenntnisse, mit der Klasse W der im üblichen Sinne wahren Urteile identisch ist, also
vu = w. Aber auch diese Auffassung kann man im Rahmen von Kants Philosophie widerlegen: Wenn die fragliche Identität bestünde, dann wären genau die Urteile, die den in den Grundsätzen des reinen Verstandes formulierten Bedingungen genügen, wahr. Damit hätte man aber ein hinreichendes und auch notwendiges und doch zugleich allgemeines Wahrheitskriterium, nämlich: Für jedes Urteil u: u ist wahr genau dann, wenn u den fraglichen Bedingungen genügt. Hiergegen ist Kant aber ausdrücklich der Meinung, daß es ein solches allgemeines und zugleich hinreichendes Wahrheitskriterium nicht geben kann11. Ein weiteres Argument gegen die fragliche Identität ist das folgende: In Kants Theorie der Erfahrung sind — zumindest implizit — die folgenden Prinzipien enthalten: 9 Vgl. etwa A 220/B 267: „Das Postulat der Möglichkeit der Dinge fordert also, daß der Begriff derselben mit den formalen Bedingungen einer Erfahrung überhaupt zusammenstimme". 10 Vgl. hierzu die bereits zitierte Stelle aus der Logik Blomberg, XXIV, S. 83: W a h r h e i t , und I r r t h u m steckt niemahls in denen Begriffen, sonderen blos in den Urtheilen". 11 Vgl. A 5 8 f./Β 83 f.
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(a) Die (Nicht-) Verträglichkeit eines (nicht-) verträglichen Urteils kann a priori eingesehen werden12. (b) Nicht jedes wahre (falsche) Urteil kann a priori als wahr (falsch) eingesehen werden. Mit Hilfe dieser beiden Prinzipien können wir die Annahme, daß VU = W gilt, leicht widerlegen: Es sei nämlich VU = W und u ein beliebiges, wahres Urteil. Dann ist u verträglich, und dies kann man gemäß dem Prinzip (a) a priori einsehen. Wenn aber — wie angenommen — gilt, daß VU = W, dann kann man audi a priori einsehen, daß u wahr ist. D. h. aber, daß ein beliebiges, wahres Urteil a priori als wahr eingesehen werden kann. Dies aber steht im Widerspruch zu Prinzip (b). Also ist VU = W falsch, und es gilt: VU + W (8). Man sieht leicht, daß eine analoge Argumentation die Annahme, die Klasse V' U der nicht-verträglichen Urteile sei mit der Klasse F der (im herkömmlichen Sinne) falschen Urteile identisch, widerlegt. Es gilt also: V'U + F. (9). Damit haben wir insbesondere gezeigt, daß innerhalb der Klasse aller (wahren oder falschen) Urteile die Grenze zwischen Verträglichkeit und Unverträglichkeit nicht mit derjenigen zwischen Wahrheit und Falschheit zusammenfällt. D. h. aber, daß wir die transzendentale Analytik nicht dadurch von der formalen abgrenzen können, daß jene im Hinblick auf Wahrheit notwendige und hinreichende Bedingungen, diese dagegen nur notwendige stellen kann. Wir müssen uns also hierfür nach etwas anderem umsehen.
III. Wir nehmen unsere eingangs gestellte Frage aufs neue in Angriff und untersuchen jetzt, wie Kant die Redeweise „Beziehimg auf ein Objekt [einen 12
Im Verlaufe der Diskussion um den im ersten „Postulat des empirischen Denkens" definierten Möglichkeitsbegriff sagt Kant: Wir können „ohne eben Erfahrung selbst voranzuschicken, bloß in Beziehung auf die formalen Bedingungen, unter welchen in ihr überhaupt etwas als Gegenstand bestimmt wird, mithin völlig a priori, aber dodi nur in Beziehung auf sie, und innerhalb ihren Grenzen, die Möglichkeit der Dinge erkennen und charakterisieren" (A 2 2 4 / Β 272). Ein Ding ist im Sinne dieser Redeweise möglich, insofern es Gegenstand eines Begriffs ist, und zwar genau dann, wenn der betreffende Begriff mit den formalen Bedingungen der Erfahrung übereinstimmt. Dies ist äquivalent damit, daß der Begriff (als Erkenntnis) verträglich ist. Dann aber ist hier jedenfalls für (verträgliche bzw. unverträgliche) Begriffe gesagt, daß deren Verträglichkeit bzw. Unverträglichkeit a priori einsehbar ist.
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Gegenstand]" oder „sich auf einen Gegenstand beziehen" bzw. „bezogen sein auf" gebraucht. Ich halte zunächst einige Stellen fest, wo Kant in dieser Weise von Begriffen spricht: (i) „Ein Begriff . . . ist für leer zu halten, und bezieht sich auf keinen Gegenstand, wenn ..." (A 220/B 267). (ii) Der Begriff des Körpers „ist also nur dadurch Begriff, daß unter ihm andere Vorstellungen enthalten sind, vermittelst deren er sich auf Gegenstände beziehen kann. Er ist also das Prädikat zu einem möglichen Urteile, z. B. ein jedes Metall ist ein Körper" (A 69/B 94). (iii) In bezug auf die Kategorien als reine Verstandesèegn^e sagt Kant, daß für sie außerhalb des Bereiches der Sinnlichkeit „alle Bedeutung, d. i. Beziehung aufs Objekt, wegfällt, und man durch kein Beispiel sich selbst faßlich machen kann, was unter dergleichen Begriffe denn eigentlich für ein Ding gemeint sei" (A 241/B 300). Aus diesen Stellen geht hervor, daß nach Kant ein Begriff F sich auf einen Gegenstand a genau dann bezieht, wenn a, wie man im Anschluß an G. Frege sagen kann, unter F fällt 13 . Im Hinblick auf Urteile gebraucht Kant die fragliche Redewendung „sich beziehen auf" äquivok. So sagt er im Zusammenhang mit der traditionellen Korrespondenzdefinition der Wahrheit14 : „Wenn Wahrheit in der Übereinstimmung einer Erkenntnis mit ihrem Gegenstande besteht, . . . ; . . . eine Erkenntnis ist falsch, wenn sie mit dem Gegenstande, worauf sie bezogen wird, nicht übereinstimmt" (A 58/B 83). Hiernach ist eine falsche Erkenntnis (ein falsches Urteil) auf einen bestimmten („den") Gegenstand bezogen, und zwar im Modus der Nicht-Übereinstimmung. Eine wahre Erkenntnis (ein wahres Urteil) hingegen stimmt mit „ihrem" ( „seinem" ) Gegenstand (auf den sie (es) bezogen wird) überein, die Beziehung ist die Übereinstimmung, d. h. aber, daß Kant die Wendung „bezogen auf" hier gebraucht sowohl für den Fall der Übereinstimmung zwischen (wahrem) Urteil und Gegenstand als auch für den Fall der Nicht-Übereinstimmung, wofür wir im Anschluß an A 59/B 84 auch sagen können: des Widerspruchs zwischen einem Urteil und „seinem" Gegenstand15. 13
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Vgl. etwa Frege, G.: Uber Begriff und Gegenstand. In: G.Frege: Funktion, Begriff, Bedeutung. Fünf logische Studien. Hrsg. und eingeleitet von G. Patzig. 3Göttingen 1969, S. 66—80. Diese Definition zitiert Kant als die „Namenerklärung der Wahrheit": Wahrheit ist die „Übereinstimmung der Erkenntnis mit ihrem Gegenstande" (A 58/B 82). Kant sagt dort, eine Erkenntnis könne „doch nodi immer dem Gegenstande widersprechen", wenn sie audi den Gesetzen der formalen Logik genüge. Und d. h., daß
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Im Zusammenhang mit Urteilen verwendet Kant den Ausdrude „sich beziehen auf" aber auch in Fällen, wo es sich im Rahmen seiner Theorie der Erfahrung nur um Übereinstimmung handeln kann (und nicht um Nichtübereinstimmung bzw. Widerspruch) : „Alle Grundsätze des reinen Verstandes sind nichts weiter als Prinzipien a priori der Möglichkeit der Erfahrung, und auf die letztere allein beziehen sich auch alle synthetischen Sätze a priori" (B 294). „ . . . daher sich jene reinen synthetischen Urteile . . . auf mögliche Erfahrung oder vielmehr auf dieser ihre Möglichkeit selbst beziehen" (A 157/B 196). Nun sind aber die hier von Kant gemeinten synthetischen Urteile a priori wahr, d. h. sie stimmen mit dem überein, worauf sie sich beziehen: „ . . . so hat . . . Erkenntnis a priori . . . Wahrheit, (Einstimmung mit dem Objekt)..." (A 157/B 196 f.), und es ist ausgeschlossen, daß Erfahrung oder gar schon deren Möglichkeit diesen Sätzen widerspricht. D. h. aber, daß Kant den Ausdruck „sich beziehen auf" hier verwendet im Sinne von „übereinstimmen mit" 16. Als Antwort auf unsere Frage nach Kants Verwendungsweise für den Ausdruck „sich beziehen auf" (oder „Beziehung auf ein Objekt") halten wir damit fest: Bei Begriffen spricht Kant von einer Beziehung auf einen Gegenstand genau dann, wenn Übereinstimmung vorliegt, insofern der Gegenstand unter den Begriff fällt. Im Hinblick auf Urteile (Sätze) verwendet Kant die fragliche Redeweise hingegen äquivok, nämlich einmal im Sinne von „übereinstimmen mit oder widersprechen", dann aber auch in der Bedeutung „übereinstimmen mit". Es ist jetzt zu fragen, welche dieser beiden Verwendungsweisen eingeht in Kants Charakterisierung der transzendentalen Analytik als einer „Logik der Wahrheit", der zu widersprechen für eine Erkenntnis den Verlust aller „Beziehung auf irgendein Objekt" nach sich zieht. Ich will diese Frage untersuchen, indem ich die oben eingeführte Klasse V O der unverträglichen Urteile (die ja nach unseren bisherigen Überlegungen identisch ist mit der Klasse der Urteile, die „alle Beziehung auf irgendein Objekt" verlieren) nacheinander durch die beiden Bedeutungen von „Beziehung" charakterisiere und die Konsequenzen dieser zwei Interpretationen diskutiere. a) Wenn wir bei der Definition eines unverträglichen Urteils den Ausletzteres die Falschheit, nämlich den Widerspruch einer Erkenntnis zu ihrem Gegenstand (bzw. ihre Nicht-Übereinstimmung mit demselben) nicht ausschließt. 16 Vgl. auch A 239/B 298: „Also beziehen sich . . . alle Grundsätze . . . auf empirische Anschauungen, d.i. auf data zur möglichen Erfahrung"; und A 181/B223: »... die Gegenstände, auf welche diese Grundsätze bezogen werden sollen . . . sind . . . Erscheinungen . .
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drude „Beziehung" in der Bedeutung „Übereinstimmung oder Widerspruch" nehmen, dann enthält die so erklärte Klasse diejenigen Urteile, die weder mit einem Gegenstand übereinstimmen noch einem solchen widersprechen. Dann aber ist ein unverträgliches Urteil u — zufolge der von Kant akzeptierten Korrespondenzdefinition der Wahrheit — weder wahr noch falsch,
denn dies setzt voraus, daß u zu wenigstens einem ( „seinem" ) Gegenstand in einer der beiden Relationen „Übereinstimmung mit" bzw. „Widerspruch zu" steht. Umgekehrt „besitzt" (wie man in Anlehnung an Kants Sprachgebraudi hier sagen kann) im Rahmen dieser Interpretation ein verträgliches Urteil, also ein solches, das nicht „alle Wahrheit verliert", eine „Beziehung auf ein Objekt", und zwar genau eine derjenigen beiden Beziehungen, auf die es im Hinblick auf die Frage nach Wahrheit oder Falschheit ankommt, nämlich die Relationen „Übereinstimmung mit" bzw. „Widerspruch zu" „dem Objekt", und damit kommt genau den verträglichen Urteilen die Eigenschaft zu, wahr o d e r falsch zu sein. In grammatischer Hinsicht stellt diese Interpretation den Quantor „alle" in der Wendung „alle Beziehung auf ein Objekt verlieren" zu „Beziehung" ; er bindet damit die beiden möglichen Fälle, die als Relationen hier in Frage kommen, nämlich „Übereinstimmung" und „Widerspruch" 17. Auf unsere Frage, inwiefern die transzendentale Analytik eine „Logik der Wahrheit" sei, gibt uns die jetzt vorgeschlagene Interpretation somit die folgende Antwort: Genau die der transzendentalen Analytik — bzw. den dort formulierten Bedingungen — widersprechenden Urteile (also die von mir „unverträglich" genannten) sind weder wahr noch falsch, während umgekehrt gerade den verträglichen Urteilen zukommt, wahr oder falsch zu sein. Man hätte so mit der transzendentalen Logik, und zwar speziell der Analytik, einen Kanon notwendiger und hinreichender Bedingungen dafür, daß Urteile mit Gegenständen übereinstimmen oder solchen widersprechen können, also die Eigenschaft haben, wahr oder falsch zu sein. Insofern wäre dann die Analytik eine, wie Kant sagt, „Logik der Wahrheit" (A 62/B 87). Sie wäre diejenige Instanz, die darüber entschiede, ob ein Urteil im Hinblick auf Wahrheit und Falschheit überhaupt an Gegenständen gemessen werden kann. In diesem Sinne stellte sie die notwendigen und hinreichenden Bedingungen der Möglichkeit von Erfahrung. 17
G. Prauss setzt in dem bereits erwähnten Aufsatz voraus, daß Kant bei der Charakterisierung der transzendentalen Analytik den Ausdruck „Beziehung" in diesem Sinne gebraucht. Dementsprechend gibt er dann auf die Frage, inwiefern die Analytik eine „Logik der Wahrheit" sei, die hier skizzierte und zur Diskussion gestellte Antwort (vgl. a.a.O., S. 181).
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Gegen die vorgeschlagene Interpretation lassen sich nun aber mindestens zwei Argumente ins Feld führen: (i) Wie wir gesehen haben, ist dieser Auffassung zufolge kein Urteil, das den Gesetzen der transzendentalen Analytik zuwiderläuft, falsch. Kant selbst diskutiert aber in der Kritik der reinen Vernunft Urteile, die einerseits den Bedingnungen der transzendentalen Logik nicht genügen, andererseits aber falsch sind. Ein Beispiel hierfür ist der Satz: „Die Welt ist endlich." Damit haben wir einen Widerlegungsfall für die hier diskutierte Interpretation 18 . (ii) Die Grundsätze des reinen Verstandes sind wahre Urteile: „. . . so hat . . . Erkenntnis a priori . . . Wahrheit (Einstimmung mit dem Objekt,) . . . " (A 157/B 196f.). Daraus folgt, daß die Negation jedes dieser Grundsätze ein falsches Urteil ist. Nach dieser Interpretation ist somit jeder dieser negierten Grundsätze (als falsches Urteil) verträglich. Andererseits formuliert Kant gerade in den Grundsätzen des reinen Verstandes diejenigen Bedingungen, denen zu genügen bzw. zu widersprechen über Besitz bzw. Verlust der hier fraglichen „Beziehung auf ein Objekt" entscheidet 19 . Nun gilt ganz allgemein, daß die Negation eines Satzes diesem widerspricht. Insbesondere steht die Negation eines Grundsatzes des reinen Verstandes zu diesem im Widerspruch — und damit auch zu den durch alle Grundsätze formulierten Bedingungen. Eine solche Negation ist demnach ein unverträgliches, aber doch falsches Urteil. Hier haben wir einen weiteren Widerlegungsfall für diese Interpretation. Wir kommen damit zu dem Ergebnis, daß Kant den Ausdrude „Beziehung auf ein Objekt" bei der Carakterisierung der transzendentalen Analytik nicht in der Bedeutung „Übereinstimmung mit oder Widerspruch zu" verwendet. Es soll deshalb jetzt die oben beschriebene andere Möglichkeit einer Definition der Klasse der unverträglichen Urteile untersucht werden. b) Mit dieser zweiten Interpretation behaupten wir also, daß Kant den Ausdruck „Beziehung" in der Wendung „alle Beziehung auf irgendein Objekt verlieren" gebraucht im Sinne von „Ubereinstimmung mit" und nicht in der Bedeutung „Übereinstimmung mit oder Widerspruch zu". Damit ist ein Urteil genau dann verträglich (den Bedingungen der transzendentalen Analytik gemäß), wenn es mit einem Gegenstand übereinstimmt, während umgekehrt genau die unverträglichen Urteile mit keinem Gegenstand über18 Vgl. A 503 f./B 531 f.; dieses Urteil und auch „die Welt ist unendlich", das nach Kant nicht das erstere negiert, (vgl. ebda.) sind falsch, weil in ihnen die Existenz der Welt vorausgesetzt wird. Diese aber ist kein Gegenstand möglicher Erfahrung, i? Vgl. hierzu A 131 f./B 170 f. zusammen mit A 158/B197 — A161/B 200.
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einstimmen. Hieraus folgt, daß kein solches Urteil u wahr ist im Sinne der Korrespondenzdefinition, wohingegen offen bleibt, ob u falsch ist 20 : u stimmt mit keinem, folglich auch nicht mit „seinem", Gegenstand überein und ist deshalb keinesfalls wahr, überdies o nicht einmal falsch ist u dieser
Interpretation zufolge jedenfalls dann, wenn es nicht einmal irgendeinem Gegenstand widerspricht — es hat dann ja gar keinen Sinn, zu sagen, u widerspreche „seinem" Gegenstand —, wenn also u unverträglich ist im Sinne der Interpretation (a). Sicher falsch ist u hingegen dann, wenn es jedem — und damit auch „seinem" — Gegenstand widerspricht. Es ist also nicht These der Interpretation (b), daß es unverträgliche Urteile im Sinne von (a) nicht gibt, sondern nur, daß diese nicht zusammenfallen mit denen, die „alle Wahrheit" oder „alle Beziehung auf irgend ein Objekt" „verlieren". Positiv können wir für die jetzt diskutierte Interpretation bisher nur ins Feld führen, daß die ihr zugrunde liegende Verwendungsweise der Ausdrücke „Beziehung auf" bzw. „sich beziehen auf" bei Kant belegt ist. Wir wollen uns darum jetzt nach weiteren Gründen für diese Auffassung umsehen. (i) Ich beginne mit einer grammatikalischen Bemerkung: In Kants Redewendung „alle Beziehung auf irgendein Objekt [verlieren]" kann der Quantor „alle" auch anders bezogen werden, als wir dies zur Erhärtung obiger Interpretation (a) getan hatten. Wenn hier nur eine Art von Beziehung auf ein Objekt in Frage kommt, nämlich die Übereinstimmung mit demselben — und dies ist ja der Kernsatz der jetzt diskutierten Interpretation —, dann gründet sictf die Verschiedenheit der „verlorenen Beziehungen", die durch das Wort „alle" angedeutet wird, auf die Verschiedenheit der Gegenstände, zu denen diese Beziehung bestehen kann. Ein unverträgliches Urteil steht nadi dieser Auffassung zu keinem Gegenstand in der fraglichen Beziehung (Übereinstimmung) und verliert insofern „alle Beziehung"; und wörtlich sagt Kant ja auch, ein solches Urteil (eine solche „Erkenntnis" ) verliere „alle Beziehung auf irgendein Objekt". (ii) In A 220 fi./Β 268 f. verwendet Kant den Ausdruck „transzendentale Wahrheit" zur Bezeichnung einer Eigenschaft von Begriffen, nämlich der Eigenschaft, sich auf einen Gegenstand möglicher Erkenntnis zu beziehen21. A 146/B 185 heißt es dann: „In dem Ganzen aller möglichen Er20 Deshalb steht die Interpretation (b) im Einklang mit den gegen (a) vorgebrachten Einwänden. 21 Kant spricht hier einmal von der „objektiven Realität des Begriffs", d. i. der Möglichkeit eines solchen Gegenstandes, als durch den Begriff gedacht wird" ( A 2 2 0 / B 2 6 8 ) . Im Anschlug an A 599 fi./Β 627 fi. und an A 158/B 197 wollen wir festsetzen, daß
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fahrung liegen aber alle unsere Erkenntnisse, und in der allgemeinen Beziehung auf dieselbe besteht die transzendentale Wahrheit, die vor aller empirischen vorhergeht, und sie möglich macht." Der ersten Textstelle zufolge besteht die transzendentale Wahrheit eines Begriffs F darin, daß durch ihn ein Gegenstand a möglicher Erkenntnis „gedacht wird" (vgl. o.), d. h. aber, daß F sich auf a im Modus der Übereinstimmung bezieht. An der zweiten zitierten Stelle spricht Kant nun ganz allgemein über transzendentale Wahrheit von „Erkenntnissen", also jedenfalls von Urteilen und Begriffen (vgl. hierzu Anm. 1 auf S. 19). Die transzendentale Wahrheit besteht hier „in der allgemeinen Beziehung" auf mögliche Erfahrung. Darauf, daß man das Wort „Beziehung" hier im Hinblick auf Begriffe im Sinne von „Übereinstimmung" zu verstehen hat, gründe ich die Interpretation, daß Kant es an eben dieser Stelle auch hinsichtlich der transzendentalen Wahrheit von Urteilen in dieser Bedeutung gebraucht. Deren transzendentale Wahrheit besteht nun zufolge unserer Textstelle in ihrer „allgemeinen Beziehimg" auf mögliche Erfahrung. Ich interpretiere dies dahin, daß ein transzendental wahres Urteil u zu irgendeinem Gegenstand möglicher Erfahrung in der fraglichen Beziehung — nämlich „Übereinstimmung" — steht. Dann aber stimmt u audi mit einem Gegenstand möglicher Erkenntnis überein. Da Kant nun von objektiver Realität — und damit von transzendentaler Wahrheit — auch im Hinblick auf mathematische Begriffe spricht22, deren Gegenstände aber nicht empirisch und insofern nicht Gegenstände möglicher Erfahrung im engeren Sinne sind, wohl aber Gegenstände möglicher Erkenntnis, will ich auch bei einem Urteil u schon (aber auch nur) dann von transzendentaler Wahrheit sprechen, wenn u mit einem Gegenstand möglicher (theoretischer) Erkenntnis übereinstimmt. Die Klasse der transzendental wahren Urteile ist dann mit der Klasse VU der verträglichen Urteile identisch, wenn wir voraussetzen — und dies geschieht hier — , daß bei der Erklärung der Klasse VU das Wort „Beziehung" in der Bedeutung „Übereinstimmung" zu verstehen ist. Mit Hilfe dieser Definition von transzendentaler Wahrheit kann nun im die „Möglichkeit eines Gegenstandes a" genau dann besteht, wenn a Gegenstand möglicher Erkenntnis ist. Dann kommt — unserer Textstelle zufolge — einem Begriff genau dann „objektive Realität" zu, wenn durch ihn ein Gegenstand möglicher Erkenntnis „gedacht wird", d.h. aber, daß der Begriff sidi auf einen Gegenstand möglicher Erkenntnis bezieht. — In A 221/B 269 benutzt Kant zur Bezeichnung der objektiven Realität dann auch den Ausdruck „transzendentale Wahrheit": „ . . . objektive Realität, . . . d. i. transzendentale Wahrheit . . . " . 22 Vgl. ζ. B. den Begriff „einer Figur, die in zwei geraden Linien eingeschlossen ist" ( A 2 2 0 / B 2 6 8 ) ; s. auch Anm. 6 auf S.23.
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Rahmen der Interpretation (b) eine Erklärung für Kants Redeweise „alle Wahrheit verlieren" gegeben werden — und hiermit hat man eine weitere Bestätigung für diese Auffassung, nämlich: Die transzendentale Wahrheit eines Urteils u ist offenbar eine notwendige Bedingung dafür, daß u wahr ist im Sinne der Korrespondenzdefinition. Wenn nämlich u nicht transzendental wahr ist, dann stimmt es mit keinem, also auch nicht mit seinem Gegenstand (möglicher Erkenntnis) überein23. Nun „verlieren" zufolge unserer Interpretation (b) genau diejenigen Urteile „alle Wahrheit", die mit keinem Gegenstand (möglicher Erkenntnis) übereinstimmen, denen also jedenfalls schon die „transzendentale Wahrheit" fehlt. Dann aber verlieren diese Urteile eben auch die gewöhnliche (Korrespondenz-), und insofern „alle Wahrheit" 24. Auch diese Interpretation (b) für Kants Charakterisierung der transzendentalen Analytik als einer „Logik der Wahrheit" sieht sich einem möglichen Einwand ausgesetzt, den wir ausräumen müssen, bevor wir sie akzeptieren können. Dieser Einwand gründet sich auf Kants Bemerkung, daß eine falsche Erkenntnis „etwas enthält, was wohl von anderen Gegenständen gelten könnte" (A 58/B 83). Hiermit, so lautet der Einwand, sagt Kant etwas aus über falsche Urteile, was der Interpretation (b) zufolge nicht von allen falschen Urteilen gelten kann, nämlich: Ein falsches Urteil stimmt nach Kant nicht überein mit „seinem" Gegenstand „auf den es bezogen wird" 25. Mit der oben zitierten Bemerkung meint Kant aber — so der fragliche Einwand —, daß es zu jedem falschen Urteil u einen anderen Gegenstand g gibt, mit dem u übereinstimmt, auf den bezogen u mithin wahr ist. Nun gibt es unverträgliche Urteile, die zufolge Wenn u insbesondere empirisch ist, dann widerspricht es in diesem Falle „seinem" empirischen Gegenstand; deshalb sagt Kant, daß die transzendentale Wahrheit „vor aller empirischen vorhergeht, und sie möglich macht" (vgl. o.). 24 Hier zeigt sich auch eine gewisse Überlegenheit der jetzt diskutierten Interpretation (b) über (a) hinsichtlich ihrer Erklärungskraft in bezug auf Kants Ausdrucksweise. Nach (b) kommt allen Urteilen, die nicht alle Wahrheit verlieren, jedenfalls transzendentale Wahrheit zu. Damit kann man mit (b) in jedem Falle, wo es gilt, erklären, in welchem Sinne einem Urteil u eben nicht alle, sondern allenfalls nur eine, nämlich die gewöhnliche Korrespondenzwahrheit fehlt. Aber audi im Rahmen von (a) ist der Verlust aller Wahrheit äquivalent mit dem Verlust aller Beziehung auf irgendein Objekt. Dieser trifft hier aber ein Urteil u ζ. B. dann nicht, wenn u jedem Gegenstand möglicher Erkenntnis widerspricht (dies ist etwa der Fall, wenn u kontradiktorisch ist), dann nämlich steht u zu jedem Gegenstand möglicher Erkenntnis in der für (a) einschlägigen Beziehung „Übereinstimmung mit oder Widerspruch zu". Einem solchen Urteil fehlt im Sinne von (a) nicht „alle Wahrheit". Andererseits ist es weder wahr im transzendentalen noch im gewöhnlichen Sinne. 25 Vgl. noch einmal Kants Definitionen von Wahrheit und Falschheit A 58/B 82 ff. 23
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der Interpreatition (b) falsch sind, weil sie jedem — also auch „ihrem" — Gegenstand (möglicher Erkenntnis) widersprechen. Aber gerade deswegen gibt es auch zu keinem solchen unverträglichen Urteil u einen Gegenstand g derart, daß (das falsche Urteil) u mit g übereinstimmt und insofern „etwas enthält, was wohl von anderen Gegenständen gelten könnte" (vgl. o.) Der Interpretation (b) zufolge gibt es also falsche Urteile, auf die nicht zutrifft, was Kant hier ganz allgemein über falsche Erkenntnisse zu sagen scheint. Zur Verteidigung meiner Interpretation behaupte ich gegen diesen Einwand, daß die Bemerkungen, die Kant in dem fraglichen Kontext (A 58 f./ Β 83) über Wahrheit und Falschheit macht, überhaupt nur zutreffen können auf Urteile, die in bezug auf die transzendentale Analytik bzw. die dort formulierten Gesetze der Erkenntnis kontingent sind. Dabei nenne ich ein Urteil u kontingent in bezug auf eine Klasse G von Gesetzen, wenn u weder aus G folgt, noch G widerspricht26. Wie immer man die Klasse V' U der unverträglichen Urteile des näheren definieren mag, hiernach gilt jedenfalls, daß kein unverträgliches Urteil kontingent ist in bezug auf die transzendentale Analytik, denn genau diese Urteile widersprechen derselben. Wenn man also zeigen kann, daß die fraglichen Bemerkungen Kants nur auf kontingente Urteile zutreffen können, dann braucht überhaupt keine nähere Interpretation der unverträglichen Urteile gegen sie verteidigt zu werden. Wie sieht nun der gesuchte Nachweis aus? Ich beginne mit Kants Bemerkung über Wahrheit. Er sagt: „Wenn Wahrheit in der Übereinstimmung einer Erkenntnis mit ihrem Gegenstande besteht, so muß dadurch [sc.: daß die Erkenntnis mit dem Gegenstand übereinstimmt] dieser Gegenstand von anderen unterschieden werden" (A 58/B 83). Es sei nun u ein nicht kontingentes, wahres Urteil. Dann folgt u per definitionem aus den Gesetzen der transzendentalen Analytik. Diese aber stimmen mit jedem Gegenstand möglicher Erkenntnis überein, denn sie formulieren ja gerade die Bedingungen, die solche Gegenstände erfüllen müssen 27 . Weil u aus diesen Gesetzen folgt, stimmt es dann auch mit allen solchen Gegenständen überein. Dann aber unterscheidet der Umstand, daß u mit einem Gegenstand möglicher Erkenntnis übereinstimmt, diesen nicht von anderen; und Gegenstände, zu denen die gegenteilige Beziehung (Nicht-Übereinstimmung) bestehen würde, gibt es im Falle eines wahren, aber nicht kontingenten Urteils nicht. Im Hinblick auf Kants Bemerkung über falsche Urteile 28 können wir 26 u widerspricht G jedenfalls dann, wenn die Negation von u aus G folgt. 27 Vgl. hierzu A 158/B 197. 28 „ . . . eine Erkenntnis ist falsch, wenn sie mit dem Gegenstande, worauf sie bezogen wird, nicht übereinstimmt, ob sie gleich etwas enthält, . . ( v g l . o.).
„Verträgliches Urteil" und „Grundsatz einer möglichen empirischen Wissenschaft"
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analog argumentieren: Es sei u ein falsches, nicht kontingentes Urteil. Dann widerspricht u per definitionem den Gesetzen der transzendentalen Analytik. Da diese mit jedem Gegenstand möglicher Erkenntnis übereinstimmen, stimmt u mit keinem solchen Gegenstand überein. Dann aber enthält u nichts, „was wohl von anderen Gegenständen gelten könnte" (vgl. o.) 29 . Wie man sieht, treffen Kants fragliche Bemerkungen deshalb nur auf kontingente Urteile zu, weil die nicht kontingenten entweder mit allen oder aber mit keinem Gegenstand möglicher Erkenntnis übereinstimmen30. Damit ist der fragliche Einwand ausgeräumt. Als Ergebnis unserer Überlegungen halten wir fest: Die transzendentale Analytik ist insofern eine „Logik der Wahrheit", als sie die notwendigen und hinreichenden Bedingungen für transzendentale Wahrheit formuliert, also für die Eigenschaft, sich auf einen Gegenstand möglicher Erkenntnis im Modus der Übereinstimmung zu beziehen. Diese Eigenschaft ist dem Kantischen Kontext zufolge erklärt sowohl für Urteile als auch für Begriffe. Bei einem Urteil ist sie notwendige, nicht aber hinreichende Bedingung für die gewöhnliche (Korrespondenz-)Wahrheit. — Die Unterscheidung zwischen dieser und der transzendentalen Wahrheit werden wir im Abschnitt 2.3. benutzen, um die transzendentale von der formalen Logik abzugrenzen.
2.2. Die Begriffe „Verträgliches Urteil" und „Grundsatz einer möglichen empirischen Wissenschaft": zwei Explikate Unsere bisherigen Überlegungen haben gezeigt, daß genau diejenigen Urteile, die, wie Kant sagt, „alle Beziehung auf irgendein Objekt, mithin alle Wahrheit" verlieren (vgl. o.), zu keinem Gegenstand möglicher Erkenntnis in der Relation „Übereinstimmung" stehen, und daß eben diese Urteile der transzendentalen Analytik als einer „Logik der Wahrheit" „widersprechen" (ebda. A 62 f./Β 87). Umgekehrt fallen die hier nicht widersprechen29 Diese Argumentation um Kants Bemerkung über die Falschheit ist dem obigen Einwand ganz ähnlich, gibt diesem aber eine andere Stoßrichtung, indem sie eben zeigt, daß der Kantische Text hier nicht eine bestimmte Interpretation von Unverträglichkeit ausschließt, sondern, da kein unverträgliches Urteil kontingent ist (und falsch), keiner solchen Interpretationen widerspricht. 30 Darüberhinaus sei bemerkt, daß Kants Argumentation um ein allgemeines, aber hinreichendes Wahrheitskriterium, innerhalb deren er die fraglichen Bemerkungen macht, ebenfalls nicht gültig ist in bezug auf die Klasse der nicht kontingenten Urteile. Denn für diese hat man in den Gesetzen der transzendentalen Analytik ein solches Kriterium: Ein nicht kontingentes Urteil ist genau dann wahr, wenn es diesen Gesetzen nicht widerspricht.
