Zweite Republik, Spanischer Bürgerkrieg und frühe Franco-Diktatur in Film und Fernsehen: Erinnerungskulturen und Geschichtsdarstellungen in Spanien zwischen 1996 und 2011 9783847098355, 9783847102106, 9783847002109


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Zweite Republik, Spanischer Bürgerkrieg und frühe Franco-Diktatur in Film und Fernsehen: Erinnerungskulturen und Geschichtsdarstellungen in Spanien zwischen 1996 und 2011
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Formen der Erinnerung

Band 54

Herausgegeben von Jürgen Reulecke und Birgit Neumann

Caroline Rothauge

Zweite Republik, Spanischer Bürgerkrieg und frühe Franco-Diktatur in Film und Fernsehen Erinnerungskulturen und Geschichtsdarstellungen in Spanien zwischen 1996 und 2011

V& R unipress

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-8471-0210-6 ISBN 978-3-8470-0210-9 (E-Book) Dissertation an der Justus-Liebig-Universität Gießen im Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften, Datum der Disputation: 4. September 2012 Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Ilse und Dr. Alexander Mayer-Stiftung an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Ó 2014, V& R unipress in Göttingen / www.vr-unipress.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Titelbild: El espinazo del diablo (Regie: Guillermo del Toro; ES-MX 2001), Ó EL DESEO D.A. S.L.U. Druck und Bindung: a Hubert & Co, Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

In memoriam Anna Marie Bentlage (1911 – 2004)

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Bürgerkrieg und Kollektivschuldthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 ›Zwei Spanien‹ und cainismo als Denkfiguren in der Schuldfrage . 2.2 ›Extremismus‹ und Kompromissfähigkeit in Libertarias . . . . . .

43 43 50

3. Zweite Republik: Der direkte Weg in die ›Katastrophe‹? . . . . . . . 3.1 Vom Negativbeispiel zur positiven Neubewertung . . . . . . . . 3.2 Die republikanische Bildungsreform in La lengua de las mariposas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Mit eigenständiger Bedeutung: Die republikanische Ära in 14 de abril. La Repfflblica . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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71 71

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4. Franquistische Repression und Nachkriegszeit . . . . . . . . . . . . 4.1 Die Opfer des Franquismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Die Erforschung der franquistischen Repression . . . . . . 4.1.2 Gedenken an die Opfer des Franquismus: Amar en tiempos revueltos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3 Opferrhetorik in Las 13 rosas . . . . . . . . . . . . . . . .

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107 107 107

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124 135

1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Problemhintergrund, Fragestellung und Erkenntnisinteresse . 1.1.1 Zum Umgang mit der jüngeren Vergangenheit in Spanien 1.1.2 Erinnerungskulturen, Erinnerungspolitiken und populärkulturelle Medienangebote . . . . . . . . . . . . 1.1.3 Zeitgeschichte im spanischen Kino und Fernsehen der 1970er- bis 1990er-Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Materialgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8

Inhalt

4.2 Über eine Opferrhetorik hinaus? ›Anonyme Helden‹ im Franquismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 ›Heldinnen des Alltags‹ im Kinospielfilm Silencio roto . . 4.2.2 Der ›anonymen Helden‹ gedenken: Soldados de Salamina 4.3 Franquistische Täter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Monströse Bestien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Opfer, die zu Tätern werden . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2.1 Von La lengua de las mariposas zu Pa negre . . . 4.3.2.2 Los girasoles ciegos und die klerikalen ›Väter‹ . .

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155 155 179 190 190 208 213 222

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235 235 248 254 266 274 279

6. Dominante Lesarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Wir waren alle Opfer : im Leid vereint . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Wir waren alle schuld: Kollaboration und Entlastungsnarrative 6.3 Wir sind Helden: Der ›Siegeszug‹ des ›Dritten Spaniens‹ . . . .

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287 287 296 315

7. Transnationale Bedeutungsdimension . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 ›Antifaschistischer Kampf‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 ›Faschistische‹ Täter und »gefühlte Opfer« in La niÇa de tus ojos 7.3 Internationales Menschenrecht und franquistische Verbrechen . 7.4 Transnationale Helden: ›Freiheitskämpfer‹ für Europa . . . . . .

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327 327 336 351 362

8. Resümee und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

367

Quellen- und Literaturverzeichnis . . Audiovisuelles Material . . . . . . . Audiovisuelle ›Kernquellen‹ . . Sekundäre audiovisuelle Quellen Websites, Wikis, Blogs und Foren . Gedruckte Quellen und Literatur . .

385 385 385 386 393 394

5. Handlungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . 5.1 ›Die Geister der Vergangenheit erhören‹ . 5.2 Mit dem franquistischen ›Vater‹ brechen 5.3 Die eigenen Wurzeln suchen . . . . . . . 5.4 Eine neue Gemeinschaft stiften . . . . . 5.5 Den Tätern vergeben . . . . . . . . . . . 5.6 Das Leid des ›Anderen‹ anerkennen . . .

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Vorwort

Die Entstehung dieser Dissertation ist ohne meinen einjährigen ERASMUSStudienaufenthalt in Santiago de Compostela, Spanien, nicht zu erklären. Dass der Umgang mit der jüngeren Vergangenheit in Spanien offenbar ganz anders war und ist als derjenige, mit dem ich in Deutschland sozialisiert worden bin, weckte mein Interesse nachhaltig. Dieses Interesse verknüpfte ich mit dem Schwerpunkt, den ich an meiner Heimatuniversität in Lüneburg zuvor bereits auf sozial- und kulturgeschichtliche Filmanalysen gelegt hatte. Nicht wenige der für die vorliegende Untersuchung zentralen Kino- und Fernsehproduktionen habe ich erstmals 2003/04 vor Ort in Spanien gesehen bzw. habe dort von ihnen erfahren. Die Frage nach der Darstellung zeithistorischer Ereignisse, Personen und Phasen im spanischen Kino und Fernsehen, die sich ohne eine genaue Analyse ihres jeweiligen Entstehungs- und Rezeptionskontextes nicht beantworten lässt, beschäftigt mich also schon seit zehn Jahren. Ich bin glücklich und dankbar, dass ich ihr im Rahmen einer wissenschaftlichen Qualifikationsarbeit umfassend nachgehen durfte. Während meiner Promotion wurde ich von vielen Menschen auf unterschiedliche Weise unterstützt. Dank gilt zuallererst meinen Betreuern Prof. Dr. Winfried Speitkamp und Prof. Dr. Dirk van Laak, die mich beide als unbeschriebenes Blatt offen und engagiert als Doktorandin angenommen haben. Mein besonderes Interesse für spanische Erinnerungskulturen und populärkulturelle Kino- und Fernsehproduktionen haben sie in vielen Gesprächen hinterfragt und mich dadurch ebenso gefordert und gefördert wie auch beraten. Herrn Speitkamp danke ich zudem für die Möglichkeit, noch während meiner Promotionsphase an der Universität Kassel lehren zu dürfen. Gerade diese Erfahrung hat sich als wegweisend für meinen weiteren Werdegang erwiesen. Des Weiteren danke ich Prof. Dr. Stephanie Wodianka und Prof. Dr. Andreas Langenohl für ihre Bereitschaft, sich im Rahmen meiner Disputationskommission mit meiner Dissertationsschrift auseinandergesetzt und sie durch ihre Fragen und Perspektiven auf meinen Untersuchungsgegenstand bereichert zu haben.

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Vorwort

Das International Graduate Centre for the Study of Culture (GCSC) der JustusLiebig-Universität Gießen hat meine Arbeit und damit verbundene Projekte ideell und finanziell gefördert. Die Lern- und Austauschmöglichkeiten sowie die vielfältige Unterstützung am GCSC haben maßgeblich dazu beigetragen, mir nicht nur über die Anlage meines Dissertationsprojekts, sondern auch über die Ausrichtung meiner persönlichen Entwicklung klar zu werden und an beidem gezielt zu arbeiten. Für wertvolle Anregungen zur Konturierung meiner Arbeit danke ich besonders Prof. Dr. Ansgar Nünning, Prof. Dr. Horst Carl und allen Mitgliedern der Research Area Memory Cultures. Für ihre Beratung und Hilfe in jeglicher Hinsicht danke ich Dr. Martin Zierold, Ann van de Veire, Dr. Beatrice Michaelis und Dr. Kai Sicks. Dankbar bin ich ferner für die Begegnungen mit Prof. Dr. Birgit Schwelling und Prof. Dr. Frank Bösch sowie mit den Mitgliedern des Graduiertenkollegs Transnationale Medienereignisse und den Mitstreiterinnen im Re-Living Disaster-Team, die durch das GCSC bzw. die Justus-LiebigUniversität Gießen überhaupt erst ermöglicht wurden. Zugleich wäre diese Arbeit ohne Austauschmöglichkeiten mit spanischen WissenschaftlerInnen und wiederholter Unterstützung vor Ort in Spanien nicht fertig gestellt worden. Dank gebührt an der Universidade de Santiago de Compostela Prof. Dr. Xos¦-Manoel NfflÇez Seixas, Prof. Dr. Lourenzo Fern‚ndez Prieto, Prof. Dr. Jos¦ Mar†a Folgar de la Calle und dem Nomes e Voces-Team. In Madrid haben mich Prof. Dr. Eduardo Rodr†guez Merch‚n sowie Dr. Mar†a del Mar Chicharro Merayo maßgeblich unterstützt. Darüber hinaus ist die Hilfe von Susan samt Familie Reynolds Barrecheguren und Mar†a Prieto in Santiago de Compostela sowie von Mar†a samt Familie Guti¦rrez Marina in Madrid und Reinosa von unermesslichem Wert gewesen. Schon während meines Studiums und darüber hinaus haben mich Prof. Dr. Claus-Dieter Krohn, Prof. Dr. Klaus Wernecke und Walter Uka nach Kräften unterstützt. Zudem danke ich Dr. Pietsie Feenstra, Dr. Maren Röger und Ana Garc†a Mart†nez für ihre Hinweise beim Verfassen meiner ersten Projektskizzen. Dass meine fertig gestellte Arbeit in die Reihe Formen der Erinnerung aufgenommen wurde, dafür bedanke ich mich bei Prof. Dr. Birgit Neumann und Prof. Dr. Jürgen Reulecke. Dank gebührt auch Ruth Vachek und V& R unipress für die Unterstützung bei der Drucklegung meiner Dissertation. Für kritische Diskussionen über und Rückmeldungen zu meiner Arbeit, für gründliche Lektüren einzelner oder mehrerer Kapitel sowie für Unterstützung bei strategischen Überlegungen und logistischen Engpässen danke ich herzlich: Hendrik Buhl, Daniela Meinhardt, Astrid Matron, Doris Rothauge, Carl-Uwe Rothauge, Yvonne Mattern, Kirsten Zierold, Steffen Rudolph, Mirjam Bitter, Marie Lottmann, Helena Rose, Katharina Bauer, Judith Ehsen-Rühl, H¦lÀne Gibaud, Cornelia Kastelan, Nicole Burkhardt und Steffen Jost. Bei den spanischen Übersetzungen haben mir Marie Lottmann und Johanna Marx maßgeb-

Vorwort

11

lich unter die Arme gegriffen. Überhaupt wäre die Fertigstellung dieser Arbeit undenkbar ohne meine FreundInnen in Gießen, Lüneburg, Hamburg oder wo auch immer sie wohnen: Ihnen danke ich besonders für die Fähigkeit, mich auch für ganz andere Dinge zu begeistern. Ich danke meiner Familie, Erika Greve sowie Hertha und Martin Sagebiel für ihre Anteilnahme und materielle Unterstützung. Mein herzlichster Dank gilt Hendrik Buhl: dafür, dass er immer für mich da war und ist. Erlangen, August 2013

1.

Einleitung

1.1

Problemhintergrund, Fragestellung und Erkenntnisinteresse

Der Begriff memoria, vor allem in seiner Zusammensetzung mit dem Adjektiv histûrica, ist in Spanien zu einer allgegenwärtigen, in vielerlei Kontexten genutzten Wendung geworden. Dem Historiker Javier Rodrigo zufolge will eine memoria histûrica (dt.: »historische Erinnerung«)1 im heutigen Spanien nichts anderes einfordern als »die Präsenz der nicht-offiziellen Version des Franquismus in der öffentlichen Debatte«2. Diese Bestrebungen lassen sich unter der im heutigen Spanien ebenfalls omnipräsenten Phrase einer als notwendig erachteten »Rückgewinnung der historischen Erinnerung« (span.: recuperaciûn de la memoria histûrica) zusammenfassen.3 Als konkretes erinnerungspolitisches Ziel verfolgen sie die Anerkennung der Opfer franquistischer Gewaltverbre1 Dass das spanische Wort memoria in der vorliegenden Untersuchung durchweg mit »Erinnerung« statt mit »Gedächtnis« übersetzt wird, hängt mit generellen Vorbehalten gegenüber dem Gedächtnisbegriff zusammen, s. kapitel 1.1.2. Auch in Spanien wird der Begriff memoria bzw. die Begriffskonstellation memoria histûrica in den letzten Jahren zunehmend problematisiert: Vgl. Stucki/Lûpez de Abiada (2004), S. 109; Labanyi (2007), S. 440; Yusta (2007), S. 58 sowie 68; NfflÇez Seixas (2009), S. 164; Yusta (2009), S. 161 – 164; NfflÇez Seixas (2010a), S. 25 sowie 32. Monografien, die sich mit den öffentlichen Bezugnahmen auf Republik, Bürgerkrieg und Diktatur in der spanischen Vergangenheit und Gegenwart befassen, haben im spanischsprachigen Raum bisher beispielsweise die Historiker Alberto Reig Tapia (1999b) und Josefina Cuesta (2008) sowie die Politologin Paloma Aguilar Fern‚ndez (1996) und der Soziologe VicenÅ Navarro (2003) vorgelegt. 2 Rodrigo (2004b), S. 192: »la presencia en el debate pfflblico […] de la versiûn no oficial del franquismo«. [Übers. span. Originalzitate hier und in der Folge, sofern nicht anders gekennzeichnet, von der Verf.]. Vgl. Labanyi (2006), S. 89; Boyd (2008), S. 133 f.; NfflÇez Seixas (2009), S. 168. 3 Eine Formulierung, die an einen Gedächtnisbegriff denken lässt, der ›Gedächtnis‹ irrigerweise als ein abstrakt funktionierendes storage-retrieval-System konzipiert: einen Speicher bzw. Fundus, der Vergangenes einlagert, das somit in unveränderter Form abrufbar ist: Vgl. Zierold (2006), S. 130 f. Jedoch »[können] Erinnerungen […] Vergangenes nicht abrufen, sie stellen vielmehr erst in der [Herv. i. Orig.] Gegenwart her, was für die [Herv. i. Orig.] Gegenwart als Vergangenheit gelten soll«: Ebd., S. 133.

14

Einleitung

chen.4 Darüber hinaus zielen sie darauf ab, den Antagonismus aufzuheben zwischen den Erfahrungen Einzelner oder den erinnerungspolitischen Vorstößen zivilgesellschaftlicher Gruppen einerseits und den »ebenso machtlegitimierte[n] wie machtlegitimierende[n]«5 historiografisch-offiziellen Erinnerungspolitiken andererseits. Damit soll ein Referenzrahmen für das Spanien bevölkernde Kollektiv geschaffen werden, in dem sich eine Mehrheit verorten kann.6 Das Schlagwort der memoria histûrica dient somit vor allem dazu, den öffentlichen Umgang mit der Vergangenheit im zeitgenössischen Spanien zu problematisieren, mit dem Ziel, ihn mittel- bis langfristig zu ändern.7 Mit dem Wahlsieg der Partido Popular (PP; dt.: »Volkspartei«) 1996 wurden die Zweite Republik, der Spanische Bürgerkrieg und die Franco-Diktatur zu Themen, die ein zunehmendes öffentliches Interesse hervorriefen und infolgedessen auf einer breiten Ebene diskutiert wurden. Zwischen 2000 und 2008 entbrannte in Spanien ein regelrechter Kampf um Deutungshoheit über die jüngere Vergangenheit, der im Zuge der zweiten sozialdemokratischen Amtszeit – sie sollte aufgrund vorgezogener Wahlen nur bis zum Dezember 2011 andauern – in seiner Intensität nur geringfügig abflachte. Populärkulturelle Medienangebote8, die zeithistorische Themen aufgreifen, erfreuten sich im Zuge dessen einer beachtlichen Publikumsresonanz. Republik, Bürgerkrieg und Franco-Diktatur wurden daher umgekehrt in einem in Spanien bisher ungekannten Maße zu beliebten Sujets für populärkulturelle Produktionen.9 Der Filmhistoriker Vicente S‚nchez-Biosca prangert angesichts dessen die »grenzenlose Gefräßigkeit«10 an, die entsprechende Medienangebote offenbarten und infolge derer die Erinnerung seiner Meinung nach die Geschichte allmählich substituiert, anstatt sie zu vervollständigen. Spätestens seit dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts erlangten die audiovisuellen Medien eine zentrale Rolle für die Vermittlung und Deutung von Vergangenheit. Daraus resultiert ein Konkurrenzverhältnis, das erklärt, weshalb entsprechende Quellen durch die Historiografie lange Zeit gern ausgeblendet und als zu ›profan‹ herabgewürdigt wurden, obwohl sie »offenkundig Bedürfnisse auf[nehmen] und befriedig[en] […], die von der akademischen Geschichtsschreibung nicht erfüllt werden«11. Besonders das für die 1980er-Jahre Vgl. Labanyi (2006), S. 88 und 89; NfflÇez Seixas (2010a), S. 32. Hardtwig (2002), S. 118. Vgl. Rodrigo (2004b), S. 191 f.; Colmeiro (2005), S. 17 f. Vgl. Rodrigo (2004b), S. 193. Die Zugangsweise zur Populären Kultur und ihrer Angebote ist »durch Unterhaltung bestimmt«: Hügel (2003), S. 2. 9 Vgl. Stucki/Lûpez de Abiada (2004), S. 104; Jünke (2006), S. 101 f.; Amago (2010), S. 244. 10 S‚nchez-Biosca (2005), S. 49: »voracidad sin l†mites«. 11 Hardtwig (2010), S. 28. Vgl. Kaes (1987), S. 207; Archibald (2004), S. 79; Erll/Wodianka (2008), S 1; Hardtwig (2010), S. 19, 21, 33 und 39. 4 5 6 7 8

Problemhintergrund, Fragestellung und Erkenntnisinteresse

15

zu beobachtende Aufkommen eines weltweiten memory boom12 bzw. der damit zusammenhängend diagnostizierte »Overkill an Erinnerung«13 wurde im Allgemeinen kritisch beäugt, nicht zuletzt, weil populärkulturelle Medienangebote wie beispielsweise Kino- und Fernsehproduktionen daran einen weit größeren und direkteren Anteil hatten als die vergleichsweise kleine Zunft der Historiker14 mit ihren Publikationen.15 Zu erforschen, wie populärkulturelle Produkte Bezug auf Vergangenheit nehmen, stellte demzufolge entsprechend lange ein beklagenswertes Desiderat dar, ist doch festzustellen, dass »[a]bseits von elitären Wertbeimessungen und Hierarchisierungen […] gesellschaftliche Ereignisse von Populärkultur aufgegriffen, begleitet, verwertet, umgedeutet, verzehrt und ausgeschieden oder auch überhaupt erst hervorgebracht werden«16. Wenngleich populärkulturelle Medienangebote darauf abzielen, auf unterhaltsame Art und Weise ein größtmögliches Publikum anzusprechen, liefern sie auch im spanischen Fall durchaus Aussagen zur jüngeren Vergangenheit:17 Elemente zeitgenössisch aktueller Debatten werden darin mit unterschiedlichen Intentionen und unter variierenden medialen Voraussetzungen aufgegriffen, verändert oder sogar initiiert, Mythen18 verbildlicht, überhöht oder möglicherweise zerstört, Helden und Feindbilder aufgebaut, differenzierter betrachtet oder zunichte gemacht. Populärkulturelle Produktionen mit zeithistorischem Sujet konstruieren Vergangenheit somit aktiv von gegenwärtigen Prämissen aus und tragen auf diese Weise beträchtlich zur Ausformung, Konsolidierung oder Wandlung historischer Meistererzählungen bei, die nach dem Historiker Jörn Rüsen nichts anderes sind als »Antworten auf die Frage nach kultureller Iden12 Ein von Andreas Huyssen geprägter Ausdruck: Vgl. Huyssen (1995), S. 8. Zum memory boom s. auch kapitel 1.1.2. 13 Hardtwig (2010), S. 10. 14 Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wird durchweg die männliche bzw. neutrale Form verwandt, um Akteure zu bezeichnen, die beiderlei Geschlecht angehören. Dies soll die Bedeutsamkeit weiblicher Akteurinnen nicht herabwerten, sondern geschieht aus dem rein pragmatisch begründeten Willen, den Lesefluss nicht übermäßig zu beeinträchtigen. 15 Vgl. Hardtwig (2010), S. 10 und 38 f. 16 Jacke/Zierold/Schwarzenegger (2009), S. 2. Vgl. Hardtwig (2010), S. 19 und 21. In den letzten Jahren sind eine Reihe von Herausgeberwerken zum Thema erschienen, so zum Beispiel der Sammelband History goes Pop (2009) von Barbara Korte und Sylvia Paletschek, Frank Böschs und Constantin Goschlers Herausgeberwerk Public History (2009) oder History Sells (2010), herausgegeben von Wolfgang Hardtwig und Alexander Schug. 17 Vgl. Archibald (2004), S. 78 f. sowie 88 f.; Hardtwig (2010), S. 37 f. sowie 40. 18 Die Romanistin Claudia Jünke definiert Mythos als ein Repräsentationssystem, »das Welterfahrung symbolisch darstellt, also als eine spezifische kulturelle Praxis, die Wirklichkeit mit Sinn ausstattet und sie damit überhaupt erst konstituiert und darstellbar macht«: Jünke (2007), S. 221. Kennzeichnend für Mythen sei Komplexitätsreduktion; ihre Funktion ist »eine sinn-, ordnungs- und identitätsstiftende […] für eine gesellschaftliche Gruppe, die sich über ihr gegenwärtiges Selbst- und Weltbild und über die Basis ihres zukünftigen Handelns verständigt«: Ebd.

16

Einleitung

tität«19. Bei der Analyse solcher Angebote geht es entsprechend weniger um die Frage nach ihrem historischen ›Wahrheitsgehalt‹ als darum, die formalästhetischen Entscheidungen und Narrative, die ihnen zugrunde liegen, als aussagekräftige Indizien für potenziell identitätsstiftende bzw. -stärkende Darstellungskonventionen und Deutungsperspektiven von Vergangenheit zu werten. Dieses Potenzial lässt sich über eine systematische Rückbindung der einzelnen Medienangebote an ihren jeweiligen Entstehungskontext und Rezeptionszusammenhang überprüfen, konkreter verorten und erläutern.20 In diesem Sinne wird in der vorliegenden Untersuchung aufgezeigt, wie populärkulturelle Kinound Fernsehproduktionen spanischer Provenienz sich zwischen 1996 und 2011 auf die Bestrebungen einer ›Rückgewinnung der historischen Erinnerung‹ bezogen bzw. wie sie sich diesbezüglich positionierten. Daraus lassen sich wiederum Schlussfolgerungen ziehen, wie es um den zeitgenössisch aktuellen öffentlichen Umgang mit der jüngeren Vergangenheit in Spanien bestellt ist. Um entsprechende Aussagen treffen zu können, bedarf es allerdings zunächst der Erläuterung, wie auf die Zweite Republik, den Spanischen Bürgerkrieg und die Franco-Diktatur offiziell bis Mitte der 1990er-Jahre bevorzugt Bezug genommen wurde.

1.1.1 Zum Umgang mit der jüngeren Vergangenheit in Spanien Auf den Spanischen Bürgerkrieg 1936 bis 1939 folgte kein politisches System, das die Aufarbeitung dieses Kriegs ermöglicht oder gar gefördert hätte – im Gegenteil.21 Nach dem offiziellen Ende des innerspanischen Konflikts am 1. April 1939 stand das Schlagwort ›Sieg‹ und nicht etwa ›Frieden‹ im propagandistischen Mittelpunkt des machthabenden Diktators Francisco Franco. Dies bedeutete auf praktischer Ebene, dass der gewaltsamen, institutionalisierten Verfolgung gegen den ›Feind im Innern‹ – derjenige, der eine andere Ideologie verteidigt, andere Werte pflegt, andere Symbole gebraucht – auch über den Bürgerkrieg hinaus ein hoher Stellenwert zukam.22 Damit einhergehend verfuhr Franco während seiner Herrschaft nach dem Prinzip der damnatio memoriae: Toleriert wurde ausschließlich die Sicht der ›Sieger‹ auf die Vergangenheit. Die individuellen Erfahrungen und historischen Traditionslinien der Seite der ›Besiegten‹ hingegen wurden offiziell regelrecht gekappt und aus dem öffentlichen Raum verbannt, zum großen Teil gar ins Exil.23 19 20 21 22 23

Rüsen (1998), S. 23. Vgl. Hickethier (2012), S. 354 f. Genauer hierzu s. auch kapitel 1.1.2. sowie kapitel 1.2. Vgl. Bernecker (2008a), S. 174. Vgl. Diez (1998), S. 56. S. kapitel 4.1.1. Vgl. Richards (1998), S. 2, 4, 7 und 11.

Problemhintergrund, Fragestellung und Erkenntnisinteresse

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Gerade weil das Franco-Regime keine Versöhnung nach dem Bürgerkrieg hatte leisten wollen, musste dies »der wichtigste Punkt auf der Tagesordnung jedes Post-Franco-Regimes«24 sein. Entsprechend orientierte sich der offizielle Umgang mit der jüngsten Vergangenheit während der transiciûn – dem politischen Übergang von franquistischer Diktatur zu parlamentarischer Monarchie, der mit Francos Tod am 20. November 1975 einher ging –25 stark an den Prinzipien consenso (dt.: »Konsens«) und reconciliaciûn (dt.: »Versöhnung«).26 Dabei setzten sich infolge des deutlichen Übergewichts der konservativen Kräfte ausgerechnet während Spaniens Übergang zur Demokratie Erklärungsansätze für den Ausbruch und die Bedeutung des innerspanischen Konflikts durch, deren Grundzüge noch im Spätfranquismus selbst skizziert wurden.27 So hatte sich der rhetorische Akzent bei Bezugnahmen auf den Bürgerkrieg – veränderten gesellschaftlichen Ansprüchen entsprechend und durch reformistisch-zentristische Kreise des Franco-Regimes vorangetrieben –28 seit Mitte der 1960er-Jahre verschoben: War der innerspanische Konflikt bis dato stets als ein siegreicher »Kreuzzug« (span.: cruzada) gegen ein »Anti-Spanien« (span.: antiEspaÇa) überhöht worden, so stand ab 1964 der Slogan 25 aÇos de paz (dt.: »25 Jahre Frieden«) im Mittelpunkt der franquistischen Propagandabestrebungen.29 Dies markierte einen Wechsel von einstmals heroischen zu nunmehr schamvollen, ›tragischen‹ Bezugnahmen auf die jüngste Vergangenheit, in der dem Bürgerkrieg die Funktion einer ›Katastrophe‹ zugeschrieben wurde.30 Mit der Darstellung des Spanischen Bürgerkriegs als ›Katastrophe‹ wiederum ging die Meistererzählung der ›kollektiven Schuld‹ einher : An dem als schicksalhaft und daher unvermeidbar angesehenen Verlauf der ›nationalen Tragödie‹, die in den Krieg mündete, hatte partei- und lagerübergreifend »jeder und jede seinen 24 Humlebæk (2003), S. 163. 25 Zur Datierung, der politischen Entwicklung und den wesentlichen Akteuren der transiciûn gibt es unterschiedliche historische Interpretationen und Bewertungen, die auszuführen dem Schwerpunkt der vorliegenden Untersuchung nicht gerecht würde: Vgl. dazu Bernecker (2004b), S. 696 – 699. 26 Vgl. Aguilar Fern‚ndez (2002a), xx und S. 163; Rey (2003b), S. 348. 27 Vgl. Bernecker (2004b), S. 700; S‚nchez Leûn (2006), S. 117. 28 Infolge der 1959 verabschiedeten Planes de Estabilizaciûn kam es in Spanien zu einem als desarrollismo bezeichneten wirtschaftlichen Aufschwung: Vgl. Bernecker/Brinkmann (2006), S. 223 f. 29 Vgl. Arûstegui (1997), S. 49 f.; Humlebæk (2003), S. 163; Bernecker/Brinkmann (2006), S. 223; Mainer (2006), S. 140. Die Propagandakampagne 25 aÇos de paz initiierte der franquistische ›Informations- und Tourismusminister‹ Manuel Fraga Iribarne. Fraga Iribarne, Mitte Januar 2012 89-jährig verstorben, gilt in Spanien als einer der maßgeblichen Mitgestalter der transiciûn. Aufgrund der Tatsache, dass er seiner franquistischen Vergangenheit zum Trotz und noch bis ins hohe Alter hinein politisch aktiv war – 1989 bis 2005 war Fraga als Mitglied der PP Regierungschef in Galicien –, wurde er spöttisch Fragasaurus Rex gerufen. 30 Vgl. Reig Tapia (1999b), S. 82 f.; Macher (2002), S. 25 ff. und 72; Godicheau (2006), S. 152.

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Einleitung

bzw. ihren Anteil Schuld«31. Eine solche Lesart des Bürgerkriegs als ›kollektiver Fehler‹ half, Fragen nach Ursachen und Verantwortlichkeiten für dessen Ausbruch hintanzustellen. Stattdessen ließ eine ›tragische‹ Sicht auf die zeitgeschichtlichen Ereignisse die Frage nach dem Umgang mit den Folgen des ›katastrophalen Zusammenbruchs‹ ungleich dringlicher erscheinen. Dabei wurde Versöhnung angesichts vermeintlich allseits vorhandener Schuld als einzig mögliche Lösung präsentiert, um gemeinsam weiter voranschreiten zu können.32 Die Schwerpunktverlagerung hin zu einer Rhetorik33, die die Notwendigkeit einer umfassenden Versöhnung betonte,34 ermöglichte es den Machthabern im Spätfranquismus einerseits zu vertuschen, dass der Dichotomie zwischen ›Siegern‹ und ›Besiegten‹ bis zu Francos Tod die bedeutsamste ideologisch-legitimatorische Funktion seines Regimes zukam.35 Andererseits stellte die Bezugnahme auf die jüngste Vergangenheit als einer schamvollen ›nationalen Tragödie‹ erstmals eine erinnerungspolitische Basis dar, der sich auch immer weitere Kreise außerhalb des regimetreuen Lagers anschließen konnten. Insofern erleichterte diese noch unter Franco etablierte Lesart den Prozess der transiciûn erheblich, in der die Bemühungen, ›versöhnliche‹ Lösungen zu finden, zum Dreh- und Angelpunkt des politischen Geschehens wurden.36 Grundlegend für die Versöhnungsrhetorik der transiciûn war der »implizite Konsens«37, dass ›beide Seiten‹ im Sinne eines todos fuimos culpables (dt.: »wir waren alle schuld«) eine Mitschuld am Bürgerkrieg und seinen Gräueltaten akzeptierten und auf Aufrechnung verzichteten. Dieses Eindampfen der Relevanz der Frage nach einer konkreten Verteilung bzw. Verortung der Schuld in eine kollektive 31 Humlebæk (2003), S. 163. Vgl. Macher (2002), S. 26; Luengo (2004), S. 9; Aguilar Fern‚ndez (2006b), S. 251. 32 Vgl. Bernecker (2004b), S. 695; Bernecker (2005a), S. 12. Dabei war eine Sicht auf den Bürgerkrieg als ›tragisches‹ Ereignis, das nur eine Versöhnung zur Folge haben konnte, 1964 keine neue: Sie war vom Präsidenten der Zweiten Republik, Manuel AzaÇa, bereits zu Kriegszeiten und danach von Oppositionspolitikern im Exil formuliert worden: Vgl. Arûstegui (1997), S. 45; Richards (1998), S. 32; Juli‚ D†az (2005), S. 447 ff.; Godicheau (2007), S. 76; Ranzato (2007), S. 24 f. 33 Für die Bezeichnung ›Rhetorik‹ wird in Anlehnung an Jörn Rüsen deshalb plädiert, weil »Strategien der Selbstverständigung und der Weltdeutung durch historisches Erzählen stets methodische Elemente [enthalten], mit denen diese Präsentation und Deutung der Vergangenheit plausibel gemacht werden«: Rüsen (1998), S. 25. 34 Vgl. Bernecker (2008a), S. 179. 35 Vgl. Ehrlicher (2005), S. 3. 36 Vgl. Aguilar Fern‚ndez (2003), S. 18; Boyd (2008), S. 133. Nicht zuletzt deshalb, weil diese Lesart Politikern unterschiedlicher Couleur noch in den ersten Jahren der Demokratie Begrifflichkeiten bot, mit der sie sich öffentlich auf diese Phase der jüngeren spanischen Vergangenheit beziehen konnten, ohne das Wort guerra civil (dt.: »Bürgerkrieg«) konkret aussprechen zu müssen: Vgl. Aguilar Fern‚ndez (2003), S. 16; Godicheau (2006). 37 Humlebæk (2003), S. 163.

Problemhintergrund, Fragestellung und Erkenntnisinteresse

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Schuld bildete den Grundstein für das Leitmotiv der transiciûn, das sich auf die Formel nunca m‚s (dt.: »niemals wieder«) reduzieren lässt. Dieser ebenfalls bereits seit den 1960er-Jahren dominante Ausspruch steht für eine Schlussstrichrhetorik, die eher eine moralische Haltung denn eine rationale Erklärung des historischen Geschehens liefert.38 Statt auf die Vergangenheit lenkte diese Formel den Blick auf die Zukunft, in der man sich niemals wieder auf derart gewalttätige Art und Weise begegnen dürfe.39 Die im Spätfranquismus begründete und für die transiciûn so zentrale, da eine versöhnliche Sicht auf die Vergangenheit eröffnende Kollektivschuldthese ist jedoch in gleich dreifacher Hinsicht problematisch: Zum ersten war der Spanische Bürgerkrieg nicht etwa unvermeidlich, sondern Ergebnis eines illegitimen, nur partiell erfolgreichen Militärputsches gegen die demokratisch gewählte republikanische Regierung. Die Verantwortlichkeiten für den Ausbruch eines bewaffneten Konflikts mit zunächst nationalen, dann zunehmend internationalen Ausmaßen können somit eindeutig zu bestimmten Konspirateuren zurückverfolgt werden. Die Verteidiger der legitimen Regierung wurden und werden im Zuge der Kollektivschuldthese jedoch auf eine Stufe mit den Aggressoren gestellt, was den Blick auf die eigentlich Verantwortlichen der gewalttätigen Auseinandersetzung verstellt.40 Zum zweiten insinuiert eine solche Lesart, dass die Zweite Republik (1931 bis 1936) den Keim für den Konflikt in sich getragen habe, wodurch diese demokratische Phase auf ein selbst verursachtes Scheitern reduziert wird.41 Zum dritten schließlich wurde mit dem Credo des todos fuimos culpables zwar eine politisch korrekte Lösung ersonnen, wie öffentlich auf den Bürgerkrieg Bezug zu nehmen war, doch blieb der Umgang mit der darauf folgenden Franco-Diktatur ungeklärt.42 Die Tatsache, dass die franquistische Repression nach Francos Sieg im Bürgerkrieg zahlreiche weitere Opfer forderte und sie dann gar eine zunehmende Systematisierung und Institutionalisierung kennzeichnete, fiel mit der lange Zeit alleinigen Fokussierung auf den Bürgerkrieg und dessen Gräuel unter den Tisch offizieller erinnerungspolitischer Bezugnahmen.

Vgl. Aguilar Fern‚ndez (2003), S. 16; Bernecker (2008a), S. 179; Elsemann (2011) S. 149 f. Vgl. Aguilar Fern‚ndez (2003), S. 16. Vgl. Rodrigo (2004b), S. 187 f. S. ausführlich hierzu unter kapitel 3. Eine Sichtweise, die die Zweite Republik auf ihr Scheitern reduziert, ist deshalb problematisch, weil die Strukturkrise der 1930er-Jahre, die auf das Fehlschlagen der bürgerlichen Revolution im Spanien des 19. Jahrhunderts zurückzuführen ist, mit dem republikanischen System gleichgesetzt wird. Arûstegui zufolge ist die Zweite Republik jedoch (wenn auch erfolglos) angetreten, die Krise zu lösen, und hat die Krise keinesfalls selbst geschaffen: Vgl. Arûstegui (1997), S. 51 und 67; Aguilar Fern‚ndez/ Humlebæk (2002), S. 145. 42 Vgl. Aguilar (2006b), S. 285.

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Angesichts dieser Auslassungen und problematischen Lesarten, wie sie eine Sicht auf die jüngere spanische Vergangenheit eröffnet, die – wie während der transiciûn der Fall – maßgeblich auf einer Kollektivschuldthese gründet, wird dem Übergangsprozess zur parlamentarischen Monarchie in Spanien von linksintellektueller Seite kritisch begegnet. Entsprechende Kritiker attestieren der transiciûn wahlweise einen pacto de silencio (dt.: »Schweigepakt«) oder einen pacto del olvido (dt.: »Pakt des Vergessens«), verstanden als »›Tabuisierung‹ der Vergangenheit im öffentlichen Raum«43, die vor allem zu Lasten der Opfer des Franquismus gegangen sei. Diese These eines ›Schweigepakts‹ ist jedoch insofern zu modifizieren, als »schon zwischen 1976 und 1980 Journalisten, Vereine, Historiker und Schriftsteller für die Wiedergutmachung der Opfer des Franquismus ein[traten] und […] öffentliche Gedenkfeiern [veranstalteten], […] Presseberichte und Bücher [verfassten], die den franquistischen Terror thematisierten«44. Der pacto de silencio lässt sich entsprechend einschränkend definieren als »zumindest implizit[e]«45 Übereinkunft zwischen Vertretern der politischen Eliten, die Vergangenheit nicht als Waffe gegen den jeweiligen Gegner einzusetzen und deren öffentliche Aufarbeitung auf unbestimmte Zeit zu vertagen.46 Die Tatsache, dass es einen Bruch mit der vorherigen Staatsform, der Franco-Diktatur, während der transiciûn nicht gegeben hat,47 machte eine solche »Kompromissstrategie«48 in den Augen der zeitgenössischen Akteure erforderlich. Zwar waren der Bürgerkrieg und seine Folgen in politischen Kreisen ständig im Gespräch, doch zielten öffentliche Äußerungen hierzu vor allem darauf ab, »die explosive Wirkungsmacht der Vergangenheit rhetorisch zu neutralisieren«49. Ermöglichte dieser parteiübergreifende Konsens im Hinblick auf den Umgang mit der jüngeren Vergangenheit den mehrjährigen Verfassungsprozess der transiciûn also einerseits überhaupt erst, so führte er 43 NfflÇez Seixas (2009), S. 163. Vgl. Elsemann (2011), S. 180 ff. Ein Beispiel für diese kritische Sicht auf die transiciûn ist Journalist Gregorio Mor‚ns 1991 erstmals veröffentlichtes Buch mit dem bezeichnenden Titel El precio de la transiciûn (dt.: »Der Preis der transiciûn«). 44 NfflÇez Seixas (2009), S. 162. Vgl. Aguilar Fern‚ndez (2003), S. 13; Juli‚ D†az (2006c), S. 56 – 70; NfflÇez Seixas (2010a), S. 27 f. 45 NfflÇez Seixas (2009), S. 162. Vgl. NfflÇez Seixas (2010a), S. 27 f. 46 Vgl. Aguilar Fern‚ndez (2003), S. 20; NfflÇez Seixas (2009), S. 162; NfflÇez Seixas (2010a), S. 27 f. 47 Das Ende des Franco-Regimes wurde erst durch den Tod des Diktators selbst herbeigeführt. Auch dies bedingte, dass das franquistische System im Zuge des Übergangs zu einer demokratischen Staatsform nicht grundsätzlich in Frage gestellt wurde. Vielmehr vollzog sich der politische Wandel im Rahmen der franquistischen Legalität als Aushandlungsprozess zwischen franquistischen Reformern und der demokratischen Opposition und zog zahlreiche personelle, institutionelle und mentalitätsgeschichtliche Kontinuitäten nach sich: Vgl. Arûstegui (1997), S. 48; Vega Garc†a (1997), S. 36; Elsemann (2011), S. 147 f. 48 Capdepûn (2010), S. 33. 49 Bernecker/Brinkmann (2006), S. 246. Vgl. Bernecker (2008a), S. 185.

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andererseits dazu, eine umfassend kritische Auseinandersetzung mit Bürgerkrieg und Diktatur zu verhindern.50 Entsprechend gab es während der transiciûn von offizieller Seite kaum Bestrebungen, Ideale, Errungenschaften und Opfer derjenigen öffentlich zu honorieren, die damals die legitim gewählte demokratische Zweite Republik verteidigten. Statt nach der beinahe vierzig Jahre lang währenden Propaganda des Franco-Regimes die Vergegenwärtigung demokratischer Identitätsstränge zu forcieren,51 wurden republikanisch geprägte Lebenserfahrungen ›ausgeblendet‹ und blieben bestenfalls implizit präsent.52 Einerseits zeichnete sich die transiciûn damit durch das »Unterlassen von Handlungen«53 aus, sodass die Erinnerungen und Erfahrungen der Opfer des Franquismus und ihrer Angehörigen weiterhin vornehmlich im inoffiziell-privaten Familienkreis kursierten. Andererseits steht sie symbolisch für die ›nationale Versöhnung‹.54 Dafür, dass dieser Wert auf gesellschaftlicher Ebene in Spanien auch nach dem Ende des Transitionsprozesses weitgehend unhinterfragt blieb, sorgte am 23. Februar 1981 ein weiterer militärischer Putschversuch.55 Auch wenn der Putsch scheiterte,56 so belebte er die Angst vor der Möglichkeit eines erneuten Bürgerkriegs.57 Vereinzelte Initiativen auf zivilgesellschaftlicher Ebene, Mahnmale für die Opfer der franquistischen Repression zu errichten und ihre Massengräber zu exhumieren, wurden daraufhin nicht weiter verfolgt.58 50 Vgl. Macher (2002), S. 114; Rey (2003b), S. 349 f.; Ranzato (2007), S. 64. 51 Vgl. Aguilar Fern‚ndez/Humlebæk (2002), S. 152 – 155; Bernecker (2008a), S. 179 und 184; NfflÇez Seixas (2009), S. 163; NfflÇez Seixas (2010a), S. 29. 52 Vgl. Macher (2002), S. 82 f.; Bernecker/Brinkmann (2006), S. 265. Zur Praxis des ›Ausblendens‹, die die Historikerin Ute Schneider von der damnatio memoriae unterscheidet: Vgl. Schneider (2004), S. 267 f. Für den mit der transiciûn in Spanien einhergehenden impliziten Konsens, die Vergangenheit ›auszublenden‹, prägte der spanische Historiker Santos Juli‚ D†az den Ausdruck echar al olvido (dt.: »dem Vergessen hinwerfen/überlassen«): Vgl. Juli‚ D†az (2003). 53 Humlebæk (2003), S. 165. 54 Ausdruck dieser ›nationalen Versöhnung‹ ist in den Augen vieler Spanier die demokratische Verfassung Spaniens, die am 6. Dezember 1978 per Volksentscheid ratifiziert wurde: Vgl. Aguilar Fern‚ndez/Humlebæk (2002), S. 149. 55 Am 23. Februar 1981 putschten Teile der guardia civil und des spanischen Militärs gegen die demokratische Staatsform. Bekannt sind in diesem Zusammenhang die Bilder, die aufzeichneten, wie eine von Antonio Tejero, Oberstleutnant der guardia civil, angeführte Gruppe das spanische Abgeordnetenhaus stürmte. 56 Dem entschlossenen Auftreten des Königs Juan Carlos, der die Putschisten in seiner Funktion als Oberbefehlshaber der Streitkräfte in ihre Kasernen zurückbefahl, wird ein beachtlicher Beitrag zum Scheitern dieses Putsches zugeschrieben: Vgl. Aguilar Fern‚ndez/ Humlebæk (2002), S. 146; Ranzato (2007), S. 52 – 59. 57 Vgl. Aguilar Fern‚ndez (2006a), S. 299. 58 Vgl. Aguilar Fern‚ndez (2003), S. 19; Bernecker/Brinkmann (2006), S. 269 – 275 und 273; Keene (2007), S. 667; Brinkmann (2008), S. 110; NfflÇez Seixas (2009), S. 163; NfflÇez Seixas (2010a), S. 29; Elsemann (2011), S. 158 f.

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Auch die ab 1982 unter Felipe Gonz‚lez vierzehn Jahre lang regierenden Sozialdemokraten, einst auf Seiten der ›Besiegten‹, versuchten infolgedessen, das Aufkommen öffentlicher Diskussionen über den Bürgerkrieg und seine Folgen zu unterdrücken.59 Besonders aussagekräftig ist in dieser Hinsicht ein Kommuniqu¦, das die sozialdemokratische Regierung anlässlich des 50. Jahrestages des Kriegsausbruchs am 19. Juli 1986 herausgab. »[I]n einem durchaus selbstwidersprüchlichen Sprechakt«60 verkündete es, dass es sich beim Spanischen Bürgerkrieg nicht um ein Ereignis handle, das der gemeinsamen, öffentlich geteilten Erinnerung würdig sei. Stattdessen wurde – im Sinne der Parole nunca m‚s – die Notwendigkeit der Blickrichtung in die Zukunft und zur europäischen Integration betont.61 Parallel dazu forcierten die Sozialdemokraten ab Mitte der 1980er-Jahre ein stärkeres Engagement der historischen Forschung, »mit dem man die historische Reife des neuen demokratischen Staates zur Schau stellen konnte«62. Dadurch vertiefte sich die Kluft zwischen einem vorgeblich »nüchtern-kognitiven Erforschen«63 einerseits und einem affektiv-subjektiv geprägten Gedenken andererseits, das im familiär-privaten Rahmen überwog. Akademische Institutionen banden Zeitzeugen und deren Angehörige nicht in ihre Vorhaben ein. Die Tatsache, dass die spanische Zeitgeschichtsforschung sich infolge der transiciûn der politischen Priorität der ›nationalen Versöhnung‹ unterwarf, äußert sich daher in einer betont ›objektiven‹ und ›historisch-distanzierenden‹ Argumentation.64 Darüber hinaus vernachlässigten spanische 59 Vgl. NfflÇez Seixas (2009), S. 162. 60 Ehrlicher (2005), S. 2. Das Moncloa-Kommuniqu¦ ähnelt Ehrlicher zufolge einer Geisterbeschwörung, da sich darin »[d]as Paradox einer präsenten Präsenzlosigkeit, einer Spur aus der Vergangenheit ohne Materialität« manifestiere, mit dem seit jeher die Figur des Gespenstes beschrieben worden sei: Ebd. Zur Figur des Geistes in öffentlichen Debatten über die jüngere Vergangenheit in Spanien s. ausführlich unter kapitel 5.1. 61 Vgl. Arûstegui (1997), S. 38; Stucki/Lûpez de Abiada (2004), S. 113; Brinkmann (2005), S. 101; Ehrlicher (2005), S. 4; Elsemann (2011), S. 162 – 164. Dieses Kommuniqu¦ der Regierung Gonz‚lez ist auch insofern dem Geist der transiciûn geschuldet, als es dezidiert betont, der Anhänger ›beider Seiten‹ im Bürgerkrieg zu gedenken. Gewürdigt werden darin sowohl diejenigen, »die jederzeit mit ihrer Anstrengung – und viele mit ihrem Leben – zur Verteidigung der Freiheit und der Demokratie in Spanien beigetragen haben«, als auch diejenigen, »die – von anderen Positionen als denen des demokratischen Spaniens – für eine andere Gesellschaft kämpften«: Moncloa-Verlautbarung vom 19. Juli 1986; zit. n.: Bernecker (2008a), S. 178. Vgl. Ranzato (2007), S. 61 f. 62 Ehrlicher (2005), S. 4. 63 Ebd. Vgl. Rey (2003b), S. 351 f.; Luengo (2004), S. 85 f.; Brinkmann (2008), S. 110. Kritische Stimmen bezeichnen die spanische Zeitgeschichtsforschung jener Zeit als »aseptisch« (span.: historia as¦ptica). Dabei bleibt zu berücksichtigen, dass die Beschäftigung der spanischen Historiografie mit Bürgerkrieg und Franco-Diktatur ein relativ junges Phänomen darstellt, wurde dieses Forschungsgebiet doch lange von ausländischen Kollegen dominiert: Vgl. Humlebæk (2003), S. 188; NfflÇez Seixas (2010a), S. 25. 64 Vgl. Ehrlicher (2005), S. 4; Bernecker/Brinkmann (2006), S. 261; Bernecker (2008a), S. 176 f.; NfflÇez Seixas (2009), S. 170.

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Historiker »unliebsame[…] Themen«65, was Xos¦-Manoel NfflÇez Seixas gar als »Selbstzensur«66 bezeichnet. Die implizite Übereinkunft, die Vergangenheit nicht als Waffe gegen den politischen Gegner zu nutzen, wurde erst gebrochen, als die von Korruptionsskandalen zerrüttete Partido Socialista Obrero EspaÇol (PSOE; dt.: »Spanische Sozialistische Arbeiterpartei«) in den vorgezogenen Parlamentswahlen des Jahres 1993 ihre absolute Mehrheit verlor und – angesichts der Befürchtung, die Macht zu verlieren – eine Wahlkampagne lancierte, die auf den »franquistischen Entstehungsmakel«67 der konservativen »Volkspartei« PP abzielte. Dies ist in Anlehnung an Aguilar Fern‚ndez als klarer Bruch mit dem pacto de silencio der transiciûn zu werten, infolgedessen sich die Art der Bezugnahmen auf die jüngere Vergangenheit in Spanien veränderte.68 Zwar war noch um die Jahrtausendwende unter Spaniern69 der Wunsch weit verbreitet, die Vergangenheit ruhen zu lassen,70 allerdings nahmen sich gerade junge Spanier zunehmend von dieser Meinung aus.71 Obwohl bei der Jahrtausendwende 45 % der spanischen Bevölkerung zu jung war, um den Bürgerkrieg sowie die Franco-Diktatur selbst erlebt zu haben,72 stieg der Anteil derer, die »den Bürgerkrieg ›nicht vergessen‹ haben«73, Umfragen zufolge von 40 % im Jahr 1995 auf 51 % im Jahr 2000.74 Die (Ur-)Enkel der Bürgerkriegsgeneration, die im heutigen Spanien zu Trägern der 65 NfflÇez Seixas (2009), S. 170. 66 Ebd. Dies verdeutlicht, dass auch Historiker, wenngleich nach spezifischen, verlässlichen und nachprüfbaren Bedingungen operierend, »integraler Bestandteil« (Cornelißen (2003), S. 555) bestimmter Erinnerungskulturen sind und durch bestimmte Erinnerungspolitiken in ihrer Arbeit beeinflusst oder gar instrumentalisiert werden. 67 Aguilar Fern‚ndez (2003), S. 20: »m‚cula franquista de origen«. Die Partido Popular wurde 1989 von dem späteren Ministerpräsidenten Jos¦ Mar†a Aznar als modernisierte und umstrukturierte liberal-konservativ-christdemokratische Nachfolgepartei der »politische[n] Erbin des Regimes«, der Alianza Popular (AP, dt.: »Volkstümliches Bündnis«), gegründet: Bernecker/Brinkmann (2006), S. 241. Vgl. Balfour (2005b), S. 146 und 149; Capdepûn (2010), S. 34. Ehemalige Anhänger des Franquismus stimm(t)en bekanntermaßen für die PP: Vgl. Aguilar Fern‚ndez (2003), S. 20. 68 Vgl. Aguilar Fern‚ndez (2006a), S. 305 f. 69 Der Verfasserin der vorliegenden Arbeit ist bewusst, dass es sich angesichts der Bedeutung, den regionale Nationalismen und Autonomiebestrebungen in Spanien innehaben, um eine grobe Vereinfachung handelt, von ›dem Spanier‹ bzw. ›den Spaniern‹ zu sprechen. Dennoch wird im Folgenden dieser Begriff verwandt, wenn es um Redewendungen geht, die sich im Kastilischen – also dem landläufig als ›Spanisch‹ bezeichneten – durchgesetzt haben, um Meinungsumfragen, die landesweit durchgeführt wurden, oder um Statistiken, politische Beschlüsse oder Medienangebote, die die Gesamtheit der Bevölkerung betreffen bzw. ansprechen. 70 Vgl. Aguilar Fern‚ndez/Humlebæk (2002), S. 123; Stucki/Lûpez de Abiada (2004), S. 114. 71 Vgl. Boyd (2008), S. 144. 72 Vgl. ebd., S. 142. Ähnlich Angaben macht Ulrich Winter : Vgl. Winter (2004), S. 632 f. 73 NfflÇez Seixas (2009), S. 160. 74 Vgl. ebd.

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Erinnerung werden, fühlen sich im Gegensatz zu ihren Eltern, den niÇos de la transiciûn (dt.: »Kinder der transiciûn«), dem pacto de silencio nicht (mehr) verpflichtet und begegnen der jüngeren Vergangenheit mit Neugier statt mit Furcht.75 Bei dem steigenden Interesse an zeithistorischen Themen spielt wiederum das Versterben der Zeitzeugengeneration eine bedeutsame Rolle, deren individuellen Erfahrungen plötzlich über den privat-familiären Rahmen Gehör verschafft wird.76 Dieser generationsbedingte Einstellungswandel beförderte maßgeblich eine Sicht auf die jüngere spanische Vergangenheit, in der Verantwortlichkeit und Schuld für Krieg und Gewalt sich eben nicht symmetrisch aufteilen lassen, wie es die Formel des todos fuimos culpables propagiert. Dabei werden besonders die Bemühungen eines bestimmten Vertreters der ›Generation der Enkel‹, des Journalisten Emilio Silva Barrera, als eine Pionierleistung mit »Signalwirkung«77 erachtet, die zu einer zunehmend öffentlichkeitswirksamen Beschäftigung mit den Opfern des Franquismus führte. Anfang 2000 fing er an, nach der Leiche seines im Bürgerkrieg verschollenen Großvaters zu suchen. Da es zu diesem Zeitpunkt keine staatliche Stelle gab, die ihm bei seinem Unterfangen hätte helfen können (und wollen),78 gründete er gemeinsam mit dem Lokalhistoriker Santiago Mac†as P¦rez eine zunächst kleine Bürgerinitiative mit regionaler Reichweite: die Asociaciûn para la recuperaciûn de la memoria histûrica (ARMH; dt.: »Verein für die Rückgewinnung der historischen Erinnerung«). Dieser Verein setzte sich zum Ziel, »die sterblichen Überreste von verschiedenen Opfern der franquistischen Repression aus der Provinz Leûn aus den zumeist nicht als solchen gekennzeichneten Massengräbern zu exhumieren und auf Friedhöfen beizusetzen«79. Silva Barrera und Mac†as P¦rez machten dieses Vorhaben 75 Vgl. Rodrigo (2004b), S. 194; Fern‚ndez Prieto (2005), S. 68; Aguilar Fern‚ndez (2006b), S. 273; Arûstegui (2006), S. 80 und 89; Juli‚ D†az (2006b), S. 17; Juli‚ D†az (2006c), S. 71; Brinkmann (2007), S. 182 f.; Boyd (2008), S. 142 f.; Suntrup-Andresen (2008), S. 79 f; NfflÇez Seixas (2009), S. 164; NfflÇez Seixas (2010a), S. 31. Neben den jüngeren und jungen Spaniern, die sich an einer kritischen Aufarbeitung der Bürgerkriegs- und Diktaturvergangenheit interessiert zeigen, gibt es die, bei denen Unkenntnis und Desinteresse gegenüber diesen Aspekten der Zeitgeschichte überwiegt. Ebenfalls kritisch, doch auf der anderen Seite des politischen Spektrums zu verorten, sind die »relativ junge[n] Parteianhänger, die den Wahlsieg der konservativen Volkspartei im Jahr 1996 begleitet haben«: Brinkmann (2007), S. 183. 76 Vgl. Rodrigo (2004b), S. 193. S. ausführlicher hierzu unter kapitel 4.1.1. 77 Bernecker (2008a), S. 187. Vgl. Brinkmann (2008), S. 111; Elsemann (2011), S. 184 sowie 202. 78 Vgl. Rey (2003b), S. 354; NfflÇez Seixas (2009), S. 165; NfflÇez Seixas (2010a), S. 37. 79 NfflÇez Seixas (2009), S. 166. In Leûn wurde auf das Betreiben von Silva Barrera und Mac†as hin letztlich, nach einer Unterbrechung von rund zwanzig Jahren, im Jahr 2000 ein Massengrab des Bürgerkriegs geöffnet: Vgl. Bernecker/Brinkmann (2006), S. 298 f.; Bernecker (2008a), S. 187; Brinkmann (2008), S. 111. Die ARMH operiert dank regionaler Organisationsebenen inzwischen landesweit, wird dabei von einigen Regionalregierungen unterstützt und kämpft weiterhin für die Aufklärung der politischen ›Säuberungen‹ während des und

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publik, brachten ihr Anliegen zur Exhumierung von Opfern der Repression im Sommer 2002 sogar bei der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen vor und lösten damit ein großes Medienecho und eine Welle der Hilfsbereitschaft aus.80 Dies wiederum zog eine Reaktion von staatlicher Seite nach sich: Am 20. November 2002, dem 27. Todestag Francos, verabschiedete die verfassungsgebende Kammer des spanischen Parlaments eine parteiübergreifende institutionelle Verkündung zur jüngeren Vergangenheit. Darin wurden allerdings weder der Putsch noch der Bürgerkrieg noch die Franco-Diktatur konkret benannt, sondern Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele im Allgemeinen und totalitäre Regime im Plural verurteilt.81 Nach dem Wahlsieg der PP im März 1996, der im nationalen Kontext den ersten demokratischen Wechsel von ›links‹ nach ›rechts‹ nach dem Ende des Franco-Regimes markierte, schlossen sich die politischen Oppositionsparteien der Jahre 1996 bis 2004 zunehmend der Rhetorik der Bürgervereinigungen an, die eine ›Rückgewinnung der historischen Erinnerung‹ einforderten.82 Besonders im Falle der abgestraften PSOE ist dies nicht zuletzt wahltaktischen Überlegungen geschuldet.83 Entsprechend häuften sich seit 1996 parlamentarische Eingaben, die sich auf die demokratisch-republikanische, die Kriegs- und/ oder die Diktaturvergangenheit bezogen. Das Drängen der Opposition auf an-

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nach dem Bürgerkrieg: Vgl. NfflÇez Seixas (2009), S. 166; NfflÇez Seixas (2010a), S. 38. Dabei bemüht sich Gründervater Emilio Silva stets darum, sich von Versuchen der politischen Instrumentalisierung zu distanzieren – im Gegensatz zur später gegründeten Vereinigung Foro por la memoria (dt.: »Forum für die Erinnerung«), die der spanischen kommunistischen Partei, der PCE, nahe steht: Vgl. Bernecker (2005b); Brinkmann (2008), S. 113 sowie 122; Suntrup-Andresen (2008), S. 80 f.; NfflÇez Seixas (2010a), S. 37; Elsemann (2011), S. 188 f. sowie 230 f. Inzwischen existiert eine große Anzahl ähnlich motivierter Organisationen und Vereine in Spanien: Vgl. Brinkmann (2008), S. 112; NfflÇez Seixas (2009), S. 167; NfflÇez Seixas (2010a), S. 38; Elsemann (2011), S. 170 sowie 188 f. Vgl. Bernecker/Brinkmann (2006), S. 299. Vgl. Aguilar Fern‚ndez (2006a), S. 286 f.; Elsemann (2011), S. 289 f. Die Resolution enthält jedoch das Versprechen, die Hinterbliebenen der in Massengräbern Vermuteten bei der Suche nach ihren Angehörigen finanziell zu unterstützen. Vgl. Cu¦, Carlos E.: El caso de las fosas de la Guerra Civil llega hasta la ONU. In: El Pa†s (21. 08. 2002), www.elpais.com (20. 02. 2012); Cu¦, Carlos E.: Doble rasero para las fosas de la guerra. In: El Pa†s (20. 03. 2003), www.elpais.com (20. 02. 2012); Aguilar Fern‚ndez (2003), S. 20 f.; Keene (2007), S. 664 f.; Boyd (2008), S. 143; NfflÇez Seixas (2009), S. 160 sowie 165; Capdepûn (2010), S. 35; Elsemann (2011), S. 206 – 211 sowie 290. Dennoch verweigerte die PP die versprochene finanzielle Unterstützung: Vgl. Elsemann (2011), S. 293. Die Forderungen nach einer ›Rückgewinnung der historischen Erinnerung‹ sind angesichts dessen ein Beispiel für Bemühungen, die nicht etwa auf konzertierte Art und Weise ›von oben‹ vorangetrieben, sondern ›von unten‹ angestoßen wurden: Vgl. Rodrigo (2004b), S. 192; Elsemann (2011), S. 329. Vgl. Brinkmann (2007), S. 176. Die Anlehnung der PSOE an Bestrebungen einer ›Rückgewinnung der historischen Erinnerung‹ hängt zudem eng zusammen mit einem innerparteilichen Generationswechsel, den der Rücktritt von Felipe Gonz‚lez als Parteivorsitzender eingeläutet hatte: Vgl. Elsemann (2011), S. 167 f.

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dere, von der bisherigen Praxis divergierende erinnerungspolitische Initiativen verstärkte sich nochmals, nachdem die PP in den Wahlen des Jahres 2000 die absolute Mehrheit im spanischen Parlament erhalten hatte.84 Infolge der zunehmend öffentlichkeitswirksamen zivilgesellschaftlichen Bemühungen um eine recuperaciûn de la memoria histûrica geriet auch die spanische Zeitgeschichtsforschung verstärkt in die Kritik. Sie habe, so der Vorwurf, zur Etablierung eines von politischen Prinzipien inspirierten offiziellen Geschichtsbildes beigetragen.85 Infolgedessen kam es zu einem beträchtlichen Anstieg historiografischer Publikationen und Fachtagungen zu den Themen und Personengruppen, deren Diskussion auf breiter Ebene lange vermieden wurde. Im direkten Zusammenhang mit der »Neuentdeckung«86 der über spanischen Boden verstreuten Massengräber drehte sich die spanische Zeitgeschichtsforschung nunmehr vor allem um Aspekte der franquistischen Repression.87 Die zunehmend intensive Beschäftigung der spanischen Geschichtswissenschaft mit zunächst kritisch betrachteten Aspekten der recuperaciûn de la memoria histûrica trug wiederum maßgeblich zur Institutionalisierung der Bemühungen um eine ›Rückgewinnung der historischen Erinnerung‹ bei. Bezeichnend hierfür war 2004 die Einrichtung eines außerordentlichen Lehrstuhls für Memoria Histûrica del Siglo XX an der Universidad Complutense de Madrid, auf den Julio Arûstegui berufen wurde und der mit den zivilgesellschaftlichen Vereinigungen zur ›Rückgewinnung der historischen Erinnerung‹ zusammenarbeitete.88

1.1.2 Erinnerungskulturen, Erinnerungspolitiken und populärkulturelle Medienangebote Auch in Spanien lässt sich somit das Phänomen beobachten, dass »individuelle Akteure oder Gruppen von Akteuren […] das Recht auf ihre eigene ›Geschichte‹ ein[fordern]«89 ; eine Entwicklung, deren Ausgangspunkt auf europäischer Ebene mit dem Versterben der Zeitzeugen des Holocaust und dem Zusammenbruch der kommunistischen Regime Ende der 1980er-Jahre in Verbindung gebracht wird. Die damit einhergehende Abkehr von politischen Ideologien 84 Vgl. Aguilar Fern‚ndez/Humlebæk (2002), S. 132; Brinkmann (2005), S. 105 f. S. ausführlicher unter kapitel 4.1.1. 85 Vgl. Reig Tapia (2009), S. 327 ff. und 356 ff.; Ehrlicher (2005), S. 4 f. 86 NfflÇez Seixas (2010a), S. 37. 87 S. kapitel 4.1.1. 88 Vgl. NfflÇez Seixas (2010a), S. 31. S. auch Fußnote 553. Julio Arûstegui ist Anfang des Jahres 2013 gestorben. 89 Lindenberger/Blaive (2012), S. 22.

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sowie deren Ablösung durch eine Hinwendung zur Vergangenheit führte zu einem weltweiten memory boom mit unterschiedlichen Ausdrucksformen.90 Im Zuge dieser »grundlegende[n] mentalitätsgeschichtliche[n] Wende«91 in der westlichen Welt sah sich auch die internationale Forschung zu einer umfassenden Auseinandersetzung mit den Funktionsweisen von Erinnerung und Gedächtnis nicht nur auf individueller, sondern auch und vor allem auf kollektiver Ebene herausgefordert. Dies führte zu einer Neu- respektive Wiederentdeckung bereits bestehender Arbeiten, wie etwa der Schriften des Soziologen Maurice Halbwachs, als auch zur Neu- und Weiterentwicklung entsprechender Theorien und Konzepte. »[Ü]ber viele Disziplingrenzen hinweg«92 hat sich die Erinnerungsforschung in den vergangenen Jahren in diesem Kontext »zu einem der zentralen Forschungsfelder der Kulturwissenschaften entwickelt«93, das unterschiedliche Ausprägungen erfuhr. So verzeichnet die Verwendung des Konzeptes der lieux de m¦moire, wie es der französische Historiker Pierre Nora erarbeitete, einen bis heute anhaltenden Aufschwung. In Deutschland entfaltete das Modell des ›kollektiven Gedächtnisses‹ mit seinen verschiedenen Unterteilungen, wie es der Ägyptologe Jan und die Anglistin Aleida Assmann in den 1980er-Jahren im Rückgriff auf Halbwachs vorstellten, eine anhaltende Wirkung. Daneben erlebte der Begriff ›Erinnerungskultur‹ dem Historiker Christoph Cornelißen zufolge seit Mitte der 1970er-Jahre eine derartige Konjunktur, dass er sich im deutschsprachigen Raum mittlerweile als einer der Leitbegriffe der Kulturgeschichtsschreibung bezeichnen lässt.94 Dabei kommt vor allem der interdisziplinären Arbeit des Gießener Sonderforschungsbereichs 434 Erinnerungskulturen (1997 bis 2008) das Verdienst zu, ein Konzept von Erinnerungskulturen erarbeitet zu haben, das »Dynamik, Kreativität, Prozesshaftigkeit und vor allem die Pluralität«95 von Erinnerungen betont und eine »Privilegierung des Erinnerungs-Begriffs […] vor dem Gedächtnis-Begriff«96 plausibel begründet. Letzterer erweist sich als zu wenig akteursbezogen und gleichzeitig als zu statisch, um komplexe, sich in ständigen Wechselbeziehungen befindende Erinnerungsprozesse präzise zu beschreiben.97 Stattdessen ist mit der Anglistin Astrid Erll für die konsequente

90 Vgl. Cornelißen (2003), S. 548 f. und 553; Winter (2004), S. 643 f.; Erll (2005), S. 2 – 4; Lindenberger/Blaive (2012), S. 22. 91 Cornelißen (2003), S. 553. 92 Jacke/Zierold (2009), S. 5. 93 Ebd. 94 Vgl. Cornelißen (2003), S. 550; Cornelißen (2010), S. 1. 95 Erll (2005), S. 34. 96 Ebd. 97 Vgl. Erll (2003), S. 176; Erll (2005), S. 34; Zierold (2006), S. 132; Berek (2009a), S. 33. Dem Gedächtnisbegriff wohnt zudem eine irreführende Metaphorik inne, die oftmals dazu ver-

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Verwendung des Begriffs ›Erinnerungskulturen‹ im Plural zu plädieren, um »die Vielfalt und historisch-kulturelle Variabilität von Erinnerungspraktiken und -konzepten«98 zu unterstreichen. Insofern das Konzept ›Erinnerungskulturen‹ davon ausgeht, »dass jedes gesellschaftliche System seine spezifische Vergangenheit […] ›hat‹ und diese auf spezifische Weise thematisiert«99, bietet es weiterhin den Vorteil, stark »auf das Moment des funktionalen Gebrauchs der Vergangenheit für gegenwärtige Zwecke, für die Formierung einer historisch begründeten Identität ab[zuheben]«100. Dieses Moment tritt in den eingangs skizzierten Debatten über den Umgang mit der jüngeren Vergangenheit in Spanien mehr als deutlich zu Tage. Angesichts der Forderungen, wie sie Angehörige dort bisher ›beschwiegener‹ Erinnerungsgemeinschaften101 zunehmend nachdrücklich stell(t)en, ist jedoch genauer von »Konflikte[n] von Erinnerungspolitiken«102 zu sprechen: Die jeweils zeitgenössischen Debatten rund um die Frage, wie ein angemessenes offizielles Gedenken an die historischen Phasen Zweite Republik, Bürgerkrieg und Franco-Diktatur auszusehen habe, waren auf die »extrem unterschiedlichen Formen [der] politischen Repräsentation«103 verschiedener Erinnerungsgemeinschaften in der spanischen Öffentlichkeit zurückzuführen. In diesem Streben nach öffentlicher Aufmerksamkeit werden nicht zuletzt populärkulturelle Medienangebote als erinnerungspolitische Instrumente genutzt und/oder als solche gewertet. Dies aufzuzeigen, leistet die vorliegende Untersuchung am Beispiel spanischer Kino- und TV-Produktionen, die zwischen 1996 und 2011 produziert und vorgeführt bzw. ausgestrahlt wurden. Dabei ist die Einsicht zentral, »dass ein im Film durch medienspezifische Darstellungsweisen erzeugtes, erinnerungskulturell relevantes Wirkungspotential [Herv. i. Orig.] erst in konkreten gesellschaftlichen Prozessen realisiert [Herv. i. Orig.] wird«104. Kino und TV-Produktionen sind »gesellschaftliche[…] Phänomen[e]«105, deren Dynamik sich erst in soziokulturellen Zusammenhängen

98 99 100 101 102 103 104 105

leitet, kollektive Erinnerungsprozesse anhand individualpsychologischer Vorgänge zu erklären: Vgl. Zierold (2006), S. 66, 84 und 88 – 91; Erll (2008a), S. 5. S. auch kapitel 5.1. Erll (2005), S. 34. Zierold (2006), S. 141. Cornelißen (2003), S. 555. Vgl. Olick/Robbins (1998), S. 122 – 126 und 133; Schneider (2004), S. 261; Zierold (2006), S. 142 und 147. Eine Erinnerungsgemeinschaft ist laut der Politologin Birgit Schwelling eine Gruppe, die sich über Erinnerungen definiert hat: Vgl. Schwelling (2010), S. 18. Lindenberger/Blaive (2012), S. 25. Vgl. Rodrigo (2004b), S. 191 ff. Lindenberger/Blaive (2012), S. 25. Erll/Wodianka (2008), S. 6. Erll/Wodianka sprechen deshalb vom »Erinnerungsfilm«: Ebd., S. 7. Da die vorliegende Untersuchung sich nicht nur Filmen, sondern auch Fernsehserien widmet, wird dieser Begriff im Folgenden nicht verwandt. Ebd.

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entfaltet.106 Zudem handelt es sich bei Film und Fernsehen um Medien, die »nicht in erster Linie die Funktion des Speicherns [Herv. i. Orig.] von Information über die Vergangenheit erfüllen; sie dienen vielmehr ihrer Verbreitung [Herv. i. Orig.]«107. Umso drängender stellt sich die Frage, welche Geschichte in populärkulturellen Kino- und TV-Produktionen wie inszeniert wird.

1.1.3 Zeitgeschichte im spanischen Kino und Fernsehen der 1970er- bis 1990er-Jahre Spanische Kino- und Fernsehproduktionen hatten vor 1996 kontinuierlich, wenngleich nicht in konstanter Intensität und schon gar nicht auf unveränderte Art und Weise, auf Aspekte der Zeitgeschichte Bezug genommen.108 Schon vor 1975, also noch vor Francos Tod, gab es kritische Annäherungen an die Themen Bürgerkrieg und Diktatur von spanischen Regisseuren, die die bestehende franquistische Zensur unter dem Deckmantel eines als ›metaphorisch‹ bezeichneten, anspielungsreichen Kinos erfolgreich unterliefen.109 Der indirekte Darstellungsstil, zu dem sie sich gezwungen sahen, tat ihrer Wertschätzung in den Augen von Filmwissenschaftlern und -historikern keinen Abbruch, im Gegenteil: V†ctor Erices El esp†ritu de la colmena (Der Geist des Bienenstocks; ES 1973) beispielsweise gilt bis heute als Meisterwerk der spanischen Filmgeschichte.110 Infolge des Übergangs zu einer demokratischen Staatsform kam es zu einem Aufschwung sowohl fiktionaler wie auch dokumentarischer audiovisueller Produktionen, die Aspekte der jüngeren und jüngsten Vergangenheit aufgriffen. Gerade dokumentarische Kinoproduktionen jener Zeit bemühten sich um eine dezidiert kritische Sicht auf das franquistische Regime und dessen Stellenwert in der zeitgenössischen Gegenwart.111 Die Art und Weise, wie der Bürgerkrieg und dessen Folgen in spanischen audiovisuellen Produktionen zur Darstellung ge106 Dies betonen ähnlich die Historiker Wulf Kansteiner (2002) und Gerhard Paul (2004, 2006b, 2008, 2009, 2010a, 2010b) sowie der Romanist Christoph Vatter (2009) und der Medienwissenschaftler Knut Hickethier (1997, 2005). Als fundamental ist in dieser Hinsicht die Studie Von Caligari zu Hitler des Soziologen und Filmtheoretikers Siegfried Kracauer zu bewerten: Er begriff das Medium Film als Vehikel kollektiver gesellschaftlicher Sinnkonstruktionen. 107 Erll/Wodianka (2008), S. 4. 108 Vgl. Archibald (2004), S. 77; Ranzato (2007), S. 75 – 78. Wiederkehrend thematisiert wurden Aspekte der Zeitgeschichte in Spanien zudem in Literatur und Theater : Vgl. Neuschäfer (2007), S. 193; Ranzato (2007), S. 73 – 75; Suntrup-Andresen (2008), S. 3 und 5. 109 Vgl. Monterde (1986), S. 36 f. 110 Vgl. ebd.; Juan Pay‚n (2005), S. 8. 111 Vgl. Monterde (1986), S. 38 f.

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langten, sollte jedoch ein bestimmter Kinospielfilm begründen und lange Zeit prägen: Las largas vacaciones del 36 (Long Vacations of 36; ES 1976, Regie: Jaime Camino).112 Mit über einer 1 Mio. Zuschauer war dies der überaus publikumswirksame erste Film,113 der den Bürgerkrieg nach Francos Tod aus der Sicht der – im weitesten Sinne republikanischen –114 ›Besiegten‹ darstellte und dafür das im Hinterland angesiedelte fiktionale Familienmelodrama etablierte. Las largas vacaciones del 36 entstand noch während des Franquismus, also unter Zensurbedingungen.115 Dies mag die Tatsache erklären, warum die Figuren, die filmintern positiv konnotiert sind, für Kompromissbereitschaft und Mäßigung stehen. Schuld an Krieg und Gewalt sind laut Filmnarrativ ›Extreme‹ auf ›beiden Seiten‹. Die Protagonisten des Films hingegen, fiktive Mitglieder katalanischer Mittelstandsfamilien, werden ungeachtet ihrer ideologischen Überzeugungen von den ›Umwälzungen der Geschichte‹ im privat-häuslichen Bereich überrascht und erleiden diese überwiegend passiv.116 Dabei liegt ein besonderer Schwerpunkt in Las largas vacaciones del 36 – wie im Titel bereits anklingt – auf den leidvollen Erfahrungen, die den kindlichen Figuren im Zuge des Kriegs zuteil werden. Explizite on screen-Gewalt gelangt indes kaum zur Darstellung. Der Film endet mit der republikanischen Niederlage von 1939 und dem damit einhergehenden Exil der Zivilbevölkerung, das Regisseur Camino als »ein quasiapokalyptisches ›Ende der Geschichte‹«117 inszeniert. Die mit dem Spanischen Bürgerkrieg verbundenen historischen Ereignisse präsentiert Las largas vacaciones somit als Erzählung mit voraussetzungslosem Anfang und endgültigem Schluss; eine Art Darstellung, die die Literaturwissenschaftlerin Celia Fern‚ndez Prieto als »¦pica de la derrota«118 (dt.: »Untergangsnarration«) bezeichnet. Im spezifisch spanischen Kontext dominierte eine derartige Dar112 Vgl. Monterde (1986), S. 40 f.; Deveny (1993), S. 69; Rodriguez (2007b), S. 172 – 178 sowie 184. Regisseur Jaime Camino gilt infolgedessen als die Instanz in puncto Bürgerkrieg im spanischen Kino. Nach Las largas vacaciones del 36 führte er bei zahlreichen weiteren fiktionalen wie auch dokumentarischen Produktionen zum Thema Regie, zum Beispiel bei Dragûn Rapide (ES 1986) oder bei Los niÇos de Rusia (The Children of Russia; ES 2001). 113 Vgl. Filmdatenbank des spanischen Kultusministeriums, www.mcu.es (20. 02. 2012). Näheres zu dieser Datenbank s. Fußnote 164. 114 Der Terminus ›Republikaner‹, der oftmals genutzt wird, um Angehörige des im Bürgerkrieg besiegten Lagers zu beschreiben, ist deshalb missverständlich, weil all jene nicht als ›republikanisch‹ im ideologischen Sinn begriffen werden können. Zudem ist der Begriff simplifizierend, weil die Parteien, die in Spanien die republikanische Staatsform unterstützten und verteidigten, weit davon entfernt waren, ein einheitliches ideologisches Gefüge zu bilden: Vgl. Godicheau (2005), S. 220 f.; Ranzato (2007), S. 124 – 127. 115 Vgl. Rodriguez (2007b), S. 171 f. Der franquistische Zensurapparat hatte noch bis Ende 1977 Bestand. 116 Vgl. Deveny (1993), S. 69. 117 Rey (2004a), S. 106. Vgl. Rodriguez (2007b), S. 172 – 178 sowie 184. 118 Fern‚ndez Prieto (2005), S. 69 und 76. Vgl. Jünke (2007), S. 223.

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stellung konfliktiver Phasen und Aspekte der Zeitgeschichte, wie sie sich mit Las largas vacaciones del 36 als erfolgreich erwiesen hatte, noch lange nach Aufhebung der franquistischen Zensur. Da bei einer Umsetzung zeithistorischer Sujets in Form von Melodramen ein ›tragischer‹ Verlauf der Handlung sowie ›tragische‹ Figuren strukturell geradezu vorgegeben sind,119 perpetuieren die entsprechenden Filme die auf einer übergeordneten Ebene seit den 1960erJahren prominente ›tragische‹ Lesart der jüngeren spanischen Vergangenheit mit dem Bürgerkrieg als ›Katastrophe‹. Mit Spaniens fortschreitender demokratischer Konsolidierung bis in die erste Hälfte der 1990er-Jahre hinein ließ sich auf kinematografischem Gebiet im geschäftlichen wie auch im künstlerischen Sinn ein Desinteresse an konkret historischen Themen konstatieren.120 In den vereinzelten Kinoproduktionen mit zeithistorischem Sujet ebenso wie in den thematisch ähnlich orientierten großen Fernsehproduktionen, die in den 1980er-Jahren zur Primetime im staatlichen spanischen Fernsehen121 gesendet wurden, überwogen fiktionale Darstellungen der jüngeren Vergangenheit als Kulisse für Familienchroniken mit ›tragi(komi) schem‹ Verlauf. Sie fokussierten dabei in bewährter Manier die ›Heimatfront‹ und die privat-emotionalen Befindlichkeiten der dort Ansässigen, wobei eine Opferrhetorik dominierte.122 Eine regelrecht standardisierte audiovisuelle Beschäftigung mit der jüngeren Vergangenheit setzte sich durch,123 die im Hinblick auf die spanische Filmindustrie eng zusammenhing mit dem protektionistischen ›Dekret Mirû‹124, das die PSOE-Regierung im Dezember 1983 erließ: Die 119 Vgl. Del Mar Chicharro Merayo/Rueda Laffond (2008), S. 69. 120 Vgl. Heredero/Santamarina (2002), S. 58; Archibald (2004), S. 76; Fern‚ndez Prieto (2005), S. 67; Gal‚n Fajardo (2007). 121 Damit ist im Folgenden Televisiûn EspaÇola (TVE) gemeint, das zur 1980 gegründeten Rundfunkanstalt Radio Televisiûn EspaÇola (RTVE) gehört, die sich im staatlichen Besitz befindet. Die Einführung und Institutionalisierung des Fernsehens in Spanien ist eng mit der Franco-Diktatur verbunden. Auch das gebührenfreie, durch staatliche Subventionen und bis zum 1. Januar 2010 durch Werbung finanzierte spanische Fernsehen gilt bis heute als sehr regierungsnah und – wie in den grundlegenden Prinzipien der Anstalt im Juli 1981 festgelegt – didaktisch in seiner Ausrichtung, wobei die Kontrolle über das Programm vor allem über personelle Umbesetzungen gesichert wird: Vgl. Contreras/Palacio (2001); Jordan (2002), S. 198 f.; Garc†a de Castro (2002); Fröschl (2004); Schulze Schneider (2005); Schulze-Schneider (2012), S. 403. 122 Vgl. Rey (2003a), S. 145 – 148 sowie 156 f. 123 Vgl. Archibald (2004), S. 76 f.; Del Mar Chicharro Merayo/Rueda Laffond (2008), S. 68. 124 So genannt aufgrund der im Zuge des politischen Machtwechsels 1982 zur »Generaldirektorin der Kinematografie« (span.: Directora General de Cinematograf†a) ernannten Regisseurin Pilar Mirû: Vgl. Monterde (1993), S. 98; Jordan/Morgan-Tamosunas (1998), S. 2; Rey (2003a), S. 130. An dem kontinuierlich starken Einfluss, den die Politik weiterhin auf das spanische Filmschaffen einnahm, lässt sich Monterde zufolge ablesen, dass es in der spanischen Filmindustrie ebenso wenig zu einem Bruch mit der Franco-Diktatur gekommen war wie auf soziopolitischer Ebene: Vgl. Monterde (1986), S. 38.

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sozialdemokratische Filmgesetzgebung begünstigte mit im Voraus gewährten Subventionen vor allem ein so genanntes cine de calidad (dt.: »Qualitätskino«), das das spanische Kino auf dem nationalen wie internationalen Parkett wettbewerbsfähiger machen sollte.125 Neben der Tatsache, dass sich die spanische Filmindustrie dadurch zunehmend in eine finanzielle Abhängigkeit staatlicher Fördermittel begab, entzündete sich die Kritik an diesem Dekret vor allem an den Auswahlverfahren, nach denen die zu subventionierenden Filme ermittelt wurden. Ohne bewusst so konzipiert worden zu sein, wirkte das System als inhaltlich wie formal-gestalterisch homogenisierender Filter, der zwar zu einer Vielzahl häufig sehr gut gemachter Spielfilme führte, zumeist Literaturadaptionen,126 jedoch das Verschwinden publikumswirksamer, populärer Genres beförderte.127 Der Filmhistoriker Jos¦ Enrique Monterde kritisiert angesichts der in jener Zeit überwiegenden Produktionen eine falsch verstandene Interpretation von ›Qualität‹, die durch das Fehlen ästhetischer Risiken und die Verwendung bewährter Darstellungskonventionen gekennzeichnet sei.128 Im Hinblick auf die Auseinandersetzung mit der jüngeren Vergangenheit im spanischen Kino der 1980er-Jahre habe dies zu einer »verpaßte[n] [sic] Gelegenheit«129 geführt, da »Gemeinplätze und gewisse Tabus das Nachdenken und die Diskussion über historische Geschehnisse«130 ersetzten. Daher stellte Land and Freedom (GB-ES-DE), der am 5. April 1995 in den spanischen Kinos anlief, für das zeitgenössische Publikum in mehrfacher Hinsicht ein Novum dar : zunächst in inszenatorischer Hinsicht, weil darin – in 125 Vgl. Riambau (1995), S. 402; Scholz (2005), S. 24; S‚nchez (2009), S. 138. 126 Vgl. ebd., S. 42 f.; Albersmeier (1993), S. 59; Hueso (1997), S. 780; Jaime (2000); Rey (2003a), S. 130. Zwischen spanischem Kino und spanischer Literatur gab es stets enge Verbindungen: Vgl. Hermans (2008), S. 90. Die Literaturadaptionen mit zeithistorischem Sujet, die das spanische Kino in den 1980er-Jahren hervorbrachte, untersucht beispielsweise die deutsche Filmwissenschaftlerin Ursula Vossen im Rahmen einer Monografie (2002). 127 Vgl. Riambau (1995), S. 418 ff. sowie 425; Trenzado Romero (1999), S. 35; Rodr†guez/ Gûmez (2000), S. 212; S‚nchez (2009), S. 139. Höchst populär waren lediglich biopics, die historische Persönlichkeiten, die die spanische Kultur geprägt hatten, während des Franquismus jedoch tabuisiert wurden – beispielsweise der Dichter Federico Garc†a Lorca –, in den Status erinnerungswürdiger Figuren erhoben: Vgl. Jordan/Morgan-Tamosunas (1998), S. 26; Rey (2003a), S. 148 und 156 f.; Rey (2004a), S. 109. 128 Vgl. Monterde (1993), S. 21. 129 Monterde (1986), S. 38. 130 Ebd. Dem Begriff ›Tabu‹ wird in der vorliegenden Untersuchung mit Vorsicht begegnet, da er meist mit der irreführenden Implikation verwendet wird, der mit dem Übergang zur Demokratie in Spanien auf politischer Ebene einhergehende ›Schweigepakt‹ habe zu einer ›Tabuisierung‹ der jüngeren Vergangenheit auf gesamtgesellschaftlicher Ebene geführt. S. kapitel 1.1.1. Neben Jos¦ Enrique Monterde (1986, 1993) gelten die Publikationen von Peter Besas (1985), John Hopewell (1986), Marcel Oms (1986), Rom‚n Gubern (1986) und Thomas G. Deveny (1993) als Standardwerke, die eine historisch-kontextualisierende Untersuchung der bis Anfang der 1990er-Jahre produzierten ›Bürgerkriegsfilme‹ vornehmen.

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einem Film über den Spanischen Bürgerkrieg – Kampfhandlungen zu sehen waren. Inhaltlich betrachtet war und ist Land and Freedom als populärkulturelles Produkt außerdem als Rarität zu bezeichnen, weil der für ein sozial engagiertes Kino bekannte britische Regisseur Ken Loach revolutionäre Bestrebungen darin nicht nur rekreierte, sondern überhöhte.131 Anhand des Schicksals einer antistalinistischen POUM-Miliz (Partido Obrero de Unificaciûn Marxista; dt.: »Vereinigte marxistische Arbeiterpartei«) thematisierte Loach die Auseinandersetzungen innerhalb des republiktreuen Bürgerkrieglagers und demontierte somit den Mythos der ›antifaschistischen Einheitsfront‹: ein weiteres Novum.132 Diesbezüglich erntete Land and Freedom ein beträchtliches publizistisches Echo und viel Kritik aus den Reihen derer, die das Ideal des vereinten ›antifaschistischen Kampfes‹ in Spanien gewahrt wissen wollten.133 Darüber hinaus verknüpfte Loach das filminterne Geschehen über eine Rahmenhandlung direkt mit der zeitgenössischen europäischen Gegenwart.134 Dadurch lieferte er geradezu eine Anleitung dafür, wie mit den Erfahrungen der am vergangenen Geschehen aktiv Beteiligten umzugehen sei: Um »das Fortleben des Einzelnen über dessen biologische Grenzen hinaus«135 zu sichern, gilt es Land and Freedom zufolge, dessen Erlebnisse dem Gedenken einer Gemeinschaft zuzuführen und dort zu verankern. Im Film ist es bezeichnenderweise eine Vertreterin der ›Generation der Enkel‹, die dies quasi vorbildhaft tut. Trotz bzw. gerade wegen seiner ungewöhnlichen Perspektive auf den Bürgerkrieg war Land and Freedom in Spanien ein Publikumserfolg – insgesamt gut 440.000 Zuschauer sahen den Film in den spanischen Kinos, und in den großen Städten lief er über ein Jahr.136 Er wurde infolgedessen als ein populärkulturelles Produkt bewertet, das einen Anstoß lieferte, sich erneut mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen und dabei gleichzeitig aufzeigte, »wie eine jüngere, gegenwärtige Generation für die Vergangenheit zu interessieren wäre«137. Pikanterweise war es aber kein spanischer, sondern ein britischer Regisseur, der für diesen Anstoß verantwortlich zeichnete. Die rechtsliberale Tageszeitung El Mundo wertet dies als Bestätigung der These, dass der Übergang zu einer de131 Revolutionen stellen im Allgemeinen einen Aspekt dar, der in populärkulturellen Darstellung von Vergangenheit »eher selten« zu finden ist: Uka (2003), S. 241. 132 Zur Interpretation des Bürgerkriegs als Kampf ›gegen den Faschismus‹ s. kapitel 7.1. 133 Diese Stimmen kamen insbesondere – in Anbetracht der Tatsache, dass der Film den Kommunisten die Rolle des ›Verräters‹ zuschreibt – aus kommunistischen Kreisen: Vgl. o. V.: Santiago Carrillo: »Le film oublie le fascisme, Franco, Hitler et Mussolini.« In: Le Monde (05. 10. 1995), Nr. 15767; Frey (1996), S. 88; Ehrlicher (2005), S. 11. 134 Vgl. Caparrûs Lera (1999a), S. 292; Juan Pay‚n (2005), S. 198. 135 Ehrlicher (2005), S. 10. 136 Vgl. Filmdatenbank des spanischen Kultusministeriums, www.mcu.es (20.02. 2012); Wandler (1996), S. 54. 137 Pflaum, H. G.: Die zerstörte Utopie. In: Süddeutsche Zeitung (12. 10. 1995), Nr. 235.

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mokratischen Staatsform nach Francos Tod mit einem ›Pakt des Vergessens‹ einherging: »Es hört nicht auf, deprimierend und gleichzeitig erhellend zu wirken, dass es einer von außerhalb, ein gewisser Ken Loach sein mußte [sic], der erneut auf gründliche Weise unsere höllische Erinnerungsmaschinerie in Gang gebracht hat. Bis zur Ankunft dieser fürchterlichen, aber notwendigen Provokation hatte diese Maschine bequem, verhärmt und verschlafen vor sich hin vegetiert, nun muß [sic] sie mit aller Kraft gegen das Vergessen ankämpfen.«138

Auch weitere Autoren sprechen Loachs Film eine Katalysatorfunktion zu für die sich wenig später in Spanien formierenden zivilgesellschaftlichen Bemühungen zur ›Rückgewinnung der historischen Erinnerung‹.139 Spanische Filmemacher mussten sich in der Folge die Frage gefallen lassen, warum ihre nationale Kinematografie einen solchen Film bislang nicht hatte vorweisen können.140 Das wiederum lässt darauf schließen, dass Teile der spanischen Gesellschaft mit den bisherigen audiovisuellen Darstellungen der jüngeren Vergangenheit nicht zufrieden waren. Eine Rezension des Filmkritikers Ramûn Freixas anlässlich des Filmstarts von Libertarias (Freedomfighters; ES-IT-BE 1996) – die spanische Antwort auf Loachs filmische Sicht auf den Bürgerkrieg – belegt diese Vermutung: »Dass der Spanische Bürgerkrieg als Thema nicht erschöpft ist, wie bestimmte (junge) Regisseure nicht müde werden zu betonen, das zeichnet sich schon mit einem Film wie Libertarias ab. Der Erfolg von Land and Freedom (Ken Loach, 1995) bestätigt dies, während er gleichzeitig eine Wiederentdeckung des Bürgerkriegs unterstützt und die berechnende Unwahrheit widerlegt, dass alles gesagt oder gefilmt sei. Genau das Gegenteil ist der Fall. Wir würden eher sagen: Es ist möglich, es ist wünschenswert, dass Libertarias die Speerspitze einer neuen Annäherung, eines belebenden Blicks auf den spanischen Kampf ist.«141

Freixas Wunsch hat sich in der Hinsicht erfüllt, dass die Zahl audiovisueller Medienangebote, die Aspekte aus Zweiter Republik, Spanischem Bürgerkrieg und/oder Franco-Diktatur aufgreifen, seit Mitte der 1990er-Jahre sprunghaft gestiegen ist, besonders in Form dokumentarischer Kinofilme wie auch fiktio138 139 140 141

El Mundo (22. 04. 1995); zit. n.: Köhler (1996b), S. 89. Vgl. Crusells (2000), S. 286; Ehrlicher (2005), S. 1 und 11; Elsemann (2011), S. 171. Vgl. Vossen (2002), S. 374 f. Freixas (1996), S. 18: »Que la guerra civil espaÇola no es un tema agotado, como no se cansan de remachar determinados (y jûvenes) directores, lo rubrica un film como Libertarias. El ¦xito de Tierra y libertad (Ken Loach, 1995) lo confirma, al tiempo que favorece un redescubrimiento de la guerra civil y rebate la interesada falsedad de que todo est‚ dicho/ filmado. Precisamente es todo lo contrario. Dir†amos m‚s, es posible, es deseable que Libertarias sea la punta de lanza de un nuevo acercamiento, de una vivificante mirada a la contienda espaÇola.«

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naler Fernsehserienformate.142 Dabei zeigt sich auch in spanischen Kinospielfilmproduktionen mit entsprechendem zeithistorischen Sujet eine Hinwendung zu anderen, neuartigen Darstellungsformen. Dies liegt nicht zuletzt darin begründet, dass die spanische Filmindustrie vor dem Hintergrund einer sich erneut ändernden Filmpolitik seit Mitte der 1990er-Jahre verstärkt darauf angewiesen war (und weiterhin ist), den Geschmack des Publikums zu treffen.

1.2

Materialgrundlage

Angesichts des massiven Einbruchs spanischer Kinoproduktionen 1994 sah sich die sozialdemokratische Kultusministerin Carmen Alborch Ende desselben Jahres gezwungen, die bisherige Filmpolitik zu ändern: Das System der im Voraus gewährten Subventionen, wie es das ›Dekret Mirû‹ eingeführt hatte, wurde stark beschnitten, Fördermittel stattdessen für das Gros der Projekte automatisch und auf der Basis verkaufter Eintrittskarten a posteriori gewährt. Kredite zu erhalten war demnach nunmehr von der Nachfrage abhängig und nicht mehr von den willkürlichen bis ideologischen Ansichten der zuvor über öffentliche Fördermittel entscheidenden Mitglieder staatlicher Ausschüsse.143 Im Zuge dieser veränderten Filmgesetzgebung kam es innerhalb der Riege der spanischen Regisseure zu einem beachtlichen Generationswechsel: Als Vertreter des Joven cine espaÇol (dt.: »Junges spanisches Kino«) bzw. des Nuevo nuevo cine espaÇol (dt.: »Neues neues spanisches Kino«) bezeichnete Regiedebütanten, die die franquistische Diktatur kaum mehr bewusst erlebt hatten, feiern seitdem Kritiker- und Publikumserfolge. Sie stehen – im Gegensatz zum Nuevo cine espaÇol (NCE) der 1960er-Jahre, auf das die Namensgebung anspielt – weder für eine bestimmte Schule noch für eine spezielle kinematografische Richtung.144 Ihre Werke lassen jedoch eine starke Orientierung am westlichen Ausland, besonders am Hollywood-Kino, erkennen, was im Kontext der nationalen Kinofilmproduktion wiederum formalästhetische Neuerungen bedeutete.145 142 Vgl. Heredero/Santamarina (2002), S. 80 f.; S‚nchez-Biosca (2008), S. 40. 143 Vgl. Jordan/Morgan-Tamosunas (1998), S. 3; Monterde (2002), S. 102; Caparrûs Lera (2005), S. 36. 144 Vgl. Jordan/Morgan-Tamosunas (1998), S. 3; Heredero (1999a), S. 16; Benavent (2000), S. 18; Heredero/Santamarina (2002), S. 44; Monterde (2002), S. 102; Triana-Toribio (2003), S. 144; Caparrûs Lera (2005), S. 33 und 36; Scholz (2005), S. 106 und 270. Dem NCE wird zugesprochen, Anfang der 1960er-Jahre eine begrenzte Liberalisierung der franquistischen Filmindustrie vorangetrieben und das zeitgenössische spanische Publikum mit vergleichsweise kritischen, sozial engagierten Kinospielfilmen versorgt zu haben: Vgl. Vernon (2002), S. 156. 145 Vgl. Heredero (1999a), S. 21 ff.; Benavent (2000), S. 11; M¦ndez-Leite (2000a), S. 96 f.; Heredero/Santamarina (2002), S. 13; Scholz (2005), S. 35, 93 f. und 103; Smith (2006b), S. 2 f.;

36

Einleitung

Zum Antriebsmotor der nationalen Kinoproduktion wurden ab 1999 zudem die Investitionen des Fernsehbereichs, diese infolgedessen zunehmend vom Fernsehen und dessen Inhalten abhängig.146 Darüber hinaus kam es in Spanien ab Ende der 1990er-Jahre im Zuge des EU-Programms Media II, welches angesichts der Marktmacht Hollywoods die eigenständige Produktion der Mitgliedstaaten fördert, zu einer Renaissance des Dokumentarfilms, der nach einem kurzen Boom während der transiciûn von den Kinoleinwänden praktisch verschwunden war.147 Heimische Kinodokumentarfilme stießen infolgedessen auf einen besonders hohen Grad an institutioneller Akzeptanz – wofür nicht zuletzt die seit 2002 etablierte Verleihung eines Goya in der neuen Sparte ›Bester Dokumentarfilm‹ spricht –,148 wenngleich diese im Hinblick auf Zuschauerzahlen mit fiktionalen Produktionen zu keinem Zeitpunkt zu konkurrieren vermochten.149 Noch 2001 war Spanien das Land, das im europäischen Vergleich den dritthöchsten Pro-Kopf-Kinobesuch (3,48 Mal pro Jahr) vorzuweisen hatte.150 Insgesamt betrachtet stieg die Anzahl heimischer Kinofilmproduktionen – bei gleichzeitiger Abnahme staatlicher Förderung für den audiovisuellen Sektor –

146

147

148

149 150

Pohl (2008), S. 433; Riambau/Torreiro (2009), S. 481 und 491. Einige Vertreter des JCE sind seitdem über die Grenzen Spaniens hinaus bekannt geworden, zum Beispiel Ýlex de la Iglesia mit seinem Erstlingswerk El d†a de la bestia (The Day of the Beast; ES-IT 1995) oder Alejandro Amen‚bar mit seinem Debut Tesis (Faszination des Grauens; ES 1996). Sehr hilfreiche Überblicke über das spanische Kino bis weit in die 1990er-Jahre hinein liefern Romanisten wie Nfflria Triana-Toribio (2003), Barry Jordan/Rikki Morgan-Tamosunas (1998, 2004) oder Barry Jordan/Mark Allinson (2005). Vgl. Smith (2006a), S. 4 und 26; Pohl (2008), S. 425; Riambau/Torreiro (2009), S. 457 ff. und 461. Torreiro konstatiert angesichts dessen, von einer Kinoindustrie ließe sich im heutigen Spanien nicht mehr sprechen, sondern eher von einer audiovisuellen Industrie: Vgl. Torreiro (2009), S. 497. Vgl. Llopart, Salvador: Documentales en construcciûn. In: La Vanguardia (28. 01. 2002), S. 35; Heredero/Santamarina (2002), S. 80 f.; Fern‚ndez Prieto (2005), S. 77. Der Filmkritiker Quim Casas – ganz überzeugter Katalane – spricht dem Dokumentarfilm En construcciûn (dt.: »Im Bau«; ES 2000) des katalanischen Regisseurs Jos¦ Luis Guer†n zu, mit seinem Erfolg bei Publikum wie auch Kritik den Boom der dokumentarischen Kinofilmproduktion in Spanien ausgelöst zu haben: Vgl. Casas (2002a), S. 15. Vgl. La Vanguardia (28. 01. 2002), S. 35; Pohl (2008), S. 437. Der Goya, das spanische Äquivalent zum Hollywood-Oscar, wird zu Beginn eines jeden Kalenderjahres seit 1987 von der Ende 1985 gegründeten Academia de las Artes y las Ciencias Cinematogr‚ficas de EspaÇa, der spanischen Filmakademie, verliehen, die sich der Stärkung und dem Schutz des sowie der Werbung für das nationale Kino widmet. Die Academia de las Artes y las Ciencias Cinematogr‚ficas de EspaÇa wählt ebenfalls den Film aus, der Spanien bei der OscarVerleihung repräsentieren soll: Vgl. Gracia/Rûdenas de Moya (2009), S. 19; S‚nchez (2009), S. 140 f. Viele dieser Kinodokumentationen erreichten weitaus weniger als 30.000 Zuschauer: Vgl. Filmdatenbank des spanischen Kultusministeriums, www.mcu.es (20. 02. 2012). Vgl. Fröschl (2004), S. 74 und 100. Mit einem durchschnittlichen Kinobesuch pro Kopf von 1,9 Mal für das Jahr 2001 belegte Deutschland gemeinsam mit Portugal und Schweden den zwölften Platz: Vgl. ebd., S. 100.

Materialgrundlage

37

von 7,3 % im Jahr 1989 auf 17,9 % 2001, während amerikanische Filmproduktionen in spanischen Kinos 2001 ›nur‹ noch 62,2 % statt zuvor 73 % des Gezeigten ausmachten.151 Mitte der Nullerjahre machte sich indes bemerkbar, dass der Marktanteil für heimische Kinoproduktionen in Spanien kontinuierlich sank.152 Dies heißt jedoch nicht, diese Filme würden nicht mehr gesehen. Wie der spanische Filmhistoriker Casimiro Torreiro es ausdrückt: Niemals wurde mehr Kino geschaut als heute, dies jedoch mit Hilfe anderer Trägermedien.153 Nationale Kinoproduktionen werden auf DVD vertrieben und diese wiederum nicht selten mit etwas zeitlicher Verzögerung gegen einen nur geringen Aufpreis an bestimmten Wochentagen als Beigabe überregionaler wie regionaler Tageszeitungen verkauft,154 was die Reichweite dieser Produktionen erheblich vergrößert. Zudem lässt die Tatsache, dass das Herunterladen von Filmen aus dem Internet in Spanien bis vor kurzem nicht geahndet wurde,155 auf eine weit größere Verbreitung zeitgenössischer Kinoproduktionen schließen, als statistisch erfasste Zuschauerzahlen es nahelegen.156 Mit durchschnittlich vier Stunden Fernsehen täglich gehören die Spanier zudem zu den eifrigsten europäischen TV-Konsumenten und das, obwohl sie auf ihr Fernsehen alles andere als stolz sind – zumindest lassen dies Presse, politische Parteien und Zuschauervereinigungen vermuten.157 Seit etwa Mitte der 1990er-Jahre ist es allerdings zu einer regelrechten Explosion zahlreicher qua151 Vgl. Smith (2006a), S. 3. Einschränkend hierzu sei erwähnt, dass in Spanien gerade im Jahr 2001 mit Alejandro Amen‚bars Los otros (The Others; über 6 Mio. Zuschauer) wie auch mit Santiago Seguras Torrente 2, Misiûn en Marbella (Torrente 2: Mission in Marbella; knapp 3 Mio. Zuschauer) zwei Filme in den Kinos liefen, die dazu führten, dass der Marktanteil für nationale Kinoproduktionen in dem Jahr insgesamt überaus groß ausfiel: Vgl. Riambau/ Torreiro (2009), S. 466 ff. 152 Vgl. Torreiro (2009), S. 450; Riambau/Torreiro (2009), S. 466; Coixet, Isabel: Si est‚s muerto, ¿por qu¦ bailas? In: El Pa†s (02. 02. 2011), www.elpais.com (20. 02. 2012). Hundertprozentig spanische Filmproduktionen sind immer seltener anzutreffen, der Anteil an internationalen Koproduktionen ist seit den 1990er-Jahren indes stetig gestiegen: Vgl. Smith (2000a), S. 159; Monterde (2007); Santaolalla (2007); Pohl (2008), S. 426; Riambau/ Torreiro (2009), S. 466. 153 Vgl. Torreiro (2009), S. 501. 154 Vgl. Schulze Schneider (2012), S. 402. 155 Vgl. Gracia/Rûdenas de Moya (2009), S. 19. 156 Vgl. Smith (2006b), S. 1; Hermoso, Borja: Goyas 2011: peligro, material inflamable. In: El Pa†s (29. 01. 2011), www.elpais.com (20. 02. 2012). 157 Vgl. Schulze Schneider (2005), S. 100; Smith (2006b), S. 1. Damit einher geht eine nur wenig entwickelte akademische spanische Fernsehwissenschaft, die vor allem den Inhalten des Mediums Fernsehen bisher nur wenig Aufmerksamkeit schenkt: Vgl. Smith (2006b), S. 8. Gerade die Sicht des Mediums Fernsehen auf Spaniens jüngere Vergangenheit wurde bisher selten dezidiert in den Blick genommen; ein Desiderat, dem die Romanistin Francisca Lûpez und ihre Kollegen 2009 in einem Sammelband zu begegnen suchen. Die Historikerin Sira Hern‚ndez Corchete befasst sich in ihrer Monografie (2008) dezidiert mit Geschichtsdarstellungen in spanischen Fernsehdokumentarfilmen.

38

Einleitung

litativ hochwertiger fiktional-dramatischer TV-Formate spanischer Provenienz gekommen, die US-Shows an die Ränder des Programms verwiesen.158 Dabei ist im Hinblick auf die von den jeweiligen Medien erreichten Zuschauergruppen zu beobachten, dass die Nutzung des Fernsehens, die der Hispanist Paul Julian Smith für Spanien als die vergleichsweise ausbalancierteste bezeichnet,159 in der Altersklasse der 20-Jährigen abfällt.160 Die Reichweite des Kinos in Spanien hingegen ist bei den 20- bis 24-Jährigen am höchsten (26,5 %).161 Kinematografische Darstellungen mit zeithistorischem Sujet als Untersuchungsobjekte sind daher insofern von besonderem Interesse, als gerade die Art der Bezugnahme der 20- bis 24-Jährigen auf die jüngere Vergangenheit ausschlaggebend für zukünftige Konzepte kollektiver Identität sein dürfte.162 Im Fokus der vorliegenden Untersuchung steht eine systematische Analyse von insgesamt zwölf audiovisuellen ›Kernquellen‹: zehn Kinospielfilme und zwei fiktionale TV-Serien, die hauptsächlich in Spanien produziert und zwischen März 1996 und Dezember 2011 in Spanien uraufgeführt bzw. erstausgestrahlt wurden und deren Handlung sich zeitlich in der Zweiten Republik, dem Spanischen Bürgerkrieg und/oder der frühen Franco-Diktatur vollzieht.163 Den Rezensionen in Fach- und Tagespresse nach zu urteilen, riefen sie allesamt ein besonders breites mediales Echo hervor und konnten ein verhältnismäßig großes Publikum vor die Leinwand (über 400.000 Zuschauer) bzw. vor den Fernsehbildschirm (durchschnittlich > 2 Mio. Zuschauer) locken:164 die Kino158 Vgl. ebd., S. 1. 159 Demografische Daten zur spanischen Fernsehzuschauerschaft entsprechen Smith zufolge viel mehr der eigentlichen Zusammensetzung der spanischen Gesellschaft als das spanische Kinopublikum: Vgl. Smith (2006a), S. 6; Smith (2006b), S. 12. 160 Vgl. Smith (2006a), S. 6. 161 Vgl. Fröschl (2004), S. 99. 162 Vgl. Labanyi (2007), S. 441. 163 Die Zweite Republik, der Spanische Bürgerkrieg und die posguerra (dt.: »Nachkriegszeit«) im Frühfranquismus gelangen mithilfe zentraler Themen wie Überlebensnot, Krieg, Repression und Flucht produktionsintern oftmals als eine Art Kontinuum zur Darstellung: Vgl. Camino (2007), S. 93. Eine gemeinsame Betrachtung dieser drei aus historisch-politischer Warte voneinander zu unterscheidenden Zeitspannen ist vom Material somit vorgegeben. Der Spätfranquismus mit Francos eher autoritär-konservativen denn totalitärfaschistisierten Führung und dem wirtschaftlichen Aufschwung behandeln die hier untersuchten Kino- und TV-Produktionen hingegen nicht. 164 Verhältnismäßig groß angesichts der Tatsache, dass Spanien etwa 46 Mio. Einwohner zählt und dass insgesamt die Zahl der spanischen Kinofilme beträchtlich zunimmt, die nicht einmal 50.000 Zuschauer anlocken: Vgl. Riambau/Torreiro (2009), S. 466. Die Zuschauerzahlen für spanische Kinoproduktionen sind einer Datenbank entnommen, auf die der Zugriff über die Homepage des spanischen Kultusministeriums möglich ist: Vgl. www.mcu.es (20. 02. 2012). Die Zuschauerzahlen für einzelne TV-Sendungen spanischer Produktion sind institutionell nicht in einem vergleichbaren Maße aufgeführt; der Zutritt zu RTVE-Archiven ist nicht einfach und diese sind häufig unkatalogisiert: Vgl. Smith (2006b), S. 8.

Materialgrundlage

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spielfilme Libertarias (Freedomfighters; ES-IT-BE 1996), La niÇa de tus ojos (Das Mädchen deiner Träume; ES 1998), La lengua de las mariposas (Butterfly Tongues; ES 1999), El espinazo del diablo (Das Rückgrat des Teufels; ES-MX 2001), Silencio roto (Broken Silence; ES 2001), Soldados de Salamina (Soldiers of Salamina; ES 2003), El laberinto del fauno (Pans Labyrinth; ES-MX 2006), Las 13 rosas (13 Roses; ES-IT 2007), Los girasoles ciegos (The Blind Sunflowers; ES 2008) und Pa negre (Black Bread; ES 2010) sowie die TV-Serien Amar en tiempos revueltos (dt.: »Liebe in aufgewühlten Zeiten«; TVE/La 1165, erste Staffel 2005/06) und 14 de abril. La Repfflblica (dt.: »14. April. Die Republik«; TVE/La 1, erste Staffel 2011).166 Die Art und Weise, wie diese zwölf ›Kernquellen‹ sich innerhalb der erinnerungspolitischen Konflikte positionierten, die die spanische Öffentlichkeit zwischen 1996 und 2011 prägten, lässt sich über die Absichtserklärungen seitens der Film- und Fernsehmacher bzw. des an den entsprechenden Produktionen beteiligten Personals sowie anhand von Werbematerialien und DVD-Bonusmaterial rekonstruieren. Sofern die hier untersuchten Kino- und Fernsehproduktionen über eine Internetpräsenz verfügen, wurde auch diese – in ihrer Funktion als Marketinginstrument und Mittel der Zuschauerbindung – als weitere kontextualisierende Quelle genutzt. Welche Darstellungsweisen und Deutungsperspektiven der jüngeren Vergangenheit die audiovisuellen Quellen im nationalen Rezeptionskontext offerierten, darauf geben Vorankündigungen, Begleitartikel, Interviews, Leserbriefe und Besprechungen in der spanischen Presse Hinweise. Entsprechende Artikel aus den vier auflagenstärksten, überregional vertriebenen spanischen Tageszeitungen – die linksliberale El Pa†s, die rechtsliberale El Mundo, die monarchistisch-konservative ABC sowie die gemäßigt nationalistische, christdemokratische und wirtschaftsliberale La Vanguardia – sind somit ebenfalls Gegenstände der Untersuchung und wurden hierfür zusammengetragen und ausgewertet.167 Rückschlüsse auf das Wirkungspotenzial der untersuchten Kinoproduktionen ermöglichen ebenso Vorabberichte, Begleitartikel, Interviews und Rezensionen aus einer Publikums(Fotogramas) und zwei Filmfachzeitschriften (Dirigido por, Cine para leer). Außerdem ist die Kontrastierung mit weiteren Gegenständen der Erinne165 La 1 bezeichnet im Folgenden den ersten und populärsten von insgesamt zwei überregionalen Fernsehsendern, die zu TVE oder somit zur öffentlichen spanischen Rundfunkanstalt Radio Televisiûn EspaÇola (RTVE, s. Fußnote 121) gehören. 166 Bei den in Klammern angeführten Titeln handelt es sich um die offiziellen internationalen Filmtitel der spanischen Produktionen. Sollten derartige Titel nicht existieren, stammt die mit »dt.:« kenntlich gemachte Übersetzung von der Verfasserin. 167 Für aktuelle Auflagenzahlen: Vgl. Schulze Schneider (2012), S. 401. La Vanguardia, meistgelesene Zeitung in Katalonien, wurde ebenfalls in den Korpus aufgenommen, da Katalonien eine bedeutsame, nicht zuletzt finanziell zugkräftige Rolle im Zusammenhang mit einer (audiovisuellen) Aufarbeitung Spaniens jüngerer Vergangenheit spielt.

40

Einleitung

rungskulturgeschichte hilfreich, die ähnlich der entsprechenden audiovisuellen Produktionen als Beiträge zur Formierung kulturell begründeter Selbstbilder präsentiert bzw. verstanden werden.168 Darunter fallen beispielsweise ältere oder zahlenmäßig betrachtet weniger erfolgreiche Kino- und Fernsehproduktionen, wie etwa die seit der Jahrtausendwende wieder zahlreich produzierten spanischen Kinodokumentationen,169 ebenso wie andere populärkulturelle Medienangebote, Ergebnisse der historiografischen Forschung oder offizielle Verlautbarungen bzw. parlamentarische Beschlüsse.170

1.3

Aufbau der Arbeit

Die ersten drei Kapitel der vorliegenden Untersuchung gruppieren die zwölf ›Kernquellen‹ nach den historischen Phasen, um deren Bewertung sich die erinnerungspolitischen Debatten in Spanien zwischen 1996 und 2011 maßgeblich drehten. Dabei orientiert sich die Abfolge der Kapitel nicht primär an der Chronologie der Ereignisse, sondern an den Darstellungsweisen und Deutungsperspektiven der untersuchten Quellen. So befasst sich Kapitel 2 mit dem Bürgerkrieg, dessen audiovisuelle Darstellung weiterhin primär auf einer Visualisierung der Kollektivschuldthese gründet. Dies zeigt die Analyse des Kinospielfilms Libertarias (ES-IT-BE 1996) deutlich. Weitere Beispiele aus Film und Fernsehen belegen zudem die ungebrochene Popularität von Denkfiguren wie die der ›zwei Spanien‹ und des cainismo, die den Ausbruch des Bürgerkriegs auf simplifizierende Art und Weise zu erklären suchen. Im Fokus von Kapitel 3 steht die republikanische Ära, die im Zuge einer ›tragischen‹ Sicht auf die jüngere Vergangenheit lange lediglich als Prolog zur ›Katastrophe‹ des Kriegs galt. Dieses negative Bild der Zweiten Republik als Phase, deren einzige Bedeutung darin zu liegen schien, die Weichen für den innerspanischen Konflikt gestellt zu haben, ist in zunehmender Auflösung begriffen. Erfolgte bereits über den Kinospielfilm La lengua de las mariposas (ES 1999) die positive Neubewertung eines bestimmten Aspekts des republikanischen Modernisierungsprojekts – die Bildungsreform –, sind die Macher der TV-Serie 14 de abril. La Repfflblica (TVE/ 168 Vgl. Cornelißen (2003), S. 555; Schneider (2004), S. 262. 169 Im Sinne der Fragestellung der vorliegenden Untersuchung ist die Unterscheidung zwischen fiktionalen und dokumentarischen audiovisuellen Darstellungen der Vergangenheit irrelevant: Beide Formate konstruieren eine filmische Realität, die eng mit dem zeitgenössischem Produktionsumfeld zusammenhängt. 170 Von Rezeptionsforschung im engen Sinn wird in der vorliegenden Untersuchung abgesehen, da die genaue Auswirkung eines Medienangebotes auf seine Zuschauerschaft kaum festgestellt werden kann und eben diese Zuschauerschaft zudem keine homogene Erinnerungsgemeinschaft konstituiert.

Aufbau der Arbeit

41

La 1, erste Staffel 2011) dezidiert dazu angetreten, die republikanische Ära als eine eigenständige Periode der spanischen Zeitgeschichte zu inszenieren. Kapitel 4 befasst sich mit den Kino- und TV-Produktionen, die Aspekte der Repression im franquistischen ›Neuen Staat‹ aufgreifen – ein thematischer Schwerpunkt, innerhalb dessen sich die Handlung der Mehrheit der korpuskonstituierenden ›Kernquellen‹ vollzieht. Figurationen von Opfern und Tätern spielen in diesen audiovisuellen Produktionen eine große Rolle, weswegen diese Darstellungen in jeweils einem Unterkapitel (Kapitel 4.1 und Kapitel 4.3) ausführlich diskutiert werden. Darüber hinaus macht sich in spanischen Kinound Fernsehproduktionen zunehmend eine Rhetorik bemerkbar, die ›Helden des Alltags‹ positiv hervorhebt: Frauen, die auszuharren vermochten, oder einfache Soldaten, derer niemand gedenkt (Kapitel 4.2). In den Kapiteln 5 bis 7 werden die zwölf ›Kernquellen‹ nach systematischen Kategorien gebündelt. Dabei beschäftigt sich das erste dieser Kapitel (Kapitel 5) mit den Vorschlägen, die die Film- und Fernsehnarrative unterbreiten, wie mit den gewaltsamen Ereignissen der jüngeren Vergangenheit umzugehen ist. Die entsprechenden Ratschläge reichen von Mit dem franquistischen ›Vater‹ brechen (Kapitel 5.2) bis hin zu konträren Handlungsanweisungen wie Den Tätern vergeben (Kapitel 5.5). Kapitel 6 fasst die Lesarten der jüngeren Vergangenheit zusammen, die sich im Zuge der Arbeit am Material insgesamt als dominant erwiesen haben. Darunter fällt eine umfassende Opferrhetorik (Kapitel 6.1), die von einer ungebrochen populären Kollektivschuldthese gestützt wird (Kapitel 6.2) und zunehmend mit einer Heldenrhetorik einher geht (Kapitel 6.3). Welche Bedeutungsdimensionen diese dominanten Lesarten auf transnationaler Ebene eröffnen, diskutiert Kapitel 7. Erschien der Spanische Bürgerkrieg seinen Zeitgenossen seinerzeit schon als Kampf ›gegen den Faschismus‹ (Kapitel 7.1), so dienen Anlehnungen an Begrifflichkeiten, die der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik entnommen sind, in Spanien heute dazu, sich über die Identifikation mit den Opfern des Holocaust umso stärker von den Tätern und deren Verbrechen abzugrenzen (Kapitel 7.2). Eine besondere Beispielfunktion haben für spanische Bürger, die juristisch gegen die franquistischen Verbrechen vorgehen möchten, jedoch die Diktaturerfahrungen im südlichen Lateinamerika (Kapitel 7.3). Schließlich eröffnet die Lesart des Bürgerkriegs als eines Kampfes ›gegen den Faschismus‹ die Möglichkeit, republiktreue Kämpfer als frühe Verfechter der Werte zu präsentieren, für die Europa heute steht (Kapitel 7.4).

2.

Bürgerkrieg und Kollektivschuldthese

2.1

›Zwei Spanien‹ und cainismo als Denkfiguren in der Schuldfrage

»Es waren alle. Verdammt seien sie, die einen wie die anderen.«171

Die schambehaftete Tragödienlesart des Bürgerkriegs, wie sie im Zuge der Akzentverschiebungen innerhalb der franquistischen Propaganda in den 1960erJahren entstand, führte dazu, dass reformistisch-zentristische Kreise für das Konzept der dos EspaÇas (dt.: »zwei Spanien«) eintraten, da es die offizielle rhetorische Schwerpunktverlagerung zu einer nunmehr als notwendig erachteten Versöhnung unterstützte: Die ›zwei Spanien‹ stehen sinnbildlich für eine vermeintliche Spaltung, die es zu überwinden gelte. Dabei hätten die ›zwei Spanien‹ die Nation schon immer entzweit; die Spaltung wird also als ein intrinsischer Teil des spanischen Charakters angesehen.172 Nahezu sprichwörtlich sind in diesem Zusammenhang folgende Verse des Lyrikers Antonio Machado geworden:173 »Spanierlein, frisch hergeraten, Gott behüt dich, denn ich weiß, Einer von diesen zwei Paten Überzieht dein Herz mit Eis.«174

171 Amar en tiempos revueltos – T1 – Cap†tulo 0 (27. 09. 2005), www.rtve.es (20. 02. 2012), 01:27:06 – 01:27:10: »Fueron todos. Malditos, los unos y los otros.« 172 Vgl. Luengo (2004), S. 73. Das Konzept der ›zwei Spanien‹ als Sinnbild für eine vermeintliche Bipolarität, die die spanische Nation kennzeichne, erfreute sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts zunehmender Popularität: Vgl. Winter (2007b), S. 15. 173 Vgl. Luengo (2004), S. 72. 174 Antonio Machado, Proverbios y Cantares: »EspaÇolito que vienes/al mundo te guarde Dios./ Una de las dos EspaÇas/ha de helarte el corazûn.« [Übers. ins Dt. zit. n.: Vogelgsang (2001), S. 233].

44

Bürgerkrieg und Kollektivschuldthese

Im Spanischen Bürgerkrieg festigte sich das kategorische Denken in ›zwei Spanien‹. Die Historikerin Helen Graham sieht dies »vor allem als Produkt der Gewalterfahrung im Krieg«175, meist in Übereinstimmung mit der geografischen Aufteilung des Landes zu Beginn der Auseinandersetzung. Während des innerspanischen Konflikts diente es der Mobilisierung innerhalb der jeweiligen einander gegenüberstehenden Kriegslager ebenso wie der innen- und außenpolitischen Rechtfertigung.176 Die zunehmende Internationalisierung des Spanischen Bürgerkriegs beförderte zusätzlich dessen Einordnung im Rahmen eines bipolaren Kampfes, den der ›Faschismus‹ und der ›Antifaschismus‹ miteinander austrügen.177 So war das Konzept der ›zwei Spanien‹ einem vereinfachenden Erklärungsmuster zuträglich, demzufolge sich im Spanischen Bürgerkrieg zwei mehr oder weniger vergleichbare ideologische Extreme gegenüberstanden, die die mentale Gesundheit eines zivilisierten Volkes angriffen.178 Als Erklärungsversuch, der herangezogen wird, um die Ursache für den Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs zu erläutern, taugt die Idee von ›zwei‹ einander unvereinbar gegenüber stehenden Spanien wenig. Dieser vereinfachenden Lesart fällt die Polyvalenz und Multikausalität des Konflikts zum Opfer ;179 sie verkennt, dass es niemals nur ›zwei Spanien‹ gab und gibt, sondern viele. Bei Ausbruch des Bürgerkriegs in Spanien war die öffentliche Meinung nicht etwa in zwei gleiche ideologische Teile gespalten, sondern es gab eine Vielzahl ideologischer Gruppierungen und Aktionsformen – das, was die franquistische Propaganda später mit ›Chaos‹ bezeichnete.180 Weder der Faschismus – in Spanien repräsentiert durch die Falange EspaÇola – noch der Kommunismus – in Gestalt des Partido Comunista EspaÇol (PCE) – konnten sich zur Zeit der Februarwahl 1936 auf den nötigen sozialen Rückhalt berufen, um ihre politischen Programme durchzusetzen.181 Dies waren nicht die treibenden Graham (2008), S. 16. Vgl. Moradiellos (2003a), S. 24 und 26. Vgl. Moradiellos (2003a), S. 13 ff. S. ausführlicher hierzu unter kapitel 7.1. Vgl. Godicheau (2006), S. 139. Dies mündet in dem simplifizierenden Interpretationsmuster des »kollektiven Wahnsinns« (span.: locura colectiva), s. kapitel 6.2. 179 Vgl. Baumeister (2008), S. 12 ff. 180 Vgl. Luengo (2004), S. 73 und 75. S. kapitel 3.1. 181 Vgl. Reig Tapia 1999, S. 28. Die Falange EspaÇola, abgeleitet von griech. »phalanx«, wurde 1933 von Jos¦ Antonio Primo de Rivera, Sohn des ehemaligen spanischen Diktators Miguel Primo de Rivera (1923 – 1930), aus dem Amalgam kleinerer Gruppierungen gegründet. Sie lässt sich in ihrer ursprünglichen Form als Sammelbecken laizistischer Antiliberaler beschreiben, die sich einen moderneren Anstrich verliehen durch einen syndikalistischen Ansatz und das Versprechen einer ›sozialen Revolution‹. Nach dem Wahlsieg der ›Volksfront‹ im Februar 1936 wuchs ihre Mitgliederzahl stark; mit dem Tod Jos¦ Antonio Primo de Riveras durch Erschießung im November 1936 verleibte Franco sich die Führung der Falange EspaÇola ein, die er im April 1937 gemeinsam mit den anderen ihn unterstützenden Parteien und politischen Gruppierungen per Einheitsdekret zur FET y de las JONS zu175 176 177 178

›Zwei Spanien‹ und cainismo als Denkfiguren in der Schuldfrage

45

Kräfte, die Spanien in den 1930er-Jahren in die Krise führten, sondern vielmehr ein spezifisch spanischer Anarchismus bzw. Linkssozialismus und politischer Militarismus sowie Rechtskonservatismus – soziale Konflikte und politische Gegensätze, die weitaus älter waren als die faschistische oder die kommunistische Partei.182 In Anlehnung an den Historiker Francisco J. Romero Salvadû ist der innerspanische Konflikt deshalb auch noch nach dem Scheitern des Militärputsches am 18. Juli 1936, was in einen beinahe dreijährigen Bürgerkrieg mündete, nicht als Aufeinandertreffen zweier eindeutig homogener Lager zu verstehen, sondern als eine Vielzahl lokaler Konflikte.183 Letztlich sorgte die franquistische Diktatur für eine Zementierung der Spaltung der spanischen Bevölkerung, nunmehr in ›Sieger‹ und ›Besiegte‹. Im Rahmen der spätfranquistischen Propaganda erfüllte das Konzept der ›zwei Spanien‹ seinen Zweck vor allem als Teil eines retrospektiven Rechtfertigungsmythos: Franco gebühre Dank, da er das gespaltene Land – einer zerstrittenen Familie gleich – vereint und befriedet habe.184 Eine Versöhnung zwischen den ›zwei Spanien‹ tatsächlich herbeigeführt zu haben, diese Errungenschaft spricht ein Großteil der spanischen Bevölkerung allerdings der transiciûn zu.185 In aktuellen publikumswirksamen spanischen Kino- und Fernsehproduktionen mit zeithistorischem Sujet ist das vereinfachende, einer Versöhnungsrhetorik dienliche Erklärungsmuster der ›zwei Spanien‹ weiterhin prominent. Dabei führte der Umstand, dass der Konflikt sich im Innern der spanischen Gesellschaft abspielte, zu einer häufig anzutreffenden Darstellungsform, nach der die Frontlinien direkt durch eine oder mehrere, über den Handlungsort miteinander verbundene Familien verlaufen.186 So zum Beispiel auch in Jos¦ Luis Cuerdas kinematografischer Literaturadaption La lengua de las mariposas (Butterfly Tongues; ES 1999): Die Mutter des jungen Protagonisten Moncho ist überzeugte Katholikin, während ihr mit der Republik sympathisierender Mann flucht, ein uneheliches Kind hat und selten zur Kirche geht. Spätestens die

182 183 184 185 186

sammenschloss: Vgl. Godicheau (2005), S. 95 f. sowie 98 f. S. kapitel 4.3.1. Die PCE wiederum, 1921 aus der Zusammenführung einer radikaleren Jugendorganisation und früherer PSOE-Mitglieder entstanden, konnte sich erst im Verlauf des Kriegs – unter der Direktive der Komintern und ausländischer Agenten – zur dominierenden Macht entwickeln, während den spanischen Anarchisten – die sich vor Kriegsausbruch einer beträchtlichen Mitgliedschaft und eines nicht zu unterschätzenden Einflusses, vor allem in Katalonien, erfreuten – im Zuge des Bürgerkriegs das den spanischen Kommunisten entgegengesetzte Schicksal zuteil wurde: Vgl. Bernecker/Brinkmann (2006), S. 43 sowie 52; Collado Seidel (2010), S. 122. Zur ›Volksfront‹ und zum kommunistischen Einfluss im republiktreuen Bürgerkriegsspanien s. auch kapitel 7.1. Vgl. Bernecker/Brinkmann 2006, S. 30. Vgl. Romero Salvadû (2005), xii. Vgl. Reig Tapia (1999b), S. 28. Vgl. Aguilar Fern‚ndez (2003), S. 22 f.; Arnscheidt/Tous (2007), S. 13; NfflÇez Seixas (2010a), S. 30 sowie 34. S. auch kapitel 1.1.1. Vgl. Talens (1998), S. 66; Von Tschilschke (2005), S. 131.

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Schlusssequenz dieses Films, in der die Mutter ihren Mann und ihre Söhne dazu bringt, gefangen genommene ›Republikaner‹ des Ortes, in dem sich die Handlung abspielt, öffentlich zu beschimpfen,187 verdeutlicht, was in vielen spanischen Filmen mit ähnlichem Sujet zu sehen ist: Der Krieg und seine Fronten werden parabelhaft innerhalb einer Familie nachgestellt. Nicht selten erfolgt dann der als cainismo bezeichnete Rekurs auf das Motiv des antagonistischen Bruderkampfes: Für die Klärung des Ausbruchs der Feindseligkeiten wird die biblische Erzählung der tödlichen Bruderfehde zwischen Kain und Abel bemüht und der innerspanische Konflikt zu einem mythisch überhöhten ›tragischen‹ »Bruderkrieg« (span.: guerra fraticida) stilisiert, der den Zusammenbruch sämtlicher Werte des menschlichen Zusammenlebens bewirkt habe.188 Auch in dieser Hinsicht stellt La lengua de las mariposas keine Ausnahme dar : Das Motiv des cainismo wird explizit aufgegriffen, als Monchos Lehrer die ersten zwei Strophen von Antonio Machados berühmtem Gedicht Recuerdo infantil (»Erinnerung aus der Kindheit«) im Unterricht vorlesen lässt: »Ein Abend zur Winterzeit, grau und kalt. Lernend verbleiben die Schüler. Eintönigkeit von Regen hinter den Scheiben. Unterricht ist. Eine Fabel auf der Lehrschautafel droht: Kain, der da flüchtet, und Abel, tot neben einem Fleck Scharlachrot.«189

Durch diese Gedichtrezitation, die sich auf die biblische Erzählung von Kain und Abel bezieht, wird das Erklärungsmodell des ›Bruderkampfes‹ im Rahmen der Filmhandlung perpetuiert und der ›tragische‹ Verlauf der Filmhandlung gleichzeitig antizipiert.190 Auch in der Literaturadaption Soldados de Salamina (Soldiers of Salamina; ES 2003) kommt der Erklärungsansatz des Spanischen Bürgerkriegs als ›tragischer‹ Kampf zwischen Brüdern zum Tragen: Als Auslöser 187 S. kapitel 6.2. 188 Vgl. Reig Tapia (1999), S. 82 f. In seinem bezeichnenderweise Cain on Screen (1993) benannten Buch über zeitgenössisches spanisches Kino meint Thomas G. Deveny, das Erklärungsmodell des cainismo sei in Spanien rund um den 50. Jahrestag des Bürgerkriegs 1986 besonders verbreitet gewesen: Vgl. Deveny (1993), S. 4 ff. sowie 297. 189 La lengua de las mariposas, 00:11:16 – 00:11:31: »Una tarde parda y fr†a/de invierno. Los colegiales/estudian. Monoton†a/de lluvia tras los cristales./Es la clase. En un cartel/se representa a Ca†n/fugitivo, y muerto Abel/ junto a una mancha carm†n.« [Übers. ins Dt. zit. n.: Vogelgsang (1996), S. 19]. Das komplette Gedicht wurde im Rahmen einer Unterrichtsstunde bereits in dem ›Bürgerkriegsfilmklassiker‹ Las largas vacaciones del 36 (Long Vacations of 36; ES 1976) verlesen: Vgl. Las largas vacaciones del 36, 00:47:17 – 00:47:56. 190 Ausführlich zu La lengua de las mariposas s. kapitel 3.2.

›Zwei Spanien‹ und cainismo als Denkfiguren in der Schuldfrage

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für die Recherchearbeit der Protagonistin dient die in Spanien wohl bekannte, symbolisch überhöhte Geschichte von Antonio und Manuel Machado.191 Auf Erklärungsmuster, die dem Topos der guerra fraticida entsprechen, rekurriert der mexikanische Regisseur Guillermo del Toro, wenn er die Essenz des Spanischen Bürgerkriegs als »household war«192 beschreibt. Seiner Meinung nach müssten Filme, die ihn zum Thema haben, sich daher in einem einzigen Gebäude und innerhalb einer Familie entwickeln. Entsprechend spielt El espinazo del diablo (Das Rückgrat des Teufels; ES-MX 2001) in einem Waisenheim: ein hermetisch abgeschlossener Mikrokosmos, der als Symbol für eine Zwangsgemeinschaft Eingesperrter dient, als Allegorie auf eine Nation im Bürgerkrieg.193 Wie der Beginn des Films verdeutlicht, liegt das Waisenheim, ein großes, steinernes ehemaliges Priesterseminargebäude, abgeschieden mitten in einer wüstenähnlichen Landschaft in gleißender Sonne.194 Während eine Bombe, die sich horizontal mitten in den Innenhof gebohrt hat, aber nicht explodierte, als Sinnbild für die konstante Präsenz des Kriegs in der Außenwelt steht, entwickelt sich im Innern des Gebäudes »in gewisser Weise ein ähnlicher Konflikt«195. Auch in Del Toros zweitem ›Spanienfilm‹ El laberinto del fauno (Pans Labyrinth; ES-MX 2006), der allerdings in der franquistischen Nachkriegszeit spielt, findet die Gewalt maßgeblich innerhalb einer Familie und an einem Handlungsort, einer in einem Wald gelegenen Mühle, statt und kulminiert in dem kaltblütigen Mord, den ein franquistischer Hauptmann an seiner jungen Stieftochter verübt.196 Schon in Las largas vacaciones del 36 (Long Vacations of 36; ES 1976) verlaufen die Konfliktlinien – dem Erklärungsmodell der guerra fraticida entsprechend – symbolisch nicht nur durch eine, sondern durch mehrere be191 Vgl. Soldados de Salamina, 00:08:06 – 00:10:50. Während Manuel Machado sich bei Ausbruch des Bürgerkriegs auf aufständisch besetztem Gebiet befand, verblieb sein Bruder Antonio bis zu seiner Flucht nach Frankreich im republiktreuen Spanien. Infolge der Strapazen eben dieser Flucht starb Antonio Machado im Januar 1939 in Collioure, ohne dass sein Bruder Manuel und er sich noch einmal wiedergesehen hätten. 192 Pans Labyrinth, DVD-Extras, Audiokommentar von Guillermo del Toro, 00:05:16 – 00:05:17. 193 Vgl. Ponga (2000a), S. 156; The Devil’s Backbone, DVD-Extras, Making of, 00:03:17 – 00:03:32; Santamarina (2001), S. 22 und 24; Gûmez Lûpez-QuiÇones (2006), S. 149. 194 Dies ist dem Setting eines Western nicht unähnlich. Daneben dient das Waisenheim als das ideale, geradezu klassische Setting für einen Horrorfilm, wird der klaustrophobische Raum des Heims doch von gespenstischen Gestalten bewohnt: Vgl. Ponga (2000a), S. 157. S. kapitel 5.1. 195 Santamarina (2001), S. 24: »en cierto modo, un conflicto semejante«. S. kapitel 5.1 und kapitel 5.2. 196 S. ausführlicher hierzu unter kapitel 5.3. Dabei sind zahlreiche Parallelen in der Art und Weise erkennbar, wie Del Toro die Eröffnungssequenzen dieser beiden Filme inszeniert, was auf filmästhetischer Ebene seiner Aussage Gewicht verleiht, bei El espinazo del diablo handle es sich um eine »sister story« zu El laberinto del fauno: Guillermo del Toro; zit. n. Pans Labyrinth, DVD-Extras, Audiokommentar von Guillermo del Toro, 00:00:22.

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nachbarte Familien. In diesem Sinne wird auch in Silencio roto (Broken Silence; ES 2001) filmintern auf den innerspanischen Konflikt Bezug genommen. Die Figuren des Films lassen sich mehrheitlich zwei Familien zuordnen, innerhalb derer sich die Fehden und Ränkespiele entwickeln, die die Handlung vorantreiben.197 Dem Regisseur Armand‚riz zufolge handelt es sich hierbei um eine bewusste Konstruktion, welche die tragische Dimension, in der die Konfrontation mündet, verstärken soll.198 So stellt die Tante der Protagonistin Luc†a an einer Stelle des Films fest: »Streitigkeiten zwischen Familien erhalten tagtäglich neue Nahrung.«199 Da Familienfehden immer weiter schwelen, sei der Bürgerkrieg auch noch lange nicht vorbei, so das in der unmittelbaren Nachkriegszeit angesiedelte Filmnarrativ – trotz des offiziell am 1. April 1939 von Seiten der Franquisten verkündeten Kriegsendes. Vielmehr wird über die Filmhandlung deutlich, dass die Spaltung innerhalb der spanischen Bevölkerung, die die Protagonisten in Silencio roto symbolisch verkörpern, im Frühfranquismus zementiert wird, da mit Franco eben kein Frieden in Spanien Einzug hielt.200 Ähnlich wird in der TV-Serie Amar en tiempos revueltos (dt.: »Liebe in aufgewühlten Zeiten«; TVE/La 1, 2005 – 2012) verfahren, wo in der ersten Staffel, deren Handlung sich kurz vor, während und nach dem Bürgerkrieg entfaltet, ebenfalls zwei Familien im Zentrum der serieninternen Aufmerksamkeit stehen. Die einzelnen Mitglieder der beiden Familien kennen einander schon lange, wohnen dicht beieinander und sind durch eine Reihe beruflicher wie emotionaler Verwicklungen eng miteinander verbunden. Gemeinsam mit weiteren Figuren bilden die Mitglieder dieser zwei Familien so eine Art ›Mikroeinheit‹, weil sich die Serie größtenteils auf ein- und denselben Handlungsort, einem in Madrid gelegenen fiktiven Platz, konzentriert, wo alle Handlungsstränge zusammenlaufen.201 Dieses Figureninventar verharrt jedoch nicht, dem vereinfachenden Erklärungsmodell der ›zwei Spanien‹ entsprechend, in einer stereotypen Darstellung vorgeblich nur zweier möglicher, ideologisch begründeter Positionen, sondern umfasst – wie zuvor auch schon bei Silencio roto (ES 2001) der Fall – Vertreter der unterschiedlichsten, zumeist im Privat-Emotionalen wurzelnden Auffassungen und bildet in seiner Vielfalt sowie durch die sich im Laufe der Serienhandlung wandelnden Beziehungen der Figuren zueinander ein re197 Darüber hinaus gibt es mit höheren Dienstgraden der guardia civil dezidierte Täterfiguren, die diesen Familien nicht angehören, demnach von ›außen‹ gewaltsam auf sie einwirken, s. kapitel 4.3.1. 198 Vgl. Heredero (2001c), S. 45. 199 Silencio roto, 00:09:48 – 00:09:50: »Las peleas entre familias se alimentan cada d†a.« 200 Vgl. Silencio roto, 00:09:38 – 00:09:40. Silencio roto liefert somit eine Interpretation der Nachkriegszeit als fortgeführter Bürgerkrieg, die auf den nach dem 1. April 1939 weiterhin erfolgenden massiven repressiven Maßnahmen unter Franco gründet, s. kapitel 4.1.1. 201 Zu dem für das Narrativ von Amar en tiempos revueltos zentralen Plaza de los Frutos s. kapitel 6.3.

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gelrechtes Panoptikum verschiedenster Einstellungen.202 Auffallend ist, dass kriegsbedingten Trennungen, beispielsweise der Protagonisten von ihren jeweiligen Eltern, in Amar en tiempos revueltos viel Raum gegeben wird sowie diese äußerst tränenreich inszeniert werden. Dies legt die Interpretation nahe, der mit den kriegerischen Ereignissen einhergehende Verlust der familiären Einheit werde hier auf einer übergeordneten Ebene bedauert.203 Schuld an dem familiäre Einheiten zerstörenden Ausbruch der Feindseligkeiten sind – den Narrativen publikumswirksamer Kino- und TV-Produktionen seit 1996 zufolge und damit seit Las largas vacaciones del 36 (ES 1976) unverändert – ›extreme‹, gewaltbereite und kompromisslose Figuren(-gruppen), die auf ›beiden Seiten‹ gleichermaßen vertreten sind. Das Gros der ›normalen‹ spanischen Bevölkerung hingegen nahm diesen Narrativen zufolge ›gemäßigte‹ Haltungen ein. Dies lässt sich film- bzw. serienintern an einer bestimmten ›zentristischen Idealfigur‹ oder an einer dritten Gruppe festmachen, die den ›Extremen‹ auf ›beiden Seiten‹ machtlos zum Opfer fällt. Dabei blendet eine solche Perspektive auf das zeithistorische Geschehen aus, dass gerade Vertreter der ›normalen‹ Bevölkerung sich aktiv an den repressiven Maßnahmen beteiligten, die in beiden Kriegsterritorien mit grundsätzlich anderem Verlauf erfolgten.204 Diese Art der Darstellung perpetuiert die Quintessenz der Kollektivschuldthese: Auf einen Gewaltakt, den ›Extremisten‹ auf der ›einen Seite‹ des politischen Spektrums zu verantworten haben, folgt im Verlauf der Filme bzw. der Fernsehserien ein Gewaltakt, den ›radikale‹ Vertreter der ›anderen Seite‹ verüben. Dies suggeriert eine symmetrische Verteilung der Schuld für gewaltsame Handlungen und erfüllt somit die Erfordernisse des todos fuimos culpables. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang beispielsweise der Kommentar einer Mutter in der TV-Serie Amar en tiempos revueltos, deren Sohn, Vertreter eines fortschrittsorientierten, gemäßigt-republikanischen ›Dritten Spaniens‹205, im Zuge der Niederschlagung des Putsches von einem Aufständischen erschossen wurde. Auf seiner Beerdigung untersagt sie republiktreuen Kämpfern 202 Ausführlicher zur Figurenzeichnung in Amar en tiempos revueltos s. kapitel 6.3. Zu Silencio roto s. kapitel 4.2.1. 203 Ähnliches lässt sich in dem Kinospielfilm La niÇa de tus ojos (Das Mädchen deiner Träume; ES 1998) beobachten: Vgl. La niÇa de tus ojos, 01:02:38 – 01:03:18 sowie 01:15:50 – 01:19:18. In dem Kinospielfilm Los girasoles ciegos gibt es einen tränenreich inszenierten Abschied von der Tochter der im Zentrum der filmischen Handlung stehenden Familie, die sich – aufgrund des Kriegs und dessen Konsequenzen, so die Lesart – in ihren Grundfesten zunehmend erschüttert, zerrissen und letztlich zerstört sieht: Vgl. Los girasoles ciegos, 00:13:08 – 00:15:10. 204 Zur Darstellung kollaborativen Verhaltens in publikumswirksamen spanischen Kino- und TV-Produktionen s. kapitel 6.2. Zu den Praktiken sowie zu dem Verlauf der Repression im aufständisch besetzten wie im republiktreuen Bürgerkriegsspanien s. kapitel 4.1.1. 205 S. kapitel 6.3.

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das Spielen der republikanischen Hymne Himno del riego mit folgender Begründung: »Es waren alle. Verdammt seien sie, die einen wie die anderen.«206

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»Dies ist eine Revolution, kein Fest! Und irgendjemand muss den Kopf hinhalten.«207

Für die wenigen Darstellungen mit Bürgerkriegssetting, die sich in publikumswirksamen audiovisuellen Produktionen seit 1996 finden lassen, gilt gemeinhin, dass sich darin Vertreter zweier als ›extrem‹ gezeichneter Gruppen, die ›zwei Spanien‹ symbolisierend, gegenüberstehen: Auf der einen Seite ›unkontrolliert‹ handelnde, kompromisslose und ungepflegte Milizionäre, auf der anderen Seite Figuren mit nicht viel mehr als Statistencharakter, die die späteren Säulen des Franquismus repräsentieren: wahlweise Militär, guardia civil208, Falangist, Priester209, Karlist210 oder ›Maure‹211. Besonders deutlich wird dies in dem Kinospielfilm Libertarias (Freedomfighters; ES-IT-BE 1996), den seine Macher als dezidiert spanische Antwort auf Land and Freedom (GB-ES-DE 1995)

206 Amar en tiempos revueltos – T1 – Cap†tulo 0 (27. 09. 2005), www.rtve.es (20. 02. 2012), 01:27:06 – 01:27:10: »Fueron todos. Malditos, los unos y los otros.« 207 Libertarias, 00:28:04 – 00:28:08: »Esto es una revoluciûn, ¡no una fiesta! Yalguien tiene que pagar los platos rotos.« 208 Die guardia civil war seit ihrer Gründung als ursprünglich paramilitärische Polizeieinheit 1844 die wichtigste Ordnungsmacht in Spanien. Ihr Einsatzgebiet erstreckte sich vor allem auf die ländlichen Gebiete, wo sie für die Sicherheit und die Wahrung der Rechte der Landbesitzer sorgte. Im ersten Drittel des 20. Jh. stellte sie für die Armen und Besitzlosen daher eine Unterdrückungsmacht dar, die den Status quo auf gewalttätige Art und Weise sichern half: Vgl. Romero Salvadû (1999), S. 7; Godicheau (2005), S. 122 f. 209 Zur Rolle, die die katholische Kirche im Hinblick auf die Legitimierung des Militärputsches gegen die Republik sowie während des Bürgerkriegs und im sich daran anschließenden Franquismus spielte, s. kapitel 4.3.2.2. 210 Die Karlisten sind nach den erzkatholischen, antiliberalen Anhängern des Thronanwärters Don Carlos benannt und wussten eine große Anhängerschaft hinter sich, vor allem in den ländlichen Gegenden Navarras, des Baskenlandes, Kataloniens und Valencias. Schon vor 1936 hatten sie insgesamt drei (Bürger-)Kriege gegen Anhänger der Liberalen geführt, die sog. guerras carlistas, und vermochten es, sich in den 1930er-Jahren im Zuge der gewalttätigen Oppositionsbewegung gegen die säkularisierende, modernisierende Republik erfolgreich zu erneuern und zu reorganisieren: Vgl. Godicheau (2005), S. 45 f. 211 Während des Vormarsches der Aufständischen wurden die moros (dt.: »Mauren«), marokkanische Söldner (span.: regulares) des spanischen Afrikaheeres, für grausame ›Säuberungs‹- und Plünderungsaktionen eingesetzt, die Praxis des Terrors gegen die Zivilbevölkerung aus der Zeit der Kolonialkriege in Afrika gezielt auf den innerspanischen Konflikt übertragen: Vgl. Romero Salvadû (2005), xiii; Schauff (2006), S. 82 und 84 f. S. kapitel 4.1.1.

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des britischen Regisseurs Ken Loach präsentierten – was von Seiten der Kritiker durchaus begrüßt wurde.212 Loachs ›realistisch‹ inszenierte, gar einzelne Gefechte sowie eine Kollektivierung nachstellende kinematografische Sicht auf eine bestimmte Episode des Spanischen Bürgerkriegs – die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Kommunisten und linksoppositionellen Gruppierungen innerhalb des republikanischen Lagers – wirkte sich als Weckruf besonders auf einen spanischen Filmemacher aus: Vicente Aranda, der im Sommer 1995, noch während Loachs Werk in einigen spanischen Kinos vorgeführt wurde, den Zeitpunkt gekommen sah, sein bald zwanzig Jahre zurückreichendes Filmprojekt Libertarias umzusetzen.213 Schließlich lief Libertarias am 18. April 1996 in den spanischen Kinos an, beinahe auf den Tag genau ein Jahr nach dem offiziellen Kinostart von Land and Freedom in Spanien (UA: 05. 04. 1995).214 Aranda sah sich nun mit dem Vorwurf konfrontiert, aus Opportunismus und rein kommerziellen Absichten zu handeln.215 So formulierte Kritiker Molina Foix: »Aranda konnte nicht darauf verzichten, seinen Bürgerkrieg zu führen, und merkwürdig ist, dass er so lange gewartet hat.«216 Angesichts der dramaturgischen wie inszenatorischen Unzulänglichkeiten des Films, wie sie diverse Kritiker bemängeln, drängt sich in der 212 Vgl. Bonet Mojica, Llu†s: La revoluciûn empezû ayer en el Born. In: La Vanguardia (01. 08. 1995), S. 29; De Vilallonga, Jos¦ Luis: Libertarias. In: La Vanguardia (22. 04. 1996), S. 17. 213 Die Dreharbeiten zu Libertarias begannen am 31. Juli 1995: Vgl. MuÇoz, Diego: »Libertarias no ser‚ una pel†cula imparcial, sino a favor de los que intentaron la revoluciûn.« In: La Vanguardia (09. 07. 1995), S. 48; Castellanos, A.: Vicente Aranda: »La Guerra Civil affln no ha sido descubierta por el cine espaÇol.« In: ABC (01. 08. 1995), S. 75. Das Filmprojekt Libertarias reichte nach vielfachen Bekundungen der daran Beteiligten und der darüber Berichtenden bis 1976 zurück und war seitdem immer wieder aufgeschoben worden: Vgl. Freixas (1996), S. 18 ff.; Freixas/Bassa (1996), S. 23. Dirigido por verweist in diesem Zusammenhang auf das schon lange bestehende Interesse Arandas für den Krieg und macht dies an einigen seiner vorherigen Produktionen fest: der Kinospielfilm Si te dicen que ca† (dt.: »Wenn sie Dir sagen, dass ich gefallen bin«; ES 1989) und, vor allem, die TV-Serie Los jinetes del alba (dt.: »Die Reiter der Morgendämmerung«; TVE, 09. 01. 1991 – 06. 02. 1991), die unter anderem den Einmarsch der franquistischen Truppen in Oviedo Ende 1936 inszeniert: Vgl. Freixas (1996), S. 18 ff.; Freixas/Bassa (1996), S. 23. Los jinetes del alba wertet Aranda selbst als eine Art Fingerübung zum Thema: Vgl. Bonet Mojica, Llu†s: »Voy a rodar Libertarias, historia de una utop†a que estallû y durû pocos d†as.« In: La Vanguardia (17. 12. 1994), S. 46; Molina Foix (1996), S. 11. 214 Produziert wurde Libertarias von Andr¦s Vicente Gûmez (Produktionsfirma Lolafilms), mit über hundert Filmproduktionen einer der bedeutendsten Produzenten der spanischen Filmlandschaft (Vgl. Scholz (2005), S. 66), der ebenfalls an Folgenden in der vorliegenden Untersuchung en detail analysierten Kinospielfilmen mitwirkte: La niÇa de tus ojos (Das Mädchen deiner Träume; ES 1998) und Soldados de Salamina (Soldiers of Salamina; ES 2003). 215 Vgl. S‚nchez-Biosca (2006b), S. 296. 216 Molina Foix (1996), S. 11: »Aranda […] no pod†a dejar de hacer su Guerra Civil, y lo raro es el tiempo que ha tardado.«

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Tat der Verdacht auf, das Filmprojekt Libertarias sei zwischen 1995 und 1996 plötzlich schnell in Angriff genommen und fertig gestellt worden, um den durch Land and Freedom verursachten Rückenwind zu nutzen. Umgekehrt verkauft La Vanguardia die Tatsache, dass das Projekt Libertarias schon lange vor 1996 angedacht wurde, als Argument dafür, dass Aranda sich eben nicht an Ken Loach und dessen Kinospielfilm Land and Freedom orientiert habe.217 In der Tat hatte Arandas Urteil über Spaniens Umgang mit der jüngeren Vergangenheit und die Rolle des spanischen Kinos in diesem Zusammenhang bereits Anfang der 1980er-Jahre bitter geklungen: »Ours is not a historical period that solicits passion; rather, we have become our own censors and all we want to do is to forget, be silent, not talk, not struggle. The whole process of democratization has been paid for in this manner, as I see it; and cinema has paid for it as has literature and everything else.«218

Ohne den kommerziellen Erfolg von Land and Freedom wie auch den Anklang, auf den Loachs Film stieß, erscheint es jedoch höchst unwahrscheinlich, dass Arandas Projekt umgesetzt worden wäre. Aranda selbst beschrieb den Eindruck, den Land and Freedom seiner Meinung nach in Spanien hinterließ, im Juli 1995 bezeichnenderweise folgendermaßen: »Es war, als hätte man eine Wassermelone geöffnet, die das Publikum rasend schnell gegessen hat.«219 Dadurch habe er sich wiederum darin bestätigt gesehen, dass seine Idee von vor vielen Jahren immer noch Gültigkeit besäße.220 Im Hinblick auf das Medium Kino und das Thema Bürgerkrieg äußerte sich Schauspielerin Ana Bel¦n, im Film eine der anarchofeministischen Protagonistinnen, während der Dreharbeiten wie folgt: »Der Bürgerkrieg ist ein Steinbruch, der sich in ein kinematografisches Genre verwandeln ließe.«221 Parallel zum Anlaufen des Films Libertarias sprach sie die Hoffnung aus, Libertarias möge zu einer Art Tor werden, das das spanische Kino für das Thema des Bürgerkriegs öffne. Das spanische Kino habe eine offene Rechnung mit dem 217 Vgl. Bonet Mojica, Llu†s: Una utop†a perdida y una pel†cula ganada. In: La Vanguardia (20. 04. 1996), S. 49. 218 Vicente Aranda; zit.n.: Besas (1985), S. 261 f. Arandas hier formulierte These, dass Spaniens Weg zu einer Demokratie mit einem Schweigen über die jüngere Vergangenheit erkauft worden sei, erinnert stark an Gregorio Mor‚ns 1991 in Buchform veröffentlichte Kritik an einem vermeintlichen ›Schweigepakt‹ der transiciûn, die den Titel El precio de la transiciûn (dt.: »Der Preis der transiciûn«) trägt. S. Fußnote 43. 219 Vicente Aranda; zit. n.: La Vanguardia (09. 07. 1995), S. 48: »[H]a sido como abrir una sand†a que el pfflblico se ha apresurado a comer.« 220 Vgl. ebd. 221 Ana Bel¦n; zit. n.: Escarr¦, Josep: »La Guerra Civil es una cantera que podr†a convertirse en un g¦nero cinematogr‚fico.« In: La Vanguardia (06. 08. 1995), S. 38: »La Guerra Civil es una cantera que podr†a convertirse en un g¦nero cinematogr‚fico.«

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Bürgerkrieg zu begleichen.222 Über diese Auseinandersetzung sind Aranda zufolge zwar viele Bücher geschrieben, aber nur wenige spanische Filme gedreht worden.223 Dies wertet er als Manko, das er einen Monat vor Anlaufen seines eigenen Films folgendermaßen begründet: »In all diesen Jahren gab es eine Art Konsens, keine Filme über den Bürgerkrieg zu drehen. Jetzt kehrt diese Phase unserer Geschichte mit Streifen wie Land and Freedom wie eine Neuheit zurück, nachdem wir in Wirklichkeit Stillschweigen gewahrt haben, weil niemand – aus welchen Gründen auch immer – sich dem Thema stellen wollte; entweder, weil es nicht rentabel erschien, oder weil man die unterschwellige Übereinkunft der transiciûn […], alte Streitpunkte nicht anzurühren, einhielt. Wie der Film von Loach zeigte, ist das Thema von Interesse, während wir Produzenten und Regisseure es uns selbst verboten hatten.«224

Doch spricht Aranda im Zuge der Berichterstattung über seinen Film Libertarias nicht nur von einem »Stillschweigen« zum Thema Bürgerkrieg im spanischen Kino, sondern allgemeiner auch von einem vermeintlichen »Vergessen« des Bürgerkriegs auf nationaler Ebene: »Es gibt viele Geschichten, die es über unseren Krieg zu erzählen gibt, besonders von der anderen Seite, der der Besiegten, und es ist notwendig, dies zu tun, weil dieses Land den Krieg vergessen hat. Ich weigere mich, zu diesem Vergessen beizutragen.«225 Libertarias präsentiert er daher explizit als einen Film gegen die »historische Amnesie«226, die Spanien erleide. Ähnlich postuliert die Schauspielerin Bel¦n: »Libertarias tritt an, die historische Erinnerung zurückzufordern, die uns zuvor verschwiegen wurde.«227 In diesem Sinne sieht Aranda, der sich selbst – ebenso wie Bel¦n – offensiv dem Lager der »Besiegten«228 zuschreibt, seinen Film als eine Art Ehrung seiner 222 Vgl. MuÇoz, Diego: Ana Bel¦n: »De mujer libertaria voy a pasar a encarnar a una arribista.« In: La Vanguardia (19. 04. 1996), S. 55. 223 Vgl. La Vanguardia (09. 07. 1995), S. 48; ABC (01. 08. 1995), S. 75; MuÇoz, Diego: »Libertarias es una pel†cula contra la amnesia histûrica que sufre EspaÇa.« In: La Vanguardia (14. 04. 1996), S. 58. Mit Libertarias plante Aranda den ganz großen Wurf: »Wenn in hundert Jahren jemand etwas über den Bürgerkrieg wissen will, vor allem in einem bildlichen Sinn, dann wird er auf Libertarias zurückgreifen müssen.«: Vicente Aranda; zit. n.: Libertarias, DVD-Extras, Presentaciûn de la pel†cula, Entrevista con el director, 00:00:15 – 00:15:24: »Cuando hayan pasado cien aÇos […], cuando alguien quiere saber algo sobre la guerra civil espaÇola en un sentido gr‚fico sobre todo, tendr‚ que recurrir a Libertarias.« 224 Vicente Aranda in La Voz de Asturias (31. 03. 1996); zit. n.: Köhler (1996b), S. 90. 225 Vicente Aranda; zit. n.: Jünke (2007), S. 231: »Hay muchas historias que contar sobre nuestra guerra, especialmente del otro lado, el de los vencidos, y es necesario hacerlo porque este pa†s ha olvidado la guerra […] yo me niego a contribuir a ese olvido [Herv. i. Orig.].« 226 Vicente Aranda; zit. n.: La Vanguardia (14. 04. 1996), S. 53. 227 Ana Bel¦n; zit. n.: La Vanguardia (01. 08. 1995), S. 29: »Libertarias viene a reivindicar la memoria histûrica que antes nos fue escamoteada.« 228 Vicente Aranda; zit. n.: Freixas/Bassa (1996), S. 23: »vencidos«.

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Vorfahren, was ihm zufolge einer exemplarischen Ehrung der Vorfahren der restlichen spanischen Bevölkerung gleichkomme.229 Eine machtkritische und gleichzeitig (gruppen-)identitätsstärkende erinnerungspolitische Stoßrichtung, wie sie in der hier geäußerten Frontstellung eines ›wir‹ gegen ›die Anderen‹ deutlich wird, war demnach im Zusammenhang mit der Umsetzung des Spielfilmprojektes Libertarias überaus präsent.230 Dabei werden eine memoria histûrica und deren ›Einfordern‹ hier bereits verwendet, bevor dieses Begriffspaar mit der Jahrtausendwende in Spanien allgegenwärtig wurde. Regisseur Aranda wies konkret darauf hin, dass es eines ausländischen Regisseurs bedurft habe, um die Bürgerkriegsthematik im Allgemeinen wieder ans Licht der Öffentlichkeit zu zerren. Ken Loach gebühre Dank dafür, den spanischen Filmbetrieb überhaupt erst auf bisher ›unentdeckt‹ gebliebene Ereignisse der jüngeren Vergangenheit gestoßen zu haben, wie den revolutionären Aspekt, der dem Spanischen Bürgerkrieg innewohne.231 In diesem Sinne sieht er Loachs Film ausdrücklich als Wegbereiter, »der das Terrain für seinen eigenen Film, Libertarias (1996)[,] geebnet habe«232. Auch er, Aranda, hat es eigenen Bekundungen zufolge besonders auf eine filmische Darstellung des Aspektes der Revolution abgesehen, der zuvor bewusst ›beschwiegen‹ worden sei.233 Umgekehrt distanziert Aranda sich von Land and Freedom, indem er ihn als Film »von einem Ausländer und für Ausländer«234 bezeichnet, womit er einerseits verleugnet, dass Loachs Film überaus erfolgreich auch in Spanien lief, und andererseits die Deutungshoheit des Bürgerkriegs im nationalen Kontext und somit bei seinem heimischen kinematografischen Beitrag zum Thema verortet. Dem pflichtet der bekannte spanische Schriftsteller Jos¦ Luis de Vilallonga in einem Artikel zu Libertarias bei: De Vilallonga spricht Aranda allein deshalb eine größere Eignung für eine Erzählung über den Bürgerkrieg zu, weil der Regisseur Spanier und kein Ausländer sei. Nur ein Spanier könne vom Spanischen Bürgerkrieg erzählen, selbst wenn er nicht aktiv daran beteiligt gewesen sei.235 229 Vgl. Libertarias, DVD-Extras, Presentaciûn de la pel†cula, Comentarios y an¦cdotas, 00:00:16 – 00:00:23. 230 Die semantische Gegenüberstellung eines ›wir‹ gegen ›die Anderen‹ sollte etwa zehn Jahre später im Zusammenhang mit Amar en tiempos revueltos (dt.: »Liebe in aufgewühlten Zeiten«; TVE/La 1, 2005 – 2012) und Las 13 rosas (13 Roses; ES-IT 2007) öffentlich deutlich artikuliert werden, s. kapitel 4.1.2 und kapitel 4.1.3. 231 Vgl. ABC (01. 08. 1995), S. 75; La Vanguardia (01. 08. 1995), S. 29. 232 Ehrlicher (2005), S. 11. Vgl. La Vanguardia (14. 04. 1996), S. 53; Colûn, Antonio: Libertarias, un sueÇo a medio camino. In: ABC de Sevilla (16. 05. 1996), S. 97. 233 Vgl. Libertarias, DVD-Extras, Presentaciûn de la pel†cula, Entrevista con el director, 00:01:06. 234 La Vanguardia (14. 04. 1996), S. 53: »por un extranjero y para los extranjeros«. 235 Vgl. La Vanguardia (22. 04. 1996), S. 17. Ironischerweise diente ausgerechnet De Vilallongas Autobiografie als Vorlage für einen Film französischer Produktion namens Fiesta (FR 1996), in dem die Erfahrungen eines 16-Jährigen in einem Exekutionskommando der

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Im Vorfeld zum Anlaufen seines Films Libertarias äußerte Aranda, er wolle darin die der Kollektivschuldthese geschuldete Auffassung missachten, dass ›beide Seiten‹, die am Krieg beteiligt waren, dafür verantwortlich seien, stattdessen die revolutionären Bestrebungen der Anarchisten und vor allem die Rolle der Frauen im Bürgerkrieg auf betont ›parteiische‹ Art und Weise aufwerten.236 Die Figur einer weiblichen Milizionärin, die selbstbewusst und politisch gut informiert an vorderster Front kämpft und somit auf die aktive Rolle der Frauen bei der militärischen Verteidigung der Republik verweist, hatte in Ken Loachs Land and Freedom viele Zuschauer überrascht.237 Regisseur Aranda wiederum betonte, dass neben der sozialen Revolution der Aspekt der Milizionärinnen einer sei, der – so der die Produktion von Libertarias begleitende Tenor – im Kontext einer Beschäftigung mit dem Spanischen Bürgerkrieg bis dato auf breiter öffentlicher Ebene weitgehend unbeachtet geblieben sei.238 Entsprechend sind die Protagonistinnen in seinem Film überwiegend Vertreterinnen der historisch verbrieften anarchofeministischen Organisation mujeres libres (dt.: »Freie Frauen«).239 Mit Niederschlagung des Putsches in Barcelona ›befreien‹ Vertreterinnen der mujeres libres Prostituierte eines Bordells und ziehen mit einigen von ihnen sowie mit einer zufällig dazu gestoßenen, durch das Kriegsgeschehen verwirrten jungen Novizin namens Mar†a an die Aragûn-Front, um zu kämpfen.240 Obwohl Libertarias Aranda zufolge ein Held(inn)enepos ist,241

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Aufständischen auf vergleichsweise drastische Art und Weise zur Darstellung gelangen. Der Film lief erst im Juni 1998 in Spanien an: Vgl. Filmdatenbank des spanischen Kultusministeriums, www.mcu.es (20. 02. 2012). Vgl. La Vanguardia (09. 07. 1995), S. 48. Dies begründete Aranda mit der ideologisch gefärbten, den Mythos des ›wir waren alle schuld‹ nicht entkräftenden Aussage, eines der beiden Kriegslager hätte sehr noble Absichten gehabt. Aranda selbst verwehrte sich in demselben Interview dagegen, für einen Anarchisten gehalten zu werden. Vgl. Wandler (1996), S. 55. Vgl. La Vanguardia (09. 07. 1995), S. 48; ABC (01. 08. 1995), S. 75. Im Jahr 1995 war eine grundlegende englischsprachige Untersuchung der Historikerin Mary Nash zur Rolle der Frauen im Spanischen Bürgerkrieg erschienen. Obwohl diese erst 1999 auf Spanisch publiziert wurde, bezog sich Regisseur Vicente Aranda in einem Interview vom April 1996 darauf: Vgl. La Vanguardia (14. 04. 1996), S. 53. Zudem erschien 1995 Memories of Resistance. Women’s Voices from the Spanish Civil War von Shirley Mangini; eine Untersuchung, deren thematische Nähe zu Arandas Filmprojekt ebenfalls ins Auge sticht. Die mujeres libres wurden im April 1936 aufgrund der Unzufriedenheit einiger Anarchistinnen mit ihrer marginalisierten Stellung und dem männlichen Monopol innerhalb der anarchistischen Bewegung gegründet. Sie sahen die Frauenemanzipation als unverzichtbar für einen erfolgreichen revolutionären Prozess auf umfassender Ebene an und konnten etwa 20.000 spanische Frauen um sich sammeln: Vgl. Nash (1995), S. 78 ff. Arandas Film setzt ein, nachdem der Putsch am 19. Juli 1936 in Barcelona durch Mitglieder der CNT-FAI, POUM und PSUC sowie der Zivilbevölkerung erfolgreich niedergeschlagen werden konnte: Vgl. Beevor (2006), S. 66 – 69. Der überwiegende Teil der Filmhandlung vollzieht sich dann an der Aragûn-Front sowie politisch innerhalb der Milizen, als und wo der Ruf und der Wille zur Umsetzung einer ›sozialen Revolution‹ am größten war: Vgl. Vilar (2005), S. 84; Bernecker/Brinkmann (2006), S. 65 – 68. Hierin orientierte sich Aranda an

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wird filmintern jedoch viel Wert auf eine Darstellung von Brutalitäten auf ›beiden Seiten‹ gelegt. Dabei wird die im Film sichtbare Gewalt wohlgemerkt zunächst von republikanischer ›Seite‹ verübt, worauf die der Aufständischen in einem zweiten Schritt folgt. Im Gegensatz zu Loach in Land and Freedom misslingt es Aranda in Libertarias ferner, soziopolitische Hintergründe und Ziele der Revolutionäre in Spanien offenzulegen.242 Die getreu dem Motto Ni Dios, ni patria, ni amo (dt.: »Kein Gott, kein Staat, kein Herr«)243 agierenden ›extremen‹, anarchorevolutionären Vertreter der ›einen‹, republikanischen Seite sind vor allem durch einen ausgeprägten gewaltbereiten Antiklerikalismus gekennzeichnet. Schon der Vorspann von Libertarias endet mit einer Szene, die eine Kirchenplünderung seitens der Anarchisten in Katalonien bei Ausbruch des Bürgerkriegs zeigt.244 Kurz darauf sehen sich Nonnen zu einer überstürzten Flucht aus ihrem Kloster gezwungen, während raub- und brandschatzende Milizionäre durch die Straßen des katalanischen Ortes Vic ziehen.245 Etwas später im Film gibt es eine bildästhetisch ein-

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Ken Loachs Land and Freedom, in dem bereits der Auszug der Milizen nach Aragûn, die Rückeroberung von Dörfern, die sich in Putschistenhand befanden, bzw. die sich dort ab August 1936 abzeichnende Front zur Darstellung gelangten. Vgl. Molina Foix (1996), S. 11. In Libertarias gibt es nur vereinzelt Bemerkungen über ungleich verteilte Reichtümer : Vgl. Libertarias, 00:52:14 – 00:52:52. Von Beginn des Films an zieren Graffiti mit diesem Motto die Wände in Barcelona; ein anarchistischer Ausspruch, den auch die Protagonisten des Films mehrfach anwenden: Vgl. ebd., 00:05:33 – 00:05:36 sowie 00:15:43 – 00:15:47 und 01:32:06. Der Slogan wird ebenfalls in El laberinto del fauno (Pans Labyrinth; ES-MX 2006) thematisiert: Vgl. El laberinto del fauno, 00:15:10 – 00:15:25. Vgl. Libertarias, 00:02:50 – 00:02:57. Im Vorspann zu Libertarias vermischt Aranda dokumentarische Archivaufnahmen mit fiktionalen Szenen der anschließenden Filmhandlung, alles in schwarz-weiß und in Zeitlupe. Die letzte im Vorspann enthaltene Szene blendet dann in Farbe sowie in Echtzeit über : Vgl. ebd., 00:00:50 – 00:03:00. Dabei orientiert sich Arandas Vorspann Mullaly zufolge an der Ästhetik des Fotojournalismus der 1930er-Jahre, für den Robert Capa emblematisch steht: Vgl. Mullaly (2009), S. 134. Unter diesem Blickwinkel werden viele Parallelen zum Vorspann des Kinospielfilms Las bicicletas son para el verano (Bicycles Are for the Summer; ES 1983) offenbar, in dem die Anleihen bei Robert Capas Death of a Loyalist Soldier noch um einiges deutlicher sind als in dem Vorspann zu Libertarias: Vgl. Feenstra (2010), S. 98 – 100. Der Vorspann in Libertarias ähnelt vielmehr dem in Land and Freedom: Vgl. Land and Freedom, 00:02:28 – 00:04:30. Vgl. Libertarias, 00:02:57 – 00:05:40. Im katalanischen Vic, wo die Verbrennung von Kirchenschätzen im großen Maßstab nachgestellt und gedreht wurde, rief Arandas Filmprojekt Polemiken hervor: Vgl. Escarr¦, Josep: Las »Libertarias« queman estatuas de santos en la Ciutat dels Sants. In: La Vanguardia (04. 08. 1995), S. 31; Adillûn Bausells, Miquel: Un extra de excepciûn en las Libertarias. In: La Vanguardia (04. 09. 1995), S. 16. Die Dreharbeiten zu Libertarias in Aragûn begleiteten Wandparolen gegen die »Roten« – gemeint war die FilmCrew –, deren Arbeit eine Beleidigung der im Ort ermordeten Geistlichen darstelle: O. V.: AlcaÇiz, contra el equipo de Vicente Aranda que rueda Libertarias, por »rojos«. In: La Vanguardia (23. 09. 1995), S. 50: »rojos«. Zur pejorativen Bezeichnung »rojo« s. Fußnote 1052.

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drucksvoll inszenierte Sequenz, die zeigt, wie Gemälde246, Statuen, Kreuze und Dokumente247 verbrannt werden. Hier nimmt die Kamera zunächst den riesigen Scheiterhaufen in den Blick, mit einer zwischenzeitlichen Halbtotale auf eine brennende Marienfigur.248 Dann koinzidieren die Aufnahmen rund um die brennenden Kirchenschätze und Dokumente mit der Übertragung einer Radioansprache des Anarchistenführers Buenaventura Durruti.249 Die Teile von Durrutis Rede, die im Film zu hören sind, erwecken den Eindruck, bei ihm handle es sich um einen weiteren skrupellosen Führer mit Allmachtsfantasien.250 Die Wort-Bild-Verknüpfung von Kirchenschändungen und einem als überaus gewaltbereit und demnach allzu ›radikal‹ dargestellten Anarchismus könnte somit in den ersten zwanzig Minuten des Films Libertarias kaum deutlicher inszeniert werden. Konsequenterweise ist die erste Darstellung tödlicher Gewalt gegen einen Menschen in Libertarias die Hinrichtung eines Bischofs durch zwei ihr Opfer zuvor noch demütigende Milizionäre.251 Dabei rechtfertigt eine der revolutionären Protagonistinnen das besonders gewalttätige Vorgehen einzelner Milizionäre damit, dass die Revolution eben kein Fest sei, irgendjemand müsse »den Kopf dafür hinhalten«252 ; eine Erklärung, die sich mit der ›Bestrafung‹ der ›extremen‹, überzeugt anarchofeministischen Protagonistinnen am Ende des Films grausam bewahrheitet: Sie werden zu Opfern der Gräueltaten, die Vertreter der marokkanischen Vorhut verüben. Bezeichnenderweise keine als ›spanisch‹ zu identifizierenden, sondern auswärtige ›extreme‹ Vertreter des sich in den Händen der Aufständischen befindenden regulären Heeres, die berühmt-berüchtigten moros (dt.: »Mauren«), 246 Darunter Werke des Malers Jos¦ Mar†a Sert, der Gemälde für die Kathedrale von Vic anfertigte, wo sie vor Ausbruch des Bürgerkriegs hingen: Vgl. Freixas/Bassa (1996), S. 24; Crusells (2006), S. 297. 247 »Unterlagen des Bürgermeisters« (Libertarias, 00:16:44: »papeles del alcalde«) sowie »Grundbücher« (ebd., 00:17:12: »registros de la propiedad«), wie die Ausrufe einzelner Beteiligter klarstellen. 248 Vgl. ebd., 00:16:17 – 00:17:20. 249 Vgl. ebd., 00:17:43 – 00:19:20. 250 Insgesamt ist die Inszenierung Durrutis in Libertarias wenig vertrauenserweckend: Er wird stets von hinten oder im Schatten stehend gefilmt – auf visueller Ebene im wahrsten Sinne des Wortes ›zwielichtig‹: Vgl. ebd., 00:18:54 – 00:19:06. Bestenfalls erscheint Durruti in Arandas Film als eine Art mythische Figur : Vgl. ebd., 00:42:25 – 00:42:40; ebd., DVDExtras, Presentaciûn de la pel†cula, Comentarios y an¦cdotas, 00:04:13 – 00:04:30; Jünke (2007), S. 225. 251 Vgl. Libertarias, 00:27:10 – 00:27:48. In einem zynischen Kontrast zur soeben kaltherzig ¸ a c’est vollzogenen Hinrichtung des Bischofs brüllt ein französischer Landsmann »C l’apocalypse de la libert¦!«, womit die revolutionäre Aufbruchsstimmung in Katalonien nicht gerade in einem positiven Licht erscheint: ebd., 00:28:13. In Encontrar‚s dragones (Glaube, Blut und Vaterland; ES-USA 2011) findet sich eine ähnlich inszenierte Hinrichtung eines Priesters durch ›blutrünstige‹ antiklerikale Milizionäre. 252 Ebd., 00:28:07 – 00:28:08: »pagar los platos rotos«. Vgl. Freixas (1996), S. 20.

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überfallen in Libertarias den Frontabschnitt brutal, an dem sich die Protagonisten des Films befinden. In Analogie zur unmittelbar bevorstehenden Tötung eines »armen, unschuldigen«253 Lamms werden die ›Mauren‹ zu ›bestialischen‹ Tätern, die sich auf hinterhältige Art und Weise an eine unschuldige, wehrlose Beute heranpirschen, über sie herfallen, sie verstümmeln, vergewaltigen und im wahrsten Sinne des Wortes abschlachten –254 eine weitaus explizitere Darstellung, als diejenige, die die zur Vorführung zugelassene Endversion des ›Bürgerkriegsfilmklassikers‹ Las largas vacaciones del 36 (Long Vacations of 36; ES 1976) zwanzig Jahre zuvor erzwungenermaßen beendet hatte.255 Das brutale Ende der Protagonisten in Libertarias produziert so das negative Bild der hemmungslos und ›animalisch‹ wütenden ›Mauren‹. Ein spanischer Befehlshaber der aufständischen Truppen hingegen ›rettet‹ eine der Protagonistinnen des Films, Mar†a, bevor ihre Peiniger sie töten können. Nachdem einer der ›Mauren‹ offensichtlich eine pervers anmutende Freude aus Mar†as Vergewaltigung gezogen hat, jagt der spanische Militär ihn und die Seinen gewaltsam vom Ort des Geschehens fort, ›bestraft‹ sie also. Obgleich er die Leichen von Mar†as einstigen Kampfgefährten als »Dreck«256 bezeichnet, den es zu verbrennen gelte, ist er in Libertarias demnach nicht aktiv als Täter in Erscheinung getreten. Die negative Rolle, in die ausschließlich die marokkanischen regulares gedrängt werden, fällt umso mehr ins Gewicht, als Vertreter des aufständischen Lagers 253 Ebd., 01:48:24: »pobre inocente«. 254 Vgl. ebd., 01:48:20 – 01:48:47. Das Charakteristikum ›bestialisch‹ teilen die ›Mauren‹ in Libertarias mit späteren franquistischen Täterfiguren, s. kapitel 4.3.1. Dabei dient das Schlachten eines Opfertieres im spanischen Kino des Öfteren als Vorspiel des Kampfes unter Menschen, der entsprechend ›bestialische‹ Formen annimmt: Vgl. Kinder (1993), S. 161. So beispielsweise auch in La lengua de las mariposas (Hund, Grille), El laberinto del fauno (Kaninchen), Los girasoles ciegos (Kuh, Vögel), Pa negre (Pferd, Vögel). Bereits in Furtivos (Wilderer; ES 1975) gibt es eine Szene, in der ein Hund mittels eines langen Stocks zu Tode geprügelt wird. In Pascual Duarte (ES 1976) ersticht ein Bauer seinen Esel mit einem Messer. 255 Vgl. Freixas (1996), S. 20; Freixas/Bassa (1996), S. 24. Zwanzig Jahre vor Libertarias hatten sich Zensoren noch an einer weitaus indirekteren Art der Inszenierung, die die Rolle der ›Mauren‹ im Bürgerkrieg andeutete, derart gestört, dass sie aus allen zur Vorführung freigegebenen Kopien von Las largas vacaciones del 36 (ES 1976) herausgeschnitten werden musste: Seinen ›Bürgerkriegsfilmklassiker‹ hatte der Regisseur Jaime Camino ursprünglich mit einer Schlusssequenz enden lassen wollen, in der eine Teleobjektivaufnahme die marokkanische Kavallerie zeigte, die sich – die Flagge der Aufständischen mit sich führend – im Galopp auf die Kamera zubewegte. Dies zeugt von den Schwierigkeiten, die noch während der transiciûn mit einer direkteren Darstellung des Spanischen Bürgerkriegs verbunden waren: Vgl. Gubern (1986), S. 173; Ripoll i Freixes (1992), S. 127. Dabei ist im Hinblick auf Las largas vacaciones del 36 wie auch auf Libertarias strittig, ob marokkanische Truppen an den in der Filmhandlung inszenierten Orten und Zeiten überhaupt stationiert waren bzw. eingesetzt wurden: Vgl. Hopewell (1989), S. 154; Crusells (2000), S. 251 f. 256 Libertarias, 01:52:38: »basura«.

