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German Pages 368 [369] Year 2023
Internetrecht und Digitale Gesellschaft Band 54
Zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Betreibers einer Plattform im Darknet
Von
Theresa Bächer
Duncker & Humblot · Berlin
THERESA BÄCHER
Zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Betreibers einer Plattform im Darknet
Internetrecht und Digitale Gesellschaft Herausgegeben von
Dirk Heckmann
Band 54
Zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Betreibers einer Plattform im Darknet
Von
Theresa Bächer
Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Bayreuth hat diese Arbeit im Jahr 2023 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten
© 2024 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Satz: TextFormA(r)t, Daniela Weiland, Göttingen Druck: CPI books GmbH, Leck Printed in Germany ISSN 2363-5479 ISBN 978-3-428-18987-8 (Print) ISBN 978-3-428-58987-6 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 Internet: http://www.duncker-humblot.de
Für meine Familie
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2023 von der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth als Dissertation angenommen. Gesetzgebung, Rechtsprechung und Schrifttum konnten bis zum Abgabezeitpunkt im September 2022 berücksichtigt werden. Besonderer Dank gilt meiner akademischen Lehrerin, Frau Professor Dr. Nina Nestler, die mich nicht nur während der Zeit des Studiums unterstützte, sondern auch zur Promotion bewegte. Dabei ließ sie mir jede Freiheit, stand mir jedoch stets mit gewinnbringenden Ratschlägen und Anregungen zur Seite. Großer Dank gebührt auch Herrn Professor Dr. Brian Valerius, der sich trotz seines Verlassens der Universität Bayreuth zur Anfertigung des Zweitgutachtens bereit erklärte. Für die Übernahme des Prüfungsvorsitzes möchte ich außerdem Herrn Professor Dr. Martin Schmidt-Kessel danken. Herzlicher Dank gilt all meinen ehemaligen Kolleginnen und Kollegen, insbesondere Frau Katja Helmrich, Herrn Albert Kochs, Herrn Dr. Stefan Lehner, Herrn Philipp Prochota, Herrn Adrian Schiffner, Herrn Gregor Vechtel und Herrn Dr. Helge Wiechmann. Sie bereicherten die vergangenen Jahre durch unbeschreiblichen Humor, fachlichen Rat und freundschaftlichen Rückhalt in fordernden Phasen. Danken möchte ich außerdem meinen Freunden, besonders Frau Marie-Madeline Dippold, für ihr stets offenes Ohr sowie meinen Schwestern Frau Franziska Bächer und Frau Marina Reichl, die mir immer beiseitestehen und diese Arbeit nicht zuletzt durch wertvolle Anmerkungen gefördert haben. In besonderer Erinnerung werde ich die Unterstützung von Herrn Norman Krischke behalten, der mich durch herausfordernde Zeiten getragen und vor allem ertragen hat. Ihm bin ich für unzählige Gespräche, umfassende Korrekturtätigkeiten und unerschütterliche Geduld in jeder Lebenslage unendlich dankbar. Den größten Dank schulde ich jedoch meinen Eltern Hermann und Rita Bächer, die jede meiner Entscheidungen unterstützen und deren Rückhalt und Zuspruch mich stets ermutigen. Meiner Familie ist diese Arbeit in Liebe gewidmet. Bayreuth, im Sommer 2023
Theresa Bächer
Inhaltsverzeichnis Einleitung 21 A. Anlass der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
Teil 1
Die Strukturen des Darknets 26
A. Einführung in die Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 I.
Surface Web, Deep Web und das Darknet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
II.
Das Spektrum verschiedener Darknets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
B. Funktionsweise der Tor-Technologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 I.
Verschleierung der IP-Adresse eines Nutzers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
II.
Der „Onion Service“ eines Plattformbetreibers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
C. Klassifizierung verschiedener Plattformen und Verhaltensmuster . . . . . . . . . . . . . . . 33 I.
Underground Economy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
II.
Plattform-Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 1. Marktplätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2. Foren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
III. Abgrenzung verschiedener Ausrichtungen von Plattformen . . . . . . . . . . . . . . . 41 1. Plattform mit ganz oder teilweise krimineller Ausrichtung . . . . . . . . . . . . . 41 2. Plattform mit legaler Ausrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 IV. Verhaltensmuster der Betreiberebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
Teil 2
Relevanz des Haftungsprivilegs der §§ 7 Abs. 2, 10 TMG 47
A. Rechtsnatur der §§ 7 bis 10 TMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 B. Haftungssystem der §§ 7 bis 10 TMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 C. Dogmatische Einordnung der §§ 7 bis 10 TMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
10
Inhaltsverzeichnis I.
Zweistufige Modelle als sogenannte Filtermodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
II.
Einstufige Modelle als sogenannte Integrationslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
III. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 D. Das Betreiben einer Darknet-Plattform im Lichte des § 10 TMG . . . . . . . . . . . . . . . . 53 I. II.
Personelle Privilegierungsvoraussetzungen des § 10 TMG . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Sachliche Privilegierungsvoraussetzungen des § 10 TMG . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 1. Verkaufsangebote und Forenbeiträge als „Information“ . . . . . . . . . . . . . . . 55 a) Abgrenzung: Eigene oder fremde Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 b) Zu-eigen-Machen fremder Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 aa) Figur des „Zu-eigen-Machens“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 bb) Unvereinbarkeit mit Vorgaben der E-Commerce-Richtlinie . . . . . . 57 cc) Zwischenbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 2. Speicherung fremder Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 3. Unkenntnis (Nr. 1) oder unverzügliches Tätigwerden bei Kenntnis (Nr. 2) . . 60 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
III. Begrenzung des § 10 TMG durch das Neutralitätsgebot des EuGH . . . . . . . . . . 62 1. Grundlagen des Neutralitätsgebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 2. Bedeutung und Tragweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 a) Aktive Rolle in „L’Oréal v. eBay“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 b) Aktive Rolle in „YouTube“ und „Cyando“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 c) Kenntnis oder Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 d) Zwischenbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 e) Auswirkungen auf § 10 TMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 3. Aktive Rolle bei krimineller Ausrichtung der Darknet-Plattform . . . . . . . . 73 a) Einbüßen von Neutralität bei Förderung von Rechtsverletzungen . . . . . 73 b) Konkretisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 aa) Schaffung kriminalitätsbezogener Themenkategorien . . . . . . . . . . 76 bb) Implementierung von Zugangsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . 77 cc) Kriminalitätsbezogene Benennung der Plattform . . . . . . . . . . . . . . 78 dd) Erwirtschaftung eigener wirtschaftlicher Vorteile . . . . . . . . . . . . . . 79 ee) Ermöglichung anonymer Dienstenutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 4. Aktive Rolle bei teilweise krimineller Ausrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 5. Aktive Rolle bei Einflussnahme auf konkrete Nutzerbeiträge . . . . . . . . . . 81 a) Optimierung der Angebotspräsentation und Bewerbung von Beiträgen 81 b) Inhaltliche Vorabkontrollen von Nutzerbeiträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 c) Betätigen des „multi-signature-escrow“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
Inhaltsverzeichnis
11
d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
Teil 3
Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung 86
A. Die Abgrenzung des positiven Tuns vom pflichtwidrigen Unterlassen . . . . . . . . . . . . 87 I.
Allgemeine Abgrenzungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
II.
Die aktive Gefahrschaffung des Betreibers krimineller Infrastruktur . . . . . . . . 89
B. Täterschaft im Rahmen extensiv gefasster Tatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 I.
Bildung krimineller Vereinigungen nach § 129 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 1. „Vereinigung“ im Sinne von § 129 Abs. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 a) Vereinigung zwischen Betreiber- und Nutzerebene . . . . . . . . . . . . . . . . 95 b) Vereinigung innerhalb der Betreiberebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 2. Vereinigungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 3. „Gründen“, „Sich als Mitglied beteiligen“ oder „Unterstützen“ . . . . . . . . . 100 4. Besonders schwerer Fall nach § 129 Abs. 5 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
II.
Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Sinne von §§ 29 ff. BtMG . . . . . . . . . 102 1. Tathandlung des „Handeltreibens“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 a) Extensive Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 b) Handeltreiben des Plattformbetreibers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 2. Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme durch die Rechtsprechung . . 106 a) Eigennützigkeit des Täterverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 b) Abgrenzungskriterien der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 3. Besonders schwerer Fall und Qualifikationstatbestände der §§ 29 ff. BtMG 110 a) Gewerbsmäßiges Handeltreiben nach § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG . . 111 b) Handeltreiben in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG 113 c) Bandenmäßigkeit nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 BtMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 d) Bandenmäßiges Handeln in nicht geringer Menge nach § 30a Abs. 1 BtMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116
III. Bieten einer Gelegenheit nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 BtMG . . . . . . . . . . . . 117 1. Darknet-Plattform und die „Gelegenheit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 2. Unbefugter Erwerb oder unbefugte Abgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 3. „Verschaffen“, „Gewähren“ oder „Mitteilen“ einer Gelegenheit . . . . . . . . 120 a) Abgrenzung der Tatmodalitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
12
Inhaltsverzeichnis b) Enge Verbindung zur geförderten Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 4. Eigennützigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 IV. Handeltreiben im AntiDopG, GÜG, NpSG, AMG, StGB und KrWaffKontrG . 126 V.
Handeltreiben im Sinne der §§ 51, 52 WaffG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 1. „Vermittlung“ des Erwerbs, des Vertriebs oder des Überlassens . . . . . . . . . 129 2. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
VI. Betreiben des Verkehrs nach § 40 Abs. 1 Nr. 2 SprengG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 VII. Das Zugänglichmachen und der Besitz nach §§ 184b, 184c StGB . . . . . . . . . . 133 1. „Zugänglichmachen“ im Sinne der §§ 184b, 184c StGB . . . . . . . . . . . . . . 134 a) Die Tathandlung des „Zugänglichmachens“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 b) „Öffentlichkeit“ trotz Implementierung von Keuschheitsproben . . . . . . 136 2. Qualifikationstatbestände des § 184b Abs. 2 StGB und § 184c Abs. 2 StGB 138 3. Besitz im Sinne der §§ 184b, 184c StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 VIII. Zugänglichmachen nach § 130 Abs. 2 Nr. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 IX. Kein „Zugänglichmachen“ rechtswidrig erlangter Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 X.
Zusammenfassung zur täterschaftlichen Verantwortlichkeit des Betreibers . . . 142
C. Die Mittäterschaft zwischen Betreiber- und Nutzerebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 I.
Die gemeinsame Tatausführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 1. Qualität des Tatbeitrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 2. Zeitpunkt der Erbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
II.
Der gemeinsame Tatentschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148
III. Tatbeiträge der Betreiberebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 1. Zurverfügungstellung von Infrastruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 2. Einwirkung auf Nutzerbeiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 D. Die Mittäterschaft innerhalb der Betreiberebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 E. Das Betreiben einer Darknet-Plattform im Lichte des § 26 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . 158 I.
„Bestimmen“ eines Nutzers zur Haupttat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159
II.
Konkretisierung der Haupttat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 F. Öffentliche Aufforderung zu Straftaten nach § 111 Abs. 1 Var. 1 StGB . . . . . . . . . . . . 162 I.
Begriff des Aufforderns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
Inhaltsverzeichnis II.
13
Zurverfügungstellung der kriminell ausgerichteten Plattform . . . . . . . . . . . . . . 164
III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 G. Die Beihilfestrafbarkeit des Plattformbetreibers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 I.
Anforderungen an ein „Hilfeleisten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165
II.
Sozialinadäquanz des Bereitstellens und Betreibens krimineller Infrastruktur . 170
III. Die subjektive Tatseite und die Bestimmtheit des Gehilfenvorsatzes . . . . . . . . 173 1. Vorsatz bezüglich der Hilfeleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 2. Vorsatz bezüglich der Haupttat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 a) Anforderungen an die Konkretisierung der Haupttat . . . . . . . . . . . . . . . 175 b) Vorstellung des Betreibers von der Haupttat eines Nutzers . . . . . . . . . . 178 aa) Die Einordnung Grecos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 bb) Tatbestandsbezug bei krimineller Ausrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . 179 cc) Umgang der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 H. Die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit für Folgeschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 I. II.
Die kausale Verursachung des Taterfolgs der §§ 222, 229 StGB . . . . . . . . . . . . 186 Objektive Sorgfaltspflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 1. Die Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt . . . . . . . . . . 187 2. Die Sorgfaltspflichtverletzung eines Plattformbetreibers . . . . . . . . . . . . . . 189
III. Die objektive Vorhersehbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 IV. Objektive Zurechnung mittelbarer Taterfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 1. Pflichtwidrigkeitszusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 2. Schutzzweck der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 3. Das vorsätzliche Dazwischentreten eines Nutzers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 b) Zurechnung mittelbarer Taterfolge bei Betreiben einer Plattform . . . . . 197 4. Selbstschädigung beziehungsweise Selbstgefährdung eines Nutzers . . . . . 200 V.
Zusammenfassung zur Fahrlässigkeitsstrafbarkeit für Folgeschäden . . . . . . . . 203
I. „Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet“ gemäß § 127 StGB . . . . . . . 204 I.
Entwicklung des § 127 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 1. Der Vorstoß des Bundesrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 2. Die Ausweitung des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat 207 3. Der Entwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz 208
II.
Rechtsgut und Deliktsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212
III. Regelungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218
14
Inhaltsverzeichnis 1. Handelsplattform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 2. Erfassung sämtlicher virtueller Infrastrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 3. „Betreiben“ einer Handelsplattform als inkriminierte Tathandlung . . . . . . 224 4. Kriminelle Zweckausrichtung der Handelsplattform . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 a) „Handelsplattform […], deren Zweck darauf ausgerichtet ist“ . . . . . . . 227 b) Würdigung der angeführten Indizien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 aa) Art und Weise der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 bb) Gesamtschau des tatsächlichen Angebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 cc) Verortung im Darknet oder Deep Web . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 c) Plattformen mit teilweise krimineller Ausrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . 236 d) „Ermöglichung“ oder „Förderung“ der Begehung rechtswidriger Taten 238 5. Verzicht auf „Haupttat“ und Ausgestaltung der subjektiven Tatseite . . . . . 239 6. Enumerativer Katalog rechtswidriger Taten des § 127 Abs. 1 Satz 2 StGB . 243 7. Gewerbs- oder bandenmäßige Begehung nach § 127 Abs. 3 StGB . . . . . . . 246 8. Verbrechensqualifikation des § 127 Abs. 4 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 9. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 a) Grundsätze formeller Subsidiarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 b) Konkurrenzen im Übrigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 10. Die strafanwendungsrechtliche Ausweitung des § 5 StGB . . . . . . . . . . . . . 255 11. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 IV. Für und Wider der aktualisierten Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 1. Der Nutzen eines § 127 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 2. Die Schattenseiten der Reform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 a) Zur Legitimation von Vorfeldtatbeständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 b) Notwendigkeit eines § 127 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 aa) Fehlender Beleg für unzureichende Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . 271 bb) Das Unrecht des Betreibens krimineller Plattformen und § 27 StGB 273 (1) Strafe des Gehilfen und Konkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 (2) Relativierung der Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 c) Vermeintlich prozessuale Schlüsselnorm im materiellen Recht . . . . . . . 277 aa) Der Anfangsverdacht und das telemedienrechtliche Haftungsprivileg 278 bb) Ausweitung der Straftatenkataloge der §§ 100a ff. StPO . . . . . . . . 279 (1) „Besonders schwere“ und „schwere“ Straftaten der §§ 100a ff. StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 (2) Einordnung des § 127 Abs. 3, Abs. 4 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 cc) Der Irrweg technikbasierter Ermittlungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . 285 3. Notwendigkeit ganzheitlicher und nachhaltiger Ansätze . . . . . . . . . . . . . . 288 a) Ausbau personeller und technischer Ressourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 b) Intensivierung internationaler Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290
Inhaltsverzeichnis
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c) Weitere Neuerungen betreffend Ermittlungen im Darknet . . . . . . . . . . 292 aa) „Keuschheitsproben“ und §§ 184b Abs. 6, 176e Abs. 5 StGB und § 110d StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 bb) Retrograde Auskunftsverlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 cc) Vorlagepflicht nach § 39 Abs. 4a PostG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 J. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299
Teil 4 Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit legaler Ausrichtung 301
A. Der Vorwurf einer unterlassenen Löschung strafbarer Nutzerinhalte . . . . . . . . . . . . . 301 B. Täterschaft oder Teilnahme im Unterlassungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 C. Zur Beschränkung neutralen Verhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 I.
Anwendbarkeit des Differenzierungsansatzes auf Plattformbetreiber . . . . . . . . 305 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 2. Besonderheit der Asynchronität bei Tatbegehung mittels Plattform . . . . . . 307 3. Fruchtbarmachung für Plattform-Konstellation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308
II.
Bedeutung der §§ 7 Abs. 2, 10 TMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 1. Einfluss inhaltsreicher Sondernormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 2. Die Verantwortlichkeitsfreistellung der §§ 7 Abs. 2, 10 TMG . . . . . . . . . . . 312
III. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 D. Die Suche nach einer Garantenpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 I.
Keine Garantenpflicht aus § 10 TMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315
II.
