Zur Zulässigkeit von Vorhalten aus Schriftstücken in der Hauptverhandlung des Strafverfahrens [1 ed.] 9783428438259, 9783428038251


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Zur Zulässigkeit von Vorhalten aus Schriftstücken in der Hauptverhandlung des Strafverfahrens [1 ed.]
 9783428438259, 9783428038251

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BERND

KUCKUCK

Zur Zulässigkeit von Vorhalten aus Schriftstücken in der HauptVerhandlung des Strafverfahrens

Strafrechtliche Abhandlungen · Neue Folge Herausgegeben von Dr. Eberhard Schmidhäuser ord. Professor der Rechte an der Universit&t Hamborg

I n Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten

Band 31

Zur Zulässigkeit von Vorhalten aus Schriftstücken i n der Hauptverhandlung des Strafverfahrens

Von

Dr. Bernd Kuckuck

D U N C K E R

& H U M B L O T

/

B E R L I N

Z u r A u f n a h m e i n die R e i h e e m p f o h l e n v o n P r o f . D r . H a n s - L u d w i g Schreiber, G ö t t i n g e n

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Kuckuck, Bernd Z u r Zulässigkeit von Vorhalten aus Schriftstücken i n der Hauptverhandlung des Strafverfahrens. — 1. Aufl. — Berlin: Duncker u n d Humblot, 1977. (Strafrechtliche Abhandlungen: N. F.; Bd. 31) I S B N 3-428-03825-8

Alle Rechte vorbehalten © 1977 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1977 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berlin 65 Printed in Germany ISBN 3 428 03825 8

Vorwort Die Arbeit wurde 1973/74 verfaßt und hat der Juristischen Fakultät der Universität Göttingen i m Sommersemester 1975 und i m Wintersemester 1975/76 als Dissertation vorgelegen. Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur sind i m wesentlichen bis Frühjahr 1976 eingearbeitet. Mein herzlicher Dank gilt Herrn Professor Dr. Hajis-Ludwig Schreiber, der die Schrift angeregt und i n großzügiger Zurückstellung meiner Assistentenaufgaben durch Anteilnahme und K r i t i k gefördert hat. Herrn Professor Dr. Eberhard Schmidhäuser danke ich für die Aufnahme i n die Reihe der Strafrechtlichen Abhandlungen und die Betreuung der Drucklegung, der Juristischen Fakultät der Universität Göttingen und der Bremer Stiftung zur Förderung der Wissenschaften und der Universität für den Druckkostenzuschuß. Göttingen, i m Oktober 1976 Bernd Kuckuck

Inhaltsübersicht

Erster Teil:

Grundlegung

Zweiter

Die zentrale Bedeutung der §§ 253, 254 f ü r die Frage des

Dritter

Teil:

Teil:

Vierter Teil:

15

Vorhalts aus Schriftstücken

115

Z u r Zulässigkeit von freien Vorhalten

168

Ergebnis der Untersuchung u n d Strafprozeßreform

240

Inhaltsverzeichnis Erster Teil

Grundlegung I. Vorbemerkungen

IL

15

1. Die Bedeutung u n d die Schwierigkeit der Sachverhaltsaufklärung

15

2. A u f b a u u n d Gedankenführung der A r b e i t

16

3. Die Rolle von Vorhalten bei der Sachverhaltsermittlung i n der Hauptverhandlung

17

Geschichtliche

18

Grundlagen

1. Das Inquisitionsverfahren nach der CCC

19

2. Die Wahrheitserforschung i m gemeinen deutschen Strafprozeß . .

22

3. Die Rolle von Vorhalten bei der Sachverhaltsermittlung nach den reformierten Verfahren

23

a) Hinsichtlich des Angeklagten

26

b) Hinsichtlich der Zeugen u n d Sachverständigen

27

c) Einordnung der Vorhaltbestimmungen

29

4. Der Vorhalt i m Schrifttum des reformierten Prozesses

34

a) Hinsichtlich der Zeugen u n d Sachverständigen

35

b) Hinsichtlich des Angeklagten

36

5. Die Reichsstrafprozeßordnung als Kompromißlösung III.

Darstellung

der Auffassungen

zur Zulässigkeit

von Vorhalten

38 in der

Hauptverhandlung

40

1. Keine ausdrückliche Regelung des Vorhalts mehr

40

2. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts bis 1920 a) Das Aufweichen der F o r m durch mündliche Vorhalte

40 40

b) Das Abrücken von den genauen Erfordernissen der §§ 252, 253 (253, 254)

44

c) Das Schwanken i m Beweiswert

48

8

Inhaltsverzeichnis 3. Die Auffassung des Schrifttums zur RStPO (bis 1920)

51

a) Hinsichtlich des Angeklagten

52

aa) Die Ansicht der h M

52

bb) Die Ansicht einer Mittelmeinung

54

cc) Die Auffassung der Gegenmeinung

54

b) Hinsichtlich der Zeugen u n d Sachverständigen

56

aa) Die Auffassung der h M

57

bb) Die Standpunkte der Gegenmeinung

57

c) Die Annäherung der Stundpunkte

58

d) Reformbestrebungen u n d Vorhalte

60

4. Die weitere E n t w i c k l u n g der Rechtsprechung zum Vorhalt (von 1920 bis heute) . . 62 a) Das Reichsgericht nach 1920

62

aa) Die Gleichgültigkeit der F o r m

64

bb) Die Gleichgültigkeit der Grundlage

65

cc) Das Nichteingreifen der Urkundenvorschriften

66

dd) Der Vorrang der Beweiswürdigung: E i n Beweismittel (ganz) zu ersetzen, ist die Grenze für den Beweiswert des Vorhalts 67 ee) Die Weite u n d Unübersichtlichkeit der Urkundenverwertung

70

ff) Die ersten Anzeichen für einen Meinungsumschwung

72

b) Die neuere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, des Bundesgerichtshofs u n d der Oberlandesgerichte

73

aa) Die weite Zulassung als generelles Vernehmungsinstitut

74

bb) Die Beurteilung als „bloßer Vernehmungsbehelf"

76

cc) Die Anstrengungen Einzelfall

verstärkter

Revisionskontrolle

im

5. Die Auffassungen des Schrifttums zum Vorhalt (von 1920 bis heute) a) Der Standpunkt der überwiegenden Meinung

77 81 81

aa) Die Stellungnahmen zur Reichsgerichtsrspr. nach 1920 . . .

81

bb) Die Stellungnahmen zur V o r h a l t j u d i k a t u r des Bundesgerichtshofs

83

b) Die Mindermeinung

86

aa) Die Gegenstimmen zur Reichsgerichtsrspr. nach 1920

86

bb) Die Angriffe gegen die Vorhaltunterscheidung des B G H . .

87

c) Differenzierende, den Vorhalt einschränkende M i t t e l m e i n u n gen

89

aa) Den Verlesungsvorhalt ausschließende Auffassungen

90

bb) Den Vorhalt aus unverlesbaren Urkunden einschränkende bzw. ablehnende Ansichten

91

Inhaltsverzeichnis I V . Kritisch-systematische Grundlegung

Einordnung,

methodische

und

begriffliche

1. Kritisch-systematische Einordnung

92 92

a) Der Vorhalt aus den A k t e n

92

b) Die Rolle der einschlägigen Prozeßgrundsätze

93

c) Die heutige Diskussion u m den Vorhalt

94

2. Methodische Grundlegung

94

a) Vorgebliche Rechtsgrundlagen des Vorhalts nach der Rspr. . . .

95

b) Die Entwicklungslinie des Schrifttums

96

c) Erschließung aus dem Gesetz

96

aa) Die grundsätzlichen Rechte u n d Pflichten des Vorsitzenden

97

bb) Die gesetzliche Regelung der Zeugenvernehmung

97

cc) Die Gutachtenerstattung nach dem Gesetz

98

dd) Grundsätzliches zur Vernehmung des Angeklagten

98

d) Die unterschiedlichen Aufgaben der jeweiligen Vernehmung e) Kritische Folgerungen

99 100

f) Die Aktenkenntnis des Vorsitzenden u n d die A k t e n v e r w e r t u n g 102 aa) Die Vorbereitung der Hauptverhandlung

102

bb) Unterscheidung von Aktenkenntnis u n d A k t e n v e r w e r t u n g 104 cc) Formelle u n d materielle A k t e n Verwertung bei Anwesenheit der Auskunftsperson 104 3. Terminologische Grundlegung

105

a) Sammelsurium an Kennzeichnungen u n d Unterscheidungen . . 105 b) Das Verhältnis des Vorhalts zur Frage

107

c) Begriffliche Analyse u n d Abgrenzung

108

aa) Das Herantragen als Wesenskern

108

bb) Die F i n a l i t ä t als Anreiz

108

cc) Die Erscheinungsformen des Vorhalts

109

dd) Unumgängliche u n d unnötige Ungenauigkeiten der Bezeichnung 110 ee) Zwischenergebnis

114 Zweiter

Teil

Die zentrale Bedeutung der §§ 253,254 für die Frage des Vorhalts aus Schriftstücken I. Der Hintergrund I I . Die Rechtsnatur

der §§ 136 Abs. 2, 69 Abs. 1

115

des § 253

116

Inhaltsverzeichnis

10

1. Herrschende Rspr. u n d Lehre: Urkundenbeweis

116

2. Mindermeinung: Vorhalt

119

3. Eigene Stellungnahme

120

a) Wörtliche Auslegung

121

b) Systematische Auslegung

125

aa) Die Bedeutung des § 251 Abs. 3

126

bb) Die Bedeutung des § 255

127

c) Historische Auslegung

130

aa) Die erste Lesung

130

bb) Die zweite Lesung

130

cc) Folgerungen

133

d) Teleologische Auslegung: K r i t i k der h M

135

aa) Die Grundsätze der Mündlichkeit u n d Unmittelbarkeit . . . 136 bb) Das System der StPO u n d die Widersprüche der h M e) Vorhalt u n d Beweisergänzung: K r i t i k Meinung

der

aufkommenden

138 141

aa) Z u Eb. Schmidt

143

bb) Z u L o h r u n d Krause

144

f) Urkundenbeweis u n d Beweisergänzung: Wesensbestimmung 145 aa) Urkundenbeweis als Urkundenverwertung bb) Beweismittelersetzung u n d Beweismittelergänzung g) Zwischenergebnis III.

Die Rechtsnatur

des §254

146 146 150 150

1. Herrschende Rspr. u n d Lehre: echter (selbständiger) U r k u n d e n beweis 151 a) Das Verlesen zum Zwecke der Beweisaufnahme über ein Geständnis 151 b) Das Verlesen zur Feststellung u n d Hebung von Widersprüchen 152 2. Gegenmeinung: Vorhalt bzw. eingeschränkter Urkundenbeweis . 152 a) Das Verlesen zur Feststellung u n d Hebung von Widersprüchen 152 b) Das Verlesen zum Zwecke der Beweisaufnahme über ein Geständnis 153 3. Eigene Stellungnahme a) Verlesen über ein Geständnis

154 154

aa) Wörtliche Auslegung

155

bb) Historische Auslegung

155

cc) Systematische Auslegung

156

Inhaltsverzeichnis dd) Teleologische Auslegung

157

ee) Zwischenergebnis

159

b) Verlesen zur K l ä r u n g von Widersprüchen

159

c) Methodischer Ausblick

160

I V . Folgerungen tenvorhalte

auch für die Frage nach der Zulässigkeit

formfreier

Ak160

1. Die A u s w i r k u n g e n nach der Rspr. u n d h M u n d nach der Gegenmeinung 160 2. Methodische Unzulänglichkeiten beider Auffassungen

161

a) Vorabentscheidungen der eigentlichen Auslegungsprobleme . . 161 b) Verabsolutierung des Vorhalts aus den A k t e n

163

aa) Die A b l e i t u n g Sax' bzw. Gollwitzers

163

bb) Die A b l e i t u n g Schneidewins

164

c) Fehlende Verifizierung

165

d) Das eigentliche Problem des Aktenvorhalts

165

e) Fazit: Die Vorhaltnatur folgt (aus) der tatsächlichen Beweisw i r k u n g , nicht aber allein dem Prozeßzweck 166

Dritter

Teil

Zur Zulässigkeit von freien Vorhalten I. Zur Möglichkeit frei Urkundenbeweises)

II.

gestalteter

Vorhalte

(anstatt

eines

zulässigen

168

1. Urkundenbericht u n d Urkundenvorhalt

168

2. Beweisführung u n d Sachleitung

171

Zur Problematik der formfreien Vorhalte Schriftstücken, wenn ein Urkundenbeweis kommt)

(auch aus unverlesbaren also nicht in Betracht

1. Urkundenbeweis u n d V o r h a l t : K r i t i k der Rspr. u n d h M

172 172

a) Die „Bestätigung" des Vorhalts durch eine Auskunftsperson . . 173 b) Der Vorhalt als „Bestandteil" der Aussage

174

c) Die Inkonsequenz der Vorhaltrechtsprechung zu § 252

176

d) Der Beweischarakter als tieferer G r u n d für die sprachlichen Fehlleistungen u n d das Andauern des Meinungsstreits 178 e) Widersprüchliches Leerlaufenlassen von Protokollrügen

179

12

Inhaltsverzeichnis 2. Gefahr von Leerformeln

180

3. Z u r Zulässigkeit von Vorhalten gegenüber dem Beschuldigten . . . 182 a) Die Rechtsstellung des Beschuldigten

182

b) Die Vernehmung als freier zusammenhängender Bericht

185

c) Der weitere A b l a u f der Vernehmung

188

aa) Die Tragweite des § 257 Abs. 1

188

bb) Die Beschränkung des § 254

189

cc) Die Bedeutung der Widerspruchsaufklärung

189

dd) Der I n h a l t eines „Geständnisses"

190

d) Das Verhör als R e l i k t des Inquisitionsprozesses

191

aa) Der „Wissensvorhalt"

192

bb) Der „Wollensvorhalt"

193

e) Die Vorteile eines Verzichts auf den Vorhalt

194

4. Z u r Zulässigkeit der ersatzweisen Vernehmung von Verhörspersonen des Beschuldigten 196 5. Z u r Zulässigkeit von Vorhalten gegenüber Zeugen

198

a) Grundsätzliches zur Vernehmung des Zeugen

198

b) „Wollensvorhalte" u n d Willensautonomie

199

c) Die Pflicht des Gerichts, die Wahrheit zu ermitteln u n d Falschaussagen zu verhüten 201 aa) Die Fragwürdigkeit von Zeugenaussagen

202

bb) Z u r Psychologie der Aussage

203

cc) Z u r Psychologie der Vernehmung

205

(aa) Suggestion

206

(bb) Stichwortfragen

209

(cc) Eigene Aussageerweiterungen u n d fremdgesteuerte Aussageauffüllungen 210 (dd) Konstanz u n d Inkonstanz der Aussage u n d Aussagenanpassung 211 dd) Die Unzulänglichkeit von Protokollangaben

213

ee) Zwischenergebnis

214

ff) Z u r Psychologie richterlicher Überzeugungsbildung

215

(aa) Z u r psychologischen Situation der m i t den A k t e n vertrauten Berufsrichter 216 (bb) Z u r psychologischen Situation der übrigen Richter . . 222 d) Ergebnis: Der Vorhalt ist Urkundenbeweis

224

aa) Der Vorhalt als eingeschränkter Urkundenbeweis bb) K e i n Urkundenbeweis §§ 253, 254

über

Hilfstatsachen

neben

224 den

226

Inhaltsverzeichnis cc) Das Verhältnis zwischen Vorverfahren u n d Hauptverfahren 227 e) Ergebnis: Der freie Vorhalt verstößt gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit, zumeist auch gegen den der Mündlichkeit . . 230 f) Die Bedeutung der prozessualen Formen der Unmittelbarkeit i m allgemeinen u n d des Verlesens i m besonderen 232 aa) Der Bang der Unmittelbarkeit

232

bb) Die Beurteilung des gesetzgeberischen Kompromisses von 1877 aus heutiger Sicht 233 cc) Der Wandel i n der Beweismittelbedeutung dd) Wahrheit u n d Justizförmigkeit Form

Vierter

235

u n d der Eigenwert

der

236

Teil

Ergebnis der Untersuchung und Strafprozeßreform I. Zusammenfassung I I . Folgerungen III.

de lege lata

240

de lege ferenda

Ausblick auf sonstige durch das 1. StVRG

Reformvorschläge

Literatur- und Zitierverzeichnis

241 und

Bilanz

der

Reform 243 247

Abkürzungsverzeichnis A d C N.F.

= Neues A r c h i v des Criminalrechts

Diss.

= Dissertation

Einl.

=

f.

= folgende (Seitefn])

Einleitung

G

= Gesetz

GrKrim

= Grundlagen der K r i m i n a l i s t i k

GS

= Der Gerichtssaal

Hb

= Handbuch

HV

=

Hauptverhandlung

Komm.

=

Kommentar

Lb

= Lehrbuch

MIKV

= M i t t e i l u n g e n der Internationalen Kriminalistischen Vereinigung

N. = Note

= Fußnote

o. Z.

= ohne Zusatz

Rn

= Randnote

Vorb.

=

ZEntwPsych

= Zeitschrift f ü r Entwicklungspsychologie u n d Pädagogische Psychologie

Vorbemerkung

ZexPsych

= Zeitschrift für angewandte u n d experimentelle Psychologie

ZfPsych

= Zeitschrift für Psychologie u n d Physiologie der Sinnesorgane

ZRP

= Zeitschrift f ü r Rechtspolitik

Erster Teil

Grundlegung I. Vorbemerkungen 1. Die Bedeutung und die Schwierigkeit der Sachverhaltsaufklärung

Das Strafurteil bildet die autoritative Entscheidung über einen historischen Sachverhalt 1 . Da jeder Rechtssatz an einen Sachverhalt anknüpft, bedarf es, u m eine wahre und gerechte Entscheidung zu treffen, zuvor einer zuverlässigen Tatsachenermittlung 2 . Die Auffindung des auf den ermittelten Tatsachen beruhenden Sachverhalts und damit die Beweisaufnahme bildet also den Kern jeden Strafprozesses. Die Aufklärung des jeweils erheblichen Sachverhalts stellt das Gericht auch vor die umfangreichste und schwierigste Aufgabe, liegt doch der zu beurteilende Vorgang abgeschlossen i n der Vergangenheit und muß sich der Richter für seine Forschungstätigkeit zumeist auf die Wahrnehmungen und Aussagen dritter Personen stützen. Nur durch Beweis „festgestellte" Tatsachen darf er seiner Urteilsbildung zugrunde legen. Das Beweisrecht ist i n der Wissenschaft als Zentralproblem erkannt worden 3 . Auffallend bleibt jedoch, i n welchem Maße sie sich bei der Feststellung des einschlägigen Rechtssatzes u m die Erlangung und Wahrung von Rechtsstaatlichkeit bemüht, während der Bereich der Tatsachenfeststellung weithin vernachlässigt und dem richterlichen Ermessen überlassen bleibt 4 . Bei der Gleichwertigkeit von Rechtssatz und Sachverhalt muß jedoch auch die Sachverhaltsfeststellung zuverlässig und rechtmäßig erfolgen. Die Anstrengungen u m Gerechtigkeit und Sicherheit i m Rechtlichen sind daher zur Halbheit verurteilt ohne die gleichen Bemühungen um Sicherheit und Gerechtigkeit i m Tatsächlichen. Eine große Quelle der Unsicherheit i m Rahmen der Vernehmung und Beweisaufnahme bleibt der „Vorhalt" aus Schriftstücken. 1

RGSt 72, 339 (340). Z u r Prozeßtheorie u n d -praxis unten S. 215 f. 8 So auch Alsberg/Nüse, V o r w o r t zur 2. Auflage, S. X I , u n d Krause, Ub, S. 2 f. 4 Peters, Lb, V o r w o r t S. V - V I , stellt ein solches Bedauern seinem Lehrbuch voran. 2

16

1. Teil: Grundlegung

Alsbergs K r i t i k 5 i m Jahre 1930, daß über keine i m Zusammenhang mit dem förmlichen Beweisrecht stehende Frage größere Verwirrung herrsche als über das „Wesen des Vorhalts" und seine klare Abgrenzung vom Urkundenbeweis, gilt leider noch heute. Denn es gibt bis heute keine zusammenhängende Untersuchung über die Möglichkeit einer solchen Unterscheidung. Auch neuere Arbeiten 6 , die etwas Licht i n diesen bisher recht stiefmütterlich behandelten 7 Problemkreis getragen haben, lassen entscheidende Fragen i n bezug auf das „heikle Kapitel" 8 des Vorhalts aus den Akten unbeantwortet. Das Problem des Vorhalts stellt sich nicht nur für das heute geltende Strafprozeßrecht. Auch bei einer etwaigen Neugestaltung der Hauptverhandlung — etwa nach dem Vorbild des anglo-amerikanischen Verfahrens — w i r d die Bestimmung der Rechte und Pflichten der Vernehmenden, insbesondere des Vorsitzenden, das zentrale Problem sein 9 . 2. Aufbau und Gedankenführung der Arbeit

Wegen der Unklarheiten einerseits und der Gewichtigkeit des Problems für die Ziele des Strafverfahrens andererseits soll daher der Versuch gemacht werden, einen Neuansatz für ein richtiges Verständnis zu entwickeln. Zuerst gilt es deshalb, Inhalt, prozessuale Bedeutung und Zulässigkeit des Vorhalts aus dem Gesetz zu erschließen und darzulegen. Nach einer historischen und begrifflich-systematischen Grundlegung i m 1. Teil soll der 2. Teil den Inhalt und die prozessuale Bedeutung der Verlesungen nach den §§ 253, 254 StPO für die Frage des Vorhalts aufzeigen. Das Ergebnis muß dann an der grundsätzlichen Zulässigkeit frei gestalteter bzw. formfreier Vorhalte aus den Akten gemessen werden, die i m 3. Teil untersucht wird. Diese Untersuchung ermöglicht einen Vorschlag für die Strafprozeßreform.

5 Beweisantrag, S. 211, vgl. auch Alsberg/Nüse, 3. Aufl., S. 285 f., u n d Krause, Ub, S. 185. β F. W. Krause, Z u m Urkundenbeweis i m Strafprozeß, Kieler Rechtswissenschaftliche Abhandlungen Nr. 8 (1966), besprochen von Sax, J Z 1967, 229 f. Holle Eva Lohr, Der Grundsatz der U n m i t t e l b a r k e i t i m deutschen Strafprozeßrecht, Strafrechtliche Abhandlungen, Neue Folge, Bd. 8 (1972), besprochen von Koffka, ZStW 84 (1972), 706 f. 7 So auch Alsberg, Beweisantrag, V o r w o r t S. V I , u n d Sax, 229. 8 Eb. Schmidt, L k I, Rn. 442. 9 Vgl. n u r Herrmann, Die Reform der deutschen Hauptverhandlung (1971), insb. S. 388, u n d gegen i h n Arzt, M s c h K r i m 55 (1972), 385; Koffka, ZStW 86 (1974), 117 (120).

I. Vorbemerkung

17

3. Die Rolle von Vorhalten für die Sachverhaltsermittlung in der Hauptverhandlung

„Vorhalte" aus den Akten sind Bestandteile 10 der mündlichen Vernehmung zur Sache. Über den richterlichen Vorhalt „treten" die Akten bruchstückhaft i n die Hauptverhandlung: „Herr Α., Sie sind am Tage der Tatbegehung erst dann und dann nach Hause gekommen!?" — „Herr Z., vor der Polizei haben sie aber noch bekundet, daß Sie den Angeklagten schon da und da gesehen haben!" Derartige Beispiele richterlicher Vernehmungen kommen i n fast jedem Strafprozeß vor. Vorhalte sind heute unerläßliches Instrument fast einer jeden Hauptverhandlung 1 1 . Sie sind ein M i t t e l der Vernehmung zur Sache, sind aber zu einer solchen Selbstverständlichkeit geworden, daß sie kaum noch als ein besonderes Vernehmungsmittel bemerkt werden 12 . Als „die" A r t zu vernehmen, beherrschen sie den Verhandlungsstil, so daß die Vorhalte und ihre Bestätigungen vielfach m i t der Vernehmung zur Sache gleichgesetzt werden 1 3 . Vorhalte erfolgen i n allen denkbaren Variationen und Schattierungen. I n ihrer Vielfalt und Färbung spiegeln sie das Temperament und die Stimmung des Vernehmenden wider. Nicht immer w i r d dem Angeklagten dabei massiv „ins Gewissen geredet" und er „auf die erdrückende Beweislage hingewiesen" 14 , so daß sich auch schon die Einstellung des Richters zur Anklage ablesen läßt. Doch einzelne Rügen wie „Herr Α., wo sind Sie an dem und dem Tag gewesen?" — „ I n Berlin". — „Der und der Zeuge w i r d uns sagen, daß sie woanders gewesen sind", sind schon häufiger 15 . Dem Zeugen, der seine Aussage macht, w i r d etwa bedeutet, daß i n den Akten etwas ganz anderes steht. Dabei muß es nicht immer so weit kommen, daß der Vorsitzende, mit dem Finger i n den Ermittlungsakten, den gesamten Akteninhalt abfragt. Polizeiliche Vernehmungsprotokolle werden jedoch mindestens dann vorgehalten, wenn sich Abweichungen ge10 Ohne daß damit schon eine Charakterisierung ihrer prozessualen N a t u r gegeben werden soll oder kann, w i e Kleinknecht, StPO, § 249 A n m . 5, u n d Sax, K M R , § 249 A n m . 2 e u. 3 a, glauben. 11 Vgl. Dahs, Hb, Rn. 427; Sarstedt, Revision, S. 195; Gollwitzer, LR, § 249 Anm. 14 a. 12 U n d auch nicht gesondert rechtlich angesprochen werden. Vgl. dazu unten i m Text S. 71 f. u n d 107. 13 Deutlich Anraths, S. 43: Der Angeklagte ist „ i m Wege des Vorhalts . . . zu vernehmen". 14 Diese Verhaltensweise eines Vorsitzenden nahm der B G H i n BGHSt 14, 189 widerspruchslos hin. Scharf dagegen Hanack, JZ 1971, 170. 15 Vgl. die Bispiele bei Stein, Z u r Justizreform (1907), S. 30, sowie die H i n weise bei Breithaupt, D R i Z 1962, 47 (48), u n d Dahs, G A 1973, 317 (318).

2 Kuckuck

18

1. Teil: Grundlegung

genüber früheren Aussagen ergeben. Das gleiche geschieht, u m das Gedächtnis der Beweisperson zu „stützen". I n fast jeder Haupt Verhandlung hält der Richter dem Angeklagten, den Zeugen und Sachverständigen aufgrund seiner Aktenkenntnis Umstände vor und oft benutzt er die Akten unmittelbar als „Vernehmungsbehelf". Als bloßen „Vernehmungsbehelf" beurteilen Rspr. 18 und die h M 1 7 den Vorhalt aus den Akten. Man schließt sich zumeist der Definition Belings 1 8 an, der schon 1900 ausgeführt hatte, die „Vorhaltung des Inhalts einer Urkunde" sei „nicht Urkundenbeweisaufnahme", sie ermögliche „nicht die Benutzung des Urkundeninhalts", sondern solle „nur ein Anreiz" sein für die Person, der gegenüber die Vorhaltung erfolge, sich über gewisse Punkte auszusprechen. Die zahlreichen und differenzierenden Entscheidungen der Obergerichte zu diesem „Anreiz" beweisen aber, daß das letzte Wort zu dieser Frage noch nicht gesprochen ist 1 9 . Eine Klärung des Problems ist aber sehr wünschenswert. Denn ihre Bedeutung für die Sache des Strafprozesses kann gar nicht überschätzt werden. Vorhalte aus den Akten könnten u. a. die Grundsätze der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit verletzen. Damit geht es u m eine „Angelegenheit von höchster justizförmiger Bedeutung" 2 0 . Uber den Vorhalt t r i t t der Richter aber auch i n eine direkte Beziehung zu dem Angeklagten, den Zeugen und Sachverständigen. Damit geht es auch u m das Vertrauen zu den Strafgerichten und u m ihre Glaubwürdigkeit. I I . Geschichtliche Grundlagen Der heutige Prozeß ist das Ergebnis einer langen Entwicklung. Das gegenwärtige Strafprozeßrecht fußt auf den Erkenntnissen, die i m Kampf gegen den schriftlichen und geheimen Inquisitionsprozeß erarbeitet w u r den. Deshalb soll zuerst ein Rückblick auf die geschichtlichen Grundlagen des Beweisrechts unter besonderer Betonung des Vorhalts erfolgen. Damit w i r d ein besseres Verständnis für die Wege zur prozessualen Wahrheit und für den Stellenwert von Schriftstücken bei der Vernehmung geschaffen. Zugleich ergibt sich damit der Standort der geltenden Strafprozeßordnung i n der Geschichte. 16

BGHSt 11, 338. Sax, K M R , § 249 A n m . 3 a; Kleinknecht, § 249 A n m . 5; Lohr, S. 128. 18 Beling i n der Bearbeitung des Lehrbuchs von Hans Bennecke, vgl. Bennecke/Beling, S. 342. 19 Dazu unten S. 71 f., 81. 20 Eb. Schmidt, Nachtragsband I, § 249 A n m . 19. Dazu unten S. 236 f. 17

II. Geschichtliche Grundlagen

19

1. Das Inquisitionsverfahren nach der CCC

Die (verantwortliche) Beweisaufnahme i m Rahmen einer öffentlichmündlichen Hauptverhandlung hat, gemessen an der Geschichte des deutschen Strafverfahrens überhaupt, keine sehr lange Vergangenheit. Dennoch lohnt sich ein historischer Überblick für eine Beurteilung der gegenwärtigen Probleme. Denn für Rückschlüsse auf den Vorhalt i. S. unseres Themas ist nicht entscheidend die Übereinstimmung des äußeren Rahmens. Entscheidend ist die Frage, ob Vorhalte dort geschahen, wo der wirkliche Anknüpfungspunkt für die Urteilsfällung lag und damit der wahre Schwerpunkt des Verfahrens. Erst m i t dem Entstehen der peinlichen Strafen und dem Zurückdrängen der Gerichtsversammlung 1 entwickelten sich i m Strafverfahrensrecht die Grundsätze, die bis auf den heutigen Tag unserem Beweisrecht zugrunde liegen. Es bildete sich ein von Amts wegen eingeleiteter und amtlich durchgeführter Inquisitionsprozeß, der vom Streben nach materieller Wahrheit getragen wurde. Das streng formale Beweisprinzip 1 war sinnlos geworden und machte einer „natürlichen" Beweisauffassung Platz, indem Beweis m i t rationalen Erkenntnismitteln geführt wurde hinsichtlich eines i n der Vergangenheit liegenden Sachverhalts 2 . Dabei wurde der Richter auch Kläger, Ankläger und Verteidiger i n einer Person, der Verletzte zum Zeugen, der Verdächtige zum Untersuchungsobjekt (Inquisit). Wo eine Tat sich hauptsächlich i n der Innenwelt abspielte und ein Verdacht nicht durch äußerliche Spuren (Zeugen) belegt werden konnte, entwickelte sich die Folter 3 . Die Verhaftungsmöglichkeit führte dazu, daß das unter Folterungen erzielte Geständnis des Beschuldigten Hauptmittel der Überführung wurde. Das sog. peinliche Verhör fand i n einer von wenigen Schöffen durchgeführten Voruntersuchung statt, so daß das Verfahren von Heimlichkeit und Schriftlichkeit beherrscht wurde 4 . Die Urteilsfindung stützte sich i m wesentlichen auf die Ergebnisse des Verhörs. Erfolgten Vorhalte i n der Voruntersuchung, so waren diese neben der Folter ohne Bedeutung. Das sich bildende Inquisitionsverfahren war ein nach heutigem Verständnis reines Zweckverfahren ohne viel prozessuale Formen 5 . Der das Geständnis widerrufende Beschuldigte konnte 1 Der germanische „Rechtsgang" kannte als Grundlage des Beweises nicht die A u f k l ä r u n g eines historischen Geschehens, sondern der Beweis — damit lag auch gleich das U r t e i l vor — erfolgte als K a m p f zwischen den Parteien. Beweismittel waren der E i d u n d das Gottesurteil, die an strengste Formen gebunden waren (vgl. Eb. Schmidt, Geschichte, S. 38; Glaser, Beiträge, S. 2 f.; Henkel, Lb, S. 23 f.). 2 Vgl. Krause, Ub, S. 10; Eb. Schmidt, Geschichte, S. 86. 3 Vgl. Eb. Schmidt, Geschichte, S. 91 f., 93. 4 Dazu Henkel, Lb, S. 34; Glaser, H b I, S. 80 f. 5 Henkel, Lb, S. 38.

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1. Teil: Grundlegung

bald durch das Zeugnis der Verhörkommission überführt werden 6 . Das ganze Schwergewicht des Prozesses lag i m geheimen amtlichen Vorverfahren, die „Hauptverhandlung" sank zum formalen, der Öffentlichkeit gebotenen Schaustück herab und wurde dann ganz fallengelassen 7 . So geriet man i n Widerspruch zum Sinn und zur Grundtendenz auch des Inquisitionsprozesses, dem Streben nach „materieller" Wahrheit. I n dieser Gefahr des Rechtsmißbrauchs versuchten die Rezeptionsgesetze anfangs des 16. Jahrhunderts eine wissenschaftliche und systematische Ordnung hineinzutragen, die i m Bereich des Strafverfahrensrechts zum ersten Male den Einsatz obrigkeitlicher Gewalt regelte und das richterliche Ermessen begrenzte 8 . Der Grundgedanke der Carolina ist die pflichtmäßige amtliche Wahrheitserforschung. Den formal dem Anklageprozeß gleichgestellten Inquisitionsprozeß erwähnt die CCC zwar nur i n A r t . 6 - 1 0 . Das Anklageverfahren betrifft i n Wirklichkeit aber, das ist für die spätere Entwicklung wichtig, nur den Beginn des Strafverfahrens 9 . Nicht mehr wie i m altdeutschen Verfahren bildete das gesprochene Urteil i n einer öffentlichen und mündlichen Verhandlung die Grundlage des Urteils. Zwar sah und hörte das peinliche Gericht nach A r t . 149 CCC den Beschuldigten und die Zeugen selbst und hatte auch den Augenschein selbst einzunehmen. I n der Mehrzahl der Fälle befahl die CCC jedoch, die Akten an einen rechtsgelehrten Oberhof zu versenden (vgl. Art. 219 CCC) 10 . Wahre Urteilsgrundlage waren die sorgfältig aufgezeichneten Verhöre (Art. 189 CCC). So bekam das eigentlich erkennende Gericht den Beschuldigten und die persönlichen Beweismittel überhaupt nicht zu Gesicht 11 . Die öffentlich-mündliche Schlußverhandlung, der sog. endliche Rechtstag, fand nur auf Antrag statt und blieb ein leeres Zugeständnis an altdeutsches Herkommen 1 2 . β

Vgl. Eb. Schmidt, Inquisitionsprozeß, S. 76; Geschichte, S. 100. Eb. Schmidt, Geschichte, S. 101 u. 102. Bezeichnend A r t . 123 CCB. 8 So Eb. Schmidt, Geschichte, S. 123; Inquisitionsprozeß, S. 76; vgl. auch Kern/Roxin, S. 341 (mißverständlich Lohr, S. 28), i m Gegensatz zur früher hM, nach der erst die Rezeption des kanonisch-italien. Verfahrens die Elemente des Inquisitionsprozesses nach Deutschland gebracht haben soll. 9 Vgl. Eb. Schmidt, Inquisitionsprozeß, S. 4 f.; Henkel, Lb, S. 41; v. Hippel. Lb, S. 33. 10 Vgl. dazu Zachariae, Gebrechen, S. 80; Eb. Schmidt, L k I, Rn. 427; zu A r t . 72 CCC Lohr, S. 26 f. Auch i n den anderen Fällen urteilten die Gerichte mittelbar aus den Akten. Den „inneren G r u n d " sieht Zachariae, a.a.O., S. 157, „ i n der unglücklichen Combination einer Forderung des accusatorischen P r i n cipe m i t dem inquisitorischen Verfahren, indem man einen Richter gewinnen wollte, der v o m Inquirenten als dem zugleich i n der Rolle des Anklägers fungierenden Proceß-Subjekte verschieden sey". 11 A r t . 78 - 96, insb. 91 f. CCC. 12 A r t . 91, 92 CCC; A r t . 123 CCB: „ . . . umb des gemeynen volks u n d alter gewohnheyt w i l l e n . . . " . Vgl. Henkel, Lb. S. 44 Note 9; Lohr, S. 28. 7

II. Geschichtliche Grundlagen

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Die Urteilsfindung verläuft nach bindenden gesetzlichen Beweisregeln. Das Beweisrecht ist weiter formal. Die Verurteilung setzt nun ein Geständnis, A r t . 60 CCC, oder zwei „gnugsame" einwandfreie, später i n Personengruppen eingeteilte, „klassische" Zeugen, A r t . 67, voraus. Die Zulässigkeit der Folter w i r d jedoch an das Vorliegen erheblicher Indizien geknüpft, die von allgemeiner forensischer Bedeutung sind 1 3 . Daneben w i r d auch der artikelweise „Vorhalt" als vorformuliertes Mittel der Vernehmung erwähnt (vgl. Art. 53, 56, 69), ein willkürliches Vorsagen und Hineinfragen w i r d jedoch untersagt: „Keynem gefangen die umbstende der missethat vorzusagen, sondern i n die gantz von i m selbst sagen lassen 14 ." Von größter Wichtigkeit ist, daß die Richter bei der Uberprüfung des Geständnisses „auff den grundt der warheyt kommen" (Art. 56) 15 . Um dem Ziel, die materielle Wahrheit zu erforschen, nahezukommen, werden für diese Probe ausführliche Einzelanweisungen gegeben (Art. 48 f.). Die Zeugenvernehmungen sind demgegenüber noch von untergeordneter Bedeutung 16 . Die zugelassenen Zeugen haben auch nur ihr eigenes Wissen zu bekunden (Art. 65). Zu ihnen nimmt man Zuflucht, wenn der Beschuldigte weder freiwillig noch unter der peinlilichen Frage geständig ist oder ein abgelegtes Geständnis später widerruft. Die Hilfsfunktion und Zielrichtung des Zeugenbeweises und insbesondere auch des „Vorhalts" beweist A r t . 69. Danach sollen die überführenden Zeugenaussagen dem Beschuldigten nochmals „vorgehalten" werden, um doch noch zu einem Geständnis zu kommen 1 7 .

13 A r t . 18 -20, 45: redliche anzeygung (des Verbrechens), argkwon u n d v e r dacht. Schwarzenbergs Indizienlehre enthält ζ. B. schon anschauliche W a r n u n gen vor dem Zeugenbeweis. Sie w a r insgesamt aber unzureichend, Glaser, H b I, S. 7. 14 A r t . 56 CCC. 15 Der fortfährt: „ . . . solchs w ü r d e t aber etwa damit verderbt, w a n n den gefangen i n annemen oder fragen, die selben umbstende der missethat vorgesagt u n d darauff gefragt werden. Darumb wollen w i r das die richter solchs fürkommen, dass es n i t geschehe, sonder den verklagten n i t anders vor oder i n n der frag, fürgehalten werde, dann nach der weiss, als clerlich i n n den vorgeenden artickeln, geschrieben steht." 16 Henkel, Lb, S. 42. A n der Tatsache, daß die Befragung des Angeschuldigten i n der CCC überall unter Umständen erwähnt w i r d , nach denen die Folter bald auf die Befragung folgte oder damit schon verbunden war, zeigt sich aber f ü r Mittermaier, Strafverfahren I, S. 589 u n d Note 11, daß die V e r nehmung des Beschuldigten, solange das Anklageverfahren noch die G r u n d lage blieb, gleichfalls auch auf das Vorlegen der Beschuldigungspunkte u n d nicht n u r auf das Streben nach Geständnis ausgerichtet war. 17 „ I t e m so der beklagt, nach genügsamer beweisung noch n i t bekennen wolt, soll i m angezeygt werden, dass er der missethatt bewiesen sei, ob m a n dadurch sein bekanntnuss dester eher auch erlangen k ü n d t , . . . "

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1. Teil: Grundlegung 2. Die Wahrheitserforschung im gemeinen deutschen Strafprozeß

Aus diesem Inquisitionsverfahren auf der Grundlage der CCC entwickelte sich eine Prozedur, die zum Teil bis i n die letzte Hälfte des 19. Jahrhunderts herschte — der gemeine deutsche Strafprozeß. Der Inquisitionsgedanke vervollkommnete sich unter dem Einfluß machtstaatlichen Denkens bis zur „letzten Folgerichtigkeit" 1 8 . Die Anklagemomente wurden abgebaut. Demgemäß gliederte sich das bisher einheitliche Untersuchungsverfahren i n zwei Teile. I n der Generalinquisition verschaffte sich der Untersuchungsrichter durch Augenschein und formfreie Vernehmungen die Gewißheit der Tat. I n der Spezialinquisition richtete sich die Untersuchung gegen einen meist i n Untersuchungshaft genommenen „peinlich Angeschuldigten" 10 . Nach Vorhalt der A n schuldigung und der bisherigen Ermittlungen erfolgte das „artikulierte Verhör" 2 0 . M i t der Einschiebung des „summarischen Verhörs" 2 1 , nachdem man General- und Spezialinquisition nicht mehr als besondere Prozeßabschnitte trennte, verlor der Kriminalprozeß jedoch bald jene Formenstrenge und nahm immer mehr die Gestalt formloser Nachforschung an. Die Generalinquisition wurde zum entscheidenden Teil des Verfahrens. Je mehr die Spezialinquisition zum bloßen „Schlußgehör" herabsank, je mehr der Schwerpunkt des Verfahrens von der Spezialinquisition entfernt wurde, desto schrankenloser beherrschte die Vernehmungen die W i l l k ü r des Inquirenten 2 2 . Dessen „Inquisitionskunst" trat aber nicht so i n Erscheinung, solange noch die Tortur das Beweissystem bestimmte. M i t der Abschaffung der Folter 2 8 gewann dann der Untersuchungsplan des Richters die überragende Bedeutung. Denn „die That weiß der Inquisit, nicht aber der Ad18

Henkel, Lb, S. 44 f. Eb. Schmidt, Geschichte, S. 195 f. 20 Die Fragen u n d A n t w o r t e n aus den bisherigen Vernehmungen sollten danach so als Fragestücke (Artikel) aneinandergefügt werden, daß ihre Bejahung durch den Inquisiten die Gewißheit der Täterschaft ergeben sollte. Dam i t sollte auch der Spruchstelle Einblick i n den Verfahrensgang verschafft werden. 21 Schon vor der förmlichen Überleitung des Verfahrens i n die Spezialinquisition wandte man sich i m Zuge der allgemeinen Nachforschungen damit auch an den Verdächtigen u m Aufklärung. 22 Vgl. von Kries, Lb, S. 44; Glaser, H b I, S. 97 f.; Mittermaier, Mündlichkeit, S. 286; Eb. Schmidt, Geschichte, S. 204 f., der auf S. 208 diese Zeit bezeichnet als „furchtbare Mahnung der Geschichte an die Obrigkeit, die ihre Grenzen n u r zu leicht v e r k e n n t . . 23 Friedrich der Große am 3. 6. 1740: „ I I voudrait mieux pardonner à vingt coupables que de sacrifier u n innocent" (zitiert nach Eb. Schmidt , Geschichte, S. 269). 19

II. Geschichtliche Grundlagen

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vocate" 24 . Seinem Gutdünken war es überlassen, ob er dem Beschuldigten die gegen ihn gemachten Bekundungen vorhalten w i l l oder nicht, da die Heimlichkeit beherrschender Verfahrensgrundsatz bleibt 2 5 . Auch änderte sich m i t der Abschaffung der „peinlichen Frage" nur die Vernehmungsmethode, nicht aber das Ziel der inquisitorischen Beweistätigkeit 2 6 . Der Beschuldigte ist primär Beweismittel und als solches bloßes Objekt der Staatsgewalt 27 . Dem Staat gegenüber ist er verpflichtet, die Wahrheit zu sagen, und alle sonstigen Mittel außer der Folter sind zulässig, u m ihn zur Wahrheit, d. h. zum Geständnis, zu bringen. Prügel, Drohungen, Haftverschärfungen als Ungehorsamsstrafen und Zwangsmittel zur Erforschung der Wahrheit treten so an die Stelle der Folter 2 8 . Später versucht man, den Inquisiten mit moralischen und psychischen Methoden mürbe zu machen 29 , ihn i n Widersprüche zu verwickeln und vorhandene Widersprüche gegen ihn auszunutzen, ihn zu überraschen und zu überrumpeln. Quod non est i n actis non est i n mundo! Die Unzuverlässigkeit der so geschaffenen Urteilsgrundlage wurde dadurch noch gesteigert, daß die erkennende Spruchbehörde nicht direkt aufgrund der Akten des Inquirenten urteilte, sondern anhand eines auszugsweise daraus hergestellten Berichts, der sog. Relation 3 0 . Es herrschte ein doppelt mittelbares Verfahren mit dem Inquirenten, bei dem der eigentliche Schwerpunkt des Prozesses lag, und dem Referenten als Mittler. 3. Die Rolle von Vorhalten bei der Sachverhaltsermittlung nach den reformierten Verfahren

Z u Beginn des 19. Jahrhunderts mehrten sich die Angriffe gegen diese Unzulänglichkeiten des schriftlich-mittelbaren Inquisitionsprozesses. Insbesondere Feuerbach 31 wollte dem Volk m i t der Öffentlichkeit des Ver24

So selbst Johann Brunnemann, Inquisitions-Process (1717), V I I I , 1. Theil, 74, S. 98. Einblicke auch noch bei Mejer, Beispiele aus der Criminal-Praxis (1843). 25 I n f o r m a t i v Liepmann, ZStW 44 (1924), 647 f. (650 f.). 28 Näher Zachariae, Gebrechen, S. 99; Henkel, Lb, S. 49; Liepmann, S. 651. 27 aA, aber wenig überzeugend Bollmann, Diss., S. 317. 28 Glaser, H b I, S. 104; Zachariae, Gebrechen, S. 107 f.; Mittermaier, Strafverfahren I, S. 502 f. 29 Dazu Liepmann, ZStW 44 (1924), 651. 30 Siehe dazu Zachariae, Gebrechen, S. 159 f.; Lohr, S. 30; Maas, S. 22, 23. Aufkommenden Beweisschwierigkeiten versuchte das Gericht dann notgedrungen durch einer Verwässerung der gesetzlichen Beweisregeln beizukommen. Vgl. Krause, Ub, S. 12. 31 I n seinen klassischen „Betrachtungen über die Öffentlichkeit u n d M ü n d lichkeit der Gerichtspflege" (1821). Hervorzuheben sind ferner Feuerbach, Betrachtungen über das Geschworenengericht (1813); Mittermaier, Die Mündlichkeit, das Anklageprinzip, die Öffentlichkeit u n d das Geschworenengericht

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1. Teil: Grundlegung

fahrens den Gang der Hechtspflege wieder nahebringen. Die Mündlichkeit der „Hauptverhandlung", die dem „Angeklagten" Gelegenheit zur Verteidigung geben sollte, sollte das erkennende Gerichte aus dem „Banne der Akten lösen" 3 2 » 3 3 . Streitig war insbesondere, welche Änderungen der „Anklageprozeß" verlangte und ob und wieviel inquisitarische Momente des Untersuchungsgrundsatzes nötig blieben 34 . Die ersten aus den Reformbestrebungen resultierenden Gesetzentwürfe stellten dann die nochmalige Vernehmung von abzuhörenden Personen i n der mündlichen Spruchverhandlung noch i n das Ermessen des Gerichts. Diese war daher nicht Hauptverhandlung und Schwerpunkt des Verfahrens, sondern bloßes Anhängsel an das bisherige Inquisitionsverfahren 3 5 . I m Anschluß an die durch die Frankfurter Nationalversammlung proklamierten, aber nicht i n Kraft getretenen „Grundrechte des deutschen Volkes" 3 8 kam es dann zu vom Geist der Revolution getragenen „reformierten" Strafverfahrensordnungen i n fast allen deutschen Ländern 3 7 . Die Betrachtung dieser Partikulargesetze zeigt, daß sie den Forderungen nach „Mündlichkeit" weitgehend nahekamen. Unter „Mündlichkeit" verstand man damals sowohl die mündliche Erörterung des Prozeßstoffs vor dem erkennenden Gericht als auch die unmittelbare Wahrnehmung des Gerichts von Verfahrensbeteiligten und Beweismitteln, (1845), insb. S. 245 f. u n d S. 13 f. als Zusammenfassung des damaligen Wissenschaftsstandes; Zachariae, Die Gebrechen u n d die Reform des deutschen Strafverfahrens (1846), insb. S. 78 f.; Leue, Der mündlich-öffentliche AnklageProzeß u n d der geheime schriftliche Untersuchungsprozeß i n Deutschland (1840); Ahegg, Beiträge zur Strafgesetzgebung (1841); Hepp, Anklageschaft, Öffentlichkeit u n d Mündlichkeit des Strafverfahrens (1842). 32 Eb. Schmidt, Geschichte, S. 280. 33 Die Hauptziele (und Hauptstreitpunkte) der Reform bildeten deshalb 1. die Einführung des Anklageprinzips m i t der Einsetzung der Staatsanwaltschaft, damit 2. auch die Trennung von Justiz und Verwaltung; 3. die Laienbeteiligung (Geschworenengerichte); 4. die Reform der Voruntersuchung und 5. die Urteilsfällung aufgrund einer öffentlich-mündlichen Hauptverhandlung unter stärkerer Beteiligung der Parteien an der Beweisaufnahme, i n der 6. das inquisitorische Verhör des Angeklagten beseitigt werden sollte. Vgl. Glaser, H b I, S. 162 f.; Eb. Schmidt, Geschichte, S. 327 f.; Henkel, Lb, S. 53 f.; von Kries, Lb, S. 55 f.; Ullmann, S. 46 f. 34 Ob also das englische oder das französische Verfahren stärker als V o r b i l d dienen sollte, s. Geyer, Lb, S. 86 f. Vgl. dazu auch die zahlreichen Nachweise bei Herrmann, Reform, S. 49 f. 35 Vgl. Stegmaier, Diss., S. 24 f.; Löhr f S. 34. 36 A r t . 178: „Das Gerichtsverfahren soll öffentlich u n d mündlich sein", s. bei Glaser, Holtzend. I, S. 72. 37 Lediglich i n Mecklenburg, Lippe-Detmold u n d Schaumburg-Lippe galt das gemeinrechtliche Inquisitionsverfahren bis zum I n k r a f t t r e t e n der RStPO i m Jahre 1879 weiter.

II. Geschichtliche Grundlagen

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ohne Vermittlung durch Akten und Relationen 38 » 39 . Das erkennende Gericht hatte nun grundsätzlich in einem mündlichen „ H a u p t v e r f a h r e n " 1 0 den Angeklagten, die Zeugen und Sachverständigen verantwortlich zu vernehmen. Aber erst die damit einhergehende Anerkennung des Prinzips der freien Beweiswürdigung machte die Sachaufklärung i m Strafprozeß zur zentralen richterlichen Aufgabe 41 . M i t dem Bestreben nach einer wirklichen mündlichen Hauptverhandlung ergab sich die Schwierigkeit zu entscheiden, welche Rolle die Ergebnisse des Vorverfahrens i n dieser noch spielen sollten und mußten. Damit rückte die Einrichtung des Vorhalts aus Akten i n den Blickwinkel und wurde zu einem Problem, das bis heute keine befriedigende Lösung gefunden hat. I n den Reformgesetzen finden sich noch ausführliche Vorschriften über die A r t und Weise, wie auf der einen Seite der Angeklagte, die Zeugen und Sachverständigen zu vernehmen sind und wann und wie auf der anderen Seite ein Augenscheins- oder Urkundenbeweis 42 zu führen ist 4 3 . I m großen und ganzen hielten die Gesetzgebungen dabei möglichsten A n schluß an die französischen Prozeßeinrichtungen und an die dortige Prozeßstruktur 44 . Dabei bietet sich keineswegs ein einheitliches B i l d der Auffassungen. Die Gesetzgeber standen der „Mündlichkeit des Verfahrens" unterschiedlich zurückhaltend gegenüber. Das i m Grundsatz anerkannte Prinzip der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme schillerte daher i n mannigfaltigen und unterschiedlichen Regelungen. Uneins war man sich auch darüber, ob und inwieweit Aktenvorhalte und Verlesungen, die die mündliche Vernehmung ergänzten bzw. als Mittel und neben der mündlichen Vernehmung erfolgten, noch zulässig sein sollten 45 . 38

Vgl. Lohr, S. 36; Stegmaier, S. 18; Maas, S. 24 f. E i n Abdruck der ersten Reformgesetze findet sich bei Haeb erlin, Sammlung der neuen deutschen Strafprozeßordnungen (1852). Gesetzesangaben ohne weitere Daten beziehen sich i m folgenden auf diese frühen, zumeist unmittelbar nach 1848 ergangenen Gesetze. 40 § 49 braunschw. StPO v o m 22. 8. 1849. 41 Damit w a r der zweite große Schritt zum heutigen Beweisrecht vollzogen. Krause, Ub, S. 15, 22. Eingehender Glaser, Beiträge, S. 23 f. 42 Die ältere Lehre unterschied nicht zwischen Augenscheinseinnahme u n d Urkundenbeweis. Die U r k u n d e n w u r d e n bis zur Einführung der freien richterlichen Beweiswürdigung ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des Beweiswertes gesehen. Vgl. noch Geyer, Lb, S. 730; Glaser, Beiträge, S. 360 f.; Zachariae, H b I I , S. 447. Siehe auch Krause, Ub, S. 87 f. 43 Vgl. n u r §§ 82 f. StPO Hannover; §§ 116 f. StPO Österreich. 44 Diese hatte man j a schon i n den linksrheinischen Gebieten kennen u n d schätzen gelernt. Vgl. Stegmaier, Diss., S. 12. Z u weiteren Gründen Schwinge, Schwurgerichte, S. 38 f. 45 Ob diese „Nebenherverlesungen" (RG G A 69 [1920-25], 88 [89], u n d 39

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1. Teil: Grundlegung a) Hinsichtlich

des Angeklagten

Drei Gesetze sehen eine dem englischen Vorbild nachempfundene und „dem Anklageprozeß nachgebildete Vernehmung" 4 6 vor: Württemberg 4 7 und Preußen 48 stellen die Frage an den Anfang, ob der Angeklagte sich schuldig bekenne oder nicht. I n Hessen-Nassau 49 werden, nachdem der Assisenpräsident den wesentlichen Inhalt des Anklageaktes wiederholt hat, dem sich passiv verhaltenden Angeklagten die Beweise vorgeführt. Verneint der Beschuldigte jedoch seine Schuld, t r i t t auch i n Württemberg 5 0 und Preußen 51 das i n den übrigen Gesetzen angeordnete Verhör durch den Vorsitzenden ein. Die meisten Gesetze trennen dabei aber sein Verhör bzw. seine Vernehmung von dem sich anschließenden „Beweisverfahren" 5 2 . Nach der württembergischen Strafprozeßordnung 53 fertigte der Untersuchungsrichter aus den bisherigen Ermittlungen noch eine A r t Relation an, die er dem Beschuldigten zur Erklärung vorhielt. Dagegen erfolgen Vorhalte i n Kurhessen 54 nur i n geeigneten Fällen und unter direkter Verwendung der bisherigen Ermittlungsergebnisse und seiner früheren Angaben. Zur Vorsicht gegenüber übereilten Vorhaltfragen nach den Ermittlungsakten, die die A n t w o r t vorwegnehmen könnten, warnt aber die Verfahrensordnung von Sachsen-Weimar: „Insbesondere ist auch die Stellung solcher Fragen zu vermeiden, i n welchen eine von dem Angeschuldigten geläugnete, oder doch wenigstens noch nicht eingestandene Thatsache als bereits zugestanden angenommen wird. Fragen, mit welStegmaier, Diss., S. 39) a u d i w i r k l i c h als Ausnahmen v o m Prinzip der U n m i t telbarkeit zu werten sind, vgl. unten S. 224 f., 230 f. 46 Planck, S. 360. 47 A r t . 90 Abs. 1 Gesetz über Schwurgerichte v o m 14. 8.1849. 48 A r t . 74 Abs. 2 des Gesetzes v o m 3. 5. 1852, betr. Zusätze zur V O v o m 3.1.1849 (vor den Schwurgerichten). 40 A r t . 137 Gesetz v o m 28. 10. 1848 f ü r Starkenburg u n d Oberhessen u n d v o m 14. 4.1849 für Nassau. Z u r Einordnung unten S. 32 bei Note 97. 50 A r t . 122 Abs. 2: „ E r (d. h.: der Präsident) durchgeht m i t i h m den wesentlichen I n h a l t des Anklageacts u n d macht i h n insbesondere auf Abweichungen zwischen seiner jetzigen u n d früheren Aussage aufmerksam. Er bemerkt i h m schließlich, daß er nunmehr die Belastungsgründe vernehmen werde, welche man gegen i h n vorzubringen habe." " A r t . 75, 76. 52 T i t e l V des 14. Hauptstücks der österr. StPO v o m 17. 1. 1850. Vgl. auch A r t . 233, 236 der StPO f ü r Sachsen-Weimar, -Meiningen, -Rudolfstadt etc. von 1850; § 14 der preuß. V O v o m 3. 1. 1849; § 64 Abs. 1 des Kurhessischen Gesetzes v o m 31. 10. 1848, betreffend die U m b i l d u n g des Strafverfahrens, u n d §§ 57, 90 der braunschweigischen StPO v o m 22. 8.1849. 53 A r t . 258, 256 StPO v o m 22. 6. 1843, deren „Schlußverfahren" nach A r t . 255 f. noch weitgehend f a k u l t a t i v u n d aktenmäßig verlief. 54 § 64 Abs. 1.

II. Geschichtliche Grundlagen

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chen dem Angeschuldigten Thatumstände vorgehalten werden, die durch seine A n t w o r t erst festgestellt werden sollen, dürfen erst dann gestellt werden, wenn der Angeschuldigte nicht i n anderer Weise auf jene Thatumstände geführt werden konnte 5 5 ." Die österreichische StPO 5 6 , ebenso von 1850, sowie schon die badische StPO von 184557 empfehlen: „Fragen, wodurch dem Angeklagten Thatumstände vorgehalten werden, die erst durch seine A n t w o r t festgestellt werden sollen, sind möglichst zu vermeiden." I n Baden 5 8 ist der Angeklagte genauso neutral wie ein Zeuge zu vernehmen. Nach einer zusammenhängenden Erzählung soll er nur noch durch weitere Fragen zur Ergänzung seiner Schilderung und zur K l ä rung von Widersprüchen veranlaßt werden. I n Österreich 59 und SachsenWeimar 6 0 ist er danach nur über die Gründe seiner Abweichungen und seines etwaigen Widerrufs zu befragen. Betrifft der Widerruf aber ein i n der Voruntersuchung abgelegtes Geständnis, so kann der Vorsitzende das früher abgelegte Geständnis aus den Voruntersuchungsakten vorlesen lassen 61 . b) Hinsichtlich

der Zeugen und Sachverständigen

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A n den Anfang der Vernehmung der Zeugen zur Sache stellen die meisten Strafprozeßordnungen wie Kurhessen, Württemberg, Österreich, Sachsen-Weimar, Baden und Hannover eine dem § 69 StPO vergleich55 A r t . 235 i V m 124 Abs. 2, 3. Ebenso A r t . 39 Abs. 2, 40 Abs. 1 f ü r das V o r verfahren des bayerischen G. über Schwurgerichte v o m 10. 11. 1848, vgl. A r t . 156. 56 § 272 S. 1 i V m § 213 S. 2. E i n gänzliches Verbot von solchen „Suggestivfragen" enthält dann § 176 Abs. 2 S. 2 der StPO von 1853. 57 § 160 S. 2 i V m §§ 231,196. 58 §§ 231, 196 i V m § 159: „ B e i der Vernehmung über die Sache selbst ist der Zeuge zuvörderst zu einer zusammenhängenden Erzählung der den Gegenstand des Zeugnisses bildenden Thatsachen, sodann durch weiteres Befragen zur Ergänzung derselben u n d zur Hebung von Dunkelheiten u n d Widersprüchen zu veranlassen." 59 § 272 S. 1 i V m §§ 212, 217. θ0 A r t . 235 A b s . l i V m A r t . 128: „Weichen frühere u n d spätere Angaben des Angeschuldigten voneinander ab, w i d e r r u f t er insbesondere frühere Geständnisse, so ist er über die Veranlassung zu den Abweichungen u n d über die Gründe seines Widerrufs zu befragen." 61 § 272 S. 4 Österreich. Fast w o r t w ö r t l i c h übereinstimmend A r t . 235 Abs. 3 Sachsen-Weimar. 62 I n erster L i n i e regeln die Gesetzgebungen das Ob u n d Wie der Vernehmung der Zeugen. F ü r die Sachverständigen g i l t dann i m allgemeinen E n t sprechendes, § 143 StPO Hannover v o m 8. 11. 1850; A r t . 169 Gesetz über Schwurgerichte von Bayern v o m 10. 11. 1848. Wo eine gesetzliche Regelung fehlt, wendet die Praxis die Zeugenregeln entsprechend an. Planck, S. 373; Stegmaier, Diss., S. 66.

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1. Teil: Grundlegung

bare Vorschrift zur zusammenhängenden Erzählung 6 3 . Erst danach sind weitergehende Fragen zur „Ergänzung" und „Hebung" von „Dunkelheiten und Widersprüchen" 64 an die Zeugen zu richten. Sie müssen insbesondere auch den Grund erforschen, worauf das Wissen des Zeugen beruht 6 5 . Ob, inwieweit und i n welcher Form dabei auf die Akten des vorbereitenden Verfahrens zurückgegriffen werden darf, ist — wenigstens dem Papier nach — genau wie gegenüber dem Angeklagten unterschiedlich. I n Baden, Österreich und Sachsen-Weimar müßte eine unmittelbare Aktenverwendung weitgehend ausscheiden66. Denn dort sind Fragen, die i h m Tatumstände vorhalten, die durch seine A n t w o r t erst festgestellt werden sollen, möglichst zu vermeiden 67 . I n Württemberg 6 8 soll ein Vorhalt über eine erst zu erforschende Tatsache nur als letztes M i t t e l erfolgen. Während i n einigen Reformgesetzen wiederum die Frage der Aktenbezugnahme mittels Vorhalt (zunächst) offenbleibt 69 , äußert sich auch hier die kurhessische Verfahrensordnung sehr klar. § 91 schreibt für die Zeugenvernehmung die „Benutzung der Ergebnisse des vorbereitenden Verfahrens" ausdrücklich vor 7 0 . Bei widersprüchlichen Angaben zwischen der Vernehmung i n der Hauptverhandlung und einer früheren ist nach § 106 sowohl dem Angeklagten als auch den Auskunftspersonen ein entsprechender „Vorhalt zu machen" 71 . 63 § 90 S. 2 Kurhessen: „Derselbe hat seine Kundschaft soviel, als thunlich, i n freier fortlaufender Erzählung anzugeben u n d die außerdem an i h n zu richtenden Fragen zu beantworten." Vgl. auch A r t . 204 Abs. 1 StPO Württemberg; §§ 275 Abs. 3 i V m 173 Österreich (§§ 236, 126 StPO von 1853); A r t . 237 Abs. 3 i V m A r t . 185 Abs. 1 Sachsen-Weimar; §§ 231, 159 Baden; §§ 143, 95 Hannover. 64 §§ 275 Abs. 3, 173 S. 1 Österreich (§§ 236, 126 StPO von 1853); § 159 Baden; A r t . 237 Abs. 3, 185 Abs. 1 Sachsen-Weimar; A r t . 222 der StPO des Königreichs Sachsen von 1858: „etwaigen Dunkelheiten . . . " 65 A r t . 237 Abs. 3, 185 Abs. 2 Sachsen-Weimar; §§ 275 Abs. 3, 173 Österreich; §§ 143 Abs. 1, 94 Abs. 1 Hannover; §§ 231, 160 Baden. Ferner § 123 Österreich von 1853; A r t . 222 Königr. Sachsen von 1855; § 101 Hannover von 1859; A r t . 125 Oldenburg von 1857. Die späteren Gesetze sind abgedruckt bei Sunderlin, Sammlung der neuern deutschen Gesetze (1861). ββ §§ 160, 231 Baden; §§ 265 Abs. 3, 173 Österreich (§§ 236, 126 StPO von 1853); A r t . 237 Abs. 3, 185 Abs. 2 Sachsen-Weimar. 67 Vgl. etwa § 173 S. 2 Österreich: „Der Zeuge ist insbesondere aufzufordern, den G r u n d seines Wissens anzugeben; dagegen sind Fragen, durch welche i h m Thatumstände vorgehalten werden, welche erst durch seine A n t w o r t festgestellt werden sollen, möglichst zu vermeiden." 68 A r t . 204 Abs. 1 i V m 204 Abs. 3 StPO: „ A u c h darf der Untersuchungsrichter dem Zeugen den von i h m zu erforschenden Umstand erst dann i n der Frage selbst vorhalten, w e n n der Zeuge nicht i n anderer Weise darauf hingeführt werden konnte." Ä h n l i c h dann auch A r t . 138 E n t w u r f einer StPO f ü r das Großherzogtum Hessen von 1860 u n d A r t . 125 der Oldenburg. StPO von 1857. 69 Etwa i n Bayern, Hannover u n d Braunschweig. 70 § 91 G. von 1848.

I I . Geschichtliche Grundlagen

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I n S a c h s e n - W e i m a r 7 2 u n d Ö s t e r r e i c h 7 3 ζ. B . k a n n b z w . m u ß demgegenü b e r b e i d e r a r t i g e n A b w e i c h u n g e n die f r ü h e r e Aussage aus d e n A k t e n der V o r u n t e r s u c h u n g vorgelesen w e r d e n . c) Einordnung

der

Vorhaltbestimmungen

A u s d e n a n g e f ü h r t e n V o r s c h r i f t e n e r g i b t sich, daß die m e i s t e n d a m a l i g e n Reformgesetzgeber die Gefahren, die sich aus d e r Beeinflussung v o n m ü n d l i c h e n Aussagen d u r c h d e n V e r n e h m e n d e n f ü r die W a h r h e i t s f i n d u n g ergeben, sehr g e n a u sahen. A l s V e r f ä l s c h u n g d e r P r o z e ß g r u n d sätze e r k a n n t e m a n die z u w e i t g e h e n d e B e n u t z u n g d e r P r o t o k o l l e des Vorverfahrens. E r s t w e n n nach E r s t a t t u n g der m ü n d l i c h e n Zeugenaussage 7 4 A b w e i chungen z u f r ü h e r e n V e r n e h m u n g s p r o t o k o l l e n erschienen, k o n n t e n d a her, w e n n ü b e r h a u p t , die f r ü h e r e n Aussagen, u m die W i d e r s p r ü c h e a u f z u k l ä r e n 7 5 , verlesen b z w . v o r g e h a l t e n w e r d e n . Das V e r l e s e n d e r V e r n e h m u n g s p r o t o k o l l e z u r „ A u s s a g e n g r u n d l a g e " 7 6 , u m das Gedächtnis z u u n terstützen, schloß m a n jedoch auch z u Einzeltatsachen e i n h e i t l i c h a u s 7 7 . D e m A n g e k l a g t e n gegenüber beschränkte m a n d e n A k t e n r ü c k g r i f f ζ. T. a u f die A u f h e l l u n g v o n Geständnissen 7 8 . 71 § 106: „Über Widersprüche zwischen den Aussagen i n der Gerichtsverhandlung u n d dem vorbereitenden Verfahren ist aus den A k t e n des letzteren, wie den Angeklagten so auch den Auskunftspersonen Vorhalt zu machen, u n d das Ergebnis der Voruntersuchung zum Zwecke der Ergänzung der Angaben i n der Hauptverhandlung zu benutzen." 72 A r t . 243: „Weichen Zeugen oder Sachverständige von ihren Angaben i n der Voruntersuchung ab, so k a n n der Vorsitzende deren frühere Angaben aus den A k t e n der Voruntersuchung vorlesen lassen." Ebenso A r t . 284 Abs. 4 der StPO von 1855 für das Königreich Sachsen: „ E r k a n n auch solchenfalls den Zeugen die frühere Aussage unter Verlesung derselben vorhalten." 73 § 281 S. 3. Wie auch nach § 241 S. 4 StPO von 1853 u n d A r t . 220 Abs. 1 StPO F r a n k f u r t von 1856 bleibt die Verlesung aber auf „wesentliche" Punkte bzw. Widersprüche beschränkt. 74 Diese Schranke folgerte man aus A r t . 317 Code cTinstr. crim., vgl. Ruppenthal t GS 4, Bd. 1 (1852), 538 (553). 75 s. die Tabelle bei Stegmaier, Diss., S. 72 - 73. A r t . 124 des w ü r t t e m b e r gischen G. von 1849 u n d A r t . 150, 152 des Nassauer G. von 1849 übernehmen dazu mittelbar die wörtliche Fassung des A r t . 318 code d'instr. crim. (Protokollaufzeichnung der Aussageveränderungen). Diese Vorhalte geschehen nach A r t . 315 der württemb. StPO v o m 17. 4. 1868 „als H i l f s m i t t e l zur besseren E r m i t t l u n g der Wahrheit". 76 Stegmaier, S. 62. 77 Erst die preuß. StPO v o m 25. 7. 1867 gestattet i n § 248 die Verlesung f r ü herer Aussagen eines Zeugen „zur Unterstützung seines Gedächtnisses". Diesen Passus übernimmt dann § 211 des Entwurfs der Sachverständigenkommission zur RStPO von 1873. 78 Eine dem § 257 vergleichbare Bestimmung findet sich demgegenüber ζ. B. i n A r t . 235, 239 Sachsen-Weimar; § 135 Braunschweig; § 108 Kurhessen; § 281 Österreich.

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1. Teil: Grundlegung

Anstelle des Auskunftsmittels der Akten verwendete man vielerorts das der persönlichen Gegenüberstellung 79 . Der Gefahr von Vorhalten auch als unzulässiger Beeinflussung durch Akten versuchte man außerdem dadurch zu begegnen, daß man ζ. T. ausdrücklich Suggestivfragen, soweit es ging, verbannte 80 . Die badische und die österreichische StPO definieren dabei Suggestivfragen als Fragen, mit welchen der Auskunftsperson Tatumstände vorgehalten werden, die durch ihre A n t w o r t erst festgestellt werden sollen. Auch unbestimmte, dunkle und verfängliche Fragen wurden ausdrücklich für unzulässig erklärt 8 1 . Das ausdrückliche Verbot der hannoverschen StPO, vor der Aussage „eine vorher verfaßte Schrift zu verlesen" 82 , zeigt, welche Bedeutung man einer unverfälschten, nur der eigenen Erinnerung entstammenden Zeugenaussage beimaß. Ob die damalige Praxis diese Gesetzeseinschränkungen, Akten bei der Vernehmung zur Sache nur vorsichtig zu verwenden, auch immer entsprechend i n die Tat umgesetzt hat, muß allerdings sehr bezweifelt werden 83 . Das Verwenden von Schriftstücken bei der mündlichen Vernehmung zu beschränken, ist allerdings auch nur sinnvoll, wenn auf der anderen Seite auch berichtende Urkunden aus den Ermittlungen des Vorverfahrens auch sonst nur unter ganz besonderen Umständen verlesen werden dürfen. Überhaupt ist die Aktenbenutzung bei der Vernehmung und der Stellenwert von Vorhalten aus den A k t e n nur auf diesem H i n tergrund richtig zu verstehen. Eine verhältnismäßig einheitliche und auch einheitlich als notwendig gebilligte Linie bilden noch die „physikalisch" bedingten ermessensunabhängigen Ausnahmen vom Prinzip der Unmittelbarkeit (Tod, Krankheit, Unmöglichkeit des Erscheinens), bei denen die mündliche Vernehmung ganz durch das Verlesen früherer Aussagen ersetzt w i r d 8 4 . 79 A r t . 129, 187 Sachsen-Weimar; §§ 218, 275 Abs. 4 Österreich; § 93 Abs. 1 Hannover; A r t . 38 Abs. 2,162 Abs. 2 Bayern. 80 § 85 Abs. 5 Hannover; § 160 Baden; §§ 126 S. 3, 176 Abs. 2 S. 2 Österreich (1853). 81 A r t . 39 Abs. 1 Bayern; A r t . 124 Abs. 1 Sachsen-Weimar; A r t . 138, 204 Abs. 2 StPO Württemberg; § 176 Österreich (1853); A r t . 167 Oldenburg. 82 § 143 Nr. 5 : „Es ist Zeugen nicht gestattet, eine vorher verfaßte Schrift zu verlesen; er darf bei seiner Aussage v o n keiner Partei unterbrochen w e r den." § 94 Abs. 2: „ W i r d i h m u m seinem Gedächtnisse zu Hülfe zu kommen, jedoch erst nachdem er alles, dessen er sich zu erinnern vermochte, angegeben hat, seine Register oder sonstigen Schriften einzusehen u n d darnach seine Aussage zu vervollständigen gestattet, so ist i m Protokolle die auf diese Weise vervollständigte Aussage genau zu bezeichnen." 88 Vgl. n u r Planck, S. 360; Dalcke, G A 12 (1864), 11 (12) u n d 14 (1866), 15 (21). Z u m preuß. O b e r - T r i b u n a l Goltdammer, G A 8 (1860), 531 (533). 84 M a n w a r sich auch i m Schrifttum darüber klar, daß das Prinzip „ i n seiner absoluten Reinheit" nicht aufrecht zu erhalten ist, Dalcke, G A 12 (1864), 11;

II. Geschichtliche Grundlagen

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Anschauungen des französischen Prozeßrechts 85 und gemeinrechtliche Nachwirkungen 8 6 » 8 7 führten jedoch zu ermessensabhängigen unterschiedlich tiefgreifenden Durchbrechungen der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit i n den Reformgesetzen. Einige Gesetze ließen ein Recht der Anklagekammer zu, i m voraus zu bestimmen, bei welchen Zeugen „eine Vorlesung ihrer Angaben i n der Voruntersuchung oder bei den staatsanwaltlichen Ermittlungen stattfinden soll" 8 8 . Eine Verlesung konnte vielfach auch stattfinden, wenn geladene Zeugen i n der Hauptverhandlung nicht erschienen 89 oder ihre Aussage verweigerten 9 0 oder wegen ihres Standes nicht erscheinen mußten 9 1 . Für die Sachverständigen verkehrten einige Gesetze die verantwortliche Vernehmung i n der Hauptverhandlung gerade i n ihr Gegenteil, wenn dort „ i n der Regel" genügte, die Gutachten zu verlesen 92 . Auch die ζ. T. beibehaltene Praxis, Zusätze, Veränderungen und Abweichungen der Auskunftspersonen zu früheren Aussagen genau i m Sitzungsprotokoll zu vermerken 9 3 , und die Möglichkeit, Zeugen sofort zu verhaften, wenn ihre Aussage „als falsch erscheint" 94 , mußten der Frische und Lebendigkeit der Verhandlung entgegenstehen 95 . s. auch Mittermaier, Gesetzgebung, S. 313. Z u r E i n z e l k r i t i k an unnötigen Durchbrechungen Planck, S. 371 f. 85 Z w a r w o l l t e der code d'instr. crim. i n A r t . 268, 269 die Unmittelbarkeit des Verkehrs bei der Beweisaufnahme streng durchführen, die französische Praxis ließ jedoch weitgehende Durchlöcherungen zu, vgl. Mittermaier, Mündlichkeit, S. 280 f.; Gesetzgebung, S. 305 f., 313. 86 Die Gesetzgeber standen der „ M ü n d l i c h k e i t " des Verfahrens noch unterschiedlich zurückhaltend gegenüber. Es w u r d e n Teile des Inquisitionsprozesses i n die inquisitorische Voruntersuchung m i t ihren genau festgelegten Zeugenaussagen übernommen, „ w i e w e n n auf einem alten Gebäude ein neues Stockwerk aufgesetzt w i r d " , Glaser, H b I, S. 166. Dazu auch Dalcke, G A 12, 16, u n d Stegmaier, S. 44 f. 87 Daneben übernahm m a n aus gemeinrechtlichen Regelungen allerdings auch eine große Z a h l von gesetzlichen Beweisregeln, die i m Endeffekt als K o r r e k t i v zu Beweisverfälschungen w i r k t e n , s. etwa n u r A r t . 284 - 339 der württemb. StPO u n d §§ 248 - 271 der badischen StPO. Vgl. auch Zachariae, Hb I, S. 51 Note 5. 88 A r t . 230, 185 Sachsen-Altenburg StPO v o m 27. 2. 1854; § 211 Baden; § 145 Hannover; § 236 Österreich. 89 § 220 Baden; § 270 Österreich; A r t . 222 Sachsen-Weimar. 90 A r t . 63 F r a n k f u r t v o n 1852; § 241 Österreich von 1853; A r t . 313 W ü r t t e m berg von 1868. 01 § 146 Hannover; § 81 Kurhessen; A r t . 24 Preußen (1852). 92 § 95 Kurhessen. Auch A r t . 165 Abs. 1 Bayern u n d §§ 144, 145 Abs. 3 Hannover stellen die Verlesung ins Ermessen des Gerichts. Dazu Planck, S. 375, u n d Stegmaier, S. 70, 72. 93 A r t . 209 Abs. 3 Bayern; A r t . 152 Hessen-Nassau; A r t . 124 Schwurgerichte Württemberg i m Anschluß an A r t . 318 code d'instr. crim. 94 A r t . 158 Abs. 1 Hessen-Nassau; A r t . 144 Abs. 1 Württemberg. 95 Vgl. auch Feuerbach, Mündlichkeit I I , S. 379.

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1. Teil: Grundlegung

Den Angeklagten sah man weiterhin primär als Untersuchungsobjekt an, der zur Aussage verpflichtet blieb 9 6 . Auch in Hessen-Nassau, wo der Vorsitzende nach der Generalklausel des Art. 142 „von dem Angeklagten i n jeder Lage des Verfahrens alle Aufklärung" begehren konnte, die er zur Ermittlung der Wahrheit für dienlich hielt, war ein Verhör unbedenklich nach Ermessen des Vorsitzenden gestattet 97 . Viele Reformgesetze geboten dem Beschuldigten ausdrücklich, nur die unbedingte Wahrheit zu sagen 98 . Diesem Ziel der Befragung wurde deren Durchführung untergeordnet. Auch wenn nach einigen Gesetzen auch entlastende Momente verfolgt werden mußten, wurden als Mittel, u m ihn wider seinen freien Willen zu bestimmten Erklärungen und Geständnissen zu bewegen, nur drastische Methoden wie Versprechungen, Vorspiegelungen, Drohungen und Zwangsmittel verboten 99 . Das Verhör war danach weiterhin darauf angelegt, wenn möglich ein Geständnis zu erlangen 100 . Faktisch begann die Beweisaufnahme damit weiterhin schon m i t dem Verhör des Beschuldigten. Planck t r i f f t also die damalige Realität, wenn er meint, daß dem Vorsitzenden i n allen Ländern „daher Vorhalte aller A r t gestattet" sind 1 0 1 . Deren Stoff konnte er den bisherigen Ermittlungsergebnissen entnehmen. Dazu zählten insbesondere die i n der Voruntersuchung abgelegten Aussagen des Angeklagten selbst 102 . Daher hing es „eigentlich nur vom Willen und Geschick des Vorsitzenden ab, das Verhör mehr oder minder i m Geist des früheren Inquisitionsprozesses zu gestalten" und „ V o r h a l t e . . . zur Waffe gegen den Angeklagten zu gebrauchen" 103 . A m verhängnisvollsten wirkte sich jedoch aus, daß manche Gesetzgebungen auch die sog. diskretionäre Gewalt des Vorsitzenden übernah96 Vgl. A r t . 162 Abs. 1, 36 Abs. 1 Bayern; A r t . 142 Kurhessen; A r t . 121, 127 Sachsen-Weimar; § 200 Baden; § 211 S. 1 Österreich; A r t . 125 Abs. 3 Schwurgerichte Württemberg. 97 Dafür auch Planck, S. 358 Note 2. 98 Wie Note 96. 99 Vgl. §§ 212 S. 3, 215 Österreich; §§ 85 Abs. 3, 4 Hannover; § 199 Baden; A r t . 123 Abs. 3,126 Sachsen-Weimar. 100 Noch A r t . 135 StPO Württemberg über den Vorhalt i m Vorverfahren: „ I s t der Verdächtige durch vorgedachte M i t t e l nicht zum Geständnis zu bewegen, so sollen i h m einzelne Verdachtsgründe vorgehalten werden." 101 Darstellung, S. 360. Nach Mittermaier, Strafverfahren I, S. 595 Note 47, „entscheidet" selbst i n Baden „mehr der Charakter der offenen, aber nicht suggestiven Vorhaltung". 102 Vgl. § 64 Kurhessen: „ . . . geeignetenfalls unter Vorhalt der Ergebnisse des vorbereitenden Verfahrens u n d seiner damaligen Angaben vernommen werden"; Planck, S. 360. 103 Planck, S. 360, der daher die weitgefaßten Ermessensvorschriften k r i t i siert. Nach Dalcke, G A 12 (1864), 11 (20), ist der W i l l k ü r „ T ü r u n d Tor geöffnet".

II. Geschichtliche Grundlagen

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men, wobei sie ζ. T. an die durch den französischen Gerichtsgebrauch erweiterte Auslegung anknüpften 1 0 4 . Diese inquisitorische, dem französischen Strafverfahren entnommene Befugnis 1 0 5 ermächtigt den Vorsitzenden, bei der Beweisaufnahme alle die Maßregeln zu ergreifen, die er „zur Ermittlung der Wahrheit für diensam erachtet" 1 0 6 . Danach steht es ausschließlich i n seinem Ermessen, „Aktenstücke verlesen zu lassen, von welchen er nach den bisherigen Verhandlungen eine Aufklärung der Sache erwartet" 1 0 7 . Die Ermächtigung, neue Beweispersonen zu hören bzw. jede i n der Voruntersuchung protokollierte Zeugenaussage zu verlesen, besteht auch unabhängig davon, ob der Zeuge zur mündlichen Verhandlung geladen war oder nicht. Die diskretionäre Gewalt des Vorsitzenden und die teilweise Verfügungsmacht des Beschuldigten und des Staatsanwalts, auf die Unmittelbarkeit zu verzichten 108 , machten die oben angesprochenen engen Ausnahmen, die ein Verlesen ermöglichten, u m eine mündliche Zeugenaussage ersetzen zu können, zu einem ziemlich bedeutungslosen Katalog. Auch bei Anwesenheit der Auskunftsperson wurde die Prüfung, ob ein Verlesungsgrund vorlag, obsolet, da der Vorsitzende aufgrund seiner nicht nachprüfbaren Ermessensgewalt jede Verlesung ohne weiteres vornehmen konnnte. So sanken i n der Praxis die zur Regel erhobenen Prinzipien der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit selbst fast zur bloßen Ausnahme herab 1 0 9 . Damit verlief der Entwicklungsgang hinsichtlich der Beweisaufnahme recht eigentümlich 1 1 0 . I m Kampf gegen die Schriftlichkeit und Mittel104 W e i t : § 136 Abs. 4 Hannover; A r t . 25 Preußen (1852); §§ 72, 73 Kurhessen. Enger: A r t . 141 Abs. 3 Bayern; § 233 Abs. 2 Baden; § 283 Österreich. 105 Z u r „pouvoir descrétionnaire" bestimmt A r t . 269 Abs. 1 code dinstr. crim. von 1808 (abgedruckt bei Haeberlin, S. 33, u n d Hahn, Mat. I, S. 194): „ I I pourra, dans le cours de débats, appeler, même par mandat d'amener et entendre toutes personnes, ou se faire apporter toutes nouvelles pièces, q u i l u i paraîtroient, d'après les nouveaux développements donnés à l'audience, soit par les accusés, soit par les témoins, pouvoir répandre u n j o u r utile sur le fait contesté." 108 § 136 Abs. 4 Hannover. 107 A r t . 263 Oldenburg (1857) u n d A r t . 293 des hessischen Entwurfs (1860). § 225 Österreich (1853): „ . . . deren Vorlesung er . . . für nothwendig erachtet." Glaser, A d C N.F. 1851, 191 (192), bezeichnete die pouvoir descrétionnaire daher als eine „aller Verantwortung bare Gewalt". 108 § 233 Baden: „ A u f Verlangen des Angeschuldigten oder seines Vertheidigers, oder des Staatsanwalts werden einzelne Actenstücke, auch w e n n sie nach § 212 nicht zur Vorlesung bezeichnet sind, vollständig oder i n einzelnen Stellen vorgelesen. Der Präsident k a n n diess auch v o n Amtswegen anordnen." Vgl. auch §§ 144, 145 Hannover; §§ 270 S. 2, 281 Abs. 1 S. 2 Österreich; A r t . 167 Bayern. 109 Ebenso Dalcke, G A 12 (1864), 11 (12); Mittermaier, Gesetzgebung, S. 316. Unrichtig etwa Petersen, GS 2, Bd. 2 (1850), 113 (131, 133), u n d GS 1, Bd. 2 (1849), 19 (38).

3 Kuckuck

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1. Teil: Grundlegung

barkeit des Inquisitionsprozesses hatte man grundsätzlich ein Anklageverfahren unter der Herrschaft des Inquisitionsprinzips erreicht. I n deren Hauptverhandlung konnte der inquirierende Vorsitzende kraft seiner besonderen Gewalt i m Einzelfall fast ohne Unmittelbarkeit Aussagen aus den Akten verlesen und dann Beweise direkt aus den vorgelesenen Akten schöpfen. Denn ob eine Verlesung „zur Aufklärung" (pour renseignement) oder „zum Beweise" erfolgte, war für die aus dem Gesamteindruck der mündlichen Verhandlung geschöpfte Überzeugung letztlich gleichgültig 1 1 1 . 4. Der Vorhalt im Schrifttum des reformierten Prozesses

I m damaligen Schrifttum bemängelte man deshalb die „auffallende L a u h e i t " 1 1 2 der neuen Strafprozeßordnungen bei der Verwirklichung der Grundsätze der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit. Man bezweifelte darüber hinaus grundsätzlich, ob die französische Einrichtung der Vernehmung durch den Vorsitzenden das geeignete Verfahren sei, die Wahrheit zu erforschen 113 . Der Vergleich m i t dem englischen Recht führte vielerorts zu der Erkenntnis, daß mit dem Richter, der den Angeklagten und die Zeugen selbst vernimmt, „die schwache Seite des alten InquisitionsProzesses" übernommen worden sei 1 1 4 . Auseinandersetzungen mit Zeu110 F ^ r Stegmaier, Diss., S. 52, ist die E n t w i c k l u n g „beinah schon ein circulos vitiosus". 111 von Tippeiskirch, G A 3 (1855), 348 (377); Dalcke, G A 12 (1864), 19 u n d 83 (88); Zachariae, H b I I , S. 368 f.; Mittermaier, Strafverfahren I I , S. 292 f.; Fuchs, H b Holtzendorf I I , S. 59 (65); Stegmaier, Diss., S. 53. Fuchs u n d Thilo, Komm., § 249, sprechen von einer Umgehung des Prinzips der „Mündlichkeit". F ü r Fuchs ist den Geschworenen gegenüber der unterschiedliche Zweck der Verlesung m i t rechtlich verschiedener W i r k u n g gar nicht durchzuführen. Krause, Ub, S. 93 u n d 95, sieht darin eine Verwässerung u n d unhaltbare Unterscheidung. Deutlicher führen das noch die Motive zur RStPO, Hahn, Mat. I, S. 195, aus: E i n m a l sei schon begrifflich zwischen einer Verlesung von Schriftstücken zum Beweise u n d einer Verlesung zur Aufklärung der Sache nicht w o h l zu unterscheiden, u n d i m einzelnen F a l l fehle es meist an jedem K r i t e r i u m dafür, ob die Verlesung zu diesem oder jenem Zwecke erfolge. F ü r die W i r k u n g aber, welche die Verlesung auf die Uberzeugung der zur Urteilsfindung berufenen Personen ausübe, sei es vollends gleichgültig, ob das Gericht erkläre, die Verlesung erfolge „ z u m Beweise" oder sie erfolge n u r zur „ A u f k l ä r u n g der Sache". 112 Dalcke, G A 12 (1864), 11 (12). Solche Verlesungen verletzten nach Mittermaier, Strafverfahren I I , S. 295, das Prinzip der „ M ü n d l i c h k e i t " u n d manche i n der Voruntersuchung falsch abgelegte oder ungenau protokollierte Aussage könnte so als Beweis betrachtet werden. 113 Vgl. von Stemann, G A 8 (1860), 41 (48); Zachariae, H b I (1861), S. 46, u. H b I I (1868), S. 203 f.; Planck, Darstellung (1857), S. 157; Mittermaier, Gesetzgebung (1856), S. 10 f.; Glaser, Holtzendorff I, S. 19 f., u n d auch schon Feuerbach, Mündlichkeit I I (1825), S. 380 u n d 420 f. Dazu ausführlich Herrmann, Reform, S. 52 f. 114 von Tippeiskirch, G A 4 (1856), 3 (4); Planck, S. 153, u n d Zachariae, H b I I ,

II. Geschichtliche Grundlagen

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gen, „leidenschaftliche Erregungen" sowie „Vorhalte und Auftritte" bei der Beweisaufnahme beeinträchtigten die Würde und Funktion des Richteramtes 115 . a) Hinsichtlich

der Zeugen und Sachverständigen

Zwar war man sich allgemein einig, daß die Beweispersonen, u m der Wahrheit willen, zuerst zu einer zusammenhängenden Erzählung ihres Wissens aufzufordern seien, die dann durch Fragen zu ergänzen und i n ihren Unklarheiten und Widersprüchen aufzuhellen sei 1 1 6 . U m die Angaben nicht zu verfälschen, müßten alle Aufforderungen und Fragen so allgemein wie möglich gehalten sein 1 1 7 . Während etwa Mittermaier 1 1 8 aber suggestive Fragen ganz ausschloß, damit nicht der Zeuge, der nichts anzugeben weiß, i n die Lage komme, durch eine allgemein bejahende A n t w o r t den Schein eines m i t der Sache vertrauten Zeugen anzunehmen, gestatteten Zachariae 119 und Planck 1 2 0 Suggestionen bzw. Vorhaltungen insoweit, als sie sich für eine detaillierte Antwort nicht vermeiden lassen. Schäffer 121 wollte deshalb gedächtnisschwachen Zeugen durch „angemessene Eröffnungen" aus früheren Aussagen nachhelfen, nie dürfte aber diese Nachhilfe — darin ist sich das Schrifttum 1 2 2 (zunächst) genau wie die Reformgesetze ganz einig — i n der S. 203, etwa sahen darin eine Verletzung des Anklageprinzips. Solche Bedenken sind bis heute nicht verstummt. 115 von Stemann, G A 8 (1960), 41 (48); von Tippeiskirch, G A 4 (1856), 5, als Vertreter der preuß. Staatsanwaltschaft. Der 11. D J T sprach sich deshalb schon für das Kreuzverhör aus, vgl. Verh. 11. D J T (1873), Bd. 2, S. 169 f. 116 Vgl. Tittmann, H b (1810), S. 491, 493; Mittermaier, Strafverfahren I (1845), S. 570, der, S. 571 u. 573, die badische u n d württembergische Regelung als beispielhaft lobt; Zachariae, H b I I , S. 207; Planck, S. 368 - 369. 117 Bauer, L b (1835), S. 243; Tittmann, S. 443 u. 490 f.; Mittermaier, S. 570. 118 S. 570 - 571. Ebenso schon Bauer, S. 243. 119 H b I I , S. 207 m i t Note 8. 120 S. 369: Dabei können die Auslassungen des Zeugen i n der Voruntersuchung zu Vorhalten benutzt werden. 121 GS 5, Bd. 1 (1853), 387 (391). 122 Eine derartige „Gedächtnishilfe" lehnte man zunächst einheitlich ab. Τ emme, Grundzüge (1841), S. 133 Note 2; Zachariae, H b I I , S. 365 f.; Planck, S. 368 f. u n d S. 60; Mittermaier, Strafverfahren I I , S. 295; Gesetzgebung, S. 472: Diese Vorhalte verletzten leicht das Prinzip der Mündlichkeit. Nach Mittermaier, GS 1, Bd. 2 (1849), 3 (17), widerstreitet eine solche Vorlesung dem Grundsatz, „daß die mündliche Aussage des Zeugen frei u n d unabhängig von jedem der Wahrheit leicht nachtheiligen Einflüsse sein muß. E i n solcher E i n fluß w ü r d e aber auf den Geist des Zeugen geübt werden, w e n n er durch die vorgelesene, früher vielleicht unrichtige Aussage i n einen Zustand der Furcht versetzt wurde, durch Zurücknahme oder Abänderung seines Zeugnisses Nachtheil sich zuzuziehen." Nach Planck, S. 375, bestehen jedoch keine Bedenken, Sachverständigen, bei denen die Gefahr der Suggestion nicht zu fürchten sein soll (S. 374), das Gedächtnis m i t zu Protokoll gegebenen Wahrnehmungen aufzufrischen.

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36

1. Teil: Grundlegung

vollständigen Verlesung der früheren Vernehmungsprotokolle bestehen. Ein solches Verfahren verschiebe den Schwerpunkt der Untersuchung völlig, und daß dadurch einer der wesentlichen Vorteile des neuen Strafprozesses, nämlich die Mündlichkeit, fast ganz verloren gehe, bedürfe keines weiteren Beweises 123 . Könnten dagegen, nachdem der anwesende Zeuge i n der Sitzung ausgesagt hatte, die Widersprüche zu früheren Angaben nicht durch allgemeine Fragen behoben werden, so erklärte es auch die L i t e r a t u r 1 2 4 mit der Gesetzgebung für zulässig, die früheren Vernehmungsprotokolle ausnahmsweise zur weiteren Aufklärung vorzulesen. Beantrage der Angeklagte oder Ankläger diesen Aussagenvergleich, so ergebe die Erklärung des Zeugen darüber die besten Anhaltspunkte, wie weit der Zeuge Glauben verdiene 1 2 5 . b) Hinsichtlich

des Angeklagten

Da für die „innere Einrichtung" der Zeugenvernehmung nach den Grundsätzen des reformierten Verfahrens und denen des Inquisitionsprozesses keine wesentlichen Unterschiedlichkeiten bestehen sollten 1 2 8 , konzentrierten sich die Angriffe i n der Hauptsache auf das Verhör des Angeklagten, das den Richter i n der Regel zum „Advokaten der A n klage" mache 127 . Mittermaier 1 2 8 und Glaser 1 2 9 wollten deshalb die richterliche Vernehmung des Angeklagten ganz beseitigen. Andere Vorschläge gingen dahin, das Verhör zumindest vom inquisitorischen Charakter zu befreien und auf die Verteidigung und das Gehör des AngeErst später gestattete m a n teilweise i n dem Falle, daß ein Zeuge oder Sachverständiger erklärte, sich eines Vorganges nicht mehr zu erinnern, die frühere Aussage vorzulesen u n d vorzuhalten. Vgl. f ü r Preußen Oppenhoff (1860), A r t . 22 Note 58 u n d 76 Note 17; f ü r Sachsen Schletter (1862), § 269 Note 6. Dabei wurde betont, daß jede Vorhaltung erst nach Erstattung der mündlichen Aussage erfolgen dürfe, vgl. auch Schwarze, Grundsätze (1856), S. 105 u n d 106 Note 2. 123 Dalcke, G A 14 (1866), 15 (21). 124 Mittermaier, Strafverfahren I I , S. 295: „ u m die Wahrheit zu ermitteln . . . n u r so v i e l lasse sich zugeben"; GS 1, Bd. 2 (1849), 3 (16, 17), u n d Petersen, GS 2, Bd. 2 (1850), 113 (130): Z u r Vergleichung u n d als A n h a l t s p u n k t zur Beurteilung; Oppenhoff u n d Schletter, oben Note 122; kritischer Zachariae, H b I I , S. 371; Mittermaier, Gesetzgebung, S. 469, 472; Feuerbach, Mündlichkeit I I , S. 379. 125 Mittermaier, GS 1, Bd. 2,16,17. 126 So ausdrücklich Zachariae, H b I I , S. 206. Das zeigt sich auch daran, daß die neueren Reformgesetze oft auf früher gegebene allgemeine Regelungen verweisen. 127 Mittermaier, Strafverfahren I, 2. Aufl., S. 312. Es entstehe (S. 311) leicht „ e i n widerlicher K a m p f der K l u g h e i t des Präsidenten, . . . m i t der Schlauheit des Angeklagten". 128 GS 1, Bd. 1 (1849), 17 (20 f.); GS 2, Bd. 2 (1850), 469 (473 f.). 129 A d C N.F. 1851, 70 (72 f.) u n d 191 f. Ferner ν . Stemann, Verh. 11. DJT, Bd. 1, S. 35.

II. Geschichtliche Grundlagen

37

klagten zu beschränken 130 . Gegenstimmen wiederum hielten weiter die richterliche Vernehmung des Beschulidgten nicht nur als M i t t e l der Verteidigung, sondern auch als M i t t e l der Aufklärung für unentbehrlich 1 3 1 . Diese verschiedenen Auffassungen von der Zielsetzung und Durchführung der Vernehmung des Beschuldigten bedingten auch unterschiedliche Meinungen zur Zulässigkeit von Vorhalten als M i t t e l der Vernehmung. Nach den einen waren Vorhalte schlechthin unzulässig. Als „ E i n w i r kung", u m Reue zu erwecken und zur Erlangung des Geständnisses, sei von allen Vorhaltungen aus den Akten des Vorverfahrens Abstand zu nehmen 1 8 2 . Indem sich der Richter bei Vorhalten von dem aus den Akten gewonnenen B i l d des Sachverhalts leiten lasse, führe er noch nicht bewiesene Tatsachen i n den Prozeß ein und verstoße so gegen die Grundsätze der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit 1 8 3 . Mittelmeinungen unterschieden hinsichtlich der A r t und Weise der Vorhaltungen. Nach Zachariae 134 mußte ein „den Forderungen des A n klageprinzips entsprechendes Verhör" verzichten auf die sich wiederholenden und steigernden „Ermahnungen zur wahrheitsgemäßen Aussage, die Vorhalte früherer Aussagen und wider den Beschuldigten sprechenden Umstände, u m i h n durch das Gewicht derselben zu beugen, und i h m die Fruchtlosigkeit seines Leugnens klar zu machen". I m Gegensatz dazu sei dagegen das „Vorhalten faktischer Umstände" unentbehrlich, um dem Beschuldigten eine bestimmte Erklärung darüber zu ermöglichen 135 . Auch nach Mittermaier 1 3 6 war dem Angeklagten jeder auch nur scheinbar anschuldigende Umstand zur Erklärung vorzuhalten, u m i h m dadurch Gelegenheit zur Verteidigung zu geben. Der Angeklagte sei jedoch „ i m Anklageverfahren" nicht zur A n t w o r t verpflichtet, sondern könne ruhig die Beweisführung des Anklägers abwarten. Folglich müsse der 180 Planck, S. 357; Zachariae, H b I I , S. 232 u. 239; Temme, S. 131; von Bar, Geschworenengericht (1865), S. 334 Note 26. Später auch Glaser, Verh. 7. D J T (1868), Bd. 1, S. 90. Auch Mittermaier (Gesetzgebung, S. 462 f.) betonte später das rechtliche Gehör. 181 Geib, Reform (1848), S. 124 f. Köstlin (1849), S. 91 f.; Sundelin, G A 6 (1858), 624 f.; v. Jagemann, GS 1, Bd. 1 (1849), 122 (131); Schlink, daselbst, 351 (361). 182 von Stemann, G A 8 (1860), 48 (49). Temme, S. 131, erläuterte, daß der Angeklagte niemals durch „Anforderungen u n d Widersprüche" zum Ankläger gegen sich selbst gemacht werden dürfte. 133 Glaser, AdC, N.F. 1851, 191 (192 f.); Mittermaier, GS 1, Bd. 1 (1849), 17 (24) ; Meyer, S. 45 f. Nach Temme, S. 74, mußten sie als suggestive Fragen sogar eine gesetzliche A h n d u n g hervorrufen, da sie eine bewußte Parteilichkeit des Richters bekundeten. 134 H b I I , S. 244. 135 Zachariae, H b I I , S. 246. 138 Strafverfahren I, S. 588; ebenso I I , S. 214.

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1. Teil: Grundlegung

Vorhalt so gehalten werden, daß damit kein Druck ausgeübt werde, um ein Geständnis zu erlangen 137 . Vorhalte, die dem Angeklagten bestimmte Tatumstände, die erst durch seine A n t w o r t festgestellt werden sollten, so vorlegten, daß er darauf nur mit Ja oder Nein zu antworten brauchte, billigte Mittermaier daher nicht 1 3 8 . Schäffer 189 warnte bei leugnenden Angeklagten davor, mit Vorhalten die Vernehmung zu beginnen. Oft würden einzelne Zeugenaussagen noch i m Laufe der mündlichen Verhandlung berichtigt, so daß einzelnen Vorhalten die Grundlage fehle. Nach anderen bedeutete die Abkehr vom alten Inquisitionsprozeß keinen Verzicht und auch keine Einschränkung hinsichtlich richterlicher Vorhalte. Das Untersuchungsprinzip, das auch i m Anklageverfahren herrsche, verpflichtete vielmehr zum Vorhalt sämtlicher Anschuldigungsund Beweispunkte. Der Wert des Verhörs liege darin, bei dem Beschuldigten „durch die Kraft der Wahrheit die Stimme des Gewissens zum Durchbruch zu bringen" 1 4 0 . Der Verhörende dürfe sich daher einen Untersuchungsplan machen, u m durch das Übergewicht seiner intellektuellen und sittlichen Kraft den „Trotz des Schuldigen" zu brechen. Wer das nicht wolle, mißverkenne das Wesen des Strafverfahrens und huldige einem falschen Liberalismus. Es bestehe also nicht der geringste Grund, „bei dem A n klageprinzip auf Borg zu gehen" 1 4 1 . 5. Die Reichsstrafprozeßordnung als Kompromißlösung

Die unter dem Druck dieser zuletzt genannten Reaktion und mit dem Schwinden des reformerischen Elans von 1848 stärker werdende Gegenbewegung führte zur Aufnahme der pouvoir discrétionnaire i n viele Partikulargesetze 142 . Selbst i n Baden, das nach der Verfahrensordnung von 137

Mittermaier , I, S. 588. Mittermaier , I, S. 618. 139 GS 5, Bd. 1 (1853), 387 (395). 140 Köstlin, S. 98. Vgl. auch von Jagemann, GS 1, Bd. 1 (1849), 122 (131). F ü r das Vorverfahren noch weitgehender Puchta, Inquisitionsprozeß (1844), S. 234 u. 243 f. 141 Köstlin, S. 98. Das Verbot von Suggestiv- u n d verfänglichen Fragen verstehe sich allerdings von selbst, S. 99. Wie sich Suggestiv- u n d Vorhaltfragen unterscheiden sollen, erklärt K ö s t l i n jedoch nicht. 142 A r t . 263 der oldenburgischen StPO v o n 1857, §§ 312 - 314 der württemb. StPO von 1868; A r t . 222 des Verfahrens für die Stadt F r a n k f u r t von 1856; §§ 308 - 310 der StPO f ü r Starkenburg u n d Oberhessen von 1865; §§ 411 - 413 der revidierten StPO Bremens von 1870. Wie A r t . 25 des preuß. G. v o m 3. 5. 1852 praktisch auch § 241 der österr. StPO von 1853; §§ 129, 152 der hannoverschen StPO von 1859; A r t . 289, 271 der StPO für das Königreich Sachsen von 1855 und §§ 167, 168 der hamburgischen StPO von 1869. Dazu Dalcke, G A 12 (1864), 11 f. 138

II. Geschichtliche Grundlagen

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1845 die Aktenverwendung bei der persönlichen Vernehmung am stärksten zurückgedrängt hatte, stellte es § 240 der StPO von 1864 ausschließlich i n das Ermessen des Vorsitzenden oder des Gerichts, ob „einzelne Aktenstücke vollständig oder i n einzelnen Stellen verlesen werden sollten". Erst die Gründung des Norddeutschen Bundes und die Vorarbeiten zu einer Reichsstrafprozeßordnung führten zu einer Rückbesinnung auf die ursprünglichen Reformbestrebungen. Insbesondere die diskretionäre Gewalt des Vorsitzenden wurde als Fremdkörper dazu erkannt. Die preußische StPO von 1873 143 , die revidierte StPO des Kgr. Sachsens von 1868 144 und die Österreich. StPO von 1873 145 umschrieben wieder einen geschlossenen Kreis von als Beweismittel zu verlesenden Schriftstücken. Darauf baut dann die RStPO von 1877 i n den §§ 248 f. (heute 249 f.) auf 1 4 6 . Die RStPO bringt die durch die Länderzersplitterung verlorengegangene Einheit der Strafrechtspflege zurück. Die Vorrangigkeit dieses Ziels bedingte manche Abstriche von den Reformforderungen 147 . So blieb es grundsätzlich beim Inquisitionsprinzip und bei der Vernehmung auch des Angeklagten durch den Vorsitzenden 148 . Die Schaffung der RStPO bedeutet den Abschluß der liberalrechtsstaatlichen Reformbewegung des 19. Jahrhunderts. I m Beweisrecht allerdings stellt das Erreichte, wie aufgezeigt wurde, nicht das eigentlich Angestrebte dar. Hier gipfelt die Reformbewegung i n den Zielen und Ideen des englisch-schottischen Anklageprozesses und dessen Bemühen, die Unbefangenheit des Richters zu erhalten und den Angeklagten „waffengleich" zu stellen. Ein „wirklicher Anklageprozeß" war m i t der Einführung des „maßvollen Klageformprinzips" unter Beibehaltung der richterlichen Aufklärungsrolle und der Protokollverlesungen nach den §§ 250, 252, 253 RStPO aber noch nicht erreicht 1 4 9 . Dazu hätte es einer konsequenteren Durchführung seiner beherrschenden Grundsätze bedurft 1 5 0 . Die Reform der Beweisaufnahme überließ man der Z u k u n f t 1 5 1 . 143

Jedoch n u r f ü r die neu erworbenen Landesteile, §§ 245 - 247. A r t . 292. 145 § 252. Vgl. zu dieser E n t w i c k l u n g ausführlich Krause, Ub, S. 91 f. 146 Hahn, Mat. I, S. 194 f. Z u r Entstehungsgeschichte Dochow, H b Holtzendorff I, S. 103 f. Speziell des Beweisrechts Herrmann, Reform, S. 64 f. 147 Vgl. die Einleitung des Berichts der Reichsjustizreform, Hahn, Mat. I I , S. 1532 f., 1536. 148 Z u den weiteren Gründen der Reichsjustizkommission, die richterliche Vernehmung trotz aller gegenteiliger Forderungen nicht abzuschaffen, Hahn, Mat. I I , S. 1554. 149 Eb. Schmidt, Geschichte, S. 414; ferner Geyer, Lb, S. 172,183,187. 150 Vgl. auch Dochow, H b Holtzendorff I, S. 103 (131). Dochow, S. 130, hält die RStPO sogar f ü r „das mangelhafteste" der Justizgesetze. 151 Vgl. Hahn, Mat. I I , S. 1536. D a m i t bleibt die Entwicklung weiter i m Fluß. 144

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1. Teil: Grundlegung I I I . Darstellung der Auffassungen zur Zulässigheit von Vorhalten in der Hauptverhandlung

Daraus folgt die Verpflichtung, die überkommenen Standpunkte zur Beweiserhebung und damit insbesondere zur Frage des Vorhalts aus den Akten zu überprüfen. Dazu sollen zuerst die verschiedenen Auffassungen vorangestellt werden, die unter der Geltung der RStPO und StPO zu dessen Inhalt und Zulässigkeit vertreten wurden. Da die spätere Judikatur weitgehend die frühere übernimmt, ist ein besonderes Augenmerk auf die Entwicklung dieser frühesten Rechtsprechung zu legen. Aus deren Entwicklung bis heute ergeben sich Ansatzpunkte für eine k r i t i sche systematisch-begriffliche Einordnung und für eine eigene Lösung der Probleme. 1. Keine ausdrückliche Regelung des Vorhalts mehr

I m Gegensatz zu den vorausgegangenen partikularen Strafprozeßordnungen beschränkt sich die RStPO von 1877 nur auf einige knappe aber fundamentale Regeln über die Beweisaufnahme. Ausführliche Vorschriften, wie die Vernehmung des Angeklagten bzw. der Zeugen und Sachverständigen durchzuführen ist, enthält die RStPO nicht mehr. Verfängliche oder beeinflussende Fragen sind nicht Gegenstand einer Regelung geworden. Weder § 136 noch § 68 (69) gehen ausdrücklich darauf ein, ob und i n welchem Maße Schriftstücke bei der Einvernahme zur Sache Verwendung finden können. Das Wort „Vorhalt" bzw. „Vorhaltung" taucht i n der RStPO bzw. StPO und i n allen späteren Novellen nicht mehr auf 1 . Da auch die Bedeutung der §§ 252 und 253 RStPO (§§ 253, 254 StPO) i m Verhältnis zu den Aussagepersonen unklar bleibt, herrscht von Anfang an Streit u m die Möglichkeiten und Grenzen richterlicher Aktenverwendung bei der Vernehmung zur Sache. Daß sich die Meinungsverschiedenheiten gerade auf den Vorhalt konzentrierten, erklärt sich daraus, daß das Kreuzverhör nach § 238 RStPO (§ 239 StPO) über ein Papierdasein nicht hinauskam und das Problem der suggestiven Frage keine praktische Bedeutung erlangte 2 . 2. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts bis 1920

a) Das Aufweichen der Form durch „mündliche"

Vorhalte

Über den Vorhalt finden die Akten offener i n die Verhandlung Eingang. Die frühen Stellungnahmen des RG zu diesem offeneren Wirksam1 Das StGB privilegiert aber i n § 193 „Vorhaltungen u n d Rügen der Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen". Nach § 14 J G G soll m i t der V e r w a r n u n g „das Unrecht der Tat eindringlich vorgehalten werden". 2 Ebenso W. Ziegler, Zweckmäßigkeitstendenzen i n der Rechtsprechung, S. 57.