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Die Abgrenzung der formalen von der transzendentalen Logik
den Urteile — also die von mir „verträglich" genannten — zusammen mit denjenigen, die „möglich" sind im Sinne des ersten Postulats des empirischen Denkens 31 . Es ist nun — wie wir sogleich sehen werden — keineswegs von vornherein klar, wie man die in diese Bestimmungen eingehenden Relationsbegriffe („Widerspruch" (zur transzendentalen Analytik) bzw. „Übereinstimmung mit" (den formalen Bedingungen der Erfahrung)) zu präzisieren hat. Andererseits ist die transzendentale Logik gerade dadurch von der formalen abgegrenzt, daß sie vermittels dieser Relationen Klassen von „verträglichen" bzw. „unverträglichen" Urteilen definieren kann. Ich will deshalb im folgenden versuchen, Explikate für diese Begriffe von Übereinstimmung und Widerspruch zu entwickeln. Um den Rahmen meiner Überlegungen von vornherein abzustecken, will idi dabei voraussetzen, daß a) der „Widerspruch", in dem ein unverträgliches Urteil u zur transzendentalen Analytik steht, zu explizieren ist durch eine logische Relation, die definiert ist zwischen u und den Grundsätzen des reinen Verstandes und b) diese Grundsätze eben diejenigen Bedingungen formulieren, mit denen übereinzustimmen die Verträglichkeit eines (verträglichen) Urteils u ausmacht — also die „formalen Bedingungen der Erfahrung" (vgl. o.). Auch diese Relation „Übereinstimmung mit" ist zu präzisieren als eine logische Beziehung zwischen u und den Grundsätzen des reinen Verstandes. Ich ziehe zunächst einige Stellen heran, wo Kant die von ihm mit seinem ersten Postulat des empirischen Denkens vorgegebene Konzeption von „Möglichkeit" im Hinblick auf Begriffe diskutiert. In A 221/B 268 spricht Kant von der „Eigenschaft" Kausalität und deren Möglichkeit: „Oder, ich stelle mir etwas vor, welches so beschaffen sein soll, daß, wenn es gesetzt wird, jederzeit und unausbleiblich etwas anderes darauf erfolgt, so mag dieses allerdings ohne Widerspruch so gedacht werden können; ob aber dergleichen Eigenschaft (als Kausalität) an irgendeinem möglichen Dinge angetroffen werde, kann dadurch nicht geurteilt werden." Kant beschreibt hier eine Situation, wo eine Eigenschaft (ein Begriff) gegeben ist und gefragt wird, ob dieselbe im Sinne des ersten Postulats des empirischen Denkens möglich sei. Diese Frage formuliert er mit den Worten: „ . . . ob aber dergleichen Eigenschaft... an irgendeinem möglichen Dinge angetroffen werde . . . " . 31
„Was mit den formalen Bedingungen der Erfahrung (der Anchauung und den Begriffen nach) übereinkommt, ist m ö g l i c h " (A218/B265); vgl. audi o. S.24 Anm. 7.
„Verträgliches Urteil* und „Grundsatz einer möglichen empirischen Wissenschaft"
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Kant deutet damit eine Präzisierung der Relation an, die zwischen einem möglichen Begriff und den in den Grundsätzen des reinen Verstandes formulierten „formalen Bedingungen der Erfahrung" besteht (vgl. den Wortlaut des ersten Postulats), und zwar in folgender Weise: Ein Begriff (eine Eigenschaft) ist möglich im Sinne des ersten Postulats des empirischen Denkens (er „kommt" mit den formalen Bedingungen „überein"), wenn ein mögliches Ding unter ihn fällt (wörtlich: wenn die betreffende Eigenschaft „an irgendeinem möglichen Dinge angetroffen" wird). Für die Explikation der fraglichen Relation fasse ich die „möglichen Dinge" auf als Gegenstände möglicher Erkenntnis, und diese sollen definiert sein durch die Eigenschaft, die in den Grundsätzen des reinen Verstandes formulierten Bedingungen zu erfüllen32. Dann ergibt sich der Kantischen Formulierung zufolge dieses Bild: Ein Begriff ist möglich im Sinne des ersten Postulats des empirischen Denkens genau dann, wenn unter ihn (mindestens) ein Gegenstand möglicher Erkenntnis fällt, wenn also sein Umfang mit der Klasse der Gegenstände möglicher Erkenntnis einen nicht-leeren (mengentheoretischen) Durchschnitt hat. Im Hinblick auf die zu explizierende Relation „Übereinstimmung" bedeutet dies: Ein Begriff „F" stimmt mit den formalen Bedingungen der Erfahrung überein ( „ist möglich" ) genau dann, wenn die logische Konjunktion der Aussageformen (i)
χ ist F
und
(ii) χ ist ein Gegenstand möglicher Erkenntnis (äquivalent mit: χ erfüllt die in den Grundsätzen des reinen Verstandes formulierten Bedingungen), also die Aussageform (iii) χ ist F und χ ist ein Gegenstand möglicher Erkenntnis widerspruchsfrei ist. Dies wiederum ist äquivalent damit, daß (i) und (ii) einander weder konträr nodi kontradiktorisch widersprechen. Dieser Explikation zufolge ist das im ersten Postulat des empirischen Denkens geforderte „Übereinkommen mit" (den Grundsätzen des reinen Verstandes) jedenfalls im Hinblick auf Begriffe zu präzisieren durch „weder konträr noch kontradiktorisch widersprechen", während umgekehrt das der Weil die Grundsätze des reinen Verstandes auch die Bedingungen möglicher mathematischer Erkenntnis formulieren, diese aber nicht empirisch ist, gebrauche ich hier wieder die schwächere Ausdrucksweise „Gegenstand möglicher Erkenntnis" (und nicht: „möglicher Erfahrung"); vgl. audi o. S.32, sowie Anm.6 auf S . 2 3 .
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Die Abgrenzung der formalen von der transzendentalen Logik
transzendentalen Analytik „Widersprechen" (vgl. A 6 2 f / B 87) im Sinne der oben gemachten Voraussetzung wörtlich zu nehmen ist als „den Grundsätzen des reinen Verstandes konträr oder kontradiktorisch widersprechen". Zu einem ganz anderen Explikat führen dagegen die beiden folgenden auf unser Problem bezogenen Textstellen. In A 224/B 272 sagt Kant über (im hier verhandelten Sinne) mögliche Begriffe: „. . . wo sollte man auch Gegenstände suchen wollen, die den Begriffen korrespondierten, wäre es nicht in der Erfahrung, durch die uns allein Gegenstände gegeben werden?" Und in A 220/B 267 ist die Rede von einem „reinen Begriff", dem die fragliche Möglichkeit zukommt, „der dennoch zur Erfahrung gehört, weil sein Objekt nur in dieser angetroffen werden kann." Hiernach besteht zwischen dem Umfang eines möglichen Begriffs und der Klasse der Gegenstände möglicher Erkenntnis eine andere Beziehung als die soeben herausgestellte, nämlich: Wenn die einem solchen Begriff „F" korrespondierenden Gegenstände nur „in der Erfahrung angetroffen" bzw. durch die letztere allein uns solche „Gegenstände gegeben" werden können, dann ist sein Umfang Teilklasse der Klasse der Gegenstände möglicher Erfahrung, und da diese enthalten ist in der Klasse der Gegenstände möglicher Erkenntnis, gilt dann: Alle F sind Gegenstände möglicher Erkenntnis. Dementsprechend gründe ich auf diese Textstellen das folgende Explikat für die Möglichkeit eines Begriffs „F": „F" ist möglich (stimmt mit den formalen Bedingungen der Erfahrung überein) genau dann, wenn alle F Gegenstände möglicher Erkenntnis sind. In bezug auf die oben eingeführten Aussageformen (i) χ ist F
und
(ii) χ ist Gegenstand möglicher Erkenntnis heißt dies, daß (ii) aus (i) folgt. Hiernach „widerspricht" ein Begriff der transzendentalen Analytik, wenn unter ihn (mindestens) ein Gegenstand fällt, der nicht Gegenstand möglicher Erkenntnis ist. Damit bekommt das Wort „Widerspruch" einen ganz anderen als den gewöhnlichen Sinn. Jedes dieser Explikate drückt ein eigenes und von dem des anderen wohl zu unterscheidendes Vorverständnis des zu explizierenden Möglichkeitsbegriffs aus. Dies würde eine vergleichende Diskussion berücksichtigen müssen. In einem Falle kann man sich orientieren an dem auf Handlungen zu beziehenden Begriff des Erlaubten. Von diesem Begriff wird man erwarten, daß mit einer Handlung nicht eo ipso audi jede darüber hinausgehende erlaubt sein soll. Wenn man etwa auf einer vierspurigen Landstraße mit dem
„Verträgliches Urteil" und „Grundsatz einer möglichen empirischen Wissenschaft"
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PKW die Geschwindigkeit von 100 km/h überschreiten darf, so ist doch nicht schon deswegen erlaubt, dort 120 km/h zu fahren und dabei ständig die Überholspur zu benutzen. Andererseits wird mit einer Handlung H auch (mindestens) all das erlaubt sein, was H schon aus logischen Gründen nach sich zieht. So gilt in unserem Beispiel: Weil man mit einer Geschwindigkeit von 110 km/h fahren darf, ist es auch erlaubt, die Geschwindigkeit von 105 km/h zu überschreiten. Aus dieser Sichtweise wird man das Explikandum „möglicher Begriff" so explizieren, daß mit einem Begriff F einerseits nicht schon jede logische Verschärfimg, andererseits aber jeder logisch schwächere Begriff möglich ist. Diese Forderungen werden offenbar von dem ersten Explikat erfüllt, während das zweite beide Bedingungen verletzt. Denn mit der Konjunktion aus den Aussageformen (i) und (ii) ist auch jede solche aus (ii) und einer logisch schwächeren als (i) widerspruchsfrei, nicht aber schon deswegen jede Konjunktion aus (ii) und einer Verschärfung von (i). Umgekehrt gilt: Wenn (ii) aus (i) folgt, dann auch aus jeder Verschärfung von (i), nicht aber schon deswegen aus jeder Abschwächung hiervon. Einen ganz anderen Zugang zu dem hier zu präzisierenden Begriff von Möglichkeit eröffnet dagegen ein Blick auf das Vorgehen der Wissenschaft bei der Explikation eines vorwissenschaftlichen Begriffs33. Man stellt an den Anfang eines solchen Verfahrens die Forderung von „Adäquatheitsbedingungen"; das sind Bedingungen, denen die Definition des betreffenden Begriffs jedenfalls genügen muß, wenn sie das sich im Explikandum ausdrükkende Vorverständnis adäquat wiedergeben soll. Genauer: Eine adäquate Definition muß die Eigenschaft haben, daß jedes Modell ihres Definiens auch die vorgegebenen Adäquatheitsbedingungen erfüllt. Man kann dann sagen, jede Definition mit dieser Eigenschaft sei „möglich" im Sinne der betreffenden Bedingungen. Ein solches Verständnis von Möglichkeit beinhaltet, daß mit einer Definition auch ihre sämtlichen (widerspruchsfreien) Verschärfungen, nicht aber alle schwächeren Definitionen möglich sind. Diese Bedingungen — die ja die beiden oben von der Orientierung am Begriff des 33 Auch unser jetziger Versuch, eine präzise Vorstellung von Kants Möglichkeitskonzeption zu gewinnen, benutzt diese Methode. Sie geht auf R. Carnap zurück. Carnap schickt seiner quantitativen Explikation der Begriffs „Wahrscheinlichkeit" vier „Adäquatheitskonventionen" voraus. Jedes adäquate Explikat des Explikandnms „Wahrscheinlichkeit" muß den darin niedergelegten Bedingungen genügen: „A quantitative function . . . is not adequate as a quantitative explicatum for probalityi unless it fulfils the following conditions . . . " (Carnap,R.: Logical Foundations of Probability. Chicago 1950, S. 285).
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Erlaubten her gestellten Forderungen jeweils negieren — erfüllt aber, wie wir gesehen haben, die zweite angegebene Präzisierung. Wir wollen nun im Rahmen dieser Untersuchung im Hinblick auf Begriffe nicht entscheiden, welche der beiden Explikationen dem Kantischen Gedankengang besser angemessen ist oder ob auch beide Explikate einen wichtigen Zug seiner Überlegungen wiedergeben. Für die Abgrenzung der formalen von der transzendentalen Logik geht es uns um die Unterscheidung zwischen verträglichen und unverträglichen Urteilen. Ich will deshalb im folgenden die Analoga zu den beiden Möglichkeitsexplikaten im Hinblick auf den Begriff eines verträglichen Urteils entwickeln. Dabei wird sich zeigen, daß in dieser Hinsicht beide Präzisierungen wichtige Intentionen Kants enthalten. Für die beschriebenen Rekonstruktionen von Kants Möglichkeitskonzeption war der Umstand bedeutsam, daß es zu einem Begriff „F" i. a. Gegenstände a gibt derart, daß „a ist F" gilt, daß es aber auch Gegenstände b gibt derart, daß „b ist F" nicht gilt. Wir müssen nun wenn wir unsere Möglichkeitsexplikate auf Urteile ausdehnen wollen, ein entsprechendes Verhältnis zwisdien Urteil und Gegenstand finden34. Ganz unabhängig von unserem Kantischen Kontext bietet hier die moderne Semantik eine Relation an, die einerseits als Präzisierung gewisser Kantischer Redeweisen dienen kann 35 , und die andererseits gestattet, die bisher entwickelten Explikate des Möglichkeitsbegriffs auch auf Urteile auszudehnen. Idi denke an die Beziehung zwischen einem nicht interpretierten Satz (im Rahmen einer formalen Theorie) und einer gültigen Interpretation dieses Satzes, einer Interpretation also, bei der der Satz wahr ist. Eine solche Interpretation nennt man bekanntlich ein Modell36. Nun kann man jeden nicht logisch wahren Satz S auch mit einer Interpretation versehen, bei der S falsdi ist, nicht gilt. Eine solche Interpretation ist dann nicht Modell von S. Man kann so zu S einen Begriff bilden, nämlich den Begriff „ist Modell von 34 Daß audi Kant eine solche Parallele vor Augen gehabt hat, ist angedeutet in seiner oben diskutierten Bemerkung über die Falschheit: „... eine Erkenntnis ist falsch, wenn sie mit dem Gegenstande, worauf sie bezogen wird, nicht übereinstimmt, ob sie gleich etwas enthält, was wohl von anderen Gegenständen gelten könnte." (A58/B83). 35 Vgl. Anm. 34. Die Anregung zu einer solchen Rekonstruktion des Kantischen Gedankengangs im Rahmen der Modelltheorie (Semantik) verdanke ich dem Aufsatz von W. Stegmüller: Gedanken über eine mögliche rationale Rekonstruktion von Kants Metaphysik der Erfahrung. (In: Ratio 9 (1967), S. 1—30; 10 (1968), S. 1—31). Stegmüller entwickelt mit diesen Mitteln den Begriff der Welt von newtonscher Struktur und den einer Theorie von newtonscher Struktur. Vgl. etwa Mates, Β.: Elementare Logik. Göttingen 1969, S. 80.
„Verträgliches Urteil" und „Grundsatz einer möglichen empirischen Wissenschaft"
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S", und dieser Begriff ist wohldefiniert, insofern in bezug auf die Klasse aller Interpretationen I von S gilt: I ist Modell von S, oder I ist nicht Modell von S. Diese der Semantik entnommene Auffassung eines Satzes, derzufolge es keinen Sinn hat zu sagen, jeder (wohlgebildete) Satz sei (schlechthin) wahr oder falsch, sondern nur, jeder Satz sei bei jeder vorgegebenen Interpretation wahr oder falsch, kann nun audi ausgedehnt werden auf indikative Sätze der Normalsprache, von denen wir ja zunächst einmal erwarten, daß sie wahr sind oder falsch. Solche Sätze sind von ihrem jeweiligen Kontext her immer schon mit einer Interpretation versehen, und wenn wir ohne weitere Einschränkung sagen, ein normalsprachlicher, indikativer Satz S sei (schlechthin) wahr oder falsch, dann meinen wir, daß er eben bei dieser ( „seiner" ) Interpretation wahr sei oder falsch. Dies aber schließt nicht aus, — aus der Sicht der Semantik — daß S bei einer anderen Interpretation falsch ist — und umgekehrt. Diese Auffassung scheint mir zugleich eine geeignete Rekonstruktion von Kants Gedankengang bei seiner Bemerkung über die Falschheit herzugeben (vgl. o.): Ein Satz S (ein Urteil bzw. eine Erkenntnis) ist falsch, wenn der Gegenstand g, auf den S (durch den Kontext) bezogen ist, insofern nicht mit dem Satz S übereinstimmt, als dieser g nicht zum Modell hat. Dies aber schließt eben nicht aus, daß ein anderer Gegenstand g' Modell des Satzes S ist, und dieser, bezogen auf g', gilt. Wir fassen damit die Übereinstimmungsbeziehung zwischen einem wahren Urteil und seinem Gegenstand auf als die Satz-Modell-Relation37. Diese Präzisierung können wir nun benutzen, um für die Eigenschaft „Verträglichkeit" im Hinblick auf Urteile in analoger Weise zwei Explikate zu entwickeln wie für Kants Möglichkeitskonzeption in bezug auf Begriffe. So wie wir dort einen vorgegebenen Begriff F verglichen haben mit dem Begriff „ist ein Gegenstand möglicher Erkenntnis", um die Frage nach seiner Möglichkeit zu entscheiden, so untersuchen wir jetzt die Beziehung zwischen dem durch ein Urteil u in der beschriebenen Weise definierten Begriff „ist ein Modell von u" zu dem Begriff eines Gegenstandes möglicher Erkenntnis. Das erste Explikat lautet dann: u ist verträglich genau dann, Hiermit können wir auch die andere Bedeutung präzisieren, in der Kant das Wort „Beziehung" verwendet, nämlich: „Übereinstimmung oder Widerspruch" (vgl. 2.1.). Ein Urteil u ist in diesem Sinne auf einen Gegenstand g bezeugen, wenn g eine (gültige oder nicht gültige) Interpretation von u ist. Hier geht ein, daß nicht jeder Satz über jedem Gegenstand im Sinne der Semantik interpretiert werden kann. Man sieht jetzt, daß, wenn g nicht Modell von u ist, g nicht notwendig auch eine niditgültige Interpretation von u sein muß: Es bleibt die Möglichkeit offen, daß u in bezug auf g überhaupt nidit interpretiert ist; und dann hat es auch keinen Sion, zu sagen, u sei, bezogen auf g, falsch.
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Die Abgrenzung der formalen von der transzendentalen Logik
•wenn der Umfang des Begriffes „ist ein Modell von u" mit der Klasse der Gegenstände möglicher Erkenntnis einen nichtleeren Durchschnitt hat. Das zweite hingegen: u ist verträglich genau dann, wenn alle Modelle von u Gegenstände möglicher Erkenntnis sind. Bezieht man dies auf die Aussageformen (i) χ ist ein Modell von u (ii) χ ist ein Gegenstand möglicher Erkenntnis, dann lautet das erste Explikat A) u ist verträglich genau dann, wenn die logische Konjunktion aus (i) und (ii) erfüllbar ist 38 ; das zweite hingegen B) u ist verträglich genau dann, wenn (ii) aus (i) folgt. Da die definierenden Bedingungen eines Gegenstandes möglicher Erkenntnis formuliert sind in den Grundsätzen des reinen Verstandes, ist die Verträglichkeit eines Urteils u im Falle von A) äquivalent damit, daß die logische Konjunktion aus u und diesen Grundsätzen erfüllbar ist, im Falle Β hingegen damit, daß die Konjunktion der Grundsätze aus u folgt. Wie fügen sich nun diese beiden Explikate — die wir ja, wenn überhaupt, nur im Hinblick auf Begriffe unmittelbar auf den Text stützen können — in den Kantischen Gedankengang in der Kritik der reinen Vernunft ein? Mit der transzendentalen Analytik will Kant — so haben wir gesehen — eine Klasse von „Erkenntnissen" (also Urteilen bzw. Begriffen) auszeichnen, die „Beziehung auf ein Objekt haben" bzw. „objektiv gültig sind". Im Rahmen der Diskussion um die Beweise derjenigen Sätze, die die für solche Erkenntnisse charakteristischen Bedingungen formulieren — der Grundsätze des reinen Verstandes — kommt nun zum Ausdruck, daß auch kontingenten, empirischen Urteilen „Beziehung auf ein Objekt" zukommt. Kant diskutiert nämlich im Anschluß an die zweite Analogie der Erfahrung als Beispiele für die Kausalrelation den Fall eines Ofens, der ein Zimmer erwärmt, und den einer Kugel, die ein Grübchen in ein Kissen drückt (vgl. A 202 ff./B 247 fi.) Hier wird deutlich, daß die Urteile „Dieser Ofen erwärmt das Zimmer" und „Die Kugel drückt ein Grübchen in das Kissen" „Beziehung auf ein Objekt" besitzen, mithin verträglich sind. Aus diesen Urteilen folgen nun aber die Grundsätze des reinen Verstandes nicht. Sie sind 38 Eine Aussageform „x ist F" heißt „erfüllbar" genau dann, wenn es einen Gegenstand a gibt derart, daß „a ist F" wahr ist; vgl. etwa B. Mates, a. a. O., S. 84.
„Verträgliches Urteil" und „Grundsatz einer möglichen empirischen Wissenschaft"
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demnach nicht verträglich im Sinne des Explikats (B), sondern vielmehr Widerlegungsfälle hierfür. Andererseits erfüllen (zumindest einige) kontingente, empirische Sätze das Verträglichkeitsexplikat (A). Befindet sich etwa in einem physikalischen System Σ, bestehend aus zwei Massenpunkten1 mi und mj, die sich auf einer Kreisbahn um ihren gemeinsamen Schwerpunkt bewegen, die Masse mi zum Zeitpunkt t am Ort x, dann ist der kontingente, empirische Satz „mi befindet sich zum Zeitpunkt t am Ort x" wahr, er hat also Σ zum Modell. Σ aber ist als physikalisches Objekt Gegenstand möglicher Erkenntnis und erfüllt deshalb die in den Grundsätzen des reinen Verstandes niedergelegten Bedingungen. Demnach genügt unser Satz den Verträglichkeitsforderungen des Explikates (A). Diese Überlegungen bestätigen zugleich ein weiteres Mal die im Abschnitt 2.1. vorgetragene Interpretation von Kants Charakterisierung der transzendentalen Analytik als einer „Logik der Wahrheit" : Wenn wir die Übereinstimmung zwischen wahrem Urteil und Gegenstand präzisieren durch die Satz-Modell-Relation, dann erfüllen genau die im Sinne jener Interpretation verträglichen Urteile das jetzt angegebene Explikat (A). Dann nämlich und nur dann stimmt ein Urteil u mit einem Gegenstand g möglicher Erkenntnis überein — und dies ist die Verträglichkeitsbedingung aus 2.1. — wenn u einen solchen Gegenstand g zum Modell hat. Dies aber heißt nichts anderes, als daß die logische Konjunktion der oben angegebenen Aussageformen (i) und (ii) erfüllbar ist, u mithin verträglich im Sinne des Explikates (A) 39 . Trotzdem ist es lohnend, noch einen Blick auf das zweite hier entwikkelte Kriterium (B) zu werfen, wenn wir dieses in der folgenden Weise geringfügig abändern: An die Stelle von (ii) setzen wir die Aussageform (ii') χ ist ein Gegenstand möglicher Erfahrung und formulieren hiermit B') Ein Urteil u ist verträglich genau dann, wenn (ii') aus (i) folgt. Dabei sind die definierenden Bedingungen des Begriffes eines Gegenstandes möglicher Erfahrung formuliert in den Grundsätzen des reinen Verstandes40. 39
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Wie bereits angedeutet (vgl. o. Anm. 37), zieht dieses Explikat nidit nach sich, daß alle unverträglichen Urteile falsch sind: Wenn ein Urteil u keinen Gegenstand möglicher Erkenntnis zum Modell hat, dann möglicherweise deshalb, weil u in bezug auf die Klasse dieser Gegenstände gar nicht interpretiert werden kann. Dann aber ist u nicht falsch. Ich habe hier nicht diskutiert, in welcher Weise die Grundsätze des reinen Verstandes die Bedingungen mathematischer Erkenntnis und ihrer Gegenstände im Unterschied zu Bedingungen von Erfahrung (empirischer Erkenntnis und ihren
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Hiermit sind wir nun in der Lage, ein Problem anzugehen, daß jedenfalls auch ein zentrales Anliegen von Kants Transzendentalphilosophie ist. Kant will ja die Möglichkeit von Wissenschaft erklären, und zwar dadurch, daß er wissenschaftliche Erkenntnis durch Angabe gewisser Kriterien, denen sie genügen muß, unterscheidet von dogmatischer Metaphysik 41 . Dieser Umstand legt es nahe, in der Kritik der reinen Vernunft ein — mit einem modernen Wort gesprochen — Abgrenzungskriterium zu suchen, das es gestattet, die Klasse der unter dem Anspruch der Wissenschaftlichkeit einherkommenden menschlichen Unternehmungen zu gliedern in solche, die den Namen einer möglichen Wissenschaft verdienen, und solche, die als schlechte Metaphysik zu verwerfen sind. Dies ist in der Tat im Rahmen der hier entwickelten Interpretation möglich, und hier ist nun der Ort, wo unser modifiziertes Explikat (B') zum Tragen kommt. Wir wollen dieser Abgrenzungsfrage die folgende Wendung geben: Unter welchen Bedingungen ist ein Urteil u (oder ein System von Urteilen, aufgefaßt als logische Konjunktion aus denselben) geeignet, am Anfang einer möglichen empirischen (bzw. Erfahrungs-)Wissenschaft zu stehen und diese zu begründen in dem Sinne, daß ihr Erkenntnisbestand definiert wird als die Klasse der Folgerungen aus u? 42 Ein solches Urteil wollen wir im folgenden „Grundsatz einer möglichen empirischen Wissenschaft" nennen 43 . Hierunter fallen beispielsweise die in den „Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft" von Kant Objekten) formulieren und mich statt dessen bisher der vereinfachenden Ausdrudesweise „Bedingungen eines Gegenstandes möglicher Erkenntnis" bedient (vgl. auch Anm. 6 auf S. 23). Will man diesen Unterschied präzisieren, dann muß man Kants Unterscheidung zwischen „mathematischen" und „dynamischen" Grundsätzen berücksichtigen (Vgl. A 162/B201). Darauf aber kommt es hier nidit an. « Vgl. hierzu etwa Β 20 ff. 42 Durch ein vorgelegtes System von Sätzen (Urteilen) wird ja immer eine „Wissenschaft" in dem Sinne definiert, daß es zu dem betreffenden Satzsystem eine Klasse von Folgerungen gibt, in der wiederum eine Grund-Folge-Relation definiert ist. Eine solche Auffassung findet sich andeutungsweise schon bei Kant: „Dasjenige Ganze der Erkenntniß, was systematisch ist, kann schon darum W i s s e n s c h a f t heißen und, wenn die Verknüpfung der Erkenntniß in diesem System ein Zusammenhang von Gründen und Folgen ist, sogar r a t i o n a l e Wissenschaft" (IV, S.468). Und es geht hier um die Frage, ob die derart geordnete Folgerungsmenge aus vorgelegten (Grund-) Sätzen eine mögliche Erfahrungswissenschaft ist. — Wir werden im übrigen sogleich sehen, daß man eine äquivalente Frage auch unmittelbar an den Erkenntnisbestand einer vorgeblichen Wissenschaft richten kann. 43 Hiermit wird also die Mathematik als niditempirische Erkenntnis ausgeschlossen. Dies ist der Sache auch erforderlich, wenn man ein praktikables Abgrenzungskriterium entwickeln will. Aus diesem Grunde habe ich das Kriterium (B) in der beschriebenen Weise zu (B') modifiziert.
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dargelegten Gesetze der Mechanik44. Man muß also den Begriff des Grundsatzes einer möglichen empirischen Wissenschaft jedenfalls so definieren, daß er von diesen Gesetzen erfüllt wird. Dabei soll hier nicht interessieren, daß die Mechanik nicht nur eine mögliche, sondern gewissermaßen eine „wirkliche" Wissenschaft ist, nämlich eine solche von dem empirischen Gegenstand Materie. Der Satz: „Alle Seelen sind Substanzen" hingegen ist kein Grundsatz einer möglichen Erfahrungswissenschaft45. Auch dies muß eine Präzisierung des fraglichen Begriffs zeigen können. Man sieht nun leicht, daß das Verträglichkeitsexplikat (A) zu schwach ist, um diese Eigenschaft zu garantieren, und zwar auch dann noch, wenn wir es analog modifizieren und verschärfen zu A') Ein Urteil u ist verträglich genau dann, wenn die logische Konjunktion aus den Aussageformen (i) und (ii') erfüllbar ist. Sicherlich muß jeder Grundsatz einer möglichen empirischen Wissenschaft einen Gegenstand möglicher Erkenntnis und sogar einen solchen möglicher Erfahrung zum Modell haben; insofern sind sowohl (A) als auch (A') notwendig. Andererseits ist sogar das Kriterium (A') noch zu schwach, weil es nach sich zieht, was Kant mit seinem Unternehmen einer transzendentalen Logik doch gerade hat ausschließen wollen: daß nämlich Theorien als mögliche Erfahrungswissenschaften gelten können, obwohl sie Modelle besitzen, die bloß widerspruchsfrei sind, nicht aber Gegenstand möglicher Erfahrung, also bloße „Gedankendinge" 47. Ein Axiomensystem der klassischen Aussagenlogik etwa besitzt Modelle, die Gegenstand möglicher Erfahrung sind, es genügt also dem Kriterium (A') im Sinne unserer Interpretation. Andererseits gibt es (widerspruchsfreie) Modelle der Aussagenlogik, die den Grundsätzen des reinen Verstandes nicht genügen und deshalb nicht Gegenstände möglicher Erfahrung sind. Anderenfalls wären die Grundsätze ja Folgerungen aus den Axiomen der Aussagenlogik, und dies ist weder Kant noch der Sache nach eine haltbare Auffassung. Man wird also fordern, daß eine vorgeschlagene Theorie nur dann eine mögliche empirische Wissenschaft ist, wenn sie nicht in dem beschriebenen Sinne auch von „Gedankendingen" handelt. Genau diese Theorien werden 44 Vgl. IV, S. 541—545. 45 Vgl. A 348—A 350. 46 Dies ist eine Verschärfung deshalb, weil zwar jeder Gegenstand möglicher Erfahrung auch ein solcher möglicher Erkenntnis ist, nicht aber umgekehrt. 47 Zu diesem Ausdruck vgl. A 292/B 348.
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aber begründet von Urteilen, die dem Explikat (B') genügen: Wenn von den obigen Aussageformen (ii') aus (i) folgt, wenn also alle Modelle eines Urteils u Gegenstände möglicher Erfahrung sind, dann hat auch die Klasse der Folgerungen aus u — und damit die hiervon begründete Wissenschaft — keine „Gedankendinge" zum Modell48. Es bleibt noch zu fragen, ob das vorgeschlagene Abgrenzungskriterium geeignet ist, um Urteile, die nach Kant Grundsätze einer möglichen empirischen Wissenschaft sind, zu unterscheiden von solchen, denen dies nicht zukommt. Dabei beschränke ich mich hinsichtlich der positiven Fälle darauf, zu zeigen, daß das „Erste Gesetz der Mechanik" aus den „Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft" in der von (B') geforderten Folgerungsbeziehung zu der „Ersten Analogie der Erfahrung" aus der K. d. r. V. steht. Kant sagt hier: „Bei allem Wechsel der Erscheinungen beharrt die Substanz, und das Quantum derselben wird in der Natur weder vermehrt noch vermindert" (B 224). Das erste Gesetz der Mechanik lautet: „Bei allen Veränderungen der körperlichen Natur bleibt die Quantität der Materie im Ganzen dieselbe, unvermehrt und unvermindert" (IV, S. 541). Um diesen Satz als mögliches Gesetz im Sinne der ersten Analogie zu erweisen, muß man die hier vorkommenden Begriffe übersetzen in die Sprache der Mechanik und zeigen, daß die derart interpretierte Analogie eine Folgerung aus dem betreffenden Satz der Mechanik ist. Man muß, in Kants Worten, fragen, „was in der Materie die Substanz sei" (IV, S. 541). Die Antwort lautet: „In jeder Materie ist das Bewegliche im Räume das letzte Subject aller der Materie inhärirenden Accidenzen" (ibid.), also ist Materie selbst Substanz, denn „ M a t e r i e ist das B e w e g l i c h e im Räume" (IV, S. 480). Der „Wechsel der Erscheinungen" zeigt sich im Bereich der Mechanik in den „Veränderungen der körperlichen Natur". So interpretiert, folgt die erste Analogie in der Tat aus dem betreffenden Satz der Mechanik, sie ist in dieser Übersetzung sogar mit ihm identisch. Eine solche Interpretation der ersten Analogie in der Sprache der Mechanik ist, wenn ich recht sehe, ein Beispiel für genau das, was P. Plaaß in seiner Arbeit über die Vorrede der „Metaphysischen Anfangsgründe" mit dem Ausdruck „metaphysische Konstruktion" bezeichnet hat. Die „Substanz der Materie . . . zu bestimmen, diesen besonderen Begriff unter der Kategorie 48 Man sieht hier, daß dieses Abgrenzungskriterium nicht nur formuliert werden kann in bezug auf Urteile, die als Grundsätze eine Wissenschaft begründen sollen. Man kann auch eine vorgelegte und vorgebliche Wissenschaft daraufhin befragen, ob die Klasse der von ihr behaupteten Urteile nur Gegenstände möglicher Erfahrung zum Modell hat.