Keine Garantenpflicht aus Ingerenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317
III. Die Garantenpflicht aus der Verantwortung für Gefahrenquellen . . . . . . . . . . . 319 1. Darknet-Plattform als Gefahrenquelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 2. Herrschaft über die Gefahrenquelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 3. Begrenzende Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 E. Fahrlässigkeitsstrafbarkeit für Folgeschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 F. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367
Abkürzungsverzeichnis a. A. andere Ansicht a. E. am Ende a. F. alte Fassung ABl. Amtsblatt Abs. Absatz / Absätze Abschn. Abschnitt AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union AfP Archiv für Presserecht (Zeitschrift) Alt. Alternative AMG Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz) Anm. Anmerkung AntiDopG Gesetz gegen Doping im Sport (Anti-Doping-Gesetz) AO Abgabenordnung APuZ Aus Politik und Zeitgeschichte (Zeitschrift) Art. Artikel AtG Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz) Aufl. Auflage BayObLG Bayerisches Oberstes Landesgericht BayObLGSt Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Strafsachen BDSG Bundesdatenschutzgesetz Bearb. Bearbeiter BeckRS Beck Rechtsprechung Begr. Begründer Beschl. Beschluss BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHSt Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen BR-Drs. Bundesratsdrucksache BT-Drs. Bundestagsdrucksache Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz) BtMG BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Corporate Compliance Zeitschrift (Zeitschrift) CCZ CR Computer und Recht (Zeitschrift) DDoS Distributed Denial of Service DEA Drug Enforcement Administration DesignG Gesetz über den rechtlichen Schutz von Design (Designgesetz) Deutsche Richterzeitschrift (Zeitschrift) DRiZ
Abkürzungsverzeichnis DSM-RL
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Richtlinie (EU) 2019/790 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinien 96/9/EG und 2001/29/EG, ABl. EU 2019 Nr. L 130, S. 92 DStZ Deutsche Steuerzeitung (Zeitschrift) DuD Datenschutz und Datensicherheit (Zeitschrift) ECRL Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“), ABl. EG 2000 Nr. L 178, S. 1 Europäische Gemeinschaft EG EL Ergänzungslieferung The European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction EMCDDA und andere et al. EU Europäische Union Gerichtshof der Europäischen Union EuGH EuGRZ Europäische Grundrechte Zeitschrift (Zeitschrift) EUV Vertrag über die Europäische Union f. folgende / r FBI Federal Bureau of Investigation ff. folgende Fn. Fußnote GA Goltdammer’s Archiv für Strafrecht (Zeitschrift) GG Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland GRUR Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift) GRUR-RR Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Rechtsprechungsreport (Zeitschrift) GÜG Gesetz zur Überwachung des Verkehrs mit Grundstoffen, die für die unerlaubte Herstellung von Betäubungsmitteln missbraucht werden können (Grundstoffüberwachungsgesetz) Höchstrichterliche Rechtsprechung im Strafrecht (Zeitschrift) HRRS Hrsg. Herausgeber Internationaler Gerichtshof IGH Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom InfoSoc-RL 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, ABl. EG 2001 Nr. L 167, S. 10 Internet Protocol IP IRG Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen IT-Rechtsberater (Zeitschrift) ITRB i. V. m. in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift) JA JEP The Journal of Electronic Publishing (Zeitschrift) JK Jura-Kartei (Zeitschrift) JR Juristische Rundschau (Zeitschrift) Jura Juristische Ausbildung (Zeitschrift) jurisPK juris PraxisKommentar
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Abkürzungsverzeichnis
juris PraxisReport jurisPR Juristische Schulung (Zeitschrift) JuS Juristenzeitung (Zeitschrift) JZ Kap. Kapitel KG Kammergericht KGSG Gesetz zum Schutz von Kulturgütern (Kulturgutschutzgesetz) Kriminalpolitische Zeitschrift (Zeitschrift) KriPoZ KrWaffKontrG Ausführungsgesetz zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes (Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen) Kommunikation & Recht (Zeitschrift) K&R LG Landgericht Lit. Buchstabe mit weiteren Nachweisen m. w. N. Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen (MarkenMarkenG gesetz) Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift) MDR Staatsvertrag über Mediendienste (Mediendienste-Staatsvertrag) MDStV Medizinrecht (Zeitschrift) MedR Zeitschrift für IT-Recht und Recht der Digitalisierung (Zeitschrift) MMR MStV Medienstaatsvertrag Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in Netzwerken (NetzNetzDG werkdurchsetzungsgesetz) Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) NJW Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (ZeitNJW-RR schrift) NpSG Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz Nummer / n Nr. Neue Zeitschrift für Strafrecht (Zeitschrift) NStZ Neue Zeitschrift für Strafrecht Rechtsprechungs-Report (Zeitschrift) NStZ-RR NZWiSt Zeitschrift zum Wirtschafts-, Steuer- und Unternehmensstrafrecht (Zeitschrift) OLG Oberlandesgericht Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Opiumgesetz) OpiumG Permanent Court of International Justice PCIJ PostG Postgesetz RefE Referentenentwurf RegE Regierungsentwurf RG Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen RGSt Rn. Randnummer Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag) RStV Zeitschrift für rechtswissenschaftliche Forschung (Zeitschrift) RW S. Seite Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe (Sprengstoffgesetz) SprengG StGB Strafgesetzbuch Ständiger Internationaler Gerichtshof StIGH StPO Strafprozessordnung StrafR Strafrecht
Abkürzungsverzeichnis
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StrÄndG Strafrechtsänderungsgesetz StV Strafverteidiger (Zeitschrift) Strafverteidiger Spezial (Zeitschrift) StV-S TDG Gesetz über die Nutzung von Telediensten (Teledienstegesetz) TKG Telekommunikationsgesetz TKÜ Telekommunikationsüberwachung TMG Telemediengesetz TOP Tagesordnungspunkt The Onion Router / The Onion Routing Tor TTDSG Gesetz über den Datenschutz und den Schutz der Privatsphäre in der Telekommunikation und bei Telemedien (Telekommunikation-TelemedienDatenschutz-Gesetz) u. a. und andere UAbs. Unterabsatz Urt. Urteil v. von / vom Variante / n Var. vgl. vergleiche VO Verordnung Vor Vorbemerkung / Vorbemerkungen WaffG Waffengesetz WiJ Journal der Wirtschaftsstrafrechtlichen Vereinigung e. V. (Zeitschrift) wistra Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht (Zeitschrift) ZCB Zentralstelle Cybercrime Bayern ZEuP Zeitschrift für Europäisches Privatrecht (Zeitschrift) ZIRE Zentrale Internet Recherche Einheit ZIS Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik (Zeitschrift) ZJS Zeitschrift für das Juristische Studium (Zeitschrift) ZKDSG Gesetz über den Schutz von zugangskontrollierten Diensten und von Zugangskontrolldiensten (Zugangskontrolldiensteschutz-Gesetz) ZKI Zentrum für Bekämpfung von Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch im Internet Zeitschrift für Rechtspolitik (Zeitschrift) ZRP Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft (Zeitschrift) ZStW Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht (Zeitschrift) ZUM Zeitschrift für Wirtschaftsstrafrecht und Haftung im Unternehmen (ZeitZWH schrift)
Einleitung A. Anlass der Untersuchung Die stetig zunehmende Digitalisierung begünstigt verglichen zu analogen Strukturen nicht zuletzt das Verbreiten von Inhalten – seien dies Waren und Dienstleistungen, seien dies Äußerungen – in vielerlei Hinsicht. Derweil entpuppen sich internetbasierte Plattformen für Käufer, Verkäufer sowie deren Betreiber als besonders lohnend, sind diese doch einem breiten Publikum jederzeit und beinahe allerorts unter vergleichsweise geringem Aufwand zugänglich. Ebenjene Überlegenheit bedingt neben Plattformen mit legaler Ausrichtung indes zugleich solche, die seitens der Betreiberebene kriminell ausgerichtet sind, indem diese aufgrund einer entsprechenden Ausgestaltung den Handel mit illegalen Waren und Dienstleistungen durch die Nutzer ermöglichen. Zwar ist der Einsatz von Internetplattformen zur Begehung von Straftaten im Grunde kein völlig neues Phänomen.1 Anstelle der Verwendung des „traditionellen“ Internets instrumentalisieren Delinquenten jedoch vermehrt das sogenannte Darknet als „verborgenen“ Bereich der Internetstruktur. Das Spektrum an Straftaten reicht dort unterdies von einem unerlaubten Handel mit Betäubungs- oder Arzneimitteln sowie Schusswaffen und Munition bis hin zum Handel mit gestohlenen Kreditkartendaten oder dem Austausch (kinder-)pornografischer Inhalte.2 Insoweit verkörpert der Einsatz des Darknets eine mehr oder minder neue Art der internetbasierten Deliktsbegehung, deren entscheidender Wert gegenüber herkömmlichen Internetstrukturen aus Sicht des Anwenders vorwiegend in dem hohen Maß an Anonymität sämtlicher Beteiligter zu erblicken ist.3 Die besonderen Gegebenheiten einer Tatbegehung mittels Darknets sind es jedoch zugleich, die das Kern- und Nebenstrafrecht, Strafverfolgungsbehörden sowie Gerichte zweifelsohne vor neuartige Herausforderungen stellen. Schließlich ist es neben den Straftaten der Nutzer hauptsächlich die straf 1 Exemplarisch hatte sich schon im Jahr 2007 eine bandenmäßige Gruppierung zusammengeschlossen, um eine Internetplattform zum Austausch kinderpornografischer Inhalte zur Verfügung zu stellen. Das von Frühjahr 2007 bis September 2008 unterhaltene Board „Z.“ diente dort als „schwarzes Brett“, auf dem Mitglieder Nachrichten oder Anfragen hinterlassen sowie kinderpornografische Materialien verbreiten konnten, vgl. den Sachverhalt in BGH v. 18. 01. 2012 – 2 StR 151/11, BeckRS 2012, 6061 Rn. 3. 2 Zu diesen und weiteren Deliktsbereichen vgl. bereits Bundeskriminalamt, Bundeslagebild Cybercrime 2017, S. 25 sowie ausführlich Teil 1 C. I. 3 Abgesehen von etwaigen Besonderheiten des Darknets lassen sich die nachfolgenden Untersuchungsergebnisse zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Betreibers einer Plattform jedoch für sämtliche Internetplattformen, das heißt ungeachtet der Verortung innerhalb der Internetstruktur, fruchtbar machen.
22
Einleitung
rechtliche Verantwortlichkeit des Betreibers einer Plattform im Darknet, deren Begründung dem ersten Anschein nach problembehaftet ist. Dieser agiert zwar angesichts der meist schlichten Zurverfügungstellung und Aufrechterhaltung der erforderlichen Infrastruktur vielfach als eine Art bloßer Vermittler zwischen den unmittelbar rechtsverletzenden Nutzern einer Plattform, ermöglicht wird jedoch – gegebenenfalls gegen Provisionen je getätigtes Nutzergeschäft – eine Vielzahl an unterschiedlichen Haupttaten. Spätestens infolge des im Jahr 2018 ergangenen, richtungsweisenden Urteils des LG Karlsruhe rückte das Darknet sowie im Besonderen die Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit eines Plattformbetreibers in den Fokus der Strafgerichte und sodann der Rechtswissenschaft: Das LG Karlsruhe verurteilte den Betreiber des Darknet-Forums „Deutschland im Deep Web“ unter anderem wegen fahrlässiger Tötung in neun Fällen in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren, nachdem der Schütze des Amoklaufs im Münchener Olympia-Einkaufszentrum am 22. Juli 2016 mittels einer über das Forum erworbenen Pistole Glock 17 neun Menschen und anschließend sich selbst tötete.4 Das Rechtsmittel des Angeklagten hatte der BGH ohne weitere Begründung verworfen.5 Speziell im Hinblick auf das Betreiben eines Darknet-Handelsplatzes vereinbarte zugleich bereits die Regierungskoalition der 19. Legislaturperiode in ihrem Koalitionsvertrag, eine Strafbarkeit für das Betreiben krimineller Infrastrukturen einzuführen, soweit diesbezüglich Strafbarkeitslücken bestünden.6 Im Jahr 2019 unterbreitete der Bundesrat auf Initiative des Bundeslands Nordrhein-Westfalen7 einen ersten Gesetzentwurf zur eigenständigen Kriminalisierung des Anbietens internetbasierter Leistungen,8 dessen zentrale Vorschrift des § 126a StGB-E noch einen überwiegenden Darknet-Bezug aufweisen und den laut Bundesrat bestehenden Lücken im Strafrecht entgegentreten sollte.9 Mit der Reform um die Schaffung eines eigenständigen Straftatbestands gingen indes teils beachtliche Änderungen einher, als neben dem Bundesrat auch das Bundesministerium des Innern, für Bau 4
LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013; den Sachverhalt zusammenfassend ferner etwa Nadeborn, jurisPR-StrafR 14/2019 Anm. 4; Söbbing, ITRB 2019, 77 und Vogt, Die Kriminalpolizei 2017 (Nr. 2), 4. 5 BGH v. 06. 08. 2019 – 1 StR 188/19; vgl. die Pressemitteilung Nr. 109/2019 v. 19. 08. 2019, abrufbar unter: https://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2019/ 2019109.html (Abruf am 28. 09. 2022). 6 Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 19. Legislaturperiode, S. 128, abrufbar unter: https://www.bundesregierung.de/resource/blob/974430/847984/5b8bc23590d4c b2892b31c987ad672b7/2018-03-14-koalitionsvertrag-data.pdf (Abruf am 28. 09. 2022). 7 Gesetzesantrag des Landes Nordrhein-Westfalen, Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes – Einführung einer eigenständigen Strafbarkeit für das Betreiben von internetbasierten Handelsplattformen für illegale Waren und Dienstleistungen, BR-Drs. 33/19. 8 Zum daraus folgenden Gesetzentwurf des Bundesrats siehe BT-Drs. 19/9508. 9 Zum überwiegenden Darknet-Bezug unter anderem Zöller, KriPoZ 2019, 274, 279; zur vom Bundesrat vorgebrachten Lücke siehe BT-Drs. 19/9508, S. 9 ff.
B. Gang der Untersuchung
23
und Heimat mit einem ausgeweiteten § 126a StGB-E10 sowie das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz mit einem abweichenden § 127 StGB-E11 einen Vorschlag zur Neuregelung des Strafgesetzbuchs vorlegten. Die im Gesetzgebungsverfahren abermals abgeänderte Vorschrift des § 127 StGB trat nunmehr trotz massiver Kritik12 zum 1. Oktober 2021 in Kraft13 und nimmt als inkriminierte Tathandlung explizit das Betreiben einer solchen Handelsplattform im Internet in den Blick, deren Zweck darauf ausgerichtet ist, die Begehung bestimmter rechtswidriger Taten zu ermöglichen oder zu fördern. Vor dem Hintergrund ebendieser Entwicklungen der jüngeren Zeit sei daher nachstehend die strafrechtliche Verantwortlichkeit eines Plattformbetreibers de lege lata im praxisrelevanten Kriminalitätsbereich des Darknets eingehend beleuchtet, wobei nicht zuletzt die tatsächliche Erforderlichkeit eines allen Einwänden zum Trotz eingefügten § 127 StGB sowie die aktualisierte Rechtslage kritisch zu würdigen ist.
B. Gang der Untersuchung Zur Aufarbeitung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Betreibers einer Plattform im Darknet sind es sodann im Wesentlichen die nachfolgenden Themenkomplexe, die eine nähere Betrachtung erfordern: Welchen Einfluss nehmen die 10
Referentenentwurf des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 27. März 2019, Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Erhöhung der Sicherheit informationstechnischer Systeme (IT-Sicherheitsgesetz 2.0 – IT-SiG 2.0), nachfolgend: RefE IT-Sicherheitsgesetz 2.0, abrufbar unter: https://intrapol.org/wp-content/uploads/2019/04/IT-Sicherheitsgesetz2.0-_-IT-SiG-2.0.pdf (Abruf am 28. 09. 2022). 11 Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Strafbarkeit des Betreibens krimineller Handelsplattformen im Internet, nachfolgend: RefE kriminelle Handelsplattformen, abrufbar unter: https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/RefE_ kriminelle_Handelsplattformen.pdf?__blob=publicationFile&v=1 (Abruf am 28. 09. 2022); zum nachfolgenden Gesetzentwurf siehe BT-Drs. 19/28175. 12 Zu kritischen Stimmen aus dem Schrifttum bezüglich der Schaffung einer eigenständigen Strafbarkeit für das Betreiben krimineller Infrastrukturen etwa Bachmann / Arslan, NZWiSt 2019, 241, 245 ff.; Bartl / Moßbrucker / Rückert, Angriff auf die Anonymität im Internet, S. 1 ff.; Ceffinato, ZRP 2019, 161 ff.; Greco, ZIS 2019, 435, 449 ff.; Kubiciel / Mennemann, jurisPRStrafR 8/2019 Anm. 1; Nadeborn, jurisPR-StrafR 14/2019 Anm. 4; Oehmichen / Weißenberger, KriPoZ 2019, 174, 175 ff.; Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 10 ff.; Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 290 ff.; Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 222 ff.; Zöller, KriPoZ 2019, 274, 277 ff.; Zöller, KriPoZ 2021, 79 ff.; vgl. zur Reform auch Kusche, JZ 2021, 27 ff. sowie die kritischen Stellungnahmen im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz von Jahn, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 1 ff.; Rückert, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 1 ff. und Zöller, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 1 ff.; im Grundsatz befürwortend, jedoch mit Kritik zur Ausgestaltung etwa Brodowski, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 1 ff.; Eisele, Stellungnahme zu BTDrs. 19/28175, S. 1 ff. sowie Goger, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 1 ff. 13 Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Strafbarkeit des Betreibens krimineller Handelsplattformen im Internet vom 12. 08. 2021, BGBl. I 2021, S. 3544.
24
Einleitung
telemedienrechtlichen Verantwortlichkeitsvorschriften auf das Betreiben einer Plattform im Darknet? Inwieweit ist der Betreiber nach den allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen verantwortlich? Und ausgehend hiervon: War die eigenständige Strafbarkeit des Betreibens krimineller Plattformen im Internet im Sinne von § 127 StGB tatsächlich erforderlich oder bedarf es anderweitiger Instrumentarien, um dem Kriminalitätsbereich des Darknets langfristig Einhalt zu gebieten? Zu diesem Zweck erfolgt in Teil 1 zunächst eine grundlegende Einführung in die spezifischen Strukturen des Darknets, die neben der technischen Funktionsweise zugleich die verschiedenen Erscheinungsformen einer Plattform im Darknet veranschaulicht. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Bereich des Darknets Studien zufolge nicht allein illegale Inhalte bereithält,14 wird dort insbesondere eine Unterscheidung zwischen den ganz oder teilweise seitens der Betreiber kriminell ausgerichteten Plattformen sowie denjenigen mit legaler Ausrichtung bemüht. Fokussiert seien ferner typische Verhaltensmuster der Betreiberebene beziehungsweise ein unter Umständen divergierendes Maß an Einflussnahme vonseiten des Betreibers auf die von Nutzern erstellten Beiträge. Die in den Blick genommene Forschungsfrage geriert sich zudem als Querschnittsmaterie zwischen Straf- und Telemedienrecht. Daher reflektiert Teil 2 eingangs die Relevanz der unionsrechtlich geprägten telemedienrechtlichen Verantwortlichkeitsvorschriften der §§ 7 bis 10 TMG hinsichtlich des Betreibens einer Plattform im Darknet. Neben der Rechtsnatur der §§ 7 bis 10 TMG ist dabei nicht zuletzt die Frage um deren Verhältnis zum Strafrecht sowie deren faktische Reichweite in Bezug auf das Betreiben einer Plattform im Darknet einer Klärung zuzuführen. Dies zugrunde gelegt, rücken Teil 3 sowie Teil 4 sodann die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Plattformbetreibers im Darknet für strafbare Nutzerinhalte in den Fokus. Aufgrund des zweifelsohne gesteigerten Gefährdungspotentials sowie der Einführung des jene Sachverhalte betreffenden § 127 StGB wird in Teil 3 zuvorderst die Verantwortlichkeit des Betreibers einer seinerseits ganz oder teilweise kriminell ausgerichteten Plattform beleuchtet, indem die verschiedenen strafrechtlichen Anknüpfungspunkte umfassend analysiert werden. Der eigens geschaffenen und gegenüber Vorschriften mit schwererer Strafe formell subsidiären Regelung des § 127 StGB, die nunmehr speziell das Betreiben einer kriminellen Handelsplattform als inkriminierte Tathandlung mit Strafe bedroht, kommt indes ausdrücklich Auffangcharakter zu, „sodass es ihrer Anwendung nicht bedarf, wenn aufgrund anderer Strafvorschriften eine hinreichende Ahndung möglich ist.“15 Bevor daher der Regelungsinhalt des § 127 StGB sowie dessen Verhältnis zum im Übrigen geltenden Kern- und Nebenstrafrecht eingehend zu untersuchen ist, widmet sich Teil 3 zunächst einer umfassenden Aufarbeitung der abgesehen von § 127 StGB denkba 14
Exemplarisch so die Auswertung von Moore / Rid, Survival 2016, Vol. 58 (1), 7, 20 f. sowie Teil 1 C. I. 15 BT-Drs. 19/28175, S. 16.
B. Gang der Untersuchung
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ren materiell-rechtlichen Erfassung. Neben einer gar täterschaftlichen Verantwortlichkeit innerhalb ausgewählter, für das Darknet szenetypischer, Deliktstatbestände bei Betreiben der Plattform erscheint zugleich insbesondere eine mittäterschaftliche Tatbegehung zwischen Betreiber und Nutzer zumindest diskussionswürdig. Dort, wo keine (mit-)täterschaftliche Verantwortlichkeit des Betreibers in Betracht kommt, schließt sich ferner zwangsläufig die Frage einer Beihilfestrafbarkeit an, wobei nicht zuletzt klassische Problemkreise wie die Grenze neutraler Handlungen sowie die Begründung eines Gehilfenvorsatzes von Bedeutung erscheinen. Abseits einer vom Vorsatz des Betreibers getragenen Deliktsbegehung ist letztlich eine etwaige Fahrlässigkeitsstrafbarkeit in Bezug auf Folgeschäden des eigentlichen Handels von illegalen Waren und Dienstleistungen – etwa die vom Nutzer begangene Mehrfachtötung unter Zuhilfenahme einer über die Plattform erworbenen Waffe – eingehend zu beleuchten. Ausgehend von einer umfassenden Analyse der Anforderungen des § 127 StGB sowie dessen Verhältnis zu den ansonsten geltenden Strafvorschriften sei anschließend unter Würdigung des Für und Widers fokussiert, ob die Schaffung der Vorschrift erforderlich war und der im Darknet vorherrschenden Problematik tatsächlich zuträglich ist oder sich das Tätigwerden in eine kritische Entwicklung der gesetzgeberischen Überregulierung einfügt. In Anbetracht der Tatsache, dass das Darknet Studien zufolge nicht allein durch die seitens des Betreibers ganz oder teilweise kriminell ausgerichteten Plattformen gekennzeichnet ist, sei mit Teil 4 abschließend in der gebotenen Kürze fokussiert, unter welchen Voraussetzungen auch der Betreiber einer Plattform mit grundsätzlich legaler Ausrichtung bei vereinzeltem Missbrauch derselben durch Dritte strafrechtlich belangt werden kann. Schließlich wohnt auch Plattformen mit legaler Ausrichtung besonders im anonymisierten Bereich des Darknets eine gewisse Missbrauchsgefahr inne. Sodann schließt die Arbeit mit einer zusammenfassenden Schlussbetrachtung der gefundenen Ergebnisse.
Teil 1
Die Strukturen des Darknets Nähert man sich der aufgeworfenen Forschungsfrage, scheint zunächst ein Überblick über die Strukturen des Darknets geboten. Schließlich erfordert eine präzise Untersuchung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit eines Plattformbetreibers die Aufarbeitung der dortigen Gegebenheiten und Abläufe. Zu Beginn sei daher kurz der Bereich des Darknets von den übrigen Internetstrukturen abgegrenzt. Delinquenten instrumentalisieren zudem meist die Funktionsweise der sogenannten Tor-Technologie zur Deliktsbegehung, bietet doch die hierdurch zu erreichende Anonymität zweifelsohne ein attraktives Umfeld zur Straftatbegehung. Ausgehend von jener Erkenntnis wird in der gebotenen Kürze die Sicherstellung weitestgehender Anonymität am Beispiel des Tor-Netzwerks beschrieben. Dem folgt zuvorderst eine knappe Darstellung charakteristischer Plattform-Modelle im Darknet in Form von digitalen Marktplätzen oder Foren, um sodann Plattformen, die seitens der Betreiberebene erkennbar auf die Ermöglichung des Handels mit illegalen Waren oder Dienstleistungen ausgerichtet sind, von solchen mit legaler Ausrichtung abzugrenzen. Abschließend sei der Fokus auf die insoweit typischen Verhaltensmuster sowie ein teils divergierendes Maß an Einflussnahme der Betreiber auf Nutzergeschäfte gelegt.
A. Einführung in die Terminologie Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Betreibers einer Plattform im sogenannten „Darknet“ umschreibt ein vergleichsweise neues Phänomen der (Straf-) Rechtswissenschaft, wobei der Begriff „Darknet“ gewissermaßen durch Berichterstattungen, Gesetzentwürfe sowie die wenigen Urteile1 vorgegeben wird. Bevor insoweit jedoch auf begriffliche Klarstellungen verwiesen sei, soll das Darknet kurz von den sonstigen Internetstrukturen abgegrenzt werden.
1 BT-Drs. 19/9508; RefE IT-Sicherheitsgesetz 2.0; BT-Drs. 19/28175; LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013. Zunehmend in das Bewusstsein der Öffentlichkeit rückte das Darknet schon durch das Werk von Bartlett, The Dark Net – Inside the Digital Underworld, wobei dieses im englischsprachigen Raum meist als „Dark Net“ oder „Dark Web“ bezeichnet wird.