III. Frühere Auffassungen

41

werden der Akten über den Weg des Vorhalts fallen sehr uneinheitlich aus. Diese Unterschiedlichkeit betrifft nicht nur einzelne Beschränkungen und Grenzfälle, sondern stellt, vorrangig anfangs, auch die Grundlage und freie Verwendung an sich i n Frage. Zu einem Einschwenken auf die grundsätzlich noch heute verfolgte Richtung kommt es erst nach über vier Jahrzehnten i m 54. Bande i m Jahre 19193. Gleich zu Anfang waren der erste, zweite und dritte Strafsenat des Reichsgerichts nacheinander m i t dem Vorhalt befaßt, aber nur Zeugen gegenüber und bezeichnenderweise immer aus Anlaß von Protokollverlesungen nach § 252 (253) StPO. Die Entscheidungen machen die ganze Breite der Anwendungsmöglichkeiten von Vorhalten deutlich, ebenso aber auch deren weittragende Problematik. Die ersten beiden Urteile betreffen Vorhalte zur Gedächtnisunterstützung, das dritte Urteil beschäftigt sich m i t Vorhalten bei Widersprüchen m i t früheren Vernehmungen. Übereinstimmend hält man Protokollverlesungen i n Anwesenheit der betreffenden Zeugen nur unter den Voraussetzungen des § 252 (253) für zulässig. Darin, daß Vorhalte i n Form der Verlesung § 252 (253) untergeordnet werden, erschöpft sich aber auch schon die Übereinstimmung. Inhaltlich stehen sich die erste und dritte Entscheidung diametral gegenüber, ohne daß die Senate auf die gegenteilige Ansicht Bezug nehmen. Die gemeinsame Grundlage ist also schon verlassen, bevor sie überhaupt geschaffen werden konnte. Dem 2. Senat 4 scheinen „freie" bzw. „frei formulierte" Vorhalte des Vorsitzenden unter der neugeschaffenen StPO und nach deren Motiven fremd. Bereits i m Jahre 1880 und i m ersten Band der Entscheidungssammlung hebt er hervor, daß es nach der Entstehungsgeschichte der StPO „naturgemäß" sei, den Zeugen „darauf hinzuweisen", was dieser unter dem frischen Eindruck des Geschehenen i m Vorverfahren bekundet habe 5 . Wie selbstverständlich setzt dann der Senat den „Hinweis" 8 4. Senat v. 7. 11. 1919 RGSt 54, 13 (17). Das ist auch die älteste Entscheidung, die Geier, LR, 21. Aufl., § 249 A n m . 13, u n d Gollwitzer, 22. Aufl., § 249 A n m . 14, referieren. Der Verzicht, frühere anderslautende Entscheidungen zu erwähnen, erweckt den mißverständlichen Eindruck, als habe sich das R G vorher nicht m i t der Frage des Vorhalts befaßt bzw. sei i m m e r einmütigen Sinnes darüber gewesen. Richtiger Alsberg, Beweisantrag, S. 212, u n d Alsberg! Nüse, S. 286 Note 34, die v o r 1924 aber auch n u r R G 1. Senat v. 1. 4. 1909 W a r n Jb 1909, 279 zitieren. R G 3. Senat v. 7. 3. 1898, J W 1898, 333 u. a. werden jedoch am Rande erwähnt u n d differenziert. 4 R G 2. Senat v. 7. 5. 1880 RGSt 1, 409 (411 f.). Die Revisionsbeschwerde hatte i m Rahmen des §252 RStPO beanstandet, daß laut Sitzungsprotokoll einem Zeugen, der erklärt hatte, daß er „sich des fraglichen Vorfalles nicht mehr genau erinnern" könne, die v o r der Polizeibehörde erfolgte Vernehmung des Zeugen vorgehalten w u r d e u n d er daraufhin seine Erklärungen abgab. 5 RGSt 1, 411 unter Verweis auf die Protokolle der Reichstagskommission, S. 959 - 961.

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1. Teil: Grundlegung

des Vorhalts m i t der Protokollverlesung gleich. Nur „dürfe selbstverständlich", fährt er fort, „die Verlesung nur als Anhalt für die mündliche Verhandlung" dienen, nicht aber diese „ersetzen". Die Vernehmung werde dieses Charakters beraubt, wenn der Richter allzu rasch nach dem „Auskunftsmittel" des Vorhalts greife. Solchen Mißbrauch zu verhindern, bezwecke der sorgfältig gefaßte § 252 (253). „ N u r in Fällen äußerster Notwendigkeit" dürften daher die betreffenden Aktenteile zur Unterstützung des Zeugen verlesen werden 6 . Noch i m gleichen Jahr steckt auch der 1. Senat 7 die Voraussetzungen des § 252 (253) eng und damit dessen Verbotswirkung für die Aktenreproduktion weit ab. Einem Polizeibeamten gegenüber dürften polizeiliche Vernehmungsprotokolle „auch nicht etwa zur Unterstützung des Gedächtnisses" verlesen werden, da insbesondere § 252 (253) hierfür keinen gesetzlichen Anhalt gewähre 8 . Die Erklärung, wieso unter zulässiger „Benutzung der Verhörsprotokolle" 9 (wohl) nur Verlesungen verstanden wurden, findet sich i n der Grundsatzentscheidung RGSt 1,409 (413) am Ende: Danach hat § 252 (253) den Zweck, die gesetzliche Form der Unterstützung und damit des Vorhalts vorzuschreiben, eines Vorgangs also, der „gerade die unmittelbare Vernehmung vorbereiten und i n ihren Ergebnissen befördern soll" 1 0 . Der 2. Senat hält § 252 (253) also nicht für einen Fall des Urkundenbeweises. Knapp drei Jahre später zieht der 3. Senat 11 des Reichsgerichts dann jedoch gleichfalls die Entstehungsgeschichte des § 252 (253) zu Rate, u m ebenso selbstverständlich i m Wege des Rückschlusses zur Zulässigkeit frei formulierter sog. „mündlicher Vorhalte" 1 2 zu gelangen. I n einer ebenfalls grundsätzlichen Entscheidung legt er die hilfsweise Funktion dieser „mündlichen" Vorhalte dar. Bei der zweiten Gesetzeslesung sei 6

RGSt 1, 411. R G 1. Senat v. 20. 9. 1880 RGSt 2, 235 (236) = Rspr 2 (1880), 218 (219). 8 RGSt 2, 236 zur Verlesung einer v o r der Polizei abgegebenen Aussage einer inzwischen verstorbenen Zeugin. F ü r die Verlesung formstreng etwa h i n sichtlich des Gerichtsbeschlusses nach § 250 Abs. 3 (251 Abs. 4) auch 1. Sen. ν. 15. 1. 1880 Rspr 1, 230 (233); ν. 22. 4. 1880, ebenda, 645 (647); ν. 20. 9. 1880 Rspr 2, 223; 2. Sen. v. 2. 3. 1880 Rspr 1, 412 (413), 3. Sen. v. 3. 4. 1880, ebenda, 533 (534). 9 So der 1. Senat, RGSt 1, 412. 10 Es „handelt sich nicht u m einen A k t der Beweisaufnahme an Stelle der unmittelbaren Vernehmung des Zeugen", sondern „dadurch soll gerade die unmittelbare Vernehmung vorbereitet u n d i n ihren Ergebnissen befördert werden". (Umstellung v o m Verf.) 11 RG 3. Senat v. 1. 3. 1883 Rspr 5, 145 (146, 147), der auf die Protokolle, S. 959 f., verweist. I n Rspr 3, 259 (261) v. 30. 4. 1881 hatte derselbe Senat aber noch eine unzulässige Beweiserhebung darin gesehen, daß einem Angeklagten A k t e n n u r „vorgelegt" worden waren. 12 Der Terminus stammt aus den Protokollen des Reichstages, vgl. z.B. S. 389, Hahn, Mat. I, S. 867 (Abg. ν. Schwarze). 7

III. Frühere Auffassungen

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man davon ausgegangen, daß, falls einmal die Benutzung früher erstatteter Zeugenaussagen bei der Beweisaufnahme i n der Hauptverhandlung solle erfolgen dürfen 1 3 , der Inhalt der früheren Aussage nur durch Verlesung des Wortlauts zur Kenntnis des erkennenden Gerichts gebracht werden solle. Eine Verlesung sei offener, ehrlicher und zweckdienlicher als mündliche Vorhalte des Vorsitzenden 14 . Diese könnten immerhin auf individueller Auffassung beruhen. Daran schließt sich nun der entscheidende eigene Schluß des 3. Senats: Hiernach (d. h. nach den Motiven) sei zwar nicht ausgeschlossen, daß dem Zeugen, wenn nötig, Vorhalte gemacht würden, daß er früher „genaue Wissenschaft von dem Vorgange" gehabt oder i n ganz widersprechender Weise ausgesagt habe 15 . Eine nähere Berechtigung für diese Folge w i r d nicht gegeben. „Wohl sei aber daran festzuhalten", daß, wenn Gewicht auf die frühere Aussage gelegt werden solle, weil jene Vorhalte „nicht von Erfolg waren", „diese Reproduktion" ausschließlich i m Wege der Verlesung geschehen dürfe 1 6 . Die vorgelagerte eigentliche Frage schon nach der grundsätzlichen Zulässigkeit „mündlicher" Vorhalte stellt sich der 3. Senat leider nicht, obwohl er die Bedenken, die gegen eine „Reproduktion früherer Aussagen" i n der Hauptverhandlung sprechen, genau kennt und auch ausführlich erörtert 1 7 . Die Motivation für dieses Vorgehen w i r d nicht bloßgelegt. Bei Lichte betrachtet, ergibt sich die (vordergründige) Erklärung für diese dem 2. Senat entgegengesetzte Folgerung aber wohl aus der unterschiedlichen Anknüpfung an die Reichstagsformeln der Protokollbenutzung bzw. der Aussagenreproduktion 18 und dem daraus resultierenden unterschiedlichen Verständnis vom Inhalt des § 252 (253). Der 3. Senat glaubt, unter der „Benutzung früher erstatteter Zeugenaussagen" einen unmittelbaren A k t der Beweisaufnahme verstehen zu sollen. Er sieht § 252 (253) deshalb als Fall des Urkundenbeweises an 1 9 . Aus der Er13 Frühere Aussagen dürften dem Gericht als Erkenntnisquelle nicht bloß deshalb abgeschnitten sein, w e i l diese sich i n früher aufgenommenen Protokollen befänden (S. 147). 14 Es würde so auch, namentlich den beisitzenden Richtern gegenüber, eine größere Sicherheit der Unterlage f ü r die Entscheidung gewonnen. 15 RGRspr 5,145 (147). 16 Gegen diesen Grundsatz habe das Instanzgericht gefehlt. Den Urteilsgründen der Vorinstanz nach waren einer Zeugin, u m Widersprüche zu heben, i n den Vorerörterungen erstattete frühere Angaben vorgehalten worden (S. 146). Daraufhin hatte die Zeugin „ausweichend" erklärt, sie wisse es nicht mehr genau, sie habe schwache Augen. A u f g r u n d „ i h r e r ganzen Erscheinung" hatte man dann ihre frühere Aussage f ü r w a h r erachtet u n d der Verurteilung zugrunde gelegt. A u f dieser L i n i e auch R G 3. Senat v. 10. 2. 1887 Rspr 9, 123 (124). 17 RGRspr 5,146 - 147. 18 Oben Note 9 u n d 17. 19 „Sobald es auf die Wiedergabe des speciellen Inhalts der Aussage an-

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1. Teil: Grundlegung

kenntnis, daß gemäß § 252 (253) die Verlesung die vorgeschiebene Form darstellt, u m über frühere Angaben Beweis aufzunehmen, kommt er dann zu dem — seiner Argumentation allerdings nur „vorgelagerten" — Schluß, daß mündliche Vorhalte selbst zulässig sind, daß bzw. wenn sie selbst keinen eigenen zulässigen Beweiswert haben, sondern erst die Erwiderung darauf. So verlagert der Senat den Schwerpunkt von der formellen Zulässigkeit weg i n die materielle Beweiswürdigung. Die Entscheidung weist damit auf den Weg, den die Rechtsprechung zum Vorhalt grundsätzlich auch heute noch beschreitet. Seit RGRspr 5, 145 f. gibt es nichts wesentlich Neues mehr i n der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Vorhalt. b) Das Abrücken von den genauen Erfordernissen der §§ 252, 253 (253,254) Auch der 1. Senat 20 bestätigt danach diese reichsgerichtliche Methodik der Entscheidungsfindung, die die wirklichen Entscheidungsgründe nicht aufdeckt und die i m Urteil erscheinenden vordergründigen nur dazu dienen läßt, ein aus dem Vorverständnis des Gesetzes eingebrachtes Ergebnis zu umkleiden und einzupassen. Auch danach sollen Verlesungen von Zeugenprotokollen ausschließlich unter den i n § 252 (253) gegebenen Voraussetzungen zulässig sein. Daß aber dem Zeugen, der seiner früheren Aussage widersprechende Angaben mache, fährt er fort, dessen frühere Aussage bei der Beweisaufnahme i n der Hauptverhandlung frei vorgehalten werde, sei dagegen nirgends verboten 21 . Die sachliche und methodische Rechtfertigung für diesen Rückschluß bleibt ungenannt. M i t dieser vordergründigen „Negativfolgerung" taucht aber zum ersten Mal ein Gedanke auf, der die Unbedenklichkeit frei formulierter Vorhalte bis heute immer wieder rechtfertigen soll: Erlaubt sei, was nicht unbedingt bzw. nicht ausdrücklich verboten sei. Einen ähnlichen Schluß zieht dann auch der 2. Senat 22 , diesmal für die Vorhaltung früherer gerichtlich protokollierter Angaben des Angeklagten dem Angeklagten gegenüber i n der Hauptverhandlung. Die Begründung löst sich ganz vom Inhalt der §§ 252, 253 (253, 254) und entnimmt die Berechtigung mündlicher Vorhalte des Vorsitzenden aus dem „Allgemeinen" 2 3 . k o m m t u n d es sich deshalb darum handelt, ob u n d welches Gewicht bei der Entscheidung auf die frühere Aussage gelegt werden könne, darf diese Reprod u k t i o n ausschließlich n u r i m Wege der Verlesung geschehen." RGRspr 5, 147. 20 R G 1. Senat v. 22. 9.1884 RGRspr 6, 785. 21 RGRspr 6, 785. (Umstellung v o m Verf.) 22 R G 2. Senat v. 31. 3. 1885 Rspr 7, 212 (213 f.). 23 S. 213.

III. Frühere Auffassungen

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War bisher für die Zulässigkeit mündlicher Vorhalte immer zuerst Voraussetzung, daß die Bedingungen einer Verlesung nach den §§ 252, 253 (253, 254) vorlagen, so rückt nun der 2. Senat i n seiner Primärargumentation — ohne auf frühere Rechtsauffassungen einzugehen — etwas davon ab. § 252 (253) hat danach nur noch die Funktion, den grundsätzlich schon zulässigen Vorhalt einmal auszuschließen. Das Untergericht hatte einer Angeklagten Stellen aus zwei gerichtlichen Protokollen vorgehalten, u m sie zu befragen, ob sie ihre dortigen Angaben aufrecht erhalte 2 4 . Der Senat betont, es könne „ i m allgemeinen" keinem Zweifel unterliegen, daß der Vorsitzende vermöge des i h m zustehenden Fragerechts befugt sei, den Angeklagten auf seine früheren Angaben aufmerksam zu machen und so auf eine widerspruchsfreie Auslassung hinzuwirken. Daß der Vorhalt des Vorsitzenden i n dieser Befugnis durch § 253 (254) beschränkt sei oder daß konkret die Verlesung nach jener Bestimmung unzulässig gewesen sei, „erhelle i n keiner Weise" 25 . Der Senat läßt jedoch die Form, i n der einem Angeklagten diese Widersprüche zur Erklärung vorzulegen seien, letztlich offen. Es könnte sich unter diesen Umständen nur fragen, ob eine solche Verlesung hätte erfolgen müssen. Das aber hätte keiner der Beteiligten beantragt. A u f die Befugnis zur (und Problematik der) damit angesprochenen Verfügbarkeit geht der Senat nicht ein. Eine weitere Bindung an den geregelten Bereich der §§ 248 - 255 (249 bis 256) hebt dann der 4. Senat 26 i n seiner ersten Entscheidung zum Vorhalt sechs Monate später auf. Der Senat erklärt es für zulässig, Aussagen anderer Zeugen vorzuhalten, die i n der Verhandlung selbst weder durch Vernehmung noch durch Verlesung mehr erhoben werden. A l l e i n dadurch, daß eine Aussage, die demnächst nicht Gegenstand der Beweis24 Wie wenig die Tatgerichte den Vorhalt v o m Urkundenbeweis unterschieden, zeigt die Begründung des Instanzgerichts. Das Gericht k a m dem umstrittenen Vorhaltantrag des Staatsanwalts damit nach, daß es sich nicht u m die Vorlesung einer E r k l ä r u n g des Angeklagten iSd §253 (254) handele, sondern u m eine „Ergänzung der Vernehmung des Angeklagten unter V o r haltung des Inhalts ihrer früheren Aussage". 25 RGRspr 7, 212 (214). Die Revision rügte eine Verletzung des §253. Der Senat verneint einen Revisionsgrund, da „ i m Hinblick auf §253 I I (254 I I ) nicht ersichtlich" sei, w a r u m eine Verlesung der früheren Aussage „unstatthaft" gewesen sein sollte. 28 R G 4. Senat v. 20. 10. 1885 Rspr 7, 605. Den Angeklagten waren „nach Befragung über die Beschuldigung" die Aussagen einer „unverehelichten Belastungszeugin" zur Äußerung vorgehalten worden. Die Zeugin ist wegen zu großer Entfernung kommissarisch vernommen worden. I n der Hauptverhandlung ist das Protokoll über die kommissarische Vernehmung aber ausweislich des Sitzungsprotokolls nicht verlesen worden. — Der Senat läßt noch dahingestellt sein, ob der Vorsitzende auch Aussagen von als Zeugen i m Vorverfahren voernommenen Personen durch Vorhalt zur Erörterung b r i n gen müsse, die von keiner Seite f ü r die Hauptverhandlung benannt seien. — Damit blieb die Grundlage zum Vorhalt also grundsätzlich verlesbar.

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1. Teil: Grundlegung

aufnähme werde, zum „Gegenstand von Vorhalten" gemacht werde, werde das Gesetz nicht beeinträchtigt 27 . Die Begründung ist konsequent, wenn auch die Logik nicht befriedigen kann. Die Vorhaltung des Inhalts der Aussage könne der Verlesung nicht unterschiedslos gleichgestellt werden, und da die Verlesung nicht erfolgt sei, könne § 250 (251) StPO nicht verletzt sein 28 . Es könne sich nur noch darum handeln, ob der Vorhalt der Aussage unstatthaft war. Ein solcher Vorhalt widerspreche dem Gesetz aber nicht. Der Vorsitzende habe, wenn er den Angeklagten vernehme, diesem „alle zur Aufklärung der Sache i h m erforderlich erscheinenden Fragen zu stellen und Vorhalte zu machen" 28 . Der 2. Senat billigt deshalb nun auch, daß einem Polizeibeamten, der als Zeuge über ein von i h m protokolliertes Geständnis vernommen wird, das betreffende Protokoll „zur Unterstützung seines Gedächtnisses" ausgehändigt wird. Zugrunde liegt das Bestreben des Reichsgerichts, den Zeugen, u m des Zieles einer möglichst vollständigen und widerspruchsfreien Aussage willen, alle Schriftstücke als Hilfsmittel zugänglich zu machen, solange nur die Angaben selbst noch mündlich erfolgen 29 . Die Vorschrift des § 252 (253) soll nicht i n Betracht kommen, weil eine frühere Vernehmung des Schutzmannes nicht stattgefunden hätte 3 0 . Das Protokoll sei auch nicht verlesen worden und (also) „als Beweismittel i n der Hauptverhandlung nicht vorgeführt" 3 1 . Zur „gesetzwidrigen Prozedur" werde die Unterstützung der Auskunftsperson erst, wenn die Vernehmung des Zeugen „etwa der Vorschrift des § 249 RStPO (§ 250 StPO) zuwider durch die Verlesung jener Berichte ersetzt werde" 3 2 . 27

RGRspr 7, 606. RGRspr 7, 605. 29 So R G 2. Senat v. 3. 12. 1886 Rspr 8, 722 (723); R G 3. Senat v. 5. 1. 1888 Rspr 10, 15 (16). Ferner 3. Senat v. 16. 2. 1883 RGSt 8, 108. RGRspr 10, 15 (16) läßt zu, daß ein Richter als Zeuge von i h m angeordnete Notizen des Gerichtsschreibers verliest u n d zu „ B e s t a n d t e i l e n seiner Zeugenaussage" macht. I m Ergebnis ebenso 3. Senat v. 2. 1. 1903 RGSt 36, 53. Dort konnte der Beamte zunächst überhaupt keine Bekundungen machen. Einen Überblick über die einzelnen Zweckmäßigkeitsvorkehrungen des R G zur Erschließung von Zeugenaussagen gibt W. Ziegler, S. 55 f. 30 RGRspr 8, 723. Ebenso argumentiert R G 1. Senat v. 29. 9. 1887 Rspr 9, 475. Vgl. aber R G 1. Senat v o m 20. 9. 1880 RGSt 2, 235 (236): Eine Verlesung einer protokollierten Aussage „ d u r f t e auch nicht etwa zur Unterstützung des Gedächtnisses des Polizeikommissärs erfolgen, da insbesondere § 252 StPO hierfür keinen gesetzlichen A n h a l t gewährt". Die Abweichung von RGSt 2, 235 (236) w i r d nicht gerechtfertigt bzw. gar nicht bemerkt. 31 RGRspr 8, 724. 32 So R G 4. Senat v. 21. 6. 1887 Rspr 9, 379 (380) zum Vorhalt von Hausdurchsuchungsberichten gegenüber einem Polizisten. — Z u m „Ersetzen" vgl. auch denselben Senat v. 23. 9. 1886 Rspr 8, 718 (719). R G 1. Senat v. 9. 12. 1889 RGSt 20, 105 sah keine Verletzung des „Prinzips der Mündlichkeit u n d U n 28

III. Frühere Auffassungen

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Die Vernehmungsmittel wurden also dem Vernehmungsziel untergeordnet. Die i n allen Punkten vollständige Aussage hielt das Reichsgericht für die wahrheitsgetreue und damit anzustrebende Aussage. Die von der Vernehmungsperson selbstgewollte Verwendung eigener Zeugennotizen, u m das Geständnis aufzufrischen, unterschied es anfangs noch scharf von den von außen herangetragenen richterlichen Vorhalten. Die eigene Aussagenvorbereitung noch i n der Hauptverhandlung gestattete es i m Gegensatz zum fremdbestimmten Vorhalt sehr großzügig 33 . Als dann das Reichsgericht nicht mehr genau zwischen der eigenen Aussagenvorbereitung und der fremden Aussagenunterstützung trennte, sondern primär das zwischen beiden Vorgängen gemeinsame Moment der Hilfe sah, folgte daraus notwendig eine Anpassung i n den Voraussetzungen und damit eine Ausweitung des Vorhalts. Damit war der Weg frei für ein „ungeregeltes" 34 Institut des Vorhalts, das an keine bestimmte Form gebunden war und „zum Ermessen" des Vorsitzenden bzw. des Gerichts stand 35 . Sei ein Schriftstück „zur Sprache gebracht" oder „Gegenstand der Verhandlung" gewesen, so soll das bedeuten, daß der Aussageperson aus seinem Inhalt „mündliche Vorhaltungen" gemacht worden seien 36 . Dazu sei der Vorsitzende „als Ausfluß des richterlichen Fragerechts unzweifelhaft befugt" 3 5 . Gleichzeitig wurde als Ersatz der Verlesung von Urkunden weiterhin das Referat und die Mitteilung 3 7 durch den Vorsitzenden zugelassen, so mittelbarkeit" darin, daß der Vorsitzende aus den i h m v o m Zeugen überreichten Aufzeichnungen die betreffende Stelle vorlas u n d der Zeuge diese dann zu seiner eidlichen Aussage erklärte. „ A l s richterlicher A k t " böte diese Verlesung „die Gewähr der Richtigkeit", RGSt 20,106. 33 Dagegen erklärten noch die Reformgesetze die Verlesung eigener schriftlicher Notizen grundsätzlich für unzulässig. Vgl. § 143 Nr. 5 bzw. § 150 Nr. 7 der hannov. StPO v. 8. 11. 1850 bzw. 5. 4. 1859; A r t . 143 der StPO von HessenDarmstadt v. 16. 9. 1865 u n d die Zusammenfassung bei Stegmaier, Diss., S. 61, 62. I n der damaligen L i t e r a t u r gestatteten Planck, S. 368 Note 6, u n d Mittermaier, Strafverfahren I, S. 576, ausnahmsweise die Benutzung eigener N o t i zen, w e n n deren Beschaffenheit vorher aufgeklärt worden war. „ I n keinem Falle", verdeutlicht etwa Petersen, GS 2, Bd. 2 (1850), 113 (130), „aber geht es an, daß man die Aussagen zuerst ablesen u n d dann blos bestätigen läßt." 34 So zu Recht auch W. Ziegler, S. 57 Note 84. Ungenau ist aber die undifferenzierte Einreihung der erwähnten Entscheidung RGRspr 10, 15 zur V e r wendung von Notizen unter den Vorhalt. 85 R G 3. Senat v. 11. 4. 1892 RGSt 23, 58 (59). Ebenso schon 1. Senat v. 20. 12. 1886 RGSt 15, 100 (101). 36 RGSt 23, 59. M i t diesen allein zweckorientierten Ausführungen rückte auch der 3. Senat ausdrücklich von seinen differenzierenden Grundsätzen i n RGRspr 5, 145 f. ab u n d schwenkte auf die Rechtsprechung des 2. Senats i n RGRspr 7, 212 ein. 37 Vgl. R G 1. Senat v. 6. 12. 1880 RGSt 3, 141 (142); v. 4. 11. 1880 RGSt 3, 161 (162); v. 20. 1. 1881 RGSt 3, 282; 4. Senat v. 3. 7. 1894 RGSt 26, 32; R G 2. Senat v. 15. 4. 1902 RGSt 35, 198 (199). Ausdrücklich dagegen aber R G 2. Senat v. 29. 10. 1880 RGSt 2, 408 (409) u n d v. 16. 2. 1894 RGSt 25, 125 (126).

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1. Teil: Grundlegung

daß verständlicher wird, warum der 5. Senat formulieren konnte, daß „auch noch durch Vorlegung oder Vorhalt aus dem Inhalt Beweis geführt werden" könne 3 8 . Vorhalte aus den A k t e n des Vorverfahrens sind danach revisionsrichterlich kaum zu kontrollieren, zumal sie nach Ansicht des Reichsgerichts nicht zu den Vorgängen gehören sollen, die nach § 273 StPO i m Protokoll beurkundet werden müßten 3 9 . Der Beweis der unzulässigen Aktenverwertung ist u m so schwerer zu führen, als auch seit RGSt 38, 54 die A n gabe des Zwecks der Verlesung nicht mehr verlangt wird. Umgekehrt schließt das Unterbleiben der förmlichen Verlesung eines i n den Urteilsgründen verwerteten Schriftstücks, wie dargelegt, nicht aus, daß die Verwertung über die Brücke eines zulässigen Vorhalts geschehen ist. Die Verwertung von Schriftstücken als Beweismittel w i r d durch eine solche Rechtsprechung zusehends unübersichtlicher. c) Das Schwanken im Beweiswert Daß dieses — der Form nach — ungeregelte Institut des Vorhalts i n den Gerichtssaal einen uneingeschränkten Einzug halten konnte, verhinderte weiter das Erfordernis, daß als Grundlage des Vorhalts weiterh i n Schriftstücke verlangt wurden, deren „förmliche Verlesung" nach den §§ 248 f. RStPO (§ 249 f. StPO) — i m Sinne des RG — „an sich zulässig sein" mußte 4 0 . „Anderenfalls würde offenbar eine unzulässige Umgehung des i n der Vorschrift des § 249 (§ 250) anerkannten Prinzips der Unmittelbarkeit der Beweiserhebung vorliegen 4 0 ." Diese Grundlage wollte man auch m i t den obigen weitgehenden Entscheidungen nicht verlassen. Man stand immer noch auf dem Boden der §§ 248 f., wenn etwa RGRspr 7, 605 Vorhalte aus einer an sich verlesbaren Zeugenaussage erlaubt hatte und man alle Protokollverlesungen grds. weiterhin den Voraussetzungen der §§ 252,253 (253, 254) unterstellte. Die Verlesbarkeit von Urkunden bilde „allgemein die Grenze für ein Verfahren, das nicht zu einer einseitigen Feststellung von Tatsachen füh38 So R G 5. Senat v. 15. 11. 1910 G A 58 (1911), 459. Ä h n l i c h widersprüchlich auch 1. Senat v. 10. 12. 1888 J W 1889, 59 Nr. 6; 3. Senat v. 7. 3. 1898 J W 1898, 333 Nr. 4; 5. Senat v. 15. 11. 1910 J W 1911, 248 (249); 4. Senat v. 2. 12. 1913 JW 1914, 435 (436) Nr. 58; 1. Senat v. 21. 1. 1915 L Z 9 (1915), 631 Nr. 39; v. 15. 11. 1917 L Z 12 (1918), 454 Nr. 32; 5. Senat v. 7. 12. 1917 BayZ 1918, 55; 1. Senat v. 23. 9. 1918 RGSt 52, 243 (244); FerSenat v. 21. 7. 1927 L Z 21 (1927), 1550 (1551). 39 Vgl. R G 4. Senat v. 9. 6. 1893 J W 1893, 417 Nr. 14; 2. Senat v. 20. 6. 1893, ebenda, Nr. 12; 2. Senat v. 19. 6. 1891 RGSt 22, 51 (52); 4. Senat v. 27. 10. 1899 RGSt 32, 315 (316); 3. Senat v. 11. 4. 1892 RGSt 23, 58 (59); 4. Senat v. 2. 12. 1913 J W 1914, 435 (436) Nr. 58; 5. Senat v. 15. 11. 1910 G A 58 (1911), 459 u. v. 7. 12. 1917 BayZ 1918, 55 I V . Z u dieser E n t w i c k l u n g der Rspr vgl. auch Schneidewin, 50 Jahre RG, S. 270 (333 f.). 40 So besonders deutlich der 3. Senat v. 7. 3. 1898 G A 46 (1898), 193 (194).

III. Frühere Auffassungen

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ren dürfe, denen die Unterlage verlesbarer Urkunden fehle", hob der 3. Senat 41 hervor. Insbesondere der 3. Senat sah die Gefahren unzulässiger Aktenverwertung und w i r k t damit weiterhin als Schutzwall gegen eine Verwässerung der Urkundsvorschriften und insbesondere des § 253 Abs. 1 (254 Abs. I ) 4 2 . I n diesem Bestreben war er schon früher 4 3 zu einer anderen Auffassung über den Vorhalt gekommen, als er ausführte, es könne nicht zweifelhaft sein, daß die Verlesung eines polizeilichen Protokolls i n der Hauptverhandlung ein unzulässiger „ A k t der Beweisaufnahme über ein Geständnis des Angeklagten" gewesen sei. „Was dem Angeklagten vorgelesen wurde, w u r d e . . . vor dem erkennenden Gericht vorgelesen und enthielt nicht mehr und nicht weniger wie jeder i m Verlesen bestehende A k t der Beweisaufnahme." Auch der 1. Senat 44 stellte auf die dadurch notwendige Kenntnisnahme der zur Urteilsfindung berufenen Richter ab und sah i m Vorhalt eines staatsanwaltlichen Protokolls eine unzulässige Beweiserhebung. Er formulierte noch schärfer, als er feststellte, es könne eine „überhaupt unzulässige Verlesung nicht dadurch zulässig werden, daß dieselbe als gegenüber einem Zeugen stattfindend bezeichnet werden wollte" 4 5 . Alles andere führe zu einer Umgehung des § 253 (254) StPO. Als Umgehung des gesetzlichen Verbots des § 251 (252) sah man es auch an, wenn Vorhalte Aussagen von Zeugen entnommen wurden, die i n der Hauptverhandlung vom Recht der Zeugnisverweigerung Gebrauch gemacht hatten 4 6 . Verlesen des hierüber aufgenommenen Protokolls oder Vorhalte aus i h m seien „sachlich nichts anderes" 47 . 41

R G G A 46 (1898), 193 (194). I n J W 1891, 53 Nr. 7 erklärte er die Verlesung von Gutachten d r i t t e r Personen zur Unterstützung des Gedächtnisses eines vernommenen Sachverständigen für „schlechthin unzulässig". Vgl. auch 3. Senat v. 21. 2. 1910 Das Recht 1910 Nr. 1193. Formstreng auch R G 2. Senat v. 9. 12. 1890 J W 1891, 53 Nr. 6; 1. Senat v. 10. 12. 1888, 56 Nr. 6 u n d v. 17. 2. 1910 Das Recht 1910 Nr. 1193. 43 R G 3. Senat v. 10. 3. 1890 RGSt 20, 321 (322). A u f Vorhalt hatte der seine Schuld leugnende Angeklagte bestritten, daß i h m das betreffende polizeiliche Protokoll vorgehalten worden w a r u n d er dessen I n h a l t genehmigt hatte. Sodann wurde die Vernehmung des protokollierenden Polizeikommissars B. als Zeuge beschlossen u n d sofort ausgeführt. Der Polizeibeamte „ v e r mochte inhaltlich nichts mehr zu bekunden", versicherte aber, das Protokoll nach den Angaben des Angeklagten aufgenommen u n d es diesem v o r gelesen zu haben. Der Angeklagte habe es auch genehmigt u n d unterschrieben. Das verurteilende U r t e i l t r u g dann die Wendung „ w i e B. bekundet". 44 R G 1. Senat v. 18. 6. 1886 RGSt 14, 258 (259) zu einem ganz ähnlichen Vorgang. „Wenn auch dieser Zweck nicht ausgesprochen" sei, so habe die Verlesung doch die „ W i r k u n g u n d Bedeutung eines erhobenen Beweises erlangt". 45 R G 1. Senat v. 3. 5. 1886 RGSt 18, 24 (26) = Rspr 10, 374, ebenfalls zum Vorhalt gegenüber einem Verhörsbeamten. 46 R G 1. Senat v. 20. 12. 1886 RGSt 15, 100 (101), der grds. Vorhalte zulassen w i l l ; 1. Senat v. 3. 4. 1902 J W 1902, 580 Nr. 26; 3. Senat v. 14. 2. 1895 RGSt 27, 42

4 Kuckuck

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1. Teil: Grundlegung

Je klarer der Vorhalt unverlesbaren Grundlagen entnommen wurde, um so deutlicher sah man also i n ihm ein (schriftliches) Beweismittel. Wichtiger als die Zulässigkeit von Vorhalten w i r d so deren (materieller) Beweiswert i m Beweismittelsystem, über den man sich jedoch grundsätzlich keine Rechenschaft mehr ablegte. Die Aussagen i m Vorverfahren werden der Beweisperson „mündlich" (frei formuliert) vorgehalten und diese w i r d nach deren Richtigkeit befragt. Einig war man sich i m allgemeinen darin, daß der Vorhalt selbst kein ordentliches und selbständiges Beweismittel darstellt und daß die Auskunftsperson den Inhalt der U r kunde zumindestens „bestätigen muß", damit er festgestellt werden darf. Aber auch über die entscheidende Frage, wie diese Bestätigung auszusehen habe, herrschte Uneinigkeit. Der 3. Senat verlangte noch 189548, daß Vorhalte nur dann einen „günstigen Erfolg" haben sollten, wenn sie dem Zeugen die früher bezeugten Vorgänge „dergestalt ins Gedächtnis zurückzurufen" vermöchten, daß er sie „ganz seiner früheren Aussage entsprechend von neuem zu bestätigen" vermöge. Eine nur unbestimmte Auslassung, die i n der Voruntersuchung erstattete Aussage sei richtig, sollte dagegen keine Beweisanknüpfung erlauben 49 . Dagegen genügte nach anderen Senaten, daß die Widersprüche oder Erinnerungslücken, die zum Vorhalt Anlaß gegeben hatten, i n der Hauptverhandlung „ausgeräumt wurden" 5 0 . Führte der Vorhalt zu keiner „ A u f klärung" 5 1 , indem die Beweisperson nicht „einräumte", die ihr vorgehaltenen Erklärungen wirklich abgegeben zu haben 52 , so durfte auf den Vorgang kein Beweis gestützt werden. Einer Aufklärung kam es dann indes gleich, wenn der Angeklagte oder Zeuge lediglich seine frühere Aussage 29 (30): Dieses Verfahren verstoße gegen die „Grundsätze der Mündlichkeit" i m allgemeinen u n d insbesondere gegen das absolute Verbot des §251 (252) StPO. — Die Auffassung Alsbergs, Beweisantrag, S. 213 (ebenso Alsberg/Nüse, S. 287), die Rspr zu §251 (252) sei eine „Ausnahme", erweist sich damit als teilweise unzutreffend. 47 R G 1. Senat v. 21. 11. 1901 RGSt 35, 5 (8). Z u r dann häufigen Wertlosigkeit von Aussagen v o n Verhörsbeamten meint der Senat: „ A l l e i n praktische Erwägungen berechtigen den Richter nicht, den strikten W i l l e n des Gesetzgebers zu mißachten, der f ü r die Folgen seiner gesetzlichen Anordnungen allein die Verantwortung trage." Ebenso RGSt 15,100 (101). 48 R G 3. Senat v. 28. 3. 1895 RGSt 27, 163 (166) unter Verweis auf RGRspr 5, 145 u n d 9, 123, wonach die gegenwärtige Aussage m i t der früheren „ i n E i n klang gebracht werden" mußte. A u f Vorhalt entsannen sich dort die Zeugen nicht mehr, sie hielten aber ihre früheren Angaben aufrecht, da sie bei ihrer damaligen Vernehmung „die Wahrheit gesagt" hätten. 49 R G 3. Senat v. 21. 2. 1889 J W 1889, 224 Nr. 14. Ä h n l i c h R G 1. Senat v. 3. 5. 1888 RGSt 18, 24. 50 R G 1. Senat v. 4. 7.1893 G A 41 (1893), 242. 51 R G 5. Senat v. 17.1. 1913 D J Z 1913, 867 = Das Recht 1913 Nr. 788. 52 R G 1. Senat v. 23. 9. 1918 RGSt 52, 243 (244). Der Vorhalt blieb „erfolglos", w e i l der Angeklagte bestritt, überhaupt ein Geständnis abgelegt zu haben.

III. Frühere Auffassungen

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als unwahr widerrief 5 3 . Deren Verlesung bedurfte es nach dieser h A nicht, da diese nicht als „selbständiges Beweismittel" Verwertung fände 54 . Beim (Verlesungs-)Vorhalt ließ nämlich der 1. Senat schon 189055 zu, daß sich ein Urteil auf ein gerichtliches Vernehmungsprotokoll aus dem Vorverfahren bezog, das einem Zeugen zur Unterstützung seines Gedächtnisses vorgelesen wurde, wobei der Zeuge auch nach der Verlesung behauptet hatte, er könne sich nicht mehr erinnern. Der Beweiswert, auch von mündlichen Vorhalten, wurde noch unklarer, als u m die Jahrhundertwende zwischen dem Vorhalt und seiner Bestätigung nicht mehr genau getrennt wurde, so daß Ermittlungen des Vorverfahrens sogar „ i m Wege des Vorhalts konstatiert" werden konnten 5 6 . „Gegebenenfalls" stand auch „nichts i m Wege", die „Feststellung auf einen angemessenen... Vorhalt und den Eindruck zu stützen, den seine . . . bestreitende Einlassung hervorgerufen" hatte 5 7 . 3. Die Auffassung des Schrifttums zur RStPO (bis 1920)

Die Stellungnahmen des damaligen Schrifttums zum Vorhalt konnten wenig zur Festigung der Reichsgerichtsrechtsprechung beitragen. I n der Beurteilung des Wesens, der Zulässigkeit und der praktischen Notwendigkeit ist die Lehre wie das RG uneins. Z. T., abhängig vom unterschiedlichen Bemühen u m ein Rückbesinnen auf grundsätzliche Standpunkte, übertrifft sie es noch an Gegensätzlichkeit. So mögen die verschiedenen Literaturmeinungen zum Vorhalt manchmal Grund und Erklärung sein für die unterschiedliche Meinungsbildung der Senate 58 . Zumeist spiegeln sie jedoch das Schwanken des Reichsgerichts zur Zulässigkeit von Vorhalten nur wieder, indem sie einzelne Entscheidungen herausgreifen und übernehmen. 53

R G BayZ 1918, 55 Nr. 4. Der frühere Angeklagte u n d jetzige Zeuge hatte eingeräumt, sich früher so eingelassen zu haben, w i e es i m U r t e i l festgestellt wurde, das dann aber als u n w a h r widerrufen. 54 R G 4. Senat v. 22. 2. 1910 Das Recht 1910 Nr. 1192 unter Berufung auf RGSt 27, 163 (166). Ä h n l i c h R G 5. Senat v. 17. 1. 1913 D J Z 1913, 867 u. 1. Senat v. 23. 9. 1918 RGSt 52, 243 (244): Bestritt der Angeklagte, durfte ein Geständnis nicht „allein" auf einen Vorhalt gestützt werden. 55 R G 1. Senat v. 30. 1. 1890 RGSt 20, 220 (222). F ü r w a h r ein seltener Zeuge. Diese u m 180 Grad entgegengesetzten Auffassungen zum Vorhalt erklären sich ζ. T. daraus, daß der erkennende Senat — anders als andere Entscheidungen — i n § 252 (253) einen F a l l des selbständigen Urkundenbeweises erblickte. Z u den Auffassungen zu § 253 vgl. unten S. 116 f. 56 Vgl. die Nachweise oben i n Note 38, S. 48. 57 R G 1. Senat v. 3. 4. 1909 SeuffBl 74 (1909), 466 zu § 249 RStPO. 68 Eine direkte Auseinandersetzung m i t den Auffassungen des Schrifttums zum Vorhalt liefert das R G an n u r einer Stelle. Vgl. 4. Senat v. 27. 10. 1899 RGSt 32, 315 zu § 254 RStPO, der die §§ 252, 253 RStPO dazu noch als „bei der Vernehmung gemachte Vorhalte" auffaßt.

4*

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1. Teil: Grundlegung

Indem die ersten Darstellungen zur RStPO versuchen, die tragenden Grundsätze des Reformwerkes und ihr Zusammenspiel auch bei der Auslegung von Einzelvorschriften zu verwirklichen, w i r d die Vernehmung des Angeklagten und die der Zeugen und Sachverständigen ihren Prozeßstellungen angepaßt und dementsprechend differenziert entwickelt. a) Hinsichtlich

des Angeklagten

aa) Die Ansicht der h M Die anfangs h M erklärte Vorhalte aus den Akten des Vorverfahrens i n der Hauptverhandlung dem Beschuldigten gegenüber grundsätzlich für unzulässig. Aus dem Zweck der Vernehmung nach § 136 und dem Schweigerecht des Angeklagten folge, daß diese ein M i t t e l zur Verteidigung sei, nicht aber darauf hinwirken dürfe, den Beschuldigten zu überführen und ein Geständnis zu erlangen 59 . Eine diskretionäre Gewalt des Vorsitzenden kenne die StPO nicht 6 0 . Über die Anschuldigung werde der Angeklagte durch die Anklageschrift i n Kenntnis gesetzt 61 . Daher sei dem ausdrücklich Aussagebereiten nur die Gelegenheit zu geben, der Anklage eine zusammenhängende Erzählung des Sachverhalts entgegenzusetzen 62 . Das Vorhalten der Verdachtsgründe aufgrund der Ergebnisse des Vorverfahrens sei unzulässig und auch entbehrlich, da deren Akten de jure für die Hauptverhandlung zunächst nicht existierten 63 , die Vorführung der Beweise folge und der Angeklagte gemäß § 256 (257) erst nach jeder Beweiserhebung gefragt werden solle, ob er etwas zu erklären habe 64 . Für die h M beeinträchtigen Vorhalte aus den Akten bzw. über erst vorzuführende Beweise daher nicht nur die „Ökonomie" der Hauptverhandlung 6 5 , sie sollen überdies auch gegen den „Grundsatz der Mündlichkeit" verstoßen 66 . 59 Löwe, K o m m . (1879), § 136 A n m . 3; v. Kries, Lb, S. 398; Ullmann, S. 384: Vorrangig ein solches Recht. Bei der Befragung sei jeder auch n u r mittelbare Zwang ausgeschlossen, von Bombardi Koller, § 136 A n m . 3; Ullmann, S. 386. 60 Löwe, § 237 (238) A n m . 1. 61 Ullmann, S. 387; von Kries, Lb, S. 399. 62 E t w a Ullmann, S. 387 - 388; von Bombardi Koller (1879), § 256 (257) A n m . 6; Löwe, Komm., § 136 A n m . 4 b. Nach von Kries, Lb, S. 378, u n d Löwe k a n n der aussagebereite Angeklagte auch „sehr w o h l " dazu aufgefordert werden. 63 von Kries, Lb, S. 399. 64 Ullmann, S. 388; von Kries, Lb, S. 399; Löwe, Komm., § 242 (243) A n m . 6; Geyer, L b (1880), S. 550; von Bombardi Koller, § 256 (257) A n m . 6. 65 Ausführlich Glaser, H b I (1883), S. 637 f. (639). ββ Ullmann, S. 388; Glaser, H b I, S. 638 - 39; Keller, K o m m . (1882), § 242 (243) Anm. 10: Grundsatz der Mündlichkeit u n d Unmittelbarkeit.

III. Frühere Auffassungen

53

A m weitesten geht Ullmann 6 7 , der Vorhalte i n jedem Prozeßstadium und i n jeder A r t und Weise als system widrig ablehnt, da sie einen unzulässigen Druck auf den Angeklagten ausübten 68 . Indem § 242 Abs. 3 RStPO (§ 243 Abs. 4 S. 2 StPO) dessen Vernehmung „nach Maßgabe des § 136" (heute nach § 136 Abs. 2) vorschreibe, versuche er, für alle Stadien des Verfahrens ihrer „inquisitorischen Gestaltung entgegenzutreten" 89 . So sei jede Fragestellung zu vermeiden, durch die der Beschuldigte „ w i der sein Wissen und Wollen zur Zugestehung von Thatsachen veranlaßt werden könnte, die er nicht zugestanden habe" 7 0 . Ebenso wie Ullmann schließt deshalb auch von Kries 7 1 i n der Hauptverhandlung jeden Vorhalt aus. Erschöpfe die freiwillige Darstellung des Angeklagten die Tatumstände nicht oder enthalte sie Widersprüche, so sind, nach Ullmann, vom Vorsitzenden nur entsprechende weitere Fragen an den Angeklagten zu richten 7 2 , bzw., nach von Kries, auch H i n weise auf Widersprüche möglich 73 . A u f deren Beantwortung sei jedoch in keiner Weise zu dringen 7 4 . Andere Autoren kommen dem i m Ergebnis etwa gleich, indem auch sie Vorhalte bei der anfänglichen Vernehmung zur Sache ablehnen 75 . I m Vorhalt i n der Hauptverhandlung sieht diese Meinung jedoch kein als Überbleibsel des Inquisitionsprozesses schlechthin sachfremdes Vernehmungsmittel. Sie erblickt den Zweck frei gestalteter Vorhalte durch den Vorsitzenden darin, den Angeklagten über die Verdachtsgründe aufzuklären 7 6 ; diesem sei jedoch durch § 256 (§ 257), der ein Fall des Vorhalts sei, hinreichend und sachangemessener 77 Genüge getan 78 . 67

Lb, S. 386 - 388. S. 388. Auch i m Vorverfahren sei jeder Vorhalt unzulässig, S. 385 - 386, denn dem Beschuldigten sei n u r „Einblick" i n den ganzen Umfang der Beschuldigung zu geben. 69 S. 387. Ebenso Geyer, Lb, S. 547: Die StPO fordere „entschieden den Bruch m i t allen inquisitorischen Gewohnheiten". 70 S. 386. Das gelte f ü r „suggestive Fragen, soweit thunlich, u n d verfängliche Fragen gänzlich". 71 L b , S. 398 - 399. 72 Lb, S. 388. 73 Lb, S. 399. Eine Abgrenzung dieser „Hinweise" v o m Vorhalt gibt von Kries nicht. 74 Ullmann, S. 388. 75 Glaser, H b I, S. 637 f.; Geyer, Lb, S. 550; Löwe, Komm., § 242 (243) A n m . 6; von BomhardfKoller, § 256 (257) A n m . 6; Ortloff, G A 44 (1896), 98 (115). 76 Löwe, § 136 A n m . 3; von Bomhardf Koller, § 136 A n m . 4; Geyer, Lb, S. 538, verpflichteten den Richter i m Vorverfahren nachdrücklich, dem Beschuldigten die gegen i h n vorliegenden Verdachtsgründe vorzuhalten. Ebenso für eine erste umfassende Vorhaltung, u m den Verdächtigen nicht zu überraschen, von Kries, Lb, S. 398. ^ 77 So erklärte Ortloff, G A 44, 116, daß sich bei einem bloßen Vorhalt i m Gegensatz zu einer wörtlichen Verlesung, die die sichere F o r m sei, eine andere Ausdrucksweise einschleichen könne. 68

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1. Teil: Grundlegung bb) Die Ansicht einer Mittelmeinung

Eine Mittelmeinung erklärt es für unstatthaft, die Sachvernehmung m i t Vorhalten zu beginnen, läßt diese jedoch bei der nachfolgenden Beweisaufnahme wohl auch über den Rahmen des § 257 hinaus zu 7 9 . Puchelt sieht den Grund, warum § 257 nur als Sollvorschrift ausgestattet sei, darin, daß die Vorschrift nicht auf alle Fälle passe80. Danach dürfe die Befragung durch den Vorsitzenden nicht i n ein Drängen auf ein Geständnis ausarten 81 . Sachgemäße Vorhalte seien deshalb aber nicht ausgeschlossen82. Da nach Keller die Vorhalte während der Beweisaufnahme „jeder A r t " sein können 8 3 , könnte damit nach dieser Meinung, über § 257 hinaus, wohl auch neues Verdachtsmaterial aus den Akten i n die Hauptverhandlung eingebracht werden. cc) Die Auffassung der Gegenmeinung Nach der Gegenauffassung sind richterliche Vorhalte bei der Vernehmung des Angeklagten zur Sache grundsätzlich zulässig. Für einige Autoren dient das Verhör dem Interesse des Angeklagten 8 4 . Dieser solle alles zu seiner Rechtfertigung oder milderen Beurteilung vorbringen und frühere Angaben berichtigen können. „Vorhalte aus den Vorakten" würden zu diesem Zweck aber ebenfalls verwendet werden können. Das bedingt nach von Schwarze jedoch eine verständige Handhabung des Verhörs 85 . Der häufige Mißbrauch m i t Vorhalten aus den Vorakten, indem an diesen starr festgehalten werde, schade der Sache. Eine irrige, i n der Praxis vielfach vorkommende Auffassung sei bestrebt, i n der Be78 Löwe, Komm., § 242 (243) A n m . 6; von Bombardi Koller, § 256 (257) A n m . 6; Geyer, Lb, S. 550, der allerdings auf den bloßen Ordnungscharakter des § 256 RStPO hinweist. 79 Puchelt, K o m m . (1881), § 256 (257); Keller, Komm., § 242 (243) A n m . 10. Nach Puchelt, Vorb. zu § 136, entschloß m a n sich zu einem „ M i t t e l w e g zwischen dem rein akkusatorischen u n d rein inquisitorischen Verfahren". 80 Puchelt, § 256. 81 Puchelt, § 256, u n d § 136 A n m . 3; Keller, § 242 A n m . 10. 82 Puchelt, § 256, der, § 136 A n m . 3, w i e viele andere dennoch suggestive u n d kapziöse Fragen ablehnt. 83 Keller. Daß diese nach K e l l e r sehr w e i t gehen können, beweist die Kommentierung zu § 136 A n m . 1: Daher gehöre zu den erlaubten u n d sogar notwendigen M i t t e l n der Vorhalt der einzelnen Belasungsgründe i n ihrem I n e i n andergreifen u n d i n ihrer zwingenden Gewalt, der Gegenhalt der verschiedenen Widersprüche. 84 von Schwarze, Commentar (1878), § 242 (243) A n m . 9 (der A u t o r w a r Referent der Reichstagsjustizkommission); Thilo, K o m m . (1878), §§ 242 (243) u. 237 (238) Anm., die auf die A n m . 2 zu § 136 verweisen. 85 § 242 A n m . 9.

III. Frühere Auffassungen

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weisaufnahme die möglichste Übereinstimmung zwischen den Ergebnissen des Vorverfahrens und der Hauptverhandlung herzustellen. Diese verfolge aber nicht die Aufgabe, die Ermittlungsergebnisse durch die mündliche Verhandlung zu beglaubigen 86 . Der Inquirierkunst sei, hebt Thilo hervor, kein Raum gegeben 87 . Sie widerspräche dem akkusatorischen Prinzip. Daher seien alle suggestiven und kaptiösen Fragen zu vermeiden. Gleichwohl sei m i t dem Verhör nicht abzubrechen, wenn der Beschuldigte erkläre, er wolle auf die A n klage nichts erwidern. Alle vorliegenden Verdachtsgründe seien ihm trotzdem vorzuhalten, u m i h m Gelegenheit zu deren Beseitigung zu geben 88 . Die übrigen Autoren, die Vorhalte aus den Akten gegenüber dem A n geklagten generell zulassen, beurteilen den Vorhalt von der Seite des Vernehmenden und begrüßen ihn als Mittel der Sachaufklärung für den Vorsitzenden. Einige überlassen es ausdrücklich seinem Ermessen, wie er die Vernehmung in der Sache gestalten w i l l 8 9 . Das freie Ermessen sei nur soweit beschränkt, als es durch das Gesetz ausdrücklich bestimmt sei. Man schließt sich dabei, ohne die Zulässigkeit von Vorhalten weiter abzuwägen, den inzwischen recht weitgehenden Entscheidungen des Reichsgerichts an 9 0 . Der Vorsitzende könne danach dem Angeklagten auch „Vorhalte nach den Akten" machen 91 . Als Stoff dazu kann er dessen frühere Protokollangaben sowie die von Zeugen benutzen 92 , nach Stenglein 93 und Bennecke 94 unter Berufung auf RGRspr 7, 605 auch die Protokolle über 86

von Schwarze, § 242 A n m . 9. Thilo, oben Note 84. I n § 256 (257) sieht er eine „Provokation" des A n geklagten. Das Verhältnis zum mündlichen Vorhalt läßt er jedoch unangesprochen, vgl. A n m . zu § 256. 88 Thilo, A n m . zu § 242 (243) = A n m . zu § 136. 89 Rintelen, Strafprozeß (1891), S. 288; Stenglein, K o m m . (1898), § 237 (238) Anm. 8. (Ungeklärt bleibt danach, w i e der Angeklagte seine freie Entscheidung, ob er i m Zusammenhang auf die Anklage antworten oder Fragen des Vorsitzenden abwarten wolle, die i h m nach § 242 [243] A n m . 9 u n d L b [1887], S. 277, zustehen soll, noch v e r w i r k l i c h e n soll.) Bennecke, L b (1895), S. 387 Note 14. Mamroth, K o m m . (1900), § 136 A n m . 3, überläßt es Ermessen u n d Takt, auf ein Geständnis h i n z u w i r k e n oder nicht. — Fuchs, H b Holtzendorff I I , S. 59 (71), rechtfertigt den Vorhalt sogar noch durch dessen „allgemeine diskretionäre Gewalt", wonach er „alle zur A u f k l ä r u n g der Sache i h m erforderlich erscheinenden Fragen stellen darf" (S. 72). 90 Rintelen, S. 288, der zwischen der Benutzung eigener Notizen u n d dem Vorlesen früherer Angaben zur Aussagengrundlage nicht trennt, beruft sich auf RGSt 20, 105. Stenglein, § 237 A n m . 8, verweist auf RGRspr 7, 212 u n d 605. 91 Stenglein, Komm., § 237 (238) Anm. 8; Dalcke, K o m m . (1878), S. 157 zu § 253 (254); Mamroth, K o m m . (1900), § 242 (243) A n m . 9. 92 Stenglein, Lb, S. 277; Dalcke, § 253. 93 Komm., § 237 (238) A n m . 8. 94 Lb, S. 535 Note 9. 87

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1. Teil: Grundlegung

die Aussagen solcher Zeugen, die i n der Hauptverhandlung selbst nicht erschienen und deren Aussagen auch nicht verlesen würden oder sich zur Verlesung eigneten 95 . Die Regeln der §§ 248 f. (249 f.) fänden keine A n wendung 9 6 . Bennecke bringt damit erstmalig i m Schrifttum den Vorhalt auch i n eine klare Verbindung zur Urkundenbeweisaufnahme und behauptet letztlich schon dessen Zulässigkeit als allgemeines und neutrales Vernehmungsinstitut, losgelöst von den Prozeßstellungen der Beteiligten. Daß auf diesen Vorhalt die Vorschriften der §§ 248 f. (249 f.) und insbesondere diejenigen, die die Beweiserhebung durch Verlesung polizeilicher Protokolle hinderten, nicht Anwendung fänden, sei „klar, denn es handelt sich nicht um eine Beweiserhebung" 97 . I m übrigen bleibt die Bedeutung der §§ 248 f. (249 f.) und insbesondere des § 253 (254) für die Frage von Aktenvorhalten gegenüber dem Angeklagten i m Schrifttum zumeist ungeklärt 9 8 . Lediglich Dalcke erwähnt, daß diese Bestimmung mündliche Vorhaltungen nicht ausschlösse99. b) Hinsichtlich

der Zeugen und Sachverständigen

Die verschiedenen Meinungen zum Vorhalt gegenüber den Zeugen und Sachverständigen entsprechen weitgehend denen hinsichtlich des Angeklagten. Da die Rolle der Beweispersonen nicht i m gleichen Maße nach Inquisitions- oder Anklagegesichtspunkten umstritten war, sah man schon eher die Aktennähe der Vorhalte, so daß man grundsätzlich der Vorschrift des § 252 (253), die von beiden Lagern überwiegend als Vorhalt beurteilt wurde 1 0 0 , sehr viel mehr Bedeutung für deren Sacheinvernahme zusprach. 95 Dabei übersehen beide, daß die Vorhaltgrundlage bei RGRspr 7, 605 sehr w o h l i m Wege des Urkundenbeweises i n die Verhandlung hätte eingeführt werden können, s. oben S. 48. Darüber hinaus betraf die Entscheidung V o r halte gegenüber Zeugen, w o durchaus etwas anderes gelten könnte. Stenglein, vgl. Komm., § 248 (249) A n m . 11, reiht auch i m Satz vorher, i m Gegensatz zu Bennecke, den Vorhalt unter die Beweiserhebungen ein u n d stützt den V o r halt dem Angeklagten gegenüber dann wieder auf § 252 (253). 98 Bennecke, Lb, S. 535 Note 9; i m Ergebnis auch Dalcke, § 253. 97 Bennecke, Lb, S. 535 Note 9. Die meisten Autoren lassen jegliche Inbeziehungsetzung vermissen. 98 Stenglein, Komm., § 253 (254) A n m . 5, u n d Puchelt, A n m . 4 i V m Anm. 3 zu §§ 251 - 255 (252 - 256), erkennen § 254 als beweisergänzenden bzw. beweisfreien Vorhalt, ohne konkrete Rückschlüsse auf bloße Vorhalte zu ziehen. Stenglein, § 253 A n m . 6, meint n u r vielsagend, i m Vorhalten sei der Vorsitzende „ziemlich frei" u n d nicht durch Abs. 2 beschränkt. 99 Dalcke, Komm., A n m . zu § 253 (254). 100 Ausdrücklich Löwe, Komm., § 252 (253) A n m . 1; von Bombardi Koller, A n m . 2, einerseits u n d von Schwarze, A n m . 1; Stenglein, A n m . 1 u. Lb, S. 284, andererseits. I m Ergebnis auch von Kries, Lb, S. 374; Puchelt, § 252 (253) A n m . 3; Mamroth, § 252 (253) A n m . 5; Bennecke, Lb, S. 548.

III. Frühere Auffassungen

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Aus § 68 (69) ergibt sich für alle, daß eine Aktenbezugnahme immer erst nach der Sachschilderung des Zeugen bzw. Sachverständigen geschehen kann 1 0 1 . Die Beweisperson solle nicht durch Vorhalte aus früheren Protokollen unterbrochen werden. Das i n der Praxis häufige Verfahren, das die Vernehmung i n der Hauptverhandlung nur als Wiederholung der früheren aus dem Vorverfahren behandele, indem sie auf diese gleich Bezug nähme, w i r d als Mißbrauch verurteilt. Es widerstreite dem Grundsatz der „Mündlichkeit" 1 0 2 . aa) Die A u f f assung der h M Die h M läßt daher die Verwendung von Schriftstücken bei der Vernehmung zur Sache nur unter den Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 252 (253) zu 1 0 3 . Ein ungeregeltes Institut des Vorhalts daneben, losgelöst von § 253, kennt die h M nicht 1 0 4 . Zum einen betont man, daß die Verlesung der früheren Aussage sicherer und zuverlässiger sei als bloße Vorhaltungen des Vorsitzenden 105 . Zum anderen hält man es überhaupt nicht für statthaft, zwischen der Verlesung der früheren Aussage und deren mündlicher Vorhaltung zu unterscheiden 106 . Eine solche Unterscheidung würde ohne weiteres die Umgehung der Vorschrift des § 252 (253) ermöglichen. Die Vorhaltung dürfe nur i m äußersten Notfall des § 252 (253) und nur i m Wege der Verlesung erfolgen 107 . bb) Die Standpunkte der Gegenmeinung Die Gegenmeinung läßt mündliche Vorhalte auch über die geregelten Fälle des § 252 (253) hinaus zu, jedoch i n weit eingeschränkterem Maße als gegenüber dem Angeklagten 1 0 8 . Auch sie anerkennt die Bedeutung 101 von Bombardi Koller, § 252 (253) A n m . 1, 2; Löwe, A n m . 1; von Schwarze, § 252 A n m . 1; Puchelt, A n m . zu §§ 251 - 255 (252 - 256), S. 415. 102 Glaser, H b I, S. 454; Puchelt, Anm., S. 416; Dalcke, A n m . zu § 252 (253), S. 167. Vgl. ferner Note 101. Daraus folgt für Löwe, § 252 (253) A n m . 1 am Ende, daß die Vernehmung von Verhörsbeamten, u m eine frühere Vernehmung zu rekapitulieren, dieses Prinzip ebenso verletze w i e die unmittelbare Bezugnahme auf die Protokolle. 103 Da die Vernehmung eine mündliche sei, sei die Benutzung schriftlicher Aufzeichnungen eigentlich ausgeschlossen, Ullmann, S. 388 (hinsichtlich des Angeklagten). 104 Ullmann, Keller u n d Dalcke erwähnen den Vorhalt gegenüber Beweispersonen erst gar nicht. 105 von Kries, Lb, S. 374. 106 Löwe, § 252 (253) A n m . 1 u. 4; Ullmann, S. 390 Note 3, verweist auf Löwe, Glaser, S. 454, u n d Ortloff, GS 37 (1885), 212 (226). Glaser, H b I, S. 644: Es gehe nicht darum, sich ängstlich an das Geschriebene zu halten u n d jedes dortige Detail hervorzuheben. 107 Löwe; Glaser, S. 644 bei Note 22. 108 Note 109 - 114.

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1. Teil: Grundlegung

einer zusammenhängenden Erzählung und kennt die Gefahren frühzeitiger Unterbrechungen für die Wahrheitsfindung: Eine differenzierende Mittelmeinung läßt richterliche Vorhalte i n beschränktem und vorsichtigem Umfang zu, nachdem der Stoff dazu i m Wege der Verlesung oder Vernehmung ordnungsgemäß i n die Verhandlung eingeführt sei 1 0 9 . Nach einer Mindermeinung sind auch hinsichtlich der Zeugen und Sachverständigen (freie) Vorhalte Ermessenssache des Richters 110 . Diese kann er nach dem Inhalt der Akten machen oder frei aus dem Gedächtnis heraus formulieren. A l l e i n Stenglein rückt jedoch weiter von dem Inhalt des § 252 (253) weg, indem er auch zuläßt, Angaben anderer Zeugen und die des Angeklagten vorzuhalten 1 1 1 . § 253 stehe solchen Vorkommnissen nicht entgegen, denn es handele sich, wie Stenglein formuliert, nur darum, „daß die Aussage des Zeugen das Entscheidende sei" 1 1 2 . „Wahrheitswert" komme diesen Vorhalten mit dem Reichsgericht nicht zu 1 1 3 . Die Mindermeinung hält daher weiter die Verlesung für notwendig, wenn das Gericht nicht auf das i n der Hauptverhandlung vom Zeugen Bekundete, sondern auf die früheren Angaben des Protokolls als der Wahrheit entsprechend zurückgehen wolle 1 1 4 . I n der streng gehandhabten freien Beweiswürdigung sieht sie ein ausreichendes Korrektiv zur weitergehenden Aktenbenutzung. c) Die Annäherung

der Standpunkte

Erst Ernst Beling 1 1 5 beschäftigte sich i m Jahre 1900 näher mit der Unterscheidung und Rechtfertigung zwischen Verlesung und Vorhaltung einer Urkunde, die „etwas ganz anderes" sei. Die Vorhaltung sei nicht Urkundenbeweisaufnahme. Sie ermögliche nicht die Benutzung des U r kundeninhalts, sondern solle nur ein Anreiz sein für die Person, der gegenüber die Vorhaltung erfolge, sich über gewisse Punkte (ζ. B. widerstreitende frühere Angaben) auszusprechen. Gerade weil die Vorhaltung 109 von Schwarze, Comm., § 252 (253) A n m . 3. Später auch Ortloff, G A 44 (1896), 98 (115). 110 Thilo, § 252 (253) A n m . 3; Mamroth, § 252 (253) A n m . 5; Stenglein, Komm., § 68 (69) A n m . 2; Bennecke, Lb, S. 548 Note 43. 111 Komm., § 252 (253) A n m . 3, 4, u n d Lb, S. 283. 112 Komm., § 68 (69) A n m . 2. 113 Stenglein, Komm., § 252 (253) A n m . 3. 114 Bennecke, Lb, S. 548 Note 41; Thilo, Mamroth, s. oben Note 110; Stenglein, § 252 (253) A n m . 3. Widersprüchlich aber i n A n m . 6, wonach es auch der freien Beweiswürdigung unterliegen soll, ob das Gericht dem v o m Zeugen i n der Hauptverhandlung Bekundeten oder dem früher Angezeigten Glauben schenken wolle. 115 I n der Bearbeitung des Lehrbuchs v o n Bennecke, Benneckei Beling, L b (1900), S. 342.

III. Frühere Auffassungen

59

nicht Urkundenbeweisaufnahme sei, sei sie i n weitem Umfange zulässig, auch hinsichtlich solcher Urkunden, deren Verlesung unstatthaft sei 1 1 8 . Gleichzeitig warnte Beling aber vor den Gefahren, die mit diesem Verfahren unmittelbar verbunden seien. Das Gericht dürfe nämlich nicht der „immerhin vorhandenen Versuchung" erliegen, seine Überzeugung auf die bloß vorgehaltene Urkunde zu gründen, und noch viel weniger dürfe es den Weg der Vorhaltung zur Umgehung von Verlesungsverboten beschreiten 117 . Diese Definition des Vorhalts als eines bloßen Anreizes, sich zu erklären, begünstigte sein weiteres Vordringen. Hellweg schloß sich bei der Bearbeitung des Löweschen Kommentars, unter dem Druck der expansiven Rechtsprechung, zögernd der Gegenposition an 1 1 8 . Zwar wiederholte er noch die Mahnungen Lowes, die Bedeutung des § 252 (253) als Schutz gegen eine Verletzung des Grundsatzes der „Mündlichkeit" nicht zu unterschätzen. Eine teilweise Verlesung von Aktenstücken bei der Sachvernehmung der Zeugen solle nur unter den dort bestimmten Voraussetzungen stattfinden. Daran knüpfte er jedoch den harmlos erscheinenden, für die weitere Entwicklung aber ausschlaggebenden Satz, daß § 252 (253) nicht ausschließe, daß der Vorsitzende dem Zeugen zunächst „bloße Vorhaltungen" aus der früheren Aussage mache 119 . I m Gegensatz zur erfolglosen Vorhaltung würde der Inhalt des Protokolls aber nur durch die Verlesung nach § 252 Gegenstand der Beweisaufnahme und der freien Beweiswürdigung, auch wenn sich der Zeuge oder Sachverständige nicht mehr zu der früheren Aussage bekenne 1 2 0 . Eine (weitere) Begründung für das Abrücken von der früheren Meinung Lowes findet sich nicht. Auch hinsichtlich der Vernehmung des Angeklagten lockerte Hellweg die strengen Forderungen Lowes. Die Bestimmung des § 253 (254) verbiete nicht, daß dem Angeklagten statt der Verlesung „bloße Vorhaltungen" aus der früheren Aussage gemacht würden 1 2 1 . Einer förmlichen Verlesung bedürfe es nur, wenn diese beantragt werde. Obwohl auch Hellweg noch eine Verletzung des „Mündlichkeitsprinzips" darin sehen 116

BenneckelBeling, S. 342. S. 342 unter Verweis auf die vorgeblich zutreffenden Entscheidungen RGSt 27, 29 u. 165. Dieser Standpunkt der damaligen Minderm. bezeichnet schon exakt den der h M zum heutigen Tage. 118 A. Hellweg, Löwe, 12. A u f l . (1907), § 252 A n m . 1 a u n d 4 („vorgelesen oder vorgehalten wurde"). I m Jahre 1893 bei der 8. Auflage hatte Hellweg Löwe als Bearbeiter abgelöst. 119 Hellweg, A n m . 1 b. 120 Hellweg, K o m m . (1907), § 252 (253) A n m . 7, unter A n f ü h r u n g von RGSt 117

20, 220. 121

Hellweg m i t Bezug auf RGRspr 7, 212.

60

1. Teil: Grundlegung

wollte, wenn Verhörsbeamte vernommen werden um das Abweichen einer Zeugenaussage von einer früheren festzustellen 122 , ließ er eine derartige Prozedur dem Angeklagten gegenüber zu, wenn die Feststellungen einer früheren Erklärung bei nichtrichterlichen Protokollen an § 253 Abs. 2 scheiterte 123 . Rosenberg hieß i m nächsten Jahr i n der 13. Auflage diese Zulassung des Vorhalts gut. Er lieferte die fehlende Begründung nach, indem er darauf verwies, daß die neuen Entwürfe zur StPO inzwischen ausdrücklich bestimmten, daß die früheren Aussagen sowohl dem Angeklagten als auch den Zeugen und Sachverständigen vorgehalten werden sollten; die Verlesung solle nur soweit erforderlich stattfinden 124 . Eine K r i t i k an §§ 252 Abs. 2, 253 Abs. 2, die früher als verfehlt verurteilt worden waren 1 2 5 , und an der ersatzweisen Einvernahme von Verhörsbeamten findet nicht mehr statt. Nur die übernommene Erläuterung zu § 242 (243), daß es angesichts § 256 (257) „früher Vorhalte" nicht bedürfe 1 2 6 , bewahrte Rosenbergs anfängliche Warnung vor einer Bezugnahme auf die A k t e n 1 2 7 daher davor, zu einem bloßen Lippenbekenntnis zu werden. d) Reformbestrebungen

und Vorhalte

Vorhalte aus Schriftstücken wurden i m Zuge dieser Entwicklung für die Praxis zu einer unentbehrlichen Hilfe bei der Vernehmung zur Sache. Der oben von Rosenberg erwähnte Entwurf einer Strafprozeßordnung von 1908/09 128 gab i m Hinblick auf richterliche Vorhalte i n etwa die gel122

§ 252 (253) A n m . 4 am Ende. Hellweg, § 253 (254) A n m . 1 b. 124 Rosenberg, Löwe!Rosenberg, 13. A u f l . (1913), § 252 (253) A n m . 1 b u. 253 (254) A n m . 7. Nach Hegler, Rechtsgang 2 (1919), 241 (269 Note 3), ist (deshalb) die Verwertung als bloßes H i l f s m i t t e l noch weniger eine Ausnahme vom Prinzip der U n m i t t e l b a r k e i t u n d deshalb die Zulässigkeit von Vorhalten „noch gewisser". Verfehlt ist sein Hinweis auf Rupp, S. 163, der sich zum Problem des Vorhalts n u r ganz u n k l a r äußert. 125 So noch Hellweg, 12. A u f l . (1912), §§ 252 (253) A n m . 4 u n d 253 (254) A n m . 5. 126 Löwe/Rosenberg, Komm., 13. Aufl., § 242 (243) A n m . 6. 127 Die die Vernehmung i n der Hauptverhandlung n u r wie eine Wiederholung einer früheren Vernehmung behandele, Löwe!Rosenberg, § 252 (253) A n m . 1 a. 128 E n t w u r f 1908: § 244: „ I s t ein Zeuge oder Sachverständiger früher bereits vernommen worden u n d hat er dabei Tatsachen bekundet, deren er sich i n der Hauptverhandlung nicht mehr erinnert, so k a n n i h m zur Unterstützung seines Gedächtnisses die frühere Aussage vorgehalten werden. Das Gleiche gilt, wenn die Aussage des Zeugen oder Sachverständigen m i t der früheren Aussage i n Widerspruch steht. Soweit erforderlich, k a n n das Gericht anordnen, daß zur Feststellung der von dem Zeugen oder Sachverständigen früher gemachten Aussage das Protok o l l über seine Vernehmung verlesen w i r d . " § 245: „ I s t der Angeklagte früher bereits von einem Richter vernommen worden u n d hat er dabei Tatsachen eingeräumt, die er i n der Hauptverhand123

III. Frühere Auffassungen

61

tende Anschauung wieder, indem er i n einer Kannbestimmung allgemein erlaubte, daß i n den Fällen der §§ 252, 253 (253, 254) den Zeugen, Sachverständigen und Angeklagten frühere Aussagen vorgehalten wurden 1 2 9 . Eine Verlesung „zur Feststellung" der früheren Aussage sollte dagegen nur „soweit erforderlich" und dann auf Gerichtsbeschluß erfolgen. Dieser Reformvorschlag entfachte die Diskussion um die etwas i n Vergessenheit geratene Ausgestaltung der Verfahrensgrundsätze der Anklage und der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit von neuem. Der Entwurf stieß allgemein auf Ablehnung, wobei man insbesondere die mangelhafte Ausführung der obigen Prozeßprinzipien als seinen K a r dinalfehler bemängelte. Robert von Hippel rügte i n den §§ 244 - 245 eine „gesetzliche Sanktionierung leider zum Teil bestehender Mißbräuche" 1 3 0 . Es sei daran festzuhalten, daß es „schlechterdings unzulässig" sei, i m Wege von Vorhaltungen tatsächliches Material i n die Hauptverhandlung einzuführen. Der Richter, der Vorhaltungen aus den Akten an die Stelle oder neben die ordnungsmäßige Beweisaufnahme setze, mißbräuche seine Aktenkenntnis und verfälsche die Urteilsgrundlage 1 3 1 . Vorhalte über Dinge, die nicht Gegenstand der Beweisaufnahme waren, seien „schlechterdings unzulässig und verwerflich" 1 3 2 . Die anderen K r i t i k e r beanstandeten zwar auch den Entwurf und forderten eine dem Anklageprinzip gemäße Beweisaufnahme 133 mit einem unvoreingenommenen, die Objektivität bewahrenden Richter, einem fair und bis zu seiner etwaigen Verurteilung als unschuldig zu behandelnden Angeklagten und einer klaren Abgrenzung von Vorverfahren und lung bestreitet, so k a n n i h m die frühere Aussage vorgehalten werden. Das Gleiche gilt, wenn bei der Vernehmung des Angeklagten ein sonstiger W i d e r spruch m i t der früheren Aussage hervortritt. 129 Auch die Reformkommission von 1905 hielt schon Vorhalte für unbedenklich u n d auch unentbehrlich. Bedenken dagegen richteten sich n u r gegen eine unzulässige Würdigung. E i n Vorstoß zur Beschränkung des § 252 (253) auf richterliche Protokolle scheiterte deswegen. Vgl. Protokolle 1905, Bd. 2, S. 130. Heftige K r i t i k an den Protokollen aber z. B. bei Heinemann, ZStW 26 (1906), 507 (510). 130 Schwurgerichte u n d Schöffengerichte, Bd. 2, S. 1 (113). 131 von Hippel, S. 113. 132 von Hippel, S. 114. 133 von Lilienthal, Stellungnahme, S. 120 f., u n d M I K V 14 (1907), 99 (119); M. Liepmann, Mittermaier/Liepmann, Bd. 2, S. 153 (154); Weidlich, daselbst, S. 265 (290), M I K V 14 (1907), 295 (298); Kleinf eller, Mittermaier (Liepmann, Bd. 1, 117 (158 f. u n d 185 f.); Nagler, GS 73 (1908), 97 (144 f.); P. Liepmann, K r i tische Erörterungen, S. 5 f.; Aschrott, M I K V 16 (1909), 9 (24, 50) u n d M I K V 14 (1907), 212 (235); Hartmann, daselbst, 155; Graf zu Dohna, daselbst, 159, u n d Strafverfahren, S. 168. Vgl. auch Rosenfeld, Der Reichs-Strafprozeß (1912), S. 232 Note 29; Oetker, GS 65 (1905), 325 (329); Stein, Z u r Justizreform, S. 30 u n d 82.

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1. Teil: Grundlegung

Hauptverhandlung. Vorhalte machten die richterliche Vernehmung jedoch zu einem „besonders wuchtigen Inquisitorium" 1 3 4 . Sie bewirkten die schwerste Verfälschung der Richterstellung 1 3 5 und seien zugleich der tiefste Grund des Mißtrauens gegen die Justiz 1 3 6 . Für von Liszt ist das „Kleben" an den Ergebnissen des Vorverfahrens der „Krebsschaden der H a u p t Verhandlung" ü b e r h a u p t 1 3 7 .

Unter der Geltung der RStPO nahmen diese Autoren aber freie Vorhalte neben den Verlesungen nach §§ 252, 253 RStPO als zulässig hin. Daß Vorhalte aus den A k t e n des Vorverfahrens die Mündlichkeit und Unmittelbarkeit verletzten, sei zwar „richtig, aber i m Gesetze gewollt" 1 3 8 . „ M i t halben Maßnahmen" sei aber für die Reform der Hauptverhandlung „nichts zu erreichen" 139 . Man sah also i n richterlichen Vorhalten das Grundübel des geltenden Systems, rief nach dem Gesetzgeber und verlangte eine Systemänderung, ohne jedoch die Berechtigung von Vorhalten i m geltenden Recht überhaupt noch zu erforschen und deren Verwendung konkret zu bekämpfen. Die K r i t i k e r der Vorhaltpraxis operierten damit weiterhin ziemlich unglücklich 1 4 0 . 4. Die weitere Entwicklung der Rechtsprechung zum Vorhalt (von 1920 bis heute)

a) Das Reichsgericht nach 1920 Erst damit ist der Boden geebnet für die oben S. 41 Note 3 erwähnte Entscheidung RGSt 54, 13 f. Der 4. Senat hatte sich mit der Frage zu befassen, ob es zulässig sei, dem Angeklagten i m Hinblick auf ein Geständnis vor der Polizei Vorhalte aus einem (unverlesbaren) polizeilichen 134 Weidlich, Mittermaier!Liepmann, Bd. 2, S. 265 (386); Die englische Strafprozeßpraxis, S. 68 (Umstellung v o m Verf.). iss weidlich, Mittermaier!Liepmann, S. 387. 136

Weidlich, Die englische Strafprozeßpraxis, S. 64. Die Reform des Strafverfahrens, S. 36. 138 Kleinfeller, S. 117 (158/159 Note 3), der zum Beweis seiner Ansicht aber auf das R G verweist. Ohne solche Vorhalte sei die Ausführung der Vernehmung zur Sache unmöglich. Der Vorsitzende sei nicht verpflichtet, damit bis zur Befragung nach § 256 (257) zu warten, S. 160. 139 P. Liepmann, S. 6. 140 Auch über den E n t w u r f . . . eines Gesetzes über den Rechtsgang i n Strafsachen (E 1920), der den umgekehrten Weg beschreiten wollte, die Verlesungen nach §§ 252, 253 RStPO ganz fallenließ u n d n u r bestimmte mündliche Vorhalte erlaubte (die §§236, 241 sind unten abgedruckt auf S. 245), einigte m a n sich nicht. Vgl. einerseits Goldschmidt, J W 1919, 66 (68) u. ZStW 41 (1920), 569 (603); Bendix, DStrZ 1920, Sp. 179 (180), u n d andererseits Sontag, G A 68 (1920), 321 (330); Schultz, L Z 1920, Sp. 192 (197, 198); Wach, DStrZ 1920, Sp. 71 (79); v. Hippel, ZStW 41 (1920), 325 (354); Alsberg, Verh. 35. D J T (1928), Bd. 1, S. 440 (446); Graf zu Dohna, ebenda, S. 129 (136). 137

III. Frühere Auffassungen

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Protokoll zu machen, indem das Protokoll teils vorgehalten, teils verlesen wurde. Der Senat stellt entscheidend auf den Zweck der Verlesung ab 1 4 1 . Danach soll für den bloßen Anreizzweck eines Vorhalts etwas anderes gelten als für den Beweiszweck einer Verlesung: Die Verlesung von i n polizeilichen Protokollen enthaltenen Geständnissen sei nach § 253 Abs. 1 (254 Abs. 1) unstatthaft, wenn i h r Inhalt bei der Schuldfrage verwertet werden solle. Vielmehr müßten zu dem gleichen Zweck die Protokollbeamten selbst als Zeugen vernommen werden 1 4 2 . Vorhalte aus polizeilichen Protokollen seien „allerdings nicht schlechthin unstatthaft" 1 4 3 . Sie könnten insbesondere auch i n der Form erfolgen, daß dazu Teile des Protokolls verlesen würden. Führe der Vorhalt jedoch nicht zu einem „seinem Inhalt entsprechenden Erfolge", d. h. bestätigte der Angeklagte seine Erklärungen zum polizeilichen Protokoll nicht als richtig oder doch als damals von i h m angegeben, so dürfe der Inhalt des polizeilichen Protokolls bei Prüfung des Schuldbeweises nicht verwertet werden 1 4 4 . M i t diesen Worten sanktioniert der 4. Senat ein nun nicht nur der Form, sondern auch dem Inhalt nach ungeregeltes Institut des Vorhalts. Der 2. Senat 1 4 5 entwickelt diese Auffassung i n RGSt 61, 72 f. und 69, 88 ff. konsequent weiter. A l l e i n der Zweck soll danach das Wesen des Vorhalts ausmachen. Damit ist der letzte Schritt vollzogen, u m die Vorhalte aus Schriftstücken ganz aus dem Bereich der Urkunds- und Verlesungsvorschriften zu lösen. Welche immensen Schwierigkeiten diese Rechtsprechung bereitet, wieviel Unstimmigkeiten sie heraufbeschwört und auf welchen W i derstand sie stößt, zeigt die Flut von Stellungnahmen zum Problem des Vorhalts.

141 So schon der 3. Senat v. 24. 11. 1904 J W 1905, 246. Die Verlesung der Aussage eines Zeugen erscheine außerhalb der Fälle der §§ 250, 252 (251, 253) auch dann statthaft, wenn dadurch lediglich festgestellt werden solle, daß der Zeuge bereits früher eine . . . übereinstimmende Aussage abgegeben habe. 142 R G 4. Senat v. 7.11.1919 RGSt 54,13 (17). 143 RGSt 54, 17. Diese doppelt-negative Formel findet sich ab jetzt i m m e r häufiger. 144 RGSt 54, 13 (17) unter Berufung auf R G 5. Senat v. 17. 1. 1913 D J Z 1913, 867. Jene Entscheidung n i m m t beiläufig i n drei Sätzen das hier entwickelte Ergebnis schon vorweg. Indem sie bei der Zulässigkeit großzügig auslegt, v e r schärft sie w i e RGSt 54, 13 (17) i m konkret zu entscheidenden F a l l die A n f o r derungen an die „ A u f k l ä r u n g " . Der Angeklagte müsse seine polizeilichen A n gaben als i h m erinnerlich wiederholen oder bestätigen. Der Revisionsrüge wurde schon stattgegeben, obwohl der Angeklagte, der sich nicht mehr entsinnen konnte, annahm, daß das Protokoll auf Wahrheit beruhte. 145 R G 2. Senat v. 6. 12. 1926 RGSt 61, 72 (73) u n d v o m 24. 1. 1935 RGSt 69, 88 (89).

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1. Teil: Grundlegung aa) Die Gleichgültigkeit der Form

A u f die Form soll es danach für das Vorliegen eines Vorhalts nicht ankommen. Die K r i t i k , darunter insbesondere aus der Anwaltschaft, vermochte sich jedoch nicht m i t der völligen Unterordnung der Form unter den Zweck des Vorgangs abzufinden 146 . So mußte es immer wieder zu Bekräftigungen der sich festigenden Rechtsprechung kommen. Dabei fällt auf, wie sehr insbesondere der 2. und 3. Senat die Gleichgültigkeit des formell-äußerlichen Verfahrens postulierten. Die Strafprozeßordnung enthalte keine Vorschriften über die Form, i n der ein Vorhalt zu geschehen habe 1 4 7 . Er könne auch durch Verlesung der Urkunde bewirkt werden. Diese Form des Vorhalts sei regelmäßig wünschenswert, wenn es auf den Wortlaut der Urkunde ankomme 1 4 8 . Die Verlesung könne nicht nur einen Teil, sondern notfalls auch ihren ganzen wörtlichen Inhalt erfassen 147 » 149 . Die Verlesung stelle sich dann als eine „besonders eindringliche A r t des Vorhalts" dar 1 5 0 . Denn „ A r t und Umfang der Auswertung" eines Schriftstücks durch den Vorsitzenden sei Sache der Verhandlungsleitung 1 5 1 . Der Vorhalt könne darum auch „völlig formfrei" 1 5 1 durch „zweckentsprechende Ausgestaltung der Fragestellung" erfolgen. 146 So führte ein Verteidiger aus, w e n n i n dem Sitzungsprotokoll die Rede davon sei, daß das polizeiliche Protokoll durch Verlesung vorgehalten sei, es doch w o h l keiner Ausführung bedürfe, daß eine an sich verbotene Verlesung nicht dadurch erlaubt werde, daß m a n sie Vorhaltung nenne. Vgl. RGSt 61, 73. Ob der A n w a l t dabei die Worte v o n RGSt 18, 24 (26) bewußt verwendete, sagt die Entscheidung nicht. Vgl. ferner R G 1. Senat v. 3. 6. 1924 BayZ 1924, 285 V I I I u n d 2. Senat v. 24.1.1935 RGSt 69, 88 (89). 147 So besonders deutlich R G 2. Senat v. 24. 1. 1935 RGSt 69, 88 (89) u. 2. Senat v. 23. 5. 1938 RGSt 72, 221 (223). 148 2. Senat RGSt 69, 88 (89). 149 Ferner R G Beschluß 2. Senat v. 20. 5. 1926 Das Recht 1926 Nr. 1152; R G 3. Senat v. 27. 4. 1925 Das Recht 1925 Nr. 2089 u n d v. 24. 5. 1928 Das Recht 1928 Nr. 1757. § 250 verbiete ebensowenig w i e § 253 StPO, von Vorhaltungen i n solcher Weise Gebrauch zu machen. R G 3. Senat v. 8. 11. 1926 J W 1927, 2708 (2709) Nr. 31 = RGSt 61, 9 (10) m i t Verweis auf Beschluß des 2. Senats v. 20. 5. 1926 (427/26) = Das Recht 1926 Nr. 1252. Daß es nicht nach § 254 verboten sei, Angeklagten ihre früheren Aussagen vorzuhalten, gelte auch von einem mehr oder minder wörtlichen Vorhalt. R G 1. Senat v. 3. 6. 1924 BayZ 1925, 285 I I I aA 1. Senat v. 15. 1. 1932 J W 1932, 3104 Nr. 57: Fortlaufende wörtliche Vorhaltung eines Protokolls „bedeute nichts anderes als Verlesung". Eine Verlesung sei aber nicht protokolliert. 150 R G 2. Senat v. 6. 12. 1926 RGSt 61, 72 (73). Wörtlich übernommen später von R G 2. Senat v. 23. 5.1938 RGSt 72, 221 (223). 151 R G 2. Senat v. 25. 4. 1938 H R R 1938 Nr. 1153. Der Terminus „formfreier V o r h a l t " statt w i e früher noch „mündlicher V o r h a l t " findet sich als Zentralbegriff wieder i m Low e!Rosenberg, 21. Aufl., § 249 A n m . 13 u n d passim; 22. Aufl., § 249 A n m . 14.

III. Frühere Auffassungen

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Ebensowenig wie einer wörtlichen Wiedergabe der Urkunde bedürfe es danach einer ausdrücklichen Bezugnahme auf sie. Zweckmäßigkeitsgründe würden auch den Ausschlag geben, ob der Vorsitzende auf den „ I n halt der Bekundungen" der Angeklagten, Zeugen oder Sachverständigen m i t „Fragen oder Vorhaltungen einwirken" wolle 1 5 2 . Das Verhältnis zwischen Fragen und Vorhaltungen w i r d jedoch nirgends näher ausgeführt 153 » 1 5 4 . bb) Die Gleichgültigkeit der Grundlage Als Stoff zu Vorhalten derart beliebiger Form können nach dieser Rechtsprechung alle denkbaren Aktenteile verwendet werden. Eine Verlesbarkeit nach den §§ 250 bis 256 ist nicht Voraussetzung: §§250 und 253 stünden nicht entgegen, einem Zeugen die Angaben eines anderen Zeugen vorzuhalten, auch wenn diese nur zu polizeilichem Protokoll gemacht seien und wenn der andere Zeuge i n der Hauptverhandlung nicht anwesend sei 1 5 5 . Von i n einer anderen Strafsache erstatteten Gutachten jetzt abwesender Sachverständiger soll dadurch „Kenntnis genommen" werden können, daß sie einem dritten anwesenden Gutachter zur Stellungnahme vorgehalten werden 1 5 6 . § 254 Abs. 1 verbiete nur, nichtrichterliche Protokolle zum Zwecke der Beweisaufnahme über ein Geständnis zu verlesen. Auch dem Angeklagten gegenüber dürften polizeiliche Protokolle jedoch zu Vorhalten benutzt werden 1 6 7 . 152 So beiläufig R G 3. Senat v. 14.1.1937 RGSt 71, 10 (11). R G 2. Senat v. 24. 1. 1935 RGSt 69, 88 (89) stellt i h m „ V o r h a l t oder Befragung" anheim. R G 4. Senat v. 23. 3. 1934 RGSt 68, 110 (111) spricht v o m „Eindringen m i t Fragen u n d Vorhaltungen". R G 2. Senat v. 25. 4. 1938 H R R 1938 Nr. 1153: „ V o r h a l t u n d Befragung". iss welche Beziehung zwischen Vorhalten bzw. Vorhaltungen zu Fragen herrscht u n d was den Vorhalt v o n einer Frage unterscheidet, bleibt danach offen u n d w i r d auch nirgends v o m Reichsgericht näher erläutert. Das R G hält dies alles f ü r nicht wesentlich. 154 Deutlich ausgesprochen u n d konsequent entwickelt w i r d die Gleichgültigkeit der Form, w e i l „allein der erkennbar gemachte Zweck das Wesen des Vorhalts" ausmache, eigentlich n u r u n d erst von Max Alsberg, Der Beweisantrag i m Strafprozeß (1930), S. 211 (213). Die Zulässigkeit einer Verlesung zum Zwecke der Vorhaltung beurteile sich deshalb nicht nach den §§ 250 bis 256, sondern nach den f ü r die Zulässigkeit des Vorhalts geltenden G r u n d sätzen. 155 R G 3. Senat v. 8. 11. 1926 RGSt 61, 9 (10) = 1927, 2708 (2709); weitgehend ferner R G 2. Senat v. 11. 6. 1925 RGSt 59, 248 (249) u. Feriensenat v. 22. 7. 1929 J W 1930, 154 (155) zu § 253. Widersprüchlich u n d u n k l a r 4. Senat v. 22. 12. 1921 L Z 1922,167 Nr. 11 = J W 1922, 494 m i t A n m e r k u n g von Merkel 158 R G (ohne Senat) v. 29. 1. 1924 J W 1924, 1880 Nr. 11 m i t zustimm. A n merkung von Oetker. 157 Vgl. R G 2. Senat v. 6. 12. 1926 RGSt 61, 72 (73); v. 27. 11. 1924 J W 1925, 958 Nr. 2 hins. Aussagen v o n nicht als Zeugen geladenen Verteidigern; 24. 3. 1928 J W 1928, 2722 (2723); v. 24.5.1928 Das Recht 1928 Nr. 1755; v. 17.9.1929 J W 1930,

5 Kuckuck

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1. Teil: Grundlegung

So könnte i h m Gelegenheit gegeben werden, sein früher abgelegtes Geständnis zu wiederholen 1 5 6 . Auch die protokollierten Angaben des i m abgetrennten Verfahren verhörten Mitangeklagten eigneten sich für richterliche Vorhalte 1 5 9 . Doch nicht nur die vor der Polizei abgegebenen Erklärungen, sondern auch frühere Urteile 1 6 0 , amtliche Gutachten 1 6 1 und Auskünfte amtlicher Stellen 1 6 2 können dem Angeklagten vorgehalten werden. Aufgrund dahingehender Erklärungen der Auskunftsperson könne dann festgestellt werden, daß ein Gutachten oder eine Auskunft dieses Inhalts erstattet oder ein entsprechendes Urteil ergangen sei. Veranlassung zu richterlichen Vorhalten könnten aber auch Bekundungen geben, die überhaupt nicht festgehalten bzw. protokolliert seien 163 . Lediglich für § 252 StPO soll etwas anderes gelten 1 6 4 . cc) Das Nichteingreif en der Urkundsvorschriften Die Erklärungen, warum die Urkunds- und Verlesungsvorschriften der §§ 249 - 256 StPO nicht eingreifen sollen, müssen überraschen. Nicht nur der Zweck des Vorhalts, anzureizen, w i r d von dem der Beweisführung geschieden. Auch hinsichtlich des Beweisführungsziels i n § 249 differenziert das Reichsgericht noch einmal: Die §§ 250 f. untersagten das Verlesen von Protokollen zum Zwecke der Beweisaufnahme über ihren I n h a l t 1 6 5 . Aus diesen Vorschriften sei jedoch 936 Nr. 48 u. v. 25. 4. 1938 H R R 1938 Nr. 1153. R G 1. Senat v. 3. 6. 1924 BayZ 1925, 285 I I I ; v. 12. 10. 1928 BayZ 1929, 124 I ; v. 21. 3. 1930 J W 1930, 2565 Nr. 34; aA 1. Senat v. 28. 3. 1930 J W 1930, 2566 Nr. 35 = RGSt 64, 78 (80): Danach können frühere Erklärungen des Angeklagten diesem vorgehalten werden, nicht aber Äußerungen d r i t t e r Personen, deren Verwertungen nach § 250 u n zulässig sei. 2 Sätze weiter w i r d dann aber doch gutgeheißen, daß ein G u t achten eines Ministerialrats dem Angeklagten vorgehalten wurde. 2. Senat v. 23. 1. 1931 J W 1931, 953 Nr. 29 u n d 1. Senat v. 15. 1. 1932 J W 1932, 3104 Nr. 57; R G 3. Senat v. 27. 4. 1925 Das Recht 1925 Nr. 1089 u n d v. 24. 5. 1928 Das Recht 1928 Nr. 1757; O L G Dresden v. 18. 3. 1925 A r c h i v f. Rpfl. i n Sachsen usw., Bd. 3 (1926), 41; B a y O b L G v. 19. 1. 1934 H R R Nr. 1000 u n d v. 18. 4. 32 D R i Z 1932, 563 Nr. 691. 158 R G 2. Senat v. 17. 9. 1929 J W 1930, 936 Nr. 48. 159 B a y O b L G v. 18. 4. 1932 D R i Z 1932, 563 Nr. 691. 160 R G 1. Senat v. 14. 6. 1927 J W 1928, 818 Nr. 42 hins. eigener Strafurteile u n d 1. Senat v. 28. 3. 1930 J W 1930, 2566 Nr. 35 hins. eigener Zivilurteile. 181 R G 1. Senat v. 28. 3. 1930 RGSt 64, 78 (80) = J W 1930, 2566 Nr. 35 zum Gutachten eines Ministerialrats; aA R G 1. Senat v. 25. 2. 1927 J W 1928, 1307 (1308) Nr. 29 m i t abl. A n m e r k u n g von Oetker. 182 R G 2. Senat v. 3. 1. 1929 J W 1929, 1048 (1049) Nr. 56 m i t Verweis auf RGSt 35, 198 zur entscheidenden Vorfrage, ob die überdruckten Steuerzeichen von einer dazu berechtigten Amtsstelle herrührten oder nicht. 183 R G Beschluß v. 20. 5.1926 Das Recht 1926 Nr. 1152. 184 B a y O b L G v. 24. 2. 1927 D R Z 1927, 156 Nr. 434. F ü r Vorhalte bei § 252 erst R G 2. Senat v. 23. 5. 1938 RGSt 72, 221 (222). 185 So besonders deutlich R G 2. Senat v. 6.12. 1926 RGSt 61, 72 (73).

III. Frühere Auffassungen

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nicht zu folgern, daß ein Verlesen schriftlicher Erklärungen aus dem Vorverfahren schlechthin unzulässig sei. Das Gegenteil ergäbe sich vielmehr aus § 249, wonach Urkunden und andere als Beweismittel dienende Schriftstücke i n der Hauptverhandlung verlesen würden. Polizeiliche Protokolle seien von dem Begriff der Urkunden i m Sinne dieser Vorschrift nicht grundsätzlich ausgeschlossen166. I h r Vorhalt bzw. ihre Verlesung sei zulässig zu dem Zweck, u m festzustellen, daß ein Schriftstück des fraglichen Inhalts vorhanden sei 1 6 7 und daß der Zeuge bereits früher eine übereinstimmende Aussage gemacht habe 1 6 8 . Zu diesem Zweck, u m also festzustellen und der Aussageperson vorzuhalten, daß über frühere Erklärungen von i h r eine Urkunde vorhanden sei und welchen wörtlichen Inhalt sie habe, dürften auch gemäß §§ 250 f. unverlesbare Schriftstücke unbedenklich verlesen bzw. zu Vorhalten verwendet werden 1 6 9 . „Insofern also als Urkundenbeweis" sei deren Verlesung „nicht nur zulässig, sondern nach § 249 StPO geboten" 1 7 0 . Denn das Dasein dieser Urkunden und i h r Inhalt sei keine Tatsache, deren Beweis (iSd § 249) auf der Wahrnehmung einer Person beruhten 1 7 1 . I h r Dasein und i h r Inhalt ergäbe sich unmittelbar und ausschließlich aus den Urkunden selbst. dd) Der Vorrang der Beweiswürdigung: Ein Beweismittel (ganz) zu ersetzen, ist die Grenze für den Beweiswert des Vorhalts A n die Stelle von Regeln über die Form und die Zulässigkeit von Vorhalten treten nun Anweisungen über deren Beweiswert bzw. deren Beweiswürdigung. Die ersten Entscheidungen trennen auch äußerlich ihr Urteil über die Vorfrage, ob der Vorhalt i n der zu beurteilenden A r t statthaft war, von dem über die Hauptfrage, ob sein Inhalt bei der U r 166

RGSt 61, 73. RGSt 61, 73. 168 R G 3. Senat v. 24. 11. 1904 J W 1905, 246. Ebenso schon 2. Senat v. 30. 12. 1898 RGSt 31, 407 (408), jedoch f ü r Briefe. 160 Vgl. R G 2. Senat v. 6. 12. 1926 RGSt 61, 72 (73) u n d v. 24. 5. 1928 J W 1928, 2722 = Das Recht 1928 Nr. 1755 (Verlesung zum Vorhandensein ist Vorhalt); 3. Senat v. 8. 11. 1926 RGSt 61, 9 = J W 1927, 2708; 2. Senat v. 15. 4. 26 Das Recht 1926 Nr. 1250; v. 18. 3. 1926 Das Recht 1926 Nr. 1252 (hinsichtlich eines i n der Berufungsverhandlung nicht erschienenen Zeugen); v. 3. 1. 1929, 1048 (1049); widersprüchlich K G v. 7. 1. 1929 G A 74 (1930), 29 (33); B a y O b L G v. 19. 1. 1934 HRR 1934 Nr. 1000. Differenziert hins. Protokollen u n d schriftl. E r k l ä r u n gen R G 2. Senat v. 23. 2. 1925 RGSt 59, 100 (101). aA R G 1. Senat v. 28. 3. 1930 J W 1930, 2566, Nr. 35, das zu diesem Zweck n u r den Vorhalt billigt, nicht die Verlesung. 176 R G 2. Senat v. 24. 5. 1928 J W 1928, 2722 (2723). Ebenso schon 2. Senat v. 19. 6.1891 RGSt 22, 51 (52). 171 R G 2. Senat v. 15. 4. 1926 RGSt 60, 169 (170); 3. Senat v. 8. 11. 1926 RGSt 61, 9. 167

*

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1. Teil: Grundlegung

teilsfällung auch nicht unzulässig verwertet w u r d e 1 7 2 : Grundsätzlich verschieden von der Frage der Verlesbarkeit sei die Frage der Verwertbarkeit bei Prüfung der Schuldfrage 173 . Die folgenden Urteile unterscheiden dann aber nicht immer die Statthaftigkeit und die Verwertbarkeit klar voneinander, und nicht immer werden alle beim Vorgang des Vorhalts zu beachtenden Schritte richtig vollzogen. Vom Verständnis des formfreien Vorhalts her, der ja auch unverlesbare Urkunden erfaßt, und auch nach der ganz herrschenden A u f fassung muß, wenn ein Schriftstück für einen Vorhalt verwendet wird, nicht dieses selbst, sondern nur die Erklärung, die die befragte Person auf den Vorhalt h i n abgibt, die Grundlage für das vom Gericht zu fällende Urteil bilden 1 7 4 . I m einzelnen ist das RG sich jedoch über die Möglichkeiten zulässiger Aktenverwertung bei der mündlichen Vernehmung unklar und uneinig. Den Hintergrund dieser Meinungen bildet die weitverbreitete Ansicht, daß die Verwertung des Inhalts einer Urkunde nur dann ausgeschlossen sein soll, wenn durch diesen Urkundenbeweis die mündliche Vernehmung einer Person unzulässig umgangen werden soll, u m ihre mündliche Vernehmung i n anderen als durch § 251 StPO zugelassenen Formen durch das Verlesen einer Niederschrift über ihre Vernehmung zu ersetzen 175 . Damit ist als ein Ergebnis festzustellen: Wirkliche Übereinstimmung herrscht nur insofern, als der Vorhalt nicht dazu dienen darf, einen (unzulässigen) Urkundenbeweis zu ersetzen 176 . Positive Definitionen des Stellenwerts des Vorhalts bleiben deshalb selten. Man begnügt sich m i t Umschreibungen seiner Funktion, die meist gleich noch negativ abgegrenzt werden 1 7 7 . So dürfe aus der durch Vorhalt festgestellten Tatsache, daß solche Erklärungen i n einem Protokoll vorhanden und beurkundet seien, nicht der Beweis entnommen werden, daß das Niedergeschriebene auch wirklich erklärt sei 1 7 8 . Schon gar nicht dürfte daraus auf dessen Richtigkeit geschlossen werden 1 7 9 . Der Vorhalt habe nur den Zweck, Erklärungen der Beweisperson herbeizuführen 180 . 172 Vgl. R G 4. Senat v. 7. 11. 1919 RGSt 54, 13 (17); 3. Senat v. 8. 11. 1926 RGSt 61, 9 (10); 2. Senat v. 6.12.1926 RGSt 61, 72 (73). 173 RGSt 61, 73. 174 Vgl. n u r R G 1. Senat v. 21. 3.1930 J W 1930, 2565 Nr. 34. 175 R G 2. Senat v. 23. 2. 1925 RGSt 59, 100 (101); v. 18. 3. 1926 u n d v. 20. 5. 1926 Das Recht 1926 Nr. 1251 u n d 1252; v. 25. 4. 1938 HRR 1938 Nr. 1153. 176 Siehe R G 2. Senat v. 24.1.1935 RGSt 69, 88 (89). 177 Diese negativen Abgrenzungen beweisen, wie zweifelhaft dem R G dabei ist. 178 R G 2. Senat v. 6. 12. 1926 RGSt 61, 71 (74) u n d v. 24. 5. 1928 J W 1928, 2722 (2723). 179 R G 3. Senat v. 8.11. 1926 J W 1927, 2708 (2709). 180 RGSt 69, 88 (90).

III. Frühere Auffassungen

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Er solle Gelegenheit geben, sich zu äußern 1 8 1 bzw. sich zu dem Vorhandensein von Schriftstücken m i t bestimmten Inhalten zu äußern 182 . Die so provozierte Erklärung und nicht etwa das vorgehaltene Schriftstück bildeten das Beweismittel 1 8 3 . Der Vorhalt selber soll kein A k t der Beweiserhebung sein. Die vorgehaltenen Protokolle dürften daher nicht als Beweismittel verwertet werden 1 8 4 . Nur wenige Entscheidungen halten diesen Anspruch jedoch i n ihren tatsächlichen Anforderungen durch. Fast alle geben die klare begriffliche Unterscheidung zwischen Vorhalt und Erklärung — wie j a schon RGSt 54, 13 (17) — dadurch wieder auf, daß sich die Senate statt m i t einer umfassenden Äußerung m i t einer irgendwie gearteten positiven Stellungnahme zu dem Inhalt der vorgehaltenen Urkunde begnügen. Sie operieren statt dessen m i t der Unterscheidung zwischen dem erfolgreichen und dem erfolglosen Vorhalt, der eine Aufklärung herbeiführen konnte oder nicht 1 8 5 . Bei näherer Betrachtung zeigt sich, daß man sich durchaus nicht scheut, dem Vorhalt selbst auch mehr oder weniger offen eine unterstützende Beweiswirkung zuzusprechen 186 : Der Inhalt etwa eines vorgehaltenen Protokolls darf danach schon verwertet werden, wenn die Auskunftsperson ihre früheren Erklärungen als richtig oder doch wenigstens als von i h r abgegeben bestätigt 1 8 7 . 181

2. Senat v. 17. 9. 1929 J W 1930, 936 Nr. 48; 1. Senat J W 1930, 2566 Nr. 35. U m zu erfahren, welche Stellung der Zeuge dazu e i n n i m m t : 1. Senat v. 12. 10. 1928 BayZ 1929, 124. U m festzustellen, w i e der Zeuge Widersprüche aufzuklären sucht: 1. Senat v. 19. 3. 1925 RGSt 59, 144 (146). 2. Senat v. 24. 5. 1928 J W 1928, 2722 (2723) = Das Recht 1928 Nr. 1755; 1. Senat v. 28. 3. 1930 RGSt 64, 78 (79); B a y O b L G v. 18. 4. 1932 D R i Z 1932 Nr. 692. Der Vorhalt dient danach einmal dazu, den Angeklagten zu Erklärungen zu veranlassen (RGSt 64, 79); zur Berichtigung (JW 1925, 958 Nr. 2) Gelegenheit zu geben, ein früher abgelegtes Geständnis zu wiederholen (JW 1930, 936); die Erinnerung zu überprüfen (RG 61, 9); zur Gedächtnishilfe (RG Das Recht 1928 Nr. 1757). 183 3. Senat v. 8. 11. 1926 RGSt 61, 9; 1. Senat v. 28. 3. 1930 RGSt 64, 78 (79); RGSt 69, 90. 184 3. Senat RGSt 61, 9; 1. Senat RGSt 64, 78 (79). 185 R G 4. Senat v. 22. 12. 1921 J W 1922, 494 Nr. 3 = L Z 1922, 167; 1. Senat V. 3. 6. 1924 BayZ 1925, 285 I I I ; v. 13. 3. 1925 J W 1925, 2474 (2475) = Das Recht 1925 Nr. 1088 „Widerspruch beseitigen"; v. 19. 3. 1925 RGSt 59, 144 (146) Erfolg, wenn Vorhandensein zugegeben w i r d ; v. 15. 1.1932 J W 1932, 3104. 186 R G 2. Senat v. 6. 12. 1926 RGSt 61, 72 (74) sieht darin noch eine „ m i t t e l bare" Protokollverwertung. 2. Senat v. 24. 1. 1935 RGSt 69, 88 (89): Durch den Vorhalt werde der I n h a l t einer U r k u n d e zur Kenntnis des Gerichts gebracht u n d könne demgemäß auch bei der Urteilsfällung zugrunde gelegt werden. 187 Vgl. R G 4. Senat v. 7. 11. 1919 RGSt 54, 13 (17); 2. Senat v. 24. 1. 1935 RGSt 69, 88 (90); 3. Senat v. 24. 5. 1928 Das Recht 1928 Nr. 1757. 1. Senat v. 15. 1. 1932 J W 1932, 3104 fordert, die „Richtigkeit anzuerkennen"; 3. Senat v. 27. 4. 1925 Das Recht 1925 Nr. 1089 läßt ein „Zugeben" genügen; ebenso 1. Senat v. 12. 10. 1928 BayZ 1929, 124 I u. v. 23. 1. 1931 J W 1931, 953 Nr. 29; 2. Senat v. 24. 5. 1928 J W 1928, 2722 (2723) = Das Recht 1928 Nr. 1755: „anerkennen" u. v. 6. 12.1926 RGSt 61, 72 (74): „Richtigkeit zugeben". 182

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1. Teil: Grundlegung

Das Gericht kann so ein vor der Polizei vorgeblich abgelegtes Geständnis für wahr halten, wenn der Angeklagte eingesteht, die damaligen Aussagen seien zwar richtig beurkundet, aber wahrheitswidrig und erzwungen gewesen 188 . Die Feststellung soll sich auch dann noch auf die m i t dem Inhalt der früheren Vernehmung übereinstimmende, i n der Hauptverhandlung selbst abgegebene Erklärung der Auskunftsperson stützen 189 . Beweismittel sei i n einem solchen Fall die eigene Erklärung, „zu deren Bestandteil" diese den „Inhalt des von ihr anerkannten (polizeilichen) Protokolls" gemacht habe 1 9 0 . Es soll aber aus dem Schriftstück nichts festgestellt werden dürfen, was von der mündlichen Erklärung abweiche. Der Vorhalt soll danach erfolglos bleiben, wenn die Auskunftsperson bestreitet, überhaupt solche Erklärungen abgegeben zu haben oder behauptet, daß das Protokoll die damaligen Erklärungen unrichtig wiedergäbe 191 . I n anderen Fällen hätten „jene P r o t o k o l l e . . . als Beweismittel keine unzulässige Verwendung gefunden" 1 9 2 , so daß nach der Ansicht des RG erst eine dem entgegenstehende Beweiswürdigung eine Beweisführung aufgrund von Akten sein soll, wie sie die Strafprozeßordnung verbiete. ee) Die Weite und Unübersichtlichkeit der Urkundenverwertung Das Reichsgericht findet damit zu Auslegungen und Deutungen der Urkundsvorschriften einerseits und des Vorhalts aus den Akten andererseits, die immer mehr von dem Bestreben beherrscht werden, dem Tatrichter eine möglichst umfassende Benutzung von Schriftstücken zu ermöglichen. Die i m Gesetz vorgesehene Beweisführung durch Urkunden geschieht durch wörtliches Verlesen. Aber außer durch einen Vorhalt, der nun endgültig auch unverlesbaren Schriftstücken entnommen werden kann, können Urkunden vom Vorsitzenden auch weiterhin durch einen zusammenfassenden Vortrag (Inhaltskonstatierung) zur Kenntnis der Verfahrens188 R G 2. Senat v. 24. 5. 1928 J W 1928, 2722 (2723) = Das Recht 1928 Nr. 1755* Der Richter könne den Behauptungen des Angeklagten, das Geständnis sei erpreßt worden, ohne weiteres den Glauben versagen. Zweitens k a n n der Richter annehmen, daß das Geständnis der Wahrheit entspricht, obwohl es erpreßt worden ist. Vgl. 1. Senat v. 7. 10.1924 RGSt 58, 298 (299). 189 So R G 3. Senat v. 27. 4. 1925 Das Recht 1925 Nr. 1089. 190 R G 2. Senat v. 6.12. 1926 RGSt 61, 72 (74). 191 R G 1. Senat v. 23. 1. 1931 J W 1931, 953 Nr. 29. Die Entscheidung gab der Revision statt. Der Angeklagte hatte eingeräumt, das Protokoll unterschrieben zu haben, behauptete aber, daß es seine damaligen Erklärungen unrichtig wiedergäbe. „ I n einem solchen Fall", entschied der Senat, „dürfe aber ein Beweis niemals durch den I n h a l t dieses Protokolles allein (!) geführt werden". Vgl. ferner R G 2. Senat v. 6. 12. 1926 RGSt 61, 72 (74) u. 1. Senat v. 23. 1. 1931 J W 1931, 953. 192 RG 3. Senat v. 27. 4.1925 Das Recht 1925 Nr. 1089.

