Enuma Eli - Weg Zu Einer Globalen Weltordnung: Pragmatik, Struktur Und Semantik Des Lieds Auf Marduk 9783161528729, 9783161606014, 3161528727

English summary: The Marduk epic (Enuma Eli) is probably the most significant mythical text of Babylonian culture and te

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Table of contents :
Cover
Titel
Danksagung
Inhaltsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
1. Fragestellung – Gegenstand – Methodik
1.1. Fragestellung
1.1.1. Was diese Arbeit versucht zu leisten
1.1.2. Einbettung in die bisherige Forschung
1.1.3. Wozu diese Arbeit ein Komplement darstellt
1.2. Gegenstand
1.3. Methodik
1.3.1. Methodik der pragmatisch-extrarelationalen Untersuchung
1.3.2. Methodik der semantisch-textimmanenten Untersuchung
1.3.3. Technisches
2. Pragmatisch-extrarelationale Dimension des enūma eliš
2.1. Räumliche und zeitliche Herkunft der Textzeugen
2.1.1. Chronologisch-geographische Verteilung; Forschungsstand
2.1.2. Zuordnung auf Basis der Kolophone
2.1.3. Fundkontexte
2.1.4. Die räumliche und zeitliche Verortung – eine Zusammenschau
2.2. Die Verortung des Werkes
2.2.1. Verortung auf Basis der Kolophone
2.2.2. Verortung auf Basis der Fundkontexte
2.2.3. Verortung auf Basis des Epilogs
2.2.4. Zusammenfassung
2.3. Erörterung der Ergebnisse – Versuch einer Synthese
3. Struktur und Inhalt des enūma eliš
3.1. Umfang und Selbstbezeichnung
3.1.1. Umfang des Textes
3.1.2. Antike Titulatur und Selbstbezeichnung
3.2. Vorbemerkungen zur Gliederung des Textes
3.2.1. Forschungsstand
3.2.2. Indikatoren für Abschnittswechsel
3.3. Prolog (I 1–6)
3.4. Lärm vs. Ruhe (I 7–78)
3.4.1. Zäsur zwischen I 6 und I 7: Götter als neue Akteure
3.4.2. Entstehung der ersten Götter (I 7–20)
3.4.3. Kommentierung des Wechsels zwischen I 20 und I 21
3.4.4. Plan des Theozids (I 21–54)
3.4.5. Kommentierung des Wechsels zwischen I 54 und I 55
3.4.6. Eas Reaktion (I 55–78)
3.4.7. Zusammenfassung und Ausblick
3.5. Marduks Geburt und Vorzüglichkeit (I 79–104)
3.5.1. Zäsur zwischen I 78 und I 79: Marduk wird eingeführt
3.5.2. Marduks Geburt und Vorzüglichkeit (I 79–104)
3.5.3. Zusammenfassung und Ausblick
3.6. Eskalation (I 105–162)
3.6.1. Zäsur zwischen I 104 und I 105: Wiederaufnahme
3.6.2. Zweite Provokation (I 105–108)
3.6.3. Kommentierung des Wechsels zwischen I 108 und I 109
3.6.4. Tiāmtus Reaktion (I 109–162)
3.6.5. Zusammenfassung und Ausblick
3.7. Notlage der Anšar-Götter (II 1–126)
3.7.1. Zäsur zwischen I 162 und II 1ff.: Fokusverschiebung
3.7.2. Ea vor Anšar (II 1–70)
3.7.3. Kommentierung des Wechsels zwischen II 70 und II 71ff
3.7.4. Eas und Anus Scheitern (II 71–120)
3.7.5. Kommentierung des Wechsels zwischen II 120 und II 121
3.7.6. Verzweiflung (II 121–126)
3.7.7. Zusammenfassung und Ausblick
3.8. Marduk als Retter (II 127–162)
3.8.1. Zäsur zwischen II 126 und II 127: Marduk wird zentrale Gestalt
3.8.2. Eas als Mittler (II 127–134)
3.8.3. Kommentierung des Wechsels zwischen II 134 und II 135
3.8.4. Marduk vor Anšar (II 135–162)
3.8.5. Zusammenfassung und Ausblick
3.9. Kakas Sendung (III 1–128)
3.9.1. Zäsur zwischen II 162 und III 1: Textfokus folgt Kaka
3.9.2. Kakas Sendung (III 1–128)
3.9.3. Zusammenfassung und Ausblick
3.10. Marduks erste Erhöhung (III 129–IV 34)
3.10.1. Zäsur zwischen III 128 und III 129ff.: Große Götter
3.10.2. Zusammenkommen der Großen Götter (III 129–138)
3.10.3. Kommentierung des Wechsels zwischen III 138 und IV1
3.10.4. Ein Festsprechungsakt für Marduk (IV 1–18)
3.10.5. Kommentierung des Wechsels zwischen IV 18 und IV 19
3.10.6. Sternbilddemonstration und Sendung Marduks (IV 19–34)
3.10.7. Zusammenfassung und Ausblick
3.11. Marduks Kampf und Sieg gegen Tiāmtu (IV 35–134)
3.11.1. Zäsur zwischen IV 34 und IV 35: Marduk gewalttätig
3.11.2. Marduks Rüstung (IV 35–64)
3.11.3. Kommentierung des Wechsels zwischen IV 63f. und IV 65f
3.11.4. Zweikampf Marduk–Tiāmtu (IV 65–104)
3.11.5. Kommentierung des Wechsels zwischen IV 104 und IV 105
3.11.6. Gefangennahme der verbliebenen Feinde (IV 105–122)
3.11.7. Kommentierung des Wechsels zwischen IV 122 und IV 123
3.11.8. Siegesbotschaft (IV 123–134)
3.11.9. Zusammenfassung und Ausblick
3.12. Weltschöpfung (IV 135–V 76)
3.12.1. Zäsur zwischen IV 134 und IV 135: Marduk schöpferisch
3.12.2. Erschaffung der Grundstruktur (IV 135–146)
3.12.3. Kommentierung des Wechsels zwischen IV 146 und V 1
3.12.4. Astrale und zeitliche Ordnung (V 1–44?)
3.12.5. Kommentierung des Wechsels zwischen V 44(?) und V 45(?)
3.12.6. Gestaltung von Erdoberfläche und Atmosphäre (V 45?– V 66)
3.12.7. Kommentierung des Wechsels zwischen V 66 und V 67
3.12.8. Funktionale Zuweisungen (V 67–76)
3.12.9. Zusammenfassung und Ausblick
3.13. Zweite Erhöhung und zweiter Name (V 77–116)
3.13.1. Zäsur zwischen V 76 und V 77: Aktion durch Große Götter
3.13.2. Geschenke (V 77–84)
3.13.3. Kommentierung des Wechsels zwischen V 84 und V 85
3.13.4. Marduks zweite Erhöhung (V 85–116)
3.13.5. Zusammenfassung und Ausblick
3.14. Weitere Schöpfung: Mensch, Götterordnung, Babylon
3.14.1. Zäsur zwischen V 116 und V 117: Marduk schöpferisch
3.14.2. Idee Babylon (V 117–130)
3.14.3. Kommentierung des Wechsels zwischen V 130 und V 131
3.14.4. Götterdialog (V 131–158)
3.14.5. Kommentierung des Wechsels zwischen V 156 und VI 1
3.14.6. Menschenschöpfung (VI 1–34)
3.14.7. Kommentierung des Wechsels zwischen VI 34 und VI 39
3.14.8. Neuordnung der Götterwelt (VI 35–44)
3.14.9. Kommentierung des Wechsels zwischen VI 44 und VI 45
3.14.10. Erbauung Babylons (VI 45–69)
3.14.11. Zusammenfassung und Ausblick
3.15. Bestätigungen (VI 70–120)
3.15.1. Zäsur zwischen VI 69 und VI 70: Die Welt kommt zur Ruhe
3.15.2. Treueeid (VI 70–100)
3.15.3. Kommentierung des Wechsels zwischen VI 100 und VI 101
3.15.4. Name Asalluḫi (VI 101–120)
3.15.5. Zusammenfassung und Ausblick
3.16. Marduks 50+2 Namen (VI 121–VII 144)
3.16.1. Zäsur zwischen VI 120 und VI 121: Abgrenzende Rahmung
3.16.2. Die ersten neun der 50 Namen (VI 121–156)
3.16.3. Kommentierung des Wechsels zwischen VI 156 und VI 157
3.16.4. Aufforderung an die Götter (VI 157–166)
3.16.5. Kommentierung des Wechsels zwischen VI 166 und VII 1
3.16.6. Die folgenden 41 der 50 Namen (VII 1–134)
3.16.7. Kommentierung des Wechsels zwischen VII 134 und VII 135f
3.16.8. Zwei Namen durch Enlil und Ea (VII 135–142)
3.16.9. Kommentierung des Wechsels zwischen VII 142 und 143
3.16.10. Zwei Zeilen zum Abschluss (VII 143f.)
3.16.11. Zusammenfassung und Ausblick
3.17. Epilog (VII 145–162)
3.17.1. Zäsur zwischen VII 144 und VII 145: Metakommunikativ
3.17.2. Epilog (VII 145–162)
3.17.3. Zusammenfassung und Ausblick
3.18. Gliederung des Werkes – eine Zusammenfassung
3.18.1. Aufbau des enūma eliš
3.18.2. Ausblick: Beiträge zu einer altorient. Literaturwissenschaft
4. Die Komposition des enūma eliš
4.1. Die Parallelstruktur (I 7–VI 69)
4.1.1. Götterentstehung (I 7–20 und I 79–104)
4.1.2. Aufstörung & Plan der Göttervernichtung (I 21–54; I 105–162)
4.1.3. Gegenaktion der Anšar-Götter (I 55–70, 72–74; II 1–IV 134)
4.1.4. Welt(teil)schöpfung (I 76; IV 135–V 116)
4.1.5. Einrichtung einer Wohnstatt (I 71, 75–78; V 117–VI 69)
4.1.6. Zusammenfassung
4.2. Kompositorische Merkmale innerhalb der Parallelstruktur
4.2.1. Die erste Ringstruktur
4.2.2. Die zweite Ringstruktur
4.3. Die 50+2 Namen (VI 121–VII 144)
4.3.1. Vorbemerkung
4.3.2. Narrative Einbettung
4.3.3. Erzählschema & kompositorische Merkmale der Namensgebung
4.3.4. Zusammenfassung
4.4. Schwellenteil (VI 70–120)
4.4.1. Semant. Analyse des Schwellenteils & anaphorische Bezüge
4.4.2. Kataphorische Bezüge
4.4.3. Zusammenfassung
4.5. Die Komposition – Zusammenfassung und Ausblick
5. Festsprechung(sakt) (=šīmtu) und Name(nsgebung)
5.1. šīmtu – ‚Schicksal‘ als Festsprechung
5.1.1. Festsprechungsakte im Lied auf Marduk
5.1.2. Festsprechungsmacht
5.1.3. Zusammenfassung
5.2. Name(nsgebung)
5.2.1. Apsû
5.2.2. Babylon
5.2.3. Marduk I
5.2.4. Lugal-dimmer-an-kia I
5.2.5. Asalluḫi I
5.2.6. Die ersten neun Namen der 50+2 (Marduk II etc.)
5.2.7. Die 41 Namen Marduks
5.2.8. Bēl mātāti
5.2.9. Ea
5.2.10. Die drei Namen des Bogens
5.2.11. Zusammenfassung
5.3. Ontologie von Festsprechung(sakt) und Name(nsgebung)
5.3.1. Die Natur von šīmtu
5.3.2. Die Natur von Name und Namensgebung
5.3.3. Ein gemeinsames Modell für šīmtu und Name(nsgebung)
6. Aufstieg und Sukzession
6.1. Apsû als erster Götterherrscher
6.2. Apsûs Ermordung und die Nachfolgefrage
6.2.1. Regizid und Schisma
6.2.2. Kingu als Nachfolger
6.2.3. Anšar als Nachfolger
6.2.4. Die Konstellation vor Marduks Aufstieg
6.3. Marduk als letzter und ewiger Herrscher
6.3.1. Marduks Forderung
6.3.2. Marduks erste Erhöhung – Abschluss des Aufstiegsvertrags
6.3.3. Marduks zweite Erhöhung – Erfüllung des Aufstiegsvertrags
6.3.4. Marduks dritte Erhöhung – der ewige, bedingungslose Treueeid
6.3.5. Niederschrift und synkretistische Namensgebung
6.4. Zusammenfassung
7. Legitimation
7.1. Abstammung
7.1.1. Anfängliche Genealogie
7.1.2. Marduks erbrechtlicher Herrschaftsanspruch
7.2. Physische und geistige Eigenschaften
7.2.1. Qualitative Relation von Marduks Vorfahren
7.2.2. Marduks Qualitäten
7.2.3. Diskrepanz zwischen Status und Potential
7.3. Taten von Marduk
7.3.1. Aufstieg durch Taten anderer
7.3.2. Auftrag: Rettung der Götter
7.3.3. Auftrag: Versorgung der Götterheiligtümer
7.3.4. Auftrag: Göttersitze
7.3.5. Auftrag: Differenzierte Bestrafung
7.3.6. Zusammenfassung
7.4. Taten für Marduk – und ein Exkurs zu Thomas Hobbes‘ Leviathan
7.5. Zusammenfassung
7.6. Ausblick: Herrschaftsideologie
7.6.1. Fokussierung der Ergebnisse auf ideales Königtum
7.6.2. Zentralismus
7.6.3. Stabilität
8. Gesamtschau
8.1. Die Handlung des enūma eliš
8.1.1. ‚Horizontaler‘ und ‚vertikaler‘ Textteil
8.1.2. Die Themen der Parallelstruktur
8.1.3. Marduks Aufstieg zum Götterherrscher
8.2. Wirkdimensionen des enūma eliš
8.2.1. Handlungsanweisungen an religiöse Experten
8.2.2. Handlungsanweisungen an den babylonischen König
8.2.3. Handlungsanweisungen an die Menschheit allgemein
8.2.4. Installation und Legitimation Marduks als ewiger Herrscher
8.2.5. Reaktualisierung von Marduks absoluter Macht
8.2.6. Installation einer ewigen und friedlichen globalen Weltordnung
9. Ausblick
Ausblick
Textstellenverzeichnis
Textzeugenverzeichnis
Literaturverzeichnis
Stellenregister
Sach- und Namensregister
Lexemregister
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Orientalische Religionen in der Antike Ägypten, Israel, Alter Orient

Oriental Religions in Antiquity Egypt, Israel, Ancient Near East

(ORA) Herausgegeben von / Edited by Angelika Berlejung (Leipzig) Joachim Friedrich Quack (Heidelberg) Annette Zgoll (Göttingen)

12

Gösta Gabriel

enu¯ma eliš – Weg zu einer globalen Weltordnung Pragmatik, Struktur und Semantik des babylonischen „Lieds auf Marduk“

Mohr Siebeck

Gösta Gabriel, geboren 1979; Studium der Internationalen Betriebswirtschaftslehre, Philosophie, Alten Geschichte, Altorientalistik und Design Thinking in Malente, Chelmsford, Leipzig und Potsdam; 2013 Promotion im Fach Altorientalistik.

ISBN 978-3-16-152872-9 / eISBN 978-3-16-160601-4 unveränderte eBook-Ausgabe 2021 ISSN 1869-0513 (Orientalische Religionen in der Antike) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2014 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Großbuchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.

ma-ri-ú-tu ma-ri-ú-tu

Danksagung Spätestens seit der Debatte um die wissenschaftlichen Verfehlungen von Politikern in ihren Doktorarbeiten und den daraus resultierenden teils dramatischen karrieretechnischen Konsequenzen, wurde deutlich, wie wichtig es ist, all die Teile zu markieren, die nicht vom Autor der Arbeit zu verantworten sind. Insofern ist es nicht nur mein tiefstes innerstes Bedürfnis, sondern auch meine hehre Pflicht als Wissenschaftler, all jene zu nennen, denen ich die Entstehung dieser Arbeit zu verdanken habe. Wenn ich nun aber all jenen, den Umfang an Dank zukommen lassen würde, den sie verdient hätten, würde diese Danksagung länger werden, als die Arbeit selbst. Daher möchte ich mich bei allen für die erzwungene Kürze entschuldigen. Als erstes möchte ich mich bei mehreren Einrichtungen der Georg-August-Universität Göttingen bedanken. Das DFG-Graduiertenkolleg Götterbilder – Gottesbilder – Weltbilder gab mir durch ein Stipendium finanzielle Sicherheit und erweiterte durch die interdisziplinäre Zusammensetzung meinen wissenschaftlichen Horizont. Die Graduiertenschule für Geisteswissenschaften Göttingen (GSGG), das Lichtenbergkolleg und das Centrum Orbis Orientalis et Occidentalis (CORO) unterstützten die Teilnahme an wichtigen wissenschaftlichen Tagungen (v.a. Rencontre Assyriologique, Klausurtagungen des Collegium Mythologicum). Finanziert werden all diese Einrichtungen letzten Endes von den Steuerzahlern, so dass mein Dank auch diese mit einschließt. Dass ein solches Vorhaben wie das Meinige von der Gemeinschaft finanziert wird, ist nicht selbstverständlich und spricht für das vorherrschende Kulturverständnis. Außerdem möchte ich mich bei der Verwaltung der Universität bedanken, die stets kooperativ und hilfsbereit bei allen Anliegen agierte. Dies gilt insbesondere für Frau Kemmling, die durch ihre liebenswürdige Art das Seminar für Altorientalistik auch menschlich bereichert. Dies führt mich zweitens zu den vielen wertvollen Hinweisen, die ich von Kolleginnen und Kollegen erhalten habe. Brigitte Groneberg hat mich stets angetrieben, wenn die Motivation in der Anfangsphase nachlassen sollte. Durch die Gespräche mit Kai Lämmerhirt habe ich zu meiner Fragestellung und zu großen Teilen der Methodik gefunden. Ebenso verdanke ich dem Austausch mit Andrea Seri und Claus Ambos gute Hinweise zur Intertextualität bzw. zur kultischen Verortung des enūma eliš. Gleiches gilt für Janoscha Kreppner, durch den ich zu den Fundkontexten als Untersuchungsmaterial gekommen bin und der mich bei dessen Auswertung kritisch begleitet hat. Brit Kärger war mir eine mehr als hilfreiche Bürokollegin, mit Kerstin Maiwald teilte ich die Frage nach den Fundkontexten und Anja Merk versteht viel mehr von den der Methodik zugrundeliegenden Theorien als ich. Neben diesen fachlichen Hilfestellungen lebt meine Doktorarbeit zudem besonders von der herzli-

VIII

Danksagung

chen, offenen Atmosphäre am Seminar für Altorientalistik, die ich in dieser Form bisher noch nicht erlebt habe und die vermutlich einzigartig ist. Neben den (Fach)Kolleginnen und (Fach)Kollegen habe ich drittens auch von weiteren wertvollen Personen sehr viel Unterstützung erfahren. Als erstes möchte ich meinen Göttinger Freunden und den Schulfreunden aus Salemer Zeiten dafür danken, dass ich immer wieder den Kopf frei bekommen habe und ein Leben neben der Dissertation hatte. Besonders Anja Drebing hat mich durch viele Höhen und Tiefen begleitet und stand mir mit Rat und Tat zur Seite. Dasselbe gilt auch für Christoph Solveen, der mir immer den Kopf zurechtgerückt hat, wenn ich mal wieder Flausen im Kopf hatte. Schließlich gibt es noch meine kleine Schwester, Frauke Gabriel-Küster, die wahrscheinlich die einzige Person auf der Welt ist, die sich noch mehr als ich darüber freut, dass die Arbeit endlich fertig und veröffentlicht ist. Sie hatte immer die richtige Mischung parat aus einem offenen Ohr, klugen Ratschlägen und einem festen Tritt in den Hintern. Danken möchte ich auch viertens all den fleißigen Korrekturleserinnen und Korrekturlesern, die sich die Mühe gemacht haben, meine Ausführungen noch einmal durchzugehen, obwohl für manche von ihnen als vollkommen Fachfremde vieles vermutlich nur böhmische Dörfer waren: Brit Kärger, Esther Breitenkamp, Frauke Gabriel-Küster, Marina Josephs, Kerstin Maiwald, Janina Schaper, Julia Schaper, Christoph Solveen und Thimo von Stuckrad. Ebenso gebührt den Gutachtern und Prüfern meiner Promotion, Claus Ambos, Manfred Krebernik und Annette Zgoll Dank für die Mühe, die sie dafür auf sich genommen haben. Gleiches gilt auch fünftens für den Mohr Siebeck Verlag (in Person von Kendra Sopper, Matthias Spitzner und Henning Ziebritzki), der mich geduldig durch die Vorbereitung der Publikation begleitet hat. Dem Verlag möchte ich zusammen mit den Herausgeberinnen und dem Herausgeber der Reihe Orientalische Religionen in der Antike (ORA) Angelika Berlejung, Annette Zgoll und Joachim Quack dafür danken, dass sie meine erste Monographie in ihre Reihe aufgenommen haben. Ebenfalls danken möchte ich sechstens Christian Zgoll, der in unseren angeregten Gesprächen ein unglaubliches Talent gezeigt hat, den Finger immer genau auf den wunden Punkt zu legen. Durch seine kritischen Anmerkungen hat er meine Arbeit beflügelt, so dass die Ergebnisse eine Konsistenz erreicht haben, die sie ohne ihn nicht erlangt hätten. Der abschließende Dank gilt meiner Doktormutter, Annette Zgoll. Durch ihre tiefe Begeisterung für die Altorientalistik hat sie mich davon überzeugt, nicht nur in das Fach zurückzukehren, sondern auch eine Promotion anzustreben – und diese schlussendlich auch abzuschließen. Darüber hinaus hat sie sich stets für finanzielle Mittel engagiert, so dass ich mich voll auf meine Dissertation konzentrieren konnte. Schließlich stand sie mir immer fachlich wie auch persönlich zur Seite und gab mir den Freiraum, meine eigenen (Irr-)Wege zu gehen. Dadurch kam ich akademisch weiter als durch strikte Vorgaben. Das Ergebnis einer Promotionsphase zeigt sich nicht nur in der Dissertation, sondern auch in der gereifteren Person des Promovenden selbst. Auch für diese Entwicklung bin ich Annette Zgoll überaus dankbar.

Danksagung

IX

All diesen Personen möchte ich für das entgegengebrachte Vertrauen danken und ich hoffe, ein wenig davon durch diese Dissertation und ihre Veröffentlichung zurückgeben zu können.

Inhaltsverzeichnis Einleitung ............................................................................................................... 1

1. Fragestellung – Gegenstand – Methodik 1.1. Fragestellung ................................................................................................. 7 1.1.1. Was diese Arbeit versucht zu leisten.......................................................... 7 1.1.2. Einbettung in die bisherige Forschung ....................................................... 8 1.1.3. Wozu diese Arbeit ein Komplement darstellt ............................................ 9 1.2. Gegenstand .................................................................................................. 12 1.3. Methodik ...................................................................................................... 13 1.3.1. Methodik der pragmatisch-extrarelationalen Untersuchung .................... 14 1.3.2. Methodik der semantisch-textimmanenten Untersuchung ....................... 16 1.3.3. Technisches .............................................................................................. 25

2. Pragmatisch-extrarelationale Dimension des enūma eliš 2.1. Räumliche und zeitliche Herkunft der Textzeugen ........................................ 29 2.1.1. 2.1.2. 2.1.3. 2.1.4.

Chronologisch-geographische Verteilung; Forschungsstand .............. 30 Zuordnung auf Basis der Kolophone ................................................. 36 Fundkontexte .................................................................................... 40 Die räumliche und zeitliche Verortung – eine Zusammenschau ......... 69

2.2. Die Verortung des Werkes ............................................................................ 70 2.2.1. 2.2.2. 2.2.3. 2.2.4.

Verortung auf Basis der Kolophone ................................................... 72 Verortung auf Basis der Fundkontexte............................................... 77 Verortung auf Basis des Epilogs ........................................................ 81 Zusammenfassung ........................................................................... 101

2.3. Erörterung der Ergebnisse – Versuch einer Synthese ................................. 101

XII

Inhaltsverzeichnis

3. Struktur und Inhalt des enūma eliš 3.1. Umfang und Selbstbezeichnung .................................................................. 107 3.1.1. 3.1.2.

Umfang des Textes........................................................................ 107 Antike Titulatur und Selbstbezeichnung ........................................ 108

3.2. Vorbemerkungen zur Gliederung des Textes ............................................... 111 3.2.1. 3.2.2.

Forschungsstand............................................................................ 111 Indikatoren für Abschnittswechsel ................................................ 115

3.3. Prolog (I 1–6) ............................................................................................ 116 3.4. Lärm vs. Ruhe (I 7–78) ............................................................................... 118 3.4.1. 3.4.2. 3.4.3. 3.4.4. 3.4.5. 3.4.6. 3.4.7.

Zäsur zwischen I 6 und I 7: Götter als neue Akteure...................... 118 Entstehung der ersten Götter (I 7–20) ............................................ 118 Kommentierung des Wechsels zwischen I 20 und I 21 .................. 119 Plan des Theozids (I 21–54) .......................................................... 120 Kommentierung des Wechsels zwischen I 54 und I 55 .................. 120 Eas Reaktion (I 55–78).................................................................. 121 Zusammenfassung und Ausblick ................................................... 121

3.5. Marduks Geburt und Vorzüglichkeit (I 79–104).......................................... 124 3.5.1. 3.5.2. 3.5.3.

Zäsur zwischen I 78 und I 79: Marduk wird eingeführt ................. 124 Marduks Geburt und Vorzüglichkeit (I 79–104) ............................ 125 Zusammenfassung und Ausblick ................................................... 126

3.6. Eskalation (I 105–162) ............................................................................... 126 3.6.1. 3.6.2. 3.6.3. 3.6.4. 3.6.5.

Zäsur zwischen I 104 und I 105: Wiederaufnahme ........................ 126 Zweite Provokation (I 105–108) .................................................... 126 Kommentierung des Wechsels zwischen I 108 und I 109 .............. 127 Tiāmtus Reaktion (I 109–162) ....................................................... 127 Zusammenfassung und Ausblick ................................................... 130

3.7. Notlage der Anšar-Götter (II 1–126) .......................................................... 130 3.7.1. 3.7.2. 3.7.3. 3.7.4. 3.7.5. 3.7.6. 3.7.7.

Zäsur zwischen I 162 und II 1ff.: Fokusverschiebung .................... 130 Ea vor Anšar (II 1–70) .................................................................. 131 Kommentierung des Wechsels zwischen II 70 und II 71ff. ............ 131 Eas und Anus Scheitern (II 71–120) .............................................. 132 Kommentierung des Wechsels zwischen II 120 und II 121 ............ 133 Verzweiflung (II 121–126) ............................................................ 134 Zusammenfassung und Ausblick ................................................... 134

3.8. Marduk als Retter (II 127–162) .................................................................. 135 3.8.1. 3.8.2. 3.8.3.

Zäsur zwischen II 126 und II 127: Marduk wird zentrale Gestalt ... 135 Eas als Mittler (II 127–134) .......................................................... 135 Kommentierung des Wechsels zwischen II 134 und II 135 ............ 135

Inhaltsverzeichnis

3.8.4. 3.8.5.

XIII

Marduk vor Anšar (II 135–162) .................................................... 136 Zusammenfassung und Ausblick ................................................... 138

3.9. Kakas Sendung (III 1–128) ......................................................................... 138 3.9.1. 3.9.2. 3.9.3.

Zäsur zwischen II 162 und III 1: Textfokus folgt Kaka.................. 138 Kakas Sendung (III 1–128) ........................................................... 138 Zusammenfassung und Ausblick ................................................... 139

3.10. Marduks erste Erhöhung (III 129–IV 34).................................................... 140 3.10.1. 3.10.2. 3.10.3. 3.10.4. 3.10.5. 3.10.6. 3.10.7.

Zäsur zwischen III 128 und III 129ff.: Große Götter ..................... 140 Zusammenkommen der Großen Götter (III 129–138) .................... 140 Kommentierung des Wechsels zwischen III 138 und IV1 .............. 141 Ein Festsprechungsakt für Marduk (IV 1–18) ................................ 141 Kommentierung des Wechsels zwischen IV 18 und IV 19 ............. 143 Sternbilddemonstration und Sendung Marduks (IV 19–34) ........... 143 Zusammenfassung und Ausblick ................................................... 144

3.11. Marduks Kampf und Sieg gegen Tiāmtu (IV 35–134) .................................. 144 3.11.1. 3.11.2. 3.11.3. 3.11.4. 3.11.5. 3.11.6. 3.11.7. 3.11.8. 3.11.9.

Zäsur zwischen IV 34 und IV 35: Marduk gewalttätig ................... 144 Marduks Rüstung (IV 35–64) ........................................................ 145 Kommentierung des Wechsels zwischen IV 63f. und IV 65f. ........ 145 Zweikampf Marduk–Tiāmtu (IV 65–104)...................................... 146 Kommentierung des Wechsels zwischen IV 104 und IV 105 ......... 147 Gefangennahme der verbliebenen Feinde (IV 105–122) ................ 148 Kommentierung des Wechsels zwischen IV 122 und IV 123 ......... 149 Siegesbotschaft (IV 123–134) ....................................................... 149 Zusammenfassung und Ausblick ................................................... 149

3.12. Weltschöpfung (IV 135–V 76) ..................................................................... 150 3.12.1. 3.12.2. 3.12.3. 3.12.4. 3.12.5. 3.12.6. 3.12.7. 3.12.8. 3.12.9.

Zäsur zwischen IV 134 und IV 135: Marduk schöpferisch............. 150 Erschaffung der Grundstruktur (IV 135–146) ................................ 150 Kommentierung des Wechsels zwischen IV 146 und V 1 .............. 152 Astrale und zeitliche Ordnung (V 1–44?) ...................................... 152 Kommentierung des Wechsels zwischen V 44(?) und V 45(?) ....... 154 Gestaltung von Erdoberfläche und Atmosphäre (V 45?– V 66) ..... 154 Kommentierung des Wechsels zwischen V 66 und V 67 ............... 155 Funktionale Zuweisungen (V 67–76)............................................. 155 Zusammenfassung und Ausblick ................................................... 156

3.13. Zweite Erhöhung und zweiter Name (V 77–116) ......................................... 157 3.13.1. 3.13.2. 3.13.3. 3.13.4. 3.13.5.

Zäsur zwischen V 76 und V 77: Aktion durch Große Götter .......... 157 Geschenke (V 77–84) .................................................................... 158 Kommentierung des Wechsels zwischen V 84 und V 85 ............... 158 Marduks zweite Erhöhung (V 85–116) .......................................... 158 Zusammenfassung und Ausblick ................................................... 159

XIV

Inhaltsverzeichnis

3.14. Weitere Schöpfung: Mensch, Götterordnung, Babylon ............................... 160 3.14.1. Zäsur zwischen V 116 und V 117: Marduk schöpferisch ............... 160 3.14.2. Idee Babylon (V 117–130) ............................................................ 160 3.14.3. Kommentierung des Wechsels zwischen V 130 und V 131 ............ 161 3.14.4. Götterdialog (V 131–158) ............................................................. 162 3.14.5. Kommentierung des Wechsels zwischen V 156 und VI 1 .............. 165 3.14.6. Menschenschöpfung (VI 1–34) ..................................................... 165 3.14.7. Kommentierung des Wechsels zwischen VI 34 und VI 39 ............. 166 3.14.8. Neuordnung der Götterwelt (VI 35–44) ......................................... 167 3.14.9. Kommentierung des Wechsels zwischen VI 44 und VI 45 ............. 167 3.14.10. Erbauung Babylons (VI 45–69) ..................................................... 167 3.14.11. Zusammenfassung und Ausblick ................................................... 168 3.15. Bestätigungen (VI 70–120) ......................................................................... 169 3.15.1. 3.15.2. 3.15.3. 3.15.4. 3.15.5.

Zäsur zwischen VI 69 und VI 70: Die Welt kommt zur Ruhe ........ 169 Treueeid (VI 70–100) .................................................................... 169 Kommentierung des Wechsels zwischen VI 100 und VI 101 ......... 169 Name Asalluḫi (VI 101–120) ........................................................ 170 Zusammenfassung und Ausblick ................................................... 170

3.16. Marduks 50+2 Namen (VI 121–VII 144) .................................................... 170 3.16.1. Zäsur zwischen VI 120 und VI 121: Abgrenzende Rahmung ......... 170 3.16.2. Die ersten neun der 50 Namen (VI 121–156) ................................ 172 3.16.3. Kommentierung des Wechsels zwischen VI 156 und VI 157 ......... 173 3.16.4. Aufforderung an die Götter (VI 157–166) ..................................... 173 3.16.5. Kommentierung des Wechsels zwischen VI 166 und VII 1............ 173 3.16.6. Die folgenden 41 der 50 Namen (VII 1–134)................................. 173 3.16.7. Kommentierung des Wechsels zwischen VII 134 und VII 135f. .... 174 3.16.8. Zwei Namen durch Enlil und Ea (VII 135–142) ............................ 174 3.16.9. Kommentierung des Wechsels zwischen VII 142 und 143 ............. 174 3.16.10. Zwei Zeilen zum Abschluss (VII 143f.) ........................................ 175 3.16.11. Zusammenfassung und Ausblick ................................................... 175 3.17. Epilog (VII 145–162) ................................................................................. 176 3.17.1. Zäsur zwischen VII 144 und VII 145: Metakommunikativ ............ 176 3.17.2. Epilog (VII 145–162) .................................................................... 176 3.17.3. Zusammenfassung und Ausblick ................................................... 176 3.18. Gliederung des Werkes – eine Zusammenfassung ....................................... 177 3.18.1. Aufbau des enūma eliš .................................................................. 177 3.18.2. Ausblick: Beiträge zu einer altorient. Literaturwissenschaft .......... 178

Inhaltsverzeichnis

XV

4. Die Komposition des enūma eliš 4.1. Die Parallelstruktur (I 7–VI 69) ................................................................. 182 4.1.1. 4.1.2. 4.1.3. 4.1.4. 4.1.5. 4.1.6.

Götterentstehung (I 7–20 und I 79–104) ........................................ 184 Aufstörung & Plan der Göttervernichtung (I 21–54; I 105–162) .... 186 Gegenaktion der Anšar-Götter (I 55–70, 72–74; II 1–IV 134) ....... 187 Welt(teil)schöpfung (I 76; IV 135–V 116) .................................... 190 Einrichtung einer Wohnstatt (I 71, 75–78; V 117–VI 69) .............. 192 Zusammenfassung ......................................................................... 195

4.2. Kompositorische Merkmale innerhalb der Parallelstruktur ........................ 197 4.2.1. 4.2.2.

Die erste Ringstruktur ................................................................... 198 Die zweite Ringstruktur ................................................................ 200

4.3. Die 50+2 Namen (VI 121–VII 144) ............................................................ 218 4.3.1. 4.3.2. 4.3.3. 4.3.4.

Vorbemerkung .............................................................................. 218 Narrative Einbettung ..................................................................... 219 Erzählschema & kompositorische Merkmale der Namensgebung. . 223 Zusammenfassung ......................................................................... 231

4.4. Schwellenteil (VI 70–120) .......................................................................... 231 4.4.1. 4.4.2. 4.4.3.

Semant. Analyse des Schwellenteils & anaphorische Bezüge ........ 232 Kataphorische Bezüge ................................................................... 241 Zusammenfassung ......................................................................... 244

4.5. Die Komposition – Zusammenfassung und Ausblick ................................... 245

5. Festsprechung(sakt) (=šīmtu) und Name(nsgebung) 5.1. šīmtu – ‚Schicksal‘ als Festsprechung ........................................................ 249 5.1.1. 5.1.2. 5.1.3.

Festsprechungsakte im Lied auf Marduk ....................................... 251 Festsprechungsmacht .................................................................... 258 Zusammenfassung ......................................................................... 267

5.2. Name(nsgebung) ........................................................................................ 268 5.2.1. 5.2.2. 5.2.3. 5.2.4. 5.2.5. 5.2.6. 5.2.7. 5.2.8. 5.2.9.

Apsû ............................................................................................. 272 Babylon ........................................................................................ 273 Marduk I ....................................................................................... 276 Lugal-dimmer-an-kia I .................................................................. 279 Asalluḫi I ...................................................................................... 281 Die ersten neun Namen der 50+2 (Marduk II etc.) ......................... 288 Die 41 Namen Marduks ................................................................ 293 Bēl mātāti ..................................................................................... 294 Ea ................................................................................................. 297

XVI

Inhaltsverzeichnis

5.2.10. Die drei Namen des Bogens .......................................................... 299 5.2.11. Zusammenfassung ......................................................................... 306 5.3. Ontologie von Festsprechung(sakt) und Name(nsgebung) .......................... 307 5.3.1. 5.3.2. 5.3.3.

Die Natur von šīmtu ...................................................................... 307 Die Natur von Name und Namensgebung ...................................... 309 Ein gemeinsames Modell für šīmtu und Name(nsgebung) ............. 312

6. Aufstieg und Sukzession 6.1. Apsû als erster Götterherrscher ................................................................. 317 6.2. Apsûs Ermordung und die Nachfolgefrage ................................................. 320 6.2.1. 6.2.2. 6.2.3. 6.2.4.

Regizid und Schisma ..................................................................... 320 Kingu als Nachfolger .................................................................... 321 Anšar als Nachfolger ..................................................................... 323 Die Konstellation vor Marduks Aufstieg ....................................... 328

6.3. Marduk als letzter und ewiger Herrscher ................................................... 328 6.3.1. 6.3.2. 6.3.3. 6.3.4. 6.3.5.

Marduks Forderung ....................................................................... 329 Marduks erste Erhöhung – Abschluss des Aufstiegsvertrags ......... 332 Marduks zweite Erhöhung – Erfüllung des Aufstiegsvertrags ........ 340 Marduks dritte Erhöhung – der ewige, bedingungslose Treueeid ... 345 Niederschrift und synkretistische Namensgebung .......................... 349

6.4. Zusammenfassung ...................................................................................... 352

7. Legitimation 7.1. Abstammung............................................................................................... 357 7.1.1. 7.1.2.

Anfängliche Genealogie ................................................................ 357 Marduks erbrechtlicher Herrschaftsanspruch ................................. 358

7.2. Physische und geistige Eigenschaften ......................................................... 360 7.2.1. 7.2.2. 7.2.3.

Qualitative Relation von Marduks Vorfahren ................................ 360 Marduks Qualitäten ....................................................................... 361 Diskrepanz zwischen Status und Potential ..................................... 363

7.3. Taten von Marduk ...................................................................................... 363 7.3.1. 7.3.2. 7.3.3. 7.3.4. 7.3.5.

Aufstieg durch Taten anderer ........................................................ 364 Auftrag: Rettung der Götter .......................................................... 364 Auftrag: Versorgung der Götterheiligtümer ................................... 367 Auftrag: Göttersitze ...................................................................... 368 Auftrag: Differenzierte Bestrafung ................................................ 369

Inhaltsverzeichnis

7.3.6.

XVII

Zusammenfassung ......................................................................... 371

7.4. Taten für Marduk – und ein Exkurs zu Thomas Hobbes‘ Leviathan ............ 374 7.5. Zusammenfassung ...................................................................................... 380 7.6. Ausblick: Herrschaftsideologie .................................................................. 382 7.6.1. 7.6.2. 7.6.3.

Fokussierung der Ergebnisse auf ideales Königtum ....................... 382 Zentralismus ................................................................................. 384 Stabilität ....................................................................................... 386

8. Gesamtschau 8.1. Die Handlung des enūma eliš ..................................................................... 393 8.1.1. 8.1.2. 8.1.3.

‚Horizontaler‘ und ‚vertikaler‘ Textteil ......................................... 393 Die Themen der Parallelstruktur .................................................... 395 Marduks Aufstieg zum Götterherrscher ......................................... 397

8.2. Wirkdimensionen des enūma eliš ................................................................ 401 8.2.1. 8.2.2. 8.2.3. 8.2.4. 8.2.5. 8.2.6.

Handlungsanweisungen an religiöse Experten ............................... 402 Handlungsanweisungen an den babylonischen König .................... 403 Handlungsanweisungen an die Menschheit allgemein ................... 405 Installation und Legitimation Marduks als ewiger Herrscher ......... 406 Reaktualisierung von Marduks absoluter Macht ............................ 410 Installation einer ewigen und friedlichen globalen Weltordnung ... 410

9. Ausblick Ausblick

....................................................................................................... 413

Textstellenverzeichnis......................................................................................... 419 Textzeugenverzeichnis ........................................................................................ 448 Literaturverzeichnis ............................................................................................ 488 Stellenregister ..................................................................................................... 505 Sach- und Namensregister ................................................................................... 508 Lexemregister ..................................................................................................... 522

Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Textzeugen des enūma eliš ........................................................................................ 31 Tabelle 2: Textzeugen gruppiert nach Fundort ............................................................................ 33 Tabelle 3: Textzeugen mit Kolophonen ...................................................................................... 37 Tabelle 4: Textzeugen mit Fundkontex ....................................................................................... 40 Tabelle 5: Kategorien der Fundsituation ..................................................................................... 44 Tabelle 6: Fundkategorie und Fundumfeld.................................................................................. 64 Tabelle 7: Datierung anhand der Fundkontexte ........................................................................... 67 Tabelle 8: Vertretene Tafeln des Werkes an den Fundorten......................................................... 68 Tabelle 9: Textzeugen mit Kolophonen (= Tabelle 3) ................................................................. 72 Tabelle 10: Der Zeilenumfang der sieben Tafeln des enūma eliš ..................................................107 Tabelle 11: Die ersten neun Namen Marduks ..............................................................................172 Tabelle 12: Die Untergliederung des enūma eliš ..........................................................................177 Tabelle 13: Maßnahmen gegen Apsû bzw. Tiāmtu .......................................................................189 Tabelle 14: Das Schema der Parallelstruktur ...............................................................................196 Tabelle 15: Bezüge zwischen Anfang und Ende des 1. Rings .......................................................203 Tabelle 16: Bezüge zwischen Anfang und Ende des 2. Rings .......................................................206 Tabelle 17: Semantische Dichte des Kerns (ohne Teleologie) ......................................................210 Tabelle 18: Marduks 50 Namen ..................................................................................................225 Tabelle 19: Handlungsträger und Adressaten von Festsprechungsakten ........................................252 Tabelle 20: Handlungsträger und Adressaten von Namensgebungen ............................................268 Tabelle 21: Namen und ihre Ausdeutung jenseits der 50+2 Namen ..............................................310 Tabelle 22: Erhöhungsford. Marduks & Kriterien eines Festsprechungsaktes ...............................331 Tabelle 23: Struktur der zweiten Hälfte der Götterrede (IV 11–18) ..............................................336 Tabelle 24: Pflichten von Anšar-Göttern und Marduk ..................................................................336 Tabelle 25: Forderungen der Götter und ihre Erfüllung durch Marduk .........................................345 Tabelle 26: Legitimationskriterien im enūma eliš ........................................................................357 Tabelle 27: Qualitätssteigerung und Zeilenzahl ...........................................................................361

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Rezeption im griechisch-römischen Kulturraum. ................................................... 11 Abbildung 2: Aspekte eines Keilschriftzeichens. ........................................................................ 23 Abbildung 3: Verteilung der Textzeugenfunde in Mesopotamien ................................................ 32 Quelle der Kartenvorlage: Kraeling, C. H.; Adams, R. M. (1958): City Invincible. A Symposium on Urbanization and Cultural Development in the Ancient Near East. Held at the Oriental Institute of the University of Chicago. December 4-7 1958. Abbildung 4: Zeitliche Spannweiten nach Fundkontexten ........................................................... 66 Abbildung 5: 1. Ringstruktur innerhalb der Parallelstruktur .......................................................198 Abbildung 6: Zweck-Mittel-Relation in der zweiten Ringstruktur ..............................................218 Abbildung 7: Schematischer Aufbau des enūma eliš ..................................................................247 Abbildung 8: Gemeinsame Ontologie von šīmtu und Name .......................................................315 Abbildung 9: Marduks Aufstieg zum ewigen Götterherrscher (ohne 50 Namen) .........................353 Abbildung 10: Begründung von Marduks Legitimität ..................................................................381 Abbildung 11: ‚Horizontaler‘ und ‚vertikaler‘ Textteil ................................................................394 Abbildung 12: Der Weg zur Pax Mardukiana auf menschlicher Ebene ........................................412

Abkürzungsverzeichnis AfO AfO Beiheft AnOr AnSt AOAT AoF BagM BagM Beiheft BiMes BiOr BPOA BWL CAD CDA CDLI CT 13 CT 19 CT 34 CTN CTN 4 CUSAS EG FARG GAG HSAO HSS HSSt Iraq Islamica JANES JCS JNES JSS

Archiv für Orientforschung. Zeitschrift Archiv für Orientforschung. Beiheft. Reihe Analecta Orientalia. Reihe Anatolian Studies. Zeitschrift Alter Orient und Altes Testament. Reihe Archiv für Orientforschung. Zeitschrift Baghdader Mitteilungen. Zeitschrift Baghdader Mitteilungen. Beiheft. Reihe Bibliotheca Mesopotamica. Reihe Bibliotheca Orientalis. Zeitschrift Biblioteca del Próximo Oriente Antiguo. Reihe Babylonian Wisdom Literature. = LAMBERT 1996 The Assyrian Dictionary of the Oriental Institute of the University of Chicago. Chicago. Erschienen von 1956–2010 A Concise Dictionary of Akkadian. 2nd (corrected) printing. SANTAG – Arbeiten und Untersuchungen zur Keilschriftkunde 5. Wiesbaden 2007 Cuneiform Digital Library Initiative. http://cdli.ucla.edu/, letzter Zugriff am 25.03.2013 Cuneiform texts from Babylonian tablets in the British Museum. Part 13. = BRITISH MUSEUM 1901 Cuneiform texts from Babylonian tablets in the British Museum. Part 19. = BRITISH MUSEUM 1904 Cuneiform texts from Babylonian tablets in the British Museum. Part 34. = BRITISH MUSEUM 1914 Cuneiform texts from Nimrud. Reihe Cuneiform texts from Nimrud. Vol. 4 = WISEMAN, BLACK 1996 Cornell University Studies in Assyriology and Sumeriology. Reihe The Epic of Gilgamish = THOMPSON 1930 Forschungen zur Anthropologie und Religionsgeschichte. Reihe Soden, Wolfram von (1995): Grundriss der Akkadischen Grammatik. 3., ergänzte Auflage. AnOr 33. Rom Heidelberger Studien zum Alten Orient. Reihe Harvard Semitic Series. Zeitschrift Harvard Semitic Studies. Reihe Zeitschrift Zeitschrift Journal of the Ancient Near Eastern Society. Zeitschrift Journal of Cuneiform Studies. Zeitschrift Journal of Near Eastern Studies. Zeitschrift Journal of Semitic Studies. Zeitschrift

Abkürzungsverzeichnis JThSt NS KAR LKA LKU LThK MARI MC MDOG MSL 12 N 2, N3, N7 N.A.B.U. N.A.B.U. 87/70 N.A.B.U. 87/100 OBO OECT 6 OECT 11 OIP OLA OLP OLZ ORA Orient OrNS Persika PIHANS RA RlA SAA SAACT SAAS Saeculum SANE SCIAMVS STC I STC II StSem STT I STT II Sumer TBC TCL TUAT

XXI

Journal of Theological Studies, New Series. Zeitschrift Keilschrifttexte aus Assur religiösen Inhalts I (=EBELING 1919). Keilschrifttexte aus Assur religiösen Inhalts II (=EBELING 1923) Literarische Keilschrifttexte aus Assur. = EBELING 1953 Literarische Keilschrifttexte aus Uruk. = FALKENSTEIN 1979 Lexikon für Theologie und Kirche. Enzyklopädie MARI. Annales de Recherches Interdisciplinaires. Reihe Mesopotamian Civilizations. Reihe Mitteilungen der Deutschen Orient-Gesellschaft zu Berlin. Zeitschrift Materialien zum sumerischen Lexikon. Band 12. = CIVIL 1969 Kennzeichnung von ausgegrabenen Bibliotheken/Archiven in Assur (siehe PEDERSÉN 1985, S. 19–23 und § 2.1.3.1. Anm. 47) Nouvelles assyriologiques brèves et utilitaires. Zeitschrift = VANSTIPHOUT 1987a = LAMBERT 1987b Orbis Biblicus et Orientalis. Reihe Oxford Editions of Cuneiform Texts. Vol. 6. = LANGDON 1927 Oxford Editions of Cuneiform Texts. Vol. 11. = GURNEY 1989 The University of Chicago Oriental Institute Publications. Reihe Orientalia Lovaniensia Analecta. Reihe Orientalia Lovaniensia Periodica. Zeitschrift Orientalistische Literaturzeitung. Zeitschrift Orientalische Religionen in der Antike. Reihe Orient. The Reports of the Society for Near Eastern Studies in Japan. Zeitschrift Orientalia Nova Series. Zeitschrift Zeitschrift Publications de l'Institut Historique et Archéologique Néerlandais de Stamboul. Reihe Revue d’Assyriologie et d’Archéologie Orientale. Zeitschrift Reallexikon der Assyriologie und Vorderasiatischen Archäologie. Enzyklopädie State Archives of Assyria. Reihe State Archives of Assyria. Cuneiform Texts. Reihe State Archives of Assyria Studies. Reihe Saeculum. Jahrbuch für Universalgeschichte. Zeitschrift. Sources from the Ancient Near East. Reihe Sources and Commentaries in Exact Sciences. Zeitschrift The Seven Tablets of Creation. Vol. I. = KING 1902a The Seven Tablets of Creation. Vol. II. = KING 1902b Studi Semitici. Reihe The Sultantepe Tablets I. = GURNEY, FINKELSTEIN 1957 The Sultantepe Tablets II. = GURNEY, FINKELSTEIN 1964 Zeitschrift Texts from the Babylonian Collection. Reihe Textes cuneiforms. Musée du Louvre, Département des Antiquités Orientales. Siehe auch CDLI Texte aus der Umwelt des Alten Testaments. Reihe

XXII WdO WDVOG ZA

Abkürzungsverzeichnis Welt des Orients. Zeitschrift Wissenschaftliche Veröffentlichungen der Deutschen Orient-Gesellschaft. Reihe Zeitschrift für Assyriologie und Vorderasiatische Archäologie. Zeitschrift

Einleitung „Some explanation is necessary in introducing my present work. Little time has elapsed since I discovered the most important of these inscriptions, and in the intervening period I have had, amidst other work, to collect the various fragments of the legends, copy, compare, and translate, altering my matter from time to time, as new fragments turned up. Even now I have gone to press with one of the fragments of the last tablet of the Izdubar1 series omitted. The present condition of the legends and their recent discovery alike forbid me to call this anything more than a provisional work; but there was so general a desire to see the translations that I have published them, hoping my readers will take them with the same reserve with which I have given them. I have avoided some of the most important comparisons and conclusions with respect to Genesis, as my desire was first to obtain the recognition of the evidence without prejudice.“ (SMITH 1876, S. vii)

Als George Smith im Jahr 1876 die ersten Fragmente des enūma eliš publizierte, ist seine Euphorie in seinen ersten Sätzen fast mit Händen zu greifen. Obwohl sich seine Forschung noch in einem unfertigen Zustand befindet, will er nicht länger warten und der Öffentlichkeit die ersten Ergebnisse zukommen zu lassen. Zu sehr ist er von den Texten begeistert. Der Autor der vorliegenden Untersuchung ist ebenfalls der Faszination eines altorientalischen Textes erlegen, auch wenn er – auch aus prüfungsrechtlichen Gründen – mit der Veröffentlichung seiner Ergebnisse bis zur Vollendung der Arbeit gewartet hat.

Faszination und Bedeutung der altorientalischen Texte Durch seine erste Lektüre der ihm vorliegenden Fragmente konnte George Smith bereits deren Bedeutung für die Bibelwissenschaften erahnen, weshalb er auch die verschiedenen altorientalischen Werke (u.a. Gilgameš und enūma eliš) unter dem Titel The Chaldean Account of Genesis publizierte. Hier offenbarte sich eine verloren gegangene Kultur, die nun auf einmal wieder greifbar wurde. Ihre Faszination lag für George Smith darin begründet, dass sie zum einen älter ist als die Bibel und zum anderen bereits biblische Motive wie die Sintflut kennt. Der modernen westlichen Welt offenbarten sich damit auf einmal potentielle literarische Ursprünge eines ihrer wichtigsten Bücher. Als George Smith die Tontafeln las, wurde ihm die Tragweite der Texte bewusst, so dass er mit der Veröffentlichung nicht länger warten konnte und wollte. 1

Dabei handelt es sich um eine alte Wiedergabe des Namens Gilgameš.

2

Einleitung

Das Erschütterungspotential, das in diesen Entdeckungen lag, offenbarte sich am Anfang des 20. Jahrhunderts im sogenannten Babel-Bibel-Streit, der 1902 vom Altorientalisten Friedrich Delitzsch angestoßen wurde. In einem Vortrag der Deutschen Orient-Gesellschaft unter anderem vor Kaiser Wilhelm II. präsentierte er zwar keine neuen Erkenntnisse, doch zeichnete er ein Bild davon, „was die Ausgrabungen in Babylonien-Assyrien für Geschichte und Fortschritt der Menschheit bedeuten“ (DELITZSCH 1921, S. 50), womit er seine Wissenschaft in einen gesellschaftlichen und religiösen Kontext stellte (LEHMANN 1999, S. 512). Die Reaktionen auf seinen Vortrag umfassten nicht nur die gelehrte, akademische (insbesondere: theologische) Welt, sondern reichten auch weit hinein in die Gesellschaft, was sich schließlich in populären Karikaturen über die Protagonisten dieses Streits niederschlug (SCHIPPER 2008, S. 226). Ein offener Brief des Kaisers beendete schließlich den Konflikt. Die Ansätze von Friedrich Delitzsch jedoch wurden erst zu einem späteren Zeitpunkt fruchtbar und resultierten in komparatistischen Ansätzen zwischen Altem Testament und altorientalischen Texten sowie in der Religionsgeschichtlichen Schule der alttestamentlichen Wissenschaft (LEHMANN 1999, S. 512 Anm. 46). Auch wenn sich die Heftigkeit dieser Debatte nicht mehr wiederholt hat und sich vermutlich auch nicht wiederholen lässt, hat sich ein noch breiteres Spektrum an Disziplinen gezeigt, die durch die Texte der Altorientalistik tangiert werden. Dies umfasst neben der alttestamentlichen Wissenschaft auch die Ägyptologie, Alte Geschichte, Klassische Philologie und Philosophiegeschichte. Davon ausgehend blicken auch vergleichende Wissenschaften wie die Religionswissenschaft, Mythosforschung oder Literaturwissenschaft mit Interesse auf die Werke aus dem Alten Orient. In diesem Zusammenhang nimmt auch der Gegenstand der vorliegenden Untersuchung, das enūma eliš, eine zentrale Rolle ein. Das liegt an seiner essentiellen Bedeutung, die es für die Babylonier hatte, da es vom Aufstieg ihres wichtigsten Gottes zum Herrscher eines gesamtmesopotamischen Pantheons erzählt und damit essentiell für das theopolitische Selbstverständnis der Babylonier war.2 Von dieser bedeutenden Stellung aus, wirkte das Werk auch in die angrenzenden und nachfolgenden Kulturen. So hatten die Assyrer ein zwiespältiges Verhältnis zum Text, was zwischen Rezeption und aggressiver Aneignung schwankte (siehe bspw. LAMBERT 1997a, FRAHM 1997, S. 283f., KÄMMERER, METZLER 2012, S. 26–36). Bereits George Smith verwies neben den biblischen Parallelen zudem auf Ähnlichkeiten zu den griechisch-sprachigen Babyloniaká von Berossos aus dem 3. Jahrhundert v. Chr. und zum Neuplatoniker Damaskios aus dem 5./6. Jahrhundert n. Chr. (1876, S. 64), wobei letztere vermutlich nicht auf Berossos aufbaute, sondern sich wahrscheinlich auf den Aristotelesschüler Eudemos von Rhodos bezog (KOCHWESTENHOLZ 1995, S. 53 Anm. 6; BURKERT 2003, S. 56; WESTENHOLZ 2007, S. 307 Anm. 91) (siehe auch § 1.1.2.). An dieser Stelle sollte man erwarten, dass das enūma eliš forschungstechnisch schon umfassend erschlossen sei. Und blickt man in die Zusammenstellung der For2 Wenn hier von den Babyloniern gesprochen wird, umfasst dies nicht notwendigerweise auch die einfachen Menschen, sondern meint v.a. die religiöse und politische Elite (siehe § 2.2.3.).

Einleitung

3

schungsliteratur (siehe §§ 1.1.2. und 1.1.3.) oder in das Literaturverzeichnis der vorliegenden Untersuchung, findet sich in der Tat eine umfangreiche Liste an Bearbeitungen, die sich mit dem Text beschäftigen. Diese Untersuchungen sind allerdings entweder punktuell oder überblicksartig. Eine Tiefenanalyse des Gesamtwerkes existierte bislang nur in Ansätzen. Dieser Umstand liegt auch darin begründet, dass bis zum Jahr 2012 keine kritische Edition des Textes vorlag. Dies liegt aber auch allgemein daran, dass die Altorientalistik durch den Schatz der unzähligen gefundenen Tontafeln noch nicht einmal ansatzweise die Edierung ihres Materials abgeschlossen hat, so dass die inhaltliche Erschließung häufig schlicht noch warten muss.3 In diese Lücke möchte nun die vorliegende Arbeit stoßen und eine erste Gesamtinterpretation des enūma eliš liefern, die versucht die thematischen Hauptstränge nachzuzeichnen und das Werk aus sich selbst heraus zu verstehen (siehe § 1.1.). Insbesondere die Länge, Komplexität und eine dem modernen Leser auffallende Heterogenität4 des Textes erschwert einen Zugang, der versucht das Werk im Ganzen und als Ganzes zu verstehen. Deutlich wird dieser Umstand durch zwei Zitate aus der Forschungsgeschichte des enūma eliš: „There are, furthermore, […] quite a number of added, interpolated, spurious and misplaced verses, and above all, unmistakable traces of a not too consistent censorship.” (OPPENHEIM 1947, S. 238) „It is striking that in the motifs of the Enūma eliš there are many non-traditional elements also otherwise. Thus the epic has become, to a certain, extent, of heterogeneous character. We do not only find parallel narratives and internal contradictions, but also such motifs which are entirely new, or – just like the theomachy – seem to be expressly of different or foreign origin.” (KOMORÓCZY 1973, S. 32f.)

Sowohl A. Leo Oppenheim als auch Géza Komoróczy sahen sich mit einem Werk konfrontiert, das viele traditionelle Elemente aufgriff, neu zusammenband, mit Neuem durchsetzte und somit einen Text erschuf, den es in dieser Form bisher noch nicht gegeben hatte (siehe auch SOMMERFELD 1989, S. 368; VANSTIPHOUT 1992, S. 43f.).5 Somit ist das enūma eliš besonders schwierig zu greifen – was es für den modernen Interpreten zugleich auch zu einem hoch spannenden Gegenstand macht. Gerade dort, wo sich an der Oberfläche Brüche zu zeigen scheinen, können Schlüssel für neue, vertiefte Erkenntnisse liegen.

3 Nach der neusten Zählung von Michael Streck sind bisher ca. 246.000 archivalische Keilschrifttexte (ohne monumentale und kanonische Texte) publiziert. Dabei handelt es sich jedoch schätzungsweise nur um die Hälfte der bisher ausgegrabenen Exemplare (STRECK 2010, S. 53f.), so dass von einem aktuellen Gesamtbestand von etwa einer halben Million Texte auszugehen ist. Mit einem Umfang von ca. 10 Mio. Wörtern entspricht das publizierte akkadische Corpus den antiken lateinischen Texten (IBID, S. 54f.). 4 Hierin liegt bereits der Vorbehalt, dass die Heterogenität dem modernen Leser vielleicht nur als solche erscheint, sie aber nicht per se eine Qualität des Textes sein muss (siehe unten). 5 Positiver formuliert wurde dieser Sachverhalt von Kai Metzler (2002b, S. 393) und Andrea Seri (2012, S. 25), die auf den hohen Grad der Kunstfertigkeit des Werkes verweisen.

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Einleitung

Kulturimmanente Perspektive Als George Smith seine Tontafeln publizierte, lag seine Motivation in dem Bezug der Texte zur Bibel begründet. Und dennoch formulierte er die Absicht, die Texte auch für sich genommen zu verstehen, „as my desire was first to obtain the recognition of the evidence without prejudice“ (SMITH 1876, S. vii). Damit gibt er auch das Forschungsprogramm der vorliegenden Arbeit vor, nämlich in bester hermeneutischer Intention zu versuchen, sich dem originären Inhalt und Anliegen des Textes anzunähern. Erst wenn die Texte als Vertreter der altorientalischen Kulturen verstanden worden sind, können sie fruchtbar in den interdisziplinären Dialog eingebracht werden. Insofern handelt es sich bei der vorliegenden Arbeit um eine disziplinäre Arbeit, die zugleich aber auch versucht, Leser jenseits der Altorientalistik zu adressieren. Auf typische altorientalistische Kürzel wurde daher nach Möglichkeit verzichtet – Ausnahmen finden sich im überschaubaren Abkürzungsverzeichnis – und versucht, eher zu viel als zu wenig für Fachfremde zu erläutern.6 Natürlich ist einem solchen Unterfangen gerade in den philologischen Passagen eine Grenze gesetzt. Das kulturimmanente Verständnis des Textes stellt ein nie vollständig einholbares Ideal dar, das aber dadurch furchtbar wird, indem es als Leitfaden bei der Abwägung der Methodik dient (siehe § 1.3). Je besser es gelingt, das Andere, Fremde wahrzunehmen und in die modernen Bezugssysteme zu über-setzen, desto eher kann ein echter Dialog entstehen, der auch unsere eigene Zeit bereichern kann. Umso spannender war es dann, dass sich in den so gewonnenen Ergebnissen Bezüge zu neuzeitlichen Konzepten gezeigt haben, die erst durch diese methodische Präzision zutage treten konnten. Dies ist ein schönes Indiz für die Fruchtbarkeit der disziplinären und disziplinierten Arbeit an den altorientalischen Texten gerade auch im Hinblick auf den interdisziplinären Dialog.

Aufbau der Untersuchung Der Analyse des enūma eliš ist ein Kapitel vorgeschaltet, das sich zum einen en détail der Forschungsfrage widmet, zum anderen aber auch das Material der Untersuchung vorstellt. Außerdem wird dargelegt, wie und warum das Material und die Forschungsfrage durch die gewählten methodischen Ansätze verbunden werden (Kapitel 1). Anschließend werden die physischen Tontafeln und die metakommunikativen Verknüpfungen der Textvertreter nach Hinweisen durchleuchtet, die helfen, das Werk zeitlich, räumlich und situativ im antiken Mesopotamien zu verorten. Dabei geht es darum, die Pragmatik des Textes zu erfassen (Kapitel 2).

6

Gebhard Selz beobachtet in der Altorientalistik eine gewisse „Hermetik“ (2010, S. 63), durch die sie sich teils dem Zugang Fachfremder verschließt. Um dieser Gefahr zu begegnen, wurde die vorliegende Arbeit nach Möglichkeit allgemein verständlich geschrieben.

Einleitung

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Als Vorarbeit zur inhaltlichen Interpretation hat Kapitel 3 das Ziel, die lineare Struktur des Werkes herauszuarbeiten, während Kapitel 4 die nicht-linearen kompositionellen Elemente untersucht. Durch diese Annäherungen an das Material können Kernelemente identifiziert werden, auf die sich die Analyse der Semantik anschließend fokussiert. Zum einen wird das Schlüssellexem šīmtu nach seiner textimmanenten Funktion befragt und mit dem Konzept von Name und Namensgebung verbunden (Kapitel 5). Als roter Faden wird der Text von dem Themenkomplex Aufstieg und Herrschaftssukzession durchzogen, der in seinen Details und Funktionen nachgezeichnet wird (Kapitel 6). Abschließend wird die Frage der Herrschaftslegitimation im Werk in den Blick genommen (Kapitel 7). In einer Gesamtschau werden diese Ergebnisse weiterentwickelt, wodurch sich ein Gesamtbild des enūma eliš synthetisieren lässt, was seine Pragmatik, Struktur und Semantik zusammenbringt (Kapitel 8). Der abschließende Ausblick stellt die Ergebnisse in den Kontext größerer Fragen der Forschung (Kapitel 9).

Kapitel 1

Fragestellung – Gegenstand – Methodik 1.1. Fragestellung 1.1.1. Was diese Arbeit versucht zu leisten Ziel dieser Arbeit ist es, das enūma eliš aus sich selbst heraus zu verstehen. Dieser Satz umfasst zwei zentrale Ausrichtungen des Forschungsvorhabens. Erstens wird vor allem textimmanent gearbeitet. Mit einem Umfang von über 1.000 Zeilen stellt das enūma eliš eine außergewöhnlich lange babylonische Dichtung dar, die es erlaubt, sich auf diesen einzelnen Text zu fokussieren. Die Dimension der Intertextualität wird dabei nicht vollständig ausgeblendet, wird aber nur an besonders entscheidenden und fruchtbaren Punkten herangezogen (siehe auch § 1.1.2.). Der Hauptfokus bleibt auf dem Werk selbst. Zweitens wird angestrebt, den Text in seiner emischen,1 d.i. kulturimmanenten, Dimension zu erfassen. Auf die Anwendung modern-wissenschaftlicher Konzepte wird bewusst verzichtet. Dort wo sie unumgänglich sind, wird gezielt eine Unterbestimmtheit der gewählten Kriterien angewendet, die es dem Text erlaubt, den dadurch entstandenen definitorischen Freiraum gemäß seiner Semantik zu füllen (siehe bspw. Kapitel 7 Beschreibung). Ein inhaltlicher Bezug zu neuzeitlichen Theorien wird nur vom Text ausgehend gewählt, der als Ergebnis seiner emischen Erschließung Merkmale aufweist, die sich in einem Bereich der politischen Philosophie wiederfinden lassen (siehe § 7.4.).

1

Dabei handelt es sich um ein Ideal, das niemals erreicht werden kann, das aber in seiner Gestalt als hermeneutisches Ziel angestrebt wird. Der Begriff des Emischen wurde von dem Linguisten Kenneth Pike eingeführt (1954, S. 10): „An emic analytical standpoint, furthermore, might be called ‚internal‘ or ‚domestic‘ since it classifies behavior in reference to the system of behavior of which it is immediately a part; that is, in reference to the activities immediately preceding or immediately following the event under attention, and in reference to the various classes of comparable events or habits within that one particular culture.” Diese Definition setzt im strengen Sinne die Teilhabe an der beobachteten Kultur voraus, da nur so das vollständige „system of behavior“ in den Blick der Forscherin/des Forschers geraten kann und somit eine Einordnung des gewählten Ausschnitts geschehen kann. Eine derartige Form der Interaktion ist bei den überlieferten Texten untergegangener Kulturen nicht möglich, was aber die Intention, genau dieses zu versuchen, nicht ausschließt. Das Ideal wird in dem Moment fruchtbar, wenn es um die Bewertung von möglichen methodischen Zugängen geht, durch die der Text in seiner kulturellen Binnenlogik erfasst werden soll (siehe auch § 1.3., insbesondere § 1.3.2.3.).

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Kapitel 1: Fragestellung – Gegenstand – Methodik

Durch den durch die Text- und Kulturimmanenz formulierten hohen hermeneutischen Anspruch liegt ein besonders großes Augenmerk auf der Methodik, da in ihr der Schlüssel liegt, den Text wieder ‚zum Sprechen zu bringen‘ (siehe § 1.3.).2 Die Untersuchung unterteilt sich inhaltlich in zwei Fragerichtungen. In der pragmatisch-extrarelationalen Betrachtung wird der Text nach Hinweisen auf die Verortung in der Welt des Alten Orient und nach expliziten und impliziten Wirkabsichten befragt (Kapitel 2). Hier wird offengelegt, wie der Text in seiner außertextlichen Umwelt funktionierte bzw. welche Wirkung von ihm (bzw. seinen Verfassern) intendiert war, die er auf seine Umwelt haben sollte. In der semantisch-textimmanenten Untersuchung werden die Gliederung, besondere kompositorische Konstruktionen und der Inhalt des Textes rekonstruiert (Kapitel 3–7). Es wird gezeigt, wie besonders die beiden letzten Dimensionen (Komposition und Inhalt) ineinandergreifen und wie dadurch gezielt inhaltliche Bedeutsamkeit produziert wird. In der Kombination dieser Zugangsweisen kann so der Kern des Werkes extrahiert und damit der zentrale Fokus des Textes rekonstruiert werden. Entsprechend der textimmanenten Grundausrichtung stehen dabei zuvorderst innertextliche Bezüge und Funktionen im Vordergrund ohne die Intertextualität ganz auszublenden. Eine Synthese der pragmatisch-extrarelationalen und der semantisch-textimmanenten Perspektiven gibt Kapitel 8. Um die gesteckten Ziele zu erreichen, muss ein doppelter methodischer Ansatz gewählt werden; zum einen versucht die Arbeit, sich vom Material selbst zu Fragen und Lösungsansätzen leiten zu lassen, beispielsweise über die Analyse von Wortverwendungen (siehe § 1.3.2.3.); andererseits konnten Ansätze aus anderen Wissenschaften gewinnbringend für die Fragestellungen adaptiert werden, beispielsweise aus der Textlinguistik oder strukturellen Semantik. Daraus ergeben sich methodische Ansätze, die an weiteren literarischen Quellen aus dem antiken Mesopotamien zu testen sind (siehe insbesondere § 3.18.2.). 1.1.2. Einbettung in die bisherige Forschung Da die vorliegende Untersuchung sowohl eine Tiefenanalyse darstellt als auch das Gesamtwerk umfasst, berührt sie sich in vielen Punkten mit der bisherigen Forschung zum enūma eliš. Eine detaillierte Darstellung der einschlägigen Forschung findet sich in den jeweiligen (Unter)Kapiteln, über die hier ein Überblick geliefert werden soll. Dabei handelt es sich dementsprechend nicht um die vollständige Forschung zum Text, da gewisse Fragestellungen nicht zum Kern dieser Arbeit gehören, zu denen sie aber versucht einen Beitrag zu leisten (hierfür und die damit verbundene Forschung siehe § 1.1.3.). Die wichtigsten Berührungspunkte zwischen dieser Arbeit und der enūma eliš-Forschung umfassen:  Die zeitliche Verteilung der Textzeugen (siehe § 2.1.1.).  Was sind die ältesten Textvertreter? 2 Zu den damit verbundenen hermeneutischen Herausforderungen siehe bspw. auch HILGERT 2010, S. 98.

1.1. Fragestellung

9

 Was sind die jüngsten Textvertreter?  Die Verbindung zwischen enūma eliš und dem akītu-Fest (siehe § 2.2.).  Aufbau und Inhalt des Epilogs (siehe § 2.2.3.2.).  Wie unterteilt sich der Epilog?  Welche Programmatik findet sich im Epilog angelegt?  Welche Personen sprechen und handeln im Epilog?  Rekonstruktion und Inhalt der Verse VII 161f. (siehe § 3.1.2.).  Aufbau des Gesamtwerkes (siehe § 3.2.1.).  Wie sind der Anfang und das Ende des Textes aufgebaut?  Wie homogen ist das Gesamtwerk?  Wie ist die Komplexität des Werkes einzuordnen?  Gibt es spätere Hinzufügungen?  In welche Abschnitte gliedert sich der Gesamttext?  Ein paralleler Aufbau im Werk (siehe § 4.1.).  Wie umfangreich ist die Parallelstruktur?  Welche Wirkung soll der parallele Aufbau entfalten?  Verhältnis von Werk und politischen Vorstellungen (siehe Kapitel 6).  Entwickelt sich die Monarchie im Text erst?  In welchem Verhältnis stehen die Notsituation der Götter und Marduks Aufstieg?  Legitimation durch das Werk (siehe Kapitel 7).  In welchem (legitimierenden) Verhältnis steht das Werk zu Marduks Aufstieg?  Wie entfaltet das Werk seine politische Kraft?  Welche Gründe für Marduks Aufstieg führt der Text an?  Herrschaftsideologie im enūma eliš (siehe § 7.6.1.).  Formuliert das Werk einen Anspruch auf eine babylonische Hegemonie?  Welches Verhältnis existiert zwischen Marduk und dem babylonischen König?  Welches Verhältnis existiert zwischen der Götterwelt im Text und der Menschenwelt außerhalb des Textes?  Verhältnis von Ruhe und Unruhe im Werk (siehe § 7.6.3.).  Welche Funktionen nehmen Ruhe und Unruhe ein?  Wie sind Ordnung und Rebellion in diesem Kontext zu verstehen? Diese Forschung wird im Rahmen der nachfolgenden Untersuchungen mit den neuen Befunden verbunden und entsprechend weitergeführt. 1.1.3. Wozu diese Arbeit ein Komplement darstellt Nach der Aufbereitung des Werkes für den Akkadisch-Unterricht inklusive eines umfangreichen Lexem-Glossars durch Philippe Talon (2005) haben Thomas Kämmerer und Kai Metzler eine erste Edition des Textes veröffentlicht (2012), der etwa ein Jahr später (2013) die lange angekündigte Edition von Wilfred Lambert folgte. Das Glossar und die Editionen bilden die philologische Grundlage der vorliegenden

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Kapitel 1: Fragestellung – Gegenstand – Methodik

Untersuchung. Zugleich will sie zu einem besseren inhaltlichen Verständnis des nun editorisch erfassten Textes beitragen. In der Forschungsliteratur wird das Problem der Datierung des enūma eliš umfangreich diskutiert.3 Dahinter steht vermutlich die Absicht, den Text durch seine historische Einbettung besser zu verstehen, so dass sich eine Blickrichtung von außen auf den Text ergibt. Diese Denkrichtung wird in dieser Arbeit nun umgekehrt. Zunächst wird versucht, den Text aus sich selbst heraus zu verstehen, um von dort aus auf die mögliche Umwelt zu blicken. So liefert die Arbeit Indizien für eine historische Verortung, beispielsweise über Bezüge zu anderen Texten oder zu politischen Konstellationen. Bisher wurden bereits umfangreiche intertextuelle Bezüge des enūma eliš offengelegt.4 Es zeigen sich Verbindungen  zum Anzû-Mythos (LAMBERT 1986; IBID 2013, S. 449–451; DALLEY 2008, S. 230f.).  zu weiteren Ninurta-/Ninĝirsu-Erzählungen (LAMBERT 2013, S. 202–207, 451f.).  zum Atramḫasīs-Mythos (WILCKE 1977, S. 168f.; STRECK 2006, S. 697; WILCKE 2007a, S. 38–40; HOROWITZ 2010a, S. 34; LAMBERT 2013, S. 196).  zu den Götterlisten (SERI 2006, FRAHM 2011, S. 346).  zu älteren mythischen Kämpfen (DALLEY 1997, S. 168).  allgemein zu Schöpfungserzählungen (LAMBERT 2013, S. 169–201).  allgemein in den syrischen oder ugaritischen Raum (bspw. SCHWEMER 2001, S. 230–232). Auch wenn die vorliegende Untersuchung ein textimmanentes Verständnis anstrebt und somit Referenzen zu anderen Texten nur punktuell in den Blick nimmt, zeigt auch sie intertextuelle Beziehungen (bspw. zum multābiltu-Katalog, siehe § 5.2.10.). Zusätzlich offenbart eine Kombination aus einer textimmanenten und einer intertextuellen Perspektive, welche Elemente aus anderen Texten entlehnt und wie sie umgewandelt werden (siehe hierzu auch LAMBERT 2013, S. 444–457). Gerade in diesen Änderungen zeigt sich die Textintention, was beispielsweise an der Tafel der Festsprechungen (ṭuppi šīmāti) deutlich wird, die im enūma eliš eine andere Funktion als beispielsweise im Anzû-Mythos einnimmt (siehe § 5.1.2.3.).

3 Siehe bspw. KOMORÓCZY 1973, S. 30ff., FRANKFORT 1981, S. 186–188, SOMMERFELD 1982, S. 175, LAMBERT 1984 S. 4–7, IBID 2013, S. 439–444, SOMMERFELD 1985, S. 98f., KOCH 1989, S. 17f. oder ABUSCH 1999, S. 547–548. 4 Zusätzlich sei auf die bald erscheinende Arbeit von Andrea Seri zur Intertextualität im enūma eliš verwiesen, Arbeitstitel: Borrowings to Create Anew: Intertextuality in the Babylonian Poem of ‘Creation’.

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1.1. Fragestellung

Schließlich kann ein umfassenderes Verständnis des Werkes auch dazu beitragen, seine Rezeption innerhalb und außerhalb von Mesopotamien weiter zu verfolgen. So existiert eine umfangreiche altorientalische Kommentarliteratur zum enūma eliš aus der zweiten Hälfte des 1. Jahrtausend v. Chr. (siehe bspw. BOTTÉRO 1977, FRAHM 2011, LAMBERT 2013).5 Außerdem nimmt das Werk in dieser Zeit eine zentrale Rolle für das Neujahrsfest (akītu) ein (siehe bspw. LAMBERT 1968, JACOBSEN 1975, DIETRICH 2006, STRECK 2006, ZGOLL 2006a, KÄMMERER, METZLER 2012). Abbildung 1: Rezeption im griechisch-römischen Kulturraum enūma eliš (Keilschrifttext)

2.–1. Jt. v. Chr.

Eudemos von Rhodos Geschichte der Astronomie

Berossos Babyloniaká

300 v. Chr. 200 v. Chr.

Abydenus Alexander Polyhistor Chaldäische Geschichte

100 v. Chr.

Eusebios von Caesarea Chronik

300 n. Chr. Damaskios Über die ersten Prinzipien

500 n. Chr.

Darüber hinaus lässt sich eine Rezeption über die Babyloniaká von Berossos (3. Jh. v. Chr.) in den griechisch-römischen Kulturraum nachverfolgen (siehe bspw. SMITH 1876, S. 64, BURSTEIN 1978, S. 8). Dessen Werk ist nicht im Original erhalten, sondern vor allem über Auszüge bei Eusebius von Caesarea (Anfang 4. Jh. n. Chr.) überliefert, der diese von Abydenus (vermutlich 3./2. Jh. v. Chr.) und Alexander Polyhistor (1. Jh. v. Chr.) übernommen hat (TALON 2001, S. 270). Parallel zur dieser Überlieferung existiert eine weitere, wahrscheinlich getrennte, Tradierungslinie über Eudemos von Rhodos (ca. 370–300 v. Chr.), einem Schüler von Aristoteles, in dessen Geschichte der Astronomie eine Schilderung des Anfangs des enūma eliš enthalten war (DALLEY, REYES 1998, S. 110; BURKERT 2003, S. 56). 5 Schwieriger hingegen ist die weitere literarische Verarbeitung des Werkes in jüngeren altorientalischen Texten zu greifen (LAMBERT 2013, S. 9).

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Kapitel 1: Fragestellung – Gegenstand – Methodik

Hiervon wurde vermutlich die Schrift Über die ersten Prinzipien6 des letzten Leiters der Akademie in Athen, des Neuplatonikers Damaskios, inspiriert (KOCHWESTENHOLZ 1995, S. 53 Anm. 6; TALON 2001, S. 272 Anm. 54, S. 56; WES7 TENHOLZ 2007, S. 307 Anm. 91). Dieser zweite Tradierungsweg beginnt dementsprechend zeitlich vor der Niederschrift der Babyloniaká, so dass das enūma eliš und vor allem seine Theogonie und Kosmogonie bereits vor Berossos in den Athener philosophischen Schulen diskutiert wurden (DALLEY, REYES 1998, S. 110f.). Die Unabhängigkeit der beiden Überlieferungsstränge zeigt sich auch an inhaltlichen Differenzen, die nur durch unterschiedliche Interpretationen des Originaltextes erklärbar sind (IBID, S. 164; TALON 2001, S. 274). Möglicherweise lassen sich in Zukunft durch ein umfangreicheres Textverständnis weitere Tradierungsstränge und -arten identifizieren.

1.2. Gegenstand Gegenstand dieser Arbeit ist das enūma eliš in der Form, wie es uns überliefert ist, d.i. in Gestalt der Tontafeln, auf denen sich der Text erhalten hat, ihrer Kolophone, ihrer Fundkontexte und des Texts an sich.8 Dies sind die vier Dimensionen des Gegenstands dieser Untersuchung. Die Tontafeln werden auf ihre geographische Herkunft (als eine Art MakroFundkontext) und ihre zeitliche Einordnung untersucht, so sie bekannt sind. Gleiches gilt für die Paläographie, über die sie den großen Kulturräumen Babylonien und Assyrien zugeordnet werden können. Außerdem wird darauf eingegangen, ob ein abweichender Tafeltyp bekannt ist (siehe § 2.1.1.). In den Kolophonen finden sich Vermerke zur Person, die die Tafel beschriftet hat (Name, Filiation, Berufsbezeichnung), teils auch zur Herkunft des Textes oder der Zweck der Niederschrift. In wenigen Fällen sind auch Datumsformeln zu finden (siehe §§ 2.1.2. und 2.2.1.). Die Fundkontexte fanden bei der bisherigen Ausdeutung des enūma eliš – und der altorientalischen literarischen Texte – noch kaum Anwendung. Durch den Schwerpunkt des Seminars für Altorientalistik an der Georg-August-Universität Göttingen auf der Mythosforschung kam es zu einer Kooperation mit dem Berliner Orientarchäologen Janoscha Kreppner. Durch den regen Austausch mit ihm wurde die Frage nach den Fundkontexten in die vorliegende Untersuchung integriert. Die 6

Edition des Textes: WESTERINK, COMBÈS 2002 (siehe Band III, S. 165, 234f.). Nach der Schließung der Akademie im Jahr 529 n. Chr. durch Kaiser Justinian I. gingen Damaskios und seine Schüler nach Syrien und Persien, wo sie zwischenzeitlich am Hof des Sassanidenkönigs Ḫosrau I. (Regierungszeit: 531–579 n. Chr.) in dessen Hauptstadt Ktesiphon (nahe Babylon) zu fassen sind (DALLEY, REYES 1998, S. 163). Möglicherweise siedelten sie sich später dauerhaft in Ḫarrān an, wo bis zum 10. Jh. n. Chr. eine neuplatonische Schule belegt ist (TALON 2001, S. 272). 8 Da die Tontafeln im Rahmen dieser Studie nicht selbst kollationiert werden konnten, wurden physisch-materielle und detailliertere paläographische Eigenschaften nicht berücksichtigt. Teilweise finden sich hierzu Informationen in L AMBERT 2013. 7

1.3. Methodik

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Fundsituationen, so sie festgehalten worden sind, geben über die Architektur, die Begleitfunde und die Stratigraphie wertvolle Einblicke in die Rolle der Textzeugen und damit des Textes im Leben der Menschen im Alten Orient (siehe §§ 2.1.3. und 2.2.2.). Hauptgegenstand der Untersuchung ist aber der Text selbst, sowohl in syntaktischer und semantischer als auch in phonetischer und graphemischer Hinsicht (siehe auch § 1.3.2.). Da es das Ziel einer jeden hermeneutischen Fragestellung ist, dem Text so nah wie möglich zu kommen, fokussiert die Analyse daher die akkadischen keilschriftlichen Originale, wie sie durch die Editionen von Thomas Kämmerer und Kai Metzler (2012) sowie von Wilfred Lambert (2013) in Gestalt einer „babylonischen Standardversion“ (KÄMMERER, METZLER 2012, S. 23) zusammengestellt wurden.9 Bei der Interpretation wird auf die Textvarianten eingegangen, die teils auch helfen, den Text besser zu verstehen.10 Dabei wird jedoch nicht die spezifische Assyrisierung11 der assyrisierten Version des Lieds auf Marduk berücksichtigt, da es sich dabei um eine spätere Entwicklung handelt und sie so nicht mehr den babylonischen Standardtext repräsentiert.12 Ausgeklammert wurden ebenfalls die Kommentarliteratur und Zitate in anderen Werken.13

1.3. Methodik Ausschlaggebend bei der Wahl des methodischen Rüstzeugs war eine hermeneutisch fruchtbare Verbindung zwischen dem Material (§ 1.2.) und der zugrundeliegenden Fragestellung (§ 1.1.). Dementsprechend ist die Methodik selbst auch ein Ergebnis der vorliegenden Untersuchung, welche sich organisch während der Forschungsarbeit ergeben hat. Vielleicht kann die gewählte Herangehensweise als Inspiration für weitere Forschung an akkadisch-sprachigen literarischen Texten fungieren, was jedoch mindestens einer kritischen Adaption bedarf, da die gewählten Instrumente maßgeschneidert sind für den konkreten Zweck der vorliegenden Untersuchung. Entsprechend der unterschiedlichen Materialität und der zwei Fragerichtungen nach der pragmatisch-extrarelationalen Dimension (§ 1.3.1.) und der semantischtextimmanenten Dimension (§ 1.3.2.) des enūma eliš, wurden unterschiedliche methodische Ansätze gewählt, die im Folgenden separat dargestellt werden. Den Ab-

9

Zur Bedeutung der Arbeit am Text in der Form, wie er überliefert ist, siehe auch WORTHINGTON 2012, S. 44. 10 Eine textkritische Textzeugenbewertung kann leider nicht erfolgen, weil dies den Rahmen dieser Arbeit gesprengt hätte. Nicht ausgewiesen als Textvariante werden die Zehnerzählungen am Anfang der Zeilen, über die manche Textzeugen verfügen. 11 Insbesondere in Gestalt des Austauschs des Protagonisten durch den Gott Anšar. 12 Eine kritische Würdigung der assyrisierten Version des Werkes findet sich bspw. bei K ÄMMERER, M ETZLER 2012, S. 26–33 und L AMBERT 2013, S. 4–6. 13 Zu den jeweiligen Varianten in diesen Quellen siehe LAMBERT 2013, S. 60, 72, 82f., 94, 106, 120, 134.

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Kapitel 1: Fragestellung – Gegenstand – Methodik

schluss bilden technische Anmerkungen zu Begrifflichkeiten, Schreibungen und Lesungen (§ 1.3.3.). 1.3.1. Methodik der pragmatisch-extrarelationalen Untersuchung Da eine Varianz des Gegenstands auch bei gleicher Fragestellung unterschiedliche Formen der Annäherung erfordert, ist das Material anhand verschiedener Herangehensweisen zu betrachten. Dafür werden die Tontafeln, ihre (Makro-)Herkunft und ihre Fundkontexte in der physischen Dimension zusammengefasst.14 Der Kolophon und der Epilog enthalten metakommunikative Verknüpfungen,15 in denen der Text über sich selbst spricht. Entsprechend werden diese beiden Elemente als die semantisch-metakommunikative Dimension des Materials bezeichnet. Herangehensweise an den Text mit Blick auf seine physische Dimension Um die Tontafeln hinsichtlich ihrer zeitlichen und räumlichen Herkunft und ihrer spezifischen Fundsituation zu analysieren, werden zunächst die Informationen gesammelt, die über Publikationen zugänglich sind. Bei der Auswertung des Materials wird zum einen die räumlich-zeitliche wortwörtliche Ver-Ortung der Textvertreter herausgearbeitet, zum anderen wird das Material nach Hinweisen auf die gesellschaftlich-situative Verortung, dem sogenannten Sitz im Leben, befragt. Aus diesen beiden Stoßrichtungen ergeben sich drei übergeordnete Fragen, aus denen sich Unterfragen ableiten lassen (siehe §§ 2.1.1., 2.1.3., 2.2.2.):  Wie ist der Textzeuge räumlich einzuordnen?  Aus welcher Region oder Stadt kommt er?  In welchem architektonischen Umfeld wurde er gefunden?  Wie ist der Textzeuge zeitlich einzuordnen?  Aus welcher Epoche stammt er?  Gibt es archäologisch-stratigraphische Hinweise?  In welcher Relation steht er zu anderen Textvertretern?  Wie ist der Textzeuge außertextlich kulturell einzuordnen?  Kommt er aus dem assyrischen oder babylonischen Kulturraum?  Lässt das Tafelformat auf einen konkreten situativen Kontext schließen (bspw. Schülertafeln)?  Wie sind der architektonische Kontext und die Begleitfunde zu bewerten? Welche Informationen zur situativen Verortung des Textes liefern sie? Eine abschließende Synthese versucht, die Unstimmigkeiten der Befundlage im Hinblick auf Ort, Zeit und Sitz im Leben zu erklären (siehe § 2.3.).

14 Ein beispielhafter Fragenkatalog zur „Materialität des Geschriebenen“ findet sich bei HILGERT 2010, S. 116f. Da keine Kollationen durchgeführt wurden (siehe § 1.2. Anm. 8), konnten die Fragen zu den physisch-materiellen Eigenschaften der Tafeln in der vorliegenden Untersuchung jedoch nicht berücksichtigt werden. 15 Zur metakommunikativen Verknüpfung als Phänomen der Kohäsion eines Textes siehe S TEDE 2007, S. 22f.

1.3. Methodik

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Herangehensweise an den Text mit Blick auf seine semantisch-metakommunikative Dimension Durch den Kolophon, die Tafelunterschrift, besitzen altorientalische Tontafeln eine institutionalisierte Form der metakommunikativen Mitteilung. Die erhaltenen Kolophone werden nach den folgenden Informationen durchleuchtet (siehe §§ 2.1.2. und 2.2.1.):     

Hinweise auf eine geographische Zuordnung,16 Datumsformeln oder andere Hinweise auf eine zeitliche Einordnung, Namensnennungen und/oder Berufsbezeichnungen, Explizierte Intentionen der Niederschrift und Hinweise auf mögliche Textvorlagen.

Zusätzlich verfügt das Lied auf Marduk über einen Epilog, in dem der Text über sich selbst spricht und Vorgaben macht, wie mit ihm zu verfahren sei. Diese Zeilen liefern somit Informationen zur intendierten situativen Verortung des Werkes. Um diese zu extrahieren (siehe § 2.2.3.),  werden die Zeilen nach Sinneinheiten unterteilt.17 Dabei  wird der Wechsel des Modus der Rede als trennendes Element berücksichtigt (bspw. Prekative vs. indikativische Vergangenheitsaussagen).  werden kompositorische Merkmale als Element der Verbindung von Versen zu Sinneinheiten interpretiert (bspw. Chiasmus oder Parallelismus).  wird die Syntax der Sinneinheiten rekonstruiert und das Fehlen expliziter Satzglieder aufgezeigt (Subjekt, direktes Objekt).  wird versucht die durch fehlende Satzglieder entstandene Unterbestimmtheit semantisch aufzulösen.  werden lexematische Auffälligkeiten18 entschlüsselt  durch textimmanente Bezüge.  durch die allgemeine Verwendung in akkadischen Texten (unter Zuhilfenahme der Wörterbücher).19  durch Bezüge zu bestimmten weiteren Text(art)en.  werden die Adressaten von performativ-modaler Rede identifiziert.  werden lexematische Bezüge zwischen den Sinneinheiten und damit die Kohäsion des Epilogs offengelegt.20 Die Ergebnisse werden nach Adressatenkreisen differenziert zusammengetragen, was einen Einblick liefert in den Sitz im Leben, für den das enūma eliš bestimmt war. Dabei muss zwischen der hier formulierten Wirkabsicht und der tatsächlichen Verortung unterschieden werden, wie sie sich beispielsweise in den Fundkontexten und teils auch in den Kolophonen zeigt. 16 Der Fundort und der Ort der Niederschrift oder ein Ort der in der Verfassungsintention genannt wird, sind unterschiedliche räumliche Kategorien und werden daher auch getrennt behandelt. 17 Zur Rekonstruktion einer Textstruktur siehe auch § 1.3.2.1. 18 Zur den Besonderheiten der Analyse akkadischer Lexeme siehe § 1.3.2.3. 19 Zur Rekonstruktion der Bedeutung eines Begriffs durch seine Verwendung siehe § 1.3.2.3. 20 Zur Rekonstruktion der Textkohäsion im Rahmen dieser Arbeit siehe § 1.3.2.1.

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Kapitel 1: Fragestellung – Gegenstand – Methodik

1.3.2. Methodik der semantisch-textimmanenten Untersuchung Die Erschließung der semantisch-textimmanenten Dimension erfolgt anhand dreier Zugänge, die nacheinander durchgeführt werden. An der Rekonstruktion der linearen Struktur der Textoberfläche (§ 1.3.2.1.) schließt die Analyse der nicht-linearen Merkmale des Textes an (§ 1.3.2.2.). Nach diesen Annäherungen an das Material wird in einem dritten Schritt detaillierter in die Textsemantik eingestiegen (siehe § 1.3.2.3.). 1.3.2.1. Textstruktur Die Gliederung eines Textes ermöglicht Einblicke in seine Struktur und davon ausgehend in seine Semantik und Pragmatik. Zusätzlich ist das Lied auf Marduk mit 1.092 Zeilen sehr umfangreich, weshalb es besonders hilfreich ist, den Text zu gliedern und in kleinere Einheiten zu unterteilen. Dabei wird implizit davon ausgegangen, dass der Wechsel zwischen den physischen Tontafeln – das gesamte Werk wurde auf sieben Tafeln mit einer Länge von jeweils von 138–166 Zeilen niedergeschrieben (siehe § 3.1.1.) – nicht zwingend einhergeht mit einer Gliederung in die Haupt-Sinneinheiten. Diese These hat sich im Rahmen der Untersuchung bestätigt (siehe § 3.18.). Um ein Werk zu gliedern, helfen trennende und verbindende Elemente. Trennendes hilft einzelne Abschnitte voneinander abzugrenzen, Verbindendes hilft, einen Abschnitt als Einheit zu verstehen. So könnte der Wechsel zwischen zwei physischen Tafeln zum einen eine Trennung anzeigen (das gilt in der Tat für das enūma eliš) oder eine einzelne Tafel als Sinneinheit darstellen (dies gilt nicht für das enūma eliš). Für die Gliederung des Lieds auf Marduk wurde insbesondere nach trennenden Markern gesucht, die zumeist aber auch verbindende Kraft haben können. Lediglich die physische Tafel besitzt für das enūma eliš keine. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Indikatoren (siehe auch § 3.2. Indikatoren für Abschnittswechsel): 1. Physische Kriterien 1A. Anfang und Ende von Tontafeln 2. Grammatische Kriterien 2A. Morphologie der Verbalformen (nominale/statische vs. verbale Formen; aktivisch/passivisch, Modus etc.) 2B. Marker (Anzeiger der syntaktischen Ordnung: Hypotaxe und Parataxe, v.a. ištu/ultu) 3. Lexikalisch-semantische Kriterien 3A. Wortfeld 3B. Lexematische Rekurrenzen 4. Narrative Kriterien 4A. Erzählfokus (Akteur, Ort, Zeit, Ziel…) 4B. Erzählweise (Erzähler, direkte Rede, listenartige Passage) 4C. Zusammenfassende Zeilen, die Vorheriges abschließen 5. Stilistische Kriterien 5A. Stilmittel (Parallelismus, Chiasmus…)

1.3. Methodik

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Spezifisch für die Altorientalistik ist Kriterium 1A,21 alle anderen haben allgemeinere Gültigkeit und sind dementsprechend größtenteils von der Textlinguistik inspiriert.22 So ergeben sich folgende grobe Entsprechungen zwischen den obengenannten Kriterien und den Kohäsionsmitteln23 (nach STEDE 2007, S. 21–23).     

Kriterium 2A (grammatische Form der Verben) ≅ Tempus und Modus. Kriterium 2B (Marker) ≅ Konnektoren. Kriterium 3A (Wortfeld) ≅ Lexikalische Kohäsion. Kriterium 3B (Lexematische Rekurrenzen) = Rekurrenz. Kriterium 5A (Stilmittel) = Formgebende strukturelle Mittel.

Eine Besonderheit des Akkadischen liegt entsprechend seiner Zugehörigkeit zu den semitischen Sprachen in der Morphologie. Nomen und Verben besitzen als Grundgerüst eine Wortwurzel (√), die aus ein bis fünf Konsonanten bestehen kann (GAG § 50). So existiert nur dann eine Verwandtschaft zwischen zwei akkadischen Lexemen, wenn sie dieselbe Wurzel teilen. Gemäß dieser Morphologie untersucht Kriterium 3B genau genommen keine Rekurrenz eines Begriffs, sondern die Rekurrenz derselben Wurzel,24 womit es sich nach der Terminologie der Textlinguistik um eine partielle Rekurrenz handelt (BRINKER 1992, S. 51). Aus Gründen der Vereinfachung wird in der vorliegenden Untersuchung dennoch auch in diesem Fall von (lexematischer) Rekurrenz gesprochen. 1.3.2.2. Textkomposition Von der Struktur (oder Gliederung), die zunächst die lineare Dimension des Textes wiedergibt, ist die Textkomposition zu unterscheiden, die nicht nur größere Einheiten zusammenfasst, sondern insbesondere Bezüge zwischen Textteilen offenlegt. Der parallele Aufbau eines Teils des enūma eliš wurde schon mehrfach aufgezeigt (siehe § 4.1. Forschungsstand). Auch für andere Texte wie beispielsweise das Gilgameš-Epos ließen sich Ringstrukturen nachweisen (siehe bspw. ZGOLL 2010). Von diesen Vorarbeiten ausgehend wurde das Werk auf größere Parallel- und Ring21 Gliederungsstriche könnten auch unter diese Rubrik fallen, doch haben sie für das Lied auf Marduk keine gliedernde Wirkung, sondern dienen nur auf einzelnen Textzeugen zur Markierung aller fünf (Tafel III aunb:2c, Tafel IV cunb und iunb (=Tafel V aunb)) bzw. aller zehn Zeilen (Tafel I KAss, LAss und OAss). Ansonsten werden durchgehende Striche nur vor dem Kolophon gesetzt (siehe § 3.2.2. Indikatoren für Abschnittswechsel). 22 Hier wird bewusst von einer Inspiration gesprochen, insofern es nicht darum geht den kompletten Theorie- und Begriffsbestand der Textlinguistik zu übernehmen, sondern pragmatischheuristisch die für Text und Fragestellungen hilfreichen Elemente einzubringen. 23 Die Kohäsion eines Textes beschreibt, „wie die Komponenten des Oberflächentextes, d.h. die Worte, wie wir sie tatsächlich hören oder sehen, miteinander verbunden sind.“ (DE BEAUGRANDE, DRESSLER 1981, S. 3). 24 Bei der Wurzel handelt es sich um eine moderne sprachwissenschaftliche Kategorie, die zwar in der Lage ist, eine „plausible and coherent reconstruction“ des Akkadischen zu liefern (BUCCELLATI 1996, S. 59), die aber im Alten Orient in dieser Form nicht bekannt war. Stattdessen wurden beispielsweise Assonanzen oder graphemische Ähnlichkeiten als verbindende Kategorien verstanden. Insofern handelt es sich bei der vorgenommenen Fixierung auf Wortwurzeln genau genommen um einen Anachronismus, der aber erstaunlich produktiv als Schlüssel zum Text funktioniert und hilft, textinterne Bezüge offenzulegen (siehe insbesondere Kapitel 3–7).

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Kapitel 1: Fragestellung – Gegenstand – Methodik

strukturen hin durchleuchtet (siehe §§ 4.1. und 4.2.). Ausgangspunkt sind dabei thematische Beziehungen, die durch lexematische Bezüge gestützt werden.25, 26 Als wichtig für die Textkomposition haben sich Passagen erwiesen, die sowohl anaphorische27 Anbindungen an den vorherigen Texthauptteil als auch kataphorische28 Bezüge zum Folgenden aufweisen (siehe § 4.4.). Die Beziehungen können  (partielle) Rekurrenzen/Substitutionen umfassen,  thematischer Natur sein oder  in der Erzählweise begründet sein. Solche Schwellenpassagen (zum Begriff siehe § 4.4.) schaffen die Verbindung zwischen verschiedenen Teilen, indem sie einerseits abgrenzend, andererseits verbindend fungieren. 1.3.2.3. Semantische Vertiefung – Methodisches und Metamethodisches Durch die Rekonstruktion von Textstruktur und Textkomposition lässt sich die grundlegende Ordnung des Textes erfassen. Dies stellt die Grundlage für die nachfolgende inhaltliche Untersuchung zur Semantik dar. Durch die vorangeschaltete Analyse von Textstruktur und -komposition konnten drei für das Werk zentrale Themenkomplexe identifiziert werden; diese wurden durch das im Folgenden dargestellte Instrumentarium näher analysiert. Ein Schlüssel für das semantische Verständnis des enūma eliš liegt in zentralen Lexemen bzw. den akkadischen Wurzeln (siehe Bedeutung von Wortwurzeln). Um deren originären Bedeutungsumfang zu verstehen dürfen moderne Kategorien nicht vorschnell übernommen werden; vielmehr bedarf es der maximalen Annäherung an die „Eigenbegrifflichkeit“ (LANDSBERGER 1926) (siehe Eigenbegrifflichkeit). Schließlich liegt eine Besonderheit der sumerischen und akkadischen Texte in der Keilschrift und den ihr eigenen Polysemien. Bei der Textinterpretation muss dementsprechend auch die Dimension der Keilschriftlichkeit berücksichtigt werden (Keilschriftlichkeit und altorientalische Hermeneutik). Bedeutung von Wortwurzeln Will man verstehen, was Lexeme bzw. akkadische Wurzeln29 bedeuten, muss man nachvollziehen, wie sie verwendet werden.30 Die Bedeutung eines Lexems er-

25 Aus diesen textinternen Bezügen können teilweise weitergehende Aussagen gewonnen werden. Dazu gehört, den Charakteren des Textes Intentionen zuzuschreiben, was behutsam zu erfolgen hat. Wenn eine Person im Werk ähnliche oder gleiche Begriffe wiederverwendet, so kann dies die Absicht des Charakters zeigen oder schlicht eine Konstruktion des Textes sein. 26 Dabei handelt es sich um Kriterien, die teils bereits auch bei der Textgliederung zum Einsatz kommen (siehe § 1.3.2.1.): (Partielle) Rekurrenzen, Substitutionen und Wortfelder. Eine Substitution ist die Wiederaufnahme durch einen (quasi-)synonymen Ausdruck (STEDE 2007, S. 21). 27 D.h. rückbezogene. 28 D.h. auf Nachfolgendes verweisend. 29 Zum Anachronismus der Kategorie Wurzel siehe § 1.3.2.1. Anm. 24. 30 Dieser Ansatz fußt auf dem § 560 der Philosophischen Untersuchungen von Ludwig Wittgenstein: „‚Die Bedeutung eines Wortes ist das, was die Erklärung der Bedeutung erklärt.‘ D.h.: willst

1.3. Methodik

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schließt sich jedoch – ausgehend von einer Differenzierung nach Ferdinand de Saussure – auf der Sprachebene der langue, wobei es sich um das Regelsystem handelt, das Äußerungen zugrunde liegt und über das alle Sprechenden einer Sprache verfügen. So bedeutet Spracherwerb immer das Erlernen eines Regelsystems, aus dem unendlich viele grammatisch richtige Äußerungen gebildet werden können (SCHMITZ 2002, S. 38f.). Ein antiker Text liefert jedoch die parole,31 eine endliche Anzahl an Konkretisierungen des Regelsystems der langue. Somit muss die langue und damit der Rahmen zur Erschließung der Bedeutung erst durch philologische Arbeit rekonstruiert werden. Die Rekonstruktion der langue erfordert, dass die parole ein Synsystem,32 d.i. eine einheitliche Form, darstellt. Daher ist es von Vorteil, wenn die Texte, aus denen die langue gewonnen werden soll, diese Einheitlichkeit mitbringen, um die Ableitung von langue und Bedeutung möglichst präzise durchführen zu können. Hier ist der textimmanente Zugang von besonderem Vorteil, da durch die Reduzierung der Textgrundlage auf einen Text ein sprachliches Synsystem gewonnen wird.33 Ausgehend von diesen theoretischen Überlegungen wird die Verwendung akkadischer Wortwurzeln innerhalb des enūma eliš erfasst,34 was primäre Argumente bei der Rekonstruktion ihrer Bedeutung liefert. Dies ist bei Wurzeln, die im Werk prominent vertreten sind (insbesondere √šīm, siehe § 5.1.), besonders zielführend, da eine kritische Anzahl35 gegeben ist. Ergänzend – und damit als sekundäres Argument – werden weitere Verwendungen in anderen akkadischen Werken herangezogen, um so ein umfassenderes Bild zu erlangen. Hier ist dann jedoch kein sprachliches Synsystem garantiert. Andererseits kann die Verwendung derselben Wurzeln oder Lexeme in anderen Texten helfen, mögliche Intertextualität zu identifizieren. Intertextualität muss nicht zwingend bedeuten, dass eine literarische Abhängigkeit vorliegt. Stattdessen wird du den Gebrauch des Wortes ‚Bedeutung‘ verstehen, so sieh nach, was man ‚Erklärung‘ der Bedeutung nennt.“ (1969, S. 459). Einen ähnlichen Ansatz vertritt auch Michael Streck, der eine Korrelation zwischen der Anzahl der Belege eines Lexems und der Qualität des modernen Verständnisses seiner Bedeutung sieht (2010, S. 36). 31 Die parole ist bei altorientalischen Quellen besonders greifbar: Durch das Auffinden der beschriebenen Tontafeln an den archäologischen Stätten, ist es möglich, direkt die Hand der antiken Schreiber zu lesen, die sich in einer Art literarischer Zeitkapsel bis heute erhalten hat. 32 In einem Synsystem sind zeitliche, räumlich, soziale und textgattungsspezifische Differenzen der Sprache beseitigt (COSERIU 1978, S. 22–51, DUPUY-ENGELHARDT 2002, S. 246). 33 Diachrone (Zeit), diatopische (Ort), diastratische (Gesellschaftsschicht) und diaphasische (Textgattung) Differenzen können bei der Reduzierung der Materialbasis auf einen Text ebenfalls reduziert werden. Ein Werk in seiner Endgestalt ist Produkt einer Sprachstufe, selbst wenn es verschiedene (zeitliche, lokale, soziale oder gattungsspezifische) Strata enthält. 34 Dabei geht es zunächst um eine Analyse der Verwendungen und damit um eine positive Definition, die in einem zweiten Schritt aber auch den Kontrast zur Verwendung möglicher sinnähnlicher Wortwurzeln benötigt, um eine genaue Bestimmung der Bedeutung zu erlangen (siehe unten Keilschriftlichkeit und altorientalische Hermeneutik). Letzteren Schritt kann man auch als Wortfeldanalyse beschreiben (siehe auch COSERIU 1978, S. 22–51). 35 Der Ausdruck kritische Anzahl ist nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ zu verstehen, so dass keine Mindestzahl an Verwendungen angegeben werden kann, ab wann textimmanente Arbeit fruchtbar ist.

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Kapitel 1: Fragestellung – Gegenstand – Methodik

Intertextualität zunächst so verstanden, dass die Texte an denselben Diskursen teilhaben.36 Dies setzt einen gemeinsamen Kulturraum beziehungsweise miteinander interagierende Kulturräume voraus. Intertextualität ist für die vorliegende Untersuchung jedoch nie Zweck an sich, sondern eines der Mittel, die zum textimmanenten Verständnis beitragen. Eigenbegrifflichkeit Das angestrebte Ideal der emischen Erschließung erinnert nicht zufällig an das altorientalistische Konzept der Eigenbegrifflichkeit. Dieser Begriff wurde von Benno Landsberger geprägt, der sich mit der Frage beschäftigte, wie sich ein Verständnis der altorientalischen Texte erlangen lässt, obwohl die Tradition und die Sprachüberlieferung abgebrochen sind (1926, S. 355f.).37 Durch die „Einheit des Gegenstandes, d.i. des menschlichen Geistes“ (IBID, S. 357) benennt er die vielleicht wichtigste Grundannahme seiner Theorie, dass nämlich das Denken in seinen wesentlichen Strukturen keine zeitlichen Veränderungen erfahren hat. Es besteht die Möglichkeit den antiken Menschen zu verstehen, d.h. seine Gedanken in die heutige Sprache und in die heutigen Bezüge zu übersetzen.38 Durch das Konzept der Eigenbegrifflichkeit werden Gleichungen gebildet zwischen grammatischen Phänomenen und akkadischen Begriffen auf der einen Seite und modern-wissenschaftlichen grammatischen Ausdrücken und aktuellen Begriffen auf der anderen Seite. Dabei handelt es sich jedoch um keine 1:1-Gleichungen, sondern um einen Dialog der antiken Sprachphänomene mit unterbestimmten – und somit offenen – modernen Begriffssystemen, wodurch ein umfassenderes Beziehungssystem angestrebt wird. Dabei kommt es auch zu einem Dialog zwischen den verschiedenen Wissenschaften, um auf der modernen Seite ein umfangreiches Begriffskontingent zur Verfügung zu haben, wodurch es wahrscheinlicher wird, zur altorientalischen Bedeutung vorzudringen. Durch diese (auch interdisziplinäre) Arbeit an den Texten nähern sich die modernen und antiken Begriffssysteme einander 36

Da durch die überlieferten Schriften nur ein Ausschnitt der antiken Diskurse erhalten ist, fehlt heute die umfassende Kenntnis des jeweiligen sociolect, d.h. es fehlt die implizite Kenntnis von Konnotationen, die mit gewissen Wörtern oder Themen verbunden sind (ALLEN 2000, S. 126). Auch an dieser Stelle arbeitet die Altorientalistik in umgekehrter Richtung wie die modernen Literaturwissenschaften, denn der sociolect muss durch die erhaltenen Texte erst wieder rekonstruiert werden. 37 Die abgebroche Tradierung der altorientalischen Welt und ihre Wiederentdeckung durch die neuzeitliche Wissenschaft enthalten aber auch einen hermeneutischen Vorteil. So wird nach HansGeorg Gadamer der Zugang zur Aussage eines Textes durch den zeitlichen Abstand einfacher. Er vergleicht die Lektüre von Texten mit dem Verstehen von Kunst. So seien die Urteile über die zeitgenössische Kunst immer am unsichersten und erst durch die temporale Distanz wird eine „produktive Möglichkeit des Verstehens“ erreicht (1986, S. 302). „Erst das Absterben aller aktuellen Bezüge lässt ihre eigene Gestalt sichtbar werden und ermöglicht damit ein Verständnis des in ihnen Gesagten, das verbindliche Allgemeinheit beanspruchen kann.“ (IBID, S. 303). Mit Fortschreiten der Zeit reduzierten sich nicht nur die irreleitenden aktuellen Bezüge, sondern es verstärkten sich auch die Bezüge, die ein besseres Verständnis des Textes befördern ( IBID). 38 Diese Hypothese ist die vielleicht wichtigste Annahme überhaupt, will man ein solches Unterfangen wie das der vorliegenden Untersuchung – sprich: den Versuch, einen altorientalischen Text zu verstehen – sinnvoll in Angriff nehmen.

1.3. Methodik

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an, so dass idealiter am Ende eine Rekonstruktion der emischen Bedeutung steht (IBID, S. 357f.).39 „Nur durch Konstruktion von Begriffssystemen aus können wir zur Kultur gelangen. Ohne diese höhere Mathematik der Eigenbegriffe, aus der gewöhnlichen Algebra [der Voll- und Teilgleichungen, G.G.], wie ich sie dargestellt habe, kann nur ein unverbundenes Nebeneinander, keine geistige Einheit erwachsen.“ (IBID, S. 359)

Für das Vorhaben der vorliegenden Arbeit wurde der Ansatz der Eigenbegrifflichkeit aufgegriffen und leicht modifiziert. So beginnt diese Untersuchung mit der Analyse der Verwendung der Wortwurzeln im Text (siehe oben). Nach Erfassung der syntaktischen und semantischen Charakteristika wird ein modernes unterbestimmtes Begriffssystem an die Textstellen angelegt, bis die Funktionsweise des und die Wiedergabe durch das wissenschaftliche Begriffsinstrumentarium möglichst deckungsgleich sind (siehe bspw. Kapitel 7). In einem Fall, der Festsprechung als Wiedergabe des Lexems šīmtu, war es sogar erforderlich, einen Neologismus zu bilden, um zum einen das hinter dem Begriff stehende Konzept abzubilden und um zum anderen eine Aufladung durch moderne Diskurse40 zu vermeiden (siehe § 5.1.). Keilschriftlichkeit und altorientalische Hermeneutik41 Ferdinand de Saussure unterscheidet zwischen einer Ebene der Gegenstände und der Ebene der Sprache. Die Sprache bezeichnet dabei einzelne Gegenstände, wobei diese Bezeichnung durch ein sprachliches Zeichen geschieht. Dies unterteilt sich wiederum in zwei Teile. Der signifiant ist der Lautwert, der mit einem Wort verbunden ist, beispielsweise die Lautwerte /Haus/ (deutsch), /bītu/ (akkadisch) oder /e/ (sumerisch). Das signifié ist das gedankliche Gebilde, das mit dem Lautwert verbunden ist, bei unserem Beispiel die Vorstellung von einem Haus (SCHMITZ 2002, S. 40f.). Welcher signifiant mit einem signifié konkret verbunden ist, ist dabei zumeist vollkommen arbiträr. Es lässt sich nicht aus der Idee eines Hauses ableiten,

39 Problematisch wird der Ansatz von Benno Landsberger an dem Punkt, an dem er behauptet, dass man von der Struktur einer Sprache auf das Denken der Mitglieder dieser Sprachgemeinschaft schließen kann (hierzu: SALLABERGER 2007, S. 68). Dies würde nämlich bedeuten, dass beispielsweise dieselben Inhalte immer durch dieselben Formen ausgedrückt werden müssten. Das Fehlen von grammatischen Elementen des Deutschen beispielsweise im Akkadischen, besagt nun nicht, dass nicht ein sinngleicher Gedanke im Akkadischen durch andere grammatische Elemente ausgedrückt werden könnte. Und das Fehlen kategorialer Oberbegriffe bedeutet nun nicht, dass die es keinerlei Kategorisierung gäbe, wie bspw. die lexikalischen Listen zeigen (Z GOLL 2006a, S. 49). Sollte aber die Möglichkeit bestehen, dass Denken aufgrund sprachlich-struktureller Unterschiede so elementar divergiert, dass Gedanken nicht mehr sinngemäß übertragbar sind, dann geht auch die „geistige Einheit“ (LANDSBERGER 1926, S. 359) verloren – und damit die wichtigste Grundlage philologischer interpretativer Arbeit. 40 Die übliche Übersetzung „Schicksal“ ist reich an modernen Konnotationen, die zudem auch stark von der römisch-griechischen Antike geprägt sind. 41 Die altorientalische Hermeneutik (siehe auch MAUL 1999a) ist abzugrenzen von der altorientalistischen Hermeneutik, bei er es sich um das allgemeine Unterfangen der Wissenschaft der Altorientalistik bei der Textinterpretation handelt.

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Kapitel 1: Fragestellung – Gegenstand – Methodik

warum es einmal /Haus/, einmal /bītu/ und einmal /e/ genannt wird.42 Das Verhältnis zwischen signifié und signifiant ist demnach sprachübergreifend beliebig. Anders verhält es sich hingegen innerhalb eines Sprachsystems. Im Akkadischen ist die Beziehung zwischen dem gedanklichen Konzept von einem Haus und dem Lautwert bītu untrennbar und von daher notwendig (IBID, S. 41f.). Ein Wort erhält seine Bedeutung nicht durch die Beziehung auf einen Gegenstand, was eine Bezeichnungsbeziehung ist, sondern durch die Abgrenzung seines signifié von anderen signifiés.43 Was ein Stuhl ist, erschließt sich nicht daraus, dass man auf einen einzelnen Stuhl zeigt und sagt: Das ist ein Stuhl. Ein anderer Stuhl sieht vermutlich anders aus, und dennoch wird er ebenfalls „Stuhl“ genannt. Was ein Stuhl ist, ergibt sich durch die Zuteilung zu einem Bereich (Sitzmöbel) und durch die Abgrenzung von anderen Vertretern dieses Bereichs (Sofa, Sessel, Hocker…).44 Gegenüber einem Sofa ist ein Stuhl ein Sitzmöbel nur für eine Person, er 42 Eine Ausnahme bildet beispielsweise der Lautwert Kuckuck für den Vogel, welcher durch eine lautmalerische Nachahmung des Ausrufs des Vogels entstanden ist. Die Verbindung zwischen signifié und signifiant ist in diesem Falle nicht beliebig. 43 Die Rekonstruktion der Bedeutung eines sprachlichen Zeichens durch die Abgrenzung zu anderen sprachlichen Zeichen deckt sich teilweise mit dem Ansatz, dass die Bedeutung einer Wortwurzel sich aus der Verwendung dieser Wurzel ergibt (siehe oben Bedeutung von Wurzeln). Indem deren Verwendung untersucht wird, wird auch die Relation zu anderen Wortwurzeln in den Blick genommen (bspw. verbundene Verben oder Adjektive), wodurch sich aber zunächst eine positive Definition ergibt. In einem zweiten Schritt verlangt die Untersuchung der Beziehung zu anderen sprachlichen Zeichen aber auch ein kontrastives Vorgehen, indem das analysierte Zeichen von anderen, möglicherweise sinnähnlichen abgegrenzt wird. Dieser zweite Schritt wird in der vorliegenden Arbeit jedoch nur begrenzt gegangen, da eine flächendeckende Analyse den Rahmen der Untersuchung gesprengt hätte. Diesem Schritt am nächsten kommt die Analyse der Festsprechung(sakte) (šīmtu) und der Namen(sgebung), was einer Wortfeldanalyse entspricht. Damit wird den von Ferdinand de Saussure formulierten Anforderungen zur Bestimmung der Bedeutung sprachlicher Zeichen im Rahmen dieser Arbeit nur bedingt entsprochen. Der Ansatz von Ferdinand de Saussure enthält jedoch auch eine Problematik, die die endgültige Bedeutungsbestimmung per se unmöglich gemacht. Wenn Bedeutung nämlich nur durch die explizite, kontrastive Bezugnahme zu anderen signifiés erlangt werden kann, dann liegen immer auch noch nicht untersuchte Bezüge vor. Durch die Hinzunahme einer weiteren Beziehung zu einem noch nicht untersuchten anderen signifié verschiebt sich nun die bisher als erfasst geglaubte Bedeutung – und sei es nur in Nuancen. Bei einer Sprache wie dem Akkadischen, die erst wieder rekonstruiert werden muss (siehe oben Eigenbegrifflichkeit), stehen noch viele Untersuchungen zu Beziehungen zwischen Wörtern aus, so dass die Bedeutung eines Wortes in besonderem Umfang von den noch nicht untersuchten Bezügen bestimmt wird. Da sich durch die bewusste Hinzunahme weiterer Beziehungen zu anderen signifiés die Bedeutung immer wieder verschiebt, wird die endgültige Bedeutung immer wieder verschoben und nie erreicht. Diese Eigenschaft der Bedeutung eines Wortes fasst Jacques Derrida unter dem Begriff der différance zusammen. In diesem Neologismus kommt das französische Verb différer in seiner doppelten Bedeutung zum Tragen. Zum einen heißt es nämlich „sich unterscheiden“, zum anderen „verschieben“. Die Bedeutung eines Wortes ergibt sich aus der Abgrenzung zu anderen Wörtern (Unterscheidung), und dadurch verändert sie sich bei jeder neuen Bezugnahme (Verschiebung) (SCHMITZ 2002, S. 133). Die Bedeutung kann dementsprechend nie endgültig erfasst werden. Dies gilt insbesondere bei sogenannten ‚toten‘ Sprachen, da hier kein implizites Wissen um die langue vorliegt, sondern die langue erst über die parole rekonstruiert werden muss (siehe oben Eigenbegrifflichkeit). 44 Das Beispiel der Sitzmöbel wurde von dem französischen Linguisten Bernard Pottier aufgebracht und verschiedentlich teils sehr genau diskutiert. Zuerst in P OTTIER 1963, S. 11–18; auf Deutsch beispielsweise in POTTIER 1978, S. 68f.

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1.3. Methodik

ist aber härter als ein Sessel und hat nicht immer Armlehnen. Anders als ein Hocker besitzt er jedoch immer eine Rückenlehne. Durch diese Abgrenzungen werden aus dem (möglichen) Kontinuum der Vorstellungen Abschnitte herausgeschnitten, die dann den Bedeutungsbereich des sprachlichen Zeichens umfassen. Die Zweiteilung des sprachlichen Zeichens nach Ferdinand de Saussure in signifiant (Lautwert) und signifié (Bedeutung), kann für die Keilschriftsprachen mit Blick auf das Keilschriftzeichen um eine dritte Komponente erweitert werden. So ist auch das graphemische Element eines Keilschriftzeichens ein Bedeutungsträger (CANCIK-KIRSCHBAUM 2012, S. 104). Dies liegt an dem logographischen Ursprung der Keilschrift, der mit sich bringt, dass Keilschriftzeichen auch immer auch Wortbedeutung haben können (IBID, S. 105, KREBERNIK 2007a, S. 39f.). Diese graphemische Dimension des Zeichens wird im Folgenden als Schriftbild45 bezeichnet. In dieses dreigliedrige Schema lassen sich nun verschiedene Ausprägungen an Keilschriftzeichen einordnen. Ein Wortzeichen umfasst alle drei Aspekte: signifiant, signifié und Schriftbild. Ein Silbenzeichen besitzt kein eigenes signifié und reduziert sich entsprechend auf die Dimension signifiant und Schriftbild. Determinative46 schließlich haben ein Schriftbild und bezeichnen außerdem etwas als zu einer signifié-Gruppe zugehörig. Abbildung 2: Aspekte eines Keilschriftzeichens

signifiant Silbenzeichen Keilschriftzeichen

Schriftbild

Wortzeichen Determinativ

signifié

45 Die Verwendung dieser zugegebenermaßen doppeldeutigen Terminologie, beruht auf drei Überlegungen. Erstens bindet der Aspekt des Bildes das Keilschriftzeichen in besonderer Weise an das signifié, das Gedankenbild, welches Pate für das Aussehen des Urzeichens stand (siehe KREBERNIK 2007, S. 39f.). Als zweites wird der Ausdruck Schriftbild verwendet, weil es bei ihm um die graphische und damit visuelle Dimension des Zeichens geht in Analogie zur auditiven Dimension des signifiant. Drittens wird der Ausdruck Schriftbild in Anlehnung an das Konzept der Schriftbildlichkeit gewählt (siehe CANCIK-KIRSCHBAUM 2012). 46 Determinative werden Wörtern voran- oder nachgestellt und liefern zusätzliche Informationen über den Gegenstand. So kann das Zeichen DINGIR einen nachfolgenden Götternamen anzeigen oder das nachgestellte KI ein Toponym kennzeichnen.

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Kapitel 1: Fragestellung – Gegenstand – Methodik

Über die Sprache der mesopotamischen Schrifterfinder herrscht Uneinigkeit, wobei aber viele Indizien für die Sumerer sprechen.47 Die Keilschriftzeichen behalten auch nach der Übernahme der Schrift durch die akkadisch-sprachigen Mesopotamier teilweise ihren sumerischen Lautwert und als Sumerogramm (= sumerisches Logogramm) ihr signifié. Diese sumerisch-akkadische Zweisprachigkeit liegt auch dem Lied auf Marduk zugrunde. Durch ihre drei Aspekte (signifiant, signifié und Schriftbild) produziert die Keilschrift bereits potentiell Mehrdeutigkeit (Wortzeichen, Silbenzeichen, Determinativ plus verschiedene Lesungen48), was durch die Zweisprachigkeit zusätzlich erweitert wird (KREBERNIK 2007a, S. 56). Diese Polysemie49 wird im enūma eliš als fruchtbares hermeneutisches Mittel verwendet.50 Diesem Vorgehen liegt die altorientalische Annahme zugrunde, dass die Zeichen, die eine Sache als Schrift wiedergeben, zugleich auch das Wesen der Sache abbilden. Von Gebhard Selz wird dies als „Babilismus“ bezeichnet (2002), von Stefan Maul in der Formel „Wort im Worte“ zusammengefasst (1999a). Bei diesem Zugang werden die einzelnen Keilschriftzeichen jeweils als Bedeutungsträger verstanden und entsprechend ihrer vielfältigen bedeutungstechnischen Möglichkeiten ausgedeutet. Dabei kommen neben der Vielzahl an potentiellen Lesungen der Zeichen (u.a. aufgrund der Zweisprachigkeit) auch Homo(io)phonie und Homographie als Auslöser von Polysemie hinzu (CANCIK-KIRSCHBAUM 2012, S. 113f.). Indem die Zeichen gemäß dieser Vielzahl an Möglichkeiten gelesen und entsprechend ausgedeutet werden, nähert sich die altorientalische Interpretation gemäß ihrer emischen Auffassung dem wahren Wesen des durch die Zeichen beschriebenen Gegenstands (siehe auch BOTTÉRO 1977, S. 27). Die zugrundeliegende Weltsicht beschreibt Stefan Maul mit dem Begriff der Etymologie, basierend auf der ursprünglichen Bedeutung des Wortelements ἔτυμος, „dem Wesen einer Sache ent47 Da die zumeist bildlich gehaltenen Prototexte unabhängig von jeder Sprache funktionieren (MAUL 1999a, S. 2f., KREBERNIK 2007, S. 40), lässt sich nicht mit letzter Sicherheit sagen, dass es sich bei ihnen um sumerische Texte handelt. Auch Robert Englund sieht in den Texten der Schriftstufe Uruk IV–III keine Anzeichen der sumerischen Sprache (1988, S. 131 Anm. 9). Dagegen argumentieren u.a. Govert van Driel (2000, S. 495) und Claus Wilcke (2005, S. 439). Letzterer macht anhand der archaischen lexikalischen Liste ED Lú A zudem bereits eine enge Beziehung des Sumerischen zum Akkadischen fest (IBID). Gegen die Natur der archaischen Zeichen als Piktogramme formuliert Gebhard Selz Zweifel, da es nicht notwendigerweise eine graphische Beziehung zwischen diesen ersten Zeichen und dem damit Bezeichneten geben muss (2002, S. 649f.). 48 Jede der drei Kategorien lässt in sich ebenfalls potentiell mehrere Möglichkeiten zu. Das Zeichen KUR steht sumerisch für den Lautwert /kur/ und das signifié kur („(Berg-)Land“), was akkadisch mātu („Land“) und šadû („Berg(land)“) entspricht. Durch die Verkürzung der signifiants der akkadischen Entsprechungen und der Hinzunahme ähnlich klingender Silben erhält das Keilschriftzeichen als akkadisches Silbenzeichen zusätzlich die Lautwerte /šad/, /šat/, /šaṭ/ sowie /mad/, /mat/, /maṭ/. Durch ihren ähnlichen Lautwert kommen zudem noch /nad/, /nat/, /naṭ/, /lad/, lat/ und /laṭ/ hinzu (MAUL 1999a, S. 4). 49 Sie kann auch problematisch sein. Dass die Vielschichtigkeit der Ausdrucksmöglichkeiten zu Missverständnissen führen kann, zeigen beispielsweise neuassyrische Briefe (MAUL 1999a, S. 5). Kritisch wird diese Praxis auch von Wilfred Lambert kommentiert, der eine zu große Beliebigkeit und unsauberes Handwerk besonders im ersten vorchristlichen Jahrtausend konstatiert (2013, S. 167f.) 50 So werden die im Werk verliehenen Namen ausgedeutet, indem sie Zeichen für Zeichen interpretiert werden (siehe § 5.2.).

1.3. Methodik

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sprechend“ (1999a, S. 7). Altorientalische Hermeneutik manifestiert sich dementsprechend als etymologische Interpretation. Die Keilschriftlichkeit kann durch ihre Komplexität nicht nur den jeweiligen signifiant des Gegenstandes wiedergeben, sondern eröffnet über die signifiés der einzelnen Silbenzeichen als Wortzeichen die wahre Natur der Dinge (KREBERNIK 2007a, S. 56f.). Jean Bottéro unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen zwei Schriftsorten. Die phonetische Schrift51 vermittelt in einem ersten Schritt über ihre Zeichen zuerst die signifiants und über die auditive Ebene in einem zweiten Schritt die signifiés. Davon trennt er die écriture de choses ab, die keinerlei Phonetik mehr enthält und nur über die durch die Schriftbilder repräsentierten Sachen ihre signifiés kommuniziert (BOTTÉRO 1977, S. 26).52 Nach dieser Unterscheidung ist Keilschriftlichkeit beides und stellt durch diese doppelte Funktion nach der kulturimmanenten altorientalischen Auffassung einen besonderen Schlüssel zum Verstehen der Welt dar. Dieser emische Sachverhalt bedeutet für die Auslegung des enūma eliš, dass die mögliche keilschriftliche Polysemie und die damit verbundene emische Etymologie (als Ontologie) immer im Auge behalten werden muss. Im Text kommt Namen und Namensgebungen eine zentrale Rolle zu. In ihrem Kontext finden sich auch explizite Ausdeutungen mittels der altorientalischen Hermeneutik (siehe auch BOTTÉRO 1977, SELZ 2002, S. 653–656, KREBERNIK 2007a, S. 55f.). Daher wird die Analyse der Keilschriftlichkeit insbesondere bei den Namensgebungen herangezogen. Dementsprechend werden die expliziten Deutungen analysiert und so wird der Text nach impliziten etymologischen Interpretationen durchleuchtet (siehe § 5.2.). 1.3.3. Technisches 1.3.3.1. Begriffliches Durch die Wissenschaftshistorie der Altorientalistik haben sich ‚Babylonisches Weltschöpfungsepos‘ oder ähnliche Titel zur Bezeichnung des enūma eliš eingebürgert.53 Ein Ergebnis der vorliegenden Arbeit besteht darin, nachzuweisen, dass die Weltschöpfung nur ein Mittel des Aufstiegs Marduks unter anderen ist. Seine Erhöhung sowie die Etablierung einer ewigen friedlichen Ordnung stehen im Hauptfokus des Werkes (siehe §§ 4.5, 7.3., 8.2.4. und 8.2.6.). Obwohl dieses Ergebnis in 51

Dies entspricht der Natur der zeitgenössischen westlichen Schriften. Wie die genaue Analyse der Namen im enūma eliš zeigt, funktioniert die Keilschrift bei der Auslegung der Namen nicht lautwertlos, so dass sie sich zumindest hier nicht als reine écriture de choses manifestiert, sondern in der oben skizzierten dreigliedrigen Komplexität (siehe § 5.3.2.). 53 Diese Bezeichnung hat vor allem (wissenschafts)historische Gründe. So wurde die Übersetzung von George Smith aus dem Jahre 1876 unter dem Sammeltitel The Chaldean Account of Genesis publiziert (SERI 2006, S. 507) und Leonard King veröffentliche seine Bearbeitung unter dem Namen Seven Tablets of Creation (1902a; 1902b). Diese Titulatur wurde von weiteren Forschern über die Jahrzehnte hinweg übernommen und leicht abgewandelt bis hin zu bspw. Babylonian Genesis (MICHALOWSKI 1990, S. 383), Babylonian Creation Myth (TALON 2005) oder Babylonian Epic of Creation (LAMBERT 2008, S. 17). Dabei weiß die wissenschaftliche Forschung längst, dass der Text vor allem auf Marduks Erhöhung fokussiert (siehe unten Anm. 54) so dass die moderne Titulatur insbesondere eine Frage der altorientalistischen Konvention ist, wie sie von Andrea Seri rekonstruiert wird (2012, S. 4f.). 52

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Kapitel 1: Fragestellung – Gegenstand – Methodik

Grundzügen schon länger bekannt ist,54 wurden mehr Untersuchungen zur Schöpfung im enūma eliš durchgeführt,55 als dass Marduks Aufstieg analysiert worden wäre.56 An dieser Stelle zeigt sich die Wirkmacht von Benennungen innerhalb der Wissenschaft,57 weshalb eine Bezeichnung, die das Wort Weltschöpfung enthält, bewusst vermieden wurde. Stattdessen wird schlicht das Incipit enūma eliš („Als oben“) oder die Selbstbezeichnung „Lied auf Marduk“ (zamāru ša dMarūtuk) gewählt (siehe auch §§ 2.2.3.8. und 3.1.2.). Ebenso vermieden wird der Begriff des Chaos, der in der Regel zur Bezeichnung der weiblichen Gestalt Tiāmtu und ihrer Verbündeten gewählt wird. Zum einen handelt es sich um ein aus dem griechischen Kulturraum entlehntes Konzept (siehe auch KÄMMERER 2011, S. 75). Zum anderen entspricht es aber auch nicht dem Inhalt des Textes, denn von Anfang an herrscht eine monarchische Grundordnung vor (siehe § 6.1.). Indem Marduk einen ewigen und friedlichen Kosmos einrichtet, erhöht er zwar den Grad der Ordnung im Universum, doch bedeutet dies nicht, dass anfangs Chaos herrschte. Als drittes wird auch nicht der Terminus Schicksal verwendet, der in der Regel zur Wiedergabe des Lexems šīmtu herangezogen wird.58 Stattdessen wird im Rahmen der vorliegenden Untersuchung der spezifische Charakter des hinter dem Lexem stehenden Konzepts rekonstruiert und ein neuer Begriff geprägt, die Festsprechung (siehe § 5.1.). Für komparatistische Vorhaben kann das Phänomen der Festsprechung der Kategorie Schicksal zugeordnet werden, für die vorliegende textimmanente Untersuchung wird jedoch ihr Spezifikum betont und daher der Begriff der Festsprechung gewählt.59

54 Dass der Fokus des Textes insbesondere auf Marduks Aufstieg beruht, darauf verwiesen bereits HEIDEL 1951, S. 10f., LAMBERT 1968, S. 106; BOTTÉRO, KRAMER 1989, S. 602; VANSTIPHOUT 1992, S. 52; BOTTÉRO 1998, S. 123; am aktuellsten bspw. STRECK 2006, S. 697; ZGOLL 2006a, S. 51f.; LAMBERT 2008, S. 26; DIETRICH 2008, S. 57; GRONEBERG 2009, S. 134; WILCKE 2010, S. 22, FRAHM 2011, S. 112; KREBERNIK 2012, S. 81 und LAMBERT 2013, S. 147. Außerdem unterstreicht Paul-Alain Beaulieu, dass das enūma eliš besonders durch die 50 Namen die allumfassende Komplexität Marduks darstellen will (1995, S. 188). 55 Am aktuellsten: LAMBERT 2008, IBID 2013 und SERI 2012. 56 Lediglich JACOBSEN 1976. 57 Eine ganz andere Wirkmacht von Namen und Worten zeigt sich in Kapitel 5. 58 Ähnlich wie Bezeichnungen wie „Babylonisches Weltschöpfungsepos“ einen verstellten Blick auf das enūma eliš zur Folge hatten, so hat auch die Übersetzung „Schicksal“ teils zu unglücklichen Interpretationen des Lexems šīmtu geführt, weshalb dieser Ausdruck im Rahmen dieser Arbeit in der Regel gemieden wird. Für eine anschließende komparatistische Arbeitsweise ist es natürlich fruchtbar die Konzeption von šīmtu als eine spezifische Spielart eines allgemeinen ‚Schicksalskonzepts‘ zu verstehen. 59 Durch den textimmanenten Fokus werden Phänomene wie der Festlegung von šīmtu mittels Austausch von Schriftzeichen auf der šīmtu-Tafel (LEICHTY 2011, S. 196) oder durch den Blick einer Gottheit (CAD Š3, S. 15) natürlich ausgeblendet. Für diesen Hinweis möchte ich Claus Ambos danken. Ob damit der Begriff der Festsprechung mit Blick auf den weiteren altorientalischen Textbestand zu eng gefasst ist, können nur weiterführende Studien im Zusammenspiel mit den Ergebnissen der vorliegenden Untersuchung (siehe insbesondere §§ 5.2. und 5.3.) abschließend klären. Für den analysierten Text, das enūma eliš, ist der Ausdruck passgenau.

1.3. Methodik

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Viertens wird auf den Ausdruck Priester größtenteils verzichtet und stattdessen die allgemeinere Formulierung des religiösen Experten gewählt.60 Dies beschreibt adäquater das Tätigkeitsspektrum verschiedener Personen im Alten Orient, die nicht nur für den Tempeldienst, sondern beispielsweise auch für Beschwörungen oder Omenkunde zuständig waren (ähnlich bspw. SALLABERGER, HUBER VULLIET 2005, S. 618f.). Schließlich bleibt offen, wie viele Personen das enūma eliš verfasst haben, auch wenn der hohe Grad der Komposition, der sich durch das gesamte Werk zieht (siehe bspw. § 4.5.), oder die intensive Verknüpfung zwischen Pragmatik und Semantik (siehe Kapitel 8) auf eine Schöpfung aus einem Guss deuten. Daher wird, um der Fiktion eines modernen Einzelautors vorzubeugen, stets der Plural verwendet, wenn von den Verfassern des Werkes gesprochen wird. 1.3.3.2. Schreibungen und Lesungen Der Protagonist des Werkes wird in Anlehnung an die griechische Tradierung des Namens üblicherweise als Marduk wiedergegeben, was sich als Standard bereits lange etabliert hat. Die genaue ursprüngliche Etymologie des Namens ist ungeklärt, so dass sich hieraus keine ‚richtige‘ Schreibung ableiten lässt (LAMBERT 2013, S. 161–164). Anhand syllabischer Schreibungen des Namens61 rekonstruiert Wilfred Lambert die richtige akkadische Wiedergabe des Namens zur vermutlichen Entstehungszeit des Werkes mit dMarūtuk (IBID, S. 162f.).62 Aus diesen Gründen wird der Name in der vorliegenden Untersuchung traditionellerweise weiterhin Marduk geschrieben, in der akkadischen Umschrift aber korrekt als dMarūtuk wiedergegeben. Die beiden wichtigsten Antagonisten Marduks im Text sind Tiāmtu und ihr zweiter Gatte Kingu. Die für die Urmutter gewählte Schreibweise basiert auf der Arbeit von Rykle Borger, der die Schreibung ti-GÉME als ti-amtu/-amti/-amta entziffert und entsprechend als Tiāmtu transkribiert (2008, S. 272f.).63 Für die Wiedergabe ihres zweiten Ehemanns existieren in der Altorientalistik zwei Konventionen, Qingu und Kingu.64 In der vorliegenden Untersuchung wird die 60 Diese Personengruppe spielt eine zentrale Rolle im Rahmen der Rekonstruktion der Verortung des Werkes in der Welt des Alten Orient (siehe Kapitel 2). 61 Sowohl des Götternamens als auch eines Personennamens, der ab der Kassitenzeit belegt ist. 62 Verstärkt wird der Befund durch spätere altorientalische Etymologien (bspw. im enūma eliš VI 125f.), in denen das phonetische Element /tuk(u)/ als sumerisch (giš)tukul („Waffe“) oder akkadisch tukultu („Vertrauen“) ausgelegt wird (LAMBERT 2013, S. 164f.). 63 Entgegen der verbreiteten Konvention ti-amat. Die Vielzahl der unterschiedlichen Schreibungen im Alten Orient stellt Wilfred Lambert zusammen (2013, S. 469). 64 Während in der englischsprachigen Literatur die erste Umschrift vorzuherrschen scheint, verwenden deutsch- und französischsprachige Autoren zumeist die zweite. In der Regel schreiben die keilschriftlichen Quellen den Namen dKIN-gu (im enūma eliš ausschließlich, TALON 2005, S. 125), was sowohl dKin-gu als auch dQin-gu gelesen werden kann. Abweichend davon findet sich die Wiedergabe dKIN-in-gu im neuassyrischen Marduk-Ordal (L IVINGSTONE 1986, S. 244:38f.), was als dQi-in-gu und damit als Beleg für die Schreibung Qingu interpretiert wird (KREBERNIK 2007b, S. 178; LAMBERT 2013, S. 221). Eine alternative Lesart wäre eine Glosse dKinin-gu, welche aber für den Textvertreter und den Text eher unwahrscheinlich ist. Bekannt für das Neuassyrische ist jedoch eine Lautverschiebung von k zu q am Wortanfang vor i oder u (GAG § 26b), welche hier somit

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Kapitel 1: Fragestellung – Gegenstand – Methodik

zweite gewählt, unter anderem da sich textimmanent im Lied auf Marduk eine mögliche altorientalisch-etymologische65 Ableitung vom sumerischen Lexem kíĝ („Arbeit“)66 andeutet (siehe § 4.2.2.3.). Originaltextstellen werden in der Regel in Transkription wiedergegeben, wobei die Schreibungen sich an dem Concise Dictionary of Akkadian (CDA) orientieren, das durch eine ergänzende Onlineveröffentlichung67 stets korrigiert und erweitert wird.68 Die grammatisch bedingten Längen basieren auf dem Grundriss der akkadischen Grammatik (GAG).69 Die sumerischen Namen werden entsprechend der Grammatik von Abraham Jagersma (2010) wiedergegeben. Die Zeichenlesungen orientieren sich am Mesopotamischen Zeichenlexikon (2., revidierte und aktualisierte Auflage) von Rykle Borger (2010).

vorliegen könnte. Schließlich findet sich auf der spätbabylonischen Schultafel UET VII 145 die Schreibung KI-in-gu-ú, welche Wilfred Lambert als qí-in-gu-ú interpretiert (2013, S. 221), wobei die Lesung ki-in-gu-ú natürlich ebenso möglich ist. Auffällig ist vielmehr die Pleneschreibung des Namens, was für ein sumerisches Lehnwort und damit für eine mögliche Entlehnung von kíĝ („Arbeit“, siehe unten und Anm. 66) sprechen würde. Zusammenfassend kann auf Basis der Orthographie keine eindeutige Entscheidung zu Gunsten oder Ungunsten der beiden Varianten (Kingu oder Qingu) getroffen werden. 65 Zur Etymologie als besondere altorientalische Sichtweise der Welt siehe § 1.3.2.3. 66 So WILCKE 1999a, S. 79. Diese Ausdeutung würde auch bei der Schreibung dKIN-in-gu durch das Zeichen KIN (als kíĝ) gültig bleiben (siehe Anm. 64). Alternative Etymologien sind ki-en-gi („Land Sumer“) (JACOBSEN 1984, S. 16 Anm. 4) und kíĝ-gal („Anführer“) (KREBERNIK 2002, S. 297; ähnlich LAMBERT 2013, S. 221). 67 http://www.trin.cam.ac.uk/cda_archive/lemmata.htm, letzter Zugriff am 26.03.2013. 68 Aus diesem Grunde wird auch eliš „oben“ in dieser Form transkribiert trotz der überzeugenden Argumentation von Hans-Peter Schaudig für eine Lesung elîš (2001, S. 243). 69 Abweichend davon wird der Plural mit dem Infix -ān- entgegen GAG § 63i gelängt in Anlehnung an die Argumentation von Giorgio Buccellati, der auf Basis einer umfassenden Analyse keine distinkte Pluralform -ānu/-āni feststellen kann und somit diese Formen allgemein dem Infix -ān- zuschreibt (1996, S. 148). Beispiel: ilānū statt ilānu. Dass diese besondere Pluralform überhaupt herangezogen wird, liegt an der Mehrheit der Belege, die ilānū/ilānī statt ilū/ilī schreiben (LAMBERT 2013, S. 16).

Kapitel 2

Pragmatisch-extrarelationale Dimension des enūma eliš In diesem Kapitel wird der Verortung des enūma eliš nachgegangen, wobei Verortung hier als die extrarelationale Dimension des Werkes verstanden wird, d.h. die Beziehung des Textes zu seiner gesellschaftlichen, religiösen etc. Umwelt. Hierbei kommen zwei unterschiedliche Perspektiven auf die Verortung zum Tragen. Im ersten Unterkapitel (2.1.) wird die räumliche und zeitliche Verteilung der erhaltenen Textzeugen untersucht, wobei neben den bekannten Fundstätten auch die Kolophone als Informationsquelle dienen. In dieser ersten Analyse geht es zunächst um die wortwörtliche Ver-Ortung der Textvertreter im altorientalischen Kulturraum. Das zweite Unterkapitel (2.2.) baut auf diesen Erkenntnissen auf und widmet sich der situativen Verortung, dem sogenannten Sitz im Leben, wozu über die genauen Fundkontexte und die Kolophone hinaus auch der Epilog des Werkes befragt wird. Hier rückt nun verstärkt die Funktion des Werkes in den Blick, so sie sich aus den analysierten Informationsträgern ableiten lässt. Die Materialität der Untersuchung der pragmatisch-extrarelationalen Dimension des Lieds auf Marduk erstreckt sich auf die gesamte bisher geleistete wissenschaftliche Erschließung der Textzeugen und ihrer Beschriftung (Fotos, Kopien, Transliterationen, Grabungsberichte und deren Aufbereitung), die durch Publikationen zugänglich gemacht wurden (siehe auch § 1.2.). Die paläographische Untersuchung der Textvertreter und ihre weitergehende Kategorisierung anhand der originalen Tontafeln bleiben einer kritischen Edition überlassen, die die vorliegende Untersuchung nicht ersetzen, sondern vielmehr ergänzen will. Zusätzlich werden altorientalische Quellen, die das enūma eliš erwähnen, punktuell eingesetzt, wo sie elementare Informationen enthalten. Zuvorderst fokussiert das Vorhaben aber auf das Werk und seine Textzeugen und deren Fundkontexte selbst.

2.1. Räumliche und zeitliche Herkunft der Textzeugen Zunächst soll die Herkunft der erhaltenen, gefundenen und identifizierten Tontafeln des Werkes untersucht werden. Dabei stehen zwei Dimensionen im Fokus: 1) die räumliche und 2) die zeitliche. Die erste der beiden Blickrichtungen beschäftigt sich zunächst mit der Frage, welche geographische Verbreitung der Text in der Antike erfahren hat. Diese Perspektive soll durch die Berücksichtigung der zeitlichen Dimension von einer synchronen in eine diachrone Betrachtung überführt werden. Dabei können die Textzeugen jedoch generell nicht den Entstehungszeitpunkt des Werkes offenbaren, sondern nur helfen, einen terminus ante quem zu definieren.

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Kapitel 2: Pragmatisch-extrarelationale Dimension des enūma eliš

Wichtiger erscheint daher das genaue raum-zeitliche Verteilungsmuster, das sich für die Textvertreter rekonstruieren lässt. Die Wiedergabe des aktuellen Forschungsstandes ist Gegenstand des ersten Unterkapitels (2.1.1.). Die Frage nach der raum-zeitlichen Verortung des Werkes in der Welt des Alten Orient soll anhand des vorliegenden Materials weiter vertieft werden. So soll die Auswertung der erhaltenen Kolophone (2.1.2.) helfen, die geographische und temporale Zuordnung zu präzisieren. Abschließend werden die bekannten und rekonstruierbaren Fundkontexte einer genaueren Betrachtung unterzogen (2.1.3). Im Zuge des letztgenannten Unterkapitels soll zusätzlich zur raum-zeitlichen Dimension auch kursorisch der sogenannte Sitz im Leben berücksichtigt werden, so er aus dem Fundkontext rekonstruierbar ist.1 Die Frage der räumlichen und zeitlichen Herkunft wird schließlich in einem ersten Resumée (2.1.4.) zusammengefasst. In einem zweiten Schritt werden die Ergebnisse mit dem Befund der Untersuchung der situativen Verortung (§ 2.2.) zusammengebracht und eine Synthese der pragmatisch-extrarelationalen Dimension versucht (§ 2.3.). 2.1.1. Chronologisch-geographische Verteilung; Forschungsstand In diesem Unterkapitel wird die Quantität und Qualität der Überlieferungslage thematisiert. Hierfür wird zunächst die geographische Verteilung der gefundenen Tontafeln dargestellt und anschließend die Datierung gemäß dem aktuellen Forschungsstand wiedergegeben. Auf Basis der Textzeugenherkunft werden zudem die Siglen der Edition von Wilfred Lambert (2013) um einen Index ergänzt, der weitere Informationen zum konkreten Textvertreter enthält (Fundort und besonderer Tafeltyp). Diese Untersuchung ist mit einem notwendigen Vorbehalt versehen, der ausdrücklich hervorzuheben ist. Der Zufall des Erhalts und der Überlieferung antiker Zeugnisse lässt immer ein hohes Maß an Zurückhaltung bei der Bewertung des tradierten Bestandes angeraten sein. Auch wenn klare Muster vorherrschen, müssen keine Gesetzmäßigkeiten vorliegen. Dennoch lohnt sich ein Blick auf die Textzeugen des Werkes und ihre raum-zeitliche Herkunft, weil diese immer auch Indizien sein können, die in der Lage sind, mit anderen Beobachtungen zusammen ein klareres Bild der extrarelationalen Dimension des Textes zu zeichnen. Material Insgesamt sind aktuell 184 Textzeugen vom Lied auf Marduk bekannt.2,3 Mit Abstand die meisten Tontafeln sind von der ersten Tafel des Werkes erhalten (55 1

Eine intensive Auseinandersetzung mit der Frage nach der Verortung des Textes im Leben des Alten Orient findet sich in Unterkapitel § 2.2., in dem die Befunde aus § 2.1.3. wieder aufgegriffen werden (§ 2.2.2.). 2 Eine Auflistung der bisher publizierten Textzeugen findet sich in den Edition von Thomas Kämmerer und Kai Metzler (2012, S. 81–107) sowie von Wilfred Lambert (2013, S. 45–48, 61–63, 74f., 84f., 96f., 108f., 122f.). Bei der hier verwendeten Zählung wurden Dopplungen von Tontafeln, die Teile zweier Tafeln enthalten, berücksichtigt, ebenso wie Joins. Dabei folgt diese Arbeit den Vorschlägen von Wilfred Lambert, die mit den Zusammenfügungen von Thomas Kämmerer und Kai Metzler übereinstimmen (Ausnahme: Tafel I Textzeuge R (Lambert) bzw. Textzeugen DD und EE (Kämmerer, Metzler)). Auf mögliche weitere Joins wird in den Editionen verwiesen (siehe auch im Anhang das Textzeugenverzeichnis). Nicht mitgezählt und auch im Weiteren unberücksichtigt

2.1. Räumliche und zeitliche Herkunft der Textzeugen

31

Exemplare). Am schlechtesten erhalten ist die fünfte Tafel (18 Exemplare), wovon auch die Lücken bei der Rekonstruktion des Textes auf dieser Tafel herrühren. Tabelle 1: Textzeugen des enūma eliš4 Tafel I II III IV V VI VII ohne Zuordnung  (bereinigt)6

Textzeugen 55 27 22 30 18 26 24 15 184

Räumliche Verteilung: Ganz Mesopotamien und darüber hinaus Die Verteilung der Textzeugen gemäß ihrer Paläographie ist fast paritätisch. So verfügen (bereinigt) 98 Textvertreter (etwa 53%) über eine babylonische7 Schreibung, 86 (etwa 47%) über eine assyrische8 Schreibung. Die Bedeutung des Werkes erschließt sich nicht nur aus der großen Anzahl an gefundenen Exemplaren, sondern auch aus der geographischen Verbreitung derselben. So existieren Tafeln aus grobleiben die verschiedenen altorientalischen Kommentare zum Lied auf Marduk, da diese nur sekundär zum Text gehören und in der hier vorgenommenen Untersuchung des Primärtextes daher ausgeklammert werden. Zusätzlich wurde ein weiterer Textzeuge aus Babylon berücksichtigt, der in den Editionen nicht erwähnt wird (VAN DIJK 1987, S. 15). Eine Übersicht über alle Textzeugen findet sich im Textzeugenverzeichnis. An dieser Stelle möchte ich Joachim Oelsner ausdrücklich für die Zusendung einer ersten Tabelle danken, die er auf Basis eigener weitergehender Recherchen aufgestellt hat, die er aber nicht der Publikation seiner Rezension der Edition von Philippe Talon angehängt hat (2009, S. S. 459–463), wodurch mir die meisten Textvertreter von der Museumsnummer her bereits vor den beiden Editionen bekannt waren. 3 Die im Folgenden genannten Quantitäten weichen teils von den Angaben von Wilfred Lambert (2013, S. 3f.) ab. Dies liegt daran, dass in der Zusammenstellung von Wilfred Lambert drei Textzeugen fehlen – BM 54798 (Taf. I jjunb:2a), VAT 17489 (Taf. IV lBab:Pr) und 1924–2055 (ohne Tafelzuordnung αKiš). Außerdem zählt er die beiden Schultafeln VAT 10071 (Taf. I R1Ass:2a) und VAT 10756 (Taf. I R2Ass:2a) als ein Textzeuge (IBID, S. 46), obwohl es sich um zwei getrennte Tafeln handelt. 4 Bei der Zuweisung der Textzeugen zu den Tafeln des enūma eliš folgt diese Auflistung der Edition von Wilfred Lambert. 5 Nach Eleanor Robson existiert ein Exemplar aus Kiš (Museumsnummer 1924-2055), das bisher noch keiner der sieben Tafeln des Werkes zugeordnet werden konnte (2004, S. 48). 6 Da verschiedene Textzeugen mehr als eine Tafel des Werkes enthalten (bspw. durch die Stichzeile im Kolophon), ist die bereinigte Gesamtsumme kleiner als die Summe der Textvertreter je Tafel. 7 Unter dem Begriff babylonisch wird sowohl eine neu- als auch eine spätbabylonische Orthographie subsummiert (siehe auch L AMBERT 2013, S. 4). 8 Es handelt sich in der Regel um einen neuassyrischen Duktus (siehe KÄMMERER, METZLER 2012, S. 81–107), wobei Wilfred Lambert die Textvertreter Taf. I U Ass, Taf. II HAss, Taf. IV HAss, IAss, JAss, Taf. VI CAss spät-mittelassyrisch einordnet (2013, S. 4).

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Kapitel 2: Pragmatisch-extrarelationale Dimension des enūma eliš

ßen Teilen Mesopotamiens: aus Assur, Kalḫu und Ninive (assyrisches Kernland), aus Uruk (Südbabylonien), aus Ḫuzirīna/Sultantepe (Anatolien) und Mê-Turnat/Tell Haddad9 (Diyāla-Region), aus Babylon, Kiš und Sippar (Nordbabylonien). Zusätzlich gibt es eine Großzahl babylonisch geschriebener Exemplare, die über den sogenannten Kunsthandel erworben wurden und deren Fundort so leider nicht bekannt ist (Siehe auch Textzeugenverzeichnis b) nach Fundorten).10 Abbildung 3: Verteilung der Textzeugenfunde in Mesopotamien

Ergänzung der Siglen von LAMBERT 2013 Um eine Übersicht über die geographische Herkunft und mögliche besondere Tafel formate der Textzeugen zu erhalten, sollen diese im Folgenden in Gruppen aufgeteilt und die Siglen der Edition von Wilfred Lambert (2013)11 um einen Index erweitert werden. Die Fundorte sind dabei nicht unbedingt mit dem Ort der ursprünglichen Niederschrift beziehungsweise der ehemaligen Verwendung identisch. So finden sich in zwei Kolophonen konkrete topographische Hinweise, obwohl der konkrete Fundort der Tafeln unbekannt ist. Textzeuge bunb (Taf. I) kommt aus dem 9 Mê-Turnat ist der Name des Tell Haddad in neuassyrischer Zeit, während er in altbabylonischer Zeit Mê-Turan genannt wurde (KILLICK, BLACK 1985, S. 220). 10 Diese Tafeln erhielten im British Museum Museum häufig eine Herkunftsbezeichnung „Babylon“ oder „Sippar“, die zwar möglich, aber nicht gesichert ist (GESCHE 2000, S. 37, KÄMMERER, METZLER 2012, S. 81). Daher wurden diese Tontafeln hier der Kategorie Herkunft unbekannt zugeordnet. 11 Diese Siglen differenzieren bereits die Paläographie der Tafeln, indem Kleinbuchstaben für babylonische und Großbuchstaben für assyrische Schrift herangezogen werden.

2.1. Räumliche und zeitliche Herkunft der Textzeugen

33

Umfeld Babylons und aunb (Taf. IV) sollte gemäß der Tafelunterschrift im NabûTempel in Borsippa aufgestellt werden (hierzu siehe § 2.1.2.). Da die Zuteilung zu den Gruppen sich jedoch am Fundkontext orientiert, werden diese Tafeln nach diesem und nicht nach weiteren räumlichen Hinweisen kategorisiert. Die zusätzlichen Indizes zu den Siglen geben als erstes den Fundort durch die ersten drei Buchstaben12 seines antiken Namens wieder. Mögliche Zusätze markieren Tafeln, die ein besonderes Format haben beziehungsweise klar aus dem Schulkontext hervorgehen. In der Regel sind die Niederschriften des Werkes insofern formal identisch, dass sie auf zweikolumnigen Tafeln festgehalten wurden mit einer Kolumne je Tafelseite (LAMBERT 2013, S. 3). Eine Ausnahme hiervon stellt BM 98909 (Taf. I JNin:mk = Taf. II ANin:mk) dar, die vermutlich mehrkolumnig war (IBID) und entsprechend durch den Indexzusatz :mk markiert wird. Der Zusatz :2a wiederum verweist auf eine Schülertafel mit Auszügen mehrerer Texte (Typ 2a) (GESCHE 2000, S. 174); handelt es sich um eine prismenförmige Schultafel mit Textexzerpten, wird die Indexerweiterung :Pr verwendet. Textvertreter dieser beiden Varianten sind aus Assur, Babylon und Ninive sowie mit unbekannter Provenienz erhalten. Tafeln mit Wiedergabe nur eines Werkes,13 die im Rahmen der zweiten Stufe der Schulausbildung und speziell der religiös-kultischen „Fachausbildung“ im Alten Orient geschrieben wurden (Typ 2c) (GESCHE 2000, S. 186f., 213ff.), werden durch den Zusatz :2c markiert. Hierzu gehören Exemplare aus Assur, Ḫuzirīna und unbekannter Herkunft. Für diese zusätzlichen Markierungen wurden Hinweise von Thomas Kämmerer und Kai Metzler (2012, S. 81–107) sowie von Wilfred Lambert (2013, S. 45–48, 61–63, 74f., 84f., 96f., 108f., 122f.) verarbeitet. Für Tafeln vom Typ 2c wurden die Angaben aus den Kolophonen ausgewertet (siehe auch § 2.1.2.), so dass diese Kennzeichnung ohne eigene Kollationen noch unvollständig ist. Dennoch wurde in den bekannten Fällen eine punktuelle Kennzeichnung einer allgemeinen NichtAusweisung vorgezogen, um so den aktuellen Kenntnisstand in die Textzeugenbenennung einfließen zu lassen. Tabelle 2: Textzeugen gruppiert nach Fundort Fundort (und Tafeltyp) Assur, davon  Typ 2a  Typ 2c Babylon, davon  Prisma

12 13

Orthographie

assyrisch babylonisch

verwendete Siglen-Zusätze Ass  Ass:2a  Ass:2c Bab  Bab:Pr

Anzahl (bereinigt) 26  2  1 1  1

Eine Ausnahme ist Uruk, dort ist es der ganze Name. Gekennzeichnet bspw. durch einen entsprechenden Vermerk (nasḫa) in dem Kolophon.

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Kapitel 2: Pragmatisch-extrarelationale Dimension des enūma eliš

Tabelle 2: Textzeugen gruppiert nach Fundort (Fortsetzung) Fundort (und Tafeltyp) Ḫuzirīna, davon Typ 2c Kalḫu Kiš Mê-Turnat Ninive, davon  mehrkolumnig Sippar Uruk unbekannt, davon  Typ 2a  Typ 2c

Orthographie assyrisch assyrisch babylonisch babylonisch assyrisch babylonisch babylonisch babylonisch

verwendete Siglen-Zusätze Huz  Huz:2c Kal Kiš Met Nin  Nin:mk Sip Uruk unb  unb:2a  unb:2c

Anzahl (bereinigt) 13  1 2 4 1 45  1 1 2 89  58  2

Es fällt auf, dass die mit Abstand größte Gruppe mit bekanntem Fundort aus Ninive entstammt. Deutlich umfassender ist die Anzahl der Textzeugen babylonischer Orthographie, deren Fundort unbekannt ist, wobei hiervon die Mehrzahl Schülertafeln vom Typ 2a sind. Exemplare aller sieben Tafeln des Werkes wurden nur in Ninive und Assur gefunden. Gerade von der am schlechtesten überlieferten Tafel V existieren nur Abschriften aus den assyrischen Städten Assur (1 Exemplar), Ḫuzirīna (1 Exemplar) und Ninive (7 Exemplare); der Rest weist babylonische Schrift auf und hat eine unbestimmte Herkunft (siehe Textzeugenverzeichnis). Zeitliche Verteilung: ca. 1000 – 100 v. Chr. Die zeitliche Zuordnung ist mindestens genauso schwierig wie die Auswertung der geographischen Verbreitung der Textzeugen, zumal unterschiedliche Einschätzungen in der Forschungsliteratur vorherrschen. Einigkeit herrscht darin, dass die vermutlich ältesten Textzeugen aus Assur stammen. So datiert Stefan M. Maul im Rahmen der Heidelberger Assur-Forschung die Tafel VAT 10346 (= Taf. I OAss) in etwa auf die Jahrtausendwende oder sogar früher (GEORGE 2005/2006, S. 87 Anm. 15).14 Interessanterweise führt Wilfred Lambert diese Tafel nicht unter den spät-mittelassyrischen und damit ältesten Textvertretern auf. Stattdessen zählt er – wie Stefan M. Maul basierend auf paläographischen Überlegungen15 – die Textzeugen Taf. I UAss, Taf. II HAss, IAss, Taf. IV HAss, IAss, JAss, Taf. VI CAss zu dieser Gruppe, die er in etwa dem Zeitraum 900–850 v. Chr. zuordnet (2013, S. 4). Diese grobe zeitliche Einteilung hat auch Joachim Oelsner vorgenommen, der die 14 Dieser Textzeuge fällt auch dadurch auf, dass er anders als die die überwiegende Mehrzahl der Manuskripte teils vom Text abweicht und auch Zeilen auslässt, wodurch teilweise der Sinn verloren geht. Dies führte zu der Bewertung von Wilfred Lambert: „On the whole, this copy does not inspire confidence in its deviations.“ (2013, S. 5). 15 Auf die Unsicherheit, die mit einer Datierung auf paläographischer Basis im Gegensatz zu expliziten Datumsformeln verbunden ist, verweist Eckart Frahm (2010, S. 24 Anm. 11; 2011 S. 346 Anm. 1649).

2.1. Räumliche und zeitliche Herkunft der Textzeugen

35

ältesten Exemplare aus Assur allgemeiner in einem Zeitraum von 900 bis ins frühe 8. Jahrhundert v. Chr. verortete (2009, S. 464). Mit dem Untergang des neuassyrischen Reiches (Ende 7. Jh. v. Chr.) endet auch die Tradierung des Werkes in assyrischer Schrift. Die ältesten erhaltenen Tontafeln babylonischer Orthographie wurden vermutlich in Kiš mit anderen Schriftstücken aus der Zeit Sargon II. (721–705 v. Chr.)16 ausgegraben (OELSNER 2009, S. 464).17 Paläographisch ordnet Wilfred Lambert die Tafeln mit babylonischer Schrift jedoch frühestens dem neubabylonischen Reich zu (ab 626v. Chr.). Da der Fundkontext der Kiš-Exemplare leider nicht ausreichend dokumentiert wurde (siehe auch Anm. 17 und § 2.1.3.5.), ist eine Abwägung beider Argumente schwierig. Da die meisten anderen Tafeln babylonischer Orthographie aus dem ‚Kunsthandel‘ stammen,18 fehlen hier weitergehende Informationen (LAMBERT 2013, S. 4). Die babylonischen Schultafeln vom Typ 2a sind erst in die Zeit ab Nebukadnezar II. (604–562 v. Chr.)19 einzuordnen.20 Nach Petra Gesche sind Schülertafeln allgemein bis in nachchristliche Zeit erhalten (2000, S. 40),21 wobei unklar ist, ob in der späten Zeit Exemplare beziehungsweise Auszüge des Lieds auf Marduk dabei sind. Dies liegt an dem Umstand, dass der Fundkontext der Tafeln in der Regel fehlt (IBID, S. 37) und die Kolophone der Schülertafeln in der Regel keine Jahresangaben enthalten (IBID, S. 39). Da die erhaltenen Schülertafeln einzeln nicht datierbar sind, richtet sich die zeitliche Einordnung nach der Zeitspanne der gesamten Textgruppe, die von etwa 600 v. Chr. bis mindestens in das 2. Jahrhundert v. Chr. reicht (GESCHE 2000, S. 39f.).22 Insgesamt knapper interpretiert Manfried Dietrich die zeitliche Herkunft der Tafeln, die insgesamt aus einem Zeitraum von 750 bis 250 v. Chr. stammten (2006, S. 137). 16

Akkadisch eigentlich: Šarru-ukīn. Eine genauere Untersuchung zum Fundkontext findet sich in § 2.1.3.5. Joachim Oelsner beruht in seiner Aussage vermutlich auf einer kleinen Notiz von Stephen Langdon (1927, S. XVI). Leider lässt sich aus den Grabungsunterlagen nicht rekonstruieren, um welche anderen Tontafeln es sich hierbei konkret gehandelt hat (vgl. auch LANGDON 1924). Eleanor Robson berichtet von einem einzelnen Kolophon, das Sargon II. erwähnt, dessen Tafel mit den Textzeugen des enūma eliš ausgegraben wurden (2004, S. 47). McGuire Gibson verweist darauf, dass drei Viertel der datierten Wirtschaftsurkunden aus dem Fundgebiet in die spätbabylonische Zeit gehören, die älteren Tafeln sind sicher neubabylonisch (1972b, S. 120). Dabei geht er jedoch nicht näher auf die Stratigraphie ein. 18 Eine Ausnahme sind je ein Textvertreter aus Mê-Turnat und Sippar sowie zwei aus Uruk. 19 Akkadisch eigentlich: Nabû-kudurrī-uṣur. 20 Die älteste Schülertafel im von Petra Gesche untersuchten Corpus trägt das Datum 1. 9. Nebukadnezar II. 10 (= 15.12.595 v. Chr.). Aus Nippur sind zwar auch frühneubabylonische Schülertafeln aus dem 8. vorchristlichen Jahrhundert erhalten, doch scheint es sich hierbei um nicht-kanonische Vertreter zu handeln ohne Exzerpte des enūma eliš (OELSNER 2004, S. 133). 21 Die Graeco-Babylonica zählen zu den jüngsten erhaltenen Tafeln und datieren vermutlich aufgrund der Art und Weise, wie das Akkadische durch griechische Buchstaben wiedergegeben ist, um 250 v. Chr. (WESTENHOLZ 2007, S. 281f.). Jedoch findet sich kein Exemplar des enūma eliš unter diesen späten Tontafeln (GELLER 1997, S. 68–85; WESTENHOLZ 2007, S. 263–273). 22 Joachim Oelsner argumentiert sogar, dass Schülertafeln allgemein bis ins das 2. vielleicht sogar 3. nachchristliche Jahrhundert erhalten sind (2002, S. 15, 30). 17

36

Kapitel 2: Pragmatisch-extrarelationale Dimension des enūma eliš

Im spätbabylonischen Uruk lässt sich auch ein direkter Abbruch der Tradierung des Werkes auf Tontafeln erkennen. Nachdem die Herrschaft Babylons über die südmesopotamische Stadt durch die Achämeniden beseitigt wurde, traten mehr und mehr neue kulturelle Einflüsse auf, die zu einem Ende der Niederschrift des Textes führten (FRAHM 2002, S. 96; IBID 2010, S. 17f.).23 Zusammenfassung: Ausbreitung von Assyrien nach Babylonien Die ältesten bekannten Tontafeln des Lieds auf Marduk kommen aus Assyrien, so dass sich nach dem aktuellen Fundbestand eine chronologische Ausbreitung von Assur aus nach Babylonien ergibt (siehe auch DIETRICH 2006, S. 137), was bei einem dezidiert babylonischen Text (bspw. Protagonist: Marduk; erste Stadt: Babylon) dann doch erstaunt. Gemäß der Tontafelfunde erfährt das enūma eliš eine weite geographische Verbreitung in ganz Mesopotamien (und darüber hinaus). Neben der großen Anzahl an Textzeugen spricht auch dieser Umstand für die Bedeutung des Werkes. Neben der räumlichen Breite ist das Lied auf Marduk auch über eine große Zeitspanne vertreten. Unter der Annahme der Datierungen auf Basis des aktuellen, oben skizzierten Forschungsstandes, sind Textzeugen aus einem Zeitraum von etwa 900 Jahren (etwa 1000 v. Chr. – 100 v. Chr.) erhalten. 2.1.2. Zuordnung auf Basis der Kolophone Material Weitere Hinweise zur zeitlichen und räumlichen Verortung der Textzeugen können auch aus den Kolophonen gewonnen werden, wobei diese nicht den Fundort, sondern die ursprüngliche Verortung der jeweiligen Tontafel in der Welt des Alten Orient verraten. Von den insgesamt 184 bekannten Textzeugen ist nur bei 21 Exemplaren ein Kolophon zumindest in Teilen erhalten (= 11%).24 Die meisten (= 10) Tafelunterschriften wurden durch Hermann Hunger (1968) publiziert25 und nach Herkunft eingeordnet.26 Die dort nicht veröffentlichten Kolophone sind dennoch in Keilschrift einsehbar und bei Thomas Kämmerer und Kai Metzler in Umschrift wiedergegeben (2012, S. 109ff.).

23

Für diese Stadt siehe auch die Fundkontexte der Textvertreter des enūma eliš (§ 2.1.3.8.). Dabei wurden Textzeugen, die nur die Stichzeile der nächsten Tafel der Serie enthalten, nicht mitgezählt, da hieraus keine weiteren Informationen abgeleitet werden können. 25 Es handelt sich um BAK N° 136 (Tafel IV aunb), N° 260 (II GAss:2c), N° 279 (VI AAss), N° 377 (II LHuz), N° 392 (IV KHuz), N° 403 (IV LHuz:2c), N° 422 (I bunb), N° 456 (I cunb) und N° 463 (II aunb). 26 BAK N° 136 stammt aus Borsippa, N° 260 und N° 279 aus Assur, N° 377, N° 392 und N° 402 aus Ḫuzirīna. Die restlichen Tafeln sind nach Hunger unbekannten Ursprungs. 24

2.1. Räumliche und zeitliche Herkunft der Textzeugen

37

Tabelle 3: Textzeugen mit Kolophonen27 Tafel

Sigle

Museumsnummer

BAK-N°

I

ANin JNin:mk

K 5419,c BM 98909

-

Umschrift in KÄMMERER, METZLER 201228 S. 151 S. 151

cunb bunb

456 422

S. 151 S. 151

260

S. 178 S. 178

LHuz

BM 93015 BM 45528 + 46614 + 47173 + 47190 + 47197 K 292 Assur-Foto 2553 = Ass. 11600f SU 51/132

377

S. 178

aunb

BM 40559

463

S. 178

cunb aunb:2c

-

S. 179 S. 199

392

S. 227 S. 227

LHuz:2c aunb

BM 66568 BM 61429 + 82894 + 83-121,57 K 11863 SU 51/58 + SU 51/127 SU 51/23A BM 93016

403 136

S. 227 S. 227

BNin

K3567 + 8588

-

S. 246

DNin

-

S. 246

AAss

K 5661 + K 11641 VAT 9676

279

S. 280

aunb

BM 92629

-

S. 280

jMet

IM 121284

-

S. 280

JHuz

SU 51/63 + 52/102 + 51/87 BM 35506

393

S. 314

-

S. 314

(= Taf. II ANin:mk)

II

FNin GAss:2c

(= Taf. III FAss:2c ) (= Taf. III GHuz ) (= Taf. III nunb)

III IV

ENin KHuz

(= Taf. V JHuz )

V

VI

(= Taf. V hunb) (= Taf. VI ONin)

(= Taf. VI PNin) (= Taf. VII LAss)

(= Taf. VII junb)

VII

(=Taf. VII k Met )

bunb

27

Die Textzeugen werden jeweils nur einmal genannt. Sollte ein Textvertreter zwei Tafeln des Werkes umfassen (zum Beispiel durch eine Stichzeile im Kolophon), so wird darauf bei der jeweils ersten Tafel hingewiesen. Für weitergehende Angaben zu den Textzeugen siehe Textzeugenverzeichnis. 28 In der Lambert-Edition (2013) werden keine Kolophone ausgewiesen oder wiedergegeben.

38

Kapitel 2: Pragmatisch-extrarelationale Dimension des enūma eliš

Räumliche Informationen: Babylon, Borsippa, Ḫuzirīna und Ninive Auf Textzeuge aunb (Tafel IV) berichtet der Kolophon davon, dass die Tafel im Ezida, dem Nabû-Tempel in Borsippa, dauerhaft aufgestellt (ukīn) wurde (BAK N° 136). Obwohl für diese Tafel kein Fundkontext vorliegt, kann sie dadurch geographisch dieser Stadt zugeordnet werden. Der Zeuge GAss:2c (Tafel II) erwähnt in einer ansonsten zerstörten Zeile (BAK N° 260:5) die Stadt Assur, wobei es sich vermutlich um den Herstellungsort handelt. Außerdem wurde die Tafel in Assur gefunden. Schließlich liefert der Textzeuge bunb (Tafel I), dessen Herkunft unbestimmt ist, den Hinweis, dass er von einem Original aus Babylon abgeschrieben wurde, was bedeutet, dass die Tafel selbst möglicherweise nicht aus Babylon stammt (BAK N° 422), ansonsten wäre eine solche Anmerkung vermutlich nicht erforderlich gewesen. Andererseits kann die Erwähnung von Marduk und Zarpānītum im Kolophon auf die Stadt Babylon als Herkunftsort verweisen (OELSNER 2009, S. 464). Letzten Endes lässt sich der Umstand nicht endgültig bewerten. Für ein Exemplar der Tafel II (LHuz) könnte der Schreibername IndiMeslamtaʾeʾa dessen ursprüngliche Verortung in Ḫuzirīna untermauern, die sich mit dem Fundkontext deckt, da der Name für einen šangû (=Verwaltungsleiter eines Tempels) aus dieser Stadt belegt ist (siehe 2.2.1.). Aus den sonstigen Schreibernamen29 können hingegen keine weiteren Informationen gewonnen werden. Dabei sind Namen nur in Unterschriften babylonischer Tafeln und aus Ḫuzirīna erhalten. Schließlich enthält der Kolophon des Textzeugen BNin der Tafel V eine Kennung der Bibliothek Assurbanipals, wobei es sich um die einzige entsprechende publizierte Tafelunterschrift handelt (OELSNER 2009, S. 464). Wilfred Lambert weist darauf hin, dass es noch weitere Kolophone der Assurbanipal-Bibliothek gibt, die er jedoch leider nicht veröffentlicht hat (2013, S. 3). Zeitliche Informationen: 700, 650 und 500 v. Chr. Auch bei der Datierung der Textzeugen können die Tafelunterschriften hilfreich sein. Der Kolophon des Textzeugen der ersten Tafel bunb (= BAK N° 42230) schließt als einziger mit einer Datumsformel ab, von der leider der Herrschername fast vollständig fehlt (HUNGER 1968, N° 422:6). Philippe Talon erwägt an dieser Stelle fragend den Namen Darius (2005, S. xiii), während Joachim Oelsner diesen Bezug fraglos ansetzt (2009, S. 464). Der Text zeigt nach der Kopie des Textes von Leonard W. King (1902b, Plate 6) den möglichen Beginn eines D[a-, bevor die Zeile ganz abbricht. Thomas Kämmerer und Kai Metzler lassen den Herrschernamen ganz weg (2012, S. 151). Wenn die Angaben von Philippe Talon und Joachim Oelsner zutreffen, so wäre die Tafel im 27. Regierungsjahr Darius I., am 5. Mai 495 v. Chr., niedergeschrieben worden (OELSNER 2009, S. 464). Gute Datierungshinweise liefert auch BAK N° 403 (Taf. IV, LHuz:2c), der einen assyrischen eponymen Beamten erwähnt, „Me-tu-nu, Statthalter von Isāna“. Da29

Nāʾid-Marūtuk, Sohn/Nachkomme des Schmieds/Statthalters (BAK N° 136), [Nabû-aḫḫē]šallim (N° 392), Nabû-aḫa-šallim (N° 393), Nabû-mušētiq-DU.DA, Sohn des ? (N° 422), Nabûbalassu-iqbi, Sohn des Nāʾid-Marūtuk (N° 456), Nabû-aḫḫē-iddina, Sohn des Ēṭir-Bēl (N° 463), Nabû-balassu-iqbi (BM 92629). 30 Bezeichnung der Kolophone nach HUNGER 1968.

2.1. Räumliche und zeitliche Herkunft der Textzeugen

39

durch lässt sich die Tafel auf das Jahr 700 v. Chr. und dadurch an den Anfang der Regierungszeit von Sanḫerib (705–680 v. Chr.)31 und etwa ein Jahrzehnt vor die Zerstörung Babylons datieren.32 Schließlich schreibt BAK N° 403 den Namen IndiMeslamtaʾeʾa33. Dieser Name taucht auch im Kolophon einer anderen Tafel auf, die jedoch nicht Textzeuge des Lieds auf Marduk ist (STT 3). In der dortigen Tafelunterschrift wird Indi-Meslamtaʾeʾa als „Assistent/Student“ (šamallû)34 bezeichnet (LAMBERT 1996, S. 62:3). Dabei kann diese Tafel genau dem Jahr 701 zugeschrieben werden (GURNEY 1997, S. 18), so dass das Exemplar des enūma eliš desselben Schreibers nicht sehr viel älter („Assistent/Student“) sein kann, vielmehr eher jünger zu sein scheint. Damit ließe es sich in etwa in die Regierungszeit von Sanḫerib (oder kurze Zeit später) datieren. Der Kolophon BAK N° 403 erwähnt, dass die Tafel „gemäß ihrem Original“ ([kīm]a labīrīšu) verfasst wurde, was bestätigt, dass der Originaltext älter sein muss. Etwas jünger datiert wahrscheinlich der Textzeuge BNin der Tafel V, der nach Ausweis seines Kolophons zu der Bibliothek Assurbanipals (669–631 v. Chr.) gehört. Schließlich lassen sich vielleicht zwei Textzeugen (Taf. I cunb und Taf. IV aunb) über ihre Kolophone der Regierungszeit von Darius I. (522– 486 v. Chr.) zuordnen.35 Zusammenfassung: Babylon und Borsippa, früheste Kopien aus Assyrien Die Untersuchung der Kolophone zeigt, dass ein babylonischer Textzeuge mit unbekanntem Fundort (Taf. IV aunb) ursprünglich aus Borsippa stammt. Für eine andere Tafel (Taf. I bunb) sind die Hinweise hingegen nicht eindeutig; es wird aber ein klarer Bezug zu Babylon (Kopie eines von dort stammenden Originals, Erwähnung des Hauptgötterpaars) aufgezeigt. Die ältesten identifizierbaren Tafelunterschriften stammen aus der Zeit um 700 v. Chr. und kommen alle aus Assyrien (Assur und Ḫuzirīna). Das möglicherweise jüngste zu identifizierende Exemplar entstammt vermutlich dem Jahr 495 v. Chr. und gehört damit in die spätbabylonische Zeit. Damit kommen die wenigen erhaltenen Kolophone aus einem deutlich engeren 31

Akkadisch eigentlich Sîn-aḫḫē-erība. Auf den Umgang mit dem Werk, speziell unter Sanḫerib, wird zu einem späteren Zeitpunkt genauer eingegangen (siehe § 2.2.3.5.). 33 Oliver R. Gurney rekonstruiert ihn als Indi-Nergal oder vielleicht sogar als Qurdī-Nergal, ein bekanntes Mitglied einer šangû-Familie in Ḫuzirīna, die in die Zeit von 718–612 v. Chr. einzuordnen ist (1997, S. 18). 34 Eine genauere Auseinandersetzung mit dem Terminus šamallû findet sich in Unterkapitel § 2.2.1. 35 So findet sich in einem Kolophon ein Nabû-balassu-iqbi, der als Sohn von Nāʾid-Marūtuk bezeichnet wird (Taf. I cunb = BAK N° 456). Es gibt einen weiteren Kolophon zu einer Tafel des Werkes, in dem ein Nāʾid-Marūtuk (Nachkomme eines Schmieds) auftaucht (Taf. IV a unb). Da die beiden Tafeln aufeinanderfolgende Museumsnummern haben (BM 93015 bzw. BM 93016) und beide aus dem sogenannten Kunsthandel entstammen, wurden sie vermutlich in einer Charge aufgekauft. Im zweiten Kolophon wird beschrieben, dass die Tontafel als Weihtafel im Ezida in Borsippa aufgestellt wird. Aus Borsippa sind zwei Personen dieses Namens bekannt, wobei es sich um den šatammu (=Vorsitzender des Tempelrates) des Ezida und den gugallu (=Kanalinspektor) von Borsippa handelt, die in der Zeit von Darius I. lebten und wirkten (J URSA 2009, S. 247, 256). Beide werden sie aber sekundär „Sippar“ zugeschrieben (LEICHTY 1986, S. 195 bzw. LEICHTY, GRAYSON 1987, S. 104). Insgesamt steht diese Rekonstruktion auf wackligen Füßen, weshalb sie als erster Vorschlag verstanden werden soll. 32

40

Kapitel 2: Pragmatisch-extrarelationale Dimension des enūma eliš

Fundzeitraum (etwa 200 Jahre) als die Ergebnisse der Forschung (etwa 900 Jahre) vorgaben (siehe § 2.1.1.). Dies ist sicherlich der sehr kleinen Stichprobe geschuldet, da nur vier Kolophone chronologisch verwertbare Hinweise enthielten. 2.1.3. Fundkontexte36 Übersicht Nur von den wenigsten der 184 bekannten Textzeugen ist der genauere Fundkontext erhalten beziehungsweise rekonstruierbar. Leider existiert wenig Wissen über die Fundsituation der Tafeln aus Babylon; es ist sogar größtenteils unbekannt, welche Exemplare überhaupt aus Babylon stammen.37 Eine Ausnahme stellt lediglich Textvertreter VAT 17489 dar, der aus Babylon aus einer Grabung von Robert Koldewey aus dem 19. Jahrhundert stammt (VAN DIJK 1987, S. 5; siehe § 2.1.3.2.).38 Bei den Tafeln aus Ninive ist zwar der Fundort bekannt, aber da es sich um frühe Grabungen handelt, kein Fundkontext dokumentiert.39 Genauere Angaben können immerhin zu 30 Textzeugen (=16%) gemacht werden, die in Assur, Babylon, Ḫuzirīna, Kalḫu, Kiš, Mê-Turnat, Sippar und Uruk gefunden wurden. Diesen Befunden soll nun im Folgenden nachgegangen werden, mit dem Ziel ein Gesamtbild für die Textzeugen des Lieds auf Marduk zu zeichnen. Tabelle 4: Textzeugen mit Fundkontext40 Fundort Stadt Assur

genauerer Fundort hB4V iC6III; iB6III

Tafel

erweiterte Sigle

Museumsnummer

I I

R1Ass:2a MAss42

VAT 1007141 VAT 9668

36 Für dieses Unterkapitel möchte ich ausdrücklich Janoscha Kreppner danken, der mich auf die häufig vernachlässigte Dimension des Fundkontextes aufmerksam gemacht und in die einschlägige Literatur eingewiesen hat. 37 Die Markierungen „Babylon“ und „Sippar“ sind erst sekundär durch das British Museum hinzugefügt. Der genaue Fundort dieser vor allem über den sogenannten ‚Kunsthandel‘ erworbenen Tafeln ist unbekannt (siehe auch § 2.1.1.). 38 Der Textzeuge wird weder von Thomas Kämmerer und Kai Metzler noch von Wilfred Lambert aufgeführt, umfasst aber den Vers IV 17. Es handelt sich dabei um eine Tonpyramide aus gleichseitigen Dreiecken, deren Grundfläche Auszüge aus literarischen Werken umfasst ( VAN DIJK 1987, S. 15). 39 Die Zuordnung lässt sich leicht an den K.-Nummern der Textzeugen, die für Kuyunjik stehen, festmachen. Dass eine K-Nummer nicht automatisch bedeutet, dass der Textzeuge in Assyrien geschrieben wurde, zeigt die babylonische Schülertafel iunb:2a der Tafel III (Museumsnummer: K 20949), die sekundär „Sippar“ zugeschrieben wird (LAMBERT 1992, S. 46). 40 Für weitergehende Angaben zu den Textzeugen siehe Textzeugenverzeichnis. 41 Die Schultafeln R1Ass:2a (VAT 10071) und R2Ass:2a (VAT 10756) wurden von Wilfred Lambert als ein Textzeuge klassifiziert (2013, S. 46). Bereits Olof Pedersén vermerkte, dass vermutlich auch VAT 10756, welcher heutzutage keine Grabungsnummer mehr aufweist, an dieser Stelle gefunden wurde (1986, S. 30 Anm. 3). 42 Ggf. gehören MAss und NAss zur selben Tontafel (KÄMMERER, METZLER 2012, S. 82 Anm. 2); für NAss ist jedoch kein Fundkontext belegt.

2.1. Räumliche und zeitliche Herkunft der Textzeugen

41

Tabelle 4: Textzeugen mit Fundkontext (Fortsetzung) Fundort Stadt Assur

Babylon Ḫuzirīna

Kalḫu

Kiš

Tafel

erweiterte Sigle

Museumsnummer

genauerer Fundort iC6III; iB6III

I VI

NAss AAss

cD9II; cD9I

II

GAss:2c

VI

BAss

VII

IAss

IV

lBab:Pr

VAT 9677 VAT 9676 = Assur-Foto 6563/4 Ass. 11600f = Assur-Foto 2553 Ass. 11600b = Assur-Foto 2551/2 A 512 Ass. 11600e bzw. Ass. 11690 VAT 17489

I II IV IV IV IV IV IV V VI VI VII

SHuz LHuz KHuz LHuz:2c MHuz NHuz OHuz PHuz HHuz LHuz MHuz JHuz

VII II

KHuz KKal

SU 52/87 + SU 52/94 SU 51/132 SU 51/58 + SU 51/127 SU 51/23A SU 51/4743 SU 51/16744 SU 51/245 SU 52/243 + SU 52/385 SU 51/98 SU 51/237 SU 52/60 SU 51/63 + SU 52/102 + SU 51/87 + SU 52/38945 SU 51/62 ND 6208 = IM 60953

VI I

KKal aKiš

ND 3416 1924–79046 + 1813 + 208147

Merkes 26h1 Area F

in der Nähe von NT 12 ZT 25 Mound W

43 Im Museum wurde mittlerweile ein unnummeriertes Fragment mit diesem Textvertreter gejoint (LAMBERT 2013, S. 85), das demnach auch hier aufgefunden worden sein muss. 44 So nach LAMBERT 2013, S. 85; nach KÄMMERER, METZLER 2012, S. 95: SU 51/167 A. 45 Das letzte Fragment wird bei KÄMMERER, METZLER 2012, S. 103 noch nicht genannt, findet sich aber bei LAMBERT 2013, S. 122. 46 In OECT 6 (LANGDON 1927) ist die Markierung uneinheitlich. So wird in der Auflistung der Textzeugen (IBID, S. XVI) und bei der Kopie (IBID, Pl. XXXI–XXXV) die Kennung als 1927–71 wiedergeben. Dabei handelt es sich vermutlich um ein Privatsystem von Stephen Langdon (G URNEY 1989, S. 1 Anm. 1). Bei der Transliteration hingegen steht die richtige Kennzeichnung als 1924–790 (LANGDON 1927, S. 88).

42

Kapitel 2: Pragmatisch-extrarelationale Dimension des enūma eliš

Tabelle 4: Textzeugen mit Fundkontext (Fortsetzung) Fundort Stadt Kiš

Mê-Turnat Sippar Uruk

genauerer Fundort Mound W Mound W?50 Area 3 Raum 355, Nische 5C Haupthof A2 Raum 123 und Raum M oder Gebäude K

Tafel

erweiterte Sigle

Museumsnummer

VI

bKiš

?

αKiš

1924–182848 + 1926–373 + 37449 1924–2055

VI II

jMet gSip

IM 121284 Sippar Library 4, 5C

VI

cUruk

W 17718 jg+lg

VII

gUruk

VAT 14511 + W 17718vw + W 17721b

Gebäudearten und -funktionen Bevor die verschiedenen Fundorte und genaueren Fundkontexte einer weitergehenden Analyse unterzogen werden, sind einige Anmerkungen zu den Gebäudearten erforderlich. So muss zunächst zwischen offizieller Architektur (Tempel, Palast…) und sogenannten Privathäusern, in denen Menschen wohnten, unterschieden werden (PEDERSÉN 1998, S. 8). Doch diese deduktive Einteilung erweist sich in der näheren Betrachtung als nicht immer haltbar. Gebäude sind Manifestationen der üblichen sozialen Interaktion und reflektieren damit die Struktur des menschlichen Zusammenlebens (GUINAN 1996, S. 61). Dementsprechend gab es selbstverständlich auch auf dem Gelände von Palästen und Tempeln private Gemächer, und in Privathäusern finden sich auch Wohn- und Ausbildungsstätten religiöser Experten, die damit nicht nur rein privater Natur waren. Deutlich wird dies exemplarisch am sogenannten Haus des Beschwörungspriesters in Assur, wo literarische Werke mit administrativen Texten zusammengefunden wurden. Letztere stehen dabei im engen Zusammenhang mit dem Tempeldienst der Priester und damit zur Tätigkeit an einer öffentlichen Einrichtung. Diese Beobach47

Im Museum konnten weitere Fragmente mit bekannten Tafeln des Lieds auf Marduk aus Kiš gejoint werden (GURNEY 1989, S. 1). Dadurch ergibt sich die hier vollständige Kennung (ROBSON 2004, S. 48; LAMBERT 2013, S. 46). 48 Thomas Kämmerer und Kai Metzler schreiben hier allgemein von einem „Fragment now joined to bottom of 373+374“, ohne eine Museums- oder Grabungsnummer zu nennen (2012, S. 100). Nach Eleanor Robson (2004, S. 48) und Wilfred Lambert (2013, S. 109) handelt es sich dabei um das Fundstück 1924–1828. 49 Siehe oben Anm. 47. 50 Zur sekundären Zuordnung siehe GURNEY 1989, S. 1f. Insofern handelt es sich nur bedingt um einen Textvertreter, dessen Fundkontext bekannt ist. Um die Liste möglichst vollständig zu machen, wurde er dennoch aufgenommen.

2.1. Räumliche und zeitliche Herkunft der Textzeugen

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tung gilt für alle Tontafelsammlungen, die aus dem 1. oder 2. Jahrtausend v. Chr. stammen und die in Privathäusern gefunden wurden (MAUL 2010, S. 201f.).51 Doch auch zwischen dem Haushalt religiöser Experten und Schreiberschule lässt sich im 1. vorchristlichen Jahrtausend nicht einfach unterscheiden. So tritt die Ausbildung des āšipu (Beschwörungspriester) in den Fokus der babylonischen Schreiberausbildung (WAETZOLD, CAVIGNEAUX 2009, S. 306); sie ist Teil der zweiten Schulstufe, in der Auszüge unterschiedlicher Vorlagen niedergeschrieben wurden (GESCHE 2000, S. 174f.).52 Längere Übungstexte finden sich schließlich auch im Bereich der Fachausbildung religiöser Experten (IBID, S. 213ff.). Dies findet auch auf dem Gebiet der Architektur seinen Niederschlag, so dass im 1. Jahrtausend nicht trennscharf zwischen einer Ausbildungsstätte und einer Wohnstätte religiöser Experten unterschieden werden kann. Schreiberausbildung und die Ausbildung zum religiösen Experten sind teils familiär strukturiert. Es ist wichtig, sich von dem heutigen Bild einer Schule als reine Ausbildungsanstalt, die man tagsüber aufsucht, frei zu machen. Die archäologischen Befunde – gerade auch für die altbabylonische Zeit – zeigen, dass der Lehrraum auch Lebensraum war (CHARPIN 2008, S. 75).53 So sind die Termini Wohnstätte religiöser Experten und Ausbildungsstätte religiöser Experten vermutlich in Teilen deckungsgleich, weshalb im Folgenden allgemein von Wohn- und Ausbildungsstätten religiöser Experten gesprochen wird.54 Da die lokalen Unterschiede zwischen den Ausbildungen und den verwendeten Texten – auch zwischen Babylonien und Assyrien – im 1. Jahrtausend v. Chr. sehr gering waren (IBID, S. 23f.), hat diese Überschneidung für ganz Mesopotamien Gültigkeit. Schließlich gilt auch die Unterscheidung zwischen sakralen und profanen Gebäuden nur unter Vorbehalt, da auch ein Tempel im engeren Sinne weltliche Bereiche hatte (beispielsweise die Verwaltungstrakte) und in Palästen auch rituelle Räumlichkeiten existierten (siehe § 2.1.3.4.). Definition der Auffindungssituationen Desweiteren sind Kategorien für die Bewertung der konkreten Auffindungssituation erforderlich. Bei der Analyse der Fundkontexte haben sich zwei Kategorien herauskristallisiert. Den größten Informationsgehalt verspricht der Fall, wenn der Auffindungsort dem antiken Aufbewahrungsort entsprach (Kategorie A). Dies gilt für die Funde in Sippar (§ 2.1.3.7.) und vermutlich auch in Kiš (§ 2.1.3.5.). Befand sich der jeweilige Textzeuge zum Zeitpunkt seiner Ausgrabung jedoch nicht an seinem ver51 Aus diesem Grunde lässt sich auch die Differenzierung zwischen Bibliothek und Archiv für den Alten Orient nur mit Vorbehalt durchführen. Dennoch wird sie im Folgenden angewandt, wo sie als heuristisches Prinzip für die Analyse zweckdienlich erscheint. 52 Gegen eine Fokussierung der zweiten Ausbildungsstufe auf die āšipūtu spricht sich Joachim Oelsner aus, der hier auch den Fundzufall am Werke sieht (2004, S. 136). In diesem Kontext weist er auch darauf hin, wo man keine Textvertreter des enūma eliš gefunden hat, sie aber vielleicht erwarten würde. So sind bei āšipū aus Uruk durchaus Exemplare des jungbabylonischen Gilgameš gefunden worden, aber kein einziger Zeuge des Lieds auf Marduk (IBID). 53 Eine ähnliche Form der Wissensvermittlung ist auch aus dem europäischen Mittelalter bekannt, als die Handwerksausbildung durch die in Zünften organisierten Handwerksfamilien stattfand und Lehrlinge und Gesellen Teil der Hausgemeinschaft waren. 54 Siehe auch § 1.3.3.1. zur Terminologie religiöser Experte.

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mutlichen antiken Aufbewahrungs- oder Nutzungsort (Kategorie B), so muss zwischen zwei Varianten unterschieden werden. In dem einen Fall kann trotz der gestörten Auffindungssituation einen Bezug zwischen der Fundlage und der Funktion des Gebäudes hergestellt werden, innerhalb dessen beziehungsweise in dessen Nähe die Tontafel entdeckt wurde. Hier ist prinzipiell eine Herleitung der Textfunktion aus der Gebäudefunktion möglich (Kategorie B1). Anders verhält es sich im anderen Fall, wenn nämlich die Fundsituation so nachhaltig gestört oder unzureichend dokumentiert wurde, dass eine Verbindung zwischen Text- und Gebäudefunktion nicht mehr sicher rekonstruierbar ist (Kategorie B2). Tabelle 5: Kategorien der Fundsituation Kategorie A B B1 B2

Beschreibung Auffindungsort = antiker Aufbewahrungsort Auffindungsort ≠ antiker Aufbewahrungsort Verbindung zwischen Textfunktion und Gebäudefunktion möglich Verbindung zwischen Textfunktion und Gebäudefunktion nur sekundär möglich bis unmöglich

Niederschrift vs. Verwendung Schließlich werden die Fundkontexte auch herangezogen, um den jeweiligen Textvertreter über das Alter der gemeinsam gefundenen Tontafeln zu datieren. Informationsquelle hierfür sind Datumsformeln auf den anderen Schriftträgern, wie sie vor allem in Kolophonen zu finden sind. Diese Datumsangaben liefern jedoch nur den Zeitpunkt der Niederschrift, wovon die Verwendung der Tontafel zu trennen ist. Solange der Zweck des Aufschreibens nicht das Aufschreiben selbst ist (wie bspw. in der Schulpraxis), beginnt die Funktion einer Tontafel als Schriftträger erst mit ihrer Beschriftung und kann unbestimmt lange andauern und sich ändern.55 Manche deutlich ältere Tontafeln wurden aus paläographischen oder antiquarischen Gründen aufbewahrt, wodurch sie eine neue Funktion erhielten. Durch die Datierung der Begleitfunde werden deren Zeitpunkte der Niederschrift bestimmt, wodurch sich ein grober Zeitraum eines aktiven Archivs/einer aktiven Bibliothek ableiten lässt, was möglicherweise ein Indiz für den Zeitraum der funktionalen Aktivität der Textzeugen des enūma eliš liefert. 2.1.3.1. Assur Zusammenfassung: ca. 850–610 v. Chr., religiöses Expertentum Die zeitliche Spanne der Funde der Bibliothek N356 reicht potentiell am weitesten zurück; je nachdem, welche Funde hinzugezählt werden, sind die Texte ab dem An55 Ein möglicherweise tragfähiges Modell zu den Lebensphasen eines Textes findet sich bei Jerrold Cooper (1992). 56 Diese Kennzeichnung ist ein System von Olof Pedersén, wonach neuassyrische Bibliotheken und Archive mit dem Großbuchstaben N bezeichnet werden und die verschiedenen Sammlungen

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fang beziehungsweise der Mitte des 9. Jahrhunderts v. Chr. erstellt worden. Da die Funde jedoch eine Spanne bis in post-kanonische Zeit umfassen, liegt hier die größte Unsicherheit vor. Klarer zu umreißen ist die temporale Spannweite der Funde von N7, die nach Olof Pedersén sargonidisch (etwa 720–630 v. Chr.) ist. Den engsten zeitlichen Rahmen gibt N2 vor, wo die gefundenen Tontafeln in die Zeit von 687 bis nach 621 v. Chr. einzuordnen sind. Der potentiell älteste Textzeuge mit Fundkontext in Assur wäre demnach aus N3, wobei sowohl die babylonische Standardversion als auch das assyrisierte Exemplar in Frage kommen. Den Endpunkt könnte die Eroberung der Stadt im Jahr 614 v. Chr. dargestellt haben. In Assur wurden die Exemplare des Lieds auf Marduk, deren Fundkontext bekannt ist, nur in sogenannten Privathäusern gefunden. Weder in den verschiedenen Tempeln oder den Palästen konnten Kopien des Werkes lokalisiert werden, was auch an der unzureichenden Dokumentation der Textzeugen aus Assur liegen kann. Von den 16 Tontafeln aus Assur ist für sechs der genauere Fundkontext bekannt. Somit kann aus der Befundlage nicht notwendigerweise geschlossen werden, dass das Werk in dieser Stadt nur in ‚privatem‘ Kontext zu verorten ist. Dafür spricht auch die Natur der Fundstätten. Im Falle des Textzeugen aus der Tontafelsammlung N2 sind sowohl der schulische (nach GESCHE 2000, S. 174: Tafeltyp 2a) als auch der priesterliche Kontext (Lage der Fundstätte an der Ziqqurrat) offensichtlich. Möglicherweise handelt es sich bei den als umgelagerten Abraum gefundenen Tafeln sogar um Abfall aus dem angrenzenden Aššur-Tempel. In dem Gebäude von N3, dem Haus eines nargallu (= oberster Sänger), wurde sowohl eine Standard- als auch eine assyrisierte Version gefunden, wobei das Nebeneinander beider Exemplare aufmerken lässt. Da die Tontafeln nicht in situ gefunden wurden, kann es sich aber auch um eine spätere Vermischung handeln. Das Haus von N7 schließlich scheint ebenfalls eine Wohn- und Ausbildungsstätte religiöser Experten gewesen zu sein. Von dort stammen insgesamt drei Textzeugen. Da das Wohngebiet noch nicht gänzlich ausgegraben ist, sind weitere Textfunde erwartbar. Die bisherigen Fundorte verweisen zumindest auf einen religiösen Experten-Kontext. In allen drei Fällen offenbart sich auch eine räumliche und oder funktionale Nähe zum Tempel ausgehend von der geographischen Lage (N2) oder der Priestertätigkeit der Bewohner des jeweiligen Gebäudes, welche sowohl beim nargallu (N3) als auch im Falle von N7 (Liste an Priesterpflichten) mit dem Aššur-Tempel verbunden ist. Insgesamt offenbaren alle Fundkontexte in Assur durch die Begleitfunde und teils auch durch die Lage einen starken Bezug zum religiösen Expertentum in dieser Stadt. Historie und Grabung(en) Assur war die alte Hauptstadt des assyrischen Reiches. Auch wenn der Regierungssitz spätestens unter Assurnaṣirpal III. (883–859 v. Chr.)57 nach Kalḫu und später nach Ninive verlegt wurde, blieb die Stadt religiöses Zentrum des Reiches, da hier entsprechend durchnummeriert werden (1985, S. 19–23). Die Kartographie der Ausgräber ist eine andere und wird im Folgenden ebenfalls ausgewiesen. Für weitere Hinweise sei auf die Arbeit von Peter Miglus (1996) verwiesen, in dem sich die Bezeichnung und weitergehende Erläuterung der Ausgrabungsabschnitte findet. 57 Akkadisch eigentlich: Aššur-nāṣir-apli.

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der große (und einzige) Aššur-Tempel stand. Die Stadt wurde ab 1903 in mehreren Kampagnen in Teilen ausgegraben, zu welchen der Nordbereich mit verschiedenen Tempel- und Palastarealen gehört sowie mehrere Suchgräben, die sich von Ost nach West durch das Innenstadtgebiet ziehen. Assur wurde zwar schon recht früh ausgegraben, dennoch ist die Dokumentation der Tafelfunde, unter anderem durch die hervorragende Aufbereitung von Olof Pedersén (1986), recht vollständig. Insgesamt ist bei sechs von 16 Tontafeln aus Assur der Fundkontext erhalten, wobei der nach Stefan M. Maul (GEORGE 2005/2006, S. 87 Anm. 15) frühste (VAT 10346 = Taf. I OAss) leider nicht unter diesen Tafeln ist. Exemplare des enūma eliš wurden bei den Grabungen an insgesamt drei unterschiedlichen Stellen gefunden: in einem Haus einer Schreiberfamilie an der Ostecke der großen Ziqqurrat (N2) (PEDERSÉN 1986, S. 29ff.), in einem Privathaus eines nargallu (N3) (IBID, S. 34ff.) und schließlich einem Gebäude an oder auf der alten inneren Stadtmauer (N7) (IBID, S. 82ff.). Fundareal hB4V (=N258) Die auffälligste Lage hat zweifelsohne das Gebäude, in dem die Bibliothek N2 gefunden wurde. Es schließt direkt an die große Ziqqurrat an und ist neuassyrisch zu datieren, da sich die spätere Schicht architektonisch weniger an dem Verlauf der Ziqqurrat orientiert, was auf eine nachassyrische Überbauung hindeutet. In dieser Schicht oder darunter wurden mehrere Tontafeln gefunden, darunter auch ein Exemplar des Lieds auf Marduk59 (MIGLUS 1996, S. 106). Dabei handelt es sich um eine Schülertafel (=R1Ass:2a), die nur eine Doppelzeile des Werkes enthält (Taf. I 22f.) und darüber hinaus Passagen von weiteren literarischen Werken wie dem ErraEpos, ludlul bēl nēmeqi und einer Šamaš-Hymne wiedergibt (PEDERSÉN 1986, S. 30). Der Textzeuge wurde zusammen mit anderen Tontafeln und Topfscherben als Abraum oberhalb eines Sarkophags gefunden (MIGLUS 1996, S. 107), womit es sich um umgelagerten, d.i. tertiären Abfall handelt, so dass ein Rückschluss zwischen Auffindungsort und der Gebäudefunktion schwerlich hergestellt werden kann (Kategorie 2B). In der Nähe des Fundes wurden Bibliothek und Archiv des Aššur-Tempels ausgegraben (N1; PEDERSÉN 1986, S. 12ff.), die ähnliche Texte umfassen, weshalb Pedersén es für möglich erachtet, dass beide (N1 und N2) ursprünglich zusammengehörten (IBID, S. 31), was die mögliche Textfunktion mit dem Assur-Tempel verbinden würde. Angesichts dessen, dass es sich um eine Schülertafel handelt, würde der Textzeuge sich somit in der Schreiberausbildung des Tempels verorten lassen. Dazu passt die Zusammenstellung der mit dem Textvertreter gefundenen Tontafeln, die vor allem aus lexikalischen Listen und Omentexten besteht und damit typisch für die ṭupšarrūtu ist (PEDERSÉN 1998, S. 134). Im Tempel selbst wurde jedoch kein weiteres Exemplar des enūma eliš gefunden. Bei dem Gebäude, in dem N2 gefunden wurde, handelt es sich wiederum vermutlich um das Haus einer assyrischen Schreiberfamilie (PEDERSÉN 1986, S. 30), was ebenfalls die Textfunktion erklären kann. Durch die gemeinsam gefundenen Tontafeln lässt sich der Textzeuge zeitlich 58 59

Zur Kennung siehe oben Anm. 56. Taf. I, R1Ass:2a.

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grob eingrenzen. So umfassen die Schriftträger eine Zeit von 687 v. Chr. bis zum Ende des 7. Jahrhunderts (IBID, S. 29).60 Zusammenfassend sticht der Fundort von N2 durch seine Lage an der Ziqqurrat, in der Nähe zur Tempelbibliothek hervor. Sowohl das Gebäude, in dem der Textzeuge als Abraum gefunden wurde als auch die Nachbarschaft zum Assur-Tempel passen zum Schulkontext. So handelt es sich bei dem Textzeugen um eine Tafel vom Typ 2a, die Auszüge aus mehreren Werken beinhaltet (siehe auch GESCHE 2000, S. 174). Sie ist vermutlich in das 7. Jahrhundert zu datieren und stammt damit etwa aus der Zeit ab Sargon II./Sanḫerib bis zur postkanonischen Epoche (beginnend nach 649 v. Chr.). Fundareal iC6III; iB6III (=N361) Am Osthang beziehungsweise auf dem Ostplateau der Stadtmitte wurde in einem Gebäude eine weitere Bibliothek gefunden (MIGLUS 1996, S. 177). Das Haus wurde im Zuge eines Suchgrabens durch die Stadtmitte freigelegt und besteht aus zwei unterschiedlichen Schichten. Das ältere Haus (Nr. i6:3) ist besser erhalten. Die Tontafelfunde gehören archäologisch jedoch zu dem höher gelegenen Haus, dessen Fußboden 40 cm über dem älteren Niveau liegt (Nr. i6:2). Trotz des schlechten Erhaltungszustandes des jüngeren Gebäudes gibt es Hinweise, dass der Grundriss mit dem älteren in weiten Teilen übereinstimmt. Zudem lässt es sich in die letzten Jahrzehnte des neuassyrischen Reiches datieren. Die Tontafeln fanden sich in einer Schuttschicht über dem Fußboden und nicht direkt darauf (IBID), wonach sie vermutlich erst nach Aufgabe des Hauses dort hingelangt sind.62 Dennoch gehören sie wahrscheinlich zu diesem Gebäude, so dass die Fundsituation der Kategorie B1 zugeordnet werden kann. Die Tafeln lagen im Eingang zu einem Raum, der in eine zu einem späteren Zeitpunkt geplünderte Grabkammer führte (PEDERSÉN 1986, S. 34). Pedersén vermutet, dass es sich bei den teils verstreut gefundenen Tontafeln um den Kernbestandteil einer „Bibliothek mit Archiv“ handelt (1986, S. 34). Die dort gefundenen Texte lassen den Schluss zu, dass dies eine Tontafelsammlung eines nargallu, eines obersten Sängers, ist. Dabei scheint es sich um eine ganze Familie gehandelt zu haben, da verschiedene Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den verschiedenen genannten nargallū in den Kolophonen erwähnt werden (IBID). Dazu passen auch die gefundenen Textarten, wobei es sich vor allem um Hymnen und ähnliche Texte gehandelt hat, aber auch um lexikalische Listen und einige Schülertafeln (PEDERSÉN 1998, S. 134f.) Die älteste im weiteren Umfeld gefundene Tafel gehört vermutlich an den Anfang des 9. Jahrhunderts v. Chr. Die direkt mit den Textzeugen des Lieds auf Marduk entdeckten Tafeln reichen möglicherweise zurück bis in die Zeit Salmanassars

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In der Nähe des Fundes wurde auch ein Tontopf mit Wirtschaftsurkunden entdeckt, von denen eine dem Jahr 739 v. Chr. zuzuordnen ist, wobei unklar ist, ob die beiden Funde zusammen gehören (PEDERSÉN 1986, S. 29). 61 Zur Kennung siehe oben Anm. 56. 62 So ist es denkbar, dass sie von einem oberen Stockwerk heruntergefallen sind.

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III. (858–824 v. Chr.),63 wobei Pedersén hier ein Fragezeichen setzt (1986, S. 35). Die Funde datieren bis in postkanonische Zeit (beginnend nach 649 v. Chr.). In diesem zeitlichen Rahmen liegt demnach vermutlich auch die Zeit der Niederschrift der Textzeugen des enūma eliš. Die Frage der Verwendungszeit hängt mit der Stratigraphie zusammen, so dass bei einer Zuordnung zum jüngeren Gebäude sich diese Zeit auch in die postkanonische Zeit erstrecken kann. In N3 wurden zwei unterschiedliche Exemplare des Werkes entdeckt. Bei AAss (Taf. VI) handelt es sich um eine vollständige Niederschrift der gesamten sechsten Tafel mit Teilen eines Kolophons (BAK N°279), das sie als Kopie eines Originals ausweist. MAss und NAss (Taf. I) geben hingegen eine assyrisierte Version des Werkes wieder, in dem Marduk durch den assyrischen Hauptgott Aššur ersetzt wird.64 Fundareal cD9II; cD9I (=N765) Der dritte und letzte Fundort (Bibliothek N7) liegt wahrscheinlich in einem Privathaus auf oder innerhalb der Ruinen der inneren Stadtmauer (PEDERSÉN 1986, S. 83). Die Fundstätte wurde nur teilweise ebenfalls im Rahmen eines Suchgrabens freigelegt. Der genaue Kontext der Tafelfunde ist nicht hinreichend genau dokumentiert (IBID), so dass unklar ist, zu welchem Gebäude die Tafeln genau gehören. Walter Andrae schreibt lediglich als Dokumentation für den 18. Juni 1907 (1908, S. 20): „Etwa 20 größere Bruchstücke ungebrannter Tontafeln wurden in einem jungassyrischen Privathaus in cE9II am Binnenwall gefunden, zwei sind leidlich vollständig. Der Schriftcharakter ist jungassyrisch, vielleicht sargonidisch.“

In Frage kommen die Häuser Nr. c 9:7 und Nr. c 9:8, die beide am beziehungsweise auf dem Binnenwall liegen und auf der Stadtseite zusammentreffen (MIGLUS 1996, S. 82). Die Paläographie und das archäologische Umfeld lassen nach Pedersén eine Datierung ab sargonidischer Zeit zu (IBID). Die 24 als Begleitfunde entdeckten Tafeln beinhalten vor allem Epen, Omina und Personenlisten (PEDERSÉN 1998, S. 136). Ein Indiz zur Natur des zur Tontafelsammlung gehörenden Hauses könnte eine Tafel liefern, die Anweisungen und Kompetenzen des Personals im AššurTempel auflistet (PEDERSÉN 1986, S. 83), so dass sich hier ein Kontext zu religiösem Expertentum anbietet. Somit kann trotz der unzureichenden Dokumentation (unklare Zuordnung zwischen zwei Privathäusern, Kategorie B2) auf einen funktionalen Kontext für die Textvertreter des Lieds auf Marduk geschlossen werden. Insgesamt wurden in N7 drei Exemplare des enūma eliš ausgegraben, von denen eines (GAss:2c, Taf. II) über einen Kolophon verfügt (BAK N° 260, siehe §§ 2.1.2. und 2.2.1.), das es als Exzerpt der zweiten Tafel ausweist. Zudem findet sich in der Tafelunterschrift der Terminus šamallû, der auf einen fortgeschrittenen Schreibschüler, einen „Assistenten/Studenten“, verweist. In dieser letzten Ausbildungsstufe wurden die Schüler – zumindest in Babylon – auf den späteren Beruf vorbereit (GESCHE 2000, S. 213). Dies passt zu der Liste der Aufgaben im Aššur-Tempel, so die Tontafelsammlung durchaus einer Wohn- und Ausbildungsstätte religiöser Ex63

Akkadisch eigentlich: Salmānu-ašarēd. Zu den assyrisierten Textversionen siehe L AMBERT 1997a, IBID 2013, S. 4–6 und KÄMMERER, METZLER 2012, S. 26–33. 65 Zur Kennung siehe oben Anm. 56. 64

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perten zugeordnet werden kann. Die Tontafel BAss (Taf. VI) ist ein beschädigtes Exemplar der gesamten sechsten Tafel, IAss (Taf. VII) umfasst Teile der siebten Tafel und GAss:2c (Taf. II) ist ein einspaltiges Exzerpt der zweiten Tafel. 2.1.3.2. Babylon Zusammenfassung: kurz vor 662 v. Chr., Schreiberausbildung Der einzige Textzeuge aus Babylon mit dokumentierten Fundumständen entstammt einem Privathaus einer Barbierfamilie aus dem Merkes-Gebiet. Er wurde gemeinsam mit Urkunden in einem Gefäß gefunden und vermutlich als Vorzeigeexemplar aus der Schreiberausbildung aufbewahrt. Zeitlich ist er aufgrund der Begleitfunde und seines Charakters als fortgeschrittene Schultafel kurz vor 662 v. Chr. einzuordnen. Fundareal Merkes 26h1 Babylon war das politische und kulturelle Zentrum der babylonischen Kultur und der babylonischen Reiche. Die einzige Tafel mit Fundkontext (VAT 17489) wurde im Rahmen der Ausgrabungen von Robert Koldewey im Februar 1909 im Wohngebiet Merkes entdeckt (PEDERSÉN 2005, S. 203, 206). Bei dem Gebäude, in dem die Tafel gefunden wurde, handelt es sich um ein neubabylonisches Wohnhaus einer Barbierfamilie, das etwa 30 m von der Südwestecke des Ištar-Tempels entfernt liegt. Besitzer des Archivs ist ein Mann namens Bēl-ušallim aus der Familie Ingallēa (IBID, S. 204). Das Exemplar des enūma eliš wurde zusammen mit weiteren ca. 48 Tontafeln ausgegraben, die in zwei Gefäßen (A und B) aufbewahrt wurden, was auf eine Entdeckung in situ hindeutet (Fundkategorie A). Die jüngeren Tafeln (662–628 v. Chr.), zu denen vermutlich auch der Textvertreter gehört, war eines der beiden Gefäße vorbehalten (A), in dem sich aber auch teils ältere Tontafeln befanden (719– 676 v. Chr.). Da es sich um eine Tafel aus der Schreiberausbildung handelt (siehe unten), ist sie vermutlich etwas älter als die jüngeren Tafeln, wohingegen die älteren Funde Bēl-ušallims Vater zugeordnet sind. Insgesamt wurden 39 Tafeln in diesem Gefäß (A) gelagert, bei denen es sich fast durchgehend um Urkunden handelt, auf denen Immobilienverträge (ältere Tafeln) oder Silberdarlehen (jüngere Tafeln) festgehalten wurden, die in der Regel datiert sind (IBID). Eine Ausnahme stellt der Textzeuge des enūma eliš dar, der eine Schultafel ist mit kurzen Auszügen verschiedener Texte (nach GESCHE 2000, S. 174: Tafeltyp 2a) in Gestalt einer Pyramide bestehend aus gleichseitigen Dreiecken (VAN DIJK 1987, S. 5). Dieses Unikat ist möglicherweise als besonders gelungenes Gesellen- oder Meisterstück aus der Ausbildungszeit aufbewahrt worden war (PEDERSÉN 2005, S. 204).

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Kapitel 2: Pragmatisch-extrarelationale Dimension des enūma eliš

2.1.3.3. Ḫuzirīna Zusammenfassung: ca. 720–610 v. Chr., religiöses Expertentum Die Funde in Ḫuzirīna sind sargonidenzeitlich und später einzuordnen. Die Zerstörung der Stadt um 610 v. Chr. beschreibt einen terminus ante quem für die Nutzung der Tontafeln und den vermutlichen Zeitpunkt ihrer Aufhäufung. Wie in Assur (siehe § 2.1.3.1.) wurden die Textzeugen des Lieds auf Marduk in Ḫuzirīna ebenfalls in sogenannten Privathäusern gefunden. Wie dort handelt es sich um eine Tempelschule/das Haus einer Priesterfamilie, und ähnlich wie bei N2 könnte aus der geographischen Nähe zum Tempel auch eine funktionale ableitbar sein. Eine Trennung zwischen den Kategorien Wohnstätte und Ausbildungsstätte religiöser Experten erlaubt sich hier offensichtlich nicht, denn die Kolophone verweisen sowohl auf einen Ausbildungsbetrieb als auch auf eine šangû-Familie. Dabei hat es sich vermutlich um dieselbe Instanz gehandelt. Fundareal Area F Die südostanatolische Stadt Ḫuzirīna lag an der Peripherie des assyrischen Reiches an der Straße nach Ḫarrān und wurde im Rahmen einer Kampagne in den Jahren 1951–1952 nur partiell ausgegraben. Die Arbeiten fokussierten sich auf wenige Areale in der Mitte des Tells (PEDERSÉN 1998, S. 178). In der Nähe eines Eingangs zu einem Privathaus mit Innenhof (Area F)66 wurden mindestens 40067 Tafeln gefunden (GURNEY, FINKELSTEIN 1957, S. iv), darunter auch 17 Fragmente des enūma eliš. Es handelt sich um Textzeugen fast aller Tafeln des Werkes, nur die dritte Tafel fehlt.68 Oliver R. Gurney und Julij J. Finkelstein sehen die Lage der Funde als möglicherweise sekundär an, wonach sie als Abfall dort aufgehäuft oder aus anderen Gründen absichtlich dort abgelegt wurden (IBID). Diesem Befund folgt auch Olof Pedersén, der von einem gesicherten sekundären Kontext ausgeht (1998, S. 179). Die bis auf ein Exemplar ungebackenen Tafeln bildeten einen Haufen, der von einem Halbkreis aus Krügen umschlossen wurde (LLOYD 1974, S. 207).69 Sie lagen an der Außenmauer auf der Straßenseite an einer Stelle, an der aus der Mauer ein Bür66

Eine Skizze der Lage findet sich in LLOYD 1974, S. 207, Fig. 11. Die Zahl variiert bei den Autoren deutlich. Während Oliver R. Gurney und Julij J. Finkelstein von etwa 400 Tafeln sprechen (1957, S. iv), berichtet G URNEY 1952 noch von exakt 572 Tafeln (S. 30). Seton Lloyd hingegen zählt mindestens 600 Exemplare (1974, S. 207). 68 Nicht berücksichtigt wird Textzeuge GHuz, da es sich hierbei nur um eine Stichzeile eines Vertreters der zweiten Tafel (LHuz) und nicht um ein eigenes Exemplar der dritten Tafel handelt. 69 Dieses Arrangement (bildlich wiedergegeben in LLOYD 1974, S. 208, Fig. 8) ist zumindest auffällig und wirft die Frage auf, ob es einen schlichten Abfallhaufen darstellt, da die Krüge unversehrt waren und somit sorgsam dort abgestellt scheinen. Bei der Ausgrabung in Kiš hielt Stephen Langdon fest, dass die gefundenen Tafeln in Krügen aufbewahrt wurden (1924, S. 90, siehe auch § 2.1.3.5.), so dass der Fund in Ḫuzirīna auf die Reste einer Bibliothek hinweisen könnte. Ist jedoch die Zeichnung von Seton Lloyd präzise, dann war die Öffnung der Krüge zu klein für eine sinnvolle Aufbewahrung von Tontafeln. Sicher ist auf jeden Fall, dass die Fundsituation keine sorgsame Lagerung von Tontafeln darstellt, was für einen sekundären Fundkontext spricht, der jedoch aufgrund der Nähe zum Gebäude der Kategorie B1 zuzuordnen ist. 67

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gersteig oder ein Opfertisch herausragt (GURNEY, FINKELSTEIN 1957, S. iv). Pedersén konkretisiert noch die Lage mit „a few meters east of the entrance door“ (1998, S. 179). Zudem vermutet er, dass die vor dem Haus gefundenen Tafeln mit im Innenhof entdeckten Beständen die ursprüngliche Bibliothek des Hauses bildeten (IBID). Somit ließe sich trotz der antiken Umlagerung der Tontafeln aus dem Haus heraus eine funktionale Beziehung zwischen Fundort und Gebäude herstellen (Kategorie B1). Ist die Rekonstruktion von Seton Lloyd richtig (1974, S. 206 Fig. 10), so lag das Gebäude in unmittelbarer Nähe zu einem Tempelkomplex (möglicherweise Sîn geweiht, IBID, S. 208). Die Zerstörung des Tempelkomplexes um 610 v. Chr. markiert das Ende der Nutzung des Areals bis zu neuer Siedlungsaktivität in hellenistischer Zeit (IBID, S. 207). Die Eroberung im Jahr 610 v. Chr. könnte die sekundäre Anhäufung der Tafeln veranlasst haben. Exemplare des Lieds auf Marduk und Begleitfunde In dem Gesamtbestand des Tontafelhaufens fanden sich neben den Exemplaren des Lieds auf Marduk ebenfalls Beschwörungen, medizinische Texte, Gebete, Hymnen, Mythen und Epen, Weisheitsliteratur und Omentexte. Dies ist eine klassische Zusammenstellung an Texten für eine Bibliothek im Alten Orient (IBID). Der Umstand, dass insgesamt sechs Kopien der vierten Tafel des enūma eliš gefunden wurden, deutet zudem auf einen Schulkontext (GURNEY 1952, S. 27). Dies wird durch eine offensichtlich von Schülerhand angefertigte Kopie des Gilgameš-Epos unterstützt (LLOYD 1974, S. 207). Schließlich handelt es sich bei dem Textzeugen SU 51/23A um eine Exzerpttafel der zweiten Tafel des Lieds auf Marduk (Taf. II LHuz), wie sie im Rahmen der religiös-kultischen Fachausbildung angefertigt wurden (siehe § 2.1.2.). Nach Oliver R. Gurney und Julij J. Finkelstein lässt sich zudem aus den Kolophonen ableiten, dass einige Tafeln das Produkt einer Tempelschule sind (1957, S. iv). Diese Kolophone zeigen, dass die aufgehäuften Tafeln in einem Zeitrahmen zwischen 718 v. Chr. (Regierungszeit von Sargon II.) und der Zerstörung der Stadt entstanden sind (IBID). Die Tafelbestände gehörten nach den Aussagen der Tafelunterschriften zumindest teilweise einer šangû-Familie,70 deren Oberhaupt Qurdī-Nergal war, der sich anfangs noch als šamallû („Assistent/Student“) bezeichnete (PEDERSÉN 1998, S. 179). Bei Qurdī-Nergal handelt es sich möglichweise um dieselbe Person, die in einem Kolophon einer Tafel des enūma eliš mit dem Namen IndiMeslamtaʾeʾa geschrieben wird (GURNEY 1997, S. 18). Aufgrund des gemeinsamen Fundkontextes (ein Haufen Tontafeln vor dem Haus) und den zeitlichen Angaben in den Tafelunterschriften (siehe § 2.2.1.) könnte Indi-Meslamtaʾeʾa zumindest ein zeitgleiches Mitglied des Hauses Qurdī-Nergal gewesen sein.71 Die räumliche Nähe zum Tempelkomplex könnte eine funktionale Verbindung zwischen dem Privathaus und dem Tempel bedeuten, was zur Zusammenstellung der Tontafelsammlung und dem šangû-Kontext passen würde. 70 71

Ein šangû fungierte als oberster Verwalter eines Tempels, siehe auch § 2.2.1. Belegt ist noch der Sohn von Qurdī-Nergal, Mušallim-Baba (PEDERSÉN 1998, S. 179).