A. Einführung in die Terminologie
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I. Surface Web, Deep Web und das Darknet Die Internetstruktur lässt sich im Grunde in zwei Bereiche kategorisieren, namentlich das sogenannte „Surface Web“ sowie das sogenannte „Deep Web“.2 Bergman – als Begründer der Begrifflichkeiten – vergleicht einen Suchvorgang im Internet sinngemäß mit dem Ziehen eines Netzes über die Meeresoberfläche.3 Demnach könne dort zwar ein vergleichsweise großer Fang an Informationen erzielt werden, eine Fülle an Informationen bleibe insoweit jedoch in den Tiefen des Meeres verborgen.4 In Bergmans Vergleich stellen Suchmaschinen die genannten Fangnetze dar. Inhalte, die unter Verwendung herkömmlicher Suchmaschinen wie Google, Bing oder Yahoo auffindbar sind, gelten als Bestandteil des Surface Web, mithin der Meeresoberfläche.5 Solche Inhalte dagegen, welche nicht von einer Suchmaschine indexiert werden, werden dem Deep Web zugerechnet.6 Mit anderen Worten befindet sich das Deep Web eine Schicht unterhalb des Surface Web und entspricht – hält man an der Metapher Bergmans fest – seinem Sinn nach der Tiefsee.7 Internetseiten im Deep Web speichern ihre Informationen in durchsuchbaren Datenbanken, die ausschließlich als Folge einer direkten Anfrage verwertbare Resultate liefern.8 Daher muss einem Nutzer deren konkrete Internetadresse bekannt sein, um diese zu erreichen, wobei sich exemplarisch besonders solche Internetseiten anführen ließen, die eine Registrierung oder einen Login als Zugangsberechtigter erfordern, das heißt etwa Online-Bibliotheken.9 Damit ist jedoch nichts über die Einordnung des Darknets in jene Strukturen gesagt.10 Innerhalb der juristischen Fachliteratur wird dieses teils als ein „anonymer und vollständig verschlüsselter Rechnerverbund […]“11, teils konkreter als „Teil 2 Zur Differenzierung ausführlich Bergman, JEP 2001, Vol. 7 (1); instruktiv etwa Ihwas, WiJ 2018, 138 ff. Das Surface Web wird teils auch als „Clearnet“ bezeichnet, Mey, APuZ 2017, 46–47, 4. 3 Bergman, JEP 2001, Vol. 7 (1); erläuternd auch Freiling, in: Rückert / Wüst, KriPoZ 2018, 247. 4 Bergman, JEP 2001, Vol. 7 (1). 5 Bergman, JEP 2001, Vol. 7 (1); zusammenfassend etwa Franzetti, Essenz der Informatik, S. 96 f.; Kashyap / Bussler / Moran, The Semantic Web, S. 23. 6 Bergman, JEP 2001, Vol. 7 (1); erläuternd ebenfalls Franzetti, Essenz der Informatik, S. 97; Kashyap / Bussler / Moran, The Semantic Web, S. 23; Freiling, in: Rückert / Wüst, KriPoZ 2018, 247 f. 7 In diesem Sinne Freiling, in: Rückert / Wüst, KriPoZ 2018, 247 f. 8 Bergman, JEP 2001, Vol. 7 (1). 9 Siehe Bergman, JEP 2001, Vol. 7 (1); dazu auch Rückert, Politische Studien 69 (2018), 12, 13. 10 Der Begriff des Darknets wurde bereits im Jahre 2002 im Rahmen einer Veröffentlichung geprägt und dort noch als eine „collection of networks and technologies used to share digital content“ definiert, Biddle / England / Peinado / Willman, in: Digital Rights Management, 155. Dass Inhalte in diesen Netzwerken nicht anonymisiert geteilt wurden, ist laut Ihwas wohl auf ein mangelndes Bewusstsein zurückzuführen, für das Teilen von Inhalten belangt zu werden, vgl. hierzu Ihwas, WiJ 2018, 138, 140. 11 Kochheim, Cybercrime, S. 587; siehe auch Bachmann / Arslan, NZWiSt 2019, 241, 242.
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Teil 1: Die Strukturen des Darknets
des Deep Web, der nur über spezielle Browser-Software erreichbar ist, welche die IP-Adresse des Nutzers verschleiert (zumeist Tor-Browser)“12 beschrieben. Insoweit lassen die vorstehenden Definitionsversuche bereits erkennen, dass das Darknet lediglich einen begrenzten Bestandteil des Deep Web abbildet und nicht mit ebenjenem gleichzusetzen ist.13 Zwar muss dem Nutzer im Darknet gleichermaßen die konkrete Adresse einer Internetseite – etwa im Tor-Netzwerk also die .onion-Adresse – bekannt sein, um diese zu erreichen.14 Im Wesentlichen ergeben sich allerdings zwei Besonderheiten des Darknets: Denn zum einen erfordert das Erreichen des Deep Web anders als der Zugang zum Darknet nicht generell die Verwendung einer speziellen Browser-Software. Vielmehr genügt, dass der Nutzer die konkrete Adresse der Internetseite kennt und die gegebenenfalls erforderlich werdenden Zugangsberechtigungen erfüllt. Zugang zum Darknet erlangt ein Nutzer hingegen ausschließlich unter Nutzung der speziellen Browser-Software (etwa des Tor-Browsers). Zum anderen wird das Surfen im Deep Web nicht standardmäßig anonymisiert. Setzt ein Akteur hingegen die spezielle Browser-Software ein, wird auf diese Weise ein hohes Maß an Anonymität durch Verschleierung der Identität sichergestellt.15
II. Das Spektrum verschiedener Darknets In der medialen Berichterstattung, der juristischen Fachliteratur sowie den hiesigen Ausführungen ist ferner der Einfachheit halber von „dem Darknet“ die Rede. Ebendies ist jedenfalls insoweit unpräzise, als de facto eine Vielzahl an verschiedenen Darknets vorzufinden ist.16 Metaphorisch betrachtet, umschließt ein Darknet einen verborgenen Raum, welcher lediglich für den Inhaber des zugehörigen Schlüssels – das heißt der jeweiligen Softwareanwendung – zugänglich ist.17 Zugang zu den unterschiedlichen Darknets kann sich daher ausschließlich unter Verwendung der spezifischen Browser-Software des jeweiligen Darknets verschafft werden.18 Soweit sodann trotz des Spektrums an Darknets von „dem 12
Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 2. Ihwas, WiJ 2018, 138, 139; Rückert, Politische Studien 69 (2018), 12, 13; Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 2; Tzanetakis, in: Drogen, Darknet und Organisierte Kriminalität, 11, 13; zur Abgrenzung auch Rückert, ZStW 129 (2017), 302, 310 f.; Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 31 ff.; Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 28 f. Irrtümlich wird das Darknet teils als Deep Web bezeichnet beziehungsweise werden die aufgeführten Begrifflichkeiten synonym verwendet, darauf verweisend Mey, Darknet, S. 13. Ebenso kritisch zur heutzutage überholten, teils verwendeten „Eisberg-Metapher“ zur Veranschaulichung des Umfangs des Surface Web im Verhältnis zum Deep Web sowie Darknet Mey, APuZ 2017, 46–47, 4. 14 Ihwas, WiJ 2018, 138, 139. Siehe zum Tor-Netzwerk sogleich Teil 1 B. 15 Zur Abgrenzung des Darknets schon Ihwas, WiJ 2018, 138, 139. 16 Zur Existenz verschiedener Darknets bereits Ihwas, WiJ 2018, 138, 139. 17 Ihwas, WiJ 2018, 138, 139. 18 Ihwas, WiJ 2018, 138, 139. 13
B. Funktionsweise der Tor-Technologie
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Darknet“ die Rede ist, ist damit zumeist das wohl bekannteste Netzwerk gemeint, welches unter Verwendung des sogenannten Tor-Browsers für Nutzer erreichbar ist. Gleichzusetzen ist der Begriff des Darknets jedoch nicht mit dem Tor-Darknet. Eine gleichermaßen vorhandene Technologie zum Erreichen eines weiteren Dark nets ist etwa das sogenannte Invisible Internet Project (I2P).19 In Anbetracht der Tatsache, dass die bis dato zu verzeichnenden Gesetzentwürfe und Urteile ausschließlich das durch den Tor-Browser erreichbare Darknet thematisieren,20 beziehen sich die nachfolgenden Ausführungen exemplarisch ebenfalls auf dasjenige Darknet, welches unter Einsatz des Tor-Browsers als bekannteste Zugangssoftware erreichbar ist.
B. Funktionsweise der Tor-Technologie Entscheidender Beweggrund zur Verwendung des Tor-Netzwerks ist die dortige Verschleierung von IP-Adressen, die eine Identifizierung von Nutzern ermög lichen. Namensgebend ist insoweit die spezifische Funktionsweise, steht die Bezeichnung „The Onion Routing Network“ doch sinnbildlich für den zwiebelförmigen Aufbau der dahinterstehenden Art der Verschlüsselungsstruktur.21 Dabei gewährleistet die Tor-Technologie Anonymität in zweierlei Hinsicht. Aufseiten der Nutzer gewinnt zum einen das anonyme Surfen mithilfe des Tor-Browsers an Bedeutung. Gleichzeitig zielen jedoch die Betreiber einer Plattform auf Anonymität, sodass die Tor-Technologie insoweit das anonyme Anbieten von Internetseiten beziehungsweise Plattformen in Form des Aufsetzens eines sogenannten „Onion Services“ ermöglicht.22 Im Tor-Netzwerk ist das anonyme Surfen mittels Tor-Browser von größerer Bedeutung, weil eine Vielzahl an Nutzern den Tor-Browser schlicht verwendet, um Internetseiten des Surface Web anonym und sicher zu erreichen. Die Wenigsten besuchen dabei die tatsächlich das Darknet abbildenden, als Onion
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Hierzu sowie zu weiteren Beispielen Ihwas, WiJ 2018, 138, 139; Mey, APuZ 2017, 46–47, 4, 5; Vogt, Die Kriminalpolizei 2017 (Nr. 2), 4, 5. 20 BT-Drs. 19/9508, S. 1; LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013. 21 „TOR“ galt zwar ursprünglich als Akronym für „The Onion Router“ beziehungsweise „The Onion Routing“. Dennoch wird „Tor“ nicht länger in Versalien geschrieben. Das Tor-Projekt basiert den Verantwortlichen zufolge ferner auf dem bereits 1996 von Mitarbeitern des Naval Research Lab entwickelten Prototypen des „Onion Routings“ (dazu Goldschlag / Reed / Syverson, in: Information Hiding, 137 ff.), vgl. hierzu die Aussage der Verantwortlichen von Tor, abrufbar unter: https://support.torproject.org/about/why-is-it-called-tor (Abruf am 28. 09. 2022). Die Geschichte des Tor-Projekts ist außerdem abrufbar unter: https://www.torproject.org/about/ history/ (Abruf am 28. 09. 2022). Zur Geschichte siehe auch Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 39 ff. 22 Moore / Rid, Survival 2016, Vol. 58 (1), 7, 15 f. Jene Onion Services wurden einst als „Hidden Services“ bezeichnet, inzwischen aber umbenannt, vgl. die Beschreibung, abrufbar unter: https://2019.www.torproject.org/docs/onion-services.html (Abruf am 28. 09. 2022).
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Teil 1: Die Strukturen des Darknets
Service aufgesetzten Dienste, die unter den .onion-Adressen allein mithilfe des TorBrowsers zu erreichen sind.23 Diese Onion Services stellen das Darknet im engeren Sinne24 dar und beanspruchten im Jahre 2016 lediglich rund drei bis sechs Prozent des gesamten Tor-Datenverkehrs für sich.25 Ebenjener Bereich rund um die anonyme Kommunikation mit einem Onion Service mittels Tor-Browser ist allerdings gemeint, soweit innerhalb der aktuellen Diskussion – auch aus strafrechtlicher Perspektive – und nachfolgend von „dem Darknet“ die Rede ist.26 Nicht gemeint sind damit teils weitergehende Beschreibungen des Darknets, welche zugleich die Verwendung des Tor-Browsers allgemein im Internet umfassen.27 Weil es jedoch vielfach gerade der Einsatz der Tor-Technologie ist, die ein zur Begehung von Straftaten attraktives Umfeld darbietet und teilweise mit Blick auf sich anschließende Rechtsfragen beziehungsweise eine Strafverfolgung an Bedeutung gewinnt,28 sei neben der Funktionsweise des Tor-Browsers aufseiten des Nutzers zugleich das Aufsetzen eines Onion Services aufseiten der Betreiber in der gebotenen Kürze erläutert. Freilich erweist sich die tatsächliche Funktionsweise jedenfalls aus Sicht der Informatik als weitaus komplexer.
I. Verschleierung der IP-Adresse eines Nutzers Die Verantwortlichen des Tor-Projekts beschreiben die Funktionsweise der TorTechnologie ähnlich einer Verfolgungsjagd: Anstelle eines direkten Weges wird ein Verfolgter eine komplexe Route wählen und die eigenen Fußspuren verwischen. Gleichermaßen werden Datenpakete im Tor-Netzwerk auf zufälligen Wegen über mehrere Stationen gesendet.29 Die IP-Adresse eines Nutzers wird dabei mithilfe des Tor-Browsers im Wesentlichen wie folgt verschleiert:30 Zur Verschleierung der IP-Adresse eines Nutzers erhält der auf dem Rechner des Nutzers vorab installierte Tor-Client zunächst von einem sogenannten Tor- 23
Moore / Rid, Survival 2016, Vol. 58 (1), 7, 16. Zum Begriff vgl. Freiling, in: Rückert / Wüst, KriPoZ 2018, 247, 248. 25 Moore / Rid, Survival 2016, Vol. 58 (1), 7, 16. 26 Siehe Mey, APuZ 2017, 46–47, 4, 5; vgl. auch Freiling, in: Rückert / Wüst, KriPoZ 2018, 247, 248. 27 Darauf verweist bereits Mey, APuZ 2017, 46–47, 4, 5. 28 Betroffen ist beispielsweise die Frage, inwieweit technikgestützte Maßnahmen nach den §§ 100a ff. StPO bei Einsatz der Tor-Technologie realisierbar sind, vgl. Teil 3 I. IV. 2. c) cc). 29 So die Aussage der Verantwortlichen des Tor-Projekts, abrufbar unter: https://support. torproject.org/about/why-is-it-called-tor/ (Abruf am 28. 09. 2022). 30 Als Grundlage der nachfolgenden Darstellung siehe insbesondere die Beschreibung der Tor-Verantwortlichen unter Zuhilfenahme von Abbildungen, abrufbar unter: https://2019.www. torproject.org/about/overview.html (Abruf am 28. 09. 2022). Der folgende Überblick ist ferner angelehnt an die Darstellungen bei Rückert, Politische Studien 69 (2018), 12, 13 f.; Ihwas, WiJ 2018, 138, 139; Thiesen, MMR 2014, 803; siehe dazu auch Freiling, in: Rückert / Wüst, KriPoZ 2018, 247, 248. 24
B. Funktionsweise der Tor-Technologie
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Directory-Server eine Reihe an verschiedenen Tor-Knoten (sogenannte Tor-Nodes) zugesandt. Tor-Knoten fungieren im Tor-Netzwerk als sogenannte Relaisstationen, sodass eingehender Datenverkehr über Netzwerkverbindungen durch sie auf zufällige anderweitige Tor-Knoten umgeleitet werden kann. Kontaktiert ein Nutzer nun eine Internetseite, baut dessen Tor-Browser nicht etwa eine direkte Verbindung zur Ziel-Internetseite auf. Vielmehr leitet der Tor-Browser die vom Endgerät des Nutzers versandten Informationen über insgesamt drei verschiedene solcher Tor-Knoten um. Zu diesem Zweck verbindet sich der Tor-Browser zunächst mit einem ersten Tor-Knoten, dem sogenannten Entry-Node. Dieser Entry-Node leitet die Daten an einen zweiten – den sogenannten Middle-Node. Der Middle-Node wiederum übermittelt die Informationen an den sogenannten Exit-Node, bevor der Exit-Node eine Verbindung zum Server des Dienstanbieters einer Ziel-Internetseite herstellt. Um sicherzustellen, dass keinem der involvierten Tor-Knoten die Rückverfolgung des Wegs möglich wird, gewinnt nunmehr die namensgebende Verschlüsselungsstruktur des Tor-Browsers an Bedeutung. Insoweit verschlüsselt der Tor-Browser die versendeten Informationen dreifach (sogenannte Tor-Verbindung) und teilt jedem der drei Tor-Knoten lediglich den Schlüssel für eine einzige „Zwiebelschicht“ mit. Soweit der Entry-Node die erste Schicht mittels dazugehörigen Schlüssels entfernt, erfährt dieser nur, an welchen Middle-Node die Informationen zu leiten sind. Die Entschlüsselung der zweiten Schicht erfolgt durch den Middle-Node, dem lediglich mitgeteilt wird, an welchen Exit-Node die Informationen zu übermitteln sind. Der Exit-Node entschlüsselt schließlich die zuletzt vorhandene Schicht und kennt nunmehr die Adresse des Dienstanbieters, an den die Informationen zu senden sind. Im Ergebnis kommunizieren die beteiligten Server ausschließlich mit dem unmittelbaren Vorgänger und Nachfolger, sodass keiner der Beteiligten neben dem Urheber einer Nachricht zugleich deren finalen Adressaten kennt. Um das Risiko der Überwachung zu vermeiden, ersetzt der Tor-Browser zudem rund alle zehn Minuten die beteiligten Tor-Knoten. Da die Verbindung zum Zielserver unverschlüsselt erfolgt, ist dem Betreiber der aufgerufenen Internetseite zwar nunmehr die IP-Adresse des Exit-Nodes bekannt, woher indes die Information tatsächlich stammt, bleibt unbekannt, weil deren vollständiger Weg nicht zurückzuverfolgen ist.
II. Der „Onion Service“ eines Plattformbetreibers Die Verschleierung der IP-Adresse des Betreibers einer Darknet-Plattform wird hingegen unter Verwendung der Tor-Technologie durch das Aufsetzen eines sogenannten Onion Services im Tor-Netzwerk sichergestellt. Diese „versteckten Dienste“ konturieren wie gesehen das Darknet im engeren Sinne.31 Die Vorgehensweise zur Sicherstellung weitestgehender Anonymität geriert sich aufseiten des Plattformbetreibers indes als komplexer, nicht zuletzt deshalb, weil zwar die
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Freiling, in: Rückert / Wüst, KriPoZ 2018, 247, 248.
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Teil 1: Die Strukturen des Darknets
Identität des Betreibers verborgen werden soll, die Plattform für Nutzer jedoch weiterhin auffindbar bleiben muss. Dies wird sodann wie folgt sichergestellt:32 In einem ersten Schritt wählt der Anbieter einige Tor-Knoten aus, stellt zu diesen eine über drei verschiedene Tor-Knoten laufende Tor-Verbindung her und beauftragt sie als sogenannte Introduction Points. Die Adressen dieser Introduction Points werden daraufhin zusammen mit einem öffentlichen Schlüssel des Dienstes auf einem Verzeichnisserver abgelegt.33 Will ein Nutzer sodann den Onion Service aufrufen, greift dieser auf den öffentlichen Schlüssel sowie die Adressen der Introduction Points auf dem Verzeichnisserver zu, wobei dies standardmäßig der Tor-Browser übernimmt, soweit der Nutzer die .onion-Adresse des Onion Services kennt. Nach Eingabe einer .onion-Adresse nimmt der Tor-Browser über eine dreifache Tor-Verbindung zu einem der Introduction Points Kontakt auf und hinterlässt dort eine Nachricht, die mit dem öffentlichen Schlüssel des Onion Services verschlüsselt wird und anschließend allein vom Betreiber des Onion Services als Inhaber des privaten Schlüssels entschlüsselt werden kann. Inhalt dieser Nachricht ist die Adresse eines vom Tor-Browser des Nutzers gewählten Tor-Knoten als geheimer Treffpunkt (sogenannter Rendezvous-Point) sowie eine geheime Passphrase (sogenanntes one-time secret). Der Introduction Point setzt den Onion Service mithilfe einer dreifach verschlüsselten Tor-Verbindung über das Vorliegen einer neuen Nachricht in Kenntnis. Sodann ruft der Onion Service die Mitteilung ab, nimmt eine Entschlüsselung mithilfe des privaten Schlüssels vor und liest die Passphrase aus. Im Anschluss wird diese an den gewählten geheimen Treffpunkt im Tor-Netzwerk übermittelt, sodass der Nutzer überprüfen kann, ob tatsächlich eine Kommunikation mit dem Onion Service stattfindet. Über den Umweg des geheimen Rendezvous-Points kann nunmehr der Austausch des Nutzers mit dem Onion Service beginnen. Auf diese Weise findet zu keinem Zeitpunkt ein unmittelbarer Austausch zwischen Nutzer und Onion Service statt. Angesichts der Tatsache, dass der Nutzer eine Tor-Verbindung zum Rendezvous-Point herstellt, kann dieser 32
Zur nachfolgenden Beschreibung siehe insbesondere die eigene Übersicht der Verantwortlichen des Tor-Projekts inklusive der dortigen Abbildungen, abrufbar unter: https://2019.www. torproject.org/docs/onion-services.html (Abruf am 28. 09. 2022); die nachfolgende Darstellung ist ferner angelehnt an die anschauliche Beschreibung bei Rückert, Politische Studien 69 (2018), 12, 15 f. 33 Ebendieser öffentliche Schlüssel ist Bestandteil eines Schlüsselpaares, das im Rahmen der sogenannten asymmetrischen Verschlüsselung relevant wird. Diese funktioniert ähnlich eines mit zwei verschiedenen Schlüssellöchern versehenen Briefkastens. Während der öffentliche Schlüssel geeignet ist, den Briefkasten zu sperren, vermag ein privater Schlüssel, den Briefkasten zu öffnen. Werden nun Informationen in den virtuellen Briefkasten eingegeben und dieser mittels des öffentlichen Schlüssels verschlossen (Verschlüsselung), kann diesen anschließend allein der Inhaber des privaten Schlüssels entsperren (Entschlüsselung) und so den Inhalt zur Kenntnis nehmen. Hierzu wird der öffentliche Schlüssel bekannt gemacht, der private Schlüssel hingegen geheim gehalten. Zur asymmetrischen Verschlüsselung erstmals Diffie / Hellman, IEEE Transactions on Information Theory 1976, Vol. IT-22, No. 6, 644, 647 ff. Die Methode erläuternd etwa Beutelspacher / Schwenk / Wolfenstetter, Moderne Verfahren der Kryptographie, S. 14 ff.; Spenneberg, VPN mit Linux, S. 80 ff.