III. Frühere Auffassungen

71

beteiligten gebracht werden. Die Inhaltsmitteilung als Ersatz der Verlesung soll jedoch A k t der Beweisaufnahme sein und darf sich daher nur auf verlesbare Urkunden erstrecken 193 . Die Urkundenverwendung und Urkundenverwertung w i r d damit i m mer vielfältiger: Da die Verlesung, u m das Vorhandensein eines Urkundeninhalts zu beweisen, wie aufgezeigt, unumschränkt zulässig ist, w i r d sie i n der Praxis auch m i t einem Vorhalt i n der Weise verbunden, daß der A k t des Verlesens beiden Zwecken gleichzeitig dienstbar gemacht w i r d 1 9 4 . Da gleichzeitig der Beweiswert des Vorhalts i m Beweismittelsystem immer verschlungener, komplexer und auch versteckter wird, w i r d die Urkundenbeweisaufnahme für den Tatrichter und die übrigen Prozeßbeteiligten immer schwieriger zu handhaben bzw. zu verstehen. Die Fülle der sich m i t dem Vorhalt auseinandersetzenden Entscheidungen belegen die Unübersichtlichkeit der Materie und die verschiedensten revisionsrechtlichen Probleme, die diese aufgibt. Die revisionsrichterliche Kontrolle w i r d durch den verwickelten und widersprüchlichen Rechtszustand auch immer mehr i n Frage gestellt 1 9 5 . Nicht nur die vielen sprachlichen und begrifflichen Unstimmigkeiten i n den Entscheidungsgründen zeigen auf, daß sich nicht einmal alle Mitglieder des Reichsgerichts und der anderen Obergerichte auf den verschlungenen Pfaden zurechtfinden, denen die Rechtsprechung zur Benutzung von Urkunden und zur Verwendung von Protokollen folgt 1 9 6 . Das Sitzungsprotokoll braucht über Vorhalte — auch wenn sie i n der Form der Verlesung geschehen — weiterhin nicht auszusagen 197 . Darüber hinaus verneint das RG i n ständiger Rspr nun auch noch die Notwendigkeit, Mitteilungen des Vorsitzenden direkt zum Zwecke der Beweisauf193 So w i e R G 2. Senat v. 16. 2. 1894 RGSt 25, 125 (126) jetzt auch 4. Senat v. 22. 12. 1921 L Z 1922, 167. Konsequenterweise w u r d e auch anfangs der Protokollierungszwang des § 273 darauf ausgedehnt, bald jedoch gleichfalls als unnötig angesehen: R G 1. Senat v. 14. 6. 1927 J W 1928, 818 Nr. 42 u n d 2. Senat v. 3 . 1 .1929 J W 1929,1048 (1049). 194 Nach Alsberg, J W 1929, 1048 (1050), Anmerkungen zu R G 2. Senat v. 3. 1. 1929, bildet diese Praxis durchaus die Regel. 195 Vgl. auch Löwenstein, A n m . zu R G 1. Senat v. 16. 3. 1928 J W 1928, 1939. 198 Vgl. n u r das B a y O b L G v. 19. 1. 1934 HRR 1934 Nr. 1000: „Denn die V e r lesung polizeilicher Protokolle dem Angeklagten gegenüber ist zwar — zum Beweise des Vorhandenseins solcher Schriftstücke — zulässig, sie ist aber nicht notwendig u n d k a n n durch einen Vorhalt ersetzt werden. Dagegen d ü r fen polizeil. Prot, als Beweismittel (!) dafür, daß der Angekl. die i n ihnen niedergelegten Erklärungen w i r k l i c h abgegeben hat, n u r verwendet werden, w e n n der Angekl. zugibt, die Erklärungen abgegeben zu haben . . . " Fast wörtlich übereinstimmend R G 1. Senat v. 23. 1. 1931 J W 1931, 953; 2. Senat v. 25. 4. 1938 HRR 1938 Nr. 1153: Vorhalt erlaubt Verwertung von Schriftstücken. 197 Ständige Rspr s. etwa R G 2. Senat v. 24. 1. 1935 RGSt 69, 88 (90) = J W 1935, 1788 (1789) u . v . 25. 4. 1938 HRR 1938 Nr. 1153; 1. Senat v. 14. 6. 1927 J W 1928, 818 Nr. 42; 2. Senat v. 3. 1. 1929 J W 1929, 1048 (1049).

72

1. Teil: Grundlegung

nähme i m Sitzungsprotokoll zu beurkunden 1 9 8 . Damit kann jedes Schriftstück unumschränkt verwertet werden, wenn es nur zum „Gegenstand der Hauptverhandlung" 1 9 9 gemacht wurde. Ist ein Schriftstück „erörtert" 2 0 0 , so spricht die Vermutung für eine zulässige Verwertung aufgrund eines Vorhalts. Denn die Vermutung eines gesetzwidrigen Verhaltens des Richters verbietet sich von selbst 201 . Als unzulässig erweist sich nach allem die Verwertung von — auch unverlesbaren — Urkunden i m Wege des Vorhalts und seiner irgendwie gearteten Bestätigung praktisch nur dann, wenn niemand vernommen ist, der ihren Inhalt vernünftigerweise hätte bestätigen können 2 0 2 . ff) Die ersten Anzeichen für einen Meinungsumschwung Das Reichsgericht spürt jedoch selbst, daß die „freie Beweiswürdigung" als letzter Ausgleich einer zu weitgehenden Vorhaltverwertung wenig Einhalt gebieten kann. Denn welche Schlüsse aus allgemein bestätigenden Erklärungen zu ziehen und i n welcher Weise sie (und damit die betreffenden Protokollteile) bei der Urteilsfindung zu berücksichtigen sind, ist dann allein Sache des Gerichts 203 . So kann der Grundsatz der freien Beweiswürdigung dazu führen, sich für eine „Aufklärung" mit unklaren Erwiderungen zufrieden zu geben und auch ein Bestreiten einmal als unglaubwürdig abzutun 2 0 4 . 198

Wie 4. Senat v. 2. 12. 1913 J W 1914, 435 (436) Nr. 58; 1. Senat v. 21. 1. 1915 L Z 9 (1915), 631 Nr. 39; v. 15. 11. 1917 L Z 12 (1918), 454 Nr. 32 auch FerSenat v. 21. 7. 1927 L Z 21 (1927), 1550 (1551); R G 1. Senat v. 14. 6. 1927 J W 1928, 818 Nr. 43; 2. Senat v. 3. 1. 1929, 1048 (1049) aA 1. Senat v. 28. 3. 1930 J W 1930, 2566 Nr. 35. 199 R G 1. u n d 4. Senat, J W a.a.O.; v. 21. 3. 1930 J W 1930, 2565 Nr. 34 u n d J W 1930, 2566 Nr. 35; 2. Senat v. 24. 1. 1935 RGSt 69, 88 u . v . 25. 4. 1938 HRR 1938 Nr. 1153. 200 Vgl. R G Beschluß 2. Senat v. 20. 5. 1926 Das Recht 1926 Nr. 1252; 1. Senat v. 21. 3. 1930, 2565 Nr. 34; 2. Senat v. 28. 3. 1930 J W 1930, 2566 Nr. 35 u n d v. 25. 4.1938 H R R 1938 Nr. 1153. 201 Dazu Oetker, A n m . zu R G 3. Senat v. 8. 11. 1926 J W 1927, 2708 (2709) Nr. 31 = RGSt 61, 9. 202 2. Senat v. 24. 1. 1935 RGSt 69, 88 = J W 1935, 1788 Nr. 25 verlangt die Bestätigung „aus eigener früherer Wahrnehmung". Siehe dazu schon R G 1. Senat v. 20. 11. 1893 J W 1894, 50 Nr. 7: „Verstoß gegen das Prinzip der M ü n d lichkeit u n d U n m i t t e l b a r k e i t des Verfahrens", da dem Zeugen — eine Verlesung als Beweismittel fand nicht statt — die Geschäftsnummer eines i n den Urteilsgründen wiedergegebenen Bezirksamtsbeschlusses „keinesfalls gegenw ä r t i g sein konnte". Ferner 1. Senat v. 16. 3. 1928 J W 1928, 1939 (1940); 2. Senat v. 13. 6. 1927 J W 1928, 818 (819) Verwendung eines Gutachtens ohne Anwesenheit des Sachverständigen m i t A n m . Hegler (aA, aber widersprüchlich R G J W 1930, 2566 Nr. 35); FerSenat v. 22. 7. 1929 J W 1930, 154 (155). 2. Senat v. 18. 1. 1937 HRR 1937 Nr. 907. 203 So ausdrücklich auch R G 2. Senat v. 24. 1.1935 RGSt 69, 88 (91). 204 Alsberg/Nüse, S. 290 - 291, weisen zu Recht darauf hin, daß sich, wenn

III. Frühere Auffassungen

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Neben der weiten Zulassung von Vorhalten aus Schriftstücken finden sich daher immer mehr Warnungen der Senate, die Unterscheidung zwischen einem zulässigen Vorhalt aus den Akten und einem unzulässigen Urkundenbeweis nicht zu „verwischen" 2 0 5 . Derartigen Hinweisen kommt jedoch nur eine undurchsetzbare A p pellfunktion zu. Eine Revisionsrüge hat nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn sie Nachweise für eine unzulässige Vorhaltverwertung bringen kann 2 0 6 . Auch dem Reichsgericht geht es zu weit, wenn die Tatgerichte Protokollvorhalte offen nicht nur als ergänzende, sondern sogar als allein ausschlaggebende Beweisstütze heranziehen 207 . U m zu sichern, daß primär die durch den Vorhalt veranlaßte Aussage Beweisquelle bleibt, muß sich daher, falls dem Vorhaltvorgang „wesentliche Bedeutung" zugemessen wurde, aus den Urteilsgründen zweifelsfrei ergeben, daß an eine positive Erklärung einer Auskunftsperson angeknüpft wurde und nicht unmittelbar an den Urkundeninhalt selbst 208 . Einer zu unbeschränkten Protokollverwertung t r i t t der 1. Senat auch mit dem Verweis entgegen, daß eine vollständige wörtliche Urkundenwiedergabe kein Vorhalt mehr sei 2 0 9 . b) Die neuere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, des Bundesgerichtshofs und der Oberlandesgerichte

Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs zum Vorhalt folgt grundsätzlich der des späteren Reichsgerichts. Auch der Bundesgerichtshof und die Oberlandesgerichte lassen die Benutzung bzw. Verwertung schriftlicher Aufzeichnungen bei der mündlichen Vernehmung in der Hauptverhandlung i n weitem Umfange zu, wobei auch sie weiterhin eine einheitliche, i n wichtigen Einzelheiten dem Gericht somit gestattet ist, ein Bestreiten des Angeklagten als unglaubw ü r d i g zu behandeln (vgl. R G 3. Senat v. 16. 11. 1899 J W 1900, 206 Nr. 2), schwer eine Grenze ziehen läßt, i n w i e w e i t es sein Bestreiten gegenüber einem Urkundenvorhalt berücksichtigen muß. 205 1. Senat v. 13. 3. 1925 J W 1925, 2474; 2. Senat RGSt 69, 88 (89) u n d v. 23. 5. 1938 RGSt 72, 221 (223). Vgl. auch 1. Senat v. 19. 3. 1925 RGSt 59, 144 (145). R G 1. Senat v. 28. 3. 1930 RGSt 64, 78 (79) bemängelt den „ u n k l a r e n Ausdruck", ein Schriftstück „ z u m Gegenstand der Hauptverhandlung zu machen". Ä h n l i c h 1. Senat v. 16. 3.1928 J W 1928,1939 (1940) Nr. 11. 206 3. Senat v. 8. 11. 1926 J W 1927, 2708 (2709); 1. Senat v. 3. 6. 1924 BayZ 1925, 285; 2. Senat RGSt 69, 88 (91). 207 Vgl. 1. Senat v. 13. 3. 1925 J W 1925, 2474 (2475). 208 1. Senat J W 1925, 2474 (2475); RGSt 64, 78 (79); RGSt 59, 144 (147); 2. Senat v. 6. 12. 1926 RGSt 61, 72 (73); B a y O b L G v. 19. 1. 1934 H R R 1934 Nr. 1000. 209 1. Senat v. 21. 3. 1930 1 D 204/30 (zitiert nach Alsberg, J W 1933, 960); v. 28. 3. 1930 RGSt 64, 78; v. 23. 1. 1931 J W 1931, 953 Nr. 29; v. 15. 1. 1932 J W 1932, 3104; ausführliche Schilderung des Schriftstücks spricht f ü r unzulässige Verwertung als Beweismittel.

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1. Teil: Grundlegung

aufeinander abgestimmte Linie vermissen lassen. Auch sie sehen i m Grundsatz der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes Korrektiv gegen die Überbewertung schriftlicher Unterlagen 2 1 0 . aa) Die weite Zulassung als generelles Vernehmungsinstitut Der Zweck soll weiter über die M i t t e l entscheiden. Gleich i m 1. Band erklärten der OGH und der B G H die Verlesung von Schriftstücken über die i n den §§ 251 - 254 StPO geregelten Fälle hinaus für beliebig zulässig, wenn sie nur zum Zwecke des Vorhalts erfolgten 2 1 1 » 2 1 2 . Dem Vorsitzenden sei nicht verwehrt, einem als Zeugen vernommenen Polizeibeamten eine von i h m aufgenommene Verhandlungsniederschrift zur Kenntnis zu bringen. Dem Zeugen, der sich nicht hinreichend zu erinnern vermöge, werde so die „Verwertung solcher Unterlagen" ermöglicht 2 1 2 . Über den Wert einer mittels einer solchen „Gedächtnishilfe" zustandegekommenen Aussage habe der Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden 212 . Irgendwelchen Bedenken gegen ein derartiges Verfahren geht der Senat damit aus dem Wege, daß er lapidar erklärt, dessen Zulässigkeit sei „ i n Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt" 2 1 3 . Ihnen begegnet der 1. Senat später mit der Erklärung, daß die verlesenen Protokolle nicht die eigenen früheren Aussagen des Verhörsbeamten enthielten und somit der „Fall des § 253 StPO" nicht vorliege 2 1 4 . Die Zulässigkeit dieses Vorgangs soll nicht nach § 253, sondern nach den §§ 249, 250 zu beurteilen sein 2 1 5 . Der „Grundsatz der Unmittelbarkeit und der Mündlichkeit" verbiete nur, solche Protokolle zu verlesen, u m dadurch die Vernehmung derjenigen Person zu ersetzen, die das Protokoll aufgenommen habe. Er gestatte aber, solche Protokolle einem als Zeugen vernommenen Vernehmungsbeamten als Gedächtnisstütze zugänglich zu machen 216 . 210 Gleich die erste Entscheidung B G H (o. S.) v. 28. 11. 1950 B G H S t 1, 5 (8) zeigt diese Richtung auf. I h r folgt der 1. Senat v. 2. 10. 1951 B G H S t 1, 337 (340). Vgl. dann B G H 1. Senat v. 11. 11. 1952 BGHSt 3, 281 (283, 284) u n d später 4. Senat v. 28. 7. 1967 B G H S t 21, 285 (287) = N J W 67, 2020. Z u m Vorhalt von „Umständen u n d Gründen" vgl. 1. Senat v. 30. 10.1951 BGHSt 1, 387. 211 Verlesung sei „zulässig zu anderem Zwecke . . . " , etwa zwecks Vorhalts u n d ζ. B. auch, u m das Vorhandensein eines Protokolls selbst zu beweisen. O G H v. 12. 7. 1949 OGHSt 2, 334 (335) unterscheidet daher sogar zwischen der unzulässigen V e r w e r t u n g des Wortlauts u n d der erlaubten Berücksichtigung des Inhalts. F ü r den Vorhalt vorher schon O L G K i e l v. 27. 6. 1946 u n d O L G Bamberg v. 24. 3.1948 SJZ 1948 Sp. 473 f. 212 B G H V. 28. 11. 1950 B G H S t 1, 5 (8). 213 B G H a.a.O. Der B G H geht damit n u r bis zum Jahre 1919 zurück. 214 B G H 1. Senat v. 2. 10. 1951 BGHSt 1, 337 (339). 215 B G H 1. Senat v. 11.11. 1952 BGHSt 3, 281 (283). 218 BGHSt 3, 283.

III. Frühere Auffassungen

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Der noch fehlende Mittelsatz dieser Ableitung ergibt sich aus der Unterscheidung, mit der der 1. Senat vorher „normalen" Zeugen gegenüber die Vorhalte aus den Akten rechtfertigte: Die Verlesung einer früheren Aussage zum Zwecke des Urkundenbeweises sei i n anderen als den in §§ 251, 253 StPO genannten Fällen unzulässig. Damit sei aber nicht die Verwertung einer früheren Aussage für einen anderen Zweck, nämlich zum Zwecke von Vorhaltungen, verboten 2 1 7 . Dadurch, daß dem Angeklagten oder Zeugen eine nicht verlesbare Urkunde inhaltlich vorgehalten oder zum Zwecke des Vorhalts wörtlich verlesen werde, solle — anders als i n den Fällen der §§ 251, 253 StPO — nicht der Urkundeninhalt festgestellt werden. Also werde gegen die „Grundsätze der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit" nicht verstoßen 218 . Auch dem Angeklagten gegenüber w i r d der Vorhaltzweck vom Beweiszweck getrennt 2 1 9 . Von der Möglichkeit des Rückgriffs auf Angaben i n früheren Vernehmungen i m Wege des Urkundenbeweises sei zu unterscheiden, i n welcher Weise sich das erkennende Gericht „Kenntnis" von den früheren Angaben verschaffen dürfe 2 2 0 . Dürften nach § 254 StPO polizeiliche Protokolle zwar nicht zum Beweis dafür verlesen werden, daß der Angeklagte die beurkundeten Erklärungen abgegeben habe, so werde dadurch ihre Verlesung nicht schlechthin unzulässig 221 . Dabei soll es keinen Unterschied machen, ob das durch Vorhalt ihres Inhalts, durch Vorlegen zum Durchlesen oder durch wörtliche Verlesung geschehe 222 . Auch nach dem B G H soll also die äußere Form für das Vorliegen und die Zulässigkeit eines Vorhalts grundsätzlich bedeutungslos sein 2 2 3 . Der Umfang und die A r t und Weise, wie der Vorsitzende Schriftstücke Auskunftspersonen gegenüber zu Vorhalten verwende, sei Sache seines pflichtgemäßen Ermessens 224 . Der B G H schließt sich später auch 217

B G H 1. Senat v. 23. 9.1952 B G H S t 3,199 (201). BGHSt 3, 201 (mit Berufung auf RGSt 61, 9) zum Vorhalt v o n Aussagen, die andere Zeugen i m Ermittlungsverfahren gemacht haben. 210 O G H v. 12. 10.1948 OGHSt 1 (1949), 110 (111). 220 B G H 1. Senat v. 2. 10. 1951 B G H S t 1, 337 (338, 339) (im Ergebnis auch O G H a.a.O.). Diese Unterscheidung ü b e r n i m m t w o r t w ö r t l i c h B G H 5. Senat v. 31. 5. 1960 BGHSt 14, 310 (311). M i t § 254 sei gleichzeitig auch ein Urkundenverwertungsverbot ausgesprochen. 221 BGHSt 1, 337 (339). 222 B G H 1. Senat v. 11. 11. 1952 B G H S t 3, 281 (283). 223 Vgl. B G H 1. Senat v. 2. 10. 1951 BGHSt 1, 337 (339). Die Rspr habe dies „stets anerkannt". Außerdem: B G H 2. Senat v. 2. 4. 1958 B G H S t 11, 338 (341); B G H 5. Senat v. 31. 5. 1960 B G H S t 14, 310 (311) zur wörtlichen Verlesung; B G H 4. Senat v. 28. 7. 1967 B G H S t 21, 285 (286) = N J W 67, 2020; O L G K ö l n v. 15. 9. 1964 OLGSt § 249 S. 5 = N J W 1965, 830. 224 Vgl. B G H 1. Senat v. 23. 9. 1952 BGHSt 3, 199 (200) u n d 4. Senat BGHSt 21, 285 (286). 218

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1. Teil: Grundlegung

noch enger an die Terminologie des Reichsgerichts an, wenn er i n solchen Fällen von „formlosen" Vorhalten spricht 2 2 5 . bb) Die Beurteilung als „bloßer Vernehmungsbehelf" Aus dem Zweck des Vorhalts einer Urkunde soll sich auch weiterhin seine Stellung i m Beweissystem und sein fehlender Beweiswert ergeben. Der Vorhalt — auch der wörtliche — solle nicht die förmliche Verlesung zum Zwecke des Beweises 226 bzw. die Vernehmung 2 2 7 ersetzen und folglich werde dadurch, daß eine nichtverlesbare Urkunde dem Angeklagten oder Zeugen vorgehalten werde, nicht i h r Inhalt festgestellt. Der Sinn des Vorhalts einer Urkunde bestehe allein darin, die Auskunftsperson „zu Äußerungen auf den Vorhalt zu veranlassen" 228 . Später sieht der B G H die Vorhaltfunktion wie schon das späte RG darin, ein Schriftstück m i t der Verhörsperson zu erörtern 2 2 9 . Der 2. Senat findet dann zu der Definition, die heute das Schrifttum beherrscht: Der Vorhalt soll kein Urkundenbeweis sein, sondern ein „bloßer Vernehmungsbehelf" 2 3 0 . Dieser Vernehmungsbehelf sei ein bedeutsames Hilfsmittel zur Herbeiführung einer wahren und vollständigen Aussage 231 . Der Vorhalt habe nur den Zweck, die Abgabe einer Ergänzung zu ermöglichen 232 » Beweiswert soll demgegenüber allein der Aussage der Auskunftsperson zukommen. Entscheidungsbedeutung soll nur ihre „mündliche Stellungnahme zu der schriftlichen Erklärung" haben 2 3 4 . „ N u r die Erklärung des Angeklagten oder Zeugen" werde zu einer „verwertbaren Erkennt225

B G H S t 21, 285 (286). Siehe B G H 5. Senat v. 12. 1. 1954 B G H S t 5, 278 (279) u n d 1. Senat BGHSt 3, 199 (201). 227 B G H V. 11. 11. 1952 B G H S t 3, 281 (283). 228 B G H 1. Senat v. 23. 9. 1952 B G H S t 3, 199 (201), vgl. auch 4. Senat v. 18. 10. 1956 N J W 1956,1886: Erklärungen des Angeklagten herbeizuführen. 229 B G H 4. Senat v. 24. 10. 1957 B G H S t 11, 159 (160). Ä h n l i c h 2. Senat v. 2. 4. 1958: Erörterung setzte naturgemäß einen Vorbehalt (Vorhalt) voraus. BGHSt 11, 338 (339 u. 341) : Erörterung m i t einem Gerichtsassessor. 230 B G H 2. Senat v. 2. 4. 1958 B G H S t 11, 338 (340, 341) i m Falle des § 252 StPO. Ebenso 5. Senat v. 31. 5. 1960 B G H S t 14, 310 (312) i m Falle eines poliz. Verhörsbeamten. 231 BGHSt 11, 338 (340). Ä h n l i c h schon 3. Senat v. 12. 1. 1956 B G H bei Daliinger, M D R 1956, 527 zu § 253: Tonband als H i l f s m i t t e l u n d als Gedächtnisstütze. 232 BGHSt 14, 310 (312). 233 Der 2. u n d 5. Senat fahren dann wie schon B G H S t 1, 337 (339) doppelt negatorisch fort, der Vorhalt werde durch das Verbot eines Urkundenbeweises „nicht ohne weiteres unzulässig". 234 5. Senat v. 12. 1. 1954 BGHSt 5, 278 (279). Ferner 4. Senat v. 18. 10. 1956 N J W 1956, 1886; 1. Senat v. 9. 11. 1965 N J W 1966, 211. 226

III. Frühere Auffassungen

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nisquelle" 2 3 4 . „ A l l e i n die durch den Vorhalt herbeigeführte" 2 3 5 oder „nach Kenntnis des Schriftstücks abgegebene" 236 Bekundung sei „Grundlage" 2 3 7 für die Urteilsfindung. Während BGHSt 3, 199 (201) es aber nur verbieten w i l l , den Urkundeninhalt (allein) „auf Grund des Vorhalts als festgestellt" zu erachten, stellt BGHSt 11, 338 (341) klar, der Inhalt der Niederschrift sei i m Wege des Urkundenbeweises „nicht einmal teilweise verwertbar" 2 3 8 . Dieses wesentlichen Unterschieds müßten sich die Gerichte bewußt bleiben. Sonst werde die Wahrheitsfindung gefährdet und insbesondere die Verteidigung des Angeklagten beeinträchtigt 2 3 9 . Für diese Ziele zumindest genauso wichtig bleibt aber, gedanklich eine Station später, die Anforderung, die man an die positive Reaktion des Befragten stellt, damit der Vorhaltvorgang überhaupt Beweiswert für die Urteilsfindung abgeben kann. Die von den oben genannten Entscheidungen angesprochene Trennung zwischen Vorhalt und Erklärung w i r d oder, besser, bleibt m i t der Übernahme der „bestätigenden E r k l ä r u n g " 2 4 0 als Beweisanknüpfungspunkt i n Wirklichkeit fließend. cc) Die Anstrengungen verstärkter Revisionskontrolle i m Einzelfall Der B G H stellt, abhängig von der Stellung des Befragten zur Protokollgrundlage des Vorhalts und deren stofflicher Beschaffenheit, unterschiedliche Voraussetzungen auf: Sowohl BGHSt 1, 337 (339) als auch BGHSt 14, 310 (311) sehen i m A n schluß an RGSt 61, 72 dann keine verfahrensrechtlichen Hindernisse, die auf die Vorlesung eines Protokolls abgegebene Erklärung zu verwerten, wenn der Angeklagte auf Vorhalt „die Richtigkeit" der i m polizeilichen Protokoll enthaltenen Angaben „bestätigt". Beweismittel sei dann die eigene Erklärung des Angeklagten, zu deren Bestandteil er den Inhalt des von i h m anerkannten polizeilichen Protokolls gemacht habe 2 4 1 . Denn da235

1. Senat v. 23. 9.1952 BGHSt 3,199 (201). 1. Senat v. 11.11.1952 BGHSt 3, 281 (283). 237 BGHSt 3,199 (201) u n d 3, 281 (283). 238 2. Senat v. 2. 4. 1958. Ä h n l i c h schon der 1. Senat v. 11. 11. 1952 BGHSt 3, 281 (283): Über diese Unterscheidung dürfe „ k e i n Zweifel entstehen". 239 So auch schon 5. Senat v. 12. 1.1954 BGHSt 5, 278 (279). 240 4. Senat v. 24. 10. 1957 B G H S t 11, 159 (160 u. 161) = N J W 1958, 559 zum Vorhalt verlesbarer Urkunden, also bei möglichem Urkundenbeweis, allgemein gegenüber Auskunftspersonen. B a y O b L G v. 9. 11. 1953 N J W 1954, 363 Nr. 22: Der Zeugenvorhalt habe „Erfolg", w e n n etwa ein Widerspruch als „vorhanden zugegeben oder behoben" werde. A b w . O L G K ö l n v. 15. 9. 1964 N J W 65, 830: „aus nunmehrigen, wiederaufgefrischten Erinnerung bestätigt". 241 5. Senat v. 31. 5. 1960 B G H S t 14, 310 (311, 312); ebenso 4. Senat v. 28. 7. 1967 BGHSt 21, 285 (287) = N J W 1967, 2020; 1. Senat v. 9. 11. 1965 N J W 66, 211,1. Senat v. 6. 6.1952 N J W 52,1027: Richtigkeit anerkennen. 238

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1. Teil: Grundlegung

m i t gebe er zu, daß das Geständnis so abgelegt sei, wie es die polizeiliche Niederschrift enthalte 2 4 2 . Nach BGHSt 21, 285 (286) genügt dann, daß er „auf den Vorhalt hin einräumt" sich einmal so, wie i n den Protokollen niedergelegt, geäußert zu haben 2 4 3 . Eine solche generelle Bestätigung genügt auch bei Zeugen und sonstigen normalen Auskunftspersonen 244 . Vernehmungspersonen als Zeugen gegenüber verschärft der B G H dann die Anforderungen an das bestätigende Bekenntnis. Nach BGHSt 11, 338 (341) soll bei einem Richter als Zeugen als Beweisergebnis nur verwertbar sein, was auf den Vorhalt hin i n die Erinnerung zurückkehre und von dem Zeugen als Inhalt der früheren Bekundung bestätigt werde 2 4 5 . Versichere die Verhörsperson zwar, die Angaben des Vernommenen genau protokolliert zu haben, erinnere sie sich aber trotz Vorhalt nicht mehr an deren Inhalt, so soll das als „Erklärung" nicht ausreichen. Der 5. Senat, der dieses Erfordernis hinsichtlich eines Polizeibeamten als Zeugen i n BGHSt 14, 310 (312, 313) wiederholt, nennt den Grund für diese Verschärfung. Dann könne nicht davon gesprochen werden, daß der Inhalt des polizeilichen Protokolls zum Bestandteil der „zeugenschaftlichen Bekundung" der Verhörsbeamten geworden sei 2 4 6 . Wolle man aber trotzdem ein Geständnis als bewiesen ansehen, so sei nicht mehr die Zeugenaussage, sondern das polizeiliche Protokoll selbst „die unmittelbare Beweisgrundlage". Daß das Sicherinnern durch das Hinzufügen eigener Erinnerungen bestätigt wird, verlangt der B G H nicht. W i r d dagegen der Inhalt eines Tonbandes vorgehalten, so reicht sogar wieder eine bloße Bestätigung 2 4 7 . 242 5. Senat a.a.O. 311. Vgl. auch 4. Senat v. 17. 2. 1967 VRS 32 (1967), 352 (353) u n d K G v. 25. 6.1958 JR 1958, 389. 243 Damit hätte sich w o h l auch schon der obige 5. Senat begnügt. Vgl. BGHSt 14, 310 (314). Ferner O G H v. 12. 10. 1948 OGHSt 1 (1949), 110 (111). O L G H a m m v. 19. 2. 1954 VRS 7 (1954), 375. SchlHOLG v. 4. 8. 1954, 387 (388): Der bloße Widerruf sei noch kein Bestreiten. 244 4. Senat v. 24. 10. 1957 BGHSt 11, 159 (160); O L G K ö l n v. 15. 9. 1964 N J W 65, 830; B a y O b L G v. 9. 11. 1953 N J W 1954, 363: „Widerspruch als vorhanden zugeben." 245 Z u m Sonderfall des § 252. Es genügt nicht, w e n n er n u r erklärt, er habe die Aussage richtig aufgenommen. Einem Ermittlungsrichter w u r d e die Niederschrift vorgehalten über die protokollierte Aussage eines Zeugen, da nach dessen Aussageverweigerung § 252 einer Verlesung entgegenstand. Ebenso 2. Senat v. 8. 2. 1961 B G H S t 15, 347 (348); 1. Senat v. 7. 10. 1966 BGHSt 21, 149 (150) u n d schon 3. Senat v. 18. 10. 1951 N J W 1952, 556 bei Kriminalbeamten als Zeugen i m Falle der §§ 250, 252. Gegen Vorhalte (bei nichtrichterlichen Zeugen) 4. Senat v. 3. 2. 1955 BGHSt 7, 194 (195) u n d v. 18. 10. 1956 N J W 1956, 1886. 248 5. Senat v. 31. 5.1960 B G H S t 14, 310 (313). 247 (Der Echtheit) 1. Senat v. 14. 6. 1960 BGHSt 14, 339 (341). Der rechtferti-

I I I . Frühere Auffassungen

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Die Möglichkeiten, den Vorhalt zu mißbrauchen, bleiben danach groß, zumal eine Protokollierung des Vorhalts weiterhin nicht vorgeschrieben sein soll 248 » 2 4 9 . Der B G H fürchtet insbesondere, daß die Laienrichter den Vorhaltvorgang unterschiedslos als Beweisgrundlage ansehen könnten 2 5 0 . Die bloße Möglichkeit zu mißdeuten, soll es jedoch nicht rechtfertigen können, dem Richter ein wichtiges Mittel, auf eine wahrheitsgemäße Aussage hinzuwirken, aus der Hand zu nehmen 2 5 1 . § 238 Abs. 2 StPO erlaube zudem, den Mißbrauch der Vorhaltung zu beanstanden und dagegen die Entscheidung des Gerichts anzurufen. Trotzdem verlangt der 1. Senat, von Vorhalten nur i n einer unmißverständlichen Weise und i n sachgerechtem Umfang Gebrauch zu machen 252 . Der 5. Senat appelliert an eine gewissenhafte Anwendung der verfahrensrechtlichen Grundsätze, u m dafür zu sorgen, daß keine Urkunde i n unzulässiger Weise etwa i n der Vorstellung der Laienrichter für die Entscheidung Bedeutung gewönne 253 . Dabei w i r d trotz allem auf den Zusammenhang zwischen Vorhalten aus Schriftstücken und den Verlesungsvorschriften hingewiesen. Den Zeugen und Sachverständigen sei hinreichend Gelegenheit zu geben, sich i m Zusammenhang zu äußern. Aus § 69 und § 253 ergäbe sich der Grundsatz, daß erkennbar werden müsse, was sie aus eigener Erinnerung wüßten 2 5 4 . Wie das RG verlangt ζ. T. daher auch der BGH, daß die Urteilsgende G r u n d des § 253 soll bei einem Tonband, das m i t Zustimmung des Sprechers aufgenommen worden sei, so gut w i e i m m e r gegeben sein, w e i l dieses nicht n u r den genauen W o r t l a u t der früheren Aussage festhalte, sondern außerdem auch noch über die A r t u n d Weise der Aussageerstattung A u f schluß gebe (S. 346). 248 4. Senat v. 28. 7. 1967 B G H S t 21, 285 (286); v. 17. 2. 1967 VRS 32 (1967), 352 (353); v. 15. 7. 1966 VRS 31 (1966), 268 (269); O L G K ö l n v. 20. 8. 1954 M D R 1955, 122: M i t t e i l u n g u n d Vorhalt aus Schriftstücken seien nicht zu protokollieren. 249 So ist es weiter zulässig, daß der I n h a l t eines Schriftstücks „ i n anderer Weise zum Gegenstand der H V " gemacht w i r d . B a y O b L G v. 1. 3. 1950 BayObLGSt 1951, 105 (106); SchlHOLG v. 4. 8. 1954 SchlHA 1954, 387 (388). O L G Celle v. 11. 11. 1965 VRS 30 (1966), 196 (198); O L G H a m b u r g v. 20. 9. 1972 OLGSt Nr. 2 zu § 249: i m Zweifel f ü r den Vorhalt. aA O L G H a m m v. 6. 12. 1963 JMB1NRW 1964, 56 = M D R 1964, 344 u n d O L G Celle v. 2. 12. 1965 VRS 30 (1966), 199 (200) f ü r Radarmessung. 250 Vgl. 1. Senat v. 23. 9. 1952 B G H S t 3, 199 (201) u n d 5. Senat v. 12. 1. 1954 BGHSt 5, 278 (279). 251 1. Senat v. 23. 9.1952 BGHSt 3,199 (202). 252 a.a.O. Gänzlich anderer Ansicht aber O L G Neustadt v. 23. 10. 1963 OLGSt § 249 S. 2: Auch massive Vorhaltungen des Richters könnten als „zweckmäßig" oder „unzweckmäßig" f ü r die revisionsrichterliche Kontrolle „dahingestellt bleiben". 253 5. Senat v. 12.1.1954 BGHSt 5, 278 (279). 254 1. Senat v. 11. 11. 1952 B G H S t 3, 281 (284). Einer Erklärung, sich einer Tatsache nicht mehr zu erinnern, bedürfe es aber vor einem Vorhalt nicht.

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1. Teil: Grundlegung

gründe aufdecken, welche positive Erklärung des Befragten sie beim Vorhalt verwerten 2 5 5 . Auch der B G H prüft weiter, inwieweit ein Befragter überhaupt i n der Lage sein kann, die Richtigkeit oder Unrichtigkeit eines i h m vorgehaltenen Schriftstücks zu beurteilen. Eine bloße Erörterung bzw. ein Vorhalt eines schriftlichen Gutachtens etwa genügt dann nicht, wenn die Auskunftsperson über das Untersuchungsergebnis keinerlei verbindliche Auskunft abzugeben vermag 2 5 6 . Diese Vorschriften, Forderungen und Hinweise für eine maßvolle Handhabung des Vorhalts und eine sachgerechte Beweiswürdigung reichen dem B G H aber noch nicht i n jedem Falle als Revisionskontrolle. Das Zitieren längerer Schriftstücke, ohne daß diese laut Sitzungsprotokoll verlesen wurden, wollen der 4. und 5. Senat nicht mehr länger hinnehmen. Werde nämlich ein längeres oder schwer verständliches Schriftstück i m Urteil wörtlich wiedergegeben, so soll es eindeutig und unzulässig als Beweismittel verwandt sein 2 5 7 . I n solchen Fällen sollen die §§ 249, 261 verletzt sein, da der „Wortlaut nicht Gegenstand der Beweisaufnahme" gewesen sei 2 5 8 . Z u einer präzisen Formel und einer einheitlichen Abgrenzung und Unterscheidung hat der B G H aber auch damit noch nicht gefunden 259 . Kürz255 1. Senat v. 6. 6. 1952 N J W 52, 1027 u n d v. 7. 10. 1966 BGHSt 21, 149 (150), wo der Senat an den Urteilsgründen trotz entgegenstehender dienstlicher E r klärungen der Richter festhält. 2. Senat v. 2. 4. 1958 B G H S t 11, 339 (341); 4. Senat v. 24. 10. 1957 B G H S t 11, 159 (161); O L G F r a n k f u r t v. 19. 10. 1949 HESt 2, 218 (222). aA aber SchlHOLG v. 4. 8. 1954 SchlHAnz 1954, 387 (388) u n d B G H 4. Senat v. 17. 2. 1967 VRS 32 (1967), 352 (353): Daß der Angeklagte sein früheres Geständnis auf einen Vorhalt h i n zugegeben habe, soll sich nicht ausschließen lassen. N u r f ü r ein Bewußtwerden bei der Beweiswürdigung auch 2. Senat v. 8. 2.1961 B G H S t 15, 347 (348). 256 Vgl. O L G H a m m v. 6. 12. 1963 JMB1NRW 1964, 56 = M D R 1964, 344 zu einer Blutgruppenuntersuchung; O L G H a m b u r g v. 20. 9. 1972 OLGSt § 249 5. 12 zur Blutalkoholkonzentration (aA O L G H a m m v. 19. 2. 1954 VRS 7 [1954], 375). K G v. 25. 6. 1958 JR 1958, 389 zum Stand poliz. Ermittlungen: Das folge aus dem ungeschriebenen Grundsatz, daß die benutzten Beweism i t t e l auch geeignet sein müßten, den Beweis zu erbringen, der m i t ihnen erbracht werden solle (S. 390). Vgl. auch B G H 1. Senat v. 6. 6. 1952 N J W 1952, 1027 zu polizeilichen Protokollen als Bestandteil richterlicher Protokolle. 257 5. Senat v. 12. 1. 1954 BGHSt 5, 278 (279). Der 5. Senat lehnte es dabei ab, m i t dem O G H v. 12. 7. 1949 OGHSt 2, 334 (335) zwischen der unzulässigen Vewertung des Wortlauts u n d der erlaubten Berücksichtigung des Inhalts zu unterscheiden. 258 Wie B G H S t 5, 279 auch der 4. Senat v. 24. 10. 1957 BGHSt 11, 159 (160, 161). E i n solcher Vorgang beinträchtige das Verteidigungsrecht des Angeklagten, beschneide sein rechtliches Gehör u n d verletze idR auch die amtliche Aufklärungspflicht. 259 Anders etwa derselbe 4. Senat v. 17. 2. 1967 VRS 32 (1967) 352 (353): Da es nicht auf den genauen Wortlaut, sondern n u r auf den I n h a l t der E r k l ä rung ankäme u n d die Aussage kurz u n d leicht verständlich wäre, könne die Tatsache, daß der Angeklagte einen Diebstahl zugegeben habe, i n zulässiger

III. Frühere Auffassungen

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lieh ließ der 1. Senat bereits wieder die Feststellung eines Sachverhalts allein durch Vorhalt zu 2 6 0 . 5. Die Auffassungen des Schrifttums zum Vorhalt (von 1920 bis heute)

a) Der Standpunkt

der überwiegenden

Meinung

Diese Rechtsprechung zum Vorhalt konnte sich so ungehindert entwickeln, weil das Schrifttum der weiten Zulassung von Vorhalten aus Schriftstücken durch die Obergerichte i m grundsätzlichen kaum widersprach. Zumeist anerkannte man das Begehren der Richter, Niederschriften bei der mündlichen Vernehmung zur Sache i n größerem Umfange heranzuziehen. aa) Die Stellungnahmen zur Reichsgerichtsrechtsprechung nach 1920 Z u Zeiten des späteren Reichsgerichts war es insbesondere Max Alsberg, der sich des Problems „Vorhalt" annahm. Alsberg sah zwar deutlich die Gefahr, mit der Zulassung von Vorhalten aus den A k t e n den § 261 zu verletzen 2 6 1 und die Urkundsvorschriften zu verwässern 262 . Trotzdem hieß er den Vorhalt aus Schriftstücken weiterhin gut und weitete ihn — i m Falle des § 252 StPO noch konsequenter als das RG — sogar selbst aus 2 6 3 . Alsbergs K r i t i k erschöpfte sich deshalb an Randproblemen 264 , so daß seinen Warnungen und Randkorrekturen wenig Wirkung beschieden war. Die anderen damaligen Stimmen übernahmen die Rechtsprechimg des RG zum Vorhalt kritikloser 2 6 5 . Weise dadurch festgestellt worden sein, daß der Vorsitzende dem Angeklagten das richterliche Vernehmungsprotokoll vorgehalten u n d dieser die Abgabe einer solchen E r k l ä r u n g i m Ermittlungsverfahren zugegeben habe. Sodann verweist der Senat auf seine Entscheidung B G H S t 11,159 (160). 280 B G H v o m 28.1.1975 bei Daliinger, M D R 1975, 369. 261 Vgl. insb. Alsberg, Der Beweisantrag i m Strafprozeß (1930), S. 211 f. (214, 215), u n d J W 1929,1048 f. zu Nr. 56 (Anm. zu 2. Senat v. 3. 1.1929). 262 So besonders i n J W 1933, 959 (960) Nr. 15 (Anm. z. 3. Senat v. 29. 9. 1932): Es bestehe ein gefährlicher Gegensatz zwischen dem „begrifflichen Wesen" des Vorhalts u n d „seiner A u s w i r k u n g i n der Praxis des konkreten Verfahrens". Außerdem i n J W 1930, 936 Nr. 48 A n m . z. 2. Senat v. 17. 11. 1929: Die Gesetzmäßigkeit des Vorhalts aus unverlesbaren U r k u n d e n erscheine „höchst fragwürdig". 263 s. Alsberg, Beweisantrag, S. 213, u n d J W 1931, 953 zu Nr. 29 (Anm. z. 1. Senat v. 23. 1. 1931). E r billigte auch die Verlesung unverlesbarer Niederschriften zum Beweis des Vorhandenseins eines bestimmten Inhalts, vgl. J W 1930, 2565 (2566) Nr. 34 u n d 35 (Anm. z. 1. Senat v. 21. 3. u n d 28. 3. 1930): J W 1929, 1048 (1050) zu Nr. 56 (Anm. z. 2. Senat v. 3. 1. 1929) u n d J W 1930, 935 (Anm. z. 2. Senat v. 6. 6. 1929). aA Mannheim, J W 1928, 2722 (2723) Nr. 22 (Anm. z. 2. Senat v. 24. 5.1928). 284 Wie hier Eb. Schmidt, L k I, R n 44 Note 230. 285 Vgl. Oetker, J W 1925, 2474 Nr. I (Anm. z. 1. Senat v. 13. 3. 1925), der 6 Kuckuck

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1. Teil: Grundlegung

Die Argumente des Reichsgerichts werden ζ. T. mit eigenen Überlegungen unterstrichen 266 , hauptsächlich jedoch lediglich wiederholt 2 6 7 . Nicht unbedeutend für die Nivellierung dürfte gewirkt haben, daß der „Löwe/Rosenberg" nach und nach jeden Widerstand gegen die RG-Judikatur aufgab 2 6 8 . Niethammer stimmte i n der 19. Auflage der Vorhaltrechtsprechung i n sämtlichen Belangen — m i t einer Ausnahme — z u 269, 270

aber zwischen Vorhalt als bloßem Vernehmungsbehelf u n d beweisergänzenden Vorhalt unterscheidet. Anraths (1934), S. 43, hält den Vorhalt f ü r ein u n entbehrliches „examen rigorosum". Deutlicher Groth, Urkundenbeweis (1937), S. 92. Der Richter müsse i m autoritären Staat diese Möglichkeit haben. Das Interesse der Wahrheitsfindung erfordere dessen weite Zulassung. Schneidewin (Entwicklung der Rspr, S. 270 f. (334) hält n u r die Konstatierung durch den Vorsitzenden f ü r unzulässig. Der Rechtszustand zum Vorhalt sei zwar v e r wickelt, er lasse aber weder die große L i n i e noch Folgerichtigkeit vermissen. Beling (Deutsches Strafprozeßrecht [1928], S. 318) w i l l das Vorhaltverfahren nicht beanstanden, solange m a n den Zweck der Vorhalte beachte. U n d „ B e weisgrundlage bildet (ja) niemals die als Vernehmungsbehelf verwendete U r k u n d e " (Groth, S. 63. Vgl. auch S. 15 f., 42 u n d 63 f.). 266 Vgl. Oetker, GS 105 (1935), 1 f. (20) speziell zum Monstreprozeß : Bei der Zulassung solcher Vorhalte u n d Verlesungen müsse es auch i n Z u k u n f t bewenden. Derselbe, J W 1928, 1307 (Anm. zu 1. Senat v. 25. 2. 1927): Der Vorhalt sei von d. StPO zwar nicht erwähnt, aber keineswegs unzulässig. Vgl. noch J W 1925, 2474 (zu 1. Senat v. 13. 3. 1925); J W 1927, 2708 (Anm. z. 3. Senat v. 8. 11. 1926 = RGSt 61, 9). Ferner Mannheim, J W 1932, 3104 Nr. 57 (Anm. z. 1. Senat v. 15. 1. 1932), der wiederum Alsberg folgt u n d noch über das R G hinausgehen w i l l , außerdem J W 1930, 154 (155) (z. FerienS v. 22. 7. 1929 — unzulässiger Vorhalt i n der Berufsverhandlung). 267 Vgl. Löwenstein, Revision (1919), S. 104; Feisenberger, K o m m . (1926), § 253 A n m . 2, § 136 A n m . 2; Rosenfeld, L b I (1926), S. 37 Note 3 (widersprüchlich); Dande, Komm., § 253 Note 73, § 254 Note 76, 79; Kohlrausch, Komm. (1936), A n m . 2 v o r § 249, § 253 A n m . 2 (widersprüchlich): Stets aber seien die verschiedenen Beweisverbote zu beachten; Merkel, J W 1922, 494 (Anm. z. 4. Senat v. 22. 12. 1921). Ferner Klefisch, J W 1935, 1789 (Anm. z. 2. Senat v. 24. 1. 1935 = RGSt 69, 88). 268 Vgl. die Kommentierungen zu den §§ 248 bzw. 249 f. i n der 1. bis zur 19. Auflage. Dazu auch oben S. 53 f., 56 f., 59 f. 2ββ Niethammer, Low ei Rosenberg, Komm., 19. A u f l . (1934), § 253 A n m . 3, 5; § 254 A n m . 6. Lediglich w e n n der Angeklagte zwar anerkennt, gegenüber nichtrichterlichen Beamten gestanden zu haben, dann aber behauptet, das Geständnis sei erpreßt oder unzulässig erschlichen worden, befürwortet N i e t hammer m i t Mannheim, den Verhörsbeamten statt dessen zu vernehmen. Vgl. § 254 A n m . 6 am Ende. Mannheim lehnt (in J W 1928, 2722 [2723] A n m . z. 2. Senat v. 24. 5. 1928) entgegen dem R G i n solchen Fällen eine „Bestätigung" des Vorhalts ab. 270 Die 17. Auflage hatte die Zulässigkeit von Vorhalten auf verlesbare Urkunden eingeschränkt. Rosenberg sah den Vorhalt, ebenso w i e die Inhaltskonstatierung, als F o r m der Urkundenverwertung (§ 250 A n m . 3). Voraussetzung für die prozessuale V e r w e r t u n g einer Urkunde sei aber stets, daß ihre Verlesung gesetzlich zulässig sei (§ 249 A n m . 3 c). Daraus folge, daß, soweit die Verlesung unstatthaft sei, die „bezügliche Beweisaufnahme nicht dadurch ersetzt werden" dürfe, daß der I n h a l t der Urkunde durch Vorhalt an den Angeklagten konstatiert werde (§ 250 A n m . 3).

III. Frühere Auffassungen

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bb) Die Stellungnahmen zur Vorhaltjudikatur des Bundesgerichtshofs Auch heute billigt der Löwe/Rosenberg 271 grundsätzlich weiterhin, daß der B G H die extensive reichsgerichtliche Rechtsauffassung zum Vorhalt fortführt. Abweichende Stellungnahmen i n älteren Reichsgerichtsentscheidungen werden ohne Erwähnung übergangen 272 . Nach den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung soll der Vorsitzende insbesondere die Tatsache und den Inhalt einer Aussage, die der Angeklagte oder ein Zeuge früher vor der Polizei gemacht habe, durch Vorhalt und Befragen erheben können. Der „formfreie Vorhalt", der auch durch wortwörtliches Verlesen erfolgen könne, stehe einer formgemäßen Verlesung nicht gleich und sei nicht an die für diese maßgebenden Voraussetzungen gebunden 273 . Er könne auch einer nicht verlesbaren Urkunde entnommen werden. Das Gericht soll dann das, was der Angeklagte oder Zeuge auf den Vorhalt oder die Frage hin angebe, für die Feststellung des Sachverhalts verwerten dürfen. Durchgreifende Bedenken gegen die Auffassung der Rspr bestehen für Geier und Gollwitzer nicht. Solange i n den Beteiligten kein Zweifel darüber aufkommen könne, daß nicht die vorgehaltene Urkunde, sondern die A n t w o r t des Befragten zur Beweisgrundlage werden solle, sehen sie keine Gefahr der Mißdeutung und des Mißbrauchs 274 . Solche Mißverständnisse glauben sie i m Einzelfall wie BGHSt 3,199 (202) durch die A r t und Weise der Vorhaltung eines Schriftstücks ausschließen zu können. Ebenso 275 unterscheidet auch der überwiegende Teil des Schrifttums, dem B G H folgend, von der Verlesung zu Beweiszwecken als A k t der Beweisaufnahme einen „bloßen V o r h a l t " 2 7 6 aus dem Urkundeninhalt. Dieser Vorhalt soll kein Urkundenbeweis sein. Den „echten" 2 7 7 formlosen und formfreien Vorhalt beurteilen sie als bloßen „Vernehmungsbe271 Vgl. insb. Geier, LR, 20. A u f l . (1958), § 249 A n m . 16; 21. Aufl. (1963), § 249 A n m . 13, dessen Kommentierung zum Vorhalt von Gollwitzer, LR, 22. A u f l . (1973), § 249 A n m . 14, weitgehend übernommen wurde. 272 s. oben S. 41 i n Note 3. 273 w ö r t l i c h übereinstimmend die Bearbeiter Gollwitzer u n d Geier, s. Note 271. 274

Gollwitzer u n d Geier. Vgl. noch die Anmerkungen von Gollwitzer, 22. Aufl., § 243 A n m . 9 b ; § 250 A n m . 1; § 252 A n m . 4 d , 5; § 253 A n m . 1, 2 b, 5; § 254 A n m . 2 b , 6; § 261 Anm. 3 b, c; Kohlhaas, § 69 A n m . 2 b. 276 So Erbs (1950), V I vor § 249; Henkel, Lb, 1. A u f l . (1953), S. 400, u n d Gollwitzer, LR, § 249 A n m . 13. 277 Henkel, S. 374; Alsberg/Nüse, Beweisantrag, 3. Aufl. (1967) = 2. A u f l . (1956), S. 286. 275

6*

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1. Teil: Grundlegung

helf " 2 7 8 u n d Aussagenanreiz. Für i h n sollen andere und zwar die von der Rspr herausgearbeiteten besonderen Grundsätze gelten, die über Erfolg oder Erfolglosigkeit des Vorhaltvorganges entschieden 279 . „ I n keinem Falle" ist für Kleinknecht beim Vorhalt Beweismittel die Urkunde 2 8 0 . Sarstedt zufolge ist der Vorhalt „überhaupt" und „schlechterdings" kein Beweis und daher „schlechthin", m i t Ausnahme des § 252 StPO, erlaubt 2 8 1 . Die Begründung ist die überkommene: Der Vorhalt sei ein wesenliches M i t t e l der Wahrheitserforschung 282 und dazu sei alles erlaubt, was nicht ausdrücklich verboten sei 2 8 3 . Trotz aller grundsätzlichen Billigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung bahnt sich jedoch i m Schrifttum innerhalb der herrschenden Auffassung zum Vorhalt ein grundsätzlicher Meinungsumschwung an. Zunehmend w i r d nämlich die praktische Unterscheidungsmöglichkeit zwischen Vorhalt und Urkundenbeweis angezweifelt und die Handhabung des Vorhalts zurückgedrängt. Gewichtige Stimmen i n der Literatur nehmen alle Einschränkungen hinsichtlich dessen vorsichtiger Verwendung auf und entwickeln sie noch fort, so daß letztlich beinahe schon die Bedenken die generelle Anerkennung überwiegen. Deshalb läßt sich kaum mehr von einer Befürwortung der Rspr durch die h M i m Schriftt u m sprechen, sondern höchstens noch von deren Tolerierung. Für Dahs 2 8 4 etwa zeigt die Praxis, daß der Unterschied zwischen U r kundenbeweis und Vorhalt von Urkunden vernachlässigt wird. A n dieser mangelnden Unterscheidung krankten, wie Kohlhaas 2 8 5 feststellt, 278 Kleinknecht, 31. A u f l . (1974), 9 249 A n m . 5 (unter Verweis auf BGHSt 11, 338); Sax K M R , 6. A u f l . (1966), § 249 A n m . 3. Henkel, S. 397, spricht v o m V o r halt als einem „ H i l f s m i t t e l " . 279 Z u r h M vgl. Sax, K M R , § 249 A n m . 3, ferner § 250 A n m . 1 d, § 253 A n m . 1, § 254 A n m . 2 a; § 69 A n m . 1 b u. 2; Kleinknecht, § 249 A n m . 5, ferner § 253 A n m . 1; Alsberg/Nüse, Beweisantrag, S. 285 m. w. N. (die Darstellung entspricht weitgehendst der ursprünglichen Alsbergs); Sarstedt, Revision, 4. Aufl., S. 195 f. u n d S. 134; Gage/Sarstedt (1954), S. 94; Petters/Preisendanz, 8. Aufl. (1966), S. 56, 57, 2 b u n d S. 59, 2 a; Fuhrmann, Dalcke!Fuhrmann! Schäfer, 37. A u f l . (1961), § 249 A n m . 3, § 253 A n m . 1; Henkel, Lb, 1. A u f l . (1953) S. 375 insb. Note 4, S. 397, 399 u. S. 400; Erbs (1950), Vorb. V vor §§ 249 - 256, ferner Vorb. V I u. V I I , § 249 A n m . V, V I , § 250 A n m . V, § 253 I V , § 254 V I ; Stock (1952), S. 150; Dahs, Hb, 3. Aufl. (1971), Rn. 427, 167, 478 - 480; Roggemann (1962), S. 58 f.; Schorn (1960), S. 218; Kohlhaas, N J W 1954, 535 (536); Schneidewin, JR 1951, 481 (482, 483); Dolderer, Diss., S. 35 u. 69 f. (73); Peters, Gutachten f ü r den 46. D J T (1966), Bd. 1, T e i l 3 A , S. 91 f. (145); Mittelbach, JR 1955, 327 (328, 329); W. Sachs, SJZ 1948, Sp. 473 (474). 280 281 282 283 284 285

Komm., § 249 A n m . 5. Revision, S. 195 - 197. Alsberg!Nüse, S. 289; Sax, K M R , § 249 A n m . 3 a. So ausdrücklich Sarstedt, Revision, S. 192. Hb, Rn. 427. N J W 1954, 535 (536).

III. Frühere Auffassungen

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manche Urteile. Dolderer 2 8 6 hält die Zulassung von Vorhalten aus unverlesbaren Urkunden für nicht ganz unbedenklich, da sich i n der Praxis die Grenzen zwischen erfolgreichem und erfolglosem Vorhalt infolge des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung verwischen ließen. Da die Zulassung des Vorhalts die nahezu unbeschränkte Möglichkeit biete, den Akteninhalt bei Vernehmungen mittelbar zu verwerten, w i l l Sax 2 8 7 den Vorhalt nur i n „verständigem Gebrauch" gestatten. Geier hielt die inzwischen erhobenen Bedenken gegen die Unterscheidung von Urkundenbeweis und Vorhalt noch für unbegründet, wenn beachtet werde, daß i n allen Fällen des Vorhalts „allein die A n t w o r t auf den Vorhalt mögliche Urteilsgrundlage sein" könne 2 8 8 . Aber nach Gollwitzer sind die Zweifel, ob die obige Unterscheidung durchführbar sei und die Laienrichter sie auseinanderhalten könnten, heute schon nicht mehr „von der Hand zu weisen" 2 8 9 . Er empfiehlt deshalb, beim Vorhalt durch einen entsprechenden Hinweis klarzustellen, daß nur das, was der Befragte bekunde, zu Beweiszwecken verwertbar sei. Darüber hinaus ließen die Bedenken es ratsam erscheinen, von einer Verlesung zum Zwecke des Vorhalts nur i n Ausnahmefällen Gebrauch zu machen. Uberhaupt geht der Löwe/Rosenberg schon über die Rspr hinaus, wenn Geier und Gollwitzer nicht nur, wie der BGH, empfehlen, sondern verlangen, daß dementsprechend die Unmaßgeblichkeit der Urkunde i n der Frage oder dem Vorhalt zum Ausdruck zu bringen sei 2 9 0 . Ähnlich fordern Henkel 2 9 1 und Erbs 2 9 2 , daß dies deutlich zum Ausdruck kommt und erforderlichenfalls den Laienrichtern klargemacht werde. Beide berufen sich auch auf Sachs 293 , der herausgestellt hatte, daß man sich i m Hinblick auf den Grundsatz der freien Beweiswürdigung mit mehr oder weniger verklausulierten Erklärungen des Befragten begnüge und deshalb i n der Praxis die Unterschiede zwischen erfolgreichem und erfolglosem Vorhalt verwischten. 288 Diss., S. 71/72 m i t Verweis auf Alsberg, Beweisantrag, S. 214 - 216. Mittelbach, JR 1955, 327 (328 Note 21), hält dann „Vorsicht" für „geboten". 287 K M R , § 249 A n m . 3 d. N u r w e n n die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze streng beachtet würden, seien die Einwände gegen den Vorhalt gegenstandslos. Sax lehnt aber B G H S t 14, 339 als unzulässige „entsprechende" A n w e n d u n g ausdrücklich ab. Die v o r der Verhörsperson als Zeugen gemachte Aussage eines D r i t t e n könne nicht zufolge eines Vorhalts Bestandteil der Zeugenaussage der Verhörsperson selbst werden (vgl. § 253 A n m . 1). 288 LR, 21. Aufl., § 249 A n m . 14 a m Ende. 289 LR, 22. Aufl., § 249 A n m . 14 c. 290 Geier, 21. Aufl., § 249 A n m . 13 (S. 1013 unten), u n d Gollwitzer, LR, 22. Aufl., § 249 A n m . 14 a, unter Berufung auf RGSt 69, 89. 291 L b (1953), S. 375 Note 4. 292 V I vor §§ 249 f. 293 SJZ 1948, Sp. 473 (475) (auch insgesamt sehr kritisch).

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1. Teil: Grundlegung b) Die Mindermeinung

Diese Bedenken der wohl heute überwiegenden Ansicht gegen die Möglichkeit, praktisch zwischen Urkundenbeweis und beweisfreiem Vorhalt zu unterscheiden, sind der Erfolg einer Gegenmeinung. Die Rechtsauffassung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Vorhalt w i r d zwar nur von einer kleinen Gruppe i m Schrifttum, aber von dieser u m so heftiger bekämpft. aa) Die Gegenstimmen zur Reichsgerichtsrechtsprechung nach 1920 Grundsätzlich gegen das Reichsgericht und gegen den freien Vorhalt sprachen sich anfangs nur Hegler 2 9 4 und Gerland 2 9 5 aus. Für Hegler handelt es sich beim Vorhalt u m „Mittelbarkeit". Der Vorsitzende fungiere als Zwischenrichter. Er übermittle das Ergebnis der Beweiserhebung den beisitzenden Richtern mündlich durch seinen Vorhalt. Aus dem Prinzip der Unmittelbarkeit, das absoluter Natur sei, folge daher die Unzulässigkeit, Urkunden durch solche Vorhalte zu benutzen 2 9 6 . Rational spreche gegen die Zulässigkeit von Vorhalten — was Mittelbarkeit besage — die „Subjektivität" beim Vorhalt. Durch das Medium des vorhaltenden Vorsitzenden könne der Urkundeninhalt gebrochen und getrübt werden. Gerland 2 9 7 wendet sich dagegen, daß Beling i n der Vorhaltung keinen Urkundenbeweis erblicken wolle. Dem widerspricht er, da „durch den Vorhalt aus den Akten, also eben durch Urkunden, die frühere Aussage bewiesen" werde. Urkundenbeweis werde ordnungsgemäß aber durch Verlesung geführt 2 9 8 . Außer i n den Fällen der §§ 253, 254 läßt Gerland daher keinen Rückgriff auf frühere Vernehmungen zu 2 9 9 . Später war es Robert von Hippel 3 0 0 , der eindringlich vor den Gefahren und Verfälschungen warnte, die die Akten des Vorverfahrens für ein sachgerechtes Urteil bedeuten könnten. 294 J W 1928, 818 (819), kritische A n m . zu R G 1. Senat v. 14. 6. 1927 u. 2. Senat v. 13. 6. 1927. (Anders aber noch i n Rechtsgang, Bd. 1 [1913], 191 [222 Note 4] u. Bd. 2 [1916], 241 [269 Note 3].) 295 Der Deutsche Strafprozeß (1927), S. 236. 298 Hegler, S. 236. Ausgenommen seien die Fälle des Freibeweises. 297 Lb, S. 236 Note 383 (gegen Bennecke/Beling, Lb, S. 342). 298 Lb, S. 235. 299 (Freie) Vorhalte erwähnt Gerland ausdrücklich nicht. Gerland hält aber §§ 253, 254 für (beweisergänzende) Vorhalte, Lb, S. 214, 238, u n d für Ausnahmen von § 250, vgl. S. 236. Daraus muß f ü r i h n w o h l notwendig die Unzulässigkeit freier Vorhalte folgen. 300

Der Deutsche Strafprozeß (1941), S. 323 f. u n d S. 436.

III. Frühere Auffassungen

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Dem Akteninhalt komme i n der Hauptverhandlung, soweit das Gesetz seine Verlesung i m Wege ordnungsgemäßer Beweisaufnahme nicht ausdrücklich gestatte, lediglich eine für die Prozeßleitung erforderliche orientierende Bedeutung zu. Zur Prozeßleitung dürften die Akten benutzt werden, dazu dürfe aber nicht auf die Ermittlungsergebnisse der Akten eingegangen werden. Insbesondere sachliche Vorhalte aus den Akten bei der Vernehmung zur Sache seien danach unzulässig 301 . Durch sie träte die „unkontrollierbare subjektive Meinung des Vorsitzenden über den Akteninhalt an die Stelle objektiver Beweisaufnahme" 302 . Der Vorsitzende könne den Akteninhalt mit einer Auskunftsperson erst „durchgehen", wenn dieser vorher i n den Grenzen zulässiger Beweisaufnahme verlesen und damit ordnungsgemäß zum Gegenstand der Verhandlung gemacht sei 3 0 3 . Sonst werde eventuell Prozeßstoff i n die Verhandlung eingeführt, die das Gesetz (vgl. §§ 250 f.) überhaupt nicht gestatte 3 0 2 . Auch könne anderenfalls der mündliche Prozeß i n einen schriftlichen verfälscht werden 3 0 4 . bb) Die Angriffe gegen die Vorhaltunterscheidung des B G H Diese Auffassung gewinnt an Gewicht, als Eb. Schmidt i n seinem Lehrkommentar, Teil I 3 0 5 , die K r i t i k von Hippels i n vielen Punkten auch zu seiner eigenen macht. Die Vorhalte aus den Akten hält Eb. Schmidt für ein „besonders heikles Kapitel". Von Hippel habe „nur zu recht", daß durch sie leicht subjektive Meinungen des Vorsitzenden die Beweisgrundlage verfälschen könnten 3 0 6 . Der Vorsitzende möge aufgrund seiner Aktenkenntnis die ihm sachdienlich erscheinenden Fragen stellen. Inwieweit aber Zeugen, Sachverständigen und dem Angeklagten gegenüber auf die Akten zurückgegriffen werden dürfe, werde i n den §§ 253, 254 StPO ganz eindeutig bestimmt. Dadurch würden aber „beliebige" Vorhalte aus den Akten nicht gedeckt 307 . Unzulässig sei etwa einem Zeugen gegenüber der Hinweis, daß ein anderer Zeuge sich i m Vorverfahren i n einem abweichenden Sinne geäußert habe, oder dem Angeklagten gegenüber der Hinweis, daß er frü301 Lb, S. 324, hinsichtlich des Angeklagten. Hinsichtlich der Beweispersonen vgl. Lb, S. 436. 302 Lb, S. 324 Note 2. 303 Lb, S. 324. 304 Lb, S. 436, unter Verweis auf § 257 StPO u n d v. Hippels eigener K r i t i k am E n t w u r f 1909. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts hält er für „sehr bedenklich", S. 436 Note 4, bzw. S. 324 Note 2, f ü r „entschieden bedenklich". 305 L k I, 1. Aufl. (1952), R n 363; auch w e n n Schmidt zwischenzeitlich, z.T. nicht ohne Widersprüche, seine Ansicht etwas relativiert hat. 306 Eb. Schmidt, R n 363. 307 Eb. Schmidt, R n 363.

88

1. T e i l : Grundlegung

h e r anders ausgesagt habe. S o l l e n f r ü h e r e Aussagen oder V e r n e h m u n g e n z u r Sprache gebracht w e r d e n , so schreibt Eb. S c h m i d t v o r , j e n e a n d e r e n Z e u g e n oder V e r h ö r s b e a m t e als Z e u g e n i n d e r H a u p t v e r h a n d l u n g z u v e r n e h m e n u n d d e n A n g e k l a g t e n d a n n z u m E r g e b n i s dieser V e r n e h m u n g e n z u h ö r e n . A l l e s andere s o l l gegen d e n G r u n d s a t z d e r M ü n d l i c h keit verstoßen308. D a n n w i e d e r h o l t Eb. S c h m i d t seine K r i t i k w ö r t l i c h m i t d e r z u s ä t z l i chen F e s t s t e l l u n g , solche „ H i n w e i s e " oder „ V o r h a l t e " k ö n n t e n l e i c h t b e i d e n L a i e n r i c h t e r n d e n E i n d r u c k erwecken, daß die j e t z i g e Aussage i n der H a u p t v e r h a n d l u n g falsch sein m ü s s e 3 0 9 . L e i d e r spiele sich i n d e r R e c h t sprechung m e h r u n d m e h r d i e G e w o h n h e i t ein, z u V o r h a l t e n U r k u n d e n z u v e r l e s e n 3 1 0 . W e n n U r k u n d e n v e r l e s u n g die v o n § 249 S t P O f ü r d e n U r k u n d e n b e w e i s vorgesehene F o r m sei, so müsse U r k u n d e n v e r l e s u n g i m m e r d e n E i n d r u c k h e r v o r r u f e n , daß U r k u n d e n b e w e i s g e f ü h r t w e r d e 3 1 0 . A u c h N i e s e 3 1 1 m e l d e t „schwerste B e d e n k e n " gegen die w e i t g e h e n d e V o r h a l t r e c h t s p r e c h u n g des B G H an, d i e ü b e r die o h n e h i n schon w e i t g e h e n d e n A u s n a h m e n d e r §§ 253, 254, 251 A b s . 2 h i n a u s zulasse, d e n A k t e n 808 R n 363, m i t heftiger K r i t i k an der Reichsgerichtsrechtsprechung i n Note 182. RGSt 69, 89 etwa werde, u m die üblichen Vorhalte zu retten, „geradezu falsch". W o h i n diese Rspr des R G führe, zeige RGSt 72, 221 (223!). Diese Entscheidung sei „ n u r als bedauerliche Entgleisung anzusehen". Der 2. Senat hat i n diesem F a l l keinen Verstoß gegen § 252 darin gesehen, daß einem Polizeibeamten die Niederschrift über die frühere Vernehmung der jetzt die Aussage verweigernden Tochter des Angeklagten „zur Stützung seines Gedächtnisses" vorgelesen worden ist. I n der Rspr sei anerkannt, daß solche V o r halte, über deren F o r m die StPO keine Bestimmung enthalte, auch durch Verlesen gemacht werden könnten. Vorhalte wegen § 252 zu beschränken, sei praktisch zwecklos u n d verstieße auch gegen den allgemein das Strafverfahren beherrschenden Grundsatz der Wahrheitserforschung. Z u RGSt 72, 221 f. vgl. auch oben Note 147,150 u n d 205. 309 L k I, 2. A u f l . (1964), R n 442. Z u r E i n z e l k r i t i k auch an der Vorhaltrechtsprechung des B G H vgl. dort Note 230. 310 L k I (1964), Note 230 zu R n 442. Widersprüchlich (insbesondere angesichts der gleichlautenden Kommentierung der 2. A u f l . des L k I, 1964) dazu ist es aber, w e n n Eb. Schmidt 1957 i m L k I I , § 250 A n m . 7, „Vorhaltungen" zuläßt, „die den verschiedensten Zwecken dienen" könnten, etwa der „Ergänzung i n der Hauptverhandlung gemachter Aussagen; Feststellung u n d K l ä r u n g von Widersprüchen". Diese sollen zulässige Maßnahmen der Verhandlungsleitung darstellen, solange sie nicht i n eine Verlesung übergehen u n d so den Anschein eines Urkundenbeweises hervorrufen. Die §§ 253, 254 sollen n u n nicht mehr regeln, i n w i e w e i t bei der Vernehmung zur Sache „auf die A k t e n zurückgegriffen werden darf" — 1. Aufl., R n 363 —, sondern, enger, „daß u n d i n w i e w e i t die StPO ein »Verlesen 4 zu anderen als Beweisführungszwecken gestattet". Eb. Schmidt verweist dann auf die 1. Auflage seiner rechtstheoretischen Grundlegung, ohne ein Abrücken von seiner dortigen strengeren Auffassung, die er dann j a i n der 2. A u f l . wiederholt, anzugeben. Gegen den Vorhalt i m alten Sinne noch Festschrift f ü r Jellinek, S. 625 (S. 634 bei Note 33). 311 J Z 1953, 595 (597). E r kritisiert insb. die Entscheidungen B G H S t 1, 4 u. 337; 3,199 u. 281.

III. Frühere Auffassungen

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inhalt bei der Vernehmung zur Sache nahezu unbeschränkt zu verwerten. Vorhalte aus Niederschriften verletzten daher die Mündlichkeit und Unmittelbarkeit des Verfahrens 3 1 2 . Der B G H sehe die Rechtfertigung für diese Verletzung i n der Unterscheidung von Urkundenbeweis und Vorhalt. Diese Unterscheidung sei jedoch „gekünstelt und praktisch undurchführbar" 3 1 3 . Niese sieht daher i n einer solchen Handhabung den „neuralgischen Punkt unseres Strafverfahrens" 3 1 4 . c) Differenzierende, einschränkende

den Vorhalt Mittelmeinungen

Daneben 315 und später 3 1 6 modifiziert Eb. Schmidt seine Auffassung 3 1 7 und gestattet „Vorhaltungen, die den verschiedensten Zwecken dienen" könnten 3 1 8 . So soll der Vorsitzende nun Vorhalte selbst auch aus unverlesbaren Urkunden herleiten können. Ein Verlesen zu Vorhaltzwecken soll aber allein i n Gestalt und unter den engen und genau bestimmten Voraussetzungen der §§ 253, 254 gestattet sein 3 1 9 . Das verkenne leider die aus einer immer laxer gewordenen Praxis entstandene herrschende Lehre. Der „korrekte Vorhalt" muß nun also eine vom Vorsitzenden frei gestaltete gedankliche Wiedergabe dessen sein, was der Vorsitzende den Akten entnimmt und i n Gestalt von Fragen oder i n der Weise an einen Prozeßbeteiligten heranbringt, daß dieser zu Äußerungen bestimmten thematischen Inhalts veranlaßt wird320. 312

sonen. 313

Die Entscheidungen betreffen den Vorhalt von Aussagen anderer Per-

JZ 1953, 598 (Umstellung v o m Verf.). J Z 1953, 598, m i t dem Zusatz i n Note 14, die nachdrückliche K r i t i k Eb. Schmidts (Lk I, R n 363 u. Note 182) an der Rspr des R G treffe i n allen Punkten auf die von i h m zitierten Urteile des B G H zu. 315 s. oben S. 88 Note 310. 316 Vgl. insb. L k I I (1957), § 250 A n m . 7. Widersprüchlich zum L k I auch L k I I , § 249 A n m . 19 u. 23. 317 Schmidts V e r w a h r u n g gegenüber Geier, vgl. L k I, 2. Aufl., Note 230 am Ende, sein Widerspruch gegen die Rechtsprechung beziehe sich nicht auf „formlose Vorhalte" (mögen diese auch aus unverlesbaren U r k u n d e n entnommen werden), sondern n u r darauf, daß f ü r Vorhalte die F o r m des U r kundenbeweises (durch Verlesung) verwendet werde, k a n n nicht, w i e Schmidt es glaubt, die K o n t i n u i t ä t seiner Auffassung belegen. Sie beweist i m Gegenteil gerade seinen Meinungsumschwung. F ü r eine spätere Modifikation iSd Textes auch Krause, Ub, S. 183 Note 264 u n d S. 184 Note 270. 318 L k I I , § 250 A n m . 7. 319 L k I I , § 250 A n m . 7. 320 L k I I , § 250 A n m . 8. Eb. Schmidt läßt allerdings eine einheitliche L i n i e vermissen, wenn er i m Nachtragsband I zu L k I I (1967), § 249 R n 19 u n d § 243 R n 36, weiterhin auf seine strengere Auffassung i n L k I, 2. Aufl., R n 442, verweist. 314

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1. Teil: Grundlegung

Die herrschende Meinung übersteht diese Angriffe gegen die Vorhaltpraxis, wie ζ. T. schon aufgezeigt wurde, nicht unbeschadet. Mehr und mehr Stellungnahmen i m Schrifttum verleihen ihren Bedenken aber auch mehr praktisches Gewicht, indem sie nicht nur die Ermahnungen der Rechtsprechung noch eindringlicher wiederholen 3 2 1 , sondern auch ausdrücklich und i n Einzelfragen von den Vorhaltgrundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung abrücken und die Zulassung des Vorhalts i n dieser oder jener Weise deutlicher beschränken. aa) Den Verlesungsvorhalt ausschließende Auffassungen Die leidenschaftlich vorgetragene Argumentation Eb. Schmidts, die Verlesungen der §§ 253, 254 Abs. 2 StPO bedeuteten nur vom Gesetz besonders geregelte Formen des Vorhalts und nicht etwa Fälle des Urkundenbeweises 322 , findet immer mehr Anhänger 3 2 3 . Aus dieser Erkenntnis folgern auch Henkel 3 2 4 , Kern (auch für § 254 Abs. 1) 32δ , Krause 3 2 6 , L o h r 3 2 7 , K o f f k a 3 2 8 und Grünwald 3 2 9 weiter, daß ausschließlich i n den dortigen Fällen und unter den dortigen Voraussetzungen Vorhalte i n der Form des wörtlichen Verlesens erfolgen dürften. Nur so könne die Verwechslung zwischen Verlesung zwecks Vorhalts und Verlesung zwecks Beweises bei den Tatrichtern verschwinden 330 . Eine der obigen verwandte Meinung verficht Roxin 3 3 1 . Er hält zwar die §§ 253, 254 für Fälle des Urkundenbeweises 332 . Die Unterscheidung von Protokollverlesungen einmal zu Zwecken des Beweises und ein anderes M a l zu Zwecken des Vorhalts lehnt aber auch Roxin (mit Niese) als ge321

s. oben S. 84 f. Vgl. insb. L k I I , § 253 A n m . 1 - 1 0 ; § 254 A n m . 6; § 250 A n m . 4, 7, 9; Nachträge I, § 249 R n 19; § 253 A n m . 1. 323 Kern, 8. A u f l . (1967), S. 199 — sogar auch für den F a l l des § 254 I, ebenso auch schon 6. A u f l . (1960), S. 175. Henkel, Lb, 2. Aufl. (1968), S. 347 u n d Note 33; Peters, Lb, 2. Aufl. (1966), S. 270 f ü r § 253 — widersprüchlich dazu S. 486; derselbe, J Z 1965, 650. Krause, Z u m Urkundenbeweis i m Strafprozeß (1966), S. 186 f., 194; Lohr, Der Grundsatz der Unmittelbarkeit i m deutschen Strafprozeß (1972), S. 130 u. 144 f. (146), die diese Auffassung zu Recht als zunehmend vordringend bezeichnet (S. 144). 324 Vgl. Lb, S. 347 u. Note 34. 325 8. Aufl., S. 191,199. 326 Ub, S. 186, i m Anschluß an Eb. Schmidt, L k I I , § 250 Anm. 7 u n d 8. 327 S. 128 u. 131. 328 ZStW 84 (1972), 706 (707), i n einer zustimmenden Besprechung zu Lohr, zweifelnd für § 254 Abs. 2. 329 JZ 1966, 489 (493 u. Note 45 u n d 46), A n m . zu B G H Beschluß v. 30. 4. 1968. 330 Koffka, ZStW 81 (1969), 966 (968). Kritische Buchbesprechung zu Sarstedts Vorhaltsauffassung i n „Die Revision i n Strafsachen". 331 Kern/Roxin, 12. A u f l . (1974), S. 224 - 225. 332 S. 224. 322

III. Frühere Auffassungen

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künstelt und praktisch undurchführbar ab 3 3 3 . Wörtliche Protokollverlesungen seien deshalb überhaupt nur gestattet, soweit die §§ 251 f. sie zuließen. Nach Koeniger 3 3 4 könnten Vorhalte i n Form der Verlesung aus nicht verlesbaren Urkunden die Laienrichter unzulässig beeinflussen. U m Mißverständnisse auszuschließen, lehnt er daher wenigstens die Verlesung nicht auch i m Urkundenbeweis verlesbarer Urkunden zum Zwecke des Vorhalts ab. Auch wenn sich alle diese Auffassungen gegen Verlesungsvorhalte aussprechen, frei formulierte Vorhalte lassen sie dagegen weiterhin als „Vernehmungsbehelf" zu 3 3 5 . bb) Den Vorhalt aus unverlesbaren Schriftstücken einschränkende bzw. ablehnende Ansichten Andere, die bestehende Vorhaltpraxis i m Ergebnis noch weiter einschränkende Mittelmeinungen sehen die primäre Gefahr der Urteilsverfälschung zwar auch i n der zugestandenen undurchführbaren Unterscheidung von Verlesungen zu Vorhalt- oder zu Beweiszwecken. Hanack 3 3 6 etwa hält aber die von Roxin statt dessen empfohlenen „formlosen M i t teilungen" für oft wiederum bedenklicher als den Vorhalt i n Form der Verlesung, weil zwischen beiden i m Hinblick auf das praktisch Undurchführbare i n der Abgrenzung „mindestens kein prinzipieller Unterschied" bestehe. Solange die Strafprozeßordnung Aktenkenntnis voraussetze, glaubt Hanack, bei aller K r i t i k die heutige Rechtsprechung zum Vorhalt i m Prinzip billigen zu müssen 337 . Verhängnisvoller w i r k t heute nach diesen Auffassungen die auch von der K r i t i k um Eb. Schmidt grundsätzlich gebilligte Praxis des Vorhalts 333 S. 225, unter Hinweis auf die Überzeugungsbildung insb. der Laienrichter. Abschwächend aber i n P d W (1974) Nr. 302: Die Argumentation der Rspr sei „logisch nicht zu beanstanden". Die Bedenken des Schrifttums gegen die Vorhaltspraxis sollen „nicht ohne Gewicht" sein. 334 Die Hauptverhandlung i n Strafsachen (1966), S. 372. 335 Krause, Ub, S. 183; Lohr, S. 128. Vgl. auch Henkel, Lb, S. 347 (formfreie Vorhalte), u n d Kern, 8. Aufl., S. 191, 199. Während etwa R o x i n diese „ w e i t e r gehenden" Vorhalte n u r i n Gestalt „formloser Mitteilungen aus dem A k t e n material" erlauben w i l l (Kern/Roxin, S. 225), soll es nach Krause, Ub, S. 186 u n d Note 275, wenn sich der Vorsitzende bei der Formulierung solcher V o r halte an den U r k u n d e n w o r t l a u t halte, so lange unverfänglich sein, als der Vorsitzende den Anschein einer Verlesung vermeide. Krause beruft sich dabei auf Eb. Schmidt, L k I I , § 250 A n m . 8, der erklärt, man könne nicht annehmen, daß das praktisch unmöglich wäre. Lohr, S. 130, fordert wiederum eine „strenge Unterscheidung auch i n ihrer äußeren Form". 336 J Z 1972, 81 f., 201 f. (203). 337 Vgl. J Z 1972, 203.

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1. Teil: Grundlegung

aus unverlesbaren Schriftstücken. Hanack 3 3 8 , Grünwald 3 3 9 und Eser 3 4 0 konzentrieren ihren Angriff deshalb mit Riegner 3 4 1 darauf, daß durch die Vernehmung von Verhörsbeamten, verbunden mit dem Vorhalt aus unverlesbaren Protokollen, das Verbot des § 254 Abs. 1 bzw. § 252, polizeiliche Geständnisprotokolle bzw. Niederschriften von die Aussage verweigernden Zeugen nicht zu Beweiszwecken zu verlesen, unerträglich ausgehöhlt und umgangen werde. Sie untersagen deshalb jeglichen Vorhalt aus nicht verlesbaren Urkunden gegenüber Verhörsbeamten 342 . Grünwald 3 4 3 und, i h m folgend, Hanack 3 4 4 erweitern angesichts des § 254 Abs. 1 und des § 243 Abs. 4 S. 1 StPO ihre K r i t i k darüber hinaus auf das Verbot, ein früheres Geständnis vor der Polizei überhaupt, weder durch Vernehmung des Polizeibeamten noch durch Vorhalt des Inhalts dem Angeklagten gegenüber, zur Sprache zu bringen und i n die Hauptverhandlung einzuführen.

I V . Kritisch-systematische Einordnung, methodische u n d begriffliche Grundlegung 1. Kritisch-systematische Einordnung

a) Der Vorhalt aus den Akten M i t „Vorhalt aus den Akten" ist — wie der Begriff schon sagt — ein Zwitterdasein umschrieben. Der Vorhalt allein ist ein Mittel der (mündlichen) Vernehmung. M i t dem Bezug zu den A k t e n kommt dann ein Moment der Schriftlichkeit ins Spiel. Das Institut als ganzes rückt damit irgendwohin zwischen Personal- und Urkundenbeweis, zwischen A n hörung und Verlesung, Mündlichkeit und Schriftlichkeit, Unmittelbarkeit und Mittelbarkeit. Die Schwierigkeit erhöht sich noch dadurch, daß ein Großteil der Akten aus Protokollen besteht, die selber eine eigenartige Verbindung von Personal- und Urkundenbeweis darstellen. Nun werden aber darüber hinaus nicht nur Zeugen und Sachverständige vernommen, sondern auch der Beschuldigte selbst. I n seiner Vernehmung stoßen die Forderungen des Anklageprinzips und die Notwendigkeiten des Ermittlungsgrundsatzes — oder auch nur die „inquisitori338

JZ 1972, 274. JZ 1968, 754. 340 N J W 1963, 234 (237 u n d Note 23). 341 N J W 1961, 63 (64). 342 Z u den Vertretern dieser Ansicht zählen w o h l auch Dahs/Dahs, Revision (1972), R n 230 (widersprüchlich dazu u n d anders aber R n 221). 343 J Z 1968, 754. Beides seien unzulässige mittelbare Beweisaufnahmen. 344 JZ 1972, 274. 339

IV. Systematische Einordnung und Grundlegung

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sehen Gewohnheiten der herrschenden Praxis" 1 — aufeinander. Damit verwickelt sich die zu beantwortende Frage weiter. Vorhalte aus Schriftstücken befinden sich also i n der Hauptverhandlung i m Spannungsfeld von Vernehmung, Beweisaufnahme und grundsätzlicher Stellung der Verfahrensbeteiligten zueinander. I n Kollisionsnähe zu den Grundsätzen von Mündlichkeit, Unmittelbarkeit und Anklage bewegen sie sich i n der Dialektik zwischen Wahrheit und Justizförmigkeit 2 . Als Frage nach der Form der prozessualen Wahrheitssuche spiegelt das Problem der Aktenvorhalte den Dualismus des Strafverfahrens. b) Die Rolle der einschlägigen Prozeßgrundsätze Die Verfahrensgrundsätze (Prozeßmaximen) der Mündlichkeit, Unmittelbarkeit, Anklage und Instruktion folgen nicht als rechtstheoretische Begriffe mit stringenter Notwendigkeit aus der Natur des Strafverfahrens als Mittel der Strafrechtspflege an sich. Sie lassen als Ergebnis vielfältiger Erfahrungen die vom Gesetzgeber bevorzugten Gesichtspunkte erkennen, die für seine Methode, das Verfahrensrecht normativ zu gestalten, maßgeblich sein sollen 3 . Es handelt sich somit nicht u m logische, sondern u m rechtspolitische Gesichtspunkte; nicht um rein kategorische Prinzipien, sondern u m Zweckmäßigkeitserwägungen 4 . Ihre Auswahl wechselt i n der Geschichte und zeigt so die rechtspolitische Eigenart einer Epoche. Da der Gesetzgeber bei ihrer Ausgestaltung auf vielströmige Interessen Rücksicht zu nehmen hat, können die Prozeßprinzipien i m einzelnen selten bis zur letzten Konsequenz verwirklicht werden. Dieser Charakter bedingt i h r unterschiedliches Verständnis i n wechselnden Zeiten 5 . Da sie als Ortientierungsschemen notwendig allgemein gehalten sind, folgt auch mit ihrer Benennung noch nicht ihre endgültige Interpretation für den Einzelfall. „Unmittelbarkeit" läßt ebenso wie „Mündlichkeit" viele Deutungen zu, der volle Inhalt des Anklageprinzips bestimmt sich erst aus der Summe einzelner Anwendungsnormen. Als daher die Leitbilder der Reform mitunter dennoch zu Schlagworten 1

A. Henschel, Die Vernehmung des Beschuldigten, Vorwort, i m Jahre 1909. Z u r Justizförmigkeit vgl. n u r Eb. Schmidt, L k I, R n 22, 41, 244. Dazu auch unten S. 236 f. Die prozessuale F o r m soll letztlich sichern, daß der Schuldige gefunden, der Unschuldige aber geschützt w i r d . 8 Als weltanschaulich-politische Leitbilder zur möglichst idealen Ausgestaltung des Verfahrens verstehen alle neueren Autoren die Prozeßgrundsätze, vgl. Eb. Schmidt, L k I , R n 329, 330; Geerds, SchlHA 1962, 181 f.; Schäfer, LR, Einl., K a p i t e l 11 A , S. 131. 4 Diesen Gegensatz betonen etwa Beling, Lb, S. 81 ; Rosenfeld, Reichs-Strafprozeß, S. 43; Henkel, Lb, S. 91. 5 „Anderer Staat — anderes Strafverfahren", Exner, S. 7. 2

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1. Teil: Grundlegung

umfunktioniert wurden 6 , überdeckten Emotionalität und Einseitigkeit die sachlich-kritische Argumentation und die historisch gewachsenen Erfahrungen. Denn oft verschleiern die ins Feld geführten Behauptungen die dahinter stehenden Prämissen und grundsätzlichen Wertvorstellungen. K r i t i k bzw. Verteidigung gerieten zu pauschal 7 , so daß die jeweilige Reaktion ein leichtes hatte, gutgemeinte Bedenken als einseitig tendenziös abzutun 8 » ö . c) Die heutige Diskussion um den Vorhalt Der Uberblick über die i n Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen zum Vorhalt aus Schriftstücken hat eine Vielfalt von Meinungen gezeigt. Trotzdem ist das herrschende Verständnis über die Natur des Vorhalts, zumindest seit 1900, unerschüttert geblieben. Wenn diese herrschende Ansicht jedoch heute angesichts der stark aufkommenden Gegenmeinung, die, wie auch anfangs das Reichsgericht 10 , Vorhalte i n Form von Protokollverlesungen nur nach den Voraussetzungen der §§ 253, 254 Abs. 2 zuläßt, i m Rückzug begriffen ist, könnte sich bei dem eigenen Unbehagen innerhalb der jetzigen h M die Entwicklung somit zurückbewegen. Daß sie damit aber auch endgültig abgeschlossen ist und sich nicht weiter i m Kreise dreht, ist allerdings nicht anzunehmen. Dafür w i r d auf der einen Seite die Diskussion u m den Vorhalt von beiden Lagern m i t unter zu emotional geführt. Dazu ist jedoch auf der anderen Seite das Problem des Vorhalts zu vielschichtig und schwierig. Der schwerwiegendste Mangel liegt darin, daß sich der Streit i n der Hauptsache auf den Verlesungsvorhalt konzentriert und damit, wie etwa die jüngste K r i t i k von Hanack befürchtet, das wahre Problem des formfreien Vorhalts verdrängt. 2. Methodische Grundlegung

A n kritischem Interesse am Vorhaltsproblem mangelt es nicht, wie die zahlreichen Meinungsäußerungen dazu beweisen. Alle Argumente scheiβ Vgl. Maas, S. 24; Dolder er, Diss., Einl. u. S. 13; Herrmann, Reform, S. 46; Eb. Schmidt, L k I, R n 329. 7 Als ein jüngeres Beispiel nicht gerade für die Verwendung von Schlagworten, w o h l aber für MißVerständnisse mag die K r i t i k Eb. Schmidts, L k I, Rn 363 Note 182, an RGSt 69, 89 genügen. 8 Vgl. die Entgegnung v o n Henkel, Lb, 1. Aufl., S. 375 Note 4. Ferner Sarstedt, Revision, S. 197 Note 22 : RGSt 69, 89, löse m a n seinen Kernsatz aus dem Zusammenhang, scheine die K r i t i k herauszufordern, die bei Eb. Schmidt „über das Ziel hinausschießt". 9 Eb. Schmidt, Festschrift f ü r Jellinek, S. 625 (634 Note 33), wiederum hält die „Polemik Henkels" gegen seine Auffassung f ü r „nicht gerechtfertigt". 10 Vgl. oben S. 41 f.

IV. Systematische Einordnung und Grundlegung

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nen jedoch vorgebracht. Seit RGRspr 5, S. 145 f. hat die (herrschende) höchstrichterliche Rechtsprechung zum Vorhalt nichts Neues i n die Abwägung werfen können. Auch die neueren Stellungnahmen i n Praxis und Lehre entwickeln bzw. übernehmen zumeist ältere, ohne immer zu klären, inwieweit deren Prämissen (noch) stimmen. So haben sich die Gründe für und wider zwangsläufig wiederholt, läuft die Entwicklung i m Kreise. Dabei sollte doch stutzig machen, wie viele verschiedene Rechtsvorschriften und -institute etwa die Rechtsprechung zitierte, u m die Zulässigkeit freier Vorhalte aus den Akten zu rechtfertigen. a) Vorgebliche Rechtsgrundlagen

des Vorhalts nach der Rspr

Anfänglich (für Zeugen) betonte das Reichsgericht den engen Zusammenhang mit den Akten und stützte den Rückgriff auf Schriftstücke allein auf § 253 11 . Dann rückte es das angeblich umfassende Fragerecht des Vorsitzenden i n den Vordergrund und ließ auch dem Angeklagten gegenüber Vorhalte aus bereits bekundeten oder noch zu erwartenden Zeugenaussagen zu 1 2 . Aus der Aufgabe des Vorsitzenden ergebe sich solch ein Vorhalt „ m i t Notwendigkeit" 1 3 . Andere Entscheidungen erklärten nur, der Vorhalt sei „nirgends verboten" 1 4 , nach § 238 „nicht unzulässig" 15 oder „nicht ausgeschlossen"16, ohne noch eine direkte rechtliche Grundlage zu nennen. Während RGSt 15, 100 (101) die §§ 242 (243), 136 bemühte, u m dem Angeklagten alle Verdachtsmomente auch ja bezeichnen zu können, begründete RGSt 35, 5 den Vorhalt mit dem Interesse an der Erforschung der materiellen Wahrheit. Später sah das RG den Vorhalt aus Schriftstücken ausdrücklich als Beweisführungs- bzw. Urkundenverwertungsform nach § 249 selbst an, weitete ihn aber trotzdem fast i m selben Atemzug auf unverlesbare U r kunden aus 17 . Als „Ersatzform" der Verwertung von Urkunden rechtfertigen auch verschiedene Stellungnahmen des Bundesgerichtshofs und der Oberlandesgerichte den Vorhalt durch § 249 18 , während andere Entscheidungen, 11 Vgl. RGRspr 5, 145 (147); ferner noch RGSt 32, 315 (316); G A 43 (1895), 242 (243). 12 RGRspr 7, 212 (213); RGSt 23, 58 (59); G A 46 (1898), 193 (194); J W 1898, 333. 13 RGRspr 7, 605. 14 RGRspr 6, 785. 15 RGSt 52, 243 (244). 16 RGRspr 9, 123; RGSt 27, 163 (166); RGSt 23, 58 (59): nicht zu bezweifeln. 17 R G G A 58 (1911), 459; G A 46 (1898), 193 (194); SeuffBl 1909, 466; L Z 1915, 631; J W 1932, 245 u. a. 18 So ausdrücklich O L G K ö l n M D R 1955, 122; ferner BGHSt 3, 281 (geg.

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1. Teil: Grundlegung

insbesondere u m Tonbänder i n den Prozeß einzuführen, wieder auf die §§ 253, 254 zurückkommen, diese aber entsprechend anwenden 19 . Dem Angeklagten gegenüber beruft man sich auf die Sachleitung und die Pflicht, die Wahrheit zu erforschen 20 . Zeugen gegenüber, wie schon das RG 2 1 , auf die Pflicht, Falscheide zu verhindern 22 » 2 *. b) Die Entwicklungslinie

des Schrifttums

Die Stellungnahmen der Literatur zum Vorhalt spiegeln diese Uneinigkeit, weil ein Rückbesinnen auf grundsätzliche Standpunkte hauptsächlich nur anfangs geschieht, als die wesentlichen Ziele der Reformarbeiten und die Motive zur RStPO noch i n frischer Erinnerung sind. M i t der Zeit treten jedoch praktische Erwägungen i n den Vordergrund, die vergessen lassen, daß die hintergründig-ideellen Leitbilder der Reform gerade auf praktischer Vernunft beruhen. Die wechselnde Kommentierung des § 252 RStPO bzw. § 253 StPO i n den verschiedenen Auflagen des von Löwe gegründeten Erläuterungswerks zeigt besonders augenfällig, wie auch das Schrifttum sich immer mehr den Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten der Praxis öffnete und damit die Aufweichung prozessualer Formen und Ideen begünstigte. c) Erschließung aus dem Gesetz Danach kann es i m folgenden nicht darum gehen, alle einzelnen Meinungen zum Vorhalt durchzumustern und auf ihre Widerspruchslosigkeit und Stichhaltigkeit abzuklopfen. Es können auch nicht allein aus abstrakten Begriffen wie Mündlichkeit und Unmittelbarkeit konkrete Folgerungen hergeleitet werden. Die Untersuchung muß den umgekehrten Weg beschreiten. Die Natur und die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit von Vorhalten aus Schriftstücken kann richtig nur aus dem Inhalt und System der Strafprozeßordnung selbst abgeleitet und verstanden werden. M i t der Darstellung der verschiedenen Auffassungen zum Vorhalt ist auch die nötige Grundlage zur umfassenden kritischen Aufbereitung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen gewonnen. Da das Gesetz Verhörspersonen) u n d B G H S t 11, 159 (160): Ersatz des möglichen U r k u n d e n beweises durch Vorhalte. 19 B G H bei Dallinger, M D R 56, 527 (528); BGHSt 14, 310 (312); VRS 32 (1967), 352 (353); B a y O b L G N J W 1954, 363. 20 BGHSt 3, 199 (200); 11, 338 (340); 17, 351. § 244 Abs. 2 zitierte z . B . auch R G J W 1911, 248. 21 RGSt 36, 53 (54). 22 B G H S t 1, 5 (8). 25 BGHSt 22, 26 zitiert dann interessanterweise das rechtliche Gehör des Angeklagten, das den Richter verpflichten könne, den Zeugen Vorhaltungen zu machen.

IV. Systematische Einordnung und Grundlegung

97

aber den Vorhalt nicht erwähnt, soll so die höchstrichterliche Rechtsauffassung zum Vorhalt Schritt für Schritt am Gesetz auf ihre Begründetheit überprüft werden. U m die Möglichkeiten und Grenzen bei einer Vernehmung zur Sache beurteilen zu können, muß man sich zuvor über die Rechte und Pflichten des Vernehmenden bzw. Vernommenen und über die Stellung und A u f gabe einer Vernehmung zur Sache i m Rahmen und Aufbau des Strafprozesses grundlegend Klarheit verschaffen. aa) Die grundsätzlichen Rechte und Pflichten des Vorsitzenden I n der heutigen Hauptverhandlung soll das erkennende Gericht, anders als i m schriftlichen Inquisitionsprozeß, i n eigener Wahrnehmung ein anschauliches B i l d von der Tat, den Tatumständen und den beteiligten Personen gewinnen. Daher müssen der Angeklagte und die Zeugen und Sachverständigen i n der Hauptverhandlung selbst gehört werden, Urkunden und andere Beweisgegenstände lebendig veranschaulicht werden. Der Ablauf der Hauptverhandlung, Mündlichkeit und Unmittelbarkeit und damit die einzelnen Vernehmungen und Verlesungen entwickeln sich nicht von selbst. Ihre Abwicklung bzw. Gestaltung unterliegt der „Verhandlungsleitung" des Vorsitzenden, § 238 Abs. 1. Er führt die Verhandlung durch. Zwar haben die beisitzenden Richter und Schöffen, der Angeklagte (nicht gegenüber Mitangeklagten, § 240 Abs. 2 S. 2) und sein Verteidiger ein umfassendes Fragerecht, § 240 24 . „Die Leitung der Verhandlung, die Vernehmung des Angeklagten und die Aufnahme des Beweises" und damit die persönliche Anhörung der Zeugen und Sachverständigen „erfolgt" aber grundsätzlich 25 durch den Vorsitzenden des erkennenden Gerichts, § 238 Abs. 1. Er erteilt das Wort zur Rede und stellt dem Angeklagten und den Beweispersonen — i m Rahmen der Gesetze — Fragen. bb) Die gesetzliche Regelung der Zeugenvernehmung Die A r t und Weise der Zeugenvernehmung bestimmen die §§ 57 f. Die Vernehmung zur Sache regelt § 69. Der Vorsitzende muß dem Zeugen „vor seiner Vernehmung" das Thema der Untersuchung und die Person des Beschuldigten bezeichnen, § 69 Abs. 1 S. 2 2 0 . Dem Zeugen ist also m i t 24 Ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fragen k a n n der Vorsitzende aber zurückweisen, § 241 Abs. 2, wogegen nach § 238 Abs. 2 ein Gerichtsbeschluß herbeigeführt werden kann. 25 Das Kreuzverhör nach § 239 f ü h r t n u r ein nominelles Dasein. 26 Abs. 1 S. 2 gehörte besser an den Anfang der Bestimmung. Vgl. Eb. Schmidt, L k I I , § 69 A n m . 7.

7 Kuckuck

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1. Teil: Grundlegung

zuteilen, u m welche Beschuldigung es sich handelt und gegen wen das Verfahren sich richtet. Danach ist der Zeuge „zu veranlassen, das, was i h m von dem Gegenstand der Vernehmung bekannt ist, i m Zusammenhang anzugeben", § 69 Abs. 1 S. 1. Das Gesetz schreibt also dem Richter vor, den Zeugen i m Zusammenhang zu einem umfassenden Bericht zu veranlassen. Erst nach der zusammenhängenden Darstellung des Zeugen sind „nötigenfalls weitere Fragen" an den Zeugen zu richten, § 69 Abs. 2. Die Fragen müssen aber, sofern weitere Fragen überhaupt notwendig sind, „zur Aufklärung und zur Vervollständigung der Aussage sowie zur Erforschung des Grundes", woher der Zeuge sein Wissen bezieht, erfolgen, § 69 Abs. 2. Das Gericht muß also i n jedem Falle eigene Anhaltspunkte gewinnen für die Bewertung dieser Aussage. M i t den „artikulierten Verhören" des Inquisitionsprozesses, die die Fragen aus früheren Aussagen vorformulieren 2 7 , soll endgültig Schluß sein 28 . cc) Die Gutachtenerstattung nach dem Gesetz Die Sachkunde des Sachverständigen kann sowohl zur Beurteilung des Personal- als auch des Sachbeweises i n Anspruch genommen werden. § 72 schreibt für Sachverständige die subsidiäre Anwendung der Zeugenbestimmungen vor. Der Mündlichkeitsgrundsatz und der Umkehrschluß aus § 82 gebieten, daß sie ihr Gutachten i n der Hauptverhandlung mündlich „erstatten", § 82. Davon geht auch § 253 aus. Daher gilt die Vorschrift des § 69 i n der Hauptverhandlung für die „Vernehmung eines Sachverständigen" (§ 251 Abs. 1, vgl. auch § 76 Abs. 2 S. 1), wenn nicht ein Fall der Verlesung nach § 256 vorliegt, grundsätzlich entsprechend 29 . Eine schriftliche „Vernehmung" kennt das Strafverfahren nicht. Eine Erweiterung der Fragerechte des Vorsitzenden ergibt sich aber aus § 78, wonach der Richter die „Tätigkeit der Sachverständigen zu leiten" hat. dd) Grundsätzliches zur Vernehmung des Angeklagten Von dieser „Beweisaufnahme", also der Erhebung derjenigen Beweise, die der Grundlage der Urteilsfindung dienen sollen, trennt die Strafprozeßordnung die „Vernehmung des Angeklagten", § 244 Abs. 1, § 243 Abs. 4 3 0 . Die Regelung i n zwei verschiedenen, inhaltlich und strukturell ganz 27

Dazu oben S. 21 Note 14 u n d S. 22 Note 20. Vgl. B G H S t 3, 281 (283); Gollwitzer, LR, § 253 A n m . 1 gegen Ende. 29 So zu Recht auch Sarstedt, LR, § 72 A n m . 19, § 83 Anm. 3; Henkel, Lb, S. 221; Jessnitzer, S. 102 Note 22. Unzutreffend Eb. Schmidt, L k I I , § 72 Anm. 4, § 82 A n m . 6; w o h l auch Kern/Roxin, S. 136; offengelassen von Peters, Lb, S. 313. § 73 Entw. der StPO nennt zu § 72 ausdrücklich die Vernehmung der Zeugen. Vgl. auch von Hippel, Lb, S. 410 Note 4. 30 Daß es sich bei dieser Trennung auf keinen F a l l u m ein redaktionelles Versehen oder auch n u r eine Gedankenlosigkeit handelt, beweist deren Wie28

IV. Systematische Einordnung und Grundlegung

99

unterschiedlichen Bestimmungen hebt diese Trennnung auch äußerlich hervor. Die Vernehmung des Angeklagten zur Sache ist also grundsätzlich keine Beweisaufnahme. Sie geht, sofern der Angeklagte „zur Äußerung bereit" ist, § 243 Abs. 4 S. 2, der Beweisaufnahme voraus. Der Vorsitzende hat zu allererst den Angeklagten darauf hinzuweisen, daß es i h m freisteht, „sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen", § 243 Abs. 4 S. 1. Erklärt sich der Angeklagte „zur Äußerung bereit", möchte er also nach seiner freien Entschließung etwas „auf die Anklage erwidern" 3 1 , so w i r d er vom Vorsitzenden „nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen", § 243 Abs. 4 S. 2. Nach § 136 Abs. 2 „soll" diese Vernehmung „dem Beschuldigten Gelegenheit geben, die gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe zu beseitigen und die zu seinen Gunsten sprechenden Tatsachen geltend zu machen". Sie muß i h m damit Gelegenheit bieten, sich über den Anklagegegenstand frei auszusprechen 32 . Der Angeklagte muß also vor der Beweisaufnahme die Gelegenheit haben, seine Verteidigung zu führen, entlastende Umstände darzulegen und die gegen ihn behaupteten Umstände der Anklage zu widerlegen und zu entkräften, vgl. § 136 Abs. 1 S. S 33 . Unmittelbar nach einer jeden dann folgenden Beweiserhebung, bestehe sie ζ. B. aus einer „Vernehmung" oder einer „Verlesung eines jeden Schriftstücks", soll der Angeklagte dann Gelegenheit erhalten, zu den einzelnen Beweismitteln Stellung zu nehmen. Dazu „soll" der Vorsitzende i h n befragen, „ob er etwas zu erklären habe". § 257 Abs. 1 stellt diese Befragung aber nicht i n sein freies Belieben; das Gesetz gestaltet dieses Verfahren zumindest als Regelfall. Zu äußern braucht sich der Angeklagte aber immer nur, wenn er dazu wirklich willens und bereit ist. Eine Beweislast des Angeklagten kennt das Gesetz nicht. Der Angeklagte ist auch kein Zeuge. Seine Vernehmung ist, u m es noch einmal hervorzuheben, keine „Beweisaufnahme" 34 . d) Die unterschiedlichen

Aufgaben

der jeweiligen

Vernehmung

Den Zeugen und Sachverständigen als auch dem Angeklagten gegenüber läßt nun die h M wie auch die Gegenmeinung „formfreie" Vorhalte aus Schriftstücken i n gleichem Maße zu. Die Strafprozeßordnung verwendet, wie aufgezeigt, auch für das Gehör und die Anhörung aller, sowohl für die Äußerungen des Angeklagten derholung i n § 238 Abs. 1 u n d § 324 Abs. 2: „Sodann erfolgt die Vernehmung des Angeklagten u n d die Beweisaufnahme." 31 So treffend Gollwitzer, LR, § 243 A n m . 1 a. 32 Vgl. auch Henkel, Lb, S. 175 unten. 33 Vgl. auch Gollwitzer y § 243 A n m . 1 a. 34 So ausdrücklich RGRspr 5, 784 (785); RGSt 48, 247 (248); BGHSt 3, 384; Gollwitzer, LR, § 243 A n m . 9 am Ende. Dazu auch unten S. 183 f.