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Kapitel 2: Pragmatisch-extrarelationale Dimension des enūma eliš

2.1.3.4. Kalḫu Zusammenfassung: 850–610 v. Chr., Palast- und Tempelkontext Die Datierung der Textzeugen aus der zwischenzeitlichen assyrischen Hauptstadt sowie die zeitliche Spannweite ihrer Verwendung können nur ungefähr rekonstruiert werden. Textvertreter ND 3416 (Taf. VI KKal) kann in etwa einem Zeitraum von 850–610 v. Chr. entstammen, ND 6208 (Taf. II KKal) wurde vermutlich zwischen 810 und 610 v. Chr. verfasst und verwendet. Während ND 3416 (Taf. VI KKal) im Areal des Nordwestpalastes lag, entdeckte man ND 6208 (Taf. II KKal) auf dem Gelände des Nabû-Tempels. Während sich ersterer allein auf dem Fußboden eines großen Saals im Empfangs-, Verwaltungsund Lagerbereich des Palastes befand, wurde der andere am Tempelinnenhof gefunden. Aus diesen unterschiedlichen Fundlagen lassen sich mögliche unterschiedliche Funktionsbereiche identifizieren. Während der Tempelfund im Kontext religiösen Expertentums verortet werden kann, könnte der Palastfund möglicherweise im Rahmen politischer Religionsprogrammatik eingesetzt worden sein. Historie und Grabung(en) Wie die beiden vorangegangenen Fundorte (Assur und Ḫuzirīna) gehört auch Kalḫu zum assyrischen Kulturbereich. Es liegt im assyrischen Kernland zwischen Assur und Ninive und war von Assurnaṣirpal II. (880 v. Chr.)72 bis zu Sargon II. (706 v. Chr.) Hauptstadt des Reiches. Bei der Grabung von Max Mallowan trat 1952 ein Fragment des Lieds auf Marduk zutage, 1955/6 kam ein zweites hinzu. Beide lagen im Bereich der Zitadelle der Stadt. Möglicherweise stammen auch einzelne Tafeln, die in Ninive (ohne Dokumentation) gefunden wurden, ursprünglich aus Kalḫu, da Teile der dortigen Bibliothek in die von Assurbanipal73 übernommen wurden (POSTGATE, READE 1976–1980, S. 321). Fundareal Raum ZT 25 Der erste Textzeuge (ND 3416 = Taf. VI KKal) wurde in einem etwa 21 Meter langen Raum in der Nordostecke des Nordwestpalastes gefunden (Kennung: ZT 25) (MALLOWAN 1966, S. 169).74 Bei dem Saal handelt es sich vermutlich um einen Empfangsraum, an den ein Vestibül und ein Waschraum angrenzen. Schienenartige Eintiefungen in der Bodenpflasterung verweisen auf ein fahrbares Kohlebecken, mit dem der Raum bei Bedarf geheizt werden konnte. Große Gefäße in den angrenzenden Räumen zeigen, dass in diesem Palastbereich Waren (Öl, Korn und Wein) in Empfang genommen und gelagert wurden (MARZAHN, UEHLINGER 2008, S. 72). Ebenfalls in angrenzenden Räumlichkeiten wurden etwa 60 Wirtschaftsurkunden ausgegraben (MALLOWAN 1966, S. 176), was den Verwaltungscharakter dieser Pa72

Akkadisch eigentlich: Aššur-nāṣir-apli. Akkadisch eigentlich: Aššur-bāni-apli. Anders beschreibt dies D.J. Wiseman, obwohl auch er später ZTE 25 als Fundort angibt (1953, S. 139), der den Fund in einem Korridor an der Außenmauer des Nordwestpalastes gemeinsam mit Abschriften von Prismen Sargons II. verortet ( IBID, S. 137). Plan 100 in der Publikation Nimrud and its remains zeigt jedoch unmissverständlich, dass es sich um zwei getrennte Fundorte handelt (MALLOWAN 1966, S. 166). 73

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2.1. Räumliche und zeitliche Herkunft der Textzeugen

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lastregion unterstreicht. Diese Funktion behielt der Palast auch noch nach der Verlagerung des politischen Zentrums ab Sargon II. in andere assyrische Städte (MARZAHN, UEHLINGER 2008, S. 72). Zusammengefasst gehörte Raum ZT 25 zum Empfangs-, Verwaltungs- und Lagerbereich des Palastes (IBID, S, 71). Die Kopie des enūma eliš wurde relativ mittig auf dem Fußboden des Raumes ohne weitere Tontafeln gefunden (MALLOWAN 1966, S. 166 Abb. 100). Daraus folgt, dass die Auffindungssituation nicht der antiken Aufbewahrung entsprach, der Fund somit der Kategorie B zugeordnet werden muss. Da es sich jedoch um keinen Abraum handelt, ist ein Bezug zum umgebenden Gebäudeareal denkbar. Demnach könnte der Auffindungsort funktional mit dem Textzeugen zusammenhängen, so dass letzterer der Kategorie B1 zugeordnet werden könnte. So äußert Max Mallowan die Hypothese, dass der Text in diesen Räumlichkeiten rezitiert wurde (IBID, S. 169). Welche Rolle das Lied auf Marduk in diesem Empfangs-, Verwaltungs- und Lagerbereich gespielt haben könnte, darüber lässt sich nur spekulieren. Eine zeitliche Eingrenzung erlauben möglicherweise die Begleitfunde, die ebenfalls in der Nordostecke des Palastes ausgegraben wurden. So können alabasterne Flakons durch ähnliche Funde in Assur und das ägyptische Material, aus dem sie hergestellt sind, in etwa auf die Zeit Asarḫaddons (680–669 v. Chr.)75 datiert werden (MALLOWAN 1966, S. 169f.). Eine Tonbulle gesiegelt mit einem Siegel, das in der Zeit von Salmanassar III. (858–824 v. Chr.) bis zu Aššur-etel-ilānī (631–627 v. Chr.) verwendet wurde, fand sich ebenfalls im Schutt auf dem Fußboden (IBID, S. 181). Erbaut wurden die umliegenden Räume vermutlich unter Salmanassar III., was ein Vergleich mit Bautätigkeiten dieses Herrschers in Til-Barsip vermuten lässt (IBID, S. 167). Das Ende lässt sich anhand der Datierung der Wirtschaftsurkunden spezifizieren, die in den anliegenden Verwaltungsräumen (Räume 11–17) gefunden wurden. Diese Räume sind Opfer eines starken Feuers geworden. Da die jüngste Urkunde aus dem Jahr 616 v. Chr. stammt (IBID, S. 176f.), lässt sich die Zerstörung auf die Invasion durch die Meder zurückführen (614 und 612 v. Chr.) (OATES 1961, S. 9). Während auch ältere Tafeln in einem jüngeren Gebäude liegen können, liefert die Zerstörung einen klaren Endpunkt für den Zeitrahmen, in dem der Text niedergeschrieben und verwendet wurde. Fundareal Raum NT 12 Der zweite Textzeuge (ND 6208 = Taf. II KKal) wurde an der Ostseite des Innenhofs des Nabû-Tempels in der Nähe von Raum NT 12 entdeckt (WISEMAN, BLACK 1996, S. 50), in dem weitere 280 Tafeln gefunden wurden, die vermutlich zur Tempelbibliothek gehörten (PEDERSÉN 1998, S. 151f.). Der Fundkontext ist durch Grabungsaktivitäten späterer, hellenistischer, Bewohner stark gestört (MALLOWAN 1966, S. 271). So fanden sich die meisten Tontafeln nicht nur in einer Schuttschicht auf dem Fußboden – vermutlich entstanden bei der Zerstörung durch die Meder (612 v. Chr.) (OATES 1962, S. 13) – sondern auch in einer höheren und damit späteren Schicht (um 500 v. Chr.) (WISEMAN, BLACK 1996, S. 3). Durch diesen antiken Eingriff wanderten die Tafeln zwar vertikal, sie verblieben aber vermutlich – horizontal 75

Akkadisch eigentlich: Aššur-aḫḫē-iddina.

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gesehen – an ihrem ursprünglichen Ort, so dass die Funde in den verschiedenen Schichten als Einheit begriffen werden können, wodurch sie auch funktional mit dem umgebenden Gebäude in Verbindung gesetzt werden können (Kategorie B1). Ein sehr schmaler Brunnen in der unteren Schicht lässt auf Schreibertätigkeit in diesem Raum schließen (MALLOWAN 1966, S. 271).76 Auch die Lage des Raums direkt am Innenhof deutet auf eine Bibliothek hin (PEDERSÉN 1998, S. 242). Der Raum NT 12 liegt an der Ostseite des großen Innenhofs des Ezida und bildet mit den beiden angrenzenden Räumen die komplette Ostachse. Auf der gegenüberliegenden (West)Seite des Hofs liegen die Zugänge zu den beiden Allerheiligsten von Nabû und seiner Gemahlin Tašmētu, wobei sich NT 12 direkt gegenüber dem Eingang der Nabû-Cella befindet. Die Südseite des Innenhofs besteht aus den Verwaltungsräumen des Tempels. Der Innenhof ist nur durch einen großen Saal an seiner Nordseite über den äußeren Hof des Areals zugänglich und dadurch von den davor liegenden Räumlichkeiten klar abgetrennt (IBID, S. 232, Abb. 194). Somit gehört der Bereich um den Innenhof zum religiösen (Cella) und administrativen (Verwaltungsräume) Zentrum des Tempelbezirks (IBID S. 233). Der Tempelkomplex wurde nach D. J. Wiseman und J. A. Black von Adad-nirari III. (810–783 v. Chr.)77 in der vorherrschenden Form erbaut und von verschiedenen Herrschern (v.a. Sargon II.) umgebaut und erweitert (1996, S. 2). J. E. Reade vermutet hingegen, dass die grobe Struktur bereits von Assurnaṣirpal II. (883–849 v. Chr.) gelegt wurde (2002, S. 196f.). Der Komplex wurde wie die gesamte Stadt bei der Plünderung durch die Meder (612 v. Chr.) zerstört, so dass dies den Endpunkt der Nutzung markiert (Wiseman, Black, S. 4). Dieser Zeitrahmen (etwa 850–612 v. Chr.) wird auch durch die Datierung der in NT 12 gefundenen Textzeugen bestätigt (IBID). Die Kopie der zweiten in Kalḫu gefundenen Tafel des enūma eliš (ND 6208) wurde unter anderem zusammen mit 79 Omentexten, 75 Beschwörungen und medizinischen Texten sowie 37 lexikalischen Listen gefunden (PEDERSÉN 1998, S. 152). Diese Zusammenstellung offenbart den gelehrt-religiösen Charakter der Tafelsammlung von Raum NT 12. 2.1.3.5. Kiš Zusammenfassung: ca. 720–540 v. Chr., ‚Bibliotheks‘-Gebäude Insgesamt betrachtet ist die Fundstelle in Kiš am schwierigsten zu deuten, unter anderem weil die verschiedenen Beobachtungen noch nicht zentral zusammengefasst und ausgewertet wurden.78 Dennoch lassen sich aus den wenig gesicherten Befun76 Da der Brunnen nicht vollständig ausgegraben wurde (M ALLOWAN 1966, S. 271), stellt sich die Frage, ob auf dessen Boden nicht noch mehr Tafeln zu finden sind (soweit sich ungebrannte Tafeln in einem Brunnen erhalten), die während der babylonischen Eroberung hinab geworfen wurden; darunter vielleicht auch weitere Kopien des enūma eliš. 77 Akkadisch eigentlich: Adad-nārārī. 78 Neue Erkenntnisse verspricht The Kish Project 2004–2006 des Field Museum in Chicago, das alle Funde der Grabungen der Oxford-Field Museum (Chicago) Expedition gemeinsam katalogisieren und in ihren möglichst vollständigen Kontext setzen will (Field Museum 2007). Bisher ist aus diesem Projekt jedoch leider noch keine Publikation entstanden.

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den schon einige Aussagen ableiten. Den Endpunkt des zeitlichen Rahmens bildet die Überbauung der sogenannten Bibliothek in nicht näher bestimmter neubabylonischer Zeit. Der möglicherweise älteste zu identifizierende Textzeuge aus dem Gebäude trägt einen Kolophon aus der Regierungszeit von Sargon II., was auch die Höhe des Alters der Textzeugen des Lieds auf Marduk einschränken kann. Damit ergibt sich ein grober Zeitrahmen von etwa 721 bis allerspätestens 539 v. Chr. (Ende des neubabylonischen Reiches). Die Tafeln wurden in Tonbehältnissen aufbewahrt, was auf eine sorgsame Lagerung wertvoller Bibliotheks-Tafeln hindeuten kann und mit der Qualität mancher Tontafeln (längliche Bibliothekstafeln) kongruiert. Historie und Grabung(en) Die Stadt Kiš war eine wichtige Metropole, die zum babylonischen Kernland gehörte. Zwei der Textzeugen (1924–790+1813+2081 = Taf. I aKiš und 1924– 1828+1926–373+374 = Taf. VI bKiš)79 wurden im Rahmen der Oxford-Field Museum (Chicago) Expedition wahrscheinlich im Februar 192480 im sogenannten Mound W ausgegraben (LANGDON 1927, S. 88 & 94). Zu einem Exemplar (1926– 375, Taf. III fKiš) macht Stephen Langdon leider keine Angaben über den Fundort (IBID, S. 94), was vermutlich an der teils schlechten Dokumentation der Grabungen liegt (GIBSON 1972a, S. 76). Da jedoch etwa die Hälfte aller in Kiš gefundenen Tafeln – vor allem die neubabylonischen (wie 1926–375) – Mound W zuzuordnen sind (IBID), kann auch diese Kopie des enūma eliš durchaus von hier stammen, nur dass dies nicht hinreichend festgehalten wurde. Hinzu kommt noch ein noch nicht genau identifiziertes Fragment 1924–2055, das erst sekundär Kiš beziehungsweise dem Mound W zugeordnet werden konnte (GURNEY 1989, S. 1f.; 8). Fundareal Mound W Bei Mound W handelt es sich um einen großen Hügel westlich vom Tell Ingharra, einem Areal, in dem ein Palast und ein neubabylonischer Tempel teilweise freigelegt wurden (MOOREY 1978, S. 83). Der antike Name war Ḫursaĝkalama und bezeichnete das rituelle Zentrum der Stadt (WESTENHOLZ 1997, S. 297). Bei der Suche nach Tontafeln ist Stephen Langdon auf Mound W wenig systematisch vorgegangen, so dass fast kein archäologischer Kontext (genaue Lage der Funde und v.a. die Stratigraphie) überliefert ist (IBID, S. 48). Es liegen auch keine genauen Pläne vor, nur eine grobe Skizze von Langdon, die das Gebäude, in dem die Tafeln gefunden wurden, in der Mitte von Mound W verortet mit einer nordöstlichen Ausrichtung (1924, Pl. XXXIII). Die Skizze lässt jedoch im Vergleich zu den anderen dort vermerkten Gebäuden vermuten, dass es sich bei der „Bibliothek“81 um ein recht großes Haus gehandelt haben muss, was auch Langdon zu seiner Grabung im Februar 1924 anmerkt (IBID, S. 87). Da Mound W bis heute nicht systematisch ergraben 79

Zu den Textzeugen-Kennungen siehe auch § 2.1.3. Anm. 47. Eines der Tafelfragmente (1926–373+374 zugehörig zu Taf. VI, b Kiš) besitzt zwar eine 1926erNummer, wurde aber nach Aussage von Stephen Langdon von ihm selbst im Jahr 1924 ausgegraben (1927, S. 94). 81 So die vorläufige Bezeichnung von Stephen Langdon (1924, S. 88). 80

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wurde, ist über die Art der Gebäude (Privathäuser, offizielle Architektur etc.) leider nichts bekannt. In der sogenannten Bibliothek fanden sich in fast allen Räumen Tontafeln, die in großen Tonbehältern aufbewahrt wurden, wobei immer Tafeln gleichen Typs in einem Krug, teilweise auch in einem Raum, aufbewahrt wurden (IBID, S. 90). Diese Beschreibung einer systematischen Aufbewahrung lassen vermuten, dass sich die Tafeln noch in situ befanden, als sie von Langdon entdeckt wurden. Somit können sie der Fundkategorie A zugeordnet werden. Da jedoch die Dokumentation unzureichend und die Natur des Gebäudes unklar ist, lassen sich hieraus dennoch wenig konkrete Schlüsse ziehen. Eine Rekonstruktion der Stratigraphie ist sehr schwierig, aber immerhin in Teilen möglich. Ein Survey der Stadt Kiš ergab, dass Mound W in der Kassitenzeit kaum bewohnt war und erst in neubabylonischer Zeit wieder umfangreich bebaut wurde (GIBSON 1972a, S. 59). Auch die gefundenen Tontafeln und die Keramik zeigen eine breite neubabylonische Schicht. Angeblich hat Ernest Mackay auch Funde aus der Isin II-Zeit an Mound W getätigt (IBID, S. 76), wobei für diese Beobachtung keine Stratigraphie vorliegt, so dass unklar ist, ob diese Tafeln in demselben Stratum und damit in demselben Gebäude gefunden wurden. P.R.S. Moorey geht davon aus, dass es im 7. vorchristlichen Jahrhundert erbaut wurde, womit es in die späte neuassyrische und die neubabylonische Zeit zu datieren ist (1978, S. 50).82 Noch in neubabylonischer Zeit wurde das Gebäude jedoch wieder überbaut, womit es naturgemäß nicht mehr in Nutzung war (IBID), was einen Endpunkt für die Verwendung der Tontafeln markiert. Exemplare des Lieds auf Marduk und Begleitfunde Stephen Langdon vermerkte, dass die Textzeugen des Lieds auf Marduk zusammen mit Tafeln aus der Zeit von Sargon II. gefunden wurden (1927, S. XVI). Tatsächlich berichtet Eleonore Robson von einem Kolophon dieses Herrschers (2004, S. 47). McGuire Gibson hat die in Mound W gefundenen Wirtschaftsurkunden untersucht (1972b, S. 120), wobei diese erst aus neubabylonischer Zeit und später stammen, also auch der darüber liegenden Schicht zugehören können. Auch die Angaben der Art der gefundenen Tontafeln variieren. Gibson spricht von einer Mehrheit von lexikalischen Listen und Zeichenlisten (IBID), was auf einen Schulkontext verweisen könnte. Auch Robson erwähnt hunderte von Schülertafeln und deren Fragmente an dieser Fundstelle, von denen etwa 150 publiziert sind (2004, S. 49). Dennoch gibt sie auch eine Liste des „core of the Neo-Babylonian ‘library’“ an, in dem vor allem Omenserien, Beschwörungen, medizinische Texte und Gebete enthalten sind (IBID, S. 48f.).83 Die Zusammensetzung dieser Bibliothek vergleicht sie dabei unter ande82 Dazu passt, dass die Paläographie aller drei Textzeugen neubabylonisch ist (L ANGDON 1927, S. 88 & 94). 83 Dabei zählt sie auch Tafeln, die nur „probably from Kiš“ sind, zu diesem Bestand. Diese Verortung wurde von Oliver R. Gurney vorgenommen, da die Tafeln 1949 im Ashmolean Museum ohne Nummerierung gefunden wurden. Da jedoch die Fragmente mit Tafeln aus der Grabung von Stephen Langdon gejoint werden konnten (unter anderem drei neue Fundstücke zum Lied auf Marduk), ließ dies den Schluss zu, dass es sich um Tafeln aus Kiš und vermutlich von Mound W han-

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rem auch mit der Bibliothek des Nabû-Tempels in Kalḫu (siehe § 2.1.3.4.), wo sie ein vergleichbares Ensemble sieht. Die meisten von Robson erwähnten Tafeln sind fein säuberlich beschrieben und haben eine dünne längliche, für Bibliothekstafeln typische Form (IBID, S. 47), womit sie sich klar von den Schülertafeln unterscheiden. Aufgrund dieser teils divergierenden Befunde ist die genaue Natur des Gebäudes nur schwer zu bestimmen. Es kann sich um eine Wohn- und Ausbildungsstätte religiöser Experten handeln, aber auch um den Teil eines öffentlichen Gebäudes (Tempel, Palast). Möglicherweise hilft die Aufbewahrung in Tonbehältnissen bei der näheren Bestimmung, da im 1. vorchristlichen Jahrtausend zwölf von 13 Lagerungen in Tonkrügen in Privathäusern gefunden wurden. Da jedoch die Gesamtzahl nur sehr niedrig ist, ist dieser Umstand nicht unbedingt aussagekräftig (PEDERSÉN 1998, S. 243). 2.1.3.6. Mê-Turnat Zusammenfassung: ca. 700–560 v. Chr., Tempelkontext In Mê-Turnat wurde nur ein einziger Textzeuge (IM 121284 = Taf. VI jMet) gefunden. Er fand sich in der vermutlichen Tempelbibliothek des Nergal-Tempels in der Nähe der Cella. Als Datierung ergibt sich der ungefähre Zeitraum von Assurbanipal oder früher (~ Anfang 7. Jh. v. Chr.) bis Nebukadnezar II. (bis 562 v. Chr.). Historie und Grabung(en) Mê-Turnat, der moderne Tell Ḥaddad, liegt im Diyāla-Gebiet an der Mündung des Narim in den Diyāla (RÖLLIG 1997, S. 150) – und damit zwischen den großen Einflussgebieten Babylonien und Assyrien. Während die Schrift der dort gefundenen Textzeugen babylonisch ist (so auch IM 121284 = Taf. VI jMet), wurde das politische Schicksal der Stadt stark von Assyrien bestimmt. Als erstes nahm Salmanassar III. die Stadt 851 v. Chr. ein (IBID). Sein Nachfolger Šamši-Adad V. eroberte und plünderte sie vermutlich gleich zweimal (814 v. Chr. und 812 v. Chr.), wobei er Bewohner und Götterstatuen deportierte (BRINKMAN 1968, S. 208, 212). Fundareal Area 3 Der gefundene Text fand sich in einem Raum direkt neben der Vorcella des NergalTempels zusammen mit weiteren Tafeln (AL-RAWI, BLACK 1994, S. 131). Insgesamt wurden etwa 250 Tafeln in diesem einzelnen Raum entdeckt (MUHAMED 1992, S. 23), so dass es sich hierbei vermutlich um die Tempelbibliothek gehandelt hat. Auch die Art der Begleitfunde – es waren literarische Texte (bspw. Erra-Epos), Hymnen und Omentexte (AL-RAWI, BLACK 1994, S. 131) – erinnert stark an die Zusammenstellung der Tempelbibliothek in Kalḫu (siehe § 2.1.3.4.). Die direkte Lage am Innenhof des Tempels lässt ebenfalls auf einen solchen Raum schließen und die Textfunde mit einer Tempelbibliothek funktional verbinden (Kategorie B1). Anders als in Kalḫu lag die Bibliothek jedoch nicht vis à vis zum Eingang der Cella, sondelt. Um jedoch möglichst genau zu sein, wurden die Tafeln vorsichtshalber als „probably from Kiš“ klassifiziert (GURNEY 1989, S. 1f.).

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dern an der nordwestlich angrenzenden Seite neben dem Eingang zum Allerheiligsten (ROAF, POSTGATE 1981, S. 177f.). In Mê-Turnat gibt es an der Fundstelle (Area 3) drei Strata, wobei die obere parthisch einzuordnen ist und die untere Gebäude aus altbabylonischer Zeit enthält. Dazwischen liegt eine als neuassyrisch klassifizierte Schicht, in der der Nergal-Tempel liegt (IBID, S. 177). Das Alter des Tempels kann möglicherweise durch die Ziegelstempel von Assurbanipal (669–629 v. Chr.) eingegrenzt werden (MUHAMED 1992, S. 23). Es gibt jedoch Hinweise auf Restaurationsarbeiten (v.a. an der Fassade der Cella) (ROAF, POSTGATE 1981, S. 178), so dass die Ziegel des assyrischen Herrschers auch von diesen Instandhaltungsmaßnahmen stammen können. Die ungefähre Datierung in das 7. vorchristliche Jahrhundert wird jedoch auch durch die Kolophone der gefundenen Tontafeln, die Nabopolassar (626–605 v. Chr.)84 und Nebukadnezar II. (604–562 v. Chr.) erwähnen (MUHAMED 1992, S. 23 Anm. 7), unterstützt. Schließlich wurde in dem Tempel ein beschrifteter Kopf einer Steinaxt gefunden, der in neuassyrischer Monumentalschrift beschrieben ist. Wie auf den Ziegeln von Assurbanipal wird der Tempel auf ihm [É-šà]-húl genannt (AL-RAWI 1994, S. 35). Wann der Tempel schließlich durch ein Feuer zerstört wurde (ROAF, POSTGATE 1981, S. 178), lässt sich dagegen nicht sagen. Ein Hinweis könnten die Kolophone liefern, die mit Nebukadnezar II. abbrechen. IM 121284 weist selbst einen Kolophon auf, doch ist er zu sehr beschädigt, als dass er Aufschluss über eine mögliche Datierung liefern könnte. Er erwähnt lediglich den Namen mdEn-ki-im-[…] (AL-RAWI, GEORGE 1994, S. 135). Vielleicht lässt sich dieser Name zukünftig in einer Studie der erhaltenen Kolophone zeitlich einordnen. Ahmad Muhamed erwähnt, dass die Tafeln in der Tempelbibliothek „in one single mass“ gefunden wurden (1992, S. 23). Das ist vermutlich so zu deuten, dass sie auf einem Haufen lagen, was wahrscheinlich nicht die ursprüngliche Aufbewahrungsart war. Aufgrund der Lage der Funde in der Nähe zur Cella kann eine funktionale Verbindung zwischen Fundort und der umgebenden Architektur angenommen werden, so dass der Kontext der Kategorie B1 zugeordnet werden soll. Da bisher aber noch kein abschließender Grabungsbericht vorliegt, bleibt dies eine Vermutung. Träfe die These zu, so stände auch dieser Textzeuge im engen Zusammenhang mit der Praxis religiösen Expertentums. 2.1.3.7. Sippar Zusammenfassung: ca. 600–530 v. Chr., Tempelkontext In der fast vollständig erhaltenen Tempelbibliothek in Sippar fand sich ein einzelner Textzeuge des Lieds auf Marduk. Die erhaltenen Kolophone und die Ziegel von Nabonid können darauf hinweisen, dass die Bibliothek in später neubabylonischer und spätbabylonischer Zeit bestand. Zumindest ein Textzeuge ist jedoch deutlich älter als die ihn umgebenden Räumlichkeiten. Es sei darauf verwiesen, dass es sich hierbei nicht um die Bibliothek des großen Šamaš-Tempels handelt, sondern um die Sammlung des kleineren (vermutlichen) Aja-Tempels. 84

Akkadisch eigentlich: Nabû-apla-uṣur.

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Durch die besondere Fundsituation (Kategorie A) und ihre Lage innerhalb des Tempels im näheren Umfeld der Cella lässt sich hier besonders stark annehmen, dass religiöse Experten das Lied auf Marduk in ihrer Praxis verwenden. Historie und Grabung(en) Die Stadt Sippar liegt in direkter Nähe zu Babylon und zählt damit wie Kiš zum babylonischen Kernland. Bei den Grabungen der University of Baghdad stießen die Archäologen während der achten Kampagne (1985–86) auf eine Tontafelsammlung auf dem Gelände des E-babbar (der Haupttempel des Sonnengottes Šamaš, Stadtgott in Sippar) (AL-JADIR 1991, S. 193). Dabei wurde ein einzelnes, recht umfassendes Exemplar der zweiten Tafel des enūma eliš (Sippar Library 4, 5C = Taf. II gSip) gefunden. Fundareal Raum 355 und Umgebung Der Raum (355) fand sich im Komplex des Tieftempels, der möglicherweise der Gattin des Sonnengottes, Aja, gewidmet war (DE MEYER, GASCHE 1980, S. 34). Anders als im Nabû-Tempel in Kalḫu und im Nergal-Tempel in Mê-Turnat befand sich die Bibliothek jedoch nicht direkt am Innenhof (358), von dem aus die Cella erreichbar war (369). Stattdessen war die Bibliothek nur durch mehrere Räume hindurch zugänglich, wobei auch ein großer Saal (351) durchquert werden musste (IBID).85 Zwischen diesem Saal und der Bibliothek lag wahrscheinlich ein Lese- und Schreibraum (356), in dem lexikalische Listen entdeckt wurden (PEDERSÉN 1998, S. 197). Durch diese architektonische Konstruktion war der Raum 355 von einem Großteil der Anlage isoliert. Fundsituation: in situ Bei der Entdeckung des Raumes befanden sich die Texte in situ, so dass sie der Kategorie A zugeteilt werden können, was funktionale Aussagen zulässt. Sie lagen senkrecht aufgestellt in Nischen in den Wänden des Raumes.86 So steht auch die Textzeugenkennung (Sippar Library 4, 5C) für den Fundort, da die Tafel in der von links gesehenen fünften Nischen-Kolumne (5C) in der dritten Reihe über dem Fußboden (5C) gefunden wurde (AL-RAWI, GEORGE 1990, S. 149). Insgesamt gab es 14 Nischenzeilen (PEDERSÉN 1998, S. 194), wobei die Anzahl der Nischen je Zeile unterschiedlich war. Wie viele Nischen es insgesamt gab, ist ungewiss, da die (vermutlich) oberste Reihe teilweise beschädigt ist (BALL, BLACK 1987, S. 248). Der Gesamtbestand der Tontafeln in diesem Raum wird auf etwa 2.000 geschätzt (IBID, S. 249), von denen jedoch aktuell nur etwa 800 ausgegraben sind (PEDERSÉN 1998, S. 197). Die bereits identifizierten Tafeln umfassen Omenserien, Beschwörungen, Hymnen, Gebete, Abschriften von Königsinschriften, Mythen und Epen sowie lexikalische Listen und mathematische Texte. Ebenso wurden einige wenige Alltags-

85 Einen Plan zu den Räumen findet sich in DE MEYER, GASCHE 1980, S. 195 und in PEDERSÉN 1998, S. 196. 86 Die Konstruktion der Nischen erinnert an die Aufbewahrung von Tontafeln im Nabû-Tempel in Dūr-Šarrukīn (PEDERSÉN 1998, S. 197).

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texte gefunden (IBID).87 Bei den gefundenen Tafeln handelt es sich im Allgemeinen um sehr große (Bibliotheks-)Tafeln (AL-JADIR 1991, S. 194). Der älteste Text, vielleicht als Antiquität aufbewahrt, ist eine auf 1061 v. Chr. datierte Liste von Tempeleigentum aus der Gegend von Nippur. Der jüngste Text, eine Wirtschaftsurkunde, weist einen Kolophon von 529 v. Chr. auf, während ein literarischer Text aufgrund seiner Tafelunterschrift auf 558 v. Chr. datiert werden kann (BALL, BLACK 1987, S. 249). Der Raum 355 findet sich in demselben Stratum wie Zimmer 356 und eine daran angrenzende Räumlichkeit, in der Ziegel mit dem Stempel von Nabonid (555–539 v. Chr.)88 ausgegraben wurden (IBID, S. 248), die von Reparaturarbeiten stammen können. Dies sind Hinweise dafür, dass die Bibliothek selbst in die Endzeit des neubabylonischen Reiches und in die persische Zeit datierbar ist. Die darin enthaltenen Texte, wie die Liste aus Nippur gut zeigt, können dabei jedoch durchaus älter sein, was wiederum verdeutlicht, dass Tontafeln lange über die Entstehungszeit hinaus verwendet werden können. 2.1.3.8. Uruk Zusammenfassung: 730–400 v. Chr., Tempelkontext Die zwei Textzeugen des Lieds auf Marduk (W 17718jg + lg = Taf. VI cUruk und VAT 14511 + W 17718vw + 17721b = Taf. VII gUruk) wurden in Uruk in einem gestörten Kontext im Nordost-Bereich des Haupthofs des Ištar-Heiligtums E-ana gefunden. Durch die Verwüstungen im Anschluss an die Herrschaft von Darius II. wurde die möglicherweise vorhandene Ordnung der Tontafelsammlung(en) des Eana, welche die in situ gefundenen Tafeln andeuten, durcheinandergebracht. Trotz des hohen Zerstörungsgrades lässt sich dennoch ein Bezug zum umgebenden Gebäude herstellen (Kategorie B1). Die ältesten Wirtschaftsurkunden (aus Gebäude K) entstammen der Regierungszeit von Sargon II., während das Ende der Tafelfunde von Darius II. markiert wird. Die Tafeln literarischen Inhalts und damit auch die Textzeugen des enūma eliš sind vermutlich auch in diese Spanne (etwa 725–404 v. Chr.) einzuordnen. Historie und Grabung Als letztes soll der Fund in der südmesopotamischen Stadt Uruk analysiert werden. Die alte sumerische Metropole hatte bis in hellenistische Zeit eine große kulturelle und religiöse Bedeutung und zählte im 3. Jahrtausend zu den größten Städten der Welt. Bei den deutschen Grabungen in den Jahren 1928/29 und 1938/39 kamen insgesamt fünf Fragmente babylonischer Paläographie zutage, die sich zu zwei Textzeugen zusammensetzen ließen. Es handelt sich um Kopien der sechsten (W. 17718 jg+lg = Taf. VI cUruk) und siebten Tafel (VAT 14511 + W. 17718 vw + W. 17721b = Taf. VII gUruk). 87

Markus Hilgert hat sich in seiner Habilitationsschrift (Publikation in Vorbereitung nach http://www.materiale-textkulturen.de/person.php?n=2, letzter Zugriff am 10.04.2012) eingehend mit der Zusammenstellung dieser Bibliothek auseinandergesetzt. Aus dieser Studie sind weitere Einblicke zu erwarten im Hinblick auf die Funktion des Raumes und seines Inhalts. 88 Akkadisch eigentlich: Nabû-nāʾid.

2.1. Räumliche und zeitliche Herkunft der Textzeugen

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Fundareal Haupthof A2 Das erste Fragment des Lieds auf Marduk in Uruk (VAT 14511) fand sich während der Grabung der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft 1928/29 (FALKENSTEIN 1979, S. 1). Es lag an einem von vier möglichen, leider nicht genau festgehaltenen Orten im Nord- und Nordost-Bereich des Haupthofs (A 2) des E-anaHeiligtums (JORDAN 1930, S. 16, 20).89 Es wurde gemeinsam mit etwa 6.000 Tafelbruchstücken ausgegraben, die vor allem von Wirtschaftsurkunden stammen. Lediglich zirka 250 literarische Texte konnten in dieser Menge identifiziert werden (FALKENSTEIN 1979, S. 1). Julius Jordan und Adam Falkenstein schließen aus dem großen Zerstörungszustand der Tontafeln, dass sie absichtlich auf dem Fußboden zerschlagen wurden (JORDAN 1930, S. 20; FALKENSTEIN 1979, S. 1). Anlass dieses Vandalismus' war möglicherweise die Zerstörung der Anlage in der Zeit unmittelbar nach Darius II. (423–404 v. Chr.) (LENZEN 1956, S. 18).90 Zeitlich lassen sich die Texte durch die Stratigraphie und durch Zeitangaben in den Wirtschaftsurkunden einordnen. So lagen sie oberhalb von Fußböden, die von Nabonid (555–539 v. Chr.) und Kyros II. (539–529 v. Chr.)91 stammen.92 Die gefundenen Verträge enthalten Daten aus der Zeit von Nabopolassar (626–605 v. Chr.) bis Darius I. (522–486 v. Chr.).93 Somit gehören die Fragmente vermutlich in die neubabylonische und frühe persische Zeit (FALKENSTEIN 1979, S. 1).94 In einer späteren Kampagne (1954/55) wurden 400 ganze Tontafeln in situ in Gebäude K entdeckt (LENZEN 1956, S. 13). Bei ihnen handelt es sich, wie bei den weiteren etwa 4.000 ausgegrabenen Fragmenten, fast ausschließlich um Wirtschaftsurkunden, die einem Zeitraum von Sargon II. (721–705 v. Chr.) bis Darius II. entstammen (IBID, S. 18f.). Die meisten der intakten Funde datieren in neuassyrische Zeit (IBID, S. 18), was auf eine Systematik in der Lagerung der Tontafeln schließen lässt. Fundareal Raum 123 Die anderen vier Tafelbruchstücke (W 17718jg, W 17718lg, W 17718vw, W 17721b), die sich zu zwei Textzeugen des enūma eliš zusammenfügen lassen,95 können räumlich etwas genauer zugeordnet werden. So lagen sie vermutlich in (der Nähe von) Raum 123, der sich ebenfalls in der Nordostecke des Haupthofs befindet (LENZEN 1940, S. 15). Der Raum wurde in der Zeit von Nabonid bis Kyros II. er89 Einen Plan zum E-ana in neu- und spätbabylonischer Zeit findet sich in UVB 14 (LENZEN 1958, Taf. 8). 90 André Heller sieht hingegen ein langsames Auslaufen der Keilschrifttradition im Eana bis in die ersten Regierungsjahre von Xerxes I. (486–465 v. Chr.) und nicht eindeutig interpretierbare Brandspuren an den Wänden, so dass der Tempel vielleicht auch nicht zerstört wurde und wenn doch das Ende der Tontafelsammlung und eine mögliche Zerstörung des Tempels zeitlich auseinander fallen könnten (2010, S. 298). 91 Herrschaft über Babylonien. 92 Dabei lagen sie teils innerhalb von Räumen (Gebäude K), die zumindest teilweise aus der Zeit von Nabonid stammen (LENZEN 1956, S. 17). 93 Julius Jordan datiert sie bis sogar Kambyses II. (529 bis 522 v. Chr.) (1930, S. 20). 94 So denn keine Antiquitäten wie in Sippar (siehe § 2.1.3.6) in den Räumlichkeiten aufbewahrt wurden. 95 W 17718jg und W 17718lg entsprechen dem Textzeugen Taf. VI cUruk; die Fragmente W 17718vw und W 17721b bilden zusammen mit VAT 14511 den Textvertreter Taf. VII g Uruk.

62

Kapitel 2: Pragmatisch-extrarelationale Dimension des enūma eliš

baut, so dass sich hier in etwa die gleiche temporale Spanne auftut, wie bei den Funden während der Kampagne 1928/29. In Raum 123 fanden sich auch unversehrte Tontafeln in situ: in einer Wanne, die im Boden eingelassen war und in einer Nische in der Wand (IBID). Der fragmentarische Zustand der Textzeugen des Lieds auf Marduk deutet jedoch darauf hin, dass sie mit anderen zerschlagenen Tafeln auf dem Fußboden im oder in der Nähe des Raumes entdeckt wurden. Da jedoch immer noch der Tempelkontext offensichtlich ist, lässt die Fundsituation einen Bezug zur Gebäudefunktion zu, so dass der Fund noch der Kategorie B1 zugeordnet werden kann. Wie bereits schon bei der Grabung 1928/29 waren auch die Funde der Kampagne 1938/39 vor allem Wirtschaftsurkunden und nur in der Minderheit literarische Texte. Die Tontafelfunde im Nord- und Nordostbereich des Haupthofs können entweder Teile einer einzigen Sammlung sein oder die verstreuten Zeugen verschiedener Archive und Bibliotheken, die ursprünglich in separaten Räumen nach Textarten sortiert aufbewahrt wurden (PEDERSÉN 1998, S. 205). Letzteres ist zumindest für die Tontafelsammlung in Sippar bezeugt, und die sorgfältige Aufbewahrung der in situ gefundenen Tafeln spricht ebenfalls für eine geordnete Aufbewahrung. Heinrich Lenzen vermutet in kleinen Kanälen in Gebäude K ein ausgefeiltes System, das für eine höhere Luftfeuchtigkeit sorgen und damit die wertvollen Tontafeln vor dem Zerfall bewahren sollte (1958, S. 18), was den Wert der dort aufbewahrten Tafeln hervorheben würde. Da VAT 14511 mit W 17718vw und W 17721b zusammen einen Join bilden (Taf. VII gUruk), muss vermutlich auch dieses Fragment im Kontext mit Raum 123 verstanden werden. Dass die unterschiedlichen Bruchstücke in verschiedenen Kampagnen ergraben wurden, verdeutlicht den hohen Grad der Zerstörung der Tontafeln in diesem Teil des Gebäudes. 2.1.3.9. Zusammenfassung der Fundkontexte Fundkategorie und Begleitfunde: Religiöses Expertentum Von nur etwa 16% der Textzeugen ist der Umstand des Fundes zumindest ansatzweise dokumentiert. Sie verteilen sich auf drei assyrische und fünf babylonische Städte (entsprechend der Paläographie kategorisiert). Relativ sicher sind auch die Tafeln aus dem British-Museum mit K.-Nummern der Stadt Ninive zuzuordnen, was die mit Abstand größte Gruppe konstituiert. Von den insgesamt 30 lokalisierbaren Tontafeln sind nur fünf in situ gefunden (Kategorie A, die Textzeugen aus Babylon, Kiš und Sippar), wobei jedoch nur zwei Funde umfassend dokumentiert wurden (Babylon und Sippar). In allen fünf Fällen lässt sich jedoch die Lagerung zumindest ansatzweise rekonstruieren. Die Tontafeln lagen entweder sortiert in Behältnissen (Babylon und Kiš) oder in Nischen (Sippar). Letztere Aufbewahrungsform ist auch aus dem E-ana in Uruk bekannt, jedoch für das enūma eliš dort nicht nachweisbar. Die sogenannte Bibliothek in Kiš kann zurzeit noch nicht in die Unterscheidung zwischen offizieller Architektur oder Privatgebäude eingeordnet werden. Dahingegen konnten vier Fundorte als Wohn- und Ausbildungsstätte religiöser Experten

2.1. Räumliche und zeitliche Herkunft der Textzeugen

63

klassifiziert werden (Assur und Ḫuzirīna), die zugleich über einen Tempelbezug verfügen. Die Fundsituation ist meistens gut genug, um aus dem Fundort über die Gebäudefunktion auf eine mögliche Textfunktion zu schließen. Der Textvertreter aus Babylon, eine neubabylonische Schultafel, lässt nur noch die Verortung im Kontext der Schreiberausbildung erkennen. Ein einzelner Textzeuge wurde im Nordwestbereich des Palastes von Assurnaṣirpal II. in Kalḫu ausgegraben. Dass er in den Empfangsräumlichkeiten aufgefunden wurde, könnte für eine religionsprogrammatische Verwendung sprechen, doch handelt es sich dabei nach aktuellem Forschungsstand um reine Spekulation. Schließlich wurden in insgesamt vier unterschiedlichen Tempeln (in Kalḫu, MêTurnat, Sippar und Uruk) Kopien des Lieds auf Marduk entdeckt. Es mag Fundzufall sein oder dem kleinen Ausschnitt an bekannten Fundkontexten geschuldet sein, dass die babylonischen Textzeugen – den unklaren Fall Kiš und die archivierte Schultafel aus Babylon ausgeklammert – ausschließlich in Tempeln gefunden wurden, während im assyrischen Gebiet durchaus auch (gelehrte) Privathäuser als Fundstätten auftauchen. Zumindest für die babylonischen Schülertafeln lässt sich, auch wenn deren Fundkontexte nicht bekannt sind, annehmen, dass sie ebenfalls eher in Privathäusern (d.i. Wohn- und Ausbildungsstätte religiöser Experten) gefunden wurden,96 was das Exemplar aus Babylon bestätigt. Die Begleitfunde sind zumeist andere literarische Werke oder klassische Texte der Tätigkeit religiöser Experten (Omenserien, Beschwörungen, medizinische Texte, Gebete etc.). Eine Ausnahme stellen das Privathaus in Babylon und das Eana in Uruk dar, wo vor allem Wirtschaftsurkunden dominierten. Dennoch verweist auch die Fundsituation in Uruk auf einen Kontext religiösen Expertentums. Einzig ein Textvertreter in Kalḫu (ND 3416 = Taf. VI KKal) wurde in einem eher politischen Umfeld (Audienzräumlichkeiten des Nordwestpalastes) gefunden und in Babylon wurde die Schultafel von einem Barbier nach seiner Schreiberausbildung aufbewahrt. Bei allen anderen Gebäuden handelt es sich entweder um Wohn- und Ausbildungsstätten religiöser Experten oder Tempel, so dass insgesamt ein enger Bezug zwischen den Fundkontexten und religiöser Expertenpraxis hergestellt werden kann.

96 Dieser Aussage liegt die Annahme zugrunde, dass Schultafeln auch in Babylonien eher in Privathäusern zu erwarten sind (siehe auch GESCHE 2000).

64

Kapitel 2: Pragmatisch-extrarelationale Dimension des enūma eliš

Tabelle 6: Fundkategorie und Fundumfeld Stadt Assur

Fundstätte hB4V

iC6III; iB6III cD9II, cD9I

Fundumfeld FundKategorie B2 tertiärer Abfall; Haus einer Schreiberfamilie an der Ostecke der großen Ziqqurrat B1 in Schuttschicht über Fußboden; Haus einer nargallu-Familie B2 unzureichende Dokumentation der Fundsituation; Privathaus

Babylon

Merkes 26h1

A

Ḫuzirīna

Area F

B1

Kalḫu

in der Nähe von NT 12

B1

ZT 25

B1

Mound W

A

Kiš

97

LANGDON 1924, S. 88.

in einem Tongefäß zusammen mit Urkunden; Privathaus Tontafelhaufen an Außenwand eines Privathauses Schuttschicht auf Fußboden und teils in höheren Strata; Innenhof des Nabû-Tempels, gegenüber der Cella auf Fußboden ohne Begleitfunde; Empfangsraum im Nordwestpalast in Tonbehältern sortiert nach Textsorten; Architektur nicht eindeutig („Bibliothek“)97

Sonstiges sekundäre Zuordnung zum angrenzenden Aššur-Tempel; ṭupšarrūtu –

sekundäre Einordung über Begleitfunde zu einer Wohn- und Ausbildungsstätte religiöser Experten; Tafeltyp 2c verweist auf fortgeschrittene Schreiberausbildung Verbindung zu einer Barbierfamilie, bzw. zu deren Schreibausbildung Verbindung zur einer šangû-Familie Hinweise auf Schreibertätigkeit im unmittelbaren Umfeld –

sehr schlechte Dokumentation

2.1. Räumliche und zeitliche Herkunft der Textzeugen

65

Tabelle 6: Fundkategorie und Fundumfeld (Fortsetzung) Stadt MêTurnat

Fundstätte Area 3

Sippar

Raum 355 Nische 5C

Uruk

Haupthof A2, Raum 123

Fundumfeld FundKategorie B1 vermutlich auf einem Haufen; Raum am Haupthof neben der Vorcella des Nergal-Tempels A senkrecht aufgestellt in einer Wandnische; Raum im näheren Umfeld zur Cella, Tieftempel (vermutlich Aja gewidmet) B1 auf Fußboden; in Raum in der Nordostecke des Haupthofs des E-ana (und in dessen Umgebung)

Sonstiges schlechte Dokumentation

-

großer Zerstörungszustand der Textzeugen

Zuspitzung des zeitlichen Rahmens: 750–400 v. Chr. Die Datierung von Erstellung und Verwendung der Tafeln über die Fundkontexte erlaubt in der Regel nur sehr weite Zeitspannen, wobei auch diese unter Vorbehalt stehen müssen. Die Befunde werden im Folgenden mit den paläographischen Beobachtungen von Wilfred Lambert (2013, S. 4) verbunden, um so den Zeitrahmen besser abstecken zu können. Die ältest möglichen Textzeugen sind zum einen die assyrisierten Exemplare aus Assur (VAT 9668 = MAss, VAT 9677 = Taf. I NAss) sowie ein Textvertreter aus Kalḫu (ND 3416 = Taf. VI KKal), die nach dem Fundkontext aus einem Zeitraum zwischen der Regierungszeit von Salmanassar III. (858–824 v. Chr.) und der Spätzeit des assyrischen Reiches im 7. Jahrhundert v. Chr. (bis 610 v. Chr.) entstanden sein können. Eine zu frühe spät-mittelassrische Datierung (vor 750 v. Chr.) ist abzulehnen, da die diese Textvertreter paläographisch nicht dieser Zeit zuzuordnen sind (LAMBERT 2013, S. 4). Zumindest das Ende des assyrischen Reiches (um 610 v. Chr.) stellt das wahrscheinliche Ende der Textverwendung dar. Gleiches gilt auch für den zweiten Textzeugen aus Kalḫu (ND 6208 = Taf. KKal), der nach Fundkontext der Spanne von 810 bis 610 v. Chr. zugeordnet werden kann, paläographisch aber nicht älter als neuassyrisch ist (IBID). Besser greifen lassen sich die übrigen Exemplare aus Assur und die Funde in Ḫuzirīna, die in das 8./7. Jahrhundert v. Chr. etwa von der sargonidischen Zeit (ab 721 v. Chr.) bis circa 610 v. Chr. datieren. Ähnlich alt (ab 721 v. Chr.) könnten nach Fundkontext auch die Kopien aus Kiš sein, wobei sie jedoch paläographisch betrachtet jünger (ab Ende 7. Jh.) einzuordnen sind (LAMBERT 2013, S. 4). Die jüngste Datierung der Textvertreter wird durch den Untergang des neubabylonischen Reiches (539 v. Chr.) markiert, was auch de-

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Kapitel 2: Pragmatisch-extrarelationale Dimension des enūma eliš

ren Verwendung eine Ende setzte. Noch weiter, nämlich auf über 300 Jahre, ist die Zeitspanne für die Textzeugen des E-ana in Uruk auf Basis der Fundsituation zu dehnen (725–400 v. Chr.). Konkreter sind da Mê-Turnat (etwa 670–560 v. Chr.) und Sippar (grob 560–400 v. Chr.). Jedoch gilt auch hier eine Niederschrift vor dem neubabylonischen Reich paläographisch als unwahrscheinlich (LAMBERT 2013, S. 4). Interessanterweise kann der einzelne Textvertreter aus Babylon (Taf. IV lBab:Pr), der von Wilfred Lambert in seiner Edition (2013) nicht erfasst worden ist, einer eng definierten Zeitspanne (ca. 680–662 v. Chr.) zugeordnet werden. Dieser Zeitraum liegt vor der allgemeinen Datierung der babylonischen Textzeugen in ebendieser Edition (LAMBERT 2013, S. 4), was das Prisma zum möglicherweisen ältesten Textzeugen babylonischer Paläographie macht. Zusammengefasst sind die assyrischen Textzeugen in der Regel älter als die babylonischen Vertreter. Die jüngsten stammen möglicherweise aus Uruk und Sippar. Die Verwendung der Tontafeln in Assyrien endet vermutlich mit dem Untergang des neuassyrischen Reiches mit der Aufgabe/Zerstörung der Gebäude derselben Stratigraphie. In den babylonischen Städten reicht die Zeit noch weiter (bis etwa 400 v. Chr.). Abbildung 4: Zeitliche Spannweiten nach Fundkontexten Uruk Sippar Mê-Turnat Kiš Kalḫu Ḫuzirīna Babylon Assur 900

800

700

600

500

400

Chr. 300 v.v.Chr.

schwarz-weiß: Textzeugen babylonischer Orthographie schwarz: Textzeugen assyrischer Orthographie

Unter den lokalisierbaren Textzeugen finden sich eine Schülertafel vom Typ 2a (VAT 10071 = Taf. I R1Ass:2a) und zwei vom Typ 2c (Ass. 11600f = Taf. II GAss:2c und SU 51/23A = Taf. IV LHuz:2c) sowie ein Prisma (VAT 17489 = Taf. IV lBab:Pr). Die assyrischen Textzeugen sind potentiell älter als das babylonische Exemplar, womit das erste Auftauchen des Lieds auf Marduk im Schulbetrieb auf Basis der Kolophone und auch der Fundkontexte im assyrischen Kulturraum zu verorten ist.

67

2.1. Räumliche und zeitliche Herkunft der Textzeugen

Tabelle 7: Datierung anhand von Fundkontexten und Paläographie Stadt

Fundstätte

Assur

hB4V iC6III; iB6III

Zeitlicher Rahmen durch Fundkontext (ca.) 690–610 v. Chr. 850–610 v. Chr.

Beschränkung durch Paläographie (LAMBERT 2013, S. 4) – jünger als 750 v. Chr.

cD9II, cD9I Merkes 26h1

720–630 v. Chr.

Ḫuzirīna

Area F

720–610 v. Chr.

Kalḫu

in der Nähe von NT 12 ZT 25 Mound W Area 3

810–610 v. Chr.

jünger als 750 v. Chr.

850–610 v. Chr. 720–540 v. Chr.

jünger als 750 v. Chr. jünger als 630 v. Chr.

700–560 v. Chr.

jünger als 630 v. Chr.

Babylon

Kiš MêTurnat

knapp vor 662 v. Chr.

Sippar

Raum 355 Nische 5C

600–530 v. Chr.

Uruk

Haupthof A2 und Raum 123

730–400 v. Chr.

jünger als 630 v. Chr.

Sonstiges

– Im weiteren Umfeld Tafeln ab 900 v. Chr. – Im Umfeld auch noch ältere Tafeln (719–676 v. Chr.) Zerstörung der Stadt um etwa 610 v. Chr. Zerstörung der Stadt um etwa 610 v. Chr. – Tempel durch Feuer zerstört, Zeitpunkt unklar Antiquarischer Begleitfund = Tafel von 1061 v. Chr. Zerstörung des Tempels um etwa 400 v. Chr.

Kein Fund des Gesamtwerkes Interessanterweise wurden niemals alle sieben Tontafeln des Werkes an einer Fundstätte zusammengefunden. Selbst in Ḫuzirīna, wo die größte Ansammlung an Textzeugen des enūma eliš entdeckt wurde, fehlt ein Vertreter der dritten Tafel. Gerade in Tempeln ist der Umfang recht gering. So wurde in den Tempeln in Kalḫu, MêTurnat und Sippar je nur eine einzelne Tontafel gefunden, in Uruk konnte je ein Vertreter der Tafeln sechs und sieben identifiziert werden. Dieser Befund lässt zu Recht danach fragen, inwiefern der Text in diesen Tempeln überhaupt (kultisch oder anderweitig) genutzt werden konnte, wenn er (gemäß aktuellem Grabungsstand und

68

Kapitel 2: Pragmatisch-extrarelationale Dimension des enūma eliš

Dokumentation) gar nicht im vollen Umfang zur Verfügung stand (zur situativen Verortung, siehe § 2.2.). Im Rahmen der Schreiberausbildung wiederum können auch einzelne Tafeln des Werkes sinnvoll genutzt worden sein, indem sie als Vorlage für Kopien herangezogen wurden. In diesem Falle ginge es nur um die Schreibtechnik und die handwerkliche Anfertigung kunstvoller Bibliothekstafeln und nicht um den konkreten Inhalt des Textes. An dieser Stelle wäre dringend weitergehende Forschung erforderlich, um auch weitere wahrscheinliche Alternativszenarien zu definieren.98 Tabelle 8: Vertretene Tafeln des Werkes an den Fundorten Stadt Assur

Babylon Ḫuzirīna 100

Kalḫu Kiš MêTurnat Sippar

98

Fundstätte Tafeln des Werkes hB4V  I (Tafeltyp 2a: nur Auszug) iC6III;  I (2x,99 beide assyrisiert) iB6III  VI cD9II, cD9I  II (Typ 2c)  VI  VII Merkes  IV (Tafeltyp Pr: nur Auszug) 26h1 Area F  I  II  IV (6x, davon 1 Tafel vom Typ 2c)  V  VI (2x)  VII (2x) in der Nähe  II von NT 12 ZT 25  VI Mound W  I  III  VI101 Area 3  VI Raum 355 Nische 5C

 II

Hier verspricht die laufende Forschungsarbeit von Kerstin Maiwald zur Verortung von Texten mit Schöpfungsbezug in Mesopotamien mögliche weitergehende Antworten. 99 So es sich bei beiden Exemplaren nicht um Fragmente derselben Tafel handelt (siehe auch KÄMMERER, METZLER 2012, S. 82 Anm. 2). Interessanterweise führt Wilfred Lambert keinen möglichen Join dieser Tafelstücke an (2013, S. 46). 100 Die Stichzeile im Kolophon von Taf. II LHuz (= Taf. III GHuz) wird bei dieser Auflistung nicht berücksichtigt. 101 Zusätzlich ein noch nicht zugeordneter Textzeuge, siehe § 2.1.3.

2.1. Räumliche und zeitliche Herkunft der Textzeugen

69

Tabelle 8: Vertretene Tafeln des Werkes an den Fundorten (Fortsetzung) Stadt Uruk

Fundstätte Haupthof A2 und Raum 123

Tafeln des Werkes  VI  VII

2.1.4. Die räumliche und zeitliche Verortung – eine Zusammenschau Die räumliche Verortung lässt eine Makroebene und eine Meso-/Mikroebene unterscheiden. Die Makroebene umfasst die geographische Verteilung der Textzeugen im Gebiet in und um Mesopotamien. Die Meso-/Mikroebene manifestiert sich im konkreten Fundkontext, ausgehend von der Stadt über das Gebäude bis hin zum direkten Fundumfeld (Begleitfunde, Fundlage etc.). In der geographischen Betrachtung verteilen sich die Kopien des Lieds auf Marduk über ganz Mesopotamien (Babylonien und Assyrien) und darüber hinaus (Syrien, Anatolien). Auf der Meso-/Mikroebene finden sich die Tontafeln in vier Privathäusern (Wohn- und Ausbildungsstätten religiöser Experten), in einem Palast und vier Tempeln, wobei die Fundstätte in Kiš hier ausgeklammert ist, da ihre Natur aktuell noch nicht hinreichend geklärt ist. Werden die Befunde auf der Meso/Mikroebene der Makroebene zugeordnet, so zeigt sich, dass die Lokalisierung in Privathäusern und im Palast assyrisch ist, während die meisten babylonischen Fundstätten Tempel sind.102 Die Forschungsliteratur datiert die Textzeugen auf eine grobe Spanne von maximal 900 Jahren (frühestens 1.000 bis ca. 100 v. Chr.). Kleiner ist der Zeitraum, der sich aufgrund der Fundkontexte auftut. Er beginnt um etwa 850 v. Chr. und reicht bis zum Ende des neuassyrischen Reiches (etwa 610 v. Chr.) für die assyrischen Textzeugen, wobei der paläographische Befund den Beginn auf frühestens 750 v. Chr. einschränkt. Die babylonischen Tafeln sind gemäß der Fundsituationen jünger als 720 v. Chr., was paläographisch ebenfalls korrigiert werden muss (ab 630 v. Chr.). Ihr potentiell spätester Zeitpunkt der Niederschrift liegt um 400 v. Chr. Eine Besonderheit stellt der Textvertreter aus Babylon dar, bei dem es sich möglicherweise um den ältesten erhaltenen Textzeugen babylonischer Schrift handelt (ca. 680–662 v. Chr.). Auf Basis dieser Beobachtungen zeigt sich eine Ausbreitung der Textzeugen ausgehend von Assur in das assyrische Reich und von dort nach Babylonien. Vermutlich ist auch die Verwendung des enūma eliš im Schulcurriculum zuerst assyrisch, da die ältesten Schülertafeln in Assur gefunden wurden. Diese raum-zeitliche Verteilung ist ein Phänomen, das bei einem dezidiert babylonischen Text wie dem Lied auf Marduk zumindest Fragezeichen aufwirft (siehe hierzu § 2.3.).103 Die aktu102 Gerade letzteren Umstand darf man jedoch nicht verallgemeinern, da viele babylonische Schultafeln (jedoch ohne Fundkontext) bekannt sind. 103 Brigitte Groneberg fragt zu Recht nach dem möglichen Grund für die assyrischen Textvertreter, da in Assyrien mit dem Reichsgott Aššur ein anderer religiöser Fokus vorherrschte (1999, S. 134 Anm. 13). Erklären lässt sich dies vielleicht damit, dass die babylonische Kultur allgemein sehr selbstbewusst und dominant war, was dazu führte, dass sie von den Assyrern intensiv und auf

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Kapitel 2: Pragmatisch-extrarelationale Dimension des enūma eliš

elle Forschungssituation liefert dieses Bild auf Basis von 184 Textzeugen, so dass eine gewisse Validität gegeben ist. Geringer sind die Fallzahlen für die Kolophone (21) und die Fundkontexte (30).

2.2. Die Verortung des Werkes Beschreibung In den folgenden Unterkapiteln soll der Frage nach der Verortung des enūma eliš nachgegangen werden, wobei sich der Fokus besonders auf die situative Verortung, den sogenannten ‚Sitz im Leben‘, richtet. Untersuchungsgegenstand sind dabei die Tontafeln des Werkes und ihre Kolophone (§ 2.2.1.) sowie ihre Fundkontexte (§ 2.2.2.). Schließlich soll auch der Epilog des Werkes in den Blick genommen werden, der ebenfalls wie eine Art Unterschrift, eine Sphragis (WILCKE 1977, S. 174), funktioniert (§ 2.2.3.).104 Darüber hinausgehende Quellen (v.a. Erwähnungen des Lieds auf Marduk in anderen Keilschriftquellen, die eine Verwendung des Werkes beschreiben) werden bei Bedarf mit eingebunden, sollen aber nur unterstützende Hinweise für die Interpretation liefern, die primär auf den Tontafeln und ihrem Inhalt basiert. Da in den nachfolgenden Kapiteln die Semantik des Hauptteils des Werkes detailliert analysiert wird, werden dort weitere Hinweise zur möglichen Verortung des Textes herausgearbeitet. Diese zusätzlichen Erkenntnisse werden dann in der Gesamtschau mit den Ergebnissen dieses Unterkapitels verknüpft (siehe § 8.2.). Forschungsstand Die Verortung des enūma eliš speziell im Rahmen des akītu-Festes wurde bereits umfangreicher in der Forschung diskutiert, wobei die unterschiedlichen Stränge von Annette Zgoll zusammengetragen, ausgewertet und anhand der Primärquellen weiterentwickelt worden sind (2006a). Sie betont die Bedeutung des Textes für das Fest und für das gelehrte Verständnis seiner Abläufe – trotz oder gerade wegen des Ausschlusses der Öffentlichkeit bei der Rezitation des gesamten Werkes vor der Marduk-Statue im E-umuša (IBID, S. 48–50). Diese Belege einer kultischen Verwendung sind deutlich jünger als der Text selbst und auch gegenüber den erhaltenen Kolophonen und Fundkontexten,105 so dass die dort geschilderten Kultpraktiken durchaus sekundär sein können (COOPER 1992, S. 121). Speziell Wilfred Lambert interpretierte die kultische Verwendung des Werkes zunächst als eine spätere Entunterschiedliche Art und Weise rezipiert wurde (bspw. BRINKMAN 1984, S. 123–125; FRAME 1992, S. 257–260). Dies betraf dann vermutlich auch die um den babylonischen Hauptgott Marduk angesiedelte Literatur, die im Rahmen des babylonischen stream of tradition mit rezipiert wurde. Für diesen Hinweis möchte ich Claus Ambos danken. Dies erklärt aber noch nicht hinreichend, warum die Verbreitung des Textes zuerst in Assyrien und erst später in Babylonien zu greifen ist, sie sogar von Assyrien auszugehen scheint. 104 Vgl. ein ähnliches Phänomen auch im Text Nin-me-šara (ZGOLL 1997). 105 Einzig das assyrisch geprägte sogenannte Marduk-Ordal ist in das ausklingende achte bis frühe 7. Jahrhundert v. Chr. zu datieren. Alle anderen Belege gehören in neu- bis spätbabylonische Zeit. Siehe auch § 2.2.3.5.

2.2. Die Verortung des Werkes

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wicklung, wobei er auf den Epilog verweist, in dem sich eine solche Rezitationspraxis nicht zeige (1968, S. 107f.).106 Ebenso argumentiert auch Thomas Kämmerer gegen ein originäre rituelle Verortung, unter anderem da es nicht für Rezitationen verfasst sei, was sich daran zeige, dass die Schriftlichkeit ein wichtiger Schlüssel zum Werk sei (2011, S. 79). Wilfred Lambert korrigiert seine Sichtweise in seiner Textedition, wobei er es für nicht entscheidbar ansieht, ob die kultischen Bezüge eine spätere Entwicklung sind. Zudem fügt er einen weiteren Befund hinzu: Die Vernichteten bzw. Toten Götter werden von Marduk wieder eingesetzt, worin sich eine Parallele zur Restauration von Götterstatuen und dem damit verbundenen Mundöffnungsritual andeute (2013, S. 463). Thorkild Jacobsen sieht eine mögliche direkte Verbindung zwischen der Kultpraxis und dem Text, wonach die Ausdeutungen der Namen Sirsir und Sirsir Malaḫ (VII 70–77) möglicherweise Anspielungen auf die Bootsfahrt Marduks im Rahmen des akītu-Festes enthalten könnten (1975, S. 73). Herman Vanstiphout interpretiert den Epilog als klares Indiz auf eine kultische Verwendung des Werkes, was er unter anderem an dem Lexem zamāru „Lied“ festmacht (1992, S. 37). Weiterhin liest Michael P. Streck das Werk als „Kultlegende“ für das akītu-Fest (2006, S. 697). Manfried Dietrich versteht es hingegen gar als „Glaubensbekenntnis“, dem im offiziellen Kult, aber auch in der persönlichen Frömmigkeit eine zentrale Stellung zukam (2006, S. 152, 156f.). Dass es nicht in der breiten Bevölkerung zu greifen sei, obwohl es doch ein „mythologischer Grundtext für die Marduk-Religion“ sei, liege daran, dass das Volk die Texte eher mündlich oder auf verderblichen Materialien konserviere (IBID, S. 158). Und auch, dass Belege für eine Verortung im Neujahrsfest nur für die Spätzeit zu finden sind, begründet er mit dem Fundzufall (IBID, S. 153). Schließlich betrachten auch Thomas Kämmerer und Kai Metzler die Verortung des Werkes im akītu-Fest. Sie verweisen (wie auch Annette Zgoll, siehe oben) darauf, dass bei der Rezitation am 4. Nisannu durch den šešgallu keine weiteren Menschen anwesend waren (2012, S. 42).107 Besonders stark machen sie zudem das nicht eindeutige Verhältnis zwischen Text und Ritual, da letzteres bereits seit dem 3. Jahrtausend existierte und die Verknüpfung zwischen beiden nur aus dem späten 1. Jahrtausend überliefert ist. Zu diesem Zeitpunkt hat Marduks Sohn Nabû, der im Lied auf Marduk gar nicht erwähnt wird, jedoch bereits einen eigenen Aufstieg erfahren, was zu gewissen Spannungen führt (IBID, S. 44f.). Auf Basis des überlieferten Materials untersucht Philippe Talon die Ausbreitung des Werkes in den Westen, worin sich zeige, dass das Werk in „academic circles“ hinreichend bekannt war (2001, S. 268f.). Vorgehen In der folgenden Untersuchung wird durch die Analyse der Kolophone und Fundkontexte automatisch eine diachrone Sichtweise eingenommen. Dabei wird gerade durch die Untersuchung des Epilogs angestrebt, so etwas wie die ursprüngliche 106 Es gibt allerdings gute Gründe, dass die Zeile VII 157 durchaus in diese Richtung gelesen werden kann (siehe § 2.2.3.7.). 107 Weitere Rezitationen sind für den 4. Kislīmu belegt (ÇAĞIRGAN, LAMBERT 1991–1993, S. 96:62–65) und lassen sich für den 8. Tašrītu vermuten (AMBOS 2008, S. 2–4).

72

Kapitel 2: Pragmatisch-extrarelationale Dimension des enūma eliš

Verortung des Werkes zu extrahieren. Entsprechend der Forschungsmeinung von Wilfred Lambert (1968, S. 107; 1984, S. 4) wird der Epilog als originärer Bestandteil des Textes verstanden und nicht als spätere Hinzufügung, so dass durch ihn der – zumindest intendierte – Sitz im Leben greifbar ist. Aufgrund des deutlich jüngeren Alters der textexternen Belege zur kultischen Verwendung sollen diese nur bei Bedarf einbezogen werden. Somit liegt der Fokus auf den Informationen, die von den Textzeugen direkt abgeleitet werden können: Kolophone (§ 2.2.1), Fundkontexte (§ 2.2.2) und die Semantik des Epilogs (§ 2.2.3.). 2.2.1. Verortung auf Basis der Kolophone Material Nachdem in § 2.1.2. bereits die Informationen aus den Kolophonen extrahiert wurden, die helfen, die Textzeugen zeitlich und räumlich einzuordnen, werden sie nun zum zweiten Mal Gegenstand der Betrachtung. Dabei steht die Frage im Vordergrund, welche Hinweise sie uns für die Kontexte liefern, in denen Text und Textzeugen des enūma eliš in der Antike verwendet wurden. Da insgesamt nur 21 Tafelunterschriften überliefert sind bei einem Gesamtbestand von 184 Textzeugen (= 11%), sind Generalisierungen mit einem Vorbehalt versehen. Die Untersuchung kann jedoch erste Puzzlestücke liefern, die möglicherweise in Kombination mit anderen Quellen (Fundkontexte, Epilog, externe schriftliche Quellen) ein stimmiges Gesamtbild ergeben. Tabelle 9: Textzeugen mit Kolophonen (= Tabelle 3, siehe § 2.1.2.)108 Tafel

Sigle

Museumsnummer

BAK-N°

I

ANin JNin:mk

K 5419,c BM 98909

-

Umschrift in KÄMMERER, METZLER 2012109 S. 151 S. 151

cunb bunb

456 422

S. 151 S. 151

260

S. 178 S. 178

LHuz

BM 93015 BM 45528 + 46614 + 47173 + 47190 + 47197 K 292 Assur-Foto 2553 = Ass. 11600f SU 51/132

377

S. 178

aunb

BM 40559

463

S. 178

cunb

BM 66568

-

S. 179

(= Taf. II ANin:mk)

II

FNin GAss:2c

(= Taf. III FAss:2c ) (= Taf. III GHuz ) (= Taf. III nunb)

108 109

Für weitergehende Angaben zu den Textzeugen siehe Textzeugenverzeichnis. In der Lambert-Edition (2013) werden keine Kolophone ausgewiesen oder wiedergegeben.

73

2.2. Die Verortung des Werkes

Tabelle 9: Textzeugen mit Kolophonen (= Tabelle 3, siehe § 2.1.2.) (Fortsetzung) Tafel

Sigle

Museumsnummer

BAK-N°

III

aunb:2c

-

IV

ENin KHuz

392

S. 227 S. 227

LHuz:2c aunb

BM 61429 + 82894 + 83-121,57 K 11863 SU 51/58 + SU 51/127 SU 51/23A BM 93016

Umschrift in KÄMMERER, METZLER 2012 S. 199

403 136

S. 227 S. 227

BNin

K3567 + 8588

-

S. 246

DNin

-

S. 246

AAss

K 5661 + K 11641 VAT 9676

279

S. 280

aunb

BM 92629

-

S. 280

jMet

IM 121284

-

S. 280

JHuz

SU 51/63 + 52/102 + 51/87 BM 35506

393

S. 314

-

S. 314

(= Taf. V JHuz )

V

VI

(= Taf. V hunb) (= Taf. VI ONin)

(= Taf. VI PNin) (= Taf. VII LAss)

(= Taf. VII junb)

VII

(=Taf. VII k Met )

bunb

Leider sind viele der Kolophone soweit zerstört, dass aus ihnen keine besonderen Informationen abgeleitet werden können. Dies betrifft die Tafelunterschriften der Textzeugen Taf. II cunb, Taf. IV ENin, Taf. V DNin und Taf. VII bunb. Der Kolophon von Taf. III aunb:2c schreibt von insgesamt 136 Zeilen,110 liefert aber ansonsten auch keine weiteren Hinweise. Verortung auf Basis von Personen In den erhaltenen Kolophonen finden sich insgesamt sieben Schreiber- oder Adressaten-Namen, teilweise mit Angabe der Filiation.111 Bis auf Indi-Meslamtaʾeʾa in Ḫuzirīna können die Namensträger nicht weiter verortet werden.112 Er taucht in insgesamt sechs bekannten Kolophonen auf,113 in denen er zweimal (BAK N° 351:2 110

In der Rekonstruktion sind es jedoch 138 Zeilen, siehe bspw. KÄMMERER, METZLER 2012, S. 198 oder LAMBERT 2013, S. 82f. 111 Neben Indi-Meslamtaʾeʾa in BAK 377 (Taf. II LHuz) handelt es sich um Nabû-balassu-iqbi, Sohn von Nāʾid-Marūtuk (Taf. I cunb), Nabû-mušētiq-UD.DA (Taf. I bunb), Nabû-aḫḫē-iddina, [Sohn von] Ēṭir-Bēl, Nachkomme eines šangû (=oberster Tempelverwalter) von Ninurta (Taf. II aunb), Nāʾid-Marūtuk, Nachkomme eines Schmieds (Taf. IV aunb), [Nabû-aḫḫ]ē-šallim, […] der Tafelschreiber (Taf. IV KHuz), Enkim-[…] (Taf. VI jMet), [Nabû]-balassu-iqbi (Taf. VI aunb) und Nabû-aḫḫē-šallim (Taf. VII JHuz). 112 Zu Nabû-balassu-iqbi und Nāʾid-Marūtuk siehe § 2.1.2. Anm. 29 und 35. 113 N° 351, 352, 377, 383, 384 und 387 (HUNGER 1968). Dabei handelt es sich nur im Falle von N° 377 um einen Kolophon einer Kopie des enūma eliš. N° 351 ist die Tafelunterschrift eines

74

Kapitel 2: Pragmatisch-extrarelationale Dimension des enūma eliš

und 387:2) als šamallû bezeichnet wird. Ein šamallû (ŠAĜAN.LÁ) kann zum einen ein Assistent oder Handelsagent sein, zum anderen speziell ein Schreibschüler (CAD Š 1 2004, S. 291–294). In Kolophonen handelt es sich jedoch stets um einen Schreiblehrling (IBID, S. 293f.). Die Bezeichnung šamallû wird innerhalb der babylonischen Schreiberausbildung für Teilnehmer der religiös-kultischen Fachausbildung verwendet. Dabei erwerben sie Kenntnis der Texte, die sie für ihren späteren Beruf (bspw. āšipu „Beschwörer“, bārû „Omenspezialist“ oder kalû „Kultsänger“), benötigen (GESCHE 2000, S. 213). Die Fachausbildung folgt dem Elementarunterricht und der ersten und zweiten Schulstufe, so dass es sich hierbei um ein Pendant zum heutigen Studierenden handelt (IBID, S. 210–212). Von daher ist „(religiöskultischer) Assistent/Student“ eine passende Übersetzung für das Lexem šamallû, da hierdurch sowohl die akademische Bildung als auch das individuelle Ausbildungsverhältnis zum ausbildenden Meister wiedergegeben wird.114 Der Kolophon N° 351 lässt sich genau auf das Jahr 701 v. Chr. datieren. Zu diesem Zeitpunkt befand sich Indi-Meslamtaʾeʾa demnach noch in Ausbildung. Er ist nach Auskunft von Kolophon N° 351 zudem der Sohn eines Mannes Namens Ašû, der šangû115 war. Hiermit könnte auch das Ziel der Fachausbildung benannt sein, da (mindestens) eine šangû-Familie aus Ḫuzirīna bekannt ist (GURNEY 1997, S. 18). Oliver R. Gurney erachtet es für möglich, dass Indi-Meslamtaʾeʾa eine andere Schreibung für Qurdī-Nergal ist (IBID). In diesem Falle handelt es sich um einen bekannten šangû von Zababa und Baba in Arbela, Ḫarrān und Ḫuzirīna (N° 373:3– 5). Verschiedene Befunde stützen diese These. Sowohl unter der Schreibung QurdīNergal als auch unter der Schreibung Indi-Meslamtaʾeʾa existiert jeweils eine Tafel aus dem Jahr 701 v. Chr. (GURNEY 1997, S. 18), die mit dem Zusatz šamallû versehen ist. Zudem deutet der einheitliche Fundkontext der Tontafeln (siehe § 2.1.3.3.) darauf hin, dass Indi-Meslamtaʾeʾa zumindest ein Mitglied der šangû-Familie war, das nach den Kolophonen zeitgleich mit Qurdī-Nergal lebte. Somit lässt sich die Kopie des Lieds auf Marduk aus Ḫuzirīna vermutlich im Bereich der Ausbildung zum šangû und allgemeiner im Kontext der šangûtu verorten. In dieses Bild passt die Erwähnung eines šangû von Ninurta im Kolophon eines räumlich nicht zugeordneten babylonischen Textzeugens (Taf. II aunb = BAK 463:2). Es finden sich noch weitere Berufsbezeichnungen in Tafelunterschriften von Textvertretern des enūma eliš. So wird ein – leider namenloser – Schreiber aus Assur (Taf. II GAss:2c = BAK N° 260) als šamallû bezeichnet, wobei noch der Zusatz BÀN.DA (ṣeḫru „jung“) hinzukommt, der möglicherweise darauf verweist, dass sich der Schreiber noch am Anfang seiner Fachausbildung befand. Eine weitere Erwähnung eines Berufs findet sich in einem anderen Kolophon aus Ḫuzirīna (Taf. IV KHuz = BAK N° 392), wobei aufgrund des schlechten Zustandes der Tafel unklar ist, ob es der Beruf Exemplars des Textes ludlul bēl nēmeqi. Die N° 352, 383 und 384 befinden sich auf Beschwörungstafeln, während die Tafel von N° 387 bisher nicht eingeordnet ist. 114 Stefan Maul wählt den Terminus „Assistent“ als Übersetzung des Lexems šamallû, wobei besonders das persönliche Ausbildungsverhältnis widergespiegelt wird (2010, S. 208). Da es sich aber auch im modernen Sinne um ein theoretisches Fachstudium gehandelt hat, soll der Zusatz „/Student“ hinzugefügt werden. 115 Ein šangû operierte als der oberste Verwalter eines Tempels.

2.2. Die Verortung des Werkes

75

des Schreibers/Besitzers ist oder Teil der Filiation. Es könnte sich bei der Schreibung lúMÁŠ.U um eine Kurzschreibung für lúMÁŠ.ŠU.GÍD.GÍD (bārû „Opferschauer“) handeln. In einer Filiation findet sich zudem noch die Bezeichnungen lú SIMUG beziehungsweise lúNISAG (Taf. IV aunb = BAK N° 136:3), wobei es sich sowohl um einen nappāḫu („Schmied“) als auch um einen šakkanakku („Statthalter“) handeln kann (BORGER 2010, S. 360). In den Berufsbezeichnungen der Schreiber beziehungsweise Besitzer der Exemplare tauchen teils direkt, teils indirekt Priesterbezeichnungen (šangû, lú MÁŠ.U) auf sowie die Markierung als „Assistent/Student“ (šamallû), wobei diese im Falle der Texte aus Ḫuzirīna ebenfalls eindeutig im Kontext religiöser Experten steht. Ein šangû ist zwar vor allem der Verwaltungsleiter eines Tempels, hatte wohl aber zumindest in altbabylonischer Zeit auch religiöse Funktionen (RENGER 1969, S. 114f.). Ein Unterschied zwischen assyrischem und babylonischem Gebiet lässt sich auf Basis der wenigen Belege nicht feststellen. Verortung auf Basis weiterer Hinweise Neben Namen und Berufsbezeichnungen betonen die Kolophone häufig, dass die Tafel gemäß einem Original geschrieben (und kollationiert) wurde (HUNGER 1968, S. 6ff.). Diese Markierung findet sich auch in sieben116 der 21 erhaltenen Tafelunterschriften. Zwei Kolophone (Taf. IV aunb = BAK N° 136 und Taf. I bunb = BAK N° 422) machen noch darüber hinaus Angaben zu der Art der Vorlage. In beiden Fällen war eine „Wachstafel“ (gišlēʾu) die direkte Vorlage, wobei eine explizit aus Babylon stammt (N° 422:2). Die andere ist eine Kopie eines Originals, das in „Halbzeilen“ (ṣullupu, N° 136:2) beschrieben war, was auf eine kunstvoll angefertigte babylonische Tafel literarischen Inhalts verweist (LAMBERT 1996, S. 66 Anm. 1). Möglicherweise diente die Wachstafel in diesem Kontext als Zwischenkopie, da die wertvollen originalen Tontafeln an ihrem ursprünglichen Ort gelassen wurden. Es gibt jedoch auch Belege in anderen Kolophonen, in denen alte Wachstafeln als originale Vorlagen fungierten (HUNGER 1968, S. 7f.). Bei den sorgfältig kopierten und kollationierten Tafeln handelt es sich stets um vollständige Kopien der Originale. Daneben verweisen zwei Kolophone (Taf. II GAss:2c = BAK N° 260 und Taf. IV LHuz:2c = BAK N° 403) darauf, dass es sich bei der vorliegenden Tafel nur um Auszüge der Vorlage handelt, die vom Schreiber exzerpiert (ZÌG) wurden. N° 260 nennt einen šamallû ṣeḫru (siehe oben) als den Verfasser der Tontafel. Desweiteren wird betont, dass die zweite Tafel des Werkes bis zu ihrem Ende ([ZÀ].TIL.LA.BI.ŠE) exzerpiert wurde. N° 403 verweist hingegen auf eine eilige ([ḫa]nṭiš) Ausfertigung. Hier eröffnet sich die Frage nach dem Grund für diese Eile. Dieser kann ganz profaner Natur (weitere wichtige Aufgaben des Schreibers) oder auch kultisch verankert sein (Notwendigkeit des Textes für eine spezielle Handlung/ein besonderes Fest). An dieser Stelle schließen sich spannende Forschungsfragen an. Der Kolophon N° 136 (Taf. IV aunb) berichtet davon, dass die Tafel im NabûTempel in Borsippa als Weihgabe aufgestellt war beziehungsweise aufgestellt wer116 Taf. I bunb = BAK N° 422, cunb = BAK N° 456, Taf. II LHuz = BAK N° 377, aunb = BAK N° 463, cunb, Taf. IV aunb = BAK N° 136, Taf. VI AAss = BAK N° 279.

76

Kapitel 2: Pragmatisch-extrarelationale Dimension des enūma eliš

den sollte. Dadurch sollte der Gott das Leben des Schenkenden und seines Hauses beschützen. Dass die Tafel nicht von ihrem ursprünglichen Ort entfernt werden darf, äußert N° 422f. (Taf. I bunb), wobei sich auf Marduk und Zarpānītum berufen wird (pāliḫ dMarūtuk u dZarpān[ītum…]). Die Erwähnung des Götterpaars kann an dieser Stelle auf die Stadt Babylon verweisen. Leider informiert der Kolophon nicht darüber, um welchen Ort es sich konkret handelt, von dem die Tafel nicht entfernt werden darf. Ein Vergleich mit den anderen Kolophonen, die die Formel pāliḫ (männlicher) GN u (weiblicher) GN beinhalten,117 lässt den Schluss zu, dass es sich entweder um das Haus des Besitzers der Tafel handelt oder um den Tempel, in dem die Tafel als Weihgabe aufgestellt wurde. Während in dieser Formulierung die Götterfurcht ins Spiel gebracht wird, droht N° 377:2 (Taf. II LHuz ) direkte Konsequenzen im Falle einer Entfernung der Tafel an. Der dort verwendete Prekativ litbalšu findet sich bis auf eine Ausnahme118 stets119 als Drohung für den Fall, dass die Tafel entwendet würde. Als strafende Gottheit treten entweder das Götterpaar Adad und Šala (Tafeln aus Uruk) auf oder die Einzelgötter Nabû (eine Tafel aus Assur), Ea (Tafeln aus Ḫuzirīna) oder Šamaš (Tafeln aus Assur, Ḫuzirīna und assyrisch, unbestimmter Provenienz). Da BAK N° 377 (Taf. II LHuz) ebenfalls aus Ḫuzirīna stammt, sind als Ergänzung des weggebrochenen Götternamens Ea und Šamaš denkbar. Sowohl N° 377 als auch 422 verbieten die Entfernung der Tontafel von ihrem angestammten Platz. Hermann Hunger vermutet, dass die Häufigkeit der Erwähnung von Diebstahl in den Kolophonen darauf hindeutet, dass Tontafeln oft entwendet wurden; etwas, das für den Schulbetrieb gut vorstellbar ist (1968, S. 13). Neben dem ökonomischen Wert, den eine sorgfältig beschriebene Tontafel darstellte, kann durchaus auch der religiöse Wert eine Rolle gespielt haben. Interessanterweise findet sich jedoch keine einzige Formulierung innerhalb der erhaltenen Kolophone von Tafeln des Lieds auf Marduk, die auf eine Klassifizierung als Geheimwissen verweisen würden. Weder finden sich die Lexeme niṣirtu oder pirištu noch Teile des sogenannten Geheimwissen-Kolophons. Eine schwierig zu interpretierende Formel enthält der Kolophon N° 260 (Taf. II GAss:2c): ana qabê līpuš („für das Sprechen soll er machen“). In vielen Tafelunterschriften finden sich ähnliche finale Äußerungen (HUNGER 1968, S. 11f.), wobei die hier vorliegende Formulierung einmalig ist. Zu den Zwecken der Anfertigung einer Tontafel gehören beispielsweise das (möglicherweise stille) Lesen (tāmartu), das laute Lesen (šitaššû, malsûtu),120 das Lernen (aḫāzu), die Erinnerung (taḫsistu) oder das Rezitieren von einer (Exzerpt-)Tafel (qabû liginni121) (IBID). Am nächsten kommt die hier verwendete finale Konstruktion der Formel ana qabê liginni, die hier vielleicht verkürzt wiedergegeben wurde. Die Phrase ana qabê liginni taucht in 117

Eine vollständige Auflistung der (dort berücksichtigten) Kolophone findet sich in HUNGER 1968, S. 170. 118 N° 115. Hier wird der Tod dem „Unfürchtigen“ (lā pāliḫu) angedroht. 119 Eine vollständige Auflistung der (dort berücksichtigten) Kolophone findet sich in HUNGER 1968, S. 177f. 120 Zum lauten und leisen Lesen im Alten Orient siehe auch GRAYSON 2000. 121 Eine alternative Interpretation dieser Phrase findet sich bei MEIER 1937–1939, S. 238f. Anm. 15.

2.2. Die Verortung des Werkes

77

einem einzigen Kolophon (N° 416) aus Assur – von dort stammt auch N° 260 – auf, wo ebenfalls eine Vorlage eilig (dort: zamar) kopiert wurde. Nach Auskunft des Chicago Assyrian Dictionary wird mit dem Substantiv liginnu speziell eine Exzerpttafel, die im Lehrbetrieb eingesetzt wird, beschrieben (CAD L 2008, S. 183). So könnten die hier (N° 260) niedergeschriebenen Auszüge der zweiten Tafel des enūma eliš von einem jungen Assistenten/Studenten im Rahmen des Lehrbetriebs angefertigt worden sein. Etwas verwundert an dieser Stelle das Prädikat līpuš. Zum einen handelt es sich hierbei um einen Prekativ, der hier weniger erwartbar ist als ein Präteritum. Zum anderen handelt es sich hierbei vermutlich um einen G-Stamm. In dieser Form ist das Verb jedoch nicht für die Ausfertigung einer Tontafel belegt (HUNGER 1968, S. 3 bzw. CAD E 2004, S. 232), weshalb hier eine andere Bedeutung vorliegen müsste. Da der Kolophon nur partiell erhalten ist, wäre die genaue Ausdeutung – so sie möglich ist – Gegenstand einer weitergehenden Forschung, die an dieser Stelle nicht geleistet werden kann und soll. Zusammenfassung: Religiöses Expertentum, Umfeld von Babylon Ein Blick in die Kolophone der Textzeugen des Lieds auf Marduk ergab erste Einsichten in die Verortung der Tontafeln in der Lebenswirklichkeit des Alten Orient. Die Bezeichnung šamallû verweist darauf, dass (zumindest diese eine Kopie) in der religiös-kultischen Fachausbildung, dem Studium des Alten Orient, zu verorten ist. Daneben gibt es auch (eilig angefertigte) Exzerpte der Originale, die auf den gleichen schulischen Rahmen verweisen. Ein Name aus Ḫuzirīna lässt zudem den Schluss zu, dass das enūma eliš zumindest in dieser Stadt im Bereich eines šangû zu finden war. In einem anderen Kolophon wird erwähnt, dass die Tafel als Weihgabe im Nabû-Tempel in Borsippa aufgestellt wurde beziehungsweise werden sollte. Dieselbe Prozedur thematisiert möglicherweise eine nicht lokalisierte babylonische Tafel, die an die Götterfurcht vor Marduk und Zarpānītum appelliert. Einige Textzeugen sind sorgsame Kopien von originalen Vorlagen beziehungsweise von Wachstafeln, die ggf. als Zwischenkopie dienten, da die Vorlagen in einer anderen Stadt waren und nicht transportiert werden durften. Dazu passt, dass in zwei Kolophonen durch Verweis auf die Götter versucht wurde, Diebstahl abzuwenden; die Tafeln durften ihren angestammten Ort nicht verlassen. Ein sogenannter Geheimwissen-Kolophon fand sich in keiner der Tafelunterschriften. 2.2.2. Verortung auf Basis der Fundkontexte Im Unterkapitel § 2.1.3. wurden die überlieferten Fundkontexte bereits einer genaueren Betrachtung unterzogen. Diese sollen hier noch einmal im Hinblick auf den Sitz im Leben zusammengefasst werden. Assyrische Fundkontexte Auf Basis der dokumentierten Fundsituationen wurden nur im assyrischen Einflussgebiet Tontafeln in Privathäusern gefunden (Assur und Ḫuzirīna), wobei es sich dabei stets um Wohn- und Ausbildungsstätte religiöser Experten handelt. Die konkrete Fundsituation in Ḫuzirīna bestand aus einem Haufen an Tontafeln an der Au-

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Kapitel 2: Pragmatisch-extrarelationale Dimension des enūma eliš

ßenmauer eines Privathauses, um den unbeschädigte Tonkrüge herumgestellt waren (siehe § 2.1.3.3.). Dieses Szenario lässt sich vielleicht mit den Aufzeichnungen von Stephen Langdon aus Kiš verbinden, wonach dort Tontafeln in Tonkrügen sortiert nach Textarten aufbewahrt wurden (1924, S. 90). Daraus ergibt sich möglicherweise ein Bild, wonach die Tafeln zusammen mit den Krügen aus einer Art Bibliothek vermutlich aus dem angrenzenden Haus stammen. Sie wurden – vermutlich im Zuge der Eroberung der Stadt im Jahr 610 v. Chr. – aus dem Haus geschafft und aufgehäuft. Die bloße Anzahl der gefundenen Tafeln (je nach Autor 400–600 Tafeln) sowie die Begleitfunde (Beschwörungen, medizinische Texte, Gebete, Hymnen, Mythen und Epen, Weisheitsliteratur und Omentexte) deuten auf eine wertvolle Sammlung hin. Zugleich gibt es verschiedene Hinweise speziell auf die religiös-kultische Fachausbildung insbesondere im Bereich der šangûtu (oberste Verwaltung von Tempeln, siehe auch § 2.2.1.). Dazu gehört auch die reine Anzahl der Kopien einzelner Texttafeln. So existieren insgesamt sechs Exemplare der vierten Tafel und je zwei der sechsten und siebten Tafel, was Oliver R. Gurney als Hinweise auf einen Ausbildungskontext interpretiert (1952, S. 27). Die Hinweise in den Kolophonen beschränken sich jedoch auf die Bezeichnung šamallû, was eine sehr fortgeschrittene Ausbildungsstufe beschreibt, und finden sich nur auf einigen Tafeln (PEDERSÉN 1998, S. 179). Die mögliche Aufbewahrung in den großen Tonkrügen ist vergleichbar mit dem Fund in Kiš, wo sich wertvolle Tafeln im länglichen Bibliotheksformat in ebensolchen Behältnissen befanden. Leider ist bisher die genaue Form der Tafeln aus Ḫuzirīna jenseits der Kopien nicht dokumentiert, was wiederum Hinweise auf die Natur der Sammlung aus dieser Stadt liefern würde. Somit kann die funktionale Verortung dieser enūma eliš-Exemplare die Ausbildung religiöser Experten umfassen, jedoch geht sie vermutlich darüber hinaus (nur auf wenigen Tafeln bezeichnen sich die Schreiber als šamallû). Denkbar wäre eine Verwendung in der kultischen Praxis, womit dies auch das Auftauchen des Werkes in der Ausbildung erklären würde, da seine Kenntnis zum späteren Handwerkszeug gehört. In Assur fand sich eine Schülertafel der Kategorie 2a (nach GESCHE 2000, S. 174) mit einem zweizeiligen Auszug des Lieds auf Marduk (Tafel I R1Ass:2a = VAT 10071; Fundareal hB4V = N2) sowie eine Tafel vom Typ 2c (Fundareal cD9II; cD9I = N7). Architektonisch sticht zudem das erstgenannte Fundgebiet hervor, das direkt an die Ziqqurrat des Aššur-Tempels angrenzt, was eine Verbindung zwischen den als Abraum gefundenen Tafeln und dem Tempel als möglich erscheinen lässt (siehe § 2.3.1.1.). Eine Tafel mit Anweisungen und Kompetenzen des Personals im Aššur-Tempel im zweitgenannten Fundareal stellt einen weiteren Bezug zwischen dem Haupttempel der Stadt und einem Fundort von Exemplaren des Lieds auf Marduk her. Schließlich handelt es sich bei dem dritten Gebäude mit Textvertretern des enūma eliš (Fundareal iC6III; iB6III = N3) um das Haus eines nargallu (oberster Sänger). Zwar fehlt hier der direkte Bezug zum Aššur-Tempel, doch auch hier offenbart sich ein religiös-kultischer Kontext. An dieser Fundstätte wurden sowohl assyrisierte als auch Standversionen des Lieds auf Marduk ergraben. Wird von einer religionsprogrammatischen Intention bei der assyrisierten Version ausgegan-

2.2. Die Verortung des Werkes

79

gen (FRAHM 1997, S. 284), wirft das Nebeneinander der Funde die Frage auf, inwiefern diese in der Praxis wirksam war. Zusammengefasst zeichnen alle Fundsituationen in Assur und Ḫuzirīna ein einheitliches Bild, wonach das Lied auf Marduk in der Fachausbildung und vermutlich auch in der Praxis religiöser Experten zu verorten ist. Anders geartet sind die Funde in der zwischenzeitlichen assyrischen Hauptstadt Kalḫu, wo sich jeweils ein Exemplar im Nordwestpalast und im Nabû-Tempel fanden (siehe § 2.1.3.4.). Die Fundsituation im Palast lässt nur Spekulationen bezüglich einer möglichen Verbindung zwischen der Funktion des Gebäudetraktes (d.i. Empfangs-, Verwaltungs- und Lagerbereich) und dem Textvertreter zu. Die Schwierigkeit rührt auch da her, dass die Tafel isoliert ohne weitere Tontafeln gefunden wurde und sich in dieser Hinsicht von allen anderen Fundkontexten unterscheidet. Während also die Verbindung zwischen Fundsituation und Gebäudefunktion des Palastexemplars unsicher ist, offenbart die Nähe des Tempelexemplars zu Cella und Haupthof eine Verortung im religiös-kultischen Kontext. In diesem Falle zeigt sich damit ein ähnliches Bild wie in Assur und Ḫuzirīna, wobei dort die Tafeln in privater Architektur gefunden wurden, in Kalḫu aber innerhalb eines Tempels. Babylonische Fundkontexte Die babylonischen Funde in Mê-Turnat, Sippar und Uruk haben alle gemein, dass die Textvertreter des enūma eliš stets in der Nähe der Cella gefunden wurden. In Mê-Turnat und Uruk befand sich die Fundstätte wie im Nabû-Tempel in Kalḫu auch am Haupthof des Tempels. Besonders der gut dokumentierte in situ-Fund in Sippar erlaubt einen Einblick in die antike Aufbewahrung der Texte. Dort waren die Tontafeln in separaten Wandnischen aufgestellt (siehe § 2.1.3.7.). Anderes wird von der Grabung in Kiš berichtet, für die leider eine weitergehende Dokumentation fehlt. Dort wurden nach Aussage von Stephen Langdon die Tafeln in großen Tonkrügen aufbewahrt, wobei sie zudem nach Textarten sortiert waren (1924, S. 90; siehe auch § 2.1.3.5.). In diesen beiden unterschiedlichen Formen der Lagerung offenbart sich, dass diese Tafeln für die Besitzer wichtig waren, weshalb sie sorgsam aufbewahrt wurden. Dies gilt auch für die Schultafel aus Babylon, die von ihrem Besitzer als Erinnerung an die Schreiberausbildung aufbewahrt und in einem Tonbehältnis gefunden wurde (siehe § 2.1.3.2.). Die Lage der Funde innerhalb der Tempel sowie die Begleitfunde122 aus einem ähnlichen Umfeld zeigen für die babylonischen Tafeln eine enge Verbindung zum religiösen Expertentum. Für eine kultische Verwendung sprechen die Begleitfunde, die häufig Hymnen, Gebete, Beschwörungen oder Omenlisten umfassen, die ebenfalls ihren Platz in der religiös-kultischen Praxis hatten und somit nicht lediglich zu Konservierungszwecken aufbewahrt wurden. Da es sich jeweils um Tempel unterschiedlicher Götter handelt (Nergal in MêTurnat, Aja in Sippar und Ištar in Uruk), lässt sich keine besondere Verbindung 122 In Uruk vermischte sich eine riesige Anzahl von Wirtschaftsurkunden mit den Bibliothekstafeln, während die anderen Fundkontexte eher rein literarisch-religiös waren.

80

Kapitel 2: Pragmatisch-extrarelationale Dimension des enūma eliš

zwischen dem Text und den jeweiligen Göttern feststellen. Allen drei Göttern ist zudem gemein, dass sie nicht im Werk erwähnt werden.123 Das Exemplar aus Babylon (siehe § 2.1.3.2.) steht vermutlich exemplarisch für die Verortung des Textes in der Schreibausbildung, im Zuge derer einzelne Zeilen des enūma eliš und anderer Werke kopiert wurden. Zeitliche Relation der Funde Auch für die situative Verortung ist das zeitliche Verhältnis der getätigten Funde von Relevanz (siehe auch § 2.1.3.9.). Dabei können jeweils nur Zeitspannen der möglichen Erstellung und Verwendung der Tafeln genannt werden. Demnach sind die vermutlich ältesten Texte aus Assyrien, die vermutlich jüngsten aus Babylonien. Dies gilt über alle Tafeltypen hinweg. So existieren Schülertafeln vom Typ 2a oder 2c aus Assur und Ḫuzirīna, die älter sind als die bekannten neubabylonischen Schülertafeln ohne Fundkontext (für letztere siehe Textzeugenverzeichnis und GESCHE 2000) und vermutlich auch älter als die pyramidenförmige Schultafel aus Babylon (siehe § 2.1.3.2.). Unvollständigkeit der Tontafelserien Selbst in Ḫuzirīna, wo die meisten Exemplare des Lieds auf Marduk ergraben wurden, fand sich keine vollständige enūma eliš-Serie.124 Besonders in den babylonischen Tempeln wurden maximal zwei Tafeln des Werkes entdeckt. Bei der Ausdeutung dieses Befundes muss eine gewisse Vorsicht walten. So sind erstens nicht alle Fundstätten vollständig ergraben, zweitens existieren nur für 16% der Textzeugen dokumentierte Fundkontexte und drittens ist die altorientalische Nutzung der Texte und Tontafeln nur in Grundzügen bekannt (siehe bspw. MAUL 2010). Schließlich muss man stets auch danach fragen, warum die gefundenen Textzeugen an den Fundorten zurückgelassen wurden und warum möglicherweise andere Tafeln nicht.125 Unter Berücksichtigung der skizzierten Vorbehalte, liegt die Vermutung nahe, dass die Tontafeln lediglich zu Übungszwecken in der Schreiberausbildung aufbewahrt wurden. Dagegen spricht jedoch der fehlende Schulkontext in den babylonischen Tempeln, und selbst in Ḫuzirīna war der Text erst in der religiös-kultischen Fachausbildung verortet. Da aber der Zusatz šamallû („(religiös-kultischer) Assistent/Student“) auf späteren Tafeln der bekannten Verfasser (insbesondere QurdīNergal) fehlt, deutet sich auch hier eine Verwendung jenseits der Ausbildung an. Hieraus eröffnet sich zu Recht die Frage, ob die Aufbewahrung des Textes im Rahmen der Tempelbibliotheken schlicht der reinen Tradierung von als wichtig erachteter Wissensbestände diente oder sie auch einen darüber hinausgehenden praktischen Zweck verfolgte und worin dieser dann liegen könnte. Dabei können physische Aufbewahrung und praktische Verwendung zwei komplementäre Seiten der123 Gleiches gilt auch für Nabû – ein assyrischer Textzeuge ist im Nabû-Tempel in Kalḫu entdeckt worden. 124 Die dritte Tafel ist nur in Gestalt einer Stichzeile im Kolophon des Textvertreters der zweiten Tafel erhalten (Taf. III GHuz = Taf. II LHuz). 125 Eine weitergehende archäologische Untersuchung der Fundkontexte, die diese Fragen in den Blick nimmt, wäre ein dringendes Forschungsdesideratum.

2.2. Die Verortung des Werkes

81

selben Medaille sein. Gerade das Wichtige hebt man auf und die Wichtigkeit ergibt sich aus der Verwendung. Zusammenfassung: Religiöses Expertentum, älteste Textzeugen aus Assyrien Bis auf den schwer einzuordnenden Einzelfund im Nordwestpalast von Kalḫu und der Schultafel aus Babylon wurden alle Exemplare des Lieds auf Marduk im Umfeld von Wohn- und Ausbildungsstätten religiöser Experten oder Tempeln als Teil größerer Sammlungen gefunden. Auch die Zusammenstellung der Begleitfunde deutet auf einen religiös-kultischen Kontext des Werkes. Bezüge zur fortgeschrittenen religiös-kultischen Fachausbildung können in Assur und Ḫuzirīna hergestellt werden, wobei sich jedoch auch hier eine Verwendung jenseits reiner Ausbildungszwecke anzudeuten scheint. Die zeitliche Verteilung der Textzeugen zeigt die ältesten Exemplare in Privathäusern in Assur, von wo auch die potentiell älteste Schülertafel stammt. Jünger sind vermutlich die babylonischen Tempelkontexte, deren mögliche Verwendungsdauer länger war als in Assyrien, wo sie mit dem Niedergang des neuassyrischen Reiches endete. Das Fehlen einer vollständigen Tafelserie enūma eliš an allen Fundorten bedarf noch der weiteren Deutung (siehe § 2.3.). 2.2.3. Verortung auf Basis des Epilogs 2.2.3.1. Der Epilog (VII 145–162 bzw. 164126) VII 145

liṣṣabtūma maḫrû likallim

VII 146

enqu u128 mūdû mitḫāriš limtalkū

VII 147

lišannima abu māriš129 lišāḫiz

VII 148

ša rēʾî u nāqidi lipattâ uznīšu130

VII 149

lā iggima131 ana dEnlil ilānī d Marūtuk

126

Sie sollen gepackt werden127 und ein Erster soll (sie) zeigen, der Weise und der Wissende sollen (sie) gleichermaßen miteinander beraten. Der Vater soll (sie) seinem Sohn erzählen und lehren. Die Ohren des Hirten und des Hüters soll er unterrichten: Er darf nicht nachlässig sein gegenüber dem Enlil der Götter, Marduk,

Die beiden Verse VII 163f. finden sich einzig auf Textzeuge aunb (LAMBERT 2013, S. 132). Anders als im CAD (Ṣ 2004, S. 34) wird eine Lesung als N-Stamm einer Lesung als GtStamm vorgezogen, wie sie auch Philippe Talon vornimmt (2005, S. 121) und auch den Übersetzungen von Wilfred Lambert (2008, S. 59; 2013, S. 133) sowie von Thomas Kämmerer und Kai Metzler (2012, S. 311) zugrunde liegt. Dies hängt maßgeblich mit der Frage nach dem Subjekt dieser Phrase zusammen, da dieses pluralisch sein muss. Die Schreibung ]-tu-ma (Textzeuge CNin) erklärt sich besonders dann, wenn die Schreibung li-iṣ-ṣab-UD-ma (Textzeugen BNin und aunb) als liiṣ-ṣab-tú-ma und nicht wie im CAD als li-iṣ-ṣab-tam-ma transliteriert wird. 128 Die Konjunktion wird von den Textzeugen BNin und CNin ausgelassen. 129 BNin und CNin lassen das Pronominalsuffix -š weg. Wilfred Lambert hingegen geht von gar keinem Possessivsuffix aus (2013, S. 41). 130 Abweichend fügt Textzeuge BNin ein pluralisches Pronominalsuffix (-šun) an. 131 Diese Schreibweise ist nur auf dem Textzeugen aunb erhalten. Der Textzeuge BNin verschleift lā iggima zu liggima, die anderen Textvertreter sind an dieser Stelle abgebrochen. Dennoch spricht die Mischung aus Versprechen und Drohung der Verse VII 150–156 dafür, lā iggima als die ur127

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Kapitel 2: Pragmatisch-extrarelationale Dimension des enūma eliš

VII 150

māssu liddiššâ šū lū šalma132

VII 151

kīnat amātsu lā enât133 qibītsu

VII 152

ṣit pîšu lā134 uštepīl ilu ajjumma

VII 153

ikkelemmûma ul utarri135 kišādsu

VII 154

VII 157

ina sabāsīšu uzzašu ul imaḫḫaršu ilu136 mamman rūqu137 libbašu rapaš138 karassu139 ša anni u140 gillati141 maḫaršu bāʾū142 taklimti143 maḫrû idbubu pānuššu

VII 158

išṭurma ištakan ana šimê144 arkûti

VII 159

šīmat ⌈dMarū⌉tuk ša u[l]lû145 ilānū d Igigū ēma mû iššattû šu[mšu]146 lizzakrū

VII 155 VII 156

VII 160

(dann) soll sein Land Gedeihen erhalten und er selbst soll Wohlergehen besitzen. Sein Wort ist dauerhaft, sein Befehl unveränderlich (und) der Ausspruch seines Mundes kann von keinem Gott geändert werden. Während er böse ansieht, wendet er seinen Hals nicht und, während er zürnt, widersteht seinem Zorn kein Gott. Sein Herz ist fern, sein Inneres ist weit. Derjenige der Sünde und der des Vergehens, sie sind vor ihm entlanggehend. Die Unterweisung, die ein Erster vor ihm gesprochen hatte, hat er aufgeschrieben und für die Dauer aufgestellt, damit Spätere (sie) hören. Die Festsprechung für Marduk, die die Götter, die Igigi, erhöhten, wo auch immer Wasser getrunken wird,147 sollen sie [seinen] Namen (=die Festsprechung)148 sagen.

sprüngliche Schreibung anzunehmen (ebenso: LAMBERT 2013, S. 132f.). Anders sehen dies Thomas Kämmerer und Kai Metzler, die liggima (√ngū, bspw. nagû „freudig singen“) als die primäre Schreibweise interpretieren (2012, S. 311). 132 Textzeuge gUruk schreibt entweder šal-LA! (LAMBERT 2013, S. 133) oder šal-ma!(LA) (KÄMMERER, METZLER 2012, S. 312 Anm. 1). 133 CNin: [e]nâta). JHuz: [e]⌈nâ⌉ti. 134 JHuz: ul. 135 BNin: utarra. 136 gUruk: ilu l[a?. 137 bunb: rūqa. 138 BNin: šu-ʾ-id (TALON 2005, S. 76) bzw. šu-ʾ-et (KÄMMERER, METZLER 2012, S. 313) bzw. la-ʾ-iṭ (LAMBERT 2013, S. 133). 139 bunb: karassa. 140 JHuz lässt die Konjunktion weg. 141 aunb: [gil]latum. 142 BNin: i[baʾʾu]. 143 bunb: ⌈taklimtu⌉. 144 aunb: šem[ê]. 145 JHuz: ibnû. KÄMMERER, METZLER 2012, S. 313: aunb: ] ib!(LU)--ú. 146 JHuz: šunu. aunb: šu-⌈x⌉; obwohl Wilfred Lambert zum einen šu-⌈ú⌉ liest (2013, S. 133), ist seine Kopie weniger eindeutig (IBID, Plate 32). Besser passt daher sein Kommentar zu der Zeile, wonach Textzeuge aunb mit der Schreibung b unb (šu-um) übereinstimmt, was für ihn eine Lesung mit šumu („Name“) wahrscheinlich macht (IBID, S. 492). KÄMMERER, METZLER 2012, S. 314: aunb: šu-n[u!]. 147 Die Übersetzung folgt der Rekonstruktion nach Lambert 2013, S. 132 – die u.a. auf der Neukollation der Textzeugen JHuz und aunb beruht (IBID, Plate 27, 31f.) –, auch wenn sie nicht ganz unproblematisch ist. So ist ein N-Stamm des Verbs šatû („trinken“) bislang nicht belegt, müsste hier aber angenommen werden. Insgesamt handelt es sich jedoch um die beste Ausdeutung der Zeichen des Verses. 148 Siehe auch § 5.3.3. Durch die Synonymie der Ausdrücke šīmtu („Festsprechung“) und šumu („Name“) erklärt sich auch die abweichende Schreibung auf Textzeuge JHuz, denn das direkte Objekt

2.2. Die Verortung des Werkes VII 161 VII 162 VII 163155 VII 164

in[ann]amma149, 150 zamāru151 ša Marūtuk152 [ša] Tiā[mta i]kmûma154 ilqû šarrūti […] ⌈x⌉ bīt d⌈x⌉-[…] […] ⌈x⌉ Bābil[iki? …] d

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Jetzt gilt153 es, das Lied auf Marduk, [der] Tiāmtu gebunden und die Königsherrschaft angenommen hat. […] Haus? von? G[N? …] […] Baby[lon ? …]

2.2.3.2. Forschungsstand A. Leo Oppenheim unterteilt den Epilog in zwei Teile (VII 145–148 und 149–156), wobei er die Zeilen ab VII 157 wegen des Zerstörungsgrades ausklammert (1947, S. 236f.). Claus Wilcke hingegen gliedert den Epilog in drei Bereiche (VII 145– 147, 148–150 und 151–156) und lässt ebenfalls die Zeilen ab VII 157 außen vor (1977, S. 173f.). Benjamin R. Foster trennt nur zwischen VII 145–150 und VII 157– 162 (1991, S. 21f.). Claus Wilcke sieht das Lied auf Marduk im Epilog verortet als Objekt der Tradierung und der „wissenschaftlichen Forschung“, zudem werde ein fiktives Alter entwickelt, was dem Text Autorität verleihen solle. Während zunächst die Mündlichkeit des Werkes betont werde, folge später die dezidierte Unterstreichung seiner Schriftlichkeit (1977, S. 173f.). Auch Piotr Michalowski unterstreicht den schriftlichen Charakter des Werkes, den er ebenfalls im Epilog angesprochen sieht, der „the most dramatic witness of the written nature of the text“ sei (1990, S. 394f.). Anders fokussiert A. Leo Oppenheim, der im Epilog ein ausgearbeitetes religiöses Programm angelegt sieht, das die verschiedenen Rollen von Theologen und Laien im Umgang mit dem Text definiert. Gemäß seiner Lesart sollen alle in Kenntnis über den Inhalt des Werkes gesetzt werden (1947, S. 237). Eine ebensolche verbreitende Programmatik sehen ebenfalls Wilfred G. Lambert (1984, S. 4; 2013, S. 462), Herman Vanstiphout (1992, S. 37) und Eckart Frahm (2011, S. 354) im Epilog angelegt. Benjamin R. Foster vergleicht den Epilog des enūma eliš wiederum mit dem des Erra-Epos, wobei er am Lied auf Marduk hervorhebt, dass der Autor hier nicht explizit genannt, sondern nur umschrieben werde als „the first one“ (maḫrû). Da der Text durch die 50 Namen wiedergegeben sei, schrieb der maḫrû das Werk auch nicht, sondern interpretiere es nur noch, so dass die Tradierung des Textes das zentrale Anliegen des Epilogs sei. Daher würde sich der Text anders als das Erra-Epos nicht als „composition“, sondern als „explanation“ bezeichnen (1991, S. 22f.). ist durch šīmat dMarūtuk in VII 159 bereits gegeben, so dass nun die Subjekte des Satzes zusätzlich betont werden, möglicherweise die Götter (siehe auch § 2.2.3.8.). 149 JHuz: ⌈dŠEŠ.KI⌉-[m]a; zu lesen nannama als defekte gelehrte Schreibung für inannama (siehe auch CAD I 2004, S. 143). 150 Die Dopplung des -m- kann schlicht dem Umstand geschuldet sein, dass es sich bei aunb um einen späten Textvertreter handelt (siehe auch LAMBERT 2013, S. 13f.). 151 aunb: ⌈za⌉mār[i]. 152 Frühere Rekonstruktionen von VII 161 finden sich in § 3.1.2. 153 Die enklitische Partikel -ma wird als Kopula gelesen (siehe auch GAG § 126c) und freier mit „gelten“ übersetzt. 154 aunb: ikm]û. 155 Die beiden Verse VII 163f. finden sich einzig auf Textzeuge aunb (LAMBERT 2013, S. 132).

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Kapitel 2: Pragmatisch-extrarelationale Dimension des enūma eliš

Herman Vanstiphout sieht im Epilog die Verortung des Werkes im Kult (Gesang) und als Instruktion der Menschen, die von der Größe Marduks erfahren, beschrieben (1992, S. 37). Philippe Talon versteht den maḫrû in Zeile VII 157 ausgehend von den Babyloniaká des Berossos‘ als Ausdruck für den vorsintflutlichen Weisen Oannes-Adapa, der dort als Verfasser des Werkes angegeben wird (2001, S. 271). Kai Metzler wiederum verbindet die Verse VII 145–148 mit den Zeilen VII 157f.,156 weshalb er Schwierigkeiten darin sieht, dass zunächst ein Vorgang als zukünftig zu geschehen beschrieben wird (VII 145–148), um dann als vergangenes Geschehen wiedergegeben zu werden (VII 157f.). Aus diesem Grund nimmt er eine weitere „nicht spezifizierte Figur“ als Sprecher für die Verse VII 145–156 an, bis sich dann wieder der Erzähler mit Zeile VII 157 einklinke (2002a, S. 471f.). Schließlich sieht Eckart Frahm in Zeile VII 157 eine Rezitation des Werkes vor Marduk beschrieben. Zudem verweist er darauf, dass die Lexeme kullumu („zeigen“ VII 145) und taklimtu („Unterweisung“ VII 157) derselben Wurzel entstammen (√klm), die sich auch in mukallimtu wiederfindet, einem akkadischen Ausdruck für Kommentartexte (2011, S. 115). 2.2.3.3. Verortung im Umfeld religiöser Experten (VII 145–148) Diesen ersten Ansätzen soll im Folgenden ein weiterer Versuch einer Auslegung hinzufügt werden, der intensiv auf Syntax und Semantik des Epilogs eingehen und auf Basis des Textes seine Gliederung und seinen Inhalt rekonstruieren wird (siehe auch § 1.3.1.). Dabei steht die Frage im Vordergrund, welche situative Verortung sich aus den Zeilen ablesen lässt. Der als erster Teil identifizierte Abschnitt des Epilogs besteht aus den ersten vier Zeilen (VII 145–148), die möglicherweise die vorangehende Zeile aufgreifen:157 VII 144

ḫanšā šumēšu imbû ušātirū alkatsu

VII 145

liṣṣabtūma maḫrû likallim

VII 146

enqu u mūdû mitḫāriš limtalkū

VII 147

lišannima abu māriš lišāḫiz

VII 148

ša rēʾî u nāqidi lipattâ uznīšu

(VII 143: Die großen Götter) haben seine 50 Namen genannt und seine alkatu (~Handlungsmacht) übergroß gemacht. Sie sollen gepackt werden und ein Erster soll (sie) zeigen, der Weise und der Wissende sollen (sie) gleichermaßen miteinander beraten. Der Vater soll (sie) seinem Sohn erzählen und lehren. Die Ohren des Hirten und des Hüters soll er unterrichten:

Die ersten vier Verse des Epilogs sind durch ihre dichte Umschreibung zunächst sehr kryptisch, so dass jede Zeile für sich intensiverer Beachtung bedarf. Die Schwierigkeiten beginnen mit dem passivischen Prädikat liṣṣabtūma („sie sollen 156 Hierin liegt vermutlich das Hauptproblem seiner Argumentation, da trotz der verschiedenen lexematischen Rekurrenzen (siehe unten), dennoch zwei unterschiedliche Vorgänge beschrieben werden. Insofern dient die komplementäre Rekonstruktion des Epilogs durch die vorliegende Untersuchung auch der Klärung des von Kai Metzler beschriebenen und noch ungelösten Problems. 157 Die Ausweisung der Schreibvarianten und kleinere philologische Kommentierungen finden sich im Unterkapitel § 2.2.3.1. Für Vers VII 144 siehe § 4.3.2.

2.2. Die Verortung des Werkes

85

gepackt werden“), wobei offenbleibt, auf welches Subjekt (maskuliner Plural) es sich bezieht. Ein erster Kandidat sind die 50 Namen Marduks, die im vorangehenden Vers (VII 144) thematisiert werden (so bspw. COOPER 1992, S. 111 Anm. 31 oder FRAHM 2011, S. 115). Alternativ könnte es sich um die gesamten sieben Tafeln, auf denen das Werk niedergeschrieben ist, handeln. Ähnlich unklar ist die genaue Semantik des Prädikats. So steht das Lexem zunächst für „packen“, also etwas mit den Händen greifen (CAD Ṣ 2004, S. 5ff.). Der einzige weitere akkadische Beleg von šumu („Name“) und ṣabātu („packen“) in einem neuassyrischen Brief aus Ninive158 wird von dem Chicago Akkadian Dictionary dergestalt ausgelegt, dass die Verbindung für „to become famous“ steht (IBID, S. 32), womit durch VII 145a ausgedrückt wäre, dass Marduk durch seine Namen Berühmtheit erlangen soll. Anders verhält sich das Verb ṣabātu zusammen mit dem Lexem ṭuppu („Tontafel“). Demnach wird durch die Verbindung ausgedrückt, dass Tontafeln sicher aufbewahrt werden. Dies steht insbesondere im Rechtskontext: So werden Verträge durch Zeugen aufbewahrt (CAD Ṣ 2004, S. 18f.). Ein anderes Szenario, was sich bedingt auch lexematisch stützen lässt (IBID, S. 19), versteht das Prädikat liṣṣabtūma so, dass die Tafel in die Hand genommen werden soll.159 Wilfred Lambert übersetzt das Prädikat liṣṣabtūma so, dass die 50 Namen in Erinnerung behalten werden sollen (2008, S. 59; 2013, S. 133). Kai Metzler schlägt quasi als Kompromiss vor, dass es sich um die 50 Namen handelt, die aber stellvertretend für das gesamte Werk stehen, welches tradiert werden soll (2002a, S. 471 Anm. 73). Eine Entscheidung für eine der Interpretationsvarianten kann und soll an dieser Stelle nicht getroffen werden, doch kann hier die weitere Analyse bei der Abwägung helfen. Sicher ist bei allen Lesarten, dass der Text hier über sich selbst spricht – in Gestalt seines Inhalts (50 Namen) oder in Gestalt seines Mediums (Tontafeln). Dadurch liegt hier eine metakommunikative Verknüpfung160 vor, welche sich auch durch die weiteren Teile des Epilogs hindurch zieht. In Vers VII 145 findet sich außerdem noch die Formulierung maḫrû likallim („ein Erster soll zeigen“). Mit dem Lexem maḫrû wird ein „Älterer“, ein „Erster“ oder „Früherer“ bezeichnet, wodurch entweder eine Vorzeitigkeit oder ein qualitativer Primat der Person ausgedrückt wird (CAD M1 2004, 108–113; LAMBERT 2013, S. 439). Das Prädikat likallim wiederum entstammt dem Verb kullumu („zeigen“). Ein direktes Objekt ist hier nicht genannt, so dass wie beim vorangehenden Prädikat der Bezugspunkt nicht expliziert wird. Zudem ist nicht sicher, dass dieser Bezugspunkt in beiden Fällen gleich sein muss. An dieser Stelle hilft daher vielleicht ein möglicher textexterner Bezug weiter. So findet sich der Prekativ likallim („er soll zeigen“) zusammen mit dem Subjekt 158 =ABL 1285:23 (zitiert nach CAD Ṣ 2004, S. 32), Foto, weitere Angaben: http://cdli.ucla.edu/cdlisearch/search/index.php?SearchMode=Text&txtID_Txt=P334829 (letzter Zugriff, am 26.03.2012). 159 Eine ähnliche Aufforderung findet sich zu Anfang der jungbabylonischen Gilgameš-Dichtung, wo der Leser aufgefordert wird, die Tafel hochzuheben (?) und laut vorzulesen ([išš]i?-ma ṭuppi uqnî šitassi I 27) (GEORGE 2003, S. 538). 160 Zur metakommunikativen Verknüpfung siehe § 1.3.1.

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Kapitel 2: Pragmatisch-extrarelationale Dimension des enūma eliš

mūdû („Wissender“) auch im sogenannten Geheimwissen-Kolophon, der folgenden ersten Teil umfasst (BORGER 1964, S. 189): mūdû mūdâ likallim

Ein Wissender soll (es) einem (anderen) Wissenden zeigen.

Mit den Geheimwissen-Kolophonen werden Tafeln unterschrieben, die vor Unbefugten verborgen werden sollen und nur den eingeweihten religiösen Experten zugänglich sind – vor allem Tafeln, die die divinatorische Praxis betreffen (LENZI 2008, S. 67). Der mūdû ist in diesem Kontext, der „Wissende“, der Eingeweihte, das Mitglied eines inneren Zirkels (LENZI 2008, S. 168). Modell für diesen Zirkel ist nach Alan Lenzi der königliche Geheime Rat, der ebenfalls einen engsten inneren Kreis besaß, in dem als wichtigstes Element der divinatorische Befund zu politischen Plänen erörtert wurde (IBID, S. 41). Der religiöse Experte tritt dort als Mittler zwischen den Göttern und dem König auf, indem er ihre in die Schöpfung geschriebene Botschaft mittels divinatorischer Praxis für die Menschen und speziell den Herrscher übersetzt.161 Die doppelte Rekurrenz durch den Prekativ likallim und das Subjekt mūdû im Lied auf Marduk, lässt eine literarische Abhängigkeit vermuten. Hierfür ist das zeitliche Verhältnis der Institution des Geheimwissen-Kolophons und des enūma eliš entscheidend. Sollte sich die mittelassyrische Datierung des mythischen Textes KAR 4 als richtig erweisen, so wäre dieser einer der ältesten Belege für ein Geheimwissen-Kolophon (WESTENHOLZ 1998, S. 455f.; LENZI 2008, S. 175) und je nach zeitlicher Einordnung des enūma eliš älter,162 so dass ein direkter Bezug vom Lied auf Marduk auf einen solchen Kolophon möglich wäre. Für diesen Umstand spricht zudem, dass der Kolophon von KAR 4 eine Kurzversion der späteren Geheimwissen-Markierungen ist und lediglich folgende Teilzeile umfasst: RS 31a

pirištu mūdû mūdâ likallim

Geheimnis. Ein Wissender soll (es) einem (anderen) Wissenden zeigen.

Danach folgen nur noch allgemeine Angaben zur Tafel (LENZI 2008, S. 175). Das enūma eliš greift nur diesen Teil der Geheimwissen-Markierung auf und nicht die weiteren Teile des jüngeren, umfassenderen Geheimwissen-Kolophons.163 So könnte dies ein weiteres starkes Indiz für einen literarischen Bezug vom Lied auf Marduk zu dieser ersten Version eines Geheimwissen-Kolophons sein. Der mit einem solchen Kolophon bezeichnete Gegenstand ist die derart beschriebene Tontafel, die somit nur einem kleinen eingeweihten Kreis zugänglich gemacht werden darf. Insofern deutet die Rekurrenz zum Geheimwissen-Kolophon darauf, 161

In diesem Kontext taucht das Verb kullumu auch in einer Inschrift von Nebukadnezar I., in dessen Regierungszeit möglicherweise die Entstehung des enūma eliš fällt, auf (RIMB 2.4.8:3). Dort ist es Marduk, der den „Menschen für die Zukunft“ (aḫrâtaš nišī) „zeigt“ (kullumu), „seine Zeichen zu überwachen (bzw. zu bewahren)“ (naṣār ittīšu). Marduk wird hier als Ursprung des divinatorischen Wissens ausgewiesen, der zudem veranlasst, dass dieses Wissen tradiert wird. Ein Topos, der sich in vergleichbarer Form auch im ersten Abschnitt des Epilogs wiederfindet. Die Formel aḫrâtaš nišī findet sich ebenfalls im Lied auf Marduk (VII 133). 162 Bspw. bei einer Datierung in die Isin II-Zeit (LAMBERT 1984, S. 4–7). 163 Für diese siehe BORGER 1964, S. 189.

2.2. Die Verortung des Werkes

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dass es sich bei der in Vers VII 145 nicht genannten Instanz164 tatsächlich um die sieben Tontafeln des Werkes und nicht um die 50 Namen gehandelt haben kann. In diesen Kontext passt auch die Bedeutung des Verbs ṣabātu im Zusammenhang mit Tontafeln, wodurch eine sichere Aufbewahrung der Schriftträger ausgedrückt wird (siehe oben).165 Zugleich ändert ein solcher Bezug die Semantik des Zeigens (likallim), denn dann ist der Zugang zu den Tontafeln reglementiert und damit die Tradierung ihres Inhalts auf einen engen Kreis beschränkt. Sowohl der mūdû („Wissende“) als auch der ebenfalls in Vers VII 146 genannte enqu („Weiser“), aber auch der maḫrû („erster“) aus Zeile VII 145 sind demnach Mitglieder ebendieses Kreises. Somit ist das Lexem maḫrû wie die anderen beiden Aussagen vermutlich eine Bezeichnung für den qualitativen Primat der so beschriebenen Person: Sie hat eine besondere Stellung, da sie Zugriff auf die esoterischen166 Tafeln hat und kontrolliert zudem das Wissen, das auf den Tafeln niedergeschrieben ist. Zusammengefasst umschreibt Vers VII 145 die Tradierung des enūma eliš, wobei der wahrscheinliche Geheimwissen-Bezug diese Weitergabe auf einen kleinen Kreis beschränkt. Dagegen scheint zu sprechen, dass keiner der Kolophone der enūma eliš-Textzeugen eine Geheimwissen-Markierung trägt. Wenn aber eine ebensolche Kennzeichnung bereits im Epilog des Textes enthalten ist, ist möglicherweise eine zusätzliche Ausweisung im Kolophon nicht erforderlich. Dies würde die vollkommene Abwesenheit von Geheimwissen-Kolophonen bei den Textvertretern des Lieds auf Marduk erklären. Der wahrscheinlichste Kandidat für diese tradierende Gruppe ist die MardukPriesterschaft in Babylon (so auch SOMMERFELD 1989, S. 369; LAMBERT 2013, S. 439), da es sich bei dem enūma eliš um ein dezidiert babylonisches Werk handelt, das vom Aufstieg des babylonischen Stadtgottes Marduk zum Götterherrscher und von der Errichtung der Stadt Babylon als erste und wichtigste Stadt berichtet.167 Unterstützt wird die Vermutung von Quellen aus dem 1. Jahrtausend, die von Rezitationen des Werkes berichten. Am vierten Tag des akītu-Festes wurde das Werk [ištu rēš]īšu adi qītīšu ([„von] seinem Anfang bis zu seinem Ende“) im Allerheiligsten des Esaĝila rezitiert (THUREAU-DANGIN 1921, S. 136:280–282) (= RAcc. 127ff.168).169 Der Oberpriester (šešgallu) des Tempels führt diesen Vortrag durch, 164 Außer es handelt sich um zwei unterschiedliche Instanzen, die von den beiden Prädikaten in VII 145 adressiert werden. 165 Auch die Rechtsdimension dieser Semantik passt, siehe hierzu § 8.2.1. 166 D.h. nur einem kleinen Kreis zugänglich. 167 Da in den Kultzentren einer Gottheit die Theologie (weiter)entwickelt und literarische Werke zur Huldigung der Gottheit verfasst wurden (SOMMERFELD 1985, S. 98), liegt es nahe Babylon als Ort der Niederschrift des enūma eliš zu vermuten. 168 Tafel 22 = DT 15. Tafel 23 = DT 109 + 114 dupl. MNB 1848 + BM 32485 (ZGOLL 2006a, S. 15 Anm. 12). 169 Zur genaueren Einbettung der Rezitation in das Gesamtgeschehen des Textes siehe ZGOLL 2006a. Für die hier vorliegende Untersuchung ist die Exklusivität des Ortes und der beteiligten Personen und weniger das Fest an sich entscheidend. Die Cella war durch eine Vorcella über den Haupthof der Tempelanlage zugänglich (Einen sehr guten Überblick mit exzellenten Karten zu der Topologie des Esaĝila in Babylon liefert PONGRATZ-LEISTEN 1994, S. 50–55). Zudem gibt es je zwei weitere Durchgänge, wobei der südliche in einen geschlossenen Raum führt, der nördliche

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Kapitel 2: Pragmatisch-extrarelationale Dimension des enūma eliš

wobei sich vermutlich keine andere Personen in der Cella aufhielten. Der weitgehende Ausschluss der (menschlichen) Öffentlichkeit ist ein allgemeines Charakteristikum des akītu-Festes und auch anderer ritueller Festivitäten, deren Durchführung in der Hand von wenigen Spezialisten lag (GARELLI 1975, S. 53).170 Datiert wird der Ritualtext seleukidenzeitlich, er könnte aber durchaus auch etwas älter sein (ZGOLL 2006a, S. 15f. Anm. 14). Ebenfalls spätbabylonisch ist eine Beschreibung eines Vorgangs am selben Ort am vierten Tag des Monats Kislīmu (= BM 32206 + 32237 + 34723 dupl. F 220),171 wonach ein Sänger (nâru) das Werk vorträgt, wobei Vers V 83 wörtlich zitiert wird172 und mit einer Handlung eines weiteren Priesters (dumuniglala) gekoppelt wird (ÇAĞIRGAN, LAMBERT 1991–1993, S. 96:62–65),173 so dass hier mindestens zwei Priester anwesend sind. Der älteste Beleg über eine Rezitation des Lieds auf Marduk entstammt aus neuassyrischer Zeit, entweder der Zeit des Königs Sanḫerib (VON SODEN 1955, S. 164f.) oder Asarḫaddons (VERA CHAMAZA 2002, S. 162f.). In hingegen in einen Raum leitet, der durch ein weiteres Zimmer mit der Vorcella verbunden ist. Selbst wenn beide Durchgänge zum Haupthof geöffnet wären, versperrten jedoch immer noch Vorhänge den Blick in das Innere – und den Zugang durch die anderen Sinne (PONGRATZ-LEISTEN 1994, S. 52), womit auch geöffnete Türen kein großes Publikum für die Vorgänge in der Cella bedeuten. Astrid Nunn schließt zwar aus der Größe der Tempelhöfe, dass prinzipiell viele Zutritt zu ihnen haben konnten (2009, S. 178), wobei dies selbstverständlich auf wenige Anlässe beschränkt gewesen sein mag. Diese Frage ist insofern von Belang, als bei geöffneten Türen und Vorhängen prinzipiell eine Sichtachse in die Cella besteht ( IBID). Doch auch der Hof selbst stellt durch seine Außenmauern einen abgetrennten und damit potentiell exklusiven Raum dar (GUINAN 1996, S. 61). Somit entzieht sich das Geschehen in der Cella durch die architektonische Konzipierung den Ohren und Augen eines größeren Publikums. Die Studien von Caroline Waerzeggers und Michael Jursa zur Struktur der Priesterschaft zeigen, dass es im ersten vorchristlichen Jahrtausend unterschiedliche Grade des Zugangsrechts innerhalb des Tempelpersonals gibt. Über den höchsten Initiationsgrad verfügen die ērib bīti, die die Cella betreten dürfen (JURSA 2013, S. 153). Diese Gruppe umfasst alle, deren Zutritt im Kultbild erforderlich ist, und somit auch Handwerker und Künstler, die Restaurationen am Götterstandbild vornehmen (WAERZEGGER 2008, S. 17). Einen geringeren Grad der Einweihung weist eine weitere, immer noch exklusive Gruppe auf, denen es gestattet ist, den Tempelhaupthof zu betreten (IBID, S. 15f.), woran deutlich wird, dass auch dieser Raum über eine regulierten Zugang verfügt, was die Riten, die dort stattfinden, besondere Exklusivität verleiht. 170 Es werden zwar keine weiteren Menschen bei der Rezitation des enūma eliš im Zuge des akītu-Festes erwähnt, aber der Thron Enlils und die aga-Krone von Anu werden dort genannt (THUREAU-DANGIN 1921, S. 136:283f.), was die Präsenz mindestens dieser Herrschaftsinsignien beider Hochgötter bedeutet. Spannenderweise sind beide aber während des Vortrags verdeckt, so dass möglicherweise auch sie ausgeschlossen werden, was die Exklusivität des Publikums noch erhöhen würde. Manfried Dietrich betont, dass zwar die Rezitation in der Cella stattfindet, aber darüber hinaus die Bevölkerung an der Götterprozession teilhatte (2006, S. 159f.). Diese physische Partizipation bedeutet jedoch nicht notwendigerweise, dass die Zuschauer ein vertieftes Wissen von den Vorgängen und damit von ihrem mytho-theoretischen Hintergrund hatten. 171 Lambert fiel bereits auf, dass die Rezitation sowohl im Nisannu als auch im Kislīmu am vierten Tag des Monats stattfindet (1968, S. 107). 172 Darin überbringt der Gott Usmû dem siegreichen Marduk ein Geschenk seiner Mutter Damkina. Während im Originaltext die dritte Person steht, findet sich in diesem Ausschnitt die zweite Person femininum, so dass Damkina hier direkt angesprochen wird. 173 Zur Bedeutung der Tatsache, dass das Lied auf Marduk sowohl in diesem Ritual im Kislīmu wie im Neujahrsfest verwendet wird, siehe ZGOLL 2006a, S. 50f.

2.2. Die Verortung des Werkes

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der Textgruppe des sogenannten Marduk-Ordal174 wird eine Anti-Marduk-Theologie entwickelt, zu dem Zweck den assyrischen Hauptgott Aššur über seinen babylonischen Konkurrenten zu erheben.175, 176 Dort wird berichtet, dass das enūma eliš im Monat Nisannu vor Marduk gesprochen wurde (LIVINGSTONE 1986, S. 210:19; BOTTÉRO 1998, S. 310; FRAHM 2010, S. 12; KÄMMERER, METZLER 2012, S. 34), was möglicherweise auf die Geschehnisse in Babylon im Rahmen des Neujahrsfestes rekurriert. Dabei ist es durchaus denkbar, dass damit dieselbe Rezitation angesprochen wird, die im ersten spätbabylonischen Ritualtext beschrieben wird und damit exklusiv vor der Mardukstatue stattfindet. Dies sind die einzigen bekannten Belege für eine Vortragspraxis des Lieds auf Marduk.177 Da jedoch alle drei Texte ins 1. Jahrtausend zu datieren sind,178 sind Schlüsse vorsichtig vorzunehmen. Dennoch beschränkt sich der Ort der Rezitation, so er in den untersuchten Texten erwähnt ist, auf die Cella im Esaĝila. Bei den dortigen Akteuren handelt es sich damit um Marduk-Priester aus Babylon (šešgallu, nâru, dumuniglala), so dass auch mit Blick auf die Subjekte eine hohe Exklusivität 174

Version I = VAT 9555 dupl. VAT 9538 und ND 812(a); Version II = K 6330 + 6359 + 9138 dupl. Rm 275; Version III = BM 134503; Version IV = BM 134504 + S 1903; Version V = K 7979 (LIVINGSTONE 1986, S. 236–253). 175 Spannend an diesem Corpus sind zwei Aspekte. Erstens fällt der Umstand auf, dass sie am Ende eine Art umgekehrter Geheimwissen-Kolophon aufweisen, der die Verbreitung des Inhalts in alle Welt vorschreibt (FRAHM 2010, S. 13). Zweitens finden sich im Ordal zwei Erwähnungen des Werkes, wobei die erste eindeutig Marduk als den Protagonisten des Werkes beschreibt (LIVINGSTONE 1986, S. 210:19; FRAHM 2010, S. 12). Weniger eindeutig ist der Fall der zweiten Nennung des enūma eliš (LIVINGSTONE 1986, S. 210:19 bzw. S. 214:49; FRAHM 2010, S. 12f.). Während Wilfred Lambert hier den Anfang einer noch unbekannten weiteren assyrisierten Version vermutet (1997a, S. 97–99; 2013, S. 7), deutet Eckart Frahm die Passage als Paraphrase des traditionellen Mythos, so dass hier nur das höhere Alter und damit der genealogische Primat von Anšar gegenüber Marduk betont wird. Dies macht er unter anderem auf der graphematischen Ebene fest, wonach die Schreibung An-šár im restlichen Ordal nicht wieder auftaucht (1997, S. 283). Nach Thomas Kämmerer und Kai Metzler wiederum kann es sich entweder um ein Zitat einer nicht überlieferten Version des Werkes handeln, was der These von Wilfred Lambert entsprechen würde, oder aber um „ein fingiertes Zitat einer imaginären Version“, was eine dritte Lesart hinzufügt (2012, S. 35). 176 Galo W. Vera Chamaza sieht in dem Text eine Rechtfertigung der Katastrophe von 689 v. Chr., als Sanḫerib Babylon zerstörte, wonach die Schuld (allein) bei den Babyloniern lag, was durch das Ordal mythologisch begründet wird (2002, S. 162f.). 177 In der altorientalischen Forschungsliteratur geisterte ein weiterer unpublizierter Textzeuge herum, der Feierlichkeiten des Monats Tašrītu beschreiben solle und der von Wilfred Lambert bearbeitet werde (bspw. PARPOLA 1983, S. 186; COHEN 1993, S. 438 Anm. 4; ZGOLL 2006a, S. 49). Die Einzelheiten des Textes (Akteure, Abläufe, Monatsangaben etc.) stimmen jedoch fast 1:1 mit dem von Çağirgan und Lambert (1991–1993) publizierten Ritualtext zum Monat Kislīmu überein. Die widersprüchlichen Monatsangaben entstammen lediglich Vergleichen zu Kulthandlungen im Monat Tašrītu, die auf Textebene vollzogen werden. Bei Beate Pongratz-Leisten (1994, S. 48 Anm. 35) tauchte ebenfalls ein Hinweis auf eine unpublizierte Ritualbeschreibung des (diesmal korrekten) Monats Kislīmu auf, wobei sie auch Angaben zu den Museumsnummern macht, die mit den bei Çağirgan und Lambert publizierten Textzeugen übereinstimmen. Auf die Identität beider Texte (‚Tašrītu‘-Text und Kislīmu-Text) verweisen schließlich Alasdair Livingstone (1996, S. 306) und Frances Reynolds (1996, S. 92). 178 Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Texte als die Manuskripte sind, sind sie nach dem Zustand des Sumerischen deutlich nach 1000 v. Chr. zu datieren (LAMBERT 2013, S. 7).

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Kapitel 2: Pragmatisch-extrarelationale Dimension des enūma eliš

feststellbar ist, wie bereits Paul Garelli feststellte (1975, S. 53). Somit liegt die Vermutung nahe, dass es sich bei der im Epilog beschriebenen esoterischen Tradierungsgemeinschaft um die Marduk-Priesterschaft in Babylon handelt beziehungsweise sogar nur um einen Teil von ihr.179 Ihre Mitglieder (mūdû, enqu) sollen nun nach Aussage von Vers VII 146 einen wieder nicht genannten Gegenstand „gemeinsam miteinander beraten“ (mitḫāriš limtalkū). Die Reziprozität des Unterfangens wird durch den Gt-Stamm ausgedrückt, die Gemeinsamkeit durch das Adverb mitḫāriš. Hierbei handelt es sich möglicherweise um eine Exegese-Praxis, die innerhalb der Gemeinschaft der Eingeweihten durchgeführt wird. Demnach bezieht sich Vers VII 146 nicht auf die sieben Tontafeln, sondern auf ihren Inhalt. Wenn sich die vorangehende Zeile aber auf die 50 Namen beschränkt, würde dies vermutlich auch für Vers VII 146 gelten. Wie die Analyse der Keilschriftlichkeit speziell der 50 Namen zeigen wird, ist gerade hier eine intensive Exegesepraxis fruchtbar (siehe § 5.2.). Sicher ist, dass nach der Beschreibung einer Tradierung eine Anweisung folgt, wie mit dem Inhalt umgegangen werden soll, was wiederum eine metakommunikative Verknüpfung darstellt. In der Zeile VII 147 tauchen zwei weitere Substantive auf: abu („Vater“) und māru („Sohn“).180 Auch hier wird die Weitergabe von Wissen angeordnet, wobei der Vater vor dem Sohn das Wissen wiederholt (šanû D-Stamm) und ihn es „nehmen lässt“ (aḫāzu Š-Stamm). Damit schließt dieser Vers inhaltlich an die Tradierungsanweisung von Vers VII 145 an, wobei hier das Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler durch Vater und Sohn ausgedrückt wird. Es handelt sich beim abu vermutlich um dieselbe Instanz, wie bei maḫrû, enqu oder mūdû. Vergleichbar mit Vers VII 146 wiederum ist, dass das, was hier weitergegeben werden soll, nicht die physischen Tontafeln wie in VII 145, sondern ihr Inhalt ist (vermutlich inklusive seiner exegetischen Auslegung).181 2.2.3.4. Die Rolle des Königs (VII 149f.) Bis hierhin beschränken sich die Anweisung für den richtigen Umgang mit dem Text auf die Praxis innerhalb der Gemeinschaft religiöser Experten. In der Zeile VII 148 wird eine neue Instanz eingeführt, indem sie mit einem vorangestellten Genitiv bestehend aus den Substantiven rēʾû und nāqidu beginnt, die jeweils Termini für

179 Auf eine gewisse Exklusivität des Adressatenkreises allein schon aufgrund der Niederschrift in Keilschrift verwies bereits Piotr Michalowski (1990, S. 395). Hier im Epilog scheint sich jedoch noch eine darüber hinausgehende Esoterik anzudeuten. 180 Zwei Textzeugen (aunb und bunb) schreiben māriš, womit vermutlich schlicht ein verkürztes Possessivsuffix angehängt wird („seinen Sohn“). Auf Textzeuge gUruk ist lediglich das Ende eines -i]š erhalten. Alternativ kann der Vers so interpretiert werden, dass an mār- ein Terminativ-adverbialis antritt, welche als Dativkonstruktion fungiert. Diesen Kasus benötigt das erste Prädikat des Verses (lišannima „er soll wiederholen“). Dies gilt insbesondere dann, wenn von einem Apokoinu in dieser Zeile ausgegangen wird, wonach sich beide Prädikate auf māri(š) beziehen. 181 Dies wird durch die Lexik speziell des ersten Prädikates der Zeile (lišannima „er soll wiederholen“) deutlich, womit auf den Text und nicht auf das Medium, die Tontafel, Bezug genommen wird.

2.2. Die Verortung des Werkes

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„Hirte“ sind. Beide Ausdrücke stehen an dieser Stelle für den König,182 den menschlichen Herrscher des Landes (Babylon), was aus verschiedenen Gründen ersichtlich wird. Erstens tauchen nāqidu und das Abstraktum rēʾūtu in der Erläuterung der 50 Namen Marduks auf, wo sie exklusiv für den (Götter-)Herrscher stehen. Und zweitens stellen beide Substantive von Vers VII 148 zusammen eine singularische Instanz dar (zumindest auf zwei erhaltenen Textzeugen183), da auf sie durch das Possessivpronomen -šu am Ende derselben Zeile Bezug genommen wird. Dies zeigt, dass die altorientalischen Schreiber hier durchaus auch an eine Person dachten. Die pluralischen Schreibungen (-šun(u)) auf anderen Textzeugen184 ließen sich dann dadurch erklären, dass rēʾû und nāqidu syntaktisch als zwei Instanzen adressiert werden, sie aber semantisch immer noch eine Einheit darstellen. Als letztes zeigt auch ein Blick in die folgenden Zeilen (VII 149f.), dass dort von einer einzelnen singularischen Instanz die Rede ist. Zusammengefasst steht das syndetische Dikolon rēʾi u nāqidi daher sehr wahrscheinlich für den König, wie es auch Claus Wilcke (1977, S. 174) und Michael Streck (1999, S. 169) interpretieren.185 Da es sich bei dem enūma eliš um ein dezidiert babylonisches Werk handelt, bezieht es sich somit sicherlich auf den babylonischen Herrscher, der damit in den Epilog eingeführt wird. Der König ist in Vers VII 148 das direkte Objekt, während das Subjekt dort nicht genannt wird. Es ist jedoch naheliegend, dass es sich auch hierbei um den abu aus der vorangehenden Zeile handelt. Letzterer soll ersterem die „Ohren öffnen“, wobei der D-Stamm hier entweder intensivierend wirkt oder den Plural des direkten Objekts (uznī) wiedergibt (GAG 1995 §88f). Die Formel „Ohren öffnen“ wird im Akkadischen als Ausdruck für „informieren“ verwendet. Neben dieser prosaischen Lesart steckt in ihr jedoch möglicherweise noch mehr: ein „weites Ohr“ (bspw. uznu rapaštu) steht für Verstand und/oder Weisheit. Der König soll also tiefere Einblicke erhalten, die ihn zu Weisheit führen. Eine derartige Botschaft könnte durch die gewählte Formel ausgedrückt sein. Während sich die Prekative in den Versen VII 145–148 an die Mitglieder der Tradierungs- und Exegese-Gemeinschaft richteten beziehungsweise passivisch waren, ändert sich nun die Zielrichtung in den beiden folgenden Zeilen.186 VII 149

lā iggima ana dEnlil ilānī dMarūtuk

VII 150

māssu liddiššâ šū lū šalma

Er darf nicht nachlässig sein gegenüber dem Enlil der Götter, Marduk, (dann) soll sein Land Gedeihen erhalten und er selbst soll Wohlergehen besitzen.

182 Siehe auch VANSTIPHOUT 1992, S. 47 Anm. 34. Die Beschreibung des Königs als Hirte ist im Alten Orient verbreitet und zeigt sich beispielsweise auch in einem sumerischen Sprichwort und einem Bericht von Asarḫaddon (CANCIK-KIRSCHBAUM 2007, S. 172). 183 Konkret handelt es sich dabei um die Textzeugen aunb und gUruk. 184 Der assyrische Textzeuge BNin schreibt eindeutig pluralisch uz-na-šú-un und auch die ebenfalls aus Ninive stammende Tafel CNin schreibt GEŠTU.II-šú. 185 Anders A. Leo Oppenheim, der vermutet, dass es sich an dieser Stelle um reale Hirten handelt „who live in the country-side on a low social and economic level“ (1947, S. 237). 186 Die Ausweisung der Schreibvarianten und kleinere philologische Kommentierungen finden sich in § 2.2.3.1.

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Kapitel 2: Pragmatisch-extrarelationale Dimension des enūma eliš

In ihnen wird die Botschaft an den König formuliert, wie er sich verhalten soll (VII 149), was zugleich mit einem Versprechen verbunden ist. Hier wird das direkte Verhältnis zwischen dem menschlichen König und dem Götterherrscher Marduk definiert, wonach ersterer gegenüber letzterem zu Gehorsam verpflichtet ist. In der Formel lā iggima verbirgt sich vermutlich die Summe dieser Pflichten, die nach Lektüre des Werkes besonders die Versorgung der Götter mit Opfergaben und ihre Verehrung umfasst (siehe speziell § 5.2.5.).187 Der König ist das Pendant zu Marduk auf der menschlichen Ebene, der dafür zu sorgen hat, dass Marduks Weisungen umgesetzt werden.188 Erfüllt der babylonische Herrscher diese Pflicht, so kommt ihm selbst, aber insbesondere auch dem Land das Wohlwollen Marduks zu, so dass beiden Friede und Wohlstand sicher sind (VII 150). Somit wird hier nicht nur die Leistung des menschlichen Herrschers, sondern auch die Gegenleistung für den menschlichen Herrscher speziell und die Menschen allgemein (enthalten in: mātu „Land“ VII 150) definiert und damit ein reziprokes Verhältnis dargelegt. Somit findet hier ein Vertragsschluss zwischen Marduk und dem menschlichen König statt, in dem die Leistungen beider Seiten festgelegt sind. Überbringer dieser Nachricht ist der abu („Vater“ VII 148), ein Mitglied der Gemeinschaft, die über das Wissen um das Lied auf Marduk beziehungsweise die 50 Namen Marduks verfügt. Mit Blick auf das Machtverhältnis zwischen beiden Parteien steht in dieser Konstellation der König unter dem Marduk-Priester, da letzterer über das exklusive Wissen verfügt und den Herrscher darüber belehren soll.189 Vielleicht wird sogar mit dem Lexem māru in Vers VII 148 bereits der König adressiert, womit seine Unterordnung noch deutlicher wäre. Andererseits rückt der Herrscher dadurch ein in den Kreis der Wissenden, so dass er ebenfalls Mitglied der Wissensgemeinschaft ist. Sicher wird in den vorliegenden Zeilen neben dem Verhältnis zwischen Marduk und dem menschlichen Herrscher auch die Relation zwischen dem König und den Marduk-Priestern definiert. Die elementare Bedeutung des Wissens um die Größe Marduks und seines Herrschaftsanspruchs macht es zu einem Herrschaftswissen, einem Wissen, „das […] zum Machterwerb und Machterhalt befähigt“ (PONGRATZLEISTEN 1999a, S. 288). Palast und Tempel sorgen arbeitsteilig für den Erhalt des guten Verhältnisses zum Götterkönig Marduk und garantieren damit das Fortbestehen des Landes Babylon und seiner Menschen, die unter seinem Schutz stehen. Somit ist dieses Wissen nicht nur für den König, sondern für ganz Babylon von essentieller Bedeutung, wie auch im Epilog in Vers VII 150 deutlich wird, wo beiden Instanzen Wohlsein versprochen wird. 187 Der altorientalische Herrscher wirkt als Vermittler zwischen den Menschen und den Göttern und ist für die Einhaltung des Kultes verantwortlich (bspw. CANCIK-KIRSCHBAUM 2007, S. 168). 188 In diesem Sinne entspricht er dem assyrischen König, der ein „Mittler zwischen der Welt der Götter und der Welt der Menschen“ ist (MAUL 1999b, S. 214). Zu Rolle des Königs siehe auch § 7.5. 189 Bei der Frage nach der Datierung des Gesamtwerkes kann auch eine solche Konstellation helfen, wenn sich eine Zeit identifizieren lässt, in der die Marduk-Priesterschaft besonders stark war – nicht nur gegenüber der Enlil-Priesterschaft in Nippur, sondern auch gegenüber dem König von Babylon.

2.2. Die Verortung des Werkes

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2.2.3.5. Exkurs: Marduk und König im Neujahrsfest Die untergeordnete Rolle des Herrschers wird auch im Kult, wie ihn der spätbabylonische Ritualtext zum akītu-Fest beschreibt (RAcc 127ff., Z. 415–452), offenbar. Im Rahmen des Neujahrsfestes kommt der König in Marduks Cella an und wird davor von dem Oberpriester (šešgallu) empfangen. Dieser nimmt dem Herrscher alle seine Herrschaftszeichen (Zepter, Seil, Keule und Krone) ab und bringt diese vor die Mardukstatue.190 Dann schlägt er dem König auf die Wange und führt ihn ebenfalls vor die Götterstatue. Andere Personen scheinen bei diesem Vorgang nicht anwesend zu sein, da zuvor (Z. 414) die ummânu den Bezirk durch das Tor verlassen haben (ZGOLL 2006a, S. 27), so dass die Herabwürdigung des Königs nur vom Herrscher, dem Oberpriester und dem Gott Marduk miterlebt wird.191 Dies entspricht damit auch der im Epilog des enūma eliš erwähnten Dreierkonstellation aus abu, rēʾu/nāqidu und Marduk (VII 148–150). Schließlich wird der König im Ritual vor die Götterstatue geführt, an den Ohren gezogen und auf die Knie gezwungen. Dort muss er schließlich auch einen Rechenschaftsbericht ablegen, dass er Marduk und die Götter verehrt und sich um das Wohl der Stadt gekümmert hat. In diesem Passus finden sich auch lexikalische Parallelen zum Lied auf Marduk. In Zeile 423 gelobt der König, dass er die Göttlichkeit Marduks stets geachtet hat: Z. 423

ul ēgi ana ilūtiku

„Ich habe Deine Göttlichkeit nicht vernachlässigt.“

Damit wird hier dieselbe Konstruktion verwendet wie in VII 149 im enūma eliš, wo sich ebenfalls das verneinte Verb egû in Verbindung mit ana findet. Anstatt vom Enlil der Götter, was wohl ebenfalls eher ein Titel ist, wird hier allgemeiner von der Göttlichkeit (ilūtu) Marduks gesprochen. In derselben Zeile findet sich ebenso die Anrede Bēl mātāti, der Name Enlils, den Marduk von Enlil selbst im Lied auf Marduk erhält (VII 136), womit die Übertragung der Enlilschaft an Marduk abgeschlossen wird. Schließlich wird in Zeile 425 des spätbabylonischen Ritualtextes das Motiv des Nichtvergessens (ul umašši) angesprochen, das auch im enūma eliš eine große Rolle spielt (bspw. VI 108 lā mašê; VII 18 und 31 aj immaši / immašâ). Im Anschluss an die Rechtfertigung erhält der König seine Macht bestätigt und die Machtinsignien wieder ausgehändigt. Abschließend schlägt der Priester dem König ein weiteres Mal ins Gesicht, woraufhin der König weinen muss. Fließen keine Tränen, so ist der Gott Marduk wütend, was den Untergang des Landes zur Folge haben wird (Z. 451f.). Abweichend von dieser weit verbreiteten Deutung interpretiert Walther Sallaberger den Vorgang anders. Ausgangspunkt ist seine Beobachtung, dass es sich bei 190

Dies ist der einzige Anlass im Jahr, an dem der König Zutritt zur Cella des Gottes hat (BIDMEAD 2002, S. 80). 191 Durch das Verbergen dieses Vorgangs vor der sonstigen Bevölkerung bestätigt die Differenz zwischen Herrscher und Beherrschten, da den sonstigen Menschen nur deutlich wird, dass der König das Allerheiligste des Götterkönigs betritt, er somit Zugang zu diesem besitzt. Die Demütigung des Königs erfolgt nur vor dem Gott und seinem obersten Priester (ZGOLL 2007, S. 181). In der Anwesenheit des Priesters deutet sich der Ansatz der obersten Marduk-Priesterschaft an, den König im Rahmen des Rituals zu kontrollieren (PONGRATZ-LEISTEN 1999b, S. 296).

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Kapitel 2: Pragmatisch-extrarelationale Dimension des enūma eliš

miṭṭu („Keule“), eine der im Ritualtext genannten Insigne, nicht um die Waffe eines menschlichen Königs, sondern in allen akkadischen Texten immer um die eines Gottes handelt (SALLABERGER, SCHMIDT 2012, S. 572).192 Nach dieser Deutung würden im Text nicht die Abzeichen des Königs, sondern Marduks beschrieben. So würde im Ritual auch keine Re-Investitur des Königs durchgeführt, sondern der König an seine Pflichten gegenüber Marduk und den Untertanen erinnert (IBID, S. 591). So wie der König auf die Wange geschlagen werde, so soll er Gleiches nicht mit den Menschen tun; die Tränen des Königs haben das Wohlwollen des Gottes zur Folge (IBID, S. 576). Auch nach dieser Interpretation zeigt sich die Unterordnung des Herrschers unter die Macht Marduks und damit mittelbar unter die Weisung der Marduk-Priesterschaft. 2.2.3.6. Marduks Macht: Drohung und Versprechen (VII 151–156) Die Herrschaft Marduks über den menschlichen König wird auch in den weiteren Zeilen des Epilogs deutlich, wo zum einen das Heilsversprechen untermauert und zum anderen selbiges durch eine implizite Drohung193 flankiert wird.194 VII 151

kīnat amātsu lā enât qibītsu

VII 152

ṣit pîšu lā uštepīl ilu ajjumma

VII 153

ikkelemmûma ul utarri kišādsu

VII 154

ina sabāsīšu uzzašu ul imaḫḫaršu ilu mamman rūqu libbašu rapaš karassu ša anni u gillati maḫaršu bāʾū

VII 155 VII 156

Sein Wort ist dauerhaft, sein Befehl unveränderlich (und) der Ausspruch seines Mundes kann von keinem Gott geändert werden. Während er böse ansieht, wendet er seinen Hals nicht und, während er zürnt, widersteht seinem Zorn kein Gott. Sein Herz ist fern, sein Inneres ist weit. Derjenige der Sünde und der des Vergehens, sie sind vor ihm entlanggehend.

In diesen sechs Zeilen wird Marduks allumfassende Macht beschrieben. So kann kein Gott seinen Befehl ändern oder sich seinem Zorn entgegenstellen,195 womit ausgedrückt wird, dass kein anderer Gott einen Menschen vor Marduks Zugriff bewahren kann.196 Dieser Umstand wird durch die Negationen der Prädikate von ilu ajjuma beziehungsweise ilu mamman („irgendein Gott“ VII 152 bzw. 154) unterstrichen. Da Marduk zudem alles sieht (VII 155), entgeht ihm kein Vergehen (VII

192 Das Lexem miṭṭu ist im Ritual bīt salāʾmê jedoch durchaus als Königsabzeichen belegt und zwar als Variante zu gišTUKUL (kakku „Waffe“) (AMBOS unpubliziert, S. 253:y+24', Textzeuge C). 193 Diese wird bereits im Prohibitiv lā iggima („er darf nicht nachlässig sein“ VII 149) ersichtlich. 194 Die Ausweisung der Schreibvarianten und kleinere philologische Kommentierungen finden sich in § 2.2.3.1. 195 Der potentielle göttliche Zorn Marduks taucht in den Versen VII 153f. lexematisch dreimal auf. So beschreiben sowohl das Prädikat ikkelemmûma („er sieht böse an“ √klmʾ) als auch der Infinitiv ina sabāsīšu („während er zürnt“ √šbs) und das Substantiv uzzašu („seinen Zorn“ √ʾzz) Marduks Wut (siehe auch KREBERNIK 2008, S. 49). 196 Dass der Zorn Marduks sich gegen die Menschen richtet, wird an dieser Stelle nicht expliziert und ergibt sich erst aus der interpretativen Einbettung der Verse VII 151–156.

2.2. Die Verortung des Werkes

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156),197 so dass nichts ungesühnt bleibt. Durch diese Schilderung wird dem babylonischen König stellvertretend für die Menschen vor Augen geführt, dass das Wohlwollen Marduks die entscheidende Instanz für das Wohlergehen von Land und Leuten ist. Sollte man sich einmal Marduks Zorn zugezogen haben, so gibt es kein Entrinnen. Somit wird hier eine Drohkulisse aufgebaut, die das Versprechen von Vers VII 150 ergänzt. Die speziell in den Versen VII 151f. betonte Allmacht Marduks unterstützt aber auch Marduks wohlwollende Seite, denn auch seine positiven Taten kann kein anderer Gott verhindern. Zusammengefasst tritt Marduk in den Versen VII 151–156 als die für den König und damit für die Menschen einzig entscheidende Gottheit auf. Nur sein Wohlwollen zählt. Somit zeigen sich auch hier henotheistische Tendenzen, wie sie auch im Restwerk zu finden sind (siehe §§ 5.2.11., 6.3.5 und 6.4.). 2.2.3.7. Die Herkunft des Werkes (VII 157f.) Nach der Botschaft an den König expliziert der Text in den Versen VII 157f. seine eigene (fiktive) Herkunft:198 VII 157

taklimti maḫrû idbubu pānuššu

VII 158

išṭurma ištakan ana šimê arkûti

Die Unterweisung, die ein Erster vor ihm gesprochen hatte, hat er aufgeschrieben und für die Dauer aufgestellt, damit Spätere (sie) hören.

Die Zeile VII 157 greift mit ihrer Lexik den Vers VII 145 wieder auf. Das Lexem maḫrû wird hier wieder verwendet und das Substantiv taklimtu („Unterweisung“) entstammt derselben Wurzel wie das Verb kullumu („zeigen“ √klm) (FRAHM 2011, S. 115). Ein elementarer Unterschied ist der Modus der Rede, denn nach den modalen oder stativischen Prädikaten der Verse VII 145–156 folgen hier nun indikativische Vergangenheitsaussagen. Dies gilt sowohl für Zeile VII 157 als auch für VII 158. Aufgrund der Rekurrenz zu VII 145 handelt es sich bei der hier ebenfalls als maḫrû genannten Person vermutlich um ein Mitglied der Tradierungs- und Exegesegemeinschaft des Lieds auf Marduk und damit wahrscheinlich um einen babylonischen Marduk-Priester. Während das Lexem maḫrû in Vers VII 145 vermutlich eher auf die höhere Stellung anspielt („ein Erster“), kommt nun sicher auch die zeitliche Komponente hinzu („ein Früherer“). Die Verschlüsselung der Aussagen geht jedoch noch weiter, denn aufgrund seiner elliptischen Form199 wird auch nicht die Instanz enthüllt, vor der „die Anweisung“ (taklimtu) gesprochen wurde. Sie wird nur durch eine Pro-Form200 adressiert (pānuššu „an seiner Vorderseite“ VII 157), deren Bezug nicht eindeutig ist. Kandidaten hierfür sind entweder der in VII 148 genannte König 197 Eine vergleichbare Formulierung findet sich im sumerischen Gudea Zylinder A (A27:04–07), wo sie ebenfalls die Allwissenheit des Gottes im Hinblick auf menschliche Vergehen ausdrückt. 198 Für diese Doppelzeile sind keine abweichenden Schreibungen belegt. 199 Bspw. durch den nicht eingeleiteten Relativsatz. 200 Proformen sind Verweise auf der Textoberfläche und umfassen neben verschiedenen Pronomen auch Pronominaladverbien und zeigende Verweise (bspw. dort, da) (STEDE 2007, S. 22). Zu weiteren Entlehnungen aus der Textlinguistik siehe § 1.3.2.1.

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Kapitel 2: Pragmatisch-extrarelationale Dimension des enūma eliš

oder der in VII 149ff. beschriebene Marduk.201 Maßgeblich hängt dies auch von der Semantik des Lexems taklimtu ab,202 das sich entweder auf die Gesamtheit der Verse VII 149–156 bezieht und somit die Adressierung des Königs durch die Priesterschaft beschreibt. Oder taklimtu ist ein Ausdruck für die 50 Namen oder sogar das Gesamtwerk, so wie Claus Wilcke (1977, S. 174) und Benjamin R. Foster (1991, S. 22) den Epilog interpretieren. Für letzteres spricht die Rekurrenz der Wurzel √klm, da in VII 145 entweder die 50 Namen Marduks oder die sieben Tontafeln des Werkes gedanklich ergänzt werden müssen. In diesem Falle könnte Zeile VII 157 die Rezitation des Werkes im Kult beschreiben,203 wie sie aus externen Quellen aus dem 1. Jahrtausend überliefert ist, wonach sie vor der Mardukstatue im E-umuša (der Cella Marduks im Esaĝila) stattfand. Somit könnte sich pānuššu auf ebendiese Statue beziehen. Dann wäre der Epilog ein Hinweis auf die originäre kultische Verortung des enūma eliš, die schon bei der Verfassung des Werkes beziehungsweise des Epilogs angelegt gewesen ist.204 Zwar bleibt es wie bereits in den Versen VII 145–148 eine Interpretationsfrage, welches direkte Objekt gedanklich ergänzt werden muss (Epilog, 50 Namen oder Gesamtwerk), da der Text an dieser Stelle schweigt,205 doch scheint die Lesart naheliegender, wonach hier der Epilog über das Gesamtwerk spricht. Gerade im Falle einer solchen Interpretation macht es Sinn, dass in den Versen VII 157f. so viel Wert auf die Herkunft und die Niederschrift von taklimtu gelegt wird. So wird der Vortrag der „Anweisung“ (taklimtu) als die ursprüngliche Form des Werkes dargestellt, die in einer nicht spezifizierten Vorzeit zu verorten ist. Bei eingehender Analyse des Lieds auf Marduk wird gerade bei der Namensgebung deutlich, dass das enūma eliš nur als Schriftwerk verstanden werden kann (siehe § 5.2.). Somit wird hier vermutlich eine fiktive Herkunft in einer nicht klar benannten früheren Zeit konstruiert, womit vermutlich dem Text durch sein fiktives Alter eine große 201 Letztere Variante nimmt Benjamin R. Foster an, wonach hier der Text des Werkes vor Marduk vorgetragen worden sei, der diesen damit abgesegnet habe (2005, S. 20). Durch die Brevitas v.a. von Vers VII 157 kann diese Sichtweise leider am Originaltext nicht verifiziert werden. 202 Herman Vanstiphout verweist auf eine weitere mögliche Bedeutung des Lexems, das entweder „public lying-in-state of the body of a deceased person“ oder „display of grave goods“ beschreibt (1992, S. 3). 203 Wilfred Lambert versteht das Verb dabābu („sprechen“) an dieser Stelle als „terminus technicus for composition“, wobei er sich auch auf den Epilog des Erra-Epos‘ bezieht (2013, S. 462). 204 Bei genauerer Betrachtung der Ritualbeschreibungen und -kommentare zum akītu-Fest fällt auf, dass das Werk im Rahmen des Festes zwar zitiert wird, es ansonsten aber wenig direkte Parallelen zwischen beiden gibt (anders DIETRICH 2006, S. 158). So gibt es zwar erklärende Verbindungen zwischen Werk und Fest (siehe bspw. ZGOLL 2006a), doch wirken diese teils konstruiert, wie als ob nachträglich zwei ursprünglich unabhängige Gegenstände (Lied auf Marduk und akītu-Fest) zueinander in Bezug gesetzt worden wären. Diese Hypothese benötigt sicherlich noch weitere intertextuelle und praxeologische Untersuchungen, liefert jedoch gewisse Zweifel ob einer originären Verortung des Werkes als Bestandteil des Neujahrfestes. 205 Entweder waren für den altorientalischen gebildeten Leser die Anspielungen deutlich genug, oder der hier beschriebene Vorgang sollte bewusst als nicht (mehr) greifbar dargestellt werden. Ein solches Vorgehen erweist sich besonders dann als sinnvoll, wenn dadurch dem Werk durch sein fiktives hohes Alter Autorität verliehen werden sollte, wie es hier vermutlich der Fall ist.

2.2. Die Verortung des Werkes

97

Ehrwürdigkeit verliehen werden sollte – ein Motiv, das im Alten Orient weit verbreitet war (WILCKE 1977, S. 174).206 Ebenfalls unterbestimmt bleibt die Instanz, für die das Werk (oder die Anweisung) bewahrt werden soll. Die Rekurrenz des Verbs šemû in Vers VII 158 zu VII 148, verweist auf den König. Alternativ könnte auch allgemein von der Tradierung innerhalb der Marduk-Priesterschaft gesprochen werden. Beide Lesarten verbindet, dass Tradierung und Auslegung nicht dem Selbstzweck geschuldet sind. Stattdessen dienen sie entsprechend der Verse VII 148–156 dazu, Verehrung und Götterversorgung aufrecht zu erhalten und dadurch als Gegenleistung Frieden und Wohlstand für König und Untertanen zu gewährleisten. Damit wird hier ein Zielpunkt definiert, der außerhalb des Werkes liegt und in die Religions- und politische Praxis verweist. Dieser performative Selbstanspruch entspricht auch dem Ergebnis der textimmanenten Analyse der Semantik des Gesamtwerkes, wonach hier auch das Bild eines idealen Herrschers am Beispiel von Marduk entworfen wird (siehe § 7.5.). Schließlich bleibt das Subjekt des Verse VII 158 unklar, der jedoch sicher nicht mit dem maḫrû identisch ist. Nach Claus Wilcke spricht hier der Autor des Werkes von sich selbst in der dritten Person und drückt in einer Art Unterschrift seine Beweggründe für die Niederschrift aus (1977, S. 174). Interessanterweise markieren sich die Autoren hier nicht als die eigentlichen Urheber, da sie nur bereits Bestehendes aufschreiben. Dies unterstützt die Beobachtung, dass durch eine mögliche Verschleierung des tatsächlichen Ursprungs Tradition simuliert werden soll (siehe auch COOPER 1992, S. 111 Anm. 31), um so der Innovationskraft des Werkes, die durchaus als religionsrevolutionär bezeichnet werden kann, ihre Spitze zu nehmen. Das Lied auf Marduk ist alt und ehrwürdig und auf gar keinen Fall neu und innovativ, das ist die Botschaft der Verse VII 157f. 2.2.3.8. Letzte Anweisung und Inhalt des Textes (VII 159–162) Den Abschluss207 des Epilogs stellen die Verse VII 159–162 dar:208 VII 160

šīmat ⌈dMarū⌉tuk ša u[l]lû ilānū d Igigū ēma mû iššattû šu[mšu] lizzakrū

VII 161

in[ann]amma zamāru ša dMarūtuk

VII 159

Die Festsprechung für Marduk, die die Götter, die Igigi, erhöhten, wo auch immer Wasser getrunken wird, sollen sie [seinen] Namen (=die Festsprechung) sagen. Jetzt gilt es, das Lied auf Marduk,

206 Durch diese Deutung wird auch die Problematik des Verhältnisses der Verse VII 145–148 zu VII 157f., wie von Kai Metzler beschrieben (2002a, S. 471f.), beseitigt, denn die erstgenannten Zeilen beleuchten den in die Zukunft gerichteten Umgang mit dem Text und VII 157f. die Herkunft. Die Verse gemeinsam bilden nun wiederum den von Kai Metzler erwähnten stream of tradition (2002a, S. 471 Anm. 73), an dessen Anfang bspw. ein maḫrû (VII 157) steht, aber auch an jeder weiteren Nahtstelle der Weitergabe (VII 145) – um nur die prägnanteste lexematische Rekurrenz aufzugreifen. 207 Die Zeilen VII 163f. weist nur der Textvertreter aunb auf, auf dem sie zudem zu fragmentarisch sind, um sie inhaltlich näher auszuwerten. Die Nennung von Babylon und eines Tempels? könnte aber ebenfalls einen Hinweis auf eine kultische Verortung enthalten. 208 Die Ausweisung der Schreibvarianten und kleinere philologische Kommentierungen finden sich in § 2.2.3.1.

98 VII 162

Kapitel 2: Pragmatisch-extrarelationale Dimension des enūma eliš [ša] Tiā[mta i]kmûma ilqû šarrūti

[der] Tiāmtu gebunden und die Königsherrschaft angenommen hat.

Ihre Adressierung – insbesondere der Zeilen VII 159f. – ist nicht eindeutig und hängt insbesondere an der Interpretation des Prädikats lizzakrū („sie sollen einander sagen“) im Zusammenspiel mit dem Lokalsatz ēma mû iššattû („wo auch immer Wasser getrunken wird“). Als erstes kann es sich um die in Vers VII 158 genannten arkûtu („Spätere“) und damit um Menschen handeln. Dies gilt insbesondere dann, wenn der vorangestellte Nebensatz die Bewässerung von Feldern beschreibt (siehe auch CAD Š2 2004, S. 215f.). Der Fruchtbarkeitsaspekt Marduks wird immer wieder im Werk angesprochen, so dass diese Ausdeutung funktionieren würde. Diese wäre insofern besonders spannend, da das Sprechen der Festsprechung für Marduks bzw. von Marduks Namen aus dem agrarischen akītu-Fest bekannt ist (siehe 2.2.3.3.). Hierzu muss jedoch einschränkend angemerkt werden, dass es sich bei dem Fest um ein Erntefest handelt und somit die Bewässerung von Feldern nicht im Fokus steht. Als zweites könnten jedoch auch die Götter aus VII 159 Subjekt des Satzes sein. Hierfür spricht zum einen die noch größere textliche Nähe; zum anderen wird der maskuline Plural bei Prädikaten im Werk fast ausschließlich (Ausnahme VII 146)209 für die Götter und nicht für die Menschen verwendet, auf die in der Regel durch den femininen Plural Bezug genommen wird (siehe auch § 5.2.5.). Zudem könnte der Lokalsatz auf die Libationspraxis verweisen (siehe auch CAD Š2 2004, S. 208f.).210,211 In diesem Falle spricht der Text jedoch nicht vom Libieren (akkadisch: naqû), sondern vom Trinken (šatû), womit der Fokus auf den Empfängern der Libation, den Göttern, liegt. Schließlich könnte die Variante von Textvertreter JHuz, der in Vers VII 160 statt šumšu („sein Name“) šunu („sie, ja sie“) schreibt und somit das Subjekt des Satzes besonders betont, für die Götter als Handelnde sprechen. Im Falle der ersten Deutung (Adressierung der Menschen) knüpft der Prekativ an die Anweisungen an die religiösen Experten (VII 145–148) und den König (VII 149f.) an (siehe auch §§ 2.2.3.3. und 2.2.3.4.). In diesem Sinne werden hier auch nicht alle Menschen angesprochen, sondern nur die an dem Kult beteiligten und damit die in den Text bzw. seine Botschaft Eingeweihten – sprich die bereits genannten religiösen Experten und der König. Als neue Information kommt hier nun die konkrete Verortung im Rahmen einer Kultpraxis (Agrarfeste bzw. Libationen) hinzu, in der dem Text eine zentrale Rolle zugewiesen wird. Anders verhält es sich bei der zweiten Deutung (Adressierung der Götter), wonach hier nun eine neue Qualität im Epilog hinzukommt. Der Umgang der Menschen mit dem Text wurde bereits in VII 145–150 thematisiert, so dass sich nun 209 Diese Ausnahme könnte wiederum ein Argument für die Menschen als Akteure in VII 160 sein, denn sowohl in VII 146 als auch in VII 160 wird der Gt-Prekativ verwendet. 210 Wasser als Libationsgabe an Götter ist im Alten Orient unterschiedlich belegt (bspw. CAD Š2 2004, S. 209; CAD N1 2008, S. 337). Das akkadische Lexem mû kann außerdem nicht nur für Wasser, sondern auch allgemein für Flüssigkeiten stehen (CAD M2, S. 154f.). 211 Durch das Lexem mû („Wasser“) wird vermutlich auch auf den Anfang des Textes rekurriert, als Tiāmtu und Apsû ihre Wasser miteinander vermischen (I 5).

2.2. Die Verortung des Werkes

99

abschließend der Blick auf die Götter richtet. Die enorme theologische Konsequenz der Zeilen VII 159f. liegt nun darin, dass auch im Kult der anderen Götter (ēma mû iššattû „wo immer auch Wasser getrunken wird“) des Supremats Marduks (šīmat d Marūtuk ša u[l]lû ilānū „die Festsprechung für Marduk, die die Götter erhöhten“) von Seiten ebendieser Götter gedacht wird. Hierbei geht es nun nicht um eine Rezitationspraxis auf Menschenebene, sondern um eine Handlung, die die Götter vollziehen, wenn ihnen Opfer dargebracht werden. Durch die Lexematik greift der Vers auf das Geschehen im Werk zurück, als die Götter Marduk ein drittes und finales Mal zum Götterherrscher einsetzten und dabei „die Festsprechung für Marduk erhöhten“ (šīmat dMarūtuk ullû, VI 96) (siehe auch § 6.3.4.). Durch diesen Akt unterwarfen sie sich freiwillig dem neuen Götterherrscher, den sie so über sich erhoben (siehe auch § 7.4.). Auch die Formulierung šumšu lizzakrū („sie sollen seinen Namen sagen“) ist durch den vorangehenden Text aufgeladen. So beschreibt die Phrase šuma zakāru den Akt der Namensgebung und nicht nur der -nennung (bspw. VI 166; siehe auch § 5.2.), so dass die Götter in Vers VII 160 dazu aufgerufen werden, seinen Namen zu sprechen, womit sie zugleich die frühere Namensgebung wiederholen. Diese Benennung wiederum sind Teil der Selbstunterwerfung der Götter und somit eng mit der Erhöhung der Festsprechung für Marduk verbunden (siehe auch § 5.3.3.).212 Zusammengefasst deuten gerade die textimmanenten lexematischen Bezüge auf die Götter als Adressaten der Verse VII 159f. Demnach werden sie dazu angehalten, im Moment ihres eigenen Suprematserlebnisses (sie erhalten von den Menschen Opfergaben) ihre eigene Unterwerfung unter die absolute Herrschaft Marduks nicht nur vor Augen zu führen, sondern jedes Mal erneut zu wiederholen. Liest man die in VII 160 angesprochenen Libationshandlungen metonymisch für alle menschlichen Götterdienste, so verankert sich das Werk als wirkmächtig in jeglicher kultischer Praxis. Die abschließenden beiden Verse werden durch das Lexem inannama („jetzt“) eingeleitet, was vermutlich einen Kontrapunkt zum Anfang des Werkes setzt, der in mythischer Vorzeit verortet wird (enūma eliš „Als oben …“ I 1). Durch das Zeitadverb wird auf die (rituelle) Jetztzeit Bezug genommen, wodurch es sich zusätzlich innerhalb des Epilogs von der unbestimmten Vergangenheit eines maḫrû („Früheren“ VII 157, siehe auch § 2.2.3.7.) absetzt. Nachdem in Vers VII 160 die unbeschränkte räumliche Gültigkeit und Wirkmächtigkeit des Werkes betont wurde, wird nun seine performative Aktualität hervorgehoben.213

212 Durch das Libieren werden die Götter versorgt, was Marduk ihnen im Zuge seines Aufstiegsvertrags zugesichert hatte (siehe § 6.3.2.), so dass nach jeder Erfüllung der Vertragspflichten Marduks auch die Götter ihre Verpflichtung erfüllen; sie wiederholen die Einsetzung des Götterherrschers jedes Mal aufs Neue (siehe auch § 8.2.5.). 213 Ähnliches hat Annette Zgoll für den Text Innana holt das erste Himmelshaus auf die Erde (2014 i.V., Anmerkung zu Z. 158) herausgearbeitet.

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Kapitel 2: Pragmatisch-extrarelationale Dimension des enūma eliš

In Vers VII 161 bezeichnet sich der Text selbst als zamāru ša dMarūtuk („Lied auf Marduk“), dessen Inhalt knapp mit Vers VII 162 umrissen wird (siehe auch § 3.1.2.).214 Das Substantiv zamāru findet sich nicht nur im enūma eliš als Selbstbezeichnung, sondern beispielsweise auch im altbabylonischen Kontext im Agušaja-Lied (GRONEBERG 1997, S. 87 v23) oder im Fragment CT 15, 1–2 (WILCKE 1977, S. 154:1). oder auch im jungbabylonischen sogenannten Erra-Epos (CAGNI 1969, S. 126 V 49 & S. 128 V 59).215 Bei zamāru handelt es sich um eine recht weite Kategorie, in der verschiedene literarische Werke zusammengefasst wurden, wobei nicht die Textgattung, sondern die Vortragsweise herausgestellt wurde. In Abgrenzung zu irtu scheint es sich bei zamāru zumindest in altbabylonischer Zeit um Stücke zu handeln, die nur durch ein Saiteninstrument begleitet oder sogar nur rein stimmlich vorgetragen wurden (SHEHATA 2009, S. 237f.).216 Inwiefern dieser Befund auch für das späte 2. und das 1. vorchristliche Jahrtausend gilt, bedarf der weiteren Untersuchung. Insgesamt deutet das Lexem zamāru jedoch auf eine musikalisch konnotierte Vortragspraxis. 2.2.3.9. Zusammenfassung Der Epilog kann in vier Teile unterteilt werden. In den Zeilen VII 145–148 werden Anweisungen an die Marduk-Priesterschaft formuliert, wie mit dem Text umzugehen ist. Dies umfasst schriftliche und mündliche Tradierung sowie exegetische Auslegung innerhalb einer geschlossenen Gemeinschaft. Somit wird hier, anders als häufig interpretiert (OPPENHEIM 1947, S. 237; LAMBERT 1984, S. 4; DIETRICH 2006, S. 158; FRAHM 2011, S. 346), keine allgemeine Verbreitung der Botschaft des Textes beschrieben, sondern im Gegenteil eine esoterische Beschäftigung mit seinem Inhalt. Diese dient unter anderem dazu, den König zu Frömmigkeit anzuhalten. Die Botschaft an den König umfasst die Verse VII 149–156, in denen mit Versprechen und Drohung Marduks Anspruch untermauert und die Motivation des Königs zu mardukgefälligem Verhalten befördert wird. Anschließend wird in zwei Versen eine fiktive Tradition für den Gesamttext entwickelt, um ihm mehr Autorität zu geben und ihm dadurch das Stigma der innovativen Revolution zu nehmen (siehe auch WILCKE 1977, S. 174). In den letzten vier Zeilen verankert sich das Werk in allen kultischen Diensten an den Göttern, was mit der Selbstbezeichnung als „Lied auf Marduk“ und einer knappen inhaltlichen Zusammenfassung endet. Damit begrenzt sich der im Epilog beschriebene menschliche Adressatenkreis auf die Marduk-Priesterschaft und den König, was mit den Berichten von Rezitationen des Werkes aus dem 1. vorchristlichen Jahrtausend korreliert. Hier zeigt sich eine 214

Während in VII 159 der Fokus auf der Erhöhung Marduks durch die Götter liegt und damit auf ihrer freiwilligen Selbstunterwerfung, geht es in VII 162 nun um Marduks wichtigste Tat, die Rettung der Götter, und seine neue Position, sein Götterkönigtum. Zum beide Aspekte verbindenden Geschäft auf Gegenseitigkeit siehe § 6.3.2. 215 Als Verb wiederum findet es sich auch im Lied auf Bazi in Zeile 59, wobei es sich auf das Substantiv šēru II („Lied, Gesang“ Z. 58) bezieht, womit sich das Werk vermutlich selbst bezeichnet (GEORGE 2009, S. 8). 216 Zur Vortragspraxis des enūma eliš sei auf Unterkapitel § 2.2.3.5. verwiesen.

2.3. Erörterung der Ergebnisse – Versuch einer Synthese

101

hohe Exklusivität, die von der wahrscheinlichen Anspielung auf den GeheimwissenKolophon in den Versen VII 145f. unterstrichen wird. Es lassen sich einzelne Hinweise auf eine originäre kultische Verwendungsabsicht im Epilog finden. So wird das Werk (oder nur die 50 Namen) erstmalig vor einer nicht weiter bestimmten Gestalt gesprochen, vielleicht auch rezitiert. Ebenso handelt es sich beim enūma eliš um ein zamāru, was zumindest für einen musikalisch konnotierten Vortrag spricht. Ansonsten präsentiert sich der Text als Gegenstand der Tradierungs- und Exegesepraxis religiöser Experten, die auf den König als Botschaftsempfänger zielt. 2.2.4. Zusammenfassung In der Analyse der Kolophone wurden sowohl „Assistenten/Studenten“, d.i. religiöser Experte in Fachausbildung (šamallû), als auch fertig ausgebildete religiöse Experten (speziell: šangû) als Schreiber identifiziert. Zusätzlich gibt es noch Hinweise auf die Praxis, dass eine Abschrift des Werkes als Weihgabe im Tempel aufgestellt wurde. Mit Blick auf die Fundkontexte zeigt sich, dass in Assyrien die älteren Funde getätigt wurden, wobei das Spektrum von Privathäusern (speziell Wohn- und Ausbildungsstätten religiöser Experten), über einen Palast bis hin zu einem Tempel reicht. Bis auf den unklaren Befund in Kiš (Mound W) und den Einzelfund in Babylon beschränken sich die babylonischen Fundkontexte auf Tempel, wobei es sich aber um Einrichtungen ganz unterschiedlicher Gottheiten handelt (Nergal, Aja, Ištar). Anders stellt sich das Werk im Epilog dar, wo es sich exklusiv auf den Tempel Esaĝila zu beschränken und sich lediglich an die dortige Marduk-Priesterschaft und den babylonischen König zu richten scheint. Dieser Umstand wird durch einen wahrscheinlichen Bezug zum Geheimwissen-Kolophon untermauert. Möglicherweise wird im Epilog auch auf kultische Rezitationen angespielt, die sich erst in den jüngeren werkexternen Belegen zur Kultpraxis des 1. vorchristlichen Jahrtausends greifen lassen.

2.3. Erörterung der Ergebnisse – Versuch einer Synthese Widersprüchliche Befundlage: Ausbreitung vs. Geheimwissen Die Untersuchung zur raum-zeitlichen Einordnung und der situativen Verortung produzierte Ergebnisse, die sich in der Zusammenschau teils zu widersprechen scheinen. Eine Charakterisierung des Werkes als Geheimwissen passt nur schwerlich zu dem Umstand, dass ein Exemplar als Weihtafel im Tempel in Borsippa aufgestellt wurde, auch wenn der Zugang zum Tempel teils beschränkt ist.217 Wenn der Text exklusives Wissen der Marduk-Priesterschaft in Babylon ist, wieso finden sich dann verteilt über mehrere Jahrhunderte Textvertreter in ganz Mesopotamien? So existieren Tafeln aus Assur und Ninive (Assyrisches Kernland), aus Uruk und Ur (Südbabylonien), aus Ḫuzirīna (Anatolien) und Mê-Turnat (Diyāla-Region), aus 217 Siehe WAERZEGGERS 2008, S. 15ff. und JURSA 2013, S. 153. Eine Schilderung der topographischen Exklusivität innerhalb eines Tempels findet sich zusammengefasst in § 2.2.3.3. Anm. 167.

102

Kapitel 2: Pragmatisch-extrarelationale Dimension des enūma eliš

Babylon und Sippar (Nordbabylonien) – und noch einigen anderen Orten. Ein geheimer Text, der nur zu dem Kult des Esaĝila in Babylon gehörte, hätte wohl schwerlich eine solche Verbreitung erfahren. Es kommt noch hinzu, dass es sich bei etlichen Textzeugen um Schülertafeln (Typ 2a) handelt, die Auszüge aller sieben Tafeln des Werkes umfassen (OELSNER 2009, S. 463). Zudem ist das Lied auf Marduk fester Bestandteil der Schultexte vom Typus 2a (GESCHE 2000, S. 174). Diachrone Lösung: Babylonische Exklusivität erliegt assyrischer Verbreitung Eine Auflösung dieser Widersprüche kann durch eine raum-zeitliche Differenzierung erreicht werden, wobei zunächst auf eine Einordnung der Fundkontexte eingegangen werden soll. Selbstverständlich ist bei Argumentationen, die auf dem Befund der Textzeugenverteilung beruhen, aufgrund des Fundzufalls Vorsicht angeraten. Dennoch lässt sich aus der chronologischen und geographischen Verbreitung der Zeugen möglicherweise ein Schlüssel für die – vermeintliche – Diskrepanz zwischen Verbreitung und Exklusivität des Textes ableiten. So entstammen die ältesten identifizierten Textzeugen in etwa dem Zeitraum 900 bis 750 v. Chr. und wurden in Assur gefunden (OELSNER 2009, S. 464; LAMBERT 2013, S. 4, 442),218 wobei VAT 10346219 von Stefan M. Maul im Rahmen des Assur-Projekts sogar auf die Jahrtausendwende oder älter datiert wurde (GEORGE 2005/2006, S. 87 Anm. 15); Wilfred Lambert führt die Textvertreter Taf. I UAss, Taf. II HAss, IAss, Taf. IV HAss, IAss, JAss, Taf. VI CAss als die frühsten Exemplare (um 900 v. Chr.) an (2013, S. 4). Die älteste erhaltene Tontafel babylonischer Paläographie (ca. 680–662 v. Chr.) wurde wahrscheinlich in Babylon ausgegraben, so dass in den Funden interessanterweise ein Ausbreitung von Assyrien nach Babylonien vorliegt und nicht umgekehrt, was eher zu erwarten gewesen wäre. Es steht zwar noch die flächendeckende Untersuchung aus, ob es sich hierbei um ein allgemeines, typisches Überlieferungsmuster jungbabylonischer, literarischer Texte handelt oder um ein Spezifikum des enūma eliš, doch ließe es sich möglicherweise speziell für das Lied auf Marduk erklären. Zu der Tafelverbreitung gehört noch, dass die ältesten Schülertafeln vermutlich aus Assur stammen, wohingegen die babylonischen Schülertafeln in spätere Zeit gehören, so dass die Verwendung im babylonischen Schulkontext der assyrischen Praxis vielleicht zeitlich nachfolgt. Um diese Verbreitung zu erklären, lohnt sich ein Blick auf den assyrischen Umgang mit dem Text. So ist das assyrische Verhältnis zu dem babylonischen Hauptgott Marduk teils theologischen und ideenpolitischen Verwerfungen unterworfen, was sich in den assyrisierten Versionen220 des Textes niederschlägt, in denen unter 218 Interessanterweise weisen diese ältesten spät-mittelassyrisch eingeordneten Textvertreter bereits einen deutlichen assyrischen Einschlag auf (LAMBERT 2013, S. 10), so dass der Text wahrscheinlich bereits früher nach Assur gelangte. 219 Textzeuge Taf. I OAss. 220 Dabei handelt es sich um die Textzeugen Taf. I MAss, NAss, Taf. III DAss und Taf. V ENin (LAMBERT 1997a, S. 77; FRAHM 1997, S. 284 Anm. 25). Möglicherweise ist noch der Textvertreter FNin der fünften Tafel hierzu zu zählen (siehe § 3.13.4. Anm. 183). Sie entstanden vermutlich unter dem Herrscher Sanḫerib (FRAHM 1997, S. 284; Zweifel daran äußert LAMBERT 2013, S. 5). Durch

2.3. Erörterung der Ergebnisse – Versuch einer Synthese

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anderem Marduk durch den Gott Aššur (unter dem Namen Anšar)221 und Babylon durch die Stadt Assur ersetzt werden (LAMBERT 1997a, S. 77). Im sogenannten Marduk-Ordal finden zudem Umdeutungen der Kultpraxis und des Inhalts des enūma eliš statt, die mit einer Herabsetzung Marduks und einer Aufwertung Aššurs verbunden sind. Zudem beinhalten die Annalen des Sanḫerib222 etliche Anspielungen an den Text des enūma eliš, der somit auch unter den assyrischen Würdenträgern bekannt war (TALON 2001, S. 269). Schließlich ist eine Gründungsstele von Sanḫerib für ein bīt akīti (einen Neujahrsfest-Tempel) erhalten, auf der das Neujahrsfest als Kampf gegen Tiāmtu interpretiert wird.223 Anstatt Marduk tritt dort Aššur als Götterheld auf (LUCKENBILL 1924, S. 139–141). Auf einer weiteren Gründungsstele für den Tempel rühmt sich der Herrscher, Babylon zerstört und die Götterbilder zerbrochen zu haben (IBID, S. 137:36f.). Der assyrische Umgang mit dem Werk – vor allem unter Sanḫerib – zielt zum einen auf eine Uminterpretation des Werkes zugunsten des eigenen Staatsgottes.224 Zum anderen wird der Text für religionsprogrammatische Zwecke verwendet und somit einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht, wie die Unterschrift des Marduk-Ordals verdeutlicht, die die Propagierung des Inhalts vorschreibt.225 Die Textzeugen aus Babylonien datieren in die Zeit nach der assyrischen Verbreitung und teilweisen Umdeutung des Werkes. Diese spätere babylonische Ausbreitung kann möglicherweise eine bewusste Gegenreaktion auf die assyrische Indiskretion und die teilweise Inanspruchnahme des Werkes durch die Assyrer gewesen sein. Andererseits kann der Text auch allgemein eine größere Popularität erlangt haben, die sich in den Textzeugenfunden in Babylonien niederschlägt. Damit kongruiert das Auftauchen des Textes im Schulkontext, der zunächst assyrisch festzumachen ist und wahrscheinlich erst in späterer Zeit auch in Babylonien zu finden ist. Dort wurde er dann fester Bestandteil in der Ausbildung der zweiten Schulstufe die Umschreibung entstanden jedoch teils narrative Unstimmigkeiten durch zwei als Anšar bezeichnete Figuren (FRAHM 1997, S. 285; LAMBERT 2013, S. 5). 221 Diese Gleichung findet sich erstmalig bereits unter Sargon II. um das Jahr 720 v. Chr. (FRAHM 1997, S. 282f.; LAMBERT 2013, S. 5). 222 Dies gilt insbesondere für den 8. Feldzugbericht, speziell im Part über die Schlacht von Halule (691 v. Chr.) zwischen den Assyrern und einer Koalition aus Babyloniern, Elamern und weiteren Völkern (FRAHM 1997, S. 254). Darin vergleicht sich Sanḫerib mit Anšar/Marduk wohingegen die feindlichen Truppen mit den Verbündeten der Tiāmtu geglichen werden ( IBID, S. 279). 223 Nach der Zerstörung Babylons konnte das akītu-Fest nicht mehr an alter Stätte durchgeführt werden, so dass Sanḫerib es im Rahmen seines theologischen Reformprogramms nach Aššur verlagerte (FRAHM 1997, S. 284). Im Zuge dessen wurde die wichtige Feierlichkeit umgedeutet und somit theologisch vereinnahmt. Interessanterweise scheinen die Darstellungen am bīt akīti von den Darstellungen im enūma eliš abzuweichen (LAMBERT 2013, S. 5). 224 Die Reformtheologie dieses Herrschers, in der dem assyrisierten enūma eliš eine elementare Rolle zukam, wird sehr gut von Eckart Frahm zusammengefasst (1997, S. 282ff.) und von Galo W. Vera Chamaza en detail ausgeführt (2002). 225 Unter Sanḫerib herrschte eine theologische Dichotomie im assyrischen Reich vor, wonach Aššur in der Stadt Ninive als dAš-šur durch das Epitheton šadû rabû (akkadisch: „Großer Berg“) mit Enlil (Epitheton KUR.GAL, sumerisch: „Großer Berg“) geglichen wurde. Wohingegen in Assur als An-šár die Identifikation mit dem Gott Anšar aus dem Lied auf Marduk vertreten wurde (FRAHM 1997, S. 283).

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Kapitel 2: Pragmatisch-extrarelationale Dimension des enūma eliš

(GESCHE 2000, S. 172), in der fortgeschrittene Schüler mit dem Text in Kontakt kamen. Dabei ging es aber mehr um die Praxis des Schreibens komplexer Texte als um den Inhalt des Werkes, wie durch den Umstand deutlich wird, dass es stets kurze Exzerpte sind, die zudem häufig aus dem Kontext gerissen wurden (GESCHE 2000, S. 174). In eine andere Richtung verweisen die spätbabylonischen Kultbeschreibungen (Rezitationen am 4. Nisannu und 4. Kislīmu), die einen Vortrag des Textes im Allerheiligsten schildern. Diese exklusive Vortragspraxis ist möglicherweise auch im Epilog des enūma eliš angesprochen (VII 157), so dass sich in der kultischen Exklusivität (im Hinblick auf Person, Ort und Zeit) ein Widerhall der ursprünglichen Verortung des Werkes finden kann, die sich demnach über die Jahrhunderte erhalten hätte. Im Gegensatz zu den oben geschilderten, sekundären Verwendungen des Werkes in der assyrischen Inanspruchnahme, in der Schreiberausbildung – und damit ableitbar auch als Weihgabe – offenbart sich daher im Kult möglicherweise die ursprüngliche und damit primäre Verortung im Rahmen der babylonischen MardukPriesterschaft.226 Auch das politische Verhältnis zwischen Tempel und König, wie es im Epilog angesprochen wird (VII 149ff.), findet sich im akītu-Fest wieder, wenn der König einen Rechenschaftsbericht vor dem šešgallu und dem Gott ablegen muss und erst danach wieder in seiner Ämter eingesetzt wird (siehe bspw. ZGOLL 2007, S. 179f.). Durch das dargelegte Hypothesenraster zeigt sich insgesamt ein recht einheitliches Erklärungsbild für die anfänglich konträr wirkenden Befunde zum Sitz im Leben. Die Begründung fußt maßgeblich darauf, dass das Fehlen älterer Textzeugen aus Babylonien als argumentum ex silentio für die im Werk angedeutete ursprüngliche Exklusivität (Stichwort: Geheimwissen) gelesen wird, die maßgeblich davon abhängt, dass ebendiese Verteilung der Textvertreter ein Spezifikum des Werkes ist.227 Eine größere Verbreitung findet gemäß den Tontafelfunden über Assyrien statt228 und ein vergleichbarer Umgang geschieht in Babylonien erst später. Dabei kann es sich entweder um eine gezielte Gegenbewegung gegen die assyrischen Versuche der Inanspruchnahme und Umdeutung des enūma eliš handeln, oder die räumliche und funktionale Expansion ist dem schon eingetretenen Verlust der Exklusivität geschuldet. Die assyrische Reduzierung der Exklusivität des Werkes würde dann auch seine nicht mehr ganz so esoterische Verwendung als Übungstext in den babylonischen Ausbildungsstätten religiöser Experten erklären. Doch auch eine solche Verbreitung bedeutet nicht, dass der Inhalt des Textes allen bekannt war, geschweige denn, dass ihn alle verstanden haben. Die hohe Kunstfertigkeit im Umgang mit der Keil226 Dabei muss man trennen zwischen der indirekten Wirkmächtigkeit des Werkes in allen menschlichen kultischen Handlungen, welche vermutlich in den Versen VII 159f. thematisiert wird (siehe § 2.2.3.8.) und der hier angesprochenen wörtlichen Rezitation des Werkes in Rahmen einzelner Riten. 227 Leider fehlen jegliche (publizierte) literarische Funde aus der potentiellen Entstehungszeit des enūma eliš aus Babylon (SOMMERFELD 1985, S. 98), so dass sich die Verbreitung des Textes an seinem vermutlichen Entstehungsort vollständig unserer Kenntnis entzieht. 228 Wie dies religions-, aber v.a. religionshistorisch zu interpretieren ist, muss an dieser Stelle offen bleiben.

2.3. Erörterung der Ergebnisse – Versuch einer Synthese

105

schriftlichkeit (siehe § 5.2. und MICHALOWSKI 1990, S. 394f.) bedurfte zum tieferen Verständnis des Textes einen sehr hohen Grad an Literarität, über den nur sehr gebildete Schreiber verfügten. So hat der Text (bzw. seine Autoren) über die Anweisungen im Epilog hinaus dafür gesorgt, dass er nicht allgemein zugänglich war, d.i. verstanden werden konnte. Auch wurden an keiner Fundstätte, an der die Fundsituation dokumentiert wurde,229 alle sieben Tontafeln des Werkes gefunden. Nur im assyrischen Ḫuzirīna sind sechs von sieben Tafeln erhalten, wobei gerade die vierte Tafel des Werkes230 häufig kopiert wurde (sechsmal). Anders verhält es sich in den (zumeist babylonischen) Tempeln, in denen sich maximal Kopien von zwei Tafeln des Werkes finden (siehe § 2.2.2.). Eine Interpretation dieser Befundlage ist unter anderem aufgrund der kleinen Stichprobe (16% aller Textzeugen verfügen über einen dokumentierten Fundkontext) und der teils unvollständigen archäologischen Erschließung der Fundstätten (bspw. in Gestalt der Suchgräben in Assur, siehe § 2.1.3.1.) schwierig.231 Ein möglicher Ansatz lässt sich vielleicht aus den externen Quellen ableiten, die von Rezitationen des enūma eliš in der Cella im Esaĝila berichten. Dabei wird betont, dass das Werk im Rahmen des akītu-Festes von Anfang bis Ende vorgetragen wurde (siehe § 2.2.3.5.). Dass diese Vollständigkeit derart expliziert wird, könnte damit zusammenhängen, dass übliche Vorträge nicht das Gesamtwerk umfassen. Somit muss es nicht gegen kultische Rezitationen in anderen Tempeln sprechen, dass dort keine vollständigen enūma eliš-Serien gefunden wurden, da die Vorträge vielleicht nur Teile des Lieds auf Marduk umfassen. Doch dieses sei nur als hypothetisches Deutungsszenario angeführt, das in sich viele weitere Fragen aufwirft.232 Auf Basis dieser Befunde zeigt sich, dass trotz der großen Verbreitung des Textes das Wissen um den Gesamttext möglicherweise immer noch ein exklusives Gut war, über das nur der Marduk-Tempel in Babylon sicher verfügte. Synthese: Esoterische Verortung zum Wohlergehen des Landes Bei dem enūma eliš handelt es sich vermutlich um einen exklusiven Text des Marduk-Kultes, der sich originär auch in der Marduk-Priesterschaft in Babylon verortet.233 Dabei kam ihm spätestens im 1. Jahrtausend v. Chr. eine Schlüsselrolle im 229

Damit sind Ninive und Teile der Assur-Funde an dieser Stelle ausgeklammert. Aus Ninive existieren Vertreter aller sieben Tafeln des Werkes, was vermutlich mit der Bibliothek Assurbanipals zusammenhängt. Ob es hier aber eine Sammlung gab, die tatsächlich alle sieben Tafeln umfasste oder auch hier die Einzelsammlungen nur fragmentarisch waren, entzieht sich leider der Kenntnis. In Assur fehlt, selbst wenn alle Funde zusammenfasst werden, gemäß der aktuellen Ausgrabungslage immer noch ein Vertreter der fünften Tafel. 230 In dieser wird Marduks erste Erhöhung, sein Sieg gegen Tiāmtu und der Beginn der Weltschöpfung geschildert, siehe §§ 3.10. und 3.11. 231 Zudem muss stets auch die Frage beantwortet werden, warum die gefundenen Tontafeln an den jeweiligen Orten zurückgelassen wurden (siehe auch § 2.2.2. Unvollständigkeit der Tontafelserien). 232 So müsste hierfür das Verhältnis zwischen Niederschrift und Aufbewahrung von Texten und ihre Rezitation im Kult bekannt sein. Dabei müsste bspw. die Relation zwischen Schriftlichkeit und Auswendiglernen berücksichtigt werden. 233 So diese Verortung richtig ist, erschwert dies möglicherweise das Unterfangen einer Datierung des Textes, da er seine Kreise erst zu einem späteren Zeitpunkt verlassen haben kann. Da keine

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Kapitel 2: Pragmatisch-extrarelationale Dimension des enūma eliš

akītu-Fest zu. Doch seine pragmatisch-extrarelationale Wirkkraft entfaltet der Text nicht nur im Ritus, sondern auch allgemein im Verhältnis zum König, der im Epilog als einziger nicht-priesterlicher Adressat angeführt wird und an den sich die Botschaft des Textes richtet. Der Text liefert über die Auslegung durch die religiösen Experten das Wissen, wie das Wohlergehen des Landes und des Herrschers sichergestellt werden kann, nämlich indem Marduk als der oberste Gott verehrt und seinen Anweisungen (Verehrung und Versorgung) entsprochen wird. In dem im Gesamtwerk dargelegten henotheistischen Kosmos liegt in dem Wohlwollen des Herrschergottes der Schlüssel für Erfolg und Wohlstand und hierzu öffnet nun das Wissen um den Inhalt des Textes den adäquaten Zugang. Damit stellt dieses Wissen im wahrsten Sinne des Wortes „Herrschaftswissen“ (PONGRATZ-LEISTEN 1999a, S. 288) dar, da es elementar für die konkrete Herrschaftspraxis des babylonischen Herrschers war beziehungsweise sich als derart stilisiert. Dies erklärt dann auch, warum dieses Wissen als Geheimwissen ursprünglich nur wenigen zugänglich sein durfte und die Auslegung des Textes so wichtig ist. Die Kompetenz in Sachen Tradierung und Exegese liegt bei ausgewählten Marduk-Priestern, so dass ihnen diese Aufgaben obliegen. Gemeinsam sorgen somit diese Marduk-Priester und der babylonische König für das Wohlergehen des Landes – und dieses ist schlussendlich der entscheidende extrarelationale Zweck des Werkes.

Tontafelfunde aus seiner möglichen Entstehungszeit aus Babylon existieren (SOMMERFELD 1985, S. 98), wird eine absolute Datierung weiter erschwert. Neben den verschiedenen intertextuellen Allusionen (siehe bspw. LAMBERT 1986 und 2013, SERI 2006 und 2012), die eine relative Chronologie ermöglichen, kann vielleicht auch das im Epilog beschriebene Verhältnis zwischen Palast und Tempel einen Schlüssel für die historische Verortung des Werkes liefern.

Kapitel 3

Struktur und Inhalt des enūma eliš 3.1. Umfang und Selbstbezeichnung 3.1.1. Umfang des Textes Das enūma eliš ist ein kanonischer Text, der sich auf sieben Tafeln verteilt. Von allen sieben Tafeln sind Textzeugen erhalten, wodurch sich das Werk fast lückenlos rekonstruieren lässt. Die folgenden Ausführungen beruhen auf der Edition von Wilfred Lambert (2013) ergänzt um Hinweise aus der Edition von Thomas Kämmerer und Kai Metzler (2012). Größere Leerstellen gibt es insbesondere noch auf der fünften Tafel (V 26–48, 66, 91, 96–107, 132, 134, 136, 139–150, 154–158),1 was etwa 34% der fünften Tafel und knapp 5% des Gesamtwerkes entspricht. Insgesamt besteht der Text aus 1.094 Zeilen,2 die sich unterschiedlich auf die sieben Tafeln verteilen (siehe Tabelle 10). Die umfangreichste ist Tafel VI mit 166 Zeilen, die kürzeste ist Tafel III mit lediglich 138 Versen. Tabelle 10: Der Zeilenumfang der sieben Tafeln des enūma eliš3 Tafelnummer I II III IV V VI VII  Mittelwert

1

Zeilen je Tafel 162 162 138 146 1584 166 1625 1.094 156,3

Zusätzlich könnte man noch die Verse VII 163f. hinzunehmen (siehe auch Anm. 5). Mit VII 163f. handelt es sich insgesamt um 1.096 Verse (siehe auch Anm. 5). Eine andere Zählung mit insgesamt 1.094 Zeilen findet sich bei D IETRICH 2006, S. 139 Anm. 14; IBID 2008, S. 56 Anm. 32. 4 Thomas Kämmerer und Kai Metzler zählen nur 156 Zeilen (2012, S. 245f.). 5 Textzeuge aunb verfügt noch über zwei weitere abschließende Zeilen (VII 163f.), so dass auch eine Version der Tafel VII mit 164 Zeilen existiert (L AMBERT 2013, S. 132). 2 3

108

Kapitel 3: Struktur und Inhalt des enūma eliš

3.1.2. Antike Titulatur und Selbstbezeichnung Wenn vom hier untersuchten Werk in der Forschungsliteratur gesprochen wird, findet sich häufig die Bezeichnung ‚Babylonisches Weltschöpfungsepos‘ o.ä. (siehe § 1.3.3.1.). Dies ist jedoch ein neuzeitlicher Titel. Im Alten Orient wurden Texte meist nach ihrem Anfang, dem Incipit, benannt. In diesem Falle handelt es sich um enūma eliš („Als oben…“), dem Anfang der ersten Zeile der ersten Tafel: enūma eliš lā nabû šamāmū6

I1

Als oben die Himmel (noch) nicht benannt waren, …

Diese Form der Bezeichnung eines Werkes enthält anders als heute zum Teil üblich keinerlei zusammenfassende Inhaltsangabe, gibt nicht den Kern, die Hauptfigur(en) oder die zentrale Botschaft des Textes wieder und macht auch keine Angaben über die Textgattung. Da diese (mindestens) drei Punkte erst das Ergebnis einer intensiven inhaltlichen Auseinandersetzung sind, wurde bisher und wird im Folgenden stets das Incipit als Name des Werkes verwendet. Neben dem Incipit enūma eliš gibt der Text jedoch am Ende in den letzten zwei Zeilen des Textes7 im Epilog eine Kurzzusammenfassung des Werkes, die auch an eine Art Doxologie des Gottes Marduk erinnern:8 VII 161 VII 162

in[ann]amma zamāru ša dMarūtuk [ša] Tiā[mta i]kmûma ilqû šarrūti

Dies ist es: Das Lied auf Marduk, [der] Tiāmtu gebunden und die Königsherrschaft angenommen hat.

Diese Rekonstruktion des akkadischen Textes folgt der Edition von Wilfred Lambert (2013, S. 132), welche durch die Kollation der Textzeugen aunb (IBID, Plate 27) und JHuz (IBID, Plate 32) neue Klarheit über den Wortlaut der beiden Zeilen geschaffen hat. Der Abschluss des Werkes war in der bisherigen Forschung unter anderem auch aufgrund seines fragmentarischen Zustandes Gegenstand zahlreicher Rekonstruktions- und Deutungsversuche: AHW 2 1972, S. 626 VII 161

maš?-šiš-t[um!?-]ma zamāru ša GN

LAMBERT, PARKER 1967, S. 479 VII 161 VII 162

⌈x⌉-ŠEŠ-⌈x⌉10 za-ma-ru šá dAMAR.UTU [šá] ti-am[at i]k-mu-ma il-qu-u šar-ru-ti

WILCKE 1977, S. 172 VII 161 VII 162

6

[m]a?-šiš-t[um-m]a za-ma-ru šá dMarduk [šá] t[i-ama]t [i]k-mu-ma il-qu-u šar-ru-ti

KAss und aKiš: šamāmī. Ausgenommen die Zeilen VII 163f., die nur auf Textvertreter a unb belegt und zu fragmentarisch für eine inhaltliche Deutung sind. 8 Zu Varianten des Textes siehe § 2.2.3.1. 9 Nach Lesung der Kompositkeilschrift. 10 Ggf. auch zwei kurze Zeichen. 7

3.1. Umfang und Selbstbezeichnung

109

CAD M1 2004, S. 367 (basierend auf einer Kollation von Wilfred Lambert) VII 161 VON SODEN

[l]ì-šas-s[u-m]a zamāru ša dMarduk

1984, S. 227 Anm. 50; 1996, S. 287

VII 161 VII 162

ši-sis-s[u-m]a zamāru ša dMarduk [ša] Ti[āmat i]kmûma ilqû šarrūti

MICHALOWSKI 1990, S. 395 VII 161 VII 162

[l]i?-šas-s[u ?-m]a za-ma-ru šá dAMAR.UTU [ša] ti-a[mat i]k-mu-ma il-qu-u šar-ru-ti

FOSTER 1991, S. 21 VII 161 VII 162

[l]ì-šas-s[u-m]a za-ma-ru šá dAMAR.UTU [šá] ti-amat ik-mu-ma il-qu-u šar-ru-ti

VANSTIPHOUT 1992, S. 37 Anm. 2 VII 161 VII 162

⌈x⌉ ŠEŠ ⌈x⌉ za-ma-ru šá dMarduk [šá] ti-⌈amat ik⌉-mu-ma il-qu-u šar-ru-ti

TALON 2005, S. 76 VII 161 VII 162

[l]ì-šas-s[u-m]a za-ma-ru šá dAMAR.UTU [šá] ti-amat ik-mu-ma il-qu-u šar-ru-ti

ZGOLL 2006a, S. 51 VII 161 VII 162

⌈ú⌉-šeš-m[i-m]a zamāru ša dMarduk [šá] Tiā[mat i]kmû ilqû šarrūti

KÄMMERER, METZLER 2012, S. 314 VII 161 VII 162

[l]išass[ūm]a zamāru ša dMarduk [ša] Tiā[mta i]kmûma ilqû šarrūti

Claus Wilcke stützte sich in seiner Wiedergabe der Zeile auf einer Rekonstruktion von Wolfram von Soden veröffentlicht im Akkadischen Handwörterbuch (AHW). Parallel erschien die Kollation von Wilfred G. Lambert im Chicago Assyrian Dictionary (CAD), die die ältere Lesart ausschloss. Gegen diese argumentierte nun wiederum Wolfram von Soden, der einen D-Stamm von šasû und generell ein Prädikat an dieser Stelle ausschloss und stattdessen für eine Nominalphrase šisīssuma („sein (eigener) Ausruf“) plädierte (1984, S. 227 Anm. 50). Philippe Talon griff wiederum die Lesung der Kollation von Wilfred Lambert wieder auf, was Foster explizit machte (1991, S. 22 Anm. 17). Piotr Michalowski wiederum fußte nach eigenen Angaben in seiner Rekonstruktion der Zeilen auf dem Komposittext von Lambert und Parker (1990, S. 395 Anm. 52), ebenso Herman Vanstiphout (1992, S. 37 Anm. 2). Die kurze Wiedergabe der Forschung zu diesen beiden Zeilen des Werkes zeigt, dass sich die Forschungsmeinung der zwischenzeitlichen Interpretation von Wilfred Lambert (CAD M1 2004, S. 367) anschloss. Thomas Kämmerer und Kai Metzler stehen ebenfalls in dieser Tradition, verweisen aber auf eine Kollation von Oliver R. Gurney (1954–1956, S. 356), die „d(?)ŠEŠ.K[I?-m]a“ liest (KÄMMERER,

110

Kapitel 3: Struktur und Inhalt des enūma eliš

METZLER 2012, S. 314 Anm. 3).11 Abweichend dazu sei Annette Zgoll erwähnt, die eine alternative Lesung vorschlug. Dabei vermutet sie eine Rekurrenz des Verbs šemû („hören“), welches ebenfalls in Vers VII 158 im Epilog aufscheint (ZGOLL 2006a, S. 51 Anm. 188).12 Von diesen Versuchen weicht die nun aktuellste Rekonstruktion durch Wilfred Lambert insofern ab, dass kein finites Verb in Vers VII 161 zu finden ist. Doch scheint das Zeitadverb innana (wörtlich: „jetzt“) einen nah-deiktischen Charakter zu haben („(dieses) hier“) (ebenso LAMBERT 2013, S. 133), wobei die enklitische Partikel -ma als Kopula fungiert (siehe auch GAG § 162c). Durch die Deixis in Kombination mit der Selbstbezeichnung als zamāru („Lied“, siehe § 2.2.3.8.) erlangt der Vers VII 161 ähnlich wie in den älteren Rekonstruktionen einen – nun impliziten – prekativischen Charakter. Zusammengefasst spiegelt Vers VII 162 wider, was nach Ansicht der altorientalischen Verfasser der Kern des Textes ist, den er hier pointiert wiedergibt (JACOBSEN 1976, S. 183; ZGOLL 2012a, S. 23). Marduk besiegt zum einen Tiāmtu, die die Existenz der Götter bedrohte. Zum anderen erlangt er (dadurch) die Königsherrschaft, die sich über die Welt, die Menschen und die Götter erstreckt. Nach dieser zeitgenössischen Selbstbeschreibung stehen damit Sieg und Königsherrschaft im Zentrum des Werkes – und nicht die Weltschöpfung, wie sie im Begriff vom ‚Weltschöpfungsepos‘ hervorgehoben wird. Dabei ist der Sieg Marduks der Grund für seine (vor allem) nachfolgende Erhöhung (siehe Kapitel 6), so dass auch dem Dikolon Sieg und Königsherrschaft ein finales Prinzip inhärent ist, das auf Marduks Machterlangung ausgerichtet ist. So liegt hierin, in der Erhöhung des babylonischen Stadtgottes zum Götter- und Weltherrscher, der Zielpunkt des Textes. Ähnlich wie in einer Doxologie findet hier so auch ein indirekter Preis des Gottes statt, da er als König herausgestellt wird. Damit bestätigt der Text die mittlerweile weit verbreiteten Vorbehalte gegen den Terminus ‚Babylonisches Weltschöpfungsepos‘,13 da Inhalt und Selbstbeschreibung einen anderen Fokus als die Weltschöpfung setzen. Dagegen argumentieren Thomas Kämmerer und Kai Metzler dafür, dass die Themen Schöpfung und Aufstieg im Werk so eng zusammengehören, dass eine Trennung zwischen beiden künstlich sei (2012, S. 6). Um an dieser Stelle nicht die Ergebnisse dieser Arbeit vorwegzugreifen, sei auf § 8.1.2. verwiesen, wo diese These abschließend erörtert wird. Die letzte Zeile gibt eine Zusammenfassung des Inhalts und damit eine Fokussierung auf die wichtigsten Punkte wieder. Diese sind demnach Marduks Sieg über Tiāmtu und dass er die Königsherrschaft erlangt, wobei diese final verknüpft sind, so dass der Text auf die Erhöhung Marduks hinausläuft. Dieser Umstand wird da-

11

Durch die Edition von Wilfred Lambert bestätigt (2013, S. 133 und Plate 32; Textzeuge JHuz). Entsprechend übersetzt sie (ZGOLL 2006a, S. 52): „⌈(Hören lassen=) Verkündet habe ich⌉ das Lied von Marduk, [der] Tiā[mat b]and und die Königswürde annahm.“ 13 Bspw. HEIDEL 1951, S. 10f., BOTTÉRO, KRAMER 1989, S. 602, KIENAST 1973, S. 501, MICHALOWSKI 1990, S. 384, M ETZLER 2002b, S. 393, Z GOLL 2006a, S. 51f. und 2012, S. 23, SERI 2006, S. 507 oder DIETRICH 2008, S. 57. 12

3.2. Vorbemerkungen zur Gliederung des Textes

111

durch unterstrichen, dass das letzte Wort des Textes der Begriff šarrūtu („Königsherrschaft“) ist. Entsprechend der Selbstbeschreibung des Werkes, sollte man daher beim enūma eliš nicht vom ‚Weltschöpfungs-Epos‘ als vielmehr vom „Lied auf Marduk“ (zamāru ša dMarūtuk, siehe auch § 2.2.3.8.) sprechen.14

3.2. Vorbemerkungen zur Gliederung des Textes In den folgenden Unterkapiteln soll das Gesamtwerk zunächst in Unterabschnitte gegliedert werden, die sich zu größeren Hauptabschnitten zusammenfassen lassen. Neben der Begründung der jeweiligen Unterteilung soll zudem kurz der Inhalt der jeweiligen Passage skizziert werden, um so einen Gesamteindruck vom Lied auf Marduk zu vermitteln, der über eine bloße Übersetzung hinausgeht (§§ 3.4.–3.17.). Eine tiefergehende inhaltliche Auseinandersetzung findet dann in den folgenden Kapiteln statt (Kap. 4–7). Dieser Ansatz will der bisherigen Forschung zum Aufbau des enūma eliš (§ 3.2.1.) einen neuen Ansatz zur Seite stellen, der anhand eines definierten Kriterienkatalogs arbeitet (§ 3.2.2.), um verbindende und trennende Aspekte zu identifizieren und anhand dieser Befunde, den Text zu untergliedern. 3.2.1. Forschungsstand Anfang und Ende des Textes Claus Wilcke widmet sich in seiner Untersuchung sowohl dem Anfang als auch dem Ende und vergleicht dabei zunächst den Anfang mit dem Beginn des AtramḫasīsMythos. Dort sieht er gewisse Parallelen, was die Satzstruktur anbelangt (1977, S. 168f.). Darüber hinaus beschäftigt er sich mit den möglichen Vorstellungen, wie aus Wasser festes Land wird (2007a, S. 39f.). Anders argumentiert Martin L. West, der ausgehend von dem Befund kataphorischer Bezüge der Pronominalsuffixe in den Versen I 3f. und dem Parallelismus der enūma-Verse (I 1 und I 7) ein Umarrangement der ersten acht Zeilen vorschlägt (1997, S. 187). Giorgio Buccellati analysiert die ersten zehn Verse des Werkes nach kompositorischen und linguistischen (lexikalisch und grammatisch) Kriterien, wobei er die Verse I 1f. und 9f. direkt aufeinander bezieht und jeweils Doppelverse identifiziert (1990, S. 125–128). Manfried Dietrich verweist auf die kompositorische Struktur der Verse I 1 – I 12, die künstlerisch mit Dikola15 und Tetrakola spielen, so dass der Text diese Zeilen als Gesamteinheit präsentiere (2006, S. 141).

14 Zu einem ähnlich Ergebnis kam auch der Altphilologe Francis M. Cornford, der jedoch anders argumentiert. Er sieht im enūma eliš eine Reflektion ritueller Praxis, außerdem verweist er auf den Umstand, dass es im Kult rezitiert worden ist. So klassifiziert er das Werk als Hymnus, nicht als Epos (1967, S. 110, zit. In: MICHALOWSKI 1990, S. 384). Ebenso Manfried Dietrich, der das enūma eliš als „Hymnus auf die Erhöhung und Thronbesteigung des Marduk“ bezeichnet (2008, S. 57). 15 Manfried Dietrich benutzt an dieser Stelle den synonymen Ausdruck „Bikola“ (IBID).

112

Kapitel 3: Struktur und Inhalt des enūma eliš

Die weiteren Untersuchungen zum Anfang, die über bloße Transliterationen/Transskriptionen/Übersetzungen hinausgehen, sind entweder inhaltlicher Art16 oder metrische Untersuchungen.17 Allen diesen Ansätzen ist gemein, dass sie die ersten acht oder zehn Zeilen als Einheit verstehen. Lediglich Wayne Horowitz setzt eine Zäsur nach der sechsten Zeile. Aufbau des Gesamtwerkes Erste Ansätze der Gesamtbetrachtung finden sich teils in der Forschungsliteratur, speziell dann, wenn es um die Einheit des Werkes geht. Der Hinweis, dass es inhomogen oder teils widersprüchlich sei, taucht recht häufig auf (OPPENHEIM 1947, 238; LAMBERT 1965, S. 287–300; LAMBERT 1968, S. 108; KOMORÓCZY 1973, S. 32f.). Dagegen betonen Jean Bottéro und Samuel Kramer den hohen Grad der Kunstfertigkeit des Werkes als theologische Abhandlung (1989, S. 675).18 Anders geht Philippe Talon vor, der die Verse I 1–108 genauer durchleuchtet (neben der Lexik werden auch stilistische Elemente in den Blick genommen), wobei er diesen Teil als „premier acte“ beziehungsweise „répétition générale“ versteht für den Zweikampf zwischen Marduk und Tiāmtu und somit von dem folgenden Teil des Textes abgrenzt (1992, S. 2). Analog hierzu nennt Manfried Dietrich den ersten Teil der ersten Tafel eine „Urgeschichte“ (2008, S. 57). Für Herman Vanstiphout zeigt sich zunächst eine konsistente lineare Textstruktur (der schrittweise Aufstieg Marduks), deren vermeintliche Unstimmigkeiten sehr gut über die Adaption traditioneller Stoffe erklärt werden können, die gezielt miteinander verbunden worden sind, um eine theologische Innovation zu begründen (1992, S. 40– 44). Damit vergleichbar hat Dina Katz festgestellt, dass der Text nur bei einer oberflächlichen Lektüre eklektisch erscheint, wohingegen bei näherer Beschäftigung mit dem Text die kunstvolle Verwebung traditioneller Motive zu einer neuen Erzählung aufscheint (2011, S. 127).19 Ein ähnliches Bild verwendet auch Kai Metzler, der das enūma eliš mit einem „komplexen Textil“ und einer „Patchwork-Decke“ vergleicht, wobei in der zweiten Metaphorik auch eine gewisse Kritik am Textstil enthalten ist 16 Piotr Michalowski untersucht vor allem die Bedeutung des Lexems mummu aus Vers I 4, das er mit Schöpfungslärm in Verbindung setzt (1990, S. 384–386), wobei er sich von Alexander Heidel abgrenzt, der das Lexem ausgehend von lexikalischen Listen interpretiert (1948, S. 98ff.; hierzu siehe auch LAMBERT 2013, S. 60). Wayne Horowitz liest den Anfang des enūma eliš gemäß seinem Fokus von der Kosmogonie her (1998, S. 108ff.), wie auch Philippe Talon besonders die Kosmologie betrachtet, wobei er ebenfalls das Lexem mummu untersucht und als Gottheit interpretiert (2001, S. 265ff.). Herman Vanstiphout (1987b, S. 52f.) und darauf reagierend William Moran (1988, S. 15f.) setzen sich mit der syntaktischen Einbettung der Verse I 3f. auseinander. Michael P. Streck wiederum widmet sich der iparras-Form in der Vergangenheit innerhalb akkadischer Epen widmet und beleuchtet dabei auch die ersten acht Zeilen des enūma eliš (1995, S. 44). Verschiedene philologische Anmerkungen zu den ersten acht Versen macht Moshe Held, wobei er speziell auch das Verb „šêʾu“ (Schreibung Held) aus Vers I 6 in den Blick nimmt (1976, S. 231–236). 17 VON SODEN 1990, S. 184f., WEST 1997, S. 182, L AMBERT 2013, S. 17–34, ebenso auch BUCCELLATI 1990. 18 Vergleichbar ist auch LAMBERT 1986, S. 56f. 19 Damit widerspricht sie implizit der These von A. Leo Oppenheim, dass das enūma eliš ein eher minderwertiges literarisches Produkt sei, dessen Plot besonders im Vergleich zum GilgamešEpos primitiv sei (1964, S. 264).

3.2. Vorbemerkungen zur Gliederung des Textes

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(2002b, S. 393). Schließlich betont auch Andrea Seri die Komplexität und die künstlerische Zusammensetzung des Textes aus vielen traditionellen Motiven aus unterschiedlichen Textgattungen, worin sich die Bildung der damaligen Schreiberwelt widerspiegele (2012, S. 25). Ähnlich positiv schließt Jean Bottéro, der im Lied auf Marduk verschiedene Mytheme aus Theogonie, Kosmogonie und Anthropogonie in einem „discours mythologique“ verbunden sieht, durch den eine konsistente Erklärung für die Herkunft und die Funktionsweise des Kosmos geliefert würde (1985, S. 162). Abwägend schließt Wilfred Lambert die Betrachtung des Werkes, indem er zum einen auf den großen Umfang an Bezügen zur altorientalischen mythischen Tradition verweist, die die Verfasser zu einem „carpet“ verwebten, und zum anderen die „untidy ends“, die unsauberen Nahtstellen, zwischen den verschiedenen Stoffen betont. Letztere entstehen für den modernen Leser aber oft auch dadurch, dass heute viele Bezüge nicht mehr bekannt sind und so Zusammenhänge nicht gesehen werden können (2013, S. 457). Ebenfalls mit dem Gesamtwerk beschäftigt sich die Diskussion, welche Teile ursprünglich zum Werk dazu gehörten und welche spätere Hinzufügungen waren. Die These, dass der Epilog erst später dem Werk angefügt wurde, hat Wilfred Lambert bereits mehrfach abgelehnt (1968, S. 107; 1984, S. 4). Andererseits sprach er sich anfangs dafür aus, den Abschnitt der 50 Namen als eigene Einheit zu verstehen, da die Namen auch unabhängig vom Werk noch weiter existierten (1968, S. 108). In seiner Edition korrigiert er diese Sicht, indem er die enge Verflechtung der Namensgebungen mit dem restlichen Text betont (2013, S. 456). Jerrold Cooper wiederum vermutet, dass die Nennung der 50 Namen und ihre Auslegung eine eigene Einheit darstellten, die ursprünglich als mündlicher Kommentar fungierten (1992, S. 111 Anm. 31). Dagegen sprechen sich wiederum Kramer und Maier aus, die die Namensgebung am Ende des Werkes im Einklang mit dem Muster der Marduk-EaBeschwörungen sehen und somit als integralen Bestandteil des enūma eliš verstehen (1989, S. 144). Eine erste, wenn auch noch recht grobe Gliederung, des Lieds auf Marduk liefert Thorkild Jacobsen. Zunächst untergliedert er das Werk in zwei Teile. Der kleinere Teil beschreibt, woher die kosmischen Grundkräfte kommen, woran sich ein längerer anschließt, der sukzessive erläutert, wie die Weltordnung entstanden ist (1976, S. 168). Danach unterteilt er das Werk in sechs Abschnitte (IBID, S. 168–183): 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Theogony (~ I 1–20)20 Theomachy as Private War: Anarchy21 (~ I 21–78) Ad Hoc King for Safety (~ I 79–IV 134) King Continued in Office for Benefits: The Cosmos (~ IV 135–V116) Permanent Capital for Benefits: Man (~ V 117–VI 66) King Made Permanent: Monarchy (~VI 67–VII 144) 20

Thorkild Jacobsen macht keine direkten Zeilenangaben. Die hier verwendeten Versangaben entstammen einer eigenen Rekonstruktion und sind daher nur als ungefähre Marker zu verstehen. Dementsprechend können die Parallelen zur eigenen Aufteilung des Werkes (siehe § 3.18.) auch ebendieser Interpretation geschuldet sein. 21 Zur Diskussion der hier angedeuteten politischen Elemente im enūma eliš siehe Kapitel 6.

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Kapitel 3: Struktur und Inhalt des enūma eliš

Somit klammert er in seiner Gliederung den Epilog aus, berücksichtigt aber ansonsten das gesamte Werk. Abschließend rekonstruiert er zwei thematische Linien, eine politische Hauptlinie, die von Anarchie über primitive Demokratie zur Monarchie überleitet,22 sowie eine Nebenlinie, die den Mord an den Eltern („parricide“) thematisiert (IBID, S. 183–190).23 Herman Vanstiphout unterteilt das Werk in sieben Teile, die aber nicht mit den sieben Tafeln identisch sind (1992, S. 50): 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Emergence of this world.24 Threat to this world. Negotiation. Combat. Regulation and creation. Inthronisation. Acclamation.