„Verträgliches Urteil" und „Grundsatz einer möglichen empirischen Wissenschaft"
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der Substanz zu erzeugen, heißt die metaphysische Konstruktion des empirischen Begriffs der Materie" (Plaaß: Kants Theorie . . S . 76) 49 . Nicht möglich als Grundsatz einer empirischen Wissenschaft ist nach Kant der Satz: „Die Seele ist Substanz" (vgl. o.). Es gibt nämlich keine Interpretation der Kategorie „Substanz" über dem Bereich der psychischen Phänomene derart, daß die erste Analogie der Erfahrung bei einer solchen Interpretation in einen wahren Satz überginge: „Denn, in dem was wir Seele nennen, ist alles im kontinuierlichen Flusse und nichts Bleibendes" (A 381). Hieraus folgt, daß der Bereich des Seelischen sich gar nicht als ein Modell der Grundsätze des reinen Verstandes beschreiben läßt, denn dazu wäre notwendig, daß diese sämtlich gültige Interpretationen über dem betreffenden Bereich besäßen. Es folgt aber auch, daß ein Modell unseres Satzes („die Seele ist Substanz") kein Gegenstand möglicher Erfahrung (kein Modell der Grundsätze) sein kann. Denn wo immer dieser Satz gelten mag, „Substanz" kann dort nicht den „empirisch brauchbaren Begriff von einer S u b s t a n z " (A 349) bedeuten (nämlich „beharrliche Substanz"), weil es dazu der „Beharrlichkeit eines gegebenen Gegenstandes" bedürfte, und eben diesen können wir in irgendeinem durch den Begriff „Seele" bezeichneten Bereich nicht finden. Die hieraus resultierende Unmöglichkeit einer empirischen Psychologie im Sinne einer „eigentlich so zu nennenden Naturwissenschaft" (IV, S. 471) betont Kant ausdrücklich in der Vorrede zu den „Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft" (vgl. IV, S. 471), während er in der transzendentalen Methodenlehre der K. d. r. V. dieser Wissenschaft und ihren „Metaphysischen Anfangsgründen" in Gestalt einer „rationalen Psychologie" — die nicht zu verwechseln ist mit der im Paralogismuskapitel kritisierten Doktrin, sondern das Gegenstück zur „rationalen Physik", also den „Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft" darstellt — ausdrücklich einen Platz in der Philosophie zuweist (vgl. A 845/B 873 — A 848/B 876). Offenbar war Kant bei der Abfassung der ersten Auflage der K. d. r. V. nodi nicht von der Unmöglichkeit einer empirischen Psychologie als „eigentlicher Wissenschaft" überzeugt. Bei der Ausarbeitung der „Metaphysischen Anfangsgründe der Naturwissenschaft" hat er dann gesehen, daß die jeder „eigentlichen" Erfahrungswissenschaft notwendig zugrundelie49 Vgl. hierzu auch meinen Aufsatz „Uber Kants Problem der .Anwendung der Kategorien' durch den Schematismus des reinen Verstandes'". In: Archiv für Geschichte der Philosophie 55 (1973) S. 301—309. Dort bin ich auch auf den Einwand eingegangen, den H. Hoppe gegen diese Interpretation von Plaaß erhoben hat (H. Hoppe: Kants Theorie der Physik. Frankfurt/Main 1969, S. 56—61).
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gende Metaphysik (als deren „rationaler Teil") nur möglich ist durch eine Interpretation (Plaaß: „metaphysische Konstruktion") der Grundsätze des reinen Verstandes über dem Gegenstandsbereich der zu begründenden empirischen Wissenschaft. Und eine solche Interpretation ist im Falle der Psychologie eben schon deswegen nicht möglich, weil wir „die Beharrlichkeit eines gegebenen Gegenstandes aus der Erfahrung zum Grunde legen müssen, wenn wir auf ihn den empirisch brauchbaren Begriff von einer S u b s t a n z anwenden wollen" (A 349), einen solchen Gegenstand kann es aber im Bereich der psychischen Erscheinungen nicht geben (vgl. A 381). Warum Kant trotz dieser Einsicht den Entwurf seiner Philosophie auch in der transzendentalen Methodenlehre der zweiten Auflage der K. d. r. V. beibehält, also auch dort wieder der empirischen Psychologie und ihren metaphysischen Anfangsgründen einen Ort im System der Wissenschaft zuweist, kann ich zwar nicht erklären, aber, wie ich meine, doch plausibel machen: Einmal ist nicht schon aus der Struktur des dort vorgelegten Planes ersichtlich, daß eine Psychologie als „eigentliche" Erfahrungswissenschaft nicht möglich ist, und zwar deswegen nicht, weil dieser Plan über die Bedingungen der Möglichkeit einer solchen Wissenschaft nichts aussagt. Dagegen zwingt die Struktur dieses Plans geradezu, jedenfalls einen Titel „Psychologie" hineinzunehmen. Kant führt nämlich eine „immanente Physiologie" auf, und diese „betrachtet . . . Natur als den Inbegriff aller Gegenstände der Sinne . . . Es sind aber nur zweierlei Gegenstände derselben. 1. Die der äußeren Sinne, mithin der Inbegriff derselben, die k ö r p e r l i c h e N a t u r . 2. Der Gegenstand des inneren Sinnes, die Seele, und, nach den Grundbegriffen derselben überhaupt, die d e n k e n d e N a t u r " (A 846/ Β 874). Jeder Kenner von Kants transzendentaler Ästhetik wird nach dieser Erklärung einer „immanenten Physiologie" erwarten, daß diese als einen Teil die Psychologie enthält. Die Methodenlehre ist nun aber nicht der Ort, die Unmöglichkeit des erwarteten Unternehmens zu zeigen. Deshalb, so vermute ich, hat Kant die Psychologie auch weiterhin in seiner Einteilung der Philosophie belassen. Als Ergebnis dieser Überlegungen halten wir fest, daß man mit Hilfe der von Kant in der transzendentalen Analytik bewiesenen Grundsätze des reinen Verstandes zwei im Hinblick auf menschliche Erkenntnis einschlägige Klassen von Urteilen definieren kann: a) Die Klasse VU derjenigen Urteile, denen „Beziehung auf ein Objekt" zukommt. Genau diese haben mindestens einen Gegenstand möglicher Erkenntnis zum Modell.
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b) Die Klasse G der Grundsätze möglicher empirischer Wissenschaften. Genau diese haben (mindestens einen, aber auch) nur Gegenstände möglicher Erfahrung zum Modell.
2.3. Konsequenzen für die Unterscheidung von formaler und transzendentaler Logik Zu Beginn dieses Kapitels haben wir gesehen, daß Kant die allgemeine (formale) Logik gegen die transzendentale dadurch abgrenzt, daß jene von ,aller Beziehung unserer Erkenntnis auf das Objekt abstrahiert' (vgl. A 55/ Β 79), während diese Beziehung zu berücksichtigen charakteristisch ist für die transzendentale Logik. Was Kant mit einer solchen ,Beziehung auf das Objekt' meint, haben wir durch den hier eingeführten Begriff „Verträglichkeit" erklärt und präzisiert. Dabei hat sich gezeigt, daß man im Rahmen der transzendentalen Logik, und zwar speziell der Analytik, auch den Begriff des Grundsatzes einer möglichen empirischen Wissenschaft explizieren kann. Zur Bestimmung dieser Begriffe kann auch die formale Logik einen für ihre Grenze zu transzendentalen charakteristischen Beitrag leisten; diesen wollen wir im folgenden untersuchen. Während man den Begriff „Verträglichkeit" in der transzendentalen Logik definieren kann, sagt Kant hierzu in bezug auf die allgemeine (formale) Logik folgendes: „Weil aber die bloße Form des Erkenntnisses, so sehr sie auch mit logischen Gesetzen übereinstimmen mag, noch lange nicht hinreicht, materielle (objektive) Wahrheit dem Erkenntnisse darum auszumachen, so kann sich niemand bloß mit der Logik wagen, über Gegenstände zu urteilen, und irgend etwas zu behaupten, ohne von ihnen vorher gegründete Erkundigung außer der Logik eingezogen zu haben . . . " (A 60/B 85); und: „ . . . daß jene allgemeine Logik, die bloß ein K a n o n zur Beurteilung ist, gleichsam wie ein O r g a n o n zur wirklichen Hervorbringung wenigstens zum Blendwerk von objektiven Behauptungen gebraucht, und mithin in der Tat dadurch gemißbraucht worden" (A 61/B 85). Kant will hier nicht nur sagen, daß man mit formallogischen Mitteln allein nicht ausmachen kann, ob ein Urteil wahr ist im Sinne der Korrespondenzdefinition. Denn in dieser Hinsicht unterscheidet sich die formale gar nicht von der transzendentalen Logik: Wie wir oben (vgl. 2.1.) gesehen haben, genügt auch die Ubereinstimmung mit deren Gesetzen nicht, um die (Korrespondenz-) Wahrheit eines Urteils zu garantieren. Kant will vielmehr sagen: Die formale Logik reicht nicht einmal hin, um auszumachen, ob ein
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Urteil „objektiv" in dem Sinne ist, daß es überhaupt in Übereinstimmung mit irgendeinem Gegenstand möglicher Erkenntnis steht, ob es sich also um verträgliches bzw. ein „transzendental wahres" Urteil handelt. Zur „Hervorbringung von objektiven Behauptungen" taugt die formale Logik nicht nur in dem Sinne nicht, daß sie allein die (Korrespondenz-) Wahrheit eines Urteils nicht zeigen kann — das kann auch die transzendentale Logik nicht leisten —, sondern darüber hinaus auch in dem Sinne nicht, daß sie nicht einmal entscheiden kann, ob man ein Urteil überhaupt „objektiv behaupten" darf, d. h. mit dem Anspruch, dieses Urteil stimme mit einem „Objekt", nämlich einem Gegenstand möglicher Erkenntnis, überein, und sei es auch, daß es „seinem" Gegenstand widerspricht, mithin falsch ist. Die transzendentale Analytik hingegen ist gerade durch die Aufgabe definiert, zu entscheiden, ob Urteile in diesem Sinne „objektiv behauptet" werden dürfen. Nun gilt aber für Kant nicht, daß die formale Logik überhaupt keinen Beitrag zu der anstehenden Frage nach der Übereinstimmung zwischen Urteil und Gegenstand leisten kann. Nur ist dieser Beitrag in einer Hinsicht zu schwach, in anderer hingegen zu stark, um die fragliche Klasse VU zu definieren. Notwendig, aber nicht hinreichend für Verträglichkeit — und insofern zu schwach — ist das von der formalen Logik bereitgestellte Kriterium der Widerspruchsfreiheit: „Von welchem Inhalt auch unsere Erkenntnis sei, und wie sie sich auf das Objekt beziehen mag, so ist doch die allgemeine, obzwar nur negative Bedingung aller unserer Urteile überhaupt, daß sie sich nicht selbst widersprechen" (A 150/B 189). Der „Inhalt" eines Urteils (einer Erkenntnis) ist seine „Beziehung auf ein Objekt" 50. Wenn wir dies mit Hilfe unserer Interpretation von „Beziehung" durch „Übereinstimmung" dahin präzisieren, daß ein Urteil genau dann einen Inhalt hat, wenn es mit einem Gegenstand möglicher Erkenntnis übereinstimmt — also verträglich ist —, wenn wir dementsprechend die Passage „und wie sie [sc.: die Erkenntnis] sich auf das Objekt beziehen mag" interpretieren durch „und auf welchen Gegenstand möglicher Erkenntnis sich das Urteil auch beziehen mag", dann sagt Kant hier: Notwendig dafür, daß ein Urteil mit einem Gegenstand möglicher Erkenntnis übereinstimmt, ist seine Widerspruchsfreiheit. Man kann diesem Argument auch die folgende Wendung geben: Ein widersprüchliches Urteil hat keinen Gegenstand möglichen (d.h.: widerspruchsfreien) Denkens zum Modell. Nur solche Gegenstände sind auch Ge50 Vgl. A55/B79.
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genstand möglicher Erkenntnis (nicht jedoch umgekehrt) 51 . Also hat ein widersprüchliches Urteil auch keinen Gegenstand möglicher Erkenntnis zum Modell. Mithin ist Widerspruchsfreiheit notwendige Bedingung für Verträglichkeit52. — Hier sieht man ein weiteres Mal, daß die fragliche Bedingung nicht hinreicht: Mag auch ein Urteil widerspruchsfrei sein und mit einem Gegenstand möglichen Denkens übereinstimmen, so braucht es doch nicht schon deshalb auch mit einem solchen möglicher Erkenntnis übereinzustimmen. Insofern ist dieser Beitrag der formalen Logik zur Erklärung eines verträglichen Urteils zu schwach53. 51 Vgl. hierzu Kants Bemerkungen über Denken und Erkennen in Β XXVI: Er sagt dort, „daß wir . . . Gegenstände auch als Dinge an sidi selbst, wenn gleich nicht e r k e n n e n , dodi wenigstens müssen d e n k e n können". Und in einer Anmerkung hierzu: „Einen Gegenstand e r k e n n e n , dazu wird erfordert, daß idi seine [reale] Möglichkeit . . . beweisen könne. Aber d e n k e n kann idi, was idi will, wenn ich mir nur nicht selbst widerspreche, d. i. wenn mein Begriff nur ein möglicher Gedanke ist". Vgl. weiter A596/B624 Anm. sowie A290ff./Β 347ff. 52 Es ist eine Konsequenz aus der Interpretation von G. Prauss in dem bereits erwähnten Aufsatz, daß dieses Bedingungsverhältnis ganz anders aussieht. Nach Prauss sind einerseits widersprüchliche Urteile falsch — hierin stimme idi zu —, andererseits widerspricht kein falsches Urteil der transzendentalen Logik (vgl. a.a.O., S. 181); allen falschen Urteilen kommt also die von mir sogenannte „Verträglichkeit" zu. D. h. aber, daß zufolge der Interpretation von Prauss alle widersprüchlichen Urteile verträglich sind bzw. „transzendental wahr". Damit wird die „transzendentale Wahrheit" notwendige Bedingung für Widersprüchlichkeit. Da ist eine unhaltbare Konsequenz. — Im übrigen sagt Kant selbst: „Also ist das bloß logische Kriterium der Wahrheit [sc.: die Widersprudisfreiheit] . . . die conditio sine qua non, mithin die negative Bedingung aller Wahrheit" (A59f./B84). Ein Urteil „verliert" also mit der Widerspruchsfreiheit nidit nur die gewöhnliche (Korrespondenz-) Wahrheit, sondern auch die transzendentale. 53 Beispielsweise sind die von Kant in der Kritik der Urteilskraft thematisierten „ästhetischen" oder „Geschmacksurteile" zwar widerspruchsfrei, nicht aber auf ein Objekt bezogen: „Um zu unterscheiden, ob etwas schön sei oder nicht, beziehen wir die Vorstellung nicht durch den Verstand auf das Object zum Erkenntnisse, sondern durch die Einbildungskraft (vielleicht mit dem Verstände verbunden) auf das Subject und das Gefühl der Lust oder Unlust desselben. Das Gedimacksurtheil ist also kein Erkenntnißurtheil, mithin nicht logisch, sondern ästhetisch, worunter man dasjenige versteht, dessen Bestimmungsgrund n i c h t a n d e r s a l s s u b j e c t i v sein kann" (V, S.203). („Logisch" steht in diesem Zuammenhang nicht etwa für „formallogisch", sondern für „in die theoretische Philosophie gehörig"; vgl. V, S. 223: „Ästhetische Urtheile können eben sowohl als theoretische (logische) in empirische und reine eingetheilt werden.") Nidit „objectiv sein" kann die „Beziehung der Vorstellungen . . . auf das Gefühl der Lust und Unlust, wodurch gar nichts im Objecte bezeichnet wird" (V, S.203 f.). Wie man sieht, kommt diesen Urteilen nicht das zu, was Kant (im transzendentallogischen Sinne) eine „Beziehung auf einen Gegenstand" nennt, und hieraus folgt, daß die ästhetischen Urteile auch nicht den Bedingungen der transzendentalen Logik genügen: denn — wie wir gesehen haben — sind diese ja hinreichend für den Besitz einer solchen Beziehung.
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Dual hierzu ist die Situation bei einem logisch (analytisch) wahren Urteil. Die Negation eines solchen Urteils u ist widersprüchlich, sie widerspricht also jedem Gegenstand möglichen Denkens. D.h. aber, daß u selbst mit jedem solchen Gegenstand und a fortiori auch mit jedem Gegenstand möglicher Erkenntnis übereinstimmt. Jedes logisch wahre Urteil ist mithin verträglich 54. Diese hinreichende Bedingung ist aber nicht notwendig, weil ein Urteil nicht schon mit allen Gegenständen möglichen Denkens übereinstimmen muß, um nur (mindestens) einen Gegenstand möglicher Erkenntnis zum Modell zu haben. Dieser Beitrag der formalen Logik zur Verträglichkeitsfrage ist folglich zu stark. Etwas anders liegen die Dinge in bezug auf den Begriff des Grundsatzes einer möglichen Erfahrungswissenschaft: Hier stellt die formale Logik zwei notwendige Bedingungen bereit, die jedoch beide nicht hinreichen. Ein Urteil u darf a) nicht widersprüchlich
und
b) nicht logisch (analytisch) wahr sein, wenn es eine mögliche empirische Wissenschaft begründen soll. Ein widersprüchliches Urteil hat nämlich nicht einmal einen Gegenstand möglicher Erfahrung, ein logisch wahres Urteil hingegen auch bloße Gedankendinge zum Modell. Umgekehrt reichen diese Bedingungen nicht hin, weil sie beispielsweise erfüllt werden von dem oben erwähnten, kontingenten Satz „Der Ofen erwärmt das Zimmer" (vgl. o. S. 42 sowie A 202 ff./Β 247 ff.). Dieser ist aber kein Grundsatz einer möglichen Erfahrungswissenschaft. Die formale Logik als diejenige „Wissenschaft . . . , welche nichts als die formalen Regeln alles Denkens . . . ausführlich darlegt und strenge beweist" (Β VIII f.) kann demnach in genau den Fällen etwas über die ZugehörigAnderetseits müssen aber auch die Gedimadcsurteile die Forderung nach Widerspruchsfreiheit erfüllen: „Im Geschmadcsurtheile ist immer noch eine Beziehung auf den Verstand enthalten" (V, S. 203 Anm.); und dieser ist jedenfalls an die Grundbedingung der formalen Logik gebunden (nicht aber an die der transzendentalen Logik). „Das Geschmacksurtheil . . . gründet . . . sidi nur auf der subjectiven formalen Bedingung eines Unheils überhaupt. Die subjective Bedingung aller Urtheile ist das Vermögen zu urtheilen selbst" (V, S. 287), „so ist doch die allgemeine, obzwar nur negative Bedingung aller unserer Urteile überhaupt, daß sie sich nidit selbst widersprechen; widrigenfalls diese Urteile an sidi selbst (audi ohne Rücksicht aufs Objekt) nichts sind" (A 150/B 189). Daß die fragliche Forderung nadi Kant „auch ohne Rücksicht aufs Objekt" gelten soll, verstehe idi dahin, daß sie sowohl die objektbezogenen als auch die nicht objektbezogenen — also beispielsweise die ästhetischen — Urteile betrifft. 54 Vgl. hierzu A 1 5 1 / B 1 9 0 f .
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keit eines Urteils zu einer der beiden Klassen VU bzw. G ausmachen, wo u in einer der beschriebenen Beziehungen zur Klasse aller Gegenstände möglichen Denkens steht. Weil diese Disziplin aber von der Beziehung zwischen Erkenntnis und Gegenstand abstrahiert, kann sie die Klassen VU und G nicht definieren. Dies hingegen vermag die transzendentale Logik genau deshalb, weil sie die fragliche Beziehung thematisiert. So liegt also in der Definitionsfähigkeit in bezug auf diese beiden Urteilsklassen der charakteristische Unterschied zwischen formaler und transzendentaler Logik.
3. Kants Definitionen eines Urteils Wie wir gesehen haben, kann man Kants Abgrenzung der transzendentalen von der formalen Logik präzisieren durch die Auszeichnung einer Klasse von Urteilen, die „Beziehung auf ein Objekt" haben. Die Tatsache, daß solche Urteile im Rahmen der formalen Logik nicht charakterisierbar sind, ist nicht ohne Einfluß auf Kants Urteilstheorie. Diesem Zusammenhang wollen wir im folgenden noch weiter nachgehen. „Wenn man sich zwey Vorstellungen denkt, wie sie als Erkenntniße zusammen verbunden sind, und zusammen Eine Erkenntniß ausmachen: so ist es ein Urtheil" (XXIV, S. 928). Diese Bemerkung aus der „Wiener Logik" ist ein Teil der sich dort findenden Erklärung eines Urteils. Sie bestimmt dasselbe als eine Verbindung von „Erkenntnissen", wobei dieser Ausdruck für Begriffe oder für Urteile steht. Die Definition ist nicht zirkelhaft, obwohl das Definiendum ( „Urteil" ) implizit auch im Definiens vorkommt. Vom Standpunkt der heutigen Logik aus können wir sie als primitiv rekursive Definition auffassen: Eine (allerdings näher zu qualifizierende) Verbindung von Begriffen ist ein Urteil; eine Verbindung von Urteilen ist wieder ein Urteil. Auch der heutige Logiker würde, nach der Definition von „Satz" oder „einschlägiger Ausdruck" für eine bestimmte (Objekt-)Sprache gefragt, zunächst gewisse Zeichenreihen als (primitive) Sätze auszeichnen und dann Regeln angeben, nach denen aus diesen weitere Sätze zusammengesetzt werden können. Ich will damit nicht sagen, daß Kant schon eine Vorstellung von der Möglidikeit rekursiver Definitionen besessen hätte; aber man wird doch unterstellen dürfen, daß es ihm in diesem speziellen Anwendungsfall voll bewußt war, daß in seinem Vorgehen kein Zirkel liegt. Dadurch nun, daß die obige Erklärung ein Urteil als eine Verbindimg von „Erkenntnissen" und damit auch von Urteilen bestimmt, vermeidet sie einen der beiden Fehler, die Kant der ihm bekannten Schullogik in dieser Beziehung vorwirft: Ein Urteil ist, „wie sie sagen, die Vorstellung eines Verhältnisses zwischen zwei Begriffen." 1 Eine solche Erklärung ist, wie ι Β 140. Einer der Logiker, der so vorgeht, ist — wie nicht anders zu erwarten — G. F.Meier mit seinem „Auszug aus der Vernunftlehre"; vgl. Bd. XVI, S. 624. Audi Chr. W o l f f ist hier zu nennen: „Derowegen wenn wir urtheilen, verknüpfen wir
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Kants Definitionen eines Urteils
Kant mit Recht anmerkt, zu eng, weil sie nur die „kategorischen" SubjektPrädikat-Urteile umfaßt. Der zweite Fehler, den Kant der ihm bekannten traditionellen Logik vorwirft, geht dahin, daß diese ein Urteil lediglich als ein Verhältnis bestimmt habe, ohne dieses Verhältnis näher zu charakterisieren: „ . . . merke idi nur an, daß, worin dieses V e r h ä l t n i s bestehe, hier nicht bestimmt ist" (B 141). Hier ist vor der Erörterung dieser Kritik Kants eine terminologische Bemerkung zu machen: In den Kantischen Urteilserklärungen gehen die Ausdrücke „Verbindung", „Verknüpfung" und „Verhältnis" durcheinander. Dabei braucht uns die stillschweigende Gleichsetzung von „Verbindung" mit „Verknüpfung" nicht zu stören, beachten müssen wir jedoch die von „Verbindung" und „Verhältnis". Kant definiert hiermit das Urteil einmal als eine Operation, dann jedoch als eine Relation, und dies sind zwei verschiedene Dinge. Diese terminologische Unsauberkeit läßt sich folgendermaßen erklären: Einmal werden in jedem Urteilsakt Begriffe oder Urteile miteinander verknüpft. Das U r t e i l e n ist also eine Handlung, eine Operation. Diesen Handlungscharakter des Urteils bringt Kant z. B. zum Ausdruck in Prolegomena § 22: „Die Vereinigung der Vorstellungen in einem Bewußtsein ist das Urtheil (IV, S. 304). Jede Handlung hat aber ein „Ergebnis". Das Ergebnis der Handlung „Urteilen" ist der Ausdruck einer Relation zwischen den durch diese Operation miteinander verbundenen Urteilen oder Begriffen. Das Urteil: „Alle Menschen sind sterblich" verknüpft die beiden Begriffe „Mensch" und „sterblich" miteinander, und drückt eine bestimmte Relation zwischen ihnen aus. Diesen Relationscharakter des Urteils meint Kant, wenn er sagt: „Urtheil ist die Vorstellung des Verhältnisses der Begriffe unter einander" (Rfl. 3049, XVI, S. 632; nach 1776). Wenn man nun ein Urteil als eine Verbindung (Verknüpfung) von Begriffen oder Urteilen erklärt, dann ist in der Tat eine nähere Qualifikation dieser Operation erforderlich. Keineswegs ist, weder tatsächlich noch für Kant, jede Verbindung von Begriffen oder Urteilen ein Urteil. Kant unterscheidet „zwischen der Verbindung der Vorstellungen in einem Begriff und der in einem Urtheil z.B. der schwarze Mensch und der Mensch ist schwarz" 2 , und er trifft diese Unterscheidung mit Recht. Andererseits versteht Kant unter einem „Verhältnis" von Urteilen stets jedenfalls eine — zwey Begriffe mit einander, oder trennen sie von einander"; Vernünftige Gedanken (I), hrsg. von H. W. Arndt. Hildesheim 1965, S. 156. Die Ausdrücke „Verbindung" und „Verhältnis" gehen in Kants Urteilstheorie durcheinander; vgl. hierzu das Folgende. 2 An J. S. Bede am 3. Juli 1792; XI, S. 333.
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modern gesprodien — aussagenlogische Verknüpfung, und zwar die subjunktive oder die disjunktive3. In diesem Sinne ist allerdings für den heutigen Logiker jedes „Verhältnis" von Urteilen ein Urteil. Nicht so jedoch für Kant in seiner transzendentalen Logik. Die dort von ihm vorgetragenen Bedenken gegen die traditionelle Urteilsdefinition würden von einer solchen näheren Bestimmung des fraglichen „Verhältnisses" nicht ausgeräumt. Denn man könnte damit gar nicht unterscheiden zwischen den Urteilsverhältnissen „wenn ich einen Körper trage, so fühle ich einen Druck der Schwere" und „wenn etwas ein Körper ist, dann ist es schwer" 4. Aber auch im Rahmen der Kantisdien Urteilstheorie reicht die formale Logik gar nicht hin, um hier einen Unterschied zu machen. Denn da gilt die von Kant in seiner transzendentalen Logik kritisierte, traditionelle Definition. Kant kommentiert nämlich G. F. Meiers Erklärung: „Ein Urtheil (iudicium) ist eine V o r s t e l lung eines logischen Verhältnisses einiger Begriffe" (XVI, S. 624) mit der Bemerkung: „Urtheil ist die Vorstellung des Verhältnisses der Begriffe unter einander" 5; und in der Logik Dohna-Wundlacken hat er gegen diese Definition nur einzuwenden, „daß der Autor gleich vom Subjekt und Prädikat spricht. . . Die Definition unsers Autors vom Urteil paßt nur für die kategorischen" (XXIV, S. 763) 6 . Hier verzichtet Kant also auf die nähere Bestimmung des fraglichen Verhältnisses, die er in der K. d. r. V. — und zwar im Rahmen der transzendentalen Logik — doch fordert. Er erkennt in seiner formalen Logik die Bestimmung eines Urteils als eines „Verhältnisses von Erkenntnissen" (also von Begriffen oder Urteilen) vielmehr an. Hier ist ein solches „Verhältnis" ja erklärt als eine Subjekt — Prädikat — Verbindung bzw. als subjunktive oder disjunktive Verknüpfung von Urteilen. Diese Bestimmungen sind aber in formallogischer Hinsicht nach Kant — und auch tatsächlich — jedenfalls hinreichend für die Erklärung eines Urteils; für Kant sind sie auch notwendig7. Nicht zufällig gibt Kant die von ihm geforderte nähere Bestimmung in der t r a n s z e n d e n t a l e n und nicht in der f o r m a l e n Logik: „...ein U r t e i l , d.i. ein Verhältnis, das o b j e k t i v g ü l t i g ist, und sich von 3 Vgl. A 73/Β 98: „Alle Verhältnisse des Denkens in Urteilen sind die a) des Prädikats zum Subjekt, b) des Grundes zur Folge, c) der eingeteilten Erkenntnis und der gesammelten Glieder der Einteilung untereinander." Hier betreffen b) und c) die möglichen „Verhältnisse" von Urteilen: das hypothetische und das disjunktive. * Vgl. hierzu Β 142. 5 Rfl. 3049, XVI, S. 632; nadi 1776. 6 „Der Autor" meint in Kants Logikvorlesungen immer G. F. Meier. 7 Der Sache nach ist eine solche Definition hingegen zu eng, ζ. B. deckt sie nicht die logische Konjunktion.
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dem Verhältnisse eben derselben Vorstellungen, worin bloß subjektive Gültigkeit wäre . . . unterscheidet" (B 142). Ein „Verhältnis" (eine Verknüpfung von Begriffen oder Urteilen) ist hiernach ein Urteil, wenn es objektiv gültig ist, und d. h. eine „Beziehung auf ein Objekt" besitzt, und zwar in genau dem Sinne, den wir bei der Charakterisierung der transzendentalen Analytik herausgearbeitet haben, nämlich „Übereinstimmung mit einem Gegenstand möglicher Erkenntnis". Denn die objektive Gültigkeit eines Urteils ist seine „Beziehung auf ein Objekt". Kants Formulierung weist hier die gleiche Eigenart auf wie in der Einleitung zur transzendentalen Logik: Wenn er das Urteil durch die Forderung nach objektiver Gültigkeit erklärt, dann möchte man annehmen, daß es gar keine objektiv falschen Urteile gäbe. Jedenfalls ist unser heutiger Sprachgebrauch in dieser Hinsicht so, daß die Aussage: „Der Satz S ist objektiv gültig" mit der Aussage: „Der Satz S ist objektiv wahr" äquivalent ist. Und in der transzendentalen Logik sagt Kant ja einleitend, daß ein Urteil (dort „Erkenntnis"), das den Gesetzen der transzendentalen Analytik widerspricht, „alle Wahrheit verliert" (A 63/B 87), was den Schluß nahelegt, daß eben diese Urteile falsch seien (vgl. 2.1.). Diese Schlußfolgerung kann sich jedoch nur auf Kants hier eigentümlichen Sprachgebrauch stützen, im Rahmen seiner Philosophie läßt sie sich, wie wir gesehen haben, widerlegen (vgl. Formel (9) auf S. 26). Wenn Kant sich im §en 19 der transzendentalen Deduktion Β mit der traditionellen Bestimmung eines Urteils als eines Verhältnisses nicht zufrieden gibt, dann geschieht dies vom Standpunkt der transzendentalen Logik aus. Der formale Logiker braucht hier weder Kant noch der Sache nach eine nähere Bestimmung zu fordern, und er kann audi keinesfalls diejenige nähere Bestimmung geben, die Kant nennt. Er braucht keine weitere Bestimmung, weil ein Verhältnis von Urteilen oder Begriffen (besser: der sprachliche Ausdruck eines solchen Verhältnisses) in formaler Hinsicht jedenfalls ein Urteil ist, ungeachtet dessen, ob es den Bedingungen der transzendentalen Logik genügt oder nicht. Und die Bedingung der objektiven Geltung kann der formale Logiker gar nicht stellen, weil er es nach Kant in seiner Disziplin nur mit dem Denken selbst und dessen subjektiven Bedingungen zu tun hat (vgl. z.B. Β VIIIf.). Dies hat zur Folge, daß der transzendentallogische Begriff eines Urteils enger ist als der formallogische. Wir hatten schon gesehen, daß Kant Urteile kennt, die zwar den formallogischen, nicht aber den transzendentallogischen Bedingungen genügen. Und genau die Klasse dieser Urteile macht die Differenz aus zwischen dem Umfang des formallogischen Urteilsbegriffes und
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dem des transzendentallogischen. Hierher gehören dann beispielsweise die „Geschmacksurteile" aus der K. d. U. Es zeigt sich also, daß die in der transzendentalen Deduktion Β vorgebrachte Kritik Kants an der Bestimmung eines Urteils als eines Verhältnisses nur verstanden werden kann vor dem Hintergrund seiner Abgrenzung der transzendentalen von der formalen Logik. Im Rahmen der letzteren läßt sich der Unterschied zwischen „subjektiven Geschmacksurteilen" und „objektiven Erkenntnisurteilen" gar nicht machen8.