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1. Teil: Grundlegung

als auch für die Aussagen von Zeugen und Sachverständigen, den gleichen Ausdruck „Vernehmung". Der Angeklagte kann sowohl wie ein persönliches Beweismittel „zur Sache vernommen" werden, § 243 Abs. 4 S. 2, vgl. § 69. Doch beider „Vernehmung" steht i n einem anderen Zusammenhang. Die jeweiligen Anhörungen zur Sache dienen anderen Zielen. Sie sind eingebunden i n einen anderen Regelungsbereich. Dessen Aufgabe und Ausgestaltung strahlt auf die Vernehmungsvorschriften über und beeinflußt ihre Auslegung. Die Rechte und Pflichten des Vernommenen gestalten somit auch die Rechte und Pflichten des Vernehmenden. Die Rechtsstellung der am Verfahren Beteiligten wiederum ist abhängig von der Grundstruktur des deutschen Strafprozesses und dem Gefüge und Ablauf seiner Hauptverhandlung. Zwar stehen sowohl der Angeklagte als auch die Zeugen und Sachverständigen bei allen 3 5 Vernehmungen unter dem Schutz des § 136 a 3 6 , vgl. §§ 69 Abs. 3, 72. Nur der Angeklagte ist aber Prozeßsubjekt. Seine „Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung", § 136 a Abs. 1, gilt hinsichtlich des „Ob" und „Wie" der Äußerung uneingeschränkt. Der Hinweis i n § 136 a Abs. 1 S. 2, daß ein strafprozessual vorgesehener Zwang zulässig sei, hat nur Bedeutung für die Zeugen und Sachverständigen, deren prozessual kooperatives Verhalten gemäß §§ 70, 77 erzwungen werden kann. Auch die Tragweite des § 136 a ist also für den Angeklagten einerseits und die Beweispersonen andererseits durchaus verschieden. e) Kritische

Folgerungen

Aus diesem folgt dreierlei: Zum einen sind die überwiegend vertretenen Meinungen unzutreffend oder zumindest mißverständlich, die behaupten, die StPO sage über die A r t und Weise der Vernehmung nichts oder doch nur wenig 3 7 . Sie mögen gutgemeint sein und nur einen Mangel an Rechtsstaatlichkeit beklagen wollen. Für ein sachgemäßes Verständnis der Vernehmung wirken sie sich jedoch unglücklich und irreführend aus. Denn sie haben den Teilrückzug des Rechts aus dem so wichtigen Gebiet der Sachaufklärung zur Folge. Das geräumte Feld w i r d nolens volens den 35

Auch allen polizeilichen, vgl. § 163 a. Insbesondere die zentrale Vorschrift des § 136 a, die die Menschenwürde der zu Vernehmenden schützt, zeigt, daß die Justizförmigkeit keine bloße formale Kategorie ist. 87 Vgl. etwa Rupp, S. 243: Materielle Bestimmungen über die Produktion der Beweismittel durch den Vorsitzenden enthalte das Gesetz fast gar nicht. „ M i t Recht w i r d dies alles dem T a k t u n d dem gesunden Menschenverstände überlassen." Aber auch Eb. Schmidt, L k I I , § 243 A n m . 30: „ F ü r die A r t , wie die Vernehmung zur Sache durchzuführen ist, stellt § 243 Abs. 3 (heute 4) keine Bestimmung auf." Ä h n l i c h Kolleg, S. 151; Nachträge zu § 136 A n m . 7 f. Treffend aber Kern, 8. A u f l . S. 105: „Die A r t der Vernehmung ist i m Gesetz genau vorgeschrieben." 38

IV. Systematische Einordnung und Grundlegung

101

Kriminalisten und Vernehmungspsychologen überlassen 38 ; eine Entwicklung, die gerade bei der verstärkten Exploration der Täterpersönlichkeit — läuft diese nicht i n gesicherten Bahnen ab — unheilvoll werden kann. A u f diese A r t ruft die Klage über eine mangelnde Form erst die beklagte Formlosigkeit selbst m i t hervor. Zum zweiten ergibt sich, daß der größte Teil der Stellungnahmen zum Vorhalt in Rechtsprechung und Literatur nicht überzeugen kann. Dieses negative Urteil kann nicht schon daraus folgen, daß der Vorhalt Angeklagten und Beweispersonen gegenüber gleichermaßen zugelassen wird. Da aber der eingeschlagene Weg nicht richtig ist, kann das Resultat nicht beruhigen. Die Äußerungen sind insoweit unbefriedigend, als sie die Vernehmung des Angeklagten als auch die des Zeugen und Sachverständigen undifferenziert und oft noch vom Verständnis der Vernehmung als eines umfassenden Zugriffsrechts des Vorsitzenden her auslegen 39 . Die A b grenzung des § 244 Abs. 1, „nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme", w i r d so i m Endeffekt umgangen 40 . Beider Vernehmung ist aber zu verschieden, als daß sie so ohne weiteres über einen Leisten gespannt werden könnte. Eine derart nivellierende und einseitige Betrachtungsweise negiert das grundlegende Spannungsverhältnis der Rechte und Pflichten der Beteiligten i m Verfahren. Auch ist es etwas anderes, ob der Vorhalt an die Stelle eines zulässigen und gebotenen Urkundenbeweises t r i t t oder dort verwendet wird, wo ein Urkundenbeweis nicht in Betracht kommt 4 1 . Eine sachgemäße Auseinandersetzung m i t dem Problem des Vorhalts muß daher, von dem Grundbegriff der Vernehmung ausgehend, die vielschichtigen einzelnen Interessen umfassend berücksichtigen und abwägen, ohne dabei die Strafverfahrensziele aus dem Blickwinkel zu verlieren. Vorab, nur von einer Funktion her, läßt sich das Problem nicht zufriedenstellend lösen 42 . 38

Das bedauert auch Roesen, N J W 1958, 977 (978 r. Sp.). Z u r Unterstützung des Gedächtnisses des Angeklagten wendet etwa BGHSt 14, 339 (340) § 253 entsprechend an. Ebenso Bader, J Z 1951, 123. Sogar Eb. Schmidt, Nachträge I, § 253 R n 3, erörtert den Vorhalt — statt eines ergänzenden Urkundenbeweises — dem Angeklagten gegenüber unter der Zeugenvorschrift des § 253. 40 Vgl. Rupp, S. 243; Rosenfeld, L b I, S. 34 u n d Note 3. Ins Gegenteil verkehrt sie etwa RGSt 68, 110 m i t der Behauptung, die StPO räume dem Vorsitzenden für die Vernehmung des Angeklagten eine „freiere u n d stärkere Stellung als f ü r die Beweisaufnahme ein". 41 Zutreffend die K r i t i k von Hanack, J Z 72, 202 Note 6. E i n Wechselwirkung besteht jedoch. 42 Unrichtig etwa Sarstedt, Revision, S. 192: „ Z u r Wahrheitserforschung ist alles erlaubt, was nicht ausdrücklich verboten ist." Ebenso für die Vernehmung Rintelen (1891), S. 188. 39

102

1. Teil: Grundlegung

Zum dritten w i r d klar, daß das Gesetz ein gewisses Maß an Verantwortung für die Uneinigkeiten und Mißverständnisse selbst trägt. Die Vorschrift des § 136 a „leidet an großer Unschärfe" 43 . Der Verweis auf § 136 Abs. 2 4 4 i n § 243 Abs. 4 S. 2 (bis 1924 verwies § 243 Abs. 3 noch dazu auf die gesamte Vorschrift des § 136) kommt dem richtigen Verständnis dieser „Vernehmung" nicht zugute 45 . A m verhängnisvollsten w i r k t sich jedoch aus, daß die StPO sowohl für das (selbständige) Gehör des Angeklagten als auch für die (einfache) Anhörung der Beweisperson denselben Begriff „Vernehmung" bzw. „Vernehmung zur Sache" verwendet. Diese ungerechtfertigte Gleichbenennung muß notwendig zu Mißverständnissen und unsachgemäßen Gleichschaltungen verführen 4 6 . Zu guter Letzt w i r d ein richtiges Erfassen des Vorhalts belastet durch die unübersichtliche Fassung der §§ 249 f. Eine klare und eindeutige Inhaltsbestimmung ist ihnen beim ersten und zweiten Durchlesen leider nicht schon zu entnehmen. I h r Verständnis w i r d insbesondere auch dadurch erschwert, daß das Gesetz eine Abgrenzung des Vorhalts von der suggestiven Frage versäumte. Die Aktenkenntnis

des Vorsitzenden und die Aktenverwertung

Die Hauptverhandlung steht nicht bindungslos i n einem luftleeren Raum. Sie setzt nicht augenblicklich und unvorbereitet auf irgendeinen Strafverdacht hin ein, sondern bildet den Höhepunkt und Abschluß eines vorwärts schreitenden, rechtsstaatlich durchgebildeten Ermittlungsganges. Dem Hauptverfahren sind grundsätzlich 47 ein vorwiegend aktenmäßiges Vor- und Zwischenverfahren vorgeschaltet. Wenn dann auch die Hauptverhandlung selbst nach den tragenden Grundsätzen der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit ablaufen muß, so kommt den Akten doch weiterhin eine nicht zu unterschätzende Rolle zu. aa) Die Vorbereitung der Hauptverhandlung Seine Aufgabe, die Verhandlung konzentriert 4 8 und sachgemäß zu leiten, kann der Vorsitzende nur erfüllen, wenn er die Hauptverhandlung gründlich vorbereitet hat. Diese Vorbereitung muß sowohl technischer wie geistiger A r t sein 49 . Die nach den §§ 213 - 225 zu treffenden Maßnahmen stehen teils dem Vorsitzenden des erkennenden Gerichts al43

Sarstedt, LR, § 136 a A n m . 1 f. Vgl. auch Bader, J Z 1951,123. Es ist auch verwirrend, daß § 136 zweimal, i n Abs. 1 u n d Abs. 3, von einer ersten Vernehmung spricht. 45 So auch Krause, Ub, S. 72, w e n n auch i m Ergebnis gerade umgekehrt. 46 Vgl. auch Rüping, Gehör, S. 120 u n d Note 83 m. w. N. 47 E i n Wegfall des Zwischenverfahrens ist n u r i m sog. „beschleunigten Verfahren", §§ 212 - 212 b, zulässig. 48 s. §§ 228, 229. 49 Peters, Lb, S. 475 f. 44

IV. Systematische Einordnung und Grundlegung

103

lein, teils dem erkennenden Gericht (§§ 30 Abs. 2, 76 Abs. 1 GVG) als Ganzen zu. Der Vorsitzende allein beraumt die Termine zur Hauptverhandlung an, §§ 213, 217. Dazu muß er eine Vorstellung von der Verhandlungsdauer haben. Das Gericht als Ganzes kann, neben der Staatsanwaltschaft, den Angeklagten und die Beweispersonen laden und die Herbeischaffung der Sachbeweise bewirken, § 214 Abs. 4. Bei längerer Verhandlungsdauer kann der Vorsitzende einzelne Zeugen und Sachverständige zu späteren Zeitpunkten bestellen, § 214 Abs. 2. Er bescheidet auch etwaige Beweisanträge des Angeklagten, § 219 Abs. I 5 0 . I n besonderen Fällen sind vorweggenommene Beweisaufnahmen anzuordnen, §§ 223 f. Zu all diesen Maßnahmen — ob allein oder i m Kollegium — darf und muß der Vorsitzende die Akten gründlich durcharbeiten 51 . Ohne eine genaue Aktenkenntnis kann er die notwendigen Entscheidungen nicht sachgemäß treffen. Mangelhafte Vorbereitung kann zu falschen Ergebnissen führen. Der Vorsitzende hat i m Regelfall auch schon die Eröffnung des Hauptverfahrens nach Lage der Akten des Vorverfahrens beschlossen, §§ 199 Abs. 1, 209 52 , als Amtsrichter allein, beim Kollegialgericht m i t anderen Richtern zusammen 53 . Schon daher werden i h m die Akten nicht unbekannt sein. I n der Hauptverhandlung vernimmt der Vorsitzende dann den Angeklagten und erhebt die Beweise. Auch dazu muß er den Akteninhalt genauestens beherrschen. Eine vorherige genaue Aktenkenntnis ist nach heute einhelliger Ansicht 5 4 unentbehrlich, u m insbesondere längere Verhandlungen mit verschiedenen Urkundenverlesungen und umfangreicheren Vernehmungen sachgerecht zu leiten 5 5 . Daß das Gesetz ein gründliches Aktenstudium des Vorsitzenden als selbstverständlich voraus setzt, folgt i m übrigen auch aus den §§ 253 und 254 5e . 50

Dazu RGSt 75,165 (166). Vgl. RGSt 40, 155 (157); 50, 155 (156); Eb. Schmidt, L k I, Vorb. 7 vor §213; Sarstedt, LR, Vorb. 3 v o r § 213. 52 Vgl. Eb. Schmidt, L k I I , § 209; Vorb. 4 vor § 213. 68 Z u den Bedenken dagegen Roesen, N J W 58, 977; Eb. Schmidt, L k I I , Vorb. 3 vor § 198. 54 Vgl. n u r R G G A 62 (1916), 154 (156); RGSt 40, 157; 50, 155; Schäfer, JR 1932, 196 (198); Schreiber, Festschrift f ü r Welzel, S. 941 (946); v. Hippel, Lb, S. 323; Eb. Schmidt, L k I, R n 438 u. I I , §250 A n m . 6. Z u r Aktenkenntnis der übrigen Berufsrichter vgl. unten S. 182 Note 7 u. S. 223 Note 150. Z u r A k t e n einsicht der Laienrichter s. S. 223 Note 151. 55 Das zu befragende Material muß selbst schon m i t zu den Wurzeln der Frage gehören, w e i l „ohne Befragtes keine Frage u n d damit Erfragtes u n d Gefragtes nicht möglich sind", Weimar, S. 67. 58 Insbesondere zur Feststellung eines Widerspruchs. Vgl. auch Schäfer, JR 1932, 196 (198); Schreiber, Festschrift für Welzel, S. 947; Krause, Ub, S. 180 Note 258; aA Eb. Schmidt, L k I, Note 223 zu R n 438. Dessen These, daß der V o r sitzende die nach §§ 251 f. zu verlesenden U r k u n d e n erst i n der H V auf H i n 51

104

1. Teil: Grundlegung bb) Unterscheidung von Aktenkenntnis und Akten Verwertung

Eine ganz andere Frage ist jedoch, ob und i n welchem Sinne der Akteninhalt bei der Gewinnung des der Urteilsfindung dienenden Tatsachenmaterials nutzbar gemacht werden darf 5 7 . Das Urteil darf allein auf dem „Inbegriff der Verhandlung" beruhen, §261, und allein das „Ergebnis" dieser Hauptverhandlung sein, § 264 Abs. 1. Daraus folgt, daß der Inhalt der Akten als Urteilsgrundlage prinzipiell ausgeschlossen ist. Direkt aus den Akten des Ermittlungsverfahrens darf sich der Richter daher die Beweisgrundlage nicht verschaffen 58 . Ohne Frage dürfen aber diejenigen Aktenbestandteile i n die Verhandlung eingeführt werden und auch die Urteilsgrundlage mit bilden, deren Verlesung i m Wege des Urkundenbeweises, § 249, zulässig ist. Bei der Abwesenheit von Zeugen, Sachverständigen und Mitbeschuldigten 59 ermöglichen das die §§ 251 Abs. 1 Nr. 1 - 3, Abs. 2 (arg. Abs. 3) und 256 eo . (Beweis-)Personen, deren Wahrnehmungen und Wissen i n die Verhandlung eingebracht werden sollen, müssen i n der Hauptverhandlung jedoch grundsätzlich vernommen werden, § 250. A n der Frage, inwieweit ihnen gegenüber — also i n der Hauptverhandlung persönlich Anwesenden — auf die Akten zurückgegriffen werden darf, scheiden sich Theorie und Praxis. cc) Formelle und materielle Aktenverwertung bei Anwesenheit der Auskunftsperson Das Gesetz erlaubt die Verlesung entsprechender Protokollteile über dessen frühere Aussage bei der Vernehmung eines Zeugen oder Sachverweis der Staatsanwaltschaft aufsuchen könne, beinhaltet einen ernstzunehmenden Vorschlag, findet aber bei der augenblicklichen Verfahrensstruktur keine ausreichende Stütze i m Gesetz. Die Rolle der Staatsanwaltschaft ist (leider) bei der Beweiserhebung eine passivere. — Auch gibt Eb. Schmidt, L k I I , §253 A n m . 13 b, zu, daß ein Widerspruch sich für den Vorsitzenden idR „aus seiner Aktenkenntnis" ergebe. 57 Richtig Henkel, Lb, S. 334 Note 1; Krause Ub, S. 180 unten. 58 Nach § 243 Abs. 3 S. 1 verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz, evtl. aufgrund einer neuen Anklageschrift, § 207 Abs. 3, noch vor der Vernehmung des Angeklagten zur Sache. Auch daraus folgt als W i l l e des Gesetzes, daß auch die Anklageschrift, §§ 199 Abs. 2, 200 Abs. 2, nicht durch Verlesung m i t zur Grundlage der Hauptverhandlung gemacht werden darf (vgl. R G G A 62 [1916], 154 [155]). 59 Der Begriff umfaßt nach B G H S t 10, 186 (189); Gollwitzer, LR, § 251 A n m . I I 3 b, auch die früheren Mitbeschuldigten. N u r angeblich aA Eb. Schmidt, L k I I , § 251 A n m . 7, vgl. Lenckner, Festschrift für Peters, S. 333 (344 Note 45), der, S. 336, 338, f ü r eine materiale Sicht u n d gegen den Rollentausch der h M eintritt. 60 Findet die H V ohne den ausbleibenden Angeklagten nach §232 Abs. 1 statt, so w i r d nach § 232 Abs. 3 i n der H V auch die Niederschrift über eine richterliche Vernehmung des Angeklagten verlesen.

IV. Systematische Einordnung und Grundlegung

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ständigen i n der Hauptverhandlung nach Maßgabe des § 253. Bei der Vernehmung des anwesenden 61 Angeklagten schränkt § 254 das Verlesen auf bestimmte frühere Erklärungen des Angeklagten, die i n einem richterlichen Protokoll enthalten sind, ein. Über die i n den §§ 251 - 256 geregelten Fälle hinaus hält die Rechtsprechung und h M nun trotzdem Protokollverlesungen für zulässig, wenn sie nur zum Zwecke des Vorhalts erfolgen. Vom Vorsitzenden frei formulierte Vorhalte läßt darüber hinaus die heute ganz einmütige Ansicht zu. Denn die §§ 253, 254 werden einmal als Urkundenbeweis, einmal als Verlesungsvorhalt ohne Beweiswert verstanden. Der Streit um die Rechtsnatur der §§ 253, 254 betrifft also nicht nur die formelle Aktenverwertung, sondern gerade auch die materielle. Bevor aber beantwortet werden kann, ob diese letzte Differenzierung oder — angesichts der unbestreitbaren Aktenkenntnisse des Vorsitzenden — überhaupt irgendeine solche Differenzierung i m Gesetz eine hinreichende Grundlage findet oder doch zumindest gerechtfertigt erscheint, muß herausgestellt werden, was unter einem „Vorhalt" überhaupt begrifflich-formell verstanden wird. Der Überblick hat schon erkennen lassen, daß hinsichtlich der Terminologie zum Vorhalt ein ziemlicher W i r r warr hierrscht. Die sprachlich-begriffliche Analyse, die einen Aufschluß darüber gehen soll, was unter einem „Vorhalt" richtigerweise zu verstehen ist, soll die bisher aufgetretenen Verständnisprobleme vermeiden helfen. 3. Terminologische Grundlegung

Denn die unterschiedliche und sinnverschiedene Verwendung des Begriffs „Vorhalt" ist nicht nur die Folge eines gegensätzlichen Verständnisses seiner Rechtsnatur, sondern gerade auch die Quelle neuer Mißverständnisse und der Grund dafür, daß alte überleben. a) Sammelsurium

an Kennzeichnungen und Unterscheidungen

Das tut bei dem Sammelsurium an Kennzeichnungen und Unterscheidungen auch nicht wunder. „Vorhalte" und „Vorhaltungen" sollen erlaubt sein 62 » 63 . Da w i r d von „mündlichen" 6 4 , „freien" 6 5 , „formfreien" 0 6 61

Nach h M soll §254 Abs. 1 aber auch bei seiner Abwesenheit eingreifen, vgl. Peters, Lb, S. 271; Eb. Schmidt, L k I I , § 276 A n m . 3; Dünnebier, LR, § 276 Anm. 3, zur Entstehungsgeschichte Vorb. 2. 62 Vgl. n u r Gollwitzer, LR, § 249 A n m . 14; Geier, LR, 21. Aufl., § 249 A n m . 13; Erbs, §253 I V u. §254 V I ; Roggemann, S. 59, 60; Peters, 46. D J T (1966), Bd. 1, Teil 3 A, S. 91 f. (145); Alsberg/Nüse, S. 285 f. 63 E i n qualitativer Unterschied besteht nicht. Mißverständlich Alsberg/Nüse, S.285 - 286. 64 So die Rechtsprechung anfangs seit RGRspr 5, 145 (147) über RGSt 59,

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1. Teil: Grundlegung

u n d „ f o r m l o s e n " 6 7 V o r h a l t e n gesprochen. D a w i r d w e i t e r zwischen „ g e bundenen"68, „weitergehenden"69, „bloßen"70 und „echten"71 Vorhalten unterschieden. D a n e b e n finden sich „ g e w ö h n l i c h e " 7 2 , „besonders e i n d r i n g l i c h e " 7 3 , „ a l l g e m e i n e " 7 4 oder „ e i n z e l n e " 7 5 . Es s o l l d e n „ f r e i gestaltet e n " 7 6 u n d d e n „ w ö r t l i c h e n " 7 7 V o r h a l t geben, „ s a c h l i c h e " 7 8 u n d „ V o r h a l t e aus d e n A k t e n " 7 9 » 8 0 . M a n unterscheidet zwischen „ f o r m g e m ä ß e r V e r l e s u n g " u n d f o r m f r e i e m V o r h a l t d u r c h V e r l e s u n g 8 1 . U r k u n d e n b e w e i s soll d u r c h V o r h a l t oder M i t t e i l u n g g e f ü h r t w e r d e n k ö n n e n 8 2 ; es s o l l d e n V o r h a l t als B e w e i s e r g ä n z u n g 8 3 u n d d e n V o r h a l t als (bloßen) „ V e r n e h m u n g s b e h e l f " 8 4 geben. V o n dieser F u n k t i o n h e r s o l l er sich, a m E r g e b n i s gemes144 (147) bis etwa R G BayZ 1918, 55 I V u n d ζ. T. die frühe Literatur, Thilo (1878), § 252 (253) Anm. 3. Heute noch Kohlhaas, LR, § 69 A n m . 2 b. 65 Krause, Ub, S. 185. 66 Geier, LR, 21. Aufl., §249 A n m . 12; Gollwitzer, LR, §249 A n m . 14; Henkel, Lb, S. 347; Hanack, J Z 1972, 202; R G H R R 1938 Nr. 1153. 67 Terminus der Rechtsprechung von R G HRR 1938 Nr. 1153 bis BGHSt 21, 285 (286) = N J W 1967, 2020. Ebenso auch Groth, S. 56; Kern/Roxin, S. 139 unten; Geier, LR, 20., § 249 A n m . 16. 68

R G G A 46 (1898), 192 (193). Kern/Roxin, S. 225. 70 Eb. Schmidt, L k I I , §249 A n m . 23, §250 A n m . 7 b ; Dahs, Hb, R n 479 u. 427; Dahs/Dahs, R n 221, 227; Koeniger, S. 371 oben u n d S. 372; auch Gollwitzer, LR, §249 A n m . 13; Henkel, L b (1953), S. 400; Erbs, V I vor §§249 f.; früher schon RGSt 69, 88 (90) u. G A 43 (1895), 242 u. J W 1925, 2474; Oetker, GS 105 (1935), 1 (20) u. Oetker, J W 1927, 2708; Daude, StPO (1928), § 253 Nr. 73; Löwe/Hellweg, 12. A u f l . (1907), §252 (253) A n m . l b ; Ortloff, G A 44 (1898), 98 (115 f.); Mamroth (1900), § 252 (253) A n m . 5. 71 Alsberg/Nüse, S. 286; Henkel, L b (1953), S. 375 Note 4. Dolderer, S. 120, kennt auch den „reinen" Vorhalt. 72 Sax, K M R , § 253 A n m . 2; 254 A n m . 1 c. 73 Sax, § 254 A n m . 2 a i m Anschluß an RGSt 61, 73. 74 Sax, § 249 A n m . 3 c. 75 Sax, K M R , § 249 A n m . 3 c. 76 Eb. Schmidt, L k I I , §250 A n m . 8; 254 A n m . 6. N u r dieser sei der „ k o r rekte" Vorhalt, § 250 A n m . 8. Folgend Lohr, S. 131. 77 BGHSt 1, 337 (340); 5, 278 (279); R G BayZ 1925, 285; Sax, K M R , §249 A n m . 2 c. 78 von Hippel, Lb, S. 324; O L G H a m m JMB1NRW 1953, 44. 79 von Hippel, Lb, S. 436 u. 324; Henkel, L b (1953), S. 375; Kohlhaas, N J W 1954, 536; Eb. Schmidt, L k I, R n 442; Glaser, H b I, S. 644; Dolderer, Diss., S. 35, 69; Dahs, Hb, R n 478. 80 Aktenvorhalte: Krause, Ub, S. 182; Hanack, J Z 72, 203; Sax, J Z 1967, 229. 81 Oetker, J W 1927, 2708: Verlesungsvorhalt. 82 Vgl. oben S. 48 Note 38. 83 Oetker, J W 1925, 2474, w o h l auch Sax, J Z 67, 229; Roggemann, S. 61; vgl. auch Gerland, Lb, S. 236. 84 BGHSt 14, 310 (312); 11, 338 (340, 41). Zuerst Oetker, J W 1925, 2474 zu Nr. 1; Alsberg, J W 1933, 960 zu Nr. 15; G. Ziegler, Diss., S. 11. Heute auch Krause, Ub, S. 183, u n d Lohr, S. 128. 69

IV. Systematische Einordnung und Grundlegung

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sen, aufgliedern i n den „erfolgreichen" bzw. „erfolglosen" Vorhalt 8 5 , der letztere soll dann auch „ergebnislos" 86 oder gar „vergeblich" 8 7 bzw. „gegenstandslos" 88 sein 89 . b) Das Verhältnis

des Vorhalts zur Frage

Wenn auch heute der Ausdruck, Schriftstücke durch Vorhalt zum „Gegenstand der Verhandlung" 9 0 zu machen, i n der Literatur zumeist als zu unklar abgelehnt w i r d 9 1 , läßt man das Verfahren an sich i n gleicher Weise zu. Völlig ungeklärt bleibt dabei das Verhältnis des Vorhalts zur (einfachen) Frage. Schriftstücke werden „erörtert" 9 2 bzw. „zur Sprache gebracht" 93 außer durch „ V o r h a l t " 9 4 durch „Vorhalt und Befragung" 9 5 , durch „Vorhalte und Fragen" 9 6 , „Vorhalt und Erörterung" 9 7 oder umgekehrt durch „Fragen und Vorhalte" 9 8 . Die Beziehung zwischen Vorhalten und Fragen, ob nämlich eine absolute Gleichordnung, eine Unterordnung oder eine wenigstens zeitliche Nachfolge besteht, w i r d nicht durchsichtiger, wenn daneben auch die Alternative „Fragen oder Vorhalte" 9 9 angeboten wird. Da85

Ständige Rspr des R G u n d des BGH. Alsberg, Beweisantrag, S. 288; Sarstedt, Revision, S. 134; Erbs, V vor §249; Dolderer, S. 71; O L G K ö l n N J W 65, 830. 88 Dahs/Dahs, R n 227; B G H N J W 1956,1886. 87 Sax, K M R , § 253 A n m . 1, § 249 A n m . 3 b. 88 Dahs, Hb, R n 479. 89 Die mangelnde sprachlich-wissenschaftliche Durchdringung der Probleme r u n d u m den Vorhalt beweist, wie ungelöst diese Probleme noch sind u n d w i e sehr die Wissenschaft es versäumt hat, die Vernehmung u n d damit die Sachaufklärung analytisch-methodisch aufzuarbeiten. 90 So noch OGHSt 2, 334, 326; B G H S t 11, 25 (30); B G H N J W 1954, 361. Dazu auch oben S. 72 Note 199. 91 Vgl. Gollwitzer, LR, § 249 A n m . 13 m. w. N.; Dahs/Dahs, R n 222. 92 BGHSt 15, 347 (348). 93 Beling, Lb, S. 318. 94 Vorhalt des Inhalts: OGHSt 2, 334; Vorhalt des Vernehmungsprotokolls: BGHSt 21, 149 (150). 95 R G H R R 1938 Nr. 1153; Gollwitzer, LR, § 249 A n m . 14. 98 Kleinknecht, StPO, §249 A n m . 5; Hirschberg, Strafverfahren, S. 74; Eb. Schmidt, L K I I , § 254 A n m . 6; L k I, R n 442. So schon RGRspr 5,145 (146). 97 Sax, K M R , § 249 A n m . 3; B G H S t 15, 347 (348). 98 Sax, K M R , §253 A n m . 1; Dolderer, S. 53: Befragung u n d etwaige V o r halte; SchlHOLG SchlHAnz 1954, 387 (388); Eb. Schmidt, L k I I , 254 Anm. 6; L k I, R n 224; Kern/Roxin, S. 78: Fragen u n d Vorhaltungen; ebenso Petters/ Preisendanz, S. 256 unter 3; Walder, Vernehmung, S. 124: „Zwischenfragen u n d -vorhalte". Früher RGSt 68,110 (111). 99 Gollwitzer, LR, § 214 A n m . 14; Geier, LR, 21.; § 249 A n m . 13. „ V o r h a l t oder Befragung": RGSt 74, 35 u. 69, 88 (89), 71, 10 (11); B G H 17, 351 (353); O L G H a m m JMB1NRW 1953, 44; Fuhrmann, Dalcke/Fuhrmann/Schäfer, §249 Anm. c; Roesen, N J W 1958, 977.

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1. Teil: Grundlegung

mit zeigt sich, daß schon über die äußere Form des Vorhalts keine K l a r heit und Einigkeit besteht. Daß man die Einkleidung des Vorgangs einmal als Vorhalt und Frage, dann wieder als Vorhalt oder Frage vornimmt, mag zwar i m Ergebnis so lange widerspruchslos und konsequent sein, als man ausdrücklich nur den Zweck, nicht aber seine Form als maßgebend ansieht 100 . Es ist aber widersprüchlich und verwirrend, wenn ohne diese Klarstellung ein und derselbe Autor, der es für zulässig erklärt, durch „Fragen und Vorhaltungen" auf den Inhalt einer Bekundung einzuwirken, die Möglichkeit einräumt, ein Protokoll auch durch „Vorhalt oder wörtliches Vorlesen" zugänglich zu machen, wobei dann i m nächsten Satz das Vorlesen auch klar als Vorhalt verstanden w i r d 1 0 1 . Wenn das Vorhalten auch ein Verlesen umschließt, kann der gleiche Inhalt schlecht nach diesem Vorhalten nochmal vorgelesen werden 1 0 2 . Andererseits kann ein Vorhalt ja eingestandenermaßen auch i n anderer Form als durch ein Verlesen erfolgen. Ungereimt erscheint die Gleichgültigkeit des Vorgehens auch bei den Meinungen, die i n der Formlosigkeit Gefahren sehen und deshalb den „korrekten" Vorhalt vorschlagen, wobei sich die Korrektur gerade auf die Form selbst beziehen soll 1 0 3 . c) Begriffliche

Analyse und Abgrenzung

Das richtige Verständnis vom Vorhalt kann nur beim Wort selbst ansetzen und muß sein historisches Hineinwachsen i n den heutigen Strafprozeß berücksichtigen. aa) Das Herantragen als Wesenskern „Vorhalt" kommt von „Vorhalten". Das bedeutet, daß der Vorhalt eine personale Zweierbeziehung, einen Dialog erfordert. Eine Person hält einer anderen etwas vor, trägt etwas an sie heran, führt etwas vor A u gen. Die herantragende Person w i l l der rezeptiven etwas Altes zurückrufen oder i h r etwas Neues i n die Vorstellung bringen. Der Vorhalt ist damit zuerst einmal eine Leistung des Herantragenden. Dieser handelt, formuliert und teilt mit. Die Urform, das „Wesen" des Vorhalts ist also 100

So besonders deutlich Alsberg, Beweisantrag, S. 288. Ebenso die Rspr u. Lit., wenn sie von „formlosen" u n d „formfreien" Vorhalten spricht. 101 Etwa Petters/Preisendanz, S. 256 unter 3 bzw. S. 257 unter 2 b. 102 Widersprüchlich auch B G H N J W 1960, 211, w e n n dem Angeklagten Vernehmungsniederschriften „vorgehalten u n d vorgelesen werden" können. Ebenso B G H N J W 66, 211; B G H 22, 26 (27) u. O L G Neustadt OLGSt § 249, S. 2: „vorgelesen u n d vorgehalten". Ferner B G H 11, 338 (341) und O L G H a m m JMB1NRW 1953, 44: „vorhalten u n d verlesen". Ebenso schon RGRspr 6, 785 u n d Oetker, GS 105 (1935), 1 (20). Widerspruch auch bei Hanack, JZ 1972, 203 Note 11: „Aussage vorzuhalten oder auch vorzulesen". 103 Etwa Eb. Schmidt oben Note 96 u n d 98 u n d L k I I . § 250 Anm. 8.

IV. Systematische Einordnung und Grundlegung

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die Mitteilung, das Kenntlichmachen eines Inhalts 1 0 4 . Der Vorhalt ist ein Hinweis 1 0 5 auf etwas anderes 106 . Grundsätzlich ist es also unzutreffend, den Vorhalt einfach als Frage zu bezeichnen. bb) Die Finalität als Anreiz Die Grenzen sind aber fließend. Geschieht auch das Herantragen und Vor-Augen-Führen immer mit dem Wert einer Aussage, so bildet diese doch nicht als abschließende Mitteilung das Ende eines Gedankens. Das Herantragen erfolgt mit einer gewissen Zweckausrichtung, es richtet sich dialogisch an das Gegenüber i n dem Bestreben auf eine A n t w o r t 1 0 7 . I n der Aussage- oder Mitteilungsform „Vor der Polizei haben Sie aber das und das gesagt!" steckt immer eine Veranlassung zur Äußerung darauf 1 0 8 , eine Frage, die ausformuliert lauten könnte: „Was haben Sie dazu zu sagen?", „Wie stehen Sie heute dazu?". Der Frageton muß dabei noch nicht einmal mitschwingen. Die Anreizfunktion ergibt sich dann aus der Stellung der beiden Personen innerhalb der Prozeßstruktur, die der einen Person das Fragen, der anderen Person das Antworten als Prozeßrolle zuschreibt. cc) Die Erscheinungsformen des Vorhalts M i t dem reinen „Aussagevorhalt" als Kernform ist daher auch schon eine Extremform beschrieben. Er zieht schon die beiden bestimmenden Elemente des Prozeßvorgangs zum „Vorhalt" zusammen, indem er die inhaltliche Mitteilung mit dem anschließenden Angehen u m eine Stellungnahme zu einem Aussageanreiz verschmilzt. I n der Normalform enthält der veranlassende Vorhaltvorgang daher zwei Elemente: die Mitteilung und die Frage. I n der Alltagsform lautet er etwa: „Sie haben bei Ihrer ersten Vernehmung das und das gesagt!" (Element 1). „Was ist richtig?" (Element 2). Dabei enthält die Bitte bzw. Aufforderung zur Stellungnahme eigentlich nichts Prozeßspezifisches 109. Enthält aber die Frage irgendeinen bestimmten Mitteilungswert, „Wollen Sie damit von Ihrer ersten Aussage abrücken?", nähern w i r uns 104 Vgl. BGHSt 1, 337 (339) u n d 14, 310 (311); Feisenberger (1926), §136 Anm. 2; Alsberg, Beweisantrag, S. 286; Dahs!Dahs, R n 222. los Ungenau Kleinknecht, § 249 A n m . 5: „ V o r h a l t einer U r k u n d e " statt „ V o r halt eines Urkundeninhalts"; RGSt 1, 409 (411); BGHSt 21, 285 (286); Niethammer, LR, 19. Aufl. (1934), § 253 A n m . 1. ιοβ Meinert, S. 150, definiert Vorhaltungen daher zuerst einmal „als H i n weise auf T a t s a c h e n . . . " 107 Nach den Worten Meinerts, S. 150, geschehen die Hinweise auf T a t sachen „ z u m Zwecke der E i n w i r k u n g auf den Verstand oder das Gefühl". 108 s. Eb. Schmidt, L k I, R n 442; L k I I , §250 A n m . 8; BGHSt 21, 285 (286). 109 I n der neutralen F o r m entspricht das Element 2 der allgemeinen Prozeßrolle des Vorsitzenden als des typisch Fragenden.

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1. Teil: Grundlegung

der gegensätzlichen Kurzform zum Aussagevorhalt, dem „Fragevorhalt": „Haben Sie nicht vor der Polizei das und das gesagt?" dd) Unumgängliche und unnötige Ungenauigkeiten der Bezeichnung Die Bezeichnung dieser Vorgänge als „Vorhalt" bzw. „Vorhaltung" ist also zweifach ungenau. Z u m einen t r i t t zum Kernelement des Vorhalts als Mitteilung immer schon ein zweites Frageelement, beim reinen Aussagevorhalt versteckt, ansonsten offener. Diese erste Ungenauigkeit muß aber hingenommen werden, w i l l man die Probleme u m diese A r t von Aussageanreizen nicht einseitig verengen. Wollte man etwa den Frageteil oder sogar den Fragevorhalt ganz formal aus der Definition bzw. Betrachtung ausklammern, würde man hier schon als bewiesen annehmen, daß eine Frage keinen Aussagegehalt hat und damit ohne Mitteilungs- oder „Vorhalt"wert wäre. Daß es ein Problem der Suggestivfrage gibt, belegt schon die Unhaltbarkeit eines solchen Ausgangspunktes 110 . Die Unterschiede zwischen einem richterlichen „Vor der Polizei haben Sie aber das und das gesagt!" oder einem „Vor der Polizei haben Sie das und das gesagt. Wozu stehen Sie nun?" oder „Haben Sie nicht vor der Polizei das und das gesagt?" können i n der Wirkung minimal sein 1 1 1 . Als Vorhalt ist also alles das zu verstehen, was einen bestimmten M i t teilungscharakter haben kann, aus unseren Beispielen (primär) das einheitliche „das und das". Damit ist der Vorhalt mehr als eine bloße Frage. Zum anderen ist die herrschende Praxis doppelt und jetzt unnötig ungenau, wenn sie den gesamten Vorgang vom Vorhalt (Aussagevorhalt, Vorhalt und Frage, Fragevorhalt) als Anreiz bis zur daraufhin erzielten Reaktion einschließlich noch als Vorhalt bezeichnet 112 . Das w i r d deutlich, wenn etwa von Urkundenerörterung durch Vorhalt, von erfolgreichem 110

Sarstedt, Revision, S. 197, u n d Krause, Ub, S. 183, f ü r die die prozessuale N a t u r des Vorhalts „ i m m e r n u r eine Frage" ist, nehmen daher schon definitorisch-formell eine ungerechtfertigte Harmonisierung vor. 111 Die anschließenden generellen Fragen müssen auch deswegen zum „ V o r h a l t " hinzugezogen werden, w e i l sie wiederum sehr unterschiedlich w i r k e n kennen. Prozeßspezifisch irrelevant sind sie n u r dann, w e n n sie ganz neutral u n d objektiv ausfallen. Die Anschlußfrage als Verstärkung auf einen Aussage« oder Fragevorhalt k a n n jedoch statt des neutralen: „ K ö n n t e das zutreffen? Wie möchten Sie sich verstanden wissen?" sehr v i e l subjektiver ausfallen: „ W a n n sagen Sie n u n die Wahrheit? Wollen Sie uns nicht endlich reinen W e i n einschenken? Was ist n u n w i r k l i c h w a h r ? " M i t t e i l u n g u n d personelle Fragen machen dabei als untrennbare Einheit zusammen erst den besonderen Prozeßeindruck aus. Dieser subjektive Frageeinschlag ist gemeint, w e n n von „eindringlichen" u n d „ernsten" Vorhalten die Rede ist (vgl. B G H M D R 1956, 527. Treffend Meinert, S. 150: „ E i n w i r k u n g auf den Verstand oder das Gefühl"). Die Schattierung k a n n dabei erst die W i r k u n g hinterlassen, genauso w i e der Ton erst die M u s i k macht. 112 Vgl. auch Koffka t ZStW 81 (1969), 966 (968).

IV. Systematische Einordnung und Grundlegung

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oder erfolglosem Vorhalt gesprochen wird. Der Vorhalt selbst (als Mitteilung und Frage) war dann nämlich nicht „erfolglos" und auch nicht „gegenstandslos". Die Mitteilung ist erfolgt, auf die entsprechende Frage ist idR eine Reaktion erzielt worden, nur paßte sie nicht i n die umfassendere Beweisdefinition, wenn sie i n einem negativen „Nein, unmöglich" oder einem „Ich kann mich wirklich nicht erinnern" resultierte. M i t dem „gegenstandslosen Vorhalt" werden also zwei Ebenen vermengt, die formale Ebene als Vorausdefinition und die materielle des Beweiswertes als endgültige Beweiswürdigung. Diese auf das Endziel angelegten Begriffsungenauigkeiten verfälschen die theoretischen Grundlagen und sind daher nicht akzeptabel 113 . Soll der freie Vorhalt kein Beweismittel sein und davon ist zur Erklärung der Praxis mit ihrem überkommenen Verständnis hier als Arbeitshypothese auszugehen, so ist das Formelle und das Materielle auseinanderzuhalten. Formulierungen der h M wie „durch Vorhalt zu konstatier e n " 1 1 4 oder „Überzeugung aus Vorhalt zu schöpfen" 115 sind nach dem A n spruch der h M irreleitend und falsch. „Beweis durch V o r h a l t " 1 1 6 ist für die h M ein Widerspruch i n sich 117 . Folglich ist die „Vorhaltung einer U r kunde", die durch Verlesen keinen gedanklichen Inhalt vermitteln kann, als „Urkundenbeweisaufnahme" ein Unding 1 1 8 . Eine solche Sicht verwechselt Urkunden- und Augenscheinbeweis 119 . Der Vorhalt verlangt als Grundelement die sprachlich-gedankliche Bezeichnung eines Inhalts. Das Durchlesen eigener Aufzeichnungen durch

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Statt an den „ V o r h a l t " müßte m a n daher an den „Vorhaltvorgang" u n d davon an die A n t w o r t anknüpfen. 114 R G J W 1898, 333; G A 46 (1898), 193 (194); J W 1889, 59 Nr. 6; BayZ 1918, 55 I V ; B G H bei Dallinger, M D R 1975, 369; Rosenberg, LR, 17. Aufl., §250 A n m . 3; Fuhrmann, Dalcke/Fuhrmann/Schäfer, §249 A n m . 3. Das gilt u n abhängig davon, ob man den „Bericht" als Urkundenbeweisform anerkennt. „ V o r h a l t " u n d „Vortrag" verwechseln etwa Erbs, §249 A n m . 5 u. 6, u n d Rosenfeld, L b I I (1926), S. 37 Note 3. 115 B G H VRS 30 (1966), 268 (269). 116 Unrichtig etwa R G G A 58 (1911), 459; Feisenberger, § 136 A n m . 2; Rosenfeld, L b I, S. 37 Note 3, u n d die Überschrift bei Koeniger, S. 371. Dazu auch oben S. 48 Note 38, S. 69 f. 117 Solche Begriffsverdrehungen lehnt ein Großteil der Stimmen heute auch ab. Vgl. Alsberg/Nüse, S. 285; Sarstedt, Revision, S. 197 Note 22; Eb. Schmidt, L k I, R n 442 Note 230. 118 Unhaltbar daher Alsberg/Nüse, S. 285, 3 am Anfang. I h r e Versicherung, die Verlesung sei dann „ k e i n Ersatz der Verlesung des Schriftstücks", ist eine Irreführung, w e i l sie unterschlägt, daß damit aber der Augenscheinsbeweis ersetzt w i r d . Unzutreffend auch Sax, K M R , § 249 A n m . 5 d: Vorhalt und V o r legen, u n d BayObLGSt 1951, 105, 106: Vorlegung oder Vorhalt aus dem Inhalt. 119 Treffend Koffka, JR 1966, 389, gegen BayObLG, daselbst, u n d O L G K ö l n VRS 24 (1963), 61 (62) zur Augenscheinnahme einer Fahrtschreiberscheibe: Eine Einführung . . . durch Vorhalt ist unzulässig.

112

1. Teil: Grundlegung

einen Zeugen ist daher ebensowenig ein Vorhalt wie das Uberreichen einer Schrift an den Zeugen, damit er sie selber durchliest 1 2 0 . Es fehlt das unmittelbar personale Element des Dialogs. Deswegen kann etwa Sax 1 2 1 nicht gefolgt werden, wenn er dem Vernehmenden die Wahl lassen w i l l , zu „allgemeinen oder Einzelvorhalten" zu greifen, worunter Sax die Adressierung an alle Prozeßbeteiligte oder an einen versteht. Eine solche allgemeine „Erörterung mit den Beteiligt e n " 1 2 1 widerspricht der individuellen Anreiz- und Hilfestellung, die den Vorhalt gerade charakterisiert. Hilfestellung bzw. Inhaltsmitteilung als Grundelement des Vorhalts bedingt Wissensmitteilung. Die Untersuchung hat zwei unterschiedliche Zielrichtungen des Vorhalts aufgezeigt: Appelle an das Wissen und an das Wollen. M i t der sachlichen Mitteilung des Vorhalts 1 2 2 w i r d primär an das Wissen appelliert, m i t dem Frageteil als persönlich-direkter Adressierung — überbetont: „Wollen Sie nun nicht endlich die Wahrheit sagen?" — an das Wollen. Aus dieser Zusammensetzung ergibt sich der Form nach eine große Gegensätzlichkeit i n der Praxis, wenn Rechtsprechung 1 2 3 und Literatur 1 2 4 für Appelle an den „Willen" als auch für reine Appelle an das „Wollen" den gleichen Begriff „Vorhalt" gebrauchen 125 . Reine Appelle an den Willen meint etwa BGHSt 1, 387 (388), wenn er von „Vorstellungen und Vorhaltungen" spricht, die die Freiheit der W i l lensentschließung und -betätigung nicht beeinträchtigen sollen. Ein Beschuldigter handele nicht unfrei, wenn er eine Handlung deshalb eingestehe, weil er sich selbst sage, „daß das der notwendige erste Schritt zur Sühne sei, daß wegen der Verdachtsgründe Leugnen keinen Erfolg verspreche". Solche losgelösten „Belehrungen" 1 2 6 und Ermahnungen halten zwar eine allgemeine Prozeßlage vor, sie enthalten aber keine neuen sachlich-inhaltlichen Hinweise und sind deshalb nicht mehr als „Vor120 Auch w e n n das Problem verwandt ist. Unscharf R G J W 1889, 475 Nr. 8 und W. Ziegler, S. 57 Note 84. 121 Sax, K M R , § 249 A n m . 3 c i m Anschluß an B G H 5 StR 179/56 v. 20. 6. 1956. 122 Vorhalt eines Inhalts, s. BGHSt 3, 281 (283); Beling, Lb, S. 318; Gollwitzer, LR, § 249 A n m . 14 a; Groth, S. 15. 123 BGHSt 1, 387 (388); 3,199 (200); RGSt 54, 297 (298). 124 Rosenfeld, L b I I , S. 36; von Schwarze, §136 A n m . 7; Kleinfeller, S. 154 (159 Note 2); Eb. Schmidt, Nachträge I, §136 A n m . 31; Mittelbach, M D R 1955, 245 (246 Note 8). Kritisch Hanack, JZ 1971, 170, u n d Roesen, N J W 958, 977 (978), der diesen Gegensatz k l a r sieht. 125 Vgl. auch Anraths, S. 47: Vorhalte „sachlicher u n d persönlicher A r t " , u n d Meinerts, S. 150: Vorhalte „ z u m Zwecke der E i n w i r k u n g auf den Verstand oder das Gefühl". 126 BGHSt 1, 387 (388) zu polizeilichen „Vorhalten" von „Umständen u n d Gründen, durch die sich ein Beschuldigter i n seinem Prozeßverhalten vernünftigerweise schon von selbst bestimmen lassen sollte."

IV. Systematische Einordnung und Grundlegung

113

halte" zu bezeichnen. Der isolierte Appell, die Wahrheit zu sagen, eine eindringliche Vorstellung, welche „möglichen Folgen" 1 2 7 ein Prozeßverhalten haben könne, ist als Belehrung und Ermahnung bzw. Warnung 1 2 8 hinreichend gekennzeichnet. Für einen Vorhalt fehlt die inhaltliche M i t teilung und Verwertung aus A k t e n 1 2 9 und damit primär von Aussagen i m Ermittlungsverfahren 1 3 0 » 1 3 1 . Das stellt auch die herrschende Bezeichnung „Vorhalt aus den A k t e n " 1 3 2 noch eindeutiger klar als etwa die Klassifizierung als „sachliche Vorhalte" 1 3 3 . Von hier aus ergibt sich eine weitere Einschränkung. Das Aufgreifen bereits i n die Hauptverhandlung eingeführter Inhalte ist nach allem kein „Vorhalt", und das Wahrscheinlichwerden (nicht ein „Bekanntwerden", das j a Aussagen oder A k t e n voraussetzt) anderer neuer Sachaspekte kann (bzw. sollte) nur zu „Fragen" führen. Die H i n tergrundkenntnis, u m Wissen mitzuteilen oder zu verwerten, kann also nur aus den Verfahrensakten stammen. Zum Vorhalt greifen kann daher nur der m i t Aktenkenntnis ausgestattete Vernehmende. Wenn damit grundsätzlich auch Verteidiger- 1 3 4 und staatsanwaltliche 135 Vorhalte mög-

127

BGHSt 1, 387 (388). BGHSt 3, 199 (200) zur Wiederholung der Belehrung des § 57 StPO, an die sich dann aber sachliche Inhaltshinweise als Vorhalte anschlossen. Vgl. auch § 14 J G G : Durch die Verwarnung soll dem Jugendlichen das U n recht der Tat eindringlich vorgehalten werden. Ungenau daher auch schon A r t . 168 StPO für das Königr. Sachsen von 1855. 128

120 Das spürt etwa Laternser, S. 29, wenn er i n diesen Fällen von „allgemeinen" Vorhalten spricht. Den Vorhalt bezeichnen als A k t e n v e r w e r t u n g aber etwa v. Hippel, Lb, S. 324; K e r n , 8. Aufl., S. 191 ; Sax, K M R , § 249 A n m . 3 d. 130 BGHSt 3, 199 (200). Daß das Verständnis des Vorhalts als eines H i n weises auf oder einer Inhaltsmitteilung oder -Verwertung einer früheren Aussage auch das richtige ist u n d beizubehalten, beweist die Verwendung des „Vorhalts" i n den der StPO zugrunde liegenden Gesetzes werken der Reformen (s. oben S. 26 f.), die auch, w i e aufgezeigt, von der Rechtsprechung i n zahllosen Entscheidungen übernommen wurde. 131 w e g e n der verwandten Problematik sollen diese Hinweise, etwa „ u m die richtige Einschätzung der Lage zu erleichtern" (BGHSt 1, 387 [388]), aber am Rande mitbehandelt werden. 132 s. oben S. 106 Note 79 u n d 80. Die A k t e n geben den Stoff für Vorhalte ab u n d nicht n u r den „ A n l a ß " dazu (Sax, K M R , § 69 Anm. 2) w i e bei Fragen. 133 Eigentlich ist aber der Zusatz „aus den A k t e n " bereits eine Uberdefinition (das denkt w o h l auch Gollwitzer, LR, § 249 A n m . 14, w e n n er immer n u r von formfreien Vorhalten" spricht), die aber zur Veranschaulichung der Problematik vorerst noch beibehalten werden muß. 134 E i n Beispiel gibt Sarstedt, Verh. 46. DJT, I I F 8, S. 24. Der Vorhalt ist aber nicht m i t jedem E i n w a n d eines Beteiligten gleichzusetzen, w i e A. Schmidt, DRiZ 1960, 426 (427), w o h l meint, w e n n er erklärt, meist werde der Angeklagte n u r dahin befragt, ob er „Fragen zu stellen oder Vorhalte zu machen habe". 135

Vgl. Oppenhoff,

8 Kuckuck

A r t . 76 Note 17.

114

1. Teil: Grundlegung

lieh sind, so soll die Untersuchung i m folgenden auf die i n der Praxis heute allgemein bedeutsamen richterlichen Vorhalte 1 3 6 beschränkt bleiben 1 3 7 . ee) Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis hat sich ergeben, daß unter einem Vorhalt formell jede inhaltliche Akten Verwertung (des Vorsitzenden) zu verstehen ist, die eine inhaltliche Mitteilung enthält oder, für die Prozeßbeteiligten erkennbar, enthalten kann, d. h. jede formelle Benutzung von Schriftstücken zur Vernehmung einer Person zur Sache. Damit t r i t t wieder die Bedeutung der §§ 253, 254 für die Frage der Vorhalte hervor.

138 RGSt 59, 144. Davon gehen auch alle Darstellungen zum Vorhalt wie selbstverständlich aus. Sax, K M R , §249 A n m . 3 a: Der Vorhalt ist eine sachleitende Maßnahme des Vorsitzenden. 137 ] s j u r derjenige, der die A k t e n v o r sich hat, k a n n etwa Vorhalte i n der F o r m der Verlesung machen. F ü r Vorhalte anderer Frageberechtigter liegen dann die Probleme ähnlich, so daß die Antworten, soweit möglich, übertragen werden können.

Zweiter Teil

Die zentrale Bedeutung der §§ 253, 254 für die Frage des Vorhalts aus Schriftstücken Aus dem Streit darüber, ob die §§ 253, 254 dem Vernehmenden nur die bloß formelle Verwertung der Protokolle als Vorlesungsvorhalt gestatten oder ob sie „echte" und selbständige Beweiserhebungen darstellen und damit auch die materielle Verwertung der Protokolle als Urkundenbeweis erlauben, ergeben sich unterschiedliche Konsequenzen für die Frage des Vorhalts aus Schriftstücken. I. Der Hintergrund der §§ 136 Abs. 2,69 Abs. 1 Die Bedeutung der §§ 253, 254 für die Vorhaltfrage ist deshalb so zentral, w e i l von einer generellen Pflicht bzw. einem generellen Recht zu Vorhalten nicht die Rede sein kann. Dem Angeklagten gegenüber läßt sich eine solche Pflicht bzw. auch nur ein solches Recht insbesondere aus § 136 Abs. 2 nicht herleiten. Die ganz frühen Stellungnahmen, die i n dem Vorhalt gegenüber dem Angeklagten insofern einen Fortschritt sahen, als i h m damit endlich die behaupteten Verdachtsgründe bekannt w u r den 1 , gingen von einem schriftlich-heimlichen Vorverfahren aus, dessen „Inquisition" den Blicken des Angeklagten und seiner Verteidigung weitgehend entzogen blieb 2 . Abgesehen von den verstärkten heutigen Verteidigungsrechten bei den ersten Ermittlungen, war eine solche Sicht m i t Schaffung der RStPO deshalb obsolet 3 , weil durch § 136 Abs. 1 bei den Vernehmungen und durch das Verlesen der Anklage i n der Hauptverhandlung der Beschuldigte rechtzeitig erfährt, u m was es geht und was man i h m vorwirft 4 . Die einzelnen Beweismittel nimmt er danach einzeln 1

Daher heute überholt z.B. Zachariae, H b I I , S. 246; Mittermaier, Strafverfahren I, S. 588, u n d die Autoren oben S. 53, 55 Note 76 u n d 84; Löwe, 1. Aufl., § 136 A n m . 3, zur Pflicht, Nachteile des Vorverfahrens vorzuhalten, jedoch m i t den bemerkenswerten Worten: „Zöge man allerdings die volle Konsequenz der i n der StPO angenommenen Auffassung, ließe sich auch gegen diese Vorhaltung Einwendung erheben. A l l e i n die Rechtfertigung findet sich i n den tatsächlichen Verhältnissen u n d i n der Fürsorgepflicht des Richters." 2 Z u r Strafverteidigung i m 19. Jhdt. J. F. Henschel, Diss. (1972), S. 104 f. 3 Z u r Verdeutlichung dessen verweist ab 1924 § 243 Abs. 4 S. 2 n u r noch auf Abs. 2 des § 136 u n d nicht mehr w i e vorher § 242 auf die gesamte Vorschrift des § 136. 4 Kern, 8. Aufl., S. 106.

8*

116

2. Teil: Bedeutung der §§ 253, 254

wahr, so daß er seine Verteidigung, falls er w i l l , anschließend führen kann, § 2575. Noch klarer formuliert verbietet § 69 Abs. 1 den Zeugen und Sachverständigen gegenüber auf jeden Fall die zu frühe Aktenbekanntgabe. Die Beweispersonen müssen eine zusammenhängende Darstellung ihres Wissens geben. Ein Verfahren, den Zeugen eine früher gemachte Aussage zunächst einmal vorzulesen, um sie dann nur noch bestätigen zu lassen, w i r d auch einmütig als unzulässig verworfen 6 . A u f diesem Hintergrund der §§ 69 Abs. 1, 72, 136 Abs. 2 sind die Bestimmungen der §§ 253, 254 zu sehen, u m ihre Rolle bei der Vernehmung richtig beurteilen zu können 7 . II. Die Rechtsnatur des § 253 „Erklärt ein Zeuge oder Sachverständiger, daß er sich einer Tatsache nicht mehr erinnere", so kann nach Abs. 1 dieser Vorschrift „der hierauf bezügliche Teil des Protokolls über seine frühere Vernehmung zur Unterstützung seines Gedächtnisses verlesen werden". Abs. 2 ermöglicht eine solche Teilverlesung auch dann, „wenn ein i n der Vernehmung auftretender Widerspruch mit der früheren Aussage nicht auf andere Weise ohne Unterbrechung der Hauptverhandlung festgestellt oder behoben werden kann". 1. Herrschende Rechtsprechung und Lehre: Urkundenbeweis

Die Vorführung des Urkundenbeweises geschieht durch „Verlesen". I n allen Bestimmungen, i n denen das Gesetz den Urkundenbeweis zuläßt, spricht es auch konsequent 1 von „Verlesen" bzw. „Verlesung". Daraus und aus dem Zusammenhang der §§ 249 f. schließen die heute ganz einmütige Rechtsprechung 2 und die (noch) herrschende Lehre 3 , daß § 253 5 Unzutreffend daher RGSt 15, 100: Befugnis, nach §§242 (243), 136 StPO, Verdachtsmomente zu bezeichnen u n d „zu diesem Zweck Vorhalte aus den i n der Voruntersuchung abgegebenen Zeugenaussagen zu machen". Ebenso R G L Z 1922, 167 u n d Mittelbach, M D R 1955, 245 (246 A n m . 8): „ V o r h a l t der Beschuldigung". 6 Ganz entschieden ablehnend RGRspr 10, 280; RGSt 62, 147 (148) u n d 74, 35 (36); Eb. Schmidt, L k I I , § 69 A n m . 3. aA für Notizen RGSt 20, 105. 7 I n dieser Richtung auch Gollwitzer, LR, §253 A n m . 1 gegen Ende. Der Zeuge oder Sachverständige sei zuerst „vollständig zu vernehmen", bevor auf die Möglichkeit des § 253 zurückgegriffen werde. Ebenso BGHSt 3, 281 (284). Der Grundsatz des § 69 habe jede Vernehmung eines Zeugen zu beherrschen. 1 Einen Uberblick über die Urkundsbestimmungen gibt Krause, Ub, S. 101 f. 2 Beiläufig schon RG 3. Sen. Rspr 5, 145 (147) zu § 253 Abs. 2; 4. Sen. Rspr 8, 718 (719); 1. Sen. RGSt 18, 24 (25) = Rspr 10, 374 (375); dann auch 1. Senat RGSt 20, 220 (221): „Vorliegend ist der I n h a l t der Protokolle . . . Gegenstand der Beweisaufnahme i n der Hauptverhandlung gewesen, denn jene Protokolle

II. Die Rechtsnatur des § 253

117

sind verlesen worden. Von einer Verletzung der Grundsätze der Mündlichkeit u n d Unmittelbarkeit k a n n nicht die Rede sein, w e i l der § 252 (253) StPO . . . einen der Fälle enthält, i n welchem von jenen Prozeßgrundsätzen abgewichen werden darf" (Verweis auf RGRspr 5, 145 f.). 3. Sen. RGSt 24, 94 (96); J W 1889, 224 Nr. 14 u n d RGSt 27, 163 (165): „Eine fernere Ausnahme statuiert der §252 (253) StPO". 2. Sen. RGSt 34, 48 (49): Ergänzung der späteren Aussage; 1. Sen. G A 43 (1895), 241 (242); 3. Sen. G A 69 (19, 2 0 - 2 5 ) ; 69, 88 (89) zu § 253 Abs. 1 : „Auch der I n h a l t des i n zulässiger Weise verlesenen Strafurteils gehörte zum Inbegriff der Verhandlung." 1. Sen. RGSt 59, 144 (145) = J W 1925, 2474 zu §253 Abs. 2: „Trotz der hierin liegenden Abweichungen vom Grundsatz der Unmittelbarkeit und Mündlichkeit . . . " könne der Protok o l l t e i l „zur Grundlage der richterlichen Überzeugung gemacht werden, gleichgültig, ob der Widerspruch durch die Verlesung beseitigt oder n u r festgestellt wurde". B G H 1. Sen. BGHSt 3, 199 (201) unter Berufung auf RGSt 59, 147: „daß §253 StPO Fälle betrifft, i n denen die Verlesung einer früheren Aussage zum Zweck des Urkundenbeweises ausnahmsweise verfahrensrechtlich zulässig ist". 1. Sen. BGHSt 3, 281 (283); 2. Sen. B G H S t 11, 338 (340): „§253, der es erlaubt, unter bestimmten Voraussetzungen die frühere protokollarisch niedergelegte Aussage des Zeugen durch Verlesen unmittelbar zur Beweisgrundlage zu machen." 1. Sen. B G H S t 20. 160 = J Z 1965, 649. Ferner O b L G BayObLGSt 1953. 215 = N J W 1954, 363 Nr. 22: BayObLGSt 1957, 8 (9); O L G K ö l n N J W 1965, 830. 3 Aus dem älteren Schrittum Thilo (1878), §252 (253) A n m . 1; Mamroth (1900), § 252 (253) Anm. 5 unter Verweis auf RGSt 20, 220. Ausnahmen v o m Prinzip der Mündlichkeit sollen aber n u r § 251 u n d § 256 sein, vgl. § 249 (250) Anm. 1; Hellweg, Löwe/Hellweg, 12. Aufl. (1907), §252 (253) Anm.. 7 (aA Löwe, 1. Aufl., §252 A n m . 1); ebenso Rosenberg, LR, 13. Aufl. (1913), §252 (253) Anm. 7. W o h l auch Keller (1882), § 252 (253) A n m . 1. (Keller läßt aber ausdrücklich n u r das Verlesen richterlicher Protokolle zu, Anm. 2: „Der Zusammenhang, i n welchem die §§ 250-254 stehen, läßt die Nichterwähnung des Wortes „richterlich" i n § 252 bedeutungslos erscheinen. Dagegen Voitus, Kontroversen I [1881], S. 40 f.); Birkmeyer (1898), S. 462; Alsberg, Beweisantrag (1930), S. 227, 247 f.; Niethammer, LR, 19. Aufl., A n m . 1 u. 5; Daude (1928), Note 73 zu §253; Mannheim, J W 32, 3104. F ü r Mischform von Personal- u n d Urkundenbeweis aber Hegler, Rechtsgang 2 (1916), 241 (269 Note 4 m. w. N.); Rupp (1884), S. 163; von Kries, L b (1892), S. 375 f., u n d ZStW 6 (1886), 88 (108): selbständiger Beweiswert bei der Feststellung des Widerspruchs; Rosenfeld, L b (1912), S. 231 Note 28; Rosenfeld, L b I I (1926), S. 37 Note 3: Beweisunterstützung. Oetker, J W 1925, 2474: beweisergänzende Vorhalte, die die U n glaubWürdigkeit der jetzigen Aussage aus dem Widerspruch zu jener herleiten können, vgl. Oetker, J W 1927, 2708. Beling, L b (1928), S. 318: Der U r k u n denbeweis trete zu der persönlichen Vernehmung hinzu. Groth (1937), S. 54: Verlesung zur Beweisergänzung. Entschieden n u r für „ I n d i z w i r k u n g " Glaser, H b I (1883), S. 455: Es handele sich nicht darum, daß das Protokoll an u n d f ü r sich beweise. Aufklärung, ob die Aussagen sich gleich geblieben sind. Auch nach von Hippel, L b (1941), S. 392, geschieht die Protokollverlesung „zwecks Feststellung früherer Aussagen i m Vergleich zu der jetzigen, also zur Gewinnung von Indizien f ü r deren Bewertung". Aus dem neueren Schrifttum: Gollwitzer, LR, §253 A n m . 1; Geier, LR, 21. Aufl., § 253 Anm. 1; Kern/Roxin, S. 224; Sax, K M R , § 253 A n m . 1 u n d 2: „eine echte und selbständige Beweiserhebung ist die Verlesung der früheren Niederschrift nach § 253 . . . , gleichviel w i e sich die Auskunftsperson dazu stellt"; Alsberg/Nüse, S. 342; Dahs, Handbuch, R n 478 u. 427; Schneidewin, JR 1951, 481 (485): Verwertung zum Urkundenbeweis. Dolderer, Diss., S. 82; Mittelbach, JR 1955, 327 (329): „ergänzende Verwertung des Protokolls neben

118

2. Teil: Bedeutung der §§ 253, 254

Verlesungen als („echten") Urkundenbeweis erlaube, die (nach den meisten) als weitere Ausnahmen den Grundsatz der Unmittelbarkeit durchbrächen. Sofern sie sich überhaupt klar äußern, weisen sie deshalb ζ. T. darauf hin, daß durch diese Verlesungen nicht schon die Wahrheit des Verlesenen bewiesen werde 4 . Nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung kann aber das Gericht die Urteilsfindung auf den verlesenen Teil des Protokolls anstatt auf die mündliche Aussage der Beweisperson i n der Hauptverhandlung stützen 5 . Das heutige Schrifttum, das sich dieser insbesondere mit RGSt 20, 220 eingeleiteten Rechtsprechung anschließt, erkennt die „weittragende und aller Folgerichtigkeit entbehrende weitere Freigabe" 6 auch selbst. Schneidewin bezeichnet den § 253 als einen einzigen Verrat am Prinzip des § 2507, also am Unmittelbarkeitsprinzip. Gollwitzer betrauert, daß das Gesetz seinem eigenen Grundgedanken untreu werde, wenn es i n § 253 die Verwertung des Ergebnisses einer früheren Vernehmung i m Wege des Urkundenbeweises gestatte 8 . Dennoch hält die h M an diesem „durch Gewohnheit festgelegten Rechtszustand" 9 fest, allerdings nicht ohne zu betonen, daß Mißbräuche vermieden werden sollten 1 0 und die der Vernehmung"; Sarstedt, Revision, S. 190; Fuhrmann, Dalcke/Fuhrmann/ Schäfer, §253 Anm. 4; Kleinknecht, StPO, §253 A n m . 1: „Eine Kombination zwischen Zeugenbeweis u n d Urkundenbeweis ist nach § 253 zulässig, der ebenfalls eine Ausnahme von § 250 enthält." Erbs, § 253 Abs. 2 u. 4; Roggemann, S. 61: „Vorhalt als Beweisergänzung." W o h l auch Petters/Preisendanz, S. 59 (unklar); Koeniger, S. 379 oben (unklar f ü r Abs. 1 S. 379 unten); DahsfDahs, R n 227, u n k l a r R n 223 (253 = Vorhalt?); Hanack, J Z 72, 202 (204), Sax, JZ 67, 229 (230). Hierher gehört (unrichtig Lohr, S. 144 A n m . 374) w o h l auch Peters, der sich jedoch widersprüchlich bzw. schwankend äußert: „ I n einem derartigen F a l l (§253) t r i t t neben den Personalbeweis (Aussage) der Urkundenbeweis (Verlesung des Schriftstücks)", Verh. des 46. DJT, T e i l A, S. 145. Vgl. auch Lb, S. 486. Ungenau Lb, S. 270. Genau entgegengesetzt dazu aber JZ 1965, 649 (Urteilsanmerkung): „§253 stellt keine Ausnahme dar, sondern bringt n u r eine besondere Gestaltungsweise für die Vernehmung der Beweisperson." . . . „Das schließt die Zulässigkeit einer »Ergänzung 4 der Wahrnehmungsermittlung durch den Urkundenbeweis aus." Anders, da zu wenig relativierend, dann die gleiche Auseinandersetzung m i t BGHSt 20, 160 i n Nachtrag (1970), S. 29. 4 Kern/Roxin, S. 224. 5 Sax, K M R , §253 A n m . 2; Gollwitzer, LR, §253 Anm. 10; RGSt 20, 120; 27, 165 (167). 6 Schneidewin, JR 1951, 481 (485). Vgl. auch Sax, K M R , § 253 Anm. 5. 7 Schneidewin, JR 1951, 484. Ähnlich auch auf S. 489. 8 LR, § 253 A n m . 1. (Ebenso schon Geier, 21. Aufl., § 253 A n m . 1.) § 253, w i e er von der h L verstanden werde, durchbreche „ i n bedenklicher Weise" die Grundsätze der U n m i t t e l b a r k e i t und Mündlichkeit (S. 1371 Mitte). 9

Schneidewin, JR 1951, 485. Befremdlich sein Beharren: „Selbst w e n n man RGSt 20, 220 nicht beipflichten wolle, müßte man von einem durch Gewohnheit festgelegten Rechtszustand sprechen." 10 Gollwitzer, LR, § 253 A n m . 1 (S. 1371 oben).

I I . Die Rechtsnatur des § 253

119

V o r s c h r i f t , w i e es o f f e n b a r auch geschehe, v o n d e n G e r i c h t e n m i t großer Z u r ü c k h a l t u n g a n g e w e n d e t u n d eng ausgelegt w e r d e n m ü s s e 1 1 . I n W i r k l i c h k e i t l ä ß t die h M jedoch auch seine stete A u s w e i t u n g zu, i n d e m sie ζ. B . w e d e r eine ausdrückliche E r k l ä r u n g des Z e u g e n oder Sachv e r s t ä n d i g e n v e r l a n g t 1 2 , noch die V e r l e s u n g a u f d e n entsprechenden P r o t o k o l l a u s z u g b e s c h r ä n k t 1 3 , noch u n b e d i n g t die A n w e s e n h e i t der Z e u gen oder Sachverständigen i n d e r H a u p t v e r h a n d l u n g v o r a u s s e t z t 1 4 . 2. Mindermeinung: Vorhalt D e m g e g e n ü b e r sieht eine h e u t e w i e d e r z u n e h m e n d v e r t r e t e n e A n s i c h t i m A n s c h l u ß an E b e r h a r d S c h m i d t 1 5 i n § 253 k e i n e F ä l l e des U r k u n d e n 11

Gollwitzer, S. 1371 Mitte. §253 sei darüber hinaus auch anwendbar, wenn der Zeuge behauptet, nichts mehr zu wissen. RGSt 20, 220; Gollwitzer, LR, §253 A n m . 2 a; Saar, K M R , § 253 A n m . 3; Groth, S. 54. 13 Vgl. Alsberg/Nüse, S. 345; Sax, K M R , §253 A n m . 5, u n d Gollwitzer, LR, § 253 A n m . 5 am Ende, der die Gesamtverlesung m i t RGSt 57, 377 (378) n u r „unter Umständen" zulassen w i l l . 14 D a m i t v e r w i r f t Gollwitzer, § 253 Anm. 7, das gesamte System der A b stufung der §§ 250 f. Wie Gollwitzer schon Groth, S. 58, u n d Niethammer, LR, 19. Aufl. (1934), § 253 Anm. 6, für die Widerspruchsfeststellung. Wie Gollwitzer, LR, 250 A n m . 7, damit seine grundsätzliche Erkenntnis, daß § 253 eine Verlesung betreffe, die „nicht zum Ersatz der Vernehmung dient, sondern neben dieser stattfindet", vereinbaren w i l l , bleibt unerklärlich. 15 Eb. Schmidt, L k I I , §253 A n m . 1 - 1 0 ; §250 A n m . 7 u n d 9; Nachträge I, § 253 Rn 1; ferner Gedächtnisschrift f ü r Jellinek (1955), S. 633 f.; L k I, R n 442; Niese, JZ 1953, 597 (598); Krause, Ub, S. 188 f., 190; Lohr, S. 143 f., 147; Henkel, L b , S. 347, w o h l auch schon 1. Aufl. (1953), S. 397 u. 400; W. Ziegler (1969), S. 57 Note 84; Kern, 8. Aufl. (1967), S. 199 (so auch schon i n der 6. Aufl. [1960], S. 175); Grünwald, JZ 1966, 489 (493); Redecker, Diss. (1972), S. 44, f ü r §253 Abs. 1. F ü r Abs. 2 folgt er der hM, sieht darin aber „eine A r t halben Beweis", der i m Falle eines widersprechenden Personalbeweises nicht die alleinige Beweisgrundlage darstellen könne, vgl. S. 46. Nach Börker, JR 1955, 440 (441), haben Eb. Schmidts Gründe „ v i e l f ü r sich". Aus dem früheren Schrifttum bezeichnen § 253 als „ V o r h a l t " Löwe, 1. Aufl. (1879), §252 (253) A n m . 1, 6; von Bombardi Koller (1879), §252 (253) A n m . 2; von Schwarze (1878), §252 (253) A n m . 1, 3; Puchelt (1881), §252 (253) Anm. 3, S. 416; Bennecke (1895), S. 548; Dalcke (1878), zu §252 (253); Frank, ZStW 12 (1892), 277 (336) gegen RGSt 20, 220; Luden, J W 1883, 230 (234); Ortloff, G A 44 (1896), 98 (114). Daß die Verlesung auf keinen F a l l ein Beweismittel darstellen solle, betonen dabei aber n u r Puchelt u n d Bennecke. Ausdrücklich einen „ V o r h a l t " i n § 253 sehen später auch Feisenberger (1926), §253 A n m . 4; v. Scanzoni, J W 1925, 2784 zu Nr. 8, u n d Merkel, J W 1922, 494 zu Nr. 3. Widersprüchlich wieder Stenglein, K o m m . (1898), § 252 (253) Anm. 1, 4, 5: „Vorhalte nach § 252 (253)"; ebenso L b (1887), S. 284 einerseits u n d Komm., § 252 (253) A n m . 3 andererseits, w e n n Stenglein u. a. auf RGSt 27, 163 v e r weist u n d ein Zurückgehen auf das Verlesene „als der Wahrheit entsprechend" erlaubt. Aus der Rechtsprechung sprechen sich für einen Vorhalt aus: R G 2. Sen. RGSt 1, 409 (412) u n d Rspr 8, 722 (723); 1. Sen. RGSt 2, 235 (236); 3. Sen. Rspr 6, 210 (211); 1. Sen. RGSt 12, 118 (119); 4. Sen. Rspr 9, 379 (380); RGSt 27, 29 (30); 12

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2. Teil: Bedeutung der §§ 253, 254

beweises, sondern lediglich besonders geregelte Formen des Vorhalts. Der Vorhalt dürfe unter den dortigen Voraussetzungen ausnahmsweise einmal i n einem wörtlichen Vorlesen des Protokollteils bestehen 16 , einer Form, die sonst dem Urkundenbeweis vorbehalten sei. § 253 diene dazu, die Beweisperson zu gewissenhafter Besinnung zu veranlassen 17 . Für die Urteilsfindung maßgebend bleibe immer deren Aussage. Daß es sich bei § 253 um Führung eines Urkundenbeweises nicht handeln könne, zeige § 253 „ m i t nicht zu überbietender Deutlichkeit" 1 8 . Dabei stellen diese Meinungen vor allem auf den Begriff und Zweck der Teilverlesungen ab 19 . § 253 verlange, daß der mit genauester Aktenkenntnis ausgestattete Vorsitzende aus dem Ganzen des Protokolls denjenigen „Teil" (und nur ihn!) herausgreife, zu dem die Erinnerungslücke der Beweisperson in Beziehung (Abs. 1) oder die nunmehrige Aussage i n Widerspruch stehe (Abs. 2) 20 . Nur wenn man daher in diesen Beziehungen zu der Beweisperson die Bedeutung von Vorhalten sehe, entfielen die von der h L so bitter beklagten Ungereimtheiten und Widersprüche 21 . Damit treffe keineswegs zu, daß das Gesetz an sich selbst Verrat übe 2 2 . 3. Eigene Stellungnahme

I n der Tat ist wenig einsichtig, wieso § 253, wie mit der Auslegung der hM, „einen einzigen Verrat am Prinzip" des § 253 darstellen soll. Man kann sich mit Eb. Schmidt 2 3 wirklich „wundern", daß die Anhänger der herrschenden Lehre mit so „zäher Ausdauer" an Widersprüchen festhalten, die ihre eigene Interpretation in erster Linie erst hervorbringen dürfte. Diese Verwunderung ist deshalb berechtigt, weil die von ihr für die Deklarierung des § 253 als Fälle des selbständigen Urkunden1. Sen. RGSt 35, 5 (7, 8); 4. Sen. RGSt 32, 315 (316); 2. Sen. RGSt 36, 53 (54); 1. Sen. J W 1902, 580 Nr. 26. Auch B G H 1. Sen. BGHSt 14, 339 (340, 341) u n d O L G K ö l n N J W 1965, 830 unterstellen Vorhalte den Voraussetzungen des § 253. 16 Eb. Schmidt, L k I I , § 253 A n m . 10. 17 Eb. Schmidt, L k I I , § 253 A n m . 9. 18 Eb. Schmidt, L k I I , § 253 A n m . 6. 19 Wie mit dieser ausgewählten „Teil"-Verlesung eines Protokolls mehr als ein (leider) in Verlesungsform zugelassener Vorhalt des Vorsitzenden soll Zustandekommen können, bleibe ein „unerfreuliches Geheimnis der herrsch. Lehre", Eb. Schmidt, Nachträge I, § 253 A n m . 1; vgl. auch L k I I , § 253 Anm. 3, 6 f.; Lohr, S. 145; Krause, Ub, S. 190. 20 So Eb. Schmidt, L k I I , § 253 A n m . 7. 21 Das betonen insb. Eb. Schmidt, L k I I , § 253 Anm. 4, und Krause, Ub, S. 190. A l l e i n die „ t o t a l falsche Auslegung" des § 253 durch die h L sei es, die die Widersprüche hervorzaubere, Eb. Schmidt, Nachträge I, § 253 A n m . 1. 22 Eb. Schmidt, L k I I , § 253 A n m . 4, gegen Schneidewin, JR 1951, 484. 23 Eb. Schmidt, Nachträge I, § 253 A n m . 1.

II. Die Rechtsnatur des § 253

121

beweises ins Feld geführten Argumente nicht als zwingend angesehen werden können 2 4 . a) Wörtliche

Auslegung

Der Gebrauch des Wortes „verlesen" etwa vermag nur bei oberflächlicher Betrachtungsweise die Zuordnung zum (selbständigen) Urkundenbeweis zu stützen und schon gar nicht vermag er, eine solche Zuordnung zu gebieten. Zwar verwendet das Gesetz, wie insbesondere Krause 2 5 hervorhebt, die Worte „Verlesen" und „Verlesung" stets dann, wenn es eine Bestimmung über die Zulassung des Urkundenbeweises trifft. Daraus mag man folgern, daß Urkundenbeweis zulässig nur durch Verlesen geführt werden darf. Umgekehrt, daß nämlich die Verwendung des Wortes „Verlesen" immer und allein die Vorführung i m Urkundenbeweis anzeigt, ist die Folgerung aber nicht zwingend. Das beweist bereits ein flüchtiger Blick auf die unmittelbar vorhergehende Bestimmung des § 252, deren Ausdruck „verlesen" die herrsch. Lehre 2 8 selbst eine andere Bedeutung beimißt als allein die der Vorführung eines Schriftstücks i m Urkundenbeweis. Daß diese Auslegung deswegen noch nicht falsch ist, zeigt ein anderer Gebrauch dieses Wortes ζ. B. auch i n § 243 Abs. 3, Verlesung des Anklagesatzes, i n § 268 Abs. 2, Verlesung der Urteilsformel, und in § 324 Abs. 1, Verlesung des erstinstanzlichen Urteils 2 7 . Es ist also keineswegs so, daß dem Gesetz „Gewalt angetan" w i r d 2 8 , wenn man dem Verlesen i n § 253 einen anderen Sinn gibt als i n §§ 250 S. 2, 251. Die wörtliche Auslegung stützt i m Gegenteil eher die Mindermeinung, die darin Fälle des Vorhalts sieht 2 9 . Gegen einen „prozeßordnungsgemäßen" 3 0 Urkundenbeweis und für ein solch eng begrenztes Verständnis spricht die direkt vorangehende Wendung „zur Unterstützung seines Gedächtnisses" i n Abs. 1 und die „ähnlich eng begrenzte Zweckbestimm u n g " 3 1 in Abs. 2. M i t diesen genauen Zweckbestimmungen ist die i n § 24

So zu Recht auch Krause, Ub, S. 188, u n d Lohr, S. 144. Krause, Ub, S. 188. 26 Einzelheiten bei Gollwitzer, LR, § 252 A n m . 3. — aA Sax, K M R , § 252 Anm. 1 a. 27 Auch Gollwitzer, LR, § 252 A n m . 3, erklärt, daß die StPO m i t dem W o r t „verlesen" keinen festen Sinn verbindet. 28 Wie Schneidewin, JR 1951, 485, glaubt, der aber ansonsten, vgl. S. 481 f., gerade aufzeigt, w i e vielschichtig i m Zusammenhang der §§ 249 f. das „ V e r lesen" zu verstehen ist. 29 Auch Dolderer, Diss., S. 80, hält dieses Argument der h M für „nicht sehr zuverlässig", ohne daraus aber konkrete Schlüsse zu ziehen. 30 Eb. Schmidt, Nachträge I, § 253 A n m . 1. 31 So selbst Schneidewin, JR 51, 485. Eine Stütze der aufkommenden M e i nung sieht darin auch Dolderer, Diss., S. 80. Vgl. RGSt 36, 54: „Der Paragraph w i l l . . . es für zulässig erklären, daß zu dem Zwecke der Auffrischung des 25

122

2. Teil: Bedeutung der §§ 253, 254

253 gestattete Verlesung klar und eindeutig auf die i n der Hauptverhandlung zu erstattende mündliche Aussage des Zeugen oder Sachverständigen bezogen 32 . Sie ist gerade nicht darauf angelegt, dem Gericht Kenntnis von dem vollen gedanklichen Inhalt des Vernehmungsprotokolls zu verschaffen, wie es dem Wesen und Zweck einer Verlesung zur Vorführung i m selbständigen Urkundenbeweis entsprechen würde. § 253 soll dazu beitragen, daß die jetzige Aussage der Beweisperson nach gewissenhafter Besinnung vollständig und wahrheitsgemäß erfolgt 3 3 . Dieser engen Zweckbestimmung entspricht auch, daß nur ein „Teil" der früheren Vernehmung zu verlesen ist, und zwar der Teil, der die jetzt nicht mehr gegenwärtige „Tatsache" enthält, Abs. 1, bzw. der Teil, zu dessen Darlegung die jetzige Aussage i m Widerspruch steht, Abs. 2. Für die personale und individuelle Hilfsfunktion der Verlesung und gegen einen solchen Urkundenbeweis spricht auch, daß diese Teilverlesung nicht vom Ermessen des Gerichts abhängt, sondern nach Inhalt und Zeitpunkt erst erfolgen kann, nachdem ein Zeuge oder Sachverständiger „erklärt" hat, „daß er sich einer Tatsache nicht erinnere", § 253 Abs. 1. Handelte es sich dabei u m selbständige Fälle des Urkundenbeweises, u m primär ein Beweismittel für die Urteilsfindung zu erlangen, so wäre nicht einzusehen, wieso die Protokollverlesung nach dem Gesetz (das Gesetz betont jedoch i n Wirklichkeit gerade die Teilverlesung!) sollte erfolgen dürfen, wenn sich die Beweisperson an „eine Tatsache" nicht mehr erinnert, nicht aber, wenn sie sich an den ganzen Vorgang nicht mehr rückbesinnen kann. Darüber hinaus wäre das Erfordernis einer entsprechenden „Erklärung" der Beweisperson widersprüchlich. Gedächtnisses Protokolle . . . verlesen werden." Ebenso v. Scanzoni , JW 1925, 2784. 32 I n seiner ersten Entscheidung zu § 253 stellte das Reichsgericht i n RGSt 1, 409 (412) 1880 fest: „Stelle es sich heraus, daß i n der Zwischenzeit das Gedächtnis sich verwischt habe, so sei naturgemäß, den Zeugen darauf hinzuweisen, was er unter dem frischen Eindruck des Geschehenen i m Vorverfahren bekundet habe. Es dürfe selbstverständlich die Verlesung n u r als A n h a l t für die mündliche Vernehmung dienen, nicht dieselbe ersetzen." A l l e i n i n der Inbeziehungsetzung zur Aussageperson, u m i h r eine H i l f e stellung zu ermöglichen, sehen auch RGSt 2, 235 (236); 12, 118 (119); Rspr 8, 722 (723) u n d Rspr 9, 379 (380) den Zweck der Verlesungen nach § 253. 33 Eb. Schmidt, L k I I , §253 Anm. 6, 8; Krause, Ub, S. 190; Lohr, S. 145. Es ist unverständlich, wieso RGSt 20, 220, das diese Zweckausrichtung k l a r sieht, aus diesen Gesetzesworten folgern kann, damit sei n u r auf die „Voraussetzung u n d den nächstliegenden Zweck der Verlesung", d. h. der v e r m i t t e l baren Verwertung des Protokolls „hingewiesen". Danach enthält das Gesetz also immer n u r die vordergründigen Hinweise zum Verständnis einer Bestimmung, während sich deren tiefere Bedeutung erst aus dem gesetzesfreien Raum erschließt. Welche K r i t e r i e n das dann bestimmen sollen, läßt sich n u r ahnen. Als „bedenklich" bezeichnen die Entscheidungen RGSt 20, 220 daher auch Rintelen, L b (1891), S. 204 Note 5, u n d Kohlrausch, StPO, 24. Aufl. (1936), § 253 A n m . 4.

II. Die

echtsnatur des § 253

123

Allzuviel Bedeutung ist dem letzteren jedoch nicht beizumessen, sonst müßte man auf der anderen Seite die Verlesungen nach Abs. 2 folgerichtig als Urkundenbeweisführung ansehen 34 . Die dortigen Protokollverlesungen, die einsetzen können, wenn i n der jetzigen Aussage ein Widerspruch zu einer früheren Aussage hervortritt, können naturgemäß nicht von einer entsprechenden Erklärung der Auskunftsperson, etwa der A r t , daß sie sich jetzt möglicherweise i n Widerspruch zu früheren Bekundungen setze, abhängen. A u f den Gedanken, zumindest § 253 Abs. 2 (wie auch § 254 Abs. 2) enthielte (selbständige) Fälle des Urkundenbeweises, muß man auch zwangsläufig stoßen, wenn der Zweck der Verlesungen nach Abs. 2 landläufig als „zur Feststellung oder Behebung eines Widerspruchs" 35 bezeichnet w i r d 3 6 . Das Beheben eines Widerspruchs kann zwar mißlingen, wenn die Auskunftsperson bei ihrer abweichenden jetzigen Aussage bleibt. Die Verlesung soll jedoch auch gestattet sein, u m einen solchen Widerspruch „festzustellen" 37 . Da nun der Widerspruch für den die Akten kennenden Vorsitzenden schon feststeht, und dieses Feststehen ihm überhaupt erst den Anstoß zu einem Verlesen gibt — auch das Gesetz kann demzufolge davon ausgehen, daß ein Widerspruch hervortritt, d. h. also mit der abweichenden Aussage bereits hervorgetreten ist — könnte das Feststellen eines Widerspruchs durch Verlesen einer anderslautenden früheren Bekundung „sinnvoll" eigentlich nur bedeuten, daß der widersprechende frühere Aussageteil dem Gericht selbst unterbreitet und so zur Grundlage für die Uberzeugungsbildung gemacht werden dürfe 3 8 . A l l e i n die landläufige Bezeichnung des Verlesens „zur Feststellung eines Widerspruchs" kann schon ungenau sein. Nach Abs. 2 „kann dasselbe geschehen" — wobei aber nicht eindeutig feststeht, worauf sich die Gemeinsamkeit beziehen soll. Möglich erscheint, daß m i t der Bezugnahme auf Abs. 1 nur gemeint sein soll, daß der Protokollteil über die frühere Vernehmung, wie in Abs. 1, verlesen werden kann. Es lassen sich die Worte „dasselbe kann geschehen" aber auch sehr wohl i n der Weise interpretieren, daß nicht nur die Rechtsfolge der Teilverlesung, sondern 34 So i m Ergebnis Redecker, Diss. (1972), S. 46, für §253 Abs. 2, der aber schon verkennt, daß ζ. B. eine sich unabsichtlich widersprechende Auskunftsperson noch nicht eine „nicht kooperative" Beweisperson sein muß. Diese Ansicht ist schon deswegen bedenklich, w e i l die N a t u r der Verlesung nicht danach schwanken kann, ob sich eine Person „kooperativ" (was i m m e r das sei) oder nicht „kooperativ" verhält. 35 So auch Krause, Ub, S. 197 . 38 M i t Abs. 2 setzen sich aber weder die h M noch die Gegenmeinung näher auseinander.

37

Sax, JZ 1967, 229 (230), weist zu Recht darauf hin, daß dieses „Argument für die herrschende Meinung" bisher nicht beachtet worden sei.

38 Vgl. OGHSt 1, 110 (111) Verlesung „etwa zwecks Vorhalts oder zur Feststellung der Widersprüche". I n dieser Richtung auch, allerdings sehr relativierend, Sax, JZ 1967, 229.

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2. Teil: Bedeutung der §§ 253, 254

auch der Zweck der Verlesung, nämlich zur „Unterstützung seines Gedächtnisses", gemeint ist 3 9 . Für das letztere spricht, daß sich Abs. 2 i n jedem Fall auf den Anfang und das Ende des Nachsatzes i n Abs. 1 beziehen muß, um überhaupt Sinn zu erhalten. Daher kann sich die Parallele auch naheliegenderweise — die Grammatik des Satzes legt diese Auslegung sogar näher — auf die Mitte des dortigen Nachsatzes erstrecken 40 . Es könnten dann also auch die Teilverlesungen nach § 253 Abs. 2 primär zur Gedächtnisunterstützung der sich widersprechenden Auskunftsperson geschehen und nur sekundär i n der Absicht, einen Widerspruch m i t einer früheren Aussage festzustellen oder zu beheben 41 . Der Terminus „verlesen" wäre dann also auch hier i m heutigen Sinne eines persönlichen „Vorlesens" zu verstehen. Die Gedächtnishilfe würde nach § 253 Abs. 2 also erst dann einsetzen, wenn ein solcher Widerspruch nicht auf andere Weise, allerdings ohne dabei die Hauptverhandlung zu unterbrechen, festgestellt oder behoben werden kann. Für ein derartiges grammatikalisches Verständnis spricht auch, daß die Voraussetzung eines Rechtssatzes, wie er i n Abs. 2 mit „wenn" beginnt, schlecht auch gleichzeitig seine Rechtsfolge bezeichnen kann. Davon geht aber die allgemeine Meinung aus, wenn sie die Verlesungen nach Abs. 2 als solche zur Widerspruchsfeststellung oder -behebung kennzeichnet. Diese Ungenauigkeit verwundert nicht, denn „die Bestimmung des Abs. 2 ist eine unklare und verfehlte" 4 2 . Zum einen kann ein Widerspruch für die Beteiligten — denn die StPO gilt für alle Prozeßbeteiligten, nicht bloß für den die Akten kennenden Vorsitzenden, und die vollständige Beweisaufnahme ist auch Pflicht des gesamten Kollegiums, § 244 Abs. 2 — erst auftreten, wenn der Vorsitzende oder ein Prozeßbeteiligter auf den 39

Krause, Ub, S. 192 A n m . 297, glaubt, die Bezugnahme gehe „sicherlich" nicht so weit. N u r f ü r eine solche individuelle Bezugnahme bei abweichenden Aussagen aber ganz entschieden schon Mittermaier y GS 1, Bd. 2 (1849), 3 (16,17). 40 Andere A u t o r e n setzen sich merkwürdigerweise m i t dieser Frage nicht auseinander. Wer die Zweckbestimmung „ z u m Zwecke der Beweisaufnahme" i n §254 Abs. 1 auch für §254 Abs. 2 als bindend ansieht w i e Gollwitzer, LR, §254 A n m . 1, u n d Alsberg/Nüse, S. 346 Note 187, müßte logischerweise für § 253 Abs. 2 davon ausgehen, daß dort die Verlesung nicht „ z u m Zwecke der Beweisaufnahme" erfolgt, also die Bedeutung eines Vorhalts haben müßte. Eine solche Folgerung ziehen diese Ansichten jedoch nicht. A u f die darin liegende Inkonsequenz weist auch zu Recht Krause, Ub, S. 192 Note 297, hin. 41 So beschreiben die Motive des Entwurfs zur StPO den Zweck der Verlesung nach dem heutigen §254 Abs. 2: „Ebensowenig konnte es unstatthaft erscheinen, durch Verlesung gerichtlich protokollierter Auslassungen des Angeklagten Widersprüche zwischen diesen u n d den Angaben des Angeklagten i n der Hauptverhandlung festzustellen, u m damit die Beseitigung der Widersprüche anzubahnen (§ 215)." Hahn, Mat. I, S. 196. 42 So schon Löwe (1879), § 252 (253) A n m . 4. Kritisch auch Ullmann (1893), S. 390 Note 3, u n d Ortloff, GS 37 (1885), 212 (225). Damals wurde ein Widerspruch nach dem Gesetzeswortlaut noch „erhoben".

II. Die Rechtsnatur des § 25

125

Inhalt der früheren Aussage aufmerksam macht. Nach dem Gesetzeswortlaut handelt es sich aber nur noch u m die nachträgliche Klärung eines bereits hervorgetretenen, d. h. feststehenden Widerspruchs. Ist damit die frühere Aussage aber bereits i n die Verhandlung hineingezogen, so ist zum anderen nicht einzusehen, wieso die Aufklärung des Widerspruchs erst noch „auf andere Weise" (d. h. durch anderen Zeugenbeweis) versucht werden soll als durch gedächtnisstützende Verlesung. Denn die Stellungnahme der Auskunftsperson auf die Verlesung hin wäre das allergeeignetste und einfachste Mittel zu dieser Aufklärung, soll sie einmal erfolgen dürfen. Diese Ungereimtheiten verführen wieder dazu, die Bezugnahme i n Abs. 2 wieder i n die Nähe einer Urkundenbeweisführung zu rücken. Dann bleibt aber äußerst zweifelhaft, wieso etwa die ersatzweise Vernehmung des Verhörsbeamten, die Abs. 2 primär vorschreiben w i l l 4 3 , den Grundsatz der Unmittelbarkeit nach der StPO weniger berühren kann als die Verlesung des Protokolls selbst 44 . Diese angeblich vorgelagerte Möglichkeit bildet für die praktische Protokollhandhabung kein Hindernis und ist auch widersprüchlich, da die Vernehmung der betreffenden Verhörsperson überhaupt nur dann i n Frage kommen wird, wenn der Zeuge die Richtigkeit des früheren Protokolls bestreitet, was dieser erst dann t u n kann, nachdem i h m diese vorgelesen wurde 4 5 . Damit beweist sich bereits hier, daß der Fassung der §§ 253, 254 i m System der §§ 259 f. eine klare und eindeutig faßbare Konzeption nicht zugrunde liegt. Daß das Gesetz nur i n § 254 Abs. 1 die Wendung „zum Zwecke der Beweisaufnahme" gebraucht, darf also nicht zu dem vorschnellen Rückschluß verleiten, daß nur i n diesem Fall unter Ausschluß aller anderen Fälle die Verlesung zu Beweiszwecken solle erfolgen dürfen 4 6 . Daß dem Gesetzgeber ein gradliniges und verständiges Beweismodell nicht vorschwebte, belegt auch die undurchdachte Gesetzessystematik. b) Systematische

Auslegung

Für die h M spricht auf den ersten Blick die systematische Stellung des § 253. Aber schon ein zweiter Blick zeigt, daß diese Stellung innerhalb der den Urkundenbeweis regelnden Vorschriften (insb. §§ 251 - 256) nicht 43

Vgl. die Anfrage des Oberregierungsrats Hanauer, Hahn, Mat. I I , S. 1348. Vgl. die Ausführungen bei Löwe, 1. Aufl., § 252 (253) Anm. 1. Löwe spricht damals noch v o m — allumfassenden — „Grundsatz der Mündlichkeit", meint aber dasselbe, vgl. oben S. 24 u n d Note 38. 45 Vgl. die K r i t i k bei Löwe, oben Note 31, u n d Schneidewin, JR 1951, 481 (485), der betont, daß eine Unterbrechung der Hauptverhandlung ja nicht riskiert werden muß. 46 Sehr richtig Sax, J Z 1967, 229, der, S. 230, alle diese rein auf den Gesetzeswortlaut gestützten „ K o n j e k t u r e n " für letztlich unschlüssig hält. 44

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2. Teil: Bedeutung der §§ 253, 254

überbewertet werden darf. Das Argument, § 253 stehe mit dem Urkundenbeweis des § 251 „gesetzestechnisch ganz auf einer L i n i e " 4 7 , verliert entscheidend an Uberzeugungskraft, hält man sich nur vor Augen, daß schon die i m unmittelbaren Anschluß an die für den Urkundenbeweis bedeutsamsten Vorschriften der §§ 249, 251 folgende Bestimmung des § 252 gesetzessystematisch verfehlt angesiedelt ist 4 8 . § 252, der keineswegs nur den Urkundenbeweis regelt, ist systematisch und inhaltlich richtiger als eine Ergänzung der Zeugnisverweigerungsrechte der §§ 52 f. anzusehen, was auch die h M selbst eingesteht 49 . Die obige Gesetzesübersicht hat auch gezeigt, daß die StPO weder das Beweisrecht i m allgemeinen noch die Bestimmungen über den Urkunden· bzw. den Personalbeweis i m besonderen i n einen geschlossenen systematischen Zusammenhang gebracht hat 5 0 . Insbesondere scheint es dem Gesetzgeber von 1877 an genauen Vorstellungen darüber gefehlt zu haben, wie der Beweis durch (mündliche) Vernehmung vom Beweis durch Schriftstücke abzugrenzen ist. Auffallend bleibt — und damit wäre i m Hinblick auf § 250 S. 2 eine besondere Bedeutung des § 253 schon zu erklären —, daß § 253 als einzige Bestimmung die Benutzung von Urkunden bei der (oder — angesichts des § 69 Abs. 1 — besser i m Anschluß an die) verantwortliche(n) Vernehmung der Zeugen bzw. Sachverständigen i n der Hauptverhandlung gestattet. Die §§ 251 bzw. 256 dagegen setzen die Abwesenheit der jeweiligen Beweispersonen voraus. aa) Die Bedeutung des § 251 Abs. 3 Die Existenz des § 251 Abs. 3 vermag diese Besonderheit nicht zu schmälern. Diese Bestimmung erlaubt zwar i n Anwesenheit von Zeugen bzw. Sachverständigen Protokolle usw. i n der Hauptverhandlung zu verlesen, diese „Verlesung" muß aber „anderen Zwecken als unmittelbar der Urteilsfindung dienen", § 251 Abs. 3 1. Halbsatz. Die Aufklärung des angeklagten Sachverhalts, also der Tat-Schuld-Straffrage, dient jedoch 47

Schneidewin, JR 1951, 481 (485). Krause, Ub, S. 188; Lohr, S. 144, folgt ihm. Siehe auch BGHSt 2, 99 (104). 49 Ausführlich dazu Schneidewin, JR 1951, 487: „Es fehlt also jede Beziehung des § 252 zu § 251." Daraus folgerte auf der anderen Seite aber etwa Bennecke, Lb, S. 548 Note 41, auch §252 (253) gehöre streng genommen zur Lehre v o m Zeugen- oder Sachverständigenbeweis. 50 So auch Krause, Ub, S. 188, u n d Lohr, S. 144. Nach Schneidewin, JR 1951, 481, w i r d ein „Kenner der Strafprozeßordnung" schwerlich der „Behauptung widersprechen, daß die §§ 249 - 256 StPO ein besonders heikles u n d schwieriges, wenig geglücktes Stück des i m allgemeinen rühmenswerten Gesetzes sind." Alsberg, J W 1929, 1048, hält den Versuch, durch das Studieren des Gesetzestextes u n d der Materialien das System des Urkundenbeweises, wie es nach der Konzeption des Gesetzgebers sich aufbauen sollte, zu durchschauen, für aussichtlos. Unrichtig daher Redecker, Diss., S. 29, 31. 48

II. Die Rechtsnatur des § 25

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den Zwecken unmittelbarer Urteilsfindung 51 . Wie auch das Beispiel des Abs. 3 zeigt, Verlesung „zur Vorbereitung der Entscheidung darüber, ob die Ladung und Vernehmung einer Person erfolgen sollen", können sich die anderen Zwecke danach nur noch auf Prozeßfragen beziehen. A u f keinen Fall vermag diese Vorschrift, Verlesungen zu Vorhaltzwecken zu rechtfertigen, da diese, auch wenn sie erst eine Aussage ermöglichen solllen, doch unmittelbare und integrierende Teile der Vernehmungen zur Sache bilden, die i n jeder Hinsicht dem Strengbeweis unterliegen 52 . § 251 Abs. 3 ist also ein „Fremdkörper" 5 3 , da er etwas total Überflüssiges besagt. I n § 251, der nur Ausnahmen vom Verwertungsverbot des § 250 normiert, ist der Abs. 3 darüber hinaus ganz fehl am Platze. Er kann auf das richtige Verständnis des § 253 auch deswegen wenig Einfluß haben, da § 251 Abs. 3 zu den Ausnahmen des § 251 erst hinzugetreten ist, als § 253 schon längst galt 5 4 . Was § 253 bedeuten soll, kann also nicht dadurch herausgefunden werden, daß man i h n m i t § 251 Abs. 3 vergleicht 55 . bb) Die Bedeutung des § 255 Mehr Bedeutung für das Verständnis des Inhalts von § 253 kann dagegen § 255 zukommen. „ I n den Fällen der §§ 253 und 254 ist" danach „die Verlesung und ihr Grund auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Angeklagten i m Protokoll zu erwähnen". Diese Bestimmung kann also nur auf dem Hintergrund der Beurkundungen nach den §§ 273, 274 verstanden werden. Nach § 273 Abs. 1 muß die Tatsache einer Urkundenverlesung ebenso wie das Schriftstück selbst als Förmlichkeit i m Sitzungsprotokoll verzeichnet werden. Während aus der Hauptverhandlung außerdem die wesentlichen Ergebnisse der Vernehmungen vor den Amtsgerichten gemäß § 273 Abs. 2 i m Protokoll festgehalten werden müssen, soll das nach der ganz h M für Vorhalte nicht gelten, da diese nicht Ergebnisse der Vernehmung, sondern nur „Teile" von ihr seien 56 . Kommt es dagegen auf 51

Eb. Schmidt, L k I I , § 251 Anm. 32; Gollwitzer, LR, § 251 A n m . I X 1, 2. Sax, K M R , § 251 A n m . 10; Gollwitzer, LR, § 251 A n m . I V 2. 53 Schneidewin, JR 1951, 481 (484). Diese Beanstandung betreffe i m Gegensatz zu § 251 Abs. 1 Nr. 4 indessen n u r Fehler der gesetzlichen Systematik. Die T r ü b u n g des Blickes, der von diesen Fehlern ausgeht, überwinde man dadurch, daß man sie sich als solche klarmache. 54 §251 ist durch die i m Jahre 1943 an i h m vorgenommenen Änderungen (RGBl I S. 342) von „einem i n sich verständlichen Gedankengang" des Abs. 1 Nr. 1 - 3 zu einer „ganz ungefügen Masse" geworden, Schneidewin, JR 51, 481 (484). 55 Ebenso Schneidewin, JR 1951, 487, der einem derartigen Vergleich jede Relevanz absprechen w i l l . 56 Sax, K M R , §249 A n m . 2e; Schneidewin, JR 1951, 488; Dolderer, S. 120; Groth, S. 91. aA Alsberg, Beweisantrag, S. 217. 52

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2. Teil: Bedeutung der §§ 253, 254

den „Wortlaut einer Aussage oder einer Äußerung an, so hat" nach Abs. 3 „der Vorsitzende von Amts wegen oder auf Auftrag einer an der Verhandlung beteiligten Person die vollständige Niederschreibung und Verlesung anzuordnen". Obwohl also nach § 273 Abs. 1 jeder Urkundenbeweis 57 und nach § 273 Abs. 2 die wesentlichen Ergebnisse jeder Vernehmung zu protokollieren sind, schreibt jetzt § 255 speziell für die Fälle der §§ 253, 254 vor, daß deren Verlesungen und ihre Gründe auf Antrag i m Sitzungsprotokoll zu erwähnen sind. Aus dem Wortlaut der Bestimmung, aus ihrer Existenz wie aus dem Zusammenhang ergibt sich also, daß für die Protokollverlesungen nach den §§ 253, 254 ein Beurkundungszwang neu und ausnahmsweise eingeführt wird. Diese Folgerung muß nicht erst künstlich erarbeitet werden, sie t r i t t einem als klare Aussage des Gesetzes selbst entgegen. Aus § 255 muß daher geschlossen werden, daß es sich bei den §§ 253, 254 um Vorführungen i m Urkundenbeweis gerade nicht handeln soll bzw. daß sie zumindest nicht volle und selbständige Urkundenbeweiserhebungen betreffen. Damit bestätigt sich die wörtliche Auslegung des § 253. Es handelt sich also mit der Mindermeinung bei den §§ 253, 254 u m „Vorhalte", denen, was immer sie darstellen, auf keinen Fall die Bedeutung selbständiger voller Urkundenbeweise zukommen kann. Offen bleibt danach noch, aus welcher Grundauffassung und zu welchem Zweck das Gesetz selbst eine Vorsorge bzw. Kontrolle getroffen hat, indem es die „Vorhalte" mit § 255 für protokollierungspflichtig erklärt. Diese müssen danach mehr sein als bloße Fragen 58 . Denn wären die Vorhalte nur Fragen, auf die eine A n t w o r t gegeben werden mag oder nicht, dann wäre die Vorschrift in der Tat ohne vernünftigen Sinn 5 9 . I n der Lehre ist allerdings die Reichweite des § 255 streitig. Uneins ist man sich, ob diese Vorschrift eine selbständige Erweiterung oder nur eine unselbständige Ergänzung 60 der allgemeinen Protokollvorschriften bedeutet. Nach der ersten Auffassung 61 , die i m Ergebnis auch hier vertre57 Die Angabe des Grundes der Verlesung verlangt § 273 nicht. Nach § 251 Abs. 4 w i r d n u r i m Falle der Verlesungen der Abs. 1 u n d 2 der G r u n d der Verlesung bekanntgegeben. Protokollierungspflichtig ist nach dem Wortlaut also jede Verlesung, soweit sie zu Beweiszwecken erfolgt, ohne daß es darauf ankommt, ob die Verlesung ein selbständiger A k t der Beweisaufnahme ist. Vgl. Alsberg/Nüse, S. 293; Eb. Schmidt, L k I I , § 249 A n m . 22. 58 Vgl. oben S. 110. 59 Soviel ist Sax, JZ 1967, 229 (230), ohne weiteres zuzugeben. 60 Ungenau u n d einseitig Dolderer, S. 122, der die Meinungen als „Einschränkung oder Ergänzung" der §§ 273, 274 bezeichnet. Es handelt sich auch nicht n u r u m eine Lockerung oder Verstärkung der Beurkundungspflicht, wie Schneidewin, JR 1951, 488, glaubt. 61 Vgl. Glaser, H b I (1883), S. 455; Meves, G A 36 (1888), 320 (321); Gerland, L b (1927), S. 384, 387 Note 818; Rosenfeld t L b I I (1926), S. 38; RGSt 32, 315;

II. Die Rechtsnatur des § 25

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ten wird, erweitert § 255 den § 273 i n zweifacher Hinsicht. Aus dem Wortlaut „die Verlesung und i h r Grund" folgt, daß die Verlesung selbst und auch ihr Grund nur auf Antrag i m Protokoll erwähnt werden. Auch RGSt 32, 315 meint, daß „die Wortfassung der i n § 255 gegebenen Spezialvorschrift einer Unterscheidung zwischen der Verlesung und ihrem Grunde entgegensteht". Der nächste Satz liefert dann auch den Sinngehalt für diese Spezialvorschrift nach: „Dazu kommt, daß Verlesungen nach §§ 253, 254 StPO sich als ein bei der Vernehmung gemachter Vorhalt darstellen, während die Gründe, aus denen die Reichstagskommission i n § 232 des Entwurfs, jetzt § 273 StPO, die Bezeichnung der verlesenen Schriftstücke als Erfordernis des Protokolls eingeschaltet hat (Hahn, Materialien, S. 891, 892) regelmäßig da nicht zutreffen, wo die Verlesung nicht selbständiger A k t der Beweisaufnahme, sondern Bestandteil einer Vernehmung gewesen ist 6 2 ." Da § 253 kein Fall selbständigen Urkundenbeweises ist, w i r d die Protokollierung für die Teilverlesungen nach § 253 also erst neu eingeführt. Die überwiegende Auffassung 63 entscheidet jedoch die Bedeutung des § 253 und zwar als selbständigen und „echten" Urkundenbeweis vorab und kommt so zu einer Auslegung des § 255, der sein eindeutiger Wortlaut entgegensteht 64 . Die Notwendigkeit, die Verlesung i m Protokoll zu erwähnen, muß sich für diese Meinung bei einer vorherigen Festlegung als (selbständiger) Urkundenbeweis zwangsläufig schon aus § 273 ergeben. Das Neue und Wesentliche zu § 255 soll sein, daß i n den Fällen der §§ 253, 254 ausnahmsweise die Protokollierung des Grundes verlangt werde, der für die Erhebung des Urkundenbeweises maßgebend gewesen sei 65 » 66 .