Im Rahmen dieser Rekonstruktion der Textstruktur fokussiert er den linearen Aufbau und setzt ihn zugleich in Bezug zur typischen Gliederung einer mesopotamischen Heldenerzählung (bspw. Anzû) (IBID). Thomas Kämmerer und Kai Metzler nehmen ebenfalls das Gesamtwerk in den Blick, das sie zum einen nach drei Weltaltern aufteilen (2012, S. 7). Das erste Weltalter besteht aus der Welt vor dem ersten Konflikt, das zweite aus der Welt des zweiten Konflikts und schließlich beschreibt der von Marduk eingerichtete Kosmos das dritte Zeitalter. Zum anderen untergliedern sie das Werk in kleinere Einheiten (IBID, S. 9–13):        

Ausgangssituation und anfängliche Schöpfung (I 1–28) Erster Konflikt und Kampf unter den Göttern (I 29–70) Schöpfungswerk Eas und Geburt und Jugend Marduks (I 71–106) Zweiter Konflikt unter den Göttern (I 107–IV 34) Kampf zwischen Marduk und Tiāmtu (IV 35–134) Gestaltung/Einrichtung des Universums (IV 135–V 76) (Zweite) Krönung Marduks (V 77–116) Konzeption des Baus von Babylon (V 117–15625)

22 Die Annahme einer anfänglichen primitiven Demokratie im enūma eliš findet sich bereits bei Henri Frankfort. Demnach werde das Königtum erst mit dem Aufscheinen Marduks thematisiert, welches somit Resultat einer Epoche von Chaos und Angst sei (1969, S. 235f.). Gegenargumente zu dieser Position finden sich im Kapitel 6. Die Idee einer ursprünglichen demokratischen Verfasstheit formulierte erstmalig Thorkild Jacobsen, wobei er eine realgeschichtliche Sichtweise einnimmt und eine primitiv-demokratische Organisationsform für das prähistorische Mesopotamien annimmt, die sich dann aber in eine autokratische wandle (1943). Mit dieser These hat sich kürzlich Marcel Sigrist auseinandergesetzt, der sie kritisch würdigt und korrigiert (2010). 23 Gröber unterteilt Thomas Kämmerer das Werk, der zunächst eine embryonale Welt sieht, die nach dem Kampf zwischen Marduk und Tiāmtu von der Jetzt-Welt abgelöst wird, die Marduk erschafft (2011, S. 74). 24 Da er die Einzelpunkte nur angibt und nicht weiter kommentiert, lassen sie sich nicht eindeutig konkreten Zeilen zuordnen.

3.2. Vorbemerkungen zur Gliederung des Textes

   

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Konzeption und Schöpfung des Menschen (VI 1–38) Bau der Stadt Babylon und des Tempels Esaĝila (VI 39–68) Götterversammlung (inklusiv dritter Krönung) (VI 69–119). Auflistung der Namen Marduks (VI 120–VII 162).

Diesen beiden ersten Ansätzen von Thorkild Jacobsen sowie von Thomas Kämmerer und Kai Metzler soll im Folgenden ein detaillierter und stark am akkadischen Text orientierter Gliederungsentwurf an die Seite gestellt werden. 3.2.2. Indikatoren für Abschnittswechsel Diese Herangehensweise erfordert genaue Kriterien zur Textgliederung, die durch die hermeneutische Arbeit am Text entwickelt und verbessert wurden. Dabei konnten insgesamt fünf Gruppen an Merkmalen heuristisch identifiziert werden (siehe § 1.3.2.1.). Diese Auswahl an Indikatoren für einen möglichen Abschnittwechsel, sind Ergebnis der vorliegenden Untersuchung, da der Versuch einer Gliederung ebenfalls Rückmeldung über die Validität von solchen Markern liefert, die in die Auswahl der Analysekriterien geflossen ist (siehe auch § 1.3.2.1.). Insbesondere gilt dies für die Marker (Krit. 2B). Außerdem würde man möglicherweise erwarten, dass der Wechsel zwischen zwei Tontafeln beliebig gesetzt wurde und keine inhaltlichen Gründe hat. Ein erstes Indiz gegen diese These findet sich in der Länge der unterschiedlichen Tafeln. So sind nicht alle Tafeln gleich lang, vielmehr variieren sie zwischen 138 (Tafel III) und 166 Zeilen (Tafel VI) (siehe § 3.1.1.). Zudem zeigte sich in der Forschungsarbeit, dass die physischen Wechsel immer mit mindestens zwei weiteren Indikatoren kongruieren und somit tatsächlich Unterabschnittswechsel, teils sogar eine Zäsur zwischen Hauptabschnitten anzeigen. In die physische Kriteriengruppe (1) würden auch Gliederungsstriche fallen, wie sie von anderen jungbabylonischen Werken bekannt sind. Dies gilt jedoch nicht für das enūma eliš, da solche Striche nur vor dem Kolophon gesetzt werden oder bei einzelnen Textvertretern jeweils alle fünf26 oder alle zehn27 Zeilen, wobei es zu leichten Abweichungen von der Standardzählung kommen kann, die aber der Zeilenzählung und nicht inhaltlichen Aspekten geschuldet sind. Somit fällt dieses mögliche Gliederungskriterium aus. Unter Kriterium 4B wird auch die Erzählweise listenartige Passage angeführt, die ebenfalls aus der Arbeit am Text entsprungen ist. Hierunter werden die 50 Namen rubriziert, die weder eindeutig als direkte Rede zu lesen noch auf der Erzählerebene anzusiedeln sind und vielmehr wie eine zweispaltige Götterliste (SERI 2006, S. 213f.) eingebettet in die sonstige Erzählung wirken und damit ein eigene Erzählweise darstellen.

25

Sie schreiben an dieser Stelle V 155, meinen aber vermutlich V 156, da die fünfte Tafel nach ihrer Rekonstruktion 156 Zeilen hat (IBID, S. 12). Nach der Lambert-Edition müsste hier V 158 stehen, da dies dort der letzte Vers der fünften Tafel ist. 26 Tafel III aunb:2c und Tafel IV cunb. 27 Tafel I KAss, LAss und OAss.

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Kapitel 3: Struktur und Inhalt des enūma eliš

Bei der Setzung eines Wechsels zwischen zwei Haupt- oder Unterabschnitten müssen nicht alle Kriterien erfüllt sein. Stattdessen muss dies von Fall zu Fall abgewogen werden, was durch die Existenz von Schwellenversen oder -passagen28 zusätzlich erschwert wird. In der Regel lassen sich jedoch mindestens drei der oben genannten Kriterien finden, so dass die vorgenommenen Wechsel zwischen Abschnitten argumentativ auf einer recht validen Basis stehen. Neben der analytischen Zergliederung des Textes soll auch eine Synthetisierung größerer Einheiten geleistet werden. Da es sich um Sinneinheiten handeln soll, greifen hier weniger die physischen Kriterien. Stattdessen kommen vor allem die lexikalisch-semantischen (Krit. 3A–B) und narrativen Aspekte (Krit. 4A–C) zum Tragen. Teilweise erweisen sich auch die beiden anderen verbliebenen Kriteriengruppen als fruchtbar. Am Ende soll eine Struktur des Textes stehen, die sich aus Hauptabschnitten zusammensetzt, die sich wiederum in Unterabschnitte aufteilen lassen.

3.3. Prolog (I 1–6) Den Auftakt des Textes macht die Beschreibung des Urzustandes, die sich durch besonders viele stativische Verbformen und Negationen auszeichnet. Himmel und „das Feste“ (ammatum)29 sind noch nicht benannt (nabû bzw. šuma zakāru), d.h. noch nicht erschaffen (BOTTÉRO 1977, S. 26). Auch Marschland (gipāru30) und Röhricht (ṣuṣû) – erste Formen von festem Land (BUCCELLATI 1990, S. 125) – existieren noch nicht. Die einzigen Lebewesen und die einzige Materie dieses Urzustandes stellen die männliche Wassermasse Apsû31 und die weibliche Wassermasse Tiāmtu32 dar.33 Da ihre Wasser miteinander vermischt sind34, fehlt dem amorphen Anfang Struktur und Konkretheit. Lediglich die Differenzierung zwischen Apsû und

28

Zu diesem Thema siehe auch ZGOLL 2003a, S. 74, 258. Dass es sich bei ammatum um einen Ausdruck für die Erde handelt, erklärt ein Kommentar zur sogenannten Babylonischen Theodizee, der die Gleichung am-ma-tíš : ⌈GIM⌉ er-ṣe-tú (BWL 74:58 = BM 66882 + 76506) aufmacht (LAMBERT 1996, S. 74 Anm. 58). 30 Da der Text generell gerne mit den Möglichkeiten der Sprache und der Keilschrift spielt, ist es durchaus denkbar, dass hier auch das Homo(io)phon gipāru („Cella“) mitschwingt. 31 Eine epochenübergreifende Betrachtung der mesopotamischen Schriftquellen zu Apsû als numinoses Wesen findet sich in LAMBERT 2013, S. 217f. 32 Eine epochenübergreifende Betrachtung der mesopotamischen Schriftquellen zu Tiāmtu mit besonderer Berücksichtigung möglicher Verbindungen zu anderen traditionellen Gottheiten findet sich in LAMBERT 2013, S. 236–247. 33 In der Forschung werden beide auch gerne als Süßwasserozean (Apsû) und Salzwasserozean (Tiāmtu) bezeichnet auf Basis der antiken Texten, wonach Apsû in der Regel das süße Grundwasser beschreibt, Tiāmtu für das Meer steht. Gegen eine solche Interpretation argumentiert Wilfred Lambert, indem er darauf verweist, dass es keine Belege dafür gebe, dass das Meer als salzig beschrieben wurde, und dass die beiden Flüsse Euphrat und Tigris relativ salziges Wasser mit sich führten, was den antiken Menschen bereits bekannt war (2013, S. 446). 34 Nach Claus Wilcke ist die Präsensform iḫiqqūma (I 5) hier stativisch zu verstehen (1977, S. 166 Anm. 16). 29

3.3. Prolog (I 1–6)

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Tiāmtu, zwischen Erzeuger und Gebärender35 (also männlich und weiblich), zwischen Salzwasser und Süßwasser offenbart, dass nicht alles eins ist, sondern im Beginn eine generische Dualität angelegt ist. Die Wahl der vielen Negationen in diesem Unterabschnitt ist vermutlich zwei Gründen geschuldet. Zum einen kann Sprache nur ausdrücken, was den Sprachträgern durch direkte Erfahrung und/oder theoretischer Reflexion zugänglich ist. Will man andere Dinge ausdrücken, so bedarf es Hilfskonstruktionen – im vorliegenden Fall die Negation –, um das Unsagbare auszudrücken (ähnlich: CANCIKKIRSCHBAUM 2010, S. 26f., 32).36 Zum anderen drücken Negationen bei der Beschreibung eines Urzustandes immer auch ein Noch-Nicht aus (DIETRICH 1991, S. 51; 2006, S. 139). Die Dinge sind am Anfang noch nicht wie am Ende (dem Jetzt), womit im Anfang bereits eine gewisse Teleologie angelegt ist, nämlich der vertraute jetzige Zustand. Der Anfang wird so vom Ende her gedacht (KOMORÓCZY 1973, S. 40); und er ist nur über den Endzustand durch die Sprache erfassbar.

35 Dabei nimmt die Gestalt der Tiāmtu viele Anleihen bei der Muttergöttin (Bēlet-ilī, Mami…), wobei das Verhältnis Muttergöttin–Menschen auf das Verhältnis Urmutter–Götter übertragen wird. So sind beide Gestalten für die Existenz der Menschen bzw. Götter verantwortlich (KREBERNIK 1997, S. 516). Beide Figuren stehen aber auch für den Tod, da die Muttergöttin im AtramḫasīsMythos die Sintflut in der Götterversammlung befiehlt und in der jungbabylonischen Gilgameš-Version zumindest schweigend akzeptiert. Im Atramḫasīs-Mythos wiederum bestimmt sie den Menschen nach der Sintflut den natürlichen Tod als ihr Schicksal (W ILCKE 1999a, S. 97f.). In der Urmutter Tiāmtu bleiben vor allem die negativen Elemente, wonach sie die Götter, ihre Kinder, vernichten will. Lediglich am Anfang findet sich eine Klage gegen Apsû, dass er doch nicht seine Kinder vernichten könne (I 45f.), in der die Klage der Muttergöttin nach der Sintflut wiederhallt. So wirft sich Bēlet-ilī im jungbabylonischen Gilgameš-Epos vor, dass sie in der Götterversammlung geschwiegen hat (XI 121–123), als beschlossen wurde, die Menschen auszulöschen. Im enūma eliš wird diese Reihenfolge nun umgekehrt, wonach Tiāmtu zunächst gegenüber Apsû die Kinder verteidigt, um dann doch deren vollständige Vernichtung zu planen, womit ihre Rolle ins radikal Negative umgekehrt wird (siehe auch WIGGERMANN 1992a, S. 163; METZLER 2002b, S. 400f.). Von einer fürsorglichen Mutter wird sie zu einem Monster, von einer Leben bringenden Gestalt zu einer rein tödlichen Bedrohung für alles Leben (BOER 2006, S. 143, SONIK 2009, S. 86). Dazu passt die Beobachtung, dass Tiāmtu textextern im Neujahrsfest möglicherweise Unterweltsbezug hatte bzw. die Rolle von Dämonen übernahm, was sich textintern vielleicht in der Bezeichnung Ḫubur (der Name des Unterweltflusses) für Tiāmtu (I 133) widerspiegelt (L AMBERT 2013, S. 461f.). Es findet sich noch ein weiterer Bezug zu den Sintfluterzählungen. So werden dort die Menschen durch die Wassermassen der Sintflut vernichtet. Im Lied auf Marduk findet sich die Sintflut (abūbu) zwar nur noch als Waffe Marduks (IV 49, 75, VI 125) (WILCKE 1999a, S. 17), doch geht die Bedrohung für die Götter ebenfalls von zwei großen Wassermassen aus, von Apsû und Tiāmtu. Textextern ist Tiāmtu in einer mutterähnlichen Rolle in der sogenannten Legende von Kutha beschrieben, wo sie die von den Göttern erschaffenen Feinde des altakkadischen Königs Narām-Sîn säugt (Z. 34) und parallel zur Muttergöttin Bēlēt-ilī genannt wird (Z. 35) (WESTENHOLZ 1997, S. 308f.). 36 Zusätzlich verweist Claus Wilcke darauf, dass hierfür eine metaphorische, bildhafte Sprache aus Ermangelung anderer Ausdrucksformen erforderlich ist, um das auch nicht logisch-abstrakt Greifbare zu beschreiben (2007a, S. 40).

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Kapitel 3: Struktur und Inhalt des enūma eliš

3.4. Lärm vs. Ruhe (I 7–78) 3.4.1. Zäsur zwischen I 6 und I 7: Götter als neue Akteure Das Setzen einer Trennlinie zwischen die Verse I 6 und I 7 erscheint auf den ersten Blick ungewöhnlich,37 da doch auch die Zeilen I 7f. das Nochnichtvorhandensein thematisieren wie bereits I 1f. und I 6. Der Hauptgrund liegt in der expliziten38 Einführung der Götter als neue Personengruppe in das Werk, die in Vers I 7 stattfindet (Krit. 4A). Zugleich markiert das erneute enūma („als“, I 7) den Beginn eines neuen Gedankengangs (Krit. 2B), der im zugehörigen Hauptsatz (I 9) explizit wird: die Theogonie, welche in den dann folgenden Versen weitergehend ausgeführt wird. Der Temporalsatz von Vers I 7 ist teils parallel (Stellung der Subjunktion und des verneinten Stativs), teils chiastisch (Stellung des Subjekts) zur allerersten Textzeile (I 1) aufgebaut; ähnliches gilt für die jeweils folgende Zeile (I 2 bzw. I 8), so dass durch diese stilistische Wiederaufnahme zwar an das Vorherige angeknüpft und zugleich etwas Neues eingeführt wird (Krit. 5A). 3.4.2. Entstehung der ersten Götter (I 7–20) Aus dem Urzustand heraus entstehen die ersten Götter, deren Nichtexistenz in den Versen I 7f. zunächst betont wird. Die Theogonie wird vor allem durch passivische Prädikate ausgedrückt39, so dass die Entstehung der Götter keine aktive Handlung ist, sondern etwas, das geschieht.40 Aus den beiden Urwesen41 entspringt das erste 37

Besonders auch mit Blick auf die bisherige Forschung, siehe § 3.2. Durch die Possessivsuffixe -šunu wurde bereits kataphorisch auf sie Bezug genommen. Um wen es sich aber bei dieser maskulinen Pluralität handelt, wird erst in I 7 aufgelöst. Dies erfordert aber nicht eine Umordnung der Struktur des Prologs, wie sie Martin L. West vorschlägt (1997, S. 187), da kataphorische Verweise durch Possessivsuffixe in Mesopotamien häufiger belegt sind, bspw. in einer Ḫammurapi-Inschrift (FRAYNE 1990, S. 341:14). 39 In den Zeilen I 9 (ibbanū), I 10 (uštāpû) und I 12 (ibbanû) (siehe auch SONIK 2009, S. 86f.). Vers I 14 enthält gar kein Verb der Hervorbringung, sondern nur das genealogische Substantiv aplu („(Erb-)Sohn“). Erst Nudimmud/Ea wird aktiv von Anu hervorgebracht (ūlid, I 16). 40 Nach Jean Bottéro entspricht diese anfängliche Genealogie einer in narrativer Form gestalteten Götterliste (1998, S. 157f.), womit nicht nur am Ende (50 Namen), sondern ebenso am Anfang des Werkes eine oder mehrere solcher Listen verarbeitet wären (zu den Namen und den Götterlisten, siehe auch LAMBERT 1984, S. 4; IBID 2013, S. 147–156; SERI 2006, S. 513f.). 41 Dass es sich bei Apsû und Tiāmtu um keine Götter handelt wird durch mehrere Aspekte deutlich. Zum einen betonen die Verse I 7f., dass zwar Apsû und Tiāmtu, aber noch keine Götter (ilānū) existieren (VANSTIPHOUT 1992, S. 52 Anm. 51). Zum anderen werden Apsû und Tiāmtu in der Regel ohne Gottesdeterminativ geschrieben. Schließlich unterscheiden sich die beiden Urwesen auch qualitativ von den Göttern. Während diese (bis auf astrale Repräsentationen) anthropomorph auftreten, sind Apsû und Tiāmtu teils anthropomorph, teils theriomorph (W ILCKE 2007a, S. 42 Anm. 42), teils aber auch identisch mit den Wassermassen, für die sie stehen (M ETZLER 2002b, S. 395–397; LAMBERT 2013, S. 236, 459f.; ähnlich BOTTÉRO 1985, S. 117). Während der Wettergott nicht identisch mit den Wolken, sondern mit der Kraft hinter dem Wetter ist, handelt es sich bei den Urwesen immer auch um die Materie an sich. Dazu passt vielleicht sogar auch das fast durchgehend passive Auftreten beider Gestalten, die erst – durch Lärm oder Winde – in Bewegung gesetzt werden, dann aber wie eine träge Masse, die in Bewegung gekommen ist, ein sehr hohes Vernichtungspotential besitzen. 38

3.4. Lärm vs. Ruhe (I 7–78)

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Götterpaar Laḫmu und Laḫamu42, das im gesamten Verlauf des Textes nur als Paar in Erscheinung tritt. Es manifestiert sich hier nicht nur physisch, sondern erhält auch seine Namen. Während beide noch wachsen, folgt43 mit Anšar und Kišar44 das zweite Götterpaar. Für Kišar ist es die einzige Erwähnung im gesamten Text. Stattdessen taucht Anšar häufiger als wichtiger Einzelakteur auf sowie mit Laḫmu und Laḫamu in einer Art Ur-Trias – vielleicht eine bewusste Parallele zu der Trias An, Enlil und Ea in der Nippur-Theologie. Als erster einzelner Gott betritt45 der Himmelsgott Anu die Bühne (I 14f.), der schließlich Ea46 „zeugt(e)“ (ūlid, I 16)47. Die Beschreibung Eas nimmt mit vier Zeilen (I 17–20) deutlich mehr Raum ein als die seiner Vorfahren. Zudem wird er durch die gewählten Lexeme über seine Vorfahren gestellt. Eine weitergehende Besprechung der Fragen der Göttergenealogie findet sich in § 7.1.1. 3.4.3. Kommentierung des Wechsels zwischen I 20 und I 21 Zwischen den Versen I 20 und I 21 findet ein Wechsel des Textfokus statt, der von den Göttern zurück zu den Urwesen schwenkt (Krit. 4A). Bis hierhin wurden sie explizit nur in I 3f. erwähnt. Erst in den Zeilen I 22f. findet eine wörtliche Wieder42 Das Götterpaar ist in seiner Bedeutung und Etymologie unklar. Thorkild Jacobsen vermutet, dass beide Namen auf der semitischen Wurzel √lḫm basieren, die möglicherweise für „Schlamm“ steht (JACOBSEN ET AL. 1946, S. 170f.; ebenso VANSTIPHOUT 1992, S. 52). Wilfred Lambert lehnt diese Deutung ab, da zwar bspw. luḫummû als „Schlamm“ belegt ist, nicht jedoch Laḫmu, und weil das Entstehen von Schlamm aus Wasser ein in Mesopotamien ansonsten nicht weiter bekanntes Konzept darstellt (1985, S. 189f.). Stattdessen vermutet er einen stärkeren Bezug zu den niedrigeren Torwächtern mit demselben Namen (laḫmu, ohne Gottesdeterminativ). Er interpretiert den Zusammenhang so, dass das Götterpaar im enūma eliš möglicherweise als Atlanten für die Trennung von Himmel und Erde stehen ( IBID, S. 199). Dagegen argumentiert wiederum Frans Wiggermann, dass weder die Bild- noch die Textquellen einen solchen Schluss unterstützen (1992, S. 156). Manfred Krebernik wiederum spricht sich ebenfalls für eine Lesart als Schlamm oder Schaum aus (2012, S. 81); Manfried Dietrich führt die These an, dass es sich um Meeresungeheuer handele (2006, S. 140 Anm. 26). 43 Da auch hier wieder eine passivische Formulierung gewählt wird, bleibt unklar, ob sie ebenfalls aus den Urwassern hervorgehen oder die ersten Nachkommen von Laḫmu und Laḫamu sind. Der Text schweigt hierüber. Zur genaueren Diskussion der Göttergenealogie siehe § 7.1.1. 44 Die sumerischen Namen stehen für „alle Himmel“ (Anšar) und „alle Erde“ (Kišar) oder nach Claus Wilcke „Himmelskreis“ und „Erdkreis“ (2007a, S. 38). 45 Von seiner Entstehung wird nicht explizit gesprochen, er ist einfach da als „ihr (Erb)Sohn“ (apilšunu) bzw. „sein (d.i. Anšars) Nachkomme“ (bukrašu) (I 14f.). 46 Der Weisheitsgott wird hier als Nudimmud bezeichnet. Es stellt sich hier die Frage, warum er derart benannt wird. Eine Verbindung zu seinem Schöpfungsaspekt lässt sich aus der Verteilung der Verwendung dieses alternativen Namens im Werk nicht erschließen. Diese wäre erwartbar, da sich der Name aus den sumerischen Verben dím („erschaffen“) und mud („hervorbringen“) zusammensetzen lässt (CAVIGNEAUX, KREBERNIK 2001, S. 607a). Möglicherweise wird hier seine spätere Rolle als Menschenschöpfer (im Auftrag Marduks) bereits im Werk vorbereitet. 47 Typischerweise wird das Lexem im Zusammenhang mit dem Gebären einer Frau verwendet, kann jedoch v.a. im mythischen Kontext auch für die männliche Zeugung stehen (CAD A1 1998, S. 287–292). Letztere Bedeutung ist hier wahrscheinlicher, da auch Anšar als ālid(u) („Erzeuger“, I 19) bezeichnet wird. Simo Parpola versteht den Vorgang als mathematische Anspielung, da die mythischen Zahlen beider Götter (1 und 60) durch dasselbe Keilschriftzeichen wiedergegeben werden (1993, S. 190f.).

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Kapitel 3: Struktur und Inhalt des enūma eliš

aufnahme des Namens Tiāmtu statt, der Name Apsû folgt in I 25. Darüber hinaus finden sich im folgenden Unterabschnitt (ab I 30) erstmalig wörtliche Reden im Text (Krit. 4B), die zunächst von Apsû und Tiāmtu durchgeführt werden, so dass sich hier beide Gliederungskriterien überschneiden. In den Versen ab I 21 tauchen zudem Götter auf, die nicht in die Genealogie eingebettet sind,48 so dass hier ein nicht markierter zeitlicher Sprung im Text vorzuliegen scheint (Krit. 4A). Schließlich hebt sich der folgende Unterabschnitt durch viele Aktionsverben von den vorangehenden Zeilen ab, die zudem in finiten Formen gebildet sind (Krit. 2A). Vers I 21 fungiert dabei als Scharniervers, der die ersten zwanzig Zeilen des Textes mit dem folgenden Unterabschnitt verbindet. Durch die Rekurrenz von athû aus der direkt vorangehenden Zeile I 20 fungiert er auch lexematisch als verbindendes Element. 3.4.4. Plan des Theozids (I 21–54) Der Lärm der versammelten Götter führt dazu, dass Tiāmtu nicht zur Ruhe kommen kann. Sie wehrt sich jedoch nicht dagegen, sondern will Gnade walten lassen. Anders hingegen ihr Gemahl Apsû, der das Benehmen (alkātu) der Götter „ausmerzen will“ (lušḫalliqma I 39). Die Reaktion Tiāmtus macht deutlich, dass es Apsû nicht nur um eine Ruhigstellung der Störenfriede geht, sondern um deren leibliche Vernichtung. Sie will ihre eigenen Kinder jedoch nicht vernichten. Der Wesir Mummu49 aber stachelt Apsû trotz der Bedenken Tiāmtus an, sein Vorhaben umzusetzen. 3.4.5. Kommentierung des Wechsels zwischen I 54 und I 55 Zwischen den beiden Versen findet ein Szenenwechsel statt (Krit. 4A). Blickte der Leser im vorherigen Unterabschnitt auf die beiden Urwesen und Mummu, so richtet sich nun der Fokus wieder auf die Gegenseite. Die Götter erlangen Kenntnis von der Absicht von Apsû und Mummu, sie zu vernichten. Des Weiteren tritt mit Ea in I 60 48 Als erstes erwähnt wird Apsûs Wesir Mummu (I 30). Zu einem späteren Zeitpunkt (I110ff.) sind es unbestimmt viele Götter, die zu Tiāmtu gehören. In Vers I 147 werden diese Götter als „ihre Söhne“ bezeichnet. In den Zeilen II 13f. beklagt Ea, dass alle Götter sich Tiāmtu zugewandt haben, auch die von Anšar gezeugten. Liest man die Bezeichnung „Söhne“ in I 147 genealogisch, so sind sowohl aus Tiāmtu als auch aus den Urgöttern weitere Götter entstanden, deren Genese für den Text jedoch so unwichtig ist, dass sie ausgeklammert wird. Dies gilt auch für den Fall einer synkretistischen Erstellung des Lieds auf Marduk, da die Versatzstücke auch im Ganzen Sinn ergeben müssen. 49 Die Lautfolge /mummu/ findet sich innerhalb des enūma eliš in drei Kontexten (KREBERNIK 1995, S. 415f.; siehe auch § 3.2.1. Anm. 16). Erstens fungiert sie als Name des Gottes Mummu, Wesir und Ratgeber von Apsû. Dann taucht sie auf als Epitheton der Urmutter Tiāmtu (siehe auch MICHALOWSKI 1990, S. 384–387), wobei der Textzeuge cunb den Ausdruck muʾallidat („Gebärende“) mit mummu zu mummallidat verschleift und somit beide Konzepte miteinander verbindet. Schließlich erhält auch Marduk den Namen Mummu, wobei er als Erschaffer der Welt umschrieben wird (VII 86). Somit finden sich in zwei dieser Ausprägungen Schöpfungsaspekte, wohingegen der Einzelgott Mummu pejorativ besetzt ist. Dennoch geht Manfred Krebernik von demselben Lemma aus, das möglicherweise dem sumerischen mud („gebären“) oder mú („wachsen (lassen)“) entlehnt ist (1995, S. 416). In eine andere Richtung interpretiert Manfried Dietrich den Namen, wonach Mummu eine „dichterische Nebenform“ für mû („Wasser“) sei (2006, S. 140); noch anders Wilfred Lambert, der eine mögliche Verbindung zum sumerischen Lexem úmun („Weisheit; Fertigkeit“) sieht (2013, S. 218).

3.4. Lärm vs. Ruhe (I 7–78)

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der erste Einzelgott auf Seiten Anšars aktiv in Erscheinung (Krit. 4A). Schließlich stellt die Zeile I 55 eine zusammenfassende Überleitung dar, die den Auslöser für die folgenden Aktionen markiert (Krit. 4C). 3.4.6. Eas Reaktion (I 55–78) Die Götter erfahren von dem tödlichen Plan Apsûs und Mummus. Wer dieses Wissen übermittelt, bleibt offen, da die Überbringer der Nachricht nicht genannt werden.50 Ihre Reaktion ist Schweigen und Apathie. In dieser existentiellen Notlage wird nun Ea aktiv, wobei er keinen expliziten Auftrag für sein Vorgehen erhält.51 Er durchschaut die Pläne von Apsû und Mummu und kann so wirksame Gegenmaßnahmen entwerfen:52 Er schläfert Apsû ein und tötet diesen im Schlaf.53 Dann sperrt er Mummu ein54 und erschafft aus dem toten Körper Apsûs seine Wohnstatt, in der er sich mit seiner Gemahlin Damkina niederlässt. 3.4.7. Zusammenfassung und Ausblick Im zweiten Hauptabschnitt des Werkes wird der erste Konflikt entwickelt und ausgetragen, wobei die Gruppe der Akteure klar umrissen ist (Apsû, Tiāmtu, Mummu und Ea) (Krit. 4A). Die gesamte Textpassage wird jedoch nicht nur durch die Darstellung des ersten Konflikts zusammengehalten, sondern auch durch das Wortfeld, um das der Hauptabschnitt kreist (Krit. 3A). Im Vordergrund stehen hierbei Begriffe aus dem Bereich von Ruhe und Unruhe, mit denen der Text spielt.55 Exemplarisch festmachen lässt 50 Das Prädikat uštannûni (von šanû A, CAD Š1 2004, S. 398ff.) (I 56) steht im D Perf. 3. Pl. m., welches eine consecutio temporum anzeigt (Zur Funktion des Perfekt im enūma eliš siehe METZLER 2002a). Sowohl Wilfred Lambert (2008, S. 38; 2013, S. 53) als auch das Chicago Assyrian Dictionary (CAD) übersetzen die Stelle passivisch, was einen Dt-Stamm voraussetzen würde, der einen Nominativ im Plural maskulinum erfordern würde. Das Lexem mimmû („alles“) ist jedoch als Subjekt eines Satzes nur singularisch belegt (CAD M2 2004, S. 80ff.), so dass statt eines Dt-Stamms ein D-Perfekt vorliegt. Subjekt ist eine nicht weiter spezifizierte männliche Mehrzahl, wobei es sich vermutlich um Götter handelt. Diese Deutung wird durch eine Parallelstelle gestützt, die sich in Vers II 10 findet, in dem Ea von dem Plan der Tiāmtu berichtet. Auch dort findet sich das Verb šanû im D-Stamm mit angehängtem Ventiv, jedoch im Singular. Wiederum steht der Empfänger der Nachricht im Dativ und das, was berichtet wird, wurde vorher „im Geheimen geplant“ (kapādu). An sich würde Ea auch in I 56 als Informant in Frage kommen, da es von ihm in Vers I 60 heißt, dass er „ihre Pläne“ (šibqīšun) „(erfolgreich) gesucht hat“ (išēʾa), d.i. vermutlich: „durchschaut hat“. Da jedoch definitiv ein Plural in I 56 steht, kommt ein einzelner Gott nicht in Frage. 51 Dies wird besonders in der Reaktion Anšars in den Versen II 50ff. deutlich, in denen er Ea sein eigenmächtiges Handeln vorwirft. 52 Die finale Konstruktion des Satzes in den Versen I 60f. wird dargestellt in STRECK 1995, S. 69. 53 Dass Ea dabei keinen direkten Zweikampf sucht, begründet Francesco Pomponio damit, dass ihm die dazu nötigen physischen Eigenschaften fehlen (1991, S. 237). 54 Möglicherweise kann man den Bezwingung Mummus auch als Aitiologie dafür lesen, wie Ea seine Weisheit und Schöpferkraft erlangte. Dies gilt für den Fall, dass die Etymologie des Namens vom sumerischen úmun („Weisheit, Können“) abgeleitet werden kann, so dass Ea diese Eigenschaften durch seinen Sieg erhält (LAMBERT 2013, S. 218f.). 55 Zur Bedeutung der Ruhe im enūma eliš siehe auch FIEGER 2011, S. 66–68.

122

Kapitel 3: Struktur und Inhalt des enūma eliš

sich dies an der Wurzel √pšḫ (als pašāḫu = „ruhen“). Insgesamt finden sich vier unterschiedliche Verwendungen (I 38, 50, 63 und 75), die nun erörtert werden sollen. In I 38 richtet sich Apsû in seiner Klage an Tiāmtu mit den Worten: I 38

urriš lā šupšuḫāku56 mūšiš57 lā ṣallāku

„Am Tage (bin ich unfähig,) ruhend zu sein, in der Nacht (bin ich unfähig,) schlafend zu sein.“

Durch die Negation der Ruheverben pašāḫu („ruhen“) und ṣalālu („schlafen“) und die Verneinung von Stativen wird die Konfliktlinie sowohl lexematisch als auch grammatikalisch unterstrichen. Es handelt sich um einen Un-Zustand im doppelten Sinne. Der Zustand, wie er vorliegt, ist für Apsû untragbar. Zum anderen handelt es sich gar nicht um einen Zustand im engeren Sinne, da die Dinge nicht statisch sind. In Vers I 50 wird diese Zeile fast wortwörtlich wieder aufgegriffen, nur dass statt der Negation lā die prekativische Partikel lū verwendet wird und hier der Wesir Mummu über Tiāmtu redet und daher die 3. Person Singular femininum verwendet.58 Ansonsten sind die beiden Verse identisch:59 I 50

urriš60 lū šupšuḫat61 mūšiš lū ṣallat62

„Am Tage soll sie ruhen (können), in der Nacht soll sie schlafen (können).“

Eine ganz andere Funktion erhält das Verb als fientisches Prädikat in Zeile I 63, in der Ea eine Beschwörungsformel zur Einschläferung Apsûs verwendet, um ihn dann im Schlaf zu überwältigen und zu töten. Von der Beschwörungsformel heißt es nun: I 63

56

imnīšumma63 ina64 mê ušapšiḫ

Er rezitierte65 (sie) für ihn und im Wasser beruhigte er (ihn).66

Textzeuge bunb schreibt verkürzt šupšuḫāk. Textzeuge ounb:2a schreibt mūši. 58 Die Endung der 3. Sgl. f. wird auf allen Textzeugen für beide Stative wiedergegeben, auch auf OAss, der abweichend nēḫet schreibt. Eine zu erwartende Endung -āta (2. Sgl. m.), wonach Mummu Apsû adressiert, findet sich dagegen kein einziges Mal. Ein verkürztes Stativsuffix -āt für -āta ist nur in Mari die Regel und ansonsten nur selten belegt und dann eher altakkadisch oder neuassyrisch (GAG 1995 §75b Anm. 2). Schließlich ist Vers I 155 zusammen mit I 50 auf dem Textvertreter E Nin erhalten, wo explizit die vollständige Stativendung -āta geschrieben steht. Auch die anderen Textzeugen schreiben an dieser Stelle das ganze Suffix (K ÄMMERER, METZLER 2012, S. 148; LAMBERT 2013, S. 58f.). Diese Beobachtungen sprechen zusammengenommen dafür, dass hier in Zeile I 50 entgegen bspw. Wilfred Lambert (2008, S. 38; 2013, S. 19, 53) und Thomas Kämmerer und Kai Metzler (2012, S. 121f.) eine 3. Sgl f. vorliegt und Mummu dementsprechend von Tiāmtu spricht. (Zu den Textvarianten -āt und -āta allgemein siehe auch LAMBERT 2013, S. 13). 59 So wird der Eindruck, dass Mummu Apsû nach dem Mund redet – wie man im Deutschen zu sagen pflegt – durch die Rekurrenz hervorgehoben. 60 SHuz: urreš. 61 PAss: š]upšuḫatm]a ?. 62 Abweichend schreibt Textzeuge OAss n]ēḫet („[sie soll] ruhen“). 63 KAss und PAss: imnūšumma. 64 PAss, SHuz, aKiš: ana. 65 Möglicherweise geht die Handlung Eas an dieser Stelle über eine reine Äußerung hinaus. So hat Annette Zgoll für den Bereich des Träumens gezeigt, dass das Verb manû für einen Akt stehen kann, mit dem das Gesprochene in einen Gegenstand gelegt wird. Das derart „Besprochene“ nimmt das Gesprochene in sich auf, so dass es zu einem Teil von ihm wird (2006b, S. 390f.). Der Adressat dieser Handlung wird mit den vorangestellten Phrasen ina/ana muḫḫi bzw. ana pān gebildet (IBID, 57

3.4. Lärm vs. Ruhe (I 7–78)

123

So kommt Ea hier in einem perfiden Sinne dem Wunsch Apsûs nach, Ruhe zu finden,67 was dann in der Tötung des Urwesens mündet (siehe auch POMPONIO 1991, S. 238; SONIK 2009, S. 90 Anm. 16). Die Bedeutung des Zur-Ruhe-Kommens wird an dieser Stelle umgekehrt und gegen das Urwesen gerichtet.68 Eine weitere Konnotation erhält das Element der Ruhe schließlich in der letzten Verwendung der Wurzel √pšḫ in dieser Passage (I 75). Ea setzt sich, nachdem er Apsû getötet und seine Wohnstatt erschaffen hat, in dieser zur Ruhe: I 75

qerbiš kummīšu šupšuḫiš inūḫma

In seiner Cella ruhte er zur Ruhe gekommen.

Durch die Wahl des Prädikats und des Adverbs aus dem Bereich der Ruhe wird diese besonders hervorgehoben. Anstelle von Apsû, der endlich seine ‚Ruhe‘ gefunden hat, ist es der Gott Ea, der im getöteten Urwesen seine Wohnung errichtet und dort seinen Ruheort erhält (SONIK 2009, S. 90 Anm. 16). So dreht sich die gesamte zweite Passage des Werkes um das Phänomen von Ruhe und Unruhe, wobei erstere zunächst umgedeutet und dann auf Ea als Vertreter der jungen Götter übertragen wird. Besonders deutlich wird dies nicht nur durch die viermalige Verwendung der Wurzel √pšḫ, sondern auch, dass die Formen stets im Š-Stamm gebildet sind und damit die Rekurrenzen besonders unterstrichen werden. Abschließend soll eine weitere Klammer anhand der Wurzel √wšb (als (w)ašābu = „sitzen“) umrissen werden, die ebenfalls viermalig in der Passage zu finden ist (I 33, 54, 58 und 78). Die erste Verwendung (I 33) beschreibt, dass Apsû und Mummu zu Tiāmtu gehen und sich dort hinsetzen (ūšibū), um über das (Un)Ruhe-Problem zu sprechen. Tiāmtu und Apsû kommen zwar zu keiner gemeinsamen Lösung, aber Apsû und Mummu entscheiden sich dafür, die Götter zu vernichten. Antreiber ist dabei Mummu, der beim Abschluss dieser Szene, auf Apsûs Schoß sitzt (ušbamma) und ihn küsst (I 54). Dagegen sitzen (ušbū) die Götter, nachdem sie von dem Plan erfahren haben, stumm da (I 58). Nachdem Ea das Problem (vorübergehend) berei-

S. 387f.). Somit könnte der Dativ -šum in Vers I 63 eine verkürzte Wiedergabe dieser Phrasen sein, da der Dativ im Akkadischen mit ana gebildet wird. Für diese These spricht eine lexematische Beobachtung. So wird die Reinheit (√ʾll, bspw. ellu = „rein“) im gesamten Text erstmalig in Vers I 62 auf, wenn Ea „seine reine Beschwörung“ (tâšu ellu) erschafft. Dieselbe Wurzel findet sich dann in der Beschreibung von Marduks Geburt, in der der Apsû als Ort ebenfalls die Qualität der Reinheit besitzt (I 82). Somit könnte durch die Beschwörung Eas die Eigenschaft der Reinheit Bestandteil von Apsû geworden sein, welche er auch als Weltenteil noch weiterhin besitzt. Die nächste Verwendung der Wurzel √ʾll findet sich erst am Ende der zweiten Tafel (Marduks „reine Beschwörung“ tû ellu II 150). Entgegen der hier gewählten Übersetzung geht Wilfred Lambert von einem Akkusativ -šu aus, der sich auf die Beschwörung (tû) bezieht (2013, S. 14). Doch auch in diesem Falle könnte ein Akt des Besprechens vorliegen. 66 Das Verb pašāḫu wird im Š-Stamm auch zur Beschreibung des Flusses von Wasser verwendet (CAD P 2005, S. 232f.), so dass die gewählte Sprache vermutlich verschiedene Bilder mit altorientalischen Leser evozieren sollte bzw. auf mehreren Ebenen operierte. 67 Auch die Wurzel √ṣll (als ṣalālu = „(ein)schlafen“) wird hier zwei weitere Male aufgegriffen, nämlich in den Versen I 64f., wo Apsû im Schlaf getötet wird. 68 Thomas Podella sieht in dem Ruhebedürfnis der Urwesen zuvorderst eine anthropomorphe Vorstellung (1989, S. 243f.).

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Kapitel 3: Struktur und Inhalt des enūma eliš

nigt hat, sitzen (wiederum: ušbū) er und seine Frau Damkina am Ende der Passage im Apsû (I 78), was damit einen ersten Schlusspunkt des Textes darstellt.

3.5. Marduks Geburt und Vorzüglichkeit (I 79–104) 3.5.1. Zäsur zwischen I 78 und I 79: Marduk wird eingeführt Das Ende des vorherigen Absatzes wird inhaltlich durch das Ende des Konflikts und der Schaffung des Apsû als Heimstatt von Ea und Damkina markiert. Dieser Umstand lässt sich auch an weiteren Kriterien am Ende der Passage festmachen. So wird als erstes in Zeile I 78 erstmalig die Gemahlin Eas im Text erwähnt und als „seine Ehefrau“ (ḫirātuš) eingeführt.69 Möglicherweise ist in der knappen Apposition auch die Heirat des siegreichen Gottes mit der Göttin angedeutet. Als zweites finden sich in dem gesamten vorangehenden Absatz mit Ea als explizitem Subjekt nur finite Verbformen. Selbst das Ruhen im Apsû wird in I 75 derart ausgedrückt. Anders hingegen in Vers I 78, wo sich erstmalig ein Stativ findet: Ea und Damkina sitzen (usbū) in ihrer neuen Wohnstatt. Damit wird ein (Teil)Zustand der neuen Ordnung beschrieben, so wie die Stative zu Anfang des Werkes ebenfalls Zustände beschrieben. Zugleich greift ušbū als Rekurrenz auch auf das gleichlautende Ende von Vers I 58 zurück. In Zeile I 79ff. findet nun ein Wechsel statt. Während Vers I 79 eine Art Überleitung darstellt, in dem schlicht der Ort des Geschehens genannt wird,70 taucht in I 80 eine neue Gestalt auf, Marduk, der Protagonist des Werkes (Krit. 4A). So wie es sich häufig in altorientalischen Texten findet, wird die Person zunächst umschrieben, bevor ihr Name fällt. So findet sich der Namen Marduk (dAMAR.UTU) erst am Ende der Zeile I 81 (und I 82).71 Neben der kunstvollen Einführung des Protagonisten grenzen sich die vier ersten Verse des neuen Hauptabschnitts vom Vorangehenden auch syntaktisch ab. Während zuvor vor allem aktive Verbformen verwendet wurden, herrschen hier nun passivische Formulierungen vor, die an die Götterschöpfung zu Beginn des Textes erinnern (Krit. 2A). Außerdem deutet die dreifache anaphorische Zeileneinleitung ina (I 79 und 81f.) und die fast wörtliche Wiederholung der Zeile I 81 in I 82 den Beginn von etwas wichtigem Neuen an (Krit. 5A). Schließlich wurde bereits auf des Wortfeld des vorangehenden Hauptabschnitts, der 69 Sie findet nur zwei weitere Male Erwähnung. In Vers I 84 gebiert sie Marduk und in V 81 jubelt sie dem siegreichen Marduk zu und lässt ihm ein Geschenk überbringen. Auch dort wird sie als dessen Gebärerin bezeichnet. Somit beschränkt sich ihre Rolle im Text vor allem auf ihre Funktion als Gattin Eas und als Mutter Marduks., d.h. sie wird nur über die mit ihr verbundenen Männer definiert. 70 Was sich genau hinter der Topographie ina kiṣṣi šīmāti atman uṣurāte („im Schrein der Festsprechungen, der Cella der (Vor-)Zeichnungen“ I 79) verbirgt, bedarf einer weitergehenden Analyse und muss an dieser Stelle offen bleiben. 71 In I 80 taucht auch die Zeichenfolge DINGIR.EN auf, wobei es sich vermutlich um den Namen dEN (dBēl) handelt. Diese Bezeichnung findet sich innerhalb des enūma eliš nur hier. In den späteren Verwendungen des Lexems bēlu („Herr“) wird es stets ohne Gottesdeterminativ geschrieben.

3.5. Marduks Geburt und Vorzüglichkeit (I 79–104)

125

um den Begriff der Ruhe kreist, verwiesen (siehe § 3.4.7.), was sich nun zugunsten von Beschreibungen der Großartigkeit Marduks ändert (Krit. 3A). 3.5.2. Marduks Geburt und Vorzüglichkeit (I 79–104) Diese Passage widmet sich ausschließlich Marduk, wobei er teilweise in Interaktion mit seinem Großvater Anu tritt. Die Anu-Passagen durchbrechen den Textfluss, so dass es sich hier um ein eigenes textliches Stratum handeln könnte.72 Zieht man dieses heraus, so schließt sich an die Schilderung der Zeugung, Geburt und des Aufziehens Marduks (I 79–86) eine durchgehende Beschreibung der herausragenden Eigenschaften des Gottes an (I 87–104).73 In dem ersten Teil dominieren drei Aspekte: Marduk, seine Eltern und der Ort des Geschehens. Marduk wird in fünf Zeilen (nicht in I 79) entweder über Epitheta, wörtliche Erwähnung oder Proformen erwähnt. Letztere beiden Verwendungen stehen zudem betonend stets am Zeilenende (I 81f., 83f.). Seine Eltern werden zunächst aufgrund der passivischen Formulierungen in I 79–82 nicht erwähnt, bis sie dann anschließend jeweils eine eigene Zeile erhalten (I 83f.). Ein wenig erinnern diese beiden Verse an die Beschreibung von Apsû und Tiāmtu in der anfänglichen Urzeit (I 3f.). Anschließend werden noch „Göttinnen“ (dištarāti) erwähnt, an deren Brüsten Marduk saugt, und eine namentlich nicht genannte Amme (tārītu), die ihn aufzieht.74 Der Ort von Geburt und Zeugung wird schließlich besonders in den ersten vier Versen hervorgehoben, so dass diesem Umstand eine besondere Bedeutung zuzukommen scheint. Wie bei den ersten Göttern entsteht auch Marduk im Wasser. Anders als bei den früheren Göttern geschieht dies jedoch nicht in Vermischung mit dem Salzwasser, sondern – wie Zeile I 82 betont – im „reinen“ (KÙ) Apsû, d.i. im reinen Süßwasser. Hierin könnte ein Grund für die besondere Betonung des Apsû in I 81f. liegen (siehe auch § 7.2.2. Anm. 24). Die Vorzüge Marduks, die ab I 87 aufgezählt werden, sind vielseitig und reichen von physischen Eigenschaften, wie herausragender Gestalt und Größe, bis hin zu 72 So wird der Gott in I 89 namentlich eingeführt, wobei die Verse I 89–91 einen Einschub zur Schilderung Marduks, die sich von I 87–104 erstreckt, darstellen. Gleiches gilt für die vermutliche Rede Anus in I 101f., in der Marduk den Namen Marduk (erstmalig) erhält. Diese Rede ist nicht eingeleitet oder anderweitig markiert. Sie würde aber sehr gut an I 91 anschließen, in der Anu „für ihn einen Plan ausführt“ (uštaṣbīšumma, CAD Ṣ 2004, S. 227). An I 102 schließt sich eine abermalige Beschreibung der Vorzüge Marduks an, bis dann wieder Anu in I 105f. aktiv wird (inklusive einer nicht eingeleiteten wörtlichen Rede). Andererseits kann man den Stativ in Vers I 91 möglicherweise durch das enklitische -ma auch konsekutiv an das vorangehende Prädikat anbinden: Anu machte Marduk vollkommen, so dass seine „Göttlichkeit“ (ilūtu I 91) verdoppelt war. Dazu passt dann auch der Umstand, dass Marduk vier Augen und vier Ohren hat (I 95), was gegenüber der anthropomorphen Physiognomie eine Verdopplung darstellt (siehe bspw. DEIMEL 1934, S. 32). Demnach wäre Anus Beitrag deutlich umfangreicher und würde die Zeilen I 91–100 umfassen. 73 Auf das besondere Wortspiel mit dem Namen Marduk in den Zeilen I 101f. wird zu einem späteren Zeitpunkt intensiver eingegangen (siehe § 5.2.3.). 74 In Text KAR 307:19 wird beschrieben, dass Tiāmtu die Amme (mušēniqtu) von Marduk sei, wobei sie mit der Ištar von Ninive gleichgesetzt wird (MATSUSHIMA 1979, S. 15; FISCHER 2010, S. 77 Anm. 44).

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Kapitel 3: Struktur und Inhalt des enūma eliš

geistigen Qualitäten, wie die vier „Ohren“, die unter anderem für überragendes Wissen (beides akkadisch uznu) stehen.75 3.5.3. Zusammenfassung und Ausblick Thematisch fokussiert sich dieser Hauptabschnitt alleinig auf Marduk, der in den vorangehenden und folgenden Zeilen keine Erwähnung findet, bis er in allergrößter Not wieder im Text auftaucht (siehe § 3.8.) (Krit. 4A). Größtenteils wird Marduk in dem Hauptabschnitt beschrieben, was sich in der hohen Anzahl nominaler oder stativischer Verbformen niederschlägt (Krit. 2A). Dies ist zuvor und anschließend anders, wo vor allem fientische Aussagen getroffen werden. Vergleicht man allgemein den Raum, den die Schilderung von Zeugung, Geburt und Kindheit Marduks sowie die Beschreibung seiner Vorzüge einnimmt, mit dem Umfang der bisherigen erzählerischen Breite, so fällt auf, dass mit diesem Hauptabschnitt eine neue Erzählweise begonnen hat. Die Erzählung ist viel ausführlicher und detailreicher als alles Vorangegangene und zudem wird mit Marduk der Protagonist des Werkes eingeführt, so dass mit diesem Unterabschnitt ein neuer Textteil beginnt (siehe § 4.1.).

3.6. Eskalation (I 105–162) 3.6.1. Zäsur zwischen I 104 und I 105: Wiederaufnahme des Konfliktthemas Die vorangegangene Passage, die Beschreibung Marduks, zeichnet sich vor allem durch stativische und adjektivische Formulierungen aus (Krit. 2A, 3A). Dagegen hebt sich Vers I 105 deutlich ab, in dem sich gleich zwei fientische Prekative finden. Zusätzlich taucht hier erstmalig seit der Ansprache Mummus (I 49f.) direkte Rede im Werk auf (Krit. 4B). Auch die folgenden Zeilen weisen jeweils mindestens eine aktive Verbform auf. Besonders deutlich wird der Rückgriff auf den ersten Konflikt in den Zeilen ab I 110, die auch lexematisch auf die erste Unruhe Tiāmtus Bezug nehmen (I 21ff.) (Krit. 3B). 3.6.2. Zweite Provokation (I 105–108) Der erste Konflikt zwischen Göttern und Urwesen nahm seinen Ausgang im Lärm, den die versammelten (noch jungen) Götter verursachten. Das Gleiche gilt nun auch für den zweiten Konflikt: Anu erschafft und „gebiert“ (ualid, I 105) die vier Winde beziehungsweise den Vier-Wind76 und übergibt sie an Marduk mit den Worten: I 106b

75

mārī limmelli

„Mein Sohn, er77 soll spielen!“

Zur Analyse der Qualitäten Marduks siehe § 7.2.2. Die Textzeugen variieren an dieser Stelle (siehe KÄMMERER, METZLER 2012, S. 136; LAMBERT 2013,S. 56). 77 Die Endung des Prädikats ist nur bei Textzeuge g unb erhalten. Die Endung -i lässt sich wahrscheinlich als überhängender Vokal interpretieren (GAG 1995 § 82e), auch wenn der Textvertreter 76

3.6. Eskalation (I 105–162)

127

Allein in dieser Aufforderung steckt nach den vorangegangenen Erfahrungen mit den Urwesen eine deutliche Provokation gegen Tiāmtu. Marduk greift die Ermunterung seines Großvaters gerne auf: Er macht Staub, damit der Wind ihn umher wirbeln kann, er macht eine Flutwelle, um Tiāmtu aufzustören. Den Versen 107f. liegt eine finale Konstruktion zugrunde (STRECK 1995, S. 70), deren Zielpunkt stets am Ende der Zeile niedergeschrieben ist und der sich mit einem Wort zusammenfassen lässt: Unruhe. Gerade in Zeile I 108 richtet sich diese Unruhe explizit gegen Tiāmtu. Diese erneute Störung der (ersehnten) Ruhe, die in ihrer Qualität über das vorherige Maß hinausgeht, kann nur in einem neuen Konflikt münden. Zusätzlich steht auch noch die Tötung Apsûs ungesühnt im Raum. In diesem Sinne stellen Ea, Anu und Marduk – als Trias der jungen Götter78 – den Auslöser für die weitere Eskalation der Geschehnisse dar. 3.6.3. Kommentierung des Wechsels zwischen I 108 und I 109 Durch einen Szenenwechsel weg von Ea, Anu und Marduk hin zu Tiāmtu und die sie umgebenden Göttern ändert sich der Blickwinkel der weiteren Erzählung (Krit. 4A). Der Fokus bleibt bis zum Ende der ersten Tafel nun auf dieser Szenerie. Dabei knüpft der Beginn der neuen Passage lexematisch an den ersten Konflikt an, womit die Schilderung von Marduk und seiner Geburt überbrückt wird (Krit. 3B). Der Rückbezug zeigt sich beispielsweise in der Rekurrenz der Wurzeln √dlḫ79 (als dalāḫu = „eintrüben, aufstören“) und √pšḫ80 (als pašāḫu = „ruhen“), mit denen die fehlende Ruhe ausgedrückt wird. Dass die Fraktion um Tiāmtu ein zweites Mal Böses plant, wird durch die Wiederaufnahme der Wurzeln √lmn (als lemnu = böse) und √kpd (als kapādu = „aushecken“) unterstrichen, womit an die Beschreibung angeknüpft wird, in der Mummu mit Apsû die Vernichtung der Götter beschließt (I 51– 54). Wie bei der ersten Ohnmacht Tiāmtus gegen die Unruhe der Götter, wird auch hier ihr Zustand durch Stative wiedergegeben (Krit. 2A). Die Reihenfolge einer Form von √dlḫ (als dalāḫu = „eintrüben, aufstören“) und dem Namen Tiāmtu in Zeile I 109 entspricht dabei dem Ende von Vers I 108, an die die weitere Beschreibung auch anknüpft. 3.6.4. Tiāmtus Reaktion (I 109–162) Wie bereits beim ersten Konflikt zwischen den lebhaften jungen Göttern und der Urmutter, so bleibt sie auch dieses Mal passiv. Hier tritt nun eine neue Göttergruppe in Erscheinung, die zum einen als Abkömmlinge der Tiāmtu bezeichnet werden (I gunb babylonischer und nicht neuassyrischer Orthographie ist. Somit wird durch den hier verwendeten Prekativ sehr wahrscheinlich Marduk und nicht die Winde adressiert. 78 Diese Trias wird später auch in derselben Reihenfolge, wie die Provokation erfolgte (Ea, Anu und schließlich Marduk) gegen Tiāmtu geschickt. Zudem handelt es sich bei Anu (Er gibt beispielsweise Marduks Bogen drei neue Namen und setzt Marduks Thron in die Versammlung, VI 86– 94) und Ea (Sieger über Apsû, Schöpfer des Apsû als Weltenteil, Erschaffer der Menschen) um die wichtigsten Akteure nach Marduk. Die beiden Götter erhalten schließlich auch wichtige Funktionen in der neuen von Marduk eingerichteten Weltordnung (vgl. V 67–70, VI 41). 79 I 109 bezieht sich damit auf I 23. Beide Male wird das Aufwühlen Tiāmtus beschrieben. 80 Wie bereits in der Passage des ersten Konflikts steht die Form in Vers I 110 im Š-Stamm.

128

Kapitel 3: Struktur und Inhalt des enūma eliš

112), aber ebenso (teilweise) auch Nachkommen von Anšar sind (I 128 sowie II 14). Diese Göttergruppe wird somit genealogisch zwar auch mit Anšar verbunden, steht in der Handlung jedoch nicht auf der Seite von Ea und Anšar, sondern vielmehr auf der Seite der Urmutter Tiāmtu. Diese politische Spaltung wird im Text nur einmalig durch eine besondere Bezeichnung der feindlichen Göttergruppe expliziert. So spricht der Vers VII 90 von den ilānī ša Tiāmti („Göttern der Tiāmtu“). Aus Mangel einer Bezeichnung der Gegenseite, soll in Anlehnung an die ilānī ša Tiāmti, ein modernes Begriffspaar zur Beschreibung beider Göttergruppen herangezogen werden.81 Die Götter um Tiāmtu sollen entsprechend als Tiāmtu-Götter bezeichnet werden, die Götter um Anšar, Anu, Ea und Marduk als Anšar-Götter.82 Die Tiāmtu-Götter richten sich zu Beginn dieser Passage an die Urmutter, der sie vorwerfen, dass sie nichts gegen den Tod ihres Gatten Apsû unternommen habe, nun nichts gegen die erneute Störung unternehme und zudem selbst unter dieser Unruhe leide. Die Tiāmtu-Götter finden ob des stürmischen Treibens Marduks ebenfalls keine Ruhe. Nach dieser Klage fordern sie Tiāmtu auf, den Lärm zu bekämpfen und ihren Gatten zu rächen. Ähnlich wie die Anstachelungen des Mummu bei Apsû Wirkung gezeigt haben, so bewirkt nun auch diese Rede, die vom Erzähler als „Böses“ (lemutta, I 111) bezeichnet wird, ebenfalls die Aktivierung der Urmutter. Als erstes erschafft sie in der Versammlung ihrer Götter elf Monster, die als fürchterliche Wesen beschrieben werden (I 133–145).83 Anschließend erhöht sie einen ihrer Götter, Kingu, zu ihrem Gemahl. Woher dieser Gott kommt und was seine Vorzüge sind, darüber schweigt der Text (SERI 2012, S. 11 Anm. 12). Hier wird er erhöht, wobei er den Oberbefehl über ihre Truppen (I 149–151), die Wortgewalt über alle Götter (I 156), und schließlich die „Tafel der Festsprechungen“ (ṭuppi šīmāti) (I 157) erhält.84 Den Rang, den Kingu nun bekleidet wird in Vers I 159 mit der „Anuschaft“ (danūtu)85 bezeichnet. Abschließend nimmt Kingu eine Festspre81 Ein emischer Kandidat hierfür wären sicherlich die Ausdrücke dAnunnakkū und dIgigū, jedoch werden sie im enūma eliš synonym verwendet (VON SODEN 1964, S. 109), so dass sie als Trennungsmarker ausscheiden. Vitali Bartash versucht sich in einer textlichen Stratigraphie der beiden Lexeme, wobei er die Anunnaki ursprünglich als die Tiāmtu-Götter liest und die Igigi als AnšarGötter, wobei sich diese Differenzierung in einem späteren Stratum vermische (2010, S. 1097). Wilfred Lambert macht die nicht-konsistent erscheinende Verwendung beider Gruppenbezeichnungen an den unterschiedlichen Vorlagen, die im Text verarbeitet wurden (bspw. Atramḫasīs-Mythos), fest (2013, S. 196). Letzten Endes lässt sich somit bei einer synchronen und textimmanenten Betrachtungsweise, die der vorliegenden Arbeit zugrundeliegt, eine Zuschreibung der beiden akkadischen Götterbezeichnungen zu den beiden Göttergruppen nicht durchhalten. 82 Manfried Dietrich unterteilt sie in die Götter der „Partei des Apsû“ und die der „Partei der Tiamat“ (1991, S. 52), wobei er in Apsû eine gute Kraft sieht und in Tiāmtu eine negative (IBID, S. 55f.). Dass Apsû den ersten Theozid beschlossen hat, scheint er dabei auszublenden. Die Markierung als Anšar-Götter und Tiāmtu-Götter ist an dieser Stelle treffender, da Anšar auf der einen Seite die Herrschaft innehat (siehe § 6.2.3.) und auf der anderen Seite Tiāmtu die entscheidende Gestalt ist, da Kingu erst später und von ihr erhöht wird (siehe auch § 6.2.2.; BARTASH 2010, S. 1102). 83 Zur intertextuellen Analyse dieser Wesen und der Zahl elf siehe LAMBERT 2013, S. 224–232. 84 Zur Erhöhung Kingus siehe auch § 6.2.2. 85 Diese Bezeichnung findet sich auf keinem der Textzeugen an dieser Stelle, lässt sich aber aus den Wiederholungen der Passage rekonstruieren (II 45 und III 49). Neben danūtu („Anuschaft“) auf

3.6. Eskalation (I 105–162)

129

chung86 vor für die Tiāmtu-Götter (I 161) und Tiāmtu selbst (I 162).87 Damit sind die Rüstungsmaßnahmen der Tiāmtu abgeschlossen, um ihren Plan, die Götter zu vernichten, in die Tat umzusetzen.

Textvertreter DNin (II 45) findet sich auch die allgemeinere Formulierung enūtu („Herrschaft“) auf den Textzeugen gSip (II 45) und b unb (III 49). Der Wiederholungszeile III 107 fehlt ebenso wie dem Vers I 159 das Zeilenende. 86 Zur Untersuchung des Konzepts der Festsprechung (šīmtu) siehe § 5.1. 87 Das Ende des Prädikats fehlt auf den meisten Textzeugen und in den wenigen Fällen, wo es erhalten ist, sind die Dinge nicht einheitlich. Dies soll im Folgenden einer genaueren Analyse unterzogen werden. Die ersten beiden Silben des Prädikats iš-ti- sind auf allen Tontafelfragmenten, auf denen sie erhalten sind, identisch. Die letzte Silbe ist nur viermal in drei unterschiedlichen Ausführungen erhalten. Für Vers I 160 schreibt Textzeuge b unb -ma, wie auch gSip für den Wiederholungsvers II 46. Dort weist der Textzeuge E Nin die Schreibung -mu auf. Schließlich endet Textvertreter bunb in der weiteren Wiederholungszeile III 50 auf -Ú, auf das ein kleines und hochgestelltes KÚR folgt. Bei dem letzten Zeichen handelt es sich um das Anzeigen eines Fehlers durch den antiken Schreiber (LAMBERT 1981, S. 216; MAUL 1994, S. 440 Anm. 13), womit dieser Textzeuge für die weiteren Überlegungen ausfällt. Es bleiben also zwei Schreibungen: (1) iš-ti-mu und (2) iš-tima. Zur Interpretation von (1) bieten sich drei Möglichkeiten:  3. Pl. m.  3. Sgl. c. Subordinativ  3. Pl. m. Subordinativ. Die erste Variante ist grammatikalisch ohne Probleme möglich, jedoch ist sie inhaltlich nicht ganz schlüssig. Ein männlicher Plural setzt mindestens zwei Personen voraus, von denen wenigstens eine Person ein Mann ist. Eine Möglichkeit wären demnach Kingu und Tiāmtu. Damit wäre Tiāmtu jedoch nicht nur Subjekt der Bestimmung, sondern auch Adressat. Innerhalb der wörtlichen Rede (I 162) werden die Lexeme imtu („Gift“) und kamāru („anhäufen“) verwendet. Auf diese rekurriert später die Zeile V 51, in der sich beide Lexeme eindeutig auf Tiāmtu beziehen, wodurch deutlich wird, dass die Bestimmung Tiāmtu adressiert (siehe auch § 5.1.2.3.). Innerhalb des Textes (siehe § 5.1.) und auch in anderen Quellen (LÄMMERHIRT, ZGOLL 2009) ist kein Beispiel zu finden, wonach eine einzelne Gottheit eine Festsprechung für sich selbst vornehmen kann. Die Gruppe der versammelten Götter wären ein zweiter Kandidat für das Subjekt des Satzes, jedoch kommen sie ebenfalls nicht in Frage, da sie genauso Adressaten der Bestimmung sind (I 161). Dieser Umstand schließt damit auch die dritte Variante aus, die ebenfalls ein pluralisches Subjekt erfordert. Die zweite Variante (wie sie beispielsweise von Stephanie Dalley präferiert wird (2008, S. 238)) sieht hingegen einen Subordinativ, wodurch sich das perfektivische Verb in eine consecutio temporum mit der vorangegangenen Zeile einreiht. In diesem Falle fehlt der Hauptsatz, der als Redeeinleitung weggefallen ist und sich stattdessen sogleich die wörtliche Rede anschließt. Diese Lesart würde dann auch die parallele Schreibung (2) iš-ti-ma erklären, die den Zeitverlauf in den Hauptsatz verlegt und das Prädikat zugleich als Redeeinleitung begreift. Als Kandidat für das Subjekt des Satzes kommt somit nur noch Kingu infrage, da Tiāmtu nicht zugleich Subjekt und Adressat der Bestimmung sein kann. Zudem hat Kingu zuvor die Tafel der Festsprechungen (ṭuppi šīmāti) erhalten. Die in Vers I 160 beschriebene Tätigkeit wird als šīmāti šiāmu („Festsprechungen vornehmen“) umschrieben, worin sich ebenfalls das Lexem šīmtu wiederfindet, was eine Verbindung zwischen Tätigkeit und der ṭuppi šīmāti nahelegt. Somit sprechen sprachliche wie auch inhaltliche Gründe für ein Subjekt Kingu. Anders K ÄMMERER, METZLER 2012, S. 150 Anm. 1, die Kingu als Handlungsträger annehmen, Tiāmtu aber nicht ausschließen wollen.

130

Kapitel 3: Struktur und Inhalt des enūma eliš

3.6.5. Zusammenfassung und Ausblick Mit der Provokation durch die Winde wechselt der Textfokus zu den Tiāmtu-Göttern und ihrer Anführerin, wodurch die gesamte Passage zusammengehalten wird (Krit. 4A). Zuvor und danach ruht er auf den Anšar-Göttern. Nachdem sie zum erneuten Versuch des Theozids angestachelt worden ist, wird sie sogleich durch eine ganze Reihe an Rüstungsmaßnahmen aktiv. So verstärkt sie ihre Truppen durch elf Monster und stellt ihnen mit Kingu einen neuen Gemahl voran. Dieser erhält auch die Tafel der Festsprechungen (ṭuppi šīmāti), die im kulturellen Gedächtnis der altorientalischen Menschen in der Hand des falschen Gottes kosmische Gefahr darstellt (vgl. Anzû-Erzählung). Damit ist das existenzielle Bedrohungsszenario für die Götter plastisch entwickelt. Die Zeilen I 129–162 dieses Hauptabschnitts werden zudem in wörtlicher Rede drei weitere Male innerhalb des Werkes wiederholt, was ihnen eine besondere Funktion und Bedeutung zukommen lässt. Zum einen führt die Wiederholung dem Leser immer wieder die Bedrohung der Anšar-Götter und der Schrecken der Maßnahmen der Tiāmtu vor Augen. Zum anderen haben die Wiederholungen retardierenden Charakter, was den Spannungsbogen bis zum Erscheinen Marduks und der (Er)Lösung der Anšar-Götter durch den Zweikampf mit der Urmutter verlängert. Durch die Wiederholung der Gefahr, in der die Anšar-Götter schweben, wird die Tat Marduks in ihrer Wirkung und ihrem Wert zusätzlich bestärkt.

3.7. Notlage der Anšar-Götter (II 1–126) 3.7.1. Zäsur zwischen I 162 und II 1ff.: Fokusverschiebung zu den Anšar-Göttern Das Ziehen eines Trennstrichs nach I 162 fällt besonders aus physischen Gründen sehr leicht, da hier die erste Tafel endet (Krit. 1A). Zusätzlich stellen die ersten drei Zeilen der neuen Tafel ein für das Lied auf Marduk typisches narratives Element dar, welches später noch häufig auftauchen wird. Indem das vorherige etwas längere Geschehen zusammengefasst wird, leitet der Text zum nächsten Geschehen weiter, das sich als Folge aus dem ersteren ergibt (Krit. 4C). Als klassische Überleitung kann man die drei Zeilen auch zu dem vorherigen Teil zählen. Da die vorherige Passage88 jedoch drei weitere Male wiederholt wird, der Anfang der zweiten Tafel darin aber keine Erwähnung findet, spricht dies für den subsummierenden Charakter dieser Zeilen, die als Zusammenfassung des vorherigen Unterabschnitts nicht mehr selbst zu diesem gehören. Die Zusammenfassung ist nicht Teil des Zusammengefassten. Noch deutlicher wird die Zäsur mit dem Vers II 4, in dem sich der Blick weg von Tiāmtu hin zu den Anšar-Göttern richtet (Krit. 4A). Die Gestalt Eas, die in der gesamten vorherigen Passage keine Rolle spielt, wird explizit wieder eingeführt. Er 88 Eine wörtliche Wiederholung erfahren nur die Zeilen I 129–162, jedoch wird der Vorlauf in einem kürzeren Wortlaut in den Wiederholungen zusammengefasst, so dass die gesamte Passage eine klare narrative Einheit darstellt.

3.7. Notlage der Anšar-Götter (II 1–126)

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erfährt von den Planungen der Urmutter.89 Damit verbindet sich das folgende Geschehen motivisch mit dem ersten Konflikt mit Apsû, wo die Götter allgemein von den Vernichtungsplänen erfahren (I 55–58). An diese Zeilen knüpfen die beiden Verse II 5f. lexematisch an, indem das Verb šemû am Zeilenanfang aus I 57 übernommen und die Formel šaqummeš ušbū/a („sie/er sitzen/sitzt schweigend da“) sowohl am Ende von I 58 als auch von II 6 verwendet wird (Krit. 3B). 3.7.2. Ea vor Anšar (II 1–70) Nachdem Ea diesmal als Einziger von den Plänen der Urmutter erfährt, lenkt er seine Schritte zum Urgott Anšar. Damit liegt ein etwas anderer – teils umgedrehter – Verlauf vor als beim Konflikt mit dem Urvater Apsû. Dort wussten alle Götter von den Plänen und Ea hat sich ohne Rücksprache entschieden, alleine gegen den Feind vorzugehen. Hier nun informiert er zunächst den Gott Anšar, den er wiederholt mit „mein Vater“ (abī) anspricht (II 11 und 61), was genealogisch aber auch hierarchisch gemeint sein kann (siehe § 6.2.3.). Einen Großteil des Unterabschnitts nimmt die wörtliche Rede Eas an, in der er sich seinem Großvater zuwendet. Dabei handelt es sich um eine zum großen Teil wortwörtliche Wiederholung der Aufwiegelung von und der Rüstung durch Tiāmtu. Anšars reagiert mit dem Vorwurf an Ea, dass dieser durch seinen Alleingang, Apsû zu töten, für die aktuelle Situation verantwortlich sei. Ea versucht ihn zu beschwichtigen, indem er ihn zunächst mit verschiedenen Epitheta der Macht anspricht, um dann darauf zu verweisen, dass seine Tat ein Akt der Notwehr war. Schließlich führt er an, dass die aktuelle Situation nicht vorhersehbar war, was bei dem Gott der Weisheit zumindest verwundert. 3.7.3. Kommentierung des Wechsels zwischen II 70 und II 71ff. Bei den Versen II 72 und 73 handelt es sich wieder um Überleitungen zum nächsten Geschehen. Anšar hört, er bejaht das Gehörte, sein Herz „beschwichtigt sich“ (ipšaḫ)90 und er wendet sich an Ea. Wurden bisher Informationen und Rechtfertigungen ausgetauscht, so richtet sich nun der Blick auf die Lösung des Problems (Krit. 4A). Zudem wurde der vorangehende Unterabschnitt von der wortwörtlichen, mündlichen Wiederholung der Verse I 129–162 durch Ea dominiert. Im Folgenden treten neben die wörtliche Rede auch Passagen nicht-sprachlicher Handlungen, die auf der Erzählerebene beschrieben werden (Krit. 4B). In diesem Unterabschnitt finden sich zwei fast vergleichbare Aufforderungen an Ea und Anu. Diese textliche und dramatische Duplizität kennzeichnet die folgenden Verse als eine eigene Einheit. Zugleich folgt die narrative Perspektive beiden Göttern jeweils von Anšar weg in die Nähe Tiāmtus und kehrt dahin wieder zurück, so dass sich zwei ringförmige Bewegungen ergeben (Krit. 4A). 89 Kai Metzler liest – anders als beispielsweise Wilfred Lambert (2008, S. 40; 2013, S. 63) – Vers II 4 nicht passivisch, sondern als Perfekt, wonach Tiāmtu nach ihren Aufrüstungen nun Ea (und damit den anderen Göttern) den Krieg erklärt und damit höchstselbst ihren Plan offenbart (2002a, S. 451). 90 Dass sich hier das textimmanent wichtige und ambivalente Verb pašāḫu (√pšḫ) findet, wird unten (§ 3.7.4.) erläutert.

132

Kapitel 3: Struktur und Inhalt des enūma eliš

3.7.4. Eas und Anus Scheitern (II 71–120) Die Rechtfertigungsrede Eas lässt Anšar nach vorne blicken. Er beauftragt Ea damit, zu Tiāmtu zu gehen. In der Begründung des Auftrags erwähnt Anšar jedoch nicht mehr die Verantwortung des Weisheitsgottes, was vielleicht verdeutlicht, dass er die Rechtfertigung Eas voll und ganz akzeptiert hat. Vielmehr hebt Anšar die Tatkraft seines Nachkommens hervor, womit er wahrscheinlich auf die Tötung Apsûs anspielt. Der Auftrag Eas ist recht doppeldeutig formuliert. Verwendet wird das Verb pašāḫu (Grundbedeutung: „ruhen“, Š-Stamm: „beschwichtigen“, √pšḫ) in Vers II 77 im Š-Imperativ. Dasselbe Verb (im G-Stamm) findet sich in der Beschreibung in II 72, wo Anšar sich aufgrund der Replik Eas beruhigt. Auch in der Klage Apsûs (I 38), dem Plan Mummus (I 50) und dem Zur-Ruhe-Kommen Eas nach dem Sieg über Apsû (I 75) findet sich das Verb wieder – dort auch jeweils im Š-Stamm. In allen drei Versen steht es dafür, dass das Subjekt zur Ruhe kommt beziehungsweise zur Ruhe kommen will. Insofern könnte man den neuen Auftrag Eas so lesen, dass er die Urmutter beziehungsweise „ihren Angriff“ (tibâša) beschwichtigen, besänftigen soll (so auch DIETRICH 2006, S. 144). Möglicherweise geht der Auftrag Eas noch darüber hinaus. Es gibt eine vierte vorangegangene Stelle, in der pašāḫu im Š-Stamm verwendet wird. Dort schläfert Ea Apsû mittels seiner Beschwörung ein, um ihn anschließend zu ermorden (I 61ff.). Der Akt des Einschläferns wird dort durch das Prädikat ušapšiḫ (Š-Präteritum von pašāḫu) ausgedrückt (siehe § 3.4.7.). Zusätzlich wird in beiden Fällen (I 61ff. und II 77f.) von Eas Beschwörung91 gesprochen. Blickt man nun in die Beauftragung Anus, so fällt auf, dass dieser sich von Eas Auftrag wörtlich teils unterscheidet. Es findet sich zwar wiederum der Š-Imperativ von pašāḫu (II 100), aber von einer Beschwörung ist gar keine Rede mehr. Stattdessen bezieht sich das Lexem kabattu („Inneres, Stimmung“) auf das Prädikat, womit eine vergleichbare Verbindung wie in Zeile II 71 vorliegt92, in der Anšar sich beruhigt. Auch in weiteren vorangegangenen Zeilen findet sich das Substantiv kabattu, in denen es jeweils für eine gute oder schlechte Gemütslage steht (I 31 und II 51). Schließlich endet der Vers II 100 mit dem Prekativ, dass „sich ihr Herz entspannen soll“ (libbuš lippuš),93 womit noch deutlicher wird, dass Anus Auftrag tatsächlich darin besteht, Tiāmtu zu besänftigen.94 Der Unterschied in der Beschreibung kann schlicht einer erzählerischen Varianz der Autoren geschuldet sein. Da jedoch beispielsweise die Rechtfertigungen für das Versagen Eas und Anus, um einmal vorzugreifen, wortwörtliche Wiederholungen sind (vgl. II 85–94 und II 109–118), erscheint dies eher unwahrscheinlich. Also liegt dem unterschiedlichen Wortlaut vermutlich auch ein unterschiedlicher Auftrag 91

Während in I 62 das Lexem tû verwendet wird, findet sich hier das Substantiv šiptu. Beide können jedoch als mehr oder weniger synonym verstanden werden. 92 Dort findet sich das Synonym libbu für kabattu. 93 An dieser Stelle fällt die kunstvoll gewählte Homoiophonie der Phrase auf. 94 Dass er in Vers II 110 dennoch davon spricht, dass seine „Beschwörung“ (šiptu) gegen Tiāmtu zu schwach ist, könnte der Parallelität der Verse II 85–94 und II 109–118 geschuldet sein. Während in II 86 die Erwähnung zu dem expliziten Auftrag Eas passt (II 78), so taucht das Lexem in II 110 auf, weil es bereits in II 86 verwendet wurde. Im Auftrag Anus (II 97–102) findet es sich nicht.

3.7. Notlage der Anšar-Götter (II 1–126)

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zugrunde. Das, was Anšar Ea bittet zu tun, ist eine Wiederholung seiner Tat gegen Apsû: Er soll Tiāmtu mit seiner Beschwörung einschläfern und dann im Schlaf töten, wohingegen Anu sie nur noch beruhigen soll. Sowohl Ea als auch Anu machen sich nach der Anweisung Anšars auf den Weg, um den Auftrag gegen Tiāmtu auszuführen. Dabei erkennen beide die Macht Tiāmtus, der sie nicht gewachsen sind und kehren zurück. Auch hier spielt der Text mit der Lexik des ersten Konflikts. Dort erkennt Ea die Maßnahmen von Apsû und Mummu, um dann Gegenmaßnahmen zu ergreifen: I 60

d Ea ḫāsis mimmama95 išeʾâ šibqīšun96

Ea, der Allwissende, durchschaute ihre Pläne.

Eine vergleichbare Formulierung wählen auch die Verse II 81 und 105: II 81 / 105

illik dEa (II 81)/dAnu (II 105) šibqūš Tiāmti97 išeʾâmma

Ea / Anu ging und durchschaute Tiāmtus Pläne.

Während aber im ersten Konflikt die Erkenntnis zu einer Lösung geführt hat, führt sie nun nur die jeweilige Unterlegenheit vor Augen. Beide Götter müssen erkennen, dass sie Tiāmtu nicht gewachsen sind. Ihre Reaktion ist Schweigen und Rückkehr (II 82–84 bzw. II 106–108). Anschließend treten sie wieder vor Anšar, um sich zu rechtfertigen. Dabei verweisen sie auf die zu große Stärke (emūqu, dunnunu, II 87f. bzw. II 111f.) Tiāmtus, aber interessanterweise auch auf den enormen Lärm (tukku, rigmu, II 89f. bzw. II 113f.), den sie verursacht und der ihnen Furcht einflößt. Beide Götter gestehen ihre Unfähigkeit ein, nichts gegen Tiāmtu unternehmen zu können. In den letzten beiden Zeilen ihrer wörtlichen Rede richten sie den Blick wieder nach vorne und appellieren an Anšars Zuversicht. Da der Gegner eine Frau sei, werde sich schon ein Mann finden, der sie besiegen könne.98 Während Anšar nach Eas Scheitern noch wütend auf Anu setzt, resigniert er nach Anus erfolglosen Versuch vollständig. 3.7.5. Kommentierung des Wechsels zwischen II 120 und II 121 Während in den beiden Versen II 119f. die Resignation von Anšar (und Ea) beschrieben wird, weitet sich die Hoffnungslosigkeit in II 121ff. weiter aus. Als neue Personen werden alle Igigi und Anunnaki, d.i. die Anšar-Götter, in II 121 wieder eingeführt (Krit. 4A). Bewegte sich die vorangegangene Passage nur zwischen 95

KAss und PAss: mimma. runb:2c: mimmašu. BNin: šibqīšun[u]. 97 Eine Möglichkeit, die Phrase šibqūš Tiāmti zu verstehen, liegt in der Annahme einer ungewöhnlichen Genitivkonstruktion, wobei dem status constructus šibqū ein verkürztes feminines Genitivsuffix (-š) angehängt wird. Wilfred Lambert geht schlicht von einer korrupten Textstelle aus (2013, S. 41). 98 Diese Stelle ist nicht der einzige Beleg für die anti-feministische Haltung des Textes, auf die leider in dieser Untersuchung nicht weiter eingegangen werden kann, welche aber einen spannenden Blickwinkel darstellt. Erstmalig gezielt behandelt findet sich diese Frage bei Rivkah Harris (1993 und dann erneut 2000, S. 80–87). Auch Kai Metzler widmet sich der Stellung der Frau in dem Werk, die er mit der Frage nach Leben und Tod verbunden sieht (2002b). Am aktuellsten und umfangreichsten ist die Arbeit von Karen Sonik, die sehr nah am originalsprachlichen Text arbeitet und somit auch wertvolle Erkenntnisse jenseits der Hauptfragestellung liefert (2009). 96

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Kapitel 3: Struktur und Inhalt des enūma eliš

Anšar und Tiāmtu, so richtet sich nun der Fokus auf eine Versammlung (√pḫr, bspw. puḫru „Versammlung“, II 121) dieser Götter. Anders als die Götterversammlung der Tiāmtu-Götter (I 132–162)99 bleibt die Versammlung jedoch rein passiv-resignativ, was durch Stative und negierte fientische Formen ausgedrückt wird (Krit. 2A) sowie durch einen Wechsel rein auf die Erzählerebene (Krit. 4B), womit sich die Passage in mehrerer Hinsicht von dem vorangehenden Unterabschnitt abgrenzt. Auch inhaltlich kollidiert sie mit den optimistischen Schlussappellen von Ea und Anu, die in ihren wörtlichen Reden die Hoffnung ausdrückten, dass sich schon jemand Geeignetes gegen Tiāmtu finden werde. Durch die Hinzunahme aller Anšar-Götter erhält die Hoffnungslosigkeit eine neue Dimension, weshalb die Zeilen als eigener Unterabschnitt hervorgehoben werden. 3.7.6. Verzweiflung (II 121–126) Während die Versammlung der Tiāmtu-Götter in der Erschaffung der elf Monster und der Erhöhung Kingus mündete – also Aufrüstungen zur Vernichtung der AnšarGötter –, so resultiert die Versammlung der Anšar-Götter angesichts dieser Bedrohungslage in vollständiger Resignation. Die Götter sitzen, die Götter schweigen, kein Gott geht Tiāmtu entgegen. Dieser Zustand der Hoffnungs- und Aktionslosigkeit wird durch Stative (II 121f., II 126) und negierte fientische Verben (II 123– 126) syntaktisch untermauert. 3.7.7. Zusammenfassung und Ausblick Der Hauptabschnitt wird durch das Motiv der Ausweglosigkeit zusammengehalten, das sukzessive verstärkt und stets mit der Reaktion Anšars gekoppelt wird, wodurch sich stellvertretend die verzweifelte Lage der Anšar-Götter ablesen lässt. Nachdem Ea das Vorhaben und die Maßnahmen der Urmutter beschrieben hat, wird er wütend (II 50–52). Die Rechtfertigung seines Enkels beruhigt und entspannt ihn (II 71f.). Das Versagen Eas jedoch ruft wieder Wut in ihm hervor (II 95), das Scheitern Anus lässt ihn dann endgültig resignieren (II 119ff.) (Krit. 4A). Hier zeigt sich eine weitere Konstante der Passage, das Gegensatzpaar Ruhe und Lärm (Krit. 3A). Ruhe steht dabei im gesamten Hauptabschnitt immer für Verzweiflung und Handlungsunfähigkeit (besonders deutlich bspw. in II 82 und II 106). Lärm findet sich nur auf Seiten von Tiāmtu (II 89f. und II 113f.), wobei es hier nun für die Bedrohung steht, der die Anšar-Götter nichts entgegensetzen können. Damit ist das Verhältnis von Ruhe und Lärm, wie es in I 21–54 vorherrschte in entscheidenden Teilen umgedreht worden (Krit. 3A). War es zunächst Tiāmtu, die angesichts des Geschreis der Götter handlungsunfähig verstummte, sind es nun die Anšar-Götter, die vor dem Lärm der Tiāmtu kapitulieren. Die Machtlosigkeit umfasst dabei nicht nur die Götter Ea und Anu, die ihre Mission nicht erfüllen können, sondern erstreckt sich auch auf alle versammelten Anšar-Götter.

99 Die Wurzel √pḫr (als puḫru = „Versammlung“) bzw. das Synonym ukkinnu, findet sich innerhalb jener Passage in den Versen I 132, 147, 149 und 153.

3.8. Marduk als Retter (II 127–162)

135

Damit ist der Höhepunkt der Verzweiflung im Text erreicht. Alle Versuche, der Bedrohung durch Tiāmtu Herr zu werden, waren erfolglos. Und nun findet sich niemand mehr unter den versammelten Anšar-Göttern, der nach Ea und Anu sein Glück versuchen würde. Damit dienen die Zeilen II 1–126 der Ausbreitung der Hoffnungslosigkeit der Situation der Anšar-Götter, die in der Schilderung der Resignation in II 121–126 kulminiert. Damit ist die Bühne für den strahlenden Retter bereitet, der die Anšar-Götter in höchster Not erlöst.

3.8. Marduk als Retter (II 127–162) 3.8.1. Zäsur zwischen II 126 und II 127: Marduk wird zentrale Gestalt Während die Verse II 121–126 einen Zustand als narratives Zwischenziel umfassen, dienen die Zeilen II 127–134 als Überleitung zur Rückkehr der Aktivität innerhalb der Erzählung. Dies geschieht zunächst durch positive nominale Ausdrücke (Krit. 2A), die Marduk wieder in das Geschehen einführen (Krit. 4A). In den beiden vorangehenden Hauptabschnitten (I 105–162 und II 1–126) wird Marduk kein einziges Mal erwähnt. Die Schilderung seiner Geburt (I 79–104) tritt fast wie ein Einschub zwischen die beiden Konflikte, auf welchen nun erstmalig zurückgegriffen wird. Trotz des statischen Einstiegs bedeutet der Unterabschnitt ab Vers II 127 die Rückkehr der Aktion in den Text, was später auch durch fientische Verben (Krit. 2A) und wörtliche Rede (Krit. 4B) verdeutlicht wird. Wie scharf der narrative Wechsel an dieser Stelle ist, verdeutlicht sich bei einem Vorgriff auf das weitere Geschehen. Alles, was ab diesem Zeitpunkt im enūma eliš beschrieben wird, dreht sich indirekt (III 1–128), jedoch zumeist direkt (II 127ff. mit Ausnahme der genannten Verse) um Marduk. Mit der Einführung Marduks als Retter konzentriert sich das Werk vollkommen auf ihn. Alle folgenden Aktionen geschehen wegen Marduk oder durch Marduk. Eine Handlung jenseits des Protagonisten findet schlicht nicht mehr statt. 3.8.2. Eas als Mittler (II 127–134) Statt wie seine Gefährten stumm dazusitzen und zu resignieren, übernimmt Ea vorübergehend das Ruder der Handlung. Dabei kommt ihm jedoch nur eine Mittlerrolle zu, da er seinen Sohn Marduk zu Anšar schickt, womit das aktive Momentum vollständig auf Marduk übergeht. Vielleicht lässt sich seine Funktion mit der Mummus bei Apsû und mit der der Tiāmtu-Götter am Anfang des zweiten Konflikts vergleichen. Alle drei Instanzen stoßen die Aktivität eines Antagonisten beziehungsweise Protagonisten an, wobei die Angestoßenen im Folgenden als Akteure im Fokus stehen. Die Anstoßenden spielen ab dort keine entscheidende Rolle mehr. 3.8.3. Kommentierung des Wechsels zwischen II 134 und II 135 Mit Vers II 135 geht das handelnde Momentum von Ea auf Marduk über. Ea ist ab diesem Zeitpunkt nur noch Nebenfigur des Werkes, er überlässt Marduk die Bühne der weiteren Handlung (Krit. 4A). Das Trikolon in II 135f. mit jeweils vorange-

136

Kapitel 3: Struktur und Inhalt des enūma eliš

stelltem Prädikat läutet die Aktivität des neuen Akteurs ein. Das jeweilige Gegenüber (Ea als abīšu „sein Vater“ in II 135 und Anšar in II 136) steht hingegen am Zeilenende (Krit. 5A). Schließlich verwendet Anšar in seiner Rede zu Marduk die Wurzel √pšḫ im Š-Stamm („beschwichtigen“), womit er an die Aufträge an Ea und Anu anknüpft. Zugleich führt er aber auch Marduks „reine Beschwörung“ (tû ellu) an, mit der er Tiāmtu „besänftigen“ (šupšiḫ) soll. Dies ist vermutlich eine Rekurrenz auf den Vers I 62, in denen Ea Apsû mittels seiner „reinen Beschwörung“ (tû ellu) einschläfert (Krit. 3B). Schließlich leitet Vers II 135 durch die Erwähnung der Freude (iḫdûma „er (=Marduk) freute sich“) ein neues Wortfeld ein, welches dann im Folgenden die vorherrschende Stimmung sowohl von Marduk als auch von Anšar beschreibt (Krit. 3A). Zusätzlich verspricht Marduk in seiner ersten Rede Anšar auch zukünftige Freude und die Abkehr von Angst (II 139–148), womit die Differenz dieses neuen Wortfeldes zur vorherigen Verzweiflung zusätzlich unterstrichen wird. 3.8.4. Marduk vor Anšar (II 135–162) Marduk tritt vor Anšar und allein sein Anblick lässt Anšar ruhiger werden. Während es in II 125 noch hieß, dass Anšar niemanden zu sich lässt, reicht der Auftritt des jungen Gottes, um die Hoffnungslosigkeit zu vertreiben. Marduk bietet seinem Vorfahren und Vorgesetzten an, gegen Tiāmtu in den Kampf zu ziehen. Die Lexeme tāḫāzu („Kampf, Schlacht“, II 143) und kakku („Waffe“, II 144) verweisen bereits auf die kriegerische Dimension des Konflikts. Ebenso spricht der Text auch vom „Streitwagen“ (gišGIGIR100). Schließlich zeigt der weitere Verlauf des Werkes, dass Marduk Tiāmtu nicht besänftigen soll, sondern im Kampf besiegen. In der anschließenden wörtlichen Rede Marduks zu Anšar wird der Auftrag noch deutlicher: II 156 II 157

šummama anāku mutēr gimillikun101 akamme102 Tiāmtama uballaṭ kâšun103

„Wenn ich Euer Rächer sein soll und Tiāmtu binden und (so) euer Leben retten soll, …“

Demnach ist es Marduks Aufgabe, Tiāmtu zu „binden“ (kamû). Hinter diesem Verb verbirgt sich jedoch nicht die schlichte Gefangennahme. Verfolgt man im Werk die Wurzel √kmī (als kamû = „binden“), so fällt auf, dass sie fast ausschließlich zusammen mit der Tötung des Gebundenen verwendet wird.104 Marduk soll Tiāmtu demnach binden und töten.105 100

Akkadisch vermutlich eher mugirru als narkabtu zu lesen (CAD M2 2004, S. 170). Die Formel mutēr gimilli- entstammt der Ninurta-Mythologie und beschreibt dort, dass der rettende Gott von den im Genitiv folgenden Gestalten beauftragt wurde (M AUL 1999b, S. 209). 102 bunb: akamma. 103 GAss:2c: kâtun. 104 Eindeutig sind die Belegstellen I 69, I 73, IV 103, IV 128, VI 31f. und VII 132. Vielleicht ist auch VI 125 so zu lesen. Eine Ausnahme bildet Vers I 118, in dem vom gefangenen Mummu die Rede ist, sowie die Adjektive in IV 127 und VII 27 im Zusammenhang mit den „gebundenen Göttern“, wobei das Mitleid Marduks in VII 27 vielleicht bedeutet, dass sie ausnahmsweise ihrem Schicksal als „Gebundene“ entgingen. Besonders eindrucksvoll ist Vers IV 120, in dem der besiegte Kingu gebunden wird und von Marduk zu den „Toten Göttern“ (dingiruggû) gezählt wird. Dieses 101

3.8. Marduk als Retter (II 127–162)

137

Der oben zitierte Doppelvers (II 156f.) ist nur ein Konditionalsatz, dem im Hauptsatz die Bedingung für eine solche Tat folgen muss. So wendet sich Marduk mit einem Forderungskatalog an Anšar, der in den letzten Zeilen der zweiten Tafel aufgelistet wird. Da es sich hier um eine der zentralen Stellen für den weiteren Verlauf handelt, sollen sie im Folgenden gemeinsam mit dem Bedingungssatz (in Transkription und Übersetzung) wiedergegeben werden:106

II 161

šummama anāku mutēr gimillikun107 akamme108 Tiāmtama uballaṭ kâšun109 šuknāma puḫra110 šūterā111 ibâ112 šīmtī113 ina Ubšu-ukkinakki114 mitḫāriš ḫadîš tišbāma115 epšu116 pīja kīma kâtunuma šīmāta117 lušīm118 lā uttakkar mimmû abannû anāku

II 162

aj itūr aj innenâ119 siqar šaptīja

II 156 II 157 II 158 II 159 II 160

Wenn ich Euer Rächer sein soll und Tiāmtu binden und (so) euer Leben retten soll, (dann) setzt eine Versammlung ein und macht übergroß, benennt die Festsprechung für mich, (dafür) setzt euch freudig im Ubšu-ukkinakku zusammen. Durch die Aktion meines Mundes will ich wie ihr/anstatt euch Festsprechungen vornehmen. Alles, was ich, ja ich, erschaffen werde, darf nicht geändert werden. Der Befehl meiner Lippen möge nicht zurückkehren, möge nicht verändert werden.“

Diese Forderung wird im Unterkapitel § 6.3.1. genauer analysiert und mit Marduks weiterem Aufstieg verbunden.

Schicksal ereilt ihn dann bei der Menschenschöpfung (VI 31f.). Impliziert das Binden eines Feindes dessen Tötung, so handelt es sich bei der letzten Zeile des gesamten Werkes (VII 162) um eine elliptische Ausdrucksweise, wonach Marduk „Tiāmtu band (und tötete)“ (ša Tiāmtu ikmû). Als Zusammenfassung macht sie auch nur in dieser Form tatsächlich Sinn (siehe auch § 3.1.2.). Außerdem findet sich das Verb „binden“ auch in den Ninurta-Texten als Ausdruck dafür, dass der Gott Feinde besiegt hat, was deren Tötung impliziert (Textbeispiele in L AMBERT 2013, S. 205f., 208). 105 In diese Richtung äußerte sich bereits Annette Zgoll im Rahmen der Diskussion von Namen des akītu-Hauses in Assur unter dem Herrscher Sanḫerib (2006, S. 56f.). Auch Wilfred Lambert geht auf den engen Zusammenhang zwischen „binden“ und „töten“ für das Lexem kamû ein (2013, S. 471). 106 Varianten für II 156f. siehe oben. 107 Die Formel mutēr gimilli- entstammt der Ninurta-Mythologie und beschreibt dort, dass der rettende Gott von den im Genitiv folgenden Gestalten beauftragt wurde (M AUL 1999b, S. 209). 108 bunb: akamma. 109 GAss:2c: kâtun. 110 aunb: puḫru. 111 GAss:2c: šūtirā. aunb, bunb und munb:2a: šūter („mache übergroß!“). 112 aunb, bunb und munb:2a: bâ. GAss:2c: ibbâ. 113 aunb: šīmtum. 114 LHuz: Ubšu-ukkinakku. aunb und bunb: Ubšu-ukkinakkam. 115 DNin und GAss:2c: tašbāma. 116 bunb: epša. 117 GAss:2c und cunb: šīmāt. 118 LHuz: lušīmma. 119 FNin, GAss:2c, LHuz und bunb: innennâ. Zu dieser grammatisch inkorrekten Schreibung siehe WORTHINGTON 2012, S. 296f.

138

Kapitel 3: Struktur und Inhalt des enūma eliš

3.8.5. Zusammenfassung und Ausblick Die Passage wird durch das zweite Auftreten Marduks bestimmt, der nun endgültig als Protagonist die Bühne des Geschehens betritt. Ea dient als Begleiter Marduks, der ihn vom Rand in den Fokus der Handlung schreiten lässt, um dann selber in den Hintergrund zu treten (Krit. 4A). Das Auftreten Marduks als Retter stellt den Wendepunkt im Text dar. Nach der bedrückenden Aussichtslosigkeit, die in der Beschreibung der Verse II 121–126 kulminierte, bringt er neue Hoffnung und Zuversicht für die Anšar-Götter. Da Marduk die Retterrolle annimmt, kommt es zum finalen Kampf zwischen ihm und Tiāmtu. Zuvor aber stellt er Forderungen an die Götter, die zusammen mit seinem Sieg über Tiāmtu für den weiteren Verlauf des Textes bestimmend sind (siehe § 6.3.).

3.9. Kakas Sendung (III 1–128) 3.9.1. Zäsur zwischen II 162 und III 1: Textfokus folgt Kaka Wiederum markiert der physische Wechsel zwischen zwei Tontafeln auch eine Zäsur im Verlauf des Textes (Krit. 1A). Der Hauptgrund für die Abgrenzung liegt jedoch in dem Wechsel der Perspektive weg von Marduk. Er taucht in dem gesamten im Folgenden beschriebenen Hauptabschnitt als Akteur nicht auf. Stattdessen folgt der Blick des Erzählers dem Gott Kaka, dem Wesir von Anšar (Krit. 4A). Diese Gestalt hält die folgende narrative Einheit zusammen. Und dennoch ist auch Marduk stets präsent, da die hier beschriebenen Handlungen immer der Erfüllung von Marduks Forderung dienen. Auch wenn wörtliche Reden im vorangehenden Hauptabschnitt ebenfalls eine wichtige Rolle spielen, so dominieren sie dort nicht so wie im folgenden Teil, der fast ausschließlich aus mündlichen Äußerungen besteht (Krit. 4B). 3.9.2. Kakas Sendung (III 1–128) Die Passage besteht aus zwei Blöcken, die sich zum großen Teil wortwörtlich wiederholen. Zunächst ruft Anšar seinen Wesir Kaka120 zu sich, um ihn mit einer Botschaft zu Laḫmu und Laḫamu zu senden. Diese Botschaft gibt er ihm wörtlich vor, wobei sie aus zwei fast wörtlichen Wiederholungen von bekannten Passagen des Werkes besteht, die durch eine kurze Ein- und Überleitung zusammengefasst werden. Der erste Teil umfasst die Wiederholung der Rüstung Tiāmtus (III 15–52), wie sie Ea bereits Anšar gegenüber geschildert hat (II 11–48). Nach einer sehr knappen Erwähnung des Scheiterns von Anu und Ea und dem Auftreten Marduks (III 53– 56), folgt die Forderung Marduks (III 57–66), wie er sie den Anšar-Göttern gegen120 Nach Rocío Da-Riva und Eckart Frahm handelt es sich hierbei um eine Gottheit, die besonders in Assyrien verehrt wurde, womit im enūma eliš auch assyrischer Einfluss festzustellen wäre. Demnach sei die assyrisierte Version, in der Anšar, der Vorgesetzte Kakas, mit dem Reichsgott Aššur gleichgesetzt wird, durchaus plausibel (2000, S. 175).

3.9. Kakas Sendung (III 1–128)

139

über geäußert hat (II 155–162). Dieser schließen sich zwei Verse an, die den Abschluss der Rede darstellen, in denen Anšar auffordert, so schnell wie möglich für Marduk den (gewünschten) Festsprechungsakt durchzuführen, damit dieser gegen die Bedrohung durch Tiāmtu ins Feld zieht (III 65f.). Durch die Lexeme ḫamāṭu und arḫiš in Zeile III 65 wird die Dringlichkeit dieses Anliegens doppelt betont. Auch führt die Konstruktion der Rede dazu, dass nach der ausführlichen Beschreibung der Gefahr und der knappen Wiedergabe der Aussichtslosigkeit der bisherigen Bemühungen die Forderung Marduks ziemlich ungefiltert auf die Bedrohungslage trifft. In den letzten beiden Versen der Rede (III 65f.) ordnet Anšar die Forderung wiederum in eine Zweck-Mittel-Relation ein, da die Erfüllung der Forderung für die existentiell bedrohten Götter ein Mittel zur Rettung der eigenen Haut darstellt. Die Beauftragung Kakas umfasst den ersten Block, dem im zweiten Block die exakte Wiederholung dieser vorgegebenen Rede durch Kaka vor Laḫmu und Laḫamu folgt (III 71–124). Somit wird die Aufrüstung der Tiāmtu im Text viermal wörtlich wiedergegeben, die Forderung Marduks dreimal. Während Bedrohungslage und Forderung auf der zweiten Tafel noch jeweils an den unterschiedlichen Enden der Tafel stehen und den erfolglosen alternativen Lösungsbemühungen viel Platz eingeräumt wird, kondensieren letztere nun zu einer Doppelzeile (III 53f. bzw. III 111f.), so dass Gefahr und Forderung in einen direkten Zusammenhang gestellt werden. Die für heutige Ohren längliche Redundanz der Sendung Kakas121 unterstreicht zum einen den Umfang der Bedrohung und den Ausweg aus dieser Krise, der mit Marduks Erhöhung einhergehen wird. Wurde in II 1–126 noch die Aussichtslosigkeit der Lage beschrieben, unterstreicht III 1–128 die Alternativlosigkeit der Rettung durch Marduk und die diese bedingende Erhöhung desselben. 3.9.3. Zusammenfassung und Ausblick Dieser Hauptabschnitt wird dadurch zusammengehalten, dass der Textfokus stets Kaka folgt: Er startet bei Anšar und folgt ihm zu Laḫmu und Laḫamu (Krit. 4A). Außerdem zeichnet er sich durch eine absolute Dominanz der wörtlichen Rede (Krit. 4B) und langen wortwörtlichen Wiederholungen aus. Das Ende der Passage stellt die Reaktion von Laḫmu und Laḫamu und der dortigen Götter dar. Die beiden Urgötter „schrien laut“ auf (issû, III 125), was an die wütenden Reaktionen von Anšar lexematisch anknüpft (II 50 und 95) (Krit. 3B).122 Die Götter „weinten bitterlich“ (inūqū marṣiš III 126), was zwar lexematisch mit keiner vorangegangenen Zeile verbunden ist, aber semantisch auch in das Feld der verzweifelten Reaktionen fällt, wie sie bei jeder neuen Bedrohungslage oder ihrer Verschärfung auf Seiten der Anšar-Götter vorherrschen. 121

Andererseits kann durch dieses retardierende Momentum in einem mündlichen Vortrag Spannung und Hoffnung erzeugt werden, v.a. wenn man von einer Lebenswelt ausgeht, die noch nicht die Beschleunigung der heutigen Zeit erfahren hat. 122 Das Lexem šasû findet sich im bisherigen Text in zweierlei Funktion. Zum einen drückt es das Herbeirufen einer anderen Gottheit aus (I 30, II 129), zum anderen wird damit der zornige Aufschrei von Tiāmtu (angesichts der Vernichtungspläne Apsûs, I 42f.) und Anšars (angesichts der Pläne Tiāmtus, II 50, und des Scheiterns Eas, II 95) wiedergegeben. Talon weist auch die Zeile II 126 als Beleg für das Verb šasû aus, jedoch ist das Prädikat dort vollständig ergänzt (2005, S. 44).

140

Kapitel 3: Struktur und Inhalt des enūma eliš

Die Sendung Kakas dient der Einberufung der Götterversammlung, um Marduk zu erhöhen, damit dieser gegen Tiāmtu in den Kampf zieht. Damit ist diese Passage in teleologischer Sicht sogar doppelt untergeordnet. Auf der narrativen Ebene dient sie auch als retardierendes Momentum, welches zugleich auch den engen kausalen Zusammenhang zwischen der Bedrohung durch Tiāmtu und der Forderung durch Marduk unterstreicht. Auch damit kommt ihr eine vorbereitende Funktion für den weiteren Verlauf des Werkes zu.

3.10. Marduks erste Erhöhung (III 129–IV 34) 3.10.1. Zäsur zwischen III 128 und III 129ff.: Große Götter als Akteure Der Übergang wird durch einen Wechsel von passiver Klage zu problemlösender Aktivität markiert (Krit. 4A), der bereits auch die Zäsur zwischen den Hauptabschnitten zur Notlage der Anšar-Götter (§ 3.7.) und Marduk als Retter (§ 3.8.) kennzeichnete (siehe § 3.8.1.). Nach dem Aufschrei von Laḫmu und Laḫamu und ihrer Igigi-Gruppe folgt keine Resignation, sondern Aktion. Sie brechen auf, um sich vor Anšar zu versammeln. Zusätzlich wandert der Textfokus nun nicht mehr mit Kaka wie im vorangehenden Hauptabschnitt, sondern folgt im weiteren Laḫmu und Laḫamu zur Götterversammlung und verbleibt dann dort (Krit. 4A). Schließlich findet ein wichtiger Akteurswechsel statt, denn erstmalig tritt das Kollektiv der Großen Götter (ilānū rabûtu) als handelnde Instanz in Erscheinung (Krit. 4A).123 3.10.2. Zusammenkommen der Großen Götter (III 129–138) Die Großen Götter versammeln sich vor Anšar, der damit vermutlich dem Treffen vorsitzt. Zu dieser Versammlung gehört ein Festmahl, so dass sich die Götter an Essen und Trinken erfreuen. Dabei fließt auch eine größere Menge an Bier, was in drei Zeilen und durch die Erwähnung dreier unterschiedlicher Biersorten (kurunnu, šīrīsu, šikru) unterstrichen wird (III 134–136). Dies ist vermutlich einer der Gründe dafür, dass die Götter ausgelassen werden124 (neben der Aussicht auf Rettung). Der Unterabschnitt und die physische Tafel III enden mit der Phrase išīmū šim[ta] („sie nehmen eine Festsprechung vor“, III 138), womit der Zielpunkt der Versammlung benannt wird. Danach kann man gedanklich einen Doppelpunkt setzen.

123

Zur besonderen Bedeutung dieser Göttergruppe speziell in Gestalt ihrer Versammlung siehe auch § 7.4. Andererseits ist nicht immer ersichtlich, dass die Unterscheidung zwischen (normalen) Göttern und Großen Göttern im Text immer fruchtbar ist, vergleichbar mit der vermeintlichen Differenzierung zwischen Anunnaki und Igigi, welche sich bei näherem Hinsehen auch als wenig tragfähig erweist (siehe auch § 3.6.4. Anm. 81). Dennoch soll hier und im Folgenden versucht werden, diese Differenzierung, wie sie bspw. auch Vitali Bartash verfolgt (2010), aufrecht zu erhalten. 124 Interessanterweise wird dies in Vers III 137 durch das Lexem egû ausgedrückt, was häufig auch eine negative Konnotation im Sinne von „nachlässig sein“ hat (CAD E 2004, S. 48f.).

3.10. Marduks erste Erhöhung (III 129–IV 34)

141

3.10.3. Kommentierung des Wechsels zwischen III 138 und IV1 Zwischen dem Auftakt der Götterversammlung und dem Festsprechungsakt findet sich ein Tafelwechsel (Krit. 1A). In der neuen Passage dominiert nach den erzählenden Zeilen des vorangehenden Unterabschnitts die wörtliche Rede (Krit. 4B). Da es sich bei der Rede um einen Festsprechungsakt handelt, ändert sich sowohl die Ausdrucksweise (viele modale Formen) (Krit. 2A) als auch das Wortfeld (v.a. im Blick auf die neue Macht Marduks) (Krit. 3A). Während Marduk in der vorangegangenen Passage besonders im Hintergrund eine Rolle spielt,125 tritt er nun explizit als Adressat der Handlung wieder in den Vordergrund (Krit. 4A). 3.10.4. Ein Festsprechungsakt für Marduk (IV 1–18) Die Götter stellen für Marduk einen „Kultsockel des Fürstentums“126 (parak rubûti) auf, von dem er Besitz nimmt. Der Vers IV 2 scheint dabei elliptisch geschrieben zu sein, da der Zweck ohne erwarteten Infinitiv ausgedrückt wird. Stattdessen spricht der Text schlicht von ana malikūti („für die Königsherrschaft“), statt beispielsweise von „um die Königsherrschaft zu empfangen“. Generell kommen in den ersten zwei Versen der vierten Tafel drei Herrschaftsausdrücke vor (parakku, rubûtu und malikūtu), welche das finale Momentum des Festsprechungsaktes wiedergegeben, die Herrschaft Marduks (siehe § 6.3.2). Diesen beiden Zeilen schließt sich eine nicht eingeleitete Rede an, die die Festsprechung für Marduk und damit seine Erhöhung umschreibt. Die Festsetzung erfolgt in einer wörtlichen Rede, die als performativer Akt nicht nur den Inhalt der Bestimmung wiedergibt, sondern auch zugleich die Festsetzung darstellt (siehe § 5.1.). IV 3

attāma kabtāta ina ilānī rabûti127

IV 4

šīmatka128 lā šanān siqarka dAnum

IV 5

d

IV 6

šīmatka130 lā šanān siqarka dAnum

IV 7

ištu ūmimma lā innennâ qibītka

IV 8

šušqû u šušpulu šī lū qātka

125

Marūtuk kabtāta ina ilānī rabûti129

„Du, ja Du, bist (ge)wichtig unter den Großen Göttern, Deine Festsprechung(smacht) ist ohnegleichen, Dein Befehl ist Anu. Marduk, Du bist (ge)wichtig unter den Großen Göttern, Deine Festsprechung(smacht) ist ohnegleichen, Dein Befehl ist Anu. Ab heute darf Deine Order nicht geändert werden. Zu erhöhen und zu erniedrigen, sie (= die Order) soll Deine Hand sein.

Eine Ausnahme stellt die überleitende bzw. einleitende Zeile III 138 dar, in der Marduk als Adressat explizit genannt wird. Die Proformen in den Versen IV 1f. verweisen auf diese Erwähnung, so dass diese drei Zeilen zusammengenommen die Überleitung zwischen Vorbereitung und der konkreten erlassenen Festsprechung in Form der wörtlichen Rede darstellen. Die ersten beiden Zeilen der vierten Tafel dienen vermutlich der Einleitung der neuen Tafel, womit eine Brücke zwischen dritter und vierter Tafel geschlagen wird. 126 bzw. „fürstlicher Kultsockel“. 127 aunb: rabûtum. 128 eunb:2a: šīmat. 129 aunb: rabûtum. 130 eunb:2a: šīmat.

142

Kapitel 3: Struktur und Inhalt des enūma eliš

IV 9

lū kīnat ṣīt pîka lā sarār131 siqarka

IV 10

mamman ina ilānī132 itûkka133 lā ittiq

IV 11

zanānūtum134 eršat parak ilānīma

IV 12

ašar sagîšunu lū kūn ašrukka135

IV 13 IV 14

d

IV 15 IV 16 IV 17 IV 18

Marūtuk attāma muterru gimillini i niddinka136 šarrūtum137 kiššat kal138 gimrēti tišabma139 ina puḫri140 lū šaqât141 amātka kakkūka142 aj ippalṭû liraʾʾisū nakirīka bēlum ša takluka napištašu gimilma143, 144 u ilu ša lemnēti īḫuzu tubuk napšatsu145

Der Ausspruch Deines Mundes soll dauerhaft, Dein Befehl nicht trügerisch sein. Keiner unter den Göttern darf Deine Grenze übertreten. Versorgung ist das Verlangen des Kultsockels der Götter. Der Ort ihrer Heiligtümer soll an Deinem Ort dauerhaft gemacht sein. Marduk, Du bist unser Rächer, lass uns Dir die Königsherrschaft über die ganze, gesamte Welt geben, setze Dich in der Versammlung, Dein Wort soll hoch sein! Deine Waffen mögen nicht fehlgehen, sie mögen Deine Feinde (er)schlagen. Herr, wer auf Dich vertraut, dessen Leben verschone, aber: der Gott, der Böses genommen hat, dessen Leben vergieße!“

Angezeigt wird der Beginn der wörtlichen Rede durch das betonende selbständige Personalpronomen attā („Du“), welches zusätzlich durch ein enklitisches -ma hervorgehoben wird. Der Beginn besteht aus insgesamt vier Zeilen, wobei die ersten beiden noch einmal wiederholt werden. Statt des attā findet sich im dritten Vers (IV 5) schließlich der Name des Angesprochenen, Marduk. Damit entspricht dieser Redeanfang der Struktur nach dem Beginn der wörtlichen Rede von Ea an Anšar (II 61–64) sowie dem Redeanfang Marduks, als er Anšar erstmalig gegenüber tritt (II 139–142). Auch dort markieren die ersten vier Zeilen den Redebeginn, wobei ebenfalls die ersten beiden wiederholt werden und der Name des Angesprochenen erst im dritten Vers der Rede genannt wird. 131

KHuz: lā šanān („ohnegleichen“). KHuz: mammāna ilānū. Trotz der Doppelkonsonanz -kk- auf allen Textzeugen liegt kein Lokativadverbialis, sondern ein Nominativ vor (siehe auch LAMBERT 2013, S. 38), da einzig dies semantisch möglich ist. 134 KHuz: [zanānū]ti. 135 Entgegen LAMBERT 2013, S. 38 wird hier von einem Lokativ-adverbialis ausgegangen. 136 aunb: niddinka. 137 KHuz: [šār]rūti. Zur Markierung eines Singulars unabhängig vom Kasus durch die Endung tum siehe WORTHINGTON 2012, S. 280f. 138 KHuz: kalû. 139 aunb: tišamma. 140 aunb: puḫur. 141 aunb: lū šaqâta. 142 aunb: kakkīka. 143 Hier spielt der Text auf der Klaviatur der Phonetik, da gimilli(ni) (IV 13) und gimil(ma) (IV 17) ähnlich klingen, jedoch in der Konsequenz konträr sind. Durch die Kollision aus semantischer Diskrepanz und phonetischer Assonanz wird unterstrichen, dass zu Marduks Auftrag neben der Rache auch die Milde zählt, dass sie zwei Seiten einer Medaille sind (siehe hierzu § 7.3.5.). 144 Der Textzeuge lBab:Pr wurde in den Editionen von Thomas Kämmerer und Kai Metzler (2012) sowie von Wilfred Lambert (2013) nicht berücksichtigt; er weist jedoch auch keine Varianten auf. 145 KHuz: napšatsu⌈n⌉. 132 133

3.10. Marduks erste Erhöhung (III 129–IV 34)

143

Die folgenden vier Zeilen (IV 7-10) bilden ebenfalls eine Einheit. Sie umschreiben seine allumfassende Befehlsgewalt, der sich kein Gott entziehen oder entgegenstellen kann. Im nächsten Doppelvers (IV 11f.) thematisieren sie den Komplex der Versorgung der Götter und der Götterverehrung.146 Die Zeilen IV 13 und IV 16 betonen den Zweck der Erhöhung, nämlich Marduks Kampf gegen Tiāmtu. Umschlossen werden die beiden Verse IV 14f., in denen Marduks Erhöhung zum König beschrieben wird. Dem Abschluss macht der Doppelvers IV 17f., der Marduk den korrekten Umgang mit anderen Göttern vorschreibt. Da es sich bei dieser Passage um eine zentrale und zugleich sehr dichte Stelle des enūma eliš handelt, wird ihre genaue Semantik unter verschiedenen Foki in später folgenden Unterkapiteln behandelt. Auf die Besonderheit des Konzepts der Festsprechung (šīmtu) wird in § 5.1. eingegangen, während der genaue Charakter der Erhöhung und sein Verhältnis zu Marduks Forderung in § 6.3.2. analysiert wird. 3.10.5. Kommentierung des Wechsels zwischen IV 18 und IV 19 Mit Vers IV 18 endet die wörtliche Rede, so dass der Modus der Erzählung wieder auf den Erzähler wechselt (Krit. 4B). Zugleich endet damit der Festsprechungsakt für Marduk und mit dem „Sternbild“ (lumāšu) wird ein neuer Diskursgegenstand in das Werk eingeführt (Krit. 4A). Außerdem zeigte die Analyse der vorangehenden Verse ihre hohe in sich geschlossene stilistische Ausarbeitung (siehe auch § 6.3.2.), die diese Passage als Einheit markiert; ähnliches gilt auch für die folgenden Verse (Krit. 5A). Da es sich schließlich bei der ersten Erhöhung um eine zentrale Stelle des Werkes handelt, empfiehlt es sich auch aus der Perspektive vom Gesamtwerk her, diese als separates Element zu verstehen. 3.10.6. Sternbilddemonstration und Sendung Marduks (IV 19–34) Nach dem Festsprechungsakt stellen die Götter ein Sternbild an den Himmel und fordern Marduk auf, dieses mit einem Ausspruch seines Mundes zu zerstören und durch einen zweiten wiederherzustellen. Thorkild Jacobsen liest diese Aufforderung als Test von Marduks neu erlangter Macht (1976, S. 176). Anstatt eines Tests scheint jedoch eher eine Demonstration der neuen Festsprechungsmacht147 an dieser Stelle zu dominieren. Hierdurch zeigt Marduk den Göttern, wie mächtig er ist, wodurch den Göttern neuer Mut gegeben wird, dass er Tiāmtu auch besiegen wird. Dieser neu gewonnene Mut zeigt sich in ihrer Reaktion auf Marduks Demonstration (IV 27f.). Dem Appell der Götter (IV 23f.) kommt Marduk im Folgenden nach, wobei der Text mit einer großen Anzahl lexematischer Rekurrenzen arbeitet, so dass der vorangehende Doppelvers fast wörtlich wiederholt wird (IV 25f.) (siehe auch METZLER 2002a, S. 443). Der Zusammenhang zwischen dieser Sternbilddemonstration und der vorangehenden Erhöhung wird in §§ 5.1.2. und 6.3.2. untersucht. 146 Zu der Besonderheit von Vers IV 12 im Hinblick auf die jungbabylonische Anzû-Erzählung siehe § 4.4.1.4. 147 Zu dem Begriff der Festsprechungsmacht siehe § 5.1.2.

144

Kapitel 3: Struktur und Inhalt des enūma eliš

Nachdem Marduk die gestellte Aufgabe erfolgreich absolviert hat, freuen sich die versammelten Götter und geben ihm verschiedene Herrschaftsabzeichen. Danach senden sie Marduk gegen Tiāmtu, was wiederum in einer wörtlichen Rede erfolgt, wie der einleitende Imperativ inklusive enklitischem -ma verdeutlicht (IV 31). Hier wird eindeutig der Tod Tiāmtus gefordert, der durch aufgewirbeltes Blut den Daheimgebliebenen signalisiert werden soll (IV 32) (siehe auch LAMBERT 2013, S. 475).148 3.10.7. Zusammenfassung und Ausblick In dem gesamten Hauptabschnitt handeln die versammelten Großen Götter, deren Handlung sich stets auf Marduk beziehen. Einzige Ausnahme ist die Sternbilddemonstration, in der Marduk handelt. Sie ist jedoch Teil der Erhöhung und damit mittelbar den Handlungen der Götter untergeordnet. Ebenso wird der Hauptabschnitt durch die Götterversammlung zusammengehalten, die hier den Rahmen bildet (Krit. 4A). Am Ende der zweiten Tafel äußerte Marduk die Forderung nach seiner Erhöhung, so dass fast die gesamte dritte Tafel lediglich der Hinführung zur ersten großen Götterversammlung der Anšar-Götter dient. Der Umfang der Beschreibung der Erhöhung angefangen von der Schilderung vom Zusammenkommen der Götter über den konkreten Götterbeschluss bis hin zu der Aufgabe mit dem Sternbild ist im Vergleich zu späteren Darstellungen außergewöhnlich umfangreich, so dass auch hierdurch die zentrale Bedeutung dieses Hauptabschnitts deutlich wird. Auf eine tiefergehende inhaltliche Analyse wurde an dieser Stelle verzichtet. Stattdessen sei auf §§ 4.1.3. (kompositorische Einbettung), 5.1. (šīmtu) und 6.3.2. (Marduks Erhöhung) verwiesen.

3.11. Marduks Kampf und Sieg gegen Tiāmtu (IV 35–134) 3.11.1. Zäsur zwischen IV 34 und IV 35: Marduk als gewalttätiger Akteur Die letzten beiden Verse des vorangegangenen Hauptabschnitts haben durch ihren resümierenden Inhalt bereits das Ende einer Passage markiert (Krit. 4C). Zusätzlich findet ein Perspektivwechsel statt. Die Großen Götter haben ihre narrative Pflicht getan und treten in den Hintergrund. Stattdessen fokussiert sich die Erzählung ausschließlich auf Marduk, der nun nicht mehr als Adressat oder Getesteter auftritt, sondern als rettender Akteur (Krit. 4A). Schließlich beginnt nun auch ein Unterabschnitt, der keinerlei wörtliche Rede enthält (Krit. 4B) und zudem das Wortfeld Kampf und Waffen fokussiert (Krit. 3A).

148 Lambert verweist auf die Wiederaufnahme des Motivs, Teile des besiegten Gegners aufwirbeln zu lassen, welches sich ebenfalls in der Anzû-Erzählung findet, wo Ninurta dazu aufgefordert wird, die Federn des getöteten Anzû aufsteigen zu lassen (1986, S. 59).

3.11. Marduks Kampf und Sieg gegen Tiāmtu (IV 35–134)

145

3.11.2. Marduks Rüstung (IV 35–64) Marduks erste Tat ist die Erschaffung eines Bogens (IV 35f.), dem eine besondere Rolle im Kampf zukommen wird. Zusätzlich bewaffnet er sich mit „Keule“ (miṭṭu),149 sowie mit Blitzen und Flammenzungen (IV 37–40). Er stellt die vier Winde, die er von Anu erhalten hatte, neben ein Netz und erschafft weitere sieben150 Winde, so dass den elf Monstern der Tiāmtu elf Winde gegenüberstehen. Als „seine große Waffe“ (kakkašu) taucht außerdem die „Sturm-/Sintflut“ (abūba) auf (IV 49), wobei unklar ist, ob es sich bei ihr um die in IV 30 erwähnte „Unbezwingbare Waffe“ (kakku lā maḫra) handelt. Sein Streitwagen wird von einem Vierergespann des Schreckens gezogen (IV 51–54),151 an die beiden Seiten stellt er jeweils zwei weitere Ungeheuer (IV 55f.). Er selbst ist dem bevorstehenden Kampf entsprechend bekleidet (IV 57f.). Schließlich bricht Marduk gegen Tiāmtu auf (IV 59f.), wobei er zwei weitere Waffen bereithält (IV 61f.). Zum einen eine „Beschwörung“ (tû), so wie Ea gegen Apsû (I 61f.). Zum anderen verwendet er eine Pflanze, die gegen „Gift“ (imtu) helfen soll, womit er auf den Festsprechungsakt Kingus reagiert, in der er Tiāmtus Gift besondere Eigenschaften zuweist (I 162). Während der Rüstung beziehungsweise während des Aufbruchs laufen die Götter um ihn herum (IV 63f.), wobei die Unruhe durch die vierfache Wiederholung des Prädikats (idullūšu, „sie liefen unruhig (um) ihn herum“) besonders betont wird, so dass der Doppelvers IV 63f. aus insgesamt vier parallel aufgebauten, nebeneinanderstehenden, asyndetischen Hauptsätzen besteht, wobei Nummer zwei und vier identisch sind. Durch diese zwei Zeilen wird dem Leser die existentielle Notlage der Götter noch einmal in besonderem Maße vor Augen geführt. 3.11.3. Kommentierung des Wechsels zwischen IV 63f. und IV 65f. Die vier parallelen und rekurrierenden Sätze der Verse IV 63f. dienen als Überleitung zwischen der Rüstung Marduks und dem Beginn des Aufeinandertreffens von Protagonist und Antagonistin (Krit. 4C). Verdeutlichen die beiden letzten Zeilen des vorherigen Unterabschnitts noch, dass Marduk bei den Anšar-Göttern ist, fallen in IV 65f. die Namen der beiden Gegenspieler, Tiāmtu und Kingu. Schließlich steht das Prädikat „er kam näher“ (itḫema) am Anfang der Zeile IV 65, wodurch der Be149 Diese Waffe ist eine andere als die, die er in der Götterversammlung seiner ersten Erhöhung von den Großen Göttern erhielt, dort war es die ḫaṭṭu-Keule (IV 29). 150 Die Zahl sieben scheint im Kontext des enūma eliš nicht ganz unwichtig zu sein. Neben den sieben selbstgeschaffenen Winden Marduks finden sich noch die sieben Götter der Festsprechungen (VI 81). Anton Deimel zeigt zudem, dass die Anzahl der Götter, deren Entstehung beschrieben wird, ebenfalls sieben umfasst (1934, S. 34f.). Schließlich ist das Werk selbst auf sieben Tafeln niedergeschrieben. 151 Der Wagen wird als narkabti ūme („Streitwagen des Sturms“, II 151) bzw. als narkabtu ūmu lā maḫri („fürchterlicher Streitwagen, unaufhaltsamer Sturm“, IV 50) bezeichnet. Bei ūmu handelt es sich u.a. um ein teils löwenartiges Mischwesen, das für schlechte Tage steht, die mit zerstörerischen Wettererscheinungen verbunden sind (Sturm etc.) (WIGGERMANN 1992a, S. 171). Sowohl die Löwengestalt als auch die meteorologische Bedeutung verweisen auf eine ursprüngliche Verortung des Dämons im Umkreis des Wettergottes Adad ( IBID).

146

Kapitel 3: Struktur und Inhalt des enūma eliš

ginn des Gegenübertretens eingeläutet wird (Krit. 4A). Gerade Vers IV 65 unterstreicht durch den angedeuteten152 Chiasmus das Aufeinanderprallen von Marduk und Tiāmtu, in deren Mitte (qabluš)153 zu finden ist (Krit. 5A). Die Phrase išeʾâ šibqīšu am Versende von IV 66, knüpft an I 60 (išeʾâ šibqīšun) sowie II 81 und II 105 (šibqūš Tiāmtu išeʾâmma) an, also dem bisherigen Aufeinandertreffen der Opponenten (Krit. 3B). Auch dort markiert diese Phrase den Beginn der bevorstehenden Auseinandersetzung. 3.11.4. Zweikampf Marduk–Tiāmtu (IV 65–104) Die Verse IV 65f. leiten das Gegenübertreten von Marduk auf der einen Seite und Tiāmtu und Kingu auf der anderen Seite ein. In den folgenden Zeilen reduziert sich das Geschehen auf Marduk und Tiāmtu, da Kingu und seine Truppen aus Furcht nicht eingreifen (IV 67–70).154 Stattdessen stürzt sich Tiāmtu alleine mit ihrer Be152

Es handelt sich um keinen echten Chiasmus, da es sich um unterschiedliche Satzglieder handelt und dennoch fällt die Konstruktion auf und erinnert an die Struktur eines echten syntaktischen Chiasmus‘. 153 Das Lexem qablu besitzt ein Homo(io)phon, das für „Kampf“ steht (CAD Q 1995, S. 12–16), womit hier sicherlich gespielt wird. 154 Sowohl Stephanie Dalley (2008, S. 275 Anm. 20) als auch Wilfred Lambert (1986, S. 56 Anm. 4; 1994, S. 585; 2013, S. 91) sehen die Möglichkeit, dass an dieser Stelle (IV 67f.) entweder vom Zögern Marduks oder vom Zögern Kingus die Rede ist. Manfred Krebernik geht hingegen davon aus, dass es Kingu ist, der aus Angst nicht angreift (2007b, S. 178). Der Text ist an dieser Stelle durch die Schreibung männlicher Pronominalsuffixe, die sich somit auf beide Götter beziehen können, uneindeutig (IV 67–70), doch der weitere Handlungsverlauf mit der Fokussierung auf Marduk und Tiāmtu spricht für ein Zögern Kingus. Da der Anfang von IV 67 und das Ende von IV 70 einen klaren Rahmen spannen, stellen die Verse IV 67–70 eine geschlossene Einheit dar. Jeweils die ersten beiden Wörter (inaṭṭalma eši, IV 67) bzw. die letzten beiden Ausdrücke (niṭilšun īši) basieren zum einen auf der Wurzel √nṭl (inaṭṭalma, niṭilšun; naṭālu = „sehen“), zum anderen auf der Wurzel √ʾšī (eši, iši; išû = „haben, besitzen“). Verbindet man diese Passage nun lexematisch mit dem übrigen Text des Werkes, zeigt sich ein eindeutiges Bild. So taucht die Wurzel √ʾšī zwei weitere Male im enūma eliš auf (I 22 und I 49), wobei sie beide Male eindeutig auf Tiāmtu bezogen ist. In den entsprechend zu IV 67f. parallel zu verstehenden Versen IV 69f. wird von der Angst von Begleitgöttern gesprochen, wobei auch hier nicht klar ist, ob diese Götter Marduk oder Kingu begleiten. So gibt es gibt Hinweise darauf, dass auch Marduk von Göttern vor dem Kampf begleitet wurde, so dass sie prinzipiell hier adressiert werden konnten. So spottet Tiāmtu möglicherweise in ihrer nur fragmentarisch erhaltenen Rede über Marduks Truppen (IV 73f.) (D ALLEY 2008, S. 252). Entscheidend ist hier vermutlich die Interpretation der Zeile IV 74: [aš]ruššun ipḫurū šunu ašrukka (wörtlich: „Sie versammelten sich an ihrem Ort, sie sind an Deinem Ort.“). Durch die durch eine Sanḫerib-Inschrift überlieferte Beschreibung des bīt akīti in Assur ist bekannt, dass – zumindest nach assyrischer Interpretation – der Gegner der Tiāmtu (hier: Aššur statt Marduk) von vielen Göttern begleitet wurde, u.a. durch Kaka, Šamaš, Sîn, Adad, Anu, Ea und Damkina – um nur die im enūma eliš erwähnten Götter aufzuzählen (DALLEY 2008, S. 275 Anm. 21). Auch das enūma eliš liefert mit den Zeilen IV 63f. eine mögliche Schilderung, dass die Götter Marduk in den Kampf begleiteten, wobei nicht sicher ist, ob Marduk hier schon bei Tiāmtu angekommen ist oder ein Umstand lange vor dem Kampf beschrieben wird. Doch die lexematischen und strukturellen Befunde sprechen für die These, dass hier von Tiāmtus Göttern gesprochen wird, die zögern. Am zwingendsten ist die lexematische Rekurrenz der Passage (rēṣūšu ālikūšu idīšu, IV 69) in Vers IV 107 (rēṣūša ālikūša idīša), wo definitiv von Tiāmtus Trup-

3.11. Marduks Kampf und Sieg gegen Tiāmtu (IV 35–134)

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schwörung Marduk entgegen. Die wörtliche Rede der Tiāmtu ist nur fragmentarisch erhalten,155 wird aber vom Erzähler in Vers IV 72 als „Lüge“ (lullû) und „Unwahrheit“ (sarrātu) bezeichnet. Marduks Antwort ist das Schleudern der „Sint/Sturmflut“ (abūbu) gegen die Urmutter. Auch dieser Angriff ist mit einer wörtlichen Rede verbunden, in der Marduk Tiāmtu Erbarmungslosigkeit vorwirft. Die Erhebung Kingus in die danūtu („Anuschaft“) (bzw. enūtu „Herrschaft“), wird als „für ihn unangemessen“ (lā simātīšu, IV 82) beschrieben, womit er den Herrschaftsanspruch ihres Gatten abweist (siehe auch § 6.2.2.). Tiāmtu reagiert mit schreiender Wut und weiteren Beschwörungen (šiptu, tû, IV 91). Nach diesem Wortstreit (IV 65–92) folgt schließlich ein physischer Zweikampf zwischen Protagonist und Antagonistin, der verhältnismäßig schnell und knapp abgehandelt wird (IV 93–104).156 Es kommt zu keinem langen Hin und Her. Stattdessen zwingt Marduk Tiāmtu mit einem Netz und den Winden nieder, um sie dann mit einem Pfeil niederzustrecken und sie zu erschlagen.157 In der Passage fällt auf, dass sowohl Netz als auch die Winde eine besondere Rolle spielen, wobei der finale Stoß mit Pfeil und Bogen erfolgte. Damit finden sich hier – erwartungsgemäß – die in der Rüstung beschriebenen wichtigsten Waffen Marduks wieder.158 3.11.5. Kommentierung des Wechsels zwischen IV 104 und IV 105 Am deutlichsten wird der Wechsel durch die Subjunktion ultu („nachdem“), die einen zusammenfassenden vorzeitigen Satz einleitet (Krit. 2B, 4C). Außerdem wendet sich nicht nur Marduk von Tiāmtu ab und den anderen Feinden zu, sondern ebenso der Text (Krit. 4A). Nachdem die Verbündeten der Tiāmtu durch ihre Angst im Vorfeld des Zweikampfes neutralisiert waren und so in den Texthintergrund getreten sind, tauchen sie nun wieder als Fliehende auf, denen sich Marduk nun in einem zweiten Schritt zuwendet (Krit. 4A).159

pen gesprochen wird, die sich zur Flucht wenden. Dies sind die beiden einzigen Verwendungen des Lexems rēṣu („Helfer“) innerhalb des enūma eliš. Neben der Passage IV 67–70 vor dem Kampf, findet sich eine vergleichbare direkt im Anschluss an den Zweikampf (IV 105–108), wobei sich besonders die Verse IV 106f. mit den Zeilen IV 68f. verbinden. Neben der Rekurrenz des Endes von IV 69 in IV 107 (lediglich mit abweichendem Geschlecht der Proform) findet sich sowohl in IV 68 als auch in IV 106 die Wurzel √spḫ (als sapāḫu = „zerstreuen“). 155 Zumindest Textzeuge CNin schreibt eine 2. Person Singular, während K Huz die 3. Person Singular verwendet. Dies sind die einzigen publizierten Textzeugen, die die relevanten Stellen ausweisen. 156 Die Kürze dieser Passage fällt besonders im Vergleich zu der literarischen Vorlage der AnzûErzählung auf (siehe LAMBERT 1986), die deutlich epischer ausgefallen ist. 157 In diesem Zweikampf tritt die anthropomorphe bzw. theriomorphe Natur der Tiāmtu in den Vordergrund. Der Text stellt sie nicht als das Meer vor und dar. 158 Zur besonderen Rolle des Bogens im Werk siehe auch § 5.2.10. 159 Dieser Sachverhalt unterstreicht den sekundären Charakter und damit die Unterlegenheit dieser Gestalten (als Gruppe) gegenüber der Macht Marduks (als Einzelgott).

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Kapitel 3: Struktur und Inhalt des enūma eliš

3.11.6. Gefangennahme der verbliebenen Feinde (IV 105–122) Nach der Tötung Tiāmtus wendet sich Marduk den Tiāmtu-Göttern zu, die sich alle zur Flucht wenden, aber von ihm gefangen werden (IV 106–114). Die elf Monster werden ebenfalls festgesetzt (IV 115–118). Auch Kingu wird ergriffen (IV 119– 122):160 IV 119

u dKingu ša irtabbû ina birīšun

IV 120 IV 121

ikmīšuma itti dingiruggê šuāta imnīšu ikīmšumma ṭuppi šimāti lā simātīšu

IV 122

ina kišibbi iknukamma irtuš itmuḫ

Kingu aber/schließlich (?), der unter ihnen dauerhaft groß geworden war, er band ihn und ihn, ja ihn, ordnete er den dingiruggû (= „Toten Göttern“) zu. Er nahm ihm die Tafel der Festsprechungen, das für ihn Unangemessene, weg mit seinem Siegel siegelte er (sie) und an seiner Brust befestigte er (sie).

Diese Passage fällt durch dreierlei Besonderheiten auf. Zum einen ist die Verwendung des seltenen sumerischen Lehnwortes kišibbu ungewöhnlich,161 als zweites sticht das Wortspiel ikmīšuma und ikīmšumma am Anfang der Verse 120f. hervor. Und schließlich werden die dingiruggû162 erwähnt, die ein hapax legomenon darstellen (CAD D 2004, S. 150). A. Leo Oppenheim liest sie ebenfalls als sumerische Entlehnung, wobei er eine Parallele zu den sumerischen Belegen udu-tila („lebendes Schaf“) und udu-uga („totes Schaf“) zieht (1947, S. 229 Anm. 2). Demnach steht das Lexem für die Gruppe der „Toten Götter“163, die nach Wilfred Lambert neben den „Gebundenen Göttern“ (ilānū kamûtu, IV 127 und VII 27) in der altorientalischen Mythologie überwunden werden mussten (1994, S. 586 Anm.). In den Ninurta-Mythen Lugal-e und An-gim sowie in der Königsinschrift Gudea-Zylinder A finden sich Aufzählungen besiegter mythischer Feinde, die entweder als ur-sag ug5ga („tote Helden/Krieger“, Gudea A xxvi 15 bzw. Lugal-e Z. 128) oder als ur-sag dab-dab („gebundene Helden/Krieger“ An-gim Z. 158) bezeichnet werden (LAMBERT 2013, S. 203f.), wohingegen besiegte Götter erst später (nach 1500 v. Chr.) auftauchen (IBID, S. 209).164 Nachdem in Zeile IV 82 bereits die Inanspruchnahme der Anuschaft durch Kingu von Marduk als „unangemessen für ihn“ (lā simātīšu) bezeichnet worden ist, findet man nun (IV 121) dieselbe Formel auf der Erzählerebene im Zusammenhang mit Kingus Besitz der Tafel der Festsprechungen (ṭuppi šīmāti). 160

Für diesen Textabschnitt sind keine Varianten auf den Textzeugen überliefert. Bei dem Lexem kišibbu handelt es sich um ein sumerisches Lehnwort (von sumerisch kišib, „Siegel“), das sich außerhalb des enūma eliš nur noch einmal in Der arme Mann von Nippur wiederfindet (CAD K 2008, S. 451). 162 Das Zeichen DINGIR am Anfang des Wortes kann auch als Determinativ fungieren wie bei mul ug5-ga, einer Sternenkonstellation die in astrologischen Texten mit den „Toten Göttern“ in Verbindung stehen kann (LAMBERT 2013, S. 476). Der möglicherweise synonyme akkadische Ausdruck ilāni mītūti (VI 153) würde hingegen für eine Lesung dingiruggû sprechen. 163 Das Lehnwort ist möglicherweise bedeutungsgleich mit dem Ausdruck ilānī mītūti (VI 153), die von Marduk gerettet wurden. 164 Weitere Beispiele (auch für die ilānū abtūtu „zerstörten Götter“ (VI 152)) in L AMBERT 2013, S. 216f. 161

3.11. Marduks Kampf und Sieg gegen Tiāmtu (IV 35–134)

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3.11.7. Kommentierung des Wechsels zwischen IV 122 und IV 123 Wieder leitet ein subordinierendes, subsumierendes und vorzeitiges ultu („nachdem“) einen Abschnittswechsel ein (Krit. 2B, 4C). In dem zugehörigen Temporalsatz wird der Sieg Marduks in die Logik des Textes zurückgebunden. Marduks Sieg über Tiāmtu und ihre Truppen war ein Sieg für Anšar (und seine Götter), zu dem ihn sein Vater angestoßen hatte (IV 123–126). Damit läutet dieser untypisch lange Nebensatz zugleich den abschließenden Charakter des letzten Unterabschnitts ein, in dem sich Marduk und die Erzählperspektive wieder Tiāmtu und von dort den Göttern zuwendet, also den umgekehrten Weg vor der Auseinandersetzung nimmt, als Marduk von den Göttern zu Tiāmtu aufgebrochen war (Krit. 4A). Zugleich greifen die Verse IV 131f. die Lexematik der Beauftragung Marduks (IV 31f.) umfangreich wieder auf (Krit. 3B). 3.11.8. Siegesbotschaft (IV 123–134) Nach der narrativen Rückbindung und Einordnung des Siegs über Tiāmtu (IV 123– 126), erfüllt Marduk den Auftrag der Götter (siehe IV 31f.), Tiāmtus Kopf abzuschneiden und den (Nord)Wind ihr Blut forttragen zu lassen (IV 131f.). Das aufgewirbelte Blut soll den Anšar-Göttern die Botschaft vom Sieg überbringen.165 Der Text folgt dem Blut zu den Göttern, die über den Sieg so erfreut sind, dass sie Marduk Geschenke zukommen lassen (IV 133f.). 3.11.9. Zusammenfassung und Ausblick Maßgeblicher Akteur des gesamten Hauptabschnitts ist Marduk, der zunächst den Kampf vorbereitet, dann ausführt und schließlich die verbliebenen Feinde einfängt. Somit interagiert er (mit Ausnahme bei den Rüstungsmaßnahmen) mit lebenden Feinden, was diesen Hauptabschnitt von der Weltschöpfung unterscheidet, wo Marduk mit der toten Tiāmtu arbeitet (Krit. 4A). Das Ende markiert die Siegesbotschaft, die inhaltlich und lexematisch auf das Ende der Sendung Marduks rekurriert (Krit. 3B). Mit dem Sieg über Tiāmtu ist die existentielle Gefahr für die Anšar-Götter beseitigt. Marduk hat den Feind im Zweikampf besiegt, erschlagen und ihre Verbündeten gefangengenommen, womit sein Auftrag erfüllt ist. Geht man aber an den Anfang des Textes zurück, so zeigt sich ein weiteres innertextliches Motiv, das bisher noch kaum entwickelt wurde: die Weltschöpfung. Im Folgenden verknüpft nun der Text Marduks Sieg über Tiāmtu mit der Erschaffung der Welt, indem die getötete Antagonistin das Material für den Kosmos liefert.

165 Wilfred G. Lambert verweist auf die fast wortwörtliche Parallele zwischen der Anzû-Erzählung (in der aB Version: II 70 = 72; in der jB Version: II 17–19) und diesen beiden Passagen im enūma eliš (1986, S. 59).

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Kapitel 3: Struktur und Inhalt des enūma eliš

3.12. Weltschöpfung (IV 135–V 76) 3.12.1. Zäsur zwischen IV 134 und IV 135: Marduk als schöpferischer Akteur Nach dem Kampfgetümmel und den folgenden unterschiedlichen Aktivitäten setzt der Anfang von IV 135 einen Kontrapunkt: Marduk kommt zur Ruhe (inūḫma) (Krit. 4A). Dabei handelt es sich um eine Rekurrenz zu I 75, in der Ea nach seinem Sieg in seiner neuen Heimstatt ebenfalls Ruhe sucht.166 Auch die Wurzel √nkl (als nakālu = „genialisch hervorbringen“) (IV 136) greift auf den ersten Konflikt zurück (I 62) (Krit. 3B). So verknüpfen diese beiden Lexeme die Zeilen IV 135f. mit der ersten Teilschöpfung durch den Weisheitsgott, wobei die Wurzel √nkl zugleich auch den Schöpfungsaspekt ankündigt. Hinzu kommt die erstmalige Erwähnung der „Himmel“ (šamāmū bzw. šamû) nach der ersten Zeile des Werkes (I 1) in Vers IV 138. Ab dieser Zeile finden sich beide Lexeme häufig im Wortlaut des Textes, und kommen zu Anfang des neuen Hauptabschnitts gehäuft vor (IV 138, 141 und 145). Nachdem in IV 133f. die Anšar-Götter als Subjekte auftraten, handelt nun wieder Marduk (Krit. 4A). Im Gegensatz zu den vor allem kämpferischen Aktionen im Konflikt mit Tiāmtu, werden die Handlungen nun poietisch, was sich besonders im Wortfeld der Verben niederschlägt, das teilweise in der Handwerkssprache verortet werden kann (bspw. barû oder banû) (Krit. 3A). Der folgende gesamte Hauptabschnitt widmet sich ausschließlich der Weltschöpfung, in der allein Marduk als Subjekt auftritt. 3.12.2. Erschaffung der Grundstruktur (IV 135–146) Marduk verwendet den toten Körper der Tiāmtu als eine Art „materia prima“ (PONGRATZ-LEISTEN 1994, S. 17), aus der er die Weltenteile erschafft.167 Vorbild dieser Schöpfung ist der von Ea geschaffene, bereits existente kosmische Teilbereich des Apsû, der hier auch als Eš-gala bezeichnet wird (èš-gal-la, sum. „großer Tempel“).168 Sowohl der Himmel (auch: Ašrata,169 ašrāti, akk. „Heiligtümer“170) als auch der Mittelteil (E-šara, é-šár-ra, sum. „Haus der Gesamtheit“171) werden nach diesem Muster erschaffen (IV 142, IV 144). 166

Die sonstigen Verwendung der Wurzel √nūḫ (als nâḫu = „ruhen, ruhig sein/werden“) zwischen diesen beiden Stellen stehen entweder für nachlassende Wut (II 7, 51, 65 und 134) oder für das Auslöschen von Feuer (I 161, II 47, III 51 und 109). 167 Auch wenn der genaue Vorgang anders verläuft, übernimmt Marduk, indem er Himmel und Erde trennt, ein traditionell mit Enlil verbundenes Motiv (SERI 2012, S. 13). 168 Zur Gleichung Eš-gala und Apsû siehe HOROWITZ 1998, S. 113 und LAMBERT 2013, S. 197, 476. 169 Zur Gleichung Ašrata und šamāmū siehe HOROWITZ 1998, S. 113f. und LAMBERT 2013, S. 197. 170 Vermutlich stellt Ašrata eine sumerisierte Version des akkadischen aširtu („Heiligtum, Allerheiligstes“), dessen Plural ašrāti lautet (CAD A2 2004, S. 436), dar. 171 Verschiedene Tempel in Mesopotamien trugen diesen Namen, so bspw. der von Anu in Uruk oder von Aššur in Assur. Als wichtiger ist aber vermutlich der Umstand zu bewerten, dass ein Teil des E-kur, des Enlil-Tempels in Nippur, ebenfalls diesen Namen trug (GEORGE 1993, S. 145; KATZ 2011, S. 133; SERI 2012, S. 14). Insofern ist zu erwarten, dass durch diesen textexternen Bezugspunkt das theologische Programm des enūma eliš unterfüttert wurde, welches die Etablierung Mar-

3.12. Weltschöpfung (IV 135–V 76)

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Interessanterweise betont der Text zweimal (IV 145 und V 120), dass E-šara von Marduk erschaffen wurde, unterlässt es aber beim Himmel.172 Beim Himmel ist bekannt, dass er aus einer Hälfte der Tiāmtu erbaut wurde, wohingegen E-šara eine reine Mardukschöpfung nach der Vorlage des Apsû ist (SERI 2012, S. 14). Dies wäre eine mögliche Erklärung für diese besondere Hervorhebung, denn von den drei Weltenteilen hat Marduk zwei erschaffen, es wird jedoch nur beim E-šara betont. Abschließend teilt Marduk der Göttertrias Anu, Enlil und Ea jeweils einen der drei Weltenteile zu. Ea er-/behält den Apsû,173 Anu bekommt den Himmel und Enlil den Mittelteil E-šara. Hier tritt erstmalig die traditionelle Göttertrias Anu, Enlil und Ea im Text in Erscheinung, und damit auch erstmalig die Figur Enlil. Sie erhalten zwar jeweils ihren klassischen Weltenteil, jedoch geschieht dies durch Zuweisung von Marduk, der damit im Hinblick auf die Schöpfung über der traditionellen Trias steht.174 Da in der Passage der Himmel geschaffen wird und damit eine eindeutige Rekurrenz zum Beginn des Textes vorliegt, wird auch die dort formulierte essentielle Bedeutung von Namen ebenfalls wieder mit aufgegriffen. Das Nichtvorhandensein von Himmel und Erde wird in den ersten beiden Versen des Werkes mit dem Fehlen von Namen ausgedrückt (I 1f.). Daher lohnt sich ein Blick auf die Namen, die die Weltenteile am Ende der vierten Tafel erhalten. Nach Wayne Horowitz (1998, S. 113f.) und Andrea Seri (2012, S. 14) ergibt sich folgende Zuteilung: Himmel (šamāmū, šamû) Mittelteil Grundwasserozean (Apsû)

= = =

Ašrata E-šara Eš-gala

Demnach tragen alle drei kosmischen Teilbereiche (auch) einen sumerischen Namen, der jeweils in Verbindung mit irdischen Heiligtümern steht (KOCH-WESTENHOLZ 1995, S. 116). Dies mag allgemein auch der metaphorischen Visualisierung des Kosmos für den Leser gedient haben, doch vermutlich liegt hierin auch eine theologische Implikation. Dies wird des Weiteren durch das in Vers IV 146 duks als neuen Enlil umfasst. Dazu passt, dass Enlil E-šara als zugeordneten Weltenteil erhält (siehe hierzu: SERI 2012, S. 16–18). Andererseits kann sich E-šara auch auf Aššur beziehen, so dass sich vielleicht hier noch ein weiterer Zielpunkt des Werkes offenbart, die Überschreibung des assyrischen Hauptgottes. Da sich im Werk jedoch ansonsten keine weiteren assyrischen Bezugspunkte zeigen und es vielmehr dezidiert babylonisch ist, kann diese These zum aktuellen Zeitpunkt nicht weiter gestützt werden. 172 Ein Grund könnte in der textexternen Überschreibung Enlils liegen. Indem Marduk E-šara erbaut, was vermutlich synekdotisch für den Enlil-Tempel in Nippur zu lesen ist (siehe auch § 3.12.2. Anm. 171 und § 3.14.10. Anm. 241), steht er über dem alten Hauptgott (SERI 2012, S. 14) und verdrängt ihn als Schöpfergott in seiner eigenen Heimstatt. 173 Ob hier eine Verbannung des Ea in den Apsû vorliegt, wie Beate Pongratz-Leisten vermutet (1994, S. 77), lässt sich aus dem Text eher nicht entnehmen. So hat Ea bereits nach der Umwandlung des Apsû in einen kosmischen Teil seine Heimstatt dort eingerichtet (I 71–77), wobei er auch als eširtu bezeichnet wird, einem Synonym zu dem in IV 146 verwendeten māḫāzu (CAD M1 2004, S. 86). Insofern erhält die Verortung Eas durch die Weisung Marduks in IV 146 keine neue Qualität. 174 Dieses Merkmal wird bspw. im Vergleich zum Atramḫasīs-Mythos deutlich, wo zu Anfang die drei Götter Anu, Enlil und Ea ein Los werfen und so die Aufteilung der Welt untereinander festmachen (I 11–16). Im enūma eliš tritt nun Marduks Weisung an die Stelle des Loses unter gleichgestellten Göttern.

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Kapitel 3: Struktur und Inhalt des enūma eliš

gewählte Lexem deutlich, mit dem die Zuweisung der Domänen ausgedrückt wird. Die Göttertrias erhält von Marduk „ihren Kultort“ (māḫāzīšun), womit ebenfalls eine Tempel-Vokabel verwendet wird. Dass sich die drei Götter in den jeweiligen Weltenteilen niederlassen, steht so parallel zu der dauerhaften, irdischen Etablierung von Göttern in ihren Tempeln (siehe hierzu auch CAD R 1999, S. 135f. und ZGOLL 2012a, S. 25). Wenn Marduk später im Text (V 119–124) seine Absicht äußert, seine eigenes „Haus“ (bītu), d.i. seinen eigenen Tempel, zu bauen, so richtet er ihn räumlich an den anderen Weltteilen aus, wobei er zweimal die (Tempel)Namen verwendet.175 Zugleich fungieren Apsû und E-šara als Vorlage für seinen eigenen Entwurf (SERI 2012, S. 18). 3.12.3. Kommentierung des Wechsels zwischen IV 146 und V 1 Das offensichtlichste Argument für einen Umbruch ist das Ende von Tafel IV und der Beginn von Tafel V (Krit. 1A). Zudem wird der Wechsel durch ein verändertes Wortfeld angezeigt, das ab V 1 gehäuft astrale Begriffe umfasst, beispielsweise manzāzu („(himmlischer) Standort“, V 1 und V 5), kakkabu („Stern“, V 2 und V 4) oder lumāšu („Sternenkonstellation“, V 2) (Krit. 3A). Zusätzlich werden die Himmelskörper Nēberu176 (vermutlich der Planet Jupiter, V 6), Nannaru177 (der Mond) und Šamaš (die Sonne, ab V 19) explizit erwähnt. Neben dieser astralen, und damit räumlichen Dimension tritt erstmalig die Zeiteinteilung in den Fokus des Textes (Krit. 4A). Das „Jahr“ (šattu, V 3 und V 5), der „Monat“ (arḫu, V 4 und V 14f.), der „Tag“ (ūmu, V 5, V 13, V 16f. und V 21f.) finden sich gehäuft am Anfang der fünften Tafel. Schließlich stellt die Rekurrenz von ūmu und šattu (I 13) eine Verbindung zwischen der Schöpfung auf der fünften Tafel und dem Beginn des Textes her (Krit. 3B). 3.12.4. Astrale und zeitliche Ordnung (V 1–44?178) Marduks Schöpfung besteht in ihrem zweiten Schritt aus einem Zweiklang aus der Einrichtung einer astralen Ordnung und der damit verbundenen zyklischen Einteilung der Zeit in klar definierte Zeiteinheiten, die sich anhand der Gestirne bestimmen lassen (siehe auch WILCKE 2007a, S. 41f.; LAMBERT 2013, S. 172). Nach den topographischen Grundzügen am Ende der vierten Tafel kommt damit nun die astral-temporale Verfasstheit der Welt hinzu.179 Zeitanzeiger sind dabei die Sterne, die „Ebenbild“ – besser vielleicht: „Manifestation“ – (tamšīlu, V 2) der Großen Götter

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Nur den Apsû nennt er Apsû und nicht Eš-gala. Der Versuch einer astronomischen Interpretation des Himmelskörpers Nēberu auch auf Basis der einschlägigen Passagen im enūma eliš findet sich bei KOCH 1991. 177 Eine akkadisierte Form des sumerischen Namens für den Mondgott, Nanna(r). Sein akkadischer Name wäre eigentlich Sîn. 178 Da der Text auf der fünften Tafel v.a. zwischen den Zeilen V 27–44 nur sehr fragmentarisch erhalten ist, kann das Ende dieser Passage aktuell noch nicht genau bestimmt werden. 179 Eine notwendige Voraussetzung für die Verehrung der Götter (L AMBERT 2008, S. 23), da ein Kult eine zeitliche Ordnung erfordert. 176

3.12. Weltschöpfung (IV 135–V 76)

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sind,180 welche ihre „Standorte“ (manzāzū, V 1) am Himmel erhalten.181 Eine besondere Funktion erhält der Wandelstern Nēberu, der später im Text noch mit Marduk gleichgesetzt wird (VII 126–134). Er sorgt für die Ordnung unter den Sternen (V 6–8).182 Danach ordnet Marduk den Übergang zwischen Himmel und Erde durch abschließbare Pforten (V 9f.).183 Der Mond wiederum gibt durch seine Phasen den Ablauf eines Monats wieder (siehe bspw. LAMBERT 2013, S. 186),184 welche ihm von Marduk teils in wörtlicher Rede zugewiesen wird (V 15–22?185). Ab Vers V 19 taucht auch Šamaš als die Sonne auf, wobei unklar ist, ab wann und wie genau er adressiert wird.186 Auf Basis der neusten Rekonstruktionen von Thomas Kämmerer und Kai Metzler (2012, S. 232f.) sowie von Wilfred Lambert (2013, S. 98f.) wird Šamaš in Vers V 24 direkt angesprochen. Andererseits kann am Anfang der Zeile V 37 ein ištu beziehungsweise ul-[tu] („nachdem“) rekonstruiert werden, was ein typischer Indikator für einen Abschnittwechsel (Krit. 2B) ist (siehe § 3.2.). Da nachfolgend zudem von ūmu („Tag“, V 39), šattu („Jahr“, V 40 und V 42) sowie von zagmukku („(kalendarisches) Neujahr“, V 41) gesprochen wird, liegt diesen Zeilen 180 Und nicht die alleinige Gestalt der Götter (KOCH-WESTENHOLZ 1995, S. 115f.). Nach Benno Landsberger und J. Kinnier Wilson entstammt der akkadische Ausdruck lumāšu („Sternbild“) vom Sumerischen lú-maš („Zwilling“), so dass in ihm möglicherweise die Komponente der Ebenbildlichkeit mitschwingt (1961, S. 170f.). 181 Gemäß Wayne Horowitz handelt es sich bei den in Vers V 4 genannten 36 Sternen um Vertreter der drei Himmelspfade von Anu, Enlil und Ea (ebenso: LAMBERT 2013, S. 180f., 184). Diese unterteilen sich wiederum in jeweils zwölf Abschnitte, für jeden Monat einen. Aus der Kombination aus den Himmelspfaden (zu denken als konzentrische Kreise) und den Monatsabschnitten (zu denken als strahlenförmig ausgehende Radien) entstehen insgesamt 36 Himmelsbereiche, welche die in Vers V 1 und V 6 genannten manzāzū sind (HOROWITZ 2010b, S. 75). Für die Abbildung einer Rekonstruktion eines entsprechenden kreisförmigen Astrolabiums siehe IBID, S. 83. Wilfred Lambert geht von einer möglichen Anspielung an das System von Astrolabium KAV 218 aus, die durch die Verse V 3f. erfolgt (2013, S. 181). 182 Die Leitungsfunktion des Wandelsterns Nēberu am Nachthimmel deutet auf einen möglichen intertextuellen Bezug zum neuassyrisch überlieferten Text Innanas Erhöhung (= TCL 6, 51f. u.a., siehe FOXVOG 2013) (LAMBERT 2013, S. 172f.). Zugleich bündelt der Text die Funktion der Leitsterne, die auf dem Astrolabium KAV 218 bzw. in seiner Kommentierung für jede der drei Himmelsbereiche von Anu, Enlil und Ea belegt sind ( IBID, S. 181f.). Anstelle von drei Leitsternen gibt es im enūma eliš nur einen einzelnen, der zudem mit Marduk gleichgesetzt wird. Somit zeigt sich auch am Nachthimmel die Zentralisierung der Macht in Marduk als alleinigem funktionalen Zentrum der Welt (siehe auch § 7.6.2.). 183 U.a. aufgrund dieser Funktion nimmt Wayne Horowitz an, dass Marduk die Sterne nicht erschafft, sondern in das Himmelschaos strukturierend eingreift und somit die Himmelsordnung etabliert (2010a, S. 41f.). Sicher kann man konstatieren, dass der Text die Herkunft der Gestirne nicht expliziert und auch kein Material nennt, aus dem sie erschaffen worden sein könnten. 184 Herman Vanstiphout deutet die Verse V 15–22 so, dass hier anderthalb und nicht eine Mondphase beschrieben werden (1981, S. 197f.). 185 Ab hier wird der Text unvollständig, so dass das Ende der wörtlichen Rede an Nannaru nicht eindeutig identifiziert werden kann. 186 Wayne Horowitz argumentiert dafür, dass Šamaš und der Ablauf des Jahres in den Versen V 23–46 angesprochen wird (1998, S. 117). Stefan M. Maul versteht die Verse V 24f. so, dass sie sich auf Šamaš/die Sonne beziehen, wobei er dies unter anderem an den rechtlichen Termini in diesen beiden Zeilen festmacht, die auf Šamaš deuten, da er der traditionelle Gott für Recht und Gerechtigkeit ist (1999b, S. 201f.). Wilfred Lambert wiederum verweist auf einige altorientalische Texte, in denen sowohl Sîn als auch Šamaš als Richter wirken (2013, S. 191f.).

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Kapitel 3: Struktur und Inhalt des enūma eliš

die weitere Einrichtung der Zeiteinheit Jahr zugrunde, die möglicherweise auch mit dem Sonnenstand verbunden war. Schließlich taucht in der Zeile V 44 der „Riegel des Ausgangs“ (sigar āṣīti), der an das Himmelstor erinnert, durch das Šamaš schreitet. Das Ende der Passage wird durch ein erneutes ultu beziehungsweise ištu („nachdem“) am Anfang der Zeile V 45 markiert. Worin die mögliche Differenz der Zeilen V 24–36 und V 37–44 liegen könnte, lässt sich aufgrund der aktuell schlechten Überlieferungslage nicht eindeutig bestimmen. Es fällt an dem erhaltenen Teil auf, dass sowohl Nannaru als auch Šamaš nur als Gestirne explizit in Erscheinung treten und nicht als Hochgötter, zu denen sie traditionellerweise gehören (siehe auch LAMBERT 2013, S. 455). Es handelt sich um die einzige Stelle, in der von den beiden innerhalb des Textes die Rede ist.187 Dieser Befund stützt die These, dass der Unterabschnitt V1–44 die astral-temporale Ordnung der Welt beschreibt und weniger die (astralen) Götter im Blick hat.188 3.12.5. Kommentierung des Wechsels zwischen V 44(?) und V 45(?) Ein klarer Schnitt lässt sich aufgrund des fragmentarischen Zustandes des Textes an dieser Stelle nicht machen.189 Ein Indiz liefert die Subjunktion ultu („nachdem“) in Vers V 45 sein, die meist einen zusammenfassenden Nebensatz einleitet und damit den Beginn eines neuen Sinnabschnitts markiert (Krit. 2B). Möglicherweise umfasst das Resumée zudem noch die Zeile V 46, so dass sich so die Verwendung des Lexems mūšu („Nacht“) und immu („Tageszeit“) erklären ließe, die auf den vorherigen Unterabschnitt (V1–44) zurückgreifen. Mit u[rpātu] („Wolken“), šāru („Wind“), kaṣāṣu („Regen“) und imbaru („Nebel“) beginnt spätestens ab Vers V 49 ein neues Wortfeld, wobei der Hauptsatz vermutlich bereits mit der Zeile V 47 beginnt (Krit. 3A). Während die Schöpfung in der vorherigen Passage den Himmel (šamāmū, šamû, Ašrata) umfasst, wendet Marduk sich nun auch den anderen Teilen zu (Krit. 4A). 3.12.6. Gestaltung von Erdoberfläche und Atmosphäre (V 45?– V 66) Diese Passage enthält einen ganzen Strauß an Schöpfungsakten durch Marduk. Die Einsetzung der meteorologischen Phänomene gehört nicht mehr ausschließlich in den himmlischen Bereich (HOROWITZ 1998, S. 117). Die Kontrolle der Wetterer187 Wenn man von der Verwendung des Sumerogramms dUTU bei der Ausdeutung des Namens Marduk als māri dUtu absieht (I 101f., VI 127) bzw. von der Schreibung ⌈dŠEŠ.KI⌉-[m]a für nannama in VII 161 (Textzeuge JHuz). 188 Ähnlich funktioniert der Beginn der astralen Omenserie enūma Anu Enlil, in dem der Mondgott ebenfalls rein als Himmelserscheinung behandelt wird, der seine Phasen von der Göttertrias Anu, Enlil und Ea sowie den Großen Göttern verliehen erhält (für eine Textbearbeitung siehe VERDERAME 2003, S. 9, 13). Somit wird er auch dort zum Befehlsempfänger der anderen Götter und fungiert ebenfalls zuvorderst als Zeitanzeiger. Seine Zeitanzeige wird in der Serie enūma Anu Enlil als Omen gedeutet, so dass der Fokus ein anderer sein mag, im Ergebnis aber eine vergleichbare Behandlung des Hochgottes Sîn festzustellen ist wie im enūma eliš. Für diesen Hinweis möchte ich Manfred Krebernik danken. 189 Wilfred Lambert trennt zwischen den Versen V 46 und 47 (2013, S. 169).

3.12. Weltschöpfung (IV 135–V 76)

155

scheinungen übernimmt Marduk selbst (V 47–52). Als nächstes regelt er die Wasserversorgung durch Euphrat und Tigris sowie durch weitere Quellen (V 53–58). Danach widmet er sich der Sicherung des Zusammenhalts der Weltenteile, die durch das kosmische Band Durmaḫ zusammengehalten werden (V 59f.), zugleich trennt er Himmel und Erde (erṣetu), indem er Tiāmtus Schenkel dazwischen stellt (V 61f.). In Zeile V 62 beschreibt die Erschaffung der Erde aus der zweiten Hälfte der Tiāmtu (SERI 2012, S. 15), wobei erstmalig das Lexem erṣetu („Erde“) innerhalb des Werkes verwendet wird. Nach Wayne Horowitz beschreiben jedoch schon die Verse ab V 53 nicht nur die Regelung der Wasserversorgung auf der Erde, sondern auch zugleich die Erschaffung derselben (1998, S. 118f.). Nachdem Marduk die Stabilität des Universums gesichert hat (V 59–62), lässt er das bisher provisorisch stabilisierende Netz los (V 63f.), in das er Tiāmtu eingewickelt hatte (IV 95). Mit dieser letzten Handlung, der Entfernung des Baugerüsts, hat der Baumeister Marduk die physische Erschaffung der Welt vollendet (SERI 2012, S. 23). 3.12.7. Kommentierung des Wechsels zwischen V 66 und V 67 Der Vers V 67 wird durch die vorzeitige und damit subsumierende Subjunktion ištu („nachdem“) eingeleitet (Krit. 2B, 4C). Der zugehörige Nebensatz stellt wieder eine Überleitung zu einem neuen Sinnabschnitt dar, in der Marduk weiterhin als Subjekt auftritt. Nun werden jedoch die beiden Götter Anu und Ea in die neue Ordnung mit eingebunden (Krit. 4A). Zudem erhalten auch die elf Monster die Tiāmtu eine wichtige Funktion innerhalb des geschaffenen Kosmos. So arbeitet Marduk weiter an der neuen Weltordnung, doch er erschafft hier nicht mehr physisch, sondern weist Funktionen innerhalb und für die neue Ordnung zu (Krit. 4A). Die Übergangszeile V 67 verwendet in ihrer Zusammenfassung kultische Begriffe: das Lexem parṣu („Kultordnung“) und das sumerische Lehnwort pelludû („Kult, Riten“). Neben den Tempelbezeichnungen für die Weltteile (siehe § 3.12.2.) und der Einrichtung eines für den Kult notwendigen Kalenders (siehe § 3.12.4.) ist dies die dritte Verbindung zwischen der Weltschöpfung und dem Götterkult. Da es sich hierbei um eine Zusammenfassung des vorherigen Unterabschnitts handelt, beinhalten drei Unterabschnitte der Weltschöpfung (Erschaffung der Grundstruktur, Astrale und zeitliche Ordnung sowie Gestaltung von Erdoberfläche und Atmosphäre) kultische Allusionen. 3.12.8. Funktionale Zuweisungen (V 67–76) Die Leitseile, die die Weltenteile zusammenhalten, erhält Ea, die Tafel der Festsprechungen (ṭuppi šīmāti) legt Marduk in Anus190 Hand (V 68–70). Damit empfan190 Die Befundlage an dieser Stelle ist nicht eindeutig. So schreibt Textzeuge H Huz, d60, womit Ea oder Anu gemeint sein können. Für ersteres scheint der Kommentartext BM 66606+72033 zu sprechen, der nach dé-[ abbricht (LAMBERT 2013, S. 101). Dennoch wird die Stelle in der Regel so interpretiert, dass Anu die Tafel erhält (bspw. LAMBERT 2008, S. 50; IBID 2013, S. 101; SERI 2012, S. 24). Dafür sprechen mehrere Indizien. So werden die Anuschaft Kingus und sein Besitz der Tafel der Festsprechungen (ṭuppi šīmāti) als lā simātīšu („unangemessen für ihn“) bezeichnet. Mögli-

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Kapitel 3: Struktur und Inhalt des enūma eliš

gen diese beiden Götter wichtige Rollen im neugeschaffenen Kosmos. Mit Marduk zusammen bilden sie eine neue Trias der höchsten Götter, die die alte Trias Anšar, Laḫmu und Laḫamu sukzessive ersetzt.191 Marduk jedoch ragt bereits hier unter den Dreien hervor, was dadurch deutlich wird, dass er Vater und Großvater die Funktionen in der von ihm errichteten Ordnung zuweist. Die besiegten Götter192 bringt Marduk „vor seine Väter“ (ana maḫar [ab]bēšu, V 72). Schließlich stellt Marduk Bilder der elf gefangenen Monster an das „[Tor] des Apsû“ ([bāb] Apsî V 75), was ein Name für Eas Tempel in Babylon war (LAMBERT 1994, S. 589 Anm. 75a; IBID 2013, S. 229), womit die Verfasser hier bewusst arbeiten, so dass auch im letzten Unterabschnitt des Weltschöpfungs-Hauptabschnitts eine kultische Anspielung zu finden ist. Textintern könnte es sich um einen kosmischen Bereich gehandelt haben, der allgemein ersichtlich war, denn die Bilder sollen an Marduks Sieg erinnern. 3.12.9. Zusammenfassung und Ausblick Im gesamten Hauptabschnitt fungiert Marduk nicht nur als entscheidender, sondern auch als alleiniger Akteur. Seine Maßnahmen richten sich vor allem auf die Umgestaltung des toten Leibs der besiegten Tiāmtu, fügen aber beispielsweise mit den Gestirnen neue Komponenten hinzu und weisen zudem auch den Göttern Anu, Enlil und Ea ihre Weltenteile und Funktionen im Weltgefüge zu. Diese Weltordnung, der Kosmos, ist das Ziel der Passage (Krit. 4A). Somit erschafft er nicht nur die Welt, sondern etabliert zudem auch eine räumliche, zeitliche und funktionale Ordnung, wobei er seine niklātu („~genialische Schöpferkraft“) einsetzt. Dabei bedient er sich größtenteils an dem toten Leib der Tiāmtu. Zudem integriert er den bereits existierenden Apsû, den Ea zuvor erschaffen hat, in die neu installierte Ordnung. Dieser Weltenteil (Apsû) ist dann auch Vorbild für Marduks Schaffen. Die neue Welt besteht am Ende aus drei Teilen, die zum einen durch Stützen voneinander getrennt, zum anderen durch Seile zusammengehalten werden. Zusätzlich richtet Marduk den Sternenhimmel und den Sonnenlauf ein, wobei dies in besonderer Weise der Etablierung einer zyklischen Zeitordnung, eines Kalenders dient. Marduk weist sich die Wetterphänomene zu, womit er als Wettergott193 fungiert und die Wasserversorgung ‚von oben‘ reguliert. Für die cherweise ist die Anuschaft direkt mit dem Halten der Tafel verbunden, was diese Parallele und die zusammenfassende Zeile I 159 (und ihre Wiederholungen) vermuten lässt. Mit der Übergabe der Tafel wäre sie dann bei dem angemessenen Besitzer und würden auch die Anuschaft an ihren Namensträger übergeben. Zu dieser Argumentation siehe § 5.1.2. 191 Zugleich wird auch die traditionelle Trias überschrieben und Enlil so durch Marduk ersetzt. 192 Diese Zeilenrekonstruktion von Thomas Kämmerer und Kai Metzler (2012, S. 236 Anm. 5) basiert auf Kollationen/Lesungen von Oliver R. Gurney, wie sie Benno Landsberger und Kinnier Wilson (1961, S. 160, 169) anführen. Wilfred Lambert ergänzt in seiner Edition die Verse V 71f. nicht und lässt daher offen, ob es sich um Götter handelt, die Marduk „vor seine Väter“ führt (2013, S. 100). 193 Den möglichen Einfluss das syrischen Wettergottes Adad von Ḫalab auf die Gestalt des Marduk im enūma eliš beschreibt Daniel Schwemer (2001, S. 229f.). Er geht eher nicht von einem direkten Einfluss aus, da das Meereskampf-Motiv, das mit dieser Gestalt verbunden ist, bereits seit altakkadischer Zeit in Mesopotamien bekannt ist und beispielsweise in die Tišpak-Tradition einfloss

3.13. Zweite Erhöhung und zweiter Name (V 77–116)

157

Wasserversorgung ‚von unten‘ sorgen Euphrat und Tigris und weitere Quellen. Damit tritt Marduk als Bringer der Fruchtbarkeit auf. Abschließend teilt er Ea und Anu wichtige Rollen innerhalb dieser neuen Ordnung zu. Sprachlich fällt auf, dass die drei Weltteile auch Namen erhalten, die aus dem Bereich der Tempel stammen (Ašrata, E-šara, Eš-gala). Zudem werden die drei Weltteile als māḫāzu („Kultort“) der Götter Anu, Enlil und Ea bezeichnet (IV 146). Die astrale Schöpfung ist zugleich mit der Einrichtung einer zeitlichen Ordnung verbunden. Diese ist Grundlage eines Kalenders, der essentiell für einen geregelten Kult ist. Alasdair Livingstone verweist auf die Bedeutung der Tage um die entscheidenden Mondphasen (Neumond, Halbmond, Vollmond) im kultischen Kalender, die ebenfalls im Lied auf Marduk (V 12–24) thematisiert werden (1986, S. 39). Die zentrale Rolle eines zeitlichen Ordnungsrahmens – speziell des lunaren Kalenders – für den Kult unterstreicht beispielsweise auch Mark E. Cohen (1993, S. 3).194 Zusätzlich wird die von Marduk etablierte Ordnung selbst parṣu („Kultordnung“) beziehungsweise pelludû („Kult, Riten“) genannt (V 67). Schließlich deutet der Ausdruck bāb Apsî auf den Ea-Tempel in Babylon hin. Damit zieht sich durch die gesamte Schöpfungserzählung ein Faden von Anspielungen an den kultischen Bereich.195

3.13. Zweite Erhöhung und zweiter Name (V 77–116) 3.13.1. Zäsur zwischen V 76 und V 77: Aktion durch Große Götter Der Prohibitiv lā immaššâ („es darf nicht vergessen werden“) und die Partikel lū („es soll sein“) in Vers V 76 deuten vermutlich eine nicht eingeleitete direkte Rede Marduks als Abschluss der vorangegangenen Handlung an (Krit. 4B).196 Nachdem Marduk in dem gesamten vorangegangenen Hauptabschnitt alleiniges Subjekt aller Handlungen war, ändert sich nun der Akteur (Krit. 4A). Ab Vers V 77 treten verschiedene Götter als Handelnde in Erscheinung, wobei Marduk stets Adressat dieser Taten ist. In Zeile V 77 fehlt das Subjekt zwar auf den publizierten Textzeugen, aber die Prädikate zeigen an, dass es sich um einen (männlichen) Plural handeln muss, so dass Marduk ausgeschlossen werden kann. Damit findet zwischen den Versen V 76 und V 77 ein Subjektwechsel statt, wobei nun die anderen Götter et(IBID, S. 230). Eine Zusammenstellung von Marduks Wettergottaspekten listet er ebenso auf, die er aber eher aus der Ninurta-Tradition entlehnt sieht und somit nur mittelbar von Adad/Iškur ( IBID, S. 506 Anm. 4123). Zum allgemeinen potentiellen syrischen Einfluss auf das enūma eliš siehe DURAND 1993, S. 60f. und PODELLA 1989, S. 261. Wilfred Lambert wiederum beschreibt die konkreten Ninurta-Entlehnungen (1986) (aufgegriffen bei VANSTIPHOUT 1992) und Stefan M. Maul liefert einen Überblick über die verschiedenen mesopotamischen Mythen, die den Kampf eines heldenhaften Gottes gegen Chaosmächte beschreiben (1991, S. 326f.; 1999, S. 209f.). 194 Eva Cancik-Kirschbaum verweist darauf, dass der Anfang der fünften Tafel nicht nur als Ätiologie des Kultkalenders zu lesen sei, sondern auch etwas über den Bildungsgrad der Verfasser und der Zielgruppe aussagt (2010, S. 32 Anm. 48). 195 Zu weiteren Hinweisen zur Verortung des Werkes siehe § 2.2.4. Zur textimmanenten Bedeutung dieser Anspielungen siehe § 4.2.2.1. 196 So auch aufgefasst von Stephanie Dalley (2008, S. 257).

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Kapitel 3: Struktur und Inhalt des enūma eliš

was für Marduk tun, der damit zum Empfänger der verschiedenen Aktionen wird.197 Schließlich wechselt auch das Wortfeld, welches nun nicht mehr den Bereich der Schöpfung, sondern den der der Geschenke und der Herrschaft umfasst (Krit. 3A). 3.13.2. Geschenke (V 77–84) War die Freude der Götter direkt nach dem Sieg noch recht knapp geschildert worden (IV 133f.), so erzählt der Text nun ausführlicher die Gabe der Geschenke an Marduk. Dafür bedankt er sich, indem er den Überbringer der Geschenke, Usmû als Wesir im Apsû einsetzt, womit sein Vater Ea seinen wichtigsten Diener durch Marduk erhält. 3.13.3. Kommentierung des Wechsels zwischen V 84 und V 85 Durch die Erwähnung der Verbeugung in Vers V 85 kommt eine neue thematische Dimension in das Werk, denn dies ist die erste beschriebene Unterwerfungsgeste im gesamten Text (Krit. 4A). Dieser Umstand wird durch die Vielzahl der verwendeten Lexeme beziehungsweise Wendungen untermauert (šukênu „sich niederwerfen“ V 85, našāqu šēpīšū „Füße küssen“ V 86, labānu appa „Nase streichen“198 V 87, kanāšu „sich verbeugen“ V 88) (Krit. 3A). Durch die pleonastische Beschreibung der Verbeugungen vor Marduk bilden die Verse V 85–88 eine stilistische Einheit und grenzen sich damit klar von den vorhergehenden Zeilen ab, während sie durch das Motiv der Unterwerfung thematisch mit der folgenden Schilderung verbunden sind (Krit. 5A). Hinweis: Da die Zeilen V 96–107 nur fragmentarisch rekonstruiert werden können, wird auf eine weitere Unterteilung der folgenden Passage verzichtet, auch wenn die Erwähnung der Ortsangaben „in den Quartieren [seines] Throns“ (ina emāši ast[îšu], V 104) und „in seiner Cella“ (ina simakkīšu, V 105) auf einen neuen räumlichen Kontext deuten könnten. 3.13.4. Marduks zweite Erhöhung (V 85–116) Der Stativ paḫrū („sie sind versammelt“ V 85) markiert eine Götterversammlung, in der das weitere Geschehen stattfindet. In dieser verbeugen sich die Götter erstmalig vor Marduk, was diese Versammlung von der Erhöhungsversammlung im Vorfeld des Kampfes elementar unterscheidet. Zugleich empfängt Marduk unterschiedliche Machtinsignien. So salbt er sich mit Zedernöl, um dann ein Herrschaftsgewand anzulegen und eine Krone (agû) aufzusetzen (V 92–94). Danach wird der Text fragmentarischer, so dass nur noch seine Waffe (kak ili) und sein Zepter (ušpar šulme u tašmê) rekonstruiert werden können (V 95 bzw. V 100). In Vers V 102 findet auch noch „sein Netz“ (azamilšu) Erwähnung.

197 Eine Ausnahme stellt Vers V 84 dar, in dem Marduk ausnahmsweise in Reaktion auf die Tat des Usmû selbst aktiv wird. 198 D.i. den Boden mit der Nase berühren, also ebenfalls eine Unterwerfungsgeste.

3.13. Zweite Erhöhung und zweiter Name (V 77–116)

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Schließlich setzt er sich, möglicherweise „in den Quartieren [seines] Throns“ (ina emāši ast[îšu]) beziehungsweise „in seiner Cella“ (ina simakkīšu)199 (V 104f.). Der Beginn von Vers V 106 (ilānū mala bašû […) erinnert an den Anfang von Vers V 86 (dAnunnakkī mala bašû…), in dem eine Unterwerfungsgeste der Götter beschrieben ist. Als erstes sprechen Laḫmu und Laḫamu,200 die sich an die Igigi wenden, aber damit zugleich auch Marduk adressieren. Sie machen den Kontrast zwischen der früheren relativen Unterordnung des Gottes (pānama [dMa]rduk māru naramni, „früher war Marduk unser geliebter Sohn“, V 109) und der nun verliehenen Königsherrschaft über die Götter (inanna šarrakun, „jetzt ist er euer König“, V 110) explizit. Anschließend reden alle versammelten Götter und verleihen Marduk einen neuen, seinen zweiten Namen, Lugal-dimmer-an-kia(k). Dies ist sumerischer EmesalDialekt und steht für „König der Götter des Himmels und der Erde“.201 Schließlich erhält Marduk die Funktion des zāninu („Versorgers“) und die Götter stellen sich explizit unter seine Befehlsgewalt (V 115f.). 3.13.5. Zusammenfassung und Ausblick Nach der ersten Erhöhung Marduks treten nun erstmalig wieder die anderen Götter umfassend in Aktion. Sie geben Marduk neuen Kompetenzen, indem sie ihn nun explizit zum neuen Götterherrscher machen, was auch durch in seinem neuen Namen, Lugal-dimmer-an-kia(k), ausgedrückt wird. Somit ist Marduk durchgehend der Adressat der Handlungen der versammelten Götter (Krit. 4A).202 Anschließend finden sich im Text erstmalig Unterwerfungsgesten der Götter gegenüber Marduk, wobei er nun nicht mehr nur allgemein als „König“ (šarru, wie in IV 28) tituliert wird, sondern spezifischer als „euer König“ (šarrakun), d.i. als Kö199 Da Babylon und das Esaĝila noch nicht existieren, handelt es sich dabei vielleicht um einen Ort im Apsû, aus dem er entstammt oder ein Provisorium. Vielleicht stellte sich den Autoren eine solche Frage aber auch gar nicht, da sie nicht als wichtig erachtet wurde. 200 Der Anfang von Vers V 107 ist nur auf zwei Textzeugen erhalten (E Nin und FNin), von denen ENin eindeutig eine assyrisierte Version des Werkes ist, da der Textvertreter in V 109 statt von Marduk von Anšar spricht (L AMBERT 1997a, S. 77). Textzeuge FNin schreibt ebenfalls von Laḫmu und Laḫamu in V 107, jedoch fehlt der Göttername in V 109, so dass unklar ist, ob es sich hierbei ebenfalls um eine assyrisierte Version handelt. Auf Textvertreter H Huz findet sich das Ende einer Schreibung dAMAR].UTU in Zeile V 109, leider ist Vers V 107 größtenteils weggebrochen, so dass die Götternamen nach der Kopie (STT I 12) nicht rekonstruierbar sind. Somit ist in Vers V 107 unklar, wer in der babylonischen Standardversion des Werkes Subjekt des Satzes ist. Entweder sind es die Urgötter Laḫmu und Laḫamu, wie sie sich auf den Textzeugen finden (so bspw. T ALON 2005, LAMBERT 2008, IBID 2013), oder es ist eine Anpassung an die Eltern Marduks, Ea und Damkina, erforderlich, wie es Kramer und Maier (1989, S. 243 Anm. 27) angelehnt an Landsberger und Kinnier Wilson (1961, S. 169) vornehmen. 201 Nach klassischer sumerischer Grammatik müsste bei einer solchen Übersetzung am Ende ein doppelter Genitiv stehen: Lugal-dimmer-an-kiaka. Dass der Name dennoch als „König der Götter des Himmels und der Erde“ wiedergegeben werden muss, macht Vers VI 100 deutlich, wo Marduk die bēlūt ilānī ša šamê u erṣetim („Herrschaft über die Götter des Himmels und der Erde“) erhält. 202 Angemerkt sei, dass Marduk durch die Schöpfung die klassische Kategorie des jugendlichen Heldengottes (v.a. Ninurta) verlässt und in die Kategorie eines Hochgottes eintritt, da die Weltschöpfung in früheren kosmogonischen Werken der obersten Gottheit vorbehalten ist (speziell: Enlil).

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Kapitel 3: Struktur und Inhalt des enūma eliš

nig der Götter, was sich dann auch in seinem neuen Namen, Lugal-dimmer-ankia(k), niederschlägt. Damit wird aus der bisherigen Gruppe der Anšar-Götter die Gruppe der Marduk-Götter. Demnach besteht die Götterwelt zu diesem Zeitpunkt aus zwei Gruppen: den Marduk-Göttern und den ilānū kamûtu („Gebundene Götter“),203 d.i. den gefangenen Tiāmtu-Göttern.

3.14. Weitere Schöpfung: Mensch, Götterordnung, Babylon (V 117–VI 69) 3.14.1. Zäsur zwischen V 116 und V 117: Marduk als schöpferischer Akteur Nach den drei Reden, die Marduk entweder in 3. oder 2. Person adressieren, öffnet nun Marduk seinen Mund und richtet sich an die versammelten Götter (Igigi und Anunnaki) (Krit. 4A). Nach den kurzen unterbrochenen wörtlichen Reden zuvor, folgt nun eine einzige durchgehende (Krit. 4B). Zugleich richtet sich der Inhalt der Rede und der folgenden Schilderungen nicht mehr retrospektiv auf die abgeschlossene Schöpfung, sondern bringt ein neues Element ins Spiel, die Stadt Babylon mit ihren Tempeln, die Marduk sich von den Göttern erbittet (Krit. 4A). Damit ändert sich auch das Wortfeld, das nun dezidiert räumlich wird (Krit. 3A). Aufgrund des schlechten Zustandes der überlieferten Textzeugen sind die Zeilen ab V 132 teils nur bruchstückhaft erhalten und in großen Teilen nicht vollständig zu rekonstruieren. Daher sind Aussagen, die diese Passagen betreffen, mit einem besonderen Vorbehalt versehen. 3.14.2. Idee Babylon (V 117–130) Marduk äußert in diesem Unterabschnitt die Idee eines zentralen Ortes im Gefüge der Welt: Oberhalb des Apsû, dem unteren Weltenteil, unterhalb von Ašrata, dem oberen Weltenteil und „gegenüber von“ beziehungsweise „vor“ (miḫrit)204 E-šara, dem mittleren Weltenteil (V 119–121). An diesem Ort in der Mitte des Kosmos will Marduk sich sein eigenes Zuhause einrichten, Babylon (V122–124).205 Dabei verschmelzen die Stadt Babylon und das Heiligtum Esaĝila zu einer Einheit, weshalb mit Babylon im Folgenden immer Stadt und Tempel gemeinsam adressiert werden sollen (ZGOLL 2012a, S. 26).

203

Hierzu gehören wahrscheinlich noch die dingiruggû („Toten Götter“), denen Kingu zugeordnet wurde (IV 120), soweit nicht beide Gruppen identisch sind. 204 Zugleich verweist die weitere Bedeutung des Lexems miḫirtu als status constructus auch auf die Ebenbildlichkeit von Babylon gegenüber E-šara, das von Marduk als Abbild des Apsû erbaut wurde (SERI 2012, S. 16; ähnlich LAMBERT 2013, S. 197, 199). Unterstrichen wird diese Konnotation durch den Beleg in Vers VI 62, wo das Esaĝila – der Marduk-Tempel in Babylon, der im Text mit der Stadt synonym verwendet wird – als miḫrit Apsî („Ebenbild des Apsû“) bezeichnet wird. 205 Zum Namen der Stadt siehe § 5.2.2.

3.14. Weitere Schöpfung: Mensch, Götterordnung, Babylon

161

Die (großen)206 Götter sollen vor der Götterversammlung aus den oberen und unteren Weltenteilen207 nach Babylon kommen, um sich dort auszuruhen (V 125–128). Dies setzt voraus, dass die Versammlung dann auch dort stattfinden wird. Ein Vorgriff auf die Zeilen VI 72ff., in denen die Götterversammlung in Babylon abgehalten wird, bestätigt diese Hypothese. Damit werden die Festsprechungsakte für die Welt in Babylon getroffen, so dass die Stadt nicht nur das räumliche, sondern auch das theopolitische Zentrum der Welt ist. Schließlich soll Babylon auch die kultische Mitte der Welt sein, denn die „kultischen Feste“ (i[sinnā]tu) sollen ebenfalls dort stattfinden (V 130).208, 209 Durch die wörtliche Rede wird die zu erschaffende Stadt Babylon damit in dreifacher Hinsicht kosmisches Zentrum der neuen Weltordnung: geographisch, theopolitisch und kultisch (siehe § 4.2.2.1.). Blickt man auf das Wortfeld von Marduks Rede so bestätigt sich diese Sichtweise. Neben räumlichen Angaben210 finden sich kultisch-religiöse Vokabeln.211 Die funktionale Dimension wird durch Beschreibungen Babylons als Sitz der Götterversammlung212 und als Ruhestätte für Marduk und die anderen Götter213 unterstrichen. Durch die geographische Einbettung wird Babylon zum Zentrum der Welt,214 womit die Kulte wiederum, die an diesem Ort in Zukunft durchgeführt werden, eine eigene Aufwertung erlangen. 3.14.3. Kommentierung des Wechsels zwischen V 130 und V 131 In Zeile V 131 wird mit den „Göttern“, die sicher vor abbūšu („seine Väter“) in der fragmentarischen Zeile zu ergänzen sind, wieder ein Akteurswechsel eingeleitet (Krit. 4A). Dem folgt eine Antwort der Götter auf Marduks Plan, was die in Suffixen und einem Prädikat verwendete 2. Person Singular maskulinum anzeigt

206

Diese Information gibt der Text nur indirekt her, aber der Namenszusatz bzw. Namensausdeutung von Babylon als „Häuser der Großen Götter“ verweist auf die Großen Götter als diejenigen, die vor der Versammlung nach Babylon kommen. 207 Hier zeigt sich eine vertikale Bewegung hin nach Babylon, was die Zentralität der Stadt nach der statischen Einordnung in V 119–121 zusätzlich dynamisch unterstreicht. 208 Interessanterweise hebt dieser Vers die Gemeinsamkeit der kultischen Handlungen durch ein am Anfang der Zeile stehendes selbständiges Personalpronomen (nīni, „wir, ja wir“) besonders hervor. 209 Eine besondere Rolle kommt hierbei sicherlich dem akītu-Fest zu, das als wichtigstes Fest im Jahr fungierte und in dem wiederum das Lied auf Marduk eine zentrale Rolle spielte (bspw. ZGOLL 2006a). 210 Elēnu (V 119), miḫrit (V 120), šapliš (V 121), qerbuššu (V 123, V 130), ultu (V 125, V 127) und ašrūššu ( 126, V 128). Dazu gehören auch die Bewegungsverben elû (V 125) und warādu (V 127), die eine vertikale Bewegung anzeigen. 211 Māḫāzu (V 123), kummu (V 124), isinnu (V 130), ggf. auch bītu (V 122, V 129) und šubtu (V 119, V 122) im Sinne von: Haus/Sitz eines Gottes = Tempel. 212 Puḫru (V 125, V 127, V 128), im weiteren Sinne auch šarrūtu (V 124), da zu dieser auch Marduks Vorsitz der Götterversammlung gehört. 213 V.a. nubattu (V 126, V 128). 214 Stefan Maul verweist darauf, dass die drei „Paläste“ im Himmel, „in der Erde“ und Babylon (auf der Erdoberfläche) eine vertikale Achse bilden, in deren Mitte sich Babylon befindet und welche durch die Ziqqurrat für die Menschen sichtbar wiedergegeben wird (2004, S. 46).

162

Kapitel 3: Struktur und Inhalt des enūma eliš

(Krit. 2A). Diese Rede an Marduk ist Teil eines Dialogs zwischen Marduk und den Göttern, der den anschließenden Unterabschnitt umfasst (Krit. 4B). 3.14.4. Götterdialog (V 131–158) Aufgrund des schlechten Erhaltungszustandes ist das Ende der fünften Tafel nur partiell rekonstruierbar. Aus den erhaltenen Zeilenfragmenten lässt sich jedoch eine grobe Struktur ableiten. Die Zeilen V 131f. stellen eine Redeeinleitung dar zu einer wörtlichen Rede der versammelten Götter. Diese Äußerung ist an Marduk gerichtet, wie die Suffixe in V 133–136 und das Prädikat des Nebensatzes in V 137 verdeutlichen. Diese Rede endet relativ sicher mit dem Vers V 143, der mit einem Prädikat in der 3. Person Plural maskulinum beginnt. Die Zeilen V 146–149? leiten dann vermutlich die Antwort Marduks ein, die nur aus dem Vers V 150 besteht.215 Die Verse V 151f. zeigen die Reaktion der Götter auf die Rede Marduks an. Ihre Antwort umfasst die verbleibenden Zeilen der fünften Tafel (V 153–158). V 133

eli mimma ša ibnâ qātāka

V 134 V 135

man[nu … ]-ka īši eli qaqqaru ša ibnâ qātāka

V 136 V 137 V 138

man[nu … ]-ka īši [Bāb Ilim]216 ša tazkura šumšu217 aš[ruššu nubatt]ani idi dārišam218

V 139

x [… sa]ttukkani lībillūni219

V 140 V 141

⌈ṢI⌉[… …]-ni manāma šiprīni ša nī[ni …]

V 142

ašru⌈ššu⌉ [… m]ānaḫtaš ⌈x⌉ […]

„Bezüglich allem, was Deine Hände erbaut haben, we[r] hat Dein(e) […]? Bezüglich der Erde, die Deine Hände erbaut haben, we[r] hat Dein(e) […]? Babylon, dem Du seinen Namen gegeben hast, an [seinem] Ort richte unsere Ruh[estätte] für immer ein! […] sie220 sollen uns unser tägliches Opfer bringen. ? Wer auch immer unsere Arbeiten/unsere Werke, wovon gilt: wir, ja w[ir…] an seinem Ort […] seine Erschöpfung […]“

Der Beginn der ersten Rede der Götter stellt wahrscheinlich einen Lobpreis Marduks dar, in dem die Einzigartigkeit seiner Schöpfung beziehungsweise seiner schöpferischen Genialität gelobt wird. In den Versen V 137f. nehmen die Götter Bezug auf ihre zugesagte Ruhestätte ([nubatt]ani) (Lambert 2013, S. 104).221 Leider 215 Dies wird weniger in der Edition von Wilfred Lambert (2013, S. 104) als vielmehr in der von Thomas Kämmerer und Kai Metzler (2012, S. 245) deutlich, wobei zu beachten ist, dass dort eine andere Zeilenzählung ab V 146 vorliegt. 216 Als einziges ist der Versanfang auf dem assyrisierten Textzeugen ENin erhalten, der hier die Stadt Assur schreibt (siehe auch KÄMMERER, METZLER 2012, S. 244 Anm. 3; LAMBERT 2013, S. 104f.). 217 Für Textvertreter ENin schreiben Thomas Kämmerer und Kai Metzler ⌈MU⌉ du[m?-qi] (2012, S. 244), Wilfred Lambert MU.N[E] (2013, S. 137). 218 HHuz: dā]rīta. 219 Bzw. falls ein Nebensatz vorliegen sollte, ist auch lībilluni möglich. 220 Vermutlich handelt es sich hierbei um eine Göttergruppe, siehe Kommentierung weiter unten. 221 Anders rekonstruieren Thomas Kämmerer und Kai Metzler, die von šubt]ani („unser Wohnsitz“) ausgehen (2012, S. 244). In diesem Falle nehmen die Götter Bezug auf das Versprechen, dass sie eine Wohnstätte erhalten.

3.14. Weitere Schöpfung: Mensch, Götterordnung, Babylon

163

fehlt von der nachfolgenden Zeile (V 139) der Anfang, so dass beim Prädikat ein Subordinativ nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann. Da Marduk in dieser Rede aber ansonsten in der 2. Person direkt angesprochen wird,222 ist es eher unwahrscheinlich dass von ihm hier die Rede ist. Demnach handelt es sich also vermutlich um eine Gruppe, die das „tägliche Opfer“ (sattukku) den Göttern darbringen soll. Wahrscheinlichster Kandidat hierfür ist wiederum eine Göttergruppe und nicht die Menschen, da der maskuline Plural im Werk durchgehend für Götter verwendet wird und der feminine für die Menschen.223 Eine weitere Dimension kommt möglicherweise in den Versen V 141f. hinzu, in denen die Begriffe šipru („Arbeit; Werk“) und mānaḫtu („Müdigkeit, Erschöpfung“) fallen. Während die Götter von „unserer Arbeit“ beziehungsweise „unserem Werk“ (šiprini, V 141) sprechen, ist es „seine (oder ihre) Erschöpfung“ (mānaḫtaš), wobei sich letzteres auf manāma („wer auch immer“, V 141) beziehen kann. Hier wird vermutlich die Mühe der Arbeit angesprochen, die entweder der Bau Babylons oder die Versorgung der Götter macht. Licht ins Dunkel bringt möglicherweise die Hypothese von A. Leo Oppenheim, wonach die Götter hier den Wunsch formulieren, nicht selbst arbeiten zu müssen, sondern die besiegten Tiāmtu-Götter, die ilānū kamûtu, als Arbeiter verlangen (1947, S. 232).224 Dies würde das Prädikat im Plural in Vers V 139 erklären (siehe oben) und zu der Ausdeutung des Namens Tutu Agaku(.g) passen, wonach Marduk die ilānū kamûtu durch die Menschenschöpfung von der Arbeit befreite (VII 27–29).225 Auch in der Ausdeutung des Namens Marukkam können sich Hinweise auf eine solche Deutung finden. So ist die Formel mušapšiḫ d Igigī („derjenige, der den Igigi Ruhe bringt/brachte“, VI 134) möglicherweise ein intertextueller Bezug auf den Atramḫasīs-Mythos, wo die Igigi als Arbeiterklasse den Anunnaki dienen.226 Die in Vers VI 134 verwendete Wurzel √pšḫ (als pašāḫu = 222 Anders als in der abschließenden Rede der Götter in diesem Abschnitt, die im erhaltenen Teil durchweg die 3. Person verwendet. 223 Dies wird insbesondere bei den Ausführungen des Namens Asalluḫi I (VI 101–120) deutlich, siehe auch § 5.2.5. 224 Noch detaillierter ist der Vorschlag von Thorkild Jacobsen, wonach hier die Götter zunächst danach fragen, wer Babylon bauen soll und wer für die Verwaltung der Schöpfung zuständig ist. Daraufhin lässt Marduk die gefangenen Tiāmtu-Götter frei und legt ihnen die Arbeit an Babylon auf. Da sich die Tiāmtu-Götter wegen dieses Gnadenaktes vor ihm niederwerfen, beschließt er, sie auch noch von der Arbeit zu befreien und den Menschen zu erschaffen (1976, S. 180). Leider lässt sich eine solch genaue Rekonstruktion des Endes der fünften Tafel anhand der erhaltenen Zeilenreste nicht hinreichend verifizieren. Allgemeiner argumentiert Jean Bottéro, der das Ende der fünften Tafel wie A. Leo Oppenheim in Anlehnung an den Atramḫasīs-Mythos liest. Demnach verlangen hier die Götter von Marduk ihre tägliche Versorgung, wobei sie zugleich aber auch die Absicht äußern, für die Produktion der Güter nicht arbeiten zu wollen (1985, S. 138). Die These von Manfried Dietrich, dass die Götter hier auf das Fehlen der Menschheit verweisen (1991, S. 58; 2006, S. 149), lässt sich am Text hingegen nicht festmachen. So wird klar expliziert, dass die Idee und das Konzept der Menschheit von Marduk stammt (VI 1–8; 38). 225 In dieser Passage wird die Menschenschöpfung dezidiert als Gnadenakt Marduks gegenüber den besiegten Göttern beschrieben (ana padîšunu „um sie zu schonen“ VII 29) (MÜLLER 1989, S. 73). 226 Nach der Rekonstruktion der Zeile V 156 (gemäß ihrer Zählung) von Thomas Kämmerer und Kai Metzler bieten sich die sprechenden Götter selbst als Arbeiter ([ÉREN].MEŠ) an (2012, S. 246),

164

Kapitel 3: Struktur und Inhalt des enūma eliš

„ruhen“) steht im enūma eliš mehrmals in Verbindung mit der Entlastung der Götter von der Arbeit (VI 8, VI 26 und VI 130). Wenn Marduk nun als mušapšiḫu bezeichnet wird, so kann dies für die Befreiung der Igigi stehen (BOTTÉRO 1985, S. 139). Dies würde dann die vorangehende Phrase muṭīb libbi dAnunnakkī („derjenige, der das Herz der Anunnaki erfreut/e“ VI 134) erklären, da auch die Sorge durch den (möglichen) Streik der Igigi beseitigt ist. Andererseits können auch beide Phrasen schlicht dafür stehen, dass Marduk den Göttern Frieden gebracht hat. Liegt dem narrativen Teil dieselbe Ordnung zugrunde,227 so waren die TiāmtuGötter vor ihrer Befreiung als Arbeiter eingesetzt oder dafür eingeplant. Diese These passt jedenfalls auch zu dem identifizierbaren Themenfeld bestehend aus „täglichen Opfern“ (sattukku), „Arbeit/ Werk“ (šipru) „Erschöpfung“ (mānaḫtu). Auf jeden Fall ruft die Rede der Götter bei ihnen Freude hervor (V 143), so dass die Schilderung einer Konfliktlinie an dieser Stelle auszuschließen ist. Marduks Antwort ist wahrscheinlich in Vers V 150 zu suchen, der fast nicht erhalten ist.228 Nach dieser Rede verbeugen sich die Götter erneut vor ihrem König und erwidern: V 153229 V 154 V 155

pānama bēlu māru n[aramni] inanna šarrani idn[a ?-…] ša me-⌈x⌉230 […] uballiṭ[unâši]

V 156 V 157231

a-⌈x x⌉ [… mel]amme miṭ[ṭi] u ušp[ari] līpuš iṣrē[ti… ka]la u[mmâ]nū[tum]

V 158

[…] ⌈x x⌉ […]-meš232 nīnu

„Früher war der Herr [unser geliebter] Sohn nun ist er unser König. Er […] wovon gilt: […] er/sie hat [uns] am Leben erhalten. [… Schreck]ensglanz, Keu[le] und Zep[ter] er soll Plän[e] machen [ … al]le meisterliche Weis[heit] […] wir, ja wir.“

In der Antwort thematisieren die Götter Marduks Königsherrschaft (V 153f.) und seine neuen Insignien der Macht (V 156). In V 157 sprechen sie „alle meisterliche Weisheit“ ([ka]la u[mmâ]nūt[u])233 am Versende an, was vermutlich auf einen weiwobei es sich hierbei vermutlich nicht um die Versorgungsarbeit handelt, sondern um den Bau von Babylon, wie das Lexem iṣertu („Grundriss, Plan“) in derselben Zeile nahelegt. Weniger konkret verhält es sich gemäß der Lambert-Edition (dort V 157f.), der keine Arbeiter rekonstruiert und die Textzeugen den Zeilen anders zuteilt (2013, S. 106). 227 Dagegen spricht vielleicht die Rede der Götter (Anunnaki) zu Marduk, in der sie sich für die Befreiung von der Arbeit bedanken (VI 49). Da die genaue Funktion und Verwendung der Götterbezeichnungen im Lied auf Marduk noch nicht entschlüsselt ist, könnten hier möglicherweise (auch) die befreiten ehemaligen Gebundenen Götter sprechen. 228 Zumindest nach der Rekonstruktion von KÄMMERER, METZLER 2012, S. 245; dort als V 148 angegeben. 229 Ab V 146 weichen die Zählungen der Editionen von Thomas Kämmerer und Kai Metzler sowie von Wilfred Lambert ab. Der Unterschied liegt in der abweichenden Interpretation der beiden einzigen Textzeugen DNin und ENin ab Vers V 146 (funb:2a weist nur die Zeilen V 150–152 auf; ANin setzt erst ab V 156 ein), wonach erstere zwei Zeilen weniger zählen. V 153 nach der LambertEdition entspricht demnach V 151 der Kämmerer-Metzler-Edition usw. 230 Thomas Kämmerer und Kai Metzler lesen šip[tašu] (2012, S. 245). 231 Die Zuordnung der Textzeugen zu den Versen V 157f. (dort: V 155f.) weicht bei Thomas Kämmerer und Kai Metzler ab (2012, S. 246). 232 KÄMMERER, METZLER 2012, S. 246: ].MEŠ. 233 Dies ist leider der einzige Belege für diese Lexem im enūma eliš.

3.14. Weitere Schöpfung: Mensch, Götterordnung, Babylon

165

teren Schöpfungsakt verweist, was auch durch den Zeilenkopf unterstützt wird, wonach „er Pläne machen soll“ (līpuš eṣrē[ti]). Die hier in der 3. Person adressierte Gestalt ist wahrscheinlich Marduk. 234 Somit verweisen die abschließenden Zeilen und das Ende der Rede der Götter auf Marduks Schöpfungspotenz. Es ist naheliegend hier einen Zusammenhang zwischen der Problematik der Arbeit und Marduk als Schöpfer anzunehmen. So zeigen die Lexeme mannu („wer?“, V 134 und 136) und manāma („wer auch immer“, V 141) vielleicht auf eine noch zu besetzende Leerstelle im Gefüge der Welt, die Marduk aufgefordert wird, durch seine Schaffenskraft zu füllen. An diesem Punkt knüpft nun der nächste Unterabschnitt (VI 1– 34) an. 3.14.5. Kommentierung des Wechsels zwischen V 158 und VI 1 Neben der sechsten Tafel beginnt mit der Zeile VI 1 (Krit. 1A) auch ein neuer Dialog, der nun zwischen Marduk und Ea stattfindet (Krit. 4A). In diesem knappen Dialog und den folgenden Zeilen wird der Komplex der Menschenschöpfung thematisiert, der hier im Text eingeführt und anschließend abgehandelt wird (Krit. 4A). Schließlich finden sich lexematische Rekurrenzen zum ersten Konflikt, speziell im Bezug auf die Ruhe (√pšḫ; als pašāḫu = „ruhen“) (Krit. 3B). 3.14.6. Menschenschöpfung (VI 1–34) Die Menschenschöpfung gliedert sich in zwei Teile. Sie beginnt mit einem kurzen Dialog zwischen Marduk und Ea, in dem der Plan abgesteckt wird. Anschließend findet die Menschenschöpfung im Rahmen einer Götterversammlung durch Ea statt. Marduk entwickelt für sich die Idee, den aus Blut und Knochen bestehenden Menschen zu erschaffen, um diesen für die Götter arbeiten zu lassen (VI 5–8). Marduks Rede ist besonders von der Silbe /lu/ geprägt (insgesamt 13-mal verwendet in sechs Zeilen = VI 5–10), die Bestandteil der Substantive dullu („Arbeit, Mühe“), amēlu („Mensch“) und in besonderer Weise von lullû („(Ur-)Mensch“, ein sumerisches Lehnwort) ist. Zusätzlich beginnt der Prekativ in der 1. Person Singular mit dem Präfix lu- und der stativische Prekativ wird durch die Partikel lū angezeigt. So hebt auch die Phonetik und das Schriftbild das zentrale Thema dieser Rede hervor, den Menschen. Da die Menschen den Dienst für die Götter übernehmen und diesen die Arbeit abnehmen, ist die Menschenschöpfung direkt mit einer Neuordnung der Götterwelt verbunden, die Marduk im Anschluss an die Anthropogenese vollzieht (VI 39–44). Zugleich greift die Rede das Thema der Ruhe (√pšḫ; als pašāḫu = „ruhen“) wieder auf, das bereits im ersten Konflikt im Lied auf Marduk zwischen Ea und Apsû eine zentrale Rolle gespielt hat. Die Wurzel √pšḫ findet sich nicht nur in Marduks wörtlicher Rede (VI 8), sondern auch in der Einleitung der Antwort Eas (VI 12). Zuerst verspricht Marduk den Göttern Ruhe (VI 8), dann wird das Thema, auf das Eas Rede Bezug nimmt, mit tapšuḫti ša ilānī („Beruhigung der Götter“ VI 12) angegeben. Er äußert sich anschließend folgendermaßen: 234 Prinzipiell könnte sich diese Phrase auch auf Ea beziehen, doch spricht der weitere Handlungsverlauf für einen Adressaten Marduk, wonach Marduk die Idee hat und Ea diese ausführt.

166

Kapitel 3: Struktur und Inhalt des enūma eliš

VI 13

linnadnamma ištēn aḫūšun

VI 14

šū liʾabbitma nišū lippatqū235

VI 15 VI 16

lipḫurūnimma ilānū rabûtu ša anni236 linnadinma237 šunu liktūnū

„Der eine, ihr Bruder, soll wirklich übergeben werden und er, ja er, soll ganz und gar vernichtet und die Leute (= Menschen) geformt werden. Die Großen Götter sollen sich versammeln und der Schuldige soll übergeben werden und sie, ja sie, sollen dauerhaft sein/werden.“

Die Rede Eas ist sehr kunstvoll nach dem Kreuzschema (A-B-A-B) aufgebaut. Die A-Zeilen bestehen nur aus drei Wörtern mit einem vorangestellten Prädikat im Prekativ. Der eine Gott in Zeile VI 13 wird der Gruppe der ilānū rabûtu (VI 15) gegenübergestellt, wobei die Proform -šun in Vers VI 13 kataphorisch auf die Großen Götter verweist. Die B-Zeilen bestehen aus jeweils zwei Hauptsätzen, wobei der zweite Satz der Zeile die Folge beziehungsweise das Ziel des vorangehenden Satzes anzeigt: Der eine Gott muss sterben, damit die Menschen entstehen können (VI 14). Das erste Prädikat jeder Zeile wird zudem jeweils durch die Partikel -ma betont. Marduk greift den Vorschlag Eas auf und versammelt die Großen Götter (siehe auch PETTINATO 1971, S. 44f.). Damit beginnt der zweite, umsetzende Teil der Anthropogenese. Marduk verlangt die Auslieferung des Anstifters des zweiten Konflikts, damit diesem die Strafe auferlegt werden kann (VI 23–26). Im Gegenzug sollen die Götter Ruhe finden (VI 26). Die versammelten Götter benennen Kingu als den Schuldigen, dem vor Ea die Adern aufgeschnitten werden. Aus dem Blut erschafft der Weisheitsgott die Menschen. Diesem neuen Wesen wird der Arbeitsdienst für die Versorgung der Götter auferlegt, von welchem die Götter im Gegenzug befreit werden (VI 31–34). Es fällt auf, dass nach den langen vorangegangen Dialogen die Schöpfung selbst sehr knapp abgehandelt wird. Dieser Umstand wird durch die nachfolgenden Überleitungszeilen (VI 35–38) ein wenig abgefedert. Sowohl die Menschenschöpfung als auch die Übertragung des Versorgungsdienstes auf die Menschen findet durch Ea und nicht durch Marduk statt. Für den Text ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass die niklātu („genialischer Schöpfergeist“) jedoch von Marduk stammen (VI 38) (bspw. SERI 2012, S. 17). 3.14.7. Kommentierung des Wechsels zwischen VI 34 und VI 39 Der Übergang wird deutlich durch die zusammenfassende Subjunktion ultu („nachdem“) am Anfang von Vers VI 35 markiert, wobei die Verse VI 35–38 als Scharnierverse beide Passagen miteinander verbinden (Krit. 2B, 4C). Der Blick des Textes wendet sich wieder von den Menschen weg und den Göttern zu, wobei nun Marduk alleine handelt und Ea zusammen mit den anderen Göttern Adressat der Handlungen wird (Krit. 4A).

235

BAss: lippatqā. bKiš: annam. 237 BAss: linnadin?. 236

3.14. Weitere Schöpfung: Mensch, Götterordnung, Babylon

167

3.14.8. Neuordnung der Götterwelt (VI 35–44) Der Unterabschnitt ist recht kurz und umfasst zusätzlich eine lange Überleitung, die noch einmal die Menschenschöpfung durch Ea in Bezug zu Marduks Genialität stellt (VI 35–38). Anschließend teilt Marduk die Götter in zwei Gruppen auf; 300 werden im Himmel verortet, 300 sendet er auf die Erde.238 Dadurch etabliert er eine räumlich-vertikale Ordnung, die er mit der Zuteilung „ihrer Pfründe“ (isqātsunu VI 46) verbindet. Sie dienen der Versorgung der Götter, so dass diese durch das von Marduk etablierte System gesichert ist. Damit ist er dem Auftrag als zāninu („Versorger“) der Götter nachgekommen, da er die Produktion und Verteilung der Götternahrung eingerichtet hat. 3.14.9. Kommentierung des Wechsels zwischen VI 44 und VI 45 Wieder wird ein Wechsel durch einen zusammenfassenden, vorzeitigen Nebensatz angezeigt, der durch ultu („nachdem“) eingeleitet wird und den Umbau der Götterwelt subsumiert (Krit. 2B, 4C). Nach dem dialogfreien vorangegangenen Unterabschnitt, folgen ab Vers VI 49 zwei wörtliche Reden (Krit. 4B). Inhaltlich wechselt der Fokus von der Neuordnung der Götterordnung zum Bau von Babylon. Während zuvor Marduk Subjekt der Handlung war und die Götter die Objekte, treten letztere nun als Handelnde auf (Krit. 4A). 3.14.10. Erbauung Babylons (VI 45–69) Die Götter wenden sich dankbar dafür, dass er sie von der Arbeit befreit hat, an Marduk. Sie bieten ihm nun an, Babylon für ihn zu erbauen (VI 49–54). In der Rede der Götter dominiert die Funktion Babylons als religiöse Stätte239 und in besonderer Weise als Ruhestätte240 für die Götter, womit sie auf Auszüge aus Marduks Entwurfsskizze direkt eingehen (v.a. V 125–128). Marduk freut sich über die Rede der Götter und erteilt den (endgültigen) Auftrag zur Errichtung von Stadt und Heiligtum (VI 55–58). Ein ganzes Jahr arbeiten die Götter an der Erbauung bis das „Esaĝila, das Abbild des Apsû,241 sein Haupt erhebt“ (ša Esaĝil miḫrit Apsî ullû rēšīšu VI 238 Dabei wohnen die Götter der Erde vermutlich im Apsû, da sie für die Götterversammlung nach Babylon aus dem Apsû kommen wie die Verse V 125f. explizieren (H OROWITZ 1998, S. 122). Abweichend von dieser Zählung findet sich in Vers V 69 eine Einteilung von 300 im Himmel und 600 im Apsû. Während die erste Division der Götterwelt die Gruppe der Anunnaki zu betreffen scheint (siehe auch VI 40), spricht Vers VI 49 von den Igigi. Zudem wird der untere Teil einmal „Erde“ (erṣetim VI 43) und einmal Apsû (VI 69) genannt. Wilfred Lambert löst den möglichen Konflikt zwischen VI 40/44 und VI 69 dadurch, dass er den Vers VI 69 als Glosse versteht und so streicht. Er begründet dies vor allem mit dem Rhythmus der Zeilen und mit einer möglichen Textvorlage (2013, S. 193). Angesichts der unterschiedlichen Göttergruppen und kosmischen Bereiche ist eine Streichung jedoch nicht erforderlich, zumal dann immer noch die Frage nach Sinn und Zweck der Glosse im Raume stünde, die interessanterweise auf allen erhaltenen Textzeugen geschrieben ist. 239 Parakku (VI 51, VI 53), kummu (VI 52) und nēmedu (VI 53). 240 Nubattu (VI 52) und pašāḫu (VI 52, VI 54). 241 Andrea Seri verweist auf die Vorbildkette im enūma eliš, wonach der Apsû für den Weltenteil E-šara als Modell dient (IV 142, 144), der wiederum Vorlage für das Esaĝila ist (V 120), so dass am Ende der Apsû das Muster für Esaĝila bietet (VI 66) (2012, S.18). Wayne Horowitz verweist darauf

168

Kapitel 3: Struktur und Inhalt des enūma eliš

62).242 Nachdem sie schließlich auch die Ziqqurrat abgeschlossen haben, richten die Götter ihre eigenen Stätten in Babylon ein. 3.14.11. Zusammenfassung und Ausblick Im Gesamtzusammenhang des Werkes hebt sich die in diesem Hauptabschnitt dargestellte Schöpfung in mehrerer Hinsicht von Marduks vorheriger Schöpfung ab. Nach dem Sieg über Tiāmtu erschuf Marduk die Welt und ihre Teile selbst; er verfügte als Sieger über die Besiegten (und ihre Körper). Diese Schöpfung ist damit eine Schöpfung durch Marduk als Sieger. Demgegenüber wird er im hier näher betrachteten Hauptabschnitt gar nicht selbst tätig, sondern erteilt den Göttern Aufträge, was sie tun sollen: Babylon erbauen und Kingu als den schuldigen Gott ausliefern. Nur die Neuordnung der Götterwelt führt Marduk eigenhändig durch, wobei es sich dabei nicht um eine Schöpfung, sondern wiederum um Zu- und Anweisungen handelt. Marduks Rolle im aktuellen Hauptabschnitt ist nicht mehr die eines Siegers, der demiurgisch über die Besiegten verfügt. Stattdessen tritt Marduk als König in Erscheinung, der durch seine Anweisungen die verschiedenen Schöpfungsakte auktorial befiehlt, wobei aber auch die Idee jeweils von Marduk stammt, der damit auch als Herrscher weiterhin genialisch wirkt. Zusammengefasst ist Marduk bei der zweiten Schöpfung als Herrscher und Ideengeber tätig. Die Idee für Babylon und die Menschheit stammt von ihm und er weist andere an, diese Ideen für ihn umzusetzen. Doch wie Vers VI 38 besonders schön expliziert, wirken Marduks niklātu durch die Taten der anderen Götter, so dass Marduk der eigentliche Akteur aller Schöpfungen ist, die in diesem Hauptabschnitt beschrieben werden (Krit. 4A). Mit der Äußerung der Idee von Babylon nach der zweiten Erhöhung beginnt ein Bogen, der sich fast bis zur Mitte der sechsten Tafel erstreckt. Darin eingebettet werden die Themen Menschenschöpfung, Bestrafung des schuldigen Gottes und die Neuordnung der Götterwelt verhandelt. Damit ergibt sich eine ringförmige Struktur, die im Unterkapitel § 4.2.2. intensiv durchleuchtet wird.

auf, dass in dem topographischen Text Tintir IV 1–2 das Esaĝila als miḫrit des Apsû und die Ziqqurrat E-temen-an-ki als miḫrit von E-šara bezeichnet wird (1998, S. 123), was ein anderes Denkmodell anzudeuten scheint. Andrew George bietet als Lösung an, dass in Tintir als Liste „artificial distinctions“ zum Tragen kommen, wobei aber Esaĝila und Etemenanki als irdischer Sitz Marduks aus kosmischer Sicht schwer zu trennen sind (1992, S. 297). Sowohl Andrea Seri als auch Wayne Horowitz lesen die Passage im enūma eliš so, dass Babylon hierdurch die Stadt Eridu überschreibt, wobei Andrea Seri zudem noch eine Überlagerung der EnlilStadt Nippur (=E-šara) sieht. Der letzte Punkt hängt auch mit der Rekonstruktion des Kosmos und seiner Weltenteile, wie sie im enūma eliš beschrieben werden, zusammen. Während Andrea Seri (2012, S. 23) und Wayne Horowitz (1998, S. 113f.) drei Weltenteile annehmen, interpretiert Alasdair Livingstone die Kosmographie so, dass zwischen E-šara und Apsû noch ein vierter Weltenteil existiert (1986, S. 81). 242 Bei der Phrase ullû rēšīšu handelt es sich um eine Anspielung auf den sumerischen Namen des Tempels é-saĝ-íl.a („Haus, das sein Haupt erhoben hat“) (GEORGE 1992, S. 296).

3.15. Bestätigungen (VI 70–120)

169

3.15. Bestätigungen (VI 70–120) 3.15.1. Zäsur zwischen VI 69 und VI 70: Die Welt kommt zur Ruhe Der vorherige Hauptabschnitt endet damit, dass die Götter zusammenkommen und sitzen (paḫrū VI 69), wobei der Stativ den Endpunkt der Schöpfung markiert und im Kontrast zu den vorherigen fientischen Ausdrucksformen steht (Krit. 2A). Diese Zeile ist ein Scharniervers, der zugleich durch die Wurzel √pḫr (als puḫru = „Versammlung“) das Motiv der Götterversammlung einführt. Handlungstechnisch ist er aber von den folgenden Zeilen abzugrenzen, denn während er allgemein aussagt, dass sich zu diesem Zeitpunkt alle Götter in Babylon aufhalten, folgt danach die konkrete Einberufung einer Götterversammlung (Krit. 4A). Handelten zudem im vorherigen Unterabschnitt die Götter, wechselt die Subjektrolle mit Zeile VI 70 zu Marduk (Krit. 4A). Zusätzlich werden die Verse VI 70–75 durch die Wurzel √wšb (als (w)ašābu = „sitzen“) markiert, die sich jeweils einmal in den Versen findet243 und wodurch der Charakter des neuen Hauptabschnitts, die Götterversammlung und das Motiv des Zur-Ruhe-Kommens, unterstrichen wird und in explizitem Kontrast zu den Aktionen der vorangegangenen Schöpfung steht. Zugleich ändert sich dadurch auch das Wortfeld der Beschreibungen, wie durch die Dominanz der Wurzel √wšb unterstrichen wird (Krit. 3 B). 3.15.2. Treueeid (VI 70–100) Alle Götter sind in Babylon versammelt, wo sie ein „Bankett“ (qerītu VI 69) und ein taqribtu-Ritual244 (VI 77) abhalten. Dann wird die Neuordnung der Götter in die Götter des Himmels und die Götter der Erde von der Versammlung bestätigt. Außerdem werden die Gruppe der 50 Großen Götter sowie die sieben Götter der Festsprechungen dauerhaft etabliert. Anschließend erfährt der Bogen Marduks eine besondere Ehrung, indem ihm Anu drei neue Namen verleiht (siehe § 5.2.10.). Danach stellt Anu den „Thron der Königsherrschaft“ (kussi šarrūti) in die Götterversammlung, um den sich dann die Großen Götter versammeln und sich ein weiteres Mal vor Marduk niederwerfen. Anschließend leisten sie ihm den Treueeid, wodurch sie Marduks „Herrschaft über die Götter des Himmels und der Erde“ (bēlūt ilānī ša šamê u erṣetim) bestätigen. Die genaue Semantik dieses Unterabschnitts wird in Unterkapitel § 4.4. untersucht. 3.15.3. Kommentierung des Wechsels zwischen VI 100 und VI 101 Der Beginn von Vers VI 101 führt einen neuen einzelnen Akteur ein, den Gott Anšar (Krit. 4A). Zudem folgt ab der Zeile VI 102 durchgehend eine einzige wörtli-

243 244

VI 70: šubatsu, 71: uštēšib, 72: šubat, 73: tīšbāma, 74: ūšibūma, 75: ušbū. Eine Diskussion dieses Terminus findet sich unter § 4.4.1.1.

170

Kapitel 3: Struktur und Inhalt des enūma eliš

che Rede (Krit. 4B).245 Während Vers 100 die Selbstunterwerfung der Großen Götter unter die Königsherrschaft Marduks beschreibt, kommt durch die Verleihung des Namens eine andere Qualität hinzu, da hier erstmalig das genaue Verhältnis zwischen Marduk, den Göttern und den Menschen geklärt wird und somit mit den Menschen ein neuer Faktor im Weltgefüge hinzutritt (Krit. 4A). 3.15.4. Name Asalluḫi (VI 101–120) Nach dem Namen Marduk (I 101f.) und Lugal-dimmer-an-kia(k) (IV 112) erhält der Protagonist des Textes von Anšar gemeinsam mit den versammelten Göttern, einen dritten Namen, Asalluḫi. Die Ausführungen der Verse VI 103–120 sind nicht immer eindeutig und teils sehr dicht, weshalb auf eine eingehende Analyse an dieser Stelle verzichtet werden soll und vielmehr auf Unterkapitel § 5.2.5. verwiesen sei. 3.15.5. Zusammenfassung und Ausblick Nach diesem Hauptabschnitt folgt die Namensverleihung, die zwar narrativ eingebettet wird, doch durch die Benennungen und die damit verbundenen Ausdeutungen (siehe §§ 5.2.6.–9.) von der Erzählstruktur zweispaltigen Götterlisten entspricht. Diese Listen waren wohlmöglich Vorbild für diesen Teil des enūma eliš (LAMBERT 1984, S. 4; IBID 2013, S. 147–156; SERI 2006, S. 513f.). Somit ist der untersuchte Hauptabschnitt der letzte primär erzählende des Werkes, da in dem folgenden Hauptabschnitt formal listenartige Passagen dominieren (Krit. 4B). Beide Teile verbindet, dass das Geschehen im Rahmen einer Götterversammlung in Babylon stattfindet, worin die Großen Götter wirken, wodurch sie Marduk adressieren (Krit. 4A). Hierdurch grenzen sie sich von den vorangehenden Hauptabschnitten ab. Ein Spezifikum des aktuellen Hauptabschnitts ist das Thema der Bestätigung, d.i. der Perpetuierung des Marduk-Kosmos (siehe Krit. 4.4.). In diesem steht Marduk alleine an der Spitze. Seine ersten Untertanen sind die anderen Götter, die sich auf Himmel und Erde (und ggf. auch den Apsû) verteilen. Diese kosmische vertikale Achse komplementiert die hierarchische Vertikalität, die noch die Institutionen der 50 Großen Götter und der sieben Götter der Festsprechungen kennt. Die einzige Neuerung in dieser Passage ist die besondere Ehrung von Marduks Bogen, der drei Namen (siehe § 5.2.10.) verliehen bekommt.

3.16. Marduks 50+2 Namen (VI 121–VII 144)246 3.16.1. Zäsur zwischen VI 120 und VI 121: Abgrenzende Rahmung Der Wechsel zwischen VI 120 und VI 121 ist auf den ersten Blick nicht eindeutig zu erkennen, da hier eine direkte Rede in die andere ohne explizite Kennzeichnung 245 Möglicherweise stellen die Verse VI 103–120 aber auch eine direkte Rede der versammelten Großen Götter dar. Dieser Umstand wird diskutiert in § 5.2.5. Es bliebe aber auch bei dieser Lesart eine Dominanz der wörtlichen Rede in dieser Passage unabhängig vom konkreten Sprecher. 246 Eine umfangreiche Begründung für die Formulierung 50+2 Namen findet sich in § 4.3.3.