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über vereinzelte Würdenträger der katholischen Kirche hinaus nur selten konkret inszeniert werden.257 Der erste Vertreter der katholischen Kirche, den der Zuschauer zu Gesicht bekommt, ist eine fettleibige Person, die nicht davor zurückscheut, in einem Bordell eine Sexszene mit einer Nonne nachzustellen, um seine eigene Haut zu retten. Hohe Würdenträger der Institution Kirche in Spanien werden filmintern als geldgierige Personen beschrieben und inszeniert, die sich auf Kosten ›des Volkes‹ bereichern.258 In einer Täterrolle tritt Personal der katholischen Kirche in Libertarias allerdings nicht in Erscheinung. Lediglich am Ende des Films wird der aktive Anteil, den die katholische Kirche und ihre Vertreter in Spanien am repressiven Vorgehen der Aufständischen und im späteren Franquismus hatten, angedeutet:259 Hatten Angehörige der republikanischen Truppen nach ihrem Einmarsch in dem kleinen Ort San Rom‚n das Steinkreuz auf dem Marktplatz zerstört,260 so wird am Ende des Films, als San Rom‚n sich wieder in der Hand der Aufständischen befindet, ein neues Holzkreuz auf den Marktplatz getragen.261 Unter eben diesem neu errichteten Holzkreuz parkt dann bezeichnenderweise der Laster, der den neuen Machthabern als Gefangenentransport dient, wodurch auf der Bildebene eine direkte Verknüpfung von katholischem Glauben und aufständischer Gewalt vorgenommen wird.262 Ein Priester befragt Mar†a zu den Reliquien, die sie um den Hals trägt; er will von ihr wissen, ob sie Nonne sei. Als sie ihm eine Antwort schuldig bleibt, zögert er nicht, sie abführen zu lassen: Sie solle nicht noch mehr leiden, als sie das Gewicht ihrer Sünden eh schon leiden lasse.263 Dieser Ausspruch dient als Ausdruck eines unchristlichen Zynismus, der die Verkehrung der moralischen Lasten, wie die siegreichen Aufständischen sie im und nach dem Bürgerkrieg rhetorisch zementierten, zum Ausdruck bringt und – angesichts der Tatsache, dass es sich bei Mar†a um die positiv konnotierte, ›zentristische Idealfigur‹ des Films handelt – denunziert. Trotz dieser impliziten Kritik an der Rolle, die die Institution Kirche im Zusammenhang mit dem gewalttätigen Vormarsch der Aufständischen und deren Machtkonsolidierung innehatte, überwiegen in Libertarias die Kon257 Vgl. Jünke (2006), S. 111 ff. 258 Vgl. Libertarias, 00:09:10 – 00:09:14, 00:19:36 – 00:19:40 sowie 00:33:20 – 00:33:36. 259 Vertreter der katholischen Amtskirche in Spanien mit negativem, da im Kontext des Bürgerkriegs und des sich daran anschließenden Franco-Regimes Menschen verachtenden, wenn nicht aktiv schädigendem Einfluss gelangen in einem publikumswirksamen Kinospielfilm dezidiert erst in Los girasoles ciegos (The Blind Sunflowers; ES 2008) zur Darstellung, s. kapitel 4.3.2.2. 260 Vgl. Libertarias, 01:24:36 – 01:24:43. 261 Vgl. ebd., 01:52:42 – 01:53:40. 262 Vgl. Libertarias, 01:53 :26 – 01:53 :40, 01:53 :50 – 01:53 :56, 01:54 :04 – 01:54 :13 sowie 01:54 :22 –01:55 :05. 263 Vgl. ebd., 01:54:10 – 01:54:18.

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struktionen ebenbürtiger ›Extreme‹ auf beiden Seiten. So werden die Milizionäre über eine von ihnen durchgeführte Sabotageaktion bis zu einem gewissen Grad gar mit dem Überraschungsangriff des marokkanischen Stoßtrupps parallelisiert. Beides sind hinterhältige Aktionen, die auf bildästhetischer Ebene ähnlich inszeniert werden: Die Halbtotale auf das Gesicht eines Milizionärs, der beobachtet, wie die ›nationalen‹264 Soldaten sich ihrem Lockmittel, einer republikanischen Flagge, nähern, entspricht beispielsweise dem Close Up auf das Gesicht eines ›Mauren‹, der gegen Ende des Films die rastenden Milizionäre beobachtet, bevor seine Gefährten und er mit ihrem blutigen Vormarsch beginnen.265 Der Eindruck einer gewissen Parallelität zwischen beiden Aktionen wird nicht zuletzt durch die Hintergrundmusik erweckt, die sich anfangs stark ähnelt. Schon im offiziellen Trailer zu Libertarias wird eine ähnlich fatalistische Gleichsetzung zwischen ›rotem‹ und ›weißem‹ Terror konstruiert: Darin folgt auf die Massenszene mit der Verbrennung von Kirchenschätzen, die von ¡Viva la revoluciûn!-Rufen begleitet wird, direkt die Szene, in der die aufständischen Truppen, ¡Arriba EspaÇa! skandierend, die Milizionäre überwältigen. Danach endet der Trailer mit einer blutroten Abblende.266 Die im Film dargestellte Gewalt geht somit auf das Konto von vergleichbar gewalttätigen ›Extrem‹-Gruppen, denen die junge Mar†a zum Opfer fällt. Zu Filmbeginn ist Mar†a katholische Novizin und stellt die Inkarnation der naiven, unerfahrenen, unbedarften, unschuldigen Protagonistin dar. Ihre Vorgesetzte beschreibt die fernab von allem Weltlichen in einem Kloster Erzogene wie folgt: »Schwester Mar†a. Die unschuldigste, die hilfloseste, am weitesten von ihrem Zuhause entfernt.«267 Dem Regisseur Vicente Aranda zufolge ist Mar†a eine 25-jährige Frau mit der Mentalität einer 16-Jährigen, die Reinheit und Weltfremdheit verkörpert.268 Ohne Möglichkeiten wie auch Fähigkeiten, die Ge264 Die Anhänger der aufständischen Seite während des Bürgerkriegs bezeichneten sich selbst als nacionales (dt.: »Nationale«), da sie für sich reklamierten, die wahren und legitimen Vertreter der spanischen Nation zu sein. Der Terminus nacionalistas (dt.: »Nationalisten«), der ihnen irrigerweise oftmals verliehen wird, führt zu Verwechslungen mit den katalanischen, baskischen oder galicischen Autonomiebestrebungen, die in Spanien wiederum als nacionalismos (dt.: »Nationalismen«) gelten. 265 Vgl. Libertarias, 01:14:15 – 01:15:18 und 01:14:23 – 01:14:24 sowie 01:46:57 – 01:47:04. 266 Vgl. ebd., DVD-Extras, Trailer, 00:01:40 – 00:02:10. Näheres zu ›rotem‹ und ›weißem‹ Terror unter kapitel 4.1.1. 267 Ebd., 00:04:02 – 00:04:07: »Sor Mar†a. La m‚s inocente, la m‚s indefensa, la m‚s alejada de su casa.« 268 Vgl. Ponga (1995), S. 113. In einem Interview-Zusammenschnitt erzählt Regisseur Aranda von seinen Schwierigkeiten, eine adäquate Schauspielerin für die Rolle der Mar†a zu finden. Zunächst hatte er seine Muse Victoria Abril für die Rolle vorgesehen. Als Libertarias dann aber tatsächlich produziert wurde, knapp zwanzig Jahre nach den Anfängen des Filmprojektes, war Abril zu alt für die Rolle, sodass nach einer anderen, jüngeren Schauspielerin Ausschau gehalten werden musste: Vgl. Libertarias, DVD-Extras, Presentaciûn de la pel†-

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schehnisse selbst zu bestimmen, wird Mar†as Leben mit Ausbruch der Gewalttätigkeiten – für sie völlig überraschend – auf den Kopf gestellt.269 Wie Regisseur Aranda es mit entlarvender Metaphorik beschreibt: »Plötzlich, als Folge einer ungewöhnlichen Umwälzung der Geschichte, wird sie sich ins Auge des Orkans versetzt sehen.«270 Somit ist Mar†a ein Opfer nicht nur des Kriegs und der mit ihm einhergehenden gewaltsamen Veränderungen, sondern viel allgemeiner ein Opfer der Geschichte und ihrer gleichsam ›natürlichen‹ ›Wechselfälle‹. Sie dient als Stellvertreterin der ›normalen‹ und ›unschuldigen‹ spanischen Bevölkerung, die ohne eigenes Verschulden zum Opfer nicht näher spezifizierter ›äußerer Umstände‹ wurde. Dieser ›Naturgewalt‹ der historischen Ereignisse vermochte sie als – wie ihr Name nahelegt – ›jungfräuliche‹ Figur nichts entgegenzusetzen.271 Über ihre Opferrolle hinaus kommt Mar†a zudem die Rolle der positiv konnotierten ›Kompromissfigur‹ zu, die es vermag, die in Libertarias als unüberbrückbare Gegensätze dargestellten ›Extrem‹-Positionen in sich aufzulösen. Die schicksalhaften ›Wechselfälle der Geschichte‹ verschlagen Mar†a mit einer anarchistischen Miliz an die Front. Dort entdeckt sie nach und nach, wie es in einer Vorankündigung zum Film heißt, dass die Klassiker der anarchistischen Theorie sich kaum von der Bibel unterscheiden.272 Infolgedessen verwandelt sie sich in eine Art ›Revolutionsheilige‹, wird zur messianischen Heilsbringerin, die Passagen aus dem Evangelium mit Versatzstücken aus der anarchistisch-libertären Rhetorik vermischt und damit die Kämpfer auf beiden Seiten der Frontlinie in ihren Bann schlägt.273 Was zunächst den Eindruck des Versuchs einer Aufwer-

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cula, Comentarios y an¦cdotas, 00:01:00 – 00:01:52 sowie 00:02:05 – 00:02:07; La Vanguardia (17. 12. 1994), S. 46; La Vanguardia (01. 08. 1995), S. 29; La Vanguardia (20. 04. 1996), S. 49; Freixas/Bassa (1996), S. 24; o. V. (1996), S. 137; Ponga (1996), S. 82. Ariadna Gil, die letztlich die Rolle der Mar†a in Libertarias verkörperte, ist ebenfalls die Hauptdarstellerin im hier detailliert analysierten Kinospielfilm Soldados de Salamina (Soldiers of Salamina; ES 2003) und taucht in El laberinto del fauno (Pans Labyrinth; ES-MX 2006) in einer Nebenrolle auf, s. kapitel 6.2. Zur Gewalterfahrung als einer auf persönlicher Ebene traumatischen s. kapitel 4.3.2. Aranda (1996), S. 136: »[D]e golpe, como consecuencia de una inusitada convulsiûn de la historia, se ver‚ trasladada al centro del hurac‚n.« Der Putsch reaktionärer Militärs gegen die legitim gewählte Republik bedeutete im spanischen Fall angesichts der langen Tradition der pronunciamientos weder eine »ungewöhnliche Umwälzung der Geschichte« noch ist die Metapher des »Orkans« dienlich, um konkrete Verantwortlichkeiten am Ausbruch des Bürgerkriegs offen zu legen. In dieser Hinsicht ähnelt Mar†a der Figur des jungen Moncho in La lengua de las mariposas (Butterfly Tongues; ES 1999), s. kapitel 6.2. Im Gegensatz zu Moncho wird Mar†a jedoch nicht zur Täterin, s. kapitel 4.3.2.1. Vgl. Ponga (1995), S. 113. Für Regisseur Aranda ist Libertarias ein »neochristlicher« Film: Freixas/Bassa (1996), S. 24: »neocristiana«. Kropotkins und Bakunins Schriften seien Bücher der Bibel. Vgl. Ponga (1995), S. 113; Freixas (1996), S. 20; Freixas/Bassa (1996), S. 22 sowie 24; Jünke (2007), S. 224. Mar†a selbst sagt an späterer Stelle des Films, sie sei weder Anarchistin noch

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tung revolutionär-anarchistischer Ideale erweckt, gleitet in Libertarias jedoch ins Utopische ab. Noch vor dem Vorspann legt ein Zwischentitel eine bestimmte Interpretation des Bürgerkriegs nahe. Während zunächst vier Zwischentitel, die akustisch mittels eines Trommelschlags voneinander abgegrenzt sind, den Zuschauer über die Eckdaten aufklären, innerhalb derer die filmische Rekonstruktion sich bewegt,274 so ertönen vor dem fünften entscheidenden Zwischentitel Pauken und Trompeten, ein sakral anmutender Gesang wird angestimmt.275 Es handelt sich somit eindeutig um den Zwischentitel, der hervorgehoben werden soll: »Der Spanische Bürgerkrieg hat begonnen, der letzte idealistische Krieg, der letzte Traum eines Volkes, das zum Unmöglichen und zur Utopie neigt.«276 Spätestens mit der Schlusssequenz wird diese Deutung zementiert. Darin erhebt Mar†a am Sterbelager ihrer schwer verletzten Kampfgenossin eine utopische Aussage zur Schlussbotschaft, die wiederum Versatzstücke anarchistischer Klassiker mit Passagen aus dem Evangelium verbindet, während über die Tonspur sakrale Chöre erklingen.277 Der von Aranda postulierten Aufwertung des anarchorevolutionären Kampfes wird in Libertarias eine spirituelle Note verliehen, die die Revolution ins Reich der Utopie verbannt und somit impliziert, dass die Bestrebungen der Anarchisten auf Erden scheitern mussten und nur in einem nicht greifbaren ätherischen Raum, in einer romantischen Traumwelt umsetzbar sind.278 Der utopische Aspekt, der dem revolutionären Streben in Libertarias verliehen wird, wurde im Trailer zum Film herausgestellt und von spanischen Printmedien

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Nonne: Vgl. Libertarias, 01:31:50 – 01:31:58. Das Drehbuch zu Libertarias nutzt einige Episoden aus dem 1981 verfassten Buch La monja libertaria (dt.: »Die anarchistische Nonne«) von Antonio Rabinad, das Regisseur Aranda mit Kindheitserinnerungen anreicherte und gemeinsam mit dem 1993 verstorbenen Filmkritiker Jos¦ Luis Guarner verfasste: Vgl. Ponga (1995), S. 112; Freixas (1996), S. 20; Freixas/Bassa (1996), S. 23; Gracia, Jordi: El hijo de la monja libertaria. In: La Vanguardia (05. 07. 1996), S. 47; Vidal-Folch, Ignacio: »Escrib† Memento mori maÇana y tarde, todos los d†as, durante cuatro aÇos, sin parar.« In: La Vanguardia (13. 08. 1997), S. 24; Benavent (2000), S. 336; Crusells (2000), S. 251. Libertarias ist Guarner gewidmet: Vgl. Libertarias, 00:00:51 – 00:00:54; La Vanguardia (14. 04. 1996), S. 53. Vgl. Libertarias, 00:00:18 – 00:00:40. Filmhistoriker Crusells bemängelt, dass allein schon diese vier Zwischentitel, die den Zuschauer zeitlich orientieren sollen, aus historischer Perspektive fehlerhaft sind: Vgl. Crusells (2000), S. 247. Aranda setzt in Libertarias, so auch im Vorspann, zumeist martialisch-sakral anmutende Variationen der Melodie des Milizenlieds A las barricadas ein – für Filmhistoriker S‚nchezBiosca in geradezu hemmungsloser Art und Weise: Vgl. S‚nchez-Biosca (2006b), S. 294 f. A las barricadas wurde unter anderem bereits in dem Vorspann von Land and Freedom eingesetzt: Vgl. Land and Freedom, 00:03:30 – 00:04:30. S. Fußnote 244. Libertarias, 00:00:40 – 00:00:49: »Ha comenzado la guerra civil espaÇola, la fflltima guerra idealista, el fflltimo sueÇo de un pueblo volcado hacia lo imposible, hacia la utop†a.« Vgl. ebd., 01:57:20 – 01:58:15; Archibald (2004), S. 87. Vgl. Archibald (2004), S. 88; Lûpez (2005).

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bereitwillig und unhinterfragt aufgenommen.279 Für Fotogramas y Video stellt Libertarias bezeichnenderweise »eine emotionale Vision eines heroischen Traumes«280 dar. Damit bewegt sich Libertarias konträr zu der maßgeblich britischen Koproduktion, an der sich der spanische Kinospielfilm orientierte: Land and Freedom, in dem revolutionär-anarchistische Ideale eine Aufwertung und Aktualisierung erfahren. Die in Libertarias erfolgende Vernachlässigung der narrativen Elemente, die Spaniens eigener klassenkämpferischer Vergangenheit auf den Grund hätten gehen können, mag durch die Tatsache erklärt werden, dass Arandas Werk in eine Zeit fiel, die von Lobeshymnen auf die Errungenschaften der transiciûn geprägt war.281 Im Gegensatz zur ›zentristischen Idealfigur‹ Mar†a sind die Milizionärinnen an ihrem letztlich grausamen Ende ›selbst schuld‹, zeichnen sie sich doch nicht durch Mäßigung und Kompromissbereitschaft aus, sondern durch eine ›extreme‹ Haltung, von der sie nicht bereit sind abzuweichen. So rücken sie beispielsweise weder auf Befehl ihrer Vorgesetzten von der Front ab noch aufgrund der Visionen einer der Ihren, die ihr grausames Ende vorhersieht.282 Stattdessen sind sie unverändert bereit, ihre Überzeugungen mit Waffengewalt durchzusetzen, und laufen somit direkt in ihr Verderben, wie Kritiker Freixas feststellt.283 Dies kennzeichnet Libertarias als eines der audiovisuellen Beispiele, die einer im Kontext spanischer Zeitgeschichtsdarstellungen besonders bewährten ›tragischen‹ Dramaturgie folgen. Entsprechend bezeichnete nicht nur Regisseur Aranda die Ereignisse in seinem Film im Vorfeld als »Tragödie«284, sondern auch Rezensenten bewerteten sowohl die Handlung als auch das Schicksal der darin agierenden Protagonistinnen als »tragisch«285. Die Kompromisslosigkeit und 279 Vgl. Libertarias, DVD-Extras, Trailer, 00:00:18 – 00:00:24; Ponga (1995), S. 112. 280 Ponga (1995), S. 113: »[u]na visiûn emocional […] de un sueÇo herûico«. 281 Holm-Detlev Köhler spricht angesichts dessen von »Transicioman†a«: Vgl. Köhler (1996a), S. 5. Gleichzeitig waren die Produktion wie auch die Rezeption von Libertarias von der Berichterstattung über den zeitgenössisch aktuellen Bosnien-Krieg geprägt, dem einige spanische Intellektuelle »eine unheimliche Verbindung« zum Spanischen Bürgerkrieg zuschreiben: Lûpez (2005): »una siniestra relaciûn«. Offizielle Äußerungen spanischer Politiker, die vor einer potenziellen »Balkanization« (Resina (2010), S. 234) warnten, dienten laut dem Romanisten Joan Ramon Resina wiederum dazu, die Angst vor potenziell erneut aufkeimenden politisch-ideologischen Auseinandersetzungen zu schüren und somit gleichzeitig an die Werte der transiciûn zu appellieren. 282 Vgl. Libertarias, 00:56:42 – 00:58:57 sowie 01:41:23 – 01:44:21. Die bis zum Filmende beibehaltene Weigerung der Protagonistinnen in Libertarias ihren Frontabschnitt zu verlassen, widerspricht historischen Erkenntnissen (Vgl. Nash (1995), S. 52 sowie 107 ff.), woran sich Arandas eigener Bruder sowie Filmhistoriker Crusells stören: Vgl. Freixas (1996), S. 24; Crusells (2006), S. 296. 283 Vgl. Freixas (1996), S. 20. 284 La Vanguardia (01. 08. 1995), S. 29: »tragedia«. 285 La Vanguardia (14. 04. 1996), S. 53; La Vanguardia (22. 04. 1996), S. 17; ABC de Sevilla (16. 05. 1996), S. 97: »tr‚gico«.

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Gewaltbereitschaft, die die Milizionärinnen in Libertarias kennzeichnen, setzen sie strukturell implizit gleich mit ›extremen‹ Vertretern auf der ›anderen Seite‹. Dies entspricht dem Credo des ›wir waren alle schuld‹, weshalb Interpretationen als ungenau und verfehlt erscheinen, die Libertarias als im positiven Sinne idealisierte Darstellung der sozialrevolutionären Bewegung im Bürgerkriegsspanien im Allgemeinen oder der anarchistischen Milizionärinnen im Speziellen werten.286 Die Inszenierung der in Libertarias kämpfenden Frauen ist in sich widersprüchlich. Insgesamt verstärkt sie das gängige Klischee, auf Seiten der ›ChaosRepublik‹ habe es an Moral und Ordnung gefehlt, was ihre Verteidigung letztlich als sinnloses Unterfangen erscheinen lässt. So betonen die Milizionärinnen einerseits in einer Vielzahl von Reden und Kommentaren ihre Überzeugungen, beispielsweise Pilar mit ihrer eingängigen Bewertung des Geschlechterverhältnisses: »Mann und Frau sind gleichwertig, nicht gleichartig.«287 Andererseits werden sie – im Einklang mit bekannten Stereotypen – als Wesen gezeigt, die es im Gegensatz zu den Männern vermögen, eine friedlichere, um Ausgleich bemühte Atmosphäre herzustellen.288 Den Kampfgeist der Frauen stellt dem Filmnarrativ zufolge zudem die Tatsache in Frage, dass die Milizionärinnen sich 200 Lippenstifte an ihren Frontabschnitt bestellt haben.289 Sie begegnen ihrer selbst gewählten Aufgabe ferner nicht mit dem nötigen Respekt, wie etwa eine Sequenz zeigt, in der die Milizionärinnen sich bei einer medizinischen Untersuchung über das Personal lustig machen, lärmen und singen, bis eine von ihnen sie daran erinnert, dass das Ganze eine ernste Angelegenheit sei.290 Schon zu Beginn des Films werden die kampfbereiten mujeres libres und deren Äußerungen kritisch beäugt und kommentiert, und zwar von den Prostituierten, die ›befreit‹ werden sollen: Eine Prostituierte bezeichnet die Milizionärinnen als »Lesben«291, mit denen doch keine Revolution zu machen sei. Das Plädoyer der Feministinnen für freie Liebe verleitet eine Prostituierte sogar dazu, die Milizionärinnen als Kolleginnen zu verstehen, die aber kein Geld für ihre Dienste verlangen würden.292 Ganz in diesem Sinne ist sogar die überzeugteste Anar286 Vgl. Archibald (2004), S. 85; Mullaly (2009), S. 133 f. 287 Libertarias, 01:33:25 – 01:33:32: »El hombre y la mujer son equivalentes […], no iguales.« 288 An einer Stelle des Films schreibt beispielsweise eine der Milizionärinnen einem ihrer Kampfgenossen eine Rede, die er über die Schützengräben hinweg den Soldaten des aufständischen Lagers zuruft und keinerlei Widerspruch provoziert. Direkt danach aber – ohne auf die sprichwörtliche weibliche Kommunikationsfähigkeit zurückgreifen zu können – fangen die Männer an, sich gegenseitig zu beschimpfen und werden dabei sofort ausfallend und frauenfeindlich: Vgl. ebd., 00:51:56 – 01:53:36. 289 Vgl. ebd., 01:00:06 – 01:00:47. 290 Vgl. ebd., 01:37:29 – 01:39:05. 291 Ebd., 00:11:05: »tortilleras«. 292 Vgl. ebd., 00:11:01 – 00:11:05 sowie 00:13:42 – 00:13:50.

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chistin von allen im Film dargestellten, Floren, nur darüber überrascht, dass es so lange gedauert habe, bis zwischen den Frauen und Männern im Schützengraben ›etwas passiere‹.293 Angesichts dessen meint der Kritiker Norberto Alcover bezeichnenderweise, dass es sich – trotz darstellerischer Defizite – lohne, Libertarias im Kino anzuschauen, da er »den utopischen Enthusiasmus des Volkes in seinem chaotischen Werden«294 vor Augen führe und verstehen helfe. Vor allem aber verortet Libertarias die Gründe für die Niederlage der ›sozialen Revolution‹ in der anarchistischen Bewegung selbst, frei nach dem Sprichwort ›Die Revolution frisst ihre eigenen Kinder‹, in diesem Fall: ihre Töchter. Arandas Darstellung zufolge war das anarchistische Lager im Bürgerkrieg in erster Linie durch Widersprüche charakterisiert, was die Realisierbarkeit des anarchistischen Großprojekts eines ›libertären Kommunismus‹ insgesamt in Frage stellt.295 Das anarchofeministische Gedankengut, für das die Protagonistinnen in Libertarias mehrheitlich stehen, lässt sich in den eigenen Reihen nicht durchsetzen, was letztlich zu einem Rollback der ursprünglich progressiven Natur des sozialrevolutionären Kampfes führt.296 Entsprechend bricht die Überschrift einer Rezension von Ramon Freixas in der Filmzeitschrift Dirigido por die Ni Dios, ni patria, ni amo-Formel der Anarchisten ironisch und titelt: »Kein Gott, kein Herr, keine CNT«297. Die Milizionärinnen in Arandas Film fallen nicht nur dem Überraschungsangriff des marokkanischen Stoßtrupps zum Opfer, sondern zuvor bereits dem machismo auf republikanischer Seite. Von Anfang an treffen sie auf Kampfge293 Vgl. ebd., 01:09:22 – 01:09:26. Ein positiveres Bild der Frauen, die mit Ausbruch des Bürgerkriegs auszogen, um für die Republik zu kämpfen, zeichnet beispielsweise der Dokumentarfilm Mujeres en pie de guerra (dt.: »Frauen auf dem Kriegsfuß«; ES 2004), der allerdings lediglich knapp 13.000 Zuschauer in die Kinos lockte. 294 Alcover (1997), S. 412: »el entusiasmo popular tan utûpico en su caûtico devenir«. Zum Bild der ›Chaos-Republik‹ s. kapitel 3.1. 295 Vgl. Mullaly (2009), S. 133. Die Widersprüche, die laut Libertarias das anarchistische Lager im Bürgerkrieg prägten, stehen der Solidarität im ›Kleinen‹ gegenüber, wie sie die im Fokus des filmischen Narrativs stehende Miliz repräsentiert, wo Männer wie Frauen, ehemalige Novizinnen wie auch Prostituierte und Ex-Häftlinge gemeinsam an einem Strang ziehen, was in den Ausspruch kulminiert: »Von jetzt an sind wir alle Teile ein- und derselben Maschine, ist das klar?«: Libertarias, 01:06:28 – 01:06:31: »A partir de ahora somos todos piezas de una misma maquina, ¿est‚ claro?«. Die Inszenierung der Solidarität und des Gemeinschaftsgefühls innerhalb der Miliz in Libertarias erinnert stark an den Film Land and Freedom, in dem Regisseur Ken Loach auf konsequentere Art und Weise eine POUMMiliz als Inkarnation der Verwirklichung der ›sozialen Revolution‹ ›im Kleinen‹ überhöht hatte. 296 Vgl. Freixas (1996), S. 20; Freixas/Bassa (1996), S. 24. 297 Freixas (1996), S. 18: »Ni Dios, ni amo, ni CNT«. Die Confederaciûn Nacional de Trabajo (CNT) ist eine antiparlamentarische anarchosyndikalistische Gewerkschaftsbewegung, 1910 gegründet, mit traditionell starker Anhängerschaft in Teilen Kataloniens, vor allem Barcelona, in Aragûn, Levante und unter den besitzlosen Landarbeitern in Andalusien: Vgl. Godicheau (2005), S. 16 ff.

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fährten, die sich abwertend über Frauen an der Front äußern und sie sexuell belästigen.298 An einer Stelle des Films fragt ein Milizionär an ihm vorbeigehende Kampfgefährtinnen beispielsweise, ob ihnen ihre Brüste nicht im Weg seien, wenn sie schießen.299 Noch vor ihrem Auszug an die Front war der Kampfeswille der Protagonistinnen des Films auf das Unverständnis hoher weiblicher Mitglieder der mujeres libres gestoßen. Auf einer Versammlung der anarchofeministischen Organisation am 20. Juli 1936, die in Libertarias zur Darstellung gelangt, fällt die Reaktion einer Rednerin auf das kämpferische Plädoyer einer der Protagonistinnen wenig begeistert aus. Stattdessen plädiert sie dafür, dass Frauen das Gewehr gegen den Liebreiz des Heimes eintauschen und sich vor allem um die heimkehrenden Soldaten kümmern sollten.300 Dabei dürfte eine gewisse äußerliche Ähnlichkeit, die diese Rednerin mit Federica Montseny – ab November 1936 als Anarchistin und als erste Ministerin Teil der republikanischen Kriegsregierung – aufweist, kein Zufall sein: Schließlich vertrat Montseny die in der Linken überwiegende Meinung, die Emanzipation der Frau habe sich der sozialen Revolution unterzuordnen.301 Später ist es in Libertarias Anarchistenführer Durruti allein, der den Befehl zum Abzug weiblicher Kämpferinnen von der Front gibt. Nach einer Versammlung, in der die Militarisierung der Milizen diskutiert wurde, sagt er zu seinem Sekretär : »Es gibt mehr Ausfälle durch Tripper als durch feindliche Kugeln.«302 Danach erteilt Durruti die Anweisung, alle sich an der Front befindenden Frauen einzusammeln und zurück nach Barcelona zu schicken. Er wolle keine Frauen an der Front.303 Dass Frauen nur an der ›Heimatfront‹ ›antifaschistischen‹ Widerstand leisten sollten, war jedoch historisch betrachtet keine alleinige Entscheidung Durrutis. Vielmehr basierte sie auf einem Konsens, der 298 Dies entspricht historischen Erkenntnissen: Vgl. Nash (1995), S. 115 f. 299 Vgl. Libertarias, 01:36:52 – 01:36:54. Dies lässt sich allerdings auch als Anspielung auf die Legende lesen, die Amazonen-Kriegerinnen hätten sich jeweils eine Brust amputiert, um besser schießen zu können. 300 Vgl. ebd., 00:34:42 – 00:35:45. 301 Vgl. La Vanguardia (17. 12. 1994), S. 46; Ponga (1995), S. 112; Lûpez (2005); Mullaly (2009), S. 136. In der ursprünglich antiparlamentarisch ausgerichteten und eine Strategie der unmittelbaren Aktion favorisierenden CNT kam es mit der Proklamation der Republik 1931 zu zunehmenden Spannungen: zwischen ›Puristen‹ einerseits und jenen andererseits, die sich für politisches und parlamentarisches Engagement stark machten. Dabei gilt die 1927 gegründete Federaciûn Anarquista Ib¦rica (FAI) als ›puristischer‹, militanter Flügel der anarchistischen Bewegung: Vgl. Graham/Labanyi (1995), S. 420 f. 302 Libertarias, 01:40:41 – 01:40:43: »Hay m‚s bajas por purgaciones que por balas del enemigo.« Ab Herbst 1936 sahen sich Milizionärinnen konfrontiert mit dem Vorwurf der Prostitution und der Verbreitung von Geschlechtskrankheiten. Die Milizionärin galt infolgedessen nicht länger als Heldin, sondern als anrüchige Person, die die Kriegsanstrengungen behinderte, was die verbreitete Forderung stützte, sie sollten von der Front abgezogen werden: Vgl. Nash (1995), S. 53 und 112. 303 Vgl. Libertarias, 01:40:34 – 01:41:22.

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auf die durch die Kommunisten, die republikanische Regierung sowie militärische Befehlshaber vorangetriebenen Bemühungen zurückzuführen ist, die Milizen in eine Armee mit vereinheitlichter Kommandostruktur zu überführen, um eine Verbesserung der Disziplin zu erzielen.304 Auch im Hinterland macht sich ein Rollback bemerkbar. Milizionärin Charo erhält an fortgeschrittener Stelle des Films einen Brief von einer ehemaligen Kollegin, einer Prostituierten, die schreibt, dass Prostitution in Barcelona zu Kriegszeiten noch stärker floriere als vorher. Die Nachfrage sei so groß, dass ihnen die Gewerkschaft sogar ein Haus zur Verfügung gestellt habe.305 Hier bewahrheitet sich der abgeklärt-sarkastische Ausspruch, mit dem die Bordellchefin Madame Colette ihre Angestellten zu Beginn des Films, während der Putsch in Barcelona zurückgeschlagen wurde, zu beruhigen suchte: »Ruhig, Mädchen, ruhig. Mit Revolution oder ohne, hierher kommen die Männer immer für das Gleiche.«306 Da Spaltungen in Libertarias ausschließlich innerhalb des anarchistischen Lagers in den Blick genommen werden, geht es Aranda, anders als seinem britischen Vorgänger Ken Loach mit Land and Freedom, offenbar nicht darum, den Mythos der von der Komintern propagierten ›antifranquistischen Einheitsfront‹ zu dekonstruieren.307 Durch Arandas Entscheidung, außer Figuren, die für das anarchistische Lager im Bürgerkrieg stehen, Vertreter anderer ideologisch-politischer Gruppierungen in keinerlei nennenswerter Weise in Erscheinung treten zu lassen, fällt die Verantwortung für das blutige Ende der Milizionärinnen neben den grausamen Taten der marokkanischen regulares der aufständischen Armee letztlich auf sie selbst und das Agieren der Anarchisten im Bürgerkrieg insgesamt zurück. Beide Lager, das anarchistische wie auch das aufständische, erscheinen somit als gleichwertige ›Extremgruppen‹, deren wahres, da absolut unschuldiges Opfer ›äußerer Umstände‹ die ›Kompromissfigur‹ des Films, Mar†a, darstellt. Zusammenfassend lässt sich deshalb feststellen, dass Libertarias nicht aus den Darstellungskonventionen ausschert, die in Kassenschlagern des spanischen ›Bürgerkriegskinos‹ seit Las largas vacaciones del 36 (ES 1976) vorherrschen. Auch Arandas Film verurteilt – trotz anderslautender Ankündigungen – politischen Aktivismus als ›Extremismus‹. Dies lässt den Teil der 304 Vgl. Nash (1995), S. 101. 305 Vgl. Libertarias, 01:46:29 – 01:46:56. In der Tat war die gestiegene Anzahl von Geschlechtskrankheiten 1937 eher auf die außerordentliche Entwicklung der Prostitution an der ›Heimatfront‹ zurückzuführen – der Nachfrage der Soldaten auf Fronturlaub entsprechend: Vgl. Nash (1995), S. 114. 306 Libertarias, 00:10:04 – 00:10:11: »Tranquilas, chicas, tranquilas. Con revoluciûn o sin ella, aqu† los hombres siempre vienen a lo mismo.« 307 S. kapitel 7.1. Nur an einer Stelle des Films, in einer Interviewsituation, in der ein russischer Reporter ebenfalls zugegen ist, grenzt Durruti sich dezidiert vom russischen Kommunismus ab, was auf die Spaltung im Rahmen der spanischen Linken verweist: Vgl. ebd., 00:41:20 – 00:41:42.

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Linken, der vor bzw. während des Bürgerkriegs sozialrevolutionäre Ziele verfolgte, als Pendant zur extremen Rechten erscheinen, dient letztlich als Beleg für politische ›Radikalisierung‹ auf ›beiden Seiten‹ und läuft somit auf eine Bestätigung der Kollektivschuldthese hinaus. Die lange Zeit von der Idee bis zur Fertigstellung des Films sowie die berühmten Schauspieler, die für Arandas Projekt gewonnen werden konnten,308 hatten im zeitgenössischen Spanien Erwartungen geweckt, die vielerorts enttäuscht wurden. Als ambitionierte »Superproduktion«309 (vor-)angekündigt, rief Libertarias ein großes publizistisches Echo hervor.310 Im Hinblick auf die Zuschauerzahlen lief Libertarias Land and Freedom in Spanien gar den Rang ab.311 Was hingegen die von Kritikern geleistete Bewertung seiner filmischen Sicht auf den Bürgerkrieg anbelangt, so ging Aranda – im Gegensatz zu seinem Vorgänger Loach – im nationalen Kontext eindeutig als Verlierer hervor.312 Kritiker Francisco Mar†a Benavent und Norberto Alcover bezeichnen Libertarias beispielsweise einhellig als einen »hochtönenden«313 Film. Für Alcover überlagert die Berühmtheit der Schauspielerinnen regelrecht die Figuren der von ihnen verkörperten milicianas, was ihre Darstellung unglaubwürdig erscheinen lasse.314 308 Wiederholt wurde in der spanischen Presse die Besetzung von Libertarias herausgestellt, die mehrere höchst populäre spanische Schauspieler aufweist: Vgl. La Vanguardia (09. 07. 1995), S. 48; ABC (01. 08. 1995), S. 103; La Vanguardia (01. 08. 1995), S. 29; o. V. (1996), S. 137; La Vanguardia (19. 04. 1996), S. 55; o. V.: Libertarias, polvo de estrellas del cine espaÇol. In: ABC (20. 04. 1996), S. 112. 309 ABC (01. 08. 1995), S. 75: »superproducciûn«. Vgl. Ponga (1995), S. 112; o. V. (1996), S. 137. 310 Dabei war die Berichterstattung zum Film in La Vanguardia besonders umfangreich, vor allem, weil der verstorbene Co-Drehbuchautor Jos¦ Luis Guarner Filmkritiker eben dieser Zeitung war, nicht zuletzt aber auch aufgrund der katalanischen Drehorte Vic und Barcelona wie auch des überzeugten Katalanen Aranda. 311 Libertarias war in Spanien mit knapp 600.000 Zuschauern ein Publikumserfolg: Vgl. Filmdatenbank des spanischen Kultusministeriums, www.mcu.es (20. 02. 2012). Auf internationaler Ebene gewann Libertarias Anfang Oktober 1996 auf einem Filmfestival in Tokio den Sonderpreis der Jury : Vgl. Efe: Libertarias premiada en el Festival de Tokio. In: La Vanguardia (07. 10. 1996), S. 329. Aranda war auf internationalem Parkett aber lange nicht so erfolgreich wie sein Vorgänger Loach, selbst wenn Aranda sich auch bezüglich des Erfolgs seines Films im Ausland ausdrücklich an seinem britischen Kollegen maß: Vgl. Freixas/Bassa (1996), S. 23. 312 Vgl. De Pablo (2004), S. 39; Juan Pay‚n (2005), S. 118. 313 Alcover (1997), S. 412; Benavent (2000), S. 336: »grandilocuente«. 314 Vgl. Alcover (1997), S. 411. Ähnlich wie Alcover moniert Filmhistoriker S‚nchez-Biosca, dass Aranda sich im Design verliere, in einer übertrieben wirkenden Rekonstruktion des Zeit-looks: Vgl. S‚nchez-Biosca (2006b), S. 294 ff. Beispielsweise liege in Libertarias die rotschwarze CNT-FAI-Fahne zu jeder Zeit und an jedem Ort in jeder erdenklichen Größe knitterfrei und unbeschädigt parat. Ebenso ließe sich kritisieren, dass alle Milizionärinnen in Arandas Film bereitwillig einen blauen Overall tragen – dem propagandistisch überhöhten Bild der militanten miliciana entsprechend –, wobei die Historikerin Nash herausstellte, dass die meisten Frauen der Arbeiterklasse diesen Anzug zurückwiesen und er sich bloß bei einigen bürgerlichen Mädchen als kurzweiliger Modetrend durchsetzen

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Nicht nur er kritisiert die Machtart dieses »seltsamen Films«315 stark. Die Umsetzung des Filmprojekts sei unausgegoren und den Grund dafür vermuten gleich mehrere Rezensenten im Drehbuch, das so lang war, dass zwischenzeitlich angedacht wurde, daraus eine zweiteilige Miniserie – zwei Kapitel — zwei Stunden – für das staatliche Fernsehen zu machen, statt einen Kinofilm zu produzieren.316 Dies führe dazu, dass Figuren und Aktionen in dem Film enthalten seien, die von Arandas eigentlicher Intention, der Botschaft eines ›beide Seiten‹ versöhnenden ›Neochristentums‹, ablenke.317 Dennoch meint Alcover, dass es sich lohne, Libertarias zu sehen: »Er lädt uns ein, eine Verbindung aufzubauen zu einem historischen Moment, der absolut wesentlich ist, um uns als ›Land in der Geschichte‹ zu verstehen. Manchmal ist die Kunst unvollkommen, aber sie hört nicht auf, uns zu Gebieten zu führen, wo wir uns von unseren Wunden erholen können.«318

Auch Kritiker Vicente Molina Foix beklagt in seiner Rezension, dass die zwei Stunden, die Libertarias dauere, zu kurz seien, um all den Stimmen des Chores gerecht zu werden, sodass einige Episoden skizzenhaft blieben.319 Libertarias sei deshalb ebenso wenig wie Land and Freedom »das definitive Werk«320 zum Spanischen Bürgerkrieg, sondern bloß ein Film voller Leidenschaft und Humor, der das Schicksal seiner »Heldinnen«321 während des Bürgerkriegs auf sentimentale Art und Weise erzähle und in dem Aranda gekonnt zwischen dem Epischen und dem Privaten changiere.322 Allerdings mutmaßt Molina Foix: »Libertarias könnte die erste Welle einer Strömung sein, mit der das spanische Kino definitiv seine Angst davor verlieren könnte, zwischen Epik und Kritik die Skelette des Bürgerkriegs zu entstauben.«323

Libertarias wurde in diesem Sinne positiv bewertet als Meilenstein für das spanische Kino, der der nationalen Beschäftigung mit der jüngeren Vergan-

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konnte: Vgl. Nash (1995), S. 52. Entsprechend bewertet Helena Lûpez den Einsatz von Dekors und Kostümen in Libertarias als simplifizierend: Vgl. Lûpez (2005). Alcover (1997), S. 412: »extraÇo film«. Vgl. La Vanguardia (17. 12. 1994), S. 46; Freixas/Bassa (1996), S. 23; o. V. (1996), S. 137. Vgl. Alcover (1997), S. 411 f. Ebd., S. 412: »[N]os invita a conectar con un momento histûrico absolutamente sustancial para comprendernos como ›pa†s en la historia‹. […] En ocasiones, el arte es imperfecto, pero no deja de conducir hasta territorios donde regenerarnos de nuestras lacras.« Dabei verweist die Erwähnung von ›Wunden‹ auf psychopathologische Metaphern, s. kapitel 5.1. Vgl. Molina Foix (1996), S. 11. Ebd.: »la obra definitiva«. Ebd.: »hero†nas«. Vgl. ebd. Ebd.: »Libertarias podri‚ ser la primera ola de una corriente con la que el cine espaÇol perdiese definitivamente su miedo a desempolvar, entre la ¦pica y la cr†tica, los esqueletos de la Guerra Civil.«

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genheit in Kino und Fernsehen neues Leben einhauchen und diese evtl. revolutionieren würde – mit möglichen, zum Teil als wünschenswert erachteten Auswirkungen für eine über den audiovisuellen Bereich herausragende kritischere Betrachtung des Bürgerkriegs. So wurde Libertarias – im Einklang mit den zuvor von Aranda und den am Film Beteiligten postulierten Absichten – als »Injektion«324, »Gegengift gegen die historische Amnesie«325 und »Bad der historischen Erinnerung gegen das Vergessen des Bürgerkriegs«326 gelesen. Ramûn Freixas bewertet Arandas Film in Dirigido por als »eine Waffe im Kampf gegen die Strategie des Vergessens«327 und entsprechend als dezidiert erinnerungspolitisches Statement: »Ein harter, politischer Film, der in seiner Verteidigung der Utopie, in seiner Anklage des (schmerzhaften) Schweigepakts, der in der politischen transiciûn errichtet wurde, heftige Reaktionen, wütendes Schnauben und die ein oder andere neuronale Veränderung hervorrufen könnte.«328

Libertarias ist für Freixas zudem ein »schöner und leidenschaftlicher Film, aufwühlend und zermürbend, zum Verzweifeln und poetisch, der beste Tribut an die Erinnerung an ein freies Spanien«329, der sich ohne Zweifel an den ›Bürgerkriegsfilmklassikern‹ Sierra de Teruel (Hoffnung; Regie: Andr¦ Malraux, ESFR 1938) und Land and Freedom ausrichte. Eduardo Rodr†guez Marchante hält dieser Meinung in ABC entgegen: »Andere betrachten all diese lyrisch-kriegerischen Erinnerungen mit der gleichen Schläfrigkeit, mit der sie den Anekdoten von Opa Cebolleta zuhören.«330

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Ponga (1995), S. 112: »inyecciûn«. O. V. (1996), S. 137: »ant†doto contra la amnesia histûrica«. Ponga (1995), S. 113: »Un baÇo de memoria histûrica contra el olvido de la Guerra Civil.« Freixas (1996), S. 21: »un arma en la lucha contra la estrateg†a del olvido«. Ebd.: »Un film duro, pol†tico […] que en su defensa de la utop†a, en su denuncia del (doloroso) pacto de silencio instaurado en la transiciûn pol†tica […] podr‚ suscitar reacciones enconadas, airados bufidos y alguna alteraciûn neuronal.« 329 Ebd., S. 18: »film hermoso y apasionado, apasionante y demoledor, desesperanzado y l†rico,[…] el mejor tributo a la memoria de una EspaÇa libre«. 330 Rodr†guez Marchante, E.: Libertarias: Otra vez MaricastaÇa. In: ABC (20. 04. 1996), S. 84: »[O]tros miran todas estas evocaciones l†rico b¦licas con el mismo sopor que escuchan las batallitas del abuelo Cebolleta.« Beim Opa Cebolleta handelt es sich um eine Figur aus einer in Spanien sehr bekannten Bildergeschichte La familia Cebolleta des Zeichners Manuel V‚zquez, erstmals 1951 erschienen, die eben dadurch sprichwörtliche Berühmtheit erlangte, dass sie ein geradezu obsessiver Hang charakterisiert, Anekdoten aus der Vergangenheit zu erzählen.

3.

Zweite Republik: Der direkte Weg in die ›Katastrophe‹?

3.1

Vom Negativbeispiel zur positiven Neubewertung

Wenngleich sich die Schwerpunktsetzung der franquistischen Propaganda von den frühen 1960er-Jahren an von einer Betonung des ›Sieges‹ verschob zugunsten einer Rhetorik, die ›Frieden‹, Stabilität und wirtschaftliche Entwicklung in den Mittelpunkt stellte, bildete »[d]ie unangenehme Erinnerung an die Zeiten der Republik und des Bürgerkriegs […] jedoch immer noch den nötigen Kontrast für die positive Interpretation der Franco-Ära«331. Im Zuge der ›Tragödienlesart‹ der jüngeren spanischen Vergangenheit, die während des Spätfranquismus entstand, wurde die republikanische Ära als »Vorgeschichte des Bürgerkriegs und direkter Weg in die Katastrophe«332 diskreditiert. Diese deterministische retrospektive Sicht erfasste die Zweite Republik demnach als Exposition, die zwingend in den innerspanischen Konflikt münden musste.333 Entsprechend wurde das Gedenken an die demokratisch-republikanische Phase der 1930er-Jahre während der Franco-Diktatur aus dem öffentlichen Raum gedrängt.334

331 Humlebæk (2003), S. 163. 332 Bernecker/Brinkmann (2006), S. 249. 333 Diese retrospektiv konstruierte, vermeintlich ›logische‹ Abfolge wird perfekt im Vorspann von Soldados de Salamina (Soldiers of Salamina; ES 2003) umgesetzt: Das erste, was der Zuschauer nach den ersten zwei credits erblickt, ist eine republikanische Flagge im Matsch. Danach fährt die Kamera – nur unterbrochen durch weitere Vorspanntitel – zu einem Leichenberg: Vgl. Soldados de Salamina, 00:00:05 – 00:00:12 sowie 00:00:20 – 00:02:03. Auf visueller Ebene findet somit eine direkte Verbindung zwischen der Republik, als deren Symbol die Flagge dient, und massenhaftem gewalttätigen Tod statt – ein Tod, der als logische Konsequenz der Zweiten Republik erscheint. 334 Flagge wie Nationalhymne wurden geändert, Straßen und Plätze umbenannt. Dies ist nicht zuletzt als direkte Antwort auf das Vorgehen der Zweiten Republik zu Beginn ihres Amtsantritts anzusehen, da diese in symbolischer Hinsicht bewusst Brüche geschaffen hatte, indem sie beispielsweise den Tag ihrer Proklamation, den 14. April, zum wichtigsten Gedenktag deklarierte, die Flagge änderte und die bisherige Nationalhymne mit der Himno

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Schon die aufständischen Offiziere hatten ihren Putsch als unaufhaltsame Konsequenz der Zweiten Republik gerechtfertigt. Eine besondere Rolle kam dabei der Assoziation dieser historischen Phase mit den Wörtern ›Chaos‹, ›Anarchie‹ und ›Terror‹ zu. Bereits mit dem Wahlsieg der als frente popular (dt.: »Volksfront«) bezeichneten Linken im Februar 1936 verkündeten Anführer der Rechten wie Jos¦ Mar†a Gil Robles, Chef des 1933 gegründeten rechtskonservativen, katholischen Parteienbündnisses Confederaciûn EspaÇola de Derechas Autûnomas (CEDA), in parlamentarischen Reden wie auch in der Presse soziale Instabilität. Sie zielten darauf ab, ein »katastrophistisches«335 Bedrohungsszenario zu schaffen, das die Mittelschicht davon überzeugen sollte, dass nur ein Militärputsch mit dem ›Chaos‹ aufräumen könnte. Im Einklang hiermit orchestrierte die Falange eine Strategie des Spannungsaufbaus durch Provokationen, die wiederum Gegenmaßnahmen auf Seiten der Linken und insgesamt den Eindruck eines Zusammenbruchs der öffentlichen Ordnung hervorriefen. Einerseits diente das aktiv von den rechtskonservativen Gruppierungen und Parteien im Vorkriegsspanien gestaltete Bild der ›Chaos-Republik‹ dazu, den Militärputsch zu legitimieren.336 Andererseits erwies sich dieses Bild während des Franquismus als nützliche Kontrastfolie, verhalf es dem Franco-Regime doch dazu, sich erfolgreich als ›Bollwerk gegen Anarchie und Chaos‹ und – paradoxerweise – als ›Garant des Friedens‹ zu präsentieren.337 Der franquistischen Propaganda zufolge war es während der demokratisch-republikanischen Ära zu einer ›irrationalen‹ Eskalation sozialer Konflikte gekommen, die den Krieg unvermeidbar gemacht hätten. Noch über Francos Tod hinaus war ein gewichtiger Teil der spanischen Bevölkerung überzeugt davon, dass man nicht fähig sei, in einer Demokratie zu leben, ohne sich gegenseitig abzuschlachten.338 Franco nannte die demokratische Staatsform in Spanien »kollektiver Selbstmord«339, hervorgerufen durch die viel zitierten »vertrauten Dämonen«340, wie zum Beispiel Individualismus oder Leidenschaft. Er äußerte diesbezüglich: »Was einigen Völkern gelingen mag, kann für andere, wie für uns, erwiesener-

335 336

337 338 339 340

de Riego ersetzte, einer traditionell anti-absolutistischen Weise: Vgl. Aguilar Fern‚ndez/ Humlebæk (2002), S. 144 f. Preston (1999), S. 42: »catastrofista«. Der Putsch erfolgte in der Tradition der sog. pronunciamientos (dt.: »Verkündigungen«): eine vom spanischen Militär im 19. Jahrhundert oft verwandte Methode, um in die politische Machtkonstellation zu intervenieren, um »die Ordnung wiederherzustellen« (Godicheau (2005), S. 204: »restablecer el orden«). Zu den Rechtfertigungsmythen der aufständischen Offiziere wie auch zum Sieg der ›Volksfront‹ s. kapitel 7.1. Vgl. Rey (2003a), S. 117. Vgl. Aguilar Fern‚ndez (2003), S. 22; Aguilar Fern‚ndez (2006b), S. 265. Aguilar Fern‚ndez (2003), S. 22: »suicidio colectivo«. Vgl. ebd.: »demonios familiares«.

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maßen fatal sein.«341 Die von Franco nahezu ›rassisch‹ begründete Unfähigkeit der Spanier, in einer Demokratie friedlich zusammenleben zu können, ließ umgekehrt eine Kontrolle dieser pathologischen Züge im spanischen Wesen notwendig erscheinen.342 Der Mythos des »unregierbaren«343 Spaniers wurde vom Franco-Regime daher aus Gründen der Herrschaftslegitimation sorgfältig kultiviert und der Mangel an Freiheit unter Franco wurde so zum Preis, den die Spanier für ihre ›Unregierbarkeit‹ zahlen mussten, wollten sie in Frieden miteinander leben.344 Einher ging der Mythos der ›Unregierbarkeit‹ mit der Selbstwahrnehmung der Spanier als ›rückständig‹ oder ›außereuropäisch‹, die dem Historiker David Rey zufolge in der leyenda negra (dt.: »Schwarzen Legende«) wurzelt. Das Franco-Regime perpetuierte und verstärkte die leyenda negra, beispielsweise mit der während der 1960er-Jahre entstandenen Tourismuskampagne EspaÇa es diferente (dt.: »Spanien ist anders«), die direkt mit der Zuschreibung einer im europäischen Kontext spanischen ›Andersartigkeit‹ operiert.345 Der Bürgerkrieg 341 Francisco Franco; zit. n.: ebd.: »Lo que a unos pueblos puede irles bien, a otros, como nosotros, est‚ demostrado nos era fatal.« 342 Vgl. Aguilar Fern‚ndez (2003), S. 22. 343 Ebd.: »ingobernables«. 344 Vgl. Rey (2003a), S. 154; Humlebæk (2003), S. 163 sowie 170; Rey (2004a), S. 107. Die ›Unregierbarkeitsthese‹ erlebte mit P†o Moas Buch Los mitos de la guerra civil (2003) ein sehr populäres Revival. Im Gefolge Moas ließen Revisionisten, wie zum Beispiel der ›Hausund-Hof‹-Historiker des späten Franco-Regimes Ricardo de la Cierva oder der Journalist C¦sar Vidal, die franquistische Interpretation des Kriegs als patriotischen ›Kreuzzug‹ gegen die ›Anarchie‹ der republikanischen Periode wieder aufleben. Nicht die Militärs mit ihrem gescheiterten Putschversuch vom Juli 1936 seien für den Bürgerkrieg verantwortlich zu machen, sondern eine fürs Jahr 1934 im Zuge der damaligen Generalstreiks in Asturien und Katalonien konstatierte linke ›Revolution‹. Die Verantwortung wird somit – in Anlehnung an Rechtfertigungsmythen der reaktionären Propaganda – von den Putschisten auf republikanische Kräfte verschoben: Vgl. Rodrigo (2004a), S. 187. Zum Geschichtsrevisionismus in Spanien heute s. kapitel 4.1.1. 345 Vgl. Rey (2004a), S. 107. Laut der Kommunikationswissenschaftlerin Schulze Schneider ist die ›Schwarze Legende‹ als eine Propagandakampagne zu bezeichnen, mit der ursprünglich Wilhelm I., Prinz von Oranien, das grausame Vorgehen der spanischen Regierung (unter König Philipp II.) auf holländischem Boden während des Achtzigjährigen Kriegs (1568 – 1648) diskreditierte. Diese Kampagne wuchs zu einer antispanischen ›Schwarzen Legende‹ heran, die sich auch in weiteren europäischen Ländern durchzusetzen und sich über Jahrhunderte zu halten vermochte. Dabei war es der spanische Historiker Juli‚n Juder†as (1877 – 1918), der den Begriff ›Schwarze Legende‹ mit seinem Werk La leyenda negra y la verdad histûrica (1917) prägte, wenngleich er die unter leyenda negra zusammengefassten Vorwürfe in seiner Einleitung als antispanische Propaganda abtat: Vgl. Schulze Schneider (2008), vii ff., S. 7 sowie 67 ff. Eine vorgebliche spanische ›Andersartigkeit‹ als eine Art ›Orient‹ der westlichen Welt feierten eine Vielzahl ausländischer Spanienreisender im 19. Jahrhundert, aus deren Werken noch heute virulente Figuren wie beispielsweise die Carmen aus Bizets gleichnamiger Oper hervorgingen. Zur Figur der Carmen s. auch kapitel 7.2.

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gilt in dem Zusammenhang mit der »Frage nach den Gründen für Spaniens ›Rückständigkeit‹ […] als das historische Ereignis, durch das die Rückständigkeit der Spanier am klarsten zum Ausdruck kam, der Schlusspunkt in einer ganzen Reihe fehlgeschlagener Modernisierungsversuche«346. Diese Sichtweise liefert wiederum die Steilvorlage dafür, das franquistische Regime infolge des wirtschaftlichen Aufschwungs im Spanien der 1960er-Jahre als Interregnum bzw. Modernisierungsdiktatur darzustellen.347 Mit dem Mythos des ›unregierbaren‹ Charakters der Spanier war nicht nur der Legitimation des Franquismus gedient, darüber hinaus war er »instrumental to the mythification of the transition itself«348. Die transiciûn ist die Phase der Zeitgeschichte, auf die die Spanier stolz sind, da sie sich selbst wie auch den König als Protagonisten eines Prozesses sehen, der auf friedvolle und erfolgreiche Art und Weise zu einer Konsolidierung der Demokratie in einem Land führte, das dessen eigene Bewohner und sogar ausländische Staaten traditionell als unfähig angesehen hatten, in einer Demokratie zu leben, ohne gewalttätig zu werden.349 Andererseits blieb und bleibt die Zweite Republik dadurch über die transiciûn hinaus mit ›Anarchie‹ und ›Chaos‹ verknüpft, mit politischer Unsicherheit und Instabilität, was sowohl den niedrigen Wert erklärt, den Spanier der republikanischen Phase noch 1984 zusprachen, als auch ihre negative Beurteilung demokratischer politischer Eliten im Allgemeinen.350 Einer Meinungsumfrage zufolge waren noch im Jahr 1987 etwas mehr als 33 % der befragten Spanier einverstanden mit dem Satz, dass die Spanier individualistisch und leidenschaftlich seien und es sich deshalb schwierig gestalte, eine funktionierende Demokratie im Land zu verankern – ein Ergebnis, das auf die ungebrochene Virulenz des unter Franco perpetuierten Schreckgespenstes der ›vertrauten Dämonen‹ verweist. Das daraus resultierende Bedürfnis nach ›Sicherheit‹ und ›Stabilität‹ wiederum erklärt die ambivalente Bewertung des Franquismus durch spanische Bürger : Im Jahr 2000 sahen zwar nur 10 % den Franquismus als eine positive Epoche und 37,4 % als negative, doch 46,4 % bewerteten ihn als historische Phase, die gute und schlechte Dinge hervorgebracht habe – eine Prozentzahl, die seit 1985 relativ gleich geblieben ist. Viele Spanier assoziieren den 346 347 348 349 350

Bernecker (2008a), S. 179. Vgl. Rey (2003a), S. 116 f. und 154. Aguilar Fern‚ndez/Humlebæk (2002), S. 152. Vgl. ebd., S. 141. In einer Meinungsumfrage des Jahres 1984 wurden Spanier gefragt, in welchem historischen Zeitabschnitt es sich in Spanien in politischer Hinsicht am besten leben ließ. Dabei konnten sie zwischen der Diktatur Primo de Riveras (1923 – 1930), der Zweiten Republik (1931 – 1936), dem Franquismus (1939 – 1975) und der aktuellen Demokratie wählen. Während die republikanische Staatsform bloß 5 % Zustimmung der Befragten erreichte, brachte der Franquismus es hingegen auf 21 %, 1990 immerhin noch auf 8 %: Vgl. Aguilar Fern‚ndez (2003), S. 15.

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Franquismus noch heute mit ›Ordnung‹ und einer zuvor ungekannten ökonomischen Entwicklung.351 Im europäischen Vergleich stufen Spanier den Wert ›Ordnung beibehalten‹ mit Abstand am höchsten ein.352 Das den reaktionären Militärputsch von 1936 wie auch den späteren Franquismus legitimierende überaus negative Bild der Zweiten Republik, deren vermeintliches Scheitern unmittelbar mit dem Ausbruch des Bürgerkriegs verknüpft wurde, erklärt die Tatsache, dass im Zuge des Aufbaus der heutigen parlamentarischen Monarchie in Spanien jegliche Anlehnung an diesen demokratischen Vorläufer in der spanischen Zeitgeschichte vermieden wurde. Die Zweite Republik wurde – als vermeintliche ›Ursache‹ der spanischen ›Katastrophe‹ des Bürgerkriegs, deren Wiederholung es im Zuge des Demokratisierungsprozesses um jeden Preis zu vermeiden galt –353 stattdessen vielmehr zum »counter-example par excellence [Herv. i. Orig.] of the new democracy«354. Eine solche Sicht auf diese Phase der spanischen Zeitgeschichte führte während der transiciûn dazu, dass der 14. April 1931, an dem die Zweite Republik proklamiert worden war, als möglicher nationaler Gedenktag nicht in Betracht gezogen wurde.355 Weder die republikanische Flagge als nationales Symbol noch die Himno de Riego als Nationalhymne wurden im Übergang zur spanischen Demokratie als positive, zu restituierende Bezugselemente angesehen.356 Stattdessen wurden im Zuge des transiciûn-Prozesses vielmehr sichtbare Brüche mit dem vorherigen Franco-Regime vermieden, zumindest im Hinblick auf symbolische Praktiken und offizielle Erinnerungspolitiken.357 Entsprechend stellen die Politologin Paloma Aguilar Fern‚ndez und der Historiker Carsten Hum-

351 Vgl. Aguilar Fern‚ndez/Humlebæk (2002), S. 130; Aguilar Fern‚ndez (2003), S. 23; Aguilar Fern‚ndez (2006a), S. 302 sowie 309; Brinkmann (2008), S. 120. 352 Vgl. Aguilar Fern‚ndez/Humlebæk (2002), S. 150. 353 Vgl. Aguilar Fern‚ndez (2002a), S. 20 und 150. 354 Aguilar Fern‚ndez/Humlebæk (2002), S. 152. Vgl. Macher (2002), S. 108. Das einzige Element der Verfassung von 1978, das an die Errungenschaften der Zweiten Republik und auch an die Forderungen der demokratischen Opposition unter Franco erinnert, war die regionale Autonomieregelung. Andererseits dienen die peripheren Nationalismen bis heute als Beispiel für ein ungelöst gebliebenes, zunehmend komplexes Problem aus republikanischen Tagen: Vgl. Aguilar Fern‚ndez (2002a), S. 152 ff. und 183 ff. 355 Vgl. Aguilar Fern‚ndez/Humlebæk (2002), S. 145. 356 Die linken Parteien, darunter die Kommunisten, ließen sich im Zuge der Verhandlungen während der transiciûn darauf ein, auf die republikanische Flagge zu verzichten: Vgl. Aguilar Fern‚ndez (2002a), S. 244 – 250. 357 Die rot-goldene Flagge und der »Königsmarsch« (span.: Marcha de Honor) werden beispielsweise noch heute genutzt, ebenso wie zu Francos Zeiten – wobei die heutige spanische Flagge wie auch die Nationalhymne seit Ende des 18. Jahrhunderts existieren. Das Einzige, was nach 1975 entscheidend geändert wurde, ist das Staatswappen: Es beinhaltet nunmehr Elemente der Ersten und Zweiten Republik kombiniert mit der spanischen Krone: Vgl. Aguilar Fern‚ndez/Humlebæk (2002), S. 144 sowie 163.

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lebæk fest: »[T]hat there are many more continuities with the Francoist period than with the Second Republic or with any other previous period.«358 Während und nach der transiciûn wurde auch im akademischen Bereich das Bild der Dysfunktionalität tradiert, das im Hinblick auf die Zweite Republik in politischen Kreisen vorherrschte. Fragen nach der Zusammensetzung der Volksbewegungen bzw. Strukturanalysen über Parteien und Gewerkschaften schenkten spanische Historiker indes kaum Beachtung. Der Historikerin Julia Macher zufolge »führte die Selbstbeschränkung der Historiker zur Verbreitung und Verfestigung profranquistischer Mythen«359. Erst ab den 1990er-Jahren haben neue historische Studien die Zweite Republik aufgewertet und somit der unrühmlichen Rolle entgegengearbeitet, die ihr von der franquistischen Propaganda zugesprochen wurde.360 Auf zivilgesellschaftlicher Ebene lässt sich seit Beginn des 21. Jahrhunderts allerorts eine Rückbesinnung auf das republikanische Erbe beobachten.361 Die Anstrengungen um eine ›Rückgewinnung‹ der republikanischen Traditionsstränge wurden dabei besonders deutlich im Hinblick auf die Bemühungen um eine moralische Anerkennung des Exils.362 Tatsächlich unternahmen die Kuratoren einer Ausstellung zum Thema, die unter der Schirmherrschaft der PSOE-nahen Fundaciûn Pablo Iglesias stand, im Jahr 2002 Aguilar Fern‚ndez zufolge zum ersten Mal den Versuch, die republikanische Legitimität mit der aktuellen zu verknüpfen: Der Ausstellungsanfang stand unter der republikanischen Flagge und Verfassung, ihr Ende unter der aktuellen Flagge und Verfassung. Mit dieser Geste sollte gezeigt werden, dass die Zeit denen Recht gegeben hatte, die einst für die Republik kämpften: Zu guter Letzt triumphiert die Demokratie.363 In dieser Zeit wurde die republikanische Trikolore in Spanien zum oftmals sichtbaren, weit verbreiteten Symbol. Der Historiker Sören Brinkmann hat darauf hingewiesen, dass eine »leichtfertige […] 358 359 360 361 362 363

Ebd., S. 152. Macher (2002), S. 115. Vgl. Ruiz-Manjûn (2006); Boyd (2008), S. 136. Vgl. Graham (2008), S. 12. Vgl. Aguilar Fern‚ndez (2003), S. 15. Vgl. ebd. S. auch kapitel 7.4. Die Ausstellung Exilio wurde am 17. September 2002 im Kristall-Palast des Madrider Retiro-Parks unter Anwesenheit ehemaliger Exilanten aus Mexiko, Belgien, Frankreich und Großbritannien vom spanischen König eröffnet: Vgl. Exilio, DVD-Extras, Entrevista Alfonso Guerra, 00:09:40 – 00:10:00; Zuber, Helene: Zeit zu reden. In: Der Spiegel (21. 10. 2002), www.spiegel.de (20. 02. 2012). Sie musste wegen des großen Publikumsandrangs um zwei Monate verlängert werden und wanderte danach durch Spanien: Vgl. S‚nchez-Biosca (2006b), S. 316; Bernecker/Brinkmann (2006), S. 297. Genau am Tag der Ausstellungseröffnung wurde zudem ein von der Pablo-Iglesias-Stiftung gefördertes Buch – El exilio espaÇol (1936 – 1978) – veröffentlicht, das vor allem Zeitzeugenaussagen (s. kapitel 4.1.1) viel Platz einräumt. Einer der Autoren dieses Buches, Pedro Carvajal, hatte darüber hinaus bei einer Fernsehdokumentation mit dem Titel Exilio Regie geführt, die am 22. und 29. September 2002 auf La 2 ausgestrahlt wurde.

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Identifikation«364 mit der republikanischen Tradition im Gegensatz zu einer Würdigung der sozialrevolutionären Bestrebungen im Spanien der 1930er-Jahre deshalb möglich ist, weil die Symbole der Zweiten Republik im öffentlichen Raum jener Zeit weitaus weniger präsent waren als die jeweiligen Fahnen und Abzeichen der rivalisierenden Parteien und Gewerkschaften. Das Gedenken der Zweiten Republik über die republikanische Trikolore eignet sich deshalb als Folie für alle Opfer des Franquismus, »unabhängig von deren politischer Gesinnung«365. Die historiografische wie zivilgesellschaftliche Hinwendung zur republikanischen Ära führte dazu, dass die Zweite Republik als »mutiges und zeitgerechtes Experiment politischer und sozialökonomischer Modernisierung«366 auch von offizieller Seite vereinzelt gewürdigt wurde. Doch auch unter der PSOERegierung von Jos¦ Luis Rodr†guez Zapatero tat sich die spanische Politik »noch immer schwer mit dem Erbe der Zweiten Republik«367. In einer parlamentarischen Sitzung am 5. April 2006, kurz vor dem 75. Jahrestag der Proklamation der Zweiten Republik, gab Rodr†guez Zapatero dem Vertreter einer linkskatalanischen Partei Recht, der geäußert hatte, die Zeitphase zwischen 1931 und 1936 in Spanien sei die einzig wirklich demokratische gewesen. Rodr†guez Zapatero selbst betonte, dass die Verfassung von 1978 auf einer überwiegenden Mehrheit der Bestrebungen der Republik von 1931 gründe.368 Als das spanische Parlament das Jahr 2006 am 7. Juli offiziell – per Gesetz – zum AÇo de la memoria histûrica (dt.: »Jahr der historischen Erinnerung«) erklärte, ging auch dies mit einer Neubewertung der republikanischen Ära einher.369 Die Herstellung einer direkten Verbindungslinie zwischen Zweiter Republik und heutiger spanischer Demokratie sowie ähnlich positive Nachrufe auf das republikanische Regime riefen vor allem in PP-nahen Medien Empörung hervor.370 Für die PP und deren Anhänger beginnt die Geschichte der spanischen Demokratie von neuem mit der transiciûn und der eben diesen Übergangsprozess krönenden Verfassung von 1978.371 Die Geschichte der Demokratie in Spanien zu Zeiten der Zweiten Republik leugnet die PP damit konsequent, ebenso wie die Kämpfe und Er364 365 366 367 368 369

Brinkmann (2007) S. 181. Ebd. Bernecker/Brinkmann (2006), S. 250. NfflÇez Seixas (2009), S. 160. Vgl. Pradera, Javier: El 14 de abril. In: El Pa†s (16. 04. 2006), S. 12. Vgl. Elsemann (2011), S. 299 ff. Daneben betonte die Präambel des Gesetzes, dass »die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit möglich und unumgänglich sei« (ebd., S. 301), was auf einen grundlegenden Wandel der offiziellen Erinnerungspolitiken während der PSOE-Amtszeiten ab 2004 verweist. Zum »Jahr der historischen Erinnerung« s. auch kapitel 4.1.1. 370 Vgl. NfflÇez Seixas (2010a), S. 23. 371 S. Fußnote 54.

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rungenschaften des antifranquistischen Widerstandes für das heutige demokratische Spanien.372 Deshalb stimmte die PP Ende April 2006 gegen den Gesetzesentwurf, der das Jahr zum AÇo de la memoria histûrica erklären sollte und dabei gleichzeitig die republikanische Ära würdigt.373 Wie eine von der Tageszeitung El Mundo durchgeführte Umfrage zeigt, waren 78 % der Leser mit den Äußerungen von Rodr†guez Zapatero anlässlich des 75. Jahrestages der Proklamation der Zweiten Republik ebenfalls nicht einverstanden.374 Die Mehrzahl der abgedruckten Leserbriefe verdeutlicht den mit der Parole nunca m‚s (dt.: »niemals wieder«) einhergehenden Wunsch, in die Zukunft und nicht ›zurück‹ zu schauen.375 Der heutigen spanischen Demokratie solle es vor allem um ein gemeinsames Projekt, konsentiertes politisches Vorgehen und gesamtgesellschaftliche Versöhnung gehen – all jenes Aspekte, die auch schon nach Francos Tod bei der Ausarbeitung der Verfassung von 1978 maßgeblich gewesen seien. Warum solle man den Lobgesängen auf ein »radikales Regime«376 beipflichten, das Franco zur Folge hatte? Der gegenwärtigen Monarchie hätten die Spanier mehr zu verdanken als Rodr†guez Zapateros Großvater, so der polemische Schlusssatz eines Lesers.377 Auch der Verfasser des längeren Contra-Artikels auf derselben Seite, der Professor und Philosoph Agapito Maestre, meint, Rodr†guez Zapateros Äußerungen negierten auf gefährliche Art und Weise die Freiheiten, die während der transiciûn errichtet worden seien.378 Er unterstellt dem Regierungspräsidenten gar eine antidemokratische Agitationskampagne, ein Manöver, das »totalitären Techniken«379 folge. Die Zweite Republik stelle eine sektiererische, kriminelle und gewalttätige Phase in der spanischen Geschichte dar ; Spaniens heutige Demokratie bewege sich konträr dazu.380 Meinungsumfragen sprechen im Hinblick auf die seit der Jahrtausendwende erfolgten Bezugnahmen auf die Zweite Republik seitens der spanischen Bevölkerung eine weitaus und zunehmend republikfreundlichere Sprache, als obige Leserkommentare vermuten lassen: Laut einer am 20. November 2005, dem 372 Vgl. Blakeley (2008), S. 330. 373 Vgl. NfflÇez Seixas (2010a), S. 23. Auch die katalanische Linkspartei Esquerra Republicana de Catalunya (ERC), die sich neben den Kommunisten für einen neuen Republikanismus stark macht und auf deren Stimmen die sozialdemokratische Regierung nach den Wahlen im März 2004 angewiesen war, stimmte gegen den Gesetzesentwurf: Vgl. Brinkmann (2007), S. 183; Suntrup-Andresen (2008), S. 84. 374 Vgl. NfflÇez Seixas (2009), S. 160. 375 S. hierzu Kapitel 1.1.1. 376 Gonz‚lez, Iv‚n: Su pasado. In: El Mundo (16. 04. 2006a), S. 2: »r¦gimen radical«. 377 Vgl. ebd. Rodr†guez Zapateros Großvater, ein Hauptmann der republikanischen Armee, wurde im August 1936 von den Aufständischen hingerichtet, s. kapitel 4.1.1. 378 Vgl. Maestre, Agapito: Esencialismo historicista. In: El Mundo (16. 04. 2006a), S. 2. 379 Ebd.: »ingenier†a totalitaria«. 380 Vgl. ebd.

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dreißigsten Todestag Francos, in der Tageszeitung El Mundo publizierten Umfrage, die Brinkmann zitiert, zogen immerhin ein Viertel der Befragten eine Republik der aktuellen Staatsform der parlamentarischen Monarchie in Spanien vor – beinahe 50 % mehr als noch fünf Jahre zuvor, wie der Journalist Giles Tremlett herausstellt.381 Dabei präferierten von den 18- bis 25-Jährigen beinahe 40 % eine republikanische Staatsform.382 Einzelne Historiker warnen angesichts dieser Ergebnisse vor einer romantischen Verklärung der Zweiten Republik als »vollkommene Demokratie«383, während ein auf die Analyse historischer Zusammenhänge bedachtes Interesse in den Hintergrund gedrängt werde.384 Vielen gehe es mit der Anrufung der Republik und ihrer Symbole nicht mehr um ein Erinnern an die Rechte der Opfer des Franquismus. Inzwischen, so Brinkmann, »zielen die Aktivitäten mancher Teile der Erinnerungsbewegung auf die Rehabilitation der republikanischen Tradition als politische Alternative für die Zukunft des Landes«385. Ein Wechsel der Staatsform erscheint einigen Aktivisten als unabdingbar, um Bürgerkriegs- und Diktaturvergangenheit vollständig ›aufarbeiten‹ zu können, wobei die Phase der Zweiten Republik als »Projektionsfläche für die fast schon messianische Forderung nach der Dritten Republik«386 dient. Damit einher geht die Kritik an der transiciûn und in diesem Zusammenhang vor allem am Amnestiegesetz von 1977, was in der Forderung mündet, »die Geschichte auch juristisch vollständig aufzuarbeiten«387. Federführend sind bei diesen Forderungen nach einem Wechsel der Staatsform, worauf oben angeführte Statistiken bereits hinwiesen, wiederum Vertreter der ›Generation der (Ur-)Enkel‹.388

381 382 383 384 385 386 387

Vgl. Brinkmann (2007), S. 183; Tremlett (2006), S. 94. Vgl. ebd. Tremlett spricht im Gegensatz zu Brinkmann von 18- bis 29-Jährigen. NfflÇez Seixas (2009), S. 173. Vgl. Brinkmann (2007), S. 182. Ebd., S. 181. Ebd., S. 182. Vgl. Brinkmann (2008), S. 122. Brinkmann (2007), S. 181. Zum Amnestiegesetz von 1977 s. ausführlicher unter kapitel 4.3.1. 388 Vgl. Romero, Juanma: Jûvenes para la tercera. In: El Pfflblico (14. 04. 2011), www.publico.es (20. 02. 2011).

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3.2

Die republikanische Bildungsreform in La lengua de las mariposas

»Was hätte sein können und nicht war.«389

Es ist auffällig, dass in den im Rahmen der vorliegenden Untersuchung ausführlich betrachteten audiovisuellen Quellen mit zeithistorischem Sujet, die seit 1996 ein vergleichsweise großes Publikum anzulocken vermochten, die historische Phase der Zweiten Republik äußerst selten zur Darstellung gelangt und wenn, dann überwiegend nur ihre Spätphase. So wird in dem Kinospielfilm La lengua de las mariposas (Butterfly Tongues; ES 1999) sowie in der TV-Serie Amar en tiempos revueltos (dt.: »Liebe in aufgewühlten Zeiten«; TVE/La 1, 2005 – 2012) lediglich der Zeitabschnitt in den Blick genommen, der unmittelbar vor Ausbruch des Bürgerkriegs liegt. Dies erweckt zunächst den Eindruck, die Zweite Republik habe in populären zeitgenössischen Kino- und Fernsehproduktionen spanischer Provenienz im Sinne einer überkommenen, noch im Franquismus wurzelnden Meistererzählung nur als unmittelbarer ›Auslöser‹ des Bürgerkriegs eine Daseinsberechtigung, nicht aber als eigenständige, demokratische und fortschrittliche Periode. Allerdings findet sich in La lengua de las mariposas (Regie: Jos¦ Luis Cuerda) mit der Figur des Don Gregorio ein durchweg positiv konnotierter, idealtypischer Vertreter der Zweiten Republik in einer Hauptrolle, über die das linksrepublikanische Modernisierungsprojekt eine maßgebliche Aufwertung erfährt.390 Moncho, der junge Protagonist in La lengua de las mariposas, hat zu Beginn der Filmhandlung, die Anfang des Jahres 1936 einsetzt, große Angst vor seiner Einschulung: Er ist fest davon überzeugt, dass die Schule ein Ort der Gewalt und der uneingeschränkten Machtausübung des Lehrers ist, er fürchtet Schläge. Vor lauter Aufregung nässt er sich an seinem ersten Schultag vor versammelter Mannschaft ein und flüchtet. Sein Lehrer Don Gregorio besucht ihn daraufhin zu Hause, bittet ihn um Entschuldigung und darum, es noch einmal mit der Schule zu versuchen. Schon die ersten knapp elf Minuten des Films verdeutlichen: Eine besondere Bedeutung kommt in La lengua de las mariposas dem republikanischen Bildungssystem zu, im Film repräsentiert durch die Figur des engagierten Pädagogen Don Gregorio.

389 Rodr†guez Marchante, E.: La lengua de las mariposas y el verbo de Fern‚n-Gûmez. In: ABC (24. 09. 1999), S. 82: »[L]o que pudo haber sido y no fue.« 390 Die Filmhandlung von La lengua de las mariposas basiert auf drei Erzählungen des galicischen Erfolgsautors Manuel Rivas, die in dem Buch ¿Qu¦ me quieres, amor? enthalten sind. Rivas erhielt für diesen Erzählband 1996 den vom spanischen Kultusministerium verliehenen Literaturpreis Premio Nacional de Narrativa.

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Die sozialistisch-republikanische Regierung, die nach der Ausrufung der Republik am 14. April 1931 an die Macht kam, wollte eine ambitionierte Reformpolitik umsetzen.391 Diese umfasste Umstrukturierungen im Bereich des Militärs wie auch des Agrarsektors, vor allem aber nahm die Bildungsreform eine Schlüsselrolle ein bei der anvisierten Transformation der spanischen Gesellschaft in eine moderne und säkularisierte. Veränderte Formen der Wissensvermittlung sollten aus Spaniern demokratische Bürger machen, indem sie sich in unabhängigem Denken übten – ohne religiöse Indoktrination und Hierarchien. Dabei lässt sich die Betonung der ideologischen Neutralität der Schulbildung als direkte Antwort auf die Machtstellung verstehen, die die katholische Kirche im spanischen Schulwesen im 19. und 20. Jahrhundert innehatte. Vertreter der ›alten‹ Prinzipien des spanischen Liberalismus, Mitglieder der Instituciûn Libre de EnseÇanza (ILE; dt.: »Unabhängige Bildungsinstitution«), die für moderne Pädagogik stand,392 ebenso wie die Sozialisten waren sich einig in der Überzeugung, dass es ohne Bildungsreform und kulturellen Wandel unmöglich zu einer Transformation – sprich Modernisierung – der spanischen Bevölkerung kommen könne.393 Für die Mitglieder der ersten verfassungsgebenden Cortes der Zweiten Republik – darunter eine Vielzahl von Professoren, Schriftstellern und Journalisten – galt es, anhand ihrer Bildungsreform säkularhumanistisches Gedankengut und die Idee sozialer Gerechtigkeit in Spanien zu verbreiten. Damit wollten sie die intellektuelle und symbolische Basis eben der Gesellschaft schaffen, die sie auf lange Sicht hofften, in Spanien verwurzeln zu können.394 Dieses transformatorische Projekt hing in großem Maße von den Lehrkräften ab: Sie waren das Verbindungsglied, das bürgerliche Werte bis in die abgelegensten, ländlichsten Ecken Spaniens tragen sollte.395 Ordensleuten hingegen wurde per Gesetz jegliche Lehrtätigkeit untersagt, der verpflichtende Religionsunterricht ebenso wie der spezielle steuerliche Status abgeschafft, der bisher für den Klerus gegolten hatte, und staatliche Zuwendungen an die Kirche – darunter auch die Besoldung der weltlichen Geistlichen – allmählich re391 Die sozialistisch-republikanische Regierung hielt sich gut zwei Jahre lang, bis im November 1933 die von Gil Robles angeführte rechtskonservative Koalition CEDA die Wahlen gewann. Das sogenannte bienio negro (dt.: »schwarzes Biennium«) dauerte bis zum Wahlsieg der ›Volksfront‹ im Februar 1936 an. 392 Die Instituciûn Libre de EnseÇanza wurde 1876 von einer Gruppe spanischer Lehrer ins Leben gerufen, die den Ideen des post-kantianischen Philosophen Karl Christian Friedrich Krause (1781 bis 1832) anhingen – eine Philosophierichtung, die bei den liberalen Reformern in Spanien in den 1870er- und 1880er-Jahren dominierte. Der Krausismus schien eine praktische Anleitung dafür zu liefern, wie das Land zu ›regenerieren‹ sei: Vgl. Montero (1995), S. 124. 393 Vgl. Cobb (1995), S. 137. 394 Vgl. Romero Salvadû (2005), S. 29. 395 Vgl. Cobb (1995), S. 133.

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duziert.396 Die durch diese Maßnahmen eingesparten Mittel sollten dazu verwendet werden, im ganzen Land ein nicht konfessionell gebundenes Grundschulsystem zu errichten.397 27.000 Schulgründungen waren für die nächsten fünf Jahre vorgesehen: Allein das finanzielle Ausmaß eines solchen Vorhabens verdeutlicht, welche Priorität die Bildungsreform für die republikanische Regierung einnahm.398 Zusätzlich investierte die republikanische Regierung ins öffentliche Bildungssystem, indem sie zahlreiche neue Lehrerstellen schaffte.399 In dem Film La lengua de las mariposas begegnet Don Gregorio seinen Schülern mit Respekt, er siezt sie. Außerdem wird er ihnen gegenüber nie laut, im Gegenteil: Eine Filmszene zeigt, wie seine Klasse während des Kunstunterrichts in schieres Chaos ausbricht. Statt auf den Tisch zu hauen oder sich durch Herumbrüllen Gehör zu verschaffen, schweigt er, was die Schüler nach und nach dermaßen irritiert, dass sie still werden.400 Als Vertreter moderner pädagogischer Methoden wird Don Gregorio dadurch erkennbar, dass er seinen Unterricht gern auch draußen abhält, so zum Beispiel mit Einbruch des Frühjahrs im Wald. Ausflüge ins Grüne sollen die Schüler dabei unterstützen, einen Sinn für die Vielfalt der natürlichen Erscheinungsformen sowie für die Freiheit jenseits geschlossener Räume zu entwickeln. Darüber hinaus vertiefen die Spaziergänge im Freien die Beziehung zwischen Moncho und seinem Lehrer.401 Sogar nach seiner Pensionierung geht Don Gregorio regelmäßig mit seinem Schützling auf Erkundungstour, fängt mit ihm nicht nur Schmetterlinge, sondern gibt Moncho allgemeine Tipps zur Liebe und zum Leben. Ein Bestechungsversuch des Machthabenden im Dorf, des cacique402 Don Avelino, läuft bei Don Gregorio ins Leere; er ist im übertragenen Sinne unempfänglich für die Vorzüge, die ein 396 Vgl. Graham (2008), S. 30; Romero Salvadû (2005), S. 33; Navarrete (2009), S. 167. Darüber hinaus wurden 1931 Scheidungen legalisiert, ebenso Zivilehen. 397 Vgl. Graham (2008), S. 24. 398 Vgl. Alvarez Junco (1995), S. 51. 399 Vgl. Romero Salvadû (2005), S. 29 f. Zum linksliberalen Transformationsprojekt via Bildung gehörten außerdem die Misiones pedagûgicas (dt.: »Pädagogische Missionen«), die im August 1931 ins Leben gerufen wurden und mittels Theater-, Film- und Musikvorführungen sowie der Einrichtungen kleiner Büchereien im ländlichen Spanien für eine allgemeine kulturelle Grundbildung sorgen sollten: Vgl. Cobb (1995), S. 136. 400 Vgl. La lengua de las mariposas, 00:26:42 – 00:28:00. 401 Vgl. Gûmez Lûpez-QuiÇones (2006), S. 223. 402 Abgeleitet von dem karibischen Begriff für einen indianischen Stammesführer, war ein cacique während der Restaurationsmonarchie (1874 – 1931) der lokale politische Chef, der die Stimmen der manipulierten Wahlen in Madrid ablieferte, was den regelmäßigen Machtwechsel der zwei herrschenden Parteien sicher stellte (turno pac†fico; dt.: »friedlicher Wechsel«). Seine Machtposition im lokalen Bereich gründete sich darauf, dass er der einzige war, der Arbeitsstellen in der Gemeinde vergeben konnte – was den Begriff cacique bis heute zum Synonym für ein korrumpiertes System, Bestechung und Einschüchterung werden lässt: Vgl. Graham/Labanyi (1995), S. 419; Romero Salvadû (1999), S. 11; Romero Salvadû (2005), S. 4.

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überkommenes, konservatives Gesellschaftssystem für ihn bereithielte. Stattdessen lässt Don Gregorio sich nach reichlich Überredungskunst den Anzug schenken, den Monchos ›republikanisch‹ konnotierter Vater ihm auf den Leib schneidert.403 Über seine genauen politischen Überzeugungen bleibt der Zuschauer zwar im Unklaren, allerdings scheint Don Gregorio sich für anarchistisches Gedankengut zu interessieren, zieht er doch an einer Stelle des Films Kropotkins Die Eroberung des Brotes aus seinem Bücherregal und betrachtet es nachdenklich.404 Die Ausmaße des Bücherregals von Don Gregorio, wie im Film dargestellt, lassen zudem die Vermutung zu, dass man sich einem Bibliophilen gegenüber sieht.405 Gewalt indes verabscheut er : Nach einer Rauferei auf dem Schulhof bestraft Don Gregorio keines der Kinder, sondern veranlasst sie dazu, per Handschlag ›Frieden zu schließen‹. Als Don Gregorio im Radio eine Brandrede des Parteiführers der rechtskonservativen CEDA, Jos¦ Mar†a Gil Robles, und kurz darauf die Nachricht von der Ermordung des Monarchisten Jos¦ Calvo Sotelo hört, muss er sich übergeben, so zuwider ist ihm die Kunde von extremen politischen Positionen, deren Vertreter auch vor Gewalt nicht zurückschrecken.406 Er ist vielmehr ein belesener, tief humanistisch geprägter und pädagogisch enga403 Vgl. La lengua de las mariposas, 00:43:09 – 00:44:14. 404 Auch in Libertarias (Freedomfighters; ES-IT-BE 1996) werden Kropotkin- und BakuninBücher (Die Eroberung des Brotes sowie Gott und der Staat) sowie -Zitate mehrfach eingeblendet bzw. vorgetragen, um den entsprechenden Leser bzw. Vortragenden als ›anarchistisch‹ zu kennzeichnen. Ausführlich zu Libertarias s. Kapitel 2.2. 405 In El espinazo del diablo (Das Rückgrat des Teufels; ES-MX 2001), Silencio roto (Broken Silence; ES 2001) wie auch in Los girasoles ciegos (The Blind Sunflowers; ES 2008) ist ebenfalls die Figur des älteren, ›republikanisch‹ konnotierten Gelehrten anzutreffen. Ähnlich wie für Don Gregorio stellen Bücher auch für die entwurzelte Figur des jungen Mädchens Ofelia, die Protagonistin von El laberinto del fauno (Pans Labyrinth; ES-MX 2006), eine Art Heimat dar. 406 Don Gregorio ist damit nicht zuletzt der Inbegriff einer ›zentristischen Idealfigur‹ (s. hierzu auch die Ausführungen zur Figur Mar†a in Libertarias, kapitel 2.2). Die Ermordung Calvo Sotelos in der Nacht vom 12. auf den 13. Juli 1936 erwies sich für die Aufständischen als nützlich, um die Umsetzung ihrer Putschpläne fünf Tage später zu rechtfertigen: Vgl. Durgan (2008), S. 29. Genau 75 Jahre später, am 12. Juli 2011, perpetuierte ein Dokumentarfilm namens El asesinato de Calvo Sotelo (dt.: »Die Ermordung Calvo Sotelos«; Telemadrid) diesen Rechtfertigungsmythos, was unter anderem den Protest des renommierten spanischen Historikers Santos Jul†a D†az hervorrief: Vgl. Juli‚ D†az, Santos: Una lamentable manipulaciûn. In: El Pa†s (13. 07. 2011), www.elpais.com (20. 02. 2012). Das Instituto CEU de Estudios Histûricos, das bereits mit gedruckten Publikationen auf sich aufmerksam gemacht hatte, die sich in erster Linie auf franquistische Quellen stützen (Vgl. Labanyi (2006), S. 95), stellte dem öffentlichen Sender der Autonomen Region Madrid, Telemadrid, neben diesem Film auch weitere mit ähnlich neofranquistischer Tendenz kostenlos zur Verfügung: Vgl. Gûmez, R. G./Gallo, I.: La Guerra Civil segffln Telemadrid. In: El Pa†s (15. 07. 2011), www.elpais.com (20. 02. 2012). Zum Geschichtsrevisionismus in Spanien s. auch kapitel 4.1.1.

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gierter Lehrer, »eine Art weltlicher Heiliger«407, der als Vorbild »beispielhaft moralischen Verhaltens«408 sowie Repräsentant aufklärerischer Ideale dient und diese seinen Schülern vermitteln will, damit sie frei und selbstbestimmt leben können. Don Gregorio ist ein personifiziertes Symbol für die besten Absichten, die der republikanische Staat mit seiner Reform des spanischen Bildungswesens verfolgte. Über diese Figur wird in La lengua de las mariposas die Funktion der Lehrer als »ideologischer Arm der demokratischen Revolution«409 hervorgehoben bzw. ihre Bedeutung als »Glanzlichter der Republik«410 unterstrichen, wie Monchos Vater es ausdrückt. Die Figur des Lehrers Don Gregorio ist erwiesenermaßen einem gleichnamigen ehemaligen Lehrer aus Ribadeo, Galicien, nachempfunden, der 1986 seine Memoiren publizierte.411 In den Besprechungen von La lengua de las mariposas findet sich darauf jedoch keinerlei Hinweis, vielmehr stellten etliche Rezensenten eine Verbindung zur Instituciûn Libre de EnseÇanza her. Letztere wird in Cuerdas Film zwar mit keinem Wort erwähnt, die Figur Don Gregorios aber scheint in vielerlei Augen dem zu entsprechen, wofür diese Interessensvereinigung eintrat.412 Des Weiteren stellten spanische Kritiker eine Verbindung her zwischen der Figur des Don Gregorio und dem Anarchisten Francisco Ferrer Guardia, der 1901 die erste Escuela Moderna (dt.: »Moderne Schule«) in Barcelona gründete.413 Auch lässt die Figur des Don Gregorio Bezüge zu dem Lyriker Antonio Machado zu, der die republikanische Seite im Bürgerkrieg aktiv unterstützte und in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einer Ikone für die spanische Linke wurde.414 Nicht nur biografische Parallelen zwischen Machado und Don Gregorio aus La lengua de las mariposas drängen sich auf – der Lehrerberuf und der frühe Tod der Ehefrauen –, auch lässt Don Gregorio einen 407 408 409 410 411

Lamet (2000), S. 349: »una especie de santo laico«. Vgl. ABC (24. 09. 1999), S. 82. Lamet (2000), S. 349: »comportamiento ¦tico ejemplar«. Vgl. ABC (24. 09. 1999), S. 82. Vgl. Cobb (2005), S. 133. Vgl. La lengua de las mariposas, 00:44:30 – 00:44:33: »luces de la Repfflblica«. Für diesen Hinweis danke ich dem Historiker Prof. Dr. Lourenzo Fern‚ndez Prieto (Universidade de Santiago de Compostela), der diesen Lehrer in den 1980er-Jahren für seine Doktorarbeit interviewte. 412 Vgl. Fern‚ndez-Santos, Ýngel: ¡FFG! In: El Pa†s (24. 09. 1999a), S. 50; Lamet (2000), S. 349 f.; Crusells (2006), S. 307; Gûmez Lûpez-QuiÇones (2006), S. 226; Navarrete (2009), S. 167. 413 Vgl. Navarrete (2009), S. 167. Ferrer Guardia wurde 1909, im Anschluss an die Semana tr‚gica (dt.: »Tragische Woche«) in Barcelona, hingerichtet, da fälschlicherweise beschuldigt, der Initiator des (vor allem antimilitärischen und -klerikalen) Aufstandes gewesen zu sein: Vgl. Romero Salvadû (2005), S. 12. 414 Vgl. Lamet (2000), S. 350; Benavent (2000), S. 331; Smith (2000); Caparrûs Lera (2001), S. 67; Cate-Arries (2004), S. 34 – 52; Crusells (2006), S. 307; Gûmez Lûpez-QuiÇones (2006), S. 226; Navarrete (2009), S. 165. Bezugnahmen auf Antonio Machado finden bemerkenswert häufig im Rahmen der in der vorliegenden Untersuchung analysierten audiovisuellen ›Kernquellen‹ statt: in Soldados de Salamina (Soldiers of Salamina; ES 2003), Amar en tiempos revueltos (TVE/La 1, 2005 – 2012) und Los girasoles ciegos (ES 2008).

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Schüler im Unterricht Antonio Machados Gedicht Recuerdo infantil (dt.: »Kindheitserinnerung«) vortragen.415 Der Hauptdarsteller Fernando Fern‚n Gûmez wurde für seine Interpretation des Don Gregorio mit Lob überhäuft und als erstem spanischen Filmschaffenden überhaupt der Ehrenpreis Premio Donostia des Kinofestivals in San Sebast†an verliehen.416 Neben ihm verpflichtete Cuerda für seinen Film nur wenig bekannte Schauspieler, um zu verhindern, dass die Zuschauer schon im Voraus gewisse Erwartungen an bestimmte Figuren des Films herantragen.417 Bei Fern‚n Gûmez war diese Projektion jedoch erwünscht und ist seitens der meisten Kritiker aufgegangen: Obwohl der Schauspieler jegliche Ähnlichkeit mit der von ihm verkörperten Figur Don Gregorios abstritt – der Lehrer im Film sei Republikaner, er hingegen sei Komiker –,418 bot Fern‚n Gûmez offenbar die ideale Projektionsfläche für diejenigen Rezensenten, die seine moralische Integrität und Gewitztheit mit der des republikanischen Lehrers im Film gleichsetzen wollten.419 Der 1921 geborene und 2007 verstorbene Schriftsteller, Theater-, Film- und Fernsehschauspieler galt Zeit seines Lebens als intellektuell, launisch und seit den 1950er-Jahren als linkspolitisch. Er interpretierte 200 Filmrollen, führte bei 30 Filmen Regie420 und ist unter anderem als Autor und 415 Ein filmisches Zitat zu einer Szene aus dem ›Bürgerkriegsfilmklassiker‹ Las largas vacaciones del 36 (Long Vacations of 36; ES 1976), der republikanische Bildungsideale narrativ ebenso an der Figur eines ›roten‹ Lehrers festmacht, wenngleich diese Figur in Caminos Film keinen Handlungsträger darstellt. Zum Einsatz eines Ausschnitts aus Recuerdo infantil in La lengua de las mariposas s. auch kapitel 2.1. 416 Vgl. Rodr†guez Marchante, E.: Fern‚n-Gûmez y el Palacio del Kursaal, cruce de l†neas. In: ABC (16. 09. 1999), S. 81; o. V.: Fernando Fern‚n-Gûmez: »No soy ni Dios ni el diablo; sûlo soy un actor.« In: La Vanguardia (24. 09. 1999b), S. 56. Die Preisverleihung wurde begleitet von standing ovations des Publikums: Vgl. Fern‚ndez-Santos, Elsa: La voz ronca del cine espaÇol. In: El Pa†s (24. 09. 1999b), S. 50. 417 Vgl. Ruiz Mantilla, Jesffls: Jos¦ Luis Cuerda: »He hecho una pel†cula sobre la libertad.« In: El Pa†s (24. 09. 1999), S. 51. Angeblich war für die Rolle der Mutter des kindlichen Protagonisten Moncho ursprünglich die renommierte spanische Schauspielerin und AlmodûvarMuse Carmen Maura im Gespräch, die 1990 in Carlos Sauras musikalisch-burleskem Bürgerkriegsdrama ¡Ay, Carmela! (Ay, Carmela! – Lied der Freiheit; ES-IT 1990) glänzte: Vgl. Crusells (2006), S. 308. 418 Vgl. El Pa†s (24. 09. 1999b), S. 50; La Vanguardia (24. 09. 1999b), S. 56. 419 Die Besetzung der Figur Don Gregorios mit dem populären Charakterdarsteller Fernando Fern‚n Gûmez eröffnet zudem filmische Bezüge zu einem wahren Klassiker der spanischen Filmgeschichte, nämlich zu El esp†ritu de la colmena (Der Geist des Bienenstocks; ES 1973), an den Regisseur Cuerda zudem versuchte, formal und atmosphärisch anzuknüpfen: Vgl. Smith (2000); Caparrûs Lera (2001), S. 67. In diesem Film spielte Fern‚n Gûmez einen resignierten, ehemals republikanischen Familienvater, der sich angesichts verlorener Ideale und enttäuschter Hoffnungen nach dem Krieg ins innere Exil zurückzieht und somit für die kindliche Hauptfigur des Films – ähnlich verwirrt wie der Junge Moncho in La lengua de las mariposas – unerreichbar bleibt. Beide Figuren werden von spanischen Kritikern als Opfer der franquistischen Repression gelesen: Vgl. El Pa†s (24. 09. 1999a), S. 50. 420 Vgl. Castro (2007), S. 84.

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Regisseur des Theaterstückes Las bicicletas son para el verano (Bicycles Are for the Summer) bekannt, einem Kammerspiel, das im besetzten Madrid der Bürgerkriegszeit spielt und 1983 fürs Kino adaptiert wurde (Regie: Jaime Ch‚varri).421 Er lässt sich als eine der populärsten und charismatischsten öffentlichen Personen der spanischen Kultur bezeichnen, deren Einsatz in diversen Produktionen genutzt wurde, um ›Qualität‹ zu signalisieren.422 Angesichts seiner Äußerungen in der Öffentlichkeit sowie ähnlicher Rollen, die Fern‚n Gûmez verkörperte, folgte die Wahl, die Figur des Don Gregorio in La lengua de las mariposas mit diesem Schauspieler zu besetzen, den Regeln des type casting. Dem spanischen Publikum wiederum erscheint Don Gregorio infolgedessen nicht nur vertraut, sondern seine moralischen Implikationen höchst glaubwürdig. So empfindet beispielsweise der Rezensent Ýngel Fern‚ndezSantos den Schauspieler als perfekte Besetzung, um »jene Leute«423, konkret gemeint sind die republikanischen Lehrer, »vor der Verbannung ohne Rückkehr zu retten«424. Er verleiht seiner positiven Bewertung Gewicht, indem er beteuert: »Ich weiß, wovon ich spreche, mein Vater war einer von ihnen und sein Sohn weinte, als er diesen bewegenden Film sah und ihn zurückgewann in Form der täppischen Figur, des edlen Gekrakels von FFG [mit diesem Kürzel gemeint ist Fernando Fern‚n Gûmez; Anm. d. Verf.].«425

Zwar bemängelt einer der wenigen Kritiker des Films, der Filmhistoriker Jos¦ Enrique Monterde, eine solche Figur wie den moralisch beispielhaft handelnden Don Gregorio habe es bereits zur Genüge im spanischen Kino gegeben – in Las largas vacaciones del 36 (Long Vacations of 36; ES 1976) und in El esp†ritu de la colmena (Der Geist des Bienenstocks; ES 1973) – und wenn sich La lengua las mariposas überhaupt auszeichne, dann durch eine Zusammenstellung bereits bekannter filmischer Fragmente.426 Die Mehrheit der spanischen Rezensenten aber honoriert die Regisseur Cuerda unterstellte Absicht, die Erinnerung an die 421 Fern‚n Gûmez selbst wies die auf eineinhalb Stunden herunter gekürzte filmische Adaption seines Werks zunächst zurück, weil darin die im Theaterstück enthaltenen anarchistischen Anspielungen ausgespart blieben. Später beschränkte er sich darauf, sie als »anders« zu qualifizieren: Ripoll i Freixes (1992), S. 155: »distinta«. Vgl. Crusells (2000), S. 224. 422 Vgl. D’Lugo (1997), S. 152; De Prada, Juan Manuel: Fernando Fern‚n-Gûmez: »Soy un hombre bueno.« In: ABC. Blanco y Negro (17. 10. 1999), S. 20, 26 und 30; Labanyi (2000), S. 76; Gûmez Lûpez-QuiÇones (2006), S. 225; Smith (2006b), S. 21; Castro (2007), S. 84; Pohl (2008), S. 423. Auch auf internationaler Ebene war Fernando Fern‚n Gûmez kein Unbekannter und erhielt beispielsweise auf der Berlinale 2005 den Goldenen Ehrenbären für sein Lebenswerk verliehen. 423 El Pa†s (24. 09. 1999a), S. 50: »estas gentes«. 424 Ebd.: »rescatar […] del destierro sin retorno«. 425 Ebd.: »S¦ de qu¦ hablo, mi padre era uno de ellos, y su hijo llorû viendo est‚ conmovedora pel†cula y recuperarle metido dentro de la figura desgarbada, del noble garabato de FFG.« 426 Vgl. Monterde (1999a), S. 13.

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jüngere Vergangenheit »zurückgewinnen«427 zu wollen: Mit der Figur des republikanischen Lehrers habe das spanische Kino eine Rechnung offen, die Cuerda begleiche.428 Am deutlichsten werden Don Gregorios Freiheitsstreben, der Pazifismus, für den er steht, und seine Überzeugung, kraft Bildung eine Umwälzung der spanischen Gesellschaft herbeizuführen, in der Rede, die er anlässlich seiner Pensionierung hält:429 »Im Herbst meines Lebens sollte ich Skeptiker sein. In gewisser Weise bin ich das auch. Der Wolf wird niemals gemeinsam in einem Bett mit dem Lamm schlafen. Aber in einer Sache bin ich mir sicher : Wenn wir es schaffen, dass eine Generation, nur eine einzige Generation, in Spanien frei aufwächst, dann wird ihnen niemand jemals die Freiheit entreißen können. Niemand wird ihnen diesen Schatz rauben können!«430

Gleichzeitig verweist seine Rede deutlich auf das heutige demokratische Spanien der Kinozuschauer, die eben die Freiheit genießen können, die Don Gregorio sich bereits für seine Schützlinge erhofft hatte. Am Ende des Films wird er Opfer der aufständischen ›Säuberungen‹, was auf übergeordneter Ebene gleichbedeutend ist mit dem Ende des republikanischen Modernisierungsprojekts und auf den Beginn des ultrakonservativen, vom ›Nationalkatholizismus‹ geprägten Rollback des Bildungswesens unter Franco hindeutet.431 Das zeitgenössische

427 Caparrûs Lera (2001), S. 67: »recuperar«. 428 Vgl. Lamet (2000), S. 349. Regisseur Jos¦ Luis Cuerda selbst äußerte sich im Zusammenhang mit der Berichterstattung zu La lengua de las mariposas zum Thema der ›Rückgewinnung der historischen Erinnerung‹ nur vage. In einem Interview bejaht er, sich in seinem Film bewusst dem Kapitel Spanischer Bürgerkrieg zugewandt zu haben, das andere gern abschließen würden, »damit wir uns nicht daran erinnern, was sie gemacht haben«: Jos¦ Luis Cuerda; zit. n.: De La Fuente, Inmaculada: »Mis personajes siempre son perdedores, aunque mi cine sea variado.« In: El Pa†s (17. 10. 1999), S. 13: »para que no nos acordemos de lo que hicieron«. Cuerda formuliert somit eine Opposition zwischen ›uns‹ und ›den anderen‹, wie sie bereits die an Libertarias (ES-IT-BE 1996) Beteiligten (s. kapitel 2.2) äußerten und wie sie spätestens rund um Amar en tiempos revueltos (TVE/La 1, 2005 – 2012) sowie Las trece rosas (13 Roses; ES-IT 2007) im öffentlichen Raum allgegenwärtig wurde. S. kapitel 4.1.2 und kapitel 4.1.3. 429 Vgl. Lamet (2000), S. 350. 430 La lengua de las mariposas, 01:09:41 – 00:10:28: »En el otoÇo de mi vida, yo deber†a ser esc¦ptico. Yen cierto modo lo soy. El lobo nunca dormir‚ en la misma cama con el cordero. Pero de algo estoy seguro: si conseguimos que una generaciûn, una sola generaciûn, crezca libre en EspaÇa, ya nadie les podr‚ arrancar nunca la libertad. […] ¡Nadie les podr‚ robar ese tesoro!« Die ›Wolf-Lamm‹-Metapher in Don Gregorios Rede verweist auf eine Opferrhetorik, s. kapitel 6.1. 431 Vgl. Alvarez Junco (1995), S. 51. Ehemalige republikanische Lehrer bildeten jene Berufsgruppe, die während des Bürgerkriegs wie auch während der Franco-Diktatur die härtesten Repressalien – Berufsverbote und Hinrichtungen – zu erleiden hatten, standen sie doch sinnbildlich für das liberale Fortschrittsstreben einer laizistischen Republik. Der Dokumentarfilm La escuela fusilada (dt.: »Die erschossene Schule«; ES 2007) beschäftigt sich

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Kinopublikum hingegen konnte sich in der stolzen Gewissheit wiegen, dass die Zeiten der ›Barbarei‹ im heutigen Spanien definitiv vorbei sind und ein langfristig friedliches, demokratisches Zusammenleben (span.: convivenc†a) augenscheinlich erreicht ist. Dabei braucht das zeitgenössische Spanien ein erneutes Ausbrechen der Feindseligkeiten, beispielsweise in Form eines weiteren Bürgerkriegs, nicht mehr zu fürchten, folgt man dem Filmnarrativ : Schließlich ist bei Anlaufen des Films in Spanien nunmehr eine Generation in Freiheit aufgewachsen und die Voraussetzung demnach erfüllt, die Don Gregorio in La lengua de las mariposas für ein lang währendes harmonisches Zusammenleben in Spanien formulierte.432 Die Zeit, die Don Gregorio und seinen transformativen Erziehungsmethoden zur Verfügung steht, reicht umgekehrt nicht aus, um unbedarfte Schüler wie Moncho, den er gerade einmal ein halbes Jahr unter seine Fittiche zu nehmen vermochte, gegen die ›hereinbrechende‹ ›Barbarei‹ zu wappnen. Monchos Initiation in die Welt der Bildung und Reflexion wird in La lengua de las mariposas zwar regelrecht als Taufe inszeniert: Bei einem Schulausflug in den Wald erleidet Moncho einen starken Asthmaanfall, woraufhin Don Gregorio ihn unverzagt im Fluss untertaucht und somit wieder ›zum Leben erweckt‹.433 Allerdings kann Don Gregorio den Keim, den er gesetzt hat, nicht mehr gedeihen lassen: Der Filmtitel spielt auf die spiralförmige Zunge der Schmetterlinge an, die Don Gregorio seinen Schülern anschaulich beschreibt, jedoch aufgrund der mangelhaften Ausrüstung der Dorfschule nicht vollends verständlich machen kann. Das Mikroskop, das der Lehrer beim Bildungsministerium beantragte, erreicht die Schule vor Putschbeginn nicht mehr. Der Lehrer Don Gregorio mit seiner Freiheitsliebe und seinen humanistischen Überzeugungen steht somit symbolisch für eine Art Versprechen, das dem Film zufolge durch die mit dem Putschbeginn über Spanien ›hereinbrechende‹ ›Barbarei‹ zunichte gemacht wurde und erst im heutigen demokratischen Spanien eingelöst werden konnte – wodurch das heutige Spanien als direkter Erbe der Zweiten Republik erscheint.434

beispielsweise ausschließlich mit dem Los des republikanischen Schulpersonals. Ausführlicher zum ›Nationalkatholizismus‹ s. kapitel 4.3.2.2. 432 Vgl. Archibald (2004), S. 81. Den Eindruck, dass sich die brutale Behandlung und Verfolgung ›Missliebiger‹, wie sie am Ende von Cuerdas Film zu sehen ist, in einer von der Gegenwart der spanischen Kinozuschauer weit entfernten Zeit zugetragen hat, unterstreicht am Filmende der Wechsel vom Farb- in den schwarz-weiß-Modus sowie das filmästhetische Mittel des freeze frame: Vgl. La lengua de las mariposas, 01:27:35 – 01:28:40. Diese Distanzierungseffekte führen den Zuschauern die Vorzüge des demokratischen ›Heute‹ umso deutlicher vor Augen, s. kapitel 6.3. 433 Vgl. ebd., 00:40:28 – 00:42:37; Archibald (2004), S. 81. 434 Vgl. Macciuci (2008).

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Während La Vanguardia »die frühe Enthauptung jenes republikanischen Spaniens«435 beklagt, bemängelt ABC, dass Cuerdas Film ins Nostalgische abgleite: »Konzeptuell bewegt sich Cuerdas Film auf demselben Gebiet wie das sehr romantische Kino, wenn er auf den typischen Satz verlorener und nostalgischer Lieben anspielt: was hätte sein können und nicht war.«436

Auch weitere Kritiker meinten, dass Cuerdas Film ein verklärendes Licht auf die zeithistorische Phase der Zweiten Republik wirft, was sie unter anderem an der weichgezeichneten, lichtdurchfluteten, ›goldenen‹ formalästhetischen Inszenierung der im äußersten Nordwesten in Spanien gelegenen, heutigen Autonomen Region Galicien festmachten.437 Neben Don Gregorios Klassenzimmer, ein eindeutig ›republikanischer Raum‹ – die republikanische Flagge hängt dort und der republikanische Bürgermeister des Ortes dankt Don Gregorio hier überschwänglich für sein Engagement –, übernimmt in La lengua de las mariposas die üppig grüne galicische Natur, in die Don Gregorio mit seinen Schülern und vor allem mit seinem Schützling Moncho wiederholt Ausflüge unternimmt, eine wichtige Funktion als Ort des Lernens.438 Nicht zufällig spielt La lengua de las mariposas größtenteils im Frühjahr, also in einer Zeit des Aufblühens und des Wachsens, wodurch der Kern der Filmhandlung – Monchos Initiationsprozess – unterstrichen wird. Jedoch verschleiern die idyllischen, von 435 Bonet Mojica, Llu†s: De la EspaÇa que no pudo ser al Dubl†n solidario de Anjelica Huston. In: La Vanguardia (24. 09. 1999), S. 57: »la temprana decapitaciûn de aquella EspaÇa republicana«. 436 ABC (24. 09. 1999), S. 82: »Como concepto, la pel†cula de Cuerda se mueve en ese mismo terreno que el cine muy rom‚ntico cuando alude a la frase t†pica de los amores perdidos y nost‚lgicos: lo que pudo haber sido y no fue.« 437 Vgl. ABC (24. 09. 1999), S. 82; ABC. Blanco y Negro (17. 10. 1999), S. 28; Smith (2000); Gûmez Lûpez-QuiÇones (2006), S. 227 sowie 230 f. Dabei ist die romantisierte Darstellung der zweifellos schönen Landschaft Galiciens sicherlich nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass es sich bei der Literaturadaption La lengua de las mariposas um eine finanziell, personell und geografisch primär in Galicien zu verortende Filmproduktion handelt. Cuerdas Bildästhetik weist zudem Parallelen auf zur poetischen Inszenierung der nordostspanischen Landschaft in Secretos del corazûn (Geheimnisse des Herzens; ES 1997). In diesem Film sieht sich ein Junge mit der ihm unverständlich erscheinenden Welt der Erwachsenen konfrontiert, die für die Werte und Moralvorstellungen der späteren FrancoDiktatur stehen. Ganz ähnlich lichtdurchflutet und grün wie in La lengua de las mariposas erschien drei Jahre später die nordspanische Landschaft in Uribes El viaje de Carol (Carols Reise; ES-PT 2002), dessen Handlung ebenfalls im Frühjahr einsetzt und sich um den Initiationsprozess eines in die Nähe des republikanischen Fortschrittstrebens gerückten Kindes dreht, das gleichzeitig als Perspektivträger des Geschehens fungiert. Antonio Gûmez Lûpez-QuiÇones beschäftigt sich eingehender mit den Ähnlichkeiten zwischen La lengua de las mariposas und El viaje de Carol: Vgl. Gûmez Lûpez-QuiÇones (2006), S. 217 – 213. 438 Vgl. ebd., S. 226.

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einer lieblich-melancholischen Filmmusik begleiteten Landschaftsbilder, dass Galicien eine der ärmsten Regionen Spaniens war und ist. »Poverty has rarely seemed so picturesque«439, meint der britische Hispanist und Filmwissenschaftler Paul Julian Smith. Einzig die antiquarischen schwarz-weiß Fotos, vor deren Hintergrund der Vorspann abläuft, bieten dem Zuschauer gleich zu Beginn des Films einen deutlicheren Einblick in das galicische Leben jener Zeit sowie eine Ahnung davon, wie mühselig es sich gestaltete.440 Die Zeit der Republik und vor allem ihre progressiven Bildungsideale werden in Cuerdas Film über die idyllischen Landschaftsaufnahmen hinaus mittels der narrativen Analogie zu einer ›unschuldigen‹, da kindlichen Phase des Wachstums gar als ›Paradies‹ dargestellt. In diesem Zusammenhang evoziert eine Szene, in der der kleine Moncho in einem Fluss auf seine Eva trifft, den Garten Eden.441 In einer anderen Sequenz wird Moncho dabei gezeigt, wie er in einen Apfel beißt, was überdeutlich auf den Sündenfall anspielt und eine direkte Analogie zwischen Republik und verlorenem Paradies ermöglicht.442 Die Hoffnungen, die in La lengua de las mariposas mit einer romantisiert inszenierten ›republikanischen‹ Phase des Heranwachsens einhergehen, werden denn auch jäh zerstört, was der gewalttätige Ausbruch des sonst so folgsamen jungen Protagonisten Monchos gegen Ende des Films vor Augen führt.443 Dies impliziere dem Literaturwissenschaftler Antonio Gûmez Lûpez-QuiÇones zufolge den Verlust einer Unschuld und Reinheit, die es so niemals gegeben habe.444 Ähnlich meinte die Tageszeitung ABC, in La lengua de las mariposas werde »dieses Gefühl eines ›republikanischen Paradieses‹«445 vermittelt, was den insgesamt überwiegenden »Manichäismus«446 in der Darstellung jener zeithistorischen Phase in dieser Produktion unterstütze.447 439 Smith (2000). 440 Darauf sind Bewohner Galiciens bei alltäglichen Beschäftigungen wie beim Wäsche waschen am Fluss, bei der Tieraufzucht, bei der Ernte oder am Hafen zu sehen: Vgl. La lengua de las mariposas, 00:00:12 – 00:02:06. In formalästhetischer Hinsicht nutzt somit auch La lengua de las mariposas, ähnlich wie zuvor Libertarias (ES-IT-BE 1996), eine Mischung aus schwarz-weiß-Archivbildern und fiktionalen, in den schwarz-weiß-Modus überführten Film-Stills, um darüber auf die vermeintliche ›Authentizität‹ der darauf folgenden Handlung zu verweisen: Vgl. Feenstra (2010), S. 107. S. Fußnote 244. 441 Vgl. ebd., S. 102. 442 Nicht zufällig kreist die sich direkt anschließende Sequenz um die Feierlichkeiten anlässlich des fünften Jahrestages der Ausrufung der Zweiten Republik: Vgl. La lengua de las mariposas, 00:51:41 – 00:53:30 sowie 00:53:30 – 00:55:25. 443 Dabei eröffnet das Ende des Films La lengua de las mariposas unterschiedliche Interpretationen, s. kapitel 4.3.2.1. 444 Vgl. Gûmez Lûpez-QuiÇones (2006), S. 230 f. 445 ABC. Blanco y Negro (17. 10. 1999), S. 28: »esa sensaciûn de ›para†so republicano‹«. 446 ABC. Blanco y Negro (17. 10. 1999), S. 28: »manique†smo«. 447 Vgl. ebd.

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In diesem Zusammenhang sei auf die Verwendung des Wortes ›manichäisch‹ hingewiesen, das in spanischen Rezensionen, die zeitgenössische Film- und TVProduktionen mit historischem Sujet besprechen, auffallend oft genutzt wird. Dabei hat die Feststellung, eine bestimmte Darstellung sei ›manichäisch‹, eine negative Konnotation, da sie ausschließlich zwei Seiten zeigt – die ›Guten‹ einerseits und die ›Bösen‹ andererseits – und somit auf eine deutliche Spaltung der spanischen Bevölkerung verweist. So beurteilt der spanische Filmhistoriker Jos¦ Mar†a Caparrûs Lera beispielsweise Jos¦ Luis Cuerdas Inszenierung der unmittelbaren Vorkriegszeit in La lengua de las mariposas als zu »manichäisch«448, und auch die Kritikerin Mirito Torreiro stößt sich an dieser filmischen Darstellung, die sich so stark an »Guten«449 einerseits und »Bösen«450 andererseits orientiere. ABC-Filmkritiker Eduardo Rodr†guez Marchante empfindet die nicht zuletzt Genre bedingte Typisierung in ›Gut‹ und ›Böse‹ in der in El laberinto del fauno (Pans Labyrinth; ES-MX 2006) dargestellten Nachkriegszeit als zu oberflächlich. Ideologisch sei Del Toros Film gar »infantil«451, da er eine simple Unterteilung in ›Sieger‹ und ›Besiegte‹ vornehme.452 Die von Kritikern erfolgende Bezeichnung einer Sicht auf die jüngere spanische Vergangenheit als ›nicht manichäisch‹ hingegen gilt als Lob, wie beispielsweise die Analyse von Silencio roto (Broken Silence; ES 2001) demonstriert.453 In diesem Sinne ist die Bewertung maniqueo ein Hinweis darauf, dass der Rezensent sich eine ambivalente, differenziertere Darstellung gewünscht hätte, die im spanischen Kontext allerdings oftmals gleichbedeutend zu sein scheint mit den Darstellungskonventionen einer auf der Formel des todos fuimos culpables basierenden Versöhnungsrhetorik: Eine derartige Darstellung erkennt zwar an, dass es auf ›beiden Seiten‹ Täter gab, löst dies aber in einem Symmetrieverhältnis auf, das verstellt, dass bestimmte Personen und Gruppierungen für Geschehnisse wie den Ausbruch des Bürgerkriegs bzw. die Repression der Nachkriegszeit verantwortlich gemacht werden können.

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Caparrûs Lera (2001), S. 67: »maniqueo«. Mirito Torreiro; zit. n.: Caparrûs Lera (2001), S. 67: »buenos«. Ebd.: »malos«. Rodr†guez Marchante, E.: La posguerra y el espejo rojo. In: ABC de Sevilla (13. 10. 2006), S. 65: »infantil«. 452 Vgl. ebd. Die ›manichäische‹ Inszenierung von ›Gut‹ und ›Böse‹ in dem Werk El laberinto del fauno des mexikanischen Regisseurs Del Toro dient einer glasklaren Abrechnung mit einer ›faschistisierten‹ franquistischen Täterfigur, wie sie in anderen fiktionalen Film- und TV-Produktionen spanischer Provenienz so bezeichnenderweise nirgendwo auftaucht. S. kapitel 5.2. 453 S. kapitel 4.2.1. Ähnlich lobte beispielsweise Kritiker Llu†s Bonet Mojica Libertarias (ESIT-BE 1996) als »berührend und keinesfalls manichäisch«: La Vanguardia (20. 04. 1996), S. 49: »emotivo y nada maniqueo«.

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Tatsächlich ist das Narrativ von La lengua de las mariposas eingebettet in einen grand r¦cit von Fortschritt vs. Reaktion, wodurch der Eindruck entstehen kann, hier werde die verkürzende Formel einer symmetrisch auf ›extreme‹ Vertreter der ›zwei Spanien‹ verteilten Schuld bedient.454 Galicien lässt sich zu Vorkriegszeiten zweifelsfrei dem ländlich-provinziellen, »tiefen Spanien« (span.: EspaÇa profunda) zurechnen, das noch traditioneller Ordnung verhaftet war: eine von strengen Regeln beherrschte, durch alte Sitten und Gebräuche zusammengeschweißte Welt, zudem stark geprägt von einer konservativen Spielart des Katholizismus, mit der die Furcht vor sozialem Wandel und die Identifikation mit einer hierarchisch gegliederten Weltordnung einherging.455 Dem gegenüber steht in La lengua de las mariposas eine Zweite Republik, die als Ort verschiedenster Feierlichkeiten präsentiert wird; sie hinterlässt einen ›sorglosen‹ Eindruck. Zunächst amüsiert sich ein Großteil der Bewohner des Dorfes, in dem sich die Handlung vollzieht, beim Karneval – ein Fest, das als populärer und enthemmter Akt einer laizistischen Gesellschaft gilt.456 Später dann reisen der junge Protagonist Moncho und sein Bruder als Mitglieder einer Tanzkapelle zu einem Fest in ein benachbartes Dorf, wo Artisten und ein wahrsagender Clown auftreten.457 Den fünften Jahrestag der Proklamation der Republik am 14. April feiern die republikfreundlichen Familien aus Monchos Heimatdorf zusammen am Fluss und singen dabei die Himno de riego – allerdings eine populäre, satirisch abgewandelte Version.458 Entsprechend meint Caparrûs Lera, in Cuerdas Film »werden die verrückten, ›glücklichen‹ und progressiven dreißiger Jahre der Zweiten Republik beschworen«459. Nicht zufällig ereilt den Clown ebenso wie den Kapellmeister des Tanzorchesters, in der Monchos Bruder spielt, gegen Filmende das gleiche Schicksal wie den Sympathieträger des Films, den Lehrer Don Gregorio: Als Repräsentanten »eines Lebensstils, der von traditionellen Werten weit entfernt ist«460, verkörpern sie die Werte einer ›dekadenten‹, laizistischen Republik und werden allesamt zur Hinrichtung abgeführt.461 454 455 456 457 458 459 460 461

Vgl. Jünke (2007), S. 223. Vgl. Graham (2008), S. 19. Vgl. La lengua de las mariposas, 00:35:05 – 00:39:18; Crusells (2006), S. 307. Vgl. La lengua de las mariposas, 00:57:19 – 00:58:56 sowie 01:03:04 – 01:06:02. Eine weitere ›exotische‹ Komponente stellt in diesem Nachbarort die junge Frau des Bürgermeisters dar : eine Chinesin. Vgl. ebd., 00:53:30 – 00:55:25. Caparrûs Lera (2001), S. 67: »se evocan los locos aÇos treinta, ›felices‹ y progresistas de la II Repfflblica«. Crusells (2006), S. 307: »de un tipo de vida alejada de los valores tradicionales«. Vgl. La lengua de las mariposas, 01:24:18 – 01:27:10. Auch in der TV-Serie 14 de abril. La Repfflblica (dt.: »14. April, die Republik«; TVE/La 1, erste Staffel 24.01. – 18. 04. 2011) finden sich Darstellungen einer gleichzeitig avantgardistischen wie ›dekadenten‹ Zweiten Republik, besonders deutlich anhand der fiktionalen Burlesque-Bar El Alem‚n mit ihrer trinkenden und rauchenden Chefin Amparo. ›Dekadenz‹ habe Spanien franquistischer Pro-

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Wegen seines Berufs, der einen Teil der transformativen Stoßrichtung des linksrepublikanischen Projekts bildet, und seiner humanistischen Überzeugungen gerät Don Gregorio ohne eigenes aktives Zutun mit unterschiedlichen erzkonservativen Vertretern der dörflichen Institutionen aneinander. So steht der cacique dem progressiv-liberalen Gedankengut des Dorflehrers ablehnend gegenüber, stellt es doch eine Gefahr dar für den gewohnten Lauf der Dinge und somit für seinen bisherigen Einflussbereich. Bei den Wahlen im Februar 1936 hatten in Galicien die durch das Parteienbündnis CEDA repräsentierten katholischen Rechtskonservativen die Mehrheit der Stimmen erhalten; die bäuerliche Bevölkerung, die die Mehrheit der galicischen Bevölkerung stellte, wie auch die Mittelschicht in den Provinzstädten lehnte die Säkularisierungspolitik der Republik mehrheitlich ab.462 Die linksrepublikanische Regierung hatte die Trennung von Staat und Kirche veranlasst, so beispielsweise ein Gesetz erlassen, das religiöse Symbole in öffentlichen Gebäuden verbot.463 Dies sollte den Konservativen noch lange als das Provozierendste in Erinnerung bleiben, was zu Zeiten der Republik geschah. Insgesamt betrachtet, scheiterte die wohlgemeinte Bildungsreform weniger an finanziellen Engpässen denn an den Auseinandersetzungen über derartige Verordnungen.464 Bis zum Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs im Juli 1936 gelang es den linksrepublikanischen Regierungen nicht, Ordensleute komplett aus dem Schulunterricht zu verdrängen.465 Dennoch waren die Proteste des Klerus enorm: Geistliche sahen sich nicht nur in der Ausübung ihres Glaubens eingeschränkt, sondern in ihren Privilegien und Wirkungsbereichen beschnitten.466 Auch mit dem Dorfpriester gerät Don Gregorio deshalb ohne eigenes Zutun aneinander, was Regisseur Cuerda in La lengua de las mariposas über einen aussagekräftigen verbalen Schlagabtausch inszeniert, der sich um den jungen Protagonisten des Films, Moncho, dreht:

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paganda zufolge vermeintlich jahrhundertelang korrumpiert. Die ›Notwendigkeit‹ einer militärischen Intervention liegt infolge dieser Sichtweise in dem Befördern einer kathartischen ›Wiedergeburt‹ der spanischen Nation begründet: Vgl. Aguilar Fern‚ndez (2003), S. 16. Vgl. Graham (2008), S. 19 und 43. Vgl. Romero Salvadû (2005), S. 33. Vgl. Alvarez Junco (1995), S. 51. Noch 2008 vermochte ein sogenanntes ›Kruzifix-Urteil‹ beträchtliche öffentliche Kontroversen hervorzurufen. Dies war in Spanien immerhin ein knappes Jahr vor dem Straßburger ›Kruzifix-Urteil‹ gefällt worden, in dem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte befand, dass Kruzifixe in Klassenzimmern gegen die europäische Menschenrechtskonvention verstoßen: Vgl. o. V.: Kritik am Straßburger Kruzifix-Urteil. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung (05. 11. 2009), www.faz.net (20. 02. 2012); Vgl. Jäger (2010), S. 27 f. Vgl. Romero Salvadû (2005), S. 33; Graham (2008), S. 30. Wobei allerdings ebenfalls der Mangel an geeignetem Personal eine gewisse Rolle gespielt haben dürfte. Vgl. Graham (2008), S. 24.

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Priester [zu Moncho]: »RamonciÇo, komm hierher.« [Zum Lehrer] »Schauen Sie sich das gut an, Don Gregorio.« [Zu Moncho] »Zum Altare Gottes will ich treten.« Moncho: »Zu Gott, der mich erfreut von Jugend auf.« Priester : »Christe, Du Lamm Gottes, der du trägst die Sünd’ der Welt.« Moncho: »Bete für uns.« Priester : »Christe, Du Lamm Gottes, der du trägst die Sünd’ der Welt.« Moncho: »Bete für uns.« Priester : »Christe, Du Lamm Gottes, der du trägst die Sünd’ der Welt.« Moncho: »Ich weiß nicht, wie viel Mal wir schon haben…« Priester [zu Don Gregorio]: »Sehen Sie, Don Gregorio? Er kriegt das ›Gib uns deinen Frieden‹ nicht heraus.« Don Gregorio: »Ich wusste nicht, dass er Messdiener werden sollte.« Priester : »Messdiener werden sollte! Kaum beginnt er mit der Schule, verdrehen sich seine Interessen: ein- und dasselbe.« Don Gregorio: »Sie deuten ja wohl nicht an, dass ich dafür verantwortlich bin.« Priester : »Ich deute gar nichts an, Don Gregorio. Aber Fakten sind Fakten.« Don Gregorio: »Verstehen Sie doch: Der Junge war all diese Jahre eingesperrt. Es ist normal, dass er sich für alles interessiert, jetzt, wo er zum Leben erwacht!« Priester : »Ja, jetzt geht mir ein Licht auf. Nidos tepentes absiliunt aves! Die Vögel verlassen die Wärme des Nestes!« Don Gregorio: »Libertas virorum fortium pectora acuit. Die Freiheit stärkt den Geist der starken Männer.«467

Während Don Gregorio für die Freiheit des Denkens plädiert, legt der Priester Wert auf auswendig gelernte Passagen der katholischen Liturgie. Darüber hinaus kann er die Tatsache schlecht hinnehmen, dass er seinen Einfluss auf Moncho verloren hat. Die Allianz wiederum zwischen der katholischen Kirche, personifiziert durch den Priester, der wirtschaftlichen Macht, repräsentiert durch den örtlichen cacique, und den Ordnungsmächten, im Film wiederholt in Form der guardia civil verkörpert, wird in La lengua de las mariposas mehrfach deutlich als die 467 La lengua de las mariposas, 00:17:45 – 00:19:10: Priester : »RamonciÇo, ven aqu†.« »Mire Usted bien esto, Don Gregorio.« »Introibo ad altare Dei.« Moncho: »Ad Deum qui laetificat iuventutem meam.« Priester: »Agnus Dei qui tollis peccata mundi.« Moncho: »Ora para nobis.« Priester : »Agnus Dei qui tollis peccata mundi.« Moncho: »Ora para nobis.« Priester: »Agnus Dei qui tollis peccata mundi.« Moncho: »Es que no me acuerdo cu‚ntas veces llevamos…« Priester : »¿Ve Usted, Don Gregorio? No le sale el Dona nobis pacem.« Don Gregorio: »No sab†a que iba para monaguillo.« Priester : »¡Iba para monaguillo! Usted lo ha dicho. Empezar a ir a la escuela y torc¦rsele el inter¦s, todo ha sido uno.« Don Gregorio: »No estar‚ Usted insinuando que soy el responsable.« Priester : »Yo no insinfflo nada, Don Gregorio. Pero los hechos son los hechos.« Don Gregorio: »Compr¦ndalo: el chico ha estado todos estos aÇos encerrado. ¡Es natural que al despertar a la vida se interese por todo!« […] Priester: »Ya, ya lo veo. ¡Nidos tepentes absiliunt aves! ¡Saltan las aves del calor de los nidos!« Don Gregorio: »Libertas virorum fortium pectora acuit. La libertad estimula el esp†ritu de los hombres fuertes.«

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Kraft in Szene gesetzt, die dem Modernisierungsprojekt der Republik feindlich gegenüber stand. Gepaart mit einer als unberechenbar gezeichneten, aggressiven Täterfigur, wie sie in Cuerdas Film O’Lis darstellt, wird die Zweite Republik somit zur Keimzelle unweigerlich ausbrechender ›animalischer‹ Brutalität mit reaktionärer Stoßkraft, die im Gegensatz steht zur friedlich-idyllisch inszenierten Republik als ›Ort des Lernens‹. Dabei wird über die Figur O’Lis nochmals die Diskrepanz zwischen affektgesteuertem Verhalten einerseits und rationalem Denken andererseits deutlich transportiert: O’Lis ist ein junger Arbeiter, der sich von seinen Trieben leiten lässt und Zeit seines Lebens nur wenig in den Genuss von Bildung gekommen zu sein scheint, kann er doch offensichtlich kaum lesen.468 Gegen Filmende ist er einer der ersten, der das falangistische Blauhemd trägt, er beteiligt sich an vorderster Reihe an der Demütigung und dem anschließenden Abtransport zur Exekution von ›Republiknahen‹. Als eine »sorte de fasciste naturel«469 personifiziert O’Lis das, was Don Gregorio seinem Schützling Moncho an anderer Stelle zu erklären versuchte: In den Menschen existiere eine atavistische Form der Gewalt; der Mensch selbst sei des Menschen Wolf.470 Überhaupt vermischen sich in der Nebenfigur O’Lis die Grenzen zwischen Mensch und Tier, wie zuvor schon bei den ›Mauren‹ in Libertarias (Freedomfighters; ES-IT-BE 1996) und im Allgemeinen bei den Täterfiguren, die das spätere franquistische Regime repräsentieren.471 In dem Hund seiner Geliebten CarmiÇa, der auf ihr Verlangen hin ihren sexuellen Begegnungen beiwohnt, sieht O’Lis bezeichnenderweise einen Konkurrenten, was letztlich darin mündet, dass er ihn auf brutale Art und Weise abschlachtet.472 Mit seinem aufbrausenden Temperament, seiner unberechenbaren ›Leidenschaft‹ säht er ein Klima der Unsicherheit und erweckt den Eindruck einer tickenden Zeitbombe,

468 Vgl. La lengua de las mariposas, 00:19:10 – 00:19:44. Entsprechend sieht der ABC-Filmkritiker Rodr†guez Marchante den Konflikt in La lengua de las mariposas als einen zwischen Instinkt und Ratio: Vgl. ABC (24. 09. 1999), S. 82. Noch 1931 lag die Analphabetismusrate in Spanien bei 40 %: Vgl. Alvarez Junco (1995), S. 50. 469 Nûvoa (2009), S. 91. 470 Vgl. La lengua de las mariposas, 00:53:13 – 00:54:10; Macciuci (2008). 471 S. kapitel 2.2 und kapitel 4.3.1. In La lengua de las mariposas gibt es eine weitere Figur, mittels derer die Grenzen zwischen Mensch und Tier vermischt werden: Boal, der Bürgermeister eines benachbarten kleinen Ortes, der in einem dunklen Stall haust und direkt neben seinen Tieren zu Abend isst. Auch Monchos Verhalten gegen Filmende bezeichnet ABC-Kritiker Rodr†guez Marchante als »traurig in seiner Animalität« (ABC (24. 09. 1999), S. 82: »triste en su animalidad«); ein Adjektiv, das den jungen Protagonisten in die Nähe einer Täterfigur rückt, s. kapitel 4.3.2.1. 472 O’Lis spießt den Hund mit einem lanzenählichen langen Stock auf: Vgl. La lengua de las mariposas, 01:16:50 – 01:18:00. Im selben Film uriniert ein Junge auf eine Grille und ertränkt sie somit: Vgl. ebd., 00:48:12 – 00:48:29. Die Gewalt gegen Tiere wird hier zum Vorspiel des brachialen Abschlachtens unter Menschen, s. Fußnote 254.

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die am Ende der Filmhandlung folgerichtig explodiert.473 Diese Figur dient somit als Symbol für die zunehmend ›unkontrollierte‹ Gewalt ›radikaler‹ Vertreter des ›einen‹, reaktionären Spaniens im republikanischen Spanien kurz vor dem Putsch. Während die Vertreter der erzkonservativen Allianz in La lengua de las mariposas letztlich vor dem Einsatz von Gewalt allesamt nicht zurückschrecken, ist Don Gregorio zwar progressiv-liberal in seiner Einstellung, jedoch gleichzeitig friedliebend. Cuerdas Film, besonders dessen Ende – der Film schließt mit der gewaltsamen ›Machtübernahme‹ der Putschisten –, stellt daher vergleichsweise deutlich heraus, mit wem die Gewalt in das als ländliches Idyll inszenierte Galicien Einzug hielt.474 Dabei wird in diesem filmischen Fall ausnahmsweise kein Pendant auf ›republikanisch‹ konnotierter Seite konstruiert, das den Gepflogenheiten des simplifizierenden Erklärungsmusters der ›zwei Spanien‹ Genüge täte: Anders als zuvor bei Libertarias (ES-IT-BE 1996) rücken in La lengua de las mariposas neben den Aufständischen keine gewalttätigen Antiklerikalen in den Blick, sondern eine ›gemäßigte‹ Lehrerfigur,475 die sich am ehesten als Vertreter einer Art ›Drittes Spanien‹ beschreiben ließe.476 Dies macht La lengua de las mariposas zu einem seltenen massenkompatiblen audiovisuellen Beispiel spanischer Provenienz, das aus der üblichen todos fuimos culpables-Sicht auf den Ausbruch des Bürgerkriegs ausschert und die Verantwortlichen vergleichsweise deutlich ins Licht rückt. Zudem zeigt Cuerdas Film am Ende – auch dies keine Selbstverständlichkeit –, dass die Aufständischen mit der Unterstützung von Teilen der spanischen Zivilbevölkerung rechnen konnten.477

473 Eine Figurenzeichnung, die der des Pförtners Jacinto in El espinazo del diablo (Das Rückgrat des Teufels; ES-MX 2001) nicht unähnlich ist, wo die Analogie zu einer ›tickenden Bombe‹ auf der Bildebene deutlich gezogen wird, s. kapitel 4.3.1. 474 Den äußersten Nordwesten Spaniens, wo Galicien liegt, kontrollierten die Aufständischen bereits Ende Juli 1936 komplett: Vgl. Thompson (2005); Schauff (2006), S. 79. 475 S. kapitel 2.2. Auch in dem Kinospielfilm Visionarios (Visionaires; ES-FR 2001) gibt es eine progressive Lehrerfigur, die Anfeindungen der Dorfbewohner ausgesetzt ist und letztlich von einigen von ihnen umgebracht wird. Den Hass der Dorfbewohner zieht der Lehrer hier allerdings vor allem deshalb auf sich, weil er die linksrepublikanische Gesetzgebung, die religiöse Symbole in öffentlichen Gebäuden verbietet, offensiv befürwortet. 476 S. kapitel 6.3. 477 S. kapitel 6.2.

Die republikanische Ära in 14 de abril. La República

3.3

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Mit eigenständiger Bedeutung: Die republikanische Ära in 14 de abril. La República

»Wir haben versucht, originell zu sein und die II. Republik nicht wie eine Rutsche zum Bürgerkrieg zu behandeln, sondern als das, was sie war.«478

Die Handlung der Fernsehserie 14 de abril. La Repfflblica (dt.: »14. April. Die Republik«), die zwischen 24. Januar und 18. April 2011 jeden Montag um 22.15 Uhr, also zur spanischen Primetime, auf La 1 ausgestrahlt wurde, vollzieht sich dezidiert zu Zeiten der Zweiten Republik. Dies stellt eine bemerkenswerte Neuerung in der Herangehensweise an die Thematik dar, fokussierten Kinospielfilme wie La lengua de las mariposas (Butterfly Tongues; ES 1999) oder Fernsehserien wie Amar en tiempos revueltos (dt.: »Liebe in aufgewühlten Zeiten«; TVE/La 1, 2005 – 2012) doch lediglich die Endphase der republikanischen Ära. Der ersten Staffel der Serie 14 de abril. La Repfflblica dient das titelgebende Datum der Ausrufung der Zweiten Republik 1931 hingegen als Ausgangspunkt für dreizehn etwa eineinviertelstündige Folgen, deren letzte im September 1932 spielt, dem Zeitpunkt der Verkündung des linksrepublikanischen Gesetzes zur Agrarreform.479 Eine siebzehnteilige zweite Staffel wurde angesichts des großen Zuspruchs, auf den die Serie beim spanischen Fernsehpublikum stieß,480 bereits im Sommer desselben Jahres 2011 produziert und deckt einen Handlungszeitraum von September 1932 bis zum 18. Juli 1936 ab.481 478 Ýngel Bahamonde; zit. n.: Ponce, Roc†o: »La gente no tiene ni puÇetera idea de nuestra Historia.« In: El Pfflblico (23. 03. 2011), www.publico.es (20. 02. 2012): »Hemos intentado ser originales y no tratar a la II Repfflblica como un tobog‚n hacia la Guerra Civil, sino por lo que fue.« 479 Das Ley de Reforma Agraria ging so weit, die Enteignung großer agrarischer Güter gegen Entschädigung anzuordnen. Die Regierung AzaÇa ließ jedoch keinen großen Eifer erkennen, die gesetzlichen Verordnungen in die Tat umzusetzen, was die Unzufriedenheit vieler armer Bauern und Landarbeiter nach sich zog, auf die die Ländereien eigentlich hätten verteilt werden sollen: Vgl. Romero Salvadû (1999), S. 74 f.; Godicheau (2005), S. 215. 480 Laut rtve.es schauten knapp vier Mio. Zuschauer die fünfte Folge der ersten Staffel und auch die betont ›linke‹ spanische Tageszeitung El Pfflblico beziffert die Anzahl der Zuschauer Ende März 2011 immerhin auf 3,5 Mio., was einem Marktanteil von 16,7 % entspricht: Vgl. 14 de Abril. La Repfflblica – Web Oficial – RTVE.es, www.rtve.es (20. 02. 2012); El Pfflblico (23. 03. 2011). El Pfflblico stellt seit September 2007 eine Konkurrenz für die gemäßigt-linke, PSOE-nahe El Pa†s dar: Vgl. Wandler, Reiner : Ein neuer Versuch. In: Die Tageszeitung (27. 09. 2007), www.taz.de (20. 02. 2012); Reig (2009), S. 78. 481 Vgl. ABC (30. 08. 2011). Die Verantwortlichen bei TVE ließen sich im Sommer 2011 die Option offen, die Handlung von 14 de abril. La Repfflblica auch über den Zeitpunkt des Ausbruchs des Bürgerkriegs hinaus bis 1939 auszudehnen, was der Titel der Serie durchaus zulasse: Vgl. o. V.: TVE no teme »suspicacias« en el regreso de 14 de abril. La Repfflblica. In: ABC (30. 08. 2011), www.abc.es (20. 02. 2012); Cuatro nuevos personajes y m‚s conflictos en la segunda y fflltima temporada de ›14 de abril. La Repfflblica‹ (30. 08. 2011), www.rtve.es (20. 02. 2012). Dies entspräche dann einem Handlungszeitraum, den die ebenfalls auf La 1

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Virginia Yagüe, die Drehbuchautorin der Serie, bezeichnete den Zeitraum der Zweiten Republik bei Anlaufen der ersten Staffel von 14 de abril. La Repfflblica als »ein wenig behandelter und äußerst anregender Zeitabschnitt der Geschichte«482, woraus eine »erzählerische Schuld«483 resultiere. Der historische Berater der Serie, Ýngel Bahamonde, Professor für Zeitgeschichte an der Universidad Carlos III de Madrid, konstatiert angesichts der Tatsache, dass die Zeitphase der Zweiten Republik im spanischen Kino und Fernsehen bisher kaum zur Darstellung gelangte, gar ein »Defizit in unserer filmischen Erinnerung«484. Dies begründet einer seiner Kollegen damit, dass es sich bei dieser Periode der spanischen Zeitgeschichte um ein »Wespennest«485 handle, das Film- und Fernsehmacher vorzögen zu vermeiden. Die Macher von 14 de abril. La Repfflblica hingegen scheuen sich nicht, diese bisher von populärkulturellen audiovisuellen Darstellungen weitgehend ausgeklammerte Periode der Zeitgeschichte anzugehen. Mit ihrer Serie treten sie darüber hinaus einer PrologLesart der Zweiten Republik, die sie als einen direkten Weg in die ›Katastrophe‹ des Bürgerkriegs diskreditiert, dezidiert entgegen. Die Zweite Republik wird in 14 de abril. La Repfflblica stattdessen als historische Phase mit eigenständiger Bedeutung und fortschrittlicher Ausrichtung inszeniert. Dies kommt letztlich einer maßgeblichen Aufwertung dieser Epoche gleich und bricht mit der noch im Spätfranquismus wurzelnden ›tragischen‹, deterministischen Lesart der jüngeren spanischen Vergangenheit. Wie es Professor Bahamonde ausdrückt: »Wir haben versucht, originell zu sein und die II. Republik nicht wie eine Rutsche zum Bürgerkrieg zu behandeln, sondern als das, was sie war.«486 Er betont zudem: »Der Konflikt wäre vielleicht nicht unausweichlich gewesen«487.

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ausgestrahlte TV-Serie Amar en tiempos revueltos bereits in ihrer ersten Staffel 2005/06 abdeckt – allerdings nicht ohne Raum für Vertiefungen zu bieten: Nur fünf Folgen von insgesamt 199 spielen während des Bürgerkriegs. Virginia Yagüe; zit. n.: Bracero, Francesc: La 1 de TVE estrena la ambiciosa serie 14 de abril. La Repfflblica. In: La Vanguardia (24. 01. 2011), www.lavanguardia.com (20. 02. 2012): »un per†odo de la historia poco abordado y absolutamente sugerente«.Vgl. Red.: La 1 adelanta al lunes el estreno de 14 de abril. In: La Vanguardia (21. 01. 2011), www.lavanguardia.com (20. 02. 2012). Virginia Yagüe; zit. n.: La Vanguardia (24. 01. 2011): »deuda narrativa«. Vgl. »La serie ›14 de abril. La Repfflblica‹ es una historia de sentimientos y humanidad« (20. 01. 2011), www.rtve.es (20. 02. 2012). Ýngel Bahamonde; zit. n.: Charla de los internautas con El coordinador y el colaborador del libro ›14 de abril. La Repfflblica‹ (30. 03. 2011), http://encuentrosdigitales.rtve.es (20. 02. 2012): »d¦ficit de nuestra memoria f†lmica«. Juan Carlos S‚nchez; zit. n.: ebd.: »avispero«. Ýngel Bahamonde; zit. n.: El Pfflblico (23. 03. 2011): »Hemos intentado ser originales y no tratar a la II Repfflblica como un tobog‚n hacia la Guerra Civil, sino por lo que fue.« Ýngel Bahamonde; zit. n.: Vilches, Isabel: La ficciûn salta a las p‚ginas del libro. In: El Mundo (25. 03. 2011), www.elmundo.es (20. 02. 2012): »[N]o es cierto que fuese inevitable la contienda«.

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Neben erinnerungspolitischen Erwägungen dürfte die Entstehung von 14 de abril. La Repfflblica jedoch nicht zuletzt der Tatsache geschuldet sein, dass ihr eine ganz bestimmte, mit über 4 Mio. Zuschauern sehr erfolgreiche und auf dem gleichen Sendeplatz ausgestrahlte TV-Serie voran ging: La SeÇora, die von März 2008 bis Januar 2010 insgesamt drei Staffeln umfasste.488 Die Handlung von La SeÇora setzt 1920 in Asturien ein und endet mit dem gewaltsamen Tod ihrer Protagonistin am 14. April 1931, vollzieht sich also überwiegend im ländlichen Spanien der Militärdiktatur Miguel Primo de Riveras.489 14 de abril, La Repfflblica wurde offiziell als Sequel zu La SeÇora präsentiert,490 was dem Willen der Produzenten Ausdruck verleiht, eine entsprechende Zuschauerschaft weiterhin an La 1 zu binden. Vor allem aber dürfte diese Entscheidung der Tatsache geschuldet sein, dass Vertreter des La SeÇora-Publikums ihren Missmut über das Aus dieser Serie in nicht gerade geringem Ausmaß kundgetan hatten.491 Eine Kontinuität zwischen diesen beiden gleichermaßen auf La 1 ausgestrahlten fiktionalen Produktionen wurde neben dem direkten chronologischen Anschluss – eben der 14. April 1931 – dadurch hergestellt, dass die Macher einige Figuren aus La SeÇora übernahmen und in die Handlung von 14 de abril. La Repfflblica inkorporierten.492 Darüber hinaus wurde 14 de abril. La Repfflblica wie zuvor schon La SeÇora von Jaume Banacolocha und der unabhängigen Firma Diagonal TV produziert. Jordi Frades führte bei beiden Produktionen Regie, während Virginia Yagüe für die Argumentationslinie beider Serien gleicher-

488 La SeÇora versammelte mit ihrer letzten Folge gar 5,2 Mio. Zuschauer vor den Bildschirmen: Vgl. ›14 de abril. La Repfflblica‹, una gran historia de amores imposibles en el agitado Madrid de 1931 (26. 11. 2010), www.rtve.es (20. 02. 2012). Ausführlicher zum Aufschwung heimischer fiktionaler TV-Serien, deren Auftakt im September 2001 Cu¦ntame cûmo pasû (dt.: »Erzähl mir, wie es war«; TVE/La 1) markierte, s. unter kapitel 4.1.2. 489 Auch Miguel Primo de Rivera, Vater des späteren Falange-Gründers Jos¦ Antonio Primo de Rivera, putschte sich an die Macht und installierte mit Hilfe des Militärs von 1923 bis 1930 ein autoritär-konservatives Regime in Spanien, das in einzelnen Aspekten als Vorläufer der Franco-Diktatur gelten kann: Vgl. Herold-Schmidt (2002), S. 390 – 398. 490 Vgl. »La serie ›14 de abril. La Repfflblica‹ es una historia de sentimientos y humanidad« (20. 01. 2011), www.rtve.es (20. 02. 2012); ›14 de abril. La Repfflblica‹, una gran historia de amores imposibles en el agitado Madrid de 1931 (26. 11. 2010), www.rtve.es (20. 02. 2012). 491 Vgl. ¿Qu¦ te ha parecido el final? (18. 01. 2010), www.rtve.es (20. 02. 2012); »Me sabe muy mal que la gente se lo tome as†, el final lo hemos hecho con todo el cariÇo« (21. 01. 2010), www.rtve.es (20. 02. 2012). 492 Neben der Figur der Encarna Alc‚ntara, gespielt von Luc†a Jim¦nez, beispielsweise auch der Militär Hugo de Viana (Raul PeÇa), der Anarchist Ventura (Fernando Cayo) oder das Hausmädchen Ludi (Mûnica Vedia): Vgl. La Vanguardia (24. 01. 2011); ›14 de abril. La Repfflblica‹, una gran historia de amores imposibles en el agitado Madrid de 1931 (26. 11. 2010), www.rtve.es (20. 02. 2012). Zu Luc†a Jim¦nez s. auch kapitel 4.2.1, zu Encarna s. Fußnote 961.

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maßen verantwortlich zeichnete und Ýngel Bahamonde in beiden Fällen als historischer Berater fungierte.493 Im Mittelpunkt der Handlung von 14 de abril. La Repfflblica stehen jedoch neue Figuren, allen voran die Mitglieder einer großbürgerlichen madrilenischen Familie, die De la Torres.494 Neben Madrid als Handlungsort vollzieht sich die Handlung auf dem Land, wo die De La Torres ein Gutshaus besitzen, was dazu dient, die Konflikte rund um die republikanische Agarreform zu thematisieren. Den Kern der Handlung bildet zwar – wie es die Vorankündigung zur Serie formuliert und wie es ebenso auf Amar en tiempos revueltos und La SeÇora zutrifft – genrebedingt eine Geschichte »unmöglicher Liebschaften, die von einer Epoche konditioniert werden«495. Über diesen narrativen Schwerpunkt hinaus gelangen jedoch Gegebenheiten, Entwicklungen, Ansichten und Konflikte zur Darstellung, die die historische Phase der Zweiten Republik prägten. Ein besonderer Schwerpunkt liegt hierbei darauf, die sozialen Gegensätze der republikanischen Ära aufzuzeigen: einerseits den Überfluss, in dem die De la Torres leben, andererseits den Mangel, der das Leben gesellschaftlich beträchtlich weniger gut Situierter kennzeichnet, wie beispielsweise der jornaleros (dt.: »Tagelöhner«). Die Protagonisten der Serie gehören – wie aus Amar en tiempos revueltos bekannt – jeweils anderen sozialen Milieus an, was auf den ersten Blick dem althergebrachten Schema der ›zwei Spanien‹ entspricht: Der Protagonist Fernando de la Torre wird zunächst als konservativ geprägter, verwöhnter Bonvivant inszeniert, während Alejandra Prado aus ärmlichen Verhältnissen stammt und sich im Zuge der republikanischen Agrarpolitik stets mehr für eine Enteignung der De La Torres einsetzt.496 Doch setzt das Seriennarrativ beide Protagonisten vielmehr als ›gemäßigte‹ Repräsentanten der de493 Jaume Banacolocha und Diagonal TV hatten zuvor schon mit großem Erfolg die TV-Serie Amar en tiempos revueltos (2005 – 2012) für TVE produziert, für die Bahamonde bereits beratend tätig gewesen war, s. kapitel 4.1.2. 494 Patriarch Agust†n de la Torre wird verkörpert von dem beliebten Schauspieler H¦ctor Colom¦, dem zuvor eine ganz ähnliche Rolle in Amar en tiempos revueltos (TVE/La 1, 2005 – 2012) zukam, wo er in der ersten Staffel den Vater der Protagonistin Andrea, Don Fabi‚n, verkörperte: Vgl. 14 de abril. La Repfflblica – H¦ctor Colom¦ y Cristina de Inza (21. 01. 2011) www.rtve.es (20. 02. 2012). Diese Kontinuität in der Verpflichtung bekannter Seriengesichter wird interessierten Zuschauern in aller Ausführlichkeit und Breite mittels Nachrichten und Videozusammenschnitten auf den entsprechenden RTVE-Websites mitgeteilt und präsentiert. Vereinzelt stehen die Schauspieler den Surfern hier auch für Fragestunden zur Verfügung: Vgl. Charla de los internautas con el actor de ›La SeÇora‹ (20. 06. 2008), http://encuentrosdigitales.rtve.es (20. 02. 2012). 495 ›14 de abril. La Repfflblica‹, una gran historia de amores imposibles en el agitado Madrid de 1931 (26. 11. 2010), www.rtve.es (20. 02. 2012): »amores imposibles condicionados por una ¦poca«. Eine Umschreibung, die eine Opferrhetorik deutlich erkennen lässt, s. kapitel 6.1. 496 Alejandra wird verkörpert von der jungen spanischen Schauspielerin Verûnica S‚nchez, die zuvor unter anderem in dem Kinospielfilm Las 13 rosas (13 Roses; ES-IT 2007, s. kapitel 4.1.3) für eine der Hauptrollen besetzt wurde.

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mokratischen Zweiten Republik in Szene, eines ›Dritten Spaniens‹ also.497 Sie sind um Ausgleich zwischen radikalen Vertretern der ›Extreme‹ auf ›beiden Seiten‹ bemüht, geraten dadurch letztlich ›zwischen die Fronten‹ und fallen deren Gewalt zum Opfer. Dies symbolisiert beispielsweise Alejandras Bruder Jesffls, der in der letzten Folge der ersten Staffel während einer zunehmend aufbrausenden Auseinandersetzung zwischen jornaleros und guardias civiles, die nicht nur er, sondern auch seine Schwester und Fernando einzudämmen versuchen, von einem der guardias angeschossen wird. Allerdings hatte zuvor ein gewaltbereiter jornalero einen guardia civil angegriffen.498 Über dieses Beispiel hinaus folgt die erste Staffel der Serie 14 de abril. La Repfflblica durchweg der Darstellungskonvention, dass es ›extreme‹ Haltungen auf ›beiden Seiten‹ gab,499 was in bewährter Manier ein symmetrisches Aufteilen der Schuld am Niedergang der Republik suggeriert, während dem ›zivilisierten Volk‹ in seiner Gesamtheit eine Opferrolle zukommt – eine Lesart, die sich deutlich in folgender Äußerung des historischen Beraters Bahamonde widerspiegelt: »Die Republik jedoch hat man nicht in Frieden leben lassen, sowohl seitens der Rechten, als auch, warum es nicht aussprechen, seitens des Anarchismus und einiger kindisch revolutionärer Bereiche der Linken.«500

»Selbstverständlich haben wir die manichäische Vorstellung von Guten und Bösen vermieden«501 beteuert Bahamonde ferner, wobei er im gleichen Atemzug konzediert: »Aber es ist unmöglich, keine tiefe Ergriffenheit für die Männer und Frauen zu spüren, die versuchten, ein anderes und gerechteres Spanien aufzubauen.«502 Auf die Frage eines Internet-Surfers hin, der unter dem bezeichnenden Pseudonym »RepublikOderMonarchieReferendumSofort«503 firmiert, ob die transiciûn im Königreich Spanien beendet sei, scheute sich Bahamonde nicht zu antworten: »Vielleicht wird es in einer sehr fernen Zukunft, die ich wahr497 S. hierzu auch die Ausführungen zu Don Gregorio unter kapitel 3.2 sowie kapitel 6.3. 498 Vgl. 14 de Abril. La Repfflblica – Cap†tulo 13 (18. 02. 2011), www.rtve.es (20. 02. 2012), 01:01:26 – 01:02:23 sowie 01:03:23 – 01:05:29. 499 S. kapitel 2. 500 Ýngel Bahamonde; zit. n.: Charla de los internautas con El coordinador y el colaborador del libro ›14 de abril. La Repfflblica‹ (30. 03. 2011), http://encuentrosdigitales.rtve.es (20. 02. 2012): »Pero a la R¦pfflblica no se la dejû vivir en paz por parte de las derechas y, por qu¦ no decirlo, por parte del anarquismo y de algunos sectores infantilmente revolucionarios de las izquierdas.« 501 Ýngel Bahamonde; zit. n.: ebd.: »Desde luego s† hemos evitado la visiûn maniquea de buenos y malos«. 502 Ýngel Bahamonde; zit. n.: ebd.: »[P]ero es imposible no sentir una profunda emociûn por los hombres y las mujeres que intentaron construir una EspaÇa diferente y m‚s justa.« 503 Charla de los internautas con El coordinador y el colaborador del libro ›14 de abril. La Repfflblica‹ (30. 03. 2011), http://encuentrosdigitales.rtve.es (20.02. 2012): »RepfflblicaOMonarqu†aReferendumYa«.

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scheinlich nicht mehr erleben werde, erneut eine Republik geben, die die spanische Demokratie regiert.«504 Trotz serieninterner Darstellungskonventionen, die weiterhin dem Credo des todos fuimos culpables entsprechen, überrascht es angesichts dieser Sympathiebekundungen für die zeitgenössisch immer noch kontroverse Stellungnahmen hervorrufende republikanische Ära nicht, dass Fernando Lûpez Puig – bei TVE für den fiktionalen Bereich verantwortlich – im Hinblick auf die zukünftige Ausstrahlung der zweiten Staffel von 14 de abril. La Repfflblica quasi beschwörend kundtat: »Wir glauben nicht, dass sie Argwohn generieren wird.«505 Stattdessen betont er ganz ähnlich wie zuvor sein Kollege Ýngel Bahamonde: »Das, was wir sehen werden, sind zwei Lager, aber keine politischen, sondern gebildet von denjenigen, die auf der Seite des Gesetzes stehen, und von den Extremisten beider Richtungen, die die Fundamente der Republik untergraben.«506

Lûpez Ruigs Befürchtungen gründen sich auf Meinungen zu 14 de abril. La Repfflblica, wie sie beispielsweise besonders deutlich die ultrakonservative, monarchistische spanische Tageszeitung La Razûn bereits nach der Ausstrahlung der zweiten Folge der Serie äußerte: La Razûn bemängelt »eine idealisierte Vorstellung der II. Republik«507, »eine klare Grenzlinie zwischen den zwei Spanien darstellend, einmal mehr in der Wunde des Bürgerkriegs herumstochernd«508. Schon zu diesem Zeitpunkt, Ende Januar 2011, konstatierte sie viel Unmut angesichts dieser »tendenziösen und auch manichäischen Vorstellung«509, die diese fiktionale Serie präsentiere. Der Fürsprecher der PP habe in 504 Ýngel Bahamonde; zit. n.: ebd.: »Quiz‚s en un futuro muy lejano, que probablemente ya no ver¦, haya de nuevo una Repfflblica gobernando la democracia espaÇola.« Eine Zukunftsvision, die mit Blick auf die seit dem Frühjahr 2012 zunehmend öffentlich wie auch ungewohnt vehement geäußerte Kritik an Vertretern des spanischen Königshauses alles andere als aus der Luft gegriffen erscheint: Vgl. Garc†a Abad, Jos¦: La hora del pr†ncipe. In: El Mundo (03. 03. 2013), S. 4 – 5; Borr‚s Fertriu, Rafael: Si yo fuese mon‚rquico te dir†a… In: ebd. S. 5; Moreno, Juan: Der gejagte Monarch. In: Der Spiegel (11. 03. 2013), Nr. 11, S. 90. 505 Fernando Lûpez Puig; zit. n.: ABC (30. 08. 2011): »[N]o creemos que vaya a generar suspicacias«. 506 Ebd.: »Lo que veremos son dos bandos, pero no pol†ticos, sino los formados por los que est‚n del lado de la ley y los extremistas de ambos signos que est‚n socavando los cimientos de la Repfflblica.« 507 R., C.: El PP pedir‚ cuentas a Oliart por la visiûn sesgada de La Repfflblica. In: La Razûn (31. 01. 2011), www.larazon.es (20. 02. 2012): »una visiûn idealizada de la II Repfflblica«. Vgl. A., L.: J‚uregui presume de que tiene mayor impacto pedagûgico que una conferencia. In: La Razûn (13. 04. 2011), www.larazon.es (20. 02. 2012). 508 La Razûn (31. 01. 2011): »marcando una clara l†nea divisoria entre las dos EspaÇas, hurgando una vez m‚s en la herida de la Guerra Civil«. Eine Bezugnahme auf den Spanischen Bürgerkrieg als »Wunde« verweist auf die psychopathologische Lesart der jüngeren spanischen Vergangenheit, s. kapitel 5.1. 509 Ebd.: »visiûn sesgada, incluso manique†sta«. Vgl. La Razûn (13. 04. 2011). Ausführungen

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der parlamentarischen Kontrollkommission der sich im Staatsbesitz befindenden RTVE angekündigt, den Generaldirektor der Rundfunkanstalt zur Rede zu stellen.510 Anhänger der PP fühlten La Razûn zufolge generell ein »Unbehagen wegen der Übersättigung mit Spielfilmen, Dokumentarfilmen und Serien, die die sogenannte ›memoria histûrica‹ vergegenwärtigten«511. Die PP beschuldigte die Macher von 14 de abril. La Repfflblica gar »politische Aufrufe auszustrahlen, schon angefangen mit dem Titel [der Serie; Anm. d. Verf.] selbst«512, mit Dialogen, die »perfekt in eine Versammlung von Zapatero passen würden«513. Dabei schienen Aussagen wie die des PSOE-Ministers Ramûn J‚uregui entsprechende Vorwürfe zu bestätigen, der die Serie 14 de abril. La Repfflblica anlässlich des 80. Jahrestages der Proklamation der Zweiten Republik besonders hervorhob, da sie eine »sehr viel größere qualitative und vor allem quantitative Wirkung als jegliche Konferenz«514 habe. Andererseits sah sich die PSOE-Regierung mit dem von Vertretern des sozialistischen Parteienbündnisses Izquierda Unida (IZ; dt.: »Vereinigte Linke«) geäußerten Vorwurf konfrontiert, sich angesichts des symbolträchtigen Datums des 14. Aprils 2011 zu passiv zu verhalten bzw. keinerlei offiziellen Gedenkakt oder ein Statement zum Thema vorzunehmen. Die PSOE reklamierte als Reaktion darauf für sich, diese Phase der spanischen Zeitgeschichte in den Lehrplan der Sekundarstufe 1 aufgenommen zu haben.515 Nur wenige Tage später stellte 14 de abril. La Repfflblica-Schauspieler F¦lix Gûmez (Fernando de la Torre) heraus,516 dass der Geschichtsunterricht während seiner Schulzeit chronologisch betrachtet genau vor dem Zeitpunkt geendet habe, zu dem die Zweite Republik und der Spanische Bürgerkrieg hätten durchgenommen werden müssen. »Diese Themen waren Tabu«517, meint er. Gom¦z wünscht sich, dass die Leute wüssten,

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zur Nutzung des Begriffs ›manichäisch‹ im Zusammenhang mit den hier analysierten Kinound Fernsehproduktionen finden sich unter kapitel 3.2. Die staatliche Rundfunkanstalt RTVE wird von einem Generaldirektor geleitet, der von der jeweils zeitgenössisch amtierenden Regierung in Spanien gestellt wird. Eine Aufsichtsfunktion kommt einem Verwaltungsrat zu, dessen zwölf Abgeordnete auf proportionaler Basis ausgewählt werden: Vgl. Jordan (2002), S. 198. Zu RTVE s. auch Fußnote 121. La Razûn (31. 01. 2011): »malestar […] por la saturaciûn de pel†culas, documentales y series que rememoraban la llamada ›memoria histûrica‹«. La Razûn (13. 04. 2011): »de rezumar proclamas pol†ticas, comenzando por el propio t†tulo«. Ramûn Morena; zit. n.: La Razûn (13. 04. 2011): »encajar†an como un guante en un mitin de Zapatero«. Ramûn J‚uregui; zit. n.: o. V.: 80 aniversario de la Repfflblica: ¿No hay dos sin tres? In: El Mundo (14. 04. 2011), www.elmundo.es (20. 02. 2012): »mucho m‚s impacto cualitativo y sobre todo cuantitativo que cualquier conferencia«. Vgl. La Razûn (13. 04. 2011). Vgl. El Mundo (14. 04. 2011). F¦lix Gûmez spielte in der ersten Staffel von Amar en tiempos revueltos (TVE/La 1, 2005/06, s. kapitel 4.1.2) Rodrigo, Bruder der Protagonistin Andrea und überzeugter Falangist. F¦lix Gûmez; zit. n.: El Pfflblico (23. 03. 2011): »[E]sos temas eran tabffl«. Gûmez’ Wortwahl

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was in der Zweiten Republik geschah und zwar »als die Utopie betrachtet, die hätte sein können, aber nicht war aufgrund des Unglücks, das geschah«518. Damit entspricht er dem Anliegen des historischen Beraters der Serie 14 de abril. La Repfflblica, Ýngel Bahamonde, für den das Fernsehen es ermöglicht, »Geschichtsunterricht für die Massen durchzuführen«519. Diese seien notwendig, so Bahamonde, da »die Leute überhaupt keine verdammte Idee haben von unserer Geschichte«520. Qualitativ hochwertige TV-Serien mit zeithistorischem Sujet, wie sie seit dem Erfolg von Cu¦ntame cûmo pasû (dt.: »Erzähl mir, wie es war«; TVE/ La 1, seit 2001)521 für das staatliche spanische Fernsehen produziert werden, wertet er in diesem Zusammenhang als »ein vielleicht gutes Rezept, damit sie [gemeint sind die Spanier ; Anm. der Verf.] anfangen, sich der Geschichte zuzuwenden und von der Serie zu tiefer gehenden und solideren Büchern übergehen«522. Bahamonde zufolge »haben die Historiker jahrelang gesündigt, indem sie ihre Diskurse nicht verdaulich machten«523. Er hingegen versöhne sich, wie die linke Tageszeitung El Pfflblico es ausdrückt, »mit einer Sprache und einem erzählerischen Stil, die es ermöglichen, dass die Geschichte auch von dem großen Publikum aufgenommen werden kann«524. Dazu soll nicht zuletzt ein populärwissenschaftliches Buch zur Serie beitragen, das er Ende März 2011 herausgab und an dem insgesamt elf Historiker sowie die Drehbuchautorin der Serie, Virginia Yagüe, mitwirkten.525 Dabei geht die im Verlag Plaza y Jan¦s erschienene Publikation 14 de abril. La Repfflblica konsequenterweise den umgekehrten Weg: Von den Figuren der Fernsehserie aus erläutert sie die historischen Hintergründe der republikanischen Ära.526

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entspricht somit der derjenigen, die von einem pacto del olvido ausgehen, der mit der transiciûn einhergegangen sei. S. Kapitel 1.1.1. Ebd.: »vista como utop†a que pudo ser, pero no fue por la desgracia que ocurriû«. Das republikanische Projekt ist bereits in Libertarias (Freedomfighters; ES-IT-BE 1996) als »Utopie« beschrieben worden, s. kapitel 2.2. Ähnliches lässt sich anhand von Silencio roto (Broken Silence; ES 2001) beobachten, s. kapitel 4.2.1. El Pfflblico (23. 03. 2011): »realizar clases masivas de Historia«. Ýngel Bahamonde; zit. n.: ebd.: »la gente no tiene ni puÇetera idea de nuestra Historia«. Vgl. El Mundo (25. 03. 2011). S. kapitel 4.1.2. Ýngel Bahamonde; zit. n.: ebd.: »quiz‚s […] una buena fûrmula para que empiecen a coger amor a la Historia y que de la serie pasen a libros m‚s profundos y m‚s solidos«. Ýngel Bahamonde; zit. n.: El Pfflblico (23. 03. 2011): »los historiadores han pecado durante aÇos de no hacer digeribles sus discursos«. El Pfflblico (23. 03. 2011): »un lenguaje y estilo narrativo que hacen que la Historia pueda asimilarse por el gran pfflblico«. Vgl. ebd. Das Buch wurde bezeichnenderweise – einem jungen Zielpublikum entsprechend – in der madrilenischen Kultbar Museo Chicote präsentiert: Vgl. ›14 de abril. La Repfflblica‹ – La presentaciûn del libro en im‚genes (22. 03. 2011), www.rtve.es (20. 02. 2012). Vgl. El Pfflblico (23. 03. 2011); El Mundo (25. 03. 2011). Einzelne Exemplare des Buches wurden über die offizielle Website verlost: Vgl. 14 de Abril. La Repfflblica – Web Oficial – RTVE.es, www.rtve.es (20. 02. 2012). Bei Plaza y J‚nes sind bereits drei fiktionale Bücher

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Seit dem Wahlsieg der PP bei den vorgezogenen Neuwahlen am 20. November 2011 verzögert sich die Ausstrahlung der zweiten Staffel von 14 de abril. La Repfflblica immer wieder. RTVE begründet die Verschiebung des Ausstrahlungstermins mit Etatkürzungen.527 Angesichts der Tatsache, dass die zweite Staffel bereits im Sommer 2011 fertig gestellt wurde,528 ist dieses Argument jedoch wenig überzeugend. Wahrscheinlicher ist, dass der Serie die ›rote‹ Propaganda, die ihr von Seiten (rechts-)konservativer Kritiker unterstellt wird, in Zeiten einer PP-Regierung zum Verhängnis wurde. Jedenfalls zeigen schon die kontroversen Stellungnahmen und polemischen Äußerungen rund um die Ausstrahlung der ersten Staffel von 14 de abril. La Repfflblica deutlich, wie aktuell und gleichzeitig höchst umstritten die Frage nach der offiziellen Bewertung und dem öffentlich adäquaten Umgang mit der historischen Phase der Zweiten Republik in Spanien heute ist.

sowie ein Kochbuch erschienen, die allesamt Figuren und deren Geschichten aus der TVSerie Amar en tiempos revueltos (TVE/La 1, 2005 – 2012) verwerten: El Mundo (25. 03. 2011). Zudem wurden die Publikationen, die in Folge der Armengou/Belis-Dokumentarfilmproduktionen Los niÇos perdidos del franquismo (dt.: »Die verlorenen Kinder des Franquismus«; TV3, 2002), Las fosas del silencio (dt.: »Die Gräber des Schweigens«; TV3, 2003) und El convoy de los 927 (dt.: »Der Konvoi der 927«; TV3, 2004) entstanden, ebenfalls bei Plaza y J‚nes verlegt. Zu diesen Produktionen s. kapitel 4.1.1 und kapitel 7.3. 527 Vgl. o. V.: Alejo Sauras: La gente que acusa a 14 de abril. La Repfflblica de roja y tendenciosa es porque no la ha visto (10. 08. 2012), www.formulatv.com (14. 08. 2013). 528 Vgl. ebd.; ABC (30. 08. 2011).

4.

Franquistische Repression und Nachkriegszeit

4.1

Die Opfer des Franquismus

4.1.1 Die Erforschung der franquistischen Repression Während der PP-Amtszeiten 1996 bis 2004 nahmen die Bemühungen um eine ›Rückgewinnung der historischen Erinnerung‹ auf zivilgesellschaftlicher Ebene zu. Infolgedessen avancierten, wie der Historiker NfflÇez Seixas feststellt, »[a]kribisch dokumentierte Studien mit präzisen Fragestellungen zur franquistischen Repression der Nachkriegszeit, zur Zwangsarbeit und zu den spanischen Konzentrationslagern der Franco-Ära […] zu wahren Bestsellern auf dem Buchmarkt und signalisierten den Prozess einer allmählichen Professionalisierung und Historisierung der Erforschung der politischen Staatsgewalt des franquistischen Regimes«529. Dabei ist die Frage nach der Zahl der Opfer des Kriegs wie auch der späteren Franco-Diktatur ein ständig wiederkehrender, kontrovers und polemisch diskutierter Aspekt, der die fachwissenschaftliche Auseinandersetzung lange dominierte. Schon die Quantifizierung der Opfer des Bürgerkriegs unterlag seit jeher Verzerrungen. Noch während des innerspanischen Konflikts selbst wurde die Frage nach der Zahl seiner Opfer zum Gegenstand ideologisch motivierter Spekulationen: Die politischen Institutionen gaben zusammen mit der durch die Franquisten kontrollierten Presse wie auch der katholischen Kirche übertriebene, gefälschte Zahlen an. Im Zuge der Akzentverschiebungen in der franquistischen Propaganda ab den 1960er-Jahren war von einer Million Kriegstoter 529 NfflÇez Seixas (2010a), S. 26. Im Spanischen werden sowohl die französischen Auffanglager als auch die sich auf spanischem Boden befindenden franquistischen Internierungslager als campos de concentraciûn (dt.: »Konzentrationslager«) bezeichnet: Vgl. Yusta (2007), S. 67; Estrada (2010), S. 40 – 42. Dies verleiht den Opfern des Franquismus, im Anschluss an Begrifflichkeiten, die gemeinhin der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik und dem Leid der Juden vorbehalten sind, eine transnationale Bedeutungsdimension. Gleichzeitig impliziert dies eine problematische Äquivalenz im Opferstatus, s. kapitel 7.2.