R G J W 23, 49; Daude, StPO (1928), §255 Note 80: „da diese Verlesung n u r Bestandteil einer Vernehmung ist". 62 Ebenso R G G A 26 (1888), 319 (320). 63 Vgl. Gollwitzer, LR, § 253 A n m . 1 u n d § 255 A n m . 1 (so schon Löwe, 13. A u f l . (1913), A n m . zu §254 (jetzt 255); Niethammer, LR, 19. A u f l . (1934), zu § 255; Groth, (1937), S. 90); Alsberg, Beweisantrag, S. 218; Alsberg/Nüse, S. 293; Schneidewin, JR 1951, 488. 84 Ebenso Dolderer, S. 123, als Vertreter der h M . 85 Schneidewin, JR 1951, 488. U m die sprachliche K l i p p e w i l l er h e r u m k o m men, indem er meint, die Worte „die Verlesung u n d i h r Grund" hätten sprachlich nicht durch das „ u n d " nebeneinander gestellt werden sollen, so daß es so aussehe, als handle es sich u m zweierlei. I n W i r k l i c h k e i t enthalte der §255 n u r ein einziges Gebot, das klarer so ausgedrückt werden könnte: „ I n den Fällen der §§ 253 u n d 254 hat die Beurkundung der Verlesung i m Sitzungsprotokoll auf A n t r a g der S t A usw. unter Angabe des Grundes zu geschehen." Ob m a n aus einer klaren Vorschrift so einfach eine „unnütze Belastung" (S. 489) interpretieren kann, muß aber angezweifelt werden. 88

Daß § 255 bei dem m i t i h m verfolgten Zweck die Beurkundungspflicht nicht lockern, sondern verstärken wollte, Schneidewin, S. 488, glauben also alle. 9 Kuckuck

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2. Teil: Bedeutung der §§ 253, 254

Welchen Zweck der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 255 wirklich verfolgte, läßt sich i n erster Linie aus den Gesetzesmaterialien erschließen. c) Historische

Auslegung

I n den Motiven des Entwurfs 6 7 war eine entsprechende Protokollvorsorge i m Zusammenhang m i t § 253 noch nicht enthalten. Sie bemerken nur lakonisch, aber schwer begreiflich 68 , die Vorschrift des § 215 (jetzt § 253), nämlich die „Verlesung zur Unterstützung des Gedächtnisses oder zur Feststellung oder Hebung von Widersprüchen zuzulassen", könne „keinem begründeten Bedenken unterliegen" 6 9 . aa) Die erste Lesung I n der ersten Beratung der Reichstagskommission fand man dann jedoch soviel „begründete" Bedenken, daß der ganze § 214 (§ 253) ersatzlos gestrichen wurde 7 0 . Der Abgeordnete Volk befürchtete, daß m i t einer derartigen Bestimmung „erfahrungsgemäß die mündliche Verhandlung i n zahllosen Fällen todtgeschlagen werde" 7 1 und erklärte, „so werde die Haupt Verhandlung zu einer reinen Komödie gemacht und das Hauptgewicht i n die Voruntersuchung verlegt" 7 2 . Damit verhalf er dem Antrag Gneists zum Erfolg, der den ganzen § 214 entfernt wissen wollte, um der mündlichen Hauptverhandlung ihre Unmittelbarkeit und Selbständigkeit zu wahren 7 3 . bb) Die zweite Lesung I n der zweiten Lesung wollte man sich m i t dem totalen Verbot von Protokollverlesungen bei der Vernehmung dann doch nicht abfinden 74 . M i t beredten Worten stellten mehrere Sprecher der Kommission vor, die 67 Z u §§211-216 (heute 249-256), Hahn, Mat. I, S. 194 f., die den Motiven u n d Beschlüssen der v o m Bundesrat eingesetzten Kommission, S. 127 f., zu §§ 208 - 213 entsprechen. 68 Schneidewin, JR 1951, 481 (485). 69 Hahn, Mat. I, S. 196. § 214 lautete i n der ursprünglichen Fassung folgendermaßen: „ B e i der Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen kann das Protokoll über dessen frühere Vernehmung zur Unterstützung seines Gedächtnisses oder zur Feststellung oder zur Hebung von Widersprüchen verlesen werden" (Hahn, Mat. I, S. 30). 70 Hahn, Mat. I, S. 863 f., 868. 71 Hahn, Mat. I, S. 864. 72 Hahn, Mat. I, S. 865. Selbst Schneidewin, JR 51, 485, hält diese Vorwürfe zwar für „reichlich stark formuliert", i m „ K e r n der Sache" werde damit „aber ganz das Richtige getroffen". 73 Hahn, Mat. I, S. 863. 74 Vgl. Hahn, Mat. I I , S. 1343 - 1348.

II. Die Hechtsnatur des § 253

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Möglichkeit eines solchen Mißbrauchs dürfe nicht davon abhalten, eine Vorschrift zu erlassen, die i m Interesse der Strafrechtspflege dringend geboten erscheine 75 . Der Abgeordnete Lasker, auf dessen Formulierung die heutige Fassung des § 253 zurückgeht, räumte, wenn auch „ungerne" ein, daß man „hier an der Grenze des Prinzips angekommen" sei, daß unter Umständen Feststellungen, wie sie der § 253 i m Sinne habe, unentbehrlich seien 76 . Die Benutzung der Protokolle des Vorverfahrens müsse aber i n den richtigen Schranken gehalten werden 7 7 . Lasker verlangte deshalb eine Konstatierung „über die Verlesung und deren Grund i m Sitzungsprotokoll" — womit w i r auf die Anfänge des heutigen § 255 stoßen —, weil es sich u m eine sehr wesentliche Abweichung vom ordentlichen mündlichen Verfahren handele und weil die Grundlage dafür geschaffen werden müsse, einer mißbräuchlichen Ausdehnung der Befugnis durch das Rechtsmittel der Revision zu begegnen. Die Befürchtung, die Bestimmung des § 214 werde mißbraucht, sei „nicht ohne triftigen Grund" 7 8 . Welcher A r t die Abweichung vom sog. ordentlichen mündlichen Verfahren eigentlich sein sollte, erhellt aus seinen Ausführungen allerdings nicht klar. Den Ausdruck „Vorhalt" verwendet der Abgeordnete i m Gegensatz zu vielen anderen Rednern nicht. Einen vollen und selbständigen Urkundenbeweis schließt er — i n Übereinstimmung mit den eigenen bisherigen Erkenntnissen — jedoch eindeutig aus: Die Verlesungen sollen „Lücken der öffentlichen Verhandlung" nur insoweit „ausfüllen", als sie „zur Erzielung einer vollständigen und wahrheitsgetreuen Deposition des Zeugen unentbehrlich erscheinen". Diese Beschränkung ergibt vor allen Dingen auch der anschließende Satz: „Selbstverständlich dürfe die Verlesung nur als Anhalt für die mündliche Vorhandlung dienen, nicht diese ersetzen 79 ." Auch die nächste Äußerung zu den heutigen §§ 253, 255, diesmal vom Geh. Oberregierungsrat Hanauer, verschafft keine völlige Klarheit über 75 So der Abg. Struckmann zur Begründung seines Antrages, den § 214 (in geänderter Form) wieder aufzunehmen. Hahn, Mat. I I , S. 1343, vgl. auch Vizedirektor v. Beyerle, S. 1344 - 45, u n d Dr. Bähr, S. 1346, zu dessen Unterstützung. Andere traten dafür ein, die Fassung des Entwurfs wieder herzustellen. 78 Hahn, Mat. I I , S. 1343 - 1344. 77 S. 1344. 78 Abg. Lasker, Hahn, Mat. I I , S. 1344. Lasker schlug m i t seinem A n t r a g die Fassung des §214 vor, die dann wörtlich übereinstimmend dem §252 Abs. 1 u n d 2 der RStPO (heute §253) entspricht. Als Abs. 3 forderte er aber: „Die Verlesung u n d der G r u n d derselben sind i m Protokoll zu erwähnen." 79 Hahn, Mat. I I , S. 1344. Die mündliche Verhandlung werde dieses Charakters beraubt, w e n n der Richter, die Mühe eingehender Befragung scheuend, allzu rasch nach dem dargebotenen A u s k u n f t s m i t t e l greife. Solchen M i ß bräuchen w i l l Lasker m i t seiner Fassung schärfer entgegentreten „als die Fassung des Entwurfs".

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2. Teil: Bedeutung der §§ 253, 254

das Verhältnis des speziellen Protokollvermerks nach § 255 zum grundsätzlichen nach § 273 Abs. 1, wenn Hanauer ersucht, den Absatz 3 des Antrags Lasker nicht aufzunehmen, da dieser etwas Selbstverständliches aussage 80 . Der Abg. Dr. Bähr w i l l diese Formvorschrift dagegen bekämpfen, da sie den Richter i n empfindlichster Weise beengen u n d das Protok o l l überladen würde. E r drückt w o h l das allgemeine Empfinden u n d U n behagen der Kommission aus, wenn er erklärt, eine Grenze zwischen Verlesungen u n d kurzen Konstatierungen aus dem Protokoll sei oft gar nicht zu finden 81. Unter dem Eindruck dieser Befürchtungen bringt dann der Abg. Dr. Z i n n den A n t r a g ein, i n § 214 als 3. Absatz die Einschränkung „auf A n t r a g der Staatsanwaltschaft oder des Angeklagten" einzufügen. Abs. 3, der n u n vorsieht, „die Verlesung und der G r u n d derselben sind auf A n t r a g der Staatsanwaltschaft oder des Angeklagten i m Protokoll zu erwähnen" 8 2 , w i r d , insbesondere auf die Empfehlung des Abg. Dr. von Schwarze hin, daraufhin als erste Bestimmung angenommen 8 3 . Von Schwarze hatte zusammengefaßt, daß der Streit der Meinungen sich n u r darum drehte, i n welcher F o r m dem anerkannten Bedürfnisse genügt werden solle 8 4 . Diese Kennzeichnung t r i f f t den K e r n der Diskussion. M a n glaubte, auf den Aktenrückgriff i m Interesse der Sachaufklärung nicht ganz verzichten zu können. Daher hielt man die Verlesungen i n der F o r m des jetzigen § 253, die zumeist auch als „Vorhalte" bezeichnet w u r d e n 8 5 , f ü r unentbehrlich. Nach von Schwarze handelte es sich „hier geradezu u m eine Nothlage, i n welche der Richter i n E r f ü l l u n g seiner Aufgabe die materielle Wahrheit zu ergründen, gerathen könne" 8 6 . Wenn er fortfährt, i n solchen Fällen gebühre aber nicht so sehr dem Theoretiker 80 Hanauer, Hahn, Mat. I I , S. 1346, hält nämlich eine Konstatierung i m Protokoll für selbstverständlich, insofern es sich w i r k l i c h u m Verlesungen aus den A k t e n handele. Uber die A r t der Abweichung sagt auch er nichts, wenn er fortfährt, solche Abweichungen v o m gewöhnlichen Gange des Verfahrens seien wichtig genug, u m einer Konstatierung i m Sitzungsprotokoll zu bedürfen. 81 Hahn, Mat. I I , S. 1346. 82 Vgl. Hahn, Mat. I I , S. 1485. 83 Zur diplomatischen Reihenfolge der Abstimmungen vgl. Hahn, Mat. I I , S. 1347, 1348. Z u r Fassung des heutigen §255 i n einer eigenen Bestimmung (§ 215 a) k o m m t es nur, da es die Redaktionskommission entgegen den gefaßten Beschlüssen, Hahn, Mat. I I , S. 1348, versäumt hatte, den Abs. 3 auch auf § 215 (heute § 254) auszudehnen. Vgl. Hahn, Mat. I I , S. 1486. 84 Hahn, Mat. I I , S. 1347. 85 So ausdrücklich der Abg. Struckmann, Hahn, Mat. I I , S. 1343; Vizedirektor v. Beyerle, S. 1345, Oberregierungsrat Hanauer, S. 1346; Abg. von Forcade de Biaix, S. 1346, 1347; Abg. v. Schwarze, S. 1347. Auch die sonstigen Ausführungen zu § 253 gehen i n der Sache von Vorhalten aus. Von „Vorhalt" sprechen bei der ersten Lesung auch ausdrücklich die Abg. Herz, Hahn, Mat. I, S. 863; Reichensberger, S. 863; von Gneist, S. 863; von Arnsberg, S. 864, Volk, S. 865. 86 Hahn, Mat. I I , S. 1347, gegen von Gneist, S. 1345.

II. Die Rechtsnatur des § 25

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als dem Praktiker das Wort, so beweist das besonders augenfällig, daß man sich über den Zweck der Verlesungen bzw. der „Vorhalte" zwar Einigkeit verschafft hatte, daß man aber über die strafprozessuale W i r kung bzw. Natur der Verlesungen oder Vorhalte keine konkreten Vorstellungen hatte bzw. deren Wirkung vernachlässigte. Insgesamt hielt man wohl auch die Unterscheidung zwischen Vorhalten und Beweisaufnahme für praktisch undurchführbar 8 7 . cc) Folgerungen Daher ist mit der Erkenntnis, daß bei der Diskussion des § 253 vom „Vorhalt" ausgegangen wurde 8 8 , noch nicht allzuviel bewiesen 89 . Fest steht jedoch, daß eine Deutung des § 253 als selbständiger Urkundenbeweis ausscheidet. Der Gesetzgeber wollte verhindern, daß gegen den Willen des Zeugen oder Sachverständigen dessen Aussage aus den Akten verlesen w i r d 9 0 . Jeder Zeuge oder Sachverständige werde dadurch an die i n den Akten niedergelegte Formulierung seiner Aussage gebunden 90 . Die Meinung, die RGSt 20, 220 folgt, ist daher unhaltbar. I m Widerspruch zu den Erklärungen der Beweisperson darf das Gericht aus dem Protokoll keine Feststellungen treffen. Bei der ersten Lesung des § 252 RStPO (§ 253) zeigte es sich jedoch weiter, daß § 249 (§ 250) nicht nur den Grundsatz der Mündlichkeit i m formellen Sinne, sondern auch ein materielles Unmittelbarkeitsprinzip enthalten sollte. Man sah, daß insbesondere bei der Verlesung, u m W i dersprüche zu klären, frühere Aussagen über den Umweg der Vernehmungsprotokolle materiell Eingang finden könnten 9 1 . Daher wurde § 214 87 Deshalb erscheint der Ausdruck „ V o r h a l t " w o h l auch nicht i n den Gesetzesvorschlägen. Vgl. auch die oben erwähnte Befürchtung des Abg. Bahr (S. 132 Note 81). Wenn allerdings W. Ziegler, S. 33, glaubt, man habe die U n t e r scheidung als „unpraktisch erkannt", so unterstellt er zuviel gemeinsames Bewußtsein. Mißverständlich, da n u r unter den obigen Einschränkungen richtig, muß es auch sein, w e n n Schneidewin, JR 1951, 485, bemerkt, m a n gewönne aus den Kommissionsberatungen der zweiten Lesung den Eindruck, als habe man nicht richtig herausgefühlt, w o r u m es eigentlich ging. 88 Vgl. oben Note 85. N u r Hanauer, Hahn, Mat. I, S. 864, sah i n § 253 ausdrücklich die „Produktion eines Urkundenbeweises". 89 Unrichtig allerdings Krause, Ub, S. 188, der meint, die Gesetzesmaterialien könnten über die N a t u r des § 253 (überhaupt) keinen Aufschluß geben. aA auch Ziegler, S. 34 Note 71, für den die Materialien schon einen U r k u n d e n beweis k l a r ausschließen. 90 Vgl. die bemerkenswerten Ausführungen des Abg. von Gneist bei der ersten Beratung, Hahn, Mat. I, S. 863. Gegen eine Verwertung wider den W i l l e n der Beweisperson sprechen auch die verklausulierte Fassung der 2. L e sung u n d die Ausführungen dazu. 91 s. insb. die anschauliche Schilderung des Abg. Volk, Hahn, Mat. I, S. 865. von Gneist, Mat. I I , S. 1345, hielt den ersten Absatz für „weniger bedenklich" als den zweiten.

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2. Teil: Bedeutung der §§ 253, 254

(§ 253) bei der ersten Beratung gestrichen. Das beweist, daß „Ersetzung" auch die inhaltliche Ergänzung sein sollte, denn anders wäre § 253 kein Widerspruch dazu, da er ja vom gegenwärtigen Zeugen oder Sachverständigen ausgeht 92 . I n verklausulierter Form wurde § 253 jedoch i n der zweiten Lesung der Reichstagskommission wieder eingefügt. Aufgrund dieses Vorgangs erscheint eine inhaltliche Ergänzung der Aussage durch das Protokoll wieder möglich 93 , wegen der vorsorglichen Verklausulierungen aber nicht gerade geboten oder auch nur wahrscheinlich. Die Bezeichnungen der Verlesungen einerseits als Vorhalte und der Vorhalte wiederum als Nachhilfe für besondere Fälle 9 4 , u m die Auskunftsperson auf frühere Aussagen aufmerksam zu machen 95 und zur Erzielung einer vollständigen und wahrheitsgemäßen Deposition 96 , legen nahe, daß das Protokoll nicht selbst Beweisgrundlage neben der Aussage werden sollte. Davon geht auch der Bericht der Kommission aus, der klarstellt, man habe die Fassung des Entwurfs nur präzisieren wollen. Die Motive des Entwurfs bezeichnen aber ausdrücklich nur den § 211 (249) und einen Teil des § 215 (254) als Urkundenbeweis 97 . A u f der anderen Seite finden sich Kennzeichnungen der Verlesungen wie als Feststellungen 98 , u m die Richtigkeit eines mündlichen Vorhalts konstatieren zu lassen 99 , als Konstatierungen aus dem Protokoll selbst 100 , als Berücksichtigung der A k t e n 1 0 1 , die zeigen, wie unklar oder suspekt den Abgeordneten die Natur des Vorhalts war und die nicht ausschließen, daß die Vorhalte nicht nur als das „natürlichste M i t t e l " zur Glaubwürdigkeitsbeurteilung 1 0 2 , sondern auch zur inhaltlichen Ergänzung der Aussage dienen könnten 1 6 3 . Gerade auch die Angaben des Abg. Lasker decken 92

So auch W. Ziegler, S. 33. Diese Tatsache übersieht W. Ziegler, S. 33 - 34. 94 Abg. von Schwarze, Hahn, Mat. I I , S. 1347, i n seinem entscheidenden, unmittelbar vor der A b s t i m m u n g erfolgten Beitrag. I m Bericht der K o m m i s sion, Hahn, Mat. I I , S. 1562, heißt es dann „Aushilfe". 95 Abg. Struckmann, Hahn, Mat. I I , S. 1343, zur Stützung einer eigenen Gesetzesfassung. 96 Abg. Lasker, Hahn, Mat. I I , S. 1344. 97 Hahn, Mat. I, S. 194: „Der Urkundenbeweis ist durch Vorlegung u n d V o r lesung der Urkunde, des Schriftstücks, zu erheben. Hierauf bezieht sich der § 211 u n d ein T h e i l des § 215." 98 Abg. Lasker, Hahn, Mat. I I , S. 1344. 99 Vizedirektor von Beyerle, Mat. I I , S. 1345. 100 Oberregierungsrat Hanauer, S. 1346, u. Abg. v. Forcade de Biaix, S. 1347. 101 Abg. Bahr, S. 1346. 102 Vgl. die Ausführungen des Abg. Lasker, Hahn, Mat. I I , S. 1344: „Es gebe kein natürlicheres M i t t e l der A u f k l ä r u n g als die Verlesung der Stelle, welche die frühere Aussage bekunde." 103 Die gegenteilige Ansicht W. Zieglers, S. 33 Note 71, bleibt bloße Behaup93

II. Die Rechtsnatur des § 25

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auf, daß man als Gefahr für die „Unbefangenheit und Reinheit der Beweiserhebung" 1 0 4 viel mehr die Häufigkeit und den frühen Zeitpunkt von Verlesungen ansah 105 , der Frage nach dem beabsichtigten Beweiswert des Verlesenen aber wenig Aufmerksamkeit schenkte. Ob § 253 eine A r t des Urkundenbeweises erlaubt oder verbietet und gegebenenfalls welche, muß somit letztlich der Sinn und Zweck der Bestimmung i m Zusammenhang des Gesetzes ergeben 106 . Bei der Frage nach der ratio legis des § 253 ist grundsätzlich auch auf das Wesen des U r kundenbeweises einzugehen. d) Teleologische Auslegung: Kritik

der hM

Die Rückbesinnung auf den Sinn der Bestimmung i m Zusammenhang der §§ 249 f. beweist zunächst einmal, daß § 253 m i t den Grundprinzipien des § 250 unvereinbar wäre, sähe man i n i h m die Freigabe eines selbständigen Urkundenbeweises 107 . Gegen die Erklärungen des Zeugen oder Sachverständigen darf das Gericht aus dem Protokoll keine inhaltlichen Feststellungen treffen 1 0 8 . Das w i r d deutlich, führt man sich einmal die Konsequenzen i m anderen Falle vor Augen. Die Konsequenzen wären letztlich, daß § 250 nur noch gelten würde, sofern sich die Aussage der Wahrnehmungsperson i n der Hauptverhandlung m i t dem Inhalt ihrer protokollierten Aussage deckt 1 0 9 . Ergäben sich Inkongruenzen, so könnte das Gericht frei wählen, woran es sich halten wolle. Es könnte die Aussage einer Beweisperson i n der Hauptverhandlung einfach beiseiteschieben und sogar trotz Widersprechens und entgegenstehender Erklärungen den Inhalt des Verlesenen zur alleinigen Urteilsgrundlage machen 110 . Dem Sinn des Gesetzes dürfte damit aber kaum entsprochen sein. tung u n d Wunschdenken, da Ziegler k e i n genaues Zitat anführt, sondern n u r pauschal auf die S. 960 - 965 der Reichstagsprotokolle (S. 1343 - 1347 bei Hahn) verweist. 104 von Gneist, Hahn, Mat. I I , S. 1345, unter Verweis auf die diskretionäre Gewalt des Vorsitzenden als „notorisches Gebrechen des französischen Prozesses". los ] \ j u r i n diese Richtung zielt auch der Bericht der Kommission zu den §§ 214, 215, Hahn, Mat. I I , S. 1563. 106 „Höher als der Wortlaut des Gesetzes steht sein Sinn u n d Zweck", sagt zutreffend B G H Z 17, 276. 107 Unter einem selbständigen oder „echten" Urkundenbeweis w i r d hier w i e oben die Erlaubnis verstanden, Feststellungen hinsichtlich der Tatsache u n d Wahrheit früherer Bekundungen dem Protokoll auch dann zu entnehmen, wenn sich die Beweisperson i m gegenteiligen Sinne geäußert hat. 108 Richtig weist RGSt 36, 53 (54) zu §§ 69, 253 darauf hin, „daß das dem erkennenden Gericht vorgeführte Beweismittel doch immer n u r die mündliche Aussage des Zeugen ist". 109 So zu Recht auch Krause, Ub, S. 189. 110 Diese Konsequenzen werden auch nicht dadurch verhindert, sondern höchstens verdeckt, w e n n Sax, K M R , §253 A n m . 1, verlangt, zuerst müsse

136

2. Teil: Bedeutung der §§ 253, 254

Aus der Pflicht „von Amts wegen" die „Wahrheit" zu ergründen, folgt zwar, daß das Gericht grundsätzlich alle zur Verfügung stehenden Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts ausschöpfen muß. Die „Erforschung" hat sich „auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind", § 244 Abs. 2. Von dieser Pflicht zu vollständiger und wahrheitsgemäßer Erforschung darf das Gericht sich auch nicht durch äußere Erschwernisse und Unzulänglichkeiten abhalten lassen. aa) Die Grundsätze der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit Das Strafverfahren dient aber nicht nur dem Ziel, den Schuldigen zu überführen. Es soll auch Vorsorge dafür treffen, daß ein Unschuldiger freigesprochen wird. Daher setzt das Gesetz der Forschungstätigkeit des Gerichts Grenzen und schreibt Spielregeln vor, nach denen die forensische Ermittlung abläuft. Die Hauptverhandlung folgt heute den Grundsätzen der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit, m i t deren Einführung man, wie oben aufgezeigt, die schweren Mängel des Inquisitionsprozesses beseitigen wollte. Der Grundsatz der Mündlichkeit bedeutet, daß Urteilsgrundlage nur der mündlich vorgetragene und erörterte Verhandlungsstoff ist 1 1 1 . Die Hauptverhandlung steht unter dem Gesetz des gesprochenen Wortes 1 1 2 ' 1 1 3 . Das Gebot nach „Unmittelbarkeit" beschränkt die Form der Urteilsfindung durch das Gericht weiter. Der Grundsatz der Unmittelbarkeit vereinigt zwei verschiedene Gesichtspunkte. Einmal bedeutet er, daß das Gericht die zur Rekonstruktion des Sachverhalts benutzten Beweismittel selbst unmittelbar sinnlich wahrnehmen muß, § 261 114 . Als Prinzip der Form gilt er somit für die gesamte Hauptverhandlung. nach der zwingenden Vernehmungsvorschrift des § 69 der Zeugenbeweis durchgeführt werden, u n d erst, w e n n der Zeuge oder Sachverständige auf vergeblichen Vorhalt erkläre, sich nicht mehr erinnern zu können, käme der Urkundenbeweis nach §253 i n Betracht. Wie Sax auch Gollwitzer, LR, §253 A n m . 5. 111 Vgl. Eb. Schmidt, L k I, R n 429; Henkel, Lb, S. 487; Kern/Roxin, S. 223; Peters, Lb, S. 486; Krause, Ub, S. 129 f.; Lohr, S. 156 f.; Oetker y GS 105 (1935), 1 (4) alle m. w . N. 112 Peters, Lb, S. 486. 113 Wenn auch die StPO sich — anders als die ZPO i n § 128 Abs. 1 — zur „ M ü n d l i c h k e i t " nicht i n einer Grundsatzerklärung bekennt, so ergibt sich deren Anerkennung doch aus einer Reihe v o n Einzelvorschriften, insbesondere aus den §§ 261, 264 Abs. 1, die besagen, daß die Urteilsfindung auf dem Ergebnis „der Verhandlung" zu beruhen hat. Außerdem bedingen die §§ 226, 231, 239, 240, 243 f., 249 f., 265, 267 Abs. 2, daß der gesamte Prozeßstoff mündlich erörtert w i r d . 114 Vgl. Henkel, Lb, S. 328; Lohr, S. 39 f. (46); Eb. Schmidt, L k I, R n 444; Kern/Roxin, S. 223.

II. Die Rechtsnatur des § 25

137

Darüber hinaus beinhaltet der Grundsatz der Unmittelbarkeit wohl zumindest 1 1 5 das Gebot, daß das Gericht seine Uberzeugung von den zu vergegenwärtigenden Tatsachen aus der Quelle selbst schöpft, ohne also Beweissurrogate zu benutzen 116 . Das tatsächliche Beweismittel, deren „Benutzung" also „an die Klarstellung des Beweisthemas am nächsten heranführt" 1 1 7 , hat nach der hier vertretenen (angesichts § 244 Abs. 2) wohl auch herrschenden Auffassung den Vorrang 1 1 8 . § 250 S. 1 bestimmt grundlegend: „Beruht der Beweis einer Tatsache auf der Wahrnehmung einer Person, so ist diese i n der Hauptverhandlung zu vernehmen." Die Vernehmung von persönlichen Beweismitteln „darf" nach § 250 S. 2 „nicht durch Verlesung des über die frühere Vernehmung aufgenommenen Protokolls oder einer schriftlichen Erklärung ersetzt werden" 1 1 9 . Als Erfordernis unmittelbarer Beweisführung bezeichnet der Grundsatz damit ein Prinzip der Wahl des Beweismittels und w i r k t so auf die Gestaltung des Beweisverfahrens ein. Dem erkennenden Gericht ist es also nicht überlassen, seine Erforschungs- und Beweistätigkeit nach willkürlichen Erwägungen von Fall zu Fall frei zu gestalten. U m zu gewährleisten, daß das Gericht sich ein abgerundetes B i l d von dem Hergang einer Tat machen kann, soll es'einen lebendigen, unmittelbaren Eindruck von dem Angeklagten und allen Beweispersonen und Beweisgegenständen gewinnen. Das Urteil soll allein aufgrund der in der Hauptverhandlung gewonnenen Erkenntnisse gefunden werden. Die Grundsätze der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit sollen sicherstellen, daß der Richterspruch auch wirklich auf „dem Inbegriff der Verhandlung" beruht, § 261, und auch nur das „Ergebnis der Verhandlung darstellt", § 264 Abs. 1. Die Hauptverhandlung stellt daher eine neue, selbständige und objektive Veranschaulichung des Vorgangs dar, die grundsätzlich unabhängig ist von vorangegangenen Ermittlungen 1 2 0 . 115 Z u den unterschiedlichen Auffassungen zum Unmittelbarkeitsgrundsatz auch als Prinzip der W a h l vgl. Lohr, S. 37 - 38 u n d S. 46 f. Ferner Krause, Ub, S. 132 f.; Henkel, Lb, S. 37 f. Nach der einen Ansicht bedeutet der G r u n d satz der Unmittelbarkeit die Forderung nach unmittelbarer eigener W a h r nehmung der Beweismittel. Eine ältere Auffassung sieht darin die Forderung nach einer Beweisführung m i t H i l f e der tatnächsten Beweismittel. Nach einer d r i t t e n Meinung erstreckt sich der Grundsatz der U n m i t t e l b a r k e i t auf beide Forderungen, wobei auch i m einzelnen streitig bleibt, i n w i e w e i t der Zeuge v o m Hörensagen zulässig ist. 116 Kern!Roxin, S. 223; Henkel, Lb, S. 343. 117 Beling, Lb, S. 315. 118 Eb. Schmidt, L k I, R n 445; Peters, Lb, S. 267; Schäfer, LR, Einl., S. 154; Baumann, S. 46, 48; Zipf, S. 146,161. 119 Ersichtlich n u r Sarstedt, Revision, S. 191, verneint, daß Urkundenbeweis u n d Unmittelbarkeitsgrundsatz der Beweisaufnahme v e r k n ü p f t sind. Sedes materiae für den sog. Grundsatz der Unmittelbarkeit sei nicht § 250, sondern § 244 Abs. 2. Dagegen zu Recht Krause, Ub, S. 120 Note 120. 120 Peters, Lb, S. 481; Kern/Roxin, S. 207.

138

2. Teil: Bedeutung der §§ 253, 254 bb) Das System der StPO und die Widersprüche der h M

Ließe nun § 253 auch einen selbständigen Urkundenbeweis zu, ergäbe sich ein „wahrlich wundersames Ergebnis" 1 2 1 . § 250 würde zu einer bloßen Formvorschrift degradiert, deren einziger Sinn darin läge zu gewährleisten, daß das Gericht sich die Wahrnehmungsperson — von Beweisperson könnte man nicht mehr sprechen — in der Hauptverhandlung wenigstens selbst ansieht und anhört 1 2 2 . Die Ermittlungen des Vorverfahrens würden damit entgegen den Grundnormen der §§ 264, 261, 250 entscheidende Bedeutung für die Urteilsfindung gewinnen können. Die Rollen von vorbereitendem Verfahren und Hauptverhandlung wären verschoben. Das System der §§ 249 f. wäre praktisch gegenstandslos. I m Interesse der Wahrheitsermittlung liegt eine möglichst weitgehende Unmittelbarkeit 1 2 3 . Eine rigorose Durchführung des i n § 250 ausgesprochenen Grundsatzes könnte jedoch zu unerträglichen Beweisverlusten führen und der Sachaufklärung schädlich sein 1 2 4 . Daher darf die persönliche „Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen'oder Mitbeschuldigten" 1 2 5 i n der Hauptverhandlung i n den genau umgrenzten (Ausnahme-)Fällen des § 251 Abs. 1 und 2 1 2 6 durch die „Verlesung der Niederschriften über seine f r ü h e r e . . . Vernehmung ersetzt werden", § 251 Abs. 1 S. 1. Als grundsätzlich voller Ersatz der i n der Hauptverhandlung nicht stattfindenden Vernehmung soll ebenso wie i n § 256 127 der ausnahmsweise zugelassene Protokollbeweis 1 2 8 an die Stelle des ordentlichen unmittelbaren Beweismittels treten dürfen. 121

So die berechtigte Verwunderung Krauses, Ub, S. 189. So auch Krause, Ub, S. 189; Lohr, S. 145. 123 Vgl. dazu RGSt 67, 354 u n d unten S. 232 f. 124 s. Eb. Schmidt, L k I I , § 251 A n m . 1. Eine sehr gute Übersicht über die i m Raum stehenden Interessen geben auch Schneidewin, JR 1951, 481 (483 f.), u n d Krause, Ub, S. 141 f. 125 A u f den Angeklagten t r i f f t also die Bestimmung nicht zu. F ü r i h n gelten die §§ 232 Abs. 3, 233 Abs. 3. 128 Die Praxis hat i m Laufe der Fortentwicklung der StPO eine i m m e r w e i tere Zulassung des mittelbaren Beweises durchgesetzt. Der Gedankengang des § 251 Abs. 1 Nr. 1 - 3 w u r d e durch die V O v o m 29. 5. 1943 (RGBl I S. 342) m i t der Schaffung des Abs. 3 u n d v o r allem der Nr. 4 des ersten Absatzes empfindlich gestört. Vgl. dazu Kohlhaas, N J W 1954, 536 f.; Eb. Schmidt, L k I I , §251 A n m . 2 f.; Schneidewin, JR 1951, 484. V o r der Novelle von 1943 waren n u r richterliche Vernehmungsprotokolle zugelassen! Der bis dahin geltende Abs. 2 ließ eine Verlesung n u r zu, w e n n die Vernehmung nach Eröffnung des Hauptverfahrens nach § 233 oder w e n n sie i m Vorverfahren unter Beachtung des § 193 stattgefunden hatte. 127 Ob das Beweissurrogat i m Einzelfall auch tatsächlich genügt, ist auch hier nach § 244 Abs. 2 zu entscheiden. Dazu unten S. 226, 236. 128 Nach Abs. 2 dürfen bei w i r k l i c h e r Unmöglichkeit der persönlichen V e r 122

II. Die Rechtsnatur des § 25

139

I n § 253 dagegen w i r d die Protokollverlesung i n eine genaue Beziehung zum anwesenden Zeugen oder Sachverständigen gesetzt; vom Mitbeschuldigten ist nicht mehr die Rede. Diese Abstufungen wären ganz gleichgültig, gestattete § 253 genau wie § 251 einen vollen und selbständigen Urkundenbeweis. Eine inhaltliche Protokollverwertung gegen und ohne eine entsprechende Äußerung der Beweisperson käme einer „Ersetzung" wie i n § 251 gleich 1 2 9 . Die Vorsorgen des § 251 und des § 250 w ü r den gleichermaßen ausgehöhlt, i n Mißachtung der gesetzlichen Voraussetzungen 130 und i n Umkehr der gesetzlichen Regelung wäre die inhaltliche Beweismittelersetzung des § 251 unter Mißachtung der i n § 253 aufgestellten engen Beschränkungen zur Regel erhoben 131 , sobald das Gericht es wünschte. Da der Zeuge oder Sachverständige i m Falle des § 253 aber i n der Hauptverhandlung zugegen ist, diese „Hauptverhandlung" das Ereignis aber ganz neu rekonstruieren soll, kann dessen entgegenstehende Aussage für die Urteilsfindung nicht einfach unbeachtlich sein. Damit wäre auch die i n § 251 noch peinlich genau eingehaltene Unterscheidung zwischen richterlichen und nichtrichterlichen Vernehmungsniederschriften weitgehend hinfällig. Denn ein Ersatz der persönlichen Vernehmung ist nach Abs. 1 unter sehr viel weitergehenden Voraussetzungen zulässig als dies nach Abs 2 für nichtrichterliche Protokolle oder sonstige schriftliche Erklärungen erlaubt wird. Während Niederschriften über richterliche Vernehmungen auch bei einer bloßen, nicht unüberwindlichen Erschwerung des persönlichen Erscheinens (Krankheit, Gebrechlichkeit, Unerreichbarkeit, Unzumutbarkeit der Anreise oder ein sonstiges Hindernis; i n den Fällen des Abs. 1 Ziffer 2 und 3 ist also die nochmalige Vernehmung des Zeugen möglich und kann jederzeit wiederholt werden) verlesen werden können, gilt dies für nichtrichterliche Protokolle nur bei Fällen der tatsächlichen Unmöglichkeit der persönlichen Vernehmung (Tod, wirkliche Unerreichbarkeit) 1 3 2 . Das Gesetz mißt also richterlichen Protokollen eine größere Zuverlässigkeit bei und bringt ihrem Inhalt größeres Vertrauen entgegen als etwa polizeilichen 133 . § 253 nehmung auch persönliche schriftliche Äußerungen der Auskunftspersonen verlesen werden. 129 F ü r Eb. Schmidt, Nachträge I, §253 Rn. 1, ist es „unbegreiflich, daß § 253, der i m deutlichen Gegensatz zu § 251 nichts von einer „Ersetzung" der Vernehmung durch Urkundenverlesung weiß, gerade i n diesem Sinne soll verstanden werden können". 130 Die kasuistische Aufzählung der Voraussetzungen läßt n u r den Schluß zu, daß die Ersetzung auf die v o m Gesetz benannten Fälle beschränkt bleiben soll. Vgl. auch Alsberg/Nüse, S. 311. 131 Das gilt zumindest für den F a l l des Widerspruchs, w o h l aber auch f ü r den F a l l des Sich-Nichterinnerns. 132 Z u r Auslegung des §251 Abs. 2 i m einzelnen vgl. Alsberg/Nüse, S. 335 m. w. N. 133 So ausdrücklich RGSt 24, 94 (95); 67, 253 (255); B G H 3 StR 629/54; Gollwitzer, LR, §251 A n m . I I I 1, f ü r die Ansicht aller. Kritisch Redecker, Diss., S. 106 f.

140

2. Teil: Bedeutung der §§ 253, 254

ermöglicht aber unzweifelhaft — i m Gegensatz zum § 254 — wie § 251 Abs. 2 auch die Verlesung „über eine andere (d.h.: nichtrichterliche) Vernehmung" 1 3 4 . Wäre also die Ansicht der h M richtig, so könnte diesen Abstufungen entgegen das Gericht den Inhalt eines — nach dem Gesetz minderwertigeren — polizeilichen Protokolls seiner Urteilsfindung i n gleicher Weise zugrunde legen wie den eines richterlichen. Sieht man i n § 253 dagegen bloß einen „Vorhalt" — was immer er beweisrechtlich darstellt — so entfallen diese Ungereimtheiten und § 253 läßt sich durchaus sinnvoll i n den Zusammenhang des Gesetzes einordnen 1 3 4 . Für die Aufgabe der h M und gegen die Annahme, § 253 gestatte einen selbständigen, vollen Urkundenbeweis, sprechen klar die eng und genau bezeichneten Zwecke der nur teilweisen Protokollverlesung 1 3 5 . § 253 soll dazu beitragen, daß die jetzige Aussage der Auskunftsperson vollständig und wahrheitsgetreu erfolgt. Die Verlesung dient damit nicht primär der Überzeugungsbildung des Gerichts, wie es grundsätzlich dem Zweck und der Funktion einer Verlesung als (selbständigem) Urkundenbeweis entspricht, sondern wendet sich i n erster Linie an den Zeugen oder Sachverständigen zur Auffrischung seines Gedächtnisses und zur Klärung von Widersprüchen 136 . Dieser engen Zweckbestimmung entspricht es auch, daß nur der Teil der Niederschrift verlesen werden darf, der sich auf die Erinnerungslücke der Aussageperson bezieht oder der jetzigen Bekundung widerspricht. Wäre es anders, handelte es sich nicht nur u m einen „Vorhalt", so wäre wenig einsichtig, wieso eine Verlesung zum vollen Urkundenbeweis sollte stattfinden dürfen, wenn die Aussageperson erklärt, sich einer Tatsache nicht mehr zu erinnern, nicht aber, wenn sie sich an den gesamten Vorgang nicht mehr erinnern konnte 1 3 7 . Der Funktion eines selbständigen Urkundenbeweises würde es auch widersprechen, könnte nach dem Ermessen des Zeugen oder Sachverständigen zum einen 1 3 8 und des Vorsitzenden zum anderen 139 eine ein134 Darauf weist die Gegenmeinung zu Recht hin. Vgl. Krause, Ub, S. 190; Eb. Schmidt, L k I I , § 253 A n m . 4. 135 Vgl. Krause, Ub, S. 190; Lohr, S. 145. 136 s. Eb. Schmidt, L k I I , § 253 A n m . 6, 8 u n d 9. 137 Unrichtig, da contra legem, daher RGRspr 6, 210 (211). 138 Eine Uberprüfung der E r k l ä r u n g des Zeugen oder Sachverständigen auf ihre Richtigkeit muß nicht erfolgen. Wie sollte sein Gedächtnis i n einer H a u p t verhandlung, die oft erst sehr lange nach der angeklagten Tat stattfindet, auch kontrolliert werden können? 139 I m Gegensatz zu § 251, w o eine Ersatzverlesung stattfinden „darf", w e n n § 244 A n m . 2 i h r nicht entgegensteht, „ k a n n " die Verlesung nach § 253 ohne diese Einschränkung stattfinden. I m m e r ist aber das diesfällige Ermessen des Vorsitzenden durch die Beziehung auf die Aussage der Auskunftsperson beschränkt. Mißverständlich daher Krause, Ub, S. 190, u n d Lohr, S. 145.

II. Die

echtsnatur des § 25

141

zelne Stelle aus dem Protokoll zur Urteils-Unterbreitung herausgegriffen werden, letztlich die Auskunfts- bzw. Vernehmungsperson also über die A r t des Beweises, ob Personal- oder Protokollbeweis, entscheiden. Überdies böte die Verlesung lediglich eines Urkundenfragments keine Gewähr dafür, daß den Prozeßbeteiligten auch ein nachvollziehbarer gedanklicher Inhalt vermittelt würde. Die Mitteilung eines bloßen gedanklichen Fragmentes kann sie nicht von dem Bestehen und der Richtigkeit eines vollen inhaltlichen Gedankengangs überzeugen wollen. Diese Tatsache bleibt auch der h M nicht verborgen. Anstatt aber i h r Verständnis von § 253 als vollem Urkundenbeweis kritisch zu überprüfen, verlangt sie entgegen dem genauen Wortlaut und den gesetzgeberischen Intentionen eine Ausweitung der Verlesung, bis ein „Verständnis der (verlesenen!) Aussage" möglich ist 1 4 0 . Unter Umständen soll es sich danach sogar als notwendig erweisen, die ganze Aussage zu verlesen 141 . e) Vorhalt und Beweisergänzung:

Kritik

der aufkommenden

Meinung

Nicht ausgeschlossen werden kann jedoch durch die bisherigen Untersuchungen, daß § 253 materiell neben der Auskunftsperson irgendeine A r t von Teil-Beweis erbringen kann. Von einer Beweismittel-„Ersetzung" kann nicht ohne weiteres die Rede sein, wenn das Gericht das Verlesene vergleichend, unterstützend und ergänzend zur Überzeugungsbildung heranzieht 1 4 2 . Eine solche hilfsweise Beweisunterstützung käme etwa i n Betracht, wenn sich der Zeuge oder Sachverständige nach der Verlesung des Teilprotokolls auf dessen Inhalt bezieht, erklärt, es habe sich wie vorgelesen zugetragen und sich über den Sinn und den Grund einer Abweichung äußert oder auch nur die Möglichkeit einräumt, das Geschehen könnte sich wie vorgehalten abgespielt haben. Die Teilverlesung könnte bei einem solchen Zugeständnis dann noch einen anderen, inhaltlich größeren Beweiswert haben als wenn die Auskunftsperson zwar zugibt, das dort Protokollierte einmal bekundet zu haben, sich materiell aber nicht einmal als bloße Wahrscheinlichkeit auf dessen Inhalt beziehen w i l l . Aber auch i n einem solchen Falle, u. U. sogar, wenn der Zeuge oder Sachverständige nicht zugibt, das gesagt zu 140 So Gollwitzer, LR, § 253 A n m . 5. Ebenso Alsberg/Nüse, S. 345: „Den U m fang der Verlesung bestimmt i h r Zweck". 141 Gollwitzer i m Anschluß an RGSt 57, 377 (378). 142 Eine solche Beweiswürdigung schließt auch RGSt 1, 409 (413) nicht ausdrücklich aus, wenn es erklärt, daß es sich bei § 253 „ u m einen A k t der Beweisaufnahme an Stelle der unmittelbaren Vernehmung des Zeugen überhaupt nicht handelt, sondern gerade die unmittelbare Vernehmung dadurch vorbereitet u n d i n ihren Ergebnissen befördert werden soll". Desgleichen läßt etwa von Schwarzes Kennzeichnung, vgl. Comm., § 252 (253) Anm. 3, als „Notbehelf" eine solche Deutung zu.

142

2. Teil: Bedeutung der §§ 253, 254

haben, was i m Protokoll steht, muß die Verlesung nach § 253 nicht bedeutungslos sein. Das Gericht könnte daraus möglicherweise entnehmen, daß ein Widerspruch m i t der früheren Aussage bestehen könnte und daraus gegebenenfalls Konsequenzen für die Bewertung der Glaubwürdigkeit der jetzigen Aussage ziehen. So könnte das Gericht immer aus der A r t der Erinnerungsschwierigkeiten oder angeblicher Widersprüche und damit auch über die Brücke der jetzigen Zeugenaussage Schlüsse auf die Richtigkeit der Bekundung i n der Hauptverhandlung ableiten oder auch nur, genereller, auf die Erinnerungsfähigkeit und die Glaubwürdigkeit der Auskunftsperson überhaupt. Diese A r t der „Beweiswürdigung" 1 4 3 gestatten Eb. Schmidt 1 4 3 und, ihm folgend, Krause und Lohr, ohne allerdings zu merken 1 4 4 bzw. zuzugeben 1 4 5 , i n welchen weitreichenden Widerspruch sie sich damit manövrieren. Zum einen sehen sie i n § 253 ausdrücklich die Bedeutung eines Vorhalts. „Entsprechend dem rechtlichen Wesen des Vorhalts als Vernehmungsbehelf" bleibe danach „allein die Aussage der vernommenen Person maßgeblich für die Urteilsfindung" 1 4 6 . Denn der Vorhalt soll ja, wie geschildert, nach einmütiger Ansicht keinen Urkundenbeweis erbringen. Er soll überhaupt kein Beweismittel sein 1 4 7 . Eine Trennung zum freien Vorhalt w i r d nicht getroffen, i m Gegenteil, der besondere Zweck des § 253 soll darin bestehen, i n einer ganz besonders wichtigen Situation eine Form des Vorhalts zuzulassen, die sonst dem Urkundenbeweis vorbehalten sei 1 4 8 . Beide Arten von Vorhalten, der frei formulierte und der Verlesungsvorhalt, werden also i n ihrer Natur und Funktion als identisch hingestellt. Zum Verständnis des Vorhalts nach § 253 w i r d auf das zum freien Vorhalt Gesagte verwiesen 1 4 9 . Gerade 143

So ausdrücklich Eb. Schmidt, L k I I , § 253 Anm. 9. Vgl. Eb. Schmidt, L k I I , § 253 A n m . 9; Lohr, S. 146; ebenso Sarstedt, Revision, S. 198 Note 22 am Ende. 145 Vgl. Krause, Ub, S. 191, der ausdrücklich die diesbezügliche K r i t i k Geiers, LR, 21. Aufl., § 253 A n m . 1, an der Auffassung Schmidts erwähnt, sich aber nicht inhaltlich m i t i h r auseinandersetzt. Vielleicht spürt Krause, daß die Folgen für seine Lehre v o m Urkundenbeweis u n d Vorhalt u n k o n trollierbar geworden wären. 146 Eb. Schmidt, L k I I , § 253 A n m . 9. Ebenso Krause, Ub, S. 191, u n d Lohr, S. 146. 147 s. statt aller n u r Krause, Ub, S. 183. I m übrigen vgl. oben S. 91. Krause versteht aber zu Unrecht, s. oben S. 110 Note 110, die prozessuale N a t u r des Vorhalts i m m e r „lediglich als Frage". 148 Eb. Schmidt, L k I I , § 253 A n m . 10. Das wörtliche Vorlesen erscheine dem § 253 als unverfänglich, w e i l j a nicht die „ U r k u n d e " i m Sinne des § 249 „ v e r lesen" werde (das würde i m m e r das Verlesen des Ganzen erfordern). A l l e i n i n der besonderen F o r m sehen auch Krause, Ub, S. 193, u n d Lohr, S. 146, den eigenständigen Gehalt des § 253. 144

149

Eb. Schmidt, § 253 Anm. 10, verweist auf seine Anm. 7, 8 zu § 250.

II. Die

echtsnatur des § 25

143

die Existenz des § 253 sei nur eine Bestätigung dafür, daß das von ihnen an anderer Stelle zu Form und A r t des „Vorhalts" Gesagte der Auffassung des Gesetzes entspreche 150 . aa) Z u Eb. Schmidt Ohne aber ein Abgehen von den allgemeinen Grundsätzen zum Vorhalt zu bemerken und ohne klarzustellen, ob damit nicht doch das Vorgelesene Bedeutung für die Urteilsfindung gewinnt, soll aber nach Eb. Schmidt „durch die Maßnahme des § 253 die dieser Aussage gegenüber erforderliche Beweiswürdigung vielleicht beeinflußt werden" 1 5 1 . A u f grund des Vorgelesenen möge das Gericht Anlaß haben, der Beweisperson, die dabei bleibe, sich nicht zu erinnern, das nicht zu glauben. Es könne dann so sein, daß das Gericht zu der Annahme kommen muß, der Zeuge wisse sehr wohl noch u m jenen Umstand. Dann soll nach Eb. Schmidts These das Gericht „aus der damit i n ganz bestimmter Beziehung festgestellten Unrichtigkeit der Aussage auf das Gegebensein jenes Umstandes möglicherweise schließen dürfen" 1 5 2 . Es sei aber umgekehrt auch sehr „ w o h l möglich", daß das Verhalten des Zeugen zu dem Schluß führe, die Protokollierung sei fehlerhaft. Die Lage der Beweiswürdigung bezüglich der i n der Hauptverhandlung gemachten Aussage könne sich ganz entsprechend gestalten bei hervorgetretenem, aber nicht behobenem Widerspruch 1 5 3 . Entgegen Eb. Schmidts Bemerkungen w i r d damit aber doch i n Wahrheit das Protokoll selbst und nicht nur die dadurch hervorgerufene Aussage der Beweisperson zumindest teilweise zur Urteilsgrundlage, denn erst die Tatsache und der Inhalt des Verlesenen bringt doch das Gericht zu der Uberzeugung, dem sich nicht erinnernden Zeugen nicht zu glauben. Die Beweiswürdigung w i r d doch, wie er selbst einräumt, „durch die Maßnahme des § 253 beeinflußt" 1 5 4 , wenn das Gericht sich nicht mehr Ä h n l i c h Krause, Ub, S. 191: „ w i e bereits aufgezeigt worden ist". Lohr, S. 146: „Entsprechend dem rechtlichen Wesen des Vorhalts . . . " 150 Eb. Schmidt, L k I I , § 253 A n m . 10. 151 § 253 A n m . 9 (Umstellung v o m Verf.). Sein eigenes Unbehagen an dem Ganzen w i r d durch das eingeschobene „Vielleicht" deutlich. Seine vorangehende Bekräftigung „daran ändert nichts die Tatsache" macht seine Aussage nicht beweiskräftiger. 152 Vgl. § 253 A n m . 9. 153 § 253 A n m . 9 am Ende. Eb. Schmidt geht damit i m Ergebnis weiter als etwa Peters, 46. DJT, S. 91 (145), der die Verlesung n u r zulassen w i l l , u m die Zeugenaussage auf ihre „ H a l t b a r k e i t u n d Glaubwürdigkeit" zu überprüfen. Peters spricht jedoch deutlich aus, daß so der Urkundenbeweis neben den Personalbeweis trete. 154 Ebenso w i e hier Geier, LR, 21, § 253 A n m . 1 (s. oben S. 142 Note 145), der Eb. Schmidt v o r w i r f t , durch diese A r t der Beweiserhebung sei i n Wahrheit die W i r k u n g des Vorhalts eben doch nicht darauf beschränkt, n u r die A n t w o r t

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2. Teil: Bedeutung der §§ 253, 254

auf die „nunmehrige Aussage" stützen muß, sondern — zugegeben auch aufgrund des jetzigen Zeugenverhaltens — „auf das Gegebensein jenes (verlesenen!) Umstandes schließen" darf. I n Wirklichkeit macht doch i n erster Linie nicht erst das Verhalten der Beweisperson, sondern primär und „maßgebend" die Protokollverlesung möglich, daß die „Unrichtigkeit der (jetzigen) Aussage i n ganz bestimmter Beziehung festgestellt" (!) wird. Denn ein neutrales „Daran kann ich mich heute nicht mehr erinnern" kann dem Gericht wohl schlecht die Kenntnis vom „Gegebensein (und Aussehen!) jenes Umstandes" vermitteln. Noch deutlicher w i r d die Beweisfunktion der Teilverlesung „bei hervorgetretenem Widerspruch". bb) Zu Lohr und Krause Ohne die Unterscheidung wahrzunehmen, w i l l Lohr „Schlüsse auf die Richtigkeit" einer Aussage i n der Hauptverhandlung beim freien Vorhalt „allein aus dem Verhalten der Vernehmungsperson auf den Vorhalt hin, also auch aus Widersprüchen oder ihrem Bestreiten" zulassen 155 . Beim Vorhalt des § 253 dagegen soll das Gericht die gleichen Schlüsse schon „aus der A r t der Erinnerungsschwierigkeiten oder aus festgestellten Widersprüchen" ziehen dürfen 1 5 6 . Lohr übersieht dabei eines. Erst nachdem die Widersprüche durch Verlesen „festgestellt" sind, erst nachdem die Existenz einer entsprechenden Niederschrift bewiesen ist, w i r d doch das Gericht i n die Lage gebracht, die jetzige Aussage zu beurteilen. Damit stützt sich das Gericht i n Wahrheit aber nicht mehr „allein auf die nunmehrigen, auf die Verlesung hin abgegebenen Erklärungen", wie Lohr i m vorangehenden Satz noch eindeutig verlangt 1 5 7 . Das letztere fordert auch Krause. Wie Krause aber zugesteht, „weiß ab jetzt" das Gericht aufgrund der Teil Verlesung, „daß ein Widerspruch m i t der früheren Aussage besteht" 1 5 8 . Wenn auch Krause, anders als Eb. Schmidt, den Beweiswert des Verlesens auf Schlüsse beschränken w i l l , u m die Glaubwürdigkeit der jetzigen Aussage zu bewerten 1 5 9 , kommt der Auskunftsperson zur möglichen Beweisgrundlage zu machen. Die K r i t i k Geiers ü b e r n i m m t auch Gollwitzer, LR, § 253 A n m . 1 (S. 1371 Mitte). 155 S. 129. 156 S. 146. 157 Vgl. S. 146. 158 Ub, S. 191. 159 Komme es darauf an, den Widerspruch „inhaltlich aufzuklären", soll das Gericht den Vernehmungsbeamten als Zeugen hören müssen u n d sich dann entscheiden, welchen Sachverhalt es f ü r gegeben ansieht, Krause, Ub, S. 191 (sein Verweis i n Note 293 auf Eb. Schmidt, L k I I , § 253 A n m . 9, ist jedoch u n zutreffend). I m Ergebnis w i e Krause w o h l auch Lohr, S. 146, u n d W. Ziegler, S. 60 Note 103.

II. Die Rechtsnatur des § 25

145

dem Protokoll damit doch klar eine bestimmte, wenn auch engere Beweisfunktion zu 1 6 0 . I m Endeffekt kann es durchaus auf ein und dasselbe Ergebnis hinauslaufen, ob das Gericht sich, was verboten sein soll 1 6 1 , über eine jetzige Erklärung „hinwegsetzt" und einem verlesenen Teilinhalt Glauben schenkt oder aber, was erlaubt sein soll, die jetzige Aussage ignoriert und so, wenn auch auf anderen Wegen, zu dem gleichen Ziel gelangt. Folglich gibt es bei näherem Hinsehen heute augenscheinlich niemanden, der den Verlesungen nach § 253 nicht irgendeine A r t von Beweisfunktion beimißt 1 6 2 . Offen bleibt nach allem noch, welche A r t Beweis die Gegenmeinung u m E. Schmidt i n den Teilverlesungen nach § 253 eigentlich sieht. Damit ergibt sich die Notwendigkeit, grundsätzlich auf das Wesen des Urkundenbeweises einzugehen. f) Urkundenbeweis

und Beweisergänzung:

Wesensbestimmung

„Urkunden" sind Schriftstücke jeglicher A r t , die einen Gedankeninhalt verkörpern 1 6 3 . Jedes als Beweismittel dienende Schriftstück stellt strafprozessual eine Urkunde dar 1 6 4 . Die Urkunde w i r k t durch ihren Gedankeninhalt. Daher bestimmt § 249 S. 1 grundlegend: „Urkunden werden i n der Hauptverhandlung verlesen 1 6 5 ." Das Verlesen ist also die vorgeschriebene Form des Urkundenbeweises. Dessen Form w i r d geregelt i n § 249, dessen Zulässigkeit i n §§ 250 f. Von der Frage seiner Zulässigkeit ist also zu trennen die Frage nach der Methode seiner Durchführung und, da Urkunden grundsätzlich 160

Auch eine Verwertung der Aussage zum Beweis der Glaubwürdigkeit ist doch eine Verwertung der Aussage zu Beweiszwecken. So auch Gollwitzer, LR, § 253 A n m . 5. 161 Vgl. Lohr, S. 146. 182 Die auf S. 119 Note 15 noch zu der Gegenmeinung aufgezählten Autoren, die § 253 als Vorhalt ansehen, verweisen auf Eb. Schmidt bzw. Krause, ohne sich von deren Beweiswürdigung zu distanzieren. 163 Vgl. Gollwitzer, LR, § 249 A n m . 3; Alsberg/Nüse, S. 269. 184 Die Formulierung i n § 249 S. 1 „ U r k u n d e n u n d andere als Beweismittel dienende Schriftstücke" ist tautologisch. Genauer spricht § 273 Abs. 1 n u r von „verlesenen Schriftstücken" = Urkunden. Vgl. Kern/Roxin, S. 139; Krause, Ub, S. 112. Der strafprozessuale Urkundenbegriff ist also einerseits weiter als der materiellrechtliche des § 267 StGB, als es auf die Erkennbarkeit des A u s stellers grds. nicht ankommt. Er ist andererseits aber enger, als n u r Schriftstücke, keine Beweiszeichen, „verlesen" werden können. Vgl. auch ν . Hippel, Lb, S. 434 f.; Henkel, Lb, S. 277; Krause, Ub, S. 104 f. 165 § 249 S. 1 bestätigt damit ganz allgemein den Mündlichkeitsgrundsatz i n der Hauptverhandlung. Indem die Urkunde durch das Verlesen auch „ u n mittelbar" sinnlich wahrgenommen werden muß, w a h r t § 249 S. 1 auch den Unmittelbarkeitsgrundsatz für den Urkundenbeweis. Vgl. Eb. Schmidt, L k I, Rn 446; Krause, Ub, S. 113 f. 10 Kuckuck

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2. Teil: Bedeutung der §§ 253, 254

verwertbare Beweismittel darstellen, dem Beweiswert dessen, was sich aus dem gedanklichen Inhalt der Urkunde ergibt 1 6 6 . aa) Urkundenbeweis als Urkundenverwertung Diese Trennung hält nun Krause nichtgenügend auseinander, wenn er erklärt, daß „Urkundenbeweis" diejenige Beweisform sei, bei der i n der Hauptverhandlung zu Beweiszwecken ein Schriftstück verlesen werwerde 1 6 7 . Unbestritten kann nämlich ein Urkundeninhalt auch anders als durch Verlesung auf die Überzeugung einwirken, so wenn der Vorsitzende seinen Gedankeninhalt „referiert" oder „konstatiert" 1 6 8 . Krause verkennt also, daß das Gesetz (nur) bestimmen w i l l , daß die Verlesung des Schriftstücks die vorgeschriebene Methode ist, u m dessen Gedankeninhalt auch zur Kenntnis aller Prozeßbeteiligten zu bringen 1 6 9 . Der Urkundenbeweis besteht also generell darin, den gedanklichen Inhalt eines (verlesbaren) Schriftstücks für Beweiszwecke zu verwerten 1 7 0 . Dazu ist die „Verlesung" zwar die korrekte Urkundenbeweisführung. Die Verwertung eines Urkundeninhalts etwa durch Vorlegung und Einsichtnahme des Gerichts schließt damit aber noch nicht einen Urkundenbeweis ganz aus 1 7 1 . Die so gehandhabte inhaltliche Urkundenverwertung bleibt Urkundenbeweis, wenn auch, was entscheidend ist, ein unzulässiger 1 7 2 . Wollte man i n jedem Falle einer gesetzwidrigen Urkundenbenutzung einen Urkundenbeweis und damit den Regelungsbereich der §§ 249 f. von vornherein ausschließen, wäre eine revisionsrichterliche Kontrolle von Gesetzesverletzungen hinsichtlich des Urkundenbeweises ganz unmöglich 1 7 3 . bb) Beweismittelersetzung und Beweismittelergänzung Eb. Schmidt 1 7 4 sowohl wie Krause 1 7 5 und L o h r 1 7 6 gehen bei der Auslegung der §§ 253, 249 von der Erkenntnis aus, daß Urkundenbeweisfüh166

Eb. Schmidt, L k I I , § 249 A n m . 1. So resümiert Krause, Ub, auf S. 145 seine vorangehenden Untersuchungen zum Urkundenbeweis i m Strafprozeß. 168 Beispiele dazu bringt Eb. Schmidt, L k I I , § 249 A n m . 19. 169 Besonders deutlich Eb. Schmidt, L k I I , § 249 A n m . 19. 170 hM, vgl. Eb. Schmidt, § 249 A n m . 1; Alsberg/Nüse, S. 268; Gollwitzer, LR, § 249 A n m . 3, 4; v. Kries, L b , S. 412; Beling, Lb, S. 311; v. Hippel, Lb, S. 434. 171 Vgl. Gollwitzer, LR, §249 Anm. 10; RGRspr 3, 259 (261) u n d R G Recht 1910 Nr. 816; Krause, Ub, S. 113. 172 Das Wesen des Urkundenbeweises erschöpft sich also durchaus nicht i n der durch die besondere F o r m der „Verlesung" erfolgenden V e r m i t t l u n g eines Gedankeninhalts, w i e Krause, Ub, S. 145, meint. Methodisch unrichtig deshalb auch Lohr, S. 145 unten. 173 Z u Gesetzesverstößen i m Rahmen des Urkundenbeweises Schneidewin, JR 1951, 481 (487), u n d Dolderer, S. 118. 174 L k I I , § 253 A n m . 7. 167

I

Die

echtsnatur des § 253

147

rung immer verlangt, daß die i n Frage kommende Urkunde „ m i t dem Ganzen ihres inhaltlichen Gehalts" 1 7 7 i n die Stoffsammlung eingeführt wird. Diese Erkenntnis ist für die Fälle der (vollständigen) Verlesungen nach §§ 249 i V m 251, 256 sicher richtig, wo die Verlesungen die Vernehmung der persönlichen Beweismittel ersetzen und der Urkundenbeweis damit ein selbständiges Beweismittel bilden kann. Soll ein selbständiger Beweismittel ersetzender Urkundenbeweis geführt werden, so muß das Gericht naturgemäß auch den vollständigen Gedankeninhalt eines Schriftstücks zur Überzeugungsbildung heranziehen. Wenn aber Urkundenbeweis darin besteht, daß der gedankliche Inhalt eines Schriftstücks für Beweiszwecke verwertet wird, so kann es für das Vorliegen eines Urkundenbeweises nicht mehr darauf ankommen, ob der Gedankeninhalt zur Beweismittelersetzung oder zur „Beweismittelergänzung" oder -Würdigung herangezogen w i r d 1 7 8 . Das mit der Verlesung beabsichtigte Beweisziel ist also gleichgültig. Damit beweist sich aber der Ausgangspunkt der Gegenmeinung als unzutreffend. Daß die Verlesung zu verschiedenen Beweisthemen erfolgen 1 7 0 kann, sehen i m übrigen auch Eb. Schmidt und Krause 1 8 0 , wenn sie zu Recht feststellen, daß bei den sog. Konstitutiv- oder Dispositivurkunden 1 8 1 Beweisthema die „Evidenz und Existenz" 1 8 2 eines strafrechtlich erheblichen Sachverhalts i m Schriftstück selbst ist. Bewiesen werden soll gerade, „ob der Betreffende eine Erklärung dieses Inhalts abgegeben h a t " 1 8 3 . Davon unterscheiden sie die sog. berichtenden Urkunden 1 8 4 , die einen Vorgang, ein Ereignis schildern. Beweisthema ist hierbei gerade „das i n dem Bericht Beschriebene oder Behauptete" 1 8 5 . Hinsichtlich der hier i n Frage stehenden berichtenden Urkunden können sich also die Beweisthemen zu den unterschiedlichsten Beweiszwek175

Ub, S. 190. Eine Teilverlesung sei m i t dem „Wesen des Urkundenbeweises . . . unvereinbar". 176 S. 145 unten, die sich Krause anschließt. 177 Eb. Schmidt, L k I I , § 253 A n m . 7. 178 So i m Ergebnis auch Peters, 46. DJT, S. 145 (widersprüchlich aber i n JZ 1965, 649), u n d Hanack, J Z 1972, 203. 179 Daß die Verlesung verschiedenen Beweiszwecken dienen kann, zeigt auch die Bekanntgabe des Grundes der Verlesung i n § 251 Abs. 4. 180 L k I I , § 249 A n m . 3; Ub, S. 127. 181 Beispiel: der beleidigende Brief, die meineidige Zeugenaussage i m Protokoll. Besser, unmittelbarer als durch sie k a n n der Tatbestand des i n Frage kommenden Delikts nicht bewiesen werden. 182 von Kries, Lb, S. 413. 183 Beling, L b , S. 311. 184 Beispiel: die ein Ereignis schildernde Tagebuchaufzeichnung, die protokollierte Aussage eines Zeugen. Bei den sog. berichtenden U r k u n d e n ergeben sich die i n §§ 250, 251 vorgeschriebenen prozeßrechtlichen Besonderheiten. 185 Beling, Lb, S. 311. 10»

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2. Teil: Bedeutung der §§ 253, 254

ken auffächern. Protokollverlesungen können Auskunft geben über direkt rechtserhebliche oder über indizierende Tatsachen 186 , sie können erfolgen zum Beweis des Inhalts eines Protokolls oder aber zum Beweis der bloßen Existenz eines solchen. Aus der Pflicht des Gerichts zur vollständigen Aufklärung des Sachverhalts und zur eigenverantwortlichen Würdigung der Beweise folgt zunächst, daß das Gericht seine Überzeugung grundsätzlich aus allen sich i h m bietenden Erkenntnisquellen, som i t also auch aus Protokollen und allein aus ihnen, ohne jede Bestätigung durch Auskunftspersonen, jeden denkgesetzlich möglichen tatsächlichen Schluß ziehen darf 1 8 7 . Zwar ist der Sinn des Urkundenbeweises, wie Krause zusammenfaßt, „ausschließlich die Vermittlung des i n dem Schriftstück fixierten gedanklichen Gehalts an die Prozeßbeteiligten" 188 . Daraus folgt aber nicht notwendig, daß der individuelle Beweiszweck einer Verlesung zum Beweise immer und ausschließlich darin bestehenden kann und muß, den gedanklichen Gehalt einer Aussage selbst vollinhaltlich und selbständig zu verwerten. Eb. Schmidt und Krause scheinen von vornherein zu glauben, daß durch eine Urkunde nie ein Beweis über Hilfstatsachen geführt werden kann 1 8 9 . Grundsätzlich ist aber, wie aufgezeigt, der Urkundenbeweis ein 186 Als Gegenstand gerichtlichen Beweises unterscheidet man unter den beweisbedürftigen Tatsachen Haupttatsachen, Indizien u n d Hilfstatsachen (Eb. Schmidt, L k I I , Vorb. 3 zum 6. u. 7. Abschnitt; Dohna, Strafprozeßrecht, S. 90 f.; Peters, Lb, S. 251 - 252). Die Haupttatsachen oder direkt erheblichen Tatsachen (Kern!Roxin, S. 110, spricht von unmittelbar erheblichen Tatsachen; Henkel, Lb, S. 266, v o m u n mittelbaren [direkten] Beweis) sind die Umstände, die direkt durch sich selbst für Verurteilung oder Freisprechung entscheiden. H a t aber ζ. B. kein Zeuge die Tat beobachtet, läßt sich also k e i n direkt auf die Haupttatsachen führender Beweis erbringen, muß das Gericht sich gegebenenfalls m i t sog. Indizien begnügen. Z u den Indizien zählen die Tatsachen, die einen Schluß auf das Vorliegen von Haupttatsachen zulassen, ζ. B. die Tatsache, daß der des Mordes Verdächtige unmittelbar vor der Tötung Drohungen gegen das Opfer ausgesprochen hat. Als Hilfstatsachen bezeichnet man die Tatsachen, die Aufschluß über den Beweiswert eines Beweismittels geben können, ζ. B. über die Glaubwürdigkeit oder das Erinnerungsvermögen eines Zeugen. Soweit alle diese Beweisobjekte den gerichtlich zu rekonstruierenden Sachverhalt betreffen, unterliegen sie dem Strengbeweis (vgl. Eb. Schmidt, L k I I , Vorb. 2 zu §§ 244 - 256). 187 Vgl. Schneidewin, JR 1951, 481. Generelle Beweisregeln kennt das Gesetz a p r i o r i nicht. Vgl. Krause, Ub, S. 100. 188 Ub, S. 120. 189 Ebenso O L G K ö l n N J W 1965, 830 (zum Vorhalt): Es müsse erkennbar v o m Zeugenbeweis, der sich auf die Entstehung der Urkunde und die Glaubw ü r d i g k e i t des Autors erstrecke, zum Urkundenbeweis, der den I n h a l t der Urkunde betreffe, übergegangen werden. Daß eine Heranziehung einer U r kunde, u m die Glaubwürdigkeit eines Zeugen zu überprüfen, i n Wirklichkeit schon eine Verwertung ihres Inhalts u n d also Urkundenbeweisführung bedeutet, sah dagegen schon RG G A 43 (1895), 242 (243).

II. Die Rechtsnatur des § 25

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umfassend zulässiges Beweismittel. Eine Beschränkung kann sich nur aus den §§ 250 f. ergeben. Ohne die Würdigung dieser §§ 250 f. ist also das Wesen des zulässigen Urkundenbeweises nach der StPO nicht zu erfassen 190 . Methodisch unrichtig gehen aber Krause 1 9 1 und z. T. Eb. Schmidt 1 9 2 bei der Erarbeitung der Struktur des Urkundenbeweises allein von den §§ 249, 250 aus, ohne gleich die §§ 253, 254 einzubeziehen, und leiten die Tragweite des Unmittelbarkeitsgrundsatzes primär aus § 250 ab, ohne die Teilverlesungen der §§ 253, 254 schon „vorn" ausreichend zu berücksichtigen. So w i r d das erst zu Erweisende, die Beantwortung der Frage, ob § 253 einen Fall des Urkundenbeweises enthalte (und gegebenenfalls welchen), schon als bewiesen vorausgesetzt, wenn der Urkundenbeweis — hierzu untersucht man allein § 249 — seine „eigenständige Bedeutung gegenüber den anderen Beweismitteln" nur i n den Fällen haben soll, „ i n denen er i n Durchbrechung des das geltende Strafverfahrensrecht beherrschenden Prinzips der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme an die Stelle der Vernehmung persönlicher Beweismittel i n der Hauptverhandlung t r i t t " 1 9 3 . Es ist aber erst die zu untersuchende Frage, ob die StPO i n § 253 nicht auch einen eingeschränkten Urkundenbeweis anerkannt hat. Bei einer solchen Auslegung läßt sich i n Wirklichkeit für § 253 nur ein selbständiger 194 , Beweismittel ersetzender Urkundenbeweis als unzulässig ausschließen, nicht jedoch ein Urkundenbeweis schlechthin. Unter diesem Vorbehalt versteht sich auch die Bestimmung des U r kundenbeweises. Ein selbständiger Urkundenbeweis ist nur denkbar, wenn auch „der" ( = ganze) gedankliche Inhalt eines Schriftstücks zu Beweiszwecken verwertet wird. Bei der Verlesung nur eines Teils bleibt aber ein Teilbeweis möglich. Die Definition des Urkundenbeweises muß also, zur Verdeutlichung, auch die Verwertung „eines" (nicht notwendig des ganzen) Inhalts eines Schriftstücks umfassen. Daß die gesamte „Beweiswürdigung" des Vorhaltvorganges nach § 253 dann wegen der Anwesenheit der Beweisperson letztlich ein Gemengelage von Personal- und Urkundenbeweis zur Grundlage haben würde, 190

So auch beiläufig Krause, Ub, S. 97 Note 26 am Ende. Vgl. Ub, S. 127 f., 145 einerseits u n d 180 f. (193) andererseits. Besonders deutlich S. 146 oben, indem er i n § 8 die so abstrakt gewonnenen Ergebnisse auf die den Urkundenbeweis behandelnden Vorschriften anwendet, zum V o r halt der §§ 253, 254 aber erst v i e l später i n § 9, S. 180 f., kommt. 192 Vgl. insb. § 253 A n m . 10. Dazu oben S. 143 Note 150. Ferner Festschrift für Jellinek, S. 625 (633). 193 So erfaßt Krause, Ub, S. 145, das Wesen des Urkundenbeweises grundsätzlich. D a m i t erliegt er dem gleichen Fehler, den er v. Bar auf S. 97 Note 26 am Ende, zum V o r w u r f macht. Daß Krause bei dieser Ableitung nicht ganz w o h l ist, zeigt die Einschiebung des Wortes „eigenständige". 194 Diesen Terminus verwendet bezeichnenderweise auch Eb. Schmidt, L k I I , § 253 A n m . 10. 191

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2. Teil: Bedeutung der §§ 253, 254

kann an der grundsätzlichen Möglichkeit eines eingeschränkten Urkundenbeweises nach dem Gesetz nichts mehr ändern 1 9 5 . g) Zwischenergebnis Für die Auslegung der Rechtsnatur des § 253 läßt sich somit zusammenfassen: Die Verlesung nach § 253 ist kein selbständiger Urkundenbeweis, der die gegenteiligen Aussagen einer Beweisperson überspielen dürfte. Es läßt sich jedoch bisher nicht ausschließen, daß § 253 als beschränkter Urkundenbeweis eine Beweisaussage ergänzt. Daß ein solcher Teilbeweis oder Nebenbeweis auch von der Auffassung i m Anschluß an Eb. Schmidt irgendwie zugestanden wird, zeigen die klassifizierenden Adjektive zur Auslegung des § 254 Abs. 1, deren sich diese Ansicht konsequenterweise nicht bedienen dürfte: „echter" 1 9 6 und „beschränkter" 1 9 7 Urkundenbeweis. I I I . Die Rechtsnatur des § 254 M i t diesen Einstufungen als echter oder beschränkter Urkundenbeweis sind auch schon die Auffassungen des Schrifttums und der Rechtsprechung zur Rechtsnatur des § 254 treffend umschrieben. § 254 gestattet die Verlesung von Protokollen bei der persönlichen Vernehmung des Angeklagten: „Erklärungen des Angeklagten, die i n einem richterlichen Protokoll enthalten sind, können" nach Abs. 1 „zum Zweck der Beweisaufnahme über ein Geständnis verlesen werden". „Dasselbe kann" nach Abs. 2 „geschehen" zum Zweck der Feststellung und Behebung von Widersprüchen, wobei der Wortlaut des § 253 Abs. 2 wörtlich wiederholt wird.

195 Statt dessen von „beweisergänzenden Vorhalten" zu sprechen, wie Oetker, J W 1925, 2474, u n d Sax, J Z 1971, 229, empfiehlt sich nicht. Der beweisergänzende Vorhalt ist ein Zwitterwesen, das n u r Mißverständnisse schafft. Vgl. auch Alsberg/Nüse, S. 286 oben. 196 Krause, Ub, S. 192; Lohr, S. 143 zur h M bei § 253, S. 147 für § 254 Abs. 1. Allerdings gestattet § 254 Abs. 1 auch eine Vollverlesung. 197 Eb. Schmidt, L k I I , § 254 A n m . 1, w e n n er einräumt, daß § 254 Abs. 1 „ i n Richtung eines beschränkten Urkundenbeweises einen nicht unerheblichen Schritt t u t " . I n diese Richtung weist auch seine Bezeichnung des Protokolls „als selbständiges Beweismittel i m Wege des Urkundenbeweises", § 253 Anm. 10, u n d die Beschreibung der h M zu § 254 als „Urkundenbeweis schlechthin", L k I I , § 254 A n m . 1.

I I I . Die Rechtsnatur des § 254

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1. Herrschende Rechtsprechung und Lehre: „echter" (selbständiger) Urkundenbeweis a) Das Verlesen

zum Zwecke der Beweisaufnahme über ein Geständnis

U n t e r B e r u f u n g a u f d e n „ k l a r e n " W o r t l a u t des Gesetzes 1 w i r d die P r o t o k o l l v e r l e s u n g des § 254 A b s . 1 v o n d e r Rechtsprechung 2 u n d fast e i n h e l l i g e n L e h r e 3 als Z u l a s s u n g eines „ e c h t e n " U r k u n d e n b e w e i s e s v e r standen. A u c h d e r ü b e r w i e g e n d e T e i l d e r M e i n u n g , die h e u t e i n § 253 die B e d e u t u n g eines V o r h a l t s sieht, m e i n t zugestehen z u müssen, daß die Gesetzesfassung eine andere D e u t u n g n i c h t e r l a u b e 4 . D i e h M g e h t w i e b e i § 253 d a v o n aus, daß die V o r s c h r i f t eine A u s n a h m e v o n d e n G r u n d s ä t z e n d e r M ü n d l i c h k e i t u n d U n m i t t e l b a r k e i t schaffen soll 5 . D i e B e d e n k e n , d i e gegen § 253 sprächen, s o l l e n a u f § 254 n u r z u m T e i l z u t r e f f e n , da dessen w a h r e B e d e u t u n g i n d e r B e s c h r ä n k u n g a u f r i c h t e r liche P r o t o k o l l e liege, § 254 a l l e n a n d e r e n A r t e n v o n P r o t o k o l l e n die 1

Vgl. etwa Lohr, S. 147. Strafsenat OGHSt 1 (1949), 110; B G H 1. Senat BGHSt 1, 337 (338, 339); 5. Senat M D R 1955, 244 (245); SchlHOLG SchlHAnz 1954, 387 (389); K G JR 1958, 389 (Bedeutung eines selbständigen Urkundenbeweises); 4. Senat N J W 1967, 2020 (2021) = B G H S t 21, 385. Aus der früheren Rspr R G 1. Senat RGSt 2, 235 (236): 3. Senat RGSt 9, 174 (175); 2. Senat Rspr 6, 554 (555); 1. Senat RGSt 18, 24 (25); 5. Senat DJZ 1913, 867; 2. Senat RGSt 45, 196 (197); 1. Senat RGSt 52, 243 (244); 5. Senat RGSt 54, 126 (128); 2. Senat J W 1928, 2722 (2723); insb. 2. Senat RGSt 61, 72 (74); 4. Senat G A 74 (1930), 29 (32). 3 Vgl. Gollwitzer, LR, § 254 A n m . 1 u. 3 a; Alsberg/Nüse, S. 346; Kern/Roxin, S. 224; Sax, K M R , § 254 A n m . l a ; Kleinknecht, § 254 A n m . 1; Schneidewin, JR 1951, 481 (485); Dolderer, Diss., S. 83; Henkel, Lb, S. 345 (1. Aufl., S. 400); Krause, Ub, S. 192; Lohr, S. 147; Sarstedt, Revision, S. 134 u. 190; Roggemann, S. 61; Dahs, Hb, R n 480; Dahs/Dahs, R n 229; Koeniger, S. 379; Redecker, Diss. S. 54; Peters, Lb, S. 271; Petters/Preisendanz, S. 57; Fuhrmann, Dalcke/Fuhrmann!Schäfer, 254 Anm. 2; Erbs, S. 194 Anm. 1; S. 200, 201 I I I , I V ; Mittelbach, JR 1955, 327 (329). Aus dem älteren Schrifttum vgl. Löwe, 1. A u f l . (1879), § 253 (254) A n m . 2; Rupp (1884), S. 167; Thilo (1878), § 253 (254) A n m . 1; Puchelt (1881), 4 zu §§ 251 -255 (252 -256); Stenglein, L b (1887), S. 277; Keller (1882), § 253 (254) Anm. 1; Ullmann, (1893), S. 389 (390); Glaser, H b I (1883), S. 645; Birkmeyer (1898), S. 458; Rosenberg, LR, 13. A u f l . (1913); § 253 (254) A n m . 3; ebenso schon Hellweg, 12. Aufl. (1907); Niethammer, LR, 19. (1934), §254 A n m . 1, 3; Hegler, Rechtsgang Bd. 2 (1916), 241 (269 Note 3); Daude (1928), § 254 Note 76, 80; Feisenberger (1926), § 254 A n m . 1, 4; Oetker, GS 105 (1935), 1 (20); Alsberg, J W 1929,1048; Groth (1937), S. 54, 62. Vereinzelt (so etwa von Puchelt u. Thilo) w i r d darauf hingewiesen, daß der Wert des Geständnisses sich nach § 261 „richte". 4 Krause, Ub, S. 192; Lohr, S. 147; Henkel, Lb, S. 345; Grünwald, JZ 1968, 752 (754 l i n k e Sp. unter 7). 5 Aus dem heutigen Schrifttum vgl. n u r Kern/Roxin, S. 223; Kleinknecht, § 254 Anm. 1; Schneidewin, JR 1951, 486 oben; Mittelbach JR 1955, 329. aA Rohwer, Materielle U n m i t t e l b a r k e i t der Beweisaufnahme, Diss. 1972, S. 19 f., 34 oben. 2

152

2. Teil: Bedeutung der §§ 253, 254

Tauglichkeit zum Urkundenbeweis damit schlechthin abspräche. Als Ersatz für die Vernehmung des Richters oder des Urkundsbeamten soll das Gericht aus dem Verlesenen nicht nur das Vorhandensein derartiger früherer Erklärungen des Angeklagten in einem Schriftstück folgern können. Es soll auch den Inhalt des Protokolls als der Wahrheit entsprechend ansehen können, auch wenn der Angeklagte i n der Hauptverhandlung dies abstreitet oder wenn er keine Erklärung dazu abgibt 6 » 7 . b) Das Verlesen zur Feststellung und Hebung von Widersprüchen Die h M 8 sieht auch i n den Verlesungen zur Klärung von Widersprüchen nach Abs. 2 Fälle „echten" Urkundenbeweises. Diese sollen nicht nur zur Behebung von Widersprüchen dienen, sondern auch ohne und gegen die Erklärung des Angeklagten zur alleinigen Beweisgrundlage erhoben werden können 9 . I m Gegensatz zu Abs. 1 sei jedoch hier die Verlesung zu Beweiszwecken nur subsidiär gegenüber anderen Beweismitteln zulässig 10 . 2. Gegenmeinung: Vorhalt bzw. eingeschränkter Urkundenbeweis

a) Das Verlesen zur Feststellung und Hebung von Widersprüchen Zur rechtlichen Natur des § 254 Abs. 2 besteht damit der gleiche Streit wie zu § 253 Abs. 2. Die Gegenmeinung mißt beiden Vorschriften eine übereinstimmende prozeßrechtliche Bedeutung zu und sieht daher i n der Verlesung zur Klärung von Widersprüchen i m Anschluß an das vorstehend zu § 253 Ausgeführte nur die Bedeutung eines „Vorhalts" 1 1 . Der 6 So ausdrücklich Alsberg/Nüse, S. 346; Dolderer, S. 83; Schneidewin, JR 1951, 485. Vgl. auch RGSt 61, 72 (74). 7 Roxin, Kern/Roxin, S. 224, betont statt dessen, durch die zulässige Verlesung werde nicht die Wahrheit des Verlesenen bewiesen. Aber dieser Hinweis ist eigentlich, w i e R o x i n selbst hervorhebt, eine Selbstverständlichkeit, ohne einen großen Unterschied zu oben zu machen. 8 Alsberg/Nüse, S. 346; Gollwitzer, LR, § 254 A n m . 4; Schroth, S. 113; Kern/ Roxin, S. 224; Schneidewin, JR 1951, 485; Sax, K M R , § 254 Anm. 1 c; Kleinknecht, § 254 A n m . 4; Dolderer, S. 83; u n k l a r Peters, Lb, S. 271; Erbs, S. 194 I ; Mittelbach, JR 1955, 329; Redecker, S. 57; Roggemann, S. 61; Dahs, Hb, Rn 480. Früher schon Ullmann, S. 390 (kritisch); Ortloff, G A 44 (1896), 98 (115); Löwe/ Rosenberg, 13. A u f l . (1913), § 253 (254) A n m . 5; Kohlrausch, StPO (1936), § 254 Anm. 2; Groth, S. 61, 63, sowie die oben S. 151 Note 3 Genannten, die nicht zwischen den einzelnen Absätzen trennen. 9 Schneidewin, JR 1951, 485, u n d Dolderer, S. 83, machen auf die freie richterliche Beweiswürdigung aufmerksam, die jedweden Schluß erlaube. 10 Vgl. B G H J Z 1965, 649; Gollwitzer, LR, § 254 A n m . 4; Schneidewin, S. 485, der aber einräumt, daß diese Schranken nicht sehr w i r k s a m sind. Ebenso schon Ullmann, S. 390. 11 Eb. Schmidt, L k I I , §254 A n m . 10, u. Kolleg, S. 69 unten; Krause, Ub, S. 191; Lohr, S. 148; Kern, 8. Aufl., S. 199; u n k l a r Henkel, Lb, S. 347, dessen

III. Die Rechtsnatur des § 254

153

Wortlaut, die Zwecksetzung und Prozeßsituation seien bei beiden Bestimmungen gleich. Die Verlesung soll also nur dazu dienen, eine wahrheitsgemäße Aussage des Angeklagten zu erzielen oder Anhaltspunkte für ihre Würdigung 1 2 zu erhalten. Von einem Urkundenbeweis „möchte" daher Eb. Schmidt „bei § 254 Abs. 2 ebensowenig wie bei § 253 Abs. 2 sprechen" 13 . Da solche „Anhaltspunkte" aber entsprechend dem oben zu § 253 Abs. 2 Nachgewiesenen bestenfalls durch einen Vergleich des verlesenen Protokolls mit der jetzigen Aussage Zustandekommen sollen, w i r d damit i n Wirklichkeit wie bei § 253 Abs. 2 das verlesene Schriftstück zu Beweiszwecken und zwar zu einem eingeschränkten, teilweisen Urkundenbeweis verwertet. Darum ist auch hier die Bezeichnung als „Vorh a l t " 1 4 insoweit widersprüchlich, als dem Vorhalt dann trotzdem jede Beweistauglichkeit und -Wirkung abgesprochen w i r d 1 5 . b) Das Verlesen zum Zwecke der Beweisaufnahme über ein Geständnis Angesichts des Wortlautes des § 254 Abs. 1 sind es — wie schon ausgeführt — nur noch sehr wenige Stimmen, die die Beweiszwecke dieser Bestimmung irgendwie beschränken wollen. Einige ältere Schriftsteller 16 werteten die Verlesung lediglich als Indiz 1 7 . Die beschränkte BeweiswirÄußerungen unter 2, 3 i h n als Anhänger der Gegenmeinung ausweisen, dessen Note 33 (Hilfsfunktion) sich jedoch auf § 253 beschränkt. I m Ergebnis ähnlich schon Löwe, 1. Aufl., § 253 (254) A n m . 2; Fuchs, H b Holtzendorff I I , S. 59 (66); Puchelt (1881), A n m . 4 zu 251 - 255 (252 -256); v. Kries, Lb, S. 415; Glaser, H b I, S. 645/646; v. Schwarze, § 253 (254) A n m . ; Gerland, Hb, S. 236 u n d S. 214: beweisergänzende Vorhalte; v. Hippel, Lb, S. 424: als indizierende Tatsachen. 12 So Eb. Schmidt, L k I I , § 254 A n m . 10; Lohr, S. 148. Vgl. ferner Krause, Ub, S. 191. 13 L k I I , § 254 A n m . 10. Das i n A n m . 9 zu 253 Gesagte soll entsprechend gelten. 14 Eb. Schmidt, L k I I , §254 A n m . 10; §250 A n m . 7, 9; Krause, Ub, S. 191 f.; Lohr, S. 149. Zweifelnd Koffka, ZStW 84 (1972), 706 (707). 15 I m Ergebnis besteht daher etwa zu Peters, Lb, S. 271 (angesichts dessen Äußerungen auf dem 46. DJT, Bd. I, T e i l 3 A, S. 91 [143]), kein nennenswerter Unterschied. 16 v. Schwarze (1878), § 253 (254); Fuchs, H b Holtzendorff I I , S. 59 (66); v. Kries, Lb, S. 415; Ortlotf, GS 37 (1885), 212 (222). U n k l a r Rosenfeld, L b I I (1926), S. 38 Note 3, u n d Beling, L b (1928), S. 318. Eindeutig n u r f ü r I n d i z w i r kung von Hippel, Lb, S. 424. 17 von Kries, Lb, S. 414, verdeutlicht, daß die Verwendung dieser Niederschriften dem Prinzip der Unmittelbarkeit dann nicht widerstreitet, w e n n diese einen „selbständigen Beweiswert" besitzen. Der selbständige Beweiswert der schriftlichen Aussage könne i n ihrem inhaltlichen Verhältnis zu der jetzigen mündlichen Aussage oder i n den besonderen Umständen seinen G r u n d haben, unter welchen sie gemacht werde. „ N u r ein besonderer F a l l " sei danach § 254 Abs. 1, v. Kries, Lb, S. 415. von Schwarze, § 253 (254), weist jedoch darauf hin, daß diese beschränkte Tatsache Gegenstand der Verhandlung geworden u n d die Schlußfolgerung daraus Sache der freien richterlichen Erwägung sei.

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2. Teil: Bedeutung der §§ 253, 254

kung soll darin bestehen, daß nicht ein Geständnis, sondern lediglich die Tatsache, daß ein Geständnis i n den Akten existiere, festgestellt werde. Ähnliches meint wohl auch Eb. Schmidt 18 , wenn er einräumt, es sei „nicht zu verkennen, daß § 254 Abs. 1 allerdings i n Richtung eines (beschränkten) Urkundenbeweises einen nicht unerheblichen Schritt tut". Damit werde nichts anderes bewiesen 19 als die Tatsache, daß der Angeklagte seinerzeit bei richterlicher Vernehmung ein Geständnis abgelegt hat. Dagegen werde gar nichts darüber bewiesen, ob das damals abgelegte Geständnis der Wahrheit entspreche oder nicht 1 0 » 2 0 . Ausdrücklich als „Vorhalt" bezeichneten die Verlesung nach Abs. 1 i n jüngster Zeit ersichtlich nur W. Ziegler 2 1 und Kern 2 2 , der aber auch nur von einem „besonders gearteten Vorhalt" spricht, ohne dessen grundsätzlichen Beweiswert näher klarzulegen, als daß es sich „ w o h l nicht um einen Urkundenbeweis handelt". I n jedem Falle mißt Kern dem Vorhalt generell — wenn nicht Urkundenbeweis —, so aber doch überhaupt Beweisqualität zu 2 3 . Wenn er den Zweck der Verlesung darin sieht, festzustellen, daß der Angeklagte, der i n der Hauptverhandlung leugnet, bei einer früheren Vernehmung ein Geständnis abgelegt habe 23 , so beurteilt auch er die Verlesung i n Wahrheit als eingeschränkten Urkundenbeweis 2 4 . 3. Eigene Stellungnahme

a) Verlesen über ein Geständnis Die Verlesung nach § 254 Abs. 1 wertet somit die einhellige Meinung i m Sinne eines Urkundenbeweises. 18 L k I I , § 254 A n m . 1. Wie zu § 253 müsse auch hier das Prinzip des § 250 grundsätzlich gewahrt bleiben. Was er damit i m einzelnen anstrebt, erläutert er dann leider nicht mehr. Letztlich geht Schmidt damit w o h l etwas weiter als etwa Ortloff u n d v. Kries. 19 Kolleg (1967), S. 69 R n 113 unter (3). § 254 Abs. 1 ermögliche i n der H a u p t verhandlung „ i n engen Grenzen einen ergänzenden Urkundenbeweis". Die Ergänzungsfunktion soll aber nicht bedeuten, daß das Gericht sich an die Angaben des Angeklagten halten muß. Leugne der Angeklagte allerdings die Tatbegehung, so könne durch die Verlesung nach § 254 Abs. 1 nicht die U n wahrheit des nunmehrigen Bestreitens, Eb. Schmidt, a.a.O., S. 151 R n 296, sondern n u r die Tatsache bewiesen werden, daß der Angeklagte i m Vorverfahren ein Geständnis abgelegt habe. Vgl. auch Festschrift für Jellinek, S. 638 Note 46. F ü r einen inhaltlich begrenzten Urkundenbeweis jetzt auch Schroth, ZStW 87 (1975), 103 (108). 20 Er fordert daher „ i n dieser Beziehung" eine sorgfältige Beweiswürdigung. Kolleg, S. 69: „ H i e r t u n sich gefährliche Fehlerquellen auf." 21 S. 57 Note 84. Früher etwa schon Stenglein, 3. Aufl. (1898), § 253 (254) Anm. 5, 6. 22 8. Aufl. (1967), S. 199. Ebenso schon 6. Aufl. (1960), S. 175. 23 Vgl. S. 199: „ Z u einer solchen Beiweisaufnahme . . . " 24 Den Urkundenbeweis selbst sieht er also wie Eb. Schmidt u. Krause.

III. Die Rechtsnatur des § 254

155

aa) Wörtliche Auslegung Eine andere Deutung scheint der Wortlaut der Bestimmung i n der Tat auch nicht zuzulassen, wenn auch allein m i t der Wendung „zum Zweck der Beweisaufnahme über ein Geständnis" der Stellenwert der Verlesung noch nicht als voller und selbständiger Urkundenbeweis und Durchbrechung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit festgelegt sein kann. Wenn etwa Krause zu § 253 treffend feststellt, daß der Wortlaut der §§ 249 f. nicht Ausdruck einer eindeutigen beweisrechtlichen Konzeption des Gesetzgebers darstellt 2 5 , so darf er bei § 254 aus eben diesem nicht eindeutigen Wortlaut nicht vordergründig schließen, die Worte „zum Zwecke der Beweisaufnahme" nötigten zur Annahme eines „echten" (persönliche Beweismittel ersetzenden) Urkundenbeweises 26 . bb) Historische Auslegung Auch die Entstehungsgeschichte zwingt nicht zu einer solchen Deutung, i m Gegenteil. Nach den Motiven des Entwurfs sollten sich zwar § 211 (249) und ein „Theil des § 215" (254) auf den Urkundenbeweis beziehen, über den bloß gesagt wurde, daß er durch Vorlegung und Vorlesung der Urkunde zu erheben sei 27 . Aber die Bemerkung, ein von dem Angeklagten vor der Hauptverhandlung gemachtes Geständnis könne Gegenstand der Beweisaufnahme i n der Hauptverhandlung werden und werde, sofern es zu einem gerichtlichen Protokoll abgegeben sei, „durch Verlesung dieses Protokolls festgestellt", sagt nichts über den angestrebten Beweiswert der Verlesung aus 28 . Die Verhandlungen der Reichstagskommission führen dann sogar in eine andere Richtung. Bei den ersten Beratungen wurde § 215 (254) zwar noch ohne Debatte angenommen 29 . Auch ein Antrag dreier Abgeordneter, § 254 ebenso wie § 253 zu streichen, wurde bei der zweiten Lesung zurückgezogen 30 . Es wurde aber beschlossen, die zu § 214 (253) gefaßten Beschlüsse auf § 215 (254) „konsequent auszudehnen" 31 . Daher wurde das Erfordernis, die 25

Ub, S. 188. So zu Recht auch die K r i t i k von Sax, J Z 1967, 229, die demgemäß z. B. Lohr, S. 147, treffen muß. 27 Motive des Entwurfs von 1873, Hahn, Mat. I, S. 194. 28 Z u m a l es dann weiter heißt, daß der Urkundenbeweis zum Beweise Geständnisses „keine Ausnahme von der Mündlichkeit des Verfahrens" halte, Hahn, Mat. I, S. 194. 29 Vgl. zur 1. Lesung der Reichstagskommission Hahn, Mat. I, S. 868. 30 Den A n t r a g hatten die Abg. Herz, Eysoldt u n d Klotz gestellt. Hahn, I I , S. 1348. 31 Hahn, Mat. I I , S. 1348 u n d 1486. 26

auch

eines ent-

Mat.

156

2. Teil: Bedeutung der §§ 253, 254

Verlesungen nach dem heutigen § 255 i m Protokoll zu erwähnen, auch auf § 254 erweitert. Diese in § 255 für alle Fälle der §§ 253, 254 angeordnete Protokollierung spricht damit entscheidend gegen eine unterschiedliche Beurteilung der dortigen Verlesungen 32 . Die Reichstagskommission sah demnach — anders als die Motive 3 3 — alle Protokollverlesungen nach §§ 253, 254 ohne Ausnahme als „Vorhalte" an 3 4 und wollte damit auch für § 254 Abs. 1 zumindest einen selbständigen Urkundenbeweis ausschließen 35 . I m Bericht der Reichstagskommission wurde der Sinn der Verlesungen demgemäß auch darin gesehen, Aushilfen bei der Vernehmung von Zeugen und Angeklagten zu bieten 3 6 . I n § 255 hat dieser gesetzgeberische Wille seinen bleibenden Ausdruck gefunden. cc) Systematische Auslegung Noch ein anderes systematisches Argument neben § 255 spricht gegen die Zulassung eines selbständigen Urkundenbeweises in § 254 Abs. 1 (bzw. § 253). I n den Fällen der Beweismittelersetzung beschließt das Gericht als Kollegium, § 251 Abs. 4, ob die Verlesung erfolgen „darf". Umgekehrt sollen also die Verlesungen nach den §§ 253, 254 vom Vorsitzenden gem. § 238 Abs. 1 allein angeordnet werden „können" 3 7 . Entscheidungen über die Beweisaufnahme — i m Gegensatz zur Vernehmung des Angeklagten — überantwortet das Gesetz dagegen grundsätzlich dem Kollegium und nicht allein dem Vorsitzenden 38 . 32 So auch Kern/Roxin, Lb, S. 224. Das übersieht Schroth, ZStW 87 (1975), 103 (112). 33 Die Motive sahen dagegen die Verlesungen nach den heutigen §§ 253, 254 Abs. 2 „als von den vorbezeichneten Fällen (auch § 254 Abs. 1) sachlich verschieden" an. Vgl. Hahn, Mat. I, S. 196 oben. 34 Ebenso RGSt 32, 315 (316), das darauf hinweist (s. schon oben S. 129 u. N. 62), daß die Gründe, aus denen die Reichstagskommission i n §232 des E n t wurfes, jetzt § 273 StPO, die Bezeichnung der verlesenen Schriftstücke i m Protokoll verlangt (vgl. Hahn, Mat. I, S. 891, 892) „regelmäßig da nicht zutreffen, w o die Verlesung nicht selbständiger A k t der Beweisausnahme, sondern Bestandteil einer Vernehmung gewesen ist". 35 Auch der abschließende Bericht der Reichstagskommission faßt sämtliche Verlesungen nach den §§ 253, 254 i n einem Atemzug zusammen. Ohne U n t e r scheidung werden die Fälle der §§ 214, 215 als „Aushülfen" bezeichnet, u m hervorgetretene Unsicherheiten u n d Widersprüche zu erledigen. Vgl. Hahn, Mat. I I , S. 1562. 36 Z u m Schaden der materiellen Wahrheit würden die Richter erfahrungsgemäß oft Schwierigkeiten bei der Abhörung der Zeugen dadurch beseitigen, daß sie frühere Aussagen verlesen u n d Abweichungen von diesen u n t e r d r ü k ken. Daher erachtete die Kommission es für notwendig, die „hierher gehörigen Fälle" bestimmter zu präzisieren, Hahn, Mat. I I , S. 1562. 37 Ganz einhellige Ansicht vgl. Gollwitzer, LR, § 254 A n m . 5; § 253 A n m . 6; Eb. Schmidt, L k I I , § 254 A n m . 11; § 253 A n m . 17; RGRspr 6, 210 (211). 38 Vgl. §§ 244 Abs. 3, 4, 6; 246 Abs. 4; 247; 251 Abs. 4, § 256 Abs. 2.

III. Die

echtsnatur des § 254

157

Während i n den relativ engen Grenzen der Beweismittelersetzung nach § 256 Abs. I 3 9 die Sachverständige entlastende Privilegierung der Anordnung durch den Vorsitzenden dadurch gerechtfertigt sein soll 4 0 , daß bei der Verlesung von routinemäßigen Behörden- und Ärzteerklärungen für die Richtigkeit und Objektivität ihres Inhalts die Autorität und Fachkunde der Behörde bzw. des dem Dienste an der Allgemeinheit verpflichteten Arztes steht 4 1 , läßt sich bei einem selbständigen U r kundenbeweis eine solche Rechtfertigung für eine dann doch inhaltliche, dem § 251 Abs. 1 und 2 sachlich entsprechende, normale Beweispersonersetzung i n den Fällen der §§ 253, 254 nicht führen. Der Vorsitzende soll die Protokollverlesungen als Teil der Vernehmungen vornehmen dürfen, damit und weil die dazugehörigen Auskunftspersonen sich zu ihren früheren Aussagen äußern können 4 2 . Der Beweiswürdigung soll dann, naturgemäß, höchstens der ganze Vorgang unterliegen. Damit ist aber ein selbständiger Urkundenbeweis nicht vereinbar 4 3 , der erlaubt, daß die Verurteilung sich auch immer dann allein auf ein früheres „Geständnis" stützt, auch wenn der Angeklagte die Tat leugnet und auch abstreitet, jemals geständig gewesen zu sein, da ein selbständiger Beweis eigentlich einem solchen Vergleich der jetzigen zur früheren Aussage von vornherein widerspricht. dd) Teleologische Auslegung Der Verweis auf § 261 — der angesichts der Wendung „zum Zwecke der Beweisaufnahme" naheliegt — könnte also nur soweit zutreffend sein, als damit zu einer solchen vergleichenden Sicht angehalten wird, nicht aber, um statt einer sorgfältigen Beweismittelvergleichung jeden erstbesten, i m Protokoll dargebotenen beweisrechtlichen Schluß rechtfertigen zu können. Damit spricht also trotz des Wortlautes i m Falle des § 254 Abs. 1 mehr dafür, daß das Protokoll inhaltlich nicht selbst und allein Urteilsgrundlage werden soll. Die Tatsache bzw. Möglichkeit eines früheren Geständnisses soll eher erst einmal nur zur Sprache gebracht und festgestellt werden, u m aufzuklären, ob die Äußerungen des Angeklagten gleich geblieben sind und ob der Angeklagte also glaubwürdig erscheint 44 . 39 Ebenso w i e bei §§ 253, 254 ordnet der Vorsitzende bei § 256 Abs. 1 die Verlesung allein an. Vgl. Gollwitzer, LR, § 256 A n m . 5. 40 Vgl. Hahn, Mat. I, S. 196, 870 - 872; Mat. I I , S. 1348 - 1349. 41 Z u den Gründen der Sonderstellung des § 256 Schneidewin, JR 51, 486; Gollwitzer, LR, § 256 A n m . 1. Die durch das 1. StVRG erfolgte Erweiterung des Kreises der verlesbaren Routinegutachten trägt n u r den geänderten V e r hältnissen Rechnung. 42 RGRspr 6, 210 (211). 43 a A Schneidewin, JR 1951, 485; Sax, K M R , § 254 Anm. 1 a; Lohr, S. 148. 44 Dafür etwa Ortloff, GS 37 (1885), 212 (227).

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2. Teil: Bedeutung der §§ 253, 254

Einen solchen (eingeschränkten) Beweiswert nennt die Gegenmeinung aber noch „Vorhalt". Dabei könnte allerdings die Zwecksetzung „zum Zwecke der Beweisaufnahme" bedeuten, daß i n diesem Falle, entgegen §§ 253, 254 Abs. 2, aber nur auf dem oben beschriebenen Umweg, das Gericht soweit auch inhaltlich selbst auf das Protokoll zurückgreifen darf, als es sich fragt, welche der Angaben des Angeklagten mehr Glauben verdienen. Allein m i t der Zwecksetzung ist jedoch wenig bewiesen 45 , zumal die Verlesung, was oft übersehen wird, nicht als „Beweisaufnahme" erfolgt, sondern nur „zum Zwecke der Beweisaufnahme". Auch ein bloßer Vorhalt, der erst eine beweisreife Bestätigung der Aussageperson hervorrufen soll, geschieht doch aber auch „zum Zwecke der Beweisaufnahme". Da die StPO die Vernehmung des Angeklagten strikt von der Beweisaufnahme trennt, könnte § 254 Abs. 1 daher auch nur klarstellen wollen, daß i n diesem Fall die früheren Angaben des Angeklagten i n der Hauptverhandlung auch ohne sein Zutun angesprochen und über einen entsprechenden Vorhalt zum Beweisthema erhoben werden könnten. Die Bevorzugung des Geständnisses vor allen anderen Erklärungen des Angeklagten müßte sich bei einer solchen Deutung aber auch heute noch rechtfertigen. Deshalb ist zu allen diesen Überlegungen die Rolle und der Wert eines Geständnisses heute 4 6 i n grundsätzliche Beziehung zu setzen. Eine solche Beurteilung muß damit auch grundlegend auf die Stellung des Beschuldigten und die Strafverfahrensziele eingehen. Zu dieser umfassenden Sicht bieten die fragmentarischen Meinungsäußerungen des Schrifttums allein zu § 254 wenig Hilfe. 45 Besonders angesichts der Tatsache, daß der Gesetzgeber über die Beweisf u n k t i o n der Verlesungen früherer Protokolle selber wenig K l a r h e i t besaß. Der Hinweis auf die Beweisfunktion der Verlesung nach § 254 Abs. 1 würde auch wenig wiegen, w e n n auch den anderen Protokollvorlesungen nach den §§ 253, 254 Abs. 2 letztlich eine Beweiswirkung zukäme. 46 Da die ganz h M f ü r ein Geständnis kein formelles Schuldbekenntnis der Tat verlangt, sondern schon das Einräumen einer einzelnen, für den Schuldspruch erheblichen, also den Angeklagten irgendwie n u r belastenden Tatsache genügen läßt (vgl. Gollwitzer, LR, § 254 A n m . 3 a bzw. Alsberg/Nüse, S. 347, jeweils m. w. N. aus der RG-Rspr seit RGRspr 6, 554 [555]), sind heute fast alle früheren Angaben des Angeklagten irgendwie i n der Hauptverhandl u n g zu verwerten. So auch Schneidewin, JR 1951, 485; Redecker, S. 56. Die Trennung von Vernehmung u n d Beweisaufnahme w i r d damit aufgehoben. Das gesetzliche Gebot, den Angeklagten nicht i n derselben Weise auf frühere Erklärungen festzulegen, w i e dies m i t Zeugen u n d Sachverständigen geschehen darf (vgl. Schneidewin; Sax, K M R , § 254 A n m . l a ) — was sich auch i n § 254 an der Beschränkung auf richterliche Protokolle zeigt —, w i r d so, zusammen m i t der Praxis, Polizeibeamte mittels freiem Vorhalt zu vernehmen, geradezu ins Gegenteil verkehrt. So w i r d § 254, wenn es gilt, frühere Protokolle gegen den Angeklagten zu verwerten, i n seinen Voraussetzungen immer irgendwie passen. Das stellt selbst Schneidewin, JR 1951, 485, als Vertreter der h M fest, ohne jedoch daraus irgendwelche konkrete Folgerungen zu ziehen.

III. Die Rechtsnatur des § 254

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ee) Zwischenergebnis Die Verlesung nach § 254 Abs. 1 kann nach allem einen eingeschränkten indizierenden oder halb-selbständigen Urkundenbeweis oder, wie § 253, auch nur einen Vorhalt bedeuten. Die wirkliche Rechtsnatur muß auch hier noch offenbleiben. b) Verlesen zur Klärung von Widersprüchen Hinsichtlich des § 254 Abs. Abs. 2 Angemerkte — soviel Klärung von Widersprüchen halts" und damit höchstens zukommt.