3.16. Marduks 50+2 Namen (VI 121–VII 144)

171

(bspw. Redeeinleitung) übergeht. So ändert sich aber die Adressierung der Rede, die zuvor noch primär über Marduk sprach und sich nun durch einen Kohortativ (i nimbêma „lasst uns nennen!“ VI 121) direkt den versammelten Göttern zuwendet (Krit. 4A). Diese grammatische Form findet sich im Vorfeld der Namensgebung Asalluḫi I247 (VI 102) und später vor weiteren 41 Benennungen248 (VI 164) und leitet damit jeweils einen Block an Namensgebungen ein (Krit. 2A).249 Außerdem werden in Vers VI 121 erstmalig „seine 50 Namen“ (ḫanšā šumēšu) erwähnt, was einen neuen, zentralen Diskursgegenstand in das Werk einführt (Krit. 4A). Schließlich bilden die Verse VI 120f. zusammen mit den Zeilen VII 143f. einen Ring um die Verleihung der 50+2 Namen.250 Neben der Zeile VI 121 sind dort am Ende der Benennungen die einzigen Belege im Text für die Zahl 50 im Zusammenhang mit „Name“ (šumu, VI 121, VII 144; zikru, VII 143), so dass die Zeilen auf der lexematischen Ebene die Vergabe der 50+2 Namen umrahmen. Dieser Befund wird auch durch die Wiederholung des Lexems alkatu in VI 122 und VI 144 untermauert (Krit. 3B). Schließlich sind die Zeilen VI 121 und VII 144a in besonderer Weise arrangiert, da sie einen Chiasmus bilden: VI 121

i nimbêma ḫanšā251 šumēšu

„Lasst uns seine 50 Namen nennen!“

VII 144a

ḫanšā252 šumēšu253 imbû

(VII 143: Die großen Götter) nannten seine 50 Namen.

Beide (Teil)Verse sind identisch, außer dass das Prädikat vom Kohortativ in eine Präteritumsform überführt wird (Krit. 5A). Offensichtlich ist schließlich der Wechsel der Erzählweise in der Verleihung der 50 Namen,254 da durch die Konstellation aus Namensnennung und -ausdeutung der Charakter der zweispaltigen, aufzählenden Götterlisten imitiert wird (SERI 2006, S. 513f., CANCIK-KIRSCHBAUM 2010, S. 33) (Krit. 4B). Zudem zeichnen sich die Ausdeutungen durch nominale Verbformen und Stative aus (Krit. 2A). Hinweis: Eine genaue Analyse der Einzelnamen kann und soll im Folgenden nicht erbracht werden. Stattdessen sei auf die einschlägige Literatur verwiesen.255 Eine exemplarische Analyse des Namens Asalluḫi II256 findet sich in Unterkapitel 247 Die römische Ziffer beschreibt die Erstvergabe dieses Namens, wohingegen die römische II für die zweite Verleihung steht, die in den Versen VI 121–156 stattfindet. 248 Die 50 Namen Marduks lassen sich in neun und 41 Namen unterteilen, siehe §§ 3.16.2.– 3.16.6. 249 Hierzu siehe auch § 3.16.3. und insbesondere § 4.4.2. 250 Bereits Jean Bottéro und Samuel N. Kramer verweisen auf die Erwähnung der „50 Namen“ in diesen drei Zeilen (1989, S. 674). 251 AAss und bKiš: haššā. 252 BNin: ḫanšān. 253 bunb: šumēma. 254 Dies gilt nur für die 50 Namen und nicht für die letzten beiden Namen Bēl mātāti und Ea, die den Listencharakter nicht besitzen. 255 Bspw. BOTTÉRO 1977, KRAMER, MAIER 1989, SERI 2006, KATZ 2011. 256 Mit der römischen II wird angezeigt, dass es sich um den zum zweiten Mal verliehenen Namen Asalluḫi handelt.

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Kapitel 3: Struktur und Inhalt des enūma eliš

§ 5.2.6. Schließlich weicht die hier zugrundeliegende Zählung von bisher verbreiten Zählungen ab (bspw. LAMBERT 1994, S. 595–601; IBID 2013, S. 116–132; TALON 2005, S.67–75), was in Unterkapitel § 4.3. begründet wird. 3.16.2. Die ersten neun der 50 Namen (VI 121–156) Die alte Göttertrias Anšar, Laḫmu und Laḫamu tritt als erstes in Aktion und verleiht Marduk insgesamt neun Namen. Drei dieser Namen hat Marduk bereits im narrativen Teil des Werkes erhalten: Marduk, Lugal-dimmer-an-kia(k) und Asalluḫi. In dieser Reihenfolge werden sie nun auch ein zweites Mal vergeben, wobei jeweils Variationen der ursprünglichen Namen angefügt werden. Nach dem Namen Marduk folgen Marukkam, Mār-Utuk-am257 und Mer-ša-kušu, womit dieser Name insgesamt vier Varianten besitzt. Lugal-dimmer-an-kia(k) wird nur noch um Nade-lugal-dimmer-an-kia(k) ergänzt, während Asalluḫi mit Asalluḫi Nam-tila(k) und Asalluḫi Namru258 zwei Erweiterungen erfährt: Tabelle 11: Die ersten neun Namen Marduks259 Marduk II Marukkam Mār-Utuk-am Mer-ša(.g)-kušu Lugal-dimmer-an-kia(k) II Nade-lugal-dimmer-an-kia(k) Asalluḫi II Asalluḫi Nam-tila(k) Asalluḫi Namru

So ergeben sich eine Vierer-, eine Zweier- und eine Dreiergruppe. Bei der Vergabe der Namen handelt es sich jedoch um drei Dreiergruppen, da von Anšar, Laḫmu und Laḫamu jeder je drei Namen an Marduk gibt (VI 157). Die Namensvariationen sind nicht spezifisch für das Lied auf Marduk, sondern mindestens einer Götterliste (An : d Anum) entnommen, wobei die Reihenfolge teils variiert wurde (SERI 2006, S. 509f.).260 257

Belegte syllabische Schreibungen des Namens Marduk lauten entweder dma-ru-tu-uk oder mar-tu-ku (bzw. -ki oder -ka) (SOMMERFELD 1982, S. 7–9). Mit diesen spielen sicherlich die hier vergebenen Namen Marukkam und Mār-Utuk-am auf phonetischer, respektive syllabischer Ebene. Dennoch liegt hinter den Namen vermutlich mehr als ein phonetisches Spiel (siehe LAMBERT 2011, S. 74f. sowie § 4.3.3. Tab. 18). 258 Zur Alternativlesung dAsalluḫi dNam-šub (angelehnt an die Götterliste An : dAnum), die möglicherweise parallel mitgedacht wurde, siehe KREBERNIK, STOL 1998, S. 142. 259 Für einen vollständigen Überblick über alle 50 Namen inkl. Schreibungen und möglichen Bedeutungen siehe § 4.3.3. Tab. 18. 260 Die Götterlisten wurden nicht einfach nur abgeschrieben, sondern teils in ihrer Reihenfolge umgestellt (ohne unbedingt alle Namenseinträge zu übernehmen). So wird in An : dAnum der Name Asalluḫi als erstes aufgeführt, womit an Marduks Verwandtschaft zu Ea angeknüpft wird. Anders verhält es sich im enūma eliš, wobei die Chronologie der Namenstransfers an Marduk eingehalten wird. Zusätzlich wird die Gruppe der Asalluḫi-Namen aus An : dAnum aufgespalten, so dass die Namen, die nur das Element Asar enthalten (Asari, Asar-alim, Asar-alim-nuna(k)) erst in den folgenden 41 Namen auftauchen und nicht in den vorangestellten 3x3. Diese Umstellungen verdeutlid

3.16. Marduks 50+2 Namen (VI 121–VII 144)

173

Die Verleihung der ersten neun Namen durch die Ur-Trias aus Laḫmu, Laḫamu und Anšar dient als Vorlage für die weiteren Benennungen. So wird das Schema aus Name und Ausdeutung hier erstmalig vorgegeben, woran sich die späteren Verleihungen orientieren. Die drei Götter Anšar, Laḫmu und Laḫamu explizieren im Text den vorbildhaften Charakter ihrer Tat, indem sie dazu auffordern, dass die Götter „wie wir“ (kīma nâšima) Marduk Namen geben sollen (VI 160). 3.16.3. Kommentierung des Wechsels zwischen VI 156 und VI 157 Mit dem Beginn von Vers VI 157 endet die listenartige Verleihung der ersten neun Namen und es beginnt eine erzählende Passage, in die zwei direkte Reden (VI 159f. und VI 163f.) eingebettet sind (Krit. 4B). Zusätzlich stellt die Zeile VI 156 eine Zusammenfassung des vorangehenden Geschehens dar (Krit. 4C). Der Kohortativ in Vers VI 164 greift auf die einleitende Aufforderung vor der Verleihung des Namens Asalluḫi I und der ersten neun Namen zurück (Krit. 2A). Während sich die Namensvergabe noch direkt an Marduk wandte, verschiebt sich der Fokus der folgenden Passage auf die versammelten Götter, die Anšar, Laḫmu und Laḫamu in ihrer wörtlichen Rede adressieren (Krit. 4A). 3.16.4. Aufforderung an die Götter (VI 157–166) Dieser Unterabschnitt unterbricht die Verleihung der 50 Namen, wobei die Änderung der namensgebenden Akteure angezeigt wird. Während die ersten neun Namen nur durch die drei Urgötter verliehen wurden, werden nun alle versammelten Großen Götter aktiv. Zusätzlich wird mit Ubšu-ukkinakku der Ort des Geschehens genannt und der Umstand betont, dass die Vergabe „mittels aller kultischen Riten/Rituale“ (ina mēsī nagbašunu VI 166) erfolgt. 3.16.5. Kommentierung des Wechsels zwischen VI 166 und VII 1 Der neue Unterabschnitt beginnt auf der siebten und letzten Tafel, wodurch er durch einen Tafelwechsel abgetrennt wird (Krit. 1A). Zusätzlich ändert sich wieder die Erzählweise in Richtung des listenartigen Charakters wie bei den ersten neun der 50 Namen (Krit. 4B). Schließlich verschiebt sich wieder das Akteur-Adressaten-Verhältnis, indem nun die versammelten Götter für Marduk tätig werden (Krit. 4A). 3.16.6. Die folgenden 41 der 50 Namen (VII 1–134) Die nächsten 41 Namen stellen eine Einheit dar, was insbesondere daran ersichtlich wird, dass die Aufzählung kein einziges Mal durch weitere narrative Passagen wie VI 157–166 unterbrochen wird. Dennoch lassen sich auch hier weitere Untergliederungen vornehmen, was im Unterkapitel § 4.3. erfolgt. Im Gegensatz zu den ersten neun Namen werden hier aber keine bereits bekannten Namen wieder aufgegriffen und variiert, sondern neue Namen hinzugefügt. Lediglich zwei Namen tauchten bechen, inwiefern die Götterliste An : dAnum als Vorlage verwendet wurde, aber zugleich auch an die konkrete Komposition des enūma eliš angepasst und nicht nur einfach kopiert wurde (SERI 2006, S. 510f.).

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Kapitel 3: Struktur und Inhalt des enūma eliš

reits im Werk auf. So trug auch der Wesir von Apsû den Namen Mummu. Der letzte der 41 Namen, Nēberu, wurde schon als Bezeichnung des himmlischen Leitsterns verwendet, mit dem Marduk nun gleichgesetzt wird. 3.16.7. Kommentierung des Wechsels zwischen VII 134 und VII 135f. Mit dem Vers VII 134 endet die Umschreibung des Namens Nēberu und damit der listenartige Teil des enūma eliš (Krit. 4B). Der geänderte narrative Charakter wird dabei insbesondere durch die begründende Subjunktion aššu („weil“) markiert (Krit. 2B). Zugleich handeln nun nicht mehr alle Götter gemeinsam, sondern zwei Einzelgötter, zuerst Enlil dann Ea (Krit. 4A). 3.16.8. Zwei Namen durch Enlil und Ea (VII 135–142) Mit dem Vers VII 136 betritt ein Akteur die Bühne, der im gesamten Werk kein einziges Mal alleine aufgeführt wurde. Der Gott Enlil fand bisher nur in der Trias An, Enlil und Ea explizite Erwähnung (IV 146, V 80, VI 64 und VII 6) beziehungsweise bei der Zuweisung der himmlischen Standorte zusammen mit Ea (V 8). Bis auf die Gabe von Geschenken an Marduk nach der Weltschöpfung (V 80) ist er dabei stets passiv und Empfänger von Zuweisungen Marduks (siehe auch LAMBERT 2013, S. 458). Nach der Verleihung der Namen durch Anšar, Laḫmu und Laḫamu sowie durch die Götterversammlung insgesamt, überträgt nun Enlil einen Namen an Marduk, womit er ein zweites Mal Schenkender ist. Marduk erhält den Namen dbēl mātāti,261 was nach Aussage des Textes „sein Name“ (šumšu)262 ist, wobei er nicht zweifelsfrei expliziert, dass „sein“ sich auf Enlil bezieht. Hier hilft spätestens der neuassyrische Kommentartext, der Bēl mātāti mit Enlil gleicht (BOTTÉRO 1977, S. 14). Eine genauere Auseinandersetzung mit dieser Namensgebung findet sich in § 5.2.8. An diese Namensgebung durch Enlil schließt sich nun der letzte Namenstransfer an Marduk an. Ea übergibt seinem Sohn seinen eigenen Hauptnamen und expliziert, dass damit auch sein Machtbereich an den neuen Götterherrscher übergeht. Zur weitergehenden Diskussion dieses Punktes siehe § 5.2.9. 3.16.9. Kommentierung des Wechsels zwischen VII 142 und 143 Während die Namensgebung von Ea durch Prekative geprägt ist (Krit. 2A), verlässt der Text mit dem Vers VII 143 den Bereich der wörtlichen Rede und kehrt auf die narrative Ebene zurück, was durch die indikativischen Prädikate in VII 144 deutlich wird (Krit. 4B). Außerdem bilden die Verse VII 143f. mit den Zeilen VI 121f. einen 261

Während Sommerfeld hier den Namen sumerisch als En-kur-kur(ak) liest und damit als Variation des Enlil-Epithetons Lugal-kur-kura(k) versteht (1982, S. 175 Anm. 3), weist Lambert darauf hin, dass ein (neuassyrischer) Textzeuge (BNin) be-el KUR.KUR schreibt, so dass der Name akkadisch als Bēl mātāti zu lesen ist (1984, S. 4), was bereits Böhl aufgrund dieses Textzeugen geschlussfolgert hatte (1936–1937, S. 213). Dabei liegt ein Bezug zwischen Bēl mātāti und Lugal-kurkura(k) nahe. 262 Diese Bezeichnung findet sich beispielsweise auch bei den beiden Namen der Lugal-dimmeran-kia(k)-Gruppe (VI 139 und VI 143), wobei sich dort jeweils ein Relativsatz anschließt.

3.16. Marduks 50+2 Namen (VI 121–VII 144)

175

Rahmen um die Vergabe der 50 Namen (siehe § 3.16.1.) (Krit. 5A). Schließlich handelt es sich um Zeilen, die den gesamten vorherigen Komplex der Verleihung 50+2 zusammenfassen und damit abschließen (Krit. 4C). 3.16.10. Zwei Zeilen zum Abschluss (VII 143f.) Es wird in den letzten beiden Zeilen zwar explizit von „50“ (ḫanšā) Namen gesprochen, doch umschließen sie mit VI 121f. die Verleihung von insgesamt 50+2 Namen (siehe auch BOTTÉRO 1985, S. 143), so dass die Formel der 50 Namen vermutlich nicht zwingend wortwörtlich genommen werden muss. Die beiden Verse schließen jedoch nicht nur die Namensgebung ab, sondern stellen das Ende des Hauptteils des Werkes dar. Daher und wegen ihrer dichten Ausdrucksweise bedarf das Verständnis weitergehender Analysen, die in § 4.3. erfolgt. 3.16.11. Zusammenfassung und Ausblick Die Verleihung der 50+2 Namen beinhalten die einzigen listenartigen Passagen innerhalb des enūma eliš, wodurch sie allein schon wegen der Erzählweise herausstechen (Krit. 4B). Zugleich werden sie durch die Rahmung durch die Verse VI 121f. und VII 143f. sowie den Einschub VI 157–166 narrativ an die restliche Erzählung angebunden und mit dieser verwoben (Krit. 5A). Zudem greifen die ersten neun Namen bereits im Text verliehene Namen Marduks in derselben Reihenfolge auf.263 Auch der 50. Name, Nēberu, erscheint zuvor (Krit. 3B). Auf der sprachlichen Ebene zeichnet sich der Hauptabschnitt durch ein Übergewicht an Prekativen und vielen Nominalphrasen aus. Im Gegensatz zum restlichen Werk sind fientische, indikativische Prädikate in der Minderheit (Krit. 2A). Somit stellen die 50 Namen zwar einen eigenen Hauptabschnitt, aber keinen isolierten Teil dar, da sie integraler Bestandteil des Werkes selbst sind. Textimmanent stellen sie das Ende von Marduks Erhöhung und damit die finale Klimax dar, wobei das Motiv des Namens, welches bereits in den ersten beiden Zeilen des Werkes angesprochen wird (I 1f.), aufgegriffen und abgeschlossen wird. Eine spätere Hinzufügung dieser Zeilen, wie sie Wilfred Lambert vermutete (1968, S. 108), ist aus diesen Gründen eher abzulehnen. Durch die teils keilschriftschauliche Ausdeutung (siehe § 5.3.2.) der zumeist sumerischen Namen hat der Namensteil zudem einen stark exegetischen, gelehrten Charakter. Dadurch funktioniert er noch mehr als das restliche Werk nur auf der Schriftebene und verschließt sich so in seiner vollständigen Aussage dem nicht-gelehrten Leser.264 Die letzten beiden Verse im Anschluss an die beiden letzten Namen stellen das instrumentale Verhältnis zwischen Namensgebung und Erhöhung pointiert in den Vordergrund. Zentrales Element der Darstellung ist dabei die Zahl 50, die in Vers VII 143 zudem auch zentral innerhalb der Zeile steht und durch ein Apokoinu vermutlich zweimal aufgegriffen wird. Somit werden 50 Akteure (50 Große Götter) 263 Womit die Reihenfolge auf der wahrscheinlichen Vorlage (An : dAnum) umgestellt wurde (SERI 2006, S. 510). 264 Zugleich betraf sein Inhalt alle Menschen gleichermaßen siehe § 8.2.

176

Kapitel 3: Struktur und Inhalt des enūma eliš

benannt, die 50 Sprechakte ausführen (50 Aussagen), die performativ mit 50 Handlungen verbunden sind (50 Namensgebungen), die auf ein einziges Ziel hinauslaufen: Marduks Erhöhung. Somit fließt die Mehrzahl der 50 in der Einzahl des erhöhten Marduk und seiner Macht zusammen, womit die machttechnische Zentralisation auch mathematisch ausgedrückt wird (siehe § 6.3.).

3.17. Epilog (VII 145–162) 3.17.1. Zäsur zwischen VII 144 und VII 145: Beginn metakommunikativer Aussagen Der Vers VII 144 markiert aus mehreren Gründen das Ende des eigentlichen Werkes, dem ab VII 145 ein Epilog angefügt ist.265 Als erstes markieren die Doppelzeilen VI 121f. und VII 143f. als Umschließung der Namensgebung diese Passage als eigenständige Einheit, wodurch das Ende des Werkes hiervon abgetrennt wird (Krit. 5A). Während die Zeilen VII 143f. indikativisch und aktiv sind, folgen in den Versen VII 145ff. Modalformen, wobei das erste Prädikat im N-Stamm steht und damit passivisch ist (Krit. 2A). Zusätzlich werden mit den Substantiven maḫrû, enqu, mūdû etc. neue Personen als Akteure eingeführt, die zudem die ersten menschlichen Einzelgestalten des gesamten Werkes sind. Bisher wurden Menschen nur im Kollektiv, beispielsweise als amēlūtu („Menschheit“) angeführt oder durch den generischen Ausdruck lullû („(Ur)Mensch“) beschrieben, jedoch niemals als einzelne Personen. Damit wendet sich der Fokus des Textes erstmalig von der göttlichen Ebene weg und ganz der menschlichen Ebene zu (Krit. 4A). Schließlich finden sich im Epilog erstmalig meta-kommunikative Aussagen. 3.17.2. Epilog (VII 145–162)266 Da der Epilog bereits in vorherigen Unterkapiteln untersucht wurde (VII 145–162 in § 2.2.3.; VII 161f. in § 3.1.2.), sei dorthin verwiesen. Zusammengefasst spricht der Text im Epilog über sich selbst. Er gibt Anweisungen über den korrekten Umgang mit seinem Inhalt, positioniert sich im altorientalischen Leben und fasst seinen Inhalt pointiert zusammen. Schließlich gibt sich das Werk neben dem Incipit (enūma eliš) eine eigene Bezeichnung; es ist das „Lied auf Marduk“ (zamāru ša dMarūtuk VII 161). 3.17.3. Zusammenfassung und Ausblick Der Epilog stellt in Abgrenzung zum restlichen Werk eine eigene und eher in sich geschlossene Einheit dar, was insbesondere durch den Transfer des Werkes auf die menschliche Ebene deutlich wird (Krit. 4A). Dort findet sich seine textexterne Absicht, nämlich das Wohl des Landes, welche mit dem finalen Adressaten, dem König, eng verknüpft ist (siehe § 2.2.3.9.). Somit spricht der Text im Epilog über sich 265 Anders gliedert Piotr Michalowski, der den Epilog bereits mit Vers VII 143 beginnen lässt (1990, S. 394f.). 266 Textzeuge aunb verfügt noch über die Zeilen VII 163f. (LAMBERT 2013, S. 132).

3.18. Gliederung des Werkes – eine Zusammenfassung

177

selbst (metakommunikative Verknüpfung), was ebenfalls einmalig im gesamten enūma eliš ist. Schließlich wird eine Fiktion entwickelt, wo der Text seinen Ursprung hat, um ihm dadurch zusätzliche Autorität zu verleihen. Das Ende des Epilogs markiert eine Zusammenfassung, eine Art Doxologie, des Werkes in zwei Zeilen, in denen sein Fokus (Marduks Sieg und Aufstieg) expliziert wird (siehe § 3.1.2.). Damit liefert der Epilog eine Selbsteinordnung des Werkes in der Sphäre der Menschen, wo er sich als Tradition verortet und in der sich seine Wirkung entfalten soll. Der Epilog ist dabei – auch durch seine Zusammenfassung in den letzten beiden Versen – Leitfaden für das richtige Verständnis des Textes, der sich somit offensichtlich selbst als nicht leicht zu verstehen begreift. Damit korreliert seine vermutliche Einordnung in den Bereich des Geheimwissens, was mit seiner Funktion als Träger von Herrschaftswissen zusammenfällt (siehe § 2.2.3.4.).

3.18. Gliederung des Werkes – eine Zusammenfassung 3.18.1. Aufbau des enūma eliš Das gesamte Werk verteilt sich auf sieben Tafeln und lässt sich gemäß der durchgeführten Untergliederung in insgesamt 39 Unterabschnitte zusammenfassen, die wiederum zu fünfzehn Hauptabschnitten zusammengefasst werden können. Der Epilog stellt durch seinen metakommunikativen Charakter eine eigene Einheit dar, so dass der Hauptteil insgesamt vierzehn Hauptabschnitte umfasst. Tabelle 12: Die Untergliederung des enūma eliš Zeilen I 1–6

Hauptabschnitt Prolog

I 7–78

Lärm vs. Ruhe

I 79–104

Marduks Geburt und Vorzüglichkeit

I 105–162

Eskalation

II 1–126

Notlage der AnšarGötter

II 127 – 162 III 1 – 128

Kakas Sendung

III 129 – IV 34

Marduks erste Erhöhung

Marduk als Retter

Zeilen I 1–6 I 7–20 I 21–54 I 55–78 I 79–104 I 105–108 I 109–162 II 1–70 II 71–120 II 121–126 II 127–134 II 135–162 III 1–128 III 129–138 IV 1–18 IV 19–34

Unterabschnitt Prolog Entstehung der ersten Götter Plan des Theozids Eas Reaktion Marduks Geburt und Vorzüglichkeit Zweite Provokation Tiāmtus Reaktion Ea vor Anšar Eas und Anus Scheitern Verzweiflung Ea als Mittler Marduk vor Anšar Kakas Sendung Zusammenkommen der Großen Götter Ein Festsprechungsakt für Marduk Sternbilddemonstration und Marduks Sendung

178

Kapitel 3: Struktur und Inhalt des enūma eliš

Tabelle 12: Die Untergliederung des enūma eliš (Fortsetzung) Zeilen

Hauptabschnitt

IV 35 – 134

Marduks Kampf und Sieg gegen Tiāmtu

IV 135 – V 76

Weltschöpfung

V 77–116

Zweite Erhöhung und zweiter Name

V 117 – VI 69

Weitere Schöpfung: Mensch, Götterordnung und Babylon

VI 70–120

Bestätigungen

VI 121 – VII 144

Marduks 50+2 Namen

VII 145– 162

Epilog

Zeilen IV 35–64 IV 65–104 IV 105–122 IV 123–134 IV 135–146 V 1–44? V 45?–66 V 67–76 V 77–84 V 85–116 V 117–130 V 131–156 VI 1–34 VI 35–44 VI 45–69 VI 70–100 VI 101–120 VI 121–156 VI 157–166 VII 1–134 VII 135–142 VII 143f. VII 145–162

Unterabschnitt Marduks Rüstung Zweikampf Marduk–Tiāmtu Gefangennahme der verbliebenen Feinde Siegesbotschaft Erschaffung der Grundstruktur Astrale und zeitliche Ordnung Gestaltung von Erdoberfläche und Atmosphäre Funktionale Zuweisungen Geschenke Marduks zweite Erhöhung Idee Babylon Götterdialog Menschenschöpfung Neuordnung der Götterwelt Erbauung Babylons Treueeid Name Asalluḫi Die ersten neun der 50 Namen Aufforderung an die Götter Die folgenden 41 der 50 Namen Zwei Namen durch Enlil und Ea Zwei Zeilen zum Abschluss Epilog

Die so erlangte Unterteilung ist nicht deckungsgleich mit der Aufteilung des Werkes auf die sieben Tafeln. Auch zeigen Wechsel zwischen zwei Tafeln nicht notwendigerweise einen Wechsel des Hauptabschnitts, sondern manchmal auch nur den Wechsel zwischen zwei Unterabschnitten an. Zur Bestimmung der Hauptabschnitte wurde nach größeren Sinneinheiten gefragt, womit speziell die lexikalisch-semantischen und narrativen Kriterien zum Einsatz kamen, die sich somit mit dem physischen Kriterium nicht deckten. Das Ergebnis dieses Kapitels fungiert als Grundlage für die folgende weitergehende Auseinandersetzung, welche die erfasste Struktur nach kompositorischen nicht-linearen Elementen untersucht (Kapitel 4). 3.18.2. Ausblick: Beiträge zu einer altorientalistischen Literaturwissenschaft Neben den inhaltlichen Ergebnissen hat die Gliederungsarbeit auch literaturwissenschaftliche Erkenntnisse geliefert. So hat sich das entwickelte Kriterienraster als fruchtbar erwiesen, die Struktur des Textes zu extrahieren. Entsprechend der Differenzierung zwischen trennenden und verbindenden Indikatoren für die Textstruktur (siehe § 1.3.2.1.) können die folgenden Ergebnisse festgehalten werden:

3.18. Gliederung des Werkes – eine Zusammenfassung

179

Physisches Kriterium 1A: Anfang und Ende von Tontafeln  Der Wechsel zwischen physischen Tafeln erweist sich aus zwei Gründen als belastungsfähiges Kriterium. Erstens fällt ein solcher Wechsel zwischen zwei Tontafeln stets mit mindestens zwei weiteren Gliederungsmarkern zusammen (siehe §§ 3.7.1., 3.9.1., 3.10.3., 3.12.3., 3.14.5. und 3.16.5.). Zweitens deutet die unterschiedliche Länge der Tontafeln auf eine auch inhaltlich motivierte Trennung zwischen den Tafeln hin (siehe § 3.1.1.). Grammatisches Kriterium 2A: Morphologie der Verbalformen  Der Wechsel zwischen fientischen und stativischen Verbformen kann einen Unterteilung markieren (siehe §§ 3.4.3., 3.5.3., 3.6.1., 3.6.3., 3.7.5., 3.8.1. und 3.15.1.). Dabei können auch negierte fientische Formen mit stativischen Formulierungen zusammen auftreten, wobei der Wechsel dann zu nicht negierten fientischen Formen erfolgt (siehe § 3.7.5.).  Ein Wechsel zwischen indikativischen und modalen Formen fungiert ebenfalls als ein Gliederungsmarker (siehe §§ 3.10.3., 3.16.1, 3.16.3., 3.16.9. und 3.17.1.).  Ein Aktiv-Passivwechsel kann ebenfalls auf einen Abschnittswechsel oder eine Zäsur hinweisen (siehe §§ 3.5.1. und 3.17.1.). Grammatisches Kriterium 2B: Marker  Als häufigster lexematischer Marker findet sich im Text die Subjunktion ultu/ištu („nachdem“) (siehe §§ 3.11.5., 3.11.7., 3.12.5., 3.12.7., 3.14.7. und 3.14.9.). In allen Fällen267 geht das Auftreten dieses Markers mit einer oder mehreren Zeilen einher, die die vorangegangenen Geschehnisse zusammenfassen. Somit korreliert der Marker ištu/ultu mit Gliederungskriterium 4C (zusammenfassende Zeilen).  Auch die Subjunktionen enūma („als“) (siehe § 3.4.1.) und aššu („weil“) (siehe § 3.16.7.) können einen neuen Abschnitt anzeigen. Lexikalisch-semantisches Kriterium 3A: Wortfeld  Ein Wechsel eines Wortfeldes deutet eine thematische Verschiebung an und ist daher ein verlässlicher Indikator für eine Unterteilung des Werkes (siehe §§ 3.5.1., 3.6.1., 3.10.3., 3.11.1., 3.12.1., 3.12.3., 3.12.5., 3.13.1., 3.13.3. und 3.14.1.) Zugleich hilft eine Betrachtung des Wortfeldes auch den thematischen Fokus der getrennten Textabschnitte zu erfassen, wie beispielsweise die handwerklich geprägten Verben im Rahmen der Schöpfung auf Marduk als Demiurg, d.i. als Handwerker, verweisen (siehe § 3.12.1.).  Wortfelder können auch durch interne Gegensätze geprägt sein, wie sich in der Opposition von Ruhe und Lärm im Rahmen des Konflikts zwischen Ea und Apsû zeigt (siehe § 3.7.7.).

267 Außer beim Abschnittswechsel, der in § 3.12.5. beschrieben wird, da dort Teile der Zeile fehlen und sie so nicht vollständig rekonstruiert werden kann. Aufgrund der Parallelität zu den anderen Stellen liegt jedoch die Vermutung nahe, dass hier eine vergleichbare Zusammenfassung des zuvor Geschehenen zu erwarten ist.

180

Kapitel 3: Struktur und Inhalt des enūma eliš

Lexikalisch-semantisches Kriterium 3B: Lexematische Rekurrenzen  Neue Abschnitte können durch die Wiederaufnahme bereits verwendeter Lexeme und Phrasen angezeigt werden (siehe §§ 3.6.1., 3.6.3., 3.7.2., 3.8.3., 3.9.3., 3.11.3., 3.11.7., 3.12.1., 3.12.3., 3.14.5. und 3.16.1.).  Durch die Rekurrenzen werden nicht nur Wechsel und damit Trennungen im Text angezeigt, sondern auch Bezüge zwischen Textteilen hergestellt, womit sie auch synthetisierend wirken. Narratives Kriterium 4A: Erzählfokus  Da es sich hierbei um ein sehr weit gefasstes Kriterium handelt, greift es bei fast allen Abschnittswechseln und Zäsuren des Lieds auf Marduk (Ausnahmen siehe §§ 3.6.1. und 3.16.9.).  Häufig greift ein Wechsel der Akteure, zugleich wandert aber auch der Erzählfokus teilweise mit einzelnen Gestalten eine Zeit lang mit, um diese Gestalt wieder zu verlassen. Besonders deutlich wird dies an Kaka, der ohne vorherige Erwähnung auftaucht, vom Text begleitet wird, um dann wieder vollständig zu verschwinden (siehe § 3.9.). Narratives Kriterium 4B: Erzählweise  Am häufigsten findet sich ein Wechsel zwischen von einer dritten Person erzählten Passagen und Passagen wörtlicher Rede, wobei manchmal die Intensität beider Erzählformen zwischen Abschnitten variiert (siehe §§ 3.4.3., 3.6.1., 3.7.3., 3.7.5., 3.8.1., 3.9.1., 3.10.3., 3.10.5., 3.11.1., 3.13.3., 3.14.1., 3.14.3., 3.14.9., 3.15.3., 3.16.3. und 3.16.9.).  Im Rahmen der Verleihung der 50 Namen findet sich zudem die besondere Darstellungsform in der Art lexikalischer Listen, wodurch sich einzelne Passagen im Text abtrennen lassen (siehe §§ 3.16.1., 3.16.5. und 3.16.7.). Narratives Kriterium 4C: Zusammenfassende Zeilen, die Vorheriges abschließen  Durch die Zusammenfassung des vorherigen Geschehens wird dieses abgeschlossen und der Übergang zu einem neuen Abschnitt angezeigt (siehe §§ 3.4.5., 3.7.1., 3.11.1., 3.11.3., 3.11.5., 3.11.7., 3.12.7., 3.14.7., 3.14.9., 3.16.3. und 3.16.9.).  In vier Fällen wurde die Zusammenfassung durch eine Subjunktion (ultu/ ištu, „nachdem“) eingeleitet, womit dieses Gliederungskriterium eine besondere Verbindung mit dem lexematischen Marker (Krit. 2B) aufweist (siehe §§ 3.11.5., 3.11.7., 3.12.7. und 3.14.7.). Diese fußt zwar auch auf der Quantität der Kongruenz, aber insbesondere auf der Konstruktion der subsumierenden Zeilen mithilfe der Subjunktionen. Stilistisches Kriterium 5A: Stilmittel  Die Verwendung besonderer Stilmittel an der Schnittstelle zweier Abschnitte kann den Übergang zwischen beiden markieren. Dabei werden Parallelismus, Chiasmus und Anapher teils auch in verschränkter Form eingesetzt (siehe §§ 3.5.1., 3.8.3. und 3.11.3.).

3.18. Gliederung des Werkes – eine Zusammenfassung

181

 Abschnitte selbst können so in sich selbst durchkomponiert sein, dass sie sich durch diese innere stilistische Struktur von vorangehenden oder nachfolgenden Textteilen abtrennen (siehe §§ 3.10.5. und 3.13.3.).  Zwei Verse können chiastisch oder parallel aufgebaut sein und zugleich einen Textteil umrahmen und ihn so von den umgebenden Abschnitten abtrennen (siehe §§ 3.4.1., 3.16.1., 3.16.9. und 3.17.1.). Diese Ergebnisse sind natürlich zunächst nur für das enūma eliš gültig, doch können sie ein Ausgangspunkt sein, allgemeinere Kriterien zur Gliederung akkadischer literarischer Texte zu entwickeln. Somit versteht sich dieses Kapitel auch als weiterführender Beitrag zu einer altorientalistischen Literaturwissenschaft (siehe auch Kapitel 9).

Kapitel 4

Die Komposition des enūma eliš Nachdem in Kapitel 3 die Textteile herausgearbeitet wurden und somit die lineare Struktur des Werkes rekonstruiert wurde, wird nun in einem zweiten Schritt die strukturelle Komposition in den Blick genommen. Dabei geht es darum, den Text auch in seiner nicht-linearen Verfasstheit zu verstehen. Die Verbindung von Textteilen zu kunstvollen Strukturen fördert Textschwerpunkte zutage, indem einzelne Bereiche besonders betont werden. Andererseits werden so mögliche Verbindungen zwischen unterschiedlichen Textabschnitten offenbar, die durch die kompositorischen Figuren zueinander in Beziehung gesetzt werden. Somit erlaubt die Analyse der Komposition des enūma eliš ein tieferes Verständnis des Textaufbaus und davon ausgehend des Textinhalts. In der bisherigen Forschung wurde bisher nur die Parallelstruktur diskutiert (siehe § 4.1.). Alle anderen kompositorischen Merkmale werden hingegen erstmalig rekonstruiert.

4.1. Die Parallelstruktur (I 7–VI 69) Beschreibung Die Zeilen I 7 bis VI 69 des Werkes lassen sich in zwei Absätzen knapp zusammenfassen.1 Der erste Konflikt im Lied auf Marduk beginnt mit der Entstehung der Götter. Ihr Lärm stört die Urwesen auf und provoziert den Plan Apsûs, die Götter zu vernichten. Ea erfährt von dieser Absicht und geht präventiv gegen den Urvater Apsû vor, in dem er ihn einschläfert und im Schlaf tötet. Aus dem Körper des toten Urwesens erschafft er den Weltenteil Apsû, in dem er sich häuslich einrichtet. An diesem Ort wird auch der Protagonist des Werkes, Marduk, geboren, was ein Auslöser des zweiten Konflikts ist, da Marduks Winde Tiāmtu in ihrer Ruhe massiv stören. Aus Rache für die Ermordung ihres Gatten will nun auch Tiāmtu die Götter vernichten. Hierfür erschafft sie Monster und stellt den Gott Kingu an die Spitze ihrer Truppen und der Götter. Wieder erfahren die Anšar-Götter von ihrer geplanten Vernichtung, doch kein Gott kann etwas gegen die Urmutter ausrichten. Marduk erklärt sich unter der Bedingung seiner Erhöhung zu dem Unterfangen bereit. Somit erhält er in einer Götterversammlung größere Macht und den offiziellen Auftrag, Tiāmtu zu töten. Dies gelingt ihm im Zweikampf und er errichtet aus ihrem toten Körper den Rest der Welt. Anschließend wird er noch einmal erhöht, woraufhin er die Götter Babylon erbauen lässt, seinen eigenen Sitz. 1

Für eine detailliertere Wiedergabe des Inhalts siehe §§ 3.4.–3.14.

4.1. Die Parallelstruktur (I 7–VI 69)

183

Wenn man nun diese beiden kurzen Abrisse der Zeilen I 7 – VI 69 nebeneinanderlegt, so fallen deutliche Parallelen auf (Götterentstehung, Aufstörung eines Urwesens resultiert in Absicht der Göttervernichtung, Gegenaktion der Anšar-Götter, Schöpfung, Einrichtung einer Heimstatt). Dabei ist der jeweilige erste Teil stets kürzer (I 7 – 78) und stets weniger ausgeschmückt beschrieben als der zweite (I 79 – VI 69). Forschungsstand Erstmalig wies A. Leo Oppenheim auf die Parallelität der beiden Konflikte hin, wonach der Ea-Apsû Konflikt eine kondensierte Version des Marduk-Tiāmtu-Konflikts sei. Die erste Erzählung diene als „ouverture“, welche die Leitmotive des Textes einführe (1947, S. 214; 1964, S. 265). In die gleiche Richtung argumentiert auch Alexander Heidel, der den Konflikt zwischen Ea und Apsû als Vorläufer des späteren Kampfes zwischen Marduk und Tiāmtu versteht (1951, S. 11).2 Für Herman Vanstiphout scheint auf den ersten Blick eine lineare Struktur vorzuliegen, dem ein erster Kampf vorangeschaltet ist, was zunächst Fragen aufwirft (1992, S. 43f.). Er erklärt dies dann über den Umgang mit der traditionellen Rollen des Gottes Ea im enūma eliš, er sieht dennoch den linearen Aufbau als primär an (IBID, S. 46f.). Schließlich nennt Eckart Frahm den ersten Konflikt entsprechend als „prelude“ für die Hauptauseinandersetzung des Werkes (2011, S. 346). Eine andere Parallelität zwischen erstem und zweitem Konflikt sieht Claus Wilcke darin, dass im ersten Teil alles auf Ea als potentiellen Götterherrscher ausgerichtet sei, im zweiten dann auf Marduk (2007a, S. 40). Den vollen Umfang der Parallelstruktur hat wiederum erstmalig Thorkild Jacobsen erkannt, wonach die Struktur nicht nur die Konflikte umfasst, sondern auch die Einrichtung einer Wohnstatt (1976, S. 186). Ähnlich sieht Victor Hurowitz eine Parallelität in der den Kämpfen folgenden Errichtung einer Heimstatt. In diesem „mythological pattern“ spiegele sich die Idee, dass ein siegreicher menschlicher König einen Tempel oder Palast erbaue, wie sie sich in vielen Königsinschriften finden lasse (1992, S. 93). Auch Andrew George verweist auf die Parallelität zwischen dem Bau Babylons und der Errichtung des Apsû als Heimstatt Eas (1999, S. 68, 70). Dina Katz verweist auf die thematische und strukturelle Parallelität der Zeilen I 29–73 zu den Versen IV 110 – IV 123, wobei der zweite Teil deutlich länger ausfalle.3 Auch die anschließende Schöpfung sieht sie als parallel aufgebaut an (2011, S. 129f.). Durch die Parallelität der Geschehnisse werde durch Eas Sieg über Apsû auch Marduks Sieg über Tiāmtu vorhergesagt (IBID, S. 128). Wilfred Lambert schließlich deutet die Parallelstruktur nur an, wenn er die Auseinandersetzung zwischen Apsû und Ea als „preliminary skirmish“ bezeichnet (2013, S. 447). Wie die oben vorgestellte Skizzierung andeutet, ist die Parallelstruktur umfassender als bei A. Leo Oppenheim angenommen und geht über die Rekonstruktion

2

Auf die allgemeine Existenz paralleler Erzählungen verweist auch K OMORÓCZY 1973, S. 32f. Ähnlich gliedert Philippe Talon, der die Zäsur des ersten Teils bei Vers I 108 ansetzt (1992, S. 2). 3

184

Kapitel 4: Die Komposition des enūma eliš

von Dina Katz hinaus.4 Sie begrenzt sich nicht auf den Konflikt und auch nicht auf die Welt(teil)schöpfung, sondern erstreckt sich, wie bei Thorkild Jacobsen, Victor Hurowitz und Andrew George dargestellt, bis zur Errichtung Babylons. Vorgehen Die Parallelstruktur besteht aus fünf nebeneinanderstehenden Teilen, die im Folgenden aufgezeigt und erörtert werden. Neben motivischen Wiederaufnahmen zwischen dem ersten und zweiten Teil der Parallelstruktur werden auch lexematische Rekurrenzen herangezogen, um die parallele Komposition zu unterstreichen. 4.1.1. Götterentstehung (I 7–20 und I 79–104) Beide Konflikte beginnen mit der Geburt von Göttern beziehungsweise eines Einzelgottes. Während die Erschaffung der ersten Götter jeweils nur knapp beschrieben wird5, sind die Schilderungen von Marduks Entstehung deutlich umfangreicher. Allein seine Zeugung und Geburt umfasst fünf Zeilen (I 79–84), denen bis Vers I 104 (=20 Zeilen) Beschreibungen seiner herausragenden Eigenschaften folgen. Lexematisch greifen die Verse I 79–84 gezielt auf die Einleitung der ersten Götterentstehung zurück (I 9), ibbanûma6 ilānū qerebšun

I9

Die Götter wurden (in) ihrem (=Apsû und Tiāmtu bzw. ihrer Wasser) Inneren erschaffen.

indem sowohl das Verb banû (√bnī, „erschaffen, bauen“) als auch die Ortsangabe qerbu („Inneres“) mehrmals aufgegriffen werden (durch Fettdruck hervorgehoben): I 79

ina kiṣṣi šīmāti atman7 uṣurāte8

I 80

lēʾû lēʾûti apkal ilānī ⌈dBēl⌉⌈it⌉tarḫe10

I 81

ina qereb Apsî ibbani [d]Marūtuk

I 82

ina qereb ellūt Apsî ibbani [dMa]rūtuk ibnīšuma11 dEa abāšu

I 83 4

Im Schrein der Festsprechungen,9 der Cella der (Vor-)Zeichnungen wurde der Mächtig(st)e der Mächtigen, der Weise der Götter, Bēl gezeugt. Im Inneren des Apsû wurde Marduk erschaffen. Im Inneren des reinen Apsû wurde Marduk erschaffen. Es erschuf ihn Ea, sein Vater.12

Dementsprechend ist sie auch umfangreicher als das direkte Aufeinandertreffen der Konkurrenten, worin Wilfred Lambert die Konflikte sieht und sie demnach auf die erste und vierte Tafel beschränkt (2013, S. 202). 5 Die Götterpaare Laḫmu und Laḫamu sowie Anšar und Kišar in je zwei Zeilen (I 10f. bzw. I 12f.), der Einzelgott Anu in zwei Zeilen (I 14f.) und der Einzelgott Ea in fünf Zeilen (I 16–20). 6 aKiš, bunb und cunb: ibbanû. 7 QAss: atmani. aKiš: atmana. 8 TAss: uṣur]āti. 9 Zum Konzept der Festsprechung (šīmtu) siehe § 5.1. 10 TAss: it]terḫi. 11 QAss: ibnīšumma. 12 Die Übersetzung an dieser Stelle ist nicht eindeutig. Die hier wiedergegebene Übertragung (ebenso TALON 2005, S. 81; LAMBERT 2008, S. 39; IBID 2013, S. 55; KÄMMERER, METZLER 2012, S. 131) berücksichtigt die Grammatik dieses Satzes nur unzureichend, denn die beiden Textzeugen (LAss, NAss), auf denen der Ausdruck erhalten ist, schreiben abāšu und damit eindeutig Akkusativ („seinen Vater“). Für diesen Hinweis möchte ich Claus Ambos danken.

4.1. Die Parallelstruktur (I 7–VI 69) I 84

d

Damki[na] ummašu ḫaršassu13

185

Damkina, seine Mutter, hatte ihn geboren.

Auch entstehen jeweils die ersten Götter der beiden Teile der Parallelstruktur im Wasser. Laḫmu und Laḫamu gehen aus der Vermischung der Wasser von Apsû und Tiāmtu hervor (I 10) und Marduk wurde in den reinen Wassern des Apsû erschaffen (I 81f.). An die Stelle der Urwesen als männliche und weibliche Urheber tritt hier jedoch das Götterpaar Ea und Damkina. Ein deutlicher Unterschied zwischen Marduks Entstehung und der seiner Vorfahren liegt in der Namensgebung. Die Namen seiner Väter wurden schlicht erwähnt, wobei nur Ea ein wenig aus der Reihe fällt, da er die einzige Gottheit neben Marduk ist, die im Werk mehr als einen Namen trägt. Im sumerischen Namen Nudimmud wird durch die Bestandteile dím („erschaffen“) und mud („hervorbringen“) seine Schöpfungskompetenz unterstrichen (CAVIGNEAUX, KREBERNIK 2001, S. 607a). Noch anders verhält es sich aber im Falle Marduks, der zunächst nur als dBēl (dEN) bezeichnet wird – eine Formulierung die sich (mit Gottesdeterminativ!) nur an dieser einen Stelle im gesamten Werk findet (I 80). Erst danach fällt der Name, unter dem er im gesamten Werk bis zur Verleihung weiterer Namen firmiert, Marduk (I

Da hier eine triptotische Deklination (klar getrennter Nominativ, Genitiv, Akkusativ) zu erwarten ist (GAG § 65h) und auch an allen anderen Stellen im Werk auf allen Textzeugen eine dreigliedrige Deklination des Lexems abu („Vater“) im status constructus zu finden ist (Ausnahme II 131 Textvertreter gSip), müsste der Akkusativ hier adäquat wiedergegeben werden. Hierfür spricht auch die weitgehende Einhaltung der nominalen Endungen auf den Textzeugen LAss und NAss. Mögliche grammatisch korrekte Übersetzungen wären: a) „Er (Marduk) erschuf ihn, Ea, seinen Vater.“ b) „Ea erschuf ihn (Marduk), seinen Vater.“ Die Lesart b) ist abzulehnen, da Marduk im gesamten Werk nicht als abu („Vater“) bezeichnet wird. Stattdessen wird er als māru („Sohn“) beschrieben, was dann auch explizit mit seiner neuen Stellung als šarru („König“) in Kontrast gesetzt wird (V 109f., siehe § 6.3.3.). Anders verhält es sich mit Lesart a). Marduk erhält im Rahmen der 50 Namen die Bezeichnungen „der Gott, der sie (gemeint die Götter) erschuf“ (ilu bānušunu VI 133) und „Erschaffer der Götter, seiner Väter“ (bān ilānī abbēšu VII 97) (Nach der neuen Rekonstruktion von VII 159 nach LAMBERT 2013, S. 132 kann diese Zeile nicht als Beispiel für eine solche Umdeutung Marduks herangeführt werden). Diese Epitheta verschmelzen vermutlich Marduks Rolle als Schöpfergott mit seiner erlangten Position als Herrscher der Götter und beseitigen den ‚Makel‘ seiner späten Geburt. Insofern handelt es sich bei Vers I 83 um eine bewusst doppeldeutig gehaltene Zeile, die selbstverständlich beschreibt, dass Ea Marduk erschafft, was sich alleine schon aus dem Kontext ergibt. Zum anderen drückt sie aber auch Marduks (zukünftiges) Supremat über Ea aus, indem Marduk zugleich auch als Schöpfer seines Vaters dargestellt wird. So kommt es zu der scheinbar paradoxen Aussage „Er (Marduk) erschuf ihn, Ea, seinen Vater.“, in der die biologische Genealogie und Marduks zukünftiger Rang als unumschränkt höchster Gott (siehe § 6.4.) miteinander verschmelzen. Vermutlich lädt der Text an dieser Stelle durch seine Formulierung die zunächst gemeinte Aussage (Ea erschafft Marduk) theologisch auf (Marduk erschafft Ea, seinen Vater), so dass beide Übersetzungen jeweils nur eine Sinnebene wiedergeben. Claus Ambos wies im persönlichen Gespräch darauf hin, dass vor dem Hintergrund dieser doppelten Aussage die assyrisierte Version mit der Ersetzung Marduks durch Aššur (als Anšar) deutlich weniger problematisch ist, da Aššur/Anšar durch die Namensidentität mit dem Urgott Anšar ebenfalls zugleich altehrwürdig und ein junger Heldengott ist – eine Konstellation, die in Vers I 83 der babylonischen Version bereits angelegt zu sein scheint. 13 aKiš: ḫ]ar⌈šiš⌉[šu].

186

Kapitel 4: Die Komposition des enūma eliš

81f.). Schließlich erfährt sein Name eine Auslegung, die seine Bestimmung zur Götterherrschaft expliziert (I 101f.) (siehe § 5.2.3.). 4.1.2. Aufstörung und Plan der Göttervernichtung (I 21–54 und I 105–162) Der nächste Teil umfasst die Aufstörung der Urwesen unter anderem durch die bloße Existenz der Götter, so dass jene keine Ruhe finden können. Das Aufeinanderprallen von Urwesen und Göttern beschreibt der Text in etwa im gleichen Umfang (I 21–26 und I 105–109). In beiden Fällen werden die Urwesen von Dritten zu der Tat angestachelt. Zuerst übernimmt Mummu, Wesir des Apsû, diese Rolle, dann eine Gruppe nicht weiter spezifizierter Götter auf Seiten Tiāmtus. Erst durch dieses Engagement der Götter beschließen beide Urwesen jeweils den Theozid. Die Parallelität der Aufstörung der Urwesen durch die jungen Götter findet sich ebenfalls auf lexematischer Ebene, da in beiden Schilderungen die Wurzel √dlḫ (bspw. dalāḫu = „aufstören“) prominent verwendet wird. Die Aufstörung Tiāmtus durch den Lärm der jungen Götter (I 23) wie auch durch die Winde Marduks (I 108f., I 116, I 119) werden durch diese Wurzel ausgedrückt.14 Ebenso spielt die Wurzel √ṣll (bspw. ṣalālu = „schlafen“) eine besondere Rolle, die in beiden Beschreibungen des Konfliktbeginns und in dem folgenden Dialog über die Störung verwendet wird (I 38, 40, 50 und I 116, 122).15 Da im ersten Konflikt keine Rüstungen und weiteren Vorbereitungen Erwähnung finden, gibt es hier keine besonderen lexematischen Bezüge. Obwohl Marduks Winde den zweiten Konflikt auslösen, wird er nie für den aufkommenden Streit verantwortlich gemacht. Zwar betonen die Tiāmtu-Götter in ihrer Anklage gegenüber Tiāmtu auch ihre Schlaflosigkeit (I 115f., 119–121), doch bereits dort findet sich der Rachegedanke für die Ermordung Apsûs (I 113f., 117f.). Tiāmtus Untätigkeit im ersten Konfliktfall, die ihren Vorbehalten gegen die Tötung der eigenen Nachkommenschaft geschuldet war (v.a. I 45), wird nun gegen sie gewendet, und sie wird so zu Tätigkeit (d.i. Theozid) angestachelt. Damit reduziert der Text Marduks Winde zum Auslöser des Streits, dessen wahre Ursache aber in der Tötung Apsûs und der daraus folgenden Rache beruht. Zugleich wird der Erzählfokus durch die Verquickung beider Punkte bei zeitgleicher Betonung des Racheaspekts (I 113–124) vermehrt auf den zweiten Punkt verschoben. Dadurch wird Marduks Verantwortung für die Aufstörung Tiāmtus abgeschwächt und gezielt aus

14 Darüber hinaus ist sie im gesamten Werk nur noch zweimal belegt, wobei einmal die Sorge Anšars (II 49) und einmal das Aufwühlen der Tiāmat im Zweikampf mit Marduk durch seine Winde (IV 48) wiedergegeben werden. Letzterer Beleg steht in einer interessanten Parallele zu I 108ff., so dass die Winde nun auch als Waffe zur ‚Lösung‘ des Konflikts fungieren, den sie ursprünglich mit ausgelöst haben. In beiden Fällen zeigt sich ihre spezifische Macht gegenüber dem Meer (=Tiāmtu), das sich ihrer aufwühlenden Kraft nicht entziehen kann (siehe auch unten). 15 Die Wurzel findet sich noch in Vers IV 138 im Zuge der Weltschöpfung als Beschreibung der Konstruktion durch Marduk. Spannend sind die beiden verbleibenden Belege (I 64f.), wo Ea den Urvater einschläfert und so die Dimension der Ruhe, die die Urwesen anstreben, gegen sie wendet, womit er ihr eine für sie katastrophale Bedeutung gibt.

4.1. Die Parallelstruktur (I 7–VI 69)

187

dem Blickwinkel des Lesers entfernt.16 Dieses Manöver der Schuldentlastung wird durch die Parallelstruktur in zweierlei Hinsicht begünstigt. Erstens tritt die Belästigung der Tiāmtu durch die Winde neben die Aufstörung durch Marduks Vorfahren, wodurch seine Schuld relativiert wird. Zweitens dockt der zweite Konflikt durch das Motiv der Rache an den ersten Konflikt an, wodurch eine narrative Kontinuität zwischen beiden Teilen produziert wird. Da dieser letzte Aspekt dominiert, wird die Rache betont und die Aufstörung in ihrer Bedeutsamkeit reduziert. Die größte Differenz zwischen dem ersten und zweiten Konflikt ist die Schilderung der umfangreichen Rüstungsmaßnahmen Tiāmtus, die kein Pendant im ersten Konflikt haben. Im Zuge dieser Tätigkeit erhöht Tiāmtu auch den bis dato unerwähnten Gott Kingu zum Heerführer ihrer Truppen (I 149–152), zum Gemahl/Liebhaber (ḫāʾiru) und König aller Götter (I 153–156) und übergibt ihm mit der Tafel der Festsprechungen (ṭuppi šīmāti) die Macht, Festsprechungen vorzunehmen (I 157f.) (siehe auch § 5.1.). Durch die Erhöhung Kingus wird erstmalig eine Neuordnung der hierarchischen Ordnung im Text thematisiert. Durch die Rüstungen und Erhöhung Kingus steigert sich die Dimension des Streits von einer überschaubaren Auseinandersetzung zwischen einem Urwesen und den jungen Göttern zu einem Götter-Bürgerkrieg zwischen Tiāmtu, den TiāmtuGöttern und den elf Monstern auf der einen Seite und den Anšar-Göttern auf der anderen Seite. In diesem Krieg gibt es auch keine neutrale Partei mehr, wie es Tiāmtu noch im ersten Konflikt war. Aufgrund ihrer Vorbehalte, die eigenen Nachkommen zu töten (v.a. I 45), hielt sie sich aus dem Streit heraus. Somit fehlt im zweiten Konflikt aber auch eine mahnende Stimme. Nun ist es die ehemalige Mahnerin selbst, die den Versuch der Göttervernichtung unternimmt. 4.1.3. Gegenaktion der Anšar-Götter (I 55–70, 72–74 und II 1–IV 134) Das dritte Element der Parallelstruktur enthält die größten Abweichungen zwischen beiden Konflikten. Nachdem die Urwesen die Vernichtung der Götter geplant (und vorbereitet) haben, greifen die bedrohten Anšar-Götter präventiv ein. Im ersten Streit wird Ea – nach Ausweis der Verse II 53–5517 – auf eigene Faust tätig und entledigt sich des Urvaters Apsû durch dessen Einschläferung und anschließende Ermordung. Eas Vergehen liegt nicht nur in der Ermordung eines Vorfahren und damit Verwandten, sondern auch allgemein in seinem gewalttätigen Vorgehen. Das Gewaltmonopol lag im Alten Orient beim Herrscher und Ea ist zu keinem Zeitpunkt im Text ein König (siehe Kapitel 6). So leicht lässt sich der zweite Konflikt hingegen nicht lösen. Zwar wird Ea gegen Tiāmtu geschickt, um sie zu „beschwichtigen“ (šup[šiḫ], II 77).18 Doch muss er vor 16 Verstärkt wird diese Bewegung durch die Beschwerde Anšars gegenüber Ea, dass dieser durch die eigenmächtige Tötung Apsûs den Konflikt erst heraufbeschworen habe (II 53–55). Über Marduks Rolle schweigt der Text hier und auch andernorts hingegen vollständig. 17 In diesen Zeilen wirft Anšar Ea vor, dass er eigenmächtig gehandelt hat, was durch das selbständige Personalpronomen attā („Du“) unterstrichen wird. Siehe auch JACOBSEN 1976, S. 172. 18 Hinter dieser zunächst harmlos klingenden Formulierung kann sich jedoch auch eine deutlich drastischere Dimension verbergen, da das Verb pašāḫu im Š-Stamm ebenfalls in Vers I 63 verwendet wird. Dort beschreibt es, wie Ea den Urvater Apsû mittels einer Beschwörung einschläfert, um

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Kapitel 4: Die Komposition des enūma eliš

dieser Aufgabe kapitulieren. Da auch der anschließend gesandte Gott Anu unverrichteter Dinge zurückkehrt, spitzt sich die Lage zu. Anders als im ersten Konflikt, erhalten beide Götter hier von Anšar, dem Götterkönig (siehe § 6.2.3.) einen Auftrag und damit auch begrenzte Gewaltkompetenz überschrieben. Das Scheitern beider Götter erhöht dann narrativ den Bedrohungsgrad der Anšar-Götter und lässt so den späteren Retter umso strahlender erscheinen. Zu diesem Zeitpunkt der totalen Verzweiflung fordert Ea seinen Sohn Marduk auf, sich für den Kampf gegen Tiāmtu zu melden. Marduk tritt zwar ehrfurchtsvoll auf, aber nicht bescheiden. Für seine Dienste verlangt er seine Erhöhung (II 155–162) (siehe § 6.3.1.). Die komplette dritte Tafel des Werkes dient nun der Vorbereitung für Marduks Erhöhung. Durch ihre Handlungsarmut und den sehr hohen Anteil an wortwörtlichen Wiederholungen ganzer Passagen ist ihre Funktion insbesondere retardierend und damit hinleitend auf die folgende Erhöhung Marduks, die dadurch noch mehr als erster großer Höhepunkt des Werkes in Erscheinung tritt. Die Erhöhung selbst (siehe § 6.3.2.) sticht aus dem Erzählfluss durch ihre Platzierung am Anfang der vierten Tafel und ihren großen Zeilenumfang hervor. Verbunden mit seiner Erhöhung ist dabei auch die Befugnis, den Konflikt mit Gewalt zu lösen, womit er eine offizielle Mission erhält, was ihn von Eas Vorgehen gehen Apsû elementar unterscheidet. Erst nach Marduks Erhöhung kommt es zum Kampf zwischen Marduk und Tiāmtu, der wie der Konflikt zwischen Apsû und Ea auf eine Zweierkonstellation reduziert wird, so dass beide Szenen in dieser Hinsicht parallel konstruiert sind. Die Auseinandersetzung zwischen Tiāmtu und den Anšar-Göttern wird durch die Winde Marduks gerahmt. So bilden sie zunächst den Auslöser des Streits, dienen dann aber auch als entscheidende Waffe im direkten Kampf mit der Urmutter. Diese umschließende Komposition findet sich auch auf der lexematischen Ebene wieder, da beispielsweise das Lexem meḫû („Sturm“) nur insgesamt dreimal im Werk verwendet wird, wovon es einmal bei der Beschreibung der auslösenden Aufstörung Tiāmtus auftaucht (I 45) und einmal in der Schilderung der Rüstung Marduks im Vorfeld des Kampfes (IV 45).19 An beiden Stellen findet sich auch das Verb dalāḫu („aufstören“) (I 108 und IV 48). Ebenso tauchen die vier Winde am Beginn des zweiten Konflikts (I 105) auf, bei Marduks Rüstung (IV 43) und schließlich in Gestalt des Nordwindes bei der Verbreitung der Siegesnachricht (IV 132). Die Parallelen zwischen beiden Gegenaktionen der Götter im ersten und zweiten Konflikt fallen auf der lexematischen Ebene aufgrund der größeren thematischen ihn anschließend im Schlaf zu ermorden. Insofern ist es durchaus denkbar, dass Anšar Ea nicht losschickt, um Tiāmat friedlich von ihrem Vorhaben abzubringen, sondern um sie wie ihren Gatten zu ermorden. Dies wird auch in der Rechtfertigung Eas deutlich, der sein Scheitern mit ihrer zu großen „Tat(kraft)“ (epšetaša, II 85) begründet und anschließend auch von „ihrer (Arm)Kraft“ (emūqāša, I 87) spricht. Auch die endgültige Beilegung des Streits durch den Zweikampf zwischen Marduk und Tiāmat zeigt den kriegerischen Charakter der Konfliktlösung. Anders verhält es sich hingegen bei der Sendung Anus gegen Tiāmat, in der Anšar explizit die Beruhigung der Urmutter als Missionsaufgabe formuliert und sich lexematisch keine doppeldeutige Lesung anbietet (II 101f.). 19 Der dritte Beleg findet sich in der Erläuterung des Namens Kinma (VII 108).

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Breite des zweiten Konflikts weniger deutlich aus als bei den ersten beiden Elementen der Parallelstruktur (siehe §§ 4.1.1. und 4.1.2.). Und dennoch finden sich auch hier Bezüge zwischen der Aktion Eas gegen Apsû und den Versuchen von Ea, Anu und Marduk gegen Tiāmtu. Tabelle 13: Maßnahmen gegen Apsû bzw. Tiāmtu Lexem pašāḫu šibqu + šeʾû manû + tû/šiptu

Ea vs. Apsû I 63 I 60 I 62f.

Ea vs. Tiāmtu II 77 II 81 –

Anu vs. Tiāmtu II 100 II 105 –

Marduk vs. Tiāmtu – IV 66 IV 91

So taucht das Verb pašāḫu („beschwichtigen“) sowohl bei Apsûs Einschläferung auf (I 63) als auch bei der Beauftragung Eas und Anus gegen Tiāmtu (II 77 und 100). Ebenfalls an beiden Stellen verwendet der Text die Verbindung aus šibqu („(trickreicher) Plan“) und šeʾû („suchen; finden“), um zu beschreiben, dass Ea beziehungsweise Anu das Vorhaben und die Maßnahmen des Feindes durchschauen (I 60, II 81 und II 105), was außerdem auch Marduk im Kampf gegen Tiāmtu und Kingu erfolgreich gelingt (IV 66). Weiterhin spielt die Rezitation (manû, „rezitieren“) von „Beschwörungen“ (tû oder šiptu) eine große Rolle als Waffe gegen die Urwesen. Ea verwendet sie, um Apsû einzuschläfern (I 62f.), und auch Marduk schleudert Tiāmtu eine Beschwörung entgegen (IV 91). Schließlich findet sich am Ende beider Konflikte eine fast wortgleiche Zeile, bei der nur die einleitende Subjunktion substituiert wurde: I 73 / IV 123

ultu20 (I 73)/ ištu (IV 123) lemnēšu21 ikmû isādu

Nachdem er seine Feinde gebunden (und) erschlagen hatte, …

Bei der Gegenaktion der Anšar-Götter weicht der zweite Konflikt am umfangreichsten von dem ersten Konflikt ab. Als erstes wird die Dimension der Hilflosigkeit der Götter im zweiten Konflikt durch das Scheitern der Hoffnungsträger Ea und Anu weiter vertieft. Beide Vorgänge des Versagens sind bis zur wortwörtlichen Wiederholung ganzer Passagen parallel aufgebaut und stellen damit ein zusammengehöriges Zeugnis dar. Die dadurch entstandene Ausweglosigkeit der Lage bildet die Plattform für Marduks Auftritt auf der Bühne des Konflikts (von seiner nicht unwichtigen, aber halbverschwiegenen Rolle als sein Auslöser einmal abgesehen). Während die Sendung Marduks gegen Tiāmtu noch parallel zu den Aufforderungen an Ea und Anu steht, führt seine damit verbundene Forderung nach Erhöhung ein neues Motiv in die Erzählung ein – die (Neu)Verteilung der Macht unter den Anšar-Göttern und damit Marduks Erhöhung (siehe § 6.3.). Dabei greift der Text motivisch auf die Erhöhung Kingus im Rahmen der Aufrüstungen Tiāmtus zurück, womit hier eine Spiegelung der Maßnahmen der Tiāmtu-Götter auf die Maßnahmen der Anšar-Götter stattfindet (siehe § 4.2.1.). In die Parallelstruktur wird so nun mit Marduks Erhöhung ein neuer, linearer Erzählstrang eingefügt, der in die parallele Erzählung über Konflikt und Schöpfung eingeschrieben wird (II 153–IV 34). So kehrt der Text erst auf die ursprüngliche Erzähllinie – die existentielle Auseinander20 21

I 73, hhunb:2a: ⌈ištu⌉. I 73, QAss und sunb:2a: [lemnē]ti.

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setzung zwischen den Anšar-Göttern und Tiāmtu – zurück, als Marduks Forderung durch seine erste Erhöhung erfüllt worden ist. Dass mit der Forderung Marduks ein neues Element auftaucht, lässt sich auch an der Grammatik und Lexematik der Forderung festmachen. So dominieren in seiner Rede Ich-Aussagen, was durch den Prekativ in der 1. Person (lušīmma „ich will bestimmen“, II 160) und das selbständige Personalpronomen anāku („ich (, ja ich)“, II 156, 161)22 besonders deutlich wird. Letzteres fand sich bisher nur in der Rechtfertigungsrede Eas, als er sein Einschreiten gegen Apsû nachträglich gegenüber Anšar begründen muss (anāku II 67, jâti II 69), seine Person also zur Disposition steht, so dass die 1. Person automatisch im Vordergrund steht. Anders ist es aber nun im Falle der Forderung Marduks, der sich aktiv (und nicht reaktiv) in den Mittelpunkt der Rede stellt. Damit weicht seine Rede vom bisherigen Duktus des Textes ab. Auch die konditionale Gestalt der Aussage Marduks ist in dieser Form ein Novum. Zwar findet sich die Subjunktion šumma („wenn“) bereits in der Sendung Anus (II 101f.), doch formuliert Anšar dort einen Plan B (um Gnade zu flehen), falls Zureden nicht hilft. Marduk hingegen verknüpft sein mögliches Handeln durch den Konditionalsatz mit einer Forderung, was im Gesamttext ein einmaliges Unterfangen ist.23 Weitere Schärfe erlangt Marduks Rede durch die nicht-abgemilderten Imperative (šuknā puḫra, šūterā, ibâ, tišbā, II 158f.). 4.1.4. Welt(teil)schöpfung (I 76 und IV 135–V 116) Nachdem die lebensbedrohenden Urwesen besiegt sind, dienen ihre toten Körper in beiden Teilen des enūma eliš als Materie für die Weltschöpfung beziehungsweise der Schöpfung eines Teils von ihr (Apsû). Ea funktioniert Apsûs Leichnam zum ersten definierten Weltteil um (I 76),24 wobei er jedoch keine weiteren Umformungen am Körper des toten Apsû vornimmt (METZLER 2002b, S. 405f.). Lediglich seine Insignien als Herrscher (agû) und Gott (melammu) nimmt Ea ihm weg (I 67f., siehe auch § 6.2.1.).25 Dennoch soll hier und im Folgenden von Schöpfung (im weiteren Sinne) gesprochen werden, denn auch wenn Ea nicht so explizit handwerklich

22

An dieser Stelle fällt auf, dass Marduk in seiner Rede bewusst zwischen sich und den Göttern trennt, da er nur von sich (1. Person Singular: anāku II 156, akamme, uballaṭ II 157, šimtī II 158, epšu pīja, lušimma II 160, abannû anāku II 161, siqar šaptīja II 162) und den anderen Göttern spricht (2. Person Plural: gimillikun II 156, kâšun II 157, kâtunuma II 160), so dass er nicht Teil von ihnen ist und nicht selbst Objekt der Bedrohung. 23 Die Subjunktion šumma findet sich ansonsten im Werk nur noch in den wörtlichen Wiederholungen von Marduks Forderung (III 58, 116). 24 Als einziges Toponym vor Apsû findet sich im Text der obskure Ausdruck Anduruna (I 24), der ansonsten nicht wieder auftaucht und sicher auch keinen Weltteil beschreibt. Dass er dennoch ein kosmischer Ort ist, zeigt Wilfred Lambert durch die Hinzunahme weiterer Texte (2013, S. 470). Zu Anduruna siehe auch HOROWITZ 1998, S. 109, 225. 25 Dass Ea an dieser Stelle Apsû und nicht Mummu seine Abzeichen abnimmt, kann man insbesondere an der aga-Krone (als Königsinsigne, siehe § 6.1.), aber auch am Schreckensglanz (S ONIK 2009, S. 87 Anm. 7), festmachen.

4.1. Die Parallelstruktur (I 7–VI 69)

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tätig wird wie Marduk, erschafft er durch das Umfunktionieren des toten Urvaters dennoch einen ersten definierten Teil der Welt.26 Marduks Schöpfung ist in zweierlei Weise ungleich umfassender. Erstens gestaltet er den Leichnam der Urmutter intensiv um, indem er ihn beispielsweise aufschneidet und umformt. Zweitens stellt er nicht einfach nur einen weiteren unverbundenen Weltteil hin. Vielmehr etabliert er durch sein Schaffen eine allumfassende raum-zeitliche Ordnung. Dies beginnt mit der Installation der Himmel als Spiegelbild des Apsû (IV 141f.), zwischen die mit E-šara ein mittlerer Weltenteil eingefügt wird (IV 143f.). Somit entsteht erstmalig ein definiertes Verhältnis der Teile zueinander, das durch eine vertikale Achse gegeben ist. Äquivalent zu dieser kosmischen Ordnung wird auch die traditionelle vertikale Götterverteilung vorgenommen, wonach Anu oben sitzt, Ea unten im Apsû und in der Mitte der traditionelle Götterherrscher Enlil (IV 145f.).27 Dieser zunächst rein räumlichen Ordnung stellt Marduk durch die Einrichtung des Nachthimmels mit seinen Gestirnen und der Sonne als Taktgeber am Tag eine zyklische, zeitliche Ordnung an die Seite (V 1–44?). Danach legt er mit der Erschaffung der Wetterphänomene und den zwei großen Strömen Euphrat und Tigris die Grundlage für die Fruchtbarkeit auf der Erde (V 45?–66).28 Schließlich bedarf das komplexe Gebilde des neu geschaffenen Kosmos auch eine funktionale, personal zugewiesene Ordnung, so dass Marduk abschließend die Götter Anu und Ea in die Sicherung der Stabilität einbindet (V 67–76). Mit dieser Maßnahme endet Marduks direkte Schöpfung. Zu diesem Zeitpunkt im Text fehlt Marduk noch eine Wohnstatt innerhalb des Kosmos, die Ea sich mit dem Apsû bereits eingerichtet hat und die in Gestalt der Stadt Babylon erst deutlich später Marduk gegeben wird. Somit ist die Schöpfung im Sinne der Einrichtung von Weltteilen zwar mit der Mitte der fünften Tafel abgeschlossen, doch Marduk fehlt noch seine Heimstatt, die Ea sich mit der Schöpfung des Apsû zugleich eingerichtet hat. Lexematisch fällt nur auf, dass sich das Verb kânu im D-Stamm als verbum actionis sowohl in der ersten Schöpfung (I 71) als auch in der Schöpfung Marduks findet (IV 144, V 8, 62, 66). Schließlich kommt Eas Schöpfung die Rolle als erste Schöpfung zu, womit sie auch die Funktion des Vorbildes übernimmt. Dies expliziert der Text an mehreren Stellen. So werden die Himmel an die Maße des Apsû angepasst (IV 142, CAD M1 2004, S. 70) und der mittlere Weltenteil E-šara als „Ebenbild“ (tamšīlu) des Apsû29 bezeichnet (IV 143). Die Form und Größe der von Marduks geformten Weltenteile 26 So handelt es sich bei dieser Umwidmung des toten Apsû (entgegen S ERI 2012, S. 11) nicht um eine Schöpfung im engeren Sinne, was lexematisch auch dadurch deutlich wird, dass als einziges Schöpfungsverb im weiteren Sinne lediglich kânu im D-Stamm verwendet wird (I 71). Das Prädikat ušaršidma („er gründete fest“ I 77) bezieht sich nicht mehr auf die Einrichtung Apsûs als Weltteil, sondern auf die Etablierung einer Heimstatt (siehe § 4.1.5.). Dennoch richtet Ea durch seine Tat einen Weltenteil ein, was daher zur Schöpfung im weiteren Sinne gezählt werden soll. 27 Hier liegt klar eine Anspielung an den Beginn der Atramḫasīs-Erzählung vor, in der sich die Götter An, Enlil und Ea mittels der Losflasche die drei Weltteile zuteilen. 28 Ähnlich LAMBERT 2013, S. 169. 29 Der Text schreibt hier zwar Eš-gala statt Apsû, dabei handelt es sich aber um dieselbe Instanz (HOROWITZ 1998, S. 113).

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orientieren sich damit an Eas Apsû. Die restliche Schöpfung und vor allem die damit verbundene Einrichtung einer echten Weltordnung gehen hingegen deutlich über Eas Handlungen hinaus, so dass durch die Parallelstruktur die Welt(teil)schöpfung Marduks neben die seines Vaters Eas tritt. Hierdurch konstruiert der Text einen indirekten Vergleich zwischen beiden Göttern und wieder wird die Vorzüglichkeit Marduks durch dieses Mittel unterstrichen. Dies zeigt sich schließlich auch auf der lexematischen Ebene in der Verwendung der Wurzel √nkl, die genialische Schöpfungsakte beschreibt. So findet sie sich nicht bei Eas Kreation,30 aber wird dafür umso umfangreicher eingesetzt, um zu beschreiben, wie Marduk Dinge hervorbringt.31 Im Anschluss an seine Weltschöpfung wird Marduk ein zweites Mal erhöht (siehe § 6.3.3.), so dass hier wieder das lineare Motiv der Neuordnung der Königsherrschaft aufgegriffen und in den parallelen Handlungsverlauf eingeschrieben wird (V 77–116). 4.1.5. Einrichtung einer Wohnstatt (I 71, 75–78 und V 117–VI 69) Im ersten Teil der Parallelstruktur wird die Einrichtung einer festen Wohnung direkt mit der Etablierung eines Weltenteils verbunden (I 71, 75–78). Diese Verknüpfung ist so eng, dass die Eigenständigkeit des Motivs eines Wohnsitzes ohne die Sperrung im zweiten Teil der Parallelstruktur nur sehr schwer zu identifizieren wäre. Zusätzlich lässt sich die Trennung zwischen Schöpfung und Installation einer Wohnung jedoch auch auf der lexematischen Ebene greifen. So finden sich die unterschiedlichen Substantive, die den Apsû als Eas Heimstatt beschreiben (šubtu I 71 und kummu I 75) nirgendwo in der Weltschöpfung Marduks, tauchen dann aber wieder in der Planung und Erbauung Babylons auf (siehe unten). Zur Errichtung der Wohnung gehört ebenfalls das Motiv der Namensgebung, da Ea dem Apsû diesen Namen gibt (I 76), wohingegen Marduk seine Schöpfung zunächst nicht explizit benennt, aber Babylon später seinen Namen gibt (V 129). Die Sperrung zwischen Schöpfung und Wohnungseinrichtung im zweiten Strang der Parallelstruktur entsteht dadurch, dass zwischen Marduks Weltschöpfung und der Errichtung von Babylon seine zweite Erhöhung tritt. In dieser übertragen die Götter ihm die Versorgung ihrer Heiligtümer und unterstellen sich sogleich seinen Befehlen (V 115f.). An dieser Stelle äußert Marduk nun erstmals den Wunsch nach einer eigenen Wohnstätte, die er im kosmischen Zentrum der Welt verorten möchte

30

Lediglich die Erschaffung der Schlafformel (tû) gegen Apsû wird derart beschrieben (I 62). Es findet sich in der Weltschöpfung in den Versen IV 136 und VII 112, später dann auch bei der Menschenschöpfung VI 2, 38 und VI 9. Schließlich wird auch die Herstellung des Bogens zweimalig durch die Wurzel √nkl (bspw. nakālu = „genialisch hervorbringen“) beschrieben, VI 84 und VII 116. Dadurch wird Marduks Bogen möglicherweise neben Eas Beschwörung gestellt, deren Herstellung (I 62) ebenfalls durch das Verb nakālu beschrieben wird, was ein weiterer lexematischer Beleg für die Parallelstruktur wäre. Kai Metzler interpretiert die durch √nkl hervorgebrachten Werke als das „Schön-Gute“ (2002b, S. 406). Komplementär zu dieser Lesart soll hier und im Folgenden vor allem auf das Subjekt fokussiert werden und welche Aussagen über dieses durch die Wurzel √nkl getätigt werden. 31

4.1. Die Parallelstruktur (I 7–VI 69)

193

(V 119–130).32 Dabei nennt er auch den Namen seiner Wohnstatt, Babylon, und erklärt ihn zudem (V 129, siehe § 5.2.2.). Der anschließende Dialog zwischen den Göttern und Marduk ist jedoch leider nur bruchstückhaft erhalten, doch die Fragmente geben möglicherweise einen Hinweis auf die Themen des Diskurses (siehe § 3.12.4.). Zum einen geht es vermutlich um Marduks Schöpfungspotenz (V 133– 136, 155f.), zum anderen um die Frage von Versorgung, Arbeit und Mühe (V 137– 142). Die Tafel schließt mit dem Prekativ līpuš eṣrē[ti …] („er soll Pläne machen“), was vermutlich wieder auf seine Kompetenz als weiser Schöpfergott anspielt. Dazu passt, dass Marduk zu Beginn der sechsten Tafel die Idee der Menschenschöpfung äußert, bei der Ea ihn berät, indem er vorschlägt, den schuldigen Gott zu verurteilen und so die Menschen zu erschaffen. In einer Götterversammlung wird Kingu schuldig gesprochen und hingerichtet. Nach der Menschenschöpfung ordnet Marduk die Götterwelt neu, indem er seinen göttlichen Untertanen eine räumlich-vertikale Ordnung gibt (VI 39–44), wobei er zugleich auch den Anteil an den Opfern bestimmt und somit in Zusammenspiel mit der Menschenschöpfung für die Durchführung der Arbeit seine Rolle als zāninu erfüllt (VI 45f.). Erst jetzt gehen die Götter wieder auf seinen Wunsch ein und errichten Tempel und die Stadt Babylon (VI 49–64). Dort erhalten die Götter ebenfalls Kultsockel, was die Erbauung Babylons abschließt und den Ort nicht nur zu Marduks Wohnung, sondern zur Heimstatt aller Götter macht (VI 66–69). Beide Errichtungen einer Wohnstatt lassen sich anhand von fünf Aspekten miteinander vergleichen: 1. Durch die zweite Erhöhung, die zwischen Marduks Weltschöpfung und der weiteren Schöpfung tritt, ändert sich die Natur von Marduks Handlungen. Erschuf er die Welt noch durch seine eigenen Hände, also als Demiurg,33 erfolgt die weitere Schöpfung durch andere Götter (Ea, Anunnaki) auf Marduks Befehl hin, so dass er nun als König die Gestaltung der Welt auktorial regelt (siehe § 3.14.11.).34, 35 2. Während Ea eigenhändig und eigenmächtig den Apsû zu seiner Wohnung macht, äußert Marduk seine Bitte/seinen Befehl erst nach Aufforderung der Götter (V 116) und erhält seine Wohnung durch die Arbeit seiner göttlichen Untertanen. 3. Der Apsû dient als Vorbild für E-šara (IV 144), aber ebenso auch für Babylon (VI 62), womit die zwei Qualitäten des Apsû als Weltteil und als Götterwohnung explizit werden. 4. Die Erbauung Babylons fungiert durch die Verknüpfung mit der Menschenschöpfung und der damit verbundenen Befreiung der Götter (VI 49) zugleich auch als 32 Wilfred Lambert sieht hierin eine bahnbrechende Innovation, da die Götter ihre Hauptsitze in der Regel jenseits der Sphäre der Menschen hätten, Marduk nun aber nur in Babylon residieren würde (2013, S. 199). Hier wäre es interessant textextern vergleichend die Aššur-Verehrung in Assyrien zu betrachten. Textintern kann man sicher sagen, dass Marduk als Nēberu (VII 124–134) auch eine Existenz in den himmlischen Bereichen besitzt. 33 Diesen Terminus für Marduks erste Schöpfung verwenden beispielsweise auch Jean Bottéro und Samuel N. Kramer (1989, S. 664), Kai Metzler (2002b, S. 393) und Andrea Seri (2012, S. 16). 34 Diese Differenz in der Schöpfung Marduks betont auch Andrea Seri (2012, S. 16). 35 Inwiefern diese neue Handlungsweise mit der zweiten Erhöhung zusammenhängt, erhellt § 6.3.3.

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Kapitel 4: Die Komposition des enūma eliš

Dankesgeschenk der Befreiten an ihren Befreier.36 Marduk öffnet seine neue Heimstatt wiederum für die Götter, so dass Babylon auch ihre Wohnung wird.37 5. Somit erhält auch Ea einen Sitz in Babylon, womit sich in gewissem Sinne ein Kreis schließt, denn Marduk entstammt dem Sitz seines Vaters (I 81f.) und nachdem er diesen nun übersteigt, bietet er ihm nun ebenfalls eine Wohnung (VI 64). Durch diesen Fünfklang in Bezug auf die Handlungssubjekte und -motive wird die Erbauung Babylons zusätzlich aufgeladen, was sich in der kosmischen Zentrallage der Stadt widerspiegelt (siehe § 7.6.2.). Beachtet man nun, dass die Errichtung Babylons der Abschluss der Schöpfung ist, so markiert dies zugleich auch den Zielpunkt der Schöpfung, die nicht wie in der Bibel beim Menschen endet, sondern in der Stadt und ihrem Tempel gipfelt (siehe auch ZGOLL 2012a, S. 62f.). Die Parallelität zwischen Eas Handlung und der Erbauung Babylons wird insbesondere auf lexematischer Ebene deutlich. So findet sich das Lexem šubtu („Wohnsitz“)38 nach der Schilderung der Einrichtung des Apsû (I 71) nur in Zusammenhang mit diesem (IV 142 und V 119), bis Marduk es dann in der Äußerung seines Wunsches/Befehls erstmalig für Babylon verwendet (lū šubat lalêja, „es soll der Wohnsitz meines Überflusses sein“ V 122). Doch Babylon ist nicht nur Wohnsitz für Marduk (VI 70), sondern auch für Anu, Enlil und Ea (VI 64) und für die weiteren Götter (VI 72). Somit sind alle Verwendungen des Lexems šubtu (jenseits der 50 Namen) auf den Apsû und Babylon beschränkt, so dass sie auch lexematisch nebeneinander stehen. Die enge Parallelität lässt sich desweiteren noch an dem Lexem kummu („innerster Raum“) (Apsû I 75; Babylon V 124, VI 52) und den Versen I 77 und V 123 festmachen. I 77

ašruššu gipārašu39 ušaršidma

… V 123

… qerbuššu māḫāzašu lušaršidma

An seinem (= des Apsû) Ort gründete er seine (=des Apsû ?40) Tempelresidenz. … „In seinem (= Babylons) Inneren will ich sein (=Babylons) Kultzentrum gründen.“

Die Unterschiede zwischen beiden Belegstellen liegen in der lexematischen Abweichung der ersten zwei Wörter der Verse41 und darin, dass in Vers V 123 Marduk redet, während die Zeile I 77 auf der Erzählerebene angesiedelt ist. Andererseits sind die ersten beiden Begriffe in V 123 Substitutionen und damit Wiederaufnahmen von I 77, die zudem in der gleichen Reihenfolge, grammatischen Form und syntaktischen Funktion bleiben. Schließlich liegt zwar eine unterschiedliche Verbform vor, 36

Etwas anders Wilfred Lambert, der in der Erbauung von Babylon ein Dankeschön der Götter für ihre Aufteilung auf Himmel und Erde sieht (2013, S. 193). 37 Möglicherweise bietet Ea aber bereits mit dem Apsû den Göttern eine erste Heimstatt (siehe § 5.2.1.). 38 Das Lexem wird zwar auch in Vers IV 142 verwendet, steht dort aber für den Apsû als Heimstatt Eas und nicht für eine Schöpfung Marduks. 39 NAss: giparrašu. 40 Durch die Parallelität zu V 123 lässt sich das Possessivsuffix auch in Bezug auf den Apsû und nicht auf Ea lesen. 41 Der Lokativ-adverbialis ašruššu findet sich jedoch in V 126, 128 und 142 wieder.

4.1. Die Parallelstruktur (I 7–VI 69)

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doch entstammt sie demselben Verb, das ansonsten nur noch zwei weitere Mal im Lied auf Marduk belegt ist (V 6, 98). Mit der Einrichtung der Wohnstatt für Marduk endet der parallele Handlungsverlauf, wobei das Motiv von Marduks Erhöhung, das ab dem zweiten Strang der Parallelstruktur eingeschrieben ist, noch über diese hinausreicht (siehe § 4.4.). 4.1.6. Zusammenfassung Die Parallelstruktur umfasst fast den gesamten narrativen Teil und insgesamt über drei Viertel des Werkes (827 Verse = 76%). Ihr folgt nur noch Marduks dritte Erhöhung, die Verleihung der 50 Namen und schließlich der Epilog. Dabei sind der erste Konflikt und seine Lösung die Vorlage für den zweiten Teil der Struktur, der deutlich umfangreicher ausgefallen ist und weitere Motive in den Erzählfluss einbringt. Die Grundstruktur ist bei beiden jedoch zunächst gleich. Sie beginnen jeweils mit der Entstehung von Göttern (I), deren bloße Existenz im zweiten Schritt die Urwesen so sehr stört, dass sie deren Vernichtung planen (II). Die Bedrohten erfahren davon und töten stattdessen das Urwesen (III), aus dem der Sieger dann die Welt (bzw. einen Teil von ihr) erschafft (IV). Schließlich erhält der Sieger eine eigene Wohnstatt (V). Der zweite Teil der Parallelstruktur ist umfangreicher und thematisch komplexer. Die Einschreibungen beginnen bereits bei der Götterentstehung (I), indem durch Marduks Namen sein Anspruch auf Götterherrschaft bereits angelegt ist. Dieser thematische Faden wird im weiteren Verlauf des Werkes ent-wickelt.42 Eine andere Abweichung findet sich in der Schilderung der Bedrohungslage, die zunächst nur in der Gestalt Apsûs zentriert ist, aber im zweiten Konflikt durch die Aufrüstung der Tiāmtu und die Erhöhung Kingus eine neue Dimension erhält (II). Hierzu passt auch das Versagen von Ea und Anu, die nichts gegen Tiāmtu ausrichten können. Dies führt dann zu dem Auftreten Marduks als Rettergestalt, der seine Retterrolle aber mit Auflagen verbindet, was dann das Motiv seiner Erhöhung in den Text einbringt, welches das Konfliktmotiv mehr und mehr in den Hintergrund drängt. Die Folge seiner Forderung ist seine erste Erhöhung im Vorfeld des Kampfes (III). Eas Weltschöpfung war partiell und nicht ordnungsstiftend. Diese Proto-Schöpfung greift Marduk auf und vollführt eine umfassende und im wahrsten Sinne des Wortes kosmogonische Schöpfung. Nach dieser Schöpfung (und seinem Sieg über Tiāmtu) wird er ein zweites Mal erhöht und zusätzlich erhält er einen weiteren Namen (Lugal-dimmer-an-kia(k)) (IV). Die Erbauung Babylons ist schließlich eng verbunden mit der Menschenschöpfung und der Befreiung der Götter von der Arbeit. Zugleich dient die Stadt zwar Marduk primär als Wohnstatt, aber auch den anderen Göttern (V). Mit der Einrichtung der Kultsockel für die anderen Götter endet die Parallelstruktur.

42 Es wird in der stufenweisen Erhöhung Marduks (siehe § 6.3.) ausgefaltet und somit entsprechend ent-wickelt.

196

Kapitel 4: Die Komposition des enūma eliš

Tabelle 14: Das Schema der Parallelstruktur N°

Thema

Konkrete Ausprägung (Zeilen) 1. Konflikt

(I)

Götterentstehung

(II)

Aufstörung der Urwesen und der daraus resultierende Plan des Theozid

 Kurzgenealogie:  Laḫmu und Laḫamu (I 10f.)  Anšar und Kišar (I 12f.)  Anu (I 14f.)  Ea (I 16–20)  Lärm der Götter lässt Tiāmat nicht zur Ruhe kommen (I 21–28)  Apsû plant angestachelt von seinem Wesir Mummu die Vernichtung der Götter (I 29–54)

(III)

Gegenmaßnahmen der Anšar-Götter

 Die bedrohten Götter erfahren von dem Plan des Apsû (I 55f.)  Hilflosigkeit der Anšar-Götter (I 57f.)

 Ea schläfert Apsû ein und tötet ihn im Schlaf (I 59–69)  Mummu wird festgenommen (I 70–72)

2. Konflikt (Hinzufügungen kursiv)  Marduks Zeugung, Geburt und ‚Kindheit‘ (I 79–104)

 Die Winde Marduks wühlen Tiāmtu auf (I 105–109)  Angestachelt von den ihr untergebenen Göttern plant Tiāmat der Vernichtung der Anšar-Götter (I 110–132)  Rüstung der Tiāmat: Sie erschafft elf Monster, stellt eine Armee auf  Erhöhung Kingus (I 133–160)  Ea erfährt von dem Plan der Tiāmtu und wendet sich an Anšar (II 1–48)  Anšar ist verzweifelt und macht Ea verantwortlich für die Lage, Rechtfertigung Eas (II 49–70)  Ea und Anu werden gegen Tiāmat geschickt, scheitern aber (II 71–118)  Hilflosigkeit der Anšar-Götter (II 119–126)  Ea schickt Marduk zu Anšar, der ihn mit der Mission beauftragt (II 127–152)  Forderung Marduks nach Erhöhung (II 153–162)  Vorbereitungen zur Erhöhung Marduks (III 1–138)  Erhöhung Marduks und Verleihung der Gewaltkompetenz (IV 1–34)  Rüstung Marduks (IV 35–64)  Marduk tötet Tiāmat im Zweikampf (IV 65–104)  Die elf Monster, ihre Truppen und den Gott Kingu nimmt er gefangen (IV 105–122)

4.2. Kompositorische Merkmale innerhalb der Parallelstruktur

197

Tabelle 14: Das Schema der Parallelstruktur (Fortsetzung) N°

Thema

Konkrete Ausprägung (Zeilen) 1. Konflikt

(IV)

Welt(teil)schöpfung

 Ea erschafft aus Apsû den Weltteil Apsû und

(V)

Einrichtung einer Götter-Wohnstatt

 Ea richtet im Apsû seine Wohnung ein (I 73–78) und benennt ihn (I 76)

2. Konflikt (Hinzufügungen kursiv)  Marduk erschafft Himmel und E-šara aus der toten Tiāmtu und etabliert so eine räumlichvertikale Weltordnung (IV 123–138).  Marduk installiert durch himmlische Ordnung eine zeitliche Ordnung (V 1–44?.)  Marduk richtet Wetter und Flüsse ein (V 45?–66).  Marduk etabliert personalfunktionale Ordn. (V 67–76).  Marduk wird ein zweites Mal erhöht (V 77–116).  Marduk lässt Babylon erbauen (V 117–VI 64), und benennt es (V 129).  Durch die Hinrichtung Kingus findet ein erster Rechtsspruch statt und wird das Material für die Menschenschöpfung ‚gewonnen‘ (VI 13–33).  Durch die Anthropogenese wird die Arbeitsproblematik gelöst (VI 34–38).  Marduk ordnet die Götterwelt neu (VI 39–44).  Die Götter erhalten einen Sitz in Babylon (VI 64, 68f.). (=Erfüllung von Forderungen der Götter in 1. Erhöhung Marduks, siehe § 6.3.2.)

4.2. Kompositorische Merkmale innerhalb der Parallelstruktur Innerhalb der äußeren parallelen Struktur finden sich in den Versen I 7 – VI 69 weitere Strukturmerkmale. Dabei handelt es sich um zwei Ringstrukturen,43 von denen die eine (ansatzweise) in beiden parallelen Strängen zu finden ist (§ 4.2.1.), die andere aber nur im zweiten und damit nur auf Marduk bezogen (§ 4.2.2.).

43 Dass Ringkompositionen auch in anderen literarischen altorientalischen Werken auftauchen, hat Annette Zgoll exemplarisch am Gilgameš-Epos demonstriert (2010).

198

Kapitel 4: Die Komposition des enūma eliš

4.2.1. Die erste Ringstruktur Die erste Ringstruktur lässt sich in den Teilen (II) und (III) der Parallelstruktur verorten. Im ersten Konfliktfall ist sie noch recht minimalistisch ausgeprägt. Der äußere Ring besteht in dem Plan Apsûs die Götter zu vernichten, was dann gegen ihn gewendet wird: Am Ende wird er getötet. Hier spielt der Text bewusst mit den Lexemen der Ruhe (siehe § 3.4.7.), welche sich sowohl am Anfang als Konfliktauslöser finden, als auch das Ende beschreiben, wenn Ea sich im getöteten Apsû zur Ruhe setzt. Der innere Kern besteht daraus, dass die Götter von dem Plan ihrer Vernichtung erfahren und verzweifelt sind. Abbildung 5: 1. Ringstruktur innerhalb der Parallelstruktur44 Diesem Grundgerüst fügt der zweite Konflikt weitere thematische Klammern hinzu. Plan der Göttervernichtung durch Urwesen Rüstung der Tiāmtu Erhöhung Kingus Verzweiflung der Götter Erhöhung Marduks Gegenrüstung Marduks Vernichtung des Urwesens durch einen Gott

Der zweitäußere Bogen umfasst die Rüstung der Tiāmtu und die Gegenrüstung des Marduk. Weiter innen folgt die Erhöhung Kingus, was als Motiv von Marduks erster Erhöhung wieder aufgegriffen wird.45 Im Zentrum steht wiederum die Verzweiflung der Götter, die durch das zweimalige Scheitern von Marduks Vater und Großvater in diesem Falle potenziert und damit weiter betont wird. Diese Ringstruktur lässt sich im zweiten Konfliktfall teilweise auch auf lexematischer beziehungsweise konzeptioneller Ebene verdeutlichen. Während sich der Plan der Vernichtung der Götter durch Tiāmtu in ihrer eigenen Tötung lexematisch nicht in auffälliger Weise spiegelt, findet hingegen die Erschaffung der elf Monster im Rahmen von Tiāmtus Rüstung (I 141–144) ihr Pendant in Marduks elf Winden. Den vier von Anu geschenkten Winden fügt Marduk sieben weitere, selbst erschaffene Winde hinzu (IV 43–47), so dass er ebenfalls im Kampf von elf (teils) eigenhändig kreierten Entitäten unterstützt wird. Sein Erfolg in diesem Kampf fußt dabei auch 44 45

Einfügungen im 2. Konflikt kursiv. Zu den beiden Erhöhungen siehe §§ 6.2.2. und 6.3.2.

4.2. Kompositorische Merkmale innerhalb der Parallelstruktur

199

darauf, dass seine Schöpfungen in der Auseinandersetzung sehr hilfreich sind (IV 96–102), Tiāmtus Schöpfungen aber im Kampf keine Rolle spielen und schließlich von ihm gefangengenommen werden (IV 115–118). Am deutlichsten treten die lexematischen und konzeptionellen Parallelen im Vergleich der beiden Erhöhungen von Kingu und Marduk auf. Auf konzeptioneller Ebene wird beiden Göttern Gewaltkompetenz verliehen, sprich die Erlaubnis, Konflikte gewalttätig zu lösen; Kingu als Heerführer von Tiāmtus Truppen (I 149–151), Marduk durch das Mandat gegen Tiāmtu (siehe auch § 6.3.2.). Auf lexematischer Ebene fällt auf, dass Kingus mit der ṭuppi šīmāti erhaltene Befähigung des unveränderlichen Befehls (I 157f.) in Marduks erster Erhöhung aufgegriffen wird. I 157 I 158

I 157

I 158

iddinšumma46 ṭuppi šīmāti iratuš47 ušatmiḫ kataduggûka49 lā innennâ likūn [ṣīt pîka]50

Sie gab ihm die Tafel der Festsprechungen, mit seiner Brust ließ sie (ihn) die Tafel der Festsprechungen ergreifen. „Dein Ausspruch darf nicht geändert werden, [die Äußerung Deines Mundes] soll dauerhaft sein!“

IV 648

šīmatka lā šanān siqarka dAnum

IV 7

ištu ūmimma lā innennâ qibītka

… IV 9

lū kīnat ṣīt pîka lā sarār siqarka

IV 651

„Deine Festsprechung(smacht) ist ohnegleichen, Dein Befehl ist Anu.

IV 7

Ab heute darf Deine Order nicht geändert werden.

… IV 9

Der Ausspruch Deines Mundes soll dauerhaft, Dein Befehl nicht trügerisch sein.“

Die Rekurrenzen (durch Fettdruck hervorgehoben) betreffen nicht nur das Lexem šīmtu, sondern gehen noch darüber hinaus. Das verneinte Verb enû findet sich beide Male im N-Stamm wieder (I 158 und IV 7), wobei der verneinte Gegenstand (kataduggû I 158 bzw. qibītu IV 7) synonym ist (durch Unterstreichung angezeigt) und jeweils das gleiche Possessivsuffix (2. Sgl. m.) trägt. Schließlich werden beide Verwendungen von ṣīt pîka mit einer Form des Verbs kânu im G-Stamm verbunden. Durch die konzeptionelle und vor allem durch die enge lexematische Verbindung zwischen beiden Erhöhungen werden Kingu und Marduk vom Text in Opposition 46

cunb: iddinma. cunb: irattuš. 48 Dieser Vers ist identisch mit IV 4. Für die Varianten zu den Versen IV 6f. und 9 siehe § 3.10.4. 49 cunb: katd[ugguka]. 50 Die Ergänzung ist durch die drei weiteren Wiederholungen dieser Passage im Laufe des Werkes abgesichert (II 44, III 48, 106). 51 Dieser Vers ist identisch mit IV 4. Für die Varianten zu den Versen IV 6f. und 9 siehe § 3.10.4. 47

200

Kapitel 4: Die Komposition des enūma eliš

gesetzt. Diese Opposition umfasst insbesondere die Gewaltkompetenz und die Festsprechungsmacht. In der ersten Hälfte der Ringstruktur liegt das Zepter der Handlung in der Hand von Tiāmtu und ihren Verbündeten, was schließlich in der vollkommenen Verzweiflung der Anšar-Götter kulminiert. Durch sein Auftreten übernimmt Marduk bis in den Kampf hinein aktiv die Handlung, denn so wie vorher Ea und Anu unfähig waren in das Geschehen einzugreifen, so versagen nun Kingu und seine Truppen. Lediglich Tiāmtu stellt sich ihm aktiv in den Weg, so dass hier die beiden Antreiber der Handlung – der ersten wie der zweiten Hälfte der Ringstruktur – direkt aufeinanderprallen, woraus Marduk schließlich als Sieger hervorgeht. Hierdurch wird schlussendlich die entgegengesetzte Polarität der Handlungsträger aufgelöst, die durch den besonderen Aufbau der Ringstruktur im Falle des zweiten Konflikts kunstvoll vorbereitet wurde. Somit strebt die Ringstruktur trotz oder gerade wegen ihres spiegelnden Aufbaus einer internen Klimax zu – dem Aufeinanderstoßen von Marduk und Tiāmtu/Kingu und schlussendlich auf den Sieg der einen Partei (Marduk). 4.2.2. Die zweite Ringstruktur Deutlich umfassender und noch stärker durchkomponiert ist die zweite Ringstruktur innerhalb der Parallelstruktur. Zusätzlich weist sie eine höhere Komplexität auf, was dem Umstand geschuldet ist, dass sie teils auch kleinere parallel strukturierte Elemente und Einschübe enthält, was sich besonders auf der lexematischen Ebene festmachen lässt. Verortet ist diese zweite Ringstruktur im zweiten Strang der Parallelstruktur, wobei sie dort den kompletten letzten Teil (VII)52 umfasst, der sich mit der Errichtung Babylons als Wohnstatt auseinandersetzt (siehe auch § 4.1.5.). 4.2.2.1. 1. Ring: Babylon (V 117–156 und VI 45–66) Der Auslöser der gesamten Struktur findet sich gleich im Anschluss an Marduks zweite Erhöhung, im Zuge derer er zum König der Götter aufsteigt (siehe auch § 6.3.3.). Am Ende dieser Erhöhung wenden sich die göttlichen Untertanen an ihren neuen Herrscher: V 115

ultu ūmē53 attā lū zāninu parakkīni

V 116

mimmû attā taqabbû i nīpuš nīni

„Ab heute sollst Du der Versorger unserer Kultsockel sein; alles, was Du, ja Du, befiehlst, wir, ja wir, wollen es tun!“

In dieser kurzen Rede der Götter kommen zwei wesentliche Elemente von Marduks Königtum zur Sprache. Zum einen kann er als Herrscher den Göttern befehlen und sie müssen seinen Befehl befolgen (V 116). Zum anderen trägt er als zāninu („Versorger“) der Heiligtümer zwar große Macht, aber auch große Verantwortung, da er den Anteil an den Opfern den Göttern zuteilt, aber zugleich auch dafür verantwort52 Durch den Index II wird angezeigt, dass es sich nur um den Teil (V) des zweiten Strangs der Parallelstruktur handelt. 53 HHuz: ūmī.

4.2. Kompositorische Merkmale innerhalb der Parallelstruktur

201

lich ist, dass es etwas zu verteilen gibt (V 115). Diese beiden Dimensionen von Marduks Herrschaft sind die treibenden Kräfte hinter der zweiten Ringkomposition. Marduks Reaktion auf diese Rede der Götter ist die Äußerung seiner Idee von Babylon, das seine Heimstatt werden soll.54 Zunächst schildert er ausführlich die genaue – kosmozentrische – Lage des Ortes (V 119–121), an dem seine Wohnung (šubtu V 122), Heiligtum (māḫāzu V 123) und Cella (kummu V 124)55 zu finden sein werden, die damit seinem Königtum einen Ort geben sollen (siehe § 7.6.2.). In diesen Ausführungen wird deutlich, dass Stadt und Tempel hier synonym verstanden werden. Dabei fallen nicht nur Babylon und der Marduk-Tempel Esaĝila (VI 62, 67 und 77) zusammen, sondern auch die Ziqqurrat E-temen-an-ki (VI 63).56 Interessanterweise wird niemals das Lexem ālu („Stadt“) in Verbindung mit Babylon verwendet.57 Stattdessen wird die Stadt als bītu („Haus“ V 122), bītātu („Häuser“ V 129), šubtu („Sitz“ V 122, VI 64) oder parakku („Kultsockel, Heiligtum“ VI 51, 53 und 58) bezeichnet. Als Ort der Götterversammlung soll Babylon ebenfalls theopolitisches Zentrum werden, was die Zeilen V 125–128 implizit aussagen. Zugleich soll Babylon aber auch als (temporäre) Ruhestätte der Götter im Rahmen der Versammlungen dienen (IBID). Damit ist Babylon wie bereits Eas Apsû mit dem Motiv des Zur-Ruhe-Kommens verbunden (siehe §§ 3.4.7. und 4.1.5.), wobei dieses nun auf die gesamte Götterwelt ausgeweitet wird. Der anschließende, leider nur bruchstückhaft erhaltene Dialog zwischen Marduk und den Göttern befördert nach der aktuellen Rekonstruktion (siehe § 3.14.4.) zwei Punkte in den Blickpunkt des Textes, die mit Marduks Kompetenz als Schöpfer und seiner Rolle als zāninu, aber auch mit Babylon als Ort der Ruhe verbunden sind. In den Versen V 133–136 stellen die versammelten Götter die (rhetorische) Frage, wer außer Marduk seine Werke hervorbringen kann. Als nächstes soll eine unbekannte Gruppe (Plural maskulinum), wobei es sich vermutlich um Götter handelt,58 die Sprecher mit täglichen Opfern (sattukku V 139) versorgen, woran vermutlich auch Vers V 141 anknüpft, in dem die Arbeit (šipru) thematisiert wird. Die Frage der Versorgung ist mit dem Phänomen der Arbeit und damit wieder mit der Frage nach Ruhe und Erholung verknüpft. Hier kommt die geplante Qualität Babylons als Ruhestätte wieder ins Spiel, die eine Befreiung von der Arbeit bedingt, da die Götter erst dann wirklich zur Ruhe kommen können.59 54 Hier greift er somit das Motiv einer Götterwohnung auf, das erstmalig durch Ea in den Text eingeführt wird und sich durch den parallelen Aufbau an die Schöpfung anschließt (siehe § 4.1.). 55 Das Lexem wird in Vers VI 52 am Ende des Rings wieder aufgegriffen. 56 Zu der Gleichsetzung von Stadt und Tempel siehe auch ZGOLL 2012a, S. 26. 57 Es findet sich in der Tat nur einmal im gesamten Text bei der Umschreibung des Namens Mār-Utuk-am als „Vertrauen des Landes, der Stadt und seiner Menschen“ (VI 135), wo es als Ausdruck der Gesamtheit der menschlichen Welt genutzt wird. 58 Menschen werden im Lied auf Marduk stets im femininen Plural wiedergegen. Besonders deutlich wird dies in der ersten Verleihung des Namens Asalluḫi an Marduk (VI 101–120). 59 Dieses Ergebnis steht damit gegen die These von Géza Komoróczy, dass soziale Ungleichheit und damit auch ein Götterstreik im enūma eliš durchaus auch ein Thema seien (1973, S. 32). Anders jedoch als in den von Komoróczy angeführten älteren Texten wird diese Spannung im Lied auf Marduk entschärft, bevor sie überhaupt destabilisierendes Potential entwickeln kann.

202

Kapitel 4: Die Komposition des enūma eliš

Die fünfte Tafel endet mit einer weiteren Verbeugung vor Marduk und einer Bestätigung seiner Götterherrschaft, an deren Ende sich die Götter an Marduk wenden, dass „er Pläne/Zeichnungen machen soll“ (līpuš eṣrē[ti…] V 157). Damit ist die Auftragslage für Marduk definiert, der seine Schöpfungskompetenz einbringen soll, um die Frage der Versorgung zu lösen. Dazu passt der Beginn der sechsten Tafel, wonach Marduk „genialische Dinge“ (niklātu VI 2) erschaffen will. Damit meint er zum einen die Anthropogenese (VI 5–8), um die Götter von der Arbeit zu befreien, aber auch die damit verbundene Neuordnung der Götterwelt (VI 9f.), die durch das Prädikat lunakkil („ich will genialisch hervorbringen“ VI 9) durch die gemeinsame Wurzel √nkl ebenfalls mit niklātu verbunden ist. Am Ende der Parallelstruktur findet sich die Erbauung von Babylon, die von den Göttern ausgeführt wird (VI 59–66). Damit stellen die Idee und die Ausführung des Baus von Babylon den ersten, den äußersten Ring dar. Durch den Dialog zwischen den Göttern und Marduk am Ende der Tafel V wird die Erbauung Babylons mit der Frage nach der Verfasstheit der Götterwelt verbunden. Dieser Herausforderung widmet sich Marduk zwischen der Entwicklung der Idee Babylon und seiner Umsetzung, was den inneren Teil der Ringstruktur ausmacht (siehe folgende Unterkapitel). Die Verbindung zwischen dem Plan von Babylon und der Götterrede wird in besonderer Weise auf der lexematischen Ebene deutlich. So bietet Marduk den Göttern Babylon zur „Nacht(ruhe)“ (nubattu, V 126, 128) an.60 Dieses Lexem wird von den Göttern in Vers V 138 wieder aufgegriffen. Ein Echo auf Marduks Erhöhung stellen ebenfalls die Verse V 151–154 dar, die sich durch das Verb šukênu („sich verbeugen“) auf die Zeile V 85 und durch die Formulierungen der Verse V 153f. auf die Zeilen V 109f.61 rückbeziehen. Zugleich verbindet sich das Ende der fünften Tafel auch mit der Erbauung Babylons, was alleine schon an der Benutzung des Toponyms festgemacht werden kann, welches lediglich viermal verwendet wird. Drei Belegstellen finden sich innerhalb des äußeren Rings (inkl. Einschub) (V 129, 137 und VI 57).62 Die Rekurrenz des Substantivs nubattu in Vers VI 52 und die damit verbundene Frage der Ruhe (√pšḫ)63 lenken den Blick auf die Funktion Babylons, die ein weiterer Schlüssel zum Verständnis der Ringkomposition darstellt. So ist die Frage der Ruhe eng verbunden mit der Frage der Befreiung von Mühsal und damit vom Versorgungsdienst für andere Götter, wie es auch in der Redeeinleitung 60

Andrew George verweist auf CAD N2 2008, S. 308, wonach nubattu die Nacht vor der Götterversammlung beschreibt (1992, S. 256). 61 V 109f.: pānama [Ma]rduk māru naramni, inanna šarrakun qibītsu qalā „Früher war Marduk der Sohn, unser Liebling, jetzt (aber) ist er euer König. Achtet seinen Befehl!“ V 153f.: pānama bēlum māru [naramni], inanna šarrani it-[…] „Früher war der Herr, der Sohn, [unser Liebling], jetzt (aber) ist er unser König […].“ 62 Die verbleibende Belegstelle ist Vers VI 72 gleich im Anschluss an die Errichtung von Babylon, wo eine Götterversammlung stattfindet. Bei der Belegstelle V 137 handelt es sich um eine Ergänzung ausgehend vom assyrisierten Textzeugen E Nin, auf dem alleinig der Stadtname erhalten ist und der – als assyrisierte Version – dort die Stadt Assur schreibt (K ÄMMERER, METZLER 2012, S. 243f.; LAMBERT 2013, S. 104f.). 63 Die Wurzel findet sich innerhalb der zweiten Ringstruktur im ersten Ring (VI 52, 54), zweiten Ring (VI 8) und im Kern (VI 12, 26), worin sich die Bedeutung für die gesamte Struktur zeigt.

4.2. Kompositorische Merkmale innerhalb der Parallelstruktur

203

Eas deutlich wird, da er sich „wegen der Ruhe/Befriedung der Götter“ (aššu tapšuḫti ša ilānī VI 12) äußert und anschließend einen Plan zur Menschenschöpfung erläutert. Da es sich beim ersten Ring um den äußersten Ring handelt, beschreibt er thematisch den Anfang und das Ende der gesamten Ringstruktur und damit auch den Ausgangspunkt und den Endpunkt derselben. Da beide dasselbe Thema umfassen (Babylon), markieren sie das Ziel der Passage, auf was sie hinarbeitet: die Errichtung von Babylon. Dadurch kommt der Stadt aufgrund der Textstruktur und der teleologischen Logik der Passage eine besondere Bedeutung zu. Sie findet sich sowohl im Hinblick auf die Ringstruktur als auch im Hinblick auf die größere Parallelstruktur am Ende und fungiert damit als textteilimmanente Klimax. Gleiches gilt aber auch für die gesamte Schöpfung, da diese erst mit der Errichtung Babylons abgeschlossen ist, womit diese anders als in der biblischen Überlieferung nicht im Menschen, sondern in Babylon kulminiert (siehe auch HUROWITZ 1992, S. 94; ZGOLL 2012a, S. 25). Dieser Endpunkt der Schöpfung wird in der demiurgischen Weltschöpfung Marduks durch die verschiedenen kultischen Allusionen bereits angedeutet und dadurch bereits vorbereitet (siehe § 3.12.9.). Neben der Stellung im Text – am Ende der Parallel- und der zweiten Ringstruktur – wird die herausragende Bedeutung Babylons auch durch die kosmozentrische Lage wiedergegeben (siehe § 7.6.2.). Schließlich steckt in seinem Namen ein Versprechen, das die Stadt zusätzlich mit Marduks Herrschaft verknüpft (siehe §§ 5.2.2. und 6.3.2.). Tabelle 15: Bezüge zwischen Anfang und Ende des 1. Rings Thema, Lexem/Wurzel Ruhe  nubattu („Nachtruhe“)  √pšḫ (bspw. pašāḫu = „ruhen“) Wohnung  šubtu („Wohnsitz“)  bītu („Haus“)  parakku („Kultsockel“)  kummu („Cella“) Name „Babylon“  Babylon

Anfang des Rings

Ende des Rings

 V 126, 128, 138

 VI 52  VI 52, 54

 V 122  V 122, 129

 VI 64

 V 124

 VI 51, 53, 58  VI 52

 V 129, 13764

 VI 57

4.2.2.2. 2. Ring: Menschenschöpfung und Götterordnung (VI 1–10 und VI 33–44) Der zweite Ring beginnt mit der sechsten Tafel, wo Marduk zwei weitere Vorhaben äußert. Zunächst will er den Menschen erschaffen, um die Götter von der Arbeit zu befreien (VI 5–8). Dabei macht er schon Angaben zu dem Material, aus dem er den

64 Dieser Teil Verses ist nur auf dem assyrisierten Textzeugen E Nin erhalten, der dort die Stadt „[Assu]r“ schreibt (KÄMMERER, METZLER 2012, S. 243 Anm. 3; LAMBERT 2013, S. 104f.). Aufgrund dieses Befundes kann der Stadtname Babylon ergänzt werden.

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Kapitel 4: Die Komposition des enūma eliš

Menschen erschaffen will (dāmī lukṣur, „ich will Blut zusammenfügen“ VI 5),65 was damit bereits Teil seines Plans ist. Zum anderen will er den „Wandel der Götter“ (alkakāt ilānī VI 9)66 ändern, indem er sie in zwei gleiche Gruppen aufteilt (VI 10).67 An dieser Stelle wird die strenge Ringstruktur ein weiteres Mal aufgebrochen, denn in derselben Reihenfolge, wie Marduk seine Idee äußert, setzt er sie später auch um. Im zweiten Teil des Rings lässt er zuerst den Menschen erschaffen (VI 33f.) und ordnet erst danach die Götterwelt neu (VI 39–44). Die Verbindung zwischen Menschenschöpfung und Götterordnung lässt sich auch lexematisch greifen, wobei die Wurzel √nkl eine besondere Rolle spielt. Sie fungiert innerhalb des enūma eliš als Anzeiger, um wirklich herausragende Schöpfung zu markieren (siehe auch METZLER 2002b, S. 403; SERI 2012, S. 12 Anm. 14). Dabei kann das Substantiv nikiltu für das genialisch Hervorgebrachte, das Werk (VI 2), stehen, aber auch ein Ausdruck für die genialische Schaffenskraft sein (VI 38). Das Verb nakālu wiederum drückt den Akt aus, etwas genialisch hervorzubringen. Die Wurzel ist mit einer Ausnahme68 immer mit Marduk verbunden und findet sich insbesondere innerhalb des zweiten Rings.69 So äußert Marduk anfänglich die Idee, „Genialisches“ (niklātu VI 2) hervorzubringen, womit er den Menschen meint. Die Wurzel √nkl wird in Vers VI 9 durch das Prädikat lunakkil („ich will genialisch hervorbringen“) wieder aufgegriffen und dort mit der Neuordnung der Götterwelt verbunden. In Zeile VI 38 schließlich wird die Menschenschöpfung als Resultat von Marduks niklātu („genialische Schöpferkraft“) bezeichnet. Zusammengenommen werden somit sowohl die Anthropogenese als auch die Umgestaltung der Götterordnung durch die Wurzel √nkl beschrieben, was beide miteinander verbindet und zugleich Marduks besondere Qualitäten unterstreicht. Bei den Versen VI 35–38 handelt es sich um eine in dieser Form exzeptionelle Erläuterung der Menschenschöpfung – und damit um einen redaktionellen Einschub der Autoren, wonach die

65 Zur Funktion der Wurzel √kṣr als Schöpfungslexem siehe bspw. WORTHINGTON 2012, S. 205 Anm. 677. 66 Für das Lexem alkatu siehe auch § 5.2.6. 67 Durch die Neuordnung wird eine mögliche vorherige hierarchisch-vertikale Ordnung durch eine räumlich-vertikale Ordnung substituiert (BOTTÉRO 1985, S. 140). Auch jetzt gibt es zwei Göttergruppen, jedoch unterscheiden sie sich nicht durch Zwang zur oder Befreiung von der Arbeit (siehe auch BOTTÉRO, KRAMER 1989, S. 667), sondern durch die Zugehörigkeit zum Himmel oder zur Erde. 68 Der einzige andere Gott, der auch über √nkl (bspw. nakālu = „genialisch hervorbringen“) verfügt, ist Ea. Die Erschaffung seiner Beschwörung, mit der er Apsû einschläfert, wird mit dem Verb nakālu („genialisch hervorbringen“ I 62) ausgedrückt. Dass aber Marduk über Ea steht, wird besonders in der Menschenschöpfung deutlich, die zwar Ea durchführt, die aber Marduks niklātu („genialische Schaffenskraft“) zugeschrieben wird (VI 38). 69 Das Substantiv nikiltu („Genialisches“) wird im narrativen Teil des enūma eliš ein weiteres Mal verwendet, als nämlich Marduk die tote Tiāmtu mustert und eine Idee entwickelt, aus ihr die Welt zu erschaffen. In den 50 Namen taucht es zwei weitere Male auf (VII 112, 116), wo es ebenfalls für die Weltschöpfung steht.

4.2. Kompositorische Merkmale innerhalb der Parallelstruktur

205

Durchführung zwar durch Ea erfolgte, die tatsächliche Verantwortung für diese Tat jedoch bei Marduk liegt, was mit seinen niklātu begründet wird.70 Der zweite Ring kann ebenfalls auf der lexematischen Ebene identifiziert werden. So finden sich die Substantive amēlu („Mensch“) und amēlūtu („Menschheit“) am Anfang (VI 6f.) und am Ende (VI 33, 35), wobei es sich insgesamt um die einzigen Verwendungen innerhalb des narrativen Teils des enūma eliš handelt. Die Aufteilung der Götterwelt und die damit verbundene Verleihung von Anteilen an der Versorgung werden insbesondere anhand des Verbs zâzu („teilen“) deutlich, welches sich in der Ringstruktur nur in den Versen VI 10, 39 und 46 wiederfindet und somit einen geschlossenen Bogen spannt.71 Dabei verknüpft der Text durch zâzu („teilen“) die räumliche Aufteilung der Götter (VI 39) mit der Zuteilung ihrer Anteile an der Versorgung (isqātsunu VI 46), welche beide durch das Verb im DStamm wiedergegeben werden. Zusätzlich lässt sich der zweite Ring an dem Lexem dullu („Arbeit“ VI 8, 34, 36), dem ungewöhnlichen Plural alkakātu (~„Götterordnung“)72 (VI 9, 43) und der Wurzel √nkl festmachen (zu letzterem, siehe oben). In der Gesamtstruktur der Ringkomposition nimmt die Menschenschöpfung bei teleologischer Betrachtung nur eine mittelbare Funktion ein. Sie dient der Lösung des Problems der göttlichen Arbeit, d.i. dass es in einer Welt, in der nur Götter leben, auch eine Gruppe Götter geben muss, die arbeitet, da Götter (wie die Menschen) Versorgung, d.i. Ernährung, brauchen. Durch die Menschenschöpfung wird eine Klasse von Lebewesen geschaffen, die hierarchisch unterhalb der Götter angesiedelt ist und als ‚Arbeiterklasse’ im weiteren Sinne fungiert. Somit ist die Menschenschöpfung einem größeren Zweck untergeordnet, nämlich die Befreiung aller Götter von der Arbeit. Zugleich ist aber auch die Existenz der Menschen innerhalb der Gesamtschöpfung zweckmäßig eingebunden, da ihnen eine besondere Funktion – die Versorgung der Götter – zukommt. Damit ist zugleich auch ein interdependentes Verhältnis zwischen den Göttern und den Menschen definiert,73 da die Götter auf ihre Versorgung und damit auf die verlässliche Arbeit der Menschen angewiesen sind.74 Dadurch kommt den Menschen eine elementare Stabilisierungsfunktion 70

Indem Marduk Ea Ratschläge erteilt, wird das traditionelle Verhältnis in den Ea-Asalluḫi-Beschwörungen umgekehrt, worauf an dieser Stelle möglicherweise angespielt wird (SERI 2012, S. 17). 71 Die Aufteilung der Götter in die Götter des Himmels und der Erde korrespondiert mit der Teilung der Tiāmtu in Himmel und Erde, die ebenfalls durch das Verb zâzu ausgedrückt wird (IV 136). 72 Zur Bedeutung des Lexems alkatu siehe § 5.2.6. 73 Die Interdependenz zwischen und Menschen und Göttern zeigt sich außerhalb des enūma eliš v.a. in der Sintfluterzählung. Während der Flut werden die Götter nicht mehr versorgt werden und sind dadurch geschwächt, wenn nicht sogar in ihrer Existenz bedroht. 74 An dieser Stelle kommt dem König eine besondere Funktion zu, da er die menschliche Instanz ist, die für die regelmäßige Versorgung, d.i. für die Einhaltung des Kultes Sorge trägt (siehe bspw. CANCIK-KIRSCHBAUM 2007, S. 168). Dafür werden er und das Land mit dem Wohlwollen der Götter belohnt, was sich in der Garantie stabiler, friedlicher Verhältnisse für das Land niederschlägt und der Garantie der Dauerhaftigkeit der Herrschaft des jeweiligen Königs. Diese besondere Rolle des menschlichen Königs wird im Epilog (VII 149f.) angedeutet (siehe § 2.2.3.4.), findet sich aber ansonsten nicht explizit im Text. Andererseits dient Marduk als Vorbild für den menschlichen König, so dass in seiner Herrschaft ein Idealbild menschlichen Königtums gezeichnet wird (siehe § 7.6.).

206

Kapitel 4: Die Komposition des enūma eliš

im Kosmos zu, so dass die Anthropogenese auch einen Selbstzweck beinhaltet, nämlich die Existenz der Menschen. Tabelle 16: Bezüge zwischen Anfang und Ende des 2. Rings Thema, Lexem/Wurzel Genialische Schöpfung  √nkl (bspw. nakālu = „genialisch hervorbringen“) Menschheit  lullû („(Ur-)Mensch“)  amēlu („Mensch“)  amēlūtu („Menschheit“) Arbeit für die Götter  dullu („Arbeit, Mühe“) Neue Götterordnung  zâzu („teilen“)  alkakātu (~„Götterordnung“)

Anfang des Rings

Ende des Rings

 VI 2, 9

 VI 38

 VI 6, 7  VI 6, 7

 VI 33, 35

 VI 8

 VI 34, 36

 VI 10  VI 9

 VI 34, 36  VI 43

4.2.2.3. Der Kern: Strafe, Gnade und Recht (VI 11–32) Aufbau Der Kern der Ringstruktur beginnt damit, dass Ea Marduk einen Rat75 erteilt, wie die Idee, den Menschen aus Blut zu schaffen und die Götter dadurch von der Arbeit zu befreien, umgesetzt werden kann. Hierfür bedarf es eines Gottes (VI 13), der untergehen muss, damit die Menschheit aus seinem Blut als Grundstoff entstehen kann (VI 14). Um diesen Gott zu bestimmen, bedarf es einer Versammlung der Großen Götter, die diese Person benennt (VI 15). Als Auswahlkriterium dieser Gestalt führt Ea erstmalig die Dimension der „Schuld“ (arnu) ein, wobei er die konkrete Natur der Verfehlung offen lässt (VI 16a). Zugleich „sollen“ die Großen Götter „dauerhaft sein“ (liktūnū, VI 16b), womit die Garantie für die Versammelten verbunden ist, dass ihnen nichts widerfährt und sie als Instanz dauerhaft bestätigt sein mögen.76 VI 13 VI 14

linnadnamma ištēn aḫūšun šū liʾʾabitma nišū lippatqā

VI 15 VI 16

lipḫurūnimma ilānū rabûtu ša anni linnadinma šunu liktūnū

75

„Der eine, ihr Bruder, soll übergeben werden und er, ja er, soll ganz und gar vernichtet werden und die Leute (= Menschen) geformt werden. Die Großen Götter sollen sich versammeln und der Schuldige77 soll übergeben werden und sie, ja sie, sollen dauerhaft sein/werden.“

Dabei verwendet der Text das Lexem ṭēmu („Plan, Ratschlag“), welches im Rahmen des Atramḫasīs-Mythos eine essentielle Rolle spielt. So wird der Gott geschlachtet, der über ṭēmu (hier in etwa: „Verstand, Planungsfähigkeit“) verfügt (siehe bspw. WILCKE 1999a, S. 78f.). Durch den eṭemmu („Totengeist“) des getöteten Gottes geht das phonetisch enthaltene ṭēmu ebenfalls auf die Menschen über. Das Lied auf Marduk spielt durch die Wahl des gerade im Umfeld der Menschenschöpfung aufgeladenen Lexems ṭēmu vermutlich auf diese mythische Narration an. 76 Für die Varianten der Verse VI 13–16 siehe § 3.14.6. 77 Da das Lexem arnu/annu sowohl Schuld als auch Strafe ausdrückt, kann man die Stelle womöglich auch als „derjenige der Strafe“, d.i. „der zu Bestrafende“, übersetzen. Da Marduk in seiner Rede die konkrete Natur der Verfehlung benennt, ist zumindest die Dimension des Schuldigen vom

4.2. Kompositorische Merkmale innerhalb der Parallelstruktur

207

In dieser kurzen Rede entwickelt Ea den Ablauf der folgenden Zeilen, wobei die äußeren Verse das Vorhaben benennen, nämlich die Auslieferung eines Gottes, der schuldig ist. Vers VI 14 bezeichnet das Ziel des Unterfangens (die Menschenschöpfung) und Vers VI 15 den Weg der Umsetzung des Vorhabens (durch eine Götterversammlung).78 Dieser Anleitung folgt Marduk im Folgenden, indem er eine Versammlung der Großen Götter einsetzt (Durchführung von Vers VI 15), an die er sich explizit als König wendet.79 Seine Handlung wird durch das Adverb ṭābiš („gnädig“)80 zu Anfang von Vers VI 18 charakterisiert, wodurch ein Gegenpol zu den maßlosen Plänen von Apsû und Tiāmtu (Stichwort: Theozid) aufgebaut wird (siehe unten und § 7.3.). Somit liegt in seiner Aufforderung an die Götter auch ein Versprechen, das er am Ende seiner Rede anführt und welches an das Ende von Eas Rede anknüpft, jedoch noch darüber hinausgeht, nämlich die Verschonung von Strafe. VI 21 VI 22

lū kīnamma maḫrû nimbûkun81 kīnāti atammâ82 inimmâ83 ittija

VI 23 VI 24

mannumma ša ibnû tuquntu84 Tiāmtu85 ušabalkituma86 ikṣuru87 tāḫāzu88 linnadnamma ša ibnû tuquntu89

VI 25

„Eure erste Nennung soll wahr sein. Sagt mir (immer wieder), (sagt mir) ein festes Wort: Wer (ist es), der Kampf erschaffen hat, Tiāmtu angestachelt hat und Kampf zusammengefügt hat? Er soll (gegeben=) ausgeliefert werden, der Streit erschaffen hat!

Text her gesichert. Andererseits ist durchaus auch eine Polysemie anzunehmen, da arnu im Folgenden primär als „Strafe“ verwendet wird (VI 26, 32). Auf die doppelte Dimension von Schuld und Strafe und die Anlehnungen an die Instanz des Sündenbocks wird im Folgenden näher eingegangen. 78 Kramer und Maier schreiben die Zuteilung der Schuld Ea zu (1989, S. 144), doch erfolgt diese im Text erst durch die spätere Rede der Götter (VI 29f.), so dass die Götterversammlung und nicht Ea als Richter fungieren. 79 Das Verb wâru (D-Stamm: „anordnen“) und das Substantiv têrtu („Anweisung“) (beide √wʾr, VI 18), das ehrfürchtige Zuhören der Götter (VI 19) sowie seine Bezeichnung als šarru (VI 20) unterstreichen Marduks königliche Rolle an dieser Stelle. In diesem Kontext fällt die besondere Länge der vierzeiligen Redeeinleitung auf, wodurch zum einen der anschließenden Rede besonderes Gewicht gegeben, zum anderen der Modus von Marduks Äußerung als königliche Anweisung unterstrichen wird. 80 Neben der Verwendung in Zeile II 60, wodurch eine Rede Eas – vermutlich im Sinne von „freundlich“ – beschrieben wird, findet sich das Adverb nur noch in der Rede der Tiāmtu, in der sie Apsû zu einem gütigen Umgang mit den lärmenden Göttern aufruft (I 46). Nachdem Tiāmtu sich von ihrer ursprünglichen mütterlichen Milde abgewandt hat, findet sie sich nun in königlichem Gewand im Text bei Marduk wieder, der somit als gütiger Herrscher stilisiert wird (siehe §§ 7.3. und 7.5.3.). Der als wankelmütig offenbarten Muttergestalt Tiāmtu steht damit mit Marduk ein wahrhaft ‚mütterlich‘-gütiger König gegenüber. 81 bKiš: nibbakun. 82 jMet: atmâ. bKiš: tatammâ. 83 bKiš: inimmaʾā. 84 BAss: tuqunti. bKiš: tuqutti. 85 bKiš: u Tiāmtu. 86 jMet und BAss: ušbalkituma. 87 AAss: ikṣurru. 88 bKiš: tāhāzi. 89 BAss: tuquntam?. LHuz: t]uqu[mtu]. bKiš: tuqutti.

208 VI 26

Kapitel 4: Die Komposition des enūma eliš arnuššu90 lušaššâ91 pašāḫiš tišbā92

Durch seine Strafe will ich (sie)93 tragen lassen; zum Ruhen setzt euch nieder!

Die Rede Marduks beginnt mit einem Appell, dass die Götter ihm gegenüber wahrhaftig sein sollen (VI 21f.).94 Anschließend verlangt er von ihnen den Namen des schuldigen Gottes, wobei er die Art der Schuld erstmalig konkretisiert. Sie liegt demnach in der Anstachelung der Tiāmtu, wodurch es zum zweiten Konflikt gekommen ist. Dass es sich um eine weitere Konkretisierung von arnu („Schuld, Sünde; Strafe“) handelt, verdeutlicht die Rekurrenz des Prekativs linnadnamma („er soll gegeben werden“, VI 25) aus der Rede Eas (VI 13, 16).95 Das Lexem arnu findet sich auch wiederum in Zeile VI 26, mittels der er den Göttern eine doppelte Botschaft vermittelt. Der Schuldige wird bestraft werden, den anderen wird jedoch Ruhe (√pšḫ) versprochen. Durch die Wurzel √pšḫ (bspw. pašāḫu = „ruhen“) drückt Marduk vermutlich zwei Versprechen aus. Zum einen werden die Großen Götter von Bestrafung verschont, zum anderen sollen die arbeitenden Götter durch die Menschenschöpfung befreit werden, so dass sie endlich Ruhe finden können (siehe auch § 3.14.4.). Somit rahmen Appell (VI 21f.) und Versprechen (VI 26) die Aufforderung an die Götter, einen schuldigen Gott zu benennen, wodurch die Wichtigkeit und Dringlichkeit von Marduks Anliegen betont wird. An dieser Stelle verwundert aber nun, dass die Großen Götter von einem Verbrechen freigesprochen werden und von der Arbeit befreit werden. Eine Lösung bietet die Extension96 des Begriffs „Große Götter“. So umfasst er zum einen Tiāmtu-Götter, denn diese haben sich der Anstachelung Tiāmtus schuldig gemacht (I 110–124). Andererseits umfasst er aber auch Anšar-Götter, denn wie die Bitte um die TiāmtuGötter als Arbeiterklasse verdeutlicht (siehe § 3.14.4.), liegt die Last der Arbeit zu 90 Wilfred Lambert geht hier von einem Nominativ statt von einem Lokativ-adverbialis aus (2013, S. 38), wobei semantisch beides jedoch möglich ist. Aus diesem Grunde wird hier dem Wortlaut des akkadischen Textes gefolgt. 91 jMet: luštaššâ. 92 BAssund bKiš: ti[šbā]. 93 Das Objekt des Prekativs lušaššâ („ich will tragen lassen“) fehlt. Da Marduk den Großen Göttern Ruhe verspricht, könnte der Kontext die Arbeit für die Götterversorgung sein, von der die Götter von Marduk befreit werden. Die Menschheit, die aus Kingu erschaffen wird, wird in Zukunft diese Arbeit übernehmen, so dass möglicherweise hier von ihr gesprochen wird. Nach dieser Deutung fasst der Vers VI 26 die gesamte Zweck-Mittel-Relation des 2. Rings und des Kerns zusammen: Kingu soll seine Strafe erhalten (arnuššu „durch seine Strafe) – dadurch wird der Mensch erschaffen, der die Last der Arbeit tragen wird (lušaššâ „ich will tragen lassen“) – dadurch werden die Götter von der Arbeit befreit (pašāḫiš tišbā „zum Ruhen setzt euch nieder“). 94 Anders liest an dieser Stelle bspw. Wilfred Lambert: „Your former oath was true indeed.” (2013, S. 111). Die Deutung hängt davon ab, ob man die Partikel lū aus Vers VI 21 affirmativ (wie Lambert) oder prekativisch (wie bspw. auch DIETRICH 2008, S. 59:21) liest. Da prekativische Aussagen in der Rede Marduks dominieren, und wegen der semantischen und lexikalischen (√kūn in lū kīnamma und in kīnāti jeweils am Zeilenkopf) Parallelität der Verse VI 21f. scheint die zweite Lesart die wahrscheinlichere zu sein. 95 Somit handelt es sich entgegen KRAMER, MAIER 1989, S. 144 nicht um eine schlichte Umsetzung des von Ea geäußerten Plans (VI 13–16), da Marduk durch die Definition von dem, was Schuld ist, über die rein formale Angabe Eas (ša anni „des Schuldigen“ VI 16) hinausgeht. 96 Dieser (sprach)philosophische Ausdruck fasst alle Dinge zusammen, die von einem Begriff bezeichnet werden. Zur Bezeichnungsbeziehung siehe § 1.3.2.3.

4.2. Kompositorische Merkmale innerhalb der Parallelstruktur

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diesem Zeitpunkt vermutlich auf den Schultern der Anšar-Götter. So macht Marduk beiden Seiten ein Versprechen. Die Tiāmtu-Götter werden von ihrer Schuld befreit, die Anšar-Götter von der Arbeit. Da den Tiāmtu-Göttern zudem die Übertragung der Arbeitslast drohte, werden diese zudem mittelbar dieser Mühe entledigt. In diesem doppelt befreienden Sinne sind die Verse VI 16 und 26b vermutlich zu lesen (siehe auch LAMBERT 2013, S. 455f.). Die Redeeinleitung der anschließenden Antwort der Großen Götter umfasst einen Dreiklang, der Marduks königliche Stellung widerspiegelt. Er wird als Lugal-dimmer-an-kia(k) („König der Götter des Himmels und der Erde“), malik ilānī („König der Götter“) und bēlašun („ihr Herr“) bezeichnet (VI 28).97 In ihrer wörtlichen Rede benennen die Großen Götter Kingu als den Schuldigen, indem sie die Verse VI 23f. aus Marduks Anweisung wiederholen und lediglich das Fragepronomen mannu-ma („wer?“) durch den Namen dKingu-ma98 (Kingu) ersetzen (VI 29f.). Direkt im Anschluss an die Nennung Kingus wird dieser vor Ea geführt, ihm seine Strafe (arnu) auferlegt (emēdu) und er geschächtet (VI 31f.). Mit dieser Tat endet der Kern der Ringstruktur. Die enge lexematische Verknüpfung innerhalb des Kerns ist durch die zahlreichen Rekurrenzen bereits deutlich geworden. Die drei aufeinanderfolgenden Reden von Ea, Marduk und den Großen Göttern, greifen jeweils auf die vorhergehende zurück. So verwendet Marduk (VI 25) wie Ea (VI 13) das identische Prädikat linnadnamma (d.i. jeweils mit Ventiv und enklitischem -ma)99 sowie das Substantiv arnu (VI 16 bzw. VI 26). Die Großen Götter zitieren Marduks Zeilen VI 23f. wortwörtlich und tauschen nur das Fragepronomen gegen Kingus Namen (VI 29f.). Das Lexem arnu, von Ea als Diskursgegenstand eingeführt, leitet auch den letzten Vers des Kerns der Ringstruktur ein (VI 32). Die doppelte Bedeutung von dāmu als „Blut“ und „Blutgefäß“ verknüpft die Bestrafung Kingus (Schächtung) mit der Anforderung des Blutes als Grundstoff für die Menschenschöpfung (VI 5 bzw. 33) und damit mit dem zweiten Ring der Ringstruktur. Somit hat der Kern der gesamten Passage einen doppelten Zielpunkt: 1. die Bestrafung des Schuldigen (VI 32a) und 2. die Lieferung des Rohstoffs der Anthropogenese (VI 32b). Durch den zweiten Zielpunkt ist der Kern mit dem äußeren Ring teleologisch verbunden, so dass er auch ein Mittel zum Zweck der Menschenschöpfung darstellt (siehe § 4.2.2.4.).

97 Dabei operiert der Text mit stets abnehmender Silbenzahl, wobei die Gruppe der Beherrschten immer knapper ausgedrückt wird: Lugal-dimmer-an-kia(k) = „König der Götter des Himmels und der Erde“, malik ilānī = „König der Götter“, bēlašun = „ihr Herr (=König)“. 98 Somit wird sowohl das Fragepronomen als auch der Name mit einem enklitischen -ma geschrieben, wodurch die Verse VI 23f. und 29f. in der Tat bis auf die Ersetzung des Fragepronomens identisch sind. 99 Fast identisch ist das Prädikat linnadinma (d.i. ohne Ventiv, aber mit enklitischem -ma) in Vers VI 16.

210

Kapitel 4: Die Komposition des enūma eliš

Tabelle 17: Semantische Dichte des Kerns (ohne Teleologie) Thema, Lexem/Wurzel Schuld und Bestrafung  arnu („Schuld, Strafe“)  nadānu („geben“)  abātu („vernichten“)  emēdu („auferlegen“) Gnade  ṭābiš („gütig“)  kânu („dauerhaft sein/werden“)

Belegstellen  VI 16, 26, 32  VI 13, 25  VI 14  VI 32  VI 18  VI 16

Kingu als Sündenbock Der Bestrafungsakt stellt jedoch auch einen Zweck an sich dar. Dies lässt sich insbesondere an dem Lexem arnu festmachen, das hier dreimal auftaucht.100 In diesem Lexem ist sowohl die Dimension der Schuld als auch der Strafe wiedergegeben, wobei letzteres mit dem Aspekt der Gnade (explizit festzumachen an dem Adverb ṭābiš (VI 18)) einen Gegenpol beziehungsweise ein komplementäres Gegenstück erhält. Die Schuld wird dabei in der Auslösung der existentiellen Bedrohung festgemacht – und nicht beispielsweise in der unrechtmäßigen Anmaßung von Königsherrschaft oder der ṭuppi šīmāti.101 Diese Schuld tragen nach Ausweis des Textes jedoch alle Tiāmtu-Götter gemeinsam, da ein nicht näher spezifiziertes Götterkollektiv Tiāmtu dazu aufruft, ihren Gatten zu rächen und die Aufstörung durch die Winde zu bekämpfen (I 111–124).102 Kingu wird erst später erhöht (I 147–158) und tritt erst durch diese Erhöhung aus der Gruppe der Tiāmtu-Götter hervor. Demnach spielte er gemäß den expliziten Aussagen des Textes bei der Auslösung des zweiten Konflikts keine herausgehobene Rolle (siehe auch LAMBERT 2013, S. 453). Eine andere Position vertritt Dina Katz, die Kingu als Initiator des zweiten Konflikts sieht, wobei sie hierfür jedoch leider keine weiteren Argumente anführt (2011, S. 131). Möglicherweise lassen sich durch die narratologische Figur des Perspektivenwechsels (siehe bspw. UTZSCHNEIDER, NITSCHE 2008, S. 170–173) Gründe für eine Verantwortung Kingus finden. Auf der Ebene des allwissenden Erzählers ist klar, dass Kingu nicht der (alleinige) Auslöser des zweiten Konflikts ist. Nimmt man jedoch an, dass Marduk mit seiner Frage auch Anšar-Götter adressiert, so ergibt sich aus ihrem Blickwinkel eine eindeutige Antwort für die Schuldfrage, denn Kingu ist in ihren Augen der herausragende und damit verantwortliche Vertreter der Tiāmtu-Götter. Somit variiert die Antwort auf die Frage nach der Schuld 100

Jenseits dieser Kernpassage der Ringstruktur findet sich das Lexem lediglich bei der Beschreibung der Mondphasen (V 7) und im Epilog in der Beschreibung Marduks, dem keine Verfehlung entgehe (VII 156). 101 Dies ist insofern spannend als die bisher im Text (durch die Formel lā simātīšu „das für ihn Unangemessene“) benannten Verfehlungen Kingus den Besitz der Anuschaft und der ṭuppi šīmāti umfassen (IV 82, 121). Die Tafel wurde ihm mittlerweile weggenommen und an Anu weitergegeben, so dass zumindest diese Fehlallokation korrigiert wurde. Nach dieser Lesart würde man daher möglicherweise noch eine Bestrafung für die Usurpation erwarten, doch geschieht dies nicht. 102 Die Anstachelung der Tiāmtu wird in der Schilderung auf der ersten Tafel zwar nicht als arnu bezeichnet, wohl aber als lemuttu („Böses“, I 111), so dass hier die Verfehlung wertend explizit gemacht wird.

4.2. Kompositorische Merkmale innerhalb der Parallelstruktur

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je nach eingenommener Perspektive. Bewegt man sich auf der Ebene des Erzählers, so sind alle Details des Textes bekannt. Die Figuren innerhalb der Erzählung verfügen jedoch nur über einen begrenzten epistemischen Zugang, so dass sie den Ursprung des zweiten Konflikts nicht mit erlebt haben und nur Kingu an der Spitze von Tiāmtus Truppen sehen. Doch selbst in objektiver Perspektive kann der tatsächliche historische Verlauf zweitrangig sein, da Kingu mit seinem Königtum die Verantwortung für die Handlungen des Kollektivs der Tiāmtu-Götter übernommen hat. Zudem wurde Kingu von Tiāmtu in „das für ihn Unangemessene“ (lā simātīšu) gesetzt – die Herrschaft über die Götter (IV 82) – wodurch er zusätzlich auch negativ exponiert wurde und sich somit als zu bestrafende Gestalt aufdrängt. Und dennoch verbleibt der Umstand, dass der konkrete, gegen ihn vorgebrachte Vorwurf, (als Einziger) Tiāmtu angestachelt zu haben, auf der Ebene des allwissenden Erzählers (und damit des Lesers) nicht haltbar ist (siehe auch BOTTÉRO 1985, S. 139 Anm. 21). Somit liegt an sich eine kollektive Verantwortung der Tiāmtu-Götter für den Vernichtungsplan der Urmutter vor, so dass im Kern der Ringstruktur die Frage kollektiver Schuld verhandelt wird. Diese Schuld betrifft auch die versammelten und adressierten Großen Götter, da die Auslieferungsanweisung mit dem Versprechen verbunden ist, dass die anderen dauerhaft sein (VI 16) beziehungsweise ihre Ruhe finden sollen (VI 26). Eine Lösung liegt in einer möglicherweise bereits vollzogenen Wiedervereinigung der Tiāmtu- und Anšar-Götter, wobei sich auch die Großen Götter aus Mitgliedern beider Gruppen zusammensetzen und diese repräsentieren. Durch ihre Repräsentanzfunktion tragen die Großen Götter Marduk gegenüber somit auch die Verantwortung für die Taten der Gruppe der Tiāmtu-Götter, so dass Marduk ihnen Verschonung und Befreiung von der Arbeit versprechen kann. Interessanterweise überträgt sich die hier thematisierte Erörterung von Verantwortung und Schuld durch die Wiedervereinigung auch auf die Anšar-Götter, da alle Großen Götter gemeinsam angesprochen und gleich behandelt werden.103 Dabei wird die Bestrafung auf „einen (einzelnen)“ (ištēn, VI 13) Gott begrenzt, so dass hier sowohl eine Ausweitung (von Tiāmtu-Göttern auf alle Götter) als auch eine Engführung (von allen Göttern über die Großen Götter auf Kingu) von Verantwortung und Schuld vollzogen wird. Betrachtet man letztere Operation separat, erinnert vieles an die Institution des Sündenbocks (so auch PETTINATO 1971, S. 45). Die Großen Götter verantworten die Taten aller Götter und benennen einen von ihnen (d.i. Kingu),104 der die gemeinsame Schuld auf sich nimmt und für das Vergehen aller bestraft wird. Durch den Tod des Sündenbocks, wird auch die Schuld der anderen vernichtet, sie sind von ihrer 103 An dieser Stelle drängt sich die Frage auf, ob hier nicht auch die Verursachung der Konflikte durch den Lärm der Götter (I 21–24) als Mitschuld angesehen wird und es daher so wichtig ist, dass diese nun ruhen sollen (VI 26), so dass der Lärm ein Ende findet. Diese Hypothese wird von der Lexik des Textes jedoch leider nicht weiter unterstützt, da sich keine eindeutigen Bezüge zur Auslösung des ersten Konflikts finden lassen. 104 Dass Kingu vermutlich in diese Göttergruppe gehört, macht der Ausdruck aḫūšun („ihr Bruder“) deutlich, den Ea als Beschreibung des Schuldigen im Verhältnis zu den Großen Göttern verwendet (VI 13).

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Kapitel 4: Die Komposition des enūma eliš

Verfehlung befreit. Während in der Bibel mit dem Sündenbock auch die Schuld an sich physisch vernichtet wird,105 verbleibt im Lied auf Marduk durch Kingus Blut im Menschen die Schuld in der Welt. Somit zeichnet sich die SündenbockKonstruktion im enūma eliš dadurch aus, dass ein einzelner einer Gruppe für die Verfehlungen der gesamten Gruppe haftbar gemacht und bestraft wird. Dadurch vereinigen sich hier die Dimensionen von Strafe und Gnade. Während die Strafe nur einen einzelnen trifft, bleibt die Gruppe an sich verschont.106 Marduk erteilt den Tiāmtu-Göttern eine vollständige Amnestie (JACOBSEN 1976, S. 186; HOROWITZ 2010a, S. 34). Dagegen erfolgt die Ermordung Apsûs durch einen Einzelgott, Ea.107 Tiāmtu aber will eine Gruppe für die Tat dieses einzelnen Gottes kollektiv haftbar machen und bestrafen, was das genaue Gegenstück zu Marduks Vorgehen ist.108 Die Sündenbock-Konstruktion im Lied auf Marduk fungiert somit als umkehrende Spiegelung dieser Kollektivstrafe.109 Und doch findet sich auch hier keine unbeschränkte Gnade, denn die Auslösung des Konflikts muss gesühnt werden. Der Unterschied liegt im Umfang der eingesetzten Gewalt. Während Tiāmtu einen begrenzten Konflikt (v.a. Bestrafung des Königsmörders) durch die geplante kollektive Bestrafung gewalttechnisch entgrenzt, reduziert Marduk den Konflikt zwischen zwei Göttergruppen auf eine individuelle Schuld und damit auf eine punktuelle Einsetzung von Gewalt. Die Verfehlung (arnu) erhält dadurch auch ihre Bestrafung (ebenfalls: arnu), so dass der Schuld auch die Strafe folgt, und somit einer gewissen ‚Gerechtigkeit‘110 genüge 105 Vergleichbares findet sich im Alten Orient auch auf der rituellen Ebene wie beispielsweise in der utukkī lemnūti-Serie, wo eine kranke Person ihr Unheil auf eine Ziege überträgt, deren Fell später vergraben wird (ZATELLI 1998, S. 259). In den Ritualen der šurpu-Serie wird der neue Träger der Verfehlung (ein Gegenstand) in der Regel verbrannt (FARBER 1995, S. 1899). In vergleichbarer Art und Weise funktioniert das „Besprechen“ (manû) im Rahmen von Traumritualen (siehe § 3.4.7. Anm. 65 sowie ZGOLL 2006b, S. 387–391). 106 Ein vergleichbarer Lösungsansatz findet sich auch in einem altbabylonischen Staatsvertrag zwischen den Städten Nērebtum und Šadlaš, wonach bei einem Kapitalverbrechen einer Gruppe ein Individuum die zugeordnete Todesstrafe auf sich nimmt, die anderen aber mit Kompensationszahlungen davonkommen (DIETRICH 2010, S. 97). 107 Und auch der zweite Auslöser des zweiten Konflikts, Marduk, der die Winde wirbeln lässt, ist eine Einzelgestalt. 108 Tiāmtu hat eine doppelte Motivation für ihr Handeln, denn sie will neben der Rache auch endlich für Ruhe sorgen, indem sie die Störenfriede vernichtet. Da aber beide Punkte gemeinsam verhandelt werden, richtet sich auch die Rache gegen alle Anšar-Götter und niemals spezifisch gegen Ea. 109 Vielleicht übernimmt Marduk durch seine gnädige Haltung seinen neuen Untergebenen gegenüber auch ein wenig die ehemalige Mutterrolle Tiāmtus, die sich in ihrer Klage Apsû gegenüber noch zeigt (I 45f.). Während sie aber ihre Milde eintauscht gegen Vernichtungswille, ist es Marduk schließlich, der gütig (ṭâbiš VI 18) handelt, womit er die von Tiāmtu eingeforderte Güte (ṭâbiš I 46) liefert. 110 Das Wort ‚Gerechtigkeit‘ soll hier durch Anführungsstriche abgeschwächt werden, weil das akkadische Substantiv (mīšaru) im gesamten Lied auf Marduk nicht zu finden ist. Die zugrundeliegende Wurzel √jšr (bspw. ešēru = „gerade sein/werden“) wird hingegen insgesamt 10-mal verwendet, womit das Konzept des Geradeseins dennoch im Werk angelegt ist. Zur genaueren Bedeutung von mīšarum und der Wurzel √jšr siehe MAUL 1999b, S. 202f. und insbesondere LÄMMERHIRT 2010, S. 337–364.

4.2. Kompositorische Merkmale innerhalb der Parallelstruktur

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getan wird. Demnach wird hier an Kingu ein Exempel statuiert, um zu zeigen, dass Verfehlungen nicht ungesühnt bleiben, um weiteren Übertritten vorzubeugen. Denkt man in diese Richtung weiter, so ist die Menschheit als Resultat der Tötung Kingus ein ewiges Mahnmal, das die Götter an die tödliche Konsequenz von Verfehlungen erinnert und zugleich an die Gnade, die ihnen vom Götterherrscher erteilt wurde.111 Kingu und die Menschheit Durch die Hinrichtung Kingus und die damit verbundene Menschenschöpfung wurden die Götter in zweifacher Hinsicht von Marduk befreit. Die Tiāmtu-Götter wurden der Schuld und die Anšar-Götter der Arbeit entledigt. Während Schuld und Strafe Kingu auferlegt wurden, erhielten die Menschen die Last der Arbeit. Diese doppelte Gnade wird auch im Übergang zwischen dem Kern und dem zweiten Ring durch die akkadische Lexik wiedergegeben: VI 32 VI 33 VI 34

annam īmedūšuma dāmēšu iptarʾū112 ina dāmēšu ibnâ113 amēlūtu114 īmid dulli ilānīma ilānī umtaššir

Sie legten ihm die Schuld/Strafe auf, und dann schnitten sie seine Blut(gefäße) auf. Aus seinem Blut erschuf er115 die Menschheit. Er legte (ihnen) die Arbeit der/für die Götter auf und dann befreite er die Götter.

An dieser Passage fällt auf, dass sowohl die Übertragung von Schuld/Strafe auf Kingu als auch der Arbeit auf die Menschen durch das Verb emēdu ausgedrückt wird, wobei direktes Objekt und Prädikat am Anfang der Verse VI 32 und 34 (in chiastischer Stellung) stehen.116 Der Zielpunkt findet sich am Ende von Zeile VI 34 in der Befreiung der Götter. Ausgedrückt wird die Handlung durch das Verb (w)uššuru, welches unter anderem auch für die Entbindung von Arbeit verwendet wird (CAD U/W 2010, S. 316). Andererseits findet es sich aber auch im Zusammenhang mit der Befreiung von Strafe (IBID, S. 322), so dass in der Phrase ilānī umtaššir durchaus auch diese zweite Dimension (d.i. Begnadigung) mitschwingen kann. Somit werden die Götter durch die Bestrafung Kingus und die Menschenschöpfung in zweifacher Hinsicht (d.i. von Strafe und von Arbeit) befreit. Diese doppelte Dimension findet sich auch in den zwei Aspekten der Hinrichtung Kingus (siehe auch oben). Erstens wird mit Kingu ein Sündenbock bestraft, wodurch die Last der Schuld von den Tiāmtu-Göttern genommen wird. Zweitens wird so der Rohstoff für die Menschenschöpfung gewonnen, wodurch die Anšar-Götter der Last der Arbeit entledigt werden. Die Befreiung der Götter funktioniert so, dass die Lasten auf KinSemantisch argumentieren Kramer und Maier, die einen Zusammenhang zwischen Schuld und Strafe sehen, durch welchen Gerechtigkeit hergestellt wird. Dieser Gedanke äußere sich in Eas Rede (VI 12) (1989, S. 144). 111 An dieser Stelle zeigt sich eine Parallele zum Atramḫasīs-Mythos, wonach der Herzschlag der Menschen an die geschlachtete Gottheit und damit an den Aufruhr der göttlichen Arbeiterklasse erinnern soll (WILCKE 1999a, S. 80–82). 112 cUruk: iptarʾamma („er schnitt auf“). 113 ENin: ibn]û. jMet: ibnû. 114 MHuz und ENin: amēlūta. cUruk: amēlūtum. 115 Nach ENin und jMet: „erschufen sie“. 116 Zudem fällt auf, dass beide Phrasen mit einem enklitischen -ma abschließen.

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Kapitel 4: Die Komposition des enūma eliš

gu und die Menschen übertragen werden, was eine Erklärung für die Rekurrenzen der Verse VI 32 und 34 liefert. Ein zweiter Grund für die Wiederaufnahme speziell des Verbs emēdu könnte in einer Verbindung zwischen Kingu und den Menschen liegen, denn die Menschheit ist aus dem Blut Kingus erschaffen, so dass sie eine gemeinsame materielle Basis besitzen. Dies wirft die Frage auf, ob damit nicht auch die Schuld Kingus auf die Menschen übergegangen ist, wie man es beispielsweise aus dem alttestamentlichen Kontext (3. Mose 16) kennt. Dies nimmt auch Giovanni Pettinato an, der den Menschen parallel zu Kingu als Sündenbock für die Verfehlungen der Tiāmtu-Götter versteht und auf dieser Basis ein negatives Menschenbild im Text vermutet (1971, S. 45). In die gleiche Richtung denkt Wolfram von Soden, der durch das Blut Kingus dessen Sündenhaftigkeit auf den Menschen übergehen sieht (1979, S. 12). Auch Hans-Peter Müller vermutet in der Schlachtung eine Art Sühnetransfer der Verfehlungen der Tiāmtu-Götter auf die Menschen (1989, S. 73). Schließlich glaubt Rainer Albertz, dass durch Kingus Blut dessen „aufrührerisches Wesen“ auf den Menschen transferiert werde, so dass dieser zu Aufständen gegen die Götter neigen würde (1993, S. 106). Gegen eine Übertragung von Schuld/Strafe durch das Blut argumentiert Manfried Dietrich (2002a, S. 297), der ein anderes moralisches Selbstkonzept der altorientalischen Menschen annimmt. Demnach sei vielmehr der Transfer göttlicher Weisheit durch göttliches Blut auf den Menschen im Zuge der Anthropogenese als primär anzusehen (1991, S. 60f.).117 Die Menschen erhielten zudem von dem Gott die Fähigkeit der „Autogeneration“, d.i. der Fortpflanzung (IBID, S. 72). Parallel seien zudem die Position Kingus als Helfer der Urmutter und nun der Menschen als Helfer der Götter zu lesen (IBID, S. 61; 2008, S. 60). In seiner Argumentation bezieht sich Manfried Dietrich auch auf die Babyloniaká von Berossos, die er als Kommentartext zum Lied auf Marduk versteht (1991, S. 60f.). Hans-Peter Müller andererseits sieht in den Babyloniaká ein anderes Menschenschöpfungskonzept angelegt, da sich hier der Gott Belos selbst tötet – anders als im enūma eliš, wo Kingu von den siegreichen Göttern geschlachtet wird (1989, S. 69). Eine kritische Haltung zur Schuldhaftigkeit der Menschen vertritt auch Hans Martin Kümmel, der hier eine ungeprüfte Übernahme des Menschenbildes aus der sogenannten Babylonischen Theodizee annimmt (1973, S. 31). Herman Vanstiphout lehnt ebenfalls eine Art Ursünde der Menschheit ab. Vielmehr gehe es um die Einbindung des Menschen in die göttliche Ordnung über die materielle Teilhabe (1992, S. 55f.). Claus Wilcke schließlich stellt fest, dass die Natur des Menschen in diesem Text schlicht nicht von Interesse sei (2010, S. 22). Zumindest an der Textoberfläche ist Claus Wilcke zuzustimmen, denn eine Übertragung der Schuld wird nicht direkt erwähnt. Durch die zweifache Verwendung des Verbs emēdu sowohl für das Auferlegen der Schuld/Strafe (VI 32) als auch der Arbeit (VI 34) könnte ein solcher Gedanke jedoch angedeutet sein. Der Schuld folgte so möglicherweise die Arbeit, die damit auch eine Form der Strafe für die Menschen wäre, die in einer Art menschlicher ‚Urschuld‘ (qua Blut) begründet läge. 117 Damit bezieht er sich vermutlich auf die Anthropogenese im Atramḫasīs-Mythos, in dem genau dieser Transfer im Vordergrund steht (siehe bspw. WILCKE 1999a, S. 78f.).

4.2. Kompositorische Merkmale innerhalb der Parallelstruktur

215

In diesem Kontext ist auch die mögliche Bedeutung des Namens Kingu von Belang. So verweist Claus Wilcke auf eine mögliche Herleitung des Namens von dem sumerischen Ausdruck kíĝ („Arbeit“) (1999a, S. 79).118 Da Namen wahre Aussagen über den Namensträger sind (siehe § 5.3.2.), wäre bei dieser Etymologie der Aspekt der Arbeit bereits in Kingu angelegt und würde dann über das Blut auf die Menschen übertragen. Nach dieser dritten Lesart ginge aber nicht notwendigerweise die Schuld auf die Menschen über, sondern nur die Arbeit, die zum Wesen des Gottes Kingu gehörte. Dass die Menschen arbeiten müssen, wäre dann ontologisch und nicht moralisch begründet. Da die Großen Götter vermutlich eine vereinigte Gruppe sowohl aus Anšar- als auch aus Tiāmtu-Göttern darstellen und ihre jeweilige Last auf Kingu und die Menschen übertragen wird, liegt es jedoch im Sinne einer Spiegelung nahe, eine wie auch immer geartete Verbindung zwischen Kingu und den Menschen, den Empfängern dieser Übertragung, anzunehmen. Zusammenfassend lässt sich der Transfer von Strafe und Arbeit in dreierlei Hinsicht interpretieren: 1. Die Schuld der Tiāmtu-Götter geht auf Kingu über, die Arbeit der Anšar-Götter auf die Menschen. Beides wird durch das Verb emēdu ausgedrückt, ist aber nicht weiter verbunden. 2. Die auf Kingu übertragene Schuld der Tiāmtu-Götter geht mit dessen Blut auf die Menschen über. Zugleich erhalten sie die Last der Arbeit von den AnšarGöttern, die nun als Strafe für die Schuld fungiert und somit moralisch begründet ist. 3. Mit Kingus Blut geht die Arbeit, die zu seinem Wesen gehört (Kingu abgeleitet von kíg), auf die Menschen über. Die Arbeitsbelastung der Menschen ist ontologisch begründet. Rechtssetzung und Stabilität Das Zusammenspiel von Begnadigung der Tiāmtu-Götter und der Hinrichtung Kingus unterstreicht Marduks absolute Macht über Leben und Tod und damit auch die von ihm ausgehende potenzielle Bedrohung. Diese richtet sich aber anders als bei Tiāmtu nicht maßlos und undifferenziert gegen alle, sondern unterscheidet zwischen Schuldigen und Nichtschuldigen und begrenzt sich dadurch selbst. Die Grenze wird durch die Moral und eine Auflage aus seiner ersten Erhöhung bestimmt, in dessen Rahmen sich Marduks Gewaltanwendung gegen die Untertanen bewegt (siehe §§ 6.3.2. und 7.3.). Aber nicht nur inhaltlich wird Marduks Macht über Leben und Tod limitiert, sondern auch prozedural. Er lässt die Versammlung der Großen Götter den Schuldigen benennen (VI 29f.), die diesem dann auch die Schuld/Strafe auferlegen und seine Hinrichtung durchführen (VI 32). Marduks Handlung besteht in der Einsetzung der Versammlung (VI 17), der Aufforderung, den Schuldigen zu benennen (VI 21–25), und in der Konkretisierung der Verfehlung (VI 23–25). In 118 Alternative Herleitungen führen Thorkild Jacobsen, der den Namen potentiell auch von ki-engi („Sumer“) abgeleitet sieht (1984, S. 16 Anm. 4), und Manfred Krebernik, der eine mögliche Beziehung zu kíĝ-gal („Anführer“) erwähnt (2002a, S. 297), an. Siehe auch § 1.3.3.2.

216

Kapitel 4: Die Komposition des enūma eliš

diesen drei Aktionen tritt Marduk in drei unterschiedlichen Rollen auf, die sich durch Termini des Rechts beschreiben lassen: 1. Marduk setzt die Gerichtsversammlung (d.i. die Jurisdiktion) ein.  Er handelt als Verfassungsgeber. 2. Er bringt den konkreten Fall vor, der verhandelt werden soll.  Er handelt als Ankläger. 3. Er definiert, was eine Verfehlung ist (hier: Anstiftung zum Mord).  Er erlässt Recht, d.h. er tritt als Gesetzgeber auf.119 In diesen drei Handlungen manifestiert sich Marduks Verhältnis zur Institution des Rechts und damit eine spezifische Seite seiner Funktion als König (šarru, VI 20). Durch den ersten Akt überträgt er die Kompetenz der Rechtsprechung auf die Versammlung der Großen Götter, womit die Jurisdiktion als eine vom König getrennte Instanz etabliert wird. Dann bringt er einen konkreten Fall zur Lösung vor, wobei er als Ankläger auftritt und somit modern-strafrechtlich gesehen als Staatsanwalt operiert. Da Marduk die Rechtsprechung abgetreten hat, kann er hier als Kläger auftreten und zugleich eine unabhängige Rechtsprechung garantieren. Schließlich hat Marduk in seiner Rede an die Götter das von Ea aufgebrachte Abstraktum arnu („Schuld“) konkretisiert, indem er das Aufwiegeln der Urmutter unter der Rubrik arnu subsumiert. Somit liegt ein Großteil der Kompetenzen im Rechtsprozess auf Marduks Seite, doch die entscheidenden Punkte, Rechtsfindung und Strafvollzug, legt er in die Hände der Versammlung der Großen Götter. In diesen Ausführungen schwingt zugleich eine weitere Dimension mit, denn der Rechtsprozess gegen Kingu ist der erste dieser Art, wodurch das Recht als formalisierte Institution Einzug in die Welt des enūma eliš erhält.120 Durch die Implementierung des Rechts werden geordnete Regeln und Verfahren eingeführt, die dauerhafte Stabilität garantieren (sollen).121 Mit der Rechtsetzung verzichtet Marduk zugleich auf beliebige Gewaltanwendung, so dass die Feinde nicht einfach alle erschlagen werden, sondern nur ein Verantwortlicher benannt und diesem seine (gerechte) Strafe auferlegt wird. Dabei obliegen nicht ihm die Feststellung der konkreten Schuld und auch nicht die Durchführung der Strafe, sondern der Versammlung der Großen Götter. Da dieser möglicherweise auch Tiāmtu-Götter angehören, werden diese in den Prozess mit eingebunden, so dass es sich mit dem Schuldspruch gegen Kingu nicht um Siegerjustiz, sondern um ein gemeinsames Urteil von Anšar-

119

Während Herman Vanstiphout die Verurteilung Kingus ebenfalls als Rechtsspruch interpretiert, sieht er Marduks Rolle als Richter (1992, S. 56). Nach den neuen Untersuchungen ist dies vermutlich zu korrigieren, da der Rechtsspruch durch die Götterversammlung erfolgt. 120 Dieses Recht ist als institutionalisiertes und explizites Recht von anderen – impliziten – Rechtsformen zu trennen. Der Aufstieg Marduks ist mit der Einhaltung eines nicht-genannten Vertragsrechts (siehe § 7.3.) und seine Abstammung mit einem vorausgesetzten Erbrecht (siehe § 7.1.2.) verbunden. 121 Die Bedeutung des Rechts als Paradigma des Weltverständnisses hat Claus Wilcke speziell für das 3. und 2. vorchristliche Jahrtausend herausgearbeitet, wonach auch die Deutung von Vorzeichen und die Abwendung von Unheil und damit die Kausalität der Welt in Kategorien des Rechts verstanden wurden (2007a, 2007b).

4.2. Kompositorische Merkmale innerhalb der Parallelstruktur

217

und Tiāmtu-Göttern handelt. Dadurch tragen sie gemeinsam die Verantwortung für Kingus Tod, so dass keine Seite Motive für eine weitere Rache hat. Daher handelt es sich bei Kingus Verurteilung und Hinrichtung um einen direkten Gegenentwurf zu Tiāmtus Suche nach Rache. Die Rache verhält sich konträr zum Recht, zum einen weil es eine vorrechtliche Kategorie ist, zum anderen weil die Bestrafung im Rahmen des Rechts eine echte Beendigung eines Streits ermöglicht. Im emphatischen Sinne bedeutet ein Rechtsspruch, dass Gerechtigkeit wiederhergestellt ist, so dass keine Notwendigkeit für weitere Strafaktionen vorliegt. Anders verhält es sich im Falle der Rache, die in generationenlangen Blutfehden gipfeln kann, da in jedem Racheakt der Same für einen neuen, gegenläufigen Racheakt liegt (ähnlich: FIEGER 2011, S. 68). Durch die Rechtsetzung entzieht Marduk dem Handlungsverlauf somit mögliche weitere dynamisch-zerstörerische Potenz (siehe § 7.3.6.). Verstärkt wird dieses Momentum durch die Verbindung der Rechtsetzung mit dem doppelten Gnadenakt der Befreiung der Großen Götter von Schuld und Arbeit. Damit beugt Marduk möglichen weiteren, gegen ihn gerichteten Spannungen vor. Stattdessen geht er mit den besiegten Göttern (repräsentiert durch die Großen Götter) einen Bund ein, indem er ihnen ermöglicht, die gemeinsame Schuld auf Kingu abzuwälzen und sie im Gegenzug von weiteren Konsequenzen befreit. Zusätzlich entlastet er die Anšar-Götter von der Arbeit und entzieht hier einem weiteren möglichen destabilisierenden Potential seine Potenz. Einen Abschluss findet dieser Bund in der Bestätigung seiner Königsherrschaft im Rahmen der Götterversammlung in Babylon, als die Großen Götter auf ihn einen Treueeid schwören (VI 95–98), was aber bereits jenseits von Parallel- und Ringstruktur angesiedelt ist (siehe § 4.4.1.3.). 4.2.2.4. Zusammenfassung Die zweite Ringstruktur innerhalb der Parallelstruktur vereinigt eine Vielzahl an Motiven in kunstvoller Weise. Durch den äußeren Ring wird das Gesamtziel der Passage markiert, d.i. die Erschaffung von Babylon. Dadurch sind der zweite Ring und der Kern diesem Ziel teleologisch untergeordnet und damit im Sinne dieser teleologischen Logik sekundär. Menschenschöpfung und Neuordnung der Götterwelt dienen der sozialen Befriedigung der Götter, die notwendig zu sein scheint, damit diese für Marduk die Stadt Babylon erbauen. Die Verurteilung und Hinrichtung Kingus als Schuldigen für den zweiten Konflikt dient der Gewinnung des Rohstoffs Blut für die Menschenschöpfung, die wiederum für die Erbauung Babylons erforderlich ist. Zusammenfassend ergibt sich demnach folgendes Mittel-Zweck-Schema (gemäß der Reihenfolge im Text):

218

Kapitel 4: Die Komposition des enūma eliš

Abbildung 6: Zweck-Mittel-Relation in der zweiten Ringstruktur Hinrichtung Kingus: Gewinnung des Rohmaterials für die Menschenschöpfung

Menschenschöpfung: Lösung des Problems der Götterarbeit, Befreiung von der Arbeit

Bau von Babylon: Marduks Wohnstatt und Sitz für die Götter

Mittel 2. Stufe (=Mittel für Mittel 1. Stufe)

Mittel 1. Stufe

Letzter Zweck

KERN

2. RING

1. RING

Hierdurch tritt die Erbauung Babylons auch teleologisch an das Ende der auktorialen Schöpfung Marduks. Da diese Schöpfung der demiurgischen Erschaffung der Welt folgt, stellt sie somit auch den End- und Zielpunkt der gesamten Weltschöpfung dar.122 In einer Ringstruktur sind sowohl der Endpunkt als auch das Zentrum wichtig. Im Kern wird das Recht als Institution etabliert und auch die Frage kollektiver Schuld durch die Bestrafung Kingus als einer Art Sündenbock geklärt, wodurch die Last der Schuld von den Tiāmtu-Göttern genommen wird. Damit stellt der Kern zugleich auch einen Zweck an sich dar und dient zugleich als Mittel zur Herstellung einer dauerhaften, weltumspannenden (globalen), friedlichen Ordnung (siehe auch § 7.3.6.). In diesem Sinne ist zwar auch die Menschenschöpfung mittelbar dem Ende der Ringkomposition untergeordnet, stellt zudem aber auch einen Baustein dar, um ebenfalls eine dauerhafte, friedliche Koexistenz der Götter zu garantieren, da einer möglichen Unzufriedenheit bis hin zum Aufstand der arbeitenden Götter vorgebeugt wird. Durch den Kern und den zweiten Ring kennt die Ringstruktur einen weiteren letzten Zweck neben der Errichtung Babylons, nämlich die Erschaffung eines Rahmens, der das Zusammenleben der Götter so regelt, dass potentielle Spannungen beseitigt werden (Last der Arbeit, Frage der Schuld) und zugleich ein Vehikel etabliert wird (das Recht), um mögliche zukünftige Spannungen in geordneten Bahnen zu klären und ihnen weiteres dynamische Potential (bspw. im Sinne der Blutfehde) zu nehmen.

4.3. Die 50+2 Namen (VI 121–VII 144) 4.3.1. Vorbemerkung Auch wenn die 50+2 Namen nicht direkt auf die Parallelstruktur folgen, so stellen sie dennoch eine klar definierbare Einheit dar, weshalb sie vor den Versen VI 70– 120 in den Blick genommen werden sollen, die zwischen die Parallelstruktur und

122

Für die Konzepte einer demiurgischen und einer auktorialen Schöpfung siehe § 3.14.11.

4.3. Die 50+2 Namen (VI 121–VII 144)

219

die Vergabe der 50+2 Namen treten (siehe § 4.4.). Für das Verständnis dieses Zwischenstücks ist zunächst eine Untersuchung der 50+2 Namen erforderlich. Wenn man von dem Epilog des Textes (VII 145–162) absieht, markiert die Verleihung der 50+2 Namen den Abschluss des Gesamttextes. An dieser Stelle soll sogleich vorweggenommen werden, dass die folgenden Ausführungen nur verschiedene Einzelaspekte herausgreifen werden. Wie die Beiträge von Jean Bottéro (1977), Andrea Seri (2006) und Wilfred Lambert (2013, S. 160–168) deutlich gemacht haben, würde eine erschöpfende Betrachtung ein eigenes Forschungsprojekt darstellen. Da sich die folgenden Ausführungen auf eine textimmanente Betrachtung beschränken, werden sie naturgemäß nur einen Teil des Bedeutungsspektrums der 50+2 Namen behandeln können.123 Dabei liegt der Fokus primär auf den strukturell-kompositorischen Merkmalen und damit auf der Einbettung der Namensgebung in die Gesamterzählung. Eine eingehende Auseinandersetzung mit der Natur der Namensgebung findet sich unter § 5.2. 4.3.2. Narrative Einbettung Nach der ersten Verleihung des Namens Asalluḫi an Marduk (siehe § 4.4.2.) wendet sich Anšar mit einer weiteren Aufforderung an die versammelten Großen Götter: VI 121 VI 122

i nimbêma ḫanšā124 šumēšu alkatuš lū šūpâtu125, 126 epšetuš lū mašlat127

„Lasst uns seine 50 Namen nennen! Glänzend hervorgebracht soll seine alkatu (~Handlungsmacht) sein, ebenso seine epšetu (~Handlungsmacht)!“128

In Vers VI 101 findet sich erstmalig im gesamten Werk der Ausdruck der „50 Namen“ (ḫanšā šumēšu), so dass sie an dieser Stelle als Diskursgegenstand eingeführt werden. Dabei bilden die beiden einleitenden Zeilen VI 121f. zusammen mit den beiden ausleitenden Versen VII 143f. eine Klammer um alle 50+2 Namen, wobei sie sich teilweise chiastisch aufeinander beziehen (siehe § 3.16.1.). Zusätzlich existiert noch eine Ringstruktur der Verse VII 143f. mit dem Anfang des Gesamtwerkes (I 1f.). In den Eingangszeilen wird die Beschreibung der Abwesenheit von Namen als Beschreibung der Abwesenheit der Namensträger verwendet, d.h. dass diese Dinge noch nicht existierten (siehe auch RADNER 2005, S. 15). 123 Benjamin R. Foster weist darauf hin, dass die altorientalische Interpretation im von Jean Bottéro (= BOTTÉRO 1977) untersuchten ṣâtu-Kommentar aus dem 1. Jahrtausend v. Chr. (siehe auch § 5.2.8. Anm. 209) nicht notwendigerweise die Auffassung der Verfasser des enūma eliš wiedergeben muss (2005, S. 437), was für das hier gewählte textimmanente Vorgehen spricht. 124 AAss und bKiš: haššā. 125 AAss: šūpâ. bKiš: šūpâm. jMet: šūpâti. 126 Der Auslaut /-u/ bzw. /-i/ ist an dieser Stelle als überhängender Vokal im Sinne eines eingefärbten Ventivs zu interpretieren. Alternativ zu den singularischen Schreibung findet sich auch eine pluralische Wiedergabe: alkātuš lū šūpâ epšētuš lū mašlā („Glänzend hervorgebracht sollen seine alkātu sein, ebenso sein epšētu!“ Textzeugen AAss und bKiš). 127 AAss: mašlā. 128 Zur Semantik der Lexeme alkatu und epšetu siehe § 5.2.6. In beiden Fällen handelt es sich um Nebenformen: alkatu ist eine Nebenform von alaktu, und epšetu ist eine Nebenform von epištu.

220

Kapitel 4: Die Komposition des enūma eliš

I1

enūma eliš lā nabû šamāmū129

I2

šapliš ammatum130 šuma131 lā zakrat132

Als oben die Himmel (noch) nicht benannt waren (und) unten das Feste mit Namen (noch) nicht genannt war,…

Himmel (šamāmū) und Erde (ammatum) entstehen erst im späteren Verlauf des Werkes im Rahmen von Marduks Weltschöpfung. Pointiert kann man diesen Umstand beschreiben: Ohne Name keine Existenz. Karen Radner formuliert den Zusammenhang zwischen Sein und Name etwas spezifischer im Sinne, dass Namensgebung zugleich auch „Konkretisierung – die genauere Bestimmung seiner [G.G.: des Benannten] Wesenhaftigkeit“ (2005, S. 15) bedeutet. Die ersten beiden Zeilen des Werkes weisen nun umfangreiche Rekurrenzen zu den letzten beiden Zeilen vor dem Epilog auf, wodurch der Ring konstruiert wird.133 VII 143

ina zik-ri134 ḫanšā135 ilānū rabûtu

VII 144

ḫanšā137 šumēšu138 imbû ušātirū139 alkatsu

Mit 50 Sprechakten/ durch den Ausspruch „50“ haben die (50)136 Großen Götter seine 50 Namen genannt und seine alkatu (~Handlungsmacht)140 übergroß gemacht.

Sowohl die Wurzel √zkr (lā zakrat I2, zik-ri VII 143), als auch das Substantiv šumu (šuma I2, šumēšu VII 144) und das Verb nabû (lā nabû I1, imbû VII 144) finden sich in beiden Doppelversen. Die chiastische Anordnung der Rekurrenzen141 deutet zudem auf eine bewusste Komposition der Autoren. Eine narrative Einbettung der 50+2 Namen wird auch an dem Umstand deutlich, dass die Verleihung der 50+2 Namen unterbrochen wird und sich am Ende der sechsten Tafel nach der Nennung der ersten neun Namen eine weitere narrative Passage findet. 129

Zu Varianten von Vers I 1 siehe § 3.1.2. KAss: abbatu. 131 cunb: šumu. 132 KAss: zakrū. 133 Ähnliches wurde von Annette Zgoll für das Gilgameš-Epos gezeigt, wo die Thematik der Mauer die jungbabylonische Version umschließt (2010). 134 Diese Schreibung findet sich auf allen Textzeugen (nur vollständig erhalten auf BNin), wodurch unklar ist, ob es sich hier um einen Plural oder einen Singular handelt. Wilfred Lambert liest das Substantiv – u.a. aufgrund intertextueller Beobachtungen – in der Einzahl, so dass er übersetzt: „With the word ‚Fifty‘ the great gods called his fifty names and assigned him an outstanding position” (2013, S. 133, 168). So man an dieser Stelle zikru nicht als Name, sondern als „Sprechen“ bzw. modern als „Sprechakt“ übersetzt, ist eine pluralische Lesart ebenso möglich (entgegen L AMBERT 2013, S. 168). Angesichts des Plurals in VII 144 und der chiastischen Wortstellung zwischen VII 143a und VII 144a ließen sich weitere Argumente für diese Lesung finden. 135 BNin: ḫanšān. 136 Durch die Mittelstellung des Zahlwortes ḫanšā im Vers kann es sich hier wiederum um ein Apokoinu handeln, falls die 50 sowohl von zik-ri als auch von ilānū rabûtu aufgegriffen wird. Die Anzahl von 50 Großen Götter ist im Werk explizit in Vers VI 80 genannt. 137 BNin: ḫanšān. 138 bunb: šumēma. 139 CNin: ušātir („er machte übergroß“). 140 Zur Semantik dieses Lexems siehe § 5.2.6. 141 I 1f.: √nbī – šumu – √zkr, VII 143f.: √zkr – šumu – √nbī. 130

4.3. Die 50+2 Namen (VI 121–VII 144)

VI 158 VI 159

3.ÀM šumēšu imbû Anšar dLaḫmu u d Laḫamu ana ilānī mārēšunu izzakrū nīnuma šulušā nittabi šumēšu

VI 160

kī nâšima attunu143 šumēšu144 zukrā145

VI 161 VI 162

iḫdûma146 ilānū išmû siqaršun ina Ubšu-ukkinakki147 uštaddinū šunu milkātsunu ša māru148 qarrādu mutēr149 gimillini nīnu ša zānini150 i nulli151 šumšu

VI 157

VI 163 VI 164 VI 165 VI 166

ūšibūma ina ukkinnīšunu152 inambû (Var.: ibannû bzw. uaddû)153 šīmāte154 ina mēsī nagbašunu155 uzakkirūni šumšu

221

Drei seiner Namen nannten (jeweils)142 Anšar, Laḫmu und Laḫamu, (dann) sagten sie zu den Göttern, ihren Söhnen: „Wir, ja wir, haben je drei seiner Namen genannt. Wie wir benennt (jetzt) ihr, ja ihr, seine Namen!“ Die Götter freuten sich und hörten ihren Befehl. In Ubšu-ukkinakku tauschten sie, ja sie, einander ihre Ratschläge aus: „Des Sohns, des Kriegers, unseres Rächers, des Versorgers Namen, wollen wir, ja wir, erhöhen!“ Sie setzten sich in ihrer Versammlung und benannten (Var.: erschufen bzw. bestimmten) die Festsprechungen. Mittels aller kultischen Riten/Rituale nannten sie seinen Namen:

Diese Passage erfüllt textstrukturell mehrere Funktionen. Als erstes greift sie die Handlung am Ende des Schwellenteils (siehe § 4.4.) wieder auf und leitet zur Verleihung der weiteren Namen über. Dabei expliziert sie, dass die ersten neun Namen nicht von allen Göttern verliehen werden, sondern von der Ur-Trias Anšar, Laḫmu und Laḫamu. Durch diese Abgrenzung auf der Ebene der Handlungsträger, den narrativen Einschub selbst sowie die physische Grenze zwischen sechster und siebter (Ton)Tafel werden die ersten neun Namen von den folgenden 41+2 Namen abgetrennt und dadurch hervorgehoben. Der Sonderstatus bestätigt sich dann auch in der Wiederaufnahme der bereits verliehenen drei Namen Marduks (Marduk, Lugaldimmer-an-kia(k) und Asalluḫi) und ihrer Variation. Somit steht an dieser Stelle die Dreizahl im besonderen Fokus, die in den drei Subjekten, den drei bereits verliehenen Namen und den drei Namen je Gottheit auftaucht – und insgesamt 3x3 (=neun) Namen ergibt.156 142 Dass Anšar, Laḫmu und Laḫamu jeweils drei Namen an Marduk geben, steht an dieser Stelle nicht, lässt sich aber durch den Vers VI 159 herleiten, wo der Distributiv expliziert wird (šulušā „je drei“). 143 bKiš: a]ttuni. 144 bKiš: šumūšu. 145 bKiš: zukku[rā]. 146 aunb: iḫdû. 147 aunb und gunb:2a: Ubšu-ukkinakka. 148 BAss: māri. 149 bKiš und gunb:2a: muterru. 150 BAss: ilima. 151 aunb und bKiš: nullû. 152 BAss: ukkinnuššunu, statt ina ukkinnašunu. 153 jMet: uaddû. BAss: ibannû. 154 AAss: šimā?šu. 155 aunb: nagabšunu. 156 Dabei geht das 3x3-Schema mit Blick auf die konkreten Namen nicht ganz auf, da die Marduk-Namen vier sind, die Lugal-dimmer-an-kia(k)- zwei und die Asalluḫi-Namen drei.

222

Kapitel 4: Die Komposition des enūma eliš

Interessanterweise verwenden die Götter in Vers VI 164 das Lexem šumu im Singular: i nulli šumšu („Lasst uns seinen Namen erhöhen!“). Dagegen sprachen zuvor Anšar, Laḫmu und Laḫamu im Plural von „seinen Namen“ (šumēšu, VI 160). Diese Diskrepanz lässt sich zum einen über das jeweilige Prädikat erklären. So geht es in Vers VI 160 um die Nennung der Namen Marduks (zukrā), wohingegen sein Name in Zeile VI 164 erhöht werden soll (i nulli), was man sich so vorstellen kann, dass sein ursprünglicher Name (Marduk) durch die neuen nicht verdrängt, sondern ergänzt und somit erhöht wird. Doch es findet sich noch eine weitere Verwendung von šumu (VI 166), wo das Substantiv mit dem Verb zakāru verbunden wird. Dies führt zum komplementären Erklärungsansatz, der mit den letzten beiden Zeilen vor dem Epilog zusammenhängt, weshalb diese noch einmal angeführt werden sollen: VII 143

ina zikrī/i ḫanšā ilānū rabûtu157

VII 144

ḫanšā šumēšu imbû ušātirū alkatsu

Mit 50 Sprechakten/ durch den Ausspruch „50“ haben die (50) Großen Götter seine 50 Namen genannt und seine alkatu (~Handlungsmacht)158 übergroß gemacht.

Je nach Interpretation des Anfangs von Vers VII 143 wird dort allgemein von 50 Sprechakten geredet oder aber von einem einzigen Ausspruch, „50“, der die Summe der verliehenen Namen darstellt. Die bisherigen Bearbeitungen dieser Zeilen sind an dieser Stelle uneinig.159 Schließt man sich der zweiten Deutung an, so fungiert die Zahl 50 zugleich als Name. Nimmt man nun wieder die verschiedenen Möglichkeiten der Keilschriftlichkeit in den Blick, so kann auch hier ein kunstvoller Umgang mit ihnen vorliegen. Nimmt man statt der syllabischen Schreibung die numerische, so steht dort 50, was aber mit dem lautwertlosen Gottesdeterminativ zu d50 wird und damit zur logographischen Schreibung Enlils (siehe auch § 1.3.2.3.). Insofern sind die 50 Namen am Ende nur einer, ohne dass dieser explizit ausgesprochen wäre, nämlich Enlil.160 Dieser pluralische Singular kann nun bereits in Vers VI 166 angelegt sein, so dass durch die Verleihung von 50 Namen zugleich auch ein einziger, der entscheidende Name, Enlil, verliehen wird (siehe auch § 6.3.5.).161

Zusätzlich wird die Frage aufgeworfen, warum diese Fokussierung auf die Zahl drei hier stattfindet. Eine mögliche Erklärung wäre ein Bezug zu der klassischen Trias An, Enlil und Ea und der textinternen Ur-Trias Anšar, Laḫmu und Laḫamu. Die Dreizahl spiegelt sich entsprechend auch in den drei Weltteilen Apsû, E-šara und šamāmū wider, die den Göttern Ea, Enlil und Anu zugeordnet sind (IV 145f.). 157 Zu Varianten zu den Versen VII 143f. siehe oben. 158 Zum Lexem siehe § 5.2.6. 159 Bspw. übersetzt Wilfred Lambert “with the word ‘Fifty’” (2013, S. 133), Stephanie Dalley “with fifty epithets” (2008, S. 273) und das Chicago Assyrian Dictionary “with the (last) Name, ‘Fifty,’” (Z 1998, S. 115). 160 Gestützt wird diese These durch den neuassyrischen Kommentartext K 4657 + 7038 + 9427 + 9911 + 10008 + 12102 16818 + Sm 747, der die Zahl 50 mit dem Namen Enlils gleicht (L AMBERT 2013, S. 134f.). 161 Dieser Name ist so wichtig, da es sich um den Namen des textextern traditionellen Götterkönigs handelt, der so implizit auf Marduk übergeht, so dass er Enlil außerhalb des Textes als Götterherrscher ablöst (ähnlich SERI 2006, S. 215).

4.3. Die 50+2 Namen (VI 121–VII 144)

223

4.3.3. Erzählschema und kompositorische Merkmale der Namensgebungen Die drei Urgötter treten bei der Verleihung der 50+2 Namen als erste in Aktion und liefern damit die Vorlage für die weiteren Namensgebungen.162 Dies wird in Vers VI 160 deutlich, in dem die Götter aufgefordert werden, kī nâšima („wie wir“) Marduks Namen zu nennen (siehe § 4.3.2.).163 Damit ähnelt dieses Modell der ersten Verleihung des Namens Asalluḫi, wo Anšar als Initiator auftritt und die Götter seinem Aufruf Folge leisten, sich vor Marduk niederzuwerfen und ihm dadurch den Namen Asalluḫi verleihen (siehe § 5.2.5.). Bei den neun Namen fordern Anšar, Laḫmu und Laḫamu nicht nur auf, sondern zeigen zugleich exemplarisch die Struktur der Namensgebung. So werden Variationen eines Namens (bspw. Asalluḫi, Asalluḫi Nam-tila(k), Asalluḫi Namru) gebündelt. Zugleich steht der verliehene Name jeweils am Anfang der ersten Zeile der Benennung,164 worauf eine kurze Ausführung als Ausdeutung des jeweiligen Namens folgt. In diesem interpretativen Teil der Namensgebung wird teils Bezug auf Taten Marduks genommen, die im narrativen Teil erzählt wurden, und zugleich werden neue Aspekte hinzugefügt. Dabei wird der keilschriftlich niedergeschriebene Name mit den Erläuterungen über die Ausdeutung der Keilschriftzeichen verbunden (siehe § 5.3.2.). Die Zusammensetzung aus Namensnennung und Ausdeutung ist auch aus einer dreikolumnigen Götterliste aus Ninive165 bekannt. Die literarische Abhängigkeit beider Texte ist zwar nicht eindeutig, doch weist die Liste eine große Parallele mit den Aufzählungen der Namen im enūma eliš auf.166 In textimmanenter Sicht fungieren die ersten neun 162

Auch die durch Anšar angeleitete Verleihung des Namens Asalluḫi an Marduk im Vorfeld der 50+2 Namen ist eine Teilvorlage. Doch entspricht hier die Form der Namensgebung noch nicht den späteren Verleihungen (siehe auch § 5.2.5.), so dass es sich hierbei vermutlich noch um eine Protoform handelt. 163 Es findet sich nur noch an zwei anderen Stellen im gesamten Werk die Präposition kī(ma) („wie“) zusammen mit einem selbständigen Personalpronomen. So fordert Marduk in Vers II 160, dass er kīma kattunu („wie ihr“) Festsprechungen vornehmen kann. Und in der Zeile VII 140 bekommt Marduk Eas eigenen Namen (kīma jâtima „wie ich“), womit er nicht nur namentlich, sondern auch funktional zu Ea wird, wie die folgenden Verse VII 141f. deutlich machen. Er verfügt nun über alle parṣū und têrētu Eas (siehe § 5.2.9.). 164 Eine Ausnahme von dieser Regel bildet der Name Zulumummu (VII 87f.). 165 Textvertreter A: K 7658 + 8222 (CT 25 46, 47); Textvertreter B: K 8519 (STC I 165); Textvertreter C: K 13337 + 18101 (STC I 166); Textvertreter D: K 6538 (LAMBERT 2013, Plate 38); Textvertreter E: K 1366 (CT 25 7); siehe LAMBERT 2013, S. 142. Der älteste Vertreter einer dreikolumnigen Götterliste ist vermutlich An : dAnum : ša amēli (IBID, S. 149). 166 Wilfred Lambert favorisiert die Theorie, dass die dreikolumnige Götterliste und das enūma eliš auf eine gemeinsame Quelle zurückgehen. Da die Erzählungen in den Namensausdeutungen von den Erzählungen des Lieds auf Marduk abweichen, geht er davon aus, dass die Namen schlicht einer Vorlage entnommen und in das Werk eingefügt wurden (2013, S. 166f.). Als eine solche Vorlage vermutet er eher ein anderes literarisches Werk anstatt einer Liste, da die Länge der Ausführungen und die Metrik der Verse eher für ersteres sprechen ( IBID, S. 159). Andrea Seri wiederum geht davon aus, dass An : dAnum und die dreispaltige Götterliste Textvorlagen sind, die kunstvoll umgestaltet und den Absichten des enūma eliš angepasst wurden (2006, S. 510, 515). Zum einen spricht die Kürze der Ausführungen in der dritten Spalte der Götterliste (siehe auch SERI 2006, S. 512–515; LAMBERT 2013, S. 143) eher dafür, dass sie älter als das Lied auf Marduk ist. Zum anderen zeigt die neuste Rekonstruktion von Wilfred Lambert, dass die Liste über den Namen Nēberu hinausgeht und somit vielleicht auch die letzten beiden Namen umfasst, die Marduk

224

Kapitel 4: Die Komposition des enūma eliš

Namen als Modell für die folgenden einundvierzig Namen, die Marduk auf der siebten Tafel verliehen werden und die strukturell den ersten neun Namen entsprechen. Die Verleihung der folgenden 41 Namen erfolgt durch die Gesamtheit der versammelten Großen Götter und beginnt mit dem Anfang der siebten Tafel und erstreckt sich bis einschließlich Vers VII 134. In Zeile VII 135 wird die Aufzählung durch den erklärenden Einschub aššu ašrī ibnâ iptiqa dannina („weil er die Orte (=Himmel)167 erschaffen und die Unterwelt (=Erde) geformt hat“) unterbrochen.168,169 Diese besondere Begründung für die Verleihung eines Namens ist einmalig innerhalb der 50+2 Namen. Die folgende Zeile nennt zwar Marduks 51. Namen am Anfang der Zeile, aber statt einer Ausdeutung wird der Namensgeber genannt, „Vater Enlil“ (abu Enlil, VII 136). Auch in vorherigen Benennungen gibt es einen Zusammenhang zwischen Marduks Taten oder Eigenschaften und dem konkreten verliehenen Namen (bspw. Lugal-dimmer-an-kia(k), VI 139–142 oder Ša(.g)zu, VII 35–40). Doch wird die Eigenschaft/Tat Marduks dort als Ausdeutung aus dem Namen abgeleitet und nicht wie hier als Begründung vorangestellt. Damit weicht die Konstruktion der 51. Namensgebung chiastisch von den bisherigen 50 ab. So gibt Vers VII 135 den Grund für Enlils Handeln wieder, was der Namensgebung vorangeschaltet ist. Dagegen stellen die anderen Namen (bspw. Lugal-dimmer-an-kia(k) und Ša(.g)-zu) eine Ableitung aus dem Namen her, die der Namensnennung nachgelagert ist. Und auch bei der letzten Benennung170 wird das bisherige Schema nicht weitergeführt. Hier wird ebenfalls die Motivation des Namensgebers vor die Verleihung des neuen Namens gestellt (VII 137f.). Wie beim Namen zuvor handelt nur ein Einzelgott, hier Ea, der seinen eigenen Namen an Marduk überträgt und in der wörtlichen Rede die Namensübertragung mit der Übertragung der Macht über seine eigenen Kultordnungen (parṣū) und Weisungen (têrētu) verbindet (VII 141f.).171 Somit unterscheiden sich die letzten beiden Namensgebungen allein schon von ihrer Erzählweise von den vorangehenden 50 Benennungen und zusätzlich vergeben hier zwei Götter ihre eigenen (Bei)Namen an einen anderen Gott, was so ebenfalls

im enūma eliš erhält (Bēl mātāti, Ea) (2013, S. 143). Dies könnte darauf deuten, dass die Liste vom Werk inspiriert wurde. Andererseits geht die Götterliste aber auch über diese Aufzählung hinaus und fügt Enlil-Namen (Bēl mātāti, aplu Aspî …) an (IBID, S. 144). Dieses Nebeneinander von Marduk- und Enlil-Namen ist theologisch sehr spannend und bedarf einer weiteren relativen chronologischen Einordnung gegenüber dem Lied auf Marduk. 167 Die Gleichungen ašru = šamû und danninu = erṣetu findet sich in einem ṣâtu-Kommentar zur siebten Tafel des enūma eliš (BOTTÉRO 1977, S. 13f.; HOROWITZ 1998, S. 129; siehe auch § 5.2.8. Anm. 209). 168 Zum Namen Bēl mātāti siehe § 5.2.8. 169 Zum besonderen Charakter dieses Verses siehe §§ 3.16.7.f. 170 Siehe hierzu § 5.2.9. 171 Diese Erläuterung verdeutlicht, dass Marduk durch den Empfang des Namens tatsächlich zu dieser Person wird, zumindest im funktionalen Sinne. In der Verleihung des Namens Ea gibt es keine Ausdeutung des Namens, sondern nur die Explizierung der damit übertragenen Kompetenz. Zu dieser Wirkdimension der Namensgebung siehe allgemein § 5.2. und speziell § 5.2.9.

225

4.3. Die 50+2 Namen (VI 121–VII 144)

in den anderen Benennungen nicht zu finden ist.172 Daher wurde auch die Formulierung 50+2 Namen gewählt, um die an Marduk verliehenen Namen zusammenzufassen und zugleich die qualitative Besonderheit der letzten beiden Transfers hervorzukehren.173 Tabelle 18: Marduks 50 Namen Nr. 1

2 3 4 5

Schreibung175

Textzeilen

Marduk

d

Amar-utu

VI 123–132

10

Marukkam177

d

Ma-ru-uk-ku/-ka(m)

VI 133f.

2

Mār-Utuk-am

d

Ma-ru-tuk-ku/-kam179

VI 135f.

2

Mer-ša(.g)-kušu180

d

Mer-šà-kúš-ù181

VI 137f.

2

Lugal-dimmer-an-kia(k)

d

Lugal-dìm-me-er-an-ki-a

VI 139–142

4

Name (mögliche Bedeutung)

Zeilenanzahl

174

(abgeleitet: „Mein(e) Sonne(ngott) der Götter“, siehe § 5.2.3.)176 (?)

(etwa: „Sohn der/s Sonne(ngottes) ist er.“)178 („(Nord)wind/Krone, der/die das Herz ruhig macht.“)

(„König der Götter des Himmels und der Erde“)

172 Intertextuell würde die dreispaltige Götterliste gegen eine solche Trennung sprechen, wenn sie literarisches Vorbild für das enūma eliš sein sollte, was nicht zu belegen ist. Sie umfasst nicht nur Teile der 50 Namen, sondern auch die Namen Ea und Bēl-mātāti (LAMBERT 2013, S. 143). 173 An dieser Stelle stellt sich die berechtigte Frage, ob die Zahl 50 im Werk als Formel für alle 50+2 Namen anzusehen ist, oder ob sie sich auf die ersten 50 Namen beschränkt. Da die 50 Namen explizit nur an zwei Stellen auftauchen, nämlich vor dem ersten Namen (VI 121) und nach dem 52. Namen (VII 143 bzw. 144), bildet die Formel eine Klammer um die 50+2 Namen (siehe § 3.16.1.), was dafür spricht, dass alle durch den Ausdruck „50“ wiedergegeben werden (siehe auch § 4.3.2.). 174 Bei diesen Angaben handelt es sich um eine erste Annäherung an die mögliche(n) zugrundeliegende(n) Bedeutung(en) der Namen. Für eine weitere Annäherung müssten die Ausführungen zu den 50 Namen sowohl im Lied auf Marduk als auch in den Kommentartexten und weiteren möglicherweise mit dem Lied auf Marduk verbundenen Werken (wie bspw. Götterlisten) analysiert werden. Die hier erbrachte Aufstellung stellt lediglich einen ersten Versuch dar. 175 Akkadische oder phonetische Schreibung kursiv, sumerische in Standardschrift (abweichend zur Darstellung von Sumerogrammen in Kleinschrift und mit Bindestrichen statt Punkten zwischen Zeichen). Das Wiederholungszeichen MIN wird nicht als besondere Schreibvariante ausgewiesen und findet sich nur zur Wiedergabe des ersten Namensbestandteils des Zusatznamen-Typus (siehe Erläuterung unten). 176 Siehe auch LAMBERT 2013, S. 165f. 177 Möglicherweise handelt es sich um eine Abwandlung der Emesal-Schreibung da-ma-ru-ukkám für dMarūtuk (LAMBERT 2011, S. 74f.; IBID 2013, S. 162). Siehe auch LAMBERT 2013, S. 165f. 178 Anders LAMBERT 2013, S. 165. 179 AAss: dMa-ru-du-uk-ku. 180 Ein verbreiteter sumerischer Personenname (L AMBERT 2013, S. 480). 181 bKiš: dMer-šà-kúš.

226

Kapitel 4: Die Komposition des enūma eliš

Tabelle 18: Marduks 50 Namen (Fortsetzung) Nr.

Name

Schreibung

Textzeilen

Nade-lugal-dimmer-ankia(k)

d Na-de5-lugal-dìm-me-eran-ki-a182

VI 143–146

4

Asalluḫi

d

VI 147–150

4

Asalluḫi Nam-tila(k)

d Asar-lú-ḫi dNam-ti-la(ku) d Asar-lú-ḫi dNam-ru

VI 151–154

4

VI 155f.

2

Asari

d

Asar-ri

VII 1f.

2

Asar-alim

d

Asar-alim

VII 3f.

2

Asar-alim-nuna(k)

d

Asar-alim-nun-na

VII 5–8

4

Tutu

d

Tu-tu

VII 9–14

6

Tutu Zi-ukkina(k)

d Tu-tu dZi-ukkin-(nakam2)185

VII 15–18

4

Tutu Zi-ku(.g)

d

Tu-tu dZi-kù186

VII 19–24

6

Tutu Aga-ku(.g)

d

Tu-tu dAga-kù

VII 25–32

8

Tutu Tu-ku(.g)

d

Tu-tu dTu6-kù188

VII 33f.

2

Ša(.g)-zu

d

Šà-zu

VII 35–40

6

Ša(.g)-zu Zi(.g)-si(.g)

d

Šà-zu dZi-si189

VII 41f.

2

(mögliche Bedeutung)

6

(„Ratgeber, König der Götter des Himmels und der Erde“)

7

(siehe § 5.2.5.)

8

(„A., der für das Leben“)

Asalluḫi Namru183

9

(„A. der Leuchtende“)

10

(?)

11

(„A. der Wildstier/ Wichtige“)

12

(„A. der Wildstier/ Wichtige des Fürsten/der Fürsten“)

13

(?)184

14

(„T., Leben(sodem) für die (Götter)-versammlung“)

15

(„T., strahlendes/r Leben(sodem)“)

16

(„T., strahlende aga-Krone“)187

17

(„T., strahlende Beschwörung“)

18

(„Der das Innere kennt“)

19

(„Š., der diejenigen, die sich erhoben haben, zum Schweigen gebracht hat.“)

182

Asar-lú-ḫi

Zeilenanzahl

bKiš: dNa-de5-dlu[gal-dì]m-me-er-an-ki-a Zur Alternativlesung dAsalluḫi dNam-šub (angelehnt an die Götterliste An : dAnum), die möglicherweise parallel mitgedacht wurde, siehe KREBERNIK, STOL 1998, S. 142. 184 Tutu könnte als dú-dú gedacht sein („der vielfach gebären lässt“ = „(Alles-)Schöpfer“) oder tu steht für tu 6, so dass Tutu als tu 6-tu6 interpretiert wurde („(derjenige über die) Beschwörungen“, siehe VII 11 und der Name Tutu Tu-ku(.g)). 185 BNin und JHuz: . 186 ANin: dTu-tu Zi-kù. BNin: . 187 Zur aga-Krone siehe auch §§ 6.1. und 6.3.3. 188 JHuz: . 189 JHuz: < dŠà-zu>. 183

227

4.3. Die 50+2 Namen (VI 121–VII 144)

Tabelle 18: Marduks 50 Namen (Fortsetzung) Nr.

Name

Schreibung

Textzeilen

Zeilenanzahl

Ša(.g)-zu Suḫ-(e)rim(ak)

d

Šà-zu dSuḫ-rim190

VII 43–46

4

Ša(.g)-zu Suḫguʾ(e)rim(ak)

d

Šà-zu dSuḫ-gú-rim191

VII 47–50

4

Ša(.g)-zu Zaḫ-(e)rim(ak)

d

Šà-zu dZáḫ-rim192

VII 51–54

4

Ša(.g)-zu Zahguʾ(e)rim(ak)

d

Šà-zu dZáḫ-gú-rim193

VII 55f.

2

Enbilulu

d

En-bi-lu-lu

VII 57–60

4

Enbilulu E-pa-dun

d

En-bi-lu-lu dE-pa5-dun195

VII 61–63

3

Enbilulu Gugal

d

En-bi-lu-lu dGú-gal196

VII 64–67

4

d

En-bi-lu-lu dḪé-gál(-li)

VII 68f.

2

(mögliche Bedeutung)

20

(„Š., der die Feinde ausreißt = ausrottet“)

21

(„Š., der die Gegner ausreißt = ausrottet“)

22

(„Š., der die Feinde verschwinden lässt.“)

23

(„Š., der die Gegner verschwinden lässt.“)

24

(traditioneller Kanalgott)194

25

(„E., der Gräben und Kanäle aushebt.“)

26

(„E. der Kanalinspektor“)

27

Enbilulu Ḫeĝal

(„E., Fülle/Reichtum“)

28

Sirsir198

d

Sirsir

VII 70–75

6

Sirsir Malaḫ

d

Sirsir dMá-laḫ4

VII 76f.

2

Gilim

d

Gilim

VII 78f.

2

Gilima(k)

d

Gilim-ma200

VII 80f.

2

(?)

29

(„S. der Seemann“)

30

(„Vernichter“? )199

31

(„Derjenige der Vernichtung“? )

190

197

JHuz: < dŠà-zu>. JHuz: < dŠà-zu>. 192 JHuz: < dŠà-zu>. 193 JHuz: < dŠà-zu>. 194 Zum Kanalgott siehe ZGOLL 2011. 195 JHuz: < dEn-bi-lu-lu>. 196 JHuz: < dEn-bi-lu-lu>. 197 KHuz: < dEn-bi-lu-lu>. 198 Zur Verbindung des Namens zum Bereich von Wasser und/oder Seefahrt siehe LAMBERT 2013, S. 247, 486f. 199 Das Zeichen GILIM muss hier vermutlich als sumerisches emesal-Wort ĝeleĝ gelesen werden, das mit dem Akkadischen ḫulluqu („vernichten“) gleichbedeutend ist (SCHRETTER 1990, S. 186f.). Für diesen Hinweis möchte ich Manfred Krebernik danken. 200 KHuz vertauscht die Reihenfolge der Namen Gilima(k) und A-gilima(k), wobei aber die kommentierenden Zeilen gleich bleiben und somit A-gilima(k) mit den Zeilen für Gilima(k) ausgedeutet werden und umgekehrt. 191

228

Kapitel 4: Die Komposition des enūma eliš

Tabelle 18: Marduks 50 Namen (Fortsetzung) Nr. 32 33 34

35 36 37 38 39 40 41 42

Name

Schreibung

Textzeilen

A-gilima(k)

d

A-gilim-ma201

VII 82f.

2

Zulum

d

Zu-lum

VII 84f.

2

Mummu

d

Mu-um-mu

VII 86

1

Zulumummu

d

Zu-lum-um-mu202

VII 87f.

2

Geš-numun-ab(ak)

d

Geš-numun-áb

VII 89f.

2

Lugal-ab-dubur(ak)

d

Lugal-áb-dúbur204

VII 91f.

2

Pagal-guʾena(k)

d

Pa4-gal-gú-en-na205

VII 93f.

2

Lugal-dur-maḫ(ak)

d

Lugal-dur-maḫ

VII 95f.

2

Ara-nuna(k)

d

A-rá-nun-na

VII 97f.

2

Mār-du-ku(.g)206

d

Dumu-du6-kù207

VII 99f.

2

d

Lugal-šu-an-na208

VII 101f.

2

(mögliche Bedeutung)

(„Derjenige der Vernichtung des Wassers“? ) ?

(ggf. „Dattel “) (ggf. Lehnwort zu mu 7-mu 7: „Lärm“? Vgl. M ICHALOWSKI 1990, S. 384–386; mu 7-mu 7 ist auch mit šiptu („Beschwörung“) geglichen) (Zulum + Mummu?)

(„Erschaffer der Sprösslinge und des Meeres“)203 („König über das Meeresfundament“) („Der große Herausragende der Versammlung“) („König des mächtigen Bandes (zwischen Himmel und Erde)“) („Weg / Omen für die Fürsten“) („Sohn des strahlenden (Ur)Hügels“)

Lugal-šu-ana(k)

(„König, (Hand=) Macht über den Himmel? “)

Zeilenanzahl

201 Siehe Anm. 200. IAss schreibt nach LAMBERT 2013, S. 128 ebenfalls Gilima(k), doch ist das erste Zeichen der Zeile nur fragmentarisch erhalten ( IBID, Plate 29), so dass hier auch ein Zeichen A stehen könnte und dann das Gottesdeterminativ weggefallen wäre. Platz für beide Zeichen scheint nicht zu bestehen. 202 Anders KÄMMERER, METZLER 2012, S. 297 und LAMBERT 2013, S. 128, dort wird d ZU.LUMUM.MU gelesen. 203 Das Zeichen GEŠ wird bei dieser Lesart als unorthographische Schreibung des sumerischen Lexems ĝèš („Penis“ = „Macher“) interpretiert. 204 ENin: dLugal-ab-dúb[ur]. 205 ENin: dPa5-[…]. 206 Zur Lesung des Namens als Mār-du-ku anstatt Dumu-du-ku siehe SOMMERFELD 1982, S. 186 Anm. 1; KREBERNIK 1989, S. 378. Dagegen LAMBERT 2013, S. 166. 207 KHuz: D]u6-dumu-kù. 208 IAss: dLugal-⌈la⌉-an-na.

229

4.3. Die 50+2 Namen (VI 121–VII 144)

Tabelle 18: Marduks 50 Namen (Fortsetzung) Nr.

Name

Schreibung

Textzeilen

Zeilenanzahl

Ir-uga(k)

d

Ir-ug5-ga209

VII 103f.

2

Ir-kingu(k)

d

Ir-kin-gu210

VII 105f.

2

Kinma

d

Kin-ma

VII 107f.

2

E-siskur(ak)

d

É-sískur

VII 109–114

6

Gira

d

Gìra

VII 115–118

4

Adad

d

Ad-du

VII 119–121b212

4

d

A-šá-ru213

VII 122f.

2

d

Né-bé-ru214

VII 124–134

11

(mögliche Bedeutung)

43

(„Der Beute davon trägt von den Toten (Göttern)“)

44

(„Der Beute davon trägt von Kingu“)

45

(?)211

46

(„(Der des) (Gottes-)Hauses (für) die Gebete“)

47

(traditioneller Feuergott)

48

(traditioneller Wettergott)

Ašāru

49

(„Das Prüfen / Sich Sorgen“)

Nēberu

50

(„Übergang / Fuhrt / Fähre“; ein Planetenname)

Bei der Analyse der Verleihung der 50 Namen Marduks fallen weitere kompositorische Merkmale auf. So lassen sich die ersten 35 Namen in Namensgruppen aufteilen, die den Hauptnamen Marduk, Lugal-dimmer-an-kia(k), Asalluḫi, Asar215, Tutu, Ša(.g)-zu, Enbilulu, Sirsir, Gilim und Zulum zugeordnet werden können. Mit dem 36. Namen (Geš-numun-ab(ak)) folgen Einzelnamen, die keine klar erkennbaren Gruppen bilden.216 Möglicherweise sind diese Unterschiede durch die jeweiligen Vorlagen bestimmt. Während die ersten der 50 Namen der Liste An : dAnum zu entstammen scheinen,217 hat Wilfred Lambert für die Namen ab Lugal-ab-dubur(ak) 209

KHuz: [dIr-u]g7-gi. JHuz: d⌈kin⌉-AN!. 211 Zur Ausdeutung im enūma eliš siehe LAMBERT 2013, S. 165f. 212 In der verbreiteten Zeilenzählung werden die beiden Zeilen nach VII 120 als VII 121a und VII 121b wiedergegeben (siehe bspw. T ALON 2005, S. 75; KÄMMERER, METZLER 2012, S. 304f.). Anders LAMBERT 2013, S. 130, der dem zweiten Vers nach VII 120 gar keine Bezeichnung gibt und den vorangehenden als VII 121 ausweist. 213 gUruk: dA-ša-ru. 214 HNin: [… Né-ber-e]t. 215 In der Liste An : dAnum bilden Asalluḫi und Asar eine gemeinsame Gruppe, im Lied auf Marduk wird diese durch den narrativen Einschub am Ende der sechsten Tafel und das Verschieben der Asar-Namen auf die siebte Tafel aufgebrochen. Zudem handelt es bei den Asar-Namen um Namensvariationen nach dem ergänzenden Typus und nicht wie die Asalluḫi-Namen um Variationen nach dem Zusatznamen-Typus (siehe unten). 216 Eine Ausnahme hierzu könnten die beiden Namen Ir-uga(k) und Ir-kingu(k) darstellen. 217 Dabei wurde jedoch die Reihenfolge der Namen der Asalluḫi- und Marduk-Namen im Lied auf Marduk getauscht (SERI 2006, S. 510; LAMBERT 2013, S. 159). 210

230

Kapitel 4: Die Komposition des enūma eliš

(VII 91f.) eine dreikolumnige Liste als Parallele218 identifizieren können (SERI 2006, S. 512–515; LAMBERT 2013, S. 142–144). Unabhängig von dieser Frage der Intertextualität können textimmanent vier unterschiedliche Typen zur Bildung von Namensvariationen und damit von Namensgruppen aufgezeigt werden.219 Den ersten Typus findet man nur mit dem Namen Marduk, wobei die Namensvariationen durch phonetische Variationen (Marukkam, Mār-Utuk-am) gewonnen wurden (Phonetischer Typus) (siehe auch SERI 2006, S. 509).220 Der zweite Typus ist stilbildend bei den Namensgruppen Lugal-dimmeran-kia(k), Asar und Gilim. Hier werden dem Namenshauptbestandteil (bspw. Asar) weitere Silben voran- oder hintangestellt (Ergänzender Typus). Ähnlich funktioniert der Zusatznamen-Typus, der dem Hauptnamen einen zweiten Namen anfügt, der ein eigenes Gottesdeterminativ aufweist.221 Dies ist die einzige Form der Namensvariationen, in der das Wiederholungszeichen (MIN) zum Einsatz kommt. Vertreter hierfür sind die Namensgruppen Asalluḫi, Tutu, Ša(g.)-zu, Enbilulu und Sirsir.222 Den letzten Typus findet man in der Zulum-Gruppe, in der zwei Namen in einem dritten Namen miteinander verschmelzen und nur ein Gottesdeterminativ kennen (Kombinierender Typus). Diese Typologie der Namensvariationen lässt auch eine Struktur im Hinblick auf die Zeilenzählung erkennen. So weisen alle Namensausdeutungen der Namen des Zusatznamen-Typus vier Zeilen und mehr auf (Ausnahme Ša(.g)-zu Zi(.g)-si(.g.)) bis auf den jeweils letzten Namen223, der immer in zwei Zeilen ausgedeutet wird. Dahingegen sind zwei Zeilen bei den anderen Namensgruppen die Regel mit maximal einer Abweichung je Namensgruppe (Marduk, Asar-alim-nuna(k), Mummu). Eine Ausnahme von dieser Regel stellt die Lugal-dimmer-an-kia(k)-Gruppe dar, die jeweils in vier Zeilen ausdeutet. Die Reduzierung auf jeweils zwei Zeilen ist zudem die dominierende Form bei den nichtgruppierten Namen. Von diesem Schema weichen lediglich vier Namen ab, die sich zudem am Ende befinden (46. Name: Esiskur(ak), 47. Name: Gira, 48. Name: Adad, 50. Name: Nēberu). Zusätzlich werden die 50 Namen in der Regel durch eine gerade Anzahl an Zeilen umschrieben. Nur die Namen Enbilulu E-pa-dun (3 Zeilen), Mummu (1 Zeile) und Nēberu (11 Zeilen) fallen aus diesem Schema heraus. Schließlich stehen die 218 Die zeitliche und literarische Relation dieser Liste zum enūma eliš ist noch ungeklärt, siehe auch Anm. 166. 219 Eine alternative Klassifikation findet sich in L AMBERT 2013, S. 154f. Den phonetischen Typus und den ergänzenden Typus fasst Wilfred Lambert zusammen und sieht sie in Übereinstimmung mit dem Wortfolgeprinzip von Hans Ehelof. Die zweite Klasse definiert er anhand der Verwendung des MIN-Zeichens (= Zusatznamen-Typus) (IBID, S. 155). 220 Die Gruppenbildung erfolgt vermutlich durch die phonetische Nähe, die Namen selbst sind jedoch nicht nur reine phonetische Variationen, sondern haben wiederum selbst eine Bedeutung. So vermutet Wilfred Lambert hinter Marukku/a(m) eine Ableitung der Emesal-Schreibung da-ma-ruuk-kám für dMarūtuk (2011, S. 74f.; 2013, S. 162). Außerdem kann man die Lautfolge /ma-ru-tukku (bzw. -kam)/ als dMār-Utuk-am interpretieren (siehe § 4.3.3. Tab. 18). 221 Zu den Zusatznamen siehe auch LAMBERT 2013, S. 155f. 222 Dies schreiben jedoch nicht alle Textvertreter gleich und die beiden Textzeugen der Tafel VII aus Ḫuzirīna (JHuz und KHuz) lassen den ersten Namen bzw. das Wiederholungszeichen ganz weg (LAMBERT 2013, S. 155). 223 Asalluḫi Namru, Tutu Tu-ku(.g), Ša(.g)-zu Zaḫ-guʾ(e)rim(ak), Enbilulu Ḫeĝal, Sirsir Malaḫ.

4.4. Schwellenteil (VI 70–120)

231

beiden längsten Namensumschreibungen (Marduk: 10 Zeilen, Nēberu: 11 Zeilen) jeweils am Anfang und am Ende der 50 Namen, so dass diese einen Rahmen um die anderen 48 Namen bilden. 4.3.4. Zusammenfassung Die Verleihung der 50+2 Namen beginnt mit der Aufforderung im Doppelvers VI 121f. und endet mit der abschließenden Zusammenfassung im Doppelvers VI 143f. welche gemeinsam die 50+2 Namen ringhaft umschließen. Obwohl die götterlistenartige Namensaufzählung bestehend aus Name und folgender Ausdeutung/Erläuterung dominiert, ist der gesamte Bereich durch verschiedene narrative Einschübe mit dem Rest verbunden (siehe auch SERI 2006, S. 515f.) und damit eindeutig Bestandteil der Gesamterzählung. Die narrativen Passagen unterteilen die Namensgebung zudem auch in die ersten neun Namen, die folgenden einundvierzig und die abschließenden zwei. Die ersten neun zeichnen sich dadurch aus, dass sie die bereits verliehenen Namen Marduks aufgreifen und variieren. Zudem sind die Subjekte der Benennung nur die drei Urgötter Anšar, Laḫmu und Laḫamu, die jeweils drei Namen verleihen. Schließlich sind diese Namen die einzigen auf der sechsten Tafel. Die folgenden einundvierzig Namen werden von allen Göttern gemeinsam verliehen und finden sich alle auf der siebten Tafel. Auch hier finden sich wieder unterschiedlich gebildete Namensgruppen, wobei die Zeilenanzahl je Ausdeutung teils mit der Typologie der Namensvariationen korreliert. Zusätzlich wird auch das Muster aus Namensnennung und folgender Ausdeutung beibehalten. Insofern kann man die ersten 50 Namen trotz der skizzierten Differenzen dennoch als Einheit verstehen. Davon weichen die letzten beiden Namen ab, die nur von den jeweiligen Namensträgern selbst verliehen werden, keine Ausdeutung erfahren und eher erzählenden Charakter besitzen. Stattdessen machen die Namensgeber Enlil und Ea deutlich, dass Marduk mit ihren Namen auch ihre Funktionen übernimmt (siehe §§ 5.2.8. und 5.2.9.).

4.4. Schwellenteil (VI 70–120) Die Parallelstruktur und die Verleihung der 50+2 Namen umfassen einen Großteil des Textes.224 Dazwischen treten die Verse VI 70–120, die nicht nur aufgrund der Reihenfolge eine Schwelle zu den anderen beiden Teilen bilden.225 Im Folgenden soll die besondere Natur dieser Schwelle näher untersucht werden, wobei zunächst die semantische Dimension fokussiert und die Passage nach anaphorischen Verweisen zur Parallelstruktur befragt wird (§ 4.4.1.). Anschließend werden speziell die kataphorischen Bezüge unter die Lupe genommen und damit die Verbindungen zu den folgenden 50+2 Namen offengelegt (§ 4.4.2.). 224

162).

225

Es verbleiben neben dem Schwellenteil nur noch der Prolog (I 1–6) und der Epilog (VII 145– Zum ähnlichen Konzept der Schwellenzeilen siehe ZGOLL 2003a, S. 74, 258.

232

Kapitel 4: Die Komposition des enūma eliš

4.4.1. Semantische Analyse des Schwellenteils und anaphorische Bezüge Im zweiten Teil der Parallelstruktur wurde die Vorlage des ersten Teils um weitere Motive erweitert (siehe § 4.1.6.). Diese verschiedenen, neuen thematischen Fäden werden vom Schwellenteil wieder aufgenommen und zu einem Abschluss geführt. Im Folgenden werden diese verschiedenen Punkte einzeln analysiert und die konkreten anaphorischen Bezüge offengelegt. 4.4.1.1. Installation von Babylon und Kult (VI 70–77)

VI 71

bēlum ina PARA10.G MAḪ ša ibnû226 šubatsu ilānī abbēšu qerītašu227 uštēšib

VI 72 VI 73

annam228 Bābili šubat narmêkun229 nugâ ašruššu ḫidûtašu230 tišbāma231

VI 74 VI 75

ūšibūma ilānū rabûtu232 zarbāba233 iškunū ina qerēti ušbū

VI 76

ištu234 nigûta235 iškunū qerebšu

VI 77

ina Esaĝil rašbi īteppušū237 šunu taqribtu238

VI 70

Der Herr – im Para(g)maḫ (=Thronsaal), den sie (als) seinen Sitz gebaut hatten, (da) ließ er die Götter, seine Väter, zum (Fest-) Bankett sitzen. „Dies ist Babylon, der Sitz eurer Unterkunft. An seinem Ort singt freudig (und) zu seiner Freude setzt euch!“ Die Großen Götter setzten sich und Bier(gefäße) stellten sie auf, zum Bankett saßen sie. Nachdem sie ein Fest mit fröhlichem Singen236 in seinem (=Babylons) Inneren abgehalten hatten, führten sie, ja sie, im ehrfurchtgebietenden Esaĝila (jeweils)239 eine taqribtu-Klage durch.

Funktionale Inbetriebnahme von Babylon Der Beginn des Schwellenteils ist durch eine auffällige Häufung der Wurzel √wšb (bspw. wašābu = „sitzen“) markiert (siehe § 3.15.1.). Diese betont durch das Substantiv šubtu („Sitz“) die Funktion der Stadt Babylon als Sitz von sowohl Marduk (VI 70) als auch allen Göttern (VI 72). Durch letzteres greift der Text auf ein Versprechen Marduks aus seiner ersten Erhöhung zurück, wonach Marduks Ort auch 226

jMet: irmû („sie haben hingestellt“). = qerītaš = ina qerīti (LAMBERT 2013, S. 479). 228 MHuz: anna. 229 cUruk: narāmīkun („eurer Geliebten“) (siehe auch LAMBERT 2013, S. 479). 230 = ḫidûtaš = ina ḫidûti (LAMBERT 2013, S. 479). 231 cUruk: tašbāma. 232 cUruk: rabiūtum. 233 GNin: zarbābu. 234 AAss: ultu. 235 AAss: nigûtu. 236 Zum Lexem nigûtu (hier übersetzt als „Fest mit fröhlichem Singen“) siehe nachfolgender Kommentar. 237 jMet: īpušū. 238 jMet: taqribti. IHuz: taqribtam. 239 Der Gtn-Stamm von īteppušū funktioniert hier vielleicht als Distributiv („sie führten jeweils aus“) (GAG 1995 § 91f). Andererseits kann auch eine andere Form der Pluralität gemeint sein (siehe § 4.4.1.3.). 227

4.4. Schwellenteil (VI 70–120)

233

der Ort aller Götter sein soll (IV 12, siehe § 6.3.2.). Somit liegt der Fokus im Lied auf Marduk statt auf einer Kultausbreitung auf einer Kultzentralisation in Babylon. Die Parallelstruktur endet entsprechend, indem die Götter ihre parakkū („Kultsockel“ VI 68) in Babylon errichten und sich damit in der Stadt einrichten.240 Die Wurzel √wšb findet sich aber auch noch in der Gestalt des Verbs (w)ašābu, womit eine andere Botschaft vermittelt wird. Denn hiermit beschreibt der Text das konkrete Zusammenkommen der Götter in der Götterversammlung im Esaĝila.241 Dabei gehören beide Aspekte zusammen, wie im Folgenden dargelegt werden soll. Bei der Beschreibung der Götterversammlung finden sich Lexeme, die kultisch interpretiert werden können. So kann man das Lexem qerītu (VI 71, 75) als „Bankett“ übersetzen. Es kann jedoch auch eine Opferzeremonie in einem Tempel oder ein religiöses Fest wie das akītu-Fest bezeichnen (CAD Q 1995, S. 240f.). Im Rahmen der Festbeschreibung findet sich außerdem das Lexem nigûtu (VI 76), das zunächst für „freudige Musik“ steht, aber mit dem Verb šakānu (wie hier) auch „ein Fest durchführen“ bedeuten kann (CAD N2 2008, S. 217f.). Dabei kann es sich wiederum um ein religiöses Fest handeln.242 Bei der Beschreibung seines Plans von Babylon hatte Marduk bereits angekündigt, dass er in Babylon ein isinnu abhalten wolle, d.i. ein „(religiöses oder säkulares) Fest“ (CAD I 2004, S. 195–197), welches am Abend stattfinden solle (šī nubattu „es ist eines des Abends“) (V 130). Nach nigûtu führen die Götter in Babylon taqribtu-Klagen243 durch (VI 76f.). Im 1. vorchristlichen Jahrtausend finden sich Klagelieder im kultischen Kontext in regelmäßigen Riten (bspw. im Neujahrsfest) und im Rahmen einmaliger Ereignisse wieder (KRECHER 1966, S. 26f.).244 Interessant in diesem Kontext sind der Abriss und vor allem der Wiederaufbau des Anutempels in Uruk in hellenistischer Zeit (TCL 06, 240 Von den schlichten parakkū (sumerisch: para10.g) der Götter (VI 68) grenzt sich der paramāḫu (sumerisch: para10.g maḫ), der „mächtige parakku“ Marduks (VI 70) ab, womit der Primat Marduks auch hier beibehalten wird. Die Götter dürfen sich zwar in Babylon niederlassen, aber es bleibt seine Stadt. 241 Der Text erwähnt den Tempel nicht explizit, aber der paramāḫu steht in der Cella im Esaĝila (PONGRATZ-LEISTEN 1994, S. 50), so dass dieser Sockel entweder synekdotisch für die Cella steht (in dieser Übersetzung auch zu finden in CAD P 2005, S. 160f.) oder man sich Marduk auf dem paramāḫu thronend in der Cella vorstellen muss. 242 In diesem Kontext ist besonders die Erwähnung in einer Agûm-Kakrime-Inschrift (= 5R 33 v 40) spannend: papāḫāt dMarūtuk lū ušēribšunūti nigâtīšunu rabâti lū ēpuš („Ich ließ sie (=die Götter) die Cella Marduks betreten (und) hatte große Feste für sie gemacht“) (CAD N2 2008, S. 218). Inwiefern hier ein Bezug zum enūma eliš besteht (und wenn in welche Richtung), wäre ein interessanter Forschungsgegenstand. 243 Der akkadische Terminus taqribtu findet sich in den Texten des 1. Jahrtausends v. Chr. als Bezeichnung für den ersten Teil eines balaĝ (sumerisches Klagelied) (KRECHER 1966, S. 26). In diesem ersten Teil finden sich vor allem eine Beschreibung der Katastrophe und die Klage um Gott, Tempel und/oder Stadt, wohingegen im zweiten Teil (eršemma) die Gottheit gebeten wird, sich den Klagenden wieder zuzuwenden (KRECHER 1988, S. 3). Besonders spannend sind zwei Baurituale aus dem 1. Jahrtausend v. Chr., die im Zusammenhang des Wiederaufbaus eines Tempels taqribtuRituale anführen. (AMBOS 2004, S. 180–188, 196; LINSSEN 2004, S. 283–292). Insbesondere im Ritual Wenn die Mauer eines Gotteshauses einstürzt findet sich das Lexem wie im enūma eliš in Verbindung mit dem Verb epēšu („machen“) (AMBOS 2004, S. 186:18', 188:31'). 244 Insofern muss man nicht mit Wilfred Lambert das Lexem taqribtu an dieser Stelle ablehnen und ein Wort takribtu als Ausdruck für einen rituellen Preis postulieren (2013, S. 479).