C. Klassifizierung verschiedener Plattformen und Verhaltensmuster
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die IP-Adresse des Plattformbetreibers nicht nachvollziehen. Da auch alle übrigen Verbindungen etwa zu den Introduction Points sowie dem Verzeichnisserver über dreifach verschlüsselte Tor-Verbindungen aufgebaut werden, ist sodann keinem der Beteiligten die Überprüfung der Identität des Betreibers möglich. So komplex die Funktionsweise der Tor-Technologie nunmehr anmuten mag, so bedienungsfreundlich stellt sich die Verwendung des Tor-Browsers letztlich aber für den Anwender dar. Diese setzt einzig den Download beziehungsweise die Installation des dazugehörigen Tor-Clients auf dem Endgerät des Nutzers voraus. Sodann ähnelt die Benutzeroberfläche der eines herkömmlichen Internet-Browsers (beispielsweise basierend auf Mozilla Firefox). Alleiniger Unterschied ist, dass dem Nutzer die .onion-Adresse eines Onion Services bekannt sein muss, um einen solchen zu erreichen. Derartige .onion-Adressen setzen sich aus einer sechzehnstelligen Aneinanderreihung von Zahlen und Buchstaben mit der Endung „onion“ zusammen und sind an den öffentlichen Schlüssel des Dienstanbieters sowie der namensgebenden Funktionsweise des Tor-Browsers angelehnt.34 Obgleich auch im Darknet spezielle Suchmaschinen vorzufinden sind, wird dort zumeist über sogenannte Linklisten navigiert, weil nicht zuletzt ein häufiger Wechsel der dortigen Adressen zu verzeichnen ist.35 Auch das eigenständige Errichten eines Onion Services erfordert keine fundierten Kenntnisse einer Programmiersprache. Vielmehr genügt das schlichte Befolgen einer ausführlichen Schritt-für-Schritt-Anleitung, die unter anderem von den Verantwortlichen des Tor-Projekts zur Verfügung gestellt wird.36
C. Klassifizierung verschiedener Plattformen und Verhaltensmuster Die als Onion Services aufgesetzten Plattformen sind inzwischen teils von einer beachtlichen sogenannten Underground Economy geprägt. Insoweit sei im Anschluss an eine knappe Darstellung ebenjenes Begriffs zunächst eine Kategorisierung der Darknet-Plattformen anhand der unterschiedlichen Modelle angestrebt. Sodann sollen Plattformen mit krimineller Ausrichtung von solchen mit legaler Ausrichtung abgegrenzt werden. Abschließend seien als weitergehende Ansatzpunkte der nachfolgenden (straf-)rechtlichen Analyse charakteristische Verhaltensmuster beziehungsweise ein unter Umständen divergierendes Maß an Einflussnahme der hier in Rede stehenden Betreiberebene dargestellt.
34 Hierzu die Beschreibung der Tor-Verantwortlichen, abrufbar unter: https://2019.www. torproject.org/docs/onion-services.html (Abruf am 28. 09. 2022). 35 Darauf verweist etwa auch Ihwas, WiJ 2018, 138, 141. Als im Surface Web aufrufbares Link-Verzeichnis gilt etwa das sogenannte „The Hidden Wiki“. Die Internetseite listet eine Vielzahl an .onion-Adressen, die in verschiedene Kategorien vorgefiltert werden. 36 Siehe die Schritt-für-Schritt-Anleitung der Tor-Verantwortlichen, abrufbar unter: https:// 2019.www.torproject.org/docs/tor-onion-service.html (Abruf am 28. 09. 2022).
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Teil 1: Die Strukturen des Darknets
I. Underground Economy Das Darknet wird inzwischen von einer beachtenswerten sogenannten Underground Economy (englisch für „Schwarzmarkt“) beherrscht. Der Definition des Bundeskriminalamts zufolge handelt es sich insoweit um Online-Schwarzmärkte, welche überwiegend im Darknet vorzufinden sind und den Nutzern ermöglichen, kriminelle Geschäfte weitestgehend digital anzubahnen und abzuwickeln.37 Zwar lassen sich tragfähige Ergebnisse über die Einordnung einer Plattform angesichts der sich aus verschiedenen Gründen ergebenden Dynamik von Plattformen im Darknet nur schwerlich ermitteln.38 Einer umfangreichen Studie zufolge fanden sich allerdings unter den aktiven Onion Services im Darknet neben rund 57 Prozent an Plattformen mit illegalen Inhalten rund 43 Prozent an Plattformen mit legalen Inhalten.39 Einer weiteren Studie zufolge sind etwa 20 Prozent der Plattformen im Darknet solche mit kriminellen, 48 Prozent solche mit legalen Aktivitäten und rund 32 Prozent nicht zuordenbar, weil diese aus unterschiedlichen Gründen nicht länger zu erreichen waren.40 Diese Entwicklung bestätigt nicht zuletzt das Bundeskriminalamt, wonach im Jahre 2017 rund 50 Plattformen – davon circa 20 mit operativer Bedeutung für das Bundeskriminalamt – eine Verbindung zu Deutschland aufwiesen.41 Innerhalb der Underground Economy des Darknets wird sodann eine Vielzahl an verschiedenen illegalen Waren gehandelt,42 wobei mit Blick auf die Bandbreite der im Darknet vorzufindenden illegalen Aktivitäten dem Handel von Betäubungsmitteln die weitreichendste Bedeutung zukommt.43 Auch das Angebot an illegalen 37 Bundeskriminalamt, Bundeslagebild Cybercrime 2017, S. 4 Fn. 2; zur Definition der Underground Economy siehe auch Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 32. 38 Eine solche Dynamik der im Darknet vorzufindenden Plattformen ergibt sich aus verschiedenen Gründen. Neben der Abschaltung von Plattformen kommt etwa auch ein sogenannter „exit scam“ durch die Betreiberebene in Betracht, bei dem die Betreiber die Plattform schließen und hinterlegte Zahlungsmittel einbehalten, ohne Bestellungen abzuschließen, vgl. zu diesen und weiteren Ursachen EMCDDA / Europol, Drugs and the darknet, S. 16. 39 So die Klassifizierung von Moore / Rid, Survival 2016, Vol. 58 (1), 7, 21 in Abbildung 2: Von 2723 aktiven klassifizierbaren Hidden Services beziehungsweise Onion Services handelt es sich im Jahre 2016 bei 1547 Diensten um solche mit illegalen Inhalten. 40 Al-Nabki / Fidalgo / Alegre / Fernándes-Robles, Expert Systems with Applications 123 (2019), 212, 217. 41 Vogt, Die Kriminalpolizei 2017 (Nr. 2), 4, 5. 42 Zu den verschiedenen illegalen Waren und Dienstleistungen etwa Bundeskriminalamt, Bundeslagebild Cybercrime 2019, S. 30; bereits Christin, in: Proceedings of the 22nd international conference on World Wide Web, 213, 216 Table 1 zu „Silk Road“. Überblick über die typischen Straftaten auch bei Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 47 ff. sowie Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 34 f. 43 Bundeskriminalamt, Bundeslagebild Cybercrime 2019, S. 30. Der erste Kriminalhauptkommissar im Bundeskriminalamt und Leiter der Internetermittlungen mit den Schwerpunkten Darknet, Kryptowährung und Social Media Gause kündigt einen Übergang des Handels mit Betäubungsmitteln auf Plattformen von mindestens 70 Prozent an, vgl. Gause, in: Rückert / Wüst, KriPoZ 2018, 247, 249; zum Drogenhandel im Darknet auch Tzanetakis, APuZ 2017, 46–47, 41 ff.
C. Klassifizierung verschiedener Plattformen und Verhaltensmuster
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Arzneimitteln sowie illegalen pornografischen Inhalten, einschließlich Kinder-, Gewalt- und Tierpornografie, ist umfangreich.44 Florierend ist zugleich das Geschäft betreffend den Handel von Pässen beziehungsweise Ausweispapieren sowie Waffen.45 Neben dem Handel mit illegalen Gütern bieten entsprechende Plattformen zudem Kategorien für Cybercrime-Dienstleistungen (sogenanntes „cybercrimeas-a-service“).46 Zu Cybercrime-Angeboten zählt exemplarisch eine Vielzahl an Hacking-Angeboten, gestohlenen Kreditkartendaten, digitalen Identitäten sowie das Anmieten von Bot-Netzen für kriminelle Aktivitäten oder das Durchführen von DDoS-Attacken.47
II. Plattform-Modelle Würdigt man sodann die Vielfalt an Plattformen im Darknet, so finden sich dort im Wesentlichen zwei Ausgestaltungsmodelle. Das Bundeskriminalamt unterscheidet insoweit grundsätzlich zwischen Marktplätzen und Foren.48 1. Marktplätze Die wohl größere (strafrechtliche) Bedeutung kommt zunächst den virtuellen Marktplätzen49 im Darknet zu, die meist rein auf den Handel mit illegalen Gütern oder Dienstleistungen ausgerichtet sind. Bekannte ehemals aktive Marktplätze waren etwa „Wallstreet Market“, „Silk Road“ oder „Dream Market“. Derartige Online-Marktplätze gleichen ihrem Konzept nach bekannten Internet-Marktplät 44
Siehe die Listung bei Bundeskriminalamt, Bundeslagebild Cybercrime 2019, S. 30; auch Hostettler, APuZ 2017, 46–47, 10, 11; Moore / Rid, Survival 2016, Vol. 58 (1), 7, 20; Vogt, Die Kriminalpolizei 2017 (Nr. 2), 4, 5. 45 Siehe Bundeskriminalamt, Bundeslagebild Cybercrime 2019, S. 30; hierzu auch Moore / Rid, Survival 2016, Vol. 58 (1), 7, 20 sowie Gause, in: Rückert / Wüst, KriPoZ 2018, 247, 250; Vogt, Die Kriminalpolizei 2017 (Nr. 2), 4, 5. 46 Hierzu Bundeskriminalamt, Bundeslagebild Cybercrime 2017, S. 24 f.; Bundeskriminalamt, Bundeslagebild Cybercrime 2019, S. 30; zusammenfassend Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 5. 47 Ein Bot (englische Abkürzung für „robot“) stellt ein Programm dar, welches ferngesteuert auf einem Endgerät arbeitet. Bot-Netze umfassen eine Vielzahl an Endgeräten, welche mittels Fernsteuerung zusammengeschlossen und zu gezielten Aktionen missbraucht werden. Der „Distributed-Denial-of-Service“ (DDoS) ist eine „verteilte“ Dienstblockade, sodass ein angefragter Dienst nicht mehr oder allenfalls beschränkt verfügbar ist und so von Unternehmen Lösegelder erpresst werden, vgl. Bundeskriminalamt, Bundeslagebild Cybercrime 2017, S. 15 ff. 48 Bundeskriminalamt, Bundeslagebild Cybercrime 2019, S. 31 ff. 49 Ein guter Überblick über die Abläufe auf Darknet-Marktplätzen mit bekannten Beispielen findet sich beispielsweise auch bei Kermitsis et al., in: Dark Web Investigation, 85 ff. Der Aufbau sowie die Funktionsweise der ehemals aktiven Marktplätze „Dream Market“, „Wallstreet Market“, „AlphaBay“ und „Hansa“ werden ferner umfassend aufgearbeitet bei Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 34 ff.
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Teil 1: Die Strukturen des Darknets
zen wie eBay, eröffnen jedoch den Nutzern gezielt die Möglichkeit des Handels mit illegalen Gütern und Dienstleistungen.50 Zu diesem Zweck ist einem Nutzer zunächst die Registrierung als Verkäufer möglich, die jedoch zumeist nicht ohne jede Voraussetzung erfolgt. In diesem Sinne setzt ein Zugang vielfach etwa die Zahlung einer einmaligen Anmeldegebühr voraus, forderte doch etwa der ehemals aktive Marktplatz „Nucleus“ eine Gebühr in Höhe von 250 Franken, der Marktplatz „Abraxas“ hingegen in Höhe von rund 100 Franken.51 Ferner existieren sogenannte „Invite- oder Referral Markets“, die einen Einladungscode oder einen Link von gegenwärtigen Nutzern als Voraussetzung für eine Registrierung verlangen und sodann meist ein Affiliate-Programm für werbende Nutzer vorsehen.52 Entsprechende Marktplätze dienen sodann dem Verkauf und Erwerb der bereits beschriebenen illegalen Güter und Dienstleistungen durch die Nutzer. Hierzu sind ebendiese seitens des Betreibers in verschiedene kriminalitätsbezogene Kategorien und Unterkategorien unterteilt. Exemplarisch war etwa der Marktplatz „AlphaBay“ in Kategorien wie „Fraud“, „Drugs & Chemicals“, „Guides & Tutorials“, „Counterfeit items“, „Digital Products“, „Jewels & Gold“, „Weapons“, „Carded Items“, „Services“ und „Other Listings“ eingeteilt. Die Kategorie „Drugs & Chemicals“ war ferner etwa in die Unterkategorien „Benzos“, „Cannabis & Hashish“, „Dissociatives“, „Ecstasy“, „Opioids“, „Prescription“, „Steroids“, „Stimulants“, „Tobacco“, „Weight Loss“, „Other“, „Paraphernalia“ und „Psychedelics“ gegliedert.53 Während Marktplätze im Darknet teilweise sämtliche der bereits dargestellten Angebote ermöglichen, das heißt ein umfassendes Angebot von Waffen bis hin zu schädlichen Hacking-Angeboten vermitteln,54 finden sich gleichermaßen Plattformen, welche sich auf ein bestimmtes Angebot beschränken und etwa durch Verhaltensrichtlinien den Handel mit erlaubnispflichtigen Schusswaffen ausschließen. Nutzer, welche sodann derartige „forbidden goods“ handeln, werden von der Nutzung ausgeschlossen.55 In diesem Sinne sprach sich etwa der Betreiber des DarknetMarktplatzes „Agora“ in den Richtlinien der Plattform unter anderem gegen Waffen aus.56 Zu den „forbidden goods“ zählen auf den klassischen Darknet-Marktplätzen 50
Zum Vergleich mit eBay etwa Christin, in: Proceedings of the 22nd international conference on World Wide Web, 213, 214 zu „Silk Road“; ferner EMCDDA / Europol, Drugs and the darknet, S. 16; darauf verweisen allgemein auch etwa Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 5. 51 Eine solche Einmalzahlung befindet sich wertmäßig im Durchschnitt zumeist bei rund 200 Dollar, siehe etwa Greco, ZIS 2019, 435, 438; im Übrigen Hostettler, Darknet, S. 79. 52 Dazu Kermitsis et al., in: Dark Web Investigation, 85, 89; allgemeiner zu „invitation-only“ markets auch EMCDDA / Europol, Drugs and the darknet, S. 16. 53 Siehe Abbildung 1.5 a) bei EMCDDA / Europol, Drugs and the darknet, S. 26. 54 Etwa der Marktplatz „AlphaBay“, vgl. die Abbildung 1.5 a) in EMCDDA / Europol, Drugs and the darknet, S. 26. 55 Bundeskriminalamt, Bundeslagebild Cybercrime 2018, S. 39; siehe auch Bundeskriminalamt, Bundeslagebild Cybercrime 2019, S. 30. Zu sogenannten Verhaltensrichtlinien des Marktplatzes „Silk Road“ bereits etwa Christin, in: Proceedings of the 22nd international conference on World Wide Web, 213, 214. 56 Hierzu Hostettler, Darknet, S. 68.
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meist auch kinderpornografische Inhalte, die sodann in eigens dafür geschaffenen Foren beziehungsweise Tauschbörsen ausgetauscht werden.57 Verkäufer können ihre Güter und Dienstleistungen anschließend in den jeweiligen Themenkategorien zunächst mit Bild, Beschreibung und Preis offerieren, dem Käufer ist anschließend eine weitgehend eigenständige Abwicklung des Bestellvorgangs mithilfe eines digitalen Warenkorbs möglich. Für einen reibungslosen Ablauf der Erwerbs- und Verkaufsvorgänge der Nutzer halten Marktplätze vielfach neben einem begleitenden oder separaten Forum zum Austausch zu marktplatzbezogenen Themen58 ein umfangreiches, meist verpflichtendes Bewertungssystem bereit.59 Entsprechende Bewertungssysteme tragen angesichts der im Darknet im Übrigen zu erlangenden Anonymität zur Transparenz der Vertrauenswürdigkeit bestimmter Verkäufer bei und gewährleisten einen höheren Standard der Qualität des Produkts.60 Die Kommunikation erfolgt außerdem überwiegend englischsprachig, gleichwohl lässt sich bei einer Vielzahl an Plattformen eine Verbindung zu Deutschland ermitteln, weil etwa der Versand aus Deutschland erfolgt oder Anfragen in deutscher Sprache verfasst sind.61 Die Betreiber professionell organisierter Marktplätze statten diese jedenfalls vielfach mit einem Provisions- beziehungsweise Treuhandsystem aus, durch welches eine Beteiligung an den Verkäufen der Nutzer zumindest in finanzieller Hinsicht sichergestellt ist.62 Der virtuelle Marktplatz „AlphaBay“ hielt exemplarisch vier Prozent des Verkaufswerts als Transaktionsgebühr ein.63 Einen Treuhandservice („escrow“) bieten Marktplätze inzwischen nahezu standardmäßig zur konfliktfreien Abwicklung einer Bezahlung an. Hierfür hinterlegt der Käufer den entsprechenden Betrag beim Marktplatz. Der Service ermöglicht dann dem Betreiber, Gebühren zu berechnen und bei Bedarf – im Falle eines „disputes“ – Streitigkeiten zwischen Verkäufern und Käufern beizulegen.64 Wegen der Gefahr eines sogenann 57
So Bundeskriminalamt, Bundeslagebild Cybercrime 2016, S. 16; Bundeskriminalamt, Bundeslagebild Cybercrime 2018, S. 39; zu Foren beziehungsweise Tauschbörsen zum Austausch kinderpornografischer Inhalte siehe sogleich Teil 1 C. II. 2. 58 Siehe zur begleitenden Kommunikation zu marktplatzbezogenen Themen nur Bundeskriminalamt, Bundeslagebild Cybercrime 2019, S. 31. 59 Zum Bewertungssystem von „AlphaBay“ siehe exemplarisch Abbildung 1.6 bei EMCDDA / Europol, Drugs and the darknet, S. 28. 60 Gause, in: Rückert / Wüst, KriPoZ 2018, 247, 249; siehe auch EMCDDA / Europol, Drugs and the darknet, S. 27. 61 Vogt, Die Kriminalpolizei 2017 (Nr. 2), 4, 5. 62 Ball / Broadhurst, Data Capture and Analysis of Darknet Markets, S. 2 verweisen auf rund drei bis acht Prozent des Verkaufserlöses; allgemein siehe Bachmann / Arslan, NZWiSt 2019, 241, 242; Fünfsinn / Ungefuk / Krause, Kriminalistik 2017, 440, 444; Greco, ZIS 2019, 435, 438; Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 5; zu „Silk Road“ etwa Christin, in: Proceedings of the 22nd international conference on World Wide Web, 213, 220. 63 Vgl. Abbildung 1.4 in EMCDDA / Europol, Drugs and the darknet, S. 27. 64 Hierzu Christin, in: Proceedings of the 22nd international conference on World Wide Web, 213, 214; Hostettler, Darknet, S. 76 f.; auch Vogt, Die Kriminalpolizei 2017 (Nr. 2), 4, 5; LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 18.