2 kann — m i t Rücksicht auf das zu § 253 gesagt werden, als daß der Verlesung zur eindeutig nur die Bedeutung eines „ V o r eines eingeschränkten Urkundenbeweises

§ 254 Abs. 2 und § 253 Abs. 2 stimmen nicht nur i m Wortlaut überein, sondern, wie die einmütige Meinung auch anerkennt 4 7 , auch i n der prozeßrechtlichen Zwecksetzung. Gegen die Auslegung des § 254 Abs. 2 als Vorhalt spricht auch nicht der Gesetzeswortlaut. Zum einen kann sich die Wendung „Dasselbe kann geschehen" sprachlich auf die ausnahmsweise Erlaubnis, daß „Erklärungen des Angeklagten, die i n einem richterlichen Protokoll enthalten sind, verlesen w e r d e n . . . können", beschränken, ohne den „Zweck der Beweisaufnahme" noch zu umfassen 48 . Denn Zweck des § 254 Abs. 2, wie auch des § 253 Abs. 2, ist die Feststellung oder Hebung eines Widerspruchs 49 . Zum anderen beweist die insoweit ganz eindeutige Entstehungsgeschichte, daß der Abs. 2 des § 254 gerade nicht i n gleicher Weise „zum Zweck der Beweisaufnahme" dienen sollte 50 . Nach den Motiven sollte der heutige Abs. 2 des § 215 ausdrücklich keinen Fall des Urkundenbeweises darstellen 51 . Die Redaktionskommission brachte § 215 (254) nur deshalb i n die heutige Fassung, u m den § 215 an den § 214 (253), wie es auch den Motiven vorschwebte, anzugleichen 52 . 47 Vgl. zur h M Alsberg/Nüse, S. 348; Gollwitzer, LR, § 254 A n m . 4; Sax, K M R , § 254 A n m . 1 c — zur Mindermeinung Eb. Schmidt, L k I I , § 254 Anm. 10; Krause, Ub, S. 191 ; Redecker, S. 57. 48 Dazu oben S. 123 f. So auch Krause, Ub, S. 192, u n d Lohr, S. 149. 49 Vgl. auch schon oben S. 124 Note 40. Von einem „ k l a r e n Widerspruch zum Gesetzes Wortlaut" des § 254 Abs. 1, w i e etwa Alsberg/Nüse, S. 346 Note 187, u. Geier, LR, § 254 A n m . 1, behaupten, k a n n also keine Rede sein. 50 Ursprünglich lautete § 215 (254) i m E n t w u r f : „Erklärungen des Angeklagten, welche i n einem gerichtlichen Protokoll enthalten sind, können zum Zweck der Beweisaufnahme über ein Geständnis oder zur Feststellung oder Hebung von Widersprüchen zwischen seinen Angaben i n der Hauptverhandlung u n d denen i n dem vorangegangenen Verfahren verlesen werden." § 215 ist abgedruckt bei Hahn, Mat. I, S. 30. 51 Vgl. Hahn, Mat. I, S. 194 u. 196. Ungenau daher W. Ziegler, S. 33 Note 68.

52

s. oben S. 132 Note 83.

160

2. Teil: Bedeutung der §§ 253, 254

Die daraus resultierende Einordnung beider Bestimmungen i n § 255 spricht gegen eine unterschiedliche Behandlung. Daher kann die Vorschrift des § 254 Abs. 2 eher auf die Auslegung des Abs. 1 ausstrahlen als umgekehrt. c) Methodischer

Ausblick

Folglich bleibt letztlich auch bei § 254 wie bei § 253 nur die Deutung des Sinnes, den die Bestimmung angesichts ihrer systematischen Stellung und verfahrensrechtlichen Aufgabe heute verkörpert. Es muß daru m gehen, ihren Sinn und Zweck i m Gesamtgefüge des Strafprozesses heute zu ermitteln. Die Ergründung dieses aktuellen Verfahrenssinnes ist auch deshalb notwendig, da das den Hintergrund bildende Unmittelbarkeitsprinzip, wie schon aufgezeigt, nicht auf logischen, sondern auf rechtspolitischen Begründungen fußt. IV. Folgerungen auch für die Frage nach der Zulässigkeit formfreier Aktenvorhalte Die Auslegung der §§ 253, 254 muß sich daher insbesondere auch an den Folgerungen und Auswirkungen orientieren und messen lassen, die sich für die Frage der sonstigen Aktenbenutzung bei der forensischen Sachverhaltserforschung aus ihr ergeben. 1. Die Auswirkungen nach der Rspr und h M und nach der Gegenmeinung

Über die Fälle der §§ 253, 254 wie auch der §§ 251 - 256 hinaus und unberührt von ihnen 1 , da die §§ 253, 254 keine Vorhalte regeln sollen, hält (deshalb) die Rechtsprechung und h M richterliche Vorhalte für beliebig zulässig. Die Vorhalte können i n der Form von Protokollverlesungen und auch i n freier Akten wiedergäbe erfolgen 2 . Urteilsgrundlage soll dann ja allein die „durch den Vorhalt herbeigeführte Erklärung des Befragten werden" 3 . Die aufkommende Gegenmeinung u m Eb. Schmidt läßt dagegen, wie ausgeführt 4 , Vorhalte durch wörtliches Verlesen der Aktenstellen allein 1 Der A k t e n v o r h a l t soll gewöhnlich aber dem Urkundenbeweis der §§ 253, 254 vorgeschaltet werden. Vgl. n u r Sax, K M R , § 249 A n m . 3 b. Auch soll die Gefahr der Verwechslung von Urkundenbeweis u n d Vorhalt durch Verlesung es ratsam erscheinen lassen, vgl. Gollwitzer, LR, § 249 A n m . 14 u n d oben i m Text S. 84 f., von einer Verlesung zum Zwecke des Vorhalts n u r sparsam Gebrauch zu machen. 2 Z u r h M vgl. die Ausführungen u n d Nachweise oben S. 83 f. Die herrschende Ansicht schmälert sich u m die Mittelmeinungen z. B. Roxins, der neben den §§ 253, 254 keine weiteren Protokollverlesungen, sondern n u r noch V o r halte i n Gestalt formloser Mitteilungen für zulässig erachtet. Vgl. oben S. 91. 3 Z u r E i n z e l k r i t i k der heutigen Rspr. s. unten S. 168 f. 4 s. oben S. 89 f.

IV. Folgerungen für die formfreien Aktenvorhalte

161

i n den Fällen und unter den Voraussetzungen der §§ 253 und 254 Abs. 2 zu. Grundsätzlich teilt sie aber das Verständnis der h M vom Vorhalt, den sie jedoch, u m Vorhalt und Urkundenbeweis auch äußerlich erkennbar zu unterscheiden, beliebig 5 nur i n Gestalt freier Inhaltsschilderung gestattet. 2. Methodische Unzulänglichkeiten beider Auffassungen

Beide Auffassungen vermengen Richtiges m i t Falschem und vermögen, da sie, wie zu Einzelfragen bereits aufgedeckt, schon i m methodischen Ansatz weitreichende Mängel aufweisen, für sich nicht zu befriedigen. a) Vorabentscheidungen

der eigentlichen

Auslegungsprobleme

Sowohl die herrschende wie auch die sie bekämpfende Gegenmeinung zu §§ 253, 254 deuten den Beweiswert dieser Bestimmungen zu undifferenziert und isoliert. Neben dogmatischen Widersprüchen i m Detail® unterlaufen beiden Unzulänglichkeiten schon i m Vorverständnis, indem sie oft Grund und Folge, Ursache und Wirkung, Behauptung und Beweis verwechseln und so das zu Erweisende als schon erwiesen voraussetzen. Z u undifferenziert sind ihre Auslegungen etwa dann, wenn sie meinen, daß Folgerungen aus der Beweisaufnahme der Zeugenvernehmung „konsequent" 7 auch für die Vernehmung des Angeklagten gelten müßten 8 . Die Ergründung des jeweiligen Gesetzessinnes geschieht darüber hinaus auch zu isoliert, wenn sie zuerst und vorab die Aufgabe und Tragweite des § 250 erforschen und aus den §§ 249, 250 das Wesen des Urkundenbeweises ableiten und dann erst, m i t so vorgefaßter Meinung, die Bedeutung der Tragweite der §§ 253, 254 ermitteln wollen 9 . Beide Meinun5

Sowohl aus verlesbaren w i e aus unverlesbaren Schriftstücken. Diese sind allerdings insoweit abhängige Folge, als sie auf den fehlerhaften Grundentscheidungen aufbauen. Vgl. unten S. 172 f. 7 So etwa Krause, Ub, S. 181, i n seiner K r i t i k zu v. Hippels Einschränkung der sachlichen Vorhalte aus den Akten. Gegen Krauses Grundlegung, S. 68 f., vgl. auch unten S. 184 f. 8 Die einhellige M überträgt die Auslegung zu § 253 „unbesehen" auf die des § 254, ohne die besondere Stellung des Angeklagten als Prozeßsubjekt zu berücksichtigen. 9 So h i l f t es nicht weiter, w e n n etwa Schneidewin, JR 1951, 484 und 489, auf der einen Seite als wichtigster Vertreter der h M die Tragweite des U n mittelbarkeitsprinzips aus § 250 so abstrakt bestimmt, daß er von daher § 253 als einen „einzigen Verrat am Unmittelbarkeitsgrundsatz" ansehen muß, der das Gesetz m i t sich selbst „ i n Widerspruch bringen" soll. Ä h n l i c h Gollwitzer, § 253 A n m . 1; Alsberg/Nüse, S. 300, 342; Dolderer, S. 35; Groth, S. 54. So k a n n es nicht wundern, daß § 255 dann n u r noch als unnütze Belastung empfunden w i r d , Schneidewin, JR 51, 489. Z u r Gegenmeinung vgl. auf der anderen Seite die Nachweise oben S. 143 f. Krause, vgl. S. 145 f., etwa versperrt sich die unbefangene Auslegung von vornherein, indem er die zu deutenden Bestimmungen als Ausnahmevorschriften deklariert, die daher eng auszulegen seien. 6

u k

162

2. Teil: Bedeutung der §§ 253, 254

gen setzen so das nur rechtspolitisch begründete Unmittelbarkeitsprinzip absolut und entscheiden das Auslegungsproblem vorab 1 0 . Infolgedessen w i r d das Problem des Vorhalts aus den Akten zu abstrakt untersucht und dessen Wesen und Zulässigkeit schon allein aus § 249 11 bzw. § 2 5 0 1 2 ' 1 3 beantwortet, bevor die §§ 253, 254 überhaupt ins Auge gefaßt werden. Diese methodische Einseitigkeit setzt sich i m Detail immer mehr fort. Für den Vorhalt aus Schriftstücken w i r k t sich dabei am verhängnisvollsten aus, daß zumeist zuerst die Zulässigkeit des formfreien Vorhalts aus den Akten behauptet w i r d und daß erst nach dieser Festlegung und von daher nur nachklappend und apologetisch auf sein „Wesen" und seine prozessuale Natur eingegangen w i r d 1 4 . Die nachträgliche Kontrolle, die es bedeutet, wenn Urteile seinen solcherart festgelegten Beweiswert nachweisen müssen, w i r k t danach nicht zu Unrecht oft wie eine seine wahre Wirkung verbergende Harmonisierung. Auch die Gegenmeinung, die an sich das Leerlaufen des Unmittelbarkeitsprinzips durch die herrschende Auslegung der §§ 253, 254 sieht, setzt sich daher nicht kritisch genug mit dem (trügerischen) Argument Schneidewins auseinander, daß die §§ 253, 254, gestatteten sie nur Vorhalte, „ganz unnötig sein" würden 1 5 . Sie muß, da sie der h M i m Vorverständnis folgt, die Richtigkeit dieses Einwands zugeben 16 und verweist statt dessen auf die Beschränkung der Vorhaltform 1 7 , die die Bedeutung der §§ 253, 10

Treffend die K r i t i k von Sax, JZ 1967, 229 (230), speziell zu Krauses „ U r kundenbeweis". 11 Nicht zufällig erörtern z. B. Gollwitzer, LR, § 249 A n m . 14, u n d Sax, K M R , § 249 A n m . 3, den formfreien Vorhalt bei § 249. Ebenso Groth, S. 16; Dolderer, S. 35, 69; Sarstedt, Revision, S. 195; Kleinknecht, § 249 A n m . 5. 12 So Schneidewin, JR 1951, 482; Eb. Schmidt, L k I I , § 250 A n m . 7, 8; Lohr, S. 128 f. 13 Krause, Ub, S. 180, siedelt die Lösung bei § 238 an. Methodisch umfassend aber Kern/Roxin, S. 225. 14 I n dieser Reihenfolge die Rspr des BGH. Vgl. BGHSt 1, 5 (8) „Die Zulässigkeit eines solchen Verfahrens i s t . . . anerkannt." Ferner BGHSt 3, 281 (283); BGHSt 1, 337 (339); 3, 199 (201); 11, 159 (160); 14, 310 (312). Aus dem Schrifttum Schneidewin, JR 51, 482; Dolderer, S. 69 f.; Sax, K M R , § 249 A n m . 3 a; Krause, Ub, S. 181 f.; Alsberg/Nüse, S. 285; Lohr, S. 128. Vgl. auch Eb. Schmidt, L k I I , § 250 A n m . 6, 7 i m Widerspruch zu L k I, 1. Aufl., R n 363; 2. Aufl., R n 442. Aber die A b l e i t u n g ist nicht v i e l schlüssiger, w e n n m i t einem einleitenden Satz die Rechtsnatur des Vorhalts behauptet, bestenfalls noch kurz die Tatsache der Aktenkenntnis des Vorsitzenden erwähnt u n d daraus dann die umfassende Zulässigkeit des Vorhalts aus Schriftstücken gefolgert w i r d . So etwa Sarstedt, Revision, S. 195; Gollwitzer, LR, § 249 A n m . 14; Groth, S. 15, 16; Kleinknecht, § 249 A n m . 5. 15 JR 1951, 481 (485). Dessen A r g u m e n t n i m m t auch Gollwitzer, LR, § 253 A n m . 2, auf, w e n n er der Auslegung der Gegenmeinung damit entgegentritt, daß § 253 dann „etwas Selbstverständliches besagen" würde. 16 Krause, Ub, S. 193: „sicherlich richtig"; Lohr, S. 146: „zwar zutreffend". 17 Krause, Lohr wie Note 16. Grundlegend Eb. Schmidt, L k I I , § 253 A n m . 10 u. § 250, A n m . 7, 8.

IV. Folgerungen für die formfreien Aktenvorhalte

163

254 Abs. 2 ausmachen, u m Vorhalt und Urkundenbeweis erkennbar zu unterscheiden, ohne zu merken, daß sie damit ebenfalls einer petitio principii erliegt. Ebensowenig wie es sinnvoll sein kann zu ergründen, wieso das Gesetz eine wörtliche Protokollverlesung nur i n den i n §§ 253, 254 ausdrücklich genannten Fällen erlaubt, i n allen anderen Fällen aber eine Wiedergabe mit den eigenen Worten des Vorsitzenden verlange 18 , ebensowenig kann es als Begründung genügen, auf die Gefahr einer Verwechslung von Vorhalt und Urkundenbeweis zu verweisen. Der Hinweis auf die Gefahr einer Verwechslung von Vorhalt und Urkundenbeweis bedeutet deshalb eine „hermeneutische Eselsbrücke" 19 » 20 da er das zu Beweisende, daß der „Vorhalt" nach §§ 253, 254 Abs. 2 kein Urkundenbeweis ist, als schon bewiesen voraussetzt. Indem die Meinung um Eb. Schmidt die Vorhaltdefinition der h M übernimmt, muß sie sich von ihrer Deutung aus den berechtigten Vorwurf gefallen lassen, daß ihre Auslegung als Verlesungsvorhalt nicht die Ausnahme gegenüber dem § 250 enthält, „als welche der § 253 doch offenbar auftreten soll" 2 1 . b) Verabsolutierung

des Vorhalts aus den Akten

Die h M ist aber, wie gesagt, i n ihrer Ableitung des Vorhalts alles andere als schlüssig. M i t ihrem Grundsatz, daß Vorhalte aus den Akten sowieso zulässig seien, übergeht sie das Kernproblem 2 2 . Sie verwechselt grundlegend Zweck und Wirkung, wenn sie den Vorhalt deswegen als beweisfrei und gemäß § 250 als zulässig erklärt, weil immer nur die Erklärung der Aussageperson maßgebend sein dürfe. Das sei exemplarisch an drei Beispielen vorgeführt. aa) Die Ableitung Sax' bzw. Gollwitzers Denn allein mit der eingehenden Behauptung, der Vorhalt sei ein „wesentliches M i t t e l zur Herbeiführung einer wahrheitsgemäßen Aus18 H i e r i r r t m. E. die sehr scharfsinnige K r i t i k W. Saxens, J Z 1967, 229 (230 unten). Sax begeht hier den Zirkelschluß, den er Krause sonst zu Recht vorwirft. 19 Ebenso Sax, S. 230. Die Formel stammt von Heck, AcP 112 (1914), 1 (189). Z u m „hermeneutischen Z i r k e l " u n d zum Zirkelschluß i n der Rechtsfindung A. Kaufmann, Festschrift für Gallas, S. 7 f. (17 f.). Grundlegend Esser, V o r verständnis und Methodenw ä h l i n der Rechtsfindung (1972). 20 Vgl. auch die K r i t i k Roxins, Kern!Roxin, S. 224: Diese Differenzierung finde i m Gesetz keine hinreichende Grundlage. Daß der Gesetzgeber einen v o m Urkundenbeweis zu unterscheidenden „ V o r h a l t durch Protokollverlesung" überhaupt kenne, sei der StPO nicht zu entnehmen. 21 Schneidewin, JR 1951, 481 (485 l i n k e Sp.).

22

11*

Dieser Ansicht ist auch Hanack, JZ 1972, 202 (203).

164

2. Teil: Bedeutung der §§ 253, 254

sage" 23 und der die A k t e n kennende Vorsitzende werde „oft durch Zweckmäßigkeitsgründe" dazu veranlaßt, den Inhalt eines Protokolls „ n u r für einen V o r h a l t " 2 4 zu verwenden, w i r d das Ergebnis abgeleitet, daß der Vorhalt „kein A k t der Beweisaufnahme, sondern lediglich ein Vernehmungsbehelf" 23 sei bzw. einer „formgemäßen Vernehmung nicht gleichstehe und nicht an die für diese maßgebenden Voraussetzungen gebunden" sei 24 . bb) Die Ableitung Schneidewins Der Vorwurf, daß die wirklichen Entscheidungskriterien nicht genügend aufgedeckt werden, t r i f f t ζ. T. auch Schneidewin, dessen grundsätzliche Ausführungen den Grundpfeiler der heutigen h M bilden. Schneidew i n verweist am Anfang zwar darauf, daß die Protokolle des Vorverfahrens wegen des Verbotes des Urkundenbeweises mit Vernehmungsniederschriften, das § 250 verhänge, noch nicht bedeutungslos seien. Sie seien „ j a meist der wichtigste Teil des i m Vorverfahren gesammelten Beiweisstoffes, auf dessen Grundlage verhandelt werden soll" 2 5 . A l l e i n aus diesem mehr programmatischen Satz schließt er jedoch schon, daß der Richter diese Protokolle zu Vorhaltungen jeglicher A r t verwenden dürfe und müsse. Da ohne jegliche Problematisierung, bleibt seine Versicherung, das Beweisergebnis habe der Richter „dann ja immer noch allein durch die mündliche Aussage gewonnen" 2 6 , selbst i m besten Falle, wenn der Befragte den Vorhalt also bestätigt, unbewiesene Behauptung. Denn über den Umweg der These, die (sonst unzulässige) Protokollverlesung könne zu einem solcherart „wirksamen Vorhalt unerläßlich" 2 7 sein, leitet dann Schneidewin den Schluß ab, daß das Verlesen i n § 250 S. 2 einen anderen Sinn habe als i n § 249, es habe nicht die Bedeutung eines Verlesungs-, sondern eines Verwertungsverbots. Den dann doch auch naheliegenden und zu diskutierenden Schluß, daß das Verlesen i m § 250 genau dasselbe wie i m § 249 heißen könnte, so daß das Verwertungsverbot das Verbot beinhalten könnte, die frühere Aussage überzur Sprache zu bringen, verwirft er m i t dem Wissen, daß ein solches Verbot „ganz unvernünftig" wäre 2 8 . M i t dem solcherart aus dem Vorverständnis des Gesetzes bewehrten Wissen, daß der Vorhalt also unerläßlich sei und sein Verbot ganz unvernünftig, entzieht sich Schneidewin der Notwendigkeit, das damit angesprochene prozeßökonomische Be23

Sax, K M R , § 249 A n m . 3 a. Z u pauschal auch Schroth, S. 104, 112. Gollwitzer, LR, § 249 A n m . 14. 25 A u f diesen Hinweis Schneidewins, JR 1951, 481 (482 r. Sp. unten), w i r d noch zurückzukommen sein. 26 JR 1951, 482. 27 JR 1951, 483 1. Sp. Mitte. 28 Schneidewin, S. 483. 24

IV. Folgerungen für die formfreien Aktenvorhalte

165

dürfnis i m Hinblick auf die Prozeßziele zu anderen prozeßtechnischen Hilfsmitteln i n Beziehung zu setzen. c) Fehlende Verifizierung Ohne auf dessen mögliche Beweiswirkung, psychologische Gefahren und revisionsrechtliche Fehlerquellen einzugehen, ist der formfreie Vorhalt zum Maßstab aller Dinge erhoben, an dem sich alles andere, das Gesetz eingeschlossen, zu orientieren hat 2 9 . Erst m i t Appellen an eine richtige, an der künstlich als beweisfrei orientierten Prozeßnatur ausgerichteten Beweiswürdigung und über den letzten Ausweg einer revisionsgerichtlichen Kontrolle versucht man, der dauernden Frage zu begegnen, ob die Urkunde beim Vorhalt nicht selbst als Beweisgrundlage herangezogen und verwertet wurde 3 0 . Die daraufhin einsetzende K r i t i k von Eb. Schmidt, die ja auch frei gestaltete Vorhalte aus den Akten bei der Auslegung der §§ 253, 254 a priori weiter zuläßt, ist daher ebensowenig schlüssig wie die überkommene Meinung 3 1 . Indem sie ohne Problematisierung das überkommene Vorverständnis vom beweisfreien Vorhalt übernimmt, bleibt auch sie den entscheidenden Nachweis schuldig, daß die statt freier Verlesungsvorhalte empfohlenen „korrekten" frei gestalteten Vorhalte bzw. formlosen Mitteilungen weniger bedenklich sind als die wortwörtlichen Verlesungen. Erklärt doch Eb. Schmidt selbst, daß durch sie nur zu leicht „unkontrollierbare subjektive Meinungen des Vorsitzenden über den Akteninhalt an die Stelle objektiver Beweisaufnahme treten können" 3 2 . d) Das eigentliche Problem des Aktenvorhalts Das eigentliche Problem liegt daher i n der Frage, ob und wieweit Vorhalte jeglicher A r t aus dem Akteninhalt überhaupt zulässig sind — anstatt einer zulässigen Verlesung eines Schriftstücks nach den §§ 251, 253, 254 und auch bei den Schriftstücken, wo eine solche Verlesung nicht stattfinden darf. Die Auslegung der §§ 253, 254 ist damit aber untrennbar verbunden. Solange nicht die wirkliche Natur sachlicher Vorhalte aus den Akten erwiesen ist, läßt sich eine abschließende A n t w o r t für die 29 Besonders augenfällig w i r d diese Verabsolutierung des Vorhalts auch durch einen E i n w a n d Gollwitzers, LR, § 253 A n m . 2, S. 1371 M i t t e : Folge man der Ansicht, § 253 habe die Bedeutung eines Vorhalts, würde man die Möglichkeit des Vorhalts zudem noch an Voraussetzungen knüpfen, die nach einhelliger Meinung nicht notwendig gegeben zu sein brächten, wenn Vorhalte v o r genommen würden. 30 Vgl. n u r Gollwitzer, § 253 A n m . 2. 31 Ebenso Hanack, JZ 1972, 202 (203), der noch darauf verweist, daß eine allzu starke Skepsis gegenüber den Laienrichtern mitschwingt.

32

So noch in der 2. Auflage des Lk 1,1964, Rn 442.

166

2. Teil: Bedeutung der §§ 253, 254

prozeßrechtliche Natur der §§ 253, 254 nicht geben. Der angesprochene Vorwurf Schneidewins hängt weiter i m Raum: Sind die Vorhalte tatsächlich beweisneutral, wäre ihre Regelung i n §§ 253, 254 i n der Tat überflüssig 33 . Sind die Vorhalte aus den Akten aber beweisergänzend, hätte dann angesichts des geschlossenen Kreises der Beweismittel der StPO eine Vorhaltsregelung in den §§ 253, 254 ihren (guten) Sinn. e) Fazit: Die Vorhaltnatur folgt (aus) der tatsächlichen Beweiswirkung, nicht aber allein dem Prozeßzweck Die Analyse der Gegenmeinung, die i n den Verlesungen nach den §§ 253, 254 Vorhalte sieht, hat den damit einhergehenden Beweismittelcharakter dieser Vorhalte aufgezeigt. Sie hat klargemacht, daß der Rechtscharakter eines (möglichen) Beweismittelinstituts nicht (allein) von dem damit beabsichtigten Funktionsanspruch bestimmt werden kann. Beweiserhebung ist ein tatsächliches Feststellen von Tatsachen. Die Beweisnatur muß sich daher nach der tatsächlichen Feststellungs- und Beweiswirkung richten, nicht aber nach einem wie auch immer postulierten theoretischen Prozeßzweck. Ein Urkundenbeweis liegt nicht nur dann vor, wenn der gedankliche Inhalt eines (verlesbaren) Schriftstücks für Beweiszwecke verwertet werden soll, sondern insbesondere gerade auch dann, wenn ein solcher gedanklicher Inhalt tatsächlich verwertet wird bzw. wurde. Hinsichtlich des Vorhalts aus den Akten folgt daraus, daß nicht schon der damit beanspruchte Vorhaltzweck dessen tatsächliche Beweisnatur ausmachen kann, sondern immer erst dessen faktische Beweiswirkung. Erst die faktische Funktion beweist die vorgedachte Theorie; eine solche realistische Sicht schützt vor falschen Vorstellungen und Folgerungen. Das überkommene Verständnis der h M negiert aber dieses Dilemma von Theorie und Praxis. Ihre These kann nur aufrecht erhalten werden, wenn sich das Materielle vom Formellen sauber trennen läßt. Daß der Zweck des Vorhalts als beweisfreier Anreiz auch seine prozessuale Natur ausmacht, muß i m folgenden erst i n Zweifel gestellt werden, bevor es verifiziert werden kann. Die formelle Vorhaltanalyse (oben S. 108 f.) zeigt, daß das Gegenteil natürlicher wäre. Der beweisfreie Vorhalt ist etwas Künstliches, blendet den wesentlichen Kern aus, denn das formal Wesentliche, die Mitteilung eines bestimmten Inhalts, muß zum beweisrechtlich unwesentlichen Teil werden 3 4 . Erst der schlüssige Nachweis, daß ein solches Ausblenden tatsächlich möglich ist, w i r d der K r i t i k gerecht, die Niese schon 1953 äußerte, als er 33

33).

34

Ä h n l i c h selbst Eb. Schmidt,

Vgl. auch Koffka,

Festschrift für Jellinek, S. 625 (634 bei Note

ZStW 81 (1969), 966 (968).

IV. Folgerungen für die formfreien Aktenvorhalte

167

die Unterscheidung von Vorhalt und Urkundenbeweis als „gekünstelt und praktisch undurchführbar" ablehnte 35 . Diese seine Bedenken nehmen aber i m Grunde auch bereits die Materialien zur RStPO vorweg. Die vielgeschmähten Materialien lassen erkennen, daß die Mitglieder der Reichstagskommission weiter dachten als die fast einmütige Meinung heute 36 . Ihre Ausführungen beleuchten alle Problemimplikationen 3 7 , trotzdem vermieden sie eine Festlegung der Verlesungen als Vorhalt oder Urkundenbeweis. Ihnen war wohl das Ziel der Vorhalte als Nachhilfe ohne Beweiswert theoretisch bekannt. Sie ahnten aber z. T., daß die faktische Auswirkung einer Inhaltsmitteilung i m Gerichtssaal mitunter eine vom theoretischen Anreizzweck zu trennende Beweisgröße sein kann 3 8 .

35

J Z 1953, 595 (598). Vgl. Hahn, Mat. I, S. 863 f. bzw. Mat. I I , S. 1343 f., einerseits u n d dazu die K r i t i k Schneidewins, JR 1951, 485, u n d Krauses, Ub, S. 189, andererseits. 37 So auch Luden, J W 1883, 230 (234,1. Sp. oben). 38 Vgl. Abg. Bähr, Hahn, Mat. I I , S. 1346: Eine Grenze zwischen Verlesungen u n d kurzen Konstatierungen aus dem Protokoll sei oft gar nicht zu finden. E i n solches Gespür verrät auch der Hinweis auf die pouvoir discrétionnaire des Vorsitzenden i n den Motiven, vgl. Hahn, Mat. I, S. 194, 195. „Der E n t w u r f hat daher eine solche Unterscheidung nicht gemacht, vielmehr die Verlesung von Protokollen u n d schriftlichen Erklärungen, gleichviel zu welchem Zwecke sie geschehen möge, n u r i n bestimmten Ausnahmefällen an Stelle der u n m i t t e l baren Vernehmung zugelassen" (S. 195). 36

Dritter

Teil

Zur Zulässigkeit von freien Vorhalten I. Zur Möglichkeit frei gestalteter Vorhalte (anstatt eines zulässigen Urkundenbeweises) 1. Urkundenbericht und Urkundenvorhalt

Unabhängig von der i m Einzelfall schwer nachprüfbaren Vorhaltwirkung und deren psychologischen Gefahren enthält die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Vorhalt auch innerhalb der von ihr selbst gesetzten Grundsätze 1 dogmatische Widersprüche. So bezeichnet und erlaubt selbst der B G H den Vorhalt als Urkundenbeweisform 2 . Der Urkundenbeweis besteht i m Verlesen. Nicht jede Verlesung eines Schriftstückes ist die Aufnahme eines Urkundenbeweises, aber kein U r kundenbeweis ohne Verlesung 3 , § 249. Aber auch der B G H verwässert diese klare Regel des § 249 leider dahin, daß er statt dessen eine „streng sachlich gehaltene" Schilderung über den Inhalt, die Feststellung des Inhalts und ähnlich laxe Vorgänge genügen läßt 4 . Das Schwerbegreifliche an dieser Rechtsprechung besteht dabei darin, daß der B G H diese Ersatzvorgänge nicht bei ganz umfänglichen Schriftstücken und aus praktischen Gründen zuläßt, sondern sie i m Gegenteil gerade auf kürzere und einfachere Urkunden beschränkt. Vom Verlesungsersatz durch Mitteilung, der noch als Form des Urkundenbeweises gilt, unterscheidet BGHSt 11, 159 (160), daß „anstatt dieses Urkundenbeweises" der Inhalt einer Urkunde „ i n anderer Weise", „insbesondere dadurch festgestellt" wird, daß das Gericht das Schriftstück dem Angeklagten oder Zeugen vorhält und m i t i h m „erörtert" 5 . Neben den Urkundenbeweis stellt also 1

U n d unabhängig von einzelnen sprachlichen Verfälschungen. A u f die V o r h a l t v e r w e r t u n g durch das Reichsgericht soll hier nicht mehr eingegangen werden. Vgl. oben insb. S. 50 f., 67 f. 3 So besonders deutlich Sarstedt, Revision, S. 194. 4 B G H S t 1, 94 (96); 11, 29 (30), allerdings m i t der Einschränkung, der V o r gang könne gegen die Aufklärungspflicht verstoßen. Entschieden gegen RG u n d B G H : Eb. Schmidt, L k I I , §249 A n m . 19; Gollwitzer, LR, §249 A n m . 8; Sarstedt, Revision, S. 194; Schneidewin, JR 1951, 481; Hanack, J Z 1972, 202; υ. Hippel, Lb, S. 436; Gerland, Lb, S. 235. F ü r R G u n d B G H : Alsberg/Nüse, S. 281; Sax, K M R , § 249 A n m . 2 d; Groth, S. 14. 5 BGHSt 11, 159 (160). Ebenso B G H VRS 32 (1967), 352 (353). Der 1. Senat, 2

I. Zur Möglichkeit frei gestalteter Vorhalte

169

der 4. Senat, wie gehabt, den „bloßen inhaltlichen Vorhalt" 6 . Entsprechend der Vorhaltstellung als Anreiz soll dann nicht die Urkunde selbst, sondern lediglich die bestätigende Erklärung der Auskunftsperson die Grundlage der Urteilsfindung bilden 7 . Wie wenig ernst es aber dem B G H i n Wirklichkeit m i t dieser Beweisabgrenzung ist, zeigt jedoch schon der nächste Satz, der mehr auf eine nachträgliche revisionsrichterliche M i n i malkontrolle als auf eine scharfe Trennung ausgerichtet ist. „Aus dem Wortlaut des Schriftstücks" — und nicht, wie eigentlich zu erwarten, aus dem Inhalt der Urkunde — dürften deshalb i n diesem Fall „keine Beweisschlüsse gezogen werden" 8 . Eine klare Linie verfolgt der B G H aber auch damit noch nicht 9 . Obwohl BGHSt 5, 278 (279) noch ohne Unterschied klargestellt hatte, daß die „förmliche Verlesung zum Zwecke des Beweises" selbst nicht „durch einen wörtlichen Vorhalt an den Angeklagten oder Zeugen ersetzt" w i r d und trotz der eigenen Trennung vom Urkundenbeweis und i m Widerspruch zu seinen eigenen Worten läßt der 4. Senat i n BGHSt 11, 160 den Vorhalt als den gerade abgesagten „Ersatz des möglichen U r kundenbeweises" 10 i m nächsten Atemzug dann wieder zu: Bei „kurzen und leicht faßbaren Schriftstücken" sollen „freilich" gegen die „Feststellung des Wortlauts" solcher Schriftstücke „durch solche Vorhaltungen" keine Bedenken erhoben werden können. Welche Holle nach dieser Feststellung noch die folgende Einschränkung, daß „kein Zweifel an der Erinnerungstreue der darüber vernommenen Auskunftsperson" bestehen dürfe 1 1 , spielen soll, bleibt ebenso unklar wie die Versicherung, diese Auffassung liege „offensichtlich" auch der Entscheidung BGHSt 5, 278 zugrunde 12 . I n Wirklichkeit gefährdet diese Verfahrensweise, die nach BGHSt 11, 159 (160) sogar der „ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs" entsprechen soll, die Wahrheitsfindung und beeinträchtigt, gleichgültig ob bei längeren oder kürzeren Schriftstücken, „insbesondere die VerteiDallinger, M D R 1975, 369, läßt neuerdings sogar bereits die Feststellung durch Vorhalt genügen. 6 Diese Unterscheidung verwischt etwas i n der K r i t i k Eb. Schmidts, Nachträge I, § 249 R n 19. Vgl. auch Hanack, J Z 72, 202 Note 6. 7 BGHSt 11, 152 = N J W 58, 559. 8 5. Senat BGHSt 11, 159 (160). „Der W o r t l a u t " sei nicht „Gegenstand der Beweisaufnahme" gewesen. Ausdrücklich gegen eine Unterscheidung von Wortlaut u n d I n h a l t aber noch B G H S t 5, 278 (279). 9 Gleicher Ansicht die K r i t i k von Eb. Schmidt, Nachträge I, § 249 R n 19. 10 BGHSt 11, 159 (160). Auch O L G K ö l n M D R 1955, 122 bezeichnet den V o r halt i n diesem Zusammenhang ausdrücklich als „Ersatzform der Verwertung einer Urkunde". 11 B G H S t 11,159 (160). 12

BGHSt 11, 159 (160). Zweifelnd auch Eb. Schmidt, Nachträge I, § 249 Rn 19.

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3. Teil: Zur Zulässigkeit von freien Vorhalten

digung des Angeklagten" 1 3 . Die Verwertung des Vorhalts selbst beschneidet ihm das rechtliche Gehör 1 4 und verletzt außerdem das Verbot, „nicht i n gesetzmäßiger Form i n der Hauptverhandlung gewonnenen" Verfahrensstoff zu verwerten, § 261 14 . Sofern es nach § 244 Abs. 2 auf die Feststellung des Inhalts einer Urkunde ankommt, kann der Urkundenbeweis gemäß § 249 aus gutem Grund eben nur durch Verlesung erfolgen 15 . Der Urkundeninhalt muß, wenn er dem Gericht bei der Beweiswürdigung dienen soll, allen Prozeßbeteiligten durch förmliche Verlesung, d. h. wortwörtliche Textwiedergabe 16 , bekanntgegeben werden. Wenn man schon den richterlichen Beweisvortrag wegen der möglichen subjektiven Färbung als unzulässig ablehnen muß, so muß diese Ablehnung erst recht für eine Ersetzung durch richterliche Vorhalte gelten. Beide Praktiken verstoßen gegen den eindeutigen Wortlaut der §§ 249, 256 17 . Sie verletzen vielfach — wie auch der B G H erkennt — auch die Pflicht des § 244 Abs. 2 zur Amtsaufklärung, weil die subjektive Inhaltswiedergaben der Schilderung bzw. des Vorhalts, zwischen denen hinsichtlich der Inhaltsbekanntgabe nur graduelle Unterschiede bestehen, einen geringeren Beweiswert haben können als die Verlesung selbst 18 . Feststellung wie Vorhalt als Urkundenbeweisersatz wären auch als Förmlichkeit nach § 273 Abs. 1 zu protokollieren. Bleibt danach für den Verlesungsersatz nur Raum, worauf Gollwitzer zu Recht hinweist 1 9 , wenn die Verlesung ohnehin weder Zeit noch Mühe kostet, so entfällt auch das praktische Bedürfnis für die bekämpfte Rechtsprechung 20 . Zum einen verwischt diese Handhabung — und das ist eine schwerwiegende Inkonsequenz der höchstrichterlichen Rechtsprechung 21 — den grundsätzlich beanspruchten Unterschied zwischen (beweisfreien) Vor13 So zu Recht i m Ergebnis auch B G H S t 5, 278 (279). BGHSt 11, 159 (161) beschränkt diese Feststellungen ohne Not auf längere Schriftstücke. 14 BGHSt 11, 159 (161) u n d BGHSt 5, 278 (279). 15 Hanack, J Z 1972, 202; Gollwitzer, LR, § 249 Anm. 7 c. 16 Beling, Lb, S. 320; Eb. Schmidt, L k I I , § 249 A n m . 19. 17 Vgl. Kern!Roxin, S. 139, allerdings n u r gegen die Inhaltsbekanntgabe. 18 Der Streit darüber, ob insbesondere die Vorhalte der Aufklärungspflicht, dem Gebot zur Gewährung des rechtlichen Gehörs u n d dem Mündlichkeitsgrundsatz genügen, w i r d allemal aufflammen, da BGHSt 11, 159 (161) u n d B G H VRS 32 (1967), 352 (353) auch die beweisersetzenden Vorhalte als „ T e i l der Vernehmung" u n d nicht protokollierungsbedürftig ansehen. Vgl. auch Sarstedt, Verh. 46. D J T (1966), Bd. 2, S. F 8 (27). 19 Gollwitzer, LR, § 249 A n m . 7 c, der seine Ausführungen aber zu eng auf die „Feststellung" beschränkt. 20 Wie hier Hanack, J Z 1972, 202. I m Ergebnis ebenso Sarstedt, Revision, S. 195. 21 N u r m i t dieser Beschränkung stimmt grundsätzlich die die Zulässigkeit des Vorhalts voraussetzende K r i t i k von Eb. Schmidt, L k I I , § 249 A n m . 19 u. 23; Nachträge I, § 249 R n 19; Gollwitzer, LR, § 249 A n m . 7 c; Kern/Roxin, S. 139; Sarstedt, Revision, S. 195; z.T. auch Alsberg/Nüse, S. 286. Wie hier Hanack, JZ 1972, 202.

I. Zur Möglichkeit frei gestalteter Vorhalte

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halten aus Schriftstücken und der Feststellung ihres Inhalts zu Beweiszwecken 22 . Zum anderen — und das ist das eigentlich Entscheidende 23 — bringt der B G H ohne Not, auch wenn er offensichtlich strenger sein w i l l als das RG, sowohl mit dem Vorhalt wie m i t der Feststellung i n eine A n gelegenheit strenger Förmlichkeit einen Einschlag, der an die Stelle der klaren, eindeutigen Prozeßform des „Verlesens" ermessensbedingte Verhaltensweisen des Vorsitzenden setzt 24 . 2. Beweisführung und Sachleitung

Der freie Vorhalt aus den Akten kann nicht neben der Anhörung und Verlesung als „beweisergänzender Vorhalt" eine zulässige dritte A r t der Beweiserhebung sein. Die StPO schafft einen geschlossenen Kreis von Beweismitteln 2 5 . Da sie ihn nicht als selbständiges Beweismittel anerkennt, stünde der Vorhaltbeweis von vornherein als unzulässig außerhalb der StPO. Motivierende Sachleitungshandlungen 26 des Gerichts wie Fragen und (nach der These der hM) Vorhalte des Vorsitzenden bei der Vernehmung sind keine Beweiserhebungshandlungen, sondern sollen erst die Beweisführung, d. h. die Aussage, vorbereiten wie etwa auch die Worterteilung an den Zeugen 27 . Der Vorsitzende muß zwar die Beweise erheben. Er ist aber nicht Beweismittel; was er sagt, ist keine Beweisquelle 28 . Eine Frage oder Aussage (Vorhalt) des Richters kann also nichts zur Uberzeugung des Gerichts beitragen. Erst die Antwort kann etwas beweisen 29 . Der Richter hat sich die Beweise also selbst vorführen zu lassen. Soll sein Sachverhaltswissen verwertet werden, so muß er als Zeuge aussagen. Als Richter scheidet er dann selbstverständlich aus 30 . Daß der „Ersatz des möglichen Urkundenbeweises" dann nicht i n Frage kommen soll, „wenn es sich um ein längeres Schriftstück oder ein solches handelt, das sprachlich oder inhaltlich schwer zu verstehen ist" 3 1 , 22

Gegen eine solche verwirrende Begriffsverwendung oben S. 111. Daneben wiegen auch die Zweifel an der Unterscheidungsfähigkeit der Laienrichter, die Gollwitzer, LR, § 249 A n m . 7 c, „ v o r allem" sieht, weniger. 24 Sehr treffend Eb. Schmidt, Nachträge I, § 249 R n 19. 25 RGSt 53, 348 (349); Krause, Ub, S. 85; Eb. Schmidt, JZ 1956, 206 (207 Note 16), gegen Dallinger, M D R 1956, 145 (146). 26 Näheres bei Eb. Schmidt, L k I, R n 224 u. 243. 27 Ä h n l i c h den Erwirkungshandlungen. Vgl. Goldschmidt, Der Prozeß als Rechtslage, S. 512; Eb. Schmidt, L k I, Rn 224. 28 Das ist allgemein anerkannt. Vgl. v. Hippel, Lb, S. 325; Eb. Schmidt, L k I, Rn 443. 29 Sarstedt, Revision, S. 197; Gollwitzer, LR, § 249 A n m . 7 c. 30 Beling, Lb, S. 295. Nach § 22 Nr. 5 w i r d er, wenn er als Zeuge oder Sachverständiger privates Wissen von der Tat bekundet, vom Richteramt k r a f t Gesetzes ausgeschlossen. Privates Wissen darf er also auch nicht einfach i m Beratungszimmer zum besten geben. 31 BGHSt 11, 159 (160). 23

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3. Teil: Zur Zulässigkeit von freien Vorhalten

ist zwar ein Fortschritt, aber er räumt weder die dogmatischen Bedenken aus noch mildert er die praktischen Unzulänglichkeiten 32 , weil die Begrenzung neue, nicht nur revisionsrechtlich erhebliche Unsicherheiten schafft 33 . Was ζ. B., wie Eb. Schmidt zutreffend betont 3 4 , für den Vorsitzenden „leicht faßbar" ist, braucht es für einen Schöffen noch längst nicht zu sein. Auch der Hinweis auf die „bestätigende Erklärung" des Angeklagten oder einer anderen Auskunftsperson 35 , auch „ i m U r t e i l " 3 6 , bringt doch nicht mehr Objektivität und Beweissicherheit, i m Gegenteil. Was für die Ersetzung durch Vorhalte des Vorsitzenden gilt, gilt doch, wie Hanack zu Recht ausführt 3 7 , noch mehr für eine Ersetzung durch die A n t w o r t des Zeugen oder Angeklagten auf solche Vorhalte, selbst wenn man dabei als Grundlage der Urteilsfindung „nicht die Urkunde selbst" 38 , sondern die „bestätigende" A n t w o r t ansieht. Die ganze Praxis verstößt als Ersatz für einen an sich gebotenen Urkundenbeweis gegen den Zweck des § 249 39 . I I . Zur Problematik der formfreien Vorhalte (auch aus unverlesbaren Aktenteilen, wenn ein Urkundenbeweis also nicht in Betracht kommt) Damit w i r d ein Teil der Problematik des „formfreien Vorhalts" als eines „Vernehmungsbehelfs" deutlich, der nach der ständigen Rechtsprechung und ganz h M als Vorhalt von Aussagen i m Ermittlungsverfahren auch dann statthaft sein soll, wenn das Protokoll über die Aussage i m Wege des Urkundenbeweises selbst (§§ 251 f.) nicht verwertet werden darf. 1. Urkundenbeweis und Vorhalt — Kritik der Rspr und h M

Den „schwersten Bedenken" Nieses gegen die „gekünstelte und praktisch undurchführbare" Unterscheidung von (unzulässigem) Urkundenbeweis und (zulässigem) Vorhalt setzt die h M immer noch Hinweise über dessen theoretische 1 Beweisneutralität entgegen. Ob die Unterscheidung 32

Hanack, J Z 1972, 202 (203). Vgl. Eb. Schmidt, Nachträge I, § 249 Rn 19 am Ende; zustimmend Hanack, S. 203. 34 Nachträge I, § 249 R n 19. 35 BGHSt 11, 159 (160). 36 BGHSt 11,159 (161). 37 JZ 1972, 202. 38 BGHSt 11, 159 (160). 39 Ebenso Hanack, J Z 1972, 202, m i t dem Zusatz (daß dieses Ergebnis feststehen müsse) „ w i e immer m a n sonst über den ,Vernehmungsbehelf des formfreien Vorhalts' denkt". 1 Den darin liegenden Widerspruch erkennen selbst Alsberg/Nüse, S. 289: 33

II. Zur Problematik der formfreien Vorhalte

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letztlich praktisch durchführbar ist, sei hier ebenso wie die ganze Psychologie richterlicher Entscheidungstätigkeit noch ausgeklammert. Der Versicherung Roxins etwa 2 , die Argumentation der Rspr sei wenigstens „logisch nicht zu beanstanden", läßt sich aber auch schon m i t rein dogmatischen Erwägungen widersprechen. Denn bereits die revisionsrechtliche Vorhaltrechtsprechung deckt auf, daß diese Hinweise der hM, daß „allein d i e . . . Erklärung des Befragten" 3 und unter keinen Umständen der U r kundeninhalt 4 als Erkenntnisquelle verwertet werde, unerfüllbare A n sprüche und stereotype Formeln bedeuten, die sich durch die allernächsten Ausführungen schon selbst widerlegen. Daß dem Zeugen, wie BGHSt 3, 199 (201) erklärt, polizeiliche Protokolle über die Aussagen anderer Zeugen vorgehalten werden, daß dem Polizeibeamten das von i h m aufgenommene Protokoll auch dann vorgelesen werden darf, wie BGHSt, 281 (284) erlaubt, wenn er nicht erklärt hat, sich einer Tatsache nicht mehr zu erinnern oder daß darüber hinaus nach B G H 3 StR 626/54 als „Hilfsmittel zu Vorhaltungen" selbst Erkenntnisquellen benutzt werden können, „die nicht zu den i n der StPO aufgezählten Beweismitteln gehören" 5 kann — angesichts des geschlossenen Kreises der Beweismittel — höchstens dann logisch sein, wenn die Vorhalte damit nicht selbst Beweismittel werden. Aber eben diese Beweismittelqualität räumt i n Wirklichkeit selbst der B G H den Vorhalten ein. a) Die „Bestätigung

w

des Vorhalts durch eine Auskunftsperson

Sicherlich kann durch eine Verlesung nur eines Teils der Urkunde nicht der ganze Urkundeninhalt festgestellt werden. Wie BGHSt 3, 199 (201) aber ausführt, w i r d die frühere Aussage als Urkundeninhalt zum „Vorhalt verwendet". Eine Urkundenteilverwertung ist jedoch auch noch Urkunden(teil)beweis 6 , wenn nicht, wie BGHSt 3, 199 (201) meint, der (ganze) „Urkundeninhalt festgestellt" und die „Vernehmung des Zeugen", dessen frühere Aussage als Vorhalt verwendet wird, nicht (ganz) „ersetzt" wird. M i t dem Hinweis auf den „Zweck" 7 der Verlesung läßt sich die Beweiswirkung allein nicht leugnen. Die entstehenden Zweifel, die nach BGHSt 3, 281 (283) aber gerade „nicht entstehen" dürfen, ob nämlich doch der Inhalt des verlesenen Schriftstücks die Beweisgrundla„Gewiß ist es der Idee nach so, daß allein die durch den Vorhalt veranlaßte Aussage Beweisquelle i s t . . . Begrifflich ist also der Unterschied . . . v ö l l i g klar. I n der Praxis verwischen sich jedoch die Dinge etwas . . . " 2 Vgl. PdW Nr. 302, S. 210. 3 BGHSt 3,199 (201). 4 So der B G H etwa i n 3 StR 736/51 v. 18. 10.1951 N J W 1952, 556. 5 B G H bei Dallinger, M D R 1956, 527 (528); dazu auch Eb. Schmidt, J Z 1954, 537 (539). 6 Dazu i m Einzelnen oben S. 141 f., 145 f. 7 BGHSt 3, 199 (201).

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3. Teil: Zur Zulässigkeit von freien Vorhalten

ge ergänzt, wenn etwa durch den Vorhalt als „Gedächtnisstütze" die Zeugenaussage ergänzt werden soll, werden zur Offenkundigkeit, wenn und da die Erklärung der Auskunftsperson den Vorhalt nur „bestätigen" muß 8 . Eine Bestätigung des Zeugen wie „Ja, das habe ich damals gesagt" kann als inhaltsleere Erklärung für sich allein keine Mitteilung geschweige denn eine Gewißheit vom Urkundeninhalt verschaffen. Indem die Richter sich an die Bestätigung halten, werden sie zwangsläufig, um von der früheren Aussage inhaltlich Kenntnis zu erhalten, auf die Verwertung des vorgehaltenen Protokolls verwiesen. Damit wird aber der Vorhalt selbst zum Beweismittel. Denn Beweismittel beim Zeugenbeweis ist doch lediglich die Aussage als solche, so wie sie der Zeuge aus seiner eigenen Erinnerung heraus zu leisten vermag 9 . Daran hält ja auch die Auslegung des B G H zu § 253 fest, indem sie die lückenhafte und darum wenig brauchbare Aussage des Zeugen, wie Eb. Schmidt zu Recht betont 1 0 , durch einen daneben durchgeführten und mit der Aussage kombinierten Urkundenbeweis ergänzt. Auch beim Vorhalt verschafft sich das erkennende Gericht „Kenntnis von den früheren Angaben", wie BGHSt 1, 337 (339) selbst erklärt 1 1 , schon durch den Vorhalt selbst und nicht erst durch dessen „Bestätigung". Die Bestätigung gibt danach also nur noch grünes Licht für den „Rückgriff" auf die bekannten Angaben des Protokolls 1 2 . b) Der Vorhalt als „Bestandteil"

der Aussage

Daß der Vorhalt, der nach BGHSt 11, 338 (340) „bloßer Vernehmungsbehelf", „aber kein Urkundenbeweis" ist, i n Wirklichkeit einen Urkundenbeweis darstellt, veranschaulicht der B G H noch deutlicher, wenn die „höchst bedeutsame Entscheidung" 13 BGHSt 14, 310, aus der Sicht der Rspr durchaus folgerichtig 14 , auch den Vorhalt „polizeilicher" Geständnisse anerkennt, wobei der Vorhalt wie für das RG dann zum „Bestandt e i l " 1 5 der Erklärung der Aussageperson wird. 8

So BGHSt 3, 281 (282). Eb. Schmidt, JZ 1964, 537 (541). 10 JZ 1964, 541 Note 33. Eine entsprechende Anwendung des § 253 schließen BGHSt 3, 281 (283) u n d BGHSt 11, 338 (340) j a auch ausdrücklich aus. Denn bei § 253 werde die i m Protokoll niedergelegte Aussage des Zeugen „ u n m i t t e l b a r zur Beweisgrundlage" (S. 340). 11 Ebenso B G H S t 14, 310 (311). 12 BGHSt 1, 337 (338), der dann widersprüchlich erklärt, ohne eine solche E r k l ä r u n g dürfe das Gericht „trotz Vorhalts der Protokolle keine Kenntnis von ihrem I n h a l t gewinnen", vgl. S. 339. 13 Eb. Schmidt, JZ 1964, 537 (540). 14 Ebenso Hanack, J Z 1972, 274. 15 BGHSt 14, 310 (312) i m Anschluß an RGSt 69, 88 (90). Zur BGH-Entsch. vgl. die K r i t i k Eb. Schmidts u n d Hanacks oden Note 13 und 14. 9

II. Zur Problematik der formfreien Vorhalte

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Nach BGHSt 11, 338 (340) darf die Zulassung des Vorhalts nicht dazu führen, den „Inhalt der vorgehaltenen Niederschrift selbst für die Beweiswürdigung heranzuziehen". M i t § 254 ist, wie B G H 14, 310 (311) bestätigt, „gleichzeitig auch ein Urkundenverwertungsverbot ausgesprochen" 16 . Angesichts dieses Verbotes bedeutet es schon einen Widerspruch, daß der Urkundeninhalt sodann aber für einen (formalen) Vorhalt „verwertet" werden kann. Da danach aber auch für den 5. Senat die „Grenzen zwischen dem Urkundenbeweis und dem Zeugenbeweis" nicht „verwischt werden dürfen" und der Vorhalt auch nicht dazu dienen darf, einen „unzulässigen Urkundenbeweis zu ersetzen oder zu umgehen" 1 7 , differenziert der B G H nach dem Erinnerungsvermögen der Verhörsperson und erklärt es für unzulässig, einen Beweis auf seine bloße Bekundung zu stützen, er habe die „Angaben des Angeklagten getreulich aufgenommen", wenn er sich aber an deren Inhalt — trotz Vorhalts (!) — nicht mehr erinnert 1 8 . I n einem solchen Falle könne nicht davon „gesprochen werden, daß der Inhalt des polizeilichen Protokolls zum Bestandteil der zeugenschaftlichen Bekundung des Verhörsbeamten geworden sei". Diese gutgemeinte, aber naive 1 9 Einschränkung, deren Formulierung „verräterisch genug ist" 2 0 , deckt gerade auf, was sie verhindern w i l l . I m gegenteiligen Falle soll also, was auch für den Angeklagten 2 1 noch ebenso klar ausgesprochen w i r d wie für den Haftrichter 2 2 , der Protokollinhalt „Bestandteil" der Zeugenaussage werden 2 3 ! „Bestandteil" der Befragtenaussage darf aber der Vorhalt unter keinen Umständen werden 2 4 . 16

Zustimmend Eb. Schmidt, JZ 1964, 537 (540). BGHSt 14, 310 (312). 18 BGHSt 14, 310 (313). I n Wahrheit sei i n einem solchen Falle nicht die Zeugenaussage, sondern das polizeiliche Protokoll die unmittelbare Beweisgrundlage. 19 N a i v auch deswegen, da ein solches „Sich-Nichterinnern" selten genug vorkommen w i r d , da der Beamtenethos gebietet, sich vorher an H a n d der A k t e n u n d Notizen zu präparieren. Vgl. Wetterich, S. 54; (ablehnend) Riegner, N J W 1961, 63 (64); Redecker, Diss. S. 155. 20 Hanack, J Z 1972, 274 (275). 21 Vgl. BGHSt 14, 310 (311, 312). Bei einer Bestätigung des Vorhalts sei „Beweismittel" die „eigene E r k l ä r u n g des Angeklagten zu deren Bestandteil er den I n h a l t des von i h m anerkannten polizeilichen Protokolls gemacht hat". 22 S. 314 entsprechend: „Der I n h a l t des polizeilichen Protokolls ist also nicht Bestandteil der Aussage des Haftrichters geworden." 23 Während doch nach des Senats eigenen Angaben schlechtestenfalls n u r „was auf Vorhalt i n die Erinnerung zurückkehrt u n d i h m als I n h a l t des Geständnisses bestätigt w i r d , . . . als Beweisergebnis verwertbar" ist (vgl. S. 312). Richtig Hanack, J Z 1972, 274 (275 Note 18). 24 Ebenso Eb. Schmidt, J Z 1964, 537 (541). Wie fragwürdig i m übrigen die Bestandteil-Floskel ist, zeigt der B G H dann bei der Auslegung der richterlichen Vernehmung m i t H i l f e polizeilicher Protokolle selbst auf. Vgl. etwa B G H N J W 1952, 1027. Gegen diese Verweisung schon überzeugend RGSt 24, 94 (97). 17

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3. Teil: Zur Zulässigkeit von freien Vorhalten

Der Vorhalt ist nach der Rechtsprechung des BGH, wie BGHSt 11, 338 (340)25 auch klarstellt, „ i m Wege des Urkundenbeweises nicht einmal teilweise verwertbar". Ist der Vorhalt aber „Bestandteil der Aussage" geworden, so ist er auch, was selbst nach BGHSt 14, 310 (313) gerade ausgeschlossen sein soll, die „unmittelbare Beweisgrundlage". Die Aussage der Auskunftsperson darf also richtigerweise i n keinem Fall durch den Protokollinhalt angereichert werden 2 6 . Selbst über diese (untauglichen) Schranken des 5. Senats setzt sich der 1. Senat noch hinweg 2 7 , wenn er die Zeugenaussage, ihrer Natur widersprechend, durch das Abspielen eines Tonbandes „zum Zwecke des Vorhalts" von außen anreichert 28 . Schon die Bestätigung des Polizeibeamten, daß das Tonband echt sei, macht den Inhalt des Tonbandes zum „Bestandteil" seiner Zeugenaussage. Uber den Vorhalt werden also unverwertbare Protokollinhalte und Tonbänder aus dem Ermittlungsverfahren als Objekte des Augenscheins i m Zusammenhang m i t der Aussage einer Auskunftsperson als Beweismittel i n der Hauptverhandlung zugelassen 29 . Der B G H gibt jetzt also trotz § 254 auch ganz offen dem Vorhalt neben der Zeugenbekundung eine eigene Beweiskraft 3 0 . I n richtiger Einschätzung der Lage sahen dabei schon RGSt 14, 258 (259) und RGSt 20, 321 (322) i m Vorhalt (eines „nichtrichterlichen" Geständnisprotokolls) einen (unzulässigen) „ A k t der Beweisaufnahme" 31 . c) Die Inkonsequenz der Vorhaltrechtsprechung

zu § 252

Daß der Vorhalt (von Protokollinhalten) tatsächlich eine Urkundenverwertung und damit die Führung eines Urkundenbeweises darstellt, zeigen auch die Widersprüche der Rechtsprechung zu § 252 32 . Die „einzige praktische Ausnahme" 3 3 von der Regel, daß Vorhalte schlechthin erlaubt sind, soll sich nach der Rspr und h L aus § 252 ergeben. 25

Ablehnend Sprang, Diss., S. 81 f. Ebenso Eb. Schmidt, J Z 1964, 541; Schroth, ZStW 87 (1975), 103 (123). 27 U n d zwar ohne jegliche Auseinandersetzung m i t BGHSt 14, 310, indem er unter Berufung auf B G H S t 1, 337, aber gegen die herrsch. Rspr § 253 entsprechend anwendet. 28 BGHSt 14, 339 (340), eine Entscheidung, gegen die Eb. Schmidt „schwerstwiegende Bedenken" erhebt, vgl. Nachträge I, §224 R n 80; JZ 1964, 537 (539). Z u r generellen Zulässigkeit des Abspielens eines Tonbandes i n der H V vgl. einerseits Eb. Schmidt, Festschrift f ü r Jellinek, S. 625 (638); JZ 1956, 206 f.; Henkel, J Z 1957, 148 f., u n d andererseits Alsberg/Nüse, S. 270 - 271 (Urkundenbeweis). 29 Vgl. B G H S t 14, 339 (341). Wie hier auch Hanack, J Z 1972, 274 (275). 30 Vgl. auch BGHSt 21, 285 (287); 22, 170 (171) = J Z 1968, 749 m i t Anm. Grünwald. 31 RGSt 20, 321 (322). Vgl. oben S. 49. 32 Deren Besonderheit bisher weitgehend unerörtert geblieben ist. 33 Sarstedt, Revision, S. 196; vgl. auch Alsberg/Nüse, S. 287/288. 26

II. Zur Problematik der formfreien Vorhalte

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Anders als das Schrifttum 3 4 sah aber die Rechtsprechung 35 i n § 252 nie ein absolutes Verwertungsverbot, daß „jegliches Zurückgreifen auf den Inhalt des Protokolls, auch wenn damit nur ein Vorhalt gemacht werden soll" 3 6 , verbietet. Das RG sah zuerst i n § 252 nur die Bedeutung eines Verlesungsverbots 37 . Deshalb bedeutete es vom Standpunkt des RG zum Vorhalt eine krasse „SystemWidrigkeit" 3 8 , daß der Inhalt der betreffenden Protokolle auch nicht zu Vorhalten verwandt werden durfte 3 9 . Wenn der Vorhalt nach der Rechtsauffassung des RG keine Urkundenbeweis- und überhaupt keine Beweisqualität besitzt, so ist es widersprüchlich, das U r kundenbeweisverbot des § 252 auch auf den Vorhalt zu erstrecken 40 . Zwar mag letztlich auch die zu enge (Verbots-)Auslegung des § 252 das RG zu dieser Inkonsequenz bewogen haben, u m wenigstens die schlimmsten Auswirkungen seiner Deutung abzubiegen 41 . Darüber hinaus ahnte und erkannte das RG jedoch die Beweiswirkung des Vorhalts und verbot ihn i m Falle des § 252 gerade auch deshalb. Daß nicht nur die Sonderstellung des § 252 die Senate gegen die Zulässigkeit der Vorhalte einnahm 4 2 , belegen die realistischen Einschätzungen von dessen Beweiskraft: Für das RG bedeuteten Urkundenbeweisführung und Vorhalte Mitteilung des Urkundeninhalts, waren daher Verlesungen i m Wege des Urkundenbeweises und Vorhalte „sachlich nichts anderes" 43 , Vorhalte also Urkundenbeweise. Die Inkonsequenz, der Vorhaltdefinition der h M widersprechend, setzt i m übrigen der B G H noch teilweise fort, der i n § 252 ja ein eingeschränktes Verwertungsverbot sieht, und zwar nichtrichterliche Verhörsperso34 Vgl. n u r Gerland, Lb, S. 203, 368; v. Hippel, L b , S. 391; Kern/Roxin, S. 226; Eb. Schmidt, L k I, R n 454. — Gänzlich abweichend Sax, K M R , §252 Anm. 1. 35 Vgl. die Übersicht Gollwitzers, LR, § 252 A n m . 3. 36 Schneidewin, JR 1951, 481 (487). 37 RGSt 5, 142 (143); 16, 119 (120); 35, 5 (6); 48, 246; 51, 121 (123); 70, 6 (7). Vgl. die Zusammenfassung Sprangs, Diss., S. 41 f. 38 Alsberg/Nüse, S. 97 u. 287. 39 Vgl. die Nachweise oben i m Text S. 49 Note 46 u. S. 66 Note 164. Ferner R G 4. Senat v. 5. 2. 1907 RGSt 39, 433 (434); 1. Senat v. 10. 11. 1913 J W 1914, 434 Nr. 56 u. v. 16. 11. 1913 Das Recht 1914 Nr. 159. Dazu auch Alsberg/Nüse, S. 95 f. 40 Diese Inkonsequenz sahen schon Ditzen, ZStW 10 (1890), 111 (156), u n d Bennecke, Lb, S. 535 Note 9. 41 Dafür auch Alsberg/Nüse, S. 287. 42 Von der Vorhaltdefinition konsequent, gestattet dann j a auch die g r u n d legende Entscheidung R G J W 1936, 1920 den Vorhalt einzelner Tatsachen u n d RGSt 70, 221 (222) das Verlesen zum Zwecke des Vorhalts. Unrichtig insoweit Alsberg/Nüse, S. 287.

43

RGSt 35, 5 (8); dazu oben S. 49. Vgl. auch BGHSt 7, 194 (195).

12 Kuckuck

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3. Teil: Zur Zulässigkeit von freien Vorhalten

nen zu vernehmen 4 4 . Damit der „Vernehmungsbehelf" des Vorhalts nicht als unzulässiger Urkundenbeweis offenbar w i r d 4 5 , verlangt er seit BGHSt 11, 338 f. i m Falle des § 252 für einen „erfolgreichen Vorhalt", daß — sehr viel strenger als nach seiner sonstigen Rechtsauffassung zum Vorhalt — nur das, „was auf den Vorhalt h i n i n die Erinnerung des Zeugen zurückkehrt und von i h m als Inhalt der früheren Bekundung bestätigt w i r d " 4 6 , verwertet werden darf. d) Der Beweischarakter als tieferer Grund für die sprachlichen Fehlleistungen und das Andauern des Meinungsstreits Erst aus der Erkenntnis des Vorhalts als eines Beweismittels erscheinen auch die sprachlichen Fehlleistungen 4 7 , die terminologischen Widersprüche 48 und Entgleisungen i n ihrem richtigen Licht. Erkennt man den Beweischarakter der Vorhalte, so kann es wenig verwundern, wenn i n der Rechtsprechung und Lehre dem Vorhalt so oft eine Beweiswirkung beigelegt wurde 4 9 . Diese „Durchbrüche" zeigen das Künstliche und Theoretische an der Vorhaltdefinition auf, das nicht immer — selbst beim A b fassen der Entscheidungsgründe, wie wenig erst i m Gerichtssaal! — durchgehalten werden kann. Feststellungen wie „durch Vorhalt konstat i e r e n " 5 0 sind also, einmal abgesehen von der überkommenen Definition, i n Wahrheit n u r soweit unrichtig, als man daraus nicht die Konsequenz zieht, Vorhalte als unzulässig zu verbieten. Treffend sind sie aber insoweit, als sie den tatsächlichen Urkundenbeweischarakter richtig erkennen 5 1 . Die Tatsache selbst, daß der Streit u m den Vorhalt seit über hundert Jahren — und das trotz der angeblich „vorbildlichen K l a r l e g u n g " 5 2 Belings i m Jahre 1900 — nicht zur Ruhe gekommen ist, beweist aber noch viel mehr als sprachliche Unvereinbarkeiten, daß der Vorhalt entgegen Beling doch Beweismittel ist. 44 Seit der Grundsatzentscheidung BGHSt 2, 99 f. Aus dem Schrifttum folgen etwa Kleinknecht, § 252 Anm. 3; Gollwitzer, LR, § 252 Anm. 3. 45 Ähnlich Sprang, Diss., S. 81. 48 BGHSt 11, 338 (341). Ebenso BGHSt 21, 149 (150). Gegen den Vorhalt bei § 252 noch B G H 3. Senat v. 18. 10. 1951 NJW 1952, 556, der eine „Erinnerung" an die frühere Zeugenaussage und nicht bloß eine generelle Bestätigung schon wegen § 250 verlangte. 47 Vgl. oben i m Text S. 48 Note 38; S. 51 Note 54; S. 71 Note 196; S. 111; S. 116 Note 2. 48 s. insb. oben S. 111 und 138 f. 49 Z u flach daher die K r i t i k bei Alsberg/Nüse, S. 285 unten; Eb. Schmidt, L k I, Rn 442, 230 (an RGSt 69, 89). 50 Ähnlich zuletzt noch B G H VRS 30 (1966), 268 (269): Überzeugung „ i m Wege eines Vorhalts gewonnen". 51 Wo diese richtige Einschätzung unbewußt geschah, handelt es sich i n Wirklichkeit also eher u m „Freudsche" als u m „sprachliche" Fehlleistungen.

52

So Alsberg/Nüse, S. 285; ähnlich Krause, Ub, S. 183; Lohr, S. 129 Note 325.

II. Zur Problematik der formfreien Vorhalte e) Widersprüchliches

179

Leerlauf enlassen von Protokollrügen

Den Beweischarakter des Vorhalts vermag auch die sonstige revisionsgerichtliche Beschäftigung m i t i h m nicht zu verbergen. Zwar wendet sich der B G H 5 3 gegen die nicht auszulöschende Unsitte, Schriftstücke diffus „zum Gegenstand der Verhandlung zu machen" 54 . Sein Versuch, Vorhalte nachträglich vom Urkundenbeweis zu scheiden, ist aber von vornherein zum Scheitern verurteilt. So lesen sich die Versuche des B G H „von rückwärts", bei der Beweiswürdigung Dämme gegen eine uferlose Verwertung des Akteninhalts zu errichten, wie Anleitungen an die Untertergerichte, ihre Urteilsbegründungen so abzufassen, daß keine unzulässige Aktenverwertung nachzuweisen sei 55 . So nehmen B G H NJW 1954, 361 und BGHSt 11, 159 (161) eine unzulässige Aktenverwertung mittels Vorhalts dann an, wenn die Schriftstücke wortwörtlich i n die Urteilsgründe aufgenommen wurden. Ihre wörtliche Wiedergabe i m Urteil verstoße gegen § 261 56 . Damit verschiebt aber der B G H die Erkenntnisebenen. Nicht die Urteilsgründe sind als tatsächlicher Erkenntnisort zu überprüfen, sondern allein maßgebend ist das Vorhalten i n der mündlichen Hauptverhandlung. Der Verstoß gegen § 261 liegt also nicht erst i n der wörtlichen Wiedergabe i m Urteil, sondern i n ihrer unzulässigen Verwendung als Erkenntnisquelle überhaupt, worauf auch sonst aus dem Ganzen des Urkundeninhalts geschlossen werden kann 5 7 . Auch ist nicht einzusehen, wieso nach Meinung des B G H 5 8 Schriftstücke, die „der Vollständigkeit, Genauigkeit oder Kürze wegen" wörtlich i n den Urteilsgründen mitgeteilt werden, nicht auch „zum Zwecke des Beweises verwertet" 5 8 worden sein sollen. Abgesehen von der zweckmäßigen Arbeitstechnik der Urteilsabfassung zeigen doch die Ausführungen selbst, daß der Sachverhalt noch nicht so „unbestritten und unzweifelhaft" war, daß es nicht ohne die wörtliche Wiedergabe ging. BGHSt 11, 159 (162) sanktioniert damit eine Zweckmäßigkeit, die schon BGHSt 5, 278 59 > 60 als Verfahrensverstoß erkannt hatte. 53

286.

Vgl. BGHSt 11, 29; auch O L G H a m m N J W 1958, 1359 u n d VRS 27 (1964),

54 So noch O L G Schleswig SchlHAnz. 1954, 387 (unrichtig das gegenteilige Zitat Gollwitzers, LR, § 249 A n m . 13) u n d BGHSt 22, 26 (27). 55 F ü r Grünwald, J Z 1968, 752 (754), ist das Verbot der Protokollverlesung reduziert auf ein Verbot, i n der schriftlichen Urteilsbegründung das Protokoll als Beweismittel zu bezeichnen. 56 BGHSt 11,159 (161). 57 Vgl. Eb. Schmidt, L k I I , § 261 A n m . 5. Richtiger BGHSt 5, 278 (Aufnahme des Wortlauts ergibt Verfahrensverstoß); BGHSt 21,149 (150); 22, 26 (28). 58 BGHSt 11, 159 (162). 59 Allerdings m i t der unnötigen Einschränkung auf längere Schriftstücke. Wann ist aber ein Schriftstück ein „längeres"? Wann ist ein Sachverhalt „unzweifelhaft"? 60 Vgl. auch die K r i t i k Eb. Schmidts, Nachträge I, § 250 Rn. 5.

1

180

3. Teil: Zur Zulässigkeit von freien Vorhalten

Der Beschwerdeführer trägt keine „Beweislast" 6 1 . Beim Vorhalt heißt es jedoch umgekehrt i n dubio contra actorem. Eine Revisionsrüge, die darauf gestützt ist, daß eine verwertete Urkunde laut Protokoll nicht verlesen und somit unzulässig verwertet sei, bricht von vornherein i n sich zusammen 62 . Der Urkundeninhalt kann mittels eines Vorhalts verwertet werden. Andererseits ist aber der Vorhalt nicht zu protokollieren. Ist der Vorhalt kein Beweismittel, so mag er auch nicht ins Sitzungsprotokoll gehören. Und: Verfahrensfehler werden niemals vermutet. Vielmehr w i r d vermutet, daß richtig verfahren worden ist. Dann ist aber nicht zu verstehen, daß aus dem Protokollvermerk, eine Niederschrift sei verlesen 63 oder erörtert 6 4 oder aus dem gänzlichen Schweigen 65 , gefolgert werden soll, das Protokoll sei i n zulässiger Weise zwecks Vorhalte verlesen bzw. zum Vorhalt verwendet worden 63 » 64 » ° 5 . Auf diesem Umweg w i r d doch, widersprüchlicherweise, nicht das vom Gesetz vorgesehene, „richtige" Verfahren vermutet, sondern ein vom Gesetz nicht erwähntes. Widersprüchlich ist darüber hinaus, daß i n allen diesen Fällen von einem nicht protokollpflichtigen Gesamtvorgang „Vorhalt" (bestehend aus „Vorhalt" und A n t w o r t darauf) gerade der verfahrensrechtlich unwesentliche Teil (Vorhalt als Mitteilung) meist tatsächlich protokolliert wird, der beweisrechtlich wesentliche (Antwort) aber nicht 6 6 . Hat ein Gericht ein Schriftstück verwertet, ohne daß es laut Protokollvermerk formgemäß verlesen ist, so ist jedoch nach der StPO schon der Gesetzesverstoß gegeben. M i t der Unterscheidung von Urkundenbeweis und Vorhalt kämpft der B G H daher einen aussichtslosen Kampf 6 7 . Nur wenn der B G H sich entschließt, auf den Vorhalt zu verzichten und als Form der Urkundenverwertung allein, wie es § 249 vorschreibt, das Verlesen zuzulassen, bekommt er das Urkundenbeweisrecht i n den Griff. 2. Gefahr von Leerformeln

Damit zeigt sich, daß neben der Mindermeinung zu §§ 253, 254 Abs. 2 auch darüber hinaus die h M zum Vorhalt, die der Rspr folgt, dem Vor61

Vgl. Sarstedt, Revision, S. 135. So ausdrücklich O L G K ö l n M D R 1955, 122. I m Ergebnis auch Sarstedt, Revision, S. 198 f. 63 B G H VHS 32 (1967), 352 (353); Sarstedt, Revision, S. 134. 64 BGHSt 11, 338 (339) ; B G H S t 15, 347 (348). 65 B G H N J W 1966, 211; B G H bei Daliinger, M D R 1974, 369; O L G K ö l n M D R 1955, 122. 66 Koffka, ZStW 81 (1969), 966 (968), i n ihrer K r i t i k zu Sarstedt. Den daraus folgenden Leerlauf einer Revisionsrüge verdeutlicht sehr gut BGHSt 15, 347 (348) (unter Berufung auf § 267 Abs. 1). 67 Bemerkenswert BGHSt 22, 26 (27, 28), der wegen A r t . 103 Abs. 1 GG den äußeren A b l a u f hinsichtlich eines Vorhalts i m Freibeweis durch die Vernehmung der beteiligten Berufsrichter nachprüft. Ebenso schon O L G H a m m 62

II. Zur Problematik der formfreien Vorhalte

181

halt praktisch Beweismittelcharakter gibt. Aus diesem Beweiswert der heutigen Praxis kann aber nicht ohne weiteres dessen tatsächlicher Beweischarakter unter allen Umständen gefolgert werden. Die praktische Unbrauchbarkeit der Unterscheidungen von Urkundenbeweis und Vorhalt besagt, leider, nicht notwendig etwas über deren rechtliche Undurchführbarkeit 1 . Die Trennung von Vorhalt und Urkundenbeweis ließe sich schärfer durchführen, wenn, wie die strengeren Anforderungen i m Falle des § 252 nahelegen, nicht die „Bestätigung", sondern nur eine aus eigener Erinnerung kommende, durch das Hinzufügen eigenen Wissens erhärtete Erklärung als Beweisgrundlage verlangt würde. Das gleiche gilt für praktische Mißdeutungen der dogmatischen Konstruktion, die auf der Gefahr menschlicher Schwäche gründen. Die Gefahr, daß insbesondere die Laienrichter Urkundenbeweis und Vorhalt i m Einzelfall nicht sauber trennen 2 , fordert noch nicht notwendig den A b schied von einer beweistheoretisch gebotenen Maßnahme 3 . Einer Verwechslung ließe sich durch einen klarstellenden Hinweis über die Bedeutung des Vorhalts 4 , daß nur die selbsterinnerliche A n t w o r t einer Auskunftsperson Urteilsgrundlage werde, und auch durch den Verzicht auf den Verlesungsvorhalt begegnen. Die Gefahr schmälert sich auch etwas durch die Möglichkeit, bei mißbräuchlicher Handhabung des Vorhalts die Entscheidung des Gerichts anzurufen 5 . Auch eine Beweiskette, die sich auf die Beweisglieder „Urkundenbericht unzulässig ergo Urkundenvorhalt unzulässig" stützt, ist allein nicht letztlich überzeugend. Die Staatsanwaltschaft hat die Akten zusammengestellt, §§ 160, 199 Abs. 2. Der Verteidiger hat nach § 147 ein Akteneinsichtsrecht 6 . Folgt aus der Aktenkenntnis des Vorsitzenden nun „naturgemäß" die Verwertung zu Vorhalten? Angesichts der unbestreitbaren Aktenkenntnis der Berufsrichter, wenn sie über die Eröffnung des Verfahrens beschließen7, u. U. auch des Staatsanwalts und, zumeist, des VerVRS 27 (1964), 286 (287). Erfreulich formstreng auch O L G Celle VRS 30 (1966), 199 (200); OGHSt 3, 26. 1 Es läßt sich jedoch schon sagen, daß eine Theorie, die i n der Praxis i r r e führt, keine gute ist. Vgl. Sarstedt, Revision, S. 191. 2 Darauf weisen insb. Eb. Schmidt, L k I, R n 442 Note 182, u n d Kern!Roxin, S. 225, hin. Ebenso B G H S t 3, 199 (201). 3 Vgl. BGHSt 3, 199 (201); Alsberg/Nüse, S. 289 Note 43 b ; Schorn, Strafrichter, S. 218. 4 Dafür Gollwitzer, LR, § 249 A n m . 14 c; Hanack, J Z 1972, 202 (203). 5 § 238 Abs. 2. Vgl. BGHSt 3,199 (201). 6 Diese Kenntnis k a n n er dem Beschuldigten vermitteln, Lobe, J W 1926, 2725 (2726). Die Berechtigung des Verteidigers, dem Angeklagten A k t e n abschriften zugänglich zu machen, bejahen Eb. Schmidt, L k I I , § 147 Anm. 17; Dünnebier, LR, § 147 A n m . 4; B G H G A 1968, 307; verneint Fuhrmann, Dalcke/ Fuhrmann/Schäfer, § 147 A n m . 2. Differenzierend Peters, Lb, S. 196. 7 § 207. Diese Pflicht besteht, w e n n der Eröffnungsbeschluß „keine bloße Farce sein soll", Krause, Ub, S. 180. Vgl. auch Peters, Lb, S. 344. I m übrigen

182

3. Teil: Zur Zulässigkeit von freien Vorhalten

teidigers geraten Folgerungen allein aus dem „Schlüsselbegriff der Verlesung" i n die Nähe Realitäten verkennender Leerformeln. Eine verbindliche A n t w o r t über die Grenzen richterlicher Aktenverwertung läßt sich nur herleiten aus der Gesamtschau der gesetzlichen Bestimmungen, den Rechten und Pflichten der Beteiligten 8 und den Wirkungen richterlicher Aktenverwendung angesichts der Psychologie der richterlichen Entscheidungstätigkeit und den Erfordernissen der Aussagepsychologie. Dabei stellt sich die „rechtsstaatliche Kardinalfrage" 9 des Verhältnisses des Ermittlungsverfahrens zum Hauptverfahren. 3. Zur Zulässigkeit von Vorhalten gegenüber dem Beschuldigten

a) Die Rechtsstellung

des Beschuldigten

Das Recht und die Pflicht des Vorsitzenden zur Verwendung der i h m bekannten A k t e n kann nicht weiter gehen, als es die Subjektstellung des Beschuldigten zuläßt. Dessen Prozeßsubjektseigenschaft folgt aus der materiell-rechtlichen E i n w i r k u n g des Grundgesetzes auf das Verfahrensrecht und aus der Gesamtheit der den rechtsstaatlichen Ablauf des Verfahrens sichernden Bestimmungen der StPO 1 . Der Kernsatz des A r t . I Abs. 1 GG: „Die W ü r de des Menschen ist unantastbar" gilt auch f ü r den einer Straftat Verdächtigen 2 . Es ist Sinn insbesondere des § 136 a i h n auch innerhalb eines Strafverfahrens 3 als „sittlich verantwortliche selbständige Persönlichk e i t " 4 zu achten. Der Beschuldigte ist nicht Objekt des Verfahrens 5 , sonverlangt das Gesetz ihre Aktenvertrautheit bei allen Beschlüssen, an denen sie vor der Hauptverhandlung mitwirken, ζ. B. Richterablehnung, § 27 Abs. 1 ; ferner §§ 81,122, 223 etc. Dazu RG GA 62 (1916), S. 154 f. Von der Pflicht zur Aktenkenntnis zu unterscheiden ist das Recht auf Akteneinsichtnahme bzw. die bloße Zulässigkeit der (zufälligen) Aktenkenntnis. Für den Berichterstatter und die übrigen Berufsrichter gestattet die h M beides. Vgl. RGSt 69, 120 (123); Schäfer, LR, Einl. S. 153; Eb. Schmidt, L k I, Rn 438. — v. Hippel, Lb, S. 324 Note 4, 6, anerkennt auch für Berufsrichter Akteneinsicht nur zum Zwecke der Prozeßleitung. Dagegen zu Recht Krause, Ub, S. 180 Note 259. 8 Vgl. oben S. 100 f. Richtig insofern Redecker, Diss., S. 120 u. 127. 9 Treffend Hanack, JZ 1972, 202 (203). 1 Vgl. Eb. Schmidt, L k I, Rn 98 f. und 33 f.; Nachträge I, Vorb. 1 zu §136. Die StPO ist insoweit „Ausführungsgesetz zum GG". 2 s. BGHSt 5, 332 (333), der diesen Leitsatz i n A r t . 2, 104 Abs. 1 GG und in den §§ 136 a, 69 Abs. 3, 81 c, 160 Abs. 2, 163 a Abs. 3 enthalten sieht. So schützt Art. 2 Abs. 1 das Selbstbestimmungsrecht auch des Beschuldigten, Maunzf Dürig/Herzog, A r t . 2 Anm. 34. 3 Klargestellt durch §163a. Vgl. BT-Drucksache 328/64. Dazu ausführlich Eb. Schmidt, N J W 1968,1209 f. 4 BGHSt 17, 364 (367). Allgemein zur Persönlichkeit des Beschuldigten Hardwig, ZStW 66 (1954), 236 f. 5 Nich e , S , 2 3 .

I I 3. Vorhalte gegenüber dem Beschuldigten

183

dern als Beteiligter Prozeßsubjekt mit eigenen Rechten. A r t . 103 Abs. 1 GG gewährt i h m rechtliches Gehör zu allem, was Beweisgrundlage des Urteils bilden kann 6 . Das Gehör besitzt einen Eigenwert und dient nicht primär dazu, eine sachgerechte Entscheidung zu ermöglichen 7 . Die Vernehmung (des Beschuldigten) ist, wie das Wort selbst besagt, eine Erscheinungsform des Gehörs 8 . Für seine Äußerungen zur Sache ergibt sich aus seiner Subjektstellung also auch der Vorrang der Verteidigung 9 , der umschrieben ist i n §§ 115 Abs. 3 S. 2, 136 Abs. 2, 243 Abs. 4 S. 2. Die Vernehmung soll i h m „Gelegenheit geben, die gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe zu beseitigen". Eine dem Anklageprozeß widersprechende 10 Unterordnung unter die Wahrheitsfindung würdigt ihn zum Objekt einer Untersuchung herab 11 . Seine Verteidigung beansprucht daher die unbedingte Vorherrschaft vor seiner — wie immer gearteten — Beweisfunktion 1 2 . Die absolute Freiheit des Beschuldigten zur Willensentschließung und Willensbetätigung bleibt auch bei der Vernehmung i n der Hauptverhandlung unangetastet, §§ 136 Abs. 1 S. 2, 243 Abs. 4 S. 2, 136 a Abs. I 1 3 . Es steht i h m frei, sich zur Anklage zu äußern oder nicht. A n der A u f klärung des Sachverhalts muß er nicht mitwirken 1 4 . Dementsprechend trennt das Gesetz die Vernehmung des Angeklagten scharf von der Beweisaufnahme, §§ 244 Abs. 1, 243 Abs. 4 S. I 1 5 . Seine 6

Vgl. BGHSt 17, 382 (387). Grundsätzlich zum rechtlichen Gehör Eb. Schmidt, L k I, R n 334 f. 7 Grundlegend Rüping, Gehör, insb. S. 132. Da es auch i n Verfahren m i t Untersuchungsmaxime gilt, k a n n es sich nicht i n einer instrumentalen F u n k tion für die Sachaufklärung erschöpfen, Rüping, S. 159. 8 Rüping, S. 159, der aber keine Folgerungen aus dem Sprachbild zieht. I m Ergebnis auch Gollwitzer, LR, §243 A n m . 9 a. Eb. Schmidt, L k I I , §243 Anm. 29, Grünwald u n d Peters bezeichnen sie demgegenüber n u r als „ A u s fluß" dieses Grundsatzes (Grünwald, J Z 1966, 489 [494]; Peters, Lb, S. 176). Unrichtig Liepmann, ZStW 44, 647 (664: Zeugnisverweigerungsrecht). 9 So früher schon von Schwarze, §242 (243); Birkmeyer, S. 81, 99; A. Henschei, S. 20; Geyer, Lb, S. 540; Stenglein, Vorb. zu § 133; Thilo, § 136 Anm. 2; Holtzendorff, H b I, S. 375 (382); a A Keller, § 136 A n m . 1 „Bedürfnis der Rechtspflege". Dabei bedeutet „Verteidigung" nicht i m m e r u n d i n jedem F a l l Leugnen u n d Entlastung, was etwa Weidlich, MittermJLiepmann I I , S. 265 (389), verkennt. 10 Planck, S. 152, 357; Zachariae, H b I I , S. 232; Ullmann, Lb, S. 35; A. Henschei, S. 18 f. 11 Z u r Einbettung i n übergreifende Prozeßziele Rüping, JR 1974, 135 (136 f.). 12 Richtig Maurach, A T , S. 849, der das aber aus einem „ungeschriebenen Grundsatz des Prozeßrechts" ableiten w i l l . 13 Leider setzt aber die Bewehrung des § 343 StGB zu enge Grenzen, indem sie die i n § 136 a genannten M i t t e l der Täuschung und des Vorteilsversprechens unerfaßt läßt. F ü r eine Angleichung an §136 a Rüping, JR 1974, 135 (137). 14 BGHSt 1, 342; 5, 332 (334); Peters, ZStW 87 (1975), 663 (677). 15 Vgl. RGSt 48, 247 (248). Dazu m i t Nachweisen oben S. 99. Z u Punktsachen vgl. Gollwitzer, LR, § 243 A n m . l b .

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3. Teil: Zur Zulässigkeit von freien Vorhalten

Vernehmung ist also weder ein „Beweiserhebungsakt ersten Ranges" noch ist ihr Zweck ausschließlich „Entlastung" 1 6 . Wenn auch die Äußerungen des Angeklagten zur Sache nicht „Beweisaufnahme" i m Sinne des § 244 Abs. 1 sind, so müssen sie doch — und das gilt nicht nur für ein Geständnis — gemäß § 261 der richterlichen Überzeugungsbildung zugrunde gelegt werden. Der Angeklagte w i r d damit jedoch nicht Zeuge in eigener Sache 17 . Ist auch sein Erscheinen i n der Hauptverhandlung erzwingbar, so bleibt er doch i n seiner Einlassung frei, ohne den Sanktionen der §§ 153 f. StGB zu unterliegen 18 . Die Einlassung ist nicht „Beweisaufnahme" i m formal-technischen Sinne, doch gehört sie dazu i n einem materialen Sinn 1 9 . Da aber die Verwertbarkeit i n allen Fällen, § 136 a Abs. 2, von der Entschließungsfreiheit des Angeklagten abhängt, geht es nicht an, die Stellung des Beschuldigten uniform als „Doppelstellung" von „Prozeßsubjekt und Beweismittel" 2 0 und seine Äußerung nur noch als „Beweismittel" einzustufen 21 . Eine solche Nivellierung verwechselt zu leicht W i r kung und Ergebnis der Vernehmung mit ihrem Zweck 2 2 , wofür die Sicht des Vorhalts geradezu Probe auf's Exempel ist 2 3 . Sie stellt den Angeklagten m i t den Zeugen als personale Beweismittel auf eine Stufe und übersieht, daß die Ausführungen des Verteidigers etwa auch zum „Inbegriff der Verhandlung" nach § 261 gehören 24 , ohne daß der Verteidiger damit gleich als „Beweismittel" beurteilt wird. Die „äußere" Verwertbarkeit der Äußerung des Angeklagten t r i t t i m Zweifelsfall immer hinter seiner freien Selbstdarstellung zurück. Ihre undifferenzierte Einstufung 18

Wie Rosenfeld, L b I, S. 34 u n d 35, mißverständlicherweise erklärt. Dazu ν . Gerlach, Der Angeklagte als Zeuge für sich selbst i m englischen Strafverfahren (1964). 18 Aus den §§ 133, 230 folgt daher f ü r den Beweismittelcharakter der Aussage, wie das etwa Krause, Ub, S. 70, meint, nichts. 19 Treffend Henkel, Lb, S. 172; Kleinknecht, § 243 A n m . 8; Kern/Roxin, S. 118. Widersprüchlich u n d zu eng aber die Fassung „Beweisaufnahme" i n § 261 für „Inbegriff der Verhandlung". N u r f ü r die „Beweisaufnahme" i n diesem weiteren Sinn (vgl. BGHSt 2, 269 [270]; Gollwitzer, LR, §244 A n m . 2, 3) sprechen die Bestimmungen der §§200 Abs. 1, 211, 233, 244 Abs. 2, 254, 257, 258, 261, 369 Nr. 5, soweit sie sich auf Äußerungen des Beschuldigten beziehen. 20 Krause, Ub, S. 70, der i m übrigen den Vorrang der Verteidigung sieht, S. 71; ebenso Rosenfeld, L b I, S. 36; I I , S. 114, der ihn, unangebracht, noch als „Untersuchungsobjekt" bezeichnet (Lb I I , S. 114); ähnlich Gerland, Lb, S. 134135; Peters, Lb, S. 174. Differenzierend Eb. Schmidt, Festschrift für Jellinek, S. 625 (628); Glaser, H b I, S. 638; BGHSt 20, 298 (300). 21 Krause, Ub, S. 73. Vgl. auch die Übersicht zum Streitstand bei Sprenger, Diss., S. 18 f. 22 Treffend insoweit Birkmeyer, S. 630 u n d S. 143 Note 26, der i n der V e r nehmung des Angeklagten keine Beweisaufnahme u n d n u r das Geständnis als Beweismittel sieht (S. 403). Ä h n l i c h w i e i m Text A. Henschel, S. 20. 23 Dazu oben S. 100 f. 2 g. 25; l i e , , 1 . 3. 17

I I 3. Vorhalte gegenüber dem Beschuldigten

185

als Beweismittel verliert das Entscheidende aus dem Blickfeld, nämlich daß die Äußerung „materiales Beweismittel" nur ist, soweit sie der Beschuldigte freiwillig dazu bestimmt. Auch die angeblich entscheidende Beweisstütze 25 , daß der Angeklagte Beweismittel ist, weil der Vorsitzende zu seiner Vernehmung m i t ihm als Aussageperson 26 „zu Beweiszwecken i n Frage- und Antwortverkehr t r i t t " 2 7 , trägt nicht. Wie die „Vernehmung" zu erfolgen hat, ist nämlich die Frage. Die A r t und Weise der Vernehmung muß umgekehrt gerade aus der Subjektstellung des Beschuldigten erschlossen werden. b) Die Vernehmung als freier zusammenhängender

Bericht

Über die Beschuldigung ist der Angeklagte durch die Verlesung des Anklagesatzes unterrichtet, §243 Abs. 3 S . l 2 8 . Der Beschuldigte kann sich nur dann sachgerecht und ungezwungen verteidigen, wenn er zunächst i n freier Rede einen zusammenhängenden Bericht über seine Sicht der Dinge geben kann. Aus dem Vorrang der Selbstverteidigung folgt für die „Vernehmung" zwingend die Befugnis, den eigenen Standpunkt frei, also in zusammenhängender Weise darstellen zu können 2 9 . Nur ein freier Bericht gibt ihm die volle Chance zur Selbstdarstellung 30 . Deshalb darf diese Selbstdarstellung auch nur i n ganz beschränkter Weise durch Fragen oder Vorhalte unterbrochen werden 3 1 . Behutsam und neutral gestellte Fragen können als Hilfestellung zur Verteidigung nur dann einmal zulässig sein, wenn sie die augenblickliche Beseitigung von offensichtlichen Mißverständnissen und die Vervollständigung bereits gemachter Äußerungen bezwecken 32 . 25

Vgl. Krause, Ub, S. 71, gegen Birkmeyer, oben Note 22. Demgegenüber vermeidet das Gesetz peinlich die Kennzeichnung als „Aussage", wenn der Beschuldigte zur „Äußerung" bereit ist. Vgl. §§ 115 Abs. 2 S. 1,136 Abs. 1 S. 2, 243 Abs. 4 S. 1 u n d 2. 27 Beling, Lb, S. 295; Krause, Ub, S. 71. Z u auch daraus resultierenden U n geduldigkeiten i m Verhalten der Richter vgl. die Untersuchung von Tausch und Langer, ZEntwPsych 1971, 283 f., u n d DRiZ 1974, 299 u n d 332. 28 Eine anfängliche Vorhaltung der Verdachtsgründe scheidet aus. Ullmann, S. 387; Glaser, H b I, S. 637. Vgl. auch oben S. 115 f. 29 Ullmann, S. 386 - 388; Glaser, H b I, S. 638; von Kries, Lb, S. 398; A. Henschei , S. 39; Liepmann, ZStW 44 (1924), 647 (665); Roesen, N J W 1958, 977 (978); Riiping, Gehör, S. 160; Sarstedt, LR, § 136 Anm. 8a; Henkel, Lb, S. 175; Klein knecht , § 243 A n m . 8. 30 N u r eine solche Selbstdarstellung entspricht seiner „freien Selbstbestimmung" (Henkel, Lb, S. 178) u n d seiner „Selbstverantwortung" (Jescheck, Neue Entwicklungstendenzen, S. 39 [51]). 31 Anders aber Eb. Schmidt, L k I I , § 243 Anm. 31; Sax, K M R , § 243 Anm. 3 d; stellvertretend für die hM. Sarstedt, LR, §136 A n m . 8 a, gestattet Zwischenfragen u n d Vorhalte, u m i h m zu helfen u n d beim Thema zu halten. E i n schränkend auch Döring, S. 33. 26

32

Ullmann, S. 386. Soll der Wert spontaner Äußerungen erhalten bleiben,

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3. Teil: Zur Zulässigkeit von freien Vorhalten

Die Befugnis zur freien Darstellung hat auch in der Gesetzesformulierung einen klaren Niederschlag gefunden. Zwar w i r d § 69 Abs. 1 für den Beschuldigten in § 136, 243 Abs. 4 nicht wiederholt, aber da der Beschuldigte nicht „veranlaßt" werden kann, auszusagen, sondern nur zu befragen ist, ober er etwas erwidern wolle, konnte eine Verweisung auf § 69 nicht erfolgen 33 . Mißverständlich spricht zwar § 243 Abs. 4 S. 2 von einer Vernehmung „zur Sache", aber diese geschieht unter dem Verteidigungsvorrang des § 136 Abs. 2 und kann, wie §§ 115 Abs. 3 S. 1, 136 Abs. 1 S. 2, 243 Abs. 4 S. 1, 233 Abs. 2 S. 1 bestimmen, immer nur eine „Äußerung auf die Beschuldigung" oder „Anklage" sein. Letztlich „zur Sache" kann sich der Beschuldigte deshalb nicht äußern, weil er — was oft vergessen w i r d — erst einer Straftat verdächtig ist, „es also nicht gewesen sein muß". Unterbrechende Fragen über den Tathergang, ein Vorhalt von später noch zu würdigenden Verdachtsgründen sind also vor Beginn der „Beweisaufnahme" unzulässig, weil eine Erklärung des Angeklagten zu den Beweismitteln der Anklage nicht einer „Äußerung auf die Anklage" entspricht 34 . Beweise sind noch nicht angesprochen 35 , der Anklagesatz enthält — i m Gegensatz zur Anklageschrift, § 200 Abs. 1 S. 2 — die Beweismittel gerade nicht. Das Gesetz spricht sich also über die A r t und Weise der Vernehmung klar aus 36 . „Vernehmung" heißt also gerade nicht, daß der Vernehmende mit dem Beschuldigten „zu Beweiszwecken i n Frage- und Antwortverkehr t r i t t " 3 7 oder ihn „wie den Zeugen oder Sachverständigen zur Aussage veranlassen" w i r d „durch das M i t t e l der Aufforderung und Frage" 3 8 . Es kann erst recht auch keine Rede davon sein, daß der Vorsitzende dem Angeklagten gegenüber i n der Gestaltung der Vernehmung „freier" und „stärker" ist und auf keinen anderen Grundsatz festgelegt „als den, der Wahrsollte eine „Unterbrechung" aber i n keinem Falle gestattet sein. Vermeintlichen Weitschweifigkeiten darf erst dann vorsichtig begegnet werden, wenn sie als „ w i r k l i c h e " offensichtlich sind, vgl. auch § 257 Abs. 3. 33 Treffend Eb. Schmidt, Festschrift für Jellinek, S. 625 (628 Note 12) (widersprüchlich dazu L k I I , § 243 A n m . 30, u n d Kolleg, S. 152); Gollwitzer, LR, § 243 Anm. 9. Das übersehen Henkel, Lb, S. 175; Kleinknecht, §243 A n m . 8; Liepmann, ZStW 44, 665. 34 Vgl. auch Alsberg/Nüse, S. 340, die aber verwechseln, daß eine E r k l ä rung auf die Beweismittel nicht n u r kein „Begriffserfordernis" einer Vernehmung ist, sondern das Verlangen danach gesetzwidrig. I n der Richtung des Textes Glaser, H b I, S. 638; B G H S t 1, 342 (343). 35 Vgl. von Kries, Lb, S. 399. 36 So deutlich auch Ullmann, S. 387; aA etwa Eb. Schmidt, L k I I , §243 A n m . 30, u n d Nachträge, § 136 Rn. 9. Dazu auch oben S. 99 f. 37 s. oben S. 185 Note 27, hM, vgl. RGSt 68, 110 (111), u n d Sax, K M R , §243 Anm. 4c: „Vernehmung bedeutet Herbeiführung von mündlichen Klärungen." Kohlhaas, LR, § 69 A n m . 1 b, berichtet, daß die Teilung zwischen Bericht und Verhör oft verwischt w i r d . 38 Rupp t S. 243. Unrichtig Walder, Vernehmung, S. 124 - 125.

I I 3. Vorhalte gegenüber dem Beschuldigten

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heit nachzuspüren" 39 . Denn nicht die „Wahrheit" ist Zweck der Vernehmung 4 0 , sondern die Selbstdarstellung und individuelle Verteidigung. „Gelegenheit zur Stellungnahme" 4 1 zu geben i n einem freien Bericht ist also nicht nur zweckmäßig 42 und i n der Regel 43 angebracht, sondern zwingende gesetzliche Vorschrift. Ein freier Bericht entspricht auch allein dem Wortsinn einer „Vernehmung". Wie schon der eigentliche Sinn des Wortes sagt, ist die Vernehmung primär eine passive Tätigkeit des Vernehmenden 44 . „Vernehmen" heißt i n erster Linie „hören", „aufnehmen". I m Mittelpunkt des prozessualen Geschehens hat somit der Vernommene und seine Äußerung zu stehen und nicht etwa der Verhandlungsleiter 45 . Dieser greift m i t seiner Fragestellung nicht auf einen Betroffenen zu, u m ihn auf Stichworte antworten zu lassen und den zu Hörenden so i n eine Nebenrolle zu drängen. Seine Verhandlungsleitung erschöpft sich, idealtypisch gesehen, i m wesentlichen i n allgemeinen Einsatzzeichen und Worterteilungen. A n sonsten nehmen er und das Kollegium — als Adressat des Rechtes auf Gehör — auf. Vernehmung beinhaltet daher keinen einseitigen Zugriff 4 6 eines Vernehmenden, kein Frage- und Antwortspiel, sondern i n erster Linie die Entgegennahme 47 der Äußerung einer anderen Persönlichkeit, so wie diese sie gestalten w i l l 4 8 . 39 Unhaltbar auch RGSt 68, 110; OGHSt 3, 141 (147), die leider sogar den Beifall Eb. Schmidts, L k I I , § 243 A n m . 30, und Gollwitzers, LR, § 243 A n m . 9 b, finden. 40 So aber noch Eb. Schmidt, s. N. 39, u n d Nachträge I, §136 R n 12, 13: „Der Zweck der Vernehmung besteht darin, die wahrheitsgemäße A u f k l ä r u n g eines Sachverhalts zu ermöglichen." Die Wahrheit sehen als Zweck der V e r nehmung ferner an Henkel, Lb, S. 175; Müller, K M R , § 136 A n m . 1; A. Schmidt, DRiZ 1960, 426 (427); Mezger, ZStW 40 (1919), 152 (153); Engelhardt, ZStW 58 (1934), 335 (342); Döhring, S. 183; Meinert, S. 11; Stümpfler, D A R 1973, 1 (7); Rieß, JR 1975, 224 (227). Differenzierender Eb. Schmidt, L k I I , §136 Anm. 8; Gollwitzer, LR, § 243 A n m . 9 b ; Peters, Lb, S. 285. 41 So beiläufig BGHSt 10, 342; v. Hippel, Lb, S. 227. 42 Eb. Schmidt, L k I I , §243 A n m . 30; Kern/Roxin, S. 119; Tröndle, D R i Z 1970, 213 (216); Liepmann, ZStW 44, 665. 43 OGHSt 3, 147 (148); Kern, 8. Aufl., S. 106; Gollwitzer, LR, §243 A n m . 9b. Ausdrücklich gegen einen Bericht Walder, Vernehmung, S. 125; Anraths, S. 43. 44 Graßberger, S. 126. Es widerspricht der Subjektstellung des Beschuldigten und seinem Recht auf Gehör, aus der Passivform i n §§ 115 Abs. 2, 233 Abs. 2 S. 1, 243 Abs. 4 S. 2 „ w i r d vernommen" m i t dem nachlässigen Sprachgebrauch etwas anderes herauszulesen als „ w i r d gehört". 45 Vgl. Döhring, S. 32 f.; Graßberger, S. 126. Es findet also gerade nicht ein „Austausch von Rede u n d Gegenrede" statt, w i e RGSt 68, 110 (111) meint. 46 Das ist Rüping, Gehör, S. 159 Note 86, entgegenzuhalten. 47 v. Kries, Lb, S. 398; Glaser, H b I, Überschrift zu §53, S. 622; beiläufig Niethammer, JZ 1951, 132 (135). Ä h n l i c h auch schon Birkmeyer, S. 142, 143; A. Henschel, S. 20. 48 Solche Frage- u n d Antwortsätze sind n u r da zulässig, wo der Beschuldigte ausdrücklich darum bittet, Sarstedt, LR, § 136 A n m . 8 a.

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3. Teil: Zur Zulässigkeit von freien Vorhalten c) Der weitere Ablauf der Vernehmung aa) Die Tragweite des § 257 Abs. 1

Erst nach Vorführung der einzelnen Beweismittel ist der Angeklagte jeweils zu befragen, ob er etwas (zu einzelnen Verdachtsgründen) zu erklären habe, § 257 Abs. 1. Sich an die freie Äußerung anschließende Vorhalte aus den Akten sind also auch dann unzulässig 49 , wenn die Ausführungen des weniger redegewandten Beschuldigten die Befürchtung aufkommen lassen, er könne sich nicht umfassend genug verteidigen 50 . Gerade dieser Befürchtung soll nämlich die Bestimmung des § 257 Abs. 1 entgegenwirken, die dem Angeklagten — da selbst der verteidigungsbereite bei seinem anfänglichen Bericht oder bei seinem letzten Wort, § 258, zu einer umfassenden Äußerung nicht immer imstande sein w i r d 5 1 -— deshalb nach jedem einzelnen Beweismittel die Gelegenheit zum Gehör sichert. § 257 Abs. 1 soll auch die Tätigkeit des Vernehmenden klarstellen und erleichtern, da Rede und Gegenrede Unklarheiten und Widersprüche beleuchten können und erst die objektive Beurteilung des Sachverhalts durch das Gericht ermöglichen. Deshalb ist ein Abweichen von der Regel des § 257 Abs. 1 i m Prozeß zumeist nicht nur eine Verletzung der Aufklärungspflicht, sondern auch eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung. Die Gelegenheit, die eigene Sicht der Dinge nach jedem Beweismittel gemäß § 257 Abs. 1 kritisch darzustellen, beschneidet aber auch das Recht des Vorsitzenden zu sich an den Bericht anschließenden Fragen. Nach der freien Äußerung des Angeklagten sind Fragen des Vorsitzenden daher darauf beschränkt, die vorurteilsfreie Entgegennahme der Äußerungen des Beschuldigten, so wie er sie abgeben w i l l , zu erleichtern. Die Fragen dürfen ihn nicht bedrängen, mehr auszusagen, als er zu sagen geneigt ist 5 2 . Auch die Gewährung zur Stellungnahme nach § 257 darf eingeführtes Beweismaterial nicht so verwerten, daß nur der Anschein einer Beeinflussung entstehen kann. Der Angeklagte ist zu befragen, „ob er etwas" erklären „möchte" 5 3 , § 257 Abs. 1, nicht etwa, ob er „dazu" etwas „zu erklären habe". Jeder Hinweis auf noch zu erwartendes Verdachtsmaterial ist verboten 54 . 49 v. Kries, Lb, S. 399, 400; Ullmann, S. 387, 388; Glaser, H b I, S. 639; v. Hippel, Lb, S. 324 Note 2. 50 aA Sarstedt, LR, § 136 A n m . 8 a. 51 Protokolle zu §216a (215 a), Hahn t Mat. I, S. 868-870, I I , S. 1349 - 1350; dazu Thilo, StPO, § 256 (257). 52 v. Kries, Lb, S. 398; Ullmann, S. 386. U n h a l t b a r etwa Döhring, S. 202, w o nach die „weniger groben M i t t e l psychischen Zwanges" zulässig sein sollen, u n d Walder, Vernehmung, insb. S. 135 f. 58 Da jeglicher Willensdruck ausgeschlossen ist, muß die Frage statt des mißverständlichen „zu erklären habe" eindeutiger formuliert werden als „erklären möchte". 5 er 25 b. 1 e .

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bb) Die Beschränkung des § 254 Weitergehende Fragen zur Vervollständigung und Klärung, soweit sie seine Stellungnahme nicht selbst nahelegen, sind bereits ein Versuch zu unzulässiger Einflußnahme. Eine dem § 253 Abs. 1 vergleichbare Erlaubnis zur gedächtnisunterstützenden Verlesung fehlt gegenüber dem Angeklagten. Auch daraus folgt, daß weitergehende Fragen niemals unter dem Zeichen einer Vervollständigung der Äußerung zur Sachaufklärung stehen dürfen, sondern immer vorrangig seine Verteidigung i m Auge haben müssen. Vereinen lassen sich beide Ziele widerspruchslos meist nur dann, wenn, wie die Bestimmung des § 254 Abs. 1 belegt, der Wert eines i n der Hauptverhandlung wiederholten Geständnisses überprüft werden soll. cc) Die Bedeutung der Widerspruchsaufklärung Fragen und Hinweise zur Aufklärung von Widersprüchen sollen, wie § 254 Abs. 2 besagt, i n weiterem Umfange zulässig sein. Unter dem Vorrang der Verteidigung sind jedoch Fragen und Hinweise auf Widersprüche i n den Äußerungen des Angeklagten einerseits und mit den Aussagen eingebrachten Verdachtsmaterials andererseits nur so weit gestattet, als sie die Aufmerksamkeit des Angeklagten darauf lenken und i h m deren Beachtung i n seinem Verteidigungsplan ermöglichen 55 . Alles, was darüber hinausgeht, was nicht mehr den Zweck verfolgt, i h m Gelegenheit zu Erklärungen zu ermöglichen, sondern sie i h m abzuringen, widerspricht dem Zweck der Vernehmung 5 6 . Der Angeklagte muß stets Herr seiner Äußerungen bleiben. Aus § 254 Abs. 2 folgt nichts Gegenteiliges. Diese Kann-Bestimmung ist dem obigen anzupassen und daher zumeist sehr restriktiv auszulegen. Verlesungen zur Aufklärung von Widersprüchen sollten wie dahingehende Fragen nur dann erfolgen, wenn sie wirkliche Zweifel über seinen Verteidigungsplan lassen, als Sachaufklärung i n den Verteidigungsplan des Beschuldigten passen und grundsätzlich von i h m begrüßt werden 5 7 . Ein Rückgriff auf Widersprüche, um ihn 55 N u r deswegen k a n n zwischen einem „kooperativen u n d nicht koperativen Angeklagten" unterschieden werden, weshalb Redecker, Diss., S. 128 f., der dies verkennt, zu n u r teilweise befriedigenden Ergebnissen kommen muß, S. 130, die die Autonomie des Angeklagten widersprüchlich einschränken (Isolierbarkeit der vorzuhaltenden Aussage). 56 Ebenso Glaser, H b I, S. 639. Ebensowenig w i e aus der Abgabe eines Geständnisses läßt sióh aus einem Bestreiten u n d Leugnen, selbst w e n n die U n richtigkeit der Aussage bewiesen ist, als Indiz f ü r den Schuldvorwurf ableiten. Z u dessen unterschiedlichsten Motivationen vgl. Wessels, JuS 1966, 169 (174); Hirschberg, Fehlurteil, S. 53 f.; Mumm, S. 76; Redecker, S. 78; Altavilla, II, S. 17; Graßberger, S. 191, 193 f. 57 Dadurch mildert sich die „Inkonsequenz des §254" (Grünwald, J Z 1968, 752 [754]). G r ü n w a l d weist nocii darauf hin, daß der Beschuldigte seine erste Entscheidung, auszusagen, f r e i w i l l i g nach Belehrung getroffen hat.