234

Kapitel 4: Die Komposition des enūma eliš

46245), im Zuge dessen mehrere taqribātu gesungen werden. Ziel von Klageliedern (bspw. balaĝ, namburbi), die stets im Emesal-Dialekt verfasst waren, ist zumeist die Beruhigung einer Gottheit, was häufig auch prophylaktisch geschieht (COHEN 1981, S. 49). Das Klagelied erfüllt damit eine wichtige Funktion im Kult. Ein gestörtes Verhältnis zwischen Menschen und Göttern soll durch rituelle Klagelieder wiederhergestellt werden. Diese verschiedenen kultischen Anklänge im Rahmen der Götterversammlung verweisen vermutlich darauf, dass diese von rituellen Handlungen begleitet wird. Zum einen handelt es sich dabei um vorbereitende Maßnahmen für die anschließenden Bestätigungen der Welt- und Götterordnung (siehe §§ 4.4.1.2.–4.). Zum anderen dienen sie wahrscheinlich der funktionalen Installation des Ortes Babylon als wirkmächtigem Versammlungsort. Im Alten Orient gehörte zur physischen Errichtung eines Tempels auch seine feierliche Einweihung, die als In-Funktion-Setzung wirkte (ähnlich: HUROWITZ 1992, S. 95). Bekannt ist diese Kombination insbesondere auch für Götterstatuen in Form von Mundwaschungs- und -öffnungsriten (kaluḫ-ù-da), bei denen mittels verschiedener Beschwörungen die physischen Sinne der Statue sowie ihre Lebensfunktion aktiviert werden (BERLEJUNG 1998, S. 231). Entsprechend dieser Lesart dient der Beginn der Götterversammlung der sakralen Aufladung des Ortes, wodurch er besondere Wirkmächtigkeit erhält, die sich auf die dort stattfindende Versammlung wieder rücküberträgt. Somit wird Babylon als theopolitisches Zentrum des Kosmos dauerhaft installiert und damit die Errichtung von Stadt/Tempel abgeschlossen. Hier verbinden sich nun wieder die beiden Bedeutungsdimensionen der Wurzel √wšb (siehe oben). Indem die Götter sich zur Götterversammlung „setzen“ ((w)ašābu), in der Babylon funktional in Betrieb genommen wird, vollenden sie die Installation von Stadt/Tempel und damit ihres šubtu („Sitzes“). Kultinstallation Die Kulthandlungen der Götter enthalten jedoch noch eine weitere Dimension. So findet im Rahmen der Götterversammlung in Babylon die allererste Rezitation eines taqribtu-Klagelieds statt. Dabei kann man die Bezeichnung taqribtu an dieser Stelle durchaus synekdotisch für die Emesal-Klageliturgie verstehen – und vielleicht kann man an dieser Stelle auch nigûtu (und qerītu) als ein Komplement hierzu verstehen, so dass beide metonymisch den gesamten Tempelkult wiedergeben.246 Somit handelt es sich um die erste Wiedergabe eines solchen Liedes und damit um die erste derartige Kulthandlung. Nach Kai Metzler, der dies in einem anderen Kontext aufzeigt, findet sich hier das „stiftende Erste Mal“ (2002b, S. 400), wonach durch diesen Akt der Kult in der speziellen Form des taqribtu in die Welt gebracht und somit 245 Mittlerweile auch online über CDLI publiziert unter http://oracc.museum.upenn.edu/cgibin/oracc?prod=list&project=cams/gkab&seq=period,genre,provenience,designation&perpage=25& k0=_all&page=45&item=7&screenMode=full, letzter Zugriff am 04.01.2012. 246 Gerade die kontrastierende Dimension von freudigem Gesang (nigûtu) und dem Klagelied (taqribtu) lässt an dieser Stelle aufmerken. Das Festbankett (qerītu) kann man wiederum als eine Wiedergabe der Götterspeisung verstehen, die zentrale Bedeutung im Kult hatte (Stichwort: zāninūtu „Versorgeramt“).

4.4. Schwellenteil (VI 70–120)

235

allgemein durch diese Handlung erschaffen wird. Mit anderen Worten: Durch die erste Rezitation eines taqribtu installieren die Götter die Institution der Emesal-Liturgie.247 Hierdurch wird den Menschen ein Instrument in die Hand gegeben, mit Marduk und mit den anderen Göttern zu interagieren.248 Die Kultinstallation wird zwar von den Göttern durchgeführt (VI 75–77), doch erfolgt dies auf Anweisung durch Marduk (VI 71, 73), so dass er als der entscheidende Kultstifter auftritt. Zusätzlich handelt es sich bei dem Festbankett um einen Akt der Götterspeisung, welche ebenfalls elementarer Bestandteil des Kultes war. Durch diese erste Speisung der Götter in Babylon wird somit vermutlich auch dieser Kultaspekt initiiert und installiert.249 Zugleich fungiert das Bankett auch als konkrete Form der Versorgung der Götter (zāninūtu), die Marduks königliche Aufgabe ist und für dessen Sicherung er die Menschen erschaffen hat. Die erste Götterspeisung erfolgt durch die Götter selbst, in der kultischen Realität obliegt sie aber den Menschen (siehe auch § 4.4.1.4.). Der durch die Kultinstallation eingeführte Kult wirkt erhaltend, da er zum einen die Götterversorgung umfasst und zum anderen – wie im akītu-Fest – dazu dient, die Weltordnung zu erneuern und somit dauerhaft zu stabilisieren. Somit handelt es sich bei der Kultimplementierung um ein Instrument zur dauerhaften Erhaltung der im Schwellenteil bestätigten Ordnung. Zugleich wird auch die Bedeutung des Ortes Babylon als Zentrum der Welt aufgewertet, da hier die ersten und initiierenden Riten durchgeführt werden. Außerdem finden sich nur an diesem Ort Heiligtümer aller Götter, so dass nur hier alle erreicht werden können – und natürlich auch der entscheidende, der Götterherrscher Marduk.250 Somit wird und ist Babylon kultisches Zentrum der Welt, die anderen Kultstätten sind Peripherie, sind unbedeutend. Zusammenfassung Im ersten Teil des Schwellenteils wird als erstes die Stadt Babylon – gleichbedeutend mit dem Tempel Esaĝila – abschließend installiert. Hiermit erhält der Sitz von Marduk und aller anderen Götter seine volle Wirkmacht, was insbesondere für seine Funktion als theopolitisches Zentrum der Welt gilt. Zugleich handelt es sich aber auch um das kultische Zentrum des Kosmos, da dort nicht nur Marduk, sondern alle Götter ihre Heiligtümer haben. An diesem Ort nun werden die ersten Riten auf Weisung Marduks durchgeführt und damit der Kult als Institution zur dauerhaften Er247

In diesem Kontext sollte man vermutlich auch Vers VI 166 lesen, wo die Götter Marduk ina mēsī nagbašunu („mittels aller kultischer Riten“) die 50+2 Namen verleihen (siehe § 5.2.7.), womit das kultische Gesamtrepertoire hier erstmalig zum Einsatz kommt und somit auch zugleich performativ installiert wird. 248 An dieser Stelle möchte ich Claus Ambos für den intensiven und fruchtbaren Austausch zur Deutung speziell der Zeile VI 77 danken. 249 Im akītu-Fest findet im akītu-Haus zwischen dem achten und elften Tag ein Festbankett statt (ZGOLL 2006a, S. 38). Dabei handelt es sich vermutlich um die Übernahme des Motivs aus dem Lied auf Marduk (IBID, S. 44), womit die im Werk beschriebene Kultinstallation ganz konkret textextern wirkmächtig geworden wäre. 250 Auch Beate Pongratz-Leisten verweist darauf, dass die Etablierung des Marduk-Kultes in Babylon ein zentrales Anliegen des Textes sei (1994, S. 17).

236

Kapitel 4: Die Komposition des enūma eliš

haltung der Ordnung eingeführt. Marduk ist der Stifter der Riten zur Interaktion mit den Göttern und ihrer Versorgung. 4.4.1.2. Bestätigung der Götterordnung (VI 78–81) VI 78

kunnā têrēti napḫaršina uṣurāte251

VI 79

manzāz šamê u erṣetim uzaʾʾizū ilānū gimrāssun ilānū rabûtu ḫamšatsunu ūšibūma ilānī šīmāti sebettīšunu ana purussî uktinnū

VI 80 VI 81

Dauerhaft gemacht waren alle Weisungen und alle (Vor-)Zeichnungen. Den Standort am Himmel und auf der Erde teilten alle Götter (auf). Die 50 Großen Götter setzten sich. Die sieben Götter der Festsprechungen machten sie dauerhaft für die Entscheidung.

Bestätigung der Ver- und Zuteilung der Götter Das Apokoinu252 in Vers VI 78 ist eine Teil-Rekurrenz von Zeile VI 45, mit der Marduks Neuordnung der Götterwelt in die Götter des Himmels und der Erde (VI 39–44) zusammengefasst wird. VI 45

ultu253 têrēti254 napḫaršina umaʾʾiru255

Nachdem er alle Weisungen erlassen hatte, …

Hier wird nun der D-Stamm (w)urru („erlassen“ VI 45) durch den D-Stamm kunnu („festmachen“ VI 78) ersetzt, wodurch Vers VI 78 die frühere Tat bestätigt. Die Parallelität zwischen beiden Textstellen geht jedoch noch weiter, denn sowohl in Zeile VI 46 als auch in VI 79 findet sich das Verb zâzu im D-Stamm. Da auch die vertikale Dimension von Himmel und Erde in beiden Zeilen angeführt wird und zudem – wie VI 46 im Zusammenhang mit den vorangehenden Versen verdeutlicht (siehe § 4.2.2.2.) – die räumliche Aufteilung mit der Zuteilung des Anteils an der Versorgung (isqātu) verbunden ist, bestätigt Zeile VI 79 nicht nur die Verteilung der Götter in der Welt, sondern auch ihre Teilhabe an der Versorgung. Die Zeilen VI 45f. und VI 78f. unterscheiden sich jedoch in einem entscheidenden Punkt. Während in VI 45f. Marduk als Subjekt agiert, sind es in VI 79 die Großen Götter, die die Aufteilung der Götter vornehmen. So wird Marduks frühere Handlung durch die versammelten Götter wiederholt und dadurch anerkannt. Somit beschreiben die Zeilen VI 78f., dass Marduks Unterteilung der Götter in Himmels- und Erdgötter und ihr Anteil an der Versorgung von der Götterversammlung bestätigt und damit dauerhaft festgesetzt wird. Bestätigung der Großen Götter, der Götter der Festsprechungen und des Rechts Mit Zeile VI 80 kommt ein weiterer Aspekt hinzu. Ging es bisher um die räumliche Verteilung der Götter, wird nun mit den 50 Großen Göttern eine hierarchische Vertikalität angesprochen. Dabei treten zwei Rekurrenzen im Zusammenhang mit dem 251

cUruk: uṣurātu. Das in der Versmitte stehende napḫaršina („alle“) wird sowohl von têrēti („Weisungen“) als auch von uṣurāte („(Vor-)Zeichnungen“) aufgegriffen. 253 MHuz und bKiš: ištu. 254 AAss: têrē⌈tim⌉. 255 ENin: uʾʾ iru. 252

4.4. Schwellenteil (VI 70–120)

237

Verb (w)ašābu („sitzen“) auf (jeweils durch Fettdruck hervorgehoben). Zum einen greift der Vers VI 80 auf die Zeile VI 26 zurück:256 VI 26

arnuššu lušaššâ pašāḫiš tišbā

Durch seine Strafe will ich (sie)257 tragen lassen; zum Ruhen setzt euch nieder!

An dieser Stelle wird den Göttern Straffreiheit und die Befreiung von der Arbeit zugesichert (siehe § 4.2.2.3.). Noch umfassender fällt die Wiederaufnahme von Vers VI 74 aus:258 VI 74

ūšibūma ilānū rabûtu

Die Großen Götter setzten sich.

Die Zeilen VI 80 und 74 unterscheiden sich nur durch die Hinzufügung der konkreten Anzahl der Großen Götter (50), die hier erstmalig erwähnt wird, und den chiastischen Bezug zwischen dem jeweiligen Subjekt und Prädikat. Dass es sich dennoch qualitativ um zwei unterschiedliche Vorgänge handelt, verdeutlichen die Parallelen zum Folgevers VI 81, wo durch das Prädikat uktinnū („sie machten dauerhaft“) deutlich wird, dass es um die dauerhafte Installation beider Göttergruppen geht und nicht wie in VI 74 um das bloße Zusammenkommen der Versammlung der Großen Götter.259 Damit wird vermutlich auch die konkrete Zugehörigkeit zu dieser Gruppe, also welcher Gott ein Großer Gott ist, festgeschrieben. Die Versammlung der Großen Götter nimmt zudem die Funktion der rechtsprechenden Instanz ein (siehe § 4.2.2.3.). Die Bestandsgarantie der Institution der Großen Götter wurde im direkten Zusammenhang zur Einrichtung des Rechts ausgesprochen (VI 26), so dass beide eng zusammenhängen. Durch die Bestätigung der Großen Götter im Schwellenteil wird somit vermutlich auch implizit die Institution des Rechts anerkannt und somit dauerhaft etabliert. Einen noch kleineren Kreis stellen schließlich die sieben Götter, die über Festsprechungsmacht verfügen, dar (VI 81). Wie genau diese Götter organisiert sind (bspw. als Teil der Großen Götter) und um welche es sich handelt, offenbart der Text nicht. Auch werden sie im Text nur an dieser einen Stelle erwähnt, so dass es sich um eine textexterne Tradition handelt, die hier einmalig im Werk aufscheint. Durch das Prädikat uktinnū („sie machten dauerhaft“ VI 81) rekurriert diese Zeile auf VI 16, wo Ea von der dauerhaften Einsetzung der Großen Götter spricht, wenn sie bei der Suche des Schuldigen helfen (siehe § 4.2.2.3.). Damit beziehen sich beide Zeilen VI 80 und 81 auf den Vorlauf der Menschenschöpfung und auf die Kooperation der Großen Götter bei der Suche nach dem schuldigen Gott. Die dafür garantierte Verschonung und dauerhafte Etablierung wird nun an dieser Stelle im Schwellenteil abgeschlossen. Zusammenfassung In Babylon bestätigen die versammelten Großen Götter zunächst die Aufteilung der Götter in Himmels- und Erdgötter, womit zugleich auch ihre Pfründe fixiert werden. 256

Für Textvarianten siehe § 4.2.2.3. Siehe § 4.2.2.3. Anm. 93. 258 Für Textvarianten siehe § 4.4.1.1. 259 Interessanterweise erfolgt dieser Bestätigungsakt durch die Adressaten der Handlung selbst, was im Lied auf Marduk ein einmaliger Vorgang ist. 257

238

Kapitel 4: Die Komposition des enūma eliš

Danach wird Marduks Versprechen, die Großen Götter für ihre Mitarbeit bei der Identifizierung des schuldigen Gottes zu belohnen, eingelöst und ihre Institution und damit auch die konkrete Zugehörigkeit zu dieser für alle Zeiten festgesetzt. Gleiches gilt auch für die sieben festsprechungsmächtigen Götter, wobei diese nicht weiter beschrieben werden. Da die Großen Götter auch und insbesondere die Rechtsprechung wahrnehmen, wird mit der Anerkennung ihrer Institution zugleich auch die Institution des Rechts dauerhaft etabliert. Der Bestätigungscharakter dieser Passage findet sich auch auf lexematischer Ebene. So wird sie durch die Wurzel √kūn (bspw. kânu „dauerhaft sein/werden“) gerahmt, die sich zu Beginn von Vers VI 78 findet (kunnā) und am Ende von Zeile VI 81 (uktinnū). 4.4.1.3. Ewige Huldigung von Sieg und Schöpfung (VI 82–91)

VI 84

sapāra ša īteppušu īmurū ilānū abbūšu īmurūma qašta kī nukkulat binûtu260

VI 85

epšēt īteppušu inaddû abbūšu

VI 83

Das Netz, das er gemacht hatte, die Götter, seine Väter, sahen es. Sie sahen den Bogen, wie genialisch hervorgebracht die Schöpfung war. Die Werke, die er gemacht hatte, legten seine Väter (anschließend) hin.

Im Rahmen der Götterversammlung in Babylon präsentiert Marduk den Göttern zwei seiner Waffen, seinen Bogen (qaštu, VI 82) und sein Netz (sapāru, VI 83). Beide Objekte spielen eine wichtige Rolle bei Marduks Sieg über Tiāmtu (SERI 2012, S. 13). Zum einen wickelt er die Urmutter im Netz ein (IV 95) und fängt mit ihm auch ihre Götter (IV 112). Zum anderen tötet der vom Bogen abgeschossene Pfeil die Antagonistin.261 Dennoch liegt der Fokus im Schwellenteil nicht nur auf Marduks Sieg, sondern auch auf seiner Schöpfung. Deutlich wird dies bei einem Blick auf das Wortfeld der Verse VI 83–85: Hier dominieren die Wurzeln √ʾpš (bspw. epēšu = „machen“) (3-mal), √bnī (bspw. banû = „bauen“) (1-mal) und √nkl (bspw. nakālu = „genialisch hervorbringen“) (1-mal), die alle für Schöpfungsakte stehen. Während die Wurzel √ʾpš quantitativ hervorsticht, ist die Wurzel √nkl qualitativ bemerkenswert, da diese für besonders genialische Schöpfungskompetenz steht (siehe § 4.2.2.2.). In diesem Sinne ist auch möglicherweise der Gtn-Stamm der beiden Prädikate īteppušu (VI 83, 85) zu verstehen. Ein Gtn-Stamm drückt eine Pluralität aus, die zumeist iterativ funktioniert (GAG 1995 § 91e–f), hier aber eine andere Konnotation haben muss.262 Auch in Marduks Weltschöpfung spielt das Netz eine wichtige Rolle, da es Tiāmtu und damit die Weltteile bis zur abschließenden Fixierung zusammenhält und erst danach weggezogen wird (IV 64) (SERI 2012, S. 23).

260

MHuz: binûta. In dieser Zeile (IV 101) wird zwar nur der Pfeil (mulmullu) und nicht der Bogen (qaštu) explizit erwähnt, und dennoch spielt letzterer implizit eine entscheidende Rolle. 262 Eine distributive Bedeutung (siehe GAG 1995 § 91f) ist in Vers VI 85 („die er jeweils gemacht hatte“), scheint sich für VI 83 aber auszuschließen. 261

4.4. Schwellenteil (VI 70–120)

239

Die Betonung der Schöpfung lässt sich schließlich auch bei der ersten Erwähnung von Netz und Bogen im Vorfeld des Kampfes gegen Tiāmtu wiederfinden. Dort expliziert der Text, dass Marduk den Bogen „geformt“ (ibšim, IV 35) und das Netz „erschaffen“ (īpušma, IV 41) hat. Somit handelt es sich um die ersten Schöpfungen Marduks im gesamten Text,263 wobei dem Bogen die Rolle der allerersten zufällt. Seine Besonderheit wird dabei auch durch den Stativ nukkulat („genialisch hervorgebracht“) in Vers VI 84 unterstrichen, dessen Wurzel (√nkl) im enūma eliš für genialische, einzigartige Schöpfungen reserviert ist. Somit steht speziell der Bogen für den Zweiklang aus Sieg und Schöpfung. Diesem Bogen gibt Anu nun drei Namen: iṣu arik („Das Holz ist lang.“ VI 89), lū kašid („Er soll erfolgreich sein.“ VI 89) und mulBAN („Sternenbogen“ VI 90).264 Hierdurch erfährt der Bogen eine besondere Ehrung und durch den letzten Namen wird er zudem zu einem Sternbild gemacht. Durch den Bogen und Teile der Lexik (speziell: √nkl) werden die Motive Sieg und Schöpfung aus der Parallelstruktur wieder aufgegriffen und durch den Sternenbogen an den Himmel geschrieben.265 Damit kündet das Sternbild dauerhaft von Marduks Sieg und von Marduks Schöpfung, die somit ewig in Erinnerung bleiben und denen jede Nacht durch den leuchtenden Sternenbogen gehuldigt wird. 4.4.1.4. Erhöhung von Marduks absoluter Königsherrschaft (VI 92–100) VI 92

ultu šīmāti ša qašti išīmu dAnum

VI 93

iddima kussi šarrūti ša ina ilānī šaqâta266 d Anum267 ina puḫri ilānī šâšu268 ultēšibši269

VI 94 VI 95 VI 96

ipḫurūnimma270 ilānū rabûtu šīmat dMarūtuk ullû šunu uškinnū

VI 97

uzakkirū ana ramānīšunu ararru271

Nachdem Anu die Festsprechungen für den Bogen vorgenommen hatte, stellte er den Thron der Königsherrschaft, der unter den Göttern hoch ist, auf. Anu ließ (ihn = den Thron) für ihn, ja ihn (=Marduk), in der Versammlung der Götter stehen. Die Großen Götter versammelten sich und sie, ja sie, erhöhten die Festsprechung für Marduk, sie (ja sie) verbeugten sich. Sie verfluchten sich selbst,

263 Das Sternbild (lumāšu) aus der Sternbilddemonstration (IV 19–26) kann man im strengen Sinne nicht mitzählen, weil Marduk es lediglich wiederentstehen lässt, was keine originäre Schöpfung ist. Schwieriger ist der Fall des Staubes, den Marduks Winde aufwirbeln, die dadurch den zweiten Konflikt mit auslösen (I 107). Dort wird ebenfalls das Verb bašāmu („formen“) verwendet, wobei das Subjekt, Anu oder Marduk, aber nicht eindeutig ist (SERI 2012, S. 11). 264 Zur Bedeutung der Namen siehe § 5.2.10. 265 Möglicherweise deutet sich an dieser Stelle ein Konzept an, das Michael Roaf und Annette Zgoll ausgehend von David Luckenbill als Astroglyphen – also als ‚Inschrift‘ in Sternenbildern (lumāšu) – des neuassyrischen Herrschers Asarḫaddon identifizieren konnten, wobei sie auch die Möglichkeit sehen, dass die Assyrer dabei an eine babylonische Konzeption anknüpfen (2001, S. 280). 266 MHuz: šaqât. Diese Schreibvariante verdeutlicht, dass es sich bei dem Stativ um eine Form der 3. Sgl. f. handelt, an die in der sonstigen Schreibung ein überhängender Vokal antritt. 267 MHuz: ⌈d⌉Anu. 268 MHuz: šâša. HNin: šuāša. 269 MHuz: uštēšib[ši]. 270 AAss: [ipḫ]urūma.

240

Kapitel 4: Die Komposition des enūma eliš

VI 98

ina mê u šamni itmû ulappitū napšāti

VI 99

iddinūšumma272 šarrūt ilānī epēšu273

VI 100

ana bēlūt274 ilānī ša šamê u erṣetim šunu uktinnūšu275

durch Wasser und Öl schwuren sie und fassten sich an die Kehlen. Sie gaben ihm das Ausüben der Königsherrschaft über die Götter, für die Herrschaft über die Götter des Himmels und der Erde machten sie, ja sie, ihn dauerhaft.

Der neue Diskursgegenstand, Marduks Götterkönigtum, wird in Vers VI 93 durch kussi šarrūti („Thron der Königsherrschaft“) im Schwellenteil eingeführt. Der ultuVers VI 92 stellt die Überleitung zwischen der Namensgebung für den Bogen und Marduks Inthronisation in Babylon dar.276 Nachdem Anu den Thron in der Götterversammlung aufgestellt hat, versammeln sich die Großen Götter um den thronenden Marduk, wobei sie sich ein weiteres Mal vor ihrem Herrscher niederwerfen (VI 96). Anschließend schwören sie Marduk die Treue, wobei sie sich selbst verfluchen (VI 97f.), und bestätigen ihn als ihren Herrscher (VI 99f.). Wie bereits bei der Namensverleihung durch Anu wird auch dieser Vorgang mit einer Festsprechung in Verbindung gebracht, wobei die Götter diesmal die Festsprechung für Marduk „erhöhen“ (ullû, VI 96). Damit wird das Motiv von Marduks Königsherrschaft aufgenommen und durch dessen Erhöhung in etwas Neues, Weiterführendes überführt, wodurch die dritte Erhöhung Marduks eine Schwelle zwischen Königtum und Henotheismus darstellt (für eine genauere Analyse siehe § 6.3.4.). 4.4.1.5. Bestätigung der Menschen-Götterordnung (VI 101–120) Nach der Verewigung von Marduks Götterkönigtum durch die Großen Götter tritt wieder ein Einzelgott auf, Anšar (I 102). Er verleiht Marduk den Namen Asalluḫi.277 Wie die folgende Rede an die Götter verdeutlicht (I 103), ist die Namensgebung mit einer Verbeugung vor Marduk verbunden. Zugleich wird Marduk durch die Benennung weiter erhöht (ušātir I 102). Zusammengenommen bedeuten diese verschränkten Handlungen (Verbeugung, Benennung, Erhöhung) einen weiteren Akt der Selbstunterwerfung der Götter unter Marduk. An dieser Stelle ist speziell Anšar genannt, der ehemalige Götterkönig (siehe § 6.2.2.), so dass er durch die explizite Selbstunterwerfung abschließend auf seine Herrschaft verzichtet und Marduk dadurch umso mehr als neuen Götterkönig bestätigt.278 Die Namensgebung ist vermutlich mit einem Festsprechungsakt verbunden, die in den Versen VI 103–120 ausgeführt wird (siehe § 5.1.1.). In dieser wörtlichen Rede wird zum einen Marduks Herrschaft über die Götter (VI 103–106) und Men271

MHuz: ararra. HNin: arāru. bKiš: iddinšuma („er gab ihm“). 273 HNin: epīšu. MHuz: epēša. Hier liegt ein Lokativ-Adverbialis vor (wörtlich: „Sie gaben ihm das Götterkönigtum in das Machen“) (siehe auch LAMBERT 2013, S. 39, 479). 274 bKiš: bēlūtu. 275 MHuz: uktinnūš. 276 Zur Gliederungsfunktion der Subjunktion ultu/ištu im enūma eliš insbesondere im Zusammenhang mit zusammenfassenden Zeilen siehe § 3.18.2. 277 Zur genaueren Analyse der Namensgebung siehe § 5.2.5. 278 Zur Verbindung zwischen der Abdankung Anšars und der Rolle des Namens Asalluḫi in diesem Kontext siehe ebenfalls § 5.2.5. 272

4.4. Schwellenteil (VI 70–120)

241

schen (VI 107f.) festgesetzt und zusätzlich ein System etabliert, in dem Menschen, Götter und Marduk integriert sind und ihre jeweiligen Funktionen definiert sind (VI 107–120). Die Passage greift dabei thematisch zum einen die Aufteilung der Götter und ihre gemeinsame Verehrung (VI 10), zum anderen Marduks Rolle als zāninu, der sich um die Versorgung der Heiligtümer zu kümmern hat (V 115), und schließlich die Menschheit an sich (bspw. VI 33f.) auf. Diese verschiedenen Stränge werden nun in dem neuen System zusammengeführt, in dem Verehrung und Versorgung der Götter durch die Menschen und dadurch auch Marduks Funktion als zāninu festgelegt werden. Zusätzlich legen die Götter in dem Festsprechungsakt fest, dass Marduk derjenige ist, auf dessen Geheiß die Menschen die Götter verehren und versorgen. Da Verehrung und Versorgung die beiden elementaren Bestandteile des Kults sind, wird ebendieser an dieser Stelle etabliert. Der Unterschied zur Kultinstallation zum Anfang des Schwellenteils (siehe § 4.4.1.1.) liegt darin, dass nun die Menschen in dieses System integriert werden und dass ihre spezifische Rolle definiert wird.279 In dem kultisch-funktionalen Götter-Menschen-Gefüge kommt dabei Marduk die zentrale Schlüsselrolle zu. Er verleiht dem System Stabilität und damit Dauerhaftigkeit, so dass auch mit dem Namen Asalluḫi die verschiedenen Themenstränge zu einem Ende geführt und in eine Form überführt werden, die sie dauerhaft und damit ewig macht. Garant dieses Systems ist Marduk, der als ewiger Träger des Namens Asalluḫi ebenfalls ewig die Rolle als funktionales Zentrum der Welt bekleidet. Somit beschreibt das Ende des Schwellenteils die dauerhafte Etablierung einer Menschen- und Götterordnung, in der die unterschiedlichen Rollen klar definiert sind. Dabei stellen sich die Götter über die Menschen, aber eindeutig unter Marduk. Die Aufgabe der Versorgung und Verehrung, d.i. des Kultes, wird dabei in die Hände der Menschen gelegt, während Marduk dieses System zusammenhält. 4.4.2. Kataphorische Bezüge Der Schwellenteil weist jedoch nicht nur Verbindungen zu den vorangehenden Passagen auf, sondern auch zu der folgenden Verleihung der 50+2 Namen. Nachdem der Schwellenteil zunächst nach anaphorischen Bezügen durchleuchtet wurde, sollen im Folgenden die kataphorischen Verbindungen in den Blick genommen werden. Zunächst wird die Motivik untersucht (§ 4.4.2.1.), woran sich eine bestätigende grammatische und lexematische Betrachtung anschließt (§ 4.4.2.2.). 4.4.2.1. Motiv der Namensgebung Eine erste Verbindung zwischen dem Schwellenteil und der Verleihung der 50+2 Namen liegt offensichtlich in der Namensgebung. Zwar wurden auch schon vor dem Schwellenteil Namen verliehen (Marduk I, Lugal-dimmer-an-kia(k) I, Babylon), doch verdichtet sich nun diese Thematik durch die Verleihung der drei Namen an Marduks Bogen dicht gefolgt von der Benennung Marduks als Asalluḫi. Gerade in 279 Dies spiegelt sich möglicherweise auch in dem Namen Asalluḫi wider, der mit dem Zeichen LÚ geschrieben wird, das sumerisch für „Mensch“ steht (akkadisch: amēlu). Auch hierzu siehe § 5.2.5.

242

Kapitel 4: Die Komposition des enūma eliš

der letztgenannten Namensgebung werden der Schwellencharakter und damit die Zugehörigkeit zum Schwellenteil deutlich. So führt der Text die Verse VI 102–122 im Modus der wörtlichen Rede aus. Es ist zwar nicht klar, ob es sich dabei um eine oder sogar drei280 unterschiedliche Reden handelt, doch da der Text keine Redeeinleitungen oder andere Mechanismen verwendet, um einen Sprecherwechsel anzuzeigen, zieht sich der Modus der wörtlichen Rede fließend und durchgehend von VI 102 bis VI 122. Besonders die beiden Verse VI 120f. sind an dieser Stelle interessant, da durch das selbständige Personalpronomen nâši („wir“) die erste Person Plural betonend nach Vers VI 102 erstmalig wieder eingeführt wird. Der Kohortativ von Vers VI 121 führt die Ansprache in der ersten Person Plural weiter, so dass ein fließender Übergang zwischen dem Schwellenteil und den folgenden 50+2 Benennungen hergestellt wird. Zeile VI 121 ist bereits zu dem folgenden Abschnitt des enūma eliš zu zählen (siehe § 3.16.1.). Somit leitet der Schwellenteil nahtlos in die Benennung der 50+2 Namen über. Neben diesen klaren Verbindungen zwischen Asalluḫi I und den folgenden Namensgebungen muss aber auch auf Trennendes verwiesen werden (siehe hierzu auch § 3.16.1.). So werden die „50 Namen“ Marduks erstmalig in Vers VI 121 in das Werk eingeführt. Unter diesem Programm verlaufen dann die folgenden Benennungen Marduks. Diese Namensgebungen sind dabei formal anders aufgebaut als die vorangehende von Asalluḫi I. Während bei letzterem die Namensgebung erwähnt wird (VI 101), worauf eine wörtliche Rede folgt, die unter anderem aufgrund ihrer vielen Modalformen vermutlich ein Festsprechungsakt ist (siehe § 5.1.1.2.), bestehen die 50 Namen281 aus der Nennung des Namens und einer folgenden Ausdeutung des im Namen enthaltenen Bedeutungsspektrums (siehe §§ 5.2.6.–7.). Zwar finden sich auch dort zahlreiche modale Aussagen, doch ebenso Partizipien und indikativische Vergangenheitsaussagen, die bei Asalluḫi I in den Hauptsätzen vollständig fehlen. Schließlich gehört die Namensgebung Asalluḫi I definitiv nicht zu den 50 Namen, da derselbe Name dort wieder auftaucht, mit Verweis auf die frühere Namensgebung (VI 147). Mit Blick auf die Akteure der Namensgebungen findet sich wieder eine Verbindung zwischen dem Namen Asalluḫi I und den folgenden 50+2 Namen. Hier baut der Text eine quantitative Steigerung ein. Als erstes benennt Anšar Marduk als Asalluḫi (ein Gott). Die ersten neun Namen der 50+2 erhält Marduk von der UrTrias aus Anšar, Laḫmu und Laḫamu (drei Götter). Die folgenden einundvierzig Namen verleihen ihm die Großen Götter gemeinsam (50 Götter). Da Anšar, Laḫmu und Laḫamu vermutlich zu den Großen Göttern gehören, ist Anšar eine Teilmenge der Ur-Trias und die Ur-Trias eine Teilmenge der 50 Großen Götter.282 Die Steige280 Beispielsweise könnte Anšar in VI 102 sprechen, danach gemeinsam mit den Großen Göttern reden (VI 103–120), bevor dann entweder Anšar oder die Ur-Trias (Anšar, Laḫmu und Laḫamu) zu Worte kommt (VI 121f.). 281 Anderes gilt für die letzten beiden der 50+2. 282 Die Benennung des Bogens durch Anu lässt sich somit nicht in dieses quantitative Schema integrieren. Andererseits existiert aber ein qualitativer Unterschied zwischen Anu und Anšar. So ist letzterer Anus Vater und zudem der ehemalige König der Götter (siehe § 6.2.2.), so dass Anus Bedeutung geringer ist. Zusätzlich adressiert die Namensgebung zwar direkt den Bogen, aber indirekt

4.4. Schwellenteil (VI 70–120)

243

rung der Anzahl der Subjekte geht dabei einher mit der Steigerung der Anzahl der verliehenen Namen. Anšar alleine vergibt einen einzigen Namen, die Ur-Trias neun und die 50 Großen Götter schließlich einundvierzig Namen. Bei den Namensgebungen agiert die Ur-Trias explizit als Vorbild für die anderen versammelten Götter: VI 159 VI 160

nīnuma šulušā nittabi šumēšu kī nâšima attunu šumēšu zukrā

Wir, ja wir, haben je drei seiner Namen genannt. Wie wir benennt (jetzt) ihr, ja ihr, seine Namen!

Demnach wäre es denkbar, eine ähnliche Funktion für die erste Namensgebung durch Anšar anzunehmen, die demnach eine Art Vorspiel für die 50+2 Namen wäre. Außerdem lässt sich eine Parallelität zwischen der Benennung Marduks durch Anšar als Asalluḫi I und den letzten beiden Namensgebungen (Bēl mātāti durch Enlil, Ea durch Ea) feststellen (siehe §§ 5.2.8.–9.). Am deutlichsten ist der Zusammenhang zwischen Ea und der letzten Namensgebung, wonach Ea Marduk seinen eigenen Hauptnamen verleiht. Enlil gibt ihm noch seinen aus textexternen Zeugnissen bekannten Beinamen Bēl mātāti (sumerisch: lugal kur-kur-ra). Und schließlich verleiht Anšar Marduk mit Asalluḫi einen Namen, dessen erstes und letztes Zeichen die Schreibung seines eigenen Namens ist (siehe § 5.2.5.). Somit erhält Marduk von allen drei Einzelgöttern Namen, die etwas von den Namensgebern enthalten beziehungsweise ursprünglich Teil von ihnen sind. Schließlich sind auch andere Teile des Schwellenteils mit den folgenden 50+2 Namen verbunden. So findet sich die Deklarierung einer Namensgebung als Festsprechungsakt erstmalig im Rahmen der Benennung des Bogens (VI 92). Diese Verknüpfung findet sich ein weiteres Mal vor der Verleihung der einundvierzig Namen (VI 165). Zusätzlich werden Götterordnung, Königtum, Babylon etc. alle im Rahmen ein und derselben Götterversammlung bestätigt (siehe § 4.4.1.), in der auch die 50+2 Namen verliehen werden. 4.4.2.2. Grammatische und lexematische Bezüge Auf der grammatischen Ebene findet sich ein weiterer Dreiklang. So wird die erste Namensgebung (Asalluḫi I) durch einen Kohortativ eingeleitet (ana zikrīšu qabê i nilbin appa VI 102); gleiches gilt auch für die ersten neun Namen (i nimbêma hanšā šumēšu VI 121) und auch vor den einundvierzig Namen findet sich ein Kohortativ (nīnu ša zānini i nulli šumšu VI 164). In allen drei genannten Versen findet sich zudem ein Ausdruck für „Name“ (šumu VI 121, 164) beziehungsweise „Benennung“ (zikru VI 101). Zusammenfassend lassen sich damit drei Verbindungen

Marduk selbst (siehe § 5.2.10.). Letzteres gilt insbesondere bei einer astroglyphischen Schreibung seines Erfolgs am Himmel (zu Astroglyphen siehe ROAF, ZGOLL 2001). Somit ist die Benennung in zweierlei Hinsicht eine Vorversion der späteren Namensgebung (Asalluḫi I). Als erstes ist der Akteur weniger bedeutend und zweitens wird Marduk nur indirekt angesprochen. In diesem Sinne einer Protoversion ließe sich diese Namensgebung möglicherweise noch in das Schema von Asalluḫi I – neun Namen – einundvierzig Namen integrieren. Dies gilt eventuell auch für den konstanten Anstieg der verliehenen Namen (drei indirekte Benennungen vs. eins – neun – einundvierzig direkte Benennungen).

244

Kapitel 4: Die Komposition des enūma eliš

und damit Überleitungen zwischen der Namensgebung Asalluḫi I und den folgenden 50+2 Namen herstellen:  Fortlaufende wörtliche Rede (speziell zwischen VI 120 und VI 121)  Steigerung der Anzahl der Akteure, wobei die früheren eine Teilmenge der späteren sind.  Einleitende Kohortative vor jedem Namensgebungsteil Zusätzlich lässt sich eine lexematische Umschließung ausgehend von dem Namen Asalluḫi I feststellen, die nach der Übertragung des Namens Ea endet. Die Verben nabû im G-Stamm („(be)nennen“), watāru im Š-Stamm („übergroß machen“) und das Substantiv šumu („Name“) finden sich sowohl im einleitenden Vers VI 101 als auch in der ausleitenden, zusammenfassenden Zeile VI 144 (durch Fettdruck hervorgehoben). VI 101 … VII 144

ušātir283 Anšar dAsalluḫi ittabi šumšu284 … ḫanšā šumēšu imbû ušātirū alkatsu285

Anšar machte (Asalluḫi=Marduk) übergroß, er nannte seinen Namen Asalluḫi: … (VII 143: Die großen Götter) haben seine 50 Namen genannt und seine alkatu (~Handlungsmacht)286 übergroß gemacht.

Die Verse sind dabei zudem zu einem großen Teil chiastisch zueinander angeordnet, indem die Reihenfolge von watāru, nabû und šumu in Vers VII 144 genau umgekehrt wurde. 4.4.3. Zusammenfassung Der Schwellenteil umfasst die Beschreibung der Geschehnisse der ersten Götterversammlung in Babylon, im Zuge derer im Anschluss auch die 50+2 Namen an Marduk gegeben werden. Die in der Parallelstruktur zusätzlich hinzugekommenen Stränge – Babylon als kosmisches Zentrum, Neuordnung der Götterwelt, Erschaffung der Menschen und die Erhöhung Marduks – werden im Schwellenteil bestätigt, dauerhaft gemacht, weitergeführt. Zusätzlich wird Marduks Sieg über Tiāmtu und seiner Weltschöpfung durch den Sternenbogen ein ewiges Denkmal gesetzt. Im Hinblick auf seine anaphorischen Bezüge fungiert der Schwellenteil somit abschließend, indem das bisher Geschaffene und Eingerichtete nun auf Dauer bestätigt wird. In diesem Kontext spielt die Aufladung des Orts des Geschehens am Anfang des Schwellenteils eine zentrale Rolle, da somit den Beschlüssen zusätzliche Bindungskraft gegeben wird. Durch weitere formale Elemente wie das Festbankett, die Klagelieder oder den Treueeid samt Selbstverfluchung wird diese zusätzlich erhöht. Dabei sind die Bestätigungen zum einen direkter Art, zum anderen wird mit dem Kult ein Instru-

283

jMet: ušātirma. HNin: šuššu. 285 Zu den Varianten dieses Verses siehe § 4.3.2. 286 Zur Semantik dieses Lexems siehe § 5.2.6.

284

4.5. Die Komposition – Zusammenfassung und Ausblick

245

ment erschaffen, um die erschaffene Ordnung dauerhaft am Leben zu erhalten (siehe auch § 8.2.6.). Die kataphorischen Bezüge sind zum einen vorbereitender Art, indem das Motiv der Namensgebung, das schon verschiedentlich im zweiten Teil der Parallelstruktur aufkam, nun verdichtet und umfangreicher beschrieben wird. Durch die Komposition der Akteure (eins, drei, 50) lässt sich der Name Asalluḫi I mit den folgenden Namen verbinden, grenzt sich aber wiederum von diesen ab. Dies geschieht insbesondere dadurch, dass derselbe Name noch einmal in den 50+2 Namen auftaucht. Die Anbindung wird wiederum durch die Kette von drei einleitenden Kohortativen unterstützt sowie durch lexematische Rekurrenzen im Vers VII 144 im Bezug zu VI 101. Das Motiv der Namensgebung dient dabei aber auch der weiteren Fixierung der Weltordnung, da durch die Benennung eines ewigen Gottes der im Namen genannte Aspekt ewig mit dem Träger verbunden ist.287 In diese Richtung wirkt auch das Instrument des Festsprechungsaktes.288 Durch die herausgearbeiteten Bezüge zu der Parallelstruktur und zu der späteren Namensgebung ist der Schwellenteil sowohl in formaler Hinsicht als auch in semantischer Hinsicht zwischen beide Teile gesetzt und stellt Verbindungen zu ihnen her. Dabei schließt er Themen ab und destilliert das Motiv der Namensgebung heraus, wodurch er den Text darauf fokussiert und somit die folgende Verleihung der 50+2 Namen vorbereitet. Diese Namen dienen dabei aber wiederum auch der weiteren Bestätigung, womit sie das zentrale Motiv des Schwellenteils fortführen.

4.5. Die Komposition – Zusammenfassung und Ausblick Das Lied auf Marduk besteht – abzüglich Prolog und Epilog289 – aus drei Teilen. Einen Großteil macht dabei die Parallelstruktur aus, die in einem ersten Strang zentrale Motive des Textes (Götterentstehung, Konflikt mit Urwesen, Kampf, Welt(teil)schöpfung, Götterwohnung) einführt. Im zweiten Strang wird dieser motivische Grundstock vor allem durch die Themen Erhöhung, Götterneuordnung, Lösung der Arbeitsproblematik (Menschenschöpfung) und Recht erweitert. Im zweiten Teil der Parallelstruktur wird mit Marduk zudem der Protagonist des Werkes eingeführt, der bis auf eine Unterbrechung bestehend aus der Darstellung der Rüstung Tiāmtus und der fruchtlosen Aktionen der Anšar-Götter stets im Fokus des Textes verbleibt. In diesem Teil der Parallelstruktur wird Marduks Aufstieg beschrieben, wobei der Text die Motivik des ersten Teils der Parallelstruktur, ergänzt um die neuen Themen, verwendet. So dominiert sein Aufstieg den zweiten Teil der paral287 Eine tiefergehende Auseinandersetzung mit der Funktionsweise von Name und Namensgebung findet sich in § 5.2. 288 Näheres hierzu siehe § 5.1. 289 Als in besonderer Weise metakommunikativer Textteil, stellt der Epilog eine zwar logisch angebundene doch eigenständige Einheit dar. Die ersten sechs Verse des Werkes (I 1–6) wiederum beschreiben die Ausgangssituation, den Urzustand der Welt, enthalten aber keine narrativen Elemente und lässt sich weder der Parallelstruktur noch dem Aufstieg Marduks direkt zuordnen.

246

Kapitel 4: Die Komposition des enūma eliš

lelen Komposition. Dabei finden sich die ersten beiden Namen Marduks an prägnanten Stellen, der Name Marduk wird ihm bei der Geburt verliehen, der Name Lugal-dimmer-an-kia(k) bei seiner zweiten Erhöhung. Durch die Interpretation seines ersten Namen in den Versen I 101f. wird zudem das Motiv seiner Erhöhung zum Götterkönig in den Text eingeführt (siehe § 5.2.3.). Im Schwellenteil werden nun die im zweiten Teil neuen thematischen Fäden wieder aufgegriffen und bestätigend zu einem Abschluss gebracht. Babylon als kosmisches Zentrum wird aktiviert und damit seine Erschaffung vollendet. Die räumliche und hierarchische Neuordnung der Götter findet ebenso seine Bestätigung wie die Position der Menschen im Weltgefüge. Dies alles sind Ergebnisse der Taten Marduks und damit Ausdruck seines Götterkönigtums, welches ebenfalls explizit von den versammelten Göttern konfirmiert wird. In diesem Zuge erhält Marduk schließlich auch den Namen Asalluḫi I, womit der Schwellenteil zu einem Ende kommt. Die Bestätigungshandlungen weisen dabei stets einen hohen Grad an Formalität auf, was sich dann beispielsweise bei der Aufladung des Ortes mit den Handlungen selbst wieder rückkoppelt, indem die Aufladung des Ortes auch die dort vollzogenen Handlungen auflädt. Dabei kommen erste kultische Instrumente zum Einsatz, die aber noch eine weitere Funktion erfüllen. Kultische Handlungen dienen der Erneuerung und damit dem Erhalt der vorherrschenden Ordnung, womit sie neben den Bestätigungen durch die Götterversammlung als ein weiteres Stabilisierungselement für den Kosmos fungieren. Der Schwellenteil bereitet aber zugleich auch die folgende Verleihung der 50+2 Namen vor, indem er eine Kette einer aufsteigenden Anzahl an Handlungsträgern aufbaut, die ausgehend von Asalluḫi I bis zu den 50 Namen reicht. Zusätzlich findet sich eine lexematische Umschließung der Verse VI 101 und VII 144 um den Namen Asalluḫi I und die 50+2 Namen. Durch die Verleihung der zusätzlichen Benennungen findet Marduks Aufstieg selbst schließlich seinen Abschluss. Somit ergibt sich bildlich gesprochen eine winkelförmige Gesamtkomposition. Die waagerechte Ausbreitung beschreibt die Parallelstruktur, aus dessen zweiter Hälfte Marduks Aufstieg herausragt und vertikal weiter verläuft:

4.5. Die Komposition – Zusammenfassung und Ausblick

247

Abbildung 7: Schematischer Aufbau des enūma eliš Göttergenese

I 7–20

Eskalation

I 21–54

Reaktion

I 55–70 I 72–74

Schöpfung

I 76

I 71, I 75–78

Götterwohnung

Göttergenese (Marduk) Name Marduk I Eskalation Kingus Erhöhung Marduks Forderung Reaktion Marduks 1. Erhöhung Schöpfung Marduks 2. Erhöhung Name Lugal-dimmer-an-kia(k) I Menschenschöpfung Götterneuordnung Etablierung des Rechts Götterwohnung

I 79–104 I 105–162

II 1 – IV 134 IV 135 – V 116

V 117 – VI 69

Aktivierung der Götterwohnung Kultimplementierung Bestätigung/Perpetuierung von  Götterneuordnung  Menschenschöpfung  Recht  Marduks Herrschaft (3. Erhöhung) Name Asalluḫi I

VI 70–120

50+2 Namen für Marduk

VI 121 – VII 144

Grau unterlegt findet sich der sukzessive Aufstieg Marduks, der damit deutlich über die Geschehnisse des ersten Teils der Parallelstruktur hinausreicht. Dieser Umstand unterstreicht die besondere Bedeutung dieses Erzählstrangs für das Gesamtwerk, weshalb ihm im Weiteren besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird. Ein wichtiges Element in Marduks Erhöhung sind zum einen Festsprechungsakte und zum anderen die Frage nach der Zuteilung der Festsprechungsmacht. Ein anderer wichtiger Aspekt sind Namensgebungen, die sich an markanten Stellen in Marduks Erhöhungen wiederfinden und deren quantitative Klimax zum Ende auch der qualitativen Klimax der Erhöhung entspricht. Da Festsprechungsakte und Namensgebungen eng miteinander verbunden sind, werden beide Phänomene gemeinsam im Kapitel 5 einer tiefergehenden Analyse unterzogen, deren Ergebnisse helfen, Marduks Aufstieg besser zu verstehen. Marduks Erhöhung erfolgt in Opposition zu Kingu, lässt sich aber auch in eine Nachfolgeregelung einbinden. Diese königlichen Sukzessionen sind auf der Textoberfläche nicht immer ersichtlich, aber wichtige Aspekte, um die Natur und Besonderheit von Marduks Erlangung der Königswürde zu verstehen. In dem Kapitel 6 werden so die verschiedenen Nachfolgeregelungen im Text und insbesondere die

248

Kapitel 4: Die Komposition des enūma eliš

verschiedenen Stationen von Marduks Aufstieg einer genaueren Untersuchung unterzogen. Dabei soll auch insbesondere der Frage nachgegangen werden, wie und warum Marduk durch mehrere Erhöhungsakte seine Macht erlangt. Wie bereits angedeutet wurde, wird Marduks Aufstieg in allen größeren thematischen Strängen im Text erzählt. Die Vielzahl der Stränge geht einher mit einer besonderen Begründung von Marduks Erhöhung. Dies lenkt den Blick auf die Frage, inwiefern sie eine legitimierende Funktion für seinen Aufstieg erfüllen. Das Kapitel 7 widmet sich daher der Frage der Legitimierung im Text, wobei anfangs eine Systematik der unterschiedlichen Argumentationsarten entwickelt wird.

Kapitel 5

Festsprechung(sakt) (=šīmtu) und Name(nsgebung) Einleitung Die Bedeutung des Lexems šīmtu1 für das Verständnis des enūma eliš erkannte bereits Jean Bottéro, der es als „le terme le plus fort et, […] le plus riche et significatif“ bezeichnet (1998, S. 189). Auch ein Blick an den Anfang des Werkes offenbart die Wichtigkeit der Wurzel von šīmtu, √šīm. Sie findet sich in den ersten zehn Zeilen an prominenter Stelle (I 8). Zusätzlich zeigt sich eine Verbindung mit dem Konzept der Benennung, welches in den ersten Zeilen ebenfalls aufscheint (I 1f., I 8, I 10). Da der Anfang eines Werkes eine markante Stelle ist, an der wichtige Linien des Textes angelegt werden,2 deuten diese Bezüge bereits auf die Wichtigkeit beider Themen für das Werk hin. Wenn man nun auch noch berücksichtigt, dass šīmtu mit 35 Belegen das dritthäufigste Substantiv innerhalb des enūma eliš ist3 und dass das Werk mit 50+2 Namen für Marduk endet (siehe auch LAMBERT 2013, S. 147), wird die Bedeutsamkeit beider Konzepte weiter unterstrichen. Im Folgenden soll den beiden Themengebieten, šīmtu (§ 5.1.) sowie Name und Namensgebung (§ 5.2.), zunächst getrennt nachgegangen werden, um ihre jeweils spezifischen Besonderheiten herauszuarbeiten. Zusätzlich soll sich der Blick auch auf mögliche Bezüge zwischen beiden Konzepten richten, die abschließend zu einer gemeinsamen Ontologie von šīmtu und Name(nsgebung) zusammengefügt werden (§ 5.3.).

5.1. šīmtu – ‚Schicksal‘ als Festsprechung Terminologie Im Folgenden wird ein Vorgriff auf die Ergebnisse dieses Unterkapitels (§ 5.1.) vorgenommen, um eine adäquate Begrifflichkeit einzuführen, um die Lexeme der Wurzel √šīm angemessen zu übersetzen. Im enūma elis findet sich neben dem Substantiv šīmtu4 auch das Verb šiāmu. Letzteres heißt zunächst schlicht „festsetzen, 1

Zur Übersetzung des Lexems und dem dahinter stehenden Konzept siehe § 5.1. Terminologie. In der Literaturwissenschaft unter dem Begriff der Exposition behandelt (siehe bspw. MEYERS GROßES KONVERSATIONSLEXIKON 1905, S. 227). 3 Nur ilu („Gott“) und abu („Vater“) finden sich noch häufiger. Die Zählungen beruhen auf den Angaben von Philippe Talon (2005, S. 111–125). 4 Jack Lawson (1994) hat sich in einer Einzelstudie bereits dem Lexem šīmtu gewidmet. Da sie aber von dem griechischen Konzept ausgeht, bleibt sie leider hinter ihren Möglichkeiten, die tatsächliche originär mesopotamische Konzeption zu erfassen. Dem soll an dieser Stelle ein dezidiert 2

250

Kapitel 5: Festsprechung(sakt) (=šīmtu) und Name(nsgebung )

bestimmen“ (CAD Š 1, S. 358), so dass šīmtu als feminines Verbaladjektiv wörtlich übersetzt „das, was festgesetzt ist“ bedeutet (LÄMMERHIRT, ZGOLL 2009, S. 147). Der durch das Verb wiedergegebene Vorgang beschreibt in etwa das, was von John Searle im Zuge seiner Sprechakttheorie als deklarativer Akt bezeichnet wird (1982, S. 36–39, siehe auch § 5.1.1.2.). Durch die Handlung der Äußerung wird eine Wirklichkeit hergestellt, die der Proposition des Gesprochenen entspricht. Typische Beispiele sind Erklärungen im institutionellen Rahmen, beispielsweise bei der Heirat („Hiermit erkläre ich Sie zu Mann und Frau.“). Weiter konkretisiert handelt es sich bei der Handlung šiāmu um einen    

deklarativen, intentionalen (siehe § 5.1.1.2.) unilateralen (siehe § 5.1.1.2.) Götter-Sprechakt (siehe § 5.1.1.1.).

Diesem Ansatz entsprechend soll das Verb šiāmu daher durch den Neologismus „festsprechen“ übersetzt werden. Davon ausgehend kann das Substantiv šīmtu drei unterschiedliche Dinge aussagen. 1. Das Lexem kann den propositionalen Gehalt des Gesprochenen wiedergeben, welcher in diesem Falle identisch ist mit dem Ergebnis der Handlung.5 Hier wird die Übersetzung „Festsprechung“ gewählt.6 2. Davon ist zwingend die Handlung selbst zu unterscheiden, die zumeist durch die Formel šīmta šiāmu (o.ä.) ausgedrückt wird. Wortwörtlich würde dies nach obengenannter Definition als „eine Festsprechung festsprechen“ übersetzt. Um diese Phrase im Deutschen ein wenig zu glätten soll daher die Übersetzung „eine Festsprechung vornehmen“ gewählt werden. Soll die Handlung durch einen Begriff auf den Punkt gebracht werden, so wird vom Festsprechungsakt gesprochen. 3. Zu Festsprechungsakten sind nicht alle Personen befugt. In der Sprechakttheorie wird insbesondere auf die institutionelle Einbettung hingewiesen, welche Personen (bspw. Priester, Richter, Politiker…) dazu befähigt, deklarativ zu sprechen (SEARLE 1982, S. 38).7 Im Lied auf Marduk äußert sich dies in Gestalt einer besonderen Macht, die eine Göttergruppe oder ein Einzelgott besitzt (siehe

emischer Blick an die Seite gestellt werden, der sich gemäß dem Fokus dieser Arbeit aber auf das enūma eliš beschränken wird. 5 Siehe auch SEARLE 1982, S. 37f. 6 Nach dieser terminologischen Festlegung werden die Genitivverbindungen ṭuppi šīmāti als „Tafel der Festsprechungen“ übersetzt und kiṣṣi šīmāti als „Schrein der Festsprechungen“. 7 Für die vorliegende Untersuchung ist es spannend, dass John Searle eine Ausnahme formuliert, wo eine instutionelle Einbindung eines Handlungsträgers einer Deklaration nicht erforderlich ist; nämlich dann, wenn Gott spricht: „Es werde Licht!“ (1982, S. 38). Übernatürliche Wesen benötigen daher nicht notwendigerweise eine institutionelle Einbindung. Im Folgenden wird gezeigt werden, dass dies für das Konzept der Festsprechung nur bedingt gilt.

5.1. šīmtu – ‚Schicksal‘ als Festsprechung

251

§ 5.1.2.). Diese kann durch das Lexem šīmtu ausgedrückt sein und wird im Deutschen entsprecht als „Festsprechungsmacht“8 übersetzt. Durch diese spezifische Ausdrucksweise soll die genaue Funktion von šīmtu und šiāmu möglichst exakt wiedergegeben werden. Üblicherweise wird das Substantiv als „Schicksal“ übersetzt, was jedoch mit zahlreichen unzutreffenden Assoziationen aus der klassischen Antike und der Gegenwart verbunden ist. Zum einen trifft dieser Begriff nicht die Besonderheit des Konzepts von šīmtu, er ist inadäquat.9 Zum anderen verstellt er durch seine kulturelle Aufladung den Blick auf das originär altorientalische Konzept, er produziert ein hermeneutisch-epistemisches Problem. Im Werk findet sich das Lexem häufiger in Genitivkonstruktionen, die besonderer Beachtung bedürfen. So wird beispielsweise von „deine Festsprechungen“ im Bezug auf Marduk (šīmatka, IV 4, 6) oder von den „Festsprechungen des Bogens“ (šīmāti ša qašti, VI 92) gesprochen. Bei diesen Formulierungen muss man zwischen einem genitivus obiectivus (bspw. „Festsprechungen für Marduk“) und einem genitivus subiectivus beziehungsweise possessivus10 („Festsprechungen durch Marduk“) unterscheiden. Die folgende Untersuchung fokussiert Festsprechungsakte (§ 5.1.1.) und Festsprechungsmacht (§ 5.1.2.). Im zweiten Teil wird auch die ṭuppi šīmāti („Tafel der Festsprechungen“) auf ihre textimmanente Bedeutung hin durchleuchtet (§ 5.1.2.2.). Die Analyse der konkreten Festsprechungen findet sich, so diese sich auf Marduk beziehen, in der Nachzeichnung seines Aufstiegs (§ 6.3), so sie sich auf Marduks Bogen beziehen, in der Analyse seiner drei Namen (§ 5.2.10.). 5.1.1. Festsprechungsakte im Lied auf Marduk 5.1.1.1. Überblick über Handlungsträger und Adressaten Katalogisiert man die expliziten Festsprechungsakte im Werk nach Handlungsträgern und Adressaten,11 so finden sich vor allem Sprechakte, die sich direkt (III 138, IV 33, VI 96, VI 165) oder indirekt (VI 92) an Marduk richten. Marduk selbst hingegen tritt nirgendwo explizit als Festsprechender auf.12 Von seinem Konkurrenten Kingu existiert eine einzige Erwähnung, dass er einen Festsprechungsakt durchführt, wobei dieser für Tiāmtu und ihre Götter erfolgt (I 160). Schließlich nimmt

8 Entsprechend der terminologischen Differenzierung aus § 6.3.2. (Umfang von Marduks neuer Macht) umfasst die Festsprechungsmacht zunächst beide Dimensionen: die Potenz (die Fähigkeit festzusprechen) und die Befugnis (die Erlaubnis festzusprechen). 9 Die Genauigkeit der Übersetzung hilft auch, das Lexem von anderen akkadischen Ausdrücken abzugrenzen, die teils ebenfalls als „Schicksal“ übersetzt werden, bspw. têrtu, uṣurtu etc., siehe LÄMMERHIRT, ZGOLL 2009, S. 147. 10 Je nachdem, ob šīmtu etwas ist, was X macht (subiectivus) oder ob es etwas ist, was X gehört (possessivus) (GAG 1995 §136). 11 Diese Belegstellen sind so definiert, dass in ihnen das Substantiv šīmtu in einer verbalen Phrase auf Erzählerebene (d.h. nicht in direkter Rede) als direktes Objekt verwendet wird. Nichtnominale Belege für das Verb šiāmu ohne das Substantiv šīmtu gibt es im gesamten Werk nicht. 12 Zur Sternbilddemonstration als möglicher Festsprechungsakt siehe § 5.1.2.2.

252

Kapitel 5: Festsprechung(sakt) (=šīmtu) und Name(nsgebung )

Anu für Marduks Bogen Festsprechungen vor (VI 92), was die einzige nicht dezidiert personale Zielinstanz ist.13 Die häufigsten Handlungsträger sind die Großen Götter (III 138, IV 33, VI 96, VI 165), wobei man jedoch etwas genauer differenzieren muss. Während der ersten Erhöhung Marduks handelt es sich nur um die Großen Götter unter den Anšar-Göttern, während in der Versammlung in Babylon die Großen Götter der gesamten, wiedervereinigten Göttergemeinschaft in Aktion treten. Tabelle 19: Handlungsträger und Adressaten von Festsprechungsakten Zeile I8

Text šuma lā zukkurū šīmāte14 lā šīmū

I 160 (= II 46, III 50, 108)

ana ilānī marēšu (Var.: -ša) šīmāta (Var.: šīmātam/-i) ištīma (Var.: ištīmu/ū)16 ana dMarūtuk mutēr gimillīšunu išīmū17 šīm[ta]

III 138

IV 33

išīmūma18 ša bēli19 šīmātuš ilānū abbēšu

VI 92

ultu šīmāti ša qašti išīmu dAnum

Übersetzung Mit Namen waren sie (die Götter) (noch) nicht genannt, sie waren mit Festsprechungen (noch) nicht bedacht.15 Für die Götter seine (Var.: ihre) Söhne nahm er Festsprechungen vor.

Handlungsträger nicht genannt

Adressat Götter

Kingu

Tiāmtu-Götter und Tiāmtu

Für Marduk, ihren Rächer, nahmen sie eine Festsprechung vor. Sie nahmen für den Herrn Festsprechungen vor, die Götter, seine Väter. Nachdem Anu die Festsprechungen für den Bogen vorgenommen hatte, …

Große Götter

Marduk

Große Götter

Marduk

Anu

Marduks Bogen (Marduk)20

13 Eine vertiefende Auseinandersetzung mit den Handlungsträgern der Festsprechungsakte findet sich unter § 5.1.2.1. 14 ANin, bunb und junb:2a: šīmātu. MAss: šīmāta. 15 Wortwörtlich: „Sie waren mit Festsprechungen nicht festgesprochen.“ 16 Die Beleglage ist an dieser Stelle (I 160 und den Wiederholungszeilen) nicht eindeutig. Aus diesem Grunde wurde hier auf eine umfassende Ausweisung von Varianten verzichtet, stattdessen sei auf § 3.6.4. Anm. 87 verwiesen. Möglicherweise handelt hier nicht nur Kingu allein, sondern auch Tiāmtu. Da Kingu aber zuvor die ṭuppi šīmāti („Tafel der Festsprechungen“) erhielt, liegt es nahe, dass es sich hierbei um einen Festsprechungsakt durch Kingu handelt. 17 ANin: išimmū. 18 kunb:2a: [išīm]û. 19 MHuz: [bēl]im. FAss: bēlum. 20 Die Analyse der Verleihung der drei Namen macht deutlich, dass Marduk zumindest auch mittelbarer Adressat der hier vollzogenen Festsprechung ist (siehe § 5.2.10.).

253

5.1. šīmtu – ‚Schicksal‘ als Festsprechung

Tabelle 19: Handlungsträger und Adressaten von Festsprechungsakten (Fortsetzung) Zeile VI 96

Text šīmat dMarūtuk ullû šunu uškinnū

VI 165

ūšibūma ina ukkinnīšunu inambû (Var.: uaddû bzw. ibannû) šīmāte21

Übersetzung Sie, ja sie, erhöhten die Festsprechung für Marduk, sie (ja sie) verbeugten sich. Sie setzten sich in ihrer Versammlung und benannten (Var.: erschufen bzw. bestimmten) die Festsprechungen.

Handlungsträger Große Götter

Adressat Marduk

Große Götter

Marduk

Im ersten Vers I 8 werden die Götter als Adressaten für Festsprechungsakte eingeführt.22 In den anderen Belegstellen wird der Adressat der jeweiligen Festsprechungsakte entweder als indirektes Objekt durch ana angeführt (I 160, III 138) oder in einer Genitivkonstruktion als rectum wiedergegeben (IV 33, VI 92, VI 96). Als Prädikate zusammen mit šīmtu finden sich viermal der G-Stamm šiāmu (I 160, III 138, IV 33, VI 92) sowie einmal der D-Stamm ullû23 (VI 96) und einmal je nach Textzeuge nabû, wadû oder banû (VI 165). Die letzten beiden Belegstellen deuten somit durch die Wahl der Prädikate an, dass sie sich qualitativ von den vorhergehenden Situationen unterscheiden. Im Folgenden werden ausgewählte Textstellen des Werkes analysiert, die helfen die Spezifika von šīmtu herauszuarbeiten und so eine erste Annäherung an das hinter dem Lexem stehende Konzept ermöglichen. In den Versen II 61–64 wendet sich Ea in seiner Rechtfertigungsrede für seine Tötung von Apsû an Anšar:24 II 61

abī libbu rūqu mušimmu šīmti

II 62

ša šubšû u hulluqu bašû ittišu

II 63

Anšar libbu rūqu mušimmu šīmti

II 64

ša šubšû u hulluqu bašû ittišu

21

Mein Vater, weites Herz, derjenige, der eine Festsprechung vornimmt, für den gilt: Erschaffen und Vernichten existieren mit Dir. Anšar, weites Herz, derjenige, der eine Festsprechung vornimmt, für den gilt: Erschaffen und Vernichten existieren mit Dir.

Eine genaue Wiedergabe der Varianten dieses Verses findet sich in § 4.3.2. Dies hängt an dem Stativ im männlichen Plural (šīmū), der sich nicht auf das weibliche šīmāte (Var.: šīmāta oder šīmātu) beziehen kann. Da der Vers I 8 zudem parallel konstruiert ist, tritt šīmāte neben den Akkusativ šuma („Name“). Diese Konstruktion wiederum entspricht der in Vers I 2, wo die Nichtbenennung der Erde durch die Phrase ammatum šuma lā zakrat („das Feste war mit Namen (noch) nicht genannt“) ausgedrückt wird. Somit sagt I 8, dass die Götter weder Namen noch Festsprechungen besaßen. 23 Von elû („hoch sein, werden; hinaufgehen“). 24 Für diese vier Zeilen liegen keine abweichenden Varianten vor. 22

254

Kapitel 5: Festsprechung(sakt) (=šīmtu) und Name(nsgebung )

In dieser Huldigung adressiert Ea ihn als mušimmu šīmti („derjenige, der eine Festsprechung vornimmt“), womit Anšar eindeutig über die Macht verfügt, Festsprechungen vorzunehmen (siehe auch § 5.1.2.1.).25 Daneben findet sich in der Versammlung in Babylon auch die Institution der sieben „Götter der Festsprechungen“ (ilānū šīmāti VI 81), die dort vermutlich als Untergruppe der 50 Großen Götter eingesetzt werden. Es werden jedoch keine Namen genannt und auch ansonsten taucht diese Gruppe nicht mehr im Werk auf; sie nimmt also keine expliziten Festsprechungen vor. Schließlich wird auch Marduk als Träger von Festsprechungsmacht beschrieben (siehe § 5.1.2.1.), die sich dann in der Sternbilddemonstration einmalig zeigt (siehe § 5.1.2.2.). Da diese Demonstration im Kontext zu seiner Erhöhung steht, führt dies zu einem weiteren zu untersuchenden Konnex, dem zwischen Festsprechungsmacht und Königsherrschaft. Im Lied auf Marduk findet sich eine große Nähe zwischen beiden Konzepten. Von den Einzelgöttern, die offensichtlich Festsprechungsmacht besitzen, sind alle bis auf Anu26 explizit Könige (Kingu und Anšar) (siehe § 6.2.). Und auch Marduk wird nach seiner ersten Erhöhung und der Sternbilddemonstration als „König“ (šarru IV 28) bezeichnet (siehe § 6.3.2.). Nach dieser Befundlage ist der Einzelgott, der Festsprechungsmacht besitzt, auch zugleich Inhaber der Königsherrschaft. 5.1.1.2. Spezifika von Festsprechungsakten Beim ersten Mal, dass ein Festsprechungsakt für Marduk im Werk erwähnt wird, ist es Marduk selbst, der spricht. In seiner Forderung an Anšar verlangt er von den Göttern als Gegenleistung für seine Kampagne gegen Tiāmtu, dass diese für ihn eine Festsprechung vornehmen:27 II 156 II 157 II 158

šummama anāku mutēr gimillikun akamme Tiāmtama uballaṭ kâšun šuknāma puḫra šūterā ibâ šīmtī

II 159

ina Ubšu-ukkinakki mitḫāriš ḫadîš tišbāma

Wenn ich euer Rächer sein soll und Tiāmtu binden und (so) euer Leben retten soll, (dann) setzt eine Versammlung ein und macht übergroß, benennt die Festsprechung für mich, (dafür) setzt euch freudig im Ubšu-ukkinakku zusammen.

Die Verse II 156f. beschreiben die von Marduk zu erbringende Leistung und die Verse II 158f. die dafür verlangte Gegenleistung der Götter.28 Der Kern dieser Gegenleistung wird durch die Formel šūterā ibâ šīmtī („macht übergroß, benennt die Festsprechung für mich“) wiedergegeben. Der Genitiv ist an dieser Stelle zunächst als genitivus obiectivus zu lesen, d.i. als für Marduk bestimmte Festsprechung (siehe § 5.1. Terminologie). Das erste Prädikat (šūterā) zeigt, dass diese mit 25

Zur schwierigen Zeile II 155, in der je nach Textzeuge Anšar ein weiteres Mal als Besitzer von Festsprechungsmacht ausgewiesen wird, siehe § 6.2.3. 26 Dies könnte sich durch die ṭuppi šīmāti („Tafel der Festsprechungen“) erklären lassen, die Anu möglicherweise zu diesem Zeitpunkt bereits besitzt (siehe § 5.1.2.3.). 27 Zu den abweichenden Varianten siehe § 3.8.4. 28 Letztere wird in den Versen II 160–162 weiter spezifiziert. Da es hier insbesondere um den Themenkomplex der Festsprechungsmacht geht, werden diese Zeilen in § 5.1.2.1. behandelt.

5.1. šīmtu – ‚Schicksal‘ als Festsprechung

255

einer Erhöhung Marduks einhergeht, das zweite (ibâ) verweist wahrscheinlich auf die spätere Namensgebung, vor allem wenn man das Verb nabû an dieser Stelle in seiner engen Bedeutung als „einen Namen geben“ liest. Vermutlich ist diese Stelle sogar polyvalent, insofern, dass Marduk nicht nur allgemein eine Festsprechung für sich einfordert, sondern durch šīmtī auch Festsprechungsmacht verlangt. Dies wird zum einen durch das Prädikat šūterā unterstützt, das sich syntaktisch auf šīmtī bezieht, zum anderen durch die Spezifizierungen in den Versen II 160–162, in denen Marduk explizit Festsprechungsmacht verlangt. Am Anfang von Zeile II 158 und in Vers II 159 wird der Rahmen beschrieben, den Marduk für den Festsprechungsakt verlangt. Es soll eine Götterversammlung geben (šuknāma puḫra),29 die im Ubšu-ukkinakku30 stattfinden wird. Das Adverb ḫadîš („freudig“) verweist auf zwei Dimensionen, eine primäre (Freude) und eine sekundäre (Freiwilligkeit). So zeigt das Adverb, dass der Festsprechungsakt in einem Akt der Freude durchzuführen ist.31 Davon lässt sich dann ableiten, dass eine Handlung, die in Freude begangen wird, auch eine Handlung ist, die freiwillig vollzogen wird (siehe § 7.4.). Diese Freiwilligkeit bedeutet selbstverständlich keine vollständige Abwesenheit äußerer Zwänge wie die durch Tiāmtu hervorgebrachte existentielle Notlage der Götter. Jedoch handelt es sich dabei um keinen Zwang, den Marduk als designierter Empfänger der Festsprechung auf die Götter ausübt. Die Götter handeln mithin aus freien Stücken. Marduk adressiert mit den Imperativen stets eine Mehrzahl, die Großen Götter der Anšar-Götter.32 Die Götter sollen „gemeinsam“ (mitḫāriš) die Festsprechung vornehmen. Durch die Analyse der Handlungsträger von Festsprechungen ist ersichtlich, dass nicht nur dieses Götterkollektiv, sondern auch herausragende Einzelgötter als Akteure auftreten können. Damit sind bereits wichtige Elemente aufgezählt, derer Festsprechungsakte bedürfen: 1. 2. 3. 4.

Akteur: Große Götter oder herausragende Einzelgötter Ort: bedeutsame Stätte Rahmen I: Götterversammlung Intentionalität: Freude/Freiwilligkeit

Diese Aufzählung verdeutlicht den hohen formalen Anspruch, der für Festsprechungsakte im enūma eliš leitend ist. Es müssen zwar nicht stets alle Kriterien zu jedem Zeitpunkt explizit gegeben sein, doch liefern sie eine erste Orientierung. 29

Bei der Götterversammlung handelt es sich um die Instanz, die die politischen Entscheidung im Pantheon fällt (BOTTÉRO 1998, S. 189, BARTASH 2010). 30 Zur Erörterung der Bedeutung des Ortes siehe § 3.8.4. Im Werk findet sich nur noch ein weiteres Mal, nämlich bei der Beschreibung der letzten Götterversammlung in Babylon (VI 162), im Zuge derer Marduk die 50+2 Namen erhält (siehe unten). 31 Im Werk taucht das Element der Freude zumeist in Reaktion auf Sprechakte oder andere Handlungen auf, die von den Rezipienten als positiv wahrgenommen werden. Beispielsweise freuen sich die versammelten Götter über Marduks Sternbilddemonstration (IV 28). Die reagierende Freude hat allgemein die Funktion einer affektiven Bestätigung. 32 Dies offenbart ein Blick zur ersten Erhöhung Marduks, wo seine Forderung erfüllt wird und explizit die Großen Götter zusammenkommen (III 130).

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Kapitel 5: Festsprechung(sakt) (=šīmtu) und Name(nsgebung )

Der erste Festsprechungsakt für Marduk am Anfang der vierten Tafel offenbart weitere Elemente dieser spezifischen Handlung. So wird der Inhalt der Bestimmung, die Festsprechung, in einer wörtlichen Rede wiedergegeben (IV 3–18). Die konkreten Bestimmungen werden vor allem durch Modalformen (stativischer und fientischer Prekativ, Imperativ, Prohibitiv, Vetitiv), die eine Performativität ausdrücken, wiedergegeben. Somit können zwei weitere formale Kriterien für einen Festsprechungsakt hinzugefügt werden: 5. Mündlichkeit 6. performative Ausdrucksweise In dem terminologischen Vorgriff wurde der durch šīmta šiāmu bezeichnete Vorgang als deklarativer Sprechakt klassifiziert (siehe § 5.1. Terminologie), was sich hier nun auch am Text demonstrieren lässt. Durch den mündlichen Charakter wird die Handlung zu einem Sprechakt. Durch die modalen Aussagen wird festgelegt, wie die Dinge zu sein haben, wird Performativität erzeugt. Wenn Marduks Befehl „unveränderlich sein soll“ (IV 7, siehe § 6.3.2.), dann ist er es ab diesem Moment auch. Sprech-Proposition und Handlungsergebnis sind eins. Dies offenbart eine weitere, implizite, Qualität der Festsprechungen. Der Adressat dieser Handlung muss nicht zwingenderweise anwesend sein oder gar von der Festsprechung wissen. Im enūma eliš ist dies zwar stets der Fall, doch für die außertextlichen altorientalischen Menschen war die Festsprechung als Götterentscheid zunächst nicht zugänglich. Stattdessen musste das Wissen um den Bescheid beispielsweise durch Leberschauomina erst aufwendig erlangt werden (siehe auch § 5.3.3.). Die Verleihung der drei Namen für die Bogen (siehe § 5.2.10.) endet folgendermaßen:33 VI 92

ultu šīmāti ša qašti išīmu dAnum

Nachdem Anu die Festsprechungen für den Bogen vorgenommen hatte, …

Durch die Subjunktion ultu („nachdem“) wird deutlich, dass dieser Vers das vorherige Geschehen zusammenfasst (siehe § 3.18.2.), so dass an dieser Stelle Namensgebungen als Festsprechungen bezeichnet werden. Die Mehrzahl der Namen korreliert dabei mit dem Plural šīmāti („Festsprechungen“).34 Die Verleihung der 50+2 Namen wird durchbrochen durch einen narrativen Einschub (siehe § 4.3.2.), wo die Handlung der versammelten Götter folgendermaßen beschrieben wird:35 VI 165

33

ūšibūma ina ukkinnīšunu inambû (Var.: ibannû bzw. uaddû)36 šīmāte

Sie setzten sich in ihrer Versammlung und benannten (Var.: erschufen bzw. bestimmten) die Festsprechungen.

Für den Vers sind keine Varianten belegt, siehe auch § 4.4.1.4. Dies ist auch ein Indiz dafür, dass mit der Phrase šīmāte ša qašti išīmu („er führte Festsprechungen für den Bogen durch“) nicht die Festsetzung der Himmelsposition des Sternenbogens beschrieben wird, da letztere durch das Lexem gisgallu (mit manzāzu lexikalisch geglichen, „(Himmels-)Standort“ CAD G 1995, S. 98) im Singular wiedergegeben wird (VI 91). Somit verweist der Plural šīmāte („Festsprechungen“) vermutlich tatsächlich auf die drei Namen. 35 Zur Ausweisung aller Varianten siehe § 4.3.2. 36 jMet: uaddû. BAss: ibannû. 34

5.1. šīmtu – ‚Schicksal‘ als Festsprechung VI 166

ina mēsī nagbašunu uzakkirūni šumšu

257

Mittels aller kultischen Riten/Rituale nannten sie seinen Namen:

Besonders die hier gewählte Primärlesung inambû („sie benannten“) (so auch TALON 2005, S. 69; KÄMMERER, METZLER 2012, S. 279; LAMBERT 2013, S. 120) befördert eine direkte syntaktische und semantische Verbindung zwischen dem Konzept šīmtu und der Namensgebung zutage. Diese offenbart sich auf der semantischen Ebene durch die Parallelität zum Ende von VI 165 und VI 166, wonach šīmtu und šumu nebeneinanderstehen. Diese Besonderheit soll als weiteres Kriterium in die bisherige Liste aufgenommen werden, wobei es jedoch nicht zwingendermaßen gegeben sein muss, doch optional auftreten kann. 7. Namensgebung37 Schließlich zeigt sich, dass eine Festsprechung auch durch weitere performative Handlungen begleitet werden kann. So werfen sich die Götter in Marduks dritter Erhöhung vor ihm nieder und schwören einen Treueeid (siehe § 6.3.4.) Dabei verfluchen sich die Götter selbst (VI 96–98). Dies führt zum letzten – und wie die Namensgebung optionalen – Kriterium für einen Festsprechungsakt: 8. Rahmen II: weitere performative Handlungen (bspw. Verbeugungen als Selbstunterwerfung) Dass diese Kriterien zur Identifizierung von nicht expliziten Festsprechungen dienen können, kann anhand von Marduks zweiter Erhöhung gezeigt werden (siehe § 6.3.3.). So versammeln (Kriterium #3) sich hier die Götter in Freude (#4) und verbeugen sich vor Marduk (#8), was mit der Äußerung endet attâma šarru („Hier: Der König!“) (V 85–88). Diese Aussage ist sicher performativ zu verstehen (#6). Gleiches gilt auch für die Verleihung des Namens Lugal-dimmer-an-kia(k), die ebenfalls mit einer teils imperativischen wörtlichen Rede (V 112) verbunden ist. Zugleich zeigt sich hier auch das optionale Kriterium der Namensgebung (#7.). Akteure sind stets die versammelten Götter oder die beiden Urgötter Laḫmu und Laḫamu (#1). Bei der Rekonstruktion der nur fragmentarischen Zeilen können zudem die Ortsangaben „in den Quartieren [seines] Throns“ (ina emāši ast[îšu] V 104) und „in seiner Cella“ (ina simakkīšu V 105) identifiziert werden (siehe § 3.14.4.), die eine besondere Lokalität nahelegen (#2). Somit erfüllt die zweite Erhöhung alle formalen – auch optionalen – Kriterien eines Festsprechungsaktes, so dass sie als ein solcher eingestuft werden kann, auch wenn in den erhaltenen Versen die Wurzel √sīm nicht zu finden ist. Erfasst man die impliziten und expliziten Festsprechungsakte im Lied auf Marduk,38 so zeigt sich, dass diese immer an einschneidenden Stellen im Handlungsverlauf zu finden sind (siehe auch § 6.3.): 1. Marduks erste Erhöhung ist ein Festsprechungsakt der Großen Götter.

37 Auf den Charakter der Namensgebung als Festsprechungsakt verwies bereits Jean Bottéro (1977, S. 26); am aktuellsten LÄMMERHIRT, ZGOLL 2009. 38 Für die expliziten Festsprechungen siehe § 5.1.1.1. Tabelle 19.

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Kapitel 5: Festsprechung(sakt) (=šīmtu) und Name(nsgebung )

2. Wahrscheinlich ist seine zweite Erhöhung ebenfalls als Festsprechungsakt zu interpretieren. 3. Die abschließende Götterversammlung in Babylon weist gleich mehrere Festsprechungsakte auf, die sich direkt (Königsherrschaft, Namen) oder indirekt (Namen des Bogens) auf Marduk beziehen. Diese Aufzählung verdeutlicht noch einmal eindrücklich die enge Verbindung zwischen Marduks Aufstieg und dem Konzept der Festsprechung (šīmtu), welche zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal unter anderen Blickwinkeln beleuchtet wird (siehe §§ 6.3. und 7.4.). 5.1.2. Festsprechungsmacht Ein Festsprechungsakt ist ein wirkmächtiges Instrument, um etwas für eine andere Instanz festzusetzen. Diese Festsetzung ist in der Regel dauerhaft und unveränderlich,39 wodurch sich eine hohe bindende Kraft ergibt, die über einen üblichen Götterbefehl hinausgeht. Ein Festsprechungsakt ist an sich nur durch die Instanz aufhebbar, die sie gefällt hat (LÄMMERHIRT, ZGOLL 2009, S. 152). Somit offenbart sich Festsprechungsmacht als die Kompetenz, Festsprechungen vorzunehmen und diese bei Bedarf wieder zu ändern. Bei der Analyse der Festsprechungsakte im enūma eliš zeigt sich ein interessanter Befund: Bei Einzelgöttern sind Akteur und Adressat von Festsprechungsakten immer unterschiedlich. Die Kompetenz festzusprechen, erlaubt es beispielsweise Marduk nicht, dies für sich selbst zu tun. Er bedarf der Götter um aufzusteigen. 5.1.2.1. Spezifika der Festsprechungsmacht In seiner Forderung nach einem Festsprechungsakt zu seinen Gunsten (II 156– 159)40 erläutert Marduk auch den Inhalt dieser Festsetzung, der in den Zeilen II 160–162 dargestellt wird.41 II 161

epšu pīja kīma kâtunuma šīmāta lušīm lā uttakkar mimmû abannu anāku

II 162

aj itūr aj innenâ siqar šaptīja

II 160

Durch die Aktion meines Mundes will ich wie ihr/anstatt euch Festsprechungen vornehmen. Alles, was ich, ja ich, erschaffen werde, darf nicht geändert werden. Der Befehl meiner Lippen möge nicht zurückkehren, möge nicht verändert werden.

Marduk verlangt die Kompetenz, selbst Festsprechungen vornehmen zu können – und zwar kīma kâtunu („wie ihr“). Die dadurch adressierte Gruppe ist an dieser Stelle nicht genannt, doch wahrscheinlich richtet sich Marduk hier an die Großen 39 De facto ist ein Festsprechungsakt immer auch eine Verhandlungssache zwischen Göttern und Menschen, da die Menschen über die Götterschrift (bspw. in Form der šiṭir šamê „Himmelsschrift“, d.i. durch die Stellung der Sterne am Nachthimmel) von ihren Entscheidungen erfahren und dann über Löserituale, Gebete etc. ebendiese Entscheidungen versuchsweise beeinflussen können (LÄMMERHIRT, ZGOLL 2009, S. 150f.). 40 Die dortige (II 158) Verwendung von šīmtu kann man nicht nur als Festsprechungsakt für Marduk lesen, sondern auch als Festsprechungsmacht von Marduk. 41 Für die Textvarianten siehe § 3.8.4.

5.1. šīmtu – ‚Schicksal‘ als Festsprechung

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Götter wie in den vorhergehenden Versen (II 155–158) (siehe § 6.3.1.). Zugleich spezifiziert er in den letzten beiden Zeilen die Eigenschaften der eingeforderten Macht. Gemeinsamer Nenner seiner Ausführungen ist dabei die Unveränderlichkeit des von ihm Bewirkten, wobei ein Prohibitiv und zwei Vetitive diesen Punkt unterstreichen. Zusätzlich wird wie in Eas Anrede an Anšar (II 62, 64)42 der Aspekt der Schöpfung erwähnt (mimmû abannu II 161). Schließlich zeigt sich an der Forderung Marduks, dass eine Festsprechung etwas ist, das durch die Sprache bewirkt wird (siehe auch § 5.1.1.2. Kriterium #5). Marduk will „durch die Aktion meines Mundes“ (epšu pīja II 160) Festsprechungen vornehmen; der „Befehl“ seiner „Lippen“ (siqar šaptīja II 162) ist dasjenige, das unveränderlich sein soll. Damit kann man Festsprechungsmacht als eine Form von Wortgewalt verstehen.43 Ausgehend von diesem Befund soll nun der Anfang der Festsprechung für Marduk im Rahmen seiner ersten Erhöhung in den Blick genommen werden:44 IV 3

attāma kabtāta ina ilānī rabûti

IV 4

šīmatka lā šanān siqarka dAnum

IV 5

d

IV 6

šīmatka lā šanān siqarka dAnum

IV 7

ištu ūmimma lā innennâ qibītka

IV 8

šušqû u šušpulu šī lū qātka

IV 9

lū kīnat ṣīt pîka lā sarār siqarka

IV 10

mamman ina ilānī itûkka lā ittiq

Marūtuk kabtāta ina ilānī rabûti

„Du, ja Du, bist (ge)wichtig unter den Großen Göttern, Deine Festsprechung(smacht) ist ohnegleichen, Dein Befehl ist Anu. Marduk, Du bist (ge)wichtig unter den Großen Göttern, Deine Festsprechung(smacht) ist ohnegleichen, Dein Befehl ist Anu. Ab heute darf Deine Order nicht geändert werden. Zu erhöhen und zu erniedrigen, sie (= die Order) soll Deine Hand sein. Der Ausspruch Deines Mundes soll dauerhaft, Dein Befehl nicht trügerisch sein. Keiner unter den Göttern darf Deine Grenze übertreten.“

Die Besonderheit dieser Festsprechung für Marduk liegt darin, dass durch das Vehikel einer Festsprechung Festsprechungsmacht verliehen wird. Dies wird vom Text kunstvoll in der Doppeldeutigkeit der Formel šīmatka lā šanān (IV 4, 6) aufgenommen, die sich zum einen auf die Festsprechung bezieht („die Festsprechung für Dich ist ohnegleichen“) und zugleich aber auch auf die verliehene Festsprechungsmacht („Deine Festsprechungsmacht ist ohnegleichen“). Die ersten vier Zeilen der Festsprechung erinnern an die Anrede Eas an Anšar (siehe § 5.1.1.1.). Dies gilt zum einen für die formal-stilistische Betrachtung, wonach vier Verse eine gemeinsame Komposition darstellen. Der Name des Angeredeten fällt dabei erst in der dritten Zeile. Die Sprache ist durchgehend stativisch und 42 II 62, 64: ša šubšû u hulluqu bašû ittišu „Erschaffen und Vernichten existieren mit Dir.“ Durch den Infinitiv šubšû wird die Schöpfungskompetenz Anšars als Träger von Festsprechungsmacht expliziert. 43 Dieser Befund zeigt sich auch in der Erhöhung Kingus. Als er die Tafel der Festsprechungen (ṭuppi šīmāti) erhält, sagt Tiāmtu, dass sein „Ausspruch des Mundes“ (ṣīt pî) dauerhaft sein soll und sein „Ausspruch“ (kataduggû) unveränderlich. Dadurch wird ebenfalls die Mündlichkeit des Instruments der Festsprechung deutlich. 44 Zu den abweichenden Schreibungen siehe § 3.10.4.

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Kapitel 5: Festsprechung(sakt) (=šīmtu) und Name(nsgebung )

huldigend. Zum anderen existiert aber auch eine inhaltliche Parallele. In beiden Fällen wird die Festsprechungsmacht der adressierten Person beschrieben. Im Falle Marduks schließt diese Beschreibung sogar noch vier weitere Verse mit ein. Betrachtet man das Wortfeld der acht Zeilen der Festsprechung für Marduk, so fällt auf, dass Begriffe des Sprechens und Befehlens dominieren. Es finden sich die Lexeme beziehungsweise constructus-Verbindungen siqru („Befehl“ IV 4, 6, 9), qibītu („Order“ IV 7) und ṣīt pî („Ausspruch des Mundes“ IV 9). Das Format der Mündlichkeit offenbart sich auch in dem Umstand, dass der hier beschriebene Festsprechungsakt für Marduk selbst eine wörtliche Rede ist (siehe auch § 5.1.1.2.). Als zweites Wortfeld finden sich Formulierungen, die Unveränderlichkeit beziehungsweise Dauerhaftigkeit ausdrücken (lā innennâ „darf nicht geändert werden“ IV 7, lū kīnat „soll dauerhaft sein“, lā sarār „darf nicht trügerisch sein“ IV 9). Schließlich wird der Supremat von Marduks Festsprechungsmacht über andere Götter ausgedrückt (kabtāta „(ge)wichtig“ IV 3, 5, lā šanān „ohnegleichen“, dAnum45 „Anu“ IV 4, 6, mamman … lā ittiq „niemand darf … übertreten“ IV 10). Die Ergebnisse der bisherigen Untersuchung können anhand einer Formel zusammengefasst werden: Festsprechungsmacht bedeutet die Fähigkeit und Befugnis, durch das Wort etwas für Dritte dauerhaft festzulegen. Marduk erhält demnach durch den Festsprechungsakt der Großen Götter Festsprechungsmacht, d.h. die Kompetenz Festsprechungen vorzunehmen. Dieser Umstand stellt eine Abtretung von Macht durch die Götter dar, da sie Marduk Wortgewalt verleihen, die so groß ist, dass sie gegen Marduks Wort nun nichts mehr ausrichten können. 5.1.2.2. Die Sternbilddemonstration als Demonstration von Festsprechungsmacht Nach seiner ersten Erhöhung, nachdem er die unter den Göttern höchste Festsprechungsmacht verliehen bekommen hat, setzen die Götter ein Sternbild (lumāšu IV 19) an den Himmel, das Marduk nun durch sein bloßes Wort zerstören und wiederherstellen soll, was er anschließend genauso durchführt. Die Sternbilddemonstration wird von den Göttern mittels einer wörtlichen Rede erläutert. IV 21

šīmatka bēlum lū maḫrat ilānīma

IV 22

abātum46 u banû qibi liktūna47

IV 23

epšu48 pîka liʾʾabit lumāšu

„Deine Festsprechungsmacht, Herr, sie soll der der Götter gleich sein. Zerstören und Erschaffen, befiehl (sie) (und) es soll dauerhaft sein. Durch die Aktion Deines Mundes soll das

45 Es gibt eine besondere Verbindung im enūma eliš zwischen der Tafel der Festsprechungen und der Anuschaft (danūtu) (siehe § 5.1.2.3.). Vermutlich ist diese Verbindung sogar allgemeiner und verknüpft Anuschaft und Festsprechungsmacht, so dass durch die Aussage von Vers IV 4 und IV 6 expliziert wird, dass Marduk im Zuge seiner ersten Erhöhung neben der Festsprechungsmacht auch die Anuschaft verliehen bekommt. 46 aunb: amātum. Zur Markierung eines Singulars unabhängig vom Kasus durch die Endung -tum siehe WORTHINGTON 2012, S. 280f. 47 aunb: liktūnū („sie sollen dauerhaft sein“).

5.1. šīmtu – ‚Schicksal‘ als Festsprechung

IV 24

tūr49 qibīšumma lumāšu50 lišlim

261

Sternbild zerstört werden. Befiehl ihm ein zweites Mal und das Sternbild soll wieder heil werden.“

Damit verknüpfen die Götter die Sternbilddemonstration mit der gerade verliehenen Festsprechungsmacht, die sich in dem Exempel zeigen soll. Als Vehikel seiner Machtausübung werden qabû („sprechen, befehlen“ IV 22, 25), epeš pî („Aktion des Mundes“ IV 23) und ṣīt pî („Ausspruch des Mundes“ IV 27) verwendet. Damit rekurriert diese Passage auf die Festsprechung für Marduk, in der er die Festsprechungsmacht erhält. Diese wird ebenfalls durch Ausdrücke des (befehlenden) Sprechens umschrieben (siehe § 5.1.2.1.), wobei sowohl die status constructus-Verbindung ṣīt pî (IV 9) als auch die Wurzel √qbī (qibītu „Order“ IV 7) Verwendung finden. Die Verwendung des gesprochenen Wortes im Rahmen der Sternbilddemonstration ist demnach eine Ausübung von Festsprechungsmacht, sie ist eine Festsprechungsdemonstration. Wenn Marduk nun im Folgenden das Sternbild durch zwei Sprechakte zunächst zerstört und anschließend wieder entstehen lässt, offenbart er somit seine neu gewonnene Festsprechungsmacht. Als Demonstrationsobjekt wird ein Sternbild gewählt, das nach altorientalischem Verständnis51 etwas Ewiges ist. Zudem wird es von den Göttern hingestellt – und damit möglicherweise auch erschaffen. Wenn Marduk das Sternbild nun durch sein Wort zerstört, zerstört er etwas Ewiges und zudem etwas, was von den anderen Göttern kommt. Durch letzteres zeigt Marduk, dass seine Festsprechungsmacht die der anderen Götter übersteigt. Damit demonstriert er, dass der Transfer der Macht im Rahmen seiner ersten Erhöhung erfolgreich war. Andererseits kann ein Stern aber auch für einen Gott stehen, wie im enūma eliš der Name Nēberu verdeutlicht, wodurch Marduk mit dem gleichnamigen Planeten identisch wird. Insofern könnte die Sternbilddemonstration den Göttern auch vor Augen führen, dass sein Wort so gewaltig ist, dass es Götter vernichten und (wieder) erschaffen kann. Für diese These spricht eine enge lexematische Verknüpfung zwischen der Sternbilddemonstration und der Erschaffung des Menschen. In Eas Ratschlag an Marduk, einen Gott für die Menschenschöpfung zu töten, finden sich verschiedene Rekurrenzen und Substitutionen:52 VI 13

linnadnamma ištēn aḫūšun

VI 14

šū liʾabbitma nišū lippatqū

VI 15

lipḫurūnimma ilānū rabûtu

48

„Der eine, ihr Bruder, soll wirklich übergeben werden und er, ja er, soll ganz und gar vernichtet und die Leute (=Menschen) geformt werden. Die Großen Götter sollen sich versammeln und

aunb: epša. FAss: [t]ūri. 50 KHuz: lumāšum. 51 Dieses zeigt sich beispielsweise im Text KAR 4 (RS 21) ša lā uttakaru kakkab šamê dar[û] („es ist etwas, das nicht geändert werden darf, (wie) ein ewiger Stern“) (PETTINATO 1971, S. 77). 52 Zu Textvarianten und Aufbau der Verse siehe § 3.14.6. 49

262 VI 16

Kapitel 5: Festsprechung(sakt) (=šīmtu) und Name(nsgebung ) ša anni linnadinma šunu liktūnū

der Schuldige soll übergeben werden und sie sollen dauerhaft sein/werden.“

Das Lexem ištēn als expliziter Ausdruck der Einzahl findet sich jenseits von Zählungen nur im Rahmen der Sternbilddemonstration, wenn die Götter „ein einziges Sternbild“ (lumāšu ištēn IV 19) hinstellen, und hier in der Rede Eas in ištēn aḫūšun („der eine, ihr Bruder“ VI 13).53 Im Rahmen der Beschreibung der Sternbilddemonstration findet sich zweimalig das Verb abātu („auslöschen“ IV 22f.). In der Aufforderung an Marduk verwenden die Götter einen N-Stamm Prekativ (IV 23). Dieselbe Form taucht nur ein weiteres Mal im Lied auf Marduk auf, nämlich oben in Vers VI 14, wonach der schuldige Gott vernichtet werden soll (liʾabbitma). Schließlich kommen in der Sternbilddemonstration die Verben banû („bauen“ IV 22 und 26) und šalāmu („heil sein/werden“ IV 24) zum Einsatz, in Eas Rede zur Hinrichtung Kingus die Substitution patāqu („formen“ VI 14). Somit offenbaren beide Stellen eine enge Vernetzung, die zudem auch auf der motivischen Ebene festzumachen ist. So wird Kingu getötet und aus seinem Blut die Menschheit erschaffen, womit er in gewisser Hinsicht wieder zum Leben erweckt wird – wie das Sternbild, das Marduk auslöscht und wiederherstellt. Diese lexematische und motivische Nähe zwischen Sternbilddemonstration und der Menschenschöpfung sprechen somit für die These, dass das Sternbild nicht nur ein Gegenstand, sondern ein Symbol für eine Gottheit ist. Marduk zeigt durch die Sternbilddemonstration, dass er in der Lage ist, einen Gott zu vernichten und wiederherzustellen. Dies stellt in der Tat die höchste Stufe von Festsprechungsmacht dar (siehe auch § 6.3.2.). 5.1.2.3. Tafel der Festsprechungen im Lied auf Marduk Tafel der Festsprechungen und Anuschaft Die Bedeutung der Tafel der Festsprechungen für das šīmtu-Konzept im Alten Orient zeigt sich insbesondere bei der Lektüre der Anzû-Erzählung, die nach Wilfred Lambert einen Prätext zum enūma eliš darstellt (1986; 2013, S. 449–451). Dort ist sie eng verknüpft mit dem Amt der denlilūtu („Enlilschaft“).54 Deutlich wird dies an der Stelle, an der Anzû Enlil die Tafel der Festsprechungen entwendet (ANNUS 2001, S. 20): I 81 / I 108

ṭuppi šīmāti ikšuda qatuššu

I 82 / I 109

d

enlilūtu ilteqe nadû parṣi

Die Tafel der Festsprechungen erreichte er mit seiner Hand, er nahm die Enlilschaft, das Amt ist verlassen.

53 Die besondere Verwendung in IV 19 fiel bereits Herman Vanstiphout auf, der dies jedoch metonymisch versteht, wonach das eine Sternbild für alle Sternbilder stehe (1992, S. 54 Anm. 59). 54 Eine Auseinandersetzung mit der Funktion der Tafel Festsprechungen findet sich in GRONEBERG 2008.

5.1. šīmtu – ‚Schicksal‘ als Festsprechung

263

Durch die Tafel der Festsprechungen erlangt Anzû demnach nicht nur Festsprechungsmacht, sondern auch die Enlilschaft und damit zumindest potentiell die Macht über die Götter.55 Blickt man nun ins enūma eliš, so findet sich die Tafel dort nicht im Zusammenhang mit der Enlilschaft, aber mit dem Amt der Anuschaft (danūtu). So empfängt Kingu während seiner Erhöhung die Tafel der Festsprechungen, während sein Aufstieg dadurch ausgedrückt wird, dass „er die Anuschaft angenommen“ habe (leqû d anūti I 159 und Parallelstellen). Schließlich werden sowohl der Besitz der Tafel der Festsprechungen (IV 121) als auch der Anuschaft (IV 82) als für Kingu unangemessen (lā simātīšu) bezeichnet. Schließlich gibt Marduk die Tafel an Anu weiter – und damit an den rechtmäßigen Besitzer von Anuschaft (danūtu) und der Tafel der Festsprechungen (ṭuppi šīmāti) (V 70).56 Da die Tafel der Festsprechungen und Anuschaft demnach zusammenzugehören scheinen, sagt dies auch etwas über die Funktion der Tafel aus. Sie ist ein Machtinstrument. Dies zeigt sich auch daran, dass Kingu gleich im Anschluss an seine Erhöhung eine Festsprechung für Tiāmtu und ihre Götter erlässt (I 160–162). Er erlangt seine Festsprechungsmacht durch diese Tafel, welche damit ein Element der Anuschaft ist. Wenn nun die Tafel abschließend an Anu übergeben wird, so geht auch an ihn die Kompetenz über, Festsprechungen vorzunehmen. Und tatsächlich zeigt sich diese im Festsprechungsakt in Form der drei Namen für den Bogen Marduks (siehe § 5.2.10.). In der ersten Erhöhung Marduks wird diesem die Festsprechungsmacht mit den Worten verliehen, dass sein Befehl Anu sei (siqarka dAnum IV 4, 6) (siehe § 5.1.2.1.). Da Marduk erst nach seinem Sieg über Tiāmtu die Tafel der Festsprechungen erbeutet, können diese beiden Verse (IV 4, 6) darauf hinweisen, dass die Verbindung der Anuschaft nicht auf die Tafel der Festsprechungen begrenzt ist, sondern allgemeiner die Festsprechungsmacht betrifft. Damit ist das Lexem danūtu („Anuschaft“) werkimmanent ein akkadischer Eigenbegriff für Festsprechungsmacht. Tafel der Festsprechungen und Schriftlichkeit Während Festsprechungsakte nach den Beobachtungen im Text ein dezidiert mündliches Konzept sind (siehe § 5.1.1.2.), ist die Schriftlichkeit ein integrales Element der Tafel der Festsprechungen. So ist vom Text LKA 146:9f. belegt, dass die Tafel der Festsprechungen beschriftet war (LÄMMERHIRT, ZGOLL 2009, S. 153). Im enūma eliš wird beschrieben, dass Marduk die Tafel, nachdem er sie Kingu weggenommen hat, siegelt (IV 122). Diesen Akt muss man vermutlich parallel zur Siegelung von Verträgen auffassen (siehe unten). In der Forschung ist entsprechend die Auffassung verbreitet, dass auf der Tafel die Festsprechungen der Götter festgehalten sind 55 Tatsächlich ist Anzû der neuen Macht nicht gewachsen und produziert statt Herrschaft nur Chaos. Dennoch schafft er es eine so große Bedrohung zu werden, dass nur noch Ninurta die Götter retten kann. 56 An dieser Stelle schreibt der einzig erhaltene Textzeuge (H Huz) d60, was ein Ausdruck für Ea oder Anu sein kann (siehe § 3.12.8.). Sollte die Tafel tatsächlich an Anu gehen, wäre dies ein weiterer Beleg für die Verbindung zwischen Anuschaft und der Tafel der Festsprechungen.

264

Kapitel 5: Festsprechung(sakt) (=šīmtu) und Name(nsgebung )

(LÄMMERHIRT, ZGOLL 2009, S. 153; BOTTÉRO 1998, S. 189; WILCKE 2007a, S. 14). Durch das Aufschreiben wird die mündlich bestimmte Festsprechung weiter fixiert und somit die Dauerhaftigkeit der Bestimmungen befördert. Zugleich werden die Beschlüsse dadurch von anderen einsehbar (siehe auch § 6.3.5.). Auf der expliziten Textebene finden sich beide Funktionen (Aufbewahrung und Einsehbarkeit) jedoch nicht. Dennoch scheint die Niederschrift und damit verbundene Fixierung und Lesbarkeit der Festsprechungen57 als zweite Funktion der Tafel der Festsprechungen neben der Verleihung von Festsprechungsmacht im Werk vorzuliegen. Tafel der Festsprechungen und Marduk Kingus Aufstieg zum Götterherrscher ist mit der Gabe der Tafel der Festsprechungen verbunden, wodurch er Festsprechungsmacht erhält (siehe oben). Anders verhält es sich bei Marduk, der im Rahmen seiner ersten Erhöhung durch einen Festsprechungsakt der versammelten Großen Götter mit Festsprechungsmacht ausgestattet wird (siehe § 5.1.2.1.). Die Tafel der Festsprechungen wiederum fällt ihm als Beute in die Hände, als er Kingu gefangen nimmt (IV 121). Am Ende der anschließenden Schöpfung und damit noch vor seiner zweiten Erhöhung gibt er sie an Anu weiter (V 70), als er letzte funktionale Zuweisungen für die Ordnung des Kosmos‘ erlässt (siehe auch § 3.12.8). Durch die Weitergabe der Tafel werde deutlich, dass er sie nun nicht mehr brauche, so interpretiert Jack Lawson. Er geht davon aus, dass Marduk die Tafel für die Schöpfung benötigt, sie dann aber an Anu weitergibt (1994, S. 23). Gegen diese These sprechen drei wichtige Gründe. Blickt man als erstes auf die textexternen Belege für die Tafel der Festsprechungen, so ist sie kein einziges Mal als Instrument der Schöpfung belegt (LÄMMERHIRT, ZGOLL 2009, S. 153). Zweitens wurde Marduk in seiner ersten Erhöhung die größte Festsprechungsmacht unter den Göttern verliehen, welche er an einem Stern demonstriert. Demnach benötigt er die Tafel gar nicht, um Festsprechungen vorzunehmen. Drittens und schlussendlich fällt sein Umgang mit der Tafel auf, nachdem er sie Kingu weggenommen hat. Er siegelt sie. Andrew George (1986, S. 140) interpretiert dieses Verhalten so, dass Marduk die Tafel siegelt, um von ihr Besitz zu ergreifen. Bei Waren kennt man die Siegelpraxis als Zeichen eines Besitzanspruchs. Die Siegelung von Tontafeln hat allerdings zumeist eine andere Bedeutung. Bei Rechts- und Wirtschaftsurkunden wurde entweder von Zeugen ein Siegel unter eine Tontafel gesetzt oder von der Partei, die eine Verpflichtung eingeht beziehungsweise ein Recht abtritt (RENGER 1977, S. 76). Mit dem Siegel wurde von der Partei die Verpflichtung oder Rechtsabtretung bestätigt. Zugleich wird durch das Siegel eine Garantie ausgesprochen, dass das Festgelegte auch umgesetzt wird (DA-RIVA, FRAHM 2000, S. 167). Im politischen Bereich sind vom neuassyrischen Herrscher Asarḫaddon adê-Verträge (Verträge zur Absicherung 57

Ein Indiz, dass diese Vorstellung dem Werk zugrundeliegt, liefert die Verleihung der drei Namen an Marduks Bogen (siehe § 5.2.10.). Durch die Wandlung des Bogens in ein Sternbild, das ein Omen kommuniziert, wird die Entscheidung an den Himmel geschrieben und dadurch aufbewahrt und lesbar gemacht. Dies entspricht der Idee der Astroglyphen als Sternenbilderschrift (siehe auch ROAF, ZGOLL 2001).

5.1. šīmtu – ‚Schicksal‘ als Festsprechung

265

seiner eingesetzten Thronerben) überliefert, die mit einem „Siegel der Festsprechungen“ (kunuk šīmāti) des assyrischen Reichsgottes Aššur gesiegelt wurden, wodurch dieser die Einhaltung der vertraglich festgelegten Verhältnisse garantiert (WATANABE 1985, S. 380). Dadurch tritt der Gott als Garantiemacht auf, dass die Vereinbarung tatsächlich so umgesetzt und nicht gebrochen wird. In eine solche Richtung geht auch die Lesart von Stefan Maul, der in der Siegelung durch Aššur den ewigen Anspruch der Assyrer auf Herrschaft versteht, der somit über den Tod des menschlichen Herrschers (hier: Asarḫaddon) hinausreicht (1999b, S. 212). Wenn Marduk also als Träger höchster Festsprechungsmacht die Tafel siegelt, auf der die Festsprechungen festgehalten sind, so garantiert er qua seiner Macht, dass diese auch so eintreten. Die Tafel der Festsprechungen tritt hier demnach nicht mehr als Instrument, das Festsprechungsmacht verleiht, auf, sondern wird im Verhältnis zu Marduk auf ihre Archivierungsfunktion reduziert. Sie kann ihm keine zusätzliche Macht verleihen. Anders tritt sie dann in den Händen Anus in Erscheinung, der vermutlich durch die Tafel ermächtigt anschließend für den Bogen Marduks Festsprechungen vornimmt (siehe § 5.2.10.). Im Kontext zu Marduk ist die Tafel der Festsprechungen demnach bei einer rein textimmanenten Betrachtung von untergeordneter Bedeutung und für den Handlungsverlauf nicht zwingend erforderlich. Wie die deutliche Überlegenheit Marduks über Kingu zeigt, bricht seine Festsprechungsmacht die des Gegners. Während Marduks Macht von der Götterversammlung kommt und durch das Instrument eines Festsprechungsaktes verliehen wurde, entstammt Kingus Macht von der ihm gegebenen Tafel der Festsprechungen. Die Schwäche Kingus offenbart sich auch in der von ihm vorgenommenen Festsprechung im Anschluss an seine Erhöhung. I 161

epša58 pîkunu dGira l[in]iḫḫa

I 162

imtuk59 kitmuru60 magšaru lišrabbib

„Die Aktion eures Mundes soll Gira (aus-)löschen. Dein Gift soll durch (seine) Anhäufung Stärke in die Demut zwingen.“

Während sich der erste Vers an die versammelten Tiāmtu-Götter richtet, adressiert die zweite Zeile die Urmutter Tiāmtu selbst. Folgt man dem Verlauf des Werkes, so zeigt sich, dass Kingus Festsprechungsakt durchaus Wirkung zeigt, doch ist diese für den Verlauf der Handlung unbedeutend. Da die Tiāmtu-Götter nicht in den Kampf gegen Marduk eingreifen, ist ihre Macht über das Feuer (I 161) nutzlos. Tiāmtus Anhäufung von Gift (I 162) findet sich ebenfalls im Kampf nicht wieder, stattdessen ist es aber noch als kleines Teilelement der Wetterschöpfung wirkmäch58 JNin: epšu. Obwohl Wilfred Lambert primär den Lokativ-adverbialis epšu annimmt (2013, S. 39), übersetzt er einen Nominativ (IBID, S. 59). Da nur ein Nominativ semantisch funktioniert, wird hier entsprechend von diesem ausgegangen (in der constructus-Form epša (Var. epšu) statt epeš, siehe auch Wiederholungsstellen II 47, III 51, 109). 59 Wilfred Lambert geht von einer korrupten Schreibung imtuk (für imtukunu „euer Gift“) aus, da er pîkunu aus Vers I 161 und imtuk aus I 162 auf die selbe Instanz beziehen will (2013, S. 472). Dies muss jedoch nicht der Fall sein. 60 FNin: ina k[itmuri…]. Diese Textvariante spricht für die Annahme eines Lokativ-adverbialis kitmuru (siehe auch LAMBERT 2013, S. 37–39).

266

Kapitel 5: Festsprechung(sakt) (=šīmtu) und Name(nsgebung )

tig (V 51). Beide Male findet sich das Lexem imtu („Gift“) zusammen mit einer Form des Verbs kamāru („aufhäufen“), so dass Kingus Festsprechung noch nach dem Tod Tiāmtus nachzuwirken scheint. Auch Marduk tätigt gleich im Anschluss an seine (erste) Erhöhung einen Festsprechungsakt, nämlich die Sternbilddemonstration, welche auf den ersten Blick für den Handlungsverlauf unbedeutend zu sein scheint. Doch die lexematische Nähe zur Menschenschöpfung (siehe § 5.1.2.2.) verdeutlicht die besondere Aufladung dieser Handlung: Die Tötung Kingus wird vom Text an dieser Stelle vorweggenommen, wodurch Marduk durch einen Festsprechungsakt seine Überlegenheit über den feindlichen Träger von Festsprechungsmacht symbolisch ausdrückt. Während also Kingus Festsprechungen für Marduk bedeutungslos sind, ist Marduks Festsprechung für Kingu von unheilvoller Wirkung. Die Tafel der Festsprechungen (ṭuppi šīmāti) ist auch aus anderen Mythen des antiken Mesopotamiens bekannt, vor allem aus der Anzû-Erzählung.61 Dort ist Enlil als Götterherrscher in Besitz von der Tafel der Festsprechungen und der Enlilschaft (denlilūtu). Letztere wird im enūma eliš durch die Anuschaft (danūtu) ersetzt (siehe oben). Wenn Marduk nun Kingu überwindet, wobei die Tafel der Festsprechungen keine entscheidende Rolle spielt,62 so überwindet das neue Modell (Festsprechungsmacht durch einen Festsprechungsakt der Götterversammlung) das traditionelle Modell (Festsprechungsmacht qua Besitz der Tafel der Festsprechungen). Wenn Marduk sie dann sogar an einen anderen, weniger bedeutenden Gott abgibt, so zeigt sich hierin explizit die Verzichtbarkeit der Tafel für Marduks Macht. In dieser freiwilligen Abgabe liegt möglicherweise auch eine Spitze gegen Ninurta, der ansonsten durchaus auch als Vorbild für Marduk im enūma eliš fungiert (LAMBERT 1986). So weigert sich Ninurta in der sumerischen Erzählung Ninurta und die Schildkröte (ALSTER 2006) zunächst, die Tafel wieder an den rechtmäßigen Besitzer, Enlil, zurückzugeben, so dass Enki (=Ea) zu einem Trick greifen muss. Diese Verlockung kann die Tafel nicht auf Marduk ausüben. Textimmanent liegt es daran, dass seine Macht die Macht, die die Tafel verleihen kann, bereits übersteigt. Intertextuell zeigt sich aber auch eine gewisse moralische Überlegenheit Marduks, da er sie freiwillig abgibt. Da Tafel der Festsprechungen und Anuschaft vermutlich zusammengehören, übergibt er sie sogar an den rechtmäßigen Besitzer, Anu.63 Noch eine weitere Funktion erfüllt die Tafel der Festsprechungen im Werk, denn in den traditionellen Erzählungen bedeutet ihr Besitz in feindlicher Hand eine Potenzierung der Bedrohung. So wird sie im intertextuellen Kontext auch dazu einge61

Daher vermutet Wilfred Lambert, dass die Tafel der Festsprechungen durch die Anlehnung an den Anzû-Mythos im enūma eliš auftaucht (2013, S. 451). 62 Anders als in der Anzû-Erzählung spielt sie im zentralen Kampf gar keine Rolle, da der Träger der Tafel, Kingu, nicht an dem Kampf teilnimmt. Anschließend ist es für Marduk ein Leichtes, Kingu festzunehmen und ihm die Tafel zu entwenden. 63 Stephanie Dalley liest das enūma eliš hingegen so, dass Marduk die Anuschaft ( danūtu) von Kingu nimmt, dadurch die Macht des klassischen Himmelsgottes Anu erlangt und somit in die Lage versetzt wird, die Himmelsphänomene zu erschaffen (1997, S. 170). Sollte obige Interpretation jedoch richtig sein, wonach er mit der Siegelung der Tafel der Festsprechungen seine Überlegenheit über die Macht dieses Gegenstandes demonstriert, so kann er die Tafel weitergeben, ohne an Macht zu verlieren.

5.1. šīmtu – ‚Schicksal‘ als Festsprechung

267

setzt, die Notlage der Götter noch gefährlicher erscheinen zu lassen. Doch auch hier ist ihre textimmanente Bedeutung deutlich abgeschwächt, da beispielsweise die Götter Ea und Anu ihr Scheitern nicht damit begründen, dass Kingu die Tafel der Festsprechungen besitze, sondern dass Tiāmtu für sie zu stark sei (II 85–90 bzw. 109–114). Schließlich offenbart sich ihre geringe Bedeutung auch darin, dass sie aus dem Nichts auftaucht und dann in der Erzählung wieder von der Bildfläche verschwindet. Der Text fokussiert sich nicht auf sie, sondern auf Marduk und seinen stufenweisen Aufstieg. Und speziell hier ist sie schlicht irrelevant. 5.1.3. Zusammenfassung Die textimmanente Analyse hat das hinter dem Lexem šīmtu stehende Konzept deutlicher erkennbar gemacht. Dabei muss man zwischen der Proposition des Gesprochenen (Festsprechung), der Handlung (Festsprechungsakt) und der Kompetenz, eine Festsetzung vorzunehmen (Festsprechungsmacht), unterscheiden. Zusätzlich spielt auch die Tafel der Festsprechungen eine – wenn auch eher unwichtige – Rolle.  Die Festsprechung wird in einer wörtlichen Rede wiedergegeben, wobei sie durch performative (bspw. modale) Aussagen zumeist als Ziel/Absicht formuliert wird.64  Ein Festsprechungsakt erfolgt entweder durch besonders ermächtigte Einzelgötter (Kingu, Marduk, Anu) oder durch eine Versammlung der Großen Götter. Diese Versammlungen weisen gewisse Spezifika auf (besonderer Ort, Intentionalität, ggf. mit weiteren performativen Akten und der Verleihung von Namen). Die einzigen Adressaten von Festsprechungsakten sind Tiāmtu und ihre Götter sowie Marduk und sein Bogen. Die häufigsten Festsprechungsakte finden für Marduk statt.  Träger von Festsprechungsmacht sind neben der Versammlung der Großen Götter und den „Göttern der Festsprechungen“ (ilānū šīmāti) nur die Einzelgötter Marduk, Anšar, Kingu und Anu. Die drei erstgenannten Götter werden auch als Könige (šarru) bezeichnet, wodurch sich Festsprechungsmacht als Herrschaftsinstrument zeigt; sie ist aber nicht ausschließlich auf den König beschränkt (Große Götter, Anu).65 Während Marduk die Festsprechungsmacht durch einen Festsprechungsakt erhält, erlangen Kingu und Anu sie (vermutlich) durch den Besitz der Tafel der Festsprechungen.66 Dabei erweist sich im Text, dass Marduks Macht der Macht der anderen beiden eindeutig überlegen ist, was vermutlich textextern auch gegen Enlil gerichtet ist.  Die Tafel der Festsprechungen taucht im Werk ohne Angabe ihrer originären Herkunft auf und verschwindet später wieder. Zusätzlich ist ihre Funktion als Vehikel der Festsprechungsmacht im Text unterentwickelt. Es verbleibt die 64 Eine inhaltliche Analyse der Festsprechungen im Werk findet sich in §§ 5.2.1.–10., 6.3.2. und 6.3.4.–5. 65 Zusätzlich bedeutet das Epitheton šarru auch nicht notwendigerweise Götterkönigtum (siehe § 6.3.). 66 Anšar als König der Götter (siehe § 6.2.3.) verfügte vermutlich qua Amt über Festsprechungsmacht.

268

Kapitel 5: Festsprechung(sakt) (=šīmtu) und Name(nsgebung )

Funktion der Archivierung und der damit verbundenen Lesbarkeit der auf ihr festgehaltenen Festsprechungen, für die Marduk qua seiner Festsprechungsmacht garantiert. Anu als finaler Träger der Tafel fungiert demnach als Archivar der Festsprechungen.

5.2. Name(nsgebung) Namensgebung Wie ein Blick in die ersten beiden Zeilen und in das Ende des enūma eliš offenbart, sind Name und Namensgebung zentrale Themen im Werk (siehe Kapitel 5 Einleitung). Dieses Motiv zieht sich durch den gesamten Text, in dem 19 Zeilen explizit von Namensgebungen berichten (siehe Tabelle 20). Diese lassen sich anhand der akkadischen Terminologie leicht identifizieren. So drückt das Verb nabû in der Regel (IV 81 und VI 12067 sind vermutlich Ausnahmen) eine Namensgebung aus, gleiches gilt für die Formel šuma zakāru.68 Die meisten Belege sind auf der Erzählerebene angesiedelt. Abweichend hiervon wird die erste Verleihung des Namens Lugal-dimmer-ankia(k) an Marduk in einer wörtlichen Rede wiedergegeben, wobei die Benennung in einem Nominalsatz ausgedrückt wird: dLugal-dimmer-an-kia zikrašu („Lugal-dimmer-an-kia(k) ist sein Name“ V 112). Ebenso formuliert Ea bei dem Transfer seines eigenen Namens an Marduk nominal: dEa lū šumšu („Ea soll sein Name sein“ VII 140). Die übrigen Benennungen, die in wörtlicher Rede auftauchen finden sich in den Belegstellen VI 102 und VI 120f. Tabelle 20: Handlungsträger und Adressaten von Namensgebungen69 Zeile I 1f.

67

Text70 enūma eliš lā nabû šamāmū // šapliš ammatum šuma lā zakrat

Übersetzung Als oben die Himmel (noch) nicht benannt waren // (und) unten das Feste mit Namen (noch) nicht genannt war,…

Handlungsträger71 ungenannt; keine Namensgebung (negative Formulierung)

Adressat(en) Himmel und Erde

Zu Vers VI 120 siehe § 5.2.5. Während der Bezug der Phrase šuma zakāru zur Namensgebung im enūma eliš offensichtlich ist, wird sie in der Totenpflege als Ausdruck für das Gedenken an den Namen eines Verstorbenen verwendet (PODELLA 1989, S. 113). 69 In diesem Überblick wurden die expliziten Namensgebungen innerhalb der Verleihung der 50+2 Namen nicht gesondert berücksichtigt. Dabei handelt es sich um die Textstellen VI 123, 127, 139, 143, 147, 151, 155, VII 19, 76, 119. Diese Benennungsakte sind bereits in den Zeilen VI 121, 157 und 165. enthalten. 70 Da es sich hierbei nur um einen ersten Überblick handelt, wurde an dieser Stelle auf die Ausweisung von Schreibvarianten verzichtet. 71 Die Verse I 1f. und I 8 formulieren zum einen negativ und nennen zum anderen keine Handlungsträger. Bei der konkreten Analyse des Phänomens der Benennung und des Namens helfen sie daher nur bedingt weiter und sind daher nur am Rande Gegenstand der weiteren Untersuchung. 68

269

5.2. Name(nsgebung)

Tabelle 20: Handlungsträger und Adressaten von Namensgebungen (Fortsetzung) Zeile I8

Text šuma lā zukkurū šīmāte lā šīmū

I 76

imbīšumma Apsû uaddû ešrēti

V 112

d Lugal-dimmer-an-kia zikrašu šuāšu tiklāšu

V 129

lubbima šumšu Bābil[i]ki bītāt ilānī rabûti

VI 88 –90

imbima ša qašti kīam šumīša // iṣu arik lū ištēnumma šānû lū kašid // šalšu šumša mul BAN ina šamê ušāpi

VI 101

ušātir Anšar dAsalluḫi ittabi šumšu

VI 121

i nimbêma hanšā šumēšu 3.ÀM šumēšu imbû Anšar dLaḫmu u d Laḫamu

VI 157

72

Übersetzung Mit Namen waren sie (die Götter) (noch) nicht genannt, sie waren mit Festsprechungen (noch) nicht bedacht.72 Var. 1: Er nannte ihn Apsû, den er zu Heiligtümern bestimmte. Var. 2: Er nannte ihn Apsû, (d.h.): „Sie bestimmten die Heiligtümer.“ Var. 3: Er nannte ihn Apsû, (d.h.): „(Derjenige), der die Heiligtümer bestimmt.“73 „Lugal-dimmer-an-kia ist sein Name. Vertraut ihm, ja ihm!“ „Ich will [seinen] Namen, Babyl[on], ‚Die Häuser der Großen Götter‘, nennen.“ Er (=Anu) gab dem Bogen seine folgenden Namen: // „‚Das Holz ist lang‘ soll der erste sein und der zweite ‚Er soll erfolgreich sein‘, // sein dritter Name ist ‚Sternenbogen‘.“ Er ließ (den Sternenbogen) am Himmel erscheinen. Anšar machte (Asalluḫi=Marduk) übergroß, er nannte seinen Namen Asalluḫi. „Lasst uns seine 50 Namen nennen!“ Drei seiner Namen nannten (jeweils) Anšar, Laḫmu und Laḫamu.

Handlungsträger ungenannt; keine Namensgebung (negative Formulierung)

Adressat(en) Götter

Ea

Apsû

Anšar-Götter

Marduk

Marduk

Babylon

Anu

Marduks Bogen (Marduk)74

Anšar

Marduk

Große Götter

Marduk

Anšar, Laḫmu, Laḫamu

Marduk

Wortwörtlich: „Sie waren mit Festsprechungen nicht festgesprochen.“ Zu den drei Übersetzungsmöglichkeiten siehe § 5.2.1. 74 Die Analyse der Verleihung der drei Namen macht deutlich, dass Marduk zumindest auch mittelbarer Adressat der hier bestimmten Festsprechungen ist (siehe § 5.2.10.). 73

270

Kapitel 5: Festsprechung(sakt) (=šīmtu) und Name(nsgebung )

Tabelle 20: Handlungsträger und Adressaten von Namensgebungen (Fortsetzung) Zeile VI 165f.

Text ūšibūma ina ukkinnašunu inambû (Var.: ibannû bzw. uaddû) šīmāte // ina mēsī nagbašunu uzakkirūni šumšu

VII 136

Bēl mātāti šumšu ittabi abu dEnlil

VII 137 VII 140 VII 143f.

zikrī dIgigi imbû nagabšun šū kīma jâtima dEa lū šumšu ina zik-ri75 ḫanšā ilānū rabûtu // ḫanšā šumēšu imbû ušātirū alkatsu

Übersetzung Sie setzten sich in ihrer Versammlung und benannten (Var. bestimmten bzw. erbauten) die Festsprechungen. // Mittels aller kultischen Riten/Rituale nannten sie seinen Namen. Seinen Namen Bēl mātāti nannte Vater Enlil. Alle Namen, die (alle) Igigi genannt hatten. „Er ist wie ich, (Ea); Ea soll sein Name sein.“ Mit 50 Sprechakten/ durch den Ausspruch „50“ haben die (50) Großen Götter// seine 50 Namen genannt und seine alkatu (~Handlungsmacht)76 übergroß gemacht.

Handlungsträger Große Götter

Adressat(en) Marduk

Enlil

Marduk

Große Götter

Marduk

Ea

Marduk

Große Götter

Marduk

In Vers I 76 wird mit dem Gott Ea erstmalig das Subjekt einer Benennung erwähnt. Diese Namensverleihung ist gekoppelt mit der Einrichtung des Apsû als Eas Wohnstatt. Entsprechend der Parallelstruktur wird dieses Motiv dann von Marduk bei der Errichtung von Babylon wieder aufgegriffen (V 129), was diese beiden Benennungen erklärt (siehe § 4.1.5.), die als einzige Orte adressieren77 und sich somit von den anderen Namensgebungen unterscheiden (siehe §§ 5.2.1. und 5.2.2.). Die weiteren Benennungen richten sich durchweg (direkt oder indirekt) an Marduk, der damit wie bei den Festsprechungsakten (siehe § 5.1.1.1) der Hauptadressat von Namensgebungen im enūma eliš ist. Diese erfolgen zumeist durch eine Gruppe versammelter Götter (Anšar-Götter; Große Götter; Anšar, Laḫmu und Laḫamu), wovon insgesamt vier Fälle abweichen. Anšar, Enlil und Ea geben Marduk direkt einen Namen, wohingegen Anu dem Bogen drei Namen verleiht, wobei diese indirekt auch Marduk adressieren (siehe § 5.2.10.). Name und Bedeutung Der Name ist im Alten Orient eine Entität, aus der man wahre Aussagen über seinen Träger ableiten kann. Ein Name besteht dabei aus Zeichen, die bei einem richtigen – 75

Siehe § 4.3.2. Zum Lexem siehe § 5.2.6. 77 Inwiefern damit das Motiv der ersten beiden Zeilen, die die Nichtbenennungen von Himmel und Erde thematisieren, durch diese beiden Namensgebungen aufgegriffen wird, bedarf weitergehender Untersuchungen, die an dieser Stelle nicht geleistet werden können. 76

5.2. Name(nsgebung)

271

lesenden – Zugang die Informationen für die wahren Aussagen enthalten. Somit besitzt der Name eine eigene Existenz mit eigenen Eigenschaften. Diese Eigenschaften sind jedoch nicht ungebunden, sondern beziehen sich unmittelbar auf den Namensträger (RADNER 2005, S. 16f.). Wilfred Lambert fasst diesen Sachverhalt in der Formel „nomen est persona“ zusammen (1984, S. 5).78 Namen können auch ‚ausgedeutet‘ werden wie man es aus der Omenkunde her kennt (WILCKE 2007a, S. 8).79 In diesem Sinne sind Namen auch Träger von Bedeutung, was im Text an verschiedenen Stellen expliziert wird. Entsprechend fungieren Namensgebungen auch als Vehikel, um Macht zu transferieren (LAMBERT 2013, S. 456). Die altorientalischen Namensinterpretationen arbeiten mit dem gesamten Spektrum der Keilschriftlichkeit (siehe § 1.3.2.3.), das genutzt wird, um weitere Bedeutungen aus dem Namen abzuleiten. Bedeutungsträger sind dabei in der Regel die Zeichen der sumerischen Schreibung des Namens, die jeweils für sich einzeln herangezogen werden. Zugleich greifen die altorientalischen Interpreten auf die sumerisch-akkadische Zweisprachigkeit der altorientalischen Welt zurück. Ebenso werden vermutlich lexikalische Listen rezipiert, in denen Gleichungen zwischen Zeichen und akkadischen Lexemen hergestellt werden. Da es jedoch teils eine sehr große Variation in diesen Gleichungen gibt, ist die Argumentation an dieser Stelle immer mit einem gewissen Vorbehalt versehen. Andererseits hat Andrea Seri gezeigt, dass Listen bei der Erstellung des Werkes speziell bei den Namen eine besondere Rolle spielten (2006, S. 515–517), so dass sie bewusst als Quelle eingesetzt wurden. Dass so auch Gleichungen lexikalischer Listen in die Namensinterpretation eingeflossen sind, ist daher sehr naheliegend. Durch den großen Schatz an möglichen Zeichendeutungen und intertextuellen Bezügen im Zuge der Namensausdeutung, sind Mehrdeutigkeiten und mehrere Deutungen die Regel (siehe auch LAMBERT 2013, S. 456). Die Anlage der Unterkapitel erfolgt anhand der Unterscheidung zwischen den jeweiligen Adressaten der Namensgebungen: Benennungen von Orten (§§ 5.2.1.–2.), Benennungen von Marduk (§§ 5.2.3.–5.2.9.) und Benennungen von Marduks Bogen (§ 5.2.10.). Da Marduk die Namen Marduk, Lugal-dimmer-an-kia und Asalluḫi je zweimal im Text erhält, sollen diese ingesamt sechs Benennung durch Indizes von einander abgegrenzt werden. So soll zum Beispiel zwischen Marduk I und Marduk II unterschieden werden.

78 Andererseits unterstreicht er anhand von Beispielen von Namenslisten für die Göttin Ištar, den Gott Nabû und die Dämonin Lamaštu, dass das Lexem šumu („Name“) im altorientalischen Verständnis weiter gefasst war, als unser Ausdruck Name (LAMBERT 2013, S. 147f.). Die Beispiele führen vor allem Beinamen und Beschreibungen auf. Zudem sind die meisten altorientalischen Namen ‚sprechende‘ Namen; sie weisen also eine eigene Bedeutung auf, so dass eine strikte Trennung zwischen Name und Bezeichnung in der Tat für den Alten Orient nicht gilt. 79 Siehe auch § 5.3.2. Keilschriftschau.

272

Kapitel 5: Festsprechung(sakt) (=šīmtu) und Name(nsgebung )

5.2.1. Apsû Namensgebung Die erste explizite Benennung im enūma eliš erfolgt durch Ea, der nach seinem Sieg über Apsû diesen zu seiner Wohnung macht und ihm entsprechend auch den Namen Apsû verleiht. Die Interpretation der zweiten Hälfte des Verses I 76 erlaubt zwei Möglichkeiten. So kann die Zeile einen nicht eingeleiteten Relativsatz enthalten, der lediglich durch den Subordinativ uaddû erkennbar wäre (siehe bspw. LAMBERT 2008, S. 38:76; IBID 2013, S. 470), so dass sich folgende Übersetzung ergibt:80 I 76

imbīšumma Apsû uaddû ešrēti

Variante 1: Er nannte ihn Apsû, den er zu Heiligtümern bestimmte.

Nach dieser Lesart stehen die Benennung und die weitere Einrichtung des Apsû in einem engen Zusammenhang. Es fällt jedoch auf, dass ein Possessivsuffix fehlt, was die Heiligtümer und den Apsû näher verbinden würde. Bedeutung des Namens Dies führt zu einer zweiten Lesart von Vers I 76b, die ihn als Namensausdeutung interpretiert. Da die Verleihung des Namens Apsû Teil der Parallelstruktur ist (siehe § 4.1.5.), hat sie auch ein Pendant im zweiten Teil, und zwar in der Benennung der Stadt Babylon durch Marduk (V 129, siehe § 5.2.2.). Da dieser Name dort ausgedeutet wird, lässt sich eine ähnliche Konstruktion auch auf der ersten Tafel erwarten. Entsprechend dieser Überlegung wird im Folgenden der zweite Teil von Zeile I 76 als Ausdeutung des Namens Apsû gelesen und somit mit ihm verbunden. Der Name Apsû wird auf fast allen Textzeugen81 logographisch ZU.AB geschrieben und in derselben Reihenfolge können auch die beiden Wörter von I 76b dem Namen zugeordnet werden. Der Lautwert /zu/ trägt im Sumerischen das signifié „wissen“. Dieses entspricht im Akkadischen dem Verb edû, das sich im Prädikat uaddû („bestimmen“) im D-Stamm in Vers I 76 wiederfindet. Das Zeichen AB wiederum kann auch den Lautwert /eš/ tragen und steht dann für das sumerische èš, das mit dem akkadischen bītum (hier: „(Götter)haus, Tempel“) geglichen wird (CAD B 1998, S. 282f.), was wiederum ein Synonym für ešertu („Heiligtum“) ist (CAD A2 2004, S. 436).82 Auch ein textimmanenter Bezug könnte für die Gleichung des Zeichens AB mit dem akkadischen Substantiv ešertu sprechen. So findet sich die Silbe èš auch in dem Toponym Eš-gala (èš-gal-la IV 144f.), wobei es sich um eine zweite Bezeichnung für den Apsû handelt, wie Wayne Horowitz durch eine geographische Argumentation aufzeigt (1998, S. 113). Die Gleichung Apsû = Eš-gala lässt sich einfach verstehen, da AB = èš = „Heiligtum“. Schließlich handelt es sich bei èš in sumerischen Texten um einen zumeist von Mauern umgebenen Hof, in dem sich das Heiligtum der Stadtgottheit befindet 80

Abweichende Schreibungen liegen für diese Zeile nicht vor. ZU.AB schreiben die Textvertreter HNin, KAss, NAss, QAss und aKiš. Eine syllabische Schreibung weist lediglich die Schultafel sunb2a auf. 82 Zusätzlich beginnt das Lexem ešertu ebenfalls mit der Lautwertsilbe /eš/. Die andere Variante des Lexems, aširtu, wird im gesamten enūma eliš nicht verwendet. 81

5.2. Name(nsgebung)

273

(SZARZYŃSKA 2011, S. 2), so dass auch hierdurch ein enger Bezug zwischen Tempel und dem Lexem èš deutlich wird. Gemäß dieser Überlegungen zur der Zeile I 76 ergeben sich folgende Gleichungen: ZU = uaddû AB = ešrēti

Schwierig ist auch die Semantik der Ausdeutung, da nicht expliziert wird, wer das Subjekt des Satzes ist. Der maskuline Plural könnte auf die Götter verweisen, wie er es häufig im Werk tut. Leider taucht das Substantiv ešertu („Heiligtum“) im Rest des Textes kein weiteres Mal mit dem D-Stamm uddû auf, so dass sich somit auch keine textimmanenten Bezüge zeigen. Schließlich ist auch das Tempus des Prädikats unklar, so dass sowohl Vergangenheits-, Gegenwarts- als auch Zukunftsaussagen möglich sind. Somit ergibt die Interpretation der zweiten Hälfte von Vers I 76 als Ausdeutung des Namens Apsû eine Vielzahl an möglichen Übersetzungen. I 76

imbīšumma Apsû uaddû ešrēti

Variante 2: Er nannte ihn Apsû, (d.h.): „Sie haben die Heiligtümer bestimmt. / Sie bestimmen die Heiligtümer. / Sie werden die Heiligtümer bestimmen.“

Entsprechend der grammatischen Unterbestimmtheit der möglichen Ausdeutung von ZU.AB, kann es sich bei dem Prädikat uaddû wie bei Variante 1 (siehe oben) auch um einen Subordinativ handeln, wodurch wieder eine Einzahl möglich wird. Entsprechend ergibt sich eine dritte Übersetzungsvariante: I 76

imbīšumma Apsû uaddû ešrēti

Variante 3: Er nannte ihn Apsû, (d.h.): „(Derjenige), der die Heiligtümer bestimmt.“

Möglicherweise liegt in Vers I 76 – zumindest nach der Interpretation der Varianten 2 und 3 – bereits das Versprechen, dass alle Götter eine Heimstatt erhalten, was später Marduk einlöst. Ein Hinweis hierfür findet sich in der Benennung der Stadt Babylon (siehe § 5.2.2.). 5.2.2. Babylon Namensgebung Entsprechend der Komposition der Parallelstruktur (siehe § 4.1.5.) wird das Motiv der Benennung der eigenen Heimstatt auch in ihrem zweiten Teil wieder aufgegriffen. Hier tritt erst- und einmalig im gesamten Text Marduk als Namensgeber auf, der seiner Stadt ihren Namen gibt. V 129

83

lubbima83 šumšu84 Bābil[i]ki bītāt ilānī rabûti85

funb:2a: lumbima. funb:2a: šum GAL!. 85 funb:2a: rabeʾūt[u]. 84

Ich will [seinen] Namen, Babyl[on], ‚Die Häuser der Großen Götter‘, nennen.“

274

Kapitel 5: Festsprechung(sakt) (=šīmtu) und Name(nsgebung )

Dass Marduk als Namensgeber fungiert, wird noch zweimal im Werk betont (V 137, VI 51), womit seine Funktion als Handlungsträger textimmanent besondere Beachtung findet. Bedeutung des Namens86 Die hier (V 129) gewählte logographische Schreibung KÁ.DINGIR.RAki ist typisch für die Stadt Babylon und eine Umsetzung der Bezeichnung bāb ilim („Tor des Gottes“). Dabei handelt es sich vermutlich nicht um den ursprünglichen Namen der Stadt, sondern um eine für die Hermeneutik des enūma eliš wichtige originär akkadische Interpretation seiner Phonetik, die spätestens seit der Ur-III-Zeit belegt ist (GEORGE 1992, S. 255, SELZ 2002, S. 648, LAMBERT 2011, S. 72f.).87 Diese akkadische Auslegung als bāb ilim ergibt nun ins Sumerische übertragen das Logogramm KÁ.DINGIR.RAki Dieses wird im Vers V 129 Zeichen für Zeichen ausgedeutet, wobei der Text kunstvoll mit der Keilschriftlichkeit operiert. Als erstes wird der Namensbestandteil KÁ („Tor“) synekdotisch als „Haus“ (É) interpretiert,88 was dann durch das Morphem MEŠ in den Plural gesetzt wird. Letzteres geschieht auch mit dem Logogramm DINGIR („Gott“), das sich singularisch im Namen KÁ.DINGIR.RAki findet. Möglicherweise wird dann das Zeichen RA zum GAL („groß“) uminterpretiert, wobei die Grundlage phonetischer Natur ist. So entspricht der Lautwert /ra/ dem Anfang des akkadischen rabû („groß“), dem im Sumerischen das signifiant /gal/ entspricht, so dass aus RA GAL würde. Da eine dergestalte Umdeutung jedoch mit keinem anderen Namen im enūma eliš geschieht, ist die hier angebotene Interpretation mit einem deutlichen Fragezeichen versehen. Das Ortsdeterminativ KI ist lautwertlos und wird hier vermutlich deswegen nicht in der altorientalischen Ausdeutung berücksichtigt. Durch diese verschiedenen keilschriftlichen Ausdeutungen wird aus dem akkadischen bāb ilim durch die sumerographische Schreibung KÁ.DINGIR.RAki die Phrase bītāt ilānī rabûti („Häuser der Großen Götter“).89 86 Da Stadt und Tempel identisch sind (ZGOLL 2012a, S. 26), gehört hier auch der Name des Marduk-Tempels Esaĝila hinzu, der in Vers VI 62 implizit ausgedeutet wird.

VI 62

ša Esaĝil miḫrit (jmet: miḫrat) Apsî ullû rēšīšu

„Die Häupter des Esaĝila, des Ebenbilds des Apsû, erhoben sie.“

Durch die Phrase ullû rēšīšu („sie erhoben seine Häupter“) werden die Bestandteile des sumerischen Namens saĝ (akkadisch: rēšu „Kopf“) und íl (elû „hochgehen“, D-Stamm ullû „erhöhen, hochheben“) aufgegriffen. Die Entsprechung íl mit elû findet sich in Bilinguen (CAD E 2004, S. 115). Durch die Beschreibung seiner Erstellung durch Bestandteile seines Namens wird wohlmöglich ausgedrückt, dass seine Entstehung seine namenstechnische Bestimmung ist. 87 Gebhard Selz betont zudem, dass aus emischer Perspektive die Ausdeutung des Toponyms Babylon als bāb ilim Wirklichkeit konstituierte und somit eine wahre Aussage über den Ort darstellte (2002, S. 648). Somit lehnt er aus kulturimmanenter Sicht den Begriff der Volksetymologie ab (IBID, S. 683). 88 Die Tür ist Teil eines Hauses. 89 In Vers V 9 stellt Marduk Tore zu beiden Seiten des Himmels auf, die sumerisch als KÁ.GAL.MEŠ bezeichnet werden. Vielleicht weist diese Schreibung auch einen Bezug zum Namen Babylon und seiner Ausdeutung in V 129 auf, da diese aus KÁ. … GAL.MEŠ plus Einschreibung (DINGIR.RAki DINGIR.MEŠ) besteht. Somit umfasst KÁ.GAL.MEŠ Anfang und Ende dieser

5.2. Name(nsgebung)

275

Diese Ausdeutung ist zum einen mit den vier vorangehenden Zeilen verbunden, in denen Marduk den Göttern Babylon als Ruhestätte anbietet, wenn diese zur Götterversammlung nach Babylon kommen (V 125–128) (siehe auch DIETRICH 2006, S. 149 Anm. 47). Zum anderen liegt in der Ausdeutung auch ein Versprechen, das an Marduks erste Erhöhung anknüpft, in der die Götter ihm folgende Aufgabe erteilten (siehe § 6.3.2.):90 IV 12

ašar sagîšunu lū kūn ašrukka

Der Ort ihrer (=der Götter) Heiligtümer soll an Deinem Ort dauerhaft gemacht sein.

Eine Verbindung zu dieser Passage ist möglich, da der Terminus bītu sowohl allgemein für „Haus“ aber auch spezieller für „Tempel/Heiligtum“ stehen kann (CAD B 1998, S. 282). Durch den Festsprechungsakt im Rahmen seiner ersten Erhöhung setzen die Götter fest, dass sie in Marduks Heimstatt ebenfalls einen Ort der Verehrung erhalten (siehe auch § 6.3.2.). Diesen Punkt greift Marduk nach seiner zweiten Erhöhung auf und verbindet so das Projekt Babylon mit seiner ersten Erhöhung. Wenn die Götter nun also Babylon für Marduk errichten, so errichten sie eine Stadt, deren Name auch bītāt ilānī rabûti („Häuser der Großen Götter“) bedeutet. Dieser Name ist nur richtig, wenn die Götter dort tatsächlich einen Sitz erhalten. Somit ist die Benennung Babylons eine Festsetzung Marduks, die eine Festsprechung der Götter aufgreift. Da der Name mit einem Gegenstand verbunden ist, der noch nicht existiert, fungiert der Name zugleich als Versprechen, dass die Botschaft des Namens bei erfolgter Errichtung der Stadt eintreten wird, was schließlich auch umgesetzt wird. VI 67 VI 68

ultu91 Esaĝil īpušū šipiršu d Anunnakkū kalîšunu92 parakkīšunu93 ibtašmū94

Nachdem sie Esaĝila, sein Werk, erbaut hatten, formten alle Anunnaki ihre Kultsockel.

Zusätzlich kann sich im Namen Babylon auch eine Rekurrenz auf den Namen Apsû und damit eine weitere Spiegelung innerhalb der Parallelstruktur verbergen. So wird der Name Apsû vermutlich als uaddû ešrēti (bspw.: „(derjenige), der die Heiligtümer bestimmt“) ausgelegt (I 76, siehe § 5.2.1.). Das Lexem ešertu („Heiligtum“) wird im Plural in lexikalischen Listen teils mit É.MEŠ DINGIR.MEŠ („Häuser der Götter“) geglichen (CAD A2 2004, S. 436), so dass in der Formel É.MEŠ DINGIR.MEŠ GAL.MEŠ („Häuser der Großen Götter“) vielleicht auch auf die Ausdeutung des Namens Apsû angespielt wird. Dabei grenzt sich der neue Ort durch den Zusatz GAL.MEŠ vom Apsû ab. Andererseits taucht das sumerische Adjektiv gal aber auch im Namen Eš-gala auf, einem Synonym für den Apsû (siehe § 5.2.1.). Somit muss an dieser Stelle nicht zwingendermaßen ein qualitativer Unterschied vorliegen, was dann wiederum für die These von Andrea Seri sprechen Phrase, vergleichbar mit dem Namen Asalluḫi, der je nach Lesart den Namen Anšar plus Einschreibung (ASAR.LÚ) umfasst (siehe § 5.2.5.). 90 Für diesen Vers liegen keine Variantenschreibungen vor, siehe auch § 3.10.4. 91 MHuz: ištu. 92 funb:2a: gim[rātsunu]. 93 MHuz: parakkīšu („seinen Kultsockel“). 94 jMet: izzakrū („sie hatten benannt“).

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Kapitel 5: Festsprechung(sakt) (=šīmtu) und Name(nsgebung )

würde, wonach Babylon den Apsû ersetzt (2012, S. 16–18). Diese potentielle Linie im Text kann dann auch bei der Interpretation der Zeile I 76 helfen, wonach hier vielleicht tatsächlich dasselbe Versprechen geäußert wird, wie es Marduk bei der Benennung Babylons wiederholt: Der jeweilige Ort ist auch Heimstatt der anderen Götter. 5.2.3. Marduk I Namensgebung Der Name Marduk fällt erstmalig bei seiner Geburt (I 81f.) und bei seiner zweiten Verleihung heißt es explizit, dass Marduk diesen ultu ṣītīšu („seit seiner Geburt“ VI 123) trage, so dass er ihm sicherlich bei der Geburt verliehen wurde.95 Unklar ist jedoch, wer ihm diesen Namen gegeben hat. Während auf der ersten Tafel kein Handlungsträger genannt wurde, sagt Vers VI 123, dass Anu Marduk benannt hat. Andererseits wird diesem auch der Name Asalluḫi zugeschrieben (VI 147), der ihm im narrativen Teil aber definitiv durch Anšar verliehen wurde (VI 101). Hier zeigt sich eine Diskrepanz an der Textoberfläche, die nach aktuellem Forschungsstand noch nicht entziffert ist. Die Beschreibungen auf der ersten Tafel lassen sowohl Marduks Vater Ea, als auch seinen Großvater Anu, der ebenfalls im Nachgang der Geburt mehrfach genannt wird, als Namensgeber des Namens Marduk in Frage kommen. Dass aber Anu Marduk in Vers I 106 eindeutig mit mārī („mein Sohn“) anspricht und diese Anrede sich auch in I 102 findet, deutet stark auf Anu als Namensgeber. Im Rahmen der Beschreibungen der verschiedenen Vorzüge Marduks wird auch sein Name einer besonderen Ausdeutung unterzogen:96 I 101 I 102

ma-ri-ú-tu ma-ri-ú-tu ma-ri dUTU-ši dUTU-ši šá DINGIR.DINGIR

„Mariutu, Mariutu! Mein Sohn, mein(e) Sonne, mein(e) Sonne(ngott) der Götter!“

Diese beiden oben zitierten Zeilen geben möglicherweise eine wörtliche Rede wieder, auch wenn sowohl eine Redeeinleitung als auch ein Marker für die wörtliche 95

Zuvor findet sich die für das Werk einmalige Bezeichnung als dBēl (I 80), die ansonsten nur noch in der Version ohne Gottesdeterminativ und damit als Epitheton und nicht als eigenständiger Name im Text auftaucht. 96 Aufgrund der Besonderheit der konkreten Wiedergabe durch die Keilschrift werden die Verse I 101f. in Transliteration anstatt wie üblich in Transkription wiedergegeben. Auf den verschiedenen Textzeugen finden sich nur marginale Abweichungen. So fügt Textzeuge L Ass in die Lautfolge von Vers I 101 noch ein -iu- ein: ]-iu-ú-tu; und Textzeuge QAss verwendet die Endung -ti statt -tu: ]-ri-úti ma-ri-ú-[. Bei Vers I 102 findet sich eine logographische Schreibung für mārī auf Textvertreter kunb:2a: ⌈DUMU d⌉UTU [; und das phonetische Komplement -šú anstatt -ši bei Textzeuge SHuz: ma-ri dUTUšú dUTU-šú šá DIN[GIR. Wesentlicher ist die Abweichung lediglich bei Textzeuge u unb:2a, der auf dŠÀ ša! i!-[la-ni] endet. Möglicherweise werden hier die Interpretationsmöglichkeiten der Keilschriftlichkeit noch weiter ausgeführt und so aus dšamaš die Lautfolge /šašša/ abgeleitet, die dann als dŠÀ ša! ausgedeutet wird (KÄMMERER, METZLER 2012, S. 135 Anm. 4).

5.2. Name(nsgebung)

277

Rede97 fehlt. Doch auch in Vers I 106 wird die wörtliche Rede Anus nicht direkt angezeigt. Lediglich das Personalpronomen in der ersten Person Singular (-ī)98 verdeutlicht sowohl in I 102 als auch in I 106, dass hier ein Sprechakt stattfindet, den vermutlich Anu ausführt. Bedeutung des Namens In Vers I 101 ruft Anu Marduks Namen zweimal, wobei eine phonetische Schreibung verwendet wird, was am fehlenden Gottesdeterminativ erkennbar ist und an der Abweichung von der im Text sonst verwendeten und allgemein gebräuchlichen sumerischen Schreibung dAMAR.UTU. Syllabische Schreibungen seines Namens gibt es bereits aus altbabylonischer Zeit (ma-ru-tu-uk bzw. ma-ru-tu-UD), sie entsprechen aber nicht der Wiedergabe in Vers I 101 (SOMMERFELD 1982, S. 7; 1989, S. 361; LAMBERT 2013, S. 161). Somit handelt es sich hier um eine bewusste Abweichung der üblichen Schreibungen des Namens Marduk. Ihr signifiant ist nun Ausgangspunkt für die Ausdeutung seines Namens, wie sie im folgenden Vers I 102 erfolgt. Als erstes wird die Lautfolge /mari/ als akkadisch mārī („mein Sohn“) interpretiert, was das Verwandtschaftsverhältnis zwischen Anu und Marduk (Großvater– Enkel) beschreibt.99 Der zweite Teil des signifiant, /utu/, wird sumerisch als dutu („Sonne(ngott)“)100 interpretiert, was mit einem Gottesdeterminativ geschrieben sein kann.101 Die akkadische Entsprechung von dutu ist dšamšu. Somit wird die Lautfolge /utu/ sumerisch interpretiert und durch das entsprechende Wortzeichen (UTU) wiedergegeben. Das Logogramm wiederum wird aber akkadisch gelesen, was das phonetische Komplement -ši102 anzeigt. Durch diesen Umweg über die Zweisprachigkeit wird somit aus dem signifiant /utu/ das akkadische dšamšī („mein(e) Sonne(ngott)“), wobei zum einen ein lautloses Determinativ hinzukommt und zum anderen sich der Lautwert durch die Übertragung in das Akkadisch von /utu/ zu /šamši/ ändert, was durch das phonetische Komplement expliziert wird. Dadurch wird zugleich auch der sumerische Genitiv -k an utu(-k) getilgt und damit 97

D.i. entweder die Partikel -mi oder eine Längenschreibung. In mārī („mein Sohn“) und dŠamšī („meine Sonne“) in I 102 und in mārī in I 106. Dass es sich in I 102 bei der Schreibung ma-ri tatsächlich um ein Possessivsuffix handeln kann, verdeutlicht die abweichende Schreibung ma-ru in Vers VI 127, in dem das gelehrte Wortspiel wieder aufgegriffen wird. Dagegen spricht die Schreibung dUTU-šú dUTU-šú von Textzeuge LAss in Zeile I 102, was offenbar kein Personalpronomen widerspiegelt, was wiederum durch dUTU-šum auf uunb:2a deutlich wird. 99 Der Ausdruck māru ist in Verwandtschaftsbezeichnungen nicht nur strikt als „Sohn“ zu verstehen, sondern auch im allgemeineren Sinne als „(männlicher) Nachkomme“ (CAD M1 2004, S. 308). 100 Zugleich steht es immer auch für den sumerischen Sonnengott Utu (akkadisch: Šamaš), da sowohl Sonne als auch Sonnengott im Alten Orient als identisch angesehen wurden und das Gottesdeterminativ die Göttlichkeit ausdrückt. Somit wird an dieser Stelle der Sonnengott bereits als Teil von Marduk verstanden, der entsprechend nicht mehr als eigene Entität, sondern nur noch als Himmelskörper im Text auftaucht (V 22ff.). 101 Da ein Determinativ keinen signifiant hat (siehe auch § 1.3.2.3.), ändert die Einsetzung des DINGIR-Zeichens nichts an dem Lautwert /utu/. 102 LAss: -šú. uunb:2a: -šum. 98

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Kapitel 5: Festsprechung(sakt) (=šīmtu) und Name(nsgebung )

die semantische Verbindung zwischen māru („Sohn“) und šamšu („Sonne“) gelöst, so dass Marduk eben nicht Sohn der Sonne ist (siehe auch LAMBERT 2013, S. 164). Dieses auf diese Weise gewonnene separierte signifié dšamšī („mein(e) Sonne(ngott)“) erfährt nun weitere Interpretation. So ist der Ausdruck in der zweiten Hälfte des 2. vorchristlichen Jahrtausends aus Amarna, Ugarit und Ḫattuša als Anrede an den König belegt (DALLEY 1986, S. 98).103 Schon Šulgi und Ḫammurapi benutzten das Substantiv dšamšu als Synonym für König (IBID),104 wobei hier jedoch noch nicht die spezifische Form dšamšī Verwendung fand.105 Somit lesen Stephanie Dalley (IBID, S. 99) und Piotr Michalowski (1990, S. 394) den Ausdruck dšamšī im enūma eliš als Königsanrede „Seine Majestät“. Diese Herrschaftskonnotation bestätigt sich durch das Ende von Vers I 102. In einem letzten interpretativen Schritt wird nun in Vers I 102 an dšamšī die Erweiterung ša ilānī („der Götter“) angehängt. Diese fungiert als Spezifizierung der Herrschaftsbezeichnung und kann somit aus dem Ausdruck „Seine Majestät“ (wortwörtlich: „mein(e) Sonne(ngott)“) abgeleitet sein. Denkbar ist aber auch, dass das lautwertlose Gottesdeterminativ in dšamšī aufgegriffen wird und als verdoppeltes Zeichen DINGIR.DINGIR („Götter“) weiterentwickelt und angefügt wird.106 Das Ergebnis ist in beiden Fällen die finale Ausdeutung: dUTU-ši ša DINGIR.DINGIR („mein(e) Sonne(ngott) der Götter“). Da dšamšī auch als Herrschaftsanrede fungiert, ist die finale Aussage dieser Passage: König der Götter. Dieses Ergebnis wurde durch den kunstvollen Umgang mit den Möglichkeiten der Keilschrift und der vorherrschenden sumerisch-akkadischen Zweisprachigkeit gewonnen, wobei auf der vollständigen Klaviatur von signifiant, signifié und Schriftbild operiert wurde. Die zentrale Aussage des Doppelverses findet sich demnach am Ende von Zeile I 102, wonach in Marduks Namen bereits sein späteres Götterkönigtum angelegt ist, er also der geborene Götterherrscher ist.107 Dadurch ist in Marduks Entstehung bereits der Kern für seine spätere Erhöhung angelegt. In der stark stativischen Um103 Dass diese spezifische Formel besonders aus den westlichen Gebieten und ab der Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr. belegt ist, könnte bei der zeitlichen Einordnung der Entstehungszeit des Werkes helfen. 104 Mittel- und neuassyrische Herrscher verwendeten Epitheta wie dšāmšu kiššat nišē („Sonne(ngott) aller Menschen“), wodurch sie ihr Königtum mit dem Sonnengott verbinden (M AUL 1999b, S. 206). Hier zeigt sich, dass das Lexem šamšu synonym für „Herrscher“ verwendet werden kann, was hier zunächst aber nur für den assyrischen Raum gilt. Dass sich die Formel dUTU mātīšu („Sonne(ngott) seines Landes“ KING 1912, No. 6 i 4 = BM 90858) auf einer Inschrift von Nebukadnezar I. befindet, könnte ein Indiz für die Datierung des Werkes in die Regierungszeit dieses Herrschers (~1126–1103 v. Chr.) sein (CAD Š1 2004, S. 337), wie sie insbesondere Wilfred Lambert vornimmt (bspw. 1984, S. 4). 105 Dabei liegt hier im enūma eliš diese spezifische Form nicht zwingendermaßen vor, wie die abweichende Schreibung der Textzeugen LAss (dUTU-šú) und uunb:2a (dUTU-šum) verdeutlicht. 106 Wilfred Lambert geht hingegen schlicht von einer Ausweitung des Namens aus ohne Anbindung an die vorherigen Auslegungsschritte (2013, S. 164). 107 Michael Streck betont zusätzlich, dass der kunstvolle Umgang mit der Keilschriftlichkeit an dieser Stelle zuvorderst die Herrlichkeit und den Primat Marduks hervorheben will. Parallel dazu versteht er auch die weiteren Lichtmetaphern im Werk, die alle mit Marduk verbunden sind (VI 127, VI 148 und VII 5), als Zeichen seiner Herrschaftlichkeit (1999, S. 180).

5.2. Name(nsgebung)

279

schreibung Marduks nach seiner Geburt liegt damit ein großes narratives Dynamikpotential, das im Text sukzessive ent-wickelt108 wird. Die Einschreibung des Motivs der Erhöhung Marduks in den zweiten Teil der Parallelstruktur (siehe auch § 4.5.) erfolgt demnach bereits durch seinen Geburtsnamen und damit gleich zum Anfang des zweiten Teils. 5.2.4. Lugal-dimmer-an-kia I Namensgebung Seinen zweiten Namen erhält Marduk nach seinem Sieg gegen die Urmutter und nach der Erschaffung der Welt. Die Götter haben dem staubbedeckten Sieger und Schöpfer Geschenke gebracht und sich um ihn versammelt und erstmalig verbeugt (V 77–88). Die ausführliche Beschreibung ihrer Selbstunterwerfung endet mit dem Ausruf: attâma šarru („Hier: Der König!“, V 88). Anschließend stattet sich Marduk mit unterschiedlichen Herrschaftsinsignien aus, unter anderem mit „dem Schreckensglanz des Königtums (und) der Krone des schrecklichen Auftretens“ ([mel]ammê šarrūti agâ rabšubb[āti], V 94). Schließlich wird in den fragmentarischen Zeilen ein Ort beschrieben, an dem möglicherweise der Rest der Versammlung stattfindet:109 V 104 V 105

ina emāši ašt[îšu ina simakkīšu [

in den Quartieren [seines] Throns … in seiner Cella …

Beide Toponyme finden sich innerhalb des Werkes nur an dieser einen Stelle und emāšu ist jenseits des enūma eliš nur lexikalisch belegt, wobei es unter anderem mit kummu („innerster Raum“) und gipāru („Tempelresidenz“) geglichen wird (CAD E 2004, S. 137). Beide Lexeme finden sich im Zuge der Beschreibung von Eas Selbstinstallation im Apsû (I 75 bzw. 77). Das erstgenannte Substantiv (kummu) verwendet Marduk schließlich auch bei der Beschreibung seines Plans von Babylon, worin er seinen kummu anlegen will (V 152). Da Babylon noch nicht existiert, kann es sich bei den oben genannten Toponymen nicht um die eigentlichen Sitz Marduks handeln. Ein Kandidat wäre stattdessen der Apsû, wie die Substitution der Lexeme kummu und gipāru, die im Kontext zum Apsû verwendet wurden, andeutet. Aufgrund des fragmentarischen Zustands der Zeilen kann die Frage des konkreten Ortes jedoch nicht abschließend geklärt werden. In Zeile V 107 werden die zwei Götter Laḫmu und Laḫamu110 genannt, die die versammelten Götter adressieren. Dabei verweisen sie auf die Differenz zwischen der früheren abstammungsbedingten Unterordnung (māru „Sohn“, V 109) und dem neuen verliehenen Status als König der Götter (šarrakun „euer König“, V 110) und explizieren damit erstmalig sein Götterkönigtum (siehe § 6.3.3.). In einer zweiten wörtlichen Rede sprechen die versammelten Götter gemeinsam, wie an dem Ausdruck puḫuršun („alle“ V 111) deutlich wird. Hierin wird Marduks neues Götterkö108 Es wird in der stufenweisen Erhöhung Marduks (siehe § 6.3.) ausgefaltet bzw. ausgewickelt und somit entsprechend ent-wickelt. Siehe auch § 4.1.6. 109 Varianten liegen für beide Zeilen nicht vor. 110 Zur Kommentierung der Schwierigkeiten mit dieser Zeile siehe auch § 3.13.4. Anm. 200.

280

Kapitel 5: Festsprechung(sakt) (=šīmtu) und Name(nsgebung )

nigtum in einem Namen (zikru V 112) zusammengefasst: Lugal-dimmer-an-kia(k). Diese sumerische Emesal-Phrase111 bedeutet „König der Götter des Himmels und der Erde“, wobei aber der doppelte Genitiv nicht angezeigt wird.112 Die Reden von Laḫmu und Laḫamu sowie die der Götter sind jeweils parallel aufgebaut, indem am Ende jeweils Imperative stehen:113 V 110 … V 112

inanna šarrakun qibītsu qālā

„Jetzt (aber) ist er euer König! Achtet seinen Befehl!“

Lugaldimmerankia zikrašu šuāšu tiklāšu

„Lugal-dimmer-an-kia(k) ist sein Name. Vertraut ihm, ja ihm!“

Durch diese Konstruktion stehen šarrakun und Lugal-dimmer-an-kia(k) in direktem Bezug, was aufgrund der Bedeutung des Emesal-Namens auch nicht verwundert. Durch die parallelen Imperative erfolgt der Aufruf an die versammelten Götter Marduk gegenüber unterwürfig zu sein. Besonders aufgeladen ist an dieser Stelle der letzte Imperativ des Verbs takālu, welches sich bereits in der ersten Erhöhung Marduks gefunden hat (siehe auch § 6.3.2.):114, 115 IV 17

bēlum ša takluka napištašu gimilma

IV 18

u ilu ša lemnēti īḫuzu tubuk napšatsu

„Herr, wer auf Dich vertraut, dessen Leben verschone, aber: der Gott, der Böses genommen hat, dessen Leben vergieße!“

Hier erhält Marduk den konkreten Auftrag, wie er mit den Feinden umgehen soll, gegen die er dort gesendet wird. Zentral an dieser Stelle ist der Aspekt des Vertrauens (√tkl, takālu „vertrauen“), der mit der Gnade (√gml, gamālu „verschonen“) gekoppelt wird. Durch die Unterwerfung der Götter im Rahmen der Namensgebung auf der fünften Tafel entziehen sie sich somit auch einer möglichen Bestrafung. Bedeutung des Namens Anstatt einer Ausdeutung folgt dem Namen Lugal-dimmer-an-kia(k) ein Befehl an die versammelten Götter. Das Fehlen der Ausdeutung könnte an der klaren Aussage des Emesal-Namens liegen, die für jeden Menschen, der des Dialektes mächtig war, offensichtlich ist. Insofern ist kein intensiver, exegetischer Umgang mit der Keilschriftlichkeit erforderlich. Stattdessen ist die Verleihung des Namens eng gekop111 Da Emesal-Dialekt besonders aus kultischen Kontexten bekannt, könnte der Name auf rituelle Handlungen verweisen, möglicherweise auch konkret auf eine Emesal-Liturgie (siehe auch § 4.4.1.1.). 112 Somit ist prinzipiell auch eine zweite Übersetzungsvariante möglich: „König über die Götter und über Himmel und Erde.“ Die Ausdeutung im Rahmen der zweiten Verleihung des Namens führt jedoch akkadisch aus: lū bēlu ilāni ša šamê u erṣetim kalîšun („Er soll der Herr aller Götter des Himmels und der Erde sein.“ VI 141), worin der doppelte Genitiv wieder aufscheint, so dass die erste Variante sicher gemeint ist. 113 Varianten liegen für beide Verse nicht vor. 114 Die Wurzel √tkl findet sich ansonsten nur noch als Substantiv tukultu („Vertrauen“) in der Ausdeutung des Namens Mār-Utuk-am (VI 135), wobei es sich hier aber nicht um das Verhältnis zwischen den Göttern und Marduk handelt, sondern der Menschen zu Marduk, wobei aber auch diese explizit Marduk untergeordnet werden (VI 136). 115 Zu abweichenden Varianten siehe § 3.10.4.

5.2. Name(nsgebung)

281

pelt mit seiner Einsetzung als Götterherrscher, wie die oben dargelegte Parallelität der Götterreden verdeutlicht. Während im Geburtsnamen Marduk I eine zunächst rein zukunftsgerichtete Botschaft steckte, dient der Name Lugal-dimmer-an-kia(k) I der Bestätigung seines Aufstiegs. Und dennoch ist auch diese Namensgebung zukunftsgerichtet. Nach altorientalischen Vorstellungen sind Namen untrennbar mit dem Träger verbunden (RADNER 2005, S. 272ff.) und ihre Aussagen wahr. Somit muss der „Lugal-dimmer-an-kia(k)“ Genannte notwendigerweise König der Götter sein. Da Marduk ein unsterblicher Gott ist, ist diese Ausage für alle Ewigkeit mit ihm verbunden und somit sein Götterkönigtum als ewig eingerichtet (siehe auch § 6.3.3.). Der neue Name Lugal-dimmer-an-kia(k) tritt neben den bereits verliehenen, Marduk, welcher der am häufigsten verwendete Name bleibt. Für die neuassyrische Zeit ist die Verleihung neuer Namen eher für den Zeitpunkt bekannt, an dem ein Königssohn als Kronprinz eingesetzt wird. Nur bei Usurpatoren, die dieses Stadium nicht durchlaufen haben, wird ein neuer Name bei der Thronbesteigung angenommen (RADNER 2005, 33ff.). Da es sich hierbei um jüngere Belege handelt und sie sich zudem auf die menschliche Ebene beziehen, muss man bei einem Vergleich vorsichtig sein, doch entdeckt man eine gewisse Parallele. So ist Marduk zwar aplu („Erbsohn“) und damit rechtlich der vorgesehene Nachfolger von Ea (II 127), jedoch steht er in der Thronfolge hinter sowohl Anu als auch Ea (siehe § 7.1.). Sein Status als Erbsohn wird durch die Ausdeutung des Namens Marduk expliziert, wonach er für das Amt der Götterkönigs vorgesehen ist (siehe § 5.2.3.). Dass er jedoch vor Anu und Ea diese Funktion übernimmt, geschieht ohne dass er zuvor zum Kronprinzen deklariert worden wäre.116 Wenn er im Rahmen seiner zweiten Erhöhung nun zum König der Götter ausgerufen wird, so ist dies jedoch auch keine Usurpation, da seine zukünftigen Untertanen ihn durch Selbstunterwerfung zu ihrem Herrscher machen. Insofern könnte es tatsächlich ein real-politisches Vorbild für die Verleihung des zweiten Namens an Marduk geben. Der parallele Aufbau von Erhöhung und Namensgebung spricht zumindest für einen engen Zusammenhang. 5.2.5. Asalluḫi I Namensgebung Als drittes empfängt Marduk den Namen Asalluḫi. Der Gott Asalluḫi ist ursprünglich eine eigenständige südmesopotamische Gottheit, deren Kultort in Kuara liegt und die mit Enki/Ea verbunden ist (SOMMERFELD 1982, S. 13). Die Gleichsetzung von Marduk und Asalluḫi ist seit frühaltbabylonischer Zeit belegt (SOMMERFELD 1989, S. 360). Der Gott Marduk-Asalluḫi wird speziell in den Marduk-Ea-Beschwörungen, in denen er von den Menschen um Hilfe ersucht wird, als heilende bezie116 Bei der ersten Erhöhung Marduks wird zwar ein Vertrag abgeschlossen, der seinen weiteren Aufstieg definiert (siehe § 6.3.2.). Dabei handelt es sich jedoch nicht um seine Einsetzung als Kronprinz, da sein Aufstieg als Konditional formuliert wird, womit seine Thronbesteigung von weiteren Faktoren als dem Ableben des aktuellen Herrschers abhängt. Zusätzlich ersetzt er den alten Götterherrscher Anšar noch zu dessen Lebzeiten, was die Konstellation in der Götterwelt zusätzlich von der Menschenwelt unterscheidet.

282

Kapitel 5: Festsprechung(sakt) (=šīmtu) und Name(nsgebung )

hungsweise rettende Gottheit dargestellt (DIETRICH 2007, S. 104). Diese Funktion ist eng verbunden mit seiner Rolle als Herr der persönlichen Götter, womit er mittelbar und vor allem letztinstanzlich verantwortlich ist für die Geschicke der Menschen (OSHIMA 2011, S. 77 Anm. 114). Die Verleihung des Namens Asalluḫi im enūma eliš erfolgt durch den ehemaligen Götterkönig Anšar117 und folgt direkt auf Marduks Bestätigung als König der Götter (VI 99f.). Damit findet die Handlung im Rahmen der ersten Götterversammlung in Babylon statt. Die Verleihung wird in zwei Zeilen wiedergegeben: VI 101

ušātir Anšar dAsalluḫi ittabi šumšu118

VI 102

ana zikrīšu qabê i nilbin119 appa120

Anšar machte (Asalluḫi=Marduk) übergroß, er nannte seinen Namen Asalluḫi: „Um seinen (neuen) Namen auszurufen,121 lasst uns (die Nase streichen =) Unterwürfigkeit bezeugen!“

Die Prädikate in Vers VI 101 stehen im Präteritum (ušātir) und Perfekt (ittabi). Durch diese Tempusfolge kann ein zeitlicher Progress angezeigt werden, wobei in der Regel ein Progressweiser wie die Partikel -ma zwischen beide Prädikate tritt (STRECK 2011, S. 52f.). Im vorliegenden Fall fehlt eine vergleichbare Partikel, dennoch ist eine Nachzeitigkeit des zweiten Prädikats als möglich anzunehmen. Anders liest Kai Metzler Vers VI 101, indem er das Perfekt damit begründet, dass es am Ende einer Sinneinheit stehe, die mit dem Ende einer „poetischen Einheit“ zusammenfalle. Ebenso sieht er zwischen den beiden Prädikaten ušātir und ittabi ein hysteron proteron-Verhältnis bestehen (2002a, S. 473f.). Es gibt noch eine dritte mögliche Lesart. So erlaubt die Mittelstellung des Namens Asalluḫi, dass dieser von beiden Prädikaten als direktes Objekt aufgegriffen wird, so dass hier ein Apokoinu vorliegen kann. Diese Komposition spricht wiederum für ein instrumentales Verhältnis zwischen beiden Aktionen: Anšar erhöht Marduk, indem er ihm einen Namen gibt.122 Eine finale Relation findet sich in Vers VI 102, der eine nicht eingeleitete direkte Rede von Anšar anführt. Hier ruft Anšar die versammelten Großen Götter auf, sich abermals vor Marduk niederzuwerfen. Wie auch die ersten Unterwerfungsgesten (V 85–88, VI 96–98) ist auch dieser Akt ein performativer, wie die finale Konstruktion (ana zikrīšu qabê, „um seinen (neuen) Namen auszurufen“) verdeutlicht. Die Götter werfen sich nieder, um Marduks neuen Namen feierlich auszusprechen und ihm damit zu huldigen. Dieser performative Akt in Kombination mit der anschließenden Götterrede verdeutlicht, dass die vorliegende Handlung ein Festsprechungsakt ist

117

Zu Anšars Götterkönigtum siehe § 6.2.3. Zu den Varianten dieses Verses siehe § 4.4.2.2. 119 HNin: ] ⌈E⌉ nilbina. 120 jMet: appi. 121 Bei der Formel ana zikrīšu qabê handelt es sich um keinen Ausdruck für eine Benennung. Stattdessen wird hier wie auch in VII 50 (lizzakir liqqabi šumšu ina māti „Sein Name soll im Land ausgesprochen und ausgerufen werden.“) das Ausrufen eines Namens beschrieben. 122 Die gleiche Logik und eine ähnliche Konstruktion (jedoch ohne Tempusfolge) findet sich auch bei dem dritten Namen des Bogens (VI 90, siehe § 5.2.10.). 118

5.2. Name(nsgebung)

283

(siehe § 5.1.1.2.). Während die Namensverleihung durch Anšar alleine erfolgt, wird die Festsprechung von den versammelten Großen Göttern vollzogen. Ausdeutung des Namens in Bezug zu Anšar Durch die Wortstellung in Vers VI 101 stehen die Namen Anšar und Asalluḫi direkt nebeneinander, so dass sie leicht miteinander verglichen werden können. Phonetisch fällt zunächst die Alliteration Anšar und Asalluḫi auf. Keilschriftlich wird der Namen Anšar durch die Zeichen AN(=DINGIR).ŠÁR wiedergegeben. Der Name Asalluḫi schreibt sich wiederum DINGIR.ASAR.LÚ.ḪI. Wenn man nun beachtet, dass ŠÁR und ḪI graphematisch identisch sind, so ergibt sich, dass Anfang (AN=DINGIR) und Ende (ŠÁR=ḪI) der Namen Asalluḫi und Anšar übereinstimmen. Der Name Asalluḫi wurde durch Einfügung zweier weiterer Zeichen gewonnen, der Zeichen ASAR und LÚ. Das erstgenannte Keilschriftzeichen entspricht nach Ausweis der lexikalischen Liste VAT 10296:1–3 den akkadischen Adjektiven muttallu („vornehm“), šagapūru („mächtig, majestätisch“) und ašarēdu („erster, bester“) (CAD A2 2004, S. 416). Während sich die ersten beiden Lexeme nicht im enūma eliš finden, taucht das Adjektiv ašarēdu im Werk zweimal auf (IV 70, VII 93), wobei beide Male Marduk adressiert wird, wodurch seine einzigartige Stellung beschrieben wird. Für eine Lesung ašarēdu spricht auch, dass das Lexem mit dem Lautwert /ašar/ beginnt, der phonetisch sehr nah am Zeichen ASAR ist. Dass der Beginn eines akkadischen Wortes mit dem Lautwert eines Zeichens korrelieren kann, zeigte sich auch bei der Ausdeutung der Namen Apsû (siehe § 5.2.1.) und Babylon (siehe § 5.2.2.).123 Eindeutiger ist an dieser Stelle sicherlich das Zeichen LÚ, das vom signifié her dem akkadischen amēlu („Mensch“) entspricht. Die beiden Einschreibungen ASAR und LÚ in den Namen Anšar kann man nun als semantische Hinzufügungen interpretieren, wodurch sich Marduk von Anšar unterscheidet. Demnach handelt es sich bei Marduk erstens um „den Besten“ (ašarēdu), womit er durch seine Qualitäten Anšar übersteigt. Zweitens tritt er hier nicht nur als König der Götter auf. Stattdessen wird sein Machtbereich auch um die Menschheit (amēlūtu) erweitert. Während Anšar nur König der Götter war (siehe § 6.2.3.), fungiert Marduk als König der Götter und der Menschen. Zusammengefasst ist Marduk als Asalluḫi: Anšar plus ASAR plus LÚ.124 Wenn Anšar also Marduk diesen Namen gibt und sich anschließend zusammen mit den anderen Göttern vor ihm verbeugt, dann unterwirft sich der alte Götterherrscher dem neuen. Durch die Namensgebung werden dieser Umstand und die damit verbundene Anerkennung der Größe Marduks dauerhaft mit dem neuen Götterkönig verbunden.

123

Die Bedeutung des Lexems ašarēdu für die Ausdeutung des Namens Asalluḫi zeigt sich auch und insbesondere bei der Interpretation des Namens Asalluḫi II (siehe § 5.2.6.). 124 Unter der intertextuellen Perspektive, besonders im Vergleich zu An : dAnum (SERI 2006, S. 510f.), dient der Name Asalluḫi sicherlich auch der textexternen, traditionellen Anbindung an Ea, doch textimmanent scheint der Bezug zu Anšar zu dominieren, wie zu zeigen versucht wurde.

284

Kapitel 5: Festsprechung(sakt) (=šīmtu) und Name(nsgebung )

Ausdeutung des Namens als persönlicher Schutzgott Wie Vers VI 102 verdeutlicht, handelt es sich bei den anschließenden Zeilen um eine Ausrufung des Namens Asalluḫi (ana zikrīšu qabê), so dass man sie als seine Ausdeutung verstehen kann. Der Plural der Aufforderung i nilbin appa (VI 102) findet sich auch am Ende der Rede wieder, wonach alle Götter Marduks dritten Namen wiedergegeben haben (nâšima mala šuma nimbû šū lū ilni „Für uns, die wir alle seinen Namen genannt haben, ist er, nur er unser (Schutz-)Gott!“ VI 120).125 Somit deutet sich zwischen den Versen VI 102 und 103 ein Sprecherwechsel an von Anšar zu den versammelten Großen Göttern. Dass es sich bei den Zeilen VI 103–120 um eine wörtliche Rede handelt, wird anhand des Genitivsuffixes -ni („unser“) in Vers VI 105 und in der betonten ersten Person Plural in der letzten Zeile (VI 120)126 deutlich. Ansonsten wird von den Göttern stets in der dritten Person Plural gesprochen, wobei zwischen Göttern und Menschen durch die Verwendung der maskulinen Form (bspw. -šunu) für die Götter (ilānū) und der femininen Form (bspw. -šina) für die Menschen (nišū, ṣalmāt qaqqadi, baʾūlātu) differenziert wird. Da der Text viele Prädikate auf /-a/ auslauten lässt, ist häufig nicht eindeutig, ob eine Singularform (3. Person) mit Ventiv vorliegt (-a) oder eine feminine Pluralform (3. Person) (-ā), wobei im ersten Fall Marduk als Subjekt fungiert, im zweiten die Menschen. Nach diesen einleitenden Anmerkungen soll nun die Rede selbst in den Blick genommen werden: VI 103

epšu pîšu ilānū127 lipiqqūšu

VI 104

qibītuššu128 lū šūturat eliš u šapliš129

VI 105 VI 106

lū šušquma130 māru mutēr gimillini enūssu lū šūturat šānina aj iršu 131

VI 107

līpušma132 rēʾût133 ṣalmāt qaqqadi binâtuššu134 aḫrâtaš135 ūmē136 lā137 mašê lizzakkirā138 alkatsu

VI 108

„Bei Aktion seines Mundes sollen die Götter auf ihn achten. Sein Befehl ist wahrlich übergroß gemacht oben und unten. Der Sohn, unser Rächer ist wahrlich erhöht und seine Herrschaft ist wahrlich übergroß gemacht, er möge keinen zweiten haben. Er soll das Hirtenamt über die Schwarzköpfigen, seine Geschöpfe, ausüben und sie sollen für die Nachwelt für das Nichtvergessen seine alkatu (~Handlungsmacht?)139 immer

125 Da die Verleihung des Namens eindeutig durch einen Einzelgott geschieht (VI 101, 147), kann diese Zeile nicht eine Benennung beschreiben. Stattdessen muss man das Prädikat nimbû an dieser Stelle als „aussprechen, nennen“ verstehen. 126 Diese taucht insgesamt dreimal in dem Vers auf: Am Anfang in Form des betonenden, selbständigen Personalpronomens nâši („für uns“), in der Mitte im Prädikat nimbû („wir haben genannt“) und schließlich am Zeilenende im Genitivsuffix -ni („unser“). 127 HNin: šunu. 128 Ein Lokativ-adverbialis funktioniert semantisch nicht, so dass trotz der Doppelkonsonanz -ššvon einem Nominativ auszugehen ist (siehe auch LAMBERT 2013, S. 38). 129 AAss: ⌈lū šūtur[at …] u AN NI x […]. 130 bKiš: šušqim[a. 131 MHuz: irši. 132 bKiš: līpuš. 133 bKiš: rēʾûtu. 134 Ein Lokativ-adverbialis funktioniert semantisch nicht, so dass trotz der Doppelkonsonanz -ššvon einem Nominativ auszugehen ist (siehe auch LAMBERT 2013, S. 38).

5.2. Name(nsgebung)

VI 109

likīn ana abīšu nindabê rabûtu

VI 110

zāninūssun140 līpušma141 lipaqqida142 ešrēssun lišēṣin143 qutrinna144 tâšina145 lišriššā146

VI 111 VI 112 VI 113

tamšīl150 ina šamê īteppušu ina erṣetim līteppuš151 liʾaddima ṣalmāt qaqqadi palāḫiššu

VI 114

baʾūlātum152 lū153 hissusā154 ilašina lizzakrā

VI 115

epšu pîšu dištarriš lipiqqâ155

VI 116

nindabê linnašâ ilašina dištaršin156

135

285

wieder (auf)sagen. Er soll die großen Brotopfer für seine Väter dauerhaft machen. Er soll das Versorgungsamt ausüben, er soll sich um ihre Heiligtümer kümmern. Er soll (sie) Weihrauch riechen lassen und sie (=die Menschen) sollen ihr147 Essen148 jauchzen lassen.149 Die Entsprechung von alldem, das er im Himmel gemacht hat, soll er auch auf der Erde machen. Er soll die Schwarzköpfigen anweisen, ihn zu fürchten Die Untertanen sollen (seiner) intensiv gedenkend sein, (ihn als) ihren (Schutz-)Gott sollen sie anrufen. Bei der Aktion seines Mundes sollen sie (ihn) als ihre (Schutz-)Göttin achten. Brotopfer sollen eingesetzt werden, ihr

Zum möglicherweise korrupten Charakter dieses Ausdrucks siehe L AMBERT 2013, S. 40f. MHuz und bKiš: ūmū. jMet: ana lā. 138 HNin und bKiš: lizakkirū. Hier werden vermutlich die Menschen maskulin interpretiert. 139 An dieser Stelle kann das Lexem alkatu auch für „Weg“ stehen und beschreibt dann seine Taten; so auch KÄMMERER, METZLER 2012, S. 268. Wilfred Lambert hingegen übersetzt „character“ (2013, S. 117:110). Zur Diskussion des Lexems siehe § 5.2.6. 140 bKiš: zāninūssunu. jMet: zāninūssu. 141 AAss: lässt das Prädikat aus. MHuz: līpuša. bKiš: līpušū („sie sollen machen“). 142 bKiš: lipaqqidū („sie sollen sich kümmern“). AAss: li-[pa]-qid4-d[a]. An dieser Stelle ist der Text recht merkwürdig, da zum einen der Lautwert qid4 des Zeichens GAD bei Rykle Borger nur unter Vorbehalt angeführt wird (2003, S. 485) und weil eine Dopplung des 3. Radikals ebenfalls nicht zu erwarten ist. Letzteres lässt sich vielleicht auflösen, wenn das letzte Zeichen D[A] als Glosse gelesen wird (WORTHINGTON 2012, S. 25, 138–140). So würde aus der Zeichenfolge: li[pa]qqid d[a]. Nach der Lambert-Edition stellt sich dieses Problem gar nicht, da er für A Ass ]-paqqi[d e]š-[r]et-su-[ rekonstruiert und somit weder qid4 (GAD) liest noch eine Doppelkonsonanz am Wortende annimmt (2013, S. 116 Anm. 110). 143 bKiš: lišeṣṣin. 144 MHuz: qatrinna. bKiš: qutrinni. 145 MHuz und jMet: tiʾâšina. 146 jMet: lišriššū („sie (m.) sollen riechen lassen“). 147 Entweder: der Menschen, oder: der Tempel. 148 Das Lexem tiʾu (siehe speziell die Variante auf den Textzeugen MHuz und jMet: tiʾâšina) ist nur an dieser Textstelle belegt (CAD T 2006, S. 439). Durch die Schreibung tâšina deutet sich eine mögliche Verwandtschaft mit tiʾûtu („Essen, Verpflegung“, IBID, S. 439f.) und taʾû („essen“, IBID, S. 301) an (ebenso: KÄMMERER, METZLER 2012, S. 269). Wilfred Lambert hingegen übersetzt „sanctums“ (2013, S. 117:111). 149 Alternativ: „sie sollen (sie über) ihr Essen jauchzen lassen.“ (siehe auch KÄMMERER, METZLER 2012, S. 269). 150 bKiš: tamšīla. 151 MHuz: līeppuš. 152 jMet: baʾūlāti. FAss: baʾ⌈ūlat⌉tu. MKiš: baʾūlāta. 153 AAss: SU?. 154 bKiš: ḫissusū („sie (m.) sollen gedenkend sein“). 155 AAss: lipiqqû („sie (m.) sollen achten“). jMet: lipiqqi („er/sie soll achten“). 136 137

286

Kapitel 5: Festsprechung(sakt) (=šīmtu) und Name(nsgebung )

VI 117

aj immašâ ilašina likillā157

VI 118 VI 119

mātišina lištēpâ159 parakkīšina lītepšā160 lū zīzāma ṣalmāt qaqqadi ilānī

VI 120

nâši162 mala šuma163 nimbû šū lū ilni

(Schutz-)Gott und ihre (Schutz-)Göttin (sollen versorgt werden). Sie158 mögen nicht vergessen werden, sie sollen ihren (Schutz-)Gott unterstützen. Ihr Land soll hervorgebracht werden, ihre Kultsockel sollen sie umsorgen.161 Sie sollen aufgeteilt sein, die Schwarzköpfigen, bezüglich der Götter. Für uns, die wir (ihm) alle den Namen gegeben haben, ist er, nur er, unser (Schutz-)Gott!“

Der Schlüssel zum Verständnis dieser Passage liegt in den Formulierungen ilašina („ihr (Schutz-)Gott“) beziehungsweise ištaršina („ihre (Schutz-)Göttin“), welche eine direkte Beziehung zwischen Menschen und Göttern thematisieren. Sie entsprechen der Adressierung von persönlichen Schutzgöttern (VORLÄNDER 1975, S. 8f., LÖHNERT, ZGOLL 2009, S. 311f.). Ein persönlicher Gott ist der erste Adressat eines Menschen für Gebete und Opfer und wird maßgeblich für das persönliche Leben verantwortlich gemacht. Unheil wie Krankheiten werden dabei auf ein gestörtes Verhältnis zwischen dem Menschen und seiner persönlichen Gottheit zurückgeführt, welches beispielsweise durch Gebete zu kurieren versucht wird (OSHIMA 2011, S. 75). Eine ähnliche Schutzfunktion haben die Schutzgeister (šēdu bzw. lamassu) inne, welche negative Beschwörungen und Sprüche von einem Menschen fernhalten (IBID), so dass es sich bei Schutzgeistern und persönlichem Gott um eng miteinander verbundene Konzepte handelt (BLACK, GREEN 1992, S. 148).164 So können die 156

AAss: ištaršina. jMet: liktillā. 158 Instanz unklar. 159 bKiš: lištēpâm. Diese Variante zeigt an, dass das Suffix ein Ventiv ist und kein femininer Plural, wonach mātišina singularisch zu lesen wäre. Inwiefern diese Lesart aber auch für die anderen Textzeugen gilt, ist offen. 160 MHuz: li⌈tepšū⌉ („sie (m.) sollen umsorgen“). 161 Zum möglicherweise korrupten Zustand der Zeilen VI 117f. siehe L AMBERT 2013, S. 479f. 162 bKiš und jMet: nâšu. 163 bKiš und jMet: šum. 164 Dies wird durch eine an Marduk gerichtete zweisprachige Beschwörungsformel (sum.: kainim-ma) unterstützt (LANGDON 1927, S. 59 = IV Raw. 29 No. 1): 157

Rs-1 Rs-2 Rs-3 Rs-4

za-e diĝir-bi me-[en] at-ta-ma DINGIR-ši-na za-e lamma-[bi me-en] at-ta-ma la-mas-si-ši-na

Du bist ihr [der Menschen] (Schutz-)Gott. Du bist ihr Schutzgeist.

Hier wird Marduk parallel als Gott der Menschen und als ihr Schutzgeist bezeichnet, wobei im Ausdruck ilašina („ihr (Schutz-)Gott“) auch die Dimension des persönlichen Schutzgottes mitschwingen kann. Wie im Namen Asalluḫi I (VI 114f.), so wird auch innerhalb der Ausdeutung des Namens Asalluḫi II als Schutzgeist bezeichnet, wobei das Lexem dlamassu verwendet wird (siehe auch § 5.2.6.): VI 149

ša kīma šumešuma dlamassi (AAss: lamassi) ilāni (AAss: ili) u māti

Der, entsprechend seinem Namen der Schutzgeist der Götter (AAss: des Gottes) und des Landes ist und

5.2. Name(nsgebung)

287

Schutzgötter direkt oder indirekt – über die Schutzgeister šēdu und lamassu – auf die Menschen einwirken (VAN DER TOORN 1996, S. 99). Schließlich kann lamassu (speziell wenn mit Gottesdeterminativ geschrieben) auch ein Ausdruck für eine Schutzgottheit sein, die dann aber im Regelfall anonym ist (LÖHNERT, ZGOLL 2009, S. 312).165 Die Verehrung der Götter wird durch die Anlehnung an das Konzept der persönlichen Schutzgottheit auf den Bereich der persönlichen Frömmigkeit erweitert.166 Dieses Heilskonzept passt gut zu der textextern belegten Funktion von MardukAsalluḫi als helfende Gottheit. Diese Rolle nimmt er nun jedoch nicht nur gegenüber den Menschen ein, sondern auch gegenüber den Göttern. Durch seine Beschreibung als „unser (Schutz-)Gott“ (ilni) (VI 120), wird hier ein persönliches Vertrauensverhältnis zwischen den Göttern und Marduk eingerichtet. Damit fungiert Marduk als Asalluḫi auch als persönlicher Schutzgott der Götter.167 Traditionell fungierte Marduk-Asalluḫi als Herrscher über die persönlichen Schutzgötter (OSHIMA 2011, S. 77 Anm. 114). Dieses Verhältnis wird nun in der Ausdeutung des Namens Asalluḫi mit Marduks Götter- und Weltkönigtum in dreierlei Hinsicht verbunden: 1. Marduk herrscht nun nicht nur über die Schutzgötter, sondern über alle Götter (VI 103–106).168 2. Umgekehrt wird auch die Schutzfunktion als persönlicher Gott auf die Menschen und die Götter ausgeweitet. Marduk ist Schutzgott der Götter (VI 120) und Menschen (VI 113–115). 3. Die Menschen werden den Göttern jeweils zugewiesen, wodurch diese zu persönlichen Schutzgöttern werden, die jeweils speziell verehrt werden (VI 116– 119). Im Namen Asalluḫi verschmelzen so die Bereiche der privaten Frömmigkeit und der offiziellen Götterverehrung, was seinen Herrschaftsanspruch auch in das persönliche Leben der Menschen vordringen lässt. Marduk ist als Asalluḫi für die privaten und sozio-politischen Geschicke von sowohl Menschen als auch Göttern letztinVI 150

ina šašme danni īṭiru šubatni (bKiš: šubātani) ina pušqi

(der) durch einen mächtigen Zweikampf unseren Sitz (bKiš: unsere Sitze) in der Not rettete.

Wenn eine Gottheit als dlamassu bezeichnet wird, so handelt es sich dabei um ein Epitheton, das seine Funktion zu einer anderen Instanz (hier: Göttern und Menschen) beschreibt (siehe auch VAN DER T OORN 1996, S. 80 Anm. 76). 165 Auch wenn es sich in der Regel um eine feminine Bezeichnung handelt – in Abgrenzung zum maskulinen šēdu –, kann der Ausdruck dlamassu auch für einen männlichen Gott verwendet werden, so kein šēdu Erwähnung findet (VORLÄNDER 1975, S. 26). 166 Dabei handelt es sich jedoch um kein Individualkonzept, da die Schutzgötter in den Familien gemeinsam verehrt wurden und zumeist über die männliche Linie weitervererbt wurden (van DER TOORN 1996, S. 71f.; LÖHNERT, ZGOLL 2009, S. 312). 167 Dieselbe Rolle nimmt er auch in der Ausdeutung des Namens Asalluḫi II ein (VI 149, siehe § 5.2.6.). 168 Diese Zeilen beziehen sich teilweise auf Marduks erste Erhöhung vor dem Kampf gegen Tiāmtu, wie an der Rekurrenz des Lexems qibītu (IV 7, VI 104) und die Verneinung von šanānu (IV 4, 6, VI 106) deutlich wird. Ansonsten finden sich verschiedene Synonyme (bspw. epeš pî VI 103) zu Ausdrücken der ersten Erhöhung (bspw. ṣīt pî IV 9).

288

Kapitel 5: Festsprechung(sakt) (=šīmtu) und Name(nsgebung )

stanzlich verantwortlich. Marduks besondere Rolle gegenüber den Menschen liegt möglicherweise in einer weiteren Ausdeutung der Zeichen seines Namens Asalluḫi; in etwa:    

DINGIR = ilu = (Schutz-)Gott ASAR = ašarēdu = „erster“ LÚ = amēlu/-ū = „Mensch“ / „Menschen“ ḪI ≙ ŠÁR = maʾdu = „zahlreich“

= ilu

ašarēdu (ša) amēlī maʾdūti („Erster (Schutz-)Gott für die zahlreichen Menschen“). 5.2.6. Die ersten neun Namen der 50+2 (Marduk II etc.) Namensgebung, inkl. Exkurs zu den Lexemen epšetu und alkatu Nach der Aufforderung an die versammelten Götter, Marduks 50 Namen zu nennen, verleihen die drei Urgötter Anšar, Laḫmu und Laḫamu die ersten neun Namen an den neuen Götterkönig. Eingeleitet wird die Benennung durch eine wörtliche Rede:169

VI 121 VI 122

i nimbêma ḫanšā šumēšu alkatuš lū šūpâtu epšetuš lū mašlat170

„Lasst uns seine 50 Namen nennen! Glänzend hervorgebracht soll seine alkatu sein, ebenso sein epšetu!“

Nach der Aufforderung in Vers VI 121 folgt eine stativische Zeile, die lexikalische Schwierigkeiten aufweist. Diese betreffen sowohl das Lexem alkatu171 als auch das Lexem epšetu172. Das Substantiv epšetu trägt zumeist die Bedeutung „Tat, Handlung; Werk“ (CAD E 2004, S. 241). Anders gelagert ist seine Funktion im enūma eliš in vier weiteren Zeilen, welche eng miteinander verbunden sind. So sind die Zeilen II 73 und II 75 (rekonstruiert) fast wortgleich, die Verse II 85 und II 109 sind sogar vollkommen identisch. Auf der zweiten Tafel verlangt Anšar von Ea, dass dieser gegen Tiāmtu ziehe, wobei er ihn anfänglich lobt: II 73

169

mārī epšetuka173 iliš174 naṭ[âmm]a

„Mein Sohn, Deine epšetu (~Handlungsmacht)175 sind geeignet für einen Gott.

Zu den Varianten siehe § 3.16.1. (VI 121) und § 4.3.2. (VI 122). Neben dieser Schreibung findet sich auch noch eine weitere singularische Variante šūpâti (Textzeuge jMet). Der Auslaut /-u/ bzw. /-i/ ist an dieser Stelle als überhängender Vokal im Sinne eines eingefärbten Ventivs zu interpretieren. Alternativ zu den singularischen Schreibung findet sich auch eine pluralische Wiedergabe: alkātuš lū šūpâ epšētuš lū mašlā („Glänzend hervorgebracht sollen seine alkātu sein, ebenso sein epšētu!“ Textzeuge AAss). 171 Diese Form liegt im Werk meistens vor, konventionell: alaktu. 172 Diese Form liegt im Werk meistens vor, konventionell: epištu. 173 JAss: epšetaka. 174 JAss: eliš. 175 Zur Diskussion des Lexems siehe § 5.2.6. 170

5.2. Name(nsgebung)

II 75

ezzu meḫ⌈iṣ176 lā maḫ⌉ri177 telêm178 ⌈x⌉ [… -r]i? d Ea ep[šetuk]a iliš [naṭâmm]a

II 76

ezzu meḫi[ṣ lā maḫr]i telêm [… -ri?]

II 74

289

Du kannst einen zornigen Schlag, einen unvergleichlichen […]. Ea, Deine epšetu (~Handlungsmacht) sind geeignet für einen Gott. Du kannst einen zornigen Schlag, einen unvergleichlichen […].“

In diesem Preis geht es weniger um eine tatsächliche Handlung oder deren Resultat, sondern um die Möglichkeit, große Taten zu vollführen, was speziell durch das Verb leʾû („fähig, tüchtig sein“, √lʾī) in II 74 und II 76 deutlich wird. Es geht also um Handlungskompetenz, um Handlungsmacht. Als Ea und später Anu unverrichteter Dinge zurückkehren, rechtfertigen sie sich gegenüber Anšar mit denselben Worten:179 II 85 bzw. II 109 II 86 bzw. II 110

abī utattirma Tiāmti epšetaša elija malākša180 ešeʾema ul imaḫḫar šiptī

„Mein Vater, Tiāmtus epšetu ist viel zu groß für mich. Ich untersuchte ihr Planen und meine Beschwörung ist (ihr) nicht gewachsen.“

Hier wird die übergroße Macht Tiāmtus thematisiert, der Ea und Anu nichts entgegensetzen können. Besonders deutlich wird die Machtkomponente in der resümierenden vorletzten Zeile der Rechtfertigungsrede der beiden Götter: II 92 bzw. II 116

emūq181 sinništi lū dunnuna ul malâ ša zikri

„Die Stärke der Frau ist wahrlich groß, ist (aber) nicht (so) voll (wie die Stärke) eines Mannes.“

Die Götter haben das Problem, dass Tiāmtu einfach zu stark für sie ist, ihre epšetu zu groß ist. Zusammengefasst macht die textimmanente Untersuchung deutlich, dass das Lexem epšetu innerhalb des enūma eliš auch als Ausdruck für besondere (Handlungs)macht182 fungiert. Das Lexem alkatu wiederum wird nach Ausweis des Chicago Assyrian Dictionary als „Weg; (übliche) Handlungen, Verhalten“ wiedergegeben (CAD A1 1998, S. 297). Die verschiedenen Verwendungen des Lexems innerhalb des enūma eliš decken ein entsprechend breites Spektrum ab,183 doch passen die Verse VI 122, VII 98 und 144 nicht in dieses hinein. Die erste Belegstelle, VI 122, ist parallel aufgebaut (siehe oben), so dass alkatu neben epšetu tritt. Somit könnte hier eine semantische Nähe existieren, zumal durch den Stativ mašlat („ist gleich“) die beiden Substantive als äquivalent markiert wer176

JAss: meḫ]ṣa. JAss: ⌈maḫar⌉. 178 JAss: tileʾʾ⌈i⌉. 179 Zu den vier Versen II 85f. und II 109f. existieren keine Varianten. 180 Während diese Transkription das Lexem von der Wurzel √mlk (hier: malāku „raten, (sich) beraten“) ableitet, präferiert Philippe Talon die Wurzel √ʾlk (hier: mālaku „Verlauf; Marsch“) (2005, S. 117). 181 II 92 gSip: emūqu. 182 In dieser Stelle soll nicht zwischen Potenz und Befugnis unterschieden werden (siehe § 6.3.2.). 183 Im Sinne von „Verhalten“ findet es sich in den Zeilen I 28, 37, 39, 46, 49, VI 108 und VI 156; im weiteren Sinne als „Götterordnung“ in der besonderen Pluralbildung alkakātu in den Versen VI 9 und 43; als „(Sternen)Weg“ in den Zeilen IV 108, VII 17 und 130. 177

290

Kapitel 5: Festsprechung(sakt) (=šīmtu) und Name(nsgebung )

den. Diese Vermutung wird durch Vers VII 144 unterstützt, wo die Verleihung der 50+2 Namen abschließend zusammengefasst wird:184 VII 144

ḫanšā šumēšu imbû ušātirū alkatsu

(VII 143: Die großen Götter) haben seine 50 Namen genannt und seine alkatu übergroß gemacht.

Auf die umschließende Funktion der Zeilen VI 122 und VII 144 wurde bereits eingegangen und die engen lexematischen Verbindungen aufgezeigt, wozu auch die Rekurrenz von alkatu gehört (siehe § 3.16.1.). Das Verb (w)atāru wurde auch bei der Verleihung des Namens Asalluḫi I im Š-Stamm verwendet (siehe § 5.2.5.), wo es ebenfalls den Aspekt der Erhöhung mit der konkreten Benennung verknüpft. Somit muss es sich bei alkatu um einen Aspekt handeln, der mit der Erhöhung verbunden ist. Zudem muss dieser Aspekt besonders wichtig sein, da er am Ende der Erzählung des enūma eliš unmittelbar vor dem Epilog steht und damit das Ende des eigentlichen Textes markiert. Schließlich bezieht sich die Ausdeutung des Namens Ara-nuna(k) auf Vers VI 122, indem neben alkatu auch die verneinte Wurzel √mšl (bspw. mašālu „gleich sein/werden“) wieder aufgegriffen wird. VII 98

ša ana alakti rubûtīšu lā umaššalu ilu ajjumma

Der alkatu seiner Fürstlichkeit gleicht kein anderer Gott.

Während in Vers VI 122 epšetu mit der Wurzel √mšl verbunden ist, tritt hier nun alkatu auf, was ein weiteres Indiz für eine große Sinnähnlichkeit beider Lexeme in diesem Kontext liefert. Demnach stehen beide für eine Macht eines Gottes, Dinge zu tun, wobei eine genauere Unterscheidung zwischen beiden Begriffen an dieser Stelle nicht geleistet werden kann.185 In Tiāmtus Fall ist die Macht so groß, dass andere Götter machtlos sind und nur Marduk etwas gegen sie ausrichten kann. Das Resultat seiner Erhöhung ist dann eine Handlungsmacht, die schließlich alle Götter übersteigt.186 Diese Machtfülle zeigt sich beispielsweise in seiner Festsprechungsmacht (siehe § 5.1.2.) und ist eng mit der Verleihung der 50+2 Namen verknüpft, wie die umschließende Vers VI 122 und VII 144 zeigen, die beide Marduks alkatu (und VI 122 zusätzlich seine epšetu) thematisieren. Die ersten neun Namensgebungen sind alle gleich aufgebaut und greifen auf die bereits verliehenen Namen Marduk, Lugal-dimmer-an-kia(k) und Asalluḫi zurück und erweitern sie um Namensvariationen (siehe auch § 4.3.3.).187 Am Anfang der jeweils ersten Zeile wird der (neue) Name Marduks genannt. Dem folgt entweder

184

Zu den Schreibvarianten von VII 144 siehe § 4.3.2. Beiden Lexemen ist zudem gemein, dass sie auch als kultische Ausdrücke Verwendung finden (LINSSEN 2004, S. 21), wodurch möglicherweise eine weitere Konnotation hinzukommt. 186 Zunächst in Gestalt der Potenz (Fähigkeit, Dinge zu tun), dann auch in Gestalt der Befugnis (Erlaubnis, Dinge zu tun) (siehe §§ 6.3.2. und 6.3.3.). 187 Die Namensvariationen sind der Liste An : dAnum entnommen (SERI 2006, S. 510). 185

5.2. Name(nsgebung)

291

eine Anknüpfung an die bisherige Erzählung und damit eine narrative Einbettung188 oder direkt die Ausdeutung. Diese beginnt spätestens im jeweils zweiten Vers und umfasst den Rest der zum Namen gehörigen Zeilen. Die Dualität aus Name und narrative Anknüpfung/Ausdeutung erinnert nicht zufällig an die zweispaltigen Götterlisten (SERI 2006, S. 509f.), wodurch vermutlich gezielt auf die Dimension der Schriftlichkeit angespielt wird. Diese scheint der wesentliche Unterschied der 50 Namen im Gegensatz zu den anderen Benennungen zu sein, da sie zwar als mündlich deklariert werden (ina zikrī ḫanšā „durch 50 Sprechakte“ VII 143), aber vom Charakter her dezidiert schriftlich sind (siehe auch § 5.2.7.). Ein Beispiel für die Namensbedeutung Der Verbindung zwischen Name und den deutenden Aussagen soll exemplarisch am Namen Asalluḫi II nachgegangen werden: VI 147 VI 148

Asalluḫi šumšu ša imbûšu189 abūšu Anum šū lū nūru ša ilānī gešṭû dannu d d

VI 149

ša kīma šumešuma190 dlamassi191 ilānī (AAss: ili) u māti

VI 150

ina šašme193 danni194 īṭiru195 šubatni196 ina pušqi

Asalluḫi ist sein Name, mit dem ihn sein Vorfahr benannt hat. Er soll das Licht der Götter sein, der starke Anführer: „Derjenige, der entsprechend seinem Namen der Schutzgott192 der Götter (AAss: des Gottes) und des Landes ist und (der) durch einen mächtigen Zweikampf unseren Sitz in der Not rettete.“

Die erste Zeile der Benennung umfasst eine narrative Einbettung, wobei auf die erste Verleihung des Namens Asalluḫi Bezug genommen wird.197In den folgenden drei Versen wird der Name nun einer Ausdeutung unterzogen, wobei wieder gezielt mit der Polysemie der Keilschrift operiert und auf andere Textstellen Bezug genommen wird. In Zeile VI 148 wird Marduk als „Licht der Götter“ (nūru ša ilānī) bezeichnet. Durch die semantische Nähe zu dšamšu („Sonne(ngott)“) rekurriert diese Phrase auf den Ausdruck dšamšī ša ilānī („mein(e) Sonne(ngott) der Götter“) und damit auf die Ausdeutungen des Namens Marduk (I 102 und VI 127). In der Interpretation des 188

Dies betrifft speziell die jeweiligen Hauptnamen Marduk II (VI 123), Lugal-dimmer-an-kia(k) II (VI 139) und Asalluḫi II (VI 147). 189 AAss: imbû („er nannte“). 190 AAss: šumīšuma. 191 AAss: lamassi. 192 Zur Übersetzung von (d)lamassi bzw. dLAMA (Textzeuge AMet) siehe VORLÄNDER 1975, S. 25f. 193 JNin: šašmi. 194 jMet: dannu. 195 AAss: ēṭiru. 196 bKiš: šubātani („unsere Sitze“). 197 Von der dortigen Schilderung (VI 101) abweichend wird hier aber Anu und nicht Anšar als Namensgeber genannt. Hier stellt sich die interessante Frage, warum es zu dieser Abweichung kommt. Bei der ersten Benennung war es wichtig, dass sie durch Anšar erfolgt, da sein Name im Namen Asalluḫi enthalten ist (siehe § 5.2.5.). Warum nun aber Anu als der adäquate Handlungsträger angeführt wird, ist mir nicht wirklich ersichtlich.

292

Kapitel 5: Festsprechung(sakt) (=šīmtu) und Name(nsgebung )

Namens Marduk II taucht auch das Lexem nūru („Licht“ VI 128) auf. Zusätzlich ist das Epitheton nūru ša ilānī beziehungsweise ilī („Licht der Götter“) gerade im Zusammenhang mit dem Sonnengott Šamaš belegt (CAD N2 2008, S. 348), so dass auch über die Bedeutung „Sonnengott“ für dšamšu eine Verbindung zu nūru hergestellt werden kann. Somit verknüpft die Ausdeutung in VI 148a den Namen Asalluḫi mit Marduks erstem Namen. Der Grund für die Beschreibung Marduks als gešṭû („Anführer“) ist hingegen aufwändiger zu rekonstruieren. Eine mögliche Lösung könnte folgendermaßen aussehen. Das Zeichen ASAR aus dem Namen Asalluḫi wird in der Liste VAT 10296:2 unter anderem mit dem Lexem asarēdu („erster, bester“) geglichen (CAD A2 2004, S. 416) (siehe auch § 5.2.5.). Dieses Lexem findet sich wiederum im Syllabar B I 360 in einer Gleichung mit dem bedeutungsähnlichen gešṭû („Anführer“) (CAD G 1995, S. 64). Somit kann man über zwei lexikalische Listen eine Verbindung zwischen dem Zeichen ASAR und dem Lexem gešṭû konstruieren. Darin liegt aber auch die Schwäche der Rekonstruktion, da eine direkte Gleichung ASAR = gešṭû bisher nicht bekannt ist.198 Über die Zwischenstation ašarēdu kommt man auch zum letzten Attribut aus Vers VI 148. Meistens wird das Lexem bei einer logographischen Schreibung durch das Sumerogramm SAG.KAL wiedergegeben (CAD A2 2004, S. 416). Die sumerische Silbe kal steht wiederum für das akkadische dannu („stark“) (CAD D 2004, S. 92), so dass man über ašarēdu sowohl die Verwendung von gešṭû als auch von dannu ableiten kann. Über das Lexem ašarēdu lässt sich auch der nächste Vers der Ausdeutung aufschlüsseln. Das Lexem lamassu kann – wie auch auf Textzeuge jmet geschehen – mit dem Sumerogramm LAMA geschrieben werden, demselben Zeichen wie KAL. Durch die Formel lamassi ilānī (Var. ili) wird außerdem auf die Formulierung šamšī ša ilānī beziehungsweise nūru ša ilānī Bezug genommen, wobei nun seine Rolle als Schutzgott, respektive persönlicher Gott der Götter betont wird. Damit verweist diese Zeile auf die erste Verleihung des Namens Asalluḫi, wo die Götter Marduk ilni („unser Gott“) nennen (VI 120) (siehe § 5.2.5.). Zusätzlich findet eine Ausweitung des rectums der Genitivkonstruktion statt, denn Marduk ist lamassi ilānū u māti („Schutzgott der Götter und des Landes“). Hiermit wird vermutlich auch die menschliche Dimension mit einbezogen, da mit dem Lexem mātu („Land“) im enūma eliš in der Regel die Welt der Menschen adressiert wird.199 Besonders deutlich wird dies in der Beschreibung des Namens Mār-Utuk-am, wonach Marduk „Vertrauen des Landes, der Stadt und seiner Menschen“ (tukultum māti āli u nišīšu) sein soll (VI 135). Somit wird in Zeile VI 149 durch das Lexem mātu indirekt auch der Namensbestandteil LÚ („Mensch“) aus Asalluḫi aufgegriffen. Diese skizzierten Bezüge insbesondere zur keilschriftlichen Schreibung des Namens Asalluḫi erklären somit auch die Formulierung kīma 198

Die Verwendung des Lexems fällt an dieser Stelle auf, da das sumerische Lehnwort nur in der zitierten Liste und an dieser Stelle im enūma eliš auftaucht und ansonsten nirgendwo anders belegt ist. Diese Seltenheit könnte für die oben skizzierte Rekonstruktion sprechen. 199 Nicht eindeutig ist der Beleg in Vers V 15, wo der Mond über dem Land scheinen soll.

5.2. Name(nsgebung)

293

šumešu („wie sein Name lautet“),200 da nur über die Ebene der Keilschriftausdeutung ein Zusammenhang zwischen dem Namen Asalluḫi und der Formulierung lamassi ša ilānī u māti hergestellt werden kann. Auch im letzten Vers (VI 150) wird auf die Keilschriftlichkeit Bezug genommen, da hier das Attribut dannu („stark“) nach VI 148 ein weiteres Mal auftaucht. Zugleich rekurriert diese Zeile auf zwei weitere Namen Marduks. So findet sich das Lexem eṭēru („retten“) bis auf einen einzigen weiteren Beleg nur noch in der Beschreibung des Namens Marduk II, wo ebenfalls Marduks Retterrolle thematisiert wird (VI 126). In dieser Zeile wird ebenfalls die Wurzel √pšq, die in pušqu („Not“) in VI 150 steckt, verwendet (šapšaqi „Not“). Schließlich findet sich sogar die vollständige Phrase šubatni ina pušqi („unseren Sitz in der Not“) im Namen Nadelugal-dimmer-an-kia(k) (VI 146) wieder. Damit verdeutlicht die letzte der Ausdeutungszeilen zum einen die Anknüpfung der Ausführungen an die Keilschriftlichkeit des Namens, zum anderen aber auch textimmanente Bezüge zu anderen Namen und besonders zum narrativen Teil des Werkes. Diese Ergebnisse sind gerade im Hinblick auf die Zeitdimension fruchtbar. Wenn man aus dem Namen Asalluḫi ableiten kann, dass er Beschützer von Göttern und Menschen ist, dann gilt dies für jetzt und für alle Ewigkeit, da er den Namen nicht mehr verlieren kann. Andererseits beschreibt Vers VI 150 ein vergangenes Ereignis, was aber seine Retterrolle unterstreicht und damit auch eine Aussage über Gegenwart und Zukunft ist. Marduk war, ist und wird der Beschützer von Göttern und Menschen sein. 5.2.7. Die 41 Namen Marduks Dieses Unterkapitel wird sich auf die Betrachtung der Funktion der Namensgebung beschränken, die anhand der narrativen Einleitung festgemacht werden kann. Die 41 Namen entsprechen den zuvor verliehenen neun Namen im Hinblick auf Struktur, Sprache, Deutung der Keilschriftlichkeit und textimmanenter Bezüge. Mit dem Fokus auf den Akt der Benennung sind die letzten vier Verse der sechsten Tafel zu lesen:201 VI 163 VI 164

ša māru qarrādu mutēr gimillini nīnu ša zānini i nulli šumšu

VI 165

ūšibūma ina ukkinnīšunu inambû (Var.: ibannû bzw. uaddû) šīmāte

VI 166

ina mēsī nagbašunu uzakkirū šumšu

„Des Sohns, des Kriegers, unseres Rächers, des Versorgers Namen, wollen wir, ja wir, erhöhen!“ Sie setzten sich in ihrer Versammlung und benannten (Var.: erschufen bzw. bestimmten) die Festsprechungen. Mittels aller kultischer Riten/Rituale nannten sie seinen Namen:

200 Diese Formulierung findet sich auch bei der Verleihung des Namens Ašāru, wo es mit dem Prädikat īšuru („er überprüfte“ VI 122) verbunden ist, welches von dem Verb ašāru abstammt. Damit ist an dieser Stelle die Verknüpfung zwischen Name und Ausdeutung offensichtlich. 201 Zu den Schreibvarianten der Verse VI 163–166 siehe § 4.3.2.

294

Kapitel 5: Festsprechung(sakt) (=šīmtu) und Name(nsgebung )

In den Zeilen VI 163f. reden die versammelten Großen Götter, wobei sie ihr Vorhaben in der Kohortativ-Phrase i nulli šumšu („Lasst uns seinen Namen erhöhen!“ VI 164) ausdrücken. Das Verb elû im D-Stamm ist ein spezieller Erhöhungsterminus und findet sich auch im Zusammenhang mit der Bestätigung seiner Königswürde, wo es mit dem direkten Objekt šīmat Marduk („die Festsprechung für Marduk“) verwendet wird (VI 96) (siehe § 5.1.1.).202 So verdeutlicht diese Phrase i nulli šumšu („Lasst uns seinen Namen erhöhen!“), dass Marduk weiter erhöht werden soll, wobei die Benennung durch den Bezug zu VI 96 neben die Festsprechung tritt, womit eine Verbindung zwischen beiden Konzepten, Namensgebung und Festsprechung, deutlich wird. Diese Verbindung findet sich nun in expliziter Form in Vers VI 165 (inambû šīmāte „sie benannten die Festsprechungen“),203 wonach die Benennungen und die Ausdeutung der Namen gleichbedeutend sind mit Festsprechungen für den Namensträger. In der Zeile VI 166 fällt die Formulierung ina mēsī nagbašunu („mittels aller kultischer Riten/Rituale“) auf, womit ein Maximum an ritueller Formalität ausgedrückt wird. Kultische Handlungen wurden auch zu Anfang der Götterversammlung in Babylon beschrieben (nigûtu, taqribtu, siehe § 4.4.1.1.) und werden nun am Ende wieder eingeführt.204 Die Wiedergabe der Namen, die hier trotz des schriftlichen Charakters der Namen und ihrer Ausdeutung als dezidiert mündlich deklariert wird, kann damit durchaus als Vorbild für eine menschliche Kultpraxis gedacht sein (siehe §§ 2.2. und 4.4.1.1.). 5.2.8. Bēl mātāti Im Anschluss an die 50 (9+41) Namen tritt erst- und einmalig der Gott Enlil als Einzelakteur in Erscheinung: VII 135

aššu205 ašra206 ibnâ iptiq207 dannina208

Weil er den Ort (=Himmel) erschaffen und die Unterwelt (=Erde) geformt hatte,209

202 In Vers I 99 heißt es, dass Marduk ullu ina ilāni („emporgehoben unter den Göttern“) ist, was sich dort auf seine körperlichen und geistigen Eigenschaften bezieht und somit seine besondere Eignung unterstreicht. Außerdem wird der Errichtung des Esaĝila-Tempels mit der Formulierung ullû rēšīšu („sie erhoben seine Häupter“ VI 96) beschrieben. 203 Wobei aber eine recht große Varianz zwischen den verschiedenen Textvertretern vorherrscht: AMet: uaddû („sie bestimmten“); GAss: ibannû („sie bauten“). 204 Durch die Klammerung von alkatu (und epšetu) um die Vergabe der 50+2 Namen (siehe § 5.2.6.) wird eine weitere kultische Anspielung hinzugefügt (siehe L INSSEN 2004, S. 21). 205 aunb: aššum. 206 BNin: ašri. aunb: ašru. 207 BNin: iptiqa. aunb: iptiqu. 208 aunb: danninu. bunb und gUruk: dannini. 209 Die Gleichungen ašru = šamû und danninu = erṣetu findet sich in einem ṣâtu-Kommentar zur siebten Tafel des enūma eliš (BOTTÉRO 1977, S. 13f.; HOROWITZ 1998, S. 129; LAMBERT 2013, S. 142; siehe auch unten Anm. 215). Dass die Unterwelt nicht als eigener kosmischer Bereich im enūma eliš auftaucht, zeigen Wayne Horowitz (1998, S. 125) und Andrea Seri (2012, S. 26). Implizit ist sie aber vermutlich dennoch verhandelt, wie das Lexem zāqīqu („Totengeist“ I 124) sowie die Gebundenen Götter (ilānū kamûtu

5.2. Name(nsgebung) VII 136

Bēl mātāti šumšu ittabi210 abu211 Enlil

d

295

nannte Vater Enlil seinen Namen Bēl mātāti.212

Die Bezeichnung abu Enlil („Vater Enlil“) gibt seinen herausgehobenen Rang wieder, den er zwar nicht innerhalb des Werkes aber in der textexternen Tradition innehat. Abweichend von dem Muster der 50 Namen (siehe §§ 5.2.6.–7.) beginnt die Benennung nicht mit dem Namen, sondern mit einer Begründung, was innerhalb des enūma eliš einmalig ist. Diese bezieht sich auf Marduks Rolle als Schöpfer von Ort (=Himmel) und Unterwelt (=Erde) – eine mythische Funktion, die klassischerweise Enlil zukommt. Die Begründung der Namensgebung lässt einen Zusammenhang zwischen Name und angeführtem Grund erwarten. Der titelartige Name Bēl mātāti („Herr der Länder“) findet sich textextern als traditionelles Enlil-Epitheton (SOMMERFELD 1982, S. 166),213 und der ṣâtu-Kommentar214 zu den 50+2 Namen expliziert die Gleichung Bēl mātāti und Enlil (BOTTÉRO 1977, S. 14; LAMBERT 2013, S. 142),215 so dass Enlil hier Marduk einen eigenen Beinamen verleiht.216 Das Lexem mātu, das in diesem Namen enthalten ist, wird textimmanent in der Regel zur Beschreibung der Menschenwelt verwendet (siehe § 5.2.6.). In diesen Fällen handelt es sich um singularische Schreibungen, wohingegen ein expliziter Plural nur

IV 127, VII 27) und die Toten Götter (ilānū mītūtu VI 153; mītu VII 26; dingiruggû IV 120) verdeutlichen. Möglicherweise steht die Unterwelt hier synekdotisch für die Kombination aus Erdoberfläche und Unterwelt (=Erde). 210 gUruk: ittab]u. 211 BNin und CNin: abu. 212 Grammatisch betrachtet ist die Zuordnung von Subjekt und Name in diesem Vers nicht eindeutig, so dass auch Bēl mātāti Handlungsträger und „Vater Enlil“ der Name sein könnten. Da aber der Name in den 50+2 Namensgebungen in der Regel am Zeilenkopf zu finden ist (Ausnahme: Zulumummu VII 87), kann man diese Lesart vermutlich eher ausschließen. Da schließlich Bēl mātāti und Enlil gleichgesetzt sind (siehe unten), ist eine strikte Trennung auf der semantischen Ebene auch nicht zwingend erforderlich. 213 Eine Differenzierung zwischen Epitheton und Name findet sich in L AMBERT 2013, S. 156. 214 Textvertreter A: Sm 11+980 (STC II 51–53) + Sm 1416 (STC II 55) + K 4406 (STC II 54f.) + 82-3-23,151 (STC II 54) + K 11168 (RA 17 (1920), S. 169; L AMBERT 2013, Plate 38) + K 13614 (CT 19 6; LAMBERT 2013, Plate 38); Textvertreter B: Rm 366+80-7-19,288+293 (STC II 56–58) + K 2053 (STC II 59f.) + K 8299 (STC II 60) + BM 134499 (LAMBERT 2013, Plate 38). Siehe LAMBERT 2013, S. 139 (älter: BOTTÉRO 1977, S. 5). 215 Eckart Frahm zeigt auf, dass dieser Kommentar unter anderem mit der akkadischen Phonetik von dEN.KUR.KUR argumentiert, was ein weiterer Hinweis auf die akkadische Lesung als Bēl mātāti (vs. En-kur-kur(ak)) ist (2011, S. 115f.). 216 Bei Hinzunahme weiterer Quellen zeigt sich eine weitere Übertragung eines Götterepithetons auf Marduk vergleichbar mit Bēl mātāti. So ist der Name Mummu auch als Beiname Eas belegt, der seinen Schöpfungsaspekt betont (KREBERNIK 1995, S. 415). Wenn Marduk also den Namen Mummu erhält (VII 86), der hier zudem dezidiert mit Schöpfung verknüpft ist, so wird damit im größeren religiösen Rahmen die ältere Gottheit durch Marduk ebenfalls funktional ersetzt und somit Marduks textinterne Schöpferrolle intertextuell bestätigt. Dies ergibt eine interessante Parallele zum Namen Bēl mātāti. Es finden sich aber auch Differenzen zwischen beiden Benennungen. Erstens ist Mummu mit nur einem Vers die kürzeste Namensgebung, zudem ist sie nicht prominent in der Reihe der 50+2 Namen platziert und schließlich erfolgt sie nicht durch den ursprünglichen Namensträger, sondern allgemein durch die Götter. Somit wird diesem Namenstransfer im Text vermutlich eine geringere Bedeutung zugemessen.