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insgesamt die Rede.530 Die genaue Anzahl der Gefallenen ist im Nachhinein schwer feststellbar, vor allem aber die der Liquidierungen im Hinterland kaum ausfindig zu machen, da sie ›irregulär‹ erfolgten, also nicht registriert wurden.531 Zahlreiche Leichen liegen noch heute in ungeöffneten, über das gesamte spanische Territorium verstreuten, zum Teil nicht identifizierten Massengräbern. Ähnlich den später einsetzenden Diskussionen, die um die franquistische Repression entbrannten, drehen sich die spannungsgeladenen Kontroversen über die Gewalt im Bürgerkrieg um zwei Kernaspekte: zum einen um die Frage, wie hoch die Zahl der Opfer auf ›beiden Seiten‹ zu beziffern ist, zum anderen um die Art der Gewalt, die vom jeweiligen Lager favorisiert wurde.532 Im Zusammenhang mit letzterer Kontroverse hat sich die Unterscheidung zwischen einer ersten ›heißen‹ und einer zweiten ›kalten‹ repressiven Phase eingebürgert. Dabei ist mit der ›heißen‹ Phase die Zeit vom gescheiterten Putschversuch bis Anfang 1937 gemeint, während der es sowohl im republiktreuen Spanien wie auch in den von den Aufständischen kontrollierten Gebieten zu Gewaltexzessen kam. Noch in den 1970er- und 1980er-Jahren verbreitete die historische Bürgerkriegsforschung, dass ›außer Kontrolle geratene‹ Milizionäre oder ›fanatische‹ Gruppierungen für den in dieser Zeit erfolgenden ›roten‹ Terror – also die Gewalt auf republiktreuer Seite – verantwortlich seien. Neuere historische Untersuchungen zum Thema betonen hingegen, dass auch auf republikanischer Seite Gewalt als Instrument sozialer Kontrolle und Mittel zur Durchsetzung revolutionärer Ziele eingesetzt wurde.533 Im Gegensatz zu den Befehlshabern auf Seiten der Aufständischen gibt es allerdings Beweise dafür, dass republikanische Autoritäten – unter ihnen Staatspräsident Manuel AzaÇa – von Anfang des Konflikts an die Tötungen vereinzelt bedauerten und ihr Ende forderten.534 Bis Anfang 1937 dämmten sie die Metzeleien der ersten Kriegsmonate erfolgreich ein. Der ›rote‹ Terror sollte erst dann wieder auftauchen, als die republikanische Regierung in den letzten Kriegsmonaten zusammenbrach. In den Regionen Spaniens, die von den Aufständischen kontrolliert wurden, ebbte das Abschlachten hingegen nie ab. Militärische Befehlshaber ermutigten zur Gewalt und setzten unter anderem

530 Eine eingängige Zahl, die beispielsweise noch in einem die Kinospielfilmproduktion Die Frau des Anarchisten (DE-ES-FR 2008) einführenden Zwischentitel perpetuiert wird. 531 Sprichwörtlich wurde in aufständisch kontrollierten Territorien im Bürgerkrieg die Praxis des paseo (dt.: »Spaziergang«), ein Euphemismus für das ›irregulär‹ vonstatten gehende Abholen und Töten: Vgl. Godicheau (2005), S. 195. 532 Vgl. Aguilar Fern‚ndez (2003), S. 16. 533 Vgl. Ranzato (2007), S 98 – 105; Ledesma (2007); Ledesma (2008); NfflÇez Seixas (2010a), S. 44. 534 Vgl. Richards (1998), S. 27, 32 f. sowie 46; Aguilar Fern‚ndez (2003), S. 17; Romero Salvadû (2005), xiii.

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die brutalen Methoden in Spanien um, die sie sich im Verlauf ihres Dienstes in Marokko angeeignet hatten.535 Dieses systematische repressive Vorgehen, der sogenannte ›weiße‹ Terror, erfuhr unter Franco eine Institutionalisierung. General Francisco Franco, den seine Getreuen am 28. September 1936 zum »Regierungschef« (span.: jefe de Gobierno) und Oberbefehlshaber der spanischen Streitkräfte (span.: General†simo) ernannten und der von diesem Datum an den Aufbau eines Nuevo Estado (dt.: »Neuen Staates«) vorantrieb, versah die Repression in der zona nacional (dt.: »nationalen Zone«) mit einem Anstrich vermeintlicher ›Legalität‹. Während dieser als ›kalt‹ bezeichneten zweiten Phase der Repression wurden Militärräte (span.: consejos militares) eingerichtet, die Todesurteile verkündeten, ohne Fallakten oder ›Beweismittel‹ auch nur angeschaut zu haben. Mit der Ratifizierung des Ley de responsabilidades pol†ticas (dt.: »Gesetz der politischen Verantwortlichkeiten«)536 am 9. Februar 1939 kam es zur Errichtung der Tribunales Especiales (dt.: »Spezialtribunale«), unter anderem besetzt mit einem hochrangigen Militär und einem Mitglied der per Dekret erschaffenen Einheitspartei FET y de las JONS.537 Wenngleich Liquidierungen zum Teil in Zivilregistern festgehalten wurden, hielt die Praxis ›irregulär‹ erfolgender, nicht registrierter

535 Vgl. Romero Salvadû (2005), xiii; Schauff (2006), S. 82 und 84 f. Bereits 1934 wurden streikende Minenarbeiter in Asturien mit Hilfe des von der damaligen Mitte-Rechts-Regierung herbeigerufenen ej¦rcito de Ýfrica (dt.: »Afrikaheer«) brutal niedergeschlagen. Francisco Franco wird in diesem Zusammenhang als Strippenzieher gesehen – als technischer Berater des Kriegsministers Diego Hidalgo –, der die Beteiligung von Legionären und marokkanischen Söldnern an der Niederschlagung des Streiks vorantrieb. Dem ej¦rcito de Ýfrica wurde nicht zuletzt deshalb eine Schlüsselrolle im Spanischen Bürgerkrieg zugesprochen, da mit ihm die große Angst vor den marokkanischen Truppen und Fremdenlegionären nutzbar gemacht werden konnte, die innerhalb der spanischen Bevölkerung nach den Ereignissen in Asturien präsent war: Vgl. Godicheau (2005), S. 171 f.; Romero Salvadû (2005), S. 50. Das brutale Vorgehen eines aus marokkanischen Söldnern gebildeten Stoßtrupps gelangt am Ende des Kinospielfilms Libertarias (Freedomfighters; ES-IT-BE 1996) zur Darstellung, s. kapitel 2.2. 536 Das Ley de responsabilidades pol†ticas zeugt nicht nur abermals von der im Franquismus erfolgenden Umkehrung der moralischen Lasten, wie sie auf rhetorischer Ebene allgegenwärtig war, sondern lieferte darüber hinaus die ›rechtliche‹ Grundlage für politische ›Säuberungen‹ in staatlichen Institutionen sowie für die Beschlagnahmung von Besitztümern der Betroffenen: Vgl. Richards (1998), S. 13 sowie 52. Dabei hatte das Gesetz einen retroaktiven Charakter, der es den franquistischen Autoritäten ermöglichte, wegen vermeintlicher Straftaten, die bis zum 1. Oktober 1934 zurückreichten, gegen politische Missliebige vorzugehen: Vgl. Romero Salvadû (1999), S. 124. 537 Ausführlicher zur FET y de las JONS s. kapitel 4.3.1. Ein Gesetz vom 19. Februar 1942 legte die ›Rückkehr‹ zur ›Rechtsprechung‹ durch ›gewöhnliche Justizorgane‹ fest: Vgl. Richards (1998), S. 45. Dies bedeutet nicht etwa, dass der Repression unter Franco ab 1942 ein geringerer Stellenwert zukam, s. ebenfalls kapitel 4.3.1.

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Hinrichtungen weiterhin an. Dies erschwert das Bestreben, genaue Opferzahlen für diese zweite Phase der Repression zu ermitteln.538 Mit dem von dem Historiker Jul†a D†az herausgegebenen Sammelband V†ctimas de la guerra civil (1999; dt.: »Opfer des Bürgerkriegs«) entbrannten die Debatten über die Anzahl der Opfer erneut. Während die Erforschung der quantitativen Dimension der Repression einigen spanischen Historikern als Obsession gilt, dient sie anderen als Instrument, um dem Mythos entgegenzuarbeiten, dass ›beide‹ am innerspanischen Konflikt beteiligte Seiten gleich grausam waren. Dieser letztgenannten Gruppe geht es darum zu betonen, dass das Franco-Regime nach dem offiziellen Ende des Kriegs am 1. April 1939 weiterhin Terror säte und Menschen massenhaft verhaften und umbringen ließ. In diesem Zusammenhang wird mittlerweile die Zahl von 100.000 abseits der Front Exekutierten angeführt, für die Aufständische und franquistische Autoritäten während des Kriegs verantwortlich zeichneten, gegenüber 50.000, die im republiktreuen Hinterland hingerichtet wurden. Nach 1939 fielen zusätzlich mindestens 50.000 Personen franquistischen Exekutionskommandos zum Opfer.539 Die Todesfälle, die angesichts der desolaten Umstände in den völlig überfüllten franquistischen Haftanstalten zu beklagen waren, sind in dieser Rechnung nicht enthalten.540 Auf insgesamt etwa eine halbe Million wird die Anzahl der Gefangenen im Jahr 1939 beziffert. Sie wurden auf zumeist notdürftig umfunktionierte Gebäude verteilt, darunter Klöster, Internierungslager, sogenannte campos de concentraciûn (dt.: »Konzentrationslager«), und Arbeitsbataillone.541 Die genaue Zahl der Zwangsarbeiter im franquistischen ›Neuen Staat‹ zu ermitteln, erweist sich angesichts ihrer unterschiedlichen Einsatzgebiete und der wechselnden Zusammensetzung ihrer Arbeitsgruppen wiederum als schwierig und schwankt zwischen 200.000 und 400.000.542 Als kostenlose oder bestenfalls unterbezahlte Arbeitskräfte dienten sie dem Wiederaufbau der durch den Bürgerkrieg stark in Mitleidenschaft gezogenen Infrastruktur in Spanien.543 Darüber hinaus wurden die Häftlinge für die Errichtung zahlreicher Denkmäler eingesetzt, beispielsweise für den Bau des gigantischen Valle de los Ca†dos (dt.: »Tal der Gefallenen«), das Franco sich als Grabstätte errichten ließ.544 Der erzwungene Arbeitseinsatz der Gefangenen diente 538 Vgl. ebd., S. 30 sowie 38. 539 Vgl. Casanova (2002), S. 8 sowie 20; Molinero (2003), xviii; Godicheau (2005), S. 217 ff.; Del Arco Blanco (2009), S. 260 f. 540 Vgl. Richards (1998), S. 43; Casanova (2002), S. 8. 541 Vgl. ebd. Zur Problematik der Verwendung des Begriffs campos de concentraciûn (dt.: »Konzentrationslager«) in diesem Zusammenhang s. Fußnote 529. 542 Vgl. Rey (2003b), S. 360. 543 Vgl. Bernecker/Brinkmann (2006), S. 117. Die franquistischen Autoritäten ›vermittelten‹ die Zwangsarbeiter auch an Privatfirmen. 544 Hier, im umstrittensten Symbol der franquistischen Repression in Spanien, liegt der Dik-

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der Entlastung der franquistischen Haftanstalten und verfolgte gleichzeitig eine propagandistische Stoßrichtung: Laut dem Konzept eines Jesuiten namens Jos¦ A. P¦rez del Pulgar konnten die Häftlinge ihre Strafe durch den von ihnen erbrachten Arbeitseinsatz verringern, was als Ausdruck der ›Güte‹ des franquistischen Staates überhöht wurde.545 Angesichts dessen ist ein Aufteilen der Schuld spätestens ab dem 1. April 1939 unmöglich und liegt allein bei den damals machthabenden franquistischen Autoritäten.546 Dies stellt einen Schlag dar für das Credo des todos fuimos culpables (dt.: »Wir waren alle schuld«), das die Bewertung des Bürgerkriegs bestimmt(e),547 als mehrheitsfähige Bezugnahme auf die Franco-Diktatur jedoch nicht herzuhalten vermag. Aufgrund der Tatsache, dass es keinen klaren institutionellen wie personellen Bruch mit der Franco-Diktatur und deren Erbe gab, sich deshalb kein flächendeckender Antifranquismus ausbildete bzw. ausbilden konnte, waren und sind die erinnerungspolitischen Bezugnahmen auf die Diktatur im demokratischen Spanien allerdings viel umstrittener und somit weitaus schwieriger anzusprechen, geschweige denn zu bestimmen.548 Polemische De-

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tator noch heute direkt neben dem Gründer der spanischen faschistischen Partei Falange EspaÇola Jos¦ Antonio Primo de Rivera begraben. Darüber hinaus ist das Valle de los Ca†dos Grabstätte zahlreicher ›für Gott und Vaterland‹ Gefallener ; im Zuge der propagandistischen Akzentverschiebung im Franquismus in den 1960er-Jahren wurden auch die Leichname einiger überzeugter Republikaner dorthin überführt: Vgl. Junquera, Natalia: Garzûn ordena exhumar del Valle de los Ca†dos a ocho fusilados. In: El Pa†s (06. 11. 2008), S. 22; Segura, Antoni: Represiûn, v†ctimas y desaparecidos. In: ebd., S. 33. Der These des Historikers David Reys, das Valle de los Ca†dos sei »nie Teil der literarischen oder filmischen Bürgerkriegserinnerung geworden« (Rey (2003b), S. 360) geworden, ist zu widersprechen: Schon Los aÇos b‚rbaros (The Stolen Years; ES 1998) streift das Thema der Entstehung des Valle de los Ca†dos, indem die Lebensgeschichte zweier zu Zwangsarbeit verurteilter Studenten auf inszenatorisch fragwürdige Art und Weise als Ausgangspunkt einer amourösen Komödie dient. Auch für die TV-Serie Amar en tiempos revueltos (dt.: »Liebe in aufgewühlten Zeiten«; TVE/La 1, 2005 – 2012) wurde das Valle de los Ca†dos eigens nachgebaut: Vgl. El Valle de los Ca†dos en Amar (02. 10. 2008), www.rtve.es (20. 02. 2012). In Ýlex de la Iglesias Kinospielfilm Balada triste de trompeta (Mad Circus – Eine Ballade von Liebe und Tod; ES-FR 2010) wird dem Valle de los Ca†dos ein filmumfassender Stellenwert gewährt. Zudem wird darin die Zwangsarbeit an der Baustelle für das Valle de los Ca†dos in bislang ungekannter Drastik inszeniert. Vgl. Rodrigo (2003b), S. 22; Bernecker/Brinkmann (2006), S. 119 f. Vgl. Aguilar Fern‚ndez (2003), S. 18; Aguilar Fern‚ndez (2006a), S. 317. Auch die Unterscheidung zwischen einem ›heißen‹ und einem ›kalten‹ Terror leistet einen Beitrag dazu, dem Credo des ›Wir waren alle schuld‹ entgegenzuwirken: Das zentrale Argument neofranquistischer Publizisten, »[d]ass die Brutalität und die Gewaltakte in beiden Lagern des spanischen Bürgerkrieges einen symmetrischen Charakter habe« (NfflÇez Seixas (2010a), S. 43), wird dadurch ausgehebelt. Die Beschäftigung mit qualitativen Aspekten der Repression wurde über den dominanten Fokus auf ihr quantitatives Ausmaß jedoch insgesamt lange vernachlässigt: Vgl. Humlebæk (2003), S. 174 f. Vgl. Aguilar Fern‚ndez (2003), S. 18; Boyd (2008), S. 137. Vgl. Aguilar Fern‚ndez/Humlebæk (2002), S. 130; Aguilar Fern‚ndez (2006a), S. 284 sowie

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batten zum Aspekt der franquistischen Repression werden ferner durch die Schwierigkeiten befördert, an Informationen zu gelangen, sowie durch die Anwendung methodisch unterschiedlicher Kriterien, um Ergebnisse zu erzielen.549 Der Zugang zu den militärischen und polizeilichen Dokumenten, die nicht vernichtet und in Archiven konserviert wurden, ist in Spanien zum Teil weiterhin mit bürokratischen Hürden versehen.550 Da Gemeinde- und Provinzarchive in der Regel besser zugänglich sind, schenkten spanische Historiker der lokalen und regionalen Ebene der repressiven Maßnahmen besonders viel Aufmerksamkeit.551 Ihre Untersuchungen verleihen bisherigen Forschungsergebnissen nicht nur mehr Tiefe und Komplexität, sie ermöglichen es letztlich auch, das quantitative Ausmaß der zu beklagenden Opfer während des Kriegs wie auch der Diktatur vollständig zu erfassen und – in Anlehnung an NfflÇez Seixas – eine Topografie des Terrors aufzuzeigen.552 Die Dokumentation derjenigen, die Repressalien erlitten, übernehmen inzwischen mehrere, an unterschiedlichen regionalen Universitäten angesiedelte Forschungsprojekte und Bürgerinitiativen.553 Letztere waren es auch, die den Untersuchungsrichter Baltasar Garzûn dazu anregten, sich eingehender mit der franquistischen Repression zu befassen. Als Garzûn Mitte Oktober 2008 verfügte, »eine möglichst vollständige Bestandsaufnahme der bisher nicht identifizierten Toten«554 zu erstellen, war er wiederum darauf angewiesen, dass universitäre Forschungsprojekte und Bürgerinitiativen ihm zuarbeiteten.555 Von staatlicher Seite gab es

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317. Zu Umfragewerten, die die ambivalente Bewertung der Franco-Diktatur durch spanische Bürger belegen, s. Kapitel 3.1. Vgl. Aguilar Fern‚ndez (2003), S. 16 f. Vgl. Humlebæk (2003), S. 171. Vgl. Boyd (2008), S. 137. Das Interesse für die regionale bzw. lokale Dimension der franquistischen Repression lässt sich nicht zuletzt auch mit den erinnerungspolitischen Bestrebungen linksnationalistischer Bewegungen erklären. Laut NfflÇez Seixas sind inzwischen mehr als 60 % des spanischen Territoriums – mit Hilfe detaillierter Forschungen in Lokalarchiven – untersucht worden: Vgl. NfflÇez Seixas (2010a), S. 26 f. Wie zum Beispiel das von den drei galicischen Universitäten zusammengestellte und von dem galicischen Landeskultusministerium subventionierte universitäre Projekt Nomes e Voces (dt.: »Namen und Stimmen«): Vgl. www.nomesevoces.net (20. 02. 2012). Die Kollaboration zwischen Forschergruppen und Bürgerinitiativen gestaltet sich zuweilen allerdings schwierig, da sie zum Teil untereinander zerstritten sind. Capdepûn (2010), S. 37. Garzûns Verfügung stützte sich auf den »im Juli 2008 veröffentlichte[n], dem Nationalen Gericht vorgelegte[n] Bericht des Historikers Francisco Espinosa Maestre« (ebd.), der die Zahl von 130.000 nicht identifizierten Toten anführt. Espinosa Maestre leitete bis Anfang 2011 das von dem in Andalusien aktiven Zweig der Bürgerinitiative Asociaciûn para la recuperaciûn de la memoria histûrica (ARMH) unterstützte Projekt Todos los nombres (dt.: »Alle Namen«), das sich zum Ziel gesetzt hatte, eine Datenbank zu erstellen, in der alle Namen der Opfer der franquistischen Repression aufgeführt werden: Vgl. www.todoslosnombres.es (20. 02. 2012). In seiner Anklageschrift verwendete Garzûn letztlich die Zahl

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hingegen bis zu dem während der ersten PSOE-Amtszeit (2004 – 2008) gefällten Beschluss, ein zentrales Dokumentationszentrum in Salamanca zu errichten, keine offizielle Behörde, die Informationen über die Opfer des Bürgerkriegs und der Franco-Diktatur zentral bündelte, sammelte und verwahrte.556 Für einige Mitglieder der PP ist bereits die moralisch-ökonomische Rehabilitierung der Opfer des Franquismus »nachtragend und revanchistisch«557. Spätestens mit ihrer Zustimmung zu der Resolution vom 20. November 2002, in der Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele im Allgemeinen und totalitäre Regime im Plural verurteilt werden,558 gehören die Zweite Republik, der Bürgerkrieg und der Franquismus in den Augen der PP »endgültig in das Reich der Geschichte«559. Die PP versteht sich vielmehr als Erbin der transiciûn und versucht sich deren Vermächtnis anzueignen, was nicht zuletzt in der enormen Popularität dieser historischen Phase in Spanien begründet liegt und dem Stolz, den Spanier dafür empfinden.560 Angesichts dessen verklärt die PP »[d]en demokratischen Übergang und die Verfassung von 1978 […] als die Geburtsstunde der spanischen Demokratie.«561 Allein die baskische Terrororganisation ETA sehen Anhänger der PP als existierenden Anachronismus und schlimmstes Erbe, das die franquistische Vergangenheit hinterlassen habe, und somit als das einzige Thema, das in diesem Zusammenhang volle Aufmerksamkeit verdiene.562

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von 114.266 nach Provinzen aufgeschlüsselten desaparecidos (dt.: »Verschwundenen«), also nicht identifizierten Toten, im Zeitraum von Juli 1936 bis Dezember 1951: Vgl. Zuber, Helene: Franco-Diktatur. SeÇor Garzûn wühlt Spaniens Geschichte auf. In: Der Spiegel (14. 10. 2008), www.spiegel.de (20. 02. 2012); o. V.: Garzûn abre la primera causa de la historia contra el franquismo. In: El Pa†s (17. 10. 2008), S. 1; Yoldi, Jos¦: Garzûn atribuye a Franco un plan de exterminio sistem‚tico de los ›rojos‹. In: ebd., S. 12; C‚ceres, Javier : Spanien. Richter Garzûn und Francos Verbrechen. In: Süddeutsche Zeitung (17. 10. 2008), www.sueddeutsche.de (20. 02. 2012). Zu Garzûns Vorstoß und Näheres zum Begriff der desaparecidos s. ausführlich unter kapitel 7.3. Vgl. C‚ceres, Javier: Posthume Anklage gegen Franco. In: Süddeutsche Zeitung (20. 10. 2008), www.sueddeutsche.de (20. 02. 2012). Die Absicht, ein derartiges zentrales Dokumentationszentrum in Salamanca zu errichten, ist in dem sogenannten Ley de la memoria histûrica (dt.: »Gesetz der historischen Erinnerung«) enthalten. Aguilar Fern‚ndez (2006a), S. 314: »rencoroso y revanchista«. Vgl. Labanyi (2006), S. 89 f. und 96. Vgl. Elsemann (2011), S. 289 f. NfflÇez Seixas (2009), S. 161. Vgl. Blakeley (2008), S. 317; Elsemann (2011), S. 291. Noch im Jahr 2000 verkündeten 86 % der befragten Spanier in einer Umfrage, stolz auf die transiciûn zu sein: Vgl. Aguilar Fern‚ndez (2003), S. 22. Dieser Stolz hat viel damit zu tun, dass weder Bürgerkrieg noch Franco-Diktatur als Fundamente einer mehrheitsfähigen, demokratischen nationalen Identität taugen, aufgrund des Elements der Spaltung, das diesem Ereignis bzw. dieser diktatorischen Staatsform inhärent ist. Am überwiegend positiven Bild der transiciûn im heutigen Spanien zeigt sich, dass »kollektive Erinnerungen erfolgreicher Problemlösungen in der Vergangenheit […] entscheidend zur Kohärenz und Kontinuität der Identitätskonstitution von Systemen [beitragen]«: Zierold (2006), S. 147. NfflÇez Seixas (2009), S. 161. Vgl. Aguilar Fern‚ndez (2003), S. 22; Elsemann (2011), S. 287 f. Die baskische Unter-

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Eine darüber hinausgehende, von offizieller Seite aus forcierte Beschäftigung mit der jüngeren Vergangenheit ist aus Sicht der PP unnütz und die Kritik an der Franco-Diktatur infolge der im November 2002 verabschiedeten Resolution redundant, wenn nicht gar gefährlich, da sie von einer spaltenden Sicht auf das im Zuge der transiciûn ›versöhnte‹ Spanien künde. Deswegen blockiert die PP generell alle weiteren politischen Initiativen, die den Umgang mit Spaniens jüngerer Vergangenheit berühren.563 Im Allgemeinen hatte sich um die PP ein konservativer zentralspanischer Nationalismus neu formiert.564 Dies ließ sich besonders deutlich an dem Ziel der damaligen PP-Erziehungsministerin Esperanza Aguirre ablesen, eine stärkere Vereinheitlichung des Geschichtsbildes im Sinne einer Nationalgeschichte voranzutreiben. Damit positionierte sie sich konträr zu den erinnerungspolitischen Einstellungen und Maßnahmen der Autonomen Gemeinschaften in Spanien.565 Im Zusammenhang mit dem Umgang mit der jüngeren Vergangenheit brüskierten jedoch besonders einige fragwürdige Ehrungen Teile der spanischen Bevölkerung, beispielsweise die des ersten ETA-Opfers Melitûn Manzanas, der als einstiger Polizeichef von Irffln (Provinz Guipfflzcoa, Baskenland) »als ein berüchtigter Henker des franquistischen Regimes galt«566. Entrüstung riefen die großzügigen Subventionen der PP-Regierung an die Fundaciûn Francisco Franco (dt.: »Stiftung Francisco Franco«) im Jahr 2001 nicht zuletzt bei Wissenschaftlern hervor, da diese Stiftung offen für das Bewahren des Andenkens Francisco Francos und dessen politischen Regimes eintritt, den meisten Forschern jedoch kaum zugänglich ist.567 Ebenfalls kritikwürdig wirkt die Überführung der Überreste der Divisiûn Azul (dt.: »Blaue Division«), die im Zweiten Weltkrieg auf Seiten Nazi-Deutschlands gekämpft hatte, von Russland nach Spanien im Jahr

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grundorganisation ETA formierte sich mitten im Franquismus und spielte eine wichtige Rolle bei dessen Machtverlust. So ist die ETA verantwortlich für das tödliche Attentat auf Francisco Francos Nachfolger Luis Carrero Blanco. Zu letzterem Ereignis der spanischen Zeitgeschichte hat TVE mittlerweile ein Miniserienformat produzieren lassen: El asesinato de Carrero Blanco (dt.: »Die Ermordung Carrero Blancos«), das am 5. und 12. Juni 2011 erstmals auf dem öffentlichen baskischen Fernsehsender Euskal Telebista ausgestrahlt wurde. Vgl. Aguilar Fern‚ndez (2003), S. 21; Brinkmann (2007), S. 176; Bernecker (2008b), S. 97; Brinkmann (2008), S. 118 f.; Ingendaay (2008), S. 371; NfflÇez Seixas (2010a), S. 24. Vgl. S‚ez-Arance (2004), S. 268; Winter (2004), S. 651. Vgl. Bernecker/Brinkmann (2006), S. 288 f.; Elsemann (2011), S. 173 ff. Ausführlicher zum Politikum des schulischen Geschichtsunterrichts im demokratischen Spanien: Vgl. Sa¦zArance (2004), S. 270 – 272; Boyd (2008), S. 137 – 141. Bernecker/Brinkmann (2006), S. 290. Vgl. Elsemann (2011), S. 286. Vgl. Mora, Miguel: Los historiadores exigen al Gobierno que abra los archivos de la Fundaciûn Francisco Franco. In: El Pa†s (20. 09. 2002), S. 39; Humlebæk (2003), S. 171; Bernecker/Brinkmann (2006), S. 290 f.; Bachoud (2007), S. 103; Boyd (2008), S. 136; NfflÇez Seixas (2009), S. 163. Den Vorsitz der »Stiftung Francisco Franco« hat Carmen Franco inne, die Tochter des Diktators: Vgl. www.fnff.es (20. 12. 2012).

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2000, zum Teil mit Hilfe staatlicher Mittel, bei gleichzeitiger Nicht-Gewährung finanzieller Unterstützung für die Exhumierungsinitiativen im eigenen Land.568 Ministerpräsident Jos¦ Mar†a Aznar selbst empfahl zudem den populärwissenschaftlichen Bestseller Los mitos de la guerra civil (dt.: »Die Mythen des Bürgerkriegs«) des bekanntesten Vertreters einer revisionistischen Strömung in Spanien und ehemaligen Linksradikalen P†o Moa im Jahr 2003 als Sommerlektüre.569 Moas Lesarten der Vergangenheit, die in der historischen Forschung längst als überholt gelten, jedoch riesige Publikumserfolge feiern, wurden darüber hinaus während der zweiten konservativen Regierungsphase (2000 – 2004) von einflussreichen Medien geschickt vermarktet.570 Auch nach 2004 verbreiten neofranquistische Journalisten und Historiker ihre Geschichtsdeutungen in Presse und Rundfunk und können sich dadurch berechtigte Hoffnungen auf eine zusätzliche Resonanz für ihre Bücher machen.571 Gemeinsamer Nenner dieser revisionistischen Publikationen ist es, die Verantwortlichkeiten für den Ausbruch des Bürgerkriegs zu minimieren, wenn nicht gar zu verkehren. Beliebt ist es beispielsweise, den Ausbruch des Bürgerkriegs auf die revoluciûn de octubre (dt.: »Oktoberrevolution«) in Asturien 1934 vorzudatieren, wodurch die Linke als Verursacher eines ›Putsches‹ erscheint und der 18. Juli 1936 – ganz im Sinne 568 Vgl. El Pa†s (20. 03. 2003); Stucki/Lûpez de Abiada (2004), S. 115. Allerdings wurde der Beschluss, die Leichen der spanischen Soldaten der Divisiûn Azul zu bergen und zu identifizieren, bereits 1995 getroffen, also noch unter sozialdemokratischer Regierung: Vgl. El Pa†s (20. 03. 2003); Elsemann (2011), S. 166. Die »Blaue Division« ist nie zum Gegenstand einer intensiven öffentlichen Debatte in Spanien geworden, weder nach 1975 noch nach 1989, dabei waren fast 47.000 spanische Soldaten am Vernichtungskrieg der Deutschen an der Ostfront beteiligt: Vgl. Nfflnez (2010a), S. 45; Nfflnez (2010b). Der Einsatz der Divisiûn Azul auf Seiten der Achsenmächte im Zweiten Weltkrieg wurde und wird stattdessen häufig als eine Art ›Fortsetzung des Bürgerkriegs‹ interpretiert. Dies parallelisiert ihn formal mit dem Kampf wie auch mit dem Leid der Widerstandskämpfer in und außerhalb Spaniens, s. kapitel 7.4. 569 Vgl. NfflÇez Seixas (2010a), S. 40 ff. NfflÇez Seixas betont ferner, dass »[d]ie neofranquistische Propaganda […] schon seit Mitte der 1990er-Jahre von einigen der konservativen Volkspartei nahe stehenden Theoretikern ausdrücklich formuliert [wurde]«: NfflÇez Seixas (2009), S. 168. Vgl. Mainer (2006), S. 154 f. Die neofranquistischen Vergangenheitsdeutungen, die in Spanien seit der ersten PP-Amtszeit zunehmend publiziert werden und auf große öffentliche Resonanz stoßen, werden gemeinhin als ›revisionistisch‹ bezeichnet. Allerdings handelt es sich dabei mehr um Aktualisierungen offizieller franquistischer Propaganda und weniger um eine ›Revision‹ bestehender Lesarten der Bürgerkriegs- und Diktaturvergangenheit. 570 Ranzato (2007), S. 164; NfflÇez Seixas (2010a), S. 40 f. Moa richtet sich bewusst an junge Leser, erzielt jedoch über diese Zielgruppe hinaus mit seinen Büchern riesige Publikumserfolge: Vgl. Rodrigo (2004a), S. 185 ff.; Bernecker/Brinkmann (2006), S. 312. Auch die Verkaufszahlen der Publikationen des Journalisten C¦sar Vidal oder Ricardo de la Ciervas, offizieller Historiker des Franco-Regimes in den 1960er-Jahren und ›Gralshüter‹ eines vom Spätfranquismus inspirierten Geschichtsbildes, sind beachtlich: Vgl. Humlebæk (2003), S. 169; Bernecker/Brinkmann (2006), S. 286. 571 Vgl. NfflÇez Seixas (2009), S. 169.

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überkommener franquistischer Rechtfertigungsmythen – »zu einer Aktion konterrevolutionärer Selbstverteidigung [avanciert]«572. Dabei lässt sich das Aufkommen wie auch die offizielle Unterstützung jener erzkonservativen bis neofranquistischen Strömung als direkte Kampfansage »gegen die vermeintliche Usurpation der Geschichte des Bürgerkriegs durch die Linke«573 verstehen. Für linke, linksnationalistische ebenso wie für parteilich ungebundene Engagierte auf zivilgesellschaftlicher Ebene ist das Einfordern eines von offizieller Seite anzustoßenden und zu unterstützenden Aufarbeitens und Gedenkens an die Republik-, Bürgerkriegs- und Diktaturvergangenheit hingegen zu einem wichtigen politischen Argument geworden: Es handle sich dabei um eine »notwendige Erinnerung«574, die es zu reklamieren gelte, um den demokratischen Prozess ein für alle Mal abschließen zu können. In diese erinnerungspolitische Richtung zielt ein Dokumentarfilm, der unter der Regie von Montse Armengou und Ricard Belis für das Fernsehformat 30 Minuts produziert und am 2. und 9. März 2003 erstmals auf TV3, dem ersten Sender der öffentlichen Rundfunkanstalt der autonomen Region Katalonien Televisiû de Catalunya (TVC), ausgestrahlt wurde:575 In zwei einstündigen Folgen dreht sich Las fosas del silencio (dt.: »Die Gräber des Schweigens«) um die Exekutionen, die von Aufständischen und späteren Franquisten während ihres Vormarsches im Spanischen Bürgerkrieg vorgenommen wurden. Der Film stellt heraus, dass diese repressiven Maßnahmen auf sozialen Rückhalt zählen konnten und einer Strategie folgten. Unterschiedliche spanische Historiker äußern sich in Las fosas del silencio zum Thema, darunter solche, die sich auf die Erforschung der Repression spezialisiert haben, wie beispielsweise Juli‚n Casanova und Francisco Espinosa Maestre. Ihre Äußerungen werden mit denen des spätfranquistischen ›Haus-und-Hof‹-Historikers Ricardo de la Cierva kontrastiert. Mittels Zeitzeugenaussagen, den Kommentaren verschiedener Journalisten, allen voran Emilio 572 Bernecker/Brinkmann (2006), S. 287. Vgl. Brinkmann (2008), S. 118; Elsemann (2011), S. 276. Zu den Ereignissen in Asturien im Oktober 1934 s. Fußnoten 344 und 535. Damit einher geht oftmals eine Wiederbelebung des franquistischen Mythos des Bürgerkriegs als eines ›Kreuzzuges‹ gegen den Kommunismus: Vgl. Tusell (2004); Boyd (2008), S. 133 und 141; NfflÇez Seixas (2010a), S. 40 ff. S. kapitel 7.1. 573 Bernecker/Brinkmann (2006), S. 287. Vgl. Bernecker (2008a), S. 185. 574 Aguilar Fern‚ndez (2003), S. 21: »memoria necesaria«. 575 Vgl. Herrmann (2010), S. 169. Für das gleiche Programm produzierten Armengou/Belis zwei weitere Dokumentarfilme, Los niÇos perdidos del franquismo (dt.: »Die verlorenen Kinder des Franquismus«; TV3, 2002) sowie El convoy del 927 (dt.: »Der Konvoi der 927«; TV3, 2004), s. kapitel 7.3. Regisseurin Armengou meint, dass alle drei Produktionen zu Zeiten der zweiten PP-Amtszeit 2000 bis 2004 zensiert worden seien und deshalb nicht auf den Sendern der staatlichen Rundfunkanstalt RTVE ausgestrahlt werden konnten. Dies sei erst nach dem Wahlsieg der PSOE 2004 erfolgt: Vgl. Armengou (2010), S. 158. In umgekehrter Reihenfolge lässt sich Ähnliches anhand des Beispiels der TV-Serie 14 de abril. La Repfflblica beobachten, s. Kapitel 3.3.

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Silva, Gründer der Asociaciûn para la recuperaciûn de la memoria histûrica (ARMH; dt.: »Verein für die Rückgewinnung der historischen Erinnerung«), und dem Rekurs auf einen allwissenden Erzähler wird in Las fosas del silencio ebenso angesprochen, dass sich auch im heutigen Spanien noch etliche Personen von diesen in der Vergangenheit liegenden Vorgängen berührt sehen und nicht einverstanden sind mit der Art und Weise, wie mit jenen Verbrechen bisher von offizieller Seite aus umgegangen wurde und wird – dezidiert auch zu Zeiten des demokratischen Spaniens. Um die Aktualität der vergangenen Ereignisse zu unterstreichen, belassen es die Regisseure Armengou und Belis nicht nur bei den typischen Konventionen des um die Rekonstruktion eines historischen Sachverhalts bemühten Dokumentarfilms (Einschneiden von Archivbildern, Fotografien und schriftlichen Quellen): Las fosas del silencio verfolgt aktiv die zum Zeitpunkt des Drehs aktuelle Suche nach Massengräbern in Badajoz, Katalonien und Leûn.576 Junge Freiwillige aus dem Ausland sind vor Ort, das Engagement der an den Ausgrabungen und Identifizierungen beteiligten Wissenschaftler, Archäologen, Forensiker, Anthropologen wird hervorgehoben und die für die DNA-Untersuchungen nötige Arbeit im Labor gezeigt. Ebenso überraschend wie eindringlich gestalten sich die Sequenzen in Las fosas del silencio, die zeigen, wie nach Tagen erfolglosen Suchens und Grabens Skelette und Skelettteile auftauchen. Dabei halten Armengou und Belis die Wirkung der Funde auf die an den Ausgrabungen aktiv Beteiligten sowie auf die die Arbeiten verfolgenden Angehörigen und neugierigen Anwohner fest. Privilegiert wird in diesem Film eindeutig die Perspektive der Opfer und deren Angehörigen. Es ist unverkennbar, dass es in dieser Produktion um eine Anerkennung der Opfer des Franquismus geht – sei es materiell oder symbolisch – und sie sich als Beitrag zu den erinnerungspolitischen Forderungen einer ›Rückgewinnung der historischen Erinnerung‹ versteht. Dabei scheuen die Regisseure nicht davor zurück, das gewaltsame Vorgehen der Aufständischen bzw. die repressiven Maßnahmen unter Franco in einen explizit Bezug zum Holocaust zu setzen: Im Anschluss an den

576 In Badajoz ermordeten Aufständische Mitte August 1936 etwa 2.000 politisch Missliebige: Vgl. Richards (1998), S. 35; Reig Tapia (1999b), S. 107 – 147. Dieses Massaker wird 2005 im Rahmen der ersten Staffel der fiktionalen TV-Serie Amar en tiempos revueltos (TVE/La 1) thematisiert. Allerdings tritt hier in der gleichen Folge ebenfalls ein sich in Madrid vor ›extremen‹ Vertretern der republiktreuen Bevölkerung versteckt haltender Priester in Erscheinung, der über Brände in Kirchen und Konventen berichtet. Auf narrativer Ebene dient dies dazu, das Credo des ›Wir waren alle schuld‹ zu stützen, demzufolge kompromisslose Gewalt zu Zeiten des Bürgerkriegs in Form einzelner ›radikaler‹ Vertreter und kleinerer, mob-ähnlicher Gruppierungen vermeintlich symmetrisch verteilt war : Vgl. Amar en tiempos revueltos – T1 – Cap†tulo 5 (04. 10. 2005), www.rtve.es (20. 02. 2012). S. kapitel 2. Zu Amar en tiempos revueltos s. kapitel 4.1.2.

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Film gaben sie 2004 ein Buch mit dem Untertitel ¿Hay un Holocausto espaÇol? (dt.: »Gibt es einen spanischen Holocaust?«) heraus.577 Auf dem spanischen Buchmarkt kam es kurz nach der Jahrtausendwende zu einem regelrechten Boom der Veröffentlichung von Zeitzeugenberichten, die mehrheitlich von Journalisten und nicht von Historikern aufgearbeitet und publiziert worden waren.578 Der Rekurs auf Zeugen dient im Allgemeinen dazu, die ›Wahrhaftigkeit‹ der Geschehnisse zu garantieren.579 Er ist ursprünglich im juristischen Kontext zu suchen, wo der Zeuge eine Ungerechtigkeit darlegt, damit diese öffentlich wird.580 Genau dieser Fokus steht im spezifisch spanischen Kontext der Bemühungen um eine ›Rückgewinnung der historischen Erinnerung‹ im Vordergrund: Der Literaturwissenschaftlerin Celia Fern‚ndez Prieto zufolge zielt hier der »Wille, zu bezeugen«581, darauf ab, »eine entführte Erinnerung wiederherzustellen, denen die Stimme zurückzugeben, die sie verloren

577 Die problematischen Implikationen einer solchen Bezugnahme werden ausführlich in den kapiteln 7.2 und 7.3 diskutiert. 578 Vgl. Labanyi (2007), S. 440. Die Politikwissenschaftlerin Georgina Blakeley hält im Zusammenhang mit dem Aufschwung der Zeitzeugenerinnerungen zur jüngeren Vergangenheit die Radiosendung Hoy por Hoy für besonders bedeutsam, die ihre Hörer im September 2001 zur Einsendung persönlicher Erinnerungen aufrief. Daraufhin sah sich der Sender Cadena Ser mit einer wahren Flut von Leserbriefen konfrontiert, von denen sich 80 % auf die Zeit des Bürgerkriegs oder der Franco-Diktatur bezogen und die 2002 unter dem Titel Los aÇos dif†ciles (dt.: »Die schwierigen Jahre«) von dem Journalisten Carlos Elordi herausgegeben wurden: Vgl. Blakeley (2008), S. 316. 579 Vgl. Vatter (2009), S. 326. Auch der Zuschauer selbst kann mittels bestimmter Kameraeinstellungen in die Rolle des Zeugen manövriert werden, wie es in allen der im Rahmen der vorliegenden Untersuchung analysierten ›Kernquellen‹ in unterschiedlich stark ausgeprägter Form geschieht. Dabei ›bezeugt‹ der Zuschauer das vergangene Geschehen häufig durch kindliche oder junge Protagonisten. Zu kindlichen Protagonisten s. unter kapitel 4.3.2. 580 Vgl. Labanyi (2006), S. 90 f. Die Hispanistin Jo Labanyi weist darauf hin, dass Zeitzeugenaussagen besonders wichtig in Lateinamerika waren, wo sie in den 1970er-Jahren als Instrument der politischen Anklage dienten. Wie unter kapitel 7.3 ausgeführt, haben die Debatten über die politische Repression in Ländern wie Argentinien, Chile, Uruguay, Guatemala und später Peru im Hinblick auf die spanischen Initiativen zur ›Rückgewinnung der historischen Erinnerung‹ im Allgemeinen eine Schlüsselrolle inne. In Spanien sagten Zeugen der franquistischen Repression erstmals im Februar 2012 vor Gericht aus – bezeichnenderweise aber nicht als Zeugen der Anklage, sondern als Zeugen der Verteidigung im Rahmen eines Prozesses, in dem eben der Richter auf der Anklagebank saß, der sich um eine juristische Aufarbeitung der Verbrechen des Franco-Regimes bemüht hatte: Garzûn: Vgl. L‚zaro, Julio M./Yoldi, Jos¦: El Supremo se fractura ante el juicio a Garzûn pero sigue adelante por un voto. In: El Pa†s (31. 01. 2012), http://politica.elpais.com (20.02. 2012); C‚ceres, Javier: Zeugen des Bürgerkriegs. In: Süddeutsche Zeitung (02. 02. 2012), www.sueddeutsche.de (20. 02.2012); L‚zaro, Julio M.: Las v†ctimas del franquismo exigen su derecho a saber sin af‚n de venganza. In: El Pa†s (06. 02.2012), http://politica.elpais.com (20. 02. 2012). Näheres zum Verfahren gegen Garzûn s. ebenfalls kapitel 7.3. 581 Fern‚ndez Prieto (2005), S. 69: »voluntad testimonial«.

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hatten, das Vergessen zu vertreiben«582. In diesem Zitat kommt durch eine problematische Metaphorik, die Erinnerungsprozesse irrigerweise als abstrakt funktionierendes storage-retrieval-System darstellt und darüber hinaus passives ›Ausblenden‹ mit aktivem Vergessen verwechselt, eine der Hauptzielrichtungen der recuperaciûn de la memoria histûrica zum Ausdruck: bis dato dominante offizielle Deutungen der jüngeren Vergangenheit zu korrigieren oder gar zu delegitimieren, wobei der Veröffentlichung und Verbreitung von Zeitzeugenberichten eine herausragende Stellung eingeräumt wird.583 So verstehen sich nicht zuletzt die Macher bestimmter spanischer Kino- und Fernsehproduktionen mit historischem Sujet als an der ›Rückgewinnung der historischen Erinnerung‹ Beteiligte: Indem sie auf Zeitzeugenberichte zurückgreifen, helfen sie die Kluft überwinden, die seit der Franco-Diktatur zwischen individueller Erinnerung und offizieller Erinnerungspolitik herrscht. Ein derartiges Selbstverständnis liegt zahlreichen der Dokumentarfilme zugrunde, die seit Ende der 1990er-Jahre in Spanien wieder vermehrt produziert werden –584 eine Konjunktur, die nicht zufällig mit den letzten Jahren des aznarismo koinzidiert.585 Als die PSOE unter Jos¦ Luis Rodr†guez Zapatero im Zuge der Bombenattentate auf den Madrider Pendlerbahnhof Atocha im März 2004 die Wahlen gewann, kam es von offizieller Seite zu einer – wenngleich zögerlichen – Unterstützung der Bemühungen um eine sogenannte ›Rückgewinnung der historischen Erinnerung‹ auf zivilgesellschaftlicher Ebene. Angesichts der Tatsache, dass die Sozialdemokraten die Konsenspolitik während der transiciûn und ihrer sich daran anschließenden 14-jährigen Regierungsmacht beinahe durchgehend bedingungslos akzeptierten und keine der Maßnahmen anstießen, für die sie nunmehr stehen wollten, verdeutlicht dieser zaghafte Einstellungswandel nicht 582 Ebd.: »restaurar una memoria secuestrada, devolver la voz a quienes la hab†an perdido, conjurar el olvido«. Vgl. Yusta (2007). 583 Allgemeiner geht es bei der verstärkten Aufmerksamkeit, die Zeitzeugen im Spanien der Jahrtausendwende zuteil wird, darum, ihre autobiografischen Erfahrungen für nachfolgende Generation materiell festzuhalten: Vgl. M†nguez (2006), S. 90; Erll (2008a), S. 9. 584 Ein derartiges Selbstverständnis artikulieren allerdings auch die Macher fiktionaler Produktionen, wie beispielsweise der Entstehungsprozess des Kinospielfilms Silencio roto (Broken Silence; ES 2001) verdeutlicht, s. kapitel 4.2.1. Die filminterne Inklusion von Zeitzeugen und deren Berichten in der kinematografischen Literaturadaption Soldados de Salamina (Soldiers of Salamina; ES 2003) wird von Kritikern ebenfalls mit einem derartigen Selbstverständnis in Verbindung gebracht, s. kapitel 4.2.2. 585 Vgl. S‚nchez (2009), S. 133 und 135. In den Dokumentarfilmen, die seit der Jahrtausendwende vermehrt produziert werden und sich offensiv der Themen annehmen, die der recuperaciûn de la memoria histûrica verschrieben sind, stehen allerdings nicht mehr Aussagen autorisierter Repräsentanten einer bestimmten Ideologie bzw. bekannter Figuren der Zeitgeschichte im Mittelpunkt, wie noch zu Zeiten der transiciûn. Vielmehr geht es nun um die Biografien ›normaler‹ Menschen, die bisher nicht weiter beachtet wurden: Vgl. M†nguez (2006), S. 96. S. kapitel 4.2.

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zuletzt einen gewissen wahltaktischen Opportunismus.586 Dabei »beruft sich [Rodr†guez Zapatero selbst] gern auf seinen Großvater, der als republikanischer Offizier im Bürgerkrieg hingerichtet wurde«587. Infolge der vorsichtigen Annäherungsversuche der PSOE an vereinzelte Forderungen einer recuperaciûn de la memoria histûrica entwickelte sich die Frage nach dem offiziellen Umgang mit der jüngeren Vergangenheit und ganz konkret mit den Opfern der franquistischen Repression NfflÇez Seixas zufolge »in der Legislaturperiode 2004 – 2008 zu einem Politikfeld, auf dem die Polarisierung der spanischen Politik […] deutlich zutage trat«588 ; eine offensichtliche Radikalisierung und Polemisierung der spanischen Politik, die die konservative Opposition forcierte und die auch als crispaciûn (dt.: »Gereiztheit«) bezeichnet wird.589 Das offensichtlichste Zeichen der seinerzeit amtierenden PSOE-Regierung, sich aktiv mit der jüngeren Vergangenheit zu befassen, war das aus der Arbeit einer im Oktober 2004 eingerichteten Untersuchungskommission resultierende Ley de la memoria histûrica (dt.: »Gesetz der historischen Erinnerung«). Zurückgehend auf einen parlamentarischen Beschluss vom 1. Juni 2004 und nach Eingaben von Betroffenen und lokaler Vereinigungen schlug die Untersuchungskommission unter dem Vorsitz der damaligen PSOE-Vizeregierungschefin Teresa Fern‚ndez de la Vega Maßnahmen für die moralische und juristische Rehabilitierung der Opfer politischer Repression vor. Erst zwei Jahre später, am 28. Juli 2006, wurde ein Gesetzentwurf vom spanischen Ministerrat gebilligt.590 Endgültig verabschiedete das spanische Parlament das »Gesetz der historischen Erinnerung« am 31. Oktober 2007,591 der spanische Senat am 10. Dezember 2007.592 Die Sensibilität und Streitbarkeit einiger der im Rahmen des Gesetzes verhandelten Themen erschwerte eine rückhaltlose Unterstützung des Vorhabens von Anfang an und erklärt die lange Dauer des Ausarbeitungsund Verabschiedungsprozesses.593 Was die linken und linksnationalistischen 586 587 588 589

590 591 592 593

Vgl. Elsemann (2011), S. 171. Zuber, Helene: Kulturelles Schlachtfeld. In: Der Spiegel (03. 12. 2007), Nr. 49, S. 180. NfflÇez Seixas (2009), S. 161. Vgl. Bernecker/Maihold (2007); Bernecker (2008b), S. 85. Die Strategie der crispaciûn unterscheidet sich dem Historiker Walther L. Bernecker zufolge von den üblichen Meinungsverschiedenheiten zwischen Regierung und Opposition darin, »auf Dauer und systematische Anwendung angelegt« (Bernecker (2008b), S. 85) gewesen zu sein. Es sei dabei darum gegangen, »die Kritik an der Regierung von der parlamentarischen Bühne in die Massenmedien und auf die Straße zu verlagern, um den Eindruck zu erwecken, der Protest gegen die Regierungspolitik komme aus dem Innern der Gesellschaft selbst« (ebd., S. 86 f.). Vgl. Blakeley (2008), S. 318. Das Ausarbeiten eines solchen Gesetzes war nicht Teil des ursprünglichen Wahlprogramms der PSOE, wurde jedoch bald zu einem zentralen Anliegen der ersten PSOE-Amtszeit. Vgl. Der Spiegel (03. 12. 2007), S. 180; Blakeley (2008), S. 316. Vgl. NfflÇez Seixas (2009), S. 170. Vgl. Blakeley (2008), S. 319 f.

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Oppositionsparteien, einen beträchtlichen Teil der zivilgesellschaftlichen Vereinigungen sowie weltweit aktive Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International anbelangt, so vermochte es das endgültige Gesetz nicht, die Erwartungen zu erfüllen.594 Das Ley de la memoria histûrica verlangt unter anderem die endgültige Beseitigung franquistischer Symbole aus dem öffentlichen Raum, ebenso ordnete es konkrete erinnerungspolitische Maßnahmen zur Umdeutung des Valle de los Ca†dos an, in dem politische Kundgebungen nunmehr verboten sind und wo ursprünglich ein Dokumentationszentrum entstehen sollte.595 Darüber hinaus gibt es von staatlicher Seite aus jedoch keine Initiative, Orte der Repression als solche zu kennzeichnen, beispielsweise mit Plaketten oder Informationstafeln, geschweige denn sie in pädagogisch orientierte Aufklärungs- und Schulungszentren zu überführen.596 Das Bürgerkriegsarchiv in Salamanca, um dessen Bestände es seit 1995 bisweilen heftige Auseinandersetzungen gegeben hatte, ist infolge der Umsetzung des Gesetzes allerdings in ein zentrales Centro de la Documentaciûn de la Memoria Histûrica (dt.: »Dokumentationszentrum der historischen Erinnerung«) überführt worden.597 Im Hinblick auf den Umgang mit den über das spanische Territorium verstreuten Massengräbern hat der spanische Staat keine allgemein gültigen Beschlüsse gefällt. So gibt es keine staatliche Stelle, die Exhumierungen koordiniert oder denen per se finanzielle 594 Vgl. Brinkmann (2008), S. 130; Junquera, Natalia: No es la sociedad civil. Es el Estado. In: El Pa†s (17. 11. 2008), www.elpais.com (20. 02. 2012); Elsemann (2011), S. 306 – 315. Auch über den konkreten Fall des verabschiedeten Gesetzes hinaus erfüllte die PSOE die mit einer offiziell forcierten ›Rückgewinnung der historischen Erinnerung‹ verknüpften Erwartungen nicht: Vgl. NfflÇez Seixas (2010a), S. 25. 595 Vgl. Blakeley (2008), S. 328; NfflÇez Seixas (2009), S. 171; NfflÇez Seixas (2010a), S. 47. Brinkmann weist darauf hin, dass die Umwandlung des Valle de los Ca†dos in ein Dokumentationszentrum »den Fortbestand der dortigen Benediktinerabtei bedroht« (Brinkmann (2008), S. 130), weswegen dieses Vorhaben letztlich fallen gelassen wurde: Vgl. ebd. Die Vorschläge und Streitigkeiten, wie mit dem Valle de los Ca†dos von offizieller Seite aus umzugehen sei, überdauerten noch die im November 2011 abgehaltenen vorgezogenen Parlamentswahlen: Vgl. Junquera, Natalia: »Primo de Rivera es uno m‚s.« In: El Pa†s (29.11. 2011), http://politica. elpais.com (20. 02. 2012); Fraguas, Rafael: El otro inquilino del Valle de los Ca†dos. In: El Pa†s (30. 11. 2011), http://politica.elpais.com (20. 02. 2012); C‚ceres, Javier: Ruhestörung im Tal der Gefallenen. In: Süddeutsche Zeitung (30. 11. 2011), Nr. 276, S. 13. 596 Vgl. M†nguez (2006), S. 82; Süddeutsche Zeitung (20. 10. 2008). 597 Vgl. Ingendaay (2008), S. 369; Capdepûn (2010), S. 36. Zu Zeiten der Aznar-Regierung gab es Auseinandersetzungen über Dokumente, die die katalanische Autonomieregierung, die Generalitat de Catalunya, für sich reklamierte, die PP sich jedoch weigerte, an Barcelona zu überführen. Sie verblieben im Bürgerkriegsarchiv in Salamanca, bis die PSOE-Regierung sie im Januar 2006 an die Generalitat übergab. Dieser Streit steht exemplarisch dafür, wie die Frage über den Umgang mit der jüngeren Vergangenheit »zugleich das Verhältnis zwischen dem spanischen Nationalstaat und den Autonom†as [Herv. i.Orig.] berührt«: Suntrup-Andresen (2008), S. 85. Vgl. Ehrlicher (2005), S. 5 – 7; Bernecker (2007); Boyd (2008), S. 137; Brinkmann (2008), S. 125 f.; Suntrup-Andresen (2008), S. 85 – 87.

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Unterstützung gewährt, die sich um eine Öffnung der Gräber bemühen. Dem endgültigen Wortlaut des Gesetzes zufolge verpflichtet sich der spanische Staat lediglich dazu, direkten Angehörigen der Opfer die Lokalisierung und Identifizierung ihrer Nächsten – auch materiell – zu erleichtern.598 Des Weiteren erklärt das Ley de la memoria histûrica zwar die ›Illegitimität‹, jedoch nicht die Ungültigkeit aller Gerichtsurteile, die wegen politischer und ideologischer Überzeugungen – darunter auch religiöser Art – während des Kriegs und der Diktatur gefällt wurden.599 Eine Aufhebung franquistischer Gerichtsurteile ist somit nicht vorgesehen.600 Justizopfer der Diktatur können die Namen der Täter, darunter Denunzianten, Ankläger, Richter und Staatsanwälte, erfahren. Eine allgemein zugängliche Veröffentlichung der Verfahrensakten wurde von der Untersuchungskommission jedoch als zu ›konfliktreich‹ abgetan.601 So steht bei den Bemühungen der regierenden Sozialdemokraten weiterhin das Motiv der ›Versöhnung‹ im Vordergrund, zu Lasten einer betont kritischen, möglicherweise notwendigen juristischen Aufarbeitung vergangener franquistischer Verbrechen.602 Angesichts dieser Prioritätensetzung droht auch das Ley de la memoria histûrica noch dreißig Jahre nach der transiciûn weiterhin mit moralischem Relativismus einherzugehen. Dies verdeutlicht die im Rahmen des »Gesetzes der historischen Erinnerung« erfolgende Betonung der Opfer auf ›beiden Seiten‹, die allein bei genauerer Betrachtung des eigentlichen Gesetzesnamens offenkundig wird. Die Opfer des Bürgerkriegs und die der Franco-Diktatur werden hier in ein- und demselben Atemzug genannt: »Gesetz zur Anerkennung und zur Erweiterung der Rechte sowie zur Ergreifung von Maßnahmen zugunsten der Personen, die während des Bürgerkriegs und der Diktatur Verfolgung oder Gewalt erlitten haben« (span.: Ley por la que se reconocen y ampl†an los derechos y se establecen medidas en favor de quienes padecieron persecuciûn o violencia durante la guerra civil y la dictadura).603 Dabei besteht das »equivalence problem«604 darin, dass den Bürgerkriegsopfern auf aufständischer Seite während der Franco-Diktatur bereits Anerkennung und Entschädigung zuteilwurde, ganz im Gegensatz zu den Opfern des franquistischen Regimes bzw. deren Angehörigen, die, wenn überhaupt, oft nur unzureichend entschädigt wurden.605 598 Vgl. El Pa†s (17. 11. 2008); Blakeley (2008), S. 321; Capdepûn (2010), S. 36. 599 Vgl. El Pa†s (17. 11. 2008); Blakeley (2008), S. 321 f.; Boyd (2008), S. 145 f.; Brinkmann (2008), S. 129; NfflÇez Seixas (2009), S. 170 f.; Capdepûn (2010), S. 36; NfflÇez Seixas (2010a), S. 47. 600 Vgl. NfflÇez Seixas (2010a), S. 48. 601 Vgl. Keene (2007), S. 663; NfflÇez Seixas (2009), S. 172; NfflÇez Seixas (2010a), S. 48. 602 S. hierzu ausführlich unter kapitel 7.3. 603 Vgl. Blakeley (2008), S. 320 und 329. 604 Ebd. 605 Vgl. ebd. Die Spärlichkeit der finanziellen Hilfen für Opfer des Franquismus bzw. deren

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Wenngleich das Ley de la memoria histûrica die ungebrochene Virulenz des altbekannten, umfassenden Versöhnungsgedankens auf offizieller erinnerungspolitischer Ebene bestätigt,606 stand die PP dem ganzen Projekt überaus ablehnend gegenüber. Sie beschuldigte die Sozialdemokraten, die transiciûn und deren Errungenschaften zu Grabe tragen zu wollen.607 Der damalige Spitzenkandidat der PP, Mariano Rajoy, kündigte noch Ende 2007 an, er werde das Gesetz im Falle eines Wahlsieges Anfang März 2008 wieder abschaffen.608 Im Hinblick auf die heutige Rechtsprechung in Spanien kann das »Gesetz der historischen Erinnerung« in Anlehnung an die Politikwissenschaftlerin Georgina Blakeley tatsächlich als überflüssig bewertet werden, da für die Durchsetzung der Mehrheit der darin enthaltenen Maßnahmen auf andere, bereits bestehende juristische Wege hätte gedrängt werden können.609 Symbolisch-politisch ist das Ley de la memoria histûrica jedoch notwendig, da sich der spanische Staat damit auch in erinnerungspolitischer Hinsicht als Vertreter des spanischen Volkes versteht und sich aktiv in dieser Rolle versucht.610 Immerhin waren »[i]m Juli 2006 einer […] Umfrage zufolge 64,5 Prozent der Spanier mit der Exhumierung der Massengräber des Bürgerkriegs, einer ausführlichen Erforschung der Geschichte dieses Konflikts und der endgültigen Rehabilitierung der Opfer von Krieg und Repression einverstanden. Nur 25,6 Prozent der Befragten waren dagegen«611. Über das »Gesetz der historischen Erinnerung« hinaus bekräftigte die PSOE-Regierung während ihrer ersten Amtszeit durch weitere Maßnahmen ihren Willen, gemäßigte erinnerungspolitische Forderungen einer ›Rückgewinnung der historischen Erinnerung‹ zu unterstützen. So deklarierte das spanische Parlament das Jahr 2006 zum AÇo de la Memoria Histûrica (dt.: »Jahr der historischen Erinnerung«) – dasselbe Kalenderjahr, in dem sich der Jahrestag der Zweiten Republik zum 75. Mal und der Ausbruch des Bürgerkriegs

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Angehörige und die Verzögerung in ihrer Bewilligung führte laut Aguilar Fern‚ndez zu einer gewissen Debatte. In vielen Fällen erweist es sich als schwierig, die zum Erhalt der Gelder notwendigen Dokumente aufzutreiben, da belastende Beweisstücke zum Teil systematisch zerstört wurden: Vgl. Aguilar Fern‚ndez (2003), S. 18 f. Vgl. Brinkmann (2007), S. 190; Brinkmann (2008), S. 118; NfflÇez Seixas (2009), S. 171; NfflÇez Seixas (2010a), S. 48. Vgl. Keene (2007), S. 663 f.; Bernecker (2008a), S. 191; Blakeley (2008), S. 325 ff.; Boyd (2008), S. 145; Capdepûn (2010), S. 35 f.; NfflÇez Seixas (2010a), S. 34. Vgl. Der Spiegel (03. 12. 2007), S. 180. Auch im Vorfeld der vorgezogenen Neuwahlen am 20. November 2011 fürchteten zivilgesellschaftliche Initiativen und universitäre Projekte Kürzungen von Subventionen und Fördermitteln im Falle eines Wahlsieges der PP. Vgl. Blakeley (2008), S. 324. Vgl. ebd., S. 325 und 330. Blakeley wertet das Gesetz demzufolge als positives Produkt der Kompromisse, die den alltäglichen politischen Prozess in einer funktionierenden Demokratie charakterisieren: Vgl. ebd., S. 315, 317 f. und 323 ff. NfflÇez Seixas (2010a), S. 24. Vgl. o. V.: Encuesta del Instituto Opina para El Pa†s. In: El Pa†s (18. 07. 2006), S. 23.

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zum 70. Mal jährte.612 In eben dem Jahr wurden über ganz Spanien verstreut Ausstellungen, Gesprächskreise und Publikations- bzw. Forschungsprojekte zur ›Rückgewinnung der historischen Erinnerung‹ offiziell gefördert und umgesetzt.613 In verschiedenen Kulturinstitutionen gastierte beispielsweise landesweit schon seit Mitte 2005 eine Filmreihe, deren spanische wie ausländische Regisseure sich dezidiert dem Gedenken an die Opfer der franquistischen Repression verschrieben hatten, verdeutlicht im Namen: Im‚genes contra el olvido (dt.: »Bilder gegen das Vergessen«).614 Anlässlich des AÇo de la memoria histûrica 2006 gab auch das staatliche spanische Fernsehen TVE eine Dokumentarfilmreihe in Auftrag.615 Sie trägt den bezeichnenden Titel La memoria recobrada (dt.: »Die wiedergefundene/zurückerlangte Erinnerung«), ausgestrahlt wurden ihre einzelnen Teile allerdings ›nur‹ auf dem zweiten Programm La 2. Bereits ab September 2005 lief jedoch mit Amar en tiempos revueltos (dt.: »Liebe in aufgewühlten Zeiten«) eine Fernsehserie auf dem ersten Programm La 1, die in den Augen der PP und ihrer Anhänger Themen aus Spaniens jüngerer Vergangenheit anrührte, die besser weiterhin unangetastet geblieben wären.616

4.1.2 Gedenken an die Opfer des Franquismus: Amar en tiempos revueltos »Ja, es besteht die Absicht, wegen dieser Jahre eine Therapie zu machen.«617

Eine fiktionale Fernsehserie namens Amar en tiempos revueltos (dt.: »Liebe in aufgewühlten Zeiten«), deren erste Staffel vor dem Hintergrund der Februar612 »Auch einige Regionalregierungen erklärten das Jahr 2006 zum AÇo de la Memoria Histûrica [und] bewilligten Forschungsprojekte über den Bürgerkrieg und seine Folgen.«: NfflÇez Seixas (2010a), S. 23. Zur Neubewertung der republikanischen Ära, mit der die Ausrufung des AÇo de la Memoria Histûrica einherging, s. auch kapitel 3.1. 613 Vgl. Keene (2007), S. 662. 614 Vgl. Im‚genes contra el olvido, Sobre el ciclo, www.imagenescontraelolvido.com (20. 02. 2012). Die filmische Begleitung der Suche nach und Öffnung von Massengräbern ist hier beispielsweise in den Dokumentarfilmen La mala muerte (dt.: »Der schlechte Tod«; ES 2005) und Santa Cruz, por ejemplo… (Santa Cruz por ejemplo… – Der Mord von Santa Cruz; ES-AUS 2005) enthalten. Die Filme dieser Reihe werden in Form einer gleichnamigen DVD-Box vertrieben: Vgl. www.imagenescontraelolvido.com (20. 02. 2012). 615 Vgl. Hern‚ndez Corchete (2008), S. 154 f. Für einen der Teile der Reihe, Galicia, La tempestad del 36 (dt.: »Galicien, der Sturm von 36«), fungierte der Historiker NfflÇez Seixas als Berater und wurde unter anderem der galicische Schriftsteller Manuel Rivas (s. Fußnoten 390 und 1775) – ein Beispiel für einen »Schriftsteller-Publizist[en]« (Winter (2004), S. 643) des spanischen Literaturbetriebs (s. Fußnote 1030) – als ›Experte‹ interviewt. 616 Vgl. Smith (2009), S. 123. 617 Jos¦ Ramûn V‚zquez und Jaume Banacolocha; zit. n.: Gim¦nez, Gabriela: Televisiûn EspaÇola ambienta en la Guerra Civil su culebrûn de sobremesa. In: ABC (23. 09. 2005), S. 107: »[S]† se quiere hacer terapia de lo que fueron aquellos aÇos.«

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wahlen 1936 einsetzt, lief ab dem 26. September 2005 wochentags täglich um 16.15 Uhr auf dem ersten spanischen Fernsehprogramm La 1. Sie war zunächst mit einem geringen Budget ausgestattet und mit 130 Folgen auf vorerst sechs Monate ausgelegt,618 dann aber so erfolgreich, dass 2011/12 die siebte und gleichzeitig letzte Staffel ausgestrahlt wurde, die im franquistischen Spanien Mitte der 1950er-Jahre spielt.619 Dabei erreichte die erste Staffel, deren letzte Folge am 26. Juni 2006 lief, durchschnittlich über 2 Mio. Zuschauer, was einem Marktanteil von 20,9 % entspricht.620 Ihre Anzahl stieg während der vierten Staffel 2008/09 sogar noch auf einen Durchschnitt von 2.634.000 Mio. an: ein Marktanteil von 22,4 %.621 Amar en tiempos revueltos besetzte stets einen der Plätze der zehn Programme, die unter der Woche am häufigsten geschaut werden. TVE bezeichnete diese TV-Serie daher als »Flaggschiff«622 seines Nachmittagsprogramms. Aufgrund ihres phänomenalen Erfolges gilt Amar en tiempos revueltos als Emblem der espaÇolizaciûn623 (dt.: »Hispanisierung«) des in Spanien ausgestrahlten Serienprogramms, das zuvor vor allem von lateinamerikanischen Telenovelas dominiert wurde.624 Dabei überraschte die überaus positive Aufnahme

618 Vgl. ABC (23. 09. 2005), S. 107; Del Mar Chicharro Merayo/Rueda Laffond (2008), S. 71; Del Mar Chicharro Merayo (2009), S. 88. Das geringe Budget macht sich in dem beinahe kammerspielartigen Eindruck der ersten Staffel bemerkbar, da überwiegend in Interieurs gedreht wurde, sowie in der wenig elaborierten Kameraarbeit: Vgl. Del Mar Chicharro Merayo/Rueda Laffond (2008), S. 71. 619 Auch hier – wie schon bei 14 de abril. La Repfflblica (dt.: »14. April. Die Republik«; TVE/La 1, erste Staffel 2011, s. Kapitel 3.3) – ist das Einstellen der Ausstrahlung der Serie Amar en tiempos revueltos auf TVE/La 1 kaum mit mangelndem Publikumserfolg zu begründen: Immerhin erschien dem Privatsender Antena 3 der Stoff rentabel genug, um die Produktionsfirma Diagonal TV mit einem Spin off zu beauftragen, der seit dem 14. Januar 2013 unter dem Titel Amar es para siempre (dt.: »Lieben ist für immer«) unter der Woche nachmittags gesendet wird: Vgl. www.antena3.com/series/amar (14. 08. 2013). 620 Vgl. Gallo, Isabel: La dura posguerra centra la nueva etapa de Amar en tiempos revueltos. In: El Pa†s (21. 08. 2006), www.elpais.com (20. 02. 2012); Del Mar Chicharro Merayo/Rueda Laffond (2008), S. 70; Abascal Fraile, Estrella: »Hacer ¦poca es un placer.« In: ABC (06. 08. 2009), S. 91; Del Mar Chicharro Merayo (2009), S. 89. 621 Vgl. Forn, Marta: Los cotilleos son indigestos. In: La Vanguardia (17. 10. 2008), S. 13; ABC (06. 08. 2009), S. 91. 622 TVE-Programmdirektorin Eva Cebri‚n; zit. n.: Smilovitz Kassin, Elie: Amar en tiempos revueltos rueda su temporada m‚s cara. In: ABC (31. 07. 2008), S. 93: »buque insignia«. 623 Del Mar Chicharro Merayo (2009), S. 74. Vgl. Del Mar Chicharro Merayo/Rueda Laffond (2008), S. 59. 624 Vgl. Contreras/Palacio (2001), S. 96 ff.; Garc†a de Castro (2002), S. 101 sowie 106 ff.; Rey (2004a), S. 101 f.; Smith (2006a), S. 21 f.; Smith (2006b), S. 1 sowie 24. Die Kommunikationswissenschaftler Jos¦ Miguel Contreras und Manuel Palacio sowie Mario Garc†a de Castro bewerten die Comedy-Serie Farmacia de Guardia (dt.: »Bereitschaftsapotheke«; Antena 3, 1991 – 1995) als wegweisend für den Aufschwung der nationalen Serienproduktion: Vgl. Contreras/Palacio (2001), S. 96; Garc†a de Castro (2002), S. 106 sowie 111.

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des Produkts beim Publikum die Macher der Serie selbst.625 Der Hispanist Paul Julian Smith stellt heraus, dass sich bereits die erste Staffel von Amar en tiempos revueltos trotz geringem Budget durch ein exzellentes Kostümdesign und Szenenbild auszeichne, was die Serie als Qualitätsprodukt kennzeichne. Dieses Qualitätsstreben werde zudem durch das zeitweilige Inkorporieren teurer Außendrehs bzw. renommierter (Kino-)Schauspieler offenkundig.626 Schon vor Anlaufen der ersten Folge der ersten Staffel ließ TVE verlauten, dass eine täglich ausgestrahlte Sendung dieses Formats, vor historischem Hintergrund spielend und mit betont qualitativem Anspruch, nicht üblich sei in Spanien.627 Für La Vanguardia reflektiert Amar en tiempos revueltos in der Tat »auf neuartige und didaktische Art und Weise den Geist konfliktreicher Jahre«628. Da seit der transiciûn vor allem spanische Kinospielfilme dominante Lesarten in Bezug auf die jüngere Vergangenheit perpetuierten,629 erachten auch die Kommunikationswissenschaftler Mar†a del Mar Chicharro Merayo und Jos¦ Carlos Rueda Laffond Amar en tiempos revueltos als einen im positiven Sinne »gewagten Einsatz«630, als »einen der originellsten Versuche, die jüngste spanische Geschichte zurückzugewinnen und sie in eine Fernsehserie zu verwandeln«631. Ähnlich konstatiert Smith, dass Amar en tiempos revueltos hinsichtlich des Handlungszeitraums – Spanischer Bürgerkrieg und Frühfranquismus – keine Vorläufer zu verzeichnen habe.632 Unterschlagen wird dabei, dass die Macher der TV-Serie Amar en tiempos revueltos sich von der Serie Temps de silenci (dt.: »Zeiten des Schweigens«) inspirieren ließen, die 2001/02 auf dem katalanischen Regionalsender TV3 lief.633 Temps de silenci sei laut einem der Macher von Amar en tiempos revueltos, 625 626 627 628

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Vgl. Del Mar Chicharro Merayo/Rueda Laffond (2008), S. 71. Vgl. Smith (2009), S. 132. Vgl. ABC (23. 09. 2005), S. 107. Orta, Josep M.: La seÇora novela la agitaciûn y la lucha social de los aÇos veinte. In: La Vanguardia (06. 03. 2008), S. 13: »de una manera novedosa y did‚ctica el esp†ritu de unos aÇos conflictivos«. Dieses Urteil gilt laut La Vanguardia auch für die 2008 bis 2010 erfolgreich auf TVE ausgestrahlte Serie La SeÇora. Zu La SeÇora s. auch kapitel 3.3. Zwar strahlte TVE Anfang der 1980er-Jahre fiktionale, qualitativ hochwertige Fernsehfilmproduktionen mit Bürgerkriegsthematik aus, vor allem Literaturadaptionen, die aber auf nur geringe Zuschauerresonanz stießen: Del Mar Chicharro Merayo/Rueda Laffond (2008), S. 59; Lûpez (2009), S. 21. S. 1.1.3. Del Mar Chicharro Merayo/Rueda Laffond (2008), S. 71: »arriesgada apuesta«. Ebd., S. 58: »uno de los intentos m‚s originales por rescatar la reciente historia espaÇola y convertirla en teleserie«. Vgl. Smith (2009), S. 122. Dabei stützten sich die Macher von Amar en tiempos revueltos auf die historische Beratung des Universitätsprofessors Ýngel Bahamonde, s. kapitel 3.3. Sowohl Temps de Silenci als auch Amar en tiempos revueltos wurden von der spanischen Produktionsfirma Diagonal TV (Gruppe Endemol) produziert, ebenso die 2008 bis 2010 erfolgreich auf La 1 ausgestrahlte Serie La SeÇora sowie das sich 2011 anschließende Sequel 14 de abril. La Repfflblica. Zu letztgenannten Serien s. kapitel 3.3.

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Rodolf Sirera – als Drehbuchschreiber bereits an der katalanischen Vorgängerproduktion beteiligt –, die erste Serie in Spanien gewesen, deren Handlung in der jüngeren spanischen Vergangenheit, in diesem Fall im Barcelona der Nachkriegszeit, angesiedelt war. Als Konsequenz daraus sei das staatliche spanische Fernsehen TVE die Produktion und Ausstrahlung der TV-Serie Cu¦ntame cûmo pasû (dt.: »Erzähl mir, wie es war«; seit 2001) angegangen.634 Dabei gilt als ein Erfolgsrezept dieser Serie, dass sie sich der Vergangenheit mit einer gewissen Dosis Humor und Nostalgie nähert und die zugänglicheren Jahre des Spätfranquismus als zeithistorische Kulisse nutzt.635 Die Handlung von Amar en tiempos revueltos setzt hingegen in deutlich umstritteneren Perioden der spanischen Zeitgeschichte ein: Die erste Staffel der Serie mit 199 Folgen — 30 bis 40 Minuten beginnt mit dem Sieg der ›Volksfront‹ am 16. Februar 1936,636 umfasst den Spanischen Bürgerkrieg als Handlungszeitraum, um sich dann überwiegend in der unmittelbaren Nachkriegszeit zu entfalten. Im Vergleich mit Cu¦ntame cûmo pasû fällt zudem auf, dass Amar en tiempos revueltos auf andere Art und Weise mit der jüngeren Vergangenheit umgeht: Letztere schlägt einen bedeutend dramatischeren Ton an.637 »Weit davon entfernt, eine generelle nostalgische Fantasie zu fördern«638, so Smith – der Seitenhieb auf Cu¦ntame cûmo pasû ist unverkennbar –, präsentiere Amar en tiempos revueltos »spezifische politische Fragen, die während ihres Produktionsprozesses debattiert werden«639. Diese Serie sei deshalb ein Beispiel für gelungene »Geschichtspäd634 Vgl. »Amar recupera la memoria histûrica de padres, abuelos, y otras historias humanas« (05. 08. 2008), www.rtve.es (20. 02. 2012). Vgl. Rey (2004a), S. 102; Smith (2006a), S. 22; Smith (2006b), S. 1. 635 Vgl. Smith (2009), S. 122. Zugänglicher deshalb, weil das späte franquistische Regime vor allem aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung, die Franco ab 1959 notgedrungen vorantrieb, von etlichen Spaniern als Modernisierungsregime betrachtet und daher ambivalent bewertet wird. Zur ambivalenten Bewertung des Franquismus s. kapitel 3.1, zur Definition der Franco-Herrschaft s. Kapitel 4.3.1. 636 Zum Wahlsieg der ›Volksfront‹ s. kapitel 7.1. 637 Vgl. Gal‚n Fajardo (2007); Smith (2009), S. 122 und 126. 638 Smith (2009), S. 124: »Lejos de promover una fantas†a nost‚lgica generalizada«. Dennoch werden auf der offiziellen Webseite zu Amar en tiempos revueltos einzelne Produkte nostalgisch beworben. So wird hier beispielsweise ein Kochbuch angepriesen, das im Titel mit dem Namen zweier populärer Serienfiguren und mit den besten Rezepten aus Omas Küche wirbt: Vgl. ¡Ya tenemos las mejores recetas de la abuela! (24. 11. 2010), www.rtve.es (20. 02. 2012); La cocina de ›El Asturiano‹ en tu casa (08. 11. 2010), www.rtve.es (20. 02. 2012). Zudem gibt es zum Beispiel Verlosungen zur Teilnahme an einem 1950er-JahreVerkleidetermin und über den betriebseigenen RTVE-Onlineshop wird eine 3er-CD vertrieben mit dem Soundtrack »einer Zeit und eines Landes«: http://tienda.rtve.es/ (20. 02. 2012): »de un tiempo y de un pa†s«. Im Zusammenhang mit der RTVE-Erfolgsserie Cu¦ntame cûmo pasû war offenbar geworden, welches Potenzial in der Vermarktung der Musik liegt, die im Rahmen des Seriennarrativs eingesetzt wird: Vgl. Smith (2006b), S. 22. 639 Smith (2009), S. 124: »cuestiones pol†ticas espec†ficas que se est‚n debatiendo durante el proceso de su producciûn«.

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agogik«640, die in keinerlei Widerspruch stehe zu der darin dargestellten Gefühlswelt. Genretypisch dreht die Handlung von Amar en tiempos revueltos sich primär um Liebe, Beziehungen und unerwiderte Gefühle. Allerdings inkorporiert sie Aspekte der franquistischen Repression auf bemerkenswert drastische Art und Weise.641 Andrea, die Protagonistin der ersten Staffel, gerät nach dem Krieg in ein franquistisches Frauengefängnis, wo sie gewaltsam von ihrem kleinen Sohn Liberto getrennt wird.642 Ohne dass Andrea von dem Verbleib ihres Kindes erfährt, wird es in einem von Nonnen geführten Waisenhaus untergebracht.643 Pepe, der Vater des Protagonisten Antonio der ersten Staffel, wird nach Ende des Kriegs festgenommen und stirbt im Gefängnis. Antonio selbst wird als ehemaliger ›Roter‹ eine Zeitlang inhaftiert. Die Figur seiner Mutter, Elpidia Grande, dient dazu, den Leidensweg der vornehmlich weiblichen Angehörigen der ›republikanisch‹ konnotierten Gefangenen zu thematisieren, ihre Besuche im Gefängnis, ihre Brandmarkung und soziale Ächtung sowie ihre Trauer. Dabei ist es sicher kein Zufall, dass Elpidia Grande gespielt wird von der berühmten spanischen Schauspielerin Pilar Bardem644, Gast-Star der ersten Staffel von Amar en tiempos revueltos. In der vierten Staffel der Serie gelangt gar die Erschießung des republiktreuen Protagonisten der dritten Staffel, des Widerstandskämpfers Fernando Solis, prominent zur Darstellung.645 Rodolf Sirera selbst lehnt sich in einem Videointerview vom 5. August 2008 deutlich an die soziopolitischen 640 Ebd., S. 133: »pedagog†a histûrica«. Einer didaktischen Funktion fühlt das staatliche Fernsehen TVE sich in der Tat von Anbeginn an verpflichtet: Vgl. Lûpez (2009), S. 17. S. Fußnote 121. 641 Dabei betont Sirera – ähnlich wie Regisseur Mart†nez-L‚zaro im Zusammenhang mit dem Kinospielfilm Las 13 rosas (13 Roses; ES-IT 2007, s. kapitel 4.1.3) –, dass die dramatischen Situationen nicht bis zur Erschöpfung ausgereizt werden: Vgl. ABC (31. 07. 2008), S. 93. 642 Vgl. Amar en tiempos revueltos – T1 – Cap†tulo 10 (11. 10. 2005), www.rtve.es (20. 02. 2012). 643 Diese Praxis der franquistischen Repression spielt beispielsweise eine große Rolle in dem Dokumentarfilm Los niÇos perdidos del franquismo (dt.: »Die verlorenen Kinder des Franquismus«; TV3, Erstausstrahlung am 20. und 23. 01. 2002), ebenso in der Verfilmung des Dulce Chacûn-Romans La voz dormida (dt.: »Die schlafende Stimme«; ES 2011). Sie eröffnet Zusammenhänge zwischen lateinamerikanischen Diktaturen des 20. Jahrhunderts und der Franco-Diktatur, s. kapitel 7.3, und verweist zudem auf die Rolle der katholischen Kirche im Zusammenhang mit repressiven Maßnahmen im franquistischen ›Neuen Staat‹, s. Kapitel 4.3.2.2. 644 Pilar Bardem entstammt einer spanischen Schauspielerdynastie und sorgte mit politischen Statements immer wieder für Aufsehen. 2010 setzte sie sich beispielsweise, unter anderem gemeinsam mit Regisseur Pedro Almodûvar, für den Untersuchungsrichter Baltasar Garzûn ein, s. kapitel 7.3. 645 Vgl. Amar en tiempos revueltos – T4 – Cap†tulo 139 (24. 03. 2009), www.rtve.es (20. 02. 2012), 00:33:40 – 00:35:12 sowie 00:41:46 – 00:43:22. Über die Figur Fernando Solis wird serienintern deutlich das Schicksal der Exilspanier thematisiert, die ihren im Spanischen Bürgerkrieg begonnenen Kampf ›gegen den Faschismus‹ in Frankreich fortführten, s. kapitel 7.4.

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Bemühungen zur ›Rückgewinnung der historische Erinnerung‹ an, wird er auf der Homepage von Amar en tiempos revueltos doch folgendermaßen zitiert: »Amar gewinnt die historische Erinnerung an Eltern, Großeltern und andere menschliche Geschichten zurück.«646 Für Smith ist klar, dass sich die Popularität der TV-Serie Amar en tiempos revueltos unter anderem auf das erneute Interesse für den gewählten Handlungszeitraum zurückführen lässt.647 Dass dieser in der spanischen Rezeption durchaus eine Rolle spielte, sieht Smith beispielsweise darin verdeutlicht, dass Amar en tiempos revueltos von der PP gleich zu Beginn dafür kritisiert wurde, Episoden aus der jüngeren spanischen Vergangenheit zur Darstellung zu bringen, die besser nicht angerührt werden sollten.648 Laut Kommunikationswissenschaftlerin Elena Gal‚n wurde die Serie erst mit einer Verzögerung ab Ende September 2005 ausgestrahlt, wobei sie die Erstausstrahlung mit dem Wechsel an der Spitze der staatlichen Rundfunkanstalt RTVE nach dem Wahlsieg der PSOE 2004 in Verbindung bringt.649 Des Weiteren sieht sie eine deutliche Verbindung zwischen den Debatten um das Gesetzesvorhaben »für die historische Erinnerung« und der serieninternen Darstellung des repressiven Vorgehens gegen regimefeindliche oder anderweitig missliebige Personen während der frühen Franco-Diktatur. Dabei stelle Amar en tiempos revueltos zwar keine konkrete Maßnahme im Rahmen der Bemühungen der sozialdemokratischen Regierung für eine ›Rückgewinnung der historischen Erinnerung‹ dar, koinzidiere zeitlich aber zweifellos mit den entsprechenden Debatten.650 Del Mar Chicharro Merayo und Rueda Laffond urteilen entsprechend, dass sich das staatliche spanische Fernsehen mit Amar en tiempos revueltos bei Themen wie

646 Rodolf Sirera; zit. n.: »Amar recupera la memoria histûrica de padres, abuelos, y otras historias humanas« (05. 08. 2008), www.rtve.es (20. 02. 2012): »Amar recupera la memoria histûrica de padres, abuelos, y otras historias humanas.« 647 Vgl. Smith (2009), S. 123. Darüber hinaus ist der Erfolg der Serie auf nationaler Ebene über das darin prominente Narrativ zu erklären, das eine positive Entwicklung des ›schlimmen Gestern‹ zum heutigen demokratischen Spanien herausstellt, s. kapitel 6.3. Andererseits erweist sich Amar en tiempos revueltos auch über den nationalen Kontext hinaus, in den USA, Ecuador und Argentinien, als sehr erfolgreich. Sie wurde auf dem spanischsprachigen Sender Telemundo gesendet, der zu NBC Universal gehört: Vgl. Aniorte, Carmen: TVE y Telemundo acuerdan llevar a EE.UU. Amar en tiempos revueltos. In: ABC (15. 07. 2009), S. 93. 2007 wurde die Serie auf einem Filmfestival in New York mit einer Silbermedaille prämiert: Vgl. o. V.: Nuevas historias en Amar en tiempos revueltos. In: El Pa†s (27. 08. 2009), www.elpais.com (20. 02. 2012). 648 Vgl. Smith (2009), S. 123. 649 Vgl. Gal‚n Fajardo (2007). 650 Ebd.

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dem der franquistischen Repression mit gegenwärtigen Debatten verschwägere und sich als deren »großer Katalysator«651 entdecke. In der Tat hatten der damalige Chef der fiktionalen TVE-Produktionen, Jos¦ Ramûn V‚zquez, sowie der Produzent von Amar en tiempos revueltos, Jaume Banacolocha, der Serie bereits im Vorfeld ihrer Erstausstrahlung eine eindeutig erinnerungspolitische Stoßrichtung vorgegeben: »Ja, es besteht die Absicht, wegen dieser Jahre eine Therapie zu machen.«652 Bei der Verwirklichung dieses explizit geäußerten Willens, einen Beitrag zu einem auf kollektiver Ebene für nötig erachteten Heilungsprozess zu leisten, der in der Vergangenheit liegende schmerzhafte Ereignisse voraussetzt,653 spielt das offizielle Online-Portal zur Serie eine herausragende Rolle. Am 7. Februar 2011 wurde hier ein Video mit dem Titel In memoriam gepostet, das Szenen mit Figuren zeigt, die Amar en tiempos revueltos bisher ›verließen‹. Während die Zusammenschnitte ablaufen, ist über die Tonspur eine elegische Musik zu hören; folgender Zwischentitel beendet den Clip: »Ihr werdet immer bei uns sein.«654 Die Beschreibung zu dem Video lautet folgendermaßen: »Amar – ›In memoriam‹ der Anwohner des Plaza de los Frutos. Es sind beinahe zwanzig Jahre auf dem Plaza de los Frutos verstrichen, seit wir Antonio Ram†rez [der Protagonist der ersten Staffel; Anm. d. Verf.] die republikanische Flagge schwingen sahen, um den Triumph der Volksfront zu feiern. Es waren die schlimmsten Jahre der jüngeren Geschichte Spaniens. Viele ließen ihr Leben bei dem Versuch, in diesen sehr schwierigen Zeiten etwas zu ändern. So ist es auch im Fall des Verschwindens vieler Anwohner dieses Platzes; andere wurden Opfer des Schicksals und andere die ihrer eigenen Laster. Die Website von Amar en tiempos revueltos möchte jene Figuren ehren, die uns zum Lachen und Weinen gebracht oder uns bewegt haben; die für die Freiheit und ein besseres Land kämpften. ›In memoriam‹ derer, die uns verließen und die wir immer im Herzen tragen werden.«655 651 Del Mar Chicharro Merayo/Rueda Laffond (2008), S. 63: »gran catalizador«. Vgl. Del Mar Chicharro Merayo (2009), S. 80. 652 Jos¦ Ramûn V‚zquez und Jaume Banacolocha; zit. n.: ABC (23. 09. 2005), S. 107: »[S]† se quiere hacer terapia de lo que fueron aquellos aÇos«. Banacolocha war ebenfalls an der Produktion der 2008 bis 2010 auf TVE erfolgreich gesendeten Serie La SeÇora beteiligt wie auch an der seit Ende Januar 2011 auf dem ersten Programm ausgestrahlten Serie 14 de abril. La Repfflblica. S. kapitel 3.3. 653 Dies verweist auf eine psychologisierende Sicht auf die jüngere spanische Vergangenheit, auf die im kapitel 5.1 näher eingegangen wird. 654 ›In memoriam‹, www.rtve.es (20. 02. 2012), 00:03:24 – 00:03:27: »Siempre estar¦is con nosotros.« 655 Amar – ›In memoriam‹ de los vecinos de la Plaza de los Frutos, www.rtve.es (20. 02. 2012): »Amar – ›In memoriam‹ de los vecinos de la Plaza de los Frutos. Han pasado casi 20 aÇos en la Plaza de los Frutos desde que vimos a Antonio Ram†rez ondear la bandera republicana para celebrar el triunfo del Frente Popular. Fueron los peores aÇos de la historia reciente de EspaÇa. Tiempos muy dif†ciles que muchos intentaron cambiar, pero ello les costû la vida. Es el caso de la desapariciûn de muchos de los vecinos de esta plaza; otros fueron v†ctimas

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In dieser Beschreibung fällt die Prominenz einer Opferrhetorik auf, die unter anderem mit der Bezugnahme auf die »eigenen Laster« den Rekurs auf die ›vertrauten Dämonen‹ nicht scheut, die unter Franco beschworen wurden.656 Die Verwendung des Begriffs »Verschwinden« wiederum verweist im zeitgenössischen Spanien direkt auf das Thema der desaparecidos und somit konkret auf die weiterhin nicht identifizierten Opfer der franquistischen Repression.657 Über den Titel In memoriam wird der Clip zudem zu einer weiteren esquela (dt.: »Todesanzeige«): Seit dem Sommer 2006 wurden Todesanzeigen »zu einem neuen Massenphänomen, mit dem Angehörige beider Seiten in den überregionalen Tageszeitungen an ihre im Bürgerkrieg ›verschwundenen‹ Familienmitglieder erinnerten«658. In diesem regelrechten »Kampf der Todesanzeigen« (span.: guerra de esquelas) positionierten die Macher von Amar en tiempos revueltos ihre TV-Serie mit dem soeben beschriebenen Video dezidiert als Sprachrohr einer breit verstandenen Gemeinschaft der Opfer der franquistischen Repression und ihrer Angehörigen. Der über den In memoriam-Clip bereitgestellte Erinnerungsanlass stieß mit über 200 Nutzerkommentaren auf beachtlichen Anklang. Dabei wurde das Video mehrheitlich als eines verstanden, das über die Ehrung der Opfer aus Bürgerkrieg und Franquismus zur Annäherung der Generationen durch persönliches Nachempfinden und nachträglichen Respekt aufruft, wie einer der Kommentare beispielhaft vorführt: »Ich möchte mich auch beteiligen, indem ich meine kleine Anerkennung all den Schauspielern erweise, die seit ihren Anfängen an der Serie beteiligt sind und die in der Mehrheit der Fälle bewirkt haben, dass wir eine Epoche, in der unsere Eltern und unsere Großeltern – wie wir gehört haben – einige sehr schwierige Momente durchlebten, zwar nicht nochmals erleben, aber uns dorthin versetzt fühlen.«659

Ein weiterer Nutzer dankt TVE überschwänglich für diese Ehrung, denn »auf gewisse Art und Weise ist es eine Würdigung der realen Personen«660, die durch

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del destino y otros de sus propios vicios. La web de Amar en tiempos revueltos quiere homenajear a aquellos personajes que nos hicieron re†r, llorar o emocionarnos; a los que lucharon por la libertad y un pa†s mejor. ›In memoriam‹ de los que nos dejaron y siempre llevaremos en el corazûn.« S. kapitel 3.1. S. kapitel 4.1.1 sowie kapitel 7.3. Elsemann (2011), S. 283. Diese Praktik eröffnet wiederum Parallelen zum Umgang mit der diktatorischen Vergangenheit in Argentinien: Vgl. ebd., S. 283 f. S. kapitel 7.3. ›Adriyluna‹ (10. 03. 2011); zit. n.: Amar – ›In memoriam‹ de los vecinos de la Plaza de los Frutos, Comentarios, www.rtve.es (20. 02. 2012): »Quiero unirme tambien [sic] a rendir mi pequeÇo homenaje, a todos los actores que intervienen en la serie desde sus inicios, y que han dado lugar a que en la mayoria [sic] de los casos, no que revivamos, poro [sic] si que por oidas, nos remomentos [sic] a una epoca [sic] en la que nuestros padres y […] nuestros abuelos, vivieron unos momentos muy duros«. ›Fernando, Andrea, Roberto, Luisa, Ignacio…‹ (07. 02. 2012); zit. n.: Amar – ›In memoriam‹

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die Figuren der Serie repräsentiert werden. Dank der ersten Staffel im Allgemeinen, so eine Nutzerin im Forum für Registrierte, »fing ich an, diese Generation zu verstehen, die für die Freiheit kämpfte, ich sah sprachlos, nicht mit dem Kopf, sondern mit dem Herzen all das, was so viele Frauen verloren, ich konnte mich in sie hineinversetzen und verstand so viele Dinge…, und ich schätzte meine Verwandten sehr viel mehr, die dies am eigenen Leib erfahren hatten«661.

Der In memoriam-Post löst unter den Nutzern zudem eine aufschlussreiche Debatte über die Figuren der Serie aus, die nach Ansicht einiger Beteiligter in der Videoehrung fehlten. In diesem Zusammenhang bekundeten einzelne Beteiligte, dass ›republikanisch‹ konnotierten, kämpferischen Figuren, allen voran die Fernandos, Protagonist der dritten Staffel, ihrer Meinung nach eine zu prominente Position im Seriennarrativ zukomme. Letzteres zeuge von einer deutlichen Parteinahme der Produktion. Die Mehrheit der Nutzer scheint sich daran jedoch nicht zu stören, im Gegenteil: »Eine große Ehrung. Und ich glaube auch, dass es eine gute Entscheidung war, Andrea [Protagonistin der ersten Staffel; Anm. der Verf.] und Fernando hervorzuheben. Tote hat es immer gegeben und wird es geben, doch sie sind Vertreter der Zeit, von der uns Amar erzählt, weil sie das Symbol für die Anerkennung derer waren, die vom Franquismus ermordet wurden, für die Erschossenen und diejenigen, die Repressalien erlitten.«662

Ähnlich wird in einem weiteren Kommentar die Auffassung vertreten, dass die TV-Serie Amar en tiempos revueltos »eine Ehrung all derer [ist], die die Diktatur zum Schweigen brachte«663. Dabei stellen nicht wenige Nutzer wiederum einen de los vecinos de la Plaza de los Frutos, Comentarios, www.rtve.es (20. 02. 2012): »en cierta forma; es un homenaje a las personas reales«. Der Kommentar schließt bezeichnenderweise mit dem republikanischen Gruß ¡Salud y Repfflblica! 661 ›Otras Alicias‹ (14. 08. 2008); zit. n.: ¿Amar1T, la temporada por excelencia?, http://foro amar.rtve.es/ (20. 02. 2012): »empec¦ a entender a esa generaciûn que luchû por la libertad, vi estupefacta lo que tantas mujeres perdieron ni con la mente, con el corazûn, pude meterme en su piel y entend† tantas y tantas cosas…, y valor¦ mucho m‚s a mis familiares que lo vivieron en sus carnes«. Zum besonderen Fokus auf weibliche Figuren, den Amar en tiempos revueltos zielgruppengerecht leistet, s. Kapitel 6.3. 662 ›Alberto‹ (07. 02. 2012); zit. n.: Amar – ›In memoriam‹ de los vecinos de la Plaza de los Frutos, Comentarios, www.rtve.es (20. 02. 2012): »Un gran homenaje. Y yo tambi¦n creo que ha sido un buen acierto destacar a Andrea y Fernando. Muertos ha habido siempre y habr‚, pero representantes de la ¦poca que nos cuenta Amar son proque [sic] fueron el s†mbolo y el homenaje a los asesinados por el franquismo, a los fusilados y a los represaliados.« In einem der Unterforen für registrierte Nutzer spricht sich auf die Frage hin, wer die beliebteste Figur der Serie sei, eine Mehrheit für Fernando Solis aus: Vgl. Personaje m‚s logrado de Amar en tiempos revueltos, ¿Amar1T, la temporada por excelencia?, http://foroamar.rtve.es/ (20. 02. 2012). 663 ›A yomisma‹ (07. 02. 2011); zit. n.: Amar – ›In memoriam‹ de los vecinos de la Plaza de los

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direkten Bezug her zum persönlich erfahrenen Verlust eines Nächsten, für die die Serie bzw. das In memoriam-Video Anlässe bietet, ihrer zu gedenken: »Es hat mich gerade sehr berührt, die Erschießung von Fernando Solis erneut zu sehen… Er erinnert mich sehr an meinen Vater. Danke für diese Ehrung, die mir in gewisser Weise eine Ehrung meines Vaters zu sein scheint und so vieler anderer, die die Diktatur umbrachte.«664

Der Fokus, den Amar en tiempos revueltos auf die Opfer des Franquismus legt, wird in der Diskussion um das In memoriam-Video somit überwiegend herausgestellt und begrüßt. Dem Macher der Serie, Rodolf Sirera, gebührt einer Nutzerin zufolge bezeichnenderweise Dank, wie sie ihn in einem Chat vom 26. August 2008 wissen ließ, da »er uns mit Amar eine herausragende – und einzigartige – Möglichkeit angeboten hat, unsere Vergangenheit zu erklären und die großen Verkannten zu ehren«665. Da nur noch wenige der Zuschauer, die Amar en tiempos revueltos verfolgen, während der historischen Zeitabschnitte lebten, innerhalb derer das Seriennarrativ eingebettet ist, basiert der Erfolg der Serie nicht zuletzt zu großen Teilen darauf, sich bewusst auf eine Vielzahl »kleiner Geschichten«666 zu gründen. Diese können die Zuschauer – wie die soeben angeführten Zitate anschaulich zeigen – mit ansatzweise selbst Erfahrenem, innerfamiliär Tradiertem oder bruchstückhaft Gelerntem verknüpfen.667 Dabei zeigt das aufwändig gestaltete und zur Interaktion einladende offizielle Online-Portal zur Serie deutlich, wie viel Wert von Seiten der Macher auf kontextualisierende Informationen für Fans und deren Rückmeldungen gelegt wird, was beträchtlich zur Zuschauerbindung beitragen dürfte. Zudem spricht das Online-Portal dafür, dass Amar en tiempos revueltos – wie mittlerweile alle TV-Serien mit historischem Setting, die seit 2001

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Frutos, Comentarios, www.rtve.es (20. 02. 2012): »es un homenaje a todos los que silenciû la dictadura«. ›Ramona‹ (07. 02. 2011); zit. n.: Amar – ›In memoriam‹ de los vecinos de la Plaza de los Frutos, Comentarios, www.rtve.es (20. 02. 2012): »Acabo de emocionarme de volver a ver el fusilamiento de Fernando Solis…[…] [M]e recuerda much†simo a mi padre […]. Gracias por este homenaje, en cierta forma, me parece un homenaje a mi padre y a tantos otros los que matû la dictadura.« ›Marta‹; zit. n.: Charla de los internautas con el co-creador y guionista de ›Amar en tiempos revueltos‹ (26. 08. 2010), http://encuentrosdigitales.rtve.es/ (20. 02. 2012): »nos ofreciû con Amar una excelente oportunidad – y fflnica – para explicar nuestro pasado y homenajear a los grandes ignorados«. Auch sie hebt im gleichen Atemzug die Figur Fernando Solis hervor. Sirera hatte zu einem vorherigen Zeitpunkt angedeutet, dass es eine Spezialsendung über Fernando geben könnte, was derart positiv aufgenommen wurde, dass 250 Fans der Serie sofort eine Internetplattform zum Thema gründeten: Vgl. ebd. Rodolf Sirera; zit. n.: »Amar recupera la memoria histûrica de padres, abuelos, y otras historias humanas« (05. 08. 2008), www.rtve.es (20. 02. 2012): »pequeÇas historias«. Vgl. Del Mar Chicharro Merayo/Rueda Laffond (2008), S. 72 f.; Del Mar Chicharro Merayo (2009), S. 78 f.

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auf TVE vermehrt ausgestrahlt werden –668 nicht zuletzt für ein dezidiert junges Publikum konzipiert ist, das die Möglichkeiten des Web 2.0 zu schätzen und zu nutzen weiß. Hier lassen sich nicht nur alle Folgen sämtlicher Staffeln – und eine Staffel von Amar en tiempos revueltos kann mitunter über 200 Folgen umfassen – sowie alle erdenklichen Wrap up- und Sondersendungen zum Thema anschauen.669 Das Serienportal umfasst außerdem zahlreiche Videozusammenschnitte, Fotos zum Herunterladen, Interviews, Pressemitteilungen, kurz: eine Menge zusätzlicher Informationen, die das Seriennarrativ maßgeblich begleiten und unterfüttern.670 Umgekehrt werden die Nutzer zum Mitmachen aufgerufen: So wird unter einem Reiter Participa (dt.: »Mach mit«) zum Beispiel zur Beteiligung an Meinungsumfragen in Form von Stimmungsbarometern aufgefordert oder aber zur Beteiligung an Online-Fragestunden, für die Schauspieler der Serie zur Verfügung stehen.671 Zusätzlich ist ein Forum für registrierte Nutzer eingerichtet mit nach Staffeln gegliederten Unterforen, die sich mit einzelnen Erzählsträngen und Figuren befassen. Die Diskussionsthemen werden dabei von TVE vorgegeben, wodurch der Sender auf direkte Art und Weise die Meinungen, Wünsche und Anregungen seiner treuesten Zuschauer in Erfahrung bringen kann.672 All dies unterfüttert Sireras These, dass viele junge Leute die Serie schauen und widerspricht dem Stereotyp, bei Amar en tiempos revueltos handle es sich um ein Produkt für »Omas«673. Der Programm-Slot, in dem Amar en tiempos revueltos im Fernsehen ausgestrahlt wurde, gilt in Spanien nämlich als der der sobremesa: wörtlich »die Tischdecke«; gemeint ist die Zeit nach dem Mittagessen, die weiterhin am Tisch verbracht und oftmals zum geselligen Gespräch genutzt wird. Aus dieser zeitlichen Platzierung der Serie schließen einige Kri668 Gemeint sind hiermit unter anderem Cu¦ntame cûmo pasû, La SeÇora und 14 de abril. La Repfflblica, s. auch kapitel 3.3 und resümee. 669 Vgl. www.rtve.es (20. 02. 2012). Ab dem 27. Mai 2010 ließen sich zudem die jeweils aktuellen Folgen per Livestream auf der offiziellen Website verfolgen. 670 Die »exklusiven Videos« lassen die Nutzer der Website beispielsweise teilhaben an der Konzipierung und dem Fertigen der Kostüme, der Dekors (zum Beispiel am Nachbau des Valle de los Ca†dos, s. Fußnoten 544 und 816), des Vorspanns oder an den Besuchen von Fans am Set: www.rtve.es (20. 02. 2012): »Videos exclusivos«. 671 Hier finden neben bzw. gekoppelt an Meinungsumfragen auch Verlosungen von Fan-Artikeln statt: Vgl. www.rtve.es (20. 02. 2012). 672 Außerdem existieren eine Facebook-Seite, die 21.263 Nutzern ›gefällt‹, und ein TwitterStream mit 4.602 Followern (Stand: 20. 02. 2012). 673 ›Esther de Salamanca‹; zit. n.: Charla de los internautas con el co-creador y guionista de ›Amar en tiempos revueltos‹ (26. 08. 2010), http://encuentrosdigitales.rtve.es/ (20. 02. 2012): »abuelas«. Eine Einordnung, die von rechtskonservativer Seite ebenfalls im Hinblick auf die Zuschauerschaft von 14 de abril. La Repfflblica (TVE/La 1, erste Staffel 2011) vorgenommen wurde, um deren vermeintlich geringe Anziehungskraft auf ein junges Publikum herauszustellen: Vgl. La Razûn (31. 01. 2011).

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tiker, dass Amar en tiempos revueltos vor allem für weniger gebildete Frauen mittleren Alters konzipiert worden sei und von diesen auch mehrheitlich geschaut werde.674 Dass die Macher der Serie einiges daran setzten, anders zusammengesetzte Zielgruppen zu erreichen, dafür sprechen neben der offiziellen Website zur Serie nicht zuletzt etliche Spezialsendungen. Diese wurden mitunter zu anderen Zeiten im Fernsehen ausgestrahlt, beispielsweise zur spanischen Primetime, donnerstags ab 22 Uhr, und weisen bisweilen Spielfilmlänge auf.675 Deswegen kann letztlich ein breites Zuschauerspektrum vermutet werden, das Amar en tiempos revueltos verfolgt.

4.1.3 Opferrhetorik in Las 13 rosas »Wir sind nicht opportunistisch, sondern die Regierung, indem sie ihr Projekt mit dem Anlaufen des Films zusammenfallen lässt.«676

Die Handlung des Kinospielfilms Las 13 rosas (13 Roses; ES-IT 2007) dreht sich um die historisch verbürgte Geschichte dreizehn junger Frauen zwischen 18 und 30 Jahren, die gemeinsam mit 43 Männern am 5. August 1939 in Madrid als Vergeltung für ein Attentat erschossen wurden.677 Die Geschichte der 13 rosas war bereits im Vorfeld zu Regisseur Emilio Mart†nez-L‚zaros Filmprojekt bekannt als »eine der grausamsten Episoden der franquistischen Repression«678. Bereits 1985 erschien in der Zeitschrift Historia 16 – auf historische Themen spezialisiert, sich aber an ein breites Publikum richtend – ein Artikel von Jacobo Garc†a Blanco-Cicerûn zu dem Thema. In Büchern des bekannten Schriftstellers Jorge Semprffln wird auf das Schicksal der 13 jungen Frauen Bezug genommen.679 Am Friedhof de la Almudena in Madrid wurde ihnen zu Ehren am 5. August 1988, beinahe fünfzig Jahre nach ihrer Hinrichtung vor eben diesen Mauern, eine 674 Vgl. Gal‚n Fajardo (2007); Gal‚n Fajardo (2008); La Vanguardia (17. 10. 2008), S. 13; Del Mar Chicharro Merayo (2009), S. 82 sowie 89. 675 Vgl. Del Mar Chicharro Merayo (2009), S. 89. Fans der Serie werden in diesen Spezialsendungen mit einer erneuten Begegnung bereits ausgeschiedener, jedoch höchst beliebter Figuren beglückt oder bisher ungeklärte Erzählstränge und Beziehungen erhellt. 676 Emilio Mart†nez-L‚zaro; zit. n.: Del Campo, Alberto: La tragedia de las 13 rosas, al cine. In: El Pa†s (04. 08. 2006a), www.elpais.com (20. 02. 2012): »Nosotros no somos oportunistas, sino el Gobierno, por hacer coincidir su proyecto con la presentaciûn de la pel†cula.« 677 Vgl. Vilar (2005), S. 128 f.; Huete Machado, Lola: La corta vida de trece rosas. In: El Pa†s (11. 12. 2005), www.elpais.com (20. 02. 2012); PiÇa, BegoÇa: Mart†nez-L‚zaro retrata los cr†menes del primer franquismo en Las 13 rosas. In: La Vanguardia (16. 10. 2007), S. 42; o. V.: Homenaje a las 13 rosas en el 70 aniversario de su fusilamiento. In: El Pa†s (05. 08. 2009), www.elpais.com (20. 02. 2012). 678 El Pa†s (11. 12. 2005): »uno de los episodios m‚s crueles de la represiûn franquista«. 679 Vgl. El Pa†s (11. 12. 2005).

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mit Rosen bepflanzte und bewachsene Plakette angebracht. Seitdem gibt es dort auf Betreiben der PCE-nahen Fundaciûn Domingo Malagûn alljährlich im August eine Gedenkveranstaltung.680 2003 publizierte dann Jesffls Ferrero einen Roman mit dem Titel Las trece rosas, der sehr hohe Verkaufszahlen erzielte.681 2004 folgte das populärwissenschaftliche Sachbuch Trece rosas rojas (dt.: »Dreizehn rote Rosen«) des Journalisten Carlos Fonseca, dessen erste Auflage innerhalb kürzester Zeit vergriffen war und auf dem Mart†nez-L‚zaros Film offiziell basiert.682 Außerdem veröffentlichte Juli‚n Fern‚ndez del Pozo 2004 sein Gedicht Homenaje a las Trece Rojas (dt.: »Ehrung der dreizehn Rosen«). Im selben Jahr wurde ein Fernsehdokumentarfilm auf TVE ausgestrahlt, dessen Titel die Abschiedsworte der Verurteilten Julia Conesa aufgreift: Que mi nombre no se borre de la historia (dt.: »Auf dass mein Name nicht aus der Geschichte verschwindet«; Regie: Verûnica Vigil und Jos¦ Mar†a Almela).683 Auch die Fundaciûn Trece Rosas (dt.: »Stiftung dreizehn Rosen«) wurde 2004 gegründet, mit Personen in Leitungsfunktionen, die der PSOE wie auch der PCE nahe stehen.684 In den darauf folgenden zwei Jahren entstanden je ein Theaterstück zur Geschichte der »13 Rosen« und 2006 publizierte Ýngeles Lûpez ein zwischen Roman und geschichtlicher Aufarbeitung angesiedeltes Buch mit dem Titel Martina, la rosa nfflmero trece (dt.: »Martina, die Rose Nummer dreizehn«).685 Obwohl El Pa†s in einem Interview mit dem Schriftsteller Jesffls Ferrero aus dem Jahr 2003 suggeriert, bei dem Schicksal der 13 rosas handle es sich um eine

680 Vgl. Guarinos (2008), S. 92 f. 681 Vgl. Manrique Sabogal, Winston: »El olvido en EspaÇa ha sido aterrador.« In: El Pa†s (15. 03. 2003a), www.elpais.com (20. 02. 2012); El Pa†s (11. 12. 2005); Guarinos (2008), S. 93. Über die 13 rosas hinaus nutzte Ferrero in seinem Roman fiktionale Namen, bezeichnenderweise deswegen, weil er die Würde keiner Familie verletzen wollte, ganz gleich, welcher Ideologie sie angehört bzw. angehört haben mag: Vgl. El Pa†s (15. 03. 2003a). Dies verweist auf das Derecho al Honor y a la Intimidad, s. kapitel 4.3.1. 682 Vgl. El Mundo (17. 05. 2004). Carlos Fonseca wird von mehreren Medien – auch schon im Vorfeld – als Quelle des Films und hier im Vorspann namentlich als Unterstützer der Drehbuchschreiber erwähnt: Vgl. El Pa†s (11. 12. 2005); Las 13 rosas, 00:02:13 – 00:02:15; Del Campo, Alberto: La tragedia de las 13 rosas, al cine. In: El Pa†s (04. 08. 2006b), www.elpais.com (20. 02. 2012); o. V. (2007), S. 24; Bejarano (2008), S. 218; Guarinos (2008), S. 93. 683 Vgl. El Pa†s (11. 12. 2005). Dieser Satz, überliefert aus dem Abschiedsbrief der damals zum Tode verurteilten Conesa, rechtfertigte in den Augen der Veranstalter ebenfalls die Gedenkakte anlässlich des 70. Jahrestages der Erschießung der 13 rosas: Vgl. El Pa†s (05. 08. 2009). Zuvor war er bereits im Zusammenhang mit dem Erscheinen der Buchpublikation Carlos Fonsecas im Jahr 2004 bemüht worden: Vgl. o. V.: 13 rosas ›rojas‹ fusiladas por el franquismo. In: El Mundo (18. 04. 2004), www.elmundo.es (20. 02. 2012). 684 Vgl. http://trecerosas.es (20. 02. 2012). Dem zum Zeitpunkt der Filmproduktion aktuellen Präsidenten der Stiftung, Jos¦ Cepeda, wird im Abspann von Las 13 rosas gedankt: Vgl. Las 13 rosas, 02:03:22 – 02:03:33. 685 Vgl. El Pa†s (11. 12. 2005); Guarinos (2008), S. 92.

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weitgehend unbekannte Geschichte,686 ist diese Behauptung spätestens im Zusammenhang mit Mart†nez-L‚zaros Filmprojekt nicht mehr aufrecht zu erhalten.687 Vielmehr lässt sich in Anlehnung an den Historiker Frank Bösch von einer »erfolgreiche[n] Medienstrategie«688 sprechen, infolge derer kulturelle Produktionen ihre Gegenstände »[i]m Kampf um die öffentliche Aufmerksamkeit […] zu Tabus und bisher unsagbaren Themen [deklarieren], die sie nun angeblich erstmals aufgriffen«689. Regisseur Mart†nez-L‚zaro konstatiert indes, die Geschichte der 13 rosas sei ihm dank mündlicher Überlieferung bereits bekannt gewesen,690 bevor Pedro Costa, einer der Produzenten, ihm den Film angeboten und ihm Fonsecas Buch zum Lesen gegeben habe.691 Dennoch schreibt El Pa†s dem Regisseur noch vor Beginn der Dreharbeiten zu: »Emilio Mart†nez-L‚zaro gewinnt die Geschichte der jungen Frauen zurück, die von Franco im August 1939 in Madrid ermordet wurden.«692 El Pa†s stellt dabei einen direkten Bezug her zum zeitgenössisch aktuellen Gesetzesentwurf »um die Erinnerung an die Opfer des Bürgerkriegs und des Franquismus zu rehabilitieren«693. Regisseur Mart†nez-L‚zaro hingegen verwehrt sich im gleichen Artikel dagegen, sich solchen Bestrebungen wie denen einer ›Rückgewinnung der historischen Erinnerung‹ verschrieben zu haben, das

686 Vgl. El Pa†s (15. 03. 2003a). 687 Wie auch El Mundo im Mai 2004 betonte: Das Schicksal der 13 rosas sei »weit davon entfernt, dem Vergessen anheim zu fallen«: Lûpez, Ýngel: Dolor y muerte en 1939. In: El Mundo (17. 05. 2004), www.elmundo.es (20. 02. 2012): »lejos de perderse en el olvido«. Vgl. Juli‚ D†az (2006b), S. 20 f. 688 Bösch (2007), S. 27. 689 Ebd. Vgl. Van Laak (2009), S. 8. 690 Entsprechend wird im Zusammenhang mit Mart†nez-L‚zaros Filmprojekt – ganz im Geiste der Bemühungen um eine recuperaciûn de la memoria histûrica (s. kapitel 4.1.1) – von mehreren Kritikern herausgestellt, dass es neben dem Buch von Carlos Fonseca auf Interviews mit Zeitzeugen sowie Familienangehörigen der 13 rosas basiere, darunter die Überlebende Mari Carmen Cuesta: Vgl. El Pa†s (04. 08. 2006b); La Vanguardia (16. 10. 2007), S. 42; Bejarano (2008), S. 218. Einzelne Äußerungen Mari Carmen Cuestas sind auf dem Bonusmaterial der Kauf-DVD enthalten: Vgl. Las 13 rosas, DVD-Extras, Comû se hizo, 00:04:00 – 00:04:52. 691 Vgl. Las 13 rosas, DVD-Extras, Comû se hizo, 00:00:00 – 00:00:36. Was die drei Drehbuchautoren – neben Pedro Costa und Regisseur Mart†nez-L‚zaro selbst Ignacio Mart†nez de Pisûn, ein Schriftsteller – dann dazu erfinden mussten, war die Geschichte der 13 rosas vor dem Gefängnis: Vgl. ebd., 00:05:20 – 00:05:24; El Pa†s (04. 08. 2006b). 692 El Pa†s (04. 08. 2006b): »Emilio Mart†nez-L‚zaro recupera la historia de las jûvenes asesinadas por Franco en Madrid en agosto de 1939.« Dabei war es genau genommen nicht Franco, der die 13 rosas erschoss, sondern ein Exekutionskommando, das agierte, bevor Franco das entsprechende Todesurteil überhaupt unterzeichnet hatte. Zum Thema der Dämonisierung einzelner franquistischer Täter s. kapitel 4.3.1. 693 Ebd.: »para rehabilitar la memoria de las v†ctimas de la Guerra Civil y el [sic] franquismo«. Gemeint ist das »Gesetz der historischen Erinnerung«, s. Kapitel 4.1.1.

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überlasse er den Historikern.694 Dennoch meint auch er, dass es eine gewisse Angst gebe, sich diesen Themen zu nähern, »weil jene, die uns ohne Gnade 40 Jahre lang verletzten, sich in ihren Empfindlichkeiten verletzt fühlen könnten«695. Wenige Monate später, noch bevor sein Film in den spanischen Kinos startete, unterstreicht Mart†nez-L‚zaro dann in der Filmzeitschrift Fotogramas, dass er den Wunsch der damals Verurteilten Julia Conesa, ihr Name möge nicht aus der Geschichte verschwinden, erhört habe.696 Obwohl er im gleichen Atemzug weiterhin abstreitet, sich an den Bestrebungen einer ›Rückgewinnung der historischen Erinnerung‹ zu beteiligen, betont er : »Über 60 Jahre hat es gedauert, von einer Geschichte zu reden, die alle Welt kannte. Es wurde nicht öffentlich über Las 13 rosas gesprochen, so wie über so viele andere Dinge, die sie versuchten zu vergraben. Das was geschah, muss mit Ruhe erzählt werden.«697

Dabei wird die Gegenüberstellung eines ›wir‹ gegen ›die Anderen‹ in folgender, wenig später ebenfalls in Fotogramas getätigter Aussage Mart†nez-L‚zaros nochmals deutlicher : »Wir, die den Franquismus erlebt haben, haben das Gefühl, dass diese Geschichte [gemeint ist die der 13 rosas, Anm. d. Verf.] erzählt werden musste, diese Geschichte und weitere 200.000 ähnlich schreckliche. Und für diejenigen, die mich nach den Geschichten der anderen Seite fragen, zwei Dinge: erstens, sie wurden bereits erzählt, und zweitens habe ich kein Problem damit, dass jemand anderes sie erzählt.«698

Der rhetorische Rekurs auf die Formel ›Wir gegen die Anderen‹ verweist auf die verstärkte Polarisierung auf politischer Ebene, die angesichts zeitgenössisch aktueller Debatten um den Umgang mit der jüngeren Vergangenheit in Spanien ab 2004 zu konstatieren ist. Carlos Boyero beschreibt dieses Klima der Polarisierung in seiner Rezension in El Pa†s als Rezeptionskontext von Las 13 rosas gar als eines, das infolge offizieller Erinnerungspolitiken auf gesamtgesellschaftlicher Ebene um sich griff: 694 Vgl. ebd.; o. V. (2007), S. 24. Der offizielle Trailer zum Film schließt indes mit folgendem Slogan: »Einer der Filme, die Geschichte machen.«: Vgl. www.youtube.com (20. 02. 2012): »Una pel†cula de las que hacen Historia.« 695 Emilio Mart†nez-L‚zaro; zit. n.: El Pa†s (04. 08. 2006b): »porque se pueden herir las susceptibilidades de quienes nos hirieron sin piedad durante 40 aÇos.« 696 Vgl. o. V. (2007), S. 24. 697 Emilio Mart†nez-L‚zaro; zit. n.: ebd.: »Se ha tardado m‚s de 60 aÇos en hablar de una historia que todo el mundo conoc†a […]. No se hablaba pfflblicamente de Las 13 rosas, como de tantos otros casos que intentaron enterrar. Se debe contar lo que pasû con tranquilidad«. 698 Emilio Mart†nez-L‚zaro; zit. n.: PiÇa (2007a), S. 124: »Los que hemos vivido el franquismo tenemos la sensaciûn de que es algo que hab†a que contar, esta historia y otras 200.000 m‚s igual de terribles. Y para los que me pregunten por las historias del otro lado, dos cosas: una, ya se han contado, y dos, yo no tengo ningffln inconveniente en que las cuente otro.« Mart†nez-L‚zaro wurde 1945 ins Madrid geboren: Vgl. D’Lugo (1997), S. 174. Zu Opferzahlen s. kapitel 4.1.1.

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»Las 13 rosas landet in schweren Zeiten, die von dem Zwang, die unangenehme Erinnerung nicht zu verlieren, geprägt sind, wie auch von dem Paradox, sich aus Gründen des Überlebens und der Rationalität mit dem Vergessen einverstanden zu erklären. Die Zeiten sind geprägt von der vergifteten Atmosphäre, von der ermüdenden Überdosis makabrer Todesanzeigen in den Zeitungen, die Gräueltaten von vor 70 Jahren wachrufen und mit dem Schrecken von vergossenem Blut Unruhe bei jedem Gaffer hervorruft, von misstrauischen Blicken unter Nachbarn, von der unumstößlichen Überzeugung, dass immer der Andere schlecht ist und sich irrt, von Szenen auf der Straße oder in vom Alkohol aufgeheizten Bars, die in Schläge ausarten können und dies nicht etwa, weil irgendjemand versucht, die Ehre seines Lieblingsvereins zu beflecken.«699

Offiziell lief Las 13 rosas am 19. Oktober 2007 in den spanischen Kinos an, inmitten der Debatte rund um das Ley de la memoria histûrica (dt.: »Gesetz der historischen Erinnerung«), das am 31. Oktober 2007 durch das spanische Parlament verabschiedet wurde, worauf BegoÇa PiÇa in La Vanguardia im Vorfeld hinweist.700 Die Einschreibung des Kinospielfilms Las 13 rosas in den zeitgenössisch aktuellen nationalen Kontext der Bemühungen um eine ›Rückgewinnung der historischen Erinnerung‹ erfolgt von Seiten der Kritiker – trotz anderslautender Beteuerungen Mart†nez-L‚zaros – somit überaus deutlich. Es wurden sogar Stimmen laut, die Las 13 rosas als orchestrierte und vorsätzlich vorbereitete Maßnahme des zeitgenössisch regierenden PSOE-Präsidenten Rodr†guez Zapatero bezeichneten, um die Verabschiedung des Gesetzesentwurfs voranzutreiben – Vorwürfe, von denen sich Regisseur Mart†nez-L‚zaro distanzierte.701 In einem Vorabbericht scherzt der Regisseur gar : »Wir sind nicht opportunistisch, sondern die Regierung, indem sie ihr Projekt mit dem Anlaufen des Films zusammenfallen lässt.«702

699 Boyero, Carlos: Tan cierto como endeble. In: El Pa†s (19. 10. 2007), www.elpais.com (20. 02. 2012): »Aterriza Las 13 rosas en tiempos duros, con la obligatoriedad de no perder la lacerante memoria y la paradoja de ponerse de acuerdo con el olvido por razones de supervivencia y racionalidad, con el ambiente envenenado, con fatigosa sobredosis de esquelas macabras en los periûdicos que evocan barbaries de hace 70 aÇos y que crean desasosiego en cualquier mirûn con pavor a la sangre derramada, con miradas atravesadas entre los vecinos, con la innegociable convicciûn de que el malo y el equivocado siempre es el otro, con secuencias callejeras o en bares caldeados por el alcohol agresivo que podr†an degenerar en tortas y no precisamente porque alguien intente mancillar el honor de su equipo del alma.« Carlos Boyero, zuvor bei der rechtsliberalen Tageszeitung El Mundo tätig und seit Oktober 2007 Filmkritiker bei der linksliberalen El Pa†s, bezieht sich in dieser Rezension von Las 13 rosas auf den guerra de esquelas, den »Kampf der Todesanzeigen«, s. hierzu unter kapitel 4.1.2. 700 Vgl. La Vanguardia (16. 10. 2007), S. 42. Auch Bejarano stellt in seiner Rezension einen direkten Bezug zu dem Ley de la Memoria Histûrica her: Vgl. Bejarano (2008), S. 220. 701 Vgl. La Vanguardia (16. 10. 2007), S. 42. 702 Emilio Mart†nez-L‚zaro; zit. n.: El Pa†s (04. 08. 2006b): »Nosotros no somos oportunistas, sino el Gobierno, por hacer coincidir su proyecto con la presentaciûn de la pel†cula.«

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In mehreren Interviews berichtete Mart†nez-L‚zaro von seinen Schwierigkeiten, die Perspektive zu finden, von der aus er den Film erzählen wollte. Das Wort ›Opfer‹ sei häufig gefallen und ständig auf »den Horror«703 hingewiesen worden, der sich damals ereignet habe, was fast den Eindruck erwecke, als ob die 13 rosas aus Versehen getötet worden seien. Dabei sei ihre Hinrichtung eine vom franquistischen Regime sehr gut geplante Abschreckungsmaßnahme gewesen, wie der Regisseur betont.704 Mart†nez-L‚zaro spricht an einer Stelle gar von einer »systematischen Vernichtung der politischen Opposition in Spanien«705 unter Franco. Dieser Aussage fügt er allerdings sogleich hinzu, dass es auf ›beiden Seiten‹ unentschuldbare Gewaltexzesse gegeben habe.706 Dennoch, so betont der Regisseur, liefere sein Film aus Rücksicht auf die Zuschauer bloß eine ziemlich abgemilderte Form »des Horrors, der das war«707. So vermeidet Las 13 rosas, wie die Kommunikationswissenschaftlerin Virginia Guarinos herausstellt, die Visualisierung des Scherens von Köpfen, von Vergewaltigungen, der Erschießung und der Leichen.708 Gegen Ende des Kinospielfilms Las 13 rosas sind zwar die Soldaten zu sehen, die die Exekution vollziehen: Bei Einfahrt des Lasters mit den Verurteilten am Exekutionsort sitzen sie mit ihren Gewehren rauchend an einem Lagerfeuer, pausieren zwischen ihren einzelnen ›Aufträgen‹, bis sie den Befehl zum Aufstellen für eine erneute execuciûn erhalten.709 Als die Soldaten Aufstellung nehmen, ist zudem im Hintergrund ein Priester auszumachen.710 Die Schüsse, die die Soldaten ab703 Emilio Mart†nez-L‚zaro; zit. n.: Las 13 rosas, DVD-Extras, Comû se hizo, 00:02:41: »el horror«. 704 Vgl. Las 13 rosas, DVD-Extras, Comû se hizo, 00:02:19 – 00:03:22. 705 Emilio Mart†nez-Lazaro; zit. n.: ebd., 00:07:46 – 00:07:49: »exterminio sistem‚tico de la oposiciûn pol†tica en EspaÇa«. Vgl. Las 13 rosas, DVD-Extras, Comû se hizo, 00:02:38 – 00:03:22 sowie 00:04:23 – 00:04:31. Zur Frage, ob der franquistischen Repression eine Vernichtungslogik attestiert werden kann s. kapitel 7.3. 706 Vgl. ebd., 00:07:50 – 00:08:05. 707 Emilio Mart†nez-L‚zaro; zit. n.: ebd., 00:05:42 – 00:05:07: »el horror de lo que fue aquello«. Vgl. Las 13 rosas, DVD-Extras, Comû se hizo, 00:05:42 – 00:05:07; PiÇa (2007a), S. 124; La Vanguardia (16. 10. 2007), S. 42. 708 Vgl. Guarinos (2008), S. 101. Geschorene Frauenköpfe sind im Hof des in Las 13 rosas dargestellten Gefängnisses lediglich im Hintergrund sichtbar: Vgl. Las 13 rosas, 01:16:00 – 01:18:20. Dabei wird im Film nicht thematisiert, ob das Scheren aufgrund der Läuse im Gefängnis oder als repressive Maßnahme vor der Inhaftierung der betroffenen Frauen erfolgte. Gegen Ende des Films Libertarias (Freedomfighters; ES-IT-BE 1996), mit dem Sieg der Aufständischen, sind im Hintergrund Frauen zu sehen, denen die Haare geschoren werden: Vgl. Libertarias, 01:52:53 – 01:53:00. Tatsache ist, dass die femmes rap¦es, ebenso wie Vergewaltigungen, auch im ›nationalen‹ Spanien ein Mittel waren, um Frauen zu brandmarken und zu demütigen: Vgl. Richards (1998), S. 52 und 55. Dies gelangte im spanischen Kino und Fernsehen bisher jedoch kaum zur Darstellung, eine Ausnahme bildet La buena nueva (The Good News; ES 2008). 709 Vgl. Las 13 rosas, 01:51:20 – 01:51:42. 710 Vgl. ebd., 01:52:33 – 01:52:39. Eine nicht weiter ausgestaltete Priester-Figur taucht beispielsweise auch in La lengua de las mariposas (Butterfly Tongues; ES 1999) im unmittel-

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feuern, werden gezeigt, nicht aber die Auswirkungen ihrer Kugeln auf die 13 rosas.711 Andererseits sind die in Las 13 rosas enthaltenen Folterszenen zahlreich und brutal und weisen über den gleichbleibenden Raum, in dem sie stattfinden – eine im örtlichen Hauptsitz der neuen Machthaber zum Folterkeller umfunktionierte Küche –, und das gleichbleibende Personal, das sie vollstreckt – capit‚n (dt.: »Hauptmann«) Fontenla im Verbund mit seinem Folterknecht, der zum ›Verhör‹ Geladene mit Boxhandschuhen zusammenschlägt –, auf die Systematik und Institutionalisierung der franquistischen Repression hin.712 Auch der Rückgriff auf Sippenhaft wird angedeutet: Als die Protagonistin Julia festgenommen werden soll, sie aber zunächst nicht auffindbar ist, drohen als Falangisten erkennbare Funktionäre, Julias Mutter sowie ihre kranke Schwester festzunehmen.713 Viel Raum gewährt Regisseur Mart†nez-L‚zaro zudem dem Aufenthalt der 13 rosas im Frauengefängnis carc¦l de Ventas. Das Gefängnis wird von Frauen in blauer Falange-Uniform geführt, was sie als Mitglieder der Secciûn Feminina714 ausweist. Filmintern wird auf die Missstände hingewiesen, die in den franquistischen Haftanstalten dominierten: Platzmangel – die Häftlinge werden von den Wärterinnen aus dem Weg getreten –,715 desolate hygienische Zustände, Unterversor-

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baren Kontext einer Hinrichtungsszene auf. Zur aktiven Beteiligung von Vertretern der katholischen Kirche an franquistischen Repressionspraktiken s. kapitel 4.3.2.2. Vgl. ebd., 01:54:20 – 01:54:21. Die Tatsache, dass die Erschießung der 13 rosas den Film beschließen würde, zog von Beginn der Dreharbeiten an Polemiken nach sich. Die FilmCrew sah sich mit jähzornigen Reaktionen der extremen Rechten konfrontiert sowie mit dem Verbrennen einer Falange-Flagge aus der Requisite seitens junger, betrunkener Linker : Vgl. La Vanguardia (16. 10. 2007), S. 42. Vgl. Las 13 rosas, 00:30:25 – 00:31:15, 00:47:58 – 00:50:53, 01:02:58 – 01:05:45. Zur Institutionalisierung der franquistischen Repression, die ab 1937 vorangetrieben wurde, s. kapitel 4.1.1. Vgl. Las 13 rosas, 00:46:10 – 00:47:57. Angehörige von im Franquismus als politisch missliebig erachteten Personen hatten unter konstanter Schmähung, Überwachung, Bedrohung und ökonomischer Benachteiligung zu leiden: Vgl. Richards (1998), S. 52 f. Ebenfalls angedeutet wird die Praxis der Sippenhaft in Los girasoles ciegos (The Blind Sunflowers; ES 2008): Vgl. Los girasoles ciegos, 00:48:05 – 00:52:53. Die Secciûn Feminina (SF) bezeichnet die Frauensektion der Falange EspaÇola, 1934 gegründet und in der unmittelbaren Nachkriegszeit zur staatlichen Organisation umgemodelt. Unter der Leitung von Pilar Primo de Rivera, Schwester des Gründers der spanischen faschistischen Partei Falange EspaÇola, war die SF im franquistischen ›Neuen Staat‹ mit der Sozialisation und der Kontrolle der weiblichen spanischen Jugend sowie für das Thema ›Weiblichkeit‹ im Allgemeinen zuständig: Vgl. Graham/Labanyi (1995), S. 424; Godicheau (2005), S. 230. Vgl. Las 13 rosas, 01:10:41 – 01:11:53. Laut Presseberichten befanden sich im Sommer 1939 4.000 Häftlinge im Frauengefängnis de Ventas, dessen Kapazitäten eigentlich für 450 ausgelegt waren: Vgl. El Mundo (18. 04. 2004); Bejarano (2008), S. 218; Guarinos (2008), S. 95. Für Anfang des Jahres 1940 beziffert der Historiker Michael Richards die Anzahl der dort inhaftierten Frauen gar auf zwischen 6.000 und 11.000: Vgl. Richards (1998), S. 43. Ins-

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gung. Es gibt unter anderem eine Zelle für Minderjährige und eine ausschließlich für Mütter mit Kindern. Die letztgenannte Gruppe hat besonders unter den Zuständen zu leiden, und der Film thematisiert die hohe Kindersterblichkeit in den franquistischen Haftanstalten.716 Die Willkür des franquistischen Repressionsapparats wird dadurch offenkundig, dass Carmen, die jüngste der Protagonistinnen, aus unerklärlichen Gründen nicht wie ihre Gefährtinnen zu der Gerichtsverhandlung zitiert wird und somit dem Todesurteil zu entkommen vermag.717 Besonders menschenverachtend erscheint die Praxis der franquistischen Autoritäten, die zum Tode Verurteilten darüber im Unklaren zu lassen, wann genau ihre Exekution vollzogen wird. Gerüchteweise heißt es im Film, dass sie nach zwölf Uhr nachts nicht mehr geholt werden würden,718 doch das erweist sich als Irrtum. Eine Qual für die Häftlinge dieses Frauengefängnisses stellt zudem die Tatsache dar, dass in 500 Metern Entfernung beim Friedhof regelmäßig Erschießungen stattfinden, sodass die Schüsse in den Zellen gut hörbar sind.719 So vernehmen die 13 rosas gegen Ende des Films die Schüsse, die dem Filmnarrativ zufolge das Leben ihrer Gefährten und Ehemänner beendet haben, was ihnen die Ausweglosigkeit ihrer eigenen Situation wiederum deutlich vor Augen führt.720 Der consejo militar (dt.: »Militärrat«) gelangt in Las 13 rosas ebenfalls zur Darstellung.721 Ihm zufolge hätten die Angeklagten versucht, den franquistischen ›Neuen Staat‹ Schiffbruch erleiden zu lassen und die Juventudes Socialistas Unificadas (JSU)722 zu reorganisieren. Zudem seien sie Freimaurer und Kommunisten und hätten ein Attentat auf den caudillo723 geplant. Letztlich werden die 13 rosas sowie weitere 43 männliche Häftlinge wegen adhesiûn a la rebeliûn (dt.: »Unter-

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gesamt befanden sich Richards zufolge 1940 30.000 Frauen aus politischen Gründen in franquistischen Haftanstalten: Vgl. ebd., S. 53. Vgl. Las 13 rosas, 01:24:07 – 01:25:19; Richards (1998), S. 201. Was wiederum eine inhaltliche Parallele zu Los niÇos perdidos del franquismo (dt.: »Die verlorenen Kinder des Franquismus«; TV3, Erstausstrahlung am 20. und 27. 01. 2002) wie auch zu Amar en tiempos revueltos (dt.: »Liebe in aufgewühlten Zeiten«; TVE/La 1, 2005 – 2012) erkennen lässt, s. kapitel 7.3. Vgl. Las 13 rosas, 01:28:15 – 01:29:09. Vgl. ebd., 01:39:30 – 01:39:43. Vgl. ebd., 01:12:49 – 01:13:04; Richards (1998), S. 43; Bejarano (2008), S. 218. Vgl. Las 13 rosas, 01:46:00 – 01:47:13. Zur franquistischen ›Rechtsprechung‹ s. kapitel 4.1.1. Die JSU entstanden im Frühjahr 1936 als Amalgam der sozialistischen und der kommunistischen Jugendvereinigungen, befanden sich de facto aber unter kommunistischer Ägide: Vgl. Godicheau (2005), S. 64 und 146. Als Caudillo, eigentlich »Anführer« mit häufig militärischer Konnotation, bezeichnete Franco sich selbst, ähnlich dem nationalsozialistischen ›Führer‹ oder dem italienischen ›Duce‹.

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stützung des Aufstandes«) im Namen Francisco Francos zum Tode verurteilt.724 Andererseits muss in Mart†nez-L‚zaros Film die Ermordung eines comandante (dt.: »Major«) der guardia civil mitsamt seinen Begleitpersonen als direkter Auslöser der Gerichtsverhandlung herhalten, da die franquistischen Autoritäten infolgedessen nach einem Sündenbock für das Geschehen suchten.725 Zwar konnten die 13 rosas – folgt man dem chronologisch aufgebauten Filmnarrativ – unmöglich an diesem Attentat beteiligt gewesen sein, da sie zu dem Zeitpunkt des Mordes an dem comandante, seiner Tochter und dem Chauffeur bereits machtlos im Gefängnis saßen. Auch laut Werbetext zum Film war das Todesurteil ein Racheakt, der auf bloßen Vermutungen basierte.726 Dennoch dient die Tatsache, dass eben dieses Attentat in Las 13 rosas ausführlich zur Darstellung gelangt, einer Versinnbildlichung der Gräuel, die ›beide Seiten‹ – auch noch nach dem offiziellen Ende des Kriegs, so Mart†nez-L‚zaros Film – vermeintlich schuldig werden ließ. Dabei übernimmt die Tochter des comandante die Funktion, ein weibliches, unschuldiges Opfer der ›anderen Seite‹ zu repräsentieren. Ihrer Rolle der Unschuldigen entsprechend trägt sie eine weiße Bluse und weiße Handschuhe; es wird mehrfach betont, dass sie nichts getan habe, und ihr Vater äußert, sie sei doch noch ein Kind. Zudem heißt sie Pilar, eine direkte Anspielung auf die Jungfrau Maria, die in Spanien für gewöhnlich als Nuestra SeÇora del Pilar bezeichnet und abgebildet wird. Vor allem mit der Figur der unschuldig-jungfräulichen Pilar etabliert das Filmnarrativ somit eine Parallele zwischen ihrem gewaltsamen Tod und der späteren Erschießung der 13 rosas. Dem in der Attentatssequenz per Kopfschuss getöteten Chauffeur kommt zudem die Rolle zu, die später unschuldig zu Tode verurteilten Männer zu symbolisieren, die es – so Las 13 rosas – auf ›beiden Seiten‹ gab. Dabei wird die Hinrichtung des Chauffeurs nicht, wie die spätere Massenerschießung der 13 rosas, off screen inszeniert, sondern in Zeitlupe und mittels einer Halbtotale. Auch die Erschießung der jungen Pilar ist deutlich zu sehen.727 Dennoch vermutet Filmkritiker Fernando Bejarano, Mart†nez-L‚zaros Werk könne als »ein Beispiel für das Ressentiment«728 der Regierung von Rodr†guez Zapatero gewertet werden – eine Vermutung, die angesichts der Opferrhetorik, die den Film dominiert und dabei Vertreterinnen ›beider Seiten‹ umfasst, überrascht. 724 Vgl. Las 13 rosas, 01:32:50 – 01:35:29. Der Film verweist somit auf die Verkehrung der Ursächlichkeiten, wie sie die franquistische Propaganda vornahm. 725 Vgl. ebd., 01:29:09 – 01:29:32. 726 Vgl. Las 13 rosas, DVD-Backcover. Es gebe gar Vermutungen, dass das tödliche Attentat von Angehörigen des franquistischen Heeres selbst begangen worden sein könnte, da der comandante einer Korruptionsaffäre in den eigenen Reihen auf die Schliche gekommen war : Vgl. Bejarano (2008), S. 218; Guarinos (2008), S. 95. 727 Vgl. Las 13 rosas, 01:26:41 – 01:28:14. 728 Vgl. Bejarano (2008), S. 220: »una muestra del resentimiento«.

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Als fundamental für das Finden der Perspektive, von der aus er die Geschichte der 13 rosas habe erzählen wollen, beschreibt Mart†nez-L‚zaro die Begegnung mit der Überlebenden Mari Carmen Cuesta, einer sehr starken, kämpferischen Persönlichkeit:729 »Und mir wurde klar, dass die Geschichte von Heldinnen handelte und nicht nur von Opfern.«730 Dem Regisseur schwebte nach eigener Aussage kein besonders melodramatischer Film vor, deswegen wollte er verhindern, dass einige der Schauspielerinnen sich auf geradezu exzessive Art und Weise in die im Film erzählte Geschichte hinein begaben.731 Neben der Betonung der amourösen Beziehungen seiner Protagonistinnen ging es ihm darum, einigen von ihnen die Funktion zuzusprechen, Spannung aus schwierigen Situationen zu nehmen.732 Entsprechend meint die Schauspielerin Verûnica S‚nchez, im Film Julia, Las 13 rosas ähnle manchmal gar La vaquilla (The Haifer; ES 1985), Symbol des auf den Bürgerkrieg angewandten filmischen esperpento733 : Mart†nez-L‚zaro sei darauf bedacht gewesen, dass der Film nicht nur Dramatisches enthalte, um ihn ›realistischer‹ zu gestalten.734 Eine weitere an der Produktion beteiligte Schauspielerin äußert sich ähnlich: »Ich glaube, dass es ein Film ist, der dich mit einem bittersüßen Gefühl zurücklassen wird.«735 Gemäß einer Vorankündigung, die in El Pa†s noch vor Beginn der Dreharbeiten zu lesen war – »Die Tragödie der 13 rosas im Kino«736 – überwiegen in Mart†nezL‚zaros Film dennoch die Lesarten, die einen ›tragischen‹ Verlauf der Ereignisse 729 Vgl. Las 13 rosas, DVD-Extras, Comû se hizo, 00:02:19 – 00:05:19. Mari Carmen Cuesta starb am 17. Oktober 2010: Vgl. Ferrandis, Joaqu†n: Rosas rojas para Mari Carmen. In: El Pa†s (17. 10. 2010), www.elpais.com (20. 02. 2012). 730 Emilio Mart†nez-L‚zaro; zit. n.: Las 13 rosas, DVD-Extras, Comû se hizo, 00:05:15 – 00:05:29. Vgl. El Pa†s (04. 08. 2006b); PiÇa (2007a), S. 124: »Y me di cuenta que la historia trataba de unas hero†nas y no solo de unas v†ctimas.« 731 Vgl. Las 13 rosas, DVD-Extras, Comû se hizo, 00:22:16 – 00:22:30. 732 Vgl. ebd., 00:10:38 – 00:10:47. Mart†nez-L‚zaro ist vor allem bekannt für Komödien, zum Beispiel die mit beinahe 3 Mio. Zuschauern in Spanien sehr erfolgreiche Musical-Komödie El otro lado de la cama (The Other Side of the Bed; ES 2002): Vgl. Filmdatenbank des spanischen Kultusministeriums, www.mcu.es (20. 02. 2012). 733 Esperpento bezeichnet einen Humor, der auf den spanischen Dramatiker Ramûn Mar†a del Valle-Incl‚n zurückgeführt wird: Valle-Incl‚n verzerrte die ›Realität‹ Spaniens ins Lächerlich-Groteske und verfolgte damit sozialkritische Absichten. Im spanischen Kino wurde das »Esperpentische« zum Markenzeichen des Drehbuchschreibers Rafael Azcona, wie es beispielsweise im Publikumserfolg La vaquilla (ES 1985) zum Ausdruck kommt, in dem die zu Bürgerkriegszeiten angesiedelte Handlung grotesk-absurd überzeichnet ist: Vgl. Hopewell (1989), S. 199; Kinder (1993), S. 115; Deveny (1993), S. 47; Marsh (2011), S. 84 – 86. Im Hinblick auf die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung detailliert analysierten audiovisuellen Produktionen finden sich »esperpentische« Elemente in La niÇa de tus ojos (Das Mädchen deiner Träume; ES 1998), s. kapitel 7.2. 734 Vgl. Las 13 rosas, DVD-Extras, Comû se hizo, 00:12:49 – 00:13:09 sowie 00:19:25 – 00:19:40. 735 O. V.; zit. n.: ebd., 00:33:10 – 00:33:19: »Yo creo que es una pel†cula que te va a dejar con una sensaciûn agridulce«. 736 El Pa†s (04. 08. 2006b): »La tragedia de las 13 rosas, al cine«.

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insinuieren. Las 13 rosas perpetuiert somit letztlich eine Opferrhetorik und entspricht bewährten Formen, wie zeithistorische Ereignisse im demokratischen Spanien bisher auf audiovisuellem Wege zur Darstellung gelangten. Dabei bringt der Regisseur selbst Begrifflichkeiten ins Spiel, die die von ihm kinematografisch umgesetzte Geschichte in die Nähe eines ›klassischen‹ Dramas rücken: Bei der Szene, in der es um das Verfassen der Abschiedsbriefe geht, wie auch in der Erschießungsszene habe sich Mart†nez-L‚zaro zufolge eine Art »kollektive Katharsis«737 ereignet. Zwanzig Minuten nimmt der Weg der Protagonistinnen zum Schafott samt Epilog in dem insgesamt gut zweistündigen Film ein: vom überraschenden Weckruf im Gefängnis, über das Anziehen in Schockstarre, Ungläubigkeit und Todesangst, verzweifelt-aussichtslose Versteckversuche, dem Schreiben von Abschiedsbriefen, der erzwungenen letzten Beichte bis zur Fahrt zum Exekutionsort beim Friedhof, der Erschießung selbst, dem stillen Protest der Überlebenden Carmen sowie dem abschließenden Verlesen einer der Abschiedsbriefe.738 Die Darstellung, dass die Protagonistinnen des Films, fünf der 13 rosas, fast alle bis zum Ende davon überzeugt sind, dass ihnen kein Haar gekrümmt werden wird, dient dazu, ihre späte Einsicht in die Ungerechtigkeit und die Korruptheit des franquistischen Pseudorechtsystems zu einem der dramatischen Höhepunkte des Films werden zu lassen. Das Unrecht liegt laut Las 13 rosas vor allem darin, dass die Gnadengesuche, die die Protagonistinnen und ihre Gefährtinnen nach ihrem Todesurteil verfassen, von Franco gar nicht mehr gelesen wurden, bevor sie zur Exekution abgeführt werden. Dabei war es laut franquistischem ›Recht‹ so, dass Todesurteile nicht vollstreckt wurden, bis Franco selbst grünes Licht gab.739 Die Todesurteile der 13 rosas unterschrieb Franco aber erst am 13. August 1939, acht Tage nachdem sie vollstreckt worden waren –740 für eine der Figuren im Film der Beweis dafür, dass ihren Widersachern nach Blut dürstet.741 Die Anklage gegen die blutige und unbarmherzige franquistische Repression wiegt in Las 13 rosas umso schwerer, weil die zum Tode Verurteilten 13 Frauen laut Filmnarrativ keinerlei Vergehen begangen haben, demnach unschuldig waren. 737 Emilio Mart†nez-L‚zaro; zit. n.: Las 13 rosas, DVD-Extras, Comû se hizo, 00:21:08 – 00:21:10: »catarsis colectiva«. Vgl. PiÇa (2007a), S. 124. Die Schauspielerinnen wühlte der Dreh der Erschießungsszene sehr auf, wie anhand mehrerer Aussagen im Rahmen der auf der KaufDVD enthaltenen Interviews deutlich wird: Vgl. Las 13 rosas, DVD-Extras, Comû se hizo, 00:26:45 – 00:30:09. Eine der jungen Schauspielerinnen habe gar nicht mehr aufhören können zu weinen: Vgl. ebd., 00:21:14 – 00:21:57. Laut Mart†nez-L‚zaro hätten zudem einige der Soldaten – im Übrigen für den Film engagierte Berufssoldaten – während des Drehs der Erschießungsszene geweint: Vgl. PiÇa (2007a), S. 124. 738 Vgl. Las 13 rosas, 01:39:44 – 01:59:14. 739 Vgl. Prada Rodr†guez (2010), S. 172. 740 Vgl. Bejarano (2008), S. 219. 741 Vgl. Las 13 rosas, 01:41:53 – 01:42:04.

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Die in Las 13 rosas prominente Opferrhetorik wird dadurch maßgeblich verstärkt, dass die ideologischen Überzeugungen der Protagonistinnen in Mart†nezL‚zaros Film nicht näher beleuchtet werden. Wie Karteikarten im Laufe des Films deutlich machen, waren sie Mitglieder im C†rculo Aida de la Fuente, doch wofür sich dieser Kreis einsetzte und was er für Aktionen durchführte, wird an keiner Stelle erwähnt. Der Zuschauer erfährt lediglich, dass es im C†rculo Stepptanzkurse gab.742 Einerseits taucht an früherer Stelle des Films ein schwarz-weiß-Foto auf, das zwei der Protagonistinnen Arm in Arm und mit erhobenen Fäusten zeigt.743 Andererseits sucht eine andere Protagonistin die Befürchtungen ihrer Freundin, ihr könne etwas passieren, folgendermaßen zu entkräften: »Komm schon, ich bin auch nicht die Pasionaria!«744 Als dann das Todesurteil für die Protagonistinnen fällt, stellt Julia die rhetorische Frage: »Aber wie kann es sein, dass sie uns dafür erschießen, dass wir darum bitten, den Leuten zu Essen zu geben?«745 Ihr Engagement ist laut dieser Selbstbeschreibung primär karitativ, was sie von ihrer Leidensgenossin Blanca, gläubige Katholikin und Sinnbild christlicher Nächstenliebe,746 nicht allzu sehr unterscheidet, ungeachtet der ideologischen Differenzen, die sich vermuten ließen. In einer kurzen Sequenz zu Beginn des Films drängt Julia gegen Ende des Bürgerkriegs darauf, etwas gegen die Untätigkeit zu unternehmen, woraufhin ihr ein Freund antwortet, sie müssten sich darauf vorbereiten, im Untergrund zu arbeiten. Allerdings fehlen weitere Ausführungen dazu, was getan werden müsste, welche Arbeit angestrebt und letztlich auch tatsächlich angetreten wird.747 Als Julia im späteren Verlauf der Handlung im Begriff ist, kompromittierende Materialien zu verbrennen, kommentiert sie dies damit, dass ihr diese Propaganda immer

742 Vgl. Las 13 rosas, 01:17:12 – 00:18:00. Die einzige ›politisch‹ konnotierte Tätigkeit, die der Zuschauer einige der Protagonistinnen im Film verrichten sieht, ist das Verteilen von Flugblättern im Nachkriegsmadrid. 743 Vgl. ebd., 00:50:50 – 00:50:53. Ein schwarz-weiß-Foto mit ähnlichem Motiv, das Blancas Ehemann mit erhobenen Fäusten Arm in Arm mit einem bekennenden Kommunisten zeigt, dient den franquistischen Autoritäten als Beweis für dessen Militanz: Vgl. ebd., 01:02:30 – 01:02:45. 744 Ebd., 00:14:44 – 00:14:47: »Bueno, ¡yo tampoco soy la Pasionaria!« Mit der Pasionaria ist Dolores Ib‚rruri Gûmez gemeint, Mitglied des Führungskaders des PCE während des Kriegs. Ihr Auftreten wie auch ihre Reden bedingten, dass sie als eine der bedeutsamsten Figuren des Widerstandswillens auf republiktreuer Seite angesehen wird: Vgl. Godicheau (2005), S. 195 f. 745 Las 13 rosas, 01:36:13 – 01:36:16: »¿Pero cûmo nos van a fusilar por pedir para dar de comer a la gente?« Die Lebensmittelknappheit im belagerten Madrid gegen Ende des Bürgerkriegs wird darüber thematisiert, dass es jeden Tag nur noch Eintopf gibt: Vgl. ebd., 00:05:43 – 00:05:48. 746 Das einzige ›Vergehen‹ Blancas ist es, einem kommunistischen Freund zu helfen, ein Akt der christlichen Nächstenliebe. S. hierzu ausführlicher unter kapitel 5.5. 747 Vgl. Las 13 rosas, 00:09:12 – 00:09:27.

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kindisch vorgekommen sei und nun stelle sich heraus, sie sei gefährlich.748 Kurz darauf ist sie mit ihrem neuen Freund Perico im Kino. Er ist ein Karlist und Militär, den sie vor einer ihrer Freundinnen in Schutz nimmt.749 Im Kino ist Julias Aufmerksamkeit ganz auf Perico gerichtet, ohne sich weiter um die Wochenschau zu kümmern, die über die Leinwand flimmert. Als alle Kinobesucher sich zum Singen der falangistischen Hymne Cara al sol erheben, singt sie unwillig mit. Dabei lächelt sie Perico, der ihren zum ›Führergruß‹ erhobenen Arm etwas hebt, gar zu, wenngleich gequält.750 Vom Kampfeswillen einer ihrer Freundinnen zeigt Julia sich indes nicht mehr überzeugt.751 Ähnlich ist Protagonistin Virtudes dagegen, gewalttätige Aktionen mit Waffen durchzuführen.752 An späterer Stelle des Films glaubt sie auch nicht mehr an das, was sie selbst zu Beginn noch propagierte: das Fortführen des Widerstandes angesichts einer möglichen Intervention westeuropäischer Mächte.753 Alles in allem sind die Protagonistinnen des Films Las 13 rosas weder als ideologisch noch als gewaltbereit zu bezeichnen, sondern werden vielmehr als ›normale‹, mitmenschlich handelnde junge Frauen gezeichnet. Entsprechend schreibt Mirito Torreiro in Fotogramas: »Die einzige Schuld dieser Mädchen war es, in den ersten Tagen des Franquismus weiterhin republikanisch zu bleiben«754. Das ist eine wenig befriedigende Erklärung, denn die Beschreibung republicanas ist recht diffus, umfasst die unterschiedlichsten politischen Positionen und sagt nichts über konkrete, ideologisch motivierte Aktionen aus.755 Torreiro spricht den Protagonistinnen gar eine nicht unerhebliche Gedankenlosigkeit zu, was ihnen eine gewisse Teilschuld am Geschehenen zu- und der Perspektive widerspricht, die Mart†nez-L‚zaro in seinem Film umgesetzt wissen wollte: »Der Film schafft es, die bewegte Leichtigkeit des Lebens einiger ziemlich unbedachter Kinder zu vermit-

748 Vgl. ebd., 00:31:54 – 00:32:00. 749 Vgl. ebd., 00:36:45 – 00:36:48. Julias Schwester bezeichnet Perico gar als »¡Que buena facha!« (ebd., 00:32:58), was sich einerseits mit »Was für ein guter Fascho!«, andererseits aber auch mit »Was für ein schicker Kerl!« übersetzen ließe. Perico selbst bemüht sich um Abgrenzung: An einer anderen Stelle des Films bittet er Julia darum, nicht etwa zu denken, er sei so »wie sie« (ebd., 00:27:36: »como ellos«), während im Hintergrund Soldaten, Falangisten und ›Mauren‹ zu sehen sind. 750 Vgl. ebd., 00:33:55 – 00:35:22. Auch Protagonistin Adelina verguckt sich in einen Mann, der offensichtlich auf Seiten der ›Sieger‹ steht und ihr absolute Sicherheit verspricht: Vgl. ebd., 00:50:53 – 00:53:51 sowie 00:53:52 – 00:54:47. 751 Vgl. ebd., 00:37:10 – 00:37:12. 752 Vgl. ebd., 00:40:31 – 00:40:51. 753 Vgl. Las 13 rosas, 00:42:02 – 00:42:21. Ein Kommentar, der nachdrücklich an Luc†a in Silencio roto (Broken Silence; ES 2001) erinnert, s. kapitel 4.2.1. 754 Torreiro (2007), S. 14: »[E]l fflnico pecado de estas chicas […] era seguir siendo republicanas en los primeros d†as del franquismo«. 755 Zum Terminus ›Republikaner‹ s. Fußnote 114.

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teln.«756 Ähnlich spricht BegoÇa PiÇa in La Vanguardia von »wenig oder gar nicht politisierten Mädchen, die versuchten, im schäbigen Madrid der Nachkriegszeit zu überleben«757. Diesen Interpretationen steht die Auffassung der Regisseure des TV-Dokumentarfilms Que mi nombre no se borre de la historia entgegen, die meinen: »Nachdem wir ihre Parteigenossen und Angehörigen interviewt hatten, kamen wir zu dem Schluss, dass die trece rosas Frauen waren, die sehr wohl wussten, was sie taten. Sie traten bewusst den JSU bei; sie hätten daheim bleiben können, gingen jedoch auf die Straße und entschieden sich, zu kämpfen und die II. spanische Republik zu verteidigen.«758

Die ›Ideale‹, aufgrund derer vier der insgesamt fünf Protagonistinnen in Las 13 rosas leiden und sterben,759 werden im Verlauf der gesamten Filmhandlung niemals konkret erläutert. Als Erklärungen müssen filmintern bruchstückhafte Zitate aus den historisch verbrieften Abschiedsbriefen der 13 rosas herhalten.760 So schreibt Virtudes ihren Eltern zum Abschied: »Sie töten mich nicht als Kriminelle. Sie töten mich, weil ich eine Idee für richtig halte. Und für diese sterbe ich. Ich verabschiede mich von Euch mit dem Wunsch, dass Ihr meiner immer gedenken möget.«761 Ähnlich fordert Julia ihre Mutter in ihrem Brief auf: »Ich sterbe, wie eine Unschuldige sterben muss. Auf dass mein Name nicht aus der Geschichte verschwindet.«762 Ähnlich betonen einige der Schauspielerinnen 756 Torreiro (2007), S. 14: »[L]a pel†cula logra transmitir la din‚mica liviandad de la vida de unas cr†as considerablemente inconscientes«. Torreiro verweist allerdings ebenfalls auf die mangelhafte Darstellung der Verantwortlichen und Verantwortlichkeiten in Las 13 rosas, für sie der negativste Aspekt des Films: Vgl. ebd. S. kapitel 4.3.1 und kapitel 6.2. 757 La Vanguardia (16. 10. 2007), S. 42: »chicas muy poco o nada politizadas que intentaban sobrevivir en el Madrid miserable de la posguerra«. 758 Verûnica Vigil und Jos¦ Mar†a Almela; zit. n.: El Pa†s (11. 12. 2005): »Tras entrevistar a sus compaÇeros de organizaciûn, a sus familiares, concluimos que las trece rosas eran mujeres que sab†an bien lo que hac†an […]. Se afiliaron a la JSU de forma consciente; pudiendo quedarse en casa, salieron a la calle y optaron por luchar y defender la II Repfflblica espaÇola«. 759 Im Gegensatz zu Libertarias (ES-IT-BE 1996), La niÇa de tus ojos (ES 1998) oder Silencio roto (ES 2001), die je eine Perspektivträgerin aufweisen, stehen in Las 13 rosas mehrere Figuren im Mittelpunkt. Dies zeugt von den Bemühungen Mart†nez-L‚zaros um eine chorale Erzählweise, mit der unterschiedliche Einstellungen zum Ausdruck gelangen können: Vgl. El Pa†s (04. 08. 2006b); La Vanguardia (16. 10. 2007), S. 42; o. V. (2007), S. 24; Rodr†guez (2007a), S. 20. 760 Die Korrespondenz von Dionisia Manzanero, Julia Conesa und Blanca Brisac ist in Carlos Fonsecas Buch abgedruckt, darunter ihre Abschiedsbriefe: Vgl. Fonseca (2008), S. 273 – 299. 761 Las 13 rosas, 01:47:47 – 01:47:59: »No me matan por criminal. Me matan por una idea que creo justa. Y por ella muero. Me despido de vosotros con el deseo de que me record‚is siempre.« 762 Ebd., 01:48:04 – 01:48:19: »Muero como debe morir una inocente. […] Que mi nombre no se borre de la historia.« Mit der Formulierung des letzten Satzes, der im off vorgelesen wird,

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in den auf der Kauf-DVD enthaltenen Interviews die Lesart, dass die 13 rosas unschuldig waren, zur falschen Zeit am falschen Ort.763 Sie seien ungerechterweise für eine »Idee«764 gestorben, die im Film allerdings nicht näher spezifiziert wird. Entsprechend verwundert der Stolz, den die Schauspielerin Verûnica S‚nchez – in Las 13 rosas die Julia – angesichts der Tatsache empfunden habe, eine aufrechte, ehrliche junge Frau zu spielen, die den Juventudes Socialistas angehört habe.765 Nur einmal ist von dieser Organisation filmintern die Rede: in der franquistischen Urteilsverkündung. Ähnlich betont die Schauspielerin Marta Etura, im Film Virtudes, die 13 rosas hätten nicht etwa für Gerechtigkeit in einem symbolisch-abstrakten Sinn gekämpft, sondern für Gerechtigkeit als etwas Reales, zum Beispiel für gerecht entlohnte Arbeit oder für Gleichberechtigung.766 In Mart†nez-L‚zaros Las 13 rosas stehen jedoch eindeutig symbolisch-abstrakte Begrifflichkeiten und Darstellungsweisen im Vordergrund und das in einem Film, in dem laut Aussagen des Regisseurs nicht ausschließlich der Fokus auf dem Leid seiner Protagonistinnen und somit auf einer Opferrhetorik liegen, sondern deren Leben und ›Heldenhaftigkeit‹ im Vordergrund stehen sollten. Aufgrund ihrer geringen Politisierung in Las 13 rosas erscheinen die Protagonistinnen jedoch durchweg naiv-unschuldig, als seien sie zufällig in die Mühlen der franquistischen Repression geraten – einen Eindruck, den Mart†nez-L‚zaro eigenen Aussagen zufolge gerade verhindern wollte. Außer dem übergeordneten grand r¦cit des Kampfes ›gegen den Faschismus‹, für den die Protagonistinnen öffentlich eintreten,767 liefert sein Film kaum eine spezifischere Erklärung für das Geschehene, stattdessen stellt er – wie Filmkritiker Carlos Boyero in El Pa†s schrieb – die Martern und Qualen seiner verängstigten, engelsgleichen Protagonistinnen in den Mittelpunkt.768 Anstelle ideologisch-politischer Beweggründe, Überzeugungen und Ziele werden in Las 13 rosas Aspekte des Zusammenhalts und der Solidarität betont, beispielsweise innerhalb Julias Familie. Sie lebt mit ihrer Mutter und ihren zwei

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blickt Julia den Zuschauer direkt an und hält den Blick eine Weile, bis die ganze Abschiedsbriefschreibsequenz in einer Abblende endet: Vgl. ebd., 01:48:16 – 01:48:22. Die Ansprache des Zuschauers ist angesichts dieser filmästhetischen Inszenierung bewusst intendiert und die Opferrhetorik in Las 13 rosas demnach direkt verknüpft mit einem dezidiert erinnerungspolitischen Auftrag, s. kapitel 5.5. Vgl. Las 13 rosas, DVD-Extras, Comû se hizo, 00:00:39 – 00:00:53. Mar†a Cotiello; zit n.: ebd., 00:00:53 – 00:00:56: »idea«. Vgl. El Pa†s (04. 08. 2006b). Auch Fotogramas stellt in einem Vorabbericht die Mitgliedschaft der Figur Julia bei den Juventudes Socialistas heraus: Vgl. o. V. (2007), S. 24. In einer späteren Rezension von Mirito Torreiro im selben Magazin wird daraus eine der Linken nahe stehende Gruppe junger Frauen: Vgl. Torreiro (2007), S. 14. Vgl. Las 13 rosas, DVD-Extras, Comû se hizo, 00:24:18 – 00:24:40. S. kapitel 7.1. Vgl. El Pa†s (19. 10. 2007).

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Schwestern zusammen, von denen eine an Tuberkulose erkrankt ist und im Laufe der Filmhandlung stirbt.769 Der Zusammenhalt der vier weiblichen Familienmitglieder untereinander und die Abschiedszenen, die Julia und ihre weibliche Kleinfamilie betreffen, gelangen in Las 13 rosas stets auffallend häufig, lang und emotional zur Darstellung.770 Auch später im Gefängnis halten die Protagonistinnen zusammen. In der Zelle der Minderjährigen lassen sich die Mädchen nicht unterkriegen, erlauben sich Späße, indem sie ihre Wärterinnen erschrecken oder mit Wasser bespritzen.771 Beim Morgenappell brüllen alle Gefangenen das Wort ›frei‹ am lautesten, wenn das übliche EspaÇa, ¡una!, EspaÇa!, ¡grande, EspaÇa, ¡LIBRE! (dt.: »Spanien: einig! Spanien: groß! Spanien: FREI!«) erfolgt.772 Die 13 rosas ersinnen dem Filmnarrativ zufolge darüber hinaus ein Lied, dessen Text die Zustände im Gefängnis persifliert, und steppen im Gefängnishof, was alle Anwesenden aufheitert.773 Während eines Gottesdienstes im Gefängnis, an dem die Insassen gezwungenermaßen teilnehmen, lassen einige der Protagonistinnen aus Protest gegen die beklagenswerten Zustände im Gefängnis Ratten los.774 Wegen der hohen Kindersterblichkeit verlangen sie an anderer Stelle des Films die Direktorin zu sehen, der sie zu verstehen geben, dass sie beim morgendlichen Appell die falangistische Hymne Cara al sol nicht mehr mitsingen würden, solange es keine Milch für die Kinder gebe.775 Als Konsequenz ihrer Auflehnung müssen die Aufwieglerinnen in Einzelhaft verharren; eine Zeit, die sie sich jedoch wiederum damit verkürzen, indem sie lauthals ihr oben erwähntes, selbst gedichtetes Lied singen.776 Auf dem Weg zur Gerichtsverhandlung lassen sie sich nicht von den Wachen abhalten, einen letzten gemeinsamen und sehnsuchtsvollen Blick auf das Grün des Ma-

769 Zur Krankheit Tuberkulose s. wiederum bei Pa negre (Black Bread; ES 2010), Fußnote 1199. 770 Vgl. Las 13 rosas, 00 :46 :58 – 00 :47:01, 01:07:01 – 01:08 :19, 01:39 :50 – 01:39 :09 sowie 01:49 :19 – 01:49 :53. S. kapitel 2.1. 771 Vgl. ebd., 01:13:06 – 01:14:03. 772 Vgl. ebd., 01:14:04 – 01:15:06. 773 Vgl. ebd., 01:16:00 – 01:18:20. Eine deutliche Parallele zum Pasodoble Suspiros de EspaÇa, den der anonyme Soldat in Soldados de Salamina (Soldiers of Salamina; ES 2003) in einem republikanischen Gefangenenlager anstimmt, s. kapitel 5.5. Das selbst gedichtete Lied aus Las 13 rosas ist zum Mitsingen im Karaoke-Stil auf den Extras der Kauf-DVD unter einem eigenen Menüpunkt aufgeführt: Vgl. Las 13 rosas, DVD-Extras,Video clips. Carlos Boyero empfindet den Stepptanz im Gefängnishof als völlig deplaziert, letztlich unsäglich: Vgl. El Pa†s (19. 10. 2007). 774 Vgl. Las 13 rosas, 01:23:09 – 01:24:06. 775 Vgl. ebd., 01:24:07 – 01:25:19. Den Protesten begegnet die Direktorin mit dem lapidaren Hinweis, dass die Zustände draußen auch nicht besser seien, was auf die im Allgemeinen desolate Versorgungslage im Nachkriegsspanien verweist, die diesem Zeitabschnitt wahlweise die Bezeichnung los aÇos del hambre (dt.: »die Hungerjahre«) oder los aÇos oscuros (dt.: »die dunklen Jahre«) eintrug. S. kapitel 6.3. 776 Vgl. ebd., 01:25:20 – 01:26:41.

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drider Retiro-Parks zu werfen.777 Sie tauschen untereinander Kleidungsstücke aus, um sich gegenseitig Glück zu bringen.778 Auf der Fahrt in dem Laster, der sie zum Exekutionsort bringt, stimmt Julia die Hymne der Joven Guardia an, in die nach und nach alle einstimmen, während die katholische Blanca ihrer Zustimmung mit einem Lächeln Ausdruck verleiht.779 Sogar als die 13 rosas vor ihrem Exekutionskommando stehen, finden sie – so der Film – noch eine Möglichkeit, auf menschliche Art und Weise zu rebellieren und ihren Zusammenhalt ein letztes Mal auszuleben: Sie umarmen sich, greifen sich an den Händen und umarmen sich wieder, was den Soldaten das Ausführen ihres Befehls erschwert.780 Vor der Hinrichtung hatte Virtudes ihre beste Freundin Carmen, die nicht zum Tode verurteilt wurde, damit beauftragt, das Schicksal der 13 rosas nicht zu vergessen und für die Nachwelt zu bewahren. Ihre letzte Unterhaltung im Film lautet wie folgt: Virtudes: »Carmen, vergiss bitte nie, worauf es ankommt.« Carmen: »Worauf denn?« Virtudes: »Dass wir Recht haben. Dass wir für etwas kämpfen, das richtig ist. Genauso wie Du weißt, dass es jemanden geben muss, der sich an alles erinnert, wenn es vorbei ist. Carmen: »Ich könnte es nicht vergessen. Das wäre, als ob ich Dich vergessen würde!« Virtudes: »Genau darum geht es: dass Du mich nicht vergisst.«781

Carmen übernimmt somit die Rolle der ›Zeugin der Geschichte‹, die das Gesehene – stellvertretend für den Zuschauer – in die Gegenwart und Zukunft zu überführen vermag.782 Dabei bleibt es den gesamten Film über unklar, für was die 13 rosas sich konkret engagierten bzw. für welche ideologischen Überzeugungen sie kämpften. Somit verkommt der Begriff ›Kampf‹ in dem Kinospielfilm 777 Eine Sequenz, die über den geografischen Marker des Retiro demonstriert, dass die 13 jungen Frauen damals eben das nicht zu genießen vermochten, was Spaniern heute tagtäglich vergönnt ist: Freiheit. S. kapitel 6.3. 778 Vgl. Las 13 rosas, 01:29:39 – 01:31:28. 779 Vgl. ebd., 01:49:54 – 01:50:52. Mit der Himno de la Joven Gardia ist das Lied der kommunistischen Jugendvereinigung Juventudes Comunistas gemeint, s. auch Fußnote 722. Was diese Szene anbelangt, so hatte Regisseur Mart†nez-L‚zaro zunächst Bedenken, dass sie zu hölzern, lehrbuchartig, gar propagandistisch wirken könne: Vgl. Las 13 rosas, DVD-Extras, Comû se hizo, 00:26:06 – 00:26:34; PiÇa (2007a), S. 124. 780 Vgl. Las 13 rosas, 01:53:11 – 01:54:21. 781 Ebd., 01:37:26 – 01:38:23: Virtudes: »Por favor, Carmen, no te olvides nunca de lo importante.« Carmen: »De qu¦?« Virtudes: »De que tenemos razûn. De que estamos luchando por algo que es justo. […] Igual que sabes que cuando todo esto ya ha pasado alguien tendr‚ que recordarlo.« Carmen: »No podr†a olvidarlo. ¡Ser†a como olvidarte a t†!« Virtudes: »De eso se trata, Carmen. De que no me olvides.« Einen ähnlichen Auftrag erhält der kleine Sohn der Protagonistin Blanca, s. kapitel 5.5. 782 Zu Zeugenschaft s. unter kapitel 4.1.1.

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Las 13 rosas zur Floskel, die sich vielmehr darauf bezieht, welche Hoffnungen mit der Zweiten Republik in Spanien einst verknüpft waren; Hoffnungen, die sich erst im Rezeptionskontext der Zuschauer realisierten, während sie im 1939 angesiedelten Handlungszeitraum des Films zum gewaltsamen Scheitern verurteilt waren.783 Rezensent Hilario J. Rodr†guez – der dem Film in Dirigido por im Allgemeinen zuspricht, ein Bild der Repression zu liefern –784 findet es gut und außergewöhnlich, dass in dem Film kein Platz sei für politische Parolen, Sabotageakte oder gefährliche Missionen in feindlichem Gebiet. Dies entspreche der Tatsache, dass »die Figuren des Films größtenteils junge Leute sind, die Freiheit, Liebe, Sex und Kameradschaft erleben wollen, und das in einer besonders repressiven Zeit«785. Las 13 rosas vermittle seiner Meinung nach – und somit im Gegensatz zu Boyero – nicht das Gefühl, belehren zu wollen. Vielmehr lobt Rodr†guez den Regisseur Mart†nez-L‚zaro dafür, mit seinem Film nach neuen Perspektiven gesucht zu haben, um nicht in den »Manichäismus [zu verfallen], der seit der transiciûn kultiviert worden ist«786. Es gebe in Las 13 rosas Figuren, die sich von den Üblichen unterscheiden würden.787 Besonders die Aufmerksamkeit der Enkel könnte durch diese Sicht auf den Bürgerkrieg und dessen Konsequenzen geweckt werden.788 Diese Hoffnung bestätigen die jungen Darsteller des Films quasi exemplarisch. So meint Schauspielerin Verûnica S‚nchez über die von ihr verkörperte Figur Julia: »Ja, wenn man eine reale Persönlichkeit spielt, erschreckt man ein wenig. Du hast eine zusätzliche Verantwortung, du willst ihr Gerechtigkeit widerfahren lassen oder wenigstens etwas gemacht haben, dass – in dem Wissen, dass sie den Film sehen werden – ihren Angehörigen gefällt.«789 783 S. die vergleichbare Art der Darstellung in Silencio roto, Kapitel 4.2.1, die in der dominanten Lesart des ›Wir sind Helden‹ kulminiert, s. kapitel 6.3. 784 Vgl. Rodr†guez (2007a), S. 20. 785 Ebd.: »los personajes del film son en su mayor†a adolescentes con ganas de experimentar la libertad, el amor, el sexo y el compaÇerismo, en un periodo especialmente represivo«. 786 Ebd.: »el manique†smo que se cultivû desde la Transiciûn«. Zum Begriff bzw. zum rekurrierenden Vorwurf des ›Manichäismus‹ s. kapitel 3.2. 787 Vgl. ebd. 788 Ebd. 789 Verûnica S‚nchez; zit. n.: Las 13 rosas, DVD-Extras, Comû se hizo, 00:13:15 – 00:13:32: »S†, al ser un personaje real siempre asusta un poco. Tienes una responsabilidad extra, quieres […] hacerle justicia o, por lo menos, sabiendo que sus familiares van a ver la pel†cula, […] haber hecho algo que les guste.« Ähnlich äußert sich die Virtudes-Darstellerin Marta Etura: »Wenn man sich plötzlich in eine Person hineinversetzen muss, die so etwas erlebt hat, dann betrachtet man sie mit mehr Beunruhigung, mit mehr Interesse.«: Marta Etura; zit. n.: Las 13 rosas, DVD-Extras, Comû se hizo, 00:30:36 – 00:30:45: »Cuando de repente uno tiene que meterse en la piel de una persona que ha vivido eso se estudia con m‚s inquietud, con m‚s inter¦s.«

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Die Arbeit an diesem Film sei für sie besonders gewesen, so S‚nchez weiter, nicht nur, weil sie Material wie beispielsweise Fonsecas Buch habe nutzen können, sondern zudem die Erinnerungen ihres Großvaters, der im Bürgerkrieg gekämpft habe. Letztere hätten ihr bei den Dreharbeiten sehr geholfen; der Film habe sie sehr berührt, erscheine ihr nah.790 Weitere Schauspielerinnen sprechen im Rahmen der auf der Kauf-DVD enthaltenen Interviews über ihre Großeltern und deren Rolle bzw. deren Los im Zuge des Bürgerkriegs.791 Der Schauspieler Fran Perea792 bemängelt, dass viele Angehörige seiner Generation sich nicht dessen bewusst seien, dass ihre Großeltern sich vor nicht allzu langer Zeit gegenseitig töteten.793 Für Pilar Lûpez de Ayala794, in Las 13 rosas Blanca, ähnle der Film einer Huldigung und zeige eine Geschichte, die es Wert sei, erinnert zu werden.795 Dem entspricht Rezensent Bejaranos Urteil, dass der Conesa-Ausspruch »Auf dass mein Name nicht aus der Geschichte verschwindet«796 Mart†nez-Lazaros Werk rechtfertige, auch wenn er von diesem als einem »uneinheitlichen und oberflächlichen Film«797 spricht mit einem »zusammenhangslosen und episodischen Drehbuch«798, der sich darin verzettelt habe, eine möglichst große Anzahl an Zuschauern zu erreichen.799 Der Film zeige zwar erfolgreich die schonungslose Systematik und Effektivität der franquistischen Repression und konzentriere sich auf deren Opfer, scheitere jedoch in der Rekonstruktion des 790 Vgl. Las 13 rosas, DVD-Extras, Comû se hizo, 00:18:33 – 00:18:58. 791 Vgl. ebd., 00:18:58 – 00:19:24 sowie 00:19:41 – 00:20:13. 792 Der Kino-, TV- und Theaterschauspieler Fran Perea war einer derjenigen, die sich im spanischen Wahlkampf 2008 aktiv für den sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Rodr†guez Zapatero einsetzten. 793 Vgl. Las 13 rosas, DVD-Extras, Comû se hizo, 00:01:08 – 00:01:18. 794 TV- und Filmschauspielerin Pilar Lûpez de Ayala war dem spanischen Publikum zuvor vor allem – wie ihre Kollegin Luc†a Jim¦nez (Luc†a in Silencio roto, s. kapitel 4.2.1) – aus der TV-Serie Al salir de clase (dt.: »Zu Unterrichtsschluss«; Telecinco, 1997 – 2002) bekannt sowie aus der mit über 1,6 Mio. Zuschauern überaus erfolgreichen Kinoproduktion Juana la Loca (Mad Love; ES-IT-PT 2001), in der sie die Hauptrolle verkörperte und dafür 2002 mit dem Goya prämiert wurde: Vgl. Filmdatenbank des spanischen Kultusministeriums, www.mcu.es (20. 02. 2012). 795 Vgl. Las 13 rosas, DVD-Extras, Comû se hizo, 00:31:02 – 00:31:05. Zur Figur Blanca in Las 13 rosas s. auch kapitel 5.5. 796 Bejarano (2008), S. 218: »Que mi nombre no se borre en la historia«. 797 Ebd.: »irregular y superficial pel†cula«. 798 Ebd.: »deslavazado y episûdico guiûn«. 799 Vgl. ebd., S. 220. Die Bilder begleite zudem eine aufdringlich-schmalzige Musik und die Dekors wirkten hölzern und amateurhaft: Vgl. ebd., S. 219. Boyero hatte in El Pa†s zuvor bereits ebenfalls die aufdringliche Musik bemängelt, außerdem die Tatsache, dass die Protagonistinnen auch im rattenverseuchten Gefängnis noch perfekt geschminkt sind, worunter die Glaubwürdigkeit der Handlung und somit die Identifikation seitens der Zuschauer stark leide: Vgl. El Pa†s (19. 10. 2007). Der Komponist der Filmmusik, Roque BaÇos, wurde dennoch mit einem Goya prämiert.