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3. Teil: Zur Zulässigkeit von freien Vorhalten

zu Zugeständnissen zu bringen, die er sonst nicht machen würde, beeinträchtigt die Freiheit seiner Willensentschließung. A u f Antworten zu dringen, sobald der Angeklagte nicht etwas übersehen hat, sondern wenn für die Prozeßbeteiligten erkennbar w i r d — i n dieser Abgrenzung zur Fürsorgepflicht zum Gehör liegt das wahre Problem —, daß er bewußt schweigt, ist unzulässig 58 . dd) Der Inhalt eines „Geständnisses" Von dieser grundsätzlichen Dispositionsmacht des Beschuldigten her versteht sich auch der Inhalt eines „Geständnisses" i n § 254 Abs. 1. Ein Teil des Schrifttums des reformierten Prozesses sah i m freiwillig abgelegten Geständnis den Verzicht auf den Beweis des Anklägers 5 9 . Demgemäß zählte man nur das freiwillig — die Bürgschaft dafür sah man i n der Aufnahme durch einen Richter — abgelegte Geständnis zu den Beweismitteln 6 0 . Unter dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung kommt dem „Geständnis" eine formelle Funktion i m Sinne eines bindenden A n erkenntnisses der Anklage nicht mehr zu. Aber selbst wenn das Gericht heute ein Geständnis wie jeden anderen Beweis nach § 261 prüfen muß 8 1 , hat es unter den Nachwirkungen des gemeinrechtlichen Denkens — wie die bloße Existenz des § 254 Abs. 1 zeigt — auch i n unseren Tagen faktisch noch eine sehr hohe Bedeutung für die Urteilsfällung. Nicht nur, daß das Geständnis bei der Strafzumessung als Reue belohnt w i r d mit einer niedrigeren Strafe 62 , zeigt auf, daß die confessio auch heute noch als regina probationum angesehen w i r d 6 2 . Damit ist aber nicht vereinbar, daß unter einem Geständnis heute jedes für den Schuldspruch letztlich irgendwie bedeutsame Zugestehen von Einzeltatsachen verstanden w i r d (sog. Teilgeständnis) 63 . Das Schuldeingeständnis kann zwar ein wichtiges Aufklärungsmittel sein 64 . Die Fragwürdigkeit eines Geständnisses ist jedoch auch bekannt. Eindeutige K r i terien, wann ein Geständnis echt oder falsch ist, gibt es nicht 6 5 . Das „Ge58 Glaser, H b I, S. 638. Das O L G Neustadt O L G St § 249 S. 2 billigte dagegen Verlesungen u n d Vorhalte von Belastungsmaterial, u m dem Angeklagten die „Unsinnigkeit seiner Verteidigung vor Augen zu halten". Deutlich auch Müller, K M R , § 136 A n m . 1 : Ebenso seien sachliche Vorhalte zulässig, „die . . . ihn, falls er die Unwahrheit sagt, i n Widersprüche verwickeln". 59 Vgl. Planck, S. 357 (358); Zachariae, H b I I , S. 232 f., 239. Z u m P a r t i k u l a r recht auch Glaser, H b I, S. 605 f. 60 Birkmeyer, S. 403. 61 Beling, Lb, S. 310; Ullmann, S. 388; Glaser, H b I, S. 638; Peters, Lb, S. 339; Kern/Roxin, S. 224, u n d ausdrücklich auch § 206 der österr. StPO (von 1873). 82 Vgl. auch BGHSt 14, 189 (190); Döhring, S. 194; Sarstedt, LR, § 136 a Anm.

la, 2.

83 Dazu oben S. 158 Note 46. Vgl. auch Koffka, ZStW 81 (1969), 966 (969), und Zachariae, H b I I , S. 432. 84 Peters, Fehlerquellen I I , S. 6. 85 Einzelheiten bei Graßberger, S. 164 f.; Altavilla , I, S. 371 f.; I I , S. 29 f.;

I I 3. Vorhalte gegenüber dem Beschuldigten

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ständnis" als subjektive Bekundung ist somit kein Beweis, der eine objektive Feststellung ersetzt und kann somit nur Wegweiser, also Vorhalt, sein zur Aufspürung des objektiven Sachverhalts 66 . Unter dem Vorrang der Verteidigung und bei dem Fortwirken gemeinrechtlicher Vorstellung ist daher nach allem nur ein solches Eingeständnis als „Geständnis" i m Sinne des § 254 Abs. 1 zu verstehen, bei dem der Beschuldigte i n freier Verantwortung 6 7 für die Tragweite des Zugeständnisses erkennbar auch die Tat als solche zugeben wollte 6 8 . d) Das Verhör als Relikt des Inquisitionsprozesses Die Befugnis, den eigenen Standpunkt frei darzulegen, stellt ein Erbe des reformierten Prozesses dar 6 0 . M i t dem „artikulierten Verhör", der Beantwortung von vorher festgelegten Einzelfragen 70 , sollte es m i t der A n erkennung des Beschuldigten als Prozeßsubjekt zu Ende sein. Das hat die insoweit zu Unrecht gescholtene 71 ältere Lehre ζ. T. klar erkannt, indem sie jedes „Verhör" als m i t dem Akkusationsprozeß unvereinbaren Ausfluß der Inquisitionsmaxime ansah 72 . Ein „ V e r h ö r " 7 3 bedeutet nach dem heutigen Sprachgebrauch eindeutig etwas anderes als das bloße Gehör einer fakultativen Stellungnahme. Es ist das Ausfragen und Anhören eines grundsätzlich zur A n t w o r t Verpflichteten 74 ' 7 5 . I m Frage- und Antwortspiel m i t Hilfe von Vorhalten aus Peters, Lb, S. 338-339; Birkmeyer, S. 407; Kern/Roxin, S. 69; Mumm, Diss., S. 76; Redecker, Diss., S. 7 7 - 7 8 ; Walder, Vernehmung, S. 200f.; Meixner, S. 17 f. Bei den Wiederaufnahmefällen zugunsten des Angeklagten spielt ein falsches Geständnis i n annähernd 7°/o der untersuchten Fälle eine Rolle, Peters, Fehlerquellen I I , S. 13. 68 Graßberger, S. 162. Auch nach der Carolina (Art. 53 f.) w i e schon i m r ö m i schen Recht muß te das Geständnis j a schon i n diesem Sinne durch gründliches Erfragen des Motivs u n d der Umstände erhärtet werden. Vgl. auch von Kries, Lb, S. 88. Tittmann (1810), S. 481, forderte deshalb, ein Geständnis oder Bestreiten durch andere Beweismittel bestätigen zu lassen. Ebenso die ältere deutsche Praxis u n d Gesetzgebung, Temme (1841), S. 75. 67 Auch Henkel, Lb, S. 178, sieht i n der freien Selbstbestimmung des Beschuldigten das entscheidende K r i t e r i u m . 83 N u r ein solches Tateingeständnis w i r d i m allgemeinen doch auch als Geständnis diskutiert. Vgl. Altavilla, I I , S. 30; Peters, Fehlerquellen I I , S. 5; Lb, S. 338 - 339; Döhring, S. 143 f. etc. 80 s. oben S. 26 Note 46. Vgl. auch Eb. Schmidt, L k I, R n 427; Rüping, Gehör, S. 160; Liepmann, ZStW 44, 647 f. 70 Dazu i m Text S. 22 u n d S. 98 Note 28. 71 Vgl. die K r i t i k bei Krause, Ub, S. 73. 72 Zachariae, H b I I , S. 239; Planck, S. 358; Fuchs, Holtzendorff I I , S. 67. S. oben S. 36 f. 73 E i n solches erlauben etwa Kern/Roxin, S. 119; Sax, K M R , §243 Anm. 4c; Graßberger, S. 83. 74 Treffend Walder, Festschrift für Pfenniger, S. 181 (186). 75 Die ältere Lehre empfand beim „Verhör", w i e die Verwendung des

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3. Teil: Zur Zulässigkeit von freien Vorhalten

den Akten — also vorher festgelegten Mitteilungen und Fragen 7 0 — das der Vorsitzende heute immer noch mit dem Beschuldigten einleiten kann, feiert aber dieses Verhör als eine A r t „artikuliertes Verhör" 7 7 sein Uberleben. aa) Der Wissensvorhalt Der Vorhalt (selbst protokollierter früherer Einlassungen) als tragendes Element der heutigen Vernehmung drängt zur Antwort, auch wenn dieser Drang als Verhaltenserwartung nur aus der Prozeßrolle folgt 7 8 . Er ist dem Angeklagten gegenüber auch dann unzulässig, wenn sich dieser teilweise zur Sache geäußert hat 7 9 . Wenn seine früheren Aussagen m i t dem Vorhalt bekannt werden, w i r d der Beschuldigte verpflichtet, dazu Stellung zu nehmen. Rückt er von ihnen ab, so bringt er sich i n jedem Fall u m ein Stück Glaubwürdigkeit. Dieser Vertrauensverlust besteht unabhängig von drastischen Verdeutlichungen wie: „Wollen Sie etwa sagen, daß der Richter oder der Polizeibeamte X falsch protokolliert hat?" und „Sie haben doch unterschrieben. War das falsch 80 ?" Da zum anderen sein Schweigen zu Einzeltatsachen weiterhin ein Privilegium odiosum darstellt 8 1 , indem daraus heute zumindest teilweise nachteilige Schlüsse gezogen werden 8 2 , bleibt er also faktisch zur A n t w o r t verpflichtet 83 . Steht der Beschuldigte also zu den Vorhalten, so t u t er das Begriffs bei sehr rechtsstaatlich gesinnten Autoren zeigt (Ullmann, Lb, S. 388; Rosenfeld, Lb, I, S. 35; A. Henschel, S. 37) anscheinend nichts Verpflichtendes. Statt dessen sprach sie v o m Verhör mittels Vorhalt als „ I n q u i s i t o r i u m " , Ullmann, S. 387; A. Henschel, S. 50 ff., 81; Goldschmidt, Z u r Reform, S. 14 („als übelstes Vermächtnis des inquisitionsprozesses"). Wie i m Text unterscheidet aber Verhör u n d Vernehmung schon Birkmeyer, S. 143. 76 Z u r F o r m vgl. oben S. 108 f., § 257 Abs. 1, der dem Angeklagten Gelegenheit zu freiwilliger Stellungnahme geben w i l l , vgl. S. 188 Note 53, enthält auch deswegen keinen F a l l des Vorhalts. 77 Ohne daß die Frageartikel so minitiös ausgearbeitet sind u n d ohne daß dem Gericht die Fragen, Antworten, Mienen- u n d Gebärdenschilderungen bei der Urteilsfällung w i e früher vorliegen. Dazu unten Note 50, S. 238. 78 Dazu S. 109 f. So bezeichnet RGSt 68, 110 (111) die Vorhaltung als „ E i n dringen auf den Angeklagten". 79 Seine Zulassung widerspricht dem Zweck der Vernehmung. Widersprüchlich etwa Gollwitzer, LR, § 243 A n m . 9 a einerseits u n d A n m . 9 b andererseits. 80 Ä h n l i c h abschreckende Beispiele bei Roesen, N J W 1958, 977 (978); Walder, Vernehmung, S. 138 f.; Goldschmidt, Z u r Reform, S. 14. Vgl. auch die eindrucksvolle Schilderung des Abg. Dr. Volk, Hahn, Mat. I, S. 865. 81 Liepmann, ZStW 44 (1924), 647 (671); Henkel, Lb, S. 176 Note 20. SchmidtLeichner, N J W 66, 189, beklagt das Schweigen als „zweischneidige Angelegenheit". A u f diese A r t leben die Lügen- u n d Ungehorsamsstrafen i n anderer Gestalt weiter. Vgl. Zachariae, Gebrechen, S. 121; von Kries, Lb, S. 47 Note 1, u n d oben S. 23. 82 Vgl. Sarstedt, LR, § 136 A n m . 7; BGHSt 20, 298 (300).

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oft nicht f r e i w i l l i g 8 4 und möglicherweise auch i m Bewußtsein, daß er sich zu den Worten des Protokollanten 8 5 als Falschem bekennt. Der Vorhalt von Zeugenaussagen, die nach Aktenlage noch zu erwarten sind, enthält nach allem auch immer ein Drängen zum Geständnis 86 . Die Mitteilung von Belastungsmomenten 87 läßt den Richter oft als A n kläger und Gegner 88 erscheinen, der, als bereits festlegt i n seinem Urteil, auf eine Verurteilung hinarbeitet 8 9 . bb) Der „Wollensvorhalt" Allgemeine Eröffnungen über das offensichtliche Gewicht eines Beweismittels und die allgemeine Lage des Beschuldigten 90 könnten aber nur zulässig sein, wenn sie i n dessen Selbstdarstellung passen. Zumeist entwickeln sie aber i n ihrer Formulierung den Drang, ein Bestreiten oder ein geplantes Schweigen des Beschuldigten zu brechen und so letztlich einen unzulässigen Druck zum Geständnis 91 . A l l das widerspricht der Subjektstellung des Beschuldigten. Durch den Entschluß, teilweise nicht auszusagen, begibt sich der Angeklagte nicht i n die Rolle eines Beweismittels 92 . Sein Recht auf Schweigen darf i h m niemals — auch nicht bei teilweisem Schweigen 93 — nachteilig werden 9 4 und 83 Ebenso Walder, Vernehmung, S. 124; Wessels, JuS 1966, 169 (171), allerdings n u r zum völligen Schweigen. 84 Das übersieht Redecker, Diss., S. 130. 85 Vgl. dazu unten S. 213 f. 86 Vgl. A r t . 69 CCC, oben S. 21, u n d Müller, K M R , § 136 A n m . 1: „sachliche Vorhalte, die den Beschuldigten i n die Enge treiben", seien zulässig. Dazu auch Bauer, S. 206 f.; Planck, S. 360. 87 D a r u m handelt es sich doch i m wesentlichen, sonst wären j a Anklageu n d Eröffnungsbeschluß nicht i n der Welt. Vgl. Roesen, N J W 1958, 977. Das verkennen Krause, Ub, S. 181 oben; Henkel, L b , S. 178; Schorn, JR 1967, 203; Redecker, Diss., S. 128. 88 Der normale Angeklagte sieht i h n als „dialektischen Gegenspieler" (Alsberg, Verh. 35. D J T [1928], Bd. 1, 440 [444]), als „seinen gefährlichsten Gegner" (Zachariae, Gebrechen, S. 92). 89 So schon Temme (1841), S. 74. Z u r heutigen Sicht vgl. n u r Roxin, Reform, S. 52, 55. 90 s. oben S. 112. 91 Vgl. die Schilderungen von A. Henschel, S. 41 f.; Hauck, Das Recht 1907, Sp. 49 (50); Hellwig, S. 290 f.; Sarstedt, LR, §136a A n m . 4 i gegen B G H S t 1, 387; Hanack, J Z 71, 170 gegen B G H S t 14, 189. Unhaltbar Krause, Ub, S. 182 oben. Es sollte immer zu denken geben, daß eine „starke Versuchung zu PflichtWidrigkeiten" jeder A r t bei der Vernehmung des Beschuldigten zu jeder Zeit bestehen w i r d ; Döhring, S. 200. 92 Stree, J Z 1966, 593 (598 f.); Rüping, Gehör, S. 161; vgl. die Unterscheidung oben S. 183 f. Anders aber etwa BGHSt 20, 298 (300); Sarstedt, LR, § 136 A n m . 5 a u n d 7. 93 Entgegen BGHSt 20, 298 (300); O L G H a m m VRS 42, 219; Sarstedt, LR, § 136 A n m . 5 a und 7.

13 Kuckuck

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3. Teil: Zur Zulässigkeit von freien Vorhalten

über den Umweg der freien Beweiswürdigung sein Recht auf Gehör in eine Pflicht zu sprechen umkehren 9 5 . Falls er aber spricht, so t r i f f t ihn keine rechtlich sanktionierte Pflicht zur wahrheitsgemäßen Aussage 98 . Hinweise auf ein nachteiliges Schweigen, die erdrückende Beweislage oder die nun fehlende Glaubwürdigkeit sind also unzulässig und überflüssig. Diese „Wollensvorhalte" enthalten auch eine unzulässige Vorabwürdigung. Hauptmängel der Vernehmung sind Voreingenommenheit und Verhaftetsein an eine vorgefaßte Meinung 9 7 . Die Beweiswürdigung erfolgt zwar auch während der Verhandlung. Aber erst i m Beratungszimmer soll das Gericht seine Meinungsbildung abschließen und formulieren. Jede Beweisantizipation bildet daher eine Gefahr für einen objektiven Urteilsspruch 98 . Beweisantizipierende Vorhalte sind also i n der Hauptverhandlung fehl am Platze, denn dort soll es sich eine Meinung erst bilden 99 . Sie verstoßen zugleich gegen die gesetzliche Unschuldsvermutung des A r t . 6 Abs. 2 M R K 1 0 0 , die noch zu oft unterlaufen w i r d 1 0 1 . e) Die Vorteile eines Verzichts auf den Vorhalt Die Aussagefreiheit soll den Beschuldigten davor bewahren, sich selbst belasten zu müssen. Indem aber auch heute noch die „Vernehmung" des 94 Ullmann, S. 381 Note 3; Eb. Schmidt, Nachträge I, §261 R n 17; Rüping, JR 1974,135 (138). 95 Eb. Schmidt, Nachträge I, § 136 R n 19, 20, lehnt jede Pflicht zu positiven Verhaltensweisen auf das Nachdrücklichste ab. 96 Rüping, Gehör, S. 161; Eb. Schmidt, Nachträge I, § 136 R n 20 f. m. w . N. 97 Peters, Lb, S. 344; Breithaupt, D R i Z 1962, 47. 98 Peters, Fehlerquellen I I , S. 228. Z u Sinn u n d I n h a l t des Verbots, Beweise vorab zu würdigen, auch Alsberg/Nüse, S. 78 f. Jeder Angeklagte ist f ü r Walder, Vernehmung, S. 126, aber auch schuldig, w e n n er sagt, „bei h a r t näckig Bestreitenden u n d psychisch Robusten sind gewisse suggestive V o r halte u n d Fragen nicht zu vermeiden". Schief auch Meinert, S. 151 f. BGHSt 1, 387 (388) rechtfertigt sogar Vorstellungen u n d Vorhaltungen als „ersten Schritt zur Sühne" ! K r i t i s c h daher auch Sarstedt, LR, § 136 a A n m . 4 i. 99 Glaser, H b I, S. 639 ; Scheuerle, Z Z P 66 (1953), 306 (317 f.). 100 V g l < wimmer, ZStW 80 (1968), 369 (375). Ausführlich Sax, Bettermann/ Nipperdey/Scheuner, 3. Bd., 2. Hb, S. 909 f. (987 f.); Krauß, Strafrechtsdogmatik u n d K r i m i n a l p o l i t i k , S. 153 f. 101 Nachweise etwa bei Rüping, JR 1974, 135 (138, 139); Sarstedt, LR, K o m mentar zu § 136 a. Vgl. auch Krauß, S. 154. BGHSt 20, 281 (283) betont zu Recht: „ E r (der Schuldige) ist bis zu seiner rechtskräftigen Verurteilung ebenso zu behandeln w i e ein Unschuldiger!" Es geht also nicht u m „ L i b e r a l i t ä t gegenüber dem Verbrecher", w i e nicht n u r Sangmeister, Strafrechtspflege u n d Strafrechtsreform (1961), S. 197 (204), glaubt. Z u r Unzulässigkeit auch der K r i m i n a l t a k t i k , die von „präsumtiven Verbrechern" Geständnisse zu erlangen sucht, Rüping, JR 1974, 135 (139, 140). Das Durchhalten dieser Forderung ist aber psychologisch deshalb so schwierig, da sich die Lösung der Tatfrage fast ausnahmslos bereits i m Zuge der Verhandlung vollzieht u n d nicht erst w ä h rend der „Beratung". Vgl. Graßberger, S. 337; Krauß, S. 158.

I I 3. Vorhalte gegenüber dem Beschuldigten

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Beschuldigten durch das Streben nach Wahrheit 1 0 2 verzerrt wird, dankt das „Gehör" weiter zugunsten eines „Verhörs" ab 1 0 3 . Es ist aber kein Ziel der StPO, die Wahrheit u m jeden Preis zu erforschen 104 . Die Verfahrensziele der StPO heißen Wahrheit und Justizförmigkeit 1 0 5 . Das Durchhalten dieser Dialektik ist durchaus nicht immer der Sachaufklärung abträglich. Jeglicher Druck zur A n t w o r t verbaut oft das, was die Beachtung des § 69, der eine allgemeine prozeßpsychologische Erfahrung enthält 1 0 6 , beim spontanen Sprechen zutage fördert. Die Aussage muß die schöpferische Eigenleistung des Aussagenden bleiben. „Vernehmen" heißt auch, den zu Hörenden zum freien Reden zu bringen 1 0 7 . Der Verzicht auf den Vorhalt gegenüber dem Beschuldigten dient also nicht nur der Justizförmigkeit, indem er den Grundsatz des „nemo se accusare tenetur" verwirklicht. Dazu muß man sich von der Vorstellung freimachen, der Beschuldigte werde nur dadurch als Prozeßsubjekt behandelt, indem man i h n möglichst nur aufgrund seiner eigenen Erklärungen zur Sache verurteilt 1 0 8 . Der Verzicht auf den Vorhalt fördert auch die Wahrheitsfindung, indem er zu einer fairen Verhandlungsführung 1 0 9 Spannungen abbaut 1 1 0 , das Verantwortungsgefühl des Beschuldigten stärkt 1 1 1 und so ein besseres B i l d seiner Persönlichkeit erlaubt 1 1 2 * 1 1 3 . 102

Vgl. die Nachweise oben S. 187 Note 40. Rüping, Gehör, S. 161. Schmidhäuser, Festschrift f ü r Eb. Schmidt, S. 511, f ü h r t zu Recht unzulässige Vernehmungsmethoden auf dieses Streben nach Wahrheit zurück. 104 BGHSt 14, 358 (365). 105 Dazu unten S. 236 f. 106 Eb. Schmidt, Festschrift für Jellinek, S. 625 (628). 107 D a r i n muß die aktive Leistung des Aussageempfängers i m wesentlichen beruhen, soll er sich auf eine unvoreingenommene Vernehmungsauswertung konzentrieren können. Dazu Graßberger, S. 127 f.; Döhring, S. 182; Undeutsch, S. 56 f.; Liepmann, ZStW 44, 665; Peters, Lb, S. 344; Planck, S. 153. 108 Sarstedt, LR, § 136 a A n m . 4 i am Ende. 109 Dazu u n d zum Grundsatz der Waffengleichheit Partsch, S. 168; Kohlmann, Festschrift f ü r K . Peters, S. 311 f.; Gollwitzer, LR, §238 A n m . 2a. Vgl. auch BGHSt 20, 281 (284) — zu Hinweispflichten — u n d Graßberger, S. 198. Ä h n l i c h schon Liepmann, ZStW 44, 647 (665). 110 Vgl. Laternser, S. 29; Döhring, S. 186; Wimmer, ZStW 80 (1968), 369 (375). Zumindest i n den Augen des Beschuldigten erscheint der Richter als V e r folger, vgl. Kern/Roxin, S. 78, der seine Neutralität für einen abwägenden Urteilsspruch verloren hat. 111 Viele Angeklagte resignieren beim Vorhalt von Widersprüchen i m Gefühl der Ohnmacht, w e i l sie sich als Objekt eines i m Ergebnis bereits festgelegten Verfahrens wähnen, Tröndle, D R i Z 1970, 213 (216). Vgl. auch Graßberger, S. 127; Altavilla, I, S. 352; ν. Hippel, Lb, S. 277 A n m . 3; Kern/ Roxin, S. 78; Roesen, N J W 1958, 977 (978). So verstanden, hindern die Prozeßvorgänge nicht schon die Spezialprävention u n d Resozialisierung. Vgl. auch Graßberger, S. 110 (111). 112 Liepmann, ZStW 44, 647 (665); Döhring, S. 32; Kube, K r i m i n a l i s t i k 1970, 248 (249). Deshalb sollte schon nach §173 der österr. StPO von 1853 jede Vernehmung überhaupt „ m i t Anstand u n d Gelassenheit" vorgenommen w e r 103

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3. Teil: Zur Zulässigkeit von freien Vorhalten 4. Zur Zulässigkeit der ersatzweisen Vernehmung von Verhörspersonen des Beschuldigten

Nichts Durchgreifendes ergibt sich aus dem Argument, zurückhaltende Vorhalte gegenüber dem Angeklagten trotz aller Bedenken als i n seinem eigenen Interesse liegend zuzulassen, da ansonsten m i t der h M 1 und angesichts der Doppelfunktion der Vernehmung frühere Aussagen i m Vorverfahren i m Wege der Vernehmung von „Verhörspersonen" i n den Prozeß eingeführt werden. Die Verhörspersonen gestalten zwar die Vernehmung des Beschuldigten zumeist nicht gerade für i h n vorteilhafter und sind auch sonst als m i t telbarer Beweis nicht die schlechthin verläßlichere Erkenntnisquelle 2 . Doch auch gegen diese Vernehmungspraxis von Verhörspersonen bestehen, jedenfalls wenn der Angeklagte schweigt oder pauschal und von sich aus frühere Äußerungen bestreitet, durchschlagende dogmatische Bedenken. Oben 3 wurde aufgezeigt, daß die Rechtsprechung das Verbot, polizeiliche Geständnisprotokolle zu verwerten, weitgehend aushöhlt. Unzulässigkeit, auf Verhörspersonen zurückzugreifen, wenn die Vernehmung nicht befriedigend i m Sinne der Anklage verläuft, besteht aber nicht nur i m Falle des § 254. Diese ersatzweise Vernehmung, u m die jetzigen Äußerungen des Angeklagten gegen seinen Willen durch die Reproduktion früherer zu ergänzen oder zu widerlegen, verstößt gegen dessen Subjektstellung. Sie ist eine Entleerung des Schweigerechts des Beschuldigten 4 . den. — Statt dessen g i l t es analog § 69 Abs. 2 Augenmerk auf den G r u n d zu legen, auf dem die Äußerungen des Angeklagten beruhten. I n dieser Richtung selbst für den Inquisitionsprozeß schon Brunnemann (1717), V I I I , 2. Theil, 56, S. 138. 113 A u f diese prozeßpsychologischen Einzelheiten soll bei der grundsätzlichen Problematisierung von Vorhalten gegenüber Aussagepersonen an H a n d des Zeugen näher eingegangen werden. Die verschärfte Problematik von V o r halten gegenüber Verhörspersonen soll n u r passim u n d ebenso w i e die etwa wegen § 80 abgeschwächte Sonderproblematik von Vorhalten Sachverständigen gegenüber i m einzelnen nicht mehr erörtert werden. Z u den grundsätzlichen Problemen der Beziehungen des Richters zum Sachverständigen vgl. n u r Krauß, ZStW 85 (1973), 320 (331 f.). 1 Z u r h M Gollwitzer, LR, § 243 A n m . 8 b ; § 254 A n m . 6 m. w. N.; Eb. Schmidt, L k I, R n 442; Krause, Ub, S. 191; Stree, J Z 1966, 593 (597); Peters, Lb, S. 271; BGHSt 1, 337 (338); 21, 285 (287); 22, 170 (171); JZ 1966, 618 (619); O L G Celle VRS 39 (1970), 111. 2 Vgl. n u r BGHSt 22, 372 (375); Roxin, PdW Nr. 303, S. 212. 3 s. oben S. 173 f. 4 Gegen eine ersatzweise Vernehmung v o n Verhörspersonen beim Leugnen bzw. Schweigen des Angeklagten Grünwald, JZ 1968, 752 (754); Roxin, PdW Nr. 303, S. 212; Hanack, J Z 1972, 274; Schmidt-Leichner, N J W 1966, 189 (191); Redecker, Diss., S. 140. Unerörtert von Mehner, vgl. S. 55,162.

I I 4. Unzulässige Vernehmung von Verhörspersonen

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Diese seine Rechte verdeutlicht die Neufassung des § 243 Abs. 4 S. I 5 . Wenn, wie insbesondere Grünwald 6 ausgeführt hat, der Angeklagte i n der Hauptverhandlung ausdrücklich darauf hinzuweisen ist, daß es i h m freisteht, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht, so kann das nur bedeuten, daß der Angeklagte auch i n diesem Stadium noch eine solche Wahl hat 7 . Eine solche Wahl ist aber illusorisch, wenn i m Falle seines Schweigens — aus dem Vorrang der Verteidigung muß das gleiche für sein Bestreiten gelten — eine jede Aussage aus dem Ermittlungsverfahren gegen ihn reproduziert und verwertet werden könnte. Die i m Gesetz vorgeschriebene Belehrung wäre dann geradezu irreführend. Sie müßte vielmehr 8 sinngemäßer m i t Grünwald 9 lauten: „Es steht Ihnen frei, hier vor Gericht auszusagen, oder aber durch I h r Schweigen (oder Bestreiten) zu bewirken, daß w i r auf Ihre früheren Aussagen zurückgreifen." Was für den zeugnisverweigerungsberechtigten Zeugen gilt, muß um so mehr und erst recht 1 0 » 1 1 für den i n seinen Interessen Freiheit, Ehre, Familie etc. viel stärker betroffenen Beschuldigten gelten. Zumindest das Schrifttum, das aus der fehlenden Belehrung nach § 243 Abs. 4 S. 1 ein Verwertungsverbot folgert 1 2 , ist insoweit auch inkonsequent, wenn es i m Falle des § 252 einen mittelbaren Zeugenbeweis durch Verhörspersonen ablehnt 1 3 , dem aussageverweigerungsberechtigten Angeklagten gegen5 Daß der Gesetzgeber bei der Neufassung durch das S t P Ä G (BT-Drucksache 328/64) sich dieser A u s w i r k u n g nicht bewußt war, steht nicht entgegen, vgl. Grünwald, J Z 1968, 754. Ebensowenig, daß die Motive, Hahn, Mat. I, S. 194, die Umgehung durch Verhörszeugen zulassen wollten. Unter der Geltung des GG ist die Herstellung der Zusammenhänge m i t anderen Vorschriften Sache der Auslegung. Außerdem ging der Gesetzgeber von einer Wahlmöglichkeit auch noch i n der H V aus. 6 J Z 1968, 754. 7 Denn schon nach den Motiven, Hahn, Mat. I , S. 139 (zu § 136), ist jeder auch n u r „mittelbare Zwang, welòher die Herbeiführung unfreiwilliger E r öffnungen bezweckt, ausgeschlossen". 8 Außer i n den Fällen, i n denen der Angeklagte sich vorher nicht geäußert hat. 9 J Z 1968, 754. 10 So auch Kern!Roxin, S. 116, der dann aber, S. 225, ohne Einschränkung die Vernehmung der Verhörsperson erlaubt (wie hier aber Roxin, P d W Nr. 303, S. 212). Ausdrücklich aA BGHSt 1, 337. 11 Die „Erst-recht-Interessenlage" ähnelt derjenigen bei der A n s t i f t u n g zur Selbstbegünstigung i m Hinblick auf die Angehörigenbegünstigung, §257 Abs. 2 StGB a. F. 12 Eb. Schmidt, N J W 1968, 1209 f. (1217); Schünemann, M D R 1969, 101 (102); Rudolphi, M D R 1970, 93 (98); Dahs, N J W 1965, 1265 (1266); Kern/Roxin, S. 116; Henkel, Lb, S. 174. aA Sarstedt, LR, §136 A n m . 18; Gollwitzer, LR, §243 Anm. 8e; Stree, JZ 1966, 593; Wessels, JuS 1966, 169 (171); B G H S t 22, 170 (174); 22,129 (134); N J W 1966,1718 (1719). 13 Eb. Schmidt, L k I, R n 454; Kern/Roxin, S. 226. Vgl. oben S. 177.

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3. Teil: Zur Zulässigkeit von freien Vorhalten

über aber die Reproduktion eines mittelbaren Vernehmungsbeweises ohne weiteres zuläßt 14 . Das Schweigerecht w i r d so faktisch ins Gegenteil verkehrt. Werden die früheren Äußerungen wieder aufgerollt, so muß der Beschuldigte sich äußern, schon um Schlimmeres zu verhüten und nur etwas zu retten. Aber: Nemo tenetur se accusare 15 » 16 !? 5. Die Zulässigkeit von Vorhalten gegenüber Zeugen

Ob und inwieweit Vorhalte grundsätzlich gegen die Grundsätze der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit verstoßen und wie schwer gegebenenfalls ein solcher Verstoß wiegt, muß jetzt i n bezug auf den Zeugen zur Sprache kommen. a) Grundsätzliches zur Vernehmung des Zeugen Wenn auch der Zeuge wie der Beschuldigte als unmittelbar Betroffener nicht Prozeßobjekt ist, sondern Beweismittel 1 , so ist er als Persönlichkeit i n der Hauptverhandlung doch nicht ohne Rechte. Während die Herbeiführung der Zeugenaussage erzwungen werden kann, darf ebenso wie beim Beschuldigten der Inhalt der Aussage nicht durch Vernehmungsmittel beeinflußt werden, die die Freiheit des Zeugen zur Willensentschließung über das, was er bekundet, i n irgendeiner Weise beeinträchtigen, §§ 69 Abs. 3,136 a, 163 a Abs. 4 S. 2 2 . Die Vernehmung des Zeugen, die ja grundsätzlich als „Anhören", § 58 Abs. 1, i n erster Linie eine nur rezeptive Leistung des Vernehmenden sein muß 3 , kann also zunächst nur wenig anders stattfinden als die des 14

hM. Ausdrücklich Eb. Schmidt, L k I, R n 442; Kern/Roxin, S. 225. Daher k a n n es nicht darum gehen, daß „das, was dem Angeklagten v o r gelesen, von i h m zugegebenermaßen genehmigt u n d unterschrieben worden ist" ein „überzeugenderes u n d rechtsstaatlicheres Beweismittel" als „der E i d des Schutzmanns" ist, w i e Sarstedt, Revision, S. 198 Note 22, betont. Es geht auch nicht vorrangig u m „unlautere Machenschaften" bei der früheren Vernehmung, sondern u m die Subjektstellung des Angeklagten. 16 Löwe, 1. Aufl. (1879), § 252 (253) A n m . 1, sah übrigens i n der Praxis, die Vernehmung i n der H V n u r als Wiederholung einer früheren aus dem V o r verfahren zu behandeln, auch einen Verstoß gegen den Grundsatz der U n m i t telbarkeit. Daher verbot er Aktenvorhalte ebenso w i e die Vernehmung von Verhörsbeamten, u m eine frühere Vernehmung zu rekapitulieren, s. oben S. 57 Note 102. 1 Seine Aufgabe besteht i n der Ü b e r m i t t l u n g seines Wissens ohne eine selbständige subjektive Zielrichtung, Peters, Lb, S. 89; Schäfer, LR, Einl. S. 68. Der Zeuge ist n u r selten bei seiner Aussage egoistisch motiviert, Graßberger, S. 269 f.; Redecker, S. 79 m. w. N. 2 Henkel, Lb, S. 212; Peters, Lb, S. 304, die diese Unterscheidung zu Recht besonders betonen. 3 Die ältere D o k t r i n spricht treffend von „Abhörung", vgl. Tittmann, S. 482. 15

I I . Vorhalte gegenüber

eugen

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Beschuldigten 4 . Wie § 243 Abs. 4 für den unmittelbar Betroffenen schließt § 69 Abs. 1 S. 1 für den Zeugen eine „Frage- und Antwortvernehmung" ausdrücklich aus5. § 69 Abs. 1 S. 1 schreibt dem Vorsitzenden vor, daß der Zeuge sein Wissen unbeeinflußt durch Fragen, Vorhalte und frühere Aussagen selbständig und zusammenhängend wiedergibt 6 . Das Thema seiner Aussage ist 7 i h m vor seiner Vernehmung zu nennen und nicht während; zu dieser Bezeichnung genügen aber identifizierende Bemerkungen ohne nähere Erörterung 8 . Dem Zeugen, dem ein zusammenhängender Bericht schwerfällt, muß der Richter als behutsam helfen, damit der Zeuge zu einem solchen Bericht befähigt w i r d 9 . b) „Wollensvorhalte"

und Willensautonomie

I m Gegensatz zum Beschuldigten ist der Zeuge jedoch zur wahrheitsgemäßen Aussage verpflichtet, §§ 57, 70. Zur Einhaltung dieser seiner Hauptpflicht 1 , die „reine Wahrheit" zu sagen, § 66 c, ist er ausdrücklich zu ermahnen 2 und über die Bedeutung des Eides und die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage zu belehren. „Wollensvorhalte" gegenüber Zeugen stehen daher i n einem anderen Licht. Denn die Belehrungen zur Wahrheit können gegebenenfalls während der Vernehmung des Zeugen wiederholt werden 3 , solange die Eindringlichkeit dieser Ermahnungen 4 zu prozeßordnungsgemäßem Verhal4 Mißverständlich Hellwig, S. 289, der Zeugen gegenüber „manche Vernehmungsmethoden für unbedenklich gestattet" hält, die gegenüber Beschuldigten nicht zum Zuge kommen dürfen. 5 Vgl. oben S. 97 f. — Neben dem Recht auf einen Bericht hat der Zeuge ferner das Recht auf angemessene Behandlung (arg. §68a); sitzungspolizeilichen Schutz u n d auf Entschädigung. Dazu Peters, Lb, S. 301 -302; Kern/ Roxin, S. 132; Kube t J Z 1976,17 (18); Humborg, JR 1966, 448 (449 f.). 6 So ausdrücklich RGSt 62, 147 (148); 74, 36; B G H N J W 1952, 119; O L G H a m m JMB1NRW 1953, 44; Henkel, Lb, S. 211; Schorn, Der Strafrichter, S. 219; Kohlhaas, LR, § 69 A n m . 26. 7 Als logischer Voraussetzung zu § 69 Abs. 1 S. 1 k o m m t auch § 69 Abs. 1 S. 2 zwingender Charakter zu. Eb. Schmidt, L k I I , §69 A n m . 7; Peters, Lb, S. 302. Z u oft w i r d hiergegen i n der Praxis gesündigt, Tröndle, D R i Z 1970, 213 (216). 8 Eb. Schmidt, L k I I , § 69 A n m . 8; Scheuerle, Z Z P 66 (1953), 306 (314). 9 Peters, Lb, S. 303. E i n bloßer Versuch, § 69 Abs. 1 S. 1 zu genügen, reicht nicht. N u r i n ganz besonderen Fällen, etwa Geistesschwäche des Zeugen, ist es zulässig, Einzelfragen zu stellen. § 69 Abs. 1 S. 1 besteht aus Gründen der Wahrheitsermittlung, Kohlhaas, LR, §69 A n m . 2 b ; Eb. Schmidt, L k I I , §69 A n m . 6. 1 Henkel, Lb, S. 202. 2 Die Belehrungen müssen ausführlich, k l a r u n d i n d i v i d u e l l gefaßt sein, Peters, Lb, S. 302, u n d sind dann für die Gewinnung brauchbarer Aussagen auch dienlich, Arntzen, S. 36; Graßberger, S. 202. 3 RGSt 54, 297 (298). BGHSt 3, 199 (200); Sax, K M R , §57 A n m . 3 i u n d §69 Anm. 3 a. 4 Nach der herkömmlichen, hier abgelehnten Terminologie also „Wollensvorhalte".

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3. Teil: Zur Zulässigkeit von freien Vorhalten

ten nicht i n eine Beeinflussung 5 und einen Zwang 6 zu einer bestimmten Aussagegestaltung übergeht. Diese Grenze des § 136 a enthält auch § 70, dessen Zwangsmittel nicht eingesetzt werden dürfen, u m auf die Richtigkeit einer Aussage hinzuwirken 7 . § 70 ist ausgeschlossen, wenn der Zeuge zur Sache bekundet, das Gericht aber der Auffassung ist, er sage die Unwahrheit 8 . Zwangsmittel — das lehrt die Rechtsgeschichte — sind der Erforschung der Wahrheit nicht dienlich 9 . Den konkreten Inhalt einer Aussage soll der Zeuge allein bestimmen. Deswegen setzt der Rückgriff auf früher fixierte Bekundungen des Zeugen nach § 253 Abs. 1 auch eine entsprechende Erklärung der Beweisperson voraus. Gibt der Zeuge von sich aus und bestimmt an, daß ausschließlich seine jetzigen i n der Hauptverhandlung gemachten Angaben zutreffen und distanziert er sich ausdrücklich von früheren, so ist ein Vorhalt dieser früheren Erklärungen unzulässig. Seine ausdrückliche entgegenstehende Äußerung beschränkt damit auch das Recht des Vorsitzenden, von der Kann-Bestimmung des § 253 Abs. 2 zur Aufklärung Gebrauch zu machen 10 . Das Recht auf eine freie inhaltliche Gestaltung seines Zeugnisses schließt die Möglichkeit ein, von (angeblichen) früheren Angaben A b stand zu nehmen, ohne daß er sich deswegen rechtfertigen muß gegenüber der Bemerkung, weshalb er dann i m Vorverfahren anders ausgesagt habe 11 » 12 . Der Zeuge darf daher auch nicht m i t der Androhung von 5 BGHSt 3, 199 (200). Unverständlich aber die halbherzige Entscheidung B G H bei Daliinger, M D R 1956, 527 zu § 136 a. « Kohlhaas, LR, § 57 A n m . 2; § 69 A n m . 2b. 7 Peters, Lb, S. 292; Henkel, Lb, S. 202; Eb. Schmidt, L k I I , §70 A n m . 4; Kohlhaas, LR, § 70 A n m . 2 c. 8 Prozeßordnungsgemäß ist nach §70 die Erstattung u n d Beeidigung des Zeugnisses, unabhängig von dessen I n h a l t , Eb. Schmidt, L k I I , § 70 A n m . 1. 9 Grundlegend Eb. Schmidt, Geschichte, S. 95 f.; Peters, Lb, S. 56 f., 330. RGSt 73, 31 (33) beanstandete damit i n aller Deutlichkeit das Verfahren eines LG, das Zeugen m i t den Sanktionen des § 70 belegt hatte, die trotz eindringlichen Vorhalts andere Aussagen als i m Ermittlungsverfahren machten. BGHSt 9, 362 wiederholt, daß die Zwangsmittel n u r dazu dienen, den Ungehorsam des Zeugen zu brechen, nicht aber eine wahrheitsgemäße Aussage zu erzielen. 10 BGHSt 17, 351 (353), das einen „noch verschüchterten" Zeugen betraf, steht dem also nicht entgegen. 11 Treffend Redecker, Diss., S. 131, f ü r den nicht kooperativen Zeugen. Redecker sieht diesen Gedanken auch i n §55 verkörpert. Ä h n l i c h Beling, Beweisverbote, S. 12; Humborg, JR 1966, 448 (449), u n d Michaelis, N J W 1968, 58 (59). Diese Autonomie der Auskunftsperson anerkannte schon der Abg. Struckmann, Hahn, Mat. I I , S. 1344: „ E r k l ä r e beispielsweise der Zeuge oder Angeklagte, daß er m i t Bewußtsein die Aussage ändere, w e i l er jetzt m i t Bestimmtheit des Vorganges sich erinnere, so sei die Verlesung (früherer Aussagen) ungestattet. w 12 Redecker, Diss., S. 132, verweist auch noch auf die unbegründete Zwecksetzung eines solchen Vorhalts gegenüber einem sich sperrenden Zeugen, da j a n u r die A n t w o r t zähle. Der Vorhalt habe dann also n u r den unzulässigen Sinn der Aktenbekanntgabe.

I I 5. Vorhalte gegenüber Zeugen

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Zwangsmitteln 1 3 eingeschüchtert und auf seine früheren Angaben festgenagelt werden. Die Ermahnungen zur Wahrheit dürfen daher auch nicht frühere eigene Aussagen und bereits erstattete anderer Zeugen i n der Weise verwerten, daß der Zeuge daraus eine bestimmte Sachverhaltsfestlegung oder -Vorliebe des Vernehmenden entnehmen kann. Diese Ermahnungen und die sich daran anschließenden Warnungen vor Folgen wie „Wollen Sie etwa einen Meineid riskieren?" enthalten neben einer unzulässigen Drohung nach § 136 a 1 4 außerdem eine beweisantizipierende Gefährdung der unvoreingenommenen Sachaufklärung. Das Drängen zur Erzielung einer „wahren" Aussage ist doch lediglich das subjektive Streben nach einer dem Vernehmenden wahr erscheinenden und deshalb gewünschten Aussage 15 . Aber nur durch eine objektiv wahre Aussage ermöglicht der Zeuge dem Gericht, seine Wahrheitsermittlungspflicht zu erfüllen. c) Die Pflicht des Gerichts, die Wahrheit zu ermitteln und Falschaussagen zu verhüten Deshalb erlaubt das Gesetz erst nach dem Zeugenbericht zur Aufklärung und zur Vervollständigung der Aussage „weitere Fragen", § 69 Abs. 2. I m Zusammenhang m i t diesen weiteren Fragen entsteht das Problem, ob und inwieweit dem Zeugen Akteninhalte bekanntgegeben werden dürfen. Die Bekanntgabe der Akten durch den Vorhalt kann nach dem obigen nur zulässig sein, wenn sie dem Zeugen hilft, seiner Aussagepflicht zu genügen, ohne daß sie seine Willensfreiheit und die Wahrheitsfindung unzulässig beeinträchtigt. Da der Zeuge zur Wahrheit verpflichtet ist, ist das Kernproblem des Vorhalts gegenüber dem Zeugen nicht das Problem des gezielten Drängens zur Aussage, sondern das Problem der Suggestion. Der generellen Pflicht des Gerichts zur Wahrheitsermittlung 1 nach § 244 Abs. 2 als dem „Eckpfeiler des geltenden Beweisrechts" 2 entspricht 13 §70 regelt abschließend, m i t welchen Straf- u n d Zwangsmaßnahmen gegen einen Zeugen vorgegangen werden kann, Eb. Schmidt, L k I I , § 70 Anm. 1. Andere Zwangsmittel sind wegen §136 a Abs. 1 S. 2 ausgeschlossen. 14 A u f eine wahrheitsgemäße Aussage k a n n i n massiver F o r m n u r m i t t e l bar durch die Beeidigung als solche u n d die Strafdrohungen f ü r falsche Aussagen h i n g e w i r k t werden. Vgl. Kohlhaas, LR, §70 A n m . 2 c; Kleinknecht, §70 Anm. l a ; Erbs, §70 A n m . I I I ; Sax, K M R , §69 A n m . 3a (widersprüchlich dazu aber A n m . 2 am Ende). Unrichtig B G H M D R 1956, 527. 15 Eb. Schmidt, L k I I , § 70 A n m . 4 zu RGSt 73, 31. 1 BGHSt 17, 351 (353) gab sogar der Aufklärungsrüge statt, w e i l ein bestimmter Vorhalt früher anderslautender Zeugenangaben, die dem Angeklagten gegenüber günstiger ausfielen u n d sich „nach der Sachlage aufdrängten", nicht gemacht wurde. — Gerade umgekehrt v o m Tatsächlichen, w e i l einer unterschiedlichen früheren Angabe geglaubt wurde, R G HRR 1937 Nr. 907. 2 Peters, Lb, S. 314.

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die individuelle Pflicht gegenüber dem Zeugen, ihn vor einem Aussagedelikt zu bewahren und deshalb alles (Zulässige) zu tun, um diesem eine vollständige und wahre Aussage zu ermöglichen. Der Zeuge hat heute unter Umständen sogar die Pflicht, sich früherer Aufzeichnungen als Gedächtnisstütze zu bedienen, w i l l er sich nicht der Gefahr aussetzen, wegen fahrlässigen Falscheids gemäß § 163 StGB belangt zu werden 3 . Daraus folgert man, daß der Vorsitzende der Beweisperson Einsicht i n Protokolle gewähren könne und müsse, auch wenn diese sie selbst aufgenommen habe 4 . Wenn u. U. sogar eine Pflicht des Gerichts besteht, dem Zeugen die Akten zugänglich zu machen, ist diese Folgerung, Vorhalte eigener und fremder Aussagen aus den Akten seien zur Wahrheitsermittlung immer zulässig 5 , unbedingt ernst zu nehmen. Die Akten sind aber nicht nur ein Hort ungetrübter Erkenntnisquellen zur Offenlegung der „Wahrheit" 6 . Details der Zeugenaussage i n der Hauptverhandlung an früher abgegebene Einzelheiten anzugleichen, gibt nicht unbedingt die Gewähr, damit der Wahrheit ein Stück näher gekommen zu sein. aa) Die Fragwürdigkeit von Zeugenaussagen Der Zeuge ist zwar als „beobachtender Mitspieler des aufzuklärenden Geschehens"7 i n einer unersetzbaren Rolle zur Erforschung dieses Geschehens. Die wachsenden psychologischen Einsichten lassen die Fragwürdigkeit von Zeugenaussagen8 aber mehr denn je 9 hervortreten. Die generellen Fehlerquellen des Personalbeweises müssen dem Gericht auf der einen Seite bekannt sein zum umfassenden Verständnis und zur rich3 BGHSt 1, 5 (8); Sax, K M R , §69 A n m . I i ; differenzierender RGSt 18, 108 (110 f.); Eb. Schmidt, L k I I , § 69 A n m . 11. 4 RGRspr 8, 722 (723); 9, 475; St 36, 53 (54); BGHSt 1, 5 (8); Eb. Schmidt, L k I I , § 69 A n m . 10; Kohlhaas, LR, § 69 A n m . 26; Sax, K M R , § 69 A n m . 2. 5 Vgl. insb. B G H S t 1, 5 (8); Krause, Ub, S. 181; Schorn, Strafrichter, S. 218. 6 F ü r Plaut, S. 149, k a n n sogar „ k e i n Zweifel darüber sein, daß die der Hauptverhandlung zugrunde liegenden A k t e n ein oft bedenkliches Sammelsurium von oberflächlichen Meinungen, Werturteilen, einseitigen oder gar objektiv falschen Beobachtungen u n d auf der anderen Seite glaubhaften, aber nicht ohne weiteres erkennbare Angaben enthalten". 7 Eb. Schmidt, L k I I , A n m . 12 v o r §§ 48 f. 8 Dazu Peters, Lb, S. 314 f.; Henkel, Lb, S. 198- 199; Goldschmidt, Rechtslage, S. 257. Das brachte Wach, J W 1918, 797, zu der Feststellung, der Zeugenbeweis sei der „nach Kenntnis jedes Erfahrenen schlechteste Beweis". Ebenso jetzt auch Dahs, N J W 1974,1538 (1539). 9 Diese Fragwürdigkeit w a r bei Schaffung der RStPO nicht gänzlich u n bekannt. Die Zeugnisverweigerungsrechte der §§52 f. beruhen teils auf der Erfahrung, daß von bestimmten Zeugen aus psychologischen u n d allgemein menschlichen Gründen eine wahrheitsgemäße Aussage nicht zu erwarten ist, Eb. Schmidt, L k I I , Anm. 4 vor §§ 52 f.

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tigen Bewertung 1 0 . Da die Aussage jedoch ζ. T. als Reaktion auf einen Anreiz 1 1 auch von der Person des Vernehmenden und der A r t zu vernehmen abhängt 12 , ergeben sich daraus auf der anderen Seite auch schon Konsequenzen für die A r t und Weise der Vernehmung. Während den Äußerungen des Beschuldigten (zu Recht) m i t starkem Argwohn begegnet wird, werden Zeugenaussagen heute noch gelegentlich ohne das nötige Mißtrauen entgegengenommen 13 . Nicht nur die fehlende Sorgfalt und Überlegung, auch die hohe Zahl der geleisteten Meineide läßt dieses Vertrauen jedoch unangebracht erscheinen 14 . bb) Zur Psychologie der Aussage 15 Selbst wenn der Wille zur Wahrheit besteht, weist die menschliche Aussage zahlreiche Mängel und Fehler auf. Alle Stufen, also Wahrnehmung — Erinnerung — Wiedergabe 16 , die die Aussage bis zu ihrem Zustandekommen durchläuft, sind individuell verwickelt und können die Aussage unterschiedlich fehlerhaft beeinflussen. Voraussetzung einer richtigen Aussage sind die Bereitschaft zur Wahrheit und die Fähigkeit zur wahrheitsgemäßen Darstellung 1 7 . Die Wahrnehmung, der Aufnahmevorgang von Erlebnisinhalten, zerfällt i n Perzeption und Apperzeption. Perzeption bedeutet das äußere Erleben 1 8 ; das Bewußtwerden ist keineswegs das Spiegelbild des Aufgenommenen, zu einer Apperzeption kommt es nur 1 9 , wenn das Erlebnis i n 10 s. n u r Panhuysen, S. 10; Döhring, S. 21; Hellwig, S. 3 f.; Peters, Lb, S. 314 f.; Redecker y Diss., S. 66 f. 11 Dazu Mezger y ZStW 40, 152 (157). 12 Z u r Wechselwirkung zwischen der Aussagepsychologie u n d der Vernehmungspsychologie Plaut, S. 149 u n d 171; Graßberger, S. 104 f.; Döhring, S. 27 f.; Hellwig, S. 10; Mönkemöller, S. 108. 13 Vgl. Döhring, S. 92, der darin tradierte Vorstellungen sieht, da neu entwickelten Beweismitteln sehr v i e l A r g w o h n entgegengebracht w i r d . s. auch Zbinden, S. 152; Peters, Festschrift f ü r Olivecrona, S. 532 (540); Kohlhaas, DRiZ 1974, 215 (216). 14 I m Jahre 1928 w u r d e die jährliche Meineidsziffer auf 35 000 geschätzt, Hirschberg, Fehlurteil, S. 32. Andere Schätzungen liegen w e i t höher. Vgl. Peters, Fehlerquellen I I , S. 51 f.; Peters, Lb, S. 323; Henkel, Lb, S. 198. Z u den Auswirkungen bewußt falscher Aussagen Peters, Zeugenlüge u n d Prozeßausgang (1939). Z u r Wahrhaftigkeit als Bereitschaft zur Wahrheit Peters, Fehlerquellen I I , S. 54 f. 15 E i n knapper Überblick über deren Grundlagen ist zur Bewertung des Personalbeweises unerläßlich, Peters, Lb, S. 314 f. 16 Zusammenfassend Peters, Lb, S. 314f.; Kern/Roxin, 11. Aufl., S. 137 (weggelassen i n der 12. Aufl.). 17 Peters, Fehlerquellen I I , S. 53. 18 Z u r Aufnahmefähigkeit u n d -bereitschaft der menschlichen Innenwelt allgemein Graßberger, S. 8 f.; Plaut, S. 8 f.; Peters, Lb, S. 317. 19 Nicht alles was perzipiert w i r d , w i r d apperzipiert.

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das Bewußtsein 20 überführt wird, wobei die Empfindung zu bereits „katalogisierten" älteren Erfahrungen i n Beziehung gesetzt und gedeutet wird. Da gedeutet wird, ist jede Wahrnehmung ein subjektives Urteil, das wesentlich von der „Einstellung" geprägt w i r d 2 1 . Die Verlebendigung von Wahrgenommenem geschieht i m Wege der Erinnerung. Das Erinnern ist also ein retrospektiv gerichteter innerer Bewußtseinsvorgang, der nur Objekte vergegenwärtigen kann, die als Einprägung 2 2 Besitzstand geworden sind. Besitzstand w i r d i m allgemeinen nur das affektiv Verstandene, also m i t positiven oder negativen Affekten besetzte Erlebnis 2 3 . Die so m i t Hilfe des Gedächtnisses24 zurückgerufene „Vorstellung" unterscheidet sich also durchaus von der ursprünglichen Empfindung 25 . Die assoziierte Vorstellung 2 8 w i r d unbewußt durch eigene Verarbeitung, Anpassung an die Auffassung anderer, Teilvertauschung und Ersatzerinnerungen, bewußt durch Kombinationen aufgefüllt 2 7 . Je größer der zeitliche Abstand ist, desto mehr geraten unsere Erinnerungsbilder i n Übereinstimmung m i t der idealisierten Vorstellung von der Vergangenheit 28 . Dabei ist insbesondere das Verschmelzen von Erinnerungskomplexen 29 als nach außen glaubwürdig nur schwer erkennbar. I m Strafverfahren soll die Aussageperson das Wahrgenommene und in der Erinnerung Vorhandene wiedergeben. Dabei bildet sowohl der vorgeschaltete Denkprozeß, der schöpferischer Natur ist 3 0 , ebenso eine spezi20 Eine unvollständige Aufnahme k a n n bereits eine falsche Aussage bewirken, so ζ. B. eine ungenaue Beobachtung auch n u r einfacher Vorgänge. Dabei vollzieht sich der Verarbeitungsprozeß unterhalb der Bewußtseinsschwelle. 21 Graßberger, S. 41; Döhring, S. 106. Die „Einstellung" w i r d somit zum Zentralproblem der Aussagepsychologie. 22 Z u r Merkfähigkeit als Fähigkeit, Erlebnisse erinnerungsfähig einzuprägen Witter, S. 51 f. Fallgruppen bei Arntzen, S. 49 f. 23 Zeit, affektive Neutralität u n d Verdrängung sind die psychologischen Faktoren, die das Vergessen begünstigen, Witter, S. 52. Dazu Graßberger, S. 56; Undeutsch, S. 63 f.; Arntzen, S. 59 f. 24 Einprägung u n d Reproduktion sind die Funktionen des Gedächtnisses, vgl. Rohracher, S. 258 f. 25 Z u m Ausmaß der zeitlichen Unbeständigkeit u n d Lückenhaftigkeit Graßberger, S. 56 f.; Peters, S. 318 - 319. 28 Der Vorstellungsakt, d. h. die „Auslösung einer Vorstellung durch Erregung eines m i t i h r vergesellschafteten, also irgendwie verknüpften Bewußtseinsinhaltes", Graßberger, S. 63. 27 Dazu Peters, Lb, S. 320 f.; Arntzen, S. 73 f.; Hellwig, S. 125 f. 28 Trankell, S. 23. 29 Z u Kontamination u n d Konfabulation Graßberger, S. 59 f., bei häufig wiederholten Vernehmungen Döhring, S. 101. 30 Graßberger, S. 83, während Empfindung u n d Wahrnehmung vorwiegend passiv erlebt werden. Dazu auch Arntzen, S. 25.

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fische Fehlerquelle wie der unmittelbare Darstellungsvorgang 31 . Begriffe und Begriffsassoziationen divergieren 32 , die Abwicklung w i r d unter vielerlei Einflüssen 33 schief gestaltet oder durch eine Frage schief entwickelt. cc) Zur Psychologie der Vernehmung 3 4 Denn die Wiedergabe i n der Hauptverhandlung innerhalb einer Vernehmung w i r d wesentlich beeinflußt durch die Form der Vernehmung 3 5 . Die „weiteren Fragen" des Vorsitzenden, die auf eine möglichste Rekonstruktion der i n der Vergangenheit abgeschlossenen Wahrnehmung abzielen, gestalten auch das Ergebnis der Erinnerung und die Wiedergabe selbst. Wie man i n den Wald hineinruft, so schallt es heraus. Forensisch brauchbar ist aber nur die Zeugenaussage, die geistig unabhängig und selbständig erfolgt 3 6 . Nur wenn der Zeuge ständig glauben kann, Neues zu berichten, w i r d er psychologisch i n den Stand gesetzt, die i n seinem Bewußtsein zurückgebliebenen Erlebnisspuren zu aktivieren 3 7 . Durch Fragen, die durch ein knappes „Ja" oder „Nein" zu beantworten sind, geht dieses individuelle Moment der Vernehmung verloren 3 8 . Der Vernehmende darf nichts i n den Zeugen hineinfragen 39 . Daher sollte das Augenmerk der „Vernehmungstechnik" nicht so sehr der Vernehmungstaktik 4 0 , sondern mehr der psychologischen Gesetzmäßigkeit einer eigengeleisteten Aussage gelten. Der Vernehmende muß einen Bezug zum Vernommenen finden, ohne ihn unzulässig zu beinflussen. Allgemein läßt sich, wie schon das Reformschrifttum wußte, sagen: Die Fragen müssen so allgemein ge31 Eine unmittelbare Gedankenübertragung ist nicht möglich. — Unbewußte Fehler bei der Wiedergabe sind dabei häufiger als Lügen. 32 Dazu Graßberger, S. 89 f.; Arntzen, S. 20 f.; Hellwig, S. 148 f. 33 Beispiele bei Peters, Lb, S. 322 f. Hellwig, S. 37, beobachtet bei allen Auskunftspersonen i m Gerichtssaal eine „forensische Befangenheit". Graßberger, S. 132, betont die „Aufregung" des Vernommenen. Z u Kommunikationsproblemen zwischen Polizei u n d Gericht Kube, JZ 1976,17 f. m. w . N. S4 Als Teilgebiet der Aussagepsychologie, das sich m i t der Gewinnung einer brauchbaren Zeugenaussage befaßt. Dazu Arntzen, Psychologie der Zeugenaussage (1970), S. 18, dem die Darstellung i n den Arbeitsbegriffen (a.a.O., S. 7) folgt, u n d Fröhlich, K r i m i n a l i s t i k u n d forensische Wissenschaft 1975 (DDR), S. 61 f. 35 Der Überblick über die Grundzüge der Aussagepsychologie zeigt die Schwierigkeiten auf, vor die sich jede Vernehmungsperson gestellt sieht. 36 Peters, Lb, S. 281; Arntzen, S. 25; Graßberger, S. 127. 37 Graßberger, S. 128. 38 So schon A. Henschel, S. 41. 39 Kern/Roxin, 11. Aufl., S. 140. 40 Diese betonen Hellwig, S. 204 f.; Meinert, Vernehmungstechnik, insb. S. 121 f.; auch Döhring, S. 48 f. Technik bedeutet eigentlich Umgang m i t Sachen, T a k t i k impliziert ein planmäßiges Vorgehen gegen Menschen, u m dann eine Situation auszunützen. Dazu sehr kritisch Rüping, JR 74, 135 (139 bei Note 64). Z u r Terminologie von K r i m i n a l t e c h n i k und - t a k t i k Kaiser, Kriminologie, S. 50.

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halten sein wie möglich. Bleiben allgemeine Fragen fruchtlos, so bedarf es „besonderer, näher zur Sache übergehender Fragen", die aber möglichst frei von Eingebung und Vorspiegelung sein müssen 41 , (aa) Suggestion Insoweit ist der Streit u m die suggestive Frage 4 2 auch immer ein Streit u m die Definition 4 3 und u m den Einzelfall 4 4 . Wenn jedoch die A n t w o r t unter dem Eindruck der Frage nur noch weitgehend automatisch erfolgt, kann von einer Willensfreiheit und einer eigenen Leistung des Vernommenen keine Rede mehr sein. Die häufigste Form der psychologischen Beeinflussung ist die Suggestion. Suggestive Fragen sind Fragen, die statt i n neutraler Weise zu weiteren Angaben aufzufordern, der Aussageperson eine bestimmte A n t wort nahelegen 45 . Eine totale Suggestionsfreiheit bei der Vernehmung läßt sich i m Gerichtssaal zwar nie erreichen. Schon die Umstände des Verfahrens wirken erfahrungsgemäß auch i n negativer Hinsicht suggestiv auf die Prozeßbeteiligten 46 . Die mögliche Fragegestaltung läßt sich i m Anschluß an Arntzen 4 7 , m i t fortschreitender Suggestibilität, einteilen i n Leerfragen, Konträrfragen, Wahlfragen, Vorhaltfragen und Präzisfragen. „Leerfragen" sind solche Fragen, die nur aus einem Fragefürwort und verhältnismäßig wenigen abstrakten Angaben der Kategorie bestehen, 41 So treffend schon Mittermaier, Strafverfahren I, S. 573, i m Jahr 1845, der ein Überlenken empfiehlt, bei dem jede A n t w o r t selbst wieder als natürlicher Übergang u n d Stoff für die nächste Frage verwandt w i r d , a.a.O., S. 571. Ä h n l i c h auch Zachariae, H b I I , S. 207, u n d § 176 österr. StPO von 1853. Vgl. auch oben S. 35 f. 42 Trotz umfangreicher wissenschaftlicher Erörterung ist daher eine K l ä r u n g bisher nicht erreicht worden. Suggestive Fragen lehnen kategorisch ab etwa Eb. Schmidt, L k I I , § 69 A n m . 1; Kern/Roxin, 11. Aufl., S. 140; u n d auch schon Mittermaier, Strafverfahren I, S. 571 u. 617. I n Italien, Griechenland, Ungarn, Norwegen sind Suggestivfragen auch streng verboten; vgl. bei Döhring, S. 55. A u f den Grad der Suggestion stellen dagegen ab Peters, Lb, S. 282, 322, 330; Hellwig, S. 270 f.; Graßberger, S. 146 f. Früher schon Zachariae, H b I I , S. 207 u. 246, u n d Tittmann, S. 442 f. I n den letzten Jahrzehnten w i r d die Auseinandersetzung u m die Suggestion zu sehr zugunsten einer allgemeinen Auseinandersetzung u m das Fehlurteil vernachlässigt. Die Gerichtsakten lassen aber nicht erkennen, w i e der Vorsitzende die Zeugen vernommen hat, vgl. Peters, Fehlerquellen I I , S. 229. 43 So schon Zachariae, H b I I , S. 246. 44 Denn Fragen sind dann zu suggestiv, w e n n „deren I n h a l t speziell ist, wo er allgemein sein sollte", Tittmann, S. 443. 45 Kern/Roxin, 11. Aufl., S. 140; Döhring, S. 54; Hellwig, S. 265; Stöhr, S. 62. K l a r e r ist der englische Begriff: „leading question". Gut auch schon Tittmann (1810), S. 442: „eingebende Fragen". 46 Ebenso Peters, Lb, S. 197; Mönkemöller, S. 108; Döhring, S. 55. Generell besonders suggestibel sind Kinder, Menschen m i t schwacher Begabung, Ängstliche, Ermüdete. 47 Arntzen, S. 26 f. Vgl. auch die Aufschlüsselung bei Fröhlich, S. 61, 66 f.

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die angesteuert w i r d 4 8 . „Konträrfragen" nehmen etwas Konkretes i n die Frage auf, das aber erwartungsgemäß als Inhalt der A n t w o r t unwahrscheinlich ist, oft also gerade das vermutet Gegenteilige 49 . „Wahlfragen" stellen drei Antwortmöglichkeiten zur Wahl, die ohne Akzentunterschiede i n eine Frage eingekleidet werden 5 0 . Diese drei Fragegruppen sind daher, da sie nicht oder weniger suggestiv wirken, gestattet und auch unverzichtbar. Neben Vorhaltfragen haben jedoch auch die „Präzisfragen" eine sehr viel stärkere Suggestionswirkung. Präzisfragen suggerieren einem Zeugen durch die bloße Präzision, daß er eine entsprechend präzise Antwort geben müsse 51 . Die hier besonders interessierenden „Vorhaltfragen" sind Fragen, die den Inhalt der möglichen A n t w o r t enthalten und an sich nur eine Bejahung oder Verneinung verlangen 52 . Der Vernehmende bringt selbst die Rede auf einen Inhalt, dessen Einzelheiten der Zeuge selbst noch gar nicht zur Sprache gebracht hat: „Was für einen Mantel trug der Mann?", wenn der Zeuge noch gar nicht gesagt hat, daß er bestimmte Kleidungsstücke wahrgenommen hat 5 3 . „Welchen Gegenstand hatte er i n der Hand?", obwohl von einem Gegenstand noch gar nicht die Rede war. Noch suggestiver, da eine Korrektur noch mehr Willenskraft bedarf, ist i n so einem Fall die Vorhaltfrage als „Voraussetzungsfrage": „War die Waffe, die der Mann i n der Hand hielt, ein Messer 54 ?" 48 Beispiel: „Was sagte er?" „Was geschah dann?" „ W i e oft tat er das?", Arntzen, S. 27; Graßberger, S. 146. Das Reformschrifttum nannte sie treffend „allgemeine Fragen", vgl. Mittermaier, Strafverfahren I, S. 571. 49 Bei Verdacht einer Kindesentführung: „ H a t er gesagt, daß d u r u h i g wieder nach Hause gehen darfst?" Verwandt damit ist die „Unmöglichkeitsfrage": „ W a r das dort nicht unmöglich?" So bekommt man auch bei Schwachbegabten u n d K i n d e r n brauchbare detaillierte Angaben. Dazu Arntzen, S. 27 - 28. 50 E t w a : „ H a t der M a n n gesessen, gestanden oder gelegen?" U m auch der geringen Suggestionswirkung der Wahlfrage entgegenzuwirken, n i m m t man, falls praktikabel, die wahrscheinlichste Möglichkeit nicht auf, Arntzen, S. 29. „Alternativfragen", die n u r zwei Wahlmöglichkeiten anbieten, sind zu vermeiden. Vgl. auch Graßberger, S. 147. — Auch eine Agnoszierung muß das E r gebnis einer Wahlleistung sein. 51 E t w a : „ W i e w a r es beim 5. Mal?", obwohl der Zeuge vermutlich gar keine genaue Erinnerung hat. Vgl. Arntzen, S. 32. 52 Dazu Arntzen, S. 3 0 - 3 1 . Ebenso schon Mittermaier, Strafverfahren I, S. 618. Vgl. auch oben S. 108 f. u n d die Definitionen i n den Reformgesetzen, oben S. 26 f. Z u r CCC s. oben S. 21 Note 15. Nach Bauer (1835), S. 201, sind V o r halte dagegen „bloß materiell suggestiv". 53 Beispiele geben auch Kern!Roxin, 11. Aufl., S. 140, u n d Döhring, S. 56 - 57. Richtig lautet die Frage: „Haben Sie sonst noch etwas beobachtet? Haben Sie vielleicht irgendwelche Kleidungsstücke bei dem M a n n wahrgenommen?" Leicht suggestiver schon: „Welche Kleidungsstücke haben Sie bei dem M a n n wahrgenommen?" Vgl. auch Graßberger, S. 147. 54 Arntzen, S. 31. Hier w i r d dem Zeugen gegenüber vorausgesetzt, daß der

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Der Vernehmende lenkt die Auskunftsperson i n eine vorrangig von i h m selbst bestimmte Richtung. Es besteht immer die Gefahr, daß der Zeuge sich zu Aussagen verleiten läßt, die er sonst nicht machen würde und die nicht der Wahrheit entsprechen. Dem falschaussagenden Zeugen w i r d es leicht gemacht, Material für seine A n t w o r t zu finden 55. Der sorglose Zeuge bestätigt aus Bequemlichkeit den vorgehaltenen Inhalt 5 6 , der ängstliche w i l l seine „Vergeßlichkeit" nicht zugeben, der sich nicht erinnernde Zeuge gibt die vorgehaltene Einzelheit zu, ohne eine tatsächliche Erinnerung zu besitzen 57 . Die A r t der Befragung w i r k t höchst suggestiv, da sie i h n verleitet, einen vorgegebenen Inhalt aufzunehmen und ihn rein mechanisch zu wiederholen. Daß eine stereotype Vorhaltbestätigung 5 8 ohne Beweiswert ist, ist nicht bloße Spekulation. Arntzen kommt aufgrund einer Analyse eines umfangreichen Materials, das bei 8400 individuellen Zeugenuntersuchungen gewonnen wurde 5 9 , zu der Erkenntnis, daß die bloße „ J a " - oder „Nein"-Antwort auf eine Vorhaltfrage keinen forensischen Aussagewert hat 6 0 . Auch aus aussage-psychologischer Sicht ergibt sich damit die Untauglichkeit, die darin liegt, daß die h M entscheidend auf eine Bestätigung des Vorhalts abstellt 6 1 . Präzis- und Vorhaltfragen ergeben keine Gewähr für die Selbständigkeit und Richtigkeit einer Aussage. Sie sind daher unzulässig und überflüssig, da ungeeignet i m Sinne des § 241 Abs. 2 6 2 . Während der Zeuge beim Bericht noch das Gefühl hat, zum ersten M a l auszusagen, ernst genommen zu werden, w i r d er bei Vorhalten zur Aufklärung und Ergänzung als Persönlichkeit i n eine Nebenrolle gedrängt 63 , die er spielen muß, ob er w i l l oder nicht. M a n n ein Messer u n d darüber hinaus überhaupt einen Gegenstand trug. Z u r Voraussetzungsfrage auch Hellwig, S. 267 - 268. 55 Arntzen, S. 30; Peters, Fehlerquellen I I , S. 235 zu Nr. 663; Mittermaier, Strafverfahren I, S. 570 - 571. 56 Vgl. Döhring, S. 54; Fröhlich, S. 77. 57 Mönkemöller, S. 109; Dahs, Hb, R n 427. Z u m Besitzstand von Wahrnehmungen oben S. 204. 58 Oder „allgemein bejahende A n t w o r t " , Mittermaier, Strafverfahren I, S. 571. 59 Durchgeführt v o m I n s t i t u t für Gerichtspsychologie i n Bochum, Arntzen, S. 7. Z u neuen amerikanischen Forschungsergebnissen Bull, D R i Z 1976, 53. 80 Arntzen, S. 30 u. 31. Döhring, S. 57, sieht darin „arge Verfälschungen". Diese Verfälschungen fürchtete j a auch schon die CCC, wenn sie i n A r t . 56 Suggestivfragen verbot. 61 s. oben S. 173 f. 82 Die Ungeeignetheit von F a l l zu F a l l ziehen als die Grenze f ü r die zulässige Suggestion auch Peters, Lb, S. 282; Sarstedt, LR, § 136 a A n m . 4 f., S. 867. Das Aufstellen allgemeiner Fallgruppen läßt sich jedoch nicht umgehen. Wie w i l l man sonst die Ungeeignetheit einer Suggestivfrage ohne Beweisantizipation feststellen? 83 Dazu Plaut, S. 151, der darin eine „wahre T o r t u r " sieht, w e n n der Zeuge,

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Jede Beeinflussung trübt aber die Wahrheitsfindung. Daher darf auch nicht durch einen bestimmten Ton, ζ. B. kritisches Ubelwollen, wenn der Zeuge entlastet, ermunterndes Wohlwollen, wenn er belastet 64 , durch wertendes Mienenspiel oder durch eindeutige Gesten 65 , ob bewußt oder unbewußt, auf seine Darstellung eingewirkt werden. Unzulässig ist jeder Ausdruck, der eine bestimmte A n t w o r t erwartet. Die Fragen müssen affektfrei und ohne Schuldvorwurf sein, u m nicht zu hemmen 66 . Dabei muß der Vernehmende sowohl den Verhandlungsgegenstand als auch der Person des Vernommenen ein verständnisvolles Interesse entgegenbringen 6 7 . Insbesondere Formulierungen wie „Haben Sie früher (vor der Polizei, dem Untersuchungsrichter etc.) nicht das und das gesagt?", Einschübe wie „etwa", „wohl", „nicht", „doch", stehen als bestimmte Erwartungen 6 8 einer spontanen Äußerung i m Wege und entfalten als Beweisantizipation einen psychologischen Druck. (bb) Stichwortfragen § 136 a Abs. 2 verbietet jedoch nur Maßnahmen, die das Erinnerungsvermögen und die Einsichtsfähigkeit „beeinträchtigen". Unterstützen kann und muß der Vorsitzende die Erinnerung durch Fragen „zur A u f klärung und zur Vervollständigung", § 69 Abs. 2. Die Wahrheitsermittlung aber fördern, wenn der Zeuge zu bestimmten weiteren Einzelheiten gehört werden soll, auf die er nicht selbst gekommen ist, statt der suggestiven Vorhaltfragen die neutraleren „Stichwortfragen" 6 9 weit besser. Sie gewährleisten am ehesten eine spontane Erweiterung und Überprüfung der Aussage, indem sie möglichst wenig von einer früheren Aussage des Vernommenen oder aus den Bekundungen anderer Zeugen aufnehmen. Nicht immer führen Leer-, Konträr- und Wahlfragen eine genügende Aufklärung herbei. Es ist aber bekannt, daß etwa erinnerungsschwache Zeugen 70 sich häufig auf ein bestimmtes Stichwort hin wieder entsinnen wie nicht selten, schon mehrmals vernommen wurde. Döhring, S. 95, verlangt aber, daß, w e n n der Zweck der Wahrheitsforschung es erfordert, auch der „redliche Zeuge" „durch ein wahres Fegefeuer von Vorhalten u n d Rückfragen hindurchgehen" müsse. 64 Kern/Roxin, 11. Aufl., S. 141; Breithaupt, D R i Z 1962, 47 (48). 85 Dazu Döhring, S. 57, u n d O V G Lüneburg D R i Z 1974, 194. Die oft dahinter stehende Neurasthenie hält Scheuerle, Z Z P 66 (1953), 306 (319), für ein „kollektives Gebrechen" unserer Zeit. 88 Vgl. Arntzen, S. 33 f. Schon Tittmann, S. 493, verlangte Fragen „ohne Z u dringlichkeit". 87 Graßberger, S. 128/129; Fröhlich, S. 88, 90. 88 Z u „Erwartungsfragen" Hellwig, S. 267. Sie allein werden oft n u r als Suggestivfragen betrachtet. Vgl. die Untersuchungen bei Lipmann, A r c h K r i m A n t h r 20 (1905), 68 (74). 89 Arntzen, S. 31. 70 E i n Typologie der Zeugen i n dem für sie charakteristischen Verhalten gibt Graßberger, S. 210 f. 14 Kuckuck

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3. Teil: Zur Zulässigkeit von freien Vorhalten

und aus eigener Erinnerung geschöpfte und daher brauchbare Aussagen liefern 7 1 . Die Erklärung für das Auftreten solcher „Aha-Erlebnisse" liegt oft darin, daß vielen Personen das abstrakte Denken ungeläufig ist 7 2 . Statt den konkreten Erkenntnisinhalt selbst i n die Verhandlung einzuführen m i t der Vorhaltfrage: „Haben Sie bemerkt, daß auf dem Tisch eine braune Aktentasche lag?" ist der Aufklärungsanreiz also als Stichwortfrage 73 ' 7 4 zu formulieren: „Ist Ihnen sonst noch etwas aufgefallen? . . . Ist Ihnen vielleicht noch etwas mit einer Tasche i n Erinnerung?" Ein für den Zeugen erkennbares Eingehen auf angebliche Protokollangaben ist als zu großer Unsicherheitsfaktor ausgeschlossen. (cc) Eigene Aussageerweiterungen und fremdgesteuerte Aussageauffüllungen Aussageergänzungen haben einen großen Wert für die Sachverhaltsaufklärung. Sie veranschaulichen früher berichtete Vorgänge oft deutlicher, verbinden, klären scheinbare Widersprüche und zeigen Zusammenhänge auf. Der Vernehmende erlebt sie originär „ i n statu nascendi" und nicht nur als fertiges Produkt 7 5 . Daß Aussageerweiterungen erfolgen, entspricht psychologischen Gesetzmäßigkeiten 76 . Sie müssen sich allerdings organisch einpassen lassen und möglichst spezifisch sein 77 . Details ζ. B. zu deliktstypischen Entsprechungen 78 sind jedoch höchstens dann brauchbar, wenn sie auf eine Stichwortfrage gewonnen werden. Erweiterungen, die erst durch den Inhalt einer Frage nahegelegt werden, sind nach den Befunden Arntzens'" 9 „geradezu negativ zu werten, zum mindesten ohne Bedeutung" für die Glaubwürdigkeitsprüfung und Sachverhaltsaufklärung. Kann es auf die wenig suggestiven Stichwortfragen noch zu einer spontanen Ergänzung der Darstellung kommen, kann bei einem Vorhalt als sog. Gedächtnisstütze von einer freien und unabhängigen Aussage nicht mehr gesprochen werden. W i r d dem Zeugen durch das Vorlesen einer 71

s. Witter, S. 54; Döhring, S. 103. Graßberger, S. 150. Generell dazu Rohr acher, S. 353. 73 Vgl. dazu Arntzen, S. 31. Bei der Gefahr einer zu starken Suggestion sind mehrere Stichworte anzubieten. 74 I m Gegensatz zu Arntzen w i r d man die immer sehr vorsichtig zu formulierende Stichwortfrage nicht mehr als „ V o r h a l t " bezeichnen können. Vgl. oben S. 144. 75 Dazu Arntzen, S. 63. Dabei, w i e auch sonst, sind die Aussagepersonen genauestens zu beobachten, Peters, Lb, S. 343; Hellwig, M s c h r K r i m 1913, 361 (363); Graßberger, S. 131; Zachariae, H b I I , S. 208. 76 Arntzen, S. 64. 77 Vgl. Arntzen, S. 66 u n d 75 f.; Graßberger, S. 260. 78 Dazu Arntzen, S. 89 f. Z u r Berücksichtigung des Atypischen Döhring, S. 357 f. 79 Vgl. Arntzen, S. 63 u n d f. I m Ergebnis ebenso Graßberger, S. 82. 72

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Niederschrift eine Aussagengrundlage untergeschoben, so ist die Äußerung darauf fremd-, aber nicht eigenbestimmt. Das Gedächtnis w i r d also nicht „gestützt", sondern nur manipuliert. Dem Zeugen w i r d die „Aussage" förmlich i n den Mund gelegt, so daß eine derart provozierte Bestätigung forensisch ohne Wert bleiben muß 8 0 . (dd) Konstanz und Inkonstanz der Aussage und Aussagenanpassung I n diesen Vernehmungsbeschränkungen mag man eine Gefährdung der Verbrechensbekämpfung sehen. Nicht zu unterschätzen für eine genügende Sachverhaltsaufklärung und auch für die Beurteilung, ob Zeugenaussagen glaubwürdig sind 8 1 , gleichermaßen wichtig sind auch zum einen bestimmte schon angesprochene Aussageergänzungen, zum anderen die Konstanz oder Inkonstanz der Aussage 82 » 83 . Bei glaubhaften Aussagen darf man bis zu einer Zeitspanne von zwei bis drei Jahren zwischen zwei Vernehmungen übereinstimmende A n gaben zum Kerngeschehen der Handlung, zu den unmittelbaren Handlungspartnern, örtlichkeiten, Transportmitteln, wichtigen Einrichtungsgegenständen, zur Helligkeit bzw. Dunkelheit und zu einigen weiteren deliktstypischen Angaben (etwa signifikanten Körperpositionen bei Sexualdelikten) erwarten 8 4 . Deshalb müssen weitere Fragen zur A u f klärung insbesondere von Widersprüchen i n diesen Punkten unbedingt gestellt werden. Abweichungen dazu begründen die Vermutung, daß unrichtige Zeugenaussagen gemacht werden. Wiederholungen auf Vorhaltfragen, die nur eine kurze Bejahung oder Verneinung hervorrufen, sind jedoch wie unter dem Ergänzungs- so auch unter dem Konstanzaspekt wertlos 8 5 . Eine beweiskräftige Aussagekonstanz ist i m Gegenteil eher bzw. nur gegeben, wenn weitgehend spontane 80 Auch Ullmann, S. 367, u n d Glaser, H b I, S. 367, fürchteten, daß „fremde Eingebung" an die Stelle eigener Wahrnehmung t r i t t . Schon Mittermaier, Strafverfahren I, S. 617, wußte aber, daß eine Vernehmung n u r dann ihrem Zweck entspricht, w e n n der Vernehmende eine „Bürgschaft" hat, daß die Äußerungen der Auskunftsperson „das Ergebnis eigener Wissenschaft u n d nicht blos Folge fremder Eingebung" sind. 81 Dazu Arntzen, S. 42 f.; Döhring, S. 162 f. 82 Diese Erkenntnis motivierte j a auch zur Schaffung der §§ 253, 254. 83 Neben der Prüfung des Aussageinhalts selbst kann der Richter grundsätzlich noch nach der Eignung des Zeugen als Beweismittelperson für die anstehende Frage überhaupt fragen. Eine dritte Methode besteht i m Beweismittelvergleich. Vgl. Mumm, S. 77; Graßberger, S. 259; Undeutsch, ZStW 87 (1975), 650. 84 Arntzen, S. 4 9 - 5 0 ; Graßberger, S. 262. 85 Arntzen i n seiner Analyse, S. 50. Abratend auch Döhring, S. 55, u n d Graßberger. S. 262. Erscheint trotzdem ein konkretes Vorhalten i m Einzelfall t a t sächlich einmal unerläßlich, müssen die bestimmten Protokollteile heute nach § 253 verlesen werden. N u r so w i r d der Anschein einer selbständigen u n d forensisch brauchbaren Zeugenaussage zurückgedrängt. De lege ferenda vgl. unten S. 24J. f.

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3. Teil: Zur Zulässigkeit von freien Vorhalten

Aussagen bei abweichender Formulierung inhaltlich i m wesentlichen übereinstimmen. Denn nur derartige Differenzen der äußeren Form und i n wirklich nebensächlichen Punkten schließen ein selbsteingeredetes „Zurechtlegen" und „Auffrischen" bzw. wiederholtes „Eindrillen" durch am Verfahrensausgang interessierte Suggestoren nahezu aus 86 . Die natürlichen Erinnerungsverluste 87 machen den Satz, daß konstante Aussagen für Glaubwürdigkeit und Wahrheit, inkonstante für Unglaubwürdigkeit und Verfälschung stehen, zu einer unzulässigen Simplifizierung 8 8 . Die Aussage muß vielmehr, u m echt zu sein, diesen psychologischen Gesetzmäßigkeiten entsprechen 89 . Ein Vorgang, eine Begegnung w i r d doch immer i n erster Linie als Ganzheit erlebt 9 0 . Der Drang auch kleinste Einzelheiten des Geschehens bzw. minimalste Abweichungen von Zeugenaussagen immer i n allen Punkten aufzuklären oder, besser, anzupassen ist also prozeßtechnisch und -psychologisch falsch 91 . Vielmehr sollte ein verstärktes Augenmerk darauf gerichtet sein, die zur Urteilsfindung erheblichen Tatsachen zweifelsfrei zu ermitteln 9 2 . Dazu bieten aber die StPO und die Wissenschaft auch andere und mitunter verläßlichere M i t t e l als die Aussagenkonstanz. Die „weiteren Fragen" müssen insbesondere den wahren Sinn der Angabe erforschen und den Grund, „auf dem das Wissen des Zeugen beruht", § 69 Abs. 2 9 3 : „Haben Sie das selbst gesehen?" „Wie weit war das weg?" „War es noch hell?" „Sehen Sie gut?" Gegebenenfalls w i r k t auch eine Gegenüberstellung mit widersprechenden Zeugen wunder, § 58 Abs. 2 9 4 . 86

Graßberger, S. 261, 266. Arntzen, S. 49, 51; Döhring, S. 166. Z u r Zeit kommen Affektneutralität, Erinnerungstreffunsicherheit, Verdrängung usw. s. oben S. 203 f. Dazu Arntzen, S. 59 f. 88 Vgl. Arntzen, S. 49; zu gleichen Aussagen verschiedener Zeugen Döhring, S. 167. 89 Witter, S. 54; Arntzen, S. 52, — w e n n auch eine verstärkte Aufmerksamkeit zur Beweiswürdigung besonders angeraten ist. Die österr. Verfahrensordnungen von 1850 u n d 1853 u n d die F r a n k f u r t e r StPO von 1856 beschränkten daher schon die Widerspruchsaufklärung auf „wesentliche" Punkte. Vgl. oben S. 29 Note 73. 90 Graßberger, S. 148. 91 Die Folgen f ü r die daraus abgeleitete Glaubwürdigkeit sind aber u n übersehbar. 92 So zu Recht Peters, Lb, S. 315. Von hier aus ergibt sich eine weitere Einschränkung der K a n n - B e s t i m m u n g der §§ 253, 254. 93 Diese Kontrollfragen betonen, auch u m eigene Erlebnisse von Schlüssen u n d Vermutungen zu trennen, Kern!Roxin, S. 130; Walder, SchwZStr 1972, 361 (366); Döhring, S. 97, 109 f. Früher schon Tittmann, S. 491. Kontrollfragen zur Erforschung des Sinnes u n d Grundes verlangten auch A r t . 65 CCC u n d die Reformgesetze. Z u r Überprüfung der Gedächtnisleistung Graßberger, S. 271. 87

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Ebenso Eb. Schmidt, Lk II, § 69 Anm. 10.

I I 5. Vorhalte gegenüber Zeugen

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(dd) Die Unzulänglichkeit von Protokollangaben Dieser negative oder geringe Beweiswert des Rückgriffs auf Niederschriften von Vernehmungen darf angesichts der Eigenart von Protokollen auch nicht überraschen. Das Protokoll ist keine wesens- und abbildgetreue Konserve früherer Zeugenangaben 05 . Für richterliche Protokolle bestimmen zwar die §§ 168, 168 a (187, 188 a. F.) Mindesterfordernisse an Form und Inhalt. Über die Fassung der Protokolle gibt die StPO jedoch keine Vorschriften. Ihre konkrete Ausgestaltung soll zum Ermessen des Richters stehen 96 . Wenn auch i m j u ristischen Schrifttum einerseits die Protokollierung nach Diktat empfohlen wird, wenn es auf einen bestimmten Wortlaut des Erklärten ankommt, w i r d die Aufnahme der so eminent wichtigen Fragen andererseits nur bei Kindern, Geistesschwachen und Geisteskranken angeraten 97 . I n der Praxis geben dann auch die richterlichen Protokolle zumeist nur einen zusammenfassenden Bericht des wesentlichen Vernehmungsergebnisses wieder, wobei die Sicherheiten der Formerfordernisse oft noch durch die bloße Bezugnahme auf polizeiliche Abfassungen entwertet w i r d 9 8 . Für polizeiliche Protokolle bestehen nämlich gar keine Formvorschriften. Für sie genügt „jede brauchbare Form der aktenmäßigen Festhaltung der wesentlichen Ergebnisse" 99 , so daß oftmals nur mehr oder weniger aufschlußreiche Notizen vorliegen 1 0 0 . 95 K e i n Protokoll k a n n den gesamten Vernehmungsablauf heraufbeschwören. Vgl. zur Fragwürdigkeit selbst von originalgetreuen Kopien (ζ. B. Tonbandprotokollen) Eb. Schmidt, J Z 1964, 537 (541); Henkel, J Z 1957, 148 (150). Z u psychologischen Hemmnissen Arntzen, S. 40; Graßberger, S. 302 f. Z u einer Kombination von Tonbandaufnahme u n d Inhaltsprotokollen Grünwald, G u t achten 50. D J T (1974), S. C 57 f. 96 Kohlhaas, LR, § 188 A n m . 4; Eb. Schmidt, L k I I , § 188 A n m . 5 f., die dazu keinerlei nennenswerte J u d i k a t u r referieren. 97 Vgl. Eb. Schmidt, L k I I , § 188 A n m . 8; Kohlhaas, LR, § 188 Anm. 4. Die Unterzeichnung eines Protokolls durch die vernommene Person ist auch nicht unbedingt erforderlich, § 168 a Abs. 3. Dazu R G 34, 396; B G H v. 24. 6. 1955 5 StR 55/55. F ü r Protokollierung von Vorhalten aber Meinert, S. 237 (in allgemeiner Form), und Walder, SchwZStr 1972, 361 (389). 98 Einzelheiten bei Kirchberg, D R i Z 1968, 233 f., u n d Hülle, D R i Z 1952, 166. Gegen die stereotype Vorhaltpraxis auch RGSt 24, 94 (97); BGHSt 6, 279 (280 f.) u n d M D R 1955, 244. Die i n bezug genommenen Erklärungen müssen seit RGSt 25, 32 (34) einen „integrierenden T e i l " des richterlichen Protokolls bilden. Befremdlich aber Mittelstein, M D R 1955, 245. Die Gleichgültigkeit bei Abfassungen zeigt die unausrottbare Floskel „ H i e r m i t mache ich meine polizeilichen Angaben zum Gegenstand meiner heutigen Vernehmung" auf. N u r w e r vernimmt, k a n n aber etwas „ z u m Gegenstand der Vernehmung" machen; der Vernommene k a n n allenfalls etwas zum „ I n h a l t " der Aussage machen, Sarstedt, Revision, S. 194 Anm. 10, u n d Schneider, G A 1956, 337 (341 Note 24). Unrichtig daher auch Krause, Ub, S. 191. 99 Kleinknecht, StPO, § 168 A n m . 2. Dazu Michaelis, N J W 1968, 58 (59); Peters, Lb, S. 304. Anders jetzt §168b Abs. 2 für staatsanwaltliche Vernehmungen: Sollvorschrift.

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3. Teil: Z u r Zulässigkeit von freien Vorhalten

B e i p o l i z e i l i c h e n als auch b e i r i c h t e r l i c h e n P r o t o k o l l e n f e h l e n d e m n a c h A n h a l t s p u n k t e , u m die festgehaltene „ A u s s a g e " b e u r t e i l e n z u k ö n n e n 1 0 1 . Das P r o t o k o l l ist n i c h t n u r eine b l o ß g e k ü r z t e Z u s a m m e n f a s s u n g dessen, w a s eine A u s k u n f t s p e r s o n b e k u n d e t h a t 1 0 2 . D a b e i w e r d e n V o r h a l t f r a g e n z u m e i s t n a h t l o s i n die k n a p p e J a - A n t w o r t des Z e u g e n h i n e i n g e a r b e i t e t , so daß der falsche E i n d r u c k e i n e r s p o n t a n e n Aussage geweckt w i r d 1 0 3 . Es ist auch n i c h t b l o ß die U b e r s e t z u n g unterschiedlichster Z e u g e n b e k u n d u n g e n i n die A m t s s p r a c h e d e r V e r n e h m u n g s p e r s o n 1 0 4 . D a z u w e r d e n Z e u g e n m i t u n t e r die a b e r t e u e r l i c h s t e n F o r m u l i e r u n g e n i n d e n M u n d gelegt 1 0 5 » l o e . Es ist d a r ü b e r h i n a u s e i n ganz m a n g e l h a f t e s Stück v o r w e g g e n o m m e n e r H a u p t v e r h a n d l u n g , i n d e m es i n d e n m e i s t e n F ä l l e n n u r d e n E x t r a k t e n t h ä l t , d e n d e r V e r n e h m e n d e als w i c h t i g feststellen w o l l t e oder feststellen zu müssen g l a u b t e 1 0 7 . D e r V o r h a l t daraus b e d e u t e t eine w e i t e r e T r ü b u n g der E r k e n n t n i s 1 0 8 . ee) Z w i s c h e n e r g e b n i s A k t e n v o r h a l t e f ü l l e n Aussagelücken n u r v o n außen a u f m i t u n z u v e r lässigen u n d u n z u l ä n g l i c h e n P r o t o k o l l a n g a b e n b z w . passen f r ü h e r e B e 100 Redecker, S. 96. Z u unterschiedlicher Skepsis raten daher Gollwitzer, LR, § 251 Anm. I I I 1; Eb. Schmidt, L k I I , § 251 Anm. 24. Dieses Skepsis ist angesichts der Vernehmungsanleitungen an die Praxis mehr als begründet. 101 Graßberger, S. 302; Hellwig, S. 307 f.; Mittelbach, JR 1955, 327 (328). Das übersieht Sarstedt, Revision, S. 192 u n d f. 102 Vgl. Meinert, S. 234; Döhring, S. 88; Plaut, S. 156; Walder, SchwZStr 1972, 361 (387 f.) zum Dilemma, einerseits Weitschweifigkeiten zu übergehen, andererseits das Wesentliche einsichtig zu machen. 103 I n s t r u k t i v dazu das Beispiel bei Arntzen, S. 38. Mündlich: „ H a t er Sie m i t einem Stock niedergeschlagen?" „Ja." Niederschrift: „ E r hat mich m i t einem Stock niedergeschlagen." Aber auch die übliche und unscheinbare Floskel „auf V o r h a l t " besagt wenig über die Eindringlichkeit und die Schärfe des Vorhalts. Daher ist auch die Empfehlung, den Vorhalt m i t aufzuzeichnen, vgl. Meinert, S. 238 (bei „wichtigen Vorhaltungen"), n u r eine ungenügende Abhilfe. 104 Vgl. Reichard, Gedenkschrift für Cüppers, S. 103 (114 f.). 105 So soll eine 15jährige „Schweinehirtin" geäußert haben, sie habe n u r einen „ f u r t u m usus" begehen wollen, vgl. bei Hellwig, S. 320 f. u. 327 f. E i n aufschlußreiches Beispiel üblicher Protokollierungstechnik untersucht Plaut, S. 157 f. Gegen „ästhetische" Sprachkorrekturen zum Aktendeutsch auch Scheuerle, ZZP 66 (1953), 306 (307 f.). 106 Die Genehmigung durch den Vernommenen ist keine Gewähr vor Fehlern. Manche Zeugen w u n d e r n sich n u r über die m e r k w ü r d i g klingenden Formulierungen und viele freuen sich, i n w i e schöner Sprache das Protokoll sie reden läßt, Hellwig, S. 314; Döhring, S. 87. Da eine K o r r e k t u r ganz selten erfolgt, ergibt sich auch von hier Vorsicht bei der Harmonisierung von U n stimmigkeiten. Unbegründet daher Sarstedt, Revision, S. 198. 107 Treffend Plaut, S. 156. Ä h n l i c h Graßberger, S. 305. Z u r subjektiven Färbung durch den Inquirenten auch A. Henschel, S. 88 f. (89), u n d Redecker, S. 95 f. Z u r polizeilichen Definitionsmacht FeestfBlankenburg, passim; Feest! Lautmann, insb. S. 13; Kube, J Z 1976, 17 (20). 108 Roesen, N J W 1958, 977 (978): „Wie trübe sind oft Protokolle — die glattesten am trübsten."

I I 5. Vorhalte gegenüber Zeugen

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kundungen nur diesen Unzulänglichkeiten an. Angesichts der generellen Fragwürdigkeit von Zeugenaussagen, ihrer Beeinflussung durch den Vernehmenden und angesichts der besonderen Suggestivität von Vorhaltfragen können also Vorhalte aus den Akten der Pflicht des Gerichts, die Wahrheit zu ermitteln und dazu Falschaussagen zu verhüten, nicht dienen. Weit förderlicher für die Sachverhaltsaufklärung sind statt der suggestiven Aktenvorhalte die neutraleren Stichwortfragen. Diese neutraleren Aussageanreize gewährleisten am ehesten eine spontane Erweiterung oder Uberprüfung der Bekundung. ff) Zur Psychologie richterlicher Überzeugungsbildung Vorhaltfragen wurden oben generell für unzulässig erklärt, obwohl die A n t w o r t auf eine Vorhaltfrage dann einmal Aussagewert hat, wenn sie eindeutig 1 0 9 über den Inhalt des Vorhalts hinausgeht 110 . Diese i m Einzelfall einmal positive Bedeutung des Vorhalts w i r d aber aufgehoben durch dessen nachteilige Wirkung auf die gerichtliche Überzeugungsbildung. Hauptgefahren für ein objektives Urteil sind Voreingenommenheit des Gerichts und Verhaftetsein an eine vorgefaßte Meinung 1 1 1 . Der Syllogismus der richterlichen Entscheidungstätigkeit besteht zwar dem Wesen nach aus drei Elementen: dem einschlägigen abstrakten Rechtssatz (Obersatz), dem auf den ermittelten Tatsachen beruhenden Sachverhalt (Untersatz) sowie der aus beiden Prämissen zu ziehenden Schlußfolgerung. Bei der Auffindung und Feststellung der Glieder des Syllogismus lassen sich Rechtssatzfeststellung und Sachverhaltsermittlung jedoch nicht genau voneinander trennen, obwohl ihre logische Unterscheidung unbedingt notwendig ist. Erst i m Augenblick der Schlußfolgerung w i r d die logische Trennbarkeit des immerwährenden H i n und Her zur praktischen Unterscheidung 112 . Die gerichtliche Urteilsfindung ist kein ausschließlich rationaler Vorgang. Die unterschiedlichsten Faktoren und Fehlerquellen beeinflussen und verfälschen die richterliche Überzeugung. Dabei ist die psychologische Situation der die Akten kennenden Berufsrichter von der der übrigen Richter durchaus verschieden. 109 w e n n eine nachprüfbare Einzelheit „nachgeschoben" w i r d , die nicht bloßer Fabulierkünste des Zeugen, sondern seinem Gedächtnis entspringt. 110 Vgl. Witter, S. 54; Arntzen, S. 31. Arntzen, der meint, daß die V o r h a l t frage deshalb „nicht einfach aus dem methodischen Arsenal der Vernehmung gestrichen" zu werden braucht, berücksichtigt, von seinem Forschungsmaterial aus verständlich, das folgende nicht. I m übrigen rät auch Arntzen, S. 31, eher zur Stichwortfrage. 111 Peters, Lb, S. 344, s. oben S. 194. 112 Vgl. hierzu Beling, ZStW 37 (1916), 365 f. (375 f.); G A 63 (1917) 163 (177); v. Hippel, Lb, S. 383; Castringius, Diss., S. 2; Käßer, Wahrheitserforschung i m Strafprozeß, S. 73 u n d passim. Ausführlich zur Prozeßtheorie auch Rödig, Die Theorie des gerichtlichen Erkenntnisverfahrens (1973).

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3. Teil: Zur Zulässigkeit von freien Vorhalten

(aa) Zur psychologischen Situation der mit den Akten vertrauten Berufsrichter Die sachgemäße Vernehmung (Stichwortfragen!) setzt voraus, daß der Vernehmende den Gegenstand der Vernehmung kennt 1 1 3 . Die Aktenkenntnis des Vorsitzenden, des Berichterstatters und der Berufsrichter, die an vorhergehenden Beschlüssen mitgewirkt haben 1 1 4 » 1 1 5 , bildet jedoch auch ein weiteres Moment der Suggestion. Die Frage, ob der Richter durch die Kenntnis des Belastungsmaterials befangen wird, ist daher bis heute Gegenstand der Kontroverse geblieben. Bei allem Wissen um die Trüglichkeit der Protokolle und bei aller Selbstkritik der durch gerichtspraktische Erfahrungen geschulten Richter 1 1 6 , eine gewisse Voreingenommenheit durch das Studium der Akten läßt sich wohl nie ausschließen. A u f der einen Seite w i r d dem Richter durch das Hintergrundwissen um das Belastungsmaterial und durch die Verpflichtung, den gesamten Geschehensablauf eigenverantwortlich zu untersuchen, ein Maximum an Tatsachen vermittelt, das i h m eine umfassende Würdigung ermöglicht und etwaige Unbefangenheiten zerstreuen h i l f t 1 1 7 . A u f der anderen Seite birgt das Studieren des überwiegend belastenden Aktenmaterials immer die Gefahr i n sich, sich frühzeitig festzulegen und, unbewußt voreingenommen, die Vernehmung oder Entschließung i n die Richtung zu lenken, die der Vorerwartung entspricht 1 1 8 . Leider fehlen spezielle psychologische Untersuchungen zur Struktur der richterlichen Überzeugungsbildung, die etwa die behauptete Überforderung des Vorsitzenden bei der Beweisaufnahme exakt wissenschaftlich belegen k ö n n t e n 1 1 9 - 1 2 1 . Insbesondere der Vorsitzende befindet sich 113

s. oben S. 103. Vorverstandenes, Vorverständnis bzw. „Vorurteile" sind „Bedingungen des Verstehens", Gadamer , Wahrheit u n d Methode, S. 261. Ebenso A. Kaufmann, Festschrift f ü r Peters, S. 295 (302, 303); Peters, Festschrift für Olivecrona, S. 532 (540). 114 N u r e i n e frühere M i t w i r k u n g i n der „Sache" als Beamter der StA, Polizeibeamter, A n w a l t (§ 22 Nr. 4), als Zeuge oder Sachverständiger (§ 22 Nr. 5) läßt sie als unwiderleglich befangen für die Hauptverhandlung ausscheiden. 115 Das Bundesverfassungsgericht, N J W 1971, 1029 f., hat diese Regelung als verfassungskonform angesehen. 118 Selbst wenn, w i e Eb. Schmidt, L k I, R n 432 Note 213, meint, die j a h r zehntelange Tradition die Selbstverständlichkeit bewirkte, daß jeder Berufsrichter das ganze Material, auf dem die Anklage beruht, als ein „unfertiges u n d lediglich vorbereitendes n i m m t , w i e das j a auch allein der Sache entspricht". 117 Treffend Kern/Roxin, S. 79. Dazu auch Peters, Fehlerquellen I I , S. 236. 118 Vgl. n u r Hellwig, S. 32 f.; Graßberger, S. 331 f.; Peters, Fehlerquellen I I , S. 237; Dahs, Festschrift f ü r Schorn, S. 14 (17, 20). 119 Auch das neuere psychologische Schrifttum zum Strafverfahren befaßt sich nicht m i t dem Problem, s. Döhring, S. 24f.; Graßberger, S. 330 f., 337. Insbesondere das spezielle Problem der Beweiswürdigung w i r d vernachlässigt. 120 Das beklagen insbesondere Peters, Lb, S. 42; Herrmann, Reform, S. 362;

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psychologisch i n einer sehr komplexen und dynamischen Situation, wenn er die belastenden Momente aufzuklären, daneben die entlastenden Momente ausreichend zu berücksichtigen hat und außerdem die Ergebnisse der eigenen Tätigkeit auch objektiv würdigen s o l l 1 2 2 , 1 2 3 . Er, von dem Menschenkenntnis und die Kunst, Menschen zu behandeln, verlangt wird, steht damit nicht nur vor schwierigen rechtlichen und allgemein menschlichen Problemen. Die Erkenntnisse der Wahrnehmungspsychologie zeigen, daß der Vorsitzende und die übrigen Berufsrichter, abhängig von Alter, Konzentration, Einstellung usw., nicht alle Einzelheiten des Beweismaterials gleich umfassend und richtig aufnehmen und verarbeiten können, daß sie die ursprüngliche Empfindung ζ. T. unbewußt schon umdeuten und zu der aus den Akten beeinflußten und katalogisierten Erwartung i n Beziehung setzen. Damit w i r d die Wahrnehmung des mit den Akten Vertrauten zu einer besonders problematischen „ A r t Kompromiß" zwischen dem, was der Richter vorzufinden erwartet und dem, was er faktisch an Informationen v o r f i n d e t 1 2 4 ' 1 2 5 . Das unbefangene Erkennen w i r d weiter beeinträchtigt durch die begrenzte und individuell schwankende Fähigkeit des Menschen, Mehrfachleistungen zu erbringen 1 2 6 . Als Ermittlungsorgan muß der Vernehmende verlesen und vernehmen und die Beweismittel vorführen, als Weimar, Psychologische S t r u k t u r e n richterlicher Entscheidung (1969), S. 4 u. 27. 121 Z u empirischen Untersuchungen an H a n d von „Behavioral Styles Questionnaires" u n d „ A t t i t u d e and Penal Philosophy Questionnaires" vgl. aber einerseits die Untersuchungen von McCune/Skoler, Crime and Delinquency 1965, S. 121 f., und McCune/Walther, daselbst, S. 384 f., u n d von Hogarth , Sentencing as a H u m a n Process (1971), andererseits. 122 Diese Aufgabe (des Untersuchungsrichters) sah schon Zachariae, Gebrechen, S. 143, 144, als geradezu übermenschlich an: „Dem Inquirenten aber zuzumuten, bald auf die eine, bald auf die andere Seite zu springen u n d m i t beiden Waffen resp. gegen sich selbst zu fechten, zugleich aber auch als Kampfrichter den Streit zu leiten, ist an sich eine Absurdität." Einen ausführlichen Überblick über die Argumentation i m Schrifttum u n d die daraus abgeleiteten Reformforderungen gibt m i t vielen Nachweisen Herrmann, Reform, insb. S. 55 f., 65 f., 75 f., 90 f., 119 f., 361 f. 123 Z u dieser Dreifachbelastung i n der Beweisaufnahme t r i t t noch seine umfassende Pflicht, den Angeklagten zu fürsorgen, §§ 265, 35 a, 257, A r t . 103 Abs. 2 GG, i h n zu belehren u n d fair zu behandeln u n d darüber hinaus auch seine sitzungspolizeilichen Aufgaben nicht zu vernachlässigen. 124 Z u r „Social Perception" Graumann, ZexpPsych 3, 605 (611), u n d Weimar, S. 187. 125 Drucker, J W 1924, 1672 (1673), meint, je besser der Richter die A k t e n kenne, u m so unfreier sei seine Apperzeption. 126 Vgl. schon Oetker, ZfPsych 112 (1929), 248 f. Dazu Herrmann, Reform, S. 98 u. 365. Z u dieser besonderen Belastung k o m m t die allgemeine psychologische Belastung, eine Verhandlung m i t vielen Beteiligten vor den Augen der Öffentlichkeit konzentriert u n d sachlich zugleich abrollen zu lassen.