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ten „exit scams“65 des Betreibers wird oftmals auch die für alle Beteiligten sicherste Variante eines sogenannten „multi-signature-escrow“ angeboten, bei dem der entsprechende Zahlungsbetrag erst freigegeben wird, soweit zwei der drei Beteiligten (Käufer, Verkäufer oder Betreiber) dies bestätigen.66 Teilweise besteht zudem die für den Käufer risikoreichere Variante des sogenannten „finalise early (FE)“, wobei gegebenenfalls ein geringerer Preis zu entrichten ist und keine Verzögerung durch Zwischenschaltung des Treuhandsystems erfolgt.67 Weil die Verwendung spezieller Anonymisierungssoftware ihres Nutzens verlustig geht, sofern die Beteiligten ihre Identität sodann etwa durch verfolgbare Zahlungsströme offenbaren, geht nahezu zwangsläufig der Einsatz virtueller Kryptowährung einher.68 Wohl bekanntestes Zahlungsmittel im Darknet ist nach wie vor die Kryptowährung Bitcoin.69 Der Besitz von Bitcoin wird dort durch alphanumerische Schlüssel nachgewiesen, welche über eine „Wallet“ als eine Art digitale Geldbörse verwaltet werden – sämtliche Transaktionen sind aber in einer zentralen und öffentlich nachvollziehbaren Datenbank, der sogenannten „Blockchain“, gelistet. Neben Bitcoin finden sich weitere Alternativen, namentlich etwa Litecoin, Dogecoin, Ethereum oder Darkcoin.70 Aufgrund zunehmender Ermittlungserfolge bezüglich der lediglich pseudonymen Bitcoins wird Anonymität auf Marktplätzen oft durch zusätzliche Features wie etwa das „bitcoin mixing“ gewährleistet.71 Zu 65
Siehe Teil 1 Fn. 38. Zur Funktionsweise etwa Tzanetakis, in: Drogen, Darknet und Organisierte Kriminalität, 113, 121 f. 67 Hierzu siehe nur etwa Christin, in: Proceedings of the 22nd international conference on World Wide Web, 213, 214; EMCDDA / Europol, Drugs and the darknet, S. 24 sowie Abbildung 1.5 b). 68 Zum Einsatz von Kryptowährungssystemen siehe nur Christin, in: Proceedings of the 22nd international conference on World Wide Web, 213, 214. Zum Spendenaufruf des Betreibers der Plattform „Deutschland im Deep Web“ etwa LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 20. 69 Hierzu EMCDDA / Europol, Drugs and the darknet, S. 22. Diese wird durch ein Netzwerk virtuell generiert und kann anschließend auf entsprechenden Plattformen erworben beziehungsweise in Realwährung umgetauscht werden. Erforderlich ist schlicht die Installation des sogenannten „Bitcoin-Clients“ sowie das Anlegen einer Kontonummer („Bitcoin-Adresse“). Zur Funktionsweise Baier, CCZ 2019, 123 ff.; Beck, NJW 2015, 580 ff.; Boehm / Pesch, MMR 2014, 75 ff.; Heine, NStZ 2016, 441, 442; Krause, NJW 2018, 678, 679; Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 4. Ein Vorteil von Kryptowährungen ist, dass diese ohne Einbeziehung von Banken beziehungsweise anderweitiger staatlicher Stellen als Gefahr mit Blick auf eine Preisgabe der Identität auskommen; auf die fehlende Einbeziehung Dritter verweisen etwa Baier, CCZ 2019, 123, 124; Goger, MMR 2016, 431; Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 4; EMCDDA / Europol, Drugs and the darknet, S. 23. 70 Siehe ferner die Listung bei EMCDDA / Europol, Drugs and the darknet, S. 24; Kermitsis et al., in: Dark Web Investigation, 85, 93 ff. 71 In diesem Zusammenhang Greco, ZIS 2019, 435, 438. Sogenannte Bitcoin Mixer werden teils auch Bitcoin Tumbler, Strampler oder Shuffler genannt. Derartige Dienste mischen die von mehreren Stellen eingezahlten Bitcoins und überweisen die dadurch anonymisierten Bitcoins wieder an Wallet-Adressen. Hierfür halten jene Dienste oft eine Gebühr ein, vgl. etwa Chohan, The Cryptocurrency Tumblers, S. 1 ff. 66
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dem befindet sich der sogenannte Privacy Coin „Monero“ im Aufwind, bei dem insbesondere sogenannte Ringsignaturen die Rückverfolgung von Geldströmen erschweren.72 Aufgrund der Tatsache, dass inkriminierte Güter wie Betäubungsmittel oder Waffen – anders als etwa der Austausch kinderpornografischer Inhalte – ein Offline-Moment aufweisen und irgendwann zwingend einen Weg zum Käufer finden müssen, fokussieren Delinquenten sodann zugleich eine anonyme Ablieferung und Abholung der Waren. Daher verwenden Nutzer zur Komplettierung der anonymen Geschäftsabwicklung oftmals Packstationen unter Zuhilfenahme falscher Personalien oder bestellen Ware an ungenutzte Briefkästen mit falscher Anschrift (sogenanntes „dropping“)73, um nicht die durch die Tor-Technologie grundsätzlich verschleierte Identität spätestens in der analogen Welt preiszugeben. 2. Foren Daneben existiert im Darknet eine Vielzahl an Foren mit unterschiedlichster Ausgestaltung, sodass an dieser Stelle lediglich die bekanntesten Formen aufgearbeitet werden.74 Foren dienen oftmals vorwiegend dem kommunikativen Meinungs- und Informationsaustausch und ermöglichen Diskussionen, Erfahrungsberichte oder Ankündigungen.75 Vielfach werden dort außerdem etwa Qualität und Vertrauenswürdigkeit von Marktplätzen, Händlern oder Produkten bewertet.76 Daneben ist die Verschleierung von Nutzeridentitäten häufiges Thema in Foren.77 Die Teilnahme erfordert dabei meist ein Nutzerkonto ohne Preisgabe persönlicher Informationen, teils bedarf es eines Einladungscodes, teils sind durch „Pay-toJoin“-K riterien Zugangshürden implementiert.78 Indes bezwecken auch Foren im Darknet teilweise die Förderung des Handels mit illegalen Waren und Dienstleistungen durch die Nutzer. Während bei obigen Marktplätzen die verbotenen Waren und Dienstleistungen unmittelbar dem digitalen Warenkorb hinzugefügt werden können, dienen Foren oftmals dem Inserieren von Ver 72
Zum Trend hin zu Monero siehe etwa Europol, Internet organised crime threat assessment, S. 54. Zur Funktionsweise Kermitsis et al., in: Dark Web Investigation, 85, 96. 73 Hierzu auch Bachmann / Arslan, NZWiSt 2019, 241, 242. 74 Siehe zu Foren im Darknet etwa Bundeskriminalamt, Bundeslagebild Cybercrime 2019, S. 32 f.; unterschiedliche Arten von Darknet-Foren sowie deren Aufbau und Funktionsweise werden etwa umfassend dargestellt von Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 53 ff. Mit Blick auf die strafrechtliche Analyse differenziert Wüst sodann zwischen Foren mit Marktplatzsektion, Foren mit Bereichen für die Schaltung von Werbe- und Kontaktanzeigen sowie Foren ohne Ausrichtung auf die Anbahnung strafbarer Geschäfte, Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 163 ff. 75 Bundeskriminalamt, Bundeslagebild Cybercrime 2019, S. 32. 76 Bundeskriminalamt, Bundeslagebild Cybercrime 2019, S. 32. 77 LG Duisburg v. 05. 04. 2017 – 33 KLs-111 Js 32/16–8/16, BeckRS 2017, 128618 Rn. 57; Bundeskriminalamt, Bundeslagebild Cybercrime 2019, S. 32. 78 Bundeskriminalamt, Bundeslagebild Cybercrime 2019, S. 32.
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kaufsangeboten und als Kontaktraum für illegale Geschäfte.79 Im Darknet existieren daher unter anderem Foren mit vom Betreiber eingerichteten, separaten Handelsbereichen, die neben dem Austausch über legale Themen in den dafür vorgesehenen Bereichen eine Platzierung von Angeboten, Werbetexten oder Gesuchen illegaler Waren und Dienstleistungen ermöglichen.80 Bekundet dort ein Nutzer Interesse, bieten Foren oftmals verschlüsselte Kommunikationsdienste und Treuhandsysteme, um eine anonyme Kommunikation zwischen den möglichen Vertragsparteien und bei Übereinkommen eine sichere Abwicklung von Geschäften zu ermöglichen.81 Bekanntestes Beispiel, das auch hier näher zu beleuchten sein wird, ist insoweit das Darknet-Forum „Deutschland im Deep Web“ (DiDW), in dem sich neben zahlreichen legalen Themenkategorien auch vom Plattformbetreiber eingerichtete Kategorien mit Kriminalitätsbezug befanden, etwa in der Kategorie „Marktplatz“ die Unterkategorie „Biete verifiziert (Cannabis verifiziert, Stimulanzien verifiziert, Psychedelika verifiziert, Apotheke verifiziert)“ sowie die Unterkategorie „Biete (Cannabis, Stimulanzien, Psychedelika, Apotheke, [Neu] Dienstleistung und Software)“ beziehungsweise die Unterkategorie „Waffen (Herstellung, Vertrieb und sachgerechte Verwendung)“ innerhalb der Kategorie „Spackentreff“.82 Anders als die Betreiber von digitalen Marktplätzen sind die Betreiber von virtuellen Foren meist nicht finanziell durch Provisionen oder Gebühren an den Geschäften der Nutzer beteiligt.83 In Foren fokussieren Nutzer neben dem reinen Kommunikationsaustausch daher teilweise auch die Vertragsanbahnung in den seitens des Betreibers hierfür geschaffenen Themenkategorien beziehungsweise Bereichen.84 Strafrechtliche Relevanz gewinnen Foren außerdem mit Blick auf den – anders als bei Waren und Dienstleistungen regelmäßig unentgeltlichen – Austausch kinderpornografischer Inhalte durch Nutzer, der meist über eigens geschaffene und umfassend darauf ausgerichtete Darknet-Foren beziehungsweise Tauschbörsen – wie etwa das Forum „Elysium“ – abgewickelt wird und im Rahmen derer die Betreiber oftmals als Zugangserfordernis das Ablegen einer sogenannten Keuschheitsprobe als Vertrauensbeweis und zum Ausschluss von Strafverfolgungsbehörden vorsehen, sodass Nutzer erst im Anschluss an die Bereitstellung eigener strafbarer Inhalte Zutritt erhalten.85 Anschließend konnte etwa im Forum „Elysium“ in dafür vor 79
Fünfsinn / Krause, in: FS-Eisenberg, 641, 643; Gause, in: Rückert / Wüst, KriPoZ 2018, 247, 249; Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 4. 80 Siehe Bundeskriminalamt, Bundeslagebild Cybercrime 2019, S. 33; Fünfsinn / Ungefuk / Krause, Kriminalistik 2017, 440, 441. 81 Hierzu etwa LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 11 ff.; siehe auch Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 4. 82 LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 10. 83 Siehe zum Fall des Darknet-Forums „Deutschland im Deep Web“ etwa LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 19. 84 Erläuternd etwa Gause, in: Rückert / Wüst, KriPoZ 2018, 247, 249. 85 So im Fall des Darknet-Forums „The Giftbox Exchange“, das zum späteren zugangsfreien Forum „Elysium“ wurde vgl. LG Limburg v. 07. 03. 2019 – 1 KLs-3 Js 73019/18, BeckRS 2019, 34315 Rn. 597. Siehe auch BT-Drs. 19/13836, S. 15; Gercke, CR 2018, 480, 482; Greco, ZIS 2019, 435, 443; Krause, NJW 2018, 678, 680; Safferling, DRiZ 2018, 206, 207.
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gesehenen Kategorien ein Eingangsbeitrag eröffnet werden, in dem dauerhaft verfügbare Links zu den Speicherorten der zur Veröffentlichung vorgesehenen Dateien gepostet wurden. Auf diese konnten andere Mitglieder durch Aufruf des Links und Eingabe eines im Eingangsbeitrag erkennbaren Passworts unmittelbar zugreifen.86
III. Abgrenzung verschiedener Ausrichtungen von Plattformen Ausgehend vom vorstehenden Überblick über die im Darknet vorzufindenden Modelle von Plattformen finden sich dort neben Plattformen mit legaler Ausrichtung auch solche mit krimineller Ausrichtung auf die Ermöglichung des Handels mit illegalen Waren oder Dienstleistungen.87 Ebenjene Differenzierung anhand der vom Betreiber zugrunde gelegten Ausrichtung soll sodann nicht zuletzt unter Würdigung der aktuellen Entwicklungen betreffend die eigenständige Strafbarkeit krimineller Handelsplattformen zugleich als Grundlage der nachfolgenden (straf-) rechtlichen Untersuchung dienen. 1. Plattform mit ganz oder teilweise krimineller Ausrichtung Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen wurde ersichtlich, dass im Darknet augenscheinlich eine Vielzahl an Plattformen mit unmittelbar vonseiten der Betreiberebene zugrunde gelegter, erkennbar krimineller Ausrichtung vorzufinden ist. Gemeint sind insoweit insbesondere die digitalen Marktplätze im Darknet, deren Infrastruktur durch den Betreiber strukturell und meist ausschließlich auf den Handel mit illegalen Waren oder Dienstleistungen durch die Nutzer ausgerichtet ist, insbesondere durch die Schaffung entsprechender Themenkategorien mit Kriminalitätsbezug oder eine charakteristische Bezeichnung der Plattform. Die Betreiber ebenjener Plattformen richten bereits die Infrastruktur als solche von vornherein oder im Laufe der Zeit auf den Handel mit illegalen Waren oder Dienstleistungen aus. Daneben liegt exemplarisch auch den Foren beziehungsweise Tauschbörsen zum Austausch kinderpornografischer Inhalte eine entsprechende kriminelle Ausrichtung vonseiten der Betreiberebene zugrunde. Neben solchen Plattformen mit ausschließlich krimineller Ausrichtung finden sich im Darknet wie gesehen ferner Plattformen, die gewissermaßen eine Zwitterstellung einnehmen und neben legalen Themenkategorien zumindest teilweise durch den Betreiber kriminell ausgerichtet sind. Dies betrifft vornehmlich die benannten Darknet-Foren mit separaten Handelsbereichen zum Einstellen von unerlaubten Werbeschreiben oder Verkaufsangeboten, wobei sich exemplarisch das hierzulande wohl bekannteste Darknet-Forum „Deutschland im Deep Web“ an 86
LG Limburg v. 07. 03. 2019 – 1 KLs-3 Js 73019/18, BeckRS 2019, 34315 Rn. 81. Zur Abgrenzung von neutralen und deliktisch ausgerichteten Plattformen siehe auch Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 58 ff. 87
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führen lässt, das spätestens infolge des Amoklaufs im Münchener Olympia-Einkaufszentrum im Jahre 2016 in den Fokus der Öffentlichkeit rückte.88 Dort fanden sich neben zahlreichen legalen Themenkategorien indes auch die bereits benannten vom Betreiber eingerichteten Handelsbereiche und Kategorien mit Kriminalitätsbezug.89 Diese als Mischform einzuordnenden Plattformen werden im Rahmen der nachfolgenden Untersuchung des geltenden Rechts im Umfang der kriminellen Ausrichtung mit den in Gänze durch den Betreiber kriminell ausgerichteten Plattformen abgehandelt. Angesichts des zweifelsohne erhöhten Gefährdungspotentials ebenjener Plattformen sowie der Einführung der diese Sachverhalte betreffenden Norm des § 127 StGB wird im Rahmen der strafrechtlichen Analyse primär und umfassend die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Betreibers einer solchen, ganz oder teilweise auf die Förderung des Handels mit illegalen Waren oder Dienstleistungen ausgerichteten Plattform fokussiert. Soweit diesbezüglich eine Unterscheidung zwischen Marktplätzen und Foren – etwa mit Blick auf den Erhalt von Provisionen oder aber ein gesteigertes Maß an Einflussnahme des Betreibers – erforderlich wird, sei hierauf unter Würdigung der vorstehenden Aufarbeitungen angesichts der im Übrigen bestehenden Überschneidungen an entsprechender Stelle verwiesen. 2. Plattform mit legaler Ausrichtung Wie obige Studien belegen, hält das Darknet indes nicht allein Plattformen mit ganz oder teilweise krimineller Ausrichtung bereit. Exemplarisch verwenden neben Journalisten – um sicher mit Whistleblowern und Dissidenten zu kommunizieren – auch Nichtregierungsorganisationen die Tor-Technologie.90 Selbst die Entwurfsbegründung zur Schaffung eines § 126a StGB-E verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass Angebote im Darknet neben Foren für Whistleblower oder Chatrooms für politisch Verfolgte auch Inhalte bekannter Servicebetreiber, etwa Facebook, umfassen.91 Jedenfalls sind auch im Darknet Plattformen – insbesondere Foren zum Meinungs- oder Informationsaustausch – existent, mit denen legitime und nicht unmittelbar strafrechtlich relevante Interessen verfolgt werden. Obgleich Plattformen mit legaler Ausrichtung – so viel sei vorweggenommen – grundsätzlich nicht vom neuen Straftatbestand des § 127 StGB erfasst sein sollen,92 bergen diese gleichwohl nicht zuletzt angesichts der im Darknet zu erreichenden 88
Vgl. hierzu auch LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013. 89 Teil 1 C. II. 2. 90 Siehe dazu Moßbrucker, APuZ 2017, 46–47, 16 ff. sowie die Aussage der Tor-Verantwortlichen, abrufbar unter: https://2019.www.torproject.org/about/overview.html (Abruf am 28. 09. 2022). Allgemein zu positiven Aspekten des Darknets sowie zu Beispielen Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 41 ff. 91 BT-Drs. 19/9508, S. 1. 92 Siehe dazu Teil 3 I. III. 4.
C. Klassifizierung verschiedener Plattformen und Verhaltensmuster
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Anonymität eine gewisse Missbrauchsgefahr. Stellt etwa der Betreiber ein an sich legales Forum zum Austausch über die sachgerechte Verwendung von Waffen zur Verfügung, birgt dieses freilich auch die Gefahr, von Dritten als Ort zum illegalen Handel mit Waffen missbraucht zu werden. Ob und unter welchen Voraussetzungen auch der Betreiber einer Plattform mit legaler Ausrichtung für den vereinzelten Missbrauch derselben verantwortlich gemacht werden kann und ob sich insoweit Besonderheiten gegenüber Plattformen mit unmittelbar krimineller Ausrichtung ergeben, wird daher abschließend knapp zu thematisieren sein.
IV. Verhaltensmuster der Betreiberebene Ungeachtet der Einordnung einer Plattform anhand der kriminellen oder legalen Ausrichtung sei nunmehr abschließend das relevante Verhalten des Betreibers als weiteres Fundament der nachfolgenden (straf-)rechtlichen Betrachtung beleuchtet. Deutlich wurde bereits, dass an der Tatbegehung mittels einer Plattform im Darknet im Wesentlichen zwei Täterstrukturen beteiligt sind, deren generelle Verhaltensmuster divergieren. Bereits benannt wurden die eigentlichen Nutzer einer Plattform, die etwa als Verfasser von Forenbeiträgen mit illegalem Inhalt oder als Verkäufer beziehungsweise Käufer der obigen illegalen Waren oder Dienstleistungen auftreten und damit unmittelbar rechtsverletzend tätig werden.93 Auf Verkäuferseite treten unter Verwendung von Händleraccounts nicht zuletzt sogenannte Vendoren und Powerseller auf.94 Allgemein werden Verkäufer dabei teils als eigenständige Individuen tätig und veräußern eine verhältnismäßig geringe Menge an einen Einzelkäufer, sofern die begrenzte Verfügbarkeit des jeweiligen Artikels dies zulässt. Teilweise agieren im Darknet indes auch Verkäufer als sogenannte „Topseller“, die angesichts der so generierten Verfügbarkeit einer erheblichen Menge an verschiedenen Artikeln beträchtliche Gewinne erzielen.95 Die hier interessierende Betreiberebene umfasst hingegen die Administratoren und Moderatoren von als Onion Service ausgestalteten Darknet-Plattformen.96 Diese werden teils von Einzelpersonen,97 teils jedoch als professionell organisierte Plattformen durch einen Zusammenschluss von mehreren Administratoren sowie 93
Studien zur einstigen Plattform „Silk Road“ ergaben beispielsweise, dass eine überwiegende Anzahl an Nutzern des Drogenmarktplatzes männlich war, eine Vergangenheit im Betäubungsmittelbereich aufwies sowie einer Berufstätigkeit oder Hochschulausbildung nachging, vgl. Van Hout / Bingham, The International Journal of Drug Policy 24 (2013), 524, 525 f.; ähnlich die Ergebnisse von Barratt / Ferris / Winstock, International Journal of Drug Policy 35 (2016), 24, 26. 94 Rüffer, in: Rückert / Wüst, KriPoZ 2018, 247, 251. 95 Zum Ganzen vgl. EMCDDA / Europol, Drugs and the darknet, S. 53. 96 Rüffer, in: Rückert / Wüst, KriPoZ 2018, 247, 251. 97 So der Betreiber des Darknet-Forums „Deutschland im Deep Web“, vgl. den Sachverhalt in LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013.
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Teil 1: Die Strukturen des Darknets
Moderatoren mit mehr oder weniger klaren Aufgabenbereichen betrieben.98 Administratoren sind insoweit eher mit dem Betrieb, der inhaltlichen Weiterentwicklung sowie der Technik betraut, Moderatoren hingegen eher mit der Durchsetzung von Regeln.99 Jedenfalls aber unterscheidet sich das strafrechtlich relevante Verhalten der Betreiberebene zumeist von dem der vorgenannten Nutzerebene: Anders als ein Nutzer wird ein Betreiber regelmäßig nicht als Käufer oder Verkäufer beziehungsweise Verfasser von Forenbeiträgen tätig, dessen Verhalten erschöpft sich vielmehr nicht selten in dem Errichten, Zurverfügungstellen und allgemeinen Betreiben der Plattform, auf der die Nutzer ihre Inhalte einstellen.100 Daraus ergibt sich zugleich die vorliegende Beschränkung einer Analyse allein der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Betreiberebene bei Zurverfügungstellung eines Mediums für fremde Inhalte unter Würdigung einer gegebenenfalls weitergehenden Einflussnahme derselben auf einzelne Nutzerbeiträge. Der Betreiber offeriert den Nutzern letztlich das erforderliche Medium zum Verfassen von Beiträgen sowie zum Handel von Waren und Dienstleistungen. Der Betrieb einer Plattform vereint insoweit allgemein jedwede Handlung, die zur Inbetriebnahme, Aufrechterhaltung sowie Wartung einer Plattform erforderlich wird.101 Vor Inbetriebnahme wird der Betreiber typische Begleithandlungen vornehmen wie etwa eine Bezeichnung der Plattform, die Schaffung von eindeutigen Themen- oder Produktkategorien, gegebenenfalls die Implementierung eines Treuhandservices oder etwa im Bereich der Foren zum Austausch von kinderpornografischen Inhalten die Implementierung von Zugangshindernissen. Nach Inbetriebnahme der Infrastruktur kann die Administration beziehungsweise Moderation der verschiedenen Nutzerinhalte sowie die Einflussnahme seitens der Betreiberebene jedoch freilich divergieren. Denkbar ist das schlichte Inbetriebnehmen der Infrastruktur, die den Nutzern sodann unter Umständen auch unbeaufsichtigt und weitestgehend vollautomatisiert überlassen wird.102 Das Verhalten des Betreibers 98
Eingehend hierzu Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 5. Fünfsinn / Krause, in: FS-Eisenberg, 641, 644. 100 Vgl. auch Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 5. Teilweise treten Betreiber aber gleichwohl als „Nutzer“ auf: Insoweit erwarb etwa der Betreiber selbst unter dem Benutzernamen „Kerosin“ in drei Fällen Amphetaminsulfat sowie 20 Ecstasy-Tabletten zum Eigenkonsum, vgl. LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 3. Zu den vonseiten der Nutzer erstellten Inhalten vgl. etwa LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 22 ff. Auch finden sich im Darknet sogenannte Vendorshops, bei denen Händler eigene Marktplätze aufsetzen und so gewissermaßen gleichzeitig als Betreiber und Verkäufer auftreten, vgl. hierzu die kurze Darstellung des Falls „Shiny-Flakes“ bei Hostettler, APuZ 2017, 46–47, 10, 15; allgemeiner dazu auch Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 53; ferner mit Beispielen Kermitsis et al., in: Dark Web Investigation, 85, 104 ff. Derartige Konstellationen seien nicht Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen. 101 Zum „Betrieb eines Darknet-Marktplatzes“ vgl. auch die Ausführungen bei Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 67 f.; Kulhanek, in: BeckOK-StGB, § 127 Rn. 19 ff. 102 Zur Vollautomatisierung BT-Drs. 19/28175, S. 10; RegE kriminelle Handelsplattformen, S. 8. Allgemein auch Rüffer, in: Rückert / Wüst, KriPoZ 2018, 247, 252. 99
D. Zusammenfassung
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erschöpft sich dann in der Zurverfügungstellung der erforderlichen Infrastruktur als verbindendes Medium. Denkbar ist jedoch auch eine stetige aktive Pflege des Marktplatzes oder des Forums durch technische oder inhaltliche Wartungen. Während sich die Moderation teils in der Durchsetzung der Verhaltensrichtlinien erschöpft,103 fiel etwa die Einflussnahme des Betreibers des Forums „Deutschland im Deep Web“ vergleichsweise umfassend aus, indem dieser zum Teil strafrechtlich relevante Nutzerbeiträge erst infolge einer Sichtung manuell freischaltete.104 Eine händische Freischaltung von Werbetexten wird indes tendenziell eher innerhalb der weniger professionell organisierten Foren vorgenommen werden. Als Einflussnahme auf konkrete Nutzergeschäfte ist zugleich das Schlichten von Streitigkeiten zwischen Nutzern sowie die manuelle Betätigung des multi-signatureescrow zugunsten einer Partei denkbar, die auch für Marktplätze grundsätzlich an Bedeutung gewinnt. Inwieweit ein solches je nach Einzelfall divergierendes Maß an Einflussnahme im Rahmen der Beurteilung einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit eines Plattformbetreibers an Bedeutung gewinnt, wird im weiteren Verlauf einer umfassenden Klärung zuzuführen sein.105 Der Grad der Einflussnahme des Betreibers bedarf jedenfalls stets einer umfassenden Würdigung des Einzelfalls. Als Leitlinie sei nachfolgend jedoch der allgemeine Betrieb der Plattform sowie eine unter Umständen weitergehende, auf konkrete Nutzergeschäfte einwirkende Tätigkeit des Betreibers zu differenzieren.