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Lebens der jungen Frauen.800 Ähnlich meint Kritiker Boyero, Mart†nez-L‚zaros Film habe ihn überhaupt nicht berührt und versuche ihm in jeder Sequenz vorzuschreiben, was er denken und fühlen dürfe.801 Für PiÇa ist Las 13 rosas indes eine »berührende Arbeit«802. Mirito Torreiro beurteilt Mart†nez-L‚zaros Werk ähnlich als einen würdigen Film, rund und bewegend, auch wenn er nicht alle Details des Geschehens antaste.803 Las 13 rosas ging mit insgesamt vierzehn Goya-Nominierungen als einer von zwei Favoriten in die Verleihung, erhielt Anfang 2008 letztlich aber nur vier der begehrten Auszeichnungen – was die Macher des Films enttäuschte.804 Unter den Prämierten war unter anderem der Kameramann Jos¦ Luis Alcaine, der beim Entgegennehmen seines Preises jede Einzelne der 13 rosas aufzählte.805 Hatte der Produzent Pedro Costa noch vor Beginn der Dreharbeiten verlauten lassen, er glaube, der Film enthalte alle Zutaten, um ein Erfolg zu werden,806 so vermochte Las 13 rosas tatsächlich über 860.000 Zuschauer in die spanischen Kinos zu locken.807 Dabei dürften die attraktiven jungen Schauspielerinnen, die die Protagonistinnen des Films verkörpern, sicherlich eine Rolle als Zugpferde gespielt haben. El Pa†s hob das Mitwirken junger Schauspielerinnen vorab hervor,808 und Torreiro schreibt in ihrer Rezension, das Beste an dem Film sei die Besetzung.809 Auch Rodr†guez lobt in Dirigido por die exzellenten Schauspielerinnen, die anfingen, die zukünftige spanische Kinogeschichte zu schreiben.810 Ähnlich äußert sich Bejarano, der Pilar Lûpez de Ayala besonders hervorhebt.811 Infolge des kommerziellen Erfolgs von Las 13 rosas änderte sich die Gestaltung des Covers des Fonseca-Buches Trece rosas rojas, das als Vorlage für das Drehbuch gedient hatte: Hatte dies zuvor das Bild einer stolz dreinschauenden, bewaffneten miliciana geziert, erschien es im Zuge der Verfilmung im Januar 2008 800 801 802 803 804

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Vgl. Bejarano (2008), S. 219. Vgl. El Pa†s (19. 10. 2007). PiÇa (2007a), S. 124: »emotivo trabajo«. Vgl. Torreiro (2007), S. 14. Vgl. PiÇa, BegoÇa: Los premios Goya afrontan el duelo entre Las 13 rosas y El orfanato. In: La Vanguardia (03. 02. 2008), S. 54; PiÇa, BegoÇa: La soledad, la gran sorpresa. Jaime Rosales se lleva los premios al mejor director y mejor pel†cula. In: La Vanguardia (04. 02. 2008), S. 30 f.; Martialay/Pando/Ponga (2008), S. 124. Vgl. Martialay/Pando/Ponga (2008), S. 128. Jos¦ Luis Alcaine war an zahlreichen Almodûvar-Produktionen beteiligt, darunter unter anderem La mala educaciûn (La mala educaciûn – Die schlechte Erziehung; ES 2004) und Volver (Volver – Zurückkehren; ES 2006). Vgl. El Pa†s (04. 08. 2006b). Vgl. Filmdatenbank des spanischen Kultusministeriums, www.mcu.es (20. 02. 2012). Das Anlaufen des Films in Spanien war zunächst für Anfang 2007 angedacht: Vgl. El Pa†s (04. 08. 2006b). Vgl. ebd. Vgl. Torreiro (2007), S. 14. Vgl. Rodr†guez (2007a), S. 20. Vgl. Bejarano (2008), S. 219 f.

Über eine Opferrhetorik hinaus? ›Anonyme Helden‹ im Franquismus

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im neuen Format, mit einem Filmplakat auf dem Cover, das die jungen Schauspielerinnen prominent ins Licht rückt.812

4.2

Über eine Opferrhetorik hinaus? ›Anonyme Helden‹ im Franquismus

4.2.1 ›Heldinnen des Alltags‹ im Kinospielfilm Silencio roto »Für euch ist es einfach, Denkzettel zu verpassen. Ihr verpasst sie und verschwindet. Und was ist mit uns? Was wird mit uns passieren, wenn ihr weggeht?«813

Bei näherer Betrachtung der spanischen Kino- und TV-Produktionen, die sich seit 1996 mit Themen aus Bürgerkrieg und/oder früher Franco-Diktatur befassen und die von Seiten ihrer Macher bzw. der Kritiker als Beiträge zu den Bemühungen einer recuperaciûn de la memoria histûrica verstanden werden, fällt auf, dass sich darin neben einer dominanten Opferrhetorik eine Heldenrhetorik bemerkbar macht. Letztere ist in diesen Produktionen, sowohl in den dokumentarischen als auch in den fiktionalen, verknüpft mit einem umfassenden Interesse an dem Alltag der ›kleinen Leute‹, deren Erfahrungen – so der Tenor – bisher nicht öffentlich gemacht worden seien. So handelt die Kinodokumentation Los niÇos de Rusia (The Children of Russia; ES 2001) beispielsweise von dem Los der insgesamt knapp 3.000 Kinder, die im Sommer 1937 wegen der zunehmenden Bombardierung der weiterhin republikanischen baskischen Gebiete während des Spanischen Bürgerkriegs in die UdSSR evakuiert wurden. Der Fernsehdokumentarfilm Exilio (dt.: »Exil«; Erstausstrahlung am 22. und 29. 09. 2002 auf TVE/La 2) ist bewusst als Ehrung der bisher anonym gebliebenen Exilanten intendiert. Anstatt den Fokus – wie bisher geschehen – auf berühmte Persönlichkeiten zu richten, solle das Exil darin in seiner Gesamtheit aufgearbeitet werden, so der Ideengeber Alfonso Guerra zum Film.814 Rodolf Sirera, einer der Macher von Amar en tiempos revueltos (dt.: »Liebe in aufgewühlten Zeiten«; TVE/La 1, 2005 – 2012), begründet den immensen Erfolg dieser TV812 Schon im Februar 2008 folgte die zweite Auflage mit dieser Neugestaltung, nunmehr in der Reihe Colecciûn Booklet des Verlages Temas de Hoy. Auf dem Backcover dieser Ausgabe wird direkt auf den Film Bezug genommen, der als Ergebnis von Carlos Fonsecas Recherchen präsentiert und als großer Erfolg des spanischen Kinos gefeiert wird. 813 Silencio roto, 00:40:28 – 00:40:38: »Para vosotros es f‚cil dar escarmientos. Los dais y desaparec¦is. Y nosotras, ¿qu¦? ¿Qu¦ va a ser de nosotras cuando os vay‚is?« 814 Vgl. Exilio, 00:01:39 – 00:01:56; Exilio, DVD-Extras, Entrevista Alfonso Guerra, 00:01:07 – 00:01:22. Alfonso Guerra ist Präsident der PSOE-nahen Pablo-Iglesias-Stiftung (Vgl. www.fpabloiglesias.es (20. 02. 2012)), die den Film Exilio produzierte, und ehemaliger Vizepräsident der spanischen Regierung unter Felipe Gonz‚lez.

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Serie damit, dass sich die Drehbuchautoren ihrer eigenen Kindheitserinnerungen – er zum Beispiel sei 1948 geboren – bedienten, Situationen, die das Leben der Eltern geprägt hatten wie auch kleiner Anekdoten und Zeitungsausschnitte.815 Auch Zeitzeugeninterviews wurden für Amar en tiempos revueltos durchgeführt.816 Dass die Serie sich gerade auf »menschliche Geschichten«817 gründe und nicht »die große Geschichte«818 erzählen wolle, so Sirera, ermögliche eine enge Verbindung zwischen der Erfahrungswelt der Zuschauer einerseits und den Erlebnissen der Serienfiguren andererseits.819 Entsprechend betont die Kommunikationswissenschaftlerin Mar†a Del Mar Chicharro Merayo, dass Amar en tiempos revueltos eine Lesart der jüngeren spanischen Vergangenheit aus der Perspektive der Alltags- und Mikrogeschichte ermöglicht. Die Vergangenheit werde darin »in ihrer alltäglichsten Dimension«820 evoziert. Ganz ähnlich bewertet der Kritiker Hilario J. Rodr†guez den Kinospielfilm Las 13 rosas (13 Roses; ES-IT 2007) deswegen positiv, weil der Film daran erinnere, dass »die Geschichte, groß geschrieben, wir ausnahmslos alle sind und nicht nur einige wenige Privilegierte, die sich im Innern einer Bibliothek oder in einem Büro verschanzen«821. Damit leiste Las 13 rosas eine audiovisuelle Umsetzung seiner Überzeugung, Geschichte als ein Konglomerat »kleiner Erzählungen«822 zu verstehen, die ein »alltägliches Panorama«823 bilden. Rodr†guez plädiert demnach für eine Sicht auf die Geschichte ›von unten‹, die das Alltagsleben und dessen Protagonisten, die ›einfachen Leute‹, fokussiert. In diesem Zusammenhang stellen in Las 13 rosas weibliche Vertreterinnen der ›einfachen Leute‹ eine besonders beachtete gesellschaftliche Gruppe dar. Allein schon der Trailer zum Film verweist auf den hohen Stellenwert, den weibliche Figuren darin einneh815 Vgl. »Amar recupera la memoria histûrica de padres, abuelos, y otras historias humanas« (05. 08. 2008), www.rtve.es (20. 02. 2012). Zu Amar en tiempos revueltos s. ausführlicher unter kapitel 4.1.2. 816 Vgl. Gal‚n Fajardo (2007). Auf der offiziellen Homepage zur Serie gibt es Clips mit Zeitzeugenberichten, beispielsweise El Valle de los Ca†dos en primera persona (dt.: »Das Valle de los Ca†dos in der Ichform«) oder La cartilla de racionamiento: d†as de hambre y escasez (dt.: »Die Lebenmittelkarte: Tage des Hungers und der Knappheit«). Zur Bedeutsamkeit von Zeitzeugenberichten im Rahmen der Bemühungen um eine ›Rückgewinnung der historischen Erinnerung‹ s. kapitel 4.1.1. 817 Rodolf Sirera; zit. n.: »Amar recupera la memoria histûrica de padres, abuelos, y otras historias humanas« (05. 08. 2008), www.rtve.es (20. 02. 2012): »historias humanas«. 818 Ebd.: »la gran historia«. 819 Vgl. ebd. 820 Vgl. Del Mar Chicharro Merayo/Rueda Laffond (2008), S. 81: »en su dimensiûn m‚s cotidiana«. 821 Rodr†guez (2007a), S. 20: »la Historia con mayfflscula somos absolutamente todos y no sûlo unos cuantos privilegiados que se parapetan en el interior de una biblioteca o en un despacho«. 822 Ebd.: »pequeÇas narraciones«. 823 Ebd.: »paisaje cotidiano«.

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men. Dies verdeutlichen die Sätze, die ein Sprecher im off zu den zusammenmontierten Filmausschnitten rezitiert: »Es gibt Frauen, die weiterleben. Frauen, die lieben und lachen. Frauen, die leiden und kämpfen. Es gibt Frauen, die nie vergessen werden.«824 Dabei betont der Film vor allem die Würde, mit der die weiblichen Protagonistinnen ihr Los ertragen. Das Filmnarrativ suggeriert, die Frauen seien gar aufrechter, stärker und loyaler als die darin dargestellten Männer : Protagonistin Julia stellt sich den franquistischen Autoritäten, als diese drohen, ihre Mutter und ihre kranke Schwester an ihrer statt festzunehmen.825 Die weiblichen Protagonistinnen werden unter Druck gesetzt oder gefoltert, ohne zu Denunziantinnen zu werden, wie es bei ihrem ehemaligen Gefährten Teo der Fall ist. Sie begehen auch keinen Selbstmord, wie es der verzweifelte Juan tut. Ebenso wenig sind sie am Ende des Kriegs ins Ausland geflohen, wie einer ihrer Freunde.826 Der Werbetext zum Film, der unter anderem auf dem Backcover der Kauf-DVD zu lesen ist, bezeichnet die 13 rosas genau deshalb als »Heldinnen dieser wahren Geschichte«827. Der ›Heroismus‹ der weiblichen Protagonistinnen dieses Kinospielfilms liegt demnach darin, dass sie tapfer ausgeharrt und ungebrochen ertragen haben. Eine ganz ähnliche Sichtweise auf die historischen Ereignisse hatte zuvor bereits Regisseur Montxo Armend‚riz in seinem Kinospielfilm Silencio roto (Broken Silence; ES 2001) eröffnet. Auch hier ist das Bemühen erkennbar, derjenigen zu gedenken, denen bisher – so die Aussagen der am Film Beteiligten und etlicher Kritiker – nicht hinreichend Aufmerksamkeit zuteilwurde. Im Sinne einer übergeordneten Bedeutungsdimension, die allein der Titel des Films aufweist,828 wurde Armend‚riz noch während der Dreharbeiten zum Film zu824 Vgl. www.youtube.com (20. 02. 2012): »Hay mujeres que viven para siempre. Mujeres que aman y r†en. Mujeres que sufren y luchan. Hay mujeres que nunca se olvidan.« 825 Vgl. Las 13 rosas, 00:46:10 – 00:47:58. 826 Vgl. ebd., 01:18:21 – 01:18:33. 827 Ebd., DVD-Backcover : »protagonistas de esta historia real«. Auf diese Sichtweise wurde zuvor ansatzweise bereits in dialogischer Form in Soldados de Salamina (Soldiers of Salamina; ES 2003) verwiesen, wo Vertreter der Reste der republikanischen Armee, die mit Ende des Bürgerkriegs die Flucht ergriffen, als »Dreckskerle« bezeichnet werden, die eben nicht bis zum bitteren Ende – wie versprochen – gekämpft hätten: Soldados de Salamina, 01:18:40 – 00:18:42: »cabrones«. Der Vorwurf, die für das Funktionieren der Republik Verantwortlichen hätten sich letztlich ihrer Verantwortung entzogen und dem ›spanischen Volk‹ die Last des Überlebens im Nachkriegsspanien aufgebürdet, findet sich auch – wenngleich implizit anhand der Figur des sich versteckt haltenden Familienvaters Ricardo – in dem Kinospielfilm Los girasoles ciegos (The Blind Sunflowers; ES 2008), s. kapitel 6.1. 828 Zu Beginn des Films wird dieses Brechen des Schweigens auf visuell-akustischer Ebene dargestellt: Der Film beginnt mit mehreren Einstellungen, die bewaldete Berghänge im Nebel zeigen. Plötzlich zerreißen Schüsse die Stille. Daraufhin folgen weitere Einstellungen, die ähnliche Bergpanoramen mit Schussgeräuschen kombinieren, bis der Filmtitel eingeblendet wird: Vgl. Silencio roto, 00:00:12 – 00:00:50. Zudem verkörpert ein Junge namens

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gesprochen, er wolle »die historische Amnesie bekämpfen«829. Entsprechend stellt BegoÇa PiÇa in ihrer Filmrezension in La Vanguardia einen direkten Bezug zu den Bemühungen um eine ›Rückgewinnung der historischen Erinnerung‹ her : »Dazu beitragen, den Menschen Würde zuteilwerden zu lassen, die historische Erinnerung zurückgewinnen, gewisse Ungerechtigkeiten wieder gut machen… das sind sehr große Worte, die für den neuen Film von Montxo Armend‚riz, Silencio roto, dennoch vollkommen zutreffend sind.«830

Dabei wurde Armend‚riz’ Spielfilm unter anderem als Beitrag dazu gelesen, sich mit dem auf einer breiten öffentlichen Ebene bisher weitgehend ›beschwiegenen‹ Aspekt der antifranquistischen Widerstandskämpfer, der maquis831, zu befassen. Auch im spanischen Kino gelangte dieser Aspekt der jüngeren Vergangenheit bis zur Jahrtausendwende selten zur Darstellung – dabei vereint er eigentlich, wie der spanische Filmwissenschaftler Carlos F. Heredero herausstellt, alle notwendigen Requisiten, um ein filmisches Genre, »eine Art Heldensaga des Widerstandes«832 zu konstituieren. Die Tatsache jedoch, dass nicht die antifranquistischen Kämpfer, sondern die Franquisten siegreich aus dem Bürgerkrieg hervorgingen und ein lang währendes Herrschaftssystem aufbauen konnten, erklärt, warum es während des Franquismus nicht zur Genese eines solchen Genres kam.833 Auch nach dem Tod des Diktators Franco erschien der antifranquistische Widerstand nicht auf umfassende Art und Weise auf den

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Juan – ähnlich wie zuvor Gustavete in Carlos Sauras ¡Ay, Carmela! (Ay, Carmela! – Lied der Freiheit; ES-IT 1990) – in Silencio roto die filmintern postulierte Notwendigkeit, das Schweigen zu brechen. War er infolge der brutalen repressiven Maßnahmen, unter denen seine Familie zu leiden hat, verstummt, so spricht er gegen Filmende wieder. MuÇoz, Diego: Montxo Armend‚riz revive el maquis en su fflltima pel†cula. In: La Vanguardia (14. 11. 2000), S. 53: »combatir la amnesia histûrica«. PiÇa, BegoÇa: Montxo Armend‚riz rompe el silencio sobre las mujeres que lucharon en el maquis. In: La Vanguardia (18. 04. 2001b), S. 39: »Contribuir a dignificar a los seres humanos, recuperar la memoria histûrica, reparar ciertas injusticias… son palabras muy grandes que, sin embargo, encajan perfectamente con la nueva pel†cula de Montxo Armend‚riz, ›Silencio roto‹«. Als maquis (abgeleitet vom Italienischen und Korsischen macchia, dt.: »Buschwald«) werden nicht nur in Frankreich, sondern auch in Spanien Widerstandskämpfer bezeichnet, was bereits auf die enge Verflechtung beider nationaler Aktionsräume in den 1940er-Jahren verweist (s. auch kapitel 7.4). Der Begriff guerrilla, der im spanischsprachigen Raum ebenfalls für die antifranquistischen Widerstandskämpfer verwandt wird, eröffnet einen anderen semantischen Raum, lässt er doch an den verdeckten Kampf bewaffneter Gruppen gegen ein feindliches Invasionsheer denken – der Begriff rührt aus Zeiten des Unabhängigkeitskriegs gegen die napoleonischen Truppen (1808 – 1814) her : Vgl. Graham/Labanyi (1995), S. 422; Camino (2011), S. 29. Heredero (1999b), S. 215: »una cierta ¦pica de la resistencia«. Während des Franquismus war es aufgrund von Zensurrichtlinien und einer rigiden ideologischen Kontrolle der Filmproduktion schwierig, Themen aufzugreifen, die dem Selbstverständnis des franquistischen Regimes zuwider liefen: Vgl. ebd., S. 216.

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Leinwänden und Fernsehbildschirmen,834 lediglich einige politisch ›linke‹ Filmemacher beschäftigten sich im Zuge der transiciûn damit. Die Filmografie zum Thema blieb spärlich und lässt sich schwerlich als eine Tendenz, noch als ein wiederkehrendes Motiv des spanischen Kinos bezeichnen.835 Deshalb lautet das Urteil der Publizistin Dolores Conquero: »Wenn das spanische Kino in den letzten vierzig Jahren auf Zehenspitzen am Bürgerkrieg vorbeigeschlichen ist, gibt es einen Aspekt des Kriegs oder, um genauer zu sein, seiner Konsequenzen, bei dem es praktisch nie stehenblieb. Es handelt sich um den maquis, eine historische Tatsache, die viele, aus verschiedenen Gründen, vergessen wollten.«836

Kritiker Diego MuÇoz nahm den Beginn der Dreharbeiten zu Silencio roto im Herbst des Jahres 2000 zum Anlass in La Vanguardia zu titeln, Armend‚riz »machte sich jetzt auf, das Schweigen über den maquis zu brechen, das in der zeitgenössischen spanischen Gesellschaft herrscht«837. Armend‚riz selbst hatte den maquis kurz vor dem Anlaufen von Silencio roto als »einen der großen Vergessenen«838 bezeichnet. Als den ausschlaggebenden Grund für die anhaltend geringe Beschäftigung mit der maqu†s-Thematik nennt der Historiker Secundino Serrano, dass das Gedenken an bewaffnete Widerstandbewegungen dem Gedanken einer ›nationalen Versöhnung‹ zuwiderlaufe, der infolge der transiciûn auf soziopolitischer Ebene dominiert(e).839 Zur Entstehungsgeschichte von Silencio roto äußert sich Armend‚riz, der bei diesem Film nicht nur Regie führte, sondern auch das Drehbuch schrieb und den Film produzierte, wie folgt:840 Carmelo Gûmez, einer der zeitgenössisch be834 Vgl. ebd., S. 215. 835 Vgl. ebd., S. 232; Iglesias (2007), S. 154; S‚nchez-Biosca (2008), S. 40 f. Auffällig war zudem, dass es – abgesehen von einer Handvoll Spielfilme – bis zum offiziellen Kinostart von La guerrilla de la memoria (The Guerilla of Memory ; ES 2002) kaum Dokumentarfilme über die antifranquistische guerrilla gegeben hatte: Vgl. Torreiro, Mirito: Palabra y utop†a. In: El Pa†s (08. 02. 2002), S. 46; Checa Godoy (2008), S. 39 f. 836 Vgl. Conquero (2000), S. 44: »Si, durante cuarenta aÇos, el cine espaÇol pasû por la guerra civil de puntillas, hay un aspecto de esta o, para ser m‚s exactos, de sus consecuencias, en el que apenas se detuvo. Se trata del maquis, un hecho histûrico que muchos, y por diversas razones, quisieron olvidar.« 837 Vgl. La Vanguardia (14. 11. 2000), S. 53: »se lanza ahora a romper el silencio que en la sociedad espaÇola actual existe sobre el maquis«. 838 Montxo Armend‚riz, zit. n.: La Vanguardia (18. 04. 2001b), S. 39: »uno de los grandes olvidados«. 839 Vgl. Serrano (2001), S. 16. 840 Armend‚riz’ Ausführungen zur Entstehungsgeschichte sind dem Film auf der spanischen Kauf-DVD als kurzes Statement vorangestellt: Vgl. Silencio roto, Pel†cula, Kommentar von Montxo Armend‚riz, 00:00:00 – 00:02:15. Montxo Armend‚riz gilt als einer der Regisseure mit dem kohärentesten und persönlichsten Werk innerhalb der spanischen Filmindustrie. Er wird in einem Atemzug mit anderen Größen des nationalen Kinos wie Pedro Almodûvar und Fernando Trueba genannt: Vgl. Heredero (2001a), S. 32. Für Silencio roto hat Ar-

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kanntesten baskischen Schauspieler, der unter anderem in Armend‚riz’ Erfolgsfilm Secretos del corazûn (Geheimnisse des Herzens; ES 1997)841 eine Hauptrolle verkörpert hatte, sei bei Fertigstellung eben dieses Films auf ihn zugegangen und habe ihm nahe gelegt, als nächstes einen Film über die maquis zu machen. Armend‚riz habe dann Secundino Serranos historiografisches Standardwerk (1988) zur guerrilla in L¦on gelesen, außerdem Alfons Cerveras Roman Maquis (1997).842 Daraufhin habe er ein Treffen von überlebenden guerrilleros besucht, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen – gemeint ist das Treffen der ex-guerrilleros, das jedes Jahr Anfang Oktober in Santa Cruz de Moya (Cuenca) stattfindet.843 Durch Geschichtsbücher – konkret nennt Armend‚riz die historiografischen Studien von Fernanda Romeu (1994), Justo Vila (1986) und Mercedes Yusta (1999) –844 habe er zwar Daten und Fakten zum Thema sammeln können, doch wurde ihm dabei der Alltag der guerrilleros zu wenig beleuchtet.845 All diese unterschiedlichen Quellen bezeichnet der Regisseur als das Material, aus dem das Drehbuch zu Silencio roto entstanden sei. Auch wenn

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mend‚riz zum ersten Mal die drei Funktionen des Drehbuchautors, Produzenten und Regisseurs in sich vereint. Seine Produktionsfirma Oria Films, S. L., hatte er gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Puy Oria erst Ende 1999 gegründet: Vgl. www.oriafilms.es (20. 02. 2012). An der Produktion des Films Silencio roto waren darüber hinaus das staatliche spanische Fernsehen TVE und der Pay-TV-Fernsehsender Canal+ beteiligt, zudem die Regierung der Autonomen Gemeinschaft Navarra und das EU-Programm Media: Vgl. Lûpez, BegoÇa: Armend‚riz rueda Silencio roto, una historia de amor en la ¦poca de los »maquis«. In: ABC (13. 11. 2000), S. 83. Silencio roto wurde aufgrund von Secretos del corazûn, die Initiationsgeschichte eines Jungen im franquistischen Spanien der 1960er-Jahre, als erneute Erforschung der »spanischen historischen Erinnerung« (Heredero (2001b), S. 40: »memoria histûrica espaÇola«) des Regisseurs Armend‚riz gewertet. Vgl. Silencio roto, Pel†cula, Kommentar von Montxo Armend‚riz, 00:00:00 – 00:00:52. Den Roman Maquis (1997) des valencianischen Schriftstellers Alfonso Cervera habe Armend‚riz zunächst verfilmen wollen, wobei er jedoch an der filmischen Umsetzung der choralen Erzählweise des Romans gescheitert sei: Vgl. ebd., 00:00:52 – 00:01:15. Andere Journalisten bringen Silencio roto zudem in Zusammenhang mit dem Buch La noche de los Cuatro Caminos, das – geschrieben von Andr¦s Trapiello – zur gleichen Zeit wie Silencio roto erschien: Vgl. Garc†a-Posada, Miguel: Memoria del maquis. In: El Pa†s (15. 06. 2001), S. 42. Vgl. S‚nchez-Biosca (2008), S. 41; Camino (2011), S. 7. Die Treffen in Santa Cruz de Moya haben sich auf Betreiben der Organisation La gavilla verde (dt.: »Die grüne Garbe« oder »Die grüne Bande«) zu einem Dreh- und Angelpunkt der Erforschung der maquis entwickelt. Diese Organisation sorgte darüber hinaus dafür, dass 1991 ein Denkmal zu Ehren der guerrilleros eingeweiht wurde: Vgl. Camino (2011), S. 7; www.lagavillaverde.org (20. 02. 2012). Vgl. S‚nchez-Biosca (2008), S. 41. Fernanda Romeus Publikation trägt den Titel El silencio roto. Mujeres contra el franquismo, an den Armend‚riz sich eindeutig anlehnte. Romeus Buch wurde 2002, also nach dem Kinospielfilm Silencio roto, erneut aufgelegt. Vgl. Heredero (2001a), S. 35; Heredero (2001b), S. 42; Heredero (2001c), S. 43; Iglesias (2007), S. 153.

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Armend‚riz auf einen historischen Berater letztlich verzichtete,846 so lehnte er sich offenkundig an historiografische Untersuchungen und Erkenntnisse zum Thema der maquis an. Daher überrascht nicht, dass er sich darum bemühte, seinen Film anhand einiger für den fiktionalen Produktionsprozess ungewöhnlicher Methoden mit besonderer ›Authentizität‹ und Glaubwürdigkeit auszustatten;847 Methoden, die spanische Filmhistoriker einerseits auf Armend‚riz’ ethische Beweggründe zurückführen,848 andererseits auf Symptome, die charakteristisch gewesen seien für die Entstehungszeit des Films.849 In diesem Sinne hoben nicht nur der Regisseur, sondern auch weitere am Film Beteiligte sowie die Kritiker den Stellenwert von Zeitzeugenaussagen für die Entstehung von Silencio roto hervor. Den gemeinsamen Ausflug zu dem Treffen der ex-maquis in Santa Cruz de Moya beschreiben mehrere Mitglieder der Filmcrew als beeindruckendes, nachhaltig wirkendes Erlebnis.850 Für den Filmwissenschaftler Heredero wiederum basiert Silencio roto gar auf »referenziellen Geflechten, die direkt der persönlichen Erinnerung der überlebenden maquis extrahiert sind«851. In diesem Zusammenhang wertet der Filmhistoriker S‚nchez-Biosca die Entwicklung von Silencio roto zu dem kinematografischen Dokumentarfilm La guerrilla de la memoria (The Guerilla of Memory ; ES 2002) als überaus aussagekräftig:852 ein Filmprojekt, das Armend‚riz und seine Lebensgefährtin Puy Oria mit ihrer gemeinsamen Produktionsfirma Oria Films parallel zu den Dreharbeiten für Silencio roto forcierten. Laut Aussagen der Macher entstand die Idee zu diesem Dokumentarfilmprojekt bezeichnenderweise wegen der Eindrücke, die die Gespräche mit ehemaligen guerrilleros und deren Helfershelfern bei ihnen hinterlassen hatten.853 846 Vgl. S‚nchez-Biosca (2008), S. 41. 847 Vgl. ebd., S. 39 und 46; Rodr†guez Marchante, E.: Silencio roto. In: ABC (27. 04. 2001), S. 134. 848 Montxo Armend‚riz gilt als ein engagierter Regisseur, für den ein Interesse an sozialen Themen und poetischen Bilder kennzeichnend ist: Vgl. S‚nchez Noriega (2001), S. 284. 849 Vgl. S‚nchez-Biosca (2008), S. 42. 850 Zum Beispiel die junge Schauspielerin Mar†a Botto, die das Treffen als »großartige Erfahrung« beschreibt: Silencio roto, DVD-Extras, Entrevistas, 00:17:46 – 00:18:34: »experiencia estupenda«. Mar†a Botto, Schauspieler Juan Diego Bottos Schwester, spielte im Anschluss an Silencio roto unter anderem in der Verfilmung von Soldados de Salamina (ES 2003) die wichtige Nebenrolle der Conchi (s. Fußnote 1517) und ist einem internationalen Publikum vor allem durch ihre Hauptrolle in dem Sozialdrama Princesas (Prinzessinnen der Straße – Princesas; ES 2005) bekannt. 851 Heredero (2001b), S. 42: »mimbres referenciales directamente extra†dos de la memoria personal de los maquis supervivientes«. 852 Vgl. S‚nchez-Biosca (2008), S. 39. 853 La guerrilla de la memoria, bei dem der gebürtige Peruaner Javier Corcuera Regie führte, lief ab dem 6. Februar 2002 – also knapp ein Jahr nach Silencio roto – in den spanischen Kinos. Entsprechend wird La guerrilla de la memoria von spanischen Kritikern wahlweise als komplementäres Stück zu Silencio roto bzw. als dessen Verlängerung oder »Anhang« (La

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Für Armend‚riz sei es sehr wichtig gewesen, die Erinnerung an den maquis ›zurückzugewinnen‹ und deren Geschichte auf möglichst ›objektive‹ Art und Weise wiederzugeben, da dies helfe, viele Angelegenheiten der Gegenwart zu verstehen.854 Im Zuge des offiziellen Kinostarts von Silencio roto betonte er, dass er sich bewusst für junge Erwachsene als Protagonisten entschieden habe, damit die Handlung vor allem eine von der Altersstruktur ähnliche Zuschauerschaft anspreche. Seine Begründung hierfür lautet: »Die jungen Leute müssen wissen, dass wir alle in Umständen leben, die wir verändern müssen, und dass wir diese ändern oder auf sie einwirken können. Doch damit dies geschieht, ist es unabdingbar, um die Vergangenheit zu wissen, damit man nicht dieselben Fehler begeht.«855

Zuvor schon hatte er von seinem Film als einem Versuch gesprochen, »die Vergangenheit ins Gedächtnis zu rufen, die uns ermöglicht, die Gegenwart zu verstehen«856. Die didaktische Intention, die Armend‚riz mit seinem Kinospielfilm verfolgt, ist somit unverkennbar und nimmt dabei ein dezidiert nationales Thema zum Ausgangspunkt – die zeitgenössische Unzufriedenheit der »jungen Leute« mit der PP-Regierung –, um einen in der westlichen Welt transnational gültigen Erinnerungsimperativ zu formulieren. Die für die Filmrollen besetzten populären spanischen Jungschauspieler, darunter in den Hauptrollen Luc†a Jim¦nez857 und Juan Diego Botto858, taten im Zusammenhang mit der Produktion von Silencio roto wiederum ihre Überzeugung kund, dieser Film bringe einen Aspekt der jüngeren spanischen Vergangenheit zur Darstellung, der bisher öffentlich, beispielsweise in ihrem Schulunterricht, kaum thematisiert worden sei. Als Beweis dafür führen sie ihre eigenen, zu Drehbeginn

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Vanguardia (10. 02. 2002), S. 55: »ap¦ndice«) gelesen. Das orchestrierte Vorgehen der Macher, aus dem innerhalb kürzester Zeit sowohl ein fiktionales als auch ein dokumentarisches Produkt zum selben Thema, dem des antifranquistischen Widerstands, hervorging, bewerteten spanische Kritiker als ungewöhnlich: Vgl. Iglesias (2007), S. 155. La guerrilla de la memoria lockte lediglich 6.310 Zuschauer in die spanischen Vorführsäle: Vgl. Filmdatenbank des spanischen Kultusministeriums, www.mcu.es (20. 02. 2012). Vgl. ABC (13. 11. 2000), S. 83; La Vanguardia (18. 04. 2001b), S. 39. Montxo Armend‚riz; zit. n.: Heredero (2001c), S. 44: »Los jûvenes deben saber que todos tenemos condicionantes que necesitamos modificar, y que podemos cambiarlos o incidir sobre ellos, pero que para eso es necesario conocer lo que ha occurido antes a fin de poder evitar los mismos errores.« Montxo Armend‚riz; zit. n.: ABC (13. 11. 2000), S. 83: »de rememorar el pasado que nos permita entender el presente«. Vgl. La Vanguardia (14. 11. 2000), S. 53. Seit ihrer Mitwirkung in der TV-Serie Al salir de clase (dt.: »Zu Unterrichtsschluss«; Telecinco, 1997 – 2002) ist Luc†a Jim¦nez ebenso wie ihre Kollegin Pilar Lûpez de Ayala (Blanca in Las 13 rosas, s. kapitel 5.5) eine in Spanien sehr bekannte Schauspielerin der jüngeren Generation und steht somit beispielhaft für Burkhard Pohls Beobachtung, dass »populäre Fernsehserien einige Jungschauspieler in die Kinos katapultierten«: Pohl (2008), S. 426. Juan Diego Bottos Durchbruch erfolgte, ebenfalls unter der Regie Montxo Armend‚riz’, mit dem Sozialdrama Historias del Kronen (Treffpunkt Kronen-Bar ; ES 1995).

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lediglich rudimentären Kenntnisse zum Thema der antifranquistischen guerrilla und deren Helfershelfer an.859 Schauspielerin Jim¦nez beteuert dazu in einem Interview, dass dieser Film eine Geschichte zur Darstellung bringe, die es Wert sei, für immer verteidigt zu werden.860 Jim¦nez berichtet ferner von einer Vorführung des Films in Valencia, der ehemalige maquis-Kämpfer beiwohnten. Einer von ihnen habe sie nach der Vorführung umarmt, beide waren in Tränen aufgelöst. Für diese Erfahrung habe sich der Film ihrer Meinung nach am meisten gelohnt.861 Armend‚riz forcierte die Identifikation der Schauspieler mit ihren Figuren bewusst: So verpflichtete er alle Schauspieler mit größeren Rollen, während der gesamten Dreharbeiten im Dorf Saragüeta zu wohnen – ein Dorf in Nordspanien, an dem sich die Gestaltung des Hauptschauplatzes des Films maßgeblich orientierte.862 Bereits einen Monat vor Beginn der Dreharbeiten zogen sie auf Anweisung von Armend‚riz dorthin, um sich an die Atmosphäre und den Rhythmus des Dorflebens sowie an die Landschaft zu gewöhnen und sich untereinander besser kennenzulernen.863 Diese im Zeitalter hochtechnisierter Arbeitsteilung ungewöhnliche Anweisung wird in den Interviews mit dem Regisseur und den Darstellern, die auf der DVD enthalten sind, mehrfach erwähnt und somit besonders hervorgehoben.864 Gedreht wurde dann neben Saragüete in verschiedenen Ortschaften des Valle de Arce:865 In den navarresischen Ausläufern der Pyrenäen gelegen ist diese Gegend im nationalen Kontext bei entsprechend geprägten oder interessierten Bürgern bekannt als eine, in der – aufgrund der geografischen Nähe zu Frankreich – die antifranquistischen Widerstandskämpfer am längsten ausharrten.866 859 Vgl. Silencio roto, DVD-Extras, Entrevistas, 00:15:58 – 00:16:28 sowie 00:16:55 – 00:17:46. Dies erinnert an die Aussagen des Jungschauspielers F¦lix Gûmez, der im Zuge der Ausstrahlung der ersten Staffel der TV-Serie 14 de abril. La Repfflblica (dt.: »14. April. Die Republik«; TVE/La 1, 2011) betonte, die Themen Zweite Republik und Bürgerkrieg seien in seinem Geschichtsunterricht ausgespart worden, s. Kapitel 3.3. 860 Vgl. ebd., 00:05:21 – 00:05:26. 861 Vgl. ebd., 00:08:15 – 00:09:13. Ähnlich meint die Schauspielerin Mercedes Sampietro, die im Film Luc†as Tante Teresa verkörpert, dass der Film wichtig sei wegen »unserer Erinnerung« (ebd., 00:09:27 – 00:09:38: »nuestra memoria«) und um viele der Dinge zu verstehen, die sich gegenwärtig (in Spanien) vollzögen. Über die Leute, um die es in Silencio roto gehe, werde niemals geredet, es gebe sie aber. Ein älterer Herr habe sich in der Metro unter Tränen bei ihr für den Film bedankt: Vgl. ebd., 00:01:54 – 00:03:45, 00:09:27 – 00:09:38 sowie 00:14:38 – 00:15:04. 862 Vgl. Silencio roto, DVD-Extras, Cûmo se hizû el dvd, 00:00:34 – 00:00:51. 863 Vgl. Heredero (2001c), S. 43; S‚nchez-Biosca (2008), S. 42. 864 Vgl. Silencio roto, DVD-Extras, Entrevistas, 00:19:55 – 00:25.19. 865 Gedreht wurde in Villanueva de Arce, Lusarreta, Arrieta. Der Bus, mit dem Luc†a zu Beginn des Films ins Dorf fährt, bedient ›authentischerweise‹ die Strecke Villanueva – Tavera – Bolina: Vgl. Silencio roto, 00:01:27 – 00:01:45. 866 Zu Frankreichs Bezug zum antifranquistischen Widerstand in Spanien s. kapitel 7.3 und

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In den spanischen Kinos lief Silencio roto am 25. April 2001 an, kurz vor einem parlamentarischen Beschluss, der die maquis zum Thema hatte. Einige überlebende Kämpfer hatten bereits im Jahr 1999 Rehabilitierungsmaßnahmen beantragt, und am 16. Mai 2001 verabschiedete der spanische Congreso mit der Zustimmung der regierenden PP einen Antrag, der sie moralisch, jedoch nicht ökonomisch entschädigte.867 Der offizielle Kinostart von Silencio roto in Spanien erfolgte zudem knapp nach dem 70. Jahrestag der Proklamation der Zweiten Republik. Obwohl Silencio roto somit nicht nur damit warb, die Erinnerung an die maquis ›zurückgewinnen‹ zu wollen, sondern auch direkt in den Kontext offizieller erinnerungspolitischer Bezugnahmen auf das Thema eingeordnet werden kann und von Kritikern entsprechend als Beitrag gelesen wurde, »die Wahrheit einiger Männer, die von der Ungerechtigkeit einer gemeinen Macht umgebracht und dann den steten Wassern des Vergessens überlassen wurden«868, darzustellen, ist Armend‚riz weit davon entfernt, den guerrilleros und ihrem fortgeführten bewaffneten Kampf unkritisch zu begegnen.869 Vielmehr leistet Silencio roto über die Figurenzeichnung eine allgemeine positive Aufwertung derjenigen, deren Überlebenswillen und Optimismus auch unter härtesten Bedingungen nicht zu brechen war. Damit sind die Widerstandskämpfer nur teilweise gemeint, deren konkrete ideologisch-politische Überzeugungen über die vereinfachenden Lesarten des fortgeführten Kampfes wahlweise ›gegen den Faschismus‹ oder aber ›zwischen Familien‹ hinaus weitgehend im Dunklen bleiben.870 Dabei ist der guerrillero, der am ehesten als Sympathieträger herhalten kann, derjenige, dessen ideologischer Standpunkt kaum ausgeprägt ist: Den männlichen Hauptdarsteller des Films, Manuel, charakterisiert ein nicht näher definierter unerschütterlicher Glauben an ›bessere Zeiten‹.871 Den guerrilleros schließt er sich erzwungenermaßen dann an, als die guardia civil ihn festnehmen will, um damit seinen Vater zum Aufgeben zu zwingen; er handelt somit primär aus Familienloyalität. Innerhalb des guerrilla-Verbandes baut

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7.4. Armend‚riz’ Interesse an dieser Region Nordspaniens liegt nicht zuletzt darin begründet, dass er selbst Navarrese ist. Nicht zufällig wird im Laufe der Filmhandlung bei einer Beerdigung Txibitaren Oroigari, ein baskisches Volkslied, auf der Mundharmonika angestimmt: Vgl. ebd., 01:16:45 – 01:17:33. Vgl. Aguilar Fern‚ndez (2003), S. 19. Vgl. El Pa†s (15. 06. 2001), S. 42: »[l]a verdad de unos hombres destruidos por la iniquidad de un poder infame y abondonados despu¦s en las tenaces aguas del olvido.« Die Umschreibung der Verantwortlichen als »gemeine Macht« entspricht der Tatsache, dass franquistische Täter bis heute nicht zur Rechenschaft gezogen wurden und einer breiten Öffentlichkeit demnach nicht konkret bekannt sind, s. kapitel 4.3.1 und kapitel 7.3. Vgl. S‚nchez-Biosca (2008), S. 45. S. kapitel 2.1 sowie kapitel 7.1. Dies symbolisiert sein Beruf: Manuel ist Schmied, jemand, der ›das Feuer am Lodern hält‹. Verbittert zu werden, würde Manuels Meinung nach bedeuten, dem nachzugeben, »was die wollen«: Vgl. ebd., 00:17:02 – 00:17:07: »lo que quieren«.

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Manuel auf Leute, die über Kampfstrategien und -vorgaben mehr wissen als er.872 Der Schauspieler Juan Diego Botto bringt die geringe Politisierung ›seiner‹ Figur Manuel in einem Interview zur Sprache: Beim Lesen des Drehbuchs habe er seine Figur für ideologischer gehalten. Er habe sich dann sehr umstellen müssen, als Montxo Armend‚riz ihm einen weitaus naiveren, unschuldigeren Widerstandskämpfer abverlangte.873 Ideologisch motivierte Widerstandskämpfer werden in Silencio roto indes als ›radikale‹ Hardliner diskreditiert, wie es an der Figur Mat†as beispielhaft vorgeführt wird. Mat†as, Manuels Vater, ist gewaltbereit. So droht er einem Franquisten: »Wir werden Euch alle an Euren scheiß-franquistischen Eiern aufhängen.«874 Ein Krieg sei ein Krieg und da tue man das, was getan werden müsse.875 Sie, die Widerstandskämpfer, seien hier, um zu siegen, und dafür müsse man nun einmal den Gegner zerstören.876 Mit seiner hitzköpfigen Art hat er beträchtliche Schwierigkeiten, sich dem Anführer der guerrilla unterzuordnen. Letzterer spricht von seiner Einheit als ej¦rcito (dt.: »Heer«), verweist auf die estatutos (dt.: »Statuten«) und favorisiert – im Gegensatz zu Mat†as – das Vorgehen, Franquisten vor juicios populares (dt.: »Volkstribunale«) zu stellen. Das alles kennzeichnet den Anführer der in Silencio roto dargestellten guerrilleros als weisungstreuen Kommunisten, dem Mat†as als geradezu ›klassisch‹ aufmüpfiger, ungeduldig-anarchistischer Revoluzzer konträr gegenüber steht. So zeigt er sich frustriert darüber, dass seine Kameraden derart friedlich und obrigkeitsgläubig sind: »Du siehst doch, dass wir harmlos sind. Wir ähneln jedes Mal mehr den Mönchen. Wir haben unsere Gesänge, unsere Gebete, unsere Normen. Wir werden am Ende einen Orden von Pfarrern und Mönchen bilden. Und wir haben sogar unsere Heiligen: Genosse Stalin…«877

Er hingegen sei nicht in den Widerstand gegangen, um das zu tun, was man ihm befehle.878 Seine Gegner scheinen sowohl die Franquisten als auch die Kommunisten zu sein, was dem Bild einer in sich geschlossenen ›solidarischen‹

872 Vgl. ebd., 00:46:00 – 00:46:04. 873 Vgl. ebd., DVD-Extras, Entrevistas, 00:08:00 – 00:09:03. 874 Silencio roto, 00:39:30 – 00:39:33: »Os vamos a colgar a todos por los cojones franquistas de mierda.« 875 Vgl. ebd., 00:40:58 – 00:41:00. 876 Vgl. ebd., 00:41:03 – 00:41:07. 877 Silencio roto, 00:48:21 – 00:48:39: »Ya ves que somos inofensivos. Cada vez nos parecemos m‚s a los fra†les. Tenemos nuestros cantos, nuestros rezos, nuestras normas. Acabaremos formar una congregaciûn de curas y fra†les. Y hasta tenemos nuestros santos: camarada Stalin …« 878 Vgl. ebd., 00:48:44 – 00:48:47.

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Widerstandsgruppe entgegen wirkt.879 Mat†as Tod war aller Wahrscheinlichkeit nach dann auch kein Unfall, wie sein Sohn Manuel insinuiert.880 Entsprechend urteilt ABC-Filmkritiker Eduardo Rodr†guez Marchante: »Vergessen wir nicht, dass der ›maquis‹ der spanischen Nachkriegszeit ein inhomogener Klumpen Zeug war, aus Ideologiefett und dem Schmutzwasser von Groll und Streitigkeiten.«881 Unter Franco wurden die maquis öffentlich als ein Haufen ländlicher bandoleros, also kriminelle Terroristen, bezeichnet. Im Einklang mit der journalistischen Berichterstattung zeigte auch das spanische Kino lange Zeit nur eine bestimmte guerrilla: kommunistische Banden, die – der offiziellen Propaganda entsprechend – terroristische Akte begingen.882 Wie Armend‚riz zum Zeitpunkt des nationalen Kinostarts seines Films betont, »werden auch heute noch, Jahrzehnte nach dem Ende des Spanischen Bürgerkriegs, jene guerrilleros, die in den Bergen lebten, rechtlich als ›Banditen‹ angesehen«883. Wenig später, im Mai 2001, legte der oben erwähnte, sich mit dem Los der guerrilleros befassende parlamentarische Beschluss fest, dass offizielle Bezugnahmen auf die guerrilleros als ›Banditen‹ beseitigt werden sollen.884 Auch wenn Silencio roto mit dem während des Franquismus geprägten Bild der guerrilleros als Banditen bricht, indem er die Auseinandersetzung zwischen 879 Indem über die Figur Mat†as in Silencio roto auf die Spannungen hingedeutet wird, die innerhalb des republiktreuen Lagers bestanden, entsteht ein Verweis auf Ken Loachs Film Land and Freedom (GB-ES-DE 1995), wo auf umfassenderer Ebene mit dem Mythos der ›antifaschistischen Einheitsfront‹ abgerechnet wurde. 880 Vgl. Silencio roto, 01:20:34 – 01:21:41. Seine angestauten Aggressionen charakterisieren Mat†as als ›tickende Zeitbombe‹ – eine Figurenzeichnung, wie sie für ›faschistisierte‹ Täterfiguren in den untersuchten ›Kernquellen‹ charakteristisch ist, s. kapitel 3.2 sowie kapitel 4.3.1. 881 ABC (27. 04. 2001), S. 134: »[N]o olvidemos que el ›maquis‹ de la postguerra [sic] espaÇola fue un grumo de materiales mal mezclados, entre la grasa de la ideolog†a y el agua suc†a de los rencores y rencillas.« Rodr†guez Marchante setzte noch 2006, in seiner Besprechung von El laberinto del fauno (Pans Labyrinth; ES-MX), das Wort »resistencia« in Anführungszeichen, als ob sich der antifranquistische Widerstand nicht wirklich als solcher bezeichnen ließe: Rodr†guez Marchante, E.: La posguerra y el espejo rojo. ABC de Sevilla (13. 10. 2006), S. 65. 882 Vgl. Heredero (1999b), S. 216. 883 Montxo Armend‚riz, zit. n.: La Vanguardia (18. 04. 2001b), S. 39: »affln hoy, d¦cadas despu¦s de finalizada [sic] la Guerra Civil, a estos guerrilleros que vivieron en los montes […] se les considera legalmente ›bandoleros‹«. 884 Vgl. Tremlett (2006), S. 61. Laut Camino hatten wiederum die Aktivitäten der Organisation La gavilla verde (s. Fußnote 843), die sich dem Gedenken der maquis verschrieben hat, einen Anteil an der Ausarbeitung dieses parlamentarischen Beschlusses: Vgl. Camino (2011), S. 8. Auch La guerrilla de la memoria (ES 2002, s. Fußnote 853) thematisiert filmintern die Stigmatisierung der guerrilleros als bandoleros: Vgl. La guerrilla de la memoria, 00:10:08 – 00:10:29. Die Premiere von La guerrilla de la memoria auf dem 39. Internationalen Filmfestival in Gijûn im November 2001 wurde als Bühne für ein entsprechendes, deutliches (erinnerungs-)politisches Statement genutzt: Vgl. ebd., DVD-Extras, Homenaje en el festival de Gijûn, 00:00:00 – 00:09:45.

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franquistischem Regime und guerrilla als Krieg wertet – wie es zum Beispiel explizit Manuels Vater Mat†as tut –, so bleibt Armend‚riz’ Zeichnung der guerrilleros angesichts der Figur des Mat†as und seiner kommunistischen Gegenspieler in überkommenen Mustern verhaftet. Entsprechend sieht El Pa†s sich im Zuge der Rezeption von Silencio roto bezeichnenderweise dazu bemüßigt, den Eindruck abzuwehren, die Widerstandskämpfer im Film handelten »terroristisch«885. Diejenigen, die filmintern aufgrund ihrer Leidensfähigkeit und unerschütterlichen Mitmenschlichkeit als ›heroisch‹ dargestellt werden, sind vielmehr die überwiegend weiblichen Vertreterinnen der Dorfbevölkerung. Regisseur Montxo Armend‚riz zufolge »sind die Frauen immer die unbekanntesten Opfer gewesen«886, obgleich dem Schalten und Walten der franquistischen Repression am schutzlosesten ausgeliefert.887 Mit seinem Film habe er deswegen eine Lücke schließen wollen: »Ich wollte einen Film machen, in dem denjenigen eine Stimme gegeben wird, die bisher nicht sprechen oder erzählen konnten, was sich in ihren Augen ereignet hatte, denn die Geschichte wurde uns oftmals aus der Perspektive der Sieger und fast immer aus der Sicht der Männer erzählt. Ich glaube nicht, dass genügend über die Frauen gesprochen wurde, die innerhalb jener Welt doppelte Verliererinnen und hilflose Opfer waren. Dafür erschien es mir notwendig, das aufzuwerten, was diese Frauen für die antifranquistische guerrilla bedeutet hatten.«888

Tatsächlich rücken in Silencio roto weibliche Figuren, darunter die Protagonistin Luc†a, in den Blick, die die Widerstandskämpfer mit Nahrung, vor allem aber mit Informationen unterstützten.889 Die Rolle der weiblichen Bevölkerung für den antifranquistischen Widerstand honoriert beispielsweise der Schauspieler Ýlvaro de Luna, der im Film den ›republikanisch‹ konnotierten ehemaligen Lehrer Don Hilario verkörpert: 885 El Pa†s (15. 06. 2001), S. 42: »terrorista [Herv. im Orig.]«. 886 Montxo Armend‚riz; zit. n.: ABC (13. 11. 2000), S. 83: »las mujeres siempre han sido las v†ctimas m‚s desconocidas«. 887 Vgl. ABC (13. 11. 2000), S. 83. 888 Montxo Armend‚riz; zit. n.: Heredero (2001c), S. 43: »Quer†a hacer una pel†cula en la que se diese voz a los que no han podido hablar ni contar, desde su punto de vista, lo que hab†a occurrido, porque la historia nos la han contado muchas veces desde la perspectiva de los vencedores y casi siempre desde la mirada de los hombres. Creo que no se ha hablado suficientemente de las mujeres que, dentro de aquel mundo, fueron dobles perdedoras y v†ctimas indefensas. Por eso me parec†a necesario revalorizar lo que esas mujeres hab†an supuesto para la guerrilla antifranquista.« 889 Im Allgemeinen betont Silencio roto, dass die guerrilleros ohne die Hilfe großer Teile der Dorfbevölkerung gar nicht hätten weiterkämpfen können. Ähnliches stellt der Dokumentarfilm La guerrilla de la memoria (ES 2002) heraus. Auch in El laberinto del fauno (ES-MX 2006) wird die entscheidende Rolle der enlaces (dt.: »Verbindungsmänner« bzw. -»frauen«) betont, die die Widerständler mit Essen, Medikamenten und Informationen versorgen. Zur Rolle des sozialen Rückhalts für den Kampf der maquis: Vgl. Yusta (2008).

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»Es war die Geschichte von Menschen, die gelitten haben, vor allem aus der Perspektive einer Frau, aus der Sicht des doppelten Leides in einer sehr machistischen Gesellschaft, und gleichzeitig waren sie in den Dörfern und versuchten, Unterstützung zu leisten, ohne die, na ja…, der Kampf wäre nicht möglich gewesen ohne die Unterstützung von diesen Frauen.«890

Die Tatsache, dass Silencio roto dezidiert aus der Sicht von Frauen erzählt wird, bewertet der Filmwissenschaftler Heredero – neben der Tatsache, dass das Thema der antifranquistischen maquis im spanischen Kino nach 1975 ohnehin nur in einer Handvoll Filme angeschnitten wurde – als »neuartig«891. Als Perspektivträgerin fungiert in Silencio roto Luc†a, gespielt von Luc†a Jim¦nez. Durch ihre Augen nimmt der Zuschauer das Geschehen wahr,892 was aber bei Armend‚riz nicht dazu führt, dass andere Positionierungen zum Geschehen und daraus motivierte Handlungen nicht sichtbar werden.893 Dafür sorgt eine Vielzahl weiterer mehr oder weniger wichtiger weiblicher Figuren – Mütter, Ehefrauen, Freundinnen oder Schwestern der maquis, aber auch Frauen, die mit der Seite der Franquisten assoziiert sind –, die ein kaleidoskopartiges Bild einer dezidiert von Frauen erfahrenen kollektiven Situation des Lebens im Nachkriegsspanien vermitteln.894 Dabei werden die weiblichen Figuren in Silencio roto ungeachtet ideologischer Zugehörigkeiten zu einer Art dritten Größe; sie repräsentieren das ›normale‹ spanische Volk, das die Entscheidungen und Handlungen der noch in der Nachkriegszeit bestehenden gewalttätigen ›Extreme‹ auf ›beiden Seiten‹ erleidet.895 In diesem Zusammenhang stechen in Silencio roto mehrere Dopplungen von Figurenkonstellationen und Ereignissen hervor, die das gewalttätige Vorgehen auf ›beiden Seiten‹ parallelisieren. Als die Widerstandskämpfer das Dorf kurzfristig ›zurückerobern‹, ist Sol¦ die von den Gewalttaten Betroffene. Ihr Mann Tom‚s, cabo (dt.: »Gefreiter«) bei der guardia civil, wird von den guerrilleros hingerichtet, was zu zwei Dopplungen auf filmästhetischer Ebene führt: Dort, 890 Ýlvaro de Luna; zit. n.: Silencio roto, DVD-Extras, Entrevistas, 00:15:32 – 00:15:58. »[E]ra la historia de unas gentes que sufrieron sobre todo visto desde los ojos de una mujer, desde el doble sufrimiento en una sociedad muy machista y, a la vez, ellas estaban en los pueblos intentando ser el apoyo, sin cuya, vamos…, la lucha no hubiera sido posible sin el apoyo de estas mujeres.« 891 Heredero (2001a), S. 33: »novedosa«. Vgl. Heredero (2001b), S. 40. Mercedes Camino stellt in ihrer Untersuchung von 2011, die sich dezidiert mit der Darstellung des antifranquistischen Widerstandes in spanischen Kinoproduktionen seit 1936 beschäftigt, hingegen heraus, dass die filminterne Perspektivierung dieser Ereignisse oftmals mittels weiblicher Figuren vorgenommen worden sei: Vgl. Camino (2011), S. 9 f. 892 Vgl. Heredero (2001a), S. 34. Armend‚riz selbst bezeichnet die Figur Luc†a als »roten Faden«: Montxo Armend‚riz, zit. n.: Heredero (2001c), S. 45: »hilo conductor«. 893 Vgl. Heredero (2001a), S. 33. 894 Vgl. Heredero (2001b), S. 40. 895 S. kapitel 2.1 und kapitel 6.3.

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wo Luc†a sonst vor dem cuartelillo, dem örtlichen Hauptquartier der guardias, stand, verzweifelt um ihre Nächsten bangte und Sol¦ hinter einer Scheibe des Gebäudes ihren Blick erwiderte, beobachtet nun Luc†a durch eine Fensteröffnung, wie die Leiche von Sol¦s Mann Tom‚s abtransportiert wird. Sol¦s und ihr Blick treffen sich.896 Die andere Szene, die die Exekution von Tom‚s durch die maquis doppelt, ist die vorherige Hinrichtung eines Dorfbewohners durch den teniente (dt.: »Leutnant«) der guardia civil. Dies sind bezeichnenderweise die einzigen zwei Ermordungen in Silencio roto, die nicht off screen inszeniert werden und somit hervorstechen.897 Ebenso wie der teniente scheuen auch Angehörige der guerrilla nicht davor zurück, mutmaßliche Verräter hinzurichten, so die mit dem Tod von Mat†as einhergehende Implikation. Sogar Luc†a, durch ihre Liebesbeziehung mit dem guerrillero Manuel und ihre damit einhergehende Unterstützung der Widerstandskämpfer ›republikanisch‹ konnotiert, ist an der Planung und Ausführung eines Mordes beteiligt: Die maquis bringen Alfredo um, ein Denunziant und Sohn des örtlichen secretario898, wobei Luc†a dafür sorgt, ihn in einen Hinterhalt zu locken. Diese wenig heldenhafte Art, einen Missliebigen aus dem Weg zu räumen, wirft in Silencio roto ein zwiespältiges Licht auf die Legitimität eines allzu ›extremen‹, da gewalttätigen Vorgehens, sei es auch ein widerständiges bzw. ›republikanisch‹ konnotiertes. Filmkritikerin Paula Ponga unterstellte Armend‚riz bereits im Vorfeld die Absicht, mit Silencio roto einen Film ganz »ohne Helden, weder böse noch gute«899 machen zu wollen. Regisseur Armend‚riz selbst wird während der Dreharbeiten in der Tageszeitung ABC wie folgt zitiert: »Der Regisseur erklärt, dass er weder versucht hat, das Verhalten derer zu beurteilen, die an der Auseinandersetzung beteiligt waren, noch alte Streitereien wieder beleben will.«900

Der Filmwissenschaftler Heredero lobt die Tatsache, dass sich Silencio roto jeglicher »manichäischen oder vereinfachenden Lesart«901 entziehe. Dies sei ein Film, der zwar die Geschichte einer bitteren Niederlage erzähle, aber ohne sich zu beklagen, in eine Opferrhetorik zu verfallen oder Mitleid für die ›Besiegten‹ einzufordern.902 Für ihn ist Silencio roto »der beste Film, der jemals in Spanien 896 Vgl. Silencio roto, 00:56:55 – 00:57:30, 01:14:00 – 01:14:36 sowie 01:33:19 – 01:33:55. Vgl. Heredero (2001a), S. 37. 897 Vgl. Heredero (2001b), S. 41. 898 Gemeint ist damit ein wichtiger Funktionsträger innerhalb der Falange. 899 Ponga (2000b), S. 221: »[s]in h¦roes, ni malos, ni buenos«. 900 ABC (13. 11. 2000), S. 83: »El director manifiesta que no ha tratado de valorar los comportamientos de quienes participaron en la contienda ni quiere resucitar viejas rencillas«. 901 Heredero (2001b), S. 42: »lectura maniquea o simplificadora«. Zum Begriff bzw. zum rekurrierenden Vorwurf des ›Manichäismus‹ s. kapitel 3.2. 902 Vgl. ebd.

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über das Thema der antifranquistischen guerrilla gedreht wurde«903 – nicht trotz, sondern wegen der Ambivalenzen des Films. In die gleiche Richtung zielt der Rezensent Llu†s Bonet Mojica in La Vanguardia: »Die Wahrhaftigkeit von Silencio roto basiert darauf, dass Armend‚riz jegliche manichäische Versuchung umgeht. Denn in Zeiten der Schande gibt es weder Gute noch Böse.«904

Auch der Kritiker Jos¦ Luis S‚nchez Noriega stellt trotz anderweitiger Kritik an dem Film positiv heraus: »Silencio roto behandelt eine historische Epoche und tut dies in Gegnerschaft zu jeglichem Manichäismus und jeglicher Didaktik.«905 Die Darstellerin der Sol¦ beschreibt in einem Interview die Funktion ihrer Figur wie folgt: »Es ist ein bisschen die Perspektive der anderen Seite, dass auch die Frauen der anderen Seite gelitten haben, oder nicht?«906 Protagonistin Luc†a und Sol¦ bauen gar eine Art Freundschaftsbeziehung auf, die darauf beruht, dass sie beide einsam und Fremde im Dorf sind,907 sich beide in Geschehnisse verwickelt sehen, auf die sie keinen Einfluss haben und beide um den Mann bangen müssen, den sie lieben. Eine Opferrhetorik überwiegt demnach in einem Film, in dem Frauen vor allem als Leidtragende der männlichen Entscheidungen auf ›beiden Seiten‹ perspektiviert werden. So stellt Luc†as Tante an einer Stelle des Films eine rhetorisch gemeinte Frage, die die alle weiblichen Figuren des Films betreffende Opferrhetorik auf den Punkt bringt: »Warum müssen immer wir leiden?«908 Dabei bediene sich Regisseur Armend‚riz der Rezensentin Ponga zufolge eines inszenatorischen »oben – unten«-Kunstgriffs: »Dort oben erwarten die maquis die Unterstützung der Alliierten, die nie ankam; hier unten erleiden die Mütter, die Schwestern, die Freundinnen die Repression.«909 903 Ebd.: »la mejor pel†cula que se ha filmado nunca en EspaÇa sobre el tema de la guerrilla antifranquista«. 904 Bonet Mojica, Llu†s: Tiempo de silencio e infamia. In: La Vanguardia (29. 04. 2001), S. 62: »La veracidad de Silencio roto se basa en el hecho de que Armend‚riz orilla cualquier tentaciûn maniquea. Porque no hay ni buenos ni malos en tiempos de infamia.« Die Verwendung des Wortes ›Schande‹wiederum verweist auf die seit der Zeit des Spätfranquismus verbreitete Lesart des Bürgerkriegs als tragisch-schamvollen ›Bruderkrieg‹, s. Kapitel 2.1. 905 S‚nchez Noriega (2001), S. 285: »Silencio roto trata una ¦poca histûrica y lo hace en las ant†podas de cualquier manique†smo y didactismo.« Trotz der mehrheitlich positiven Rezensionen wurde Silencio roto bei der Verleihung der Goya im Jahr 2002 nicht bedacht: Vgl. Bonet Mojica, Llu†s: Silencio definitivamente roto. In: La Vanguardia (10. 02. 2002), S. 55. Insgesamt 429.086 Zuschauer schauten den Film in den spanischen Vorführsälen: Vgl. Filmdatenbank des spanischen Kultusministeriums, www.mcu.es (20. 02. 2012). 906 Silencio roto, DVD-Extras, Entrevistas, 00:05:10 – 00:05:16: »Es un poco el punto de vista del otro lado, que tambi¦n sufr†an las mujeres del otro lado, ¿no?« 907 Vgl. Heredero (2001a), S. 37. 908 Silencio roto, 00:35:33 – 00:35:35: »¿Por qu¦ siempre nos toca sufrir a nosotras?« 909 Ponga (2000b), S. 220: »All† arriba […] los maquis aguardan el apoyo aliado que nunca llegû […]; aqu† abajo, las madres, las hermanas, las novias sufren la represiûn.« Mit

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Gemäß dem Filmnarrativ blieb die wahre Last und das tatsächliche Leid an den Frauen hängen. Nach der kurzen Machtübernahme der Widerstandskämpfer im abgelegenen Bergdorf, dem Handlungsort des Films, sind sie es, die dort verbleiben und mit den Konsequenzen – verschärfte repressive Maßnahmen – leben müssen. Dabei formuliert eine Ehefrau das Gefühl, von ihrem Mann, einem guerrillero, im Stich gelassen geworden zu sein, an einer Stelle des Films explizit: »Für euch ist es einfach, Denkzettel zu verpassen. Ihr verpasst sie und verschwindet. Und was ist mit uns? Was wird mit uns passieren, wenn ihr weggeht?«910

Während ihre Männer es vorziehen, überkommene ideologische Grabenkämpfe auszutragen, werden in Silencio roto vielmehr die Frauen als ›Heldinnen des Alltags‹ inszeniert, da sie es schaffen, trotz des sie umgebenden Leides zu überleben bzw. auszuharren und dabei die Hoffnung auf eine ›bessere Welt‹ nicht aufzugeben.911 Diese Lesart bestätigt der Filmkritiker Diego MuÇoz in einem Vorabbericht in La Vanguardia: »Armend‚riz möchte den Frauen Tribut zollen, die nicht nur den Franquismus erlitten, sondern auch die Wahl ihrer Partner, Ehemänner und Söhne, den bewaffneten Kampf aufzunehmen.«912

Auch Heredero rückt das Leid der »vergessenen Frauen«913 in einen unmittelbaren Zusammenhang zu den Aktivitäten der guerrilla in den 1940er-Jahren, die sie »erlebten und erlitten«914. Tag für Tag hätten die Frauen »im Auge des Orkans«915 gelebt, während die Kämpfer sich der »illusorischen Hoffnung«916

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welchen Figuren sich Rezensentin Ponga identifiziert, wird über die Verwendung des Wortes »hier« deutlich. Silencio roto, 00:40:28 – 00:40:38: »Para vosotros es f‚cil dar escarmientos. Los dais y desaparec¦is. Y nosotras, ¿qu¦? ¿Qu¦ va a ser de nosotras cuando os vay‚is?« Eine Figurenzeichnung, die sich ansatzweise bereits in der Anlage der Protagonistin und ›zentristischen Idealfigur‹ Mar†a in Vicente Arandas Libertarias (Freedomfighters; ES-ITBE 1996) auffinden lässt: Ohne eigenes Zutun im wahrsten Sinne des Wortes ›zwischen die Fronten geraten‹ beteiligt sie sich an keinerlei Kämpfen, sondern harrt aus, ohne in Hoffnungslosigkeit zu versinken. S. auch kapitel 2.2. In Guillermo del Toros Kinospielfilm El espinazo del diablo (Das Rückgrat des Teufels; ES-MX 2001) wehrt Heimleiterin DoÇa Carmen sich dezidiert gegen eine Opferrolle. Im Gegensatz zu ihrem (verstorbenen) Mann, einem Bücherwurm, sei sie die Tapfere, die seine Ideale aktiv verteidige (Vgl. El espinazo del diablo, 00:08:22 – 00:08:30); eine Äußerung, die wiederum in die mit Silencio roto angesprochene Richtung weist, die die zurückgebliebenen, auf sich allein gestellten Frauen als ›heroisch‹ deswegen präsentiert, weil sie es auf pragmatische – statt idealistische – Art und Weise vermochten, zu überleben. La Vanguardia (14. 11. 2000), S. 53: »[Armend‚riz] qiere rendir homenaje a las mujeres que sufrieron no sûlo el franquismo, sino tambi¦n la opciûn de levantarse en armas de sus compaÇeros, esposos o hijos.« Heredero (2001b), S. 40 f.: »mujeres olvidadas«. Ebd.: »vivieron y sufrieron«. Vgl. Heredero (2001a), S. 33. Ebd., S. 40: »en el ojo del hurac‚n«. Das Gebrauch des Wortes »Orkan« in diesem Zu-

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hingaben, den Franquismus eines Tages per Waffengewalt besiegen zu können. Entsprechend meint Rodr†guez Marchante in der Zeitung ABC, dass »Widerstand letzten Endes bedeutete, auszuharren«917, was er durch Armend‚riz’ Film bestätigt sieht. Insgesamt wird hiermit eine Lesart des Films offenbar, die die guerrilleros als verantwortungslos präsentiert, da sie vor dem wahren, alltäglichen Schauplatz der Kämpfe flüchteten, wenn sie sie nicht tendenziell gar auf eine Stufe stellt mit den franquistischen Aggressoren, da doch die Konsequenzen der gewalttätigen Aktionen gleich welcher ›Seite‹ dem Filmnarrativ zufolge für die Frauen ähnlich leidvoll sind.918 Zudem schlagen die antifranquistischen Widerstandskämpfer laut Silencio roto einen Weg der Selbstvernichtung ein und tragen demnach eine Mitschuld an ihrem eigenen Untergang, da sie mit ihrer kurzweiligen ›Rückeroberung‹ des Dorfes letztlich diejenigen in Gefahr bringen, von denen sie unabdingbar Unterstützung benötigen: die ›normalen‹ Bewohner.919 Dabei kommt der Gestaltung der angsterfüllten, da höchst bedrohlichen Atmosphäre im Dorf, die mit den repressiven Maßnahmen der machthabenden Franquisten einhergeht, in Silencio roto ein beträchtlicher Stellenwert zu. Bereits in dem Trailer zum Film, der vor allem Blickwechsel zeigt und wenig dialoglastig ist, wird mit dem Thema des durch die franquistischen Repressalien erzwungenen Schweigens geworben.920 In dem Bergdorf, in dem sich die Filmhandlung überwiegend vollzieht, herrscht eine angespannte Stille, keiner wagt auszusprechen, was er denkt. Man vermeidet zu reden aus Angst, zu viel preis zu geben und somit eine Angriffsfläche zu bieten. Luc†a, zunächst ein Neuankömmling im Ort, fällt aufgrund ihrer Lebensfreude zu Beginn des Films in der terrorisierten Dorfgemeinschaft auf. Dabei wird Luc†a durch ihre Freundin Lola gleich davor gewarnt, dass im Ort alles sofort die Runde mache: Mit wem man sich getroffen habe, mit wem man zusammen gesehen wurde, was man gesagt habe. »Das Leben hier ist eine Hölle«921 und Luc†a solle vorsichtig sein – ein Rat, der die Angst vor Denunziationen thematisiert.922 Willkürlich anmutende Kontrollen

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sammenhang verweist auf eine Opferrhetorik, nach der ›die Geschichte‹ einer Naturkatastrophe gleich über die machtlosen Spanier hinwegfegte, s. kapitel 6.2. Ebd.: »ilusoria esperanza«. Vgl. Heredero (2001c), S. 43. Vgl. ABC (27. 04. 2001), S. 134: »resistenc†a, al fin y al cabo, era quedarse«. Die Widerstandskämpfer, primäres Ziel der franquistischen Nachkriegsrepression, werden dieser Lesart zufolge tendenziell nicht etwa als Opfer, sondern als Täter perspektiviert; eine Lesart, die anhand anderer filmischer Beispiele deutlich und erneut zunehmend zu Tage tritt, s. kapitel 4.3.2. Vgl. Camino (2010), S. 56. Vgl. Silencio roto, DVD-Extras, Trailer, 00:00:00 – 00:01:08. Der darin enthaltene Zwischentitel »Wenn sich das Schweigen aufzwingt« weicht einer eindeutigen Benennung der Verantwortlichen aus: Vgl. ebd., 00:00:32 – 00:00:34: »Cuando se impone el silencio«. Silencio roto, 00:19:27 – 00:19:30: »La vida aqu† es un infierno«. Zur Praxis der Denunziation im Franquismus s. kapitel 6.2.

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der Zivilbevölkerung durch die guardias civiles sind an der Tagesordnung und die Dorfkneipe fungiert als mikrokosmisches Abbild des Nachkriegsspaniens,923 in dem Repressalien ständig drohen und Schweigen, Misstrauen und Furcht daher allgegenwärtig sind. Als einem der an einem Kartenspiel Beteiligten ein »Ich scheiß auf Gott«924 herausrutscht, sieht sich der machthabende sargento (dt.: »Feldwebel«) der guardia civil in seiner Ehre beleidigt und nutzt das Vorkommnis, um in der gut gefüllten Dorfkneipe ein abschreckendes Exempel zu statuieren: Er lässt dem Kartenspieler Rizinusöl einflößen, um – so der sargento – dessen Magen wieder in Ordnung zu bringen.925 Gleich zu Beginn des Films wird anhand der blutüberströmten, notdürftig bedeckten Leiche eines guerrillero, der vor dem örtlichen Sitz der guardia civil zu Abschreckungszwecken öffentlich aufgebahrt liegt, für den Zuschauer klar, dass die civiles im Ort dazu befähigt sind und auch nicht davor zurückschrecken, als Gegner des Regimes eingestufte Personen aus dem Weg zu räumen.926 Um Letzteren habhaft zu werden, gelangt das repressive Instrument der Sippenhaft für Angehörige der maquis häufig zur Anwendung. Besonders leidgeplagt ist in diesem Zusammenhang Rosario, Manuels Mutter, die wiederholt bei der guardia civil vorstellig werden muss, um ›ihre‹ Männer – ihr Sohn wie auch ihr Ehemann sind guerrilleros – so zum Aufgeben zu zwingen.927 Rosarios Folterschreie hallen des Nachts durch das ganze Dorf, was für einige der alteingesessenen Bewohner zu etwas Alltäglichem geworden zu sein scheint. Luc†as Onkel bittet seine Nichte beispielsweise lapidar, das Radio lauter zu stellen, da ihn die Schreie nervös machen würden.928 923 Vgl. Ponga (2000b), S. 220. 924 Silencio roto, 00:14:07: »¡Me cago en Dios!« 925 Vgl. Silencio roto, 00:14:22 – 00:14:23. Das Einflößen von Rizinusöl war ein gängiges Demütigungsritual der franquistischen Autoritäten, das der mit der Repression allgemein bezweckten ›Säuberung‹ ›Nationalspaniens‹ dienlich sein sollte: Vgl. Richards (1998), S. 55. Obgleich diese Szene in Silencio roto enthalten ist, entbehrt sie der Drastik der Darstellung derselben demütigenden Prozedur in La buena nueva (The Good News; ES 2008), die sichtbare Spuren von Exkrementen an der Kleidung der hier Betroffenen hinterlässt, ebenso wie körperliche Schmerzen und einen nachfolgenden psychischen Zusammenbruch. Stattdessen schafft der Kartenspieler Sebas in Silencio roto es, weiter zu spielen, nachdem er eine Flasche Rizinusöl trinken musste, und danach noch – scheinbar unbeschadet – mit seinem Freund Manuel an dem Kneipentresen über das Geschehene zu diskutieren. 926 Dabei ist das cuartelillo mit dem Schriftzug Todo por la Patria (dt.: »Alles für das Vaterland«) und einer rot-goldenen-Flagge deutlich als ›spanisch‹ gekennzeichnet. Dennoch gehören die im Film dargestellten Täter, die guardias civiles, nicht der Dorfgemeinschaft an und werden als Außenseiter dargestellt. S. kapitel 2.2 sowie kapitel 4.3.1. 927 Frauen und deren Misshandlung wurden von den franquistischen Autoritäten als ›Köder‹ für guerrilla-Kämpfer eingesetzt: Vgl. Richards (1998), S. 53. 928 Vgl. Silencio roto, 00:24:01 – 00:24:03. Die Folterszenen erfolgen in Silencio roto – im Gegensatz beispielsweise zu denen in Las 13 rosas (ES-IT 2007, s. kapitel 4.1.3) – off screen, hinterlassen aber über die Tonspur ebenso wie über die Reaktion des Onkels ein ein-

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Infolge einer kurzfristigen Machtübernahme der Widerstandskämpfer im Dorf werden die mit der franquistischen ›Rückeroberung‹ des Ortes einhergehenden repressiven Maßnahmen umso brutaler und abschreckender. Der teniente der guardias civiles, der nunmehr die Kontrolle innehat, lässt die Häuser durchsuchen und die Bewohner zur Befragung auf dem Dorfplatz aufstellen. Einen Mann, der sich in einem der umliegenden Häuser versteckte und offensichtlich ein guerrillero ist, erschießt der teniente sofort, direkt auf dem Marktplatz, per Kopfschuss, vor den Augen der zum Teil minderjährigen Dorfbewohner. Die Frau des Versteckten wird zur Exekution abgeführt. Die übrigen Anwesenden warnt der teniente im Anschluss wie folgt: »Von jetzt an wird jede Hilfe oder Kollaboration mit denen von den Bergen [gemeint sind die guerrilleros; Anm. d. Verf.] als Delikt der Rebellion gegen das Vaterland angesehen und entsprechend bestraft.«929

Verdächtige Dorfbewohner werden infolgedessen ins cuartelillo vorgeladen und dort ›verhört‹. Den jüngsten Sohn Rosarios quält der teniente, indem er ihn zwingt, tagtäglich ein Stück des Grabes auszuheben, das für seinen Vater gedacht ist. Rosario hält den Druck durch die systematische Repression letztlich nicht aus und bringt sich um, als sie abermals vorstellig werden soll.930 Teresa, Luc†as Tante, beschreibt die Atmosphäre im Winter 1948 wie folgt: »Also, zur Zeit ist dieses Dorf ein Friedhof. Wenn es Nacht wird, kann man das Haus nicht verlassen. Alle haben Angst.«931 Am Ende des Films wird auch sie von den machthabenden civiles im Ort zur Exekution abgeführt und ermordet, ebenso wie drückliches Bild des Grauens. Ähnlich verhält es sich, nachdem Luc†a die Füße des ehemaligen republikanischen Lehrers Don Hilario verarztet, dem während einer ›Vorladung‹ ins cuartel die Zehennägel herausgerissen wurden. 929 Ebd., 00:54:59 – 00:55:07: »A partir de ahora cualquier ayuda o colaboraciûn con los del monte ser‚ considerada como delito de rebeliûn a la Patr†a y ser‚ castigada como corresponde.« In dieser Ankündigung des teniente kommt eine Verkehrung der Chronologie der historischen Ereignisse bzw. eine Umkehrung der moralischen Lasten zum Ausdruck, wie sie für die franquistische Propaganda kennzeichnend war. 930 Armend‚riz zufolge gab es viele solcher Selbstmorde in der (weiblichen) Zivilbevölkerung, weil der Druck, das Schweigen, die Angst und die Gewalt unerträglich waren: Vgl. Heredero (2001c), S. 43. Historiker Richards stellt seinerseits heraus, dass die Anzahl der Selbstmorde in der unmittelbaren Nachkriegszeit beträchtlich anstieg, wobei er diese Selbstmorde damit zu erklären versucht, der Folter entkommen zu wollen, oder diese aber als eine Möglichkeit des letzten Aufbegehrens gegen das Franco-Regime wertet: Richards (1998), S. 11. Das Motiv des Selbstmordes im franquistischen Gefängnis bzw. des Selbstmordes aufgrund des Leidensdrucks durch die franquistische Repression wird ebenfalls in den fiktionalen ›Kernquellen‹ Las 13 rosas (ES-IT 2007) und Los girasoles ciegos (ES 2008) aufgegriffen. 931 Silencio roto, 01:25:52 – 01:26:00: »Pues ahora este pueblo es un cementerio. Cuando se hace de noche, no se puede salir de casa. Todo el mundo est‚ asustado.« Teresas Ausspruch verweist auf die sprichwörtlich gewordene paz de cementerio, die mit Franco einherging: eine »Friedhofsruhe«.

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Manuel, der zuvor gefoltert wurde.932 Dabei delektiert sich der teniente auf geradezu pervers anmutende Art und Weise an der Angst, Trauer und Verzweiflung, die sich in Luc†as Gesicht in dem Moment widerspiegeln, in dem ihre Nächsten erschossen werden.933 Regisseur Armend‚riz verkündete kurz vor Anlaufen des Films, er habe sich bewusst auf die Darstellung dieses gewaltsam erzwungenen, aus Angst vor Repressalien resultierenden Schweigens in der unmittelbaren Nachkriegszeit konzentriert, da es eines der Charakteristika des Spaniens jener Zeit sei.934 Seine Intentionen scheinen gefruchtet zu haben, bezeichnet der Filmkritiker Rodr†guez Marchante die Atmosphäre des in Silencio roto dargestellten Dorfes in ABC doch als »blankes Entsetzen«935. Dabei kommt es der Perspektivträgerin Luc†a zu, symbolisch und exemplarisch den von Gewalt geprägten ›dunklen Zeiten‹ den Rücken zu kehren und stattdessen eine positiv konnotierte ›gemäßigte‹ und zukunftsorientierte Haltung zu verkörpern. Sie macht im Verlauf der Filmhandlung eine Entwicklung durch, im Zuge derer sie sich von einer anfänglichen, von spanischen Kritikern als ›Idealisierung‹ beschriebenen Haltung den Widerstandskämpfern gegenüber distanziert.936 Stattdessen schlägt sie einen eigenen Weg ein, der durch die »Utopie des Kampfes«937 jedoch weiterhin befeuert werde, so Heredero.938 Dies Zitat unterstreicht einerseits, dass sie bewusst das Erbe derer antritt, die ihr nahe standen und die sie prägten – darunter antifranquistische Widerstandskämpfer.939 Andererseits lässt Silencio roto kei-

932 Der teniente ordnet wortwörtlich an: »Nehmt sie mit, um einen Spaziergang zu machen«: Ebd., 01:39:09 – 01:39:10: »Llevadlos a dar un paseo.« Zur Bedeutung des Wortes paseo s. Fußnote 531. 933 S. kapitel 4.3.1. 934 Vgl. La Vanguardia (18. 04. 2001b), S. 39. 935 ABC (27. 04. 2001), S. 134: »puro espanto«. 936 Vgl. Ponga (2000b), S. 220 f. 937 Heredero (2001b), S. 42: »la utop†a del combate«. Der Aspekt des letztlich als ›utopisch‹ konnotierten Widerstandskampfes der guerrilleros verbindet Silencio roto mit der in Libertarias (ES-IT-BE 1996) dominierenden Botschaft. S. kapitel 2.2. 938 Entsprechend erklärt Luc†a Jim¦nez, im Film die Luc†a, dass die Heldin reise, und zwar nicht nur im geografischen Sinn von der Stadt ins Dorf, sondern auch im persönlichen Sinn: Vgl. Silencio roto, DVD-Extras, Entrevistas, 00:00:48 – 00:01:07. Auf eine ähnliche Reise begeben sich sowohl die Protagonistin Mar†a in Libertarias (ES-IT-BE 1996, s. kapitel 2.2), die Protagonistin Lola Cercas in Soldados de Salamina (ES 2003, s. kapitel 5.4) als auch die Protagonistin in El laberinto del fauno (ES-MX 2006, s. kapitel 5.3). Eine ›Reise‹, auf die sich der Held begibt, weist eine Erzählung als Initiationsgeschichte aus und ist eine typische Konvention des Hollywood-Kinos: Vgl. Krützen (2004), S. 63 – 97. Für ihre Darstellung der Luc†a in Silencio roto wurde Luc†a Jim¦nez für einen Goya in der Sparte ›Beste Nachwuchsschauspielerin‹ nominiert: Vgl. Bonet Mojica, Llu†s: »Lo peor que te puede pasar es ponerte de moda«. In: La Vanguardia (08. 10. 2001), S. 38. 939 Luc†as Lächeln, als sie bei ihrer Abreise am Filmende die Landschaft durch ein Busfenster betrachtet, ist ein Echo des Lächelns, das sie bei Manuel immer so bewunderte und das für

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nen Zweifel daran, dass Perspektivträgerin Luc†a sich letztlich nicht für eine Beteiligung am aktiven Kampf gegen das franquistische Regime entscheidet, sondern für das Fortführen einer Haltung, die sich primär durch mitmenschliches Handeln ›im Kleinen‹ auszeichnet. Wird Luc†a zunächst dialogisch wiederholt als ihrem Vater sehr ähnlich beschrieben, der im Zuge des innerspanischen Konflikts aufgrund seiner sozialrevolutionären Bestrebungen von den Aufständischen hingerichtet wurde,940 so rückt sie von dieser allzu ›extremen‹ Vaterfigur nach und nach ab. Das Vermächtnis ihres Vaters tritt sie dann auf maßgeblich ›gemäßigte‹ Art und Weise an, so wie der ehemalige republikanische Lehrer Don Hilario es ihr vormacht.941 Als Luc†a ihn, der bereits den Untergang seiner Ideale und infolgedessen franquistische Haft erlitt, gegen Ende des Films verzweifelt fragt, was sie denn jetzt noch tun könne, antwortet er : »Die Hoffnung aufrechtzuerhalten, ist das Einzige, was uns bleibt.«942 Das friedliche Vermächtnis ihres wenig später ermordeten väterlichen Freundes führt Luc†a fort, indem sie die Briefe, die Don Hilario fingierte, um einem alten Bauernehepaar Hoffnung und Kraft zu geben, nunmehr selbst formuliert. Dabei wird ihr Briefeschreiben nicht zufällig vom Licht einer Kerze beschienen:943 Dies verweist auf die Bedeutung des telling name Luc†a als »das Licht« oder »die Leuchtende« und somit auf die Funktion der Figur Luc†a als eine, die kraft ihrer Mitmenschlichkeit Licht bzw. Hoffnung in ›dunklen‹ Zeiten auszustrahlen vermochte. Allerdings merkt der Romanist Thomas G. Deveny an, dass es im Wortgebrauch des Films weniger darum geht, die Hoffnung aufrecht zu erhalten, als vielmehr die Illusion – ein Wort, welches ein Element der Täuschung mit sich führt.944 So hebt Heredero das widersprüchliche Ende des Films bezeichnenderweise deshalb positiv hervor, da es »die Niederlage protokolliert, aber gleichzeitig dafür eintritt, die Illusion aufrecht zu erhalten, wie auch den Willen, das Erbe der dunklen Zeiten zu verändern«945. Dabei sind es dem Filmnarrativ zufolge keinerlei ideologische Überzeugungen, die Luc†a dazu bringen, den Widerstandskampf zunächst aktiv und dann

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seinen ungebrochenen Idealismus stand: Vgl. Silencio roto, 01:19 :30 – 01:19 :31 sowie 01:43 :41 – 01:44 :02. Silencio roto, 00:22:33 – 00:22:37, 00:34:36 – 00:34:38 sowie 00:43:14 – 00:43:38. Somit ähnelt Luc†a am Ende ihres Entwicklungsprozesses stark der ›zentristischen Idealfigur‹ Mar†a in Libertarias (ES-IT-BE 1996), s. kapitel 2.2, und bewegt sich konträr zur Entwicklung, die die Figuren Ofelia und Mercedes in El laberinto del fauno (ES-MX 2006) durchmachen, s. kapitel 5.2 und 5.3. Silencio roto, 01:34:24 – 01:34:26: »Mantener la ilusiûn, es lo fflnico que nos queda.« Vgl. Heredero (2001b), S. 42. Vgl. Deveny (2008b), S. 49. Das spanische Wort ilusiûn lässt sich im Deutschen sowohl mit »Illusion« als auch mit »Hoffnung« übersetzen. Heredero (2001b), S. 42: »levanta acta de la derrota […] al mismo tiempo que incita a mantener la ilusiûn y la voluntad de cambiar la herencia de los tiempos oscuros«.

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ideell zu unterstützen, sondern stets impulsiv oder emotional begründete Entscheidungen. Zu Beginn der Handlung wird ihr Interesse für die maquis dadurch geweckt, dass sie sich zu dem kämpferischen, idealistischen Manuel hingezogen fühlt – bis zu ihrer ersten Unterhaltung mit Manuel scheint sie noch nicht einmal zu wissen, dass sich guerrilleros in den Bergen versteckt halten.946 Später warnt sie Manuel, dass die civiles ihn festnehmen wollen und fleht ihn an, zu fliehen. Bei der Gelegenheit drückt er ihr Schriftstücke in die Hand, die Luc†a dem republikanischen Lehrer Don Hilario geben solle, da sie wichtig für die Kommunikation der guerrilleros seien. Erst durch diese Notlage wird Luc†a in die Situation gedrängt, die Unterlagen an sich zu nehmen und somit ›Partei‹ für die guerrilleros ›zu ergreifen‹. Dabei gesteht sie ein, selbst keine politischen Ideale zu verfolgen. Manchmal reiche es auch, einfach hinzuschauen, um zu wissen, was zu tun sei.947 Getreu diesem Motto unterstützt sie die guerrilleros als Verbindungsperson mit Informationen und die verfolgten Angehörigen der Widerstandskämpfer durch Loyalität. Im Gegensatz zu ihrem Geliebten Manuel glaubt sie jedoch nicht an die Kürze und den Erfolg eines potenziellen weiteren Kriegs.948 Sie ist kriegsmüde.949 Nur einmal wird Luc†a in Silencio roto in einer Art aktiv, die den Tod eines Menschen nach sich zieht. Der besonders hinterhältige Plan, wie der Sohn des secretario von ihr in sein Verderben geschickt wird – er stellt Luc†a schon länger nach, vertraut ihr –, befördert die persönliche Krise der Protagonistin. Hiernach stellt Luc†a die im Rahmen des Widerstandskampfes angewandten Mittel zunehmend in Frage. So merkt Luc†a einem guerrillero gegenüber an: »Ihr müsst die Leute überzeugen, wir können sie nicht terrorisieren wie die Faschisten«950 – ein Verhalten, das die Rezensentin Ponga positiv bewertet: »Ein Verlierer, der überzeugen und nicht siegen will.«951 Ihren 946 Vgl. Silencio roto, 00:05:45 – 00:06:14. 947 Vgl. ebd., 00:23:06 – 00:23:13. 948 Die Möglichkeit eines potenziellen weiteren Kriegs spielt filmintern an auf die Pläne der Kommunistischen Partei, Nordspanien mit Widerstandskämpfern aus Frankreich zu überschwemmen und somit einen Aufstand der spanischen Bevölkerung zu provozieren: die sogenannte »Invasion des Ar‚n-Tals«. S. Fußnote 1410 und kapitel 7.4. 949 Vgl. Silencio roto, 00:45:46 – 00:45:47. 950 Ebd., 00:40:49 – 00:40:53: »Necesit‚is convencer a la gente, no le podemos aterrorizar como los fascistas«. Als Feind wird auch in diesem Film der ›Faschismus‹ definiert, s. kapitel 7.1. 951 Ponga (2000b), S. 221: »[U]n perdedor que quiere convencer, no vencer«. Mit dieser Formulierung stellt Ponga einen direkten Bezug her zu dem berühmten Ausspruch des spanischen Intellektuellen Miguel de Unamuno, der am 12. Oktober 1936 einen Vortrag, dem Francos Frau Carmen Polo beiwohnte und der sich an die Adresse der Aufständischen, allen voran an den General Jos¦ Mill‚n Astray richtete, mit den Worten begann: »Ihr werdet siegen, aber ihr werdet nicht überzeugen.« (span.: Vencer¦is, pero no convencer¦is): Vgl. Godicheau (2005), S. 139. Dieser Ausspruch wird wortwörtlich einer Figur in dem Kinospielfilm La niÇa de tus ojos (Das Mädchen deiner Träume; ES 1998) in den Mund gelegt: Vgl. La niÇa de tus ojos, 01:27:12 – 01:27:14.

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Geliebten Manuel konfrontiert Luc†a mit der Frage, ob der Widerstandskampf all diese Toten wirklich wert sei, und schließt daran die Überlegung an, dass es einen anderen Weg geben müsse.952 An anderer Stelle will der zwischenzeitlich ebenfalls zweifelnde Manuel von Luc†a bestätigt wissen, dass die ›Sache‹ der guerrilla gerecht sei. Luc†a antwortet darauf: »Die Sache: ja; aber das, was wir machen?«953 Luc†a entwickelt sich im Laufe der Filmhandlung zu einer Vertreterin der Ansicht, dass die guerrilleros nicht die gleichen Mittel anwenden dürfen wie die Franquisten – wodurch filmintern eine weitere problematische Parallele zwischen dem Kampf der guerrilleros und der Herrschaft der Franquisten gezogen wird. Den Film Silencio roto beschließt eine Sequenz, in der Luc†a den Ort des Geschehens mit einem Bus verlässt, innerlich ›gereift‹. Während ihrer Abreise wird ein Bertolt Brecht zugeschriebenes Zitat eingeblendet: »Ob man auch in den dunklen Zeiten singt? Singen wird man auch über die dunklen Zeiten.«954 Kurz darauf leuchtet ein Regenbogen über den Bergen auf.955 Damit wird auf ein Land, das auf der anderen Seite des Regenbogens liegt956 und darüber auf eine Zeit in der Zukunft verwiesen, wo es möglich sein wird, über die ›dunklen Zeiten‹ zu singen. Dies spielt auf eine Hoffnung auf Veränderung an, die sich, wie die Zuschauer wissen, in der Gegenwart vollzogen hat, in die sie das Filmende entlässt. Das ›dunkle Erbe‹ hingegen verändert Regisseur Armend‚riz in der Hinsicht, als »die Geschichte einer Niederlage«957 ihm zufolge vor allem dank der weiblichen Figuren des Films als »ein moralischer Sieg«958 verstanden werden kann, da sie allen Enttäuschungen zum Trotz niemals aufgegeben und sich weiterhin am »Kampf«959 beteiligt hätten – wobei mit ›Kampf‹ als positiv konnotiertem Begriff gemäß Silencio roto primär das Bewahren einer mitmenschlichen Haltung gemeint ist und nicht ein bewaffnetes Aufbegehren.960 Somit vermittelt Silencio roto vor allem durch die eine Brückenfunktion erfüllende ›zentristische Idealfigur‹ Luc†a das Bild, als habe der Keim für das heutige de952 Vgl. ebd., 01:18:33 – 01:18:46. 953 Ebd., 01:19:04 – 01:19:14: »La causa, s†, pero lo que hacemos, ¿lo es?« 954 Silencio roto, 01:43:55 – 01:44:00: »En los tiempos sombr†os ¿se cantar‚ tambi¦n? Tambi¦n se cantar‚ sobre los tiempos sombr†os.« Dieses Zitat illustriert ebenfalls das Menü der KaufDVD. 955 Vgl. ebd., 01:44:02 – 01:44:43. 956 Dies lässt wiederum – wie auch bei El laberinto del fauno (ES-MX 2006, s. Fußnote 1427) – an das amerikanische Musical The Wizard of Oz (USA 1939) denken und das darüber berühmt gewordene Lied Somewhere over the Rainbow, in dem ein harmonisches Traumland besungen wird, das »irgendwo hinter dem Regenbogen« liegt. 957 Heredero (2001c), S. 44: »la historia de una derrota«. 958 Montxo Armend‚riz, zit. n.: Heredero (2001c), S. 44: »una Victoria moral«. 959 Ebd.: »lucha«. 960 Ganz ähnliche Implikationen weist der Begriff ›Kampf‹ in Las 13 rosas (ES-IT 2007) auf, s. kapitel 4.1.3.

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mokratische Spanien in Form einzelner Vertreter auch in den damaligen ›dunklen Zeiten‹ bereits bestanden und bloß einer artgerechten Umgebung bedurft, um sich entsprechend zu entfalten.961

4.2.2 Der ›anonymen Helden‹ gedenken: Soldados de Salamina »Was ist für Euch ein Held?«962

In der am 21. März 2003 in den spanischen Kinos angelaufenen Verfilmung des 2001 publizierten gleichnamigen Erfolgsromans Soldados de Salamina (Soldiers of Salamina) unter der Regie David Truebas963 rückt die Frage, was einen Helden ausmacht, dezidiert in den Blick. »Was ist für Euch ein Held?«964, diese Arbeitsaufgabe stellt Protagonistin und Perspektivträgerin Lola Cercas nicht zufällig in ihrem universitären Literaturunterricht.965 Nach einer die Handlung über andauernden Suche meint sie gegen Filmende, den Helden ihrer Geschichte in Miralles gefunden zu haben; einem ehemaligen Soldaten und Söldner, der im Spanischen Bürgerkrieg auf republikanischer Seite kämpfte. Die Frage, ob er mit dem anonymen Soldaten gleichzusetzen ist, der der zentralen Anekdote des Films zufolge dem falangistischen Schriftsteller Rafael S‚nchez Mazas das Leben 961 S. kapitel 6.3. Interessanterweise wurde Luc†a Jim¦nez einige Jahre später zunächst in der TV-Serie La SeÇora (TVE/La 1, 2008 – 2010) und dann in dem darauf folgenden Sequel 14 de abril. La Repfflblica (TVE/La 1, erste Staffel 2011, s. kapitel 3.3) für die Rolle der überzeugten Republikanerin und Frauenrechtlerin Encarna besetzt, die dem historischen Berater der entsprechenden Produktionen zufolge »die Hoffnung auf ein besseres Spanien« verkörpere: Ýngel Bahamonde; zit. n.: Charla de los internautas con El coordinador y el colaborador del libro ›14 de abril. La Repfflblica‹ (30. 03. 2011), http://encuentrosdigitales. rtve.es (20. 02. 2012): »la esperanza en una EspaÇa mejor«. 962 Soldados de Salamina, 01:15:18 – 01:15:27: »¿Qu¦ es para vosotros un h¦roe?« 963 David Trueba ist der jüngere Bruder des bekannten oscarprämierten spanischen Erfolgsregisseurs Fernando Trueba, dessen Kinospielfilm La niÇa de tus ojos (Das Mädchen deiner Träume; ES 1998) im Rahmen der vorliegenden Untersuchung ebenfalls detailliert analysiert wird, s. kapitel 7.2. Fernando Trueba produzierte David Truebas Filmprojekt Soldados de Salamina, neben den im spanischen Raum bewährten Produzenten Andr¦s Vicente Gûmez und Cristina Huete (Lolafilms), s. Fußnote 214. An der Umsetzung des Projekts waren außerdem das staatliche spanische Fernsehen TVE und der Abonnementsender V†a Digital beteiligt. David Trueba selbst war im Vorfeld zu Soldados de Salamina vor allem erfolgreich als Schriftsteller und Drehbuchschreiber tätig, unter anderem für La niÇa de tus ojos, führte aber auch bei zwei Filmen Regie, die bei der Kritik ein gemischtes Echo hervorriefen: Während La buena vida (The Good Life; ES 1996) mehrheitlich gelobt wurde, wurde Obra maestra (Masterpiece; ES 2000) verrissen. 964 Soldados de Salamina, 01:15:18 – 01:15:27: »¿Qu¦ es para vosotros un h¦roe?« 965 Vgl. ebd., 01:14:47 – 01:14:55. Dass diese Frage derart prominent und noch dazu im Kontext einer Lernsituation gestellt wird, wertet Von Tschilschke als »ein deutliches Indiz für das Verlangen nach Wertorientierung«: Von Tschilschke (2005), S. 147.

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rettete, bleibt offen.966 Wie die Journalistin Lola Cercas herausfindet, war Miralles zwar an dem Tag an dem Ort, wo S‚nchez Mazas erschossen werden sollte. Miralles weigert sich jedoch bewusst, irgendeine Art von Heldentum anzunehmen und verneint Lola Cercas Frage, ob er der ›Retter‹ sei. Er zieht es selbstlos vor, quasi ›heldenhaft‹, sich nicht hochleben zu lassen. Seiner Meinung nach überleben Helden nicht. Seine toten, in Vergessenheit geratenen ehemaligen Kampfgefährten, keine ›großen Männer‹, sondern ›kleine Leute‹, das seien Helden, wie er Lola – und somit den Zuschauer – wissen lässt: »Was Du suchst, ist ein Held. Und dieser Held bin ich, oder nicht? Helden überleben nicht. Als ich auszog an die Front, begleiteten mich andere Jungs, alle aus Tarrasa, so wie ich. Aber die meisten kannte ich nicht, die Brüder Garc†a Segu¦s, Miquel Cardûs, Gabi Baldrich, Pipo Canal, der dicke Ordena, Santi Brugada, Jordi Gudayol. Alle tot. Sie waren so jung… Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an sie denke. Keiner von ihnen kannte die guten Dinge des Lebens. Keiner von ihnen hatte eine Frau oder ein Kind, das sich Sonntagmorgens mit ihnen ins Bett legte. Manchmal träume ich von ihnen. Ich sehe sie, wie sie waren, jung, die Zeit vergeht nicht für sie. Keiner gedenkt ihrer; keine elende Straße, in keinem elenden Dorf, in keinem beschissenen Land wird jemals ihren Namen tragen. Lela und Juan, Gabi, Miquel, Gudayol, Pipo, der dicke Ordena…«967

Statt sich selbst als ›Held‹ bezeichnen zu lassen, ist Miralles deutlich mehr daran gelegen, Lola klarzumachen, dass er nicht der einzige ›anonyme Soldat‹ war, dessen Einsatz- und Opferbereitschaft keiner gedenkt. Dies begreift Journalistin Cercas gegen Filmende und schwört in einem hochemotionalen Monolog, die Erinnerung an ihn und seine ›Brüder im Geiste‹ aktiv zu verbreiten, um sie aus der Anonymität zu befreien, in die sie das Vergessen verbannt hat. Denn, so lautet die filmintern von einer Nachrichtensprecherin formulierte Antwort auf die Frage, wie diese ›anonymen Helden‹ zu belohnen sind: »Helden werden nur 966 Genauer zu dieser zentralen Anekdote s. kapitel 5.5. Wobei bei genauerem Hinschauen deutlich wird, dass Miralles gemäß Regisseur Truebas Interpretation mit dem anonymen republikanischen Soldaten gleichzusetzen ist: In der Sequenz, in der Miralles verschiedene Kampfschauplätze mittels kurzer unterschiedlicher, auch archivarischer Filmszenen visualisiert werden, ist es eindeutig der junge Schauspieler, der zuvor den anonymen republikanischen Soldaten verkörperte, der in einer nachgestellten Szene in der afrikanischen Wüste Miralles Rolle übernimmt: Vgl. Soldados de Salamina, 01:18:50 – 01:18:55. 967 Ebd., 01:42:50 – 01:44:27: »Tffl lo que andas buscando es un h¦roe. Y ese h¦roe soy yo, no? Los h¦roes no sobreviven. Cuando sal† hacia el frente iban conmigo otros muchachos, todos de Tarrasa, como yo. Aunque la mayor†a no los conoc†a, los hermanos Garc†a Segu¦s, Miquel Cardûs, Gabi Baldrich, Pipo Canal, el Gordo Odena, Santi Brugada, Jordi Gudayol. Todos muertos. Eran tan jûvenes… No pasa un d†a sin que me acuerde de ellos. Ninguno conoc†a las cosas buenas de la vida. Ninguno tuvo una mujer o un hijo que se metiera en la cama con ellos el domingo por la maÇana. A veces sueÇo con ellos. Los veo como eran, jûvenes, el tiempo no pasa para ellos. Nadie los recuerda, ni nunca, ninguna calle miserable, de ningffln pueblo miserable, de ninguna mierda de pa†s llevar‚ su nombre. Lela y Juan, Gabi, Miquel, Gudayol, Pipo, el gordo Ordena…«

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durch die Erinnerung der Übrigen ausgezeichnet, von uns, die wir ihre mutigen Momente, ihren Instinkt im entscheidenden Augenblick bewundern.«968 Entsprechend ist in der vorletzten, den Höhepunkt markierenden Sequenz des Films eine in Tränen aufgelöste Lola Cercas auf dem Rücksitz eines Taxis zu sehen. Sie winkt Miralles zum Abschied zu und wiederholt drei Mal, einem Mantra nicht unähnlich, den Satz: »Ich werde Sie nicht vergessen.«969 Daran schließt sich noch der einmal geäußerte Satz an: »Ich werde nicht zulassen, dass man Sie vergessen wird.«970 Ihr Versprechen löst sie dem Filmnarrativ zufolge umgehend ein: In den letzten Minuten des Films ist Lola Cercas auf ihrer Rückreise, in einem Bus, zu sehen, wie sie den ersten Satz ihres Romans niederschreibt.971 Im Gegensatz zu S‚nchez Mazas, der sein Versprechen nie einlöste, ein Buch über die amigos del bosque972 zu schreiben,973 setzt Lola Cercas den ›einfachen‹, in Vergessenheit geratenen Spaniern jener Zeit mit ihrem Buch ein Denkmal, wie versprochen. Dass Lola ein Versprechen einlöst, das dem Filmnarrativ zufolge einst ein faschistischer Propagandist leistete, lässt sich negativ lesen als nicht ausreichend kritisch beleuchteter Umgang mit einer problematischen Vergangenheit. Der Literaturwissenschaftler Antonio Gûmez Lûpez-QuiÇones versteht dies hingegen positiv als »Eingriff in die Vergangenheit«974 : Es gehe beim Einlösen des Versprechens darum, jemandem das zu geben, was ihm schon lange zugestanden habe. In der Tat folgt Lola Cercas dem Hinweis, den ihre Freundin Conchi ihr nach Durchsicht eines ersten Manuskriptentwurfs gegeben hatte, der sich praktisch ausschließlich um die Figur S‚nchez Mazas drehte: »Wenn Du Dich an der Geschichte beteiligen würdest?«975. Diese Bemerkung quittiert Lola zunächst mit dem sarkastischen Kommentar : »Sie ereignet sich 1939. Zu Deiner Information: Ich war noch nicht geboren.«976 Conchi meint dazu: »Das ist egal«977 und 968 Ebd., 01:15:11 – 01:15:18: »A los h¦roes sûlo los premia el recuerdo de los dem‚s, de quienes admiramos su rato de coraje, su instinto en el momento decisivo.« 969 Ebd., 01:48:27 – 01:48:33: »No me olvidar¦ de Usted.« 970 Ebd., 01:48:33 – 01:48:37: »No dejar¦ que se olviden de Usted.« Wer mit ›sie‹ gemeint ist, bleibt unklar, verweist aber auf einen impliziten Antagonismus zwischen ›uns‹ und ›den anderen‹, wie er spätestens im Zuge der Produktion und Rezeption von Amar en tiempos revueltos (dt.: »Liebe in aufgewühlten Zeiten«; TVE/La 1, 2005 – 2012, kapitel 4.1.2) und Las 13 rosas (13 Roses; ES-IT 2007, kapitel 4.1.3) deutlich zu Tage treten sollte. 971 Vgl. ebd., 01:48:37 – 01:48:51. 972 Die amigos del bosque (dt.: »Freunde des Waldes«) ist eine Bezeichnung, die S‚nchez Mazas seinerzeit denjenigen verlieh, die ihm bei seiner Flucht halfen (Vgl. ebd., 00:14:44 – 00:14:54): desertierte republikanische Soldaten und eine Zivilistin. 973 Vgl. ebd., 00:37:31 – 00:37:51; Gûmez Lûpez-QuiÇones (2006), S. 62 ff. 974 Gûmez Lûpez-QuiÇones (2006), S. 62: »intervenciûn sobre el pasado«. Vgl. Garc†a Jambrina (2004), S. 148. 975 Soldados de Salamina, 01:12:34: »¿Si participar‚s en la historia?« 976 Ebd., 01:12:35 – 01:12:40: »Transcurre en 1939. Para tu informaciûn yo no hab†a nacido.«

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behält damit recht: Lolas Roman lässt sich als rückwirkender Versuch verstehen, eine konsensfähige Ausgewogenheit im Gedenken zu schaffen.978 Dass die Cercas-Figur den ›anonymen Helden‹ »Auferstehung und das ewige Leben durch schriftliche Erinnerung«979 ermöglicht, verdeutlicht wiederum die im Kern christliche Botschaft von Soldados de Salamina.980 Die filminternen Bezugnahmen auf zeitgenössische aktuelle Bemühungen um eine recuperaciûn de la memoria histûrica sind unverkennbar. Schriftsteller Javier Cercas selbst meint, sein Roman, »zu dessen Verlängerung sich der Film von Trueba macht«981, ließe sich als Ehrung an jene Republikaner lesen, bei denen sich bisher niemand bedankt habe, oder aber als Versöhnungsgeschichte.982 Letztere Lesart drängt sich dadurch auf, dass Soldados de Salamina ein Gedenken an all diejenigen einfordert, die einst auszogen, um zu kämpfen und dabei ihr Leben ließen. Wie Regisseur Trueba es formuliert, habe man allgemein eine Schuld gegenüber den Menschen, die während des Spanischen Bürgerkriegs starben oder die beste Zeit ihres Lebens dafür gaben.983 Diese Äußerung erinnert stark an eine Erinnerungspolitik, wie sie sich vor allem Mitte der 1980er-Jahre offiziell manifestierte: Aggressoren wie defensive Verteidiger der legitim gewählten Zweiten Republik werden darin über eine Opferrhetorik auf die gleiche Stufe gestellt.984 Diese Sicht auf die jüngere Vergangenheit offenbart sich in dem Film Soldados de Salamina nicht zuletzt darin, dass Miralles kaum als Republikaner im ideologischen Sinne des Wortes zu bezeichnen ist. Der gelernte Schmuckgraveur Miralles kämpfte eigenen Aussagen zufolge auf republikanischer Seite im Spanischen Bürgerkrieg, ohne einer bestimmten Überzeugung anzuhängen, quasi schicksalhaft. Sein Vater hatte unbedingt auf Seiten der Republikaner kämpfen wollen, wurde jedoch als zu alt befunden. Das bereitete ihm so viel Kummer, dass Miralles sich daraufhin, ohne jegliches Politikverständnis, heimlich freiwillig meldete.985 Letztlich weiß Miralles gar nicht so recht, wohin es ihn verschlagen hat in diesem Krieg, den er selbst nicht vollauf zu überblicken 977 Ebd., 01:12:41: »Eso da igual«. 978 Vgl. Wildner (2005), S. 548. Miralles Klage steht filmintern beispielsweise in einem deutlichen Kontrast zu dem Denkmal für jene Gefallenen ›für Gott und Vaterland‹, das an der Stelle steht, wo am 30. Januar 1939 Aufständische erschossen wurden: Vgl. Soldados de Salamina, 00:53:45 – 00:53:51; Zurita, Paula: Ruta Soldados de Salamina. In: El Mundo (10. 01. 2008), www.elmundo.es (21. 02. 2010). 979 Wildner (2005), S. 560. 980 Die christliche Botschaft des Films kondensiert sich in der Figur des barmherzigen Samariters, für die der anonyme republikanische Soldat steht, s. kapitel 5.5. 981 Ehrlicher (2005), S. 16. Vgl. Thibaudeau (2009), S. 109. 982 Vgl. Alegre (2003), S. 199. 983 Vgl. ebd., S. 128. 984 S. Fußnote 61. 985 Vgl. Soldados de Salamina, 01:16:55 – 01:17:10; Aguilar Fern‚ndez (2006b), S. 248 f. Auch hier klingt die filminterne Generationenthematik an, s. kapitel 5.4.

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und zu verstehen vermag, so die im Film dargelegte Interpretation. All dies lässt gleichzeitig den Schluss zu, dass Miralles ebenso gut auf der ›anderen Seite‹ hätte stehen können, was eine Gleichsetzung ›beider Seiten‹ impliziert und laut der Literaturwissenschaftlerin Ana Luengo von einer »Lobhudelei auf Kämpfer [zeugt], die nicht wussten, warum sie kämpften«986. Fragen nach individueller Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit werden dadurch umgekehrt überlagert und insgesamt wird einer Opferrhetorik Vorschub geleistet.987 Bezeichnenderweise ähneln sich letztlich alle in der Vergangenheit aktiven Figuren des Films Soldados de Salamina darin, dass es ihnen unterschiedslos primär ums Überleben geht,988 ohne darüber ihre Fähigkeit zum mitmenschlichen Handeln aus dem Blick zu verlieren. Letztere Fähigkeit steht bei dem anonymen Soldaten, der dem republikanischen Lager angehört und dessen Identität bis zum Filmende nicht geklärt wird, im Mittelpunkt. Gemäß der von Miralles an einer Stelle des Films geäußerten These, dass der anonyme Soldat bei seiner Entscheidung, S‚nchez Mazas laufen zu lassen und ihm somit das Leben zu retten, an nichts Bestimmtes gedacht habe,989 wird der Soldat als jemand inszeniert, der erst in dem Moment, in dem er S‚nchez Mazas ins Visier nimmt, diesen einer spontanen Eingebung folgend laufen lässt. Für Romanautor Javier Cercas ist der anonyme Soldat »aus Instinkt gut«990. Entsprechend sollte der Blick des anonymen Soldaten dem Regisseur David Trueba zufolge eben nicht intellektuell, sondern ›animalisch‹ sein.991 Auch die Figur Miralles verkörpert die Fähigkeit, sich aus eher instinktiv denn ideologisch zu bezeichnenden Gründen für das ›Gute‹ entschieden zu haben. Er wird zum mythisch überhöhten Sinnbild für all jene in Vergessenheit geratenen, überlebenden wie gefallenen ›Freiheitskämpfer‹ mit universellem Wirkungsradius: Miralles war nicht nur am Spanischen Bürgerkrieg auf Seiten der Republik, sondern als Fremdenlegionär auf der Seite der Alliierten auch am Zweiten Weltkrieg beteiligt. Dies wird dem Zuschauer an einer Stelle des Films durch zusammengeschnittene Archivausschnitte in schwarz-weiß sowie entsprechend nachgestellte Aufnahmen vor Augen geführt und gleichzeitig mittels eines voice over erzählt.992 Der »Typus des soldatischen Helden, der ›tapfer und 986 Luengo (2004), S. 255: »el ensalzamiento de combatientes que no sab†an por qu¦ combat†an«. 987 Die Opferrhetorik sieht sich in diesem filmischen Fall dadurch potenziert, das darin ausgerechnet ein prominenter Vertreter der Täterseite als Opfer inszeniert wird, s. kapitel 5.6. 988 Amago (2010), S. 248. 989 Vgl. Soldados de Salamina, 01:46:46. 990 Alegre (2003), S. 202: »instintivamente bueno«. Vgl. Yushimito del Valle (2003). 991 Vgl. Alegre (2003), S. 202. 992 Vgl. Soldados de Salamina, 01:16:14 – 01:20:37; Amago (2010), S. 250. Miralles ist daher nicht zuletzt deshalb ein Held, weil er für Werte kämpfte, die im demokratischen Europa der Gegenwart als fundamental gelten: Vgl. Fern‚ndez Prieto (2005), S. 69. S. kapitel 7.4.

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rein‹ für die gute Sache siegt«993 wird so in der literarischen Vorlage wie auch im Film re-aktiviert – mit problematischen Anleihen, die durch die geringe Politisierung der Figur Miralles verstärkt werden. Das Narrativ des Romans wie auch des Films Soldados de Salamina stützt den Ausspruch Jos¦ Antonio Primo de Riveras, Gründer der spanischen faschistischen Partei Falange EspaÇola, dass »es in letzter Instanz immer ein Trupp Soldaten war, der die Zivilisation gerettet hat«994. Primo de Rivera wandte diesen Ausspruch in Anlehnung an seinen Zeitgenossen Oswald Spengler an, dessen Name im Film zwar nicht fällt, aber es wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass Primo de Rivera diesen Ausspruch gern nutzte und Anhänger der reaktionären, gewaltbereiten spanischen Rechten sich noch im Zuge des gescheiterten Putschversuchs am 23. Februar 1981 darauf beriefen.995 Cercas bzw. Trueba singen das Loblied statt auf einen Trupp Soldaten zwar auf die ›heldenhafte‹ Verteidigung der Menschheit durch eine Handvoll versprengter Gestalten, Soldaten wie Zivilisten, was jedoch nicht zu einer Widerlegung von Primo de Riveras Überzeugung führt, sondern zu ihrer Affirmation unter einem anderem Namen.996 Miralles steht sinnbildlich für all jene, die auch fernab ihrer Heimat instinktiv für ein politisch nicht näher spezifiziertes ›Gutes‹ kämpften, ebenso für all jene, die anstelle derjenigen, die die Macht innehaben, »die Kastanien aus dem Feuer holen«997. Oder, wie Ariadna Gil, die Schauspielerin, die in Soldados de Salamina die Protagonistin Lola Cercas verkörpert, das Thema des Films kurz vor seinem Anlaufen zusammenfasst: »Der Film spricht von der Größe des menschlichen Wesens, die nicht mit dem Ruhm, der Macht oder der Herrschaft verbunden ist, sondern mit der Anonymität.«998 993 Buschmann, Albrecht: Detektive der Erinnerung. In: NZZ (05. 04. 2003), www.nzz.ch (20. 02. 2012). 994 Soldados de Salamina, 00:13:05 – 00:13:11: »[A]l final siempre ha sido un pelotûn de soldados ¦l que ha salvado la civilizaciûn.« Dabei bezieht sich bereits der metaphorische Titel des Erfolgsromans auf die Schlacht von Salamis, bei der eine Handvoll Griechen gegen die Perser kämpften und – laut Romanautor Javier Cercas – ›die Menschheit retteten‹: Vgl. Alegre (2003), S. 144; Wildner (2005), S. 552 f. Zum Titel s. Fußnote 1488. 995 Vgl. ebd., 00:13:04 – 00:13:21. Zum Putschversuch vom 23. Februar 1981 s. Kapitel 1.1.1. 996 Vgl. Alegre (2003), S. 145; NZZ (05. 04. 2003); Wildner (2005), S. 550 f. 997 Neuschäfer (2007), S. 209: »sacar las castaÇas del fuego«. Vgl. Neuschäfer (2002b), S. 25. 998 Arianda Gil; zit. n.: Arenas, Jos¦ Eduardo: David Trueba mira la Guerra Civil de forma distinta en Soldados de Salamina. In: ABC (15. 03. 2003), S. 62 f.: »La pel†cula habla de la grandeza del ser humano, que no est‚ relacionada ni con la gloria, ni el poder o el dominio, sino con el anonimato.« In diesem Zusammenhang wurde der Entscheidung, die Rolle des jungen republikanischen Soldaten sowie die des alten Miralles nicht mit allzu bekannten spanischen Schauspielern zu besetzen, einige Wichtigkeit beigemessen: Der Zuschauer sollte eben möglichst ›anonyme‹ Kämpfer in ihnen sehen: Vgl. Alegre (2003), S. 118 ff. Die Entscheidung fiel für die Rolle des Miralles daher auf den katalanischen Schauspieler Joan Dalmau. Er qualifizierte sich unter anderem deshalb für die Rolle, da sein Bruder in der r¦sistance gekämpft hatte und in Mauthausen starb: Vgl. ebd., S. 130. S. kapitel 7.4.

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Im Hinblick auf Soldados de Salamina kann daher durchaus von einer »Rehabilitierung des Heroischen«999 gesprochen werden, was den Begriff des ›Helden‹ – für die Romanistin Elisabeth Suntrup-Andresen in Bezug auf die 2001 erschienene Romanvorlage »erstmals seit der transiciûn«1000 – wieder salonfähig macht. Dabei sind diejenigen, die filmintern zu ›Helden‹ deklariert werden, eben »kein[e] Ausnahmemensch[en]«1001, sondern ›einfache Leute‹, Soldaten wie Zivilisten gleichermaßen. Dies spiegelt sich in der Struktur des Films wider, indem den ›Helden des Alltags‹, Miralles und den überlebenden amigos del bosque und deren Angehörigen, ein ›großer‹ Mann der Zeitgeschichte, nämlich einer der Chefideologen der Falange, Rafael S‚nchez Mazas, gegenüber gestellt wird. Dabei wird die filmintern postulierte Notwendigkeit, dem bisherigen ›Vergessen‹ soldatischer wie auch ziviler ›anonymer Helden‹ entgegenzutreten, in Soldados de Salamina durch filmästhetische Mittel unterstrichen: Sowohl die Zeitzeugen und deren Angehörige als auch die fiktionale Figur Miralles werden mittels wackeliger Handkameraaufnahmen inszeniert und dabei überwiegend in häuslichen Settings aufgenommen oder in Situationen, die im familiären Kontext entstehen. Dies kontrastiert deutlich mit den auf filmischem Archivmaterial festgehaltenen oder für die Fiktion nachgestellten Aufnahmen eines ehemaligen ›Siegers‹ wie S‚nchez Mazas, die offiziell-institutionalisierten Inszenierungen historischer Ereignisse und Persönlichkeiten folgen.1002 Dieser Kontrast mit den ›realistischen‹ Inszenierungstechniken, die auf die ›Helden des Alltags‹ angewandt werden, verstärkt den Eindruck der Unmittelbarkeit sowie der Glaubwürdigkeit individueller Lebenserfahrungen. Dieser Eindruck erfährt durch die Tatsache zusätzliche Unterstützung, dass einige der Zeitzeugen bzw. ihrer Angehörigen sich auf Katalanisch zur Vergangenheit äußern.1003 Über die Form wird in Soldados de Salamina also auf das vervollständigende, gar ver-

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Ehrlicher (2005), S. 26. Vgl. Von Tschilschke (2005), S. 143 f. Suntrup-Andresen (2008), S. 180. Von Tschilschke (2005), S. 147. So werden unter anderem Aufnahmen der franquistischen Wochenschau NO-DO (s. Fußnote 1604) in die fiktionale Rekonstruktion eingeschnitten, in die Schauspieler FontserÀ mit Hilfe der Bluescreen-Technik als S‚nchez Mazas eingefügt wurde: Vgl. Soldados de Salamina, 00:35:22 – 00:35:48 sowie 01:09:57 – 01:10:35; Altmann (2009), S. 208. 1003 Vgl. Wildner (2005), S. 556. Im Film werden die katalanischen Aussagen auf Kastilisch untertitelt, im Gegensatz zum Roman, wo die Zeitzeugen-Interviews auf Kastilisch wiedergegeben sind: Vgl. Thibaudeau (2009), S. 107. Die meist gelesenste Zeitung Kataloniens La Vanguardia sah sich dadurch brüskiert, dass Ariadna Gil, die im Film die Protagonistin Lola Cercas verkörpert und dafür bekannt ist, für das Katalanische einzutreten, den Zeitzeugen nicht auf Katalanisch antworten durfte und dass im Handlungsort der Universität von Gerona kein Katalanisch gesprochen werde: Ballû, Jordi: Ficciones en la frontera de lo real. In: La Vanguardia. Culturas (07. 05. 2003), S. 24.

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ändernde Potenzial hingewiesen, das dem individuellen Erfahrungsbericht gegenüber der offiziellen Geschichtsschreibung innewohnt.1004 Die filmische Adaption von Soldados de Salamina ist dem Filmhistoriker S‚nchez-Biosca zufolge somit beispielhaft für die Forderungen nach »Glaubwürdigkeit«1005, genauer : für die nach einem »Realismus«1006, der auf Archivmaterialien, aber vor allem auf Zeugenaussagen derer basiert, die in der jüngeren Vergangenheit eben keinen Protagonistenstatus inne gehabt hatten; Forderungen, die mit Anbruch des neuen Jahrtausends im Zuge der Bemühungen um eine recuperaciûn de la memoria histûrica an jede audiovisuelle Annäherung an den Spanischen Bürgerkrieg oder die frühe Franco-Diktatur gestellt worden seien.1007 Ähnlich stellt Gûmez Lûpez-QuiÇones heraus, in Soldados de Salamina gehe es nicht zuletzt darum, im Sinne einer Geschichte ›von unten‹ zu zeigen, dass ›normale Leute‹ das größte Gewicht des Kriegs auf ihren Schultern trugen und eben nicht die ›großen Männer‹. Dies erkläre den Stellenwert, der Zeitzeugen-Interviews in Soldados de Salamina beigemessen werde.1008 Gûmez Lûpez-QuiÇones zufolge besteht die Leistung von Soldados de Salamina darin, »das ›andere‹ in der traditionellen historiografischen Erzählung zu identifizieren, dieses andere, das mundtot gemacht worden ist, dessen Blickwinkel zurückgedrängt bleibt und dessen eigene Version nirgendwo erscheint«1009. Schon in der gleichnamigen literarischen Vorlage zum Film Soldados de Salamina hatte sich eine »besondere Beglaubigung der Erinnerung und des mündlichen Zeugenberichts als privilegierte Medien für die Vermittlung eines Wissens über die Vergangenheit«1010 bemerkbar gemacht. Gegenüber dem Roman von Javier Cercas hat David Truebas Film den Vorteil, den Zeitzeugen Stimme und Körper verleihen zu können, wodurch sie ›realitätsnäher‹ erscheinen.1011 Außerdem wurde der Film in der Umgebung rund um Gerona gedreht, eine Gegend, die alle Schauplätze der Handlung aus Cercas literarischer Vorlage umfasst, unter anderem den (Erinnerungs-)Ort, an dem die Erschießung der franquistischen Gefangenen stattfand und an dem die Protagonistin Lola Cercas auf einen weiteren ›anonymen‹ Zeitzeugen trifft.1012 Den »doku1004 1005 1006 1007 1008 1009

Vgl. Quintana (2003), S. 20. S‚nchez-Biosca (2008), S. 45: »verosimilitud«. Ebd.: »realismo«. Vgl. ebd. Weitere Ausführungen zu Zeitzeugen finden sich im kapitel 4.1.1. Vgl. Gûmez Lûpez-QuiÇones (2006), S. 53. Ebd., S. 54: »en identificar al ›otro‹ de la tradicional narraciûn historiogr‚fica de la Guerra Civil, ese otro que ha quedado silenciado, cuyo punto de vista es arrinconado y cuya propia versiûn no aparece en ningffln lugar«. 1010 Ebd., S. 52: »especial acreditaciûn de la memoria y del testimonio oral como medios privilegiados para la transmisiûn de un conocimiento sobre el pasado«. 1011 Vgl. Thibaudeau (2009), S. 107. 1012 Vgl. S‚nchez-Biosca (2006b), S. 310.

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mentarischen Gestus«1013 des Films unterstreichen somit die Interviews mit den Zeitzeugen und deren Angehörigen wie auch die Nachforschungen ›vor Ort‹. Die »Spurensuche und das historiografische Bemühen um eine möglichst lückenlose Rekonstruktion der Vergangenheit«1014 werden geradezu ausgestellt, beispielsweise wenn Lola im Lesesaal der spanischen Nationalbibliothek in Madrid beim Recherchieren gezeigt wird.1015 Dies entspricht dem Fokus der literarischen Vorlage Soldados de Salamina, die als Beispiel gilt für die Suche nach neuen narrativen Möglichkeiten, die zeithistorischen Ereignisse zu erzählen.1016 Javier Cercas prägte darin einen Stil, der deutlich im Vorgehen des zeitgenössischen Journalismus wurzelt, eine Art detektivische Recherche- und Rekonstruktionsarbeit in den Mittelpunkt stellt und sich dabei durch das »kunstvolle Verwirrspiel um Dokumentation und Fiktion, um Geschichten und Geschichte«1017 auszeichnet. Auch die filmische Adaption bringt das postmoderne Pastiche der literarischen Vorlage zur Darstellung, indem sie neben mündlichen Zeitzeugenberichten zum Teil nachbearbeitetes (audio-)visuelles Archivmaterial und schriftliche Quellen in die Fiktion einbindet.1018 Dem Romanisten Hanno Ehrlicher zufolge verdeutlicht der Film Soldados de Salamina, »dass er die Frage nach der Wahrheit der Geschichte, nach der Rekonstruierbarkeit authentischen Geschehens, aufgibt zugunsten der Frage nach dem Gelingen glaubwürdigen Erzählens«1019. Wie Romanautor Cercas in einem Gespräch mit Regisseur Trueba klarstellt: »Aber es wird nicht gelogen um des Lügens Willen, sondern um durch die Lüge zu einer höheren Wahrheit zu gelangen, eine Wahrheit, die nicht die der Fakten ist, die historische oder die journalistische Wahrheit, sondern eine universelle Wahrheit, eine moralische oder poetische Wahrheit.«1020 1013 Ehrlicher (2005), S. 14. 1014 Ebd. Ehrlicher spricht von einer »historiografisch-dokumentarische[n] Erzählbewegung des Filmes«: Ebd., S. 15. 1015 Vgl. Soldados de Salamina, 00:19:56 – 00:20:33 sowie 00:20:27 – 00:21:01. 1016 Vgl. S‚nchez-Biosca (2006b), S. 308 f. 1017 Wildner (2005), S. 548. Vgl. Neuschäfer (2002b), S. 25; NZZ (05. 04. 2003); La Vanguardia. Culturas (07. 05. 2003), S. 24; Neuschäfer (2007), S. 205 und 208; Suntrup-Andresen (2008), S. 266 f. sowie 270 – 275; Thibaudeau (2009), S. 104 und 108; Amago (2010), S. 248 und 258. 1018 Vgl. S‚nchez-Biosca (2008), S. 46. Eine vergleichbare Kombination von ›Faktischem‹ mit fiktionalen Filmaufnahmen findet in dem Film La doble vida del faquir (dt.: »Die zwei Leben des Fakirs«; ES 2005) statt: Hier vermischen sich historische ›Realität‹ und die Erinnerungen der befragten Zeitzeugen an die Handlung eines Märchenfilms, an dem sie mitten im Bürgerkrieg beteiligt waren, immer mehr miteinander. 1019 Ehrlicher (2005), S. 15. 1020 Alegre (2003), S. 18: »Pero no se miente porque s†, sino para, a trav¦s de la mentira, llegar a una verdad superior, a una verdad que no es la verdad de los hechos, la verdad histûrica o period†stica, sino una verdad universal, una verdad moral o po¦tica.« Ähnlich äußerte sich Schauspieler Ariadna Gil drei Jahre später in einem Gespräch mit Javier Cercas über El

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Roman und Film Soldados de Salamina waren einen »höchst effizienten Medienverbund«1021 eingegangen, wie dies bei anderen, vorherigen und nachfolgenden Kino- und Fernsehproduktionen zum Thema nicht in vergleichbarer Weise geschah. Romanautor Cercas selbst war bei den Dreharbeiten anwesend, was der Publikumszeitschrift Fotogramas eine Vorabreportage wert war.1022 Die Synergieeffekte zwischen Roman und Film Soldados de Salamina demonstriert jedoch am deutlichsten ein »aufwändiger Bildband zum Film«1023 mit dem Titel Di‚logos de Salamina (dt.: »Dialoge von Salamis«), der schwarz-weiß-Fotografien der Dreharbeiten sowie Unterhaltungen zwischen Schriftsteller Cercas und Regisseur Trueba enthält. Er gelangte bereits eine Woche vor dem offiziellen Kinostart von Soldados de Salamina in den Verkauf. Noch eine weitere Woche vor der Buchpublikation zierte ein großes schwarz-weiß-Foto des BildbandFotographen David Airob den Umschlag der La Vanguardia-Beilage Magazine. Es zeigt den Regisseur Trueba inmitten uniformierter Statisten. Die aufwändig bebilderte Reportage über die Dreharbeiten von Soldados de Salamina illustriert ein Gespräch zwischen Trueba und Javier Cercas und umfasst zehn Seiten.1024 Die während der Dreharbeiten entstandenen und in Di‚logos de Salamina abgedruckten Fotos von Airob wurden zudem als Cuaderno de campaÇa (dt.: »Feldtagebuch«) pünktlich zum Filmstart im Rahmen einer Ausstellung in Barcelona gezeigt.1025 Sowohl in ABC als auch in der Beilage El Semanal von El Pa†s wurden zwei Tage nach Filmstart Auszüge aus dem Buch Di‚logos de Salamina veröffentlicht.1026 Während der Dreharbeiten entstand darüber hinaus eine touristische Initiative mit dem Namen Rutas de Salamina (dt.: »SalamisReiserouten«).1027

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laberinto del fauno (Pans Labyrinth; ES-MX 2006), an dem sie ebenfalls mitwirkte: Vgl. El Pa†s (04. 08. 2006b). Ehrlicher (2005), S. 12. Vgl. Merino (2002), S. 158 f. Wildner (2005), S. 557. Vgl. La Vanguardia. Magazine (09. 03. 2003), Cover; Roglan, Joaquim: Memoria de libro y cine. In: ebd., S. 42 – 51. Airob war zu dem Zeitpunkt als Fotojournalist bei der Tageszeitung La Vanguardia beschäftigt, deren Interesse wiederum einem gewissen Lokalpatriotismus geschuldet gewesen sein dürfte: Romanautor Javier Cercas ist Katalane und die von ihm geschriebene Geschichte spielt größtenteils in katalanischen Orten, wo Regisseur Trueba drehte. Auch sind zahlreiche Schauspieler des Films Katalanen, ebenso die für die Erschießungsszene rekrutierten Statisten. Vgl. Bonet Mojica, Llu†s: El otro cronista y su cuaderno de campaÇa. In: La Vanguardia (16. 03. 2003), S. 52. Vgl. Astorga, Antonio: Miradas de Salamina. In: ABC (23. 03. 2003), S. 58 – 59; Soc†as, Jordi: Historias de soldados y amigos. In: El Pa†s. Semanal (23. 03. 2003), S. 48 – 51. Vgl. Bonet Mojica, Llu†s: El camaleûn falangista. In: La Vanguardia (05. 05. 2002), S. 52; Sol—, Francesc: Exprimir la historia. In: La Vanguardia. Vivir en Gerona (14. 09. 2003), S. 6; El Mundo (10. 01. 2008). Inzwischen führen insgesamt drei verschiedene Routen, auf Wunsch mit Führung, zu den Schauplätzen des Romans und seiner Verfilmung. Das Gehöft der Mar†a Ferr¦, deren Zeitzeuginnenbericht im Film Soldados de Salamina dem

Über eine Opferrhetorik hinaus? ›Anonyme Helden‹ im Franquismus

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Nach Fertigstellung des Films zeigte sich der Romanautor Cercas sehr zufrieden mit dem Ergebnis.1028 Auch wenn die Vorab-Premiere des Films in Madrid am 15. März 2003 im Applaus endete,1029 so blieb Truebas filmische Adaption von Cercas Bestseller mit 433.290 Zuschauern doch hinter den Erwartungen zurück.1030 Spanische Kritiker überzeugte der Film Soldados de Salamina in geringerem Ausmaß als Cercas Roman, der zwei Jahre zuvor in der spanischen Presse einstimmig gelobt worden war.1031 Regisseur David Truebas filmästhetisch innovative Herangehensweise wurde von der spanischen Kritik jedoch mehrheitlich positiv hervorgehoben: Während die Tageszeitung ABC die Verfilmung von Soldados de Salamina als »einen anderen Film über den Bürger-

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Schnitt zum Opfer fiel (Vgl. Soldados de Salamina, DVD-Extras, Escenas complementarias, Amigos del bosque, 00:01:12 – 00:05:33 und 00:09:20 – 00:10:39), ist zu einem kleinen Museum umfunktioniert worden: Vgl. El Mundo (10. 01. 2008). Vgl. ABC (15. 03. 2003), S. 63; Mora, Miguel: David Trueba reescribe con cine la emociûn y el enigma de Soldados de Salamina. In: El Pa†s (15. 03. 2003b), www.elpais.com (20. 02. 2012); ABC (23. 03. 2003), S. 58; Alegre (2003), S. 102; Caparrûs Lera (2004), S. 22. Truebas Drehbuch wiederum wurde mit einem Vorwort von Javier Cercas veröffentlicht: Vgl. Trueba (2003). Vgl. El Pa†s (15. 03. 2003b). Vgl. Filmdatenbank des spanischen Kultusministeriums, www.mcu.es (20. 02. 2012). Der Roman Soldados de Salamina »gehört zu den am meisten verkauften und übersetzten memorialistischen Texten der vergangenen zwanzig Jahre«: Altmann (2009), S. 205. Der Erfolg des Romans wird in der Regel in einem engen Zusammenhang mit einer frühen lobenden Rezension des berühmten peruanisch-spanischen Schriftstellers Mario Vargas Llosa gesehen: Vgl. Vargas Llosa, Mario: El sueÇo de los h¦roes. In: El Pa†s (03. 09. 2001), www.elpais.com (20. 02. 2012); Alegre (2003), S. 158; Wildner (2005), S. 557. Im Zuge der wohlwollenden Rezensionen weiterer einflussreicher Intellektueller – darunter unter anderem Susan Sontag – entwickelte sich Cercas Roman schnell zu einem Klassiker der zeitgenössischen spanischen Literatur : Vgl. Gûmez Lûpez-QuiÇones (2006), S. 50 f. Autor Cercas selbst stieg infolge seines Romanerfolgs zum Kolumnisten von El Pa†s auf und wurde dadurch zu einem »Schriftsteller-Publizist[en]«: Winter (2004), S. 643. Vgl. ebd., S. 649. Den spanischen Literaturbetrieb kennzeichnet Neuschäfer zufolge seit Ende der 1990er-Jahre eine besonders enge Zusammenarbeit, zuweilen gar Verschmelzung von Literaten und Journalisten: Vgl. Neuschäfer (2004), S. 608 – 612. Vgl. Hermans (2008), S. 77. Wenngleich Truebas Film von der spanischen Filmakademie dazu auserkoren wurde, für Spanien in den Wettbewerb um die Oscars zu gehen, so erhielt Soldados de Salamina bei der Goya-Verleihung von insgesamt acht Nominierungen nur eine der im spanischen Film- und Fernsehbereich begehrten und angesehenen Auszeichnungen: Vgl. o. V.: Soldados de Salamina optar‚ a ser incluida por Hollywood en la lucha por el Oscar. In: El Pa†s (01. 10. 2003), www.elpais.com (20. 02. 2012); Arenas, Jos¦ Eduardo: Soldados de Salamina pone al menor de los Trueba en el camino del Oscar. In: ABC (02. 10. 2003a), S. 49; MuÇoz, Diego: Otro Trueba hacia el Oscar. In: La Vanguardia (02. 10. 2003), S. 35; Cortijo, Javier : El soldado universal. In: ABC (05. 10. 2003), S. 65; Arenas, Jos¦ Eduardo: Ic†ar Bolla†n y David Trueba, primeros en la parrilla de salida de la carrera hacia los Goya. In: ABC (11. 12. 2003), S. 61; MuÇoz, Diego: Te doy mis ojos competir‚ con Soldados de Salamina por los premios Goya 2003. In: La Vanguardia (11. 12. 2003), S. 41; Filmdatenbank des spanischen Kultusministeriums, www.mcu.es (20. 02. 2012).

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krieg«1032 lobt, urteilt Kritikerin Mirito Torreiro: »Truebas Rekonstruktionsvorschlag des Bürgerkriegs ist wohl der glaubwürdigste, den diese Chronistin jemals in einem spanischen Film gesehen hat.«1033

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4.3.1 Monströse Bestien »Du bist eine Bestie.«1035

Carlos Boyeros Kritik an dem Kinospielfilm Las 13 rosas (13 Roses; ES-IT 2007), »dass immer der andere schlecht ist und sich irrt«1036, verweist darauf, dass dezidierte Täterfiguren in publikumswirksamen spanischen Kino- und Fernsehproduktionen seit 1996 meist keinen Teil der im Fokus des filmischen Narrativs stehenden, familiären oder anderweitig als solidarisch agierend dargestellten Gemeinschaft bilden. Sie stoßen von außen hinzu. Dies wird filmintern häufig durch Parallelisierungen der Täter zu anders- bzw. fremdartigen, wenn nicht gar monströsen Figuren unterstrichen. Die ›Spanienfilmen‹ des mexikanischen Regisseurs Guillermo del Toro, El espinazo del diablo (Das Rückgrat des Teufels; ES-MX 2001) und El laberinto del fauno (Pans Labyrinth; ES-MX 2006) machen dies besonders deutlich. Der Fokus auf eine bestimmte, in die Nähe des Dämonischen gerückten und dabei geradezu pervers gewalttätigen Figur lässt sich aber auch für die Darstellungen der Verantwortlichen in den Filmen gebürtig spanischer Regisseure feststellen. Der skrupellos ›Böse‹ in Las 13 rosas ist ein Militär und Falangist, capit‚n (dt.: »Hauptmann«) Fontenla, den Regisseur Emilio Mart†nez-L‚zaro bei seinem ersten Auftritt im schwarzen Anzug und mit Zigarette in der Hand in film noirManier inszeniert. Die in Las 13 rosas enthaltenen Folterszenen entlarven und 1032 ABC (15. 03. 2003), S. 62: »un filme distinto sobre la Guerra Civil«. 1033 Torreiro (2003b), S. 13: »la hipûtesis de reconstrucciûn de la Guerra Civil que pone Trueba en funcionamiento es probablemente la m‚s veros†mil que este cronista haya visto jam‚s en una pel†cula espaÇola«. 1034 Im Gegensatz zu den unter kapitel 2.2 im spanischen Kino und Fernsehen dargestellten Schuldigen für den Ausbruch des Bürgerkriegs ist im Folgenden deshalb von dezidiert ›franquistischen‹ Tätern die Rede, da General Francisco Franco seit Ende September 1936 als »Regierungschef« der aufständisch besetzten Gebiete fungierte (s. kapitel 4.1.1). Täterfiguren in Filmhandlungen, die sich chronologisch nach diesem Datum entfalten und deren Taten in den von Franco kontrollierten Gebieten verübt wurden, lassen sich demnach als ›franquistisch‹ bezeichnen. 1035 El espinazo del diablo, 01:21:10: »Eres una bestia«. 1036 El Pa†s (19. 10. 2007): »que el malo y el equivocado siempre es el otro«. S. auch kapitel 4.1.3.

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brandmarken Fontenla eindeutig als abgebrühten Täter. Er hat eine perverse Freude daran, das Foltern der zu ›Verhörenden‹ anzuleiten, zu betrachten und selbst aktiv zu werden, besonders bei Frauen.1037 Was die Protagonistin Julia im Vorfeld in Bezug auf ihre Widersacher nicht glauben wollte, bewahrheitet sich somit in der Figur des capit‚n: »Sie müssten Monster sein!«1038 Zwar verfügt Fontenla über Handlanger, beispielsweise seinen Folterknecht und die ihm unterstellten Soldaten. Dennoch ist er allein der dämonisierte ›Böse‹, der dem Filmnarrativ zufolge Gewalt befehligt. In der ersten Staffel der Fernsehserie Amar en tiempos revueltos (dt.: »Liebe in aufgewühlten Zeiten«; TVE/La 1, 2005 – 2012) ist der ›bestialische‹ ›Böse‹ der Opportunist Rafael, der während des Kriegs auf Seiten der Aufständischen kämpfte und danach eine Stelle als Polizist erhält. Er wird zur skrupellosen, grausamen Schreckensfigur, die alle fürchten, zu einem Despoten bzw. Tyrannen im Kleinen. In den meisten massenkompatiblen audiovisuellen Produktionen seit 1996, deren Handlung sich im franquistischen ›Neuen Staat‹ vollzieht, lässt sich eine Zuweisung der Schuld auf eine Figur allein konstatieren. Dabei handelt es sich meist um eine Nebenfigur, die im Rahmen des Film- bzw. Seriennarrativs nur in Ausnahmefällen zur Verantwortung gezogen und gerichtet wird.1039 Der Fokus auf eine einzige, alle negativen Charakteristika auf sich vereinende Täterfigur, wie sie in zeitgenössischen spanischen Kino- und TV-Produktionen mehrheitlich präsentiert wird, vermag angesichts der Tatsache nicht zu erstaunen, dass im nationalen Kontext die Schlussstrichrhetorik der transiciûn weiterhin ungebrochen dominiert. Auf juristischer Ebene demonstriert dies das Amnestiegesetz vom Oktober 1977: Das Ley de Amnist†a garantiert eine Generalamnestie für politische Delikte, die vor Mitte Dezember 1976 begangen worden waren.1040 Infolgedessen konnte niemand mehr Verurteilungen für vergangene Taten und Verbrechen verlangen, geschweige denn erwirken.1041 Das Amnestiegesetz zeigt somit deutlich, dass ›Versöhnung‹ zu transiciûn-Zeiten von offizieller Seite aus nicht nur rhetorisch angemahnt, sondern praktisch verordnet wurde:1042 ein ›Persilschein‹, der vor allem den Funktionseliten des Franquismus Schutz vor strafrechtlicher Verfolgung gewährte.1043 1037 Vgl. Las 13 rosas, 00:30:25 – 00:31:15, 00:47:58 – 00:50:53, 01:02:58 – 01:05:45. Capit‚n Fontenla wird interessanterweise nicht von einem spanischen, sondern von einem italienischen Schauspieler, Adriano Giannini, gespielt. Allerdings handelt es sich bei Las 13 rosas um eine Koproduktion, an der neben Adriano Giannini zum Beispiel auch die italienische Schauspielerin Gabriella Pession in der Rolle der Adelina beteiligt war. 1038 Ebd., 00:31:33 – 00:31:35: »¡Tendr†an que ser monstruos!« 1039 S. kapitel 5.2. 1040 Vgl. Macher (2002), S. 49; Bernecker (2004b), S. 701; Brinkmann (2005), S. 100. 1041 Vgl. Aguilar Fern‚ndez (2003), S. 20; Boyd (2008), S. 135; Ranzato (2007), S. 23; Elsemann (2011), S. 151 ff. 1042 Vgl. Humlebæk (2003), S. 163 f.

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Diese »Täteramnestie«1044 ermöglicht es einerseits, drängende Schuldfragen aus öffentlichen Debatten zu verbannen. Während der transiciûn leistete sie somit einen entscheidenden Beitrag dazu, ein besonders leidvolles Kapitel der spanischen Geschichte zugunsten eines Neuanfangs für besiegelt zu erklären.1045 Andererseits bleiben Fragen nach persönlicher Verantwortung und Schuld in Spanien dadurch bis heute aus öffentlichen Diskussionen ausgeklammert. Der einzige, der mit seinem Namen für das diktatorische Regime in Spanien einsteht, ist und bleibt Francisco Franco. Polizeiakten über Verdächtige und Informanten sind, sofern sie nicht vernichtet wurden, in Spanien bis heute nicht öffentlich zugänglich.1046 Zudem vermochte das »Gesetz über das historische Erbe« von 1985, das auf den Umgang mit den historischen Inhalten von Archiven abzielt, die Unklarheit nicht aus dem Weg zu schaffen, ob bei einzelnen Archivanfragen das Grundrecht auf Information oder das Grundrecht auf Ehre und Privatsphäre, das Derecho al Honor y a la Intimidad, Vorrang haben sollte. In diesen Konflikt geraten Historiker weiterhin und in einigen Fällen ist die Publikation entsprechender Untersuchungen, sofern sie Namen von Tätern anführt, mit dem Verweis auf das Grundrecht auf Ehre verboten worden.1047 Auch das im Dezember 2007 verabschiedete »Gesetz der historischen Erinnerung« (s. kapitel 4.1.1) sieht nicht vor, die in den Verfahrensakten franquistischer Gerichtsurteile angegebenen Namen von Henkern, Denunzianten, Richtern und Zeugen öffentlich zu machen.1048 Der Vorstoß des Untersuchungsrichters Baltasar Garzûn, der im Herbst 2008 unter anderem die im Amnestiegesetz enthaltene impunidad (dt.: »Straflosigkeit«) hoher franquistischer Amtsträger aufzuheben suchte, scheiterte.1049 Der Franquismus bleibt damit etwas Abstraktes, ein diktatorisches Regime mit einem einzigen, allmächtigen ›Bösen‹ an der Spitze. Die Möglichkeit, weitere Schuldige auszumachen, ist nicht gegeben.1050 Die Person Francisco Franco spielt als fiktionalisierte Figur in spanischen Kino- und Fernsehproduktionen seit 1975 indes nur selten eine prominente

Vgl. Sotelo (1994), S. 53; Bernecker (2004), S. 701; Balfour (2005a), S. 4. Bernecker/Brinkmann (2006), S. 240. Vgl. Bernecker/Brinkmann (2006), S. 242. Vgl. Tremlett (2006), S. 81. Vgl. NfflÇez Seixas (2010a), S. 49. Die Namen von Regime-Kollaborateuren wurden nur selten publik, wie beispielsweise der des Literaturnobelpreisträgers Camilo Jos¦ Cela: Vgl. Tremlett (2006), S. 85. Vgl. Jerez-Farr‚n/Amago (2010), S. 14 – 19. Cela, 2002 verstorben, schrieb 1951 den Roman La colmena (dt.: »Der Bienenkorb«), der sich um das Leben im Nachkriegsmadrid dreht und 1982 verfilmt wurde. 1048 Schon die Dokumente der Untersuchungskommission sollten jegliche Bezugnahmen auf konkrete Täter vermeiden: Vgl. Tremlett (2006), S. 422. 1049 Zum Vorstoß Garzûns s. ausführlicher unter kapitel 7.3. 1050 Vgl. Tremlett (2006), S. 422.

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Rolle und wenn, dann mehrheitlich als lächerliche Figur.1051 Dennoch ist für die Rezensenten klar, wer für die Gewalt in Kino- und TV-Produktionen, deren Handlung sich im franquistischen ›Neuen Staat‹ vollzieht, verantwortlich ist: Franco, auch wenn dieser im Rahmen der filmischen Fiktion höchstens erwähnt oder mit Hilfe von dokumentarischem Archivmaterial einmontiert wird. Eine bemerkenswerte Vielzahl von Kritiken nennt beispielsweise den Diktator Francisco Franco als alleinigen Schuldigen für den Tod der jungen Frauen im Film Las 13 rosas. So titelt Fotogramas mit Bezug auf Mart†nez-L‚zaros Film: »Die Roten, die Franco tötete.«1052 Im Artikel selbst wird Franco gar zu dem, der die jungen Frauen erschoss.1053 Der Nebenfigur des pervers gewalttätigen, ›bestialischen‹ capit‚n Fontenla kommt somit erkennbar eine Stellvertreterfunktion zu, die auf Franco als alleinigen Schuldigen verweist. Dabei lässt Fontenla als Mitglied der Falange außerdem einen deutlich ›faschistischen‹ Anstrich erkennen, was der Tatsache geschuldet ist, dass sich der Frühfranquismus aus historischer Perspektive am ehesten als ›faschistisiert‹ bezeichnen lässt.1054 In einer Rezension von Carlos Boyero in El Pa†s wird Franco bezeichnenderweise in einen Zusammenhang mit dem Holocaust, Hitler, Stalin, Videla und Pinochet sowie den amerikanischen Atombombenabwürfen auf Japan gegen Ende des Zweiten Weltkriegs gestellt.1055 Die ›totalitär-faschistoiden‹ Züge des frühen franquistischen Regimes werden dadurch herausgestellt und gleichzeitig wird eine ›Achse des Bösen‹ deutlich ausgewiesen, die mehrheitlich im Ausland zu verorten ist. Es gibt eine traditionelle Debatte um die Charakterisierung des Franquismus, der oftmals als ›autoritär‹ bezeichnet wird. Diese Bezeichnung geht auf eine 1051 Zum Beispiel in den Kinospielfilmen …Yal tercer aÇo, resucitû (…And the Third Year, He Resuscitated ; ES 1980), Esp¦rame en el cielo (dt.: »Warte im Himmel auf mich«; ES 1987), Madregilda (Madre Gilda; ES 1993), ¡Ay, Carmela! (Ay, Carmela! – Lied der Freiheit; ES-IT 1990), ¡Buen viaje, excelencia! (dt.: »Gute Reise, Exzellenz!«; ES 2003) und La gran aventura de Mortadelo y Filemûn (Clever and Smart; ES 2003). Im Rahmen eines ernsthaften Dramas, ganz ohne ›monströse‹ Überzeichnungen, wurde die Figur des Diktators bisher lediglich in Dragûn Rapide (ES 1986) inszeniert: Vgl. Deveny (1993), S. 20 ff.; Aguilar Fern‚ndez (2006a), S. 293 f. 1052 PiÇa (2007a), S. 124: »Las rojas que matû Franco«. Dieser Titel demonstriert, dass die Verwendung des pejorativen Begriffs der/die »Rote« in Spanien ohne distanzierende Anführungszeichen verwendet werden kann. Als ›Rote‹ bezeichneten die Aufständischen und späteren Franquisten Republiktreue. Die Verwendung dieses Begriffs diente einerseits dazu, das gegnerische Lager rhetorisch zu vereinheitlichen, zum anderen verschwand damit die Republik aus dem Sprachgebrauch, was Fragen wie die nach ihrer Legitimität hinfällig machte: Vgl. Godicheau (2005), S. 226 f. 1053 Vgl. PiÇa (2007a), S. 124. 1054 Und darüber hinaus transnationalen Darstellungskonventionen geschuldet ist, die den Figurentypus des ›faschistischen Urbösen‹ nahelegen. S. kapitel 7.1. 1055 Vgl. El Pa†s (19. 10. 2007). Zur Verknüpfung der franquistischen Repression mit dem Holocaust s. kapitel 7.3.

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statische Periodisierung zurück, in der die Planes de Estabilizaciûn (dt.: »Stabilisierungspläne«) von 19591056 zu einer ökonomischen Liberalisierung führten, die auf politischer Ebene mit einer Phase eines »relative political pluralism«1057 einherging. Dem gegenüber steht die Phase eines vermeintlich ›klassischen‹ »ersten Franquismus« (span.: primer franquismo), geprägt von Repression und großem sozioökonomischen Elend der spanischen Bevölkerung, bedingt durch den zerstörerischen Bürgerkrieg, die außenpolitische Isolation des franquistischen Regimes infolge des Zweiten Weltkriegs und die franquistische Wirtschaftspolitik der Autarkie.1058 Die daraus resultierende Möglichkeit, zwischen einem ›ersten‹, ›schlimmen‹ und einem ›zweiten‹, weniger ›schlimmen‹, da vermeintlich fortschrittsorientierteren Franquismus zu unterscheiden, unterschlägt allerdings zweierlei: Auf seine grundlegenden Prinzipien, das Vertrauen auf gewaltsame Methoden und deren soziale Funktion, setzte das Franco-Regime beinahe vierzig Jahre lang.1059 Zudem legte die repressive Phase der späten 1930er- und frühen 1940er-Jahre überhaupt erst den Grundstein für den späteren industriellen Aufschwung und verhalf ausschließlich den ›Siegern‹ zu einer Kapital- und Machtakkumulation.1060 Die wirtschaftliche Entwicklung, die durch die Planes de Estabilizaciûn in Spanien angestoßen wurde, sollte dem Machterhalt der franquistischen Eliten dienen und nicht etwa zu Neuerungen im politischen System führen. Als Modernisierungsdiktatur lässt sich die Diktatur Francisco Francos deshalb unmöglich begreifen.1061 Die Phase zwischen 1936 und 1945, genauer zwischen 1938 und 1942 lässt sich aufgrund der offensichtlichen Orientierung an und Inspiration Francos durch die Achsenmächte als ›totalitär‹ mit faschistoiden Zügen definieren. Dabei prägten spanische Historiker für die Anlehnung des Franco-Regimes an den

1056 S. Fußnoten 28 und 1699. 1057 Richards (1998), S. 14. Eine Charakterisierung des Franco-Regimes, die auf das Modell eines »limited […] political pluralism« (Linz (1970), S. 255) zurückgeht, das der Politikwissenschaftler Juan Linz ursprünglich 1964 ausarbeitete: Vgl. Richards (1998), S. 13 und 181; Bernecker (2002), S. 12 f. 1058 Infolge der Institutionalisierung des franquistischen ›Neuen Staats‹ rief die UNO im Herbst 1945 zu einem Abzug der internationalen Botschafter aus Madrid auf, ebenso zu einer wirtschaftlichen Blockade Spaniens: Vgl. Serrano (2001), S. 149 – 153. 1059 Vgl. ebd., S. 14. So ließ Franco noch zwei Monate vor seinem Tod, am 27. September 1975, fünf politische Gegner an einem Tag erschießen – trotz weltweiter Proteste. In dieser Hinsicht ist der Kinospielfilm Balada triste de trompeta (Mad Circus – Eine Ballade von Liebe und Tod; ES-FR 2010) interessant, der die Franco-Diktatur durchweg von Beginn der Filmhandlung 1937 bis zu ihrem Ende 1973 als repressiv inszeniert, als eine groteske Mischung aus Gewalt, Populärkultur und Sex. Zur Institutionalisierung der Repression im franquistischen ›Neuen Staat‹ s. kapitel 4.1.1. 1060 Vgl. Richards (1998), S. 11. 1061 Vgl. Bernecker (2002), S. 18.

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Faschismus, wie sie bis 1942 eindeutig erfolgte, den Begriff der fascistizaciûn1062 (dt.: »Faschistisierung«). Dieser Begriff unterstreicht, dass sich die neuen franquistischen Machthaber im Zuge des Aufbaus und der Konsolidierung des ›Neuen Staates‹ einzelne Elemente, Symbole und Praktiken faschistischer Ideologie aneigneten.1063 Der Aufstieg und Machterhalt des Franquismus beruhte im Gegensatz zu Nazi-Deutschland jedoch weder ausschließlich auf einer faschistischen Ideologie noch auf einer faschistischen Massenpartei. Zentral für das Regime waren die Person des Caudillo1064 sowie rechte Kräfte, die sich mehr oder weniger an den gleichen Werten orientierten, wie zum Beispiel katholischer Glaube, Einheit des Vaterlandes und Ordnung. Tragende Säulen des Franquismus waren neben der Falange EspaÇola vor allem das Militär, treibende Kraft hinter dem Putsch vom Juli 1936 sowie Abschreckungsinstrument und Personalreservoir für General Franco,1065 sowie die katholische Kirche als legitimierender Macht – der Katholizismus wurde im Franco-Spanien zur Staatsreligion.1066 Diese drei Grundpfeiler blieben während des gesamten Franquismus bestehen, unterschiedlich war nur die Gewichtsverteilung, mit der sich Franco auf sie stützte. Das Einflusspotenzial der einzelnen ihn unterstützenden Parteien hatte Franco bereits während des Bürgerkriegs geschickt einzudämmen gewusst, nämlich per Einigungsdekret: Er schloss Karlisten, rechte Republikaner und Monarchisten sowie die Falange EspaÇola am 19. April 1937 zu einer Einheitspartei unter seiner Führung zusammen: die Falange EspaÇola Tradicionalista y de las Juntas de Ofensiva Nacional Sindicalista (FET y de las JONS; dt.: »Traditionsgebundene spanische Falange und der nationalsyndikalistischen Angriffsgruppen«).1067 Dabei lässt sich die lange Lebensdauer des franquistischen Regimes mit der Anpassungsfähigkeit des Diktators an innen- wie außenpolitische Bedürfnisse und Umstände erklären.1068 So verloren falangistische Minister und Funktionäre nach der Schlacht um Stalingrad 1942/43 im FrancoSpanien an Macht. Der ursprünglich faschistische, antikapitalistische und laizistische Falange-Flügel innerhalb der FET y de las JONS verlor zunehmend an Cobo Romero (2008), S. 117. Vgl. Saz (2008a), S. 93. Vgl. Cobo Romero (2008), S. 142 f. S. Fußnote 723. Die spanischen Faschisten spielten bei der Konspiration, die zum Militärputsch führte, eine vergleichsweise untergeordnete Rolle: Vgl. Bernecker (2002), S. 10 f.; Saz (2008a), S. 91 f. 1066 Vgl. Bernecker (2002), S. 10 f. S. kapitel 4.3.2.2. 1067 Angesichts dieses ›von oben‹ erlassenen Einigungsdekrets spricht die spanische Zeitgeschichtsforschung Franco zu, einen »reverse coup d’¦tat [Herv. i. Orig.]« durchgeführt zu haben: Saz (2008a), S. 93. Vgl. Saz (2008b), S. 164. 1068 Vgl. Richards (1998), S. 16 – 19. Eine These, die belegt wird durch die Tatsache, dass das Regime erst mit Francos Tod endete. 1062 1063 1064 1065

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Gewicht, vorherrschend im franquistischen ›Neuen Staat‹ waren nunmehr ›nationalkatholisches‹ und antikommunistisches Gedankengut.1069 Die Mischung und Interaktion verschiedener Kräfte, auf die der Franquismus beruhte, erschwert eine allgemeine, umfassende Definition der Franco-Herrschaft.1070 Festzuhalten bleibt, dass eine Gleichsetzung des Franquismus mit dem Faschismus bzw. die Bezeichnung des Franquismus als Faschismus zu kurz greift, ebenso eine generelle Bezeichnung des Franquismus als autoritäres Regime. Dies tut der ungebrochenen Beliebtheit dieser beiden Interpretationen jedoch keinen Abbruch, im Gegenteil. Noch Ende Mai 2011 sorgten konservative Historiker der Real Academia de la Historia (dt.: »Königliche Geschichtsakademie«) für einen Aufschrei der Empörung, als sie ein Lexikon veröffentlichten, in dem der Franquismus als autoritäre Diktatur ausgewiesen wird.1071 Viele ihrer Kollegen sowie Angehörige der Opfer des Franquismus betrachten dies als unzulässige Beschönigung, die dabei helfe, die frühe totalitär-faschistoide Phase der franquistischen Herrschaft zu unterschlagen.1072 Prominent inszenierte Personifizierungen des Frühfranquismus als totalitärem Herrschaftssystem mit faschistoiden Zügen sind ausgerechnet in den ›Spanienfilmen‹ des gebürtigen Mexikaners Guillermo del Toro zu finden:1073 In El espinazo del diablo (ES-MX 2001) und in El laberinto del fauno (ES-MX 2006) agieren entsprechende Täterfiguren als Handlungsträger und darüber hinaus in einer Vaterrolle. Schon in spätfranquistischen bzw. unmittelbar postfranquistischen Kinofilmen wurde die Vaterfigur implizit in die Nähe einer ›monströsen‹ 1069 Vgl. Bernecker (2002), S. 12; Schmidt (2002), S. 446 – 455. Zum ›Nationalkatholizismus‹ s. Kapitel 4.3.2.2. 1070 Damit einhergehend ist strittig, inwieweit überhaupt von einer franquistischen Ideologie gesprochen werden kann: Vgl. Richards (1998), S. 16 – 19; Bernecker (2002), S. 11 ff.; Saz (2008a), S. 92 f. 1071 Vgl. Constenla, Tereixa: Franco, ese (no tan mal) hombre. In: El Pa†s (30. 05. 2011), www.elpais.com (20. 02. 2012); RiaÇo, Peio H.: Insistimos: Franco no fue totalitario. In: El Pa†s (10. 02. 2012), www.cultura.elpais.com (20. 02. 2012). 1072 Vgl. Bernecker (2002), S. 9; El Pa†s (30. 05. 2011b). Die Verfasser der staatlich subventionierten Lexikonpublikation mussten daraufhin zwar nachbessern, die ursprüngliche Tendenz einer ambivalenten, wenn nicht hagiografischen Betrachtung des Franco-Regimes blieb dadurch jedoch unverändert: Vgl. El Pa†s (10. 02. 2012). Die Real Academia de la Historia gilt als Hochburg konservativer Traditionalisten, die sich der Historikerin Carolyn P. Boyd zufolge besonders an der Tatsache stören, dass die maßgeblichen Impulse zur Erforschung der franquistischen Repression von der Peripherie kamen, von den nationalistischen Bewegungen in Katalonien, dem Baskenland und Galicien: Vgl. Boyd (2008), S. 137. 1073 El espinazo del diablo wie auch El laberinto del fauno gelten laut Filmdatenbank des spanischen Kultusministeriums dennoch als spanische Filme: Sie wurden größtenteils durch spanische Investoren finanziert und in Spanien gedreht, rekurrieren außerdem auf eine mehrheitlich spanische Schauspieler- und Film-Crew: Vgl. Filmdatenbank des spanischen Kultusministeriums, www.mcu.es (20. 02. 2012).

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Figur gerückt – schließlich gilt Franco als der spanische ›Übervater‹.1074 Die Romanistin Leora Lev spricht in diesem Zusammenhang von einem »monstrous paternalism«1075. In El espinazo del diablo ist es Jacinto, der Levs These entspricht, dass die Gewalt des »monströsen Paternalismus« nur knapp unter einer glatten Oberflächen lauere:1076 Jacinto ist der Pförtner eines Waisenheims, in dem sich die Handlung des Films überwiegend abspielt. Hinter seinem makellosen und muskulösen Äußeren ist er rücksichtslos, gefühlskalt sowie durch und durch verkommen. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang die Weigerung des Schauspielers Eduardo Noriega, sich für seine Rolle des Jacinto gelbe Zähne ankleben zu lassen.1077 Regisseur Del Toro hatte die Figur Jacinto ursprünglich auch äußerlich weitaus stärker in die Nähe des ›Monströsen‹ rücken wollen, Noriega jedoch meinte, Jacinto solle von außen so perfekt wie möglich erscheinen, innen aber einer moralischen Ruine gleichen.1078 Jacinto stiehlt seiner Chefin, der Heimleiterin Carmen, die er im Bett befriedigt, das Gold, das sie zu Bürgerkriegszeiten für die ›Sache‹ der Republik versteckt und im Zweifelsfall ausgibt. Für seinen Plan geht Jacinto wortwörtlich über Leichen: Wie gegen Ende des Films klar wird, schreckte er nicht davor zurück, das Kind Santi zu töten, das ihn bei seinen Diebstahlversuchen zufällig beobachtet hat. Auch im Verlauf des Films bedroht ›Ersatzvater‹ Jacinto die Waisenkinder direkt, scheut nicht davor zurück, sie anzuherrschen, sie grob anzufassen oder ihnen sogar Gewalt anzutun.1079 Schließlich sprengt Jacinto das Heim samt seiner erwachsenen wie kindlichen Bewohner in die Luft.1080 Dabei überrascht die Gewalt die Heimbewohner praktisch aus heiterem Himmel. In Analogie zu einer Bombe, die in den Innenhof des Heims einschlug, ohne zu explodieren, hat bis auf einige Kinder niemand mit Jacintos eruptivem, 1074 Vgl. Kinder (1993), S. 197 – 275. 1075 Lev (2001), S. 173. 1076 Vgl. ebd., S. 173 f. Levs These ruft das mit dem Mythos der leyenda negra einhergehende Bild wach, nach dem die Spanier die ihnen inhärente Gewalt nur mühsam hinter einer glatten Fassade verbergen, s. kapitel 3.1. Lev meint zwar, dass sich der Tenor der Darstellungen des ›monströsen Paternalismus‹ im spanischen Kino der 1990er-Jahre geändert habe, da die Topografien nunmehr im urbanen Raum angesiedelt seien. Aktuelle Filmproduktionen mit ›monströsen Vätern‹ in zeithistorischem Setting fokussieren jedoch weiterhin mehrheitlich den ländlichen Raum, darunter beispielsweise die hier detailliert analysierten El espinazo del diablo (ES-MX 2001), El laberinto del fauno (ES-MX 2006), Los girasoles ciegos (The Blind Sunflowers; ES 2008) und Pa negre (Black Bread; ES 2010). 1077 Vgl. The Devil’s Backbone, DVD-Extras, Interview mit Guillermo del Toro, 00:08:02 – 00:09:16; Ponga (2000a), S. 157. 1078 Vgl. The Devil’s Backbone, DVD-Extras, Making of, 00:06:21 – 00:06:46. Vielmehr absolvierte Noriega für die Rolle des Jacinto Krafttraining, um der makellosen Hülle der Filmfigur zu entsprechen. 1079 Vgl. El espinazo del diablo, 00:37:13 – 00:38:11. 1080 Vgl. ebd., 00:58:47 – 01:00:07.

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todbringenden Verhalten gerechnet, das er gut hinter seinem durchtrainierten Äußeren verbirgt. Anzeichen für einen unmittelbar drohenden Gewaltausbruch gibt es dennoch vereinzelt: Als die kindlichen Protagonisten Jaime und Carlos im ersten Drittel des Films nachts über den Hof gehen, kommentiert Jaime den Blindgänger mit folgenden Worten: »Sie sagen, er sei ausgeschaltet, aber ich glaube das nicht.«1081 Man höre ihn ticken, wenn man sich nähere, er lebe noch. Die Bombe ist demnach eine Erinnerung daran, dass noch nicht alles ausgestanden ist, dass die Anschläge seitens der Franquisten, in diesem Falle dezidiert der Faschisten – da Bomben im Spanischen Bürgerkrieg vornehmlich von deutschen Fliegern abgeworfen wurden – noch nicht vorbei sind.1082 Die tickende Zeitbombe, die letztlich hochgeht, alles explodieren lässt und ein Bild der Verwüstung anrichtet, ist allerdings Jacinto, was dieser Figur in Analogie zur Provenienz der Bombe einen ›faschistischen‹ Anstrich gibt.1083 Dabei wird die Gewalt, die die Bombe mit sich führt, unter anderem durch filmästhetische Mittel wie dem Einsatz der subjektiven Kamera – »where low angle shots show the bomb and Jacinto looming equally over the boys«1084 – mit der verbunden, die in Jacinto lauert: »A one-man army, Jacinto fulfills the threat of violence implied by the Nationalist bomb since the opening shot of the film.«1085 Seine Raffgier wird Jacinto letztlich zum Verhängnis. Die Waisenjungen stoßen den schwer verletzten Pförtner am Ende des Films in die Zisterne, in der auch Santi ertrank. Im Wasser sinkt Jacinto, weil er sich das Gold, nach dem er so sehr trachtete, zuvor um den Gürtel geschnallt hatte und sich nun nicht mehr davon befreien kann. Für die Romanistin Anne E. Hardcastle ermöglicht die Figur Jacinto in El espinazo del diablo deshalb folgende Lesart des ›Faschismus‹: »Jacinto turns against the home that has nurtured him and chooses to sell it out for his own personal gain. Through Jacinto’s greed, fascism is depicted as a betrayal of the people (the boys) and a self-serving bid for money and power rather than as an ideological position.«1086

Ob diese Darstellung im spanischen Kontext wiederum als unideologisch zu bewerten ist, wie es Hardcastle tut, darf bezweifelt werden. Gerade der Hinweis auf ökonomische Motive und damit einhergehende soziale Diskrepanzen leisten einen, zugegebenermaßen gering zu erachtenden Beitrag zur Bewertung des innerspanischen Konflikts als einem Krieg, dessen Wurzeln in spezifisch spa1081 Ebd., 00:20:00: »Dicen que est‚ apagada, pero yo no lo creo.« 1082 Die Metapher der Bombe ist ebenfalls zentral im Zusammenhang mit der Figur des Geistes des ermordeten Santi, s. kapitel 5.1. 1083 Zur Verknüpfung der Figur Jacinto mit dem Faschismus s. kapitel 7.1. 1084 Hardcastle (2005), S. 123. 1085 Ebd., S. 124. 1086 Ebd.

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nischen sozioökonomischen Bedingungen liegen. Entsprechend ist die eigentliche Gefahr in El espinazo del diablo nicht die, die von außen kommt, symbolisiert durch den über dem Heim abgeworfenen Blindgänger ›faschistischer‹ Provenienz. Die tatsächlich explodierende Zeitbombe befindet sich im Innern, verkörpert durch Jacinto, innerhalb einer auf engstem Raum lebenden Gemeinschaft, die das Spanien der 1930er-Jahre im Kleinen repräsentiert.1087 Andererseits schreibt Jacinto selbst sich an einer Stelle des Films eine unmenschliche, ›andersartige‹ Qualität zu, indem er sich als ein »Tier«1088 bezeichnet, ein Gentleman werde er nie sein.1089 Diese selbstironische Äußerung greift seine Verlobte Conchita an späterer Stelle des Films auf, nur um sie im Angesicht ihres unmittelbar drohenden Todes zu bestätigen: »Du bist eine Bestie.«1090 Jacintos Nähe zum ›Bestialischen‹ ruft das überkommene Motiv der Spanier als ›unkontrollierte‹, quasi animalische Wesen wach, die unmöglich in Frieden miteinander leben könnten.1091 Die Täterfigur wird in El espinazo del diablo zudem in die Nähe des Monströsen gerückt. So spielt das titelgebende »Rückgrat des Teufels« (span.: espinazo del diablo) auf eine Missbildung bei Neugeborenen an, bei denen die Wirbelsäule nicht von Haut bedeckt ist. Der Leiter des Waisenheims, der Arzt Dr. Casares, bewahrt in seinem Labor einige Anschauungsexemplare auf, konserviert in Formalin. Der Verkauf dieser flüssigen Konservierungslösung – im Film bezeichnenderweise »Wasser der Vorhölle [Herv. d. Verf.]«1092 genannt – stellt eine der Haupterwerbsquellen des Heims dar : Die Dorfbewohner meinen, mit Hilfe der Flüssigkeit alle möglichen Krankheiten abwehren zu können. Dabei besagt der gängige Aberglaube nach Dr. Casares, dass die mit dem ›Rückgrat des Teufels‹ geplagten Kinder eigentlich gar nicht hätten geboren werden dürfen.1093 Direkt nachdem die von Jacinto herbeigeführte Explosion das Heim verwüstet und zahlreiche seiner Bewohner getötet hat, zoomt die Kamera nochmals deutlich auf einen in Formalin eingelegten Fötus.1094 Dadurch wird klar : Es ist Jacinto, der eigentlich nicht hätte geboren werden dürfen. Auch wird die ›monströse‹ Qualität des Pförtners dadurch ersichtlich, dass nicht etwa der Geist, der das Waisenheim heimsucht, die wahre Bedrohung für die Heimbewohner darstellt, nein, zum Fürchten ist Jacinto. Der Gegensatz zwischen dem letztlich friedlichen Gespenst Santi und dem gewalttätigen Pförtner wird im Film nicht zuletzt deshalb besonders deutlich, 1087 1088 1089 1090 1091 1092 1093 1094

S. kapitel 2.1. El espinazo del diablo, 00:43:13: »animal«. Vgl. ebd., 00:43:09 – 00:43:20. Ebd., 01:21:00: »Eres una bestia«. S. kapitel 3.1. El espinazo del diablo, 00:39:14: »agua del limbo«. Vgl. ebd., 00:38:54 – 00:39:07. Vgl. ebd., 01:09:37 – 01:09:45.

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weil die Szenen, in denen Santi auftaucht, immer mit Szenen verbunden sind, die Jacinto zeigen.1095 Wie Hardcastle herausstellt: »[T]he consistent juxtaposition of the ghost’s lack of menace with Jacinto’s repressed rage and cruelty suggests a more potent source of danger than the tragic Santi ever does.«1096 Der Aussage des Kritikers Antonio Santamarina zum Trotz, der beklagt, dass die Figur Jacinto zu wenig entwickelt sei, bemühten sich Regisseur Del Toro wie auch der Schauspieler Noriega um eine Psychologisierung der Täterfigur.1097 Noriega betont, dass die Dinge für Jacinto nicht gut gelaufen seien: Der Pförtner sei sehr ehrgeizig und habe eine schwere Kindheit gehabt, die vor allem von einer absoluten Abwesenheit von Liebe und Zuneigung gekennzeichnet gewesen sei.1098 Jacinto selbst verbrachte fünfzehn Jahre in dem Waisenheim. Er ist dort aufgewachsen, möchte aber nicht, dass jemand davon erfährt. Dieser Ort ekle ihn an, so äußert er an einer Stelle des Films gegenüber seiner Verlobten, als Kind habe er nur heraus gewollt. Er habe davon geträumt, reich zu werden, um das Gebäude zu kaufen, nur, um es dann Stein für Stein abzureißen.1099 Laut Regisseur Del Toro handle es sich bei Jacinto um eine Figur, die das Gefühl hat, zu kurz gekommen zu sein im Leben: »Er bedauert, dass das Leben ihn zum Prinzen gemacht haben müsste und er ein Waisenkind ist.«1100 Diese Charakterisierung taucht in El espinazo del diablo beinahe wörtlich auf, ausgesprochen durch die Heimleiterin Carmen, die ihren ehemaligen Schützling und jetzigen Liebhaber Jacinto als Prinzen ohne Königreich bezeichnet, ebenfalls als Mann ohne Wärme.1101 Von allen Waisen sei er immer der traurigste und der verlorenste gewesen.1102 Was Jacinto nicht zu verwinden scheint, ist die Erfahrung, dass er verlassen worden ist. So ›explodiert‹ er, nachdem er erfährt, dass die Leiter des Heims planen, mit so vielen Waisenkindern wie möglich zu fliehen. An ihn hat dabei niemand gedacht.1103 Es liegt ihm derart viel an der Meinung anderer, dass er letztlich seine Verlobte kaltblütig ersticht, weil sie sich im Beisein seiner Komplizen geweigert hat, ihn um Verzeihung zu bitten. Im Gegensatz

1095 1096 1097 1098 1099 1100 1101 1102 1103

Vgl. Hardcastle (2005), S. 123. Ebd. Vgl. Santamarina (2001), S. 24. Vgl. The Devil’s Backbone, DVD-Extras, Making of, 00:04:41 – 00:04:56. Vgl. El espinazo del diablo, 00:15:00 – 00:15:28. Diese Äußerung charakterisiert den portero Jacinto letztlich ebenfalls als so etwas wie einen Geist aus der Vergangenheit, da er zur Wiederkehr verdammt ist. S. kapitel 5.1. The Devil’s Backbone, DVD-Extras, Interview mit Guillermo del Toro, 00:08:43 – 00:08:47: »[S]iente que la vida le deber†a haber hecho pr†ncipe y es un hu¦rfano.« Vgl. El espinazo del diablo, 01:31:52 – 01:32:07. Vgl. ebd., 01:00:17 – 01:00:25. Vgl. ebd., 00:59:17 – 00:59:27; Hardcastle (2005), S. 124.