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3. Teil: Zur Zulässigkeit von freien Vorhalten

Teil des Spruchkörpers muß er sie gleichzeitig eingehend und unbefangen auf sich wirken lassen und frei würdigen. Die gleichzeitige Pflicht des Vernehmenden zu Mitteilung, Aufnahme und Reflexion der Aufnahme beschränkt also die Fähigkeit zu kritischer Beurteilung. Weitere Fehlerquellen für alle bilden die durch Assoziationen angepaßte Vergegenwärtigung des so subjektiv Verarbeiteten i m Beratungszimmer, wo die Besitzstand gebliebene Vorstellung durch weitere Deutung, Anpassung an die weiteren Mitglieder 1 2 7 , Ersatzerinnerung aus den Akten und vielerlei Verschmelzungen und Kombinationen zum individuellen Erinnerungsbild aufgefüllt w i r d und das Vergegenwärtigte abschließend nur subjektiv gefärbt beurteilt werden kann. Die bisherigen psychologischen Ergebnisse lassen sich allerdings nicht unbedacht auf die besondere Situation der Richter übertragen. Der Erkenntnisvorgang i n der Hauptverhandlung beschränkt sich nicht auf ein bloßes Wahrnehmen, sondern w i r d durch die Vernehmungsfragen laufend beeinflußt und gesteuert 128 . Die Aufmerksamkeit ist dabei weitaus gespannter als bei normalen Zeugenwahrnehmungen. Erinnerungsverluste sind daher vorrangig wohl nur bei langandauernden Verhandlungen zu befürchten 129 . A u f der anderen Seite „überstürzen" sich i n einer gedrängten mündlichen Erörterung die Eindrücke; es bleibt wenig Zeit zum Besinnen und zur Verarbeitung des Gehörten 1 3 0 . Auch kann die Notwendigkeit zu denken, Gründe und Gegenstände abzuwägen, kaum empirisch nachvollzogen werden 1 3 1 . Die Abhängigkeit dieses selbständigen Beurteilungsprozesses von ζ. B. Alter, Erziehung, Ausbildung, Konfession, sozialer Herkunft, Einstellungen zu bestimmten Personen- und Deliktsgruppen, Berufsstreben usw. ist jedoch statistisch signifikant 1 3 2 . 127 Dazu Peters, Fehlerquellen I I , S. 237. Zur Verhaltenskoordination bei kollektiver Entscheidungsfindung Weimar, S. 200. 128 Das betont Herrmann, Reform, S. 364. Weimar, S. 32, spricht allgemein von „Wahrnehmungsakten m i t Urteilsstruktur", wobei die „Untersuchung" durch die Frage gesteuert werde, S. 65. Eb. Schmidt, L k I, R n 432, meint, daß sich viele Gefahren durch eine geschickte Verhandlungsleitung weitgehend bannen lassen. 129 Vgl. Eb. Schmidt, L k I , R n 431. 130 Henkel, Lb, S. 329. 131 Bohne, Z u r Psychologie der richterlichen Überzeugungsbildung, S. 18; H. J. Schneider, Jus 1970, 271 (273). Die Relevanz der schriftlichen Urteilsbegründung überschätzt Graßberger, S. 338. 132

Z u m Einfluß des Sozialprofils der „Mittelschichten" (die obere M i t t e l schicht ist bei den Richtern etwa zehnfach überrepräsentiert) vgl. Richter, Z u r soziologischen S t r u k t u r der deutschen Richterschaft, insb. S. 12, 25; Dahrendorf, Demokratie u n d Gesellschaft, S. 265 f. ; Kaupen/Rasehorn, Die Justiz zwischen Obrigkeitsstaat u n d Demokratie, S. 73 Tab. 24; Kaupen, Der Hüter von Recht u n d Ordnung, S. 68, u n d Raiser, Einführung i n die Rechtssoziologie, S. 25 f. F ü r die Korrelationen zwischen richterlicher H e r k u n f t u n d Entscheidungsinhalten bewegt sich jedoch zuviel i m Bereich der Spekulation, vgl.

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M i n d e s t e n s ebenso s i g n i f i k a n t f ü r die E i n z e l f a l l e n t s c h l i e ß u n g w i e diese sozial- u n d i n d i v i d u a l p s y c h o l o g i s c h e n F a k t o r e n d ü r f t e d a h e r die B e e i n flussung d u r c h das berufsbezogene u n d zugleich fallspezifische H i l f s m i t t e l d e r E r m i t t l u n g s a k t e n sein. Z u d e r d e n H i n t e r g r u n d b i l d e n d e n a l l g e m e i n e n V o r e i n g e n o m m e n h e i t d u r c h (die) E r m i t t l u n g s a k t e n t r i t t die b e sondere W i r k u n g d e r A k t e n d u r c h d e n die A k t e n i m Gerichtssaal v e r l e b e n d i g e n d e n A k t e n v o r h a l t . B e i a l l e r R e l a t i v i t ä t l ä ß t sich sagen: Jeder V o r h a l t b e l e b t u n d v e r s t ä r k t die Beeinflussung d u r c h die A k t e n . B e i m „ e r f o l g r e i c h e n V o r h a l t " d a r f n u r die A n t w o r t d a r a u f b e r ü c k s i c h t i g t w e r d e n , b e i m „ e r f o l g l o s e n V o r h a l t " nichts. Das spezifische P r o b l e m des V o r h a l t s ist also das psychologische P r o b l e m des b e w u ß t e n „Ausblendens"133. F ü r d i e F ä h i g k e i t z u m A u s b l e n d e n spricht, daß die r i c h t e r l i c h e Ü b e r z e u g u n g s b i l d u n g n i c h t n u r e i n S a m m e l n u n d O r d n e n , s o n d e r n auch e i n vielschichtiger k r e a t i v e r A k t ist, b e i d e m d e r T a t r i c h t e r d e n S a c h v e r h a l t a k t i v „ g e s t a l t e t " 1 3 4 . E r setzt n i c h t n u r m a t h e m a t i s c h g e o r d n e t Tatsache Rottleuthner, K J 1970, 283 (286, 297); Richter (1973), S. 45, 50; Schreiber, ZStW 88 (1976), 117 (120 f.). Auch bei der Einzelanalyse bereits ergangener Entscheidungen, vgl. Bendix, Psychologie, S. 249 f.; Kubier, AcP 162, 104 f.; Richard Schmid u n d Th. Würtenberger, i n : Böhme, S. 31 f. u n d S. 57 f.; Hartnack, Gehemmte Justiz, und Rottleuthner, Richterliches Handeln, S. 180 f., stehen die Zufälligkeit des Einzelfalles u n d möglicherweise vorgenommene Vorabentscheidungen bei der F a l l auswahl wissenschaftlich verbindlichen Schlüssen z. T. entgegen. Z u V o r - und Nachteilen der Blockanalyse, der Box-Score- u n d Scalogrammtechnik u n d der Backgroundanalyse, die m i t u n t e r (obere Schicht = konservativ) zu anderen Ergebnissen gekommen sind, vgl. Weiß, Die Theorie der richterlichen Entscheidungstätigkeit i n den Vereinigten Staaten von Amerika, S. 83 f., 105 f. Z u m verhaltenstheoretischen Aspekt der „Klassenjustiz" Rottleuthner, Richterliches Handeln, S. 162 f., u n d K J 1969, S. 1 f. Einen rollentheoretischen A n satz versucht Lautmann, Jhb. für Rechtssoziologie und Rechtstheorie, Bd. 1, S. 381 f., u n d Justiz — die stille Gewalt, S. 18, 19 (als „Sach- u n d Verfahrensprogramm"). E i n sozial wissenschaftliches Modell entwickelt Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 51 f. Zu Gruppendynamik u n d Rollenspiel als Schichtdiskriminierung u n d „labeling" Schumann/Winter, Teilnehmende Beobachtung abweichenden Verhaltens, S. 179 f. u n d 191 f. Z u r psychologischen Feldtheorie, zu Eigen- u n d Haftwerten und der Übernahme von Fremdwertungen vgl. Weimar, S. 182 f. u n d S. 85 f. Z u Einflüssen auf den Richter aus massenpsychologischer Sicht — Sühne. Rachebedürfnis und Aggressionsausleben, u m das Über-Ich wieder zu verstärken, — Alexander/Staub, Der Verbrecher u n d seine Richter, i n : Psychoanalyse und Justiz, S. 213 f., 322 f.; Bendix, Psychologie, S. 34 f., 138 f.; Wittels, S. 100: Schneider, G r K r i m 4 (1968), S. 133 (138); Jäger, Festschrift für H. Henkel, S. 125 f. 133 Daß er bei der Frage, was er k r a f t Strengbeweises weiß, sein sonstiges Wissen ausblendet, Arzt, Festschrift für Peters, S. 223 (224). Z u m „Ausblenden" beim Beweisverwertungsverbot der Zeugnisverweigerung eines Angehörigen Schneider, Jus 1970, 271 (274 f.). 134 Schneider, Jus 1970, S. 271 (274), u n d Bohne, S. 53, der von der Psychologie der „Problemlösung" ausgeht. Vgl. auch Berkemann, J Z 1971, 537 (538).

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3. Teil: Zur Zulässigkeit von freien Vorhalten

um Tatsache zu einem abgeschlossenen Tatbild zusammen 135 . Er versucht vielmehr auch, immer neue Beziehungen zu erfassen, Unpassendes auszuscheiden, Neues und neu zu ordnen, wobei die gedankliche Kombinatorik mit Elementen des Gefühls, des Willens und der Phantasie 138 verschmilzt, die alle zusammen erst seine volle psychische Zustimmung zu dieser „Gestalt" ermöglichen 137 . Es sollte angenommen werden, daß es zu dieser Verantwortungsübernahme eines hohen Maßes an kritischer Willensbildung bedarf 1 3 8 . Beim Vorhaltvorgang müssen nun aber permanent bestimmte konkrete Wahrnehmungsinhalte ganz von der „Beziehungserfassung" 139 ausgeschieden werden. Eine Empfindung läßt sich aber nicht so einfach aus dem Bewußtsein löschen, eine Erinnerung nicht so ohne weiteres aus einem Assoziationsvorgang verbannen. Ein psychologischer Beweis für das Bestehen einer Freiheit i n dem Sinne, daß man sich i n einer Wahlsituation für jede beliebige Verhaltensmöglichkeit entscheiden könne, läßt sich nicht erbringen. Die Gedanken und Gefühle i n einer bestimmten Situation hängen von der Persönlichkeit, den Interessen und Vorstellungen ab. Der Mensch kann sich also nicht aussuchen, welche Gedanken i n i h m i n einer bestimmten Lage bewußt werden 1 4 0 . Das gilt um so mehr, wenn das Auszuschaltende von einer gewissen Autorität und Glaubwürdigkeit ist. Dies Ausschalten widerspricht grundsätzlichen psychologischen Erfahrungen der Gestaltwahrnehmung, die bei der Erklärung komplexer Erscheinungen allzu schnell den einfachsten Weg geht und für das Beharren auf einmal gefaßten Hypothesen auch Widersprechendes und Widersprüchliches nivelliert 1 4 1 . Das Wahrheitsgefühl ist wie 135

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Z u m einen Eb. Schmidt, L k I, R n 363. Z u m anderen Schneider, JuS 1970,

136 Z u r (kognitiven) Phantasie besonders bei Indizenschlüssen Döhring, S. 334 f. 137 Vgl. Bohne, S. 49, 56, 58; Henkel, Lb, S. 351; Glaser, H b I, S. 342; Schneider, JuS 1970, 274, der „Gestalt" psychologisch als sich von einem G r u n d abhebendes, gegliedertes Ganzes versteht, „also einen Gegenstand, dessen Seinswert nicht m i t dem der Summe seiner Elemente zusammenfällt" (Note 39). 138 Bohne, S. 58, sieht darin ein „Lösungsbewußtsein", „ein Gefühl der Evidenz" (S. 82). — Sieht man dagegen die Sachverhaltsaufklärung „als irrationalen Spürsinn", als „ I n s t i n k t für das Leben u n d die Wahrheit, der sich jeder rationalen Begründung entzieht", so daß man erst „nachträglich versucht", „rationale Gründe f ü r diese Überzeugung zu finden u n d ins U r t e i l zu schreiben", w i e Francke, D R i Z 1960, 434, meint, k o m m t es auf Einzelheiten wie ein Ausblenden mehr oder weniger nicht mehr an. Dagegen auch Bendix, Psychologie, S. 153; Schneider, JuS 70, 271 (273); Hellwig, S. 33; Graßberger, S. 338 u n d 340. 139 Bohne, S. 56. 140 Vgl. Rohracher, S. 506, 526 f. 141 Z u r Nutzbarmachung der Gestaltwahrnehmung Lenz, JR 1969, 97 (98).

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jedes andere Gefühl auf die erfahrungsmäßig am häufigsten vorkommenden Fälle eingestellt 142 . Nicht nur das „Hechtsgefühl" 1 4 3 bringt doch dem i n polizeilichen und richterlichen Protokollen Festgehaltenen ein beträchtliches Vertrauen entgegen 144 . Daher erfordert selbst ein ernstlich gewolltes Hinwegdenken außerordentlich viel Selbstkontrolle und Persönlichkeitserziehung zur Selbsterkenntnis 145 . Diese besondere permanente forensisch-psychologische Aus- und Fortbildung fehlt jedoch dem heutigen Richter i n aller Regel. Darüber hinaus ist der Glaube, ein totales Ausblenden sei psychologisch möglich 1 4 6 , allzu idealistisch. Dem bewußten und gewollten „Vergessen" setzt die menschliche Psyche deutliche Grenzen 147 . Das belegen schon die jedem bekannten Schwierigkeiten beim Einschlafen. Es kann sich beim Ausblenden eines Vorhalts also immer nur u m ein Zurückdrängen 1 4 8 , nie aber um ein totales Vergessen i m Sinne eines „Verdrängens" handeln. Irgendeine Tendenz, die dann eine Wirkung auf die Glaubwürdigkeit ausübt, bleibt i m Bewußtsein immer hängen 1 4 9 , und so w i r d die „Lücke" durch den „Eindruck" geschlossen150. So verstärken die psychologischen Erfahrungen die Vermutung, daß auch der Vorhalt selbst immer der Überzeugungsbildung zugrunde gelegt w i r d und die psychologisch irreale Definition seines Rechtscharakters nur erreicht, ihn nicht als Motiv mit in den Urteilsgründen anzuführen 1 5 1 . Grundlegend Konrad Lorenz, ZexPsych 6 (1959), 118 f. Kritisch Herrmann, Reform, S. 364 - 365. Peters (vgl. bei Günter, J Z 1963, 611 [612]) weist zum Fehlurteil darauf hin, daß die „richterliche Erfahrung, eingespielt auf regelmäßige Abläufe, gerade oft die Ausnahmegestaltung (falsche Geständnisse) nicht erfaßt". Z u r „Beweisanpassung" auch Peters y Fehlerquellen I I , S. 234. 142 Bohne, S. 63; Roxin, Reform, S. 55. 143 Z u seiner rechtspsychologischen Bedeutung Weimar, S. 103 f.; Graßberger, S. 340 f. 144 I m m e r h i n haben doch die Protokolle, w i e schon Feuerbach, Mündlichkeit I I , S. 381, dem Bemühen u m Unbefangenheit entgegenhielt, die „amtliche Glaubwürdigkeit für sich". 145 Vgl. Döhring, S. 24; Schneider, JuS 70, 271 (274); Peters, Lb, S. 42. 146 So aber Schneider, JuS 70, 274, ohne seine These jedoch zu belegen. 147 Z u m Motivationsgeschehen allgemein Thomae, Allg. Psychologie, S. 45 f. 148 Ditzen, Dreierlei Beweis, S. 11. Döhring, S. 24, meint, aufgrund eines Zurückdrängens negativer Bewußtseinstendenzen sei es so m i t der Zeit möglich, die individuellen Möglichkeiten zu erweitern. Auch Peters, Lb, S. 345, glaubt, daß das Bewußtmachen von Fehlermöglichkeiten diese n u r einschränken kann. Ebenso schon Dalcke, G A 12 (1864), 11 (19). 149 F ü r Arzt, Festschrift f ü r Peters, S. 223 (224), enthält § 261, „da die j u r i stisch gebotene Trennung psychologisch unmöglich durchzuführen ist, . . . eine Fiktion, eine Vergewaltigung der W i r k l i c h k e i t " . 150 Peters, Festschrift f ü r Olivecrona, S. 532 (545). 151 Vgl. zur Diskrepanz von Überzeugungsgründen u n d Urteilsgründen Ben-

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Rechtsverstand und Rechtsgefühl wirken zusammen. Da sich der vielschichtige Interpretationsvorgang aber nur zum Teil oberhalb der Bewußtseinsschwelle vollzieht 1 5 2 , läßt sich selbst der vorbehaltlos gewollte Ausblendungsprozeß auch nur zum Teil rational steuern 153 . Ob das unbewußte oder halbbewußte Nachhallen des Vorhalts für die übrigen Richter durch das Hören, für den Vernehmenden auch noch durch das Sprechen verursacht wird, ist nur noch eine Frage der Intensität 1 5 4 . M i t Hinweisen über die Bedeutung des Vorhalts, um die Fehlerquelle bewußt zu machen, läßt sich dieser Nachwirkung nicht oder nur ungenügend begegnen. Deren Wirksamkeit scheitert an der Untrennbarkeit der faktischen Zusammenhänge und Einflüsse. Das Unbewußte läßt sich nicht (völlig) kontrollieren. Der Vorhalt aus Schriftstücken bildet daher nach allem eine weitreichende Belebung einer für die aktenvertrauten Berufsrichter heute gerade hinnehmbaren, da unausweichlichen 155 Aktenbeeinflussung 156 . Deshalb bewahrheitet sich auch von der Urteilspsychologie her der alte Satz des „semper aliquid haeret". (bb) Zur psychologischen Situation der übrigen Richter Wegen der für alle Richter unlösbaren Problematik, den Aussageteil des Vorhalts ganz auszublenden, ist die „Empfänglichkeit" der übrigen, aktenunkundigen Berufs- wie Laienrichter „gegenüber gesetzwidrigen Einflüssen" 157 beim Vorhaltvorgang nur noch von gradueller Bedeutung. Sind diese gesetzwidrigen Einflüsse bei den aktenunkundigen Berufsrichtern gegenüber den aktenvertrauten schwächer, so wiegen sie bei den Laienrichtern angesichts deren besonderer „Urteilspsyche" wieder besonders schwer. „Kraft ihrer Schulung und Erfahrung" 1 5 8 werden die Berufsrichter i n der Regel mehr Unterscheidungsvermögen besitzen und den Mitteilungswert des Vorhalts bei der Beziehungserfassung etwas mehr zurückstellen können, da die „Aussage" nicht als Teil der Akten wiedererkannt und dix , Psychologie, S. 153; Kohlhaas, D R i Z 1974, 215, (216); Ostermeyer, N J W 1968, 1789. 152 Glaser, H b I, S. 340 f.; Peters, Lb, S. 42. Bohne, S. 60, sieht die Kausalität für das Zustandekommen des Lösungsbewußtseins sogar größtenteils i m Bereich des Unterbewußten. Unergiebig Weimar, S. 137. 153 Das übersieht etwa Schneider, JuS 1970, 271 (274). 154 Sie abzuschätzen ist deswegen so außerordentlich schwierig, da eine absolute Trennungslinie zwischen Bewußt u n d Unbewußt fehlt, Graßberger, S. 14/15. 155 s. oben S. 181 Note 7. 156 Bitzen, G A 52 (1905), 215, 363 (379), verweist noch zu Recht auf den Einfluß des Beweismaterials, das nach § 244 Abs. 2 aufgesucht, aber dann i m Endeffekt doch verworfen werden muß. 157 RGSt 69, 120 (124) i n seiner grundlegenden Entscheidung. 158 RGSt 69, 124 zur Aktenkenntnis der Laienrichter.

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v e r i f i z i e r t w e r d e n u n d auch i m B e r a t u n g s z i m m e r n i c h t d u r c h E r s a t z e r i n n e r u n g e n aus d e n A k t e n a u f g e f ü l l t w e r d e n k a n n 1 5 9 . Dieser V o r t e i l d e r r e l a t i v e n U n b e f a n g e n h e i t , da sie die A k t e n n i c h t k e n n e n , ist auch das P l u s der L a i e n r i c h t e r 1 6 0 . D i e L a i e n r i c h t e r s i n d j e doch i m a l l g e m e i n e n m i t d e n i r r e a l e n V o r s c h r i f t e n der Rechtsprechung ü b e r d i e M ö g l i c h k e i t e n , e i n e n V o r h a l t zulässig z u w ü r d i g e n , n i c h t v e r v e r t r a u t . B e i i h n e n müssen sich also, v o n A u s n a h m e n abgesehen, die „ E i n d r ü c k e aus d e n verschiedenen Q u e l l e n noch m e h r v e r m i s c h e n " 1 6 1 . Selbst b e i e i n e r entsprechenden B e l e h r u n g w i r d es i h n e n r e g e l m ä ß i g a n der geschäftlichen Ü b u n g m a n g e l n , das aus d e n A k t e n I n d i z i e r t e z u r ü c k z u d r ä n g e n . V o r a l l e m n e h m e n w o h l bloße Ä u ß e r l i c h k e i t e n a u f i h r e E n t schließungen m e h r A n t e i l . I n d e m sie sich n i c h t so „ j u r i s t i s c h " h i n s i c h t 159 Es ist deshalb nicht zulässig, daß sich die Berufsrichter i n der Praxis allgemein vor u n d während der Verhandlung anhand der A k t e n informieren und daß ihnen dazu Anklageabschriften ausgehändigt werden, w i e es die Rspr u n d nahezu einmütige L i t e r a t u r (BGHSt 13, 73 (74) u n d ζ. B. Henkel, Lb, S. 334 Note 1; Kern!Roxin, S. 223; Sax, K M R , §243 A n m . 5 e u n d 6d, u n d Gollwitzer, LR, § 261 A n m . 3 c) billigen. Unter den gegebenen Verhältnissen sollte, wie Schreiber, Festschrift für Welzel, S. 941 (954), zur Diskussion stellt, allen beisitzenden Richtern die Kenntnis der A k t e n versagt werden (s. auch bie bei i h m S. 947 Note 33 aufgeführten Autoren). Wie hier etwa auch John, Bd. I I , S. 193, 194. N u r auf diesem Wege sind auch die Laienrichter, wie es § 30 G V G verlangt, den Berufsrichtern gleichzustellen. (De lege ferenda s. unten S. 243 Note 9). 160 Trotz u n d wegen des Widerspruchs i n den Absichten des Gesetzgebers zu §§ 261, 264 (Schäfer, JR 1932, 196 [198]) — bei Entscheidungen nach § 244 Abs. 2 etwa muß das gesamte K o l l e g i u m auf die Ermittlungsakten zurückgreifen — verdient daher Schreibers Vorstoß, den Laienrichtern i m gleichen Maße w i e heute den Berufsrichtern Aktenkenntnis zu gestatten (S. 953), m. E. keine Zustimmung. Die hauptsächliche Legitimation der Laienrichter w i r d zu Recht i n einer Plausibilitätskontrolle durch die Gesellschaft u n d N i c h t j u r i sten gesehen (Schreiber, S. 951), „daß die Entscheidungen auch von juristisch nicht Vorgebildeten nachvollzogen werden können" (1. StVRG, BT-Drucks. 551/74, S. 54). Laienrichter sollen also auch gewährleisten, daß nicht über den K o p f des Angeklagten hinweggeredet w i r d . Schreibers Vorschlag, die Laienrichter anhand der juristisch abgefaßten A k t e n über den Prozeßstoff zu i n formieren, packt daher m. E. das Übel an der falschen Stelle, da die A k t e n kenntnis auch der Laienrichter die Kommunikationsschwelle zwischen dem Angeklagten u n d dem Gericht noch verstärkt. Vgl. Mrozynski, M s c h K r i m 1974, 48 (49). Diese Sprachbarriere des „Juristendeutsch" läuft aber nicht nur der Subjektstellung des Angeklagten, sondern auch der gleichwertigen M i t w i r kung der größtenteils aus der sog. unteren Mittelschicht stammenden Laienrichter zuwider. Statt den Ermittlungsverdacht auch i n die Laienrichter zu projizieren, sollte man das Statistendasein der Laienrichter dadurch beenden, daß i n einer einfachen, allgemein verständlichen Sprache u n d i n entspannter Atmosphäre verhandelt w i r d . Indem dann auch die richterlichen Laien durch selbständige Fragen zur Problemlösung beitragen können, sind sie bei der E n t scheidungsbildung auch nicht mehr w i e bisher auf Pauschalurteile angewiesen (vgl. Graßberger, S. 339; Klausa, S. 67, 79, u n d unten Note 162, 163). Z u w e i teren Verbesserungen vgl. die Begründung zum 1. StVRG, S. 57, u n d Klausa, S. 83 f. 101 RGSt 69, 120 (124). Dazu auch Koffka, ZStW 81 (1969), 966 (968).

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3. Teil: Zur Zulässigkeit von freien Vorhalten

lieh aller Einzelheiten der Beweisführung Rechenschaft geben können, neigen Laienrichter wohl mehr zu „Pauschalurteilen" 1 6 2 ' 1 6 3 . Da sie die vielen Fehlerquellen des Zeugen- und Protokollbeweises weniger kennen, werden sie wegen einer dem Angeklagten oder Zeugen „nachgewiesenen Ungenauigkeit" leichter darauf schließen, daß dessen gesamtes Vorbringen unglaubwürdig und unverläßlich sei 1 6 4 . Den Vorhalt als allgemeine Fehlleistung eines Vernehmungsleiters werden sie so leicht als besondere Fehlleistung des Vernommenen auslegen 1 6 5 . Die Verhandlungsführung muß daher endlich von dieser zu weitreichenden Fehlleistungen führenden Praxis befreit werden. Von unzulässigen Fernwirkungen durch die Akten sind die Richter unbedingt freizuhalten 1 6 6 . Der Vorhalt aus den A k t e n verfälscht die Urteilsgrundlage. Da er ja darüber hinaus als Aussageanreiz forensisch zumeist unbrauchbar ist, ist er von der Liste der Vernehmungsmittel ganz zu streichen 167 . d) Ergebnis: Der Vorhalt ist Urkundenbeweis aa) Der Vorhalt als eingeschränkter Urkundenbeweis Damit belegt die forensische Psychologie die Verklausulierungen der hM: Jeder Vorhalt, als Teilverwertung eines Urkundeninhalts bei der Entscheidungsbildung 1 , stellt faktisch einen (neben der Aussage) ergänzenden Urkundenbeweis dar. 162 Graßberger, S. 338, der eine große Gefahr darin sieht, daß die Empörung über das Verbrechen gelegentlich zu einer solchen über den Angeklagten wird. 163 Die, als Ausgleich, deswegen — entgegen Graßberger — aber nicht schon falsch oder ungut sein müssen. Nach Altavilla , I I , S. 446, neigen Laienrichter zwar mehr zu A f f e k t i v i t ä t . Nach Klausa, S. 99, macht sich der laienrichterliche Einfluß jedoch „ v o r allem atmosphärisch" bemerkbar, s. auch Mrozynski, M s c h K r i m 1974, 48 (54). 184 I h r Rechtsgefühl entstammt nicht so sehr der einseitigen Sozialstruktur der Berufsrichter und standesideologischen Einflüssen der Justiz als Träger gesellschaftlicher Macht, sondern vielmehr der Stimmung i n verschiedenen sozialen Berufskreisen u n d Schichten (vgl. Klausa, S. 82), der Macht der Medien etc. les Treffend Graßberger, S. 338 u. 339. F ü r mehr Unterscheidungsvermögen w o h l Schreiber, Festschrift für Welzel, S. 953. 188 Die Erkenntnis Arzts, Festschrift für Peters, S. 223 (231), daß die Zunahme von Beweiserhebungsverboten keineswegs auch eine Zunahme an Rechtsstaatlichkeit bedeute, ist darum auf die, nachträglichen, Beweisverwertungsverbote beschränkt. E i n strengeres Beweisverfahren k a n n doch n u r dann die „SpannungsVerhältnisse" zwischen Strengbeweis u n d freier Beweiswürdigung verschärfen, w e n n den Urteilenden auch A k t e n m a t e r i a l unzulässig bekannt wird. Diese „Ansteckung des Richters" u n d „Vergiftung der Beweiswürdigung schlechthin", u m die es auch A r z t geht, muß also von vornherein ausgeschlossen werden. 187 Das fordert auch Schreiber, S. 956 Note 72. 1 So ausdrücklich BGHSt 7, 194 (195) u n d O L G K ö l n M D R 1955, 122.

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Auch die Verlesungen nach den §§ 253, 254, die zur Äußerung dazu anreizen wollen und deshalb einen Vorhalt darstellen sollen 2 , können also nichts anderes sein als Fälle eingeschränkten Urkundenbeweises. Kommt aber dem Teilverlesen nach § 253 die Bedeutung eines eingeschränkten Urkundenbeweises zu, so kann § 250 S. 2 das Verlesen von Protokollen 3 als ergänzendes Beweismittel neben der Vernehmung der Auskunftsperson nicht mehr gestatten 4 . Das Gesetz kennt die Fragwürdigkeit von Protokollen und die Schwächen der menschlichen Urteilspsyche. Wenn § 253 den Rückgriff auf Protokolle als Ausnahmefall neben der Zeugenaussage erlaubt, kann § 250 S. 2 den, wie die §§ 249, 250, 254 belegen, als minderwertig erkannten und deshalb abgelehnten Protokollbeweis nun nicht grundsatzwidrig als Nebenbeweismittel wieder einführen wollen 5 . Der Beweis zur Sache selbst soll grundsätzlich nicht m i t Protokollen über frühere Vernehmungen geführt werden. Auch die „Ergänzung" bedeutet i n gewisser Weise eine solche „Ersetzung" 8 . Der Gesetzgeber hat jedoch eindeutig und einsichtig die Fälle des Ausschlusses, des subsidiären Ersatzes und des Nebeneinander von Personalbeweis und Urkundenverlesung geregelt 7 . Auch die Verlesungen, u m Indizien und Hilfstatsachen zu gewinnen, dienen, da sie eine Tat-, Schuld- oder Straffrage betreffen, unmittelbar der Urteilsfindung und unterfallen damit den A n forderungen des Strengbeweises 8 .

2

s. oben S. 121,128,140,157, 159. Hinsichtlich der i n „schriftlichen Erklärungen" festgehaltenen Äußerungen dürfte sich daher das Verbot der mittelbaren Beweisführung m i t Schneidewin, JR 1951, 481 (483); Gollwitzer, LR, § 250 A n m . 6; BGHSt 6, 141 (143) gegen Alsberg/Nüse, S. 303, u n d Krause, S. 154 f., 160, n u r auf die speziell zu Beweiszwecken befaßten beziehen. I m m e r h i n stammen schriftliche Erklärungen „aus der Feder des Zeugen selbst" (Hanack, J Z 1972, 202 [204]). 4 Die Rspr läßt jedoch eine ergänzende Urkundenverlesung nach § 250 S. 2 zu, da sich das ergänzende Verlesen nicht als, allein verbotene, „Ersetzung" einer an sich möglichen persönlichen Vernehmung darstelle. V g l RGRspr 8, 718 (719); RGSt 33, 35 (36); RGSt 71, 10; BGHSt 1, 4 (5); 20, 160, (162); N J W 1970, 1558. Ebenso Gollwitzer, LR, § 249 A n m . 4 e; Sax, K M R , § 250 A n m . 1 a; Alsberg/Nüse, S. 308; Groth, S. 32. 5 I m Schrifttum w i r d daher zumeist ein „ergänzender" Urkundenbeweis i m Rahmen des § 250 m i t Nachdruck abgelehnt. Wie Schneidewin, JR 51, 481 (483), auch Eb. Schmidt, L k I I , § 250 A n m . 4; Lohr, S. 127; Dolderer, S. 59; Grünwald, JZ 1966, 489 (493); Peters, J Z 1965, 650 (widersprüchlich i n Nachtrag, S. 29), u n d Koffka, ZStW 84 (1972), 706. Schroth, S. 131, schließt deshalb jeglichen Protokollvorhalt an den Angeklagten aus. 6 Eb. Schmidt, L k I I , § 250 A n m . 4; Peters, JZ 1965, 650; Lohr, S. 128. 7 Lohr, S. 128; Eb. Schmidt, L k I I , § 250 A n m . 4. 8 Dazu oben S. 148 Note 186. Z u m psychologischen Indizienbeweis Döhring, S. 329 f.; Hellwig, S. 330f.; zum sachlich-kriminalistischen Meixner, S. 48 f. 3

15 Kuckuck

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3. Teil: Zur Zulässigkeit von freien Vorhalten

bb) Kein Urkundenbeweis über Hilfstatsachen neben den §§ 253, 254 § 250 w i l l verhindern, daß Aktenprotokolle unkontrolliert, soweit nicht eine genau festgelegte Ausnahme i n Betracht kommt, zur Urteilsgrundlage werden 9 . Protokollbeweis ist, wie gezeigt, mittelbarer Zeugenbeweis 1 0 . Aufgrund seiner Unvollständigkeit und Brechung sollte i h m immer nur eine indizierende Bedeutung zukommen und zwar nur eine „schwache und unzuverlässige" 11 , die i h n i n der Regel als alleiniges Beweismittel ungeeignet macht 1 2 . Auch hier sind die Erfahrungen des ausgehenden Inquisitions- und des reformierten Verfahrens zu verwerten, die zu erkennen geben, daß der Beweiswert eines Protokolls „immer auf ein Zeugnis h i n aufzulösen ist" 1 3 . Der mittelbare Protokollbeweis ist darüber hinaus jedoch grundsätzlich ausgeschlossen, wenn es auf die Wahrnehmung einer Beweisperson ankommt 1 4 . Das Verbot des § 250 S. 2 und die Ausnahmevoraussetzungen des § 253 (und des § 254) dürfen aber nicht dadurch verwässert und umgangen werden, daß man den Grund des Verlesens nach § 249, ohne daß das i m Protokoll Behauptete selbst das Prozeßthema ist, unzulässig aufspaltet. So w i r d behauptet, § 250 S. 2 verbiete zwar das Protokollverlesen, u m eine Wahrnehmung zu beweisen, nicht aber auch ein Verlesen, um das Vorhandensein einer früheren Aussage oder eines bestimmten gleich oder anders lautenden Schriftstücks festzustellen oder auch u m die Glaubwürdigkeit der Auskunftsperson zu unterstützen oder Richtigkeit ihrer Aussage i n Zweifel zu ziehen 15 » 1β . Die Weiterungen einer solchen Beweisaufspaltung sind offensichtlich. Unter dem Ziel bzw. Vorwand einer Beweisführung über Hilfstatsachen werden Wahrnehmungen selbst i m Wege des Protokolls i n den Prozeß eingeführt und durch Protokolle bewiesen 17 . Angesichts einer einheitli9

Eb. Schmidt, L k I I , § 250 A n m . 5. Diese M i t t e l b a r k e i t betonen zu Recht v. Hippel, Lb, S. 389; Kohlhaas, N J W 1954, 535 (536). 11 Eb. Schmidt, L k I, R n 453 N. 249, f ü r schriftliche Niederlegungen nach § 251 Abs. 2; Redecker, Diss., S. 148, zur Sonderstellung des Vernehmungsprotokolls zwischen Sach- u n d Personalbeweis, ausführlich S. 87 f. u n d 101 f. 12 Anders aber die herrschende K o m m e n t a r l i t e r a t u r zu § 251, die das Protokoll zumeist stillschweigend als vollwertigen Ersatz des originären Personalbeweises betrachtet. 13 Mittermaier, Strafverfahren I, S. 580; deshalb also keinen „selbständigen u n d vollständigen Beweis" darstellt, Zachariae, H b I I , S. 447 - 448. Vgl. Tittmann, S. 601 ; Mittermaier, S. 580, alle m. w . N. 14 Vgl. oben S. 137. 15 Z u r RG-Rspr s. o. S. 66 f. Früher schon RGSt 22, 51 (52); 31, 407 (408). Ebenso BayObLGSt 1949, 49 (58). 16 Diese Praxis unterstützen Alsberg/Nüse, S. 308; Lohr, S. 128. Differenzierend w i e hier Gollwitzer, LR, § 249 A n m . 4 e; Krause, Ub, S. 156. 17 Indem das Gericht den schriftlichen Angaben mehr Glauben schenkt, wie Alsberg/Nüse, S. 308, offen zugeben. Auch Hanack, J Z 1972, 202 (204), hält 10

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chen Beweiswürdigung machen die Wirkungen einer solchen Beweisaufspaltung auch ersichtlich, warum bei einem Nebeneinander (bzw. Nacheinander) von primär Zeugenbeweis und sekundär Protokollbeweis 18 eine wirksame Grenze zwischen einem Beweis über Hilfstatsachen und einer auch inhaltlichen Beweisergänzung nicht zu ziehen ist. § 250 kann daher auch deshalb eine Beweisergänzung nicht erlauben, weil ein vom Gesetz angestrebter Anhaltspunkt über die Glaubwürdigkeit eines Zeugen zumeist auch über diesen Umweg, indem die verschiedenen „Aussagen" miteinander verglichen werden, zu einem Schluß auf die Richtigkeit und damit doch auch den Inhalt „seiner" Protokollbekundung führen wird. Schriftlich niedergelegte Angaben sind aber mangels A n schaulichkeit das schlechtere Beweismittel. Den i n ihnen unerkannt und unkontrollierbar verborgenen Fehlerquellen m i t der Möglichkeit zu Unvollständigkeit, Ausdrucks- und Aufnahmefehlern 1 0 wollen die §§ 253, 254 begegnen, indem sie den zusätzlichen Beweis über zu gewinnende Hilfstatsachen wie die Erinnerungsfähigkeit und Glaubwürdigkeit einer Auskunftsperson an bestimmte Bindungen knüpfen 2 0 . cc) Das Verhältnis zwischen Vorverfahren und Hauptverhandlung Aus der Unzuverlässigkeit von Aufzeichnungen folgt aber unter der Geltung der freien Beweiswürdigung noch nicht die Unzulässigkeit von deren (freier) Verwertung. Welche Rolle dem i n den Akten festgehaltenen Material zukommt, kann daher grundlegend nur das Verhältnis des Vorverfahrens zur Hauptverhandlung entscheiden 21 . Wenn das i n den A k t e n Zusammengetragene die „Grundlage für die mündliche Verhandlung bildet" 2 2 , so erscheinen Vorhalte aus diesen Akten als durchaus selbstverständliche Verwertung dieser Grundlage. diese Differenzierung daher f ü r „ w e n i g schlüssig", w e i l sie „ z u einem U r kundenbeweis über die i n der schriftlichen E r k l ä r u n g angegebene W a h r n e h mung' führen muß". Richtig RGSt 33, 128 (129). Gegen diese Aufspaltung auch G. Ziegler, Diss., S. 46. 18 Vgl. oben S. 135,142. 19 Gollwitzer, LR, § 249 A n m . 4e. 20 I m Ergebnis ebenso v. Hippel, Lb, S. 392, u n d die Motive, vgl. oben S. 130 f. N u r für einen derart beschränkten Beweis, w e n n abweichende Zeugenaussagen vorgelesen werden, auch Mittermaier, GS 1, Bd. 2 (1849), 3 (17). a A Peters, J Z 1965, 650, der aber verkennt, daß die Urkundenverwertung zur Glaubwürdigkeitsprüfung auch einen Urkundenbeweis darstellt, die Glaubwürdigkeit also auch von § 250 berührt w i r d , vgl. oben S. 146 f. 21 Dieses Verhältnis bezeichnet Hanack, JZ 1972, 202 (203), zu Recht als die „rechtsstaatliche Kardinalfrage". Vgl. oben S. 182. 22 So Peters, Lb, S. 486 u. 487. Zustimmend Schreiber, Festschrift für Welzel, S. 941 (954, 955). Auch Schneidewin, JR 1951, 481 (482), sieht i n den Protokollen das „wichtigste Stück des i m Vorverfahren gesammelten Beweisstoffs, auf dessen Grundlage verhandelt werden soll". 15·

3. Teil: Zur Zulässigkeit von freien Vorhalten

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Die rechtspolitischen Grundsätze der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit dürfen i n der Tat i m Interesse der Wahrheitsfindung nicht überzogen werden. Sie verbannen nicht jede Schriftlichkeit aus der Hauptverhandlung. „Auch das mündliche Verfahren hat seine Protokolle" 2 3 . Das rechtlich Entscheidende der „Mündlichkeit" besteht für Feuerbach auch „ n u r " darin, daß die „Wirksamkeit der Gedankenäußerung an das lebendige gesprochene Wort geknüpft, so daß alles Schriftliche, was vorausgehend, begleitend oder nachfolgend m i t der mündlichen Rede verbunden sein mag, entweder nur als eine i n dem Wesen der Verhandlung gleichgültige Zufälligkeit erscheint, oder blos aus Rücksicht und die Beziehung auf das Gesprochene oder zu sprechende Bedeutung erhält" 2 4 . Mittermaier sieht denn auch dem „Wesen der Mündlichkeit (Unmittelbarkeit)" Genüge getan, wenn die „gesammte Verhandlung der Anklage, die Erhebung und Benutzung der verschiedenen Beweise, auf welcher das Urteil gebaut werden s o l l . . . vor den urteilenden Richtern vorgehen", daß sie „auch von den zur Erhebung gebrauchten Mitteln und der A r t der Ablegung der Aussage sich überzeugen und selbst die nötigen M i t t e l anwenden können, u m die zuverlässigste Wahrheit sich zu verschaffen" 25 . „ I n ihrer Durchführung" hängt die Mündlichkeit also erst von der „Unterscheidung der Voruntersuchung und Haupt Verhandlung" ab 2 6 . Die Wahrheitsfindung gebietet Ausnahmen vom Grundsatz der Unmittelbarkeit. Die StPO erlaubt die Sicherung von Beweisen, wenn „deren Verlust zu besorgen ist", § 160 Abs. 2, die als mittelbare schriftliche Beweismittel auch i m richterlichen Erkenntnisverfahren verwertet werden dürfen 2 7 . Das Vorverfahren ist grundsätzlich aber nur vorbereitenden Charakters und die Urteilsfindung i n der Hauptverhandlung davon unabhängig. Wie auch die Überschrift des zweiten Abschnitts deutlich macht, dient das Ermittlungsverfahren der „Vorbereitung der öffentlichen Klage". Es w i r d ermittelt, ob ein hinreichender Tatverdacht besteht, vgl. § 20328,29 D e r i m Vorverfahren gesammelte Prozeßstoff soll also nur die 23

S. 82.

Zachariae,

H b I (1861), S. 49. Vgl. auch Geib (1848), S. 73; Abegg (1841),

24 Feuerbach, Betrachtungen über die Öffentlichkeit u n d Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege (1821), Bd. 1, S. 199. 25 Mittermaier, Gesetzgebung u n d Rechtsübung (1856), S. 307. Ä h n l i c h Abegg, S. 85. 26 Mittermaier, S. 307 - 308. 27 Vgl. §§ 162, 223, 225, 233 Abs. 2, 251 Abs. 1 u. 2, 256. 28 Also „ob die öffentliche Klage zu erheben ist", § 160 Abs. 1. 29 Z u r inzwischen i n Wegfall geratenen Voruntersuchung als T e i l des V o r verfahrens Kohlhaas, LR, A n m . 1, 2 v o r § 158. Über Wert u n d U n w e r t der gerichtlichen Voruntersuchung Eb. Schmidt, L k I I , Vorb. zu §178, u n d Kohlhaas, ZHP 1971, 32 f.

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Frage beantworten, ob die Sache richterlich entscheidungsbedürftig ist oder nicht 3 0 . Zum einen führt das zu einer ersten Aussiebung, zum anderen bildet es die Grundlage für die Entscheidung, ob das Hauptverfahren zu eröffnen sei 31 . Die spätere Urteilsgrundlage sollen dagegen allein die selbständig erst i n der Hauptverhandlung gewonnenen Beweise bieten, §§ 261, 264 32 . Die Protokolle haben hier daher eine „andere, für den Act der Urtheilsfällung gar nicht i n Betracht kommende Bedeutung" 3 3 . Das Aktenmaterial soll daher, von der Ausnahme der vorweggenommenen Beweisaufnahme abgesehen, gerade nicht die „Grundlage für die mündliche Verhandlung bilden" und schon gar nicht darf es Grundlage für ein demnächst zu treffendes Urteil sein 34 » 35 . Uber die ursprüngliche Tat w i r d verhandelt, nicht über die Akten. Die Verhandlung hat auch nicht die Aufgabe, diese zu überprüfen und zu bestätigen 36 . Das Gericht kann das i m Vorverfahren zusammengebrachte Beweismaterial schon deswegen nicht nur bestätigen, weil i n der Hauptverhandlung die volle Tatschuld, i m Vorverfahren aber nur der Tatverdacht ermittelt werden soll 3 7 . Dem vorbereitenden Charakter des Vorverfahrens entspricht die vergleichsweise formlose A r t der Ermittlungstätigkeit 3 8 und der zwangsläufig provisorische Beweiswert der ermittelten Ergebnisse 39 .

30

Ullmann, S. 395; Henkel, Lb, S. 298. Kern/Roxin, S. 182; Henkel, J Z 1957, 148 (152); RGSt 32, 315 (318). 32 Eb. Schmidt, L k I, R n 455; Gollwitzer, LR, § 264 Anm. 1; Henkel, Lb, S. 298 u. 342; Kern/Roxin, S. 207 u. 223; Glaser, H b I I , S. 316; von Schwarze, § 242 (243) A n m . 9; Dalcke, G A 14 (1866), 15 (21). Ebenso aber doch auch Peters, Lb, S. 481, w e n n er i n der Hauptverhandlung eine „gegenüber den vorangehenden Verfahrensabschnitten neue, selbständige Uberprüfung des Vorgangs (also nicht der A k t e n ! ) " sieht. Vgl. auch oben S. 137 Note 120. 33 Zachariae, H b I, S. 50. 34 Eine Verhandlungsgrundlage w i r d doch auch Entscheidungsgrundlage. Treffend Henkel, Lb, S. 298, u n d schon Geib, Reform (1848), S. 106, der eine solche „ A r t Resümee" des Vorverfahrens als „Gaukelei" bezeichnete. Liegt einmal der Schwerpunkt i m Vorverfahren, sinkt die H V zu einer bloßen mündlichen Schlußverhandlung w i e der endliche Rechtstag der CCC herab (Nagler, GS 73 [1909], 97 [180]), u n d so ist das „ganze öffentlich-mündliche Verfahren n u r . . . eine die treuherzige Einfalt täuschende Maskerade" (Feuerbach, Mündlichkeit I I , S. 383). 35 Abwegig daher Meinert, S. 10, die Vernehmung während der H V rolle „ n u r einen i n der Hauptsache bereits bekannten Sachverhalt auf zum Zwecke der Prüfung, ob der Schuldbeweis auch w i r k l i c h lückenlos u n d irrtumsfrei geführt ist". 36 Das betonen von Hippel, Lb, S. 323 Note 4, u n d John, Bd. I I , S. 192. 37 Vgl. Eb. Schmidt, L k I, Rn 94. 38 Dazu Peters, Lb, S. 461; Henkel, Lb, S. 298 u. 300 f. 39 Ausführlich Redecker, Diss., S. 95 f. Z u m Vorverfahren als Quelle der Beweisführung aber Graßberger, S. 331 f. 31

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3. Teil: Zur Zulässigkeit von freien Vorhalten

I n der Hauptverhandlung muß und darf dieses unfertige Material den Vorsitzenden bei der Verhandlungsführung und das Kollegium bei vorbereitenden Beweisentscheidungen nur zwanglos leiten 4 0 . Selbst ein nur (materielles) Indiz soll das Ermittlungsmaterial grundsätzlich nicht sein dürfen. Das heißt, die Akten können und sollen nur Anlaß sein für Fragen und Ausforschungen. Ein Hineinwirken der Akten i n die Überzeugungsbildung, wenn die Akten Fragen nicht nur aufwerfen, sondern selbst (mit) beantworten, aber verfälscht 41 den Urteilsspruch 42 ' e) Ergebnis: Der freie Vorhalt verstößt gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit, zumeist auch gegen den der Mündlichkeit Prozeßstoff aus den Akten darf nur nach den Vorschriften über die Beweisaufnahme i n die Sachurteilsgrundlage eingeführt werden. Eine vom Gesetz nicht vorgesehene schriftliche bzw. mittelbare Beweisführung verstößt gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit. Persönliche Aussagen von Angeklagten, von Zeugen oder Sachverständigen sollen i n der Hauptverhandlung nicht durch Protokolle und sonstige Niederschriften ersetzt werden. Indem der freie Vorhalt (aus Schriftstücken) als U r kundenbeweis das mittelbare Beweismaterial der Akten anders als nach §§ 253, 254 i n die Verhandlung einführt und für die Entscheidungsbildung verwertet, verstößt er nach allem gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit. Das gilt u m so mehr, wenn der Vorhalt solchen, allein dem Vorsitzenden vorliegenden, Protokollen von Auskunftspersonen entnommen wird, die das Gericht i n der Verhandlung selbst nicht mehr i n eigener sinnlicher Wahrnehmung anhört 1 » 2 . „Unkontrollierbare subjektive 40 Damit, w i e Feuerbach, Mündlichkeit I, S. 319, feststellt, „ k e i n Umstand entschlüpfe, u n d sie, sobald es ihnen Bedürfniß ist, jedesmal beobachtend, überlegend, vergleichend darauf wieder zurückgehen können". Der Richter soll die Fragen dabei jedoch n u r auf w e r f en, nicht beantworten, Graßberger, S. 332. 41 Es sei denn, eine ausnahmsweise zulässige Urkundenverlesung erlaubt i m Einzelfall eine materielle V e r w e r t u n g v o n A k t e n u n d damit die (Teil-)Beantw o r t u n g einer Frage m i t dem Ermittlungsmaterial. 42 Ab egg, S. 85. Infolge der gezeigten psychologischen Auswirkungen geht die tatsächliche Bedeutung der Akten, w i e Peters, L b , S. 487, zutreffend feststellt, über das „gesetzlich zugedachte Maß hinaus". Das Gericht muß sich daher des Provisorischen der A k t e n stets bewußt sein, Eb. Schmidt, L k I, R n 94. 43 Denn auf der anderen Seite k o m m t wieder Schriftlichkeit u n d Gefahr für die U n m i t t e l b a r k e i t dadurch auf, daß die mündliche Verhandlung i n p r i vate Notizen u n d Aufzeichnungen des Richters — unumgänglich bei umfangreicherem Prozeßstoff — umgesetzt w i r d . Vgl. Arzt, Festschrift f ü r Peters, S. 223 (237). 1 Z u den beiden Inhalten des Unmittelbarkeitsprinzips oben S. 136 f. 8 Anders aber w o h l Tiedemann, Verh. 49. D J T (1972), Bd. 1, S. C 103 f.; Grünwald, Verh. 50. D J T (1974), Bd. 1, S. 976.

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Meinungen des Vorsitzenden über den Akteninhalt treten an die Stelle objektiver Beweisaufnahme" 3 . Zu einer solchen soll aber das Gericht die richtigen Beweismittel — einmal das Protokoll, hier also die Aussageperson selbst — unmittelbar wahrnehmen. Nur die Mündlichkeit ermöglicht eine Kontrolle durch die Öffentlichkeit. W i r d mündlich nicht verhandelter Prozeßstoff zur Urteilsgrundlage herangezogen, so ist der Mündlichkeitsgrundsatz verletzt. Falsche Aktenbenutzung stellt daher i n der Regel einen Verstoß gegen den Grundsatz der Mündlichkeit dar 4 . Aber auch der mittelbare Protokollbeweis kann mündlich, d. h. durch eine wörtliche Wiedergabe, erörtert werden. Der Verlesungsvorhalt wahrt demnach noch die Erfordernisse der Mündlichkeit, wenn die zugrundeliegende Niederschrift wortwörtlich wiedergegeben wird. Beim frei gestalteten Vorhalt ist aber die Mündlichkeitsmaxime verletzt, indem, durch den nur bruchstückhaften Vorhalt angeregt, wohl immer Ersatzerinnerungen aus nicht vorgelesenen Protokollteilen bei den aktenvertrauten Richtern „an die Stelle" richtiger Erinnerung „treten" 5 und so totes Aktenmaterial i n die Sachurteilsgrundlage hineingelangt. Wenn aber, wie i m Falle der aktenunkundigen Laienrichter, „ n u r " der mündlich erörterte Vorhalt Entscheidungsgrundlage wird, bleibt dagegen wenigstens der Grundsatz des „Quod non est actum i n foro, non est i n mundo" gewahrt 6 » 7 . 3

von Hippel, Lb, S. 324. Dem schließt sich Eb. Schmidt, L k I, R n 442, an. Vgl. Eb. Schmidt, L k I , R n 437. Z u m Grundsatz allgemein oben S. 136. Dem mündlichen Verfahren ist, umgekehrt, eine Tendenz zur Unmittelbarkeit eigentümlich, Krause, Ub, S. 130. 6 Vgl. oben Note 3 (v. Hippel). I m Ergebnis ebenso Redecker, Diss., S. 123. β Die generelle Annahme Eb. Schmidts, L k I, R n 442, Vorhalte aus den A k t e n verstießen immer gegen den Grundsatz der Mündlichkeit, bewahrheitet sich also nicht. Vgl. auch die K r i t i k Sarstedts, Revision, S. 198 Note 22. 7 Subjektiv gefärbte frei formulierte Vorhalte könnten n u r dann generell gegen das Mündlichkeitsprinzip verstoßen, w e n n m a n das Formprinzip der Mündlichkeit für den Urkundenbeweis ausnahmslos n u r durch das Verlesen v e r w i r k l i c h t sieht, das Mündlichkeitsprinzip also m i t den formalen Beweisvorschriften identifiziert. So w e i t geht ersichtlich aber niemand (im Ergebnis aber i n dieser Richtung Eb. Schmidt, L k I , R n 339; Gollwitzer, § 249 Anm. 1, u n d Sarstedt, Revision, S. 195). Das Verlesungsgebot bestätigt zwar die M ü n d lichkeitsmaxime, ist aber nicht m i t i h r gleichzusetzen (vgl. Schäfer, LR, Einl. S. 154). Durch das wortwörtliche Verlesen w i r d statt dessen der U n m i t t e l barkeitsgrundsatz auch f ü r den Urkundenbeweis gewahrt (so Eb. Schmidt, L k I I , § 249 A n m . 18, selbst). Wenn nach Eb. Schmidt, L k I, R n 442, i m Anschluß an von Hippel, Lb, S. 324, Vorhalte aus den A k t e n gerade gegen den Grundsatz der Mündlichkeit verstoßen sollen, so erklärt sich das aus der früheren Gleichsetzung der beiden Maximen. Dazu Maas, S. 24; Krause, Ub, S. 130; Lohr, S. 154 f. Dieser V e r wechslung erliegen neben RGSt 5, 142 (144); 55, 1 (2) zu § 250; RGSt 32, 318 (319); 69, 123 (zustimmend Eb. Schmidt, L k I, R n 440 Note 226) zur Verlesung der Anklageschrift, auch etwa B G H N J W 1953, 115 u n d Gollwitzer, LR, § 253 Anm. 1, indem sie § 253 als Ausnahme v o m „Grundsatz der Mündlichkeit u n d U n m i t t e l b a r k e i t " bezeichnen. 4

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3. Teil: Zur Zulässigkeit von freien Vorhalten f) Die Bedeutung der prozessualen Formen der Unmittelbarkeit im allgemeinen und des Verlesens im besonderen aa) Der Rang der Unmittelbarkeit

Der einzige Weg, über den demnach Akteninhalt i n die Tatsachenfeststellung gelangen darf, ist der des zulässigen Urkundenbeweises 1 . Der zulässige Urkundenbeweis kann nur i m förmlichen Verlesen bestehen 2 . Diese ausnahmslose Formvorschrift hat ihren unbedingten Sinn, bedenkt man, daß sie m i t dem Grundsatz der Unmittelbarkeit, den, wie schon RGSt 12, 104 (105) feststellte, „Fundamentalsatz des Strafverfahrens" überhaupt sichert 3 . Beling 4 erkennt die Forderung nach Wahl des originären Beweismittels, das grundsätzlich zugleich auch das bestmögliche ist, zu Recht als Konsequenz der prozessualen Wahrheitssuche: „Wo materielle Wahrheit erstrebt wird, stellt sich zugleich der Gedanke ein, daß von mehreren möglichen Beweiswegen immer der beste gewählt werde. Der beste Weg aber ist derjenige, auf dem der Suchende an die zu erforschende Tatsache so nahe wie möglich herankommt, d. h. bei dem der Suchende das dieser Tatsache am nächsten stehende Beweismittel und nicht statt seiner bloße Berichte über das, was jenes i n sich berge, benutzt." Die Unmittelbarkeit als Errungenschaft der Reform hat heute noch die „fundamentale" Bedeutung von damals 5 . Die Erkenntnisse der Tübinger Forschungsstelle für Strafprozeß und Strafvollzug, die ein umfangreiches Tatsachenmaterial auf Fehlerquellen i m Strafverfahren untersuchte, verlangen, an die Beweisgrundlagen strenge Anforderungen zu stellen 6 . Ob und wann deswegen der Zeuge vom Hörensagen wegen § 250 ein unzulässiges „Schöpfen aus zweiter Hand" 7 bedeutet, kann hier nicht entschieden werden 8 . Gegen die mittelbare Beweisführung durch Vernehmungsprotokolle spricht sich jedoch das Gesetz i n § 250 S. 2 klar und 1

Eb. Schmidt, L k I I , § 250 A n m . 5; L k I, R n 439; v. Hippel, Lb, S. 322. Sarstedt, Revision, S. 194; Eb. Schmidt, L k I I , § 249 A n m . 18. 3 Zustimmend etwa Eb. Schmidt, L k I I , §249 A n m . 19; Krause, Ub, S. 196. Vgl. auch Arzt, Festschrift f ü r Peters, S. 223 (236). von Liszt , Reform des Strafverfahrens, S. 29, sieht darin das „vielleicht wichtigste unter allen Prozeßprinzipien". 4 L b , S. 33. 5 Vgl. n u r aus psychologischer Sicht Graßberger, S. 302. Z u r kompensatorischen Verhandlung gegen Selektion Schünemann, D R i Z 1974, 278 (284). Aus der Rspr. s. O L G H a m m M D R 1974, 419 (420). 6 Peters, Fehlerquellen I I , insb. S. 226, u n d Lb, S. 267. 7 von Hippel, Lb, S. 389. 8 Ausführlich zu den vertretenen Ansichten Lohr, S. 50 f., S. 107, S. 159 f., S. 191 m. w. N. 2

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eindeutig aus9. Eine lebendige, vor den Augen des Gerichts aufklärende und abrollende Verhandlung ist wahrheitsfördernder als tote Protokolle und Akten 1 0 . Allein i n einer solchen unmittelbaren mündlichen Hauptverhandlung, wo die Entscheidung auf dem Inbegriff des gerade Erlebten beruht, kann die M i t w i r k u n g von Laienrichtern von Wert sein 11 . bb) Beurteilung des gesetzgeberischen Kompromisses von 1877 aus heutiger Sicht Die Regelung der StPO von 1877, die i n den §§ 253, 254 ein „Ja" zur Sachverhaltsaufklärung und zum ausnahmsweise zulässigen (Vorhalt-) Protokollbeweis und ein „Nein" zur Wahrheitsbeeinträchtigung und Aussagenbeeinflussung enthält, indem sie Stichwortfragen noch zuläßt, den freien Vorhalt aber verbietet, befriedigt grundsätzlich 12 auch heute noch. Das gilt auch, obwohl diese Kompromißlösung i m Einzelfall einmal Beweislücken offen lassen kann. Der nach allgemeiner Lebenserfahrung beste Beweis der unmittelbaren persönlichen Vernehmung gibt i m Einzelfall nicht immer die beste Sachaufklärung ab, und das Beweisverbot der §§ 250, 254 13 kann selbst nach der heute herrschenden Auslegung schon einmal dazu führen, daß ein möglicherweise Schuldiger freigesprochen werden muß, der etwa vor der Polizei ein „glaubhaftes" (?) Geständnis abgelegt hat, an das sich die Beamten bei ihrer Vernehmung nach Monaten i n Einzelheiten nicht mehr (ohne Vorhalt) „erinnern" 1 4 können 1 5 . Abgesehen davon, daß die Erfahrung beweist, daß nur sehr wenige A n geklagte ihre Mitarbeit bei den Vernehmungen verweigern 1 6 und dieses 9 Ganz hM. Das verkennt aber Sarstedt, Revision, S. 192, bei seiner Gleichstellung von Vernehmungsprotokollen u n d Zeugen v o m Hörensagen. 10 Eb. Schmidt, L k I, R n 432; Henkel, Lb, S. 329; Ullmann, S. 40; RGRspr 10, 280 (281). F ü r die Wiederaufnahme Peters, Fehlerquellen I I I , S. 166. 11 Vgl. insb. υ. Hippel, Lb, S. 317. Nicht, w e i l ein A k t e n s t u d i u m nicht i n Betracht k o m m t (Eb. Schmidt, L k I, R n 425), also nicht sein kann, was nicht sein soll, sondern w e i l die „unverbildeten" Laienrichter i n ihrer relativen Unbefangenheit die „gelehrten" Richter lebensnah ergänzen u n d korrigieren sollen. Peters, Fehlerquellen I I , S. 244, empfiehlt unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit der Sachverhaltsfeststellung daher das Festhalten an den gemischten Gerichten. 12 Z u r Einzelbeurteilung dieses Regel-Ausnahmeprinzips vgl. unten S. 241 f. 13 § 250 ist w i e § 254 nicht n u r eine Beweiserhebungsregel, sondern enthält als Beweismittelverbot auch ein „echtes Beweisverbot". Vgl. Krause, Ub, S. 194 f., 199; Lohr, S. 133. Grundlegend Beling, Beweisverbote, S. 3 f. 14 Dazu oben S. 175 Note 19. 15 Z u r richtigen Auffassung u n d gegen diese ersatzweise Vernehmung oben S. 196 f. Überhaupt: w e n n man den Polizeibeamten i n §§251 Nr. 1, 254 nicht traut, w a r u m t r a u t man ihnen dann als Zeugen?, Sarstedt, Verh. 46. D J T (1966), Bd. 2, S. F 8 (26). 16 Ostermeyer, N J W 1967, 915; Peters, Fehlerquellen I I , S. 5. Rüping, JR 1974,

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3. Teil: Zur Zulässigkeit von freien Vorhalten

seltene Beweisdilemma bisher zumeist dadurch vermieden wurde, daß der Geständige möglichst früh von einem Richter angehört wird, läßt i n einem rechtsstaatlich verpflichteten Verfahren die generell erhöhte Zuverlässigkeit der Rechtsfindung und Achtung des Einzelnen diese ausnahmsweisen Möglichkeiten gering wiegen. Die dadurch erzwungene Abwendung vom Geständnis 17 und einer Sühnezeremonie, die den A n geklagten nur aufgrund seiner eigenen Angaben verurteilt 1 8 , h i n zu objektiven Beweismitteln ist auch nicht nur hinnehmbar, sondern sehr begrüßenswert. Der Vergeßlichkeit von Auskunftspersonen läßt sich andererseits mit einer möglichst frühzeitigen Terminsanberaumung begegnen. Ein „Schnellverfahren" bringt oft keine verläßlichen Ergebnisse, da viele Sachbeweise erst sorgfältig ermittelt werden müssen und da die Tatbeteiligten mitunter noch unter dem Hemmnis des unmittelbaren Geschehens stehen 19 . Hat sich der Vorgang jedoch zu sehr „abgelagert", so nivellieren die Zeit und die Erwartung des Zeugen das Erlebte weitgehend i m Sinne des Typischen, Wahrscheinlichen 20 . Besonders beeinträchtigend wirken dabei häufig aufeinanderfolgende Vernehmungen, die ein A n passen an die Zielvorstellungen des Vernehmenden zur Folge haben und die ursprünglich spontane Erinnerung, ehe es zur Hauptverhandlung kommt, durch Ersatzerinnerungen verfälschen 21 . Auch wenn die gefürchtete Langwierigkeit ermüdender (Protokoll-) Verlesungen und Vernehmungen i n Forderungen nach dem Vorhalt einmünden 2 2 , so w i r d die Gesetzeskorrektur m. E. an der falschen Stelle verlangt. U m die Wahrheitsfindung nicht zu gefährden, kommen für solche Ausnahmen von §§ 249, 250 nur Geschäftsunterlagen i n Betracht, nie aber 135 (137), betont das „natürliche" Streben des Angeklagten, Entlastendes vorzutragen. Dieses Streben geschieht ζ. T. aber notgedrungen, s. oben S. 192. 17 Z u dessen Fragwürdigkeit oben S. 190. 18 Z u r allgemeinen W i r k u n g des Geständnisses aus psychoanalytischer Sicht Reiwald, Die Gesellschaft u n d ihre Verbrecher, S. 105f., 188 f. ; Alexander/Staub, S. 226 f.; Ostermeyer, Strafrecht u n d Psychoanalyse, S. 28 f., 58 f.; Reik, i n : Psychoanalyse u n d Justiz, S. 101 f., 133. 19 Döhring, S. 99, 151; Arntzen, S. 64; Hellwig, S. 129. Gerade bei aufregenden Geschehnissen ist eine etwas „abgelagerte" Aussage die zuverlässigste. 20 Vgl. oben S. 204 Note 27 f. A l l e i n an der normalen Vergessenskurve gemessen, müßte die Verhandlung schon am zweiten Tag stattfinden, Graßberger, S. 79. Der Zeugenbeweis ist jedoch n u r eine A r t des Beweises. 21 Die Fähigkeit zur exakten Wiedergabe leidet unter mehrfachen Vernehmungen über den gleichen Sachverhalt. Vgl. Döhring, S. 101; Trankell, S. 28; Hellwig, S. 130; John, Bd. I I , S. 192. Undeutschs gegenteilige Ansicht, daß sich der Zeuge bei einem verständigen Zuhörer m i t der Zeit von seinen H e m mungen „ f r e i " spricht, widerspricht dem nicht, da sie aus seiner speziellen Gutachtertätigkeit gewonnen wurde. Vgl. Undeutsch, S. 115. 22 F ü r Monstreprozesse w i e Oetker, GS 105 (1905), 1 (22), neuerdings Rieß, Verh. 49. D J T (1972), Bd. 2, S. M 72 f. u n d S. 205; Tiedemann, ebenda, Bd. 1, S. C 104. Herrmann, ZStW 85 (1973), 255 (283), schlägt statt dessen vor, u n -

I I 5. Vorhalte gegenüber Zeugen

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Zeugenaussagen und Protokolle, da es bei ihnen immer auf die A r t der Aussagenerstattung und die Wortwahl ankommen kann 2 3 . Die Umständlichkeiten, die es bedeutet, sehr viele Randzeugen anzuhören und viele lange Urkunden wortwörtlich zu verlesen, lassen sich eher verringern, wenn die Anklage und damit die Beweismittel ohne „unzulässige" Beweisantizipation i n foro sinnvoll beschränkt werden 2 4 . cc) Der Wandel i n der Beweismittelbedeutung Die Zeugen sind zwar auch heute noch als Beweismittel unerläßlich, jedoch sollte man ihre i m reformierten Prozeß hochgelobte Bedeutung 2 5 nicht länger überschätzen. I n dem gleichen Maße wie die Erkenntnisse der Psychologie dem Aussagebeweis seine naturgegebenen Schranken zeigen, hat die technische Entwicklung der letzten Jahrzehnte den Sachbeweis m i t objektiven Mitteln ausgebaut. Die Fortschritte der K r i m i n a l technik, der gerichtlichen Chemie und Medizin erlauben oft, aus den kleinsten Gegebenheiten Schlüsse abzuleiten, die aufgrund ihres objektiven Charakters und der A r t ihrer Gewinnung sicherer und zuverlässiger sind als der subjektive Personalbeweis 26 . Die Sachlage am Tatort, Spuren an Sachen und Personen wie Fingerabdrücke, B l u t usw. ermöglichen heute vielerlei Erkenntnisse über den Ablauf eines Vorgangs und die Verwicklung von Personen i n diesen Ablauf 2 7 . Wenn man sich auch beim Sachbeweis von Verfälschungen und Einseitigkeiten freihalten muß 2 8 , hat das Augenscheinsobjekt heute den Wahrnehmungszeugen i n wichtige Stellen durch den Vorsitzenden zusammenfassen zu lassen. Ähnlich Waldowski, Verh. 50. D J T (1974), Bd. 2, S. Κ 42, 46 f., nach dem ein solcher Bericht aber zu verlesen sein soll. Wie w i l l man aber, i m voraus, entscheiden, welches Verfahren ein Großverfahren ist? Welche Passagen sollen unwichtig sein? 23 Ebenso Grünwald, Verh. 50. D J T (1974), S. C 75 f., 78. Das ist etwa auch Rieß, JR 1975, 224 (228), entgegenzuhalten, der f ü r Fälle der kleinen K r i m i n a l i t ä t statt einer Verlesung der U r k u n d e die M i t t e i l u n g über die Absicht ihrer Verwertung genügen lassen w i l l . 24 Ohne zu verkennen, daß sich damit die Probleme i n anderer Richtung verlagern. Wie hier Gerland, ZStW 55 (1936), 718 (719); v. Hippel, Lb, S. 318; Henkel, Lb, S. 329 Note 3; Seibert, N J W 1957, 779 (780); Kohlhaas, D R i Z 1974, 215 (216); Grünwald, 50. DJT, S. C 19 f. u n d C 53 f., u n d die strafprozessuale Abteilung des 50. D J T i n ihrer überwiegenden Mehrheit, vgl. N J W 1974, 1987 (1989). 25 Als man die Fragwürdigkeit v o n Geständnissen erkannte, vgl. Sax, K M R , Anm. 1 f. (1) v o r § 48. 26 Vgl. Peters, Lb, S. 345; Graßberger, S. 262; Henkel, Lb, S. 198; Sarstedt, LR, §136a A n m . l e . 27 Einzelheiten bei Peters, Lb, S. 346 f.; Meixner, Indizienbeweis, S. 57 f., 99 f.; Svensson/Wendel, Tatortuntersuchung, S. 16 f.; Zbinden, K r i m i n a l i s t i k , S. 48 f. ; Prokop, Forensische Medizin, S. 13 f. 28 Die Sachgegebenheit muß dem Vorgang gegenüber Selbständigkeit u n d eine gewisse Beständigkeit haben, Peters, Lb, S. 345. Der F a l l Rohrbach etwa ist Warnung genug.

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3. Teil: Zur Zulässigkeit von freien Vorhalten

seiner Vorherrschaft zurückgedrängt, zumal es auch die Möglichkeit bietet, Aussagen zu überprüfen 2 9 . I m Hinblick auf die beiden Beweisarten anhaftenden Gefahren sollte der Beweis daher immer auf eine möglichst breit gefächerte Basis von personellen und sachlichen Beweismitteln gestellt werden 3 0 . dd) Wahrheit und Justizförmigkeit und der Eigenwert der Form Die Kompromißlösung der StPO beruht auf der Erkenntnis, daß jedes Prinzip seine Vorzüge und Nachteile hat 3 1 . Wem es mit der Abkehr von den Greueln der Inquisition ernst ist, den sollte ein Freispruch, wenn ein überzeugender Schuldbeweis zulässig nicht zu erbringen ist, nicht nur nicht beunruhigen; er sollte ihn vielmehr sogar befürworten. Einen Weg, der unmittelbar zur Erkenntnis von „Wahrheit" 3 2 und „Gerechtigkeit" führt, gibt es nicht 3 3 . I m Strafprozeß kann es auch immer nur u m die Erkenntnis der Prozeßwahrheit gehen 34 . Gerade bei der Relativität allen prozessualen Forschens muß jede Trübung und Brechung der Erkenntnis besonders sorgfältig beobachtet werden. Die Prozeßziele bzw. Urteilsziele, i n deren Dienst die Prozeßgrundsätze stehen, heißen deswegen nicht „Sachverhaltsaufklärung" und „Wahrheit" 3 5 und eigentlich auch nicht „Wahrheit" und „Gerechtigkeit" 3 6 , sondern „Wahrheit" und „Justizförmigkeit". „Gerechtigkeit" setzt doch die volle Wahrheit voraus 37 . Verschiedentlich hat aber auch die Rechtsphilosophie der „Gerechtigkeit" den Inhalt einer Suche nach Wahrheit gegeben 38 . 29

Vgl. Sax, K M R , A n m . 1 f. (1) vor §48; Zbinden, S. 149; Graßberger, S. 242. Vgl. Henkel, Lb, S. 198; Peters, Lb, S. 346; Sarstedt, LR, § 136a A n m . l e . Jeder Einzelbeweis u n d jede Beweisart ist dabei auf die Zuverlässigkeit zu untersuchen, Peters, Fehlerquellen I I , S. 194. 31 Vgl. Eb. Schmidt, L k I, R n 428. Z u den Vorteilen u n d Nachteilen von Mündlichkeit u n d Schriftlichkeit Henkel, Lb, S. 328 - 329; Mittermaier, Mündlichkeit (1845), 245 f. u n d 260 f. 32 Z u m Begriff der Wahrheit Spendel, JuS 1964, 463 f.; Krauß, Festschrift für Schaff stein, S. 411 f. 33 Jede richterliche Erkenntnis ist „ m i t t e l b a r " , als sie auf fremden Beweism i t t e l n beruht. Jeder Beweis ist damit letztlich Indizienbeweis, vgl. Käßer, S. 74 m. w. N. 34 Vgl. Spendel, JuS 64, 465 (466): Sachverhaltsaufklärung bedeutet W i r k lichkeitserkenntnis, Rechtsanwendung Rechts- und damit Werterkenntnis, als Strafzumessung Ermessensentscheidung. 35 Die Wahrheit ist zwar von hohem Wert, aber kein allein erstrebenswertes Ziel. Vgl. Peters, Lb, S. 253, u n d BGHSt 14, 358 (365). 36 Henkel, L b , S. 84; Eb. Schmidt, L k I, R n 20. 37 Schmidhäuser, Festschrift für Eb. Schmidt, S. 511 (512); Peters, Lb, S. 72. 38 Vgl. bei Rüping, JR 1974, 135 (138 Note 45), der, S. 139, zutreffend darauf verweist, daß die Idee der Sachgerechtigkeit wiederum n u r für ein Verfahren m i t gleichberechtigten Parteien paßt, die durch ihren wechselseitigen Vortrag vor einem unparteiischen D r i t t e n einen dialektischen Erkenntnisprozeß ermöglichen. 80

I I 5. Vorhalte gegenüber Zeugen

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„Aber es i s t . . . kein Grundsatz der Strafprozeßordnung, daß die Wahrheit u m jeden Preis erforscht werden müßte", BGHSt 14, 358 (365). Justizförmigkeit ist also gerade das Gegenteil von unbedingtem Streben nach Wahrheit. Es ist das Einhalten der die Gerichte verpflichtenden Vorschriften des Rechts 39 . „Wahrheit" und „Gerechtigkeit" oder das „Streben nach Gerechtigkeit" 4 0 oder „Gerechtigkeit und Rechtssicherh e i t " 4 1 verpflichten i n erster Linie den Gesetzgeber zu rechtsstaatlicher gesetzlicher Verfahrensausgestaltung. Der Richter verwirklicht diesen Anspruch, indem er die so ausgerichteten Normen rechtmäßig i m Bemühen um Wahrheit und unter Beachtung der Justizförmigkeit anwendet. So löst er das Spannungsverhältnis von Macht und Recht und von Wahrheit und Gerechtigkeit am „gerechtesten". A n dem Doppelspiel von Wahrheit und Justizförmigkeit muß sich jede Gesetzesauslegung messen. Das M i t t e l der Justizförmigkeit ist dabei die prozessuale Form 4 2 . Die Förmlichkeit ist keine Unabänderlichkeit und auch keine bloße formale „Technik". Sie besitzt Eigenwert 4 3 . Indem der Wahrheitsfindung Wege, aber auch Grenzen gezeigt werden, entfaltet sie i m Einzelfall ihren Schutz 44 . I m Falle der Unmittelbarkeit und des Verlesens hat diese „schützende F o r m " 4 5 aber ihre die Dialektik von Wahrheit und Justizförmigkeit aufhebende Bedeutung. Die das Gericht freisetzende Pflicht, die materielle Wahrheit zu erforschen, ist nicht ohne das das Gericht bindende Prinzip der Unmittelbarkeit durchführbar 4 5 . Nur i n der Würdigung der (zulässigen) Beweise soll dann der Richter frei sein 46 . Freie Überzeugungsbildung bedeutet aber Freiheit und Verantwortung 4 7 . Neben dem Grundsatz der Forschungs39 Krause, Festschrift f ü r K . Peters, S. 323 (328); Rüping, S. 136 u n d 139. I m Ergebnis auch Kern/Roxin, S. 2; Henkel, Lb, S. 91; Eb. Schmidt, L k I, R n 22. 40 Schmidhäuser, S. 511 (523). 41 Peters, L b , S. 73. 42 Eb. Schmidt, L k I, R n 22; ZStW 65 (1953), 161 (166 f.), u n d N J W 1965, 1137 (1142); Beling, Lb, S. 184. Insbesondere erst die Justizförmigkeit des Verfahrens b e w i r k t Rechtssicherheit. 43 Niese, ZStW 63 (1951), 197 (218); Eb. Schmidt, L k I, R n 23. 44 Von „schützenden Formen" spricht zuerst Zachariae, H b I, S. 145 - 146. Sie haben gleichermaßen politische, ethische u n d juristische Bedeutung, Eb. Schmidt, L k I, R n 23. 45 Wenn dem immer noch entgegengehalten w i r d , die „ D y n a m i k der H a u p t verhandlung" etwa sei „ k e i n Eigenwert, zumindest stehe eine solche D y n a m i k nicht höher als die Erforschung der Wahrheit" (Tröndle, J Z 1969, 374 [376]), so w i r d dieses notwendige Zusammenspiel weiter verkannt zugunsten inquisitorischer Verfolgungen. Vgl. auch Krauß, ZStW 85 (1973), 320 (333 Note 31). 48 Innerhalb der Grenzen, die i m wesentlichen durch gesicherte naturwissenschaftliche Erkenntnisse u n d durch zwingende L o g i k (Denkgesetze) gesetzt sind. Vgl. Gollwitzer, LR, § 261 A n m . 5 a. Nach Peters, Festschrift für Olivecrona, S. 532 (541), ist der Grundsatz allgemein auf rationale Grundlagen zu stellen. 47 Peters, Lb, S. 256; Krause, Ub, S. 141; Gollwitzer, LR, § 261 A n m . 5 a. „Der

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3. Teil: Zur Zulässigkeit von freien Vorhalten

freiheit stellt damit auch der Grundsatz der Unmittelbarkeit zum Prinzip der freien Beweiswürdigung ein notwendiges Korrelat 4 8 und Korrekt i v dar. Weil die Bestimmung des § 250 damit dem öffentlichen Interesse an der Wahrheitsfindung dient, ist sie der Verfügung der Prozeßbeteiligten entzogen 49 . Weder kann eine Beweisperson ihre persönliche Aussage durch die Abgabe eines Papieres oder einer Erklärung noch kann der Vorsitzende aufgrund einer diskretionären Gewalt eine unmittelbare persönliche Vernehmung ersetzen. Ist aber jeder Verzicht auf die Einhaltung der Unmittelbarkeit bedeutungslos, so ist es zum einen unzulässig, daß der Vorsitzende beliebiges Aktenmaterial zur „Sachaufklärung" verlesen kann. Die Zulassung des freien Vorhalts bedeutet nichts anderes als ein Überleben und Wiederauferstehen seiner diskretionären Gewalt 5 0 . Ein Verlesen zum Beweis und ein Verlesen zur Aufklärung der Sache ist aber, wie aufgezeigt und wie schon die Motive wußten 5 1 , begrifflich und wirkungsmäßig nicht zu unterscheiden. Zum anderen ist es m i t der unbedingten Geltung des § 250 unvereinbar, daß die Beweisperson — m i t dem Bestätigen eines Vorhalts — darüber entscheidet, ob die Beweisführung eine mittelbare oder eine immittelbare sein soll 5 2 . Geht sie positiv auf den Vorhalt ein, so soll es j a zu einer Teilverwertung der Akten kommen können. Lehnt sie eine Bejahung ab, so soll der Teilrückgriff auf die A k t e n verschlossen bleiben. A n die Stelle von klaren, vom Gesetz vorgegebenen Prozeßformen werden so ermessensbedingte Verhaltensweisen und Willenserklärungen der Prozeßbeteiligten gestellt 53 . Die gegenseitige Abhängigkeit der PrinGrundsatz der freien Beweiswürdigung ist unumgänglich, aber auch gefährlich", Peters, Lb, S. 256. 48 Krause, Ub, S. 141; Kleinknecht, StPO, §250 A n m . 1; H. Mayer, Festschrift f ü r Mezger, S. 455 (469); G. Ziegler, Diss., S. 38; Peters, Festschrift für Olivecrona, S. 532 (541). 49 Sieht m a n einmal v o n der diesen Satz bestätigenden, aber dubiosen Ausnahmeregel des § 251 Abs. 1 Nr. 4 ab. Z u r unbedingten Geltung vgl. RGRspr 7, 401 (402); RGSt 9, 49 (50); 30, 439 (440); 44, 8 (11); R G J W 1935, 2380 Nr. 37; Krause, Ub, S. 160; Lohr, S. 132. 50 d. h. ohne die relativen Vorteile v o n sorgfältig ausgearbeiteten a r t i k u l i e r ten Verhören u n d Gebärdenprotokollen. Dabei übernehmen einige V o r h a l t rechtfertigungen sogar auch die entspr. wörtliche Fassung. Vgl. n u r oben S. 46 bei Note 28. Z u r diskretionären Gewalt oben S. 33 f. Z u r Aufnahme des Vorhalts ins Gebärdenprotokoll vgl. noch Mittermaier, Strafverfahren I, S. 616. 51 s. oben S. 34 Note 111. Selbst Sarstedt gibt i n Verh. des 46. DJT, Bd. 2, S. F 8 (26), zu, daß die Unterscheidung zwischen Vorhalt u n d Verlesung gekünstelt u n d ohne innere Berechtigung ist. 52 Treffend zur damit angesprochenen Frage des dispositiven Strafprozeßrechts Hegler, J W 1928, 818 (819) zu Nr. 42 u. 43; Meyer, G A 74 (130), 178, 348 (350). 58 Vgl. auch Eb. Schmidt, L k I I , § 249 A n m . 19, gegen Inhaltskonstatierung u n d Urkundenreferat.

I I 5. Vorhalte gegenüber Zeugen

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zipien der freien Beweiswürdigung und der Unmittelbarkeit verlangt aber ein äußerst strenges Durchhalten der Förmlichkeit 5 4 . Ein Auflokkern und Verwässern der Form ist ohne bestimmte gesetzliche Beweisregeln und ohne die Rückkehr zu „Transactionssystemen" nicht vertretbar 5 5 . Der Vorhalt verwässert also i m Drang nach falschem „ p e r k u t o rischen Perfektionismus" 5 6 die prozessuale Form an einer Stelle von „höchster justizförmiger Bedeutung" 5 7 . Man sollte sich einmal der Mühe unterziehen, die verschiedenen Brechungen und Trübungen durch Zwischenglieder, die beim Vorhaltvorgang „ f r e i " 5 8 gewürdigt werden müssen, einmal aufzuzählen: Die Wiedergabe eines Zeugen auf einen Vorhalt h i n ist bestenfalls die Aussage über eine Aussage (des vorhaltenden Richters) über eine Aussage (der Vernehmungsperson) über eine Aussage (des Zeugen bei der Vernehmung — falls kein Vorhalt erfolgte . . .) 59 !

54

Eb. Schmidt, L k I I , § 261 A n m . 2, 5. Vgl. schon Zachariae, H b I, S. 51 Note 5, zu der halbherzigen österr. StPO von 1853. s. auch oben S. 31 Note 87. — Als man die Beweisregeln vorbehaltlos aus dem Prozeß verbannte, gab m a n einen „Schatz an fixierter Erfahrung" ungenützt auf, indem m a n die „freie Beweiswürdigung" ζ. T. m i t der Eruierung des Beweismaterials verwechselte. So die zutreffende K r i t i k Westhoff s, S. 169. Dazu auch Peters, Festschrift für Olivecrona, S. 532 (542 f.); Lb, S. 51, 55; Sarstedt, Festschrift für Hirsch, S. 171 f. 56 Eser, N J W 1963, 234 (237). 57 Eb. Schmidt, L k I I , § 249 A n m . 19. G. Ziegler, Diss., S. 58, betrachtet den Vorhalt als die „größte Gefahr für das mündliche Verfahren". 58 Demgegenüber überschätzt ζ. B. Arzt, Festschrift f ü r Peters, S. 223 (237), die Gefahren, die von den privaten Notizen des Richters bei der Beweisaufnahme f ü r die Beweiswürdigung u n d den Angeklagten ausgehen. Daß dieser bezüglich solcher Aufzeichnungen k e i n Einsichtsrecht hat, ist deswegen u n schädlicher, als die Grundlage dieser Gedächtnisstützen f ü r die Würdigung schon für alle erlebbar u n d beeinflußbar i n ordentliche mündliche Verhandlung umgesetzt worden ist. 59 Alsberg, Verh. 35. D J T (1928), Bd. 1, S. 440 (463), übertreibt daher nicht, wenn er die Vorhaltrechtsprechung als „Todesweg des Unmittelbarkeitsprinzips" bezeichnet. 55

Vierter

Teil

Ergebnis der Untersuchung und Strafprozeßreform I. Zusammenfassung de lege lata Damit ergibt sich als Ergebnis der Untersuchung: 1. Der Vorhalt aus Schriftstücken ist eingeschränkter Urkundenbeweis 1 . Als Aussageanreiz gegenüber einer Auskunftsperson gedacht 2 , kommt dem Vorhalt aufgrund der Psychologie der Aussage einerseits 3 und der richterlichen Überzeugungsbildung andererseits 4 faktisch die Wirkung einer teilweisen Urkundenverwertung zu. Als ein zusätzliches Indiz w i r d er die Beweisführung immer irgendwie beeinflussen. A u f einen bloßen Beweis über Hilfstatsachen wie die Glaubwürdigkeit des Zeugen etwa muß sich dessen Wirkung daher nicht beschränken 5 . 2. Aus Kenntnis der Akten frei formulierte Vorhalte verstoßen (u. a.) gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit 6 . Da die §§ 253, 254 nur bestimmte Verlesungsvorhalte gegenüber Auskunftspersonen erlauben 7 , sind formfreie Vorhalte zum Ermessen des Vorsitzenden ausgeschlossen8. a) Den Zeugen und Sachverständigen dürfen zur Aufklärung und zur Vervollständigung der Aussage nach § 69 Abs. 2 höchstens noch Stichwortfragen gestellt werden 9 . Anders ist eine forensisch brauchbare Aussage nicht gewährleistet. b) Dem Angeklagten als Prozeßsubjekt ist Gelegenheit zu freier Selbstdarstellung zu geben 10 . Ein Verhör widerspricht seiner Subjektstellung 1 1 . Weitere Fragen sind i h m gegenüber daher nur gestattet, als sie sich dar1

s. oben S. 225. s .oben S. 108 f., 121 f. 3 s. oben S. 203 f. 4 s. oben S. 215 f. 5 s. oben S. 221 f. 6 s. oben S. 230. 7 s. oben S. 121 f., 140, 157,159, 225. 8 s. oben S. 166, 192 f., 230, 239. 9 s. oben S. 215. 10 Deshalb k o m m t auch der Vorschrift des §257 Abs. 1 eine zwingende Bedeutung zu. Vgl. oben S. 188. 11 s. oben S. 192,193. 2

II. Folgerungen de lege ferenda

241

auf beschränken, die vorurteilsfreie Entgegennahme seiner Äußerungen zu ermöglichen. Deshalb verbietet sich auch, Verhörsperson über die Punkte zu vernehmen, über die der Angeklagte schweigt oder die er bestreitet 1 2 . 3. Da die Verlesungen nach den §§ 253, 254 nur Vorhalte regeln, ist dem Gericht nicht die Wahl zwischen der Aussage i n der Hauptverhandlung und der i m Vorverfahren anheimgestellt. Der Grundsatz der Unmittelbarkeit verbietet, auf Protokollangaben zurückzugreifen, die i m Widerspruch zu den ausdrücklichen Erklärungen der Auskunftsperson i n der Hauptverhandlung stehen 13 . I m Falle des § 254 Abs. 1 ist die Autonomie des Angeklagten heute wenigstens insoweit gewahrt, als für ein „Geständnis" ein volles Tatschuldbekenntnis zu verlangen ist 1 4 . Alleinige Beweisgrundlage darf ein solcher Protokollteil der §§ 253, 254 — wie auch der Erfahrungsschatz des reformierten Prozesses nahelegt — nicht werden 1 5 . I I . Folgerungen de lege ferenda Die Kann-Bestimmungen der §§ 253, 254 bieten genügend Handhabe, u m auf den formfreien Vorhalt ohne Schaden verzichten zu können. Die hilfsweisen Verlesungsvorhalte werden nicht nur allen befürchteten Beweisverlusten wirksam begegnen können. I n ihrer jetzigen Fassung räumen sie auch weiterhin dem Aktenrückgriff durch Urkundenprotokollbeweis noch zu viel mißbräuchliches Gewicht ein. Dabei soll nicht verkannt werden, daß die ganz überwiegende Mehrzahl der an der „Front" stehenden Schwierigkeiten bewältigenden Richter heute gutwillig und informiert ist. Es stimmt auch, daß ein guter Richter selbst gegen ein schlechtes bzw. vages Gesetz i m Einzelfall einmal mehr auszurichten vermag als ein gutes Gesetz gegen einen schlechten Richter 1 . Rechtliche Regelungen müssen sich aber gerade i n kritischen Fällen und auch i n Krisenzeiten bewähren 2 . Die richterliche Beweisabwicklung ist verwalteter Gesellschaftsschutz und bedarf als Herrschafts12

s. oben S. 196. s. oben S. 135 f., 200, 232. 14 s. oben S. 190. 15 s. oben S. 159, 191, 226. D a r i n liegt keine unzulässige Beschneidung der „freien" Beweiswürdigung. Angesichts des wissenschaftlichen Charakters der straf richterlichen Sachaufklärung (wissenschaftliche Beweistheorie), die v i e l fältige Beschränkungen des Richters bei der Beweiswürdigung nach sich zieht, bringt der Begriff „heute lediglich die Freiheit des Richters von Regeln zum Ausdruck, die i h n zwingen, gegen seine Überzeugung etwas als erwiesen anzusehen", Krause, Festschrift für Peters, S. 322 (330). Vgl. auch oben S. 237 u n d S. 239 Note 55. Dazu auch Sarstedt, Beweisregeln i m Strafprozeß, Festschrift für Hirsch, S. 171 (175f.); Peters, K r i m . A k t u a l i t ä t , Heft 8, 29 (31): V o r sichtsregeln bei der Wertbestimmung. 1 s. Amelunxen, D R i Z 1962,188 (190,191). 2 Vgl. Roxin, Reform, S. 52 (54). 13

16 K u c k u c k

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4. Teil: Ergebnis der Untersuchung und Strafprozeßreform

ausübung unabhängig von den heute wohlmeinenden Richtern der justizförmigen Kontrolle und Kanalisierung 3 . Solange sich diese hier vorgeschlagene rechtliche Kanalisierung sachgerecht an den rechtsstaatlichen Prozeßzielen orientiert, ist i h r gegenüber der V o r w u r f der Einseitigkeit oder der Beweiserschwerung nicht begründet. Die Erkenntnisse der Wissenschaft und dabei vor allem der Psychologie, die ζ. T. auch die Erfahrungen und Schlüsse des Inquisitions- und reformierten Verfahrens bestätigen, sind für die Objektivierung der Sachverhaltsfeststellung noch mehr nutzbar zu machen. Bei einer Reform der Bestimmungen über den Urkundenbeweis sollte man die hilfsweise Beweisfunktion, die der Verlesungsvorhalt erlaubt, daher dadurch klarstellen, daß allen Beteiligten bewußt gemacht wird, daß kein uneingeschränkter Urkundenbeweis geführt werden soll. Eine solche Klarstellung könnte etwa folgendermaßen lauten: Der Vorhalt, der Beweispersonen eine Aussage ermöglichen soll, erlaubt, zusammen m i t der A n t w o r t darauf, nur eine Beweisführung, u m Hilfstatsachen über die Beweismittel selbst zu gewinnen. Damit es i m wesentlichen bei einer solchen Hilfsfunktion bleibt, wäre der Anwendungsbereich des Vorhalts einzuschränken. Die Vorschrift des § 253 Abs. 1 könnte auf die von Richtern aufgenommenen Protokolle beschränkt werden 4 . Ein Verlesungsvorhalt, um das Gedächtnis zu „unterstützen", erlaubt, wie zur Aussagepsychologie festgestellt, keine selbständige Antwort 5 . Deshalb war auch schon den reformierten Gesetzen ein Verlesen früherer Angaben zur Aussagenunterlage fremd 6 . Eine Aussagenunterlage von gesicherter rechtsstaatlicher Qualität gewährt nur die richterliche Vernehmung. Auch die Möglichkeit des § 253 Abs. 2, verschiedene Aussagen i n allen Einzelheiten anzupassen, w i r k t prozeßpsychologisch unheilvoll 7 . Der heutige § 253 Abs. 2 könnte daher später i n etwa so heißen: Der Vorhalt ist nur zulässig, u m einen Widerspruch festzustellen oder zu klären, wenn der vermeintliche Widerspruch Kernpunkte der Handlung betrifft oder eine Aussageinkonstanz aussagepsychologischen Gesetzmäßigkeiten widersprechen kann 8 . 3

Dazu Kaiser, Festschrift f ü r Maurach, S. 25 (28). Dementsprechend muß auch die ohnehin fragwürdige A u f f ü h r u n g des §253 i n §325 fallen. Vgl. die K r i t i k bei Eb. Schmidt, L k I I , §325 A n m . 2; Alsberg/Nüse, S. 420 u. 426; Lohr, S. 151 f.; Krause, Ub, S. 174,179. 5 s. oben S. 211. 6 s. oben S. 29 Note 77 u n d S. 35 Note 122. 7 s. oben S. 212. Nicht ohne G r u n d w u r d e §253 auch bei der 1. Gesetzesberatung gestrichen, s. oben S. 130. 8 Deshalb ist endlich f ü r eine intensivere psychologische Aus- u n d F o r t b i l dung der Richter zu sorgen. 4

III. Sonstige Reformvorschläge und Bilanz

243

Zusätzlich wäre, u m eine personale Reflexion dieser Erkenntnis zu schaffen, wie schon zu Zeiten der CCC ein Verbot erheblicher Suggestionsfragen i n § 69 Abs. 2 S. 2 zu verankern: Gegebenenfalls sind auch Stichwortfragen zulässig. Jede weitere Beeinflussung ist unzulässig®. Dem „Vorurteil", das den Angeklagten m i t der förmlichen Anklage t r i f f t 1 0 , und der Degradierung des Beschuldigten vom Prozeßsubjekt zum Beweismittel 1 1 ist entgegenzuwirken. Auch wenn der augenblickliche Zeitgeist aufgrund der jüngsten Entwicklungen diesen Forderungen nicht ganz wohlgesonnen sein mag 1 2 , die Bestimmung des § 254 sollte entfallen und das „Gehör" — nicht die „Vernehmung" 1 3 — des Angeklagten nach § 243 Abs. 4 i n § 243 Abs. 5 präzisiert werden 1 4 : Dem Angeklagten ist Gelegenheit zu freier Stellungnahme zu geben. Weitere Fragen und Hinweise, die sich auf seine Äußerung beziehen müssen, sollen i h m seine Stellungnahme ermöglichen helfen. Ein Vorhalt früherer Äußerungen ist ebenso unzulässig, wie Verhörspersonen über die Punkte zu vernehmen, über die der Angeklagte schweigt oder die er bestreitet. I I I . Ausblick auf sonstige Reformvorschläge und Bilanz der Reform durch das 1. StVRG 1 Die Anerkennimg dieser Forderungen verwirklicht die Grundlagen für den allseits angestrebten Anklageprozeß. Erst die Absage an ein Verhör des Angeklagten und die weitgehende Verdrängung des Vorhalts aus dem Gerichtssaal beseitigen die augenscheinlichsten Überbleibsel des I n quisitionsprozesses 2. Denn nicht so sehr seine bloße Aktenkenntnis und 9 U m andererseits die Suggestion der A k t e n zu beschränken, ist ein geänderter §23 Abs. 3 a. F. wiedereinzuführen, m i t der Maßgabe, daß die an der Eröffnung des Hauptverfahrens beteiligten Richter — m i t Ausnahme des Vorsitzenden — i n der Hauptverhandlung nicht mehr m i t w i r k e n dürfen. Vgl. auch Eb. Schmidt, L k I , R n 161 Note 285 m. w . N.; Roxin, Reform, S. 61. Der bisherige § 23 Abs. 3 ist m i t der Voruntersuchung entfallen. 10 Vgl. auch noch Graßberger, 100 Jahre reformierter Strafprozeß, S. 17 (25). 11 Dazu oben S. 184 bis S. 195. I n dieser Richtung auch Jescheck, Neue E n t wicklungstendenzen, S. 39 (51). 12 Verfahrensrecht k a n n u n d darf sich n u r an den Grundsätzen des „fairen Verfahrens" orientieren, vgl. auch Schmidt-Leichner, N J W 1975, 417 (418). 13 s. oben S. 102,187. 14 s. oben S. 195,197. 1 V o m 9.12.1974, B G B l I S. 3393. 2 Vgl. stellvertretend f ü r 100 Jahre K r i t i k von Glaser, Verh. 7. D J T (1868), Bd. 1, S. 86 (89), u n d Kleine Schriften (1883), S. 407 (419), über Fr. Stein, Z u r Justizreform (1907), S. 30, u n d Graf zu Dohna, Verh. 35. D J T (1928), Bd. 1, S. 129 (135); Alsberg, ebenda, S. 440 (444), bis zu Schmidt-Leichner, N J W 1951,

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4. Teil: Ergebnis der Untersuchung und Strafprozeßreform

auch nicht so sehr seine Verpflichtung, i n der gerichtlichen Voruntersuchung zu ermitteln, zogen den Richter i n das Zwielicht einseitiger Verfolgungen. Erst die m i t dem Verzicht auf den Vorhalt 3 gewonnene Zurückhaltung i n der Hauptverhandlung läßt den von zweifelhafter Ermittlungstätigkeit befreiten Vorsitzenden dem „Richterbild des Grundgesetzes" 4 einen guten Schritt näher kommen, weil der Beschuldigte und die Beweispersonen nicht weiter, durch jeden Vorhalt eingeschüchtert 5 , i n i h m einen persönlichen Gegner 6 erblicken müssen. Die weitgehend suggestionsbefreite Erfragung und Entgegennahme der Beweise gibt dem Richter die Möglichkeit, sich statt dessen mehr auf deren kritische Reflexion und Beurteilung zu konzentrieren 7 . Diese kritische Distanz braucht er ganz notwendig, stoßen doch i m Erkenntnisverfahren Personen m i t oft sehr unterschiedlichen Verständnishorizonten aufeinander. Das Verfahren ist zwar zu rationalisieren und zu beschleunigen 8 . U m nicht die Grenzen zwischen Anklage- und Inquisitionsprozeß und Vorund Hauptverfahren länger zu verwischen, bedeutet aber die Bewältigimg des Vorhaltproblems die Voraussetzung für jede Reform der Beweisaufnahme 9» 1 0 . Wenn man die A k t e n und Vernehmungen i n die Hän7 (8); Roesen, N J W 1958, 977 (978); Heinitz, JR 1961, 241 (245); Dahs, Festschrift f ü r Schorn (1966), S. 14 (16, 20, 40); Recken, DRiZ 1968, 38; Tröndle, D R i Z 1970, 213 (216), u n d Hanack, J Z 1972, 202 (203). 3 Wenn dagegen etwa Engelhard, ZStW 58 (1939), 335 (348 f.), die Vorhalte dem Staatsanwalt übertragen w i l l , so ist damit n u r ein Rollentausch vorgenommen, der die Unzulässigkeit des Rückgriffs auf die A k t e n nicht beseitigt. 4 So die Begründung zum Regierungsentwurf des 1. StVRG, BR-Drucksache 208/72, BT-Drucksache 551/74, S. 42, zur Abschaffung der gerichtlichen V o r untersuchung. Der Ausdruck stammt (wohl) v o n Recken, D R i Z 1968, 38. 5 Schon Feuerbach, Mündlichkeit I I , S. 379, kritisierte, daß der Zeuge „durch Vorhaltung der Widersprüche geängstigt, durch Verdächtigung seiner W a h r haftigkeit öffentlich beschämt" w i r d . 6 Vgl. oben S. 193, 201. 7 Vgl. n u r oben S. 195 Note 107, S. 217 Note 126. 8 So Abschnitt 3 des kriminalpolitischen Programms der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristen, Göttinger Tagung v o m 25. - 27. 1. 1974, S. 35 f. 9 Als notwendiges Stück „ A k t e n r e f o r m " , vgl. A. Henschel, S. 124. Ebenso Schreiber, Festschrift f ü r Welzel, S. 941 (956 Note 72). Das übersieht etwa Herrmann, Reform der Hauptverhandlung, insb. S. 400, u n d ZStW 80 (1968), 775 f., der für eine Beweisaufnahme der Parteien die Ansichten über das englische u n d amerikanische Verfahren von Vorurteilen befreien w i l l . Vgl. auch zu ähnlichen Reformvorschlägen die Nachweise bei Herrmann, Reform, S. 49 f. u. S. 124 f. 10 So wollte auch der E n t w u r f eines Gesetzes über den Rechtsgang i n Strafsachen (E 1920), der den Parteien i m § 240 gestattete, die von ihnen benannten Zeugen u n d Sachverständigen selbst zu vernehmen, das inquisitorische V e r hör des Angeklagten aufgrund der A k t e n beseitigen u n d die Hauptverhandlung von der E i n w i r k u n g des Vorverfahrens „soweit als möglich" befreien (E 1920, S. 22); für den E 1920 auch Dahs, Festschrift f ü r Schorn, S. 14 (35). Weitere Nachweise oben S. 62 Note 140. (Forts. S. 245)

I I I . Sonstige Reformvorschläge u n d Bilanz

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de d e r P a r t e i e n legt, e n t f ä l l t ebenso w i e b e i e i n e m besonderen V e r h a n d l u n g s l e i t e r 1 1 z w a r die G e f a h r , daß A k t e n i n h a l t , d e r n i c h t Gegenstand d e r V e r h a n d l u n g w a r , b e i der E n t s c h e i d u n g s b i l d u n g V e r w e n d u n g findet. D a gegen ist die andere G e f a h r , n ä m l i c h daß d a n n die v e r n e h m e n d e P a r t e i oder der v e r n e h m e n d e R i c h t e r , d e n A k t e n i n h a l t i n die V e r h a n d l u n g p r o j i z i e r t , g e n a u so groß, w i e w e n n d e r e r k e n n e n d e R i c h t e r selbst v e r n i m m t 1 2 . A u c h das E r s t e Gesetz z u r R e f o r m des S t r a f v e r f a h r e n s r e c h t s v e r k e n n t , daß e i n „schnelleres" V e r f a h r e n 1 3 n u r zu l e i c h t a u f K o s t e n eines „ g u t e n " gehen k a n n 1 4 . D i e m a t e r i e l l r e c h t l i c h e H i n w e n d u n g v o m T a t - z u m T ä t e r s t r a f recht v e r l a n g t a u f d e r prozessualen Seite, h i n s i c h t l i c h d e r T a t - u n d T a t s c h u l d f e s t s t e l l u n g , die Rechte des i n t e n s i v e r i n A n s p r u c h g e n o m m e n e n B ü r g e r s zu v e r s t ä r k e n . U m das E r m i t t l u n g s v e r f a h r e n z u straffen, s i n d Beschuldigte, Z e u g e n u n d Sachverständige nach d e r „ B e s c h l e u n i g u n g s n o v e l l e " 1 5 v e r pflichtet, a u f L a d u n g v o r d e r m i t Z w a n g s m i t t e l n b e w e h r t e n Staatsan§ 236: „Verweigert der Angeklagte bei seiner Vernehmung über die Anklage seine Aussage, so dürfen weder Niederschriften über frühere Vernehmungen verlesen werden noch Zeugen über die niedergeschriebenen Aussagen vernommen werden. — Bestreitet der Angeklagte bei seiner Vernehmung Tatsachen, die er bei einer früheren Vernehmung eingeräumt hat, oder t r i t t ein Widerspruch m i t einer früheren Aussage hervor, so k a n n i h m die frühere Aussage vorgehalten werden. I m übrigen dürfen dem Angeklagten belastende U m stände aus den A k t e n nicht vorgehalten werden. Es ist auch unzulässig, Niederschriften über frühere Vernehmungen des Angeklagten zu verlesen oder Zeugen über die niedergeschriebenen Aussagen zu vernehmen; dies gilt nicht für eine gemäß § 190 Abs. 2 b e w i r k t e Vernehmung, wenn die Feststellung des Inhalts der früheren Aussage erforderlich ist u n d bei der Vernehmung die gesetzlichen Vorschriften beobachtet sind" (Anm.: §190 Abs. 2 betrifft die Vernehmung des Beschuldigten durch den Ermittlungsrichter). § 241 : „ H a t ein Zeuge oder Sachverständiger bei einer früheren Vernehmung Tatsachen bekundet, deren er sich i n der Hauptverhandlung nicht mehr erinnert, so k a n n ihm, u m sein Gedächtnis zu unterstützen, die frühere Aussage vorgehalten werden; eine Verlesung der Niederschrift über die frühere V e r nehmung oder eine Vernehmung v o n Zeugen über die niedergeschriebene Aussage ist unzulässig. Das gleiche gilt, w e n n die Aussage m i t der früheren Aussage i n Widerspruch steht." 11 Diesen Vorschlag Oetkers, GS 65 (1905), 325 (329), wiederholt von Drucker, J W 1924, 1672 (1673), u n d Alsberg, Verh. 35. D J T (1928), Bd. 1, S. 440 (447), vertreten heute etwa Roxin, Kern/Roxin, S. 80; Grünhut, Festschrift für Weber, 343 (359 f.), u n d Eb. Schmidt, D R i Z 1959, 16 (21), u n d N J W 1969, 1137 (1144). Dagegen Jescheck, J Z 1970, 201 (205), u n d Henkel, Lb, S. 253 Note 7. Umfassende Nachweise bei Herrmann, Reform, S. 77 f., 97 f. u n d 131 f. 12 Überzeugend Engelhard, ZStW 50 (1930), 197 (206, 207). Vgl. auch Dahs, Festschrift f ü r Schorn, S. 14 (40). 13 Das 1. StVRG bezeichnet es als sein Hauptanliegen, das Strafverfahren zu straffen u n d zu beschleunigen (Begr. RegE S. 38). 14 Vgl. die K r i t i k von Hanack, Festschrift für Gallas, S. 333 (342), u n d von Dahs, N J W 1974,1538 (1541). 15 Unter diesem Stichwort firmierte das 1. StVRG bezeichnenderweise zunächst, vgl. Hanack, Festschrift f ü r Gallas, S. 343 Note 15. Einen Überblick über dessen H a u p t i n h a l t gibt Rieß, N J W 1975, 81 f.

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4. Teil: Ergebnis der Untersuchung und Strafprozeßreform

waltschaft zu erscheinen 16 . Für Zeugen und Sachverständige geht damit die Verpflichtung einher, wahrheitsgemäß auszusagen. I n dieser Übertragung von Zwangsbefugnissen auf den Staatsanwalt — ohne sie durch ausgleichende Rechte des Beschuldigten zu flankieren 17 — sieht der 50. Deutsche Juristentag zutreffend Gefahren für die Gewaltenteilung und Wahrheitsfindung 1 8 » l ö . Die Beteuerung des Reformgesetzes, der Nachteil, daß bei staatsanwaltlichen Vernehmungen kein Anwesenheitsrecht des Beschuldigten und seines Verteidigers besteht, werde dadurch korrigiert, daß Niederschriften über nichtrichterliche Vernehmungen grundsätzlich nicht zum Zwecke des Beweises verlesen werden dürften (§ 251 Abs. I, 2) 20 , tröstet wenig. Die bestehende Vorhaltpraxis macht es ein leichtes, eine Aussageperson auf angebliche frühere Äußerungen „festzunageln". Darüber hinaus muß auch die Möglichkeit, i m Ermittlungsverfahren eidesstattliche Versicherungen zu verlangen, zu einer „Zementierung" der Aussagen führen 2 1 . Sarstedts Befürchtung, die Verhandlungen „würden sich dann anhören, als ob Schallplatten miteinander diskutieren" 2 2 , aber macht deutlich, was es heißt, der Gerichtsverhandlung Unmittelbarkeit und Spontaneität zu nehmen. 16

§§ 161 a, 163 a Abs. 3. Dazu Lampe, N J W 1975,195 f. Statt die Rechte des Beschuldigten zu verstärken, hat das Reformgesetz die i n manchem überlebte Voruntersuchung (dafür noch Jescheck, JZ 1970, 201 [204]; Kohlhaas, ZRP 1971, 32; dagegen etwa Hanack, a.a.O., S. 342; Schäfer, LR, Einf. S. 135) u n d das zum weiteren Schutz des Beschuldigten erst 1964 eingeführte Schlußgehör wieder abgeschafft (vgl. dazu Dahs, N J W 1974, 1539 [1540]; Herrmann, ZStW 85 [1973], 255 [275]). Die Kodifikation m a r k i e r t damit einen Wendepunkt i n den strafprozessualen Reformüberlegungen, fallen doch die gleichzeitig v e r w i r k l i c h t e n Verbesserungen der Rechtsstellung des Beschuldigten i m 1. StVRG sowohl zahlenmäßig w i e auch i n ihrer Bedeutung gegenüber den Beschleunigungsmaßnahmen nicht ins Gewicht. Vgl. Jung, JuS 1975, 261 (265); 1974, 195 (198), der darin einen Verstoß gegen das Postulat der Waffengleichheit von Staatsanwalt u n d Verteidiger sieht. Z u r Waffengleichheit Kohlmann, Festschrift für Peters, S. 311 f.; Graßberger, 100 Jahre reformierter Strafprozeß, S. 17 (25). 18 Die strafprozessuale A b t e i l u n g lehnte die Übertragung richterlicher K o m petenzen auf den Staatsanwalt ganz überwiegend ab. M i t 89 :50 :3 Stimmen sprach man sich dafür aus, die §§ 161 a, 163 a des 1. StVRG wieder zu streichen, s. N J W 1974,1987 (1989). 19 Kritisch zur heute i n der Regel mehr theoretischen Weisungsgebundenheit des Staatsanwalts Wagner, JZ 1974, 212 (215). Z u Bedenken aus A r t . 104 GG Schnickmann, M D R 1976, 363 f. 20 Begr. RegE, S. 43. F ü r eine Verlesbarkeit bei Anwesenheitsrecht des Angeklagten aber schon Kohlhaas, D R i Z 1974, 215 (217). Damit w ü r d e sich die Entwicklung derjenigen i n der DDR anpassen, wo die Protokolle der S t A u n d der Untersuchungsorgane den richterlichen gleichgestellt wurden, vgl. Β echthold, Die Prozeßprinzipien i m Strafverfahren der DDR, S. 129. 21 Sarstedt bei Gerhardt, ZRP 1972, 73; Hanack, Festschrift für Gallas, S. 342 Note 14. 22 Sarstedt. Bemerkenswert sein Sinneswandel zu Verh. des 46. D J T (1966), Bd. 2, S. F 8 (25, 26). 17

Literatur- und Zitierverzeichnis Es wird (Klammern)

grundsätzlich enthalten.

nach

dem

Autor

zitiert

Die

Zitierweise

ist

in

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