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Idi kann aus diesem Grund die Auffassung von H. J. Paton nicht teilen, Kants Definition eines Urteils im Sen 19 der zweiten Auflage der K. d. r. V. gehöre nidit in die transzendentale, sondern in die formale Logik (vgl. Paton, H. J L Formal and transcendental Logic. In: Kant-Studien Bd. 49 ( 1 9 5 7 / 5 8 ) , S. 245—263). Diesen Fehler macht audi Κ. Wuchterl in seiner Darstellung von Kants Urteilstheorie (vgl. Wuchterl, K.: Theorie . . S . 15 und S. 26 fi.). Audi H. Lenk bezieht sich in seinem o. a. Buch nur auf objektive Urteile (vgl. a. a. O., S. 6 — 7 ) . Nicht objektiv (und nicht verträglich im Sinne meiner Interpretation) sind auch die von Kant in den Prolegomena diskutierten „Wahrnehmungsurteile" (Prolegomena SS 18—20, IV, S. 297—302). Für eine detaillierte Untersuchung des Erkenntnisstatus speziell dieser Urteile vgl. Prauss, G.: Erscheinung bei Kant. Ein Problem der »Kritik der reinen Vernunft". Berlin 1971.
4. Kants Begriff der formalen Wahrheit Bei unseren Überlegungen zur Abgrenzung der formalen von der transzendentalen Logik haben wir gesehen, daß man im Rahmen von Kants Erkenntnistheorie zwischen „transzendentaler" und gewöhnlicher (Korrespondenz-) Wahrheit unterscheiden muß. Die letztere bezeichnet Kant audi als ,materiell' bzw. ,objektiv' (vgl. A 60/B 85). Hiervon unterscheidet er die „formale" oder „logische" Wahrheit, wofür er gelegentlich audi „subjektive" Wahrheit sagt. Diese wird definiert in der formalen Logik, und zwar durch „Übereinstimmung" mit gewissen, von dieser Disziplin gestellten Bedingungen 1 . Ich führe zunächst einige Textstellen an, wo diese Ausdrücke vorkommen: „Es giebt l o g i s c h e W a h r h e i t e n . Das sind die, welche sich blos auf Verstand, und Vernunft beziehen" (Logik Blomberg, XXIV, S. 91). „Subjective Wahrheit ist Uebereinstimmung mit den Gesetzen des Verstandes und der Vernunft" (Wiener Logik, XXIV, S. 833). „In der Übereinstimmung mit den Gesetzen des Verstandes besteht aber das Formale aller Wahrheit" (K. d. r. V. A 294/B 350). „Ist die Rede vom Criterio der Wahrheit, so kann es hier [sc. in der formalen Logik] nur bestehn in der Uebereinstimmung des Erkenntnißes mit den Regeln des Verstandes überhaupt" (Logik Pölitz, XXIV, S. 527). Es ist nun zu fragen, a) welches die hier einschlägigen „Gesetze" oder „Regeln" des Verstandes sind, und b) wie sich die hierdurch charakterisierte formale Wahrheit zur materialen als der „Übereinstimmung mit dem Objekt" verhält. Auf die erste Frage geben verschiedene Stellen aus den Vorlesungen und Reflexionen zur Logik klar Auskunft: „Die Regeln der Uebereinstimmung der Erkenntniße mit sich selbst sind 1.) der Saz des Widerspruchs und 2.) der Saz des zureichenden Grundes" (Logik Pölitz, XXIV, S.527). „Die Logik hat nur mit der zusammenstimmung der Erkenntnis mit sich selbst so wohl nach dem principio contradictionis als rationis zu thun" (Rfl. 2142, ι Elitsprechend definiert ja auch die transzendentale Logik den ihr zugehörigen Wahrheitsbegriff.
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XVI, S. 250, zwischen 1773 und 1778). „Die Formale wesentliche Kenntniße der Wahrheit sind: a.) Eine Kenntniß muß möglich seyn dies ist ein negatiues Kriterium, b.) Eine Erkenntniß muß gewißer Weise gegründet seyn" (Logik Busolt, XXIV, S. 629). „Das e r s t e Kriterium der Wahrheit (nach dem Satz des Widerspruchs) . . . Das 2te Prinzip ist der Satz des zureichenden Grundes" (Logik Dohna-Wundlacken, XXIV, S. 719). „Zusammenstimmung der Erkenntnis mit sich selbst" ist eine Wendung, die in diesem Zusammenhang primär an die zuerst genannte Bedingung — die Forderung nach Widerspruchsfreiheit — denken läßt. Daß Kant hier mit dieser Formulierung auch den „Satz vom zureichenden Grunde" decken möchte, läßt sich folgendermaßen erklären: Für die Wendung „Übereinstimmung mit den Regeln des Verstandes" gebraucht er gelegentlich die Formulierung „Übereinstimmung mit sich selbst" 2. Und für Kant ist es eine der logischen Forderungen des Verstandes, daß wahre Sätze begründet sein müssen: „ E i n j e d e r S a t z m u ß e i n e n G r u n d h a b e n , ist das logische (formale) Princip der Erkenntniß" (aus der „Streitschrift gegen Eberhard", VIII, S. 193); und: „ . . . unter dem allgemeinen logisdien Princip der Sätze, nämlich ein jeder Satz muß g e g r ü n d e t (nicht ein blos mögliches Urtheil) sein" (ibid. Anm.). Es ist typisch für Kants Auffassung von Logik, daß er es für eine logische Forderung hält, wahre Sätze müßten begründet sein. Dieser Umstand hat ein Analogon in seiner Schlußtheorie: Einen Syllogismus mit mindestens einer (material) falschen Prämisse nennt Kant falsch (und zwar material falsch) 3 . Für die formalen Eigenschaften eines solchen Schlusses scheint er sich gar nicht zu interessieren, jedenfalls dann nicht, wenn mit Hilfe dieses Schlusses weder etwas bewiesen wird noch der Anschein eines Beweises erweckt werden soll 4 . Es ist nach Kant eine logische Forderung an einen korrekten Schluß, daß dieser dazu dient, einen Satz zu beweisen, und umgekehrt stellt er in der Logik an einen wahren Satz die Forderung, bewiesen zu sein. 2 So z. B. im Zusammenhang mit der aus der Logik Pölitz zitierten Stelle: „Ist die Rede vom Criterio der Wahrheit, so kann es hier nur bestehn in der Uebereinstimmung des Erkenntnißes mit den Regeln des Verstandes überhaupt. Die Regeln der Uebereinstimmung der Erkenntniße mit sich selbst sind ..." (XXIV, S.527). 3 Vgl. Logik Philippi, XXIV, S. 472: „Die Wahrheit oder Falschheit eines Vernufftschlusses in der Materie betrifft die Wahrheit oder Falschheit in den Prämissen.... Wenn aber auch die Praemissen wahr sind; kann doch die Conclusion falsch seyn. Denn wird in der Form gefehlt." 4 Im Kontext eines indirekten Beweises kann ein solcher „material" falscher Schluß ja von Nutzen sein.
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Die Tatsache, daß Kant die „logische" oder „formale" Wahrheit eines Satzes durch Widerspruchsfreiheit und die Eigenschaft, begründet zu sein, definiert, läßt aber noch eine weitere Erklärung zu. Wie wir gesehen haben, definiert Kant die Begriffe „Wahrheit" und „Möglichkeit" durch die Relation „Übereinstimmung". Hierdurch bringt er seine Wahrheitsauffassung in systematische Nähe zu seiner Konzeption der Modalkategorien. In der formalen Logik sind nun die definierenden Bedingungen von (logischer) Möglichkeit und Wirklichkeit gerade die beiden genannten Kriterien der logischen Wahrheit: „Logische Möglichkeit: Übereinstimmung des Erkenntnisses mit sich selbst, Wirklichkeit: Zusammenhang mit anderen gegebenen [sc.: nach dem Satz vom zureichenden Grunde]" (Rfl. 2181, X V I , S. 261, zwischen 1780 und 1789). Wenn man versteht, warum Kant gerade durch diese Kriterien die „logische Wirklichkeit" definieren will, dann kann man erklären, warum dieselben auch die logische Wahrheit bestimmen. Denn „wahr" ist stets so viel wie „wirklich wahr", es ist mehr als „möglicherweise wahr" und weniger als „notwendig wahr" 5 . Es bedarf wohl keiner weiteren Erklärung dessen, was Kant hier mit „logischer Möglichkeit" meint: nämlich die Widerspruchsfreiheit. Was aber heißt „logische Wirklichkeit" und warum definiert Kant diese gerade durch die beiden genannten Kriterien? Er orientiert sich in seiner Erklärung der beiden ersten logischen Modalitäten (logisch möglich, wirklich) streng an seiner Bestimmung der entsprechenden „realen" Modalitäten (empirisch möglich, wirklich). Diese Bestimmung gibt Kant in der K . d . r. V. mit den „Postulaten des empirischen Denkens". Er sagt dort über die empirische Wirklichkeit (2. Postulat): „Was mit den materialen Bedingungen der Erfahrung . . . zusammenhängt, ist w i r k l i c h " (A 2 1 8 / B 266). Wenn wir hier an die Stelle von „Erfahrung" das Wort „Denken" setzen und an die Stelle von „wirklich" den Ausdruck „logisch wirklich", dann lesen wir: „Was mit den materialen Bedingungen des Denkens zusammenhängt, ist logisch wirklich" 6 . Und dieser Satz zieht die in der Logik gegebene Erklärung von logischer Wirklichkeit nada sich. Denn vom Standpunkt der formalen Logik aus sind materiale Bedingungen des Denkens Begriffe und Urteile: „Materie ist in der Logik das Gegebene. . . . In kategorischen Urteilen 5
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Vgl. A 7 4 f . / B 100: „ P r o b l e m a t i s c h e Urteile sind solche, wo man das Bejahen oder Verneinen als bloß m ö g l i c h (beliebig) annimmt. A s s e r t o r i s c h e , da es als w i r k l i c h (wahr) betrachtet wird. A p o d i k t i s c h e , in denen man es als n o t w e n d i g ansieht." Wir dürfen aber nicht „material" durch „formal" ersetzen, denn dann würden wir nicht mehr von Wirklichkeit, sondern nur noch von Möglichkeit sprechen.
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muß das Subjekt und das Prädikat gegeben sein". „Die Materie des hypothetischen Urteils besteht . . . aus zwei Urteilen" (Logik Dohna-Wundlacken, X X I V , S. 764 bzw. S.765f.). Und logischer Zusammenhang ist Begründungszusammenhang: „ . . . der Satz des zureichenden Grundes, der Satz des Zusammenhanges" (Wiener Logik, X X I V , S. 828). Schließlich gilt für die logischen wie für die realen Modalitäten, daß Möglichkeit notwendige Voraussetzung von Wirklichkeit ist. Daraus ergibt sich: Ein Satz ist „logisch wirklich", wenn er a) widerspruchsfrei (also logisch möglich) und b) begründet ist. Genau dies sind nach Kant aber auch die definierenden Bedingungen der logischen (formalen) Wahrheit. Ein Satz ist nach Kant also genau dann „logisch wirklich", wenn er „logisch wahr" ist, und wir haben gesehen, warum Kant a) logische Wahrheit und logische Wirklichkeit als Eigenschaften von Sätzen zusammenfallen läßt und b) die logische Wirklichkeit durch die angegebenen Bedingungen definiert. Es bleibt die Frage nach dem Verhältnis zwischen der so definierten formalen (oder logischen) Wahrheit und der „materiellen" Wahrheit als Übereinstimmung mit dem Objekt zu erörtern. Kant vertritt in seinen LogikVorlesungen zwei verschiedene und sich widersprechende Auffassungen bezüglich dieser Frage. In der Logik Pölitz sagt er, die definierenden Bedingungen der formalen Wahrheit seien für die materiale nicht hinreichend: „Die Regeln der Uebereinstimmung der Erkenntniße mit sich selbst sind 1 . ) · · · 2 . ) . . . die formaliter aber nicht materialiter hinreichend seyn" (XXIV, S. 527). In der Logik Busolt heißt es dagegen: „Hingegen ist bei der Wahrheit . . . die Gründlichkeit aber ein hinreichendes Zeichen derselben" (XXIV, S. 629). Da aus dem Zusammenhang hervorgeht, daß „Wahrheit" hier im Sinne von „Übereinstimmung mit dem Objekt" gemeint ist, sagt Kant hier, daß die Eigenschaft eines Satzes, begründet zu sein, für seine „materielle" Wahrheit hinreicht. Und daraus folgt, daß hierfür die Bedingungen der formalen Wahrheit genügen. Die hier verhandelte Sache kann man nun unter zwei Gesichtspunkten betrachten, und wenn man diese unterscheidet, löst sich der beschriebene Widerspruch auf: (1) Wenn ich einen Satz habe, von dem ich nicht weiß, ob er („materiell") wahr oder falsch ist, zugleich aber ander Sätze kenne, von denen ich dies weiß, dann kann es mir mit Hilfe des „Satzes vom zureichenden Grunde" gelingen, über Wahrheit oder Falschheit des fraglichen Satzes zu entscheiden, und zwar gelingt mir dies genau dann, wenn ich den fraglichen Satz als hinreichenden Grund für einen der verfügbaren fai-
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sehen Sätze oder einen der verfügbaren wahren Sätze als hinreichenden Grund für meinen Satzausweise. Dieses Verfahren finden wir bei Kant angedeutet in der Wendung: „Logische Beurtheilung der Wahrheit und Falschheit . . . [durch] Verknüpfung mit anderer Erkenntnis: a. mit den Gründen, b. mit den Folgen" (Rfl. 2174, XVI, S.258, zwischen 1780 und 1789). Wenn ein Satz S nun der Bedingung genügt, daß es einen wahren Satz gibt, der S zur Folge hat, dann ist S selbst wahr. In dieser Formulierung ist Kants logische Forderung, Sätze müßten begründet sein, für deren „materielle" Wahrheit hinreichend. Und hiervon handelt Kant auch im Zusammenhang der Textstelle, wo er die „Gründlichkeit" ein hinreichendes Wahrheitskriterium nennt. Es heißt dort nämlich wenige Zeilen vorher: „Die Formale wesentliche Kenntniße der Wahrheit sind: a.) Eine Kenntniß muß möglich seyn dies ist ein negatiues Kriterium, b.) Eine Erkenntniß muß gewißer Weise gegründet seyn: A.) Als Folge . . . Als solche wenn sie eine richtige Folge aus wahren Gründen ist" (XXIV, S. 629). (2) Wenn man die definierenden Bedingungen für formale Wahrheit in der eben beschriebenen Weise festlegt, dann sind sie zwar hinreichend für die „materielle" Wahrheit, man kann dann aber nicht mit den Mitteln der formalen Logik allein entscheiden, ob sie erfüllt sind, weil man sich dazu von der materialen Wahrheit der in der geforderten Begründung vorkommenden Sätze überzeugen muß. Die formale Logik kann hier nur entscheiden, ob korrekt gefolgert worden ist. Daß ein Beweis für einen Satz in dieser Hinsicht einwandfrei ist, reicht nun aber für die Wahrheit des zu beweisenden Satzes nicht hin, denn es braucht nur ein Satz in einer formal korrekten Beweiskette falsch zu sein, um die Möglichkeit zu eröffnen, daß auch der vorgeblich bewiesene Satz falsch ist. Die Bedingung allein, daß ein Satz nur formal richtig abgeleitet sein soll aus irgendwelchen Sätzen, ist also nicht hinreichend für die Wahrheit eines Satzes. Dafür kann aber mit formallogischen Mitteln allein entschieden werden, ob diese Bedingung erfüllt ist. Wie wir gesehen haben, lassen sich beide Auffassungen des Verhältnisses von formaler und materieller Wahrheit in Kants Vorlesungen zur Logik belegen. Und Kant war sich audi der Tatsache bewußt, daß Beweisfehler, die auf die Falschheit eines Satzes in der Beweiskette zurückgehen, von anderer Art sind als solche, die auf nicht schlüssigen Beweisschritten beruhen. Er bezeichnet diesen Unterschied mit der unglücklichen Redeweise von „in der Materie" bzw. „in der Form" falschen Schlüssen (vgl. Logik Philippi, X X I V ,
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S. 472). Kant hat also hinreichend scharf zwischen den formalen und materialen Eigenschaften eines Beweises unterschieden, um audi einen Begriff von „formaler" Wahrheit konzipieren zu können, wie er der Auffassung (2) zugrundeliegt. Die Tatsache aber, daß in seinen logischen und erkenntnistheoretischen Untersuchungen fast ausschließlich die wahren Sätze im Vordergrund stehen — obwohl die Systematik dieser Untersuchungen dies nicht fordert, wie aus unseren Überlegungen hervorgeht — diese Tatsache spricht stark für die Annahme, daß Kant den der Auffassung (1) zugrundeliegenden Begriff von „formaler" Wahrheit vertreten hat: Ein Satz ist formal wahr genau dann, wenn er durch wahre Sätze begründet und widerspruchsfrei ist 7 . In jedem Fall ist aber eine solche Auffassung von logischer oder formaler Wahrheit unbefriedigend. Im Falle der Auffassung (1) bezeichnet zwar das Prädikat „wahr" sowohl im Falle der logischen als auch der materialen Wahrheit dieselbe Eigenschaft von Sätzen. Aber „formal wahr" heißt hier nicht „wahr aus formalen Gründen", sondern „wahr und formalen Ansprüchen genügend" (nämlich der Forderung, begründet zu sein), und über das Vorliegen dieser Eigenschaft kann die formale Logik gar nicht entscheiden. Die Auffassung (2) bezeichnet hingegen mit dem Begriff „wahr" in „formal wahr" und „materiell wahr" ganz verschiedene Eigenschaften von Sätzen, nämlich einmal die „materielle" Wahrheit und zum anderen die Eigenschaft, Konklusion einer formal richtigen Schlußkette zu sein. Eine vernünftige Einteilung der „Wahrheiten" sollte aber mit diesem Prädikat nur eine Eigenschaft von Sätzen bezeichnen und dann die Klasse der wahren Sätze einteilen nach den jeweiligen Gründen der Wahrheit. Und Sätze die aus logischen oder formalen Gründen wahr sind und insofern die Bezeichnung „formal" bzw. „logisch wahr" verdienen, kommen ja auch in Kants Logik vor, nur eben nicht unter diesem, sondern unter dem Titel „analytische Urteile". 4.1.
Exkurs: Logische Modalität
Wir haben oben gesehen, daß Kant sich bei seiner Bestimmung von „logischer Wirklichkeit" orientiert an seiner Erklärung von empirischer Wirklichkeit im zweiten „Postulat des empirischen Denkens". Diese Parallele erstreckt sich auch auf die logische Möglichkeit, während sich bei der logischen Notwendigkeit kein eindeutiges Bild ergibt. 7 Diese zweite Bedingung ist dann überflüssig, weil nur widerspruchsfreie Sätze aus wahren Sätzen gefolgert werden können.
Exkurs: Logische Modalität
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Das erste „Postulat des empirischen Denkens" erklärt die „reale" Möglichkeit folgendermaßen: „Was mit den formalen Bedingungen der Erfahrung . . . übereinkommt, ist m ö g l i c h " (A 218/B 266). Ersetzt man hier das Wort „Erfahrung" durch „Denken" und „möglich" durch „logisch möglich", dann liest man: „Was mit den formalen Bedingungen des Denkens übereinkommt, ist logisch möglich". Die hier einschlägige „formale" Bedingung ist der Satz vom Widerspruch, „der letzte logische Grund alles Denklichen" 8; und die „Übereinstimmung aber des einen mit dem andern nach dem Satze des Widerspruchs sind das Formale der Möglichkeit" 9. Kants Erklärung von Notwendigkeit ist weder in formal- noch in transzendentallogischer Hinsicht eindeutig. Es lassen sich bei ihm jeweils zwei verschiedene Auffassungen dieser Modalkategorie unterscheiden, und zwar so, daß zwischen je einem formalen und einem transzendentalen Begriff von Notwendigkeit eine ähnliche Parallele besteht wie bei den beiden ersten Modalbegriffen. Einmal unterscheidet Kant zwischen notwendigen und „schlechterdings" notwendigen Sätzen: „Findet sich also e r s t l i c h ein Satz, der zugleich mit seiner N o t w e n d i g k e i t gedacht wird, so ist er ein Urteil a priori; ist er überdem auch von keinem abgeleitet, als der selbst wiederum als ein notwendiger Satz gültig ist, so ist er schlechterdings a priori" (B 3) 10 . Notwendig sind nach Kant jedenfalls die aus wahren Prämissen abgeleiteten Sätze. Das geht auch aus seiner Definition eines Schlusses hervor: „Vernunftschlus ist das Erkenntnis der Notwendigkeit eines Satzes durch die Subsumtion seiner Bedingung unter eine gegebene allgemeine Regel" (Rfl. 3201, XVI, S. 710; nach 1790; vgl. auch Logik Dohna-Wundlacken, XXIV, S. 771, wo man diese Definition fast wörtlich wiederfindet). Konklusionen aus wahren Prämissen sind aber nicht immer „schlechterdings" notwendig, sondern — wie man hier in Ergänzung des Kantischen Sprachgebrauchs sagen kann — in vielen Fällen nur „bedingt". „Schlechterdings" notwendig sind sie, wenn auch die Prämissen diese Eigenschaft haben; und das ist in for8 „Der einzig mögliche Beweisgrund . . . " , II, S. 82. Durch einen Widerspruch wird „das Formale alles Denklichen aufgehoben" (ibid.). Andererseits kann ich d e n k e n . . . , was ich will, wenn ich mir nur nicht selbst widerspreche, d. i. wenn mein Begriff nur ein möglicher Gedanke ist" ( Β XXVI, Anm.); die Bedingung ist also auch hinreichend. ' Hier sind es die Bestimmungen „Triangel" und „rechtwinklig", die sich nicht widersprechen; „Beweisgrund", II, S. 77. io „Notwendiger Satz" und „Satz a priori" sind für Kant gleichbedeutende Ausdrücke; vgl. das angeführte Zitat zusammen mit A 633/B 661: „ . . . durch den ich a priori (als notwendig) erkenne, daß,...".
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mallogischer Hinsicht der Fall bei den Sätzen vom Widerspruch und der Identität und allen hieraus (in von Kant hier nicht weiter erklärtem Sinne) ableitbaren Sätzen: „Aus dem Satze der identitaet und des Wiederspruchs folgen nicht allein Sätze, sondern nothwendige" (Rfl. 3745, XVII, S.280; zwischen 1764 und '66 oder 1776 und '78). „ . . . der apodiktische Satz denkt sich den assertorischen durch diese Gesetze des Verstandes selbst bestimmt, und daher a priori behauptend, und drückt auf solche Weise logische Notwendigkeit aus" (A 76/B 101) ». Indem Kant der Konklusion eines Syllogismus Notwendigkeit zuspricht, macht er einen analogen Fehler wie die von ihm kritisierten Philosophen, die die Sätze der Mathematik deshalb für analytisch halten, weil nach ihrer und nach Kants Meinung die Schlüsse dieser Wissenschaft „nach dem Satz vom Widerspruch" ausgeführt werden: „Denn weil man fand, daß die Schlüsse der Mathematiker alle nach dem Satze des Widerspruchs fortgehen, . . . so überredete man sich, daß auch die Grundsätze aus dem Satze des Widerspruchs erkannt würden; worin sie sich irrten; denn ein synthetischer Satz kann allerdings nach dem Satze des Widerspruchs eingesehen werden, aber nur so, daß ein anderer synthetischer Satz vorausgesetzt wird, aus dem er gefolgert werden kann" (B 14). Aber genauso wenig, wie ein Satz deshalb analytisch wahr ist, weil er gewissermaßen analytisch ( „nach dem Satz des Widerspruchs") aus anderen wahren Sätzen abgeleitet werden kann, genauso wenig ist ein Satz notwendig wahr, nur weil man aus wahren Sätzen nach notwendigen Regeln auf seine Wahrheit schließen kann n . Dieser Fehler wird audi nicht dadurch berichtigt, daß man unterscheidet zwischen Sätzen, die — modern gesprochen — wahr sind aus logischen Gründen, und diese dann mit Kant „schlechterdings" notwendig nennt, und Sätzen, die aus empirischen Gründen wahr sind, und diesen dann „bedingte" Notwendigkeit zuspricht, geleitet von der Auffassung, sie seien bedingt notwendig wahr, nämlich unter der Bedingung, daß die sie begründenden Sätze (also etwa die Prämissen eines Schlusses) wahr seien. Diese Unterscheidung unterstellt nämlich, daß ein „bedingt" notwendiger Satz genauso notwendig ist wie ein „schlechterdings" notwendiger, wenn nur die betreffenden Bedingungen erfüllt sind. Da man aber jeden wahren Satz als Konklusion aus 11 Die „Gesetze des Verstandes" sind zwar an dieser Stelle nidit genannt. Hierher gehört aber jedenfalls der Satz vom Widerspruch (vgl. „Beweisgrund", II, S. 82; oder „Entdeckung", VIII, S. 195). Und der Satz der Identität ist bei Kant mit ersterem jedenfalls als Grundsatz logisch notwendiger Sätze gleichwertig. 12 Die — im übrigen aufschlußreiche — Arbeit von G. Schneeberger über „Kants Konzeption der Modalbegriffe" vernachlässigt diese Schwäche.
Exkurs: Logische Modalität
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einer wahren Prämisse darstellen kann — nämlich dem Satz selbst —, ist dieser Auffassung zufolge jeder wahre Satz „schlechterdings" notwendig wahr. Dies ist aber der Sache nach falsch. Der Satz: „Göttingen liegt an der Leine" ist nicht etwa deshalb notwendig wahr, weil der Schluß: „Göttingen liegt an der Leine; also liegt Göttingen an der Leine" gilt und seine Prämisse wahr ist 13 . Die Unterscheidung zwischen „bedingt" und „schlechterdings" (also „unbedingt") notwendig bzw. zwischen der Notwendigkeit einer Konklusion aus selbst notwendigen und der einer solchen aus nicht notwendigen Prämissen betrifft in der Sache gar nicht zwei verschiedene Arten von Notwendigkeit, sondern ein und dieselbe Notwendigkeit, die aber im einen Falle nur Sätzen einer bestimmten logischen Form zukommt. Gibt man einem gültigen Schluß die Form: „Wenn A, dann B" — wobei „A" für die Konjunktion der Prämissen und „B" für die Konklusion stehe —, dann ist, wenn A wahr ist, nicht etwa Β notwendig (wahr), sondern die genannte Implikation selbst ist ein („schlechterdings") notwendiger Satz. Ein Syllogismus schließt nicht — wie Kant meint — auf die Notwendigkeit des Schlußsatzes, sondern er drückt die Notwendigkeit eines Bedingungsverhältnisses aus, daß nämlich dieser Satz wahr ist, wenn die Prämissen wahr sind. „Bedingte" Notwendigkeit ist der Sache nach nichts anderes als die unbedingte Notwendigkeit („Notwendigkeit schlechterdings") eines hypothetischen Satzes. Bei Kant dagegen fällt die „bedingte Notwendigkeit" mit der „formalen Wahrheit" bzw. „logischen Wirklichkeit" zusammen, wie man nach den bisherigen Ausführungen unschwer sieht. Auch in der transzendentalen Logik unterscheidet Kant — und zwar ganz analog — zwei Arten von Notwendigkeit: „Alles, was geschieht, ist hypothetisch notwendig" (A 228/B 280). „Alles ist nothwendig, schlechthin oder bedingt" (Rfl. 5196 zur Metaphysik, XVIII, S. 115; 1776—1778). Auch hier fällt die „bedingte" Notwendigkeit zusammen mit der Wirklichkeit. Kant sagt nämlich in den „Postulaten des empirischen Denkens" : „Dessen Zusammenhang mit dem Wirklichen nach allgemeinen Bedingungen der Erfahrung bestimmt ist, ist (existiert) n o t w e n d i g " (3. Post., A 218/ Β 266). Der hier maßgebliche Zusammenhang ist der zwischen Ursache und Wirkung nach dem Kausalprinzip, das Kant in der zweiten „Analogie der Erfahrung" als eine der „allgemeinen Bedingungen" derselben formuliert. Und die fragliche Notwendigkeit ist die einer Wirkung zu einer Ursache, Η Vgl. hierzu und zum folgenden Patzig, G.: Die Aristotelisdie Syllogisdk. 3Göttingen 1969, S. 31—47. Dort wird ein ähnlicher Fehler des Aristoteles diskutiert.
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welch letztere zwar selbst wieder eine (notwendige) Wirkung sein mag, aber für sich doch gewissermaßen „nur wirklich" ist: „Also ist es nicht das Dasein der Dinge (Substanzen), sondern ihres Zustandes, wovon wir allein die Notwendigkeit erkennen können, und zwar aus anderen Zuständen, die in der Wahrnehmung gegeben sind... Daher erkennen wir nur die Notwendigkeit der W i r k u n g e n in der Natur, deren Ursachen uns gegeben sind" (A 227/B 279 f.). Genauso charakterisiert Kant aber auch die Modalität „Wirklichkeit": „Das Postulat, die W i r k l i c h k e i t der Dinge zu erkennen, fordert W a h r n e h m u n g , mithin Empfindung, deren man sich bewußt ist, zwar nicht eben unmittelbar, von dem Gegenstande selbst, dessen Dasein erkannt werden soll, aber dodi Zusammenhang desselben mit irgendeiner wirklichen Wahrnehmung, nach den Analogien der Erfahrung, welche alle reale Verknüpfung in einer Erfahrung überhaupt darlegen" (A 225/ Β 272). Man kann folglich sagen: In diesem Sinne von Notwendigkeit ist genau das Wirkliche (hypothetisch) notwendig u . Gegen diese Auffassung von einer in transzendentallogischer Hinsicht „hypothetischen" Notwendigkeit sind entsprechende Bedenken geltend zu machen wie bei der „bedingten" formallogischen Notwendigkeit. Der Zustand eines physikalischen Objekts in einem bestimmten Zeitpunkt ist nicht deshalb ein notwendiger, weil er auf einen anderen Zustand nach einem n o t w e n d i g e n G e s e t z folgt, und entsprechend für „hypothetisch notwendige" Ereignisse. Notwendig — und zwar nicht „hypothetisch" — ist in diesem Falle das betreffende Gesetz, und dies drückt sich aus in seiner Allgemeingültigkeit. Dies hat Kant vor Augen, wenn er sagt: „Notwendigkeit und strenge Allgemeinheit sind also sichere Kennzeichen einer Erkenntnis a priori, und gehören audi unzertrennlich zueinander" (B 4) und: „Das Schema der Notwendigkeit ist das Dasein eines Gegenstandes zu aller Zeit" (B 184). Ich bin an dieser Stelle nicht in der Lage, solche nicht-hypothetische Notwendigkeit als eine Eigenschaft von Gegenständen zu interpretieren. Sie kommt bei Kant aber auch vor als Eigenschaft von Sätzen, ζ. B. sind die Gesetze der Mathematik als synthetische Urteile a priori solcherart notwendige Sätze. Diese Sätze beziehen ihre Notwendigkeit nicht — wie die logisch notwendigen Sätze — vom Denken allein, sondern von diesem unter der Bedingung seiner Anwendung auf reine Anschauung. Sie gelten nicht für das 14 Daß man eine solche „hypothetische" Notwendigkeit nicht nur nach dem Kausalprinzip, sondern z.B. auch nach dem Gesetz der Wechselwirkung (3. Analogie) einsehen kann, versteht sich von selbst.
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Denken als solches, sondern nur für das von Gegenständen der reinen Anschauung. Die Notwendigkeit der synthetischen Urteile a priori 1 5 ist also auf transzendentallogischer Seite das Pendant zu den in formallogischer Hinsicht „schlechterdings" notwendigen Sätzen.
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Solche Notwendigkeit kommt jedenfalls auch den Grundsätzen des reinen Verstandes der ersten beiden Klassen zu (vgl. ο. 1.3.). Die „dynamischen" Grundsätze hingegen sind a priori notwendige Bedingungen n u r von empirischer Erkenntnis — und diese ist transzendentallogisdi z u f ä l l i g . Trotzdem ist auch diese Notwendigkeit nicht hypothetisch" wie die einer Wirkung zu einer gegebenen Ursache, denn solche Wirkung ist nur w i r k l i c h , insofern sie zu einer bestimmten Zeit da ist (vgl. das „Schema der Wirklichkeit" A 145/B 184), die Bedingungen a priori der empirischen Erkenntnis sind aber zugleich die Bedingungen a priori des Daseins empirischer Objekte ü b e r h a u p t , und solche gibt es „zu aller Zeit".