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dazu stehen Szenen, in denen auch weiche Seiten der Figur Jacinto zur Darstellung gelangen, zum Beispiel als er Fotos seiner Eltern betrachtet.1104 In Del Toros zweitem ›Spanienfilm‹ El laberinto del fauno ist es ein franquistischer Militär, capit‚n Vidal, der in aller Deutlichkeit den eingangs beschriebenen ›monströsen Paternalismus‹ verkörpert. Er ist der kürzlich angeheiratete Stiefvater der 13-jährigen Protagonistin Ofelia und Vater ihres zu Beginn der Filmhandlung noch ungeborenen Stiefbruders, stößt somit – in gewohnter Manier – von außen zur familiären Gemeinschaft hinzu. Ordnung und Disziplin gehen dem als eitlen Pedanten dargestellten Hauptmann Vidal über alles, beides Werte, die im stark von Militärs geprägten Franco-Regime hoch gehalten wurden. Sein Blick geht konstant zu seiner Uhr ; er hasst Verspätungen und Außerplanmäßigkeiten. Vidal legt zudem – ähnlich wie Jacinto – sehr viel Wert auf Äußerlichkeiten, worauf seine exzessive Rasur und das Putzen seiner Stiefel hinweisen.1105 Darüber hinaus kennzeichnet ihn eine Obsession für Details. So liebt er Dinge, die er durch eine Lupe betrachten kann – und verliert darüber, so Del Toro im Audiokommentar zu seinem Film,1106 die großen Dinge wie beispielsweise ›Menschlichkeit‹ wortwörtlich aus den Augen. Seine Kommentare gegenüber seiner Haushälterin Mercedes sowie sein Verhalten gegenüber seiner Frau charakterisieren ihn außerdem als Macho, was den Franquismus laut der Romanistin Verena Berger perfekt einfängt.1107 Der Charakterzug Vidals, der in El laberinto del fauno jedoch am offensichtlichsten zur Darstellung gelangt, ist seine Fähigkeit zu kaltblütig-abgebrühter Brutalität und Gewalt. Schon bei der Einführung seiner Figur wird er gewalttätig gegenüber seiner Stieftochter Ofelia: Er quetscht ihre linke Hand, die sie ihm fälschlicherweise zur Begrüßung hingehalten hatte.1108 Im Verlauf des Films foltert und tötet er Unschuldige und zeigt keinerlei Skrupel, Menschen in den Rücken zu schießen. Wie während eines Festessens deutlich wird, das Vidal für die Honoratioren des Ortes ausrichtet, versteht sich der Hauptmann selbst als überzeugter Franquist und Tyrann in seinem Herrschaftsgebiet, demnach als ›Diktator im Kleinen‹ mit 1104 Vgl. The Devil’s Backbone, DVD-Extras, Making of, 00:06:37 – 00:06:56. 1105 Ähnlich eitel wie capit‚n Vidal gibt sich capit‚n Fontenla im später produzierten Las 13 rosas: Vgl. Las 13 rosas, 01:02:12 – 01:12:16. An einer Stelle des Films streicht Fontenla sich die Haare mit einer ähnlichen Geste zurück, für die Del Toro Sergi Lûpez in seiner Darstellung Vidals lobte, da sie die Eitelkeit der Täterfigur unterstreiche: Vgl. Pans Labyrinth, DVD-Extras, Audiokommentar von Guillermo del Toro, 01:27:01 – 01:27:40 sowie Las 13 rosas, 01:05:43. Während El laberinto del fauno bereits Ende Mai 2006 auf dem Filmfestival in Cannes gezeigt wurde, um dann am 10. Oktober desselben Jahres in den spanischen Kinos anzulaufen, wurde Las 13 rosas zwischen dem 12. August und dem 28. Oktober 2006 gedreht – Anregungen wären also theoretisch durchaus möglich. 1106 Vgl. Pans Labyrinth, DVD-Extras, Audiokommentar von Guillermo del Toro, 00:09:00–00:09:54. 1107 Vgl. Berger (2009), S. 179. Gleichzeitig dient der machistische Vidal als Kontrastfolie zur Aufwertung der weiblichen Perspektivträgerinnen, s. Fußnote 1445. 1108 Vgl. El laberinto del fauno, 00:06:16 – 00:06:31.

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durchaus ›faschistischen‹ Anleihen. So reagiert er auf die Relativierung des Bürgermeisters »Wir wissen, dass Sie nicht hier sind, weil es Ihnen gefällt«1109 indigniert: »Da täuschen Sie sich. Ich bin hier, weil ich will, dass mein Sohn in einem sauberen und neuen Spanien geboren wird. Denn diese Leute gehen von einer irrigen Annahme aus: Dass wir alle gleich sind. Aber es gibt einen großen Unterschied: Dass der Krieg vorbei ist und wir gewonnen haben. Und wenn wir diese Hurensöhne umbringen müssen, damit alle Bescheid wissen, na, dann bringen wir sie eben um und fertig. Wir sind alle hier, weil es uns gefällt.«1110

Die Tageszeitung ABC bezeichnet Vidal als Verkörperung des »Autoritarismus«1111, als »siegreichen Amtsträger und Despot, der die asthmatische, erstickende und finstere, unerträgliche Realität jenes Spanien verkörpert«1112. Vidal wird hier zudem als Sinnbild von Gewalt und Machismo begriffen, die Figur seiner Haushälterin Mercedes entsprechend als »lebendiges Abbild der Erniedrigung angesichts der aufoktroyierten Herrschaft«1113. Dirigido por liest die Figur des Hauptmanns Vidal ähnlich als perfektes Symbol des siegreichen Spaniens: machistisch und brutal, grausam und sich an der Angst seiner Untergebenen erfreuend.1114 Schauspieler Sergi Lûpez’ Performance als capit‚n Vidal in El laberinto del fauno wurde von spanischen Kritikern durchweg positiv hervorgehoben.1115 Dabei werden Vidals Handlungen in der ›realen‹ Welt filmästhetisch mit denen mehrerer in einer Märchenwelt agierender Monster parallelisiert. Besonders einprägsam sind in diesem Zusammenhang die durch die Set-Gestaltung erzielten visuellen Analogien zwischen dem Festessen, das Hauptmann Vidal ausrichtet, und dem Bankettsaal, in dem ein monströses Wesen auf Ofelia wartet. Der Figur Vidal entspricht – optisch eindrucksvoll in Szene gesetzt – das in der Märchenwelt am Kopfende eines überladenen Esstischs thronende, ge1109 Ebd., 00:38:25 – 00:38:27: »Sabemos que no est‚ aqu† por gusto«. 1110 Ebd., 00:38:30 – 00:38:50: »En esto se equivoca. Yo estoy aqu† porque quiero que mi hijo nazca en una EspaÇa limpia y nueva. Porque esta gente parte de una idea equivocada: Que somos todos iguales. Pero hay una gran diferencia: Que la guerra terminû y ganamos nosotros. Y si para que nos enteremos todos hay que matar a estos hijos de puta, pues, los matamos y ya est‚. Todos estamos aqu† por gusto.« 1111 O. V.: El malo y la buena. In: ABC de Sevilla (13. 10. 2006b), S. 64: »autoritarismo«. 1112 ABC de Sevilla (13. 10. 2006), S. 65: »oficial victorioso y d¦spota que encarna la insoportable realidad asm‚tica, sofocante y tenebrosa de aquella EspaÇa«. 1113 ABC de Sevilla (13. 10. 2006b), S. 64: »viva imagen de la humillaciûn ante el dominio impuesto«. 1114 Vgl. Hern‚ndez (2006), S. 30. 1115 Sergi Lûpez verkörperte in Villarongas Pa negre (ES 2010) abermals eine Täterfigur, allerdings in einer Nebenrolle: den seine Macht ausspielenden Bürgermeister eines kleinen katalanischen Ortes, s. Fußnote 1790.

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sichtslose Monster. Die ›reale‹ Welt ist hier in der ›fantastischen‹ komplett gespiegelt; unterscheiden tun sich die beiden nur in der Form, nicht aber in ihrem Inhalt.1116 Durch Gemälde im Bankettsaal wird insinuiert, dass es sich bei dem Monster um einen Oger handelt, der Kinder verspeist; ein Hinweis, der sich bestätigt sieht, als das Monster wenig später, vor Wut rasend, kleine Feen mit den Zähnen regelrecht zerfleischt – ein deutlicher Rekurs auf das bekannte Gemälde Francisco Goyas mit dem Titel Saturno devorando a su hijo.1117 Nach einem griechischen Mythos fürchtete Saturn, dass seine eigenen Kinder ihn vom Thron stoßen könnten, weswegen er eines nach dem anderen nach ihrer Geburt verschlang. Ähnliches tut Vidal in der ›realen‹ Welt. Er ist nur interessiert an seinem ›wahren‹ Nachfolger, seinem Sohn, dem Stammhalter, und zögert nicht, seine Stieftochter Ofelia, die sich ihm widersetzt, kaltblütig zu erschießen.1118 Das Monster der Fantasiewelt spiegelt zudem Charakteristika wider, die auf Hauptmann Vidal zutreffen. Genauso wie Vidal unfähig ist, das große Ganze zu sehen, so hat das gesichtslose Wesen keine Augen im Kopf. Spätestens gegen Ende des Films, als Hauptmann Vidal mit grotesk aufgeschlitzter Wange herumbrüllt und sich diese in unmenschlicher Schmerzverleugnung selbst wieder zunäht, ist klar : Dieser Mann ist ein übernatürliches, gefühlloses Monster. Vidal wird zuletzt gar zu einer Art Teufel, als Flammen eines Kamins wie Hörner hinter ihm aufflackern. Nicht der titelgebende Faun – eine Figur, die aus der römischen Mythologie stammt und im Film wenig vertrauenswürdig inszeniert wird –,1119 sondern Vidal übernimmt in dem Film die Rolle des Monsters, wie Del Toro betont.1120 Weiterhin unterstrichen wird der Fokus auf Hauptmann Vidal als alleinigem ›Bösen‹, der allen Hass auf sich zieht, durch die bewusste Anlehnung 1116 Die Märchenwelt ist mit Hilfe runder Formen gestaltet, in der ›realen‹ überwiegen gerade Linien. Die Kamerabewegungen differieren ebenfalls: In der fantastischen Welt sind sie dynamischer. Die Gestaltung des Szenenbildes in El laberinto del fauno wurde mit einem Oscar prämiert, ebenso die Maske und die Kameraarbeit. Letztere wurde auch mit einem Goya belohnt. 1117 Vgl. El laberinto del fauno, 00:55:30 – 00:55:40 sowie 00:58:20 – 00:58:35. Goyas bildhafte Darstellungen der Gewalt als ein Instrument der politischen Kritik übten der Filmwissenschaftlerin Marsha Kinder zufolge ein besonders starken Einfluss auf das kritische spanische Kino während des und im unmittelbaren Postfranquismus aus. Das demokratische Kultusministerium benannte das spanische Äquivalent zu den amerikanischen Oscar nicht grundlos nach dem berühmten Maler : Vgl. Kinder (1993), S. 138 ff. 1118 Vgl. El laberinto del fauno, 01:03:39 – 01:03:47 sowie 01:44:17 – 01:44:29. Zur Generationenthematik in El laberinto del fauno s. kapitel 5.2, zu Ofelias Ungehorsam s. kapitel 5.3. 1119 Zur ambivalenten Figur des Fauns in El laberinto del fauno s. Fußnote 1443. Der griechische Gegenpart zum Faun ist der Pan: ein Mischwesen, halb Mensch, halb Ziege, meist dargestellt mit menschlichem Oberkörper und Bocksfüßen und Schwanz – so auch in El laberinto del fauno. 1120 Vgl. Arenas, Jos¦ Eduardo: Un cuento de hadas en un entorno perverso. In: ABC de Sevilla (13. 10. 2006a), S. 64.

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des Films an die Erzählstruktur eines Märchens.1121 Wie im Märchen gibt es in El laberinto del fauno eher Typen als psychologisch voll entwickelte Charaktere. Vidal ließe sich als ›böser Wolf‹ bzw. als ›böser Stiefvater‹ bezeichnen, dem narrativ als das ›Gute‹ das unschuldige Kind Ofelia gegenüber steht.1122 Die Dämonisierung der Täter in El espinazo del diablo und besonders in El laberinto del fauno eröffnet berechtigte Fragen wie die, ob eine solche Darstellung nicht eine Entschuldungsrhetorik stützt, die die spanische Bevölkerung als bloßes ›Opfer‹ eines alleinigen, allmächtigen und übernatürlichen Bösewichts erscheinen lässt. Sogar die Hauptmann Vidal untergebenen Militärs haben Angst vor ihrem Chef und schütteln bisweilen den Kopf angesichts seiner grausamen Gewaltausbrüche – beispielhaft vorgeführt, als der Hauptmann nach nur einer Viertelstunde Filmdauer den Sohn eines Bauern mit Hilfe einer Weinflasche abschlachtet.1123 Direkt im Anschluss ist in der Ferne ein Zug zu hören, während die Grillen zirpen. Del Toro wollte mit dieser Kontrastierung von on screen Gewalt und scheinbar friedlichem Landleben die Alltäglichkeit von Tod und Gewalt gegen Zivilisten im Bürgerkrieg wie auch im Nachkriegsspanien betonen.1124 Gleichzeitig demonstriert diese Sequenz die Überheblichkeit, mit der diejenigen im frühen Franco-Spanien agierten, denen absolute Entscheidungsgewalt über repressive Maßnahmen sowie über Menschen und deren Ansehen zustand. So versucht der Sohn des Bauern Vidal eingangs noch zu beschwichtigen: »Capit‚n, mein Vater ist ein ehrbarer Mann.« Darauf entgegnet Vidal: »Das entscheide ich.«1125 In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass die frühe Franco-Diktatur über die Zeichnung der Figur Vidal, seiner Macht und seines unberechenbaren Einsatzes kaltblütiger Gewalt, in Del Toros El laberinto del fauno dezidierter und expliziter als in bisherigen spanischen Kino- und Fernsehproduktionen als totalitäres Regime mit faschistoiden Zügen erkennbar wird.1126 Auch Folter als ›legitimes‹ Mittel des Militärs im Kampf gegen Gegner des franquistischen Re1121 Vgl. ABC de Sevilla (13. 10. 2006), S. 65; Fern‚ndez Pinilla (2007), S. 197. S. kapitel 5.3. Die Anlehnung an die Erzählstruktur wie auch an die Motive eines Märchens macht El laberinto del fauno zu einem offensichtlichen Beispiel für die zunehmende Hybridisierung audiovisueller Produktionen spanischer Provenienz, die sich Themen der jüngeren Vergangenheit annehmen. 1122 Zum Figurentypus des ›unschuldigen Kindes‹ in spanischen Kino- und TV-Produktionen s. kapitel 4.3.2. 1123 Vgl. El laberinto del fauno, 00:14:40 – 00:16:51. Laut Del Toro basiert diese Szene auf einer Begebenheit aus der spanischen Nachkriegszeit: Vgl. Pans Labyrinth, DVD-Extras, Audiokommentar von Guillermo del Toro, 00:15:38 – 00:16:08. 1124 Vgl. ebd., 00:16:38 – 00:18:15. 1125 El laberinto del fauno, 00:14:53 – 00:14:56: »Capit‚n, mi padre es un hombre honrado.« Darauf entgegnet Vidal: »Eso, lo decido yo.« 1126 Zu den filminternen Elementen, die in El laberinto del fauno eine Interpretation des Franquismus als Faschismus nahelegen, s. kapitel 7.1.

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gimes wird in El laberinto del fauno thematisiert. Einerseits dient dies dazu, Hauptmann Vidal in die Nähe der Methoden zu rücken, die sadistischen Serienmördern zugeschrieben werden. Wie durch die Wiederholung des Einstiegs in zwei verschiedene Sequenzen deutlich wird, folgt er einem regelrechten Ritual, mit dem er sich auf das bevorstehende Foltern einstimmt. Der sichtliche Genuss, den ihm die Aussicht auf die Anwendung von Gewalt verschafft, lässt Vidal umso ›monströser‹ erscheinen. Die filminterne Betonung auf dem Ritualcharakter dient andererseits als Hinweis auf die Systematik, mit der Regimegegner im Franco-Spanien der unmittelbaren Nachkriegszeit verfolgt und mundtot gemacht wurden. Dabei wird die Gewalt dieses Mal – im Gegensatz zur Flaschenszene – off screen und lediglich über die Zurschaustellung der Folterinstrumente inszeniert.1127 Wie bei der Flaschenszene werden im Zusammenhang mit der bevorstehenden Folterung eines stotternden Widerstandskämpfers filmintern jedoch abermals Vidals Überheblichkeit und Gefühlskälte betont. »Über mir gibt es niemanden«1128, lässt er den Stotternden wissen, den er mit dem Versprechen demütigt, ihn freizulassen, sollte er bis drei zählen können, ohne sich auch nur einmal zu verhaspeln – was erwartungsgemäß nicht gelingt. Über den Entschluss des Hauptmanns Vidal, die über Lebensmittelkarten erfolgende Ausgabe an Nahrungsmitteln noch weiter zu rationieren, thematisiert Del Toro in El laberinto del fauno zudem den allgegenwärtigen Mangel in der Nachkriegszeit.1129 Vidal nimmt dafür bewusst in Kauf, die anwohnende Zivilbevölkerung unter noch mehr Hunger leiden zu lassen, als in der Nachkriegszeit ohnehin an der Tagesordnung war. Damit will er die enlaces (dt.: »Verbindungsmänner« bzw. »-frauen«) im Dorf, auf deren Unterstützung die Widerstandskämpfer in den Bergen angewiesen sind, zum Aufgeben zwingen.1130 Dabei kontrastiert die Armut und die Not der um Lebensmittel Schlange 1127 Vgl. El laberinto del fauno, 01:11:08 – 01:13:53. Die Folterszene hat Del Toro angeblich bereits 1993 geschrieben, als er einen Film über den Spanischen Bürgerkrieg drehen wollte, der verknüpft gewesen wäre mit der Mexikanischen Revolution: Vgl. Pans Labyrinth, DVD-Extras, Audiokommentar von Guillermo del Toro, 01:10:20 – 01:10:48. 1128 El laberinto del fauno, 01:12:52 – 01:12:54: »Por encima de m†, no hay nadie«. 1129 Vgl. ebd., 00:08:48 – 00:09:08. 1130 In Gegenden, wo die antifranquistische guerrilla aktiv war, war es die Strategie der franquistischen Machthaber, das alltägliche Leben der die Kämpfer potenziell unterstützenden Bevölkerung zusätzlich zu erschweren: Vgl. Richards (1998), S. 53. Im Film El laberinto del fauno wird durch Vidals Entscheidungen umgekehrt der Robin Hood-artige Eindruck verstärkt, den die guerrilleros hinterlassen: Sie rauben die Vorratskammer des ›Bösen‹ aus, um der Dorfbevölkerung dem Filmnarrativ zufolge das zukommen zu lassen, was ihnen zusteht. Sie erfüllen somit den Mythos des ›Rächers der Entrechteten‹ und werden filmintern wesentlich positiver, unbeugsamer und solidarisch agierender dargestellt als ihre kinematografischen Vorgänger in Silencio roto (Broken Silence; ES 2001), s. kapitel 4.2.1. Zudem tragen Ofelia und Mercedes mit ihren Aktionen maßgeblich zur Aufwertung des antifranquistischen Widerstandes bei, s. kapitel 5.3.

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stehenden Dorfbewohner stark mit der Opulenz der durch Vidal repräsentierten franquistischen Machthaber. Besonders deutlich wird dieser Kontrast anlässlich eines Festessens, zu dem der capit‚n die Honoratioren der Dorfgemeinschaft lädt. Schon während der Vorbereitungen zum Essen wird Vidal von seinen Angestellten in der Küche ausdrücklich als »seÇorito«1131 bezeichnet, also als eine Art »feudal lord«1132, der für seine Gäste trotz Hungersnot opulente Gerichte auffährt. Während sich unter den beim Essen Anwesenden ein kurzes Gespräch darüber entspinnt, ob die von Vidal stolz präsentierten Lebensmittelkarten denn überhaupt den Bedarf ihrer Empfänger decken können, biegt sich der Banketttisch förmlich unter den Speisen, die Hauptmann Vidal seinen Gästen serviert.1133 Die Anklage gegen die franquistischen Machthaber, sich auf Kosten ihrer Untergebenen gütlich tun, wird in El laberinto del fauno wiederum durch einen Erzählstrang überhöht, der sich parallel in der ›fantastischen‹ Welt vollzieht: Ein solcher Schlüssel, wie Vidal ihn in der ›realen‹ Welt zur Vorratskammer besitzt, befindet sich in der Fantasiewelt der jungen Protagonistin Ofelia in dem schleimigen Maul einer Kröte, die einen Baum am Atmen hindert.1134 In der ›realen‹ Welt entspricht diese Metapher der hungernden Dorfbevölkerung, Opfer der Saturiertheit und gleichzeitigen Unersättlichkeit der franquistischen Elite. Während der Baum zugrunde geht, wird die Kröte immer fetter und fetter. Allerdings stirbt die Kröte an ihrer Gier, ebenso wie Vidal gegen Ende des Films. Obgleich vor allem neuere fiktionale audiovisuelle Produktionen spanischer Provenienz ein Bemühen erkennen lassen, ›einfache‹ Leute bzw. Angehörige der Zivilbevölkerung vermehrt als Nebenfiguren in Erscheinung treten zu lassen, die sich aufgrund von Befehlsketten, der Angst vor Repressalien, wegen des Begleichens ›alter Rechnungen‹ oder aus ökonomischen Beweggründen zur Kollaboration mit dem Franco-Regime entschieden haben,1135 bleibt die Zeichnung expliziter franquistischer Täterfiguren überwiegend stereotyp und wenig nuanciert. Dabei vollziehen sich die Aktionen einzelner, ultimativ ›böser‹ männlicher Täterfiguren in spanischen Kino- und Fernsehproduktionen – den ›Säulen‹ entsprechend, auf die sich die franquistische Herrschaft stützte – meist 1131 El laberinto del fauno, 00:24:51 – 00:24:53. 1132 Guillermo del Toro; zit. n.: Pans Labyrinth, DVD-Extras, Audiokommentar von Guillermo del Toro, 00:38:01 – 00:38:07. 1133 Vgl. El laberinto del fauno, 00:37:51 – 00:39:00. 1134 Zusätzlich hat – wie Regisseur Del Toro in seinem Audiokommentar zum Film betont – die schwarz schimmernde, sich aufplusternde Haut der fetten Kröte in der Fantasiewelt ihre optische Entsprechung in den schwarzen Regenschirmen, die in der ›realen‹ Welt aufgespannt werden, um Hauptmann Vidals Gäste – die Honoratioren des Franquismus – zum Festessen zu geleiten: Vgl. Pans Labyrinth, DVD-Extras, Audiokommentar von Guillermo del Toro, 00:36:30 – 00:37:15. 1135 S. kapitel 6.2.

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in Gefolgschaft vereinzelter Anhänger des Militärs, überwiegend in Form der guardia civil, der katholischen Kirche, meist ein Priester in schwarzer Kutte, der Falange, gut erkennbar an einer Figur im blauen Hemd oder einem Anzug tragenden, jungen seÇorito, oder/und der Karlisten, leicht auszumachen an der roten Baskenmütze der requet¦s.1136 Diese Figuren haben dem Filmwissenschaftler John Hopewell zufolge zwar die Funktion, die Taten des Einzelnen in und mit einem bestimmten Kollektiv zu verankern,1137 andererseits vermögen sie kaum etwas gegen die Dominanz und scheinbare Omnipotenz des einzelnen ›dämonisierten‹ ›Bösen‹ auszurichten. Dem gegenüber lässt eine differenzierte Darstellung der Handlungen von Vertretern der niederen Ränge der guardia civil oder des regulären spanischen Heeres während und nach dem Krieg bisher auf sich warten.1138 In Silencio roto (Broken Silence; ES 2001) beispielsweise rückt auf Seiten der guardia civil neben Täterfiguren wie einem teniente (dt.: »Leutnant«) und einem sargento (dt.: »Feldwebel«) zwar die Figur eines cabo (dt.: »Gefreiten«) in den Blick. Während jedoch vor allem der teniente, in dessen Zimmer ein Porträt Francos hängt,1139 den üblichen Darstellungskonventionen entsprechend eine geradezu perverse Befriedigung aus Demütigungen und Gewalt zieht, zeichnet sich der cabo, Sinnbild des ›einfachen‹ Soldaten, dadurch aus, seinem Amt so ›gemäßigt‹ und hilfsbereit wie möglich nachzugehen.1140 So versucht die Frau des cabo, ihn zu entschuldigen: »Mein Mann macht, was man ihm befiehlt. Er trägt nicht die Schuld an dem, was passiert, er gehorcht nur Befehlen.«1141 Diese Entschuldungsrhetorik wie auch das Verhalten des cabo lässt seine Vorgesetzten umgekehrt umso abgebrühter und ›extremer‹ erscheinen. In Las 13 rosas (ES-IT 2007) formuliert Protagonistin Julia gegen Filmende zwar eine deutlich formulierte Anklage der Soldaten, die die Erschießungskommandos bilden,1142 andererseits hatte gerade sie sich im Verlauf der Filmhandlung in 1136 Mit requet¦s werden die Milizen der Karlisten (s. Fußnote 210) bezeichnet, die nach dem Militärputsch vom Juli 1936 in Francos nationale Truppen integriert wurden. Auf die Zusammensetzung dieser stereotypen Tätergruppe wird in Las 13 rosas beispielsweise in dialogischer Form verwiesen, als eine der Protagonistinnen ihren Freund wissen lässt: »Neulich warst Du requet¦, heute bist Du Militär, fehlt nur noch, dass Du Dich als Bischof kleidest!«: Las 13 rosas, 00:33:26 – 00:33:31: »El otro d†a eres requet¦, hoy eres militar, ¡solo te falta vestirte de obispo!« 1137 Vgl. Hopewell (1989), S. 21. 1138 S. auch unter kapitel 2.2. 1139 Vgl. Silencio roto, 01:35:58 – 01:36:06. 1140 Vgl. Abril Palacios (2008), S. 764. S. kapitel 6.3. Eine dem cabo in Silencio roto ganz ähnliche Figur taucht peripher in Pa negre (ES 2010) auf. 1141 Silencio roto, 01:03:24 – 01:03:31: »Mi marido hace lo que le mandan. Êl no tiene la culpa de lo que pasa, solo obedece ûrdenes.« Auf dieses Entschuldungsnarrativ wird ausführlicher unter kapitel 6.2 eingegangen. 1142 Vgl. Las 13 rosas, 01:53:00 – 01:53:04. In einem Interview äußert Regisseur Mart†nezL‚zaro bezeichnenderweise, anfangs Bedenken gehabt zu haben, diese Szene sei allzu

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einen karlistisch-nationalen Soldaten verliebt: Nicht alle Soldaten des im Krieg siegreichen Lagers waren schlecht, wie auch Julias Familie feststellt.1143 Der junge Diakon Salvador, die Täterfigur in dem Kinospielfilm Los girasoles ciegos (The Blind Sunflowers; ES 2008), diente zwischenzeitlich auf Seiten der Aufständischen. Da dieser Figur in Jos¦ Luis Cuerdas Film ungewöhnlicherweise ein Protagonistenstatus zukommt, werden die traumatischen Erfahrungen eines am Krieg beteiligten einfachen Soldaten hier vergleichsweise deutlich verbalisiert. Mit Salvador rückt gleichzeitig die aktive Rolle von Vertretern der katholischen Kirche an der franquistischen Repression dezidierter in den Blick, als dies bisher geschah. In der Mehrheit der audiovisuellen Produktionen ist eine exemplarische, einzelne, meist anonyme Priesterfigur bei repressiven Maßnahmen zwar anwesend, wird aber nicht eingehender betrachtet. Allerdings ist Salvador als ambivalente Täterfigur zu bezeichnen, die einem Figurentypus entspricht, wie er in spanischen Kino- und TV-Produktionen seit 1996 zunehmend häufiger zur Darstellung gelangt und dabei die für die Gewalt Verantwortlichen innerhalb der Gemeinschaft lokalisiert: Opfer, die zu Tätern werden.1144

4.3.2 Opfer, die zu Tätern werden »Die Lügen der Erwachsenen züchten kleine Monster heran.«1145

Schauspieler Sergi Lûpez beteuerte zwar, dass Regisseur Del Toros Film El laberinto del fauno (Pans Labyrinth; ES-MX 2006) sich gerade dadurch auszeichne, dass er den durch capit‚n Vidal verkörperten »Faschismus«1146 durch nichts rechtfertige. Doch auch in diesem filmischen Narrativ findet sich eine ansatzweise entlastende Lesart, die sich für die Zeichnung dezidierter Täterfiguren in spanischen Kino- und TV-Produktionen inzwischen als dominant bezeichnen lässt: Vidal wurde in seiner Jugend von seinem Vater, einem berühmt-berüchtigten general, der in der spanischen Armee im Zuge der Ma-

1143 1144

1145 1146

melodramatisch: Vgl. Las 13 rosas, DVD-Extras, Comû se hizo, 00:25:45 – 00:26:35; PiÇa (2007a), S. 124. S. kapitel 4.1.3. Zur Rolle der katholischen Kirche während des Bürgerkriegs und des Franquismus s. ausführlicher kapitel 4.3.2.2. Über Vertreter des regulären spanischen Heeres und der katholischen Kirche hinaus beklagte der Soziologe VicenÅ Navarro noch Ende 2004, dass die Rolle, die die Monarchie in der jüngeren spanischen Vergangenheit spielte, in spanischen Audiovisionen weiterhin mit »Tabus« belegt sei: Vgl. Navarro (2004): »Tabffls«. Dies dürfte sich ändern, s. Fußnote 504. Filmplakat zu Pa negre: »[L]as mentiras de los adultos cr†an pequeÇos monstruos«; Vgl. www.panegre.com (20. 02. 2012). Sergi Lûpez; zit. n.: www.panslabyrinth.com (20. 02. 2012), About the film, Synopsis: »fascismo«.

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rokko-Kriege zu Ruhm gelangte, ›falsch‹ angeleitet. Vidal hat es kraft seiner Erziehung ›nicht besser gelernt‹: Er trägt das Erbe der brutalen africanistaTradition in sich.1147 Aus dem Schatten des Vaters vermag Vidal sich nicht zu befreien, was die rekurrierenden Inszenierungen des capit‚n als Gefangenen seiner selbst nahe legen. So legt er mehrfach eine Platte mit dem Erfolgsschlager Soy un pobre presidario (dt.: »Ich bin ein armer Sträfling«) auf. Das Lied handelt von einem Gefangenen, der sich selbst bemitleidet, weil ihn keiner liebt und keiner erwartet.1148 Darüber hinaus spielt eine Szene, in der er die Uhr seines Vaters repariert, in einem – dank eines Mühlrads – derart gestalteten Set, das den Eindruck erweckt, als sei Vidal selbst Teil einer zirkulären Mechanik, aus der es kein Entrinnen gebe.1149 Er leidet unter der Berühmtheit seines auf dem Schlachtfeld gefallenen Vaters, auf den er – sehr zu seinem Leidwesen – während eines Festessens in seinem Stützpunkt angesprochen wird.1150 Dies geht mit einer gehörigen Portion Selbsthass einher.1151 Das Leid, das Vidal empfindet, fügt er stellvertretend anderen zu. Dabei lässt die Tatsache, dass er durch eine familiäre Tradition der Gewalt nachhaltig geprägt wurde, ihn wiederum als eine Täterfigur erkennbar werden, die trotz aller ›monströs‹-andersartigen Attribute letztlich Teil der Gemeinschaft ist, der auch seine Opfer angehören.1152 Neben extrem gewalttätigen Befehlshabern franquistischer Institutionen, die in publikumswirksamen spanischen Kino- und Fernsehproduktionen seit 1996 mit wenigen Ausnahmen ausschließlich als Nebenfiguren in die Rolle des Täters schlüpfen, fällt auf, dass es darin eine Reihe junger, durchweg männlicher Protagonisten gibt, die vermehrt als Täter in Erscheinung treten. Dadurch wird einerseits mit Erzählkonventionen der westlichen Kinogeschichte gebrochen, nach denen Kinder im Allgemeinen sich nur in absoluten Ausnahmefällen ›böse‹ 1147 Als sog. africanistas (dt.: »Afrikanisten«) werden Offiziere bezeichnet, die sich – wie Franco – beim Dienst in der afrikanischen Kolonialarmee hervorgetan hatten. Sie hingen der Idee einer imperialen Wiedergeburt Spaniens an, sahen die Armee als Beschützerin und Retterin des Landes und gelten daher als Wegbereiter des Militärputsches gegen die Zweite Republik: Vgl. Graham (2008), S. 26. 1148 Allerdings wird das Lied nicht sehr lange laut eingespielt, sodass der Text nicht problemlos zu verstehen ist: Vgl. El laberinto del fauno, 00:23:34 – 00:24:51 sowie 01:01:40 – 01:02:13. Der Schlagertext eröffnet Parallelen zur Charakterisierung des Pförtners Jacinto in El espinazo del diablo, s. kapitel 4.3.1. 1149 Vgl. ebd., 00:13:24 – 00:14:40. 1150 Vgl. ebd., 00:40:38 – 00:41:15. 1151 Mehr als deutlich in einer Szene, in der Vidal vor einem Spiegel steht und mit einer Rasierklinge den Kopf seines Spiegelbildes ›abschneidet‹: Vgl. ebd., 01:01:40 – 01:02:13. Die Filmwissenschaftlerin Marsha Kinder hat auf die Zentralität der Rasur in spanischen ödipalen Narrativen hingewiesen: Vgl. Kinder (1993), S. 223. Die Rasur sei im spanischen Kino vom Stummfilm bis in die Gegenwart hinein als Ikone der Männlichkeit und der Kastration allgegenwärtig: Vgl. ebd., S. 117 f. 1152 Zu Vidals ›monströs‹-andersartigen Attributen s. kapitel 4.3.1.

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verhalten, geschweige denn den Part der ›Bösen‹ übernehmen.1153 Andererseits hat die Filmwissenschaftlerin Marsha Kinder in ihrem Standardwerk Blood Cinema (1993) in Bezug auf Filme des Spätfranquismus wie auch des unmittelbaren Postfranquismus herausgearbeitet,1154 dass die Meistererzählung des Ödipus-Mythos im spanischen Kontext eine spezifische kulturelle Ausprägung erfährt.1155 Im spanischen ödipalen Narrativ gehe es nicht primär darum, die Mutter zu besitzen, sondern vor allem darum, den »murderous father«1156 zu imitieren und zu ersetzen. Unter den Erfahrungen des spaltenden Kriegs fühlten Kinder eine Mischung aus Liebe und Angst gegenüber repressiven Patriarchen – eine Kombination, die zu verzerrten Fantasien heroischer Loyalität einerseits und rebellischem Vatermord andererseits führt sowie dazu, dass die Kinder sich sowohl mit dem Opfer als auch mit dem Täter identifizieren.1157 Die Täter, patriarchalische Figuren, leiten die Protagonisten in ihrer Kindheit zum gewalttätigen Handeln an bzw. rufen sie dazu auf.1158 Die Gewalt, die die Protagonisten im Kindes- und/oder aber im Erwachsenenalter ausüben, lässt sich demnach zurückverfolgen zu den Verbrechen einer Vaterfigur. Gewalttätige Subjekte werden demzufolge durch die symbolisch für eine pervertierte Kultur stehenden Väter konstruiert –1159 was die Schuld für sämtliche Gewalt wiederum an einem alleinigen, patriarchalischen ›Urbösen‹ festmachen hilft.1160 Die jungen Protagonisten gleich mehrerer massenkompatibler Kinospielfilme, die seit 1996 produziert wurden, aktualisieren Marsha Kinders These, das 1153 Kinderfiguren in Kino und Fernsehen sind selten explizit grausam, eignen sie sich doch viel zu gut als Sympathieträger. Eine erfolgreiche, bewusste Abweichung dieser gängigen Inszenierung erfolgt in Das weiße Band – Eine deutsche Kindergeschichte (Regie: Michael Haneke, DE-AT-FR-IT 2009), wo Kinder ebenfalls aufgrund der Verfehlungen ihrer Eltern zu Tätern werden. 1154 Vgl. Kinder (1993), S. 138. 1155 Vgl. ebd., S. 12. 1156 Ebd., S. 189. Vgl. Lev (2001), S. 168. 1157 Vgl. Kinder (1993), S. 128. 1158 Vgl. ebd., S. 190. 1159 Vgl. ebd., S. 196. 1160 Vgl. ebd., S. 192. Und den Mord an einer patriarchalischen Figur filmintern letztlich legitimiert, wie es beispielsweise in El espinazo del diablo (Das Rückgrat des Teufels; ESMX 2001) geschieht (s. kapitel 5.2). Im Allgemeinen vollzögen sich Vatermorde laut Marsha Kinder im (post-)franquistischen Kino allerdings nur selten: Vgl. ebd., S. 218. In spanischen Ödipus-Narrativen werde der Impuls des Vatermordes vielmehr oftmals zur Mutter umgelenkt: Kein anderes nationales Kino hat Kinder zufolge derart viele Muttermorde vorzuweisen wie das spanische: Vgl. ebd., S. 232. Diese These lässt sich anhand aktueller Filmproduktionen nicht bekräftigen, wo sich lediglich in El espinazo del diablo sowie in Pa negre (Black Bread; ES 2010) ›Muttermorde‹ vollziehen: In El espinazo del diablo kommt die Heimleiterin und Ersatzmutter des Pförtners Jacinto bei einer Explosion ums Leben, die Jacinto selbst zündete; in Pa negre verleugnet der kindliche Protagonist Andreu seine leibliche Mutter intentional, um sich von anderen ›Eltern‹ adoptieren zu lassen, s. kapitel 4.3.2.1.

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spanische Kino des Spät- bzw. Postfranquismus greife das spezifisch spanische ödipale Narrativ auf und nutze es oftmals für Gewaltdarstellungen, um politische Themen und historische Ereignisse anzusprechen.1161 Dies ist insofern interessant, als gewalttätige Handlungen somit als solche inszeniert werden, für die keine auswärtige oder gar explizit fremdartige Täterfigur herhalten muss.1162 Gewalt wird stattdessen von traumatisierten, leicht beeinflussbaren und falsch erzogenen Mitgliedern einer Gemeinschaft in derem Inneren selbst verübt. Besonders prominent gelangt dieses Narrativ in Los girasoles ciegos (The Blind Sunflowers; ES 2008) und Pa negre (Black Bread; ES 2010) zur Darstellung, in denen junge, emotional verkrüppelte Protagonisten zu ›unreifen‹ Erwachsenen heranwachsen, die nur so Macht ausüben können, indem sie im franquistischen ›Neuen Staat‹ anderen das Leid zufügen, das sie selbst erlitten.1163 Diese Figuren werden somit zu Tätern aufgrund einer bestimmten, dem nationalen Kontext zugeschriebenen Gewalttradition – was wiederum die leyenda negra perpetuiert.1164 Die Gewalt wiederum, die die Protagonisten selbst erfahren, wird als extrem dargestellt, als eine drastische Zäsur auf biografisch-persönlicher Ebene. Diese Art der Darstellung deckt sich mit Erkenntnissen anthropologischer Studien, die die mit dem Putschbeginn und dem Vormarsch der Aufständischen im Bürgerkrieg einhergehende Gewalt untersuchten, die nach Ende des Kriegs noch einmal beträchtlich systematischere Züge annahm:1165 »A sudden, incomprehensible, and terrifying experience made all aspects of the Spanish surviving victims’ lives precarious; it […] created an environment of hostility that made every moment of their daily lives insecure and fearsome.«1166

Die Lesart der Gewalterfahrung als einschneidende, alles auf den Kopf stellende biografische Zäsur wird in spanischen Kinoproduktionen seit 1996 vermehrt 1161 Vgl. ebd., S. 197. Auffällig ist Marsha Kinder zufolge eine Erotisierung der Gewalt im spanischen Kino sowie ihre Spektakularisierung, ebenso wie der Transfer der Gewalt auf Ersatzopfer, vor allem auf Tiere (s. Fußnote 254), Kinder und Frauen. Daneben spricht Marsha Kinder dem spanischen Kino einen geradezu obzessiven Fokus auf inzestuöse Beziehungen zu, ein Aspekt, der im Rahmen der hier behandelten Filme lediglich beiläufig in Pa negre gestreift wird: Vgl. ebd., S. 1 und 136 f. 1162 S. kapitel 4.3.1. 1163 Vgl. Kinder (1993), S. 214. Das spezifisch spanische ödipale Narrativ kommt darüber hinaus in folgender ›Kernquelle‹ zum Tragen: In El espinazo del diablo (ES-MX 2001) klärt ein Flashback darüber auf, dass der Pförtner eines Waisenheims, ein möglicher ›Ersatzvater‹ für seine jungen Bewohner, sich den Mord an einem Kind hat zu Schulden kommen lassen. Am Ende des Films richten ihn die Waisen auf eine ähnliche Art und Weise wie er zuvor das Kind umbrachte, s. kapitel 5.2. 1164 Zur leyenda negra s. kapitel 3.1. 1165 S. kapitel 4.1.1. 1166 De Mata (2010), S. 281. Vgl. ebd., S. 283 sowie 286.

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anhand eines ›unreifen‹ Protagonisten dargestellt, dessen Persönlichkeit sich nachhaltig zum Negativen verändert. Mit den gewalttätigen Ereignissen, deren Zeuge sie werden, verlieren diese Protagonisten ihre Unschuld. Die Darstellung der mit dem innerspanischen Konflikt einhergehenden Gewalt als persönlichkeitsverändernder Erfahrung steht dabei exemplarisch für eine vermeintlich kollektive Erfahrung, nach der ganze Generationen von Kriegs- bzw. Nachkriegskindern in ihrer Entwicklung beeinträchtigt, wenn nicht gar pervertiert wurden. Dabei verstärken die jungen Handlungsträger den Eindruck, die Gewalt der jüngeren spanischen Vergangenheit sei über den Durchschnittsspanier quasi ›hereingebrochen‹.1167 Die Filmhandlung aus der Sicht von Kindern bzw. Jugendlichen zu erzählen, ist im Allgemeinen eine in der spanischen Filmgeschichte beliebte Darstellungskonvention. Das Gesicht des Kindes wird dabei zum Rückgrat der Erzählung, zum offenen Buch, in dem sich Konflikte, Hoffnungen und Ängste ablesen lassen.1168 Allein im Hinblick auf die hier detailliert analysierten ›Kernquellen‹ wird diese Darstellungskonvention in La lengua de las mariposas (Butterfly Tongues; ES 1999), El espinazo del diablo (Das Rückgrat des Teufels; ES-MX 2001), El laberinto del fauno (ES-MX 2006) und Pa negre (ES 2010) umgesetzt. Diese Produktionen verweisen wiederum auf Klassiker des spanischen Kinos wie El esp†ritu de la colmena (Der Geist des Bienenstocks; ES 1973) oder Las largas vacaciones del 36 (Long Vacations of 36; ES 1976), in denen Kinder bzw. Jugendliche als Protagonisten und Perspektivträger fungieren und für die der Einbruch einer mit dem Bürgerkrieg verbundenen Gewalt in ihre Lebenswelt zum einschneidenden, alles verändernden Ereignis wird – wenngleich unter jeweils anderen filmdramaturgischen wie -ästhetischen Vorzeichen. Die Romanistin Pietsie Feenstra erklärt diese rekurrierende Form der Darstellung in spanischen Kinofilmen, die sich mit zeithistorischen Themen befassen, als Rückkehr der jeweiligen Regisseure zu einer Phase des Schmerzes, zu ihren Wurzeln, demnach als eine Art erneute Besichtigung eines persönlichen Traumas.1169 Wenngleich sich dagegen einwenden lässt, dass beispielsweise Regisseur Agust† Villaronga (Pa negre), 1953 geboren, den Spanischen Bürgerkrieg und die unmittelbare Nachkriegszeit nicht persönlich erlebt hat, was in noch geringerem Maße auf den 1964 in Mexiko geborenen und dort aufgewachsenen Guillermo 1167 S. kapitel 6.2. 1168 Vgl. Gûmez Lûpez-QuiÇones (2006), S. 221 f. 1169 Vgl. Feenstra (2010), S. 95. So interpretiert Feenstra die romantisierte Inszenierung einer Kindheit zu Republikzeiten in La lengua de las mariposas (Butterfly Tongues; ES 1999) als eine, die in den persönlich erlebten Diktaturerfahrungen des Regisseurs wurzele – Cuerda wurde 1947 geboren. Dies helfe seine Motivation zu erklären, zu einer vorgeblich ›unschuldigen‹, ›paradiesischen‹ Zeit des Heranwachsens zurückzukehren: Vgl. ebd., S. 96 f. Zur Inszenierung der Kindheit in La lengua de las mariposas s. ausführlich kapitel 3.2.

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del Toro (El espinazo del diablo, El laberinto del fauno) zutrifft, so hat sich die Darstellung der vergangenen Ereignisse durch kindliche Perspektivträger im spanischen Kino zweifellos konventionalisiert. 4.3.2.1 Von La lengua de las mariposas zu Pa negre Jos¦ Luis Cuerdas La lengua de las mariposas (Butterfly Tongues; ES 1999) endet mit der Darstellung einer für den jungen Protagonisten Moncho einschneidenden Zäsur. Dies wird dramaturgisch dadurch überhöht, dass das Filmende mit der Niederlage der Republik im Handlungsort Galicien zusammenfällt, sodass sich von einem dreifachen Abschluss sprechen lässt: einem formalen (der Filmhandlung), einem zeitlichen (der Republik) und einem inhaltlichen (der Kindheit).1170 Regisseur Cuerda macht sich dabei eine Art der Inszenierung zunutze, die eine vermeintlich idyllische, ›unschuldige‹, mit dem Modernisierungsprojekt der Zweiten Republik assoziierte Phase des Heranwachsens mit einem abrupten, explosionsartigen, überaus brutalen Ende kontrastiert. Der vorherige Eindruck eines romantisierten republikanischen ›Paradieses‹ wird durch das Verhalten der Dorfbewohner am Filmende je zunichte gemacht, was überrascht, wenn nicht gar schockiert.1171 Die Dorfbewohner finden sich in den letzten Minuten des Films vor der sonntäglichen Messe auf dem Dorfplatz ein, um zuvor festgenommene, offensichtlich gefolterte ›Rote‹ zu beschimpfen und so ihre Affinität gegenüber den neuen Machthabern, den Aufständischen, zu demonstrieren. Kritiker Llu†s Bonet Mojica attestiert Regisseur Cuerda Mut, das Ende, das Manuel Rivas für die Erzählung La lengua de las mariposas schrieb, auch in der filmischen Adaption beibehalten zu haben und spricht von einem »erschreckenden Schluss«1172. Besonders erschreckend ist dabei, dass der verwirrte achtjährige Protagonist und Perspektivträger Moncho auf Anweisung seiner Mutter seinen zuvor bewunderten Lehrer und Freund Don Gregorio beschimpft.1173 Wie andere Kinder auch rennt er sogar dem Laster hinterher, auf den Don Gregorio und weitere ›Rote‹ verladen und mit dem sie abtransportiert werden. Moncho ruft Don 1170 Vgl. Gûmez Lûpez-QuiÇones (2006), S. 228. Ähnlich korrespondiert das Filmende von El viaje de Carol (Carols Reise; ES-PT 2002) mit einem jähen und brutalen Einschnitt in der Biografie der kindlichen Protagonistin, der gleichbedeutend ist mit dem Ende ihrer Kindheit wie mit dem Sieg der Aufständischen im Bürgerkrieg. 1171 Vgl. Fern‚ndez-Santos, Ýngel: El olvido de la Bestia. In: El Pa†s (11. 10. 1999), S. 40; El Pa†s (17. 10. 1999), S. 13. 1172 La Vanguardia (24. 09. 1999), S. 57: »pavoroso final«. Der Filmhistoriker Enrique Monterde bewertet das Ende von La lengua de las mariposas indes als nicht drastisch genug, s. kapitel 6.2. 1173 Don Gregorio fungiert in Cuerdas Film als personifiziertes Sinnbild der besten Absichten der Zweiten Republik, s. kapitel 3.2.

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Gregorio ateo (dt.: »Atheist«) und rojo (dt.: »Roter«) hinterher, zuletzt aber Fachbegriffe aus dem Biologieunterricht, die ihm sein Lehrer einst beibrachte. Dies kann einerseits als Zeichen dafür gesehen werden, dass Moncho dem Lehrer seine Bildung verbal hinterher schleudert, ähnlich den Steinen, die er dem Karren hinterher wirft: Die Zeiten rationalen Verhaltens sind vorbei, die der »Barbarei«1174 hat begonnen. Eine solche Lesart wird unterstützt durch das Plakat, das den Film in Spanien bewarb: Es zeigt Moncho mit Wut verzerrtem Gesicht und einem Stein in seiner wurfbereiten Hand. Andererseits kann die doch überraschende Veränderung in Monchos Wortwahl als Hoffnungsschimmer gewertet werden: Mit den biologischen Fachbegriffen »Laubenvogel! Rüssel!«1175 will er seinem bewunderten Lehrer demnach mit auf den Weg geben, dass der Unterricht gefruchtet hat. Eine dritte Lesart wäre, dass Moncho in dem Augenblick gar nicht so recht weiß, was er sagt und sich vielmehr von der allgemein aufgeheizten Atmosphäre forttragen lässt – was ihn letztlich von Schuld freisprechen würde.1176 Monchos Verhalten am Filmende verweist auf die Zäsurwirkung der mit dem innerspanischen Konflikt einhergehenden Gewalt und wird filmintern – über die Nebenfiguren, wie der Filmwissenschaftler John Hopewell es herausstellte –1177 als bloß ein Beispiel für eine insgesamt kollektive Erfahrung bzw. Verfassung dargestellt. Nicht zufällig spricht Regisseur Cuerda vom Spanischem Bürgerkrieg als einem dieser »derart traumatischen Ereignisse«1178, die niemand vergesse. Demnach geht es am Filmende von La lengua de las mariposas nicht nur um die Darstellung von Monchos persönlicher Krise, sondern der Sieg der Putschisten im Handlungsort des galicischen Dorfes wird als allgemeine Zäsur im menschlichen Miteinander inszeniert: »Unbarmherzig zeigt das Werk, wie sich mit Ausbruch des Kriegs die menschlichen Beziehungen zwischen Nach1174 V‚zquez Montalb‚n, Manuel: Las mariposas. In: El Pa†s (18. 10. 1999), S. 2: »barbarie«. Der Begriff der ›Barbarei‹ dient in spanischen Rezensionen oftmals als Äquivalent zum ›Faschismus‹, den es supranationalen Lesarten zufolge in den 1930er-Jahren auch auf spanischem Boden zu bekämpfen galt (s. kapitel 7.1). Alternativ dient er als Verweis auf die den Spaniern angeblich latent innewohnende archaische Gewalt, die mit dem antirepublikanischen Militärputsch voll ausgebrochen sei (s. kapitel 3.1). 1175 La lengua de las mariposas, 01:27:10 – 00:28:59: »¡Tilonorrinco! ¡Espiritrompa!« Wobei der Begriff espiritrompa ebenfalls die titelgebende Zunge der Schmetterlinge bezeichnet, die wiederum auf das Motiv der mangelnden Zeit verweist, die Don Gregorio zur Umsetzung seiner transformativen Bildungsideale zur Verfügung hatte, s. kapitel 3.2. 1176 Zur Entlastungsfunktion, die der kindliche Hauptdarsteller in La lengua de las mariposas als Sinnbild eines leicht zu ›pervertierenden‹ Opfers bietet, s. kapitel 6.2. 1177 Vgl. Hopewell (1989), S. 21. 1178 Jos¦ Luis Cuerda; zit. n.: Caparrûs Lera (2001), S. 67: »hechos tan traum‚ticos«. Dieser Ausspruch Cuerdas zeugt von einem Gebrauch von Begrifflichkeiten, die individualpsychologische Vorgänge kennzeichnen, um Prozesse auf kollektiver Ebene zu beschreiben, s. kapitel 5.1.

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barn, Geschwistern und Freunden radikal veränderten«1179, so El Pa†s. Diese Zäsur wird durch filmästhetische Mittel verdeutlicht: In der letzten Einstellung von La lengua de las mariposas kommen Zeitlupe, ein freeze frame und der Wechsel von einer zuvor bunten zu einer nunmehr schwarz-weißen Bildgestaltung zum Einsatz. Dabei bietet die »kalkulierte Dehnung der Zeit«1180 dem Zuschauer einerseits die Möglichkeit zur Reflexion, gleichzeitig erzeugt sie einen Distanzierungseffekt, da sie das soeben Gesehene – ähnlich einer schwarz-weißFotografie – in längst vergangenen Zeiten verankert. Die den Film beschließenden Ereignisse büßen viel von ihrem Schrecken ein, da La lengua de las mariposas die Zuschauer in eine Gegenwart entlässt, die augenscheinlich nicht mehr viel gemein hat mit diesen letzten Einstellungen.1181 Anders Agust† Villarongas Film Pa negre (Black Bread; ES 2010)1182 : Aus der Gewalt und ihren Konsequenzen gibt es hier kein Entrinnen, weder für die Protagonisten des Films noch für den Zuschauer. Statt mit der Inszenierung einer einschneidenden Gewalterfahrung zu enden, wird Pa negre damit eröffnet. Auf dieser Gewalterfahrung baut dann die gesamte, sich 1944 ereignende Handlung auf, die sich um die ›pervertierte‹ Entwicklung des elfjährigen Protagonisten Andreu dreht. Die Eingangssequenz zeigt, wie ein Mann einen Planwagen durch einen Wald zieht und dort in eine Falle gerät. Von einem 1179 El Pa†s (24. 09. 1999), S. 51: »La obra muestra con dureza cûmo las relaciones humanas entre vecinos, hermanos y amigos cambiaron radicalmente con el estallido de la guerra«. Hierfür stehen nicht zuletzt Monchos Eltern beispielhaft: Begegneten sie Don Gregorio zuvor mit Dankbarkeit und Anerkennung, beschimpfen sie ihn nun, um selbst mit heiler Haut davon zu kommen. S. kapitel 6.2. 1180 Brockmann (2005), S. 164. 1181 S. hierzu ausführlicher unter kapitel 6.3. 1182 Pa negre wurde auf Katalanisch gedreht, weswegen im Rahmen der vorliegenden Untersuchung der katalanische Titel des Films verwandt wird. Davon weichen einzelne Kritiker wie auch die Bezeichnung der Kauf-DVD ab, die den kastilischen Titel Pan negro nutzen. Regisseur Villaronga selbst ist gebürtiger Mallorquiner und Pa negre wurde größtenteils in Katalonien gedreht wie auch unter anderem vom öffentlichen Fernsehsender der Autonomen Region Katalonien Televisiû de Catalunya produziert: Vgl. Filmdatenbank des spanischen Kultusministeriums, www.mcu.es (20. 02. 2012); www.panegre.com (20. 02. 2012). Vor allem aber basiert Pa negre auf einer gleichnamigen literarischen Vorlage des katalanischen Schriftstellers Emili Teixidor, die Villaronga mit weiteren Werken desselben Schriftstellers anreicherte: Vgl. Garc†a, Roc†o: La tragedia de una guerra que todo lo salpica. In: El Pa†s (22. 09. 2010), www.elpais.com (20. 02. 2012); M., L.: Inocencia perdida. In: El Mundo. Metrûpoli (15. 10. 2010), S. 7; Weinrichter, Antonio: El retorno de Villaronga. In: ABC de Sevilla (15. 10. 2010), S. 67; Alarcûn (2010), S. 19 f.; Garc†a, R./Belinchûn, G.: »En CataluÇa hay productores m‚s arriesgados.« In: El Pa†s (15. 02. 2011), www.elpais.com (20. 02. 2012); www.panegre.com (20. 02. 2012); Pan negro, DVD-Extras, Making of, 00:01:28 – 00:02:04. Emili Teixidor erhielt 2004 für sein Buch Pa negre die wichtigsten katalanischen Literaturpreise: Vgl. El Mundo. Metrûpoli (15. 10. 2010), S. 7. Seine Stellungnahmen zum Film sind im Rahmen eines Making of auf der Kauf-DVD enthalten: Vgl. Pan negro, DVD-Extras, Making of.

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anderen Erwachsenen, dessen Gesicht dem Zuschauer durch einen Umhang mit Kapuze verborgen bleibt, wird er zunächst gewürgt und dann mit Hilfe herumliegender Steine brutal erschlagen. Der Mörder führt daraufhin die Kutsche zu einem Felsvorsprung und zertrümmert dem Pferd mit einem Hammer den Schädel, sodass es mitsamt dem Wagen die Klippen herabstürzt. Dadurch wird auch der kleine Sohn des Ermordeten tödlich verletzt, der sich auf der Ladefläche des Wagens versteckt hielt.1183 Andreu, auf dem Weg zum Milchholen, findet seinen blutüberströmten Altersgenossen auf dem Waldboden liegend.1184 Die durch einen Bürgermeister, einen Richter und guardias civiles repräsentierten franquistischen Autoritäten des kleinen Ortes, in dem Andreu mit seinen Eltern wohnt, richten ihre Ermittlungen sofort auf Andreus Vater Farriol, einem, nach seinen Aussagen, überzeugten Idealisten und vor dem Krieg Mitglied einer »linken Partei«1185. Farriol erklärt daraufhin, nach Frankreich flüchten zu wollen, weswegen Andreu bei seiner Großmutter untergebracht wird. Seine Mutter leistet Schichtdienst in der örtlichen Textilfabrik und kann sich nicht um ihren Sohn kümmern. Andreus Großmutter wiederum lebt mit zwei Töchtern und einigen ihrer Enkel unter ärmlichsten Bedingungen in einem abgelegenen, halb verfallenen Haus in den Bergen. Dies ist die einstige Sommerresidenz der amos, der »Herren« des Dorfes: großbürgerliche Kriegsgewinner namens Manubens. In seiner neuen Bleibe findet Andreu heraus, dass sein Vater nicht etwa nach Frankreich geflüchtet ist, sondern sich auf dem Dachboden versteckt hält. Zudem bringt er in Erfahrung, dass sein Vater mitsamt dem in der Eingangssequenz ermordeten Dion†s einst dafür bezahlt wurde, einem homosexuellen Dorfbewohner Angst einzujagen, was in dessen brutaler Kastration mündete. Was Andreus Vertrauen in seinen Vater und die Ideale, für die dieser vorgibt einzustehen, aber letztlich bricht, ist die Entdeckung, dass es Farriol war, der Dion†s im Auftrag der Manubens ermordete. Dass dabei auch Dion†s kleiner Sohn Culet grausam zu Tode kam, vermag Andreu seinem Vater nicht zu verzeihen. Gegen Filmende entscheidet Andreu sich bewusst für eine Adoption durch die Familie Manubens – eine Adoption, die sein Vater noch eigens vorgeschlagen und der seine Mutter zugestimmt hatte. Zwar tragen die Manubens im übertragenen Sinne die Schuld am Tod Farriols, der mittlerweile im Gefängnis hingerichtet wurde,1186 allerdings können sie Andreu die Ausbil1183 Vgl. Pan negro, 00:01:09 – 00:03:40. 1184 Vgl. ebd., 00:03:40 – 00:04:37. 1185 Ebd., 00:38:06: »partido de izquierdas«. Andreus Mutter hingegen ist gläubig und wirft ihrem Mann wiederholt vor, sich zu sehr in Politisches eingemischt zu haben – die in dem innerspanischen Konflikt implizierte Spaltung verläuft somit auch in diesem Film ansatzweise durch ein- und dieselbe Familie, s. kapitel 2.1. 1186 Die Sequenzen im Gefängnis dienen dazu, Pa negre im Spanien der franquistischen Nachkriegszeit zu verorten: Vgl. ebd., 01:08:50 – 01:09:34. In einer späteren Sequenz,

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dung bieten, von der er stets träumte. Als seine Mutter Andreu in der letzten Sequenz des Films in seiner neuen Schule besucht, gibt er ihr zu verstehen, dass sie nicht mehr zu kommen brauche. Vor einem seiner Klassenkameraden verleugnet er sie, indem er sie als »eine [Frau] aus dem Dorf«1187 bezeichnet. Auch in diesem Film Villarongas ist demnach deutlich: Die Welt der Erwachsenen ist durch den Krieg und seine Konsequenzen brutal und korrumpiert. Dies drückt Andreus Mutter zu Beginn des Films mit Hilfe einer Metapher aus: »Seit dem Krieg ist dieser Wald verflucht«1188 – ein Wald, »wo die Monster leben«1189, wie der Titel zu einer Rezension des Films in El Pa†s lautet. Angesichts der Taten und Heimlichtuereien der Erwachsenen werden auch die Unschuldigsten, die Kinder, pervertiert und zu regelrechten »Monstern«. Mit dieser Entwicklung wurde Pa negre bezeichnenderweise beworben, so zum Beispiel auf dem offiziellen Filmplakat mit folgendem Slogan: »Die Lügen der Erwachsenen züchten kleine Monster heran«1190. Dabei verweist die Bezeichnung »Monster« direkt darauf, dass Andreu letztlich selbst zu einer Täterfigur wird, der im nationalen Kontext gängigerweise ›monströse‹ Züge attribuiert werden.1191 Darüber hinaus verdeutlicht genau dieser Werbespruch die grundlegende Aussage des Films: Zum Täter wird Andreu ›gemacht‹, was ihm wiederum einen Opferstatus verleiht, da er ›äußeren Umständen‹ kraft seiner altersbedingten Beeinflussbarkeit, Schwäche und Unreife nichts entgegenzusetzen vermochte.1192

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wiederum im Gefängnis, sind Leichen von Menschen zu sehen, die per garrote vil exekutiert wurden – eine mittelalterliche Hinrichtungspraxis, für die das franquistische Regime bis zuletzt berüchtigt war: Vgl. ebd., 01:16:54 – 01:17:13. Dieses Beispiel allein verdeutlicht, dass die Gefängnissequenzen in Pa negre beträchtlich düsterer und brutaler inszeniert sind als dies noch in Las 13 rosas (13 Roses; ES-IT 2007) der Fall war, s. kapitel 4.1.3. Ebd., 01:43:27: »una del pueblo«. Ebd., 00:07:28: »Desde la guerra este bosque est‚ maldito«. C., J.: Donde viven los monstruos. In: El Pa†s (15. 10. 2010), S. 53: »[d]onde viven los monstruos«. Filmplakat zu Pa negre: »las mentiras de los adultos cr†an pequeÇos monstruos«; Vgl. www.panegre.com (20. 02. 2012); Alarcûn (2010), S. 20. Villaronga selbst spricht von »der Erschaffung eines Monsters«: Pan negro, DVD-Extras, Making of: »la fabricaciûn de un monstruo«. Dies trifft nicht nur auf Andreu zu, sondern auch auf seine Cousine Nfflria, die bereits die Entwicklung zum Abgeklärt-Monströsen vollzogen hat, die Andreu noch bevorsteht. Dabei ist Nfflria nicht nur seelisch, sondern zudem körperlich entstellt: Eine Granate verstümmelte ihren linken Arm. In dem Kinospielfilm Balada triste de trompeta (Mad Circus – Eine Ballade von Liebe und Tod; ES-FR 2010) wird der aufgrund seiner Kindheitserlebnisse zu Bürgerkriegszeiten nachhaltig ›korrumpierte‹ Protagonist Javier ebenfalls nicht nur charakterlich, sondern auch rein äußerlich zu einem ›Monster‹: In einer in ihrer expliziten Brutalität kaum zu übertreffenden Sequenz brennt er sich mit Hilfe eines Bügeleisens die Fratze eines Clowns ins Gesicht: Vgl. Balada triste de trompeta, 01:03:30 – 01:04:56. S. kapitel 4.3.1. Diese entschuldende und deterministische Sicht auf die Vergangenheit und deren Ak-

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Der kindliche Perspektivträger Andreu, zu Filmbeginn ein verträumter, verspielter Junge, lernt angesichts der Gewalt, des Opportunismus und der Verlogenheit der ihn umgebenden Erwachsenen, seinen Glauben an Ideale aufzugeben und ohne Rücksicht auf die Befindlichkeiten anderer den Weg des geringsten Widerstandes einzuschlagen –1193 niederträchtiges Verhalten setzt sich Pa negre zufolge somit ununterbrochen fort. Wie in Villarongas vorherigen Filmen gelangt ein regelrechter Kreislauf aus »victimization and depravity«1194 zur Darstellung, was Alarcûn in Dirigido por von einem »blutigen Vermächtnis«1195 sprechen lässt. Dabei ist es in Pa negre die persönliche Erfahrung brachialer vom zuvor vergötterten Vater ausgeübter Gewalt, die eine Zäsur in Andreus Werdegang bewirkt. Damit ist zum einen die Kastration des homosexuellen Dorfbewohners Marcel Sauri gemeint, die Andreu – und somit auch der Zuschauer – durch einen surreal inszenierten Flashback direkt zu bezeugen vermag.1196 Zum anderen kommt aber vor allem der vom Vater begangene (Kinds-)Mord, der den Film auf spektakuläre Weise eröffnet, einer regelrechten ›Urszene‹ gleich: Dem spezifisch spanischen ödipalen Narrativ entsprechend wird Andreu aufgrund der Verbrechen des Vaters selbst zum Täter. Überdeutlich wird dies darin, dass Andreu, nachdem er erfahren hat, dass sein Vater »ein Schuft, ein Verräter und ein Auftragsmörder«1197 war, die Vogelkäfige seines Vaters mit Hilfe einer Axt zerschlägt. Damit tötet er nicht nur die Vögel,1198 um die er sich zuvor gemeinsam mit seinem Vater voller Hingabe gekümmert hatte. Im übertragenen Sinne tötet er dadurch ebenfalls seinen Vater und die Ideale, für die dieser vorgab zu stehen. Villarongas Film ist über diese Szene hinaus bestückt mit Vogel- und Engel-

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tanten wird durch das Verhalten von Andreus Vater ansatzweise aufgeweicht, der sich seiner Handlungen wohl bewusst ist, s. kapitel 6.2. Vgl. Alarcûn (2010), S. 20. Lev (2001), S. 168. Eine Sicht auf die Ereignisse der jüngeren spanischen Vergangenheit, die zuvor bereits in Villarongas Erstlingswerk und Skandalfilm Tras el cristal (Im Glaskäfig; ES 1986) wie auch in seinem Kinospielfilm El mar (Das Meer ; ES 2000) deutlich zu Tage trat. Alarcûn (2010), S. 19: »[l]egado de sangre«. Andreus Mutter suggeriert, dass der Gewaltkreislauf unterbrochen werde könne, wenn Andreu bereit sei, seinem Vater zu verzeihen. Vergebung stellt einen positiv konnotierten Vorschlag dar, wie mit der jüngeren Vergangenheit umzugehen ist, der in zwei anderen aktuellen publikumswirksamen Kinonarrativen – Soldados de Salamina (Soldiers of Salamina; ES 2003) sowie Las 13 rosas (ES-IT 2007) – deutlich zum Ausdruck kommt, s. kapitel 5.5. Vgl. Pan negro, 01:05:09 – 01:06:57. Das Motiv der Kastration verweist im nationalen Kontext auf Pilar Mirûs Film El crimen de Cuenca (The Cuenca Crime; ES 1979), in dem Folterpraktiken der guardia civil auf drastische Art und Weise zur Darstellung gelangen und den in Spanien ein Militärtribunal eineinhalb Jahre lang unter Verschluss hielt. Erst 1981 wurde er zur Vorführung zugelassen: Vgl. Hopewell (1989), S. 142 f. Pan negro, 01:27:40: »un desgraciado, un traidor y un asesino a sueldo«. Vgl. ebd., 01:29:11 – 01:30:11. S. Fußnote 254.

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metaphern. Letztlich kommt es einem homosexuell konnotierten Tuberkulosekranken zu, derjenige zu sein, dem im übertragenen Sinne ›Flügel gewachsen‹ sind.1199 Andreu hingegen verliert seine kindliche Unschuld und die damit verbundenen Träume.1200 Angesichts dessen attestiert El Mundo Andreu »eine schreckliche Kindheit, die den Samen des Hasses in ihm sät und jeden unschuldigen Wesenszug zum Verschwinden bringt«1201. Er wird zu einem »Ebenbild eines Vogelmörders«1202, wie es ein einziger Zwischentitel im Film ankündigt und wie es ihm seine Cousine Nfflria nach seiner Tat nochmals bescheinigt.1203 Statt sich um die Wünsche und Bedürfnisse seiner engsten Mitmenschen zu kümmern, will Andreu nunmehr einzig seine eigenen verwirklicht wissen. Dies macht ihn wiederum zu einem exemplarischen Vertreter der franquistischen ›Sieger‹, wie sie in Pa negre vor allem der Bürgermeister und die Manubens repräsentieren. Angesichts von Agust† Villarongas Film Pa negre drängt sich ein Vergleich mit Guillermo del Toro gleich in mehrfacher Hinsicht auf: So wie Del Toro mit El espinazo del diablo (Das Rückgrat des Teufels; ES-MX 2001) und El laberinto del fauno (Pans Labyrinth; ES-MX 2006) gleich zwei Kinospielfilme vorlegte, die in der jüngeren spanischen Vergangenheit angesiedelt sind, so lassen sich Villarongas Pa negre und El mar als zwei kinematografische Vorschläge zum Thema beschreiben,1204 die beide gleichermaßen die unheilvollen Auswirkungen des Spanischen Bürgerkriegs auf alle Beteiligten betonen.1205 Während El mar (Das Meer ; ES 2000) mit seinen überaus gewalttätigen, düsteren und zugleich erotischen Bildern zwar ein recht großes Kritikerecho auslöste, verzeichnete dieser Film nur 57.428 Zuschauer.1206 Galt Agust† Villaronga innerhalb der spanischen Kinoindustrie noch im Jahr 2000 als atypischer, gar anomaler Cineast innerhalb

1199 Vgl. ebd., 01:36:20 – 01:36:24. Tonio L. Alarcûn meint, die homosexuell konnotierten Figuren des Films würden mit Engeln gleichgesetzt werden und seien positiv gezeichnet, die heterosexuelle Welt hingegen sei von Verdrängung und Perversität gekennzeichnet: Vgl. Alarcûn (2010), S. 20. Tuberkulose wiederum, damals noch eine der gefürchtetsten und tödlichsten Krankheiten, taucht in Villarongas Filmen biografisch bedingt wiederholt auf: Villarongas Vater verwaiste im Alter von neun Jahren, weil seine Mutter an Tuberkulose starb: Vgl. Massot, Josep: Un hombre con una c‚mara. In: La Vanguardia (14. 10. 2002), S. 46. 1200 Vgl. www.panegre.com (20. 02. 2012); El Mundo. Metrûpoli (15. 10. 2010), S. 7: »Inocencia perdida«. 1201 El Mundo. Metrûpoli (15. 10. 2010), S. 7: »una infancia aterradora que siembra en ¦l la semilla del odio y hace desaparecer cualquier rasgo de inocencia«. 1202 Pan negro, 00:18:49 – 00:18:56: »retrat d’un assass† d’ocells«. 1203 Vgl. ebd., 01:34:05. 1204 El Pa†s (15. 10. 2010), S. 53. 1205 S. auch kapitel 6.2. 1206 Vgl. Filmdatenbank des spanischen Kultusministeriums, www.mcu.es (20. 02. 2012).

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des Panoramas der nationalen Kinoindustrie,1207 als ein Regisseur, der stets abseits ausgetretener Pfade wandelt und gegen den Strom schwimmt,1208 so stieß Pa negre sowohl bei Kritikern, spanischen Filminstitutionen als auch dem Publikum auf großen Zuspruch. Pa negre lockte 434.237 Zuschauer in die spanischen Kinos und dominierte die Goya-Gala Anfang 2011, wo er mit den begehrtesten Trophäen in den Kategorien ›Bester Film‹ und ›Bester Regisseur‹ ausgezeichnet wurde. Im selben Jahr wurde der Film mit dem vom spanischen Kultusministerium verliehenen und mit 30.000 Euro dotierten »Nationalen Kinematografiepreis« (span.: Premio Nacional de Cinematograf†a) prämiert. Darüber hinaus wählte die spanische Filmakademie Pa negre aus, um 2012 im Rahmen der Oscar-Verleihung in der Kategorie ›Bester ausländischer Film‹ anzutreten.1209 Dies spricht für einen innerhalb kürzester Zeit erfolgten beträchtlichen Wandel, was die Konsensfähigkeit wie auch den offiziellen Förderwillen hinsichtlich ungewöhnlicher filmästhetischer Darstellungsformen in Kinospielfilmen mit zeithistorischem Sujet anbelangt. Der publikumswirksamen Qualität ungewöhnlicher filmästhetischer Darstellungsformen im aktuellen spanischen ›Zeitgeschichtskino‹ hat Regisseur Del Toro maßgeblich den Weg geebnet. Das Motiv des Gespenstes inszenierte er prominent in El espinazo del diablo, während eine Reihe fantastischer Gestalten in El laberinto del fauno eine tragende Rolle spielen.1210 Zwar gelangen die Schauergeschichten- bzw. Märchenelemente in Pa negre nicht explizit zur Darstellung, wie es bei Del Toro der Fall ist. Sie bilden jedoch die dialogisch wie bildästhetisch geschaffene Hintergrundatmosphäre für eine im ländlichen Spanien angesiedelte Initiationsgeschichte, in der es nicht zufällig um das ›Monströse‹ im Menschen selbst geht.1211 Der Kritiker Alarcûn attestiert Pa negre in Dirigido por eine Nähe zur Schauerästhetik des gothic horror und meint: »Einmal mehr nähert sich der Regisseur [gemeint ist Villaronga; Anm. d. Verf.] der Epoche der spanischen Nachkriegszeit und schafft es abermals, all jenen Gemeinplätzen auszuweichen, die von der post-Pilar Mirû-Filmindustrie durchgesetzt wurden: Er vermeidet nicht nur die hyperrealistische Tendenz anderer Regisseure, indem 1207 Vgl. Freixas (2000), S. 14. 1208 Vgl. Riambau/Torreiro (2009), S. 480. 1209 Vgl. Filmdatenbank des spanischen Kultusministeriums, www.mcu.es (20. 02. 2012); Hermoso, Borja: La consagraciûn de Agust† Villaronga. In: El Pa†s (14. 02. 2011), www.elpais.com (20. 02. 2012); El Pa†s (15. 02. 2011); Belinchûn, Gregorio: La piel que habito, La voz dormida y Pa negre, preseleccionadas para los Oscar. In: El Pa†s (14. 09. 2011), www.elpais.com (20. 02. 2012); Belinchûn, Gregorio: Pa Negre, elegida por la Academia de Cine para luchar por el Oscar. In: El Pa†s (28. 09. 2011), www.elpais.com (20. 02. 2012). 1210 S. kapitel 5.1 und kapitel 5.3. 1211 Auch die Gestaltung der offiziellen Homepage zum Film Pa negre erinnert stark an die Inszenierung des Waldes in El laberinto del fauno: Vgl. www.panegre.com (20. 02. 2012).

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er zulässt, dass ein gewisses fantastisches Aroma die gesamte Erzählung durchtränkt – ohne dabei freilich die wahnsinnigen Extreme von El laberinto del fauno (Guillermo del Toro, 2006) zu erreichen –, sondern er verwischt darüber hinaus die moralischen Grenzen zwischen Siegern und Besiegten.«1212

Letztgenannter Aspekt, der deutlich auf eine bestimmte, von dem Kritiker Alarcûn befürwortete erinnerungspolitische Stoßrichtung verweist, dürfte neben der Inkorporation von Elementen des Horror- und Märchenfilmgenres maßgeblich den Zuspruch erklären, auf den Villarongas Pa negre 2010 stieß.1213 Immerhin äußerten gleich mehrere Kritiker, wie beispielsweise Nuria Vidal in Fotogramas, ihre Befürchtungen, »Pan negro könnte ein weiterer Film über den Bürgerkrieg oder über die Nachkriegszeit sein, was auf das Gleiche hinausläuft.«1214 Ähnlich betrachtet El Mundo »einen neuen Film über den Bürgerkrieg«1215 zunächst mit Vorbehalten. Im Gegensatz zu den vorherigen Filmen zum Thema, die eine nur geringe Qualität aufweisen würden und deren Fokusse und Drehbücher praktisch voneinander abgepaust seien, zeige sich in Pa negre jedoch eine »magische und dunkle, kaum umrissene, aber dennoch präsente Welt«1216. Dem schließt sich Eduardo Rodr†guez Marchante in ABC an, der meint, Pa negre »gab einem scheinbar abgedroschenen Thema wie der Nachkriegszeit eine ungewöhnliche Wendung«1217, wobei er in einem weiteren Artikel zum Film 1212 Alarcûn (2010), S. 19: »Una vez m‚s, el director se acerca a la ¦poca de la posguerra espaÇola, y vuelve a lograr esquivar todos los tûpicos impuestos al respecto por la industria cinematogr‚fica post-Pilar Mirû [Herv. i. Orig.]: no sûlo evita la tendencia hiperrealista de otros directores, dejando que un cierto aroma fantastique [Herv. i. Orig.] impregne todo el relato – sin llegar, por supuesto, a los extremos delirantes de El laberinto del fauno (Guillermo del Toro, 2006) –, sino que, adem‚s, emborrona las fronteras morales entre vencedores y vencidos [Herv. i. Orig.].« El Pa†s spricht im Hinblick auf Villarongas Film von einem »Durchsickern des Fantastischen in seine realistische Anlage«: El Pa†s (15. 10. 2010), S. 53: »filtraciones de lo fant‚stico en su trazo realista«. 1213 Dabei lässt sich das Verwischen der Grenzen zwischen ›Siegern‹ und ›Besiegten‹ in publikumswirksamen audiovisuellen Produktionen spanischer Provenienz keineswegs nur auf Pa negre reduzieren, s. kapitel 6.1. In Del Toros El laberinto del fauno findet sich ein derartiges Bestreben hingegen kaum, was die Klassifizierung dieses Films als einer, der »wahnsinnige Extreme« (Alarcûn (2010), S. 19: »extremos delirantes«) zur Darstellung bringe, zu einem – erinnerungspolitisch betrachtet – bezeichnenden Urteil macht. 1214 Ebd.: »Pan negro pod†a ser una pel†cula m‚s de la Guerra Civil, o de la posguerra, que viene a ser lo mismo.« Nuria Vidals Feststellung, Filme über den Bürgerkrieg und über die Nachkriegszeit seien letztlich ein- und dasselbe, wird durch die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung getätigten Analysen bestätigt. Auf die damit einhergehenden problematischen erinnerungspolitischen Implikation wird unter kapitel 5.3 näher eingegangen. 1215 El Mundo. Metrûpoli (15. 10. 2010), S. 7: »una nueva pel†cula sobre la Guerra Civil«. 1216 Ebd.: »mundo m‚gico y siniestro apenas esbozado, pero tambi¦n presente«. 1217 Rodr†guez Marchante, E.: Concha de Oro para el que se ponga de puntillas. In: ABC (25. 09. 2010), S. 59: »supon†a una vuelta especial a un asunto aparentemente manido, como la postguerra [sic]«.

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darauf hinweist, dass die Handlung hier – wie so häufig in spanischen Kinospielfilmen mit zeithistorischem Sujet – abermals durch die Perspektive eines Kindes gezeigt werde.1218 Rezensent Antonio Weinrichter stellt diesbezüglich eine direkte Verbindung her zu Cuerdas Film La lengua de las mariposas, dessen »Modell«1219 Villaronga sich anpasse, ohne seinen unverwechselbaren Stil aufzugeben. 4.3.2.2 Los girasoles ciegos und die klerikalen ›Väter‹ In Los girasoles ciegos (The Blind Sunflowers; ES 2008) findet sich der junge Diakon Salvador in einer ›Opfer wird Täter‹-Rolle wieder : Durch eine patriarchalische Figur, den Rektor seines Priesterseminars, wurde Salvador zu Beginn des Bürgerkriegs dazu angestiftet, auf Seiten der Aufständischen zu kämpfen. Die kriegerische Gewalt erlebt Salvador als einschneidende, persönlichkeitsverändernde Erfahrung, die ihn verrohen und selbst zum Täter werden lässt. Er mordet im Krieg und vermag es deshalb auch danach nicht mehr, die ihm innewohnenden Leidenschaften zu unterdrücken.1220 Nach dem Sieg der Franquisten zurück im Priesterseminar fühlt Salvador sich »orientierungslos«1221. Zu einer Aus- und Bedenkzeit schickt der Rektor ihn als Lehrer an eine Grundschule – mit Blick auf Salvadors psychische Labilität ist dies eine Entscheidung, die den Rektor in höchst zweifelhaftem Licht erscheinen lässt. Zu einer der Mütter seiner Schüler fühlt Salvador sich zunehmend hingezogen. Seine Avancen rechtfertigt er nach außen hin damit, dass Elenas Mann tot sei. So bietet der Diakon Elena mehrfach an, für ihren Sohn Lorenzo die Rolle eines ›Ersatzvaters‹ einzunehmen. Primär geht es Salvador jedoch darum, seine Macht Elena gegenüber auszuspielen, wohl wissend, dass sie letzten Endes kein Druckmittel in der Hand hätte, ihm, einem ›Sieger‹, Einhalt zu gebieten. So verfolgt er Elena und erkundigt sich bei ihren Arbeitskolleginnen über sie,1222 all dies verbunden mit zunehmend forschen körperlichen Annäherungsversuchen. Dies deutet an, dass Salvadors sexuelle wie gewaltsame Phantasien und Triebe eng miteinander verbunden sind – eine bei den in publikumswirksamen spanischen Kino- und

1218 Vgl. Rodr†guez Marchante, E.: Pan negro con manteca de posguerra y los partos de Karwase. In: ABC (23. 09. 2010), S. 59. 1219 ABC de Sevilla (15. 10. 2010), S. 67: »modelo«. 1220 Hinter der Fassade des jungen Diakons lauern demnach, während des Franquismus perpetuierten Lesarten entsprechend, Leidenschaften, die dazu führen, dass er zu einer ›irrational‹ handelnden Gefahr für seine Nächsten wird, s. kapitel 3.1. 1221 Vgl. Los girasoles ciegos, 01:11:36 – 01:11:44: »desorientado«. 1222 Vgl. ebd., 00:55:13 – 00:59:04.

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TV-Produktionen seit 1996 aufzufindenden Täterfiguren gängige Darstellungskonvention.1223 Zudem wird Salvador – wie alle Täterfiguren –1224 in die Nähe des ›Bestialischen‹ gerückt. Nach der ersten Begegnung mit Elena masturbiert er beim Betrachten eines Druckes, der eine während der Christenverfolgung im alten Rom den Löwen zum Fraß vorgeworfene halbnackte und an einen Pfahl gefesselte junge Frau zeigt.1225 Später lässt er seinen Mentor, den Rektor des Priesterseminars, wissen: »Ich möchte jede Frau wie eine Eva betrachten, unser aller Mutter vor dem Sündenfall. Oder wie die Märtyrerinnen, die es zuließen, dass die Zirkuslöwen ihr Fleisch zerrissen und sie bei lebendigem Leibe fraßen, statt ihre Tugend zu verlieren.«1226 Wie an dieser Äußerung deutlich wird, ist das, wonach Salvador sich eigentlich sehnt, ein Stadium der Unschuld, die er verloren hat.1227 Der Rektor, ganz zynischer Realist und zugleich großer Manipulator,1228 rät ihm jedoch: »Was die Märtyrerinnen anbelangt, vergiss es. Du läufst Gefahr, Dich bei der ersten Nachlässigkeit als Löwe zu fühlen.«1229 Der Teufel ruhe nicht, das sei sein Geschäft, und deshalb sei es an Salvador allein, seine Lust zu bekämpfen, sie zu besiegen, sich selbst zu besiegen.1230 Die Warnung des Rektors, Salvador werde sich im Zweifelsfall als Löwe fühlen, bewahrheitet sich: Der Diakon bedrängt Elena in ihrer Wohnung körperlich derart, dass sich ihr versteckt haltender Mann Ricardo – ein ehemaliger republikanischer Lehrer – dazu genötigt sieht, einzugreifen. Salvador verrät Ricardo, der sich daraufhin aus dem Fenster stürzt. Dabei wird das Bild Salvadors als ein ›animalischer‹, triebge1223 1224 1225 1226 1227

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S. kapitel 4.3.1. S. ebd. Vgl. Los girasoles ciegos, 00:46:41 – 00:48:04. Ebd., 00:39:35 – 00:39:49: »Yo quiero ver a cada mujer como a una Eva, madre de todos nosotros antes del pecado. O como a las m‚rtires, que dejaron que los leones del circo desgarraran sus carnes y se las comieran vivas, antes que perder su virtud.« Dies verdeutlicht an einer anderen Stelle des Films auch eine Rede über die Vertreibung von Adam und Eva aus dem Paradies, die er vor seinen Schülern hält: Vgl. ebd., 00:33:43 – 00:34:43. Der Verlust der Unschuld war bereits Thema in La lengua de las mariposas (Butterfly Tongues; ES 1999), bei dem ebenfalls Jos¦ Luis Cuerda Regie führte. Darin wurden Parallelen zwischen einer Phase des ›unschuldigen‹ Heranwachsens und der republikanischen Ära gezogen, s. kapitel 3.2. Vgl. ebd., DVD-Extras, Making of, 00:06:35 – 00:06:40; www.girasolesciegos.com (20. 02. 2012), Personajes sowie Director. Los girasoles ciegos, 00:39:27 – 00:39:35: »En cuanto a las m‚rtires, olv†date. Corres el riesgo de sentirte leûn al primer descuido.« Vgl. ebd., 00:37:50 – 00:44:05. Anhand dieser Ansprache des Rektors und der direkt anschließenden Sequenz wird deutlich, wie in Los girasoles ciegos Sieg und Niederlage über menschliche Gelüste mit Sieg und Niederlage im politischen Sinn verquickt werden: Der Rektor fragt Salvador nach einer Begegnung mit Franco; direkt im Anschluss ist ein Plakat mit einem Bild Francos samt seinem Slogan Victoria zu sehen: Vgl. ebd., 00:44:06 – 00:44:27.

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steuerter Täter, der seine menschliche Beute bei lebendigem Leib auffrisst, zuvor nochmals über den Kreis des kindlichen Protagonisten Lorenzo samt seinen Freunden verstärkt: Als diese einer Filmvorführung lauschen, die gerade bei einer Liebesszene angelangt ist, ruft einer der Jungen bei den von den Schauspielern produzierten Geräuschen aus: »Er frisst sie bei lebendigem Leib auf!«1231 Ähnlich hatte Lorenzo im Rahmen einer anderen Sequenz mit Hilfe eines Papiertheaters vorweg genommen, wie ein ›böser Wolf‹ eine Hirtin bedrängt.1232 Salvador plagen nach seinem aus Rache, Eifersucht und nicht erwiderten Gefühlen geborenen Verrat an Elenas Mann und dessen anschließendem Selbstmord Schuldgefühle. Seiner Schuld versucht Salvador jedoch sich rhetorisch zu entledigen, indem er die Ursächlichkeiten für das Geschehene verkehrt. So erklärt er seinem Mentor, dem Rektor, in einer Beichte: »Aber denken Sie, dass es meinerseits Rachegelüste gegeben haben könnte beim Denunzieren, beim Bitten um Hilfe? Er war ein Roter, Pater. Ein Roter, der sich geweigert hatte, seine Kinder taufen zu lassen. Der nicht vor dem Altar geheiratet hat. Ich weiß nicht, ob ich ein guter Christ bin, Pater. Also, ich weiß, dass ich es nicht bin. Aber ich weiß auch, dass ich ein guter Spanier bin. Und dieser Roter : Das Einzige, was er wollte, war mir mit seinem Selbstmord die Schuld zu geben für den letzten seiner Gründe, sich in den Abgrund zu stürzen. Aber ich, Pater, ich wollte [das; Anm. d. Verf.] nicht.«1233

Die entlastende Umkehrung der Ursächlichkeiten, wie sie für die Praxis der franquistischen Repression im Allgemeinen kennzeichnend war,1234 kommt in dieser Rechtfertigung deutlich zum Ausdruck. Darüber hinaus führt sie vor Augen, dass Salvador die Doppelmoral, die ihm sein Vorgesetzter im Verlauf des Films vorlebte, letzten Endes vollkommen verinnerlicht hat. Auch in Los girasoles ciegos kommt es zu einem Kreislauf aus Niederträchtigkeit,1235 was durch die zirkuläre Struktur des Films unterstrichen wird. Der Film endet mit der gleichen Einstellung, mit der er begann. Sie eröffnet den Blick auf einen in seiner 1231 Ebd., 01:00:46 – 00:01:47: »¡Se la est‚ comiendo viva!« 1232 Vgl. ebd., 00:35:11 – 00:35:36. Eine Wolf-Lamm-Metapher taucht ebenfalls in La lengua de las mariposas (ES 1999) auf, s. kapitel 3.2. 1233 Ebd., 01:29:37 – 01:30:19: »¿Pero Usted cree que pudo haber venganza por mi parte al denunciar, al pedir auxilio? Que era un rojo, padre. Un rojo que se hab†a negado a bautizar a sus hijos. Que no se hab†a casado ante el altar. […] No s¦ si soy un buen cristiano, padre. Mejor dicho, s¦ que no. Pero tambi¦n s¦ que soy un buen espaÇol. Y el rojo aquel, con su suicidio, lo fflnico que quer†a era echarme la culpa del fflltimo impulso que lo tirû al vac†o. Pero yo, padre, no quer†a.« 1234 Kennzeichnend hierfür sind Urteile, die wegen adhesiûn a la rebeliûn (dt.: »Unterstützung des Aufstandes«) erfolgten, oder Gesetzestexte wie das Ley de Responsabilidades Pol†ticas, s. kapitel 4.1.1 sowie kapitel 4.1.3. 1235 S. hierzu die Ausführungen zum Kinospielfilm Pa negre (Black Bread; ES 2010) im kapitel 4.3.2.1.

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Pracht geradezu überbordenden katholischen Altar.1236 War zu Beginn des Films direkt im Anschluss an diese Einstellung Salvador in schwarzer Priesterrobe zu sehen, wie er vor diesem Altar betet, so betet Salvador vor der letzten Einstellung des Films hier ebenfalls. Am Ende ist man also wieder am Anfang angelangt und es könnte sich genau das Gleiche nochmals ereignen – schließlich ist bei Salvador kein Lernprozess erkennbar, was das Eingestehen von Schuld anbelangt. Die einzige Veränderung ist die, dass Salvador sich am Ende des Films definitiv gegen eine Laufbahn in der spanischen katholischen Kirche entschieden hat, symbolisiert durch die Zivilkleidung, die er trägt und die zugewachsene Tonsur.1237 Sein Vorgesetzter, der Rektor, erlässt Salvador seine Sünden. Die einzige Buße, die Salvador für den aus Rache begangenen, tödlich endenden Verrat an Elenas Mann zu erfüllen hat, ist folgende: »Als Strafe wirst Du das Brevier während der nächsten drei Jahre auf Knien beten.«1238 Entsprechend sieht Kritiker Ýngel Antonio P¦rez Gûmez den Rektor als einen Menschen, der eine zutiefst scheinheilige Moral vertrete.1239 Der Klerus werde in Cuerdas Film im Allgemeinen als »ein chauvinistischer und scheinheiliger Klerus«1240 inszeniert, »mehr mit seinem eigenen Status beschäftigt als mit dem Schicksal seiner Nächsten. Alles ist Lüge und schwülstige Großmäuligkeit.«1241 Wenn man der Filmkritikerin BegoÇa PiÇa folgt, lässt sich Los girasoles ciegos daher durchaus auch als eine Reflexion über die Verantwortlichkeiten der katholischen Kirche begreifen.1242 Schon kurz nach Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs ergriffen hochrangige Vertreter der katholischen Amtskirche in Spanien »aus eigenem Antrieb die Partei der Aufständischen«1243, was deren Putsch entscheidend legitimieren half. Spanische Bischöfe betonten in ihren Predigten, Episteln und Reden, dass es sich 1236 Vgl. Los girasoles ciegos, 00:00:34 – 00:02:15 sowie 01:30:05 – 01:31:00. 1237 Vgl. ebd., 01:27:37. 1238 Ebd., 01:30:30 – 01:30:34: »En penitencia, vas a rezar el breviario de rodillas durante los prûximos tres aÇos.« 1239 Vgl. P¦rez Gûmez (2009), S. 67. 1240 Ebd.: »un clero patriotero y meapilas«. 1241 Ebd.: »m‚s preocupado de su propio estatus que de la suerte del prûjimo […]. Todo es mentira y grandilocuencia.« 1242 Vgl. PiÇa, BegoÇa: »No reflexionar sobre el pasado es suicida.« In: La Vanguardia (29. 08. 2008), S. 30. Wobei das Filmnarrativ dem christlichen Glauben an sich alles andere als ablehnend gegenüber steht, was durch einige, überwiegend positiv besetzte christliche Motive deutlich wird. So verweist beispielsweise das flüchtende junge Paar, das Unterschlupf in einer Hütte findet, wo die Frau ihr Kind bekommt, auf Maria und Joseph: Vgl. Los girasoles ciegos, 00:28:51 – 00:29:29; Bodenmüller (2007), S. 221. Regisseur Jos¦ Luis Cuerda war selbst drei Jahre in einem Priesterseminar: Vgl. www.girasolesciegos.com (20. 02. 2012), Director. 1243 Collado Seidel (2010), S. 169.

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bei dem innerspanischen Konflikt um einen Religionskrieg handle, und bezeichneten den Vormarsch der Aufständischen als »Kreuzzug« (span.: cruzada).1244 Dabei war der ›Kreuzzug‹-Begriff den Aufständischen nicht nur als ein rhetorisches Rechtfertigungsinstrument dienlich, sondern der Gebrauch dieses Begriffs hatte auch praktische Konsequenzen, wie die Historikerin Mary Vincent herausstellt: »[T]he ›Crusade‹ […] gave the Nationalist war effort a genuine moral fervor which, in turn, contributed to its violence.«1245 An der Umsetzung dieses ›Kreuzzuges‹ beteiligten sich die Mitglieder der katholischen Amtskirche in Spanien aktiv : Geistliche zeigten den faschistischen Gruß und die Fahnen der Regimenter wurden von den Kanzeln aus geweiht. Wenn Kleriker nicht sogar selbst zu den Waffen griffen und an ›Säuberungsmaßnahmen‹ mitwirkten,1246 so spielten sie im Zuge der franquistischen Repression eine wesentliche Rolle bei der ›Umerziehung‹ der Gefangenen sowie dabei, Material herbei zu schaffen, das unliebsame ›Rote‹ belastete.1247 Die Verfolgung und Diskreditierung von Vertretern der im Bürgerkrieg unterlegenen Seite ging einher mit den Zielen des Franco-Regimes, die spanische Gesellschaft zu ›re-spanifizieren‹ und zu ›rekatholisieren‹. Wie auch schon zu Republikzeiten, dann allerdings unter umgekehrten Vorzeichen, wurde dabei das Bildungssystem als wichtigstes Instrument erachtet, um die angestrebte politische Sozialisation durchzusetzen.1248 Die Kontrolle über das Bildungssystem und somit eine Monopolstellung auf dem Gebiet der Indoktrination erhielt im Franco-Spanien die katholische Kirche, der Katholizismus wurde ferner zur Staatsreligion erklärt.1249 Der Begriff nacional1244 Vgl. Raguer SuÇer (2010), S. 70. Am 1. Juli 1937 kulminierte diese Parteinahme für die Aufständischen in einem gemeinsamen öffentlichen Brief des spanischen Episkopats, der seine Wirkung auch außerhalb Spaniens nicht verfehlte: »[E]ine prorepublikanische Haltung war für Katholiken fortan kaum mehr möglich.«: Collado Seidel (2010), S. 171. Dabei betont der Historiker Hilari Raguer SuÇer, dass der ›Kreuzzug‹-Begriff ausgerechnet in diesem Schreiben vermieden wurde, wahrscheinlich um den Vatikan nicht zu verärgern, der weitaus friedlicher eingestellt war als die hochrangigen Vertreter der spanischen Amtskirche: Vgl. Raguer SuÇer (2010), S. 68 – 70. 1245 Vincent (2008), S. 82. 1246 Vgl. Collado Seidel (2010), S. 171. 1247 Vgl. ebd., S. 187; Bernecker/Brinkmann (2006), S. 120. 1248 Vgl. Humlebæk (2003), S. 185. S. kapitel 3.2. Die Rolle, die der katholischen Kirche im franquistischen Bildungswesen zukam, zeigt die Literaturadaption El florido p¦nsil (dt.: »Der blühende (Lust-)Garten«; ES 2002) aus nostalgischer Perspektive. Pedro Almodûvar hingegen seziert in seinem Kinofilm La mala educaciûn (Die schlechte Erziehung; ES 2004) schonungslos die Machtstellung, die der katholischen Kirche auch noch im franquistischen Erziehungswesen der 1960er-Jahre zukam. 1249 Eine Monopolstellung, die die Vertreter der katholischen Kirche in Spanien nicht zuletzt angesichts ihrer über die franquistische Diktatur hinausgehenden großen Tradition mit Vehemenz für sich beanspruchten: Vgl. Collado Seidel/Duato (2007), S. 339. Was die Tradition der katholischen Kirche in Spanien anbelangt, so seien hier nur stichwortartig die reyes catûlicos (dt.: »katholischen Könige«) Fernando II und Isabella I erwähnt, au-

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catolicismo (dt.: »Nationalkatholizismus«) bezeichnet deshalb die herrschaftslegitimierende enge Verflechtung zwischen dem politischen und dem religiöskulturellen Element im Franquismus, »die über eine bloße Kollaboration und politische Bundesgenossenschaft hinaus[ging]«1250 und die bis Mitte der 1960erJahre vorherrschte. 1971, also noch während des Franquismus, verabschiedete die Vollversammlung der spanischen Bischöfe und Priester die bisher einzige Verlautbarung der Reue für das Verhalten der Kirche während des Bürgerkriegs – »wenngleich nur mit einfacher Mehrheit und ohne offiziellen Wert«1251. Als Papst Johannes Paul II. im März 2000 ein Dokument veröffentlichte, in dem er um Verzeihung bat für die Schäden, die im Laufe der Geschichte im Namen der Kirche vollbracht worden waren, ließ die spanische Bischofskonferenz die Chance verstreichen, angesichts der engen Verflechtungen zwischen FrancoDiktatur und katholischer Kirche Worte der Entschuldigung zu verlieren. Ganz im Gegenteil: Sie betonte, eines der ersten Opfer des Kriegs gewesen zu sein.1252 Angesichts der von den Sozialdemokraten implementierten memorialistischen Maßnahmen, die darauf abzielten, auch der Opfer der franquistischen Repression zu gedenken,1253 praktiziert die zunehmend konservative katholische Hierarchie in Spanien ihre eigene Erinnerungspolitik: Sie weigert sich, falangistische und franquistische Symbole von ihren Besitztümern zu entfernen.1254 Den Vorstoß des Richters Garzûn im Herbst 2008, der eine postume Verurteilung Francos und seiner Helfer wegen ›Verbrechen gegen die Menschlichkeit‹ erwirken wollte,1255 quittierten die spanischen Bischöfe mit der Aussage, sich lieber

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ßerdem die Tatsache, dass Spanien zu allen Zeiten einflussreiche Ordensgemeinschaften innerhalb der römisch-katholischen Kirche hervorbrachte (Dominikaner, Jesuiten, Opus Dei, …): Vgl. Jäger (2010), S. 29 f. Die unangefochtene Monopolstellung der katholischen Kirche auf dem Gebiet der Indoktrination führte, neben der Verschiebung der Kräfteverhältnisse auf transnationaler Ebene nach 1942, zum Bedeutungsverlust der Vertreter dezidiert faschistisch beeinflusster Gruppierungen im Franco-Spanien, s. Kapitel 4.3.1. Humlebæk (2003), S. 176. Vgl. Collado Seidel (2008), S. 301. Collado Seidel/Duato (2007), S. 341: »aunque sûlo con mayor†a simple y sin validez oficial«. Vgl. Brinkmann (2008), S. 120; Collado Seidel (2008), S. 302. In der Verlautbarung von 1971 eigneten sich die spanischen Bischöfe und Priester die Versöhnungsrhetorik der gemäßigt-reformistischen Kreise an, sprachen dann vom Spanischen Bürgerkrieg als einem »großen Krieg zwischen Brüdern«: Juli‚ D†az (1999), S. 47: »gran guerra entre hermanos«. S. kapitel 2.1. Vgl. Collado Seidel/Duato (2007), S. 348. Antiklerikale Ausschreitungen waren mit der Proklamation der säkularen Zweiten Republik 1931 vereinzelt aufgetreten, nahmen nach 1934 zunehmend gewalttätige Formen an und erreichten ihren blutigen Höhepunkt 1936. Die Historikerin Vincent spricht von insgesamt 6.832 ermordeten Priestern, Mönchen, Seminaristen und Nonnen: Vgl. Vincent (2008), S. 78 f. S. kapitel 4.1.1. Vgl. Boyd (2008), S. 145. S. kapitel 7.3.

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auf die Seligsprechung weiterer ›Märtyrer des Glaubens‹ konzentrieren zu wollen.1256 Als Franco sich in den ersten Jahren der Konsolidierung seines ›Neuen Staates‹ an die Achsenmächte anlehnte, distanzierten sich die Vertreter der katholischen Kirche in Spanien nicht von faschistischen Ritualen und faschistischer Symbolik, im Gegenteil: Sie übernahmen diese ebenfalls. Dieser Aspekt gelangt in Los girasoles ciegos zur Darstellung und zwar anhand des filmintern mehrfach inszenierten täglichen Fahnenappells in der Schule, die Elenas und Ricardos Sohn Lorenzo im galicischen Ourense im Jahr 1940 besucht.1257 Lehrer sind hier ausschließlich Priester. Sie halten ihre Schüler allmorgendlich dazu an, die falangistische Hymne Cara al sol zu singen und dabei den rechten Arm zum faschistischen Gruß zu heben. Das Ritual endet mit dem Schlachtruf EspaÇa ¡Una! EspaÇa ¡Grande! EspaÇa ¡Libre! (dt.: »Spanien: einig! Spanien: groß! Spanien: frei!«), den ein Priester und die Schüler im Wechsel brüllen, sowie den abschließenden gemeinsamen Rufen ¡Viva Franco! und ¡Arriba EspaÇa!1258 In Lorenzos Klassenraum hängen Porträts sowohl von Franco als auch von Falange-Gründer Jos¦ Antonio Primo de Rivera über der Tafel, links und rechts direkt neben einem Kruzifix.1259 In Silencio roto (Broken Silence; ES 2001) nutzt Regisseur Armend‚riz die Inszenierung eines in der unmittelbaren Nachkriegszeit stattfindenden Gottesdienstes dazu, um zu zeigen, dass die dortige Anwesenheit sämtlicher Honoratioren der Dorfgemeinschaft, darunter Vertreter der guardia civil, als wirksames Kontrollorgan und Druckmittel für die restliche Dorfbevölkerung dient. Wer nicht als ›Abtrünniger‹ auffallen will, geht sonntags in die Kirche. Der 1256 Vgl. Bedoya, Juan G.: Los obispos preparan otra beatificaciûn masiva de sus ›m‚rtires‹. In: El Pa†s (17. 10. 2008b), S. 13. Schon die Selig- bzw. Heiligsprechungen, die noch Papst Johannes Paul II. während seiner Amtszeit vornahm und unter denen sich spanische ›Märtyrer des Glaubens‹ befanden, hatten alle Rekorde gebrochen: Während seiner Amtszeit ließ er 1.339 Personen selig sprechen, darunter 233 Nonnen und Priester, die auf dem Gebiet der spanischen Zweiten Republik ermordet wurden (s. Fußnote 1252): Vgl. Collado Seidel/Duato (2007), S. 347 f.; Elsemann (2011), S. 286. Ende Oktober 2007 folgte unter Papst Benedikt XVI. in Rom die Seligsprechung von 498 ›Märtyrern des Bürgerkriegs‹: Vgl. Collado Seidel (2008), S. 306; Elsemann (2011), S. 260. 1257 Vgl. Los girasoles ciegos, 00:03:00 – 00:03:04. In der entsprechenden Erzählung aus Alberto M¦ndez’ Werk Los girasoles ciegos, die Vorlage zum gleichnamigen Film, vollzieht sich die Handlung in Madrid 1942. Die Entscheidung für Galicien als Handlungsort des Films fiel deshalb, weil dessen Macher das nordwestliche Spanien als geeignetes Setting ansahen, um zu vermitteln, dass es hinter einer scheinbar friedlichen Oberfläche gärt: Vgl. Los girasoles ciegos, DVD-Extras, Making of, 00:09:15 – 00:09:29; Los girasoles ciegos, DVD-Extras, Galeria gr‚fica, El entorno. Vgl. www.girasolesciegos.com (20. 02. 2012), Notas de producciûn. Zur Oberflächenmetapher s. Fußnote 1076. 1258 Vgl. Los girasoles ciegos, 00:15:11 – 00:15:55 sowie 00:29:30 – 00:31:02 und 00:44:06 – 00:44:27. 1259 Vgl. ebd., 00:16:33 – 00:16:48.

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Priester in der ersten Staffel der TV-Serie Amar en tiempos revueltos (dt.: »Liebe in aufgewühlten Zeiten«; TVE/La 1, 2005/06) muss sich während des Bürgerkriegs in Madrid verstecken und beklagt die sich im republiktreuen Spanien vollziehenden Kirchenbrände und -schändungen.1260 Später ist er von der unerbittlichen franquistischen Repression der Nachkriegszeit jedoch geschockt und äußert seine Zweifel am Vorgehen gegenüber der kirchlichen Hierarchie. Diese Figur des ›guten‹ Priesters, der christliche Überzeugungen wie Nächstenliebe nicht vollständig verleugnet, kontrastiert mit den scheinheiligen Nonnen des Klosters, in dem sich die Protagonistin der ersten Staffel nach dem Krieg wiederfindet.1261 Andrea, aufgrund ihrer Zivilehe mit einem republikanischen Soldaten als ›Rote‹ gebrandmarkt, wird dort Opfer zynischer Argumentationen und Bestrafungsrituale, beide sollen ihrer ›Umerziehung‹ dienen. Weil sie es wagt, sich gegen die oberste Schwester aufzulehnen, wird sie zur Strafe beispielsweise in eine Einzelzelle gesperrt.1262 Eine Priester-Figur hat in El laberinto del fauno (Pans Labyrinth; ES-MX 2006) zwar nur einen kleinen Auftritt, der dennoch reicht, um die (ideologisch) stützende Kraft der katholischen Kirche im franquistischen Staat zu verdeutlichen. Bei einem Festmahl, zu dem der grausame Hauptmann Vidal seine Getreuen lädt, gibt sich der Priester als überzeugter Anhänger des Franco-Regimes und der Maßnahmen zu erkennen, die der Hauptmann ergreift. So ist er im Gegensatz zum zweifelnden Bürgermeister davon überzeugt, dass die von Vidal zusätzlich rationierten Lebensmittelkarten den Bedarf der Familien im Ort decken werden, sie müssten nur sorgsam damit umgehen.1263 Dies charakterisiert den Priester als arrogant und herablassend gegenüber den Mitgliedern seiner Gemeinde. Noch ärger ist sein Urteil über das Schicksal Andersdenkender : »Gott hat diesen Leuten die Seele gerettet. Was mit dem Körper passiert, das interessiert ihn herzlich wenig.«1264 Dieser zynische Ausspruch zeigt, dass der Priester den Kontakt zu seinen Schutzbefohlenen verloren hat, es stattdessen vorzieht wegzuschauen. Das rückt ihn in eine gewisse Nähe zu einem blinden 1260 S. Fußnote 1252. 1261 Vgl. Smith (2009), S. 127. 1262 Vgl. Amar en tiempos revueltos – T1 – Cap†tulo 12 (14. 10. 2005), www.rtve.es (20. 02. 2012), sowie Amar en tiempos revueltos – T1 – Cap†tulo 13 (17. 10. 2005), www.rtve.es (20. 02. 2012). 1263 Vgl. El laberinto del fauno, 00:37:51 – 00:38:02. Der Bürgermeister, wenngleich profitierender Mitläufer im frühfranquistischen System, wird hier als vergleichsweise ›gemäßigt‹ dargestellt: Vgl. ebd., 00:38:25 – 00:38:27. S. kapitel 4.3.1. 1264 Ebd., 00:38:17 – 00:38:22: »A esta gente, Dios les ha salvado el alma. Lo que al cuerpo le suceda, bien poco le importa.« Dieser Ausspruch stammt Regisseur Del Toro zufolge von einem Priester, der den Häftlingen in einem franquistischen campo de concentraciûn (dt.: »Konzentrationslager«, s. Fußnote 529) die Beichten abgenommen hat: Vgl. Pans Labyrinth, DVD-Extras, Audiokommentar von Guillermo del Toro, 00:38:10 – 00:38:25.

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Monster der filminternen Fantasiewelt.1265 Der Priester zeigt vielmehr ein weitaus ausgeprägteres Interesse daran, selber gut zu leben, was die Essensmengen offenbaren, die er parallel zu seinen Äußerungen auf seinem Teller platziert, sowie die Geschwindigkeit, mit der er sie vertilgt. In Las 13 rosas (13 Roses; ES-IT 2007) dient eine im Freien abgehaltene Messe, an der viele Militärs und Falangisten teilnehmen, nicht der Zuflucht, sondern wird zu dem Ort, an dem die Protagonistinnen des Films denunziert und festgenommen werden. Eine von ihnen wird direkt vor dem Altar unter einem riesigen Holzkreuz abgeführt, eine andere im Beichtstuhl verraten. Bei ihrer Festnahme helfen die anwesenden Priester aktiv mit.1266 Vor allem im Frauengefängnis wird die enge Verbindung der repressiven Institutionen des Franquismus mit der katholischen Kirche offenkundig inszeniert. Gleich bei ihrer Einlieferung werden zwei der Protagonistinnen nach ihrer Konfession gefragt. Als die eine sagt, sie sei konfessionslos, diktiert die Direktorin der Schriftführerin dennoch ›katholisch‹ ins Protokoll –1267 etwas anderes kommt im FrancoSpanien nicht in Frage. Gleichzeitig ist dieses Gebaren als Demütigung für die agnostische Gefangene gedacht. Im Gefängnis ist der Gottesdienstbesuch für die Gefangenen verpflichtend. Die Macht, die Vertreter der katholischen Kirche sich während des Franquismus nicht scheuten auch gegenüber denjenigen zu demonstrieren, die keine Möglichkeit hatten, sich zu wehren, wird gegen Ende des Films Las 13 rosas deutlich inszeniert: Hier verteilt der im Gefängnis angestellte Priester nur Briefbögen an die zum Tode Verurteilten, die eine letzte Beichte ablegen.1268 Die Möglichkeit, einen Abschiedsbrief zu verfassen, ist somit gekoppelt an eine erzwungene Beichte, was die Niederträchtigkeit der Kollaboration von katholischer Kirche und ›Neuem Staat‹ in Franco-Spanien herausstellt. Dabei stehen ›extreme‹ Vertreter des katholischen Glaubens wie Priester und Nonnen, die mit dem franquistischen Regime und seinen repressiven Maßnahmen assoziiert werden und ein pervertiertes Verständnis christlicher Glaubensgrundsätze zum Ausdruck bringen, in Las 13 rosas denjenigen wie Blanca gegenüber : eine eindeutig positiv konnotierte Katholikin, die Vergebung auch noch im Moment ihres eigenen gewaltsamen Todes propagiert.1269 In Pa negre (Black Bread; ES 2010) gibt es keinerlei ›zentristische Idealfigur‹ wie Blanca, jedoch eine ähnlich wie in Las 13 rosas gezeichnete Priesterfigur, die sich vielmehr durch regimekonformes Verhalten als durch »christliche Nächstenliebe«1270 auszeichnet. Der Priester weigert sich, dem Vater des kindlichen 1265 1266 1267 1268 1269 1270

Zum gesichtslosen Monster s. ausführlicher unter kapitel 4.3.1. Vgl. Las 13 rosas, 00:45:30 – 00:45:38. Vgl. ebd., 01:08:58 – 01:01:40. Vgl. ebd., 01:43:57 – 01:44:55. Zur Figur Blanca s. ausführlich unter kapitel 5.5. Pan negro, 01:24:03: »caridad cristiana«.

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Protagonisten Andreu Trauerfeierlichkeiten zuteilwerden zu lassen, da dieser sich schließlich bis zuletzt geweigert habe, einen Geistlichen zu empfangen. Überhaupt ist es Andreus gläubiger Mutter nur unter größten Anstrengungen gelungen, eine Nische aufzutreiben, in der der Vater begraben werden kann. Andernfalls wäre der Leichnam in eine Grube geworfen worden »wie ein Hund«1271. Angesichts dieser Beispiele rücken die klerikalen ›Väter‹ und ihre Allianz mit der ›monströs-sexualisierten‹ Gewalt des franquistischen ›Neuen Staats‹ in der Literaturadaption Los girasoles ciegos vergleichsweise dezidiert in den Blick.1272 Auf die Frage des Diakons Salvador, warum er ihn überhaupt in den Krieg sandte, antwortet der Rektor : »Weil Du hingehen musstest. War es nicht ein Kreuzzug?«1273 Während der Rektor demnach versucht, unter Rekurs auf den ›Kreuzzug‹-Begriff das propagandistisch Überhöhte der nationalen Sache herauszustellen, um seinen Untergebenen von der Richtigkeit seines Kampfeinsatzes zu überzeugen, hinterfragt Salvador den Stolz, den er dem Rektor zufolge empfinden sollte: »Aber es ist nicht einfach, wissen Sie? Man sieht Sachen, Pater, man erlebt Sachen. Die Ideale stehen fest. Ich hege keine Zweifel über die unsrigen, wie käme ich dazu? Aber der Krieg… Die offenen Wunden, der tägliche Tod.«1274

Für den Rektor sind das alles Instinkte, die dazu gehörten, wolle man große Heldentaten begehen. Es gebe kein Leben ohne Sünden.1275 Salvador hält dagegen, dass es keine geeignete Vorbereitung auf den Krieg gebe. Er sei damals aus dem Seminar gegangen, als ihn nur noch ein Jahr von seinem ersten Gottesdienst als Priester trennte. Nun sei er sich seiner Berufung aufgrund seiner Tätererfahrungen im Krieg aber nicht mehr sicher : 1271 Ebd., 01:22:47: »como un perro«. In anderen aktuellen Kinospielfilmen, wie beispielsweise La buena nueva (The Good News; ES 2008) oder Encontrar‚s dragones (Glaube, Blut und Vaterland; ES-US 2011), stehen hingegen ›aufrechte‹ bzw. vermeintlich ›unschuldige‹ Priesterfiguren im Mittelpunkt der Handlung. 1272 Neben dem Diakon und vereinzelten als Militärs erkennbaren peripheren Figuren setzen in Los girasoles ciegos vor allem Falange-Anhänger die Repression der Nachkriegszeit aktiv um, gut erkennbar an ihren blauen Hemden bzw. ihren Anzügen sowie – wie der spanische Bestsellerautor Antonio MuÇoz Molina in einer sich an der Verfilmung von Los girasoles ciegos entzündeten Generalkritik am Umgang mit der jüngeren Vergangenheit im zeitgenössischen Spanien anmerkt – an einer auffälligen Häufung schmaler Schnurrbärte: Vgl. MuÇoz Molina, Antonio: Desmemorias. In: El Pa†s (06. 09. 2008), www.elpais.com (20. 02. 2012). Auf MuÇoz Molinas Kritik wird im resümee der vorliegenden Untersuchung näher eingegangen. 1273 Los girasoles ciegos, 00:03:19 – 00:03:27: »Porque ten†as que ir. […] ¿No era una cruzada?« 1274 Ebd., 00:03:30 – 00:04:04: »Pero que no es f‚cil, ¿sabe? Es que se ven cosas, padre, se viven cosas. Los ideales son los que son. Ninguna duda sobre los nuestros, ¿cûmo iba a dudar? Pero la guerra… Las heridas abiertas, la muerta diaria.« 1275 Vgl. ebd., 00:04:03 – 00:04:39.

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Franquistische Repression und Nachkriegszeit

»Ich habe jede Art von Schuss getätigt. Ich habe getötet. Ich habe Menschen erschossen. Ich habe ihnen den Gnadenschuss gegeben, während sie auf dem Boden lagen und mir in die Augen schauten. Ich konnte nicht hinsehen. Und mir zitterte die Hand. Ich traf nicht. Und ich musste noch einmal abdrücken.«1276

Außerdem habe er gehurt und getrunken. Die lapidare Antwort des Paters lässt keinen Zweifel an der Lösbarkeit von Salvadors Problemen: »Um die Sünden, um die werden wir uns kümmern: unser Herr Jesus Christus, der schon seinen Krieg am Kreuz führte, und ich.«1277 Der Rektor stellt Salvador einen Persil- und Freifahrtschein im Namen der katholischen Kirche aus. Salvador indes, der weder gelernt hat, sich eine eigene Meinung zu bilden, noch Herr seiner Gefühle und Triebe zu sein,1278 ist dem Rat seines Vorgesetzten, seines einzigen Ansprechpartners, seines padre (dt. wörtlich: »Vaters«) ausgeliefert. Von diesem lernt er als einzige Handlungsinstrumente Macht, Gewalt und die Beichte kennen, die einen von allen Sünden reinwäscht. Trotz aller impliziten Kritik an der Rolle der katholischen Kirche unter Franco, die Los girasoles ciegos leistet, trägt Salvador am Ende des Films, als er beschließt, Elena massiv zu bedrängen, jedoch nicht seine schwarze Kutte, die ihn als Mann der Kirche ausweist, sondern seine Armeeuniform.1279 Will er seine Macht als ›Sieger‹ offensiv ausüben, so die filmische Darstellung, dann entscheidet er sich bewusst für seine Identität als Soldat. Interessant sind im Zusammenhang mit der Charakterisierung des Protagonisten Salvador Sequenzen, die in der Endfassung des Films weggelassen wurden, auf der Kauf-DVD jedoch enthalten sind. So war ursprünglich geplant, den Film mit einer Abfolge von Szenen beginnen zu lassen, die sich zunächst um ein franquistisches Militärtribunal drehen. Ein ehemaliger Hauptmann des nationalen Heeres wird angeklagt, zu den Republiktreuen übergelaufen zu sein. Die Frage, warum er wenige Stunden vor der Einnahme Madrids durch die Franquisten Fahnenflucht begangen habe, beantwortet der Angeklagte wie folgt: Er habe sich daran gestört, dass Franco Madrid deshalb nicht sofort eingenommen habe, weil er den Krieg aus taktischen Gründen verlängern wollte, um auf seinem Vormarsch möglichst viele ›Rote‹ zu töten. Es sei nicht darum ge1276 Ebd., 00:05:43 – 00:06:19: »He hecho todo tipo de disparatos. He matado. He fusilado gente. Los he rematado en el suelo mientras me miraban a los ojos. Yo ten†a que cerrar los m†os. Y me temblaba la mano. No acertaba. Y ten†a que volver a disparar.« In diesem Zitat kommt eine vermeintliche Notwendigkeit wegzuschauen zum Ausdruck, die wiederum gewisse Parallelen zum blinden Monster der filminternen Märchenwelt in El laberinto del fauno eröffnet. 1277 Ebd., 00:06:38 – 00:06:42: »De los pecados, nos ocuparemos Nuestro SeÇor Jesucristo, que ya tuvo su guerra en la cruz, y yo.« 1278 Vgl. ebd., DVD-Extras, Making of, 00:05:38 – 00:05:50; www.girasolesciegos.com (20. 02. 2012), Personajes, Salvador. 1279 Vgl. Los girasoles ciegos, 01:18:45 – 01:19:22 sowie 01:21:44 – 01:24:43.

Franquistische Täter

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gangen, die ›Roten‹ zu besiegen, sondern darum, sie auszurotten.1280 Direkt darauf folgt eine Sequenz, in der Salvador zu sehen ist, wie er sich vor einem Spiegel seine Uniform zurechtrückt, bevor er sich zu einer nackten Frau herunterbeugt, um sich von ihr zu verabschieden und ihr Geld in die Hand zu drücken. Dabei hängt er ihr seine goldene Kette mit einem Kruzifix um den Hals.1281 In der abschließenden Sequenz dieses dem Schnitt zum Opfer gefallenen Prologs wird dargestellt, wie verschiedene Gefangene, darunter der zuvor vor Gericht befragte Hauptmann, mit einem Laster zu einer Lichtung geschafft werden. Salvador ist ebenfalls anwesend, schießt zum Spaß auf Äste und betrinkt sich.1282 Von der Ladefläche des Lasters aus beobachtet der verurteilte Hauptmann den offensichtlich unaufmerksamen Salvador und nutzt die Gelegenheit, um Salvadors Pistole aus dem Halfter zu entwenden. Nachdem er ausruft: »Ich bin einer von Euch!«1283, schießt er sich in den Mund und bedeckt Salvadors Antlitz dabei mit Blutspritzern.1284 Warum diese Sequenzen, die eine verkürzte Adaption der ersten Geschichte aus Alberto M¦ndez’ literarischer Vorlage zum Film darstellen, in der Endfassung von Los girasoles ciegos nicht enthalten sind, ist nicht geklärt. Während M¦ndez’ Erzählzyklus insgesamt vier in sich abgeschlossene Geschichten umfasst, die in den Jahren 1939 bis 1942 spielen und durch das übergeordnete Thema der Niederlage sowie durch intratextuelle Bezüge miteinander verbunden sind, werden in Cuerdas Endfassung von Los girasoles ciegos bloß zwei der Erzählungen adaptiert: die zweite und die Titel verleihende vierte.1285 Die In1280 Vgl. ebd., DVD-Extras, Secuencias no montadas, 00:00:00 – 00:04:28. Eine strategische Art der Kriegsführung, die auf die Erfahrungen der aufständischen Generäle in den Kolonialkriegen in Marokko zurückzuführen ist und darauf basiert, im Zuge eines Vormarsches kaum Gefangene zu machen: Vgl. Richards (1998), S. 35; Prada (2010), S. 113 sowie 120. S. auch kapitel 4.1.1. 1281 Vgl. Los girasoles ciegos, DVD-Extras, Secuencias no montadas, 00:04:29 – 00:05:05. 1282 So inszeniert, ähnelt Salvador einem Milizionär in Libertarias (Freedomfighters; ES-IT-BE 1996) sowie einem republikanischen Militär in dem Film Soldados de Salamina (Soldiers of Salamina; ES 2003), die im Laufe der jeweiligen Filmhandlung zum Spaß auf Kirchenglocken zielen: Vgl. Libertarias, 01:23:29 – 01:23:44, sowie Soldados de Salamina, 00:50:34 – 00:50:40. 1283 Los girasoles ciegos, DVD-Extras, Secuencias no montadas, 00:06:00: »¡Soy de los vuestros!« Ein Ausruf, der der Versöhnungsrhetorik Vorschub leistet, da er impliziert, dass alle sich schuldig gemacht haben bzw. dass sich im Spanischen Bürgerkrieg Gleichgesinnte bekämpften. 1284 Vgl. Los girasoles ciegos, DVD-Extras, Secuencias no montadas, 00:05:06 – 00:06:04. 1285 Wobei der Fokus von Cuerdas Film deutlich auf der vierten Erzählung liegt, während die zweite, die sich um die missglückte Flucht eines jungen Paares dreht, quasi beiläufig und dabei stark reduziert in den Haupterzählstrang eingeflochten wird (s. Fußnote 1242). Mehrere Rezensenten kritisieren entsprechend die Adaption dieser zweiten Geschichte als enttäuschend: Vgl. OcaÇa, Javier : Decepcionante correcciûn. In: El Pa†s (29. 08. 2008), S. 12; P¦rez Gûmez (2009), S. 66.

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Franquistische Repression und Nachkriegszeit

korporation einer verkürzten Inszenierung der ersten Erzählung in Cuerdas Film hätte Salvadors ›Verrohung‹ und seine Taten zu Kriegszeiten visualisiert, während im filmischen Endprodukt die ›Opfer zu Täter‹-Ambivalenz des jungen Diakons überwiegend dialogisch und weniger explizit zum Ausdruck kommt. Dennoch ist eine ambivalente Zeichnung der Figur Salvadors, die zwischen Opfer- und Täterrolle changiert, auch im filmischen Endprodukt auszumachen. Der Rezensent P¦rez Gûmez beschreibt diese wie folgt: »Salvador ist voll von schändlichen Leidenschaften (Sex, Herrschaft, Gewalt), deren Opfer er ist, aber gleichzeitig ist er schuldig, weil er sie in seinem Leben verweilen lässt, getarnt als teuflische Verlockungen.«1286

Widersprüchlich mutet es daher an, dass P¦rez Gûmez sich dieser eigens vorgenommenen Figurenbeschreibung zum Trotz an einer vermeintlich überdeutlichen Parteinahme in dem Film Los girasoles ciegos stört: »Dem Film mangelt es an Subtilität und er behindert sich selbst durch die anfängliche Parteinahme, die kein Eckchen für irgendeine Ambiguität lässt.«1287 Auch für den El Pa†s-Kritiker Javier OcaÇa ist der Film durch die Entscheidung seines Regisseurs Cuerda, bloß zwei der insgesamt vier Erzählungen zu adaptieren, weniger subtil und ›manichäischer‹ als die literarische Vorlage.1288 Die zusätzlichen Sequenzen betonen das Zirkuläre an der filmischen Umsetzung der Geschichte. Wie im Prolog enden Salvadors ungezügelt-unreflektierte Triebe auch in der Binnenhandlung des Films damit, dass ein anderer Selbstmord begeht. Viel wichtiger jedoch erscheinen die herausgeschnittenen Sequenzen im Zusammenhang mit der Frage nach der filminternen Darstellung der franquistischen Repression. In der Endfassung von Los girasoles ciegos fehlt jeglicher Hinweis auf den systematischen Charakter der Verfolgung von Regimegegnern unter Franco, wie er von dem verurteilten Hauptmann im Prolog explizit verbalisiert wird. Stattdessen erscheinen alle Beteiligten in Cuerdas Film – der Diakon Salvador inklusive – als Opfer einer Zeit, in der es unmöglich war, Gefühle auszuleben.1289

1286 P¦rez Gûmez (2009), S. 67: »Salvador est‚ lleno de pasiones inconfesables (sexo, dominio, violencia) de las que es v†ctima, pero tambi¦n es culpable porque las deja campar por su vida camufladas de tentaciones diabûlicas.« Die ›Leidenschaften‹ deuten auf den Mythos der leyenda negra hin, s. kapitel 3.1. 1287 Ebd., S. 66 f.: »[E]l film carece de sutileza y est‚ lastrado por el parti pris [Herv. i. Orig.] inicial que no deja resquicio a ninguna clase de ambigüedad«. Die Leistung des jungen Schauspielers Raffll Ar¦valo, der Salvador verkörpert, empfinden mehrere Kritiker als wenig nuanciert und daher nicht gelungen: Vgl. El Pa†s (29. 08. 2008), S. 12; P¦rez Gûmez (2009), S. 67. 1288 Vgl. El Pa†s (29. 08. 2008), S. 12. Zum Vorwurf des ›Manichäismus‹ s. kapitel 3.2. 1289 S. kapitel 6.1.

5.

Handlungsvorschläge

5.1

›Die Geister der Vergangenheit erhören‹

»Ich werde nicht mehr davonlaufen. Ich möchte mir Dir reden.«1290

In einem Aufsatz aus dem Jahr 2001 spricht die Romanistin Leora Lev – in Anlehnung an die Filmwissenschaftlerin Marsha Kinder – von den »wounds«1291, die ein monströser Patriarch, in Allianz mit klerikalen ›Vätern‹ und paternalistischen Organisationen wie der guardia civil, dem politischen Körper Spaniens zugefügt habe. Obwohl dieser Gleichsetzung von physischen Verletzungen mit soziopolitischen Prozessen im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht entsprochen wird,1292 fällt auf, wie oft und nachhaltig sie in spanischen Kino- und TV-Produktionen mit zeithistorischem Sujet vorgenommen wird. Auf einer breiten öffentlichen Ebene erfreuen sich in Spanien sprachliche Umschreibungen einer ungebrochenen, wenn nicht zunehmenden Popularität, die bisherige kollektive Formen des Umgangs mit der jüngeren Vergangenheit beschreiben als solche, die (psycho-)pathologische Symptome hervorriefen und -rufen. Dem Romanisten Sebastiaan Faber zufolge sind diese Umschreibungen einer kritischen Lesart des spezifisch spanischen Übergangs von franquistischer Diktatur zu parlamentarischer Monarchie, der transiciûn, geschuldet: »In [this] reading, Spain is finally beginning to pay the price for its almost thirty-year long pacto del silencio or pacto del olvido, the elites’ stubborn refusal to come to terms with the Civil War and Francoism, even after the country’s transition to democracy in the late 1970s. Never properly buried, mourned or exorcised, the nation’s ghosts have now come back to haunt it.«1293

Will Spanien also zur Ruhe kommen und sich als demokratischer Staat bester ›Gesundheit‹ erfreuen, dann ist aus dieser Perspektive heraus betrachtet eine 1290 1291 1292 1293

El espinazo del diablo, 01:24:30 – 01:24:34: »No voy a correr m‚s. Quiero hablar contigo.« Lev (2001), S. 166. S. Fußnote 97. Faber (2005), S. 205.

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umfassende, kritische Aufarbeitung der jüngeren Vergangenheit unausweichlich.1294 Die Sicht auf den öffentlichen Umgang mit der Bürgerkriegs- und Diktaturvergangenheit als einen, der »symptom[s] of collective pathology«1295 generierte, stellt somit die vermeintlich heilende Wirkung einer Auseinandersetzung mit der Vergangenheit heraus, wobei individualpsychologische Prozesse unkritisch auf kollektive Formen der Bezugnahme auf Vergangenheit übertragen werden. Wie obiges Zitat bereits illustriert, ist es dabei laut dem Romanisten Samuel Amago zu einer Art Gemeinplatz geworden, »to refer to the cultural inheritance of the Spanish Civil War and Franco’s dictatorship in ghostly terms«1296. So interpretiert die Romanistin Jo Labanyi die Figur des Geistes im spezifisch spanischen Fall – in Anlehnung an Jacques Derridas Konzept der hauntology – als »the return of the repressed of history«1297. Diese »verdrängte« Vergangenheit, die von gruseligen Gestalten und pathologischen Symptomen verkörpert wird, muss Labanyi zufolge anerkannt werden. Erst eine Anerkennung der »ghosts of the past«1298 ermögliche – in Anlehnung an Freud – einen Heilungsprozess der Trauer.1299 Im Rahmen der hier untersuchten publikumswirksamen ›Kernquellen‹ ist die Reflexion über eine gewaltsame Vergangenheit und die filmintern postulierte Notwendigkeit, sich ihr zu stellen, am ausgeprägtesten in der Kinoproduktion El espinazo del diablo (Das Rückgrat des Teufels; ES-MX 2001). Dabei nutzt Regisseur Guillermo del Toro das Horrorfilmgenre, um sich dem Thema zu nähern, und macht die Figur eines rastlos herumspukenden Geistes zu einem expliziten Sinnbild für eine ›unbewältigte‹, ›zur Rückkehr verdammten‹ Vergangenheit. Der Geist verliert seinen bedrohlichen Charakter erst dann, wenn sich jemand ernsthaft mit ihm auseinandersetzt – was im übertragenen Sinne ebenso für die gewaltsamen Ereignisse der Vergangenheit gilt. Es ist sogar möglich, den Film als Erzählung eines weiteren rastlosen Gespenstes zu verstehen: Die Stimme des Arztes des Waisenheims, in dem sich die Handlung vollzieht, leitet den Film in Form eines voice over ein. El espinazo del diablo beginnt mit der von Dr. Casares gestellten Frage: »Was ist ein Gespenst?«1300. Er selbst beantwortet die Frage folgendermaßen: »Ein schreckliches Ereignis, dazu verdammt, sich ständig zu wiederholen? Ein Moment des Schmerzes vielleicht? Etwas Totes, das hin und wieder noch lebendig erscheint. Ein 1294 1295 1296 1297 1298 1299 1300

Vgl. ebd. sowie 210 f. Ebd., S. 205. Amago (2010), S. 244. Labanyi (2002), S. 6. Vgl. Labanyi (2000), S. 66. Labanyi (2000), S. 80. Vgl. ebd., S. 65. El espinazo del diablo, 00:00:29: »¿Qu¦ es un fantasma?« Diese Frage zierte prominent das offizielle Plakat, mit dem Del Toros Film in Spanien beworben wurde.

›Die Geister der Vergangenheit erhören‹

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in der Zeit aufgehobenes Gefühl. Wie eine unscharfe Fotografie. Wie ein in Bernstein gefangenes Insekt.«1301

Genau diese Worte des Dr. Casares sind während des Epilogs abermals aus dem off zu hören – ergänzt durch den Zusatz: »Ein Gespenst, das bin ich«1302. Dabei zielt er als Geist darauf ab, von den Zuschauern ›erhört‹ zu werden. Letztere werden dazu aufgerufen – argumentativ gestützt durch die soeben verfolgte Filmhandlung – den ›Geistern der Vergangenheit‹ zu begegnen, um im übertragenen Sinne das Insekt aus dem Bernstein zu befreien, den Schmerz zum Verklingen zu bringen, um die Toten endlich ruhen lassen zu können. Parallel zu Dr. Casares eingangs erfolgenden Reflexionen zur Figur des Geistes sind unterschiedliche Sequenzen eingeschnitten, die sein voice over unmittelbar mit einem kriegerischen Szenario verbinden:1303 Nach einer kurzen Einblendung eines Türrahmens ist das erste, was der Zuschauer zu Gesicht bekommt, das Herabfallen einer Bombe. Andere Bomben sieht man aus der Vogelperspektive detonieren, weit unten am Boden. Direkt darauf ist ein am Boden liegender, stoßweise atmender und aus dem Kopf blutender Junge zu sehen.1304 Die an dem Jungen verübte Gewalt steht der Montage zufolge in einer direkten Verbindung zu der herabfallenden Bombe und zu dem dadurch angedeuteten Krieg.1305 Ein weiterer Junge beugt sich über den am Boden liegenden, spürt dessen Blut an seiner Hand und weint. In der nächsten Sequenz sind Unterwasseraufnahmen zu sehen, die zeigen, dass der verletzte Junge, beschwert und mit einem Seil gefesselt, ins Wasser geworfen wird. Die nächste Einstellung widmet sich wieder dem zweiten Jungen, der mit blutverschmiertem Gesicht am Rand eines Beckens hockt. Wie die Romanistin Anne E. Hardcastle herausstellt, gelangt die Vergangenheit in El espinazo del diablo somit von Anfang an zweifach kodiert zur Darstellung: Für die Filmfiguren als spezifischer Vorfall von Mord und Verrat, für die Zuschauerschaft als die größere Geschichte des Spanischen Bürgerkriegs, dem Handlungszeitraum des Films.1306 Dabei führt Regisseur Del Toro beide 1301 Ebd., 00:00:29 – 00:01:34: »Un evento terrible condenado a repetirse una y otra vez. Un instante de dolor, ¿quiz‚s?. Algo muerto que parece por momentos vivo affln. Un sentimiento suspendido en el tiempo. Como una fotograf†a borrosa. Como un insecto atrapado en ‚mbar.« 1302 Ebd., 01:39:13 – 01:39:17: »Un fantasma, eso soy yo.« 1303 Vgl. Hardcastle (2005), S. 119. 1304 Die Parallele zur Anfangssequenz in El laberinto del fauno, in dem ein Mädchen blutend auf dem Boden liegt, ist unübersehbar, s. kapitel 5.3. 1305 Vgl. Hardcastle (2005), S. 119. 1306 Vgl. ebd. Der Blindgänger, der im Hof des Waisenheims landet, stellt eine der wenigen expliziten Parallelen zwischen Kriegsaktivitäten und den Gefechten innerhalb des Gebäudes dar. Darüber hinaus wird in El espinazo del diablo vor allem in Form von Dialogen Bezug auf die Ereignisse des Bürgerkriegs genommen, die von einer drohenden und

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Handlungsvorschläge

Sphären der Gewalt in einem einzigen Raum zusammen: in dem Waisenheim, das als Sinnbild Spaniens dient.1307 Dadurch liegt es nah, den Geist des ermordeten Jungen, der die Protagonisten des Films heimsucht, bis die Geschichte seines Todes ans Licht kommt und der Täter entlarvt ist, als Symbol für die ›unbewältigte‹ jüngere spanische Vergangenheit zu lesen, die zur ewigen Rückkehr, wenn nicht gar zur Wiederholung verdammt ist, sollten sich die Spanier ihr nicht ernsthaft annehmen. Wie im Verlauf des Filmes aufgeklärt wird, handelt es sich bei dem ermordeten Jungen um Santi, der vom geldgierigen Pförtner des Waisenheims, Jacinto, versehentlich tödlich verletzt und dann ertränkt wurde.1308 Ein weiterer Waise, Jaime, hatte Jacintos Tat zwar beobachtet, ist dadurch jedoch derart traumatisiert, dass er selber ähnlich gewalttätig und gefühlskalt zu werden droht.1309 Die übrigen Bewohner des Heimes haben sich jeweils ihre eigene Erklärungen für Santis Verschwinden zurechtgelegt, die mehrheitlich mit der Landung des im Vorspann abgeworfenen Blindgängers im Hof des Gebäudes verknüpft sind.1310 Allerdings – wie Jaimes Zeugenbericht an späterer Stelle des Films aufklärt – verursachte Jacinto Santis Tod bevor die Bombe vom Himmel fiel.1311 An erster Stelle steht demnach die mörderische Tat innerhalb der Gemeinschaft durch Menschenhand, danach folgt die von außen, seitens der Technik.1312 In El espinazo del diablo geht es entsprechend primär um das Thema persönlicher Schuld, die zurückverfolgt werden kann, und darum, die identifizierbaren Täter ausfindig zu machen und zur Rechenschaft zu ziehen.1313 Doch erst der junge Carlos, dessen Ankunft im Waisenheim den Beginn der Binnenhandlung des Films markiert, geht der Frage konkret nach, was mit Santi geschah. Damit erhört und erfüllt er gleichermaßen den Wunsch, den der in Gestalt eines Furcht erregenden Gespenstes zur ständigen Wiederkehr verdammte Santi äußert. Der Geist wird in El espinazo del diablo erstmals für einen kurzen Augenblick am helllichten Tag sichtbar, als er Carlos direkt nach dessen Ankunft in der Türöffnung der Küche erscheint. Schon kurz darauf ist der Zuschauer darüber informiert, dass sich diese Erscheinung keinesfalls nur in Carlos Kopf abgespielt hat, sondern dass das Gespenst ›real‹ ist: Carlos macht sich auf die Suche nach dem, was er gesehen hat, und betritt die Küche. Er wird dann zwar von den

1307 1308 1309 1310 1311 1312 1313

letztlich eintreffenden Niederlage der Republik künden, und die Handlung zeitlich kontextualisieren. Vgl. Gûmez Lûpez-QuiÇones (2006), S. 148 f. S. kapitel 2.1. Zur Zeichnung der Täterfigur Jacinto s. kapitel 4.3.1. Jaimes Verhalten entspricht somit der von der Filmwissenschaftlerin Marsha Kinder postulierten These des spezifisch spanischen ödipalen Narrativs, s. kapitel 4.3.2. Vgl. Ponga (2000a), S. 156; Gûmez Lûpez-QuiÇones (2006), S. 156 f. Vgl. El espinazo del diablo, 01:14:15 – 01:19:35. S. kapitel 4.3.1. S. kapitel 5.2.

›Die Geister der Vergangenheit erhören‹

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anderen Kindern abgelenkt und wieder nach draußen gelockt, doch gleichzeitig von innen durch eine Scheibe beobachtet, in der kurz das furchterregende Spiegelbild des Gespenstes zu sehen ist.1314 Gleich während seiner ersten Nacht im Heim wird Carlos von dem Geist heimgesucht, den die anderen Waisenjungen mit »Der, der seufzt«1315 umschreiben. Im Gegensatz zu Jaime folgt Carlos den gespenstischen Geräuschen bis hinunter in einen Keller und bittet den Verursacher mehrfach darum, sich zu erkennen zu geben.1316 Im Keller ist in einem für das Horrorfilmgenre typischen Schockmoment der Geist Santi zum ersten Mal aus nächster Nähe zu sehen, das Blut strömt ununterbrochen aus seiner zerborstenen Schädeldecke.1317 Er scheint ebenfalls Angst zu haben, zumindest atmet er heftig. Santi streckt seinen Arm aus, um Carlos an der Schulter zu berühren, ist aber bereits verschwunden, als dieser sich umdreht. Das Einzige, was Carlos bleibt, sind einige Blutstropfen, die noch in der Luft schweben. Über die Tonspur flüstert Santi: »Viele von Euch werden sterben!«1318 Daraufhin verlässt Carlos fluchtartig den Keller, um sich – wie Ofelia in El laberinto del fauno (Pans Labyrinth; ES-MX 2006) – vor dem Unheimlichen in Sicherheit zu bringen.1319 Carlos lässt sich aber nicht entmutigen und sucht bereits am nächsten Tag erneut die Zisterne im Keller auf, an der Santi ihn in der vergangenen Nacht in die Flucht schlug. Carlos beugt sich über das Becken, lässt seine Hand durchs Wasser ziehen und fragt: »Bist Du das, der seufzt? Und lebst Du hier unten? Hör mir zu!«1320 Dass der Geist »hier unten« in der Zisterne wohnt, wird dadurch deutlich, dass die Kamera in dieser Szene plötzlich die Perspektive wechselt und nunmehr unter Wasser nach oben ›schaut‹, wo Carlos Fingerspitzen sowie sein verschwommener Umriss zu sehen sind. Der Perspektivwechsel zeugt vom Einsatz der subjektiven Kamera, die als filmästhetisches Mittel im Horrorfilmgenre allgemein häufig genutzt wird, um die Spannung zu erhöhen. Hier unterstützt die Kameraperspektive zudem die Lesart, dass das Gespenst Santi nicht allein

1314 Vgl. El espinazo del diablo, 00:07:50 – 00:08:02. Hier wird das Spiel zwischen Innen und Außen bereits deutlich, das den ganzen Film durchzieht. 1315 Ebd., 00:19:07: »[Ê]l que suspira«. 1316 Vgl. ebd., 00:15:54 – 00:26:58. 1317 Santis Kopfverletzung lässt Parallelen zu einer Christusfigur erkennen, die Carlos und seine Kameraden an einer anderen Stelle des Films im Innenhof des Heimes aufstellen. Auf Christi blutüberströmtem Gesicht verweilt die Kamera in einem längeren Close up: Ebd., 00:32:50 – 00:32:57. Der Name Santi verweist zudem auf santo, also auf eine Heiligenfigur, was Santi zur Inkarnation des unschuldig zu Tode Gekommenen macht. 1318 Ebd., 00:28:18: »¡Muchos va†s a morir!« Diese Prophezeiung bekräftigt Santi zu einem späteren Zeitpunkt: Vgl. ebd., 00:53:51 – 00:53:59. 1319 Vgl. ebd., 00:53:29 – 01:00:12. S. kapitel 5.3. 1320 Ebd., 00:35:28 – 00:35:39: »¿Eres tffl que suspira? ¿Y vives aqu† abajo? ¡Escfflchame!«

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Carlos Phantasie entsprungen sein kann.1321 Zudem eröffnet die Verwendung des Wortes abajo (dt.: »unten«) einen semantischen Raum, der sicher nicht zufällig an unter der Oberfläche begraben liegende Tote denken lässt. Dies lässt Santi im Sinne der Romanistin Jo Labanyi zu einer ›objektiv‹ präsenten Verkörperung der Vergangenheit in der Gegenwart werden, zu einer Art Zombie, einem »lebenden Toten«1322, der die Lebenden heimsucht.1323 Zu einem späteren Zeitpunkt im Film begibt Carlos sich ein weiteres Mal auf die Suche nach Santi, wird fündig und ergreift wiederum panikartig die Flucht, als er sich mit Santis furchterregender Erscheinung konfrontiert sieht.1324 Nach der durch den Pförtner Jacinto verursachten verheerenden Explosion, die das Waisenheim zerstört und bei der etliche seiner Bewohner umkommen – was Santis Prophezeiung, dass viele Heimbewohner sterben werden, letztlich bewahrheitet –, sucht Carlos Santi ein letztes Mal auf. Als dieser sich zeigt, versichert Carlos, er werde nicht mehr wegrennen, er wolle mit ihm, Santi, reden.1325 Außerdem fragt Carlos Santi, was er wolle. Darauf antwortet Santi: »Jacinto. Bringt ihn mir!«1326 Carlos verspricht Santi, ihm zu helfen, und löst dieses Versprechen gegen Ende des Films ein, als die Kinder Jacinto einvernehmlich richten und somit Santis unschuldigen Tod rächen.1327 Jaime sagt laut und vernehmlich Santis Namen, bevor er Jacinto in den Brunnen stößt.1328 Im Wasser dann sinkt Jacinto nicht nur wegen der gestohlenen Goldbarren, die er sich zuvor um den Gürtel geschnallt hatte, sondern auch, weil Santi ihn in eine tödliche Umarmung nimmt.1329 Während des Epilogs blutet Santi nicht mehr aus dem Kopf, als ob seine Wunden mit Jacintos Tod verheilt seien.1330 1321 Vgl. ebd., 00:35:38 – 00:35:42; Hardcastle (2005), S. 122; Labanyi (2007), S. 442. Auch in Del Toros zweitem ›Spanienfilm‹ El laberinto del fauno (Pans Labyrinth; ES-MX 2006) verweigern es einem die Kameraperspektiven wie auch die Erzählstruktur, die Fantasiewelt der Protagonistin als Streich abzutun, den ihr ihre Vorstellungskraft spielt. Del Toros Weigerung, auf einer rigiden Trennung zwischen ›irreal‹ und ›real‹, Vergangenheit und Gegenwart sowie Toten und Lebenden zu bestehen, weist auf die Bedeutung hin, die das Thema Transzendenz für ihn hat: Vgl. Hardcastle (2005), S. 128. S. kapitel 5.3. 1322 Labanyi (2000), S. 76. 1323 Labanyi konstatierte dies für das Frankenstein-Monster in V†ctor Erices Filmklassiker El esp†ritu de la colmena (Der Geist des Bienenstocks; ES 1973): Vgl. ebd. S. Fußnote 1348. 1324 Vgl. El espinazo del diablo, 00:53:17 – 00:53:55. 1325 Vgl. ebd., 01:24:30 – 01:24:34. 1326 Ebd., 01:25:19 – 01:25:27: »Jacinto. ¡Tra¦dmelo!« 1327 S. kapitel 5.2. 1328 Vgl. El espinazo del diablo, 01:36:28. 1329 Vgl. ebd., 01:37:10 – 01:37:13. S. kapitel 4.3.1. Die Unterwasseraufnahmen erinnern aufgrund ihrer rot-goldenen Farbpalette an Aufnahmen aus dem Innern eines Mutterleibes. Auch das Formalin, in dem Dr. Casares Föten konserviert, weist eine ganz ähnliche Farbgebung auf. Auch in dieser Hinsicht spielt Del Toro hier mit der Bedeutung der Grenze zwischen Leben und Tod: Vgl. Smith (2001). S. Fußnoten 1321 und 1428 sowie kapitel 5.3.

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Dabei ist es Carlos, der infolge seiner schrittweisen Annäherung an den zunächst furchterregenden Geist bewirkt, dass dieser letztlich in Frieden ruhen kann. Carlos hat zwar ebenfalls Angst vor dem, was in dem Heim vor sich geht, doch schafft er es immer wieder, seinen Mut zusammenzunehmen und sich dem Unheimlichen zu stellen. Dabei begegnet er dem Unheimlichen mit Empathie und ruft es regelrecht dazu auf, ihn anzuhören und sich ihm zu offenbaren. Die Romanistin Anne E. Hardcastle bezeichnet dies als erste Schritte »in acknowledging the horror of the past and preparing a just and hospitable memory for it«1331. Ganz in diesem Sinne geht es Santi, wie der Literaturwissenschaftler Antonio Gûmez Lûpez-QuiÇones herausstellt, nicht darum, Carlos und seine Kameraden mit seinem wiederkehrenden Erscheinen zu erschrecken, sondern auf sich, sein Schicksal und seine Forderungen aufmerksam zu machen.1332 Im Gegensatz zu Carlos hat Jaime, der Anführer der Jungen im Heim, Probleme, sich mit Santis ›Verschwinden‹ und seiner eigenen Rolle dabei auseinanderzusetzen: Er beobachtete Jacintos Tat einst ohne einzugreifen. Wenn nur der Name Santi fällt oder die Sprache auf ›Den, der seufzt‹ kommt, bricht er die Unterhaltung unwirsch ab.1333 Er will nicht darüber reden, nicht darüber nachdenken müssen. Dennoch versteckt er in seinem Schrank eine Zeichnung, die den verletzten Santi abbildet.1334 Bei einer von Jaime angezettelten Rangelei mit Carlos fällt er in den Brunnen, »literally drowning in the guilt and burdens of the past symbolized by the cistern, which is, not coincidentally, also Santi’s tomb«1335. Erst spät offenbart sich Jaime Carlos: Carlos habe Recht, Santi sei tot, aber er, Jaime, sei es nicht gewesen.1336 Jetzt gelangt Santis Tod, den Jacinto zu verantworten hat, filmintern erstmals mittels eines längeren Flashbacks zur Darstellung, den Jaime kommentiert: Er sei ein Feigling gewesen, doch das sei jetzt vorbei.1337 Konsequenterweise ist es dann auch Jaime, der die anderen Jungen davon zu überzeugen vermag, gemeinsam den Kampf gegen die übermächtig erscheinenden Erwachsenen rund um Jacinto aufzunehmen. Del Toro ging es mit El espinazo del diablo weniger darum, eine Fabel über den Spanischen Bürgerkrieg zu erzählen, sondern vielmehr eine über kriegeri-

1330 Vgl. El espinazo del diablo, 01:38:13 – 01:38:22. 1331 Hardcastle (2005), S. 122. 1332 Vgl. Gûmez Lûpez-QuiÇones (2006), S. 158. In diesem Sinne stellt Santi niemals eine wirkliche Bedrohung dar (Vgl. Hardcastle (2005), S. 122) – ganz im Gegensatz zum Pförtner Jacinto, der Täterfigur des Films, s. kapitel 4.3.1. 1333 Vgl. El espinazo del diablo, 00:13:02 – 00:13:05, 00:41:48 – 00:41:59 sowie 00:45:23 – 00:45:29. 1334 Vgl. ebd., 00:50:12 – 00:51:18. 1335 Hardcastle (2005), S. 123. 1336 Vgl. El espinazo del diablo, 01:14:40. 1337 Vgl. ebd., 01:14:15 – 01:19:35.

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sche Gewalt im Allgemeinen sowie über Gespenster.1338 Für ihn ist jede Kriegsgeschichte eine Geistergeschichte, da Gespenster sich erst infolge eines gewalttätigen Aktes konstituierten, sozusagen als dessen Folgeerscheinung.1339 Primär war sein Anliegen, eine Geistergeschichte zu schaffen, die sich zunächst vor dem Hintergrund des Kriegs entwickelt, in der sich der Krieg jedoch nach und nach in den Vordergrund drängt.1340 Tatsächlich taucht der Geist Santi in der zweiten Hälfte von El espinazo del diablo für eine vergleichsweise lange Zeitspanne von knapp 29 Minuten gar nicht mehr auf, stattdessen brechen unmittelbar bedrohliche, gewalttätige Gefechte mitten im Waisenheim selbst aus.1341 Wichtig sei Del Toro bei der Inszenierung seiner Geistergeschichte insgesamt gewesen, zu zeigen, »wie der Krieg – ohne den Wänden dieses Waisenheims nahe zu sein – alles heimsucht, alles mit Angst einfärbt«1342, das Handeln der Figuren somit stark beeinflusse. Hierfür dient ihm der Blindgänger, der im Hof des Waisenheims landet, als aussagekräftiges Symbol. Dessen »geheimnisvolle und mächtige Präsenz«1343 fungiert als ein stetes Mahnmal dafür, was sich im Spanien der späten 1930er-Jahre, aber auch im Kleinen ereignete: Für die Bewohner des Waisenheims steht der Bombenabwurf in einem direkten Zusammenhang mit Santis ›Verschwinden‹. Gleichzeitig gibt es Parallelen zwischen der Bombe, die nicht detonierte, und Santi, der nicht ›tot zu kriegen‹ ist.1344 Für Del Toro handelt es sich bei einem Gespenst immer um eine »unerledigte Angelegenheit«1345 und genau davon handle El espinazo del diablo. Gerade aufgrund der Tatsache, dass Del Toro eine gewisse Vorliebe für Action-Szenen und den Einsatz von Special Effects hat, wundert es den Litera1338 Vgl. Ponga (2000a), S. 157. Entsprechend heißt es in einigen Zeitungsartikeln, Del Toro habe in El espinazo del diablo eigene Erlebnisse schrecklicher schulischer Gewalt verarbeiten wollen: Vgl. Gubern, Ýlex: Pedro Almodûvar comenzar‚ en junio el rodaje de Hable con ella. In: ABC (18. 04. 2001), S. 73; Bonet Mojica, Llu†s: Un terror nada fantasmal. In: La Vanguardia (22. 04. 2001), S. 60. Die Idee zum Film reicht den Angaben des mexikanischen Regisseurs Del Toro zufolge bis ins Jahr 1986 zurück, als er sein Drehbuchautorstudium abschloss: Vgl. The Devil’s Backbone, DVD-Extras, Interview mit Guillermo del Toro, 00:02:35 – 00:03:39; Castillo, Silvia: Guillermo del Toro: »De las historias de horror me interesa la humanidad.« In: ABC (11. 10. 2000), S. 84; Santamarina (2001), S. 22. 1339 Vgl. Ponga (2000a), S. 157; Hardcastle (2005), S. 124. 1340 Vgl. Chun (2002), S. 29; Hardcastle (2005), S. 120. 1341 Vgl. El espinazo del diablo, 00:56:00 – 01:24:18; Hardcastle (2005), S. 120. 1342 Guillermo del Toro; zit. n.: www.elespinazodeldiablo.com (20. 02. 2012): »como la guerra – sin estar cerca de los muros de ese orfanato – lo invade todo, lo tiÇe todo de miedo«. Vgl. The Devil’s Backbone, DVD-Extras, Making of, 00:02:51 – 00:03:08. 1343 Gûmez Lûpez-QuiÇones (2006), S. 156: »presencia enigm‚tica y poderosa«. 1344 Von der Zentralität des Symbols des Blindgängers zeugt nicht zuletzt die Tatsache, dass als Filmtitel ursprünglich La bomba (dt.: »Die Bombe«) vorgesehen war: Vgl. La Vanguardia (22. 04. 2001), S. 60. Als Inkarnation der wahrlich ›tickenden‹ und letztlich ›explodierenden‹ Zeitbombe dient filmintern die Täterfigur Jacinto. S. kapitel 4.3.1. 1345 The Devil’s Backbone, DVD-Extras, Making of, 00:00:05 – 00:00:14: »asunto pendiente«.

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turwissenschaftler Antonio Gûmez Lûpez-QuiÇones, dass in El espinazo del diablo nicht mehr Gefechtsszenen zu sehen sind. Gûmez Lûpez-QuiÇones unterstellt Del Toro deshalb eine absichtsvolle Verweigerung der Inszenierung des »Desasters«1346, das konkret zu zeigen unmöglich sei. So gesehen entspricht El espinazo del diablo der Mehrheit der spanischen audiovisuellen Produktionen zum Thema, in denen die Auswirkungen des Konflikts auf die Zivilbevölkerung fernab der Frontlinien im Mittelpunkt stehen, ohne dass der Krieg selbst zur Darstellung gelangt.1347 Mit seiner Geistergeschichte ist El espinazo del diablo jedoch nah am Horrorfilmgenre anzusiedeln. Das ist eine – im nationalen Kontext betrachtet – bis dato ungewöhnliche Herangehensweise an die Bürgerkriegsthematik. Bisher hatte lediglich der Regisseur V†ctor Erice in seinem Film El esp†ritu de la colmena (Der Geist des Bienenstocks; ES 1973) auf Gestalten und Symbole rekurriert, die aus dem Horrorfilmgenre stammen.1348 Dabei werden diese Motive in Erices Film zumeist mit den Zensurbedingungen erklärt, die die spanische Kinofilmproduktion in den 1970er-Jahren konditionierten. In Erices Fall haben diese Produktionsbedingungen zu einer ›metaphorischen‹ Annäherung an die jüngere spanische Vergangenheit geführt.1349 Im Gegensatz zu Erice produzierte Del Toro fast dreißig Jahre später nicht unter Zensurbedingungen und entschied sich für eine weitaus explizitere Anlehnung an das Horrorfilmgenre. Es gibt für das Genre typische, durch ein ausgeklügeltes Sound Design perfektionierte Schockmomente und eine die Spannung unterstreichende Filmmusik von Javier Navarrete, der ebenfalls die Filmmusik zu Del Toros zweitem ›Spanienfilm‹ El laberinto del fauno (ES-MX 2006) komponierte. Das Waisenheim wirkt mit seinen langen, dunklen Korridoren besonders nachts wenig einladend.1350 Von der spanischen Presse wurde El espinazo del diablo im 1346 Gûmez Lûpez-QuiÇones (2006), S. 151: »desastre«. Eine Umschreibung des innerspanischen Konflikts als einem »Desaster« legt eine insgesamt tragische Lesart der jüngeren spanischen Vergangenheit nahe, s. Kapitel 1.1.1. 1347 Vgl. ebd., S. 152. 1348 In El esp†ritu de la colmena wird ein flüchtiger maquis in den Augen der kindlichen Protagonistin Ana zum Monster Frankenstein. Das Monster ist hier also – wie das Gespenst Santi in El espinazo del diablo – ein Opfer und kein Täter, anders als es die ›monströse‹ Konnotation vermuten lassen könnte (s. kapitel 4.3.1). 1349 Vgl. Heredero (1999b), S. 226; Labanyi (2000), S. 65 – 82. Zum ›metaphorischen‹ Kino s. auch kapitel 1.1.3. 1350 Vgl. La Vanguardia (22. 04. 2001), S. 60. Neben dem Horrorfilmgenre lässt El espinazo del diablo Anleihen beim Western erkennen, besonders bei der Gestaltung der unmittelbaren Umgebung des Waisenheims. Dieser Film steht somit beispielhaft für die Art von Genremix, für die Del Toro berühmt-berüchtigt ist und der ihn auch in Hollywood zu einem begehrten Regisseur gemacht hat: Vgl. Ponga (2000a), S. 157; Gûmez Lûpez-QuiÇones (2006), S. 148. Wie auch fünf Jahre später bei El laberinto del fauno arbeitete Del Toro für El espinazo del diablo mit dem mexikanischen Kameramann Guillermo Navarro zusammen. Eine Kamera, die sich ständig bewegt und viele, vor allem zirkuläre Fahrten unternimmt, ist schon hier angelegt, ebenso das Spiel mit verschiedenen kontrastierenden

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Vorfeld als »gespenstisches Schauermärchen«1351 beworben. Dabei lässt sich die Entstehung dieses Films nur wenig mit dem Aufschwung erklären, den das Horrorfilmgenre im Jahr 2001 im spanischen Kino erlebte,1352 da El espinazo del diablo an diesem Aufschwung vielmehr selbst maßgeblich beteiligt war.1353 El espinazo del diablo lief am 20. April 2001 in den spanischen Kinos an. Mit 712.178 Zuschauern rangiert er in der Liste der heimischen ›Top 10‹-Filme des Jahres.1354 Obwohl es sich bei El espinazo del diablo um eine mexikanischspanische Koproduktion handelt, bei der der spanische Anteil mit 54 % nur knapp über dem mexikanischen liegt und die einen gebürtigen Mexikaner als Regisseur vorzuweisen hat, wird sie in der Filmdatenbank des spanischen Kultusministeriums als spanische Produktion geführt.1355 Gemäß der Produktionsvereinbarungen zwischen Spanien und Mexiko gilt die Verpflichtung, so-

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Farbpaletten und Lichtverhältnissen: Vgl. The Devil’s Backbone, DVD-Extras, Interview mit Guillermo del Toro, 00:11:14 – 00:12:31; Santamarina (2001), S. 24; www.elespinazodeldiablo.com (20. 02. 2012). S. kapitel 5.3. Navarro zeichnet unter anderem ebenfalls verantwortlich für die weitaus ›realistischere‹ Kameraarbeit in Armend‚riz’ Silencio roto (Broken Silence; ES 2001, s. kapitel 4.2.1). ABC (10. 11. 2000), S. 84: »cuento de fantasmas gûtico«. Vgl. Ponga (2000a), S. 156; ABC (18. 04. 2001), S. 73. Santamarina klassifiziert El espinazo del diablo eher als »gotisches Melodram«: Santamarina (2001), S. 22: »melodrama gûtico«. Vgl. Gûmez Lûpez-QuiÇones (2006), S. 148. Vgl. ebd., S. 153. Der Film Presence of Mind (US-ES 1999), der am 23. November 2000, also ein halbes Jahr vor Del Toros Film in den spanischen Kinos anlief, ist eine maßgeblich US-amerikanische Produktion, verzeichnete bloß knapp 53.000 Zuschauer und dürfte stärker von El espinazo del diablo profitiert haben als andersherum: Vgl. Filmdatenbank des spanischen Kultusministeriums, www.mcu.es (20. 02. 2012); The Internet Movie Database, www.imdb.com (20. 02. 2012). Regiewunderkind Alejandro Amen‚bars immens erfolgreicher Kinospielfilm Los otros (The Others; ES 2001) indes lief ein knappes halbes Jahr später als El espinazo del diablo in Spanien an, am 6. September 2001. Allgemein zum Aufschwung des Horrorfilmgenres in Spanien seit 1996: Vgl. Alarcûn (2009); Harper (2011). Vgl. Filmdatenbank des spanischen Kultusministeriums, www.mcu.es (20. 02. 2012); Smith (2006a), S. 3. Im Jahr 2006 wurde El espinazo del diablo in die DVD-Reihe Cine en espaÇol (dt.: »Kino auf Spanisch«) der Tageszeitung El Pa†s aufgenommen und so überaus erschwinglich verkauft. Vgl. Filmdatenbank des spanischen Kultusministeriums, www.mcu.es (20. 02. 2012). Spätestens nach erfolgreichen Kinospielfilmen wie Amores Perros (Amores Perros – Von Hunden und Menschen; MX 2000) und Y tu mam‚ tambi¦n (…mit deiner Mutter auch!; MX 2001) wandten sich mexikanische und spanische Produzenten verstärkt einander zu, in der Absicht finanzielle Engpässe gemeinsam zu überwinden: Vgl. Smith (2006a), S. 8. Lateinamerika stellt für Spanien einen großen sekundären Absatzmarkt dar, vor allem, da dort die Anzahl an Kinobesuchern steigt: Vgl. ebd., S. 159 f. Andersherum gilt Del Toro als ein Beispiel für die immer offensichtlichere Präsenz von lateinamerikanischen Regisseuren, die in der spanischen Kinoindustrie arbeiten. Ebenso steigt die Anzahl von Schauspielern mit lateinamerikanischen Wurzeln, die auf regulärer Basis in spanischen Filmen spielen, darunter zum Beispiel Federico Luppi (El espinazo del diablo, El laberinto del fauno), Juan Diego Botto (Silencio roto) oder Diego Luna (Soldados de Salamina): Vgl. Santaolalla (2007), S. 143.

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wohl Mexikaner als auch Spanier für Cast und Crew einzustellen, wenn möglich gemäß des prozentualen Anteils der jeweiligen staatlichen Förderung am Gesamtbudget. Da die Studios in dem Land sein müssen, das sich als Hauptfinanzier des Projekts erweist,1356 wurde El espinazo del diablo in Spanien gedreht. Ausschlaggebend für diese Entscheidung war, dass die spanische Produktionsfirma El Deseo Del Toros Projekt maßgeblich unterstützte: El Deseo gehört dem im Jahr 2000 mit einem Oscar prämierten Regisseur Pedro Almodûvar und seinem Bruder Agust†n. Ihre Beteiligung an El espinazo del diablo betonten spanische Presseerzeugnisse im Vorfeld des offiziellen Filmstarts wiederholt; sie dürfte einiges zur ›nationalen‹ Einordnung des Films beigetragen haben.1357 Für eine ›nationale‹ Rezeption der Produktion weiterhin zentral war die Beteiligung des in Spanien berühmten Comic-Autors Carlos Gim¦nez an der Entwicklung des Storyboards zum Film. Gim¦nez hatte in der Comic-Serie Paracuellos seine Erfahrungen in den Heimen des Auxilio Social1358 verarbeitet.1359 Von der anfänglichen Idee, seine Geistergeschichte im Kontext der Mexikanischen Revolution anzusiedeln, wich Del Toro infolge dieser Entstehungsgeschichte ab.1360 Del Toros ästhetische Entscheidung, sich in El espinazo del diablo einer bisher in der Explizität ungenutzten unheimlich-fantastischen Darstellungsweise zu bedienen, um den Spanischen Bürgerkrieg im Medium Kino zu thematisieren, wurde im Trailer zum Film wie auch von Kritikern unterschiedlicher Nationalität hervorgehoben.1361 Spanische Rezensenten begründeten Del Toros Darstellungsstil damit, sich den Auswirkungen der jüngeren spanischen Vergangenheit über psychopathologische Metaphern nähern zu können. Entsprechend werden 1356 Vgl. Smith (2006a), S. 163 f. 1357 Vgl. Ponga (2000a), S. 156 f.; ABC (11. 10. 2000), S. 84; ABC (18. 04. 2001), S. 73; Bonet Mojica, Llu†s: Guillermo del Toro busca El espinazo del diablo en los niÇos v†ctimas de la guerra. In: La Vanguardia (18. 04. 2001a), S. 39. Neben El Deseo war die mexikanische Produktionsfirma Anhelo an dem Projekt beteiligt, ebenso Del Toros Produktionsfirma Tequila Gang. Die Tageszeitung ABC spricht mit Blick auf das Budget von einer »ambitionierten Produktion«: ABC (18. 04. 2001), S. 73: »ambiciosa producciûn«. 1358 Eine innerhalb der Secciûn Feminina (s. Fußnote 714) angesiedelte franquistische Organisation, die Ende 1936 gegründet wurde, um sich der Kinder anzunehmen, deren ›rote‹ Eltern im Zuge des Kriegsgeschehens ums Leben gekommen waren. Priorität hatten dabei ›Umerziehung‹ und Indoktrination. Die ursprüngliche Namensgebung Auxilio de invierno (dt.: »Winterhilfswerk«) lässt eine starke Orientierung an Nazi-Deutschland erkennen: Vgl. Godicheau (2005), S. 25. 1359 Vgl. The Devil’s Backbone, DVD-Extras, Making of, 00:13:22 – 00:13:53; ABC (18. 04. 2001), S. 73; Casas (2004), S. 53; Berger (2009), S. 177. Filmintern gibt es über die Figur Jaime Anspielungen auf die Comic-Vorlage zum Film – Jaime meint, wenn er groß sei, werde er Comic-Zeichner : Vgl. El espinazo del diablo, 00:42:05 – 00:42:15. In den Extras der deutschen Kauf-DVD sind etliche der comicartigen Zeichnungen enthalten, die Gim¦nez für den Film anfertigte: Vgl. The Devil’s Backbone, DVD-Extras, Storyboards. 1360 Vgl. Ponga (2000a), S. 157. 1361 Vgl. El espinazo del diablo, DVD-Extras, Trailer ; Santamarina (2001), S. 22; Smith (2001).

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die Geister sowie die tatsächlich oder metaphorisch verkrüppelten Figuren und Objekte, die in El espinazo del diablo auftauchen, als Symbole dafür gedeutet, dass Del Toro Spanien als ein von seiner gewalttätigen Vergangenheit gezeichnetes Land sieht. Unübersehbare Spuren und Narben lassen Spanien nicht zur Ruhe kommen.1362 Dabei rücken in El espinazo del diablo nicht nur, bewährten Darstellungskonventionen entsprechend,1363 Kinder als ›unschuldige‹ Opfer des Kriegs in den Blick. Wie in Del Toros zweitem Spanienfilm El laberinto del fauno sind in El espinazo del diablo auch die Erwachsenen vom Leben und vom Krieg gezeichnet, was körperliche Einschränkungen sowie psychische Verletzungen gleichermaßen verdeutlichen.1364 Die Heimleiterin beispielsweise, die verwitwete DoÇa Carmen, trägt eine Beinprothese.1365 Ihren Bedarf an Liebe und Nähe lebt sie mit dem Pförtner Jacinto aus, den sie dafür bezahlt, sie körperlich zu befriedigen.1366 Auf Dr. Casares Avancen hingegen sieht sie sich aufgrund ihrer nicht verheilten seelischen wie körperlichen Wunden außer Stande einzugehen. Was Dr. Casares anbelangt, so werden in dem Film Hinweise gestreut, dass er ebenfalls körperlich eingeschränkt sei: Er schluckt ein Mittel, das angeblich Impotenz heilen soll.1367 Der ›faschistisch‹ konnotierte Pförtner Jacinto, ebenfalls ein Waise, ist psychisch gestört.1368 Del Toros Film dreht sich für den Kritiker Quim Casas deshalb um die unerfüllten Sehnsüchte und Bedürfnisse in Zeiten des Kriegs, in denen alle Menschen zu Opfern werden.1369 Ähnlich steht für die Romanistin Verena Berger fest: »De ces images lugubres d’alt¦ration corporelle r¦sulte […] une all¦gorie de la souffrance physique et psychique de la population espagnole pendant la guerre civile.«1370 Allerdings verkennt diese Betonung eines umfassenden Opferstatus der in El espinazo del diablo darge1362 Vgl. Santamarina (2001), S. 22; Casas (2004), S. 54. 1363 S. kapitel 4.3.2. 1364 Vgl. Berger (2009), S. 178. In seelischer oder körperlicher Hinsicht ›kaputte‹ Gestalten ebenso wie Kinder als Protagonisten sind wiederkehrende Figuren in Del Toros filmischem Schaffen: Vgl. Santamarina (2001), S. 22. 1365 Dabei ist die Heimleiterin Carmen mit ihrer Beinprothese eines der wenigen Beispiele dafür, dass das Thema tatsächlicher, nicht metaphorischer Kriegsversehrtheit in zeitgenössischen Kino- und TV-Produktionen zur Darstellung gelangt. Es begegnet dem Publikum darüber hinaus in Silencio roto (ES 2001) über die Nebenfigur Cosm¦, in Form der Figur Rodrigo in der TV-Serie Amar en tiempos revueltos (dt.: »Liebe in aufgewühlten Zeiten«; TVE/La 1, erste Staffel 2005/06) und über die Nebenfigur der jungen Nur†a in Pa negre (Black Bread; ES 2010). 1366 Carmen wird gespielt von Marisa Paredes, bekannt durch Almodûvar-Erfolgsproduktionen wie Todo sobre mi madre (Alles über meine Mutter; ES 1999) oder Hable con ella (Sprich mit ihr; ES 2002). Danach spielte sie unter anderem die spanische Königin Sofia in der im Oktober 2010 auf Telecinco ausgestrahlten TV-Miniserie Felipe y Letizia. 1367 Vgl. El espinazo del diablo, 00:39:12 – 00:40:15. 1368 S. kapitel 4.3.1. 1369 Vgl. Casas (2004), S. 54. S. kapitel 6.1. 1370 Berger (2009), S. 178.

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stellten Figuren, dass weder die Erwachsenen noch die kindlichen Protagonisten darin in einer passiven Opferrolle verharren. Sie entschließen sich vielmehr dazu aktiv zu werden.1371 Den Zusammenhang wiederum, den Del Toro über die Figur des Geistes zwischen dem historischen Setting des Films und dem zeitgenössischen Rezeptionskontext der spanischen Zuschauer herstellt, beurteilt Hardcastle wie folgt: »The literal haunting by the ghost of Santi takes place in the past within a historical setting; however, the metaphorical haunting of history itself takes place in the present as contemporary anxieties about history are shared with the audience.«1372

Aussagen spanischer Kritiker zu El espinazo del diablo bestätigen dieses Urteil. So beschreibt Paula Ponga diesen Film bereits vorab als »Geschichte von in der Zeit des Konflikts von ’36 hängengebliebenen Gespenstern, voller Angst«1373. La Vanguardia spricht von einem »Gespensterfilm, in dem das blutige und definitive Gespenst unser Bürgerkrieg ist«1374. Angesichts der Figur des Geistes Santi urteilt der Literaturwissenschaftler Gûmez Lûpez-QuiÇones, alle Gespenster wurzelten »in jenen Wesen, die sich weigern, vom unaufhaltsamen Lauf der Geschichte übergangen zu werden, und als immaterielle Überreste verbleiben«1375. In Anlehnung an Derridas Konzept der hauntology konstituiere Santi daher »die Spur derer, denen eine Spur seitens der von den Siegern konstruierten und erzählten Geschichte verwehrt wurde. Die Figur Santis kann verstanden werden als ein Opfer des Kriegs, dessen Erinnerung verdrängt wurde«1376. Das »zum Schweigen gebrachte Opfer«1377 weigere sich aber zu verschwinden, wie an Santi offensichtlich werde. Es verlange vielmehr, erhört zu 1371 S. kapitel 5.2. 1372 Hardcastle (2005), S. 129. 1373 Ponga (2000a), S. 156: »historia de fantasmas suspendidos en un tiempo, la contienda del 36, lleno de miedos«. 1374 La Vanguardia (22. 04. 2001), S. 60: »Pel†cula de fantasmas donde el fantasma, cruento y definitivo, es nuestra Guerra Civil«. Zudem beurteilt La Vanguardia El espinazo del diablo als einen ungewöhnlichen Film, der vor allem durch die barocke und besorgniserregende Welt beeindrucke, die Del Toro geschaffen habe – ein Urteil, das in ähnlicher Form mit dem Anlaufen von El laberinto del fauno in vielerlei Medien erklang: Vgl. ebd. S. kapitel 5.3. 1375 Gûmez Lûpez-QuiÇones (2006), S. 155: »en aquellos seres que se resisten a ser relegados por el curso imparable de la Historia y permanecen como remanentes inmateriales«. 1376 Ebd., S. 158: »el rastro de aqu¦llos [sic] a los que una Historia construida y contada por los vencedores no les permitiû dejar rastro. La figura de Santi puede ser entendida como la de una v†ctima de la guerra cuyo recuerdo es reprimido.« Ähnlich interpretiert Verena Berger die Figur des Gespenstes in El espinazo del diablo als »support de la m¦moire historique«: Berger (2009), S. 178. 1377 Gûmez Lûpez-QuiÇones (2006), S. 158 f.: »v†ctima silenciada«.

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werden, auf dass ihm Gerechtigkeit widerfahre.1378 Die Romanistin Labanyi sieht den Geist in El espinazo del diablo als Verkörperung einer »unspeakable past«1379, die zu einem »statement about our duty to acknowledge the presence of an absent past«1380 werde. Del Toros El espinazo del diablo wird eindeutig als Beitrag zu den im Uraufführungsjahr des Films 2001 auch im spanischen Parlament zunehmenden Eingaben und Debatten gewertet, die – im Sinne der auf zivilgesellschaftlicher Ebene virulenten Bemühungen um eine ›Rückgewinnung der historischen Erinnerung‹ – eine zumindest symbolische Anerkennung der Opfer bzw. eine offizielle Verurteilung des Franquismus forderten.

5.2

Mit dem franquistischen ›Vater‹ brechen

»Nein. Er wird nicht einmal Deinen Namen erfahren.«1381

Rache als filmintern ›folgerichtig‹ inszenierte Option taucht nur in den zwei Filmen der hier untersuchten ›Kernquellen‹ auf, bei denen ein Mexikaner Regie führte: Guillermo del Toro. In El espinazo del diablo (Das Rückgrat des Teufels; ES-MX 2001) sowie in El laberinto del fauno (Pans Labyrinth; ES-MX 2006) bietet Vergeltung die Möglichkeit, sich von einer ›faschistisierten‹1382 Vergangenheit zu lösen, wenn nicht gar von einer entsprechenden Erbfolge. In El espinazo del diablo ist es Santi, ein aufgrund seines gewaltsamen ungesühnten Todes zur ständigen Wiederkehr verdammter Geist, der eindeutig nach Rache trachtet.1383 Seinen Wunsch erfüllen ihm die im Zentrum der Filmhandlung stehenden Kinder :1384 Sie setzen den in die Nähe des Faschismus gerückten ›Urbösen‹ des Films Jacinto mit selbst geschnitzten Lanzen außer Gefecht und 1378 Vgl. ebd. 1379 Labanyi (2007), S. 442. 1380 Ebd., S. 443. Auch in Pedro Almodûvars Volver (Volver – Zurückkehren; ES 2006), der sich nicht explizit mit einem Thema der jüngeren spanischen Vergangenheit befasst, beeinflusst die Anwesenheit von Geistern, die – so der Filmtitel – »zurückkehren«, die Gegenwart. 1381 El laberinto del fauno, 01:44:29 – 01:44:33: »No. Ni siquiera sabr‚ tu nombre.« 1382 S. hierzu die entsprechenden Ausführungen im kapitel 4.3.1. 1383 Vgl. Ponga (2000a), S. 156 f.; Casas (2004), S. 52; www.elespinazodeldiablo.com (20. 02. 2012). 1384 Verstärkt wird das Motiv der Rache durch filminterne Anspielungen auf Alexandre Dumas Roman Der Graf von Monte Christo, mit dem der junge Protagonist Carlos sich in Form mehrerer Comics beschäftigt. Daneben verstärken die filminternen Anspielungen auf Der Graf von Monte Christo die im Film mehrfach angedeutete gefängnisartige Inszenierung des Waisenheims: Das nächste Dorf ist einen Tagesmarsch entfernt und die Nächte sehr kalt, eine Flucht aus dem Heim demnach nicht empfehlenswert: Vgl. El espinazo del diablo, 00:12:12 – 00:12:41.