D. Zusammenfassung Das Darknet, welches als virtueller Raum unter Verwendung einer spezifischen Software betreten werden kann, bietet den Beteiligten angesichts der Möglichkeit der Errichtung einer Plattform als sogenannten „Onion Services“ sowie der Verschleierung der IP-Adresse ein hohes Maß an Anonymität. Die Einführung in die faktischen Strukturen des Darknets zeigte neben der spezifischen Funktionsweise und Bedienungsfreundlichkeit des Tor-Browsers letztlich die Erscheinungsformen von unterschiedlichen Modellen einer Plattform im Darknet. Darknet-Plattformen lassen sich demnach im Wesentlichen in virtuelle Marktplätze sowie in Foren klassifizieren, wobei insoweit Plattformen mit ganz oder teilweise krimineller Ausrichtung sowie solche mit grundsätzlich legaler Ausrichtung vorzufinden sind. Während digitale Marktplätze im Darknet meist vom Betreiber umfassend kriminell – das heißt unmittelbar auf die Förderung des Handels mit illegalen Waren und Dienstleistungen – ausgerichtet sind, liegt Foren mit separaten Handelsbereichen für Werbetexte oder Inserate bezüglich illegaler Waren und Dienstleistungen eine zumindest teilweise kriminelle Ausrichtung zugrunde. Der unentgeltliche Aus 103
Bundeskriminalamt, Bundeslagebild Cybercrime 2019, S. 33. Vgl. LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 169 ff. 105 Siehe beispielsweise unter Teil 3 B. II. 3. a) und Teil 3 G. I. 104
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Teil 1: Die Strukturen des Darknets
tausch kinderpornografischer Inhalte erfolgt hingegen überwiegend in eigens dafür vorgesehenen, ebenfalls umfassend kriminell ausgerichteten, Foren beziehungsweise Tauschbörsen. Schließlich existieren vornehmlich Foren mit grundsätzlich legaler Ausrichtung insbesondere zum kommunikativen Austausch der Nutzer. Ungeachtet dessen kann zudem das Maß an Einflussnahme des Betreibers nach Zurverfügungstellung der Plattform im Einzelfall unterschiedlich ausfallen, sei es, dass dieser Beiträge erst infolge einer Sichtung manuell freischaltet, händisch den Treuhandservice betätigt, etwaige Nutzerstreitigkeiten klärt oder sei es, dass sämtliche Vorgänge nach Inbetriebnahme der Plattform automatisiert abgewickelt werden. Gerade die beschriebenen Differenzierungen sind es jedoch, welche sich – wie nachfolgend ersichtlich – mit Blick auf die Beurteilung der (straf-)rechtlichen Verantwortlichkeit des Betreibers einer Darknet-Plattform als von hervorgehobener Bedeutung erweisen werden.
Teil 2
Relevanz des Haftungsprivilegs der §§ 7 Abs. 2, 10 TMG Die zugrundeliegende Forschungsfrage erweist sich der Sache nach als Querschnittsmaterie zwischen Straf- und Telemedienrecht. Einer Untersuchung des Kern- und Nebenstrafrechts vorgelagert, ist daher insbesondere die Frage, ob und inwieweit die Verantwortlichkeitsvorschriften der §§ 7 bis 10 TMG auf die Strafbarkeit des Betreibers einer Plattform im Darknet Einfluss nehmen. In Anbetracht der Tatsache, dass nicht zuletzt im richtungsweisenden Urteil des LG Karlsruhe keinerlei Diskussion um die Tragweite der Haftungsprivilegierung eines Host-Providers nach §§ 7 Abs. 2, 10 TMG erfolgte,1 sei nachfolgend zunächst die Bedeutung der unionsrechtlich geprägten §§ 7 bis 10 TMG beleuchtet. Im weiteren Verlauf fokussiert Teil 2 daher eingangs das Verhältnis der §§ 7 bis 10 TMG zum geltenden Strafrecht sowie das Haftungssystem derselben. Anschließend erfolgt ein Überblick über die generelle Reichweite der Haftungsprivilegierung des § 10 Satz 1 TMG für das Betreiben einer Plattform im Darknet, das heißt eine Darstellung, unter welchen Voraussetzungen dem Betreiber das Privileg des § 10 Satz 1 TMG gebührt. Hinsichtlich einer etwaigen Nichtanwendbarkeit des § 10 TMG soll sodann insbesondere den Unterschieden Rechnung getragen werden, die sich aus der differenzierten Betrachtung von Plattformen mit ganz oder teilweise krimineller und solcher mit legaler Ausrichtung beziehungsweise einer divergierenden Einflussnahme des Betreibers ergeben. Erörtert sei hierzu die Rechtsprechung des EuGH zur „aktiven Rolle“ eines Diensteanbieters.
1
Siehe LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013. Auch in den einstigen Entwürfen zur Schaffung des § 126a StGB-E wurde ein möglicher Einfluss des Telemedienrechts zunächst nicht thematisiert. Erst im Rahmen des Referentenentwurfs zur Schaffung eines § 127 StGB-E wurde sodann kurz das benannte Verhältnis zu der den §§ 7 bis 10 TMG zugrundeliegenden E-Commerce-Richtlinie diskutiert, siehe RefE kriminelle Handelsplattformen, S. 8. Innerhalb der Literatur werden die §§ 7 bis 10 TMG etwa diskutiert bei Bartl / Moßbrucker / Rückert, Angriff auf die Anonymität im Internet, S. 8; Beck / Nussbaum, HRRS 2020, 112, 116 f.; Greco, ZIS 2019, 435 ff.; Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 10; Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 62 ff.; Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 68 ff.; Zieschang, GA 2020, 57, 66 f.
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Teil 2: Relevanz des Haftungsprivilegs der §§ 7 Abs. 2, 10 TMG
A. Rechtsnatur der §§ 7 bis 10 TMG Das Telemediengesetz ist eines der zentralen Regelwerke des deutschen Internetrechts und sieht unter anderem Vorschriften für das Bereithalten sogenannter Telemedien vor. In Bezug auf die Frage einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Plattformbetreibers im Darknet erweisen sich speziell die §§ 7 bis 10 TMG von Bedeutung, sind diese doch dem 3. Abschnitt des Telemediengesetzes zugeordnet, der die Überschrift „Verantwortlichkeit“ trägt. Inhaltlich gleichen die §§ 7 bis 10 TMG den vorherigen §§ 8 bis 11 TDG sowie den §§ 6 bis 9 MDStV und dienen der Umsetzung der Art. 12 bis 15 des 4. Abschnitts der E-Commerce-Richtlinie zur Harmonisierung des Rechts der Mitgliedstaaten.2 Als sogenannte Querschnittsregelungen beziehungsweise horizontale Regelungen entfalten die zentralen Verantwortlichkeitsvorschriften der §§ 7 bis 10 TMG grundsätzlich rechtsgebietsübergreifende Wirkung und gelten mithin gleichermaßen für das Zivilrecht, das öffentliche Recht sowie das Strafrecht.3 Eigene Straftatbestände stellen die §§ 7 bis 10 TMG hingegen anerkanntermaßen nicht dar.4 Weder begründen diese eine (strafrechtliche) Verantwortlichkeit noch erweitern sie eine solche.5
B. Haftungssystem der §§ 7 bis 10 TMG Die Vorschriften der §§ 7 bis 10 TMG betreffen wie gesehen die Verantwortlichkeit eines Diensteanbieters (§ 2 Satz 1 Nr. 1 TMG), nicht hingegen diejenige eines Nutzers (§ 2 Satz 1 Nr. 3 TMG). Hinsichtlich der verschiedenen Diensteanbieter halten die §§ 7 bis 10 TMG ein abgestuftes Haftungssystem bereit.
2 BT-Drs. 14/6098, S. 1, 22; Altenhain, in: MüKo-StGB, Vor § 7 TMG Rn. 1; Hennemann, in: BeckOK-InfoMedienR, § 7 TMG Rn. 2 ff. 3 Hierzu unter anderem OLG Hamburg v. 26. 05. 2011 – 3 U 67/11, MMR 2011, 685, 686; KG v. 25. 08. 2014 – 4 Ws 71/14 – 141 AR 363/14, NJW 2014, 3798, 3799; Altenhain, in: MüKoStGB, Vor § 7 TMG Rn. 2; Hennemann, in: BeckOK-InfoMedienR, § 7 TMG Rn. 9; Hoffmann / Volkmann, in: Spindler / Schuster, Vor §§ 7 ff. TMG Rn. 15; Sieber / Höfinger, in: Handbuch Multimedia-Recht, Teil 18.1 Rn. 1; Spindler, in: Spindler / Schmitz, Vor §§ 7–10 TMG Rn. 25; Valerius, in: BeckOK-StGB, Providerhaftung, Rn. 6. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Richtlinie laut Erwägungsgrund 8 nicht beabsichtigt, „den Bereich des Strafrechts als solchen zu harmonisieren“, ABl. EG 2000 Nr. L 178, S. 2. Deutlich wird nur, dass diese keine besonderen, allein für das Strafrecht geltende Regelungen bereithält, vgl. Altenhain, in: MüKo-StGB, Vor § 7 TMG Rn. 2; Hoffmann / Volkmann, in: Spindler / Schuster, Vor §§ 7 ff. TMG Rn. 15. 4 Siehe Altenhain, in: MüKo-StGB, Vor § 7 TMG Rn. 4. 5 Unter anderem BGH v. 30. 06. 2009 – VI ZR 210/08, GRUR 2009, 1093; OLG Köln v. 13. 10. 2016 – 15 U 189/15, BeckRS 2016, 18916; Altenhain, in: MüKo-StGB, Vor § 7 TMG Rn. 4; Hennemann, in: BeckOK-InfoMedienR, § 7 TMG Rn. 5; zu §§ 8 bis 11 TDG a. F.: BTDrs. 14/6098, S. 23.
B. Haftungssystem der §§ 7 bis 10 TMG
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Das Telemediengesetz gibt eine funktionale Einteilung von Diensteanbietern vor. Die Bestimmung der Verantwortlichkeit des Diensteanbieters kann daher nur anhand der konkreten Tätigkeit und nicht des abstrakten Status bestimmt werden.6 Insoweit betrifft § 7 Abs. 1 TMG zunächst die Inhaltsanbieter (sogenannte ContentProvider), die eigene Informationen zur Nutzung bereithalten.7 Dagegen beschreibt § 8 Abs. 1 TMG beziehungsweise Art. 12 ECRL die Durchleitung von fremden Informationen. Gemeint sind zum einen Netzwerkdienstanbieter (sogenannte Network-Provider), die fremde Informationen in einem Kommunikationsnetz übermitteln und die erforderlichen Verbindungsleitungen zur Verfügung stellen, in denen die Daten fließen.8 Zum anderen umfasst § 8 Abs. 1 TMG Internetdienstanbieter (sogenannte Access-Provider), die lediglich den Zugang zum Internet und damit zur Nutzung fremder Informationen vermitteln.9 Erfolgt von vornherein eine bloße Zwischenspeicherung von Daten, um fremde Informationen durchzuleiten oder ihre Übermittlung zu beschleunigen, handelt es sich um ein Caching des Diensteanbieters (vgl. § 8 Abs. 2 TMG, § 9 TMG; Art. 13 ECRL).10 Wird die Speicherung fremder Informationen dagegen nicht nur vorübergehend vorgenommen, so tritt ein Diensteanbieter als Host-Provider im Sinne des § 10 TMG beziehungsweise Art. 14 ECRL auf.11 Im Zentrum des Haftungssystems der §§ 7 bis 10 TMG steht demnach augenscheinlich die Abgrenzung von eigenen und fremden Informationen. Während § 7 Abs. 1 TMG eine klarstellende Regelung für eigene Informationen des Diensteanbieters vorsieht, fokussieren die §§ 8 bis 10 TMG die Verantwortlichkeit eines Diensteanbieters für fremde Informationen. Dabei ist entsprechend dem mehrstufigen Haftungssystem der §§ 7 bis 10 TMG eine rechtliche Verantwortlichkeit umso eher gegeben, je näher ein Diensteanbieter der betreffenden Information steht.12 Für eigene Informationen haften Content-Provider dementsprechend nach Maßgabe des § 7 Abs. 1 TMG im Sinne der „allgemeinen Gesetze“ voll verantwortlich, soweit sie diese zur Nutzung bereithalten. Für fremde Informationen haftet ein Diensteanbieter hingegen grundsätzlich nicht, solange dieser den in den §§ 8 bis 10 TMG normierten Voraussetzungen gerecht wird. Die nach den §§ 8 bis 10 TMG privilegierten Diensteanbieter sind zudem nach dem Grundsatz des § 7 Abs. 2 TMG beziehungsweise Art. 15 ECRL von einer allgemeinen Überwachungs- oder Nach 6 Gercke, in: Gercke / Brunst, Rn. 584; Heger, in: Lackner / Kühl, § 184 Rn. 7; Hilgendorf / Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 179. 7 Hilgendorf / Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 180; Müller-Broich, NK-TMG, § 7 Rn. 1; Valerius, in: BeckOK-StGB, Providerhaftung, Rn. 10. 8 Hilgendorf / Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 180. 9 Hilgendorf / Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 180; Müller-Broich, NK-TMG, § 8 Rn. 1; Valerius, in: BeckOK-StGB, Providerhaftung, Rn. 11. 10 Valerius, in: BeckOK-StGB, Providerhaftung, Rn. 12. 11 Hennemann, in: BeckOK-InfoMedienR, § 10 TMG Rn. 16 ff.; Hilgendorf / Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 180; Valerius, in: BeckOK-StGB, Providerhaftung, Rn. 12. 12 Etwa Hilgendorf / Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 193; Valerius, in: BeckOK-StGB, Providerhaftung, Rn. 15.
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Teil 2: Relevanz des Haftungsprivilegs der §§ 7 Abs. 2, 10 TMG
forschungspflicht hinsichtlich potentiell rechtswidriger Inhalte der Nutzer befreit. Daher ist § 7 Abs. 2 TMG stets mit den §§ 8 bis 10 TMG zusammenzulesen.13 Grund einer solchen Haftungsprivilegierung für die dem Diensteanbieter fremden Informationen sind dabei die verminderten Kontroll- und Kenntnisnahmemöglichkeiten der eingehenden Datenmengen, soweit die Tätigkeit des Diensteanbieters bloßer technischer, automatischer sowie passiver Art ist.14
C. Dogmatische Einordnung der §§ 7 bis 10 TMG Ausgehend davon gewinnt mit Blick auf das Betreiben einer Plattform im Dark net abermals die häufig geführte Diskussion um die dogmatische Einordnung der Verantwortlichkeitsregeln in den strafrechtlichen Deliktsaufbau an Bedeutung. Die §§ 7 bis 10 TMG im 3. Abschnitt führen wie gesehen die Überschrift „Verantwortlichkeit“. Insoweit wählt der Gesetzgeber einen rechtsgebietsneutralen Begriff, um deren Charakter als horizontale Regelungen zu betonen.15 Der (juristische) Sprachgebrauch impliziert, dass derjenige, der „verantwortlich“ ist, insoweit einstehen muss.16 Über das dogmatische Verhältnis der §§ 7 bis 10 TMG zu den strafrechtlichen Grundsätzen ist damit jedoch nichts gesagt.
I. Zweistufige Modelle als sogenannte Filtermodelle Zum Teil werden hinsichtlich der dogmatischen Einordnung der §§ 7 bis 10 TMG sogenannte zweistufige Filtermodelle befürwortet.17 Als Querschnittsregelungen und im Hinblick auf den horizontalen Charakter seien diese außerhalb der drei Wertungsstufen des Tatbestands, der Rechtswidrigkeit sowie der Schuld zu verorten. Vielfach wird dort sodann eine Platzierung der §§ 7 bis 10 TMG als sogenannter „Vorfilter“ befürwortet, sodass die Normen des Strafgesetzbuchs sowie der einschlägigen strafrechtlichen Nebengesetze erst im Anschluss an eine Prüfung des „Vorfilters“ der §§ 7 bis 10 TMG relevant würden.18 Im Gegensatz hierzu wird teils 13
Ausdrücklich für die §§ 7, 10 TMG siehe etwa Bode, ZStW 127 (2015), 937, 942. Siehe etwa Altenhain, in: MüKo-StGB, § 10 TMG Rn. 2; Hennemann, in: BeckOK-InfoMedienR, § 7 TMG Rn. 7; allgemein Marberth-Kubicki, DRiZ 2007, 212, 216. 15 Altenhain, in: MüKo-StGB, Vor § 7 TMG Rn. 3; Sieber / Höfinger, in: Handbuch Multimedia-Recht, Teil 18.1 Rn. 15. 16 BT-Drs. 13/7385, S. 19; Altenhain, in: MüKo-StGB, Vor § 7 TMG Rn. 3 m. w. N. 17 Etwa Vassilaki vertrat davon unabhängig zu § 5 TDG a. F. das Modell eines eigenständigen sogenannten Telediensteinhaltsdelikts, vgl. hierzu die Ausführungen bei Vassilaki, MMR 1998, 630, 631 ff. 18 Altenhain, in: MüKo-StGB, Vor § 7 TMG Rn. 7; Altenhain, in: FS-Puppe, 343, 359; Gercke, in: Gercke / Brunst, Rn. 581; B. Heinrich, in: Wandtke / Ohst, Kap. 6 Rn. 73; Malek / Popp, Strafsachen im Internet, Rn. 74; Müller-Broich, NK-TMG, Vor §§ 7–10 Rn. 1; Wang, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Internet-Service-Providern, S. 52 f.; Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 62 ff.; zu §§ 8 bis 11 TDG a. F.: OLG Hamburg v. 14. 07. 2004 – 14
C. Dogmatische Einordnung der §§ 7 bis 10 TMG
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zugleich die Konstruktion eines Nachfilters vertreten, wonach die Vorschriften im Nachgang zu den eigentlichen Straftatbeständen zu erörtern seien.19 Beide Arten von zweistufigen Modellen beziehen sich zur Begründung insbesondere auf die Terminologie des Gesetzgebers, der die §§ 7 bis 10 TMG als „Filter“ bezeichnet.20
II. Einstufige Modelle als sogenannte Integrationslösung In Abweichung zu den zweistufigen Modellen sind vermehrt einstufige Modelle – als sogenannte Integrationslösungen – zu verzeichnen. An welcher Stelle die Verantwortlichkeitsregelungen der §§ 7 bis 10 TMG konkret in den strafrechtlichen Deliktsaufbau zu integrieren sind, ist jedoch umstritten. Die Vertreter der sogenannten Tatbestandslösung favorisieren zunächst eine Verortung der §§ 7 bis 10 TMG innerhalb des Tatbestands der (straf-)rechtlichen Haftungsnorm.21 Einfallstore zur Integration würden insoweit neben der Zurechnung etwa der subjektive Tatbestand darstellen.22 Für abstrakte Gefährdungsdelikte sei ferner eine teleologische Reduktion anzudenken.23 Teilweise wird außerdem ein tatbestandsintegrierter Vorfilter vorgeschlagen.24 Demgegenüber wird teils eine Einordnung innerhalb der Wertungsstufe der Rechtswidrigkeit25 oder der Schuld vertreten.26 5 U 160/03, MMR 2004, 822, 823; zu § 5 TDG a. F. etwa: BT-Drs. 13/7385, S. 20, 51; BGH v. 23. 09. 2003 – VI ZR 335/02, NJW 2003, 3764 f.; Altenhain, AfP 1998, 457, 458; Bleisteiner, Rechtliche Verantwortlichkeit im Internet, S. 157; Engel-Flechsig / Maennel / Tettenborn, NJW 1997, 2981, 2984 f.; Park, GA 2001, 23, 29. 19 Zu §§ 8 bis 11 TDG a. F. beispielsweise Bornkamm / Seichter, CR 2005, 747, 749; Stadler, Haftung für Informationen im Internet, Teil 2 Rn. 22. 20 Zur Bezeichnung als „Filter“ siehe BT-Drs. 14/6098, S. 23. 21 Zur Tatbestandslösung etwa Eisele, in: Schönke / Schröder, § 184 Rn. 72; Heger, in: Lackner / Kühl, § 184 Rn. 7a; Hilgendorf, in: Satzger / Schluckebier / Widmaier, StGB, § 184 Rn. 23; Hilgendorf / Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 192; Hörnle, NJW 2002, 1008, 1011; Hoffmann / Volkmann, in: Spindler / Schuster, Vor §§ 7 ff. TMG Rn. 32; Sieber / Höfinger, in: Handbuch Multimedia-Recht, Teil 18.1 Rn. 21; Valerius, in: BeckOK-StGB, Providerhaftung, Rn. 6; zu § 5 TDG a. F.: Haft / Eisele, JuS 2001, 112, 117 f.; Haft / Eisele, in: Regulierung in Datennetzen, 53, 61 ff.; Hilgendorf, NStZ 2000, 518 f.; Satzger, CR 2001, 109, 111. 22 Für eine Verortung im objektiven Tatbestand etwa: Bode, ZStW 127 (2015), 937, 960 f.; Heß, Die Verantwortlichkeit von Diensteanbietern, S. 34 ff.; Spindler, in: Spindler / Schmitz, Vor §§ 7–10 TMG Rn. 37; zu §§ 8 bis 11 TDG a. F.: Liebau, Jura 2006, 520, 522; Paul, Primärrechtliche Regelung zur Verantwortlichkeit von Internetprovidern, S. 119 ff.; Sobola / Kohl, CR 2005, 443, 445. Für eine Verortung im subjektiven Tatbestand etwa: KG v. 25. 08. 2014 – 4 Ws 71/14 – 141 AR 363/14, NJW 2014, 3798, 3799 f.; LG Berlin v. 28. 04. 2014 – 506 KLs 13/13, BeckRS 2014, 19229; Ceffinato, JuS 2017, 403, 405. 23 Zu § 5 TDG a. F. Haft / Eisele, in: Regulierung in Datennetzen, 53, 70, 72. 24 Sieber / Höfinger, in: Handbuch Multimedia-Recht, Teil 18.1 Rn. 26. 25 Zu § 8 TMG etwa Walter, in: LK-StGB, Vor §§ 13 ff. Rn. 151; zu § 5 TDG a. F.: Popp, Die strafrechtliche Verantwortung von Internet-Providern, S. 89 ff.; zu § 10 TMG Zieschang, GA 2020, 57, 67. 26 Zu § 5 TDG a. F.: LG München I v. 17. 11. 1999 – 20 Ns 465 Js 173158/95, NJW 2000, 1051, 1052.