5. Merkmal und Begriff Mit der Darstellung von Kants Begriffslehre wenden wir uns nun einem Thema zu, das nach seinen Worten in die „Logik selbst" gehört, während er die vorherigen Ausführungen „propädeutisch" nennen würde i . Aus der von Kant sogenannten „Logik selbst" greife ich die Begriffs- und die von ihm in unmittelbarem Zusammenhang damit behandelte Definitionslehre heraus. Wie sich im folgenden zeigen wird, gehören der Sache nach nodi enger die in diesem Kapitel dargestellte Lehre von Begriff und Merkmal zusammen. Trotzdem ordnet Kant seine Ausführungen über Merkmale in den von ihm „propädeutisch" genannten Teil seiner Logik-Vorlesungen und -Reflexionen ein. Da ich einen sachlichen Grund für dieses Vorgehen nicht zu sehen vermag, kann ich es nur damit erklären, daß Kant sich in der thematischen Gliederung seiner Vorlesungen und Reflexionen streng an seine Vorlage hält. Merkmale sind nach Kant „Teilvorstellungen", und zwar ist ein Merkmal als Teil enthalten entweder in einer anschaulichen (intuitiven) oder in einer begrifflichen (diskursiven) Vorstellung: „Merkmal ist eine theilvorstellung . . . Es ist entweder intuitiv . . . : ein theil der Anschauimg, oder discursiv: ein theil des Begrifs" (Rfl.2286, XVI, S.299f.; zwischen 1780 und 1789). So würde Kant etwa sagen, daß in der empirischen Anschauung einer roten Rose die Vorstellung „rot" ein intuitives Merkmal ist, weil die gegebene Anschauung diese Vorstellung — die in diesem Falle selbst Anschauung ist — enthält. Dagegen wäre der Begriff „rechtwinklig" als Teil des Begriffes „rechtwinkliges Dreieck" ein diskursives Merkmal. Alle Begriffe sind diskursive Merkmale — und umgekehrt. Die Unterscheidung zwischen Merkmal und Begriff ist eine Frage des Kontextes. Von ι Den Beginn des Abschnitts „Von den gelehrten Begriffen" in G. F. Meiers „Auszug aus der Vernunftlehre" kommentiert Kant mit der Bemerkung: „Vorher war von der Erkenntnis überhaupt gehandelt als Propädeutik der Logik; jetzt folgt Logik selbst" (Rfl.2838, XVI, S.540; aus den 80er Jahren; vgl. audi XVI, S. 532). Der Themenkreis der „propädeutischen" Ausführungen bei Meier und in Kants dazugehörigen Reflexionen übersdineidet sich zwar, deckt sich aber nidit mit dem meiner bisherigen Darstellung.
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Merkmal und Begriff
(diskursiven) Merkmalen spricht Kant stets im Hinblick darauf, daß sie Merkmale (also Teilbegrifle) von Begriffen sind 2 . Von Begriffen hingegen handelt er als von in dieser Hinsicht selbständigen Vorstellungen.
5.1. Begriffslehre 5.1.1. Was sind Begriffe? 5.1.1.1. „Conceptus communes": Obwohl Kant seine formale Logik streng abgegrenzt sehen will gegen die Psychologie3, enthält doch seine Begriffslehre manche Psychologismen. Dies beginnt damit, daß er Begriffe beschreibt als „Vorstellungen" und diese wiederum als „bloße Bestimmung [en]" bzw. „Modifikationen" „des Gemüts" (A 50/B 74 bzw. A 99). Allerdings gibt es nach Kant auch intersubjektive „Vorstellungen", etwa die eines „Bewußtseins überhaupt" 4. Diese sind für ihn nicht Gegenstand der Psychologie, ebensowenig wie die „Denk"-Gesetze der formalen Logik. Man muß hier — wie so häufig bei Kant — scharf unterscheiden zwischen einer von ihm vorgelegten Theorie und seiner eigenen Interpretation dieser Theorie: Während Kant eine psychologistische Begriffslehre im Rahmen der formalen Logik mit Recht zurückweisen würde, ist doch seine eigene Theorie von einer solchen in mancher Hinsicht nicht zu unterscheiden. In der K. d. r. V. gibt Kant eine Klassifizierung aller Vorstellungsarten an, in der auch die Begriffe ihren Ort haben (vgl. A 320/B 376f.):
2 Hieran erinnert Freges Gebrauch des Ausdrucks „Merkmal"; vgl. „Die Grundlagen der Arithmetik", §53 sowie „Über Begriff und Gegenstand", S. 201 f. (Originalpaginierung). 3 Vgl. o. 1.1. 4 Vgl. Prolegomena §§ 20 und 22.
BegrifEslehre
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Vorstellung überhaupt (repraesentatio)
Vorstellung mit Bewußtsein (perceptio, klare 5 Vorstellung)
nur auf das Subjekt bezogen, als Modifikation seines Zustandes, Empfindung
objektive Perzeption
Anschauung, unmittelbar auf den Gegenstand bezogen
Begriff mittels eines (intuitiven oder diskursiven) Merkmals auf den Gegenstandbezogen
Gemäß dieser Erklärung haben Begriffe die Eigenschaft, sich auf „Gegenstände" zu beziehen. Daraus darf man aber nicht schließen, daß nach Kant Begriffe als solche immer schon den Bedingungen der transzendentalen Logik genügen müßten, etwa weil diese die notwendigen Bedingungen des Denkens von Gegenständen wären. Das letztere gilt ja nur im Hinblick auf Gegenstände m ö g l i c h e r E r f a h r u n g . Ein Begriff muß aber, um überhaupt Begriff zu sein, nicht notwendig auf einen solchen Gegenstand im engeren Sinne bezogen werden können. Vielmehr ist dafür nur notwendig, daß der Begriff eine Vorstellung von etwas ist, das widerspruchsfrei gedacht werden kann, also jedenfalls von einem „Gedankending", das „nicht unter die 5
Mit dieser Unterscheidung zwischen „Vorstellung überhaupt" und „Vorstellung mit mit Bewußtsein (perceptio)" steht Kant ganz in der Tradition der Leibniz-Wölfischen Schule. Vgl. Leibniz, Princ. de la nat. et de la grâce 4: „Ainsi il est bon de faire distinction entre la P e r c e p t i o n qui est l'état intérieur de la Monade représentant les choses externes, et l ' A p p e r c e p t i o n qui est la C o n s c i e n c e , ou la connoissance reflexive de cet état intérieur... — Und G. F. Meier sagt im Sen 249 seines „Auszugs aus der Vemunftlehre" : „Ein Begriff (conceptus) ist eine Vorstellung einer Sache in einem Dinge, welches das Vermögen zu denken besitzt."
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Merkmal und Begriff
Möglichkeiten [sc. die „realen"] gezählt werden darf, weil es bloße Erdichtung (obzwar nicht widersprechende) ist" (A 292/B 348) 6 . Und Begriffe sind „objektive Perzeptionen" insofern, als sie zumindest auf ein solches den intersubjektiven Gesetzen der formalen Logik genügendes „Etwas" 7 müssen bezogen werden können. Anschauung und Begriff unterscheiden sich als Vorstellungen nun in der Art und Weise, wie sie auf das in ihnen Vorgestellte bezogen sind: die Anschauung unmittelbar, der Begriff mittelbar. Vermittler der Beziehung sind im Falle eines Begriffs, dem in der Anschauung ein Gegenstand entspricht, der also „objektive Realität" besitzt, Anschauung und ein anderer Begriff oder Anschauimg allein. Jeder solche Begriff ist Prädikat eines möglichen Urteils, und seine Beziehung auf Gegenstände wird im Urteilen gewissermaßen hergestellt, und zwar in einem allgemeinen und einem besonderen Urteil vermittels des Subjektsbegriffs und der Anschauung: „Da keine Vorstellung unmittelbar auf den Gegenstand geht, als bloß die Anschauung, so wird ein Begriff niemals auf einen Gegenstand unmittelbar, sondern auf irgendeine andere Vorstellung von demselben (sie sei Anschauung oder selbst schon Begriff) bezogen" (A 68/B 93) 8 . „Begriffe aber beziehen sich, als Prädikate möglicher Urteile, auf irgendeine Vorstellung von einem n o c h unbestimmten Gegenstande" (A 69/B 94). „So bezieht sich z.B. in dem Urteile: a l l e K ö r p e r s i n d t e i l b a r , der Begriff des Teilbaren auf verschiedene andere Begriffe; unter diesen aber wird er hier besonders auf den Begriff des Körpers bezogen, dieser aber auf gewisse uns vorkommende 6
Vgl. audi A 596/B 624 Anm.: „Der Begriff ist allemal möglich, wenn er sich nicht widerspricht." 7 Im Gegensatz zu dem logisch unmöglichen „Nichts" : „Der Gegenstand eines Begriffs, der sich selbst widerspricht, ist Nichts, weil der Begriff Nichts ist, das Unmögliche" (A291/B 348). 8 Wie hieraus hervorgeht, deckt Kants Theorie der Beziehimg eines Begriffs auf seinen Gegenstand nur die Begriffe mit objektiver Realität. Soweit ich sehe, sagt Kant nichts Entsprechendes darüber, wie sich ein Begriff, dem in der Anschauung (also in theoretischer Hinsicht) gar kein Gegenstand entspricht — z.B. der Vernunftbegriff „Freiheit" —, auf sein Objekt bezieht, sondern nur, daß dies der Fall ist. Vgl. ζ. B. K. d. U., Einleitung II: „ . . . daß der Naturbegriff zwar seine Gegenstände in der Anschauung, aber nicht als Dinge an sich selbst, sondern als bloße Erscheinungen, der Freiheitsbegriff dagegen in seinem Objecte zwar ein Ding an sich selbst, aber nicht in der Anschauung vorstellig machen . . . kann" (V, S. 175). Seinen Grund hat dies im Falle der praktischen Erkenntnis darin, daß für Kant hier gar nicht eine Beziehung eines (Vernunft-) Begriffs auf einen (wo auch immer) gegebenen Gegenstand vorliegt. Praktische Vernunft konstituiert vielmehr ihre Gegenstände als Objekte ihrer Ideen (vgl. ζ. Β. Β I X ) .
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Anschauungen." Im einzelnen Urteil hingegen wird der Prädikatsbegriii vermittels der Anschauung allein auf den Gegenstand bezogen, denn hier fungiert als Subjekt eine Vorstellung von Einzelnem, und „repraesentatio singularis — hat einen intuitum, zeigt ihn unmittelbar an, ist aber im Grunde kein conceptus. Ζ. B. Sokrates ist kein conceptus" (Logik DohnaWundlacken, XXIV, S. 754; vgl. auch u. 5.1.1.2.). Der zweite Unterschied zwischen Anschauung und Begriff ist, daß jede Anschauung Einzelnes vorstellt, während jeder Begriff eine in verschiedenen Vorstellungen enthaltene Teilvorstellung ist. Aus diesem Grund ist nach Kant jeder Begriff ein conceptus communis.: „Etwas sich durch Begriffe, d. i. im Allgemeinen vorstellen,... Die unmittelbare Vorstellung des Einzelnen ist die Anschauung" (Fortschritte der Metaphysik, XX, S. 325). „Wenn eine Vorstellung nicht repraesentatio communis ist: so ist sie gar kein Begriff" (Wiener Logik, XXIV, S. 908). 5.1.1.2. „Conceptus singulares": G. F. Meier unterscheidet in seinem „Auszug aus der Vernunftlehre" zwischen „abstracten" und „einzelnen" Begriffen: „Alle Begriffe, welche durch die logische Absonderung gemacht werden, sind abgesonderte oder abstracte Begriffe (conceptus abstractus, notio). Begriffe, die nicht abgesondert sind, heissen einzelne Begriffe (conceptus singularis, idea). Ζ. E. Leibniz [ist ein conceptus singularis]" (§ 260, XVI, S. 551). Diese Auffassung kritisiert Kant. Die Unterscheidung zwischen sogenannten „abstrakten" (bzw. allgemeinen) und „einzelnen" Begriffen ist nach Kants Theorie bedingt durch den Gebrauch eines Begriffs als Subjekt eines Urteils: „Der Gebrauch eines conceptus kann singularis seyn. . . . Ich kann mich eines Begriffes bedienen, in so fern er auf viele Gegenstände angewendet wird, denn wird der Begriff als repraesentatio communis gebraucht, d. i. in abstracto gebraucht, ζ. B. Haus. Wenn ich nun von allen Häusern sage, sie müssen ein Dach haben: so ist es usus universalis. Es ist aber immer derselbe Begriff, und wird hier ganz allgemein gebraucht. . . . Aber ein besonderer Gebrauch geht nur auf viele. Ζ. B. einige Häuser müßen ein Thor haben. Oder ich gebrauche den Begriff nur für ein einzelnes Ding. Ζ. B. dieses Haus ist so oder so abgeputzt. Wir theilen also nicht die conceptus in
? Hier benutze idi zwei Korrekturen aus Kants Handexemplar; vgl. die Augabe der K. d. r. V. von R. Schmidt in Meiners Philosophischer Bibliothek, S. 109. Die Textveränderung von „alle Körper sind veränderlich" in „alle Körper sind teilbar" ist in die Akademie-Ausgabe sowohl der ersten als auch der zweiten Auflage der K. d. r. V. aufgenommen (vgl. III, S. 85 sowie IV, S. 58).
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universales, particulares und singulares ein, sondern die Ortheile" (Wiener Logik, XXIV, S. 908 f.) 10 . Für Kant ist also jeder Begriff ein „conceptus communis", und seine im folgenden zu besprechende Theorie der logischen Vermögen, die begriffliche Vorstellungen ermöglichen, zieht nach sich, daß es nur solche Begriffe geben kann. Daß Kant die Auffassung von den Individualbegriffen kritisiert, hat seinen Grund in seinem „logischen Prinzip der Arten" aus der K. d. r. V. (A 655/B 683). Kant sagt dort: „Denn aus der Sphäre des Begriffs, der eine Gattung bezeichnet, ist ebensowenig, wie aus dem Räume, den Materie einnehmen kann, zu ersehen, wie weit die Teilung derselben gehen könne. Daher jede G a t t u n g verschiedene A r t e n , diese aber verschiedene U n t e r a r t e n erfordert, und, da keine der letzteren stattfindet, die nicht immer wiederum eine Sphäre (Umfang als c o n c e p t u s c o m m u n i s ) hätte, so verlangt die Vernunft in ihrer ganzen Erweiterung, daß keine Art als die unterste an sich selbst angesehen werde, weil, da sie doch immer ein Begriff ist, der nur das, was verschiedenen Dingen gemein ist, in sich enthält, dieser nicht durchgängig bestimmt, mithin auch nicht zunächst auf ein Individuum bezogen sein könne, folglich jederzeit andere Begriffe, d. i. Unterarten, unter sich enthalten müsse" (A 655 f./B 683 f.) n . Dieses „logische Prinzip der Arten" fordert ausdrücklich, daß j e d e r Begriff einen U m f a n g hat. Die „conceptus singulares" werden aber in den Logikbüchern des 18. Jahrhunderts — sofern diese das Thema der Begriff sextensionen behandeln — häufig bestimmt als Begriffe, die keinen Umfang ha-
Vgl. auch Rfl. 2873: „Usus conceptuum est vel in abstracto vel concreto, et hic vel in pluribus communi vel singular:" (XVI, S. 554, zwischen 1776 und 1778; diese Bemerkung richtet sich ausdrücklich gegen den §en260 bei Meier). Und: „Die Form eines Begriffes besteht in der Gemeingültigkeit. Repraesentatio, quae pluribus est communis. Das macht also den conceptus aus" (XXIV, S. 908). Und K. d. r. V. Β 40: „Nun muß man zwar einen jeden Begriff als eine Vorstellung denken, die in einer unendlichen Menge von verschiedenen möglichen Vorstellungen . . . enthalten ist, mithin diese u n t e r s i c h enthält". Dem entspricht XXIV, S. 911: „Der Conceptus infimus läßt sich nicht bestimmen. . . . Die niedrigste Erkenntniß ist die Anschauung . 11
Dieses Prinzip ist nicht etwa, weil eine Forderung der Vernunft, nur „regulativ". Denn die logischen Gesetze der Vernunft sind, im Unterschied zu den transzendentalen, von gleicher Geltung wie die des Verstandes: „Da gedachte bloß formale Logik von allem Inhalte der Erkenntnis . . . abstrahiert . . . so kann sie in ihrem analytischen Teile auch den Kanon für die Vernunft mitbefassen" ( A 1 3 1 / B 1 7 0 ) , und das Gesetz gehört, wenn auch in der transzendentalen Dialektik erwähnt, in die logische A n a l y t i k .
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ben n . Diese Auffassung hat Kant aufgrund des genannten Prinzips aufgegeben. Wir finden dieses Prinzip wieder in den Logik-Vorlesungen, z.B. in der Wiener Logik: „Alle conceptus stehen so in relation gegen einander, daß ein conceptus immer respective gegen den andern superior und inferior ist, so fern einer unter dem andern enthalten ist, und hieraus wird endlich eine Reihe subordinirter Begriffe. Der Conceptus infimus läßt sich nicht bestimmen. Denn so bald ich einen Begriff habe, den ich auf individua anwende, so wäre es doch noch möglich, daß unter den individuis, ob ich gleich keinen Unterschied mehr mache, doch noch kleinere Unterschiede statt finden. . . . Die niedrigste Erkenntniß ist die Anschauung, weil sie immer auf etwas eigenes geht" (XXIV, S. 910 f.). In diesem Zuammenhang sind auch Kants Bemerkungen über das „transzendentale Ideal" von Bedeutung. Kant sagt dort, jedes (Einzel-) Ding sei „durchgängig bestimmt", insofern ihm von jedem möglichen Paar kontradiktorischer Prädikate genau eines zukomme (vgl. A 571 ff./B 599 ff.). Ein Begriff kann ein Ding aber nur insoweit bestimmen, als er selbst durch seine Merkmale bestimmt ist; ein „conceptus singularis" müßte also selbst durchgängig bestimmt sein. Und da gilt aber: „Die durchgängige Bestimmung ist folglich ein Begriff, den wir niemals in concreto seiner Totalität nach darstellen können, und gründet sich also auf einer Idee, welche lediglich in der Vernunft ihren Sitz hat, die dem Vestande die Regel seines vollständigen Gebrauchs vorschreibt" (A 573/B 601) 13 . Obwohl diese seine Überlegungen Kant veranlassen, die von ihm in der Schullogik vorgefundene Vorstellung von Individual-Begriffen aufzugeben, ist er der Terminologie dieser Logik doch so sehr verhaftet, daß er gelegentlich von solchen Begriffen spricht, wo er nach seiner Theorie „Anschauung" 12 Diese Mitteilung verdanke ich Herrn Dr. Erich Fries, Göttingen. Vgl. auch Kants „transzendentales G e s e t z d e r S p e z i f i k a t i o n " , das „dem Verstände auferlegt, unter jeder Art, die vins vorkommt, Unterarten . . . zu suchen" (A656/B684). Einen weiteren Grund dafür, daß Kant die traditionelle Auffassung von Einzelbegriffen aufgegeben hat, führt H.-U. Hodie in seinem Buch „Nicht-Empirische Erkenntnis" an: In seiner Auseinandersetzung mit Leibniz' „principium identitatis indiscernibilium" sagt Kant, daß unter einen Begriff (sofern ihm objektive Realität zukommt) schon deswegen nicht nur ein Gegenstand fallen kann, weil es in der Anschauung stets verschiedene Objekte zu ein und demselben Begriff gibt. Vgl. hierzu A 282/B 338: „Der Begriff von einem Kubikfuße Raum, ich mag mir diesen denken, wo und wie oft idi wolle, ist an sich völlig einerlei. Alleip zwei Kubikfüße sind im Räume dennoch bloß durch ihre örter unterschieden". Vgl. Hoche,H.-U.: NichtEmpirische Erkenntnis. Meisenheim 1964, S. 18—23. Einige interessante Bemerkungen zu diesem Thema finden sich auch bei Vuillemin. (Vuillemin, J.: Reflexionen über Kants Logik. In: Kant-Studien52 (1960/61), S.310—335; speziell S.311— 318). Vgl. auch Wuchterl, K.: Theorie . . . S. 18 ff.
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sagen müJßte. So legt er ζ. B. in der Logik Pölitz ausführlich nach dem eben durchgegangenen Argument dar, daß und warum es keine solchen Begriffe geben kann (Kant bezeichnet sie dort als „conceptus infimi"), sondern daß nur die Anschauung unmittelbar auf Einzelnes geht 14 . Und dann heißt es doch eine Seite weiter: „Durch die fortgesetzte Determination entstehn [conceptus] inferiores. Conceptus omni modo determinatus est conceptus infimi»" (XXIV, S. 570). Am deutlichsten wird dieser Umstand aber in Kants Interpretation der „Einzelurteile" im Rahmen seiner Ausführungen zur Urteilstafel in der K. d. r. V.: Er bestätigt dort „die Logiker" in ihrer Meinung, daß sich in einem solchen Urteil das Prädikat auf den (Individual-) B e g r i f f „des Subjekts" beziehe und „von jenem Begriffe ohne Ausnahme, gleich als wenn derselbe ein gemeingültiger Begriff wäre, der einen Umfang hätte" gelte (A 71/B 97). Kants Theorie der Beziehung zwischen Begriff und Gegenstand fordert aber keineswegs eine solche Interpretation des Einzelurteils, und sein „logisches Prinzip der Arten" schließt sie sogar aus, eben weil sie die Vorstellung von „Individualbegriffen" (also Begriffen, die keinen Umfang haben) involviert. Wie wir oben gesehen haben, kann sich ein Begriff zwar nicht unmittelbar auf einen Gegenstand beziehen, aber doch unmittelbar auf die Anschauung vom Gegenstand und mittels derselben auf diesen: „So wird ein Begriff niemals auf einen Gegenstand unmittelbar, sondern auf irgendeine andere Vorstellung von demselben (sie sei Anschauung oder selbst schon Begriff) bezogen" (A 6 8 / B 93). In einem singulären Urteil wird nun das Prädikat jedenfalls auf eine Vorstellung von einem Einzelding bezogen, diese kann aber nicht Begriff, sie muß Anschauung sein. Während also nach der von Kant vorgefundenen Schullogik in jedem „kategorischen" Urteil ein Verhältnis von Begriffen ausgesagt wird, gilt dies nach Kants Theorie vom Begriff für das singuläre Urteil nicht. Dieses drückt — wie alle Urteile nach Kant — ein Verhältnis von „Vorstellungen" aus, und zwar ein Verhältnis zwischen Anschauung und Begriff. Da man im Anschluß an Frege den Unterschied zwischen einem singulären und einem allgemeinen Urteil dahingehend interpretieren kann, daß im ersteren das Fallen eines Gegenstandes unter einen Begriff, im letzteren aber die Unterordnung eines Begriffes unter einen anderen, also zwei formal ι* „Conceptus infimus war ein soldier unter dem kein anderer mehr enthalten i s t . . . . Ein soldier Begriff ist unmöglich zu bestimmen,... . I n der Reihe der subordinirten Begriffe ist also kein conceptus infimus". „Cognito infima wäre also die unmittelbare Anschauung" ( X X I V , S. 569).
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ganz verschiedene Verhältnisse ausgedrückt werden 15 , legt sich hier die Frage nahe, ob denn auch bei Kant das Verhältnis zwischen den Begriffen in einem allgemeinen Urteil unterschieden werden kann von dem 2wischen Anschauung und Begriff in einem singulären. Diese Frage läßt sich in folgendem Sinne positiv beantworten: In einem singulären Urteil be2ieht die Anschauung den Prädikats-Begriff ohne weiteren Vermittler auf den Gegenstand, von dem hier etwas ausgesagt wird. In einem allgemeinen Urteil kann hingegen der Subjekts-Begriff den Prädikats-Begriff nur vermittels von Anschauung auf Gegenstände beziehen. Subjekt und Prädikat stehen hier also in einem allgemeinen Urteil auf gleicher Ebene, während in einem singulären das Subjekt um eine Stufe näher an den Gegenständen steht als das Prädikat. Ohne diese Unterscheidung strapazieren zu wollen, würde idi sagen, daß Kant damit der oben bezeichneten Auffassung der allgemeinen und singulären Urteile näher steht als die ihm bekannte Logik. 5.1.2. Der Beitrag des Verstandes zum Besitz von Begriffen Wie wir gesehen haben, sind Begriffe nach Kant „objektive Perzeptionen", die sich von Anschauungen dadurch unterscheiden, daß in ihnen Verschiedenes vorgestellt wird und sie auf dieses in ihnen Vorgestellte nur mittelbar bezogen werden können, während Anschauungen sich unmittelbar auf das in ihnen vorgestellte Einzelne beziehen. Diese Eigenschaft verdanken begriffliche Vorstellungen dem Verstand, und die Logik fragt, auf welche Denkhandlungen sich diese Eigenschaft gründet: „Der Begriff wird hier nur . . . erwogen, . . . wie er . . . auf mehrere objecte kan bezogen werden. (Nicht wie sie als Vorstellungen entspringen, sondern wie gegebene Vorstellungen im Denken zu Begriffen werden)" (Rfl. 2839, XVI, S. 540; 1780— 89). Die Logik fragt also nach dem Ursprung einer besonderen Weise, Vorstellung zu sein — nämlich: Begriff zu sein —, nicht aber nach dem Ursprung von Vorstellungen als solchen16. „Die Form eines Begrifs als discursiver Vorstellung ist jederzeit gemacht" 17, und nach den betreffenden Handlungen wird gefragt. Es sind die drei „logische[n] actus im Begriffe" : „Comparation", „Reflexion" und „Ab!5 Vgl. Frege, G.: Die Grundlagen der Arithmetik, SS 51—53 sowie ders.: Über Begriff und Gegenstand. « Vgl. auch Rfl. 2856, XVI, S. 548; nach 1776: „Die logische Frage ist nicht: wie wir zu den Begriffen gelangen, sondern: welche Handlungen des Verstandes einen Begrif ausmachen". 17 Rfl. 2855, XVI, S. 547; nach 1772. Begrifflichkeit bzw. Anschaulichkeit sind für Kant „Formen" von Vorstellungen, während das jeweils Vorgestellte „Materie" ist.
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straction" (vgl. Rfl. 2854, XVI, S.547; nach 1772). Diese Verstandeshandlungen (der Verstand ist nach Kant das „Vermögen der Begriffe" ! ) setzen an bei gegebenen Vorstellungen — wobei es für die Fragestellung der formalen Logik gleichgültig ist, woher diese Vorstellungen stammen, denn diese fragt eben nur, „wie die Vorstellungen zu Begriffen werden" (Logik Busolt, XXIV, S. 654). Auf diese Frage gibt Kant nun die folgende Antwort: Das Bewußtsein geht zunächst die gegebenen Vorstellungen durch und hält sie in diesem Durchgang nebeneinander. Dies leistet der logische Akt „Comparatio" 18. Mit dieser Handlung vereinzelt sich das e i n e Bewußtsein in die verschiedenen empirischen Bewußtseinszustände, in denen es bei den jeweiligen Vorstellungen ist, die es durchgeht: „ . . . das empirische Bewußtsein, welches verschiedene Vorstellungen begleitet, ist an sich zerstreut und ohne Beziehung auf die Identität des Subjekts" (B 133). Im vergleichenden Durchgehen der Vorstellungen ist also das Bewußtsein als empirisches bei diesen, ohne bei sich zu sein. Aber es ist doch e i n e s , es ist dasselbe in den verschiedenen Vorstellungen, die es begleitet. Diese „analytische" Einheit des Bewußtseins19 in seinen verschiedenen Zuständen wird vorstellig in der „Reflexion" auf die e i n e Vorstellung, die in den verschiedenen gegebenen Einzelvorstellungen als immer dieselbe Teilvorstellung enthalten ist. Dieser logische Akt der Reflexion leistet die Vergleichung von Verschiedenem „mit demselben Bewußtseyn" daraufhin, „wie verschiedene [sc. Vorstellungen] in einem Bewustseyn begriffen seyn können" (Rfl. 2876, XVI, S. 555; nach 1776). Dies ist genau dann möglich, wenn die verschiedenen Vorstellungen eine gemeinsame Teilvorstellung, ein gemeinsames Merkmal, besitzen. Bei diesem Merkmal kommt die Reflexion an ihr Ziel. Es ist, für sich genommen, unter Absehung ( „abstractio" ) 2 0 von dem Verschiedenen, worin es als eines dasselbe ist, der Begriff: „z. E. Ich sehe eine Fichte, Weide oder Linde ich sehe sie haben einen Stamm, Aeste und Blätter die verschieden sind, . . . ich attendire nun auf das, was sie gemein haben als auf den Stamm, Aeste und Blätter, von der Figur abstrahire ich, so bekomm ich den Begriff vom Baum" (Logik Pölitz, XXIV, S.566Í.). Diese Erklärung des Ursprungs von Begriffen will Kant nicht verstanden wissen als eine Beschreibung des wirklichen Vorgangs bei der Erwerbung eines Begriffs durch ein denkendes Subjekt. Eine solche Beschreibung würde ι» Vgl. Rfl. 2876, XVI, S. 555 f.; nach 1776. 19 Vgl. Β 133 Anm.: „Die analytische Einheit des Bewußtseins hängt allen gemeinsamen Begriffen, als solchen, an". 20 „Abstractio, da idi alle Verschiedenheiten vergesse und nur bloß die Identitaet betrachte" (Logik Busolt, XXIV, S.654).
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ja in die empirische (Denk-)Psychologie, nicht aber in die formale Logik gehören. Der Anspruch dieser Theorie ist vielmehr, die Bedingungen der Möglichkeit, Begriffe zu besitzen, aufgezeigt zu haben: Ein Verstand kann genau dann Begriffe besitzen, wenn er der drei betreffenden logischen Akte fähig ist. Nicht behauptet wird, daß wir de facto auf die beschriebene Weise in den Besitz jedes unserer Begriffe gelangen. Speziell in bezug auf die Begriffslehre kann ich diese letztere Interpretation nur darauf stützen, daß Kant — wie wir gesehen haben — die formale Logik als Ganzes ausdrücklich gegen die Psychologie abgrenzt. Auf die Frage, was speziell seine Begriffstheorie leiste, würde er vermutlich eine Antwort geben, die seinem Verständnis von Transzendentalphilosophie entspräche, „daß hier nicht von dem Entstehen der Erfahrung die Rede sei, sondern von dem, was in ihr liegt. Das erstere gehört zur empirischen Psychologie" (IV, S. 304, Prol. § 21), und diese zu erwartende Antwort deckt sich mit meiner Interpretation. Es bleibt uns zu fragen, warum Kant in diesem Zusammenhang die Einheit des Bewußtseins als „analytisch" bezeichnet, bzw. warum die „Verwandlung" von gegebenen Vorstellungen in Begriffe „analytisch zugeht" (A 76/B 102) 21 . Von „analytischer Einheit" spricht Kant immer dann, wenn er die Identität einer Teilvorstellung in verschiedenen Vorstellungen im Blick hat. So ist etwa die Vorstellung „rot" dieselbe in allen verschiedenen Vorstellungen von roten Dingen, und die Vorstellung „ich denke" ist dieselbe in allen verschiedenen Vorstellungen „ich denke etwas" 21. Der Verstand „analysiert" die gegebenen, ganzen Vorstellungen — diese Analysis vollzieht sich in den drei logischen Akten Komparation, Reflexion und Abstraktion — und findet an ihnen als gemeinsames eine Teilvorstellung, eine „nota communis". So entspringt — der Form nach — „analytisch" der Begriff. Das Verhältnis der Vorstellung „ich denke" zu den verschiedenen empirischen Bewußtseinszuständen, in denen sie enthalten ist — den Vorstellungen „ich denke ewas" —, stellt gleichsam das Urbild dar für alle Verhältnisse von Begriffen zu den unter sie fallenden Vorstellungen. „Analytisch" ist dieses Verhältnis insofern, als unter die jeweilige Teilvorstellung zu fallen, (notwendige) Bedingung für das Fallen unter die ganze Vorstellt Vgl. audi A78/B104: „Analytisch werden verschiedene Vorstellungen
unter
einen Begriff gebracht, (ein Geschäft, wovon die allgemeine Logik handelt)." Eine ausführliche Darstellung dieser Verhältnisse findet sich bei Klaus Reich: Die Vollständigkeit der kantischen Urteilstafel. 2Berlin 1948, § 3. 22 Zumindest dies ist ausgesagt in Kants Satz: „Das: I c h d e n k e , muß alle meine Vorstellungen begleiten k ö n n e n "
(B131).