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ertränken ihn in einer Zisterne.1385 Obwohl das brutale Vorgehen der Kinder auf der Homepage zu El espinazo del diablo verurteilt wird,1386 erscheint Jacintos Tod im Film als gerechte Strafe. Schließlich liegen die Sympathien bei den ›Guten‹, also dem Leiter des Waisenheims Dr. Casares, der durch Jacintos brutale Handlungen zu Tode kommt, und vor allem bei Santi, der Jacintos ungesühnte Taten verkörpert.1387 Erst nachdem Jacinto aus dem Weg geräumt ist, erhalten die verbliebenen Kinder – so das Filmnarrativ – ihre Freiheit zurück und können sich in Richtung einer lichteren Zukunft fortbewegen. Die Romanistin Anne E. Hardcastle kritisiert an dem Filmende, dass es keinen Hinweis darauf gebe, dass die Jungen eine franquistische, für sie als Kinder von ›Roten‹ bedrohliche Welt betreten.1388 Der Logik des Filmnarrativs zufolge ist dieser Hinweis jedoch überflüssig: Die Geschehnisse im Waisenheim dienen als Metapher für den innerspanischen Konflikt, dessen ›Bewältigung‹ den Weg in eine lichtere, da demokratische Zukunft ebnet. Sinnbildlich hierfür steht die noch unerschlossene, wüstenähnliche Landschaft, die sich den Jungen am Filmende eröffnet. El espinazo del diablo ist als Fantasie des mutigen und vereinten Widerstandes gegen einen despotischen, als ›faschistisch‹ konnotierten Tyrannen zu bezeichnen – der von Erfolg gekrönt ist.1389 Die Kapitulation des republikanischen Spaniens im Bürgerkrieg wird in El espinazo del diablo somit im Nachhinein in einen ›Sieg‹ der solidarisch und gemeinschaftlich agierenden Vertreter des späteren demokratischen Spaniens umgemünzt, verkörpert durch die Waisenkinder. Die kollektive Hinrichtung Jacintos kommt einer symbolischen Überwindung, geradezu einem Exorzismus des totalitär-faschistoiden Frühfranquismus gleich.1390 Dabei wird die Solidarität unter den Kindern durch eine vorangehende Unterrichtsstunde vorweg genommen, in der die Lehrerin Carmen das Schaubild einer Mammutjagd bespricht. In diesem Zusammenhang verdeutlicht sie, dass die Jäger der Steinzeit in Gruppen vorgehen mussten, keiner sich entziehen konnte.1391 Als es gegen Filmende dann darum geht, den Kampf gegen die größeren und stärkeren Erwachsenen aufzunehmen, zerstreut 1385 Vgl. El espinazo del diablo, 01:34:20 – 01:37:36; Gûmez Lûpez-QuiÇones (2006), S. 154. Die Gewaltszene mit den Lanzen erinnert aufgrund ihrer Primitivität stark an William Goldings Lord of the Flies: Vgl. Hardcastle (2005), S. 125. 1386 Vgl. www.elespinazodeldiablo.com (20. 02. 2012), Historia. 1387 S. kapitel 5.1. 1388 Vgl. Hardcastle (2005), S. 125. 1389 Vgl. ebd. 1390 Vgl. ebd., S. 121, 125 und 128. Ähnlich bewertet der Romanist Albrecht Buschmann den Ausruf »Hier ist niemand!« (Vgl. Soldados de Salamina, 00:56:40 – 00:56:42: »¡Por aqu† no hay nadie!«), mit dem der anonyme republikanische Soldat dem Falangisten S‚nchez Mazas in Soldados de Salamina (Soldiers of Salamina; ES 2003) begegnet: S‚nchez Mazas werde dadurch diskursiv ausgelöscht, zur unbedeutenden Fußnote der Geschichte erklärt: Vgl. Buschmann (2005), S. 121. 1391 Vgl. El espinazo del diablo, 00:48:43 – 00:49:21.

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einer der Jungen, Jaime, die Bedenken seiner Freunde mit folgenden Worten: »Aber wir sind mehr.«1392 Die Gewalttaten, zu denen sich die Kinder gegen Ende des Films El espinazo del diablo entschließen, verhelfen ihnen somit – paradoxerweise und entgegen der spezifisch spanischen ödipalen Lesart –1393 zu einem Aufbrechen des Gewaltkreislaufs. Die »›democratic‹ group hunt«1394 führt zum Sturz des Unterdrückers und trägt dazu bei, das Ziel eines post-bürgerkriegszerrüteten und post-diktatorischen Spaniens zu erreichen. In diesem Kontext wirkt das von Jaime verwandte »Wir« geradezu als Anrufung einer vermeintlich größeren, solidarisch agierenden ›antifaschistischen‹ Gemeinschaft auf übergeordneter, sprich auf Zuschauerebene. Vor allem über den Lern- und Reifeprozesses des jungen Protagonisten Carlos fokussiert Regisseur Del Toro die Perspektive einer »stable, successful democracy interested in creating a new meaning for its history«1395. Dadurch entsteht Hardcastle zufolge eine »cathartic, fantasized confrontation with the past«1396. Wenngleich eine potenziell kathartische Wirkung des Films auf seine spanische Zuschauerschaft sich unmöglich nachweisen lässt, so war sein Anklang unbestritten.1397 Im Vergleich mit den sonst üblichen Narrativen und Figurenzeichnungen in spanischen Kino- und Fernsehproduktionen mit Republik-, Bürgerkriegs- oder Diktaturthematik lässt sich außerdem feststellen, dass das Ende von El espinazo del diablo insofern eine beachtenswerte Abweichung darstellt, als Vertreter des ›spanischen Volkes‹ ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Auch der Filmkritiker Antonio Santamarina attestiert El espinazo del diablo, »eine gewiss ungewohnte Lesart für einen Film eines solchen Genres und umso mehr in Spanien, wo die Tragweite des Sprechens über den Bürgerkrieg leicht dazu führt, die Stimme der Filmemacher einzuengen, die sich einer Behandlung dieses Themas nähern«1398. Für gewöhnlich sind es vielmehr ›gemäßigte‹, Gewalt ablehnende Figuren, die als Exempel für in der Zukunft nachahmenswertes Verhalten konstruiert werden. ›Radikale‹ Positionen stellen der Logik der Filmnarrative zufolge hingegen ›bestrafenswerte‹ Einstellungen dar. Was die Darstellung Del Toros mit anderen teilt, ist der positive Wert, 1392 Ebd., 01:28:28 – 01:28:30: »Pero nosotros somos m‚s.« 1393 S. kapitel 4.3.2. 1394 Hardcastle (2005), S. 127. Wobei Hardcastle kritisiert, dass durch die Betonung, die in El espinazo del diablo auf dem gemeinschaftlichen Vorgehen der Kinder liegt, der Hinweis verloren geht auf die unterschiedlichen, ideologisch begründeten Spaltungen, die das Spanien der 1930er-Jahre kennzeichneten: Vgl. ebd. 1395 Ebd., S. 129. Vgl. Chun (2002), S. 29; Hardcastle (2005), S. 123. 1396 Hardcastle (2005), S. 129. 1397 S. kapitel 5.1. 1398 Santamarina (2001), S. 24: »[u]na lectura ciertamente insûlita para un film de este g¦nero y todav†a m‚s en EspaÇa, donde la transcendencia al hablar de la guerra civil tiende a engolar la voz de los cineastas que se acercan a tratar este tema.«

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der einem vereinten, solidarischen Vorgehen attribuiert wird.1399 Dabei entscheiden sich die im Zentrum der filmischen Handlung stehenden Waisenjungen – allen voran Carlos – allerdings nicht für den ›faschistisierten‹ Pförtner Jacinto als Vorbild. Stattdessen führen sie das Vermächtnis ihrer republiktreuen, gefallenen Eltern sowie das ihres ›republikanisch‹ konnotierten Ersatzvaters Dr. Casares weiter.1400 Der ältere Arzt Dr. Casares erfüllt zunächst genau die Beschreibung, die Heimleiterin DoÇa Carmen zu ihrem verstorbenen Mann formuliert hat: Er ist ein Träumer, ein intellektueller Bücherwurm, alles andere als ein Mann der Tat, einer, der symbolisch für den sich im Untergang befindenden abendländischen Geist der Aufklärung steht. Über lange Strecken des Films wird Dr. Casares als allzu gutgläubiger, ›gemäßigter‹ Anhänger der Zweiten Republik gezeichnet, der Anfang 1939 beispielsweise noch immer auf Hilfe seitens der westlichen Demokratien hofft.1401 Aktiv wird Dr. Casares erst, nachdem er im Dorf unfreiwillig Zeuge der Erschießung einer Handvoll republiktreuer Kämpfer wird.1402 Darauf folgt seine Erkenntnis, dass es kein ›Danach‹ mehr für ihn und seinesgleichen in einem franquistischen Spanien geben wird. Zurück im Waisenheim leitet er die Flucht für sich, seine Kollegen und seine Schützlinge in die Wege. Jacinto kommt Dr. Casares jedoch zuvor und führt den Tod von DoÇa Carmen und einer Vielzahl der Kinder herbei. Hiernach erhebt Dr. Casares sich zum Verteidiger und Rächer der Unschuldigen, also seiner überlebenden jungen Schützlinge: »Mein ganzes Leben lang bin ich ein bisschen zwischen den Stühlen geblieben, habe die Dinge nicht zu Ende gebracht. Ich werde Euch nicht allein lassen, das verspreche ich.«1403

Dies ist ein im populären spanischen Kino mit Bürgerkriegssujet ungewöhnlicher Aufruf, Position zu beziehen und gleichzeitig ein Versprechen, das Dr. Casares im Film zu erfüllen vermag. Zwar schafft er es nur einmal, Jacinto und seinen Komplizen die Stirn zu bieten, bevor er stirbt. Doch Dr. Casares lässt die Waisenkinder wie versprochen nicht im Stich: Sein Geist öffnet den Jungen, die von Jacinto in eine Kammer eingesperrt wurden, von außen die Tür.1404 So macht 1399 S. hierzu auch kapitel 6.3. 1400 In dem Waisenheim werden dezidiert nur Kinder gefallener bzw. verschollener republiktreuer Kämpfer aufgenommen. 1401 S. kapitel 7.4. 1402 Vgl. El espinazo del diablo, 00:51:43 – 00:53:04; The Devil’s Backbone, DVD-Extras, Making of, 00:08:45 – 00:10:20. 1403 Vgl. ebd., 01:23:33 – 01:23:49: »Toda mi vida me he quedado algo en medio, dejando las cosas sin terminar. No los voy a dejar solos, eso lo prometo.« 1404 Als Beweis für die ›Realität‹ des Geistes von Dr. Casares dient sein blutbeflecktes, mit Initialen versehenes Taschentuch, dass er vor der Tür hat liegen lassen: Vgl. ebd., 01:30:05 – 01:30:58; Santaolalla (2007), S. 152.

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Dr. Casares den Kindern auch noch nach seinem Tod im wahrsten Sinne des Wortes den Weg frei, um seinen ›Kampf‹ gegen den ›Faschismus‹ erfolgreich zu Ende zu führen. Gegen Filmende nimmt Carlos tränenreich Abschied von Dr. Casares Leichnam.1405 Danach verlassen die überlebenden Kinder unter den Augen seines Geistes das verwüstete Waisenheim.1406 Bei den Jungen handelt es sich demnach um Repräsentanten des heutigen demokratischen Spaniens, die das Erbe der Zweiten Republik in sich tragen und aktiv weiterführen –1407 gewiss kein Zufall in einem Film, der am 20. April 2001 in Spanien anlief, also eine knappe Woche nach dem 70. Jahrestag der Proklamation der Zweiten Republik. Ebenfalls mit dem ›Urbösen‹ ins Gericht geht Del Toros zweiter ›Spanienfilm‹ El laberinto del fauno. Dem brutalen capit‚n Vidal wird gegen Filmende nicht vergeben.1408 Eine Art Tribunal, das von Widerstandskämpfern gebildet wird, verurteilt ihn zum Tode und einer der guerrilleros erschießt ihn. Dadurch kehrt der Film die während des Franquismus propagierten Bilder von ›Siegern‹ und ›Besiegten‹ geradezu um: Der eigentliche Verlierer in El laberinto del fauno ist Hauptmann Vidal, ›siegreich‹ sind die Widerstandskämpfer. Durch diese nach historiografischen Maßstäben kontrafaktische Geschichtsschreibung verwandelt sich El laberinto del fauno dem Kritiker Sergio Fern‚ndez Pinilla zufolge »in ein wertvolles und unzweideutiges politisches und kulturelles Instrument«1409, das als Rehabilitierung der moralischen Sieger der Geschichte zu verstehen sei.1410 1405 Vgl. El espinazo del diablo, 01:38:00. 1406 Vgl. ebd., 01:38:43 – 01:39:21. 1407 Auf die Generationenthematik wird auch dadurch hingewiesen, dass Del Toro El espinazo del diablo seinen Eltern widmete: Vgl. ebd., 01:39:22 – 01:39:38. Auch in Los girasoles ciegos (The Blind Sunflowers; ES 2008) bekennt sich der kindliche Protagonist Lorenzo gegen Ende des Films eindeutig zu seinem ›republikanisch‹ konnotierten Vater Ricardo und gegen den sich als ›Ersatzvater‹ anbietenden, gewalttätigen und der Seite der Franquisten zuzurechnenden Salvador: Vgl. Los girasoles ciegos, 01:25:07. Zur Zeichnung Salvadors s. kapitel 4.3.2.2. 1408 Zum Aspekt der Vergebung s. kapitel 5.5. 1409 Fern‚ndez Pinilla (2007), S. 197: »en un valioso e inequ†voco instrumento pol†tico y cultural«. 1410 Vgl. ebd., S. 196. Der große Angriff der guerrilleros auf Vidals militärischen Außenposten, wie er gegen Filmende inszeniert wird, kann als indirekter Verweis auf die Ereignisse rund um die geplante Invasion des Valle de Ar‚n gesehen werden – schließlich spielt El laberinto del fauno einem Zwischentitel zufolge im Jahr 1944. Nach der Befreiung von Paris im August 1944 hatte sich im französischen Toulouse die kommunistisch dominierte Junta EspaÇola de Liberaciûn (dt.: »Spanische Befreiungs-Junta«) formiert. Sie bezweckte mit einem Einmarsch ehemaliger republiktreuer Kämpfer und französischer maquis im Ar‚nTal, im Norden der spanischen Pyrenäen gelegen, eine Intervention der Alliierten zugunsten der spanischen Republik. Hinter den Invasionsplänen steckte die Idee, dass der Anblick von Truppen, die die Grenze überschritten, einen antifranquistischen Aufstand in der spanischen Bevölkerung hervorrufen würde. Diese Hoffnung war angesichts der kriegsmüden und repressionsgebeutelten Bevölkerung zum Scheitern verurteilt: Vgl.

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Mit der Erschießung Vidals durch die Widerstandskämpfer geht eine klare Absage an eine ganz bestimmte Generation und Genealogie einher. Die Protagonistin des Films El laberinto del fauno, die junge Ofelia, weigert sich bezeichnenderweise, ihren jüngst angeheirateten Stiefvater capit‚n Vidal als ›Vater‹ zu bezeichnen, obwohl ihre Mutter sie darum bittet.1411 Bei der ersten Gelegenheit klärt Ofelia die Haushälterin Mercedes auf: »Er ist nicht mein Vater. Der Hauptmann ist nicht mein Vater. Mein Vater war Schneider. Er verschwand mit Beginn des Kriegs. Der Hauptmann ist nicht mein Vater.«1412

In der Fantasiewelt des Films ist Ofelia die letzte ihrer Art, die Stammhalterin, und als solche ihrem Vater, einem König, entwischt. Dies korreliert auf der Ebene der ›realen‹ Welt mit dem Kinderwunsch Vidals, den er mit aller Macht verfolgt, da er sich nichts mehr als einen Stammhalter wünscht. Letzten Endes wird dem Hauptmann der Sohn jedoch entrissen und einer dezidiert ›republikanischen‹ Tradition zugeführt: der der familienartigen Gemeinschaft der guerrillaKämpfer. Dabei versichert Mercedes Vidal: »Nein. Er wird nicht einmal Deinen Namen erfahren.«1413 Del Toro zufolge schockt dies den capit‚n mehr als die Kugel, die ihn kurz darauf tödlich trifft.1414 Ofelia hingegen findet dank ihrer Weigerung, den Bruder zu töten, zu ihren ursprünglichen Wurzeln, dem magischen Königreich, zurück. Mit dem franquistischen ›Übervater‹, mit der militärischen, latent faschistischen Erblinie, wie Hauptmann Vidal sie in El laberinto del fauno verkörpert und bestrebt ist weiterzuführen, wird somit bewusst gebrochen. Auch der Tradition der Gewalt, zu der Vidal sich in geradezu zirkulärer Art und Weise verdammt sieht,1415 wird ein Ende bereitet. Del Toros Film scheint retrospektiv einen Bruch einzufordern, den es während des Übergangs von Diktatur zu

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Serrano (2001), S. 123 f.; Camino (2011), S. 31 f. Im Gegensatz dazu verläuft die Offensive der guerrilleros in El laberinto del fauno jedoch erfolgreich. Del Toro nimmt hier das vorweg, was Quentin Tarantino in umfassender Form in Inglourious Basterds (US-DE 2009) vorführt. Es sei ja nur ein Wort, so Ofelias Mutter Carmen: Vgl. El laberinto del fauno, 00:04:35 – 00:04:47. Ebd., 00:08:11 – 00:08:20: »No es mi padre. El capit‚n no es mi padre. Mi padre era un sastre. Se perdiû al empezar la guerra. El capit‚n no es mi padre.« Zum Begriff des ›Verschwindens‹ s. kapitel 7.3. Ebd., 01:44:29 – 01:44:33: »No. Ni siquiera sabr‚ tu nombre.« Vgl. Pans Labyrinth, DVD-Extras, Audiokommentar von Guillermo del Toro, 01:43:36–01:43:40. S. kapitel 4.3.1 und 4.3.2. Der Film weist eine auf den ersten Blick zirkuläre Struktur auf, da er mit Ofelias Tod beginnt, der gegen Ende des Films in ausführlicher Form zur Darstellung gelangt. Allerdings endet El laberinto del fauno eben nicht mit Vidals blutigem Mord an seiner Stieftochter, sondern zeigt, wie Ofelia unter Applaus in ihr fantastisches Königreich einzieht und welches Vermächtnis sie in der ›realen‹ Welt hinterlässt, s. kapitel 5.3.

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parlamentarischer Monarchie in Spanien nicht gegeben hat. Als weiteres erinnerungspolitisches Statement ist in diesem Zusammenhang die Botschaft zu werten, dass die franquistische Tradition, wie Vidal sie verkörpert, des Gedenkens nicht würdig präsentiert wird. Stattdessen ist es das demokratisch-kämpferische Gedankengut, für das die Gemeinschaft der Widerstandskämpfer steht, das an nachfolgende Generationen weitergegeben wird. Der Name der Figur Ofelia lässt sich in diesem Zusammenhang als telling name interpretieren, der auf das Motiv der Rache hinweist: Er erinnert an Shakespeares Hamlet, ein Rachedrama, in dem ein Vatermord gesühnt wird und das mit dem Untergang eines Herrschergeschlechts endet.

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Die eigenen Wurzeln suchen

»Die Prinzessin hatte vergessen, wer sie war, wo sie her kam.«1416

Anhand des kinematografischen Beispiels El laberinto del fauno (Pans Labyrinth; ES-MX 2006) wird deutlich, was eine Reihe von spanischen audiovisuellen Produktionen seit 1996 nahelegen: Der Bruch mit den franquistischen ›Vätern‹ von einst muss mit der Suche nach neuen bzw. lange Zeit missachteten Bezugspersonen einhergehen, die sich für das heutige demokratische Spanien als Vorbilder eignen. Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit wird somit als eine präsentiert, die eng verbunden ist mit der Frage nach der eigenen Identität. Am Ende des Films El laberinto del fauno erntet die junge Protagonistin Ofelia bei der triumphalen Rückkehr in ihr fantastisches Königreich nicht zufällig tosenden Applaus: Anerkennung für ihren letzten Akt des Widerstandes, der in der ›realen‹ Welt de facto ihren Tod bedeutet. Im übertragenen Sinne ist es ein Applaus dafür, sich ihrer eigenen Wurzeln entsonnen zu haben. In der Annahme, dass sie eine verschollene, zum ziellosen Herumirren verdammte Prinzessin ist, stellt Ofelia sich im Verlauf der Filmhandlung drei Prüfungen. Damit will sie die Verbindung zu ihrer eigenen Vergangenheit wieder aufbauen, von der sie sich derart entfernt und entfremdet hat, dass sie jegliche Erinnerung daran verloren hat: »Die Prinzessin hatte vergessen, wer sie war, wo sie her kam«1417, wie ein allwissender Erzähler den Zuschauer zu Beginn des Films informiert. Erinnerungen und deren ›Rückgewinnung‹ sind Kernaspekte von El laberinto del fauno und werden als elementar für die Konstituierung einer persönlichen Identität präsentiert.1418 1416 El laberinto del fauno, 00:01:50 – 00:01:53: »La princesa olvidû qui¦n era, de donde ven†a.« 1417 Ebd. 1418 Vgl. Camino (2010), S. 47.

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Wie schon das in dem Filmtitel enthaltene Motiv des Labyrinths andeutet, geht es in El laberinto del fauno darum, welchen Weg man persönlich wählt.1419 Mit der ›Rückkehr‹ der Erinnerung an ihre Ursprünge, im Film symbolisiert durch die Figur des Fauns, der Ofelia mit ihrer Herkunft konfrontiert, wird Ofelia vor die Wahl gestellt – eine Wahl, die im übertragenen Sinne darin besteht, sich zu entscheiden, welches Erbe sie antreten möchte: das, zu gehorchen um des Gehorchens Willen, wie es ihr von einer reaktionären, gewalttätigen, militärischen Tradition geprägter Stiefvater Vidal verkörpert,1420 oder das, sich nicht verbiegen zu lassen und stattdessen bedingungslos für die Dinge einzutreten, die man erreichen möchte, wie es die guerrilleros repräsentieren. Ofelia wählt die zweite Möglichkeit: Sie bricht mit ihrem franquistischen ›Vater‹, um nach der Vaterfigur zu suchen, der sie sich eigentlich zugehörig fühlt. Mit der Erinnerung an ihre Ursprünge wächst in Ofelia zunehmend der Wille, diese nicht länger zu verleugnen, und vielmehr die Absicht, zu ihnen zurückzukehren. Dies führt dazu, dass sie sich gegen die Dinge wehren muss, die sie von ihrem Weg abbringen: die Monster in ihrer fantastischen Welt und in der ›realen‹ Welt capit‚n Vidal. Ihre Weigerung, unmoralischen Forderungen Folge zu leisten, wird als richtig bewertet, wie ihr triumphaler Einzug in ihr fantastisches Königreich beweist. Der Wille, sich seiner Ursprünge zu entsinnen und dorthin zurückkehren zu wollen, wird in El laberinto del fauno somit zur Keimstätte des Ungehorsams und des Widerstands.1421 Dabei ist Ofelias im fantastischen Königreich gefeierte Wiedervereinigung mit ihren Eltern eine Wiedervereinigung mit den Toten: Ihr leiblicher Vater »verschwand«1422 zu Kriegsbeginn und ihre Mutter starb bei der Geburt des zweiten Kindes. Außerdem liegt das fantastische Königreich dem Filmnarrativ zufolge unter der Erde,1423 wie das mythische 1419 Vgl. Pans Labyrinth, DVD-Extras, Audiokommentar von Guillermo del Toro, 01:18:55–01:19:18. Der Faun bezeichnet das Buch, welches er Ofelia gibt, unmissverständlich als »das Buch der Scheidewege«: Vgl. El laberinto del fauno, 00:22:50 – 00:22:57: »el libro de las encrucijadas«. In Anlehnung an die Filmwissenschaftlerin Michaela Krützen begibt sich die Heldin somit – ganz im Sinne einer klassischen Initiationsgeschichte – auf die Reise, s. Fußnote 938. Die Romanistin Cornelia Ruhe liest den von Del Toro gewählten Filmtitel El laberinto del fauno als Anspielung auf Max Aubs Romanzyklus über den Bürgerkrieg El laberinto m‚gico (1943 – 1967) sowie auf Gerald Brenans historische Untersuchung The Spanish Labyrinth (1943): Vgl. Ruhe (2012), S. 150. Letztere Publikation wird direkt zitiert in dem Titel der Fernsehdokumentation El laberinto espaÇol (TVE/La 2, Erstausstrahlung: 7. April bis 26. Juni 2006). 1420 S. kapitel 4.3.2. 1421 Vgl. Hern‚ndez (2006), S. 31. Das Motiv der ›Rückkehr zu den Ursprüngen‹ zeigt sich auch in der nicht gerade subtilen Gestaltung der Orte der Fantasiewelt, die weiblichen Geschlechtsteilen und -organen ähneln. 1422 El laberinto del fauno, 00:08:15: »se perdiû«. Zum Begriff des ›Verschwindens‹ s. unter kapitel 7.3. 1423 Vgl. ebd., 00:01:10 – 01:01:30.

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Totenreich und wie die realen Toten. Über die Figur der Ofelia werden die Toten in El laberinto del fauno nicht als ›Fremde‹ behandelt, sondern als ›Familie‹ anerkannt. Diesen Teil der eigenen Lebensgeschichte gilt es ›zurückzugewinnen‹, will man, wie Ofelia, aufrecht durchs Leben gehen – eine deutliche erinnerungspolitische Botschaft. Mit die Anerkennung der und dem Gedenken an die unter der Erde verscharrten ›Verschwundenen‹, so ließe sich schließen, wäre über die einzelne Figur der Ofelia hinaus ein großer Schritt auf dem Weg zu einer mehrheitlich konsensfähigen nationalen Identität getan, die das Schicksal eben dieser Toten integriert, anstatt es von sich zu weisen.1424 Laut Regisseur Del Toro ist Ofelias gewaltsamer Tod in der ›realen‹ Welt, Folge ihrer Auflehnung gegen ihren Stiefvater, der sie kaltblütig erschießt,1425 alles andere als ein Grund zum Trauern. Ofelia hat, wie Del Toro es formuliert, sich mit ihrem Tod in der ›realen‹ Welt im Grunde erst derart geboren, wie sie wirklich sein möchte.1426 Dies verdeutlichen auf inszenatorischer Ebene vor allem die allerersten Minuten des Films, die Ofelias Tod vorwegnehmen, diesen aber rückwärts ablaufen lassen. Zunächst sind über die Tonspur leichtes Windrauschen und aus der Ferne Schreie zu hören. Plötzlich atmet jemand schnell. Dann sieht man ein Mädchen scheinbar an einer Steinmauer stehen, während Blut an ihrer Hand und Blut aus ihrer Nase in ihren Körper zurücklaufen. Dann wird das Bild um 90 Grad gedreht und somit deutlich: Das Mädchen liegt auf dem Boden und ihr Blut ist inzwischen wieder komplett in ihrem Körper ›verschwunden‹. Ofelias gewaltsamer Tod in der ›realen‹ Welt leitet somit bereits im Vorspann über in ihre prächtige (Wieder-)Geburt als Prinzessin in ihrem fantastischen Königreich. Ofelias Reise ist somit eine letztlich geglückte Identitätssuche, die im Kern darauf basiert, sich selbst treu zu bleiben: »You are who you are as long as it comes from a genuine place in your heart«1427, wie Del Toro es ausdrückt. In dieser Hinsicht sucht und findet Ofelia nicht nur den Tod.1428 1424 Der Romanist Albrecht Buschmann begreift das Graben nach den Toten im heutigen Spanien als »Identitätssuche in ihrer elementarsten Form«: Buschmann (2005), S. 103. 1425 Ihren Status als ›unschuldiges Opfer‹ unterstreicht das weiße Nachthemd, das Ofelia trägt, als sie erschossen wird: Vgl. Camino (2011), S. 124. 1426 Vgl. Pans Labyrinth, DVD-Extras, Audiokommentar von Guillermo del Toro, 00:01:20–00:01:52 sowie 01:21:40 – 01:22:00. 1427 Guillermo del Toro; zit. n.: ebd., 00:27:45 – 00:27:54. Diese Formulierung ist ein direktes Zitat zu dem US-amerikanischen Kult-Musical The Wizard of Oz (US 1939), auf das auch über die knallroten Lackschuhe, die Ofelia in den letzten Minuten des Films trägt, formal Bezug genommen wird. 1428 Del Toros Glaube an die Transzendenz des Todes ist seiner Meinung nach bereits im Motiv des Labyrinths enthalten: Vgl. ebd., 01:19:18 – 01:19:58 sowie 01:44:45 – 01:47:45. Ihrem ungeborenen Bruder erzählt Ofelia im Laufe des Films ein Märchen, in dem es um eine Rose geht, die Unsterblichkeit verleiht. Die Menschen scheuten sich jedoch, die Rose zu pflücken, da sie fürchteten zu sterben: Vgl. El laberinto del fauno, 00:12:21 – 00:13:35. Dies

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Ofelia hat sich aber nicht nur selbst neu geboren, »sie wird auch zur Geburtshelferin eines neuen, vom alten Gift befreiten Spanien«1429. So befreit sie im Verlauf des Films die Wurzeln eines Baumes von einer schleimigen, fetten Kröte, die – in Analogie zum Hauptmann Vidal – den ›unersättlichen Faschismus‹ verkörpert.1430 Am Filmende blüht eine weiße Blume auf einem der ehemals abgestorbenen Äste des Baums.1431 Diese Blüte bezeichnet ein allwissender Erzähler als Ofelias Vermächtnis, das nur für diejenigen sichtbar ist, die hinzuschauen wissen.1432 Es erschließt sich demzufolge lediglich dem, der Willens ist, sich aktiv damit zu befassen. Über ihren Tod hinaus weist Ofelia somit einer vermutlich mehrheitlich jungen Zuschauerschaft – das Publikum, das Del Toros Film angesichts seines innovativen Genremixes überwiegend angezogen haben dürfte – exemplarisch den Weg, wie mit der Vergangenheit umzugehen ist: sich auf die Suche nach den eigenen Wurzeln zu machen und dabei herauszufinden, wessen Erbe man antreten möchte.1433 In der Filmdatenbank des spanischen Kultusministeriums wird El laberinto del fauno als »Drama«1434 geführt. Dass in Del Toros Film jedoch stark an die Erzählgattung des Märchens appelliert wird, verdeutlicht die Stimme eines allwissenden Erzählers, der den Film gleich zu Beginn mit den Worten eröffnet: »Sie erzählen, dass vor vielen, vielen Jahren eine Prinzessin im unterirdischen Königreich lebte.«1435 Den Regisseur hat bei der Produktion von El laberinto del fauno erklärtermaßen der Wille angetrieben, einen innerhalb der spanischen Filmgeschichte »ungewöhnlichen Film«1436 zu machen: »Solche Filme existieren nicht, weil nicht versucht wird, sie zu machen.«1437 In El laberinto del fauno bemüht Del Toro sich nicht um eine möglichst ›authentische‹ Rekonstruktion von Aspekten der jüngeren spanischen Vergangenheit, sondern veranschaulicht

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zeugt von einem sehr paradoxen und zugleich stark katholisch geprägten Bild der Ewigkeit: Um Unsterblichkeit zu erreichen, muss man sein Leben erst aufgeben bzw. opfern. Ruhe (2012), S. 161. Vgl. El laberinto del fauno, 00:34:02 – 00:41:15. S. kapitel 4.3.1. Vgl. ebd., 01:48:08 – 01:48:31. Dabei dient eine weiße Blüte als ein positives Symbol für antifaschistischen Widerstand im Allgemeinen, ermöglicht es doch Assoziationen zu Gruppierungen wie der Weißen Rose oder den Edelweißpiraten im nationalsozialistischen Deutschland. Zur Lesart des Spanischen Bürgerkriegs als ›antifaschistischer Kampf‹ s. kapitel 7.1. Vgl. ebd., 01:48:21 – 01:48:31. S. auch kapitel 5.2. Filmdatenbank des spanischen Kultusministeriums, www.mcu.es (20. 02. 2012): »Drama«. El laberinto del fauno, 00:01:10 – 00:01:22: »Cuentan que hace mucho, mucho tiempo en el reino subterr‚neo […] viv†a una princesa«. Auch der spanische Regisseur V†ctor Erice weist seinen Film El esp†ritu de la colmena (Der Geist des Bienenstocks; ES 1973) zu Beginn eindeutig als Märchen aus: Vgl. El esp†ritu de la colmena, 00:01:46 – 00:01:51. Zu weiteren Parallelen zwischen diesem Klassiker und Del Toros ›Spanienfilmen‹ s. auch kapitel 5.1. Guillermo del Toro, zit. n. Costa (2006b), S. 101: »film insûlito«. Ebd.: »No existen pel†culas as†, porque no se intenta hacerlas.«

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darin mittels einer Mischung aus Coming-of-Age-Drama, Märchen- und Horrorfilm, welches Widerstandspotenzial sich aus der Vorstellungskraft schöpfen lässt.1438 In diesem Zusammenhang schlägt Del Toro die Kraft der Fantasie als Gegenmittel zu den Gefahren vor, die von einer einförmigen Weltsicht oder blinder Obrigkeitshörigkeit ausgehen. Dabei sieht er Kinder im Allgemeinen als Botschafter einer höheren Kultur,1439 da sie über eine ungetrübt ausgeprägte Vorstellungskraft verfügen. In El laberinto del fauno verkörpert Ofelia diese Kraft und über ihre Figur erfolgt eine ideologisch unterfütterte Verteidigung der kindlich-unschuldigen Vorstellungskraft, die einer rationalen, auf Faktizität setzenden Erwachsenenwelt gegenübersteht.1440 Obwohl es sich bei El laberinto del fauno unzweifelhaft um ein melancholisch-romantisches Loblied auf die kindliche Fantasie handelt, greift es zu kurz, Ofelias Märchenreich als eskapistische Traumwelt zu begreifen. Da die einsame Ofelia sich nach Wärme, einer intakten Familie und Harmonie sehnt, haben einige Kritiker ihre Fantasien als Resultat eines Wunsches interpretiert, der Brutalität der Nachkriegszeit zu entfliehen.1441 Ofelias Fantasiereich entwirft jedoch keine »Gegenwelt«1442, die Geborgenheit spendet und von ausschließlich friedliebenden Gestalten bevölkert ist. Vielmehr ist die fantastische Welt eine Spiegelwelt, in der sich die Antagonisten und Kämpfe der ›realen‹ Welt wiederfinden.1443 Infolge der Bewährungsproben, der sie sich in ihrer fantastischen Welt stellt, nimmt Ofelia es zu guter Letzt mit dem ›wirklichen‹ Monster auf, ihrem despotisch-›faschistisierten‹ Stiefvater Vidal. Durch die Parallelisierung 1438 Mit seinem Genremix wolle er den Zuschauer zum Nachdenken verleiten, so Del Toro: Vgl. Alsedo, Quico: »El choque de fantas†a y realidad brutal produce pensamiento.« In: El Mundo (11. 10. 2006), www.elmundo.es (21. 01. 2010). 1439 Vgl. Pans Labyrinth, DVD-Extras, Audiokommentar von Guillermo del Toro, 00:03:10 – 00:03:22. 1440 Vgl. Fern‚ndez Pinilla (2007), S. 197. Del Toros Loblied auf die (kindliche) Fantasie ist im spanischen Kontext höchst ungewöhnlich, wurden die Spanier doch noch unter Franco zwecks Herrschaftslegitimation als Volk charakterisiert, dessen ›irrationales‹ Handeln ein demokratisches Zusammenleben unmöglich mache, s. kapitel 3.1. 1441 Vgl. Hern‚ndez (2006), S. 32; Molina Foix (2006); Heredero (2006), S. 32; Nûvoa (2009), S. 92. Der Eintrag zu El laberinto del fauno auf wikipedia.es bekräftigt die Eskapismusthese: Vgl. http://es.wikipedia.org (20. 02. 2012). 1442 Suchsland (2007), S. 23. 1443 Vgl. Costa (2006a), S. 14. Regisseur Del Toro zufolge hätten Märchen immer schon den »bestialischen« (ABC de Sevilla (13. 10. 2006a), S. 64: »bestial«) Kontext, die »soziale Beklemmung« (ebd.: »ansiedad social«) ihrer Entstehungszeit »widergespiegelt«: Ebd.: »reflejan«. Vgl. Costa (2006b), S. 101. Neben den offensichtlichen Monstern der Fantasiewelt, der schleimigen Kröte und dem Kinder verspeisenden, gesichtslosen Monster, ist der titelgebende Faun der klassischen Mythologie entsprechend ambivalent gestaltet. Del Toro zufolge erfüllt der Faun die Funktion sowohl eines Botschafters wie auch eines Verführers, der Ofelia dazu bringt, ihren Überzeugungen zu folgen: Vgl. www.panslabyrinth.com (22. 02. 2010), About the film, About the story.

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der Monster, auf die Ofelia in ihrer fantastischen Welt trifft, mit Vidal in der ›realen‹ Welt sind Ofelias Bewährungsproben gar als antifranquistischer Widerstand lesbar. Dabei steht als erwachsene Gegen- bzw. Spiegelfigur zur kindlichen Protagonistin Ofelia eine weitere weibliche Figur im Mittelpunkt des Geschehens: Vidals Haushälterin Mercedes, gespielt von Maribel Verdffl.1444 Mercedes unterstützt die Widerstandskämpfer in der ›realen‹ Welt heimlich und schließt sich letztlich dem guerrilla-Verband an. Die Aufwertung von Widerstand, der im Notfall auch vor gewalttätiger Gegenwehr nicht zurückschreckt, erfolgt in El laberinto del fauno maßgeblich über die zwei weiblichen Protagonistinnen.1445 Von Anfang an besteht eine Verbindung zwischen Mercedes und Ofelia, die über ihren Bezug zur ›magischen‹ Welt entsteht.1446 Beide leben in einer Welt, der sie entkommen wollen und haben – im Gegensatz zu Ofelias fremdbestimmter Mutter Carmen –1447 den Glauben an eine ›bessere Welt‹ nicht verloren.1448 Beeindruckend ist in diesem Zusammenhang, wie Regisseur Del Toro in El laberinto del fauno zahlreiche filmästhetische Mittel – Kameraarbeit, Set-Gestaltung, Montage, Sound-Design – dazu einsetzt, den Kampf der maquis mit

1444 Die Besetzung Maribel Verdffls in der Rolle der Mercedes stieß in Spanien auf ein großes Medienecho. Dies liegt vor allem darin begründet, dass Del Toro sie trotz aller im Vorfeld verkündeten Skepsis, die in Zweifeln an Verdffls schauspielerischen Fähigkeiten wurzelte, in El laberinto del fauno entgegen der Rollen besetzte, für die sie normalerweise engagiert wurde: Nicht zuletzt aufgrund diverser Nacktszenen war Verdffl als Sexsymbol bekannt und trat überwiegend in leichten Komödien in Erscheinung: Vgl. Pans Labyrinth, DVDExtras, Audiokommentar von Guillermo del Toro, 01:22:00 – 01:22:28; PiÇa (2007b), S. 116 und 118. Besonders im Ausland wurde Maribel Verdffls Leistung in El laberinto del fauno gewürdigt und brachte ihr eine Rolle in Francis Ford Coppolas Tetro (AR-ES-IT 2009) ein: Vgl. PiÇa (2007b), S. 120. In Spanien war sie knapp zwei Jahre später in einer Hauptrolle in der filmischen Adaption von Los girasoles ciegos (The Blind Sunflowers; ES 2008) zu sehen, s. kapitel 6.1. 1445 Für Regisseur Del Toro ist der ›Faschismus‹, den Vidal für ihn verkörpert, männlich und steht einer Solidarität unter Frauen entgegen: Vgl. El Mundo (11. 10. 2006). Vidal kommt seiner Haushälterin Mercedes, die die maquis mit Informationen, Lebensmitteln und Medikamenten versorgt, genau deshalb nicht auf die Schliche, weil er sie als Frau chronisch unterschätzt: »Um Gottes willen, Du bist doch nicht mehr als eine Frau!«: El laberinto del fauno, 01:28:41 – 01:28:44: »Por el amor de Dios, ¡no eres m‚s que una mujer!« 1446 Mercedes vermag Ofelias Leidenschaft für das Lesen und ihre Faszination für Fantastik nachzuvollziehen: Vgl. ebd., 00:27:48 – 00:28:30. 1447 S. kapitel 6.2. 1448 Dieser Glaube eröffnet deutliche Parallelen zu der Figur der Luc†a in Montxo Armend‚riz’ Kinospielfilm Silencio roto (Broken Silence; ES 2001, s. kapitel 4.2.1). Die Hervorhebung der Taten bisher vermeintlich ›anonym‹ gebliebener Vertreter der spanischen Bevölkerung, mit einem besonderen Fokus auf Frauen, lässt sich angesichts der hier behandelten ›Kernquellen‹ als ein eindeutiger inhaltlicher Schwerpunkt bezeichnen, s. auch kapitel 6.3. Allerdings geht dies nur bei Del Toro damit einher, auch notfalls gewalttätige Taten zu legitimieren.

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Ofelias Kampf in der Fantasiewelt zu parallelisieren.1449 Beide Aktionsräume werden im Verlauf der Handlung zunehmend miteinander verwoben, um in den letzten Sequenzen zusammenzufallen.1450 Dies verdeutlicht, dass Ofelia wie auch Mercedes und die mit ihr assoziierten Widerstandskämpfer Teil ein- und derselben Geschichte sind, die auf dasselbe Ziel hinausläuft: sich gegen Hauptmann Vidals ›faschistisierte‹ Gewaltherrschaft aufzulehnen. In Analogie zu Ofelia und dem Vermächtnis, das sie hinterlässt, verteidigten die antifranquistischen Widerstandskämpfer und deren Unterstützer Werte, für die es sich – angesichts der heutigen spanischen Demokratie – gelohnt hat zu kämpfen und deren Andenken es daher zu bewahren gilt.1451 In diesem Sinne ist El laberinto del fauno für einen Beiträger in einem El Pa†s-Forum zu Del Toros Film – dessen ideologische Überzeugungen dank seines Pseudonyms »Republikaner, Roter und Katalanist«1452 keiner großen Interpretationsleistung bedürfen – deshalb ein guter Film, weil er dezidiert aufzeige, was der maquis geleistet habe: antifranquistischen Widerstand. Allerdings habe es dafür eines mexikanischen Regisseurs bedurft.1453 Auch ABC-Filmkritiker Eduardo Rodr†guez Marchante hebt in seiner Kritik auf Del Toros mexikanischen Ursprung ab,1454 ordnet El laberinto del fauno aber dezidiert in den zeitgenössisch aktuellen nationalen Kontext ein. Der Film lief am 10. Oktober 2006 in Spanien an, mitten im offiziell ausgerufenen 1449 Besonders auffällig ist das visuelle Element des »magical pollen« (Guillermo del Toro; zit. n.: Pans Labyrinth, DVD-Extras, Audiokommentar von Guillermo del Toro, 00:31:02), der entweder in guerrilla-Szenen auftaucht oder wenn eine magische Kreatur in der Nähe ist. Am Ende des Films umhüllt er die sterbende Ofelia. 1450 Dialoge sind in El laberinto del fauno bei der positiven Konnotation widerständigen Verhaltens weitaus weniger wichtig als die formale Ebene. Dies macht El laberinto del fauno zu einem paradigmatischen Beispiel für das, was Del Toro als »storytelling with the camera« bezeichnet: Ebd., 00:11:01 – 00:11:02. 1451 Vgl. Camino (2011), S. 124. 1452 El Pa†s-Forum, http://foros.elpais.com (21. 01. 2010): »Republicano, rojo y catalanista«. Zur hier erfolgenden Aneignung der eigentlich pejorativen Bezeichnung rojo, s. Fußnote 1052. 1453 Vgl. ebd. Die an dem Film beteiligte Produktionsfirma Tequila Gang gehört Del Toro. Daneben war sein enger Freund Alfonso Cuarûn, der Regisseur des mexikanischen Erfolgsfilms Y tu mam‚ tambi¦n (…mit deiner Mutter auch!; MX 2001, bei dem die spanische Schauspielerin Maribel Verdffl ebenfalls mitwirkte), an der Finanzierung von El laberinto del fauno beteiligt. Die weiterhin involvierte spanische Firma Estudios Picasso produziert für gewöhnlich Fernsehformate. Darüber hinaus engagierte sich der private spanische Fernsehsender Telecinco, was von der finanziellen Abhängigkeit spanischer Filmproduktionen von Investitionen aus dem Fernsehbereich zeugt: Vgl. Torreiro (2009), S. 497. S. kapitel 1.1.3. Technisch betrachtet handelt es sich bei El laberinto del fauno um eine spanisch-mexikanische Ko-Produktion, wobei 78 % der Gelder aus Spanien kamen und 22 % aus Mexiko. Der Film ist also eindeutig als ›spanisch‹ zu bezeichnen und als solcher auch in der Filmdatenbank des spanischen Kultusministeriums geführt: Vgl. Filmdatenbank des spanischen Kultusministeriums, www.mcu.es (20. 02. 2012). 1454 Guillermo del Toro wurde 1964 in Guadalajara, Mexiko, geboren.

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AÇo de la memoria histûrica, das gekennzeichnet war von Debatten um den Vorschlag eines »Gesetzes der historischen Erinnerung«.1455 Darauf nimmt Rodr†guez Marchante sarkastisch Bezug: »Guillermo del Toro ist Mexikaner, gehört einem Volk an, das sich mit Bürgerkriegen, Militärs und Reservisten auskennt, und man muss davon ausgehen, dass er nicht gekommen ist, um uns eine Standpauke über unseren Krieg zu halten, jenen, den wir so lieben und den wir niemals bereit sind, zu vergessen (ich glaube sogar, dass es ein Gesetz gibt, das uns das verbietet).«1456

Del Toro selbst tat wiederholt kund, während seiner Kindheit in Mexiko von spanischen Bürgerkriegsexilanten beeinflusst worden zu sein, die seinen künstlerischen Werdegang maßgeblich prägten. Außerdem beteuerte er, El laberinto del fauno basiere auf Anekdoten, die ihm aus der Zeit des Bürgerkriegs bzw. des Franquismus zugetragen wurden.1457 Spanische Kritiker ordneten El laberinto del fauno jedoch vor allem über einen Vergleich einem explizit nationalen Themenfundus wie Produktionskontext zu: den Vergleich mit einem der Klassiker der spanischen Filmgeschichte, V†ctor Erices El esp†ritu de la

1455 S. kapitel 4.1.1. 1456 ABC de Sevilla (13. 10. 2006), S. 65: »Guillermo del Toro es mexicano, pertenece a un pueblo que sabe de guerras civiles, militares y reservistas, y hay que suponerle que no ha venido a sermonearnos de nuestra guerra, ¦sa que tanto queremos y que no estamos dispuestos a olvidar jam‚s (incluso creo que hay una ley que nos lo impide).« 1457 Vgl. Pans Labyrinth, DVD-Extras, Audiokommentar von Guillermo del Toro, 00:15:38 – 00:16:08, 00:38:10 – 00:38:25 sowie 01:08:26 – 01:08:33; www.panslabyrinth.com (20. 02. 2012), About the film, About the story ; Intxausti, Aurora: Guillermo del Toro. Director. In: El Pa†s (06. 10. 2006), www.elpais.com (11. 06. 2010). In Mexiko sind Republikflüchtlinge vergleichsweise zahlreich und unbürokratisch aufgenommen worden: Vgl. Godicheau (2005), S. 164 f. Del Toros Äußerungen betonen somit – wie viele andere zeitgenössische spanische Kino- und TV-Produktionen mit zeithistorischem Sujet – die Bedeutsamkeit von Zeitzeugenaussagen, s. kapitel 4.1.1 sowie kapitel 4.2.1. Der Romanistin Isabel Santaolalla zufolge wird über die argentinische Herkunft des Schauspielers Federico Luppi, der in beiden ›Spanienfilmen‹ Del Toros besetzt wurde – in El espinazo del diablo (Das Rückgrat des Teufels; ES-MX 2001) als ›republikanisch‹ konnotierter Heimleiter Dr. Casares, in El laberinto del fauno in einer kleinen Rolle als Ofelias Märchenvater – ein Hinweis auf die Exilerfahrung der einstigen Republikflüchtlinge gestreut: Vgl. Santaolalla (2007), S. 153. Ähnlich behauptet Regisseur David Trueba, er habe die Figur des Studenten Gastûn, Enkel eines zu Bürgerkriegszeiten nach Mexiko ›verschickten‹ spanischen Jungens und gespielt von dem bekannten mexikanischen Schauspieler Diego Luna, deshalb in seinen Film Soldados de Salamina (Soldiers of Salamina; ES 2003) eingeführt, um darauf anzuspielen, dass Mexiko so viele spanische Exilanten aufgenommen habe: Vgl. Alegre (2003), S. 114. Diese Casting-Entscheidungen dürften jedoch nicht zuletzt im Hinblick auf ökonomische Erwägungen getroffen worden sein, als Konzession an das lateinamerikanische Publikum: Vgl. Santaolalla (2007), S. 153. S. auch Fußnote 1355.

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colmena (Der Geist des Bienenstocks; ES 1973), eine lyrische Annäherung an das Thema des antifranquistischen Widerstandes.1458 Darüber hinaus sprach Del Toros El espinazo del diablo (Das Rückgrat des Teufels) für eine ihm von spanischen Kritikern unterstellte ›Kennerschaft‹: Bereits 2001 hatte er sich darin dem Bürgerkrieg und dessen Erbe im heutigen Spanien gewidmet.1459 El laberinto del fauno spielt 1944; zwischen dem Erscheinungsdatum der beiden Filme wie auch ihrer Filmhandlung liegen demnach fünf Jahre. Regisseur Del Toro treibt das Spiel zwischen Realität und Fiktion auch in diesem Punkt so weit, dass in El laberinto del fauno ein gefallener Widerstandskämpfer und sein halbtoter Gefährte von denselben Schauspielern gespielt werden, die in El espinazo del diablo die Protagonisten Jaime und Carlos verkörperten. Del Toro bezeichnet El espinazo del diablo dennoch nicht als Prequel zu El laberinto del fauno, sondern als »sister story«1460, die beiden Filme als »companion piece[s]«1461 oder aber El laberinto del fauno als »SpiegelFilm«1462 zu El espinazo del diablo. Nichtsdestotrotz wurde El laberinto del fauno von Rezensenten als freie Verlängerung des in El espinazo del diablo begonnenen, offenen Diskurses gelesen, als weitere poetische und subjektive Annäherung Del Toros an die »im Spanischen Bürgerkrieg geöffneten Wunden«1463. So lautet der Untertitel einer Rezension in El Mundo vom 11. Oktober 2006: »Guillermo del Toro kehrt in El laberinto del fauno zum Bürgerkrieg zurück.«1464 Hier kündigt sich bereits an, dass El laberinto del fauno, dessen Handlung 1944 einsetzt, in Spanien als Film über den Bürgerkrieg und nicht etwa als Film 1458 Vgl. ABC de Sevilla (13. 10. 2006), S. 65; Costa (2006a), S. 14. Der Vergleich zwischen El esp†ritu de la colmena und El laberinto del fauno hinkt in produktionstechnischer wie auch in inhaltlicher Hinsicht: Das ›Monster‹ ist in El laberinto del fauno kein maquis, sondern ein äußerst brutaler Franquist. S. kapitel 5.1 und Fußnote 1348. Diese sich im nationalen Kontext dennoch aufdrängende Vergleichsebene hatte Del Toro selbst noch vor Anlaufen von El laberinto del fauno in einem El Pa†s-Interview vorweg genommen: Vgl. El Pa†s (06. 10. 2006). Das Filmplakat, mit dem in Spanien offiziell für El laberinto del fauno geworben wurde, ähnelt gestalterisch zudem auffällig dem offiziellen spanischen Filmplakat zu El esp†ritu de la colmena. 1459 Ausführlicher zu El espinazo del diablo, s. kapitel 5.1. 1460 Guillermo del Toro; zit. n.: Pans Labyrinth, DVD-Extras, Audiokommentar von Guillermo del Toro, 00:00:22. 1461 Ebd. 1462 Guillermo del Toro; zit. n.: Costa (2006b), S. 99: »pel†cula espejo«. Es gibt zahlreiche strukturelle Analogien zwischen El espinazo del diablo und El laberinto del fauno, so beispielsweise die Exposition der Filme. Im weiteren Verlauf der Handlung müssen die kindlichen Protagonisten beider Filme dann ein Rätsel lösen, das ihnen eine fantastische Kreatur gestellt hat. Auch die Antagonisten sind sich in beiden Filmen sehr ähnlich. 1463 Costa (2006a), S. 14: »heridas abiertas en la Guerra Civil espaÇola«. Das Wort »Wunden« verweist wiederum auf die in diesem Zusammenhang häufig anzutreffenden (psycho-) pathologischen Metaphern, s. kapitel 5.1. 1464 El Mundo (11. 10. 2006): »Guillermo del Toro regresa a la Guerra Civil en El laberinto del fauno«.

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über den Frühfranquismus gelesen wurde. Dies deutet auf eine Vermischung beider historischen Phasen in gegenwärtigen spanischen Bezugnahmen auf die jüngere Vergangenheit hin.1465 Entsprechend fragt El Mundo-Redakteur Quico Alsedo: »Gehört der Film zu diesem unendlichen Bürgerkriegs-Revival, das uns verwüstet?«1466 ; eine Frage, in der eine deutliche Missbilligung der zeitgenössischen Popularität zeithistorischer Themen mitschwingt. In eine ähnliche Richtung geht eine Äußerung des ABC-Filmkritikers Eduardo Rodr†guez Marchante, in der er suggeriert, durch die Beschäftigung mit dem Bürgerkrieg drohe ein erneutes Aufbrechen der Feindseligkeiten: »Hier hören wir Bürgerkrieg und rücken bewaffnet aus, auf der Suche nach unserem Schützengraben.«1467 Die fortgeführte, gar systematisierte Verfolgung des ›Feindes im Innern‹ während des Frühfanquismus erklärt, warum viele Kino- und Fernsehproduktionen nicht groß zwischen dem Bürgerkrieg als Handlungszeitraum und dem der Nachkriegszeit unterscheiden und warum Filme, die in der Nachkriegszeit spielen – neben El laberinto del fauno beispielsweise Silencio roto (Broken Silence; ES 2001) oder Los girasoles ciegos (The Blind Sunflowers; ES 2008) – als Filme ›über den Bürgerkrieg‹ gelesen werden.1468 Vor allem aber wird diese Unterscheidung deshalb nicht getroffen, weil eine Sicht auf die Nachkriegszeit als ›fortgeführter Bürgerkrieg‹ eine Darstellung ermöglicht bzw. einfordern lässt, die den Ansprüchen der Kollektivschuldthese entspricht. In der Tat gibt es in El laberinto del fauno einen Doppelungseffekt, der nahelegt, dass es auch nach dem Krieg ›zwei Seiten‹ gab, die ähnlich brutal vorgingen. Einmal können die Franquisten unter Führung des Hauptmanns Vidal einen Sieg über die maquis davon tragen und liquidieren daraufhin einzelne Überlebende per Kopfschuss. Genau diese Szene wiederholt sich zu einem späteren Zeitpunkt des Films, nur mit vertauschten Rollen: Nachdem die guerrilleros einen Sieg über Vidals Männer erringen konnten, töten sie die überlebenden Versehrten ebenfalls per Kopfschuss. Regisseur Del Toro kommentiert dies wie folgt: »War is war and it never makes one or the other better.«1469 Dabei spielt El laberinto del fauno 1944, 1465 Vgl. Aguilar Fern‚ndez (2006a), S. 281; Godicheau (2007), S. 95. Auch Schauspieler Sergi Lûpez, der hier Hauptmann Vidal verkörpert, bezeichnet El laberinto del fauno als »einen Film über den Bürgerkrieg«: Sergi Lûpez, zit. n.: ABC de Sevilla (13. 10. 2006b), S. 64: »una pel†cula sobre la guerra civil«. 1466 El Mundo (11. 10. 2006): »¿[F]orma parte la cinta de este inacabable revival guerracivilista que nos asola?« 1467 ABC de Sevilla (13. 10. 2006), S. 65: »Por aqu† o†mos guerra civil y salimos escopetados en busca de nuestra trinchera.« 1468 Rodr†guez Marchante ordnet die Filmhandlung von Silencio roto (ES 2001) in ABC zeitlich »der Umgebung rund um den Bürgerkrieg« (ABC (27. 04. 2001), S. 134: »los alrededores de la Guerra Civil«) zu, anstatt den Franquismus in seiner Kritik konkret zu benennen. 1469 Guillermo del Toro; zit. n.: Pans Labyrinth, DVD-Extras, Audiokommentar von Guillermo

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also nach dem Krieg; in einer Zeit also, in der sich die Schuld und die Gewalt unmöglich symmetrisch auf ›beide Seiten‹ verteilen lassen.1470 Eine Bezeichnung der franquistischen Nachkriegszeit als ›Bürgerkrieg‹ erleichtert es außerdem, das ›Böse‹ – ganz im Sinne der transnationalen Bedeutungsdimension, die der innerspanische Konflikt akquirierte –1471 im Faschismus, statt im Franquismus zu lokalisieren. Die Täterfigur in El laberinto del fauno ist eine eindeutig ›faschistisierte‹.1472 Del Toro betont mehrfach, dass sein Film als ›antifaschistisches Märchen‹ zu verstehen sei und somit als eine allgemeine Anklage freiheitsnegierender, oppressiver, ›faschistischer‹ Regime und Tendenzen. In diesem Zusammenhang urteilt der Rezensent Esteban Hern‚ndez folgerichtig, dass die Fähigkeit, sich andere, gerechtere Welten vorstellen zu können – sei es auf der Basis von Erinnerungen oder als Folge kindlicher Vorstellungskraft –, das komplette Gegenteil dessen darstelle, was der Faschismus repräsentiere.1473 Del Toros Film könne zwar nicht als universelle Wiederbelebung und Warnung vor faschistischer Herrschaft dienen, aber als Angebot, darüber nachzudenken, ob man sich einer Welt – einer realen oder einer imaginären – anpassen wolle oder Widerstand leiste, trotz aller möglichen Konsequenzen.1474 Darüber hinaus stellte Del Toro seinen Film El laberinto del fauno in einen explizit zeitgenössischen Rezeptionskontext. Sein Film sei unter dem Einfluss der Ereignisse rund um 9/11 entstanden und drehe sich um Themen wie Ungehorsam und die Möglichkeit der Wahl – Themen, die in der heutigen Welt so aktuell seien wie 1944.1475 An anderer Stelle zeigt Del Toro sich besorgt angesichts einer weltpolitischen Lage, in der das Pendel erneut nach rechts ausschlage.1476 Noch bevor er in Spanien anlief, erntete El laberinto del fauno auf dem Filmfestival in Venedig wohlwollende Kritik und in Cannes zweiundzwanzig Minuten andauernden Applaus.1477 Besonderer Popularität erfreute sich der Film in den USA,1478 wo er insgesamt sechs Mal für den Oscar nominiert wurde. So

1470 1471 1472 1473 1474 1475 1476 1477 1478

del Toro, 01:32:11 – 01:32:14. In einem Interview mit der Zeitung El Mundo anlässlich des Anlaufens von El laberinto del fauno in Spanien rekurriert Del Toro zudem auf das simplifizierende Modell der Spaltung in ›zwei Spanien‹: Vgl. El Mundo (11. 10. 2006). S. kapitel 2.1. Vgl. Aguilar Fern‚ndez (2006a), S. 317. S. kapitel 4.1.1. S. kapitel 7.1. S. kapitel 4.3.1. Vgl. Hern‚ndez (2006), S. 31. Vgl. ebd., S. 32. Vgl. Pans Labyrinth, DVD-Extras, Audiokommentar von Guillermo del Toro, 00:00:25–00:01:26 sowie 00:01:12–00:01:26; ABC de Sevilla (13.10.2006a), S. 64. Vgl. El Pa†s (06. 10. 2006). Vgl. El Mundo (11. 10. 2006). Vgl. Ruhe (2012), S. 150. Die Popularität des Films in den USA lässt sich damit erklären, dass Del Toro bereits vor 2006 in Hollywood mit Blade II (US 2002) und Hellboy (US 2004) als gekonnter Adapteur von Comics bekannt und sehr erfolgreich tätig war.

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viele Nominierungen vermochte keine andere Produktion aus dem Jahr 2006 für sich zu verzeichnen, ausgezeichnet wurde El laberinto del fauno schließlich mit drei Oscars.1479 Auch in Spanien war der Film mit 1.681.631 Kinozuschauern ein großer Erfolg.1480 Von der spanischen Filmkritik wurde El laberinto del fauno als formal perfekt gewertet,1481 als »einer der besten Filme der Saison«1482. Er wurde mit sieben Goya von insgesamt dreizehn Nominierungen ausgezeichnet, außerdem lobte Regieinstanz Pedro Almodûvar den Film.1483 Die überaus positive Aufnahme von El laberinto del fauno dürfte dazu beigetragen haben, dass Del Toro noch 2006 einen weiteren Film ankündigte, in dem er sich ebenfalls mit der jüngeren spanischen Vergangenheit befassen wollte, um somit letztlich eine Trilogie zum Thema zu schaffen: »In der Zukunft möchte ich ein Drehbuch machen, das 33/93 heißt. In diesem neuen Film werde ich über das Jahrzehnt der 90er sprechen und darüber, wie der Riss, den der Bürgerkrieg hinterlässt, latent vorhanden bleibt: Es gibt einen Wunsch, die Wunde zu vergessen, aber es gibt Sachen aus jener Zeit, die lebendig bleiben. Und der Film handelt davon mittels eines fantastischen Elements. Mit ihm werde ich meine Trilogie über den Bürgerkrieg beenden.«1484

Der abschließende dritte Teil lässt bis heute auf sich warten.

1479 Vgl. o. V.: Triunfo agridulce para El laberinto del fauno. In: El Pa†s (26. 02. 2007), www.elpais.com (20. 02. 2012). S. auch Fußnote 1116. Der Oscar in der Kategorie ›Bester fremdsprachiger Film‹ ging im Jahr 2006 an Henckel von Donnersmarcks Das Leben der Anderen (DE 2006). El laberinto del fauno erhielt jedoch zahlreiche andere Auszeichnungen, zum Beispiel bei den britischen BAFTA-Awards. Bei den mexikanischen Premios Ariel gewann El laberinto del fauno neun Preise und die National Society of Film Critics ehrte ihn als besten Film des Jahres 2006. 1480 Vgl. Filmdatenbank des spanischen Kultusministeriums, www.mcu.es (20. 02. 2012). El laberinto del fauno konnte am 6. März 2011 für ganze 50 Cent als DVD mit der Sonntagsausgabe der galicischen Tageszeitung La Voz de Galicia erworben werden, weswegen von einem großen Bekanntheitsgrad dieses Films in Spanien ausgegangen werden kann. 1481 Vgl. Costa (2006a), S. 14. 1482 Fern‚ndez Pinilla (2007), S. 196: »una de las mejores pel†culas de la temporada«. 1483 Vgl. Arenas, Jos¦ Eduardo: »Estar en los Goya y en los Oscar es ponar una pica en Flandes.« In: ABC (22. 12. 2006), S. 95. 1484 Guillermo del Toro, zit. n.: Costa (2006b), S. 101: »En el futuro, querr†a hacer un guiûn que se llama 33/93 […]. En esta nueva pel†cula hablar¦ de la d¦cada de los 90 y de cûmo sigue latente esa fisura que deja la Guerra Civil: Hay un deseo de olvidar la herida, pero hay cosas de aquel entonces que siguen vivas. Y la pel†cula habla de eso a trav¦s de un elemento fant‚stico. Con ella cerrar¦ mi trilog†a sobre la Guerra Civil.«

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5.4

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Eine neue Gemeinschaft stiften

»Wir werden den ganzen Tag gemeinsam verbringen, als wären wir eine Familie.«1485

Das Thema der Suche nach den eigenen Wurzeln und damit verbunden nach anderen Bezugspersonen als den franquistischen ›Vätern‹ wird in zahlreichen spanischen Kino- und Fernsehproduktionen dadurch verstärkt, dass es sich bei den jungen Protagonisten fast ausschließlich um Halb- oder Vollwaisen handelt.1486 Waren junge Waisen bereits vorher in Nebenrollen in Bürgerkriegsfilmen wie Las largas vacaciones del 36 (Long Vacations of 36; ES 1976) oder ¡Ay, Carmela! (Ay, Carmela! – Lied der Freiheit; ES-IT 1990) zu sehen, so wird das Thema des durch den Krieg und der damit einhergehenden Gewalt bedingten Waisendaseins in audiovisuellen Produktionen seit der Jahrtausendwende zu einem inhaltlichen Schwerpunkt. Dies führt die Handlung des Kinospielfilms El espinazo del diablo (Das Rückgrat des Teufels; ES-MX 2001) besonders deutlich vor Augen, die – wie unter kapitel 2.1 ausgeführt – sich so gut wie ausschließlich in einem Waisenheim entfaltet. Darüber hinaus sind in fast allen hier detailliert untersuchten ›Kernquellen‹ Figuren enthalten, die den Verlust eines oder mehrerer Elternteile zu beklagen haben: So stirbt der Vater der Protagonistin Macarena in La niÇa de tus ojos (Das Mädchen deiner Träume; ES 1998) im Verlauf des Films in einem franquistischen Gefängnis, was sie zur Vollwaise macht. Die zwei etwa 20-jährigen Protagonisten in Silencio roto (Broken Silence; ES 2001) werden durch die franquistische Repression zu (Halb-)Waisen und bekommen wiederum ein Kind, das nach dem Tod seines Vaters Manuel als Halbwaise heranwachsen wird. Der Vater des Protagonisten der ersten Staffel von Amar en tiempos revueltos (dt.: »Liebe in aufgewühlten Zeiten«; TVE/La 1, 2005/06) stirbt in einer franquistischen Haftanstalt; der Sohn dieses Protagonisten wiederum wird als Kleinkind gewaltsam von seinen Eltern getrennt und in einem Waisenheim untergebracht. Nachdem der Vater der jungen Ofelia aus El laberinto del fauno (Pans Labyrinth; ES-MX 2006) bereits zu Bürgerkriegsbeginn gestorben ist, verliert sie in der Nachkriegszeit auch noch ihre Mutter. Der kleine Sohn der Protagonistin Blanca aus Las 13 rosas (13 Roses; ES-IT 2007) bleibt am Ende des Films als Vollwaise zurück, da seine Eltern einem franquistischen Erschießungskommando zum Opfer fallen. Am Ende des Films Los girasoles ciegos (The Blind Sunflowers; ES 2008) wird Lorenzo zum Halbwaisen, weil sein Vater den Freitod einer Gefangennahme durch die Franquisten vorzieht. Andreu, der Protagonist aus Pa negre (Black Bread; ES 2010), wird von seiner überforderten Mutter in der unmittelbaren Nachkriegszeit zu seiner Tante 1485 Soldados de Salamina, 01:48:15 – 01:48:19: »Pasaremos todo el d†a juntos como si fu¦ramos una familia.« 1486 Dies verstärkt zudem ihren Status als Opfer, s. kapitel 4.3.2.

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geschickt, während sein Vater sich versteckt hält und später hingerichtet wird. Unter konkreter Bezugnahme auf den Kinospielfilm Soldados de Salamina (Soldiers of Salamina; ES 2003) spricht El Pa†s von der »blutigen spanischen Verwaisung, die durch den Bürgerkrieg ausgelöst wurde«1487. Der Vater der Protagonistin Lola Cercas stirbt im Verlauf des Films Soldados de Salamina altersbedingt. Dies löst bei Lola, einer zynisch-abgeklärten gescheiterten Schriftstellerin und Journalistin, eine ›Vater‹- und Identitätssuche aus, die in diesem filmischen Beispiel in der Stiftung einer neuen familienartigen Gemeinschaft mündet. Mit dem Tod ihres leiblichen Vaters interessiert Lola sich plötzlich für das Thema des Spanischen Bürgerkriegs, mit dem sie sich zu Beginn der Handlung nur widerwillig und auf rein professioneller Ebene erzwungenermaßen befasst. Sie merkt, dass die jüngere Vergangenheit kein fernes Geschehen ist, sondern sie direkt und persönlich betrifft.1488 Die Überlebensgeschichte des falangistischen Schriftstellers Rafael S‚nchez Mazas, der Kern der Erzählung Soldados de Salamina,1489 wird für Lola daraufhin zu einer Obsession, zu einem Ersatz für die verloren gegangenen privaten Erlebnisse ihres Vaters, zu denen sie ihn nicht mehr befragen kann.1490 Ein hochemotional inszenierter Monolog der Protagonistin am Ende des Films verdeutlicht vor allem eines: dadurch, dass sie im Verlauf der Filmhandlung gelernt hat, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen, hat sie sich von einer einsamen und ausgebrannt-depressiv wirkenden Frau, die an nichts glaubt,1491 zu einer empathiefähigen und lebenslustigen Person gewandelt, die sich um andere sorgt und Pläne für die Zukunft schmiedet. Dies wird filmintern als das Ergebnis der Reise präsentiert, auf die sich Lola wortwörtlich begibt.1492 Lola kehrt im Zuge ihrer 1487 Fern‚ndez-Santos, Ýngel: ¡Ariadna Gil-Joan Dalmau! In: El Pa†s (21. 03. 2003), www.elpais.com (20. 02. 2012): »sangrienta orfandad espaÇola desencadenada por la Guerra Civil«. Auffällig ist, dass es in jedem Fall zumindest immer der Vater ist, der in diesen Kino- und Fernsehnarrativen fehlt, sei es, weil er zu Tode kam oder weil er gefangen genommen wurde. Die Romanistin Leora Lev spricht angesichts dessen von einer Vaterfigur, deren wortwörtlicher wie symbolischer Tod durch das soziale Imaginäre des Landes spuke: Vgl. Lev (2001), S. 166. Zur Figur des Geistes s. kapitel 5.1. 1488 Vgl. Camino (2007), S. 102. Zu Beginn der Geschichte ist der Bürgerkrieg für den Protagonisten der gleichnamigen Romanvorlage Soldados de Salamina (2001) »so weit weg wie die Seeschlacht der Griechen gegen die Perser bei Salamis im Jahr 480 v. Chr.«: Altmann (2009), S. 206. Vgl. Neuschäfer (2002b), S. 24; Alegre (2003), S. 27; Garc†a Jambrina (2004), S. 145; Luengo (2004), S. 240; Neuschäfer (2007), S. 209. Dieser Hinweis auf den Titel »Soldaten von Salamis« fehlt in der filmischen Adaption völlig. 1489 S. kapitel 5.5 sowie kapitel 5.6. 1490 Vgl. Ehrlicher (2005), S. 14 f. 1491 Vgl. Soldados de Salamina, 00:24:28 – 00:25:58. 1492 So reist Lola Cercas nach Madrid, um dort in der Nationalbibliothek zu recherchieren und Zeitzeugen zu befragen. Per Auto und Bus lässt sie sich in Katalonien zu weiteren Zeitzeugen bringen. Sie leiht sich selbst ein Auto, um einen Erschießungsort zu erkunden und steigt ein weiteres Mal in einen Reisebus, um Miralles, einen ehemaligen Kämpfer auf

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Recherchen ins Leben zurück, was ziemlich genau in der Mitte des Films Soldados de Salamina als regelrechte Taufe inszeniert wird.1493 Dabei erfolgt Lolas »Rückgewinnung der Lebenslust«1494 – der Slogan, mit dem der Film bezeichnenderweise beworben wurde – parallel zu ihrem ›Fund‹ des ehemaligen Bürgerkriegs- und Weltkriegskämpfers Miralles. Dieser ist für sie mehr als nur die Lösung des Rätsels, das ihr eine Anekdote aus Bürgerkriegszeiten stellt: Sie schreibt Miralles mit Ende des Films die Rolle eines Ersatzvaters zu. In diesem Zusammenhang das Wort recuperaciûn zu nutzen, wie es im zeitgenössischen Spanien vor allem im Zusammenhang mit der Phrase recuperaciûn de la memoria histûrica bekannt ist, verknüpft die persönliche Sinnsuche der Figur Lola im Film Soldados de Salamina mit den identitätssichernden Bemühungen auf kollektiver Ebene. Regisseur Trueba selbst sprach seinem Film zu, ›Rückgewinnung der historischen Erinnerung‹ zu betreiben.1495 In Fotogramas wird der Film jedem »Zuschauer mit Erinnerung«1496 empfohlen. Auch El Pa†s bezieht den zeitgenössischen Kontext mit ein, indem Lolas Geschichte darin als eine Identitätssuche beschrieben wird, die »enthüllt, dass ihr Abenteuer abgedriftet ist hin zu einer Nachforschung, die sich um die Identität einer alten Leiche dreht, oder so etwas in der Art, gefangen in den verknäulten Netzen, oder Gesetzen, des spanischen Vergessens«1497. Der Film sei daher mit einem »lichtdurchfluteten Weg durch die Nebelschwaden dieses Vergessens«1498 gleichzusetzen. Über Lola thematisiert Soldados de Salamina die im zeitgenössischen Spanien spürbar gewachsene Neugier an der jüngeren Vergangenheit seitens der Vertreter der nachfolgenden Generationen. Der Film lässt sich als Appell an eben diese Spanier lesen, den Lernprozess selbst nachzuvollziehen, den die Perspektivträgerin Lola im Laufe der Filmhandlung durchmacht. Zeigt Lola sich zunächst überrascht, dass es überhaupt noch Menschen gibt, die den Bürger-

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Seiten der Republik in Dijon, Frankreich, aufzusuchen: Vgl. ebd., 00:20:21 – 00:20:59 und 00:21:26 – 00:23:05; 00:34:10 – 00:35:34 und 00:36:37 – 00:38:59; 01:33:07 – 01:33:52. Zur Hollywood-Erzählkonvention des Heldens, der sich auf die Reise begibt, s. Fußnote 938. Vgl. ebd., 00:59:22 – 00:59:40. Das Motiv eines als ›Taufe‹ inszenierten Bades findet sich in ganz ähnlicher Form in den hier detailliert analysierten Initiationsgeschichten von Moncho in La lengua de las mariposas (Butterfly Tongues; Es 1999, s. kapitel 3.2) oder Mar†a in Libertarias (Freedomfighters; ES-IT-BE 1996, s. kapitel 2.2). www.soldadosdesalamina.com (20. 02. 2012): »recuperaciûn de las ganas de vivir«. Vgl. Alegre (2003), S. 21. Vgl. Caparrûs Lera/Crusells/de EspaÇa (2007), S. 316. Torreiro (2003a), S. 13: »espectador con memoria«. El Pa†s (21. 03. 2003): »desvela que su aventura ha derivado hacia la indagaciûn de la identidad de un viejo cad‚ver, o algo as†, atrapado en las enmaraÇadas redes, o leyes, del olvido espaÇol«. Der Einschub »so etwas in der Art« bezieht sich direkt auf eine Sequenz, in der Lola mit dem Zug reist und auf die Frage, ob sie eine Leiche im Koffer transportiere, antwortet: »So etwas in der Art.«: Soldados de Salamina, 00:24:22 – 00:24:26: »Algo as†.« El Pa†s (21. 03. 2003): »recorrido luminoso dentro de las nieblas de ese olvido«.

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krieg miterlebten,1499 so beeindrucken sie deren Erfahrungen derart, dass sie direkt nach ihren Gesprächen mit noch lebenden Zeitzeugen anfängt, einen Roman zu schreiben.1500 Infolge der Neugier der Jüngeren und ihrer rekonstruktiven wie verwahrenden Bemühungen kommt es zu einer positiv konnotierten Annäherung der Generationen, wie es gegen Ende des Films der hochemotionale Abschied zwischen Lola und ihrem Ersatzvater Miralles demonstriert.1501 Truebas Film endet gar »mit der Imagination einer idealen Familiengemeinschaft«1502. Tatsächlich verspricht Lola Miralles bei ihrem tränenreichen Abschied: »Ich werde kommen, um Sie zu besuchen. Ich werde mit meinen Freunden kommen. Machen Sie sich keine Sorgen. Ich werde Gastûn und Conchi und Aguirre mitbringen. Es wird Ihnen Freude machen, sie kennenzulernen. Wir werden den ganzen Tag gemeinsam verbringen, als wären wir eine Familie. Ich werde kommen, um Ihnen Dinge vorzulesen. Sie werden sehen.«1503

Zuletzt hatte Lola ihrem leiblichen Vater vorgelesen. Stellvertretend für eine ganze Reihe von Waisenkindern begibt sich Lola somit nicht nur auf eine Vatersuche und findet im übertragenen Sinne einen ›Vater‹ wieder.1504 Vielmehr wird Lola – ähnlich wie später Ofelia in El laberinto del fauno oder Andreu in Pa negre –1505 vor die Wahl gestellt, welches Erbe sie antreten will: Das ihres andeutungsweise einst auf aufständischer Seite gekämpft habenden leiblichen Vaters,1506 das des dezidiert falangistischen Schriftstellers S‚nchez Mazas oder 1499 Vgl. Soldados de Salamina, 00:31:35 – 00:31:58. 1500 Vgl. ebd., 00:36:12 – 00:38:49. 1501 Eine Annäherung der Generationen versinnbildlicht die Armbanduhr des verstorbenen Vaters, die Lola fortan trägt: Vgl. ebd., 00:17:10 – 00:17:17 und 00:26:47. Das Tragen dieses materiellen Erbstücks führt jedoch nicht dazu, dass Lola das Erbe des womöglich national gesinnten Vaters (s. Fußnote 1506) als erdrückend empfindet wie die Figur Vidal in El laberinto del fauno (s. kapitel 4.3.2). 1502 Ehrlicher (2005), S. 16. Diese »Imagination einer idealen Familiengemeinschaft« sieht der Romanist Ehrlicher bereits in der maßgeblich britischen Koproduktion Land and Freedom (GB-ES-DE 1995) gegeben, die acht Jahre vor Soldados de Salamina in Spanien lief. 1503 Soldados de Salamina, 01:48:03 – 01:48:24: »Vendr¦ a verle. Vendr¦ con mis amigos. No se preocupe. Traer¦ a Gastûn y a Conchi y a Aguirre. Le encantar‚ conocerlos. Pasaremos todo el d†a juntos como si fu¦ramos una familia. Vendr¦ a leerle cosas. Ya ver‚.« 1504 Man könne Soldados de Salamina auch als Darstellung einer Reihe von Waisen sehen: Miralles, der Frau und Tochter verlor, die verwaiste Journalistin Lola, der auf sich allein gestellte mexikanische Student Gastûn: Vgl. Alegre (2003), S. 21 sowie 48; Hermans (2008), S. 89. 1505 S. kapitel 4.3.2.1 und kapitel 5.2. 1506 Ein im Film eingesetztes Foto samt Widmung verdeutlicht die kämpferische Beteiligung von Lolas Vater im Bürgerkrieg: Vgl. Soldados de Salamina, 00:17:45 – 00:17:47. Die Frage, auf welcher Seite er kämpfte, wird jedoch nicht geklärt. Ehrlicher weist darauf hin, dass die auf dem Foto abgebildeten Männer in Truebas Drehbuch als »möglicherweise Falangisten« (Ehrlicher (2005), S. 26: »probablemente falangistas«) beschrieben werden.

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aber das des in Vergessenheit geratenen, einst ohne ausgeprägte ideologische Überzeugungen auf Seiten der Republik gekämpft habenden Miralles.1507 Gegen Ende des Films, so der Romanist Hanno Ehrlicher, sei die verlorene Lebensgeschichte des leiblichen Vaters vergessen, der stellvertretend für viele weitere inzwischen verstorbene Zeitzeugen stehe. Stattdessen überlagere Miralles Biografie als eine Art symbolischer Übervater alle anderen möglichen Werdegänge.1508 Dabei habe »[d]ie Inklusion der unterschiedlichen ideologischen Positionen in die imaginäre Gemeinschaft der subjektiv Trauernden [bei Trueba; Anm. d. Verf.] […] den Vorteil, einen spanischen Geschichts-Streit [sic] zu beenden, bevor er noch wirklich begonnen hat«1509, so Ehrlicher. Vielmehr rufe Soldados de Salamina dazu auf, sich – wie Lola es vorführt – den Übervater zu konstruieren, den man sich wünsche, den Helden, an den man sich gern erinnere. Daher schlage Soldados de Salamina Ehrlicher zufolge jenseits jeglicher ernst gemeinten Ursachenforschung »ein kollektives, auf subjektivem Wunsch und Vorstellung beruhendes Erinnern«1510 vor, das »zum konsensstiftenden und allzu idealen prothetischen Ersatz für das Verlorene«1511 werde. Die Hinterbliebenen werden über Soldados de Salamina dazu angehalten, keine ideologisch geprägte Kampfgemeinschaft zu bilden, »sondern eine Gemeinschaft von Empfindsamen, die sich durch Gespräch und Erinnern über die je eigenen Verluste hinweghelfen und schlicht Gefühle miteinander teilen will«1512. Diese Gemeinschaft ist dezidiert auch noch auf die nächste Generation gemünzt, wie die im Film vielfach enthaltenen Sequenzen nahe legen, die Lola beim sehnsuchtsvollen Betrachten kleiner Kinder zeigen. Auf ihre Kinderlosigkeit direkt angesprochen wird Lola bezeichnenderweise von Miralles.1513 Im Zusammenhang mit dieser Betonung der Emotionen von Überlebenden und Hinterbliebenen steht die Entscheidung von Regisseur David Trueba, den im Roman männlichen Ich-Erzähler Javier Cercas im Film durch eine weibliche Protagonistin und Perspektivträgerin zu ersetzen.1514 Trueba zufolge würde eine Protagonistin – in Perpetuierung fragwürdiger Stereotype – noch angreifbarer 1507 Zur Figurenzeichnung Miralles s. ausführlicher kapitel 4.2.2. 1508 Vgl. Alegre (2003), S. 21; Ehrlicher (2005), S. 17; Camino (2007), S. 99 f. Die ›Wunden der Vergangenheit‹ (s. kapitel 5.1) sind körperlich in Miralles eingeschrieben: Seine linke Körperhälfte ist übersät mit Narben; Folgen einer Tretminenexplosion. 1509 Ehrlicher (2005), S. 17. 1510 Ebd., S. 18. 1511 Ebd. Vgl. ebd., S. 26. Wobei die Formulierung »prothetischer Ersatz« direkt auf Landsbergs Konzept der prosthetic memory verweist: Vgl. Landsberg (2003). 1512 Ehrlicher (2005), S. 16. 1513 Vgl. Soldados de Salamina, 00:22:57 – 00:24:03, 00:47:00 – 00:47:17 sowie 01:36:43 – 01:37:17. 1514 Die Romanfigur Javier Cercas ist nicht gleichzusetzen mit dem gleichnamigen Autor : Vgl. Wildner (2005), S. 547 und 554 f.; Altmann (2009), S. 510.

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und schutzloser wirken und somit die Spannung und Emotionalität steigern, mit der die Erzählung voranschreitet.1515 Außerdem meinte Trueba, damit auf einen weniger rekurrierenden Topos zurückzugreifen, denn üblicherweise seien es ja Männer, die sich für Themen interessierten, die mit dem Spanischen Bürgerkrieg zu tun haben.1516 Aus diesen Gründen fiel die Wahl für die Verkörperung der Hauptrolle im Film Soldados de Salamina auf die Schauspielerin Ariadna Gil, einem breiten spanischen Publikum bekannt und Lebensgefährtin des Regisseurs David Trueba.1517 Über die aktive Auseinandersetzung mit den Ereignissen der jüngeren Vergangenheit ist, so Soldados de Salamina, die Heilung persönlicher ›Wunden der Vergangenheit‹ möglich. Lola zumindest vermag dadurch in ethisch-moralischer Hinsicht zu reifen und ihre eigene Lebensqualität zu steigern.1518 Da die Perspektivträgerin Lola dem Zuschauer ein »somatische[s] Nach-Erleben der Geschichte«1519 bietet, könnte die im Verlauf der Handlung exemplarisch anhand der Protagonistin vorgeführte positive Entwicklung bei den Rezipienten einen vergleichbaren Lernprozess anregen. Diesem Lernprozess wiederum käme eine Funktion für das Allgemeinwohl zu: Dank Erinnerungsarbeit kann nicht nur Lola, sondern ›das spanische Volk‹ posthum ›gewinnen‹.1520 Dabei ist die Beschäftigung mit Aspekten der jüngeren Vergangenheit jedoch kein Spaziergang, wie anhand der Figur der Lola verdeutlicht wird: Als »Opfer der von ihr reaktualisierten Geschichte«1521 erleidet sie während des Schreibens eine Panikattacke.1522 Dennoch überwiegen am Ende des Films die Vorzüge einer aktiven Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, die in Soldados de Salamina als

1515 Vgl. Torreiro (2003a), S. 13; Alegre (2003), S. 92; Wildner (2005), S. 555; Caparrûs Lera/ Crusells/de EspaÇa (2007), S. 315 f. 1516 Vgl. Merino (2002), S. 159; MuÇoz, Diego: »La guerra la perdemos todos.« In: La Vanguardia (21. 03. 2003), S. 43; Alegre (2003), S. 94. Diese Meinung lässt Regisseur Trueba einen von Lolas Kollegen im Film äußern: Vgl. Soldados de Salamina, 00:05:11 – 00:05:14. 1517 Ariadna Gil spielte unter anderem in den im Rahmen der vorliegenden Untersuchung analysierten Kinospielfilmen Libertarias (ES-IT-BE 1996) und El laberinto del fauno (Pans Labyrinth; ES-MX 2006) mit. Die Entscheidung für eine weibliche Hauptdarstellerin kann auch als überflüssige Konzession an das männliche Publikum gewertet werden, da sie Trueba dazu verleitete, die Nebenhandlung rund um die Figur Conchi, die im Buch Cercas Geliebte ist, in dem Film in eine homosexuell konnotierte Freundschaft zu verwandeln: Vgl. ebd., 00:29:37 – 00:30:34. Im Allgemeinen lässt sich das im Roman wie auch im Film Soldados de Salamina offenbar werdende Frauenbild kritisieren: Vgl. Wildner (2005), S. 552; Ellis (2005); Amago (2010), S. 246. 1518 In dieser Hinsicht rettet Miralles Lola das Leben ebenso wie der anonyme republikanische Soldat S‚nchez Mazas das Leben rettete: Vgl. Alegre (2003), S. 213. S. kapitel 5.5. 1519 Ehrlicher (2005), S. 14. 1520 S. kapitel 6.3. 1521 Ehrlicher (2005), S. 14. 1522 Vgl. Soldados de Salamina, 00:59:58 – 01:01:26.

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Mittel nicht nur der persönlichen, sondern auch der kollektiven Identitätsfindung und -sicherung präsentiert wird. Auch Protagonistin Lola wird in dem Kinospielfilm Soldados de Salamina im Zuge ihrer Recherchen rund um eine Anekdote aus Bürgerkriegstagen an einer Stelle des Films wortwörtlich von den ›Geistern der Vergangenheit‹ eingeholt.1523 Vergangenheit und Gegenwart werden im Laufe des Films durch zahlreiche Parallelmontagen zusammengeführt bzw. miteinander kontrastiert. Dabei gelangt das filmintern postulierte Fortwirken, gar körperliche Spuren hinterlassene ›Gestern‹ im ›Heute‹ besonders offensichtlich anhand einer langen Parallelmontage zur Darstellung.1524 Sie zeigt die Protagonistin während ihrer Nachforschungen an dem Ort, wo eine Erschießung franquistischer Gefangenen stattfand.1525 Verknüpft werden diese Bilder mit nachgestellten Aufnahmen eines der damaligen Gefangenen, Rafael S‚nchez Mazas, wie er zum Gefängnis transportiert wird und später, während der Exekution, erfolgreich zu fliehen vermag. Während dieser Parallelmontage verharrt Regisseur Trueba nicht auf der Ebene der Analogie durch Verknüpfung, sondern bindet mehrere narrative und bildliche Elemente als Metaphern für das Fortwirken der Vergangenheit in der Gegenwart ein. So gerät Lola, während sie auf den Spuren des falangistischen Schriftstellers S‚nchez Mazas wandert, plötzlich in die Schusslinie jagender Wilderer und muss fürchten, von herumirrenden Kugeln getroffen zu werden. Akustisch wie auch bildästhetisch, durch die Licht- und Farbgebung der Sequenz,1526 wird somit mehr als nur eine Parallele zu den vergangenen Ereignissen hergestellt. Es wird impliziert, dass auch damals Unschuldige in die Schusslinie gerieten, ähnlich der Protagonistin in der filmischen Gegenwart.1527 Abge1523 Lolas Suche nach dem anonymen Soldaten, der S‚nchez Mazas das Leben rettete, ist dem Jagen eines Gespenstes im Allgemeinen nicht unähnlich: Vgl. Quintana (2003), S. 20; Amago (2010), S. 258. 1524 Vgl. Soldados de Salamina, 00:43:27 – 00:59:22; Wildner (2005), S. 556. 1525 Ein Zeitzeuge, der Schäfer Cebri— Desmiquels, der damals die Leichen begrub, führt Lola zu dem genauen Ort der Erschießung: Vgl. Soldados de Salamina, 00:52:37 – 00:53:00 und 00:53:45 – 00:54:08; Bonet Mojica, Llu†s: Ariadna Gil es Javier Cercas. In: La Vanguardia (09. 03. 2002), S. 37; Merino (2002), S. 159. Nach Desmiquels Erzählungen wurde die Eingangssequenz des Films gestaltet, die mit einer Kamerafahrt einen Leichenberg inszeniert: Vgl. Alegre (2003), S. 73. S. kapitel 5.6. 1526 In der Farbgebung unterscheiden sich die zwei Zeitebenen kaum: In Vergangenheit wie Gegenwart überwiegen gedeckte Grau-grün-Töne. 1527 Eine Implikation, die den in der filmischen Vergangenheit in die Schusslinie geratenen S‚nchez Mazas umso mehr als ebenfalls ›unschuldiges‹ Opfer darstellt, s. kapitel 5.6. Die Metapher der menschlichen Beziehungen als Jagd gelangt im spanischen Kino oftmals zum Einsatz, in umfassendster Form in Carlos Sauras La caza (Die Jagd; ES 1966): Vgl. Hopewell (1989), S. 19; Kinder (1993), S. 160 – 165. Aber auch der junge Protagonist Lorenzo macht in der in Los girasoles ciegos (The Blind Sunflowers; ES 2008) dargestellten Nachkriegszeit Jagd auf Singvögel, während sein Schwager in spe das repressive Vorgehen der Franquisten als Kaninchenjagd bezeichnet: Vgl. Los girasoles ciegos,

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schlossen wird diese Parallelmontage durch ein Trugbild, dass Lola zu sehen vermeint, als sie von dem Erschießungsort zurück zu ihrem Wohnort Gerona fährt. Der flüchtende S‚nchez Mazas rennt einen Knick entlang, der parallel zur Straße verläuft: Die Vergangenheit holt die Journalistin bildlich ein.1528 Von ihrem Ausflug zurück bleibt Lola bezeichnenderweise eine Wunde an der Hand.1529 Im Gegensatz zu El espinazo del diablo stehen in Soldados de Salamina jedoch nicht die Frage nach persönlicher Schuld sowie die Forderung im Vordergrund, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.1530 Deutlich ist in Soldados de Salamina vielmehr das Bemühen, auch die Täter von einst als Opfer der Konsequenzen vergangener kriegerischer Gewalt darzustellen. Zwischen Opfern und Tätern könne spätestens im Gedenken nicht mehr unterschieden werden.1531 In dieser Hinsicht stellen Romanautor Javier Cercas und Regisseur David Trueba Soldados de Salamina dezidiert als eine Sicht auf den Bürgerkrieg vor, die der der ›Generation der Enkel‹ entspräche, als deren Vertreter sie sich selbst offensiv begreifen.1532 Diese Sicht ähnle in nichts dem, was bisher zum Spanischen Bürgerkrieg produziert worden sei und bräche mit »dem Korrekten«1533. Ihnen zufolge bilde der Bürgerkrieg einen intrinsischen Teil des aktuellen Spaniens,1534 dem Enkel und Urenkel sich ohne Angst widmen könnten und über den sie Wissen erlangen wollten, aber nicht auf ›manichäische‹ Art und Weise.1535 Entsprechend wurde der Film damit beworben, dass dieser »nicht noch ein weiterer Streifen über einen Krieg ist, der Spanien zerteilte«1536. Vielmehr steht darin eine bestimmte Form des Bezugs auf Vergangenheit im Vordergrund, die ein umfassendes Gedenken ermöglicht.

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00:12:40 – 00:12:41. Im spanischen Kontext ist der Symbolgehalt dieser Metapher deshalb umso aufgeladener, da die Jagd eine der liebsten Freizeitbeschäftigungen des Diktators Franco darstellte: Vgl. Kinder (1993), S. 160. Letzteres gelangt explizit in Ýlex de la Iglesias Balada triste de trompeta (Mad Circus – Eine Ballade von Liebe und Tod; ES-FR 2010) zur Darstellung. Vgl. Soldados de Salamina, 00:58:06 – 00:58:30. Dies ist gleichzeitig ein Beispiel dafür, wie in Truebas Verfilmung unterschiedliche Zeitebenen auf eine im nationalen Kontext durchaus innovative Art und Weise miteinander verwoben werden, s. kapitel 4.2.2. Vgl. ebd., 00:59:49 – 01:01:33. S. kapitel 5.2. S. kapitel 5.5 sowie kapitel 5.6. Vgl. ABC (15. 03. 2003), S. 62; La Vanguardia (21. 03. 2003), S. 43; Alegre (2003), S. 59. David Trueba, 1969 geboren, gilt im Hinblick auf die spanische Filmindustrie zudem als Vertreter des Joven cine espaÇol, s. kapitel 1.1.3. Javier Cercas ist 1962 geboren. David Trueba; zit. n.: La Vanguardia. Magazine (09. 03. 2003), S. 47 f.: »lo correcto«. Vgl. Alegre (2003), S. 26. Vgl. ABC (05. 10. 2003), S. 65; Ruiz Mantilla, Jesffls: Ariadna Gil: Qu¦ ha cambiado para que los jûvenes se interesen por la Guerra Civil? In: El Pa†s (04. 08. 2006a), www.elpais.com (20. 02. 2012). Zum Gebrauch des Begriffs ›manichäisch‹ s. Kapitel 3.2. La Vanguardia. Magazine (09. 03. 2003), S. 43: »no es otra cinta sobre un guerra que descuartizû a EspaÇa«.

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5.5

Handlungsvorschläge

Den Tätern vergeben

»Ich bitte Dich lediglich darum, dass Du sehr gut bist. Dass Du alle magst. Dass Du niemals Groll denjenigen gegenüber hegst, die Deine Eltern töteten. Das niemals. Die guten Menschen hegen keinen Groll.«1537

In der zentralen Anekdote, um die sich die Literaturadaption Soldados de Salamina (Soldiers of Salamina; ES 2003) dreht, beweist ein anonymer, auf Seiten der Republik kämpfender Soldat inmitten des Kriegs seine moralische Überlegenheit folgendermaßen: Eine instinktive, nicht ideologisch motivierte Handlung bewegt ihn dazu, einen zur Exekution abgeführten Gefangenen – einen Falangisten der alten Garde – laufen zu lassen. Er rettet ihm das Leben.1538 Die ethisch-moralische Aussage der Vergebung kondensiert sich dabei in einem Bild: in der im Film wiederholt gezeigten Einstellung des anonymen Soldaten in dem Moment, als er den Falangisten anblickt und sich dazu entschließt, ihn nicht zu erschießen.1539 Dem Filmnarrativ zufolge ist der Blick des Soldaten in genau diesem Moment ein »glücklicher«1540. Mitmenschlichkeit und Empathie werden in Soldados de Salamina mittels christlicher Bildnisse und Botschaften in den Vordergrund gerückt:1541 auf der einen Seite der barmherzige Samariter, auf der anderen Seite ein geradezu wundersam Geretteter.1542 Darüber schwebt das Motiv des christlichen Verzeihens. Dabei setzt Regisseur Trueba den populären Pasodoble Suspiros de EspaÇa (dt.: »Spaniens Seufzer«)1543 als Klammer zwischen den einzelnen Figuren und 1537 Las trece rosas, 01:57:31 – 01:57:46: »Sûlo te pido que seas muy bueno. Que quieras a todos. Que nunca guardes rencor a los que dieron muerte a tus padres. Eso nunca. Las personas buenas no guardan rencor.« 1538 Ein Motiv, das in weniger zentralen Erzählsträngen aufgegriffen wird: Republikanische Deserteure und eine Bäuerin helfen dem Flüchtenden und retten ihm somit das Leben, während der Falangist wiederum ihnen das Leben rettet, indem er sich nach dem Krieg für sie einsetzt. Zur Figur des Falangisten in Soldados de Salamina s. kapitel 5.6. 1539 Vgl. Soldados de Salamina, 00:56:30 – 00:57:00 und 01:07:14 – 01:07:58. 1540 Ebd., 00:07:40 – 01:08:21: »alegre«. 1541 Vgl. Buschmann (2005), S. 120. 1542 Vgl. El Mundo (10. 01. 2008). Vergleichbar wundersam überlebte ein weiterer Protagonist des Films, Miralles, im Krieg eine Minenexplosion, die ihn vernarbt zurückließ: Vgl. Wildner (2005), S. 551. S. auch Fußnote 1508. 1543 Zum Pasodoble Suspiros de EspaÇa, wie der Flamenco-Sänger ›El Cigala‹ ihn in Soldados de Salamina interpretiert, wurde ein Videoclip produziert, der den Sänger im Studio zeigt, ebenso wie fiktionale Szenen aus dem Film und dokumentarisches Archivmaterial: Vgl. Soldados de Salamina, DVD-Extras, videoclip. Der Pasodoble Suspiros de EspaÇa wurde 1902 von Antonio Ýlvarez Alonso geschrieben und lief dann – mit einem Text von Jos¦ Antonio Ýlvarez – in einem gleichnamigen Film aus dem Jahr 1938, der in NaziDeutschland gedreht wurde (Regie: Benito Perojo). S. kapitel 7.2. In Carlos Sauras Kinospielfilm Ay, Carmela (Ay, Carmela! – Lied der Freiheit; ES-IT 1990) ist Suspiros de EspaÇa Teil eines Unterhaltungsprogramms für die aufständischen Truppen.

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Handlungssträngen der Erzählung ein. Er dient als akustischer Ausdruck der möglichen Verständigung und Versöhnung über die Gräben hinweg.1544 So stimmt der anonyme Soldat während seines Wachdienstes im strömenden Regen Suspiros de EspaÇa an und tanzt dazu.1545 Laut S‚nchez Mazas habe der Soldat damit alle Anwesenden, franquistische Gefangene wie auch Vertreter des republikanischen Heeres, zum Lachen gebracht.1546 Die den Film abschließende Sequenz zeigt ohne Ton noch einmal in Zeitlupe den im Regen tanzenden und Suspiros de EspaÇa singenden anonymen Soldaten. Sie lädt ein zur Reflexion über Krieg und Heldentum, Mitmenschlichkeit und Empathie, Vergebung und Gedenken.1547 Entsprechend lobt ABC-Filmkritiker Eduardo Rodr†guez Marchante die letzte Einstellung des Films als »das Bild der tausend Worte«1548. Der Liedtext bindet darüber hinaus alle drei Protagonisten des Films – die Journalistin Lola Cercas, den Falangisten S‚nchez Mazas und den ehemaligen Kämpfer ›gegen den Faschismus‹ Miralles – gleichermaßen zurück an ein mythisch überhöhtes Spanien, das sie alle auf ihre Weise hat kämpfen und leiden lassen.1549 Der Romanist Hanno Ehrlicher spricht in diesem Zusammenhang von einem veralteten ›Letztlich wollten alle nur das Beste für Spanien‹-Gemeinplatz, der niemandem wehtue.1550 Dieser Gemeinplatz wurde bisher am deutlichsten 1986 formuliert, in der Veröffentlichung der Moncloa anlässlich des 50. Jahrestages des Kriegsbeginns.1551 Auf der Homepage der Falange EspaÇola Independiente führte die Re-Aktualisierung dieser Sichtweise auf die jüngere Vergangenheit in dem Film Soldados de Salamina jedenfalls zu folgendem erleichterten Kommentar : »Das Endergebnis war nicht so schlimm wie befürchtet. Mit den Akkorden des Pasodoble Suspiros de EspaÇa wurde der Saal wieder erleuchtet und es ließen sich die ruhigen Gesichter der Zuschauer sehen. Jedermann war sich im Klaren darüber, dass der Bürgerkrieg vorbei war und dass es nicht nötig war, eine Jagd auf den Faschisten zu entfesseln. Auf dass Vicente Aranda, Moncho Armend‚riz oder Imanol Uribe die Lektion lernen.«1552 1544 1545 1546 1547 1548 1549 1550 1551 1552

Vgl. Wildner (2005), S. 549 f. Vgl. Soldados de Salamina, 01:05:27 – 01:06:38. Vgl. ebd., 01:05:55 – 01:07:06. Vgl. ebd., 01:49:51 – 01:51:05; Fern‚ndez Prieto (2005), S. 77. Nicht zufällig kommt hierbei das filmästhetische Mittel der Zeitlupe zum Einsatz, s. kapitel 4.3.2.1. Rodr†guez Marchante, Eduardo: La imagen de las mil palabras. In: ABC (02. 10. 2003b), S. 49: »[l]a imagen de las mil palabras«. Vgl. Wildner (2005), S. 550. Zur Lesart des Bürgerkriegs als einem ›antifaschistischen Kampf‹, s. kapitel 7.1. Vgl. Ehrlicher (2005), S. 16. S. kapitel 1.1.1. Anonyme Rezension auf der Internetseite der Falange EspaÇola Independiente; zit. n.: Ehrlicher (2005), S. 17: »El resultado final no fue tan terrible como se preve†a. Con los acordes del pasodoble Suspiros de EspaÇa, las luces volvieron a alumbrar la sala y se

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Im Spanien des neuen Jahrtausends darf es laut Soldados de Salamina in der Tat nicht darum gehen, jemanden zur Rechenschaft zu ziehen, so wie Lola bei ihrem ersten Telefonat mit Miralles wortwörtlich versichert.1553 Moralische Überlegenheit äußert sich stattdessen in christlicher Nächstenliebe, wie sie das Bildnis des auf Seiten der Republik kämpfenden Soldaten transportiert, der dem todgeweihten Falangisten das Leben schenkt. Der Soldat wird zum Sinnbild dessen, »wie ein Spanier mit seiner Geschichte umgehen sollte: […] Nicht auf Rache sinnend, sondern vergebend«1554. Für die Versöhnungsbotschaft des Romans Soldados de Salamina, die im Film sogar noch deutlicher zutage tritt,1555 ist der Hispanist Werner Altmann voll des Lobes: Altmann sieht Javier Cercas Werk als ein Buch, das aufgezeigt habe, wie eine Verständigung zwischen den immer noch separaten Erinnerungsgemeinschaften von ehemaligen ›Siegern‹ und ›Verlierern‹ in Spanien möglich sei.1556 Die verzeihende Geste des anonymen Soldaten lobt Altmann als einen »Brückenschlag zum ›Feind‹«1557, der »als Vorbild für die heutige Zeit dienen«1558 solle. Mit seinem Verzicht auf Rache werde »[d]er politische Verlierer von damals […] zum moralischen Gewinner von heute […] und [demonstriert] gerade dadurch die Überlegenheit seiner politischen und gesellschaftlichen Wertvorstellung«1559. Ähnlich hebt auch die spanische Filmkritikerin Mirito Torreiro angesichts des Films Soldados de Salamina auf die moralische Höherwertigkeit derer ab, die dazu fähig waren, jemandem das Leben zu retten.1560 Obwohl in Las 13 rosas (13 Roses; ES-IT 2007) ein Schwerpunkt auf der Darstellung der franquistischen Repression liegt, so wird auch hier die gleiche erinnerungspolitische Botschaft offeriert wie vier Jahre zuvor in dem Film Soldados de Salamina. Der Appell an christliches Vergeben wird in Las 13 rosas in Anbetracht der im Mittelpunkt der Filmhandlung stehenden Opfer des Franquismus gar auf die Geschehnisse der Nachkriegszeit ausweitet. Dabei kommt der Figur Blanca eine besondere Rolle zu, weil sie – im Gegensatz zu den

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pudieron ver los rostros apacibles de los espectadores. Todo el mundo ten†a claro que la guerra civil hab†a terminado y que no hab†a que desatar una caza del fascista [Herv. i. Orig.]. Que aprendan la lecciûn Vicente Aranda, Moncho Armend‚riz o Imanol Uribe.« Der Rezensent nimmt in seinem letzten Satz Bezug auf die zeitgenössisch relativ aktuellen Kinospielfilme mit Bürgerkriegs- bzw Nachkriegsthematik Libertarias (Freedomfighters; ES-IT-BE 1996), Silencio roto (Broken Silence; ES 2001) und El viaje de Carol (Carols Reise; ES-PT 2002). Vgl. Soldados de Salamina, 01:30:00 – 01:30:05. Buschmann (2005), S. 122. Vgl. Wildner (2005), S. 559. Vgl. Altmann (2009), S. 219 f. Ebd., S. 221. Ebd., S. 220. Vgl. ebd., S. 221. Ebd., S. 220. Vgl. Torreiro (2003a), S. 13.

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anderen vier Protagonistinnen – sich selbst als gläubige Katholikin bezeichnet und ein goldenes Kreuz sichtbar um den Hals trägt.1561 Zu Republikzeiten wählte sie stets katholische, sprich rechtskonservative Parteien.1562 Für sie stellt das Kriegsende deshalb ein freudiges Ereignis dar, weil sie nun ihre Heiligenbilder wieder aufhängen kann, ohne Repressalien zu fürchten.1563 Ein Akt christlicher Nächstenliebe wird Blanca jedoch ausgerechnet im katholischen Franco-Spanien zum Verhängnis. Sie verhilft einem Kommunisten zur Flucht, der ihre Mitmenschlichkeit mit folgender Bemerkung kommentiert: »Wenn alle Leute, die sich zur Rechten zählen, so wären wie Du…«1564. Blancas Hilfsbereitschaft, die keine ideologischen Schranken kennt, führt zunächst zu ihrer Verhaftung und dann zu ihrer Hinrichtung als eine der 13 rosas.1565 Der auf eine Terrorisierung der Zivilbevölkerung abzielenden franquistischen Repression, wie sie die Geschichte der 13 rosas exemplarisch verkörpert,1566 werden zum Abschluss des Films die letzten Worte Blancas entgegengesetzt. Ihre Botschaft an ihren zum Vollwaisen gewordenen Sohn Enrique lautet folgendermaßen: »Ich bitte Dich lediglich darum, dass Du sehr gut bist. Dass Du alle magst. Dass Du niemals Groll denjenigen gegenüber hegst, die Deine Eltern töteten. Das niemals. Die guten Menschen hegen keinen Groll. Und Du musst ein guter Mensch sein! Fleißig. Enrique, auf dass Dir die Erinnerung an Deine Eltern niemals verblasst!«1567

Ein historisch verbürgtes Opfer des Franquismus ruft somit im Angesicht seines Todes dazu auf, Rachegefühlen abzuschwören und ein auf Verzeihen basierendes Gedenken zu befürworten. Die Figur Blanca wird zum nicht hinterfragbaren 1561 Vgl. Las 13 rosas, 00:54:53 – 00:54:55 sowie 01:09:01 – 01:09:04. 1562 Vgl. ebd., 00:26:05 – 00:26:14 sowie 01:01:22 – 01:01:35. 1563 Vgl. ebd., 00:17:07 – 00:17:17. Zur gewaltsamen Verfolgung katholischer Geistlicher im republiktreuen Spanien s. Fußnote 1252. 1564 Ebd., 00:26:10 – 00:26:13: »Si toda la gente de derechas fuera como tu…« Ein Kommentar, der wiederum auf den Grad der ›Selbstbeherrschung‹ und den Status des friedlichen Zusammenlebens hindeutet, den die Zuschauer – im Gegensatz zum Geschehen auf der Leinwand – im demokratischen Spanien erreicht haben. S. kapitel 6.3. 1565 Der Name ›Blanca‹ verweist als telling name auf die Farbe weiß, die für Unschuld und Reinheit steht. Bereits in Land and Freedom (GB-ES-DE 1995) gab es eine Protagonistin namens Blanca, die hier allerdings dazu dient, die revolutionären Ideale der POUM zu verkörpern und zu überhöhen. 1566 Zur franquistischen Repression s. kapitel 4.1.1, zu den 13 rosas s. kapitel 4.1.3. 1567 Las 13 rosas, 01:57:31 – 01:57:59: »Sûlo te pido que seas muy bueno. Que quieras a todos. Que nunca guardes rencor a los que dieron muerte a tus padres. Eso nunca. Las personas buenas no guardan rencor. ¡Y tu tienes que ser bueno! Trabajador. Enrique, ¡que no se te borre nunca el recuerdo de tus padres!« Da Blanca ihren eigenen Worten nach deshalb sterben muss, weil sie »gut« (ebd., 01:47:40 – 01:47:43 sowie 01:57:21 – 01:57:25: »buena«) ist, und ihren Sohn – die Erben der Vergangenheit repräsentierend – darum bittet, möglichst »gut« zu sein, bewertet der Film das demokratische Spanien, in dem sich die Rezeption des Filmes vollzieht, demnach logischerweise als späten ›Sieg‹ des ›Guten‹. S. kapitel 6.3.

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Symbol menschlicher Größe und die von ihr formulierte Anleitung zum Gedenken dabei als eine direkte Ansprache des Zuschauers inszeniert, der mit großer Wahrscheinlichkeit ein Vertreter der ›Generation der (Ur-)Enkel‹ ist.1568 Der Zuschauer sieht Enrique, wie er den Brief seiner Mutter liest, einsteckt und mit dem Fahrrad davon fährt. Währenddessen ist die Stimme seiner Mutter zunächst nur aus dem off zu hören, wie sie ihre letzten Worte an ihren Sohn richtet. Dann aber rückt sie mittels einer Überblende zunehmend ins Bild und nimmt es schließlich komplett ein. In der Halbtotale gefilmt, richtet sie ihren Aufruf zu einem versöhnlichen, fortschrittsorientierten Erinnern somit nicht an ihren Sohn allein, sondern direkt an die gesamte Zuschauerschaft – einem Geist nicht unähnlich, der dem heutigen spanischen Kinopublikum die Botschaft nahebringt, wie mit der Vergangenheit umzugehen sei.1569 Dabei entspricht diese Botschaft wohl kaum zufällig der Art von Gedenken, die zum Zeitpunkt der Produktion und des offiziellen Anlaufens von Las 13 rosas von der regierenden PSOE als unterstützenswert erachtet wurde. Vorwürfe wie den des ›Revanchismus‹ straft sie hingegen Lügen.1570 In dieser Hinsicht mutet der letzte Satz aus der Filmrezension von Fernando Bejarano geradezu beschwörend an. Er verrät einiges über die zeitgenössisch öffentlich polemisch geführten Debatten über die jüngere Vergangenheit: »Und viele haben verdaut, aber nicht vergessen, dass irgendeiner ihrer Großeltern zum Tode verurteilt wurde oder ein als Sklave arbeitender Häftling war. Aber sie schreien nicht nach Rache wie so viele gefährliche Wahnsinnige, die den Franquismus rechtfertigen.«1571

1568 Zur Zusammensetzung des Kinopublikums in Spanien s. Kapitel 1.1.3. 1569 Vgl. ebd., 01:56:50 – 01:58:47. Blanca als ›Geist der Vergangenheit‹ vermittelt dabei eine dezidiert andere Botschaft als noch 2001 das Gespenst Santi in El espinazo del diablo (Das Rückgrat des Teufels), das Rache einforderte, s. kapitel 5.2. Blanca wird in Las 13 rosas darüber hinaus als Heilige inszeniert: Während sie ihre Abschiedsworte spricht, wird sie über Chöre akustisch und über brennende Kerzen bildästhetisch sakral überhöht. Dieses Filmende erinnert stark an die Art und Weise, wie Mar†as Abschiedsrede in Libertarias (Freedomfighters; ES-IT-BE 1996) in Szene gesetzt wird. S. kapitel 2.2. 1570 S. kapitel 4.1.3. 1571 Bejarano (2008), S. 220: »Y muchos han digerido, pero no olvidado, que alguno de sus abuelos fue condenado a muerte o estuvieron preso trabajando como esclavo. Pero no braman revanchas como tantos peligrosos energfflmenos que justifican el franquismo.« Auch die Kommunikationswissenschaftlerin Virginia Guarinos hebt den über Blanca betonten Aspekt des friedvollen Gedenkens ohne Rachsucht hervor: Vgl. Guarinos (2008), S. 102.

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»Es ist weder eine ideologische noch eine politische Frage, sondern die, uns gegenseitig zu respektieren.«1572

Bei einer Betrachtung der audiovisuellen ›Kernquellen‹ fällt auf, dass Inszenierungen, die massenhafte Erschießungen der Aufständischen bzw. der späteren Franquisten mit ›republikanisch‹ konnotierten Figuren als Opfern on screen rekonstruieren, nur äußerst selten anzutreffen sind. Die entsprechenden Schüsse sind dabei meist nur über die Tonspur hörbar, so beispielsweise in El espinazo del diablo (Das Rückgrat des Teufels; ES-MX 2001), in Silencio roto (Broken Silence; ES 2001) oder in Las 13 rosas (13 Roses; ES-IT 2007). Dies führt bezogen auf das Filmende von La lengua de las mariposas (Butterfly Tongues; ES 1999), in dem der Abtransport politisch Missliebiger angedeutet wird, zu einer Kritik des Filmhistorikers Jos¦ Enrique Monterde. Er beklagt, dass für eine Darstellung der Verantwortlichkeiten der Aufständischen und ihrer blutigen Grausamkeit ein Stein, der den Abtransportierten symbolisch hintergeworfen wird, bei weitem nicht ausreichend sei.1573 Der Rezensent Pedro Miguel Lamet vermutet angesichts des gleichen Spielfilms ein »verdrängtes nationales Unterbewusstsein, das, trotz all der [verstrichenen] Jahre, verhindert, dass unsere Filmemacher jene Momente mit Frische und Natürlichkeit rekreieren«1574. Eine Ausnahme bildet in diesem Zusammenhang das staatliche spanische Fernsehen mit einer expliziten on screen Darstellung des gewaltsamen Todes der Figur Fernando Solis in der Serie Amar en tiempos revueltos (dt.: »Liebe in aufgewühlten Zeiten«; TVE/La 1, 2005 – 2012). Hier sind die Schüsse, darunter ein Gnadenschuss, nicht nur hörbar, sondern die Einschläge der Kugeln in Fernandos Körper sichtbar.1575 Im Hinblick auf fiktionale Kinoproduktionen erwies sich interessanterweise gerade Soldados de Salamina (Soldiers of Salamina; ES 2003) als publikumswirksam, in der ein republikanisches Kommando während des Bürgerkriegs Angehörige des franquistischen Lagers erschießt und dies in aller Ausführlichkeit inszeniert.1576 Gleich zu Beginn des Films wird hier ein Leichenberg mit 1572 David Trueba; zit. n.: La Vanguardia. Magazine (09. 03. 2003), S. 47: »No es una cuestiûn ideolûgica ni pol†tica, sino de respetarnos unos a otros.« 1573 Vgl. Monterde (1999a), S. 13. 1574 Lamet (2000), S. 350: »reprimido subconsciente nacional que, pese a los aÇos, impide que nuestros realizadores recreen con frescura y naturalidad esos momentos«. Lamet greift auf Metaphern zurück, die ihn als Vertreter einer psychologisierenden Sicht auf den Umgang mit Spaniens jüngerer Vergangenheit ausweisen, s. kapitel 5.1. 1575 Vgl. Amar en tiempos revueltos – T4 – Cap†tulo 139 (24. 03. 2009), www.rtve.es (20. 02. 2012), 00:33:40 – 00:35:12 sowie 00:41:46 – 00:43:22. S. kapitel 4.1.2. 1576 Vgl. Soldados de Salamina, 00:53:54 – 00:54:16. Soldados de Salamina wurde dennoch

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einem langen travelling shot in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt.1577 Die mit einer Handkamera gefilmte ›wackelige‹ Kamerafahrt, die in einem Gebüsch endet, wird dabei nur von schwarzen Abblenden unterbrochen, um die Credits des Vorspanns einzublenden. Dazu erklingt eine Arie von Arvo Pärt über die Tonspur und je mehr sich die Kamera dem Leichenberg nähert, desto lauter sind summende Fliegenräusche zu hören. Diese Inszenierung einer historisch verbürgten Massenerschießung von franquistischen Gefangenen am Santuario del Collell bei Banyoles (Nordkatalonien) Ende Januar 1939 bildet den Dreh- und Angelpunkt des Films Soldados de Salamina, der eine Umkehrung der TäterOpfer-Rollen vornimmt.1578 Die Handlung von Soldados de Salamina erzählt von einem falangistischen Schriftsteller, Rafael S‚nchez Mazas, der als Gefangener der Republik gegen Ende des Bürgerkriegs erschossen werden sollte. Ihm gelang jedoch die Flucht.1579 S‚nchez Mazas, eine Person der Zeitgeschichte und Schriftsteller aus aristokratischer Familie, begeisterte sich sehr früh für Mussolini und dessen Auffassung wie Umsetzung des Faschismus. Er war eng befreundet mit Jos¦ Antonio Primo de Rivera, mit dem er 1933 die spanische faschistische Partei Falange EspaÇola gründete.1580 Dieser Aspekt aus S‚nchez Mazas Biografie war in Spanien spätestens seit dem Bestseller-Erfolg der literarischen Vorlage zum Film Soldados de Salamina wohlbekannt.1581 S‚nchez Mazas war es, der einige der wichtigsten Symbole und Riten der Falange begründete und sich als »Propagandist einer Partei und Ideologie«1582 betätigte. Nach dem Ende des Bürgerkriegs übertrug Franco ihm ein Ministeramt ohne Portefeuille, allerdings nur bis 1940. Außerdem war S‚nchez Mazas ab Mai 1939 außenpolitischer Sprecher der Falange.1583

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ohne Altersbeschränkung freigegeben: Vgl. Filmdatenbank des spanischen Kultusministeriums, www.mcu.es (20. 02. 2012). Vgl. Ehrlicher (2005), S. 13. S. Fußnote 333. Vgl. Buschmann (2005), S. 120. S‚nchez Mazas befand sich bei Kriegsausbruch in der republikanischen Zone und wurde im November 1937 festgenommen. Er verbrachte ein Jahr auf dem Gefängnisschiff Uruguay, um dann am 24. Januar 1939 als hochrangiger Gefangener in das abgelegene Santuario del Collell – ursprünglich ein Kloster, seit 1938 zum Gefängnis umfunktioniert – überführt zu werden: Vgl. Alegre (2003), S. 74 ff.; Altmann (2009), S. 206 f. und 212. Insgesamt knapp fünfzig Gefangene sollten am Morgen des 30. Januar 1939 in der Region Banyoles (Gerona) durch Vertreter des republikanischen Heeres erschossen werden: Vgl. Alegre (2003), S. 15; Altmann (2009), S. 212. Wer letztlich den Befehl für die Erschießung gegeben hat, wird weder im Film noch in dessen gleichnamiger literarischer Vorlage geklärt. Vgl. Altmann (2009), S. 209 f. Vgl. Camino (2007), S. 98. Altmann (2009), S. 211. Vgl. ebd., S. 212.

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Bei einem der Hauptakteure und ›Hauptopfer‹ des Films handelt es sich somit um einen Exponenten der Rechten, der hier nicht etwa als Täter gezeigt wird, wie seine Rolle im Bürgerkrieg und während des Franquismus es vermuten lassen könnte.1584 Somit betritt Soldados de Salamina – mitten in den zunehmend öffentlich geführten Kontroversen um eine ›Rückgewinnung der historischen Erinnerung‹ an die Opfer des Franquismus – Neuland: das Leid auf der Täterseite zu thematisieren. Javier Cercas, der Autor des 2001 erschienenen, ungemein erfolgreichen gleichnamigen Romans, hatte die Umkehrung der TäterOpfer-Rollen damit erklärt, dass er einer potenziell ›manichäischen‹, glorifizierenden Darstellung der republikanischen Kämpfer ›gegen den Faschismus‹ habe entgegenwirken wollen.1585 Wenngleich die Emotionalisierung der Filmhandlung deutlich zugunsten des ›wahren Heldens‹, des ›antifaschistischen Kämpfers‹ Miralles ausfällt,1586 wird dieser in Regisseur David Truebas Inhaltsangabe sowie in einer Vorankündigung der Zeitung ABC gar nicht erwähnt.1587 Im Allgemeinen überwiegt bei einer Durchsicht aller thematisch verbundenen Artikel in den im Rahmen der vorliegenden Untersuchung konsultierten vier großen spanischen Tageszeitungen der Eindruck, dass darin vor allem der Falangist S‚nchez Mazas sowie die Protagonistin Lola Cercas thematisiert werden.1588 Dadurch erscheint Truebas Film vorab als eine Geschichte über die verhinderte Exekution von S‚nchez Mazas und die Selbstfindung einer frustrierten Schriftstellerin.1589 Der Schauspieler FontserÀ äußerte, die von ihm verkörperte Figur des S‚nchez Mazas möglichst ambivalent und ohne einen bestimmten Ausdruck verkörpert zu haben.1590 Regisseur Trueba wiederum erklärte, er habe die Figur 1584 Vgl. Wildner (2005), S. 559. 1585 Vgl. Alegre (2003), S. 27; Camino (2007), S. 98. Nicht uninteressant ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass Javier Cercas aus einer Falangisten-Familie stammt: Vgl. Alegre (2003), S. 23. Zum Gebrauch des Begriffs ›manichäisch‹ s. Kapitel 3.2, zur Lesart des Bürgerkriegs als ›antifaschistischer Kampf‹ s. Kapitel 7.1. 1586 Vgl. S‚nchez Noriega (2003), S. 297; Hermans (2008), S. 93. Die Dreiteiligkeit des Buches wird im Film tendenziell zu einer Zweiteiligkeit. Dabei dreht sich der eher kühl und distanziert inszenierte erste Teil des Films um die Recherchen von Lola Cercas rund um S‚nchez Mazas. Den Wendepunkt der Handlung bildet Lolas ›Taufe‹ (Vgl. Soldados de Salamina, 00:59:22 – 00:59:40) gegen Mitte des Films, der sich dann auf zunehmend emotionale Art und Weise mit der Suche nach dem wahren ›Helden‹ Miralles beschäftigt. S. kapitel 4.2.2. 1587 Vgl. ABC (15. 03. 2003), S. 62. 1588 Die Rezension von Ýngel Fern‚ndez-Santos in El Pa†s bildet diesbezüglich eine Ausnahme: Vgl. El Pa†s (21. 03. 2003). Auch auf dem Cover der spanischen Kauf-DVD werden lediglich S‚nchez Mazas und die Selbstfindung einer gescheiterten Schriftstellerexistenz als Themen des Films benannt. Im darauf enthaltenen Making of spielen weder der anonyme Soldat noch Miralles eine Rolle. 1589 Vgl. Wildner (2005), S. 559. 1590 Vgl. Merino (2002), S. 159. Die Besetzung der Figur S‚nchez Mazas war nicht ganz un-

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S‚nchez Mazas in seinem Film noch ambivalenter gestalten wollen als in der literarischen Vorlage.1591 Trotzdem offenbart der falangistische Schriftsteller in zumindest einer Sequenz des Films eine deutliche Gefühlsregung, die ihn als Mitleid erregendes ›Opfer‹ inszeniert: Nach seiner gelungenen Flucht vom Exekutionsort sitzt er völlig erschöpft unter einer Brücke und weint hemmungslos.1592 Im Gegensatz zur vergleichsweise deutlich lebendigeren Zeichnung der Figur Miralles als einem zänkisch-kämpferischen, im Grunde jedoch herzensguten alten Herrn, ist dies vergleichsweise wenig. Die Betonung der emotionalen Aspekte und der Verwundbarkeit des Betroffenen lädt den Zuschauer jedoch dennoch dazu ein, mit S‚nchez Mazas zu fühlen.1593 Mehr noch: S‚nchez Mazas wird aufgrund der Hilfe, die er seinen ehemaligen Rettern gewährt, gar zu einer Art Samariterfigur.1594 Von den Verantwortlichkeiten für den Ausbruch des Bürgerkriegs bzw. von dem gewaltsamen Vorgehen der Aufständischen im Zuge ihres Vormarsches ist in Soldados de Salamina hingegen kaum die Rede.1595 Entsprechend konstatiert der Romanist Hans-Jörg Neuschäfer mit Blick auf den Roman, dass darin die Tendenz zu beobachten sei, ein engineering of consent zu erzielen, »wie es der Markt verlangt«1596. Dazu gehöre auch, »daß [sic] er die Frage nach ›Schuld und Sühne‹ gar nicht erst stellt«1597. Ähnlich kritisiert Ralph Wildner die in Soldados de Salamina so offensichtliche und grundlegende Vermischung der Täter-Opfer-Rollen als Relativierung, die jegliche Fragen nach

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problematisch. Letzten Endes fiel die Entscheidung auf den Schauspieler der bekannten Theatergruppe Els Joglars Ramon FontserÀ, der neben Salvador Dal† und weiteren katalanischen Größen aus Politik und Kultur 2003 ebenfalls den alten Francisco Franco in einer Kinoparodie verkörperte: ¡Buen viaje, excelencia! (dt.: »Gute Reise, Exzellenz!«), der knapp ein halbes Jahr nach Soldados de Salamina, am 10. Oktober 2003, in Spanien anlief: Vgl. La Vanguardia (09. 03. 2002), S. 37; La Vanguardia (05. 05. 2002), S. 52; ABC (15. 03. 2003), S. 62; El Pa†s (15. 03. 2003b); Alegre (2003), S. 107. Vgl. La Vanguardia (09. 03. 2002), S. 37; Alegre (2003), S. 112. Vgl. Soldados de Salamina, 00:58:47 – 00:59:22. Ähnliches geschieht, als S‚nchez Mazas während seiner Flucht seine Brille verliert: Vgl. ebd., 01:03:36 – 01:03:53. Vgl. Camino (2007), S. 98. S. kapitel 5.5. Kurz nach Soldados de Salamina lief ein Film in den spanischen Kinos an, dessen gleichnamige Romanvorlage (1998) aus der Feder des galicischen Schriftstellers Manuel Rivas (s. Fußnoten 390 und 1775) stammt: El l‚piz del carpintero (The Carpenter’s Pencil; ES-PT-GB 2003, UA: 25. 04. 2003). Die Opferrolle in diesem Film ist dem historisch verbürgten Republikaner Paco ComesaÇa nachempfunden, der insgesamt zwei nationale Erschießungskommandos überlebte, eines aus Glück, das andere, weil sein Henker absichtlich daneben schießt. Auch hier schlüpft ein Täter in die Rolle des ›barmherzigen Samariters‹. Miralles erwähnt lediglich – ganz im Sinne eines die Schuld symmetrisch auf ›beide Seiten‹ verteilenden todos fuimos culpables –, dass Franco nach seinem Sieg im Bürgerkrieg darin aufging, Todesurteile zu unterschreiben: Vgl. Soldados de Salamina, 01:38:48 – 01:38:58. Neuschäfer (2002b), S. 26. Ebd.

Das Leid des ›Anderen‹ anerkennen

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Verantwortung zu unterschlagen hilft, bevor sie überhaupt jemals hinreichend beantwortet wurden: »Wenn nämlich […] die Grenzen zwischen Tätern und Opfern, Gut und Böse relativiert sind und man wieder unterschiedslos über die einen wie die anderen reden und schreiben kann – dann kann das Kapitel des Spanischen Bürgerkriegs, noch bevor es richtig gelesen wurde, geschlossen werden und man ist in einer neuen, beruhigenden Normalität angekommen.«1598

Immerhin 433.290 Spanier sahen David Truebas Film in den Kinos. Daraus lässt sich zwar nicht per se auf ein direktes Bedürfnis nach einem letztlich der Versöhnung dienenden umfassenden Bezug auf einstige Opfer wie Täter beim spanischen Publikum schließen. Allerdings fällt auf, dass die Frage, warum gerade ein republikanisches Erschießungskommando und eine franquistische, gar falangistische Opferfigur in Soldados de Salamina eine so prominente Rolle spielen, in spanischen Publikationen ungleich weniger kritisch beleuchtet wird als in der deutschsprachigen Sekundärliteratur.1599 Faschistische Veröffentlichungen aus der Feder von S‚nchez Mazas wurden in Spanien infolge des Romans wie auch des Films hingegen wieder verstärkt nachgefragt und verkauft.1600 Wenn, dann bemängeln spanische Filmhistoriker, dass der Hintergrund von S‚nchez Mazas in der filmischen Adaption vergleichsweise geringer und nicht genügend ausgeleuchtet werde.1601 Dieser Vorwurf erweist sich bei genauerer Betrachtung des Films als nicht haltbar.1602 Die enge Freundschaft von S‚nchez Mazas mit Primo de Rivera wird im Film an zwei Stellen explizit erwähnt und visuell untermauert, unter anderem mittels filmischer Archivaufnahmen des 1933 hingerichteten Falange-Führers.1603 Zugleich erfährt man, dass S‚nchez Mazas die Falange mitbegründete und einige ihrer Symbole ersann. Außerdem ist der Schauspieler Ramon FontserÀ als S‚nchez Mazas mit Hilfe der Bluescreen-Technik in einen Beitrag des Noticiario EspaÇol eingefügt, in dem er über 1598 Wildner (2005), S. 561. 1599 Die Literaturwissenschaftlerin Ana Luengo stellt eine Ausnahme dar ; sie setzt sich betont kritisch mit Cercas Erfolgsroman und dessen erinnerungspolitischen Implikationen auseinander : Vgl. Luengo (2004). 1600 Vgl. Wildner (2005), S. 560. Schon im Zusammenhang mit dem Bestseller Sefarad, den der spanische Schriftsteller Antonio MuÇoz Molina 2001 schrieb, hatte Erich Hackl die »Aufwertung faschistischer Intellektueller und Künstler« (Hackl (2001), S. 20) bemängelt und das Werk unter anderem deshalb »in die Nähe des spanischen Geschichtsrevisionismus« gerückt: Ebd. S. auch Fußnote 2006. 1601 Vgl. Caparrûs Lera/Crusells/de EspaÇa (2007), S. 316; Navarrete (2009), S. 176. 1602 Die Szenen, die aus der Endassung des Films herausgeschnitten wurden, sind vor allem solche, die den literarischen Werdegang von S‚nchez Mazas näher beleuchten: Vgl. Soldados de Salamina, DVD-Extras, Escenas complementarias, Algo m‚s sobre S‚nchez Mazas. 1603 Vgl. Soldados de Salamina, 00:09:26 – 00:10:17 sowie 00:37:51 – 00:39:19.

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seine Flucht berichtet.1604 In einer weiteren bearbeiteten Archivaufnahme ist FontserÀ als S‚nchez Mazas zu sehen, der im Beisein Francos einen Schwur ablegt auf den franquistischen ›Neuen Staat‹ und auf die von Franco per Dekret gegründete Einheitspartei FET y de las JONS. Dabei zeigt S‚nchez Mazas den faschistischen ›Führergruß‹.1605 Darüber hinaus philosophiert FontserÀ als S‚nchez Mazas in einer Ansprache über das seiner Meinung nach typisch spanische Wort ›Enttäuschung‹.1606 In einer anderen, offensichtlich aktuelleren Archivaufnahme, wird FontserÀ als S‚nchez Mazas zu seiner Flucht und seinem Überlebenswillen interviewt.1607 Wenn dem Film – wie auch seiner literarischer Vorlage – ein Vorwurf zu machen ist, dann der, dass er trotz der Charakterisierung von S‚nchez Mazas als Falangisten der ersten Garde nicht etwa dessen Verantwortung als Aggressor thematisiert, sondern ihn stattdessen als eine Figur präsentiert, die unter den blutigen Ereignissen der jüngeren spanischen Vergangenheit ebenso gelitten hat wie jeder andere auch. Es geht in Soldados de Salamina nicht um die Taten der Täter, sondern um deren Leid, wie Schauspieler FontserÀ in einer Äußerung bekräftigt: »Ich glaube, dass S‚nchez Mazas ein großer Unbekannter war. Er durchlebte seine eigene Tragödie und war an der Schwelle des Todes. Wir könnten sagen, dass es ein Opfer des anderen Lagers ist.«1608

Eine auch die Täter umfassende Opferrhetorik wird in Soldados de Salamina narrativ bereits dadurch bestätigt, wie die Cercas-Figur zum ersten Mal mit 1604 Der Original-Beitrag ist auf der Kauf-DVD als ›Extra‹ enthalten: Vgl. ebd., DVD-Extras, Escenas suplementarias, Noticiario. Der Noticiario EspaÇol wurde infolge eines am 18. Juni 1938 unterzeichneten Vertrages auf der Basis des Materials, dass die franquistische »Nationale Kinematografieabteilung« (Departamento Nacional de Cinematograf†a, DNC) zur Verfügung stellte, von der deutschen TOBIS bis Juli 1940 zusammen geschnitten und verliehen: Vgl. Diez (1999), S. 46. Die Vorführung der ab 1942 produzierten NO-DOWochenschauen (Noticiarios y Documentales Cinematogr‚ficos; dt.: »Kinematografische Nachrichten und Dokumentarfilme«) war ab Januar 1943 verpflichtend für alle spanischen Kinosäle; das Drehen von Nachrichtenbeiträgen durch Kameramänner, die nicht bei der NO-DO unter Vertrag standen, wurde verboten. Die NO-DO-Vorführung blieb in spanischen Kinos bis 1975 verpflichtend und verschwand erst 1981 vollständig: Vgl. ebd., S. 53 f. und 59; Tranche (2001). 1605 Vgl. Soldados de Salamina, 00:21:26 – 00:21:35 und 00:36:12 – 00:36:36. 1606 Vgl. ebd., 01:08:42 – 01:09:36. Dies kontrastiert an der Stelle des Films mit der Enttäuschung derjenigen, die ihm bei seiner Flucht halfen und denen S‚nchez Mazas nicht, wie versprochen, ein Buch widmete. Zum Motiv dieses von S‚nchez Mazas nicht eingehaltenen Versprechens s. ausführlicher kapitel 4.2.2. 1607 Vgl. ebd., 01:09:37 – 01:09:58. 1608 La Vanguardia (05. 05. 2002), S. 52: »Pienso que S‚nchez Mazas fue un gran desconocido. Viviû su propia tragedia y estuvo a las puertas de la muerte. Podr†amos decir que es una v†ctima del otro bando.« Die Nutzung des Wortes »Tragödie« verweist in diesem Kontext auf die tragisch-schambesetzte Lesart des Konflikts, s. kapitel 1.1.1.

Das Leid des ›Anderen‹ anerkennen

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S‚nchez Mazas in Berührung gerät. Im Roman wie im Film schreibt Cercas einen Artikel über die letzten Tage im Leben des Dichters Antonio Machado, eine der republikanischen Symbolfiguren, »dessen Tod während der Flucht vor den Franquisten zum Sinnbild für das Leiden vieler Verlierer am Ende des Bürgerkrieges geworden ist«1609. In dem Artikel wird über den Zufall der zeitlichen und geografischen Nähe eine Parallelität zu dem Schicksal S‚nchez Mazas konstruiert.1610 Diesen Artikel liest Lola im Film Soldados de Salamina in voller Länge vor, eine Szene, die illustriert wird durch einen Zusammenschnitt von Archivaufnahmen, die unter anderem Jos¦ Antonio Primo de Rivera zeigen, und nachgestellten bzw. bearbeiteten Aufnahmen, zum Beispiel eines Flüchtlingstrecks oder des Grabes von Antonio Machado. Dadurch werden die Lebensgeschichten des prorepublikanischen Dichters einerseits und des falangistischen Schriftstellers andererseits noch stärker auf einen Fluchtpunkt ausgerichtet als dies in Cercas Artikel bereits geschieht.1611 Beide werden als in ihren Schreckenserfahrungen ebenbürtige Opfer des Kriegs dargestellt, wodurch filmintern eine Gleichsetzung von Machado und S‚nchez Mazas erfolgt. Auf ähnliche Art und Weise stellt Regisseur Trueba eine Parallelität her zwischen dem Falangisten S‚nchez Mazas und Miralles, dem Kämpfer ›gegen den Faschismus‹. Dies geschieht nicht nur über die Topografie und die Zeit – beide Protagonisten befanden sich laut Narrativ Ende Januar 1939 im Collell. Eine Parallele wird darüber hinaus über das Thema der Lager übergreifenden Verständigung gezogen,1612 über das wiederkehrende Motiv des »Trupps Soldaten, der die Zivilisation rettete«1613, über die wundersame Auferstehung beider Protagonisten sowie über die abstraktere Frage nach Heldentum und dem Spiel zwischen Realität und Fiktion.1614 Soldados de Salamina beansprucht demnach eine Überparteilichkeit, in der Vertreter der Aggressoren im Bürgerkrieg wie auch seine Opfer bzw. beiderlei Angehörige »durch den Appell an die menschlich-elementare Empathiefähigkeit

1609 Suntrup-Andresen (2008), S. 167. Vgl. Luengo (2004), S. 241. Zu Machado und Soldados de Salamina s. auch kapitel 2.1. 1610 Dieser Artikel vom Journalisten und Romanautor Javier Cercas wurde tatsächlich am 11. März 1999 in der katalanischen Regionalausgabe von El Pa†s publiziert: Vgl. Wildner (2005), S. 554. 1611 Vgl. Soldados de Salamina, 00:07:30 – 00:11:10. 1612 Symbolisiert durch den Pasodoble Suspiros de EspaÇa, s. kapitel 5.5. 1613 Soldados de Salamina, 00:13:08 – 00:13:11: »un pelotûn de soldados ¦l que ha salvado la civilizaciûn«. S. hierzu ausführlicher unter kapitel 4.2.2. 1614 Vgl. Wildner (2005), S. 548 – 555. Wiederkehrende Hinweise auf den Titel »Soldaten von Salamis« dienen in der gleichnamigen Romanvorlage ebenfalls dazu, die Erlebnisse S‚nchez Mazas einerseits und die Miralles andererseits zu parallelisieren: Vgl. ebd., S. 552 f. Zum Titel s. Fußnote 1488.

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und gemeinsame Verlusterfahrungen«1615 vereint werden. Eine Unterscheidung zwischen den Toten, etwa anhand ideologischer Überzeugungen, scheint deshalb nicht sinnvoll.1616 Worum es stattdessen geht, formuliert Regisseur Trueba: »Es ist weder eine ideologische noch eine politische Frage, sondern die, uns gegenseitig zu respektieren.«1617 Es kann daher geschlossen werden, dass Soldados de Salamina – allen formalästhetischen Neuerungen zum Trotz –1618 einen Vorschlag macht, wie die Versöhnungsrhetorik der transiciûn in ein mehrheitsfähiges Erinnern zu überführen ist.1619 Bei diesem Erinnern steht nicht nur die Versöhnung der ehemaligen Bürgerkriegsparteien untereinander im Mittelpunkt, sondern auch die Aussöhnung mit der Generation der (franquistischen) Väter durch Erinnerungsarbeit sowie das Gedenken an die ›anonymen Helden‹ der Geschichte.1620

1615 Ehrlicher (2005), S. 16. Als direkter Angehöriger S‚nchez Mazas dient in Soldados de Salamina dessen Sohn Rafael S‚nchez Ferlosio, ebenfalls Schriftsteller, der 2009 den prestigeträchtigen Literaturpreis Nacional de las Letras gewann: Vgl. Soldados de Salamina, 00:20:21 – 00:20:59 und 00:21:26 – 00:23:05. 1616 Vgl. Ehrlicher (2005), S. 16. 1617 David Trueba; zit. n.: La Vanguardia. Magazine (09. 03. 2003), S. 47: »No es una cuestiûn ideolûgica ni pol†tica, sino de respetarnos unos a otros.« Schon im Juni 2001 lief mit Extranjeros de s† mismos (Sich selber fremd; ES 2000) ein Dokumentarfilm in den spanischen Kinos, in dem die Relativierung von ›Opfern‹ und ›Tätern‹ besonders offensichtlich ist. 1618 S. kapitel 4.2.2. 1619 Vgl. Ehrlicher (2005), S. 16. 1620 S. kapitel 5.4 und 4.2.2.

6.

Dominante Lesarten

6.1

Wir waren alle Opfer: im Leid vereint

»Die Repression verwandelt alle in Opfer.«1621

David Truebas Verfilmung des Erfolgsromans Soldados de Salamina (Soldiers of Salamina; ES 2003) macht von Anfang an keinen Hehl daraus, dass Ideologien nebensächlich sind, wenn es darum geht zu zeigen, dass alle zu Opfern wurden. Eines der Hauptthemen seines Films ist die Zivilbevölkerung bzw. das ›einfache Volk‹ als Hauptopfer eines jeden Kriegs, ungeachtet nationaler Grenzen.1622 Dies wird besonders deutlich anhand einer Sequenz, in der zunächst Flüchtlinge zu sehen sind, die gegen Ende des Bürgerkriegs in Richtung französischer Grenze fliehen. Gleichzeitig bahnt sich ein Transport mit Gefangenen des franquistischen Lagers einen Weg durch die Menge. Flüchtlinge wie auch Insassen des Busses, also Vertreter ›beider Seiten‹, werden von herannahenden Tieffliegern beschossen. Dies macht alle gleichermaßen zu Opfern. Eingeschnitten ist hier eine Szene, die die Protagonistin des Films, die Journalistin Lola Cercas, mit einem mexikanischen Studenten zeigt, der gerade Fotos leidender Zivilisten unterschiedlicher Kriege betrachtet. Er meint, es habe sich nichts geändert: »Es verlieren immer die gleichen.«1623 Regisseur Trueba zufolge lohnt es sich denn auch nicht, nach den Gründen eines Kriegs zu fragen, sondern nur nach seinen Folgen.1624 Siege gebe es in Kriegen keine, »sondern nur mehr oder weniger 1621 Maribel Verdffl; zit. n.: Garc†a, Roc†o: La otra vida de Los girasoles ciegos. In: El Pa†s (22. 10. 2007), www.elpais.com (20. 02. 2012): »La represiûn convierte a todos en v†ctimas.« 1622 Von der Entscheidung, die Geschichte im Film durch die Augen einer weiblichen Protagonistin zu fokussieren – im Buch war dies noch ein Mann –, versprach sich Regisseur Trueba bezeichnenderweise eine verstärkte emotionale Wirkung des Films: Vgl. Camino (2007), S. 93 und 101. S. hierzu auch kapitel 5.4. 1623 Soldados de Salamina, 00:46:50 – 00:46:51: »Siempre pierden los mismos.« 1624 Vgl. La Vanguardia. Magazine (09. 03. 2003), S. 47. Ein Ausspruch, der die in Spanien lange vorherrschende offizielle Haltung zum Umgang mit dem Thema Bürgerkrieg auf den Punkt bringt, s. kapitel 1.1.1.

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Dominante Lesarten

große Niederlagen«1625. »Den Krieg verlieren wir alle«1626, so der Regisseur in einem anderen Interview. Entsprechend wurde eine Vorabvorführung von Soldados de Salamina für eine Demonstration gegen den zeitgenössisch aktuellen Irakkrieg unterbrochen, an dem spanische Soldaten zu jenem Zeitpunkt erst seit kurzem beteiligt waren.1627 Damit einhergehend interpretiert La Vanguardia Truebas Film als »eine Vision über und gegen alle Kriege«1628. In Jos¦ Luis Cuerdas Los girasoles ciegos (The Blind Sunflowers; ES 2008) ist eine Opferrhetorik nicht nur in Bezug auf das Kriegsgeschehen prominent, sondern sie wird gar auf die unmittelbare Nachkriegszeit ausgedehnt. In diesem Film werden alle Hauptfiguren unterschiedslos zu ›Opfern der Umstände‹, die Angehörigen der im Fokus des filmischen Narrativs stehenden Familie ebenso wie der durch äußere Einflüsse korrumpierte und deshalb zum Täter mutierte junge Diakon Salvador.1629 Familienvater Ricardo ist ein topo (dt.: »Maulwurf«): zu Republikzeiten Lehrer, hält er sich seit dem Sieg der Aufständischen in Galicien in einem kleinen fensterlosen, hinter einer Schrankwand verborgenen Verschlag in seiner eigenen Wohnung versteckt, um die franquistische Repression zu umgehen.1630 Ricardo leidet unter seiner Situation des Versteckt- und somit Gefangenseins, er fühlt sich ausgeliefert. Er verliert sein Zeitgefühl, beginnt zu trinken, verbringt den Tag im Schlafanzug und hat Probleme, sein 1625 La Vanguardia. Magazine (09. 03. 2003), S. 47: »sûlo derrotas m‚s o menos grandes«. 1626 La Vanguardia (21. 03. 2003), S. 43: »La guerra la perdemos todos«. Ähnlich hatte der mexikanische Regisseur Del Toro das Ende seines Kinospielfilm El espinazo del diablo (Das Rückgrat des Teufels; ES-MX 2001) kommentiert: »Am Ende dieser Kriegsgeschichte gewinnt keiner. Die ›Guten‹ wie auch die ›Bösen‹ tun letztlich schreckliche Dinge. Im Krieg verlieren wir am Ende alle.«: Guillermo del Toro; zit. n.: www.elespinazodeldiablo.com (20. 02. 2012): »[A]l final de esta historia de guerra, nadie lo gane todo: tanto los ›buenos‹ como los ›malos‹ acaban haciendo cosas terribles. En la guerra, al final, todos perdemos.« Ausführlicher zum Ende von El espinazo del diablo, das der Logik des Filmnarrativs zufolge auch andere Lesarten ermöglicht, s. kapitel 5.2. 1627 Vgl. ABC (15. 03. 2003), S. 62; El Pa†s (15. 03. 2003b). Bereits die Goya-Preisverleihung am 1. Februar 2003 hatte sich in eine Protestveranstaltung gegen die PP verwandelt, besonders gegen ihre Unterstützung von Präsident Bushs ›Krieg gegen den Terror‹ im Irak: Vgl. Riambau/Torreiro (2009), S. 456 f.; S‚nchez (2009), S. 135. Hiernach entstand mit ¡Hay motivo! (dt.: »Es gibt einen Grund!«; ES 2004) ein filmisches Gemeinschaftsprojekt von insgesamt 32 spanischen Regisseuren: zusammenmontierte Kurzfilme, die eindeutig gegen die Regierung gemünzt waren: Vgl. Pohl (2008), S. 438. Ministerpräsident Rodr†guez Zapatero zog die spanischen Truppen sofort nach seiner Amtsübernahme 2004 aus dem Irak ab: Vgl. Bernecker (2008b), S. 87. 1628 La Vanguardia (21. 03. 2003), S. 43: »[u]na visiûn sobre y contra todas las guerras«. 1629 S. kapitel 4.3.2.2. 1630 El Pa†s bezeichnet die Figur Ricardo als »lebenden Toten«: El Pa†s (22. 10. 2007): »muerto en vida«. Unabhängig von Los girasoles ciegos bezeichnet die Romanistin Jo Labanyi die topos (dt.: »Maulwürfe«) als »ghosts of the past«: Labanyi (2007), S. 443. Beide Umschreibungen sind Beispiele für den Rückgriff auf psychopathologische Metaphern im Umgang mit der jüngeren spanischen Vergangenheit, s. kapitel 5.1.

Wir waren alle Opfer: im Leid vereint

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Spiegelbild zu ertragen.1631 Er fürchtet verrückt zu werden.1632 Seine eigene Passivität, um nicht zu sagen: Feigheit,1633 bedrückt ihn derart, dass er die sexuellen Bedürfnisse seiner Frau nicht mehr zu befriedigen vermag.1634 Eine Metapher für Ricardos Situation liefert der in einem Käfig gefangene Singvogel seines Sohnes Lorenzo.1635 Ricardo kommentiert die Gefangenschaft des Vogels folgendermaßen: »Vor die Wahl zwischen Käfig und Pfanne gestellt, glaubst Du, er hätte die Pfanne gewählt?« Lorenzo antwortet: »Sicher. Aber er tut einem leid.«1636 Gegen Ende des Films wird Ricardo von dem Diakon Salvador denunziert und begeht Selbstmord, was für seine hinterbliebene Kleinfamilie eine Art Befreiung darstellt.1637 Wie in vielen anderen audiovisuellen Produktionen zum Thema gibt es mit Lorenzo auch in Los girasoles ciegos einen ›unschuldigen‹ kindlichen Protagonisten.1638 Ihm kommt eine Opferrolle zu, da er seine Kindheit nicht altersgerecht ausleben kann. So wartet Lorenzo vergebens darauf, dass sein Vater ihm das Schwimmen beibringt,1639 er kann seine Freunde so gut wie nie zu sich nach Hause einladen und für seine Mutter übernimmt er eine Rolle, die mehr der eines Gefährten als der eines siebenjährigen Sohnes entspricht.1640 Lorenzos Kindheit 1631 Vgl. Los girasoles ciegos, 01:22:19 – 01:22:44. 1632 Vgl. ebd., 01:02:38 – 01:03:15. 1633 Im Gegensatz zu seiner Tochter kann sich Ricardo nicht zu einer Flucht durchringen. Stattdessen wählt er die wenig ›heldenhafte‹ und für seine Angehörigen extrem belastende Alternative, sich zu verstecken. Javier C‚mara, der Schauspieler, der Ricardo im Film verkörpert, beschreibt ›seine‹ Figur entsprechend als feige: Vgl. ebd., DVD-Extras, Making of, 00:05:12 – 00:05:18. 1634 Vgl. Los girasoles ciegos, 00:21:59 – 00:22:15. Das Motiv der körperlichen Impotenz als Metapher für Machtlosigkeit wurde zuvor bereits von Regisseur Del Toro in El espinazo del diablo verwandt, s. kapitel 5.1. 1635 Vgl. ebd., 00:22:16 – 00:23:34 sowie 00:26:10 – 00:26:32. Vögel tauchen leitmotivisch in dem Kinospielfilm Pa negre (Black Bread, ES 2010) auf, s. kapitel 4.3.2.1. 1636 Ebd., 00:26:10 – 00:26:16: »Crees que entre la jaula y la sart¦n, ¿hubiera elegido la sart¦n?« Die Antwort des Sohnes lautet: »Ya. Pero da pena.« 1637 Den Eindruck einer Art Befreiung weckt vor allem die Inszenierung: In der vorletzten Sequenz des Films scheint die Sonne, der Himmel ist strahlend blau und die Umgebung entsprechend gelb und hell: Vgl. ebd., 01:24:49 – 01:26:25. Dies stellt einen starken Kontrast dar zur sonst überwiegenden Farbgebung des Films und legt eine fragwürdige Interpretation nahe, nach der Ricardos Frau Elena und sein Sohn Lorenzo nun endlich einen besseren und freieren Lebensabschnitt beginnen können – sofern das für Angehörige eines im Franco-Spanien geächteten ›Roten‹ möglich war. Dramaturgisch ähnlich, aber mit inhaltlich anderen Implikationen endete bereits El espinazo del diablo (ES-MX 2001), s. kapitel 5.2. 1638 S. kapitel 4.3.2. 1639 Vgl. Los girasoles ciegos, 00:26:33 – 00:26:57. Dies ist eine narrative Parallele zum Kinospielfilm Las bicicletas son para el verano (Bicycles Are for the Summer; ES 1983), in dem der jugendliche Protagonist aufgrund des Ausbruchs des Spanischen Bürgerkriegs vergeblich darauf wartet, dass sein Vater ihm ein Fahrrad kauft. 1640 Vgl. ebd., 00:45:57 – 00:46:00; ebd., DVD-Extras, Making of, 00:07:32 – 00:07:39.

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Dominante Lesarten

ist somit eigentlich keine, da sie geprägt ist von Pflichten, Restriktionen und emotionalen Nöten.1641 Während Lorenzos Vater aufgrund seiner Situation nur noch teilweise für den Lebensunterhalt der Familie und ihren Zusammenhalt sorgen kann, muss seine Frau nicht nur eine Fassade aus Lügengeschichten aufrecht erhalten, sondern sich auch um alles Weitere kümmern. Elena kocht, putzt, gibt Ricardos Übersetzungen als ihre aus und ist weiterhin als Schneiderin tätig, um den Lebensunterhalt aufzubessern. Obwohl Ricardos aus der Not geborener Lebensentwurf ihr Leben und das ihrer Kinder denkbar erschwert,1642 gibt Elena nicht klein bei. Vielmehr setzt sie alles daran, dass sie und ihre Angehörigen überleben. Schauspielerin Maribel Verdffl beschreibt ›ihre‹ Figur Elena entsprechend als »eine dieser kämpferischen Figuren, die überleben. Sie hält immer mit guter Miene aus, mit einem Lächeln.«1643 Ähnlich sieht Regisseur Cuerda diese Figur : »Elena ist eine Überlebende, die ihre Familie heldenhaft durchbringt.«1644 Dabei gestaltet sich die Helden- bzw. Opferrolle Elenas ambivalent: Frustriert von der sexuellen Zurückweisung ihres deprimierten Mannes,1645 scheint sie die männliche Aufmerksamkeit zunächst zu genießen, die ihr der Lehrer ihres Sohnes entgegenbringt. Sie möchte gefallen,1646 weswegen sie die Blicke des Diakons Salvador aufmerksam registriert und zum Teil erwidert.1647 Als Salvador das erste Mal ihre Beine streichelt, kann sie sich nicht dazu durchringen, ihn zum Aufhören zu bewegen. Es ist die Türklingel, die ihnen Einhalt gebietet.1648 Auch zu Beginn von Salvadors zweitem Versuch, Elena körperlich näher zu kommen, ist sie offensichtlich hin- und hergerissen. Erst als deutlich wird, dass er vor einer Vergewaltigung nicht zurückschreckt, beginnt sie sich zu wehren.1649 Umgekehrt

1641 Am Ende des Films macht ihn der Selbstmord seines Vaters zur Halbwaise, s. kapitel 5.4. 1642 Vgl. Los girasoles ciegos, 00:12:54. 1643 Ebd., DVD-Extras, Making of, 00:02:49 – 00:03:04: »una de estas personajes luchadores, supervivientes […]. [E]lla aguanta siempre con buena cara, con una sonrisa.« Vgl. www.girasolesciegos.com (20. 02. 2012), Personajes. 1644 Jos¦ Luis Cuerda; zit. n.: Ebd., Director : »Elena es una superviviente que saca heroicamente su casa adelante.« Dies macht Elena zu einer ›Heldin des Alltags‹, wie sie prominent in Silencio roto (Broken Silence; ES 2001, s. kapitel 4.2.1) aufzufinden sind, peripher ebenfalls in Amar en tiempos revueltos (dt.: »Liebe in aufgewühlten Zeiten«; TVE/La 1, 2005 – 2012) und Las 13 rosas (13 Roses; ES-IT 2007). 1645 Vgl. Los girasoles ciegos, 00:21:59 – 00:22:15. Maribel Verdffl, die Elena verkörpert, wurde für Los girasoles ciegos im Gegensatz zu ihrer Rolle der Mercedes in Del Toros El laberinto del fauno (Pans Labyrinth; ES-MX 2006) wieder eher getreu ihrem Image als sex bomb gecastet, s. Fußnote 1444. 1646 Beispielsweise begutachtet sie ihr Spiegelbild an einer Stelle des Films in einer Scheibe: Vgl. Los girasoles ciegos, 00:20:54 – 00:21:00. 1647 Vgl. ebd., 00:15:50 – 00:16:10. 1648 Vgl. ebd., 01:13:42 – 01:14:07. 1649 Vgl. ebd., 01:23:10 – 01:25:06.

Wir waren alle Opfer: im Leid vereint

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ist auch Salvador, die Täterfigur des Films, ambivalent gestaltet. Wie alle anderen Figuren des Films ist er ursprünglich ein Opfer.1650 Für Regisseur Cuerda ist Los girasoles ciegos daher eine Geschichte über »unmögliche Lieben«1651. Dies bestätigt unter anderem Verdffl, die ausführt, dass diesen »unmöglichen Lieben«1652 in dem Film absolut alle zum Opfer fielen. Cuerda bestätigt, dass keine der Figuren ihre Gefühle in Freiheit ausleben könne, weswegen sie stets unerfüllt blieben.1653 Verdffl pflichtet bei: »Sie können nichts tun und wenn sie es versuchen, dann leiden sie und straucheln.«1654 Angesichts einer derart definierten Kernthematik handelt Los girasoles ciegos den wiederholten Aussagen unterschiedlicher Filmcrew-Mitglieder zufolge nicht unbedingt vom (Bürger-)Krieg. Er hätte ebenso gut in einer anderen Zeit spielen können.1655 Regisseur Cuerda umschreibt seinen Film Los girasoles ciegos unter Bezugnahme auf dessen Titel auf metaphorische Art und Weise als einen allgemein kritischen Beitrag zu den Themen Uniformität, Autoritarismus und Obrigkeitshörigkeit: »Es wäre schön, ein Sonnenblumenfeld zu sehen, auf dem jeder Einzelne die Freiheit hat, der Sonne den Rücken zuzudrehen oder das zu tun, wonach ihm der Sinn steht.«1656 Wenngleich Cuerda und Verdffl in anderen Zitaten deutlicher Bezug nehmen auf den konkreten Handlungskontext der Nachkriegszeit, so überwiegt auch darin der Aspekt, dass die franquistische Repression alle zu Opfern gemacht habe, eben weil diese es verhinderte, Gefühle frei auszuleben. So äußerte Verdffl noch während des Filmdrehs: »Unter der Repression sind alle Liebesgeschichten unmöglich. Die Repression verwandelt alle in Opfer.«1657 Ähnlich ist die Handlung von Los girasoles ciegos Cuerda zufolge ein Abbild dessen, wie die Gefühle durch die Repression korrumpiert

1650 S. kapitel 4.3.2.2. 1651 Jos¦ Luis Cuerda; zit. n.: Los girasoles ciegos, DVD-Extras, Making of, 00:00:00 – 00:00:03: »amores imposibles«. Vgl. www.girasolesciegos.com (20. 02. 2012), Director. 1652 Maribel Verdffl; zit. n.: Los girasoles ciegos, DVD-Extras, Making of, 00:00:55 – 00:01:00: »amores imposibles«. 1653 Vgl. Los girasoles ciegos, DVD-Extras, Making of, 00:00:03 – 00:00:17. 1654 Maribel Verdffl; zit. n.: o. V. (2008), S. 29: »No tienen nada que hacer y cuando lo intentan sufren y tropiezan.« 1655 Vgl. Los girasoles ciegos, DVD-Extras, Making of, 00:00:45 – 00:00:54 sowie 00:13:21 – 00:13:26. Dabei entfaltet sich die Handlung von Los girasoles ciegos nicht etwa im Bürgerkrieg, sondern 1940, also in der Nachkriegszeit. Zur Vermischung dieser historischen Phasen s. auch kapitel 5.3. 1656 Jos¦ Luis Cuerda; zit. n.: ebd., 00:12:47 – 00:12:58: »Estar†a bien ver un campo de girasoles en el que cada uno tiene la libertad de ponerse de espaldas al sol o de hacerlo que le venga en gana.« Vgl. www.girasolesciegos.com (20. 02. 2012), Notas de producciûn. 1657 Maribel Verdffl; zit. n.: El Pa†s (22. 10. 2007): »Bajo la represiûn, todas las historias de amor son imposibles. La represiûn convierte a todos en v†ctimas.«

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werden.1658 Entsprechend endet die Inhaltsangabe auf dem Backcover der KaufDVD mit folgendem Absatz: »Verletzt und von den Umständen herumgeschubst, treffen die Protagonisten von Los girasoles ciegos auf eine Mauer aus Repression, unmöglichen Lieben und emotionalen Niederlagen.«1659

Die Figuren des Films werden somit unterschiedslos als willenlose, passive Opfer ›äußerer Umstände‹ interpretiert. Dies unterstreicht Cuerda durch die Wahl seiner Lichtgestaltung: Fast die gesamte Handlung des Films vollzieht sich in einer grau-blauen Farbgebung, als könnte sich das direkte Licht nirgendwo einen Weg hinein bahnen.1660 Die Kameraarbeit von Hans Burmann lobt Cine para leer-Kritiker Ýngel Antonio P¦rez Gûmez ausdrücklich als das gelungenste Element in dem Film Los girasoles ciegos, da dadurch eine Hinwendung zu einer Finsternis erfolge, »die alles heimsucht«1661. Regisseur Cuerda wiederum begründet diese Art der Inszenierung wie folgt: »Zu diesen Figuren gelangt das Licht des Lebens nicht auf direkte Art und Weise. Es erreicht sie über viele Umwege und viele Winkel. Sie können nicht einfach am Leben teilnehmen, sondern müssen sich sehr davor in Acht nehmen, weil die Umstände so sind, wie sie sind.«1662

An anderer Stelle beschreibt Cuerda die Figuren des Films als auf entschuldende Art und Weise »gefangen«1663 von einer Moral, die per Dekret formuliert wurde.1664 Infolgedessen seien alle Figuren »zerstörte«1665 Figuren, die sich selbst und andere belügen: die ›Besiegten‹, weil sie keine andere Wahl hätten, die ›Sieger‹, um sich nicht eingestehen zu müssen, dass sie der Grund sind für all das, was geschieht. Die Ursache für all das, was geschieht, wird in Cuerdas 1658 Vgl. El Pa†s (22. 10. 2007). 1659 Los girasoles ciegos, DVD-Backcover : »Heridos y zarandeados por las circunstancias, los protagonistas de Los girasoles ciegos se golpean contra un muro de represiûn, amores imposibles y derrotas emocionales«. Vgl. www.girasolesciegos.com (20. 02. 2012), Sinopsis. Nichtsdestotrotz urteilt der Rezensent Ýngel Antonio P¦rez Gûmez, dass der Film ihn keinen einzigen Augenblick bewegt habe: Vgl. P¦rez Gûmez (2009), S. 67. Jordi Bernal spricht in seiner Kritik von »einem gestelzten und aufdringlichen Sentimentalismus«: Bernal (2008), S. 18: »un sentimentalismo afectado y sobûn«. 1660 Vgl. Los girasoles ciegos, DVD-Extras, Making of, 00:08:25 – 00:08:43. 1661 P¦rez Gûmez (2009), S. 67: »que lo invaden todo«. 1662 www.girasolesciegos.com (20. 02. 2012), Director: »Êstos son personajes a los que la luz de la vida no les llega directamente. Les llega a trav¦s de muchas curvas y de muchos rincones. La vida para ellos no es algo a lo que se pueden adherir, sino de lo que se tienen que cuidar muy mucho [sic] debido a las circunstancias.« Vgl. Los girasoles ciegos, DVD-Extras, Making of, 00:08:05 – 00:08:25; o. V. (2008), S. 29. 1663 Ebd., Galeria gr‚fica, Los personajes: »cautivos«. Vgl. www.girasolesciegos.com (20. 02. 2012), Director. 1664 Vgl. Ebd. 1665 Jos¦ Luis Cuerda; zit. n.: La Vanguardia (29. 08. 2008), S. 30: »destrozados«.

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Verfilmung jedoch nicht thematisiert, die Frage nach den Verantwortlichkeiten stellt sich hier nur in eingeschränktem Maße.1666 Opfer und Täter werden hier vielmehr in einem durch die filmintern nicht konkret inszenierte franquistische Repression verursachten Leid vereint, das ihr aller Handeln und Leben negativ beeinträchtigt. Eine derartige Darstellung vermag bei den Zuschauern letztlich nur freudige Erleichterung darüber auszulösen, dass solch ›dunkle‹ Zeiten vorbei sind, in denen ausnahmslos jeder zum Opfer wurde.1667 Regisseur Cuerda präsentierte sein neues Werk anlässlich einer Vorabvorführung im galicischen Ourense als Fortsetzung von La lengua de las mariposas (Butterfly Tongues; ES 1999), bei dem er zehn Jahre zuvor ebenfalls Regie geführt hatte.1668 Dabei verwies Cuerda vor allem auf die von der gleichnamigen literarischen Vorlage Los girasoles ciegos abweichende Wahl des Handlungsortes – Ourense statt Madrid –, um sein aktuelles Werk in die Nachfolge von La lengua de las mariposas zu stellen.1669 Ähnlich werbewirksam widmete Cuerda den Film Los girasoles ciegos seinem Weggefährten und Arbeitskollegen, dem bekannten Drehbuchautor Rafael Azcona, der bereits für das Skript zu La lengua de las mariposas verantwortlich gezeichnet hatte und im März 2008 verstarb.1670 Es gebe auf der Welt wohl niemanden, der mehr über das Drehbuchschreiben wisse als Azcona, so Cuerda. Allerdings sei es schwierig gewesen, Alberto M¦ndez’

1666 S. kapitel 4.3.2.2. M¦ndez’ Erzählungen, auf denen Cuerdas Film basiert, legen Bodenmüller zufolge hingegen »sehr wohl die Frage nach der historischen Verantwortung nahe«: Bodenmüller (2007), S. 220. 1667 S. kapitel 6.3. 1668 Vgl. Lugilde, Anxo: Cuerda presenta su versiûn f†lmica de Los girasoles ciegos. In: La Vanguardia (23. 08. 2008), S. 31. Bei Los girasoles ciegos führte Cuerda nicht nur Regie, sondern war ebenfalls als Produzent und Ko-Drehbuchautor tätig. 1669 Zur Entscheidung für einen von der literarischen Vorlage abweichenden Handlungsort, s. Fußnote 1257. Zur Inszenierung der galicischen Landschaft in La lengua de las mariposas s. kapitel 3.2. 1670 Dies wird nicht nur auf der Website zum Film, im Film selbst sowie auf der entsprechenden Kauf-DVD deutlich, sondern von Cuerda im Zuge von Vorabvorführungen seines Films sowie der späteren Goya-Preisverleihung immer wieder erwähnt: Vgl. Los girasoles ciegos, 00:02:20 – 00:02:24; www.girasolesciegos.com (20. 02. 2012), Director. Das Gedenken an Azcona wurde dann in einigen Presseerzeugnissen nochmals aufgegriffen: Vgl. o. V. (2008), S. 29; La Vanguardia (23. 08. 2008), S. 31; La Vanguardia (29. 08. 2008), S. 30; Belinchûn, Gregorio: El aÇo en que Zidane perd†o el Goya. In: El Pa†s (20. 12. 2008), S. 41; Vall†n, Pedro: El fflltimo aplauso acad¦mico a Azcona. In: La Vanguardia (20. 12. 2008), S. 39. Rafael Azcona war in Spanien über fünfzig Jahre lang erfolgreich als Drehbuchautor tätig, beispielsweise für die erfolgreichen Bürgerkriegskomödien La vaquilla (The Haifer ; ES 1985) und ¡Ay, Carmela! (Ay, Carmela! – Lied der Freiheit; ES-IT 1990) sowie für den oscarprämierten Kinospielfilm Belle Êpoque (Belle Êpoque – Saison der Liebe; ES-PT 1992). Er arbeitete unter anderem auch an dem Drehbuch von La niÇa de tus ojos (Das Mädchen deiner Träume; ES 1998) mit, einer weiteren hier untersuchten ›Kernquelle‹, s. Kapitel 7.2.

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extrem literarischen Text für die große Leinwand zu adaptieren.1671 An den verstorbenen Schriftsteller M¦ndez, Autor der literarischen Vorlage zum Film Los girasoles ciegos, erinnert Cuerda öffentlich ebenfalls wiederholt. Der Regisseur und der Schriftsteller seien im Spätfranquismus sogar Freunde gewesen, so El Pa†s in einem Vorabbericht.1672 Auch eine Reihe der an dem Film Los girasoles ciegos beteiligten Schauspieler bekundeten ihre Begeisterung für M¦ndez’ Buch. Über die offizielle Website zum Film konnten diejenigen Nutzer, die das Buch gelesen hatten, einen Eintritt zum Kinofilm zu gewinnen.1673 Auf der Homepage zum Film spricht Cuerda dann auch eine weitere Schwierigkeit an, die mit der Verfilmung von M¦ndez’ Werk einhergehe: die sehr hohen Erwartungen, zu deren Erfüllung man sich bei einer filmischen Adaption von Los girasoles ciegos gezwungen sehe.1674 M¦ndez’ Erzählband, im Januar 2004 beim gehobenen Literaturverlag Anagrama als »Erstlingswerk eines bis dahin schriftstellerisch niemals hervorgetretenen 63-jährigen [sic]«1675 erschienen, war vor Beginn der Produktion des Films Los girasoles ciegos in Spanien mit wichtigen Preisen ausgezeichnet worden – zu großen Teilen postum, da M¦ndez Ende 2004 unerwartet verstarb.1676 Dabei führt der Hispanist Thomas Bodenmüller »die überwältigende Aufnahme des Buches im Literaturbetrieb und beim breiten Publikum«1677 neben der »unbestreitbare[n] literarische[n] Qualität der Erzählungen«1678 vor allem zurück auf die gewählte Bürgerkriegsthematik »in Verbindung mit dem kulturellen und gesellschaftlichen Kontext seines Erscheinens«1679. Cuerdas Verfilmung, die sich auf die Adaption zweier Erzählungen aus M¦ndez’ Band konzentrierte,1680 stieß bei den Kritikern überwiegend auf wenig 1671 Vgl. Los girasoles ciegos, DVD-Extras, Making of, 00:01:40 – 00:01:53 sowie 00:02:06 – 00:02:12. 1672 Vgl. El Pa†s (22. 10. 2007). 1673 Vgl. www.girasolesciegos.com (20. 02. 2012), Sorteo sowie Notas de producciûn; El Pa†s (22. 10. 2007). Die Website zum Film Los girasoles ciegos ist reich bebildert und mit Zitaten von Schauspielern und Filmemachern gleichermaßen unterfüttert, daher vergleichsweise aufwändig und ansprechend gestaltet: Vgl. www.girasolesciegos.com (20. 02. 2012). Im Gegensatz zu den umfangreichen, zu zahlreichen interaktiven Handlungen aufrufenden offiziellen Websites der spanischen Rundfunkanstalt RTVE (s. kapitel 4.1.2) sind Homepages zu spanischen Kinofilmproduktionen nur selten vorhanden und wenn, dann relativ unspektakulär gestaltet. 1674 Vgl. ebd., Director. 1675 Bodenmüller (2007), S. 211. Los girasoles ciegos war das einzige Buch, das M¦ndez veröffentlichte; er war während des Franquismus in der Kommunistischen Partei Spaniens aktiv und wurde mehrfach verhaftet und gefoltert: Vgl. ebd., S. 224. 1676 Vgl. ebd., S. 212. 1677 Ebd., S. 213. 1678 Ebd. 1679 Ebd. 1680 Ausführlicher hierzu s. kapitel 4.3.2.2. Auch hierin ähnelt der Film Los girasoles ciegos

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Zuspruch. Laut El Pa†s-Rezensent Javier OcaÇa ist der Film alles in allem »vielleicht eine korrekte Version für diejenigen, die Los girasoles ciegos nicht gelesen haben, aber enttäuschend für uns, die einen historischen Film für unser Kino und unsere Gesellschaft erwarteten«1681. Allen negativen Rezensionen zum Trotz erwies sich der Film jedoch als überaus publikumswirksam. Entsprechend stimmt La Vanguardia zwar ein in den Tenor, dass der Film Los girasoles ciegos nicht die narrative Magie seiner literarischen Vorlage erreiche, stellt jedoch heraus, dass es sich bei der filmischen Adaption um ein überzeugendes Produkt handle.1682 Knapp 740.000 Zuschauer lockte Cuerdas Adaption in die spanischen Kinos. Auch wenn diese Zahl noch nichts über die Wirkung des Films Los girasoles ciegos aussagt, so sahen ihn doch beträchtlich mehr Spanier als M¦ndez’ Buch Abnehmer fand.1683 Cuerdas Film wurde für insgesamt 15 Goya nominiert, darunter die Nominierungen in den Kategorien ›Bester Film‹ und ›Bester Regisseur‹, und ging somit als größter Favorit ins Rennen.1684 Letztlich gewann er aber nur eine der begehrten Trophäen, nämlich die in der Kategorie ›Bestes adaptiertes Drehbuch‹ – eine herbe Enttäuschung für Cuerda.1685 Aufgrund seines vorangegangenen Werkes La lengua de las mariposas bewerteten spanische Kritiker den Film Los girasoles ciegos auf einer Metaebene als ›Rückkehr‹ Cuerdas »zur Welt des Bürgerkriegs«1686. In diesem Zusammenhang liest La Vanguardia Cuerdas Film als Beitrag zur ›Rückgewinnung der historischen Erinnerung‹ der ehemaligen »Besiegten«1687. Rezensent P¦rez Gûmez verknüpft den Film Los girasoles ciegos in Cine para leer mit dem »Gesetz der historischen Erinnerung«.1688 Ähnlich stellt Kritiker Bernal einen Bezug her

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der Kinoproduktion La lengua de las mariposas (ES 1999), für die Cuerda ebenfalls mehrere Erzählungen eines ausgezeichneten Schriftstellers, des Galiciers Manuel Rivas (s. Fußnoten 390 und 1775), für die große Leinwand adaptierte. El Pa†s (29. 08. 2008), S. 12: »una versiûn quiz‚ correcta para los que no hayan le†do Los girasoles ciegos, pero decepcionante para los que pensamos que ah† hab†a una pel†cula histûrica para nuestro cine y nuestra sociedad.« Vgl. La Vanguardia (23. 08. 2008), S. 31. Im Januar 2007 kam immerhin die vierzehnte Auflage von M¦ndez’ Buch auf den Markt: Vgl. Bodenmüller (2007), S. 211. Vgl. El Pa†s (20. 12. 2008), S. 41; La Vanguardia (20. 12. 2008), S. 39. Zudem wählte die spanische Filmakademie Los girasoles ciegos aus, um für Spanien ins Rennen um den Oscar für den ›Besten ausländischen Film‹ zu gehen, wurde von der Filmakademie Hollywoods jedoch nicht in die Reihe der Finalisten aufgenommen: Vgl. o. V.: Los girasoles ciegos se queda fuera de la carrera por el Oscar. In: ABC (14. 01. 2009), S. 56; www.girasolesciegos.com (20. 02. 2012). Vgl. Rodr†guez Marchante, Ot†: El bueno, el feo y el malo. In: ABC (02. 02. 2009), S. 47; La Vanguardia (02. 02. 2009), S. 26; Martialay ; Ponga; Vall (2009), S. 118 und 121 f. P¦rez Gûmez (2009), S. 66: »al mundo de la Guerra Civil«. Jos¦ Luis Cuerda; zit. n.: La Vanguardia (29. 08. 2008), S. 30: »vencidos«. Allerdings bleibe der Film Los girasoles ciegos leider weit unter dem Niveau solch löblicher Absichten: Vgl. P¦rez Gûmez (2009), S. 67. Zu dem »Gesetz der historischen Erinnerung« s. kapitel 4.1.1.