296

Kapitel 5: Festsprechung(sakt) (=šīmtu) und Name(nsgebung )

einmalig, an dieser Stelle, im Werk auftaucht.217 Die Argumentation über die Schöpfung lässt somit erwarten, dass der Plural in Vers VII 136 die in Zeile VII 135 genannten Himmel und Erde umfasst und somit die gesamte räumliche Schöpfung Marduks bezeichnet. Der erste Namensbestandteil bēlu („Herr“) wiederum ist eine im Werk übliche Bezeichnung für Marduk und taucht mit Gottesdeterminativ sogar als seine erste Nennung auf (I 80). Durch die Semantik expliziert dieses Lexem einen klaren Herrschaftsanspruch, der sich im Namen Bēl mātāti auf die „Länder“ als politische Einheit, vielleicht auch als gesamte Schöpfung, bezieht. Die Namensgebung weicht nicht nur durch die Begründung von den vorherigen ab. Bisher wurden Marduk nur Namen verliehen, die kein anderer Akteur im enūma eliš üblicherweise trägt. Der Name Asalluḫi enthält zwar Elemente des Namens Anšar (siehe § 5.2.5.), doch zeigt sich dies erst durch eine Analyse der Keilschriftlichkeit und befindet sich damit nicht an der Textoberfläche.218 Ebenso erhält Marduk zwar Namen von eigenständigen Göttern wie Adad (VII 119ff.), doch tauchen diese nicht als eigenständige Akteure im enūma eliš auf. Gleiches gilt auch für den Namen Bēl mātāti, da er im Text nicht mit Enlil verbunden ist.219 Zusätzlich kommt Enlil im Werk keine herausragende Rolle zu und lediglich das Epitheton abu („Vater“) könnte ein höheres Alter andeuten. Schließlich findet er sich auch in der klassischen Trias Anu, Enlil und Ea, die aber keine aktive Rolle im Text einnimmt. Insgesamt ist der Vorgang, dass Enlil Marduk den Namen Bēl mātāti gibt, aus textimmanenter Perspektive eher unspektakulär. Ganz anders verhält es sich aber, wenn man auch die intertextuelle Ebene berücksichtigt. Hier nun überträgt der Götterkönig Enlil seinen eigenen Beinamen, der einen Schöpfungsbezug enthält, an Marduk, was mit Marduks Weltschöpfung begründet wird.220 Damit erkennt er Marduk als Schöpfer und zugleich als Weltherrscher (Bēl mātāti) an und verzichtet damit auf seine ihm traditionell zukommende Rolle. Während mit Anšar der textimmanente Götterherrscher seine Ansprüche an Marduk abtrat (siehe § 5.2.5.), vollzieht dies nun auch der textexterne Götterherrscher. Damit gibt er einer neuen Tradition seinen Segen, einer Tradition in der er durch Marduk ersetzt wurde. Daher ist es an dieser Stelle so wichtig, dass Enlil Agent der Namensgebung ist und kein anderer Gott. Vergleichbar mit den häufigen Selbstun217 Man kann māti in Zeile VI 118 als einen möglichen Plural interpretieren, wobei dieser dann aber unorthodox geschrieben wäre (CAD M1 2004, S. 414). Anders verhält es sich in VII 136, wo der Plural durch das Logogramm eindeutig ausgedrückt wird. 218 Dennoch ist es nicht unwichtig, dass Anšar ihm diesen Namen gibt (siehe § 5.2.5.). 219 Wilfred Lambert versteht das Possessivsuffix -šu in šumšu so, dass es ausdrückt, dass Enlil Marduk „his own name“ gibt (2013, S. 131), womit er auch textimmanent eine Verbindung zwischen Enlil und dem Epitheton Bēl mātāti annimmt. Da aber die Verbindung aus šumu plus -šu im Werk mit Bezug des -šu auf den Benannten recht häufig ist, lässt sich dies am Wortlaut des akkadischen Textes nicht zwingend festmachen. 220 Zu diesem Befund passt auch der Umstand sehr gut, dass in der Weltschöpfung durch Marduk in der Teilung der Tiāmtu das Spaltungsmotiv der Enlilschöpfung implizit enthalten ist und somit die traditionelle Weltschöpfung durch Enlil implizit als Vorbild für Marduks Vorgehen fungiert. Manfred Krebernik möchte ich für diesen Hinweis danken.

5.2. Name(nsgebung)

297

terwerfungen der Götter unter Marduk handelt es sich hier nun um eine eigenhändige Abtretung und Abdankung Enlils als wichtigster Gott des Pantheons. 5.2.9. Ea Ea reagiert freudig auf die Namensgebung für Marduk und wendet sich nun als letzter an seinen Sohn:221 VI 137 VI 138 VI 139

zikrī222 dIgigi imbû nagabšun223 išmema dEa kabattašu ittangi224,225 mā ša abbēšu ušarriḫū zikiršu227

VII 140 VII 141

šū kīma jâtima dEa lū šumšu rikis parṣīja kalîšunu libēlma

VII 142

gimri têrētija šū littabbal

Alle Namen, die (alle) Igigi genannt hatten, hörte Ea und sein Inneres sang fröhlich.226 „In der Tat, derjenige, dessen Name seine Väter glänzend gemacht haben: Er ist wie ich, (Ea); Ea soll sein Name sein. Die (Ver-)Bindung aller meiner Kultordnungen soll er beherrschen und die Gesamtheit meiner Weisungen, er, ja er, soll sie dauerhaft kontrollieren.“

Während bei der Benennung durch Enlil ein Grund für sein Handeln angeführt wird, so explizieren die Zeilen VII 137f. nun einen Anlass für die Namensgebung durch Ea. Der Transfer der 50+1 Namen erfüllt ihn mit Freude. Durch das Lexem nagû („fröhlich singen“) rekurriert diese Passage auf den Anfang der Götterversammlung in Babylon, wo sich die einzigen anderen beiden Belege für die Wurzel √ngū im enūma eliš finden (VI 73, 76). Da es sich dabei um Ausdrücke für kultische Aktionen handeln kann (siehe § 4.4.1.1.), könnte auch die letzte Namensgebung Anspielungen an rituelle Handlungen enthalten. Dieser Eindruck wird zusätzlich durch das Lexem parṣu („Kultordnung“ VII 141) unterstützt. Die Benennung erfolgt in Vers VII 140, den man aufgrund der Mittelstellung von Ea als Apokoinu lesen kann. Wesensidentität und Namensidentität von Ea und Marduk fallen zusammen und werden durch den Vater durch die Formel kīma jâtima d Ea („er ist wie ich, Ea“) auf den Punkt gebracht. Dabei drückt der Text durch die Reihenfolge in Vers VII 140 aus, dass aus der Wesensgleichheit die Namensgleichheit folgt (weil er wie Ea ist, bekommt er den Namen) und nicht umgekehrt (weil er den Namen Ea trägt, ist er wie Ea). So wird die Wesensgleichheit indikativisch wiedergegeben, die Namensgleichheit aber modal. Da es sich um eine nominale Phrase handelt, kann die Partikel lū entweder einen Prekativ („Ea soll sein Name sein.“) oder einen Affirmativ („Ea ist wahrlich sein Name!“) ausdrücken. Die in den Versen VII 141 folgenden Prekative jeweils am Zeilenende sprechen für eine prekativische Lesart.

221

Die Verse VI 138–142 fehlen auf Textvertreter CNin. aunb: ina zikrī („durch die Namen“). 223 bunb: nagabšunu. 224 BNin: ittengi. 225 Die Verse VI 138–142 fehlen auf Textvertreter CNin. 226 Durch das Verb nagû („fröhlich singen“) bezieht sich dieser Vers auf die Zeile VI 73 (nigûtu „Fest mit fröhlichem Singen“), da beide der Wurzel √ngū entstammen. 227 BNin: zikrūšu („seine Namen“). 222

298

Kapitel 5: Festsprechung(sakt) (=šīmtu) und Name(nsgebung )

Die vorangehenden Verse VII 138f. verweisen auf die bereits erfolgten Benennungen Marduks, wodurch er über alle anderen Götter erhöht wurde und somit möglicherweise Ea, der ebenfalls überragende Eigenschaften besitzt (I 17–20), gleichkommt. Dagegen spricht aber, dass Marduks qualitatives Supremat über alle anderen Götter bereits bei seiner Geburt deutlich gemacht wurde (siehe § 7.2.), er also Ea bereits übersteigt. Wenn man jedoch Eas Aussage so versteht, dass er sagt: „er ist auch wie ich“, in dem Sinne, dass Ea eine Teilmenge von Marduk ist, funktioniert die Semantik an dieser Stelle ohne Widersprüche. In diesem Fall stellt die scheinbar äquativische Ausdrucksform (kīma) an sich einen Komparativ dar. Während die Namensgleichheit aus der Wesensgleichheit abgeleitet wird, folgt aus der Namensgleichheit die Funktionsgleichheit. Als neuer Ea übernimmt Marduk auch die Bereiche parṣū („Kultordnungen“) und têrētu („Weisungen“) von Ea (VII 141f.).228 Damit macht sich Ea überflüssig (KRAMER, MAIER 1989, S. 146; KATZ 2011, S. 132) und geht vollkommen in Marduk auf: Eas Wesen, Name und Machtbereich sind Teilmengen Marduks. Dieser Transfer eines Hauptnamens, den ein anderer Akteur im Text bereits trägt, auf eine weitere Person, ist innerhalb des Textes einmalig. Der Name Ea ist textimmanent (neben Nudimmud) der Hauptname des Gottes Ea, der diesen Namen nun weitergibt. Ähnlich gelagert sind jedoch die Transfers der Namen Asalluḫi (enthält den Namen Anšar) durch Anšar und den Namen Bēl mātāti (textexterner Beiname Enlils) durch Enlil. In allen drei Fällen verleiht der ursprüngliche (Teil-) Namensträger den Namen selbst. Wenn man nun beachtet, dass Ea textimmanent betrachtet vom Handlungsverlauf her die wichtigste Einzelgottheit nach Marduk ist, die zudem in der Beschreibung ihrer Eigenschaften (I 17–20) zwar unter Marduk (I 79–104), aber über allen anderen Götter steht, so hat Eas Aktion vielleicht sogar noch eine weitere Wirkdimension. Man könnte seine Äußerung und seine Tat als stellvertretende Handlung für die anderen Götter lesen. Wenn sogar ein Ea feststellt, dass er nur noch eine Teilmenge von Marduk ist, so gilt dies sicher auch für die anderen Götter. Wenn Ea daraus als Konsequenz seinen eigenen Namen und damit seinen Wirkbereich auf Marduk überträgt, so gilt dies sicher auch für die anderen Götter. Wenn man die Passage in dieser Form zuspitzt, so wäre das Ergebnis des Werkes, dass alle Götter in Marduk aufgingen. Das Resultat wäre ein Henotheismus (siehe § 6.3.5.). Formal betrachtet zeichnet sich die Rede Eas wie die Götterrede bei Asalluḫi I durch die Verwendung von modalen Formen, speziell Prekativen aus. Die Kombination aus wörtlicher Rede, modalen Verbformen im Rahmen einer Götterversammlung an einem speziellen Ort, wobei die besondere Freude des Handlungsträgers betont wird, deutet stark darauf hin, dass die Namensgebung an dieser Stelle als Festsprechungsakt fungiert (siehe § 5.1.1.2.).

228 Dabei fällt die Formulierung rikis parṣīja („(Ver-)Bindung der Kultordnungen“) auf, durch die möglicherweise auf die Leitseile (ṣerrētu V 68) angespielt wird, die Ea Marduk gegeben hat. An diesen Leitseilen hängt die Verbindung (riksu V 66), die die Weltenteile zusammenhält. Somit geht hier möglicherweise diese wesentliche kosmische Funktion wieder an Marduk zurück.

5.2. Name(nsgebung)

299

5.2.10. Die drei Namen des Bogens VI 88

imbima ša qašti kīam229 šumīša230

VI 89

iṣu arik lu ištēnumma231 šanû lū kašid

VI 90

šalša šumša232 mulBAN ina šamê ušāpi ukīnma gišgallaša233 itti ilānī athêša234

VI 91

Er (=Anu) gab dem Bogen seine folgenden Namen: „‚Das Holz ist lang‘ soll der erste sein und der zweite ‚Er soll erfolgreich sein‘, sein dritter Name ist ‚Sternenbogen‘.“ Er ließ (den Sternenbogen) am Himmel erscheinen. Er machte seine Himmelsbahn mit den Göttern, seinen (=des Bogens) Brüdern, dauerhaft.

Die Verleihung der drei Namen an den Bogen nimmt eine Sonderstellung im Werk ein. Zum einen handelt es sich um die einzige Benennung, die weder einen Ort noch einen Gott adressiert. Zum anderen ist es die einzige Namensgebung, die Anu durchführt. Schließlich arbeiten alle drei Namen noch umfangreicher als die anderen Namen mit den Möglichkeiten der Keilschrift, der sumerisch-akkadischen Zweisprachigkeit und mit intertextuellen Bezügen, um Bedeutung zu produzieren. iṣu arik und lū kašid – ein Omen Der erste Name ist vermutlich eine akkadische Übertragung der Zeichen des Sumerogramms gišGÍD.DA, welches für das akkadische ariktu steht, womit eine Fernkampfwaffe, entweder ein Speer oder ein Bogen (CAD A2 2004, S. 267), bezeichnet wird.235 In der lexikalischen Liste Antagal C (Z. 244) wird das Lexem giš GÍD.DA/ariktu in einer Gruppe mit tilpānu („Bogen“)236 und qaštu („Bogen“) (CAD A2 2004, S. 267) geführt, wonach qaštu und ariktu, so sie nicht synonym sind, doch nach den kulturimmanenten Kategorien einer gemeinsamen Gegenstandsklasse angehören. Insofern ist der semantische Weg von qaštu zu giš GÍD.DA/ariktu nicht weit. Im Namen iṣu arik wird nun das Determinativ GIŠ von gišGÍD.DA durch das akkadische iṣu („Holz“) ersetzt und GÍD(.DA) durch arku („lang“), was syntaktisch zum stativischen Satz iṣu arik („Das Holz ist lang.“) zusammengesetzt wird. Diese Interpretation auf Basis der Keilschrift wird durch einen mukallimtu-Kommentar237 zur sechsten Tafel des enūma eliš gestützt, der den Namen iṣu arik mit dem sumerischen gišGÍD.DA und dem akkadischen arikt[u] verbindet (CAD A2 2004, S. 267; 229

MHuz: kâm. jMet: šumīšu. 231 AAss: iṣu arik il[t]ēnu[mma. 232 MHuz: šumšu („sein (m.) Name“), der Bogen wird hier männlich interpretiert – nicht aber im folgenden Vers, wo MHuz wieder das feminine Pronominalsuffix verwendet. 233 jMet: g]išgillašu („seine (m.) Himmelsbahn“). Der Bogen wird hier männlich interpretiert, abweichend von dem femininen Suffix im vorangehenden Vers. 234 jMet: atḫêšu („seine (m.) Brüder“), siehe auch vorangehende Anmerkung. 235 Ninurtas Waffe in Lugal-e und An-gim-dím-ma trägt ebenfalls den Namen gišGÍD.DA, so dass hier wieder eine Anspielung an die Ninurta-Mythologie zu finden ist (LAMBERT 2013, S. 479). Während Ninurta jedoch mit einem Speer kämpft, handelt es sich im Falle Marduks eindeutig um einen Bogen. 236 Zur Bedeutung als „Bogen“ und nicht „Speer“ siehe GRONEBERG 1987. 237 BM 54228. Kopie: KING 1902b, Plate 63:4f.; Umschrift: KING 1902a, S. 177:4f. 230

300

Kapitel 5: Festsprechung(sakt) (=šīmtu) und Name(nsgebung )

KING 1902a, S. 179; KÄMMERER, METZLER 2012, S. 265 Anm. 1; LAMBERT 2013, S. 120, 137).238 Demnach wird die Bezeichnung für den Bogen (gišBAN/qaštu) durch ein Synonym oder einen Gegenstand derselben Sachkategorie ersetzt, dessen sumerische Schreibung logographisch Zeichen für Zeichen ausgedeutet und ins Akkadische in Gestalt eines stativischen Satzes umgeformt wird. So wurde aus dem Nomen qaštu die Aussage iṣu arik, die ersterem als Name verliehen wird. Somit ist der erste Name des Bogens eine Ausdeutung seiner originären Bezeichnung, wobei lexikalische Kategorien, Polysemie von Keilschriftzeichen und die sumerisch-akkadische Zweisprachigkeit als interpretative Mittel herangezogen wurden. Der zweite Name wiederum liest sich lū kašid239 und lässt sich übersetzen mit „Er soll erfolgreich sein“.240 Da der Stativ im Maskulinum geschrieben ist, kann er sich nicht auf das feminine Substantiv qaštu beziehen,241 sondern auf eine andere, maskuline Instanz. Theoretisch wäre eine Verbindung zum Lexem iṣu im ersten Namen möglich, doch wahrscheinlicher ist, dass er mit Marduk verbunden ist. Diese Lesart wird durch einen intertextuellen Bezug unterstützt. Der multābiltu-Katalog ist das zehnte Kapitel der kanonischen bārûtu-Serie, die sich speziell den Leberschauomina widmet.242 Anders als die vorgehenden neun Kapitel stellt mūltabiltu verallgemeinernde Regeln auf, die auf Basis der existierenden Omina gewonnen oder deduktiv aufgestellt wurden (KOCH 2005, S. 10). Demnach ist das multābiltu-Kapitel chronologisch vermutlich aus den schon bereits existierenden bārûtu-Kapiteln entstanden. Während die Kanonisierung in den letzten Jahrhunderten des 2. Jahrtausends v. Chr. durchgeführt wurde, lässt sich spekulative Literatur wie multābiltu erst im 1. vorchristlichen Jahrtausend mit Sicherheit greifen (KOCH-WESTENHOLZ 2000, S. 11). Da aber auch das enūma eliš erst auf Tontafeln aus dem 1. Jahrtausend überliefert ist (siehe § 2.1.1.), muss dies nicht bedeuten, dass es keine Bezüge vom Katalog zum enūma eliš geben kann. Dennoch wird im Folgenden auf die These einer direkten literarischen Abhängigkeit verzichtet und vielmehr auf die Parallelität der zugrundeliegenden Logik verwiesen.243 238

Ebenso wird Ninurtas Waffe gišGÍD.DA ebenfalls durch das Akkadische ariktu wiedergegeben (LAMBERT 2013, S. 479). 239 Alternativ könnte man den Namen auch lū kāšid („es soll ein Erreichendes sein/er soll ein Erreichender sein“) lesen, wobei dann das Partizip ebenfalls im Stativ steht. 240 Außerdem lässt sich die Partikel lū statt als stativischer Prekativ als Affirmativ lesen: „Er war/ist wahrlich erfolgreich“. Wie die weitere Analyse zeigen wird, ist es durchaus möglich, dass an dieser Stelle bewusst eine nicht eindeutige Formulierung gewählt wurde, da der vergangene Erfolg einer Lesung als Affirmativ die prekativische Interpretation stützt. Marduk war mit dem Bogen bereits einmal siegreich und wird es wieder sein. 241 Vgl. die Bezüge in VI 87–91, die durchgehend feminin sind (ähnlich L AMBERT 2013, S. 479). 242 Die bārûtu-Serie aus Ninive umfasst etwa einhundert Tafeln (JEYES 1989, S. 11), wobei das multābiltu-Kapitel für sich genommen aus siebzehn Tafeln besteht (KOCH 2005, S. 32). 243 Tatsächlich lässt sich beispielsweise in der gesamten bārûtu-Serie und damit auch im älteren Teil ein tendenzieller Zusammenhang zwischen Länge und Erfolg feststellen (K OCH-WESTENHOLZ 2000, S. 23). Eine gewisse räumliche Nähe zwischen enūma eliš und multābiltu lässt sich aus dem Umstand ableiten, dass ein Kolophon aus der Aššurbanipal-Bibliothek aussagt, dass die Tafel nach einer babylonischen Vorlage verfasst wurde, was die Herkunft des multābiltu-Kapitels ebenfalls in Babylonien verortet (KOCH 2005, S. 5f.).

5.2. Name(nsgebung)

301

Die Struktur ist auf der ersten multābiltu-Tafel zumeist dieselbe: Ein generalisierender Zusammenhang zwischen Protasis und Apodosis wird durch zwei Substantive wiedergegeben, woran sich ein konkretes Omenbeispiel anschließt (KOCH 2005, S. 8). So beginnt die erste multābiltu-Tafel mit folgender Zeile:244 ariktu kašittu šumma manzāzu arikma padāna [ikš]ud rubû ina ḫarrān illaku ikaššad

I1

Länge bedeutet Erfolg (wie in): Wenn der ‚Standort‘245 lang ist und den ‚Pfad‘246 [erreicht], dann wird der Fürst erfolgreich sein auf dem Weg, den er geht.

Zwischen dieser Passage und den beiden ersten Namen des Bogens gibt es auffällige Parallelen.247 So findet sich der Stativ arik („er/es ist lang“) im ersten Namen des Bogens und in der Protasis des Omens. Das Verb kašādu („ankommen, erreichen, erfolgreich sein“) taucht sowohl in der Protasis im Bezug auf den Bau eines Teils der Leber, aber insbesondere auch in der Apodosis im Bezug auf einen „Fürsten“ (rubû) auf. Zugleich ist es Bestandteil des zweiten Namens des Bogens (lū kašid). Durch die Aufteilung von arik auf die Protasis und kašādu auf die Apodosis entsteht die logische Verbindung einer Implikation zwischen beiden Teilen: Wenn X lang ist, dann wird Y ankommen/erfolgreich sein. Diese direkte Relation wird durch die beiden Substantive am Anfang der multābiltu-Zeile expliziert (ariktu248 kašittu) und findet sich auch in derselben Reihenfolge in den beiden ersten Namen des Bogens (arik … kašid). Dies lenkt nun den Blick zurück auf die Frage, auf wen sich die Aussage lū kašid des zweiten Bogennamens bezieht. Das Omen aus multābiltu spricht von einem „Fürsten“ (rubû), der sich auf den „Pfad“ (ḫarrān) macht. Zwar wird Marduk im enūma eliš niemals als rubû bezeichnet,249 doch wird das Abstraktum rubûtu („Fürstlichkeit“) nur auf ihn bezogen.250 Auch sind die sonstigen Bezeichnungen Marduks wie šarru („König“) oder bēlu („Herr“) durchaus synonym zu verstehen. Schließlich findet sich im enūma eliš auch das Lexem ḫarrānu („Pfad“) als Aus-

244

Umschrift: KOCH 2005, S. 90f. Das Lexem manzāzu bezeichnet hier einen Teil der Leber. 246 Das Lexem ḫarrānu bezeichnet hier einen Teil der Leber. 247 Dass es sich bei den Verfassern des enūma eliš um religiöse Experten gehandelt haben muss, ist offensichtlich (vgl. bspw. die intertextuellen Bezüge zu Anzû (LAMBERT 1986, DALLEY 2008, S. 230f.), Atramḫasīs (bspw. WILCKE 1977, S. 168f.; STRECK 2006, S. 697; WILCKE 2007a, S. 38– 40; HOROWITZ 2010a, S. 34), den Götterlisten (SERI 2006, FRAHM 2011, S. 346) oder älteren mythischen Kämpfen (DALLEY 1997, S. 168); siehe auch § 1.1.3.). Insofern verwundern mögliche – wie auch immer geartete – Bezüge zu weiteren Formen eines solchen Gelehrtentums wie den Leberschaukatalogen (bārûtu) nicht weiter. 248 An dieser Stelle fällt auf, dass der Bogen Marduks als gišGÍD.DA (akkadisch: ariktu!) interpretiert wird, wobei beide Substantive ariktu (A: „Bogen“ bzw. „Speer“; B: „Länge“) homo(io)phonetisch sind und dieselbe Wurzel besitzen (CAD A2 2004, S. 267f.). 249 Der einzige Beleg für das Lexem bezieht sich auf Ea (II 57). 250 In Vers IV 1 wird ein parak rubûti („Kultsockel der Fürstlichkeit“) für Marduk aufgestellt. In Zeile V 93 legt Marduk das [tēd]iq rubûti[šu] („Gewand [seiner] Fürstlichkeit“) an. Und schließlich wird der Mardukname Ara-nuna(k) mit der alakti rubûtīšu („Macht seiner Fürstlichkeit“) in Verbindung gebracht (VII 98). Zu letzterem siehe auch § 5.2.6. 245

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Kapitel 5: Festsprechung(sakt) (=šīmtu) und Name(nsgebung )

druck für eine Kampagne, auf die ein Gott geschickt wird.251 Besonders spannend ist in diesem Kontext der Vers IV 34, der sich im Anschluss an Marduks erste Erhöhung findet. Nachdem er die Sternbilddemonstration erfolgreich absolviert und verschiedene Herrschaftsinsignien empfangen hat, senden die Götter ihn gegen Tiāmtu ins Feld: IV 34

uruḫ šulme252 u253 tašmê ušaṣbitūšu254 ḫarrāna255

Den Weg des Wohlergehens und der Akzeptanz, den Pfad ließen sie ihn ergreifen.

Hier fungiert das Lexem ḫarrānu als Ausdruck für Marduks Mission gegen Tiāmtu. Diese Passage ist insofern auch besonders aufschlussreich, da in den folgenden vier Zeilen (IV 35–38) Marduks Erschaffung des Bogens ausführlich beschrieben wird. Damit stehen seine Kampagne und die Herstellung des Bogens als seine erste Schöpfung textimmanent in einem direkten logischen Zusammenhang, der über eine reine Chronologie hinausgeht. Er stellt den den Bogen her, welchen er im Kampf benötigt und der in der Auseinandersetzung eine zentrale Rolle einnimmt. Marduks Sieg wird schließlich in den Versen IV 123–126 zusammengefasst, wobei auch das Verb kašādu verwendet wird (IV 126). Nimmt man diese Indizien zusammen, so lässt sich folgender Zusammenhang zwischen dem zweiten Namen und Marduk herstellen. Nach dem positiven Leberschauomen (das Medium ist lang) wird ein Herrscher (rubû), der sich auf den Weg (ḫarrānu) macht, auf diesem Weg erfolgreich sein (kašādu). Somit drückt der zweite Name (lū kašid) aus, dass Marduk Erfolg haben wird. Selbstverständlich kann man die Phrase lū kašid auch als Affirmativ lesen, womit hier eine bestätigende Aussage getätigt würde. Ein Zukunftsbezug bietet sich hingegen durch die Parallele zur Leberschau an und würde die Botschaft des Namens noch stärker machen. Die Botschaft wäre ein Versprechen: So wie Marduk gegen Tiāmtu erfolgreich war und die Götter vor einer existentiellen Gefahr beschützt hat, so wird er auch in zukünftigen (militärischen) Situationen rettend wirken können. Nimmt man nun die beiden ersten Namen des Bogens zusammen, so ergeben sie zusammen ein Omen. Gegenstand der Zeichenschau ist der Bogen beziehungsweise seine Bezeichnung (gišBAN/qaštu). Durch die Mittel der Keilschriftschau256 wird die Bezeichnung gedeutet als iṣu arik („Das Holz ist lang“ 257), wodurch in der Protasis die Eigenschaft der Länge auftaucht. Länge wird nun nach der in multābiltu expliziten und allgemein in bārûtu zugrundeliegenden Logik mit Erfolg in Verbindung gemacht. Das Ergebnis ist die Apodosis, wonach derjenige, für den die Zeichenschau durchgeführt wurde, erfolgreich sein wird. Somit fungieren beide Namen zu251

Auf der zweiten Tafel sind dies Ea (II 80) und Anu (II 104), die gegen Tiāmtu geschickt werden, später dann Marduk (IV 34). Eine Ausnahme stellt der letzte der Belege im enūma eliš dar, der sich auf eine astrale Begebenheit bezieht (V 21). 252 aunb und kunb:2a: šulmu. LHuz: šulmi. 253 Fehlt auf FAss. 254 Bunb: uštaṣbitūš. 255 aunb: ḫarrānu. 256 Das Konzept ist angelehnt an sonstige altorientalische Zeichenschauen wie der Leberschau oder der Schau himmlischer Zeichen (siehe § 5.3.2.). 257 Was zudem auch eine tatsächliche physische Eigenschaft eines Bogens ist.

5.2. Name(nsgebung)

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sammengenommen als ein vollständiges divinatorisches Verfahren, wobei der erste die Protasis und der zweite die Apodosis ist. Adressat dieser Zeichenschau ist nicht der Bogen, der hier als Medium fungiert, sondern Marduk. Dass tatsächlich eine Verbindung zwischen beiden Namen existiert und damit eine mögliche divinatorische Bedeutung möglich ist, zeigt der chiastische Aufbau des Verses VI 89. Wenn man das vorangestellte iṣu ausklammert, beginnt der Text mit der Reihenfolge Stativ – lū – Ordinalzahl, die sich nach einem enklitischen -ma umkehrt zu Ordinalzahl – lū – Stativ. Dass der Bogen als Gegenstand der Keilschriftschau herangezogen wird, lässt sich durch seinen Bezug zur Kampagne gegen Tiāmtu ableiten; zum einen lässt es sich an der erzähltechnischen Angrenzung seiner Erschaffung an Marduks Sendung gegen Tiāmtu festmachen (IV 35–38); zum anderen ist er eine entscheidende Waffe im Kampf gegen die Urmutter (IV 101). Schließlich ist der Bogen als Schöpfung und Waffe von Marduk auch eng mit diesem verbunden (siehe § 4.4.1.3.). Man kennt dies aus der Divinationspraxis beispielsweise auch bei dem Gewandsaum von Propheten, der eingesandt wurde, um seine Prophetie zu überprüfen. Das Gewand ist ebenfalls eng mit seinem Träger verbunden und daher ein aussagekräftiger Gegenstand für weitere divinatorische Befragungen (KARNER 2009, S. 178 Anm. 616).258 Die Funktion einer Namensgebung als Zeichenschau ist innerhalb des enūma eliš einmalig. Die keilschriftliche Ausdeutung von Namen ist die Regel (siehe vorangegangene Unterkapitel). Dass jedoch zwei Namen Apodosis und Protasis repräsentierten, findet sich nur hier. Ein Grund für diesen Umstand könnte darin liegen, dass die sonstigen Personennamen Marduk verliehen werden, wohingegen hier sein Bogen benannt wird. Durch ihre Funktion als Omen wird es jedoch möglich, dass der Bogen zwar Adressat der Namensgebung, aber Marduk der Adressat der in ihr enthaltenen Botschaft ist. mul

BAN Während der erste Name die Beschaffenheit des Materials Holz weiter spezifiziert (iṣu arik „Das Holz ist lang“), welches im Holzdeterminativ der sumerographischen Schreibung aufscheint, wendet sich der dritte Name dem zweiten Zeichen des Sumerogramms (BAN) zu, dem er nun ein anderes Materialdeterminativ voranstellt. So wird aus dem hölzernen Bogen gišBAN der „Sternenbogen“259 (mulBAN). Diese

258 Eine Verbindung zwischen dem Bogen, dort als Sternenbogen ( mulBAN), und dem König, dort als Sternbild (mulLUGAL), findet sich in der mulAPIN-Serie, wonach sie am 5. Abu gemeinsam sichtbar werden (HUNGER, PINGREE 1989, S. 42 I ii 44). Einschränkend muss man anmerken, dass sie vermutlich jünger ist als das enūma eliš (IBID, S. 12), doch muss dies nicht zwingenderweise für eine astronomische Kenntnis der Bewegung beider Sternbilder gelten. 259 Dieser Ausdruck wird aus zwei Gründen der ansonsten gebräuchlichen Bezeichnung als „Bogenstern“ (bspw. LAMBERT 1994, S. 90) vorgezogen. Als erstes handelt es sich bei mulBAN nicht um einen einzelnen Stern. Nach Hunger und Pingree setzt sich das Sternbild aus den Fixsternen δ, ε, σ und ω Canis Minor und κ Puppis zusammen (1999, S. 271). In dieser neueren Publikation weichen sie von ihrer älteren Identifizierung als Canis Maior, Canis Minor und Teilen von Puppis und Pyxis ab (1989, S. 138). Noch älter ist die Zuordnung von Weidner, der mulBAN mit Canis Maior mit Ausnahme von Sirius gleicht (1957–1971, S. 79). An dieser Stelle ist die genaue Exten-

304

Kapitel 5: Festsprechung(sakt) (=šīmtu) und Name(nsgebung )

Umstellung wird nur auf der Schriftebene und dann nur in der sumerographischen Schreibung deutlich, da die akkadische Entsprechung qaštu kein Materialdeterminativ kennt und dies lautwertlos ist (siehe § 1.3.2.3. Keilschriftlichkeit). Durch die Mittelstellung des Namens in VI 90 wird ein Apokoinu gebildet, wonach die Benennung mit der Installation des Bogens als Sternbild einhergeht. Der neue Name (mulBAN) ist somit gleichbedeutend mit einer neuen Existenz (mulBAN). In Vers VI 91 wird der Sternenbogen schließlich als atḫû der Götter bezeichnet, was nach Ausweis des Chicago Assyrian Dictionary „members of a group of persons of equal status“ sind (CAD A2 2004, S. 492f.). Damit ist der Bogen zumindest auf der astralen Ebene den Göttern gleichgestellt, die Sternbilder als ihr „Ebenbild“ (tamšīlu) erhielten (V 1f.).260 Entscheidend ist, dass der Bogen durch den dritten Namen zum Stern und damit unvergänglich wird. Somit kann er unter anderem für sion des Ausdrucks mulBAN sekundär, da allen drei Rekonstruktionen gemeinsam ist, dass mulBAN aus mehreren Sternen zusammengesetzt ist. Der zweite Grund für die Bezeichnung Sternenbogen liegt in einer besseren Wiedergabe der sumerischen Schreibungen. Während gišBAN ein Holz-Bogen ist, so ist mulBAN ein Sternen-Bogen; der Unterschied liegt im vorangestellten Materialdeterminativ und wird so auch durch die deutsche Schreibung wiedergegeben. 260 Stärker gelesen kann diese Passage auch aussagen, dass die Astralisierung des Bogens auch seine Vergöttlichung bedeutet. Daran anknüpfend ist die Theorie entstanden, dass der Sternenbogen im enūma eliš für die Göttin Ištar steht (HOROWITZ 1998, S. 124). Im mittelassyrischen (der Textzeuge datiert in die Zeit von etwa 1133-1077 v. Chr, siehe HOROWITZ 1998, S. 155 und WEIDNER 1952–1953, S. 210, Anm. 75) Astrolabium B wird der Stern mit der Göttin Ištar von Elam assoziiert (REINER 1981, S. 82, ii16– 21), die dort auch als Tochter von Anu angeführt wird. Ebenso wird der Bogen im enūma eliš von Anu als „meine Tochter“ (mārtī, VI 87) angesprochen, so dass hier ein Bezug vorliegen kann. Diese mögliche Relation wird vielleicht sogar noch durch dem Umstand unterstützt, dass Ištar (bzw. die sumerische Inana) klassischerweise Tochter des Mondgottes Sîn/Nanna ist und im Zuge ihrer Erhöhung (bspw. in Ninmešara) zur Gemahlin von Anu aufsteigt (WILCKE 1976–1980, S. 80f.). Der Bogen wiederum wird der vermutlich jüngeren mulAPIN-Serie als Tochter des Enlil angeführt (HUNGER, PINGREE 1989, S. 32 I ii 7). Die Einordnung Ištars als Tochter Anus ist somit nicht exklusiv und könnte auf dem Umstand beruhen, dass der Sternenbogen und damit vielleicht auch Ištar im Himmelsbereich Anus zu verorten ist (REINER 1981, S. 11). Im Text 5R 46 23 wird der Sternenbogen mit der Ištar von Babylon gleichgesetzt (HOROWITZ 1998, S. 124). Allgemein ist der Bogen auch als ikonographisches Attribut der Göttin verbreitet (WALKER 1983, S. 147, Anm. 14). Besonders eindrücklich hierfür ist die Darstellung der Göttin auf einem Relief des Šamaš-rēš-uṣur aus dem Babylon des 9. Jahrhundert v. Chr., auf dem sie einen Bogen in der Hand hält, an dessen oberen Ende ein achtzackiger Stern (das übliche astrale Symbol der Göttin) angebracht ist (SEIDL 1976– 1980, S. 88). Demnach gibt es eine ganze Indizienkette, die den Sternenbogen mit der Göttin Ištar verbindet. Im gesamten Text findet die astrale Hochgöttin hingegen keine explizite Erwähnung, außer dass das akkadische Wort inanna („jetzt“) im Text idnanna geschrieben und die Göttinnen, die Marduk stillen, durch dištarāti (hier allgemein: „Göttinnen“) wiedergegeben werden, was aber eine ab altbabylonischer Zeit übliche Ausdrucksform ist (WILCKE 1976–1980, S. 78). Stimmt die Gleichsetzung des Bogen(sterns) mit der Göttin Ištar, so würde sie nur hier und nur mittelbar auftreten und wie der Sonnen- und Mondgott explizit nur als astrales Phänomen eine Rolle spielen. Implizit mögen sie in der Gruppe der 50 Großen Götter bzw. der sieben Schicksalsgötter durchaus mitgedacht worden sein (ANNUS 2007, S. 4). Anders als vor allem Anu und Ea treten sie jedoch nie als göttliche Einzelakteure in Erscheinung.

5.2. Name(nsgebung)

305

alle Ewigkeit retrospektiv von Marduks Taten künden (SERI 2012, S.18). Hier findet sich wie bereits bei der Sternbilddemonstration (siehe § 5.1.2.2.) ein astraler Bezug in Marduks Tun. Wie dort deutet sich hier eine starke Ähnlichkeit zu den Astroglyphen an, die Namen und Titel des neuassyrischen Königs an den Himmel schreiben (ROAF, ZGOLL 2001, S. 291f.). Niederschrift des Omens Die Ewigkeit des Bogens kann aber noch eine weitere Funktion haben. Hierfür ist es erforderlich mögliche Verbindungen zwischen den ersten beiden und dem dritten Namen zu analysieren. Eine erste solche Relation lässt sich möglicherweise durch die Wurzel √ʾrk (bspw. arāku = „lang sein/werden“) herstellen, die beispielsweise in arku oder ariktu enthalten ist und sumerisch durch GÍD(.DA) wiedergegeben wird. Sie kann Länge nicht nur räumlich angeben, sondern auch zeitlich, so dass zum Beispiel das Verb arāku „lang sein/werden“ ausdrücken kann, aber auch „langlebig sein, lange leben“ (CAD A2 2004, S. 223). In diesem Sinne taucht das Verb im enūma eliš in Vers I 13 (Tage werden lang gemacht) und möglicherweise261 auch in Vers VII 134 (ggf.: Nēberu soll ewig sein) auf. Jedoch finden sich in und außerhalb des enūma eliš keine Belege für eindeutige, direkte Bezüge zwischen Sternen und der Wurzel √ʾrk, jedoch zu langem Leben und langer Herrschaft (bspw. CAD A2 2004, S. 285). Schließlich gibt es eine unmittelbare, logische Verbindung zwischen den ersten beiden Namen und dem Namen mulBAN. Indem die ersten beiden dem Bogen verliehen wurden, können sie sicher gemeinsam als Apodosis und Protasis auftreten, solange der Bogen existiert.262 Indem Anu den Bogen nun zum Sternenbogen macht, 261 Während beispielsweise Talon li-ri-ik liest und somit von arāku ableitet (2005, S. 75:134), transkribiert das CAD lirīq (rêqu „fern sein, weggehen“) (Ṣ 2004, S. 117). 262 Namen können selbstverständlich auch den Namensträger überdauern. Genau dies ist beispielsweise das Vorhaben von Gilgameš in der sumerischen Dichtung Gilgameš und Ḫuwawa Version A I 5: kur-ra ga-an-ku4 mu-ĝu10 ga-ĝar („Ich will ins Bergland eintreten, meinen Namen will ich setzten“) (EDZARD 1991, S. 168f.). Gilgameš will hier durch die Besiegung von Ḫuwawa unsterblichen Ruhm erlangen, somit „(s)einen Namen setzen“ (mu ĝar bzw. Akk.: šuma šakānu) und damit eine Form der Unsterblichkeit erlangen (Z GOLL 2003b, S. 10f., RADNER 2005, S. 90f., ZGOLL 2008, S. 8). Ein vergleichbares Motiv taucht auch im enūma eliš auf, wenn von den Menschen verlangt wird, dass sie Marduk und seine Taten in Erinnerung zu behalten haben (v.a. VI 108, VII 18). Dennoch zeigt ein Blick in die jungbabylonische Version des Gilgameš-Epos (GEORGE 2003), dass sich die Wahrnehmung geändert hat. Nachdem Gilgamešʾs Freund Enkidu verstorben ist, sucht er den Überlebenden der Sintflut, Ūta-napištī, auf, um von ihm zu erfahren, wie er die Unsterblichkeit erlangt hat und es ihm gleichzutun. Statt ewigem Ruhm ändert sich der Fokus nun hin zu tatsächlichem ewigem Leben. Allerdings scheitert diese Suche, wodurch der erste Weg (Weiterleben im Nachruhm) als der einzig für Menschen begehbare zementiert wird (siehe auch Z GOLL 2010, S. 457 Anm. 22). Im Alten Orient lassen sich implizite Hinweise auf eine damnatio memoriae finden. Die Fluchformeln, die Inschriften gegen Änderungen und Löschungen absichern, dienen der Abwehr einer möglichen Löschung von Namen, so dass das Instrument bekannt durchaus bekannt war, was aber nur wenige Tilgungen zeigen (RADNER 2005, S. 252f.). Daher schützten sich die Personen durch die rituelle Niederschrift des Namens als geschriebener Name, wobei der Schriftträger teils bewusst vor dem menschliche Zugriff verborgen wurde ( IBID, S. 272f.).

306

Kapitel 5: Festsprechung(sakt) (=šīmtu) und Name(nsgebung )

verleiht er ihm ewige Existenz, so dass das positive Omen für Marduk für alle Zeit bestehen bleibt. Jedes Mal, wenn er wieder in einer Kampagne loszieht, steht das positive Omen am Himmel und verspricht ihm Erfolg. Als Sternbild ist es zudem von allen in der Nacht sichtbar und verkündet somit von Marduks notwendigem Sieg, sollte sich jemand gegen ihn stellen.263 Marduk wurde in der ersten Erhöhungsversammlung der Götter264 nicht nur mit höchster Festsprechungsmacht ausgestattet (IV 3–6) (siehe § 6.3.2.), sondern für ihn wird auch eine positive Festsprechung vorgenommen, dass er Tiāmtu töten und somit auch erfolgreich sein wird (IV 13, 16, 31 und speziell 33f.). Durch diesen Festsprechungsakt wurde ihm Erfolg in seinem Unterfangen zugesprochen, wobei nun durch die drei Namen des Bogens diese positive Festsetzung in den Namen des Bogens fixiert wurden und zudem an den Himmel geschrieben. Durch diesen Zweiklang wurde diese erste Festsprechung verewigt, niedergeschrieben in der Bedeutung der Bezeichnung des Bogens (gišBAN ≙ iṣu arik) und in der šiṭir šamê, der „Himmelsschrift“.265 Somit ergibt sich abschließend ein in sich geschlossenes Dreiecksverhältnis: Solange der Bogen existiert, heißt er mulBAN. Solange er mulBAN heißt, ist er ein Stern. Solange er ein Stern ist, existiert er ewig. 5.2.11. Zusammenfassung Die Analyse von zehn Szenen, in denen Namen verliehen werden, ergibt ein umfassendes Bild zur Namensgebung im enūma eliš:  Der Kreis der Handlungsträger und vor allem der Adressaten ist klar begrenzt. Entweder geben Göttergruppen oder hervorgehobene Einzelgötter Namen, wobei zwei kosmische Bereiche (Apsû und Babylon), Marduks Bogen und vor allem Marduk selbst adressiert werden. Mit Blick auf das enūma eliš verdeutlicht dieser kleine Exkurs, dass die Ewigkeit eines Namens nach Ableben des Namensträgers von der Tradierung abhängt. Wenn er aber nun an einem ewigen Namensträger gebunden ist, wie im Falle des Sternenbogens, dann ist er tatsächlich und unabänderlich ewig. Dieselbe Funktion erfüllen auch die neuassyrischen Astroglyphen (ROAF, ZGOLL 2001, S. 292). Diese Ausführungen gelten für die textimmanente Perspektive. Nimmt man nun die Funktion des Textes selbst in seiner pragmatisch-extrarelationalen Dimension in den Blick, so zeigt sich im Epilog, dass dort ein System etabliert wird, um Marduks Namen und Taten dauerhaft in Erinnerung zu behalten. An dieser Stelle offenbart sich somit wiederum das Konzept der Ewigkeit durch Tradierung (siehe § 2.2.3.3.). 263 Wurden die Festsprechungen zuvor auf der Tafel der Festsprechungen fixiert, findet sich hier nun eine neue Form der Niederschrift. Spannenderweise wird das neue Medium von Anu, dem neuen Halter der Tafel der Festsprechungen, eingeführt, der damit vielleicht auch seiner Rolle als Archivar der Festsprechungen fungiert. 264 Dass Marduk im Rahmen dieser Versammlung seine neugewonnene Macht dadurch demonstriert, indem er ein „Sternbild“ (lumāšu) durch bloßen Befehl vernichtet und wiederherstellt (IV 19– 26), kann Zufall sein. Auffällig ist es auf jeden Fall. 265 Interessanterweise wird auch die Vergabe der drei Namen an den Bogen als Festsprechungsakt bezeichnet (VI 92), wobei hier jedoch nicht von einem Festsprechungsakt für Marduk, sondern für den Bogen (šīmāti ša qašti) gesprochen wird. Hierfür sprechen auch weitere Kriterien, wie die modale Rede in einer Götterversammlung an einem besonderen Ort, die für Festsprechungsakte im enūma eliš typisch sind (siehe § 5.1.1.2.).

5.3. Ontologie von Festsprechung(sakt) und Name(nsgebung)

307

 Namen, die andere Götter bereits tragen beziehungsweise deren Namen Bestandteile der verliehenen Namen sind, können nur durch diese Götter selbst gegeben werden (Anšar  Asalluḫi, Enlil  Bēl mātāti, Ea  Ea).  Die Bedeutung von Name und Namensgebung erschließt sich neben der hohen Anzahl an Benennungen im Werk auch bei einem Blick an den Anfang des Werkes (I 1f., 8).  Namen sind untrennbar mit dem Namensträger verbunden.  Namen sind nicht nur bloße Benennungen, sondern sind als wahre Aussagen über den Namensträger ein Schlüssel zu seinem Wesen. Insofern legt das Werk ein besonderes Augenmerk auf die Ausdeutung von Namen, da hierin eine epistemische Quelle zum Wesen des Benannten liegt.  Der Zugang zum im Namen festgehaltenen Wissen erfolgt über die richtige Auslegung des keilschriftlich geschriebenen Namens. Neben der sumerisch-akkadischen Zweisprachigkeit nutzt der Text zur Exegese auch Homo(io)phonie, den doppelten logographischen und syllabischen Charakter der meisten Keilschriftzeichen sowie Bezüge zwischen Zeichen und Lexemen, wie sie auch in lexikalischen Listen zu finden sind.  Da Namen wahre Aussagen sind, die untrennbar mit dem Namensträger verbunden sind, verleihen sie dauerhafte Eigenschaften.  Namensgebungen werden teils auch als Festsprechungsakte (šīmtu) bezeichnet.  Namen können an den Himmel geschrieben und so verewigt werden.

5.3. Ontologie von Festsprechung(sakt) und Name(nsgebung) – Versuch einer Synthese

5.3.1. Die Natur von šīmtu

Festsprechung und Festsprechungsakt Bei einer Festsprechung handelt es sich um den Inhalt einer dauerhaften Festsetzung für Dritte. Die Festsetzungshandlung kann als Festsprechungsakt bezeichnet werden, für die sich textimmanent acht Kriterien festmachen lassen, von denen insbesondere die letzten beiden nur optionalen Charakter haben (siehe § 5.1.1.2.). 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Akteur: Große Götter oder herausragende Einzelgötter Ort: bedeutsame Stätte (bspw. Babylon, Ubšu-ukkinakku) Rahmen I: Götterversammlung Intentionalität: Freude/Freiwilligkeit Mündlichkeit performative Ausdrucksweise Namensgebung (optional) Rahmen II: weitere performative Handlungen (bspw. Verbeugungen als Selbstunterwerfung) (optional)

Festsprechungsakte sind ein machtvolles Werkzeug, über das explizit nur die versammelten Großen Götter und wenige herausragende Einzelgötter (Marduk, Anšar,

308

Kapitel 5: Festsprechung(sakt) (=šīmtu) und Name(nsgebung )

Kingu und Anu) verfügen. Adressaten der Bestimmungen sind neben Marduk und seinem Bogen Tiāmtu und ihre Götter. Mit moderner Terminologie kann man einen Festsprechungsakt entsprechend als    

deklarativen, intentionalen, unilateralen Götter-Sprechakt

bezeichnen. Diese Ergebnisse helfen, weitere mögliche Situationen, in denen Festsprechungsakte erfolgen, im Werk zu identifizieren, ohne dass sie explizit genannt sind, beispielsweise die Sternbilddemonstration (siehe § 5.1.2.2.) oder die Verleihung des Namens Asalluḫi I (siehe § 5.2.5.). Gerade auf Basis des mündlichen Charakters eines Festsprechungsaktes, lassen sich weitere Lexeme als Kandidaten für eine mögliche Markierung eines Festsprechungsaktes bestimmen (in alphabetischer Ordnung):     

epeš pî kataduggû266 qibītu siqru267 ṣīt pî

Festsprechungsmacht und die Tafel der Festsprechungen Die Handlungsträger von Festsprechungsakten sind Träger von Festsprechungsmacht. Im Werk offenbaren sich zwei Arten, wie Festsprechungsmacht erlangt werden kann: Zum einen durch den Besitz der Tafel der Festsprechungen (ṭuppi šīmāti), die Kingu von Tiāmtu erhält; zum anderen durch einen Festsprechungsakt, durch den die Großen Götter Marduk die Festsprechungsmacht verleihen (siehe § 5.1.2.3.). Dabei erweist sich die Kingu verliehene Festsprechungsmacht als schwach, was aber nicht notwendigerweise mit der Tafel der Festsprechungen zusammenhängen muss, da es sich hierbei auch um ein Zeichen seiner Unfähigkeit handeln kann. So wird sein Besitz der Tafel der Festsprechungen als lā simātīšu („unangemessen für ihn“ V 121) bezeichnet. Deutlicher wird die Überlegenheit der Festsprechungsmacht Marduks gegenüber der durch die Tafel verliehenen Macht an dem Umstand, dass Marduk sie nach ihrer Erbeutung siegelt, wodurch er als Garantiemacht auftritt. Anschließend gibt er sie an Anu weiter. Die Tafel der Festsprechungen (ṭuppi šīmāti) fungiert jedoch nicht nur als Machtinstrument, sondern auch als Medium der Niederschrift der Götterbeschlüsse, wodurch diese festgehalten und vor allem lesbar und damit prinzipiell zugänglich gemacht werden. Diese Funktion zeigt sich jedoch weniger im enūma eliš als in anderen Werken. 266

Dieses Lexem findet sich nur bei der Verleihung der Festsprechungsmacht an Kingu (I 158 und Parallelstellen). 267 In Vers II 42 schreibt der spät-mittelassyrische Textvertreter I Ass siqruka statt zikruka, was darauf zurückzuführen ist, dass erstere die assyrische Schreibung des Lexems zikru ist, dessen ursprüngliche (literarisch altbabylonisch belegte) Wurzel √sqr war (LAMBERT 2013, S. 10).

5.3. Ontologie von Festsprechung(sakt) und Name(nsgebung)

309

5.3.2. Die Natur von Name und Namensgebung Namensgebungen Der größte Teil der Namensgebungen sind Namen direkt an Marduk, die ihm von wichtigen Einzelgöttern (Laḫmu, Laḫamu, Anšar, Enlil, Ea und ggf. Anu268) oder von den Großen Göttern verliehen werden. Die Toponyme Apsû und Babylon stammen von Ea und Marduk; sein Bogen erhält die drei Namen von Anu. Diese Aufzählung der Handlungsträger, die Marduk direkt oder indirekt Namen verleihen, verdeutlicht, dass Namensgebungen im enūma eliš nur von herausragenden Göttern durchgeführt werden. Entweder gehören die Einzelgötter zur textimmanenten UrTrias (Laḫmu, Laḫamu und Anšar) oder zur textexternen traditionellen Trias (Anu, Enlil und Ea). Schließlich tritt auch noch die Gruppe der Großen Götter als Benennende auf, die in Gestalt der Götterversammlung eine überragende Bestimmungskompetenz besitzen. Zusammengefasst ist Namensgebung textimmanent ein Instrument der Götterelite. Die Bedeutung der Benennung zeigt sich auch mit Blick auf das Gesamtwerk, da diese am Anfang des Werkes im Status des Noch-Nicht beschrieben werden (I 1f., 8) und am Ende des Werkes 50+2-mal stattfindet. Namen als Bedeutungsträger Namen sind im doppelten Sinne Teil des Wesens des Namensträgers. Zum einen sind sie fester Bestandteil des Benannten und nicht von diesem zu trennen. Zum anderen werden Namen als wahre Aussagen über den Namensträger verstanden. Jean Bottéro betont, dass nicht wie in der modernen Auffassung der Namensgeber, sondern der Namensträger im Alten Orient die entscheidende Instanz bei einer Benennung ist, da Namen „comme l’ombre portée“ („wie ein Schatten“) mit ihrem Träger verbunden sind und sein Sein be-gründen (1977, S. 26). Solange der Namensträger existiert, existiert die Aussage des Namens, die wahr sein muss. Hierin liegt nun auch die performative Kraft der Namensgebung und des Namens. 1. Wird bei der Namensgebung ein Name verliehen, dessen Aussage zuvor nicht wahr war, so tritt der beschriebene Umstand automatisch ein.269 Beispiel: Der Bogen wird als mulBAN zum Sternbild. 2. Da der Name untrennbar mit dem Namensträger verbunden ist, wird die inhärente Aussage durch die Namensgebung dauerhaft gemacht. Sie wird in Namen und Namensträger fixiert. Beispiel: Marduk lebt als Gott ewig und trägt den Namen Lugal-dimmer-an-kia(k). Also wird er ewig König der Götter des Himmels und der Erde sein. Die besondere Wirkkraft offenbart sich bei Marduks Bogen, der durch den Namen „Sternenbogen“ zum Stern und damit ewig wird und somit auch ewig seine drei 268

Je nachdem, wer Namensgeber von Marduks Geburtsnamen ist. Dementsprechend bezeichnet Jean Bottéro den Akt, der durch das Verb nabû ausgedrückt wird, als „faire exister selon les qualités exprimées par le nom que l’on énonce“ („zum Existieren bringen entsprechend der Eigenschaften, die durch den Namen, den man verleiht, ausgedrückt sind“) (1977, S. 22). 269

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Kapitel 5: Festsprechung(sakt) (=šīmtu) und Name(nsgebung )

Namen trägt. An diesem Fall zeigt sich noch ein weiterer Aspekt, denn Namen enthalten in der Regel Aussagen über den Namensträger, können aber auch Dritte adressieren.270 So richtet sich der zweite Bogenname (lū kašid) an Marduk und stellt in Kombination mit dem ersten sogar ein Omen dar. Tabelle 21: Namen und ihre Ausdeutung jenseits der 50+2 Namen Zeile

Name

Schreibung

I 76

Apsû

ZU.AB271

I 101f.

Marduk I

ma-ri-ú-tu272

/mari/ = mārī /utu/ = dutu = dšamšī = d šamšī ša ilānī

V 112

Lugaldimmer-ankia I

d LUGAL.DÌM. ME.ER.AN.KI. A

keine

V 129

Babylon

KÁ.DINGIR. RAki

VI 89

iṣu arik

i-ṣu a-rik273

KÁ = É (synekdotisch für KÁ) = É.MEŠ DINGIR = DINGIR.MEŠ RA = /ra/ = rabû = GAL = GAL.MEŠ qaštu/gišBAN ≙ ariktu/gišGÍD.DA GIŠ = iṣu GÍD = arku = arik

270

interpretative Zwischenschritte ZU = (w)adû AB = èš = bītu = ešertu

Ausdeutung uaddû ešrēti „Sie bestimmen die Heiligtümer.“ oder „(Derjenige), der die Heiligtümer bestimmt.“ mārī d šamšī ša ilānī „Mein Sohn, mein(e) Sonne(ngott) der Götter“ keine, bei Lugaldimmer-ankia II: bēli ilānī ša šamê u erṣetim (VI 141) „Herr der Götter des Himmels und der Erde“ É.MEŠ DINGIR.MEŠ GAL.MEŠ (=bītāt ilānī rabûti) „Häuser der großen Götter“ iṣu arik „Das Holz ist lang.“ Anm.: Der Name ist bereits Ausdeutung von qaštu/gišBAN.

Etwas anders gelagert, aber dennoch ähnlich ist auch der Fall Babylon. Denn indem Marduk Babylon benennt, adressiert er durch die im Namen inhärente Botschaft (bītāt ilāni rabûti) die Götter mit einem Versprechen: Wenn Babylon existieren wird, wird es dort auch Heiligtümer für euch geben. Möglicherweise kann man auch den Namen Apsû ebenfalls in diese Richtung verstehen (siehe § 5.2.1.). 271 sunb2a: A]p-sú-ú. 272 LAss: ma-ri-iu-ú-tu. QAss: ma-ri-ú-ti. 273 GNin: iṣ-ṣu a-rik.

5.3. Ontologie von Festsprechung(sakt) und Name(nsgebung)

311

Tabelle 21: Namen und ihre Ausdeutung jenseits der 50+2 Namen (Fortsetzung) Zeile

Name

Schreibung

VI 89

lū kašid

lu-ú ka-ši-id274

VI 90

mul

mul

VI 101

Asalluḫi I

BAN

d

BAN

ASAR.LÚ.ḪI

interpretative Zwischenschritte über multābiltu-Kapitel: ariktu = kašittu; entsprechend: iṣu arik = lū kašid

keine

keine; implizit aber vielleicht: 1) d = DINGIR = an ASAR = ašarēdu HI ≙ ŠÁR = šár 2) d = DINGIR = ilu ASAR = ašarēdu LÚ = amēlu HI ≙ ŠÁR = maʾdu

Ausdeutung lū kašid „Er soll erfolgreich sein.“ Anm.: Der Name ist die Ausdeutung des Namens iṣu arik als Protasis. keine; der Bogen wird aber zum Sternenbogen und damit a) ewig und b) vielleicht auch göttlich. keine; implizit aber vielleicht: 1) ~ Anšar ašarēdu ~„bester Anšar“ und 2) ilu ašarēdu (ša) amēlī maʾdūti „erster für die zahlreichen Menschen“

Ausgangspunkt des Omens ist eine Ausdeutung der Bezeichnung qaštu als iṣu arik. Dieser Vorgang der exegetischen Interpretation von Namensaussagen über die potentiellen Polyvalenzen der Keilschriftlichkeit ist gängige Praxis im enūma eliš und lässt sich an allen anderen Benennungen ebenfalls festmachen. Dabei wirkt der Name in seiner keilschriftlich niedergelegten Form als eigener Erkenntnisgegenstand, der seine Informationen jedoch nicht als rein graphische „écriture de choses“ (BOTTÉRO 1977, S. 26f.) zur Verfügung stellt, sondern durch seine vollständige Keilschriftlichkeit (signifié, signifiant, Schriftbild). An dieser Stelle ist die Dimension Schriftlichkeit zu betonen, die im Gegensatz zur Mündlichkeit des Vorgangs der Namensgebung steht. Keilschriftschau Da die Interpretation der Keilschriftlichkeit vergleichbar mit der Leberschau oder der Astrologie eine interpretative Form des Lesens von ‚Zeichen‘ ist (CANCIKKIRSCHBAUM 2012, S. 113f.), kann man diese Exegesepraxis treffend als Keilschriftschau275 bezeichnen. Auf diesem Wege wird beispielsweise aus dem Namen 274

HNin: ⌈lu⌉-u ka-šid. Dieser Terminus wird gewählt, da er der emischen Perspektive auf die durchgeführte Praxis vermutlich entspricht. Die Parallelität zur Divination wird besonders durch den Umstand deutlich, dass das (Vor-)Zeichen und das Angezeigte als abbildhaft verstanden wurden, so dass es eine anzei275

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Kapitel 5: Festsprechung(sakt) (=šīmtu) und Name(nsgebung )

Marduk die Aussage šamšī ša ilānī, aus dem Toponym Babylon das Versprechen bītāt ilānī rabûti und aus der Bezeichnung gišBAN die Aussage iṣu arik. Einmalig innerhalb des enūma eliš ist beim letztgenannten Beispiel die Verbindung eines Namens mit einem zweiten Namen zu einem Omen. Hierbei wird das Ergebnis der Keilschriftschau (iṣu arik) als Apodosis interpretiert und gemäß der Logik der barûtu-Serie mit einer entsprechenden Protasis (lū kašid „Er soll erfolgreich sein.“) verbunden. An dieser Stelle wird die Keilschriftschau weiter in das divinatorische System integriert. Zusammenfassung Da Namensgebungen den Namensträger dauerhaft mit den im Namen beschriebenen Eigenschaften ausstatten, handelt es sich bei ihnen um Festsetzungen für den Adressaten der Benennung. Der Inhalt der Festsetzung wird im Namen fixiert. Bedeutungsträger ist dabei der Name in seiner geschriebenen Form, so dass die Bestimmung im Namen auch schriftlich niedergelegt wird, wodurch die inhärente Botschaft lesbar wird. 5.3.3. Ein gemeinsames Modell für šīmtu und Name(nsgebung) Festsprechungsakt und Benennung als deklarativer Sprechakt Explizite Verbindungen zwischen der Namensgebung und dem Konzept šīmtu finden sich in den drei Namen des Bogens und den 50+2 Namen Marduks. Anhand dieser Beispiele wurde das optionale Kriterium #7 (= Namensgebung, siehe § 5.1.1.2.) zur Identifizierung von Festsprechungsakten abgeleitet. Auch wenn man auf die übrigen Namensgebungssituationen blickt, offenbaren sich eindeutige Parallelen.  Handlungsträger sind entweder herausragende Einzelgötter (Anu, Anšar, Ea, Enlil, Laḫmu und Laḫamu, Marduk) oder die Gruppe der Großen Götter (Kriterium #1).  Die meisten Namen werden in Babylon verliehen (Namen des Bogens, Asalluḫi I, 50+2), dem Zentrum der Welt (Kriterium #2).  Die Benennungen finden stets im Rahmen einer Götterversammlung statt (Kriterium #3), die von Freude begleitet wird (Kriterium #4).  Bei allen Namensgebungen (Ausnahme Marduk I und Bēl mātāti) findet sich direkte Rede (Kriterium #5), die zudem häufig modale Elemente als Ausdruck der Performativität enthält (Kriterium #6) und teils von weiteren performativen Akten begleitet werden (Kriterium #8). gende Verbindung zwischen beiden gibt, die entzifferbar ist (MAUL 2003, S. 47f., WILCKE 2007a, S. 7, CANCIK-KIRSCHBAUM 2010, S. 37). Diese Struktur liegt auch beim Namen vor, der ebenfalls einen direkten Zugang zum Benannten erlaubt. Somit wurde vermutlich die Methodik der Leberschau und anderer Formen der Zeichenschau (bspw. Astrologie) – im Sinne von Lesen von sichtbaren Schriftzeichen – auch an die Keilschrift angelegt, bzw. möglicherweise liegt der logische Zusammenhang sogar in umgekehrter Richtung vor, wonach die Welt als Schrift verstanden wurde (siehe auch CANCIK-KIRSCHBAUM 2012, S. 113f.). Somit lag es nahe, diese Onto-Logik dann wieder auf die Keilschrift zurück zu übertragen.

5.3. Ontologie von Festsprechung(sakt) und Name(nsgebung)

313

Darüber hinaus sind sowohl Festsprechungsakte als auch Namensgebungen Formen der Festsetzung für eine dritte Instanz. Um die Terminologie von John Searle wieder aufzugreifen, handelt es sich in beiden Fällen um deklarative Akte, durch die die Proposition des Gesprochenen der Wirkung der Handlung entspricht (1982, S. 37f.). Entsprechend handelt es sich um autoritäre Handlungen, durch die für eine dritte Instanz Dinge unilateral festgelegt werden. Die Intentionalität ist im Kriterium #4 der Festsprechungsakte enthalten und lässt sich somit (siehe oben) auch auf Namensgebungen übertragen. Somit gilt die Klassifizierung der Festsprechungsakte auch für Benennungen, so dass beide als    

deklarative, intentionale, unilaterale Götter-Sprechakte

eingeordnet werden können. Für beide Konzepte findet sich im enūma eliš kein Beispiel, dass eine einzelne Person sich selbst benennt oder für sich selbst Festsprechungen vornimmt. Während Festsprechungsakte im enūma eliš nur Personen und Marduks Bogen adressieren, können Namen auch kosmischen Teilen verliehen werden.276 Wirksamkeit der Sprechakte Beiden Instrumenten ist gemein, dass sie etwas dauerhaft installieren wollen. Während Festsprechungsakte potentiell lebenslang/ewig wirken, bis sie geändert werden, wirken Namensgebungen tatsächlich lebenslang, da Namen von ihren Trägern nicht getrennt werden können, solange letztere existieren.277 Im Falle von unsterblichen Adressaten (Götter, Sterne) bedeutet eine Benennung somit in der Tat eine ewige Festsetzung, so dass sich hier eine höhere Bindungskraft in der Namensgebung gegenüber der Festsprechung zeigt. Dieser Umstand erklärt auch die Verbindung von Marduks Erhöhung mit einer Großzahl von Benennungen, da somit im Gegensatz zu Festsprechungsakten nicht nur mögliche, sondern wirkliche Ewigkeit ihrer Wirkkraft erreicht wird. Indem Marduk die 50+2 Namen erhält, werden die in ihnen enthaltenen Aussagen dauerhaft wahre Aussagen über ihn. An diesem Umstand soll somit kein anderer Gott jemals wieder etwas ändern können, wodurch insbesondere die Ewigkeit seines Thronanspruchs erreicht wird (bspw. durch Lugal-dimmer-an-kia(k)). Besondere Wirkkraft entfalten vor diesem Hintergrund auch die Benennungen durch Anšar, Enlil und Ea, die eigene Namen(sbestandteile) auf den Götterkönig übertragen (siehe §§ 5.2.5., 5.2.8., 5.2.9. und 6.3.5.). Mündlichkeit und Schriftlichkeit Da sowohl der Festsprechungsakt als auch die Namensgebung mündliche Akte sind, bedarf es eines Mediums, das jeweils Festgesetzte zu bewahren. Im Falle der Fest276 Dabei stehen beide Weltteile (Apsû und Babylon) in besonderer Beziehung zu Marduk. Im Apsû wird Marduk geboren und Babylon ist das finale Werk seiner Schöpfung. 277 Das Löschen eines Namens funktioniert erst posthum (RADNER 2005, S. 252).

314

Kapitel 5: Festsprechung(sakt) (=šīmtu) und Name(nsgebung )

sprechungsakte wird im Text selbst kein Modus des Bewahrens genannt, doch deuten andere Textbefunde auf die Tafel der Festsprechungen als Konservierungsinstrument (LÄMMERHIRT, ZGOLL 2009, S. 153). Zusätzlich herrscht im Alten Orient die Vorstellung vor, dass die göttlichen Entscheidungen beispielsweise in Opferlebern oder am Himmel in der šiṭir šamê („Himmelsschrift“) niedergeschrieben werden. Während die Tafel der Festsprechungen dem Menschen nicht zugänglich ist, gilt dies nicht für die Opfertiere oder den Nachthimmel, da die Menschen die dort niedergeschriebenen Zeichen sehen können. Ob sie diese Zeichen verstehen ist dann nur noch eine Frage der Lesekompetenz, der Entzifferung dieser Schrift, woraus die Vielfalt der divinatorischen Zugänge hervorgegangen ist, die alle dem Paradigma der Schrift folgen, im dem Sinne dass sie alle jeweils Zeichen lesen. Somit verbindet sich in der Niederschrift der Götterbeschlüsse in den Divinationsmedien neben ihrer Fixierung auch die epistemische Zugänglichkeit für den Menschen. Entzifferung der Bedeutung (Omenkunde und Keilschriftschau) Im Falle der Namensgebung ist der Name der Träger der Festsetzung, wobei Namen auch im Alten Orient die Lebenszeit des Namensträgers überdauern können (sollen) (RADNER 2005, S. 90f., ZGOLL 2003b, S. 10f.).278 Somit ist der Name eine eigene ontologische Instanz, die zwar untrennbar mit dem Benannten verbunden ist, aber nicht mit diesem vergehen muss. In der keilschriftlichen Form des Namens sind auch die im Namen inhärenten Botschaften enthalten, so dass zur Natur des Namens auch sein Schriftbild, seine Phonetik und die logographische Semantik seiner Keilschriftzeichen gehören. Die im Namen enthaltenen Aussagen können offensichtlich sein (bspw. Lugal-dimmer-an-kia(k)) oder durch keilschriftschauliche Exegese kunstvoll extrahiert werden (bspw. Marduk). Somit verbinden sich auch im Namen die Funktionen der Fixierung der Bestimmung und der Lesbarkeit ihres Inhalts. Während beispielsweise die barûtu-Serie einen Schlüssel zur Interpretation von Leberomina enthält, liefert das enūma eliš die Entzifferung der Marduk Namen. In den verschiedenen auslegenden Passagen zu den einzelnen Namensgebungen wird die in den Namen enthaltene Botschaft für den Leser offengelegt. Dabei kommt insbesondere bei den 50+2 Namen der listenartige Charakter der divinatorischen Serien zutage. Bei der ersten Verleihung des Namens Marduk liefert das enūma eliš darüber hinaus auch interpretative Zwischenschritte, um zu verdeutlichen, wie aus der Lautfolge /mariutu/ die Aussage šamšī ša ilānī („Mein(e) Sonne(ngott) der Götter“) gewonnen werden kann. An dieser Stelle geht der Text über eine reine Aufschlüsselung hinaus, sondern offenbart auch die Wege, wie aus dem Namen (signifié, signifiant, Schriftbild) eine Aussage gewonnen werden kann. Auch in einem anderen Sinne stellt dieser Fall eine Besonderheit dar, denn hier wird einmalig der Lautwert eines Namens als Ausgangspunkt für die Auslegung gewählt.

278 Das „Setzen eines Namens“ (d.i. das Erlangen von unsterblichem Ruhm) und das Gedenken der Ahnen sind wichtige Motive der altorientalischen Lebenswelt.

5.3. Ontologie von Festsprechung(sakt) und Name(nsgebung)

315

Abbildung 8: Gemeinsame Ontologie von šīmtu und Name Festsprechung(sakt)

Name(nsgebung) Götterentscheid von: Großen Göttern, wichtigen Einzelgöttern für: Götter, Orte (nur Name) und Gegenstände Niederschrift in Opferleber, am Himmel… Fixierung im Namen (untrennbar mit Na(ggf. auch auf Tafel der Festsprechungen) mensträger verbunden) Informationsgewinnung durch Leberschau, Informationsgewinnung durch Keilschriftschau Astrologie…

Kapitel 6

Aufstieg und Sukzession Beschreibung Marduks Aufstieg zum Götterherrscher ist das zentrale Motiv des Textes, wie auch dessen letzte Zeile ausweist: Marduk ist derjenige, der die Königsherrschaft erlangt hat ([ša]…ilqû šarrūti VII 162) (siehe § 3.1.2.). Doch am Anfang des Textes existiert er noch gar nicht und selbst als er die Bühne betritt, ist er nur einer unter vielen.1 Der Text entwickelt dabei sukzessive seinen Aufstieg, weshalb eine Nachzeichnung dieses Prozesses ein entscheidender Schlüssel für das Verständnis des Gesamtwerkes ist. Sein Aufstieg kann aber nicht isoliert betrachtet werden, da im Werk noch weitere Götterherrscher auftauchen, denen er als letzter und ewiger Herrscher nachfolgt. Insofern ist Marduks Aufstieg eng verbunden mit der Frage einer monarchischen Herrschaftssukzession, weshalb beide Punkte im Folgenden gemeinsam näher beleuchtet werden sollen. Forschungsstand In der Forschungsliteratur wurde die Frage der Sukzession im Lied auf Marduk noch nicht umfassend beleuchtet. Am weitesten geht Wilfred Lambert, wenn er zunächst Anšar als Götterherrscher identifiziert, der seine Macht friedlich an Marduk weitergibt, wobei Anu und Ea übergangen werden. Letzteres werde dadurch abgemildert, dass Marduk Anu die Tafel der Festsprechungen gebe (2013, S. 448f.). Verbreiteter ist die These, dass sich das Konzept der Monarchie erst im Werk entwickle. So geht Henri Frankfort zunächst von einer primitiven Demokratie aus, die in einer Notsituation an ihre Grenzen stoße und im Folgenden durch die Monarchie ersetzt werde (1969, S. 235f.). Eine ähnliche Lesart favorisiert auch Thorkild Jacobsen, wonach die Unterwerfung der zuvor eher demokratisch organisierten Götter unter die Herrschaft Marduks und damit die Etablierung einer Königsherrschaft ebenfalls der Notlage der Götter geschuldet sei (1976, S. 183–190). Von einer solchen Wandlung geht schließlich auch Vitali Bartash aus. Im Rahmen seiner Untersuchung interpretiert er die Institution der Götterversammlung als basisdemokratische Einrichtung und zeichnet ihr Aufgehen in einer „despotic monarchy“ nach (2010).2 Thomas Kämmerer und Kai Metzler gehen hingegen von einer monarchi1 Zwar zeichnet er sich durch außerordentliche Qualitäten aus, doch ist er als jüngster der Protagonisten zunächst hierarchisch der unbedeutendste (siehe §§ 7.1.2. und 7.2.3.). 2 Als Grundthese seiner Interpretation geht er davon aus, dass sich die politischen Gegebenheiten der Zeit der Niederschrift des enūma eliš und ältere, bereits abgeschaffte reale Konzepte im Text niederschlagen, so dass er versucht, vom Text aus zur dahinterliegenden Wirklichkeit zu gelangen (2010, S. 1083f.). Die vorliegende textimmanent orientierte Lesart verhält sich entsprechend komplementär zu dieser Untersuchung.

6.1. Apsû als erster Götterherrscher

317

schen Logik der altorientalischen Menschen aus und lesen das Werk dementsprechend als monarchisch konzipiert (2012, S. 6). Dabei verweisen sie zudem auf die bisherige Leerstelle in der Forschung, wonach der Zusammenhang zwischen den drei Erhöhungen Marduks noch nicht hinreichend geklärt sei (IBID, S. 12 Anm. 1). Marduks Aufstieg wurde in der Forschung bereits genauer betrachtet, ohne dass er vollständig rekonstruiert werden konnte. Am umfangreichsten ist vermutlich die Untersuchung von Thorkild Jacobsen, wonach Marduk zunächst als „emergency authority“ installiert werde, um für die Götter in der Notsituation Sicherheit zu schaffen. Anschließend werde sein Amt und damit seine Königsherrschaft dauerhaft implementiert (1976, S. 185). Diese Sichtweise deckt sich teilweise mit der Rekonstruktion, die Annette Zgoll 2003 auf einer Tagung3 präsentierte, wonach die erste Erhöhung Marduks dem römisch-republikanischen Amt des dictator entspreche, der in der Römischen Republik in Krisenzeiten mit sehr umfassenden, aber zeitlich limitierten Vollmachten ausgestattet wurde (2006a, S. 65f.). Eine vergleichbare Auffassung vertritt Stefan M. Maul (2004, S. 46),4 der zudem in der ersten Erhöhung das Versprechen angelegt sieht, dass Marduk im Erfolgsfall die Königsherrschaft dauerhaft erhalte (IBID). Vorgehen Zunächst wird dieses Kapitel zeigen, dass Apsû der erste Herrscher der Götter ist, was auf Basis von lexematischen Befunden rekonstruiert wird (§ 6.1.). Anschließend wird das Götterschisma aufgrund der Ermordung Apsûs untersucht und den unterschiedlichen Nachfolgestrategien von Tiāmtu-Göttern und Anšar-Göttern nachgegangen (§ 6.2.). Abschließend wird Marduks stufenweiser Aufstieg und seine jeweils erlangte Macht dargelegt (§ 6.3.). Dabei wird auch gezeigt, dass das Königtum von Anfang an im Werk als Herrschaftskonzept vertreten ist und sich die Entwicklung des Politischen weniger im System (Demokratie wird zur Monarchie), sondern vielmehr in der Person des Herrschers niederschlägt.5 Auf der systemischen Ebene findet sich lediglich eine Radikalisierung des monarchischen Prinzips hin zu einer absolutistischen Königsherrschaft (siehe insbesondere § 6.3.5), doch ist es von Anfang an implizites und explizites Element des dem Werk inhärenten politischen Denkens.

6.1. Apsû als erster Götterherrscher Die Gestalt Apsûs ist die erste, die im Text eingeführt wird. Gleich in Vers I 3 wird er erstmalig namentlich erwähnt: 3 Die Feste Israels der Fachgruppe Altes Testament der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie (29.05.–01.06.2003 in Eisenach). 4 Dabei geht keiner von beiden von einem demokratischen Modell am Anfang der Erzählung aus, wodurch sie sich von Frankfort, Jacobsen und Bartash unterscheiden. 5 Die Gesellschaften des antiken Mesopotamiens waren über drei Jahrtausende monarchisch verfasst (bspw. CANCIK-KIRSCHBAUM 2007, S. 167f.), so dass monarchische Prinzip fest im Denken der Menschen verankert war.

318

Kapitel 6: Aufstieg und Sukzession Apsûma6 rēštû zārûšun

I3

Apsû war der Erste, ihr Erzeuger.

In dieser ersten Nennung wird Apsû als Erzeuger (zārû)7 der Götter8 charakterisiert. Das Lexem rēštû („der Erste“) kann man daher zunächst als Ausdruck für seine uranfängliche Existenz verstehen, wonach er der Älteste und Allererste ist. Im enūma eliš herrscht aber auch die Logik vor, dass Väter über ihre Kinder herrschen.9 Nach dieser – im wahrsten Sinne patrokratischen – Denkweise, steht Apsû damit über seinen Kindern, den Göttern. Insofern kann in dem Lexem rēštû nicht nur seine Rolle als erstes (männliches) Wesen mitschwingen, sondern auch seine gegenüber den Göttern herausragende Stellung. Das Nomen wird in anderen Texten auch als Ausdruck besonderer Qualität verwendet, wobei es dann mit Hochgöttern (bspw. Anu oder Ištar) oder Königen verbunden ist (CAD R 1999, S. 274–277). In diesem qualitativen Primat kann nun auch der hierarchische Supremat mitschwingen. Diese Höherstellung der Älteren über die Jüngeren muss jedoch nicht zwingend für eine monarchische Herrschaftsform sprechen. Zudem wird Apsû niemals explizit mit einem Herrschaftslexem (bspw. šarru oder bēlu) bezeichnet.10 Es gibt aber lexematische Hinweise, die deutlich machen, dass Apsû der Urherrscher der Götter ist. Am Ende des ersten Konflikts hat Ea Apsû soeben getötet und nimmt sich nun die Abzeichen des toten Urvaters: I 67

ipṭur11 riksīšu ištaḫaṭ agâšu

I 68

melammīšu itbala šū dEa12 ūtaddiq13

Er löste seine (= Apsûs) Verbindungen, er nahm seine aga-Krone weg. Er, ja er, (Ea), trug seinen Schreckensglanz weg, ihn legte sich (er, ja er,) Ea, an.

Nicht eindeutig ist der erste Halbvers. Die Formulierung wird vom Chicago Assyrian Dictionary als Öffnen eines Gewandes gedeutet (2004 Š1, S. 93). Thomas Kämmerer und Kai Metzler lesen die Phrase als das Lösen eines Gürtels (2012,

6

bunb und cunb: Apsû. Dieses Substantiv wird noch ein zweites Mal im Text mit Apsû verbunden (I 29), was die einzigen beiden Verwendungen im gesamten Text sind. 8 Die Proform -šun verweist kataphorisch auf die Götter, die in I 7 eingeführt werden. Der Bezug wird in Vers I 29 explizit, wo Apsû als zāri ilānī rabûti („Erzeuger der Großen Götter“) bezeichnet wird. 9 Diese Grunddenkweise herrscht zu Anfang des Lieds auf Marduk durchgehend vor, da Anšar, Laḫmu und Laḫamu beispielweise über Anu, Ea und Marduk stehen und Marduk von seinem Vater Ea gerufen und zu Anšar geschickt wird, um gegen Tiāmtu ins Feld zu ziehen. Dass Marduk dennoch die Herrschaft über alle Götter erlangen kann, bedarf daher aufwändiger Argumentation (siehe Kapitel 7). Dass Frauen in der Herrschaftsfrage und allgemein nur eine untergeordnete Rolle spielen findet sich an den verschiedensten Stellen im Text (siehe § 3.7.4. Anm. 98). 10 Stattdessen finden sich die relationalen Substantive (in der Reihenfolge ihres Auftretens): rēštû („Erzeuger“ I 3, 29), ḫarmu („Geliebter“ I 42, I 113 und I 117) und abu („Vater“ I 49). 11 SHuz: ipṭurma. 12 NAss: ohne dEa. Auf den Textzeugen HNin, PAss, QAss, gunb und hhunb:2a ist das Subjekt des Satzes nicht erhalten, auf GNin, KAss und SHuz nur partiell. Einzig NAss und aKiš sind an dieser Stelle vollständig. 13 GNin: ūteddiq. 7

6.1. Apsû als erster Götterherrscher

319

S. 127), was in eine vergleichbare Richtung geht.14 Somit könnte dieser Satz beschreiben, dass Ea Apsû seiner Kleidung entledigt. Anschließend nimmt er ihm noch die aga-Krone und den Schreckensglanz weg. Während melammu („Schreckensglanz“) noch allgemein ein Attribut von Göttern (oder Dämonen) sein kann (CAD M2 2004, S. 10f.) und damit nicht notwendigerweise ein Herrschaftsattribut sein muss, stellt agû („aga-Krone“) eindeutig eine Herrschaftsinsigne dar (CAD A1 1998, S. 153b; SALLABERGER, SCHMIDT 2012, S. 590).15 Wenn Ea Apsû nun die aga-Krone entwendet, so bedeutet dies, dass Apsû eine Krone und damit eine explizite Auszeichnung eines Herrschers getragen hat. Hierdurch wird deutlich, dass Apsû ein König war; genauer: der Urkönig der Götter.16 Dafür spricht auch der Aufstieg Kingus, der von Tiāmtu zum neuen Gatten gemacht wird und in dieser Rolle Apsû nachfolgt. Seine Vermählung mit Tiāmtu ist nämlich gleichbedeutend mit seinem Aufstieg zum neuen Götterherrscher, so dass die Annahme naheliegt, dass er auch in der Herrschaftsfunktion den ermordeten Apsû ersetzt (siehe § 6.2.2). Als Gegenbefund zur These von Apsûs Urkönigtum spricht der Umstand, dass Apsû, als er die Vernichtung der Götter beschlossen hat, sich zunächst mit seinem Wesir Mummu zu Tiāmtu aufmacht und mit ihr Rücksprache hält (I 33–46). Hierin zeigt sich möglicherweise eine hierarchische Gleichstellung oder sogar Überlegenheit der Urmutter gegenüber ihrem Gatten (SONIK 2009, S. 90). Dagegen kann man argumentieren, dass Apsû sich lediglich den Rat seiner Gattin (I 45f.) und seines Wesirs einholt (I 49f.), um dann abzuwägen und eine eigene Entscheidung zu treffen (I 51f.) Möglicherweise stellt dies eine Art Analogie zum Verhältnis zwischen dem Herrscher und der Versammlung der Würdenträger dar. Eine Überlegenheit Tiāmtus ist in diesem Falle zumindest nicht erforderlich. Zudem steht sie mit Mummu mehr oder weniger auf derselben Stufe, da Apsû sich an beide wendet und sich am Ende sogar gegen den Rat Tiāmtus und für den Vorschlag Mummus entscheidet. Zusammengenommen sprechen die gesammelten Argumente stark für die These, dass Apsû der erste König der Götter war, wobei sich dieser Befund bei der weiteren Betrachtung der Handlungsstränge im Lied auf Marduk verfestigt.

14

Anders Wilfred Lambert, der den Vers I 67 so liest, dass Ea Apsûs Sehnen durchtrennt (2013, S. 55). 15 Eine Ausnahme bildet die Verwendung des Lexems als Bezeichnung für die Mondscheibe, eine Corona oder allgemein für ein Kreisgebilde (CAD A1 1998, S. 156f.). Diese Bedeutung findet sich in den Versen V 14 und 17 des enūma eliš, ist hier aber auszuschließen. 16 Ein weiteres, eher schwächeres, Indiz für Apsûs Urherrschaft findet sich in der Institution des sukkallu („Wesir“). Im Werk handeln nur zwei Götter als Wesire, wobei Usmû nicht mitgezählt ist, da er erst handelt und dann zum Wesir wird. Die anderen beiden sind Mummu und Kaka. Kaka ist der Wesir von Anšar, der zum Zeitpunkt seiner Sendung König der Götter ist (siehe § 6.2.3.). Wenn man von einer Parallelität ausgeht, dann spricht der Umstand, dass Mummu der Wesir von Apsû ist, dafür, dass Apsû ebenfalls als König der Götter herrschte.

320

Kapitel 6: Aufstieg und Sukzession

6.2. Apsûs Ermordung und die Nachfolgefrage 6.2.1. Regizid und Schisma Da Apsû vermutlich der Urherrscher der Götter war, hat Ea mit seiner Tötung nicht nur eine existentielle Gefahr von den Göttern abgewendet, sondern auch einen Regizid begangen. Dabei ist herauszuheben, dass Eas Vorgehen gegen Apsû (Einschläfern des Herrschers und dessen Ermordung im Schlaf) dem neuzeitlichen unter anderem von Shakespeares Hamlet geprägten – und damit möglicherweise anachronistischen – Bild eines Königsmords entspricht.17 Wie die Vorwürfe von Anšar an Ea verdeutlichen, handelte Ea bei seiner Tat eigenmächtig (II 54). Obwohl in der Rede Anšars besonders die nun erneute und weitaus größere existentielle Bedrohung betont wird, steckt in Eas Tat auch eine politische Dimension. Nach der Tötung Apsûs nimmt Ea dessen Insignien aga-Krone (agû) und Schreckensglanz (melammu) weg und legt sich mindestens Letzteren selbst an (I 67f.).18 Dennoch taucht er anschließend im Werk niemals als Götterherrscher auf,19 was die Frage nach dem Nachfolger Apsûs aufwirft. 17 Dass Ea in der Lage ist, zwar Apsû zu töten, aber nicht Tiāmtu, muss nicht notwendigerweise dafür sprechen, dass Tiāmtu Apsû überlegen war. Hier könnte die Art und Weise der Tötung eine Schlüsselrolle spielen, da Ea einen unvorbereiteten Apsû im Schlaf ermordet, wohingegen Tiāmtu gewarnt ist und umfangreiche Gegenmaßnahmen in Form ihrer Aufrüstungen getroffen hat. So kommt es, dass Eas Beschwörung (tâšu ellum I 62; šiptī II 86) Tiāmtus Planungen (malākša II 86; anders TALON 2005, S. 117: mālakša „marche, conduite“) nicht gewachsen ist. Gerade durch die Wurzel √mlk (bspw. malāku = „überlegen“) wird hervorgehoben, dass Tiāmtu bewusst und planvoll vorgeht. 18 So ist das Verb edēqu (im G-Stamm) auch im Zusammenhang mit dem Aufsetzen einer agaKrone belegt (CAD E 2004, S. 29), so dass sich das Prädikat ūtaddiq (D-Perfekt: „er legte sich an“ I 68) durchaus auch auf agâšu („seine aga-Krone“ I 67) beziehen kann, zumal kein direktes Objekt genannt ist (so auch KATZ 2011, S. 129). Liest man die Phrase ipṭur riksīšu („Er löste seine Verbindungen“ I 67) zudem als Ausdruck dafür, dass Ea die Knoten von Apsû Gewand löst (CAD Š1 2004, S. 93), so könnte man an dieser Stelle auch den Dreiklang aus Gewand, aga-Krone und Schreckensglanz feststellen, der sich bei der Akklamation Marduks als Götterherrscher in leicht veränderter Reihenfolge wiederfindet (V 93f.). Zur genaueren Untersuchung der Rekurrenzen siehe § 6.3.1. 19 Es gibt nur zwei Stellen, in denen Ea mit einem Lexem belegt wird, das Herrschaft ausdrücken kann. So wird er bei seiner Entstehung als šāliṭsunu („ihr (= der Götter) Meister“ I 17) bezeichnet und später als rubê tašīmti („Fürst der Weisheit“ II 57) charakterisiert. Zur Diskussion der ersten Formulierung siehe § 7.2.1. Das Substantiv rubû („Fürst“) wiederum wird im gesamten Werk nur an dieser einen Stelle verwendet. Die anderen Herrschaftsausdrücke (šarru „König“, šarrūtu „Königtum“, malku „König“, malikūtu „Königtum“, rubûtu „Fürstlichkeit“, bēlu „Herr“ und bēlūtu „Herrschaft“) beziehen sich hingegen nur auf Kingu, Anšar und Marduk. Die erste potentielle Bezeichnung als Herrscher findet sich bereits vor dem Kampf gegen Apsû (I 17) und sowohl die erste als auch die zweite sind nur für Ea und keine anderen Götter belegt. Wohingegen die üblichen Herrschaftsausdrücke nicht in Verbindung mit Ea verwendet werden. Schließlich muss Ea Anšar gegenüber Rechenschaft für seine Tötung Apsûs ablegen und kann von diesem wie sein Vater Anu gegen Tiāmtu geschickt werden. Gerade der Handlungsverlauf des Werkes zeigt demnach, die Anšar untergeordnete Stellung Eas. Damit lässt sich die These von Dina Katz, dass Ea Apsûs Krone für sich nimmt und damit über alle anderen Götter erhöht wird (2011, S. 129), lexematisch und narrativ nicht belegen.

6.2. Apsûs Ermordung und die Nachfolgefrage

321

Nach der Ermordung des Urherrschers zerfällt die Götterwelt in zwei Gruppen (siehe auch DIETRICH 2006, S. 143; BARTASH 2010, S. 1103), was im Text zwar so nicht explizit beschrieben wird, sich jedoch ebenso wie das Urkönigtum Apsûs rekonstruieren lässt. So finden sich Götter auf der Seite von Tiāmtu wieder, die sie zur Aktivität gegen „die Götter, ihre Erschaffer“ (ilānī bānī[šu]n I 128) aufrufen. Damit spalten sich die Götter in die Tiāmtu-Götter, die auf der Seite der Urmutter stehen, und die Anšar-Götter, die sich um diesen Gott sammeln (siehe § 3.6.4.). Da der Königsmörder Ea sich auf der Seite von Anšar befindet, kann man beide Göttergruppen auch politisch klassifizieren. Die Tiāmtu-Götter sind die Partei der Königswitwe, die Anšar-Götter die Partei des Königsmörders.20 Durch die Beschreibung der Anšar-Götter als „ihre Erschaffer“ (bānī[šu]n, I 128) scheint es sich bei diesen um gegenüber den Tiāmtu-Göttern ältere und damit nach der patrokratischen Grundvorstellung höhergestellte Götter zu handeln. Während im ersten Konflikt noch Apsû als ältestes und höchstes Wesen gegen seine Kinder stand, ändert sich nun die Altersrelation, denn nun stehen die älteren und bedeutenderen Anšar-Götter auf der einen Seite den jüngeren Tiāmtu-Götter auf der anderen Seite gegenüber. Letztere Gruppe schart sich zwar um die Urmutter, jedoch sind Frauen in der patrokratischen Vorstellungswelt des enūma eliš von geringer Bedeutung. Nach dieser Logik haben sich nun auch die Vorzeichen im Konflikt geändert, weil nun die Jüngeren gegen die Älteren opponieren. Ein solches Vorgehen ist in einer patrokratischen Welt per se negativ, da illegitim. Infolge des Schismas der Götterwelt kommt es jedoch nicht nur zu einer Opposition zweier Göttergruppen in dem Sinne, dass die eine die Vernichtung der anderen will, was dann im Götter-Bürgerkrieg des zweiten Konflikts resultiert (siehe § 4.1.5. und auch JACOBSEN 1976, S. 185). Zusätzlich findet jede Gruppe eine je eigene Herrschaftsnachfolge für den ermordeten Apsû. Diesen beiden unterschiedlichen Sukzessionsansätzen soll nun im Folgenden nachgegangen werden, wobei zunächst die Lösung der Nachfolgefrage auf Seiten der Tiāmtu-Götter beleuchtet wird (§ 6.2.2.), anschließend die der Anšar-Götter (§ 6.2.3.). 6.2.2. Kingu als Nachfolger Nachdem Tiāmtu ihre elf Monster erschaffen hat, erhöht sie Kingu. Dabei weist sie ihm die Anführerschaft über ihre Truppen zu (I 149–151), gibt ihm einen Thron (karru21 I 152) und schließlich die Herrschaft über alle Götter (mālikūt ilānī 20 Wie bereits die Interpretation von Marduks Erhöhung als Diktatur im römisch-republikanischen Sinne, erinnert auch diese Konstellation an die Endzeit der römischen Republik. Nach der Ermordung Caesars kommt es zu einem Bürgerkrieg zwischen der Partei der Caesar-Mörder und der Partei der Caesar-Erben. So naheliegend solche Parallelen sind, so muss man dennoch umso mehr darauf achten, diese nicht als Muster zur Interpretation des altorientalischen Textes heranzuziehen. Zugleich eröffnet sich aber auch die Möglichkeit die Phänomene inhaltlich und strukturell zu vergleichen. Dies gilt auch für die Parallele der Ermordung Apsûs zu neuzeitlichen Bildern des Königsmords (bspw. Shakespeares Hamlet) und später auch für die auffälligen Ähnlichkeiten der Herrschaftslegitimation mit Thomas Hobbes Leviathan (siehe § 7.4.). 21 Dieses Lexem findet sich im Lied auf Marduk nur bei Kingus Erhöhung, wohingegen bei Marduk stets von kussû gesprochen wird. Auch jenseits des enūma eliš ist das Substantiv kaum belegt (CAD K 2008, S. 222). Möglicherweise wird es an dieser Stelle benutzt, um eine pejorative Kon-

322

Kapitel 6: Aufstieg und Sukzession

gimratsunu I 154). Durch die letztzitierte Formulierung wird deutlich, dass Kingu zum neuen König der Götter aufsteigt und somit implizit die Nachfolge Apsûs antritt. Mit seiner neuen Position ist auch die Festsprechungsmacht (siehe § 5.1.2.) verbunden, die er durch die Übergabe der ṭuppi šīmāti erhält (I 157, siehe auch § 5.1.2.3.). Obwohl Tiāmtu eine so wichtige Rolle als Gegnerin der Götter spielt, folgt sie nicht als Herrscherin auf ihren Mann. Stattdessen wird ein neuer König eingesetzt. Darin erweist sich ein weiteres Mal die implizite patrokratische Vorstellungswelt, in der das Lied auf Marduk verankert ist. Der Götterkönig muss ein Mann sein. In dieser Perspektive ist nun auch die Art und Weise, wie Kingu zum Götterkönig wird, besonders instruktiv. Er erlangt seine neue Position durch eine Erhöhung. Woher er kommt, welche genaue Abstammung er hat, verschweigt der Text. Diese Tatsache ist ein belastbares Indiz dafür, dass er vermutlich minderer Abstammung ist und zumindest nicht in direkter Erbfolge zu Apsû steht. Da die Tiāmtu-Götter zudem jünger sind als die Anšar-Götter und Kingu dieser Gruppe zu entstammen scheint, deutet auch dies auf einen ursprünglich unbedeutenden Rang des Gottes hin. Somit erscheint er aus dem Nichts und steigt erst durch eine proklamatorische Handlung der Urmutter zum Herrscher auf. Sie ist es nämlich, die ihn als neuen Herrscher einsetzt, wie sie selbst in einer wörtlichen Rede expliziert: I 153

addi tâka ina puḫri22 ilānī ušarbika

„In der Götterversammlung habe ich die Beschwörung für Dich geworfen (und) Dich groß gemacht.“

Den Rahmen bildet eine Götterversammlung der Tiāmtu-Götter, doch Tiāmtu ist die alleinige Handlungsträgerin. Dabei macht sie ihn nicht nur zum neuen Götterherrscher, sondern auch zu ihrem neuen „Ehemann“ (ḫāʾiru I 155).23 Damit beruht Kinnotation mitschwingen zu lassen. Das homo(io)phonetische Lexem karru B steht für ein schmutziges oder zerrissenes Stück Kleidung und ist ebenfalls im jungbabylonischen Dialekt belegt (IBID). 22 bunb: puḫur. 23 Dabei wird Kingu interessanterweise anders bezeichnet als Apsû (anders LAMBERT 2013, S. 15, der von alternativen Substantiven ohne Bedeutungsunterschied ausgeht). Der Text verwendet für die Beziehungsposition des Urvaters im Verhältnis zu Tiāmtu das Lexem ḫarmu („Geliebter“, I 42, I 113 und I 117). Eine Ausnahme stellen die Textzeugen akiš, bunb und ounb:2a (KÄMMERER, METZLER 2012; LAMBERT 2013) in Vers I 42 dar, die abweichend die Schreibung ḫāmiru verwenden. Dabei handelt es sich um eine Variante des Lexems ḫāʾiru („Geliebter, Ehemann“). Die Position Kingus wird auf allen Textzeugen ausschließlich durch dieses Lexem wiedergegeben, wobei immer die Schreibung ḫāʾiru Verwendung findet (I 155, II 41, III 45, III 103 und IV 66). Dieser Befund wird durch die bisher einmalige Verwendung des Abstraktums ḫāʾirūtu („Liebesbeziehung, Ehegattentum“) innerhalb akkadischer Texte abgerundet (IV 81). Interessanterweise findet sich das erste Lexem (ḫarmu), das zudem nur jungbabylonisch belegt ist, außerhalb des enūma eliš nur in Verbindung mit dem Gott Dumuzi/Tammuz im Verhältnis zur Göttin Ištar (CAD Ḫ 1995, S. 104). Dies wirft die Frage auf, ob das Lied auf Marduk hier bewusst diesen mythischen Stoff aufgreift, um das nicht unproblematische Verhältnis zwischen Apsû und Tiāmtu zu beschreiben. So wenden sich die Tiāmtu-Götter in den Versen I 113–118 anklagend an die Urmutter, wobei sie ihr vorwerfen, dass sie ihrem Gatten und seinem Wesir Mummu nicht geholfen habe. Damit wird sie für den Tod ihres ḫarmu mitverantwortlich gemacht, was vielleicht eine

6.2. Apsûs Ermordung und die Nachfolgefrage

323

gus Herrschaftsanspruch in doppeltem Sinne auf der Urmutter. Zum einen setzt sie ihn als Herrscher ein, zum anderen ist er der neue Mann der Königswitwe. Möglicherweise existiert sogar ein instrumentales und damit legitimatorisches Verhältnis zwischen Ehegattentum und Herrschaft: Die Königswitwe nimmt Kingu als neuen Gemahl, wodurch dieser zum neuen Götterkönig aufsteigt. Auf jeden Fall kann Kingu nur durch Tiāmtu zum neuen Herrscher werden. Diese Konstellation besitzt matriarchalische Züge in dem Sinne, dass eine Frau (die Königswitwe) den neuen Herrscher bestimmt. Obwohl der König immer noch ein Mann ist, widerspricht dieser Vorgang im Allgemeinen der patriarchalischen Herrschaftslogik in Mesopotamien24 und im Speziellen der patrokratischen Denkweise des enūma eliš.25 Somit kommt zu der fehlenden Abstammung ein weiteres negatives Momentum in Kingus Aufstieg hinzu, da er ein Herrscher von Frauengnaden ist.26 6.2.3. Anšar als Nachfolger Durch das Schisma der Götter kommt es zu einer doppelten und damit konkurrierenden Nachfolgeregelung. Anders als die Tiāmtu-Götter folgen die Anšar-Götter der Erblinie, so dass bei ihnen Anšar der neue Götterherrscher wird. Bei strenger Befolgung der Erbfolge wäre eigentlich entweder Laḫmu oder Laḫamu der geborene Kronprinz – je nachdem welcher von beiden als männlich gedacht wurde,27 da beide Anspielung an Ištars Rolle in Dumuzis Fall ist. Aktuell lässt es sich aber nur an dem einen Lexem (ḫarmu) festmachen, und muss daher eine Vermutung bleiben. Weitere Anlehnungen an die IštarMythologie konnten bisher im Text nicht identifiziert werden, wenn man von der möglichen Identifizierung von Marduks Bogen als Ištar absieht (siehe § 5.2.10. Anm. 260). 24 In der Geschichte Mesopotamiens ist kein Fall bekannt, indem ein neuer Herrscher dadurch zum König aufstieg, in dem er die Königswitwe heiratet (siehe auch S ONIK 2009, S. 92 Anm. 23). Generell findet die Erbfolge über die männliche Linie statt. Möglicherweise zeigen sich an dieser Stelle westliche Einflüsse, v.a. aus Ägypten, was noch näher zu untersuchen wäre. 25 Möglicherweise lassen sich in dieser atypischen und als negativ stilisierten Nachfolgeregelung Einflüsse aus anderen Kulturbereichen wie bspw. Ägypten erkennen. Rein hypothetisch könnten sich in dem mythischen Bild sogar realhistorische Begebenheiten spiegeln, die im Lied auf Marduk literarisch verwertet wurden. 26 Seine Illegitimität äußert sich auch in der Amtsbezeichnung der Anuschaft ( danūtu I 159), die gemäß ihrem Name nicht Kingu, sondern Anu gehört. Sie wird zudem von Marduk auch als lā simātīšu („unangemessen für ihn“ IV 82) bezeichnet. Philip Jones liest diesen Vers so, dass Marduk hier nicht die legitimierende Kraft einer Heirat mit Tiāmtu negiere, sondern dass Tiāmtu Kingu zu ihrem Gemahl wählte (2005, S. 337). Diese These ist bei weitergehender Betrachtung des Werkes eher abzulehnen, insbesondere wenn man die betonte männliche Erblinie in der Göttergenealogie (siehe § 7.1.1.) und Tiāmtus negative Rolle im Gesamtwerk (bspw. METZLER 2002b, SONIK 2009) betrachtet. 27 Da Götterpaare häufig am Anfang von Göttergenealogien stehen, ist zu erwarten, dass einer von beiden (vermutlich Laḫmu als stets erstgenannter) männlich ist und dann entsprechend die andere Gottheit weiblich. Doch expliziert der Text niemals das Geschlecht von Laḫmu und Laḫamu, da sie stets zu zweit auftauchen und, da mindestens einer männlich ist, durch den maskulinen Plural wiedergegeben werden. Prinzipiell könnten also auch beide maskulin sein. Bei Anšar und Kišar wird lediglich das Geschlecht von Anšar (männlich) deutlich, nicht aber von Kišar. Diese Gottheit findet sich nur in der Genealogie. Die Parallelität von Apsû und Tiāmtu zu den folgenden je zwei

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Kapitel 6: Aufstieg und Sukzession

älter als Anšar sind. Die genaue verwandtschaftliche Relation zwischen den drei Göttern ist nicht eindeutig. So argumentiert Andrea Seri dafür, dass Anšar, Laḫmu und Laḫamu direkte Nachkommen von Apsû und Tiāmtu und damit Geschwister sind (2012, S. 9). Andererseits spricht jedoch viel dafür, dass die bisherige Auslegung als zwei aufeinanderfolgende Generationen die näherliegende ist (siehe § 7.1.1.).28 In beiden Fällen würde jedoch ein Jüngerer einem Älteren in der Erbfolge vorgezogen. Ein Grund für diesen Vorgang könnte in der qualitativen Überlegenheit von Anšar gegenüber den beiden ersten Göttern sein, wie Vers I 12 durch die Formel elišunu atrū („sie (=Anšar und Kišar) waren übergroß gegenüber ihnen (=Laḫmu und Laḫamu)“) expliziert.29 Schließlich tauchen Laḫmu und Laḫamu nur als Paar im Werk auf, wohingegen Anšar der älteste als Einzelgott agierende Charakter im Lied auf Marduk ist. Gleichwohl steht er hoch in der Erblinie, in der nur eine Gottheit (Laḫmu) beziehungsweise ein Paar (Laḫmu und Laḫamu) übersprungen wurde. Auf das Götterkönigtum Anšars verweist erst- und einmalig Thorkild Jacobsen, wobei er sich auf die Belegstellen IV 8330 und V 7931 bezieht (1975, S. 73, S. 96 Anm. 64). Auch Thomas Kämmerer und Kai Metzler scheinen eine ähnliche Theorie zu haben, da sie in den Versen II 125 und möglicherweise auch II 155 eine Anrede Anšars als bēlu („Herr“) feststellen (2012, S. 169 Anm. 1, S. 176 Anm. 1). Schließlich unterstreicht Wilfred Lambert das Königtum Anšars, wobei er ebenfalls auf Vers IV 83 verweist und zusätzlich aufzeigt, dass Anšar, beispielsweise indem er Ea und Anu gegen Tiāmtu sendet, wie ein Herrscher handelt (2013, S. 448). Dieser Befund soll im Folgenden durch lexematische Bezüge und weitere Passagen untermauert werden und im Hinblick auf die unterschiedlichen Thronfolgeregelungen diskutiert werden. Das erste Mal, dass Anšar im Text mit einem eindeutigen Herrschaftslexem belegt ist, findet sich in Vers II 125, wo er nicht nur als abu ilānī rabûti („Vater der Großen Götter“),32 sondern vor allem als bēlu („Herr“) auf der Erzählerebene beGöttern lässt jedoch erwarten (siehe auch SERI 2012, S. 10), dass die jeweils zweitgenannte Gestalt wie Tiāmtu auch weiblich ist. Die Erwähnung der Gottheit Kišar in der Götterliste An : dAnum in der Sektion der weiblichen Partner deutet zudem intertextuell auf ein weibliches Geschlecht dieser Gottheit hin (L ITKE 1998, S. 22 Anm. 9), was dann auch auf Laḫamu übertragen werden kann. 28 Vielleicht kann die Bevorzugung Anšars auch durch einen möglichen Prätext und damit intertextuell begründet werden. So sind Anšar und Kišar in der Götterliste An : dAnum vor Laḫmu und Laḫamu gestellt (LITKE 1998, I 8f., I 14f. 22, BOTTÉRO 1985, S. 152; SERI 2012, S. 10). Andererseits werden im Listenprinzip auch Gleichzeitiges und Gleichgestelltes notwendigerweise hintereinander gestellt, so dass die umgekehrte Reihenfolge wieder auch als Beleg für eine Gleichstellung beider Götterpaare stehen kann. 29 Zur Herrschaftslegitimation aufgrund besonderer Qualitäten siehe auch § 7.2. 30 Dort wird Anšar als šar ilānī („König der Götter“) bezeichnet, siehe auch § 6.2.3. 31 Dieser Vers ist nicht eindeutig auszudeuten und wird kurz in § 6.3.3. Anm. 70 besprochen. 32 Dabei besitzt der Ausdruck abu („Vater“) nur begrenzte Aussagekraft, da er zwar auch ein Herrschaftsverhältnis über die Kinder, aber auch einfach nur ein Verwandtschaftsverhältnis ausdrücken kann (bspw. BARTASH 2010, S. 1098), das aber nicht notwendigerweise einen hierarchischen Supremat wiedergibt. Dies gilt insbesondere bei Anšar im Hinblick auf sein Verhältnis als Sohn von Laḫmu und Laḫamu. In der hier vorliegenden Passage zusammen mit bēlu („Herr“) könnte aber

6.2. Apsûs Ermordung und die Nachfolgefrage

325

zeichnet wird. An dieser Stelle bleibt noch gewisser interpretativer Spielraum, wie bēlu (bspw.: nur ein allgemeiner Ausdruck für eine höher gestellte Person)33 oder abi ilānū rabûti (bspw. nur ein Verwandtschaftsverhältnis) zu deuten sind. Nicht eindeutig ist der nächste Beleg (II 155), der auch eine gewisse Varianz in den Textzeugen aufweist. Marduk tritt – von Ea als Retter geschickt – vor Anšar und möglicherweise weitere Götter und spricht. II 15434

īliṣ libbašuma ana abīšu izakkar

II 15535

Var. 1: bēlū ilānī šīmāt ilānī rabûti Var. II: bēlu(m) ilānī šīmāt ilānī rabûti

Sein (= Marduks) Herz freute sich und er spricht zu seinem Vater: Var. 1: „Herren, Götter der Festsprechungen für die Großen Götter…“ Var. 2: „Herr der Götter (und) der Festsprechungen für die Großen Götter…“

In der Redeeinleitung in II 154 wird nur ein Adressat der Rede Marduks erwähnt, nämlich Anšar, wohingegen die direkte Anrede in den Versen II 156–160 stets pluralisch ist.36 Zwischen diesen beiden Möglichkeiten scheinen auch die Textzeugen zu schwanken: II 155

DNin FNin GAss:2c 37 KKal 38 aunb bunb cunb munb:2a

[ NAM.ME]Š DINGIR.MEŠ GAL.MEŠ [b]e-LUM DINGIR.DINGIR ši-mat DINGIR.DINGIR [ ] [be-LU]M-ú DINGIR.MEŠ NAM.MEŠ DINGIR.MEŠ GAL.MEŠ [ .DING]IR ši-mat DINGIR.DINGIR GAL.GAL [ ].MEŠ NAM.MEŠ DINGIR.MEŠ GAL.MEŠ EN.MEŠ DI[INGIR].MEŠ NAM.⌈MEŠ⌉ DINGIR.[ ] [ ] DINGIR.MEŠ GAL.MEŠ [ .ME]Š DINGIR.MEŠ ⌈GAL⌉.[ ]

Am Anfang der Zeile schreibt nur bunb eindeutig pluralisch: EN.MEŠ (akkadisch: bēlū, „Herren“). In diese Richtung lässt sich auch GAss:2c lesen, wonach die Zeichenfolge [be-LU]M-ú ebenfalls als bēlū („Herren“) zu verstehen ist (siehe KÄMMERER, METZLER 2012, S. 176 Anm. 1). Der dritte und letzte Textvertreter, auf dem der Anfang des Verses erhalten ist, könnte dementsprechend genauso als [b]e-lu4(LUM) = bēlū verstanden werden. Zumindest an dieser Stelle ist aber auch eine singularische Lösung denkbar, wonach die Zeichenfolge als bēlum („Herr“) gedacht war. Die durchaus auch eine Herrschaftsbedeutung vorhanden sein, so dass das Lexem möglicherweise polysem eingesetzt wird und sowohl das Verwandtschafts-, aber auch das Herrschaftsverhältnis Anšars zu den Göttern beschreibt. 33 Zusätzlich wird Marduk schon vor seinen Erhöhungen als bēlu („Herr“) bezeichnet (II 135, 153), wobei es sich hierbei um Rekurrenzen zu dem Namen dBēl handeln kann, mit dem er nur einmalig im Werk bei seiner Geburt belegt wird (I 80). 34 Für diesen Vers existieren keine abweichenden Schreibungen. 35 Zu den Textvarianten siehe folgende Partitur der Zeile. 36 Dies verdeutlichen die Pronomen der 2. Person Plural (-kun und kâšun(u)/kâtun(u) „euch/euer“) in den Versen II 156f. und 160 sowie die pluralischen Imperative in den Versen II 158f. 37 Dieser Textzeuge wurde in einer Wohn- und Ausbildungsstätte religiöser Experten in Assur gefunden (siehe § 2.1.3.1.). Der Kolophon weist die Tontafel als Tafel vom Typ 2c aus, welches von einem šamallû („(religiös-kultischer) Assistent/Student“) angefertigt wurde. 38 Dieser Textzeuge stammt aus dem Nabû-Tempel in Kalḫu (siehe § 2.1.3.4.).

326

Kapitel 6: Aufstieg und Sukzession

Anrede in Einzahl wäre dann parallel zu Vers II 125, in dem Ea Anšar ebenfalls als bēlu bezeichnet (IBID). Da es sich um einen Text aus dem 1. Jahrtausend v. Chr. handelt, ist aber auch ein status constructus bēlum („Herr (von ….)“) möglich. Dies führt zu der zweiten Schwierigkeit von Vers II 155, namentlich der Syntax. So verdeutlichen die Textzeugen FNin und KKal, dass zumindest von ihnen der Plural šīmāt („Festsprechungen“) als status constructus verstanden wurde. Dies setzt einen nachfolgenden Genitiv voraus, so dass es sich hier um die „Festsprechungen für die Großen Götter“ handelt. Die Adressierung von Personen als šīmtu (Singular) oder šīmātu (Plural) ist weder im enūma eliš noch aus anderen Texten belegt, so dass auch dieses regens ein rectum benötigt. Somit werden in Vers II 155 entweder die „Götter der Festsprechungen“ (Var. 1) oder Anšar als „Herr der Festsprechungen“ (Var. 2) angesprochen. Auch hier können beide Lesarten durch textimmanente Belege gestützt werden. Da die (Großen) Götter als festsprechende Akteure der entscheidenden Götterversammlungen von Marduks Aufstieg in Erscheinung treten (siehe §§ 6.3.2.–4.), verfügen sie über Festsprechungsmacht (siehe auch § 5.1.3.). Aber auch Anšar wird als Besitzer von Festsprechungsmacht ausgewiesen. In seiner Rechtfertigungsrede für den begangenen Regizid spricht Ea Anšar folgendermaßen an (siehe auch § 5.1.1.1.):39 II 61

abī libbu rūqu mušimmu šīmti

II 62

ša šubšû u hulluqu bašû ittišu

II 63

Anšar libbu rūqu mušimmu šīmti

II 64

ša šubšû u hulluqu bašû ittišu

Mein Vater, weites Herz, derjenige, der eine Festsprechung vornimmt, für den gilt: Erschaffen und Vernichten existieren mit Dir. Anšar, weites Herz, derjenige, der eine Festsprechung vornimmt, für den gilt: Erschaffen und Vernichten existieren mit Dir.

Bis auf Anu40 werden alle Einzelgötter, die im Text explizit über Festsprechungsmacht verfügen, als šarru und damit als „König“ bezeichnet (siehe § 5.1.3.), so dass die Verse II 61–64 unabhängig von der Ausdeutung von II 155 für ein Götterkönigtum Anšars sprechen. Eindeutig ist schließlich der Vers IV 83, aus der Rede Marduks zu Tiāmtu, in der er ihr verschiedene Vorwürfe macht: IV 83

ana Anšar šar ilānī lemnēti tešēma41

„Gegenüber Anšar, dem König der Götter, hast Du Böses gesucht.“

An dieser Stelle findet sich nun die explizite Formulierung šar ilānī („König der Götter“) als Bezeichnung Anšars, womit sein Götterkönigtum endgültig belegt wäre.42 Leider ist Vers IV 73 nur fragmentarisch erhalten, in dem ebenfalls von einem 39

Für diese vier Verse liegen keine abweichenden Schreibungen vor, siehe auch § 5.1.1.1. Anu ist aber Träger der Tafel der Festsprechungen, wenn er Marduks Bogen die drei Namen gibt und für ihn damit Festsprechungen vornimmt, so dass er vermutlich einen Sonderfall darstellt. Bei den anderen Göttern (Marduk und Kingu) ist das Königtum offensichtlich. 41 CNin: tešeʾʾema. 42 Vitali Bartash hingegen versteht die Verse II 155 und IV 83 so, dass hier lediglich Anšars Leitung der Götterversammlung, aber nicht ein mögliches Königtum beschrieben wird (2010, S. 1103 Anm. 23). Doch wie der Text zeigt, wird der Versammlungsvorsitz als Element königlicher Macht 40

6.2. Apsûs Ermordung und die Nachfolgefrage

327

bēlum ilānī („Herr der Götter“) die Rede ist. Da diese Zeile aber in direkter Nähe zu und zudem vor Vers IV 83 auftaucht, handelt es sich vermutlich ebenso um eine Bezeichnung Anšars.43 Zusammengefasst macht die Lexematik deutlich, dass Anšar auf der Seite der Anšar-Götter als Herrscher fungiert und damit zugleich auch die Nachfolge Apsûs einnimmt. Auch der Erzählverlauf unterstreicht seine Königsstellung. Nach seiner Entstehung und der Geburt seines Sohnes Anu (I 12–19) spielt Anšar zunächst keine Rolle für die Handlung und taucht erst wieder auf, als Ea von Tiāmtus Plan eines Theozids erfährt und sich an Anšar wendet (II 8ff.).44 Der Umstand, dass er Anšar und keinen anderen Gott adressiert, verdeutlicht den Supremat Anšars. Zusätzlich muss Ea sich vor ihm für die Tötung Apsûs rechtfertigen. Anschließend sendet Anšar zuerst Ea und dann Anu gegen Tiāmtu, was zeigt, dass Anšar diesen beiden Göttern gegenüber weisungsbefugt ist. Während die Sendung Eas noch als Sühnetat klassifiziert werden kann, ist die Sendung Anus eindeutig ein herrschaftlicher Akt. Dieser wird durch die Zeile II 125 bestätigt, wonach kein Gott gegen den Feind vorgeht, obwohl Anšars es befahl (ina šaptī[šu] „durch seine Lippen“ (= „auf seinen Befehl hin“)). Der Umstand, dass Anšars Befehlsgewalt hier scheitert, offenbart aber immer noch, dass er diese in Anspruch nimmt – und sich entsprechend als Götterherrscher versteht. Schließlich richtet Marduk seine Forderung nach Erhöhung an Anšar. Somit ist Anšar die Instanz, die seine Wünsche erfüllen kann. Diese Kompetenz zeigt sich dann auch in der Umsetzung der Forderung Marduks. So beruft Anšar die Götterversammlung ein, wozu er auch die beiden älteren Götter Laḫmu und Laḫamu vorlädt, damit sie für Marduk eine Festsprechung vornehmen (III 65f. bzw. 123f.).45 Mit der Einsetzung der Versammlung geht auch einher, dass die beiden Urgötter über die Notlage informiert werden.46 Möglicherweise stehen beide in dieser Passage stellvertretend für die gesamte Gruppe der Großen Götter, die von Anšar zur Götterversammlung zusammengerufen werden. Auf jeden Fall werden sie als Adressaten von Anšars Weisung dargestellt.

verstanden. So ist in der Erhöhung Kingus der Versammlungsvorsitz Teil seiner neuen Macht (I 149) und Marduk ist nach seiner zweiten Erhöhung in der Lage, Götterversammlungen einzuberufen und anzuführen (VI 17, 71). 43 Der interpretationswürdige Vers V 79 kann je nach Ausdeutung ebenfalls Anšars Götterkönigtum bezeichnen (siehe § 6.3.3. Anm. 70). 44 Dort wird Anšar in zwei unterschiedlichen Ausdrücken beschrieben. Zum einen ist er Eas Vater (abīšu „sein Vater“ II 8), zum anderen wird er als abi ālidīšu („Vater seines Gebärenden“ II 9) bezeichnet. Diese beiden Ausdrücke können synonym gedacht sein, wonach der zweite eine genauere Spezifikation des ersteren ist, wobei dann der erste besser als „sein Vorfahr“ übersetzt wäre. Die zweite Möglichkeit beruht in einer semantischen Differenz beider Phrasen. Dann würde die zweite den verwandtschaftlichen Grad wiedergeben, die erste aber ein Herrschaftsverhältnis. Wenn die zweite Interpretation zutreffen sollte, wäre somit Vers II 8 auch ein Indiz für Anšars Götterkönigtum, das er nun nach Apsûs Ableben bekleidet. In diesem Sinne wären dann auch die Anreden abī („mein Vater“ II 61, [85, 91], 109, 115) für Anšar und mārī („mein Sohn“ II 73) für Ea zu lesen. 45 Wie Marduk in seiner Forderung, so verwendet auch Anšar in seiner Rede den Imperativ. Am Anfang und am Ende der Zeile III 65 bzw. III 123 findet sich jeweils eine imperativische Verbform. 46 Dies wird in dem Ausspruch der Igigi bei Laḫmu und Laḫamu deutlich, die ihr Unwissen über das Treiben Tiāmtus ausdrücken (III 128).

328

Kapitel 6: Aufstieg und Sukzession

Zusammengefasst zeigen die Lexik und der Handlungsverlauf des Werkes deutlich, dass Anšar zum König der Götter aufsteigt und damit auf der Seite der AnšarGötter die Nachfolge Apsûs übernimmt. 6.2.4. Die Konstellation vor Marduks Aufstieg – eine Zusammenfassung Nachdem die Götterwelt nach der Ermordung des Urherrschers in zwei Gruppen zerfallen ist, krönt jede dieser Gruppen ihren eigenen Herrscher. Kingu wird König für die Tiāmtu-Götter, die Anšar-Götter folgen dem Thronerben Anšar. Stellvertretend für die Anšar-Götter äußert Marduk gegenüber Tiāmtu die Ablehnung Kingus als Götterherrscher, indem er seine danūtu („Anuschaft“) als lā simātīšu („unangemessen für ihn“) bezeichnet (IV 83). Auch der Text selbst verhält sich nicht neutral zu den gefundenen Nachfolgeregelungen, da Kingus Besitz der Tafel der Festsprechungen, der mit seinem Aufstieg einhergeht, ebenfalls als lā simātīšu (IV 121) auf der Erzählerebene markiert wird. Seine Erhöhung ist ein impliziter Widerspruch zu der Vererbung über die männliche Linie. Er ist ein Parvenu ohne spezifische Herkunft und beraubt den legitimen Nachfolger seines Throns (SONIK 2009, S. 92). Dass dieser Aufstieg zudem von Gnaden einer Frau erfolgt, diskreditiert ihn endgültig. Somit kommt Kingu im Text die Rolle des Prätendenten zu. Anšars Königtum dagegen wird im Text nicht kommentiert und damit konkludent akzeptiert. Bei genauerer Lektüre ist seine Herrschaft offensichtlich, sie drängt sich jedoch dem Leser auch nicht auf. Dies kann mindestens zwei Gründe haben. Erstens zielt der Text darauf, Marduk als Herrscher zu implementieren, so dass sein Vorgänger nicht zu sehr betont werden soll. Andererseits kann Anšars Königtum für den altorientalischen Leser so selbstverständlich gewesen sein, dass es keiner weiteren Begründung bedarf. Und hierin könnte auch der entscheidende Unterschied zu Marduk liegen, dessen Position in der Erbfolge nachrangig ist (siehe Kapitel 7, speziell § 7.1.2.).

6.3. Marduk als letzter und ewiger Herrscher Beschreibung und Vorgehen Marduks Aufstieg zum König der Götter ist das zentrale Motiv des Textes und dennoch im Detail teilweise schwierig zu rekonstruieren. Daher soll im Folgenden sukzessive den verschiedenen Stationen seiner Erhöhung nachgegangen werden Zunächst wird Marduks Forderung vor dem Kampf gegen Tiāmtu betrachtet (§ 6.3.1.). Diesem folgt eine Untersuchung der ersten Erhöhung (§ 6.3.2.), der Erhöhung nach dem Kampf (§ 6.3.3.) und schließlich der Handlungen im Rahmen der Götterversammlungen in Babylon (§ 6.4.4.). Dabei wird stets das Verhältnis zum einen zur Forderung und zum anderen zu den vorhergehenden Erhöhungen beleuchtet, um somit den Aufstieg möglichst genau zu rekonstruieren.

6.3. Marduk als letzter und ewiger Herrscher

329

Forschungsstand Die Frage nach dem genauen Umfang der Forderung Marduks an die Anšar-Götter und damit verbunden nach dem Zeitpunkt ihrer Erfüllung wurde in der bisherigen altorientalistischen Forschung nur kursorisch berührt. Nach Andrea Seri verlangt Marduk nur eine Rüstung für den Kampf gegen Tiāmtu (2006, S. 517). Wilfred Lambert wiederum interpretiert so, dass Marduk eine Erhöhung zum Götterherrscher für den Erfolgsfall verlangt, also nach einem möglichen Sieg über Tiāmtu (2008, S. 19f.). Herman Vanstiphout vermerkt den Vertragscharakter von Marduks erster Erhöhung, in dem auch die Schaffung von Ordnung festgeschrieben sei (1992, S. 54). Die erste Erhöhung Marduks nimmt Zafrira Ben-Barak besonders in den Blick, wobei sie einen diachronen Vergleich vor allem zur Einsetzung Nabopolassars zieht und dabei verschiedene Parallelen herausstellt. Sie rekonstruiert eine Inthronisation in drei Phasen ausgehend von der Einberufung, bei der die Adligen des Landes zusammenkommen, den König grüßen und Gebete für ihn sprechen. Darauf folgt ein Versprechen Marduks in der Götterversammlung, dass der König die äußeren Feinde besiegen werde und zugleich einen festen Thron in Babylon erhält. Daran schließt sich zweitens die Installationszeremonie an, in der der König auf den Thron gesetzt wird zudem die Herrschaftsinsignien (u.a. palû „bal-Symbol“ und kussê šarrū[ti] „Thron des Königtums“) erhält. Dann treten die „Würdenträger von Akkad“ ein und verbeugen sich vor dem Herrscher. In der letzten Phase, der Akklamation, freuen sich die Würdenträger und rufen laut einen Heilsspruch aus (1980, S. 56f.). Im Vergleich zu dem Lied auf Marduk macht sie besonders an dem Ausruf d Marūtukma šarru („Marduk ist König!“ IV 28) fest, dass auch seine Einsetzung mit einer Akklamation endet (IBID, S. 59). 6.3.1. Marduks Forderung Während in § 5.1.1.2. die allgemeinen Kriterien für einen Festsprechungsakt analysiert wurden, steht nun der konkrete Inhalt von Marduks Forderung im Fokus. Dieser Inhalt lässt sich in zwei Aspekte unterteilen. Die Materialität der Forderung bezeichnet das Ergebnis, das Marduk verlangt (Festsprechungsmacht und Schöpfungskompetenz, siehe auch § 5.1.2.1.). Das geforderte Umsetzungsverfahren umschreibt den Vorgang, wie Marduks Forderung umgesetzt werden soll. Die oben genannten Kriterien für einen Festsprechungsakt gehören dem zweiten Aspekt an. Gefordertes Umsetzungsverfahren Für die Analyse seiner Forderung soll der genaue Wortlaut seiner Rede noch einmal wiedergegeben werden:47 II 156 II 157 II 158

47

šummama anāku mutēr gimillikun akamme Tiāmtama uballaṭ kâšun šuknāma puḫra šūterā ibâ šīmtī

„Wenn ich euer Rächer sein soll und Tiāmtu binden und (so) euer Leben retten soll, (dann) setzt eine Versammlung ein und macht übergroß, benennt die Festsprechung für mich,

Zu den abweichenden Varianten siehe § 3.8.4.

330

Kapitel 6: Aufstieg und Sukzession

II 161

ina Ubšu-ukkinakki mitḫāriš ḫadîš tišbāma epšu pīja kīma kâtunuma šīmāta lušīm lā uttakkar mimmû abannû anāku

II 162

aj itūr aj innenâ siqar šaptīja

II 159 II 160

(dafür) setzt euch freudig im Ubšu-ukkinakku zusammen. Durch die Aktion meines Mundes will ich wie ihr/anstatt euch Festsprechungen vornehmen. Alles, was ich, ja ich, erschaffen werde, darf nicht geändert werden. Der Befehl meiner Lippen möge nicht zurückkehren, möge nicht verändert werden.“48

Marduk richtet sich in den Zeilen II 156–159 an die Anšar-Götter. Nachdem Marduk seine eigene Leistung, die Rettung der Anšar-Götter vor der Vernichtung, dargelegt hat (II 156f.), adressiert er in den Versen II 158f. die Götter durch Imperative direkt, wodurch er die zu erbringende Gegenleistung als Prozess beschreibt. Insgesamt lassen sich aus dem Doppelvers II 158f. sieben Punkte ableiten, die Marduk von den Göttern fordert. Sie sollen demnach 1. eine Götterversammlung einsetzen (šuknā puḫra II 158), 2. ihn beziehungsweise die Festsprechung für ihn (bzw. seine Festsprechungsmacht) übergroß machen (šūterā II 158),49 3. eine Festsprechung vornehmen (ibâ šīmtī II 158),50 4. der Festsprechung für ihn (bzw. seiner Festsprechungsmacht) einen Namen geben (ibâ šīmtī II 158), 5. sich in Ubšu-ukkinakku (ina Ubšu-ukkinakki II 159), 6. gemeinsam (mitḫāriš II 159) und 7. freudig zusammenfinden (ḫadîš tišbāma II 159). Diese Punkte entsprechen teilweise den abgeleiteten Kriterien eines Festsprechungsaktes (siehe § 5.1.1.2.), unter anderem auch weil sie zum Teil (Kriterien 1.–

48

Die Hauptsätze der Forderung Marduks stechen alle durch modale Formen hervor. Auf vier Imperative (II 158f.) folgt ein fientischer Prekativ der ersten Person (II 160), ein Prohibitiv (II 161) und zwei Vetitive (II 162). Auch die zweimalige Verwendung des selbständigen Personalpronomens anāku („ich(, ja ich)“, II 156 und II 161) stellt das fordernde Subjekt in den Vordergrund und zugleich in eine Opposition zu der Gruppe der Götter um Anšar, die durch die ebenfalls zweifache Schreibung des selbständigen Personalpronomens der zweiten Person Plural (II 157 und II 160) dem „ich(, ja ich)“ gegenübergestellt werden. Die erste Opposition (II 156f.) hebt Marduks Rolle als Retter hervor. Die zweite (II 160–162) stellt Marduk auf eine Stufe mit der Götterversammlung bzw. sogar über diese. 49 An dieser Stelle ergeben sich zwei Interpretationsspielräume: 1. Das Prädikat šūterā kann sich sowohl auf Marduk als auch auf šīmtī beziehen. 2. Der Ausdruck šīmtī kann einerseits eine „Festsprechung“ für Marduk bezeichnen, was mit den Forderungspunkten 1, 3–6 korreliert (hierzu siehe auch § 5.1.1.2.). Andererseits umfasst der geforderte Festsprechungsakt für Marduk auch den Transfer von Festsprechungsmacht (siehe II 160–162 und § 5.1.2.1.), so dass auch die Bedeutung „Festsprechungsmacht“ möglich ist. Da es sich dementsprechend um einen Festsprechungsakt handelt, in der Festsprechungsmacht transferiert wird, ist schließlich auch eine Polysemie an dieser Stelle denkbar. 50 Zu den zwei Übersetzungsmöglichkeiten von šīmtī siehe vorangehende Fußnote und § 5.1.1.2. Da Name(nsgebung) und Festsprechung(sakt) zwei eng verzahnte Konzepte sind (siehe § 5.3.), drückt die Phrase ibâ šīmtī neben einer Benennung auch den Vorgang eines Festsprechungsaktes aus.

6.3. Marduk als letzter und ewiger Herrscher

331

4.) aus derselben Textstelle abgeleitet wurden. Dabei finden sich die folgenden Parallelen und Unterschiede: Tabelle 22: Erhöhungsforderung Marduks und Kriterien eines Festsprechungsaktes Gefordertes Umsetzungsverfahren 1. Eine Götterversammlung einsetzen. 2. Ihn beziehungsweise die Festsprechung für ihn (bzw. seine Festsprechungsmacht) übergroß machen. 3. Eine Festsprechung vornehmen. 4. der Festsprechung für ihn (bzw. seiner Festsprechungsmacht) einen Namen geben. 5. Sich in Ubšu-ukkinakku zusammenfinden. 6. Sich gemeinsam zusammenfinden. 7. Sich freudig zusammenfinden. –

Kriterien eines Festsprechungsaktes 3. Rahmen I: Götterversammlung –

7. Namensgebung 2. Ort: bedeutsame Stätte 1. Akteur: Große Götter oder herausragende Einzelgötter 4. Intentionalität: Freude/Freiwilligkeit 5. Mündlichkeit 6. performative Ausdrucksweise 8. Rahmen II: weitere performative Handlungen (bspw. Verbeugungen als Selbstunterwerfung)

In den folgenden Unterkapiteln werden die späteren Erhöhungen Marduks danach befragt, inwiefern die sieben Punkte der Forderung Marduks erfüllt werden. An dieser Stelle muss man jedoch zwischen zwei Dimensionen unterscheiden: Zum einen, was Marduk als intentionales Subjekt im Text will, und zum anderen, welche Verbindungen zwischen den Teilen des Textes konstruiert sind, also im Kern: Was der Text will. Textimmanente Rekurrenzen müssen nicht zur ersten Kategorie, sicher aber zur zweiten Kategorie zählen (siehe § 1.3.2.2. Anm. 25). Materialität der Forderung In den letzten drei Versen (II 160–162) spezifiziert Marduk den Inhalt des Festsprechungsaktes für ihn. Dass Marduk hier Festsprechungsmacht als unveränderliche Befehlsgewalt einfordert (II 160–162), wurde bereits gezeigt (siehe § 5.1.2.1.). Dabei wird an dieser Stelle jedoch nicht expliziert, gegen wen beziehungsweise über wen sich diese Befehlsgewalt erstreckt. Zwar darf kein anderer seine Bestimmungen ändern, jedoch werden mögliche Gegenstände dieser Bestimmungen nicht spezifiziert. Damit muss die Forderung nach unveränderlichen Bestimmungen nicht implizieren, dass diese Bestimmungen auch andere Götter betreffen dürfen. In diesem Kontext ist auch die Frage bedeutsam, wie die Phrase kīma kâtunuma in Vers II 160 zu verstehen ist. In der bisherigen Forschung existiert die These, dass sie weniger äquativisch zu lesen ist („wie ihr“), sondern besser ersetzend („anstatt euch“) (HEIDEL 1951, S. 29 Anm. 60; LAMBERT 1964, S. 4). Im ersteren Fall stellt sich Marduk mit den Göttern auf eine Stufe, im zweiten stellt er sich über sie. Der Text expliziert in der Forderung Marduks nicht, welche Variante er verlangt. Dass die Götter in Gestalt der Götterversammlung Träger von Festsprechungsmacht sind, spricht für

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Kapitel 6: Aufstieg und Sukzession

die äquativische Lesart (siehe § 5.1.1.1.), dass Marduks Macht sich in der Sternbilddemonstration symbolisch über die Götter erstreckt, spricht für die zweite Lesart (siehe § 5.1.2.2.). Möglicherweise versucht der Text beide Dimensionen auszudrücken. Schließlich wird durch die Phrase mimmû abannû („alles, was ich erschaffen werde“ II 161) auch das Motiv der Schöpfung eingeführt, denn Marduk äußert hier implizit die Absicht, dass er Dinge erschaffen will, die dann auch so bleiben sollen. Zusammengefasst verlangt Marduk zwei Vollmachten: 1. Das Götterkönigtum inkl. Festsprechungsmacht. 2. Schöpfungskompetenz. 6.3.2. Marduks erste Erhöhung – Abschluss des Aufstiegsvertrags Ablauf der Erhöhung Nachdem Anšar mit Laḫmu und Laḫamu die Großen Götter einberufen hat, kommt es zur ersten Götterversammlung der Anšar-Götter im Text (III129ff.), wobei der Ort der Versammlung jedoch nicht genannt wird. Im Rahmen der Götterversammlung findet ein Festmahl statt, währenddessen die Götter dem Essen und dem Bier so zusprechen, dass sie schließlich gelöster Stimmung sind (III 133–137).51 Dass sie für Marduk eine Festsprechung vornehmen, expliziert Vers III 138, der letzte der dritten Tafel:52 III 138

ana dMarūtuk mutēr gimillīšunu išīmū šīm[ta]

Für Marduk, ihren Rächer, nahmen sie eine Festsprechung vor.

Nach zwei kurzen einleitenden Versen zu Beginn der vierten Tafel, in denen ein parak rubûti („Kultsockel des Fürstentums“ IV 1) für Marduk aufgestellt wird, beginnt eine wörtliche Rede der Götter, in der der Umfang der Erhöhung expliziert wird (siehe unten). Daran schließt sich die Sternbilddemonstration an (siehe § 5.1.2.2.), in der Marduk seine Festsprechungsmacht zeigt (IV 19–26). Schließlich reagieren die Götter auf die Sternbilddemonstration mit dem Ausruf „Marduk ist König!“ (dMarūtukma šarru IV 28) und schicken ihn nun gegen Tiāmtu, wobei sie ihm Erfolg zusichern (IV 34, siehe auch § 5.2.10.). Inhalt der Festsprechung Der genaue Inhalt der Erhöhung wird in der wörtlichen Rede der Götter wiedergegeben, die die Verse IV 3–18 umfasst. In den ersten acht Zeilen (IV 3–10) wird Marduks Festsprechungsmacht spezifiziert, welche im Unterkapitel § 5.1.2.1. bereits umfassend untersucht wurde. Sie zeigt sich als Wortgewalt, deren Aussprüche ewige Geltung beanspruchen und die sich über alle Dinge erstreckt. 51 Möglicherweise findet sich das Element der Freude der Götter auch schon am Anfang der Götterversammlung als die Götter zusammenkommen (III 130). Hier ergänzt Philippe Talon [ḫi-du-ta] (2005, S. 50), vermutlich angelehnt an LAMBERT, PARKER 1967. Sollte diese Ergänzung korrekt sein, so wäre dies eine Rekurrenz der Wurzel √ḫdū (bspw. ḫadû = „sich freuen“), wie sie auch in ḫadîš (II 159, siehe § 6.3.1.) zu finden ist. 52 Zu Varianten siehe § 5.1.1.1., Tab. 19.

6.3. Marduk als letzter und ewiger Herrscher

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Diesen ersten acht Versen folgen acht weitere Zeilen wörtlicher Rede, die komplexer und weniger eindeutig strukturiert sind:53 IV 11

zanānūtum eršat parak ilānīma

IV 12

ašar sagîšunu lū kūn ašrukka

IV 13 IV 14

d Marūtuk attāma muterru gimillini i niddinka šarrūtum kiššat kal gimrēti

IV 15

tišabma54 ina puḫri lū šaqât amātka

IV 16

kakkūka aj ippalṭû liraʾʾisū nakirīka

IV 17

bēlum ša takluka napištašu gimilma

IV 18

u ilu ša lemnēti īḫuzu tubuk napšatsu

„Versorgung ist das Verlangen des Kultsockels der Götter. Der Ort ihrer Heiligtümer soll an Deinem Ort dauerhaft gemacht sein. Marduk, Du bist unser Rächer, lass uns Dir die Königsherrschaft über die ganze, gesamte Welt geben, setze Dich in der Versammlung, Dein Wort soll hoch sein! Deine Waffen mögen nicht fehlgehen, sie mögen Deine Feinde (er)schlagen. Herr, wer auf Dich vertraut, dessen Leben verschone, aber: der Gott, der Böses genommen hat, dessen Leben vergieße!“

Zunächst sollen die Verse einzeln analysiert werden, bevor die Komposition und damit die semantische Dimension der Gesamtpassage in den Blick genommen wird. Der Vers IV 11 legt den Bedarf der Götter dar, dass für sie Speisen und Getränke produziert und zu ihren Heiligtümern55 gebracht werden müssen. Diese Aufgabe wird auf Marduk übertragen, da die Rede Marduk adressiert und somit auch das Verlangen an Marduk gerichtet wird.56 Auch der folgende Vers äußert eine Forderung gegenüber Marduk, wobei der genaue Wortlaut des Akkadischen an dieser Stelle entscheidend ist. Anders als Wilfred Lambert (2008, S. 45; 2013, S. 87), mit Thomas Kämmerer und Kai Metzler (2012, S. 201), ist die Zeile so zu lesen, dass hier die Götter die Einrichtung eigener Heiligtümer am Marduk-Ort57 verlangen, was durch den Lokativ-Adverbialis am Ende des Verses deutlich wird. Die hier angelegte Kultzentralisation wird besonders bei einer intertextuellen Ausweitung der Interpretation auffällig. Wilfred Lambert weist darauf hin, dass die Anzû-Erzählung als Vorlage für das enūma eliš fungierte (1986). Dort wird Ninurta die Verbreitung seines Kultes versprochen (ANNUS 2001, 53

Zu abweichenden Schreibungen siehe § 3.10.4. Der Imperativ tišabma an dieser Stelle ist vermutlich eine Rekurrenz zur Forderung Marduks in Vers II 159: „Im Ubšu-ukkinakku setzt euch freudig zusammen!“ (ina Upšukinnaki mitḫāriš ḫâdiš tišbāma). 55 Auch wenn hier ein Singular (parak) geschrieben steht, ist jedoch eine Mehrzahl gemeint. Dabei kann es sich beispielsweise um eine generische Einzahl handeln oder es sind die Sockel der Götter im Marduk-Heiligtum beschrieben, wie sie im folgenden Vers verlangt werden. Demnach bezöge sich der Singular auf das Marduk-Heiligtum (KÄMMERER, METZLER 2012, S. 201 Anm. 5). 56 Interessanterweise formuliert die fragliche Zeile allgemein und indikativisch das Verlangen nach Versorgung, wobei für die Versorgung ein Abstraktum gewählt wurde (zanānūtu) und kein Ausdruck für das Amt (zāninu „Versorger“ bzw. zāninūtu „Versorgeramt“), wie es dann später der Fall ist (ab V 115). Dennoch ergibt sich aus dem semantischen Umfeld und der Komposition der Verse, dass an dieser Stelle Marduk die Aufgabe der Versorgung übertragen wird. 57 Da Babylon zu diesem Zeitpunkt noch nicht existiert und somit auch noch nicht sein Name bekannt ist (er fällt erst in V 129), wird die Stadt und damit das Heiligtum Esaĝila hier allgemein durch ašrukka beschrieben. 54

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Kapitel 6: Aufstieg und Sukzession

S. 23:24f.), d.i. er soll auch dort Verehrung erhalten, wo die anderen Götter bereits verehrt werden. Im Lied auf Marduk wird diese Bewegung nun umgekehrt, indem nun die anderen Götter auch einen Ort der Verehrung in der Marduk-Stadt, d.i. Babylon, verlangen – und diesen später auch erhalten (VI 68, siehe auch § 4.4.1.1.). Die Zeile IV 13 unterstreicht Marduks Rolle als Retter der Götter und greift dabei auf Marduks Forderung zurück. Sowohl die Formel mutēr/muterru gimilli- mit anschließenden Possessivsuffix als auch ein vorangestelltes selbständiges Personalpronomen finden sich hier und in Zeile II 156.58 Somit sind beide Verse parallel aufgebaut; auch die Anzahl der Wörter ist identisch. Die Konjunktion šumma wird durch den Namen Marduk ersetzt, wodurch die Implikation durch einen indikativischen Hauptsatz substituiert wurde: Marduk hat nun die Mission gegen Tiāmtu. Der Vers IV 14 fällt durch den Pleonasmus kiššat kal gimrēti auf, der als rectum zu šarrūtum fungiert. Jedes der Lexeme kiššatu, kalû und gimru drückt für sich genommen bereits Totalität aus, so dass die pleonastische Kombination die Allumfasstheit von Marduks Königsherrschaft hervorhebt. Marduks soll König über wahrlich alles werden. Daran schließt sich auch der nächste Vers an, der Marduk eine erhöhte Position in der Götterversammlung zuweist. In Zeile IV 16 wird Marduks Waffen Unfehlbarkeit und Marduk somit größere Kampfeskraft gegen Tiāmtu verliehen. Zugleich betonen die Götter damit, dass Marduk nicht scheitern darf. Der zentrale Punkt von Vers IV 16 ist jedoch die an Marduk übergehende Gewaltkompetenz, sprich die Erlaubnis, Konflikte mit Gewalt zu lösen. Diese lag im Alten Orient ausschließlich in der Domäne von eigenständigen Herrschern und nicht der von Untertanen (AMBOS unpubliziert, S. 17). Marduks Auftrag ist dabei – ähnlich wie bei einem Diktator im Alten Rom (MAUL 2004, S. 46; ZGOLL 2006a, S. 65f.) – jedoch (zunächst) auf die Rettung aus der Notlage begrenzt. Abschließend beschreiben die letzten beiden Verse,59 dass Marduk die Götter, die ihm folgen, verschonen, die Bösen aber vernichten soll. Dieser geforderte differenzierte Umgang nach dem tatsächlichen Grad der Verfehlung steht damit im krassen Gegensatz zu der Sippenhaftung, die Apsû und Tiāmtu veranschlagen (siehe § 4.2.2.3.).60 An dieser Stelle lohnt sich eine Untersuchung der Verwendung des hier auftauchenden Plurals lemnētu („Böses“) innerhalb des enūma eliš. Neben dem hier vorliegenden Beleg findet er sich noch in Vers I 52 und vielleicht auch in Zeile I 128,61 wo er zur Beschreibung des geplanten Theozid verwendet wird. Damit kor58

II 156: šumma anāku mutēr gimillikun. Sie weisen sowohl eine parallele als auch eine chiastische Struktur auf. In der ersten Zeilenhälfte steht jeweils die Person, die Marduk jeweils richtig behandeln soll, in der zweiten Hälfte folgt die richtige Behandlung. Der Umgang mit den Personen (Freunde vs. Feind) wird jeweils durch Imperative ausgedrückt, wobei der erste am Zeilenende (nach dem direkten Objekt), der zweite vor dem direkten Objekt steht. 60 Hier zeigt sich eine deutliche Parallele zur Sintflutgeschichte (Atramḫasīs-Mythos und Gilgameš-Epos). Dort sollen in der nachsintflutlichen Zeit nur die Schuldigen bestraft werden und nicht alle Menschen gemeinsam (WILCKE 1999a, S. 96f.). Zugleich gemahnen auch die Sintfluterzählungen einen begrenzten Einsatz von Gewalt (IBID, S. 103). 61 Eine entsprechende Ergänzung findet sich bspw. in TALON 2005, S. 38; KÄMMERER, METZLER 2012, S. 142 und LAMBERT 2013, S. 56. 59

6.3. Marduk als letzter und ewiger Herrscher

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reliert auch dessen Auftauchen in Vers IV 83, in dem Marduk Tiāmtu vorwirft gegen Anšar Böses geplant zu haben, wobei er sich auf ihre Vernichtungspläne bezieht. Der letzte Beleg wiederum findet sich bei der Ausdeutung des Namens Ša(.g)zu, in der es heißt, dass Marduk als Ša(.g)-zu denjenigen, der Böses machte (ēpeš lemnēti VII 36) nicht entkommen ließ.62 Somit rekurriert der Plural lemnētu gezielt auf die Theozid-Pläne der Tiāmtu-Götter, wobei der Verantwortliche bestraft werden soll. Daher ist auch diese Gewaltkompetenz (zunächst) auf die Mission gegen Tiāmtu und ihre Verbündeten begrenzt.63 Struktur und ein Geschäft auf Gegenseitigkeit Grammatisch fällt auf, dass die Verse IV 12, 14–18 modale Aussagen treffen, wohingegen IV 11 und 13 indikativisch sind. Die Aussage von IV 11 ist jedoch inhaltlich ebenfalls normativ zu verstehen: Marduk soll die Heiligtümer versorgen. Berücksichtigt man die Semantik weiter, so wird deutlich, dass speziell die Verse IV 17f., aber auch IV 11f. etwas von Marduk verlangen; sie definieren etwas, das Marduk tun soll. Die dadurch umschlossenen Zeilen IV 13–16 wiederum beschreiben, was Marduk erhält. Analysiert man nun auch noch diese vier Verse, so definieren IV 14f. Marduks Macht, die ihm zukünftig zugesprochen wird, wohingegen IV 13 und 16 auf Marduks Mission gegen Tiāmtu anspielen. So ergibt sich eine Ringstruktur innerhalb dieser acht Zeilen. Diese Ringstruktur setzt Marduks Erhöhung in die Mitte, die umschlossen wird von der Mission gegen Tiāmtu, die bereits zwischen Marduk und den Anšar-Göttern ausgehandelt worden war. Im äußersten Ring kommen nun weitere Forderungen auf Marduk zu, die sowohl mit seiner Rolle als König (IV 12f.) als auch mit seiner Rettermission (IV 17f.) verbunden sind. Sie stellen Ergänzungen und Konkretisierungen dar und in diesem Sinne handelt es sich um Gegenforderungen der Götter gegenüber Marduk.

62 Dass es sich bei diesem letzten Beleg vermutlich ebenfalls um einen Bezug auf den Theozid handelt, wird durch die Benutzung der Formel lā māgiru („derjenige, der unkooperativ ist“ VII 38) unterstützt, da sie sich nur einmal innerhalb des narrativen Teil des Werkes findet, nämlich als Beschreibung von Mummu, der Apsû aufhetzt, die Götter trotz der Bedenken der Tiāmtu zu vernichten (I 52). Sie wird ein letztes Mal bei der Ausdeutung des Namens Ša(.g)-zu Zaḫ-(e)rim(ak) verwendet, wo es sich ebenfalls auf Feinde bezieht (VII 52). 63 Inwiefern der Singular ilu in Zeile IV 18 ein Vorgriff auf die Bestrafung Kingus ist, kann nicht eindeutig geklärt werden, da auch IV 17 singularisch formuliert und es sich somit um eine generische Einzahl handeln kann.

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Kapitel 6: Aufstieg und Sukzession

Tabelle 23: Struktur der zweiten Hälfte der Götterrede (IV 11–18) Zusätzliche Aufgaben Marduks Versorgung der Götterheiligtümer (IV 11) Götterheiligtümer am MardukOrt (IV 12)

Verschonung der auf Marduk Vertrauenden (IV 17) Bestrafung der Feinde (IV 18)

Zentrale Aufgabe Marduks: Mission gegen Tiāmtu

Marduks versprochene Macht

Marduk als Rächer (IV 13)

Marduks Waffen sollen unfehlbar sein/Marduk soll erfolgreich sein/Gewaltkompetenz (IV 16)

Marduk soll König über Alles werden (IV 14) Marduk soll eine hohe Position in der Götterversammlung einnehmen (IV 15)

Zu seinem Auftrag der Götterrettung kommt so nun noch hinzu: 1. Versorgung der Götterheiligtümer 2. Niederlassung der Götter an Marduks eigenem Göttersitz 3. Differenzierter Umgang mit den Göttern nach dem Grad der Schuld64 Diese drei Auflagen beziehen sich auf Marduks zukünftige Position als König, da alle drei das Königtum bereits voraussetzen. Die Versorgung stellt eine Herrschaftsaufgabe dar, da Rationen zugeteilt werden und die Bestrafung von Göttern erfordert, dass Marduk über den Bestraften steht. Schließlich unterstreicht die zweite Auflage die Bedeutung von Marduks zukünftigem Göttersitz in den Augen der Götter, so dass hier vermutlich bereits mitschwingt, dass es sich um den Königssitz handelt, an dem er ihnen erlauben soll, sich dort ebenfalls niederzulassen. Somit ergibt sich ein ausbalanciertes Modell aus gegenseitigen Pflichten für beide Seiten: Tabelle 24: Pflichten von Anšar-Göttern und Marduk Pflichten der Anšar-Götter Erhöhung Marduks zum Herrscher (inklusive höchster Festsprechungsmacht und Schöpfungskompetenz) gemäß der in seiner Forderung explizierten Prozedur (siehe § 6.3.1.)

Pflichten Marduks  Rettung der Götter  Götterversorgung  Einrichtung von Heiligtümern für die anderen Götter am Marduk-Ort  Strafmaß nach tatsächlicher Schuld

64 Dieses Motiv ist für das Verhältnis zwischen Göttern und Menschen auch aus anderen mythischen altorientalischen Texten bekannt (Atram. III vi 25, Gilg. XII 180) (WILCKE 2010, S. 17).

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Dementsprechend handelt es sich bei Marduks Erhöhung um ein Geschäft auf Gegenseitigkeit, das zwischen Marduk und den Anšar-Göttern abgeschlossen wird. Im Rahmen eines impliziten Erhöhungsvertrags werden die Pflichten für beide Vertragsparteien klar definiert. Durch die Verknüpfung von Marduks erster Erhöhung mit zusätzlich zu erfüllenden Auflagen, stellen die Götter Marduk keinen Blankoscheck aus, sondern haben die Möglichkeit, ihn auf sein Können hin zu testen. Damit verhindern sie einen solchen Fall wie der des Prätendenten Kingu, der sich als vollständig überfordert erweist, sein Amt auszufüllen und insbesondere als Heerführer von Tiāmtus Truppen scheitert (siehe § 3.11.4.). Zudem erhalten sich die Götter so auch die Möglichkeit, im Falle einer Nichterfüllung durch Marduk von ihren eingegangen Verpflichtungen zurückzutreten. Da der Vertrag in Gestalt eines Festsprechungsaktes geschlossen wurde, hat er höchste Bindungskraft für beide Parteien.65 Interessanterweise versucht Marduk nicht, seine neugewonnene Festsprechungsmacht zu verwenden, um den Vertrag zu seinen Gunsten zu ändern (siehe § 7.3.). Umfang von Marduks neuer Macht Eine besondere Schwierigkeit in der Interpretation des enūma eliš liegt in der Bestimmung von Marduks Macht nach der ersten Erhöhung. So wird er nach der Erhöhung als „König“ (šarru IV 28) bezeichnet und zuvor werden ihm verschiedene Herrschaftsabzeichen verliehen, beispielsweise:    

parak rubûti („Kultsockel des Fürstentums“ IV 1), ḫaṭṭu („Zepter, Keule“ IV 29), kussû („Thron“ IV 29) und palû („bal-Abzeichen“ IV 29).

Dieser Dreiklang ist eine für den Alten Orient typische Kombination an Abzeichen königlicher Herrschaft, welche erstmalig für den Herrscher Zimri-Lim von Mari66 belegt ist (CAD P 2005, S. 74). Zusätzlich wird ihm in Vers IV 8 die Macht verliehen, zu „erhöhen“ (šušqû) und zu „erniedrigen“ (šušpulu), wobei es sich aufgrund der textimmanenten Lexematik vermutlich um Ausdrücke für die Statusveränderung von Göttern handelt.67 Schließlich offenbart auch die Sternbilddemonstration eine symbolische Machtausübung über einen Gott (siehe § 5.1.2.2.). Nach dieser Befundlage erlangt Marduk im Zuge seiner ersten Erhöhung ein allumfassendes Götterkönigtum. Blickt man aber in den weiteren Verlauf des Textes, entdeckt man nicht nur zwei weitere Erhöhungen, sondern auch, dass sich in der Phase zwischen der ersten und der zweiten Erhöhung weder Verbeugungen vor Marduk noch Herrschaftsausdrücke 65

Somit stellt dieser implizite Vertrag eine Besonderheit dar, da Festsprechungsakte von ihrer Natur als autoritäre, deklarative Akte her unilateral sind (siehe § 5.3.3.). Im hier geschlossenen Vertrag verpflichten sich aber auch die Götter zur Erhöhung Marduks im Erfolgsfall, so dass er bilaterale Züge trägt. 66 Nach mittlerer Chronologie regierte er von 1773–1759 v. Chr. 67 Während das Lexem šapālu innerhalb des enūma eliš nicht mehr auftaucht, wird das Verb šaqû im Š-Stamm für verschiedene Erhöhungen von Göttern verwendet (I 148, 159, II 34, 45, III 38, 49, 96, 107, VI 105, 140).

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Kapitel 6: Aufstieg und Sukzession

mit den Göttern als Objekt wie beispielsweise šar ilānī („König der Götter“) oder šarrakun („euer König“) finden. Schließlich bezeichnet noch Marduk selbst den Gott Anšar gegenüber Tiāmtu als šar ilānī („König der Götter“ IV 83, siehe § 6.2.3.). Die Lösung für dieses uneinheitliche Bild muss in einer gewissen Differenz zwischen Marduks durch die erste Erhöhung verliehenem Status und Anšars Götterkönigtum, das dieser noch bis zum Kampf gegen Tiāmtu innehat (siehe § 6.2.3.), liegen. Stefan Maul und Annette Zgoll erklären diese Differenz durch eine zeitliche Beschränkung von Marduks Macht im Rahmen der ersten Erhöhung (siehe oben). Dazu passt, dass die übertragene Gewaltkompetenz zunächst auf die Rettermission beschränkt zu sein scheint. Die Versorgerrolle Marduks setzt aber eine Dauerhaftigkeit seiner Herrschaft voraus. Dies ließe sich dadurch erklären, dass im Aufstiegsvertrag bereits eine Entfristung für den Erfolgsfall angelegt ist, die Permanenz also als Konditional bereits Gegenstand des Vertrags ist, d.h. eine zeitliche Beschränkung mit möglicher Entschränkung. Er wird demnach als Diktator auf Zeit eingesetzt, wobei es noch Anšar als Götterkönig gibt. Dies würde aber noch nicht das Fehlen der definierten Herrschaftsbezeichnungen à la šar ilānī („König der Götter“) erklären oder das Fehlen von Verbeugungen vor Marduk. Hier hilft eine weitere Differenzierung des Machtbegriffs weiter.68 So kann man zwischen der Fähigkeit, etwas zu tun, (= Potenz) und der Erlaubnis, etwas zu tun, (= Befugnis) unterscheiden. So offenbart Marduk in der Sternbilddemonstration seine Potenz (Festsprechungsmacht im Sinne von Festsprechungspotenz), wonach er Götter vernichten kann. Zugleich haben die Götter durch den Aufstiegsvertrag einen engen Rahmen definiert, innerhalb dessen er seine Macht einsetzen darf, seine Macht erfährt eine Beschränkung des Befugnisbereichs. Dieser umfasst zunächst nur die Mission gegen Tiāmtu, welche in den Versen IV 13 und 16 angesprochen wird. Somit erhält Marduk durch den Abschluss des Aufstiegsvertrags eine sowohl zeitlich als auch befugnisbezogen beschränkte Herrschaft verliehen. Dieses Erklärungsmuster beschreibt einen stufenweisen Aufstieg Marduks, wonach verschiedene Schwellen definiert sind, an denen entweder die Götter oder Marduk vertraglich zu Leistungen verpflichtet sind. 1. Schwelle: Götter geben Marduk zeitlich und befugnisbezogen beschränkte Macht (= 1. Erhöhung). 2. Schwelle: Marduk besiegt Tiāmtu. 3. Schwelle: Götter heben Beschränkungen auf (= 2. Erhöhung, siehe § 6.3.3.).

68

Diese Unterscheidung ist im Sinne der Eigenbegrifflichkeit nach Benno Landsberger (siehe § 1.3.2.3.) durch eine Differenzierung von Max Weber inspiriert. So trennt er die Macht von der Autorität. Erstere beschreibt zunächst schlicht, seinen Willen innerhalb einer Gemeinschaft durchzusetzen auch über Widerstände hinweg und mittels beliebiger Mittel (1980, S. 28). Dagegen zeichnet sich Autorität dadurch aus, dass andere ein Mindestmaß eines „Gehorchen wollen“ mitbringen, wodurch diese Form sich als legitime Herrschaftsausübung versteht ( IBID, S. 122). Um jedoch die Aufladung dieser Begriffe zu vermeiden wurde ein ähnliches unterbestimmtes Konzept entwickelt, welches an den Text angelegt wird.

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4. Schwelle: Marduk erfüllt als Herrscher weitere Forderungen: a. Versorgung der Götterheiligtümer b. Niederlassung der Götter an Marduks eigenem Göttersitz c. Differenzierter Umgang mit den Feinden nach dem Grad der Schuld Dieses Muster erklärt den sukzessiven Aufstieg Marduks zum Götterherrscher, da jedes Erreichen einer der vereinbarten Schwellen mit einer Erhöhungsversammlung für Marduk von den Göttern positiv sanktioniert werden muss. Der Erhöhungsvertrag sieht damit einen Erhöhungsfahrplan vor; er definiert eine roadmap, die für Marduk die Grenzen des legitimen Machtgebrauchs (= Befugnis) stufenweise ausweitet beziehungsweise auflöst. Am Ende des Prozesses steht seine ewige Götterherrschaft in Verbindung mit seinen Aufgaben als Herrscher. Der unfertige Charakter der ersten Erhöhung wird auch vor dem Hintergrund der von Zafrira Ben-Barak (siehe oben) entwickelten Struktur deutlich. So fehlt insbesondere noch die Verbeugung der Würdenträger. Forderung und Erfüllung Abschließend soll ein Blick auf Verbindendes und Trennendes zwischen der ersten Erhöhung und Marduks Forderung geworfen werden, wobei mit dem Prozeduralen begonnen werden soll.       

Es findet eine Götterversammlung statt (Kriterium 1: erfüllt). Marduk (bzw. seine Festsprechungsmacht) wird erhöht (Kriterium 2: erfüllt). Es findet ein Festsprechungsakt für Marduk statt (Kriterium 3: erfüllt) Es wird kein Name vergeben (Kriterium 4: nicht erfüllt). Es wird kein Ort genannt (Kriterium 5: nicht (explizit) erfüllt). Die Götter agieren gemeinsam als Erhöhende (Kriterium 6: erfüllt). Die Götter sind freudig gestimmt (Kriterium 7: erfüllt).

Mit Blick auf die Kriterien 4 und 5 scheint es noch formale Punkte in Marduks Forderung zu geben, die von den Göttern bei Marduks erster Erhöhung nicht ausgefüllt werden. Anders sieht es inhaltlich aus, da Marduk höchste Festsprechungsmacht verlangte und diese eindeutig erhalten hat. Die Schöpfungskompetenz ist nicht explizit ausgedrückt, äußert sich aber in der Sternbilddemonstration und natürlich in Marduks Weltschöpfung nach dem Sieg über Tiāmtu und ihre Götter. Dabei fungiert die Sternbilddemonstration durch den Konnex von Vernichtung und Wiederherstellung als Modell für die Schöpfungen im Lied auf Marduk (SERI 2012, S. 11f., 17). Zuerst ermordet Ea Apsû, um ihn dann zu einem Weltenteil und zu seiner Wohnstatt zu machen, womit dieses Motiv erstmalig in den Text eingeführt wird (IBID, S. 25). Ähnlich wie der Apsû als Weltteil Vorbild für E-šara und Babylon ist, so ist die Tat an sich ein Muster für Marduks weitere Schöpfungen. Er erschlägt Tiāmtu und erschafft aus ihr den Kosmos. Schließlich entsteht auch der Mensch durch die Schlachtung des Gottes Kingu. Verbindet man diese Beobachtung mit der Distinktion von Claus Wilcke zwischen geschlechtlicher Götterentstehung und planerischer

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Kapitel 6: Aufstieg und Sukzession

Schöpfung (2007a, S. 37, 43), so wird das Material (Kingu) geboren und dann in einem zweiten Schritt planerisch umgestaltet.69 Zusammengefasst verbleibt ausgehend von Marduks Forderung mit Blick auf die verlangte Erhöhungsprozedur noch eine gewisse narrative Dynamik. Durch den Erhöhungsfahrplan im Zuge des Aufstiegsvertrags wurde diese sogar noch zusätzlich angereichert. 6.3.3. Marduks zweite Erhöhung – Erfüllung des Aufstiegsvertrags Ablauf der Erhöhung Die zweite Erhöhung beginnt mit dem Zusammenkommen der Götter, in dessen Kontext sich mit Anšar und Marduk der alte und der designierte Götterherrscher begegnen (V 79).70 Dem folgt eine semantische Einheit bestehend aus vier Zeilen:71 V 85

[pa]ḫrūma dIgigū kalîšunu uškinnūš

V 86

[d]⌈A⌉nunnakkī mala bašû unaššaqū šēpīšu [innendū]⌈ma⌉ puḫuršunu labāniš appa [maḫriš]u izizū iknušū annâma šarru

V 87 V 88

Alle Igigi waren versammelt und verbeugten sich vor ihm. Alle Anunnaki küssten seine Füße. Sie alle [versammelten sich], (um die Nase zu streichen =) um Unterwürfigkeit zu bezeugen. Sie stellten sich vor ihn, sie verneigten sich: „Hier: Der König!“

Der Beginn des ersten zitierten Verses zeigt eine Versammlung der Götter an, die den Rahmen für die weiteren Handlungen bildet. Durch die Ausdrücke kalîšunu (V 85), mala bašû (V 86) und puḫuršunu (V 87) wird betont, dass sich hier alle Götter versammelt haben. Vermutlich sind aber die Tiāmtu-Götter noch ausgenommen, da, wie die Verse V 77–84 nahelegen, hier nur die Anšar-Götter handeln. Zusätzlich fällt auf, dass in allen vier Zeilen jeweils eine Verbalkonstruktion zu finden ist, die eine Unterwerfung der Götter vor Marduk beschreibt (uškinnūš V 85, unaššaqū šēpīšu V 86, labāniš appa V 87, iknušū V 88). Nicht nur die hohe Detailgenauigkeit der Zeilen V 85–88 im Hinblick auf die Totalität der Götter und auf die Verbeugungen vor Marduk fallen auf, sondern auch der Umstand, dass dies die allerersten Verneigungen vor Marduk im gesamten Text sind. Dieses Faktum wiederum wird durch die umfangreiche Wortwahl, den ganzen Ablauf der Inthronisation mit Niederwerfen, Füße-Küssen, Nase-Streichen, Aufstellen, Verbeugen unterstri69 Dieses Modell repräsentiert eine mythische Ausdrucksweise, um radikale Umwandlungs- und Änderungsprozesse zu beschreiben. Da die mesopotamische Kultur stark traditionalistisch denkt und damit das Stabile als Ideal versteht, sind diese Beschreibungsmuster für eine weitergehende kulturwissenschaftliche Forschung von besonderem Interesse. 70 [Īd]iršumma Anšar LUGAL šulma ušāpīšu. Der genaue Bezug des in der Versmitte stehenden Sumerogramms LUGAL („König“) ist an dieser Stelle nicht eindeutig, da es eine Bezeichnung Marduks sein kann (so LAMBERT 2008, S. 50; IBID 2013, S. 103 und KÄMMERER, METZLER 2012, S. 237), eine Apposition zu Anšar oder durch die Konstruktion eines Apokoinu beides. Ebenso ist die Extension des Königamtes nicht offensichtlich, es kann sich um das (reduzierte) Königtum Marduks, das er im Rahmen der ersten Erhöhung erhalten hat, handeln, oder um das Götterkönigtum. 71 Da diese Verse V 85–88 nur auf dem Textvertreter HHuz erhalten sind, existieren keine abweichenden Schreibungen. Auch der in der Edition von Wilfred Lambert herangezogene Kommentartext BM 66606+72033 weist keine Varianten auf (2013, S. 102).

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chen und betont. Der Zielpunkt dieser vier Zeilen findet sich schließlich am Ende von Vers V 88, als die Götter ausrufen: „In der Tat, er ist König!“ (annama šarru). Der Ausruf steht parallel zur ersten Erhöhung als die Götter frohlocken: „Marduk ist König!“ (dMarūtukma šarru IV 28). Dennoch erhält er in der zweiten Erhöhung eine weitere Konnotation. Durch die doppelte Betonung der Verbeugung und der Totalität der Götter wird unterstrichen, dass sich hier alle Götter vor ihm niederwerfen. Da es sich um den ersten Akt dieser Art im Werk handelt, trägt er sicherlich performativen Charakter: Durch ihre Untergebenheitsgesten unterwerfen sich ihm die Götter. Daher ist es so wichtig, dass alle Götter diese Handlungen vor ihm durchführen (siehe § 7.4.). Spätestens hier wird Marduk also als ihr Herrscher eingeführt. Auch wenn im Ausruf in Vers V 88 kein rectum zu šarru genannt wird, wird hier nun deutlich, dass sich Marduks Königtum auch auf die Götter erstreckt. Nach vier fragmentarischen Zeilen legt Marduk verschiedene Herrschaftsinsignien an: V 93

[ūt]eddiqma [tēd]īq rubûti[šu]

V 94

[mel]amme šarr[ūti] agā rašubb[āti]

Er legte (dauerhaft) das Gewand seines Fürstentums, den Schreckensglanz des Königtums und die Krone des schrecklichen Auftretens an.

Diese Doppelzeile enthält zahlreiche Rekurrenzen zu den Versen I 67f., in denen beschrieben wird, wie Ea Apsû verschiedene Abzeichen nach dessen Ermordung wegnimmt (siehe § 6.1.) Die erste Wiederaufnahme bezieht sich auf die Wurzel √ʾdq (bspw. edēqu = „anziehen“), die nur dreimal im gesamten Werk verwendet wird. In den Versen I 68 und V 93 schreibt der Text das Verb edēqu jeweils im DPerfekt, wozu er in Zeile V 93 das Substantiv tēdīqu („(königliches) Gewand“)72 hinzufügt.73 Damit beschränken sich alle drei Verwendungen der Wurzel √ʾdq auf die Zeilen I 68 und V 93. Als zweites wird sowohl in I 68 als auch in V 94 das Lexem melammu („Schreckensglanz“) verwendet, wobei dieses Substantiv acht weitere Male im Text vorkommt.74 Schließlich finden sich in beiden Passagen die einzigen beiden Belege im enūma eliš für agû („aga-Krone; Corona“), bei denen es sich nicht um astrale Beschreibungen handelt.75 Diese starken Rekurrenzen zwischen beiden Doppelzeilen legen eine enge semantische Verknüpfung nahe. Die Insignien, die Ea Apsû weggenommen hat ((tēdiqu)76, melammu, agû), tauchen hier nun lexematisch wieder auf, wobei be72

Zu dieser Text-Ergänzung siehe vorangehende Anmerkung. Die Verbindung zwischen edēqu, tēdīqu und einer Herrschaftsbezeichnung findet sich auch in VAT 663 (= SBH VIII), einem spätbabylonischen rituellen Kalender aus Babylon, der den 10. Tag des akītu-Festes beschreibt (COHEN 1993, S. 449). Demnach wird Marduk beim Auszug aus der Stadt das tēdiq bēlūtīšu („Gewand seiner Herrschaft“ Z. ii 3) „angelegt“ (innandiq Z. ii 3) (CAD E 2004, S. 29). 74 Dabei handelt es sich um die Stellen I 103, 138, II 24, III 28, 86, IV 58 sowie V 101 und 154. Während sich I 138, II 24, III 28 und 86 auf die Monster der Tiāmtu beziehen, handelt es sich bei den anderen Verwendungen um Attribute Marduks. 75 Die Belege in V 14 und 17 beziehen sich auf die zu- und abnehmende Mondscheibe. 76 Dies gilt nur für den Fall, dass ipṭur riksīšu („er öffnete seine Verbindungen“) sich auf das Ausziehen eines Kleidungsstücks, speziell eines tēdiqu bezieht (siehe § 6.1.). 73

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Kapitel 6: Aufstieg und Sukzession

schrieben wird, dass Marduk sie erhält. Dabei ist es weniger wichtig, ob es sich um dieselben Abzeichen handelt, die Apsû weggenommen wurden und die Marduk nun erhält. Zentral ist vielmehr die Information, dass Marduk die gleiche Kombination an Abzeichen erhält, wie sie der erste Götterkönig trug. Somit explizieren die Verse V 93f., dass Marduk die Nachfolge von Apsû als Herrscher der Götter antritt. In einer leider nur bruchstückhaft erhaltenen Passage sind topographische Angaben enthalten. So findet der Vorgang „in den Quartieren [seines] Throns“ (ina emāši ašt[îšu V 104) und „in seiner Cella“ (ina simakkīšu V 105) statt. Möglicherweise handelt es sich hierbei um Orte im Apsû, wobei der Text an dieser Stelle leider keine weiteren Informationen liefert (siehe § 5.2.5.). Anschließend richten sich die beiden ältesten Götter Laḫmu und Laḫamu mit einer kurzen Rede an die versammelten Götter:77 V 109 V 110

pānama [Mar]duk māru narāmni inanna šarrakun qibītsu qālā78

„Früher war Marduk der Sohn, unser Liebling, jetzt ist er euer König. Achtet seinen Befehl!“

In diesen beiden Versen wird die Opposition früher – jetzt aufgemacht. Als Jüngerer („Sohn“) stand Marduk gemäß seiner Abstammung unter den Göttern, seinen Vorfahren. Als neuer Götterkönig wurde er aber nun aktiv über sie gestellt. Entsprechend findet sich in Vers V 110 erstmalig ein Herrschaftsausdruck Marduks mit einem rectum (-kun). Da der anschließende Imperativ die Götter auffordert, Marduks Anweisungen Folge zu leisten, werden sie hier auch erstmalig explizit unter seine Befehlsgewalt gestellt. Dies sind starke Indizien dafür, dass sich das Zeitwort inanna („jetzt“) auf die aktual stattfindende Götterversammlung bezieht und pānama („früher“) auf die Zeit vor der Götterversammlung. Marduks Herrschaft erstreckt sich erst ab diesem Zeitpunkt eindeutig auch auf die Götter, womit sein Befugnisbereich ausgeweitet wurde. Dieser Umstand korreliert mit der erstmaligen und vierfach betonten Unterwerfung aller Götter vor Marduk in den Zeilen V 85–88. Anschließend erhält Marduk zudem den sprechenden Namen Lugal-dimmer-an-kia(k) (V 112, siehe § 5.2.4.). Die Benennung und die erste Rede von Laḫmu und Laḫamu werden in der Formel šarrūta iddinū („sie gaben die Königsherrschaft“ V 113) zusammengefasst,79 woran sich eine dritte kurze Rede anschließt.80 V 115

ultu ūmē attā lū zāninu parakkīni

V 116

mimmû attā taqabbû i nīpuš nīni

„Ab heute sollst Du der Versorger unserer Kultsockel sein; alles, was Du, ja Du, befiehlst, wir, ja wir, wollen es tun!“

An diesen zwei Zeilen sind drei Umstände spannend. Als erstes fällt der Blick auf die Zeitangabe ultu ūmē („ab heute“ V 115). Da sie wie inanna („jetzt“) am Anfang 77

Zu diesem Doppelvers liegen keine abweichenden Schreibungen vor. Bei dem Imperativ qālā von qâlu handelt es sich um eine eigens vermerkte Abweichung vom zu erwartenden Imperativ qūlā (CAD Q 1995, S. 72). 79 Hierbei handelt es sich vermutlich um eine Rekurrenz zu IV 14: i niddinka šarrūtum kiššat kal gimrēti („Lass uns Dir die Königsherrschaft über die ganze, gesamte Welt geben!“). 80 Zu abweichenden Schreibungen siehe § 4.2.2.1. 78

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der Zeile steht, liegt eine gewisse Parallelität nahe, so dass sich der Befund verstärkt, dass hier Eigenschaften beschrieben werden, die Marduk erst im Rahmen der laufenden Götterversammlung erhält. Dies lenkt den Fokus auf die inhaltliche Dimension der Erhöhung und damit zunächst zum zweiten Punkt, der Eigenschaft als zāninu („Versorger“ V 115). Während im Rahmen der ersten Erhöhung abstrakt von der notwendigen Versorgung (zanānūtu IV 11) der Götterheiligtümer gesprochen wurde,81 wird Marduk hier nun konkret in die Funktion des Versorgers gesetzt. Da die Rolle als zāninu die Einteilung von Pfründen an die Götter beinhaltet, braucht sie Herrschaft über die Götter. Versorger ist er aber erst „ab heute“ (ultu ūmē). Als dritter Punkt fällt auf, dass ein zweites Mal Marduks Befehlsgewalt über die Götter expliziert wird. Möglicherweise bezieht sich auch Vers V 116 auf die zuvor gemachte Zeitangabe (ultu ūmē), was ein weiterer Hinweis für die These wäre, dass Marduk erst hier zum Götterkönig wird. Schließlich findet sich direkt im Anschluss an die Götterrede Marduks Idee von Babylon, womit er seinen ersten Auftrag an die Götter erteilt. Umfang von Marduks neuer Macht Während bei der ersten Erhöhung noch jegliche Unterwerfungsgesten der Götter unter Marduk, Befehle von Marduk an die Götter oder auch Herrschaftsbezeichnungen mit der Nennung der Götter als Beherrschte fehlten, treten sie nun im Rahmen der zweiten Erhöhung gehäuft und teils detailreich beschrieben auf. Die Götter verbeugen sich vor ihm, unterwerfen sich seiner Befehlsgewalt, nennen ihn Lugaldimmer-an-kia(k) und šarrakun. Zugleich erhält er „ab heute“ (ultu ūmē) das Amt des zāninu, das Götterherrschaft implizit voraussetzt. Blickt man nun auf den Erhöhungsvertrag zurück (siehe § 6.3.2.), so zeigt sich, dass Marduk seine erste Aufgabe erfüllt hat, indem er Tiāmtu und ihre Verbündeten besiegt hat. Somit sind nun die Götter am Zug, die Marduk nun explizit zu ihrem Herrscher einsetzen. Im Zuge der zweiten Erhöhung fallen die ausführlichen Beschreibungen seines Götterkönigtums auf, wobei durch die zeitlichen Ausdrücke (inanna „jetzt“, ultu ūmē „ab heute“) unterstrichen wird, dass hier etwas Neues einsetzt. Demnach wird Marduks Befugnis – d.i. der Bereich seiner legitimen Machtausübung – von der Mission gegen Tiāmtu und der Schöpfungskompetenz auf die Götter ausgeweitet und zugleich zeitlich entgrenzt. Marduks Götterkönigtum ist aber mit der Aufgabe verknüpft, auch die zusätzlichen Götterforderungen zu erfüllen. Am deutlichsten wird dies am Amt des zāninu, womit eine besondere Vollmacht (Zuteilung der Pfründe), aber eben auch die Pflicht der Versorgungssicherung verbunden ist.82 Somit werden an der zweiten Erhöhung auch die im Vertrag fixierten Gegenleistungen Marduks als Götterherrscher deutlich: a. Die Versorgung der Götterheiligtümer. 81

Wilfred Lambert führt gegen diese Form an, dass sie kaum belegt und grammatikalisch korrupt sei, dass an dieser Stelle eigentlich zāninūtu (wie in VI 110) stehen sollte (2013, S. 474). An dem Befund (Abstrakta vs. Konkreta) ändert dies jedoch nichts. 82 Auf den Rückgriff auf die erste Erhöhung (speziell IV 11), in der Marduk sich zur Versorgung der Götter verpflichtet, weist auch Wilfred Lambert hin (2013, S. 455).

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b. Die Niederlassung der Götter an Marduks eigenem Göttersitz. c. Ein differenzierter Umgang mit den Feinden nach dem Grad der Schuld. Interessanterweise handelt es sich dabei genau um die Themen, die in der Ringstruktur verhandelt werden (siehe § 4.2.2.). Im äußersten Ring werden die Erbauung Babylons und damit die Einrichtung der Heiligtümer für alle Götter am Marduk-Ort verhandelt. Der mittlere Ring thematisiert die Erschaffung des Menschen und die damit garantierte Versorgung der Götter. Im Kern wird schließlich das Recht als differenziertes Bestrafungssystem etabliert, indem die Schuld Kingus durch ein Gerichtsgremium festgestellt wurde. Wendet man auf die zweite Erhöhung Marduks das Schema von Zafrira Ben-Barak an (siehe § 6.3. Forschungsstand), so erfüllt sie alle Kriterien einer Inthronisation. Der Einberufung entsprechen das Zusammenkommen der Götter, ihre Geschenke für Marduk und ihr Jubel (V 77–82). Die Inthronisation der Installationszeremonie deutet sich in den Lexemen emāšu („Thronraum“) und aštû („Thron“) in der fragmentarischen Zeile V 104 an. Die entsprechende Übergabe der Herrschaftsabzeichen findet sich in den vorangehenden Zeilen V 93–100. In Marduks Cella kommen die Götter schließlich zusammen (V 105f.), was den „Würdenträgern von Akkade“ entspricht. Die letzte Phase ist die Akklamation des neuen Herrschers, welche sich in den Reden von Laḫmu und Laḫamu (V 109f.) und der versammelten Götter (V 112 und 115f.) manifestiert. Somit entspricht die zweite Erhöhung der von Zafrira Ben-Barak rekonstruierten klassischen mesopotamischen Herrscherinstallation, so dass hier eine mögliche menschliche Parallele endet. Forderung und Erfüllung Abschließend soll die zweite Erhöhung auf die in Marduks Forderung genannten prozeduralen Kriterien hin befragt werden: Es findet eine Götterversammlung statt (Kriterium 1: erfüllt). Marduk wird erhöht (Kriterium 2: erfüllt). Es wird kein Festsprechungsakt genannt (Kriterium 3: dennoch erfüllt) Es wird ein Name vergeben (Kriterium 4: erfüllt). Es werden Orte genannt,83 aber nicht Ubšu-ukkinakku (Kriterium 5: nicht erfüllt).  Die Götter agieren gemeinsam als Erhöhende (Kriterium 6: erfüllt).  Die Götter sind freudig gestimmt (Kriterium 7: erfüllt).     

Kriterium 3 wird nicht explizit erfüllt, was aber auch nicht notwendig ist. Erstens reicht möglicherweise der Festsprechungsakt im Rahmen der ersten Erhöhung, da in ihr der Aufstiegsvertrag implizit definiert wurde und somit weitere Festsprechungsakte nicht zwingend erforderlich sind. Zweitens kann die Handlung der zweiten Erhöhung anhand der Kriterien für Festsprechungsakte (siehe § 5.1.1.2.) als ein solcher identifiziert werden.

83 Ina emāši ašt[îšu („in den Quartieren [seines] Throns…“ V 104), ina simakkīšu [ („in seiner Cella …“ V 105).

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Da Marduk in seiner ersten Erhöhung bereits Festsprechungsmacht und Schöpfungskompetenz84 erhielt, ist seine Forderung inhaltlich bereits erfüllt. Durch die Erhöhung zum Götterherrscher erstreckt sich die Befugnis, seine Festsprechungsmacht einzusetzen, auch über die Götter. 6.3.4. Marduks dritte Erhöhung – der ewige, bedingungslose Treueeid In der Ringstruktur, die auf die zweite Erhöhung folgt, erfüllt Marduk die weiteren Auflagen des Erhöhungsvertrags, die mit seiner Herrschaft verbunden wurden: Er regelt die Versorgung der Heiligtümer,85 lässt die anderen Götter sich in Babylon installieren und geht rechtlich-differenzierend mit seinen Feinden um.86 Somit erschafft er Rahmenbedingungen, die die dauerhafte Umsetzung der Auflagen garantieren. Anschließend schließen die Götter in Gestalt eines bedingungslosen Treueeids einen neuen Vertrag mit Marduk ab, was seine dritte Erhöhung darstellt. Tabelle 25: Forderungen der Götter und ihre Erfüllung durch Marduk Forderung Abwendung der existentiellen Gefahr durch Tiāmtu Versorgung der Götterheiligtümer Niederlassung der Götter an Marduks eigenem Göttersitz Differenzierter Umgang mit den Feinden nach dem Grad der Schuld

Erfüllung Tötung der Tiāmtu und Gefangennahme ihrer Verbündeten Erschaffung der Menschen, die die Götterversorgung übernehmen Götter dürfen ihre eigenen Kultsockel in Babylon errichten. Kingu wird als Sündenbock verurteilt und hingerichtet. Die übrigen Tiāmtu-Götter werden vollständig reintegriert. Recht als Vehikel der Gerechtigkeit wird gesetzt.

Ablauf der Erhöhung Die dritte Erhöhung Marduks gehört zum Schwellenteil und damit zu den verschiedenen Bestätigungen und Fixierungen, die in diesem durchgeführt werden. Nach einer feierlichen Zusammenkunft in Babylon mit einem einleitenden Festbankett (siehe § 4.4.1.1.), der dauerhaften Implementierung der räumlichen und hierarchischen Götterordnung (siehe § 4.4.1.2.) und der Benennung von Marduks Bogen (siehe §§ 4.4.1.3. und 5.2.10.), stellt Anu in der Götterversammlung einen kussê šarrūti auf (VI 93) (siehe hierzu auch § 4.4.1.4.).87 VI 92 84

ultu šīmāti ša qašti išīmu dAnum

Nachdem Anu die Festsprechungen für den Bogen vorgenommen hatte,

Durch die Weltschöpfung ist diese auch bereits eindrucksvoll in Erscheinung getreten. Die Lösung dieser Herausforderung durch die Menschenschöpfung ist lexematisch und konzeptionell eng mit der Sternbilddemonstration in Marduks erster Erhöhung verbunden, so dass Kingus Hinrichtung möglicherweise ein direkter Auftrag der Götter war (siehe § 5.1.2.2.). Da man hier aber zwischen narrativer Ebene und der Absicht der Charaktere unterscheiden muss, lässt sich eine Intention nicht sicher greifen. 86 Die Erfüllung der Auflagen stellt eine „rite of passage to obtain kingship“ (SERI 2012, S. 12) dar. 87 Zu den abweichenden Schreibungen dieser Zeilen siehe § 4.4.1.4. 85

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Kapitel 6: Aufstieg und Sukzession

VI 94

iddima kussê šarrūti ša ina ilānī šaqâta d Anum ina puḫri ilānī šâšu ultēšibši

VI 95 VI 96

ipḫurūnimma ilānū rabûtu šīmat dMarūtuk ullû šunu uškinnū

VI 97 VI 98

uzakkirū ana ramānīšunu ararru ina mê u šamni itmû ulappitū napšāti

VI 99

iddinūšumma šarrūt ilānī epēša

VI 100

ana bēlūt ilānī ša šamê u erṣetim šunu uktinnūšu

VI 93

stellte er den Thron der Königsherrschaft, der unter den Göttern hoch ist, auf. Anu ließ (ihn = den Thron) für ihn, ja ihn (=Marduk), in der Versammlung der Götter stehen. Die Großen Götter versammelten sich und sie, ja sie, erhöhten die Festsprechung für Marduk, sie (ja sie) verbeugten sich. Sie verfluchten sich selbst, durch Wasser und Öl schwuren sie und fassten sich an die Kehlen. Sie gaben ihm das Ausüben der Königsherrschaft über die Götter, für die Herrschaft über die Götter des Himmels und der Erde machten sie, ja sie, ihn dauerhaft.

Der Erhöhungsakt selbst umfasst dabei drei Instrumente, die zum Einsatz kommen. Als erstes erhöhen die Götter die Festsprechung für Marduk (VI 96a). Hierdurch greifen sie auf den Festsprechungsakt als Vehikel der dauerhaften Festsetzung zurück. Zum anderen wird durch den Teilvers deutlich, dass Marduks bisheriger Macht noch etwas hinzugefügt wird; sie wird „erhöht“ (ullû VI 96a).88 Zweitens bezeugen die versammelten Götter ein weiteres Mal ihre Unterwerfung (VI 96b). Durch das Verb šukênu rekurriert dieser Satz auf die zweite Erhöhung Marduks, wo der Unterwerfungsakt vierfach umschrieben wird (V 85–88). Hierdurch wird die performative Dimension der dortigen Handlung wieder aufgegriffen. Die Götter unterwerfen sich Marduk, indem sie ihre Untergebenheit demonstrieren. Inhaltlich offenbart sich in der Darstellung von Marduks Götterherrschaft in den Versen VI 99f. keine Differenz zur zweiten Erhöhung Marduks (siehe § 6.3.3.). Lediglich die Ewigkeit der neuen Vereinbarung deutet sich in dem Lexem kânu („dauerhaft sein“ VI 100) an. Durch die auf die dritte Erhöhung folgende Benennung als Asalluḫi, wird Marduks neuer Status auch durch einen Namen umschrieben (VI 101). Zugleich ersetzt er dadurch auch den alten Götterkönig Anšar, da Asalluḫi auch als Erweiterung des Namens Anšar gelesen werden kann (siehe § 5.2.5.). Da Anšar selbst ihm diesen Namen verleiht, dankt er spätestens hier ab,89 wodurch endgültig unterstrichen wird, dass Marduks Götterherrschaft eine legitimierte, dauerhafte Einrichtung ist. Umfang von Marduks neuer Macht In der Prozedur der dritten Erhöhung Marduks zeigt sich die Qualität der neuen Vereinbarung, die zwischen Marduk und den Göttern abgeschlossen wird. So schwören die Götter Marduk einen Treueeid (VI 97f.), der damit ein neues Vertragsverhältnis zwischen Marduk und den Göttern etabliert. In den begleitenden Handlungen offenbart sich eine neue Radikalität: Die Götter verfluchen sich selbst und packen ihre eigenen Kehlen. Das Lexem napištu steht nicht nur für die Kehle, 88

Worin diese Erhöhung besteht, siehe folgendes Unterkapitel. Der Akt der Selbstunterwerfung drückt sich insbesondere auch in dem Kohortativ des Verses VI 102 aus, als er sich an die versammelten Götter mit den Worten richtet: ana zikrīšu qabê i nilbin appa („Um (ihm) seinen Namen zu geben, lasst uns niederwerfen!“). 89

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sondern auch für den Atem, der durch sie fließt und damit für das Leben. Durch den Treueeid haben sich die Götter auf Leben und Tod Marduk unterworfen. Durch eine Betrachtung der verwendeten Lexematik wird deutlich, dass diese dritte Erhöhung weit über eine typische Inthronisation hinausgeht. So findet sich der einzige weitere Beleg für die Wurzel √ʾrr (bspw. arāru = „verfluchen“) im Sinne einer Selbstverfluchung in adê-Verträgen90 (CAD A2 2004, S. 236; siehe auch WATANABE 1987, S. 28, 146f.; LAMBERT 2013, S. 479). Das Fassen (lupputu VI 98) der eigenen Kehle findet sich ansonsten nur noch in Mari-Briefen im Zuge eines Eides (LAMBERT 2013, S. 479). Dass sich Untertanen mit ihrem Leben dem neuen Herrscher ausliefern, ist in dieser Form aber aus den überlieferten mesopotamischen Inthronisationen nicht bekannt (siehe bspw. BEN-BARAK 1980, S. 56–59). Dieser Befund macht deutlich, dass in der letzten Erhöhung Marduks der übliche Grad einer Herrscherinstallation überschritten wird. An dieser Stelle geht es um die Macht über Leben und Tod, die bereits zuvor thematisiert wurde. So zeigt sie sich in der Sternbilddemonstration nur in ihrer Potenz (siehe §§ 5.1.2.2. und 6.3.2.), um dann in der Hinrichtung Kingus als Befugnis aufzutreten. In diesem Falle stellt Marduk einen besiegten Feind vor ein Gericht, um ihn seiner Strafe zuzuführen, die Kingu stellvertretend für die anderen Tiāmtu-Götter auferlegt bekommt (siehe § 4.2.2.3.). Das Gremium der Großen Götter fällt den Urteilsspruch, Ea führt die Strafe aus. Wenn sich nun die Großen Götter im Zuge der dritten Erhöhung selbst verfluchen, so sprechen sie ein weiteres Todesurteil aus, das nun aber prophylaktisch ist und sich auf sie selbst bezieht. Während in üblichen Fluchformeln aus Verträgen zwischen Menschen die Schwurgötter als Garantieinstanz für die vereinbarte Verpflichtung der Vertragsparteien eintreten und Unheil im Falle des Vertragsbruch androhen, wird dieses Verhältnis nun reflexiv: Die Götter treten als Garantiemacht dafür auf, dass sie selbst bestraft werden, sollten sie Marduk gegenüber untreu werden. Hier wird Marduk der Riege der Großen Götter nun endgültig entrückt. 1. Marduk ist für den Erhalt seiner Herrschaft nur noch dafür erforderlich, Normen und Verstöße zu definieren. Die Sanktionierung eines jeglichen Fehlverhaltens erfolgt durch die Untergebenen, die somit sein Königtum garantieren.

90 Bei adê handelt es sich nicht um Staats- oder Vasallenverträge, sondern um einen Eid zu den Göttern, der ein Verpflichtungsverhältnis zwischen Eidleistendem und Schwurgöttern etabliert. Dieses Instrument kommt stets in politischen-offiziellen Kontexten zum Zuge, wie beispielsweise bei der Klärung der Nachfolgefrage des neuassyrischen Herrschers Asarḫaddon, der durch einen adê-Vertrag die Würdenträger und Vasallen des Landes den beiden Kronprinzen Treue schwören lässt (WATANABE 1987, S. 24f.). Dies ist besonders vor dem Hintergrund spannend, dass die beiden Kronprinzen nicht erstgeborene Söhne sind, sondern weiter hinten in der Thronfolge stehen und somit besonders legitimiert werden müssen. Hierin zeigt sich eine leichte Parallele zu Marduk im enūma eliš, auch wenn die dritte Erhöhung am Ende seines Aufstiegs steht und keine Absicherung seines Status‘ als Kronprinz darstellt.

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Kapitel 6: Aufstieg und Sukzession

2. Indem die Götter ein konditionales Todesurteil über sich selbst aussprechen, geben sie sich vollständig als selbständige Personen auf, da sie nur noch als Untertanen Marduks existieren können. Ein Leben der Großen Götter jenseits von Marduk ist nicht mehr möglich.91 Diese doppelte Stoßrichtung des Treueeids der dritten Erhöhung befördert die qualitative Differenz zwischen Marduk und den Göttern, aus deren Mitte er erhöht wurde. Während er als König seine Herrschaft gar nicht mehr selbst durchsetzen muss, ist Existenz der Götter untrennbar mit ihm und seinem Königtum verbunden. Durch diese spezielle Form der Selbstaufgabe wird ein Schritt in Richtung Henotheismus getan, da die Götter aufhören, als eigenständige Wesen zu existieren, womit die dritte Erhöhung – entsprechend ihrer Zugehörigkeit zum Schwellenteil (siehe § 4.4.) – ein Zwischenschritt zwischen seiner Inthronisation als Götterkönig und der abschließenden Verleihung der 50+2 Namen darstellt (siehe § 6.3.5.). Forderung und Erfüllung Abschließend wird untersucht, inwiefern Marduks prozeduralen Forderungen durch die dritte Erhöhung erfüllt wurden. Es findet eine Götterversammlung statt (Kriterium 1: erfüllt). Marduk wird erhöht (Kriterium 2: erfüllt). Es findet ein Festsprechungsakt statt (Kriterium 3: erfüllt) Es wird ein Name vergeben (Kriterium 4: erfüllt). Babylon und Esaĝila werden als Orte genannte, in ihnen liegt Ubšu-ukkinakku (Kriterium 5: vermutlich erfüllt).  Die Götter agieren gemeinsam als Erhöhende (Kriterium 6: erfüllt).92  Die Götter sind freudig gestimmt (Kriterium 7: erfüllt).     

Im Rahmen der dritten Erhöhung wurde damit von Seiten der Götter alles umgesetzt, was sich Marduk gewünscht hat. Nur der Ort des Geschehens ist nicht eindeutig. So wird am Anfang der Versammlung der paramāḫu genannt (VI 70), der in der Cella im Esaĝila stand (PONGRATZ-LEISTEN 1994, S. 50). Erst später, bei der Verleihung der 50 Namen, wird der Ubšu-ukkinakku endlich genannt (VI 162, siehe § 6.3.5.). Dabei handelt es sich ebenfalls um einen Ort im Esaĝila (GEORGE 1992, S. 288f.). Nach Aussage von Vers VI 162 tauschen sich die Götter in Ubšuukkinakku aus,93 was ein Indiz dafür sein kann, dass sich die Götter bereits dort befinden. Ein Ortswechsel wird zumindest nicht explizit angezeigt. Somit wären nach diesem Erkenntnisstand tatsächlich alle prozeduralen Forderungen Marduks durch diese letzte Erhöhung erfüllt. 91 Dies setzt implizit die Göttlichkeit Marduks voraus, die damit verbunden ist, dass er nicht eines natürlichen Todes sterben, sondern nur getötet werden kann. Da letztere Option aber die automatische Vernichtung der Täter und ihrer Verbündeter zur Folge hätte, würden sie mit Marduk aufhören zu existieren. 92 Marduk richtet seine Forderung zwar situationsbedingt an die Anšar-Götter, dennoch ist der Umstand nicht unbedeutend, dass in der letzten Götterversammlung die Großen Götter als Gremium der wiedervereinigten Götterschaft agieren. 93 Ina Ubšu-ukkinakki uštaddinū šunu milkātsun („in Ubšu-ukkinakku tauschten sie, ja sie, die Götter, ihren Rat miteinander aus“).

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Inhaltlich hatte Marduk bereits spätestens mit der zweiten Erhöhung alles bekommen, was er verlangt hat. Durch den neuen Vertrag zwischen ihm und den Göttern, den Treueeid, wurde er ihnen weiter entrückt und seine Herrschaft zusätzlich stabilisiert. 6.3.5. Niederschrift und synkretistische Namensgebung 50+2 Namen und ihre Niederschrift Durch die Initiative von Anšar, Laḫmu und Laḫamu wird Marduks Macht weiter ausgeweitet und mit weiteren Namensgebungen verbunden. Dabei bestehen die ersten neun Namen aus bereits verliehenen Namen und ihren Variationen (siehe § 5.2.6.), denen weitere 41 Namen folgen. Zumindest die letzten 41 Namen werden sicher in Ubšu-ukkinakku verliehen (VI 162), so dass bei strengster Auslegung des Vertrags Marduks Forderung erst hier erfüllt wäre. Dieser Befund wird durch die Rekurrenz des Verbs nabû („(be)nennen“) in syntaktischer Verbindung mit dem Substantiv šīmtu („Festsprechung(smacht“) unterstützt, welche sich nur in Marduks Forderung (II 158) und hier (VI 165) findet. Dieses Ergebnis wird durch den Umstand abgeschwächt, dass Vers VI 165 mit Blick auf das Prädikat eine große Variation aufweist (siehe § 5.2.7.).94 Die Anzahl 50 der Benennungen für Marduk spielt zum einen auf Enlil an,95 zum anderen umfasst auch die Gruppe der Großen Götter 50 Gottheiten. Da Namensgebungen Machtabtretungen sein können (siehe §§ 5.2.4., 5.2.5., 5.2.8 und 5.2.9.), überträgt daher möglicherweise auch das Gremium der Großen Götter seine Kompetenzen auf Marduk, wodurch es sich selbst abschaffen würde. Dazu passt, dass die 50 Großen Götter Marduk genau (!) 50 Namen verleihen.96 Entscheidend an dieser Stelle ist die gleiche Anzahl der gegebenen Namen und der Mitglieder der Großen Götter. Die transferierten Namen selbst hingegen sind sicher nicht identisch mit den Namen der Großen Götter, was beispielsweise am Namen Nēberu deutlich wird, der traditionell dem Marduk-Planeten zugeordnet ist und damit originär zu Marduk gehört.97

94

In der Zeile VI 166 fällt schließlich noch eine weitere Formulierung auf. Die Verleihung der folgenden Namen erfolgt nämlich ina mēsī nagbašunu („mittels aller kultischen Riten/Rituale“). Der besondere Fokus auf korrekt eingehaltene Formalität war schon bei der Analyse des Schwellenteils ins Auge gestochen (siehe § 4.4.3.). Hier findet sie nun ihren Zielpunkt, denn durch die Durchführung aller Riten werden alle formalen Vorgaben eingehalten und so wird dem Akt höchste Bedeutsamkeit verliehen. In der Formel ina mēsī nagbašunu verbirgt sich somit der Superlativ an legitimierender Macht der durchgeführten Handlungen und damit der Superlativ an legitimierter Macht, die übertragen wird (siehe auch Kapitel 7.). 95 Siehe § 4.3.2. Anm. 160 und LAMBERT 2013, S. 134f. 96 Hierzu passt auch das zweifache Apokoinu in den Zeilen VII 143f., durch welches die Zahl 50 sowohl auf die 50 Sprechakte und Namen als auch auf die 50 Großen Götter als Handlungsträger bezogen werden kann (siehe auch § 4.3.2.). 97 Der einzige Name eines anderen Hochgottes innerhalb der 50 Namen ist Adad, wobei der Wettergott im enūma eliš kein einziges Mal als Person aufscheint. Vielmehr übernimmt Marduk im Vorfeld des Kampfes und im Zuge seiner Schöpfung Aspekte und Funktionen des Wettergottes (siehe §§ 3.11.2. Anm. 151, 3.12.6, 3.12.9. Anm. 193).

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Kapitel 6: Aufstieg und Sukzession

Die 50 Namen transferieren zudem die in ihnen beschriebenen Eigenschaften auf Marduk, beziehungsweise verbinden diese auf ewig mit dem neuen Namensträger. Somit sind sie eine Sammlung von wahren Aussagen, die über Marduk getätigt werden können. Im Anschluss übertragen auch Enlil und Ea durch Namensgebungen eigene Kompetenzen an Marduk, womit er auch ihre spezifischen Rollen noch übernimmt. Während der Akt der Namensgebung mündlich erfolgt (siehe § 5.2.), liegt der Schlüssel für das Verständnis der Namen auf der Schriftebene, weshalb diese bei der Ausformulierung der 50 Marduknamen so wichtig ist. Die Betonung der Schriftlichkeit wird insbesondere durch den listenartigen Charakter der Namensaufzählung erlangt, bestehend aus der Nennung des Namens und einer folgenden Ausdeutung des Namens (siehe § 5.2.6.), wodurch auf zweispaltige Götterlisten rekurriert wird (SERI 2006, S. 509f.). Insofern dient die Aufzählung der 50 Namen zugleich auch als ihre Niederschrift, womit sie dauerhaft festgehalten werden und für die keilschriftschauliche Ausdeutung durch die Menschen zugänglich werden (siehe § 5.3.3.). Henotheismus durch Namensgebung Indem Marduk Namen von bereits existierenden Göttern erhält, übernimmt er ihre Funktionen. Die Einzelgötter und die Gruppe der Großen Götter bleiben zwar weiterhin existent,98 doch spielt nur noch Marduk eine wesentliche Rolle. Die Tendenz, die sich bereits in der dritten Erhöhung andeutet (siehe § 6.3.4.) wird nun fortgeführt, da die Götter nun nicht nur als Untertanen Marduks existieren können, sondern sogar ein Teil von ihm werden beziehungsweise er deren Funktionen (und Namen) übernimmt.99 Dieser Synkretismus wurde in der bisherigen Forschung bereits umfangreicher diskutiert, wobei die jeweiligen Sichtweisen divergieren. Dass es sich im Werk vermutlich nicht um eine streng genommen monotheistische Tendenz handelt, betonte erstmalig Anton Deimel (1934, S. 75f.). Jean Bottéro und Samuel N. Kramer sehen an dieser Stelle eindeutige henotheistische Strömungen (1989, S. 675; ebenso BOTTÉRO 1998, S. 122f.). Wilfred Lambert wiederum vertrat zunächst die These, dass bei Marduk monotheistische100 beziehungsweise pantheistische Ansätze zu finden seien, wobei er sich auf eine dreispaltige Götterliste (CT 24 50 = BM 47406) und eine Marduk-Hymne (KAR 25) berief (1964, S. 4f.). Später spezifizierte er dann aber, dass die Verschmelzung von Namen vielleicht auf gelehrter theologischintellektueller Ebene ein Aufgehen der einen Gottheit in der anderen bedeutet, dies aber keinen Einfluss auf den Kult und das allgemeine Verständnis der Bräuche habe (1997b, 159). Auch Manfred Krebernik sieht im Alten Orient allgemeine monistische Tendenzen, die teils „monotheistisch interpretierbar“ sind, doch fänden sich 98

So wird auch nach der Namensgebung noch von Göttern gesprochen (VII 143, 149 und 159). In einer intertextuellen Perspektive ersetzt Marduk nicht nur die Götter, deren Namen er erhält, funktional, sondern auch den Gott Ninurta, dessen Rolle er durch den Kampf gegen Tiāmtu übernimmt und worin Ninurtas Kämpfe gegen unterschiedliche Monster gespiegelt wird (L AMBERT 1986, S. 60). 100 Auf diese bezieht sich auch VANSTIPHOUT 1992, S. 49. 99

6.3. Marduk als letzter und ewiger Herrscher

351

selbst in der Spätzeit des Alten Orients noch eindeutig polytheistische Quellen (2002b, S. 46f.; ebenso: VON SODEN 1985, S. 14). In diese Richtung geht auch die These von Paul-Alain Beaulieu, wonach es bei den 50 Namen weniger um eine Absorbierung anderer Götter ginge, sondern um die Darstellung der zahlreichen Facetten Marduks (1995, S. 189). Auf eine andere Textstelle verweist Manfried Dietrich, der monotheistische Tendenzen unter anderem an den Versen IV 11f. festmacht, wonach die Götter hier auf ihre eigene Versorgung verzichten, so dass sich textimmanent der Kult lediglich auf Marduk konzentriere (2006, S. 146f.). Andererseits sei der textexterne Kult eindeutig polytheistisch geprägt (IBID, S. 151f.). Auch Thomas Kämmerer formuliert angelehnt an Manfried Dietrich (2006) und Oswald Loretz (1997, S. 33–38) Vorbehalte dagegen, in den Text monotheistische Tendenzen hineinlegen zu wollen (2011, S. 80). Blickt man in den Kommentartext K 3476 zum akītu-Fest, so zeigen sich hier noch deutlich stärker ausgeprägte henotheistische Tendenzen in der Ausdeutung der Kulthandlungen als im Text des enūma eliš selbst (ZGOLL 2006a, S. 68). Anhand der textimmanenten Analyse speziell der Übertragung des Namens Ea an Marduk wird deutlich, dass zumindest die Hypothese von Paul-Alain Beaulieu zu stark ist, dass die 50+2 Namen nur Aspekte von Marduk beschreiben, denn es findet tatsächlich eine funktionale Ersetzung Eas durch Marduk statt (siehe § 5.2.9.). Andererseits zeigt sich auch, dass die Götter als Instanz noch erhalten bleiben. So werden sie als Namensgeber und damit als Subjekte noch in Vers VII 144 und später auch als potentiell handelnde Instanzen in den Zeilen VII 152 und 154 angeführt. Abschließend erwähnt der Text die Igigi in Vers VII 159 als diejenigen, die Marduk erhöht haben. Diese Selbstunterwerfung sollen sie nicht nur in Erinnerung behalten, sondern immer wieder neu vollziehen, wenn sie Opfer von den Menschen erhalten, so dass jedes Opfer für einen beliebigen Gott immer auch eine Tat für Marduk ist (siehe auch § 2.2.3.8.). Hierdurch wird eindrücklich deutlich, dass am Ende des Textes in kultischer Hinsicht zwar weiterhin viele Götter existieren, doch alles – auch das Opfer für andere Götter – am Ende auf Marduk hinausläuft. Die Götter treten klar hinter Marduk zurück, der der einzig entscheidende Gott wird, da er über allen Götter steht und sich kein Gott ihm in den Weg stellen kann (bspw. VII 151–154, siehe § 2.2.3.6.). Wenn nun auch die 50 Großen Götter durch die 50 Namen ihre Kompetenzen auf Marduk übertragen, so steht Marduk selbst über dieser Instanz, die sich damit selbst funktional überflüssig gemacht hat. Die Götter bleiben als handelnde Wesen bestehen, doch durch die Namenstransfers durch die ursprünglichen Namensträger (Anšar,101 Enlil,102 Ea103 und die 50 Großen Götter104) gehen ihre Funktionen auf Marduk über, so dass Marduk sie

101

Er gibt den Namen Asalluḫi, der seinen eigenen Namen enthält und erweitert (siehe § 5.2.5.). Er verleiht Marduk den Namen Bēl mātāti, der textextern ein Enlil-Epitheton ist (siehe § 5.2.8.). 103 Er benennt Marduk nach sich selbst und überträgt ihm dabei explizit seine eigenen Funktionen (siehe § 5.2.9.). 104 Marduk ersetzt die Großen Götter funktional, was durch die 50 Namen, die er von den 50 Großen Göttern erhalten hat, unterstrichen wird. 102

352

Kapitel 6: Aufstieg und Sukzession

funktional ersetzt. Somit zeigt sich der Synkretismus im Lied auf Marduk als funktionale Verschmelzung des neuen Namensträgers mit den alten. Diese zusammengetragenen Beobachtungen verdeutlichen, dass im enūma eliš das polytheistische System eindeutig in Richtung eines Henotheismus entwickelt wird mit Marduk als einzig entscheidender Instanz, wobei diese Konstruktion aber sicherlich noch nicht monotheistisch ist. Durch das Vehikel der Namen und der damit verbundenen Niederschrift ist dieses henotheistische System dauerhaft fixiert, so dass kein anderer Gott mehr an die Stelle Marduks treten kann. Somit ist Marduk der finale Herrscher der Götter, der letzte und der ewige.

6.4. Zusammenfassung Rekonstruktion von Marduks Aufstieg Die Untersuchung der Herrschaftssukzession hat klare Linien im Text zutage gefördert, die teils unter der Textoberfläche versteckt, aber teils auch an der Textoberfläche – und damit teilweise durch die vermeintliche Offensichtlichkeit ebenso versteckt – lagen. Als Erschaffer der Götter war Apsû der erste Götterherrscher, der sich aber gegen seine Kinder richtet und von Ea dafür ermordet wird. Daraus resultieren ein Götterschisma und somit zwei konkurrierende Nachfolgeregelungen. Kingu wird der neue Herrscher durch Tiāmtus Gnaden, wobei sich seine Legitimität auf seine Gattin, die Königswitwe Tiāmtu, stützt. Da sie eine Frau ist, ist dies nicht ausreichend. Anders ist es im Falle Anšars, der als durch die Abstammung Legitimierter (bei Ausblendung von Laḫmu und Laḫamu) Apsû beerbt. Das Scheitern von Ea und Anu gegen Tiāmtu führt zu einer scheinbar ausweglosen Lage, in der Marduk nun als Retter auftritt.105 Dabei formuliert er selbstbewusste Forderungen an die Götter, die mit seiner Mission verbunden sind. Diesen Forderungen kommen die Götter nun nicht sofort nach, sondern verknüpfen die erste Erhöhung mit Gegenforderungen. Das Ergebnis ist ein Erhöhungsvertrag, in dem die Leistungen beider vertragschließenden Parteien definiert werden. Durch den Sieg gegen Tiāmtu hat Marduk die erste große Aufgabe erfüllt, so dass seine befugnisbezogen und zeitlich beschränkte Königsherrschaft nach der ersten Erhöhung nun im Rahmen der zweiten Erhöhung entgrenzt wird. Im Zuge dessen erhält er auch den Namen Lugal-dimmer-an-kia(k) und die Funktion des zāninu. Somit empfängt Marduk hier die Befugnisse, die ihn in die Lage versetzen, seine Vertragsauflagen als Herrscher zu erfüllen.106 In den folgenden Handlungen (alle beschrieben in der zweiten Ringstruktur) erfüllt Marduk die weiteren Bedingungen der Götter (Organisation der Versorgung, Göttersitze in Babylon, differenzierte Bestrafung). Mit Blick auf die kompositorische Struktur des Textes fällt auf, dass Mar105 Das Scheitern von Anu und Ea und die allgemeine existentielle Notlage der Anšar-Götter vor Marduks Aufstieg wird in §§ 4.1.3. und 7.3.2. beschrieben. 106 Dies wird insbesondere an der Natur seiner Schöpfung nach seiner Inthronisation im Zuge der zweiten Erhöhung deutlich, die nun nicht mehr demiurgisch, sondern auktorial ist (siehe § 3.14.11.).

353

6.4. Zusammenfassung

duks Aufstieg zum Götterherrscher innerhalb der Parallelstruktur107 stattfindet und die Erfüllung der weiteren Auflagen innerhalb der zweiten Ringstruktur.108 In einer dritten Erhöhung wird der Erhöhungsvertrag um eine neue Vereinbarung ergänzt, den Treueeid der Großen Götter. Durch diesen Akt verknüpfen die Götter ihre Existenz mit Marduk und seinem Königtum, so dass sie nur noch als seine Untertanen existieren können. Diese dritte Erhöhung stellt einen ersten Schritt in Richtung Henotheismus dar. Abbildung 9: Marduks Aufstieg zum ewigen Götterherrscher (ohne 50 Namen)

Notlage: Bedarf nach einem Retter Marduks Forderung: Erhöhung Aufstiegsvertrag: Erhöhung zum König inkl. Gegenforderungen Rettung der Götter

Erfüllung

Erfüllung

Erfüllung

Marduk ist der „geliebte Sohn“ der Götter

Einsetzung als Götterkönig Aufgaben als Götterkönig: Götterheiligtümer in Babylon Menschen als Versorger der Götter Kingu wird bestraft, alle anderen begnadigt Treueeid der Götter

Durch 50 Namen werden weitere Funktionen auf Marduk übertragen und mit ihm dauerhaft verbunden. Die Namen stellen dabei Kurzformeln für wahre Aussagen dar, die in den Ausdeutungen expliziert werden. Die Kombination aus Name und Ausdeutung erinnert (neben anderem, siehe oben) an die zweispaltigen Götterlisten und damit an Schriftdokumente. Gerade durch die Schriftlichkeit des Werkes stellt die Namensgebung auch eine Art Niederschrift dar, womit die Wahrheit über Marduk perpetuiert werden soll.109 Durch die Verleihung der 50+2 Namen verschmilzt Marduk zudem funktional mit den ursprünglichen Namensträgern. So wird er als Asalluḫi zum neuen Anšar, als Bēl mātāti zum neuen Enlil, als Ea ersetzt er Ea und als Träger von 50 Namen substituiert er neben Enlil auch die 50 Großen Götter. Durch diese Synkretismen entwickelt sich das theologische System im Lied auf Marduk in Richtung Henotheismus. In dieser Welt ist Marduk nicht nur höchster und ewiger Herrscher der 107

Siehe § 4.1. Siehe § 4.2.2. 109 Dazu passt insbesondere der Epilog, der die Tradierung und Exegese dieses Wissens regelt (siehe §§ 2.2.3.3. und 2.2.3.9.). 108

354

Kapitel 6: Aufstieg und Sukzession

Götter und der Welt. Er ist der einzig entscheidende Gott auf der Welt. Hierin offenbart sich ein konsequentes Weiterdenken der monarchischen Idee auf Götterebene, die den Bestandteil μόνος über die reine Herrschaft hinaus ausweitet und somit auch weitere Götterfunktionen umfasst.110

110 Dieser Punkt wird insbesondere bei Eas Transfer seines eigenen Namens deutlich, wo er nicht unbedingt Herrschaft, aber doch Kultbereiche an Marduk abtritt (siehe § 5.2.9.).

Kapitel 7

Legitimation Beschreibung Dem Text reicht es nicht aus, dass Marduk zum König der Götter aufsteigt und damit die Nachfolge von Apsû und Anšar antritt. Neben dem Wie tritt immer wieder auch das Warum in den Fokus des Textes. Im Folgenden soll daher den Begründungsmustern im enūma eliš nachgegangen werden, mit denen Marduks ewige Herrschaft und der damit verbundende Anspruch auf Königsmacht legitimiert wird. An dieser Stelle muss man zwischen bloßer Legalität und der Legitimität unterscheiden. Während Legalität durch bloße Rechtskonformität erlangt wird, bedarf die Legitimität zudem noch der Einhaltung weiterer Normen. Somit setzt die Legitimität nach diesem Verständnis voraus, dass auch die Legalität erfüllt ist, welche damit als notwendige, aber nicht als hinreichende Bedingung fungiert.1 Wendet man diese Differenzierung auf Marduks Aufstieg an, so fand dieser legal, rechtskonform statt, da sich beide Seite an den abgeschlossenen Erhöhungsvertrag gehalten haben. Damit erfüllt Marduks Erhöhung alle expliziten Rechtsvorgaben, wodurch die Anforderungen der Legalität erfüllt werden.2 Die Legitimität seiner Herrschaft wird nun dadurch erreicht, dass darüber hinaus im Text vorhandene implizite Vorstellungen im Bezug auf Marduk und den Aufstiegsprozess erfüllt werden. Auf Basis der textimmanenten Analyse kann man diese zusätzlichen Normen in Kategorien ordnen. So gibt es eine ontische Legitimierung, die auf der Beschaffenheit Marduks basiert, und eine fientische Legitimierung, wonach Handlungen implizite Erwartungen erfüllen. Forschungsstand Erstmalig verwies Alexander Heidel auf die Ausrichtung des Werkes auf die Rechtfertigung von Marduks Götterkönigtum, wobei er nicht nur den Sieg Marduks, sondern auch seine Schöpfung in diesem Kontext liest. Somit läge der Textfokus weniger auf einer Aitiologie der Welt, sondern auf einer Legitimation von Marduks 1

An dieser Stelle wird bewusst auf einen Rückgriff auf moderne Theorien zu Legitimität und Legalität verzichtet (bspw. die Diskussion von Carl Schmitt zur Problematik einer Legitimitätsdefinition, die das Kriterium der Legalität enthält), da hierin Vorstellungen greifen, die nicht zwingendermaßen den altorientalischen entsprechen. Durch die hier gewählte sehr rudimentäre Differenzierung zwischen beiden Kategorien wird eine Unterbestimmtheit produziert, die dem altorientalischen Text Raum bietet, die emische Vorstellungswelt in diese moderne Unterscheidung einbringen zu können. 2 Im Gegensatz zum Recht, das mit Kingus Verurteilung gesetzt wird (siehe § 4.2.2.3.), handelt es sich nach modernen Kategorien hier nicht um den Bereich des Strafrechts, sondern um Vertragsrecht. Dessen Normen (v.a. Einhaltung der vertraglichen Pflichten) werden im Werk implizit vorausgesetzt, so dass dieses Recht bereits existiert.

356

Kapitel 7: Legitimation

Herrschaft. Daher sei das Lied auf Marduk nicht nur eine theologische Abhandlung, sondern auch und besonders ein politisches Werk (1951, S. 11). Ebenso argumentiert Herman Vanstiphout, der den Text als „theological didactic poem about Marduk as the Supreme Being and his World Order“ beschreibt, in dem es weniger um den Kampf gegen die Feinde, sondern vielmehr um die Etablierung einer (neuen) Ordnung geht (1992, S. 52, 54). Die politische Dimension findet sich beispielsweise auch in einem astronomischkalendarischen Text aus dem 1. vorchristlichen Jahrtausend, in dem Tiāmtu mit Elam und Kingu mit Assyrien geglichen werden, also äußeren Feinden Babyloniens, welches hier mit Marduk gleichgesetzt wird (REYNOLDS 1999, S. 369).3 Allgemeiner formuliert Eckart Frahm, der in der fortwährenden Adaption des Werkes in späteren Zeiten seine politische Kraft manifestiert sieht, wonach es immer wieder verwendet wurde, um sowohl göttliche als auch menschliche Herrschaft zu legitimieren oder auch zu delegitimieren (2010, S. 22). Auch Vitali Bartash betont die legitimierende Absicht des Werkes, wonach es sich um eine Rechtfertigungsschrift für Marduks „despotic monarchy“ handle. Da dabei möglicherweise die realen Gegebenheiten der Zeit der Niederschrift des enūma eliš in das Werk eingeflossen seien, untersucht er die Wirkrichtung der Politik auf den Text beziehungsweise die Spuren der Realität im Text (2010, S. 1083). Gegen eine legitimierende Absicht des enūma eliš für den babylonischen Herrscher spricht sich Thomas Kämmerer aus, der keine Hinweise im Text oder der kultischen Verortung findet, dass das Werk eine solche Funktion erfüllen sollte (2011, S. 78). Jean Bottéro nennt vier konkrete Gründe für Marduks Erhöhung. Erstens ist Marduk der Jüngste der in der anfänglichen Theogonie genannten Götter, wobei die Qualität mit jeder Generation ansteige und er somit der Beste sei. Zweitens rettet Marduk die Götter von der von Tiāmtu ausgehenden Lebensgefahr. Drittens erschafft er die Welt und macht sich damit auch zum Herrscher über ebendiese. Schließlich steuert er den Plan für die Menschenschöpfung bei (1998, S. 180f.). Andrea Seri benennt nur zwei Punkte, Marduks Abstammung und allgemein seine Taten, wodurch er zum Herrscher aufsteigt (2012, S. 16). Schließlich verweist Wilfred Lambert auf die Problematik des Textes, dass Marduk auf Anšar folgt und somit die eigentlich in nächster Erbfolge stehenden Anu und Ea schweigend übergangen werden. Diese mögliche Spannung werde dadurch entschärft, dass Marduk Anu nach seinem Sieg die Tafel der Festsprechungen gebe (2013, S. 449). Vorgehen Marduks Legitimation soll auf Basis der oben getroffenen Kategorisierung untersucht werden. Die ontische Legitimierung umfasst Marduks Abstammung (§ 7.1.) 3

Eine teils umgekehrte Zuschreibung findet sich im 8. Feldzugbericht von Sanḫerib in der Beschreibung der Schlacht von Halule, wonach der assyrische König mit Anšar/Marduk gleichgesetzt wird und die gegnerische Koalition aus Babyloniern und Elamern mit den Tiāmtu-Göttern (FRAHM 1997, S. 279). Auch Assurbanipal vergleicht einen gegnerischen König mit einem von Tiāmtus Monstern (MAUL 1999b, S. 211).

357

7.1. Abstammung

und seine physischen und geistigen Eigenschaften (§ 7.2.).4 Die fientische Dimension differenziert zwischen den Taten von Marduk (§ 7.3.) und den Taten für Marduk (§ 7.4.).5 Dabei tritt noch einmal unter dieser speziellen Fragestellung Marduks Aufstiegsprozess in den Blick der Untersuchung, wobei zu analysieren ist, welche impliziten Regeln bei diesem Aufstieg berücksichtigt wurden. Abschließend kann die Untersuchung der Legitimierungsstrategien des Textes einen Einblick in das implizite Bild eines idealen Herrschers liefern, was am Ende als Ausblick versucht wird (§ 7.6.). Tabelle 26: Legitimationskriterien im enūma eliš Ontische Legitimierung Abstammung Physische und geistige Eigenschaften

Fientische Legitimierung Taten von Marduk Taten für Marduk

7.1. Abstammung 7.1.1. Anfängliche Genealogie Das Lied auf Marduk beginnt in seiner dritten Zeile bereits mit einer genealogischen Aussage. Dort wird Apsû als der Vater aller Götter eingeführt, gefolgt von Tiāmtu als ihre Urmutter (I 3f.). Anschließend folgt eine kurze Göttergenealogie, die zunächst aus zwei Götterpaaren6 besteht, Laḫmu und Laḫamu, Anšar und Kišar (I 10– 13). Wilfred Lambert verweist darauf, dass das verwandtschaftliche Verhältnis zwischen beiden Paaren im Text nicht eindeutig geklärt ist (2008, S. 26f.). In diesem Kontext argumentiert Andrea Seri dafür, dass beide Götterpaare direkte Nachkommen von Apsû und Tiāmtu sind,7 wobei sie sich speziell auf die Aussage aus Vers I 4 beruft, wonach Tiāmtu die Mutter von „ihnen allen“ ist (muʾallidat gimrīšun). Außerdem verwende der Text für die Entstehung beider Paare passivische Aussagen (uštāpû I 10, ibbanû I 12) (2012, S. 9; SONIK 2009, S. 86f.). Gegen diese These spricht jedoch eine spätere Passage, als Anšar seinen Wesir Kaka zu Laḫmu und Laḫamu schickt. Dort spricht er von den beiden als abbēja („meine Väter“ III 6; siehe auch BARTASH 2010, S. 1098), wobei er sich selbst als mārukunu („euer Sohn“ III 13) bezeichnet. Da Anšar nachweislich der König der Götter ist (siehe § 6.2.3.), kann es sich hierbei schlecht um hierarchische Aussagen handeln, so dass verwandtschaftliche Bezüge verbleiben. Da das Lexem abu niemals gegenüber älteren Geschwistern belegt ist (CAD A1 1998, S. 67–73), verbleibt hier nur noch eine Eltern-Sohn-Relation. Sowohl bei der Entstehung der Götterpaare Laḫmu und Laḫamu (I 10) und Anšar und Kišar (12) als auch bei dem folgenden Einzelgott 4

Dies umfasst also jeweils den ersten von Jean Bottéro und Andrea Seri vorgebrachten Punkt. Während sowohl Jean Bottéro als auch Andrea Seri die Taten von Marduk bereits anführten, kommen nun auch die Taten für Marduk im Untersuchungsraster hinzu. 6 Dass es sich um Paare handelt ist gängige Interpretation, wird im Text jedoch nirgendwo expliziert. Siehe auch § 6.2.3. Anm. 27. 7 Gleiches nimmt auch Wayne Horowitz an, der Anšar, Kišar, Laḫmu und Laḫamu als Geschwister ansieht (2010a, S. 32). 5

358

Kapitel 7: Legitimation

Anu (I 14) wird kein fientisches, aktivisches Prädikat verwendet, sondern nur passivische Prädikate (I 10, 12) oder eine Nominalphrase, so dass erst Ea der erste Gott ist, der explizit von einem anderen Gott hervorgebracht wird (I 16). Dennoch existiert eine klare Generationenfolge zwischen Anu und dem Götterpaar Anšar und Kišar, da er als ihr Erbsohn (apilšunu I 15) bezeichnet wird.8 Damit wird nicht nur eine verwandtschaftliche, sondern speziell auch eine erbrechtliche9 Dimension ausgedrückt, wonach er der rechtmäßige Nachfolger seiner Eltern ist. Als letzter Gott folgt schließlich Ea, der ein Kind von Anu ist. An diesem Punkt endet die anfängliche Genealogie und die Handlung setzt mit dem Lärm der Götter und dem ersten Konflikt ein. Nimmt man eine Generationenfolge zwischen den ersten beiden Götterpaaren an, so stehen in der Genealogie des enūma eliš am Anfang ausgehend von Apsû und Tiāmtu drei Paare, gefolgt von drei Einzelgöttern, was ein symmetrisches Gesamtbild ergibt (SERI 2012, S. 10).10 7.1.2. Marduks erbrechtlicher Herrschaftsanspruch Gemäß der Parallelstruktur wird die anfängliche Theogonie in der Geburt Marduks gespiegelt, welche zugleich die Genealogie fortsetzt, da Marduk Sohn von Ea ist. Später wird Marduk zudem als Erbsohn (aplu) Eas bezeichnet (II 127), was ihm eine rechtlich hervorgehobene Stellung gegenüber möglichen anderen Kindern Eas verleiht. Mit der Geburt Anus endet die Genealogie im Lied auf Marduk, womit sie sehr kurz ausfällt (ZGOLL 2012a, S. 63) und nur einen Bruchteil der Götterentstehung erklärt. Weder für Mummu, Damkina, Kingu, Kaka, Enlil oder Usmû (in der Reihenfolge ihres Erscheinens im Text) noch allgemein für die Gruppe der Tiāmtu- und der Anšar-Götter wird ihre genaue Herkunft erläutert (BOTTÉRO 1985, S. 151f.; SO11 NIK 2009, S. 89; LAMBERT 2013, S. 452). Dies lässt Wilfred Lambert die Frage aufwerfen, ob diese Auslassung nicht dem Problem geschuldet sei, die jede solcherart gestaltete Genealogie aufwirft, dass nämlich irgendwann Geschwister sich paaren müssten, was auch im Alten Orient als moralisch verwerflich galt (2008, S. 26). 8 Was somit gegen die Vermutung von Wayne Horowitz (1998, S. 109) spricht, dass Anu nur von Anšar alleine zur Welt gebracht wurde (siehe auch SONIK 2009, S. 89 Anm. 13). 9 Der Rechtsbegriff ist hier im weiteren Sinne verwendet, da hier nicht-explizierte erbrechtliche Vorstellungen im Lied auf Marduk benannt werden. Es ist zudem nicht im gleichen Sinne institutionalisiert wie das Strafrecht, dessen System im Zuge der Verurteilung Kingus implementiert wird (siehe § 4.2.2.3.). 10 Eine etwas andere systematische Ordnung sieht Fritz Stolz am Anfang des enūma eliš angelegt, wonach aus einer Vereinigung weiblicher und männlicher Prinzipien in einer undifferenzierten Urmasse (vermischte Wasser von Apsû und Tiāmtu) Zweiheiten entstehen, woraus weitere zweiteilige Einheiten (Paare) hervorgehen. Demnach liege anfangs primär eine binäre Ordnung vor (2001, S. 121). 11 Zwar redet Mummu Apsû als „mein Vater“ (abī I 49) an und Laḫmu und Laḫamu werden als Kakas „Väter“ (abbēšu III 68) bezeichnet (BARTASH 2010, S. 1098), doch drückt dies nicht notwendigerweise eine direkte Vaterschaft aus, sondern ist an diesen Stellen schlicht als Ausdruck dafür zu verstehen, dass Apsû bzw. Laḫmu und Laḫamu Vorfahren der beiden Einzelgötter sind. Ein Grund für diese These liegt darin, dass sich der Verwandtschaftsgrad nur in der Anrede (I 49) oder im Epitheton (III 68) niederschlägt und kein konkreter Zeugungs-/Geburtsakt beschrieben ist wie bei den Göttern von Laḫmu und Laḫamu bis Marduk.