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lung ist, die sie enthält. Und Analysis ist ja gerade der Rückgang vom Bedingten zur Bedingung23. 5.1.3. Der Ursprung der Begriffe in materialer Hinsicht „Alle Begriffe der M a t e r i e nach d a t i oder f a c t i t i i Die Form eines Begrifs als discursiver Vorstellung ist jederzeit gemacht" (RH. 2855, XVI, S. 547; nach 1772). „Der Ursprung der Begriffe der bloßen Form nach ist logisch und beruht auf der abstraction von dem Unterschiede der Dinge, die durch eine gewisse Vorstellung bezeichnet sind; der materie nach sind sie dati oder factitii" (Rfl. 2859, XVI, S. 549; nach 1776). „Die Materie aller Begriffe ist der Gegenstand" (Rfl. 2834, XVI, S. 536; nach 1769). Der Form nach, also als allgemeine, diskursive Vorstellungen, sind alle Begriffe „gemacht", und zwar durch die drei Verstandeshandlungen Komparation, Reflexion und Abstraktion. Die l o g i s c h e Frage nach dem Ursprung von Begriffen ist damit beantwortet, und in dieser Hinsicht gibt es keinen Unterschied zwischen Begriffen24. Anders steht es mit dem Ursprung eines Begriffes, insofern er überhaupt Vorstellung ist: „Vor aller Analysis unserer Vorstellungen müssen diese zuvor gegeben sein, und es können keine Begriffe d e m I n h a l t e n a c h analytisch entspringen" (A 77/B 103). In dieser Hinsicht unterscheidet Kant „gemachte" von „gegebenen" Begriffen und unter diesen noch einmal empirische (a posteriori gegebene) von „intellektuellen" (a priori gegebenen) Begriffen. Diese Unterscheidung gehört aber nicht in die Logik, sondern in die Metaphysik: „Der Ursprung der Begriffe wird in der Metaphysik betrachtet und ist entweder empirisch oder willkührlich oder intel23
Vgl. hierzu audi Β 133 Anm. 24 Hierauf gründet G. Schräder in seinem Aufsatz „Kant's Theory of Concept's" die Meinung, die Unterscheidung zwischen empirischen Begriffen und Begriffen a priori lasse sich im Rahmen von Kants diesbezüglicher Theorie nicht aufrechterhalten. Dabei berücksichtigt Schräder aber nidit hinreichend Kants Unterscheidung zwischen der „Form" einer begrifflichen Vorstellung — nämlich der Eigenschaft, „diskursiv", also allgemein, zu sein (vgl. Rfl. 2855, XVI, S. 547; nach 1772) — und ihrer »Materie" dem darin Vorgestellten. Tatsächlich verdanken nach Kant alle Begriffe ihre „Form" dem Verstand. Aber der Ursprung des darin Vorgestellten ist ein anderer bei empirischen Begriffen als bei solchen a priori. Ursachen und Wirkungen etwa als „Gegenstände" der betreffenden Kategorien haben ihren Ursprung gewissermaßen im Verstand, denn es gibt sie nur deshalb, weil dieser die Erscheinungen seinen Begriffen a priori gemäß verknüpft. Dies gilt aber nicht für die Gegenstände empirischer Begriffe. Vgl. auch das Folgende sowie Schräder, G.: Kant's Theory of Concepts. In: Kant-Studien 49 (1958), S. 264—278.
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lectueU" (Rfl. 2851, XVI, S.546; nach 1769) 25. Da in logischer Hinsicht alle Begriffe „gemacht" sind, müssen wir fragen, was an den in metaphysischer Hinsicht gegebenen Begriffen das Gegebene und was an den gemachten das Gemachte ist. Kant sagt, die gegebenen Begriffe seien „der Materie nach" gegeben (s. o.) und „die Materie aller Begriffe ist der Gegenstand" (s.o.). Also: In der Anschauung sind Gegenstände gegeben, etwa verschiedene Rosen. Damit sind verschiedene, einzelne Vorstellungen von Rosen gegeben, aus denen der Verstand durch die drei logischen Akte den Begriff „Rose" gewinnen kann. Gegeben ist dieser empirische Begriff nun insofern, als die Gegenstände, auf die er sich bezieht, und damit die anschaulichen Vorstellungen, aus denen er in logischer Hinsicht durch die beschriebenen Verstandeshandlungen gemacht werden kann, in der Erfahrung gegeben sind: In metaphysischer Hinsicht ist ein Begriff mit objektiver Realität nur dann gegeben, wenn er aus empirischen Anschauungen durch Komparation, Reflexion und Abstraktion gewonnen werden kann26. Diese Bedingung wird erfüllt sowohl von a priori als auch von a posteriori gegebenen Begriffen: Auch die Kategorien können dank ihrer objektiven Realität durch Analysis aus empirischen Anschauungen hervorgehen. Hieraus folgt nicht etwa, daß es sich um empirische Begriffe handeln müßte: „Es geht aber hiemit so, wie mit anderen reinen Vorstellungen a priori, (ζ. B. Raum und Zeit) die wir darum allein aus der Erfahrung als klare Begriffe herausziehen können, weil wir sie in die Erfahrung gelegt hatten, und diese daher durch jene allererst zustande brachten" (A 196/B 241). Ein a priori gegebener Begriff unterscheidet sich von einem a posteriori gegebenen darin, daß er nicht nur wie dieser aus der Erfahrung gezogen, sondern auch durch Analyse des Verstandesgebrauchs entdeckt werden kann. Dies leistet die „Analytik der Begriffe", „die noch wenig versuchte Z e r g l i e d e r u n g d e s V e r s t a n d e s v e r m ö g e n s s e l b s t , um die Möglichkeit der Begriffe a priori dadurch zu erforschen, daß wir sie im Verstände allein, als ihrem Geburtsorte, aufsuchen und dessen reinen Gebrauch überhaupt analysieren" (A 65 f./B 90). Die Tatsache, daß diese Begriffe als Vor25
„Metaphysisch" meint in diesem Zusammenhang dasselbe wie in dem Ausdrude „metaphysische Deduktion der Kategorien", nämlich: „den Ursprung des Inhalts betreffend". Diese zeigt, daß und warum wir die Kategorien als Vorstellungen a priori besitzen, nicht aber, daß diese a l l g e m e i n e Begriffe sind: „In der m e t a p h y s i s c h e n D e d u k t i o n wurde der Ursprung der Kategorien a priori überhaupt durch ihre völlige Zusammenstimmung mit den allgemeinen logisdien Funktionen des Denkens dargetan" (B 159). 26 Daß diese Bedingung nidit hinreicht, wird sidi gleich zeigen.
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Stellungen a priori zuerst im Verstand selbst gegeben sind, ist Ursache der Möglichkeit, sie gewissermaßen nachträglich auch durch die analytischen Akte des Verstandes aus der Erfahrung zu gewinnen, welche Möglichkeit zwar hinreicht, sie als gegebene Begriffe, nicht aber als reine auszuweisen27. Dieselbe Tatsache bewirkt, daß die Gegenstände der reinen Verstandesbegriffe, also etwa Ursachen und Substanzen, in der Erfahrung gegeben sein können. Zwar sind diese Gegenstände in genau demselben Sinne „gemacht", in dem der Verstand nach Kant die Natur „macht", indem er ihr ihre Gesetze vorschreibt. Aber dieses „Machen" ist ein anderes als das der „gemachten" Begriffe. In metaphysischer Hinsicht gemachte Begriffe sind ihrem Inhalt nach willkürlich zusammengesetzt aus anderen — in metaphysischer Hinsicht gegebenen oder gemachten — (Teil-)Begriffen, und in dieser Zusammensetzung kann ein solcher Begriff ursprünglich weder durch die einschlägigen Verstandeshandlungen aus der Erfahrung noch durch die Analyse des Verstandes gewonnen werden. Die Tatsache, daß ein Begriff ursprünglich gemacht ist, schließt nicht aus, daß er nachträglich auch aus der Erfahrung gezogen werden kann. Dies ist genau dann der Fall, wenn zu dem gemachten Begriff gemäß den darin enthaltenen Bestimmungen Gegenstände hergestellt werden. Kant sagt dies zwar nicht ausdrücklich, deutet es aber an mit einer Bemerkung über die Definition des Begriffs „Schiffsuhr": „ . . . wenn der Begriff auf empirischen Bedingungen beruht, ζ. B. eine Schiffsuhr, so wird der Gegenstand und dessen Möglichkeit durch diesen willkürlichen Begriff noch nicht gegeben; . . . meine Erklärung kann besser eine Deklaration (meines Projekts) als Definition eines Gegenstandes heißen" (A 729/B 757). Hiernach ist „Schiffsuhr" ein „willkürlicher", also ein „gemachter" Begriff. Andererseits kann derselbe Begriff, nachdem einmal Schiffsuhren hergestellt sind, auch aus der Erfahrung gezogen werden. Trotzdem ist der Begriff ein gemachter: Genauso wenig, wie ein Begriff schon dann empirisch ist, wenn er durch Komparation, Reflexion und Abstraktion aus der Erfahrung gewonnen werden kann, genauso wenig ist er schon dann gegeben. Maßgeblich hierfür ist der Ursprung seines Inhalts. Wir kommen zu folgendem Ergebnis: Ein Begriff ist nach Kant genau dann gemacht, wenn er seinem Inhalt nach ursprünglich zusammengesetzt 27 Die Vernunftbegriffe (Ideen) sind entsprechend in der Vernunft „gegeben", haben aber in theoretischer Hinsicht keine objektive Realität und können folglich nicht auch aus der Erfahrung gezogen werden; vgl. z.B. Prolegomena §40, (IV, S. 328).
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ist aus anderen Begriffen. Gegeben ist ein Begriff genau dann, wenn er ursprünglich nur durch die einschlägigen Verstandeshandlungen aus der Erfahrung gezogen werden kann oder durch den Verstand bzw. die Vernunft selbst gegeben ist (reine Verstandes- und Vernunftbegriffe). 5.1.4. Umfang und Inhalt von Begriffen „Wir können hier den U m f a n g und den I n h a l t eines Begriffes in Erwägung ziehen. Sphaera ist der Umfang eines Begriffes, und geht auf die Menge der Dinge, die unter dem Begriff enthalten sind. Nach dem Inhalt betrachten wir den Begriff, wenn wir auf die Menge der Vorstellungen sehen, d i e in dem Begriffe selber enthalten sind" (Wiener Logik, XXIV, S. 911). „Dies Verhältniß subordinirter Begriffe da einer unter dem andern enthalten ist, und nodi mehr dazu, — und da einer den andern unter sich hat, und nodi mehr dazu ist die sphaera oder der Umfang des Gebrauchs des Begrifs" (Logik Pölitz, XXIV, S. 569). „Der Umfang besteht in dem, was unter dem Begriff stehet" (Logik Busolt, XXIV, S. 655). Diesen Textstellen aus den Logikvorlesungen zufolge bestimmt Kant den Umfang bzw. den Inhalt eines Begriffes mit Hilfe der Relationen „enthalten unter" bzw. „enthalten in": der Umfang eines Begriffes Ρ ist die Klasse derjenigen X („Dinge"), die „unter" Ρ enthalten sind, sein Inhalt die Menge derjenigen Y, die „in" Ρ enthalten sind. Eine nähere Bestimmung dieser beiden Relationen finden wir in der K. d.r. V.; Kant sagt dort: »... der Begriff des Körpers . . . ist also nur dadurch Begriff, daß unter ihm andere Vorstellungen enthalten sind, vermittelst deren er sich auf Gegenstände beziehen kann" (A 69/B 94). Wir haben gesehen, daß Begriffe sich mittels Begriff und Anschauung oder auch vermittels der Anschauung allein, niemals aber ohne diese auf Gegenstände beziehen können. Wenn Kant nun sagt, daß ein Begriff Vorstellungen unter sich enthält, „vermittelst deren er sich auf Gegenstände beziehet! kann", dann gehören für ihn jedenfalls Anschauungen „unter" einen Begriff. Aber auch Begriffe sind „unter" Begriffen enthalten. So sagt Kant in den Logik-Reflexionen über den „höheren" und den „niederen" Begriff, daß dieser „unter jenem enthalten" sei (2896, XVI, S. 565; nach 1776). Und audi in den Vorlesungen ist von dem „Verhältniß subordinirter Begriffe da einer unter dem andern enthalten ist" die Rede (s.o.). Hieraus folgt: Der Vorbereich der Relation „enthalten unter" umfaßt anschauliche und begriffliche Vorstellungen. Zum Umfang eines Begriffs „P" gehören also genau die Anschauungen „S" mit der Eigenschaft: S ist P, und außerdem genau die Unterbegriffe von „P".
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Mit dieser Auffassung vom Umfang eines Begriffes weicht Kant von der traditionellen Lehre vieler Logiker im 18. Jahrhundert ab. Diese bestimmen nämlich häufig — sofern sie das Thema der Begriffsextensionen überhaupt behandeln — als zum Umfang eines Begriffs gehörig genau diejenigen B e g r i f f e , die ihm untergeordnet sind 28 . So schreibt etwa G. F. Meier im §en 262 seines „Auszugs aus der Vernunftlehre": „Der Inbegriff aller Begriffe, die unter einem abgesonderten Begriffe enthalten sind, ist der Umfang desselben (sphaera notionis)" (XVI, S.560). Hierzu gehören auch die „Individual"-Begriffe, und diese Logiker unterscheiden nicht zwischen dem Verhältnis des „conceptus singularis" „Sokrates" zum „conceptus communis" „Mensch" und dem der Begriffe „Mensch" und „Sterblicher" zueinander. Kants hier abweichende Erklärung der Begriffsumfänge entspricht seiner Kritik an der Auffassung von den „Individualbegriffen" und der daraus resultierenden Interpretation des Einzelurteils: Während nach Meinung der bezeichneten Logiker in einem solchen Urteil die Unterordnung eines „singulären" Begriffs unter einen allgemeinen ausgesagt wird, muß man im Rahmen von Kants Begriffstheorie sagen, es drücke die Unterordnung einer Anschauimg unter einen (Allgemein-)Begriff aus (vgl. o. S. 80 f.). Im Anschluß an Frege kann man den Umfang eines Begriffs als die Klasse derjenigen Dinge definieren, die unter ihn fallen. Diese Präzisierung setzt Freges Interpretation der Begriffe als Wahrheitswert-Funktionen voraus 29 . Sie konnte daher weder von Kant noch von der traditionellen Logik des 18. Jahrhunderts geleistet werden. Trotzdem scheint mir die Position Kants im Hinblick auf Frege einen Fortschritt gegenüber der beschriebenen Auffassung vieler seiner Zeitgenossen darzustellen insofern, als bei ihm zum Umfang eines Begriffs auch (obgleich nicht nur) Individuen, nämlich singuläre Anschauungen, gehören. Deren Verhältnis zu ihrem Oberbegriff ist aber von dem eines Unterbegriffs hierzu doch dadurch unterschieden, daß eine Anschauung den Oberbegriff unmittelbar auf ihren Gegenstand bezieht, während ein Unterbegriff dazu immer noch einer Vermittlung bedarf. Dem Umfang eines Begriffes stellt Kant dessen Inhalt und entsprechend hierzu der Relation „enthalten unter" eine Relation „enthalten in" gegenüber: „Nun muß man zwar einen jeden Begriff als eine Vorstellung denken, die in einer unendlichen Menge von verschiedenen möglichen Vorstellungen (als ihr gemeinschaftliches Merkmal) enthalten ist, mithin diese u n t e r Diese Beobachtung verdanke ich Herrn Dr. Erich Fries, Göttingen. 29 Vgl. Frege, G.: Funktion und Begriff; sowie ders.: Über Begriff und Gegenstand. 28
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s i c h enthält" (B 39f.). »Nach dem Inhalt betrachten wir den Begriff, wenn wir auf die Menge der Vorstellungen sehen, d i e in dem Begriffe selber enthalten sind" (Wiener Logik, XXIV, S. 911). In der angegebenen Textstelle aus der K. d. r. V. sagt Kant über die Relation „enthalten in" : Wenn ein Begriff Ρ „in" einer Vorstellung V enthalten ist, dann ist umgekehrt V enthalten „unter" Ρ; V gehört dann also zum Umfang von P. Die Klasse der Vorstellungen „in" denen Ρ enthalten ist, ist demnach Teilmenge seines Umfangs. Andererseits sind aber Begriffe als diskursive Vorstellungen nur in selbst wiederum diskursiven Vorstellungen enthalten. Zwar kennt Kant auch „Teile" anschaulicher Vorstellungen, jedoch sind diese dann selbst wieder Anschauungen, „intuitive Merkmale" : Ein Merkmal „ist entweder intuitiv . . . : ein theil der Anschauung, oder discursiv: ein theil des Begrifs" (Rfl. 2286, XVI, S.299f.; zwischen 1780 und 1789). Daraus folgt, daß ein Begriff nicht in sämtlichen Vorstellungen enthalten ist, die unter ihm stehen, nämlich nicht in den zu seinem Umfang gehörigen Anschauungen. In einem Unter b e g r i f f „A" ist ein Begriff „B" genau dann enthalten, wenn das Urteil: „Alle A sind B" analytisch wahr ist: „Entweder das Prädikat Β gehört zum Subjekt A als etwas, was in diesem Begriffe A . . . enthalten ist; oder Β liegt ganz außer dem Begriff A . . . Im ersten Fall nenne ich das Urteil analytisch, in dem andern synthetisch" (B 10). Kant sagt also: Wenn „B" in „A" enthalten ist, dann ist das betreffende Urteil analytisch (und d.h. hier: analytisch wahr); wenn „B" hingegen nicht in „A" enthalten ist, dann ist das Urteil nicht analytisch. Die Bedingung ist demnach notwendig und hinreichend. Der o. a. Bestimmung zufolge ist dann der Inhalt eine Begriffs „A" die Klasse derjenigen Begriffe, die „A" als Prädikate in einem analytischen All-Urteil zugesprochen werden können.
5.2.
Merkmalslehre
Merkmale sind nach Kant — wie bereits gesagt — Teilvorstellungen, und zwar „Teile" von Anschauungen oder von Begriffen. In Konkurrenz zu dieser Meinung isteht bei ihm die — allerdings nur in Ansätzen zu findende — Auffassung, ein Merkmal sei ein „Erkenntnisgrund" : „Der Theilbegrif als Erkentnisgrund der gantzen Vorstellung ist das Merkmal" (Rfl. 2283, XVI, S. 299; nach 1780). „Die Hand ist ein Merkmal des Menschen" (Rfl. 2282, XVI, S. 298; nach 1780). „Was ich an einem Dinge, das idi durch einen Begriff mir vorstelle, [vorstelle,] ist sein Merkmal. Das Merk-
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mal der Vergleichung ist Kennzeichen" (Rfl. 2277, XVI, S. 297; nach 1769). Hiernach soll also ein Merkmal eine Eigenschaft bezeichnen, die hinreichend ist dafür, daß ein Gegenstand unter einen bestimmten Begriff fällt. Wenn der Satz gilt: „Nur Menschen sind behandet", dann ist die Eigenschaft, eine Hand zu besitzen, hinreichend dafür, unter den Begriff „Mensch" zu fallen. Damit folgt Kant ganz der Auffassung von G. F. Meier, in dessen „Auszug aus der Vernunftlehre" es im §en 115 heißt: „Ein Merkmal, ein Kennzeichen der Erkenntniss und der Sachen (nota, character cognitionis et rei) ist dasjenige in der Erkenntniss oder den Sachen, welches, wenn es erkannt wird, der Grund ist, w e s w e g e n w i r u n s i h r e r b e w u s s t s i n d " (XVI, S.296). Man sieht leicht, daß diese Erklärung — jedenfalls insofern sie die „diskursiven" Merkmale, also die Begriffe, betrifft — zwar nicht formal unverträglich ist mit der Meinung, Merkmale seien Teilvorstellungen, im Hinblick hierauf die Verhältnisse aber doch geradezu umkehrt: Behandet zu sein, ist genau dann hinreichende Eigenschaft dafür, unter den Begriff „Mensch" zu fallen, wenn der Satz gilt: „Alle behandeten Wesen sind Menschen", wenn also „Mensch" Oberbegriff ist von „behandetes Wesen" und damit — nach der Teilvorstellungstheorie des Merkmals — seinerseits ein Merkmal dieses Begriffes. „Erkenntnisgrund" ist ein Merkmal M also nur von solchen Begriffen, die ihrerseits als Teilvorstellungen wiederum Merkmale von M sind. Erkenntnisgrund u n d Teilvorstellung eines Begriffes Ρ kann ein Merkmal aber nur dann sein, wenn es eine Eigenschaft bezeichnet, die notwendig und hinreichend dafür ist, unter Ρ zu fallen, wenn es also als Begriff mit Ρ — im heutigen Sinne — umfangsgleich ist. Nun kann man zwar einen umfangsgleichen Begriff als Grenzfall eines Oberbegriffes und damit einer „Teilvorstellung" auffassen, aber eine so moderne und formale Interpretation widerspricht doch ganz dem Denkstile Kants und seiner Zeit. Merkmale im Sinne der Teilvorstellungstheorie sind echte Oberbegriffe, und insofern enthalten Kants Aussagen zur Merkmalslehre einen Widerspruch. Dessen ist Kant sich aber nicht bewußt. Er verbindet vielmehr beide Auffassungen miteinander, indem er Merkmale auch insofern als „Erkenntnisgründe" auffaßt, als alle menschliche Erkenntnis sich ihrer bedient: „Äussere Erkenntnisgründe sind Merkmalen. . . . Ein Merkmal ist dasienige, dessen ich mir an einem Dinge bewust bin" (Rfl. 2276, XVI, S. 297; wahrscheinlich aus den 60er Jahren). „Wir erkennen Dinge nur durch Merkmale; das heißt eben erkennen, welches von kennen herkommt. Denn der Verstand ist ein Vermögen zu denken, d. i. discursiv durch Begriffe zu erkennen; Begriffe aber
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sind Merkmale von allgemeinem Gebrauche" (Rfl. 2281, XVI, S. 298; wahrscheinlich 80er Jahre). „Das menschliche Erkenntnis ist von Seiten des Verstandes discursiv, d. i. es geschieht durch Vorstellungen, die das was mehreren Gemein ist, zum Erkenntnisgrunde machen, mithin durch Merkmale als solche" (Rfl. 2288, XVI, S. 300; nach 1790 oder nach 1776) 3°. Damit ist aber nicht mehr gesagt, als daß Merkmale unsere Erkenntnis „begründen", insofern sie diese — als Begriffe — im weitesten Sinne ermöglichen. „Erkenntnisgrund" im oben beschriebenen engeren Sinne braucht ein Merkmal dafür nicht zu sein. Wie gesagt, findet sich diese Auffassung des Merkmals in Kants logischer Doktrin aber nur am Rande. Im Mittelpunkt steht vielmehr die Teilvorstellungstheorie mit ihrer Unterscheidung von diskursiven und intuitiven Merkmalen. Von diesen wiederum interessieren Kant im Rahmen der Logik vornehmlich die ersteren. 5.2.1. Diskursive Merkmale Wir haben bisher von diskursiven Merkmalen als „Teilbegriffen" gesprochen, ohne die Frage zu stellen, ob solche Merkmale in den betreffenden Begriffen im oben erklärten Sinne enthalten sein müssen. Sicher ist folgendes Kants Auffassung: Wenn das Urteil: „Alle A sind B" analytisch wahr ist, dann ist „B" (diskursives) Merkmal von „A". Unsere Frage ist jetzt, ob schon die bloße Geltung dieses Urteils, ungeachtet seines analytischen oder synthetischen Charakters, hinreicht, um „B" als Merkmal von „A" auszuweisen. M. a. W.: Ist nach Kant jeder Begriff, dessen Umfang (im Sinne der Terminologie Freges) Obermenge der Sphäre eines Begriffes „A" ist, Merkmal von „A", oder sind es nur dessen Teilbegriffe im engeren Sinne? Hierzu sagt Kant in der Logikreflexion 2291: „Alle Merkmale sind analytisch oder synthetisch", und in 2290: „Die theilbegriffe meines wirklichen Begrifs (die ich darin denke) sind analytisch; die des bloß möglichen gantzen Begrifs sind synthetische Merkmale" (beide XVI, S. 301; nach 1776). Dieser „ganze Begriff" ist bei Kant die problematische Idee eines durchgängig bestimmten Begriffs, die insofern „bloß möglich" ist (vgl. auch 5.1.1.2.). „Wirklich", d. h. bei dem jeweiligen Stand der Erfahrung faktisch vorliegend, sind dagegen bloß „endliche" Begriffe, endlich insofern, als sie niemals die Totalität der Bestimmungen eines einzelnen Gegenstandes ent30 Vgl. auch Logik Blomberg, XXIV, S. 111: „Ein jedes Merckmahl ist ein ErkenntnißGrund"; sowie Logik Philippi, XXIV, S.406: „Ein Merkmal ist ein Erkenntnißgrund".
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halten können. Diese „wirklichen" Begriffe enthalten aber immer schon Teilbegriffe, und diese sind ihre analytischen Merkmale. Andererseits kann ein solcher Begriff immer noch präzisiert und einem Einzelding näher angemessen werden: durch synthetische Urteile, in denen er an Subjektsstelle steht. Die ihm in diesen Urteilen zugesprochenen Prädikate, die ihn dem „bloß möglichen ganzen Begriff" annähern, sind seine synthetischen Merkmale. Kant spricht also immer dann vom Merkmal „B" eines Begriffes „ Α", wenn nur die Bedingung „Alle A sind B" erfüllt ist, ungeachtet des Unterschiedes, ob dieses Urteil analytisch ist oder synthetisch31. Vom Standpunkt der formalen Logik aus kann uns dieser Umstand auch gar nicht weiter überraschen. Kant sagt nämlich in den Prolegomena, daß die Unterscheidung der beiden Arten von Urteilen nicht formalen, sondern inhaltlichen Charakters ist: „Urtheile mögen nun einen Ursprung haben, welchen sie wollen, oder audi ihrer logischen Form nach beschaffen sein, wie sie wollen, so giebt es doch einen Unterschied derselben dem Inhalte nach, vermöge dessen . . . die ersteren . . . a n a l y t i s c h e , die zweiten s y n t h e t i s c h e Urtheile genannt werden können" (IV, S.266). Um zu entscheiden, ob ein vorgelegtes Urteil analytisch ist, muß man den Inhalt des Subjektsbegriffes kennen, der Form nach sind alle Urteile synthetisch32. Wir halten fest: Der Begriff „B" ist bei Kant ein Merkmal des Begriffes „A", wenn das Urteil: „Alle A sind B" wahr ist. Das Merkmal heißt „analytisch" oder „synthetisch" je nachdem, ob es sich um ein analytisches oder ein synthetisches Urteil handelt. Einen Begriff faßt Kant stets — modern gesprochen — auf als logische Konjunktion seiner Merkmale. An die Auffassung von Merkmalen eines Begriffes als dessen (analytischen) Teilbegriffen erinnern Freges Bemerkungen zu diesem Thema im Sen 53 seiner „Grundlagen der Arithmetik" und in seinem Aufsatz „über Begriff und Gegenstand". Wenn ein Begriff Ω als logische Konjunktion von Begriffen Φ, X, und Ψ definiert ist, dann nennt Frege diese letzteren Begriffe „Merkmale des Begriffs Ω". So sind etwa nach Frege „eine positive Zahl zu sein", „eine ganze Zahl zu sein", „kleiner als 10 zu sein" Merkmale 31 Daß umgekehrt das Urteil „Alle A sind B" gilt, wenn „B" Merkmal von „A" ist, versteht sich von selbst. 32 Vgl. Β 130f., wo Kant sagt: „Verbindung ist Vorstellung der s y n t h e t i s c h e n Einheit des Mannigfaltigen." Und in der Anmerkung dazu heißt es: „Ob die Vorstellungen selbst identisch sind, und also eine durch die andere analytisch könne gedacht werden, das kommt hier nicht in Betrachtung. Das B e w u ß t s e i n der einen ist, sofern vom Mannigfaltigen die Rede ist, vom Bewußtsein der anderen doch immer zu unterscheiden".
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des Begriffs „positive ganze Zahl kleiner als 10" 33. Frege unterscheidet von diesen M e r k m a l e n eines B e g r i f f e s die E i g e n s c h a f t e n eines G e g e n s t a n d e s , der unter den Begriff fällt. Unter den hier angegebenen Begriff fällt beispielsweise der Gegenstand 2. Dieser Gegenstand hat daher die Eigenschaften, eine positive Zahl zu sein, eine ganze Zahl zu sein u. s. w. Allgemein gilt bei Frege: Ist Φ Merkmal eines Begriffes Ω, dann kommt jedem unter Ω fallenden Gegenstand die Eigenschaft Φ zu. Diese wichtige Unterscheidung ist bei Kant im Ansatz vorhanden in seiner Einteilung der Merkmale in diskursive und intuitive: „Merkmal ist eine theilvorstellung... Es ist entweder intuitiv . . . : ein theil der Anschauung, oder discursiv: ein theil des Begrifs, . . ( R f l . 2286, XVI, S. 299 £.; zwischen 1780 und 1789). Außerdem unterscheidet Kant zwischen einer „nota notae" und einer „nota rei" 34, und Merkmale der letzteren Art sind „unmittelbare, d. i. ein Merkmahl vom Gegenstande, das nicht durch allgemeine Begriffe entsteht" (Logik Busolt, XXIV, S. 634). Hier kommt das „unmittelbare" Merkmal als Teil der Anschauung Einzelnem zu — so wie die Eigenschaft dem Gegenstand —, während das diskursive in einem Begriff enthalten ist. Indem Kant aber in beiden Fällen von „Merkmalen" spricht, verwischt er die im Ansatz vorhandene Unterscheidung. Außerdem liegt eine Schwäche seiner Auffassung darin, daß ein Merkmal als Teil der Anschauung selbst „intuitiv" und mithin Einzelvorstellung ist, während Eigenschaften zwar einzelnen Gegenständen zukommen, selbst aber doch allgemein sind. Aber es zeigt sich hier dodi ein weiteres Mal, daß Kants Unterscheidung zwisdien Anschauung und Begriff für seine logische Doktrin von Bedeutung ist 35 . 5.2.2. Notwendige Merkmale; logisches und reales Wesen Wir haben bereits gesehen (vgl. 4.1.), daß bei Kant die beiden Modalkategorien „Notwendigkeit" und „Möglichkeit" sowohl in formallogischer als audi in transzendentallogischer Hinsicht relational erklärt werden, und zwar jeweils durch Bezug auf gewisse Bedingungen, nämlich die des Denkens bzw. die der Erfahrung. Dementsprechend haben auch ihre Negationen, 33
Vgl. Frege, G.: Über Begriff und Gegenstand, S. 202 (Originalpaginierung). 34 Vgl. den von Kant aus der Tradition übernommenen Satz: „Nota notae est nota rei ipsius" ( Logik Dohna-Wundlacken, XXIV, (S. 773; ebenso Logik Busolt, XXIV, S. 673). 35 Wie wir gesehen haben, wirkt sidi diese Unterscheidung sowohl aus auf Kants Kritik an der traditionellen Lehre von den Individualbegriffen, als audi auf seine Auffassung vom Umfang eines Begriffs.
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nämlich „Unmöglichkeit" und „Zufälligkeit" relationalen Charakter. Weiter hatte sich gezeigt, daß Kant — schon in formallogischer Hinsicht — zwei Arten von Notwendigkeit unterscheidet, repräsentiert durch die Notwendigkeit der Konklusion eines Schlusses und der Notwendigkeit des Schlusses selbst. Der Sache nach handelt es sich dabei einmal um die logische Notwendigkeit eines Satzes der Form: „Wenn A, dann B", zum andern um die logische Notwendigkeit beliebiger Sätze. Die beiden Modalkategorien „Möglichkeit" und „Notwendigkeit" hängen darüber hinaus so zusammen, daß das kontradiktorische Gegenteil von im Sinne einer bestimmten Bedingung Unmöglichem im Sinne derselben Bedingung notwendig und in der gleichen Entsprechung das Gegenteil von nicht Notwendigem möglich ist. Analog sind auch die jeweiligen Negationen, „Unmöglichkeit" und „Zufälligkeit", in der beschriebenen Weise miteinander verbunden 36 . „ N o t h w e n d i g e Merkmahle können vom Begriff eines Dinges gar nicht getrennet werden, sondern gehören ad eße. Z u f ä l l i g e sind nicht Bestandteile des Dinges, sondern acceßoria" (Wiener Logik, XXIV, S. 838). In der Streitschrift gegen Eberhard sagt Kant zu diesem Thema, es sei „hier nicht überflüssig anzumerken: daß ein Prädicat, welches durch einen Satz a priori einem Subjecte beigelegt wird, eben dadurch als dem letzteren n o t h w e n d i g angehörig (von dem Begriffe desselben unabtrennlich) ausgesagt wird" (VIII, S. 228 f.), und: „die übrigen, die nämlich vom Begriffe (unbeschadet desselben) abtrennliche, heißen außerwesentliche Merkmale (extraessen tialia)" (ibid., S. 229). Solche notwendigen Merkmale eines Begriffes bezeichnet Kant auch als „wesentlich" : „Merkmale sind nothwendig, die vom Begrif eines Dinges nicht können getrennt werden, die nicht constitutiva sind, sind zufällig, diese nennt man außerwesentlich und jene wesentlich" (Logik Pölitz, XXIV, S. 535) 37. Die „wesentlichen" Merkmale gliedert er nun nodi einmal in (i) „eßentiales" und (ii) „attributa": „ . . . eßentiales, d. i. die im Begriffe nicht als Folgen, sondern als Grund liegen, die, die ad eßentiam ut rationata pertinent, sind attributa, diese müßen aus den eßentiellen abgeleitet werden" (Wiener Logik, XXIV, S. 838). Unter den notwendigen Merkmalen soll es also solche geben, die andere notwendige Merkmale zur Folge haben. Diese Grund-Folge-Beziehung besteht 36 „Schlechterdings nothwendig ist, dessen Gegentheil an sich selbst unmöglich ist" (II, S. 81). „Begriff des Zufälligen . . . so gefaßt, daß er . . . die Kategorie der Modalität (als etwas, dessen Nichtsein s i c h d e n k e n läßt) . . . enthält ..." (B 290). 37 Vgl. auch Rfl. 2322: „Alles an einem Begrif angehörige gehört ihm entweder (nothwendig) wesentlich an (d.i. der Begrif kan ohne dasselbe nicht bestehen) oder ausserwesentlich" (XVI, S. 314; nach 1776).