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zwischen Cuerdas Film und den Bemühungen der recuperaciûn de la memoria histûrica in Spanien im Allgemeinen und dem sechs Wochen nach dem offiziellen Kinostart von Los girasoles ciegos erfolgenden Vorstoß des Richters Garzûn im Besonderen.1689 Dies bietet Bernal die Gelegenheit, den seiner Meinung nach von offizieller Seite geförderten Erinnerungs-Boom – in Anlehnung an einen Artikel des Bestsellerautors Antonio MuÇoz Molina in El Pa†s –1690 zu kritisieren: »Ich teile die Kritik an einer gewissen opportunistischen Schieflage, in die die Rückgewinnung der Zeit des Bürgerkriegs in den letzten Jahren gerät, an einer tendenziösen offiziellen Theatralität, die eine (historische) Wahrheit vergisst, die weitaus schwieriger, vertrackter ist und moralische Schattierungen hat, die wenig gemein haben mit der manichäischen aktuellen Wiedererfindung.«1691

Über die Kritik an einer Instrumentalisierung der jüngeren Vergangenheit hinaus lässt sich zunächst einmal mehr die Vermischung von Bürgerkrieg und Nachkriegszeit bei Bezugnahmen auf die jüngere Vergangenheit konstatieren. Zudem wirft Bernal Los girasoles ciegos ›Manichäismus‹ vor. Dabei entfaltet sich die Handlung von Cuerdas Film eben in der Zeit nach dem Krieg, im franquistischen ›Neuen Staat‹, in der sich schwerlich von einer Schuld ›beider Seiten‹ sprechen lässt.1692 Bernals Urteil verdeutlicht, dass eine Sicht auf die franquistische Nachkriegszeit als ›Bürgerkriegszeit‹ dem Versuch geschuldet ist, das Credo des todos fuimos culpables auf die Phase des frühen Franco-Regimes hin auszudehnen.1693

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»Ich will einfach nur leben.«1694

Besonders jüngere spanische Historiker bringen mittlerweile verstärkt »neue Interpretationsmuster und kulturgeschichtliche Ansätze zur Analyse der Kriegserfahrung, des Franquismus und der sozialen und politischen Mobili1689 Zum Vorstoß des Untersuchungsrichters Baltasar Garzûn s. kapitel 7.3 1690 Vgl. El Pa†s (06. 09. 2008). Zur Kritik MuÇoz Molinas s. resümee. 1691 Bernal (2008), S. 18: »Estoy de acuerdo en la cr†tica a cierto sesgo interesado que la recuperaciûn del periodo de la Guerra Civil est‚ tomando en los fflltimos aÇos, a una tendenciosidad teatral y oficial que olvida una verdad (histûrica) mucho m‚s dif†cil, intrincada y con tonalidades morales que poco tuvieron en comffln con la actual reinvenciûn maniquea.« Zum Gebrauch des Begriffs ›manichäisch‹ s. Kapitel 3.2. Problematisch erscheint zudem Bernals Auffassung, es gebe die »eine (historische) Wahrheit«. 1692 S. kapitel 4.1.1. 1693 S. hierzu auch kapitel 5.3. 1694 Silencio roto, 01:26:30 – 01:26:32: »Solo quiero vivir.«

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sierung, der Konsensbildung und der Formen des sozialen Widerstandes«1695 in die wissenschaftliche Diskussion ein. Dabei bleibt das Thema des sozialen Rückhalts, auf den die franquistische Diktatur bauen konnte, auch im Spanien des neuen Jahrtausends ein heikles, da schambesetztes Thema.1696 Primär war die Repression das Instrument, dessen sich das Franco-Regime bediente, um mittels Terror eine Demobilisierung, (passiven) Konsens oder eine aktiv kollaborative Haltung bei Vertretern der spanischen Bevölkerung zu erreichen. Der Scheinlegalität zum Trotz, die mit der Institutionalisierung der Repression im franquistischen ›Neuen Staat‹ eingeführt wurde,1697 war »[d]ie Willkür, mit der vorgegangen wurde, […] beabsichtigt, denn sie unterstützte die Ziele der Repression, indem sie das Angstgefühl innerhalb der Bevölkerung verstärkte«1698. In diesem Sinne stellte die Repression einen Dreh- und Angelpunkt für Francos erfolgreichen Machterhalt dar, da der Franquismus eben nicht durch eine Massenbewegung – wie in Nazi-Deutschland – an die Macht gekommen war und ebenso wenig für eine ausgereifte Ideologie stand.1699 Schon in einigen Kinospielfilmen des Spät- bzw. Postfranquismus tauchen vereinzelt Figuren auf, die entweder für eine demoralisierte, gebrochene Haltung stehen, wie der in der Nachkriegszeit in einem inneren Exil vor sich hin lebende Familienvater in El esp†ritu de la colmena (Der Geist des Bienenstocks; ES 1973), oder die ihrem eigenen Wohlergehen oberste Priorität einräumen, wie der inmitten des Bürgerkriegs Hamster züchtende Familienvater in Las largas vacaciones del 36 (Long Vacations of 36; ES 1976). In publikumswirksamen spanischen Kino- und TV-Produktionen seit 1996 sind es neben kindlichen Protagonisten, die aufgrund eines als zäsurartig inszenierten Einbruchs der Gewalt selbst zu Tätern werden,1700 weiterhin erwachsene Nebenfiguren, anhand derer das Thema der Kollaboration angeschnitten wird. In Montxo Armend‚riz’ Kinospielfilm Silencio roto (Broken Silence; ES 2001) ist der Fokus auf unterschiedliche Formen der Kollaboration mit dem franquistischen Schreckensregime der Nachkriegszeit vergleichsweise deutlich und NfflÇez Seixas (2010a), S. 31. Vgl. Humlebæk (2003), S. 179. Vgl. Aguilar Fern‚ndez (2006a), S. 316 f. Zu den unterschiedlichen Phasen der Repression s. ausführlicher Kapitel 4.1.1. Collado Seidel (2010), S. 188. Vgl. Cazorla (2002), S. 308 f.; Godicheau (2005), S. 219; Del Arco Blanco (2009), S. 249 f. und 260 – 264; Prada (2010), S. 117 und 359 f. Zum Franquismus s. ausführlich unter kapitel 4.3.1. Nach den Planes de Estabilizaciûn (dt.: »Stabilitätsplänen«) von 1959 verhalfen steigende Einkommen und ein insgesamt verbesserter Lebensstandard in Spanien dem Rückhalt für das Franco-Regime zu einem Aufschwung: Vgl. Tremlett (2006), S. 46. Der wirtschaftliche Aufschwung im Spätfranquimus erklärt unter anderem, warum die Franco-Diktatur in Umfragen weiterhin ambivalent beurteilt wird: Vgl. Vega Garc†a (1997), S. 37 f. S. kapitel 3.1. 1700 S. kapitel 4.3.2.

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umfassend. Die Figur Sol¦, die junge Frau eines cabo (dt.: »Gefreiten«), kann sich mit der repressiven Gewalt nicht identifizieren, wie die guardia civil sie in einem Bergdorf ausübt. Sie will lediglich ein ruhiges, geregeltes Leben führen.1701 An einer Stelle des Films entschuldigt sie das Amt ihres Ehemannes wie folgt: Er sei nicht hier, weil es ihm so gut gefalle, sondern weil es in ihrem Heimatdorf keine Arbeit gebe.1702 Als entsprechend wenig ideologisch borniert wird Tom‚s zu einem späteren Zeitpunkt des Films charakterisiert: Sol¦s Mann hilft der Protagonistin Luc†a, die sich auf dem Weg zu antifranquistischen Widerstandskämpfern befindet, indem er sie als Nichte eines Regimetreuen identifiziert, anstatt sie zu verraten.1703 An einer späteren Stelle des Films erschießen die guerrilleros Tom‚s, was Sol¦s Haltung ändert. Zeigt sie zu Beginn des Films noch eine gewisse Gesprächsbereitschaft und Empathie für Luc†a, der sie sogar Informationen zukommen lässt, so wird Sol¦ spätestens gegen Ende des Films als abgehärtet und kalt dargestellt: »Man gewöhnt sich an alles.«1704 So wie ihr Mann laut ihrer Aussage bloß Befehle erfüllte,1705 so hat auch sie sich damit abgefunden zu folgen, ohne zu hinterfragen. Den Systemkonformen gehe es schließlich inzwischen wirtschaftlich ja auch wieder besser, wie Sol¦ sich gegen Ende des Films äußert, das 1948 spielt.1706 Die Darstellerin, die in Silencio roto die Figur der Sol¦ verkörpert, sieht sich in einem auf der Kauf-DVD enthaltenen Interview offenbar zur Rechtfertigung gezwungen: Sol¦ sei keine politisch Überzeugte, sondern ›auf der anderen Seite‹ gelandet aus Liebe zum cabo. Dies sieht die Schauspielerin als Analogie zur Figur der Protagonistin Luc†a, die aufgrund ihrer Gefühle zu einem maquis die Widerstandskämpfer unterstützt, was wiederum eine strukturelle Symmetrie zwischen den Vertreterinnen ›beider Seiten‹ suggeriert.1707 Eine weitere Figur in Silencio roto, die sich letzten Endes für eine aktive Kollaboration mit den Franquisten entscheidet, da sie unter der ständigen Angst vor repressiven Maßnahmen und dem Verlust ihrer Nächsten zerbricht, ist Lola, Tochter und Schwester eines Widerstandskämpfers. Zu Beginn des Films steht Lola eindeutig auf Seiten ihrer Familie und gehört zu einer der überzeugtesten Unterstützerinnen der maquis. So berichtet sie Luc†a angewidert von den Denunziationen eines regimetreuen Dorfbewohners. An späterer Stelle des Films überlegt sie sich gar eine Aktion, die zum Tod des Sohnes des örtlichen secretario 1701 Bestimmte Regeln müssten respektiert werden, darauf beharrt Sol¦ gegenüber der Protagonistin Luc†a: Vgl. Silencio roto, 01:04:02 – 01:04:13. 1702 Vgl. ebd., 01:03:46 – 01:03:56. 1703 Vgl. ebd., 01:26:52 – 01:27:53. 1704 Ebd., 01:30:38 – 01:30:40: »Uno se acostumbre a todo.« 1705 Vgl. ebd., 01:04:10 – 01:04:17. 1706 Vgl. ebd., 01:28:50 – 01:28:52. 1707 Vgl. ebd., DVD-Extras, Entrevistas, 00:04:58 – 00:05:10. S. kapitel 4.2.1.

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führt, da sie den Provokationen seitens der Franquisten aktiv begegnen will. Andererseits ist sie von Anfang an unglücklich mit ihrem Leben im Dorf und sehnt sich nach etwas Besserem. Nachdem ihre Mutter wie auch ihr Freund infolge der kontinuierlichen Auseinandersetzung mit den guardias civiles zu Tode kommen, verändert sie sich, ist resigniert und verbittert. Gegen Ende des Films wird angedeutet, dass sie zwei Unterstützer der guerrilla verraten hat, darunter Luc†as Tante Teresa. Als Luc†a sie zur Rede stellt, antwortet Lola: »Für mich sind sie alle tot. Denke nicht, dass ich ein Feigling bin. Ich will einfach nur leben. Nur das.«1708 Rezensent Carlos F. Heredero erklärt Lolas Verhalten »aus der Notwendigkeit, die Barbarei zu überleben«1709. Die Praktik der Denunziation spielt eine hervorgehobene Rolle in Silencio roto und wird hauptsächlich mit dem Begleichen ›alter Rechnungen‹ begründet, die aus emotionalen Verstrickungen herrühren.1710 So meldet sich Alfredo, der Sohn des secretario der Falange, bei einer Befragung freiwillig, bei der ein teniente (dt.: »Leutnant«) der guardia civil die Dorfbewohner offiziell zur Denunziation anhält. Aus Rache für vorherige Beleidigungen und Missachtung denunziert er Personen, die an einer vorherigen Aktion der Widerstandskämpfer beteiligt waren.1711 Luc†a, für die er eine Schwäche hat, spart er dabei bewusst aus, nicht ohne sie vorher seine Macht spüren zu lassen. Luc†as Onkel Cosm¦ wiederum belastet den ehemaligen republikanischen Lehrer Don Hilario nicht zuletzt deshalb schwer, weil dieser zu Kriegszeiten eine Affäre mit Cosm¦s Frau Teresa hatte. Am Ende des Films denunziert Cosm¦ aus Eifersucht sogar seine eigene Frau, die ihren früheren Liebhaber versteckt hielt,1712 sowie seine Nichte. Cosm¦s Willen, seinen Nächsten zu schaden, lässt sich daher weniger ideologischen Überzeugungen zurechnen als vielmehr persönlichen Motiven. Folgerichtig stellt Heredero heraus, dass vergangene Blessuren und Ereignisse in Silencio roto eine nicht unerhebliche Rolle für die Entwicklung der Handlung in der Filmgegenwart spielen.1713 Dies läuft einerseits einer vereinfachenden Sicht auf den Bürgerkrieg als einer voraussetzungslos ›hereinbrechenden‹ ›Katastrophe‹ zuwider und trägt gleichzeitig dazu bei, ›einfache‹ Vertreter der spanischen Bevölkerung nicht bloß als Opfer, sondern auch als Beteiligte an der franquistischen Repression zu perspektivieren. Andererseits birgt der Fokus auf die 1708 Silencio roto, 01:26:06 – 01:26:34: »Para m†, est‚n todos muertos. […] No piensas que soy un cobarde. Solû quiero vivir. Solû eso.« 1709 Heredero (2001b), S. 42: »por la necesidad de sobrevivir a la barbarie«. Zur Bedeutungsdimension, auf die das Wort »Barbarei« verweist, s. Fußnote 1174. 1710 Vgl. Heredero (2001c), S. 44. 1711 Vgl. Silencio roto, 00:55:09 – 00:55:18 sowie 00:54:59 – 00:55:07. 1712 Im letzten Drittel des Films wird Don Hilario aus Furcht vor weiteren repressiven Maßnahmen zum topo (dt.: »Maulwurf«) – ein Motiv, dem in Los girasoles ciegos filmintern mehr Raum gewährt wird, s. kapitel 6.1. 1713 Vgl. Heredero (2001b), S. 40.

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malos quereres (dt.: »schlechten Gelüste«) einzelner Verwandter und Anwohner die Gefahr, dass im Gegenzug die zunehmende Institutionalisierung und Systematisierung unterschlagen wird, die die Repression unter Franco erlangte.1714 Die Praxis der Denunziation wird in publikumswirksamen Kino- und Fernsehproduktionen seit 1996 häufiger konkret inszeniert, was der wissenschaftlichen Erkenntnis Rechnung trägt, dass Denunziationen den »Hauptmotor«1715 der franquistischen ›Rechtsprechung‹ konstituierten. So endet beispielsweise Los girasoles ciegos (The Blind Sunflowers; ES 2008) mit der Denunziation des Diakons Salvador, der – wie Cosm¦ in Silencio roto – weniger aus ideologischen oder rationalen Überlegungen handelt, sondern emotional aus Enttäuschung und Rache.1716 Dennoch deutet die Figur Cosm¦ in Silencio roto zumindest an, dass Denunziation der direkteste und deutlichste Weg war, Treue und Loyalität gegenüber dem Franco-Regime zu demonstrieren, besonders für Familien mit ›roten‹ Angehörigen.1717 Dies gelangt in dem Kinospielfilm Las 13 rosas (13 Roses; ES-IT 2007) deutlicher zur Darstellung. Hier endet die Protagonistin Blanca im Gefängnis, weil die Schwiegermutter wie auch die Schwägerin ihres Bekannten Juan dem Aufruf zur Denunziation Folge leisten, der im Radio gesendet wurde. Sie sagen aus eigenem Antrieb am örtlichen Hauptsitz der neuen Machthaber aus, sie hätten Blanca gemeinsam mit dem Kommunisten Juan gesehen. Dabei sei sogar über Waffen gesprochen worden, was dem Filmnarrativ zufolge eine Lüge ist. Ihre Motivation zur Denunziation wird filmintern mit ihrer Angst davor begründet, selbst zur Rechenschaft gezogen zu werden, sollten sie etwas verheimlichen. Darüber hinaus legt die Schwiegermutter Juan zur Last, ihrer Tochter Flausen in den Kopf gesetzt zu haben.1718 Dies verleiht ihrer Entscheidung zur Denunziation wiederum einen persönlich motivierten Hintergrund. An einer anderen Stelle des Films erfährt eine der Nebenfiguren namens Teo von seiner Nichte, dass seine Eltern von einer Nachbarin denunziert und verhaftet worden sind. Dabei droht ihm die Nichte im Anschluss, dass sie persönlich die Polizei rufen werde, sollte er noch einmal bei ihr auftauchen.1719 Als Teo über die Dächer flüchtet, hastet er an einer Frau vorbei, die dort gerade Wäsche aufhängt. Er gibt ihr zu verstehen, sie solle ihn bitte nicht verraten, was sie aber sofort lauthals und gestenreich tut, als die Polizei ebenfalls auf dem Dach 1714 1715 1716 1717

Vgl. Fern‚ndez de Mata (2010), S. 289; Prada (2010), S. 211. Prada (2010), S. 362: »motor principal«. S. kapitel 4.3.2.2. Vgl. Prada (2010), S. 360. Die Repression lässt demnach Abgründe innerhalb von Lebensgemeinschaften und sogar Familien entstehen oder vertieft bereits bestehende, s. kapitel 2.1. 1718 Vgl. Las 13 rosas, 00:23:46 – 00:25:24 sowie 00:38:27 – 00:39:38. 1719 Vgl. ebd., 00:28:49 – 00:29:47.

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auftaucht. Teo wird festgenommen und unter der Folter selbst zum Verräter. Er zieht im Auftrag und in Begleitung des ›Urbösen‹ des Films, des falangistischen capit‚n Fontenla, durch Madrid und liefert ihm seine ehemaligen Gefährten aus.1720 Regisseur Emilio Mart†nez-L‚zaro wollte eigenen Aussagen zufolge die albtraumhafte Atmosphäre sowie die Notwendigkeit darstellen, andere zu verraten, um selbst zu überleben.1721 Neben Angst und Folter wird in Las 13 rosas somit ›Überlebenswille‹ als Beweggrund dafür geliefert, weswegen spanische Bürger sich für die franquistische Propaganda empfänglich zeigten. So vermögen es die Protagonistinnen selbst wegen des allgemein verbreiteten Hungers an einer Stelle des Films nicht zu widerstehen. Als Flugzeuge des nationalen Lagers zur Unterminierung der Moral der ausgehungerten madrilenischen Zivilbevölkerung Brote über der belagerten Stadt abwerfen, stopfen sie es hastig in sich hinein, trotz anfänglicher Bedenken.1722 Die Obrigkeitshörigkeit, die unerschütterliche Gutgläubigkeit und der Kadavergehorsam eines sargento (dt.: »Feldwebel«) der guardia civil werden in Las 13 rosas hingegen vergleichsweise deutlich kritisiert.1723 Bei der Figur des sargento handelt es sich um den Vater einer der Protagonistinnen, der während des Bürgerkriegs Teil der Guardia Nacional Republicana (dt.: »Republikanische Nationalgarde«) war. Mit dem Sieg Francos und dem Ley de las responsabilidades pol†ticas, auf das der Film eindeutig Bezug nimmt,1724 werden er und die Seinen degradiert und unehrenhaft aus dem Militärdienst entlassen. Einer seiner Untergebenen protestiert, sie hätten doch nur Befehle befolgt. Der sargento beruhigt ihn mit den Worten, dass sie dann auch nichts zu befürchten hätten.1725 1720 Juan indes, der kommunistische Bekannte Blancas, begeht im Folterkeller Selbstmord, um zu verhindern, dass er selbst zum Verräter wird: Vgl. Las 13 rosas, 01:05:46 – 01:07:00. Zu repressionsbedingten Selbstmorden s. Fußnote 930. Zur Zeichnung der Figur des capit‚n Fontenla s. Kapitel 4.3.1. 1721 Vgl. El Pa†s (04. 08. 2006). 1722 Vgl. Las 13 rosas, 00:07:05 – 00:07:20. Der gleiche Slogan, der auf den Brottüten aufgedruckt ist und der die vermeintlich perfekte Versorgungslage der Bevölkerung im ›Nationalspanien‹ propagandistisch überhöht, skandiert in El laberinto del fauno (Pans Labyrinth; ES-MX 2006) ein guardia civil, während die Dorfbewohner um ihre drastisch rationierten Lebensmittel anstehen – ein zynischer Kommentar : Vgl. El laberinto del fauno, 00:44:28 – 00:45:08. 1723 Der Kadavergehorsam von Angehörigen der aufständischen Truppen wurde bereits in Libertarias (Freedomfighters; ES-IT-BE 1996) auf periphere Weise anhand einer Figur kritisiert, die es vorzieht, sich zu erhängen, statt in die Hände der republikanischen ›Rückeroberer‹ zu fallen. In El laberinto del fauno (ES-MX 2006) kritisiert die Figur des Arztes den blinden Gehorsam des Hauptmanns Vidal: »Gehorchen nur um des Gehorchens Willen, einfach so, ohne darüber nachzudenken, das machen nur Leute wie Sie, capit‚n.«: Ebd., 01:21:06 – 01:21:15: »Es que obedecer por obedecer, as†, sin pensarlo, eso solo lo hace gente como Usted, capit‚n.« 1724 Zum Ley de responsabilidades pol†ticas s. ausführlicher kapitel 4.1.1. 1725 Vgl. Las 13 rosas, 00:17:36 – 00:18:17.

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Später wird er auf grausame Art und Weise eines Besseren belehrt, als er sich mit seiner Tochter zu einem Verhör im Kommissariat einfinden muss1726 und das, obwohl er sie kurz zuvor aus Sicherheitsgründen in das Dorf der Großeltern gebracht hat. Seine Tochter indes zeigt vollstes Verständnis für die Handlungen ihres Vaters, der nur Befehle befolge, so auch ihre ihn entschuldigende Erklärung.1727 Dieses filmintern mehrfach betonte Entlastungsnarrativ dient dazu, den Kontrast zu der brutalen ›Befragung‹ durch die franquistischen Behörden zu erhöhen, die sie wenig später zu erleiden hat, eben weil ihr Vater und nicht zuletzt sie selbst blind Befehle befolgten. Bei den Falangisten, die im Kommissariat das Regiment führen, ist dem Filmnarrativ zufolge der Glaube des Vaters an Ehre, Versprechungen und Abmachungen nichts mehr Wert. Seine Tochter wird gefoltert, inhaftiert und wie alle anderen Protagonistinnen am Ende des Films hingerichtet. Der unerschütterliche und unhinterfragte Wille des sargento, stets Befehle zu befolgen, wird in Las 13 rosas somit eindeutig kritisiert. Entsprechend urteilt der Filmrezensent Bejarano, der sargento sei eine »schreckliche Figur, vergleichbar mit so vielen anderen, deren gewissenhafte Befolgung der Befehle so viel Blutvergießen in Spanien verursacht hat«1728. Eine weitere Figur, die in Las 13 rosas als Befehlsempfängerin im franquistischen Regime fungiert und dabei mit beträchtlich mehr Macht ausgestattet ist als der degradierte sargento, ist eine weibliche: die Direktorin des Frauengefängnisses, DoÇa Carmen.1729 Zwar erscheint sie zunächst als unsympathisch und – im Einklang mit der in spanischen Kino- und TV-Produktionen bekannten Zeichnung der Täter als ›monströs-bestialisch‹ –1730 ansatzweise grausam. Ihr macht es sichtlich Spaß, ihre Gefangenen zu demütigen oder demütigen zu lassen.1731 Andererseits ist sie sich der Überfüllung ihrer Anstalt bewusst: 1726 Vgl. ebd., 00:56:34 – 00:58:03. 1727 Vgl. ebd., 00:52:05 – 00:52:11. 1728 Bejarano (2008), S. 220: »terrible personaje, equiparable a tantos otros cuyo escrupuloso cumplimiento de las ûrdenes provocû tanto derramamiento de sangre en EspaÇa«. Der Schauspieler Jos¦ Manuel Cervino, der den sargento verkörpert, erhielt dafür Anfang 2008 einen Goya als ›Bester Nebendarsteller‹. 1729 Die Figuren der Direktorin sowie der Wärterinnen im in Las 13 rosas dargestellten Frauengefängnis sind deshalb interessant, weil sie – wenngleich nur ansatzweise – Frauen auf der Täterseite zeigen, was im Hinblick auf die hier untersuchten audiovisuellen ›Kernquellen‹ ein Novum darstellt. Die Gefängnisdirektorin in Las 13 rosas wird verkörpert von Goya Toledo, die zum Zeitpunkt des Filmstarts im spanischen wie auch internationalen Business profilierteste der an dem Projekt beteiligten Schauspielerinnen. 1730 S. kapitel 4.3.1. 1731 Vgl. Las 13 rosas, 01:08:58 – 01:10:40. Dabei scheint sie – ähnlich wie capit‚n Fontenla – auch eine sexuelle Lust zu motivieren, was die Figur, ebenso wie einige der dargestellten Wärterinnen, pejorativ als latent ›lesbisch‹ konnotiert. Über die Tatsache, dass DoÇa Carmen ständig einen deutschen Schäferhund mit sich führt, erscheint sie zudem latent ›faschistisiert‹.

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»Das kann so nicht weitergehen.«1732 Darüber hinaus wird sie gar als eine Figur gezeichnet, die – so das Filmnarrativ, einer Entschuldungsrhetorik folgend – unter den Entscheidungen litt, die sie als Befehlsempfängerin ausführen musste. Angesichts ihres Faibles für eine der Inhaftierten ›lernt‹ sie. Zeigte sich DoÇa Carmen zunächst überzeugt von der Richtigkeit der franquistischen ›Rechtsprechung‹,1733 so führt ihre Sympathie für die gläubige Katholikin Blanca dazu, dass sie die 13 rosas gegen Ende des Films tatkräftig beim Abfassen ihrer Gnadengesuche an die Adresse Francos unterstützt.1734 Blanca sichert sie sogar zu, einen informe favorable (dt.: »vorteilhaften Bericht«) über sie und ihren Mann zu schreiben. Die Direktorin ist mit Tränen in den Augen sichtbar erschüttert, als es darum geht, die jungen Frauen anlässlich der bevorstehenden Exekution zu wecken.1735 Eine der Minderjährigen, die sie verzweifelt um Gnade anfleht, küsst sie sogar ergriffen auf den Kopf, führt in nächster Sekunde ihre Befehle aber weiter aus.1736 Als die 13 rosas in den Laster steigen, der sie zum Exekutionsort bringen wird, ringt die Direktorin um Fassung, weint.1737 Beim morgendlichen Appell am Tag danach hält sie den Blicken der verschonten Carmen nicht stand. DoÇa Carmen wendet sich ab und verlässt schwankend den Zellentrakt.1738 Das Bild dieser Figur auf Seiten der Täter ist als ambivalent zu bezeichnen, leidet die Gefängnisdirektorin doch offensichtlich unter ihren Taten, was ihr einen gewissen Opferstatus verleiht.1739 Dies verleitet den Kritiker Hilario J. Rodr†guez wiederum dazu, die Direktorin des franquistischen Frauengefängnisses als eine Figur zu beschreiben, die mit repressiver Arbeit beauftragt sei, die sie im tiefsten Innern anwidere.1740 Eine weibliche Figur, die für eine passiv-opportunistische Haltung zum frühfranquistischen Regime steht, findet sich in Guillermo del Toros El laberinto del fauno (Pans Labyrinth; ES-MX 2006): Carmen, die von der Schauspielerin Ariadna Gil verkörperte Mutter der kindlichen Protagonistin Ofelia.1741 Schon zu

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Ebd., 01:14:45 – 01:14:50: »[E]sto no puede seguir as†.« Vgl. ebd., 01:19:00 – 01:19:35. Vgl. ebd., 01:35:30 – 01:37:17. Vgl. ebd., 01:40:19 – 01:40:27. Vgl. ebd., 01:43:22 – 01:43:33. Vgl. ebd., 01:49:07 – 01:49:12. Vgl. ebd., 01:55:34 – 01:56:36. S. kapitel 5.6. Auch die Gefängniswärterinnen werden im Film allesamt in mindestens einer Situation dargestellt, in der sie nicht wie gefühlskalte Unmenschen wirken: Vgl. ebd., 01:13:06 – 01:14:03, 01:21:40 – 01:22:05, 01:37:26 – 01:37:39, 01:40:59 – 01:41:52 sowie 01:48:22 – 01:49:06. Das Gleiche gilt für eine männliche Wache vor Gericht, die Blancas Sohn für ein paar Minuten zu ihr lässt, in denen sie sich umarmen und kurz miteinander reden können: Vgl. ebd., 01:32:00 – 01:32:50. 1740 Vgl. Rodr†guez (2007a), S. 20. 1741 Schauspielerin Ariadna Gil wurde in El laberinto del fauno von Regisseur Del Toro – wie

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Beginn des Films wird sie als schwanger, schwach und kränklich eingeführt. Hauptmann Vidal, ihr zweiter Ehemann, gesteht ihr keinen aktiven Part zu und zwingt sie direkt bei ihrer Ankunft an seinem Stützpunkt in einen Rollstuhl. Außerdem wird sie mit Medikamenten ruhig gestellt, in öffentlichen Gesprächen klein gehalten und gedemütigt, alles in allem also ›debilisiert‹ und außer Kraft gesetzt. In diesem Zustand ist sie unerreichbar für ihre Tochter Ofelia, kann sie nicht beschützen oder ihr zumindest Geborgenheit geben. Dies ist ein Zustand, gegen den Carmen jedoch nicht ankämpft, sondern den sie als Lösung ihrer Probleme annimmt und verstärkt. Sie will dem Hauptmann gefallen, da sie in ihm und seiner Position einen Ausweg aus ihrer Einsamkeit und Misere sieht. Ihr erster Mann, Ofelias leiblicher Vater, starb unter filmintern ungeklärten Umständen zu Beginn des Bürgerkriegs. Infolgedessen suchte Carmen sich einen männlichen ›Beschützer‹ auf Seiten der ›Sieger‹. Entsprechend unterstellen die Ehefrauen der Gäste, die von Vidal zu einem festlichen Abendessen eingeladen sind, Carmen ganz unzweideutig ein planvolles Vorgehen bei ihrer Männersuche.1742 Aus Selbsterhaltungstrieb, Schwäche und Opportunismus hat Ofelias Mutter sich mit Vidal eingelassen, mit dem sie eine Art Handel geschlossen zu haben scheint: Ich gebäre Dir einen Sohn, dafür sicherst Du meiner Tochter und mir unser Überleben. Ihrer Tochter wiederum versucht Carmen Werte zu vermitteln, für die Vidal steht: ein penibel gepflegtes äußeres Erscheinungsbild und Gehorsam.1743 Die ausgeprägte Vorstellungskraft ihrer Tochter bemüht sie sich hingegen einzudämmen, ganz im Sinne von Vidals gefühlskalter Rationalität.1744 Am deutlichsten wird der Wert, den Carmen auf ein äußeres ›weibliches‹ Erscheinungsbild legt, als sie Ofelia eine Überraschung verspricht. Ofelia hofft auf ein Buch, stattdessen schenkt die Mutter ihr ein Kleid und Lackschuhe – was Carmen für etwas viel Besseres als ein Buch hält.1745 Sie bezweckt mit dem Kleid, dass Ofelia dem capit‚n gefällt: »Ich möchte, dass Du wunderhübsch bist, wenn der Hauptmann Dich sieht.«1746 Den Anweisungen des Hauptmanns folgt Carmen bis in den Tod, symbolisiert durch eine ›magische‹ Wurzel: Er befiehlt ihr, die Wurzel zu verbrennen, obwohl es Carmen damit besser ging. Indem sie seiner Anordnung Folge leistet, bringt sie sich praktisch selbst um, weil sie sich und ihren Glauben an Besserung selbst verleugnet. Kurz vor ihrem Tod bläut sie ihrer Tochter ein: »Die Welt ist ein grausamer Ort. Und das wirst Du lernen, auch wenn

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auch Maribel Verdffl (s. Fußnote 1444) – against type besetzt: Gil spielt normalerweise unabhängige, unangepasste, starke Frauen und keine passiven Opportunistinnen. Vgl. El laberinto del fauno, 00:39:45 – 00:40:15. S. kapitel 4.3.1. Entsprechend liegt die Kraft der Auflehnung gegen Vidals ›faschistisiertes‹ Terrorregime in der Imagination begründet, s. kapitel 5.3. Vgl. El laberinto del fauno, 00:25:27 – 00:26:06. Ebd., 00:27:08 – 00:27:10: »Quiero que est¦s preciosa cuando te vea el capit‚n.«

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es weh tut.«1747 Die Figur Carmen dient somit deutlich als Inkarnation der Selbstaufgabe und der Hoffnungslosigkeit.1748 Schauspielerin Ariadna Gil beschreibt Ofelias Mutter entsprechend als eine passive, resignierte Figur, die sich ihrem Schicksal vollkommen überlässt ohne aufzubegehren. Carmen sei ein Sinnbild für jene Frauen der damaligen wie der heutigen Zeit, die alles verloren haben. Gil bezeichnet Ofelias Mutter gar als »das gewaltige Opfer des Films«1749, für die der Tod letztlich eine Befreiung darstelle. Die Tendenz, kollaborierende Vertreter der spanischen Zivilbevölkerung zu den Opfern zu zählen, ließ sich zuvor bereits in Regisseur Jos¦ Luis Cuerdas La lengua de las mariposas (Butterfly Tongues; ES 1999) konstatieren. Die Literaturadaption La lengua de las mariposas besteht mehrheitlich aus einem von Nostalgie geprägten, idyllischen Bild der Zweiten Republik.1750 Dies erweist sich gegen Ende des Films als trügerisch. Um die eigene Haut zu retten, wird ein Großteil der Bewohner in dem Dorf, in dem sich die Handlung vollzieht, zu aktiven Kollaborateuren der in Galicien siegreichen Aufständischen. So verbrennt die Mutter des achtjährigen Protagonisten Moncho, die im Verlauf der Handlung trotz ihres katholischen Glaubens selbst durch vereinzelte kenntnisreiche, republikfreundliche Äußerungen und Aktivitäten auffiel,1751 zunächst Poster, Zeitungen und das Parteibuch des republikanischen Vaters. Danach schärft sie ihren Kindern ein, worüber Stillschweigen gewahrt werden muss. Sie wacht darüber, dass alle Familienmitglieder sich herausputzen für die sonntägliche Messe. In der Schlusssequenz schließlich drängt sie ihre Familie dazu, es den anderen gleichzutun und gefangen genommene Dorfbewohner zu beschimpfen – darunter Monchos geliebter Lehrer Don Gregorio, der gemeinsam mit weiteren unliebsam gewordenen ›Roten‹ offenbar zur Exekution abgeführt wird.1752 Angeleitet durch die pragmatisch handelnde Mutter liegt die Motivation der im Zentrum der filmischen Handlung stehenden Familie offenbar in der Angst vor Repressalien und in einem damit einhergehenden Überlebenswillen 1747 Ebd., 01:20:04 – 01:20:12: »El mundo es un lugar cruel. Y eso vas a aprenderlo aunque te duela.« 1748 Die Figur Carmen kontrastiert in diesem Sinne stark mit Mar†a aus Libertarias (ES-IT-BE 1996, s. kapitel 2.2), Luc†a aus Silencio roto (ES 2001, s. kapitel 4.2.1) und Blanca aus Las 13 rosas (ES-IT 2007, s. kapitel 5.5), die sich gerade dadurch auszeichnen, dass sie die Hoffnung auf eine ›bessere Welt‹ niemals aufgeben. 1749 Ariadna Gil, zit. n.: ABC de Sevilla (13. 10. 2006b), S. 64: »la grand†sima v†ctima de la pel†cula«. 1750 S. kapitel 3.2. 1751 Vgl. La lengua de las mariposas, 00:16:20 – 00:16:36 sowie 00:54:34 – 00:55:25. 1752 Das Abführen ›roter‹ Gefangener und deren Schmähung erfolgt direkt vor dem sonntäglichen Gottesdienst. Das Verhalten der Dorfbewohner gegenüber den Festgenommenen dient demnach nicht zuletzt dazu, deren vermeintlich christliche Überzeugungen als pure Fassade zu entlarven. Der örtliche Priester fährt mit den Falangisten zum Erschießungsort. S. auch kapitel 4.3.2.2.

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begründet. Der achtjährige Moncho hingegen kann die Vorgänge in ihrer Gesamtheit unmöglich verstanden haben. Während Kinder per se als unschuldig gelten,1753 so wird der Topos der Unerfahrenheit und Unschuld im Falle Monchos narrativ noch dadurch verstärkt, dass er ziemlich fragil ist und aufgrund seiner Asthma bedingt schlechten gesundheitlichen Konstitution sogar später eingeschult wird.1754 Gleich einem aus dem Nest gefallenen Vogel – Moncho trägt nicht zufällig den Spitznamen gorriûn (dt.: »Spatz« oder »Sperling«) – erkundet er seine Umwelt zunächst ängstlich. Aufgrund seiner vorherigen, krankheitsbedingten Isolation steht Moncho der Umwelt völlig unbedarft gegenüber und gleicht einem leeren Gefäß, das zunächst sein republikanischer Lehrer, später aber seine zu Mitläufern mutierten Eltern nach Belieben füllen. Moncho wird am Filmende selbst zum ›Täter‹,1755 wobei angesichts seiner krankheits- wie auch altersbedingten Unreife von persönlicher Schuld kaum die Rede sein kann.1756 Problematisch erscheint diese Darstellung deshalb, weil sie ein Entlastungsnarrativ bereit hält, demzufolge die Kraft, die das Verhalten der Spanier zu diesem Zeitpunkt diktierte, ›außen‹, in ihrer Umwelt, in der Geschichte Spaniens selbst liegen muss. Wie Moncho sahen sie sich »gefangen in den Wechselfällen der spanischen Geschichte«1757. Protagonist und Perspektivträger Moncho dient in La lengua de las mariposas als Inkarnation des Durchschnittsspaniers, der ohne eigenes Verschulden zum Opfer nicht näher spezifizierter ›äußerer Umstände‹ wurde, die plötzlich über ihn hinwegfegten.1758 Letzteres suggeriert, dass der ›einfache‹, in Anlehnung an den Jungen Moncho in Demokratie nicht geübte und unerfahrene Spanier sich bei Ausbruch des Kriegs einem externen Konflikt mit ›katastrophalen Dimensionen‹ ausgeliefert sah, der über ihn ›hereinbrach‹ und der ihn verwerflich 1753 S. kapitel 4.3.2. 1754 Dies stellt eine Veränderung der literarischen Vorlage durch den Drehbuchautor Rafael Azcona dar, die als Anspielung auf die späte Demokratisierung Spaniens verstanden werden kann: Vgl. Macciuci (2008). Zu Azcona s. Fußnote 1670. 1755 S. kapitel 4.3.2.1. 1756 Vgl. Gûmez Lûpez-QuiÇones (2006), S. 220. Im Zusammenhang mit vermeintlicher ›Unreife‹ impliziert eine auf die historische Phase der Zweiten Republik angewandte Metapher der Kindheit nicht nur positive Lesarten, s. kapitel 3.1. 1757 Lamet (2000), S. 349: »atrapado por los avatares de la historia de EspaÇa«. 1758 Die Funktion der zuvor in Libertarias (ES-IT-BE 1996) agierenden Protagonistin Mar†a lässt sich ganz ähnlich beschreiben, s. kapitel 2.2. Als Analogie zu der über die Dorfbewohner ›hereinbrechenden‹ ›Katastrophe‹, mit der das Filmende aufwartet, fungiert in La lengua de las mariposas ein Wolkenbruch, der die örtliche Karnevalsfeier jäh beendet. An dieser Darstellung ist aus historischer Perspektive zu problematisieren, dass der Bürgerkrieg nicht etwa ›plötzlich‹ über die spanische Bevölkerung hereinbrach, sondern es im Frühjahr 1936 vielmehr ein offenes Geheimnis war, dass ein Militärputsch vorbereitet wurde – was ebenfalls gegen die deterministische Logik einer ›Unausweichlichkeit‹ des Konflikts spricht: Vgl. Romero Salvadû (2005), S. 57 und 59; Graham (2008), S. 37.

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handeln ließ.1759 In diesem Sinne verkörpert Moncho beispielhaft eine seit der Versöhnungsrhetorik der transiciûn prominente Dialektik, die zwischen ›wir waren alle Opfer‹ und ›wir waren alle Täter‹ changiert.1760 Regisseur Cuerda sieht die Figuren in seinem Film trotz ihrer aktiven Kollaboration in den Repressionsmaßnahmen der Aufständischen bezeichnenderweise alle als Opfer.1761 Darüber hinaus ermöglicht die Tatsache, dass auf konkrete soziopolitische Hintergründe des Konflikts in Cuerdas Darstellung – wie in den meisten der bisher betrachteten Fiktionen – nur indirekt verwiesen wird,1762 eine überkommene, von der franquistischen Propaganda perpetuierte Lesart. Ihr zufolge war der demokratisch-republikanische Geist unter den Bewohnern des galicischen Provinzdorfes nicht ausgeprägt genug, um die im Verlauf der Filmhandlung angedeuteten ›Leidenschaften‹ erfolgreich unterbinden zu können, die sich zum Teil in unkontrollierter Gewalt entladen und letztlich sogar auf die Unschuldigsten übergreifen. Die Zweite Republik könnte somit durch die in dem Film La lengua de las mariposas erfolgende Darstellung als ein System gelesen werden, in dem das ›unregierbare‹ Wesen der Spanier überhand nehmen konnte und den Putsch als Vorwand nutzte, um den ›vertrauten Dämonen‹ ungezügelten Lauf zu lassen. Durch den Rückgriff auf die Topoi der den Spaniern angeblich innewohnenden ›Leidenschaftlichkeit‹ und ihrer ›Unregierbarkeit‹ wird der Ausbruch des Spanischen Bürgerkrieg somit nachvollziehbar.1763 Da die Spanier diesen Topoi zufolge nicht Herr ihrer Gefühle sind, mündet diese Lesart in einer umfassenden Entschuldungsrhetorik. Cuerda spricht im Hinblick auf das Ende seines Films La lengua de la mariposas bezeichnenderweise von »Situationen, in denen man seine Selbstachtung herunterschlucken muss und der Befehlshaber schuld daran ist«1764. Damit formuliert Cuerda ein euphemisti1759 Entsprechend liest Schriftsteller Manuel V‚zquez Montalb‚n Cuerdas Film gar als Zusammenfassung der »Tragödie« der spanischen Republik: El Pa†s (18. 10. 1999): »tragedia«. Vgl. El Pa†s (24. 09. 1999), S. 51; Crusells (2006), S. 308; Navarrete (2009), S. 168. Regisseur Cuerda selbst bezeichnet den Stoff seines Filmes in einem Interview als »Tragödie«: Jos¦ Luis Cuerda; zit. n.: MuÇoz, Diego: »El cine que olvida la conciencia del espectador me parece fascista.« In: La Vanguardia (24. 09. 1999a), S. 56: »tragedia[s]«. Diese Anlehnungen an den Begriff der »Tragödie« implizieren, die Zweite Republik habe sich quasi zwangsläufig auf ihr ›katastrophales‹ Ende zu bewegt – ein aus historischer Warte problematisches Bild, s. kapitel 3.1. 1760 S. kapitel 4.3.2.1. 1761 Vgl. El Pa†s (24. 09. 1999), S. 51. Dies entspricht einer Sicht auf die jüngere Vergangenheit, wie Cuerda sie auch im Zusammenhang mit seinem späteren Film Los girasoles ciegos (The Blind Sunflowers; ES 2008) äußerte. S. kapitel 6.1. 1762 Für Dialogbeispiele aus La lengua de las mariposas, die auf den soziopolitischen Kontext Bezug nehmen, s. kapitel 3.2. 1763 S. kapitel 3.1. Am deutlichsten verkörpert in La lengua de las mariposas die Täterfigur O’Lis die ›vertrauten Dämonen‹, s. kapitel 3.2. 1764 Jos¦ Luis Cuerda; zit. n.: Caparrûs Lera (2001), S. 67: »Situaciones en las que, por culpa de un jefe, uno est‚ obligado a tragarse la autoestima«.

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sches Entlastungsnarrativ, nach dem ›gewöhnliche Leute wie Du und ich‹ erst aufgrund der Befehle eines Vorgesetzten schuldig würden – dabei taucht in seinem Film kein erkennbarer Befehlshaber auf. Ähnlich meint der einflussreiche Schauspieler Fernando Fern‚n Gûmez, der in La lengua de las mariposas die Rolle des republikanischen Lehrers Don Gregorio verkörpert, die ›normalen Spanier‹ hätten während des Franquismus häufig nur vorgegeben, vom politischen System überzeugt zu sein. Fern‚n Gûmez bezeichnet sie als »disfrazados«1765 (dt.: »Verkleidete«) und nennt sie gar in einem Atemzug mit den Toten und den Exilanten.1766 Regisseur Cuerda war es wichtig zu betonen, dass sein Film keine »manichäische«1767 Darstellung sei, mit ›Guten‹ einerseits und ›Bösen‹ andererseits.1768 Obgleich das Filmnarrativ sich beträchtlich auf eine allumfassende Opferrhetorik stützt und mit Monchos Eltern nicht zuletzt ambivalente Figuren in den Blick rücken, stießen sich einzelne Kritiker dennoch an dem Filmende, da es zu ›manichäisch‹ bzw. ›schablonenartig‹ sei.1769 Dies mag darin begründet liegen, dass in diesem Film ›extreme‹ Figuren der ›einen Seite‹ verantwortlich sind für den Ausbruch der Gewalt – prototypische Vertreter des rechtskonservativen Blocks wie cacique, Falangisten, requet¦s und ein Priester –, ohne dass es ein äquivalent ›extremes‹ Pendant zu ihnen auf der ›anderen Seite‹ gäbe.1770 Entsprechend attestiert Filmhistoriker Jos¦ Enrique Monterde La lengua de las mariposas einen »politisch korrekten republikanischen Beigeschmack«1771, allerdings beschreibt er Cuerdas Film ferner als primär um Mäßigung und Ausgleich bemüht. Fernab von politischem Radikalismus oder ästhetischer Originalität befinde sich La lengua de las mariposas auf einer Wellenlänge mit dem Durchschnittszuschauer.1772 In diesem Zusammenhang beklagt Monterde einen heute nicht mehr vernünftigen oder gar notwendigen, sondern veralteten »kinematografischen Zentrismus«1773. Nach Monterde lege diese Art Schema seit den 1970er-Jahren fest, wie die jüngere Vergangenheit im spanischen Kino zur Darstellung gelangt: »nach dem Schema des Abziehbildchen-Kinos, der kontinuierlichen Wiederholung der gleichen Klischees, der gleichen Fetische und der

1765 Fern‚n Gûmez; zit. n.: ABC. Blanco y Negro (17. 10. 1999), S. 28. 1766 Vgl. ABC. Blanco y Negro (17. 10. 1999), S. 28. Ausführlich zur Person Fernando Fern‚n Gûmez s. kapitel 3.2. 1767 Jos¦ Luis Cuerda; zit. n.: El Pa†s (24. 09. 1999), S. 51: »maniquea«. Zum Gebrauch des Begriffs ›manichäisch‹ s. Kapitel 3.2. 1768 Vgl. El Pa†s (24. 09. 1999), S. 51. 1769 Vgl. Caparrûs Lera (2001), S. 67. 1770 S. kapitel 3.2. 1771 Monterde (1999a), S. 13: »acento republicano pol†ticamente correcto«. 1772 Vgl. Monterde (1999a), S. 13. 1773 Ebd.: »centrismo cinematogr‚fico [Herv. i. Orig.]«.

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ewigen Tabus«1774. So blieben ›extreme‹ Figuren auch in La lengua de las mariposas als bekannte und dämonisierte Hassfiguren erhalten, was den um sein Überleben kämpfenden ›normalen‹ Spanier im Umkehrschluss entlasten helfe. Dennoch oder gerade deswegen stieß der Film La lengua de las mariposas sowohl bei dem Autor der literarischen Vorlage, dem galicischen Schriftsteller Manuel Rivas,1775 bei den Kritikern als auch beim Publikum auf großen Zuspruch. Der Uraufführung des Films auf dem Filmfestival von San Sebast†an, wo er am 23. September 1999 außer Konkurrenz lief, folgten zehnminütige Ovationen.1776 Obwohl erst ab dem 24. September 1999 offiziell in den spanischen Kinos, sahen den Film in Spanien noch im selben Jahr mehr als 850.000 Zuschauer.1777 Dies machte La lengua de las mariposas zu einem der Kassenerfolge des Jahres. Als einen der Gründe für den Erfolg seines Films führte Cuerda an: »Ich glaube nicht, dass zu viele Filme über den Bürgerkrieg gemacht worden sind; im Gegenteil, ich glaube, dass nur sehr wenige gemacht wurden.«1778 Kritiker werteten La lengua de las mariposas als einen Film, der seit langem der erste mit Bürgerkriegsthematik sei, der nicht als »Kassengift«1779 wirke. Ausgezahlt haben dürfte sich in dieser Hinsicht, dass vom Filmstart an immerhin fünf Kopien auf Galicisch im Umlauf waren, was dem Lokalpatriotismus der Produktion Rechnung trug.1780 Überraschend war nur, dass das für 13 Goya no1774 Ebd.: »bajo el esquema del cine de estampitas, de la perpetua repeticiûn de los mismos clich¦s, los mismos fetiches y los eternos tabffles«. 1775 Vgl. Crusells (2006), S. 307. Rivas ist im nationalen Kontext einer der Schriftsteller, die sich mehrfach in die Debatten über den Umgang mit der jüngeren Vergangenheit in Spanien eingeschaltet haben. Er wird in Dokumentarfilmen als ›Experte‹ zum Thema befragt, zum Beispiel in der TVE-Produktion La memoria recobrada (dt.: »Die wiedergefundene/zurückerlangte Erinnerung«; TVE/La 1, 2006, s. kapitel 4.1.1), und dient in Regisseurin Isabel Coixets Kinodokumentation Escuchando al juez Garzûn (dt.: »Richter Garzûn zuhören«; ES 2011) als Interviewpartner des Ermittlungsrichters Baltasar Garzûn (s. kapitel 7.3). 1776 Vgl. Santos, E. F.: El cine vuelve al Victoria Eugenia. In: El Pa†s (24. 09. 1999), S. 52. Rivas war zu PR-Zwecken ebenfalls auf dem Filmfestival in San Sebast†an anwesend: Vgl. o. V.: Gran ¦xito de ›A lingua das bolboretas‹ en el Festival de San Sebasti‚n. In: La voz de Galicia (24. 09. 1999), S. 1. 1777 Vgl. Filmdatenbank des spanischen Kultusministeriums, www.mcu.es (20. 02. 2012). 1778 Jos¦ Luis Cuerda; zit. n.: Caparrûs Lera (2001), S. 67: »Yo no creo que se hayan hecho demasiadas pel†culas sobre la Guerra Civil; al rev¦s, creo que se han hecho poqu†simas.« 1779 La Vanguardia (29. 04. 2001), S. 62: »veneno para la taquilla«. Dieses Urteil unterschlägt, dass sich die Handlung von La lengua de las mariposas mehrheitlich in der Endphase der Zweiten Republik und nicht etwa während des Bürgerkriegs vollzieht. Außerdem verkennt es, dass 1995 Land and Freedom, 1996 Libertarias und 1998 La niÇa de tus ojos (Das Mädchen deiner Träume) eine Vielzahl Zuschauer in die spanischen Kinos lockten. 1780 Vgl. o. V.: A lingua das bolboretas. In: La voz de Galicia (24. 09. 1999), S. 90; Red.: Gran ¦xito de ›A lingua das bolboretas‹ en su estreno gallego. In: La voz de Galicia (25. 09. 1999), S. 88. Der Film wurde in den galicischen Provinzen Ourense, La CoruÇa und Pontevedra gedreht und entstand in Zusammenarbeit mit dem galicischen Fernsehsender TVG. Nicht

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minierte Werk nur einen der begehrten spanischen Filmpreise erhielt: den für die ›Beste Drehbuchadaption‹.1781 Gut zehn Jahre später gelangten Feigheit, Opportunismus und Verführbarkeit in Agust† Villarongas Kinospielfilm Pa negre (Black Bread; ES 2010) in umfassenderem Maße und auf ästhetisch ungewöhnlichere Art und Weise zur Darstellung.1782 Mitläufertum wird hier nicht allein mit reiner ›Überlebensnot‹ begründet, sondern in der überwiegenden Anzahl der Fälle mit dem bewussten Willen aufzusteigen, es besser zu haben. Dabei wird die franquistische Nachkriegszeit in Pa negre vergleichsweise deutlich inszeniert, mit siegreichen Begünstigten einerseits und elendig über die Runden kommenden ›Besiegten‹ andererseits. Die krass divergierenden Lebensumstände legen das Fundament für Neid, Missgunst und ein Anpassungsstreben, das moralische Grenzen verkennt. Die nicht zuletzt sozioökonomische Not der ›Besiegten‹ in der Nachkriegszeit wird hier gar Titel gebend: »Schwarzes Brot« (span.: pan negro) ist den ›Besiegten‹ vorbehalten. Den Vertretern der franquistischen Eliten hingegen ist nicht nur Weißbrot zugedacht: Der Küchentisch des örtlichen großbürgerlichen und regimetreuen Herrschaftsehepaares biegt sich förmlich unter Keksen, Kuchen, Butter, kandierten Früchten und heißer Schokolade.1783 Wie die Mutter des kindlichen Protagonisten Andreu es dem Bürgermeister vorwirft: »Schwarzes Brot und roter Zucker, noch dazu auf Lebensmittelkarten und nach Stunden in der Schlange. Das ist das Einzige, was ihr uns gegeben habt. Ein Brot ohne Seele, ohne Tugend, tot, wie wir alle, aufgrund dieses verdammten Kriegs, der uns alle getötet hat.«1784

Hierin wird die dominante Lesart des Films deutlich: Die Fähigkeiten zu Mitmenschlichkeit und Empathie sind abgestorben bei unterschiedslos allen Be-

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zuletzt die Filmmusik, für die Cuerda Alejandro Amen‚bar gewinnen konnte, eines der Regie-Wunderkinder der 1990er-Jahre (s. Kapitel 1.1.3), weist unverkennbar keltische Elemente auf, die in Spanien mit der nordwestlich gelegenen Autonomen Region Galicien assoziiert werden. Vgl. Rodr†guez Marchante, E.: Todo sobre los Goya. In: ABC (28. 12. 1999), S. 93; Besoli/ Martialay/Montoya/Ponga/Vall (2000), S. 158. Darüber hinaus wurde La lengua de las mariposas im Rahmen des renommierten US-amerikanischen Festivals für IndependentFilme Sundance gezeigt und lief Mitte Juli 2000 unter dem Titel Butterfly’s Tongue in den USA an: Vgl. o. V.: La lengua de las mariposas ir‚ al Festival de Sundance. In: El Pa†s (08. 12. 1999), S. 39; Armada, Alfonso: La lengua de las mariposas sobrevuela Sundance. In: ABC (22. 01. 2000), S. 82. Zur Filmästhetik von Pa negre s. kapitel 4.3.2.1. Vergleichbar viel Wert wurde auf die Gestaltung der Kostüme gelegt, die im Falle von Andreus ›besiegter‹ Familie das Gefühl »von Armut, von Mangel an allem« vermitteln sollten: Pan negro, DVD-Extras, Making of, 00:24:27 – 00:24:31: »de pobreza, de carencia de todo«. Pan negro, 01:25:00 – 01:25:13. »Pan negro y azfflcar rojo, encima con cartilla de racionamiento y horas a la cola. Esto es lo fflnico que nos hab¦is dado. Un pan sin alma, ni virtud, muerto, como todos nosotros, por esta puta guerra que nos ha matado a todos.«

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wohnern der Gegend, in der sich die Handlung des Films vollzieht, ungeachtet ihrer ideologischen Überzeugungen während des Spanischen Bürgerkriegs. Deswegen herrschen nun, in der franquistischen Nachkriegszeit, Niedertracht, Machtmissbrauch und Gewalt. Angesichts dieses »moralischen Schlammlochs«1785 bzw. dieses »verkommenen Umfeldes«1786 überrascht es nicht, dass auch die Unschuldigsten, die Kinder, korrumpiert werden und ebenso verwerflich handeln lernen wie die Erwachsenen. Dies zeigt Pa negre anhand der Entwicklung von Andreu auf, der sich letztlich für die mit dem weißen Brot einhergehenden Vorzüge entscheidet und dafür in Kauf nimmt, seine eigene Herkunft zu verleugnen.1787 Spätestens mit Filmende sind in Villarongas Pa negre keine eindeutig ›Guten‹ mehr auszumachen. Wie die Inhaltsangabe zum Film ankündigt, verrät Andreu »seine eigenen Wurzeln und entdeckt letzten Endes das Monster, das in ihm lebt…«1788. Andreus moralischer Niedergang wurde dabei bezeichnenderweise durch die Erkenntnis ausgelöst, dass sein idealistischer, politisch-ideologisch ›linker‹ und vermeintlich aufrechter Vater ein feiger und käuflicher (Kinds-) Mörder ist, der – im Gegensatz zu Andreus Mutter – die Arbeit in der örtlichen Textilfabrik stets scheute.1789 Alle Figuren in Pa negre sind im Stande, aus egoistischen Beweggründen moralisch verwerflich zu handeln, was die spanische Kritik regelrecht feierte. So beschließt Eduardo Rodr†guez Marchante seine Rezension in ABC mit den Worten: »Und auch wenn er ›noch ein weiterer‹ Film über die spanische Nachkriegszeit zu sein scheint, hat dieser die Besonderheit, nicht eine einzige ›gute‹ Figur zu zeigen, die frei von Bösem oder Schlechtigkeit wäre, sei es ein Besiegter oder ein Überzeugter (Sieger gibt es auch nicht).«1790 1785 Boyero, Carlos: Festival de San Sebasti‚n. In: El Pa†s (23. 09. 2010), www.elpais.com (20. 02. 2012): »lodazal moral«. 1786 Ebd.: »ambiente podrido«. 1787 S. kapitel 4.3.2.1. 1788 www.panegre.com (20. 02. 2012): »sus propias ra†ces y acaba descubriendo el monstruo que habita en ¦l…« Vgl. Pan negro, DVD-Backcover. Zur ›monströsen‹ Qualität, die Andreu attribuiert wird, s. kapitel 4.3.2.1. Indem Andreu seine eigenen Wurzeln verleugnet, steht er einem Lernprozess, wie ihn Ofelia in El laberinto del fauno (Pans Labyrinth; ESMX 2006) vollführt, konträr gegenüber. S. kapitel 5.3. 1789 S. kapitel 4.3.2.1. Die schweren Arbeitsbedingungen von Andreus Mutter werden filmintern mehrfach thematisiert. In einer Sequenz gelangt das Innere der Fabrik zur Darstellung, in der Kinder beschäftigt werden und Angestellte aufgrund der herumfliegenden Stoffpartikel an Husten erkranken: Vgl. Pan negro, 00:13:01 – 00:14:31. Bei der Rekonstruktion eben dieser Textilfabrik wurden keine Mühen gescheut, wie das auf der KaufDVD enthaltene Making of herausstellt: Vgl. ebd., DVD-Extras, Making of, 00:18:37 – 00:23:44. 1790 ABC (23. 09. 2010), S. 59: »Y aunque parezca ›otra‹ pel†cula de la posguerra espaÇola, esta tiene la particularidad de no sacar ni un solo personaje ›bueno‹ libre de mal o maldad, fuera vencido o convencido (tampoco hay vencedores).« Die Behauptung, dass es in Pa

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Alarcûn lobt in Dirigido por ausdrücklich Regisseur Agust† Villarongas »Mut, die Möglichkeit zu entwerfen, dass die Parteimitglieder der Linken ebenfalls krumme und konfliktbeladene Wege gegangen sein könnten, trotz der Redlichkeit ihrer politischen Ideen. Der Regisseur präsentiert das franquistische Regime wie eine ansteckende Krankheit, einen unaufhaltsamen Krebs, der alles verdirbt, was er berührt, der jegliches Gefühl und jede politische Neigung pervertiert.«1791

Auch El Mundo stellt positiv heraus, dass Pa negre »darauf besteht, nicht zwischen Guten und Bösen, zwischen Siegern und Besiegten zu unterscheiden. Alle gehören zu ein- und derselben verdorbenen und ungesunden Umgebung.«1792 Ähnlich meint El Pa†s, dass Villarongas Film keinesfalls mit »noch einem weiteren Film über unsere Nachkriegszeit«1793 verwechselt werden dürfe, da Pa negre aus folgenden Gründen ein außergewöhnlicher Status zukomme: »Sein Ausgangspunkt durchkreuzt jeglichen Manichäismus, um einen komplexen Diskurs zu konstruieren, der voller Schichten und unterirdischer Strömungen ist. Er kreist um den unvermeidlichen Prozess der (moralischen) Ansteckung, den jedes traumatische Ereignis – zum Beispiel ein Bürgerkrieg – generiert, und der dazu fähig ist, die Gesamtheit einer Gemeinschaft zu befallen.«1794

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negre keine ›Sieger‹ gibt, stimmt lediglich für den moralischen Bereich sowie in emotionaler Hinsicht. Als ideologischer ›Sieger‹ ist filmintern jedoch eindeutig der Bürgermeister auszumachen, als sozioökonomische Kriegsgewinnler die Herrschaftsfamilie Manubens. Dass der Bürgermeister von Schauspieler Sergi Lûpez gespielt wird, der in El laberinto del fauno (ES-MX 2006) den franquistischen, sadistischen Hauptmann Vidal verkörperte, verstärkt dessen Zeichnung als ›urböse‹ Täterfigur. S. kapitel 4.3.1. Alarcûn (2010), S. 19: »valent†a de plantear la posibilidad de que, pese a la nobleza de sus ideas pol†ticas, los militantes de izquierda tambi¦n pudieran escoger caminos tortuosos y conflitivos. […] [E]l director muestra el r¦gimen franquista como una especia de enfermedad contagiosa, un c‚ncer imparable que pudre todo lo que toca, pervirtiendo cualquier sentimiento y tendencia pol†tica.« Andreus Vater Farriol wird verkörpert von dem Schauspieler Roger Casamajor, der in El laberinto del fauno (ES-MX 2006) den aufrechten Anführer einer antifranquistischen Widerstandsgruppe spielt. Dadurch erscheint die in Pa negre erfolgende Dekonstruktion des republikanischen Helden wie eine Art nachträgliche Warnung zu Del Toros Film, auch dessen Helden mit Vorsicht zu genießen. Zur Überhöhung des Widerständig-Kämpferischen in El laberinto del fauno, s. kapitel 5.3. El Mundo. Metrûpoli (15. 10. 2010), S. 7: »hace especial hincapi¦ en no distinguir entre buenos y malos, vencedores y vencidos. Todos forman parte de un mismo entorno viciado y malsano«. El Pa†s (15. 10. 2010), S. 53: »Otra pel†cula sobre nuestra posguerra [Herv. i. Orig.]«. Ebd.: »[S]u planteamiento barrena todo manique†smo para construir un discurso complejo, lleno de capas y corrientes subterr‚neas, centrado en el ineludible proceso de infecciûn (moral) que genera todo suceso traum‚tico – por ejemplo, una Guerra Civil – capaz de afectar al conjunto de una comunidad.« Die Bezeichnung des Spanischen Bürgerkriegs als »traumatisches Ereignis« zeugt von einer psychopathologischen Perspektive auf die jüngere Vergangenheit, s. kapitel 5.1. Zum Gebrauch des Begriffs ›manichäisch‹ s. Kapitel 3.2.

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Villaronga selbst hatte bereits vor dem offiziellen Kinostart seines Films in Spanien seine »eigentliche Absicht«1795 formuliert, nämlich die, in Pa negre »zu zeigen, dass der Krieg eine Tragödie ist, die alles beschmutzt«1796. Trotz der Figuren, die sich – wie Andreus Vater Farriol – bewusst für eine aktive Kollaboration mit den Machthabern im franquistischen ›Neuen Staat‹ entscheiden, geht mit Pa negre somit eine grundlegende und umfassende Opferrhetorik einher. Letztere wurde von spanischen Kritikern freudig begrüßt, da sie es im Sinne der in Spanien seit der transiciûn dominanten offiziellen Erinnerungspolitiken ermöglich, die durch Francos Sieg im Bürgerkrieg zementierte Spaltung zwischen ›Siegern‹ einerseits und ›Besiegten‹ andererseits einzudampfen zugunsten einer Gemeinschaft, deren einzelne Mitglieder in vermeintlich vergleichbarer Weise »beschmutzt« wurden. Im Zusammenhang mit diesem filmischen Beispiel ist, wie oben angeführte Zitate verdeutlichen, der Rekurs auf die Interpretation des Bürgerkriegs als ein »Krieg der Wahnsinnigen« (span.: guerra de los locos) offensichtlich. Dieser Lesart zufolge hat die Spanier eine Art »kollektiver Wahnsinn« (span.: locura colectiva) befallen, der in den Gewaltexzessen und dem daraus folgenden Leid des Bürgerkriegs und der Nachkriegszeit gemündet ist. Diese Auffassung, die dem spanischen Volk Schuld abspricht – mentale Verwirrung entbindet nach spanischer Rechtsprechung von Verantwortung – und einen umfassenden Opferstatus zuspricht, da es vom Wahnsinn virusartig ›befallen‹ wurde, stützt ebenfalls die Versöhnungsrhetorik der transiciûn.1797 Villaronga betont in seiner Absichtserklärung ferner, er habe die »schrecklichen Folgen des Kriegs«1798 und das an Widersprüchen und alltäglichen Problemen reiche Privatleben seiner Figuren »weit weg von den Schlachtfeldern«1799 fokussieren wollen, um »uns von der Versuchung fernzuhalten, sie wie Helden zu mythifizieren und, vor allem, über sie zu richten«1800. So kommt eine Darstellung, wie sie Pa negre nahe legt, der zufolge alle ›böse‹ waren – genauer : der zufolge alle aufgrund der mit dem Krieg einhergehenden 1795 Agust† Villaronga; zit. n.: El Pa†s (22. 09. 2010): »verdadera intenciûn«. 1796 Ebd.: »mostrar como la guerra es una tragedia que todo lo salpica«. Vgl. Pan negro, DVDExtras, En el Festival de San Sebasti‚n, 00:03:40. Diese Aussage Villarongas lässt eine ›tragische‹ Interpretation des innerspanischen Konflikts erkennen, s. kapitel 1.1.1. 1797 Vgl. Arûstegui (1997), S. 67; Aguilar Fern‚ndez (2002a), S. 209 f.; Godicheau (2006), S. 139. Die Lesart des ›kollektiven Wahnsinns‹ verweist wegen der den Spaniern zugesprochenen Irrationalität wiederum auf die unter kapitel 3.1 abgehandelten Topoi. 1987 lief ein Spielfilm mit dem Titel La guerra de los locos (dt.: »Der Krieg der Wahnsinnigen«; Regie: Manuel Matji) in den spanischen Kinos, in dem sich die Patienten einer psychiatrischen Klinik unvermittelt in die Kriegswirren verwickelt sehen. 1798 Agust† Villaronga; zit. n.: www.panegre.com (20. 02. 2012): »terribles consecuencias de la guerra«. 1799 Ebd.: »lejos de los campos de batalla«. 1800 Ebd.: »alej‚ndonos de la tentaciûn de mitificarlos como a h¦roes y, sobre todo, de juzgarlos«.

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Gewalt ›böse‹ wurden – im spezifisch spanischen Kontext einer Perpetuierung der aus transiciûn-Zeiten herrührenden Versöhnungsrhetorik gleich, die auf dem Credo des todos fuimos culpables (dt.: »wir waren alle schuld«) basiert. Mehr noch: Angesichts des Handlungsspielraums des Films überträgt Pa negre diese auf die franquistische Nachkriegszeit.1801 Wie die Rezensionen zu Pa negre deutlich aufzeigen, werden opportunistische, verführbare oder gar aktiv kollaborierende Figuren von spanischen Kritikern überwiegend begrüßt als ›nicht manichäische‹ audiovisuelle Darstellungen des Bürgerkriegs und der frühen Franco-Diktatur, die die vermeintlich klaren Linien zwischen ›Gut‹ und ›Böse‹ aufweichen helfen und bestenfalls für eine ambivalente, differenziertere Sicht auf die historischen Ereignisse sorgen. Als durchaus innovativ sind sie deshalb zu bewerten, da sie zur Thematisierung der Tatsache beitragen, dass Teile der spanischen Zivilbevölkerung das franquistische Regime unterstützten. Allerdings stellen die mehr oder weniger aktiv kollaborierenden Figuren in publikumswirksamen spanischen Kino- und Fernsehproduktionen seit 1996 mehrheitlich keinen Beitrag dar zu einer schuldbewussten Lesart der jüngeren spanischen Vergangenheit. Sie leisten vielmehr einer umfassenden Opferrhetorik Vorschub, die jegliche ideologischen Hinter- bzw. Beweggründe der agierenden Figuren obsolet werden lässt. Ihre Handlungen werden wahlweise durch ›Überlebensnot‹, blinden Gehorsam, das Begleichen ›alter Rechnungen‹, unkontrollierbare ›Leidenschaften‹ oder allgemeinen moralischen Verfall erklärt. Dabei stellen diese Begründungen, wie sie von einzelnen Regisseuren geäußert werden und in den Filmen selbst wie auch in deren Besprechungen anzutreffen sind, zentrale Elemente einer umfassenden Entschuldungsrhetorik dar, die paradoxerweise auf dem Credo der transiciûn basiert, dass alle schuldig wurden: Wenn partei- und lagerübergreifend jeder einen Anteil Schuld zu tragen hat,1802 dann lohnt die Frage nach Ursachen und Verantwortlichkeiten nicht. Den Akteuren der Vergangenheit wird retrospektiv die Notwendigkeit des Fingierens und des Anpassens zwar zugestanden, darüber hinaus bleiben jegliche dezidiert politische Mitschuld oder geplante

1801 S. Kapitel 5.3. Darüber hinaus eröffnet ein filminterner Fokus auf »die Gesellschaft, die aus einem Konflikt entsteht« (Agust† Villaronga; zit. n.: El Pa†s (15. 02. 2011): »la sociedad que emerge tras un conflicto«), und darauf, »wie schäbig die Menschen in einem Krieg werden« (Agust† Villaronga; zit. n.: El Pa†s (28. 09. 2011): »lo mezquinas que se vuelven las personas en una guerra«), eine transnationale Bedeutungsdimension, wie sie zuvor Regisseur David Trueba mit seiner filmischen Adaption des Bestsellers Soldados de Salamina (Soldiers of Salamina; ES 2003) nahelegte, s. kapitel 6.1. Eine transnationale Bedeutungsdimension seines Films stellte Villaronga nicht zuletzt deshalb heraus, weil er es hinsichtlich einer potenziellen Oscar-Kandidatur seines Films als vorteilhaft erachtete, dass die Handlung von Pa negre auch in den USA nachvollzogen werde könne: Vgl. ebd. 1802 Vgl. Humlebæk (2003), S. 163.

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Maßnahmen unbeachtet bzw. werden in eine umfassende Opferrhetorik überführt.1803

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»Wie böse waren sie und wie gut sind wir.«1804

Die Betonung der Kino- und TV-Produktionen auf dem Leid der Spanier in vergangenen Zeiten dient letztlich dazu, dem Zuschauer einen Vergleich zwischen ›damals‹ und ›heute‹ mit auf den Weg zu geben. Dabei zielt dieser Vergleich darauf ab, über das ›Damals‹ zwar zu informieren, sich aber gleichzeitig davon zu distanzieren und stattdessen die Vorteile des ›Heute‹ hervorzuheben.1805 Im Zuge dieser Kontrastierung werden oftmals einzelne Figuren und verstärkt auch Figurengruppen fokussiert, die – so die entsprechenden audiovisuellen Narrative – bereits ›damals‹ Charakteristika in sich vereinten bzw. für Werte standen, die für das heutige demokratische Spanien exemplarisch sind. Dies ist einer Lesart der jüngeren Vergangenheit dienlich, der zufolge es neben zwei Extrempositionen stets ein ›gemäßigtes‹, ideologiefernes, friedliebendes sogenanntes ›Drittes Spanien‹ gegeben habe, das als Vorläufer der heutigen spanischen Demokratie präsentiert wird. Den Begriff des ›Dritten Spaniens‹ prägte der britische Historiker und Spanienspezialist Paul Preston mit seiner Publikation Las tres EspaÇas del 36 (1998) maßgeblich.1806 Preston zufolge hätten nicht zwei, sondern tres EspaÇas (dt.: 1803 Besonders deutlich wird dies in Soldados de Salamina (Soldiers of Salamina; ES 2003), s. kapitel 5.6. 1804 Bernal (2008), S. 18: »Qu¦ malos eran y qu¦ buenos somos.« 1805 Vgl. Rey (2003a), S. 131. 1806 Vgl. Winter (2004), S. 645. Prestons Publikation war die Reaktion auf eine Veröffentlichung von Zeitzeugenberichten zweier ehemaliger italienischer ›Spanienkämpfer‹ mit dem Titel Due fronti, die in jeweils unterschiedlichen Lagern am Bürgerkrieg teilgenommen hatten. Diese Publikation sorgte im Sommer 1998 für wochenlange Diskussionen, nicht nur in italienischen, sondern – bevor es überhaupt ins Spanische übersetzt wurde – auch in spanischen Akademikerkreisen und Feuilletons: Vgl. Ruiz Portella (1999), S. 13. Dabei entzündeten sich die Debatten weniger an den Erinnerungen der ehemaligen Kämpfer, sondern an der These, die der italienische Herausgeber Sergio Romano anhand der Dokumente aufstellte. Romano zufolge kam Francos Sieg Europa auf lange Sicht zugute, da andernfalls in Spanien die erste europäische Volksrepublik entstanden wäre: Vgl. Romano (1999), S. 62 und 65; Preston (1999), S. 33; Winter (2004), S. 645. Diese These, propagandistisch bisher von aufständischer bzw. franquistischer Seite als Rechtfertigungsmythos für den als ›defensiven‹ Verteidigungsakt ›Nationalspaniens‹ verklärten Putsch genutzt (s. kapitel 7.1), wurde somit von einem demokratischen, liberalen Diplomaten wissenschaftlich legitimiert: Vgl. Ruiz Portella (1999), S. 13; Preston (1999), S. 32.

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»drei Spanien«) im Bürgerkrieg gegeneinander gekämpft: Nationale (Karlisten, Falangisten, Monarchisten, konservative Katholiken, Großgrundbesitzer, Militärs), linke Republikaner (darunter Sozialdemokraten, Kommunisten und Anarchisten) und Demokraten (moderate Liberale, linke Katholiken und ebenfalls Sozialdemokraten, Kommunisten und Anarchisten).1807 Sein Ansatz betont, dass nicht etwa alle Spanier während der Zweiten Republik extremistische Positionen vertraten.1808 Gleichzeitig ermöglicht er es, das heutige demokratisch-liberale Spanien als Erbin des demokratischen, also des ›dritten‹ Lagers der 1930er-Jahre zu sehen.1809 Diese These stieß in Spanien auf breite Akzeptanz, wobei problematisch ist, dass der Vorschlag eines ›Dritten Spaniens‹ auf dem simplifizierenden Erklärungsmuster der ›zwei Spanien‹ aufbaut, anstatt es zu überwinden.1810 Bei der Erweiterung der ›zwei Spanien‹ um ein ›drittes Spanien‹ handelt es sich um eine zusätzliche abstrakte Denkfigur, bei der fraglich bleibt, ob sie ausreicht, um der Komplexität des Ursprungs und der Konsequenzen des innerspanischen Konflikts gerecht zu werden.1811 Prestons Definition des aus Spaniern wie Brigadisten bestehenden ›Dritten Spaniens‹ als ›antifaschistisch‹, geeint im Kampf gegen den spanischen Faschismus und dessen italienische wie deutsche Alliierten, greift jedenfalls zu kurz und ist daher zu problematisieren.1812 In publikumswirksamen Kino- und Fernsehproduktionen aktuelleren Datums erfreut sich die Denkfigur eines ›Dritten Spaniens‹ zunehmender Popularität. Mit dem Familienvater Luis aus Las bicicletas son para el verano (Bicycles Are for the Summer ; ES 1983) existierte beispielsweise schon vor Prestons Publikation eine ›zentristische Idealfigur‹, die die ›Extreme‹ ›beider Seiten‹ auf geradezu exemplarische Art und Weise in sich aufzulösen mochte.1813 Nach 1998 häufen sich Darstellungen von Figurengruppen, die paradigmatisch für ein ›Drittes Spanien‹ stehen und somit für eine vermeintliche Kontinuität demokratischer Werte in Spanien. Entsprechenden Kino- und Fernsehnarrativen zufolge pflanzten gemäßigte, selbst in den widrigsten Umständen mitmenschlich agierende Vertreter der spanischen Bevölkerung den Keim für die ›heute‹ 1807 Vgl. Ruiz Portella (1999), S. 22; Winter (2007b), S. 16. 1808 Vgl. Preston (1998), S. 15 – 24. 1809 Vgl. ebd., S. 24 f.; Suntrup-Andresen (2008), S. 82 f. De facto stellt diese Perspektive also auch eine Aufwertung der republikanischen Ära dar, s. kapitel 3.1. 1810 Vgl. Winter (2007b), S. 16 f. Zum vereinfachenden Erklärungsmuster der ›zwei Spanien‹ s. ausführlicher unter kapitel 2.1. 1811 Vgl. ebd., S. 17. 1812 Wobei Preston betont, dass die Ursprünge des innerspanischen Konflikts in Spanien selbst liegen und seine Einbettung in den Kontext der internationalen, ›antifaschistischen‹ Lesart erst mit seinem Verlauf und Ausgang erfolgte: Vgl. Preston (1999), S. 53. S. hierzu ausführlich kapitel 7.1. 1813 Ähnlich Mar†a in Libertarias (Freedomfighters; ES-IT-BE 1996), s. kapitel 2.2.

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bestehende Errungenschaft: das demokratische Spanien. Die heutige Staatsform einer parlamentarischen Monarchie in Spanien wird somit als »langfristige[s] Ergebnis der Geschichte«1814 präsentiert. Der Historiker David Rey bezeichnet diese Sicht auf die jüngere Vergangenheit als »Phönix-Diskurs«1815, als die »dynamische Betrachtung eines Neubeginns«1816, im Zuge dessen das ›besiegte‹ spanische ›Volk‹ »zum eigentlichen Sieger der Geschichte«1817 mutiert. Dabei wird die Entwicklung Spaniens zu Wohlstand und Freiheit mit Hilfe einer Gegenüberstellung von ›dunkler‹ Vergangenheit und ›lichter‹ Gegenwart überhöht. Über die Betonung einstigen Leides bemühen sich spanische Kino- und Fernsehproduktionen, dem Zuschauer zu vermitteln, wie schlimm es einmal war und wie gut es der spanischen Bevölkerung jetzt geht. Mit den Informationen über die leidvollen Lebensumstände im Spanien der späten 1930er- und frühen 1940er-Jahre sind dabei nicht unbedingt ein Fokus auf das Kriegsgeschehen oder konkrete repressive Maßnahmen des franquistischen Regimes gemeint. Vielmehr geht die gängige spanische audiovisuelle Darstellung jener Zeit überwiegend einher mit einer Konzentration auf narrative Versatzstücke wie »Isolation, Armut, Not, Rationierung«1818. Diese Darstellung gelangte bereits in dem ›Bürgerkriegsfilmklassiker‹ Las largas vacaciones del 36 (Long Vacations of 36; ES 1976) zur vollen Entfaltung, weil das Narrativ seinen Schwerpunkt auf die Auswirkungen des Bürgerkriegs auf die ›Heimatfront‹ und den ›Überlebenskampf‹ der ›normalen‹ Bevölkerung legt. Eine Reihe kindlicher Figuren bezeugt die Ereignisse und leidet besonders unter ihnen. Der Jüngste von ihnen erklärt gegen Filmende, auf »die nächsten Ferien«1819 warten zu wollen. Sein Ausspruch verweist darauf, dass zumindest er die Hoffnung auf eine postfranquistische Ära nicht aufgegeben hat. Unverändert sind es auch in aktuellen Produktionen, deren Handlung sich in der jüngeren Vergangenheit entfaltet, junge Protagonisten, die in der Regel die Widrigkeiten bezeugen, denen die erwachsenen Figuren trotzen müssen. Im Kinospielfilm Los girasoles ciegos (The Blind Sunflowers; ES 2008) übernimmt diese Rolle beispielsweise der siebenjährige Lo1814 Rey (2003a), S. 157. 1815 Ebd. Nach Rey dominierte der »Phönix-Diskurs« erstmals in der seit 2001 höchst erfolgreich auf La 1 ausgestrahlten Serie Cu¦ntame cûmo pasû (dt.: »Erzähl mir, wie es war«), die sich ursprünglich um das alltägliche Leben einer madrilenischen Mittelstandsfamilie im Spätfranquismus drehte. Zu Cu¦ntame s. auch unter kapitel 4.1.2. 1816 Rey (2004a), S. 109. 1817 Ebd., S. 110. 1818 Vgl. Rey (2003a), S. 131. Die schlechten Lebensbedingungen im Bürgerkriegs- wie auch im Nachkriegsspanien helfen zu erklären, warum diese historischen Phasen in einer Vielzahl von Filmen – wie im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wiederholt beobachtet (s. kapitel 5.3 und kapitel 6.1) – als vermeintliches Kontinuum zur Darstellung gelangen bzw. interpretiert werden. 1819 Las largas vacaciones, 01:37:22: »las prûximas vacaciones«.

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renzo. Kritiker Jordi Bernal schreibt angesichts dieser Figur in Dirigido por: »Auch das hilflose Kind fehlt nicht, das Zeuge der Barbarei sein wird und das als Symbol einer Generation fungiert, die die Strenge der Kälte und den Horror überlebte.«1820 Genau der Kontrast zwischen einem ›dunklen Damals‹ und einem ›lichten Heute‹ ermöglicht es den Zuschauern, sich positiv statt – wie lange Zeit dominant – schambehaftet auf das Erbe der jüngeren Vergangenheit zu beziehen. Er bietet den Rezipienten einen Anlass dafür Stolz zu empfinden, wenn er den offenkundig drastischen Entwicklungsschritt von ›damals‹ zu ›heute‹ betrachtet. Umso größer kann der Stolz deshalb sein, weil bestimmte Vertreter des spanischen ›Volkes‹ den audiovisuellen Narrativen zufolge für diesen Entwicklungsprozess selbst verantwortlich zeichneten. Statt ›großen Männern‹ zu huldigen, die ›Geschichte machten‹, stehen dieser Lesart zufolge ›einfache‹ Leute aus der spanischen Bevölkerung als Akteure im Mittelpunkt. In dieser Hinsicht ist wiederum Bernals Rezension zu Los girasoles ciegos aussagekräftig, die wie folgt betitelt ist: »Wie böse waren sie und wie gut sind wir.«1821 So lässt sich der ›Siegeszug‹ eines ›Dritten Spaniens‹ in aktuellen Kino- und TV-Produktionen als eine Perspektivierung der jüngeren Vergangenheit verstehen, die der Erfahrungswelt bisher weniger beachteter Personen(-gruppen) Rechnung zollt,1822 diese positiv konnotiert und gleichzeitig von den bekannten Täterfiguren abgrenzt. Eine Sichtweise auf die spanische Gesellschaft, die einen »scheinbar natürlichen und vorhersehbaren ökonomischen, sozialen und politischen Entwicklungsprozess«1823 hin zu einer demokratischen Staatsform vollzogen hat, wird besonders deutlich in der Fernsehserie Amar en tiempos revueltos (dt.: »Liebe in aufgewühlten Zeiten«; TVE/La 1, 2005 – 2012). Die Figurenzeichnung in Amar en tiempos revueltos orientiert sich an der vorgeblichen Spaltung der spanischen Gesellschaft in ›zwei Spanien‹.1824 In der ersten Staffel 2005/06 steht die Liebesgeschichte von Andrea und Antonio im Mittelpunkt, die aus divergierenden soziopolitischen Milieus stammen.1825 Der »Polarisierungskontext«1826, in dem 1820 Bernal (2008), S. 18: »Tampoco falta el niÇo indefenso que ser‚ testigo de la barbarie y que […] funciona como s†mbolo de una generaciûn que sobreviviû a los rigores del fr†o y el horror.« Eine ähnliche Funktion erfüllt Carmen in Las 13 rosas (13 Roses; ES-IT 2007), s. kapitel 4.1.3. 1821 Bernal (2008), S. 18: »Qu¦ malos eran y qu¦ buenos somos.« 1822 Vgl. Winter (2007b), S. 24. 1823 Del Mar Chicharro Merayo (2009), S. 81: »proceso de desarrollo econûmico, social y pol†tico aparentemente natural y previsible«. 1824 Vgl. Del Mar Chicharro Merayo/Rueda Laffond (2008), S. 75 und 77. 1825 Eine Figurenkonstellation, die über den Topos der ›zwei Spanien‹ hinaus den klassischen Archetypen Romeo und Julia entspricht: Vgl. Smith (2009), S. 125. Das Melodram, das das Rückgrat der TV-Serie darstellt, wird dabei nicht nur durch historische Elemente verstärkt

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die Protagonisten agieren, wird in Amar en tiempos revueltos erweitert zugunsten einer Mehrheit gemeinschaftlich und (mit-)menschlich agierender, fortschrittsorientierter Vertreter eines ›Dritten Spaniens‹. Im Gegensatz zu ›radikalen‹ Vertretern des rechten wie linken politischen Spektrums legitimiert das Seriennarrativ die Handlungen der Figuren, die zwar für die damalige Zeit progressive Vorstellungen vertreten, diese jedoch nicht auf ›extreme‹, sondern auf ›gemäßigte‹ Art und Weise durchzusetzen trachten.1827 Die Fortschrittlichen, den Zielen der Republik mit unterschiedlich starker Überzeugung verbunden, sind in Amar en tiempos revueltos überwiegend Vertreter des Kleinbürgertums und repräsentieren eine Mehrheit, gegen die die ›extremen‹ Figuren nichts auszurichten vermögen.1828 Langfristig betrachtet hat sich »das Volk im volkstümlichsten Sinne des Wortes«1829 als Vertreter gemäßigt-progressiver Werte durchgesetzt, so das Seriennarrativ ; eine Lesart, die den Rückhalt unterschlägt, auf den das Franco-Regime in der spanischen Bevölkerung bauen konnte.1830 Vielmehr ist diese Sicht auf die jüngere Vergangenheit darauf angelegt, bei den Rezipienten das Selbstwert- wie Gemeinschaftsgefühl des spanischen ›Volkes‹ als einer inklusiven Gemeinschaft zu verstärken, die sich durch gemeinsam ebenso durchlittene wie letztlich erfolgreich bewältigte ›Wechselfälle der Geschichte‹ gebildet habe.1831 Das Bild einer akteursfreien Welt, in der höhere Mächte wie das Schicksal den Lauf der Dinge bestimmen, ist demzufolge auch in Amar en tiempos revueltos weiterhin präsent.1832 Im Gegensatz zu einer Opfer-

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(s. kapitel 4.1.2), sondern zudem mit sozialem Realismus kombiniert. So nimmt beispielsweise die Sphäre der Arbeit, dargestellt anhand einer Fabrik, in Amar en tiempos revueltos einen ungewöhnlich großen Raum ein: Vgl. ebd., S. 128 ff. Ähnlich lässt sich dies im Kinospielfilm Pa negre (Black Bread; ES 2010, s. kapitel 6.2) beobachten. Del Mar Chicharro Merayo/Rueda Laffond (2008), S. 59; Del Mar Chicharro Merayo (2009), S. 80 und 96: »contexto de polarizaciûn«. Insgesamt betrachtet ist die Figurenzeichnung in Amar en tiempos revueltos vergleichsweise fundiert und überzeugend, orientiert sich nicht nur an Archetypen, sondern präsentiert mehr oder weniger ambivalente Charaktere, was ungewöhnlich ist für ein täglich ausgestrahltes Serienformat: Vgl. Smith (2009), S. 127 und 132. Näheres zum Format von Amar en tiempos revueltos s. kapitel 4.1.2. Vgl. Del Mar Chicharro Merayo/Rueda Laffond (2008), S. 77 f.; Del Mar Chicharro Merayo (2009), S. 81. Del Mar Chicharro Merayo/Rueda Laffond (2008), S. 78: »el pueblo, en el sentido m‚s costumbrista del termino«. Vgl. ebd. und S. 81. Diese Sicht auf die jüngere Vergangenheit unterstreicht die didaktische Intention von Amar en tiempos revueltos: Vgl. ebd., S. 73 f.; Del Mar Chicharro Merayo (2009), S. 81 und 95. Eine didaktische Funktion der Serie ist der Ausrichtung des Fernsehsenders geschuldet, auf dem sie ausgestrahlt wurde: Vgl. Del Mar Chicharro Merayo/Rueda Laffond (2008), S. 74. S. Fußnote 121. Vgl. Smith (2009), S. 129. Der Produzent der Serie Jaume Banacolocha meint, die Geschichte sei darin eine nicht existierende Figur, die aber agiere und konditioniere: Vgl. ABC (23. 09. 2005), S. 107.

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rhetorik bietet eine ›Wir sind Helden‹-Lesart, wie sie diese TV-Serie präsentiert, allerdings eine weitaus positivere Art der Bezugnahme auf die jüngere Vergangenheit.1833 Das Bestreben, in Amar en tiempos revueltos das Bild einer einträchtigen spanischen Gemeinschaft zu vermitteln, verdeutlicht über eine ›siegreiche‹ Mehrheit volkstümlich-fortschrittlicher Figuren hinaus die Wahl des Handlungsortes. Das Seriennarrativ vollzieht sich in der spanischen Hauptstadt. Madrid soll die Identifikation der Zuschauer mit einem Ort befördern, der nationale Bedeutsamkeit hat.1834 Auffallend ist, dass alle Figuren der TV-Serie sich stets auf dem Plaza de los frutos (dt.: »Platz der Früchte« oder aber »Platz des Ertrags«) wiedertreffen, der in der ersten Folge der ersten Staffel mithilfe eines pan shots regelrecht vorgestellt wird. Das alltägliche Leben auf dem und rund um den nachgebauten fiktiven madrilenischen Platz wird zur Metapher des Lebens des ›spanischen Volkes‹ während der Spätphase der Zweiten Republik, des Bürgerkriegs und der Franco-Diktatur im Allgemeinen. Laut Kommunikationswissenschaftlerin Mar†a del Del Mar Chicharro Merayo bestärkt Amar en tiempos revueltos demnach nicht nur über den allgemeinen Handlungsort Madrid, sondern vor allem über den konkreten, in der TV-Serie stets präsenten Marktplatz die Idee, einer spanischen Gemeinschaft bzw. Nation anzugehören.1835 Das Feiern eines ›Siegeszuges‹ des ›Dritten Spaniens‹ in Amar en tiempos revueltos geht einher mit der Darstellung der Bürgerkriegs- und Diktaturvergangenheit als etwas Abgeschlossenes, das man aus sicherer Entfernung betrachten kann. So kann man sich daran erfreuen, nicht mehr unter jenen Umständen leben zu müssen, und gleichzeitig Stolz empfinden angesichts des offenkundigen Entwicklungsschritts, den Spanien innerhalb kürzester Zeit vollzogen hat. Entsprechend stellte einer der Macher der Serie, Rodolf Sirera, in einem Videointerview fest:

1833 Eine ganz ähnliche Sicht auf die Vergangenheit eröffnet eine noch aktuellere Serie mit zeithistorischem Sujet, die auf La 1 ausgestrahlt wurde: 14 de abril. La Repfflblica (dt.: »14. April. Die Republik«; erste Staffel 2011, s. kapitel 3.3). 1834 Vgl. Del Mar Chicharro Merayo/Rueda Laffond (2008), S. 74. Madrid als Handlungsort ermöglicht zudem – angesichts der Bedeutung, die der spanischen Hauptstadt als geradezu mythischer Ort des republikanischen Widerstandes während des innerspanischen Konflikts zukam (s. Fußnote 1871) – besonders dramatische Erzählstränge bei gleichzeitiger Darstellung der alltäglichen Auswirkungen des kriegerischen Konflikts auf die Zivilbevölkerung: Vgl. ebd. Die Auswirkungen des innerspanischen Konflikts auf den Alltag der Madrider Zivilbevölkerung fokussieren beispielsweise die Kinospielfilme Las bicicletas son para el verano (Bicycles Are for the Summer ; ES 1983), La hora de los valientes (A Time for Defiance; ES 1998) und Die Frau des Anarchisten (DE-ES-FR 2008). 1835 Vgl. ebd.; Smith (2009), S. 130. An dem Plaza de los frutos befinden sich nicht zufällig auch die Gemeinschaftsorte Bar und Lebensmittelgeschäft.

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»Amar beinhaltet einen Erinnerungsaspekt, aber auch ein Element, das, was unsere Gesellschaft einmal war, damit zu vergleichen, welche Fortschritte wir im Laufe der Zeit gemacht haben.«1836

Dabei dient ein schwarzer Rahmen, in dem die archivarischen schwarz-weißAufnahmen präsentiert werden, die das fiktionale Seriennarrativ an thematisch passender Stelle immer wieder unterbrechen, dazu, die Entfernung zu betonen, die zwischen Vergangenheit und Gegenwart liegt.1837 Der Vorspann zur ersten Staffel der Serie ist in diesem Zusammenhang exemplarisch: Zu sehen ist ein illustrativer Zusammenschnitt thematisch passender schwarz-weiß-Dokumentarfilmaufnahmen aus RTVE-Archiven, der Flüchtlinge, eine Kirche, Menschen beim ›Führergruß‹, Kriegsveteranen, Heimkinder, einen Arzt, menschenleere Stadtansichten und Nonnen zeigt. Währenddessen werden die Titel derart wackelig eingeblendet, dass sich der Zuschauer an Filme der Stummfilmära oder der frühen Tonfilmzeit erinnert fühlt. Einen vergleichbaren Effekt erzielen Striche, die sich längs durch die Aufnahmen ziehen und wie Risse auf altem Filmmaterial wirken.1838 Begleitet wird die Bilderfolge auf der Tonspur von Mûnica Molina, die den Titel-Song zur Serie singt, der sich um »Liebe in aufgewühlten Zeiten« dreht.1839 Dabei schlägt der Song einen grundsätzlich pessimistischen Ton an, indem er die Zeit als eine ›dunkle‹ beschreibt, als eine Zeit der gesellschaftlichen Spaltung und des Leides.1840 Ähnlich beinhalten pseudodokumentarische Sendungen wie Los aÇos cuarenta. Amar en tiempos revueltos (dt.: »Die vierziger Jahre. Amar en tiempos revueltos«; TVE/La 1, ausgestrahlt am 12. Juni 2008 direkt vor einer Folge der Serie) einen pessimistischen, bitteren, bisweilen sarkastischen Kommentar. Dabei nutzt der allwissende Erzähler einen 1836 Rodolf Sirera; zit. n.: »Amar recupera la memoria histûrica de padres, abuelos, y otras historias humanas« (05. 08. 2008), www.rtve.es (20. 02. 2012): »[Amar] tiene un elemento de memoria pero tambi¦n tiene un elemento […] de comparar lo que era nuestra sociedad, lo que hemos avanzado a lo largo del tiempo.« Der von Sirera angesprochene »Erinnerungsaspekt« bezieht sich maßgeblich auf das mit der Serie eingeforderte Gedenken an die Opfer der franquistischen Repression, s. kapitel 4.1.2. 1837 Vgl. Smith (2009), S. 128. Damit orientiert sich Amar en tiempos revueltos dramaturgisch an seinem erfolgreichen Vorgänger, die TV-Serie Cu¦ntame cûmo pasû (TVE/La 1, seit 2001): Vgl. ebd., S. 127. S. kapitel 4.1.2. 1838 Vgl. Amar en tiempos revueltos – T1 – Cap†tulo 1 (28. 09. 2005), www.rtve.es (20. 02. 2012), 00:06:30 – 00:07:00; ABC (23. 09. 2005), S. 107; Smith (2009), S. 128. 1839 Mûnica Molina gehört zum Molina-Clan, der in Spanien allseits bekannt ist und hauptsächlich aus Schauspielern besteht. Auch Mûnica Molina war in den 1980er-Jahren als Schauspielerin tätig, bevor sie eine sehr erfolgreiche Karriere als Sängerin einschlug, unter anderem prämiert mit einem Grammy. In der vierten Staffel von Amar en tiempos revueltos (2008/09) verkörpert sie für kurze Zeit (25 Folgen) eine Sängerin: Vgl. Aniorte, Carmen: »Me dan pena quienes creen que el ¦xito se alcanza de la noche a la maÇana.« In: ABC (11. 11. 2008), S. 98. 1840 Vgl. Smith (2009), S. 131.

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pluralis majestatis, als ob er ein populäres, allseits verbreitetes Empfinden kundtue.1841 Der Vorspann zur ersten Staffel von Amar en tiempos revueltos wie auch Los aÇos cuarenta. Amar en tiempos revueltos bestärken somit das Bild der ›dunklen‹ 1940er-Jahre als einer Dekade des Leides und des Rückschritts, um den ›Siegeszug‹ des ›Dritten Spaniens‹, wie es die fortschrittlich-gemäßigten Figuren der Serie repräsentieren, zur heutigen spanischen Demokratie umso mehr erstrahlen zu lassen.1842 Nicht zufällig nennt das Protagonisten-Paar der ersten Staffel ihr Kind Liberto. Der Junge ist als Inkarnation der Hoffnung auf eine freiere, gerechtere Zukunft zu verstehen, wie sie seine Eltern nicht mehr erleben, die sich im späteren demokratischen Spanien aber erfüllt. In dieser Hinsicht ist der Kinospielfilm Las 13 rosas (13 Roses; ES-IT 2007) ganz ähnlich angelegt, der seine Protagonistinnen oftmals etwas zelebrieren lässt, was sie – aufgrund der ›widrigen Umstände‹ der Zeit, wie das Filmnarrativ nahe legt – letztlich nicht erreichen: ein erfülltes Leben als erwachsene Frauen. Dieses ›Etwas‹ verbleibe mit Filmende dem Kritiker Hilario J. Rodr†guez zufolge in den Händen des Zuschauers, »damit wir selbst darüber entscheiden, in welche Richtung wir unseren Blick wenden, nachdem wir ein wenig von unserer Vergangenheit erfahren haben oder von der Vergangenheit der anderen, die, wie wir, alles vor sich hatten und für immer zurückblieben.«1843 So verknüpft Rodr†guez das in Las 13 rosas dargestellte ›schlimme‹ Gestern direkt mit den vermeintlichen erinnerungspolitischen Notwendigkeiten der demokratischen Gegenwart.1844 Gleichzeitig verweist er auf die Möglichkeiten, die sich dem heutigen Zuschauer des Films eben im Gegensatz zu dessen Protagonistinnen bieten. Diese Kontrastierung des ›Gestern‹ mit dem ›Heute‹ erfolgt in Las 13 rosas vor allem über die Darstellung der fünf zum Tode verurteilten Protagonistinnen als junge, hübsche Frauen, die verheiratet sind, liiert oder sich gerade verliebt haben. Diese Liebe können sie jedoch nicht ausleben aufgrund der Vorladung zum Verhör mit der anschließenden Gefängnishaft und Hinrichtung.1845 Eine der 1841 Vgl. Del Mar Chicharro Merayo (2009), S. 82 sowie 89 – 95. Die Produktion wirkt dokumentarisch, ist jedoch mit fiktionalen Bildern und Szenen aus der TV-Serie selbst unterfüttert, was den Zuschauer von der Glaubwürdigkeit beider Produktionen – der dokumentarischen wie auch der fiktionalen – überzeugen soll: Vgl. ebd., S. 80. Für Del Mar Chicharro Merayo kann Amar en tiempos revueltos deshalb als weiteres Beispiel für die Hybridisierung gelten, die das Medium Fernsehen heute kennzeichnet: Vgl. ebd., S. 77. 1842 Vgl. ebd., S. 91. 1843 Rodr†guez (2007a), S. 20: »para que seamos nosotros quienes decidamos hacia qu¦ lado dirigir nuestra mirada despu¦s de conocer un poco de nuestro pasado o del pasado de los otros que, como nosotros, lo ten†an todo por delante y se quedaron atr‚s para siempre.« 1844 Wobei er die Erfahrungen des Leides der ›einen‹ wie auch der ›anderen‹ Seite wohlgemerkt in einer allumfassenden Opferrhetorik zusammenbindet. S. kapitel 6.1. 1845 Regisseur Mart†nez-L‚zaro setzte eigenen Aussagen zufolge den Fokus gezielt auf das

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im Zentrum der filmischen Handlung stehenden fünf Frauen, Julia, dient filmintern zudem dazu, auf die republikanischen Fortschritte auf dem Gebiet der Gleichberechtigung zu verweisen, die mit Francos Sieg rückgängig gemacht wurden. Im Madrid der Bürgerkriegszeit hatte sie als Straßenbahnschaffnerin gearbeitet und so ihre vaterlose Familie ernährt. Nach dem Einmarsch der siegreichen Aufständischen in die spanische Hauptstadt wird sie in dieser Funktion von einem Fahrgast als ›Rote‹ und Hure beschimpft.1846 Wenngleich die Thematik der erwerbstätigen Frau in Las 13 rosas nur gestreift wird, so leistet sie doch ihren Beitrag dazu, den Kontrast zwischen den durch den Franquismus zunichte gemachten Hoffnungen der Protagonistinnen einerseits und den Errungenschaften des heutigen demokratischen Spaniens andererseits herauszustellen. Diese Errungenschaften werden in dem Kinospielfilm Libertarias (Freedomfighters; ES-IT-BE 1996) allein schon über die Handlung hervorgehoben. Die Protagonistinnen des Films kämpfen und sterben für Gleichberechtigung. Ihren grausamen Tod beschreibt Mullaly nicht zufällig als »viol collectif«1847, als Opfergang der spanischen Frau.1848 Dabei wird das emanzipatorische Streben der weiblichen Protagonistinnen alles andere als uneingeschränkt positiv bewertet, schrecken sie doch auch vor Gewaltanwendung nicht zurück, um ihre anarchofeministischen Ziele durchzusetzen. Dies macht sie letztlich zu einem weiteren Beispiel für eine ›extreme‹ Gruppierung, deren blutiges Ende dem Filmnarrativ zufolge ›logisch‹ erscheint.1849 Über die Mittel hinaus, die die Milizionärinnen in Libertarias anwenden, wurden jene Rechte, für die sie sich einsetzen, jedoch letztlich im demokratischen Spanien umgesetzt. Folgt man dem Regisseur Aranda, so ist der ursprünglich sozialrevolutionäre »Traum«1850 ausgerechnet in der heutigen spanischen parlamentarischen Monarchie in Erfüllung gegangen. Diese Ansicht teilt Schauspielerin Ana Bel¦n: »So wie wir in sehr viel schwierigeren Momenten gekämpft haben, um einen Grad an Freiheit zu erreichen, den wir nicht hatten, werden wir weiter kämpfen, um den Grad an

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Liebesleben seiner Protagonistinnen, um die Geschichte intimer zu gestalten (Vgl. Las 13 rosas, DVD-Extras, Comû se hizo, 00:10:10 – 00:10:30) – für Kritikerin Mirito Torreiro ein gelungener Ansatz: Vgl. Torreiro (2007), S. 14. Vgl. Las 13 rosas, 00:20:47 – 00:21:34. Ihre Gefährtin Adelina äußert an anderer Stelle ihrem konservativen Freund gegenüber den Wunsch, Sekretärin zu werden, was dieser mit Protesten quittiert: Vgl. ebd., 00:52:58 – 00:53:32. Mullaly (2009), S. 137. Vgl. ebd. S. kapitel 2.2. Vicente Aranda; zit. n.: Libertarias, DVD-Extras, Presentaciûn de la pel†cula, Comentarios y an¦cdotas, 00:04:54 – 00:05:52: »sueÇo«. Die Traummetapher verweist wiederum auf das Element der ›Utopie‹, das in Libertarias im Zusammenhang mit den sozialrevolutionären Bestrebungen sehr präsent ist, s. kapitel 2.2.

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Freiheit aufrecht zu erhalten, den wir erreicht haben, und noch mehr. Ich glaube, das, was wir niemals machen werden, ist einen Schritt zurück zu gehen.«1851

Um Geschlechterrollen geht es ebenfalls deutlich in der TV-Serie Amar en tiempos revueltos (TVE/La 1, 2005 – 2012). Die erste Staffel 2005/06 setzt inhaltlich mit den Auseinandersetzungen der Protagonistin Andrea mit ihrem wertkonservativen Vater zu Zeiten der Republik ein. Andrea würde gern studieren, was ihr der Vater aber verbietet: Für eine Frau schicke sich das nicht. Widerworte sind im Übrigen nicht erwünscht, Andrea siezt ihre Eltern. Hiermit zeichnet Amar en tiempos revueltos ein glaubwürdiges Bild der Stellung junger Frauen in wohlsituierten bürgerlichen Familien jener Zeit, deren Aufgabe es vor allem war, hübsch auszusehen, Konversation betreiben zu können und bloß nicht anzuecken. Der Ausbruch des Bürgerkriegs indes ist für Andrea, die beklagt, dass Frauen nicht die gleichen Rechte wie Männer hätten, eine Chance, ihr Leben als Frau ein Stück weit selbstbestimmter zu führen. Der Hispanist Paul Julian Smith sieht den hauptsächlichen Handlungsstrang der ersten Staffel von Amar en tiempos revueltos deshalb sogar weniger in der tragischen Liebesgeschichte zwischen Antonio und Andrea als vielmehr im Unabhängigkeitskampf der Protagonistin.1852 Neben Andrea rücken in Amar en tiempos revueltos zahlreiche weibliche Figuren in den Fokus, über die das Los der Frauen zu Bürgerkriegs- und vor allem zu Nachkriegszeiten thematisiert wird.1853 Dies ist sicher nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass diese TV-Serie zu einem Tageszeitpunkt ausgestrahlt wird, an dem in Spanien vor allem Frauen fernsehen, denen somit Identifikationsangebote offeriert werden.1854 Frauen müssen in Amar en tiempos revueltos mit dem Verlust ihrer Nächsten leben, mit der Angst, den Bombardements, der Ungewissheit, der Nahrungsmittel- und Wohnraumknappheit, der Sippenhaft, der Gefängnishaft ihrer Angehörigen. Einen besonderen Leidensweg durchlebt in der ersten Staffel der Serie zum Beispiel Elpidia Grande, verkörpert von der berühmten spanischen Schauspielerin Pilar Bardem.1855 Elpidia verliert nach dem Krieg ihren Mann, der im Gefängnis stirbt, während ihr Sohn Antonio ebenfalls im Gefängnis ausharren muss. Andererseits zeichnen sich weibliche 1851 Ana Bel¦n; zit. n.: La Vanguardia (06. 08. 1995), S. 38: »Igual que hemos luchado en otros momentos mucho m‚s dificiles por conseguir unas cotas de libertad que no ten†amos, vamos a seguir luchando por mantener las cotas de libertad que hemos alcanzado, y affln m‚s. […] [C]reo lo que nunca haremos es dar un paso atr‚s.« 1852 Vgl. Smith (2009), S. 126. 1853 Der Raum, der der unmittelbaren Nachkriegszeit in Amar en tiempos revueltos gewährt wird, entspricht der Darstellungskonvention, dass nicht der kriegerische Konflikt interessiert, sondern seine Auswirkungen an der ›Heimatfront‹: Vgl. Gal‚n Fajardo (2007). S. kapitel 1.1.3. 1854 S. kapitel 4.1.2. 1855 Zur Schauspielerin Pilar Bardem s. Fußnote 644.

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Figuren in Amar en tiempos revueltos dadurch aus, dass sie, wie zum Beispiel Paloma, ihrem eigenen Leid zum Trotz anderen Menschen beim Überleben helfen.1856 Paloma, die schon zu Republikzeiten ihr eigenes, selbstbestimmtes Leben zu führen vermag, stieß bei den Fernsehzuschauern auf besonders viel Zuspruch.1857 Schauspielerin Ana Otero begründet den Erfolg ›ihrer‹ Figur Paloma bezeichnenderweise damit, dass diese eine sehr starke Frau sei, die man beinahe als »Suffragette«1858 bezeichnen könne.1859 Demnach ist Paloma eine exemplarische Vertreterin eines ›Dritten Spaniens‹, die bereits im ›dunklen Damals‹ die fortschrittlichen Werte verkörpert, die im heutigen Spanien verwirklicht sind.

1856 Paloma ließe sich somit als ›Heldin des Alltags‹ (s. kapitel 4.2.1) bezeichnen. 1857 Dies führte dazu, dass TVE diese Figur nach einer zweijährigen Pause für eine zweiteilige Extrasendung wieder einführte: Vgl. Ana Otero: »Paloma es un personaje ¦pico y con mucha fuerza, por eso es tan querida« (28. 01. 2010), www.rtve.es (20. 02. 2012). 1858 Ana Otero; zit. n.: ebd. 00:01:47 – 00:01:52: »sufragista«. 1859 Vgl. Ana Otero: »Paloma es un personaje ¦pico y con mucha fuerza, por eso es tan querida« (28. 01. 2010), www.rtve.es (20. 02. 2012). Mit Encarna gibt es eine ganz ähnliche Figur in 14 de abril. La Repfflblica (dt.: »14. April. Die Republik«; TVE/La 1, erste Staffel 2011, s. kapitel 3.3), die bereits in La SeÇora (TVE/La 1, 2008 – 2010, s. kapitel 3.3) auftauchte.

7.

Transnationale Bedeutungsdimension

7.1

›Antifaschistischer Kampf‹

Um die republiktreuen Parteien zu vereinen,1860 propagierten kommunistische Kräfte im Bürgerkriegsspanien das Credo eines Kampfes ›gegen den Faschismus‹. Diese Begründung für einen kriegerischen Einsatz auf Seiten der spanischen Republik konsolidierte sich infolge der deutschen und italienischen Intervention zu Gunsten der Aufständischen.1861 Die Nationalsozialisten unterstützten die Putschisten von Anfang an mit Materiallieferungen.1862 Sie betrachteten Spanien als militärisches Experimentierfeld, wobei bündnispolitische Überlegungen sowie ökonomische Motive ebenso eine Rolle bei der Entscheidung für eine Intervention spielten. Zudem konnten die Aufständischen auf die Unterstützung der italienischen Faschisten zählen. Deren Motivation wiederum lag ebenfalls in bündnispolitischen Erwägungen begründet und in der Absicht, ihre Intervention im Spanischen Bürgerkrieg für die nationale Mobilisierung im eigenen Land propagandistisch zu instrumentalisieren.1863 Im Zuge der Unterstützung, die Nazi-Deutschland wie auch Italien den Putschisten in Spanien gewährten, näherten sich beide Mächte an, was »schließlich Ende Oktober 1936 in die Ausrufung der ›Achse Berlin-Rom‹ [mündete]«1864. Der Historiker Ismael Saz meint, dass der Krieg in Spanien sich auch als »first war of the Axis«1865 bezeichnen ließe. Zeitgenossen jedenfalls »had good reasons to experience the war in Spain as a war against fascism, as an anti-fascist war«1866. 1860 S. Fußnote 114. 1861 Vgl. Preston (1999), S. 53; Moradiellos (2003a), S. 15; Godicheau (2005), S. 20 f.; Saz (2008), S. 100. 1862 Junkers-Flugzeuge halfen den Putschisten maßgeblich dabei, das Afrikaheer auf das spanische Festland zu transportieren: Vgl. Godicheau (2005), S. 14. 1863 Vgl. Romero Salvadû (2005), S. 66 – 69; Bernecker/Brinkmann (2006), S. 35; Schauff (2006), S. 145 – 158; Saz (2008), S. 98. 1864 Collado Seidel (2010), S. 100. 1865 Saz (2008), S. 100. 1866 Ebd. Vgl. Godicheau (2005), S. 20 f.

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Die westlichen Demokratien indes einigten sich im Sinne der dominierenden Appeasement-Politik und wegen ökonomischer Motive auf eine sogenannte ›Nicht-Intervention‹, die de facto ebenfalls die Putschisten begünstigte. Lediglich die Sowjetunion leistete materielle Hilfe zugunsten der Republik. Diese verband sie aber mit Forderungen nach finanzieller Gegenleistung – die republikanische Regierung zahlte mit Gold – sowie mit einer aggressiven Ausweitung ihres Einflussbereichs auf dem spanischen Festland.1867 Dabei agierten die Kommunisten im Bürgerkriegsspanien im Sinne der sowjetischen Außenpolitik, die mit Blick auf Hitlers Expansionsbestrebungen einer Strategie der ›kollektiven Sicherheit‹ folgte: sich den westlichen Demokratien als vertrauenswürdiger Bündnispartner zu präsentieren, indem man revolutionären Bestrebungen abschwor.1868 Im Bürgerkriegsspanien schürte diese Haltung die Spannungen jedoch beträchtlich, die zwischen den zunehmend kommunistisch dominierten Kräften der republikanischen Regierung und den linksoppositionellen Gruppen bestanden, die von einer Gleichzeitigkeit der Verteidigung der Republik und der Umsetzung einer ›sozialen Revolution‹ überzeugt waren.1869 Außerdem koordinierte die Komintern die Rekrutierung sowie die Organisation der Internationalen Brigaden, deren erste Verbände Mitte Oktober 1936 in Alicante eintrafen.1870 Sie operierten als selbständige Einheiten im Rahmen der republikanischen Armee und haben im Zusammenhang mit der Verteidigung Madrids – der erste Einsatzort der internationalen Brigadisten – eine geradezu mythische Bedeutung erlangt.1871 Auch die im Oktober 1936 einsetzenden Bemühungen der 1867 Vgl. Collado Seidel (2010), S. 120 und 122; Bernecker/Brinkmann (2006), S. 35 ff.; Schauff (2006), S. 144 f. und 158 – 172. 1868 Vgl. Bernecker/Brinkmann (2006), S. 36 f.; Collado Seidel (2010), S. 112 – 115. 1869 Spannungen, die in den üblicherweise als ›Bürgerkrieg im Bürgerkrieg‹ titulierten Straßenkämpfen in Barcelona im Mai 1937 kulminierten. Diese mit Waffengewalt ausgetragene Auseinandersetzung innerhalb des republikanischen Lagers, aus der bewaffnete Einheiten der kominterntreuen, sozialistischen Regionalpartei Kataloniens PSUC (Partido Socialista Unificat Catalunia; dt.: »Vereinigte Sozialistische Partei Kataloniens«) und kommunistisch unterwanderte republikanische Sicherheitskräfte als Sieger hervorgingen (Vgl. Sol¦ i Sabat¦/Villarroya (1999); Radosh/Habeck/Sevostianov (2001), S. 171 ff.; Godicheau (2005), S. 159 – 161), trug zur Schwächung der propagandistisch überhöhten ›antifaschistischen Einheitsfront‹ bei. Hierauf wies auf audiovisuellem Wege 1995 die maßgeblich britische Produktion Land and Freedom hin, s. Kapitel 1.1.3. 1870 Vgl. Collado Seidel (2010), S. 117. 1871 Vgl. ebd., S. 118 f. Spaniens Hauptstadt Madrid avancierte im Herbst 1936 zum Symbol des Widerstandes ›des Volkes‹, das alles daran setzte, den Vormarsch des ›Faschismus‹ aufzuhalten: Vgl. Romero Salvadû (2005), S. 211. Eine entsprechende Inszenierung findet sich beispielsweise in dem Kinospielfilm La hora de los valientes (A Time for Defiance; ES 1998). Dabei rekurriert die Filmhandlung mehrfach auf das bekannte Gemälde El tres de Mayo 1808 von Francisco Goya, um das einträchtige Vorgehen der ›kleinen‹ Leute im Krisenfall zu beschwören. Allerdings handelte es sich bei Franco nicht – wie bei den napoleonischen Truppen – um eine fremde Macht, weswegen La hora de los valientes das

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republikanischen Regierung unter Führung des Linkssozialisten Largo Caballero, die unstrukturierten Milizeinheiten, die seit Putschbeginn für die Verteidigung der Republik verantwortlich waren, in einer einzigen einheitlichen »Volksarmee« (span.: ej¦rcito nacional) zusammenzufassen, gingen auf Druck des PCE sowie sowjetischer militärischer Berater und daher nicht ohne Spannungen vonstatten.1872 Das Engagement der UdSSR für die spanische Republik schien der rechtskonservativen Propaganda im Nachhinein Recht zu geben, die vor dem Putschversuch die Angst vor einer Machtübernahme der Kommunisten und einer damit einhergehenden unmittelbar drohenden Revolution in Spanien geschürt hatte. Dabei war die frente popular (dt.: »Volksfront«), die linksrepublikanische Regierungskoalition, die im Februar 1936 mit denkbar knapper Mehrheit die Wahlen in Spanien gewonnen hatte,1873 entgegen der Namensgebung nicht von der Komintern erschaffen.1874 Die spanische frente popular ging zurück auf gemäßigt linke Politiker ; kommunistische wie auch anarchistische Parteien und Gewerkschaften waren daran nicht beteiligt. Erst der gescheiterte Militärputsch löste in weiten Teilen des republikanischen Territoriums die Revolution aus, die reaktionäre Kräfte für die vorgebliche Notwendigkeit des Putsches beschworen hatten.1875 Die Idee, Franco habe ein »Nationalspanien« (span.: EspaÇa nacional) vor einer angeblich ›roten Gefahr‹ gerettet, beruht somit in erster Linie auf Grundpfeilern, die von Anhängern der Rechten bereits

1872

1873 1874 1875

Bild eines auswärtigen Aggressors perpetuiert, der die spanische Bevölkerung gewaltsam in die Abhängigkeit zwingen will: Vgl. Jünke (2007), S. 230. Das Motiv des ›fremden‹, gar ›monströs‹ anderen Täters wird in publikumswirksameren spanischen Kino- und TVProduktionen seit 1996 maßgeblich bedient, s. kapitel 4.3.1. Vgl. Collado Seidel (2010), S. 120 – 122; Schauff (2006), S. 87 f. Während des Militärputsches war die Verteidigung der Republik in Form militärisch geschulter Spezialisten zusammengebrochen; Milizen formierten sich, mehrheitlich gestellt von der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft CNT (Confederaciûn Nacional del Trabajo; s. Fußnote 297) und der sozialistischen Gewerkschaft UGT (Uniûn General de Trabajadores). Daneben traten ihnen Freiwillige aus dem Ausland bei: Vgl. Von zur Mühlen (1985), S. 207 ff.; Beevor (2006), S. 124. Vgl. Ranzato (2007), S. 159. 1935 hatte Stalin, »nachdem er den Führungsanspruch innerhalb der Komintern erhob […] [,] die Bildung von ›Volksfronten‹ zur Kräftebündelung im Kampf gegen den Faschismus als Losung ausgegeben«: Collado Seidel (2010), S. 114. Vgl. Prada (2010), S. 109. Mit dem Fall des bürgerlichen Staates in den ersten Kriegstagen kamen vermehrt parallele, revolutionäre Organe an die Macht, die massive Kollektivierungen vorantrieben, sowohl im agrarischen als auch im industriellen Sektor : Vgl. Preston (1999), S. 47 f.; Bernecker/Brinkmann (2006), S. 43 f. Dabei war die revolutionäre Stimmung in den ersten Kriegsmonaten besonders stark in Barcelona ausgeprägt, da die Gewalt über die Stadt in den Händen der Anarchisten lag: Vgl. Bernecker/Brinkmann (2006), S. 45. Dieser Tatsache trägt Libertarias (Freedomfighters; ES-IT-BE 1996) Rechnung, s. kapitel 2.2.

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zu Republikzeiten propagiert wurden.1876 Sie verklärten den Militärputsch gegen die legitim gewählte republikanische Regierung als präventiv erfolgte »glorreiche nationale Erhebung« (span.: glorioso alzamiento nacional). Alle bedeutenden westlichen Mächte jener Zeit intervenierten und beeinflussten so den Verlauf und das Ergebnis des innerspanischen Konflikts maßgeblich – auch durch die Politik der sogenannten ›Nicht-Intervention‹. Bei aller Verortung der Ursachen des Konflikts in Spanien selbst darf die Einbettung in den breiten Zusammenhang der Geschichte der Gewalt und des Kriegs im 20. Jahrhundert deshalb nicht zu kurz kommen, wie viele Vertreter der historischen Spanienforschung betonen. Mit der internationalen Dimension, die der Bürgerkrieg noch in seiner frühesten Phase erlangte, eignete er sich nicht nur für Parteien und Gruppierungen innerhalb Spaniens, sondern in der angespannten globalen Situation der 1930er-Jahre auch in allen weiteren westlichen Ländern als Vehikel der Propaganda. Von Anfang an vermochten die Ereignisse in Spanien die Landesgrenzen zu überschreiten und leidenschaftliche Debatten in ganz Europa und den USA zu wecken.1877 Ausländische Schriftsteller, Fotografen und Filmemacher kämpften aktiv in Spanien oder waren während des Bürgerkriegs vor Ort als internationale Korrespondenten tätig, sei es in den Reihen von Freiwilligenverbänden oder der Internationalen Brigaden.1878 Gerade für die ausländischen Kämpfer wurde der Spanische Bürgerkrieg gleichbedeutend mit der für sie einzigen Möglichkeit, aktiv am Kampf ›gegen den Faschismus‹ teilnehmen zu können. Wie der Historiker Carlos Collado Seidel es formuliert: »Für die Freiwilligen, gerade im Fall der Deutschen und Italiener, stand fest, dass der Feind nicht nur Franco, sondern auch Hitler und Mussolini hieß.«1879 Mediengeschichtlich betrachtet, ermöglichten Rundfunk und der Fotojournalismus einem großen, internationalen Publikum, das Geschehen auf der Iberischen Halbinsel quasi ›direkt‹ mit zu verfolgen. In diesem Zusammenhang zählt Robert Capas Foto mit dem Titel Death of A Loyalist Soldier zu den legendärsten und meistveröffentlichten Kriegsbildern des 20. Jahrhunderts; der im Augenblick seines Todes fotografierte Mann, laut Bildtitel ein republikanischer Soldat,

1876 Vgl. Godicheau (2005), S. 15 f. Dies erklärt den großen Aufschrei, der auf die Publikation Due fronti 1998 folgte (s. Fußnote 1806). Laut einer Umfrage, die die Tageszeitung El Mundo anlässlich des 70. Jahrestages des Kriegsausbruchs durchführte, glaubte 2006 immerhin noch ein Drittel der Befragten, dass im Falle eines Sieges der Republik eine kommunistische Diktatur in Spanien errichtet worden wäre: Vgl. Sinova, Justino: ¿Habr†a sido una democracia o una dictadura comunista? In: El Mundo (19. 07. 2006), S. 16. 1877 Vgl. Romero Salvadû (2005), ix; Graham (2008), S. 10. 1878 Viele Ausländer wurden während ihrer Teilnahme an der Arbeiterolympiade in Barcelona 1936 vom Putschversuch der Aufständischen in Spanien selbst überrascht: Vgl. Namuth/ Reisner (1986). 1879 Collado Seidel (2010), S. 118.

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schockierte die Weltöffentlichkeit.1880 Gleichzeitig beförderte Capas berühmtestes Foto ganz maßgeblich eine romantisierte Sicht auf den Spanischen Bürgerkrieg. Bis heute ist die Interpretation des Verteidigungskampfes der Republik in Spanien als Befreiungskrieg vom ›Faschismus‹ und somit als good fight als supranationales Erklärungsmuster in der europäischen und amerikanischen Linken virulent.1881 Damit einher geht eine Lesart des Spanischen Bürgerkriegs als Vorspiel zum Zweiten Weltkrieg, die auch in historiografischen Meistererzählungen zu finden ist, beispielsweise in Eric Hobsbawms Das Zeitalter der Extreme. Der Krieg in Spanien wird bei Hobsbawm zum Exempel für die seinerzeit globale Konfrontation zwischen Fortschritt und Reaktion.1882 Eine solche Sicht auf den spanischen Konflikt ist als stark verkürzt zu bezeichnen und reproduziert zudem die binäre Logik der Kriegsjahre bzw. der franquistischen Propaganda.1883 Die aktuelle historiografische Forschung betont vielmehr, dass der Krieg in Spanien letztlich eine Summe »›mehrerer‹ paralleler ›Kriege‹«1884 darstelle, die sich überlagert hätten und deren Ursachen viel weiter zurücklägen. Sie betont also den Polyzentrismus und die Fragmentierung des Konflikts, die mit einem genaueren Blick auf die Zusammensetzung der Kriegsparteien mehr als deutlich werden.1885 Dennoch sollten Darstellungen und Deutungen des Spanischen Bürgerkriegs, die sich maßgeblich an den Gegensatzpolen ›Faschismus‹ vs. ›Antifaschismus‹ orientieren, noch lange überwiegen.1886 Auch in publi1880 Am 5. September 1936 aufgenommen, wurde Capas Foto seit Ende September 1936 mehrfach in internationalen Illustrierten abgedruckt und erregte großes Aufsehen. Den internationalen Durchbruch erzielte das Foto mit seiner Veröffentlichung in dem amerikanischen Magazin Life, die derzeit größte illustrierte Wochenschrift, am 12. Juli 1937. Das Bild wurde zu einer transnationalen Ikone der Kriegs- und Reportagefotografie des letzten Jahrhunderts und zugleich zu einem Symbol der gescheiterten Spanischen Republik: Vgl. Schaber (2009). Um die Entstehungsgeschichte dieses Bildes ranken sich Legenden, seit 1975 – zwanzig Jahre nach Capas Tod – zum ersten Mal der Vorwurf aufkam, es handle sich bei der Fotografie um eine Inszenierung. Die Frage, ob das Bild gestellt ist, bleibt bis heute offen: Vgl. C‚ceres, Javier : Im Moment der Wahrheit. In: Süddeutsche Zeitung (20. 07. 2009), Nr. 164, S. 9; Worthmann, Merten: Gefälscht?! Zu neuen Zweifeln an der Echtheit von Robert Capas berühmtester Kriegsfotografie. In: Die Zeit (23. 07. 2009), S. 47. Dies wird auch in audiovisuellen Produktionen aufgegriffen, zum Beispiel in der Kinodokumentation La sombra del Iceberg (dt.: »Der Schatten des Eisbergs«; ES 2008). 1881 Vgl. Von zur Mühlen (1985); Buschmann (2005), S. 106; Baumeister (2008), S. 12; Graham (2008), S. 11. 1882 Vgl. Hobsbawm (2003), S. 202; Baumeister (2008), S. 12. 1883 Vgl. Baumeister (2008), S. 12. 1884 Moradiellos (2003a), S. 25: »›muchas guerras‹ paralelas«. 1885 Vgl. ebd., S. 24 und 37 f.; Baumeister (2008), S. 13 f. 1886 An diesem Schema orientierte sich beispielsweise die DDR-Historiografie und beanspruchte dabei »das Erbe des antifaschistischen Widerstandes vornehmlich für sich«: Von zur Mühlen (1985), S. 310.

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kumswirksamen spanischen Kino- und Fernsehproduktionen seit 1996 dient der Mythos des Kampfes ›gegen den Faschismus‹ weiterhin als Erklärungsmodell für die audiovisuell dargestellten Ereignisse.1887 Es eignet sich vortrefflich, um den im nationalen Kontext gängigen Rekurs auf eine vermeintliche Spaltung in ›zwei Spanien‹ zu unterfüttern.1888 Dabei werden spanische ›Faschisten‹ in diesen audiovisuellen Produktionen meist nicht durch die Äußerungen entsprechender ideologischer Überzeugungen gekennzeichnet, sondern allein durch das Tragen der blauen Falange-Uniform,1889 das Ausführen des ›Führergrußes‹, das Singen der falangistischen Hymne Cara al sol bzw. durch das ihnen dialogisch verliehene Etikett der fachas (dt.: »Faschos«). So bezeichnet ein republikanischer Milizionär in Libertarias (Freedomfighters; ES-IT-BE 1996) den Gegner wie folgt: »Und dort sind die faschistischen Dreckskerle mit ihrer Kasernendisziplin.«1890 Ähnlich skandieren die Widerstandskämpfer in Silencio roto (Broken Silence; ES 2001) ein deutliches »Tod den Faschisten!«1891; ein Feindbild, das in dem Ruf »Es lebe der Kampf des Volkes!«1892 sein Gegenüber findet. Folgt man der offiziellen Website zur beliebten TV-Serie Amar en tiempos revueltos (dt.: »Liebe in aufgewühlten Zeiten«; TVE/ La 1, erste Staffel 2005/06), dann wird die aufständische Seite auch hier auf die »Faschisten«1893 reduziert. Das Ende des Kinospielfilms La lengua de las mariposas (Butterfly Tongues; ES 1999) liest der Kritiker Ýngel Fern‚ndez-Santos als »Ausbruch der Bestie«1894, die man heutzutage Faschismus nenne. Auch der Rezensent Rafael Bonilla Cerezo ordnet Regisseur Cuerdas Film in die Meistererzählung ein, die den Spanischen Bürgerkrieg als Kampf ›gegen den Faschismus‹ erklärt: »Alles ereignet sich in einer Grenzsituation: dem Spanischen 1887 1888 1889 1890 1891 1892

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Vgl. Ranzato (2007), S. 127; Del Mar Chicharro Merayo/Rueda Laffond (2008), S. 67. S. kapitel 2.1. Vgl. Jünke (2007), S. 227. Libertarias, 00:40:24 – 00:40:28: »Y all† est‚n los fachas cabrones con su disciplina de cuartel.« Eine Sicht auf den Bürgerkrieg als Kampf ›gegen den Faschismus‹ kolportieren auch einzelne Rezensenten: Vgl. Freixas/Bassa (1996), S. 24. Silencio roto, 00:42:54 – 00:43:01: »¡Muerte a los fascistas!« Ebd.: »¡Viva la lucha del pueblo!« Über diese reduktionistischen Freund-Feind-Bilder hinaus wird in Silencio roto jedoch über höhere Dienstgrade der guardia civil das Militär deutlich als einer der Grundpfeiler des Franquismus inszeniert, mitsamt seiner repressiven Funktion. S. kapitel 4.2.1 und kapitel 4.3.1. Amar en tiempos revueltos – T1 – Cap†tulo 5, www.rtve.es (20. 02. 2012): »fascistas«. Kämpfer auf republikanischer Seite werden auf der offiziellen Website ganz ohne distanzierende Anführungszeichen als »Rote« bezeichnet: Amar en tiempos revueltos – T1 – Cap†tulo 0, www.rtve.es (20. 02. 2012): »rojos«. Zum pejorativen Begriff »rojo« s. Fußnote 1052. El Pa†s (11. 10. 1999), S. 40: »estallido de la Bestia«. Die Verwendung des Begriffs ›Bestie‹ verweist im nationalen Kontext auf den gängigen Topos der Spanier als ›unkontrolliert‹ und ›animalisch‹ (S. kapitel 3.1) und ebenso auf die häufig anzutreffende Zeichnung der franquistischen Täterfiguren als ›bestialisch-monströs‹, s. kapitel 4.3.1.

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Bürgerkrieg. Oder, wenn es Ihnen lieber ist, des ersten Kampfes des Faschismus gegen die Demokratie.«1895 Auch das Filmnarrativ von Las 13 rosas (13 Roses; ESIT 2007) perpetuiert von Anfang an die Lesart des Spanischen Bürgerkriegs als eines Kampfes ›gegen den Faschismus‹.1896 An einer Stelle des Films wird das frühe Franco-Regime mittels schwarz-weißer Archivaufnahmen eng mit dem nationalsozialistischen Regime in Deutschland verzahnt.1897 Die Filmhandlung von Los girasoles ciegos (The Blind Sunflowers; ES 2008) thematisiert gar den Wolframhandel zwischen Nazi-Deutschland und Franco-Spanien, was filmintern dazu dient, die Ursachen für die kriegsbedingte Misere der Protagonisten dem »Dreckskerl von Hitler«1898 anzulasten. Eine ›Faschistisierung‹ der Täterfiguren ist in Del Toros ›Spanienfilmen‹ unübersehbar.1899 In El espinazo del diablo (Das Rückgrat des Teufels; ES-MX 2001) ist es der Pförtner Jacinto, der nicht nur das rücksichtslose, gewaltsame und an der Sicherung der eigenen Privilegien interessierte Vorgehen der Aufständischen symbolisiert.1900 Von Regisseur Del Toro wurde Jacinto zudem als Figur angelegt, die den ›Faschismus‹ repräsentiert.1901 Entsprechend liest die Romanistin Anne E. Hardcastle Schauspieler »Noriega’s very physical and ri1895 Bonilla Cerezo (2005), S. 86: »Todo ocurre en un escenario l†mite: la guerra civil espaÇola. O, si prefieren, la primera batalla del fascismo contra la democracia.« Vgl. Fern‚ndezSantos (1999), S. 40. Durch diese Aussagen entsteht nicht zuletzt ein direkter Bezug zu einer parlamentarischen Eingabe, die mit der Uraufführung von Cuerdas Werk im September 1999 koinzidiert: Die Oppositionsparteien legten einen Antrag vor, der vorschlug, den »faschistischen Militärputsch« von 1936 explizit zu verurteilen: Aguilar Fern‚ndez (2006b), S. 277: »golpe fascista militar«. Vgl. Aguilar Fern‚ndez (2006a), S. 287; Caparrûs Lera (2001), S. 66; Crusells (2006), S. 308. Die Regierungspartei PP weigerte sich, diesem Antrag zuzustimmen. Eine offizielle Resolution, die Totalitarismus und Gewalt als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele verurteilte, wurde erst am 20. November 2002 verabschiedet, s. kapitel 1.1.1 und kapitel 4.1.1. 1896 Vgl. Las 13 rosas, 00:00:00 – 00:02:49. 1897 Vgl. ebd., 00:33:55 – 00:35:22. 1898 Los girasoles ciegos, 01:02:21 – 01:02:22: »cabrûn de Hitler«. »[D]ie deutsche Rüstungswirtschaft [war] an der Lieferung bestimmter Rohstoffe aus Spanien […] interessiert« (Collado Seidel (2010), S. 92) und gründete deshalb noch im Juli 1936 die Transportfirma Hisma (Compadža Hispano-Marroqu† de Transportes), über die diese Rohstoffe von Franco-Spanien nach Hitler-Deutschland gebracht wurden. 1899 Ähnliches lässt sich in Las 13 rosas (13 Roses, ES-IT 2007) beobachten, wo capit‚n Fontenla, die brutal-sadistische Täterfigur des Films (s. kapitel 4.3.1), von all seinen Untergebenen mit ›Führergruß‹ begrüßt wird: Vgl. Las 13 rosas, 00:30:13 – 00:30:25. Fontenla hat in Las 13 rosas im Gegensatz zu den Täterfiguren in Del Toros ›Spanienfilmen‹ allerdings nur eine Nebenrolle inne. 1900 S. kapitel 4.3.1. 1901 Vgl. Chun (2002), S. 29. Filmintern in die Nähe des ›Faschismus‹ wird die Figur nicht zuletzt dadurch gerückt, dass Jacinto gern von Imperio Argentina interpretierte Schlager hört; eine spanische Schauspielerin, die dafür bekannt ist, mit den Nationalsozialisten kollaboriert zu haben (s. kapitel 7.2). Dr. Casares hingegen, der ›republikanisch‹ konnotiert ist, zieht argentinische Tangomusik von Carlos Gardel vor: Vgl. Smith (2001).

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veting performance«1902 in El espinazo del diablo als »fascism’s power to seduce its chosen audience«1903. Ähnlich interpretiert die Romanistin Verena Berger El espinazo del diablo wie auch Del Toros fünf Jahre später angelaufenen El laberinto del fauno (Pans Labyrinth; ES-MX 2006) als deutliche Anklage des ›Faschismus‹ auf transnationaler Ebene.1904 In beiden Fällen erfolgt das Herausstellen der Brutalität und der »barbarie«1905 faschistischer Regime, wie Berger feststellt, über eine Gegenüberstellung mit kindlichen Protagonisten, die für Unschuld und Unwissenheit stehen.1906 In der Tat wird auch die Täterfigur in El laberinto del fauno, capit‚n Vidal, von den an der Entstehung des Films Beteiligten schon im Vorfeld als ›faschistisch‹ charakterisiert. Regisseur Del Toro bezeichnet Hauptmann Vidal als »Faschisten«1907, der seiner Meinung nach unmöglich mit einem katalanischen Akzent sprechen durfte – weswegen Schauspieler Sergi Lûpez sich in Vorbereitung auf seine Rolle genötigt sah, ein Stimmtraining zu absolvieren.1908 Del Toro pries seinen Film zudem mehrfach als »antifaschistisches Märchen«1909 an. In El laberinto del fauno wird Vidal dadurch eingeführt, dass er in einem Wagen vorfährt, auf dem ein falangistisches yugo y flechas-Symbol (dt.: »Joch und Pfeile«) prangt.1910 Am deutlichsten wird der Hauptmann jedoch dadurch als prototypische ›faschistische‹ Führerfigur erkennbar, indem er mit einem gesichtslosen Monster parallelisiert wird: In dem Bankettsaal, in dem in der filminternen Märchenwelt ein Festmahl aufgebaut ist, sticht ein Haufen mit Kinderschuhen ins Auge, der Assoziationen zu der massenhaften Ermordung von Juden in nationalsozialistischen Konzentrationslagern eröffnet.1911 Details der Anlage der Figur Vidal, beispielweise 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909

1910 1911

Hardcastle (2005), S. 128. Ebd. Vgl. Berger (2009), S. 177. Ebd., S. 176. Zu kindlichen Protagonisten s. ausführlicher unter kapitel 4.3.2. Guillermo del Toro, zit. n.: Costa (2006b), S. 101. Das offizielle spanische Presseheft beschreibt Vidal als »sadistischen Faschisten«: El laberinto del fauno, Presseheft, www.clubcultura.com (18. 03. 2010): »fascista s‚dico«. Vgl. Costa (2006b), S. 101. Die von Seiten des Regisseurs empfundene Inkompatibilität eines katalanischen Akzents mit einer ›faschistischen‹ Figur spielt an auf die Unterdrückung der regionalen Autonomiebestrebungen im Franco-Spanien. Guillermo del Toro, zit. n.: ABC de Sevilla (13. 10. 2006a), S. 64: »cuento de hadas antifascista«. Vgl. Castillo, Silvia: Maribel Verdffl, nuevo fichaje de Guillermo del Toro. In: ABC (07. 03. 2005), S. 104; El Mundo (11. 10. 2006). In diesem Sinne bezeichnet einer der den Film El laberinto del fauno eröffnenden Zwischentitel den franquistischen ›Neuen Staat‹ als »faschistisches Regime«: El laberinto del fauno, 00:00:42 – 00:00:50: »r¦gimen fascista«. Zur Charakterisierung des Franco-Regimes, s. kapitel 4.3.1. Laut der Romanistin Mercedes Camino für ein spanisches Publikum leicht zu dechiffrieren als ikonischer Verweis auf die spanische faschistische Partei Falange: Vgl. Camino (2007), S. 92. Vgl. El laberinto del fauno, 00:55:46 – 00:55:50. S. kapitel 7.3.

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die Art und Weise, wie er sich seine Haartolle zurückstreicht und dabei stark an bekannte Hitler-Aufnahmen erinnert, verstärken dabei den Eindruck, bei dieser Figur handle es sich um nicht nur ein, sondern um das ›faschistische Monster‹.1912 Die Zeichnung faschistischer bzw. nationalsozialistischer Täter als ›dämonisierte‹, alleinige Verantwortliche mit sadistisch-›monströsen‹ Zügen ist aus publikumswirksamen deutschen und amerikanischen audiovisuellen Produktionen bekannt.1913 Obwohl eine derartige Figurenzeichnung im spanischen Kontext durchaus nationalspezifische Wurzeln und Ausprägungen aufweist,1914 so sind die transnationalen Bedeutungsdimensionen, die solche Täterfiguren eröffnen, nicht von der Hand zu weisen. Gerade im Hinblick auf El laberinto del fauno ist die daraus resultierende Lesart zu problematisieren, den Frühfranquismus als ›Faschismus‹ zu interpretieren: Sie hilft die Verantwortlichkeiten auf einer transnationalen Ebene zu verorten, ohne dass franquistische (Mit-)Täter in Spanien selbst jemals umfassend benannt, geschweige denn zur Rechenschaft gezogen worden wären.1915 Darüber hinaus dienen Thematisierungen bzw. Darstellungen der Bombardierungen weiterhin republikanisch regierter Gebiete in spanischen Kino- und Fernsehproduktionen mit Bürgerkriegsthematik immer wieder dazu, auf Verantwortlichkeiten zu verweisen, die auf transnationaler Ebene zu verorten sind.1916 Sie stützen das vereinfachende Erklärungsmodell der ›faschistischen‹ Täterschaft und helfen gleichzeitig, von der Schuldfrage auf nationaler Ebene abzulenken.1917 Schon in dem ›Bürgerkriegsfilmklassiker‹ Las largas vacaciones del 36 (Long Vacations of 36; ES 1976) werden die Bombardierungen des republiktreuen spanischen Territoriums thematisiert, wenngleich indirekt: Die Bombenabwürfe auf Barcelona sind aus der Ferne zu sehen.1918 Eine Sicht aus einem Bombenschacht, dessen Ladung sich über das unter dem Flieger liegende Land verstreut, ist Bestandteil des Vorspanns des Kinospielfilms El espinazo del 1912 1913 1914 1915 1916

Vgl. Hern‚ndez (2006), S. 31. Vgl. Van Laak (2009), S. 4. S. kapitel 3.1 und kapitel 4.3.1. S. kapitel 4.3.1 und kapitel 7.3. Der innerspanische Konflikt gilt als der erste europäische Krieg, in dem die Zivilbevölkerung bewusst zur Zielscheibe von Flächenbombardements wurde: Vgl. Godicheau (2005), S. 34 f.; Graham (2008), S. 9 f. Hitler entsandte das Luftwaffenkorps Legion Condor erstmals am 24. Oktober 1936 nach Spanien, das »von allergrößter strategischer Bedeutung für Francos Kriegsführung [war] und […] bei allen wichtigen Schlachten zum Einsatz [kam]«: Schauff (2006), S. 154. 1917 Gleichzeitig dienen diese Darstellungen dazu, die Opferrolle ›einfacher‹ Vertreter des spanischen Volkes zu betonen. Ganz gleich, welchem ideologischen Hintergrund sie angehörten, wurden sie vom Verderben – so die audiovisuellen Narrative – ›aus heiterem Himmel‹ überrascht. Mehr zur Opferrhetorik s. kapitel 6.1. 1918 Vgl. Las largas vacaciones del 36, 00:55:38 – 00:56:33.

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diablo (ES-MX 2001). Die ständigen Bombardierungen Madrids sind sowohl in der ersten Staffel der erfolgreichen Fernsehserie Amar en tiempos revueltos (TVE/La 1, 2005/06), als auch in den Kinospielfilmen Soldados de Salamina (Soldiers of Salamina; ES 2003) und Las 13 rosas (ES-IT 2007) Thema.1919 In Regisseur Jaime Caminos Kinodokumentation Los niÇos de Rusia (The Children of Russia; ES 2001), die sich um die Geschichte der Kinder dreht, die im Zuge der Bombardierungen des Baskenlandes ins Ausland evakuiert wurden, kommt Pablo Picassos Guernica-Gemälde zum Tragen. Dabei dient Picassos berühmtes Werk hier nicht nur dazu, die Zeitzeugenberichte zu illustrieren, sondern gleichzeitig dem Zweck, das nationale Kriegsgeschehen mit einer transnationalen Bedeutungsdimension zu verknüpfen.1920

7.2

›Faschistische‹ Täter und »gefühlte Opfer«1921 in La niña de tus ojos

»Hier sind wir alle Brüder.«1922

›Faschistisierte‹, nicht spanische ›Böse‹ liefert besonders deutlich der in Spanien mit beinahe 2,5 Mio. Zuschauern überaus erfolgreiche Kinospielfilm La niÇa de tus ojos (Das Mädchen deiner Träume; ES 1998). Dabei dürfte der oscarprämierte Regisseur Fernando Trueba1923 wie auch das Star-Aufgebot, mit dem der Film lockte, seinen Teil zum Erfolg des als viel versprechende »Superproduk1919 Vgl. Las 13 rosas, 00:06:22 – 00:07:05 sowie 00:10:30 – 00:10:47. In Soldados de Salamina dienen Ausschnitte aus Archivmaterial der Illustration: Vgl. Soldados de Salamina, 00:07:51 – 00:07:57. Madrid als Ziel von Flächenbombardements wird unter anderem auch in den Kinospielfilmen Las bicicletas son para el verano (Bicycles Are for the Summer; ES 1983), La hora de los valientes (A Time for Defiance; ES 1998) oder Die Frau des Anarchisten (DE-ES-FR 2008) thematisiert. 1920 Guernica gilt auf internationaler Ebene als eine der Bildikonen des 20. Jahrhunderts, als Sinnbild des Horrors des ›totalen Kriegs‹, in dem zwischen zivilen und militärischen Zielen nicht unterschieden wird. Im spezifisch spanischen Kontext kam diesem Monumentalgemälde eine dezidiert ›antifaschistische‹ Stoßrichtung zu. Den Auftrag für ein Wandgemälde, das im Rahmen der Weltausstellung in Paris im spanischen Pavillon ausgestellt werden sollte, hatte er von der republikanischen Regierung zwar schon im Januar 1937 erhalten – ein Propaganda-Coup der Republik, wusste sie spätestens mit dieser Ehrung Picassos doch die moderne Kunst- und Literaturszene in Paris hinter sich –, doch erst die Zerstörung der baskischen Stadt Guernica am 26. April 1937 durch deutsche Bomber der Legion Condor (s. Fußnote 1916) lieferte Picasso das Motiv für sein Gemälde: Vgl. Winter (2008a); Werckmeister (2009). 1921 Jureit/Schneider (2010). 1922 La niÇa de tus ojos, 00:43:57 – 00:44:14: »Aqu† todos somos hermanos.« 1923 Regisseur Fernando Trueba gewann 1993 den Oscar als ›Bester fremdsprachiger Film‹ mit Belle Êpoque (Belle Êpoque – Saison der Liebe; ES-PT 1992), dessen Handlung 1931 kurz vor der Proklamation der Zweiten Republik angesiedelt ist.

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tion«1924 angekündigten Films beigetragen haben. Besonders Hauptdarstellerin Pen¦lope Cruz wurde von spanischen Rezensenten hoch gelobt.1925 Mit dieser Arbeit könne Cruz erreichen, dass ganz Spanien sich in sie verliebe.1926 Überhaupt reagierten spanische Kritiker, darunter der berühmte Schriftsteller und Journalist Terenci Moix, mehrheitlich positiv auf Regisseur Truebas Film.1927 Sie werteten La niÇa de tus ojos als einen der wichtigsten Filme des Kinojahres 1998,1928 darüber hinaus als einen großen, tiefen, bewegenden und zugleich unterhaltsamen Film.1929 Insgesamt wurde La niÇa de tus ojos für 18 Goya nominiert, von denen er immerhin sieben erhielt.1930 Die Handlung des Films entfaltet sich 1938, also zu Bürgerkriegszeiten, aber fast ausschließlich im nationalsozialistischen Deutschland. Ein aus spanischen 1924 O. V. (1998a), S. 156: »superproducciûn«. Vgl. Arenas, Jos¦ Eduardo: Pen¦lope Cruz es La niÇa de tus ojos de Trueba. In: ABC (30. 04. 1998), S. 135; MuÇoz, Diego: Fernando Trueba lleva el cine espaÇol a la Alemania nazi. In: La Vanguardia (30. 04. 1998), S. 59; MuÇoz, Diego: Fernando Trueba: »El cine de ¦poca te da tambi¦n una gran libertad.« In: La Vanguardia (04. 11. 1998), S. 52; o. V. (1998b), S. 134. Produziert wurde La niÇa de tus ojos von Andr¦s Vicente Gûmez und Cristina Huete: Vgl. La Vanguardia (30. 04. 1998), S. 59; o. V. (1998b), S. 134; La Vanguardia (04. 11. 1998), S. 52; D†az Prieto, Manuel: »La pol†tica de la Generalitat se ha cargado la industria del cine catal‚n.« In: La Vanguardia. Revista (31. 01. 1999), S. 11. S. Fußnote 214. 1925 Carlos Boyero beschreibt ihre schauspielerische Leistung gar als genial und Terenci Moix vergleicht Cruz in seiner Rezension mit dem Stummfilmstar Pola Negri: Vgl. Boyero, Carlos: Cûmicos ilusos en el falso cielo. In: El Mundo (13. 11. 1998), www.elmundo.es (21. 01. 2010); Moix (1998), S. 11. Bereits in Fernando Truebas Belle Êpoque (ES-PT 1992, s. Fußnote 1923) hatte Cruz mitgewirkt und galt spätestens seitdem als chica explosiva (dt.: »Dynamit-Mädchen«) der spanischen Kinoindustrie. 1926 Vgl. Alegre (1998), S. 47. 1927 Vgl. Moix (1998), S. 11. Moix und weitere spanische Rezensenten scheuten sich nicht, angesichts von La niÇa de tus ojos Parallelen zu Werken von Billy Wilder und vor allem zu Ernst Lubitsch zu ziehen: Vgl. ebd.; Bonet Mojica, Llu†s: »No lo olvidemos: Franco se aliû con Hitler.« In: La Vanguardia (08. 11. 1998), S. 64; El Mundo (13. 11. 1998); La Vanguardia. Revista (31. 01. 1999), S. 10; Alegre (1999); Benavent (2000), S. 415; Feenstra (2008b), S. 108. Dabei streute Regisseur Trueba selbst den Hinweis auf Lubitschs To Be or Not to Be (US 1942): Vgl. La Vanguardia (30. 04. 1998), S. 59; Llopart, Salvador: »¿Hitler patrimonio de la humanidad? Perm†tame que lo dude, seÇor Trueba.« In: La Vanguardia (16. 02. 1999), S. 44. 1928 Vgl. Oliva (1999), S. 443. 1929 Vgl. El Mundo (13. 11. 1998); Alegre (1998), S. 47. Carlos Boyero schert aus dieser Meinung aus und zeigt sich enttäuscht von dem Filmende. Truebas Film sei ein guter, aber kein Meisterwerk: Vgl. El Mundo (13. 11. 1998). 1930 Vgl. Filmdatenbank des spanischen Kultusministeriums, www.mcu.es (20. 02. 2012). Dennoch blieb bei Regisseur Trueba und Teilen seiner Crew ein schaler Nachgeschmack zurück, konnten sie doch den Goya in der Kategorie ›Bester Film‹ für sich reklamieren, nicht aber die Trophäen in den Kategorien ›Bester Regisseur‹ und ›Bestes Drehbuch‹: Vgl. Arenas, Jos¦ Eduardo: La niÇa… le gana la partida a El abuelo. In: ABC (24. 01. 1999), S. 97; MuÇoz, Diego/PiÇa, BegoÇa: Trueba desbanca a Garci en los Goya con siete premios para La niÇa de tus ojos. In: La Vanguardia (24. 01. 1999), S. 63; La Vanguardia. Revista (31. 01. 1999), S. 10; Ponga/Martialay/Vall (1999), S. 71 f.

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Filmschaffenden bestehender Trupp verlässt zu Beginn der Handlung das franquistisch besetzte Spanien für einen Arbeitsaufenthalt auf dem Ufa-Gelände in Berlin-Babelsberg.1931 La niÇa de tus ojos thematisiert demnach die Kollaboration zwischen Franco-Spanien und Nazi-Deutschland auf dem Gebiet der Filmindustrie. Dabei ist die Filmhandlung konkret angelehnt an die Entstehung einer der spanisch-deutschen Koproduktionen, die im Zuge der Kollaborationsvereinbarungen entstanden: an den 1938 in zwei Versionen gedrehten Kinospielfilm Andalusische Nächte/Carmen, la de Triana (Regie: Herbert Maisch/ Flori‚n Rey), der die spanische Schauspielerin Imperio Argentina als Star vermarktete. In Truebas Film trägt diese Filmproduktion den spanischen Titel La niÇa de tus ojos, in seiner deutschen Version: Das Mädchen deiner Träume.1932 Das prominent inszenierte Lied, das Pen¦lope Cruz als Hauptdarstellerin beider Versionen in den Mund gelegt wird, ist Los piconeros. Dieses Lied fand ebenfalls in Carmen, la de Triana Verwendung und wurde darin – wie auch in der deutschen Version dieses Films – von Imperio Argentina gesungen.1933 Die Hispano-Film-Produktion (HFP) zeichnete für die spanisch-deutschen Kinofilme verantwortlich; eine Produktionsfirma, die 1936 in Deutschland entstand als Folge einer Übereinkunft zwischen Ufa und den spanischen Firmen CIFESA sowie UFILMS.1934 CIFESA und UFILMS gelten neben der CEA wiederum als die Firmen der spanischen Filmindustrie, die sich am stärksten für Franco und nationalsozialistische Interessen engagierten.1935 Das erste Ziel der HFP war es, Propagandafilme zu produzieren, die der Sache der Nationalen in Spanien dienten. Zweitens war die HFP bestrebt, Unterhaltungsfilme in spanischer wie auch in deutscher Version zu drehen, um die Öffnung des lateinamerikanischen Marktes für die NS-Filmindustrie voranzutreiben.1936 Dieses Streben nach Internationalisierung führte dazu, dass im März 1937 für die filmische Adaption von Carmen ein Vertrag mit der spanischen Schauspielerin Imperio Argentina unterschrieben und sie daraufhin von Adolf Hitler und Joseph Goebbels per-

1931 Vgl. La niÇa de tus ojos, 00:00:13 – 00:04:25. La niÇa de tus ojos wurde zwischen 4. Mai und 18. Juli 1998 in den Studios Barandov in der Nähe von Prag gedreht: Vgl. ebd., M‚s sobre ›La niÇa‹…, Los trucos; Vgl. o. V. (1998b), S. 134; Alegre (1999); Benavent (2000), S. 415. 1932 Vgl. La niÇa de tus ojos, 00:45:02 – 00:46:58. 1933 Vgl. o. V. (1998b), S. 134; Moix (1998), S. 12; Alegre (1999); Feenstra (2008b), S. 111. Das Lied läuft in La niÇa de tus ojos als Playback, gesungen von der Sängerin Arabia: Vgl. ABC (30. 04. 1998), S. 135; o. V. (1998a), S. 156; Benavent (2000), S. 415. 1934 Vgl. La niÇa de tus ojos, M‚s sobre ,La niÇa‹…, Un poco de historia. Die HFP wurde von Johann Wilhelm Ther gegründet, der einst für die spanische CIFESA gearbeitet hatte. Dies führte dazu, dass die HFP oftmals fälschlicherweise als der spanische Arm der CIFESA in Deutschland betrachtet wird, dabei handelte es sich um zwei voneinander zu unterscheidende Firmen: Vgl. Diez (1999), S. 36 f.; MuÇoz (2009), S. 201. 1935 Vgl. Diez (1999), S. 40. 1936 Vgl. Alegre (1999); Diez (1999), S. 35 und 38 f.; MuÇoz (2009), S. 206 f.

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sönlich empfangen wurde – was gemeinhin als offizielle Rückendeckung für die Aktivitäten der HFP interpretiert wird.1937 Truebas Kinospielfilm spielt demnach direkt auf die spanisch-deutsche Koproduktion an, die laut dem Kommunikationswissenschaftler Eduardo Rodr†guez Merch‚n von allen ihrer Art auf den stärksten offiziellen Rückhalt der nationalsozialistischen Regierung bauen konnte.1938 Darauf wird in La niÇa de tus ojos allerdings so gut wie gar nicht eingegangen. Regisseur Trueba inszeniert die Erlebnisse seiner Protagonisten im nationalsozialistischen Berlin 1938 vielmehr als tragikomisches, burleskes Abenteuer, das Elemente des Musicals mit einbindet.1939 In Bezug auf die Protagonisten seines Films macht er vorab deutlich: »Ich hoffe, anschaulich zu machen, das für keinen dieser Künstler die Ideologie über ihren Erlebnissen und ihrer Kunst stand.«1940 Mögliche ideologische Überzeugungen der Vertreter des spanischen Filmtrupps spielen in La niÇa de tus ojos entsprechend kaum eine Rolle. Nur einer der Protagonisten äußert immer wieder einmal Sympathien für Francos Seite im Bürgerkrieg und bezeichnet sich selbst als »Faschist«1941. Protagonistin Macarena Granada, gespielt von Pen¦lope Cruz, ist hingegen dem republikanischen Lager qua Familienzugehörigkeit eindeutig zuzurechnen. Sie erklärte sich dem Filmnarrativ zufolge nur deshalb zur Mitwirkung an dem Projekt bereit, weil ihr zugesichert wurde, durch ihre Mitwirkung könne ihr im franquistischen Spanien gefangen gehaltener anarchistischer Vater frei kommen.1942 So weigert sich Macarena beispielsweise als einzige Vertreterin der spanischen Filmcrew, Goebbels mit dem faschistischen Gruß zu grüßen – dabei machen das in Nazi-Deutschland

1937 Vgl. Diez (1999), S. 38 f. Laut der Romanistin Marta MuÇoz konnte sich die HFP der Unterstützung seitens des ›Reichspropagandaministeriums‹ sicher sein, was diese Firma zu einem »politischen Fall« (MuÇoz (2009), S. 207: »caso pol†tico«) mache. Auch der Kontakt zu Imperio Argentina und ihrem Lebensgefährten Flori‚n Rey wurde wahrscheinlich von nationalsozialistischer Seite aus hergestellt: Vgl. ebd., S. 213. 1938 Vgl. Rodr†guez Merch‚n (2005). 1939 In dieser Hinsicht erinnert La niÇa de tus ojos an filmische Vorläufer wie Las cosas del querer (Die Dinge der Liebe; ES 1989) oder ¡Ay Carmela! (Ay, Carmela! – Lied der Freiheit; ES-IT 1990). Trueba selbst sagt, die Geschichte habe ihn schon vor seinem oscargekrönten Film Belle Êpoque (ES-PT 1992) gereizt, da sie ihm ermöglichte, »ein Kinoabenteuer« zu erzählen: Fernando Trueba; zit. n.: o. V. (1998a), S. 156: »una aventura de cine«. In der Tat ist La niÇa de tus ojos gespickt mit Andeutungen und Anekdoten, die sich auf das nationalsozialistisch kontrollierte deutsche Filmwesen der 1930er-Jahre, seine Vorläufer und Konkurrenten beziehen. 1940 Fernando Trueba; zit. n.: La Vanguardia (30. 04. 1998), S. 59: »[L]o que espero poder contar con claridad es que para ninguno de aquellos artistas la ideolog†a estaba por encima de sus vivencias y su arte.« 1941 La niÇa de tus ojos, 01:53:23: »fascista«. 1942 Vgl. ebd., 00:16:55 – 00:17:18. Letzten Endes stirbt ihr Vater an ›Lungenentzündung‹, was zu einer ästhetisch aufwändig inszenierten Trauerszene führt, s. Fußnote 203.

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sogar die Hunde.1943 Außerdem empfindet sie es als unmoralisch, einem Unterhaltungsprogramm zu dienen, während »dort draußen«1944 ein Krieg stattfindet. Dennoch wird auch sie, wie alle weiteren Protagonisten in Truebas Film, als völlig apolitisch, wenn nicht gar fahrlässig naiv gezeichnet. Den Filmschaffenden bietet ihr Arbeitsauftrag im nationalsozialistischen Deutschland einerseits die Möglichkeit, das Bürgerkriegsspanien zu verlassen und beispielsweise dem Militärdienst zu entfliehen.1945 Andererseits versprechen sie sich davon mehrheitlich neue, Karriere fördernde Chancen.1946 Truebas Film spielt eindeutig mit dem Topos des ›unpolitischen Künstlers‹, wie er in La niÇa de tus ojos besonders deutlich durch den Regisseur Fontiveros verkörpert wird. Letzterer stellt fest: »Wozu Kino mit Politik vermischen? Ich bin Filmregisseur und Punkt.«1947 Im Rahmen der auf der Kauf-DVD enthaltenen Extras wird die Motivation der Protagonisten, nach Deutschland zu emigrieren, damit erklärt, dass sie sich im franquistisch besetzten Spanien mit schlechten Produktionsbedingungen konfrontiert sahen.1948 Dennoch erscheint es unwahrscheinlich, dass – wie Trueba sich äußert bzw. wie der Film es darstellt – die Vertreter des Trupps als Repräsentanten der franquistischen Filmindustrie nach Nazi-Deutschland geschickt worden wären, ohne zumindest als Sympathisanten Francos zu gelten. In der Berichterstattung zum Film ist die Charakterisierung der im Fokus der Handlung stehenden Crew als regimenah selten aufzufinden.1949 Auf die wenig republikfreundliche Haltung der historischen ›Vorbilder‹, der Regisseure Flori‚n Rey und Benito Perojo,1950 wird von der spanischen Presse ebenso nur in Ausnah-

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Vgl. ebd., 00:07:05 – 00:08:07. Ebd., 01:29:01: »all† fuera«. Vgl. ebd., 00:13:20 – 00:13:23 sowie 01:25:44 – 01:26:29. In ihrem Opportunismus ähneln die Protagonisten in La niÇa de tus ojos denen in La vaquilla (The Haifer ; ES 1985): In La vaquilla werden die auf ›beiden Seiten‹ der Front Stehenden durchweg als Figuren inszeniert, denen es primär darum geht, ihre eigene Haut zu retten: Vgl. Deveny (1993), S. 52. La niÇa de tus ojos, 00:48:34 – 00:48:37: »¿Para qu¦ mezclar el cine con la pol†tica? Yo dirigo pel†culas y punto.« Schon in Carlos Sauras ¡Ay, Carmela! (ES-IT 1990) ist die Haltung kollaborierender ›unpolitischer Künstler‹ Thema, allerdings werden diese hier über den Lernprozess der Protagonistin eindeutig kritisiert. Vgl. ebd., M‚s sobre ›La niÇa‹…, Un poco de historia. Auch zahlreiche Kritiker betonen, dass die spanischen Filmproduktionsstätten sich in republikanischer Zone befanden, was Filmschaffenden im franquistisch besetzten Bürgerkriegsspanien die Beschäftigungsgrundlage entzogen habe: Vgl. o. V. (1998b), S. 134; La Vanguardia (08. 11. 1998); Alegre (1998), S. 45; Alegre (1999). Vgl. G., S.: Pen¦lope Cruz, La niÇa de tus ojos. In: ABC (01. 11. 1998), S. 143; Oliva (1999), S. 442. Flori‚n Rey drehte neben Andalusische Nächte/Carmen, la de Triana (DE-ES 1938) noch einen weiteren Film mit Imperio Argentina in Nazi-Deutschland, Benito Perojo mit sei-

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mefällen hingewiesen.1951 Stattdessen betonen an dem Film La niÇa de tus ojos Beteiligte wie auch Rezensenten eine Lesart, die die spanischen Protagonisten als Opfer ›äußerer Umstände‹ perspektiviert und gleichzeitig interpretiert als Vertreter eines letztlich moralisch-integren ›Dritten Spaniens‹.1952 Carlos Boyeros Rezension in El Mundo bringt die unterschiedlichen Aspekte dieser Lesart auf geradezu exemplarische Art und Weise zum Ausdruck: »Truebas Film zeugt von Herz, von einer Verpflichtung gegenüber seinen übel zugerichteten und keinesfalls heldenhaften Figuren, von Verständnis für die absurden und schweren Umstände, denen sie sich auf erbärmliche Weise ausgesetzt sehen. Und das an einem Ort, den ihre verständlicherweise provinzielle Vorstellungskraft als berufliches und lebenswichtiges Paradies begriff und dessen falsches und gefährliches Rauschgold, dessen höllischen Glanz sie in Erfahrung bringen. Sie werden beleidigt, gedemütigt und gekränkt, sie müssen ihren urwüchsigen und genetischen Einfallsreichtum entfalten, um zu überleben, und dem falschen Himmelreich entkommen, das ihnen versprochen wurde. Sie werden geprügelt und mit eingezogenem Schwanz zurückkehren, doch sie werden auch entdecken, mit zunehmender Verwunderung und pathetischer Entzauberung, dass sie außer ihrer unendlich alltäglichen Gewöhnlichkeit auch Würde besitzen, Klarheit inmitten des Chaos, Gerechtigkeitssinn, Gnade, Selbstachtung.«1953

Dabei ist das Verständnis der Figuren in La niÇa de tus ojos als passive Gestalten, die sich »absurden und schweren Umständen« auf »erbärmliche Weise ausgesetzt« sehen, ein Bild, das Regisseur Trueba selbst entwirft:1954 »Für mich ist es die Geschichte von, sagen wir, kleinen, normalen Leuten, die die Geschichte

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nem Star Estrellita Castro ingesamt drei: Vgl. La Vanguardia (08. 11. 1998), S. 64; Alegre (1999); Benavent (2000), S. 414; Rodr†guez Merch‚n (2005); MuÇoz (2009), S. 201. Nur in der Filmzeitschrift Fotogramas werden die spanischen Filmschaffenden, die in Truebas Film zur Darstellung gelangen, als »dem neuen Regime nahe stehend« (o. V. (1998b), S. 134: »cercanos al nuevo r¦gimen«) bezeichnet. Eine Broschüre, die der KaufDVD von La niÇa de tus ojos beigelegt ist, weist auf Reys wenig republikfreundliche Haltung zumindest hin: Vgl. Alegre (1999). S. kapitel 6.3. In dieser Hinsicht stellt La niÇa de tus ojos, der am 13. November 1998 offiziell in den spanischen Kinos anlief, einen überaus passenden audiovisuellen Beitrag zum zwanzigjährigen Gedenken der Ratifizierung der Constituciûn im Dezember 1998 dar. El Mundo (13. 11. 1998): »[La pel†cula de Trueba] [e]videncia corazûn, compromiso con sus maltrechos y nada heroicos personajes, comprensiûn hacia […] las esperp¦nticas y duras circunstancias que les toca malvivir en un lugar que su comprensiblemente paleta imaginaciûn conceb†a como el para†so profesional y vital, y del que descubrir‚n su falso y peligroso oropel, su infernal brillantez. Ser‚n ofendidos, degradados y humillados, tendr‚n que desplegar su ingenio castizo y gen¦tico para sobrevivir y escapar del falso cielo que les prometieron, regreser‚n apaleados y con el rabo entre las piernas, pero tambi¦n descubrir‚n, con progresiva estupefacciûn y pat¦tico desencanto, que adem‚s de sus infinitas mezquindades cotidianas, poseen dignidad, lucidez dentro del caos, sentido de la justicia, piedad, autorrespeto.« Vgl. La niÇa de tus ojos, M‚s sobre ›La niÇa‹…, Como se hizo, 00:04:32 – 00:04:58.

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ständig ignoriert.«1955 Er habe keinen Film über große Filmstars machen wollen, sondern über einen Trupp gewöhnlicher Filmschaffender.1956 Die ›einfachen‹ Vertreter der spanischen Bevölkerung, die in seinem Film ins nationalsozialistische Deutschland gelangten, seien dort gewesen, als das, was sie waren, nämlich als »die Armen Europas«1957. Trueba spricht im Hinblick auf die Protagonisten seines Films gar von Quijote-ähnlichen Figuren, »die sich getraut haben, im nationalsozialistischen Deutschland folkloristische spanische Filme zu machen«1958. Seine Protagonisten-Gruppe sei nur nach Deutschland gegangen, um zu überleben und ihren Beruf in einer schweren Zeit weiter ausüben zu können. Das seien keine »Faschisten«1959, sondern Vertreter einer Künstlergruppe.1960 Der Filmkritiker Luis Alegre greift diese Sichtweise auf, indem er die Protagonisten von La niÇa de tus ojos beschreibt als »arme Teufel, die versuchen zu überleben«1961. In Alegres Urteil überwiegt die Sicht auf Truebas Film als Melodram, als Erzählung über ein paar unglückliche Gestalten, deren Hoffnungen »von der verdammten Realität verschlungen«1962 werden. Gleich »zwei kollektive Tragödien1963, gemeint sind der Spanische Bürgerkrieg und der Zweite Weltkrieg, beeinflussen das private Glück der Figuren zutiefst. Auch ihre Veränderung hin zu einer aktiveren Haltung gegen Ende des Films wird Alegre zufolge von der »Realität«1964 erwirkt, die sie dazu zwinge, sich zu positionieren.1965 Fotogramas 1955 Fernando Trueba; zit. n.: ebd.: »Es para m† la historia de una gente digamos pequeÇa, normal, a los que la historia siempre les pasa por encima«. 1956 Vgl. La niÇa de tus ojos, M‚s sobre ›La niÇa‹…, Como se hizo, 00:04:12 – 00:04:25. 1957 Fernando Trueba; zit. n.: ebd., 00:03:51: »pobres de Europa«. 1958 Fernando Trueba; zit. n.: La Vanguardia (30. 04. 1998), S. 59: »que se atrevieron a hacer pel†culas folklûricas espaÇolas en la Alemania nazi«. Vgl. La Vanguardia (04. 11. 1998), S. 52. 1959 Fernando Trueba; zit. n.: La Vanguardia (08. 11. 1998), S. 64. 1960 Vgl. La Vanguardia (08. 11. 1998), S. 64. 1961 Alegre (1999): »pobres diablos […] que intentan sobrevivir«. Darüber hinaus bezeichnet Alegre Fernando Truebas Kinospielfilme El aÇo de las luces (Das Jahr der Aufklärung; ES 1986), Belle Êpoque (ES-PT 1992) und La niÇa de tus ojos als eine Art ungewolltes Triptychon, in dem »die Realität dafür sorgt, die Träume von ein paar armen Teufeln zu zerstören«: Ebd.: »la realidad se encarga de destrozar los sueÇos de unos pobres diablos«. Angesichts dieser vorherigen Produktionen wird Trueba in La Vanguardia vorab gar als Chronist der jüngeren spanischen Vergangenheit bezeichnet: Vgl. ebd. 2002 führte er erneut Regie bei einem Kinospielfilm mit zeithistorischem Sujet: El embrujo de Shanghai (The Shanghai Spell), eine Literaturadaption nach dem gleichnamigen Roman von Juan Mars¦, in der Ariadna Gil (s. Kapitel 5.4) die Hauptrolle spielt. Dieser Film lief nur wenig erfolgreich in spanischen Kinos und rief auch bei der Kritik ein geteiltes Echo hervor. 1962 Alegre (1998), S. 47: »devorados por la maldita realidad«. 1963 Alegre (1999): »dos tragedias colectivas«. Vgl. Alegre (1998), S. 47. Die Lesart des Spanischen Bürgerkriegs als »Tragödie« (s. kapitel 1.1.1) ist in Alegres Rezension unverändert präsent. 1964 Alegre (1999): »realidad«.

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zufolge »bricht die Geschichte über sie [gemeint sind die Protagonisten; Anm. d. Verf.] hinein«1966. Auch für den Kritiker Terenci Moix handelt es sich bei Truebas Film um eine »Geschichte über arme Spanier«1967, um Figuren fern der politischen Realität, die von eben dieser Realität »verwüstet«1968 enden. La Vanguardia interpretiert La niÇa de tus ojos ganz allgemein als die Geschichte »einer Gruppe von Verlierern«1969 – eine Auffassung, der Regisseur Trueba zustimmt.1970 Spanische Künstler, die mit Größen der nationalsozialistischen Politik sowie des nationalsozialistischen Filmwesens kollaborierten, werden in La niÇa de tus ojos somit maßgeblich als ›Verlierer‹ bzw. Opfer der Geschichte perspektiviert. Ihr Wissenshorizont ist begrenzt und über Manieren verfügen sie kaum. Entsprechend befürchtet einer der spanischen Filmschaffenden an einer Stelle des Films, sie ähnelten Höhlenmenschen.1971 Dennoch ist keiner von ihnen einem ›extremen‹ Lager zuzurechnen,1972 das in diesem Fall ausschließlich die deutschen Nationalsozialisten besetzen. Insgesamt betrachtet repräsentieren Truebas Protagonisten eine ›Chaostruppe‹, »eine große Bandbreite an Lebenseinstellungen«1973, die formal der choralen, kaleidoskopartigen Erzählung entspricht.1974 Dabei verfügt jeder Einzelne von ihnen über einen unschlagbaren Sinn für Humor sowie einen allürenfreien Pragmatismus, weswegen sie allesamt als positiv konnotierte Identifikationsfiguren taugen. Der – Carlos Boyero zufolge – geradezu »genetische«1975 Einfallsreichtum der einzelnen Vertreter des Filmtrupps entwickelt seine Kraft vor allem in solidarisch durchgeführten Aktionen. Wie eine der Filmschaffenden schon früh feststellt: »Auf den Zusam1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975

Vgl. ebd. O. V. (1998b), S. 134: »la historia se les cae encima«. Moix (1998), S. 11: »historia de pobrecitos espaÇoles«. Vgl. ebd.: »devastados«. La Vanguardia (08. 11. 1998), S. 64: »un grupo de perdedores«. Vgl. ebd. Vgl. La niÇa de tus ojos, 00:50:38. Diese Bemerkung wie auch die Darstellung der Filmcrew als ein chaotischer, ungezügelter, lauter Verein evoziert den unter Franco perpetuierten Topos einer vermeintlichen ›Andersartigkeit‹ der Spanier, s. kapitel 3.1. S. kapitel 2.2. Alegre (1999): »un amplio abanico de actitudes vitales«. Vgl. La Vanguardia (30. 04. 1998), S. 59; La Vanguardia (04. 11. 1998), S. 52; La Vanguardia (08. 11. 1998), S. 64; Moix (1998), S. 11 f.; Alegre (1998), S. 47; Benavent (2000), S. 415; Crusells (2006), S. 301; Feenstra (2008b), S. 102. El Mundo (13. 11. 1998): »gen¦tico«. Der Rezensent Ignacio Oliva lobt an La niÇa de tus ojos ähnlich die Darstellung dieser als »das Spanische« (Oliva (1999), S. 443: »lo espaÇol«) zu bezeichnenden Qualität bzw. die Darstellung einiger Aspekte »der spanischen Seele« (ebd.: »del alma espaÇol«) – eine Leistung, die mehrheitlich auf Drehbuchschreiber Rafael Azcona (s. Fußnote 1670) zurückzuführen sei: Vgl. ebd. An dem Drehbuch zu La niÇa de tus ojos war auch Fernando Truebas jüngerer Bruder David beteiligt, dessen eigene Regiearbeit Soldados de Salamina (Soldiers of Salamina; ES 2003) im Rahmen der vorliegenden Untersuchung ebenfalls ausführlich analysiert wird, s. kapitel 4.2.2, 5.4, 5.5 und 5.6.

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menhalt der Gruppe kommt es an.«1976 Im letzten Viertel des Films, als die Dinge sich zum Dramatischen wenden, spricht Fontiveros die Losung der Stunde aus, als er sagt, dass sie Macarena jetzt unmöglich allein lassen könnten.1977 Von da an sieht man die spanischen Filmschaffenden nur noch gemeinschaftlich und auf diese Art und Weise erfolgreich agieren. Das führt so weit, dass Macarenas treue Zofe Trini beim Abschied von ihrem Schützling ihre Faust erhebt und ruft: »Und es lebe die soziale Revolution!«1978 – eine Bemerkung, die in dem entideologisierten Kontext des Films mehr als deplatziert wirkt. Die Protagonisten des Films La niÇa de tus ojos lassen sich kraft ihres mitmenschlichen und gemeinschaftlichen Agierens auch als Vertreter eines letztlich ›siegreichen‹ ›Dritten Spaniens‹ interpretieren.1979 Dabei repräsentiert besonders die Figur der Macarena Granada die Werte des heutigen, demokratischen Spaniens exemplarisch. Dass sie direkt auf ihr Vaterland verweist, wird mehr als deutlich: Sie entspricht mit ihrem andalusischen Akzent, mit ihrem in den Farben der spanischen Flagge gehaltenen Kleid, mit ihrer Frisur, den großen Ohrringen, dem Fächer in ihrer Hand, den von ihr intonierten Flamenco-Liedern und ihrem Tanz dem Klischeebild der Carmen, sprich »dem spanischen Kulturerbe«1980, das laut der Romanistin Pietsie Feenstra »spanischer ist als ein Spanier selbst sein könnte«1981. Somit greift Regisseur Trueba in La niÇa de tus ojos dezidiert das populärkulturelle wie auch populistische Genre der espaÇolada auf, das unter anderem dadurch gekennzeichnet ist, sich auf den CarmenMythos zu beziehen.1982 Da die espaÇolada im Franquismus deutlich für politische Interessen nutzbar gemacht wurde, hat dieses Genre einen gemeinhin schlechten Ruf.1983 Vor diesem Hintergrund ist Truebas La niÇa de tus ojos als Versuch anzusehen, den Ruf der espaÇolada aufzuwerten.1984 1976 1977 1978 1979 1980 1981

La niÇa de tus ojos, 00:22:29 – 00:22:32: »Lo importante es la cohesiûn del grupo.« Vgl. ebd., 01:33:35 – 01:33:37. Vgl. ebd., 01:50:53 – 01:50:57: »¡Y que viva la revoluciûn social […]!« S. kapitel 6.3. Feenstra (2008b), S. 99: »el patrimonio cultural de EspaÇa«. Ebd., S. 110: »m‚s espaÇol incluso de lo que un espaÇol puede ser«. Die Carmen entspricht einem Figurentypus, der Spanien von außen, seitens französischer Romantiker zugeschrieben wurde (s. kapitel 3.1), allen voran Prosper M¦rim¦e (Novelle Carmen 1845) und George Bizet (Oper Carmen 1875). Dieser Figurentypus wurde in Spanien selbst dann aufgegriffen und als eine Form von Währung genutzt, mit der sich Touristen anziehen lassen: Vgl. Davies (2004), S. 7 f. 1982 Vgl. Rodr†guez Merch‚n (2005). In Truebas Film wird das Aufgreifen des espaÇoladaGenres dialogisch reflektiert: Vgl. La niÇa de tus ojos, 00:31:28 – 00:31:30. Auch der Trailer wirbt mit einem offensiven Rückgriff auf das espaÇolada-Genre und seinen Elementen: Vgl. ebd., M‚s sobre ›La niÇa‹…, Trailer. Entsprechend bezeichnet Fotogramas Pen¦lope Cruz vorab als »Star der copla«: o. V. (1998a), S. 156: »estrella de la copla«. 1983 Vgl. Navarrete (2005), S. 23 ff. 1984 Vgl. Feenstra (2008b), S. 110 und 114. Im spanischen Kino wurde das espaÇolada-Genre seit 1975 auf mehr oder weniger direkte Art und Weise bereits von Pedro Almodûvar sowie

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Dieses Bestreben wird anhand eines Bewusstwerdungsprozesses der Protagonisten in La niÇa de tus ojos offensichtlich. Dabei ist es vor allem die Figur der Macarena, die den Ruf Imperio Argentinas im Besonderen und den Ruf der kollaboriert habenden spanischen Künstler im Allgemeinen retrospektiv rettet.1985 Ausschlaggebend für diese rehabilitierende Lesart ist der Lernprozess, den Macarena im Laufe der Handlung von La niÇa de tus ojos durchläuft. Von der gegängelten und fremdbestimmten Geliebten des Regisseurs Fontiveros entwickelt sie sich zu einer selbstbewussten, integren Frau, die sich von niemandem mehr vereinnahmen lässt. Sie lernt auch, Goebbels aggressive Avancen beständig und erfolgreich abzuwehren.1986 Mithilfe ihrer Assistentin schafft sie es im Verlauf der Handlung gar, ihre Kollegen wachzurütteln, sodass diese sie bei ihrer Flucht mit einem jüdischen KZ-Häftling tatkräftig unterstützen. Der Romanistin Pietsie Feenstra zufolge »revolutioniere«1987 Macarena in La niÇa de tus ojos das Ensemble durch ihre mutigen Aktionen, ebenso wie sie die in ihrer Umgebung aufrechterhaltene Ordnung durcheinander bringe.1988 Damit entspricht Macarena nicht mehr dem Bild der männervernichtenden Carmen, der femme fatale, das Regisseur Flori‚n Rey in den 1930er-Jahren in Kooperation mit NaziDeutschland auf filmische Art und Weise umsetzte.1989 Vielmehr wird der Carmen-Mythos in La niÇa de tus ojos alterniert und die wenig rühmliche Geschichte der spanisch-deutschen Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Films mithilfe der Figur Macarena umgeschrieben. Diese Episode der spanischen Zeitgeschichte erscheint nun – Ende der 1990er-Jahre in Spanien – als eine

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in einigen Filmen Jaime Ch‚varris und Carlos Sauras aufgegriffen: Vgl. Navarrete (2005), S. 31. S. Fußnote 1939. Regisseur Trueba rechnete ursprünglich gar mit der Mitwirkung von Imperio Argentina an seinem Film La niÇa de tus ojos. Argentina fürchtete jedoch, abermals zur Art ihrer Beziehung zu Adolf Hitler befragt zu werden: Vgl. Benavent (2000), S. 414; Crusells (2006), S. 302; MuÇoz (2009), S. 214. S. Fußnote 1986. In einer Vorankündigung weist Trueba dann jegliche Intention einer biografischen Anlehnung der Figuren seines Films an Flori‚n Rey oder Imperio Argentina zurück: Vgl. La Vanguardia (30. 04. 1998), S. 59; La Vanguardia (04. 11. 1998), S. 52. Schauspielerin Cruz distanzierte sich in Vorabberichten von der Arbeit, die Imperio Argentina in Kollaboration mit der Ufa abgeliefert hatte: Vgl. ABC (30. 04. 1998), S. 135; La Vanguardia (04. 11. 1998), S. 52. Gerüchte halten sich hartnäckig, die Schauspielerin Imperio Argentina habe eine Affäre mit Hitler gehabt: Vgl. Davies (2004), S. 11. In Truebas Film übernimmt diesen Part Joseph Goebbels, im Einklang mit seinem Ruf als ›Bock von Babelsberg‹: Vgl. La niÇa de tus ojos, 00:29:23; ebd., M‚s sobre ›La niÇa‹…, Como se hizo, 00:09:35 – 00:10:28; La niÇa de tus ojos, M‚s sobre ›La niÇa‹…, Un poco de historia; Alegre (1999); Benavent (2000), S. 414. Feenstra (2008b), S. 112: »revoluciona[r]«. Vgl. ebd. und S. 114. Das von Flori‚n Rey für Carmen, la de Triana ausgearbeitete Drehbuch basiert auf der französischen Novelle Carmen von Prosper Merim¦e (s. Fußnote 1981): Vgl. ebd., S. 101. Macarena entspricht diesem Mythos insofern, als sie trotz ihres prinzipiell gutherzigen, integren Charakters eine Bedrohung für den Regisseur Fontiveros darstellt, der wegen ihr ernsthaften Problemen mit möglicherweise tödlichen Folgen entgegensieht.