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Teil 2: Relevanz des Haftungsprivilegs der §§ 7 Abs. 2, 10 TMG
Schließlich wird gelegentlich der Ruf nach einem jenseits von Unrecht und Schuld stehenden, persönlichen Strafausschließungsgrund laut.27
III. Stellungnahme Die vorstehend beschriebenen reinen Filtermodelle sehen sich jedoch einigen Vorwürfen ausgesetzt. So lässt sich eine widerspruchsfreie Anwendung der §§ 7 bis 10 TMG ohne Rückbezug zu den Besonderheiten des jeweiligen Rechtsgebiets nur unzureichend realisieren, blieben doch ohne eine Integration der Verantwortlichkeitsvorschriften in die zu prüfende Strafnorm – und insoweit ist den vorzufindenden Stimmen der Literatur beizupflichten – die entsprechenden Bezugspunkte der Merkmale einer Haftungsprivilegierung regelmäßig ungewiss.28 Im Unklaren bliebe bei Anwendung einer zweistufigen Filterlösung zugleich etwa die Behandlung eines Irrtums des Diensteanbieters insoweit, als sich erhebliche Unterschiede hinsichtlich eines Irrtums auf Ebene des Tatbestands, der Rechtswidrigkeit beziehungsweise der Schuld ergeben.29 Über eine sinnvolle Einordnung der §§ 7 bis 10 TMG ist daher durch die gesetzgeberische Bezeichnung als „Filter“ nichts gesagt. Die gewählte Terminologie steht insoweit schlicht für deren generelle Wirkungsweise,30 als diese filternd bezüglich einer möglichen Haftung von Diensteanbietern wirken. Die Formulierung des Gesetzgebers als „Filter“ muss jedoch nicht zwangsläufig als eine Art Vor- beziehungsweise Nachfilter gedeutet werden. Vielmehr kann insoweit auch eine Filterwirkung innerhalb des strafrechtlichen Deliktsaufbaus gemeint sein. Hinsichtlich des Standorts, an dem ebenjener Filter tatsächlich Wirkung entfaltet, hält sich der Gesetzgeber inzwischen bedeckt.31 Indes vermag auch die benannte Integrationslösung nicht uneingeschränkt zu überzeugen. Vielmehr verkennt eine Verortung der §§ 8 bis 10 TMG als Rechtfertigungs-, Schuldausschließungs- oder Strafausschließungsgrund die hinter der Schaffung der Verantwortlichkeitsvorschriften stehende gesetzgeberische Intention. Denn die infolge der §§ 8 bis 10 TMG privilegierten Verhaltensweisen stellen solche dar, die von der Rechtsordnung grundsätzlich gebilligt werden.32 Dies offenbart bereits die dortige generelle Verantwortlichkeitsfreistellung für Diensteanbieter, soweit diese sich innerhalb des Anwendungsbereichs der Vorschriften bewegen. Es ist jedoch die Ebene des Tatbestands, der stets die Funktion zukommt, solche Verhaltensweisen zu beschreiben, die typischerweise Unrecht darstellen.33 27
Zu § 5 TDG a. F.: Heghmanns, ZUM 2000, 463, 464 f.; Heghmanns, JA 2001, 71, 78. Hilgendorf / Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 190. 29 Zu § 5 TDG a. F. Haft / Eisele, in: Regulierung in Datennetzen, 53, 56 f.; Spindler, MMR 1998, 639, 640 f.; zum TMG etwa Spindler, in: Spindler / Schmitz, Vor §§ 7–10 TMG Rn. 37 m. w. N. 30 Zutreffend bereits Hilgendorf / Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 190. 31 Wohl anders noch BT-Drs. 13/7385, S. 51. 32 Vgl. Sieber / Höfinger, in: Handbuch Multimedia-Recht, Teil 18.1 Rn. 23. 33 Allgemein dazu Eisele, in: Schönke / Schröder, Vor §§ 13 ff. Rn. 43 ff.; Kühl, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 3 Rn. 2; Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 8 Rn. 3. 28
D. Das Betreiben einer Darknet-Plattform im Lichte des § 10 TMG
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Im Gleichlauf hierzu beinhalten die Vorschriften der §§ 8 bis 10 TMG die Aussage, wann Diensteanbieter typischerweise nach den allgemeinen Grundsätzen zur Verantwortung gezogen werden können und für welchen Fall davon entsprechend der §§ 8 bis 10 TMG abzusehen ist.34 Dementsprechend handelt es sich bezüglich der §§ 8 bis 10 TMG nicht um ein solches Verhalten, welches lediglich im Einzelfall ausnahmsweise eine Rechtfertigung beziehungsweise Entschuldigung erfahren soll.35 Vielmehr soll entsprechend dem gesetzgeberischen Willen an einen nach den §§ 8 bis 10 TMG privilegierten Diensteanbieter bereits der Tatbestandsvorwurf nicht ergehen.36 Im Falle einer Verortung fernab des Tatbestands entfiele jedoch nur ausnahmsweise die Sozialschädlichkeit des Verhaltens eines Diensteanbieters,37 sodass die Verortung der §§ 8 bis 10 TMG außerhalb der Ebene des Tatbestands deren ratio legis widerspräche. Zwar werden die divergierenden Ansätze – einmal an das Ergebnis der Straffreiheit oder Strafbarkeit gedacht – oftmals nicht zu abweichenden Ergebnissen gelangen. Unter Zugrundelegung der in den §§ 7 bis 10 TMG zum Ausdruck kommenden Wertungen lassen sich dennoch zum Teil wertvolle Rückschlüsse zur Beurteilung der relevanten Strafvorschriften ziehen. Vorzugswürdig ist demnach zwar eine Integration der §§ 7 bis 10 TMG in den Tatbestand der jeweiligen Strafvorschrift. Dennoch erscheint aus Gründen der Übersichtlichkeit auch für die hier in Rede stehende strafrechtliche Verantwortlichkeit des Plattformbetreibers im Darknet sinnvoll, zunächst die personale und sachliche Anwendbarkeit des einschlägigen Haftungsprivilegs zu erörtern. Schließlich lassen sich die Wertungen nur erfolgreich in den Tatbestand integrieren, soweit klar ist, ob und unter welchen Voraussetzungen dem Betreiber eine den Tatbestand ausschließende Haftungsprivilegierung überhaupt gebührt. Demnach seien vorab die Voraussetzungen sowie die Anwendbarkeit der Haftungsprivilegierungen erläutert.
D. Das Betreiben einer Darknet-Plattform im Lichte des § 10 TMG Versucht man nun, das Betreiben einer Plattform im Darknet in das Verantwortlichkeitssystem der §§ 7 bis 10 TMG einzuordnen, erweist sich das bloße technische Durchleiten von fremden Informationen sowie eine nur kurzzeitige Zwischenspeicherung derselben im Hinblick auf die Tätigkeit des Betreibers von vornherein fernliegend. Die Plattform des Betreibers bietet vielmehr die nötige Infrastruktur 34
So Hilgendorf / Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 192. Siehe Hoffmann / Volkmann, in: Spindler / Schuster, Vor § 7 ff. TMG Rn. 32; Sieber / Höfinger, in: Handbuch Multimedia-Recht, Teil 18.1 Rn. 23; wenngleich zur Vorfilterlösung etwa Altenhain, in: MüKo-StGB, Vor § 7 TMG Rn. 7 m. w. N. 36 So im Ergebnis, aber zur Vorfilterlösung etwa Altenhain, in: MüKo-StGB, Vor § 7 TMG Rn. 7. 37 Sieber / Höfinger, in: Handbuch Multimedia-Recht, Teil 18.1 Rn. 23; Sieber, Verantwortlichkeit im Internet, Rn. 241. 35
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Teil 2: Relevanz des Haftungsprivilegs der §§ 7 Abs. 2, 10 TMG
für Verkaufsangebote sowie Forenbeiträge. Unstreitig nicht in den Genuss einer Privilegierung käme ein Plattformbetreiber dabei, sofern dieser als Content-Provider vorliegend nicht näher beleuchtete, eigene Beiträge erstellt,38 trifft diesen doch bei Bereithaltung eigener Informationen nach § 7 Abs. 1 TMG eine Vollverantwortlichkeit nach den „allgemeinen Gesetzen“. Beschränkt sich die Tätigkeit des Betreibers jedoch auf die Speicherung von Nutzerbeiträgen, so scheint eine Einordnung desselben als ein dem § 10 TMG zuzuordnender Host-Provider denkbar. Ausgehend davon sei nachstehend einerseits beleuchtet, unter welchen personellen und sachlichen Voraussetzungen dem Plattformbetreiber die Privilegierung der §§ 7 Abs. 2, 10 TMG für Nutzerbeiträge zusteht sowie andererseits, wann dieser der Privilegierung – etwa angesichts einer besonderen Einflussnahme auf Nutzerbeiträge oder aber einer kriminellen Ausrichtung der Plattform – nicht unterfällt.
I. Personelle Privilegierungsvoraussetzungen des § 10 TMG Die Haftungsprivilegierung der §§ 7 Abs. 2, 10 TMG erfordert zunächst die Eigenschaft des Plattformbetreibers als Diensteanbieter. Diensteanbieter ist nach § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG „jede natürliche oder juristische Person, die eigene oder fremde Telemedien zur Nutzung bereithält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt“. Telemedien – als zentrales Merkmal jener Definition – sind entsprechend § 1 Abs. 1 Satz 1 TMG alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste, soweit es sich nicht um Telekommunikationsdienste nach § 3 Nr. 61 TKG, telekommunikationsgestützte Dienste nach § 3 Nr. 63 TKG oder Rundfunk nach § 2 RStV beziehungsweise § 2 MStV handelt.39 Die Betreiber von Internetplattformen zum Austausch von Informationen und Meinungen, wie Diskussionsforen sowie Anbieter von Verkaufs- oder Handelsplattformen werden dabei allgemein als Diensteanbieter im Sinne von § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG eingeordnet, die Telemedien zur Nutzung bereithalten.40 Weil das Telemediengesetz die Einordnung als Telemedium ersichtlich nicht an eine spezifische Verortung der Plattform in der Internetstruktur knüpft, gilt dies auch, soweit diese im Darknet verortet ist.
II. Sachliche Privilegierungsvoraussetzungen des § 10 TMG § 10 Satz 1 TMG bestimmt, dass Diensteanbieter für fremde Informationen, die sie für einen Nutzer speichern, nicht verantwortlich sind, sofern sie keine Kenntnis 38
Zur Begrenzung auf fremde Nutzerbeiträge vgl. die Ausführungen unter Teil 1 C. IV. Der Rundfunkstaatsvertrag wurde zum 7. November 2020 durch den Medienstaatsvertrag ersetzt. Eine Anpassung in § 1 Abs. 1 Satz 1 TMG wurde bis dato nicht vorgenommen. 40 Allgemein OLG München v. 21. 09. 2006 – 29 U 2119/06, MMR 2006, 739, 740; LG Düsseldorf v. 29. 10. 2002 – 4a O 464/01, MMR 2003, 120, 122 f.; Marx, in: JurisPK-Internetrecht, Kap. 1.2 Rn. 165; Schmittmann, in: Handbuch Multimedia-Recht, Teil 9 Rn. 112; Spindler, in: Spindler / Schmitz, § 2 Rn. 24. 39
D. Das Betreiben einer Darknet-Plattform im Lichte des § 10 TMG
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von der rechtswidrigen Handlung oder der Information haben (Nr. 1) oder sie unverzüglich tätig geworden sind, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren, sobald sie diese Kenntnis erlangt haben (Nr. 2).41 1. Verkaufsangebote und Forenbeiträge als „Information“ Kennzeichnendes Element des § 10 TMG ist daher zunächst das Vorliegen einer „Information“. Die gewählte Terminologie ergibt sich mit Blick auf die E-Commerce-Richtlinie, ohne dass diese eine Legaldefinition bereithielte.42 Diesbezüglich wird eine extensive Auslegung des Informationsbegriffs gefordert,43 sodass als Informationen „sämtliche digitalisierbaren Inhalte“ jeglicher Art gelten, sofern und soweit diese über Telemediendienste gespeichert und übermittelt werden können.44 Während innerhalb von Darknet-Foren hierzu etwa das Verfassen von Beiträgen zum kommunikativen Austausch zählt, bieten virtuelle Marktplätze einen Ort zum Handel mit verschiedenen Waren und Dienstleistungen. Ebendiese Forenbeiträge sowie Verkaufsangebote stellen daher Informationen dar. a) Abgrenzung: Eigene oder fremde Informationen Die Verantwortlichkeitsregelungen der §§ 7 bis 10 TMG nehmen sachlich wie gesehen auf zwei Arten von Informationen – nämlich eigene oder fremde – Bezug. Anders als die nationale Umsetzung der §§ 7 bis 10 TMG kennen die Art. 12 bis 15 ECRL eine Unterscheidung zwischen „eigenen“ und „fremden“ Informationen nicht, diese nehmen allein die „durch einen Nutzer eingegebenen Informationen“ in ihren Fokus. Die Verantwortlichkeit des Diensteanbieters für eigens eingegebene Informationen erwähnt die E-Commerce-Richtlinie hingegen nicht. Vielmehr folgt im Umkehrschluss aus der bloßen Regelung der vom Nutzer eingegebenen Informationen, dass für andere Informationen Haftungsprivilegierungen nicht vorgesehen sind.45 Die nationale Vorschrift des § 7 Abs. 1 TMG stellt daher nur dekla 41
§ 10 Satz 1 Nr. 1 TMG regelt ferner Besonderheiten für ein Haftungsprivileg des Dienste anbieters in Bezug auf Schadensersatzansprüche, die vorliegend nicht von Bedeutung sind. § 10 Satz 2 TMG bestimmt außerdem die fehlende Anwendbarkeit der Verantwortlichkeitsfreistellung des Satzes 1, soweit der Nutzer dem Diensteanbieter untersteht oder von diesem beaufsichtigt wird, was für die vorliegenden Konstellationen gleichermaßen regelmäßig ohne Relevanz ist. 42 Altenhain, in: MüKo-StGB, Vor § 7 TMG Rn. 14; Hennemann, in: BeckOK-InfoMedienR, § 7 TMG Rn. 23. 43 Für eine weite Auslegung des heutigen Informationsbegriffs unter anderem Hoffmann / Volkmann, in: Spindler / Schuster, § 7 TMG Rn. 10; Malek / Popp, Strafsachen im Internet, Rn. 76; Müller-Broich, NK-TMG, § 7 Rn. 1; Sieber / Höfinger, in: Handbuch Multimedia-Recht, Teil 18.1 Rn. 37; Spindler, in: Spindler / Schmitz, Vor §§ 7–10 TMG Rn. 30. 44 Hennemann, in: BeckOK-InfoMedienR, § 7 TMG Rn. 24 m. w. N. 45 Hennemann, in: BeckOK-InfoMedienR, § 7 TMG Rn. 28; Hoffmann / Volkmann, in: Spindler / Schuster, § 7 TMG Rn. 14; Sieber / Höfinger, in: Handbuch Multimedia-Recht, Teil 18.1 Rn. 40.
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Teil 2: Relevanz des Haftungsprivilegs der §§ 7 Abs. 2, 10 TMG
ratorisch klar, was auch ohne entsprechende Normierung gelten würde: Haftungsprivilegierungen greifen für eigene Informationen des Diensteanbieters nicht.46 Unter Zugrundelegung des technischen Verständnisses der E-Commerce-Richtlinie ist für eine eigene Information im Sinne des § 7 Abs. 1 TMG zuvorderst von Bedeutung, von wem die Information eingegeben wird, das heißt von wem diese stammt.47 Vorliegend nicht näher betrachtete,48 durch den Betreiber eingegebene Verkaufsangebote oder Forenbeiträge erweisen sich demnach als eigene Informationen, hinsichtlich derer der Betreiber vollverantwortlich nach den allgemeinen Gesetzen haften würde.49 Die vom Nutzer eingegebenen Beiträge stellen hingegen unter Würdigung der Art. 12 bis 14 ECRL grundsätzlich fremde Informationen dar, hinsichtlich derer eine Privilegierung nach § 10 TMG in Betracht kommt. b) Zu-eigen-Machen fremder Informationen Uneinigkeit besteht indes mit Blick auf die Frage, ob neben den originär eigenen Informationen auch solche Informationen, welche zwar von Nutzern eingegeben wurden, dem Diensteanbieter jedoch unter wertender Betrachtung der äußerlichen Umstände zuzurechnen sind, gleichfalls als eigene Informationen gelten. Innerhalb der nationalen Rechtsprechung und Literatur wurde eine solche Figur des „Zu-eigen-Machens“ fremder Informationen lange Zeit extensiv angewandt und ist bis heute von Bedeutung.50
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Altenhain, in: MüKo-StGB, Vor § 7 TMG Rn. 1. Etwa Altenhain, in: MüKo-StGB, Vor § 7 TMG Rn. 20; Hennemann, in: BeckOK-InfoMedienR, § 7 TMG Rn. 28 f.; Hoffmann / Volkmann, in: Spindler / Schuster, § 7 TMG Rn. 14; Spindler, in: Spindler / Schmitz, § 7 TMG Rn. 6. 48 Zur Beschränkung auf eine Verantwortlichkeit für fremde Nutzerinhalte vgl. Teil 1 C. IV. 49 Allgemein etwa Hoffmann / Volkmann, in: Spindler / Schuster, § 7 TMG Rn. 14; Altenhain, in: MüKo-StGB, Vor § 7 TMG Rn. 20. 50 Zu § 5 TDG a. F. unter anderem OLG Schleswig v. 19. 12. 2000 – 6 U 51/00, MMR 2001, 399, 400; OLG Köln v. 28. 05. 2002 – 15 U 221/01, NJW-RR 2002, 1700, 1701; LG Köln v. 05. 10. 2001 – 28 O 346/01, ZUM-RD 2002, 484, 486; auch etwa Bleisteiner, Rechtliche Verantwortlichkeit im Internet, S. 163 f.; Vassilaki, MMR 1998, 630, 633; zu den §§ 8 bis 11 TDG a. F.: OLG Brandenburg v. 16. 12. 2003 – 6 U 161/02, MMR 2004, 330; OLG Düsseldorf v. 26. 02. 2004 – I-20 U 204/02, MMR 2004, 315, 317; LG Potsdam v. 10. 10. 2002 – 51 O 12/02, MMR 2002, 829 f.; LG Düsseldorf v. 29. 10. 2002 – 4a O 464/01, MMR 2003, 120, 123; Hörnle, NJW 2002, 1008, 1010; zu den §§ 7 bis 10 TMG: BGH v. 12. 11. 2009 – I ZR 166/07, GRUR 2010, 616, 618; BGH v. 16. 05. 2013 – I ZR 216/11, GRUR 2013, 1229, 1231; BGH v. 04. 04. 2017 – VI ZR 123/16, NJW 2017, 2029, 2030; OLG Hamburg v. 26. 09. 2007 – 5 U 165/06, GRUR-RR 2008, 230, 231; Eisele, in: Schönke / Schröder, § 184 Rn. 80; Fechner, Medienrecht, Kap. 12 Rn. 19; Hilgendorf, in: Satzger / Schluckebier / Widmaier, StGB, § 184 Rn. 25; Hilgendorf / Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 200; Müller-Broich, NK-TMG, § 7 Rn. 2; Valerius, in: BeckOK-StGB, Providerhaftung, Rn. 18. 47
D. Das Betreiben einer Darknet-Plattform im Lichte des § 10 TMG
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aa) Figur des „Zu-eigen-Machens“ Die Figur des „Sich-zu-eigen-Machens“ sieht die Zurechnung einer grundsätzlich fremden Information als eigene vor. Entscheidend sei danach, dass sich eine eigentlich fremde Information für einen Dritten angesichts der äußeren Umstände als eigene Information des Diensteanbieters darstellt.51 Maßgeblich sei insoweit der Einzelfall unter Berücksichtigung der Gesamtumstände aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers.52 Den objektiven Empfängerhorizont beeinflussende Kriterien seien etwa „die Art der Datenübernahme, ihr Zweck sowie die konkrete Präsentation der fremden Daten durch den Übernehmenden“.53 Daneben sprächen etwa eine inhaltlich redaktionelle Kontrolle vonseiten des Diensteanbieters sowie eine Zuordnung der Information zum „redaktionellen Kerngehalt“ des Angebots des Diensteanbieters für ein Zu-eigen-Machen der jeweiligen fremden Information.54 Gleiches gelte etwa, soweit der Diensteanbieter fremde Informationen vor Freigabe auf Vollständigkeit oder Richtigkeit hin prüft.55 bb) Unvereinbarkeit mit Vorgaben der E-Commerce-Richtlinie Vornehmlich in der Literatur wird die Figur des Zu-eigen-Machens jedoch zunehmend kritisiert.56 Zweifel ergeben sich hiernach besonders im Hinblick auf die den §§ 7 bis 10 TMG zugrundeliegende E-Commerce-Richtlinie, die eine Differenzierung der „eigenen“ und „fremden“ Information nicht kennt. Die ECommerce-Richtlinie rekurriert allein darauf, ob „von durch einen Nutzer eingegebene[] Informationen“ vorliegen.57 Eine Informationszurechnung von frem 51
Exemplarisch BGH v. 12. 11. 2009 – I ZR 166/07, GRUR 2010, 616, 618; BGH v. 27. 03. 2012 – VI ZR 144/11, GRUR 2012, 751, 752; BGH v. 19. 03. 2015 – I ZR 94/13, GRUR 2015, 1129, 1131; BGH v. 01. 03. 2016 – VI ZR 34/15, GRUR 2016, 855, 857; BGH v. 04. 04. 2017 – VI ZR 123/16, NJW 2017, 2029, 2030 sowie die Nachweise in Teil 2 Fn. 50. 52 Vgl. die Nachweise in Teil 2 Fn. 50. 53 OLG Köln v. 28. 05. 2002 – 15 U 221/01, NJW-RR 2002, 1700, 1701; vgl. auch BGH v. 12. 11. 2009 – I ZR 166/07, GRUR 2010, 616, 618. 54 BGH v. 12. 11. 2009 – I ZR 166/07, GRUR 2010, 616, 618. 55 Etwa BGH v. 12. 11. 2009 – I ZR 166/07, GRUR 2010, 616, 619; BGH v. 19. 03. 2015 – I ZR 94/13, GRUR 2015, 1129, 1131 f.; BGH v. 01. 03. 2016 – VI ZR 34/15, GRUR 2016, 855, 857; BGH v. 04. 04. 2017 – VI ZR 123/16, NJW 2017, 2029, 2030; OLG Dresden v. 06. 03. 2018 – 4 U 1403/17, ZUM 2018, 445, 446. 56 Zu § 5 TDG a. F. galt die Zurechnung fremder Informationen als eigene Informationen des Diensteanbieters als vertretbar. Im Hinblick darauf, dass die §§ 8 bis 11 TDG a. F. sowie die §§ 7 bis 10 TMG einer Umsetzung der Art. 12 bis 15 ECRL dienen, kann eine solche Informationszurechnung nicht länger überzeugen. Eine Informationszurechnung m. w. N. ablehnend etwa auch Altenhain, in: MüKo-StGB, Vor § 7 TMG Rn. 24; Hennemann, in: BeckOK-InfoMedienR, § 7 TMG Rn. 32 ff.; Jandt, in: BeckRTD-Komm, § 7 TMG Rn. 35 ff.; Sieber / Höfinger, in: Handbuch Multimedia-Recht, Teil 18.1 Rn. 39 ff.; Spindler, in: Spindler / Schmitz, § 7 TMG Rn. 8 ff.; Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 69 f. 57 Etwa Jandt, in: BeckRTD-Komm, § 7 TMG Rn. 33; Spindler, in: Spindler / Schmitz, § 7 TMG Rn. 8.