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nach Kant zwischen zwei Merkmalen „S" und „P" nun genau dann, wenn das Urteil: „Alle S sind P" a priori wahr ist, gleichgültig, ob es sich dabei um ein analytisches o d e r s y n t h e t i s c h e s /Urteil handelt. Das können wir folgendermaßen einsehen: In der Streitschrift gegen Eberhard sagt Kant, alle notwendigen Merkmale eines Begriffs (die wesentlichen also) gehörten „zum Wesen (der inneren Möglichkeit des Begriffs)", und zwar — der oben zitierten Einteilung aus der „Wiener Logik" entsprechend — „entweder als Bestandstücke desselben (ut constitutiva), oder als darin zureichend gegründete Folgen aus demselben (ut rationata). Die ersteren heißen wesentliche Stücke (essentialia), . . . die zweiten werden Eigenschaften (attributa) genannt" (VIII, S. 229). Zur Charakterisierung der „Attribute" heißt es dann: Dadurch, daß ein Prädikat „ein Attribut genannt wird, wird weiter nichts gesagt, als daß es als nothwendige Folge vom Wesen abgeleitet werden könne: ob analytisch nach dem Satze des Widerspruchs, oder synthetisch nach irgend einem andern Grundsatze, das bleibt dabei gänzlich unbestimmt" (VIII, S. 229). Für jeden der beiden Fälle gibt Kant dann ein Beispiel: Das Merkmal „teilbar" ist ein analytisches Attribut des Begriffs „Körper", denn es kann von einem „essential" dieses Begriffes, nämlich dem Merkmal „ausgedehnt" nach dem Satz des Widerspruchs abgeleitet werden. Dagegen ist „beharrlich" ein synthetisches Attribut des Begriffs „Substanz", denn es ist in diesem Begriff nicht enthalten, sondern das Urteil: „Alle Substanzen sind beharrlich" ist ein synthetischer, a priori wahrer Satz38. Aus diesen Bemerkungen ergibt sich, daß Kant einen Begriff „P" genau dann als notwendiges Merkmal eines Begriffs „S" bezeichnet, wenn der Satz: „Alle S sind P" a priori wahr ist, und zwar auch dann, wenn es sich um ein synthetisches Urteil handelt 39 . Zufälliges Merkmal von „S" ist „P" hingegen genau dann, wenn dies ein wahrer, empirischer Satz ist, es handelt sich 38
Vgl. VIII, S. 299: „So ist in dem Satze: ein jeder Körper ist theilbar, das Prädicat ein Attribut, weil es von einem wesentlichen Stücke des Begriffs des Subjects, nämlich der Ausdehnung, als nothwendige Folge abgeleitet werden kann. Es ist aber ein solches Attribut, welches als nach dem Satze des Widerspruchs zu dem Begriffe des Körpers gehörig vorgestellt wird, mithin der Satz selber, unerachtet er ein Attribut vom Subjecte aussagt, dennoch analytisch. Dagegen ist die Beharrlichkeit auch ein Attribut der Substanz; denn sie ist ein schlechterdings notwendiges Prädicat derselben, aber im Begriffe der Substanz selber nicht enthalten, kann also durch keine Analysis aus ihm (nach dem Satze des Widerspruchs) gezogen werden, und der Satz: eine jede Substanz ist beharrlich, ist ein synthetischer Satz." 39 Vgl. noch einmal das obige Zitat: „Doch ist um des Herrn Eberhards willen hier nicht überflüssig anzumerken: daß ein Prädicat, welches durch einen Satz a priori einem Subjecte beigelegt wird, eben dadurch als dem letzteren n o t h w e n d i g angehörig (von dem Begriffe desselben unabtrennlich) ausgesagt wird" (VIII, S. 228 f.).
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dann um „komparative Allgemeinheit" (vgl. Β 3). Denn „P" ist ja genau dann ein Merkmal von „S", wenn dieser Satz überhaupt wahr ist, und zufälliges — nicht notwendiges — Merkmal ist „P" folglich dann, wenn der Satz zwar wahr, aber nicht a priori wahr ist. Da sich die Notwendigkeit von Merkmalen auf die Notwendigkeit von Sätzen der logischen Form: „Alle A sind B" gründet, muß man sie im Rahmen von Kants Unterscheidung als nicht-hypothetische Notwendigkeit ansehen (vgl. 4.1.). Als das „logische Wesen" eines Begriffes definiert Kant den „Inbegriff" der „essentialia": „... wesentliche Stücke (essentialia), ..., und ihr Inbegriff macht das logische Wesen (essentia) aus" (VIII, S. 229); „das logische Wesen ist der Inbegriff derjenigen Merkmale, die zureichend sind, das, was zum Wesen gehört [sc. die wesentlichen = notwendigen Merkmale] abzuleiten" (Logik Dohna-Wundlacken, XXIV, S. 728). Ein solcher „Inbegriff" ist hier — modern gesprochen — die logische Konjunktion der betreffenden Merkmale: „Das logische Wesen ist complexus omnium conceptuum primitiuorum. Primitiue Merkmahle sind essentialia" (Logik Busolt, XXIV, S. 634) 4°. An dieser Auffassung eines Begriffes als einer Konjunktion von Merkmalen hat G. Frege Kritik geübt. Frege schreibt im §en 88 seiner „Grundlagen der Arithmetik": „ K a n t scheint den Begriff durch beigeordnete Merkmale bestimmt zu denken; das ist aber eine der am wenigsten fruchtbaren Begriffsbildungen." In der Tat kann man zeigen, daß schon Begriffe von recht einfacher logischer Struktur nicht auf diese konjunktive Form gebracht werden können, ζ. B. nicht das im Definiens der folgenden Definition des Begriffes „Mutter" stehende, einstellige Prädikat: Eine Person X ist eine Mutter genau dann, wenn es eine Person Y gibt derart, daß die Person X die Person Y geboren hat 41 . Die Begriffstheorie Kants steht hier in un40 Den Terminus „Inbegriff" gebraucht Kant hier wie in der Wendung „Natur in formeller Bedeutung, als der Inbegriff der Regeln, unter denen alle Erscheinungen stehen müssen, wenn sie in einer Erfahrung als verknüpft gedacht werden sollen" ( Prol. S 36, IV, S. 318 ). Andererseits bedeutet „das Wort Natur blos i n f o r m a l e r Bedeutung genommen . . . , . . . das erste, innere Prindp alles dessen . . . , was zum Dasein eines Dinges gehört" (Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft; IV, S.467). Aus einem „Inbegriff" kann man also hiernach etwas ableiten, z.B. Naturgesetze. Aus einem Inbegriff von Merkmalen muß man folglich diese Merkmale „ableiten" können, und d.h. hier, sie dem „Inbegriff" als Subjekt in einem (analytischen oder synthetischen) Urteil a priori als Prädikat zusprechen. Da aber die betreffenden Merkmale als „essentialia" in genau diesem Sinne nicht auseinander ableitbar sein dürfen, kann nur ihre Konjunktion diese Funktion eines Inbegriffs erfüllen. 41 Das definierende Prädikat hat hier die logische Form: „es gjbt χ mit xRy", wobei
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mittelbarem Zusammenhang mit seiner Auffassung von der logischen Relation „enthalten in". Diese läßt sich nämlich auch folgendermaßen präzisieren: Ein Merkmal M ist genau dann enthalten in einem Begriff B, wenn es eine zu Β logisch äquivalente Konjunktion gibt, die M als Element enthält. Die Tatsache, daß Kant einen Begriff auffaßt als logische Konjunktion von „darin enthaltenen" Merkmalen, gibt eine Erklärung her dafür, daß sein Begriff des „analytischen" Urteils sehr eng ausfällt (vgl. auch hierzu Freges Kritik im Sen 88 seiner „Grundlagen der Arithmetik"). Bekanntlich definiert Kant die Eigenschaft Analytizität nur für „kategorische" Urteile, und zwar so, daß ein solches Urteil analytisch (wahr) ist genau dann, wenn sein Prädikats- in seinem Subjektsbegriff „enthalten ist" (A 8 / B 10). Diese Bedingung ist aber nach Lage der Dinge nur in recht simplen Fällen erfüllt, und zwar gilt dies entsprechend auch für das einzige mir bekannte Beispiel eines Urteils, das Kant „analytisch und falsch" nennt, nämlich das Urteil: „Ein ruhiger Korper ist bewegt" 42. Man hat hier den Subjektsbegriff so in eine Konjunktion aufzulösen, daß eines von deren Elementen zum Prädikatsbegriff im Verhältnis der logischen Kontradiktion steht 43 . Von dem (logisdien) Wesen eines Begriffes unterscheidet Kant das (reale) Wesen eines Dinges insofern es Gegenstand eines Begriffs ist; und zwar denkt er hier so, daß man bei einem vorgegebenen Begriff von dem realen „R" als Relationsvariable steht. Diese Formel läßt sich aber aussagenlogisch nidit zerlegen und deshalb nidit in eine Konjunktion umformen. « VgL Rfl. 6327, XVIII, S. 648; 1792—94. Den Hinweis auf diese Reflexion verdanke ich dem Aufsatz von K. Marc-Wogau: Kants Lehre von dem analytischen Urteil. In: Theoria 17 (1951), S. 140—154. « Entsprechende Überlegungen gelten audi für Kants Begriff einer Tautologie. „Tautologjsdi* bzw. „explizit identisch" nennt er ein (kategorisches) Urteil jedenfalls dann, wenn dessen Subjekts- und Prädikatsbegriff identisdi sind (vgl. Logik Pölitz, XXIV, S. 581). Kants Bemerkungen über die Beziehung zwisdien Tautologien und analytischen Urteilen zufolge, muß ein (kategorisches) Urteil aber audi dann „tautologisdi" heißen, wenn sein Subjektsbegriff als eine Konjunktion gegeben ist und sein Prädikatsbegriff mit einem Teil dieser Konjunktion identisdi ist, wie z.B. in dem Urteil: „Alle schwarzen Menschen sind schwarz". Kant sagt nämlich über die Beweise von „implizit identischen" ( = analytischen) Urteilen: „Der implicite identische Saz ist erweislich z. E. der Mensch ist ein vernünftiges Wesen, . . . . Den implicite identischen Saz muß idi zergliedern, daß der explicite identisdi wird. Der Beweis beruht also darauf: identitatem implicite in explicite zu verwandeln" (Logik Pölitz, XXIV, S. 581). Das Ergebnis einer solchen „Zergliederung" wird aber in den meisten Fällen eine Tautologie in der letzteren Form sein. Audi diese Definition einer Tautologie ist bei Kant geprägt von der beschriebenen Auffassung eines Begriffes. Dies hat zur Folge, daß schon ein so einfach strukturierter, logisch wahrer Satz wie „alle blauen Teiche sind blau oder schmutzig" nidit unter Kants Tautologiebegriff fällt. Denn hier sind Subjekts- und Prädikatsbegriff nidit so gegeben, daß der letztere mit einer Teilkonjunktion des ersteren identisdi ist.
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Wesen der Gegenstände dieses Begriffs sprechen kann, also z . B . von dem realen Wesen des Kreises oder des Wassers. In den „Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft" erklärt Kant:
„Wesen ist das erste,
innere Princip alles dessen, was zur Möglichkeit eines Dinges gehört" (IV, S. 4 6 7 A n m . ) 4 4 . Aus dem Zusammenhang und auch daraus, daß hier von der „Möglichkeit eines Dinges"
(und nicht eines Begriffs)
die Rede ist, geht
hervor, daß Kant an die „reale Möglichkeit" denkt, die charakterisiert ist durch die notwendigen Bedingungen der Erfahrung, gerade so, wie die „logische Möglichkeit" gekennzeichnet ist durch die Übereinstimmung mit den Bedingungen des Denkens. Kants Gedankengang bei seiner Unterscheidung der beiden Begriffe von „Wesen" ist der folgende: Wenn ich durch eine Definition einen Begriff konzipiere, dann muß ich, wenn es sich wenigstens um den Begriff von einem Gedankending ( „ens rationis" ) handeln soll, alle diejenigen Bestimmungen anerkennen, die als analytische Merkmale in den 44
Er fährt an dieser Stelle fort: „Daher kann man den geometrischen Figuren (da in ihrem Begriffe nichts, was ein Dasein ausdrückte, gedacht wird) nur ein Wesen, nicht aber eine Natur beilegen." Der Ausdruck „reales Wesen" (im Unterschied zu „logisches Wesen" ) kommt zwar hier nicht vor. Aber erstens fordert der Kontext, daß Kant hier etwas anderes meint als das „logische Wesen". (vgl. hierzu audi Plaaß, P.: Kants Theorie . . . , S. 31 ff.); und zweitens unterscheidet Kant an anderen Stellen hinreichend deutlich zwischen logischem und realem Wesen; so ζ. B. in dem Brief an Reinhold vom 12. Mai 1789: „Das logische Wesen, nämlich das, was die ersten constitutiva eines gegebenen Begrifs ausmacht, . . . kan ich durch die Zergliederung meines Begrifs . . . leicht finden: aber das Realwesen (die Natur) d. i. der erste i n n e r e Grund alles dessen, was einem gegebenen Dinge nothwendig zukommt, kan der Mensch von gar keinem Objecte erkennen" ( X I , S. 36). Vgl. auch die Reflexionen 2318 (nach 1776), 2321 (nach 1778), 2324 (nach 1780) und 2325 (nach 1790; sämdidiXVI, S. 313—315). Darauf, daß Kant die in den „Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft" getroffene Unterscheidung zwischen „Natur" und „(realem) Wesen" nicht immer einhält, kann ich hier nicht näher eingehen. Im weiteren Verlauf der zitierten Briefstelle ist dann von dem (Real-) „Wesen des W a s s e r s der E r d e und jedes andern empirischen Objects" die Rede (a.a.O., S. 37). Daß Kants Vorstellung vom realen Wesen zugeschnitten ist auf spezielle Begriffe (und nicht etwa lediglich auf den Begriff eines Gegenstandes möglicher Erfahrung überhaupt oder den eines Objekts der reinen Anschauung), kann man auch daraus ersehen, daß er den betreffenden Ausdrude in den „Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft" parallel eingeführt zu dem Begriff „Natur in formaler Bedeutung". Die Anmerkung, die die angeführte Bestimmung von „Wesen" enthält, gehört nämlich zu folgender Stelle: „Wenn das Wort Natur blos in f o r m a l e r Bedeutung genommen wird, da es das erste, innere Princip alles dessen bedeutet, was zum Dasein eines Dinges gehört*, [hier folgt die zitierte Anmerkung] so kann es so vielerlei Naturwissenschaften geben, als es specifisch verschiedene Dinge giebt, deren jedes sein eigenthümliches inneres Princip der zu seinem Dasein gehörigen Bestimmungen enthalten muß" (IV, S. 467).
Merkmalslehre
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definierenden Merkmalen enthalten sind. Würde ich auch nur eines dieser Merkmale negieren, dann hätte idi einen Begriff konzipiert, der nicht einmal in dem minimalen Sinne der formalen Logik ein möglicher Begriff wäre. Es sind dies aber genau diejenigen Merkmale, die in dem oben beschriebenen Sinne aus der Konjunktion der definierenden Merkmale (also dem logischen Wesen) „nach dem Satz vom Widerspruch" „abgeleitet" werden können. Insofern kann man sagen: Das logische Wesen ist das erste Prinzip alles dessen, was zur logisdien Möglichkeit eines Begriffs gehört. Wenn ich andererseits einen Begriff definiere, dessen Gegenstände nicht bloße Gedankendinge sein sollen, sondern Objekte in Raum und Zeit — bzw. Gegenstände möglicher Erfahrung —, dann genügt es nicht, die analytischen Merkmale dieses Begriffes anzuerkennen, denn zu der realen Möglichkeit solcher Gegenstände gehören audi diejenigen Bestimmungen, die in synthetischen Urteilen a priori mit dem betreffenden Begriff als Subjekt prädiziert werden können. Das erste Prinzip dieser Bestimmungen ist nun das reale Wesen der betreffenden Gegenstände. Wie man sieht, entsprechen sich auch hier wieder Kants Überlegungen betreffs des Bereichs der nur logischen und der realen Erkenntnis. Die beschriebene Unterscheidung zweier Arten von Wesen muß aber in dieser Form schon im Rahmen von Kants Philosophie Bedenken hervorrufen. Aus unseren Überlegungen folgt ja, daß man die fragliche Unterscheidung im Rahmen der Terminologie der Merkmalslehre auf die folgende kurze Formel bringen kann: Das logische Wesen eines Begriffs ist der Inbegriff seiner analytischen, das reale Wesen von unter einen bestimmten Begriff fallenden Gegenständen der Inbegriff von dessen synthetischen Attributen. Daraus folgt aber, daß ein und derselbe Begriff sowohl die Funktion des logisdien als auch die des realen Wesens erfüllt. Denn man kann — in Kants Sprechweise — aus ein und demselben Begriff einmal dessen sämtliche analytischen Merkmale „nach dem Satze des Widerspruchs" und zum andern auch alle synthetischen Attribute „synthetisch nach irgend einem andern Grundsätze" „ableiten" (vgl. V i l i , S.229). Eine „Ableitung" der ersten Art wird vollzogen durch ein analytisches Urteil mit dem betreffenden Begriff als Subjekt, eine solche der zweiten Art durch ein entsprechendes synthetisches Urteil a priori. Das folgende Beispiel mag dies erläutern: Man darf annnehmen, Kant würde das Urteil: „Jede geradlinig begrenzte Figur ist ausgedehnt" analytisch nennen, weil er „ausgedehnt" als Teilbegriff von „Figur" angesehen hätte. Andererseits ist für ihn der Satz: „Jede geradlinig begrenzte Figur
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Merkmal und Begriff
wird von mehr als zwei Geraden eingeschlossen" synthetisch a priori. Er ist synthetisch, weil „in dem Begriffe einer Figur, die in zwei geraden Linien eingeschlossen ist, kein Widerspruch" enthalten ist (A 220/B 268). A priori wahr ist er, weil der eben zitierte Begriff den Bedingungen der Möglichkeit räumlicher Anschauung widerspricht: „ . . . die Unmöglichkeit beruht nicht auf dem Begriffe an sich selbst, sondern der Konstruktion desselben im Räume, d. i. den Bedingungen des Raumes und der Bestimmung desselben" (A 221/B 268). Das Merkmal „ausgedehnt" gehört hiernach zur logischen Möglichkeit des betreffenden mathematischen Begriffes, das Attribut „von mehr als zwei Geraden eingeschlossen" hingegen zur realen Möglichkeit seines Gegenstandes. Beide Merkmale lassen sich aber — einmal analytisch, zum andern synthetisch — aus demselben Begriff „ableiten" 45. Logisches und reales Wesen fallen in dieser Hinsicht zusammen. Dieser Umstand erklärt sich daraus, daß Kant für die „Ableitung" aus Begriffen sowohl analytische wie synthetische Urteile zuläßt, und daraus, daß er die realen Wesen von Gegenständen verschiedener Begriffe unterschieden wissen will. Hält man an letzterem fest, dann sind logisches und reales Wesen nur dann verschiedene Merkmalskonjunktionen, wenn die „Ableitung" der zur jeweiligen Möglichkeit gehörigen Attribute nicht „synthetisch" erfolgen darf. Für unser Beispiel hieße dies: Das Merkmal „von mehr als zwei Geraden eingeschlossen" würde zum realen Wesen der betreffenden Figur, nicht aber zum logischen Wesen ihres Begriffes gehören. Eine solche Interpretation des realen Wesens hätte aber beispielsweise die Konsequenz, daß man mathematische Begriffe so definieren müßte, daß die mathematischen Gesetze analytische Urteile würden. Zwar würden dann die eigentlich mathematischen Sätze — synthetische Urteile a priori — schon in den Definitionen stecken insofern, als man etwa, um den Begriff einer geradlinig begrenzten Figur hinreichend stark definieren zu können, auf das betreffende synthetische Urteil a priori rekurrieren müßte. Aber Kants Auffassung von Mathematik wäre mit dieser Deutung verfehlt. Man kann also von diesen Voraussetzungen her sagen: Ein und dieselbe Merkmalskonjunktion erfüllt die Funktion des logischen und des realen Wesens. Kant selbst kommt dann auch mit seiner Unterscheidung zuweilen in Schwierigkeiten. So gibt er etwa in der Logik Busolt nach der Definition des logischen Wesens hierfür das folgende Beispiel: „Z. E. Bei einem Körper « Das Merkmal „B" kann aus dem Begriff „A" „synthetisch" abgeleitet werden genau dann, wenn das Urteil „Alle A sind B" wahr ist und synthetisch a priori; vgl. das obige Ziltat aus VIII, S. 229.
Merkmalslehre
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sind die Ausdehnung und Gestalt, als constitutiua. Sie gehören zum Wesen und sind primitiua, hingegen sind die Theilbarkeit, die Beweglichkeit, die Veränderkeit, deriuatiua" (XXIV, S. 635). Hier werden in e i n e m Satz ein analytisches und ein synthetisches Attribut als ableitbar ( „deriuatiua" ) aus dem „Wesen" bezeichnet: „Alle Körper sind teilbar" ist ein analytisches Urteil (vgl. hierzu Entdeckung, VIII, S. 229), „Veränderlich" ist aber ein synthetisches Merkmal des Begriffs „Körper". Das kann man folgendermaßen einsehen: In der K. d. r. V. sagt Kant: „Veränderung ist Verbindung kontradiktorisch einander entgegengesetzter Bestimmungen im Dasein eines und desselben Dinges" (B 291). Veränderung setzt folglich Dasein voraus und ihre Möglichkeit (Veränderbarkeit) die Möglichkeit desselben. Eine „Ableitung" der Veränderbarkeit eines Körpers würde demnach eine solche der Möglichkeit seines Daseins einschließen. Da aber nach Kant im Begriff eines Körpers überhaupt keine Bestimmung von dessen Dasein enthalten ist 46 , kann sich die Ableitung der Veränderbarkeit nur in einem synthetischen Urteil vollziehen. Ein und dasselbe „Wesen" reicht hier also hin, um sowohl ein Merkmal, das zur logisdien als auch eines, das zur realen Möglichkeit gehört, „abzuleiten". Dieser Umstand erhärtet die vorgebrachten Bedenken, und es ist wohl kein Zufall, daß Kant diese — an seiner Terminologie gemessen — fehlerhafte Darstellung in der Logik Busolt unterläuft. Diese Schwierigkeiten treten jedoch nicht auf, wenn man Kants Auffasfassung folgendermaßen modifiziert: Man verzichtet darauf, zwischen den realen Wesen von Gegenständen verschiedener, spezieller Begriffe zu unterscheiden, sondern sagt vielmehr: Ein reales Wesen gibt es nur von Gegenständen der Mathematik, der Erfahrung oder auch der Physik überhaupt. Außerdem macht man einen Unterschied zwischen „abzuleitenden" Merkmalen und den Regeln, nach denen sich diese Ableitungen vollziehen. Zugeschnitten auf die Mathematik würde dies heißen: Es gibt nicht ein reales Wesen etwa des Kreises im Unterschied zu dem der geradlinig begrenzten Figur, sondern es gibt nur ein reales Wesen von mathematischen Gegenständen überhaupt, und dieses ist nicht ein Begriff (eine Konjunktion von Merkmalen), sondern ein System von Regeln, nach denen mathematische Lehrsätze bewiesen werden; und zwar drücken diese Regeln die Bedingungen der Möglichkeit von Konstruktionen in der reinen Anschauung aus, sie sind deshalb selbst synthetische Urteile a priori. Nach diesen Regeln kann man dann Vgl. A 598/B 626, wo Kant sagt, „daß ein jeder Existenzialsatz synthetisdi sei". Hier findet man audi seinen für die Widerlegung des ontologischen Gottesbeweises zentralen Satz: „ S e i n ist offenbar kein reales Prädikat, d.i. ein Begriff von irgend etwas, was zu dem Begriffe eines Dinges hinzukommen könne."
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— in Kants Sprechweise — aus dem Begriff „geradlinig begrenzte Figur" das Merkmal „von mehr als zwei Geraden eingeschlossen" „synthetisch ableiten", indem man nämlich jenen Begriff nach den betreffenden Regeln in der reinen Anschauung konstruiert und auf diese Weise den synthetischen Satz beweist: „Jede geradlinig begrenzte Figur ist von mehr als zwei Geraden eingeschlossen". Mit dieser Modifikation halte ich daran fest, daß das logische Wesen eines Begriffs S gegeben ist durch eine Konjunktion von Merkmalen, aus der sich alle analytischen Merkmale von S in Kants Sinne „analytisch ableiten" lassen, während die betreffenden Merkmale selbst im entsprechenden Sinne voneinander unabhängig sein sollen, und auch daran, daß man aus derselbe! Konjunktion die notwendigen, synthetischen Merkmale von S (synthetisch) „ableiten" kann. Aber der Kreis oder das η-Eck besitzen nach dieser Auffassung ein reales Wesen nur insofern, als sie Gegenstände der reinen Anschauung sind, und zwar so, daß „das erste, innere Princip alles dessen, was zur Möglichkeit eines Dinges gehört" (also das reale Wesen; IV, S. 467 Anm.) ausgedrückt ist in einem System von Regeln, die die Bedingungen der Möglichkeit von Gegenständen (bzw. Konstruktionen) in der reinen Anschauung kodifizieren47. Wir kommen zu folgendem Ergebnis: Notwendige oder wesentliche Merkmale eines Begriffs „S" sind nach Kant genau diejenigen Begriffe „P", für die das Urteil: „Alle S sind P" a priori wahr ist. Er teilt diese Merkmale ein in eine Klasse von „essentialia" und eine von „attributa", und zwar so, daß die Konjunktion der „essentialia" hinreichend ist für die (analytische oder synthetische) „Ableitbarkeit" der „attributa", während andererseits kein „essential" aus einem anderen ableitbar sein soll. Dabei ist die Unterscheidung zwischen „analytischer" und „synthetischer" „Ableitbarkeit" konstitutiv für Kants Konzeption von „logischem" und „realem" „Wesen". Andererseits faßt er den Begriff des realen Wesens so, daß gerade die Zulässigkeit von synthetischen Ableitungen nach sich zieht, daß ein und dieselbe Merkmalskonjunktion die Funktion des logischen und des realen Wesens erfüllt, so daß die diesbezügliche Unterscheidung hinfällig wird. Nun kann man zwar, wie wir gesehen haben, die Unterscheidung aufrecht erhalten, wenn man — entgegen Kants Auffassung — nur analytische Ableitungen zuläßt. Dies zieht aber Konsequenzen nach sich, die mit Kants 47
Entsprechend hätte man als das reale Wesen von Gegenständen der Erfahrung die Bedingungen der Möglichkeit derselben anzusetzen, und wenn es sich speziell um Gegenstände der Physik handelt, die Bedingungen der Möglichkeit von Gegenständen im Raum, insofern diese Objekte des Begriffs „Materie" sein sollen.
Merkmalslehre
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Theorie der Mathematik — und, wie man zeigen kann, seiner Theorie der Erfahrung überhaupt — unverträglich sind. Andererseits ist die Unterscheidung zwischen logischem und realem Wesen speziell für Kants Theorie der Naturwissenschaft von so zentraler Bedeutung, daß man sich nicht schlicht damit begnügen kann, festzustellen, die Form, in der Kant diese Unterscheidung treffe, sei von seinen eigenen Voraussetzungen her nicht haltbar. Die Form, in der Kant diese Unterscheidung trifft, ist nämlich für seine Philosophie nicht konstitutiv: Es kommt nicht darauf an, daß es ein reales Wesen des η-Ecks im Unterschied zu dem des Kreises oder ein solches des Wassers im Unterschied zu dem der Erde gibt. Worauf es für Kants Philosophie ankommt, ist vielmehr, daß es einen jeweiligen Kanon von Regeln gibt, nach denen man bestimmen kann, welche Eigenschaften diese Gegenstände haben müssen, um überhaupt Objekte der Mathematik bzw. der Erfahrung oder audi der Physik sein zu können. Solche Regeln sind aber in den Begriffen dieser Gegenstände nicht (analytisch) enthalten. Man kann daher mit ihnen ein reales Wesen — im Unterschied zum logischen — definieren.
6. Kants Definitionslehre 6.0.
„Deutlichkeit"
von Begriffen
„Die Deutlichkeit eines Begriffes ist eine Eigenschaft einer Logisdien Vollkommenheit" (Logik Blomberg, XXIV, S.263). „Die D e u t l i c h k e i t aber ist die erste, und vornehmste Eigenschaft, auf welche es bey einer Logischen Volkommenheit besonders ankommet" (Logik Blomberg, XXIV, S . 5 8 ) 1 . „Ein Begriff ist deutlich, deßen Merkmahle klar sind" (Wiener Logik, X X I V , S. 8 4 7 ) 2 . Wir haben gesehen, daß bei Kant genau die Begriffe „P" mit der Eigenschaft: „Alle S sind P" Merkmale des Begriffs „S" sind. Diese Merkmale „klar" machen, heißt, sie bewußt vorzustellen, und dies geschieht in einem Urteil. „Ein deutlicher Begrif ist nichts anders als ein Urtheil" (Logik Philippi, X X I V , S. 461). „Deutlich erkennen heißt a l l e s d u r c h E i n ι Den Ausdruck „logische Vollkommenheit" übernimmt Kant von G.F.Meier. Dort bezeichnet er eine Eigenschaft von „Erkenntnissen". Dieser Terminus steht auch bei Meier für Begriffe sowohl als auch Urteile. Und logische Vollkommenheit ist dort eine Konjunktion von fünf Eigenschaften, von welchen aber einige der Sache nach nur Urteilen zukommen können. Es sind dies: 1. die „Weitläufigkeit..., welche einer Erkenntnis zugeschrieben wird, in so ferne sie uns viele Gegenstände vorstellt", 2. die „Grösse und Wichtigkeit . . w e l c h e einer Erkenntniss zukommt, in so ferne sie gross und wichtig ist", 3. „die Wahrheit der Erkenntniss", 4. die „ D e u t l i c h k e i t der gelehrten Erkenntnis", 5. die „ G e w i s s h e i t der gelehrten Erkenntniss". Diese ist „das Bewusstsein der Wahrheit einer Erkenntniss" (Auszug . . . . §§ 25—29, XVI, S. 105—107). 2 Auch mit dieser Erklärung von „Deutlichkeit" lehnt Kant sich an G.F.Meier an. Im §en 14 des „Auszugs" heißt es: „Wenn wir uns einer Vorstellung bewusst sind, so sind wir uns derselben entweder bloss im Ganzen betrachtet bewusst, so dass wir in derselben selbst nichts von einander unterscheiden; oder wir sind uns auch des Mannigfaltigen in derselben bewusst. In dem ersten Falle haben wir eine undeutliche oder eine verworrene Erkenntniss (cognotio indistincta et confusa), in dem andern aber eine deutliche (cognitio distincta)" (XVI, S. 80). Und das „Mannigfaltige" in einer begrifflichen Vorstellung sind die darin enthaltenen Merkmale. Wenn diese also bewußt vorgestellt werden (u. d. h. sie sind „klar"), dann ist der Begriff „deutlich". Auf dem Boden der Philosophie Kants gehören dann aber zu einem „deutlichen" Begriff nicht nur dessen analytische, sondern auch seine synthetischen Merkmale. Die von Meier gegebene Definition von „Deutlichkeit" findet sich schon bei Descartes (vgl. Principia philosophiae 145).
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Kants Definitionslehre
k l a r e s M e r c k m a l e r k e n n e n . Durch ein klares Merckmal aber etwas erkennen heißt eben auch urtheilen" (Logik Blomberg, XXIV, S. 273). Damit ist eine Forderung gestellt: Zu einem vorliegenden Begriff — der als bewußte Vorstellung immer schon „klar" ist 3 — sind seine Merkmale zu suchen, damit aus dem „klaren" Begrifl ein „deutlicher" wird. Diese Forderung zu erfüllen, ist nach Kant das Ziel jeder Definition: „Die Definizionen sind deutlich bestimmte Begrifle" (Logik Busolt, XXIV, S. 656) 4 . An diesem Punkt hängen in Kants Logik die Begriffs-, die Merkmals- und seine Definitionenlehre miteinander zusammen. Jedes allgemeine, nicht-tautologische, kategorische Urteil (vgl. 5.2.2.) mit dem betreffenden Begrifi als Subjekt trägt zur Erfüllung der genannten Forderung bei. Wie wir sehen werden, präzisiert Kant seinen Begriff einer Definition aber so, daß diese selbst nicht schon alle Merkmale des Defieniendums aufzählen muß; vielmehr genügt es — und man darf sogar mehr gar nicht fordern —, daß alle in dem beschriebenen Sinne „verdeutlichenden" Urteile auf die Definition gegründet werden können. Es zeigt sich dann, daß nur bestimmte Begrifle in dem so präzisierten Sinne definiert werden können 5 .