7.1. Abstammung

359

Möglicherweise liegt die Lösung jedoch in einer spezifischen Absicht des Textes. So soll hier weniger ein reines Erklärungsmodell für die Entstehung aller Götter geliefert werden, als vielmehr etwas anderes gezeigt werden. Dies wird besonders durch die rechtlich aufgeladene Bezeichnung des aplu („Erbsohn“) deutlich, wonach vermutlich nicht nur zwischen Anu und Anšar sowie Marduk und Ea eine Beziehung eines Erbsohns zum Vater hergestellt wird. Hierbei handelt es sich um exemplarische Markierungen der männlichen Erblinie innerhalb der Genealogie, die sich demnach durch die gesamte Genealogie hindurchzieht. Somit stellt die Genealogie eine Offenlegung von Marduks Abstammung dar (SERI 2012, S. 9f., ähnlich: PONGRATZ-LEISTEN 1994, S. 17), wonach er in direkter Blutlinie vom Urvater Apsû und damit vom Urherrscher abstammt (siehe auch § 6.1.). Der rechtliche Anspruch auf den Thron folgt zum einen allgemein der männlichen Linie (siehe auch METZLER 2002b, S. 397), konkret aber der Linie der jeweils erstgeborenen Söhne. So zeigt die Genealogie des enūma eliš, dass Marduk in direkter Thronfolge steht. Passend hierfür ist der von Thomas Bargatzky geprägte Begriff der „Anspruchsgenealogie“, durch die der Besitz eines Amtes gerechtfertigt wird, indem eine lückenlose Abstammung vom ersten Amtsträger nachgewiesen wird (1987, op. cit. WILCKE 1988, S. 116f.). Dies erklärt dann auch die Auslassung der anderen Götter, da sie für eine solche rechtliche Darstellung nicht erforderlich sind. Dies erklärt aber vor allem auch den Sinn und Zweck der Auslassung von Enlil: Er hat textimmanent keinen abstammungsbedingten Anspruch auf das Götterkönigtum und kommt somit als legitimer Herrscher nicht in Frage.12 Marduk hingegen steht in direkter Erbfolge zu Apsû, wobei er jedoch mit einem entscheidenden Makel versehen ist: Er ist viel zu jung und damit nicht unmittelbarer Thronfolger, denn dem Lied auf Marduk liegt die Logik zugrunde, dass der Vater über dem Sohn steht. Insofern reicht Marduks Abstammung zur Legitimierung seiner späteren Götterherrschaft nicht aus. Daher benötigt der Text weitere Argumentationen, um Marduks Vorzug vor Anšar, Anu und Ea zu begründen, die in der Thronfolge vor ihm stehen (siehe auch LAMBERT 2013, S. 458). Durch die Darstellung der Genealogie und damit der Thronerblinie am Anfang des Textes, beschränkt sich die notwendige Begründung von Marduks Bevorzugung aber auf diese drei Götter. Enlil und andere Götter können so geflissentlich ignoriert werden, da sie nicht in der Erblinie Apsûs stehen. Nach Apsûs Ermordung geht die Herrschaft auf Anšar über, wobei Laḫmu und Laḫamu übergangen werden (siehe §§ 6.2.3. und 7.2.1.). Daher steht der Text vor zwei Problemen, will er Marduk als Götterherrscher installieren. Erstens, warum sollte Anšar abtreten und, zweitens, warum übernehmen dann weder Anu noch Ea sein Götterkönigtum? Dies erklärt die Behandlung der weiteren Legitimationskriterien im Text.

12 Insofern verwundert es nicht, dass das Lied auf Marduk stärker an die traditionelle EriduTheologie und weniger an die Nippur-Theologie anschließt ( VAN DIJK 1976, S. 125). Dies entspricht auch der klassischen genealogischen Einbettung des Gottes Marduk-Asalluḫi als Sohn Eas.

360

Kapitel 7: Legitimation

7.2. Physische und geistige Eigenschaften 7.2.1. Qualitative Relation von Marduks Vorfahren Die Genealogie der Götter beschreibt nicht nur ihren jeweiligen Verwandtschaftsgrad zueinander, sondern auch, wie sie sich durch ihre Eigenschaften zueinander verhalten. So werden Anšar und Kišar gegenüber dem ersten Götterpaar als überlegen (elišunu atrū „Sie waren übergroß auf ihnen.“ I 12) beschrieben. Anu hingegen wird als šānin abbēšu („gleich gegenüber seinen Vätern“ I 14) ausgewiesen, womit er ihnen aufgrund seiner Qualifikation ebenbürtig ist. Ea wird als erste Gottheit ausführlicher beschrieben: I 18

d Nudimmud ša abbēšu šāliṭsunu13 šūma palkâ14 uzni15 ḫasīs emūqān puggul16

I 19

guššur mādiš17 ana ālid abīšu Anšar

I 20

lā īši šānina18 ina ilānī atḫēšu19

I 17

Nudimmud, der der Meister seiner Väter ist, weiten Verstandes ist er weise, er ist stark an Stärke. Er ist mächtiger als der Erschaffer seines Vaters, Anšar. Er hat keinen Gleichen unter den Göttern, seinen Gefährten.

In diesen vier Zeilen wird Ea klar über seine Vorfahren gestellt, wonach er klüger, stärker, mächtiger ist als sein Großvater Anšar. Durch das Lexem šāliṭu („Meister“ I 17, Textzeugen KAss und MAss) wird möglicherweise auch eine Herrschaft Eas über seine Väter ausgedrückt,20 doch lässt sich eine solche im weiteren Textverlauf nicht identifizieren.21 Schließlich wird Ea als derjenige Gott bezeichnet, der keinen Vergleichbaren (šāninu I 20) unter den Göttern kennt, wohingegen Anu noch explizit als šānin abbēšu („derjenige, der seinen Vätern gleicht“ I 14) bezeichnet wird. Die 13

aKiš und bunb: alidšunu („ihr Geborener“). Möglicherweise wird in diesen Varianten aber auch seine Überlegenheit durch eine genealogische Umkehrung ausgedrückt, wie sie sich vielleicht analog in Vers VII 159 über Marduk findet. Dann handelt es sich nicht um ein Verbaladjektiv, sondern um das Partizip ālidšunu („ihr Gebärender“). Siehe auch § 7.2.1 Anm. 20. 14 eunb: palkū. 15 KAss und MAss: uznī. 16 KAss: pungul. 17 MAss: maʾdiš. 18 KAss und MAss: šānin. 19 KAss: abbēšu („seine Väter“). 20 Zumindest entspricht dies der üblichen Verwendung der Wurzel √šlṭ (bspw. šalāṭu = „dominieren, beherrschen“ CAD Š1 2004, S. 238). Ein Primat Eas über seine Vorfahren spiegelt sich auch in der alternativen Schreibung ālidšunu („ihr Gebärender“), nicht aber in seiner Deutung alidšunu („ihr Geborener“) (siehe auch oben Anm. 13). 21 Ea tötet zwar Apsû, wird aber nicht Götterherrscher. Stattdessen ist der dem Nachfolger Apsûs, Anšar, Rechenschaft für seine Tat schuldig und kann von diesem auf eine neue Mission gesandt werden (siehe § 6.2.3.). Die Verwendung der Wurzel √šlṭ an dieser Stelle ist vermutlich einer Ausdeutung seines Namens dNu-dím-mud geschuldet, da das Verb šalāṭu („dominieren, beherrschen“) lexikalisch auch mit DÍM geglichen wird (CAD Š1 2004, S. 238). Das erklärt jedoch nicht die Diskrepanz zwischen der hier angegebenen Herrschaft Eas über seine Vorfahren und seiner im Werk durch die Handlungen deutlich werdende untergeordnete Position.

7.2. Physische und geistige Eigenschaften

361

Rekurrenz von šanānu ist bewusst gesetzt, um Ea auch von seinem Vater positiv abzusetzen. Schließlich fällt auch die Bezeichnung Eas als Nudimmud auf, in der durch die Namensbestandteile dím (sumerisch: „erschaffen“) und mud (sumerisch: „hervorbringen“) auf seinen Schöpfungsaspekt angespielt wird (CAVIGNEAUX, KREBERNIK 2001, S. 607a). Damit kongruiert, dass Ea neben Marduk der einzige Gott im Werk ist, der im engeren Sinne schöpferisch tätig wird, als er nämlich den toten Apsû zum Weltenteil Apsû und damit zu seinem Sitz macht und als er Marduk bei der Menschenschöpfung assistiert. Nach diesem Befund steigen die Fähigkeiten von Göttergeneration zu Göttergeneration monoton22 an (ebenso ZGOLL 2012a, S. 63), wobei es nur zwischen Anšar und Anu zu einer Gleichung kommt. Parallel dazu steigt auch die Anzahl der Zeilen je Gott monoton an. Die ersten beiden Götterpaare werden noch in jeweils zwei Zeilen abgehandelt, wohingegen der Einzelgott Anu mit ebenfalls zwei Zeilen rechnerisch doppelt so viel Platz eingeräumt bekommt, wobei eine dritte Zeile als Schwellenzeile zu Ea fungiert (I 16). Letzterer wird schließlich in vier Zeilen umschrieben. Tabelle 27: Qualitätssteigerung und Zeilenzahl Gott/Götter Laḫmu und Laḫamu Anšar und Kišar Anu Ea Marduk

Qualitative Relation zur vorherigen Generation23 – besser gleich besser besser

Zeilenzahl der Beschreibung (je Gott gerechnet) 1 1 2 4 26

7.2.2. Marduks Qualitäten In dieses Muster passt auch Marduk, der als letzter Gott der Reihe der vorzüglichste ist und dessen Beschreibung auch die meisten Zeilen umfasst (I 79–104).24 Gleich bei seiner ersten expliziten Erwähnung in Vers I 80 wird er durch die Formeln lēʾû lēʾûti („Tüchtiger der Tüchtigen“ = „der Tüchtigste“) sowie apkal ilānī („Weiser unter den Göttern“) über seine Vorväter gestellt. Dabei ist seine Göttlichkeit wortwörtlich „verdoppelt“ (šunnât ilūssu I 91), was sich dann auch im Umstand zeigt, dass er mit vier Augen und vier Ohren doppelt so viele Sinnesorgane besitzt wie andere (anthropomorphe) Götter. Die Aussage kann man auch wörtlich nehmen, wie 22

Im Sinne einer mathematisch monoton steigenden Funktion, wonach eine Kurve nie abfällt, sondern mindestens auf derselben Höhe bleibt. 23 Zur Diskussion der genealogischen Reihenfolge der Götter siehe insbesondere § 7.1.1. 24 In diesem Kontext spielt möglicherweise auch der Umstand, dass Marduk im „reinen Apsû“ (I 82) entstanden ist, eine wichtige Rolle. Während die ersten Götter aus der Vermischung aus Tiāmtuund Apsûwasser hervorgegangen sind, entstammt Marduk nur dem reinen Apsûwasser, welches zudem ursprünglich eine männliche Gestalt war, was ebenfalls im Text eher positiv konnotiert ist. Somit drückt auch der Ort seiner Entstehung eine wichtige Rolle zur Unterstreichung seiner qualitativen Vorzüglichkeit (siehe auch § 2.5.2.). Manfried Dietrich führt außerdem die göttlichen Hebammen als Grund für Marduks besondere Entwicklung seiner geistigen und physischen Eigenschaften an (2006, S. 143).

362

Kapitel 7: Legitimation

kassitische Siegelabrollungen zeigen, die entweder Enlil oder Marduk als doppelgesichtig darstellen (FISCHER 2010, S. 75f.).25 Zusätzlich kann man die Aussage aber noch in einer weiteren Hinsicht lesen, da speziell das Lexem uznu („Ohr“) als Ausdruck für Weisheit belegt ist (CAD U/W 2010, S. 362). Schließlich wird seine Überlegenheit im Vergleich zu den anderen Göttern noch einmal angesprochen: I 92

šušqû26 maʾdiš27 elišunu atar mimmûšu

Er ist besonders hochgemacht (gegenüber ihnen), gegen über ihnen ist alles an ihm übergroß.

An dieser Stelle wird neben Marduks körperlicher Größe mit dem Lexem atru („übergroß“) auch sein allgemeiner qualitativer Superlativ ausgedrückt. Dabei fällt auf, dass die Bezugsgröße von Marduks Überlegenheit in die Mitte der Zeile gestellt ist und somit von beiden Beschreibungen aufgegriffen wird, so dass ein Apokoinu gebildet wird. Darüber hinaus wird in den nachfolgenden Zeilen noch Marduks Stärke und Schönheit angesprochen. Die besondere Qualität Marduks wird auch durch seine Herkunft im Apsû unterstrichen. So entstehen seine göttlichen Vorfahren in und bestehen damit vermutlich auch aus der Mischung der Wasser von Apsû und Tiāmtu. Letztere für sich genommen ist giftig (imtu I 162, IV 53, IV 62, V 51) und auch die Kreaturen, die sie alleine hervorbringt (SONIK 2009, S. 92), ihre elf Monster, tragen Gift anstatt Blut in ihren Adern (I 136) (HARRIS 2000, S. 85; METZLER 2002b, S. 402). Apsû dagegen wird als „rein“ (ellu I 82) beschrieben.28,29 Wenn Marduk nun nicht in einer Mischung aus Apsû und Tiāmtu entstanden ist, sondern im abgetrennten und somit reinen Apsû gezeugt und geboren wurde (I 79–82), so könnte dies ihm eine materielle Vorzüglichkeit gegenüber den anderen Göttern geben. Sein Apsû-Anteil wäre höher und er somit qualitativ besser als die anderen Götter, deren Genealogie bekannt ist (Laḫmu, Laḫamu, Anšar, Kišar, Anu, Ea). Schließlich gibt es noch eine besondere Qualität Marduks, die nicht in dieser ersten Beschreibung zu finden ist. Sie taucht erstmalig auf, als er vor der toten Tiāmtu steht und den Plan entwickelt, Genialisches hervorzubringen (ibannâ niklāte IV 136). Die Wurzel √nkl fungiert im Werk als Anzeiger, um wirklich herausragende Schöpfungen zu markieren (siehe § 4.2.2.2.). Besonders bei der Menschenschöpfung sticht Marduks Genialität hervor, denn zwar setzt Ea Marduks Plan um, doch die Idee, das Konzept des Menschen, stammt von Marduk (VI 37f.), so dass er 25 Dagegen Wilfred Lambert, der dies als einzige solche Schilderung Marduks ansieht (2013, S. 470). 26 NAss: šušqi („er ist hoch gemacht“). 27 NAss: mādiš. 28 Möglicherweise nahm der Apsû die Reinheit von Eas Beschwörung auf (siehe § 3.4.7.), was die Konstellation an dieser Stelle ändern würde, da die Reinheit keine originäre Qualität Apsûs ist, sondern durch Ea in die Welt kommt. Da Ea der Vater Marduks ist, würde aber auch in diesem Fall Marduk mit besonderer Reinheit ausgestattet werden. 29 In diesen Zuschreibungen könnte implizit mitschwingen, dass Tiāmtu aus ‚giftigem‘ Salzwasser besteht und Apsû aus ‚reinem‘ (und damit trinkbarem) Süßwasser. In diesem Falle wäre ein indirekter Beleg für die Interpretation der beiden Urwesen als Salz- und Süßwasser identifiziert, die Wilfred Lambert bislang vermisst (2013, S. 446).

7.3. Taten von Marduk

363

der wahre Menschenschöpfer ist. Dieser Umstand wird von dem Werk besonders betont, wodurch Eas Rolle abgeschwächt wird. 7.2.3. Diskrepanz zwischen Status und Potential Durch seine herausragenden Eigenschaften ist Marduk als Herrscher prädestiniert. Weisheit und Stärke sind zentrale Attribute eines Herrschers. Gleiches gilt auch für die Schönheit, wie der Mythos von der Erschaffung des Menschen und des Königs verdeutlicht, nach dem Bēlet-ilī den König mit einem schönen Körper erschaffen und ihn mit schönem Äußeren versehen soll (MAYER 1987, S.56:34‘–S.58:40‘). Diese Bestimmung zum Herrscher findet sich auch in der Ausdeutung seines Namens Marduk, die in die Aufzählung seiner Vorzüge nach seiner Geburt eingebettet ist (I 101f., siehe § 5.2.3.). Somit kongruieren seine physischen und geistigen Eigenschaften mit der in seinem Namen enthaltenen Botschaft: Marduk ist zum Herrscher geboren. An dieser Stelle tritt die Diskrepanz zwischen Alter und Qualität im Werk zutage. Jeder der in der Genealogie explizit genannten Götter ist qualitativ besser oder mindestens genauso gut wie die Vorgängergeneration. Dieser aufsteigenden Reihenfolge steht aufgrund der patrokratischen Grundlogik eine absteigende Rangfolge gegenüber, denn der Jüngere ist dem Älteren immer unterworfen. Dies umschreibt die Ausgangssituation im enūma eliš, die in sich eine entscheidende Dynamik birgt, der sich der Text im Folgenden intensiv widmet: Wie kann der Fähigste, der durch die Blutlinie auch in der direkten Erblinie steht, zum König der Götter aufsteigen und damit hierarchisch seine Vorväter übersteigen – und zwar ohne dass der Jüngere seine Vorfahren tötet? An dieser Stelle leitet der Text von der ontischen Begründung von Marduks Herrschaftsanspruch (Herkunft, Qualitäten), zur fientischen Dimension über. Der statische Ausgangszustand wird in eine narrative Dynamik überführt, die Marduks Aufstieg durch Taten begründet und dadurch seine Erhöhung als regelkonformen, stufenweisen Prozess beschreibt (siehe auch § 6.4.).

7.3. Taten von Marduk Marduks Aufstieg zum Götterherrscher ist eng verbunden mit seinen Taten für die Götter. In der Untersuchung der Sukzessionsfrage wurde bereits offengelegt, dass Marduk und die Anšar-Götter einen Aufstiegsvertrag abschließen, der Auflagen an Marduk definiert (siehe § 6.3.2.): 1. Ausgangsmission: Rettung der Götter 2. Dauerhafte Herrschaftsaufgaben: a. Versorgung der Götterheiligtümer b. Niederlassung der Götter an Marduks eigenem Göttersitz c. differenzierter Umgang mit den Feinden nach dem Grad der Schuld Marduks konkrete Lösungen sollen im Folgenden einzeln untersucht werden, wobei sich der Blick insbesondere auf die Frage richtet, inwiefern ihn seine Taten zum

364

Kapitel 7: Legitimation

Herrscher legitimieren. Da sich in diesem Punkt Legalität und Legitimität besonders berühren, sollen daher besonders zwei Punkte fokussiert werden: Als erstes liefert das Wie der Umsetzung einen Hinweis auf mögliche implizite Normen, die Marduks Taten berücksichtigen oder vielleicht auch brechen. Als zweites zeigt das Mehr seiner Handlungen, also das, was über die bloße Vertragserfüllung hinausgeht, welchen weiteren Vorstellungen vom richtigen Tun sein Handeln entspricht. 7.3.1. Aufstieg durch Taten anderer Dass es überhaupt zu einem Erhöhungsvertrag kommt, folgt aus der Berücksichtigung der stärksten impliziten Norm im gesamten Werk: Königsherrschaft wird nicht genommen, sondern verliehen. Marduk – und selbst Kingu – ergreifen nicht die Macht,30 sondern werden in ihre neue Funktion eingesetzt.31 Dass Marduk also seine Erhöhung verlangt, ist genau dieser Norm geschuldet: Er braucht die anderen Götter, um zum Herrscher werden zu können. Dieser Handlungsverzicht als Einhaltung einer Norm stellt somit ebenfalls eine legitimierende Qualität von Marduks Tun dar. 7.3.2. Auftrag: Rettung der Götter Mandat Durch die Ermordung Apsûs und den folgenden Aufrüstungen der Tiāmtu zur Vernichtung der Mörder ihres Gatten und der Störenfriede (=Anšar-Götter) eskaliert die Situation. Da zudem noch der wesentlich verantwortliche Ea und sein Vater Anu an der Beilegung des Konflikts scheitern, spitzt sich die Lage zu, was in Resignation endet: II 121

paḫrūma dIgigū kalîšun dAnukkī

II 122

šaptāšunu33 kuttumāma qâliš u[šbū]

II 123 II 124

ilu ajjumma ul34 iâr35 KI IN x maḫāriš Tiāmti ul uṣṣi ina šaptī[šu]

Versammelt waren alle Igigi und Anukki32 (= Anunnaki) ihre Lippen waren zusammengepresst (= verschlossen), sie saßen stumm da kein Gott geht …, geht hinaus gegen Tiāmtu durch [seine] Lippen (= auf seinen Befehl hin).

In diesen vier Zeilen offenbart sich die doppelte Ausweglosigkeit der Götter. Kein Gott traut sich von sich aus gegen Tiāmtu vorzugehen, aber zugleich versagt auch

30

nen.

31

Gleiches gilt auch für Ea, der als Königsmörder leicht auch als Usurpator hätte auftreten kön-

Dementsprechend ist das Verb leqû („nehmen“) als Ausdruck für das Erlangen der Macht durch Kingu und Marduk (bspw. I 159, VII 162) im Sinne von „annehmen“ zu übersetzen. 32 Das Ende der Zeile ist auf den Textzeugen f unb und gSip erhalten, die beide diese abweichende Form für Anunnaki schreiben. Ob damit auch eine inhaltliche Akzentuierung verbunden ist, bedarf weitergehender Untersuchung. 33 IAss und JAss: šaptāšun. 34 IAss: lā. 35 JAss: i]âra.

7.3. Taten von Marduk

365

Anšar als Herrscher, da seine Befehlsgewalt über die Götter nicht mehr wirksam ist. Zu groß ist die Angst vor dem Feind.36 Dies ist die Situation, in der Marduk auftritt. Als Marduk hier nun zum ersten Mal vor Anšar tritt, beruhigt diesen schon allein dessen Anblick und nimmt ihm seine Furcht (II 137f.), was vermutlich insbesondere durch Marduks herausragendes Äußeres bedingt ist (siehe § 7.2.2.). Da seine äußere Vorzüglichkeit auch seiner inneren (Stärke, Weisheit…) entspricht, stellt er diese nun den Göttern zur Verfügung, so dass sie den Göttern zugutekommt. Die Götter gehen im Rahmen der ersten Erhöhung auf Marduks Forderungen ein und senden ihn offiziell gegen Tiāmtu. Damit verfügt Marduk in dreifacher Hinsicht über ein Mandat für sein Tun. Erstens hat ihn Ea zu Anšar geschickt, so dass er gemäß dem Willen seines Vaters handelt und damit als ein guter Sohn auftritt. Zweitens beauftragt ihn Anšar mit der Mission gegen Tiāmtu, was dann drittens von den Göttern durch die erste Erhöhung noch einmal bestätigt wird. Damit tritt Marduk durch seine Handlungen und den Weg, den er geht, als Gegenmodell zu seinem Vater Ea auf, der ohne Auftrag gegen Apsû vorging und damit die jetzige Notlage verschuldet hat.37 Dadurch zeigt Marduk, dass er sich an die implizit vorgeschriebenen Abläufe hält und an die Vorstellung, dass Gewaltanwendung ein Herrscherrecht ist, welches ihm erst durch den Aufstiegsvertrag explizit verliehen wird (siehe § 6.3.2.). Durch die Berücksichtigung der oben genannten Normen geht Marduk ein rechtliches Verhältnis mit den Göttern ein. Erst hierdurch wird das Bewertungskriterium der Legalität in Marduks Aufstieg integriert und damit die notwendige Bedingung für die Legitimität seiner Herrschaft möglich. Dosierte Gewaltanwendung Im Kampf steht Marduk zunächst nicht nur der Urmutter gegenüber, sondern auch ihren Monstern und Verbündeten. Aber Marduk schafft es durch seinen fürchterlichen Auftritt – wieder kommt seine äußere Erscheinung zum Zuge – Kingu und seine Truppen von einem Eingreifen abzuhalten. So reduziert sich der Konflikt auf einen Zweikampf, in dem er den Feind durch kluge Anwendung seiner Waffen bezwingt und tötet. Anschließend erschlägt er aber nicht die anderen Feinde, sondern setzt sie auf ihrer Flucht gefangen. In dieser zielgenauen und gemäßigten Gewaltanwendung tritt Marduk vor dem kulturellen Hintergrund als kontrollierter und überlegter Kämpfer auf.38 Schließlich legt er durch diese Mäßigung die Grundlage für die Erfüllung der weiteren Auflage aus dem Aufstiegsvertrag, wonach er seine 36

Der Vers II 121 wird dann in der zweiten Erhöhung fast vollständig wieder aufgegriffen: V 85: [pa]ḫrūma dIgigī kalîšunu uškinnūš („Alle Igigi waren versammelt und verbeugten sich vor ihm.“), wodurch die Ausweglosigkeit in die freudige Unterwerfung der Götter unter ihren Retter überführt wird. 37 Die Differenz zwischen beiden Göttern wird auch an dem Epitheton mutēr gimilli- („Rächer“) deutlich, das nur mit Marduk verbunden im Text aufscheint und ausgehend von der Ninurta-Theologie eben diese Beauftragung zu beschreiben scheint (siehe hierzu M AUL 1999b, S. 209; ebenso LAMBERT 2013, S. 473). Durch das Epitheton würde somit Marduks Mandat explizit. 38 Dies gilt beispielsweise im Vergleich zu der exzessiven Gewalt, die sich im späteren ErraEpos findet, oder insbesondere im Kampfesrausch, in den Ninurta verfällt, nachdem er Anzû bezwungen hat (III 17–20).

366

Kapitel 7: Legitimation

Feinde differenziert nach deren Schuld bestrafen soll. Tiāmtu musste besiegt werden, um die Gefahr abzuwenden, die anderen aber flohen und stellten so keine Bedrohung mehr dar. Insofern war es richtig, diese nur gefangen zu nehmen, so dass ihre gerechte Verurteilung später stattfinden kann (siehe §§ 4.2.2.3. und 7.3.5). Da eine Kampfsituation jedoch nicht zwingendermaßen Rechtsmaßstäben folgt, handelt es sich bei Marduks Mäßigung um eine Tat, die über den Wortlaut des Vertrags hinausgeht. Etablierung einer Weltordnung Nach seinem absoluten Triumph über den Feind endet Marduks Tun jedoch noch nicht. Da er durch seine erste Erhöhung die verlangte Schöpfungskompetenz erhalten hat (siehe § 6.3.2.), kann er nun auch nach eigenem Plan mit dem getöteten Feind verfahren. IV 135 IV 136

inūḫma bēlum šalamtaš39 ibarri uzu kūbu uzaʾʾaza40 ibannâ niklāti

Der Herr ruhte, um ihren Leichnam anzusehen, das Fleisch einer Totgeburt zu teilen und genialische Dinge zu erschaffen.

Durch die Lexeme šalamtu („Leichnam“) und uzukūbu („Fleisch einer Früh- oder Totgeburt“), wird gezeigt, dass Tiāmtu hier nur noch als unbelebte Materie angesehen wird, so dass sie als Rohmaterial für Marduks Schöpfung fungieren kann. Die besondere Qualität seiner Schöpfung wird durch das Lexem nikiltu („Genialisches“ √nkl) unterstrichen, das im Werk für herausragende Werke reserviert ist (siehe § 4.2.2.2.). Die Außerordentlichkeit von Marduks Schöpfung zeigt sich dann im Verlauf in verschiedenen Facetten. Erstens erschafft er wie sein Vater Ea aus dem Feind ein Habitat. Zweitens geht Marduks Schöpfung jedoch deutlich über die Tat seines Vaters hinaus (siehe § 4.1.4.). Aus dem konturlosen, blutigen Fleischklumpen (kūbu), der von Tiāmtu verblieben ist, produziert er so ein neues, sinnvoll zusammengesetztes Ganzes.41 Durch die Himmelsphänomene (Mond und Sonne) etabliert er zudem eine zyklische Zeitordnung, die den Kalender ermöglicht und damit den späteren Kult (siehe § 3.12.4.). Marduk erschafft nicht nur eine Welt, sondern einen Kosmos (siehe auch WILCKE 2010, S. 22), in den die Götter mit einbezogen sind (siehe § 4.1.4.). Von den erschaffenen Dingen nimmt er außer den Wetterphänomenen keine Domäne für sich in Anspruch. Dies gilt auch für die drei Weltteile, die er Anu, Enlil und Ea zuweist. Zusätzlich legt er die Macht, die verschiedenen Weltenteile zusammenzuhalten, in Form der Leitseile in die Hand seines Vaters Ea. Dies ist der dritte und vielleicht entscheidende Punkt: Marduks Schöpfung ist eine Schöpfung für die Götter. Derjenige, der etwas erschafft, qualifiziert sich durch die Schöpfung, über sein Werk zu verfügen. Dies gilt für Eas Apsû und später für den Menschen, den zwar Ea, aber mit Marduks niklātu, erschafft, so dass Marduk als ihr Herrscher 39

aunb: šalamtuš. aunb: uzāzu. 41 Hier nehmen auch ihre Körperteile wichtige Funktionen für die physische Ordnung der Welt ein (WILCKE 2007a, S. 43). 40

7.3. Taten von Marduk

367

prädestiniert ist. Somit wird Marduk möglicherweise erst durch die Weltschöpfung zum echten Weltherrscher. Wie und Mehr Durch die Erfüllung der ersten Aufgabe zeigt Marduk,  dass er sich an soziale Gepflogenheiten (Handlung nur durch Weisung von Vorfahren/Höhergestellten) und implizite Rechtsmaßstäbe (Gewaltkompetenz ist ein Herrscherrecht) hält.  dass er sich in den Bereich der rechtlichen Bewertung seines Tuns begibt und somit seiner Erhöhung potentielle Legalität verleiht.  dass er die verliehe Gewaltkompetenz dosiert einsetzen kann.  dass er seine herausragenden körperlichen und geistigen Eigenschaften auch sinnvoll und zum Wohle der Götter einzusetzen vermag.  dass seine Handlungen über die bloße Vertragserfüllung hinausgehen und er darüber hinaus eine Weltordnung etabliert. 7.3.3. Auftrag: Versorgung der Götterheiligtümer Menschenschöpfung und Wiedervereinigung der Götter Marduks Aufstieg zum Götterherrscher endet unter anderem mit der Feststellung, dass er nun der zāninu („Versorger“ V 115) der Götter sei. In dieser Bezeichnung verbirgt sich die Verleihung der Befugnis, aber eben auch ein Imperativ, da hiermit auf die zweite Auflage der ersten Erhöhung rekurriert wird. Marduk erhält die Macht, den Göttern ihre Pfründe an der Versorgung zuzuteilen, zugleich muss er aber auch dafür sorgen, dass überhaupt etwas produziert wird, das man später verteilen kann (siehe § 6.3.3.). Marduk löst diese Aufgabe, indem er die Menschen erschafft und somit die Götter von der Arbeit befreit (siehe § 3.14.4.). Dadurch müssen nicht die besiegten Tiāmtu-Götter zum Frondienst herangezogen werden, so dass sie den siegreichen Anšar-Göttern gleichgestellt werden können. Hierdurch wird das Götterschisma überwunden und die Tiāmtu-Götter werden wieder in die Götterwelt reintegriert. Damit heilt er die Wunde, die sein Vater durch seinen Königsmord angerichtet hat. Indem Marduk mit Ea denjenigen mit der Menschenschöpfung beauftragt, der für das Götter-Schisma maßgeblich verantwortlich ist, befördert er zusätzlich den Ausgleich zwischen beiden Göttergruppen. Ea arbeitet im Auftrag Marduks an der Befriedung derjenigen, an denen er sich verschuldet hat. Durch die Wiedervereinigung der Götter erhält Marduk freie und gleiche Untertanen.42 Durch diese Maßnahme erschafft er inneren Frieden, indem er die Spaltung überwindet und so weiteren Auseinandersetzungen vorbeugt. Speziell die Auftei42 Im weiteren Sinne betrifft dies die allgemeine Arbeitsbefreiung, wodurch die Aufteilung in eine Arbeiter- und eine Nutznießerklasse aufgehoben wird. Im engeren Sinne kann man Gleichheit auch umfassender verstehen, denn die Institution der 50 Großen Götter oder der sieben Götter der Festsprechungen werden nicht von Marduk, sondern von den Großen Göttern selbst eingesetzt, so dass Marduk hierarchisch nivellierend, die Versammlung der Großen Götter hingegen hierarchisch differenzierend arbeitet.

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Kapitel 7: Legitimation

lung der Götter in zwei soziale Klassen kann – wie textextern das Atramḫasīs-Mythos vor Augen führt – zu Konflikten unter den Göttern führen. Diesem greift Marduk durch sein Handeln vor, bevor es überhaupt zu weiterem Unfrieden kommen kann. Während die Weltschöpfung noch demiurgisch erfolgte, handelt Marduk bei der Menschenschöpfung als Weisung erteilender Herrscher (siehe § 3.14.11.). Wie und Mehr Durch die Erfüllung der zweiten Aufgabe zeigt Marduk,  dass er seine geistigen Qualitäten und seine Qualitäten als Herrscher sinnvoll und zum Wohle seiner Untertanen einzusetzen weiß.  dass er die Vertragserfüllung ein zweites Mal mit dem Programm, dauerhafte Ordnung zu stiften, verbindet. Dieses Mal etabliert er eine stabile Götterordnung. 7.3.4. Auftrag: Göttersitze Babylon Als dritte Forderung an Marduk formulierten die Götter die Auflage, dass an dem Ort, an dem er sich niederlässt, auch die anderen Götter Heiligtümer (sagû IV 12) erhalten sollen. Diese Forderung setzt zunächst einmal voraus, dass Marduk überhaupt einen eigenen Sitz besitzt. Während Ea seinen Sieg über Apsû dazu nutzt, in diesem sofort eine Wohnstatt für sich und seine Frau einzurichten, verteilt Marduk die beiden zusätzlichen Weltenteile (E-šara und die Himmel) an Enlil und Anu. Somit steht am Ende der Weltschöpfung eine Welt, in der Marduk keine eigene Stadt, keinen eigenen Tempel besitzt. Dieser Umstand ändert sich nach seiner zweiten Erhöhung, indem er seinen ersten Befehl an die neuen Untertanen dazu nutzt, die Stadt Babylon in Auftrag zu geben. Dabei expliziert er schon bei der Schilderung seiner Idee, dass dieser Ort nicht für ihn exklusiv bestimmt: V 125 V 126 V 127 V 128

enūma ultu Apsî tillâ ana pu⌈ḫrum⌉ ašruššu lū nubattakun ana maḫar puḫur[k]un43 enūma ultu šamāmī44 turr[adā] ana [puḫri] ašr[uššu] lū nubattakun ana maḫar45 puḫurkun46

Wenn ihr vom Apsû aufsteigt zur Versammlung, dann soll an seinem Ort (= Babylon) eure Nacht(ruhe) sein vor eurer Versammlung. Wenn ihr von den Himmeln herabste[igt] zur [Versammlung], dann soll an seinem Ort (= Babylon) eure Nacht(ruhe) sein vor eurer Versammlung.

Damit verspricht Marduk den Göttern einen Ruheplatz in der neuen Hauptstadt, in der zukünftig die Götterversammlungen abgehalten werden. Aber auch der Name Babylon in seiner Ausdeutung als bītāt ilānī rabûti (V 129) greift den Auftrag wieder auf (siehe § 5.2.2.). Nachdem die Götter Babylon für Marduk erbaut haben, errichten sie darin ihre eigenen Kultsockel (parakkū VI 68), womit die dritte Auflage 43

Grammatisch wäre puḫrikunu zu erwarten, siehe auch WORTHINGTON 2012, S. 282 Anm. 926. ENin: elât]i. 45 funb:2a: maḫari. 46 ENin: puḫu]r?kunu. Siehe auch oben Anm. 43. 44

7.3. Taten von Marduk

369

an Marduk als letztes erfüllt ist. Wie bereits bei der Menschenschöpfung handelt es sich auch bei dieser Schöpfung um eine auktoriale, bei der die Götter auf Befehl Marduks hin handeln. Wie bereits bei den beiden vorherigen Auflagen, geht Marduk auch bei der Errichtung der Göttersitze in seiner eigenen Heimstatt über die bloße Erfüllung der Gegenforderung hinaus. So fügt er der Welt durch die Stadt Babylon ein Zentrum hinzu, das sich nicht nur kosmisch dort verortet (V 121–124), sondern auch als kultische und theopolitische Mitte der Welt fungiert (siehe § 4.4.1.1.). Hier – als Ort der Sitze aller Götter – findet die Versorgung der Götter durch den Kult statt. Von hier als Sitz der Götterversammlung und als Marduks Residenz wird die Welt regiert. Die Ordnung der Welt erhält mit Babylon ein Zentrum, in dem alle Fäden zusammenlaufen.47 Andererseits werden durch diese Zentralisation die anderen Teile der Welt abgewertet, da sie Babylon untergeordnet werden. Dies gilt für die Himmel, E-šara und Apsû und damit auch für ihre Bewohner Anu, Enlil und Ea. Somit spiegelt sich in der kosmischen Zentralisation in Babylon die Machtzentralisation in Marduk wider. Wie und Mehr Marduk beweist durch die Erfüllung der dritten Vertragsauflage,  dass er auch als Herrscher zum Wohle der Götter wirkt.  dass er die Vertragserfüllung ein drittes Mal mit dem Programm, Ordnung zu stiften, verbindet. Dieses Mal gibt er der Welt ein kultisches und theopolitisches Zentrum. Die Welt erhält eine zentralistische Ordnung. 7.3.5. Auftrag: Differenzierte Bestrafung Verschonung und Menschenschöpfung Als letztes erhält Marduk die Auflage, bei der Bestrafung seiner Feinde nach dem Schuldprinzip vorzugehen (IV 17f.). Nur derjenige, der Schuld auf sich geladen hat, soll bestraft werden. Durch die Verschonung seiner fliehenden Feinde hat Marduk auf eine undifferenzierte Gewaltanwendung verzichtet und damit die Grundlage dafür gelegt, dass in einem nächsten Schritt die Schuldfrage in Ruhe geklärt werden kann. Die Klärung der Schuldfrage verknüpft er dann mit der Menschenschöpfung, die zum Projekt der Versorgungsicherung gehört (siehe § 4.2.2.). Der schuldige Gott liefert den Rohstoff, göttliches Blut, das für die Anthropogenese benötigt wird. Der Ratschlag dieses Material zu verwenden, kommt dabei interessanterweise von Ea.48 Somit kommt die Idee nicht aus dem Mund Marduks, so dass Marduk nur mittelbar mit der Tötung Kingus in Verbindung gebracht wird und damit sein Bild als generöser Herrscher bewahrt bleibt. 47

Dies gilt am Ende des Werkes sogar im wörtlichen Sinne, da Ea vermutlich die Kontrolle über die Leitseile, die die Welt zusammenhalten an Marduk zurückgibt (VII 141, siehe § 5.2.9. Anm. 228), so dass diese Seile in Babylon als Marduks Sitz zusammenlaufen. 48 Damit füllt er die gleiche Rolle aus wie im Atramḫasīs-Mythos, wo er ebenfalls die Tötung eines Gottes vorschlägt, um Menschen zu formen.

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Kapitel 7: Legitimation

Rechtssetzung und Sündenbock49 Marduk definiert zunächst inhaltlich, was „Schuld“ (arnu) ist, und beauftragt dann die Götterversammlung mit der Rechtsfindung und Urteilsvollstreckung. Durch diese Handlungen etabliert Marduk das Rechtssystem, um so dauerhaft Personen gemäß ihrer konkreten Schuld zu bestrafen. Zugleich formalisiert und entindividualisiert das Recht den Zusammenhang zwischen Verbrechen und Strafe, womit dem Gedanken an Rache die Grundlage entzogen wird, was die friedliche Koexistenz der Götter (und Menschen) befördert (siehe § 4.2.2.3.). Die Rechtsprechung legt Marduk dabei in die Hände der Götterversammlung, womit er nach moderner Diktion Gewaltenteilung betreibt.50 Zwar beruft er das Gericht ein, tritt als Ankläger auf und definiert, was Schuld ist, doch die konkrete Rechtsfindung erfolgt durch Dritte. Durch diese Maßnahme verwandelt er die Bestrafung Kingus in eine Rechtsfrage und trennt sie dadurch von Kingus Rolle als Prätendent, die hier interessanterweise überhaupt nicht thematisiert wird. Es geht nicht um das Verhältnis zwischen Kingu und Marduk, sondern um Kingus Schuld. Da Kingu nicht die alleinige Schuld an dem Ausbruch des zweiten Konflikts trägt, enthält seine Bestrafung auch Elemente des Sündenbockmodells, wodurch deren gleichwertige Verfehlungen gesühnt werden (siehe § 4.2.2.3.). Durch diesen letzten Gnadenakt vollendet Marduk die Wiedereingliederung der Tiāmtu-Götter und damit die Überwindung des Schismas. Verstärkt wird dieser Effekt durch die wahrscheinliche Einbindung der Tiāmtu-Götter in die Verurteilung Kingus.51 Durch die Hinrichtung Kingus wird aber euch deutlich, dass Verschulden zu Strafe führt, so dass die aus ihm geschaffenen Menschen als Mahnmal die Götter daran erinnern, rechtskonform zu handeln und damit auch gehorsam gegenüber Marduk zu sein. Somit zeigt auch die Bestrafung stabilisierende Wirkung auf das Miteinander der Götter. Wie und Mehr Marduk beweist durch die Erfüllung der letzten an ihn gestellten Aufgabe,  dass er in der Umsetzung verschiedene Aufträge sinnvoll miteinander zu verknüpfen weiß.  dass er das richtige Maß aus Gnade und Strafe kennt.  dass er die Vertragserfüllung ein viertes Mal mit dem Programm, Ordnung zu stiften, verbindet. Dieses Mal etabliert er die Institution des Rechts, welche dazu dient, das friedliche Miteinander der Götter zu stabilisieren.

49 Die näheren Ausführungen zu Marduks Handlungen und ihrer Bedeutung finden sich in § 4.2.2.3. 50 Die Bindung altorientalischer menschlicher Herrscher an die Institution des Rechts findet sich beispielsweise auch in WILCKE 2007b, S. 216. 51 Möglicherweise sind sie Teil der versammelten Großen Götter, so dass sie für Kingus Tod mitverantwortlich sind.

7.3. Taten von Marduk

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7.3.6. Zusammenfassung Durch die Forderung nach Erhöhung zeigt Marduk, dass er die Königsherrschaft nicht ergreift, sondern verliehen bekommen möchte, womit er eine zentrale Norm des Textes einhält. In der Umsetzung der Auflagen des anschließenden Aufstiegsvertrags erweist sich Marduk sowohl durch die Art und Weise, wie er die Auflagen umsetzt, als auch durch seine zusätzlichen Taten als guter Gott und Herrscher. Wie Dadurch dass Marduk seine Mission gegen Tiāmtu nur in Gestalt eines expliziten Mandats aufnimmt, zeigt er, dass er die Gewaltanwendung als Herrschermonopol akzeptiert. Zudem handelt er nur auf Weisung höhergestellter Götter und nicht eigenmächtig. Damit unterscheidet er sich deutlich von dem Verhalten seines Vaters Ea im ersten Konflikt. Zugleich begibt er sich dadurch in ein Vertragsverhältnis mit den Göttern, womit er den Bereich des expliziten Rechts betritt.52 Durch den Aufstiegsvertrag und dadurch, dass Marduk dessen Auflagen alle erfüllt, erlangt seine Erhöhung Legalität und erfüllt damit die notwendige Bedingung für Legitimität. Sowohl im Kampf gegen Tiāmtu als auch bei der Umsetzung des Auftrags der differenzierten Bestrafung seiner Feinde setzt Marduk nur das kleinste nötige Maß an Gewalt ein. Es reicht aus, dass er Tiāmtu tötet, um die von den Tiāmtu-Göttern ausgehende Gefahr zu eliminieren. Er muss nur Kingu verurteilen lassen, um einen Schuldigen für die Gefahrenlage zu bestrafen, alle anderen werden durch den mitschuldigen Sündenbock entsühnt. Schließlich dienen alle seine Handlungen dem Wohl seiner Untertanen. Marduk verlangt zwar die Erhöhung zum höchsten Gott, aber ansonsten stellt er seine Bedürfnisse eher zurück. Besonders deutlich wird dies wieder im Kontrast zu seinem Vater Ea, der nach seinem Sieg sogleich den Leichnam des Feindes für sich in Anspruch nimmt und sich darin niederlässt. Anders geht Marduk vor, der die beiden neuen Weltenteile, die er aus Tiāmtu erschafft, an Anu und Enlil gibt und erst später den Bau von Babylon in Angriff nimmt.53 Außerdem offenbart Marduk seine Genialität auch in der Verknüpfung der Aufgabe, die Versorgungsfrage zu klären und zugleich einen Schuldigen zu bestrafen. Der Hinweis hierfür stammt zwar von Ea, aber die konkrete Verbindung der Lösung übernimmt Marduk, womit er zeigt, dass er auch komplexe Probleme am Ende so lösen kann, dass keine neuen Probleme entstehen. Auch hier verdeutlicht sich die besondere Qualität von Marduks Tun wieder vor der Folie der Handlungen seines Vaters im ersten Teil der Parallelstruktur, der durch die Ermordung Apsûs den zweiten Konflikt provoziert und somit eine Problemkette erschafft. Marduks Lösungsansätze sind dagegen in dem Sinne final, dass sie keine neuen Probleme erschaffen; Marduks Handlungen sind entdynamisierend.

52 Das Vertragsrecht selbst, auf dessen Basis das Abkommen geschlossen wird, wird hingegen wieder implizit vorausgesetzt. 53 Durch diese Maßnahme rückt die Erbauung Babylons an das Ende der Schöpfung, womit Babylon auch als Klimax der Schöpfung im Text fungieren kann (siehe § 4.2.2.1.).

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Kapitel 7: Legitimation

Mehr Marduks Handlungen beschränken sich nicht nur auf die Erfüllung der Auflagen des Erhöhungsvertrags, sondern gehen substanziell darüber hinaus. Dieses Mehr lässt sich dabei stets durch den Begriff der Ordnung fassen.  Die Rettung der Götter verbindet er mit der Einrichtung einer dauerhaften Weltordnung, die neben einem räumlichen auch ein zeitliches Koordinatensystem umfasst, die beide die gesamte Welt betreffen.  Die Lösung der Versorgungsfrage verknüpft er mit der Menschenschöpfung, die wiederum die Wiedervereinigung der Götter ermöglicht. Am Ende steht eine friedliche und damit stabile Götterordnung.54  Dass die Götter ihre Sitze am Marduk-Ort erhalten, setzt die Existenz von letzterem voraus. Marduk lässt aber nicht nur Babylon erbauen, sondern macht diese Stadt zugleich zur kultischen und theopolitischen Mitte der Welt, wodurch er eine funktional zentralistische Ordnung etabliert.  Schließlich bestraft Marduk Kingu nicht nur entsprechend seiner Schuld, sondern er installiert dadurch zugleich eine institutionalisierte Rechtsordnung, die mögliche Konflikte lösen hilft, ohne neue Konflikte (Rache) zu schüren. Pax Mardukiana Sowohl das Wie der Handlungen Marduks als auch das über die Vertragserfüllung hinausgehende Mehr folgen einer gemeinsamen Logik. Alle Maßnahmen wirken entdynamisierend:  Die Einhaltung der Vorgaben des Aufstiegsvertrags verhindert mögliche Konflikte zwischen Marduk und den Göttern.  Durch die dosierte Gewaltanwendung wird einer Eskalation der Ausgangslage und möglichen Rachegedanken ein Riegel vorgeschoben. Die Gewalteinsetzung beendet zum einen das von Tiāmtu ausgehende Gefahrenpotential und Kingus Hinrichtung wirkt zum anderen vorbeugend gegenüber zukünftigen Tötungsplänen.  Indem Marduk zumeist zuerst an seine Untertanen denkt und erst dann an seine Bedürfnisse, stellt er sie zufrieden, so dass sie keinen Grund bekommen, sich gegen den neuen Herrscher aufzulehnen.  Durch seine Weltschöpfung erschafft Marduk einen Kosmos, und damit eine dauerhafte raum-zeitliche Weltordnung.  Indem Marduk durch die Menschenschöpfung die Tiāmtu-Götter von der Arbeit befreit und durch Kingu als Sündenbock auch ihre Schuld am zweiten Konflikt von ihnen nimmt, kann er sie als Gleichgestellte reintegrieren. Dadurch beugt er Spannungen zwischen beiden Götter-Gruppen vor.  Durch die Installation von Babylon werden die kosmisch wichtigen Funktionen an diesem einen Ort gebündelt und somit ein stabiles Funktionieren der Welt gewährleistet. 54 Diese beiden ersten Punkte kann man mit Jean Bottéro auch als geographische (Weltschöpfung), administrative (Götterordnung mit Funktionszuweisung) und ökonomische (Sicherstellung der Versorgung durch Menschenschöpfung) Installation bezeichnen (1985, S. 160).

7.3. Taten von Marduk

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 Schließlich wirkt auch das Recht als Institution entdynamisierend, weil die Verbindung zwischen Schuld und Strafe objektiviert und somit der Dimension der persönlichen Beziehung entzogen wird. In einem idealen Rechtssystem gibt es keinen Grund für Rache. Durch die Bestrafung Kingus wird jedoch auch verdeutlicht, dass auf Verbrechen Strafe folgt, was die Rechtsbefolgung und damit eine friedliche Koexistenz befördert. Durch diese Punkte baut Marduk existierende Spannungen ab oder verhindert, dass sich neue aufbauen.55 Somit steht am Ende des zweiten Konflikts nicht der Same für einen dritten, sondern eine dauerhafte globale soziale, politische und raum-zeitliche Ordnung.56 Entsprechend steht am Ende von Marduks Tun ein allumfassender Kosmos, der ewige Stabilität und damit ewigen Frieden verspricht. Dabei ist Marduk die Instanz, die den Erhalt dieser Ordnung verspricht. Als König der Götter und der Welt laufen alle Fäden in ihm zusammen. Da Marduk diese Ordnung aber auch erschaffen hat, ist er derjenige, der diese Ordnung versteht und somit garantieren kann, dass sie erhalten bleibt. Marduk hat durch seine Taten gezeigt, dass er die Fähigkeiten dazu hat, als König verfügt er zudem über die notwendigen Befugnisse. Somit ist der erschaffene allumfassende Kosmos in doppeltem Sinne in Marduks Verantwortung. Als Schöpfer hat er ihn etabliert, als König verfügt er über ihn. Da diese globale Weltordnung gleichbedeutend ist mit ewigem Frieden und sie durch Marduk doppelt verantwortet wird, kann man sie am besten mit dem Begriff der Pax Mardukiana beschreiben.57 Marduk ist Schöpfer und Herrscher dieser Ordnung.58 Somit konnte Marduk durch seine Taten den Göttern nicht nur vor Augen führen, dass er die ungeschriebenen Normen vom richtigen Tun berücksichtigt und sich dadurch als Herrscher legitimiert. Auch das Gesamtergebnis seiner einzelnen Handlungen, das als Pax Mardukiana eine in sich geschlossene Einheit darstellt, erfüllt die Idealvorstellungen vom Wesen der Welt. Als Schöpfer, aber vor allem als Hüter dieser Ordnung stellt er den archimedischen Punkt dieser weltumspannenden Ordnung dar. Solange er existiert und herrscht, bleibt auch diese Ordnung ewig beste55

Die einzige Ausnahme zu diesem Schema findet sich am Anfang des zweiten Konflikts, denn dieser wird auch dadurch ausgelöst, dass Marduk seine Winde wirbeln lässt, wodurch er Tiāmtu aufstört (siehe § 4.1.2.). Dieser Umstand wird im weiteren Werk verschwiegen und verwundert gerade vor dem Hintergrund der hier aufgeführten Punkte. Die genaue Auslegung dieser Passage benötigt daher dringend weitergehende Forschung, da auch diese Handlung Marduks im Kern etwas Positives sein muss. 56 Für das Lied auf Marduk eröffnet sich hier die Frage, ob nicht auch die Götter durch ihre Handlungen diese neue Stabilität befördern. So berauben sie sich durch die dritte Erhöhung möglicherweise des Bereichs ihrer Handlungsfähigkeit, der ordnungsgefährdend wäre. Dann wäre der Treueeid tatsächlich eine nachgerade logische Konsequenz aus der durch Marduk etablierten und garantierten Ordnung und würde bestätigend – im Sinne von statisch-machend – wirken. 57 In einer anderen Formel, aber mit einer vergleichbaren Bedeutung, hat Thorkild Jacobsen das Ergebnis von Marduks Taten zusammengefasst: „order and peace and prosperity“ (1976, S. 191). 58 Somit ersetzt der Text nicht nur Enlil durch Marduk als Götterherrscher, sondern formuliert durch Marduk als Ordnungsbringer auch eine neue Idee vom Götterkönigtum, die über die traditionelle Enlilschaft hinausgeht (JONES 2005, S. 336; ähnlich VANSTIPHOUT 1992, S. 48f.).

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hen, so die Botschaft des enūma eliš. Insofern sorgen die Götter durch die endgültige Einsetzung Marduks zum Götterherrscher durch den Treueschwur dafür, dass diese Ordnung fortbesteht. Damit wird der archimedische Punkt des Kosmos fixiert und damit die Pax Mardukiana perpetuiert.59

7.4. Taten für Marduk – und ein Exkurs zu Thomas Hobbes‘ Leviathan Freiwillige gemeinsame Selbstunterwerfung Die Analyse von Marduks Aufstieg (siehe § 6.4.) und seinen Taten (siehe § 7.3.6.) hat gezeigt, dass er die Königsherrschaft nicht einfach nimmt, sondern verliehen bekommt. Zwar tritt Marduk anfangs selbstbewusst mit einer Forderung dem Götterherrscher Anšar gegenüber, doch will oder kann er sich nicht selbst zum König machen. Stattdessen verlangt er von den Göttern, dass diese ihn erhöhen sollen, als Gegenleistung für seine Mission gegen Tiāmtu. In dem anschließend abgeschlossenen Aufstiegsvertrag wird die Reziprozität der Handlungen von Marduk und den Göttern fortgeführt. Marduk erledigt für die Götter weitere Aufgaben und im Gegenzug statten sie ihn mit mehr Macht aus. Die legitimierende Kraft der Handlungen der anderen Götter zeigt sich in den drei Erhöhungen Marduks,60 wobei jeweils ein recht ähnliches Modell zum Zuge kommt. Dieses Muster findet sich auch in den prozeduralen Forderungen Marduks (siehe § 6.3.1.). So sollen sich die Großen Götter für Marduks Erhöhung 6. gemeinsam (mitḫāriš II 159) und 7. freudig zusammenfinden (ḫadîš tišbāma II 159). 59 Eckart Frahm verbindet das Versprechen auf Hegemonie und Ordnung, das im Lied auf Marduk transportiert wird, mit der politischen Geschichte nach Nebukadnezar I. Diese zeichnet sich durch einen konstanten Bedeutungsverfall Babylons aus bis zum Verlust seiner Selbständigkeit durch die Eroberung durch Tiglat-pileser III. im Jahr 729 v. Chr. Durch diese realpolitischen Entwicklungen kommt das Werk in ein handfestes Rechtfertigungsproblem, worauf möglicherweise das Erra-Epos antwortet, das versucht die Irrungen und Wirrungen zu erklären (2011, S. 347). Dies geschieht dadurch, dass Marduks Insignien erneuert werden müssen und er sie deswegen ablegt. Anschließend fällt Erra über die Menschen her und bringt Unruhe und Verderben. Am Ende wird der Frieden jedoch wiederhergestellt und vor allem dann garantiert, wenn das Erra-Epos gesungen wird (CAGNI 1969, S. 58–129). Hier zeigen sich somit ähnliche Vorstellungen wie im Epilog des enūma eliš (siehe auch § 2.2.3.). Zusammengefasst liefert das Erra-Epos eine theologische Rechtfertigung für das Nichteintreten der Pax Mardukiana, und es gibt den Menschen ein neues Versprechen, eine neue Hoffnung auf Frieden. Tatsächlich erlangte die Stadt Babylon erst unter den neubabylonischen Herrschern die im Lied auf Marduk beschriebene Bedeutung (FRAHM 2011, S. 352). 60 Diese Erhöhungen finden alle im Rahmen von Götterversammlungen statt (siehe § 6.3.). Auf ihre besondere textimmanente Bedeutung verweist Vitali Bartash, der insgesamt 40 Belege für die Lexeme puḫru und ukkinnu zählt (2010, S. 1083). Dass er daraus aber eine größere Relevanz der Versammlung gegenüber dem Konzept des Königtums (šarru/šarrūtu zählt er nur 22-mal) ableitet (IBID), lässt sich so nicht halten. Die Götterversammlungen als Taten der Götter für Marduk sind ein Vehikel seiner Erhöhung und besitzen damit ein instrumentales Verhältnis zu Marduks Königtum. Dieses Königtum wiederum ist das finale Ziel des Werkes und somit gemäß dieser teleologischen Differenzierung als wichtiger zu erachten.

7.4. Taten für Marduk – und ein Exkurs zu Thomas Hobbes‘ Leviathan

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In dem siebten Punkt steckt mit der Freude zugleich auch die Dimension der Freiwilligkeit. Wenn man etwas freudig tut, dann will man das auch, dann tut man es freiwillig. Somit ist die Erhöhung Marduks nichts Oktroyiertes. Im Gegenteil, die Götter übertragen die Vollmachten gerne an Marduk.61 Dies liegt im Wesentlichen daran, dass Marduks Aufstieg auch Vorteile für die Götter bedeutet. So errettet er sie in existentieller Not, gibt ihnen einen Sitz in der Marduk-Stadt, sichert ihre Versorgung und verspricht einen differenzierten Umgang mit dem Schuldigen. Es gibt keine Verlierer, nur Gewinner. Somit ist Marduks Aufstieg zum Götterherrscher ganz im Sinne seiner (designierten) Götteruntertanen. Der Vorteil wird gerade im Vergleich zur Herrschaft von Anšar deutlich, der vor Marduks Erscheinen nicht in der Lage ist, die Götter in ihrer existentiellen Not zu retten. Als Marduk dann im Folgenden zusätzlich noch von sich aus eine dauerhafte globale Weltordnung etabliert, und damit ewigen Frieden verspricht (siehe § 7.3.6.), ist es nachvollziehbar, dass die Götter gerne diesen Frieden bewahren und somit auch die letzte und ewige Einsetzung Marduks freiwillig vollziehen – jenseits auch der vertraglichen Verpflichtung. Da sich Marduk zudem als gerechter König erwiesen hat (Umgang mit den Feinden, Etablierung des Rechts), unterstellen sich die Götter ebenfalls gerne seiner Herrschaft. An dieser Stelle interagieren die Taten Marduks mit den Taten der Götter, die ihn aufgrund der Vorzüglichkeit seiner Handlungen gerne erhöhen. Sie setzen Marduk nicht nur freiwillig als ihren Herrscher ein, sondern vollziehen dies auch gemeinsam. Zum einen ist die Gemeinsamkeit ein Bestandteil von Marduks Forderung (Kriterium 6), zum anderen liegt darin aber auch eine implizite Vorstellung einer korrekten Erhöhung. Bei der ersten Erhöhung agieren die Großen Götter der AnšarGötter zusammen, bei seiner Einsetzung zum Götterkönig handeln alle Anšar-Götter gemeinsam, und den Treueeid schließlich schwören alle Großen Götter der wiedervereinigten Götterschar. Die Großen Götter fungieren dabei jeweils als Repräsentanten der sie stellenden Gruppe. Die Handlungsträger transferieren jeweils Vollmachten an Marduk, wodurch sie ihn über sich selbst stellen. Sie verleihen ihm eine Festsprechungsmacht, die die ihrige bricht, wie bei der Sternbilddemonstration gezeigt wird. Sie geben ihm die Königsherrschaft über sich selbst und erweitern und bestätigen sie schließlich. Die Erhöhung Marduks geht somit mit der Abtretung eigener Kompetenzen einher und damit mit einer eigenmächtigen Unterwerfung unter sein Regime (FOSTER 2005, S. 437).62 Die zukünftigen Untertanen selbst unterstellen sich dem zukünftigen Herrscher, so dass alle beteiligten Parteien an dem Prozess beteiligt sind. Marduk wird Herrscher über die Anšar-Götter, indem sie sich ihm unterwerfen und über alle Götter, indem sich die Großen Götter stellvertretend vor 61

Die Radikalität dieses Selbstverzichts äußert sich zum einen in der Selbstverfluchung im Zuge des Treueeids und zum anderen in Eas Transfer seines eigenen Namens auf Marduk, womit er all seine Funktionen auf Marduk überträgt und sich damit sogar selbsttätig überflüssig macht. Er geht in Marduk auf, wie auch Anšar durch den Namen Asalluḫi, Enlil durch Bēl mātāti und die 50 Namen. Durch letztere wiederum verschmelzen möglicherweise am Ende auch die 50 Großen Götter mit Marduk (siehe § 6.3.5.). 62 Dieser Befund widerspricht der These von Michael Fieger, wonach Marduk die anderen Götter unterdrücke (2011, S. 70).

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Kapitel 7: Legitimation

Marduk selbstverfluchen. Gerade in der Selbstverfluchung zeigt sich der Grad der Abtretung eigener Macht, weil die Götter dadurch sogar die Macht über das eigene Leben in Marduks Hände legen. Anders funktioniert der Aufstieg Kingus, der zwar in einer Götterversammlung, aber nur von Tiāmtu erhöht und damit ohne ihr Zutun über alle Götter gesetzt wird. Somit erlangt er Macht über eine dritte Partei, die Tiāmtu-Götter, die nicht aktiv an der Erhöhung teilhat.63 Demgegenüber steht Marduks Aufstiegsvertrag, durch den beide beteiligten Parteien, Marduk und die Anšar-Götter, an der Erhöhung direkt teilhaben. Durch den gegenseitigen Vertragsschluss und den damit verbundenen stufenförmigen Aufstieg Marduks offenbart sich noch eine weitere Dimension im Tun der Götter. So handelt es sich um einen im vierfachen Sinne formalen, geregelten Prozess.  Erstens legt der Erhöhungsvertrag die Leistungen beider Seiten fest. Da es sich dabei um einen Festsprechungsakt der Großen Götter handelt, sind dessen Ausführungen formal und dauerhaft festgesetzt (siehe § 6.3.2.).  Zweitens folgt auch der Aufstieg selbst einem klaren Muster. Auf Marduks Ausstattung mit höchster Festsprechungsmacht, folgt seine Einsetzung als Götterherrscher nach der Erfüllung der ersten Auflage (Sieg über Tiāmtu) und schließlich seine dauerhafte Installation (siehe § 6.4.).  Drittens wird das Ergebnis in der feierlichen Verleihung von 50 Namen fixiert und damit auf ewig in Marduks Benennungen fest- und niedergeschrieben. Somit sind seine Herrschereigenschaften durch die Namen dauerhaft mit Marduk verbunden und durch die keilschriftschauliche Auslegung der Namen kann das Wissen zudem immer wieder aktualisiert werden. Hierdurch wird das Ergebnis der Handlungen der Götter – ihre Selbstunterwerfung und die damit verbundene Erhöhung Marduks – auf ewig fixiert (siehe § 6.3.5.). Thomas Hobbes‘ Leviathan Abschließend soll ein kleiner Ausblick in die politische Philosophie gewagt werden, denn die Einsetzung eines Herrschers durch freiwillige Selbstunterwerfung findet sich auch in der sogenannten Vertragstheorie, insbesondere bei Thomas Hobbes in dessen Traktat Leviathan (erschienen 1651). In diesem Werk wird ein Gedankenexperiment angestrengt, das mit einer vollkommen gesetzlosen Ausgangssituation, dem Naturzustand, beginnt. In diesem ist es für alle Menschen logisch, egoistisch und potentiell gewalttätig miteinander umzugehen. Da die Interessen der Individuen automatisch miteinander in Konflikt geraten kommt es immer wieder zu Streitigkeiten. Da der andere immer zu Gewalt greifen könnte, ist es rational, präventiv selbst gewalttätig zu werden. Somit ist dieser Naturzustand nichts anderes als ein ewiger Kriegszustand („Krieg eines jeden gegen jeden“, lateinisch: bellum ominum contra omnes) (HOBBES 2011, S. 122). Somit ist die Ausgangssituation für alle Be63 Der allgemeine Machtanspruch Kingus, der sich auch auf die Anšar-Götter erstreckt, soll hier ausgeblendet werden. Gleiches gilt für Anšars Herrschaft, die an sich auch das Königtum über die Tiāmtu-Götter impliziert.

7.4. Taten für Marduk – und ein Exkurs zu Thomas Hobbes‘ Leviathan

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teiligten ein unerträglicher Zustand, aus dem die Menschen entsprechend heraustreten wollen. Dass der Naturzustand kein idyllisches Modell ist, liegt daran, dass ein verbindliches Rechtssystem für alle fehlt und vor allem eine Instanz, die in der Lage ist, das Recht durchzusetzen und somit definierte Rechtsräume zu schaffen. Erst diese geschützten Rechtsräume helfen, Konflikten vorzubeugen. Wenn jeder Mensch klar bestimmte Freiräume hat, die eindeutig von anderen Freiräumen abgegrenzt sind, so reduzieren sich Auseinandersetzungen automatisch. Sollten die gezogenen Grenzen aber dennoch überschritten werden, so sorgt ein potentes Rechtssystem für eine entsprechende Sanktionierung. Dadurch werden die Menschen voreinander beschützt und ein friedliches Miteinander wird möglich. Die Lösung liegt nach diesen Vorüberlegungen in der Einrichtung einer allmächtigen Instanz, die in der Lage ist Recht zu setzen und dann auch durchzusetzen. Eine solche Instanz kann aber nur entstehen, wenn alle Menschen relevante Befugnisse auf diese einzige Instanz übertragen und somit freiwillig auf ihre uneingeschränkte Freiheitsausübung64 verzichten. Dieser Rechtsabtritt umfasst nach Thomas Hobbes sogar die Macht über das eigene Leben. Somit übertragen die Menschen ihren Willen auf eine einzige Person, die danach als Vereinigung des Willens aller absolut regieren kann. So wird diese Person oder Institution zum Garanten des Gesetzes und ermöglicht damit rechtliche, d.i. geregelte Verhältnisse des Zusammenlebens im Gesellschaftszustand. Diese Übertragung der eigenen Befugnisse geschieht mittels eines Vertrags, in dem auf sie verzichtet wird und im Souverän, dem Leviathan, gebündelt werden (HOBBES 2011, S. 166):65 „Der alleinige Weg zur Errichtung einer solchen allgemeinen Gewalt, die in der Lage ist, die Menschen vor dem Angriff Fremder und vor gegenseitigen Übergriffen zu schützen und ihnen dadurch eine solche Sicherheit zu verschaffen, dass sie sich durch eigenen Fleiß und von den Früchten der Erde ernähren und zufrieden leben können, liegt in der Übertragung ihrer gesamten Macht und Stärke auf einen Menschen oder eine Versammlung von Menschen, die ihre Einzelwillen durch Stimmenmehrheit auf einen Willen reduzieren können. Das heißt so viel, wie einen Menschen oder eine Versammlung von Menschen bestimmen, die deren Person verkörpern sollen, und bedeutet, dass jedermann alles als eigen anerkennt, was derjenige, der auf diese Weise seine Person verkörpert, in Dingen des allgemeinen Friedens und der allgemeinen Sicherheit tun oder veranlassen wird, und sich selbst als Autor alles dessen bekennt und dabei den eigenen Willen und das eigene Urteil seinem Willen und Urteil unterwirft.“

An dieser Stelle lässt Thomas Hobbes offen, ob es sich beim Leviathan um einen einzelnen König oder eine Personengruppe handelt. Anschließend argumentiert er jedoch dafür, dass die (absolutistische) Monarchie die beste aller Staatsformen sei, da es hier keine Konflikte zwischen gleichgestellten Funktionsträgern geben kann, wie sie beispielsweise eine Aristokratie kennzeichnen würden. Der Naturzustand wäre dann nur auf eine andere Ebene verlagert. Somit entspricht es auch dem Gedankengebäude von Thomas Hobbes, wenn im Folgenden für eine bessere Ver64 Im Sinne einer substanziell unbegrenzten Handlungsfähigkeit, die kein Dürfen, sondern nur ein Wollen kennt. 65 Diese Übersetzung fußt auf der englischsprachigen Erstausgabe des Werkes aus dem Jahr 1651.

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Kapitel 7: Legitimation

gleichbarkeit zwischen Leviathan und dem Lied auf Marduk davon ausgegangen wird, dass es sich bei der Instanz, auf die sich der Wille aller vereinigt, um einen König handelt. Leviathan und enūma eliš Als erstes divergiert die Natur der jeweiligen Ausführungen deutlich. So handelt es sich bei dem Naturzustand um ein Gedankenmodell, das Thomas Hobbes verwendet, um gewisse Zusammenhänge aufzuzeigen. Einen anderen Charakter scheint das Lied auf Marduk zu haben, bei dem es sich um einen altorientalischen Mythos handelt. Ein Mythos fungiert dabei nach Annette Zgoll und Reinhard Kratz zuvorderst als „Wirklichkeit- und damit Wahrheit-abbildend und auch -stiftend“ (2013, S. 11f.). In diesem Sinne zeigt auch das enūma eliš wie der philosophische Traktat von Thomas Hobbes Zusammenhänge auf und will zugleich aber auch Wirklichkeit produzieren.66 Beiden Ansätzen ist gemein, dass sie Herrschaftssysteme legitimieren wollen. Neben diesen formalen Parallelen existieren jedoch auch weitergehende inhaltliche Korrelationen. Das Pendant zum Naturzustand ist im Lied auf Marduk die existentielle Notlage der Anšar-Götter, die aus dieser Situation herauswollen (FRANKFORT 1969, S. 235f., JACOBSEN 1976, S. 183–185). Ausgangspunkt des Gesamtkonflikts ist der Lärm der neu entstandenen Götter, der die Urwesen Tiāmtu und Apsû nicht zu Ruhe kommen lässt. Dies ist ein typischer Fall für Konflikte durch Freiheitsausübung (Lärm), der die Freiheitsausübung anderer (Schlaf) behindert. Durch das Fehlen eines übergeordneten Rechtssystems67 kommt es zu einem gewalttätigen Konflikt zwischen beiden Parteien, da die Ruhesuchenden ihr Interesse qua Ermordung der Störenden durchsetzen wollen, die sich aber präventiv zur Wehr setzen. Damit handelt es sich in der Tat um ein Paradebeispiel für den im Leviathan beschriebenen Naturzustand. Die jeweilige Freiheitsausübung führt zu einem Konflikt, der von der einen Seite gewalttätig gelöst werden will, die andere aber dieser zuvorkommt und ebenfalls durch Gewalt den Streit zu lösen sucht. Anders als im Leviathan kämpfen im enūma eliš jedoch nicht einzelne Individuen gegeneinander, sondern zwei Parteien: Im ersten Konflikt stehen sich die Urwesen und die Götter gegenüber, im zweiten die Tiāmtu- und Anšar-Götter. Zudem handelt es sich nicht um eine latente Bedrohung wie im Naturzustand, sondern um eine sehr konkrete Gefahrensituation durch den zweimalig geplanten Theozid. Außerdem erfolgt Marduks Aufstieg stufenweise in Gestalt von drei Erhöhungen und zwei Verträgen (Aufstiegsvertrag und Treueeid), wohingegen die Schaffung des Gesellschaftszustandes als ein einmaliger Akt gedacht wird. Schließlich gibt es noch einen elementaren Unterschied zwischen den Ausgangssituationen. Während im Leviathan ein gesetzloser Zustand beschrieben wird, in dem keinerlei hierarchische Strukturen vorherrschen, findet sich mit Apsû bereits

66

Siehe §§ 2.3. und 8.2. Obwohl Apsû Götterherrscher ist, existiert zu diesem Zeitpunkt noch kein Rechtssystem mit geregelten Prozessen. Dieses wird erst im Zuge der Verurteilung Kingus etabliert (siehe § 4.2.2.3.). 67

7.4. Taten für Marduk – und ein Exkurs zu Thomas Hobbes‘ Leviathan

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am Anfang schon ein Urherrscher und damit eine monarchische Grundausrichtung (siehe § 6.1.).68 Die Rettung aus der Notlage verspricht sowohl der Leviathan als auch Marduk. Während Marduk zunächst nur als Retter in der konkreten Notlage auftritt und die Anšar-Götter vor Tiāmtu beschützt, verwandelt er sich im Zuge seiner Erhöhung wie der Leviathan in einen Garanten für ein rechtlich geregeltes und damit friedliches Miteinander (siehe § 7.3.6.).69 Auch die Art und Weise, wie Marduk in seine neue Funktion gesetzt wird, trägt starke Gemeinsamkeiten mit der Darstellung im Leviathan. In beiden Werken wird ein Vertrag zwischen den zukünftigen Untertanen und dem zukünftigen Herrscher abgeschlossen, von dem beide Seiten profitieren. Die Untertanen erhalten Sicherheit, der eingesetzte Herrscher erhält Macht. In beiden Werken unterwerfen sich damit die Personen freiwillig und selbsttätig einer zentralisierten Herrschaft. Dabei transferieren sie wesentliche Kompetenzen inklusive der Macht über das eigene Leben an den Souverän. Somit wird ein absoluter Monarch installiert, der über alle Untertanen verfügen kann. Während dieser Prozess im Leviathan unabhängig von der Person des Herrschers gedacht wird und somit seine konkrete Eignung sekundär ist, erhält Marduk vier Aufträge, die er zunächst erfüllen muss, bevor er dauerhaft als Götterkönig installiert wird (siehe §§ 6.3.2. und 7.3.). Damit wird seine Befähigung getestet und zugleich erhalten die beauftragenden Götter dadurch mehr als nur Sicherheit. Dies lenkt den Blick auf das Ziel des Vertragsschlusses. Bei Thomas Hobbes wird Sicherheit durch ein durchsetzungsfähiges Rechtssystem angestrebt und somit aus dem Naturzustand in den Gesellschaftszustand übergetreten. Im Lied auf Marduk wiederum ist die Notlage der Ausgangspunkt für einen wechselseitigen Vertrag zwischen Marduk und den designierten Untertanen, in dem Leistungen und Gegenleistungen und damit auch ein Prozess für Marduks Aufstieg festgelegt ist, im Zuge dessen er sich zunächst als würdig erweisen muss. Durch das Mehr seiner Taten etabliert er zusätzlich ein dauerhaftes globales Ordnungssystem, das mit der Formel der Pax Mardukiana zusammengefasst werden kann (siehe § 7.3.6.). Diese dauerhafte globale Weltordnung ist damit nicht das Ziel des gegenseitigen Vertrags gewesen, sondern ein von Marduk eingebrachter Mehrwert. Dennoch zeigt sich im Wie von Marduks Aufstieg durch die freiwillige Selbstunterwerfung bis hin zur funktionalen Selbstauflösung die stärkste Parallele zwischen der kontraktualistischen Staatstheorie eines Thomas Hobbes‘ und dem deutlich über zweitausend Jahre älteren Mythos von der Erhöhung Marduks. In beiden 68 Wichtig ist die Beobachtung von Henri Frankfort (1969, S. 235f.) und Thorkild Jacobsen (1976, S. 183)dass das monarchische Prinzip im Text weiterentwickelt wird. Im Zuge des Aufstieg Marduks wird zwar auch die Versammlung der Großen Götter als Institution installiert, doch schafft diese am Ende sogar selbst ab (siehe § 6.3.5.), so dass am Ende Marduk als absoluter Herrscher steht – was eine starke Parallele zu Thomas Hobbes‘ Theorie ist. 69 Anders als der Leviathan existiert Marduk jedoch als natürliche Person bereits vor dem Vertragsschluss, während die rechtliche Instanz des Leviathans erst durch den Vertrag erschaffen wird. Insofern muss man genau genommen zwischen der natürlichen Person bzw. der Gruppe natürlicher Personen, die als Leviathan eingesetzt werden, und der juristischen Person des Leviathan unterscheiden.

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Kapitel 7: Legitimation

Fällen wird es als einzig legitimes Verfahren zur Bestimmung eines Herrschers angesehen, dass dieser durch die freiwillige Unterordnung erhoben wird. Während Thomas Hobbes diese Notwendigkeit logisch aus dem Naturzustand ableitet und damit expliziert, setzt das enūma eliš diese Prozedur implizit voraus. Somit ist Marduk auf die Handlungen der Götter angewiesen, um legitimer Herrscher zu werden. Nur ihre freiwillige Selbstabtretung der eigenen Kompetenzen kann ihn zum Götterkönig machen. Daher muss seine Erhöhung im Interesse seiner künftigen Untertanen sein, was im Aufstiegsvertrag als Geschäft auf Gegenseitigkeit fixiert wird. Durch seine zusätzlichen Leistungen, dem Mehr seiner Taten, erschafft er weiteren Mehrwert für die Götter, die Pax Mardukiana. Im Treueeid begrenzen die Götter ihre Handlungsbefugnis weiter, wodurch sie sich selbst möglicher destabilisierender Kompetenzen berauben und beginnen, sich funktional überflüssig zu machen, was schließlich in der Verleihung der 50+2 Namen kulminiert, an deren Ende ein Henotheismus steht. Durch die Kombination aus freiwilliger Selbstunterwerfung der Götter und der Etablierung einer dauerhaften und durchsetzungsfähigen Rechtsordnung, die durch Marduk garantiert wird, erinnert das Konzept, das Hobbes im Leviathan entwickelt, an das über zwei Jahrtausende ältere Konzept im Lied auf Marduk.

7.5. Zusammenfassung Die Legitimität von Herrschaft wurde eingangs durch zwei Differenzierungsraster beschrieben. Zum einen kann man zwischen ontischen und fientischen Argumentationsmustern unterscheiden, zum anderen kann und muss man Legitimität von Legalität scheiden. Anhand dieser abstrakten Kategorien kann nun auch der konkrete Fall von Marduks Königtum im Lied auf Marduk bewertet werden. Durch den Aufstiegsvertrag zwischen den Göttern und Marduk und dem späteren Treueeid wurde seiner Erhöhung ein rechtlicher Rahmen gegeben, in der diese auch abläuft. Durch die Einhaltung der Vertragsvorgaben wurde somit das Kriterium der Legalität erfüllt. Da dies eine Frage des Tuns der Vertragsparteien ist, kann man die Legalität damit unter die fientischen Begründungen subsumieren. Da zudem hier die Handlungen beider Seiten bewertet werden, erfüllen sowohl die Taten der Götter als auch die Taten Marduks das Merkmal der Legalität. Dieses Verhalten wiederum setzt die Berücksichtigung fundamentaler Grundsätze voraus (insbesondere: pacta sunt servanda)70 und damit die Anerkennung einer im Werk impliziten Norm, dem Vertragsrecht. Dass Marduk diesen Vertrag überhaupt mit den Göttern eingehen kann, setzt seine Eignung als Herrscher voraus, was die ontische Dimension umfasst. Marduk erfüllt durch seine Stärke, Klugheit und Schönheit die impliziten Vorstellungen eines guten Herrschers, so dass die Götter freudig auf sein Auftreten reagieren beziehungsweise die Feinde vor Ehrfurcht erstarren. Ersteres bewegt die Götter dazu, ihn als für die Aufgabe und das designierte Königtum als fähig anzuerkennen. Hinzu 70

„Verträge müssen eingehalten werden.“

381

7.5. Zusammenfassung

kommt seine Abstammung, wonach er der direkten Erblinie Apsûs entstammt und damit – wenn auch an hinterer Stelle – in der Thronfolge steht. Hier greift eine implizite erbrechtliche Norm, die das Erbe über die Linie der männlichen Erstgeborenen definiert. Somit tritt an dieser Stelle neben das Vertragsrecht zusätzlich das Erbrecht als Begründung für Marduks Legitimität. Marduks erbrechtlicher Anspruch reicht jedoch nicht aus, um sein Königtum zu begründen, da Anšar noch herrscht und Anu und Ea vor ihm in der Thronfolge stehen. Daher muss der Text weitere Gründe anführen, um diese rechtliche Lücke zu überbrücken. Marduks Handlungen nach dem Aufstiegsvertrag zeichnen sich durch eine besondere Überlegtheit und Dosierung aus, so dass ihre Wirkung stets stabilisierend ist. Diese Entdynamisierung manifestiert sich dabei als eine Stabilisierung im Zuge einer umfassenden Dynamik (Weltschöpfung, Götterordnung, Menschenschöpfung, Recht- und Kultetablierung…). In dieser Kopplung aus vermeintlichen Gegensätzen (Stabilität und Dynamik) liegt die Genialität von Marduks Handlungen. Dementsprechend lassen sich seine Werke, die über die Auflagen aus dem Aufstiegsvertrag hinausgehen, durch den Begriff der Ordnung zusammenfassen. Marduk etabliert einen raum-zeitlichen Kosmos mit einem funktionalen Zentrum, eine sozial-stabile Götterordnung und schließlich eine Rechtsordnung selbst, die Konflikte regelt und ihnen vorbeugt. Dieses gesamte System ist unbegrenzt in seiner zeitlichen und räumlichen Gültigkeit, es ist ewig und global. Da Marduk der archimedische Punkt dieser Ordnung ist und diese sich durch ein dauerhaftes, friedliches Miteinander auszeichnet, kann sie durch die Formel der Pax Mardukiana treffend beschrieben werden. In diesem Konstrukt sind zentrale implizite Vorstellungen über die wichtigsten Aufgaben eines Gemeinwesens enthalten, wonach dieses zuvorderst für Ordnung und damit für Stabilität zu sorgen hat. Schließlich weisen auch die Handlungen der Götter charakteristische Merkmale auf. So handelt es sich bei allen Erhöhungsschritten um verschiedene Ausprägungen der freiwilligen Selbstunterwerfung unter Marduks Herrschaft. In diesem Verfahren offenbaren sich demnach implizite Vorstellungen zu einem richtigen Erhöhungsverfahren, wonach die Herrschaft nicht genommen, sondern verliehen wird. Auch wenn Marduks Taten wichtiges Begründungselement für seine Erhöhung sind, so ist seine Rolle in den entscheidenden Momenten passiv, er ist der Empfänger der Gaben der Götter. Dieser Umstand zeigt sich auch darin, dass er fast ausschließlich als Adressat von Namensgebungen und von Festsprechungsakten auftaucht.

Thronanspruch erbrechtlich unzureichend

Bedarf weiterer Begründung

Legalität, physische & geistige Eignung, Pax Mardukiana, Selbstunterwerfung

Legitimität

Marduk

Abbildung 10: Begründung von Marduks Legitimität

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Kapitel 7: Legitimation

7.6. Ausblick: Herrschaftsideologie 7.6.1. Fokussierung der Ergebnisse auf ideales Königtum Ausgangsthese Gerade weil Marduk nicht erster Thronfolger von Apsû ist, wird an ihm besonders deutlich, welche qualitativen Anforderungen an einen König im Werk gestellt werden. Wenn sein erbrechtlicher Anspruch unzureichend ist, so müssen die weiteren Legitimationsgründe umso überzeugender sein. Insofern eignet sich der Fall Marduk in besonderer Weise, um die impliziten Idealvorstellungen im enūma eliš zu extrahieren. Marduk als Person, aber auch seine Herrschaft müssen weitestmöglich diesem Ideal entsprechen. Wenn es sich dabei tatsächlich um Idealvorstellungen handelt, wovon an dieser Stelle implizit ausgegangen wird, so wirken diese auch als Vorbild für die menschliche Sphäre. Das, was aus der menschlichen Perspektive angestrebt wird, wird in seiner Reinform in der göttlichen Welt als durch den perfekten König Marduk geschaffene Realität beschrieben. Da Marduk als Person in seiner umfassenden Herrlichkeit für keinen menschlichen Herrscher erreichbar ist, soll im Folgenden das Königtum als Institution analysiert werden, welches Marduk etabliert. Nach der Arbeitshypothese offenbaren sich hierin altorientalische Vorstellungen eines perfekt organisierten Gemeinwesens. Forschungsstand Annette Zgoll zeigt, dass Marduks Aufstieg zum Götterherrscher mit dem politischgesellschaftlichen Konzept des Königtums verbunden ist, und somit auch aus der emischen Perspektive heraus analog zur menschlichen Königsherrschaft zu verstehen ist (2009, S. 107f.). Dieser These entspricht auch die Feststellung von Claus Wilcke, dass die Kritik an Enlil im Atramḫasīs-Mythos vielleicht auch den König adressiert, wonach Enlil als Modell für den menschlichen Herrscher fungiert (1999b, S. 33). Schließlich ist die politische Komponente des enūma eliš offensichtlich, wonach durch das Werk der Anspruch auf eine babylonische Hegemonie formuliert wird (bspw. KIENAST 1973, S. 501, FOSTER 2005, S. 436). Im Kult zeigt sich ebenfalls eine große Parallelität zwischen Marduk und dem König (bspw. MAUL 2004, DIETRICH 2006, ZGOLL 2006a), so dass eine direkte Vorbildfunktion Marduks für den menschlichen König vermutlich im Sinne der altorientalischen Menschen war.71 Die zyklische kultische Wiedereinsetzung des Kö71 Ivan Engnell nimmt an, dass die Gleichsetzung des Königs mit dem Hauptgott nicht unbedingt als ideologisches Dogma verbreitet wurde. Dennoch zeige sich im Kult (speziell im akītu-Fest) die rituelle Identität zwischen beiden Gestalten, indem der König Marduk verkörpere (1967, S. 23 Anm. 8). In die gleiche Richtung argumentiert Manfried Dietrich, der im Neujahrsfest Marduks Aufstieg zur Königsherrschaft jeweils auf den menschlichen König übergehen sieht (2006, S. 158). Stefan M. Maul zeigt für den assyrischen König, dass dieser als Statthalter Aššurs bzw. Enlils auf Erden verstanden wurde und dadurch rituell mit Ninurta geglichen wurde (1999b, S. 210ff.). Ninurta wiederum ist eine Figurenvorlage für den im enūma eliš beschrieben Marduk (LAMBERT 1986; IBID 2013, S. 451f.). Die Identifikation das babylonischen Königs mit Marduk im Rahmen des akītu-Festes ist wiederum aus dem 1. Jahrtausend v. Chr. belegt, wo der König im Rahmen des Königslaufs im Kommentartext K 3476 (= SAA 3 Nr. 37 = LIVINGSTONE 1989, S. 92–95) mit Marduk identifiziert wird (ZGOLL 2006a, S. 59):

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nigs im Rahmen des akītu-Festes kann man dabei als Re-Aktivierung der ersten Inthronisation Marduks lesen (DIETRICH 2006, S. 159; dagegen: KÄMMERER 2011, S. 78). In eine andere Richtung denkt Vitali Bartash, der das Lied auf Marduk als Quelle für reale politische Entwicklungen speziell von einer Protodemokratie zur Monarchie liest. Zugleich versteht er die Götterwelt aber auch als „model society“ im Verhältnis zur Welt der Menschen, so dass an dieser Stelle auch bei ihm der Gedanke eines idealen und damit auch ideologischen Gebäudes aufscheint (2010, S. 1084). Fokussierung Das von Marduk eingerichtete Königtum zeichnet sich durch eine allumfassende und ewige Ordnung aus, die Pax Mardukiana (siehe § 7.3.6.). Diese Ordnung wiederum fußt in Marduk und wird von Babylon aus verwaltet, womit sie als zentralistisch beschrieben werden kann (siehe § 4.4.1.1.). Im Zuge seiner Erhöhung wird die Macht der Götter auf Marduk übertragen und schließlich gehen sie selbst funktional in Marduk auf, indem sie ihre eigenen Namen auf ihn übertragen (siehe §§ 6.4. und 7.4.). Marduks Herrschaft ist damit in einem umfassenden Sinne absolut, auf ihn als einzige Person konzentriert. Die von Marduk geschaffene Welt hat vor allem eine Funktion: Stabilität. Alle Werke Marduks zeichnen sich durch die Eigenschaft der Ordnung (Weltordnung, Götterordnung, Rechtsordnung) aus (siehe § 7.3.6.). Diese Ordnungen sind von Marduk nicht nur in sich stabil geschaffen – beispielsweise stützt der Schwanz Tiāmtus das Himmelsdach –, sondern fungieren zugleich auch stabilisierend. So regelt die Rechtsordnung das Zusammenleben von Göttern und Menschen und stabilisiert diese dadurch (siehe § 4.2.2.3.). Zusammengefasst lassen sich somit zwei Kernaspekte identifizieren: 1) Ideale königliche Herrschaft ist (kon)zentriert und zentralistisch. 2) Ideale königliche Herrschaft ist stabil und stabilisierend.

Z. 18

šarru ša ḫarīʾu ina lisni ipattû d Marūtuk ša ina {Ú} šārīšu Tâmta ik[mû?]

Der König, der das ḫarû-Gefäß beim Schnellauf öffnet, ist Marduk, der mit seinen Winden Tiāmtu b[and?].

Annette Zgoll begründet die Tilgung des Zeichens Ú mit Verweis auf die Parallele zum enūma eliš und bietet alternativ eine Lesung als „unorthographische Schreibung“ für u4 (ūmu „Sturm“) an (IBID, S. 59 Anm. 212.). Anders liest Alasdair Livingstone, der die Phrase als ina ušarīšu („mit seinem Penis“) interpretiert (1989, S. 94:18‘). Unabhängig von solchen Detailfragen zeigt sich in der Gesamtschau ein besonderes Verhältnis zwischen dem obersten Gott und dem obersten Menschen.

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Kapitel 7: Legitimation

7.6.2. Zentralismus Babylon Der radikale Zentralismus im enūma eliš zeigt sich erstmalig in Marduks Entwurfsbeschreibung von Babylon:72 V 119

elēnu73 Apsî šubat ḫašmāni74

V 120

miḫrit E-šara ša abnû anāku elkun

V 121

šapliš75 Ašrata udannina qaqqarša

V 122

lūpušma bīta lū šubat lalêja

V 123

qerbuššu māḫāzašu lušaršidma

V 124

kummī luddâ lukīn šarrū⌈tī⌉

V 125 V 126

enūma ultu Apsî tillâ ana pu⌈ḫrum⌉ ašruššu lū nubattakun ana maḫar puḫur[k]un enūma ultu šamāmī turr[adā] ana [ puḫri] ašr[uššu] lū nubattakun ana maḫar puḫurkun

V 127 V 128

„Oberhalb des Apsû, dem Sitz des /farbigen Steins/ (=aus farbigem Stein), gegenüber von E-šara, das ich, ja ich, gebaut habe euretwegen, unter(halb) von Ašrata, dessen Boden ich sehr stark gemacht habe, will ich ein Haus machen, es soll mein luxuriöser Sitz sein. In seinem (= Babylons) Inneren will ich sein (=Babylons) Kultzentrum gründen und meine Cella einrichten und meine Königsherrschaft dauerhaft machen. Wenn ihr vom Apsû aufsteigt zur Versammlung, dann soll an seinem Ort (= Babylon) eure Nacht(ruhe) sein vor eurer Versammlung. Wenn ihr von den Himmeln herabste[igt] zur [Versammlung], dann soll an seinem Ort (= Babylon) eure Nacht(ruhe) sein vor eurer Versammlung.“

In den ersten drei Zeilen wird der Standort der neuen Stadt im Verhältnis zu den drei bereits existierenden Weltteilen Apsû, E-šara und den Himmeln hergestellt, wobei sich der Ort in der Mitte des Kosmos platziert.76 Diese topographische Mitte äußert sich auch in den Zeilen V 125 und V 127, wonach die Götter aus dem Himmel herabsteigen und aus dem Apsû aufsteigen, um nach Babylon zu gelangen.77 72 Zu den abweichenden Schreibungen der Verse V 125–128 siehe § 7.3.4. Für V 123 liegen keine Varianten vor, siehe auch § 4.1.5. 73 HHuz: elēna. 74 Thomas Kämmerer und Kai Metzler bieten als alternative Lesung an: tarmanī („(den Sitz), den ihr angelegt habt.“). Wilfred Lambert unterstreicht die Lesung hašmānu durch die lexikalische Gleichung mit saggilmud, woraus im Text KAR 307 der mittlere Himmel gemacht ist (2013, S. 478). 75 HHuz: šaplu. 76 Etwas kryptisch ist der Ausdruck miḫrit, der von Wilfred Lambert („opposite“ 2008, S. 51; 2013, S. 105) und Wayne Horowitz („facing“ 1998, S. 121) räumlich, von Andrea Seri aber als Ausdruck für die Ebenbildlichkeit („replica“ 2012, S. 16–18) gelesen wird. Da das Lied auf Marduk gerne Polyvalenzen verwendet, könnte der Ausdruck möglicherweise in beiderlei Richtung zu lesen sein (siehe auch LAMBERT 2013, S. 197). Für die räumliche Lesart, auf die hier im Folgenden Bezug genommen wird, spricht die Rahmung durch elēnu (V 119) und šapliš (V 121), die ebenfalls am Zeilenanfang stehen. 77 Die Verse V 119, V 121, V 125 und V 127 zeigen starke Rekurrenzen zum Anfang des Werkes auf, womit diese Passage bedeutungstechnisch aufgewertet wird. So wird in den beiden erstgenannten Zeilen durch die Lexeme elēnu und šapliš auf die Verse I 1f. angespielt, die die gleichen vertikalen Koordinaten (eliš I 1 und šapliš I 2) verwendet. Zusätzlich wird in den Zeilen V 125 und V 127 das einleitende enūma („als“) aus dem ersten Vers des Werkes wieder aufgegriffen. Gleiches gilt für šamāmū („Himmel“) in Vers V 127. Dadurch wird an dieser Stelle das uranfängliche binäre

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Dass sie nach Babylon kommen, hat zwei Gründe. Erstens besitzen am Ende der Schöpfung alle Götter ihren parakku in Babylon (VI 68), so dass auch der Kult in dieser Stadt konzentriert worden ist. Die anderen Kultstätten jenseits von Babylon sind somit potentiell sekundär. Da der Kult auch die Versorgung der Götter umfasst, gehört er in den politischen Bereich der Götterwelt (siehe § 4.4.1.1.). Zweitens fungiert Babylon auch als Ort der Götterversammlung, wie die Verse V 125–128 verdeutlichen. Die Bedeutung dieses Arrangements wird dann ersichtlich, wenn man sich bewusst macht, welche Funktionen die Götterversammlung im Werk erfüllt. So obliegt ihr die Festsetzung hierarchischer Veränderungen, wobei sie auf das Instrument von Festsprechungsakten und Namensgebungen zurückgreift (siehe § 5.1.3.). Marduks Aufstieg geschieht exklusiv durch die Götterversammlung, so dass sie eine wesentliche legislative Funktion erfüllt. Außerdem fungiert sie als Judikative, indem sie Kingus Schuld feststellt. Somit zeigt sich in der Platzierung der parakkū und der Götterversammlung in Babylon eine räumliche Zentralisation wesentlicher kosmo- und theopolitischer Funktionen. Die entscheidende Instanz in kosmo- und theopolitischer Hinsicht ist jedoch spätestens seit seiner zweiten Erhöhung der Gott Marduk. Somit ist es textimmanent noch bedeutender, dass Marduk Babylon zu dem Sitz seiner Königsherrschaft macht, wobei er sich in der Cella im Esaĝila und damit im Zentrum des Zentrums positioniert (V 123f.). Somit laufen räumlich betrachtet alle politischen Fäden in Babylon zusammen, das demnach nicht nur physisches, sondern auch funktionales Zentrum der Welt ist. Ideale Herrschaft ist demnach räumlich und funktional zentral organisiert. Welt- und absolute Herrschaft Durch seine Schöpfung hat Marduk nicht nur weitere unverbundene Weltteile erschaffen, sondern zugleich eine zusammenhängende räumliche und zeitliche Ordnung etabliert (siehe § 4.1.4.). Somit entstand ein globales System, das die ganze Welt umfasst und somit mögliche konkurrierende Systeme ausschließt und dadurch eine stabile Ordnung garantiert (siehe § 7.3.6.). Zusätzlich wird dieses System von Marduk selbst zusammengehalten.78 Demnach umfasst ideale Herrschaft die ganze Welt, so dass die etablierte Ordnung durch eine Instanz zusammengehalten werden kann. Bei dieser Instanz handelt es sich um Marduk, auf den sukzessive alle politischen Vollmachten übergehen. Durch die Namensgebungen Asalluḫi I, Bēl mātāti und Ea gehen die Götter Anšar, Enlil, Ea und auch die 50 Großen Götter funktional in ihm auf, was zu einer weiteren Machtzentralisation führt (siehe § 6.3.5.). Am Ende steht ein absoluter Herrscher, der für alle Belange des Kosmos verantwortlich ist.

(teils dreiteilige) vertikale kosmische Ordnungssystem, das bis hierhin im Text dominiert, in eine zentralistische Weltordnung überführt. 78 Dies gilt insbesondere ab dem Punkt, an dem Ea Marduk seinen Namen gibt und ihm damit auch die Verantwortung über die Leitseile, die die Welt zusammenhalten, zurückgibt.

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Kapitel 7: Legitimation

Zusammenfassung Die Ergebnisse lassen sich in drei Punkten zusammenfassen. Ideale Königsmacht ist insofern zentralistisch, als sie  durch einen absoluten Herrscher ausgeübt wird,  der über eine globale Ordnung befindet  und der im kosmographischen Zentrum der Welt sitzt, wo alle Fäden zusammenlaufen. Da dieses Zentrum der Welt die Stadt Babylon ist, lässt sich eine Spiegelung auf die menschliche Ebene leicht herstellen. Demnach formuliert das Lied auf Marduk für den babylonischen König den Anspruch auf Weltherrschaft.79 Diese potentiell expansive Botschaft des Textes wird jedoch durch den radikalen Zentralismus abgeschwächt. So wird zwar der Anspruch auf eine globale Ordnung beschrieben, doch wird das Zentrum im Text als entscheidend dargestellt, zu dem die Außenbereiche des Kosmos hinstreben.80 So kommen beispielsweise die Götter für die Götterversammlung aus allen Weltteilen nach Babylon. Entscheidend ist das Zentrum und nicht die Peripherie. Zusammenfassen lässt sich die Quintessenz für die menschliche Ebene: ein Staat, eine Stadt, ein Herrscher – und dann wieder gespiegelt auf die göttliche Ebene –, ein Gott.81, 82 7.6.3. Stabilität Diskussion der Forschungsliteratur In der Forschungsliteratur finden sich zur Frage der Stabilität scheinbar widersprechende Ansätze. So versteht Thorkild Jacobsen den ersten Konflikt als eine Auseinandersetzung zwischen „energy and movement“ in Gestalt der Götter auf der einen Seite und „inertia and rest“ in Gestalt der Urwesen auf der anderen Seite. In diesem Aufeinanderprallen setze sich die Dynamik durch (1976, S. 183). In dieselbe Richtung argumentiert Stefan Maul, der den ersten Konflikt als einen Streit zwischen jungen Göttern sieht, die das Leben verkörpern, und den Urwesen, die zwar 79

Dies korreliert interessanterweise mit der hegemonialen Auffassung der Assyrer, die sich als Garant der Ordnung für die ganze Welt verstanden und daraus ihren Anspruch auf Weltherrschaft ableiteten (hierzu siehe MAUL 1999b, S. 213). Andererseits unterscheidet sich Marduk durch seine Milde den Feinden gegenüber entscheidend von der teils brutalen Härte der (neu)assyrischen Herrscher den Besiegten gegenüber, wie diese sie als Teil ihrer Herrschaftsprogrammatik kommunizierten. 80 Auf der religiösen, textexternen Ebene bedeutet dieser radikale Zentralismus ebenfalls eine Abwertung der Peripherie, zu dem alles andere jenseits von Babylon geworden ist. Durch diese Figur wird die traditionelle Bedeutung der Städte Eridu und vor allem von Nippur abgewertet, sie sogar überflüssig gemacht (siehe auch SERI 2012, S. 17). Dieser Umstand wird noch dadurch verschärft, dass Marduk durch die Erbauung Babylons möglicherweise den Weltteil E-šara von Enlil übernimmt und ihn somit aus dem Zentrum der Welt verdrängt ( IBID, S. 24, 26). 81 Ähnlich Thorkild Jacobsen, der einen Staat sieht, über den ein permanenter König in einer ewigen Hauptstadt samt Königspalast herrscht (1976, S. 191). 82 Dass es sich hierbei jedoch um keine monotheistische Konstruktion handelt, zeigen §§ 6.3.5. und 8.2.5.

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bewegungslos sind, aber für Unordnung stehen (2004, S. 46). Diese Deutungen über die Relationen des ersten Konflikts entfalten noch größere Wirkung, wenn der Text noch umfassender berücksichtigt wird. So muss man es als eine der Pointen des Werkes ansehen, dass Ea sich nach der Tötung Apsûs selbst zur Ruhe setzt (siehe § 3.4.6.). Gleiches gilt auch für Marduks Sieg, der in der umfassend beschriebenen Pax Mardukiana mündet (siehe § 7.3.6.). Der Religionswissenschaftler Roland Boer verweist auf diese dem Werk inhärente Dialektik. So lehnen sich die Götter gegen ihre Eltern auf, was man als Rebellion bezeichnen kann, erschaffen dann aber eine Welt, in der Rebellion nicht mehr möglich ist. Somit ist Marduk zugleich ein revoltierender Nachkomme, aber auch allmächtiger Herrscher einer ewigen Ordnung (2006, S. 143). Berücksichtigt man diese Beobachtungen und verbindet diese mit dem Erzählverlauf, so wächst der Anteil der Ordnung im Werk konstant an, bis die Ordnung als Pax Mardukiana ewig und global ist. Raum-zeitlicher Kosmos In der raum-zeitlichen Dimension zeigt sich die Ordnung im Kosmos, den Marduk erschafft. In diesem erfüllen alle Bestandteile eine wichtige Funktion. So wird der Sternenhimmel von Nēberu geregelt, so dass sich die Sterne und der Mond in definierten Bahnen bewegen (V 1–44?), wodurch sie die Zeit strukturieren und somit den Kalender bestimmen, welchem eine zentrale Rolle im mesopotamischen Kult zukommt (siehe § 3.12.4.). Genauso zeigen sich auch in der räumlichen Gestaltung stabilisierende Maßnahmen. So wird beispielsweise der untere Teil der Tiāmtu als Himmelsstütze eingesetzt (V 61), so werden die Leitseile angebracht, die die Weltenteile zusammenhalten sollen (V 68). Dadurch entsteht in sinnvolles, in sich gegliedertes und vor allem dauerhaftes Ganzes, das die ganze Welt umspannt. Diese Ordnung verspricht Verlässlichkeit, so dass man sich am Mond (oder der Sonne oder den Sternen) orientieren kann, wenn man die Zeit bestimmen will, oder so dass man darauf vertrauen kann, dass die Erde fest ist und einem der Himmel nicht auf den Kopf fällt.83 Erst wenn die Rahmenbedingungen stabil sind, können eigene Handlungen überhaupt erst geplant und rational angegangen werden. Daher ist ein Kosmos eine conditio sine qua non für ein planvolles Zusammenleben und damit für jegliche Zivilisation. Indem Marduk diesen Kosmos erschaffen hat, setzte er den notwendigen Rahmen für die Existenz eines babylonischen Reichs. Indem er diese Ordnung aufrecht erhält, ist er Garant für die mögliche Wirklichkeit eines babylonischen Reiches. Gespiegelt auf den babylonischen König bedeutet dies nun, dass er ebenfalls Ordnung schaffen muss, wo noch keine ist, und vor allem die existierende Ordnung beibehalten muss. Aus dem ersten Punkt leitet sich potentiell ein Weltherrschaftsanspruch ab, da eine stabile Ordnung nur eine allumfassende sein kann, die so nicht mit anderen Systemen in Konflikt geraten kann. Zu Ende gedacht bedeutet dies, dass die babylonische Ordnung eine pax mundi werden muss, sich das babylonische 83 Ob diese Vorstellung tatsächlich eine altorientalische Furcht wie bspw. bei den Galliern der Asterix-Comics gewesen ist, bedarf weitergehender Untersuchungen. Zumindest Claus Wilcke sieht ebenfalls eine solche Möglichkeit (2007a, S. 42).

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Kapitel 7: Legitimation

Reich über die ganze Welt erstreckt.84 Andererseits darf ein solches Unterfangen aber auch nicht die innere Stabilität des Reiches gefährden. Wie eine solche Gefährdung aussehen könnte, deutet das enūma eliš nur an. Indem Marduk die Tiāmtu-Götter besiegte, dehnte er seine Herrschaft aus; sie wurden Objekte seiner Herrschaft. Er hätte sie nun als sozial untergeordnete Arbeiterklasse in seine Ordnung aufnehmen können, womit das Problem der Versorgung gelöst gewesen wäre. Stattdessen befreit er sie von Arbeit und Schuld und stellt sie somit den Anšar-Göttern gleich (siehe § 4.2.2.3.). Dadurch beugt er sozialen Spannungen zwischen beiden Gruppen vor, wie sie beispielsweise aus dem Atramḫasīs-Mythos bekannt sind (WILCKE 1999a, S. 76f.). Demnach liegt in der Ausweitung von Marduks Königtum über die Tiāmtu-Götter ein potentiell destabilisierendes Moment, das nur durch Marduks umsichtiges Tun entschärft werden konnte. Schließlich verzichten die Anšar-Götter im Zuge seines Aufstiegs sukzessive auf eigene Macht, deren Ausübung die Stabilität gefährdet hätte. Indem die Götter sich durch den Treueeid (siehe § 6.3.4.) und die anschließende Verleihung der 50+2 Namen (siehe § 6.3.5.) funktional auflösen, nehmen sie sich selbst dieses Destabilisierungspotential und leisten somit freiwillig ihren Beitrag für die Dauerhaftigkeit der globalen Ordnung. Verlässlichkeit und Gerechtigkeit Dies führt zu einer weiteren entscheidenden Eigenschaft. Als Marduk den Erhöhungsvertrag mit den Göttern abschloss, ging er ein Geschäft auf Gegenseitigkeit ein, indem er sich zu bestimmten Taten verpflichtete (siehe § 6.3.2.). Dass er seine dabei verliehene Macht tatsächlich für die Erfüllung dieser Auflagen verwendet, mag selbstverständlich erscheinen, doch offenbart gerade der Blick in andere mesopotamische Werke einen anderen Umgang mit gegebenen Versprechen.85 Somit demonstriert Marduk durch sein Tun einen hohen Grad an Verlässlichkeit, den er in seinem Aufstiegsprozess immer wieder beweist (siehe § 7.3.6.). Auch hierin liegt Stabilität, da damit die zu erwartenden Handlungen eher eingeschätzt werden können, wenn man mit dieser Person beispielsweise in eine Vertragssituation tritt. Somit muss auch ein menschlicher Herrscher zu seinem Wort stehen, gerade auch wenn er mit seinen Untertanen interagiert, denn die Anšar-Götter sind ab der zweiten Erhöhung Marduks Untergebene, die er dennoch weiterhin fair behandelt.86 Da84 Auf die Spannung zwischen Expansionsanspruch und alleiniger Bedeutsamkeit des Zentrums wird in § 7.6.2. eingegangen. 85 So leistet Ea in der Sintfluterzählung den Eid, dass er den Menschen nicht von der von den Göttern beschlossenen Sintflut berichten wird. In der Tat bricht er dieses Versprechen nicht, doch erscheint er dem Sintfluthelden Atramḫasīs im Traum, in dem er zu einer Rohrwand spricht und dabei nicht nur den geplanten Anthropozid offenbart, sondern zugleich auch schon die Lösung für die Rettung der Menschheit (Bau der Arche) liefert. Durch dieses Vorgehen umgeht er die Beschränkungen des Eides ohne ihn zu brechen, wo durch der Weisheitsgott Ea als findiger Retter der Menschen in Erscheinung tritt. Marduk wird im enūma eliš entsprechend anders charakterisiert. 86 Im Rahmen des akītu-Festes wird vom menschlichen König im Rahmen seines negativen Sündenbekenntnisses am 5. Festtag verlangt, dass er seine Bürger nicht schlägt oder erniedrigt (ZGOLL 2006a, S. 64), so dass sich hier ein Korrelat auf der kultischen Ebene zum im Lied auf Marduk entworfenen Bild findet.

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mit ist ideale königliche Herrschaft zuverlässig und damit das Gegenteil einer Willkürherrschaft (ebenso WILCKE 2007b, S. 216). In diesem Kontext spielt auch die Garantie der Gerechtigkeit eine zentrale Rolle, wie sie von den Göttern in ihrer vierten Auflage an Marduk beschrieben worden ist. Gerechtigkeit bedeutet hier zunächst, dass nur der Schuldige bestraft werden soll – im Gegensatz zur von Tiāmtu geplanten Kollektivbestrafung. Indem Marduk dieser undifferenzierten Sanktionierung die Institution des Sündenbocks gegenüberstellt, verdreht er die Vorzeichen: Statt der Bestrafung einer Gruppe für die Verfehlungen eines Einzelnen, die Bestrafung eines Einzelnen für die Verfehlungen einer Gruppe (siehe § 4.2.2.3.). Durch die Einsetzung der Götterversammlung als rechtsprechendes Organ hat Marduk wiederum eine Einrichtung und damit ein System etabliert, das dauerhaft den gerechten Umgang gewährleistet. Durch das Recht werden Bestrafungen des Schuldigen nicht nur dauerhaft ermöglicht, sondern auch erwartbar, da expliziert. Zwar findet sich im Lied auf Marduk kein kodifiziertes Recht, doch nennt Marduk zuerst das Strafmaß für die dort als Schuld definierte Tat (Aufhetzen der Tiāmtu zum zweiten Konflikt), ohne den Gott zu kennen, der dafür verantwortlich ist. Damit ist die Verbindung zwischen Tat, Schuld und Strafe objektiviert, was ein erster Schritt zu einer Art Kodifizierung ist.87 Diese Objektivierung hat wiederum zur Folge, dass der Akt der Bestrafung von den persönlichen Beziehungen entkoppelt wird. So ist der Strafende nicht der Geschädigte, und damit die Strafe keine Rache für ein erlittenes Vergehen. Eine solche Rachetat wiederum würde eine Gegenaktion des Bestraften oder seiner Angehörigen provozieren, so dass hier der Kern einer Gewaltspirale liegt (siehe 1. Konflikt). Durch die Objektivierung wird somit einer solchen Dynamik vorgebaut. Ideale Königsherrschaft verwendet daher das Instrument des Rechts, das zwischen Schuldigen und Nichtschuldigen differenziert und den Zusammenhang zwischen Tat, Schuld und Strafe objektiviert und somit Gerechtigkeit produziert und Racheakte verhindert. Aufgabe des Königs ist demnach nicht nur dieses Rechtssystem zu verwenden, sondern es auch zu bewahren, um damit eine dauerhafte, verlässliche Rechtsordnung zu garantieren.88 Stabilisierende und destabilisierende Gewalt Dass die Tiāmtu-Götter begnadigt werden, Kingu aber bestraft wird, obwohl eine gemeinsame Schuld vorliegt, erschließt sich nicht sofort. So hat der Sündenbock, wie er sich im enūma eliš findet (siehe § 4.2.2.3.), eine doppelte Funktion. Zum einen wird eine Gruppe von ihrer gemeinsamen Verfehlung befreit, zum anderen findet dennoch eine Bestrafung statt. Durch diese exemplarische Sanktionierung verknüpft der Text Tat mit Schuld und Strafe und erschafft dadurch nicht nur Gerechtigkeit (das Vergehen wurde bestraft), sondern beugt auch weiteren Verfehlungen vor. 87 Die Bestrafung nach dem Grad der Schuld wird in den Sintfluterzählungen (Atramḫasīs-Mythos und Gilgameš-Epos) erst nach der Sintflut etabliert, nachdem die Götter zunächst dachten, dass sie alle Menschen vernichtet hätten, was sie in Hunger und Durst trieb (WILCKE 1999a, S. 94–97). 88 Für die menschliche Ebene siehe WILCKE 2007b, S. 216.

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Indem Kingu hingerichtet wird, wird möglichen zukünftigen Verrätern, Verschwörern oder sonstigen inneren und äußeren Feinden eindrücklich vor Augen geführt, welche Konsequenzen ihr Tun für sie haben kann. Da die Menschen zudem aus Kingus Blut erschaffen wurden und für immer auf der Erde leben, sind sie ein Mahnmal für sein Vergehen und die daraus resultierende Strafe.89 Die Bestrafung von Feinden wirkt somit stabilisierend auf die Ordnung. Daran zeigt sich auch, dass Ordnungen wehrhaft sein müssen, um sich zu erhalten. In dem Götter-Bürgerkrieg im zweiten Konflikt beweist Marduk, dass er die Anšar-Götter und damit zukünftig die Welt- und Götterordnung gegen existentielle Feinde verteidigen kann. In der Bestrafung Kingus offenbart er, dass die Auslöser des Konflikts ebenfalls ihrer gerechten Strafe zugeführt werden. In diesem Sinne muss auch ein menschlicher Herrscher erfolgreich gegen äußere und innere Feinde vorgehen. Dennoch darf dabei der Einsatz von Gewalt nicht übertrieben werden, was in mehreren Passagen im Lied auf Marduk deutlich wird.  Durch den ersten geplanten Theozid will Apsû ein recht harmloses Vergehen (Lärm) mit der restlosen Vernichtung bestrafen. Tiāmtu folgt demselben Motiv, wobei sie aber auch die Anšar-Götter kollektiv für die Tat Eas zur Rechenschaft ziehen und entsprechend vernichten will. Diese geplanten Gewaltanwendungen kann man daher als maßlos beschreiben. Da so das ursprüngliche Vergehen und die Sanktionierung voneinander entkoppelt sind, führt das Verhalten von Apsû und den Tiāmtu-Göttern zu einer ebenso heftigen Gegenreaktion. Ihre übertriebene Gewaltabsicht ruft präventive Gegengewalt hervor.  Auch die Tötung Apsûs durch Ea zeigt das der Gewalt inhärente destabilisierende Momentum. Nach der Ermordung zerfällt die Götterwelt in zwei Gruppen, die jeweils einen eigenen König einsetzen (siehe §§ 6.2.1.–4.). Das Resultat ist ein zweiter Konflikt in Gestalt eines Götter-Bürgerkriegs. Diese Beispiele aus dem enūma eliš verdeutlichen, dass unangemessener Einsatz von Gewalt destabilisierend wirkt und damit die Ordnung gefährdet, die sie eigentlich schützen will.90 89 Entsprechend dem Herzschlag im Atramḫasīs-Mythos, der an den Götteraufstand und die Schlachtung eines Gottes für die Menschenschöpfung erinnert (WILCKE 1999a, S. 80–82). 90 In der altorientalischen Literatur findet sich eine vergleichbare Vorstellung in der Sintfluterzählung. Der Mensch wurde geschaffen, um die Götter zu versorgen. Das heißt, die Götter bedürfen der Versorgung durch den Menschen. Wenn nun alle Menschen vernichtet werden, erhalten die Götter keine Nahrung mehr. So sie denn nicht selbst wieder arbeiten, müssen sie ohne Menschen (ver)hungern. Diese Verbindung zwischen Menschen und Göttern wirkt nun bei der Sintflut auf die Götter zurück: Sie erhalten keine Opfer und damit keine Nahrung mehr (WILCKE 1999a, S. 94f.). Die Götter „sitzen da in Durst und Hunger“ ([waš]b[ū] ina ṣūmi u bubūti, Atram. III iii Z.31). Als schließlich der Sintflutheld nach überstandener Katastrophe den Göttern ein Opfer darbringt, kommen sie „wie Fliegen“ (kīma zumbê, Gilg. XI 163) angeschwirrt und versammeln sich um das Opfer. Hier muss man jedoch einschränkend anmerken, dass man bei dieser Lesart die Fliege mit modernen Assoziationen belegt. Eine ausführlichere Untersuchung zur Figur der Fliege im Alten Orient würde zeigen, ob diese Assoziationen auch für diese Kultur galten. Das Beispiel aus der Sintfluterzählung zeigt eine vergleichbare Bewertung wie das Lied auf Marduk, nämlich dass übertriebene Gewalt die Ordnung an sich gefährdet und damit negativ konnotiert ist. Speziell für die altbabylonische Version der Atramḫasīs-Mythos zeigt Claus Wilcke die

7.6. Ausblick: Herrschaftsideologie

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Das positive Gegenmodell findet sich in Marduks Handlungen nach seinem Sieg über Tiāmtu und ihre Verbündeten. Statt im Gegenzug alle Tiāmtu-Götter zu vernichten, so wie sie es mit den Anšar-Göttern geplant haben, entscheidet er sich dafür, ihr Leben zu verschonen. Er geht in seiner Gnade sogar noch weiter, indem er die Menschheit erschafft und damit die besiegten Götter von der Last der Arbeit befreit.91 Schließlich nimmt er von ihnen sogar die Schuld für den zweiten Konflikt, indem er sie auf Kingu legt und ihn hinrichten lässt, womit sie entsühnt sind (siehe § 4.2.2.3.).92 Anstatt zweier potentiell feindlicher Parteiungen, was notwendigerweise in neuen Konflikten münden muss, gibt es nun nur noch eine wiedervereinigte Götterwelt. Erst hierdurch ist eine dauerhafte Ordnung möglich, worin sich die stabilisierende Wirkung von Marduks Gnade zeigt. Dass Marduks Gnade jedoch nicht mit Schwäche verwechselt werden darf, offenbart die Hinrichtung Kingus (siehe oben). Durch das Recht ist aber auch dieser Einsatz von Gewalt geregelt und limitiert. Zusammengenommen führt Marduk somit einen klugen Einsatz von Gnade und Gewalt vor Augen, worin sich ideale Königsherrschaft manifestiert. Erst eine gesunde Balance führt zu stabilen Verhältnissen und damit zu einer dauerhaften, gerechten Ordnung, zu einem ewigen Frieden, der Pax Mardukiana. Zusammenfassung Das Ideal der Stabilität beinhaltet eine gewisse Dialektik.  Es ist ein hoher Grad an Dynamik (Kampf, Schöpfung) notwendig, um eine stabile Ordnung zu etablieren. Dabei kann die Einrichtung von Ordnung (bspw. durch Expansion des Reiches) die innere Stabilität gefährden.  Der Einsatz von Gewalt dient der Sicherung von innerer und äußerer Ordnung. Wird Gewalt jedoch falsch eingesetzt, so kann sich ihr Effekt umkehren und die Ordnung gefährdet werden. Somit muss der König, um Stabilität zu garantieren, immer ein richtiges Maß für seine Taten finden. In diesem Umstand zeigt sich möglicherweise die große Fragilität von Ordnung, wie sie im Alten Orient über drei Jahrtausende von den Menschen immer wieder erlebt wurde. Umso mehr stellt die Pax Mardukiana das Ideal menschlicher Herrschaft dar. diesem Werk inhärente Kritik an übertriebener göttlicher Gewaltanwendung und damit exemplarisch auch die politisch-kritische Dimension altorientalischer Mythen (1999a, S. 103–105; 1999b). 91 Die stabilisierende Wirkung dieser Tat zeigt sich speziell im Kontrast zum Atramḫasīs-Mythos. Dort führt der Umstand, dass es eine göttliche Arbeiterklasse (Igigi) gibt, die die Versorgung der Anunnaki zu sichern hat, zu einem Aufruhr der Igigi, so dass die Götter am Rande eines Bürgerkriegs stehen (WILCKE 1999a, S. 76f.). Erst die Menschenschöpfung und damit die Entlastung der Igigi von der Arbeit erschafft stabile Verhältnisse. Vor diesem Hintergrund wird die Weisheit von Marduks prophylaktischem Tun besonders deutlich, denn er befreit die (potentiell) arbeitenden Götter von ihrer Last, bevor es zu einem erneuten Konflikt kommen kann. Auch deshalb finden sich im enūma eliš zwei Konflikte, aber kein Raum für einen dritten (siehe auch §§ 7.3.6. und 8.1.1.). 92 Die Begnadigung gehört auch in den historisch-politisch bezeugten Kontext des Schuldenerlasses. Dieses Instrument wurde immer wieder von Herrschern eingesetzt, gerade auch bei Regierungsantritt, wodurch finanzielle Schulden erlassen wurden (akkadisch: ṣimdat šarrim „königliche Bindung/Erlass“ bzw. riksu/rikiltu „Band/Bindung“) (WILCKE 2007b, S. 214f.).

392

Kapitel 7: Legitimation

Als zentrales Vehikel für das Erreichen dieser Stabilität wirkt das Recht, da es  den Einsatz der Gewalt dosiert.  einen objektiven und nachvollziehbaren Zusammenhang zwischen Vergehen und Strafe herstellt und dadurch  Verlässlichkeit herstellt,  Gerechtigkeit produziert,  Rache und damit eine Gewaltspirale verhindert und  weiteren Straftaten vorbeugt. Ideale königliche Herrschaft greift daher auf das Instrument des Rechts zurück, um stabil zu sein und stabilisierend wirken zu können.

Kapitel 8

Gesamtschau Die Untersuchung des Lieds auf Marduk erfolgte anhand zweier Zugänge. Zunächst wurde die pragmatisch-extrarelationale Dimension in den Blick genommen, wobei insbesondere der sogenannte Sitz im Leben, also die Funktion des Textes selbst in seiner außertextlichen Umgebung, herausgearbeitet wurde (Kapitel 2). Die folgenden Kapitel widmeten sich der textimmanenten Semantik ausgehend von der Gliederung des Textes (Kapitel 3) und seiner Makrokomposition (Kapitel 4). Aufbauend auf diesen Vorarbeiten wurde schließlich das Konzept von Festsprechung(sakt) (šīmtu) und Name(nsgebung) (Kapitel 5) näher analysiert sowie Marduks Aufstieg als Herrschaftssukzession (Kapitel 6) nachvollzogen und die Legitimationsargumentation des Textes offengelegt (Kapitel 7). In dieser zweiten – inhaltlich fokussierten – Untersuchung schienen mehrere Aspekte auf, die nicht nur semantischtextimmanent zu verstehen sind, sondern auch pragmatisch-extrarelational. Insofern hat die semantische Analyse weitere Erkenntnisse zur Wirkabsicht des Werkes und somit zu seiner (intendierten) Verortung im Alten Orient geliefert. Dabei muss die textimmanent aufscheinende Absicht nicht der tatsächlichen späteren Verwendung entsprechen, was bei einem Text mit einer jahrhundertelangen Tradierungs- und Wirkungsgeschichte nicht verwundert. Entsprechend dieser Beobachtung werden die Forschungsergebnisse im Folgenden in zwei unterschiedlichen Fokussierungen präsentiert, die der anfänglichen Unterscheidung zwischen einer pragmatisch-extrarelationalen und einer semantischtextimmanenten Betrachtung entsprechen. Zuerst werden die Forschungsergebnisse zur Handlung des Werkes wiedergegeben (§ 8.1.), dem sich dann eine Darstellung der Wirkdimensionen des Werkes anschließt (§ 8.2.). Neben den Ergebnissen aus Kapitel 2 umfassen diese auch die pragmatischen Erkenntnisse der semantischen Analyse und verbinden sie im Sinne einer Gesamtbetrachtung des Werkes.

8.1. Die Handlung des enūma eliš 8.1.1. ‚Horizontaler‘ und ‚vertikaler‘ Textteil Die letzten beiden Zeilen des Lieds auf Marduk fassen das Werk folgendermaßen zusammen (siehe auch § 3.1.2.):1 VII 161

1

in[ann]amma zamāru ša dMarūtuk

Dies ist es: Das Lied auf Marduk,

Zu den Varianten beider Verse siehe § 2.2.3.1.

394 VII 162

Kapitel 8: Gesamtschau [ša] Tiā[mta i]kmûma ilqû šarrūti

[der] Tiāmtu gebunden und die Königsherrschaft angenommen hat.

In dieser knappen Skizzierung der Handlung des Werkes werden zwei Aspekte verdeutlicht. Zum einen handelt es sich bei Marduk um die zentrale Figur des Werkes und zum anderen gibt es zwei zentrale Themen im Text – der Sieg über Tiāmtu und die Erlangung der Königsherrschaft. Diese thematische Zweiteilung entspricht auch der Textstruktur. So hat sich gezeigt, dass die Auseinandersetzung mit Tiāmtu zentrales Element des zweiten Teils einer Parallelstruktur ist, welche beide Konflikte mit den Urwesen beschreibt (siehe § 4.1.). Insofern kann man diese Rekurrenz metonymisch für die gesamte Parallelstruktur verstehen, womit sich der Verweis auf Marduks Sieg auf den gesamten Textteil bezieht. Da in ihm zwei thematisch vergleichbare Erzählungen nebeneinandergestellt werden, bildet er eine Art ‚horizontale‘ Textstruktur (siehe auch § 4.5.).2 Der zweite Teil von Vers VII 162 beschreibt wiederum Marduks Aufstieg zum Götterherrscher, welcher ab dem Beginn des zweiten Konflikts angelegt ist, über das Ende der Parallelstruktur hinausgeht und sich bis zum Textende (ohne Epilog) erstreckt (siehe Kapitel 6). Da es sich um einen linear verlaufenden Erzählstrang handelt, wird dieser Textteil als ‚vertikaler‘ wiedergegeben. Abbildung 11: ‚Horizontaler‘ und ‚vertikaler‘ Textteil3 Parallelstruktur = 2 Konflikte

Marduks Aufstieg zum ewigen und einzigen Götterherrscher

Möglicherweise lassen sich beide Textteile auch durch ein anderes Begriffspaar beschreiben. So kann man dem linearen zweiten Bestandteil einen zyklischen ersten voranstellen. Der Übergang zwischen dem ersten und dem zweiten Konflikt ist ein organischer, da der Same für den zweiten bereits im ersten angelegt ist (Rache, Götterschisma, siehe § 6.2.1.). Genauso hätte auch der zweite Konflikt die Saat für eine weitere Auseinandersetzung in sich getragen, wenn nicht Marduk durch seine weisen Taten einen Weg gefunden hätte, allen möglichen folgenden Konflikten die Grundlage zu nehmen und stattdessen eine stabile Basis für einen potentiell ewigen 2 Selbstverständlich ist die Verbindung zwischen erstem und zweiten Konflikt ein narrativ linearer, doch die umfangreiche thematische Parallelität bedeutet auch eine narrative Wiederholung, weshalb beide Textteile hier nebeneinandergestellt werden. 3 Wie in Abb. 6 in § 4.5. wird in dieser schematischen Darstellung der Prolog und Epilog des Textes ausgeblendet, da beide aus verschiedenen Gründen aus dem hier dargestellte Konstrukt herausfallen (siehe § 4.5.).

8.1. Die Handlung des enūma eliš

395

Frieden zu schaffen. Um diesen zu sichern, bestätigen die Götter im restlichen Teil des Textes die Ergebnisse von Marduks Schöpfungen im Rahmen der Götterversammlung in Babylon, womit sie die nun lineare Geschichte in alle Ewigkeit fortschreiben. Durch Marduks Einschreiten wird der circulus vitiosus ewiger Konflikte durchbrochen und gemeinsam mit den Göttern in einen ewigen linearen Verlauf umgewandelt, die Pax Mardukiana (siehe § 7.3.6.). 8.1.2. Die Themen der Parallelstruktur Der thematische Grundstamm der Parallelstruktur wird durch den ersten Konflikt vorgegeben. Er umfasst die Themen  Göttergenese,  Eskalation (Provokation eines Urwesens mit anschließenden Vernichtungsplänen),  Reaktion (inkl. Tötung des feindlichen Urwesens),  Schöpfung (aus dem toten Urwesen durch den siegreichen Gott),  Götterwohnung (für den siegreichen Gott). Diese werden im Rahmen des zweiten Konflikts in ebendieser Reihenfolge wieder aufgenommen, dabei jedoch um teils umfangreiche Einschreibungen erweitert. Das Thema der Göttergenese greift Marduks Geburt wieder auf. Dabei wird zum einen der Protagonist erstmalig in das Werk eingeführt, zum anderen wird auch sein Name ausgedeutet, woraus sich seine Bestimmung zum Götterherrscher ableitet (siehe § 5.2.3.). Da er aber der jüngste der genealogisch eingebetteten Götter ist, ist er zugleich der rangniedrigste. In dieser Diskrepanz zwischen Ist-Zustand und Bestimmung liegt ein Potential, das seiner Auflösung zustrebt. Die Lösung liegt in Marduks exzeptionellem Aufstieg zu vorgezogener Götterherrschaft, indem die Götter Anšar, Anu und Ea in der Erbfolge übergangen werden (siehe auch § 7.1.2.). Dass es zu diesem Aufstieg kommen kann, liegt an der weitaus größeren Eskalation im zweiten Konflikt. Tiāmtu rüstet im Vorfeld massiv auf, sammelt die Truppen unter einem neuen Herrscher und erschafft elf Monster, um die Anšar-Götter zu vernichten (siehe § 4.1.2.). Durch das von Ea durch die Ermordung Apsûs produzierte Götterschisma stellt sich der zweite Konflikt als Götter-Bürgerkrieg zwischen zwei verfeindeten Göttergruppen dar, womit das überschaubare Setting des ersten Konflikts (Apsû vs. Götter) verlassen worden ist (siehe § 6.2.1.). Da Tiāmtu auf der Seite ihrer Götter Kingu zum neuen König macht, wird hier die Konfliktthematik um die Erhöhungsthematik ergänzt. Die ersten Reaktionen der Anšar-Götter gegen die neue Bedrohung sind erfolglos, so dass in dieser höchsten Notlage Marduk als Retter die Bühne des Konflikts betreten kann.4 Sein Auftritt ist zugleich mit seiner Forderung nach Erhöhung verbunden, der die Götter bereits vor dem Kampf gegen Tiāmtu nachkommen (1. Erhöhung, siehe § 6.3.2.). Somit wird auch dieses Grundthema der Parallelstruktur (Reaktion auf die Bedrohung durch ein Urwesen) um die Erhöhungsthematik ange4 Seine Rolle als Mit-Auslöser des zweiten Konflikts verschweigt der Text im Folgenden konsequent.

396

Kapitel 8: Gesamtschau

reichert (siehe § 4.1.3.). Im Nachgang zu Marduks Sieg und Schöpfung wird er ein zweites Mal erhöht. Im Anschluss daran lässt er Babylon bauen, den Menschen erschaffen und Kingu verurteilen und hinrichten. Da es sich dabei um Erfüllungen des Erhöhungsvertrags handelt (siehe § 6.3.4.), betrifft auch diese thematische Ausweitung den Aufstieg eines Gottes. Somit umfassen die wichtigsten Hinzufügungen im zweiten Teil der Parallelstruktur das Thema der Erhöhung, welches somit in den zweiten Konflikt eingeschrieben wird. Gleiches gilt auch für den Protagonisten Marduk, der im ersten Konflikt noch gar nicht existiert, so dass man den ersten Teil der Parallelstruktur als Präludium – oder mit A. Leo Oppenheim gesprochen als „ouverture“ (1947, S. 214; 1964, S. 265) – verstehen kann. Das narrative Bindeglied zwischen erstem und zweitem Konflikt findet sich in der Tat Eas, der mit Apsû den ersten Götterherrscher tötete. Dies führt zum Schisma der Götterwelt in eine Partei der Königswitwe (Tiāmtu-Götter) und eine Partei des Königsmörders (Anšar-Götter). Durch diese Aufspaltung kann der zweite Konflikt erst zum allumfassenden Götter-Bürgerkrieg werden. Zusätzlich wird die Auseinandersetzung zwar auch durch Marduks Winde ausgelöst, aber die danach treibende Ursache ist Tiāmtus Wunsch nach Rache für die Ermordung ihres Mannes. Somit hat Eas Lösungsansatz der Notlage zu einer weiteren Eskalation der Situation geführt. Marduks Handlungen wiederum sind alle durchweg deeskalierend (siehe auch § 8.1.3.), so dass am Ende des zweiten Konflikts nicht die Saat zu einem dritten Streit angelegt ist, sondern vielmehr das Ende aller Kriege. Dementsprechend endet auch die Parallelstruktur an diesem Punkt, so dass danach etwas Neues folgt (siehe § 7.3.6.). Thomas Kämmerer und Kai Metzler versuchen in der Diskussion über die Bezeichnung des Werkes, ob es um Weltschöpfung oder um Marduks Aufstieg geht (siehe hierzu auch § 3.1.2.), ein salomonisches Urteil zu fällen, wonach eine Unterscheidung zwischen Schöpfung und Marduks Aufstieg eine künstliche sei, es sich im Grunde aber um dasselbe Thema handle (2012, S. 6). Hierbei gilt es zu beachten, dass das Schöpfungsthema auch Teil des ersten Konflikts ist, in dem es zu keinem Zeitpunkt um Erhöhung geht. Vielmehr kann Ea als Schöpfer auftreten, ohne in der Götterhierarchie aufzusteigen. Kingu und Anšar wiederum werden Götterkönige, ohne selbst als Schöpfer in Erscheinung zu treten. Die Verbindung zwischen Schöpfung und Marduks Aufstieg geschieht erst im Rahmen des zweiten Konflikts, in dem alle Grundthemen der Parallelstruktur mit dem neuen Aufstiegsthema verknüpft werden. In Marduks Genese ist bereits seine Bestimmung zum Herrscher und damit sein Aufstieg angelegt. Die Eskalation führt zu Kingus und Marduks Aufstieg. Anders als der Götterkampf ist die Weltschöpfung nicht Gegenstand des Aufstiegsvertrags und damit auch teleologisch von seiner Erhöhung entkoppelt. Die Erbauung Babylons ist ebenfalls dem ersten Konflikt entlehnt (Götterwohnung) und nur die Menschenschöpfung ist zweckmäßig in die Lösung der weiteren drei Auflagen des Erhöhungsvertrags eingebunden. Doch auch die anderen Schöpfungsakte sind Bestandteile von Marduks Ordnungsstiftung und somit notwendige Handlungen zur Installation der Pax Mardukiana. Somit ist Marduks Aufstieg selbstverständlich auch mit dem Schöpfungsmotiv verbunden, jedoch

8.1. Die Handlung des enūma eliš

397

handelt es sich um eine sekundäre Verknüpfung im Rahmen des zweiten Konflikts. Gerade durch die Parallelstruktur wird die thematische Trennung zwischen Schöpfung und Erhöhung deutlich. In diesem Sinne handelt es sich beim enūma eliš primär um eine Aufstiegsbeschreibung und nur sekundär um eine Darstellung der Weltschöpfung 8.1.3. Marduks Aufstieg zum Götterherrscher Die Einschreibungen in die Thematik der Parallelstruktur umfassen insbesondere die Erhöhungsthematik und betreffen vor allem Marduk. Alle seine Auftritte im Werk laufen auf diesen Punkt zu, ausgehend von seiner Geburt über seine Mission als Retter (siehe oben) bis hin zu den verschiedenen Stationen seiner Erhöhung. Zentrales Element und Schlüssel zum weiteren Erzählverlauf ist dabei der Erhöhungsvertrag, der im Rahmen der ersten Erhöhung zwischen Marduk und den Göttern abgeschlossen wird. Er wird im Werk zwar nicht als solcher bezeichnet und auch nicht als Vertrag markiert, doch offenbart die genaue Analyse der Zeilen IV 11–18 den Charakter des Festsprechungsaktes für Marduk (siehe § 6.3.2.). In dem impliziten Abkommen verpflichten sich die Götter, Marduk gemäß der geforderten Prozedur (v.a. in Götterversammlung, durch einen Festsprechungsakt, freiwillig, an einem besonderen Ort) zum Götterherrscher einzusetzen. Damit wird er zum Nachfolger der Götterherrscher Apsû und Anšar und potentieller Widersacher des Prätendenten Kingu (siehe § 6.2.4.). Marduk garantiert im Gegenzug die Rettung vor Tiāmtu und er erklärt sich darüber hinaus bereit als Herrscher drei Auflagen zu erfüllen (Götterversorgung, Kultstätten in Babylon, differenzierte Bestrafung) (siehe § 6.3.2.). Durch seinen Sieg über Tiāmtu erfüllt er seine erste Auflage und wird dementsprechend zum Götterherrscher erhöht, was wiederum Voraussetzung dafür ist, dass er die weiteren Aufgaben erfüllen kann. Dies wird insbesondere im Kontext zur Versorgung der Götter vom Text expliziert. So wird er im Rahmen der zweiten Erhöhung erstmalig zāninu („Versorger“ V 115) genannt. Dass Marduk im Rahmen der ersten Erhöhung zwar bereits besondere Vollmachten und Potenzen erhalten hat, aber noch nicht Götterherrscher geworden ist, zeigt sich insbesondere daran, dass  Anšar von Marduk nach seiner ersten Erhöhung noch als šar ilānī bezeichnet wird (IV 83).5  sich die ersten Verbeugungen vor Marduk erst im Zuge der zweiten Erhöhung nach Sieg und Schöpfung finden und dort besonders betont werden (V 85–88).  Marduk erst nach seiner zweiten Erhöhung den Göttern befiehlt (V 117ff.).  Marduk erst im Rahmen der zweiten Erhöhung als König der Götter bezeichnet wird (šarrakun V 110, Lugal-dimmer-an-kia(k) V 112). Nach seiner zweiten Erhöhung widmet sich Marduk – nun zum Götterherrscher aufgestiegen – der Lösung der letzten drei Aufgaben aus dem Aufstiegsvertrag, wobei er sie kunstvoll miteinander verbindet. Um Babylon bauen zu können, wo die anderen Götter ihre eigenen Kultstätten erhalten sollen, muss er zunächst die Frage der 5

Ggf. wird Anšar auch noch in Vers V 79 so bezeichnet.

398

Kapitel 8: Gesamtschau

Götterversorgung lösen. Dies macht er, indem er die Menschheit als Arbeiter für die Götter erschafft. Hierfür benötigt er göttliches Blut, wofür er einen Gott, Kingu, als Sündenbock für alle am zweiten Konflikt schuldigen Götter finden und bestrafen lässt. Durch diese Maßnahme setzt er das Recht als dauerhafte Institution zur differenzierten Bestrafung ein. Interessanterweise umfasst die Erfüllung dieser drei Auflagen genau eine dreiteilige Ringstruktur innerhalb der Parallelstruktur (siehe § 4.2.2.). Marduks Taten zur Lösung der verschiedenen Aufgaben erwiesen sich stets als vollständig deeskalierend (siehe auch §§ 7.3.6. und 8.1.1.):  Er tötet zwar Tiāmtu, nimmt ihre verbündeten Götter aber nur gefangen.  Durch die Menschenschöpfung befreit er die besiegten Götter von der drohenden Arbeitslast.  Indem Marduk Kingu als Sündenbock für die Tiāmtu-Götter installiert, befreit er sie zusätzlich von der Schuld am zweiten Konflikt.  Durch diese beiden Maßnahmen vereinigt er die beiden Göttergruppen wieder, wodurch weiteren möglichen Spannungen vorgebaut wird.  Er erschafft den Kosmos als in sich geregeltes, stabiles Ganzes mit einem funktionalen Zentrum, Babylon, von wo aus die Weltgesamtheit gesteuert und damit dauerhaft stabil gehalten werden kann.  Im Zuge der Verurteilung und Hinrichtung Kingus setzt Marduk das Recht als Institution.  Damit erschafft er einen objektiven Zusammenhang zwischen Vergehen und Strafe, wodurch die Strafe vorhersehbar und am Verstoß gebunden ist und nicht nach der Willkür des Strafenden erfolgt.6  Durch die Rechtsfindung und die Strafausübung durch eine dafür eingesetzt Institution wird der Prozess der Bestrafung ebenfalls objektiviert. Nicht mehr der Geschädigte handelt aus Rachegründen, sondern ein Gemeinwesen sanktioniert einen Rechtsverstoß. Möglichen Ketten von Racheakten (bspw. Blutrache) wird dadurch vorgebeugt.  Durch die Rechtsausübung erweist sich das Gemeinwesen als wehrhaft gegenüber Verstößen, womit Zuwiderhandlungen präventiv abgeschreckt werden. Da die Menschheit aus dem hingerichteten Gott entstanden ist und dauerhaft existiert, fungiert sie auch als Mahnmal für Kingus Schicksal und damit als Abschreckung für mögliche zukünftige Verfehlungen.  Gemäß diesen drei Funktionen wirkt das Recht stabilisierend für das Zusammenleben der Götter (und Menschen). Die skizzierten Ergebnisse von Marduks Handeln erklären, warum auf den zweiten Konflikt im Werk kein dritter folgt. Stattdessen steht am Ende des zweiten Konflikts eine stabile Ordnung, die ein Ende aller Konflikte verspricht. Somit liegt der Mehrwert von Marduks Tun weniger schlicht in einer Weltschöpfung als in einer Kosmogenese, der Erschaffung einer dauerhaften und friedlichen globalen Weltordnung. Innerhalb dieser Ordnung kommt der Institution des Rechts eine zentrale Rol6 Damit handelt es sich um einen Gegenentwurf zu den übertriebenen geplanten Kollektivsanktionen der Urwesen Apsû und Tiāmtu.

8.1. Die Handlung des enūma eliš

399

le zu, die besonders gut durch das akkadische Lexem kittum („Recht“) deutlich wird.7 Das Lexem drückt entsprechend der emischen Perspektive8 Dauerhaftigkeit und Stabilität aus, welche sich in der von Marduk installierten Ordnung in ihrer Idealform zeigen. Als Erschaffer und gleichermaßen als Garant dieser globalen Ordnung fungiert Marduk, weshalb der potentiell ewige Frieden treffend als Pax Mardukiana bezeichnet werden kann (siehe auch § 7.3.6.). Marduk ist der archimedische Punkt dieser weltumspannenden Ordnung, da nur er das Fortbestehen sichern kann. Aus diesem Grunde folgt auf den zweiten Konflikt eine Reihe an Bestätigungen, in denen die etablierte Ordnung perpetuiert wird. Zusätzlich beginnen die Götter mit Marduk zu verschmelzen, die nach ihrer prophylaktischen Selbstverfluchung nur noch als seine Untertanen existieren können. Ein Sein ohne Marduk ist für sie daher nicht mehr möglich (siehe § 6.3.4.). Zusammengefasst stellt die Erhöhung Marduks nicht nur eine bilaterale Vertragserfüllung dar, sondern auch die dauerhafte Installation einer Welt, die sich durch Frieden und Wohlstand auszeichnet und somit zwar Machtverzicht für die Götter bedeutet, aber dafür durch andere Güter überzeugt. An diesem Punkt berührt sich die Logik des Lieds auf Marduk besonders mit den Gedanken in Thomas Hobbes' Leviathan, wonach auch dort die Menschen auf Macht verzichten, dafür aber Frieden und Sicherheit erhalten (hierzu siehe § 7.4.). Marduks Aufstieg endet mit der Übertragung und Ausdeutung von 50+2 Namen, wodurch er endgültig auf ewig als Götterherrscher installiert wird. Die Namensgebung geht über diesen Punkt jedoch noch hinaus, denn Marduk erhält Namen, die ursprünglich mit anderen Göttern verbunden sind.  Graphisch sind das erste und das letzte Zeichen des Namens dAsalluḫi identisch mit den Keilschriftzeichen des Namens Anšar. Anšar gibt ihm diesen Namen (siehe § 5.2.5.).  Der Name Bēl mātāti ist extern mit Enlil verbunden und bezieht sich auf seine Schöpferrolle und/oder auf seine Position als politisches Oberhaupt der menschlichen Völker. Enlil gibt ihm diesen Namen (siehe § 5.2.8.).  Ea verleiht Marduk seinen eigenen Namen, Ea (siehe § 5.2.9.).  Die 50 Namen entsprechen nicht nur der Enlil-Zahl, sondern auch den 50 Großen Göttern. Diese geben ihm die 50 Namen (siehe § 6.3.5.). Alle diese Namensgebungen erfolgen nach dem Muster, dass der ursprüngliche Namensträger den Namen beziehungsweise die Namen an Marduk übergibt. Am Beispiel des Namenstransfers von Ea zeigt sich, dass die Übertragung eines Namens immer auch bedeutet, dass der neue Namensträger die Funktion des alten Namensträgers übernimmt. Da Namen stets wahre Aussagen sind, muss der neu Benannte somit auch die Rolle erfüllen, die mit dem Namen verbunden ist. Da durch 7

Das Lexem selbst taucht nur zweimal im Rahmen des Namens Ša(g.)-zu auf (VII 39f.), die Wurzel √kūn gehört jedoch mit 47 Verwendungen zu den häufigsten im Werk. 8 Bei kittum handelt es sich um das substantivierte feminine Verbaladjektiv der Wurzel (√kūn), die für Dauerhaftigkeit steht („fest sein/werden“) und entsprechend übersetzt „das Festsein/Festwerden“ heißt (L ÄMMERHIRT 2010, S. 293f.).

400

Kapitel 8: Gesamtschau

die Benennung eine Abtretung eigener Macht erfolgt, ist es so entscheidend, dass die Namensgebung durch den ursprünglichen Namensträger (Anšar, Enlil, Ea, 50 Große Götter) erfolgt. Dem Lied auf Marduk liegt die Logik zugrunde, dass eine Machterlangung nur durch freiwillige Selbstabtretung durch die anfänglichen Machtträger auf legitime Weise erfolgen kann (siehe insbesondere § 7.4.). Für die oben skizzierten Fälle bedeutet dies konkret, dass  Marduk als Asalluḫi Anšar endgültig als Götterherrscher ablöst. Hierzu passt die direkte textliche Nähe von dritter Erhöhung und Namenstransfer.  Marduk als Bēl mātāti auch textextern9 die Schöpferrolle von Enlil übernimmt beziehungsweise diese Funktion auch von Enlil akzeptiert wird.  Marduk die Funktionen seines Vaters, Ea, übernimmt.  Marduk die Funktionen der 50 Großen Götter übernimmt, der einzigen weiteren Machtinstanz neben Marduk. Durch die Selbstverfluchung und durch den Namenstransfer von 50 Namen gehen sie in ihm auf. Durch die Namensverleihung verschwinden die anderen Götter nicht, doch gehen ihre Funktionen auf Marduk über, so dass er die einzig entscheidende Gottheit wird. Der im Treueeid angedeutete (siehe § 6.3.4.) und durch die Namensgebung vollendete Synkretismus mündet so in einen Henotheismus (siehe §§ 6.3.5. und auch 8.2.5.). Er stellt ein konsequentes Weiterdenken der Grundidee der Monarchie dar, in der nur der eine Herrscher entscheidend ist. Im Henotheismus wird dies nun radikalisiert und auf eine Gottheit zugespitzt. Da es in der Monarchie jedoch noch weitere Menschen jenseits des Herrschers gibt, muss dies auch in der theologischen Zuspitzung gelten. Es müssen noch weitere Götter existieren. Gemäß dieser Grundlogik folgt somit zwingendermaßen ein Henotheismus, aber kein Monotheismus. Letzterer lässt sich im Werk dementsprechend nirgends festmachen. Im Rahmen von Marduks Aufstieg sind vor allem zwei Konzepte tragend: Name(nsgebung) und Festsprechung(sakt) (šīmtu). Bei šīmtu handelt es sich um ein akkadisches Lexem, das ein göttliches Dekret, seinen Inhalt oder die Macht, dieses Dekret zu erlassen, beschreiben kann (siehe § 5.1.3.). Das Thema Name und Namensgebung findet sich an den folgenden Stellen:10  Bei Marduks Geburt wird sein Name ausgedeutet und mit seiner bevorstehenden Erhöhung verbunden (siehe § 5.2.3.).  In seiner Forderung an die Götter verlangt er, dass die Festsprechung für ihn „benannt“ wird (ibâ šīmtī II 158, siehe § 6.3.1.).  Im Rahmen seiner zweiten Erhöhung erhält Marduk den Namen Lugal-dimmeran-kia(k) I (siehe § 5.2.4.). 9

Enlil nimmt in der Tradition des Alten Orient jenseits des enūma eliš die Rolle als Schöpfergott und politisches Oberhaupt der Menschen ein. Indem er sein Epitheton im Text auf Marduk überträgt, übergibt er auch für die textexterne Umwelt diese Position, bzw. er segnet Marduks neue Rolle ab. 10 Die Benennung der Götterwohnung gehört zum thematischen Grundstamm der Parallelstruktur und ist somit nicht spezifisch mit dem Erhöhungsthema verbunden. Aus diesem Grund werden die Namensgebungen Apsû (siehe § 5.2.1.) und Babylon (siehe § 5.2.2.) an dieser Stelle nicht behandelt.

8.2. Wirkdimensionen des enūma eliš

401

 Nach seiner dritten Erhöhung gibt Anšar ihm den Namen Asalluḫi I (siehe § 5.2.5.).  Marduks Aufstieg endet mit der Verleihung der 50+2 Namen (siehe §§ 5.2.6.– 9.). Ähnlich häufig findet sich das Konzept der Festsprechung an zentralen Stellen der Erhöhung:11  Marduk fordert von den Göttern Festsprechungsmacht, die er durch einen Festsprechungsakt erhalten will (siehe §§ 5.1.1.2., 5.1.2.1. und 6.3.1.).  Marduks erste Erhöhung erfolgt dementsprechend durch einen Festsprechungsakt (siehe § 6.3.2.). Hier erhält Marduk höchste Festsprechungspotenz12 und konditional höchste Festsprechungsmacht,13 was sich in der Sternbilddemonstration zeigt (siehe § 5.1.2.2.).  Marduks zweite Erhöhung wird zwar in den teils nur fragmentarischen Zeilen nicht explizit als Festsprechungsakt bezeichnet, doch erfüllt sie alle Kriterien einer solchen Handlung (siehe § 5.1.1.2.).  Der Treueeid für Marduk stellt ebenfalls einen Festsprechungsakt dar (siehe § 6.3.4.).  Auch die Verleihung der 50 Namen wird als Festsprechungsakt beschrieben (siehe § 6.3.5.). Somit stellen Namen und Namensgebung sowie Festsprechungen, Festsprechungsakte und Festsprechungsmacht zentrale Aspekte von Marduks Aufstiegsprozess, aber auch seiner erlangten Macht dar. Während beide Konzepte im Prolog und am Anfang des ersten Konflikts vor allem im Status ihrer Abwesenheit thematisiert werden (I 1f., 7f.), ziehen sie sich wie ein roter Faden durch die gesamte ‚vertikale‘ Textstruktur. Insofern stellt das Verständnis beider Modelle, ihrer Funktion und ihrer engen ontologischen Verzahnung einen entscheidenden Baustein dar, um Marduks Aufstieg und somit das zentrale Motiv des Gesamtwerkes nachzuvollziehen (siehe § 5.3.).

8.2. Wirkdimensionen des enūma eliš Die intendierten textexternen Wirkungen des Lieds auf Marduk lassen sich in zwei Untergruppen aufteilen. Zum einen formuliert der Text Anweisungen für menschliche Handlungen, an  religiöse Experten (§ 8.2.1.). 11

Diese Aufzählung fokussiert Marduks Aufstieg, so dass sich hier nicht die Übergabe der Tafel der Festsprechungen an Kingu und sein anschließender Festsprechungsakt findet (siehe §§ 5.1.1.2. und 5.1.2.3.). 12 Marduk empfängt die Befähigung, Festsprechungsakte über die Götter auszuführen, doch hat er durch das begrenzte Mandat gegen Tiāmtu entsprechend noch eine begrenzte Befugnis, diese Potenz einzusetzen (zur Differenzierung zwischen Potenz und Befugnis siehe § 6.3.2.). 13 Die Entgrenzung des Befugnisbereichs findet im Rahmen der 2. Erhöhung statt (siehe § 6.3.3.).

402

Kapitel 8: Gesamtschau

 den babylonischen König (§ 8.2.2.).  die Menschheit insgesamt (§ 8.2.3.). Zum anderen beabsichtigt das Werk, Marduk auch in der textexternen Umwelt als neuen Götterherrscher zu installieren. Da es sich um eine religiöse Innovation handelt, bedarf diese Installation auch der Legitimation, weshalb der Text auf letzteres besonders eingeht (§ 8.2.4.). Die Einrichtung Marduks als Götterherrscher geht einher mit der Etablierung der von ihm erschaffenen ewigen und friedlichen globalen Weltordnung, der Pax Mardukiana. Das Lied auf Marduk expliziert nicht nur, woher diese Ordnung kommt und wie sie beschaffen ist, sondern eröffnet auch einen Weg für die Menschen, wie diese auch für die menschliche Ebene erreicht werden kann (§ 8.2.6.). 8.2.1. Handlungsanweisungen an religiöse Experten Im Epilog wird eine nicht näher benannte Gruppe von religiösen Experten adressiert, bei der es sich vermutlich um die Marduk-Priesterschaft in Babylon handelt (siehe § 2.2.3.3.). In den dort explizierten Anweisungen werden sie dazu angehalten, das Lied auf Marduk  zu tradieren, was sich sowohl auf die physischen Tontafeln14 als auch ihren Inhalt bezieht.  auszulegen. Hauptgegenstand sind die im Werk auftauchenden Namen, deren Bedeutung mittels der Keilschriftschau offengelegt wird. Diese Handlungen erfolgen jedoch nur innerhalb der Gemeinschaft religiöser Experten, was durch die Geheimwissenmarkierung im Epilog unterstrichen wird. Das Wissen um die sieben Tafeln und die in ihnen enthaltenen Botschaften gehört demnach in den Bereich des Geheimwissens. Das Werk, speziell die 50 Namen Marduks, stellt eine Art ‚Omenkatalog‘ für die Keilschriftschau dar, da Marduks Namen vollständig aufgelistet werden und die dazu gehörige Ausdeutung im Sinne einer zweispaltigen Liste danebengestellt wird (siehe § 5.3.3.). Zugleich offenbart der Text anhand der Beispiele die Art und Weise, wie Namen mittels der Keilschriftschau ausgedeutet werden können. Beide Aspekte hat das enūma eliš mit klassischen Omenserien (bspw. barûtu) gemeinsam. Diese werden wiederum regelmäßig als Gegenstand des Geheimwissens markiert, so dass die Funktion des Werkes als Keilschriftschau-Katalog hilft, seine Deklarierung als Geheimwissentext zu erklären. Das aus der Tradierung und der Exegese abgeleitete Wissen über Marduks Wesen und seinen Aufstieg ist jedoch nicht nur Zweck an sich. Stattdessen folgen aus 14 In Vers VII 145 wird das Verb ṣabātu („packen“) vermutlich in Bezug auf ṭuppu („Tontafel“) verwendet, was dafür steht, dass Tontafeln sicher aufbewahrt werden sollen (siehe § 2.2.3.3.). Diese Aufbewahrungspraxis ist insbesondere aus der Rechtspraxis belegt, wonach bspw. Verträge durch Zeugen aufbewahrt werden (CAD Ṣ 2004, S. 18f.). Da es sich bei dem Lied auf Marduk um eine Art Vertrag zwischen Marduk und dem menschlichen König handelt (siehe § 8.2.2.), passt auch dieses semantische Umfeld, wonach die Niederschrift dieses Vertrags, das Lied auf Marduk, durch die Marduk-Priesterschaft sorgsam aufbewahrt wird.

8.2. Wirkdimensionen des enūma eliš

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diesen Erkenntnissen Handlungsanweisungen für den menschlichen Herrscher (siehe § 8.2.2.) und die Menschen allgemein (siehe § 8.2.3.), welche die religiösen Experten weiterzuleiten haben. Der Text fungiert als Medium zwischen Götterwelt und Menschenwelt, wobei die religiösen Experten die Überbringer der göttlichen Botschaft sind. Diese besondere Rolle der religiösen Experten im Umgang mit dem Text spiegelt sich auch in den Fundkontexten der Textvertreter (siehe § 2.1.3.9. und § 2.2.2.) wider. So wurde nur ein Textzeuge (Taf. VI KKal = ND 3416) in einem Palast (in Kalḫu) gefunden. Die anderen Tontafeln wurden entweder in Wohn- und Ausbildungsstätten religiöser Experten ergraben oder auf Tempelarealen entdeckt. Somit findet sich das Werk auch nach seiner Verbreitung primär durch die Assyrer immer noch im Kontext religiösen Expertentums. Sicherlich zeigt die Verwendung auf Schülertafeln, dass der Text auch zum Erlernen der Schreibkunst herangezogen wurde, wie die Existenz von Schultafeln nach Typ 2a zeigt (siehe § 2.1.1.). Dabei handelt es sich jedoch vermutlich um eine sekundäre Entwicklung, die zuerst in Assyrien erfasst werden kann. Somit verlor die Geheimwissen-Markierung wahrscheinlich mit der Zeit ihre Wirkkraft, doch die situative Verortung im Umfeld religiöser Experten bleibt auch über die Jahrhunderte der Textverwendung bestehen, wie die Fundkontexte und die Verwendung im Neujahrsfest offenbaren. Dieses Bild wird auch durch die wenigen erhaltenen Kolophone unterstützt (siehe § 2.2.1.). So gehören die Tafeln aus Ḫuzirīna in das Umfeld einer šangû-Familie, wobei sich einer der Schreiber als šamallû bezeichnet, womit eine fortgeschrittene Ausbildungsstufe als religiöser Experte beschrieben wird. Zudem existiert ein Exemplar, das nach Auskunft seines Kolophons im Tempel des Schreibergottes Nabû als Weihgabe aufgestellt werden sollte. 8.2.2. Handlungsanweisungen an den babylonischen König Im Epilog formuliert der Text explizit seine Erwartungshaltung gegenüber dem menschlichen Herrscher. Die religiösen Experten sollen ihn daran erinnern, dass er Marduk gegenüber „nicht nachlässig sein darf“ (lā iggima15 VII 149, siehe § 2.2.3.4.). Hinter dieser Formulierung steckt die Anweisung, seinen Herrscherpflichten zum Wohle Marduks nachzukommen. Dies umfasst zunächst die Sicherung der Versorgung und der Verehrung der Götter, die er als oberster Mensch organisieren muss. Aus diesem Grund hat er dafür Sorge zu leisten, dass die Menschen für die Götter produzieren und ihren kultischen Pflichten nachkommen.16 Zudem muss der menschliche Herrscher insbesondere dem göttlichen Herrscher zugeneigt sein. Im Gegenzug verspricht Marduk Wohlergehen für das Land und speziell auch für den König (VII 150). Sollte der menschliche Herrscher jedoch seine Pflichten ver15

Textzeuge BNin schreibt li-ig-gi-ma, was Thomas Kämmerer und Kai Metzler als „er möge jubeln“ übersetzen (2012, S. 311), wobei es sich aber auch um eine verschliffene Version von lā iggima handeln kann (siehe auch LAMBERT 2013, S. 132f.). 16 Dieses Verständnis der Herrscherpflichten ist typisch für das Denken im Alten Orient und kein Spezifikum des enūma eliš (siehe bspw. NISSINEN 2003, S. 4).

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nachlässigen, droht ihm der göttliche Zorn, dem keiner entrinnen kann, vor dem kein anderer Gott schützen kann (VII 151–156). An dieser Stelle wird im Werk ein weiterer impliziter Vertrag zwischen zwei Parteien abgeschlossen, wobei Marduk stellvertretend für die Götter, der babylonische König stellvertretend für die Menschen steht. Wenn die Menschen ihren kosmischen Pflichten nachkommen (siehe hierzu auch § 8.2.3.), so werden sie von den Göttern belohnt. Bei Zuwiderhandlung drohen jedoch schreckliche Sanktionen. Da die Priesterschaft dem König diese Botschaft übermittelt, fungiert sie als Sprachrohr Marduks. Für die Machtkonstellation auf menschlicher Ebene zeigt dies eine Machtbefugnis auf der Seite des Tempels und einen Weisungsempfänger im Palast. Der Herrscher ist gegenüber Marduk und damit mittelbar gegenüber seiner Priesterschaft rechenschaftspflichtig. Ebendiese Konstellation findet sich auch im Kult, speziell im akītu-Fest (siehe § 2.2.3.5.). Im Rahmen der Feierlichkeiten des Neujahrsfestes muss der König im E-umuša vor den Marduk-Oberpriester (šešgallu) treten. Nachdem der Oberpriester dem König auf die Wange geschlagen hat, muss der Herrscher einen Rechenschaftsbericht ablegen, in dem er beteuert, dass er Marduks Göttlichkeit „nicht vernachlässigt habe“ (ul ēgi Z. 423), womit hier dieselbe Wurzel zum Tragen kommt, wie in Vers VII 149 im Epilog. Anschließend wird der König nach einem weiteren Schlag wieder eingesetzt.17 Andererseits obliegt dem König die Zuteilung der Pfründe an die Tempel, wodurch er in anderer Hinsicht wieder über den Priestern im Tempel steht, da diese auf sein Wohlwollen angewiesen sind. Während der Herrscher somit Marduks Rolle als zāninu („Versorger“) auf der Erde übernimmt, sind die Priester wie die Götter Empfänger der zāninūtu. Die Rolle als zāninu ist nur ein Beispiel dafür, dass Marduk als idealtypischer König als allgemeines Vorbild für jegliche Herrschaftsausübung fungiert.18 An dieser Stelle formuliert der Text weitere Handlungsanweisungen an den menschlichen König, die jedoch nicht als direkte Aufgaben expliziert werden. Stattdessen zeichnet der Text das Bild eines idealen Herrschers, durch dessen Taten eine ideale Welt (Pax Mardukiana) entsteht. Seine Handlungen weisen ein hohes Maß an Weitsicht, Überlegtheit und nur die gerade notwendige Dosis an Gewalt auf. Auf der Seite der Tiāmtu-Götter werden nur die Urmutter und Kingu getötet, alle anderen Götter in die Gemeinschaft reintegriert. Zugleich erweist sich Marduk als verlässlicher Vertragspartner, als jemand, der vorherrschende Normen berücksichtigt, und als fürsorglicher Herrscher (siehe § 7.3.). Somit steckt in den Schilderungen von Marduks Aufstieg ein impliziter Imperativ, der den menschlichen Herrscher in besonderer Weise adressiert. Zugleich zeigt sich, dass Marduks Tun in einer Welt voller Frieden und Wohlstand mündet, so dass auch dem Herrscher ein vergleichbarer Erfolg vor Augen geführt wird. Das Marduk-entsprechende Tun ist zudem gleichbedeutend mit der Einhaltung der Formel lā iggima („er darf nicht nachlässig sein“) aus dem Epilog (siehe 17

Zur Deutung des Rituals siehe bspw. ZGOLL 2006a und SALLABERGER, SCHMIDT 2012. Modern würde man ein umgekehrtes Verhältnis annehmen, wonach Marduk nach dem Modell eines (idealtypischen) menschlichen Herrschers konstruiert worden ist. Dies entspricht jedoch nicht der Binnenlogik des Werkes und des Alten Orient (siehe auch Z GOLL 2012b, S. 100–102). 18

8.2. Wirkdimensionen des enūma eliš

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§ 2.2.3.4.), weshalb Marduk zusätzlich als Garantiemacht für Frieden und Wohlergehen operiert, so der König sich an diese Maßgabe hält. Da Marduk die göttliche Entsprechung für den babylonischen König darstellt, inkorporiert er auch ein Versprechen für sein menschliches Pendant. Marduk steigt im Lied auf Marduk zum Herrscher der Welt und aller Götter auf. Übertragen auf die menschliche Ebene bedeutet dies, dass auch für den babylonischen Herrscher Weltherrschaft und die Herrschaft über alle Menschen in Aussicht gestellt wird (siehe § 7.6.2.). Doch dieser potentiell expansiven Botschaft werden zwei Schranken gesetzt:  Oberste Aufgabe des Herrschers ist der Erhalt der Ordnung. Übertriebene Gewaltanwendung, zu denen auch umfangreiche Expansionskriege zählen können, kann ebendiese Ordnung gefährden. Dem Herrscher wird durch der Erzählung des enūma eliš vor Augen geführt, auf ebendiese zu verzichten.  Während eine expansive Politik eine Bewegung in die Fläche bedeuten würde, entwirft das Werk einen radikal zentralistischen Ansatz. Hier streben die Götter aus allen Weltteilen zum Zentrum und nicht umgekehrt. Dies wird insbesondere an der Auflage der Götter deutlich, wonach sie eigene Heiligtümer in Babylon verlangen, was eine entgegengesetzte Bewegung bedeutet wie zum Beispiel in der Anzû-Erzählung, wo dem Gott Ninurta eine Kultausweitung in die Fläche in Aussicht gestellt wird (siehe § 6.3.2.). Entscheidend ist daher das Zentrum und nicht die Expansion in die Peripherie. Zusammengefasst finden sich demnach im Lied auf Marduk sowohl direkte als auch indirekte Handlungsanweisungen, die den babylonischen König adressieren. Vermittler dieses Wissens sind der Text und seine Tradenten und Ausleger, die religiösen Experten. 8.2.3. Handlungsanweisungen an die Menschen allgemein Die an die Menschheit gerichteten Imperative finden sich im Text bei der Schilderung ihrer Erschaffung und dann in den Ausführungen zu den Namen Asalluḫi I, Tutu Zi-ukkina(k) und Tutu Aga-ku(.g).  Im Rahmen der Anthropogenese wird den Menschen ihre Rolle als Arbeiter für die Götterversorgung zugewiesen (VI 8, 34, 36).  Im Rahmen der Auslegung des Namens Asalluḫi I wird beschrieben, dass die Menschen  Marduks Taten in Erinnerung behalten werden sollen (VI 108).  sich um die Opfer für die Götter kümmern sollen (VI 116).  ihre Götter verehren und ihrer gedenken sollen (VI 114f., 117).  In den Namen Tutu Zi-ukkina(k) und Tutu Aga-ku(.g) wird nochmals betont, dass Marduks Worte und Taten nicht vergessen werden sollen (VII 18, 31). Während in den Versen VI 34 und 36 indikativische Formulierungen gewählt wurden, richten sich die anderen Textstellen mittels modaler Aussagen (v.a. Prekative) direkt an die Menschen. Insofern handelt es sich dabei um explizite Aufforderungen an die Menschheit.

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Dies ist auch der Dringlichkeit des Anliegens geschuldet, denn den Menschen kommen zentrale Funktionen im Gefüge der Welt zu. So stellt Marduk zwar den Mittelpunkt der Weltordnung dar, der die verschiedenen Fäden zusammenhält, doch sollten die Menschen die Versorgung und Verehrung der Götter einstellen, so wäre dieses gesamte Konstrukt in Gefahr. Dabei muss man gemäß der altorientalischen Arbeitsteilung vermutlich auch an dieser Stelle zwischen unterschiedlichen Menschengruppen unterscheiden.  Als Arbeiter in der Landwirtschaft produzieren die Menschen die Nahrung für die Götter, welche sie entsprechend der königlichen Vorgaben an die Tempel abführen.  In den Tempeln führen die Priester die entsprechenden Opfer durch. Im Rahmen der privaten Frömmigkeit finden auch durch die Menschen allgemein regelmäßige Götterspeisungen statt.  Die Priester sichern als Tradenten und Exegeten die Erinnerung an die Taten der Götter, speziell Marduks. Indem sie speziell seine Namen und ihre Bedeutung überliefern, können diese Namen wirkmächtig bleiben.  Inwiefern in der privaten Frömmigkeit eine Erinnerung an Marduk zentral ist, expliziert der Text nicht. Doch die Verehrung der persönlichen Schutzgötter sichert ein funktionierendes Miteinander von Göttern und Menschen (siehe auch § 5.2.5.). Die Arbeitsteilung der offiziellen Religion zeigt sich textextern beispielsweise im Rahmen des akītu-Festes, an dem König und religiöse Experten aktiv mitwirken und auch die Bevölkerung mit eingebunden ist. 8.2.4. Installation und Legitimation Marduks als ewiger Herrscher Das Werk beschreibt ab dem Beginn des zweiten Konflikts Marduks Aufstieg zum ewigen Welt- und Götterherrscher und zur einzig entscheidenden Gottheit. Somit beabsichtigt der Text, Marduk in ebendiese Rolle zu setzen beziehungsweise ihn in dieser Rolle zu bestätigen. Da Enlil traditionell die Funktion des Götterherrschers einnimmt, handelt es sich beim enūma eliš um einen Baustein19 einer theologischen Innovation, der eine Narration anbietet, durch die Marduks Status erklärt wird. Während zu Enlil keine Erzählungen existieren, die seinen Aufstieg zum Herrscher beschreiben, zeigt der Umstand, dass eine solche Schilderung für Marduk existiert, dass sein Götterkönigtum erklärungsbedürftig war. Das Lied auf Marduk liefert die Aitiologie für seinen Aufstieg. Dabei verortet sie das Geschehen an den Uranfang der Welt, so dass Marduk nicht auf Enlil folgt. Stattdessen wird eine alternative Erzählung angeboten, in der Enlil textimmanent nur eine Randfigur darstellt. Zugleich dockt sie aber insbesondere über die Göttergestalten Anu und Ea und die Entleihung zahlreicher bekannter Mytheme an die

19 Der Aufstieg Marduks innerhalb der mesopotamischen Religion erfolgte über Jahrhunderte (siehe bspw. SOMMERFELD 1982) und nicht ausschließlich durch das Lied auf Marduk. Vielmehr ist es nur ein, wenn auch ein zentrales, Zeugnis, in dem sich dieser Prozess widerspiegelt.

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traditionelle Theologie an.20 Durch die Verankerung am Weltanfang und die Verwendung bekannter Erzählmotive gibt sich das Werk den Anschein von hohem Alter und damit Autorität. Hierzu passt die unklare Formulierung im Epilog über die Herkunft des enūma eliš, wonach es von einem maḫrû (in etwa: „Früherer“ oder „Hochgestellter“) in einer unbestimmten Vorzeit rezitiert und dann erst aufgeschrieben wurde (VII 157f., siehe § 2.2.3.7.). Gerade weil es sich bei dem Werk um eine theologische Innovation handelt, ist die Wirkung als Tradition so entscheidend. Zugleich muss die Erzählung besondere Aufgaben erfüllen. So soll Marduks Aufstieg nicht nur plausibel sein, sondern auch als die einzig denkbare Möglichkeit erscheinen. An dieser Stelle greifen die unterschiedlichen Legitimationsstrategien des Werkes.  Marduk ist zum Herrscher aufgrund seiner ontischen Qualitäten bestimmt.  Durch seine Abstammung in direkter Linie der erstgeborenen Söhne vom Urherrscher Apsû hat er einen prinzipiellen Thronanspruch (siehe § 7.1.2.).  Marduks physische und geistige Eigenschaften überragen alle anderen Götter, weshalb er zum Herrscher prädestiniert ist (siehe § 7.2.2.). Zugleich ist er der einzige, der die Anšar-Götter in der Notlage retten kann.  Marduk zeichnet sich durch seine Taten aus (siehe § 7.3.).  Er erfüllt alle Auflagen des Aufstiegsvertrags, so dass seine Erhöhung legal ist.  Marduk verwendet das kleinstmögliche Maß an Gewalt zur Erfüllung der Aufgaben.  Alle seine Handlungen haben immer zuerst seine (designierten) Untertanen im Blick.  Marduk beendet durch sein Tun alle Konflikte. Er etabliert eine dauerhafte, stabile und friedliche globale Weltordnung, die Pax Mardukiana.  Marduks Aufstieg erfolgt nur durch freiwilligen Selbstverzicht der (designierten) Untertanen (siehe § 7.4.).  Die Götter schließen mit ihm freudig gestimmt, d.h. freiwillig, den Aufstiegsvertrag ab.  Sie unterwerfen sich ihm selbsttätig im Rahmen der zweiten Erhöhung.  Die Götter geben ihm im Treueeid freiwillig die Macht über ihr Leben.  Durch Namenstransfers (Asalluḫi I, Bēl mātāti, Ea, 50 Namen) übertragen die ursprünglichen Namensträger ihre eigenen Funktionen auf Marduk. Die ersten beiden Argumentationspunkte machen Marduks Aufstieg zum Welt- und Götterherrscher alternativlos. Er ist der beste aller Götter, der die beste aller Welten erschaffen hat, deren Fortbestehen nur er garantieren kann. Der dritte Punkt nimmt Marduks Erhöhung den möglichen Ruch einer Usurpation, da sein Aufstieg durch den Willen und die Taten der Götter erfolgt. Marduk ergreift die Macht nicht,21 er erhält sie durch Verleihung. 20 So zeigen sich beispielsweise Bezüge zum Atramḫasīs-Mythos, allgemein den Sintfluterzählungen und dem Anzû-Mythos. 21 Die akkadische Terminologie verwendet hierfür auch das Verb leqû (VII 162), das zunächst „nehmen“ heißt (CAD L 2008, S. 131) und damit eine falsche Konnotation im Deutschen hervorru-

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Die Legitimationsargumentation wird dabei durch die Textkomposition unterstützt. So treten durch die Parallelstruktur Marduks Lösungsansätze für den zweiten Konflikt neben die Taten Eas im ersten Konflikt.  Ea hat für die Tötung Apsûs keinen Auftrag, er handelt selbstmächtig. Marduk hingegen erhielt von den versammelten Anšar-Göttern ein Mandat, um gegen Tiāmtu und ihre Verbündeten vorzugehen.  Während Ea Apsû im Schlaf tötet, bezwingt Marduk die Urmutter in einem heldenhaften Zweikampf.22 Verstärkend wirkt hier noch, dass Ea gegen Tiāmtu, die im Gegensatz zu Apsû vorgewarnt ist, scheitert.  Während Ea den Apsû als Weltenteil erschafft, etabliert Marduk eine vollständige, allumfassende Weltordnung, in die er den Apsû integriert.  Durch Eas Tötung des Urherrschers Apsû zerfällt die Götterwelt in zwei Parteien, die sich dann in einem Götter-Bürgerkrieg gegenüberstehen. Marduk beendet diesen Krieg und überwindet das Schisma.  Während Eas Tun in einem erneuten Konflikt resultiert, erschafft Marduk ewigen, globalen Frieden und damit das Ende aller Konflikte, die Pax Mardukiana. Diese Aufzählung verdeutlicht die große Überlegenheit von Marduks Handlungen gegenüber seinem Vater, womit er als der bessere Gott und Herrscher charakterisiert und damit seine Großartigkeit unterstrichen wird. Dies begründet, warum Marduk in der Thronfolge seinem Vater vorgezogen wurde. Am eindrücklichsten sind Marduks Taten, die zur Deeskalation und damit zur Überwindung eines potentiell ewigen Konfliktzirkels23 beitragen und stattdessen eine lineare ‚Heilsgeschichte‘ etablieren. Durch die erste Ringstruktur innerhalb der Parallelstruktur (siehe § 4.2.1.) werden weitere Vergleiche zwischen den Akteuren des Textes möglich:  Kingus Erhöhung wird Marduks erste Erhöhung (Erhöhungsvertrag) gegenübergestellt.  Kingu ist unbekannter Herkunft und wird von einer Frau über die anderen Götter gesetzt. Marduk hingegen ist königlichen Blutes und ihm unterwerfen sich die zukünftigen Untertanen freiwillig und selbsttätig.  Kingu erhält seine Festsprechungsmacht durch die Tafel der Festsprechungen (ṭuppi šīmāti), Marduk durch die festsprechungsmächtige Götterversammlung. Unter anderem im späteren Umgang Marduks mit der Tafel der Festsprechungen zeigt sich die Überlegenheit seiner Festsprechungsmacht (siehe § 5.1.2.3.). fen kann. Es kann aber auch für „empfangen, entgegennehmen“ stehen (IBID, S. 134). In dieser Bedeutung ist es Teil des hier herausgearbeiteten Konzepts, wonach Marduk Macht nur empfängt und nie ergreift. 22 So sehr eine wertende Ableitung aus dieser Differenz naheliegt, bedarf dies jedoch der Kenntnis, inwiefern eine Tötung im Schlaf als pejorativ gegenüber einem offenen Kampf der altorientalischen Welt gesehen wurde. 23 Ein solcher ewiger zyklisch gestalteter Konflikt findet sich beispielsweise in der Sumerischen Königsliste, wo jede Königsstadt durch Gewalt aufsteigt und durch Gewalt wieder abgesetzt wird. Anderes wird Babylon durch das enūma eliš versprochen, welches als Marduks Sitz ewiger Sitz des menschlichen Königtums sein wird.

8.2. Wirkdimensionen des enūma eliš

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 So wie Ea und Anu nichts gegen Tiāmtu unternehmen können, so versagt auch Kingu später gegen Marduk. Damit scheitern Ea und Anu nicht nur, sondern sie werden zudem implizit mit dem stark negativ konnotierten Kingu auf eine Stufe gestellt.  Die Rüstungen Tiāmtus spiegeln sich in Marduks vorbereitenden Maßnahmen, wobei sich im anschließenden Zweikampf Marduk als der Bessere erweist. Auch diese Gegenüberstellungen dienen dazu, Marduks qualitatives Supremat komparativ zu unterstreichen und damit sein machttechnisches Supremat zu begründen. Marduk wird im Lied auf Marduk jedoch nicht nur als oberster Gott installiert, sondern wird sogar zur einzig relevanten Gottheit. Dieser Henotheismus stellt eine neue Qualität des Werkes dar, die über Marduks Einsetzung als neuer Enlil hinausgeht. Marduk wird nämlich – speziell durch die Namensgebungen – nicht nur zum neuen Enlil, sondern auch zum neuen Anšar, zum neuen Ea, sogar zum einzigen Repräsentanten der 50 Großen Götter. Der Synkretismus mit anderen Gottheiten wird textimmanent durch die Namenstransfers hergestellt (siehe auch § 8.1.3.), ist aber schon vorher im Werk angelegt. Dies wird in einem intertextuellen Vergleich seiner Eigenschaften deutlich. So bekleidet Enlil klassischerweise das Amt des Götterherrschers, womit er die höchste politische Macht innehat. In den mythischen Erzählungen erweist er sich aber nicht als sonderlich weitsichtig und weise, wie dies im Atramḫasīs-Mythos deutlich wird. Ea wiederum nimmt weder im enūma eliš noch in anderen Werken eine Herrscherfunktion ein. Stattdessen ist er den Menschen wohlgesonnen und verfügt über die größte Weisheit. Ninurta24 schließlich, um ein drittes Beispiel zu nennen, ist besonders mutig und stark. Er ist der klassische jugendliche Heldengott, der die Feinde der Götter (Anzû, Asakku…) bekämpft (siehe auch LAMBERT 2013, S. 452). Marduk vereinigt somit die klassischen mythischen Rollen von mindestens drei Göttern:  Er ist (mindestens) so mächtig wie Enlil.  Er ist so weise und den Menschen wohlgesonnen wie Ea.  Er ist so stark und tapfer wie Ninurta. Während Ninurta im Text verschwiegen wird, finden sich Ea und Enlil im Werk. Bei ihnen handelt es sich um die letzten beiden Götter, die Marduk eigene Namen übertragen. Damit explizieren und besiegeln sie, was durch den Textverlauf gerade bei einer intertextuellen Lektüre, hervortritt. Marduk besitzt alle positiven Eigenschaften der Götter, teilt aber nicht ihre Nachteile.25 Somit ist Marduk am Ende des Werkes ein Super-Enlil-Ea(-Ninurta-…) und damit der Beste aller Götter. Hierin liegt vielleicht die stärkste legitimierende Kraft des enūma eliš in seiner textexternen Wirkung, denn, da Marduk die positiven Eigenschaften aller Götter in sich ver24 Möglicherweise handelt es sich bei ihm um einen der Großen Götter im Werk, auch wenn er namentlich nie genannt wird. Seine Vorbildrolle für den heldenhaften Marduk wurde bereits von Wilfred Lambert herausgearbeitet (1986, S. 60). Eckart Frahm liest den Text zudem so, dass Marduk hier auch zum neuen Ninurta wird (2011, S. 346). 25 Enlil fehlen Weisheit und körperliche Kraft, Ea fehlen Macht und körperliche Kraft, Ninurta fehlen Macht und Weisheit.

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Kapitel 8: Gesamtschau

einigt, ist er der einzig entscheidende Gott, vor dem alle anderen Götter in den Hintergrund treten. 8.2.5. Reaktualisierung von Marduks absoluter Macht Indem die Menschen die Götter versorgen, ermöglichen sie die Einhaltung des Aufstiegsvertrags zwischen Marduk und den Göttern. Marduk hatte sich im Zuge dieses Vertrags dazu verpflichtet, die Ernährung der Götter dauerhaft zu gewährleisten, wozu er die Menschen erschaffen ließ. Wenn diese nun ihre zugwiesene Aufgabe erfüllen, erfüllt auch Marduk seine vertragliche Daueraufgabe der Götterversorgung. Insofern stellt jede Opfergabe gegenüber einer beliebigen Gottheit eine Vertragserfüllung durch Marduk dar. Im Gegenzug sind die Götter als zweite Vertragspartei dazu angehalten, Marduks Namen zu nennen und ihm dadurch erneut die Königsherrschaft zu verleihen. Durch den lexematischen Bezug zur dritten Erhöhung, dem bedingungslosen Treueeid, wird deutlich, dass sie seine Einsetzung als Götterherrscher erneuern und damit sein Götterkönigtum reaktualisieren (siehe auch: § 2.2.3.8.):26 VII 159 VII 160

šīmat ⌈dMarū⌉tuk ša u[l]lû ilānū Igigū ēma mû iššattû šu[mšu] lizzakrū

d

Die Festsprechung für Marduk, die die Götter, die Igigi, erhöhten, wo auch immer Wasser getrunken wird, sollen sie (die Götter) [seinen] Namen sagen (= ihm erneut seinen Namen geben).

Im Moment ihrer eigenen Überlegenheit über den Menschen (sie empfangen Opfergaben), sind die Götter dazu angehalten, Marduks Installation als Herrscher zu wiederholen und somit ihren Status als seine Untertanen zu bestätigen. Im Kult findet somit ein stetiger Rückbezug auf die mythische Erhöhung Marduks statt, die in der Jetztzeit wiederholt und damit erneut wirkmächtig gemacht wird (siehe auch VII 161, § 2.2.3.8.). Durch diese Konstellation untermauern auch dezentrale Kulte Marduks Weltund Götterherrschaft und dadurch die absolute Macht des kosmischen Zentrums. So existieren zwar noch die anderen Götter und diese müssen auch versorgt und verehrt werden, doch jede dieser menschlichen Handlungen sorgt dafür, dass Marduk über eben diese Götter immer wieder erneut erhoben wird. Der Dienst für die anderen Götter ist damit automatisch immer auch Dienst für Marduk, da hierdurch sein absoluter Supremat manifest und die henotheistische Konstruktion des enūma eliš explizit wird. 8.2.6. Installation einer ewigen und friedlichen globalen Weltordnung Wie bei der Zusammenfassung der Anweisungen an die unterschiedlichen Menschengruppen deutlich wurde, zielt das Werk darauf, dass durch die Gesamtheit der richtigen Handlungen der jeweiligen Gruppen das Wohlergehen des Landes und seiner Bevölkerung erreicht wird. 26 Die Ausweisung der Schreibvarianten und kleinere philologische Kommentierungen finden sich in § 2.2.3.1.

8.2. Wirkdimensionen des enūma eliš

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 Die religiösen Experten sichern das Verständnis der korrekten Handlungsanweisungen aus dem Lied auf Marduk. Sie führen die Kulte durch.  Die religiösen Experten sorgen durch die Erinnerungskultur dafür, dass Marduks Namen wirkmächtig bleiben.  Der menschliche Herrscher stellt durch seine Herrschaftsausübung sicher, dass Nahrung für die Götter produziert wird und diese durch die regelmäßigen Opfer den Göttern zukommt. Dabei unterwirft er sich Marduks Herrschaft.  Die Menschheit allgemein als kosmische Arbeiterklasse produziert die Nahrung für die Götter.  Die Menschen verehren ihre Götter und sichern damit ein wohlwollendes Miteinander von Menschen und Göttern. Auf diese Weise bewirken die Menschen durch ihre Taten gemeinsam, dass die etablierte globale Weltordnung erhalten bleibt, in der die Götter den Menschen wohlgesonnen sind und so beide Seiten friedlich miteinander leben. Den menschlichen Handlungen kommt somit eine entscheidende Bedeutung im Weltengefüge zu, indem der der Ordnung zugrundeliegende Erhöhungsvertrag zwischen Marduk und den Göttern dauerhaft erfüllt wird (siehe § 8.2.5.). Zusätzlich wird durch die Verehrung und Versorgung dem Unwillen der Götter und somit möglichen Sanktionen vorgebeugt, indem diese zufrieden gestellt werden. Das Resultat ist eine Welt, in der Menschen und Götter potentiell friedlich miteinander leben. Da so idealiter keine Konflikte aufkommen, weist diese Ordnung einen hohen Grad an Stabilität auf. Sollte es dennoch zu Zuwiderhandlungen kommen, regelt das Recht die Sanktionierung des Vergehens. Das Recht objektiviert den Zusammenhang zwischen Verbrechen und Strafe und expliziert diesen zudem (siehe § 8.1.3.). Dadurch werden Strafe und Strafmaß transparent, und somit verständlich und vorhersehbar.27 Doch nicht nur durch die direkten Anweisungen an die Menschen zielt das enūma eliš auf eine stabile globale Weltordnung hin. Indem Marduk als Idealtypus eines Herrschers als Vorbild für den menschlichen König fungiert, versucht das Werk dessen Handlungen zusätzlich zu beeinflussen. In diesem Idealbild steckt ein tieferes Verständnis des Funktionierens von Herrschaft, besonders mit Blick auf die dialektische Funktion der Gewalt. Dosierte und begründete Gewalt wirkt stabilisierend, während willkürliche und entgrenzte Gewalt die Ordnung in ihren Grundfesten erschüttern kann. Darüber hinaus entwirft der Text auch das Idealbild für die Organisation von Herrschaft: die absolute Monarchie. Trotz des allgemeinen Anspruchs auf Weltherrschaft liegt der Fokus hierbei auf dem Zentrum (siehe auch § 8.2.2.). Alle Fäden laufen in ihm zusammen. Dies umfasst neben der politischen Macht auch den Kult, der sich im Esaĝila konzentriert. So wird hier beispielsweise die alljährliche Reaktualisierung der globalen Weltordnung im Rahmen des akītu-Festes durchgeführt 27 In dieses System passt nun auch die Divination, da sie hilft, den Grund für göttliche Sanktionen zu verstehen, da diese immer einen gerechtfertigten Anlass haben. Wenn die Menschen diese Zeichen und das dahinterstehende Rechtssystem verstehen, können sie die Ursache bekämpfen und damit die friedliche Ordnung wiederherstellen.

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Kapitel 8: Gesamtschau

(siehe hierzu auch DIETRICH 2006, S. 159). Dieses funktionale kosmische Zentrum wird im Lied auf Marduk erstmalig installiert, wobei auch die notwendigen Kulte eingerichtet werden, die für die zyklischen Reaktualisierungen erforderlich sind (siehe § 4.4.1.1.). Indem die Menschen diese Riten durchführen, sichern sie, dass das Zentrum wirkmächtig und damit die Welt stabil bleibt. Abbildung 12: Der Weg zur Pax Mardukiana auf menschlicher Ebene Auslegung

enūma eliš

Relig. Experten implizite & explizite Vorgaben

Babylonischer König

Koordination

Menschen, allgemein

korrektes Verhalten

Wohlwollen Marduks (und der Götter) PAX MARDUKIANA Schließlich führt der Text den Menschen die Pax Mardukiana als Idealbild einer globalen Weltordnung vor Augen. Doch das Werk verharrt nicht nur in die Schilderung dieser Utopie, sondern zeigt den konkreten Weg auf, wie die Menschen diesen ewigen Frieden erreichen können. Schlüssel hierfür ist das Wohlwollen Marduks. Dieses kann erlangt werden, indem die religiösen Experten den Text richtig auslegen und daraus die richtigen Handlungsanweisungen ableiten. Diese geben sie an den König weiter, der für die korrekte Umsetzung sorgt und sich selbst an die expliziten und impliziten Vorgaben hält. Die Priester führen den offiziellen Kult durch, alle Menschen verehren ihre jeweiligen Götter. In einer Welt, in der dieses Realität wird, wird auch die Pax Mardukiana für die Menschen Wirklichkeit. Dies ist zumindest das Versprechen des enūma eliš.

Kapitel 9

Ausblick Die vorliegende Untersuchung fokussiert den Text und die Textvertreter des enūma eliš. Die Ergebnisse sind somit zuvorderst Aussagen über den Text, sie liefern aber auch zugleich Beiträge für größere Fragestellungen dies- und jenseits der Altorientalistik.

Beitrag zu einer altorientalistischen Literaturwissenschaft Für die Interpretation altorientalischer literarischer Texte existieren keine festen Instrumentarien oder interpretative Schulen mit streng definierten Herangehensweisen (siehe bspw. WORTHINGTON 2012, S. 309). In dieser aktualen Unterbestimmtheit liegt eine große Chance, denn angeleitet von dem Material und inspiriert von anderen Disziplinen kann sich die Altorientalistik einen eigenen Zugang zu ihren Quellen erarbeiten. Hierzu möchte die vorliegende Arbeit durch die Reflexion über die gewählten Instrumente (siehe § 1.3.) und die Demonstration ihrer Wirksamkeit (siehe insbesondere § 3.18.2.) ihren Beitrag leisten.1 Die Komplexität des Textes stellt Interpreten vor besondere Herausforderungen, gerade wenn wie in der vorliegenden Arbeit ein Gesamtverständnis des Textes als Einheit erarbeitet werden soll. Hier hat sich das zweistufige Vorgehen aus der Rekonstruktion der linearen und nicht-linearen Textstruktur als Vorarbeit (Kapitel 3 und 4) und der anschließenden insbesondere lexematisch geleiteten Detailanalyse (Kapitel 5–7) als fruchtbar erwiesen. Die Forschungsergebnisse zeigen am Lied auf Marduk exemplarisch, wie eine Verbindung zwischen einer interpretativen Fragestellung und literarischem Quellenmaterial aussehen kann. Dementsprechend ist die gewählte Methodik aber auch maßgeschneidert. Ein textimmanenter, lexematischer Ansatz ist nur dann fruchtbar, wenn Lexeme in einer kritischen Quantität und Qualität im Werk auftauchen, was zumeist eine gewisse Textlänge voraussetzt. Insofern lässt sich die gewählte Vorgehensweise nicht auf andere deutlich kürzere Texte ohne Änderungen übertragen.2 Dieses Beispiel verdeutlicht, dass die Methodik der vorliegenden Untersuchung keine Allzweckwaffe interpretativer Arbeit ist. Insofern liefern die methodischen Ergebnisse einen Beitrag zu einer zukünftigen altorientalistischen Literaturwissenschaft – nicht mehr und nicht weniger. 1 Fruchtbare Anknüpfungspunkte können sich zum Beispiel zur Forschungsarbeit von Markus Hilgert (bspw. 2010) und Eva Cancik-Kirschbaum (bspw. 2010 und 2012) ergeben. 2 Die Ausweitung der Textbasis kann dann wieder die Eigenschaft der parole als Synsystem gefährden, was weitere methodische Anpassungen erfordern würde (siehe § 1.3.2.3.).

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Kapitel 9: Ausblick

Vollständiges Neuland wurde im Rahmen der Analyse der pragmatischen Dimension des Textes betreten, indem die Fundkontexte der Textzeugen mit in die Untersuchung integriert wurden.3 Hier eröffnet sich ein fruchtbares Feld der Zusammenarbeit zwischen Philologen und Archäologen, das tiefere Einblicke in die Rolle ermöglicht, die die untersuchten Texte zu ihrer Zeit einnahmen, was wiederum zu einem besseren Verständnis der Textsemantik führen kann. Nach der historischen Aufspaltung der Altorientalistik in Philologie und Archäologie, zeigt sich hier eine Möglichkeit, die Trennung durch gewinnbringende Zusammenarbeit wieder zu überwinden.

Beitrag zur Religionswissenschaft: Schicksal als Festsprechung Die Festsprechung (šīmtu) zeigt sich im enūma eliš als änderbar, primär mündlich und als von den Göttern erlassen (siehe § 5.3.1.). Diese Konzeption ist zunächst nur textimmanent gültig und müsste in einem zweiten Schritt mit anderen altorientalischen Quellen in Verbindung gebracht werden. Durch den großen quantitativen und qualitativen Umfang der Befunde im Text liefert das Lied auf Marduk eine gute Ausgangsposition, um von hier aus weitere Texte zu untersuchen. Von den Spezifika von šīmtu als Festsprechung, Festsprechungsakt und Festsprechungsmacht kann ein Raster mit Blick auf Handlungsträger, Adressaten und Prozeduren abgeleitet werden. Durch diesen Katalog kann die Untersuchung anderer Texte erleichtert und können auch implizite Festsprechungsakte als solche identifiziert werden. Der Beitrag der vorliegenden Arbeit begrenzt sich aber nicht nur auf die Altorientalistik, sondern kann auch für eine kulturvergleichende Perspektive erfolgversprechend sein. So wurde der Begriff des Schicksals zwar in der Arbeit stets vermieden, um das hinter šīmtu stehende Konzept zu beschreiben (siehe § 1.3.3.1.), doch in der komparatistischen Arbeit kann dieser wieder als heuristische Sammelkategorie4 zur Anwendung kommen. In diesem Kontext zeigt sich šīmtu als Vertreter einer mesopotamischen Schicksalskonzeption, die ihre Spezifika im Begriff der Festsprechung bündelt. Über das Verständnis von Schicksal als Festsprechung wird so eine Vergleichbarkeit erreicht, die das Besondere der mesopotamischen Konzeption berücksichtigt und zugleich den Vergleich besonders produktiv machen kann. Gleiches gilt nun auch für die Ontologie von Festsprechung(sakt) und Name(nsgebung), die textimmanent zusammengehören (siehe § 5.3.3.). Die Festsprechung offenbart sich nämlich nicht als isoliertes Konzept, sondern als ein Teil einer Weltsicht, in der dem gesprochenen und geschriebenen Götterwort besondere Bedeutung zukommt. Zugleich sind die Niederschriften der Götterentscheidungen für den Menschen lesbar und damit zugänglich (siehe auch unten Denken vor den Philosophen). Durch die Verbindung von Name und Festsprechung eröffnen sich 3 Deutlich umfassender und fundierter wird dies in der Arbeit von Kerstin Maiwald über altorientalische Mythen und ihrer Verortung geschehen. 4 D.h. er kann als unterbestimmte Oberkategorie helfen, Kandidaten für den Vergleich in den jeweiligen Kulturen zu identifizieren.

Kapitel 9: Ausblick

415

somit weitere komparatistische Fragestellungen beispielsweise zu Namensgebungen in anderen Kulturen insbesondere im Falle göttlicher Handlungsträger.

Beitrag zur Kulturgeschichte I: Diachrone Parallelen ohne stream of tradition Die Analyse der Legitimationsstrategien des enūma eliš hat gezeigt, dass Marduks Aufstieg unter anderem damit als angemessen charakterisiert wird, dass die Götter sich in einem freiwilligen Akt unter seine Herrschaft stellen. Eine sehr ähnliche Argumentationsfigur findet sich auch in der kontraktualistischen Theorie von Thomas Hobbes, wonach die Menschen durch die freiwillige Abtretung ihrer Vollmachten an den Leviathan aus dem unsicheren Naturzustand austreten (siehe § 7.4.). Die politische Philosophie von Thomas Hobbes datiert dabei etwa zweieinhalb Jahrtausende später; der Leviathan erschien erstmalig 1651. Die Tradierung der altorientalischen Texte ist jedoch abgebrochen, und die Werke wurden erst im 19. Jahrhundert wieder zugänglich. Insofern ist eine direkte Beeinflussung von Thomas Hobbes oder seiner Vorläufer Jean Bodin und Hugo Grotius auszuschließen. Umso mehr erstaunt nun die umfassende Parallelität beider Konzepte, denen ähnliche Denkmuster zugrunde zu liegen scheinen. In dem in der vorliegenden Untersuchung erfolgten Vergleich wurden die beiden Werke (Leviathan und Lied auf Marduk) zwar nebeneinandergestellt und Parallelen aufgezeigt, aber dennoch auch für sich als Einzeltexte verstanden. Versucht man aber nun eine gemeinsame Linie zu ziehen, so stellt sich die Frage nach dem Warum der auffälligen Parallelität, wenn eine gemeinsame Tradition ausgeschlossen werden kann. Eine Antwort könnte die Theorie der anthropologischen Konstanten aus der philosophischen Anthropologie liefern.5 Anthropologische Konstanten beschreiben die universellen „Bedingungen für jede historische, kulturelle und intellektuelle Entwicklung“ (MITTELSTRASS 2004, S. 24). Dieses Konzept verbindet sich mit der kantischen Frage: Was ist der Mensch? – und fragt entsprechend nach der Natur des Menschen, die biologisch oder als Lebenswelt gedacht sein kann. Als dritte Möglichkeit kann die Natur die in der vor- oder frühgeschichtlichen Zeit aufgestellten Regeln des menschlichen Handelns beschreiben, was auch die Vorstellungen umfasst, die diese Regeln legitimieren (IBID, S. 23). An dieser Stelle scheinen sich die Beobachtungen der vorliegenden Arbeit mit der philosophischen Anthropologie zu berühren, denn auch Herrschaft ist eine Regel, die seit frühster Zeit für das menschliche Zusammenleben fassbar ist und welche sowohl im Alten Orient (enūma eliš) wie auch in der Neuzeit (Leviathan) ähnlich begründet wird. Die anthropologischen Konstanten sind jedoch nur ein möglicher Ansatz, um Parallelen ohne einen durchgehenden stream of tradition zu erklären. Die Suche nach 5 An dieser Stelle soll nicht auf den Diskurs über die Existenz dieser anthropologischen Konstanten (siehe bspw. MITTELSTRASS 2004, S. 24f.) oder die Wahl der Begrifflichkeit (siehe bspw. ANTWEILER 2007, S. 44) eingegangen werden, sondern nur die Idee der anthropologischen Konstanten als mögliches Erklärungsmuster angeboten werden (siehe auch unten).

416

Kapitel 9: Ausblick

weiteren Erklärungsmustern eröffnet somit ein zusätzliches Feld für weitergehende Forschung in den Bereichen der Anthropologie, Politischen Theorie und Philosophie.

Beitrag zur Kulturgeschichte II: Denken vor den Philosophen Die Analyse des enūma eliš hat eine ausgefeilte Argumentationsstruktur zur Legitimation Marduks zutage gefördert und damit einen hohen Grad an politischer Reflexion aufgezeigt, die dem Text zugrunde liegt. Zusätzlich wird im Lied auf Marduk eine Kritik herrschaftlicher Gewalt deutlich (siehe § 7.3.2.). Ein übertriebener Einsatz von Gewalt durch Götter oder andere Machtträger wird als destabilisierend und allgemein als negativ markiert. Eine ähnliche Argumentation deutet sich auch in den Sintfluterzählungen an, wo der Einsatz der Flut die Existenz der Götter gefährdet und somit auf die Gewalttäter zurückfällt (siehe auch WILCKE 1999a, S. 103). Im enūma eliš wird der maßlosen Gewalt die dosierte, rechtlich und moralisch gebundene Gewaltanwendung Marduks als herrschaftliches Ideal gegenübergestellt (siehe § 7.3.5.).6 Die altorientalische Kritik der Gewalt, die sich in den genannten Beispielen andeutet, verweist ebenfalls auf eine reflexive Auseinandersetzung mit dem Politischen. Ihre Ergebnisse äußern sich jedoch nicht in philosophischen Diskursen oder theoretischen Traktaten, sondern in Gestalt mythischer Erzählungen, die archetypisch die Funktionsweisen und Bedingungen politischer Herrschaft exemplifizieren. Hier deutet sich somit in der Zeit vor den griechischen Philosophen eine Reflexionspraxis an, die thematisch dem Bereich der politisch(religiösen) Philosophie angehört, deren Ergebnisse aber nicht in Gestalt politisch/religionsphilosophischer Schriften festgehalten werden, sondern als mythische Erzählungen. An dieser Stelle öffnet sich ein kleiner Spalt zum emischen Verständnis der Art und Weise, wie die Menschen im Alten Orient über ihre Lebenswelt nachdachten und in welche Formen sie ihre Erkenntnisse gossen. Mythische Texte erlauben demnach nicht nur den Zugang zum antiken Politikverständnis und zur antiken Religiosität, sondern im Weg über die Ergebnisse auch zu den Prozessen altorientalischer reflexiver Praxis. Sie sind somit ein Schlüssel zu dem, was unter der Formel Denken vor den Philosophen zusammengefasst werden kann. In diesen Bereich gehört auch der Konnex aus Festsprechung(sakt) und Name(nsgebung), da sich hier ein altorientalisches Grundverständnis der Beschaf6 Diese Vorstellung findet sich spannenderweise beispielsweise auch bei lateinischen Dichter Horaz (2010, S. 152f.):

vis consili expers mole ruit sua, vim temperatam di quoque provehunt in maius, idem odere viris omne nefas animo moventis.

Kraft ohne Klugheit stürzt durch eigene Wucht; beherrschte Kraft aber steigern die Götter selber noch, und sie auch hassen jede Gewalt, die nichts als Unheil im Schilde führt. carmen 3,4 Z. 65–68.

Kapitel 9: Ausblick

417

fenheit der Welt zeigt (siehe § 5.3.3.): Die Mechanismen, die den Geschehnissen zugrunde liegen, können gelesen werden. Sie offenbaren sich als Zeichen, die, wenn ihre Orthographie und Funktion bekannt sind, von den Menschen entziffert werden können. Dies zeigt sich um einen in der Niederschrift der Götterentscheidungen zum Beispiel am Himmel oder in der Opferleber (siehe bspw. MAUL 2003, S. 47f., KREBERNIK 2007a, S. 56, WILCKE 2007a, S. 7, CANCIK-KIRSCHBAUM 2010, S. 37, CANCIK-KIRSCHBAUM 2012, S. 113f.), zum anderen in den Namen, deren keilschriftliche Zeichen in einer Keilschriftschau ebenfalls einen Zugang zum Wesen des Benannten erlauben (siehe § 5.3.2. Keilschriftschau). Heutzutage herrscht in den Naturwissenschaften das Grundverständnis vor, die Welt durch Messen, Zählen, Wiegen etc. durch Zahlen zu erfassen und mittels mathematischer Modelle zu beschreiben. Die Welt wird von quantifizierbaren Naturgesetzen bestimmt. Die zugrundeliegende Vorstellung kann man pointiert als Paradigma von Naturgesetz und Zahl7 bezeichnen. Im Alten Orient versuchten die Menschen ebenfalls, die verborgenen Prozesse der Welt zu verstehen und Aussagen über die Zukunft zu erlangen, wobei sie einer anderen Grundvorstellung folgten. Wie die Welt funktioniert, wurde von den Göttern durch Entscheidungen festgelegt. Indem die Menschen diese Zeichen als Schrift erkannten und diese lasen, konnten sie den Weltverlauf verstehen. was man pointiert als Paradigma von Götterentscheid und Schrift8 bezeichnen kann. Wird nun diese emische Sichtweise der altorientalischen Wissenschaft berücksichtigt, so zeigen sich hier teils dieselben Grundregeln, die auch für die heutige Wissenschaft gelten. Dies gilt beispielsweise für die Empirie, die sich im Alten Orient als Leberschau/Lesen der Himmelsschrift etc. manifestiert und heute als physikalisches/biologisches/chemisches etc. Experiment. Und auch die wichtigste aller Regeln moderner Wissenschaftlichkeit, die intersubjektive Nachvollziehbarkeit, wird sowohl durch die Omenkataloge als auch durch die Überprüfung von Divinationsergebnissen (durch Wiederholung der divinatorischen Handlung oder durch Anwendung anderer Formen der Divination) im Alten Orient angestrebt. Insofern hat die Untersuchung des enūma eliš einen Beitrag zum besseren emischen Verständnis der wissenschaftlich-reflexiven Praxis als altorientalische Weltaneignung geleistet, wodurch sich ein umfangreiches potentielles Forschungsfeld für die Altorientalistik im Dialog mit der Wissenschaftstheorie und -philosophie eröffnet.

7

Verfasstheit der Welt durch Naturgesetze, Erkennbarkeit der Naturgesetze durch die Zahl. Verfasstheit der Welt durch Götterentscheidungen, Erkennbarkeit der Götterentscheidungen durch die Schrift. 8

Textstellenverzeichnis Im Folgenden finden sich alle in der Arbeit diskutierten Textstellen aus dem Lied auf Marduk in Transkription und Übersetzung inklusive der Variantenausweisung nach KÄMMERER, METZLER 2012 und LAMBERT 2013.1 Die Textstellen werden dabei den Haupt- und Unterabschnitten nach der in Kapitel 3 erstellten Gliederung zugeordnet.

Prolog (I 1–6)2 Wiedergabe inkl. Ausweisung der Schreibvarianten I 1: § 3.1.2. I 2: § 4.3.2. I 3: § 6.1. Weitere Wiedergaben I 1: § 4.3.2. I 1f.: § 5.2. Tab. 20 I 3: § 6.4. I1

enūma eliš lā nabû šamāmū3

I2

šapliš ammatum4 šuma5 lā zakrat6

I3

Apsûma7 rēštû zārûšun

Als oben die Himmel (noch) nicht benannt waren (und) unten das Feste mit Namen (noch) nicht genannt war, war Apsû der Erste, ihr Erzeuger.

Lärm vs. Ruhe (I 7–78) Entstehung der ersten Götter (I 7–20) Wiedergabe inkl. Ausweisung der Schreibvarianten 1

Eine textkritische Kommentierung findet sich in L AMBERT 2013, S. 9–17. In der Klammer werden nicht die wiedergegebenen und diskutierten Zeilen angegeben, sondern der Umfang des Hauptabschnitts. Zur Wiedergabe und Diskussion siehe nachfolgende Angaben. 3 KAss und aKiš: šamāmī. 4 KAss: abbatu. 5 cunb: šumu. 6 KAss: zakrū. 7 bunb und cunb: Apsû. 2

420 I 8: I 9:

Textstellenverzeichnis § 5.1.1.1. Tab. 19 § 4.1.1.

Wiedergabe inkl. Ausweisung der Schreibvarianten I 17–20: § 7.2.1. Weitere Wiedergaben I 8: § 5.2. Tab. 20 I8

šuma lā zukkurū šīmāte8 lā šīmū

I9

ibbanûma9 ilānū qerebšun

… I 17 I 18

… d Nudimmud ša abbēšu šāliṭsunu10 šūma palkâ11 uzni12 ḫasīs emūqān puggul13

I 19

guššur mādiš14 ana ālid abīšu Anšar

I 20

lā īši šānina15 ina ilānī atḫēšu16

Mit Namen waren sie (die Götter) (noch) nicht genannt, sie waren mit Festsprechungen (noch) nicht bedacht. Die Götter wurden (in) ihrem (=Apsû und Tiāmtu bzw. ihrer Wasser) Inneren erschaffen. … Nudimmud, der der Meister seiner Väter ist, weiten Verstandes ist er weise, er ist stark an Stärke. Er ist mächtiger als der Erschaffer seines Vaters, Anšar. Er hat keinen Gleichen unter den Göttern, seinen Gefährten.

Plan des Theozids (I 21–54) Wiedergabe inkl. Ausweisung der Schreibvarianten I 38: § 3.4.7. I 50: § 3.4.7. Weitere Wiedergaben keine I 38 …

8

urriš lā šupšuḫāku17 mūšiš18 lā ṣallāku …

„Am Tage (bin ich unfähig,) ruhend zu sein, in der Nacht (bin ich unfähig,) schlafend zu sein.“ …

ANin, bunb und junb:2a: šīmātu. MAss: šīmāta. aKiš, bunb und cunb: ibbanû. 10 aKiš und bunb: alidšunu („ihr Geborener“). Möglicherweise wird in diesen Varianten aber auch seine Überlegenheit durch eine genealogische Umkehrung ausgedrückt, wie sie sich vielleicht analog in Vers VII 159 über Marduk findet. Dann handelt es sich nicht um ein Verbaladjektiv, sondern um das Partizip ālidšunu („ihr Gebärender“). Siehe auch § 7.2.1 Anm. 20. 11 eunb: palkū. 12 KAss und MAss: uznī. 13 KAss: pungul. 14 MAss: maʾdiš. 15 KAss und MAss: šānin. 16 KAss: abbēšu („seine Väter“). 17 Textzeuge bunb schreibt verkürzt šupšuḫāk. 18 Textzeuge ounb:2a schreibt mūši. 9

Lärm vs. Ruhe (I 7–78) I 50

urriš19 lū šupšuḫat20 mūšiš lū ṣallat21

421

„Am Tage soll sie ruhen (können), in der Nacht soll sie schlafen (können).“

Eas Reaktion (I 55–78) Wiedergabe inkl. Ausweisung der Schreibvarianten I 60: § 3.7.4. I 63: § 3.4.7. I 67f. § 6.1. I 73: § 4.1.3. I 75: § 3.4.7. I 76: § 5.2.1. I 77: § 4.1.5. Weitere Wiedergaben I 76: § 5.2. Tab. 20 I 60 … I 63

d Ea ḫāsis mimmama22 išeʾâ šibqīšun23 … imnīšumma24 ina25 mê ušapšiḫ

… I 67

… ipṭur26 riksīšu ištaḫaṭ agâšu

I 68

melammīšu itbala šū dEa27 ūtaddiq28

… I 73

… ultu29 lemnēšu30 ikmû isādu

… I 75

… qerbiš kummīšu šupšuḫiš inūḫma

19

Ea, der Allwissende, durchschaute ihre Pläne. … Er rezitierte (sie) für ihn und im Wasser beruhigte er (ihn). … Er löste seine (= Apsûs) Verbindungen, er nahm seine aga-Krone weg. Er, ja er, (Ea,) trug seinen Schreckensglanz weg, ihn legte sich (er, ja er,) Ea, an. … Nachdem er seine Feinde gebunden (und) erschlagen hatte, … … In seiner Cella ruhte er zur Ruhe gekommen.

SHuz: urreš. PAss: š]upšuḫatm]a ?. 21 Abweichend schreibt Textzeuge OAss n]ēḫet („[sie soll] ruhen“). 22 KAss und PAss: mimma. runb:2c: mimmašu. 23 BNin: šibqīšun[u]. 24 KAss und PAss: imnūšumma. 25 PAss, SHuz, aKiš: ana. 26 SHuz: ipṭurma. 27 NAss: ohne dEa. Auf den Textzeugen HNin, PAss, QAss, gunb und hhunb:2a ist das Subjekt des Satzes nicht erhalten, auf GNin, KAss und SHuz nur partiell. Einzig NAss und aKiš sind an dieser Stelle vollständig. 28 GNin: ūteddiq. 29 hhunb:2a: ⌈ištu⌉. 30 QAss und sunb:2a: [lemnē]ti. 20

422

Textstellenverzeichnis

I 76

imbīšumma Apsû uaddû ešrēti

I 77

ašruššu gipārašu31 ušaršidma

Variante 1: Er nannte ihn Apsû, den er zu Heiligtümern bestimmte. Variante 2: Er nannte ihn Apsû, (d.h.): „Sie bestimm(t)en die Heiligtümer. / Sie werden die Heiligtümer bestimmen.“ Variante 3: Er nannte ihn Apsû, (d.h.): „(Derjenige), der die Heiligtümer bestimmt.“ An seinem (= des Apsû) Ort gründete er seine (=des Apsû ?32) Tempelresidenz.

Marduks Geburt und Vorzüglichkeit (I 79–104) Wiedergabe inkl. Ausweisung der Schreibvarianten I 79–84: § 4.1.1. I 92: § 7.2.2. I 101f. § 5.2.3. Weitere Wiedergaben keine I 79

ina kiṣṣi šīmāti atman33 uṣurāte34

I 80

lēʾû lēʾûti apkal ilānī ⌈dBēl⌉⌈it⌉tarḫe36

I 81 I 82

ina qereb Apsî ibbani [d]Marūtuk ina qereb ellūt Apsî ibbani [dMa]rūtuk ibnīšuma37 dEa abāšu d Damki[na] ummašu ḫaršassu39 … šušqû40 maʾdiš41 elišunu atar mimmûšu

I 83 I 84 … I 92 … I 101 31

… ma-ri-ú-tu ma-ri-ú-tu42

Im Schrein der Festsprechungen,35 der Cella der (Vor-)Zeichnungen wurde der Mächtig(st)e der Mächtigen, der Weise der Götter, Bēl gezeugt. Im Inneren des Apsû wurde Marduk erschaffen. Im Inneren des reinen Apsû wurde Marduk erschaffen. Es erschuf ihn Ea, sein Vater.38 Damkina, seine Mutter, hatte ihn geboren. … Er ist besonders hochgemacht (gegenüber ihnen), gegen über ihnen ist alles an ihm übergroß. … „Mariutu, Mariutu!

NAss: giparrašu. Durch die Parallelität zu V 123 lässt sich das Possessivsuffix auch in Bezug auf den Apsû und nicht auf Ea lesen. 33 QAss: atmani. aKiš: atmana. 34 TAss: uṣur]āti. 35 Zum Konzept der Festsprechung (šīmtu) siehe § 5.1. 36 TAss: it]terḫi. 37 QAss: ibnīšumma. 38 Zur Übersetzung siehe auch § 4.1.1. Anm. 12. 39 aKiš: ḫ]ar⌈šiš⌉[šu]. 40 NAss: šušqi („er ist hoch gemacht“). 41 NAss: mādiš. 42 Aufgrund der Besonderheit der konkreten Wiedergabe durch die Keilschrift werden die Verse I 101f. in Transliteration anstatt wie üblich in Transkription wiedergegeben. Auf den verschiedenen 32

Eskalation (I 105–162) I 102

ma-ri dUTU-ši dUTU-ši šá DINGIR.DINGIR

423

Mein Sohn, mein(e) Sonne, mein(e) Sonne(ngott) der Götter!“

Eskalation (I 105–162) Zweite Provokation (I 105–108) Wiedergabe inkl. Ausweisung der Schreibvarianten I 106b: § 3.6.2. Weitere Wiedergaben keine I 106b

mārī limmelli

„Mein Sohn, er43 soll spielen!“

Tiāmtus Reaktion (I 109–162) Wiedergabe inkl. Ausweisung der Schreibvarianten I 153: § 6.2.2. I 157f.: § 4.2.1. I 160: § 3.6.4. Anm. 87 I 161f.: § 5.1.2.3. Weitere Wiedergaben I 160: § 5.1.1.1. Tab. 19 I 153

addi tâka ina puḫri44 ilānī ušarbika





„In der Götterversammlung habe ich die Beschwörung für Dich geworfen (und) Dich groß gemacht.“ …

Textzeugen finden sich nur marginale Abweichungen. So fügt Textzeuge L Ass in die Lautfolge von Vers I 101 noch ein -iu- ein: ]-iu-ú-tu; und Textzeuge QAss verwendet die Endung -ti statt -tu: ]-ri-úti ma-ri-ú-[. Bei Vers I 102 findet sich eine logographische Schreibung für mārī auf Textvertreter kunb:2a: ⌈DUMU d⌉UTU [; und das phonetische Komplement -šú anstatt -ši bei Textzeuge SHuz: ma-ri dUTUšú dUTU-šú šá DIN[GIR. Wesentlicher ist die Abweichung lediglich bei Textzeuge u unb:2a, der auf dŠÀ ša! i!-[la-ni] endet. Möglicherweise werden hier die Interpretationsmöglichkeiten der Keilschriftlichkeit noch weiter ausgeführt und so aus dšamaš die Lautfolge /šašša/ abgeleitet, die dann als dŠÀ ša! ausgedeutet wird (KÄMMERER, METZLER 2012, Anm. 4). 43 Die Endung des Prädikats ist nur bei Textzeuge gunb erhalten. Die Endung -i lässt sich wahrscheinlich als überhängender Vokal interpretieren (GAG 1995 § 82e), auch wenn der Textvertreter BBunb babylonischer und nicht neuassyrischer Orthographie ist. Somit wird durch den hier verwendeten Prekativ sehr wahrscheinlich Marduk und nicht die Winde adressiert. 44 bunb: puḫur.

424

Textstellenverzeichnis

I 157

iddinšumma45 ṭuppi šīmāti iratuš46 ušatmiḫ

I 158

kataduggûka47 lā innennâ likūn [ṣīt pîka]48

… I 160 I 161

… ana ilānī marēšu (Var.: -ša)49 šīmā[t]a ištīma (Var.: ištīmu/ū)50 epša51 pîkunu dGira l[in]iḫḫa

I 162

imtuk52 kitmuru53 magšaru lišrabbib

Sie gab ihm die Tafel der Festsprechungen, mit seiner Brust ließ sie (ihn) die Tafel der Festsprechungen ergreifen. „Dein Ausspruch darf nicht geändert werden, [die Äußerung Deines Mundes] soll dauerhaft sein!“ … Für die Götter seine (Var.: ihre) Söhne nahm er Festsprechungen vor. „Die Aktion eures Mundes soll Gira (aus)löschen. Dein Gift soll durch (seine) Anhäufung Stärke in die Demut zwingen.“

Notlage der Anšar-Götter (II 1–126) Ea vor Anšar (II 1–70) Wiedergabe inkl. Ausweisung der Schreibvarianten II 61–64: § 5.1.1.1. Weitere Wiedergaben II 61–64: § 6.2.3. II 61

abī libbu rūqu mušimmu šīmti

II 62

ša šubšû u hulluqu bašû ittišu

45

„Mein Vater, weites Herz, derjenige, der eine Festsprechung vornimmt, von dem gilt: Erschaffen und Vernichten existieren mit Dir.

cunb: iddinma. cunb: irattuš. 47 cunb: katd[ugguka]. 48 Die Ergänzung ist durch die drei weiteren Wiederholungen dieser Passage im Laufe des Werkes abgesichert (II 44, III 48, 106). 49 Siehe auch LAMBERT 2013, S. 472. 50 Die Beleglage ist an dieser Stelle (I 160 und den Wiederholungszeilen) nicht eindeutig. Aus diesem Grunde wurde hier auf eine umfassende Ausweisung von Varianten verzichtet, stattdessen sei auf § 3.6.4. Anm. 87 verwiesen. Möglicherweise handelt hier nicht nur Kingu allein, sondern auch Tiāmtu. Da Kingu aber zuvor die ṭuppi šīmāti („Tafel der Festsprechungen“) erhielt, liegt es nahe, dass es sich hierbei um einen Festsprechungsakt durch Kingu handelt. 51 JNin: epšu. Obwohl Wilfred Lambert primär den Lokativ-adverbialis epšu annimmt (2013, S. 39), übersetzt er einen Nominativ (IBID, S. 59). Da nur ein Nominativ semantisch funktioniert, wird hier entsprechend von diesem ausgegangen (in der constructus-Form epša (Var. epšu) statt epeš, siehe auch Wiederholungsstellen II 47, III 51, 109). 52 Wilfred Lambert geht von einer korrupten Schreibung imtuk (für imtukunu „euer Gift“) aus, da er pîkunu aus Vers I 161 und imtuk aus I 162 auf die selbe Instanz beziehen will (2013, S. 472). Dies muss jedoch nicht der Fall sein. 53 FNin: ina k[itmuri…]. Diese Textvariante spricht für die Annahme eines Lokativ-adverbialis kitmuru (siehe auch LAMBERT 2013, S. 37–39). 46

Notlage der Anšar-Götter (II 1–126) II 63

Anšar libbu rūqu mušimmu šīmti

II 64

ša šubšû u hulluqu bašû ittišu

425

Anšar, weites Herz, derjenige, der eine Festsprechung vornimmt, von dem gilt: Erschaffen und Vernichten existieren mit Dir.“

Eas und Anus Scheitern (II 71–120) Wiedergabe inkl. Ausweisung der Schreibvarianten II 73–76: § 5.2.6. II 81: § 3.7.4. II 85f.: § 5.2.6. II 105: § 3.7.4. II 109f.: § 5.2.6. Weitere Wiedergaben keine II 73

mārī epšetuka54 iliš55 naṭ[âmm]a

II 74 II 75

ezzu meḫ⌈iṣ57 lā maḫ⌉ri58 telêm59 ⌈x⌉ [… -r]i? d Ea ep[šetuk]a iliš [naṭâmm]a

II 76

ezzu meḫi[ṣ lā maḫr]i telêm [… -ri?]

… II 81 … II 85

… illik dEa šibqūš Tiāmti60 išeʾâmma … abī utattirma Tiāmti epšetaša elija

II 86

malākša61 ešeʾema ul imaḫḫar šiptī

… II 92

… emūqu sinništi lū dunnuna ul malâ ša zikri … illik dAnum šibqūš Tiāmti62 išeʾâmma

… II 105 54

„Mein Sohn, Deine epšetu (~Handlungsmacht)56 sind geeignet für einen Gott. Du kannst einen zornigen Schlag, einen unvergleichlichen […]. Ea, Deine epšetu (~Handlungsmacht) sind geeignet für einen Gott. Du kannst einen zornigen Schlag, einen unvergleichlichen […].“ … Ea ging und durchschaute Tiāmtus Pläne. … „Mein Vater, Tiāmtus epšetu (~Handlungsmacht) ist viel zu groß für mich. Ich untersuchte ihr Planen und meine Beschwörung ist (ihr) nicht gewachsen.“ … „Die Stärke der Frau ist wahrlich groß, ist (aber) nicht (so) voll (wie die Stärke) eines Mannes.“ … Anu ging und durchschaute Tiāmtus Pläne.

JAss: epšetaka. JAss: eliš. 56 Zur Diskussion des Lexems siehe § 5.2.6. 57 JAss: meḫ]ṣa. 58 JAss: ⌈maḫar⌉. 59 JAss: tileʾʾ⌈i⌉. 60 Eine Möglichkeit, die Phrase šibqūš Tiāmti zu verstehen, liegt in der Annahme einer ungewöhnlichen Genitivkonstruktion, wobei dem status constructus šibqū ein verkürztes feminines Genitivsuffix (-š) angehängt wird. Wilfred Lambert geht schlicht von einer korrupten Textstelle aus (2013, S. 41). 61 Während diese Transkription das Lexem von der Wurzel √mlk (hier: malāku „raten, (sich) beraten“) ableitet, präferiert Philippe Talon die Wurzel √ʾlk (hier: mālaku „Verlauf; Marsch“) (2005, S. 117). 55

426

Textstellenverzeichnis

… II 109

… abī utattirma Tiāmti [epšetaša e]lija

II 110

malākša63 ešeʾema ul i[maḫḫar šipt]ī

… II 116

… emūq sinništi lū dunnuna [u]l malâ ša zikri

… „Mein Vater, Tiāmtus epšetu (~Handlungsmacht) ist viel zu groß für mich. Ich untersuchte ihr Planen und meine Beschwörung ist (ihr) nicht gewachsen.“ … „Die Stärke der Frau ist wahrlich groß, ist (aber) nicht (so) voll (wie die Stärke) eines Mannes.“

Verzweiflung (II 121–126) Wiedergabe inkl. Ausweisung der Schreibvarianten II 121–124: § 7.3.2. Weitere Wiedergaben keine II 121

paḫrūma dIgigū kalîšun dAnukkī

II 122

šaptāšunu64 kuttumāma qâliš u[šbū]

II 123 II 124

ilu ajjumma ul65 iâr66 KI IN x maḫāriš Tiāmti ul uṣṣi ina šaptī[šu]

Versammelt waren alle Igigi und Anukki (= Anunnaki) ihre Lippen waren zusammengepresst (= verschlossen), sie saßen stumm da kein Gott geht …, geht hinaus gegen Tiāmtu durch [seine] Lippen (= auf seinen Befehl hin).

Marduk als Retter (II 127–162) Ea als Mittler (II 127–134) Wiedergabe inkl. Ausweisung der Schreibvarianten keine

Marduk vor Anšar (II 135–162) Wiedergabe inkl. Ausweisung der Schreibvarianten II 154f.: § 6.2.3. II 156f.: § 3.8.4. II 158–162: § 3.8.4. Weitere Wiedergaben II 156f.: § 3.8.4. II 156–159: § 5.1.1.2. 62

ENin: Tiawati. Zur Grammatik der Phrase šibqūš Tiāmti siehe Anm. 60. Während diese Transkription das Lexem von der Wurzel √mlk (hier: malāku „raten, (sich) beraten“) ableitet, präferiert Philippe Talon die Wurzel √ʾlk (hier: mālaku „Verlauf; Marsch“) (2005, S. 117). 64 IAss und JAss: šaptāšun. 65 IAss: lā. 66 JAss: i]âra. 63

Marduk als Retter (II 127–162) II 156–162: II 160–162:

§ 6.3.1. § 5.1.2.1.