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geradezu ›heldenhafte‹ Auflehnung gegen die faschistischen Täter, die Deutschen. Gleichzeitig wird diese Episode der spanischen Zeitgeschichte in La niÇa de tus ojos inszeniert als eine Verbrüderung mit den Opfern der jüngeren Vergangenheit auf transnationaler Ebene, den Juden.1990 Über den allgemeinen historischen Kontext der spanischen-deutschen Zusammenarbeit im ›Dritten Reich‹ wird in La niÇa de tus ojos eine besonders verachtenswerte Episode der deutschen Filmgeschichte aufgegriffen, nämlich die Tatsache, dass Sinti und Roma für nationalsozialistische Filmproduktionen zwangsrekrutiert und als Statisten eingesetzt wurden.1991 Für den ›Film im Film‹Dreh von La niÇa de tus ojos werden die hier jüdischen Statisten dazu genötigt, fröhlich im Takt zu klatschen und mitzusingen. Angesichts der Behandlung, die die KZ-Häftlinge seitens der Deutschen am Set erfahren – sie erhalten kein Essen und werden mit Gewehrkolben traktiert –, lädt die Protagonistin Macarena sie zum traditionell spanischen Gericht Paella ein. Dabei wurzelt ihr zunehmendes Engagement für die Häftlinge nicht in ideologischen Erwägungen, sondern vor allem darin, dass sie seit dem Los ihres Vaters das Schicksal von Gefangenen im Allgemeinen nicht erträgt.1992 Zudem hat sie sich in einen der Häftlinge verliebt, einen russischen Juden namens Leo. Entsprechend charakterisiert Regisseur Trueba seine Protagonistin wie folgt: »Macarena repräsentiert die absolute Unschuld, weil sie noch nicht korrumpiert ist. Sie reagiert auf nichts mit Ideologie, sondern mit dem Herzen.«1993 Ihr im Emotionalen wurzelnder Einsatz für die KZ-Häftlinge zahlt sich gemäß dem Filmnarrativ aus: Am Ende kann sie, dank der Unterstützung ihrer spanischen Kollegen, gemeinsam mit Leo fliehen und fliegt der Freiheit – über Paris nach Argentinien – entgegen.1994 Das Einbinden von KZ-Häftlingen in sein melodramatisches Filmnarrativ dient Regisseur Trueba demnach nicht dazu, besonders auf das Leid der jüdischen Bevölkerung im nationalsozialistischen Deutschland hinzuweisen. Vielmehr geht es ihm darum, eine gewisse Parallelität zwischen seinen spanischen Protagonisten und den für den ›Film im Film‹-Dreh eingesetzten jüdischen Häftlingen zu implizieren. So äußert sich eine Filmfigur verzückt, die Häftlinge sähen ja wie Spanier aus und nicht wie Deutsche. Letztere wurden von den Spaniern im Film zuvor als allesamt blond, blauäugig und groß bezeichnet und

1990 Vgl. ebd., S. 112. 1991 Konkret geschah dies im Zuge der Dreharbeiten für den Riefenstahl-Film Tiefland (DE 1940 – 1944): Vgl. Benavent (2000), S. 414. 1992 Vgl. La niÇa de tus ojos, 01:43:44 – 01:43:48. 1993 Fernando Trueba; zit. n.: La Vanguardia (08. 11. 1998), S. 64: »Macarena representa la inocencia total, porque affln no est‚ corrompida. No reacciona ante nada con la ideolog†a, sino con el corazûn.« 1994 Vgl. La niÇa de tus ojos, 01:49:48 – 01:50:37.

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entsprechend dargestellt.1995 Eine weitere Filmfigur vergleicht die KZ-Häftlinge mit den gitanos (dt.: »Zigeuner«),1996 die ein fester Bestandteil der andalusischen Kultur sind, in der die Figur Macarena Granada ihrem Namen wie auch ihrem Akzent nach zu urteilen offensichtlich verwurzelt ist.1997 Sie selbst sei sogar eine halbe Zigeunerin, wie Macarena Goebbels bei einem Abendessen empört an den Kopf wirft, was die, wie auch die Juden, ihm denn getan hätten?1998 Die Gleichsetzung ihrer Stellung im gesellschaftlichen Gefüge kulminiert in Macarenas Versicherung gegenüber Leo: »Hier sind wir alle Brüder.«1999 Das Filmnarrativ scheint ihr Recht zu geben: Als der spanische Filmtrupp an einem seiner ersten Abende im nationalsozialistischen Berlin in einem jüdischen Lokal Essen geht, endet der Abend infolge der ›Reichskristallnacht‹ nicht nur für die jüdischen Inhaber und Angestellten des Restaurants brutal, sondern auch für die spanischen Filmschaffenden. Einer von Macarenas Kollegen landet gegen Ende des Films gar unschuldig in einem Konzentrationslager, wo er offensichtlich gefoltert wird.2000 Truebas Darstellung zufolge teilen Juden wie Spanier zu jener Zeit ein vergleichbares Leid. Dies kommt einerseits einer unzulänglichen Verharmlosung des Holocaust gleich, auf den filmintern dialogisch lediglich als »Marotte«2001 der Deutschen Bezug genommen wird. Umgekehrt impliziert dieser Versuch der Gleichstellung im Opferstatus, die spanische Bevölkerung habe es zu jener Zeit mit den gleichen Tätern zu tun gehabt wie die Juden: die ›Nazis‹. Dabei handelt es sich der filminternen Inszenierung zufolge um dicke, große Gestalten in Uniform, von denen Protagonistin Macarena gegen Ende des Films einen aus-

1995 Vgl. ebd., 00:26:19 – 00:26:51 sowie 00:39:19 – 00:39:43. 1996 Vgl. ebd., 00:42:00 – 00:42:05. 1997 Cruz eignete sich für ihre Rolle in La niÇa de tus ojos den andalusischen Akzent an: Vgl. ABC (30. 04. 1998), S. 135; o. V. (1998a), S. 156; ABC (01. 11. 1998), S. 143. Der Name Macarena Granada bezieht sich sowohl auf einen Stadtteil Sevillas, Macarena, wie auch auf die berühmte andalusische Stadt Granada: Feenstra (2008b), S. 102. 1998 Vgl. ebd., 00:55:21 – 00:55:28. 1999 Ebd., 00:43:57 – 00:44:14: »Aqu† todos somos hermanos.« 2000 Vgl. ebd., 01:52:43 – 01:53:22. Das Konzentrationslager dient filmintern lediglich als zeithistorischer ›Marker‹ und bleibt als solcher namenlos. Der Eingang ist rein äußerlich stark an Auschwitz angelehnt. Der Nachbau dieses KZ-Eingangs, die schauspielerische Leistung Jorge Sanz’, der die Figur des spanischen Inhaftierten verkörpert, sowie die Kürze der Szene werden dem Thema der NS-Vernichtungspolitik und dem Leid ihrer Opfer in keiner Weise gerecht. 2001 Ebd., 00:24:30: »man†a«. Nur im Rahmen der auf der Kauf-DVD enthaltenen Extras findet sich ein Satz, der darauf hinweist, dass die ›Reichskristallnacht‹ den Beginn der offenen Verfolgung der jüdischen Bevölkerung markiert habe, die in ihrer »systematischen Vernichtung« (ebd., M‚s sobre ›La niÇa‹…, Un poco de historia: »eliminaciûn sistem‚tica«) in Konzentrationslagern endete.

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drücklich als »Bestie«2002 bezeichnet. Alternativ dient Joseph Goebbels, der in seiner Funktion als ›Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda‹ und Leiter der ›Reichskulturkammer‹ eine wichtige Nebenfigur in La niÇa de tus ojos darstellt, als Inkarnation der nationalsozialistischen Täterseite.2003 Goebbels, gespielt vom deutschen Fernsehschauspieler Johannes Silberschneider, tritt in Truebas Film ausschließlich als grotesk humpelnder, eitler, manierierter Mann mit irrem Blick und großer Schwäche für das weibliche Geschlecht in Erscheinung. Er ist in Truebas Film eine Witzfigur, so wie fast alle hier dargestellten Deutschen in ihrer Untertänigkeit, Grobschlächtigkeit, Engstirnigkeit und Unreflektiertheit dumm und debil wirken und dabei komisch sein sollen: Der Film wurde vom spanischen Kultusministerium als Komödie klassifiziert.2004 In La niÇa de tus ojos lässt sich somit eine Verallgemeinerung der gleichermaßen ›dämonisierten‹ wie verharmlosten nationalsozialistischen Täter beobachten, die offen lässt, welche Akteure im zeitgenössischen Deutschland konkret welche Taten verübten. Umso deutlicher ist in Truebas Film umgekehrt das Bemühen, die Vertreter des spanischen Filmtrupps als Figuren zu inszenieren, die das Leid der im Nationalsozialismus Verfolgten teilen. In Anlehnung an die Historikerin Ulrike Jureit und den Psychoanalytiker Christian Schneider lässt sich im Hinblick auf die Protagonisten von La niÇa de tus ojos von »gefühlten Opfern«2005 sprechen, die sich mit den Opfern des Holocaust identifizieren, um sich darüber von den Tätern und deren Taten abzugrenzen.2006 Einige spanische Rezensenten stießen sich an Truebas Goebbels-Figur, die zu geifernd, leichtgläubig und tölpelhaft dargestellt werde.2007 Auf der Berlinale, wo der Film im Februar 1999 lief, eröffnete die Pressekonferenz die Frage, wie man eine Komödie über ein solch ernstes Thema machen könne.2008 Der Regisseur Trueba verstieg sich zu der Äußerung, Hitler sei ein, wenngleich trauriger, As-

2002 La niÇa de tus ojos, 01:36:42: »bestia«. In ihrer ›animalischen‹ Qualität ähneln die nationalsozialistischen Täterfiguren den franquistischen, s. Kapitel 4.3.1. 2003 In der Rolle der betrogenen Ehefrau taucht in La niÇa de tus ojos auch Joseph Goebbels Frau Magda auf, gespielt von der einstigen Fassbinder-Muse Hanna Schygulla. 2004 Vgl. Filmdatenbank des spanischen Kultusministeriums, www.mcu.es (20. 02. 2012). 2005 Jureit/Schneider (2010). 2006 Vgl. ebd., S. 10, 23 – 30, 29 – 37, 91 – 93. Eine Tendenz, die der Literaturwissenschaftler Georg Pichler auch im Zusammenhang mit MuÇoz Molinas Bestseller Sefarad (2001) konstatierte: Vgl. Pichler (2002), S. 27. Zu Sefarad s. auch Fußnote 1600. 2007 Vgl. Oliva (1999), S. 443; Crusells (2006), S. 301. 2008 Vgl. La Vanguardia (16. 02. 1999), S. 44. Deutsche Kinospielfilme wie Mein Führer – Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler mit Helge Schneider (DE 2007) und Fernsehproduktionen wie Switch Reloaded (ProSieben, seit 2006) mit den Obersalzberg-Sketchen, die sich dem Thema des Nationalsozialismus und dessen Größen auf komödiantische Art und Weise näherten, erschienen in gehäufter Form erst später als La niÇa de tus ojos.

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pekt des »Kulturerbes«2009. Er habe mit seiner Komödie nicht die Absicht gehabt, den Nationalsozialismus zu untersuchen, außerdem keine Botschaften übermitteln wollen, das sei Sache der Propaganda.2010 Nichtsdestotrotz beinhaltet sein Film Botschaften, darunter die, dass die Spanier sich Ende der 1930er-Jahre mit der nationalsozialistischen Ausprägung des Faschismus als übermächtigem Gegner konfrontiert sahen, was ihnen gemäß der filminternen Logik einen den Juden ähnlichen Opferstatus verleiht. Folglich gerät das von Franco besetzte Spanien, aus dem die spanischen Filmschaffenden ursprünglich stammen, in Vergessenheit. Nur im Vorspann wird auf das Bürgerkriegsspanien eingegangen, um bereits zahlreiche Parallelen zwischen den Aufständischen in Spanien und den europäischen faschistischen Regimes der Zwischenkriegszeit herzustellen. Filmisches Archivmaterial in schwarz-weiß ist darin zu sehen – Bilder des Noticiario EspaÇol, Vorläufer der franquistischen Wochenschau NO-DO –,2011 das dem Zuschauer zunächst Szenen aus der Ebro-Schlacht nahe bringt. Laut einem männlichen voice over waren an dieser Schlacht ›gegen den Faschismus‹ internationale Kämpfer beteiligt. Ihnen gegenüber stehen italienische Schwarzhemden. Die nächste Sequenz zeigt den ›Reichsparteitag‹ der NSDAP von 1938 in Nürnberg und die zu diesem Anlass stattfindenden gigantischen Aufmärsche sowie Hitler. Zudem erwähnt der Sprecher nationalsozialistische Organisationen wie ›Kraft durch Freude‹ und den ›Reichsarbeitsdienst‹. Direkt daran schließen sich Aufnahmen an von der marokkanischen Kavallerie sowie von Franco, um dann Jos¦ Antonio Primo de Rivera einzublenden, den Gründer der spanischen faschistischen Partei Falange. Abschließend wird mittels nachgestellter Aufnahmen, in die die an dem ›Film im Film‹ La niÇa de tus ojos beteiligten Protagonisten eingeschnitten sind, auf die spanisch-deutsche Kollaboration auf dem Gebiet des Films hingewiesen. Diese sei dank Goebbels und des deutschen Propagandaministeriums möglich gemacht worden.2012 Interessant ist hinsichtlich des Vorspanns Rezensent Terenci Moix’ Interpretation, dass der Regisseur Trueba damit von Anfang an klarstelle, dass Spanien in der nationalsozialistisch-franquistischen Kollaboration nicht die Rolle eines gleichwertigen Partners einnahm: »Die Rituale des spanischen Faschismus«2013 wirkten neben den Aufmärschen und Massenveranstaltungen Nazi-Deutschlands minderwertig. Dazu passt, dass sich der spanische Filmtrupp angesichts der Größe des Ufa-Geländes schier überwältigt zeigt. Bei einer ersten Begehung des Film-Sets wird der spanische Regisseur von seinem deut2009 La Vanguardia (16. 02. 1999), S. 44: »patrimonio cultural«. 2010 Vgl. ebd. Trueba, 1955 in Madrid geboren, bezeichnet selbst sich als ›Linker‹: Vgl. La Vanguardia. Revista (31. 01. 1999), S. 11. 2011 S. Fußnote 1604. 2012 Vgl. La niÇa de tus ojos, 00:00:13 – 00:04:24. 2013 Moix (1998), S. 12: »Los rituales del fascismo espaÇol«.

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schen Partner auf arroganteste, überheblichste Art und Weise heruntergeputzt: Von einem Spanier müsse er sich gar nichts sagen lassen.2014 Dies verstärkt den Eindruck, dass über den Vorspann die Regime in Hitler-Deutschland wie in Franco-Spanien zwar parallelisiert werden, was Verbindungslinien und Ähnlichkeiten zu Tage fördert.2015 Letztlich mächtiger und somit »schrecklicher« ist La niÇa de tus ojos zufolge aber eindeutig das nationalsozialistische Deutschland, wie folgende Aussage Truebas verdeutlicht: »Für mich besteht der fundamentale Reiz von La niÇa de tus ojos darin, von dem surrealen Paradox zu erzählen, das eine Gruppe von Künstlern erlebt, die der schrecklichen Realität des Spanischen Bürgerkriegs zu entkommen vermögen, nur um sich schließlich einer noch schrecklicheren Realität unterworfen zu sehen: Hitlers Nazi-Deutschland.«2016

Dabei inszeniert der Vorspann, wo die Truppen sich offenbar ausschließlich aus ausländischen, ›fremden‹ Beteiligten rekrutieren, schon den Spanischen Bürgerkrieg als eine größtenteils ›auswärtige Angelegenheit‹. Der gewöhnliche spanische Soldat scheint gemäß dieser Sichtweise gar nicht am Konflikt beteiligt.2017 Die Frage nach spanischer (Mit-)Täterschaft vernachlässigt Trueba in La niÇa de tus ojos eindeutig zu Gunsten eines Narrativs, das die Schuldigen auf transnationaler Ebene verortet. Dabei dienen primär die Nationalsozialisten als »negatives Gegenbild«2018, von denen sich der ›einfache‹ Spanier jener Zeit grundlegend unterscheidet. Diese Abgrenzung von den Tätern erfolgt in La niÇa de tus ojos über eine Identifikation mit den Opfern des Holocaust.

2014 Vgl. La niÇa de tus ojos, 00:05:47 – 00:06:18 sowie 00:10:09 – 00:11:35. 2015 Moix zufolge zeige La niÇa de tus ojos »diesen beschämenden Moment in der Geschichte Europas, in dem die Faschismen zusammentrafen«: Moix (1998), S. 11: »aquel vergonzoso momento de la historia de Europa en que dieron en coincidir los fascismos«. Das Adjektiv »beschämend« verweist auf die Meistererzählung des Bürgerkriegs als ›Tragödie‹, s. Kapitel 1.1.1. 2016 Fernando Trueba; zit. n.: La Vanguardia (30. 04. 1998), S. 59: »El atractivo fundamental para m† de La niÇa de tus ojos […] consiste en contar la paradoja surrealista que vive un grupo de artistas que logra salir de la terrible realidad de la Guerra Civil espaÇola para acabar sumergidos en una realidad m‚s terrible affln: la de la Alemania nazi de Hitler«. Der von Trueba derart herausgestellte Aspekt des »Unterworfenseins« seiner Protagonisten verweist wiederum auf seine Bestrebungen, sie dezidiert den Opfern zuzurechnen. 2017 Der am innerspanischen Konflikt beteiligte ›einfache‹ spanische Soldat trat auch schon in Libertarias (Freedomfighters; ES-IT-BE 1996) nicht in Erscheinung. Stattdessen agieren hier marokkanische Söldner als ›bestialische‹ Täterfiguren, s. Kapitel 2.2. Auch im Hinblick auf die ›Kernquellen‹, deren Handlung sich in der Nachkriegszeit vollzieht, bleibt auffällig, dass niedere Dienstgrade des spanischen Militärs darin nicht als Täter inszeniert werden, s. Kapitel 4.3.1. 2018 Pichler (2002), S. 27.

Internationales Menschenrecht und franquistische Verbrechen

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Internationales Menschenrecht und franquistische Verbrechen

In La niÇa de tus ojos (Das Mädchen deiner Träume) taucht bereits 1998 ein Aspekt auf, der sich infolge der zivilgesellschaftlichen Bemühungen um eine ›Rückgewinnung der historischen Erinnerung‹ als überaus bedeutsam erweisen sollte: der Vergleich mit den Leid- und Aufarbeitungserfahrungen weiterer Opfergruppen auf transnationaler Ebene. So gelten die mehrheitlich mit dem ehemals republikanischen Lager assoziierten, zumeist erschossenen Opfer des Franquismus im heutigen Spanien aufgrund der zahlreichen weiterhin ungeöffneten, anonymen Massengräber als desaparecidos (dt.: »Verschwundene«) – ein Terminus, der offenkundig auf Debatten über den Umgang mit der jüngeren Diktaturvergangenheit im südlichen Lateinamerika verweist.2019 Desaparecido bezeichnet dort eine juristische Figur, dem das Verbrechen des ›Verschwindenlassens‹ zuteilwurde: die »rechtswidrige[n] Festnahme von Personen durch staatliche Sicherheitskräfte ohne Mitteilung über de[ren] Verbleib«2020. Gemeinhin wird es Emilio Silva, dem bekannteren der beiden Gründerväter der Asociaciûn para la recuperaciûn de la memoria histûrica (ARMH), zugeschrieben, seinen zu Beginn des Bürgerkriegs von Aufständischen erschossenen und in einem Massengrab verscharrten Großvater in einem Zeitungsartikel im Jahr 2000 als ›Verschwundenen‹ bezeichnet und diesen Begriff damit auch in der spanischen Öffentlichkeit etabliert zu haben.2021 Silva hat sich, wie die Historikerin Nina Elsemann herausstellt, bewusst »von Beginn an in das Feld des internationalen Menschenrechtsdiskurses eingeschrieben«2022. Dabei rekurrierten spanische Erinnerungsinitiativen, so die Politikwissenschaftlerin Ulrike Capdepûn, »auf internationale Menschenrechtsnormen, um ihren Aufarbeitungsforderungen auf lokaler Ebene Nachdruck zu verleihen. So reichte die ARMH bei der Arbeitsgruppe über Erzwungenes Verschwindenlassen der Vereinten Nationen – ursprünglich zur 2019 Vgl. Capdepûn (2010), S. 35. 2020 Elsemann (2011), S. 10. Elsemann stellt in diesem Zusammenhang klar: »Auch wenn sich die Entstehung des Begriffs in einem spezifisch lateinamerikanischen Kontext verorten lässt, ist die dazugehörige Praxis mitnichten eine lateinamerikanische Erfindung.«: Ebd., S. 36. Vgl. ebd. – S. 88. Dabei weist Elsemann mehrfach darauf hin, dass es sich bei dem Begriff des ›Verschwindens‹ um einen euphemistischen handelt, da »[d]as Verb ›verschwinden‹ […] keine aktive Handlung [beschreibt] und […] infolgedessen auch keine Verantwortlichen oder Verursacher [kennt]«: Ebd., S. 66. Zumindest aber weise er »darauf hin, dass der jeweilige Fall so lange nicht abgeschlossen ist, solange es keine Beweise, also keine sterblichen Überreste gibt«: Ebd., S. 197. 2021 Vgl. ebd., S. 10, 12, 190, 202 – 206, 253 – 260 sowie 319. Zur Entstehung der ARMH s. Kapitel 1.1.1. 2022 Ebd., S. 192.

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Auffindung der desaparecidos in Lateinamerika eingerichtet – im August 2002 einen Antrag ein, in welchem sie verlangte, dass der spanische Staat die Exhumierung der in Massengräbern verscharrten Opfer der Franco-Diktatur anordnet.«2023

Die damalige Regierung Aznar stand unter Druck, zumindest die Fälle des ›Verschwindenlassens‹ aufzuklären, die nach Gründung der UNO 1945 erfolgten. Dies kam für die ARMH lediglich einem Teilerfolg gleich, lag der Höhepunkt der franquistischen Repression doch vor 1945. Dennoch konnte sie »durch die Internationalisierung des Konflikts den innenpolitischen Druck auf staatliche Stellen erhöhen«2024. Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch, warum spanische Bürgerinitiativen sich an den spanischen Ermittlungsrichter Baltasar Garzûn wandten.2025 Garzûn ist durch die erfolgreiche und Aufsehen erregende Verhaftung des chilenischen Ex-Diktators Pinochet in London im Herbst 1998 hinreichend bekannt geworden.2026 Genau zehn Jahre später, am 16. Oktober 2008,2027 legte er eine Verfügung zur Auffindung der infolge des Putsches der Aufständischen 1936 und des daraus hervorgehenden Franquismus ›Verschwundenen‹ vor. Zu diesem Zweck kündigte er die Exhumierung von mindestens 19 Massengräbern an.2028

2023 2024 2025 2026

Capdepûn (2010), S. 35. Vgl. Elsemann (2011), S. 82 – 88. Capdepûn (2010), S. 35. Vgl. Capdepûn (2010), S. 36; Elsemann (2011), S. 211 – 217. »Mit der Ahndung der Menschenrechtsverbrechen in Lateinamerika war das Vorgehen Garzûns weltweit zu einem Referenzpunkt für die Durchsetzung internationaler Jurisdiktion vor ausländischen Gerichten geworden.«: Capdepûn (2010), S. 36. Vgl. o. V.: Angriff auf das Weltgewissen. In: Der Spiegel (13. 02. 2010), Nr. 7, S. 85; Dahms, Martin: Baltasar Garzûn. Der Fall eines unbeugsamen Richters. In: Frankfurter Rundschau (27. 04. 2010), www.fr-online.de (20. 02. 2012); Elsemann (2011), S. 107. 2027 Das Datum war aufgrund seines Symbolgehaltes im Zusammenhang mit der genau zehn Jahre zurückliegenden Verhaftung Pinochets bewusst gewählt: Vgl. o. V.: »Una forma de rehabilitaciûn ante el silencio desplegado hasta la fecha.« In: El Pa†s (17. 10. 2008), S. 14; Süddeutsche Zeitung (17. 10. 2008); Vgl. Frankfurter Rundschau (27. 04. 2010); Capdepûn (2010), S. 37; Elsemann (2011), S. 11 und 217. 2028 Darunter das, in dem der Dichter Federico Garc†a Lorca vermutet wurde: Vgl. Der Spiegel (14. 10. 2008); Junquera, Natalia: El juez abre la fosa de Lorca. In: El Pa†s (17. 10. 2008a), S. 13; Zuber, Helene: Spanien. Richter Garzûn setzt das Franco-Regime auf die Anklagebank. In: Der Spiegel (16. 10. 2008), www.spiegel.de (20. 02. 2012); Süddeutsche Zeitung (17. 10. 2008). Kurz darauf, am 7. November 2008, stellte der Nationale Gerichtshof eben diese Exhumierungen ein: Vgl. Altozano, Manuel: La Audiencia paraliza cautelarmente la apertura de fosas del franquismo y la Guerra. In: El Pa†s (07. 11. 2008), www.elpais.com (20. 02. 2012); Altozano, Manuel: La Audiencia suspende la apertura de fosas tras un tenso debate en la Sala Penal. In: El Pa†s (08. 11. 2008a), www.elpais.com (20. 02. 2012); Junquera, Natalia: La decisiûn sûlo afecta a la fosa de Lorca, a otra en La Serna y al Valle de los Ca†dos. In: El Pa†s (08. 11. 2008b), www.elpais.com (20. 02. 2012); Jim¦nez, Lidia: »Pensaba que los jueces impedir†an sacar a mi padre.« In: El Pa†s (09. 11. 2008), www.elpais.com (20. 02. 2012); El Pa†s (17. 11. 2008).

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Aufgrund eines »systematischen Vernichtungsplans«2029, den Garzûn den damaligen Aufständischen attribuiert, verkündete er, Franco und 34 seiner Helfer posthum wegen zwischen 1936 und 1952 begangener ›Verbrechen gegen die Menschlichkeit‹ verurteilen zu wollen.2030 Garzûn machte sich in seiner Verfügung die universelle Jurisdiktion des ›Weltrechtsprinzips‹ zunutze und stellte damit die bisher in Spanien gültige impunidad (dt.: »Straflosigkeit«) franquistischer Verbrechen in Frage.2031 Auf spanischem Boden schützt nach wie vor das Amnestiegesetz vom 15. Oktober 1977 die entsprechenden Täter vor strafrechtlicher Verfolgung.2032 Im Zuge von Garzûns Verfügung, die sich mehrfach ausdrücklich und kritisch auf das Amnestiegesetz bezieht,2033 ist der Begriff der impunidad jedoch »auf dem Weg, zum neuen Schlagwort der spanischen Erinnerungsbewegung zu werden«2034. Garzûn fachte mit seinem Vorstoß eine Debatte neu an, die während der Ausarbeitung des »Gesetzes der historischen Erinnerung« die meisten Polemiken nach sich gezogen hatte: die Frage nach einer juristischen Aufarbeitung franquistischer Verbrechen, konkret nach der Annullierung franquistischer Standgerichtsurteile, deren Umsetzung zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen wiederholt forderten.2035 In diesem Zusammenhang hatte im nationalen Kontext das Drängen der katalanischen Linkspartei Esquerra Republicana de Catalunya (ERC) eine nicht unerhebliche Rolle gespielt, die eine Annullierung 2029 Garzûns Verfügung; zit. n.: El Pa†s (17. 10. 2008), S. 12: »plan sistem‚tico de exterminio«. 2030 Vgl. Der Spiegel (16. 10. 2008); El Pa†s (17. 10. 2008), S. 14; Süddeutsche Zeitung (17. 10. 2008); Süddeutsche Zeitung (20. 10. 2008); Capdepûn (2010), S. 37. 2031 Vgl. El Pa†s (17. 10. 2008), S. 1, 12 und 14; Süddeutsche Zeitung (17. 10. 2008); El Pa†s (17. 11. 2008); Capdepûn (2010), S. 37; Elsemann (2011), S. 11; o. V.: Weltrechtsprinzip – was bedeutet das? In: Die Zeit (28. 04. 2011), Nr. 18, S. 16. 2032 Vgl. Sotelo (1994), S. 53; Bernecker (2004), S. 701; Balfour (2005a), S. 4. Zum Amnestiegesetz s. auch Kapitel 4.3.1. 2033 Garzûn spricht in seiner Verfügung mit Blick auf das Amnestiegesetz vom Ausradieren der Verbrechen des Staates durch die Institution des Staates selbst und somit von autoamnist†as: Garzûns Verfügung, zit. n.: El Pa†s (17. 10. 2008), S. 14. Amnesty International rief im Anschluss an Garzûns Verfügung den spanischen Staat zum wiederholten Male öffentlich dazu auf, das Amnestiegesetz vom Oktober 1977 abzuschaffen, um ein juristisches Verfahren zu ermöglichen: Vgl. o. V.: AI acusa a la fical†a de ir contra el derecho por recurrir el proceso del Grazûn. In: El Pa†s (12. 11. 2008), www.elpais.com (20. 02. 2012). Neben Amnesty International griff beispielsweise die internationale Menschenrechtsorganisation Equipo Nizkor die Forderungen der spanischen Erinnerungsinitiativen immer wieder auf, was zu einer Verknüpfung der »Situation der Opfer der franquistischen Repression mit der internationalen Menschenrechtsdebatte« (Elsemann (2011), S. 192) maßgeblich beitrug. 2034 Ebd., S. 328. Auch der Begriff impunidad wurde laut Elsemann zuvor vor allem mit Lateinamerika assoziiert. 2035 Vgl. Brinkmann (2007), S. 185; Keene (2007), S. 663; Blakeley (2008), S. 321 f. und 328; Capdepûn (2010), S. 36; Elsemann (2011), S. 309. Zum »Gesetz der historischen Erinnerung« s. ausführlicher unter Kapitel 4.1.1.

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des Todesurteils gegen Llu†s Companys erwirken wollte, den einstigen republikanischen Präsidenten der Generalitat.2036 Doch käme eine spanische Regierung heute einer solchen Forderung nach, dann gäbe es einen Präzedenzfall »für den rückwirkenden Eingriff in die franquistische Legalität«2037, auf den unzählige juristische Rehabilitations- und Entschädigungsverfahren folgen würden.2038 Genau dieser Eingriff steht der spanischen Demokratie jedoch nicht zu, folgt man der Ansicht des Verfassungsgerichts, da »aufgrund der Art des politischen Übergangs eine juristische Kontinuität bestehe«2039. Franquistische Urteile werden demnach als legal erachtet, »simply […] displaying a different type of legality to that of Spain’s current democratic regime«2040. Die Politikwissenschaftlerin Georgina Blakeley sieht hierin eine verpasste Gelegenheit, sich von der Diktaturvergangenheit explizit zu distanzieren: »To miss the opportunity to not declare Francoist sentences null and void is to miss the opportunity to declare once and for all that the differences between Spain’s dictatorial past and democratic present and future is not one of degree but of kind.«2041

Was Garzûns Verfügung anbelangt, so erklärte sich der Nationale Gerichtshof (span.: Audiencia Nacional2042) nicht zuständig und »entschied, dass die Entscheidungskompetenz über die Öffnung von Massengräbern und die Identifizierung von Opfern bei den spanischen Regionalgerichten läge«2043. Da die einzelnen Provinzgerichte in Spanien für sich allein arbeiten, »war eine landesweite Lösung und damit konsequente rechtliche Handhabe zur Aufklärung der Schicksale der ›Verschwundenen‹ erneut in weite Ferne gerückt«2044. Für 2036 Companys Todesurteil fällte ein franquistisches Standgericht und wurde am 15. Oktober 1940 vollstreckt: Vgl. Godicheau (2005), S. 201. 2037 Brinkmann (2007), S. 186. 2038 Vgl. ebd. 2039 Ebd. 2040 Blakeley (2008), S. 323. Es gibt auch spanische Juristen, die sich vehement für eine Annullierung franquistischer Urteile aussprechen: Vgl. L‚zaro, Julio M.: Seguridad jur†dica o nulidad de sentencias. In: El Pa†s (15. 12. 2006), www.elpais.com (20. 02. 2012); Mart†n Pall†n (2007). 2041 Blakeley (2008), S. 328. 2042 Der allmächtige Audiencia Nacional ersetzte 1977 Francos Tribunal de Orden Pfflblico; einige Kontinuitäten im Personal blieben bestehen: Vgl. Tremlett (2006), S. 136. 2043 Capdepûn (2010), S. 37. Zwar war es Garzûn selbst, der nach gut einem Monat einen überraschenden Rückzieher machte und die Angehörigen der Opfer an die Provinzgerichte verwies: Vgl. Frankfurter Rundschau (27. 04. 2010); Elsemann (2011), S. 219. Dies geschah jedoch auf Druck der Staatsanwaltschaft: Vgl. Altozano, M./Yoldi, J./Agencias: Garzûn se inhibe en la causa que investiga el franquismo en favor de los juzgados territoriales. In: El Pa†s (18. 11. 2008), www.elpais.com (20. 02. 2012); Wandler, Reiner : Der Teppich und der Dreck. In: die tageszeitung (18. 11. 2008), www.taz.de (20. 02. 2012); Der Spiegel (13. 02. 2010); Elsemann (2011), S. 218 ff. 2044 Capdepûn (2010), S. 37. Vgl. Junquera, Natalia: Esperanza por la reapertura en Argentina de la causa del franquismo. In: El Pa†s (04. 09. 2010), www.elpais.com (20. 02. 2012).

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weiteren Zündstoff sorgte die Tatsache, dass der Oberste Gerichtshof (span.: Tribunal Supremo) »mehrere Klagen gegen den Ermittlungsrichter [zuließ], unter anderem des ultrarechten Beamtenbundes Manos Limpias (»Saubere Hände«) und der rechtsradikalen Partei Falange espaÇola, die ihm Kompetenzüberschreitung und Rechtsbeugung zur Last legten«2045. Infolgedessen fand Garzûn selbst sich auf der Anklagebank wieder,2046 im Mai 2010 suspendierte ihn der Oberste Gerichtshof vom Dienst,2047 am 9. Februar 2012 erging das Urteil: elf Jahre Berufsverbot.2048 Die Wende der Ereignisse brachte spanische Bürger dazu, in Scharen zu protestieren.2049 Der sozialdemokratische Ministerpräsident Rodr†guez Zapatero hielt indes weitgehend Distanz zu Garzûns Vorstoß, verwies auf das »Gesetz der historischen Erinnerung« und betonte, dass »der Franquismus von der 2045 Capdepûn (2010), S. 37. Vgl. L‚zaro, Julio M.: Garzûn declara como imputado en el Supremo por investigar el franquismo. In: El Pa†s (09. 09. 2009), www.elpais.com (20. 02. 2012); L‚zaro, Julio M.: El acoso a un magistrado. In: El Pa†s (25. 03. 2010a), www.elpais.com (20. 02. 2012); Zuber, Helene: Argentinische Revanche. In: Der Spiegel (19. 04. 2010), Nr. 16, S. 113; Elsemann (2011), S. 221. In einigen Zeitungen wird ein Zusammenhang zwischen dem Zulassen der ultrarechten Klagen und den von Garzûn im Frühjahr 2009 eingeleiteten Ermittlungen zur Korruptionspraxis innerhalb der PP hergestellt, dem Caso Gürtel (dt.: »Fall Gürtel»): Der Spiegel (13. 02. 2010). Vgl. El Pa†s (09. 09. 2009); El Pa†s (25. 03. 2010a); Frankfurter Rundschau (27. 04. 2010). 2046 Vgl. El Pa†s (09. 09. 2009); Der Spiegel (13. 02. 2010), S. 85; Altozano, Manuel: 11 protagonistas del acoso judicial al juez Garzûn. In: El Pa†s (25. 03. 2010b), www.elpais.com (20. 02. 2012); Frankfurter Rundschau (27. 04. 2010). Dies führte zu der grotesken Situation, dass Zeitzeugen, die erstmals vor einem spanischen Gericht über repressive Maßnahmen der Franquisten aussagten, dies nicht als Zeugen der Anklage, sondern der Verteidigung taten: Vgl. Süddeutsche Zeitung (02. 02. 2012), S. 7. 2047 Vgl. Hern‚ndez, Juan Antonio: Fuertes tensiones en el Poder Judicial ante la inminente salida de Garzûn. In: El Pa†s (14. 05. 2010a), www.elpais.com (20. 02. 2012); L‚zaro, J. M./ Hern‚ndez, J. A./Altozano, M.: El Poder Judicial suspende a Baltasar Garzûn por investigar los cr†menes del franquismo. In: El Pa†s (14. 05. 2010b), www.elpais.com (20. 02. 2012); Capdepûn (2010), S. 37; Ingendaay, Paul: Die Toten der Anderen. In: FAZ (18. 12. 2010), Nr. 295, Z 2; Elsemann (2011), S. 222. Nach seiner Suspendierung war Garzûn als Berater am Internationalen Gerichtshof in Den Haag tätig: Vgl. El Pa†s (14. 05. 2010a); El Pa†s (14. 05. 2010b); Capdepûn (2010), S. 37 f.; Elsemann (2011), S. 222. 2048 Vgl. Perger, Werner A.: Tiefschlag für die Gerechtigkeit. In: Die Zeit (09. 02. 2012), www.zeit.de (20. 02. 2012). 2049 Vgl. Elsemann (2011), S. 222 ff. Am 24. April 2010 fand unter dem Motto No a la impunidad y por Garzûn (dt.: »Nein zur Straflosigkeit und für Garzûn«) eine Massendemonstration in Madrid statt, an der verschiedene Stargäste teilnahmen, darunter Almodûvar: Vgl. Junquera, Natalia: El acoso al juez Garzûn. In: El Pa†s (24. 04. 2010), www.elpais.com (20. 02. 2012); o. V.: Almodûvar : »Me provoca una desasosegante desconfianza en el sistema judicial.« In: El Pa†s (14. 05. 2010c), www.elpais.com (20. 02. 2012). Bereits Mitte Mai 2009 hatte Almodûvar auf den Filmfestspielen in Cannes verkündet, auch er wolle demnächst einen Film mit Bürgerkriegsthematik drehen: Vgl. Efe: Almodûvar prepara una pel†cula sobre la Guerra Civil. In: El Pa†s (19. 05. 2009), www.elpais.com (20. 02. 2012). Bisher gibt es keine weiteren Informationen zu einem derartigen Filmprojekt.

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Geschichte vollständig gerichtet«2050 worden sei. In Buenos Aires hingegen reichten zwei Angehörige spanischer Exilrepublikaner symbolträchtig am 14. April 2010 – dem Tag, an dem sich die Proklamation der Zweiten Republik zum 69. Mal jährte – eine Klage ein, die die während des Spanischen Bürgerkriegs und der sich daran anschließenden Franco-Diktatur begangenen ›Verbrechen gegen die Menschlichkeit‹ anzeigte. Diese Klage wurde »[g]etragen von zehn argentinischen Menschenrechtsorganisationen, dem Friedensnobelpreisträger Adolfo P¦rez Esquivel und der spanischen ARMH«2051. Im Spätsommer 2010 fällte die argentinische Justiz die Entscheidung, dieser Strafanzeige nachzugehen, was de facto bedeutet, dass Garzûns Vorstoß in Argentinien juristisch weiter verfolgt wird.2052 Die Anregungen, die spanische Erinnerungsinitiativen und entsprechend engagierte Bürger aus den Aufarbeitungserfahrungen in Lateinamerika zogen, verhalfen ihnen nicht nur dazu, die Forderung einer juristischen Ahndung franquistischer Verbrechen auf eine transnationale Agenda zu setzen. Sie dienten ebenfalls als Auslöser für eine Beschäftigung mit bisher weniger beachteten Themen, wie beispielsweise dem der Kinder, die bei fremden Familien aufwuchsen.2053 Damit befasst sich eine unter der Regie von Montse Armengou und Ricard Belis entstandene Fernsehdokumentation: Los niÇos perdidos del franquismo (dt.: »Die verlorenen Kinder des Franquismus«; TV3, Erstausstrahlung am 20. und am 27. Januar 2002).2054 Hier liegt der Fokus auf Kindern inhaftierter politischer Häftlinge, die von den franquistischen Autoritäten in religiöse und staatliche Heime verbannt oder gar zur Adoption für regimetreue, katholische Familien freigegeben wurden.2055 Besondere Aufmerksamkeit widmen die Regisseure dabei dem colonel Antonio Vallejo N‚gera, Francos wichtigstem Armeepsychiater und Spaniens erstem universitären Psychologiepro2050 Jos¦ Luis Rodr†guez Zapatero; zit. n.: Diez, Anabel: Zapatero: »El franquismo est‚ ya juzgado por la historia«. In: El Pa†s (19. 10. 2008), www.elpais.com (20. 02. 2012): »[e]l franquismo […] absolutamente juzgado por la historia«. Ins gleiche Horn bläst ein Kommentar in der Zeitung ABC, der betont, dass »das Urteil der Geschichte« nicht durch einen Richter gefällt werden dürfe: Sotillo, Alberto: Heridas de Guerra Civil. In: ABC (28. 10. 2008), www.abc.es (20. 02. 2012): »el juicio de la historia«. 2051 Capdepûn (2010), S. 38. 2052 Vgl. Der Spiegel (19. 04. 2010), S. 113; Elsemann (2011), S. 9 sowie 326 f. 2053 Vgl. NfflÇez Seixas (2010a), S. 35. 2054 Vgl. Keene (2007), S. 666. Armengou/Belis führten bei zwei weiteren Dokumentarfilmproduktionen Regie – Las fosas del silencio (dt.: »Die Gräber des Schweigens«; 2003) und El convoy de los 927 (dt.: »Der Konvoi der 927«; 2004) –, die sich ebenfalls mit Aspekten der franquistischen Repression befassen, aber dabei jeweils unterschiedliche Schwerpunktsetzungen vornehmen. Alle drei Filme wurden für den katalanischen Fernsehsender TV3 produziert und dort im Rahmen des Formats 30 Minuts erstausgestrahlt. Ausführlicher zu Las fosas del silencio s. Kapitel 4.1.1. 2055 Vgl. Collado Seidel (2010), S. 192.

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fessor, der Versuche an Gefangenen der Internationalen Brigaden und ›roten‹ Frauen im Gefängnis von M‚laga durchführte. Er bezweckte damit zu beweisen, dass es sich bei Marxisten um ›Zurückgebliebene‹ handelt.2056 Für Los niÇos perdidos del franquismo verzeichnete die katalanische Sendeanstalt TV3 rekordverdächtige Zuschauerzahlen und wurde anschließend von Briefen überschwemmt. Die Zuschauer zogen auffallend häufig Vergleiche zu Argentinien, wo juntas in den 1970er-Jahren die Kinder der späteren desaparecidos stahlen.2057 Dabei ist der Bogen, den die Thematisierung der ›verschwundenen‹ Kinder zu Menschenrechtsvergehen in Argentinien schlägt, der Historikerin Elsemann zufolge als weiterer direkter Verweis auf die als notwendig erachtete Aushebelung des spanischen Amnestiegesetzes zu werten: »[I]n Analogie zu Argentinien, wo Ende der neunziger Jahre mit der juristischen Fokussierung der Zwangsentführung und -adoption von Kindern während der Militärdiktatur die Amnestiegesetze ausgehebelt worden waren, [könnte] auch in Spanien das Ende der Amnestie durch die franquistischen Kindesentführungen erreicht werden«2058.

Die öffentlichen Sendeanstalten der Autonomen Gemeinschaften Baskenland und Andalusien, 2002 in ihrer Programmgestaltung allesamt maßgeblich von Vertretern der Opposition beeinflusst, strahlten Los niÇos perdidos del franquismo ebenfalls aus. Die seinerzeit von der rechtskonservativen PP dominierte staatliche Fernsehanstalt TVE weigerte sich hingegen, diesem Dokumentarfilm einen Programmplatz zu gewähren.2059 TVE sendete Los niÇos perdidos del franquismo erst nach dem Regierungswechsel 2004, dann zwar am geschichtsträchtigen Datum des 20. November 2005, dem dreißigsten Todestag Francisco Francos, aber erst nach Mitternacht auf dem zweiten Programm La 2.2060 Auf 2056 Vgl. Vinyes (2010), S. 52 – 70. Neben dem Historiker Ricard Vinyes betont auch der Historiker Michael Richards, dass franquistische Psychiater sich im Hinblick auf den Umgang mit ›roten‹ Häftlingen eine eugenisch-rassische ›Argumentation‹ zunutze machten: Vgl. Richards (1998), S. 57 ff. Darüber hinaus thematisiert Los niÇos perdidos del franquismo die Erfahrung der Entwurzelung seitens der Kinder, die auf Betreiben der republikanischen Regierung zu Bürgerkriegszeiten nach Russland evakuiert wurden; ein Aspekt, der umfassend in Jaime Caminos Kinodokumentation Los niÇos de Rusia (The Children of Russia; ES 2001) zur Darstellung gelangt. 2057 Vgl. Tremlett (2006), S. 63 f. 2058 Elsemann (2011), S. 220. 2002 veröffentlichten die Regisseure von Los niÇos perdidos del franquismo gemeinsam mit dem Historiker Vinyes bei Plaza y Jan¦s (s. Kapitel 3.3) ein gleichnamiges Buch zum Film. Vinyes veröffentlichte im selben Jahr und bei demselben Verlag zudem ein Buch mit dem Titel Irredentas, das sich ebenfalls des Themas der weiblichen Inhaftierten und ihren Kindern im Franquismus annimmt. Im Zuge des Vorstoßes des Untersuchungsrichters Garzûn wurde unter anderem diese letztgenannte Publikation zu Dokumentationszwecken herangezogen und neu aufgelegt. 2059 Vgl. Tremlett (2006), S. 63 f. S. Fußnote 575. 2060 Vgl. Labanyi (2006), S. 91. Auch auf den regionalen Sendern war Los niÇos perdidos del

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dem ersten Programm des staatlichen Fernsehens ausgestrahlt und für ein breites Publikum konzipiert, wurde »das Thema der gestohlenen Kinder in die Handlung [einer] TV-Serie eingearbeitet«2061: in die erste Staffel von Amar en tiempos revueltos (dt.: »Liebe in aufgewühlten Zeiten«; TVE/La 1, 2005/06). Hier trennt eine Wärterin die Protagonistin Andrea gewaltsam von ihrem kleinen Sohn Liberto. Dieser wird in einem von Nonnen geführten Waisenheim untergebracht, während seine Mutter über seinen Verbleib nicht in Kenntnis gesetzt wird.2062 Neben den Anregungen, die spanische Aktivisten aus den erinnerungspolitischen Entwicklungen im südlichen Lateinamerika zogen, werden der Berichterstattung über die truth commissions in Südafrika, ebenso wie der Aufarbeitung der jüngsten Kriege auf dem Balkan eine sensibilisierende Wirkung auf manche Spanier zugesprochen.2063 Offenkundig ist aber auch, dass Begriffe, die ursprünglich der Beschäftigung mit der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik entstammen, in Spanien zunehmend in den Debatten und Publikationen genutzt werden, die sich auf die franquistische Repression beziehen.2064 Den vorläufigen Höhepunkt dieser Tendenz dürfte in diesem Zusammenhang der Titel des Buches darstellen, das der renommierte britische Historiker und Spanienspezialist Paul Preston 2011 veröffentlichte: El holocausto espaÇol.2065 Im Hinblick auf Spanien war der Begriff ›Holocaust‹ zuvor mehrheitlich im Zusammenhang mit jenen Spaniern angewandt worden, die in nationalsozialistischen Konzentrationslagern ermordet wurden.2066 Den Begriff des ›Holocaust‹

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franquismo laut dem Soziologen VicenÅ Navarro erst um 1 Uhr morgens ausgestrahlt worden: Vgl. Navarro (2004). Die Primetime ist im spanischen Fernsehen mit 22 Uhr zeitlich zwar ungleich später gelegen als die deutsche (20 Uhr), doch auch in Spanien sinken die Zuschauerzahlen nach Mitternacht. Gimber (2012), S. 104. Der Kinospielfilm La voz dormida (dt.: »Die schlafende Stimme«; ES 2011), der auf einem 2002 erschienenen gleichnamigen Roman von Dulce Chacûn basiert und sich um weibliche Gefangene während des Frühfranquismus dreht, thematisiert das Los ›roter‹ Kinder in einem umfassenderen Ausmaß. Vgl. Amar en tiempos revueltos – T1 – Cap†tulo 10 (11. 10. 2005), www.rtve.es (20. 02. 2012). Zum Aspekt der franquistischen Repression in Amar en tiempos revueltos s. ausführlicher Kapitel 4.1.2. Zum Aspekt des ›Nationalkatholizismus‹ s. 4.3.2.2. Vgl. Bodenmüller (2007), S. 231; Elsemann (2011), S. 329. Regisseur Cuerda bezog sich im Zusammenhang mit seinem Kinospielfilm La lengua de las mariposas (Butterfly Tongues; ES 1999), der mit dem Putsch der Aufständischen endet, beispielweise explizit auf die kriegerischen Ereignisse im Kosovo: Vgl. Caparrûs Lera (2001), S. 67. Vgl. NfflÇez Seixas (2010a), S. 36; Estrada (2010). Vgl. ViÇas, Ýngel: Las ra†ces del terror. In: El Pa†s (23. 04. 2011), www.elpais.com (20. 02. 2012). Prestons Thesen wird in öffentlichen Debatten in Spanien – wie denen von Hugh Thomas, Stanley Payne, Raymond Carr oder Ian Gibson – beträchtliches Gewicht zugestanden. Dieses Gewicht kommt diesen angelsächsischen Historikern aufgrund der späten Entwicklung einer kritischen zeithistorischen Forschung in Spanien zu, s. Fußnote 63. Vgl. NfflÇez Seixas (2010a), S. 36; Gûmez Lûpez-QuiÇones/Zepp (2010). Der Fernsehdokumentarfilm El convoy del los 927 (TV3, Erstausstrahlung: März 2004), bei dem ebenfalls

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auf die franquistischen Verbrechen übertragen zu wollen, ist hingegen fragwürdig: ›Holocaust‹ bezeichnet die systematische Vernichtung der Juden im Machtbereich des ›Dritten Reichs‹. Die Verfolgung und Ermordung politisch Missliebiger, wie sie die Aufständischen und späteren Franquisten in Spanien zu verantworten haben, galt jedoch weder einer bestimmten, als ›jüdisch‹ definierten ›Rasse‹ noch vollzog sie sich im nationalsozialistischen Herrschaftsbereich. In der spanischen Zeitgeschichtsforschung ist es umstritten, der Praxis der franquistischen Repression überhaupt eine ›Vernichtungslogik‹ zu unterstellen, die von Anfang an im aufständischen Lager existierte.2067 Der Historiker Xos¦-Manoel NfflÇez Seixas beschreibt eine ›Vernichtung‹ eher als rhetorische Absicht der aufständischen Generäle, während die physische Liquidierung aller politischen Gegner und ihrer Nachfahren sich im spanischen Fall de facto nicht hat nachweisen lassen.2068 Die Anlehnung an Begrifflichkeiten und Prozesse, die im Zusammenhang mit der Aufarbeitung diktatorischer Herrschaftsformen in anderen Ländern geprägt wurden, schlägt sich vermehrt in spanischen Kino- und TV-Produktionen nieder. So befasste sich die TV-Dokumentation Las fosas del silencio (dt.: »Die Gräber des Schweigens«; TV3, Erstausstrahlung am 2. und 9. März 2003), bei der Montse Armengou und Ricard Belis Regie führten, dezidiert und dabei im Hinblick auf die Zuschauerzahlen erfolgreich mit dem Thema der Gewalt seitens der Aufständischen und ihrer Institutionalisierung unter Franco.2069 In diesem Dokumentarfilm stellt die Verwandte eines in einem Massengrab geborgenen Opfers in einem Interview eine direkte Verbindung her zu den Opfern des Pinochet-Regimes in Chile wie auch zum Holocaust.2070 Auch über die Aussagen der an den Grabungen beteiligten polnischen Freiwilligen wird eine narrative Verknüpfung zu nationalsozialistischen Konzentrationslagern hergestellt.2071 Die Opfer unterschiedlicher diktatorischer Regime werden demnach aufgrund einer vermeintlich ähnlich leidvollen Erfahrung in ihrem Status gleichgestellt. Dabei verdeutlichen die Aussagen mehrerer Zeitzeugen und ihrer Angehörigen in Las fosas del silencio, dass sie sich – in Analogie zu den Nürnberger Prozessen – eine juristische Aufarbeitung vergangener Verbrechen und eine Be-

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Montse Armengou und Ricard Belis Regie führten, vertieft in diesem Sinne die Frage nach dem spanischen ›Anteil‹ am Holocaust. Vgl. NfflÇez Seixas (2010a), S. 36. Vgl. ebd., S. 35 ff. Eine Absicht, wie sie zu Putschbeginn öffentlich besonders deutlich die aufständischen Generäle Emilio Mola und Queipo de Llano formulierten: Vgl. Richards (1998), S. 35 f. sowie 39; Ranzato (2007), S. 103. S. Kapitel 4.1.1. Vgl. Las fosas del silencio, 00:35:51 – 00:36:43. Vgl. ebd., 00:21:50 – 00:22:20. Die Mitwirkung internationaler Freiwilliger an den Öffnungen der Massengräber in Spanien befeuerte das internationale Interesse maßgeblich: Vgl. Elsemann (2011), S. 187 f.

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Transnationale Bedeutungsdimension

strafung der Täter wünschen; ein Wunsch, den eine allwissende Erzählstimme bekräftigt und legitimiert.2072 Diese Anlehnung an die Diktaturerfahrung und ihre Aufarbeitung in Deutschland schlägt sich auch im Titel des Buches nieder, das 2004 im Anschluss an die Produktion bei dem Verlag Plaza y Jan¦s erschien. Es trägt den Untertitel: ¿Existe un holocausto espaÇol? (dt.: »Gibt es einen spanischen Holocaust?«).2073 Im englischsprachigen Ausland wurde der Dokumentarfilm Las fosas del silencio direkt unter dem Titel The Spanish Holocaust vertrieben.2074 Das Thema, welches die Erfahrungen derer, die im Bürgerkrieg für die Republik gekämpft hatten, seit jeher mit dem Kampf gegen die Achsenmächte im Zweiten Weltkrieg und infolgedessen mit dem Holocaust verknüpfte, war das des Exils. Mit der Eroberung der baskischen Provinzen und Asturiens durch die franquistischen Truppen 1937 begann eine erste Flüchtlingsbewegung, die 1938 mit dem Vormarsch der Rebellen in Aragûn, spätestens jedoch Anfang des darauf folgenden Jahres das Ausmaß eines Massenexodus annahm. Zwischen Januar und Anfang Februar 1939 verließen nahezu 500.000 Menschen – Angehörige der Zivilbevölkerung, Repräsentanten der Republik wie auch Reste der republikanischen Armee – die Iberische Halbinsel in Richtung Frankreich. Die französischen Behörden waren dem Ausmaß dieser Massenbewegung nicht gewachsen. Sofern sie die spanischen Flüchtlinge nicht dazu drängten, gleich wieder umzukehren, brachten sie sie notdürftig in einer Vielzahl von Auffanglagern mit desaströser Versorgungslage und menschenunwürdigen hygienischen Umständen unter.2075 Nicht zuletzt um diesen Bedingungen zu entkommen, schlossen sich zahlreiche männliche Exilrepublikaner der Fremdenlegion oder der r¦sistance an.2076 Mit der deutschen Besatzung Frankreichs wurden 2072 2073 2074 2075

Vgl. Labanyi (2006), S. 91. Vgl. Armengou/Belis (2004); Labanyi (2006), S. 91. Vgl. Faber (2005), S. 212. Etwa die Hälfte von ihnen kehrte bis Ende 1939 wieder nach Spanien zurück: Vgl. DreyfusArmand/Temime (2005), S. 82; Godicheau (2005), S. 94. Für einige sollte das Exil wiederum ein Leben lang andauern, da ihnen die beinahe vierzig Jahre währende FrancoDiktatur eine Rückkehr in ihre Heimat unmöglich machte. Die größte Rückkehrwelle setzte 1977 ein, als der Demokratisierungsprozess in Spanien gesichert schien: Vgl. Macher (2002), S. 49; Bernecker/Brinkmann (2006), S. 236 – 242. Neben den Auffanglagern in Frankreich wurden Exilspanier auch in Arbeitslagern in Nordafrika interniert. Davon berichtet beispielsweise Max Aub auf literarischem Wege in seinem insgesamt sechsbändigen Werk El laberinto m‚gico (s. Fußnote 1419). Im spanischen Fernsehen thematisierte am 19. Mai 2002 der Dokumentarfilm El laberinto espaÇol (TVE/La 2) die unmenschlichen Bedingungen in den nordafrikanischen Lagern: Vgl. Neuschäfer (2007), S. 196 f. 2076 Vgl. Graham (2008), S. 163 f. Etwa 50.000 Exilspanier wirkten 1945 an den Endkämpfen in den südlichen Departements mit: Vgl. Bernecker/Brinkmann (2006), S. 123. S. Kapitel 7.4.

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gefangen genommene Exilspanier in nationalsozialistische Konzentrationslager abtransportiert. »Formaljuristisch abgesichert [waren] die Deportationen dadurch, dass das Franco-Regime diesen Gefangenen die spanische Staatsbürgerschaft entzog.«2077 Über 10.000 Exilspanier wurden in nationalsozialistischen Konzentrationslagern umgebracht, davon allein die Hälfte in dem im heutigen Österreich gelegenen KZ Mauthausen.2078 Anlässlich des 60-jährigen Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen 1945 erfolgte erstmals eine offizielle Würdigung der spanischen Deportierten. Ebenfalls 2005 versuchten Mitglieder des Vereins Amical de Mauthausen, Ramûn Serrano SfflÇer in Frankreich vor Gericht zu stellen, den als cuÇad†simo titulierten Schwager Francisco Francos. Serrano SfflÇer war 1941/42 für den franquistischen ›Neuen Staat‹ als Außenminister tätig, in seine Amtszeit fiel »die Deportation tausender republikanischer Exilanten aus Südfrankreich ins Konzentrationslager Mauthausen«2079. Spanische Häftlinge in Mauthausen hatten es seinerzeit geschafft, offizielle SS-Fotografien hinauszuschmuggeln, die unter anderem Besuche Himmlers im Lager zeigten, einem Freund Serrano SfflÇers.2080 Diese Fotografien wurden während der Nürnberger Prozesse als Beweise genutzt,2081 was in der Todesstrafe für Ernst Kaltenbrunner mündete, einem hochrangigen SS-Angehörigen. Sechzig Jahre später reichten diese Fotos aber nicht aus, um zu beweisen, dass Serrano SfflÇer über die Deportation Tausender seiner Landsleute in nationalsozialistische Konzentrationslager informiert war und dies befürwortet hatte. Infolgedessen ließen die Mitglieder des Amical de Mauthausen ihre Bemühungen ruhen, die auf einer übergeordneten Ebene darauf abgezielt hatten, Entscheidungsträgern der Franco-Diktatur den Prozess zu machen.2082

2077 Graham (2008), S. 176. Vgl. Quesada, Juan Diego: Excelencia, esto ocurre en Auschwitz. In: El Pa†s (21. 03. 2010), www.elpais.com (20. 02. 2012). 2078 Vgl. Graham (2008), S. 177. 2079 Elsemann (2011), S. 210. Dabei diente Elsemann zufolge der ›Fall Pinochet‹ wiederum als »Modellfall« (ebd.), bei dem bereits »die Anwendung des Prinzips der universellen Gerichtsbarkeit bei Genozid, Terrorismus und Folter im Vordergrund gestanden« (ebd.) hatten. 2080 Vgl. Hermann (2010a), S. 116. 2081 Als einziger spanischer Zeuge wurde in Nürnberg der vormals in Mauthausen inhaftierte ›Lagerfotograf‹ Francisco Boix befragt: Vgl. ebd., S. 117 – 125. Seinem Leben ist der Dokumentarfilm Francisco Boix, un fotûgrafo en el infierno (dt.: »Francisco Boix, ein Fotograf in der Hölle«; ES 2000) gewidmet. Bilder aus dem KZ-Mauthausen tauchten bereits in dem Dokumentarfilm Canciones para despu¦s de una guerra (dt.: »Lieder für die Zeit nach einem Krieg«; ES 1976) auf: Vgl. Deveny (1993), S. 277. 2082 Vgl. Tremlett (2006), S. 80 f.; Elsemann (2011), S. 211.

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7.4

Transnationale Bedeutungsdimension

Transnationale Helden: ›Freiheitskämpfer‹ für Europa

»Der universelle Soldat«2083

Bei der in Spanien zu beobachtenden Nutzbarmachung von Begrifflichkeiten, die dem Kontext der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik entlehnt sind, geht es einerseits darum, die Leiderfahrung der Opfer des Franquismus mit einer transnationalen Bedeutungsdimension zu versehen. Dies ist angesichts der Inkommensurabilität des Holocaust höchst problematisch. Andererseits ist mit der Verwendung von Begriffen, die ursprünglich der Beschäftigung mit der naionalsozialistischen Diktatur entstammen, eine Lesart verbunden, die den vermeintlich genuinen Beitrag hervorhebt, den spanischstämmige Kämpfer auf Seiten der Alliierten im Zweiten Weltkrieg und somit für die Existenz der heutigen westlichen Demokratien geleistet haben. So zollte Spaniens Ministerpräsident Rodr†guez Zapatero in Mauthausen 2005 nicht nur dem Leid der dorthin deportierten Spanier Tribut, sondern auch ihrem Kampf für Demokratie und Freiheit: »Heute, als Ministerpräsident von Spanien, des demokratischen Spaniens, möchte ich all jenen Spaniern Achtung, Erinnerung, Gedenken und Bewunderung zollen, die für ihren Kampf um Freiheit und Würde hier in Mauthausen gelitten haben.«2084

Besonders deutlich gibt es in Soldados de Salamina (Soldiers of Salamina; ES 2003) mit der Figur Miralles einen spanischstämmigen soldatischen Helden, der 1936 auszog, um ›die Zivilisation zu retten‹.2085 Miralles kämpfte nicht nur im Spanischen Bürgerkrieg, sondern sieben Jahre lang ununterbrochen, so das Filmnarrativ. Nach seiner Flucht nach Frankreich landete er in einem Auffanglager und schloss sich der Fremdenlegion an, um den schlechten Lebensbedingungen in dem Lager zu entkommen.2086 Dann kämpfte er im Zweiten Weltkrieg auf Seiten der Alliierten unter dem Kommando von General JacquesPhilippe Leclerc zunächst in Nordafrika. Er war an der Landung in der Nor2083 ABC (05. 10. 2003), S. 65: »El soldado universal«. 2084 Jos¦ Luis Rodr†guez Zapatero, zit. n.: L‚grimas rojas, 00:35:28 – 00:35:48: »Hoy, como Presidente del Gobierno de EspaÇa, de la EspaÇa democr‚tica, quiero rendir homenaje, recuerdo, memoria y admiraciûn a todos los espaÇoles que sufrieron aqu† en Mauthausen en su lucha por la libertad y por la dignidad.« Dieser Ausschnitt aus der Ansprache von Ministerpräsident Rodr†guez Zapatero ist auf der Tonspur des Dokumentarfilms L‚grimas rojas (dt.: »Rote Tränen«; ES 2006) enthalten, der sich mit dem Schicksal von Exilspaniern in Mauthausen befasst. 2085 Diese viril-soldatische Stilisierung des Protagonisten Miralles in Soldados de Salamina ist durchaus nicht unproblematisch: Vgl. Wildner (2005), S. 550 f. S. Kapitel 4.2.2. 2086 Auch in Soldados de Salamina bezeichnet der Enkel eines Exilspaniers die französischen Auffanglager als campos de concentraciûn (dt.: »Konzentrationslager«): Vgl. Soldados de Salamina, 01:19:02 – 01:19:11. S. Fußnote 529.

Transnationale Helden: ›Freiheitskämpfer‹ für Europa

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mandie beteiligt und marschierte zu guter Letzt als einer der Ersten ins befreite Paris ein.2087 Dabei verweist die Art und Weise, wie dem Zuschauer der transnationale Wirkungsradius von Miralles filmintern präsentiert wird – schwarzweißes Archivfilmmaterial sowie nachgestellte Aufnahmen werden darin als Fragmente anonymer Geschichten genutzt und aneinander montiert –2088 auf alle spanischen ›Freiheitskämpfer‹ für Europa.2089 Dies stilisiert Miralles »zum ›universal soldier‹ im positiven Sinne […], zum ›last standing man‹ der Zivilisation, zur Inkarnation des ewigen Kampfes für die Freiheit«2090. Was der Romanist Albrecht Buschmann für den Erfolgsroman Soldados de Salamina festgestellt hat, nämlich dass dieser darauf abziele, »die nationale Frontstellung des spanischen Bruderkampfes und die Niederlage der Zweiten Republik in einem letztlich siegreichen europäischen Kampf für die europäische Demokratie aufgehen zu lassen«2091, lässt sich genauso für die gleichnamige filmische Adaption behaupten. Miralles erscheint hier ebenfalls als ›Retter der Zivilisation‹ nicht nur, weil er im Bürgerkrieg gegen die Aufständischen kämpfte, sondern auch »als einer der ersten für das freie Frankreich und gegen Hitler, gegen die Barbarei und für ein freies Europa«2092. Dabei legt der Verweis des Filmtitels Soldados de Salamina auf die Seeschlacht bei Salamis im Jahr 480 v. Chr. nahe, dass Miralles gar in antiker Tradition für das freie Europa kämpft:2093 »Damit wird der Kampf der republikanischen Soldaten in einem mythischen Kontext eingeordnet, insofern als mit diesem Bild auf die Anfänge der europäischen Gesellschaft verwiesen wird, in deren Tradition die republikanischen Soldaten hineingestellt werden.«2094

2087 Vgl. ebd., 01:16:14 – 01:20:37. Einige spanische Freiwillige traten General Leclercs Zweiter Panzerdivision bei, die im August 1944 als erster alliierter Verband in Paris einzog: Vgl. Graham (2008), S. 170 und 173. Dieser Einzug der alliierten Verbände in Paris wird ganz im Sinne einer ›Freiheitskämpfer‹-Rhetorik in mehreren audiovisuellen Produktionen mit Bürgerkriegs- bzw. Diktaturthematik erwähnt bzw. inszeniert, beispielsweise in der Fernsehdokumentationen Exilio (Erstausstrahlung am 22. und 29. September 2002) oder in El sueÇo derrotado: la historia del exilio (dt.: »Der zerstörte Traum: die Geschichte des Exils«; Erstausstrahlung am 24. März 2004). 2088 Vgl. Soldados de Salamina, 01:15:49 – 01:19:23. 2089 Vgl. S‚nchez-Biosca (2006b), S. 310. Zum Aspekt der ›Anonymität‹ s. Kapitel 4.2. 2090 Von Tschilschke (2005), S. 147. Vgl. ABC (05. 10. 2003), S. 65. 2091 Buschmann (2005), S. 106. Zur Lesart des Spanischen Bürgerkriegs als ›Bruderkampf‹ s. Kapitel 2.1. 2092 Ebd., S. 118. Miralles Gegner sind demnach im transnationalen Kontext zu verorten, was die Frage nach den Tätern im nationalen Kontext zu unterschlagen hilft. S. auch Kapitel 7.2. 2093 Vgl. ebd., S. 119; Ranzato (2007), S. 135. Dabei wird der Titel Soldados de Salamina im Film nicht weiter erläutert, im gleichnamigen Roman hingegen schon, s. Fußnote 1488. 2094 Suntrup-Andresen (2008), S. 181.

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Transnationale Bedeutungsdimension

Diese Lesart betont auch eine Reportage, die anlässlich des 60. Jahrestages der Befreiung von Paris 1944 in El Pa†s erschien und die Kriegserfahrungen von Llu†s Royo IbaÇez nachzeichnet: dem einzigen noch lebenden Spanier aus der Divisiûn Leclerc, der im August 2004 in die französische Ehrenlegion aufgenommen wurde. In der Reportage wird Royo IbaÇez explizit mit der von Javier Cercas ersonnenen Figur Miralles verglichen: »Wie der Miralles aus dem Roman von Javier Cercas, Soldados de Salamina, hat Royo in der halben Welt gekämpft, unter verschiedenen Fahnen, aber immer für die Freiheit.«2095 Soldados de Salamina liefert demnach die Vorlage, anhand derer der Spanische Bürgerkrieg endgültig in einem »mythischen Fernhorizont«2096 aufzugehen vermag, der als »Grundlage eines neuen nationalen Selbstbildes«2097 dient: Miralles als »soldatischer Held«2098 lässt »die als destruktiv empfundene nationale Selbstzerfleischung in einem übergeordneten Rahmen sinnhaft aufgehen«2099. Stattdessen ist »[i]n der Huldigung an den Kriegsveteranen Miralles, der mit der Trikolore in der Hand in den Kampf zieht, […] schließlich auch eine Absage an rein nationale Orientierungen und eine in die Zukunft gerichtete Bekräftigung ›europäischer Normalität‹ zu sehen«2100. Die Romanistin Elisabeth Suntrup-Andresen weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die PSOE sich nach dem Regierungswechsel von 2004 darum bemühte, ihre Erinnerungspolitik europapolitisch abzusichern. So hob der Anführer der spanischen Delegation bei seiner Rede anlässlich des 25. August 2004 »die Leistungen der republikanischen Soldaten im Kampf gegen den Faschismus in ganz Europa hervor und präsentiert[e] den europäischen Nachbarstaaten auf diese Weise sein Land selbstbewusst als europäischen Vorreiter«2101. In dem Kinospielfilm Soldados de Salamina wird außerdem betont, dass Miralles als Exilspanier, der in den Reihen der Fremdenlegion auf Seiten der Alliierten gekämpft hatte, die französische Staatsbürgerschaft gewährt wurde.2102 Ministerpräsident Jos¦ Mar†a Aznar und weitere ranghohe PP-Politiker blieben der offiziellen Verleihung der spanischen Staatsbürgerschaft an 2095 Mart†, Octavi: Par†s rinde homenaje a sus libertadores espaÇoles. In: El Pa†s (22. 08. 2004), www.elpais.com (20. 02. 2012): »Como el Miralles de la novela de Javier Cercas, Soldados de Salamina, Royo ha combatido en medio mundo, bajo distintas banderas, pero siempre a favor de la libertad.« 3.500 spanische Kämpfer, die unter General Leclerc an der Befreiung von Paris beteiligt waren, wurden im August 2004 erstmals von französischer Seite geehrt: Vgl. ebd.; Ranzato (2007), S. 135; Suntrup-Andresen (2008), S. 182. 2096 Suntrup-Andresen (2008), S. 178. 2097 Ebd. Vgl. ebd., S. 181 f. 2098 Buschmann (2005), S. 124. S. auch Kapitel 4.2.2. 2099 Ebd. 2100 Von Tschilschke (2005), S. 148. 2101 Suntrup-Andresen (2008), S. 85. 2102 Vgl. Soldados de Salamina, 01:20:19 – 01:20:25.

Transnationale Helden: ›Freiheitskämpfer‹ für Europa

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ehemalige internationale Brigadisten im November 1996 hingegen fern.2103 Eineinhalb Jahre zuvor war Land and Freedom (GB-ES-DE 1995, UA: 05. 04. 1995) in Spanien angelaufen; eine maßgeblich britische Kinofilmproduktion, in der Ausländer, die mit Ausbruch des Bürgerkriegs nach Spanien strömten, um dort die Republik zu verteidigen bzw. ›gegen den Faschismus‹ zu kämpfen, eine tragende Rolle spielen. In publikumswirksamen spanischen Kino- und Fernsehproduktionen aktuelleren Datums tauchen derartige Figuren allerdings nur selten in ausdifferenzierter Form oder gar als Handlungsträger auf. Zwar hatte schon Carlos Saura mit seinem Kinospielfilm ¡Ay, Carmela! (Ay, Carmela! – Lied der Freiheit; ES-IT 1990) auf die ausländischen Einflüsse deutlich hingewiesen, die den Verlauf des Bürgerkriegs nachhaltig beeinflussten.2104 Dennoch sind auch hier polnische Vertreter der Internationalen Brigaden als Figuren kaum entwickelt, sondern dienen vor allem dazu, die moralische Aufrichtigkeit der spanischen Protagonistin Carmela zu unterstreichen. Deutsche Soldaten sind lediglich an ihren Uniformen erkennbar und Vertreter der italienischen Schwarzhemden werden karikaturistisch überzeichnet. Der spanische Kinospielfilm, der sich dann inhaltlich und formal am deutlichsten an Ken Loachs Land and Freedom anlehnte, Vicente Arandas Libertarias (Freedomfighters; ESIT-BE 1996), schenkt dem Thema des ausländischen Engagements am Spanischen Bürgerkrieg wiederum kaum Beachtung.2105 Der ›Freiheitskampf‹ mit transnationaler Bedeutungsdimension, verstanden als Kampf ›gegen den Faschismus‹ und somit als Kampf für das heutige demokratische Europa, scheint aktuellen publikumswirksamen Kinospielfilmen spanischer Provenienz zufolge somit ein Privileg spanischstämmiger Exilanten zu sein. Westliche Demokratien, so die entsprechenden Filmnarrative, spielten 2103 Der parteiübergreifende Parlamentsbeschluss, die Internationalen Brigaden zu würdigen, war am 19. Januar 1996 getroffen worden, noch während der sozialdemokratischen Legislaturperiode. Während sich auch die Konservativen noch im Herbst 1995 für die Ehrung der Brigadisten ausgesprochen hatten, suchten sie nach ihrem Wahlsieg Ausflüchte, die damit verbundenen terminlichen Verpflichtungen nicht wahrnehmen zu müssen: Vgl. Bernecker/Brinkmann (2006), S. 283 ff.; Elsemann (2011), S. 168 ff. Erst das »Gesetz der historischen Erinnerung« (s. Kapitel 4.1.1) erkennt den Anspruch von Angehörigen ehemaliger Brigadisten an, die spanische Staatsbürgerschaft erwerben zu wollen, ohne dafür auf ihre eigene verzichten zu müssen. Auch Kinder und Enkel der republikanischen Exilanten, die ihre Staatsangehörigkeit verloren haben oder darauf verzichten mussten, konnten diese erneut beantragen, solange dies bis Ende des Jahres 2011 geschah: Vgl. NfflÇez Seixas (2009), S. 171 f.; NfflÇez Seixas (2010a), S. 48; Capdepûn (2010), S. 36. 2104 Vgl. Archibald (2004), S. 83; Feenstra (2007). 2105 Zu den Beziehungen zwischen Land and Freedom und Libertarias, s. Kapitel 2.2. In Libertarias zeugen lediglich vereinzelte ›Ausländer‹ von dem zeitgenössischen internationalen Interesse am spanischen Konflikt: Bei einem Interview-Termin mit Durruti sind ein russischer Reporter sowie ein Journalist des New York Herald anwesend. Der amerikanische Journalist sei an Ernest Hemingway angelehnt, so Rezensentin Paula Ponga: Vgl. Ponga (1995), S. 112; La Vanguardia (01. 08. 1995), S. 29.

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Transnationale Bedeutungsdimension

im Zuge dieser kämpferischen Auseinandersetzung eher eine unrühmliche Rolle. So müssen in Silencio roto (Broken Silence; ES 2001) als Gründe für das Scheitern des Widerstandskampfes auf spanischem Territorium nicht allein die zum Teil gewaltsamen Konflikte innerhalb der antifranquistischen guerrilla selbst herhalten.2106 Auch die Tatsache, dass die westlichen Demokratien den Kampf der guerrilleros in Spanien nicht entschieden unterstützten,2107 wird in Silencio roto dezidiert als Grund dafür angeführt, dass der antifranquistische Widerstand scheiterte. Wenngleich Exilspanier sich – so die Lesart in Regisseur Armend‚riz’ Film – im europaweiten Kampf ›gegen den Faschismus‹ überaus verdienstvoll einsetzten, so ließen die Alliierten wie auch die von ihnen befreiten Mächte die spanische Bevölkerung in ihrem Streben nach einer »besseren Welt«2108 im Stich. Diese Lesart wird durch eine Filmkritik in El Pa†s gestützt: »In dieser Hinsicht ist das exemplarisch, was den maquis widerfuhr, den guerrilleros, die versuchten, den Widerstand der Diktatur gegenüber lebendig zu halten, in der Hoffnung, dass der Lauf der Ereignisse in Europa einen politischen Wechsel in Spanien erzwingen würde, der das autoritäre Regime in Staub und Asche verwandeln würde. Aber es war nicht so, und Europa, das demokratische, liberale Europa, verriet die spanischen Demokraten und überließ sie dem ungerechten Regime, das aus dem Bürgerkrieg hervorging.«2109

Vertreter eines demokratischen ›Dritten Spaniens‹2110 werden hier abermals zu passiven Opfern stilisiert, denen Schuldige auf ausschließlich transnationaler Ebene gegenüberstehen. 2106 Zur ambivalenten Darstellung antifranquistischer Widerstandskämpfer im Nachkriegsspanien s. Kapitel 4.2.1. 2107 Der Widerstand in Spanien wurde maßgeblich von der PCE in Frankreich koordiniert. Den Einfluss der Kommunisten einzuschränken, interessierte die westlichen Demokratien im Zuge eines zunehmenden, letztlich im ›Kalten Krieg‹ mündenden Antikommunismus mehr, als Francos Machtkonsolidierung Einhalt zu gebieten: Vgl. Heine (2008); S‚nchez Cervello (2008); Camino (2010), S. 48; Camino (2011), S. 32 f. 2108 Silencio roto, 00:29:26 – 00:30:01: »mundo mejor«. Eine »bessere Welt« ist das, worauf die Protagonistin Luc†a in Silencio roto hofft, allerdings ohne einen fortgeführten bewaffneten Kampf im Nachkriegsspanien zu befürworten, s. Kapitel 4.2.1. 2109 El Pa†s (15. 06. 2001), S. 42.: »Es ejemplar al respeto lo sucedido con los maquis, con los guerrilleros que trataron de mantener viva la resistencia a la dictadura a la espera de que el curso de los acontecimientos en Europa obligara a un cambio pol†tico en EspaÇa, que har†a cenizas del r¦gimen autoritario. No fue as†, y Europa, la democr‚tica, la liberal Europa, traicionû a los demûcratas espaÇoles y apuntalû al inicuo r¦gimen salido de la guerra civil.« Vgl. Ponga (2000b), S. 220. Zu der verharmlosenden Definition des frühen FrancoRegimes als ›autoritär‹ s. Kapitel 4.3.1. Die mangelnde Unterstützung, die die westlichen Demokratien dem antifranquistischen Widerstand zuteilwerden ließen, ist auch Thema in El espinazo del diablo (Das Rückgrat des Teufels; ES-MX 2001), El laberinto del fauno (Pans Labyrinth; ES-MX 2006) und Las 13 rosas (13 Roses; ES-IT 2007). 2110 S. Kapitel 6.3.

8.

Resümee und Ausblick

Eine detaillierte Analyse der zwölf korpuskonstituierenden Kino- und TVProduktionen hat ergeben, dass seit 1996 immer mehr Film- und Fernsehmacher aus der mit Las largas vacaciones del 36 (Long Vacations of 36; ES 1976) etablierten Konvention ausscheren, den Spanischen Bürgerkrieg, seine Ursachen und Konsequenzen in Form des bewährten Prinzips der melodramatischen Familiensaga darzustellen. In Spanien folgte diese Darstellungskonvention dominanten erinnerungspolitischen Lesarten, die im Spätfranquismus wurzeln: erstens diejenige, die die Ereignisse der jüngeren spanischen Vergangenheit als ›kollektive Tragödie‹ perspektiviert. Zum anderen ist es in Spanien noch heute gängig, sich auf den Spanischen Bürgerkrieg als einen ›Bruderkrieg‹ zu beziehen; den innerspanischen Konflikt demnach als einen zu entwerfen, der sich innerhalb ein- und derselben Familie vollzog. Beide Lesarten, die ›tragische‹ wie auch die der guerra fraticida, gehen mit einer Kollektivschuldthese einher und dienen in erster Linie dazu, die Notwendigkeit der Versöhnung zu betonen. Im Gegensatz etwa zu dem heutzutage schuldbewussten Umgang der deutschen Öffentlichkeit mit der nationalsozialistischen Vergangenheit dominiert in Spanien seit dem Spätfranquismus eine Sicht auf die zeithistorischen Ereignisse, der zufolge sich die Frage nach Verantwortlichkeiten nicht lohnt. Gerade diese Frage werfen kritische spanische Bürger jedoch auf und stellen damit die Meistererzählungen auf die Probe, die sich im Zuge der transiciûn durchgesetzt haben. Anders als bei einer kriegerischen Konstellation, in der Staaten einander bekämpfen, produziert »[e]in Bürgerkrieg […] bereits in seinem Verlauf getrennte Erinnerungsgemeinschaften«2111. Im Falle des Spanischen Bürgerkriegs lässt sich von einer Summe »›mehrerer‹ paralleler ›Kriege‹«2112 sprechen, also von einem polyzentrischen und fragmentierten Konflikt, der eine Vielzahl unterschiedlicher Erinnerungsgemeinschaften generierte. Die aus dem Bürger2111 Buschmann (2005), S. 107. 2112 Moradiellos (2003a), S. 25: »›muchas guerras‹ paralelas«.

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Resümee und Ausblick

krieg hervorgegangene Franco-Diktatur unterschied jedoch lediglich zwischen zwei Lagern: franquistische ›Sieger‹ einerseits und republikanisch konnotierte ›Besiegte‹ andererseits. Mit dem Lager der ›Besiegten‹ assoziierte Erfahrungen und Traditionen wurden unter Franco nach dem Prinzip der damnatio memoriae aus dem öffentlichen Raum verbannt. Auch nach dem Tod des Diktators 1975 wurden Aspekte der jüngeren Vergangenheit infolge des pacto de silencio – in Anlehnung an die Politologin Paloma Aguilar Fern‚ndez verstanden als eine zumindest implizite Übereinkunft zwischen Vertretern der politischen Eliten, eine öffentliche Aufarbeitung auf unbestimmte Zeit zu vertagen –2113 nicht zum Gegenstand parlamentarischer Eingaben und Debatten. Dem gegenüber stehen seit Mitte der 1990er-Jahre Ansprüche, die auf einer zivilgesellschaftlichen Ebene zunehmend deutlich und öffentlichkeitswirksam formuliert werden und die sich unter der Formulierung einer als notwendig erachteten »Rückgewinnung der historischen Erinnerung« (span.: recuperaciûn de la memoria histûrica) zusammenfassen lassen. Diese Bemühungen zielen darauf ab, den Erfahrungen von Angehörigen bisher ›beschwiegener‹ Erinnerungsgemeinschaften einen Platz im offiziellen Gedenken zu gewähren. So hat in Spanien seit 1996 die Frage besondere Bedeutsamkeit erlangt, wie die Erinnerungen auch dieser Gemeinschaften in eine gemeinsame nationale Lesart der vergangenen Ereignisse integrierbar sind. Diese Frage suchten vor allem die jeweils regierenden Parteien zu beantworten. So stimmte die PP im November 2002 zwar einer Resolution zu, die totalitäre Praktiken im Allgemeinen verurteilt. Darüber hinaus zog sie jedoch den Unmut der in den Initiativen für eine ›Rückgewinnung der historischen Erinnerung‹ Engagierten auf sich, weil die Regierung Aznar deren Engagement eben nicht unterstützte, sondern gar als ›revanchistisch‹ abtat. Die PSOE dagegen demonstrierte während ihrer ersten Amtszeit (2004 bis 2008) vor allem mit dem »Gesetz der historischen Erinnerung« ihren Willen, den Bestrebungen der um eine ›Rückgewinnung der historischen Erinnerung‹ bemühten Akteure offizielle Rückendeckung zu verschaffen.2114 Weder die Haltung der einen noch das Handeln der anderen Regierungspartei konnte die Frage klären, wie die Ereignisse der jüngeren spanischen Vergangenheit in eine neue, auf nationaler Ebene konsensfähige Erzählung zu überführen sind, die den Erlebnissen aller Erinnerungsgemeinschaften Rechnung trägt. Vielmehr hat sich der Ton in den öffentlichen Debatten zum Thema verschärft. Innerhalb dieser Debatten beziehen auch populärkulturelle spanische Kino- und Fernsehproduktionen mit zeithis2113 Vgl. Aguilar Fern‚ndez (2003), S. 20; Rey (2003b), S. 347; Rodrigo (2004b), S. 193; Bernecker (2008a), S. 185; NfflÇez Seixas (2010a), S. 27. 2114 Dabei reiht sich das »Gesetz der historischen Erinnerung« ein in die zunehmende Anzahl europäischer Gesetzesvorhaben, die eine bestimmte staatliche Erinnerungspolitik festschreiben: Vgl. Schulze (2008).

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torischem Sujet immer wieder Stellung: allein durch die Handlungsaspekte, die sie aufgreifen, durch Absichtserklärungen der daran beteiligten Macher sowie durch Kommentare von Kritikern und Zuschauern. Insgesamt betrachtet stehen fiktionale, massenkompatible spanische Fernseh- wie auch Kinoproduktionen mit zeithistorischem Sujet in einem engen Zusammenhang mit den auf zivilgesellschaftlicher Ebene seit 1996 zunehmend vehementen Forderungen nach einer ›Rückgewinnung der historischen Erinnerung‹. Ihre Macher positionieren sie als dezidierte Beiträge zu den Bestrebungen um eine recuperaciûn de la memoria histûrica, als Beiträge also, die den bisher ›beschwiegenen‹ Erfahrungen bestimmter Erinnerungsgemeinschaften den öffentlichen Raum bieten, den ihre Vertreter einfordern. Diese Ambitionen zu verfolgen, attestierten ihnen auch spanische Film- und Fernsehkritiker.2115 Abgesehen von den Neuerungen auf inszenatorischem Gebiet, die entsprechende audiovisuelle Produktionen seit 1996 unverkennbar aufweisen, kann auf inhaltlicher Ebene allerdings nicht von Veränderungen die Rede sein. Hier lassen sich lediglich Ausweitungen und Verschiebungen innerhalb bereits bekannter Meistererzählungen beobachten. Für öffentliche Bezugnahmen auf die jüngere Vergangenheit in Spanien lässt sich angesichts dessen ein ungebrochener Primat des Versöhnungsgedankens feststellen. Filmästhetisch ging der Trend in spanischen Kino- und Fernsehproduktionen mit zeithistorischem Sujet zwischen 1996 und 2011 eindeutig zum Genremix, der wahlweise Elemente aus Komödie, Musical-, Dokumentar-, Horror- und/ oder Märchenfilm miteinander vereint. Besonders anschaulich demonstrieren dies die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung analysierten kinematografischen ›Kernquellen‹ La niÇa de tus ojos (Das Mädchen deiner Träume; ES 1998), El espinazo del diablo (Das Rückgrat des Teufels; ES-MX 2001), Soldados de Salamina (Soldiers of Salamina; ES 2003) und El laberinto del fauno (Pans Labyrinth; ES-MX 2006). Diese Entwicklung ist primär auf ausländische Einflüsse zurückzuführen. Für Letztere zeichnete im Hinblick auf den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung zunächst der britische Regisseur Ken Loach mit Land and Freedom (GB-ES-DE 1995) verantwortlich. Ähnlich sorgte der mexikanische Regisseur Guillermo del Toro mit El espinazo del diablo (ES-MX 2001) und El laberinto del fauno (ES-MX 2006) für neue filmästhetische Impulse. Dabei wird den Vertretern des Joven cine espaÇol, einer vergleichsweise jungen Generation spanischer Regisseure, generell die Tendenz zugesprochen, sich am westlichen Ausland zu orientieren, besonders am amerikanischen Kino. In 2115 So titelte die Tageszeitung La Vanguardia im Kulturteil Anfang 2002: »In Spanien vervielfacht sich die Produktion von Filmen, die die Erinnerung zurückgewinnen«: La Vanguardia (28. 01. 2002), S. 35: »La producciûn de filmes que recuperan la memoria se multiplica en EspaÇa«.

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Spanien führte dies zu neuen, publikumswirksamen und vermehrt hybriden kinematografischen Formen. Dieser Generation von Regisseuren wird allerdings ebenfalls nachgesagt, ein nur geringes Interesse an Spaniens Bürgerkriegs- und Diktaturvergangenheit zu zeigen. Entsprechend ist im Hinblick auf die hier behandelten kinematografischen ›Kernquellen‹ mit David Trueba auch nur ein spanischer Regisseur als Vertreter des Joven cine espaÇol auszumachen.2116 Vicente Aranda und Jos¦ Luis Cuerda hingegen gelten als Vertreter der persönlich noch unmittelbar von Bürgerkrieg und Franco-Diktatur betroffenen Generation und somit als Veteranen des spanischen Kinos. Die meisten Regisseure der korpuskonstituierenden Kinospielfilme gehören einer Zwischengeneration an: Montxo Armend‚riz, Fernando Trueba, Emilio Mart†nez-L‚zaro und Agust† Villaronga. In deren hier en d¦tail analysierten Werken lässt sich das Bemühen um filmästhetische bzw. dramaturgische Innovationen in der Darstellung der jüngeren Vergangenheit ebenfalls konstatieren, wenn auch in weitaus geringerem Maße. Dem gegenüber ist der Trend zu formaler Innovation auf dem kleinen Bildschirm deutlich auszumachen. Seit Beginn des neuen Jahrtausends haben sich im staatlichen spanischen Fernsehen fiktionale Serienformate heimischer Provenienz, deren Handlung sich vor zeithistorischem Hintergrund vollzieht, als regelrechte Publikumsmagneten erwiesen. Dabei machen sich diese Seriennarrative immer wieder – wie anhand von Amar en tiempos revueltos (dt.: »Liebe in aufgewühlten Zeiten«; TVE/La 1, 2005 – 2012) ersichtlich – dokumentarisches Archivmaterial zunutze, um die Glaubwürdigkeit der Fiktion zu untermauern. Im Falle von 14 de abril. La Repfflblica (dt.: »14. April. Die Republik«; TVE/La 1, erste Staffel 2011) wird neuerdings gar der umgekehrte Weg beschritten: Von den fiktionalen Figuren des Seriennarrativs ausgehend ist ein populärwissenschaftliches Buch zur darin behandelten historischen Phase der Zweiten Republik entstanden. Auffallend ist bei diesen beiden Fernsehproduktionen zudem, dass sich ihr Erfolg nicht zuletzt darauf gründet, Zuschauer über ihre professionell gestalteten, mit Zusatzinformationen und -angeboten gefüllten offiziellen Websites an das Seriennarrativ und die darin agierenden Figuren zu

2116 Dies ist jedoch der Anlage der vorliegenden Untersuchung geschuldet, die auf zwölf ›Kernquellen‹ basiert, die allesamt über 400.000 Zuschauer in die heimischen Vorführsäle lockten. Nur geringfügig weniger publikumsträchtige Kinospielfilme mit Bürgerkriegsund Diktaturthematik gelangten gerade 2010/11 vermehrt in den spanischen Kinos zur Vorführung, bei denen Vertreter des Joven cine espaÇol Regie geführt hatten: zum Beispiel P‚jaros de papel (Paper Birds; ES 2010) von Emilio Aragûn, Balada triste de trompeta (Mad Circus – Eine Ballade von Liebe und Tod; ES-FR 2010) von Ýlex de la Iglesia oder La voz dormida (dt.: »Die schlafende Stimme«; ES 2011) von Benito Zambrano. Auffallend bleibt, dass Regisseurinnen sich zeithistorischen Themen im spanischen Kino kaum nähern.

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binden.2117 Auf den entsprechenden RTVE-Seiten im Internet findet ein ganzer Metadiskurs statt, sowohl über die einzelnen TV-Serien an sich als auch über mehrere TV-Serien untereinander. Zudem werden bestimmte Handlungsaspekte in den Serien direkt mit thematisch enger fokussierten TV-Movies verknüpft. So betonte ein Handlungsstrang in 14 de abril. La Repfflblica beispielsweise das Treffen der Figur Encarna mit der Frauenrechtlerin Clara Campoamor. Wohl kaum zufällig strahlte La 1 dann am 9. März 2011 ein biopic über Campoamor aus.2118 Hier wird das Bestreben der Macher der spanischen Erfolgsserien mit zeithistorischem Setting offensichtlich, darin behandelte Aspekte über den Rekurs auf andere TV-Formate wie auch auf andere Medien zu betonen – ein Vorgehen, das in dem didaktischen Auftrag von TVE begründet liegt.2119 Sowohl bei Amar en tiempos revueltos (2005 – 2012) als auch bei 14 de abril. La Repfflblica (erste Staffel 2011) handelt es sich um Produktionen, die größtenteils unter Ministerpräsident Rodr†guez Zapatero im ersten Programm des staatlichen Fernsehens gesendet wurden. Wie jede andere amtierende spanische Regierung wird auch die der PSOE Einfluss auf das Programm genommen haben.2120 Entsprechend dürften die inhaltlichen Schwerpunkte dieser beiden Erfolgsserien – franquistische Repression (Amar en tiempos revueltos) und Zweite Republik (14 de abril. La Repfflblica) – von offizieller Seite aus befürwortet, wenn nicht gar angeregt worden sein. Unbestreitbar ist, dass beide Serien für eine populärkulturelle Aufbereitung zeithistorischer Themen optierten, die auf einer breiten öffentlichen Ebene zuvor entweder ›ausgeblendet‹ wurden oder überaus negativ konnotiert waren. Letzteres betrifft die Phase der Zweiten Republik, die lange mehrheitlich als direkter Weg in die ›Katastrophe‹ des Kriegs diskreditiert worden war. Die Macher von 14 de abril. La Repfflblica hingegen traten mit dezidiert der Absicht an, die eigenständige Bedeutung dieser demokratischen Phase herauszustellen und ihrem Fortschrittsversprechen gerecht zu werden. In Amar en tiempos revueltos wiederum werden Aspekte der franquistischen Repression erstaunlich drastisch und explizit inszeniert. Bezeichnend ist, dass mit Blick auf die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung detailliert analysierten ›Kernquellen‹ lediglich hier eine umfassende on screen2117 Im Gegensatz zu den kinematografischen ›Kernquellen‹ weisen die erfolgreichen RTVESerien zudem allesamt offizielle Facebook-Accounts auf. 2118 Vgl. Clara Campoamor. La mujer olvidada, www.rtve.es (20. 02. 2012). Campoamor gilt als eine der Ikonen der spanischen Emanzipationsbewegung. 2119 Zum didaktischen Auftrag, wie er in den grundlegenden Prinzipien der Rundfunkanstalt RTVE im Juli 1981 festgeschrieben wurde: Vgl. Contreras/Palacio (2001), S. 64. S. Fußnote 121. 2120 Vgl. ebd.; Jordan (2002), S. 198 f.; Garc†a de Castro (2002); Fröschl (2004); Schulze Schneider (2005).

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Darstellung einer Exekution politischer Gefangener zur Darstellung gelangt. Zwar postulieren auch die Regisseure publikumswirksamer Kinoproduktionen spanischer Provenienz seit Mitte der 1990er-Jahre zunehmend, in ihren Filmen zeithistorische Aspekte und Figuren aufzugreifen, die zuvor auf einer breiten öffentlichen Ebene nicht diskutiert bzw. diskreditiert wurden. Darunter fallen das revolutionäre Streben der Anarchisten zu Beginn des Bürgerkriegs (Libertarias/Freedomfighters; ES-IT-BE 1996), die ehemaligen Kämpfer auf Seiten der Republik (Soldados de Salamina/Soldiers of Salamina; ES 2003), die franquistische Repression (Las 13 rosas/13 Roses; ES-IT 2007) und der antifranquistische Widerstand (Silencio roto/Broken Silence; ES 2001). Die inhaltlichen Schwerpunkte der TV-Serien Amar en tiempos revueltos und 14 de abril. La Repfflblica, ebenso wie ihre inszenatorische Umsetzung und pädagogische Aufbereitung versuchen allerdings beträchtlich entschiedener mit den politisch korrekten Meistererzählungen zu brechen, die seit der transiciûn für das demokratische Spanien prägend wurden. Die komplexen Wechselbeziehungen zwischen unterschiedlichen Formen der öffentlichen Bezugnahme auf die jüngere Vergangenheit lassen sich in Spanien zwischen 1996 und 2011 besonders deutlich anhand des Themenkomplexes Repression aufzeigen. Ausgelöst durch die erneute Öffnung von Massengräbern, wie sie im Jahr 2000 der Journalist Emilio Silva Barrera vorantrieb, griffen populärkulturelle Medienangebote, vor allem Dokumentarfilme, aber auch fiktionale Kino- und TV-Produktionen, Aspekte der institutionalisierten gewaltsamen Verfolgung potenzieller Regimegegner im franquistischen ›Neuen Staat‹ auf. Damit einher gingen entsprechende Eingaben der parlamentarischen Opposition und die zunehmende akademische Beschäftigung mit Fragen der franquistischen Nachkriegsrepression.2121 Mit dem Regierungsantritt der PSOE 2004 und der Ausarbeitung des »Gesetzes der historischen Erinnerung« kam es zu weiteren, groß angekündigten und publikumswirksamen audiovisuellen Medienangeboten, die sich explizit mit dem Thema der franquistischen Repression beschäftigten. Einige Kritiker mutmaßten gar, bei dem Kinospielfilm Las 13 rosas handle es sich um eine Auftragsarbeit für die amtierende Regierung. Obwohl Las 13 rosas sich auf die Geschichte von dreizehn jungen Frauen fokussiert, die in der franquistischen Nachkriegszeit erschossen wurden, ist eine on screen-Darstellung der Exekution darin nicht zu sehen. Anstelle expliziter Darstellungen von Gewalt bedienen sich spanische Kinoproduktionen zwischen 1996 und 2011 auffallend häufig einer psychologisierenden Sicht auf die jüngere 2121 Welcher dieser Akteure es letztlich vermochte, ein bestimmtes Thema oder einen bestimmten Aspekt auf die öffentliche Agenda zu setzen, wird ein unauflösbares ›Henne-Ei‹Problem bleiben. Der Begriff der »wechselseitigen Korrelation« (Bösch (2007), S. 31) beschreibt die untereinander eng vernetzten Verbindungslinien zwischen den Akteuren am besten.

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spanische Vergangenheit. Sie attribuieren dem Spanischen Bürgerkrieg und dessen Folgen eine zäsurartige, charakterverändernde Wirkung. Dabei sind es oftmals patriarchale Figuren, die zuvor unschuldige junge Protagonisten zu moralisch verwerflichem Handeln anleiten. Die Handlung einer zunehmenden Anzahl von Kinospielfilmen baut somit erneut auf dem spezifisch spanischen ödipalen Narrativ auf (s. La lengua de las mariposas, Los girasoles ciegos, Pa negre), das die Filmwissenschaftlerin Marsha Kinder 1993 für spanische Kinospielfilme des Spät- und Postfranquismus konstatierte. Inhaltlich neuartige Vorschläge zum Umgang mit der jüngeren Vergangenheit bringen diese psychologisierenden Inszenierungen von Gewalttraditionen in spanischen Kinoproduktionen zwischen 1996 und 2011 nur selten hervor. Lediglich in den ›Spanienfilmen‹ des mexikanischen Regisseurs Guillermo del Toro sind sie zu finden. Del Toro offeriert in El espinazo del diablo wie auch in El laberinto del fauno nicht nur eine ästhetisch innovative Herangehensweise an die Bürgerkriegs- und Nachkriegszeit. Diese beiden Kinospielfilme können darüber hinaus als ein Plädoyer für einen als notwendig erachteten Bruch mit den franquistischen ›Vätern‹ gelesen werden. Allen Anlehnungen an die Bemühungen einer ›Rückgewinnung der historischen Erinnerung‹ zum Trotz bleibt fraglich, ob in publikumswirksamen spanischen Kino- und TV-Produktionen zwischen 1996 und 2011 eine Rekonstruktion der Nachkriegsereignisse erfolgt, die mit den historischen Meistererzählungen der transiciûn grundlegend bricht. Besonders die Kollektivschuldthese, die sich seinerzeit als politisch korrekte Bezugnahme auf den Spanischen Bürgerkrieg etablierte, da sie eine versöhnliche Sicht auf die Vergangenheit ermöglicht, unterliegt den Narrativen der ›Kernquellen‹ weiterhin. Darüber hinaus lässt sich angesichts von Kinospielfilmen wie Silencio roto, Las 13 rosas, Los girasoles ciegos (The Blind Sunflowers; ES 2008) oder Pa negre (Black Bread; ES 2010) eine Ausweitung des althergebrachten Credos des todos fuimos culpables auf die erinnerungspolitisch weitaus umstrittenere Phase der frühen franquistischen Herrschaft konstatieren. Wo die Kollektivschuldthese aus historischer Warte nicht ausreicht, um den Ausbruch des Bürgerkriegs zu erklären, und zudem eine negative Sicht auf die republikanische Ära impliziert, ist ein Aufteilen der Schuld ab dem 1. April 1939 vollends unmöglich: Sie muss bei den damals machthabenden franquistischen Autoritäten liegen.2122 Dennoch gibt es nun auch in audiovisuellen Narrativen, die explizit in der franquistischen Nachkriegszeit angesiedelt sind, gewaltbereite ›Extreme‹ auf ›beiden Seiten‹. Dabei kommt einzelnen Figuren, die dezidiert für bestimmte ideologische Überzeugungen stehen, ungeachtet ihres entweder als ›faschistisch‹ bezeichneten oder als kommunistisch bzw. anarchistisch dechiffrierbaren Hintergrunds 2122 Vgl. Aguilar Fern‚ndez (2003), S. 18; Aguilar Fern‚ndez (2006a), S. 317.

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gleichermaßen die Verantwortung für das Leid eines ›dritten‹, ›gemäßigten‹ Spaniens zu. Die letztgenannte Gruppe, der die Protagonisten der hier analysierten ›Kernquellen‹ überwiegend angehören, fällt demnach einer Gewalt zum Opfer, für die einzelne Vertreter auf ›beiden Seiten‹ des ideologischen Spektrums verantwortlich sind. Diese Art der Inszenierung der vergangenen Ereignisse ändert sich kaum, ganz gleich ob sich die Handlung einer bestimmten spanischen Kino- oder Fernsehproduktion wie in Libertarias während des Bürgerkriegs abspielt,2123 zu Zeiten der Zweiten Republik (14 de abril. La Repfflblica) oder während der franquistischen Nachkriegszeit.2124 Die Position zwischen den zwei gewaltbereiten ›Extremen‹ ist den publikumswirksamen audiovisuellen Darstellungen zufolge durch große Mitmenschlichkeit, optimistisches Zukunftsdenken und gemäßigtes Fortschrittsstreben geprägt (s. Libertarias, La niÇa de tus ojos, La lengua de las mariposas, 14 de abril. La Repfflblica, Silencio roto, Amar en tiempos revueltos, Las 13 rosas). Darunter finden sich auch immer wieder weniger positive, betont ambivalente Figuren, die sich einfacher, nach den Kategorien ›gut‹ und ›böse‹ erfolgenden Aufteilungen verwehren. Was spanische Kritiker oftmals als ›nicht-manichäische‹ Sicht auf die jüngere Vergangenheit und somit als Zugewinn an Differenzierung feiern, ist jedoch als Deutungsperspektive problematisch, da diese ambivalenten Figuren letztlich ein Opferstatus eint: Im Zweifelsfall wurden sie durch die ›Umwälzungen der Geschichte‹ zu Tätern gemacht. Dies wird immer häufiger in Form junger Protagonisten dargestellt, die qua Sozialisation zu Tätern werden, was ihren Opferstatus betont und gleichzeitig eine eindeutige Schuldzuschreibung erschwert (s. La lengua de las mariposas, Los girasoles ciegos, Pa negre). Ähnlich verhält es sich mit den Figurationen der ›einfachen‹ spanischen Männer und Frauen, die mit den neuen franquistischen Machthabern kollaborierten. Sie gelangen in audiovisuellen Produktionen zunehmend explizit zur Darstellung, werden aber durch Motivationen von Schuld freigesprochen, die menschlich nachvollziehbar sind. An erster Stelle steht dabei der Wunsch, überleben zu wollen (s. La niÇa de tus ojos, Silencio roto, Las 13 rosas). Vernachlässigt wird darüber das Ausmaß des sozialen Rückhalts, auf das sich zunächst die Aufständischen und dann Franco stützten. Zudem ist es als problematisch zu bewerten, dass nicht nur Kollaborateure, sondern auch die Fi2123 Der einzige Unterschied in Libertarias besteht darin, dass es nur eine ›gemäßigte‹ Figur gibt, die dem gewaltsamen Vorgehen ›extremer‹ Figurengruppen machtlos gegenübersteht. 2124 Angesichts dieser unveränderten Figurenkonstellationen lassen sich die ›Kernquellen‹ durchaus unter dem Genre-Begriff fassen. Dennoch ist die Rede von einem ›Bürgerkriegsfilmgenre‹ deshalb missverständlich, weil ein fiktionaler Bürgerkriegs-Kriegsfilm weiterhin auf sich warten lässt, der sich auf eine umfassende Darstellung von Ausbruch, Verlauf und Ende konzentrieren würde.

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guren, denen spanischen Kino- und TV-Produktionen zufolge ein Opferstatus zukommt, sich primär durch einen Überlebenswillen auszeichnen. Über eine vermeintlich differenziertere Art der Darstellung verwischen letztlich die Grenzen zwischen Tätern einerseits und Opfern andererseits. Dies aber entspricht wiederum der Versöhnungsrhetorik der transiciûn, die die Vertreter der ›einfachen‹ spanischen Bevölkerung als Opfer vermeintlich nicht vorhersehbarer ›Umwälzungen der Geschichte‹ perspektiviert und ihnen gleichzeitig partei- und lagerübergreifend einen Anteil Schuld zuspricht. Fragen nach der Möglichkeit individuellen Handelns sowie nach individueller Schuld lässt eine derartige Sicht auf die zeithistorischen Ereignisse nicht zu. Stattdessen geht sie damit einher, Respekt für ›den Anderen‹ einzufordern, da ihr zufolge eben auch Opfer auf der Täterseite zu beklagen waren. Dies gipfelt in Bezugnahmen auf die Vergangenheit, wie beispielsweise Soldados de Salamina (ES 2003) sie präsentiert: Hier kommt einem Mitbegründer der spanischen faschistischen Partei Falange EspaÇola deshalb eine Hauptrolle zu, weil er sich als eindrückliche Verkörperung einer Opferfigur auf ›der anderen Seite‹ eignet. Pa negre (ES 2010) dreht sich zwar um die Frage der Täterschaft, lokalisiert die Schuld aber letztlich bezeichnenderweise auf Seiten eines vermeintlich republiktreuen Idealisten. Die Aufständischen und ihre Verantwortlichkeiten bzw. die franquistischen Täter gelangen hingegen weder besonders explizit noch aus einer kritisch-differenzierten Sicht zur Darstellung. Für die historischen Phasen der Zweiten Republik und des Bürgerkriegs müssen stereotyp gezeichnete Gruppen ›extremer‹ Figuren als Schuldige herhalten. In der Zeit des Frühfranquismus sind es oftmals einzelne in die Nähe des Monströsen gerückte, überwiegend als Nebenfiguren agierende ›Urböse‹, die den Mitgliedern einer familiären – Spanien symbolisierenden – Gemeinschaft Schaden zufügen. Das Bild des Täters als Monster wird dabei häufig dadurch verstärkt, dass die ›bestialisch‹ agierenden ›Urbösen‹ als dezidiert ›faschistisch‹ gezeichnet werden. Dies lokalisiert ihren Ursprung umso mehr im ›Fremden‹, als sie damit einer Ideologie anhängen, die in den 1930er-Jahren primär Deutschland und Italien, also ausländische Staaten, repräsentierten. Der Regisseur Fernando Trueba verlegte die Handlung seines Films La niÇa de tus ojos (ES 1998), direkt ins nationalsozialistische Deutschland von 1938, wodurch sich die Frage nach dezidiert spanischer Täterschaft filmintern gar nicht erst stellt. Stattdessen übernehmen die Deutschen, transnational gültigen Darstellungskonventionen entsprechend, die Rolle der dämonisierten ›Bösen‹. Was in den untersuchten audiovisuellen Produktionen fehlt, sind Darstellungen, die individuelle Verfehlungen greifbarer aufzeigen und nicht als ›andersartig‹ stereotypisierten Charakteren auf aufständischer bzw. später franquistischer Seite zuschreiben. Audiovisuelle Darstellungen, die Francos Vormarsch aus der Perspektive des ›einfachen‹ spanischen Soldaten explizit und umfassend inszenieren, lassen unterdessen weiter auf sich warten.

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Angesichts all dessen ist festzuhalten, dass publikumswirksame spanische Kino- und TV-Produktionen mit zeithistorischem Sujet keinen Beitrag zu einem schuldbewussten öffentlichen Umgang mit der jüngeren Vergangenheit in Spanien leisten, wie er seit 1996 von Anhängern der Bemühungen um eine ›Rückgewinnung der historischen Erinnerung‹ zunehmend eingefordert wird. Vielmehr erweist sich in den ›Kernquellen‹ eine umfassende Opferrhetorik als dominant, die nicht nur die Opfer ›beider Lager‹ und beider Zeitabschnitte – Bürgerkrieg wie Frühfranquismus – gleichermaßen umfasst, sondern gar Opfer und ihre Henker im Leid vereint (s. Los girasoles ciegos). Diese Opferrhetorik wird in Spanien zunehmend mit der transnationalen Erfahrung der Gewalt und des Leides im Zweiten Weltkrieg verknüpft. Es wird sogar nicht davor zurückgeschreckt, den der systematischen Ermordung der Juden vorbehaltenen Begriff des Holocaust zu verwenden, um das Schicksal der politisch Verfolgten im Franco-Spanien zu beschreiben. Dabei dient eine derartige Identifikation mit den Opfern des Holocaust – folgt man filmischen Narrativen wie dem in La niÇa de tus ojos – dazu, sich von den Tätern und deren Taten abzugrenzen.2125 Auch im heutigen Spanien kann deshalb von der Verwendung des Holocaust-Begriffs als einer Art »universale[r] ›Container‹ für Erinnerungen an unterschiedliche Opfer«2126 gesprochen werden, was mit einer »Globalisierung des Bösen«2127 einher geht, das auf transnationaler Ebene verortet wird. Entsprechend rekurrieren einige der Film- und Fernsehmacher der hier behandelten Produktionen mit Republik-, Bürgerkriegs- und/oder Diktaturthematik auf das westliche Nationen übergreifende Gebot des ›Sich-erinnern-um-die-Gegenwart-zu-verstehen-und-Ähnliches-in-Zukunft-zu-vermeiden‹ – nicht zuletzt auch deshalb, um die Anschlussfähigkeiten ihrer Filme im westlichen Ausland zu steigern. Dennoch legt das Gros der hier ausgewerteten Rezensionen einen primär nationalen Rezeptionskontext nahe, innerhalb dessen ein bedeutender Teil der Bevölkerung es nicht etwa als eine lästige Pflicht empfindet, einem kategorischen Erinnerungsimperativ nachkommen zu müssen. Vielmehr wird im Gewand der zahlreichen Initiativen zur ›Rückgewinnung der historischen Erinnerung‹ seit ein paar Jahren erst öffentlichkeitswirksam das Recht propagiert, sich erinnern zu dürfen. Allerdings lässt sich im Hinblick auf aktuelle spanische Kino- und TV-Produktionen mit zeithistorischem Sujet konstatieren, dass diese nicht ausschließlich tatsächliche oder »gefühlte«2128 Opfer in den Blick nehmen. Parallel zu dem mit den Bemühungen einer recuperaciûn de la memoria histûrica ein2125 2126 2127 2128

Vgl. Jureit/Schneider (2010), S. 10, 23 – 30, 29 – 37, 91 – 93. Levy/Sznaider (2001), S. 223. Vgl. Hardtwig (2002), S. 122; Assmann/Conrad (2010), S. 8. Levy/Sznaider (2001), S. 223. Jureit/Schneider (2010).

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hergehenden Interesse für Zeitzeugenberichte stehen in audiovisuellen Narrativen seit der Jahrtausendwende ganz allgemein die privat-inoffiziellen Erfahrungen der ›einfachen‹ Leute im Vordergrund, die bisher nicht hinreichend in offiziell-historiografische Bezugnahmen auf die jüngere Vergangenheit integriert worden seien. Im Gegensatz zu den Leiden und dem Wirken der ›großen Männer‹, wie sie noch in populärkulturellen Medienangeboten der 1980er-Jahre überwiegend anzutreffen waren, dreht sich deren Handlung nunmehr um den ›einfachen‹ spanischen Mann und auffallend häufig – wie auch in populärkulturellen literarischen Beiträgen zum Thema – um mehrere ›einfache‹ spanische Frauen (s. Silencio roto, Las 13 rosas). Dabei werden die Vertreter der ›einfachen‹ spanischen Bevölkerung als ›im Kleinen‹ mitmenschlich und solidarisch Handelnde präsentiert. Dadurch, so die film- bzw. serieninternen Narrative, hätten sie den ›Widrigkeiten‹ der Geschichte zumindest aus retrospektiver Sicht erfolgreich getrotzt, ist doch im heutigen Spanien das verwirklicht, wofür diese Figuren im fiktionalen Damals stehen: ein friedliches Zusammenleben in einer fortschrittsorientierten Demokratie, die der Europäischen Gemeinschaft angehört. Letzteres wird besonders über die TV-Serien Amar en tiempos revueltos sowie 14 de abril. La Repfflblica herausgestellt. Dass im Zuge dieser Bezugnahme auf die jüngere Vergangenheit lediglich eine deterministische Sicht auf die spanische Zeitgeschichte – die ›tragische‹ – gegen eine andere, positive ausgetauscht wird, steht nicht zur Debatte. Gegenläufige Entwicklungen bzw. Brüche im Geschichtsverlauf bleiben weiterhin ausgeblendet.2129 Im Vordergrund steht stattdessen die Möglichkeit eines stolzen Rekurses auf die jüngere Vergangenheit, der ein potenziell positives Selbstverständnis ermöglicht. In einzelnen audiovisuellen Fällen trägt er gar ein kontrafaktisches Element in sich. So wird der späte ›Siegeszug‹, wie ihn die Vertreter eines breit gefassten ›Dritten Spaniens‹ in den zwei korpuskonstituierenden TV-Serien erringen, in La niÇa de tus ojos wie auch in Silencio roto zu einem ›Sieg‹, der ›im Kleinen‹ schon im fiktionalen Damals errungen wurde. Retrospektiv auf die Geschichte einzuwirken, sie gar umzuschreiben, dieser Wunsch macht sich ebenfalls in Soldados de Salamina bemerkbar. Auch in Del Toros El espinazo del diablo und El laberinto del fauno werden die jeweiligen Protagonisten bereits zu Bürgerkriegs- bzw. Diktaturzeiten zu eigentlichen ›Siegern der Geschichte‹, allerdings wenden sie dabei Gewalt an.2130 Die Bereitschaft zum ›Kampf‹ der 2129 Vgl. Winter (2007b), S. 17. 2130 Kontrafaktische Geschichtsangebote stoßen auch in Spanien auf zunehmende Begeisterung. Ein deutliches Beispiel dafür liefert ein Computer-Strategiespiel namens Sombras de guerra (dt.: »Schatten des Kriegs«), das kurz vor Francos Todestag am 20. November 2007 auf den Markt gelangte und trotz kritischer Einwände von Opferverbänden und bestimmten Zeitungen besonders während des Weihnachtsgeschäfts desselben Jahres sehr erfolgreich verkauft wurde: Vgl. Torquemada, B.: Un videojuego que permite elegir qui¦n

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Protagonisten in den Vergleichswerken spanischer Regisseure verharrt hingegen im Rhetorisch-Vagen, wenn sie nicht der filminternen Logik zufolge gar bestraft wird (s. Libertarias, Silencio roto, Las 13 rosas). Während aktiv-kämpferische, gewaltbereite Positionen im heimischen Raum in spanischen Kino- und TV-Produktionen mehrheitlich als ›extrem‹ präsentiert und somit sanktioniert werden, betonen indes mehrere audiovisuelle Produktionen Spaniens kämpferischen Beitrag für das heutige Europa. Besonders in dem Kinospielfilm Soldados de Salamina wird eine Lesart deutlich, nach der der Krieg in Spanien ein Kampf ›gegen den Faschismus‹ gewesen sei, der nach 1939 an weiteren europäischen Fronten fortgeführt wurde. Dabei steht nicht die kriegerische Auseinandersetzung in Spanien selbst im Vordergrund, deren spaltendes Potenzial filmintern in Form einer allumfassenden Opferrhetorik eingedämmt wird. Vielmehr betont Soldados de Salamina die stolzerfüllten und somit positiven Bezugnahmen, die einer der Protagonisten des Films, der ehemals auf Seiten der Republik kämpfende Miralles, in einem westeuropäischen Kontext eröffnet: Miralles dient filmintern als Sinnbild des ›einfachen‹ Soldaten, der weniger in Spanien als vielmehr an den europäischen Fronten des Zweiten Weltkriegs für ein nicht näher definiertes ›Gutes‹ und somit im übertragenen Sinne für die ›zivilisierte Welt‹ kämpfte. Dies macht ihn – angesichts der demokratischen Werte, die im heutigen Westeuropa dominieren – zu einem erfolgreichen ›Freiheitskämpfer‹ und verleiht ihm retrospektiv eine öffentliche Anerkennung, die ihm nach Meinung der für eine ›Rückgewinnung der historischen Erinnerung‹ Plädierenden bisher verwehrt wurde. ›Helden der Mikrogeschichte‹ wie beispielsweise Miralles werden demnach als erinnerungswürdige begriffen, eine Sichtweise, die in publikumswirksamen spanischen Kinound TV-Produktionen zwischen 1996 und 2011 zunehmend evident wird. Daher muss der von den Soziologen Daniel Levy und Natan Sznaider vertretenen These, dass »die neuen mythologischen Erinnerungen […] den Opfern und nicht den Tätern oder Helden [gelten]«2131, für den spanischen Fall widersprochen werden. Zwar erweist sich eine Opferrhetorik in spanischen Kino- und

ganû la Guerra Civil caldea el 20-N. In: ABC (16. 11. 2007), S. 30; D†ez, Juli‚n: Sombras de guerra reabre viejas heridas sobre la contienda civil. In: El Pa†s (03. 12. 2007), www.elpais.com (20. 02. 2012); Lucena Giraldo, Manuel: Orden en el tiempo. In: ABC Cultural (05. 01. 2008), S. 7. Zu Beginn des Spiels kann sich der Spieler aussuchen, für welche Seite er kämpfen will – die republiktreue oder die aufständische – und dann, wenn er geschickt ist, den historisch verbürgten Verlauf und Ausgang des Kriegs ändern. Entsprechend lautet der Slogan zum Spiel: »Nationale oder Republikaner? Du entscheidest über die Geschichte!«: Sombras de guerra, Cover : »¿Nacionales o republicanos? ¡Tffl d¦cides la historia!« 2131 Levy/Sznaider (2001), S. 223.

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Fernsehproduktionen zwischen 1996 und 2011 weiterhin als dominant. Dennoch ist darin zunehmend auch eine Heldenrhetorik anzutreffen.2132 Der Beitrag, den populärkulturelle spanische audiovisuelle Medienangebote zu einer recuperaciûn de la memoria histûrica leisten, kann zwar nicht als einer bewertet werden, der radikal mit überkommenen, aber bewährten Meistererzählungen bricht. Wohl aber arbeiten diese Kino- und TV-Produktionen einer in der Hinsicht veränderten Perspektive auf die jüngere Vergangenheit zu, die die Erfahrungen bisher auf einer breiten öffentlichen Ebene ›ausgeblendeter‹ Gruppen integriert. Dabei verlieren die korpuskonstituierenden audiovisuellen Quellen den Primat der gesamtgesellschaftlichen Versöhnung nicht aus den Augen. Dies demonstriert die als direkte Ansprache des Zuschauers inszenierte Schlussbotschaft der Protagonistin Blanca in Las 13 rosas: Ein Opfer des franquistischen Unrechtssystem ruft hier bezeichnenderweise zu Vergebung auf. Wie dieses Beispiel außerdem verdeutlicht, werden die Ereignisse der Vergangenheit in spanischen Kino- und TV-Produktionen nicht länger – wie im Zuge der ›Untergangsnarrationen‹ mit ›tragischem‹ Verlauf üblich – als von der Gegenwart des Rezeptionskontextes losgelöst dargestellt. Vielmehr werden sie direkt mit dem jeweils zeitgenössisch aktuellen ›Heute‹ verknüpft. Besonders offensichtlich geschieht dies in den kinematografischen ›Kernquellen‹, die sich nicht um eine möglichst ›authentische‹ Rekonstruktion der vergangenen Ereignisse bemühen (s. El espinazo del diablo, Soldados de Salamina, El laberinto del fauno). Die TV-Serien mit zeithistorischem Sujet offerieren ihren Zuschauern darüber hinaus über ihr Online-Angebot eine Vielzahl von Möglichkeiten, an der Ausgestaltung des öffentlichen Gedenkens aktiv zu partizipieren. Das stößt bei den Rezipienten auf großen Zuspruch, wie die Ausführungen zu Amar en tiempos revueltos gezeigt haben. Die mit dem neuen Jahrtausend in Spanien zu beobachtende Konjunktur zeithistorischer Themen – als Erinnerungswelle bzw. -Boom bezeichnet – wird nicht nur freudig begrüßt, sondern auch vielfach beklagt. Der spanische Schriftsteller Antonio MuÇoz Molina beispielsweise spricht im Herbst 2008 von einer Mode, die womöglich mit Ken Loachs Land and Freedom (GB-ES-DE 1995) begonnen habe: »Die Bücher und Filme, die gerade in Mode sind, bieten eine Erinnerung, die sich genießen lässt wie ein Bonbon, mit diesem so kuscheligen Hintergrund-Flair, das der Vergangenheit im Historienkino zu Eigen ist: die Autos, die Frisuren, die Hüte, die hölzernen Schreibpulte, der Regen, der Schnee, alles so einladend; wenn nicht sogar der egalitäre Heroismus: Jungen und Mädchen in den makellosen Uniformen der Milizionäre, die einen Krieg führen, der aussähe wie ein Fest oder ein Sonntagsausflug, 2132 Von einer »grundlegende[n] Erneuerung des Franquismus-Diskurses in den Medien« (Rey (2004a), S. 110) kann deshalb nicht die Rede sein.

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wenn da nicht diese Bösewichter mit schmalem Schnurrbärtchen und blauem Hemd oder schwarzer Kutte wären, die alles kaputt machen. Die Guten, die Unsrigen, sind poetisch, unschuldig, herzlich, verträumt, nicht sexistisch. Die anderen sind nicht nur Unterdrücker und Schurken: Sie sind auch hässlich, grob, machistisch, sexuelle Irre, Tierquäler.«2133

Neben der Tatsache, dass es sich bei dieser Kritik um ein stark verkürztes, polemisches Urteil handelt, das sich nach der im Rahmen der vorliegenden Untersuchung vorgenommenen Analyse der ›Kernquellen‹ nicht aufrecht erhalten lässt, muss in diesem Zusammenhang die Person MuÇoz Molina selbst problematisiert werden. Als Bestsellerautor, dessen Romane immer wieder bürgerkriegs- bzw. diktaturverwandte Themen aufgreifen, profitiert auch er maßgeblich vom memory boom im heutigen Spanien. Noch 2009 publizierte er einen 1000-seitigen Roman mit dem Titel La noche de los tiempos (dt. Verkaufstitel: Die Nacht der Erinnerungen), der sich mit der Endphase der Zweiten Republik, dem Ausbruch des Bürgerkriegs und dem Los der Exilspanier befasst. Ganz im Sinne der weiterhin dominanten Opferrhetorik ging MuÇoz Molina beim Verfassen dieses Romans von der Frage aus, was ein friedliebender Mensch tue, wenn die Normalität »plötzlich durch etwas Unvorhersehbares und Schreckliches«2134 zusammenbreche. Seine Kritik an einer »Sentimentalisierung und Bürokratisierung der Erinnerung« dürfte daher eher einem Konkurrenzverhältnis geschuldet sein: der Tatsache, dass in Spanien spätestens seit der Jahrtausendwende eine Vielzahl von Akteuren äußerst erfolgreich populärkulturelle Medienangebote zu lancieren vermag, die Kritiker als Beiträge zum öffentlichen Umgang mit der jüngeren Vergangenheit werten und eine breite Masse an Konsumenten ansprechen. Die Klagen, dass sich konkret in der spanischen Kinematografie ›ein weiterer Film über den Bürgerkrieg‹ an den anderen reihe, gehen indes über die Person MuÇoz Molinas hinaus. Sie führten gar dazu, dass sich die spanische Filmakademie Anfang März 2011 bemüßigt fühlte, einen Bericht über Genres und Themen zu veröffentlichen, die im spanischen Kino zwischen den Jahren 2000

2133 El Pa†s (06. 09. 2008): »Los libros, las pel†culas de moda ofrecen una memoria tan gustosa de saborear como un caramelo, con ese aire en el fondo tan acogedor que tiene el pasado en el cine de ¦poca: los automûviles, los peinados, los sombreros, los pupitres de madera, la lluvia, la nieve acogedoras; cuando no el heroismo igualitario: chicos y chicas con uniformes impolutos de milicianos, haciendo una guerra que se parecer†a mucho a una fiesta o a un domingo de excursiûn si no fuera por esos malvados de bigotito fino y camisa azul o de sotana negra que lo estropean todo. Los buenos, los nuestros, son po¦ticos, inocentes, entraÇables, soÇadores, no sexistas. Los otros no sûlo son opresores y canallas: tambi¦n son feos, groseros, machistas, man†acos sexuales, maltratadores de animales.« 2134 Mantilla Ruiz, Jesffls: MuÇoz Molina narra el drama del exilio en 1.000 p‚ginas. In: El Pa†s (30. 07. 2009), www.elpais.com (20. 02. 2012): »de repente por algo imprevisto y horrible«.

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und 2010 behandelt wurden. In diesem Bericht wurde unter der Überschrift »Spanischer Bürgerkrieg, wenig« (span.: Guerra civil, poca) betont, dass »die abgedroschene Phrase, dass unser Kino sich nur diesen Konflikt [gemeint ist der Spanische Bürgerkrieg; Anm. d. Verf.] als Thema aussucht, ist hinfällig, da nur 14 Filme aus den letzten zehn Jahren den Konflikt angeschnitten haben, was 1,45 % der Gesamtsumme der angelaufenen Titel entspricht. Im Falle der Dokumentarfilme liegt die Prozentzahl bei 9,45 % (21 Werke)«2135.

Dabei wurzelt die Kritik verschiedener Rezensenten, wie die für die vorliegende Untersuchung herangezogenen Zeitungs- und Zeitschriftenartikel belegen, vielmehr in einer bestimmten Art der Darstellung zeithistorischer und audiovisueller Bezugnahmen auf Zweite Republik, Bürgerkrieg und franquistische Nachkriegszeit.2136 Populärkulturelle audiovisuelle Angebote, die sich diesen Themen der spanischen Zeitgeschichte auf formal andere Art und Weise annäherten, lösten bei spanischen Kritikern hingegen regelrechte Lobeshymnen aus (s. Pa negre). In Zuschauerzahlen gemessen erfreuen sich in Spanien vor allem Serien mit zeithistorischem Sujet ungebrochener Popularität. Entsprechend gelangte die spanische Geschichte des 20. Jahrhunderts inzwischen so gut wie komplett in Form von TV-Serien auf dem ersten Programm des staatlichen Fernsehens zur Darstellung, angefangen vom Spanien der späten 1920er-Jahre unter der Militärdiktatur Primo de Riveras bis zur Proklamation der Zweiten Republik (La SeÇora; 2008 bis 2010), über das Leben im republikanischen Spanien (14 de abril. La Repfflblica), den Spanischen Bürgerkrieg (Amar en tiempos revueltos sowie die humoristische Plaza de EspaÇa, erste Staffel 20112137) und den Franquismus bis zur transiciûn und den 1980er-Jahren mit dem Tejero-Putsch und der berühmten movida madrileÇa (Cu¦ntame cûmo pasû, seit September 2001). 2135 Informe sobre g¦neros y tem‚ticas del cine espaÇol entre 2001 y 2010 (02. 03. 2011), Relacionado, http://actualidad.academiadecine.com (20. 02. 2012): »la manida frase de que nuestra cinematograf†a escoge sûlo este conflicto como tema se cae, porque sûlo 14 pel†culas han abordado la contienda en los fflltimos diez aÇos [Herv. i. Orig.], lo que se traduce en un 1,45 % del total [Herv. i. Orig.] de los t†tulos estrenados. En el caso de los documentales, el porcentaje se sitffla en un 9,45 % (21 trabajos)«. 2136 Eine Art der Darstellung, wie sie spanische Kritiker zuletzt einhellig angesichts von La voz dormida (dt.: »Die schlafende Stimme«; ES 2011) kritisierten: Vgl. Mart†nez, Luis: Lo real no es suficiente. In: El Mundo (22. 09. 2011), www.elmundo.es (20. 02. 2012); Boyero, Carlos: La voz dormida: cartûn piedra sentimental de Benito Zambrano. In: El Pa†s (22. 09. 2011), www.elpais.com (20. 02. 2012); Brito, Sara: »Se ensaÇaron con ellas por rojas y por mujeres.« In: El Pfflblico (22. 09. 2011), www.publico.es (20. 02. 2012). 2137 Plaza de EspaÇa wirbt auf ihrer offiziellen Webseite mit einem Slogan, der die Serie als kontrafaktisches Geschichtsangebot ausweist (s. Fußnote 2130): »Das ist eine andere Geschichte«: www.rtve.es (20. 02. 2012): »Es otra historia«. Diese Serie schaffte es im Verlauf ihrer ersten Staffel allerdings nicht, ein gleichbleibend großes Publikum zu binden.

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Dabei lieferten die generelle Staatsnähe der Rundfunkanstalt RTVE sowie der bedeutende institutionelle Rückhalt, auf den einzelne kinematografische Erfolgsbeispiele bauen konnten,2138 Anhängern eines (rechts-)konservativen Sektors in Spanien den Anlass dafür, die sozialdemokratische Regierung Rodr†guez Zapatero zunehmend rigoros und überzeugt mit dem Vorwurf der Propaganda zu konfrontieren (s. Amar en tiempos revueltos, Las 13 rosas, 14 de abril. La Repfflblica). Es war gar von einer Zensur ›unliebsamer‹ zeithistorischer Darstellungen im spanischen Kino und Fernsehen die Rede.2139 Die Klagen eines ›Zuviel‹ an populärkulturellen Beschäftigungen mit Republik-, Bürgerkriegsund Diktaturthematiken liegen somit offenkundig nicht zuletzt in der Ablehnung einer bestimmten Regierung und der ihrerseits unterstützten Erinnerungspolitiken begründet. Die Vorwürfe der Staatspropaganda erreichten 2011 einen Höhepunkt, nicht zuletzt deshalb, weil im selben Jahr in Spanien vorgezogene allgemeine, den Regierungswechsel besiegelnde Parlamentswahlen stattfanden. Dabei schien die Entscheidung des damaligen Ministerpräsidenten Rodr†guez Zapatero, diese Neuwahlen auf das symbolträchtige Datum des 20. November, den Todestag Francisco Francos, zu legen, die der PSOE unterstellte Instrumentalisierung der Vergangenheit zu belegen.2140 Erwartungsgemäß ist aber auch der PP-Ministerpräsident Mariano Rajoy, der Spanien seit dem 21. Dezember 2011 regiert, in erinnerungspolitischer Hinsicht alles andere als untätig. Es ist sicher kein Zufall, dass das staatliche Fernsehen TVE die Ausstrahlung der Serien Amar en tiempos revueltos und 14 de abril. La Repfflblica noch 2012 einstellte, obwohl diese sich beim spanischen Publikum nach wie vor großer Beliebtheit erfreuen. Parallel dazu bleiben die Forderungen der in den Initiativen zur ›Rückgewinnung der historischen Erinnerung‹ engagierten Spanier unverändert aktuell. Laut einer 2138 So verlieh das spanische Kultusministerium dem Kinospielfilm Pa negre am 22. Juli 2011 den Nationalen Filmpreis. Auffallend sind zudem die hochkulturellen Weihen, die einzelnen populärkulturellen Medienangeboten mit zeithistorischem Sujet während der PSOE-Amtszeiten zuteil wurden: Sowohl zu Soldados de Salamina als auch zu Amar en tiempos revueltos gibt es mittlerweile ein Theaterstück. 2139 Mit La mula (dt.: »Das Maultier«) gab es 2010 eine Kontroverse über einen Kinospielfilm, der vom spanischen Kultusministerium nicht zur Vorführung zugelassen wurde. Die Macher des Films beschuldigten die amtierende PSOE-Regierung daraufhin der Zensur: Vgl. http://lamulalapelicula.blogspot.de (20. 02. 2012); Belinchûn, Gregorio: La mula sigue sin caminar. In: El Pa†s (17. 04. 2011), www.elpais.com (20. 02. 2012); Seoane, Laura: La mula una pel†cula en guerra. In: La Razûn (07. 05. 2011), www.larazon.es (20. 02. 2012). Nach dem Regierungswechsel 2011 lief der Film erstmals Ende April 2013 auf dem Filmfestival in M‚laga und ab dem 9. Mai 2013 regulär in den spanischen Kinos: Vgl. Filmdatenbank des spanischen Kultusministeriums, www.mcu.es (15. 08. 2013). 2140 Vgl. S‚nchez, Manuel: 20-N: elecciones generales. Anuncio del presidente de Gobierno en una comparecencia en Moncloa. In: El Mundo (30. 07. 2011), www.elmundo.es (20. 02. 2012).

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Umfrage der Zeitung El Pa†s führt eine Mehrheit der Befragten die Verurteilung Baltasar Garzûns zu elf Jahren Berufsverbot am 9. Februar 2012 direkt zurück auf das Bestreben des Richters, eine juristische Aufarbeitung der franquistischen Verbrechen anzustoßen.2141 Neben Spanien stellten sich schon andere postdiktatorische Gesellschaften der Frage, »[a]uf welche Erinnerungen […] eine Gesamtheit von Menschen [zurückgreift], die sich nach dem Zusammenbruch einer zuvor gemeinsam, aber different erfahrenen Diktatur innerhalb der alten […] Grenzen befindet, […] wenn es darum geht, eine den neuen Verhältnissen angemessene und zukünftig verbindliche nationale Identität zu rekonstruieren oder ein neues nationales Selbstbild zu kreieren«2142.

Erweisen sich »Opfer-Täter-Diskurse«2143 in diesem Zusammenhang immer als besonders brisant, so ist auffällig, dass die Frage nach den Tätern im spanischen Fall unter Rekurs auf die Kollektivschuldthese jahrelang vernachlässigt wurde. Bedenkt man allerdings, dass es beispielsweise in Deutschland sechzig Jahre dauerte, bis die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Diktatur die Ergebnisse zeigte, auf die Opferorganisationen und die internationale Berichterstattung anhaltend gedrängt hatten, so erweisen sich die erinnerungspolitischen Konstellationen in Spanien als vergleichsweise dynamisch – das franquistische Regime endete erst im November 1975. Infolge der causa Garzûn lässt sich in der spanischen Öffentlichkeit insgesamt eine »Verlagerung der Aufmerksamkeit von den Opfern zu den Verantwortlichen der Verbrechen«2144 ausmachen. Diese Verschiebung verspricht weitere polemisch geführte öffentliche Debatten und wird langfristig möglicherweise nachhaltige Veränderungen der historischen Meistererzählungen nach sich ziehen, die die transiciûn begründeten. So problematisch und zweifelhaft die Darstellungsweisen und Deutungsperspektiven der jüngeren Vergangenheit aus historischer Warte sind, die publikumsträchtige, fiktionale spanische Kino- und TV-Produktionen zwischen 1996 und 2011 offerierten: Wie die Aussagen ihrer Macher und die Rezensionen von Filmkritikern veranschaulichen und belegen, werden sie ihrer vermeintlichen Ideologieferne zum Trotz als dezidiert erinnerungspolitische, da potenziell identitätsstärkende Beiträge zum zeitgenössisch aktuellen öffentlichen Umgang mit Aspekten der Zeitgeschichte gewertet. Die Tatsache, dass sie – wie die vorliegende Untersuchung bestätigt – schon im Zuge der Vorabberichterstattung 2141 Vgl. Red.: El 61 % afirme que Garzûn es v†ctima de una persecuciûn. In: El Pa†s (09. 02. 2012b), www.elpais.com (20. 02. 2012). 2142 Sachse/Wolfrum (2008), S. 12. 2143 Ebd. 2144 Elsemann (2011), S. 328.

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und dann im Rahmen ihres Rezeptionszusammenhangs selbst unauflöslich an der Konstruktion und Entwicklung von kollektiven Erinnerungen beteiligt sind,2145 macht populärkulturelle Kino- und TV-Produktionen mit zeithistorischem Sujet zu unumgänglichen Gegenständen der Erinnerungskulturgeschichte und somit zu nicht zu vernachlässigenden Quellen für die Geschichtswissenschaft. Dabei greift es zu kurz, entsprechende audiovisuelle Medienangebote als stereotype human interest stories abzutun: Das Was und Wie, das darin zur Darstellung gelangt, mag wenig neuartig sein. Die zeitgenössischen Absichtserklärungen ihrer Macher wie auch die Kommentare der Kritiker versehen die dargestellten Aspekte jedoch mit jeweils anderen Bedeutungsdimensionen. Versteht man die Aufgabe des Historikers als die, »durch Forschung bislang unerkannte Begründungszusammenhänge im vergangenen Geschehen aufzudecken, Ursachen, Verlaufsformen und Folgen des Wandels so komplex wie möglich zu erklären und diskursiv darzustellen«2146, dann bieten die Bedeutungsdimensionen, die populärkulturelle Kino- und TV-Produktionen mit historischem Setting eröffnen, ein zweifellos großes Feld, das es zu bearbeiten gilt.

2145 Vgl. Kansteiner (2002), S. 195; Cornelißen (2003), S. 558; Zierold (2006), S. 139. 2146 Hardtwig (2002), S. 102 f.

Quellen- und Literaturverzeichnis

Audiovisuelles Material Die Uraufführungsdaten der im Folgenden angeführten Kinofilme sind der online verfügbaren Filmdatenbank des spanischen Kultusministeriums entnommen und beziehen sich auf Spanien: Vgl. www.mcu.es (20. 02. 2012).

Audiovisuelle ›Kernquellen‹ 14 de abril. La Repfflblica, Diagonal TV für TVE/La 1, erste Staffel 24.01. – 18. 04. 2011, www.rtve.es/television/14-de-abril-la-republica (20. 02. 2012). Amar en tiempos revueltos, Diagonal TV für TVE/La 1, erste Staffel 27. 09. 2005 – 26. 06. 2006, www.rtve.es/television/amarentiemposrevueltos.shtml (20. 02. 2012). El espinazo del diablo (Das Rückgrat des Teufels), Regie: Guillermo del Toro, ES-MX 2001, UA: 20. 04. 2001, 712.178 Zuschauer (Vertrieb DVD: Sogepaq, S.A.). El laberinto del fauno (Pans Labyrinth), Regie: Guillermo del Toro, ES-MX 2006, UA: 10. 10. 2006, 1.681.631 Zuschauer (Vertrieb DVD: Warner Bros. Entertainment EspaÇa S.L.). La lengua de las mariposas (Butterfly Tongues), Regie: Jos¦ Luis Cuerda, ES 1999, UA: 24. 09. 1999, 1.181.526 Zuschauer (Vertrieb DVD: Sogepaq, S.A.). La niÇa de tus ojos (Das Mädchen deiner Träume), Regie: Fernando Trueba, ES 1998, UA: 11. 11. 1998, 2.497.859 Zuschauer (Vertrieb DVD: Manga Films, S.L.). Las 13 rosas (13 Roses), Regie: Emilio Mart†nez-L‚zaro, ES-IT 2007, UA: 14. 09. 2007, 863.135 Zuschauer (Vertrieb DVD: Sony Pictures Home Entertainment & Cia, S.R.C.). Libertarias (Freedomfighters), Regie: Vicente Aranda, ES-IT-BE 1996, UA: 18. 04. 1996, 594.994 Zuschauer (Vertrieb DVD: Sogepaq, S.A.). Los girasoles ciegos (The Blind Sunflowers), Regie: Jos¦ Luis Cuerda, ES 2008, UA: 28. 08. 2008, 737.441 Zuschauer (Vertrieb DVD: Sogepaq, S.A.). Pa negre (Black Bread), Regie: Agust† Villaronga, ES 2010, UA: 15. 10. 2010, 434.237 Zuschauer (Vertrieb DVD: Cameo Media, S.L.). Silencio roto (Broken Silence), Regie: Montxo Armend‚riz, ES 2001, UA: 25. 04. 2001, 429.086 Zuschauer (Vertrieb DVD: Vertice Cine, S.L.).

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Soldados de Salamina (Soldiers of Salamina), Regie: David Trueba, ES 2003, UA: 21. 03. 2003, 433.290 Zuschauer (Vertrieb DVD: Warner Home Video EspaÇola, S.A.).

Sekundäre audiovisuelle Quellen 23-F, Regie: Chema de la PeÇa (ES 2011, UA: 23. 02. 2011). 23-F. El d†a m‚s dif†cil del Rey, Alea Docs & films für TVE/La 1, 10. und 12. 02. 2009. Al salir de clase, BocaBoca für Telecinco, 08. 09. 1997 – 12. 07. 2002. Amar es para siempre, Diagonal TV für Antena 3, seit 14. 01. 2013. Amores perros (Amores perros – Von Hunden und Menschen), Regie: Alejandro Gonz‚lez Iǂrritu (MX 2000, UA: 15. 03. 2001). Ana y los lobos (Anna und die Wölfe), Regie: Carlos Saura (ES 1973, UA: 04. 06. 1973). Andalusische Nächte, Regie: Herbert Maisch (DE-ES 1938). Asaltar los cielos (Storm the Skies), Regie: Jos¦ Luis Lûpez-Linares/Javier Rioyo (ES-FR 1996, UA: 29. 11. 1996). Asignatura pendiente (Unfinished Business), Regie: Jos¦ Luis Garci (ES 1977, UA: 18. 04. 1977). Ýtame (Fessle mich!), Regie: Pedro Almodûvar (ES 1989, UA: 22. 01. 1990). ¡Ay, Carmela! (Ay, Carmela! – Lied der Freiheit), Regie: Carlos Saura (ES-IT 1990, UA: 16. 03. 1990). Balada triste de trompeta (Mad Circus – Eine Ballade von Liebe und Tod), Regie: Ýlex de la Iglesia (ES-FR 2010, UA: 17. 12. 2010). Belle Êpoque (Belle Êpoque – Saison der Liebe), Regie: Fernando Trueba (ES-PT 1992, UA: 03. 12. 1992). Beltenebros (Prince of Shadows), Regie: Pilar Mirû (ES-NL 1991, UA: 13. 12. 1991). Besos para todos (Kisses for Everyone), Regie: Jaime Ch‚varri (ES 2000, UA: 24. 11. 2000). ¡Biba la banda!, Regie: Ricardo Palacios (ES 1987, UA: 17. 06. 1987). Blade II, Regie: Guillermo del Toro (US 2002, UA: 18. 04. 2002). Bucarest, la memoria perdida, Regie: Albert Sol¦ (ES 2008, UA: 18. 01. 2008). ¡Buen viaje, excelencia!, Regie: Albert Boadella (ES 2003, UA: 09. 10. 2003). Camada negra (Black Litter), Regie: Manuel Guti¦rrez Aragûn (ES 1977, UA: 30. 09. 1977). Camino, Regie: Javier Fesser (ES 2008, UA: 26. 09. 2008). Camino de la libertad (Path to Freedom), Regie: Lisa Berger (ES 1997). Canciones para despu¦s de una guerra, Regie: Basilio Mart†n Patino (ES 1976, UA: 01. 11. 1976). Caracremada, Regie: Llu†s Galter (ES 2010, UA: 18. 11. 2010). Carmen, la de Triana, Regie: Flori‚n Rey (ES-DE 1938, UA: 25. 11. 1938). Carmen Polo, la SeÇora de Meiras (Carmen Polo: Die Frau hinter Franco), Regie: Daniel Serra/Jaume Serra (ES 2004). Carreteras secundarias (Backroads), Regie: Emilio Mart†nez-L‚zaro (ES 1997, UA: 21. 11. 1997). Caudillo, Regie: Basilio Mart†n Patino (ES 1973, UA: 14. 10. 1977). Ciudadano Negr†n, Regie: Sigfrid Monleûn/Carlos Ýlvarez/Imanol Uribe (ES 2010, UA: 10. 12. 2010).

Audiovisuelles Material

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Clara Campoamor. La mujer olvidada, Distinto Films für TVE/La 1, 09. 03. 2011. Cr†a cuervos (Züchte Raben), Regie: Carlos Saura (ES 1976, UA: 26. 01. 1976). Cronos (Chronos), Regie: Guillermo del Toro (MX 1992, UA: 08. 11. 1993). Cu¦ntame cûmo pasû, Grupo Ganga für TVE/La 1, seit 13. 09. 2001. Das Leben der Anderen, Regie: Florian Henckel von Donnersmarck (DE 2006, UA: 15. 02. 2007). Das weiße Band – Eine deutsche Kindergeschichte, Regie: Michael Haneke (DE-AT-FR-IT 2009, UA: 12. 01. 2010). Deseo (Desire), Regie: Gerardo Vera (ES 2002, UA: 25. 10. 2002). Despu¦s de tantos aÇos, Regie: Ricardo Franco (ES 1994, UA 24. 11. 1994). Despu¦s del sueÇo (After the Dream), Regie: Mario Camus (ES 1992, UA: 05. 10. 1992). Die Frau des Anarchisten (La mujer del anarquista), Regie: Peter Sehr/Marie NoÚlle (DEES-FR 2008, UA: 30. 12. 2008). Dragûn Rapide, Regie: Jaime Camino (ES 1986, UA: 10. 07. 1986). El amor del capit‚n Brando (Die Liebe des Capit‚n Brando), Regie: Jaime de Armiǂn (ES 1974, UA: 15. 11. 1974). El aÇo de las luces (Das Jahr der Aufklärung), Regie: Fernando Trueba (ES 1986, UA: 05. 12. 1986). El aÇo del diluvio, Regie: Jaime Ch‚varri (FR-IT-ES 2004, UA: 28. 04. 2004). El asesinato de Calvo Sotelo, Instituto CEU de Estudios Histûricos für Telemadrid, Erstausstrahlung 12. 07. 2011. El asesinato de Carrero Blanco, BocaBoca für TVE/Euskal Telebista, 05. und 06. 06. 2011. El convoy de los 927, Montse Armengou/Ricard Belis für TVC/TV3, 2004. El corazûn del bosque (Heart of the Forest), Regie: Manuel Guti¦rrez Aragûn (ES 1979, UA: 28. 11. 1979). El crimen de Cuenca (The Cuenca Crime), Regie: Pilar Mirû (ES 1979, UA: 17. 08. 1981). El desencanto (The Disenchantment), Regie: Jaime Ch‚varri (ES 1976, UA: 17. 09. 1976). El d†a de la bestia (The Day of the Beast), Regie: Ýlex de la Iglesia (ES-IT 1995, UA: 19. 10. 1995). El embrujo de Shanghai (The Shanghai Spell), Regie: Fernando Trueba (ES-FR-GB 2002, UA: 04. 04. 2002). El esp†ritu de la colmena (Der Geist des Bienenstocks), Regie: V†ctor Erice (ES 1973, UA: 05. 10. 1973, WA: 23. 01. 2004). El florido p¦nsil, Regie: Juan Jos¦ Porto (ES 2002, UA: 21. 03. 2002). El honor de las injurias, Regie: Carlos Garc†a-Alix (ES 2007, UA: 07. 11. 2008). El jard†n de las delicias (Garten der Lüste), Regie: Carlos Saura (ES 1970, UA: 05. 11. 1970). El laberinto espaÇol, Jorge Mart†nez Reverte für TVE/La 2, 07.04. – 26. 06. 2006. El l‚piz del carpintero (The Carpenter’s Pencil), Regie: Antûn Reixa (ES-PT-GB 2003, UA: 25. 04. 2003). El largo invierno (The Long Winter), Regie: Jaime Camino (ES-FR 1991, UA: 29. 04. 1992). El mar (Das Meer), Regie: Agust† Villaronga (ES 2000, UA: 11. 04. 2000). El oro de Moscffl (Moscow Gold), Regie: Jesffls Bonilla (ES 2003, UA: 27. 03. 2003). El otro lado de la cama (The Other Side of the Bed), Regie: Emilio Mart†nez-L‚zaro (ES 2002, UA: 27. 06. 2002). El Partido Comunista y la defensa de Madrid. La masacre de Paracuellos de Jarama, Instituto CEU de Estudios Histûricos für Telemadrid, 2010.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

El Perro Negro: Stories from the Spanish Civil War (El perro negro (Historias de la Guerra Civil EspaÇola)), Regie: P¦ter Forg‚cs (NL 2004, UA: 26. 04. 2007). El pianista (The Pianist), Regie: Mario Gas (ES 1997, UA: 18. 03. 1999). El portero (The Goalkeeper), Regie: Gonzalo Su‚rez (ES 2000, UA: 07. 09. 2000). El sueÇo derrotado: la historia del exilio, Regie: Jaime Serra/Daniel Serra (ES 2003). El sur (El Sur – Der Süden), Regie: V†ctor Erice (ES 1983, UA: 19. 05. 1983). El tren de la memoria, Regie: Marta Arribas/Ana P¦rez (ES 2004; UA: 26. 05. 2005). El tren del wolframio, Regie: Ramûn de Fontecha (ES 2004). El viaje de Carol (Carols Reise), Regie: Imanol Uribe (ES-PT 2002, UA: 04. 09. 2002). En brazos de la mujer madura (In Praise of Older Women), Regie: Manuel Lombardero (ES 1997, UA: 11. 04. 1997). En construcciûn, Regie: Jos¦ Luis Guer†n (ES 2000, UA: 16. 10. 2001). Encontrar‚s dragones (Glaube, Blut und Vaterland), Regie: Roland Joff¦ (ES-US 2011, UA: 15. 03. 2011). Entre rojas (Women in Prison), Regie: Azucena Rodr†guez (ES 1995, UA: 21. 04. 1995). Eres mi h¦roe (My Hero), Regie: Antonio Cuadri (ES 2003, UA: 29. 05. 2003). Escuchando al juez Garzûn, Regie: Isabel Coixet (ES 2011, UA: 20. 04. 2011). EspaÇa otra vez (Spain Again), Regie: Jaime Camino (ES 1968, UA: 03. 02. 1969). EspaÇa – ¢ltima esperanza. Apuntes de una Odisea, Regie: Karin Helml/Hermann Peseckas (AT 2006). Esp¦rame en el cielo, Regie: Antonio Mercero (ES 1987, UA: 28. 01. 1988). Exilio, Pedro Carvajal für TVE/La 2, 22. und 29. 09. 2002. Extranjeros de s† mismos (Sich selber fremd), Regie: Jos¦ Luis Lûpez-Linares/Javier Rioyo (ES 2000, UA: 01. 06. 2001). Familystrip, Regie: Llu†s MiÇarro (ES 2010, UA: 28. 05. 2010). Farmacia de guardia, Antonio Mercero für Antena 3, 19. 09. 1991 – 28. 12. 1995. Felipe y Letizia, BocaBoca für Telecinco, 25. und 27. 10. 2010. Fiesta, Regie: Pierre Boutron (FR 1996, UA: 26. 06. 1998). Flores tristes, Regie: Teo Manuel Abad (ES 2007). Francisco Boix, un fotûgrafo en el infierno, Regie: LlorenÅ Soler (ES 2000). Furtivos (Wilderer), Regie: Jos¦ Luis Borau (ES 1975, UA: 08. 09. 1975). Galicia, la tempestad del 36, Manuel Rivas/Alfonso Domingo für TVE/La 2, 23. 07. 2006. Gracias por la propina (Thanks for the Tip), Regie: Francesc Bellmunt (ES 1997, UA: 07. 11. 1997). Hable con ella (Sprich mit ihr), Regie: Pedro Almodûvar (ES 2002, UA: 15. 03. 2002). ¡Hay motivo!, Regie: Vicente Aranda/David Trueba/Isabel Coixet uvm. (ES 2004, UA: 12. 11. 2004). Head in the Clouds (Juegos de mujer), Regie: John Duigan (GB-DE-FR-ES 2004, UA: 11. 10. 2005). Hellboy, Regie: Guillermo del Toro (US 2004, UA: 01. 10. 2004). Historia de un beso (Story of a Kiss), Regie: Jos¦ Luis Garci (ES 2002, UA: 25. 10. 2002). Historias del Kronen (Treffpunkt Kronen-Bar), Regie: Montxo Armend‚riz (ES 1995, UA: 24. 04. 1995). Hollywood contra Franco (A War in Hollywood), Regie: Oriol Porta (ES 2008, UA: 15. 10. 2009).

Audiovisuelles Material

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Hormigas en la boca (Ants in the Mouth), Regie: Mariano Barroso (ES-CU 2005, UA: 28. 04. 2005). Hoy no se f†a, maÇana s† (Forever Waiting), Regie: Francisco Avizanda (ES-FR 2008, UA: 28. 11. 2008). Ich bin Enric Marco, Regie: Lucas Vermal/Santiago Fillol (ES 2009, UA: 18. 12. 2009). Inglourious Basterds, Regie: Quentin Tarantino (US-DE 2009, UA: 18. 09. 2009). Iris, Regie: Rosa Verg¦s (ES 2004, UA: 12. 07. 2004). Ispansi, Regie: Carlos Iglesias (ES 2010, UA: 26. 11. 2010). Juana la loca (Mad Love), Regie: Vicente Aranda (ES-IT-PT 2001, UA: 28. 09. 2001). La buena nueva (The Good News), Regie: Helena Taberna (ES 2008, UA: 14. 11. 2008). La buena vida (The Good Life), Regie: David Trueba (ES 1996, UA: 13. 12. 1996). La casita blanca, la ciutat oculta, Regie: Carlos Balagu¦ (ES 2002, UA: 29. 11. 2002). La caza (Die Jagd), Regie: Carlos Saura (ES 1966, UA: 09. 11. 1966). La colmena (Der Bienenkorb), Regie: Mario Camus (ES 1982, UA: 11. 10. 1982). La columna de los Ocho Mil (The 8000 People Column: A Forgotten Tragedy), Regie: Ýngel Hern‚ndez Garc†a/Antonio Navarro Mill‚n (ES 2005). La doble vida del faquir, Regie: Elisabet Cabeza/Esteve Riambau (ES 2005, UA: 29. 09. 2005). La escopeta nacional (The National Shotgun), Regie: Luis Garc†a Berlanga (ES 1978, UA: 14. 09. 1978). La escuela fusilada, Regie: IÇaki Pinedo/Daniel Ýlvarez (ES 2007). La gran aventura de Mortadelo y Filemûn (Clever and Smart), Regie: Javier Fesser (ES 2003, UA: 06. 02. 2003). La guerra cotidiana, Regie: Daniel Serra/Jaime Serra (ES 2002, UA: 19. 04. 2002). La guerra de Cevero, Regie: C¦sar Fern‚ndez (ES 2008). La guerra de los locos, Regie: Manuel Matji (ES 1987, UA: 11. 04. 1987). La guerra de Pap‚ (Daddy’s War), Regie: Antonio Mercero (ES 1977, UA: 19. 09. 1977). La guerrilla de la memoria (The Guerilla of Memory), Regie: Javier Corcuera (ES 2002, UA: 06. 02. 2002). La herida luminosa, Regie: Jos¦ Luis Garci (ES 1997, UA: 21. 03. 1997). La hora de los valientes (A Time for Defiance), Regie: Antonio Mercero (ES 1998, UA: 14. 12. 1998). La luz prodigiosa (The End of a Mystery), Regie: Miguel Hermoso (ES-IT 2002, UA: 31. 01. 2003). La mala educaciûn (La mala educaciûn – Die schlechte Erziehung), Regie: Pedro Almodûvar (ES 2004, UA: 18. 03. 2004). La mala muerte, Regie: Fidel Cordero/Jos¦ Manuel Mart†n (ES 2005). La memoria es vaga, Regie: Katie Halper (ES 2004). La memoria recobrada, Regie: Manuel Guti¦rrez Aragûn/uvm. für TVE/La 2, 16.07. – 13. 08. 2006. La muerte de nadie, Regie: Joan DolÅ Balaguer (ES 2003, UA: 24. 06. 2004). La mula, Regie: Michael Radford (ES-IE-GB 2010, UA: 09. 05. 2013). La noche m‚s larga (The Longest Night), Regie: Jos¦ Luis Garc†a S‚nchez (ES 1991, UA: 03. 10. 1991). La piel que habito (Die Haut in der ich wohne), Regie: Pedro Almodûvar (ES 2011, UA: 01. 09. 2011).

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Quellen- und Literaturverzeichnis

La plaza del diamante (The Time of the Doves), Regie: Francesc Betriu (ES 1982, UA: 25. 03. 1982). La prima Ang¦lica (Cousin Angelica), Regie: Carlos Saura (ES 1974, UA: 29. 04. 1974). La SeÇora, Diagonal TV für TVE/La 1, 06. 03. 2008 – 18. 01. 2010. La silla de Fernando, Regie: Luis Alegre/David Trueba (ES 2006, UA: 29. 11. 2006). La sombra del Iceberg, Regie: Hugo Dom¦nech/Raffll M. Riebenbauer (ES 2008, UA: 19. 12. 2008). La vaquilla (The Haifer), Regie: Luis Garc†a Berlanga (ES 1985, UA: 08. 03. 1985). La vida perra de Juanita Narboni (Juanita de Tanger), Regie: Farida Amor Benlyazid (ES 2006, UA: 18. 05. 2006). La vieja memoria (The Old Memory), Regie: Jaime Camino (ES 1977, UA: 12. 03. 1979). La virgen de la lujuria (The Virgin of Lust), Regie: Arturo Ripstein (ES 2002, UA: 06. 09. 2002). La vita À bella (Das Leben ist schön), Regie: Roberto Benigni (IT 1997, UA: 26. 02. 1999). La viuda del capit‚n Estrada (Captain Estrada’s Widow), Regie: Jos¦ Luis Cuerda (ES 1991, UA: 06. 09. 1991). La voz dormida, Regie: Benito Zambrano (ES 2011, UA: 23. 09. 2011). L‚grimas rojas, Regie: Luc†a Meler/V†ctor Riverola (ES 2006). Land and Freedom (Tierra y Libertad), Regie: Ken Loach (GB-ES-DE 1995, UA: 05. 04. 1995). Las bicicletas son para el verano (Bicycles Are for the Summer), Regie: Jaime Ch‚varri (ES 1983, UA: 26. 01. 1984). Las cajas espaÇolas, Regie: Alberto Porl‚n (ES 2004, UA: 12. 11. 2004). Las cosas del querer I (Die Dinge der Liebe), Regie: Jaime Ch‚varri (ES 1989, UA: 19. 09. 1989). Las cosas del querer II, Regie: Jaime Ch‚varri (AR-ES 1995, UA: 02. 03. 1995). Las fosas del silencio, Regie: Montse Armengou/Ricard Belis für TVC/TV3, 02. und 09. 03. 2003. Las largas vacaciones del 36 (Long Vacations of 36), Regie: Jaime Camino (ES 1976, UA: 28. 10. 1976). Las ratas (The Rats), Regie: Antonio Gim¦nez-Rico (ES 1997, UA: 14. 11. 1997). Liste, pronunciado Lister, Regie: Margarita Ledo (ES 2007). Lorca, el mar deja de moverse, Regie: Emilio Ruiz Barrachina (ES 2006, UA 29. 09. 2006). Los alzados de La Palma, Regie: David Baute; Cirilo Leal (ES 2006). Los aÇos barb‚ros (The Stolen Years), Regie: Fernando Colomo (ES 1998, UA: 10. 09. 1998). Los aÇos cuarenta. Amar en tiempos revueltos, Diagonal TV für TVE/La 1, 12. 06. 2008. Los aÇos oscuros, Regie: Arantxa Lazkano (ES 1993, UA: 26. 09. 1993). Los caminos de la memoria, Regie: Jos¦ Luis PeÇafuerte (BE-ES 2009, UA: 23. 04. 2010). Los d†as del pasado (The Days of the Past), Regie: Mario Camus (ES 1977, UA: 01. 03. 1978). Los h¦roes nunca mueren (Heroes Never Die), Regie: Jan Arnold (ES-FR-CH 2004). Los jinetes del alba, Vicente Aranda/Jos¦ Luis Tafur für TVE/La 1, 09. 01. 1991 – 06. 02. 1991. Los niÇos de Rusia (The Children of Russia), Regie: Jaime Camino (ES 2001, UA: 30. 11. 2001). Los niÇos perdidos del franquismo, Regie: Montse Armengou/Ricard Belis für TVC/TV3, 20. und 23. 01. 2002.

Audiovisuelles Material

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Los otros (The Others), Regie: Alejandro Amen‚bar (ES 2001, UA: 06. 09. 2001). Los santos inocentes (The Holy Innocents), Regie: Mario Camus (ES 1984, UA: 04. 04. 1984). Los fflltimos muertos de Franco, Regie: Joan Salvat (ES 2005). Luna de lobos, Regie: Julio S‚nchez Valdes (ES 1987, UA: 29. 05. 1987). Madregilda (Madre Gilda), Regie: Francisco Regueiro (ES 1993, UA: 26. 09. 1993). Marar†a, Regie: Antonio Jos¦ Betancor (ES 1998, UA: 23. 10. 1998). M‚s all‚ de la alambrada: La memoria del horror, Regie: Pau Vergera (ES 2005, UA: 06. 05. 2005). Mein Führer – Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler, Regie: Dani Levy (DE 2007, UA: 07. 08. 2009). Memoria de EspaÇa, El†as Andr¦s für TVE/La 1, 1. Staffel ab 03. 02. 2004, 2. Staffel ab 30. 11. 2004. Mirando al cielo, Regie: Jesffls Garay (ES 2008, UA: 18. 03. 2008). Muerte en El Valle, Regie: Christina Redondo Hardt (US-GB 1996). Muerte en Granada (Lorca – Mord an der Freiheit), Regie: Marcos Zurinaga (ES-US 1997, UA: 21. 02. 1997). Muertos de risa (Dying of Laughter), Regie: Ýlex de la Iglesia (ES 1999, UA: 11. 03. 1999). Mujeres en pie de guerra, Regie: Susana Koska (ES 2004, UA: 22. 10. 2004). NO-DO (The Beckoning), Regie: Elio Quiroga (ES 2008, UA: 12. 06. 2009). Noticias de una guerra, Regie: Eterio Ortega Santillana (ES 2006, UA: 30. 11. 2006). Nudos (Knots), Regie: Llu†s Mar†a Güell (ES 2003, UA: 07. 03. 2003). Obaba (Obaba – Das Dorf der grünen Eidechse), Regie: Montxo Armend‚riz (ES-DE 2005, UA: 16. 09. 2005). Obra maestra (Masterpiece), Regie: David Trueba (ES 2000, UA: 23. 10. 2000). Operaciûn Gûnada, Regie: Daniel Amselem (ES 2000, UA: 17. 03. 2000). P‚jaros de papel (Paper Birds), Regie: Emilio Aragûn (ES 2010, UA: 12. 03. 2010). Pans Labyrinth, Regie: Guillermo del Toro (ES-MX 2006, UA: 10. 10. 2006). Para que no me olvides, Regie: Patricia Ferreira (ES 2005, UA: 18. 02. 2005). Pascual Duarte, Regie: Ricardo Franco (ES 1976, UA: 03. 05. 1976). Pim, pam, pum… ¡Fuego! (Ready, Aim, Fire!), Regie: Pedro Olea (ES 1975, UA: 05. 09. 1975). Plaza de EspaÇa, Hill Valley für TVE/La 1, erste Staffel 25.07. – 29. 08. 2011. ¿Por qu¦ perdimos la guerra?, Regie: Diego Santill‚n Luis Galindo (ES 1978, UA: 05. 04. 1978). Presence of Mind (El celo), Regie: Antoni Eloy (US-ES 1999, UA: 23. 11. 2000). Presos del silencio, Regie: Mariano Agudo/Eduardo Montero (ES 2005). Princesas (Prinzessinnen der Straße – Princesas), Regie: Fernando Leûn de Aranoa (ES 2005, UA: 02. 09. 2005). Que mi nombre no se borre en la historia, Regie: Verûnica Vigil/Jos¦ Mar†a Almela (ES 2006). Rejas en la memoria, Regie: Manuel Palacios (ES 2004, UA: 05. 11. 2004). R¦quiem por un campesino espaÇol (Mos¦n Mill‚n), Regie: Francesc Betriu (ES 1985, UA: 17. 09. 1985). Resultado final, Regie: Juan Antonio Bardem (ES 1997, UA: 26. 09. 1997).

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Retrato de familia (Family Portrait), Regie: Antonio Gim¦nez-Rico (ES 1976, UA: 17. 09. 1976). Salvador Puig Antich (Salvador –Kampf um die Freiheit), Regie: Manuel Huerga (ES 2006, UA: 15. 09. 2006). Santa Cruz por ejemplo… (Santa Cruz por ejemplo… – Der Mord von Santa Cruz), Regie: Günter Schwaiger/Hermann Peseckas (ES-AT 2005). Secretos del cor‚zon (Geheimnisse des Herzens), Regie: Montxo Armend‚riz (ES 1997, UA: 14. 03. 1997). SeÇora de, Regie: Patricia Ferreira (ES 2009, UA: 05. 11. 2010). Si te dicen que ca†, Regie: Vicente Aranda (ES 1989, UA: 19. 09. 1989). Siempre d†as azules, Regie: Israel S‚nchez-Prieto Crespo (ES 2005, UA: 12. 11. 2005). Sierra de Teruel (Hoffnung), Regie: Andr¦ Malraux (ES-FR 1938, UA: 26. 06. 1978). Sombras de Guerra, Legend Studios (ES 2007). Switch Reloaded, Hurricane für ProSieben, seit 2006. Talk of Angels (Pasiones rotas), Regie: Nick Hamm (GB 1995, UA: 15. 01. 1999). Temps de silenci, Diagonal TV für TVC/TV3, 2001 – 2002. Tesis (Faszination des Grauens), Regie: Alejandro Amen‚bar (ES 1996, UA: 11. 04. 1996). Tetro, Regie: Francis Ford Coppola (AR-ES-IT 2009, UA: 26. 06. 2009). The Wizard of Oz, Regie: Victor Fleming (US 1939). Tiefland; Regie: Leni Riefenstahl (DE 1940 – 1944). Tiempo de silencio (Time of Silence), Regie: Vicente Aranda (ES 1986, UA: 13. 03. 1986). Tiempos de azuc‚r (Sugar Times), Regie: Juan Lu†s Iborra (ES 2001, UA: 15. 06. 2001). Tierra de caÇones, Regie: Antoni Ribas (ES 1999, UA: 05. 09. 2000). Tiovivo c. 1950, Regie: Jos¦ Luis Garci (ES 2004, UA: 16. 09. 2004). To Be or Not to Be, Regie: Ernst Lubtisch (US 1942). Todo sobre mi madre (Alles über meine Mutter), Regie: Pedro Almodûvar (ES 1999, UA: 16. 04. 1999). Torrente 2, Misiûn en Marbella (Torrente 2: Mission in Marbella), Regie: Santiago Segura (ES 2001, UA: 29. 03. 2001). Tranv†a a la malvarrosa (Tramway to Malvarrosa), Regie: Jos¦ Luis Garc†a S‚nchez (ES 1996, UA: 19. 03. 1997). Tras el cristal (Im Glaskäfig), Regie: Agust† Villaronga (ES 1986, UA: 03. 03. 1987). Tras un largo silencio, Regie: Sabin Egilior (ES 2006, UA: 16. 02. 2007). Triple agent (Triple agente), Regie: Eric Rohmer (FR-ES-GR-IT-RU 2004, UA: 15. 10. 2004). Tu nombre envenena mis sueÇos (Your Name Poisons My Dreams), Regie: Pilar Mirû (ES 1996, UA: 23. 09. 1996). ¢ltimos testigos, Regie: Jos¦ Luis Lûpez-Linares/Manuel Mart†n Cuenca (ES 2008, UA: 25. 12. 2008). Un Franco, 14 pesetas (Crossing Borders), Regie: Carlos Igl¦sias (ES 2006, UA: 05. 05. 2006). Una inmensa prisiûn, Regie: Carlos Ceacero/Guillermo Carnero Rosell (ES 2005). Una pasiûn singular, Regie: Antonio Gonzalo (ES 2002, UA: 12. 12. 2002). Vacas (Vacas – Kühe), Regie: Julio Medem (ES 1992, UA: 26. 02. 1992). Veinte aÇos no es nada, Regie: Joaqu†n Jord‚ (ES 2005, UA: 17. 11. 2005). Visionarios (Visionaires), Regie: Manuel Guti¦rrez Aragûn (ES-FR 2001, UA: 11. 10. 2001). Vivir de pie. Las guerras de Cipriano Mera (Living on Your Feet: The Struggles of Cipriano Mera), Regie: Valenti Figueres (ES 2009, UA: 04. 12. 2009).

Websites, Wikis, Blogs und Foren

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Vivir la utopia (Living the Utopia), Regie: Juan Gamero/F. Rios (ES 1997). Volver (Volver – Zurückkehren), Regie: Pedro Almodûvar (ES 2006, UA: 16. 03. 2006). Volver a empezar (Starting Over), Regie: Jos¦ Luis Garc† (ES 1982, UA: 01. 03. 1982). Y al tercer aÇo, resucitû (And the Third Year, He Resuscitated), Regie: Rafael Gil (ES 1980, UA: 01. 03. 1980). Y tu mam‚ tambi¦n (…mit deiner Mutter auch!), Regie: Alfonso Cuarûn (ES 2000, UA: 11. 10. 2001). You’re the one (una historia de entonces) (You’re the one), Regie: Jos¦ Luis Garc† (ES 2000, UA: 13. 10. 2000).

Websites, Wikis, Blogs und Foren http://actualidad.academiadecine.com http://encuentrosdigitales.rtve.es http://es.wikipedia.org http://foroamar.rtve.es/ http://foros.elpais.com http://lamulalapelicula.blogspot.de http://politica.elpais.com http://tienda.rtve.es/ http://trecerosas.es www.abc.es www.antena3.com www.clubcultura.com www.cultura.elpais.com www.elespinazodeldiablo.com www.elmundo.es www.elpais.com www.faz.net www.fnff.es www.formulatv.com www.fpabloiglesias.es www.fr-online.de www.girasolesciegos.com www.imagenescontraelolvido.com www.imdb.com www.lagavillaverde.org www.larazon.es www.lavanguardia.com www.mcu.es www.nomesevoces.net www.nzz.ch www.oriafilms.de www.panegre.com

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Quellen- und Literaturverzeichnis

www.panslabyrinth.com www.publico.es www.rtve.es www.soldadosdesalamina.com www.spiegel.de www.sueddeutsche.de www.taz.de www.todoslosnombres.es www.youtube.com www.zeit.de

Gedruckte Quellen und Literatur Abril Palacios, Jos¦ Mar†a (2008): La Guardia Civil en la pantalla (1933 – 2004). Badajoz: Departamento de Publicaciones Festival Ib¦rico de Cine. Aguilar Fern‚ndez, Paloma (1996): Memoria y olvido de la Guerra Civil espaÇola. Madrid: Alianza. – (1999): Agents of Memory : Spanish Civil War Veterans and Disabled Soldiers. In: Jay Winter/Emmanuel Sivan (Hrsg.): War and Remembrance in the Twentieth Century. Cambridge [u. a.]: Cambridge Univ. Press, S. 84 – 103. – (2002a): Memory and Amnesia. The Role of the Spanish Civil War in the Transition to Democracy. New York: Berghahn Books. – (2002b): Justicia, pol†tica y memoria: los legados del franquismo en la transiciûn espaÇola. In: Alexandra Barahona de Brito/Paloma Aguilar Fern‚ndez/Carmen Gonz‚lez Enr†quez (Hrsg.): Las pol†ticas hacia el pasado. Juicios, depuraciones, perdûn y olvido en las nuevas democracias. Madrid: Istmo, S. 135 – 193. – (2003): La presencia de la guerra civil y del franquismo en la democracia espaÇola. In: Pasajes. Heft 11, S. 12 – 24. – (2006a): La evocaciûn de la guerra y del franquismo en la pol†tica, la cultura y la sociedad espaÇolas. In: Santos Juli— D†az (Hrsg.): Memoria de la guerra y del franquismo. Madrid: Taurus [u. a.], S. 279 – 317. – (2006b): Presencia y ausencia de la guerra civil y del franquismo en la democracia espaÇola. Reflexiones entorno a la articulaciûn y ruptura del ›pacto de silencio‹. In: Julio Arûstegui/FranÅois Godicheau (Hrsg.): Guerra Civil. Mito y memoria. Madrid: Marcial Pons, S. 245 – 294. – (2008): Pol†ticas de la memoria y memorias de la pol†tica. El caso espaÇol en perspectiva comparada. Madrid: Alianza. – /Humlebæk, Carsten (2002): Collective Memory and National Identity in the Spanish Democracy. The Legacies of Francoism and the Civil War. In: History & Memory. Heft 14, S. 121 – 164. Alarcûn, Tonio L. (2009): Apocal†pticos y desintegrados. Una panor‚mica sobre el cine fant‚stico espaÇol reciente. In: Dirigido por. Heft 393, S. 36 – 43. – (2010): Pa negre. Legado de sangre. In: Dirigido por. Heft 404, S. 19 – 20. Alary, Viviane/Corrado, Danielle (2007): Avant-propos. In: dies. (Hrsg.): La guerre

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