6.1. Definitionen im engeren Sinne „ D e f i n i e r e n soll, wie es der Ausdruck selbst gibt, eigentlich nur so viel bedeuten, als, den ausführlichen Begrifl eines Dinges innerhalb seiner Grenzen ursprünglich darstellen" (A 727/B 755). „ A u s f ü h r l i c h k e i t bedeutet die Klarheit und Zulänglichkeit der Merkmale; G r e n z e n die Präzision, daß deren nicht mehr sind, als zum ausführlichen Begriffe ge3
Vgl. z.B. Logik Philippi: „Wenn wir uns einer Erkenntniß bewust sind, so wird der Begrifi klar" (XXIV, S. 341). 4 Vgl. auch Logik Pölitz: „Definition ist ein logisch vollkommener Begrif, sie beruht darauf, in wie fern ein Begrif dient gut zu urteilen, dazu gehört Deutlichkeit, daß idi mir des Mannigfaltigen im Begrif bewust werde" (XXIV, S.570). 5 Kant spricht zwar im weiteren Sinne von Definitionen auch dann, wenn die im folgenden zu besprechenden Forderungen an eine Definiton im eigentlichen Sinne nicht erfüllt sind. Solche „Definitionen" benennt er mit verschiedenen Titeln: „Exposition", „Explikation", „Deklaration" und „Deskription" (vgl. A 727/B 755-A 730/ Β 758) und Wiener Logik, XXIV, S. 917). Logisch interessant sind aber nur seine Ausführungen über Definitionen im engeren Sinne und die Gründe dafür, daß in diesem Sinne nicht alle Begriffe definierbar sind. Einige Bemerkungen über Definitionen im weiteren Sinne finden sich in dem Aufsatz von L.W.Beck: Kant's theory of definition (in: Philosophical Review65 (1956), S. 179—191). Beck untersucht in diesem Aufsatz die Beziehung zwischen Definitionen und analytischen Urteilen.
Definitionen im engeren Sinne
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hören; u r s p r ü n g l i c h aber, daß diese Grenzbestimmung nicht irgend woher abgeleitet sei und also noch eines Beweises bedürfe, welches die vermeintliche Erklärung unfähig machen würde, an der Spitze aller Urteile über einen Gegenstand zu stehen" (ibid. Anm.). 6.1.1. „Ausführlichkeit" : Dieses Kennzeichen einer Definition finden wir in Kants Logikvorlesungen wieder in der Forderung nach „Completudo" : „Werden aber alle Merkmale klar gemacht so wird der Begrif complet deutlich" (Logik Pölitz, XXIV, S. 571); und: »... so kann ich fragen, ob der deutliche Begriff auch complet sey? Ob die Merkmahle zusammen genommen den ganzen Begriff ausmachen?" (Wiener Logik, XXIV, S. 922). Bei der Behandlung von Kants Merkmalslehre haben wir gesehen: A l l e Merkmale eines Begriffes, das sind seine sämtlichen analytischen u n d synthetischen Merkmale. Um einen Begriff „ausführlich" zu definieren, ist also erforderlich, alle Prädikate beizubringen, die ihm als Subjekt in einem wahren, analytischen oder synthetischen Allurteil zugesprochen werden können. Diese Forderung an eine Definition wird durch die zweite, nämlich die nach „Präzision", von Kant insofern abgeschwächt als von den in eine Definition hineinzunehmenden Merkmalen nicht schon eines aus einem anderen in Kants Sinne analytisch oder synthetisch „ableitbar" sein darf. Die Klasse der Merkmale eines Begriffes ist demnach einzuteilen in eine Menge von in diesem Sinne voneinander unabhängigen Merkmalen, deren Konjunktion für die „Ableitung" der zu der Restmenge gehörigen Merkmale „zulänglich" ist 6 . Eine Definition enthält also genau die „essentialia" und kann deshalb „an der Spitze aller Urteile über einen Gegenstand stehen" (s.o.). Je nach Ursprung eines Begriffes stehen nun seiner ausführlichen Definition verschiedene Schwierigkeiten im Wege, über die Hindernisse im Falle eines „gemachten" Begriffes gibt Kant in der K. d. r. V. Auskunft: Nicht immer kann ich, wenn ich einen Begriff gebildet habe, wissen, ob es sich überhaupt um einen Begriff von einem Ding, einem Gegenstand möglicher Erfahrung, handelt. Und zwar weiß idi dies genau dann nicht, wenn der betreffende Begriff nicht nur unter Bedingungen a priori, sondern auch unter empirischen Bedingungen steht. Genau in diesem Falle kann ich nämlidi nicht schon aufgrund meiner Kenntnis des Begriffes wissen, ob es überhaupt (empirisdie) Gegenstände gibt, die unter ihn fallen. Als Beispiel für 6 Vgl. das obige Zitat sowie 6.12.
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Kants Definitionslehre
diesen Sachverhalt nennt Kant den Begriff „Schiffsuhr" : „ . . . ich kann nicht sagen, daß ich dadurch [sc. durch einen willkürlich gedachten = gemachten Begriff] einen wahren Gegenstand definiert habe. Denn, wenn der Begriff auf empirischen Bedingungen beruht, ζ. B. eine Schiffsuhr, so wird der Gegenstand und dessen Möglichkeit durch diesen willkürlichen Begriff nodi nicht gegeben; ich weiß daraus nicht einmal, ob er überall einen Gegenstand habe" (A 7 2 9 / B 7 5 7 ) 7 . Eine Schiffsuhr kann ich mir demnach zwar ausdenken, ob es sich aber um einen Begriff handelt, dem irgendwo im Feld möglicher Erfahrung ein Gegenstand wirklich entspricht, das kann midi nur die Erfahrung selbst lehren, und zwar genau deshalb, weil der Begriff „Schiffsuhr" unter empirischen Bedingungen steht und nur Erfahrung lehren kann, ob diese erfüllt sind oder nicht. Schon dieser Umstand schließt aus, daß ein solcher Begriff definierbar ist: „Meine Erklärung kann besser eine Deklaration (meines Projekts) als Definition eines Gegenstandes heißen" (A 7 2 9 / B 757). Aber auch ihrem Inhalt nach gegebene Begriffe von empirischen Gegenständen können nach Kant nicht definiert werden. Denn es gibt in diesem Falle stets Merkmale des Begriffs, die diesem nur in empirischen Urteilen zugesprochen werden können. Weil wir nun nicht a l l e Erfahrung von den Gegenständen des zu definierenden Begriffs antizipieren können, haben wir keine Möglichkeit, eine Merkmalskonjunktion anzugeben, aus der sämtliche Merkmale des Definiendums in Kants Sinne (analytisch oder synthetisch) „ableitbar" wären: „ . . . weil wir nicht alle mögliche Merkmahle kennen können, die die Erfahrung von einem Gegenstande lehren kann, folglich Erfahrungsbegriffe können niemahls definirt werden" (Wiener Logik, X X I V , S. 9 1 8 ) 8 . Man kann hier ergänzen, was Kant nicht ausdrücklich sagt, daß nämlich dieses Argument auch anwendbar ist auf die unter empirischen Bedingungen stehenden, dem Inhalt nach gemachten Begriffe, und zwar in dem folgenden Sinne: Ein solcher Begriff bleibt auch dann undefinierbar, wenn die Frage, ob er auf empirische Gegenstände bezogen werden kann, positiv beantwortet 7 An der Stette, wo Kant in der K. d. r. V. seinen Begriff einer Definition einführt (vgl. das Eingangszitat zu 6.1.), bezieht er sich ausdrücklich auf B e g r i f f e . Die Redeweise „einen wahren Gegenstand definieren" ist untedinisdi. Kant meint offenbar „einen Begriff von einem empirischen Gegenstand definieren." 8 Vgl. auch Rfl. 2961: „Die definition eines empirischen Begrifs ist die (complete) exposition der Erscheinung, welche unmöglich ist" (XVI, S. 587; nach 1776). „Die exposition der Erscheinung ist . . . die Erweiterung meines Begrifs über das, was idi durch ihn denke, folglich synthesis desienigen, was dazu gehört" (Rfl. 2955, XVI, S. 586; nach 1776); vgl. weiter A 727 f./B 755 f.
Definitionen im engeren Sinne
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ist — etwa dadurch, daß solche Gegenstände hergestellt werden. Der Begriff ist dann ein — zwar „gemachter" — Begriff von empirischen Gegenständen, aber die Erfahrung von den letzteren kann nicht vollständig antizipiert werden. Es wird als auch in diesem Falle stets Merkmale des Begriffs geben, die aus keiner Konjunktion von Merkmalen desselben ableitbar sind. Begriffe, die unter empirischen Bedingungen stehen, können also nach Kants Auffassung nicht („ausführlich") definiert werden. Man muß daher fragen, wie es bezüglich der Forderung nach ausführlicher Definierbarkeit um die Begriffe a priori steht. Was unter diesen die (in metaphysischer Hinsicht) gegebenen anbetrifft, so drückt Kant sich hierüber weder in den LogikVorlesungen noch in der K. d. r. V. sehr deutlich aus. In der Logik DohnaWündlacken heißt es: „Alle D e f i n i t i o n e n g e g e b e n e r B e g r i f f e , wenn sie a priori gegeben sind, sind allemal a n a l y t i s c h " (XXIV, S. 757). Kant meint damit, eine solche Definition setze an bei der gegebenen begrifflichen Vorstellung und suche alle Merkmale, die analytisch darin enthalten seien 9 . Damit verschiebt er aber das Problem: Wie ich bereits angedeutet habe und noch diskutieren werde, soll ja die Definition selbst gar nicht die Merkmale eines Begriffs vollständig aufzählen, und zwar auch nicht die analytischen. In der K. d. r. V. sagt Kant zu der anstehenden Frage: „Zweitens kann auch, genau zu reden, kein a priori gegebener Begriff definiert werden, ζ. B. Substanz, Ursache, Recht, Billigkeit usw. Denn ich kann niemals sicher sein, daß die deutliche Vorstellung eines (noch verworren) gegebenen Begriffs ausführlich entwickelt worden, als wenn ich weiß, daß dieselbe dem Gegenstande adäquat sei. Da der Begriff desselben aber, so wie er gegeben ist, viel dunkle Vorstellungen enthalten kann, die wir in der Zergliederung übergehen, ob wir sie zwar in der Anwendung jederzeit brauchen: so ist die Ausführlichkeit der Zergliederung meines Begriffs immer zweifelhaft . . . " (A 728/B 756) 10. Hier mag der Eindruck entstehen, als könnte nach Kant ein solcher Begriff deshalb nicht ausführlich definiert werden, weil es nicht einmal möglich wäre, seine analytischen Merkmale sämtlich abzuleiten. Das ist aber offenbar ein Widerspruch: Die „analytischen" Merkmale eines Begriffs sind ja gerade dadurch definiert, daß sie aus dem
9 Vgl. dieselbe Vorlesung, XXIV, S. 758: „Bei der Analysis eines Begriffs ist das Iste — die Exposition — sich nach und nach bewußt zu werden des Mannigfaltigen, was in meinem Bewußtsein enthalten ist . . . 10 Vgl. auch Logik Busolt: „Hiebei [sc.: bei der Analysis philosophischer Begriffe] ist die Schwierigkeit, ob die Analysis auch komplett ist? . . . daß aber nichts fehlet kann niemand wißen« (XXIV, S.657).
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Kants Definitionslehre
betreffenden Begriff in Kants Sinne „analytisch ableitbar" sind. Es kann also gar keine nicht ableitbaren, analytischen Merkmale geben. Man kann die zitierte Stelle aus der K. d. r. V. aber auch anders lesen, und zwar folgendermaßen: Ich kann zwar einen a priori gegebenen Begriff analysieren, aber wie weit idi dies auch treiben mag, von der Klasse der Merkmale, die ich auf diese Weise gewinne, weiß idi stets nur, daß sie — modern gesprochen — eine Teilklasse der Klasse aller analytischen Merkmale meines Begriffs ist: „Da der Begriff . . . viel dunkle Vorstellungen enthalten kann, die wir in der Zergliederung übergehen ..." (s.o.). Andererseits muß idi die volle Klasse der analytischen Merkmale meines Begriffs kennen, um wenigstens eine Merkmalskonjunktion angeben zu können, aus der diese sämtlich (analytisch) ableitbar sind11. Da dies nicht möglich ist kann ein a priori gegebener Begriff nicht ausführlich definiert werden n . Das vorgetragene Argument ist offensichtlich invariant gegenüber der Unterscheidung zwischen a priori und empirisch gegebenen Begriffen. Wenn Kant es nur zur Begründung der Nicht-Definierbarkeit der ersteren verwendet, dann vermutlich deshalb, weil die Undefinierbarkeit der letzteren nach seiner Auffassung schon aus anderen Gründen folgt (vgl. o.). Andererseits verdeckt Kant die Konsequenzen dieses Arguments hinsichtlich der Analysierbarkeit der durch Konjunktion von empirisch gegebenen Merkmalen „gemachten" Begriffe. Diese kann man zwar auflösen in die Merkmale, aus denen sie zusammengesetzt sind — und das meint Kant, wenn er sagt: „Meinen Begriff kann ich in solchem Falle jederzeit definieren [hier = analysieren] ; denn ich muß dodi wissen, was ich habe denken wollen, da ich ihn selbst vorsetzlidi gemacht habe" (A 729/B 757). Aber bei der weiteren Analyse müßten sich dann genau die Probleme zeigen, die sich der Definition gegebener Begriffe entgegenstellen; und dieser Umstand wird durch Kants Bemerkung verdeckt. Aus den bisherigen Überlegungen folgt, daß höchstens die „gemachten" Begriffe definierbar sind, und auch diese nur in den Fällen, wo man a priori 11
Wie gesagt, ist zwar der Begriff selbst ein Merkmal, aus dem seine analytischen Merkmale sämtlich abgeleitet werden können. Aber dieser Umstand hilft hier gar nicht weiter, weil man ja einen Begriff nicht dutch sich selbst definieren darf. 12 Kant berücksichtigt hier nicht den naheliegenden Einwand, um nur die analytischen Merkmale des Definiendums „D" abzuleiten, genüge als Definiens doch ein davon verschiedener Begriff „P" derart, daß die Urteile „alle Ρ sind D" und „alle D sind P" analytisch sind. Die Kenntnis eines solchen Begriffs setzt aber der Sache nach nicht die aller analytischen Merkmale von „D" voraus. Daß Kant diesen Einwand nicht berücksichtigt, liegt daran, daß er hier — wie seine Formulierungen zeigen — nicht deutlich zwischen expliziter Nennung der analytischen Merkmale und ihrer bloßen. Ableitbarkeit aus finem Begriff unterscheidet.
Definitionen im engeren Sinne
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beweisen kann, daß der zu definierende Begriff nicht leer ist. Einen solchen Beweis nennt Kant die „Konstruktion" des Begriffs, und diese ist nur bei mathematischen Begriffen möglich: „Wenn einem Begriffe die correspondirende Anschauung a priori beygegeben werden kann, so sagt man: dieser Begriff werde c o n s t r u i r t" (Fortschritte, XX, S.325). „Aber im Räume eine Anschauung a priori zu bestimmen (Gestalt), die Zeit zu teilen (Dauer), oder bloß das Allgemeine der Synthesis von einem und demselben in der Zeit und dem Räume, und die daraus entspringende Größe einer Anschauung überhaupt (Zahl) zu erkennen, das ist ein V e r n u n f t g e s c h ä f t durch Konstruktion der Begriffe, und heißt m a t h e m a t i s c h " (A 724/B 725). Wenn irgendwelche, dann sind also höchstens die „gemachten" Begriffe der Mathematik13 „ausführlich" definierbar: „Also blieben keine anderen Begriffe übrig, die zum Definieren taugen, als solche, die eine willkürliche Synthesis enthalten, welche a priori konstruiert werden kann, mithin hat nur die Mathematik Definitionen" (A 729/B 757). Und diese Begriffe sind in der Tat jedenfalls „ausführlich" definierbar. „Denn, den Gegenstand, den sie [sc. die Mathematik] denkt, stellt sie auch a priori in der Anschauung dar, und dieser kann sicher nicht mehr noch weniger enthalten, als der Begriff" (A 729 f./B 757 f.). Sämtliche Merkmale eines mathematischen Begriffes können ja durch das Beweisverfahren der Mathematik, nämlich die Konstruktion in der reinen Anschauung, a priori gefunden werden und sind also in gewisser Weise (allerdings nicht analytisch!) schon durch den Begriff gesetzt. Damit ist bei diesen Begriffen die erste Forderung an eine Definition im engeren Sinne erfüllbar. Daß bei Kant die Mathematik die beschriebene Eigenart besitzt, rührt daher, daß ihre Erkenntnis „intuitiv" ist und gewissermaßen ein Minimalmodell dessen hergibt, was er einen „anschauenden Verstand" nennt u . Der Mathematiker kann a priori entscheiden, ob ein vorgelegter Begriff „wirklich" in dem Sinne ist, daß ihm ein Gegenstand in der reinen Anschauung entspricht. Während für die diskursive Erkenntnis der Natur die Wirklichkeit nur a posteriori gegeben und nicht verfügbar ist, stellt der Mathematiker seine Objekte selbst her (durch Konstruktion seiner Begriffe in der rei13
14
Vgl. A 730/B 758, wo Kant sagt, daß mathematische Definitionen „den Begriff selbst m a c h e n " . Vgl. Β 145: „ . . . wollte idi mir einen Verstand denken, der selbst anschaute (wie etwa einen göttlidien, der nidit gegebene Gegenstände sidi vorstellte, sondern durch dessen Vorstellung die Gegenstände selbst zugleich gegeben, oder hervorgebracht würden), . .
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Kants Definitionslehre
nen Anschauung) und muß sich nicht von der Erfahrung sagen lassen, ob seine Entwürfe realisierbar sind oder nicht I5 . Für die Definierbarkeit im engeren Sinne ergibt sich damit: Die Forderung nach Ausführlichkeit ist genau bei den Begriffen der Mathematik erfüllbar und zwar deshalb, weil diese a) dem Inhalt nach gemacht und b) in Kants Sinne „konstruierbar" sind. 6.1.2.
„Präzision":
Die zweite in der K. d. r. V. an eine Definition im strengen Sinne gestellte „Präzisions"-Forderung verlangt bezüglich der darin anzuführenden Merkmale, „daß deren nicht mehr sind, als zum ausführlichen Begriffe gehören" (s. o.). Auch diese Bedingung findet sich in den Vorlesungen wieder. So führt etwa die Nachschrift des Grafen Dohna unter den Kriterien für eine Definition an, „ob der Begriff, den ich als ausführlich ansehe, präcis sei" (XXIV, S. 759), und als Regel zur Erfüllung dieser Bedingung heißt es dort: „Siehe zu, daß nicht ein Merkmal schon das andre enthalte und also entbehrt werden kann" (ibid.). Die Forderung taucht auch in anderen Wendungen auf: „Die praecision ist die reduction der definition ad mínimos términos" (Wiener Logik, XXIV, S. 922); „conceptus completus, praecise determinatus" (Logik Dohna-Wundlacken, XXIV, S. 756). Diese Bedingung ist Kants Ausführungen in der Logik Dohna-Wundlacken zufolge jedenfalls dann verletzt, wenn von den definierenden Merkmalen eines in einem anderen (analytisch) enthalten ist (vgl. das obige Zitat). Sie ist aber auch dann nicht erfüllt, wenn eines der betreffenden Merkmale aus einem anderen in einem synthetischen Urteil a priori in Kants Sinne „ableitbar" ist. Ein Beispiel einer in dieser Hinsicht fehlerhaften Definition gibt er in der transzendentalen Methodenlehre. Es heißt dort, „die gemeine Erklärung der Kreislinie, daß sie eine k r u m m e Linie sei, deren alle Punkte von einem einigen (dem Mittelpunkte) gleich weit abstehen" genüge der Forderung nach Präzision deshalb nicht, weil man beweisen könne, „daß eine jede Linie, deren alle Punkte von einem einigen gleich weit abstehen, krumm . . . sei" (A 731 f./B 759 f.). Ein solcher Beweis ist aber durch Konstruktion in der reinen Anschauung zu führen, und deshalb ist der Satz: „Jede Linie, deren Punkte sämtlich von einem festen Punkt den gleichen Abstand haben, ist krumm" synthetisch a priori wahr. Die genannte Definition genügt also der 15 Dieser Unterschied der mathematischen Erkenntnis zu der der Natur steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der unterschiedlichen Gewißheit der „mathematischen'' und der „dynamischen" Grundsätze des reinen Verstandes (vgl. 1.3.).
Definitionen im engeren Sinne
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Präzisionsbedingung deshalb nicht, weil eines der definierenden Merkmale aus einem anderen in Kants Sinne „synthetisch ableitbar" ist. Wenn aber die definierenden Merkmale eines Begriffs S weder analytisch noch synthetisch auseinander ableitbar sein sollen, dann darf eine „präzise" Definition von S nur das logische Wesen dieses Begriffs ausdrücken. Andererseits kann man (vgl. 5.2.2.) schon hieraus sämtliche (analytischen oder synthetischen) notwendigen Merkmale von S ableiten. Wir kommen daher zu dem Ergebnis: Eine Definition ist genau dann „ausführlich" und „präzis", wenn die im Definiens stehenden Merkmale das „logische Wesen" des Definiendums ausmachen; und solche Definitionen sind im Falle mathematischer Begriffe schon aus den Gründen möglich, aus denen diese „ausführlich" definierbar sind. Wie bereits gesagt (vgl. 6.1.1.), schränkt die Forderung nach Präzision die Ausführlichkeitsbedingung insofern ein, als eine Definition nicht alle Merkmale eines Begriffs aufzählen darf, sondern nur diejenigen, aus deren Konjunktion alle anderen Merkmale in Kants Sinne „ableitbar" sind. Diese Einschränkung hat wichtige Konsequenzen in bezug auf die Möglichkeit von synthetischen Urteilen a priori: Von einem Begriff „S", in dessen Definition bereits alle notwendigen Merkmale enthalten sind, kann nämlich in einem allgemeinen Urteil a priori ein Prädikat „P" nur analytisch ausgesagt werden. Denn wenn das Urteil: „Alle S sind P" a priori wahr ist, dann ist „P" notwendiges Merkmal von „S" und wäre somit in „S" (analytisch) enthalten. Man sieht hieraus, daß die Präzisionsbedingung in bezug auf Definitionen notwendig ist für die Möglichkeit allgemeiner, synthetischer Urteile a priori. Und überhaupt gilt ja: Wenn nicht alle allgemeinen Aussagen mit einem bestimmten Subjektsbegriff analytische Urteile sein sollen, dann dürfen in ihm nicht schon alle seine Merkmale, die ja die Prädikate dieser Aussagen sind, enthalten sein. Sie dürfen folglich auch nicht in die Definition des Begriffes hineingenommen werden. Die Forderung nach „Ursprünglichkeit" schließlich, die Kant als dritte an eine Definition im strengen Sinne stellt (vgl. o.), versteht sich aufgrund des bisher Gesagten von selbst. Denn wenn die Ausführlichkeits- und die Präzisionsbedingung zusammen besagen, daß alle Merkmale eines Begriffes aus seiner Definition (analytisch oder synthetisch) ableitbar sein müssen, dann heißt dies eben, daß die Definition fähig sein soll, „an der Spitze aller Urteile über einen Gegenstand zu stehen" (A 7 2 7 / B 755 Anm.). Wir kommen zu folgendem Ergebnis: Im engeren Sinne definiert werden können nach Kant nur die Begriffe der Mathematik, weil allein diese weder gegeben sind noch unter empirischen Bedingungen stehen. Die Defi-
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Kants Definitionslehre
nition empirisch gegebener Begriffe scheitert schon daran, daß diese stets Merkmale besitzen, die ihnen nur in empirischen Urteilen zugesprochen werden können und folglich nicht ableitbar sind. Aber auch a priori gegebene Begriffe sind nicht definierbar, weil bei gegebenen Begriffen die volle Klasse der analytischen Merkmale unbekannt ist. Gemachte Begriffe schließlich, sofern sie unter empirischen Bedingungen stehen, sind deshalb undefinierbar, weil man hier nicht a priori wissen kann, ob einem solchen Begriff überhaupt ein Gegenstand korrespondiert.
Schlußwort Kants Logik und seine Transzendentalphilosophie Wir haben in den voraufgegangenen Kapiteln Kants logische Doktrin von zwei verschiedenen Gesichtspunkten her beleuchtet: Wir haben einmal nach seinem Begriff von Logik gefragt, und zweitens haben wir innerlogische Probleme untersucht. Dabei ist immer wieder Gebrauch gemacht worden von Kants Transzendentalphilosophie, ohne daß dies durchgehend explizit wurde. Unter diesen Umständen stellt sich bei einem Rückblick auf unsere Überlegungen die Frage, in welchem Ausmaß Kants Meinungen in formallogischen Fragen abhängig sind von seinen philosophischen Einsichten überhaupt — und umgekehrt. Kant gewinnt seinen Begriff einer „Logik überhaupt" im Rahmen einer Auffassung von menschlicher Erkenntnis, die allein geprägt ist von seiner Transzendentalphilosophie. Andererseits gründet sich sein Begriff von transzendentaler Logik auf die Abgrenzung derselben von der formalen Logik — und umgekehrt. Man wird also sagen können, daß im Hinblick auf Kants Begriff von Logik die fragliche Abhängigkeit wechselseitig ist. Das gleiche Bild zeigt sich bei den von uns besprochenen innerlogischen Themen. Kants Bemerkungen über den nicht-objektiven Charakter der ästhetischen Urteile stehen im Widerspruch zu seiner Definition eines Urteils im Sen 19 der transzendentalen Deduktion in der zweiten Auflage der Kritik der reinen Vernunft. Dieser Widerspruch löst sich jedoch auf, wenn man berücksichtigt, daß Kants formallogisdier Urteilsbegriff weiter ist als sein transzendentallogischer. Kants diesbezügliche Auffassung in der Kritik der Urteilskraft ist also sachlich abhängig von seiner formalen Logik. Andererseits macht Kant in seiner Begriffs- und seiner Definitionstheorie in starkem Maße Gebrauch von transzendentalphilosophischen Überlegungen. So ist seine Kritik an der Auffassung von singulären Begriffen geleitet von der Unterscheidung zwischen Begriff und Anschauung. Und seine Lehre von der alleinigen Definierbarkeit mathematischer Begriffe gründet sich auf die Unterscheidung zwischen einer „diskursiven" Erkenntnis der Natur und einer „intuitiven" im Bereich der Mathematik.
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Kants Logik und seine Transzendentalphilosophie
Hieraus ergibt sich, daß die formale Logik im Rahmen von Kants Philosophie keine selbständige Doktrin ist. Sie wird zwar von Kant als eine eigenständige Disziplin konzipiert, in ihrer Durchführung aber ist sie eingebettet in das System seiner Transzendentalphilosophie. Dies wird man bei dem Studium dessen, was Kant zur Logik zu sagen hat, stets vor Augen behalten müssen. Andererseits beansprucht Kant für die formale Logik einen Ort im Rahmen seiner Philosophie, der sie allen anderen philosophischen Disziplinen vorordnet. Dies wirkt sich jedenfalls in seiner Urteilstheorie so stark aus, daß es allgemein geboten scheint, beim Studium von Kants Transzendentalphilosophie auch seine formallogischen Bemerkungen zu Rate zu ziehen.
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Namenverzeichnis Adidces, E. 2 Aristoteles 69 Baumgarten, Α. 2 Bede, J . S. 56 Bede, L. W. 106 Carnap. R. 39 Descartes, R. 105 Frede, M. 4 Frege, G. 12, 27, 74, 80, 81, 88, 91, 92 f., 96 f. Fries, E. 3, 79, 88 Hoche, H.-U. 79 Hoppe, H. 47 Husserl, E. 11 Jäsdie, G. Β. 1 Kowalewski, Α. 16 Krüger, L. 4 Lehmann, G. 2 Leibniz, G. W. 75, 79
Lenk, H. 4 , 5 9 Marc-Wogau, K. 97 Mates, B. 4 0 , 4 2 Meier, G. F. 1, 2, 55, 57, 73, 75, 77, 78, 88, 90, 105 Nathan, J . 4 Paton, H. J . 59 Patzig, G. 11, 27, 69 Plaaß, P. 46 f., 48,98 Prauss, G. 3 , 2 9 , 5 1 , 5 9 Reich, Κ. 1 , 4 , 8 3 Reinhold, Κ. L. 98 Russell, Β. 14 Schneeberger, G. 68 Schräder, G. 84 Stegmüller, W. 40 Vuillemin, J . 79 Wolff, Ch. 55, 75 Wuchterl, Κ. 4 , 5 9 , 7 9
Sachverzeichnis D i e durch Kursivdruck hervorgehobenen Seitenzahlen verweisen auf besonders einschlägige Stellen zu den jeweiligen Stichwörtern Abgrenzung — der formalen von der transzendentalen Logik 52 f. —skriterium
44—46
Ableitbarkeit von Merkmalen analytische — 95, 99 synthetische — 95, 99 f . Adäquatheitsbedingungen
95
3 9 f.
Analytik formallogisdie — 11, 13, 20, 7 8 transzendentale — 20, 22, 29, 35, 5 0 Anschauung vs. Begriff Begriff
74—76,
allgemeiner —
7 6 f.
82 74—77,
78
— als Konjunktion von Merkmalen 96 f. — vs. Anschauung 76 f. gemachter vs. gegebener — (conceptas datus — conceptas factitius) 84—87 Inhalt eines — s 89 (reale) Möglichkeit eines — s 36—38 singulärer—
77—79,
88
Umfang eines — s 87, 88 Ursprung von — e n 84 f. Definieren, Definition 106 f. — im engeren Sinne 1 1 2 , 1 1 3 f. — von Begriffen a priori 109 f. — von empirischen Begriffen 107—109 — von gegebenen Begriffen 108 — von gemachten Begriffen 107 — von mathematischen Begriffen 111
Falschheit
26, 27, 29, 33 f., 41
Folgerungsklasse
15—18
Grand-Folge-Beziehung 44, 57, 64 f. — zwischen Merkmalen 94 f . Grundsätze — des reinen Verstandes 22 f., 28, 30, 36,42 dynamische — 16 f., 71 mathematische — 16 f., 23, 71 — möglicher empirischer Wissenschaft 4 4 ff., 49 Identität, Satz der Konstruktion mathematische — metaphysische — Konjunktion
68 17, 111 46 f., 4 8
57
Logik 5 allgemeine — 7, 13 — als normative Wissenschaft 11—13 angewandte — 7 f., 11 — des besonderen Verstandesgebrauchs 5, 9 formale—
13 f .
44, 4 6
Gewißheit logischer Gesetze
— und Ethik
Denkgesetze 11—13 s. a. Gesetze der Logik Dialektik, formallogisdie
Erkenntnis 19 Inhalt d e r — 5 0 mögliche — 2 4 objektiv gültige — 23 f., 42 verträgliche — 24 unverträgliche — 24
11
6 , 11,
14 f., 1 9 f., 3 6 ,
Gesetze der — 11—13 — und Psychologie 11
49—53
Sachverzeichnis
123
reine — 7 f.
Syllogismus 13, 62, 68 f.
transzendentale — 6, 19 f., 36, 49, 53
Tautologie 97
Logik der Wahrheit 20, 21—35, 43
Urteil 29, 32, 35 f., 42,55 allgemeines — 76 f., 80 f. — als aussagenlogische Verknüpfung 56 f. — als Verknüpfung von Begriffen 56 analytisches — 66, 97 besonderes ( = partikuläres) — 76 Definitionen des —s 55—59 disjunktives — 57 formallogischer —sbegriff 58 f. Geschmacks— 51 f., 59 hypothetisches — 57, 63 f. kategorisches — 57, 63 f. kontingentes — 34 f., 42 f. objektives — 22, 50 f., 58 f. singulares — 77, 80 f., 88 transzendentallogischer -sbegriff 58 f. verträgliches — 42, 48, 51 f.
Mathematik
18, U l f .
Merkmal 73 — als „Erkenntnisgrund" 89—91 diskursives — 73 diskursives — vs. intuitives — 93 — eines Begriffs 92, 96, 105 notwendiges ( = „wesentliches" ) — eines Begriffs 95, 102 zufälliges — eines Begriffs 95 Methodenlehre 9 allgemeine — 10 transzendentale — 9 f. Modell 40 f. —theorie (Semantik)
40f.
Möglichkeit 24,39,93 logische — 63 f., 66 f. reale — 66 f. — von Begriffen 24, 36—38 — von Urteilen 24 — von Wissenschaft 44 ff. Notwendigkeit 67, 93 bedingte — vs. unbedingte — 69 f. logische — 68, 70 transzendentallogische — 69 f. Paralogismus
13
Satz-Modell-Relation 40 f., 43 Schluß 62, 65, 67 Subjekt und Prädikat
81
Wahrheit 24—26, 29, 34 f. empirische — 32 f. formale ( = logische) — 61 f., 66 Korrespondenz— 27, 31, 33, 49 f., 61 —skriterium 25, 35, 65 transzendentale — 31—33, 51 Wesen logisches — 96, 102 reales — 97 f., 102 Widerspruch 37 f. 67 Satz vom — 61 f., 68 —sfreiheit 50 f., 62 f. Wissenschaft mögliche, empirische — 45 f., 49