II 154

īliṣ libbašuma ana abīšu izakkar

II 155

Var. 1: bēlū ilānī šīmāt ilānī rabûti Var. II: bēlu(m) ilānī šīmāt ilānī rabûti67

II 156 II 157 II 158

šummama anāku mutēr gimillikun68 akamme69 Tiāmtama uballaṭ kâšun70 šuknāma puḫra71 šūterā72 ibâ73 šīmtī74

II 159

II 161

ina Ubšu-ukkinakki75 mitḫāriš ḫadîš tišbāma76 epšu77 pīja kīma kâtunuma šīmāta78 lušīm79 lā uttakkar mimmû abannû anāku

II 162

aj itūr aj innenâ80 siqar šaptīja

II 160

67

427

Sein (= Marduks) Herz freute sich und er spricht zu seinem Vater: Var. 1: „Herren, Götter der Festsprechungen für die Großen Götter! Var. 2: „Herr der Götter (und) der Festsprechungen für die Großen Götter! Wenn ich Euer Rächer sein soll und Tiāmtu binden und (so) euer Leben retten soll, (dann) setzt eine Versammlung ein und macht übergroß, benennt die Festsprechung für mich, (dafür) setzt euch freudig im Ubšu-ukkinakku zusammen. Durch die Aktion meines Mundes will ich wie ihr/anstatt euch Festsprechungen vornehmen. Alles, was ich, ja ich, erschaffen werde, darf nicht geändert werden. Der Befehl meiner Lippen möge nicht zurückkehren, möge nicht verändert werden.“

Textvarianten:

II 155

DNin FNin GAss:2c KKal aunb bunb cunb munb:2a

[ NAM.ME]Š DINGIR.MEŠ GAL.MEŠ [b]e-LUM DINGIR.DINGIR ši-mat DINGIR.DINGIR [ ] [be-LU]M-ú DINGIR.MEŠ NAM.MEŠ DINGIR.MEŠ GAL.MEŠ [ .DING]IR ši-mat DINGIR.DINGIR GAL.GAL [ ].MEŠ NAM.MEŠ DINGIR.MEŠ GAL.MEŠ EN.MEŠ DI[INGIR].MEŠ NAM.⌈MEŠ⌉ DINGIR.[ ] [ ] DINGIR.MEŠ GAL.MEŠ [ .ME]Š DINGIR.MEŠ ⌈GAL⌉.[ ]

68 Die Formel mutēr gimilli- entstammt der Ninurta-Mythologie und beschreibt dort, dass der rettende Gott von den im Genitiv folgenden Gestalten beauftragt wurde (M AUL 1999b, S. 209). 69 bunb: akamma. 70 GAss:2c: kâtun. 71 aunb: puḫru. 72 GAss:2c: šūtirā. aunb, bunb und munb:2a: šūter („mache übergroß!“). 73 aunb, bunb und munb:2a: bâ. GAss:2c: ibbâ. 74 aunb: šīmtum. 75 LHuz: Ubšu-ukkinakku. aunb und bunb: Ubšu-ukkinakkam. 76 DNin und GAss:2c: tašbāma. 77 bunb: epša. 78 GAss:2c und cunb: šīmāt. 79 LHuz: lušīmma. 80 FNin, GAss:2c, LHuz und bunb: innennâ. Zu dieser grammatisch inkorrekten Schreibung siehe WORTHINGTON 2012, S. 296f.

428

Textstellenverzeichnis

Kakas Sendung (III 1–128) Wiedergabe inkl. Ausweisung der Schreibvarianten keine

Marduks erste Erhöhung (III 129 – IV 34) Zusammenkommen der Großen Götter (III 129–138) Wiedergabe inkl. Ausweisung der Schreibvarianten III 138: § 5.1.1.1. Tab. 19 Weitere Wiedergaben III 138: § 6.3.2. III 138

ana dMarūtuk mutēr gimillīšunu išīmū81 šīm[ta]

Für Marduk, ihren Rächer, nahmen sie eine Festsprechung vor.

Ein Festsprechungsakt für Marduk (IV 1–18) Wiedergabe inkl. Ausweisung der Schreibvarianten IV 3–18: § 3.10.4. Weitere Wiedergaben IV 3–10 § 5.1.2.1. IV 6f., 9 § 4.2.1. IV 11–18: § 6.3.2. IV 12: § 5.2.2. IV 17f.: § 5.2.4. IV 3

attāma kabtāta ina ilānī rabûti82

IV 4

šīmatka83 lā šanān siqarka dAnum

IV 5

d

IV 6

šīmatka85 lā šanān siqarka dAnum

IV 7

ištu ūmimma lā innennâ qibītka

IV 8

šušqû u šušpulu šī lū qātka

81

Marūtuk kabtāta ina ilānī rabûti84

ANin: išimmū. aunb: rabûtum. 83 eunb:2a: šīmat. 84 aunb: rabûtum. 85 eunb:2a: šīmat. 82

„Du, ja Du, bist (ge)wichtig unter den Großen Göttern, Deine Festsprechung(smacht) ist ohnegleichen, Dein Befehl ist Anu. Marduk, Du bist (ge)wichtig unter den Großen Göttern, Deine Festsprechung(smacht) ist ohnegleichen, Dein Befehl ist Anu. Ab heute darf Deine Order nicht geändert werden. Zu erhöhen und zu erniedrigen, sie (= die Order) soll Deine Hand sein.

Marduks erste Erhöhung (III 129 – IV 34) IV 9

lū kīnat ṣīt pîka lā sarār86 siqarka

IV 10

mamman ina ilānī87 itûkka88 lā ittiq

IV 11

zanānūtum89 eršat parak ilānīma

IV 12

ašar sagîšunu lū kūn ašrukka90

IV 13 IV 14

d

IV 15 IV 16 IV 17 IV 18

Marūtuk attāma muterru gimillini i niddinka91 šarrūtum92 kiššat kal93 gimrēti tišabma94 ina puḫri95 lū šaqât96 amātka kakkūka97 aj ippalṭû liraʾʾisū nakirīka bēlum ša takluka napištašu gimilma98, 99 u ilu ša lemnēti īḫuzu tubuk napšatsu100

429

Der Ausspruch Deines Mundes soll dauerhaft, Dein Befehl nicht trügerisch sein. Keiner unter den Göttern darf Deine Grenze übertreten. Versorgung ist das Verlangen des Kultsockels der Götter. Der Ort ihrer Heiligtümer soll an Deinem Ort dauerhaft gemacht sein. Marduk, Du bist unser Rächer, lass uns Dir die Königsherrschaft über die ganze, gesamte Welt geben, setze Dich in der Versammlung, Dein Wort soll hoch sein! Deine Waffen mögen nicht fehlgehen, sie mögen Deine Feinde (er)schlagen. Herr, wer auf Dich vertraut, dessen Leben verschone, aber: der Gott, der Böses genommen hat, dessen Leben vergieße!“

Sternbilddemonstration und Marduks Sendung (IV 19–34) Wiedergabe inkl. Ausweisung der Schreibvarianten IV 21–24: § 5.1.2.2. IV 33: § 5.1.1.1. Tab. 19 IV 34: § 5.2.10. Weitere Wiedergaben keine

86

KHuz: lā šanān („ohnegleichen“). KHuz: mammāna ilānū. Trotz der Doppelkonsonanz -kk- auf allen Textzeugen liegt kein Lokativ-adverbialis, sondern ein Nominativ vor (siehe auch LAMBERT 2013, S. 38), da einzig dies semantisch möglich ist. 89 KHuz: [zanānū]ti. 90 Entgegen LAMBERT 2013, S. 38 wird hier von einem Lokativ-adverbialis ausgegangen. 91 aunb: niddinka. 92 KHuz: [šār]rūti. Zur Markierung eines Singulars unabhängig vom Kasus durch die Endung -tum siehe WORTHINGTON 2012, S. 280f. 93 KHuz: kalû. 94 aunb: tišamma. 95 aunb: puḫur. 96 aunb: lū šaqâta. 97 aunb: kakkīka. 98 Hier spielt der Text auf der Klaviatur der Phonetik, da gimilli(ni) (IV 13) und gimil(ma) (IV 17) ähnlich klingen, jedoch in der Konsequenz konträr sind. Durch die Kollision aus semantischer Diskrepanz und phonetischer Assonanz wird unterstrichen, dass zu Marduks Auftrag neben der Rache auch die Milde zählt, dass sie zwei Seiten einer Medaille sind (siehe hierzu § 7.3.5.). 99 Der Textzeuge lBab:Pr wurde in den Editionen von Thomas Kämmerer und Kai Metzler (2012) sowie von Wilfred Lambert (2013) nicht berücksichtigt; er weist jedoch auch keine Varianten auf. 100 KHuz: napšatsu⌈n⌉. 87

88

430

Textstellenverzeichnis

IV 21

šīmatka bēlum lū maḫrat ilānīma

IV 22

abātum101 u banû qibi liktūna102

IV 23

epšu103 pîka liʾʾabit lumāšu

IV 24

tūr104 qibīšumma lumāšu105 lišlim

… IV 33

… išīmūma106 ša bēli107 šīmātuš ilānū abbēšu uruḫ šulme108 u109 tašmê ušaṣbitūšu110 ḫarrāna111

IV 34

„Deine Festsprechungsmacht, Herr, sie soll der der Götter gleich sein. Zerstören und Erschaffen, befiehl (sie) (und) es soll dauerhaft sein. Durch die Aktion Deines Mundes soll das Sternbild zerstört werden. Befiehl ihm ein zweites Mal und das Sternbild soll wieder heil werden.“ … Sie nahmen für den Herrn Festsprechungen vor, die Götter, seine Väter. Den Weg des Wohlergehens und der Akzeptanz, den Pfad ließen sie ihn ergreifen.

Marduks Kampf und Sieg gegen Tiāmtu (IV 35–134) Marduks Rüstung (IV 35–64) Wiedergabe inkl. Ausweisung der Schreibvarianten keine

Zweikampf Marduk–Tiāmtu (IV 65–104) Wiedergabe inkl. Ausweisung der Schreibvarianten IV 83: § 6.2.3. Weitere Wiedergaben keine IV 83

ana Anšar šar ilānī lemnēti tešēma112

„Gegenüber Anšar, dem König der Götter, hast Du Böses gesucht.“

Gefangennahme der verbliebenen Feinde (IV 105–122) Wiedergabe inkl. Ausweisung der Schreibvarianten 101 aunb: amātum. Zur Markierung eines Singulars unabhängig vom Kasus durch die Endung -tum siehe WORTHINGTON 2012, S. 280f. 102 aunb: liktūnū („sie sollen dauerhaft sein“). 103 aunb: epša. 104 FAss: [t]ūri. 105 KHuz: lumāšum. 106 kunb:2a: [išīm]û. 107 MHuz: [bēl]im. FAss: bēlum. 108 aunb und kunb:2a: šulmu. LHuz: šulmi. 109 Fehlt auf FAss. 110 Bunb: uštaṣbitūš. 111 aunb: ḫarrānu. 112 CNin: tešeʾʾema.

Weltschöpfung (IV 135 – V 76) IV 119–122:

431

§ 3.11.6.

Weitere Wiedergaben keine IV 119

u dKingu ša irtabbû ina birīšun

IV 120 IV 121

ikmīšuma itti dingiruggê šuāta imnīšu ikīmšumma ṭuppi šimāti lā simātīšu

IV 122

ina kišibbi iknukamma irtuš itmuḫ

Kingu aber/schließlich (?), der unter ihnen dauerhaft groß geworden war, er band ihn und ihn, ja ihn, ordnete er den dingiruggû (= „Toten Göttern“) zu. Er nahm ihm die Tafel der Festsprechungen, das für ihn Unangemessene, weg mit seinem Siegel siegelte er (sie) und an seiner Brust befestigte er (sie).

Siegesbotschaft (IV 123–134) Wiedergabe inkl. Ausweisung der Schreibvarianten IV 123: § 4.1.3. Weitere Wiedergaben keine IV 123

ištu lemnēšu ikmû isādu

Nachdem er seine Feinde gebunden (und) erschlagen hatte, …

Weltschöpfung (IV 135 – V 76) Erschaffung der Grundstruktur (IV 135–146) Wiedergabe inkl. Ausweisung der Schreibvarianten IV 135f. § 7.3.2. Weitere Wiedergaben keine IV 135 IV 136

inūḫma bēlum šalamtaš113 ibarri uzu kūbu uzaʾʾaza114 ibannâ niklāti

Der Herr ruhte, um ihren Leichnam anzusehen, das Fleisch einer Totgeburt zu teilen und genialische Dinge zu erschaffen.

Astrale und zeitliche Ordnung (V 1–44?) Wiedergabe inkl. Ausweisung der Schreibvarianten keine

113 114

aunb: šalamtuš. aunb: uzāzu.

432

Textstellenverzeichnis

Gestaltung von Erdoberfläche und Atmosphäre (V 45?–66) Wiedergabe inkl. Ausweisung der Schreibvarianten keine

Funktionale Zuweisungen (V 67–76) Wiedergabe inkl. Ausweisung der Schreibvarianten keine

Zweite Erhöhung und zweiter Name (V 77–116) Geschenke (V 77–84) Wiedergabe inkl. Ausweisung der Schreibvarianten keine

Marduks zweite Erhöhung (V 85–116) Wiedergabe inkl. Ausweisung der Schreibvarianten V 85–88: § 6.3.3. V 93f.: § 6.3.3. V 104f.: § 5.2.4. V 109: § 6.3.3. V 110, 112: § 5.2.4. V 115f.: § 4.2.2.1. Weitere Wiedergaben V 110: § 6.3.3. V 112: § 5.2. Tab. 20 V 115f.: § 6.3.3.

V 88

[pa]ḫrūma dIgigū kalîšunu uškinnūš115 [d]⌈A⌉nunnakkī mala bašû unaššaqū šēpīšu [innendū]⌈ma⌉ puḫuršunu labāniš appa [maḫriš]u izizū iknušū annâma šarru

… V 93

… [ūt]eddiqma [tēd]īq rubûti[šu]

V 94

[mel]amme šarr[ūti] agā rašubb[āti]

V 85 V 86 V 87

115

Alle Igigi waren versammelt und verbeugten sich vor ihm. Alle Anunnaki küssten seine Füße. Sie alle [versammelten sich], (um die Nase zu streichen =) um Unterwürfigkeit zu bezeugen. Sie stellten sich vor ihn, sie verneigten sich: „Hier:116 Der König!“ … Er legte (dauerhaft) das Gewand seines Fürstentums, den Schreckensglanz des Königtums und die Krone des schrecklichen Auftretens an.

Da diese Verse V 85–88 nur auf dem Textvertreter HHuz erhalten sind, existieren keine abweichenden Schreibungen. Auch der in der Edition von Wilfred Lambert herangezogene Kommentartext BM 66606+72033 weist keine Varianten auf (2013, S. 102). 116 CAD A2 2004, S. 125 geht abweichend von der Interjektion anna aus („indeed(?) he is king“) (siehe auch LAMBERT 2013, S. 478).

Weitere Schöpfung: Mensch, Götterordnung und Babylon

433

… ina emāši ašt[îšu ina simakkīšu [ … pānama [Mar]duk ⌈māru⌉ narāmni inanna šarrakun qibītsu qālā

… in den Quartieren [seines] Throns … in seiner Cella … … „Früher war Marduk der Sohn, unser Liebling, Jetzt (aber) ist er euer König! Achtet seinen Befehl!“

… V 115

Lugaldimmerankia zikrašu šuāšu tiklāšu … ultu ūmē117 attā lū zāninu parakkīni

V 116

mimmû attā taqabbû i nīpuš nīni

„Lugal-dimmer-an-kia(k) ist sein Name. Vertraut ihm, ja ihm!“ … „Ab heute sollst Du der Versorger unserer Kultsockel sein; alles, was Du, ja Du, befiehlst, wir, ja wir, wollen es tun!“

… V 104 V 105 … V 109 V 110 … V 112

Weitere Schöpfung: Mensch, Götterordnung und Babylon (V 117 – VI 69) Idee Babylon (V 117–130) Wiedergabe inkl. Ausweisung der Schreibvarianten V 119–122, 124: § 7.6.2. V 123: § 4.1.5. V 125–128: § 7.3.4. V 129: § 5.2.2. Weitere Wiedergaben V 123, 125–128: § 7.6.2. V 129: § 5.2. Tab. 20 V 119

elēnu118 Apsî šubat ḫašmāni119

V 120

miḫrit E-šara ša abnû anāku elkun

V 121

šapliš120 Ašrata udannina qaqqarša

V 122

lūpušma bīta lū šubat lalêja

V 123

qerbuššu māḫāzašu lušaršidma

117

„Oberhalb des Apsû, dem Sitz des /farbigen Steins/ (=aus farbigem Stein), gegenüber von E-šara, das ich, ja ich, gebaut habe euretwegen, unter(halb) von Ašrata, dessen Boden ich sehr stark gemacht habe, will ich ein Haus machen, es soll mein luxuriöser Sitz sein. In seinem (= Babylons) Inneren will ich sein (=Babylons) Kultzentrum gründen,

HHuz: ūmī. HHuz: elēna. Thomas Kämmerer und Kai Metzler bieten als alternative Lesung an: tarmanī („(den Sitz), den ihr angelegt habt.“). Wilfred Lambert unterstreicht die Lesung hašmānu durch die lexikalische Gleichung mit saggilmud, woraus im Text KAR 307 der mittlere Himmel gemacht ist (2013, S. 478). 120 HHuz: šaplu. 118 119

434

Textstellenverzeichnis

V 124

kummī luddâ lukīn šarrū⌈tī⌉

V 125 V 126

enūma ultu Apsî tillâ ana pu⌈ḫrum⌉ ašruššu lū nubattakun ana maḫar puḫur[k]un121 enūma ultu šamāmī122 turr[adā] ana [puḫri] ašr[uššu] lū nubattakun ana maḫar123 puḫurkun124 lubbima125 šumšu126 Bābil[i]ki bītāt ilānī rabûti127

V 127 V 128 V 129

meine Cella einrichten und meine Königsherrschaft dauerhaft machen. Wenn ihr vom Apsû aufsteigt zur Versammlung, dann soll an seinem Ort (= Babylon) eure Nacht(ruhe) sein vor eurer Versammlung. Wenn ihr von den Himmeln hinabsteigt zur Versammlung, dann soll an seinem Ort (= Babylon) eure Nacht(ruhe) sein vor eurer Versammlung. Ich will [seinen] Namen, Babyl[on], ‚Die Häuser der Großen Götter‘, nennen.“

Götterdialog (V 131–158) Wiedergabe inkl. Ausweisung der Schreibvarianten V 133–142: § 3.14.4. V 153–158: § 3.14.4. Weitere Wiedergaben keine V 133

eli mimma ša ibnâ qātāka

V 134 V 135

man[nu … ]-ka īši eli qaqqaru ša ibnâ qātāka

V 136 V 137 V 138

man[nu … ]-ka īši [Bāb Ilim]128 ša tazkura šumšu129 aš[ruššu nubatt]ani idi dārišam130

V 139

x [… sa]ttukkani lībillūni131

V 140 V 141

⌈ṢI⌉[… …]-ni manāma šiprīni ša nī[ni …]

V 142 …

ašru⌈ššu⌉ [… m]ānaḫtaš ⌈x⌉ […] …

121

„Bezüglich allem, was Deine Hände erbaut haben, we[r] hat Dein(e) […]? Bezüglich der Erde, die Deine Hände erbaut haben, we[r] hat Dein(e) […]? Babylon, dem Du seinen Namen gegeben hast, an [seinem] Ort richte unsere Ruh[estätte] für immer ein! […] sie sollen uns unser tägliches Opfer bringen. ? Wer auch immer unsere Arbeiten/unsere Werke, wovon gilt: wir, ja w[ir…] an seinem Ort […] seine Erschöpfung […]“ …

Grammatisch wäre puḫrikunu zu erwarten, siehe auch WORTHINGTON 2012, S. 282 Anm. 926. ENin: elât]i. 123 funb:2a: maḫari. 124 ENin: puḫu]r?kunu. Siehe auch oben Anm. 121. 125 funb:2a: lumbima. 126 funb:2a: šum GAL!. 127 funb:2a: rabeʾūt[u]. 128 Als einziges ist der Versanfang auf dem assyrisierten Textzeugen E Nin erhalten, der hier die Stadt Assur schreibt (siehe auch KÄMMERER, METZLER 2012, S. 244 Anm. 3; LAMBERT 2013, S. 104f.). 129 Für Textvertreter ENin schreiben Thomas Kämmerer und Kai Metzler ⌈MU⌉ du[m?-qi] (2012, S. 244), Wilfred Lambert MU.N[E] (2013, S. 137). 130 HHuz: dā]rīta. 131 Bzw. falls ein Nebensatz vorliegen sollte, ist auch lībilluni möglich. 122

Weitere Schöpfung: Mensch, Götterordnung und Babylon V 153132 V 154 V 155

pānama bēlu māru n[aramni] inanna šarrani idn[a ?-…] ša me-⌈x⌉133 […] uballiṭ[unâši]

V 156 V 157134

a-⌈x x⌉ [… mel]amme miṭ[ṭi] u ušp[ari] līpuš iṣrē[ti… ka]la u[mmâ]nū[tum]

V 158

[…] ⌈x x⌉ […]-meš135 nīnu

435

„Früher war der Herr [unser geliebter] Sohn nun ist er unser König. Er […] wovon gilt: […] er/sie hat [uns] am Leben erhalten. [… Schreck]ensglanz, Keu[le] und Zep[ter] er soll Plän[e] machen [ … al]le meisterliche Weis[heit] […] wir, ja wir.“

Menschenschöpfung (VI 1–34) Wiedergabe inkl. Ausweisung der Schreibvarianten VI 13–16: § 3.14.6. VI 21–26: § 4.2.2.3. VI 32–34: § 4.2.2.3. Weitere Wiedergaben VI 13–16: §§ 4.2.2.3., 5.1.2.2. VI 26: § 4.4.1.2. VI 13

linnadnamma ištēn aḫūšun

VI 14

šū liʾabbitma nišū lippatqū136

VI 15 VI 16

lipḫurūnimma ilānū rabûtu ša anni137 linnadinma138 šunu liktūnū

… VI 21

… lū kīnamma maḫrû nimbûkun139

„Der eine, ihr Bruder, soll wirklich übergeben werden und er, ja er, soll ganz und gar vernichtet und die Leute (= Menschen) geformt werden. Die Großen Götter sollen sich versammeln und der Schuldige soll übergeben werden und sie, ja sie, sollen dauerhaft sein/werden.“ … „Eure erste Nennung140 soll wahr sein.

132 Ab V 146 weichen die Zählungen der Editionen von Thomas Kämmerer und Kai Metzler sowie von Wilfred Lambert ab. Der Unterschied liegt in der abweichenden Interpretation der beiden einzigen Textzeugen DNin und ENin ab Vers V 146 (f unb:2a weist nur die Zeilen V 150–152 auf; ANin setzt erst ab V 156 ein), wonach erstere zwei Zeilen weniger zählen. V 153 nach der LambertEdition entspricht demnach V 151 der Kämmerer-Metzler-Edition usw. 133 Thomas Kämmerer und Kai Metzler lesen šip[tašu] (2012, S. 245). 134 Die Zuordnung der Textzeugen zu den Versen V 157f. (dort: V 155f.) weicht bei Thomas Kämmerer und Kai Metzler ab (2012, S. 246). 135 KÄMMERER, METZLER 2012, S. 246: ].MEŠ. 136 BAss: lippatqā. 137 bKiš: annam. 138 BAss: linnadin?. 139 bKiš: nibbakun. 140 Warum Wilfred Lambert an dieser Stelle gegen eine Bedeutung „Name“ oder „Nennung“ ist, ist nicht eindeutig, zumal er als Beleg die Gleichung mu : ni-[š]u, ni-bu zik-[rum] (MSL V 65) heranzieht (2013, S. 479). Zum einen kann letztgenanntes Lexem im enūma eliš sowohl für „Name“ wie auch für „Nennung“ stehen und zum anderen wird sumerisch mu üblicherweise mit šumu („Name“) geglichen.

436

Textstellenverzeichnis

VI 22

kīnāti atammâ141 inimmâ142 ittija

VI 23 VI 24 VI 25

mannumma ša ibnû tuquntu143 Tiāmtu144 ušabalkituma145 ikṣuru146 tāḫāzu147 linnadnamma ša ibnû tuquntu148

VI 26

arnuššu149 lušaššâ150 pašāḫiš tišbā151

… VI 32

… annam īmedūšuma dāmēšu iptarʾū152

VI 33

ina dāmēšu ibnâ153 amēlūtu154

VI 34

īmid dulli ilānīma ilānī umtaššir

Sagt mir (immer wieder), (sagt mir) ein festes Wort: Wer (ist es), der Kampf erschaffen hat, Tiāmtu angestachelt hat und Kampf zusammengefügt hat? Er soll (gegeben =) ausgeliefert werden, der Streit erschaffen hat! Durch seine Strafe will ich (sie) tragen lassen; zum Ruhen setzt euch nieder!“ … Sie legten ihm die Schuld/Strafe auf, und dann schnitten sie seine Blut(gefäße) auf. Aus seinem Blut erschuf er155 die Menschheit. Er legte (ihnen) die Arbeit der/für die Götter auf und dann befreite er die Götter.

Neuordnung der Götterwelt (VI 35–44) Wiedergabe inkl. Ausweisung der Schreibvarianten keine

Erbauung Babylons (VI 45–69) Wiedergabe inkl. Ausweisung der Schreibvarianten VI 45: § 4.4.1.2. VI 67f. § 5.2.2. Weitere Wiedergaben keine VI 45

141

ultu156 têrēti157 napḫaršina umaʾʾiru158

Nachdem er alle Weisungen erlassen hatte, …

jMet: atmâ. bKiš: tatammâ. bKiš: inimmaʾā. BAss: tuqunti. bKiš: tuqutti. 144 bKiš: u Tiāmtu. 145 jMet und BAss: ušbalkituma. 146 AAss: ikṣurru. 147 bKiš: tāhāzi. 148 BAss: tuquntam?. LHuz: t]uqu[mtu]. bKiš: tuqutti. 149 Wilfred Lambert geht hier von einem Nominativ statt von einem Lokativ-adverbialis aus (2013, S. 38), wobei semantisch beides jedoch möglich ist. Aus diesem Grunde wird hier dem Wortlaut des akkadischen Textes gefolgt. 150 jMet: luštaššâ. 151 BAssund bKiš: ti[šbā]. 152 cUruk: iptarʾamma („er schnitt auf“). 153 ENin: ibn]û. jMet: ibnû. 154 MHuz und ENin: amēlūta. cUruk: amēlūtum. 155 Nach ENin und jMet: „erschufen sie“. 156 MHuz und bKiš: ištu. 142

143

Bestätigungen (VI 70–120) … VI 67 VI 68

… ultu159 Esaĝil īpušū šipiršu d Anunnakkū kalîšunu160 parakkīšunu161 ibtašmū162

437

… Nachdem sie Esaĝila, sein Werk, erbaut hatten, formten alle Anunnaki ihre Kultsockel.

Bestätigungen (VI 70–120) Treueeid (VI 70–100) Wiedergabe inkl. Ausweisung der Schreibvarianten VI 70–77: § 4.4.1.1. VI 78–81: § 4.4.1.2. VI 83–85: § 4.4.1.3. VI 88–91 § 5.2.10. VI 92–100: § 4.4.1.4. Weitere Wiedergaben VI 74: § 4.4.1.2. VI 88–90: § 5.2. Tab. 20 VI 92: §§ 5.1.1.1. Tab. 19, 5.1.1.2. VI 92–100: § 6.3.4. VI 96: § 5.1.1.1. Tab. 19

VI 71

bēlum ina PARA10.G MAḪ ša ibnû163 šubatsu ilānī abbēšu qerītašu164 uštēšib

VI 72

annam165 Bābili šubat narmêkun166

VI 73

nugâ ašruššu ḫidûtašu167 tišbāma168

VI 74 VI 75

ūšibūma ilānū rabûtu169 zarbāba170 iškunū ina qerēti ušbū

VI 70

157

Der Herr – im Para(g)maḫ (=Thronsaal), den sie (als) seinen Sitz gebaut hatten, (da) ließ er die Götter, seine Väter, zum (Fest-) Bankett sitzen. „Dies ist Babylon, der Sitz eurer Unterkunft. An seinem Ort singt freudig (und) zu seiner Freude setzt euch!“ Die Großen Götter setzten sich und Bier(gefäße) stellten sie auf, zum Bankett saßen sie.

AAss: têrē⌈tim⌉. ENin: uʾʾ iru. 159 MHuz: ištu. 160 funb:2a: gim[rātsunu]. 161 MHuz: parakkīšu („seinen Kultsockel“). 162 jMet: izzakrū („sie hatten benannt“). 163 jMet: irmû („sie haben hingestellt“). 164 = qerītaš = ina qerīti (LAMBERT 2013, S. 41, 479). 165 MHuz: anna. 166 cUruk: narāmīkun („eurer Geliebten“) (siehe auch LAMBERT 2013, S. 479). 167 = ḫidûtaš = ina ḫidûti (LAMBERT 2013, S. 41, 479). 168 cUruk: tašbāma. 169 cUruk: rabiūtum. 170 GNin: zarbābu.

158

438

Textstellenverzeichnis

VI 76

ištu171 nigûta172 iškunū qerebšu

VI 77

ina Esaĝil rašbi īteppušū173 šunu taqribtu174 kunnā têrēti napḫaršina uṣurāte176

VI 78

VI 84

manzāz šamê u erṣetim uzaʾʾizū ilānū gimrāssun ilānū rabûtu ḫamšatsunu ūšibūma ilānī šīmāti sebettīšunu ana purussî uktinnū … sapāra ša īteppušu īmurū ilānū abbūšu īmurūma qašta kī nukkulat binûtu177

VI 85

epšēt īteppušu inaddû abbūšu

… VI 88

… imbima ša qašti kīam178 šumīša179

VI 89

iṣu arik lu ištēnumma180 šanû lū kašid

VI 90

šalša šumša181 mulBAN ina šamê ušāpi ukīnma gišgallaša182 itti ilānī athêša183 ultu šīmāti ša qašti išīmu dAnum

VI 79 VI 80 VI 81 … VI 83

VI 91 VI 92 VI 93

171

iddima kussi šarrūti ša ina ilānī šaqâta184

Nachdem sie ein Fest mit fröhlichem Singen in seinem (=Babylons) Inneren abgehalten hatten, führten sie, ja sie, im ehrfurchtgebietenden Esaĝila (jeweils)175 eine taqribtu-Klage durch. Dauerhaft gemacht waren alle Weisungen und alle (Vor-)Zeichnungen. Den Standort am Himmel und auf der Erde teilten alle Götter (auf). Die 50 Großen Götter setzten sich. Die sieben Götter der Festsprechungen machten sie dauerhaft für die Entscheidung. … Das Netz, das er gemacht hatte, die Götter, seine Väter, sahen es. Sie sahen den Bogen, wie genialisch hervorgebracht die Schöpfung war. Die Werke, die er gemacht hatte, legten seine Väter (anschließend) hin. … Er (=Anu) gab dem Bogen seine folgenden Namen: „‚Das Holz ist lang‘ soll der erste sein und der zweite ‚Er soll erfolgreich sein‘, sein dritter Name ist ‚Sternenbogen‘.“ Er ließ (den Sternenbogen) am Himmel erscheinen. Er machte seine Himmelsbahn mit den Göttern, seinen (=des Bogens) Brüdern, dauerhaft. Nachdem Anu die Festsprechungen für den Bogen vorgenommen hatte, stellte er den Thron der Königsherrschaft, der unter den Göttern hoch ist, auf.

AAss: ultu. AAss: nigûtu. 173 jMet: īpušū. 174 jMet: taqribti. IHuz: taqribtam. 175 Der Gtn-Stamm von īteppušū funktioniert hier vielleicht als Distributiv („sie führten jeweils aus“) (GAG 1995 § 91f). Andererseits kann auch eine andere Form der Pluralität gemeint sein (siehe § 4.4.1.3.). 176 cUruk: uṣurātu. 177 MHuz: binûta. 178 MHuz: kâm. 179 jMet: šumīšu. 180 AAss: iṣu arik il[t]ēnu[mma. 181 MHuz: šumšu („sein (m.) Name“), der Bogen wird hier männlich interpretiert – nicht aber im folgenden Vers, wo MHuz wieder das feminine Pronominalsuffix verwendet. 182 jMet: g]išgillašu („seine (m.) Himmelsbahn“). Der Bogen wird hier männlich interpretiert, abweichend von dem femininen Suffix im vorangehenden Vers. 183 jMet: atḫêšu („seine (m.) Brüder“), siehe auch vorangehende Anmerkung. 184 MHuz: šaqât. Diese Schreibvariante verdeutlicht, dass es sich bei dem Stativ um eine Form der 3. Sgl. f. handelt, an die in der sonstigen Schreibung ein überhängender Vokal antritt. 172

Bestätigungen (VI 70–120) VI 94

d Anum185 ina puḫri ilānī šâšu186 ultēšibši187

VI 95 VI 96

ipḫurūnimma188 ilānū rabûtu šīmat dMarūtuk ullû šunu uškinnū

VI 97 VI 98

uzakkirū ana ramānīšunu ararru189 ina mê u šamni itmû ulappitū napšāti

VI 99

iddinūšumma190 šarrūt ilānī epēša191

VI 100

ana bēlūt192 ilānī ša šamê u erṣetim šunu uktinnūšu193

439

Anu ließ (ihn = den Thron) für ihn, ja ihn (=Marduk), in der Versammlung der Götter stehen. Die Großen Götter versammelten sich und sie, ja sie, erhöhten die Festsprechung für Marduk, sie (ja sie) verbeugten sich. Sie verfluchten sich selbst, durch Wasser und Öl schwuren sie und fassten sich an die Kehlen. Sie gaben ihm das Ausüben der Königsherrschaft über die Götter, für die Herrschaft über die Götter des Himmels und der Erde machten sie, ja sie, ihn dauerhaft.

Name Asalluḫi (VI 101–120) Wiedergabe inkl. Ausweisung der Schreibvarianten VI 101: § 4.4.2.2. VI 102: § 5.2.5. VI 103–120: § 5.2.5. Weitere Wiedergaben VI 101: §§ 5.2. Tab. 20, 5.2.5.

VI 102

ušātir194 Anšar dAsalluḫi ittabi šumšu195 ana zikrīšu qabê i nilbin196 appa197

VI 103

epšu pîšu ilānū198 lipiqqūšu

VI 104

qibītuššu199 lū šūturat eliš u šapliš200

VI 101

Anšar machte (Asalluḫi=Marduk) übergroß, er nannte seinen Namen Asalluḫi: „Um seinen (neuen) Namen auszurufen, lasst uns (die Nase streichen =) Unterwürfigkeit bezeugen!“ „Bei Aktion seines Mundes sollen die Götter auf ihn achten. Sein Befehl ist wahrlich übergroß gemacht oben und unten.

MHuz: ⌈d⌉Anu. MHuz: šâša. HNin: šuāša. 187 MHuz: uštēšib[ši]. 188 AAss: [ipḫ]urūma. 189 MHuz: ararra. HNin: arāru. 190 bKiš: iddinšuma („er gab ihm“). 191 HNin: epīšu. MHuz: epēša. Hier liegt ein Lokativ-Adverbialis vor (wörtlich: „Sie gaben ihm das Götterkönigtum in das Machen“) (siehe auch LAMBERT 2013, S. 39, 479). 192 bKiš: bēlūtu. 193 MHuz: uktinnūš. 194 jMet: ušātirma. 195 HNin: šuššu. 196 HNin: ] ⌈E⌉ nilbina. 197 jMet: appi. 198 HNin: šunu. 199 Ein Lokativ-adverbialis funktioniert semantisch nicht, so dass trotz der Doppelkonsonanz -ššvon einem Nominativ auszugehen ist (siehe auch LAMBERT 2013, S. 38). 200 AAss: ⌈lū šūtur[at …] u AN NI x […]. 185 186

440

Textstellenverzeichnis

VI 105 VI 106

lū šušquma201 māru mutēr gimillini enūssu lū šūturat šānina aj iršu 202

VI 107

līpušma203 rēʾût204 ṣalmāt qaqqadi binâtuššu205 aḫrâtaš206 ūmē207 lā208 mašê lizzakkirā209 alkatsu

VI 108 VI 109

likīn ana abīšu nindabê rabûtu

VI 110

zāninūssun211 līpušma212 lipaqqida213 ešrēssun lišēṣin214 qutrinna215 tâšina216 lišriššā217

VI 111 VI 112

201

tamšīl221 ina šamê īteppušu ina erṣetim līteppuš222

Der Sohn, unser Rächer ist wahrlich erhöht und seine Herrschaft ist wahrlich übergroß gemacht, er möge keinen zweiten haben. Er soll das Hirtenamt über die Schwarzköpfigen, seine Geschöpfe, ausüben und sie sollen für die Nachwelt für das Nichtvergessen seine alkatu (~Handlungsmacht?)210 immer wieder (auf)sagen. Er soll die großen Brotopfer für seine Väter dauerhaft machen. Er soll das Versorgungsamt ausüben, er soll sich um ihre Heiligtümer kümmern. Er soll (sie) Weihrauch riechen lassen und sie (=die Menschen) sollen ihr218 Essen219 jauchzen lassen.220 Die Entsprechung von alldem, das er im Himmel gemacht hat, soll er auch auf der Erde machen.

bKiš: šušqim[a. MHuz: irši. 203 bKiš: līpuš. 204 bKiš: rēʾûtu. 205 Ein Lokativ-adverbialis funktioniert semantisch nicht, so dass trotz der Doppelkonsonanz -ššvon einem Nominativ auszugehen ist (siehe auch LAMBERT 2013, S. 38). 206 Zum möglicherweise korrupten Charakter dieses Ausdrucks siehe L AMBERT 2013, S. 40f. 207 MHuz und bKiš: ūmū. 208 jMet: ana lā. 209 HNin und bKiš: lizakkirū. Hier werden vermutlich die Menschen maskulin interpretiert. 210 An dieser Stelle kann das Lexem alkatu auch für „Weg“ stehen und beschreibt dann seine Taten; so auch KÄMMERER, METZLER 2012, S. 268. Wilfred Lambert hingegen übersetzt „character“ (2013, S. 117:110). 211 bKiš: zāninūssunu. jMet: zāninūssu. 212 AAss: lässt das Prädikat aus. MHuz: līpuša. bKiš: līpušū („sie sollen machen“). 213 bKiš: lipaqqidū („sie sollen sich kümmern“). AAss: li-[pa]-qid4-d[a]. An dieser Stelle ist der Text recht merkwürdig, da zum einen der Lautwert qid4 des Zeichens GAD bei Rykle Borger nur unter Vorbehalt angeführt wird (2003, S. 485) und weil eine Dopplung des 3. Radikals ebenfalls nicht zu erwarten ist. Letzteres lässt sich vielleicht auflösen, wenn das letzte Zeichen D[A] als Glosse gelesen wird (WORTHINGTON 2012, S. 25, 138–140). So würde aus der Zeichenfolge: li[pa]qqid d[a]. Nach der Lambert-Edition stellt sich dieses Problem gar nicht, da er für A Ass ]-paqqi[d e]š-[r]et-su-[ rekonstruiert und somit weder qid4 (GAD) liest noch eine Doppelkonsonanz am Wortende annimmt (2013, S. 116 Anm. 110). 214 bKiš: lišeṣṣin. 215 MHuz: qatrinna. bKiš: qutrinni. 216 MHuz und jMet: tiʾâšina. 217 jMet: lišriššū („sie (m.) sollen riechen lassen“). 218 Entweder: der Menschen, oder: der Tempel. 219 Das Lexem tiʾu (siehe speziell die Variante auf den Textzeugen M Huz und jMet: tiʾâšina) ist nur an dieser Textstelle belegt (CAD T 2006, S. 439). Durch die Schreibung tâšina deutet sich eine mögliche Verwandtschaft mit tiʾûtu („Essen, Verpflegung“, IBID, S. 439f.) und taʾû („essen“, IBID, S. 301) an (ebenso: KÄMMERER, METZLER 2012, S. 269). Wilfred Lambert hingegen übersetzt „sanctums“ (2013, S. 117:111). 220 Alternativ: „sie sollen (sie über) ihr Essen jauchzen lassen.“ (siehe auch KÄMMERER, METZLER 2012, S. 269). 221 bKiš: tamšīla. 202

Marduks 50+2 Namen (VI 121 – VII 144) VI 113

liʾaddima ṣalmāt qaqqadi palāḫiššu

VI 114

baʾūlātum223 lū224 hissusā225 ilašina lizzakrā

VI 115

epšu pîšu dištarriš lipiqqâ226

VI 116

nindabê linnašâ ilašina dištaršin227

VI 117

aj immašâ ilašina likillā228

VI 118 VI 119

mātišina lištēpâ230 parakkīšina lītepšā231 lū zīzāma ṣalmāt qaqqadi ilānī

VI 120

nâši233 mala šuma234 nimbû šū lū ilni

441

Er soll die Schwarzköpfigen anweisen, ihn zu fürchten Die Untertanen sollen (seiner) intensiv gedenkend sein, (ihn als) ihren (Schutz-)Gott sollen sie anrufen. Bei der Aktion seines Mundes sollen sie (ihn) als ihre (Schutz-)Göttin achten. Brotopfer sollen eingesetzt werden, ihr (Schutz-)Gott und ihre (Schutz-)Göttin (sollen versorgt werden). Sie229 mögen nicht vergessen werden, sie sollen ihren (Schutz-)Gott unterstützen. Ihr Land soll hervorgebracht werden, ihre Kultsockel sollen sie umsorgen.232 Sie sollen aufgeteilt sein, die Schwarzköpfigen, bezüglich der Götter. Für uns, die wir (ihm) alle den Namen gegeben haben, ist er, nur er, unser (Schutz-)Gott!“

Marduks 50+2 Namen (VI 121 – VII 144) Die ersten neun der 50 Namen (VI 121–156) Wiedergabe inkl. Ausweisung der Schreibvarianten VI 121: § 3.16.1. VI 122: § 4.3.2. VI 147–150: § 5.2.6. Weitere Wiedergaben VI 121: §§ 4.3.2., 5.2. Tab. 20 VI 121f.: § 5.2.6. VI 149f.: § 5.2.5. Anm. 164 VI 121 222

i nimbêma ḫanšā235 šumēšu

„Lasst uns seine 50 Namen nennen!

MHuz: līeppuš. jMet: baʾūlāti. FAss: baʾ⌈ūlat⌉tu. MKiš: baʾūlāta. 224 AAss: SU?. 225 bKiš: ḫissusū („sie (m.) sollen gedenkend sein“). 226 AAss: lipiqqû („sie (m.) sollen achten“). jMet: lipiqqi („er/sie soll achten“). 227 AAss: ištaršina. 228 jMet: liktillā. 229 Instanz unklar. 230 bKiš: lištēpâm. Diese Variante zeigt an, dass das Suffix ein Ventiv ist und kein femininer Plural, wonach mātišina singularisch zu lesen wäre. Inwiefern diese Lesart aber auch für die anderen Textzeugen gilt, ist offen. 231 MHuz: li⌈tepšū⌉ („sie (m.) sollen umsorgen“). 232 Zum möglicherweise korrupten Zustand der Zeilen VI 117f. siehe L AMBERT 2013, S. 479f. 233 bKiš und jMet: nâšu. 234 bKiš und jMet: šum. 223

442

Textstellenverzeichnis

VI 122

alkatuš lū šūpâtu236, 237 epšetuš lū mašlat238

… VI 147

… d Asalluḫi šumšu ša imbûšu240 abūšu d Anum šū lū nūru ša ilānī gešṭû dannu

VI 148 VI 149

ša kīma šumešuma241 dlamassi242 ilānī (AAss: ili) u māti

VI 150

ina šašme243 danni244 īṭiru245 šubatni246 ina pušqi

Glänzend hervorgebracht soll seine alkatu (~Handlungsmacht) sein, ebenso seine epšetu (~Handlungsmacht)!“239 … Asalluḫi ist sein Name, mit dem ihn sein Vorfahr benannt hat. Er soll das Licht der Götter sein, der starke Anführer: „Derjenige, der entsprechend seinem Namen der Schutzgott der Götter (AAss: des Gottes) und des Landes ist und (der) durch einen mächtigen Zweikampf unseren Sitz in der Not rettete.“

Aufforderung an die Götter (VI 157–166) Wiedergabe inkl. Ausweisung der Schreibvarianten VI 157–166: § 4.3.2. Weitere Wiedergaben VI 157: § 5.2. Tab. 20 VI 159f.: § 4.4.2.1. VI 163–166: § 5.2.7. VI 165: § 5.1.1.1. Tab. 19 VI 165f.: §§ 5.1.1.2., 5.2. Tab. 20 VI 157 VI 158 VI 159

235

3.ÀM šumēšu imbû Anšar dLaḫmu u d Laḫamu ana ilānī mārēšunu izzakrū nīnuma šulušā nittabi šumēšu

Drei seiner Namen nannten (jeweils)247 Anšar, Laḫmu und Laḫamu, (dann) sagten sie zu den Göttern, ihren Söhnen: „Wir, ja wir, haben je drei seiner Namen genannt.

AAss und bKiš: haššā. AAss: šūpâ. bKiš: šūpâm. jMet: šūpâti. 237 Der Auslaut /-u/ bzw. /-i/ ist an dieser Stelle als überhängender Vokal im Sinne eines eingefärbten Ventivs zu interpretieren. Alternativ zu den singularischen Schreibung findet sich auch eine pluralische Wiedergabe: alkātuš lū šūpâ epšētuš lū mašlā („Glänzend hervorgebracht sollen seine alkātu sein, ebenso sein epšētu!“ Textzeugen AAss und bKiš). 238 AAss: mašlā. 239 Für die Diskussion der Lexeme alkatu und epšetu siehe 5.2.6. 240 AAss: imbû („er nannte“). 241 AAss: šumīšuma. 242 AAss: lamassi. 243 JNin: šašmi. 244 jMet: dannu. 245 AAss: ēṭiru. 246 bKiš: šubātani („unsere Sitze“). 247 Dass Anšar, Laḫmu und Laḫamu jeweils drei Namen an Marduk geben, steht an dieser Stelle nicht, lässt sich aber durch den Vers VI 159 herleiten, wo der Distributiv expliziert wird (šulušā „je drei“). 236

Marduks 50+2 Namen (VI 121 – VII 144) VI 160

kī nâšima attunu248 šumēšu249 zukrā250

VI 161 VI 162

iḫdûma251 ilānū išmû siqaršun ina Ubšu-ukkinakki252 uštaddinū šunu milkātsunu ša māru253 qarrādu mutēr254 gimillini nīnu ša zānini255 i nulli256 šumšu

VI 163 VI 164 VI 165 VI 166

ūšibūma ina ukkinnīšunu257 inambû (Var.: ibannû bzw. uaddû)258 šīmāte259 ina mēsī nagbašunu260 uzakkirūni šumšu

443

Wie wir benennt (jetzt) ihr, ja ihr, seine Namen!“ Die Götter freuten sich und hörten ihren Befehl. In Ubšu-ukkinakku tauschten sie, ja sie, einander ihre Ratschläge aus: „Des Sohns, des Kriegers, unseres Rächers, wir, ja wir, wollen den Namen des Versorgers erhöhen!“ Sie setzten sich in ihrer Versammlung und benannten (Var.: erschufen bzw. bestimmten) die Festsprechungen. Mittels aller kultischen Riten/Rituale nannten sie seinen Namen:

Die folgenden 41 der 50 Namen (VII 1–134) Wiedergabe inkl. Ausweisung der Schreibvarianten VII 98: § 5.2.6. Weitere Wiedergaben keine VII 98

ša ana alakti rubûtīšu lā umaššalu ilu ajjumma

Der alkatu (~Handlungsmacht)261 seiner Fürstlichkeit gleicht kein anderer Gott.

Zwei Namen durch Enlil und Ea (VII 135–142) Wiedergabe inkl. Ausweisung der Schreibvarianten VII 135f.: § 5.2.8. VII 137–142: § 5.2.9. Weitere Wiedergaben VII 136: § 5.2. Tab. 20 VII 137: § 5.2. Tab. 20 VII 140: § 5.2. Tab. 20

248

bKiš: a]ttuni. bKiš: šumūšu. 250 bKiš: zukku[rā]. 251 aunb: iḫdû. 252 aunb und gunb:2a: Ubšu-ukkinakka. 253 BAss: māri. 254 bKiš und gunb:2a: muterru. 255 BAss: ilima. 256 aunb und bKiš: nullû. 257 BAss: ukkinnuššunu, statt ina ukkinnašunu. 258 jMet: uaddû. BAss: ibannû. 259 AAss: šimā?šu. 260 aunb: nagabšunu. 261 Zur Diskussion dieses Lexems siehe 5.2.6. 249

444

Textstellenverzeichnis

VI 137 VI 138 VI 139

aššu262 ašra263 ibnâ iptiq264 dannina265 Bēl mātāti šumšu ittabi266 abu267 d Enlil zikrī268 dIgigi imbû nagabšun269 išmema dEa kabattašu ittangi270,271 mā ša abbēšu ušarriḫū zikiršu272

VII 140 VII 141

šū kīma jâtima dEa lū šumšu rikis parṣīja kalîšunu libēlma

VII 142

gimri têrētija šū littabbal

VII 135 VII 136

Weil er den Ort (=Himmel) erschaffen und die Unterwelt (=Erde) geformt hatte, nannte Vater Enlil seinen Namen Bēl mātāti. Alle Namen, die (alle) Igigi genannt hatten, hörte Ea und sein Inneres sang fröhlich. „In der Tat, derjenige, dessen Name seine Väter glänzend gemacht haben: Er ist wie ich, (Ea); Ea soll sein Name sein. Die (Ver-)Bindung aller meiner Kultordnungen soll er beherrschen und die Gesamtheit meiner Weisungen, er, ja er, soll sie dauerhaft kontrollieren.“

Zwei Zeilen zum Abschluss (VII 143f.) Wiedergabe inkl. Ausweisung der Schreibvarianten VII 143f.: § 4.3.2. VII 144a: § 3.16.1. Weitere Wiedergaben VII 143f.: §§ 4.3.2., 5.2. Tab. 20 VII 144: §§ 2.2.3.3., 4.4.2.2., 5.2.6. VII 143

ina zik-ri273 ḫanšā274 ilānū rabûtu

VII 144

ḫanšā275 šumēšu276 imbû ušātirū277 alkatsu

262

Mit 50 Sprechakten/ durch den Ausspruch „50“ haben die (50) Großen Götter seine 50 Namen genannt und seine alkatu (~Handlungsmacht)278 übergroß gemacht.

aunb: aššum. BNin: ašri. aunb: ašru. BNin: iptiqa. aunb: iptiqu. 265 aunb: danninu. bunb und gUruk: dannini. 266 gUruk: ittab]u. 267 BNin und CNin: abu. 268 aunb: ina zikrī („durch die Namen“). 269 bunb: nagabšunu. 270 BNin: ittengi. 271 Die Verse VI 138–142 fehlen auf Textvertreter CNin. 272 BNin: zikrūšu („seine Namen“). 273 Diese Schreibung findet sich auf allen Textzeugen (nur vollständig erhalten auf BNin), wodurch unklar ist, ob es sich hier um einen Plural oder einen Singular handelt. Wilfred Lambert liest das Substantiv in der Einzahl, so dass er übersetzt: „with the word ‚Fifty‘ the great gods called his fifty names and assigned him an outstanding position” (2008, S. 59). So man an dieser Stelle zikru nicht als Name, sondern als „Sprechen“ bzw. modern als „Sprechakt“ übersetzt, ist eine pluralische Lesart ebenso möglich. Angesichts des Plurals in VII 144 und der chiastischen Wortstellung zwischen VII 143a und VII 144a ließen sich weitere Argumente für diese Lesung finden. 274 BNin: ḫanšān. 275 BNin: ḫanšān. 276 bunb: šumēma. 277 CNin: ušātir („er machte übergroß“). 263

264

Epilog (VII 145–162)

445

Epilog (VII 145–162) Wiedergabe inkl. Ausweisung der Schreibvarianten VII 145–162: § 2.2.3.1. Weitere Wiedergaben VII 145–148: § 2.2.3.3. VII 149f.: § 2.2.3.4. VII 151–156: § 2.2.3.6. VII 157f.: § 2.2.3.7. VII 159f.: §§ 2.2.3.8., 8.2.5. VII 160: § 6.4. VII 161f. §§ 2.2.3.8., 3.1.2., 8.1.1. VII 145

liṣṣabtūma maḫrû likallim

VII 146

enqu u280 mūdû mitḫāriš limtalkū

VII 147

lišannima abu māriš281 lišāḫiz

VII 148

ša rēʾî u nāqidi lipattâ uznīšu282

VII 149 VII 150

lā iggima283 ana dEnlil ilānī d Marūtuk māssu liddiššâ šū lū šalma284

VII 151

kīnat amātsu lā enât285 qibītsu

278

Sie sollen gepackt werden279 und ein Erster soll (sie) zeigen, der Weise und der Wissende sollen (sie) gleichermaßen miteinander beraten. Der Vater soll (sie) seinem Sohn erzählen und lehren. Die Ohren des Hirten und des Hüters soll er unterrichten: Er darf nicht nachlässig sein gegenüber dem Enlil der Götter, Marduk, (dann) soll sein Land Gedeihen erhalten und er selbst soll Wohlergehen besitzen. Sein Wort ist dauerhaft, sein Befehl unveränderlich

Zur Diskussion dieses Lexems siehe § 5.2.6. Anders als im CAD (Ṣ 2004, S. 34) wird eine Lesung als N-Stamm einer Lesung als GtStamm vorgezogen, wie sie auch Philippe Talon vornimmt (2005, S. 121) und auch den Übersetzungen von Wilfred Lambert (2008, S. 59; 2013, S. 133) sowie von Thomas Kämmerer und Kai Metzler (2012, S. 311) zugrunde liegt. Dies hängt maßgeblich mit der Frage nach dem Subjekt dieser Phrase zusammen, da dieses pluralisch sein muss. Die Schreibung ]-tu-ma (Textzeuge CNin) erklärt sich besonders dann, wenn die Schreibung li-iṣ-ṣab-UD-ma (Textzeugen BNin und aunb) als liiṣ-ṣab-tú-ma und nicht wie im CAD als li-iṣ-ṣab-tam-ma transliteriert wird. 280 Die Konjunktion wird von den Textzeugen BNin und CNin ausgelassen. 281 BNin und CNin lassen das Pronominalsuffix -š weg. Wilfred Lambert hingegen geht von gar keinem Possessivsuffix aus (2013, S. 41). 282 Abweichend fügt Textzeuge BNin ein pluralisches Pronominalsuffix (-šun) an. 283 Diese Schreibweise ist nur auf dem Textzeugen a unb erhalten. Der Textzeuge BNin verschleift lā iggima zu liggima, die anderen Textvertreter sind an dieser Stelle abgebrochen. Dennoch spricht die Mischung aus Versprechen und Drohung der Verse VII 150–156 dafür, lā iggima als die ursprüngliche Schreibung anzunehmen (ebenso: LAMBERT 2013, S. 132f.). Anders sehen dies Thomas Kämmerer und Kai Metzler, die liggima (√ngū, bspw. nagû „freudig singen“) als die primäre Schreibweise interpretieren (2012, S. 311). 284 Textzeuge gUruk schreibt entweder šal-LA! (LAMBERT 2013, S. 133) oder šal-ma!(LA) (KÄMMERER, METZLER 2012, S. 312 Anm. 1). 285 CNin: [e]nâta). JHuz: [e]⌈nâ⌉ti. 279

446

Textstellenverzeichnis

VII 152

ṣit pîšu lā286 uštepīl ilu ajjumma

VII 153

ikkelemmûma ul utarri287 kišādsu

VII 154

VII 157

ina sabāsīšu uzzašu ul imaḫḫaršu ilu288 mamman rūqu289 libbašu rapaš290 karassu291 ša anni u292 gillati293 maḫaršu bāʾū294 taklimti295 maḫrû idbubu pānuššu

VII 158

išṭurma ištakan ana šimê296 arkûti

VII 155 VII 156

VII 159 VII 160 VII 161

286

šīmat ⌈dMarū⌉tuk ša u[l]lû297 ilānū Igigū ēma mû iššattû šu[mšu]298 lizzakrū

d

in[ann]amma301,302 zamāru303 ša d Marūtuk304

(und) der Ausspruch seines Mundes kann von keinem Gott geändert werden. Während er böse ansieht, wendet er seinen Hals nicht und, während er zürnt, widersteht seinem Zorn kein Gott. Sein Herz ist fern, sein Inneres ist weit. Derjenige der Sünde und der des Vergehens, sie sind vor ihm entlanggehend. Die Unterweisung, die ein Erster vor ihm gesprochen hatte, hat er aufgeschrieben und für die Dauer aufgestellt, damit Spätere (sie) hören. Die Festsprechung für Marduk, die die Götter, die Igigi, erhöhten, wo auch immer Wasser getrunken wird,299 sollen sie [seinen] Namen (=die Festsprechung)300 sagen. Jetzt gilt305 es, das Lied auf Marduk,

JHuz: ul. BNin: utarra. 288 gUruk: ilu l[a?. 289 bunb: rūqa. 290 BNin: šu-ʾ-id (TALON 2005, S. 76) bzw. šu-ʾ-et (KÄMMERER, METZLER 2012, S. 313) bzw. la-ʾ-iṭ (LAMBERT 2013, S. 133). 291 bunb: karassa. 292 JHuz lässt die Konjunktion weg. 293 aunb: [gil]latum. 294 BNin: i[baʾʾu]. 295 bunb: ⌈taklimtu⌉. 296 aunb: šem[ê]. 297 JHuz: ibnû. KÄMMERER, METZLER 2012, S. 313: aunb: ] ib!(LU)--ú. 298 JHuz: šunu. aunb: šu-⌈x⌉; obwohl Wilfred Lambert zum einen šu-⌈ú⌉ liest (2013, S. 133), ist seine Kopie weniger eindeutig (IBID, Plate 32). Besser passt daher sein Kommentar zu der Zeile, wonach Textzeuge aunb mit der Schreibung b unb (šu-um) übereinstimmt, was für ihn eine Lesung mit šumu („Name“) wahrscheinlich macht (IBID, S. 492). KÄMMERER, METZLER 2012, S. 314: aunb: šu-n[u !]. 299 Die Übersetzung folgt der Rekonstruktion nach Lambert 2013, S. 132 – die u.a. auf der Neukollation der Textzeugen JHuz und aunb beruht (IBID, Plate 27, 31f.) –, auch wenn sie nicht ganz unproblematisch ist. So ist ein N-Stamm des Verbs šatû („trinken“) bislang nicht belegt, müsste hier aber angenommen werden. Insgesamt handelt es sich jedoch um die beste Ausdeutung der Zeichen des Verses. 300 Siehe auch § 5.3.3. Durch die Synonymie der Ausdrücke šīmtu („Festsprechung“) und šumu („Name“) erklärt sich auch die abweichende Schreibung auf Textzeuge JHuz, denn das direkte Objekt ist durch šīmat dMarūtuk in VII 159 bereits gegeben, so dass nun die Subjekte des Satzes zusätzlich betont werden, möglicherweise die Götter (siehe auch § 2.2.3.8.). 301 JHuz: ⌈dŠEŠ.KI⌉-[m]a; zu lesen nannama als defekte gelehrte Schreibung für inannama (siehe auch CAD I 2004, S. 143). 302 Die Dopplung des -m- kann schlicht dem Umstand geschuldet sein, dass es sich bei a unb um einen späten Textvertreter handelt (siehe auch LAMBERT 2013, S. 13f.). 303 aunb: ⌈za⌉mār[i]. 304 Frühere Rekonstruktionen von VII 161 finden sich in § 3.1.2. 287

Epilog (VII 145–162) VII 162

[ša] Tiā[mta i]kmûma306 ilqû šarrūti

VII 163 VII 164

[…] ⌈x⌉ bīt d⌈x⌉-[…] […] ⌈x⌉ Bābil[iki? …]

447

[der] Tiāmtu gebunden und die Königsherrschaft angenommen hat. […] Haus? von? G[N? …] […] Baby[lon ? …]

305 Die enklitische Partikel -ma wird als Kopula gelesen (siehe auch GAG § 126c) und freier mit „gelten“ übersetzt. 306 aunb: ikm]û.

Textzeugenverzeichnis Das Textzeugenverzeichnis orientiert sich an den Editionen von Thomas Kämmerer und Kai Metzler (2012) sowie von Wilfred Lambert (2013). Zudem wurden Hinweise von Joachim Oelsner (2009) zur Publikation von Philippe Talon (2005) herangezogen. Für die Kiš-Texte stammen die zusätzlichen Angaben von Eleanor Robson (2004, S. 48). Zur Kennzeichnung wurden die Siglen der Lambert-Edition verwendet, die als erweiterte Siglen außerdem über Indizes mit Hinweisen zu Fundort und Tafeltyp verfügen (siehe § 2.1.1. Räumliche Verteilung: Ganz Mesopotamien und darüber hinaus). Die Rubrik Fundort unbekannt umfasst auch Textzeugen, die als Fundort sekundär „Babylon“ oder „Sippar“ zugeschrieben erhielten (siehe § 2.1.1. Anm. 10). Falls einzelne Textvertreter nicht in der Edition von Wilfred Lambert aufgeführt wurden, wurden sie in fortlaufender Kennzeichnung als erweiterte Sigle der Auflistung hinzugefügt (siehe auch § 2.1.1. und Tab. 2). Dies gilt unter anderem auch für die Stichzeilen in den Kolophonen, die ebenfalls als Textvertreter der nachfolgenden Tafel des Werkes Berücksichtigung fanden (wie bereits in KÄMMERER, METZLER 2012). Bei der Vergabe der Siglen wurden – entsprechend der LambertEdition und der Forderung von Joachim Oelsner (2009) – für Texte mit assyrischer Orthographie fortlaufende Großbuchstaben herangezogen, für Texte mit babylonischer Orthographie Kleinbuchstaben. Der Textzeuge aus Kiš, der noch nicht einer Tafel des Werkes zugeordnet werden konnte, wurde als Platzhalter mit einer griechischen Sigle gekennzeichnet. Neben dem Zeilenumfang eines Textvertreters werden auch möglicherweise erhaltene Stichzeilen und Kolophone ausgewiesen. Die Angaben zu Auslassungen und fehlenden Versen beruhen auf der Lambert-Edition. Spezifisches Abkürzungsverzeichnis für das Textzeugenverzeichnis BCM BWL CT 13 CT 19

Babylonian Creation Myth = LAMBERT 2013. Babylonian Wisdom Literature = LAMBERT 1996. Cuneiform texts from Babylonian tablets in the British Museum. Part 13. = BRITISH MUSEUM 1901. Cuneiform texts from Babylonian tablets in the British Museum. Part 19. = BRITISH MUSEUM 1904.

449

a) nach Tafeln CT 34

Cuneiform texts from Babylonian tablets in the British Museum. Part 34. = BRITISH MUSEUM 1914. Cuneiform texts from Nimrud. Vol. 4 = WISEMAN, BLACK 1996. Das babylonische Weltschöpfungsepos Enūma elîš = KÄMMERER, METZLER 2012. The Epic of Gilgamish = THOMPSON 1930. erweiterte Sigle. Keilschrifttexte aus Assur religiösen Inhalts = E BELING 1909 bzw. IBID 1923. Kolophon (Tafelunterschrift). Literarische Keilschrifttexte aus Assur = EBELING 1953. Literarische Keilschrifttexte aus Uruk = FALKENSTEIN 1979. Materialien zum sumerischen Lexikon. Band 12. = CIVIL 1969. = VANSTIPHOUT 1987a. = LAMBERT 1987b. ausgelassen. Oxford Editions of Cuneiform Texts. Vol. 6. = LANGDON 1927. Oxford Editions of Cuneiform Texts. Vol. 11. = GURNEY 1989. Rückseite. The Seven Tablets of Creation. Vol. I. = KING 1902a. The Seven Tablets of Creation. Vol. II. = KING 1902b. The Sultantepe Tablets I. = GURNEY, FINKELSTEIN 1957. The Sultantepe Tablets II. = GURNEY, FINKELSTEIN 1964. Stichzeile. Vorderseite. unbekannt.

CTN 4 DbW EG erw. Sigle KAR Kol. LKA LKU MSL 12 N.A.B.U. 87/70 N.A.B.U. 87/100 om. OECT 6 OECT 11 RS STC I STC II STT I STT II Stichz. VS unb.

a) nach Tafeln Tafel I Sigle BCM A1 (–)

B

erw. Sigle

Paläographie

Fundort / Tafeltyp

ANin

assyr.

Ninive

BNin

assyr.

Ninive

K 7871 + 4488 + 16969

CNin

assyr.

Ninive

K 17842

(= Taf. II M Nin)

2

C3

1

Museums-/ Grabungsnummer K 5419,c

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

CT 13 1

1–16, Stichz., Kol.

A

STC I 183 (7871); STC I 185 (4488); DbW 2 (16969); BCM 1 (alle) DbW 10; BCM 1

33–63[om. 35]

W+X+

Ggf. gehören ANin bis DNin zur selben Tontafel (LAMBERT 2013, S. 45). Siehe Anm. 1. 3 Siehe Anm. 1. 2

34–42 [om. 36]

(= Taf. II Abis)

PP

450

Textzeugenverzeichnis

Sigle BCM

erw. Sigle

Paläographie

Fundort / Tafeltyp

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

CT 13 12 (8524); BCM 1 (alle) CT 13 2

124–140

E+

Ninive

Museums-/ Grabungsnummer K 8524 + 13093 + 22093 81-7-27,80

D4

DNin

assyr.

Ninive

E

ENin

assyr.

C

assyr.

Ninive

K 3938

CT 13 3

GNin

assyr.

Ninive

Rm 504 + K 13299

H5

HNin

assyr.

Ninive

Rm 982 + 80-7-18, 178

EG pl. 29 (Rm 504); N.A.B.U. 87/70, 87/100 (K 13299, nur Transl.); DbW 7 (alle, nur VS); BCM 2 (alle) CT 13 31

31–57 (BCM) bzw. 31–58 (DbW), 137–162 33–42, 148– 162 58–76, 77– 82

F

FNin

G

I6 J

INin JNin:mk

assyr. assyr.

Ninive Ninive

Sm 1829 BM 98909 [Th. 19054-9,415]

BCM 2 CT 34 18

KAss

assyr.

Assur

VAT 10152 + 10652 + 10392 + 12951

L8

LAss

assyr.

Assur

VAT 9873

KAR 162 (VAT 10152), KAR 163 (VAT 10652), KAR 313 (VAT 10392+12951) KAR 314

M9

MAss

assyr.

Assur

VAT 9668

KAR 118

10

NAss

assyr.

Assur

VAT 9677

KAR 117

(= Taf. II A)

K7

N

4

(= Taf. II ANin:mk)

60–64, 66– 79 (BCM) bzw. 60–79 (DbW), 80–101 [om. 82, 84] 115–119 44–53, 160– 162, Kol.

D HH

F

– G

(= Taf. II F)

1–27, 52– 80, 128– 137, 140– 150

J

83–113 [om.107] 2–26, 134– 160 52–78, 79– 104

K I H

Siehe Anm. 1. Ggf. gehören HNin und INin zur selben Tontafel (LAMBERT 2013, S. 45). Siehe Anm. 5. 7 Ggf. gehören KAss und LAss zur selben Tontafel (LAMBERT 2013, S. 46) 8 Siehe Anm. 7. 9 Ggf. gehören MAss und NAss zur selben Tontafel (KÄMMERER, METZLER 2012, S. 82 Anm. 2). 10 Siehe Anm. 9. 5 6

451

a) nach Tafeln Sigle BCM

erw. Sigle

Paläographie

Fundort / Tafeltyp

O

OAss

assyr.

Assur

P

PAss

assyr.

Assur

VAT 10997

KAR 315

Q

QAss

assyr.

Assur

R11

R1Ass:2a

assyr.

R2Ass:2a

assyr.

S

SHuz

assyr.

Assur / 2a Assur / 2a Ḫuzirīna

T

TAss

assyr.

Assur

U

UAss

assyr.

Assur

a

aKiš

babyl.

Kiš

bunb

babyl.

unb.

VAT 14109 + 14149 + 14147 VAT 10071 VAT 10756 SU 52/87 + SU 52/94 VAT 14125 VAT 10345 1924-790 (bzw. 1927-71)12 + 19241813 + 2081 BM 45528 + 46614 + 47173 + 47190 + 47197 [817-1,3289 + 81-8-30,80 + 695 + 712 + 719]

b

(–)

(= Taf. II n unb)

11

(Kol.: Babylon)

Museums-/ Grabungsnummer VAT 10346

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

KAR 317

M

LKA 3

33–51 [om. 37f., 43f., 47], 108– 118 (BCM) bzw. 109– 118 (+ 120– 121?) (DbW) 50–68 [om. 61f.] (BCM) bzw. 49–69 (DbW) 54–126

N

BWL pl. 73

22f.

DD

24f.

EE V

BCM 2

41–79, 86– 120 75–85



BCM 2

137–149



OECT 6 pl. 31– 35 (1924-790)

1–97, 103– 162

FF

STC II 1–6 (45528+46614); DbW 3f. (47173 + 47190 + 47197); BCM 5 (47173 + 47190 + 47197)

1–58, 124– 162, Stichz., Kol.

Y+

STT I 1

L

(nur: 1924-790)

(= Taf. II N+)

Hierbei handelt es sich um keinen Join, weshalb unterschiedliche erweiterte Siglen zugewiesen wurden. Aufgrund der großen inhaltlichen Nähe wurden sie jedoch von Wilfred Lambert unter einer Sigle (R) zusammengefasst (2013, S. 46). 12 In der Auflistung der Textzeugen (LANGDON 1927, S. XVI) und bei der Kopie (IBID, Pl. XXXI–XXXV) wird die Kennung als 1927–71 wiedergeben. Dabei handelt es sich vermutlich um ein Privatsystem von Stephen Langdon (GURNEY 1989, S. 1 Anm. 1). Bei der Transliteration steht die richtige Kennzeichnung als 1924–790 (LANGDON 1927, S. 88). Siehe auch KÄMMERER, METZLER 2012, S. 85 und LAMBERT 2013, S. 46.

452

Textzeugenverzeichnis

Sigle BCM

erw. Sigle

Paläographie

Fundort / Tafeltyp

Museums-/ Grabungsnummer BM 93015 [82-714,402]

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

c

cunb

babyl.

unb.

CT 13 1, 3

B

DbW 11; BCM 4

unb. unb.

BM 43183 [81-71,947] BM 35134 BM 47292

1–16 [om. 12], 144– 162 [om. 156, 160], Kol. 4–15

d

dunb

babyl.

unb.

e f13

eunb funb

babyl. babyl.

Z UU

babyl.

unb.

BM 46803

STC II 9–11

hunb:2a

babyl.

unb. / 2a

BCM 6

i

iunb

babyl.

unb.

STC II 12f.

j

junb:2a

babyl.

unb. / 2a

BCM 7

6–12



k

kunb:2a

babyl.

unb. / 2a

GESCHE 2000, 590

25–28

T

l

lunb:2a

babyl.

unb. / 2a

DbW 8; BCM 7

26–29

KK

m

munb:2a

babyl.

unb. / 2a

P

nunb:2a ounb:2a

babyl. babyl.

unb. / 2a unb. / 2a

STC II 8; GESCHE 2000, 279 STC II 7 DbW 10; BCM 7

28–33

n o

38–44 38–42

AA RR

p

punb:2a

babyl.

unb. / 2a

DbW 8; BCM 7

41–48

NN

q

qunb:2a

babyl.

unb. / 2a

F 219 (+) 218 82-9-18, 6879 BM 36666 [80-617,398] BM 72046 [82-918,12050] BM 54569 [82-323,889] BM 36726 [80-617,459] BM 36688 BM 37845 [80-617,1602] BM 55244 [82-522,1576] BM 36681 + 37849 [80-617,413+16 06]

11–21 16–27 (BCM) bzw. 18–27 (DbW), 150–158 46–68 [om. 53, 61, 63, 65, 67], 103–123 [om. 107] 43–51, 106– 114 112–138

g14

gunb

h

GESCHE 2000, 274 (nur 36681); BCM 7 (alle)

46–52

O

13 14

STC II 7 DbW 12; BCM 4

Ggf. gehören funb und gunb zur selben Tontafel (LAMBERT 2013, S. 47). Siehe Anm. 13.

TT

BB

– CC

453

a) nach Tafeln Sigle BCM

erw. Sigle

Paläographie

Fundort / Tafeltyp

r

runb:2c

babyl.

unb. / 2c

s

sunb:2a

babyl.

unb. / 2a

t

tunb:2a

babyl.

unb. / 2a

u

uunb:2a

babyl.

unb. / 2a

v

vunb:2a

babyl.

unb. / 2a

w

wunb:2a

babyl.

unb. / 2a

aa

aaunb:2a

babyl.

unb. / 2a

bb

bbunb:2a

babyl.

unb. / 2a

cc

ccunb:2a

babyl.

unb. / 2a

dd

ddunb:2a

babyl.

unb. / 2a

ee

eeunb:2a

babyl.

unb. / 2a

ff

ffunb:2a

babyl.

unb.

Museums-/ Grabungsnummer BM 67665 [82-918,7663] BM 54856 [82-522,1185]

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

BCM 7

55–62



DbW 8; BCM 7

MM

BM 37937 + 38060 [80-617,1766 + 1889] BM 76063 + 76205 [AH 83-118,1427 + 1570] BM 69668 [AH 82-918,9666]

DbW 9; BCM 8

73–78 (BCM) bzw. 71–78 (DbW) 90–95

DbW 10; BCM 8

98–105 [om. 101]

OO

GESCHE 2000, 566; BCM 8

S

BM 93079 [82-918,5555] BM 99961 [AH 83-121,2323] BM 37969 [80-617,1798]

DbW 7; BCM 8

103–109 (BCM) bzw. 105–109 (DbW) 117–121

II

DbW 12; BCM 8

118–124

VV

DbW 8; BCM 8

125–128 (BCM) bzw. 125–127 (DbW) 129–136

JJ

BCM 8

135–144 [om. 139]



GESCHE 2000, 646; BCM 7

1–7

U

DbW 18; BCM 6

18–24, 134– 143 [om. 141] (BCM)

= Taf. II W

BM 66956+760 66+ 76498 [82-918,6950 + 83-118,1868] BM 38051 [80-617,1880] BM 77118 [AH 83-118,2497] BM 38034 [80-617,1063]

CT 13 2 (76498); STC II 29 (alle); GESCHE 2000, 534 (alle)

JJbis

R15

15 Ob dieser Textzeuge zur Tafel I oder III gehört ist nicht entscheidbar (O ELSNER 2009, S. 460). Thomas Kämmerer und Kai Metzler (2012, S. 84) sowie Wilfred Lambert (2013, S. 48) haben ihn der ersten Tafel zugeordnet.

454

Textzeugenverzeichnis

Sigle BCM

erw. Sigle

Paläographie

Fundort / Tafeltyp

gg

ggunb:2a

babyl.

unb. / 2a

hh

hhunb:2a

babyl.

unb. / 2a

ii

iiunb:2a

babyl.

unb. / 2a



neu: jjunb:2a

babyl.

unb. / 2a

Museums-/ Grabungsnummer BM 76891 [AH 83-118,2263] BM 54847 [82-522,1176]

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

BCM 7

37–41



GESCHE 2000, 416; DbW 1; BCM 7

Q

BM 37460 [80-617,1217] BM 54798 [82-522,1127]

DbW 10; BCM 8

67–73 [om. 71f.] (BCM) bzw. 68–70, 73 (DbW) 136–138

QQ

17f.

LL

HRŮŠA 2010, Taf. 12

Nachrichtlich: bei KÄMMERER, METZLER 2012 abweichend als Textzeuge der Taf. I angeführt (S. 85): Sigle BCM

erw. Sigle

Paläographie

Fundort / Tafeltyp

= Taf. III f

= Taf. III fKiš

babyl.

Kiš

erw. Sigle

Paläographie

Fundort / Tafeltyp

Museums-/ Grabungsnummer 1926-375

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

OECT 6, 37; BCM 15

Taf. I 129– 144 (DbW)

GG

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

CT 34 18

1–6

BCM 9 DbW 17; BCM 9

24–28 44–70 [67 fehlend] (BCM) bzw. 44–71 (DbW), 97– 108 32–58, 126– 160 93–99, 100– 109 153–162, Stichz., Kol.

Tafel II Sigle BCM (= Taf. I J)

(= Taf. I JNin:mk)

ANin:mk

assyr.

Ninive

B16 C17

BNin CNin

assyr. assyr.

Ninive Ninive

Museums-/ Grabungsnummer BM 98909 [Th. 19054-9,415] K 11653 K 9511

D

DNin

assyr.

Ninive

K 4832

CT 13 5

E

ENin

assyr.

Ninive

79-7-8,178

CT 13 6

FNin

assyr.

Ninive

K 292

CT 13 6

A

F

(–)

(= Taf. III E Nin)

16 17

Ggf. gehören BNin und CNin zur selben Tontafel (LAMBERT 2013, S. 61) Siehe Anm. 16.

F

(= Taf. I G)

– U

C D E

(= Taf. III A)

455

a) nach Tafeln Sigle BCM G

erw. Sigle

Paläographie

Fundort / Tafeltyp

(–)

(= Taf. III FAss:2c )

GAss:2c

assyr.

Assur / 2c

H18

HAss

assyr.

Assur

I19

IAss

assyr.

Assur

J

JAss

assyr.

Assur

K

KKal

assyr.

Kalḫu

Museums-/ Grabungsnummer Ass. 11600f [AssurFoto 2553 A 517]

aktuelle Kopien (ggf. Foto) LKA 4

VAT 10585 VAT 9971

LKA 5 KAR 5

(–)

(= Taf. III GHuz )

LHuz

assyr.

Ḫuzirīna

VAT 14037 + 14192 + 14196 + 14200 (+) unnummeriertes Fragment IM 60953 [ND 6208] SU 51/132



neu: MNin

assyr.

Ninive

K 5419,c

CT 13 1

aunb

babyl.

unb.

BM 40559

STC II 14–21

BM 59904 + 92632 + 93084 [AH 82-714,4314 + 2292 + 829-18(?)] + F 225 + F 226 BM 66568 [82-918,6561]

STC II 22–24 (BM 92632 + 93048); DbW 13f. (BM 59904); BCM 11f. (alle)

L

(= Taf. I A)

a

(–)

(= Taf. I ANin) (= Taf. III nunb)

(–)

(= Taf. III ounb)

bunb

babyl.

unb.

c

cunb

babyl.

unb.

b

18 19

BCM 10

CTN 4 200; BCM 9 STT I 2

DbW 16; BCM 13

Umfang 4–23, 30–49 (BCM) bzw. 4–49 (DbW), 130–162 [om. 141f.], Stichz., Kol. 16–27, 137– 146 32–48, 120– 136 (BCM) bzw. 120– 138 (DbW) 44–57, 59– 94 [om. 63f., 75f., 79f.], 102–108, 118–146 [om. 141f.] 148–158 2–27 [25 fehlend], 159–162, Stichz., Kol. 1 = Stichz.

1–40, 133– 162, Stichz., Kol. 1–29 (BCM) bzw. 3–30 (DbW), 136– 162

1–11, 137– 162, Kol.

Ggf. gehören HAss und IAss zur selben Tontafel (LAMBERT 2013, S. 61). Siehe Anm. 18.

Sigle DbW I

(= Taf. III G)

J H



G M

(= Taf. III J)

Abis

(= Taf. I A)

O

(= Taf. III K)

P+

(= Taf. III L+) (ohne F 225 und 226)

T

456

Textzeugenverzeichnis

Sigle BCM

erw. Sigle

Paläographie

Fundort / Tafeltyp

d

dunb

babyl.

unb.

e

eunb

babyl.

unb.

f

funb

babyl.

unb.

g

gSip

babyl.

Sippar

h

hunb:2a

babyl.

unb. / 2a

i

iunb:2a

babyl.

unb. / 2a

j

junb:2a

babyl.

unb. / 2a

k

kunb:2a

babyl.

unb. / 2a

l

lunb:2a

babyl.

unb. / 2a

m

munb:2a

babyl.

unb. / 2a



neu: nunb

babyl.

unb.

(= Taf. I b)

(= Taf. I b unb)

Museums-/ Grabungsnummer BM 38396 [80-1112,278]

aktuelle Kopien (ggf. Foto) CT 13 4

BM 38005 [80-617,1834] 1909 405.36 (BCM) bzw. Edin. 09.405-26 (DbW) Sippar Library 4, 5C VAT 440

BCM 13

BM 38001 [80-617,1830] BM 36417 [80-617,144] BM 54930 [82-522,1260] BM 38864 [80-1112,749] BM 37501 [80-617,1258] BM 45528 + 46614 +47173+ 47197

Umfang

Sigle DbW

11–29, 127– 151 [om. 149], 154 (BCM) bzw. 127–154 (DbW) 44–55

B

LANGDON 1913, Pl. IX; BCM 14

118–125

Q

AL-RAWI, GEORGE 1990, S. 150, 152 VON SODEN 1931, S. 167f.; DbW 15; BCM 14 DbW 15; BCM 14

40–85, 86– 136

A

4–15

R

4, 6 (BCM) bzw. 4–6 (DbW) 13–17

S

49f.



GESCHE 2000, 323; BCM 14

126–130

L

DbW 18; BCM 14

154–158

V

STC II 1–6 (BM 45528 + 46614); DbW 3f.

1 = Stichz.

N+

GESCHE 2000, 254 (vgl. MSL 12, 90); BCM 14 BCM 14



K

(= Taf. I Y+)

Nachrichtlich: bei KÄMMERER, METZLER 2012 abweichend als Textzeuge der Taf. II angeführt (S. 85): Sigle BCM

erw. Sigle

Paläographie

Fundort / Tafeltyp

= Taf. I ff

= Taf. I ffunb

babyl.

unb.

Museums-/ Grabungsnummer BM 38034 [80-617,1063]

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

DbW 18; BCM 6

Taf. II 21– 29, 136–141 (DbW)

W

457

a) nach Tafeln

Tafel III Sigle BCM

erw. Sigle

Paläographie

Fundort / Tafeltyp

A

ANin

assyr.

Ninive

B

BNin

assyr.

Ninive

C

CNin

assyr.

Ninive

K 8575

D

DAss

assyr.

Assur

VAT 10663

KAR 173



neu: ENin

assyr.

Ninive

K 292

CT 13 6

1 = Stichz.

A

neu: FAss:2c

assyr.

Assur / 2c

LKA 4

1 = Stichz.

G

neu: GHuz

assyr.

Ḫuzirīna

Ass. 11600f [AssurFoto 2553 A 517] SU 51/132

STT I 2

1 = Stichz.

J

a

aunb:2c

babyl.

unb. / 2c

BM 61429 + 82894 [82-918,1403 + 6316] + 83-1-21,57

STC II 25–28 (BM 61429); DbW 20f. (BM 82894 + 83-121,57); BCM 15 (BM 82894 + 83-121,57)

1–61 [om. 16–51] (BCM) bzw. 1–15, 52–61 (DbW), 62– 128 [om. 77–123] (BCM) bzw. 62–76, 124– 128 (DbW), Kol.

M+

b

bunb

babyl.

unb.

STC II 30–33

cunb

babyl.

unb.

46–68, 69– 87 47–77, 78– 105

N

c d

dunb

babyl.

unb.

BM 42285 [81-7-1,45] BM 93017 [88-419,13] BM 33697 [Rm IV 255]

R

e

eunb

babyl.

unb.

F3

BCM 15

68–76, 80– 83 (BCM); bzw. 22–25, 68–76 (DbW) 127–138

(= Taf. II F)



(= Taf. II G)



(= Taf. II L)

(= Taf. II FNin)

(= Taf. II GAss:2c )

(= Taf. II LHuz )

Museums-/ Grabungsnummer K 3473 + 79-7-8,296 + Rm 615 K 6650 + 13782

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

SMITH 1887, 1– 5; CT 13 7–9

1–85, 86– 138

CT 13 9 (6650); DbW 19 (13782); BCM 15 (13782) CT 13 12

38–61; ggf. auch 96– 116 (BCM)

C+

69–76, 77– 85 1–13, 127– 138

E

CT 13 10f.; BCM 15 (Kollation) DbW 23; BCM 15

Sigle DbW B

(= Taf. IV A)

F

(= Taf. IV H) (= Taf. II E)

(= Taf. II I)

(= Taf. II M)

D



458

Textzeugenverzeichnis

Sigle BCM

erw. Sigle

Paläographie

Fundort / Tafeltyp

f

fKiš

babyl.

Kiš

Museums-/ Grabungsnummer 1926–375

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

OECT 6, 37; BCM 15

77–93 (BCM)

Taf. I GG

BM 37960 [80-617,1677] BM 76640 [AH 83-118,2011] K 20949 [„83-118“]

BCM 16

3–10



BCM 16

14–16



DbW 22; BCM 16

14–19 (BCM) bzw. 72–77 (DbW) 64–72 (BCM) bzw. 63–72 (DbW) 64–72

Q

O

67–70

H

GESCHE 2000, 558; BCM 16

125–127

I

STC II 14–21

1 = Stichz.

K

STC II 22–24 (BM 92632 + 93084), DbW 13f. (BM 59904)

1 = Stichz.

L+

g

gunb:2a

babyl.

unb. / 2a

h

hunb:2a

babyl.

unb. / 2a

i

iunb:2a

babyl.

unb. / 2a

j20

junb:2a

babyl.

unb. / 2a

BM 55072 [82-522,1404]

DbW 22; BCM 16

k21

kunb:2a

babyl.

unb. / 2a

BM 65461 [82-918,5448 + AH 83-118,2116]

l

lunb:2a

babyl.

unb. / 2a

m

munb:2a

babyl.

unb. / 2a



neu: nunb

babyl.

unb.

BM 50711 [82-323,1703] BM 68434 [82-918,8432 BM 40559

CT 13 12 (83-118,2116); STC II 34 (alle), BWL 346 (829-18,5448); BCM 16 (alle) GESCHE 2000, 346; BCM 16

neu: ounb

babyl.

unb.

(= Taf. II a)



(= Taf. II b)

20 21

(= Taf. II a unb)

(= Taf. II b unb)

BM 92632 + 93084 + 59904

(Zeilen 129–144)

P

(= Taf. II O)

(= Taf. II P+)

Die Textzeugen junb:2a und kunb:2a gehören nicht zur selben Tontafel (LAMBERT 2013, S. 75). Siehe Anm. 21.

459

a) nach Tafeln

Tafel IV Sigle BCM

erw. Sigle

Paläographie

Fundort / Tafeltyp

A22

ANin

assyr.

Ninive

Museums-/ Grabungsnummer K 16706

B23

BNin

assyr.

Ninive

79-7-8,251

CT 13 20

C

CNin

assyr.

Ninive

CT 13 16–19; DbW 24f.

D

DNin

assyr.

Ninive

K 3437 + Rm 641 + Rm II 83 (BCM) bzw. Rm 283 (DbW) K 5420,c

E

ENin

assyr.

Ninive

K 11863

F

FAss

assyr.

Assur

VAT 10552 + 10659 + 10660

G

GAss

assyr.

Assur

H24

HAss

assyr.

Assur

VAT 10898 VAT 10579

DbW 27; BCM 17 KAR 316 (nur 10659); WEIDNER 1952/53, Taf. 14 (alle) KAR 318

I25

IAss

assyr.

Assur

26

JAss

assyr.

Assur

J

K

(–)

(= Taf. V JHuz )

KHuz

assyr.

Ḫuzirīna

L

LHuz:2c

assyr.

M

MHuz

assyr.

Ḫuzirīna / 2c Ḫuzirīna

22

VAT 12240 VAT 11857 SU 51/58 + 127

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

DbW 27; BCM 17

14–23 (BCM) bzw. 15–23 (DbW) 35–49, 103– 107 36–83, 84– 129

Y

CT 13 21

F C+D

74–92, 93– 119 136–146, Kol. 17–45

G

I

BCM 17

39–54, 105– 121 51–70, 105– 111 (BCM) bzw. 105– 110 (DbW) 62–70

BCM 17

44–54



STT I 3

1–73, 74– 146, Stichz., Kol. 1–13, Kol.

L

LKA 6

SU 51/23A

STT I 4

SU 51/47 + unnummeriertes Fragment

STT I 5 (51/47); BCM 17 (Fragment)

23–64, 99– 143

X R

J



(= Taf. V F)

M N

Ggf. gehören ANin und BNin zur selben Tontafel (LAMBERT 2013, S. 84). Siehe Anm. 22. 24 Ggf. gehören HAss bis JAss zur selben spät-mittelassyrischen Tontafel (L AMBERT 2013, S. 84). 25 Siehe Anm. 24. 26 Siehe Anm. 24. 23

460

Textzeugenverzeichnis

Sigle BCM

erw. Sigle

Paläographie

Fundort / Tafeltyp

Museums-/ Grabungsnummer SU 51/167 (BCM) bzw. SU 51/167A (DbW) SU 51/245 SU 52/243 + 385

N27

NHuz

assyr.

Ḫuzirīna

O28 P29

OHuz PHuz

assyr. assyr.

Ḫuzirīna Ḫuzirīna



neu: QNin

assyr.

Ninive

K 3473 + 79-7-8,296 + Rm 615

neu: RAss

assyr.

Assur

aunb

babyl.

b

bunb

c

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

STT I 6

82–91, 92– 100

O

STT I 7 STT I 8 (SU 52/243), STT II 115 (SU 52/385) SMITH 1887, 1– 5; CT 13 7–9

138–144 121–139

P Q

1 = Stichz.

A

VAT 10663

KAR 173

1 = Stichz.

H

BM 93016 [82-918,3737] F2

CT 13 14f.

cunb

babyl.

unb.

BM 93051

CT 13 20

d

dunb

babyl.

unb.

VAT 6485

WEIDNER 1926, S. 123

e

eunb:2a

babyl.

unb. / 2a

DbW 27; BCM 17

f

funb:2a

babyl.

unb. / 2a

g h

gunb hunb:2a

babyl. babyl.

unb. unb. / 2a

BM 33891 [Rm IV 453] BM 33824 [Rm IV 384] F 221 BM 37395 [80-617,1152] BM 37573 [80-617,1330]

1–44, 116– 146, Stichz., Kol. 26–35, 119– 125 42–54, 85– 94 64–74 (BCM) bzw. 63–74 (DbW), 75– 84 1–7

B

babyl.

unb. (Kol.: Borsippa) unb.

(= Taf. III A)



(= Taf. III D)

a

(–)

(= Taf. III ANin)

(= Taf. III DAss) (= Taf. V h unb)

27

BCM 17

(= Taf. III B)

(= Taf. III F)

(= Taf. V A)

– E S

Z

DbW 22; BCM 18

70–76

T

BCM 18 DbW 26; BCM 18

85–90 88–93 (BCM) bzw. 90–93 (=V), 88–92 (=W) (DbW)30

– V (+W) W (+V)

Ggf. gehören NHuz bis PHuz zur selben Tontafel (LAMBERT 2013, S. 85). Siehe Anm. 27. Siehe Anm. 27. 30 Abweichend hierzu gibt Petra Gesche den Umfang des Textvertreters (nur BM 37395) mit „Vs. Enūma eliš IV 90–93; Enūma eliš VI; Rs. Hh XIV?“ an (2000, S. 678). Die Kopie von Wilfred Lambert scheint jedoch nicht zu bestätigen, dass auch Zeichen der sechsten Tafel des Werkes auf dem Textzeugen erhalten sind (2013, Plate 18). 28 29

461

a) nach Tafeln Sigle BCM

erw. Sigle

Paläographie

Fundort / Tafeltyp

(= Taf. V j)

(= Taf. V a unb31)

iunb

babyl.

unb.

j

junb:2a

babyl.

unb. / 2a

k

kunb:2a

babyl.

unb. / 2a



neu: lBab:Pr

babyl.

Babylon / Prisma32

erw. Sigle

Paläographie

Fundort / Tafeltyp

ANin

assyr.

Ninive

i

Museums-/ Grabungsnummer BM 69953 + 99871 [82-918,9953 + 83-121,2233] BM 36667 [80-617,399] BM 36387 [80-617,113] VAT 17489

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

DbW 28f.; BCM 18

144–146

AA

DbW 26; BCM 18

9–13

U

GESCHE 2000, 249; BCM 18

33–37

K

VAN DIJK 1987, Pl. 41

17



aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

CT 13 23

1–18, 154– 156; Stichz.

C

1–27 (BCM) bzw. 1–26 (DbW), Stichz., Kol. 6–16 (+3 weitere apokryphe Zeilen) 1, 14–22, 144–156 [148 fehlend], Stichz., Kol.

B

(= Taf. V L)

Tafel V Sigle BCM A

(–)

(= Taf. VI NNin)

B

Museums-/ Grabungsnummer K 8526

(–)

(= Taf. VI ONin)

BNin

assyr.

Ninive

K 3567 + 8588

CT 13 22

C

CNin

assyr.

Ninive

K 13774

STC I 191

DNin

assyr.

Ninive

K 5661 + K 11641

STC I 192–193 (K 11641), LANDSBERGER, KINNIER WILSON 1961, S. 155 (K 5661); BCM 19 (alle)

D33 (–)

(= Taf. VI PNin)

31

(= Taf. VI C) (= Taf. VI B)

H

I

(= Taf. VI K)

Die erweiterten Siglen für Textvertreter mit babylonischer Schrift weichen bei der fünften Tafel von den Lambert-Siglen ab, siehe Anm. 36. 32 Es handelt sich um eine Pyramide aus gleichseitigen Dreiecken mit Auszügen literarischer Texte auf der Grundfläche (VAN DIJK 1987, S. 15). 33 Ggf. gehören DNin und GNin zur selben Tontafel (KÄMMERER, METZLER 2012, S. 97 Anm. 3).

462

Textzeugenverzeichnis

Sigle BCM

erw. Sigle

Paläographie

Fundort / Tafeltyp

E

ENin

assyr.

Ninive

F34

FNin

assyr.

Ninive

G35

GNin

assyr.

H

HHuz

I –

(= Taf. IV K)

j

(–)

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

19–58, 91– 156 [96, 98, 100, 103, 149 fehlend]

E+

K 14949

CT 13 24f. (K 3445 + Rm 396); DbW 31 (17124); BCM 19 (17124) CT 13 24

D

Ninive

79-7-8,47

STC I 194

assyr.

Ḫuzirīna

SU 51/98

STT I 12

IAss

assyr.

Assur

BCM 19

neu: JHuz

assyr.

Ḫuzirīna

VAT 12915 SU 51/58+127

98–110 (BCM) bzw. 99–110 (DbW) [100, 114 fehlend] 78–80 (BCM) bzw. 77–80 (DbW) 48–93 (BCM) bzw. 47–93 (DbW), 107–140 91–100 [97 fehlend] 1 = Stichz.

neu:36 aunb

babyl.

unb.

BM 69953 + 99871

DbW 28f.; BCM 18

1–12, 35–51

neu: bunb:2a

babyl.

unb. / 2a

BM 61433 [82-918,1407]

8–12

K

neu: cunb:2a

babyl.

unb. / 2a

BM 76380[AH 83-118,1748]

LEICHTY 1977, S. 145, DbW 32; BCM 19 BCM 20

12–17



(= Taf. IV KHuz )

(= Taf. IV i unb)

k

l

34

Museums-/ Grabungsnummer K 3445 + 17124 + Rm 396

STT I 3

J

G

– F

(= Taf. IV L)

L

(= Taf. IV AA)

Ggf. gehören FNin und GNin zur selben Tontafel (LAMBERT 2013, S. 96). Siehe Anm. 33 und 34. Möglicherweise handelt es sich um drei Fragmente einer Tontafel. 36 Anders als auf den Tafeln I–IV sowie VI–VII weicht Wilfred Lambert bei der Vergabe der Siglen für die Tafel V ab. In der Regel beginnt er neu im Alphabet, um den Textzeugen mit babylonischer Schrift Kleinbuchstaben als Sigle zuzuordnen. Anders verhält es sich bei der Tafel V, für die er fortlaufende Buchstaben sowohl für assyrisch wie auch für babylonisch geschriebene Tontafeln verwendet (LAMBERT 2013, S. 96f.). Um das System zu vereinheitlichen, wird daher die Notation für die erweiterten Siglen angepasst und die babylonischen Siglen beginnend mit a vergeben. 35

463

a) nach Tafeln Sigle BCM

erw. Sigle

Paläographie

Fundort / Tafeltyp

m

neu: dunb:2a

babyl.

unb. / 2a

n

neu: eunb:2a

babyl.

unb. / 2a

o

neu: funb:2a

babyl.

unb. / 2a

p

neu: gunb:2a

babyl.

unb. / 2a



neu: hunb

babyl.

unb. (Kol.: Borsippa)

(= Taf. IV a)

(= Taf. IV a unb)

Museums-/ Grabungsnummer BM 55099 [82-522,1431] BM 46567 [81-830,33] BM 43969 [81-71,1730] BM 54609 (+) 136879 [82-522,929 (+) 1785] BM 93016

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

DbW 32; BCM 20

M

BCM 20

19–22 (BCM) bzw. 19–23 (DbW) 33–37

BCM 20

127–130



BCM 20

150–152



CT 13 14f.

1 = Stichz.

A

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

KAR 164

1–166, Stichz., Kol.

F

LKA 7

1–28, 142– 166

G

KAR 356; BCM 21 CT 13 24 (K 12000b); BCM 21 (alle)

1–6, 8



21–47 (BCM) bzw. 21–46, weitere Zeichenspuren (DbW)

E



(= Taf. IV B)

Tafel VI Sigle BCM

erw. Sigle

Paläographie

Fundort / Tafeltyp

A

AAss

assyr.

Assur

B

BAss

assyr.

Assur

C

CAss

assyr.

Assur

D

DNin

assyr.

Ninive

(–)

(–)

(= Taf. VII LAss)

(= Taf. VII M Ass)

Museums-/ Grabungsnummer VAT 9676 [AssurFoto 6563/4] Assur 11600b [AssurFoto 2551/2 A 512] VAT 1136337 K 12000b + 13878 + 13886 + 16062

(= Taf. VII D)

(= Taf. VII E)

37 Hierbei handelt es sich um die korrekte Nummer; VAT 11263 ist falsch (LAMBERT 2013, S. 108).

464

Textzeugenverzeichnis

Sigle BCM

erw. Sigle

Paläographie

Fundort / Tafeltyp

E38

ENin

assyr.

Ninive

F39

FNin

assyr.

Ninive

40

GNin

assyr.

H

HNin

I41 J

Museums-/ Grabungsnummer K „unnummeriert“ = K 8512

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

WEIDNER 1936/37, S. 73; DbW 34–36; BCM 21

28–51 (BCM) bzw. 29–51 (DbW), 135–147 40–48; 117– 126 74–82, 83– 95 85–97, 98– 110 139–148 149–157

O+

Ninive

K 13867 + 19614 K 3449a

DbW 39 (nur RS); BCM 21 CT 13 23

assyr.

Ninive

K 9883

INin JNin

assyr. assyr.

Ninive Ninive

K

KKal

assyr.

Kalḫu

K 5923 13865 + 21865 ND 3416

DbW 38; BCM 22 DbW 37 DbW 39; BCM 22 WISEMAN 1953, S. 150; cf CTN 4 200*; BCM 22

L

LHuz

assyr.

Ḫuzirīna

SU 51/237

STT I 14A

M

MHuz

assyr.

Ḫuzirīna

SU 52/60

STT I 9



neu: NNin

assyr.

Ninive

K 8526

neu: ONin

assyr.

Ninive

neu: PNin

assyr.

aunb

babyl.

G

(= Taf. V A)



(= Taf. V B)



(= Taf. V D)

a (–)

(= Taf. V ANin)

(= Taf. V B Nin)

38

T S U P

J

CT 13 23

13–25, 27f. (BCM) bzw. 13–28 (DbW) 32–87 (BCM) bzw. 33–87 (DbW), 88– 137, 146 1 = Stichz.

C

K 3567 + 8588

CT 13 22

1 = Stichz.

B

Ninive

K 5661 + K 11641

1 = Stichz.

K

unb.

BM 92629 [82-918,7406]

STC I 192–193 (K 11641), LANDSBERGER, KINNIER WILSON 1961, S. 155 (K 5661) STC II 35–37

1–21 (BCM) bzw. 1–22 (DbW), 158–166, Stichz., Kol.

L

Ggf. gehören ENin und INin zur selben Tontafel (LAMBERT 2013, S. 108). Ggf. gehören FNin und GNin zur selben Tontafel (LAMBERT 2013, S. 108). 40 Siehe Anm. 39. 41 Siehe Anm. 38. 39

D

81–91 (BCM) bzw. 82– 91(DbW)

(= Taf. V DNin)

(= Taf. VII j unb)

V

I

(= Taf. V C)

(= Taf. V B)

(= Taf. V I)

(= Taf. VII O)

465

a) nach Tafeln Sigle BCM

erw. Sigle

Paläographie

Fundort / Tafeltyp

b

bKiš

babyl.

Kiš

c

cUruk

babyl.

Uruk

W 17718 jg+lg

d

dunb:2a

babyl.

unb. / 2a

e

eunb:2a

babyl.

unb. / 2a

f

funb:2a

babyl.

unb. / 2a

g

gunb:2a

babyl.

unb. / 2a

h

hunb:2a

babyl.

i

iunb:2a

j

jMet

(–)

(= Taf. VII k Met )

Museums-/ Grabungsnummer 1924182842 + 1926-373 + 374

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

OECT 6 36f. (373+374); BCM 23f. (alle)

M

Foto: VON SODEN 1942, S. 19; DbW 33; BCM 2543

3–57 (BCM) bzw. 4–55 (DbW), 59– 64 (BCM) bzw. 60–64 (DbW), 97– 165 (BCM) bzw. 98– 105, 106– 165 (DbW) 28–32 (BCM) bzw. 29–82 (DbW)

BM 33572 [Rm IV 128] BM 37991 [80-617,1820]

BCM 26

2–7



GESCHE 2000, 315; BCM 26

29–33 (BCM) bzw. 29–32 (DbW)

H

BM 38043 [80-617,1872] BM 37927 [80-617,1756]

DbW 39; BCM 26

68–70

W

DbW 40; BCM 26

X

unb. / 2a

BM 54855 [82-522,1184]

DbW 37; BCM 26

babyl.

unb. / 2a

DbW 37; BCM 26

babyl.

MêTurnat

BM 55380 [82-522,1713] IM 121284

80–85 (BCM) bzw. 161–163 (DbW) 51–60 [om. 53f.] (BCM) bzw. 52–61 (DbW) 130–137 2–81, 84– 166, Stichz., Kol.

A

AL-RAWI, BLACK 1994, S. 136–139

N

Q

R

(= Taf. VII A)

42 Thomas Kämmerer und Kai Metzler schreiben hier allgemein von einem „Fragment now joined to bottom of 373+374“, ohne eine Museums- oder Grabungsnummer zu nennen (2012, S. 100). Nach Eleanor Robson handelt es sich dabei um das Fundstück 1924-1828 (2004, S. 48), was durch die Edition von Wilfred Lambert bestätigt wurde (2013, S. 109). 43 Da der Textzeuge im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde, basiert die Kopie von Wilfred Lambert auf Fotos, die von den Tafelfragmenten erstellt wurden (L AMBERT 2013, S. 109).

466

Textzeugenverzeichnis

Tafel VII Sigle BCM

erw. Sigle

Paläographie

Fundort / Tafeltyp

A

ANin

assyr.

Ninive

B

BNin

assyr.

Ninive

C

CNin

assyr.

D44

DNin

E

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

1–23

J+

K 8522

STC I 159 (K 2854); DbW 52 (K 15650 + 17249); BCM 27 (alle) CT 13 26f.

B

Ninive

K 9267

CT 13 28

assyr.

Ninive

K 17095

DbW 43; BCM 27

ENin

assyr.

Ninive

K 13761

STC I 164

F45

FNin

assyr.

Ninive

K 17591

G46 H47

GNin HNin

assyr. assyr.

Ninive Ninive

K 12830 K 18576

DbW 43; BCM 27 STC I 163 DbW 43; BCM 27

15–45, 125– 157 40–47, 129– 158 [om. 138–143] 55–60 (BCM) bzw. 54–60 (DbW) 79–83, 84– 95 87–91

K U

I

IAss

assyr.

Assur

J

JHuz

assyr.

Ḫuzirīna

Ass. 11600e (bzw. Ass. 11690) [A 154] SU 51/63 + 52/102 (+) 51/87 (+) 52/389

113–120 123–128 (BCM) bzw. 123–127 (DbW) 42–84, 85– 124

STT I 10 (+) STT II 262; BCM 27 (nur Z. 159–162)

H

K

KHuz

assyr.

Ḫuzirīna

SU 51/62

STT I 11



neu: LAss

assyr.

Assur

VAT 9676

KAR 164

1–16, 29–72 (BCM) bzw. 29–70 (DbW), 101–131, 150–162, Kol. 59–87, 88– 121 (BCM) bzw. 88– 121a (DbW) 1 = Stichz.

(= Taf. VI A)

44

Museums-/ Grabungsnummer K 2854 + 15650 + 17249

LKA 8; BCM 28–30

(= Taf. VI AAss)

Ggf. gehören DNin, FNin, GNin und HNin zur selben Tontafel (LAMBERT 2013, S. 122). Siehe Anm. 44. 46 Siehe Anm. 44. 47 Siehe Anm. 44. 45

C S

L T

F

I

D

(= Taf. VI F)

467

a) nach Tafeln Sigle BCM

erw. Sigle

Paläographie

Fundort / Tafeltyp



neu: MAss

assyr.

Assur

a

aunb

babyl.

unb.

b

bunb

babyl.

unb.

c

cunb

babyl.

unb.

d

dunb:2a

babyl.

unb. / 2a

e

eunb:2a

babyl.

unb. / 2a

f

funb:2a

babyl.

unb. / 2a

g

gUruk

babyl.

Uruk

h

hunb:2a

babyl.

unb. / 2a

BM 37379

i

iunb:2a

babyl.

unb. / 2a

BM 39798 [80-1112,1685]

(= Taf. VI B)

(= Taf. VI B Ass)

Museums-/ Grabungsnummer Assur 11600b BM 91139 + 93073 + 4 unnummerierte Fragmente [82-9-18, 12220 + 5467] BM 35506 + 99642 [Sp III 12 + 83-121,2004] F 217 [806-17] BM 55114 + 55194 [82-522,1446 + 1526] BM 47889 [81-113,596] BM 37562 [80-617,1319] VAT 14511 + W 17718 vw +W 17721b

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

LKA 7

1 = Stichz.

E

STC II 38–45; BCM 31f.

3–40, 126– 164 (BCM) bzw. 126– 161 (DbW)

P

STC II 46–48 (12); BCM 27 (2004)

14–36, 124– 162 [128, 158, 161 fehlend], Kol. 2–8

Q

DbW 42; BCM 34

6–12

R

BCM 34

33–36



BCM 34

145–150



LKU 38 (VAT 14511) + VON SODEN 1942, S. 8–17 (W 17718vw + 17721); DbW 41 (W 17718vw + 17721); BCM 33 (W 17718vw + 17721)48 DbW 43; BCM 34 BCM 34

21–45, 114– 156

G

59–67

V

65–77



BCM 27

48 Da der Textzeuge im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde, basiert die Kopie von Wilfred Lambert auf Fotos, die von den Tafelfragmenten erstellt wurden (L AMBERT 2013, S. 123).

(= Taf. VI G)



468

Textzeugenverzeichnis

Sigle BCM

erw. Sigle

Paläographie

Fundort / Tafeltyp



neu: junb

babyl.

unb.

neu: kMet

babyl.

MêTurnat

(= Taf. VI a)



(= Taf. VI j)

(= Taf. VI a unb)

(= Taf. VI j Met )

Museums-/ Grabungsnummer BM 92629

IM 121284

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

STC II 35–37

1 = Stichz.

O (= Taf.

AL-RAWI, BLACK 1994, S. 136–139

1 = Stichz.

A

VI L)

(= Taf. VI A)

Nachrichtlich: bei KÄMMERER, METZLER 2012 abweichend als Textzeuge der Taf. VII angeführt (S. 104): BCM S. 142

Paläographie

Fundort / Tafeltyp

Museums-/ Grabungsnummer K 8519

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

3-spaltige Götterliste

assyr.

Ninive

STC I 165

91, 93, 95, 96 (BCM) bzw. 92–96, 97–106 (DbW) 91–99 (BCM) bzw. 95–99 (DbW)

M

3-spaltige Götterliste

assyr.

Ninive

K 13337 + 18101

STC I 166

Museums-/ Grabungsnummer 1924–2055

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

OECT 11, 53

unb.



N (nur K 13337)

nicht zugeordnet Sigle BCM

erw. Sigle

Paläographie

Fundort / Tafeltyp

–49

neu: αKiš

babyl.

Kiš

b) nach Fundorten Assur Tafel

Sigle BCM

erw. Sigle

I

K50

KAss

Paläographie / Tafeltyp assyr.

Museums-/ Grabungsnummer VAT 10152 + 10652 + 10392 + 12951

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

KAR 162 (VAT 10152), KAR 163 (VAT 10652), KAR 313 (VAT 10392+12951)

1–27, 52– 80, 128– 137, 140– 150

J

49 Der Hinweis auf dieses Fragment stammt von Eleanor Robson (2004, S. 48; siehe auch § 2.1.1. Anm. 5). Oliver Gurney schreibt „small fragment resembling Enūma eliš“ (1989, S. 8). 50 Ggf. gehören KAss und LAss zur selben Tontafel (LAMBERT 2013, S. 46)

469

b) nach Fundorten Tafel

Sigle BCM

erw. Sigle

Museums-/ Grabungsnummer VAT 9873

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

LAss

Paläographie / Tafeltyp assyr.

I

L51

KAR 314

K

M52

MAss

assyr.

VAT 9668

KAR 118

53

NAss

assyr.

VAT 9677

KAR 117

O

OAss

assyr.

VAT 10346

KAR 317

I

P

PAss

assyr.

VAT 10997

KAR 315

I

Q

QAss

assyr.

LKA 3

I

R

R1Ass:2a

VAT 14109 + 14149 + 14147 VAT 10071 VAT 10756 VAT 14125 VAT 10345 Ass. 11600f [AssurFoto 2553 A 517]

83–113 [om.107] 2–26, 134– 160 52–78, 79– 104 33–51 [om. 37f., 43f., 47], 108– 118 (BCM) bzw. 109– 118 (+ 120– 121?) (DbW) 50–68 [om. 61f.] (BCM) bzw. 49–69 (DbW) 54–126

I I

N

I

BWL pl. 73

22f.

DD

24f.

EE

BCM 2

75–85



BCM 2

137–149



LKA 4

4–23, 30–49 (BCM) bzw. 4–49 (DbW), 130–162 [om. 141f.], Stichz., Kol. 16–27, 137– 146 32–48, 120– 136 (BCM) bzw. 120– 138 (DbW)

I

I

T

TAss

assyr. / 2a assyr. / 2a assyr.

I

U

UAss

assyr.

I

R2Ass:2a

II

(–)

G

(= Taf. III FAss:2c )

GAss:2c

assyr. / 2c

II

H54

HAss

assyr.

II

I55

IAss

assyr.

51

VAT 10585 VAT 9971

LKA 5 KAR 5

I H M

L

N

(= Taf. III G)

J H

Siehe Anm. 50. Ggf. gehören MAss und NAss zur selben Tontafel (KÄMMERER, METZLER 2012, S. 82 Anm. 2). 53 Siehe Anm. 52. 54 Ggf. gehören HAss und IAss zur selben Tontafel (LAMBERT 2013, S. 61). 55 Siehe Anm. 54.

52

470

Textzeugenverzeichnis

Tafel

Sigle BCM

erw. Sigle

II

J

JAss

Paläographie / Tafeltyp assyr.

III

D

DAss

assyr.



neu: FAss:2c

assyr. / 2c

III

(= Taf. II G)

(= Taf. II GAss:2c )

IV

F

FAss

assyr.

IV

G

GAss

assyr.

IV

H56

HAss

assyr.

IV

I57

IAss

assyr.

IV

J58

JAss

assyr.



neu: RAss

assyr.

IAss

assyr.

AAss

assyr.

BAss

assyr.

IV

(= Taf. III D)

V

I

VI

A

(–)

VI

B

(–)

56

(= Taf. III DAss)

(= Taf. VII LAss)

(= Taf. VII M Ass)

Museums-/ Grabungsnummer VAT 14037 + 14192 + 14196 + 14200 (+) unnummeriertes Fragment VAT 10663 Ass. 11600f [AssurFoto 2553 A 517] VAT 10552 + 10659 + 10660 VAT 10898 VAT 10579 VAT 12240 VAT 11857 VAT 10663 VAT 12915 VAT 9676 [AssurFoto 6563/4] Assur 11600b [AssurFoto 2551/2 A 512]

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

BCM 10

44–57, 59– 94 [om. 63f., 75f., 79f.], 102– 108, 118– 146 [om. 141f.]



KAR 173

1–13, 127– 138

F

LKA 4

1 = Stichz.

G

KAR 316 (nur 10659); WEIDNER 1952/53, Taf. 14 (alle) KAR 318

17–45

R

I

BCM 17

39–54, 105– 121 51–70, 105– 111 (BCM) bzw. 105– 110 (DbW) 62–70



BCM 17

44–54



KAR 173

1 = Stichz.

H

BCM 19

91–100 [97 fehlend] 1–166, Stichz., Kol.



LKA 6

KAR 164

LKA 7

1–28, 142– 166

(= Taf. IV H) (= Taf. II I)

J

(= Taf. III F)

F

(= Taf. VII D)

G

(= Taf. VII E)

Ggf. gehören HAss bis JAss zur selben spät-mittelassyrischen Tontafel (L AMBERT 2013, S. 84). Siehe Anm. 56. 58 Siehe Anm. 56. 57

471

b) nach Fundorten Tafel

Sigle BCM

erw. Sigle

VI

C

CAss

Paläographie / Tafeltyp assyr.

VII

I

IAss

assyr.



neu: LAss

assyr.

neu: MAss

assyr.

VII

VII

(= Taf. VI A)



(= Taf. VI B)

(= Taf. VI AAss)

Museums-/ Grabungsnummer VAT 1136359 Ass. 11600e (bzw. Ass. 11690) [A 154] VAT 9676

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

KAR 356; BCM 21 LKA 8; BCM 28–30

1–6, 8



42–84, 85– 124

F

KAR 164

1 = Stichz.

D

Assur 11600b

LKA 7

1 = Stichz.

E

Paläographie / Tafeltyp babyl. / Prisma60

Museums-/ Grabungsnummer VAT 17489

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

VAN DIJK

17



aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

STT I 1

V

STT I 2

41–79, 86– 120 2–27 [25 fehlend], 159–162, Stichz., Kol. 1 = Stichz.

(= Taf. VI B Ass)

(= Taf. VI F)

(= Taf. VI G)

Babylon Tafel

Sigle BCM

erw. Sigle

IV



neu: lBab:Pr

Pl. 41

1987,

Ḫuzirīna Tafel

Sigle BCM

erw. Sigle

I

S

SHuz

Paläographie / Tafeltyp assyr.

II

III

IV IV

(–)

(= Taf. III GHuz )

LHuz

assyr.

Museums-/ Grabungsnummer SU 52/87 + SU 52/94 SU 51/132



neu: GHuz

assyr.

SU 51/132

STT I 2

L

(= Taf. II L)

K

(= Taf. II LHuz )

(–)

(= Taf. V JHuz )

KHuz

assyr.

SU 51/58 + 127

STT I 3

L

LHuz:2c

assyr. / 2c

SU 51/23A

STT I 4

1–73, 74– 146, Stichz., Kol. 1–13, Kol.

M

(= Taf. III J)

J

(= Taf. II M)

L

(= Taf. V F)

M

59 Hierbei handelt es sich um die korrekte Nummer; VAT 11263 ist falsch (LAMBERT 2013, S. 108). 60 Es handelt sich um eine Pyramide aus gleichseitigen Dreiecken mit Auszügen literarischer Texte auf der Grundfläche (VAN DIJK 1987, S. 15).

472

Textzeugenverzeichnis

Tafel

Sigle BCM

erw. Sigle

IV

M

MHuz

Paläographie / Tafeltyp assyr.

IV

N61

NHuz

assyr.

IV IV

O62 P63

OHuz PHuz

assyr. assyr.

V

H

HHuz

assyr.

SU 51/98



neu: JHuz

assyr.

SU 51/58+127

STT I 3

LHuz

assyr.

SU 51/237

STT I 14A

V

(= Taf. IV K)

(= Taf. IV KHuz )

Museums-/ Grabungsnummer SU 51/47 + unnummeri ertes Fragment SU 51/167 (BCM) bzw. SU 51/167A (DbW) SU 51/245 SU 52/243 + 385

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

STT I 5 (51/47); BCM 17 (Fragment) STT I 6

23–64, 99– 143

N

82–91, 92– 100

O

138–144 121–139

P Q

48–93 (BCM) bzw. 47–93 (DbW), 107–140 1 = Stichz.

G

STT I 7 STT I 8 (SU 52/243), STT II 115 (SU 52/385) STT I 12

VI

L

VI

M

MHuz

assyr.

SU 52/60

STT I 9

VII

J

JHuz

assyr.

SU 51/63 + 52/102 (+) 51/87 (+) 52/389

STT I 10 (+) STT II 262; BCM 27 (nur Z. 159–162)

VII

K

KHuz

assyr.

SU 51/62

STT I 11

61

13–25, 27f. (BCM) bzw. 13–28 (DbW) 32–87 (BCM) bzw. 33–87 (DbW), 88– 137, 146 1–16, 29–72 (BCM) bzw. 29–70 (DbW), 101–131, 150–162, Kol. 59–87, 88– 121 (BCM) bzw. 88– 121a (DbW)

Ggf. gehören NHuz bis PHuz zur selben Tontafel (LAMBERT 2013, S. 85). Siehe Anm. 61. 63 Siehe Anm. 61. 62

F

(= Taf. IV L)

J

I

H

I

473

b) nach Fundorten

Kalḫu Tafel

Sigle BCM

erw. Sigle

II

K

KKal

Paläographie / Tafeltyp assyr.

VI

K

KKal

assyr.

Tafel

Sigle BCM

erw. Sigle

I

a

aKiš

Paläographie / Tafeltyp babyl.

III

f

fKiš

babyl.

Museums-/ Grabungsnummer IM 60953 [ND 6208] ND 3416

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

CTN 4 200; BCM 9 WISEMAN 1953, S. 150; cf CTN 4 200*; BCM 22

148–158

G

81–91 (BCM) bzw. 82– 91(DbW)

P

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

OECT 6 pl. 31– 35 (1924-790)

1–97, 103– 162

FF

OECT 6, 37; BCM 15

77–93 (BCM)

Taf. I GG

3–57 (BCM) bzw. 4–55 (DbW), 59– 64 (BCM) bzw. 60–64 (DbW), 97– 165 (BCM) bzw. 98– 105, 106– 165 (DbW) unb.

M

Kiš Museums-/ Grabungsnummer 1924-790 (bzw. 1927-71)64 + 19241813 + 2081 1926–375

VI

b

bKiš

babyl.

1924182865 + 1926-373 + 374

OECT 6 36f. (373+374); BCM 23f. (alle)

unb.

–66

neu: αKiš

babyl.

1924–2055

OECT 11, 53

64

(nur: 1924-790)

(Zeilen 129–144)



In der Auflistung der Textzeugen (LANGDON 1927, S. XVI) und bei der Kopie (IBID, Pl. XXXI–XXXV) wird die Kennung als 1927–71 wiedergeben. Dabei handelt es sich vermutlich um ein Privatsystem von Stephen Langdon (GURNEY 1989, S. 1 Anm. 1). Bei der Transliteration steht die richtige Kennzeichnung als 1924–790 (LANGDON 1927, S. 88). Siehe auch KÄMMERER, METZLER 2012, S. 85 und LAMBERT 2013, S. 46. 65 Thomas Kämmerer und Kai Metzler schreiben hier allgemein von einem „Fragment now joined to bottom of 373+374“, ohne eine Museums- oder Grabungsnummer zu nennen (2012, S. 100). Nach Eleanor Robson handelt es sich dabei um das Fundstück 1924-1828 (2004, S. 48), was durch die Edition von Wilfred Lambert bestätigt wurde (2013, S. 109). 66 Der Hinweis auf dieses Fragment stammt von Eleanor Robson (2004, S. 48; siehe auch § 2.1.1. Anm. 6). Oliver Gurney schreibt „small fragment resembling Enūma eliš“ (1989, S. 8).

474

Textzeugenverzeichnis

Mê-Turnat Tafel VI

Sigle BCM j

VII

erw. Sigle jMet

Paläographie / Tafeltyp babyl.

Museums-/ Grabungsnummer IM 121284

(–)

(= Taf. VII k Met )



neu: kMet

babyl.

IM 121284

erw. Sigle ANin

Paläographie / Tafeltyp assyr.

Museums-/ Grabungsnummer K 5419,c

BNin

assyr.

K 7871 + 4488 + 16969

(= Taf. VI j)

(= Taf. VI j Met )

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

AL-RAWI, BLACK 1994, S. 136–139 AL-RAWI, BLACK 1994, S. 136–139

2–81, 84– 166, Stichz., Kol. 1 = Stichz.

A

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

CT 13 1

1–16, Stichz., Kol.

A

33–63[om. 35]

W+X+

34–42 [om. 36] 124–140

PP

31–57 (BCM) bzw. 31–58 (DbW), 137–162 33–42, 148– 162 58–76, 77– 82

C

(= Taf. VII A)

A

(= Taf. VI A)

Ninive Tafel

Sigle BCM A67

I

(–)

68

(= Taf. II M Nin)

I

B

I

C69

CNin

assyr.

K 17842

I

D70

DNin

assyr.

I

E

ENin

assyr.

K 8524 + 13093 + 22093 81-7-27,80

STC I 183 (7871); STC I 185 (4488); DbW 2 (16969); BCM 1 (alle) DbW 10; BCM 1 CT 13 12 (8524); BCM 1 (alle) CT 13 2

I

F

FNin

assyr.

K 3938

CT 13 3

I

G

GNin

assyr.

Rm 504 + K 13299

EG pl. 29 (Rm 504); N.A.B.U. 87/70, 87/100 (K 13299, nur Transl.); DbW 7 (alle, nur VS); BCM 2 (alle)

67

Ggf. gehören ANin bis DNin zur selben Tontafel (LAMBERT 2013, S. 45). Siehe Anm. 67. 69 Siehe Anm. 67. 70 Siehe Anm. 67. 68

(= Taf. II Abis)

E+

D HH

475

b) nach Fundorten Tafel

Sigle BCM

erw. Sigle

I

H71

I I

I72 J

(= Taf. II A)

II

A

HNin

Paläographie / Tafeltyp assyr.

Museums-/ Grabungsnummer Rm 982 + 80-7-18, 178

INin JNin:mk

assyr. assyr.

Sm 1829 BM 98909 [Th. 19054-9,415]

BCM 2 CT 34 18

CT 34 18

1–6

F

BCM 9 DbW 17; BCM 9

24–28 44–70 [67 fehlend] (BCM) bzw. 44–71 (DbW), 97– 108 32–58, 126– 160 93–99, 100– 109 153–162, Stichz., Kol.

– U

(= Taf. II ANin:mk)

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

CT 13 31

60–64, 66– 79 (BCM) bzw. 60–79 (DbW), 80–101 [om. 82, 84] 115–119 44–53, 160– 162, Kol.

F

– G

(= Taf. II F)

(= Taf. I J)

(= Taf. I JNin:mk)

ANin:mk

assyr.

II II

B73 C74

BNin CNin

assyr. assyr.

BM 98909 [Th. 19054-9,415] K 11653 K 9511

II

D

DNin

assyr.

K 4832

CT 13 5

II

E

ENin

assyr.

79-7-8,178

CT 13 6

FNin

assyr.

K 292

CT 13 6

neu: MNin

assyr.

K 5419,c

CT 13 1

1 = Stichz.

Abis

K 3473 + 79-7-8,296 + Rm 615 K 6650 + 13782

SMITH 1887, 1– 5; CT 13 7–9

1–85, 86– 138

B

38–61; ggf. auch 96– 116 (BCM)

C+

69–76, 77– 85 1 = Stichz.

E

II

F

(–)

II



(= Taf. I A)

(= Taf. III E Nin)

(= Taf. I ANin)

III

A

ANin

assyr.

III

B

BNin

assyr.

III

C

CNin

assyr.

K 8575

CT 13 9 (6650); DbW 19 (13782); BCM 15 (13782) CT 13 12



neu: ENin

assyr.

K 292

CT 13 6

III

(= Taf. II F)

71

(= Taf. II FNin)

Ggf. gehören HNin und INin zur selben Tontafel (LAMBERT 2013, S. 45). Siehe Anm. 71. 73 Ggf. gehören BNin und CNin zur selben Tontafel (LAMBERT 2013, S. 61) 74 Siehe Anm. 73. 72

(= Taf. I G)

C D E

(= Taf. III A) (= Taf. I A)

(= Taf. IV A)

A

(= Taf. II E)

476

Textzeugenverzeichnis

Tafel

Sigle BCM

erw. Sigle ANin

Paläographie / Tafeltyp assyr.

Museums-/ Grabungsnummer K 16706

IV

A75

IV

B76

BNin

assyr.

79-7-8,251

CT 13 20

IV

C

CNin

assyr.

CT 13 16–19; DbW 24f.

IV

D

DNin

assyr.

K 3437 + Rm 641 + Rm II 83 (BCM) bzw. Rm 283 (DbW) K 5420,c

IV

E

ENin

assyr.

K 11863



neu: QNin

assyr.

K 3473 + 79-7-8,296 + Rm 615

ANin

assyr.

K 8526

CT 13 23

1–18, 154– 156; Stichz.

C

1–27 (BCM) bzw. 1–26 (DbW), Stichz., Kol. 6–16 (+3 weitere apokryphe Zeilen) 1, 14–22, 144–156 [148 fehlend], Stichz., Kol.

B

19–58, 91– 156 [96, 98, 100, 103, 149 fehlend]

E+

IV

(= Taf. III A)

V

A

(–)

V

B

V

V

75

(= Taf. VI NNin)

Umfang

Sigle DbW

DbW 27; BCM 17

14–23 (BCM) bzw. 15–23 (DbW) 35–49, 103– 107 36–83, 84– 129

Y

CT 13 21 DbW 27; BCM 17 SMITH 1887, 1– 5; CT 13 7–9

(–)

(= Taf. VI ONin)

BNin

assyr.

K 3567 + 8588

CT 13 22

C

CNin

assyr.

K 13774

STC I 191

STC I 192–193 (K 11641), LANDSBERGER, KINNIER WILSON 1961, S. 155 (K 5661); BCM 19 (alle) CT 13 24f. (K 3445 + Rm 396); DbW 31 (17124); BCM 19 (17124)

D77

V

(= Taf. III ANin)

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

(–)

(= Taf. VI PNin)

DNin

assyr.

K 5661 + K 11641

E

ENin

assyr.

K 3445 + 17124 + Rm 396

74–92, 93– 119 136–146, Kol. 1 = Stichz.

F C+D

G X A

(= Taf. III B)

(= Taf. VI C) (= Taf. VI B)

H

I

(= Taf. VI K)

Ggf. gehören ANin und BNin zur selben Tontafel (LAMBERT 2013, S. 84). Siehe Anm. 75. 77 Ggf. gehören DNin und GNin zur selben Tontafel (KÄMMERER, METZLER 2012, S. 97 Anm. 3). 76

477

b) nach Fundorten Tafel

Sigle BCM

erw. Sigle

Museums-/ Grabungsnummer K 14949

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

FNin

Paläographie / Tafeltyp assyr.

V

F78

CT 13 24

D

G79

GNin

assyr.

79-7-8,47

STC I 194

VI

D

DNin

assyr.

K 12000b + 13878 + 13886 + 16062

CT 13 24 (K 12000b); BCM 21 (alle)

VI

E80

ENin

assyr.

K „unnummeriert“ = K 8512

WEIDNER 1936/37, S. 73; DbW 34–36; BCM 21

VI

F81

FNin

assyr.

VI

G82

GNin

assyr.

K 13867 + 19614 K 3449a

DbW 39 (nur RS); BCM 21 CT 13 23

VI

H

HNin

assyr.

K 9883

VI VI

I83 J

INin JNin

assyr. assyr.



neu: NNin

assyr.

K 5923 13865 + 21865 K 8526

DbW 38; BCM 22 DbW 37 DbW 39; BCM 22 CT 13 23

98–110 (BCM) bzw. 99–110 (DbW) [100, 114 fehlend] 78–80 (BCM) bzw. 77–80 (DbW) 21–47 (BCM) bzw. 21–46, weitere Zeichenspuren (DbW) 28–51 (BCM) bzw. 29–51 (DbW), 135–147 40–48; 117– 126 74–82, 83– 95 85–97, 98– 110 139–148 149–157

V

1 = Stichz.

C

neu: ONin

assyr.

K 3567 + 8588

CT 13 22

1 = Stichz.

B

neu: PNin

assyr.

K 5661 + K 11641

STC I 192–193 (K 11641), LANDSBERGER, KINNIER WILSON 1961, S. 155 (K 5661)

1 = Stichz.

K

VI

(= Taf. V A)

VI



(= Taf. V B)

VI



(= Taf. V D)

78

(= Taf. V ANin)

(= Taf. V B Nin)

(= Taf. V DNin)

J

E

O+

V D T S U (= Taf. V C)

(= Taf. V B)

(= Taf. V I)

Ggf. gehören FNin und GNin zur selben Tontafel (LAMBERT 2013, S. 96). Siehe Anm. 77 und 78. Möglicherweise handelt es sich um drei Fragmente einer Tontafel. 80 Ggf. gehören ENin und INin zur selben Tontafel (LAMBERT 2013, S. 108). 81 Ggf. gehören FNin und GNin zur selben Tontafel (LAMBERT 2013, S. 108). 82 Siehe Anm. 81. 83 Siehe Anm. 80.

79

478

Textzeugenverzeichnis

Tafel

Sigle BCM

erw. Sigle ANin

Paläographie / Tafeltyp assyr.

Museums-/ Grabungsnummer K 2854 + 15650 + 17249

VII

A

VII

B

BNin

assyr.

VII

C

CNin

VII

D84

VII

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

1–23

J+

K 8522

STC I 159 (K 2854); DbW 52 (K 15650 + 17249); BCM 27 (alle) CT 13 26f.

B

assyr.

K 9267

CT 13 28

DNin

assyr.

K 17095

DbW 43; BCM 27

E

ENin

assyr.

K 13761

STC I 164

VII

F85

FNin

assyr.

K 17591

VII VII

G86 H87

GNin HNin

assyr. assyr.

K 12830 K 18576

DbW 43; BCM 27 STC I 163 DbW 43; BCM 27

15–45, 125– 157 40–47, 129– 158 [om. 138–143] 55–60 (BCM) bzw. 54–60 (DbW) 79–83, 84– 95 87–91 113–120 123–128 (BCM) bzw. 123–127 (DbW)

K U

Tafel

Sigle BCM

erw. Sigle

Umfang

Sigle DbW

g

gSip

Museums-/ Grabungsnummer Sippar Library 4, 5C

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

II

Paläographie / Tafeltyp babyl.

AL-RAWI, GEORGE 1990, S. 150, 152

40–85, 86– 136

A

Tafel

Sigle BCM

erw. Sigle

Umfang

Sigle DbW

c

cUruk

Museums-/ Grabungsnummer W 17718 jg+lg

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

VI

Paläographie / Tafeltyp babyl.

Foto: VON SODEN 1942, S. 19; DbW 33; BCM 2588

28–32 (BCM) bzw. 29–82 (DbW)

N

C S

L T

Sippar

Uruk

84

Ggf. gehören DNin, FNin, GNin und HNin zur selben Tontafel (LAMBERT 2013, S. 122). Siehe Anm. 84. 86 Siehe Anm. 84. 87 Siehe Anm. 84. 88 Da der Textzeuge im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde, basiert die Kopie von Wilfred Lambert auf Fotos, die von den Tafelfragmenten erstellt wurden (L AMBERT 2013, S. 109). 85

479

b) nach Fundorten Tafel

Sigle BCM

erw. Sigle

VII

g

gUruk

Paläographie / Tafeltyp babyl.

Museums-/ Grabungsnummer VAT 14511 + W 17718 vw +W 17721b

Museums-/ Grabungsnummer BM 45528 + 46614 + 47173 + 47190 + 47197 [817-1,3289 + 81-8-30,80 + 695 + 712 + 719] BM 93015 [82-714,402]

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

LKU 38 (VAT 14511) + VON SODEN 1942, S. 8–17 (W 17718vw + 17721); DbW 41 (W 17718vw + 17721); BCM 33 (W 17718vw + 17721)89

21–45, 114– 156

G

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

STC II 1–6 (45528+46614); DbW 3f. (47173 + 47190 + 47197); BCM 5 (47173 + 47190 + 47197)

1–58, 124– 162, Stichz., Kol.

Y+

CT 13 1, 3

1–16 [om. 12], 144– 162 [om. 156, 160], Kol. 4–15

B

11–21 16–27 (BCM) bzw. 18–27 (DbW), 150–158 46–68 [om. 53, 61, 63, 65, 67], 103–123 [om. 107]

Z UU

Fundort unbekannt Tafel

(–)

(= Taf. II n unb)

bunb

Paläographie / Tafeltyp babyl.

I

c

cunb

babyl.

I

d

dunb

babyl.

I I

e f90

eunb funb

babyl. babyl.

BM 43183 [81-71,947] BM 35134 BM 47292

I

g91

gunb

babyl.

BM 46803

I

Sigle BCM b

erw. Sigle

DbW 11; BCM 4 STC II 7 DbW 12; BCM 4

STC II 9–11

(= Taf. II N+)

TT

BB

89 Da der Textzeuge im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde, basiert die Kopie von Wilfred Lambert auf Fotos, die von den Tafelfragmenten erstellt wurden (L AMBERT 2013, S. 123). 90 Ggf. gehören funb und gunb zur selben Tontafel (LAMBERT 2013, S. 47). 91 Siehe Anm. 90.

480

Textzeugenverzeichnis

Tafel

Sigle BCM

erw. Sigle

Paläographie / Tafeltyp babyl. / 2a babyl.

I

h

hunb:2a

I

i

iunb

I

j

junb:2a

babyl. / 2a

I

k

kunb:2a

babyl. / 2a

I

l

lunb:2a

babyl. / 2a

I

m

munb:2a

babyl. / 2a

I

n

nunb:2a

I

o

ounb:2a

babyl. / 2a babyl. / 2a

I

p

punb:2a

babyl. / 2a

I

q

qunb:2a

babyl. / 2a

I

r

runb:2c

babyl. / 2c

I

s

sunb:2a

babyl. / 2a

I

t

tunb:2a

babyl. / 2a

I

u

uunb:2a

babyl. / 2a

I

v

vunb:2a

babyl. / 2a

Museums-/ Grabungsnummer F 219 (+) 218 82-9-18, 6879 BM 36666 [80-617,398] BM 72046 [82-918,12050] BM 54569 [82-323,889] BM 36726 [80-617,459] BM 36688 BM 37845 [80-617,1602] BM 55244 [82-522,1576] BM 36681 + 37849 [80-617,413+16 06] BM 67665 [82-918,7663] BM 54856 [82-522,1185] BM 37937 + 38060 [80-617,1766 + 1889] BM 76063 + 76205 [AH 83-118,1427 + 1570] BM 69668 [AH 82-918,9666]

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

BCM 6



STC II 12f.

43–51, 106– 114 112–138

CC

BCM 7

6–12



GESCHE 2000, 590

25–28

T

DbW 8; BCM 7

26–29

KK

STC II 8; GESCHE 2000, 279 STC II 7

28–33

P

38–44

AA

DbW 10; BCM 7

38–42

RR

DbW 8; BCM 7

41–48

NN

GESCHE 2000, 274 (nur 36681); BCM 7 (alle)

46–52

O

BCM 7

55–62



DbW 8; BCM 7

MM

DbW 9; BCM 8

73–78 (BCM) bzw. 71–78 (DbW) 90–95

DbW 10; BCM 8

98–105 [om. 101]

OO

GESCHE 2000, 566; BCM 8

103–109 (BCM) bzw. 105–109 (DbW)

S

JJbis

481

b) nach Fundorten Tafel

Sigle BCM

erw. Sigle

I

w

wunb:2a

I

aa

aaunb:2a

babyl. / 2a

I

bb

bbunb:2a

babyl. / 2a

I

cc

ccunb:2a

babyl. / 2a

I

dd

ddunb:2a

babyl. / 2a

I

ee

eeunb:2a

babyl. / 2a

I

ff

ffunb:2a

babyl. / 2a

I

gg

ggunb:2a

babyl. / 2a

I

hh

hhunb:2a

babyl. / 2a

I

ii

iiunb:2a

babyl. / 2a

I



neu: jjunb:2a

babyl. / 2a

aunb

babyl.

II

a

(–)

(= Taf. III nunb)

Paläographie / Tafeltyp babyl. / 2a

Museums-/ Grabungsnummer BM 93079 [82-918,5555] BM 99961 [AH 83-121,2323] BM 37969 [80-617,1798]

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

DbW 7; BCM 8

117–121

II

DbW 12; BCM 8

118–124

VV

DbW 8; BCM 8

125–128 (BCM) bzw. 125–127 (DbW) 129–136

JJ

BM 66956+760 66+ 76498 [82-918,6950 + 83-118,1868] BM 38051 [80-617,1880] BM 77118 [AH 83-118,2497] BM 38034 [80-617,1063] BM 76891 [AH 83-118,2263] BM 54847 [82-522,1176]

CT 13 2 (76498); STC II 29 (alle); GESCHE 2000, 534 (alle)

BM 37460 [80-617,1217] BM 54798 [82-522,1127] BM 40559

DbW 10; BCM 8

R92

BCM 8

135–144 [om. 139]



GESCHE 2000, 646; BCM 7

1–7

U

DbW 18; BCM 6

18–24, 134– 143 [om. 141] (BCM) 37–41

= Taf. II W

BCM 7 GESCHE 2000, 416; DbW 1; BCM 7



67–73 [om. 71f.] (BCM) bzw. 68–70, 73 (DbW) 136–138

QQ

HRŮŠA 2010, Taf. 12

17f.

LL

STC II 14–21

1–40, 133– 162, Stichz., Kol.

O

Q

(= Taf. III K)

92 Ob dieser Textzeuge zur Tafel I oder III gehört ist nicht entscheidbar (O ELSNER 2009, S. 460). Thomas Kämmerer und Kai Metzler (2012, S. 84) sowie Wilfred Lambert (2013, S. 48) haben ihn der ersten Tafel zugeordnet.

482 Tafel

Textzeugenverzeichnis

(–)

(= Taf. III ounb)

bunb

Paläographie / Tafeltyp babyl.

II

c

cunb

babyl.

II

d

dunb

babyl.

II

e

eunb

babyl.

II

f

funb

babyl.

II

h

hunb:2a

babyl. / 2a

II

i

iunb:2a

babyl. / 2a

II

j

junb:2a

babyl. / 2a

II

k

kunb:2a

babyl. / 2a

II

l

lunb:2a

babyl. / 2a

II

m

munb:2a

babyl. / 2a



neu: nunb

babyl.

II

II

Sigle BCM b

(= Taf. I b)

erw. Sigle

(= Taf. I b unb)

Museums-/ Grabungsnummer BM 59904 + 92632 + 93084 [AH 82-714,4314 + 2292 + 829-18(?)] + F 225 + F 226 BM 66568 [82-918,6561] BM 38396 [80-1112,278]

BM 38005 [80-617,1834] 1909 405.36 (BCM) bzw. Edin. 09.405-26 (DbW) VAT 440

BM 38001 [80-617,1830] BM 36417 [80-617,144] BM 54930 [82-522,1260] BM 38864 [80-1112,749] BM 37501 [80-617,1258] BM 45528 + 46614 +47173+ 47197

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

STC II 22–24 (BM 92632 + 93048); DbW 13f. (BM 59904); BCM 11f. (alle)

1–29 (BCM) bzw. 3–30 (DbW), 136–162

P+

DbW 16; BCM 13

1–11, 137– 162, Kol.

T

CT 13 4

11–29, 127– 151 [om. 149], 154 (BCM) bzw. 127–154 (DbW) 44–55

B



LANGDON 1913, Pl. IX; BCM 14

118–125

Q

VON SODEN

4–15

R

4, 6 (BCM) bzw. 4–6 (DbW) 13–17

S K

49f.



GESCHE 2000, 323; BCM 14

126–130

L

DbW 18; BCM 14

154–158

V

STC II 1–6 (BM 45528 + 46614); DbW 3f.

1 = Stichz.

N+

BCM 13

1931, S. 167f.; DbW 15; BCM 14 DbW 15; BCM 14

GESCHE 2000, 254 (vgl. MSL 12, 90); BCM 14 BCM 14

(= Taf. III L+) (ohne F 225 und 226)

(= Taf. I Y+)

483

b) nach Fundorten Tafel

Sigle BCM

erw. Sigle

Paläographie / Tafeltyp babyl. / 2c

Museums-/ Grabungsnummer BM 61429 + 82894 [82-918,1403 + 6316] + 83-1-21,57

III

a

aunb:2c

III

b

bunb

babyl.

III

c

cunb

babyl.

III

d

dunb

babyl.

III III

e g

eunb gunb:2a

babyl. babyl. / 2a

III

h

hunb:2a

babyl. / 2a

III

i

iunb:2a

babyl. / 2a

III

j93

junb:2a

III

k94

III

l

93 94

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

STC II 25–28 (BM 61429); DbW 20f. (BM 82894 + 83-121,57); BCM 15 (BM 82894 + 83-1-21,57)

1–61 [om. 16–51] (BCM) bzw. 1–15, 52–61 (DbW), 62– 128 [om. 77–123] (BCM) bzw. 62–76, 124– 128 (DbW), Kol.

M+

BM 42285 [81-7-1,45] BM 93017 [88-419,13] BM 33697 [Rm IV 255]

STC II 30–33

46–68, 69– 87 47–77, 78– 105

N

R

F3 BM 37960 [80-617,1677] BM 76640 [AH 83-118,2011] K 20949 [„83-118“]

BCM 15 BCM 16

68–76, 80– 83 (BCM); bzw. 22–25, 68–76 (DbW) 127–138 3–10

– –

BCM 16

14–16



DbW 22; BCM 16

Q

babyl. / 2a

BM 55072 [82-522,1404]

DbW 22; BCM 16

P

kunb:2a

babyl. / 2a

BM 65461 [82-918,5448 + AH 83-118,2116]

lunb:2a

babyl. / 2a

BM 50711 [82-323,1703]

CT 13 12 (83-118,2116); STC II 34 (alle), BWL 346 (829-18,5448); BCM 16 (alle) GESCHE 2000, 346; BCM 16

14–19 (BCM) bzw. 72–77 (DbW) 64–72 (BCM) bzw. 63–72 (DbW) 64–72

67–70

H

CT 13 10f.; BCM 15 (Kollation) DbW 23; BCM 15

D

O

Die Textzeugen junb:2a und kunb:2a gehören nicht zur selben Tontafel (LAMBERT 2013, S. 75). Siehe Anm. 93.

484

Textzeugenverzeichnis

Tafel

Sigle BCM

erw. Sigle

III

m

munb:2a



neu: nunb

babyl.

neu: ounb

babyl.

BM 92632 + 93084 + 59904

III

III

IV

(= Taf. II a)



(= Taf. II b)

a

(= Taf. II a unb)

Paläographie / Tafeltyp babyl. / 2a

(= Taf. II b unb)

Museums-/ Grabungsnummer BM 68434 [82-918,8432 BM 40559

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

GESCHE 2000, 558; BCM 16

125–127

I

STC II 14–21

1 = Stichz.

K

STC II 22–24 (BM 92632 + 93084), DbW 13f. (BM 59904) CT 13 14f.

1 = Stichz.

L+

1–44, 116– 146, Stichz., Kol. 26–35, 119– 125 42–54, 85– 94 64–74 (BCM) bzw. 63–74 (DbW), 75– 84 1–7

B

(–)

(= Taf. V h unb)

aunb

babyl.

IV

b

bunb

babyl.

BM 93016 [82-918,3737] F2

IV

c

cunb

babyl.

BM 93051

CT 13 20

IV

d

dunb

babyl.

VAT 6485

WEIDNER 1926, S. 123

IV

e

eunb:2a

babyl. / 2a

DbW 27; BCM 17

IV

f

funb:2a

babyl. / 2a

IV IV

g h

gunb hunb:2a

babyl. babyl. / 2a

BM 33891 [Rm IV 453] BM 33824 [Rm IV 384] F 221 BM 37395 [80-617,1152] BM 37573 [80-617,1330] BM 69953 + 99871 [82-918,9953 + 83-121,2233]

IV IV

i

(= Taf. V j)

iunb

(= Taf. V a unb96)

babyl.

BCM 17

(= Taf. II O)

(= Taf. II P+)

(= Taf. V A)

– E S

Z

DbW 22; BCM 18

70–76

T

BCM 18 DbW 26; BCM 18

85–90 88–93 (BCM) bzw. 90–93 (=V), 88–92 (=W) (DbW)95

– V (+W)

DbW 28f.; BCM 18

144–146

W (+V) AA

(= Taf. V L)

95 Abweichend hierzu gibt Petra Gesche den Umfang des Textvertreters (nur BM 37395) mit „Vs. Enūma eliš IV 90–93; Enūma eliš VI; Rs. Hh XIV?“ an (2000, S. 678). Die Kopie von Wilfred Lambert scheint jedoch nicht zu bestätigen, dass auch Zeichen der sechsten Tafel des Werkes auf dem Textzeugen erhalten sind (2013, Plate 18). 96 Die erweiterten Siglen für Textvertreter mit babylonischer Schrift weichen bei der fünften Tafel von den Lambert-Siglen ab, siehe Anm. 97.

485

b) nach Fundorten Tafel

Sigle BCM

erw. Sigle

IV

j

junb:2a

IV

k

kunb:2a

babyl. / 2a

j

neu:97 aunb

babyl.

neu: bunb:2a

babyl. / 2a

BM 61433 [82-918,1407] BM 76380[AH 83-118,1748] BM 55099 [82-522,1431]

V

(–)

(= Taf. IV i unb)

Paläographie / Tafeltyp babyl. / 2a

V

k

V

l

neu: cunb:2a

babyl. / 2a

V

m

neu: dunb:2a

babyl. / 2a

V

n

neu: eunb:2a

babyl. / 2a

V

o

neu: funb:2a

babyl. / 2a

V

p

neu: gunb:2a

babyl. / 2a



neu: hunb

babyl.

aunb

babyl.

V

VI

(= Taf. IV a)

a (–)

(= Taf. IV a unb) (= Taf. VII j unb)

Museums-/ Grabungsnummer BM 36667 [80-617,399] BM 36387 [80-617,113] BM 69953 + 99871

BM 46567 [81-830,33] BM 43969 [81-71,1730] BM 54609 (+) 136879 [82-522,929 (+) 1785] BM 93016

BM 92629 [82-918,7406]

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

DbW 26; BCM 18

9–13

U

GESCHE 2000, 249; BCM 18

33–37

K

DbW 28f.; BCM 18

1–12, 35–51

L

LEICHTY 1977, S. 145, DbW 32; BCM 19 BCM 20

8–12

K

12–17



M

BCM 20

19–22 (BCM) bzw. 19–23 (DbW) 33–37



BCM 20

127–130



BCM 20

150–152



CT 13 14f.

1 = Stichz.

A

STC II 35–37

1–21 (BCM) bzw. 1–22 (DbW), 158–166, Stichz., Kol.

L

DbW 32; BCM 20

(= Taf. IV AA)

(= Taf. IV B)

(= Taf. VII O)

97 Anders als auf den Tafeln I–IV sowie VI–VII weicht Wilfred Lambert bei der Vergabe der Siglen für die Tafel V ab. In der Regel beginnt er neu im Alphabet, um den Textzeugen mit babylonischer Schrift Kleinbuchstaben als Sigle zuzuordnen. Anders verhält es sich bei der Tafel V, für die er fortlaufende Buchstaben sowohl für assyrisch wie auch für babylonisch geschriebene Tontafeln verwendet (LAMBERT 2013, S. 96f.). Um das System zu vereinheitlichen, wird daher die Notation für die erweiterten Siglen angepasst und die babylonischen Siglen beginnend mit a vergeben.

486

Textzeugenverzeichnis

Tafel

Sigle BCM

erw. Sigle

Paläographie / Tafeltyp babyl. / 2a

VI

d

dunb:2a

VI

e

eunb:2a

babyl. / 2a

VI

f

funb:2a

babyl. / 2a

VI

g

gunb:2a

babyl. / 2a

VI

h

hunb:2a

VI

i

VII

Museums-/ Grabungsnummer BM 33572 [Rm IV 128] BM 37991 [80-617,1820]

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

BCM 26

2–7



GESCHE 2000, 315; BCM 26

29–33 (BCM) bzw. 29–32 (DbW)

H

BM 38043 [80-617,1872] BM 37927 [80-617,1756]

DbW 39; BCM 26

68–70

W

DbW 40; BCM 26

X

babyl. / 2a

BM 54855 [82-522,1184]

DbW 37; BCM 26

iunb:2a

babyl. / 2a

DbW 37; BCM 26

a

aunb

babyl.

STC II 38–45; BCM 31f.

3–40, 126– 164 (BCM) bzw. 126– 161 (DbW)

P

VII

b

bunb

babyl.

STC II 46–48 (12); BCM 27 (2004)

c

cunb

babyl.

14–36, 124– 162 [128, 158, 161 fehlend], Kol. 2–8

Q

VII VII

d

dunb:2a

babyl. / 2a

DbW 42; BCM 34

6–12

R

VII

e

eunb:2a

babyl. / 2a

BCM 34

33–36



VII

f

funb:2a

babyl. / 2a

BCM 34

145–150



VII

h

hunb:2a

babyl. / 2a

BM 55380 [82-522,1713] BM 91139 + 93073 + 4 unnummerierte Fragmente [82-9-18, 12220 + 5467] BM 35506 + 99642 [Sp III 12 + 83-121,2004] F 217 [806-17] BM 55114 + 55194 [82-522,1446 + 1526] BM 47889 [81-113,596] BM 37562 [80-617,1319] BM 37379

80–85 (BCM) bzw. 161–163 (DbW) 51–60 [om. 53f.] (BCM) bzw. 52–61 (DbW) 130–137

DbW 43; BCM 34

59–67

V

BCM 27

Q

R



487

b) nach Fundorten Tafel

Sigle BCM

erw. Sigle

VII

i

iunb:2a



neu: junb

VII

(= Taf. VI a)

(= Taf. VI a unb)

Paläographie / Tafeltyp babyl. / 2a babyl.

Museums-/ Grabungsnummer BM 39798 [80-1112,1685] BM 92629

aktuelle Kopien (ggf. Foto)

Umfang

Sigle DbW

BCM 34

65–77



STC II 35–37

1 = Stichz.

O (= Taf. VI L)

Literaturverzeichnis A. Quellen des enūma eliš1 1. Editionen KÄMMERER, THOMAS R.; METZLER, KAI A. (2012): Das babylonische Weltschöpfungsepos Enūma elîš. AOAT 375. Münster. LAMBERT, WILFRED G. (2013): Babylonian Creation Myths. Winona Lake.

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Stellenregister 1. Alter Orient 5R 33 (Agûm-Kakrime-Inschrift)

CT 15, 1–2

v 40

1

233

Enūma eliš

IV Raw. 29 No. 1 RS 1–4

286

ABL 1285 23

85

Agušaja-Lied v 23

100

Antagal C 244

299

Anzû-Epos (altbabylonisch) II 70 (= II 72)

149

Anzû-Epos (jungbabylonisch) I 17–19 I 81 (= I 108) I 82 (= I 109) III 17–20

149 262 262 365

Atramḫasīs-Epos (altbabylonisch) III iii 31 III vi 25

390 336

BM 90858 (kudurru von Nebukadnezar I.) i4

278

bīt salāʾmê (Textzeuge c) y+24'

94

BWL 74 (Kommentar zur Babylonischen Theodizee) 58

100

116

I1 99, 108 I 1f. 219f, 268 I3 318 I8 252, 269 I9 184 I 17–20 360 I 38 122 I 50 122 I 58 131 I 60 121, 133, 146 I 62 123 I 63 122 I 67f. 318 I 73 189 I 75 123 I 76 269, 272f I 77 194 I 79 124 I 79–84 184f I 92 362 I 101f. 276 I 102 277 I 106 126 I 153 322 I 160 (= II 46, III 50, 108) 129, 252 I 161f. 265 I 157f 199 II 6 131 II 61–64 253, 326 II 73–76 288f II 81 133, 146 II 85f. (= II 109f.) 289 II 92 (= II 116) 289 II 100 132 II 105 133, 146

506 II 121–124 II 150 II 154f. II 156f. II 156–162 II 158 II 159 II 160–162 III 138 IV 3–10 IV 3–18 IV 6f, 9 IV 11–18 IV 12 IV 13–16 IV 17f. IV 21–24 IV 28 IV 33 IV 34 IV 67 IV 69 IV 70 IV 74 IV 83 IV 107 IV 119–122 IV 123 IV 135f. V 85–88 V 88 V 93f. V 94 V 104f V 109f V 110 V 112 V 115f V 119–128 V 123 V 125–128 V 129 V 133–142 V 153f. V 153–158 V 157 VI 5 VI 13–16 VI 21–26 VI 26 VI 32–34 VI 45 VI 62

Stellenregister 364 123 325 136 137, 254, 329f 400 333 258 252, 332 259 141f 199 333 275 261f 280 260f 332 252 302 146 146 146 146 326 146 148 189 366 340 279 341 279 279, 344 159, 202, 342 280 268f, 280 200, 342 384 194 368 269, 273 162 202 164 202 204 166, 206 207f 237 213 236 167, 274

VI 67f. VI 70–77 VI 74 VI 78–81 VI 83–85 VI 88–90 VI 88–91 VI 92 VI 92–100 VI 96 VI 100 VI 101 VI 101f. VI 103–120 VI 108 VI 121 VI 121f. VI 133 VI 134 VI 141 VI 147–150 VI 149f. VI 157 VI 157–166 VI 159f VI 162 VI 163–166 VI 165 VI 165f. VI 166 VII 18 VII 29 VII 31 VII 50 VII 90 VII 97 VII 98 VII 133 VII 135f. VII 136f. VII 137–142 VII 140 VII 143f. VII 144 VII 144–148 VII 145 VII 145–162/4 VII 149f. VII 151–156 VII 157f. VII 159f. VII 159–162 VII 161

275 232 237 236 238 269 299 252, 256 239f, 345f 99, 253 159, 169 244, 269 282 284–286 93 171, 269 219, 288 185 164 280 291 286f 269 221 243 348 293 253 256f, 270 173, 349 93 163 93 282 128 185 290 86 294f 270 297 268, 270 220, 222, 270 171, 244, 290 84 85 81–83 91 94 95 99, 410 97f 100, 154

507

Stellenregister VII 161f.

108f, 393f

Erra-Epos V 49 V 59

38f. 100 100

4f. I1

305 86

K 3476 18

383

KAR 4 RS 21 RS 31 19

377

416

283 292

„Wenn die Mauer eines Gotteshauses einstürzt“ (Ritual) 18' 31'

2. Antike Schriftsteller 65–68

341

VAT 10296

263

Hor.carm.3,4

292

VAT 663 (= SBH VIII, spätbabylonischer ritueller Kalender)

1–3 2

LKA 146 9f.

360

125

Leviathan (Thomas Hobbes)

87 93 93 93 93, 404

Syllabar B I

ii 3

Kislīmu-Text Kap. 17

280–282 415–452 425 451f. 423

261 86

KAR 307

301

RAcc. 127ff. (spätbabylonischer Ritualtext)

Inschrift Nebukadnezar I. (RIMB 2.4.8) 3

299

Multābiltu

85 117 390 336

Gilgameš und Ḫuwawa Version A I5

27

mukallimtu-Kommentar (zur 6. Tafel)

Gilgameš-Epos (jungbabylonisch) I 27 XI 121–123 XI 163 XII 180

Marduk-Ordal

233 233

Sach- und Namensregister Abraum (tertiärer Abfall) 45–47, 53, 64, 78 Abschnitt – Haupt- 111, 115f, 121, 124, 126, 130, 134f, 138–140, 144, 149f, 156f, 168–170, 175, 177f – Unter- 111, 115–117, 120, 126, 130f, 134f, 140f, 144f, 149, 154–156, 160, 162, 165, 167, 169, 173, 177f Abschreckung 398 absolutistisch 99, 215, 317, 377, 379, 385f, 410f Abstammung siehe Genealogie Abydenus 11 Adad – Mardukname 229f, 296, 349 – Wettergott 76, 145f, 156f, 296, 349 Adad-nirari III. 54 Adapa 84 adê-Verträge 264f, 347 Affirmativ 208, 297, 300, 302 A-gilima(k) (Mardukname) 227f Agrarfest 98 Agûm II. Kakrime 233 Agušaja-Lied 100 Ägypten 53, 323 akītu – -Haus 103, 137, 146, 235 – -Fest siehe Fest, NeujahrsAkklamation 279, 320, 329, 341, 344 Alexander Polyhistor 11 Alliteration 283 Allusion siehe Anspielung Alternativlosigkeit 139, 407 Amarna 278 Amnestie siehe Gnade An : dAnum (Götterliste) 172f, 175, 223, 226, 229, 283, 290, 324 An : dAnum : ša amēli (Götterliste) 223 Anapher 180 anaphorisch 18, 124, 231f, 241, 244 Anarchie 113f an-gim(-dím-ma) (Text) 148, 299 Anspielung 71, 95f, 101, 103, 106, 119, 132, 153, 155–157, 168, 191, 193, 203, 294, 297, 299, 323, 335

Anspruchsgenealogie 359 antagal C (Text) 299 anthropomorph 118, 123, 125, 147, 361 Anti-Feminismus 133 Antiquität 44, 60f, 67 Anuschaft 128f, 147f, 155f, 210, 260–263, 266, 323, 328 Anweisung siehe Weisung Anzû-Erzählung 10, 114, 130, 143f, 147, 149, 262f, 266, 301, 333f, 365, 405, 407, 409 Apodosis 301–303, 305, 312 Apokoinu 90, 175f, 220, 236, 282, 297, 304, 340, 349, 362 Apsû – Urwesen 98, 116–118, 120–123, 125, 127f, 131–133, 135f, 139, 145, 151, 165, 174, 179, 182–192, 196–198, 204, 207, 212, 253, 272, 317–324, 327f, 334f, 339, 341f, 352, 355, 357–362, 364–366, 368, 371, 378f, 381f, 387, 390, 395–398, 407f – Weltenteil/mythischer Tempel 121, 123– 125, 127, 150–152, 156, 158–160, 167f, 170, 182–185, 190–195, 197f, 201, 222, 269f, 272–276, 279, 283, 306, 309f, 313, 339, 342, 361f, 368f, 384, 400, 408 Äquativ 298, 331f Ara-nuna(k) (Mardukname) 228, 290, 301 Arbeit – am Tempel 58, 60, 163f, 167f, 193 – für die Götter 92, 163–167, 193, 195, 197, 201–206, 208f, 211, 213, 215, 217f, 237, 245, 367, 372, 388, 390f, 398, 405f, 411 Arbela 74 archimedischer Punkt 373f, 381, 399 Archiv 3, 43f, 46f, 49, 62f Archivierung (von Festsprechungen) 265, 268, 306 Area 3 (Mê-Turnat) 42, 57f, 65, 67f Area F (Ḫuzirīna) 41, 50f, 64, 67f Aristoteles 2, 11 Asalluḫi (Mardukname) 163, 170–173, 178, 201, 205, 219, 221, 223, 226, 229f, 240– 247, 269, 271, 275f, 281–288, 290–293, 296, 298, 307f, 311f, 346, 351, 353, 359, 375, 385, 399–401, 405, 407

Sach- und Namensregister – A. Nam-tila(k) (Mardukname) 172, 223, 226 – A. Namru (Mardukname) 172, 223, 226, 230 Asar-alim 172, 226 Asar-alim-nuna(k) 172, 226, 230 Asarḫaddon 53, 88, 91, 239, 264f, 347 Asari 172, 226, 229f Ašāru (Mardukname) 229, 293 āšipu (Beschwörer) 42f, 74 Ašrata (Weltenteil) 150f, 154, 157, 160, 384 Assistent/Student siehe šamallû (Assistent/Student) Assur (Stadt) 32–36, 38–42, 44–50, 52f, 63– 69, 74, 76–81, 101–103, 105, 137, 146, 149, 162, 202, 325 Aššur (Gott) 48, 69, 89, 103, 138, 146, 151, 185, 193, 265, 382 Assurbanipal 38f, 52, 57f, 105, 356 Aššur-etel-ilānī 53 Assurnaṣirpal – II. 52, 54, 63 – III. 45 Assyrisierung 13, 45, 48, 65, 68, 78, 89, 102f, 138, 159, 162, 185, 202f Astroglyphen siehe Himmelsschrift Astrolabium – B 304 – KAV 218 153 Ašû 74 asyndetisch 145 Atramḫasīs-Erzählung 10, 111, 117, 128, 163, 191, 206, 213f, 301, 334, 367–369, 382, 388–391, 407, 409, siehe auch Sintfluterzählung Auffindungssituation siehe Fundkontext Auflage siehe Verpflichtung Aufrüstung 129–131, 134, 138f, 145, 147, 149, 178, 186–189, 195f, 198, 245f, 320, 329, 364, 395, 409, Aufstiegsvertrag 99, 332–345, 352f, 355, 363–372, 374, 376, 378, 380f, 388, 396f, 407f, 410f Aufstörung 127, 183, 186–188, 196, 210, 373 Auge 88, 125, 361 auktorial 168, 193, 218, 352, 368f Ausbildung religiöser Experten 33, 42f, 45f, 48–50f, 57, 62–64, 68f, 74, 77–81, 101, 103f, 325, 403 Auslegung siehe Exegese Ausspruch 82, 94, 142f, 199, 220, 222, 259– 261, 270, 327 Ausweglosigkeit 134, 189, 352, 364f

509

Babel-Bibel-Streit 2 Babylon (Stadt) – historisch 12, 31–33, 38–41, 49, 59, 62–64, 66–69, 75–77, 79–81, 87, 89f, 97, 101– 106, 156f, 304, 341, 374, 402 – mythisch 36, 103, 114f, 159–164, 167–170, 178, 182–184, 191–195, 197, 200–203, 217f, 232–235, 238, 240, 242–244, 246, 252, 254f, 258, 269f, 272–276, 279, 282f, 294, 297, 306f, 309f, 312f, 328f, 333f, 339, 343–345, 348, 352f, 368f, 371f, 383– 386, 395–398, 400, 405, 408 Babyloniaká siehe Berossos bal-Abzeichen 329, 337 Bankett siehe Festmahl bārû (Omenspezialist) 74f bārûtu-Serie (Leberschauomina) 300–302, 312, 314, 402 Bedrohung 110, 117, 130, 134f, 139f, 187f, 190, 195f, 205, 210, 215, 263, 266f, 320, 366, 378, 395 Befehl 82, 94, 137, 141–143, 159, 168, 192– 194, 199f, 202, 221, 256, 258–261, 263, 280, 284, 306, 327, 330f, 342f, 364f, 368f, 397 Befreiung 163f, 166f, 193–195, 201–206, 208f, 211, 213, 217f, 237, 367, 372, 388f, 391, 398 Befugnis 188, 251, 260, 289f, 338f, 342f, 345, 347, 352, 367, 373, 377, 380, 401, 404 Begleitfunde 13f, 44f, 48f, 51, 53, 56–58, 62– 64, 67, 69, 78f, 81 Beiname 103, 120, 125, 131, 174, 185, 222, 224, 243, 267, 271, 276, 278, 287, 292, 295f, 298, 351, 358, 365, 400 Bēl (Mardukname) 124, 184f, 276, 325 Bēl mātāti (Mardukname) 93, 171, 174, 224f, 243, 270, 294–298, 307, 312, 351, 353, 375, 385, 399f, 407 Bēlēt-ilī 117 Bēl-ušallim (aus der Familie Ingallēa) 49 Berossos 2, 11f, 84, 214 Beschwichtigung 131f, 136, 187, 189 Beschwörer siehe āšipu (Beschwörer) Beschwörung – als Tätigkeit eines religiösen Experten/ Gottes 27, 122f, 132f, 136, 145, 147, 187– 189, 192, 204, 226, 228, 234, 286, 289, 320, 322, 362 – -spriester siehe āšipu (Beschwörer) – -stext 51, 54, 56, 59, 63, 74, 78f, 113, 205, 281f, 286

510

Sach- und Namensregister

Bestrafung siehe Strafe Bewässerung 98 Bezüge – anaphorische 18, 231–241, 244f – kataphorische 18, 111, 118, 166, 231, 241– 245, 318 Bibel 1, 4, 194, 211 Bibliothek 3, 38f, 43f, 46–48, 50–60, 62, 64, 68, 78–80, 105, 300 Bier 140, 232, 332 Blut – allgemein 144, 149, 165f, 204, 206, 209, 212–215, 217, 262, 362, 366, 370, 390, 398 – -fehde/-rache 217f, 398 siehe auch Rache – -linie siehe Genealogie BM 47406 (Götterliste) 350 BM 66606+72033 (Kommentartext) 155, 340 Bogen – Marduks Schöpfung und Waffe 127, 145, 147, 169f, 192, 238f, 240, 242f, 251f, 256, 258, 263–265, 267, 269–271, 299– 306, 308–313, 323, 326, 345, – Sternen- 239, 243f, 256, 264, 269, 282, 299, 303–306, 309, 311 Borsippa 33, 36, 38f, 75–77, 101 Böses 127f, 142, 210, 280, 326, 333–335 Brevitas siehe Ellipse Brief 2, 24, 85, 347 Cella – Marduk- 158f, 257, 279, 342, 344, siehe auch E-umuša – sonstige 54, 57–59, 64f, 79, 116, 123f, 184 Chiasmus 15f, 118, 146, 171, 180f, 213, 219f, 224, 237, 244, 303, 334 circulus vitiosus siehe Teufelskreis Damaskios 2, 11f Damkina 88, 121, 124, 146, 159, 185, 358 damnatio memoriae 305 Darius – I. 38f – II. 61 Datierung 10, 30, 34–36, 38f, 44, 46–48, 52– 54, 56–58, 60f, 65–70, 74, 86, 88f, 92, 102f, 105f, 278, 304 Datumsformel 12, 15, 34f, 38f, 44 deklarativ 250, 256, 308, 312f, 337 demiurgisch 168, 179, 193, 203, 218, 352, 368 Demokratie 114, 316f, 383 Destabilisierung 201, 217, 380, 388–390, 416 Determinativ – allgemein 23f, 277

– Gottes- 23, 118f, 124, 148, 185, 222, 228, 230, 276–278, 287, 296 – sonstige 23, 274, 299, 303f diachron 19, 29, 71, 102–105, 329, 415f Dikolon 91, 110f Diskursgegenstand 143, 171, 209, 219, 240 Doxologie 108, 110, 177 Dreiklang 135, 209, 243f, 320, 337 Drohung 76, 81, 94f, 100, 347, 404 Dumuzi 322f E-ana 60–63, 65, 67, 69, 79f, 403 E-babbar 58f Ebenbild 152f, 160, 191, 274, 304, 384 écriture de choses 25, 311 Ehefrau 54, 121, 124, 304 Ehemann 27, 120, 128, 130, 187, 322f Eigenbegrifflichkeit 18, 20–22, 263, 338 eigenmächtig 121, 187, 193, 320, 371, 375 Eingeweihter 86–88, 90, 98, 100, siehe auch mūdû (Wissender) Einschläferung 121f, 132f, 136, 182, 186f, 189, 196, 204, 320 Einweihung (eines Gebäudes) 51, 234 Elam 103, 304, 356 Ellipse 95f, 137, 141 emesal (sumerischer Dialekt) 159, 225, 227, 230, 234f, 280 emisch 4, 7, 20f, 24f, 128, 250, 274, 299, 311f, 355, 382, 399, 416f Enbilulu (Mardukname) 227, 229f – E. E-pa-dun (Mardukname) 227, 230 – E. Gugal (Mardukname) 227 – E. Ḫeĝal (Mardukname) 227, 230 Enlil 81, 88, 91–93, 103, 119, 150f, 153f, 156f, 159, 168, 174, 191, 194, 222, 224, 231, 243, 262, 266f, 270, 294–297, 298, 304, 307, 309, 313, 349–351, 353, 358f, 362, 366, 368f, 371, 373, 375, 382, 385f, 399f, 406, 409 Enlil-Priesterschaft 92 Enlilschaft 93, 262f, 266, 373 enqu (Weiser) 81, 84, 87, 90, 176 Entdynamisierung 371–373, 381 Entwurf 152, 167, 384 enūma Anu Enlil (Omenserie) 154 epistemisch 211, 251, 307, 314 Epitheton siehe Beiname eponym siehe Datumsformel erbarmungslos 147 Erbfolge siehe Thronfolge Erde – allgemein 116, 119, 150f, 153, 155, 161f, 167, 191, 205, 220, 224, 228, 236, 240,

Sach- und Namensregister 253, 268, 270, 285, 294–296, 377, 387, 390, 404 – Götter der E. 159, 167, 169f, 194, 205, 209, 225f, 236f, 280, 309f, 346 Erhöhungsvertrag siehe Aufstiegsvertrag ērib bīti (Personenkategorie) 88 Erinnerung siehe Nichtvergessen Erntefest siehe Agrarfest Erra-Epos 46, 57, 83, 96, 100, 365, 374 Erschöpfung 162–164 Ersetzung, funktionale 223f, 295, 350–353, 379f, 383, 385, 388 siehe auch Henotheismus Erster siehe maḫrû (Erster) Erzähler(ebene) 16, 84, 115, 128, 131, 134, 138, 143 147f, 194, 210f, 251, 268, 324, 328 Esaĝila 87–90, 96f, 101f, 105, 115, 159f, 167f, 201, 232f, 235f, 274f, 294, 333, 348, 385, 411 E-šara – Tempel in Assur 45–48, 64, 78, 150f – Tempel in Nippur 150f, 168, – Weltenteil 150–152, 157, 160, 167f, 191, 193, 197, 222, 339, 368f, 384, 386 Eš-gala 150–152, 157, 191, 272f, 275, siehe auch Apsû, Weltenteil/mythischer Tempel E-siskur(ak) (Mardukname) 229f esoterisch siehe Geheimwissen E-temen-an-ki 161, 168, 201 Etymologie 24f, 27f, 119, 121, 215, 274 Ēṭir-Bēl 38, 73 E-umuša 70, 87–90, 93, 96, 104f, 201, 203, 233, 348, 384f, 404 Eudemos von Rhodos 2, 11 Euphrat 116, 155, 157, 191 Eusebios von Caesarea 11 ewiger Frieden siehe Pax Mardukiana Exegese 25, 84, 90f, 95, 97, 100f, 106, 113, 175, 186, 274, 278, 280, 307, 311f, 314, 353, 376, 402f, 405f, 412 Exklusivität 87–90, 101f, 104f, 368 Experte, religiöser 27, 42–45, 48, 50, 52, 57– 59, 62–64, 69, 75, 77–79, 81, 84–90, 92– 98, 100f, 104–106, 250, 301, 325, 401– 406, 411f Extension 208, 340 extrarelational siehe Pragmatik Ezida 33, 38f, 54, 75, 77, 101, 403 Fahrplan siehe Roadmap Felder 98 Fest – im Monat Kislīmu 71, 88f, 104

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– im Monat Tašrītu 71, 89 – Neujahrs- 9, 11, 70f, 87–89, 93f, 96, 98, 103–106, 117, 137, 161, 233, 235, 341, 351, 382f, 388, 403f, 406, 411f Festmahl 140, 169, 232–235, 245, 332, 346 Festsprechung – -sakt 139, 141, 143, 145, 161, 177, 241– 243, 245, 247, 250–258, 260, 263–267, 270, 275, 282, 298, 306–308, 312–314, 329–331, 337, 339, 344, 346, 348, 376, 381, 385, 397, 401, 414 – -smacht 141, 143, 199f, 237f, 247, 251, 254f, 258–268, 290, 306, 308, 322, 326, 329–332, 336–339, 345, 375f, 401, 408, 414 – -spotenz siehe Potenz, Festsprechungsfientisch – bei Verben 122, 126, 134f, 169, 175, 179, 191, 256, 330, 358 – Legitimation siehe Legitimation, fientisch Filiation 12, 73, 75 Fliege 390 Formalisierung 216, 370 Formalität 245f, 255–257, 294, 339, 349, 376 Fortpflanzung 214 Freude 82, 136f, 158, 164, 232–234, 254f, 257, 297f, 307, 312, 330–332, 339, 344, 348, 365, 374f, 380, 407 Frieden 97, 164, 367, 373–375, 377, 391, 395, 399, 404f, 408, 412 Fruchtbarkeit 98, 157, 191 Fundkontext 12–15, 29f, 33, 35f, 38, 40–69, 70–72, 77–81, 101f, 105, 403, 414 Fundzufall 30, 43, 63, 71, 102 Fürst 226, 228, 301, 320 Fürstlichkeit/Fürstentum 141, 290, 301, 320, 332, 337, 341 Garantiemacht 205, 216, 241, 264f, 268, 308, 347, 373, 377, 379f, 386f, 389, 399, 405, 407 Gebäudefunktion 44, 79 Gebet 51, 56, 59, 63, 78f, 229, 258, 286, 329 Geburt – allgemein 117, 119f, 123–127, 135, 177, 184f, 196, 226, 276, 279, 298, 327, 358, 360, 363, 395, 397, – -sname 276, 279, 281, 309, 325, 400 – Tot- 366 Geheimwissen 76f, 85–90, 100–102, 104– 106, 177, 402f Gehorsam siehe Unterwerfung

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Sach- und Namensregister

Genealogie 118–120, 185, 196, 216, 279, 322–324, 328, 342, 352, 356–363, 381, 407f Genialität 150, 156, 162, 166–168, 192, 202, 204, 206, 238f, 362, 366, 371, 381 genitivus – obiectivus 251, 254 – possessivus 251 – subiectivus 251 Gerechtigkeit 153, 212f, 216f, 345, 366, 375, 388–392 Gesamtwerk 3, 8f, 67–69, 96, 105–107, 111– 115, 143, 219, 247, 309, 316, 401 Gesang siehe Singen Geschäft auf Gegenseitigkeit 100, 335–337, 380, 388 Gesetz 377f, siehe auch Recht Gesetzgeber 216 Geš-numun-ab(ak) (Mardukname) 228f Gestirn siehe Himmelskörper Getränk siehe Trinken Getreide siehe Korn Gewaltkompetenz 187f, 196, 199f, 334–336, 338, 367 Gift 129, 145, 265f, 362 Gilgameš-Erzählung 1, 17, 43, 51, 85, 112, 117, 197, 220, 305, 334, 389 Gilim (Mardukname) 227, 229f Gilima(k) (Mardukname) 227f Gira – Feuer 265 – Mardukname 229f Gliederung – -smarker 16f, 115f, 128, 153, 178–181 – -sstriche 17, 115 global 218, 373, 375, 379, 381, 385–388, 398f, 402, 407f, 410–412 Gnade 120, 142, 163, 190, 206–213, 215, 217, 238, 280, 333f, 336, 353, 369f, 389, 391 Götter – -Bürgerkrieg 187, 321, 390f, 395f, 408 – d. Erde siehe Erde, Götter der E. – d. Himmels siehe Himmel, Götter des H.s – gebundene 136, 148, 160, 164, 294f – -ordnung 165, 167–169, 178, 187, 202–206, 217, 234, 236, 240f, 243–247, 289, 345, 368, 372, 381, 383, 390 – -schöpfung siehe Schöpfung, Götter– -spaltung 128, 317, 320–323, 352, 365– 368, 370, 390, 394–396, 408, – -statue 57, 70f, 89, 93, 96, 103, 234 – tote 71, 136, 148, 160, 295

– -vernichtung siehe Theozid – -wohnung 123f, 150f, 183, 191–194, 197, 201, 203, 245, 247, 272f, 275f, 369, 395f, 400 Gottesdeterminativ siehe Determinativ, GottesGott, persönlicher siehe Schutzgott Graeco-Babylonica 35 Graphematik siehe Schriftbild Grundstoff 206, 209 gugallu (Kanalinspektor) 39, 227 Hamlet 320f Ḫammurapi 118, 278 Handlungsmacht siehe Macht, Handlungshapax legomenon 148 Ḫarrān 12, 74 Ḫattuša 278 Hauptstadt 12, 45, 52, 79, 368, 386 Haus des Beschwörungspriesters (Assur) 42 Heerführer 128, 130, 182, 187, 199, 211, 321, 337, 395 Heiligtümer 142, 150f, 192, 200, 235, 241, 269, 272f, 275, 285, 310, 333, 335f, 339, 343–345, 353, 363, 367f, 405 Heilsversprechen 92, 94, 97, 106, 399, 404f, 411f, siehe auch Pax Mardukiana Heimstatt siehe Götterwohnung Heirat 124, 250, 323 Held – allgemein 148 – -erzählung 114 – Götter- 103, 157, 159, 185, 409 – Sintflut- 388, 390 Henotheismus 95, 106, 240, 298, 348, 350– 353, 380, 400, 409f siehe auch Ersetzung, funktionale und Synkretismus Herkunft siehe Genealogie Hermeneutik 4, 7–9, 13, 20, 21f, 24f, 115, 251, 274 Herrschaft – -sinsignien 88, 93f, 144, 158, 164, 190, 279, 302, 318–320, 329, 337, 341f, 344, 374 – -swissen 92, 106, 177 Hierarchie 131, 170, 187, 204f, 236, 246, 316, 318f, 324, 345, 357, 363, 367, 378f, 385, 396 Himmel 108, 116, 119, 143, 150f, 153–156, 159, 161, 191, 197, 219f, 224, 228, 236, 239, 243, 256, 258, 260, 268–270, 285, 294–296, 299, 368f, 384, 387 – Götter des H.s 167, 169f, 194, 204f, 209, 225f, 236f, 240, 280, 309f, 346

Sach- und Namensregister – -sdach 383 – -skörper 152–154, 156, 191, 229, 261, 277, 304, 349, 366 – -spfad 153, 299, 304 – -sschrift 239, 243, 258, 264, 305–307, 314f, 417 – -stor 153f, 274 Hinrichtung 197, 213, 215, 217f, 262, 345, 347, 370, 372, 391, 396, 398 Hirte 81, 84, 91, 284 Hoffnungslosigkeit 133–136, 140, 364 Höhepunkt siehe Klimax Homographie 24 Homo(io)phonie 24, 116, 146, 301, 307, 322 Ḫursaĝkalama siehe Mound W (Kiš) Ḫuzirīna 32–34, 36, 38–41, 50–52, 62–68, 73–81, 101, 105, 230, 403 Hymnus 46f, 51, 57, 59, 78f, 111, 350 Identität – graphematische 399 – Namens- 297f, 349 – rituelle 382 – Wesens- 297f Ikonographie 304 Imperativ 132, 144, 190, 255–257, 280, 325, 327, 330, 333f, 342, 367, 404f Incipit 26, 108, 176 Indi-Meslamtaʾeʾa 38f, 51, 73f Indi-Nergal siehe Indi-Meslamtaʾeʾa Infinitiv 94, 141, 259 Inana siehe Ištar Innovation 97, 100, 112, 193, 402, 406f Installation – Herrscher- 317, 329, 344, 347, 359, 376, 379, 399, 402, 406–410 siehe auch Inthronisation – Kult- 234f, 241 – sonstige 192, 234f, 279, 304, 313, 345, 372, 398 – von Institutionen (ohne König) 237, 372, 379 – von Ordnung 156, 191, 197, 396, 399, 410– 412 Institutionalisierung 15, 216, 218, 238, 358, 370, 372f, 398 intertextuell 19f, 71, 86, 93f, 96, 106, 111, 128, 149, 153, 163, 172, 213, 220, 223– 225, 229f, 266f, 271, 283, 295f, 299–302, 324, 329, 333f, 347, 350, 409, siehe auch textextern Inthronisation 94, 111, 114, 240, 281, 329, 340f, 344, 347f, 352, 383 Ir-kingu(k) (Mardukname) 229

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Ir-uga(k) (Mardukname) 229 Isin 56, 86 Ištar 79, 101, 125, 271, 304, 318, 322f Jurisdiktion siehe Rechtsprechung K 3476 (Kommentartext) 351, 382f Kaka 138–140, 146, 180, 319, 357f, Kalender 155–157, 341, 356, 366, 387 Kalḫu 32, 34, 40f, 45, 52–54, 57, 59, 63–68, 79–81, 325, 403 kalû (Kultsänger) 74 Kambyses II. 61 Kampf – -motiv 156 – Zwei- 112, 114, 121, 130, 146f, 149, 178, 182, 186, 188, 196, 287, 291, 365, 408f Kanalinspektor siehe gugallu (Kanalinspektor) kanonisch 3, 35, 107, 300 KAR 4 (Mythischer Text) 86, 261 KAR 25 (Marduk-Hymne) 350 kataphorisch 18, 111, 118, 166, 231, 241, 245, 318 Keilschriftlichkeit 18f, 21–25, 90, 222f, 271, 274, 276, 278, 280f, 283, 292f, 296, 303f, 307, 311f, 314, 417 Keilschriftschau 175, 271, 293, 302f, 311f, 314f, 350, 376, 402, 417 Keule 93f, 145, 164, 337 Kinma (Mardukname) 188, 229 Kiš 31f, 34f, 40–43, 50, 54–57, 59, 62–69, 78f, 101 Kišar 119, 196, 323f, 357f, 360–362 Kislīmu (Monat) 71, 88f, 104 Klage(lied), 245 – allgemein 233f – balaĝ 233f – namburbi 234 – taqribtu siehe Ritual, taqribtu Klimax 135, 138, 175, 188, 200, 203, 247, 371, 380 Kohäsion 14f, 17 Kohortativ 171, 173, 242–245, 294, 346 Kollation 12, 14, 33, 75, 82, 108f, 156 Kollektivstrafe 212, 389f, 398 Kolophon 12, 14f, 17, 29–33, 35–40, 44, 47f, 50f, 55f, 58, 60, 66, 68, 70–78, 80, 86f, 89, 101, 115, 300, 325, 403 Kommentarliteratur 11, 13, 30f, 84, 96, 113, 116, 155, 174, 214, 219, 222, 224f, 294f, 299f, 340, 351, 382 König – -sinschrift 59, 148 – -smord 212, 320f, 326, 339, 364, 367, 396

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Sach- und Namensregister

– -witwe 321, 323, 352, 396 Korn 52 Kosmos siehe Weltordnung kosmozentrisch 201, 203 Krankheit 212, 286 Krieger 148, 221, 293 siehe auch Held Krone – aga- 88, 158, 190, 226, 279, 318–320, 341 – allgemein 93, 225 Kronprinz 281, 323, 347 Kuara 281 Kult – -praxis 67f, 70–72, 75, 78f, 83f, 88, 93f, 96–104, 106, 111, 155–157, 161, 173, 203, 221, 233–235, 241, 246, 257, 270, 280, 293f, 297, 305, 349, 351, 369, 382f, 388, 403f – -sänger siehe kalû (Kultsänger) – -sockel 141f, 193, 195, 200f, 203, 233, 275, 286, 301, 332f, 337, 342, 345, 368 kulturimmanent siehe emisch Kultzentralisation 233, 235, 333, 384 Kuyunjik siehe Ninive Kyros II. 61 Laḫmu & Laḫamu 119, 138–140, 156, 159, 172–174, 184f, 196, 221–223, 231, 242f, 257, 269f, 279f, 288, 309, 312, 318, 323f, 327, 332, 342, 344, 349, 352, 357–359, 361f Lamaštu 271 langue 19, 22 Lärm siehe Unruhe Lautwert siehe Phonetik Leben 13, 76, 117, 133, 136f, 142, 164, 215, 226, 234, 254, 262, 280, 305, 314, 329, 333, 347f, 376f, 379, 386, 390f, 407, 411 Leber, Opfer- siehe Opferleber Leberschauomina siehe bārûtu-Serie (Leberschauomina) Legalität 355, 364f, 367, 371, 380f, 407 Legende von Kutha (Text) 117 Legitimation – fientisch 355, 357, 363, 380 – ontisch 355–357, 363, 380, 407 – -sstrategie 357, 407, 415 Leichnam 190f, 366, 371 Leitseil 155f, 298, 366, 369, 385, 387 Leviathan 321, 376–380, 399, 415 Lexematik 15–18, 84f, 94, 97, 99, 120, 122f, 126f, 131, 139, 143, 146–149, 165, 171, 179f, 184, 186, 188–192, 194, 198–200, 202, 204f, 209, 238, 241, 243–246, 261f,

266, 290, 317f, 320, 324, 327, 337, 341f, 345, 347, 410, 413 Lexikalische Liste 21, 24, 46f, 54, 56, 59, 112, 180, 271, 275, 279, 283, 292, 299, 307, 360, 384 Libation 98f Licht 250, 278, 291f linear 5, 16f, 112, 114, 182f, 189, 192, 394f, 408, 413 Literarität 105 Literaturwissenschaft – allgemein 2, 20, 249 – altorientalistische 178–181, 413f. logographisch 23f, 154, 222, 225, 272, 274, 276f, 292, 296, 299f, 303f, 307, 314, 340 Lokativ-adverbialis 142, 194, 208, 240, 265, 284, 333 ludlul bēl nēmeqi (Text) 46, 73f Lugal-ab-dubur(ak) (Mardukname) 228f Lugal-dimmer-an-kia(k) (Mardukname) 159f, 170, 172, 174, 195, 209, 221, 224f, 229f, 242, 246f, 257, 268, 280f, 290f, 309, 313f, 342f, 352, 397, 400 Lugal-dur-maḫ(ak) (Mardukname) 228 Lugal-šu-ana(k) (Mardukname) 228 lugal-e (Text) 148, 299 Lugal-kurkura(k) (Enlil-Epitheton) 174 Macht – Handlungs- 84, 219f, 222, 244, 270, 284, 288–290 – -instrument 218, 235, 245, 258f, 261, 263, 265, 267f, 271, 308f, 313f, 346f, 385, 389, 391f – Wirk- 26, 99, 104, 234f, 258, 265f, 406, 410–412 Mahnmal 213, 370, 390, 398, siehe auch Nichtvergessen maḫrû (Erster) 81–85, 87, 90, 95, 97, 99, 176, 407 Makroebene 12, 14, 69, 393 Mandat 199, 364f, 371, 401, 408 Marduk – -Ordal 27, 70, 89, 103 – -Priesterschaft 87, 89f, 92–95, 97, 100f, 104–106, 402 Mār-du-ku(.g) (Mardukname) 228 Marukkam (Mardukname) 163, 172, 225, 230 Mār-Utuk-am (Mardukname) 172, 201, 225, 230, 280, 292 Mathematik 21, 59, 119, 176, 361, 417 matriarchalisch 323 Meder 53f Medium 85, 90, 302f, 306, 308, 313, 403

Sach- und Namensregister Medizinischer Text 51, 54, 56, 63 Mehrdeutigkeit 18, 24f, 207, 255, 271, 291, 300, 311, 325, 384 Menschenschöpfung siehe Schöpfung, MenschenMerkes-Gebiet (Babylon) 41, 49, 64, 67f Mer-ša(.g)-kušu (Mardukname) 172, 225 Meso-/Mikroebene 69 Metakommunikation 4, 14f, 85, 90, 176f, 245 Metapher 112, 117, 151, 278 Metrik 112, 223 Metunu (Statthalter von Isāna) 38f Meturan siehe Mê-Turnat Mê-Turnat 32, 34f, 40, 42, 57–59, 63, 65–68, 79, 101 Monarchie 9, 26, 113f, 316–318, 354, 356, 377, 379, 383, 400, 411 Mond 152–154, 157, 210, 292, 304, 319, 341, 366, 387 Monotheismus 350–352, 386, 400 Monster (elf M. der Tiāmtu) 128, 130, 134, 145, 148, 155f, 182, 187, 196, 198, 321, 341, 350, 356, 362, 365, 397 Moral 214f, 266, 358, 416 Morphologie 16f, 179 Mound W (Kiš) 41f, 55f, 64, 67f, 101 Müdigkeit siehe Erschöpfung mūdû (Wissender) 81, 84, 86f, 90, 92, 176 mukallimtu-Kommentar siehe Kommentarliteratur mul APIN-Serie 303f multābiltu-Katalog 10, 300–302, 311 Mummu – Apsûs Wesir 120–123, 126–128, 132f, 135f, 174, 186, 190, 196, 319, 322, 335, 358 – Beiname Tiāmtus 112, 120 – Name Marduks 120, 174, 228, 230, 295 Mündlichkeit – der Festsprechung 256, 259f, 263f, 291, 307f, 311, 313f, 331, 350, 414 – eines Textes 71, 83, 100, 113, 139, 294 – im Text 131, 138 Musik 100f, 233 Muttergöttin 117 Mythem 113, 406 Mythos – als Denkstruktur 88f, 99, 113, 119, 136f, 148, 295, 299, 322f, 340, 406f, 409f – als Text 10, 51, 59, 71, 78, 86, 89, 111, 117, 128, 148, 151, 157, 163, 183, 206, 213f, 266, 301, 322, 334, 336, 363, 368f, 378f, 382, 388–391, 406f, 409, 414, 416

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– -forschung 2, 12 Mythos von der Erschaffung des Menschen und des Königs 363 Nabonid 58, 60f Nabopolassar 58, 61, 329 Nabû 54, 71, 76, 80, 271, 403 Nabû-aḫa-šallim 38, Nabû-aḫḫē-iddina 38, 73 Nabû-aḫḫē-šallim 38, 73 Nabû-balassu-iqbi 38f, 73 Nabû-mušētiq-DU.DA 38, 73 Nacht 122, 154, 202, 239, 306, 368, 384 Nade-lugal-dimmer-an-kia(k) (Mardukname) 226, 293 Nahrung 167, 390, 406, 411 Nāʾid-Marūtuk 38f, 73 Nanna(ru) siehe Sîn Narām-Sîn 117 nargallu (oberster Sänger) 45–47, 64, 78 nâru (Sänger) siehe kalû (Kultsänger) und nargallu (oberster Sänger) 88 Naturzustand 376–380, 415 Nēberu – Himmelskörper 152f, 193, 261, 349, 387 – Mardukname 174f, 193, 223, 229–231, 261, 305, 349 Nebukadnezar I. 86, 278, 374 Nebukadnezar II. 35, 57f Negation siehe Verneinung Netz 145, 147, 155, 158, 238f Neutralität 187, 328 nicht-linear 5, 16, 178, 182, 413 Nichtvergessen 76, 85, 93, 156f, 213, 239, 244, 284–286, 305f, 351, 370, 390, 403, 405f, 411 Niederschrift – von Götterbeschlüssen 264, 305f, 308, 314f, 349f, 352f, 402, 414, 417 – von Texten 12, 15, 32f, 36, 44, 48, 66, 69, 87, 90, 96f, 105, 316, 356 Nimrud siehe Kalḫu Ninĝirsu siehe Ninurta nin-me-šara (Text) 70 Ninive 32–34, 38, 40, 45f, 52, 62, 85, 91, 101, 103, 105, 125, 223, 300 Ninurta 10, 73f, 136f, 144, 148, 157, 159, 263, 266, 299f, 333f, 350, 365, 382, 405, 409 Ninurta und die Schildkröte (Text) 266 Nisannu (Monat) 71, 88f, 104 Norm 335, 347, 355, 364f, 371, 373, 380f, 404 Oannes siehe Adapa

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Sach- und Namensregister

Oberpriester siehe šešgallu (Oberpriester) oberster Sänger siehe nargallu (oberster Sänger) Objektivierung 373, 389, 392, 398, 411 Ohr 81, 84, 88, 91, 93, 125f, 361f Ohrfeige 93f, 404 Öl 52, 240, 346 Omen – allgemein 228, 264, 299–303, 305f, 310– 312, 417 – -kunde 27, 271, 300, 314 – -spezialist siehe bārû (Omenspezialist) – -text 46, 48, 51, 54, 56f, 59, 63, 78f, 154, 300, 402, 417 Ontologie 25, 215, 249, 307–315, 401, 414 Opfer 51, 92, 99, 162–164, 193, 200f, 233, 285f, 314f, 351, 390, 405f, 410f, 417 siehe auch Versorgung (Götter-) Opferleber 301, 314f, 417 Order siehe Befehl Ordnung – funktionale 153, 156, 161, 191, 197, 232, 234, 241, 264, 372 , 381, 385, 398, 412 siehe auch Ersetzung, funktionale – räumliche, vertikale 161, 167, 170, 191, 193, 197, 204, 236, 384–386 siehe auch Weltordnung – zeitliche 152f, 155–157, 178, 191, 197, 372f, 381, 385, 387f siehe auch Kalender Ouvertüre siehe Präludium Pagal-guʾena(k) (Mardukname) 228 Paläographie 12, 29, 31f, 34f, 44, 48, 56, 60, 62, 65–67, 69, 102 Parallelismus 15f, 111, 118, 132, 145, 180f, 189, 194, 208, 253, 256f, 280f, 289, 325f, 334 Palast – als soziale/politische Institution 92, 106, 404 – Nordwest- (Kalḫu) 52f, 63f, 69, 79, 81, 101, 403 – sonstige (als Gebäude) 42f, 45f, 55, 57, 161, 183, 386 parole 19, 22, 413 Partizip 242, 300, 360 patrokratisch 318, 321–323, 363 Pax Mardukiana 367f, 372–375, 379–381, 383, 387, 391f, 394–396, 399, 402, 404f, 407f, 411f pejorativ 120, 321, 408 Peripherie 50, 235, 386, 405 Personalpronomen, selbständiges 142, 161, 187, 190, 223, 242, 284, 330, 334

Perspektivenwechsel 210 Pflicht siehe Verpflichtung Pfründe 167, 237, 343, 367, 404 Phonetik 13, 21–25, 27, 142, 165, 172, 116, 146, 206, 222, 225, 230, 272, 274, 276– 278, 283, 295, 301, 304, 307, 311, 314, 322 Planet siehe Himmelskörper Pleonasmus 158, 334 politisch – allgemein 2, 7, 9f, 49, 53, 57, 63, 86, 97, 104, 113f, 128, 255, 265, 281, 296, 316f, 320f, 347, 356, 373f, 376, 382f, 385, 391, 399f, 405, 409, 411, 415f – kosmo- 385 – religions- 52, 102 – sozio- 287 – theo- 2, 161, 201, 234f, 369, 372, 385 Polysemie siehe Mehrdeutigkeit Polytheismus 351f Polyvalenz siehe Mehrdeutigkeit postkanonisch 45, 47f Potenz – allgemein (Fähigkeit zu etwas) 251, 289f, 338, 347, 397, 401 – Festsprechungs- 338, 401 – Schöpfungs- 165, 193 – zerstörerische 217 Pragmatik 8, 14f, 62f, 105f, 235, 306, 393, 401–412, 414 Präludium 183, 396 Prätendent 210, 281, 328, 337, 364, 370, 397, 407 Priester siehe Experte, religiöser Privathaus 42f, 45f, 48–51, 56f, 63f, 69, 77f, 81, 101 Proform 95, 125, 141, 147, 166, 318 Programmatik 9, 52, 63, 78, 83, 102f, 150f, 386 Prohibitiv 94, 157, 256, 259, 330 Prolog 116–118, 177, 231, 245, 394, 401 prophylaktisch 234, 347, 391, 399 Protasis 301–303, 305, 311f Prozession 88 Qurdī-Nergal siehe Indi-Meslamtaʾeʾa Rache 142, 182, 186f, 212, 217, 370, 372f, 389, 392, 394, 396, 398 Rächer 136f, 142, 221, 252, 254, 284, 293, 329, 332f, 336, 365, Rat/Ratschlag 205f, 221, 261, 289, 319, 348, 369 Ratgeber 226,

Sach- und Namensregister Rechenschaft 93, 104, 320, 360, 388, 390, 404, siehe auch Rechtfertigung Recht 85, 87, 153, 197, 206–213, 215–218, 236–238, 245, 247, 263f, 266, 281, 344f, 355, 358f, 365–367, 370–373, 375, 377– 383, 389, 391f, 398f, 402, 411, 416 Rechtfertigung 89, 93, 131–134, 188, 190, 196, 253, 289, 326f, 355f, 359, 374, 411, siehe auch Rechenschaft rechtmäßig 210, 263, 266, 358 Rechtsprechung 216, 237f, 370, 385, 389 Rechtsurkunde siehe Urkunde Redeeinleitung 129, 162, 171, 202, 207, 209, 242, 276, 325 Rede, wörtliche 120, 125, 129–131, 133–136, 138f, 141–144, 147, 153, 160–162, 165, 167, 170, 173f, 180, 209, 224, 241f, 244, 256f, 260, 267f, 276f, 279, 284, 288, 298, 322, 332f Regizid siehe Königsmord Reinheit 123, 125, 136, 184f, 361f Rekurrenz 16–18, 84, 86f, 95–98, 110, 120, 122–124, 127, 129, 136, 143, 145–147, 149–152, 165, 180, 184, 199, 202, 208f, 214, 220f, 236f, 245, 261f, 275, 279, 287, 290f, 293, 297, 320, 325, 331–333, 335, 341f, 346, 349, 360f, 367, 384, 394 Resignation siehe Hoffnungslosigkeit retardierend 130, 139f, 188 Retter 135–138, 140, 144, 148, 177, 188, 195, 254, 263, 282, 287, 291, 293, 302, 325, 329f, 334f, 338, 352f, 356, 365, 375, 379, 388, 395, 397, 407 Revolution, theologische 97, 100 Rezeption, Text- 2, 11, 39, 69f, 102f Reziprozität 90, 92, 374 Rezitation 53, 70f, 75, 84, 87–89, 96, 99– 101, 104f, 111, 122, 139, 189, 234f, 407 Ringstruktur 17, 168, 197–219, 335, 344f, 352f, 398, 408 rite of passage 345 Ritual – als religiöse Praxis siehe Kultpraxis – Mundöffnungs- 71 – Löse- 212, 258 – taqribtu- 169, 233f – -text 88f, 93f, 96 Roadmap 339f Ruhe – allgemein 9, 120–125, 127f, 132, 134, 150, 161, 163–166, 169, 177, 179, 182, 186, 198, 201–203, 208, 211f, 237, 378, 387 siehe auch Schlaf

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– -stätte 123, 162, 167, 201f, 275, 368, 384 Rüstungsmaßnahmen siehe Aufrüstung Šala 76 Salmanassar III. 47f, 53, 57, 65 šamallû (Assistent/Student) 39, 48, 51, 73– 75, 77f, 80, 101, 325, 403 Šamaš 46, 58f, 76, 146, 152–154, 277, 292 Šamši-Adad V. 57 Sänger siehe nâru (Sänger) šangû (relig. Experte) 38f, 50f, 64, 73–75, 77f, 101, 403 Sanḫerib 39, 47, 88f, 102f, 137, 146, 356 Sargon II. 35, 47, 51–56, 60f, 103 sargonidisch 45, 48, 50, 65 šatammu (Vorsitzender des Tempelrates) 39 Ša(.g)-zu (Mardukname) 224, 226, 229, 335 – Š. Suḫ-(e)rim(ak) (Mardukname) 227 – Š. Suḫ-guʾ(e)rim(ak) (Mardukname) 227 – Š. Zaḫ-(e)rim(ak) (Mardukname) 227, 335 – Š. Zah-guʾ(e)rim(ak) (Mardukname) 227, 230 – Š. Zi(.g)-si(.g) (Mardukname) 226, 230 Schächtung 209 Scharniervers siehe Schwellenzeile Schicksalsbestimmung siehe Festsprechungsakt Schicksalstafel siehe Tafel der Festsprechungen Schisma siehe Götterspaltung Schlaf 121–123, 133, 182, 186, 188, 192, 196, 320, 378, 408 Schöpfung – Götter- 12, 113, 118f, 124, 183–186, 195f, 245, 339f, 356, 358–361 – Menschen- 119, 127, 137, 163, 165–168, 178, 192–195, 197, 203–209, 213f, 217f, 237, 245, 247, 261f, 266, 345, 352, 356, 361–363, 367–369, 372, 381, 390f, 396, 398 – -serzählung 10, 25f, 68, 108, 110f – -skompetenz 119f, 137, 150, 156, 159f, 162, 165f, 168, 179, 185, 192f, 201f, 206, 218, 226, 238, 259, 295f, 329, 332, 335, 339, 343, 361–363, 366, 368, 373, 400 – Welt(teil)- 25f, 105, 110, 112, 114f, 119– 121, 127, 149–160, 162, 168, 174, 178, 183f, 186, 189–195, 197, 203, 218, 220, 239, 244f, 247, 264, 295f, 313, 339f, 345, 366–368, 371f, 381, 385, 391, 395–399 Schreckensglanz 164, 190, 279, 318–320, 341 Schreiberschule siehe Ausbildung religiöser Experten Schrein der Festsprechungen 124, 184, 250

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Sach- und Namensregister

Schriftbild 13, 17, 23–25, 89, 165, 278, 283, 311, 314 Schuld 89, 166, 168, 187, 193, 206–218, 237f, 262, 334, 336, 339, 344f, 363–367, 369–373, 375, 385, 388f, 391, 398 Schultafel siehe Tafeltyp, Typ 2a Schutt 47, 53, 64 Schutzgott/-wesen 282, 284–288, 291f, 406 Schwellen – -passage bzw. -teil 18, 116, 219, 221, 231– 246, 345, 348f – -zeile 116, 120, 155, 166, 169, 231, 361 Schwur siehe Treueeid Seil 93, siehe auch Leitseil Selbstverfluchung 240, 245, 257, 346f, 375f, 399f šešgallu (Oberpriester) 71, 87–89, 93, 104, 404 Shakespeare 320f Siegel 53, 148, 263–266, 308, 362 Sigle 30, 32–34, 37, 40–42, 72f signifiant siehe Phonetik signifié 21–25, 272, 278, 283, 311, 314 Sîn 51, 146, 152–154, 304 Singen 82–84, 100, 232, 234, 297, 374 Sintflut (als Waffe) 117, 145, 147 Sintfluterzählung 1, 84, 117, 205, 334, 388– 390, 407, 416 Sippar 32, 34f, 39f, 42f, 58–63, 65–68, 79, 102 Sirsir (Mardukname) 71, 227, 229f – S. Malaḫ (Mardukname) 71, 227, 230 Sitz im Leben siehe Verortung, situative Sonne 152–154, 156, 191, 225, 276–278, 291, 304, 310, 314, 366, 387 Sprechakt 176, 220, 222, 250f, 255f, 261, 270, 277, 291, 308, 312f, 349 Stabilität 155, 191, 205, 215f, 235, 241, 246, 340, 349, 368, 370, 372f, 381, 383, 385– 392, 398f, 407, 411f Standardversion 13, 45, 159 stativisch 95, 116, 118, 122, 124–127, 134, 158, 165, 169, 171, 179, 239, 253, 256, 260, 278f, 288–290, 299–301, 303 Sternbilddemonstration 143f, 177, 239, 251, 254f, 260–262, 266, 302, 305f, 308, 332, 337–339, 345, 347, 375, 401 Sternenbogen 239, 244, 256, 269, 299, 303– 306, 309, 311 Stichzeile 31, 36f, 50, 68, 80 Strafe 76, 166, 168, 206–218, 237, 280, 334– 336, 344, 347, 352f, 355, 358, 365f, 369– 373, 389f, 392, 397f, 411

Stratigraphie – archäologisch 13f, 35, 46–48, 53–56, 58, 60f, 64–66 – sprachlich/textlich 19, 125, 128 stream of tradition 70, 97, 415f, siehe auch Rezeption Subjunktion 118, 147, 154f, 166, 174, 179f, 189f, 240, 256 Substitution 18, 194, 261f, 279, Sultantepe siehe Ḫuzirīna Sühne 95, 127, 212–214, 327, 370f, 391 Šulgi 278 Sumerogramm siehe logographisch Sünde 82, 94, 208, 214 Sündenbock 207, 210–214, 218, 345, 370– 372, 389f, 398 Supremat siehe Überlegenheit šurpu-Serie 212 Syllabar B (Text) 292 syllabisch 27, 172, 222, 272, 277, 307 syndetisch 91 Synkretismus 120, 349f, 352f, 400, 409 siehe auch Henotheismus Syntax 13, 15f, 21, 84, 91, 112, 124, 134, 146, 194, 255, 257, 299, 326, 349 Tafel der Festsprechungen 10, 128–130, 148, 155f, 187, 199, 250–252, 254, 259f, 262– 268, 306, 308, 314f, 316, 326, 328, 356, 401, 408 Tafeltyp – allgemein 12, 30, 33f, 76, 80 – Typ 2a 14, 28, 31, 33–35, 40, 45–47, 49, 56f, 63, 66, 68f, 79–81, 102, 272, 403 – Typ 2c 33f, 64, 66, 68, 78, 80, 325 Tafelunterschrift siehe Kolophon Tašmētu 54 Tašrītu (Monat) 71, 89 Tell Ḥaddad siehe Mê-Turnat teleologisch 117, 140, 203, 205, 209f, 217f, 374, 396 siehe auch Zweck Tempel – Aja- (in Sippar) 58–60, 63, 65, 69, 79f, 101, 403 – Anu- (in Uruk) 233f – als soziale/politische Institution 104, 106, 404, 406 – Aššur- siehe E-šara (Tempel in Assur) – Ea- (in Babylon) 156f – in Ḫuzirīna (ggf. Sîn-) 50f, 63 – in Kiš 55, 57, 69, 403 – Ištar- (in Babylon) 49, 101 – Ištar- (in Uruk) siehe E-ana – Marduk- (in Babylon) siehe Esaĝila

Sach- und Namensregister – mythologisch 150, 152, 155–157, 160f, 168, 183, 193f, 201, 233–235, 272–276, 294, 368f, 404 – Nabû- (in Borsippa) siehe Ezida – Nabû- (in Kalḫu) 52–54, 57, 64, 67, 69, 79f, 325, 403 – Nergal- (in Mê-Turnat) 57f, 63, 65, 67, 69, 79f, 101, 403 – Neujahrsfest- siehe akītu, Haus– Šamaš- (in Sippar) siehe E-babbar – sonstige (als reale Gebäude) 42f, 45, 80f, 87, 92, 101, 105 Tempeldienst 27, 42, 45, 48f Tempelschule 50f Terminativ-adverbialis 90 Teufelskreis 395, 408 textextern 72, 85f, 96, 101, 105, 117, 150f, 157, 176, 193, 222, 237, 243, 264, 267, 283, 287, 295f, 298, 309, 351, 368, 382f, 386, 399f, 400–402, siehe auch intertextuell textimmanent 8, 10, 13, 15–20, 26, 28, 97, 99, 117, 128, 156, 175, 193, 219, 221– 224, 230, 265–267, 272–274, 283, 289, 293, 295f, 298, 302, 306f, 309, 316, 326, 331, 337, 351, 355, 359, 374, 385, 393, 406, 409, 413f Text – -kern 8, 108, 110, 198, 202, 206, 208–211, 213, 217f, 237, 344 – -komplexität 3, 9, 25, 112f, 200, 333, 413 – -komposition 8, 15, 17f, 27, 111, 173, 178, 180, 182–248, 273, 333–335, 352f, 393, 408 – -konsistenz 9, 112f, 128 – -oberfläche 3, 16f, 95, 112, 215, 247, 276, 296, 352 Textzeugenherkunft (ohne Fundkontext) – räumlich 29–34, 36, 38f, 40–42, 44 – zeitlich 29f, 34–36, 38–40, 44 Theogonie siehe Schöpfung, GötterTheologie 87, 89, 99, 102f, 112, 119, 150f, 187, 224, 350, 353, 356, 359, 365, 374, 400, 406f theopolitisch 2, 161, 201, 234f, 369, 372, 385 Theozid 117f, 120f, 123, 127–131, 134, 139, 177, 182f, 186f, 195f, 198, 207, 211f, 261f, 319, 321, 327, 330, 334f, 338, 364, 378, 390f, 395 theriomorph 118, 147 Thron – -anspruch siehe Thronfolge – -besteigung siehe Inthronisation

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– -folge 265, 281, 313, 321–324, 328, 347, 356, 359, 363, 381f, 395, 407f siehe auch Kronprinz – -raum 232f, 344 Tigris 116, 155, 157, 191 Til-Barsip 53 Tišpak 156f Tod 76, 117, 128, 133, 144, 211, 215, 217, 265f, 322, 348, 370 Todesurteil 212, 347f Tor des Apsû (bāb Apsî) 156f Tradierung 11f, 20, 27, 30, 35f, 61, 70, 80, 83, 85–87, 90f, 95, 97, 100f, 106, 112f, 306, 353, 393, 402, 405f, 415f Träne 93f, siehe auch Weinen Trankopfer siehe Libation Treueeid 169, 178, 217, 240, 245, 257, 345– 349, 353, 373–375, 378, 380, 388, 400f, 407, 410 Trias – neue (Anu, Ea und Marduk) 127, 156 – klassische (An, Enlil und Ea) 119, 151f, 154, 174, 222, 296, 309 – Ur- (Lahmu, Laḫamu und Anšar) 119, 156, 172f, 221f, 242f, 309 Trikolon siehe Dreiklang Trinken 82, 97–99, 140, 333, 410 Truppen 103, 128, 130, 146, 149, 182, 187, 196, 199f, 211, 321, 337, 365, 395 ṭupšarrūtu (Schreibkunde) 46, 64 Tutu (Mardukname) 226, 229f – T. Agaku(.g) (Mardukname) 163, 226, 405 – T. Tu-ku(.g) (Mardukname) 226, 230 – T. Zi-ku(.g) (Mardukname) 226 – T. Zi-ukkina(k) (Mardukname) 226, 405 Typus – ergänzender 229f – kombinierender 230 – phonetischer 230 – Zusatznamen- 225, 229f Überlegenheit 99, 185, 260, 267, 298, 318, 320, 324, 327, 356, 360, 409f Ubšu-ukkinakku 137, 173, 221, 254f, 307, 330f, 333, 344, 348f Ugarit 10, 278 Unangemessenheit 147f, 155, 210f, 263, 308, 323, 328, 390 unilateral 250, 308, 313, 337 Unruhe 9, 112, 118, 120f, 123, 126–128, 133f, 145, 177, 179, 182, 186, 196, 207, 211, 228, 358, 374, 378, 390

520

Sach- und Namensregister

Untertan 94, 97, 170, 193, 200, 215, 281, 285, 334, 347f, 350, 353, 367f, 371f, 375, 379f, 388, 399, 407f, 410 Unterweisung 82, 84, 95 Unterwelt 117, 224, 294f Unterweltfluss (Ḫubur) 117 Unterwerfung 92, 99f, 158f, 170, 240f, 257, 279–283, 307, 316, 331, 340–343, 346f, 351, 363, 365, 370, 374–377, 379–381, 407f, 411 siehe auch Verbeugung unveränderlich 82, 94, 199, 256, 258–260, 331 Urkönigtum 319, 321 Urkunde 35, 47, 49, 52f, 56, 60–64, 79, 264 Urwesen 118–120, 123, 126f, 182f, 185–187, 189f, 195f, 198, 245, 362, 378, 386, 394f, 398 Uruk 24, 32–36, 40, 42f, 60–63, 65–67, 69, 76, 79, 101, 150, 233f Urzustand 116–118, 245 Usmû 88, 158, 319, 358 Usurpation siehe Prätendent Ūta-napištī 305 Utu siehe Šamaš utukkī lemnūti-Serie 212 VAT 663 (ritueller Kalender) 341 Verbaladjektiv 250, 360, 399 Verbeugung 158, 164, 202, 240, 253, 257, 279, 283, 307, 329, 331, 337–341, 343, 346, 365, 397 siehe auch Unterwerfung Verbrechen siehe Vergehen Verehrung (Götter-) 92f, 97, 106, 138, 143, 152, 193, 241, 275, 287, 334, 403, 405f, 410–412 Vergehen 82, 94f, 187, 208, 211f, 370, 373, 389f, 392, 398, 411, siehe auch Sünde Verlässlichkeit 205, 387–389, 392, 404 Vermischung (von Wasser) 125, 185, 361 Vermittler (zu Göttern) 86, 92, 135, 177 Verneigung siehe Verbeugung Verneinung 93f, 116–118, 122, 199, 268f, 287, 290, 388 Verpflichtung 45, 92, 94, 99, 195, 215, 264, 335–338, 343, 345, 347, 352f, 355, 363, 365–369, 371f, 375f, 381, 388f, 396–398, 403–405, 407, 410 Verortung – historische 10, 106 – räumliche und zeitliche 30, 32f, 36, 44, 48, 52f, 56, 60, 65f, 69–72 – situative 14f, 29f, 59, 63, 70–72, 74, 77–81, 83f, 88, 96–98, 101–103, 104f, 290, 356, 393, 403

Verschmelzung, funktionale siehe Ersetzung, funktionale Verschonung siehe Gnade Versorgung, (Götter-) 92, 97, 99, 106, 142f, 159, 163f, 166f, 192f, 200–203, 205, 208, 234–237, 241, 285f, 333, 335f, 338f, 342– 345, 351–353, 363, 367–369, 371f, 375, 385, 388, 390, 397f, 403–406, 410f Versprechen 81, 92, 94f, 100, 162, 203, 207– 209, 211, 232, 238, 273, 275f, 302, 310, 312, 317, 329, 333f, 336, 374, 388, 405, 408, 412 Verstand 91, 206, 360 Verwendung – von Wörtern/Wurzeln 8, 15, 18f, 21f, 93, 95, 98, 119, 122–125, 128f, 131f, 136, 147, 148, 150–152, 154f, 158, 163f, 174, 180, 186–189, 192, 194, 199, 201f, 204– 207, 209, 211–214, 222, 239, 242, 251, 258, 261f, 268, 272, 278f, 284, 286f, 289f, 292–296, 302, 318–320, 322, 330, 334f, 337, 341f, 347, 357f, 360, 384, 399, 402, 407f – von Keilschriftzeichen 230, 277 – Text- siehe Pragmatik Vetitiv 256, 259, 330 Vollmacht 317, 332, 343, 375, 385, 397, 415 Vorbild/Ideal 205, 382, 404, 411 Vorlage – Gestaltungs- 150–152, 156, 167f, 173, 191, 193, 195, 223, 232, 243, 266, 281, 294, 296, 339, 382, 409 – Text- 15, 43, 68, 75, 77, 128, 147, 167, 170, 173, 223, 225, 229f, 300, 333 Vortrag siehe Rezitation Vor-Zeichnung siehe Zeichnung Vorzeitigkeit 85, 147, 149, 155, 167 Vorzüglichkeit 124–126, 177, 192, 361f, 365, 375 Wachstafel 75, 77 wahr 24f, 207, 215, 270f, 274, 281, 307, 309, 313, 350, 353, 378, 399 Warka siehe Uruk Wasser – Salz-/Süß- 116f, 125, 362 – -versorgung 155–157 Wehrhaftigkeit 390, 398 Weihgabe 39, 75–77, 101, 104, 403 Wein 52 Weinen 93, 139 Weiser siehe enqu (Weiser) Weisheit

Sach- und Namensregister – als Eigenschaft 91, 120f, 164f, 184, 193, 214, 320, 360, 362f, 365, 391, 409 – -sgott 119, 121, 131f, 150, 166, 320, 388 – -sliteratur 51, 78 Weisung 48, 78, 90, 92, 94–98, 100, 105f, 133, 151, 168, 176, 207, 209, 211, 224, 235f, 297f, 327, 342, 367f, 371, 401–406, 410–412 Weltordnung 26, 106, 113f, 127, 149, 151, 155f, 160f, 168, 170, 191f, 195, 197, 206, 234f, 245f, 264, 339, 366f, 372–375, 379, 381, 383–388, 398, 402, 406–408, 410– 412 Wesir 120, 122, 138, 158, 174, 186, 196, 319, 322, 357 Wetter – allgemein 118, 145, 154–156, 191, 197, 265, 366 – -gott 118, 156f, 349, siehe auch Adad Wiederherstellung 143, 217, 234, 260, 262, 306, 339, 374, 411 Willkür 389, 398, 411 Wind – allgemein 154 – elf W.e 145, 147, 186, 188, 198, 383 – Nord- 149, 188, 225 – vier W.e 118, 126f, 130, 145, 182, 186– 188, 196, 198, 210, 239, 373, 396 Wirtschaftsurkunde siehe Urkunde Wissender siehe mūdû (Wissender) Wohlergehen 82, 91–93, 95, 97, 106, 176, 302, 367–369, 371, 399, 403–405, 410

521

Wohlwollen 92, 94f, 106, 205, 404, 409, 411f Wolke 118, 154 Wortfeld 16–19, 22, 121, 124, 136, 139, 141, 144, 150, 152, 154, 158, 160f, 169, 179, 238, 260 Wortgewalt 128, 259f, 332 Wortwurzel 17–19, 21f, 84, 95f, 119, 122f, 127, 134, 136, 146f, 150, 163, 165, 169, 186, 192, 202–206, 208, 210, 212, 220, 232–234, 238f, 249, 257, 261, 280, 289f, 293, 297, 301, 305, 308, 320, 332, 341, 347, 360, 362, 399, 404 Wut 93f, 133f, 139, 147, 149 Xerxes I. 61 Zarpānītum 38, 76f Zeichnung 50, 124, 202, 236 Zentralismus 153, 176, 369, 372, 379, 383– 386, 405 siehe auch Kultzentralisation Zepter 93, 158, 164, 337 Zeugung 119f, 125f, 184, 196, 358, 362 Ziqqurrat 45–47, 64, 78, 161, 168, 201 siehe auch E-temen-an-ki Zorn 82, 94f, 139, 289, 404 Zulum (Mardukname) 228–230 Zulumummu (Mardukname) 223, 228, 295 Zweck 12f, 20, 43f, 76, 79–81, 89, 97, 103, 106, 110, 139, 141, 143, 205f, 208–210, 217f, 237, 396, 402f zyklisch 152, 156, 191, 366, 382, 394, 408, 412

Lexemregister Sumerisch giš

ban ban

mul

dím é èš gal gèš gíd íl ká kal ki-en-gi

300, 302–304, 306, 310, 312 239, 269, 299, 303–306, 309, 311 119, 185, 361 21, 274, 310 272 103, 274f 228 299–301, 305, 310 168, 274 274, 310 292 28, 215

kíĝ kíĝ-gal kišib kur lú lú-maš mú mud para10.g úmun saĝ zu

28, 215 28, 215 148 24, 103 241 153 120 119f, 185, 361 233 120f 168, 274 272

Akkadisch agû alkatu amēlu amēlūtu anūtu apkallu aplu ariktu arku aštû atru banû

bašāmu baʾūlātu

158, 190, 279, 318–320, 341 84, 120, 171, 204–206, 219f, 222, 244, 270, 284f, 288– 290, 294, 301 165, 205f, 241, 283, 288, 311 176, 205f, 213, 283 128, 147, 260, 263, 266, 323, 328 184, 361 118f, 224, 281, 358f 299–301, 305, 310f 239, 269, 299–303, 305f, 310–312 158f, 257, 279, 342, 344 362 82, 118, 137, 150, 162, 184, 190, 207, 213, 221, 224, 232, 238, 253, 256, 258– 260, 262, 270, 293f, 330, 332, 357, 362, 366 239 284f

bēlu

bēlūtu bêlu bītu dullu edēqu egû eliš ellu elû emāšu emēdu epeš pî

124, 142, 164, 202, 209, 232, 252, 260, 280, 296, 301, 310, 318, 320, 324– 327, 333, 366 159, 169, 240, 320, 341, 346 297 21f, 83, 88, 94, 103, 146, 152, 161, 201, 203, 269, 272–275, 310, 312, 368, 384 165, 205f, 213 318, 320, 341 81f, 91–94, 140, 403f 26, 28, 99, 108, 176, 219, 268, 284, 384 123, 136, 184, 362 99, 161, 167f, 221f, 240, 244, 253, 274, 293f, 346 158f, 257, 279, 342, 344 209f, 213–215 190, 258f, 261, 265, 284f, 287, 308, 330

Lexemregister epēšu epšetu erṣetu gamālu gimru ḫarmu ḫarrānu ḫaṭṭu ilānū abtūtu ilānū kamûtu imtu isqu iṣu ištēn kabattu kalû kamāru kamû kanāku kanāšu kânu karru kaṣāru kašādu kataduggû kiššatu kittum kūbu kullumu kussû lamassu lēʾû libbu lullû māḫāzu maḫrû malikūtu malku manû mārtu

76f, 132, 164f, 193, 200, 202, 232f, 238–240, 275, 284–286, 335, 342, 384 188, 219, 238, 288–290 116, 155, 159, 167, 169, 224, 236, 240, 280, 285, 294, 310, 346 136, 142, 280, 333 142, 236, 297, 322, 333f, 342, 357 318, 322f 301f 145, 337 148 148, 160, 163, 294 129, 145, 265f, 362 167, 205, 236 239, 269, 299f, 302f, 306, 310–312 166, 206, 211, 261f, 269, 299 132, 297 142, 333f, 342 129, 265f 108f, 136f, 148, 189f, 254, 329, 148 158, 340 142, 191, 199, 208, 210, 236, 238, 275, 333, 346, 399 321f 204, 207 239, 262, 269, 299–302, 310–312 199, 259, 308 142, 278, 333f, 342 399 366 81, 84–87, 95 88, 127, 169, 239f, 329, 337, 345f 286f, 291–293 184, 361 82, 94, 132, 164, 253, 325f 147, 165, 176, 206 151f, 157, 161, 194, 201, 384 81–85, 87, 90, 95, 97, 99, 176, 207, 407 141, 320 209, 320 122, 148, 189, 212 304

māru

mašālu melammu mēsū miḫirtu mitḫāriš mukallimtu nabû

nagû nakālu napištu nāqidu našāqu nigûtu nikiltu nišū nubattu paḫāru palû parakku parṣu pašāḫu pelludû puḫru

pušqu qaštu qerītu qibītu rēštû rēʾû rēʾûtu

523 81, 84, 90, 92, 126, 154, 159, 164, 185, 202, 221, 276–279, 284, 288, 293, 310, 327, 342, 357 219, 288–290 190, 318–320, 341 173, 221, 235, 257, 270, 293f, 349 160f, 167f, 274, 384 81, 84, 90, 137, 254f, 330, 333, 374 84 84, 108, 116, 137, 171, 190, 207, 219–222, 244, 253–257, 268–270, 272f, 284, 286, 288, 290f, 293f, 297, 299, 309, 329f, 349, 400 82, 232, 297 150, 192, 202, 204–206, 238f 142, 240, 280, 333, 346 81, 84, 90f, 93 158, 340 232–234, 294, 297 156, 166, 168, 202, 204f, 362, 366 86, 166, 206, 261, 278, 284, 292 161f, 167, 202f, 233, 368, 384 146, 166, 206, 240, 261, 346 329, 337 141f, 167, 200f, 203, 233, 275, 286, 301, 332f, 337, 342, 368, 385 155, 157, 223f, 262, 297f 122f, 127, 131f, 136, 163f, 165, 167, 187, 189, 202f, 208 155, 157 134, 137, 142, 161, 169, 190, 239, 254f, 279, 322, 329f, 333, 340, 346, 368, 374, 384 287, 291, 293 238f, 251f, 256, 269, 299f, 302, 304, 306, 310f, 345 169, 232–234 82, 94, 141, 199, 202, 259– 261, 280, 284, 287, 308, 342 318 81, 84, 90f, 93 91, 284

524 riksu sagû sapāru sattukku simtu

Lexemregister

297f, 318, 320, 341, 391 142, 275, 333, 368 238 163f, 201 147f, 155, 210f, 263, 308, 323, 328 simakku 158f, 257, 279, 342, 344 siqru 137, 141f, 190, 199, 221, 258–260, 263, 308, 330 ṣabātu 81, 84f, 87, 402 ṣalmāt qaqqadi 284–286 ṣerretu 298 ṣīt pî 142, 199, 259–261, 287, 308 šalamtu 366 šamallû 39, 48, 51, 74f, 77f, 80, 101, 325, 403 šamû 108, 150f, 154, 159, 169, 219f, 222, 224, 236, 258, 261, 268f, 280, 285, 294, 299, 306, 310, 314, 346, 368, 384 šanānu 81, 84, 90, 141f, 199, 259f, 287, 361 šapālu 141, 259, 337 šapliš 161, 220, 268, 284, 384 šaqû 141f, 239, 259, 284, 333, 337, 346, 362 šarru 159, 164, 185, 202, 207, 216, 254, 257, 267, 279f, 301, 318, 320, 326, 329, 332, 337f, 340–343, 374, 383, 391, 397 šarrūtu 83, 98, 108f, 111, 142, 161, 169, 239f, 279, 316, 320, 329, 333f, 341f, 345f, 374, 384, 394 šatû 82, 97–99, 410 šēdu 286f šibqu 121, 133, 146, 189 šipru 162–164, 201, 275

šukênu šumu

takālu taklimtu tamšīlu taqribtu târu tēdīqu têrtu tukultu ukkinnu uznu (w)adû (w)âru (w)ašābu

(w)uššuru zamāru zanānūtu zāninu zāninūtu zāqīqu zâzu zikru

158, 202, 340, 346 82, 84f, 98f, 116, 162, 171, 174, 219–222, 243f, 252f, 257, 268–271, 273, 282, 284, 286, 288, 290f, 293– 297, 299, 305 269, 280 82, 84, 95f 152, 191, 285, 304 169, 232–235, 294 137, 258, 261, 330 301, 341 207, 223f, 236, 251, 297f 27, 280, 292 134, 221, 253, 256, 270, 293, 374 81, 84, 91, 126, 360, 362 221, 253, 256, 269f, 272f, 275, 293f, 310 207, 236, 364 123f, 131, 137, 142, 169, 190, 208, 221, 232–234, 236f, 239, 253f, 256, 270, 293, 330, 333, 346, 364, 374 213 26, 71, 83, 97, 100f, 108– 111, 176, 393 142, 333, 343 159, 167, 193, 200f, 221, 241, 244, 293, 333, 342f, 352, 367, 404 234f, 285, 333, 343, 397, 404 294 205f, 236 171, 220, 222, 243f, 268– 270, 280, 282, 284, 289, 291, 297, 308, 346