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Teil 2: Relevanz des Haftungsprivilegs der §§ 7 Abs. 2, 10 TMG
den als eigene Informationen findet daher in der E-Commerce-Richtlinie bereits keinen Anknüpfungspunkt in terminologischer Hinsicht. Schon der Wortlaut der Art. 12 bis 15 ECRL, welcher lediglich die vom Nutzer eingegebene Information (fremde Information) thematisiert, scheint bereits keine weitere Art einer (zu eigen gemachten) Information zu kennen. Zwar kann ein nationaler Gesetzgeber zum Zwecke der Umsetzung der E-Commerce-Richtlinie die nationalen Begrifflichkeiten in einer Weise angleichen, dass eine Integration in die vorhandenen Gesetzesstrukturen möglich wird.58 Eine richtlinienkonforme Umsetzung im Sinne der „effet utile“-Rechtsprechung des EuGH erfordert jedoch die Erzeugung gleicher Wirkungen, sodass der nationale Gesetzgeber dem Regelungsziel der Richtlinie entsprechen muss (Art. 288 Abs. 3 AEUV).59 Die Richtlinie verfolgt insoweit das Ziel, die Haftung für die von Nutzern eingegebenen Informationen zu beschränken, stellt hierfür jedoch auf technische Vorgänge sowie die Herrschaftsmacht des Diensteanbieters ab, nicht aber auf die Sicht eines objektiven Dritten.60 Dass die E-Commerce-Richtlinie einen technisch geprägten Ansatz verfolgt, zeigt sich bereits in der Bezugnahme auf die vom Nutzer „eingegebenen“ Informationen. Die Haftungsprivilegien der Art. 12 bis 15 ECRL sollen dabei erkennbar nur Anwendung finden, sofern der Diensteanbieter eine rein technische Vermittlungstätigkeit (Zugangsvermittlung, Durchleitung beziehungsweise Speicherung) bezüglich fremder Informationen vornimmt. Untermauert wird dies nicht zuletzt durch die Überschrift des 4. Abschnittes der E-Commerce-Richtlinie, welchem die Art. 12 bis 15 ECRL zugehörig sind: „Verantwortlichkeit für Vermittler“. Soweit jedoch die nationale Figur des „Zu-eigen-Machens“ darauf abstellt, wie sich die Information aus Sicht eines objektiven Dritten darstellt, wird ebendies dem Regelungsziel der Art. 12 bis 15 ECRL nur unzureichend gerecht. Schließlich weitet sie den Begriff der eigenen Information aus, obgleich nach dem Verständnis der Richtlinie weiterhin eine vom Nutzer eingegebene, für den Diensteanbieter fremde Information vorliegt. Zudem ähneln die dortigen Kriterien nur teilweise den Kriterien des EuGH, der für die generelle Anwendbarkeit der Haftungsprivilegien der Art. 12 bis 14 ECRL darauf rekurriert, inwieweit der Diensteanbieter seine rein technische und automatische Rolle verlässt und eine aktive Rolle einnimmt.61 Im Ergebnis lässt sich weder der E-Commerce-Richtlinie noch der „aktiven-Rolle“-Rechtspre-
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In diesem Zusammenhang Hennemann, in: BeckOK-InfoMedienR, § 7 TMG Rn. 32; Jandt, in: BeckRTD-Komm, § 7 TMG Rn. 35; Spindler, in: Spindler / Schmitz, § 7 TMG Rn. 8; Spindler, MMR 2004, 440, 441. 59 In diesem Zusammenhang Hennemann, in: BeckOK-InfoMedienR, § 7 TMG Rn. 32; Jandt, in: BeckRTD-Komm, § 7 TMG Rn. 35; Spindler, in: Spindler / Schmitz, § 7 TMG Rn. 8; Spindler, MMR 2004, 440, 441; allgemein siehe EuGH v. 20. 05. 1992 – C-190/90, EU:C:1992: 225 – Kommission / Niederlande; W. Schroeder, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 288 AEUV Rn. 74. 60 Unter anderem Altenhain, in: MüKo-StGB, Vor § 7 TMG Rn. 24; Hennemann, in: BeckOKInfoMedienR, § 7 TMG Rn. 33 f.; Jandt, in: BeckRTD-Komm, § 7 TMG Rn. 36; Spindler, in: Spindler / Schmitz, § 7 TMG Rn. 8; Spindler, MMR 2004, 440, 441. 61 Darauf ebenfalls verweisend etwa Altenhain, in: MüKo-StGB, Vor § 7 TMG Rn. 23. Siehe zur „aktiven Rolle“-Rechtsprechung des EuGH ausführlich Teil 2 D. III.
D. Das Betreiben einer Darknet-Plattform im Lichte des § 10 TMG
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chung des EuGH ein Einstehen für einen bloßen Rechtsschein entnehmen.62 Daher gilt es die §§ 7 bis 10 TMG richtlinienkonform auszulegen, weil deren Umsetzung im Wege einer Vollharmonisierung vorgenommen wurde.63 cc) Zwischenbilanz Hinsichtlich der Einordnung von Informationen in Form von Verkaufsangeboten beziehungsweise Forenbeiträgen auf einer Plattform im Darknet als eigene oder fremde Information gilt es daher das Verständnis der E-Commerce-Richt linie zugrunde zu legen. Im Ergebnis stellt sich ein Beitrag als eigene Information des Betreibers im Sinne des § 7 Abs. 1 TMG dar, soweit er diesen selbstständig erstellt. Wird die Information hingegen seitens des Nutzers eingegeben, bleibt diese eine für den Plattformbetreiber fremde Information im Sinne des § 10 TMG und eine privilegierte Haftung des Plattformbetreibers grundsätzlich möglich, solange dieser die dortigen Voraussetzungen beachtet. Inwieweit insgesamt sodann die Rechtsprechung des EuGH zur „aktiven Rolle“ an Bedeutung gewinnt, wird sogleich zu klären sein.64 2. Speicherung fremder Informationen § 10 TMG privilegiert die „Speicherung“ der benannten fremden Informationen durch den Diensteanbieter. Eine Speicherung in diesem Sinne ist in Abgrenzung zur vorübergehenden Zwischenspeicherung gegeben, soweit diese weder „kurzzeitig“ (vgl. § 8 TMG) noch „zeitlich begrenzt“ (vgl. § 9 TMG) erfolgt.65 Demnach unterfällt jede auf Dauer angelegte Speicherung, welche nicht von §§ 8, 9 TMG erfasst ist, grundsätzlich dem Anwendungsbereich der Haftungsprivilegierung des § 10 TMG.66 Übersteigt die Speicherung das zeitliche Maß der §§ 8, 9 TMG, 62
Anders wäre dies etwa für den derzeitigen Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 5. Juli 2022 im Hinblick auf den Erlass der Verordnung (EU) 2022/... des Europäischen Parlaments und des Rates über einen Binnenmarkt für digitale Dienste (Gesetz über digitale Dienste) und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG zu beurteilen, weil dort Art. 5 Abs. 3 jedenfalls partiell auf die Sicht eines durchschnittlich und angemessen informierten Verbrauchers rekurriert. Dies beträfe jedoch gleichermaßen lediglich die verbraucherschutzrechtliche Haftung des Host-Providers; für andere Bereiche einer Haftung soll die Sicht eines Dritten daher wohl weiterhin ohne Bedeutung sein. Zum sogenannten Digital Services Act siehe ferner Teil 2 Fn. 102. 63 Hennemann, in: BeckOK-InfoMedienR, § 7 TMG Rn. 34; Sieber / Höfinger, in: Handbuch Multimedia-Recht, Teil 18.1 Rn. 39 ff.; Spindler, MMR 2004, 440, 441; zur Vollharmonisierung BT-Drs. 14/6098, S. 22. 64 Zur „aktiven Rolle“-Rechtsprechung des EuGH vgl. die Ausführungen unter Teil 2 D. III. 65 Etwa Altenhain, in: MüKo-StGB, § 10 TMG Rn. 3; Hennemann, in: BeckOK-Info MedienR, § 10 TMG Rn. 17 f.; Hoffmann / Volkmann, in: Spindler / Schuster, § 10 TMG Rn. 13. 66 Altenhain, in: MüKo-StGB, § 10 TMG Rn. 3; Müller-Broich, NK-TMG, § 10 Rn. 3.
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Teil 2: Relevanz des Haftungsprivilegs der §§ 7 Abs. 2, 10 TMG
kommt es auf deren tatsächliche Dauer für § 10 TMG nicht an.67 Gleichfalls erweisen sich die Eigentums- und Besitzverhältnisse an der Serverinfrastruktur als unbedeutend.68 Für die Anwendbarkeit der Haftungsprivilegierung ist allein die Einflussmöglichkeit des Diensteanbieters im Hinblick auf die gespeicherten Daten maßgeblich.69 3. Unkenntnis (Nr. 1) oder unverzügliches Tätigwerden bei Kenntnis (Nr. 2) Schließlich erfordert eine Anwendung der Haftungsprivilegierung des § 10 TMG für einen Plattformbetreiber im Darknet, dass dieser keine Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder der Information hat (§ 10 Satz 1 Nr. 1 TMG) oder dieser unverzüglich tätig geworden ist, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren, sofern er diese Kenntnis erlangt (§ 10 Satz 1 Nr. 2 TMG). Zentrales Merkmal im Rahmen des § 10 TMG ist mithin der Begriff der „Kenntnis“. Kenntnis des Diensteanbieters bedeutet nach herrschender Auffassung die positive Kenntnis des einzelnen, konkreten Inhalts entsprechend einem dolus directus zweiten Grades; das bloße „Kennenmüssen“ genügt dagegen nicht.70 Bezugspunkt 67
KG v. 16. 04. 2013 – 5 U 63/12, MMR 2014, 46, 49; Altenhain, in: MüKo-StGB, § 10 TMG Rn. 3. 68 Altenhain, in: MüKo-StGB, Vor § 7 TMG Rn. 43; Hennemann, in: BeckOK-InfoMedienR, § 10 TMG Rn. 11; Hoffmann / Volkmann, in: Spindler / Schuster, § 10 TMG Rn. 14; Jandt, in: BeckRTD-Komm, § 10 TMG Rn. 7; Sieber / Höfinger, in: Handbuch Multimedia-Recht, Teil 18.1 Rn. 80; Spindler, in: Spindler / Schmitz, § 10 TMG Rn. 12. 69 Hennemann, in: BeckOK-InfoMedienR, § 10 TMG Rn. 11. 70 Zur positiven Kenntnis in diesem Sinne BT-Drs. 14/6098, S. 25; EuGH v. 22. 06. 2021 – C-682/18, C-683/18, EU:C:2021:503 – YouTube und Cyando, Rn. 111 ff.; KG v. 25. 08. 2014 – 4 Ws 71/14 – 141 AR 363/14, NJW 2014, 3798, 3799; Altenhain, in: MüKo-StGB, § 10 TMG Rn. 7; Eisele, Computer- und Medienstrafrecht, § 4 Rn. 17; Fischer, StGB, § 184 Rn. 31; Fitzner, MMR 2011, 83, 85; Gercke, in: Gercke / Brunst, Rn. 598 f.; Heger, in: Lackner / Kühl, § 184 Rn. 7a; Hennemann, in: BeckOK-InfoMedienR, § 10 TMG Rn. 24; Hilgendorf, in: Satzger / Schluckebier / Widmaier, StGB, § 184 Rn. 28; Hilgendorf / Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 208; Hoffmann / Volkmann, in: Spindler / Schuster, § 10 TMG Rn. 18; Jandt, in: BeckRTD-Komm, § 10 TMG Rn. 10; Laubenthal, Handbuch Sexualstraftaten, Rn. 1151; Malek / Popp, Strafsachen im Internet, Rn. 88; Mitsch, Medienstrafrecht, § 6 Rn. 29; Müller-Broich, NKTMG, § 10 Rn. 4; Sieber / Höfinger, in: Handbuch Multimedia-Recht, Teil 18.1 Rn. 83; Valerius, in: BeckOK-StGB, Providerhaftung, Rn. 23; zu § 5 TDG a. F.: BGH v. 23. 09. 2003 – VI ZR 335/02, GRUR 2004, 74, 75; OLG München v. 17. 05. 2002 – 21 U 5569/01, MMR 2002, 611, 612; Engel-Flechsig / Maennel / Tettenborn, NJW 1997, 2981, 2985; Spindler, NJW 1997, 3193, 3196; Spindler, MMR 2001, 737, 738 f.; zu § 11 TDG a. F.: OLG Brandenburg v. 16. 12. 2003 – 6 U 161/02, MMR 2004, 330, 331; OLG Düsseldorf v. 26. 02. 2004 – I-20 U 204/02, MMR 2004, 315, 316; LG Potsdam v. 10. 10. 2002 – 51 O 12/02, MMR 2002, 829, 830; LG Düsseldorf v. 29. 10. 2002 – 4a O 464/01, MMR 2003, 120, 124; Ehret, CR 2003, 754, 758; Kudlich, JA 2002, 798, 801; Liebau, Jura 2006, 520, 526; Sobola / Kohl, CR 2005, 443, 446; a. A. etwa B. Heinrich, in: Wandtke / Ohst, Kap. 6 Rn. 78; von Petersdorff-Campen, in: Gesamtes Medienrecht, 30. Abschn. Rn. 22.
D. Das Betreiben einer Darknet-Plattform im Lichte des § 10 TMG
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dieser positiven Kenntnis müssen daher einzelne, konkrete Inhalte sein; die bloße Kenntnis, Rechtswidriges sei irgendwo auf dem Server gespeichert, reicht angesichts der durch § 7 Abs. 2 TMG ausgeschlossenen Überwachungs- oder Nachforschungspflicht hingegen nicht.71 In welcher Weise der Diensteanbieter dabei Kenntnis in diesem Sinne erlangt, ist unbedeutend.72 Diese Kenntnis muss sich ferner nach wohl herrschender Meinung unter Würdigung des Wortlauts der E-Commerce-Richtlinie73 auch auf die Kenntnis der Rechtswidrigkeit der Handlung oder – trotz des missverständlichen Wortlauts des § 10 TMG – auf die Kenntnis der Rechtswidrigkeit der Information beziehen.74 Im ersten Fall ergibt sich die Rechtswidrigkeit aus einer konkreten Handlung, etwa die Herstellung einer unzulässigen Kopie, im zweiten Fall ist schon die Information als solche, zum Beispiel wegen des beleidigenden Inhalts, rechtswidrig.75 Sofern der Diensteanbieter diese Kenntnis erlangt, muss er unverzüglich zur Entfernung oder Sperrung der Information tätig werden (§ 10 Satz 1 Nr. 2 TMG). Unter Berücksichtigung des Wortlauts bedarf es insoweit keines Erfolgs, es genügt das Tätigwerden, wobei wenigstens ein ernsthaftes, zielgerichtetes Bemühen erforderlich ist.76 Dieses Tätigwerden muss ferner unverzüglich, das heißt ohne schuldhaftes Zögern (vgl. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB), erfolgen.77
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Siehe nur Hilgendorf / Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 208 m. w. N. Weiterführend Altenhain, in: MüKo-StGB, § 10 TMG Rn. 12 ff. 73 Der Wortlaut des unionsrechtlichen Haftungsprivilegs nach Art. 14 Abs. 1 lit. a ECRL spricht von „tatsächliche[r] Kenntnis von der rechtswidrigen Tätigkeit oder Information“. Anders als § 10 Satz 1 Nr. 1 TMG ist in Art. 14 Abs. 1 lit. a ECRL der Information gerade kein Artikel („der“) zugeordnet. 74 Für das Erfordernis einer Kenntnis der Rechtswidrigkeit der Information BGH v. 29. 04. 2010 – I ZR 69/08, GRUR 2010, 628, 633; wohl auch EuGH v. 23. 03. 2010 – C-236/08 bis C-238/08, EU:C:2010:159 – Google France und Google, Rn. 106, sowie etwa Heger, in: Lackner / Kühl, § 184 Rn. 7a; Hennemann, in: BeckOK-InfoMedienR, § 10 TMG Rn. 29 f.; Hilgendorf/Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 208; Hoffmann / Volkmann, in: Spindler / Schuster, § 10 TMG Rn. 22 ff.; Spindler, in: Spindler / Schmitz, § 10 TMG Rn. 29; Valerius, in: BeckOK-StGB, Providerhaftung, Rn. 23; zu § 11 TDG a. F.: Christiansen, MMR 2004, 185, 186; Eck / Ruess, MMR 2003, 363, 365; Ehret, CR 2003, 754, 758 f.; Hoffmann, MMR 2002, 284, 288; Liebau, Jura 2006, 520, 526; zu § 5 TDG a. F.: Freytag, CR 2000, 600, 608; gegen eine Einbeziehung der Rechtswidrigkeit der Information als Gegenstand der Kenntnis: Altenhain, in: MüKo-StGB, § 10 TMG Rn. 10; Gercke, MMR 2003, 602, 603; Gerhold, ZRP 2021, 44, 45; Handel, Die straf- und bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit der Diensteanbieter sozialer Netzwerke im Internet, S. 154 ff.; Jandt, in: BeckRTD-Komm, § 10 TMG Rn. 17; Sieber / Höfinger, in: Handbuch Multimedia-Recht, Teil 18.1 Rn. 85 ff. 75 Hennemann, in: BeckOK-InfoMedienR, § 10 TMG Rn. 30. 76 Hennemann, in: BeckOK-InfoMedienR, § 10 TMG Rn. 42; Hoffmann / Volkmann, in: Spindler / Schuster, § 10 TMG Rn. 44. 77 Hennemann, in: BeckOK-InfoMedienR, § 10 TMG Rn. 45. 72
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4. Zusammenfassung Plattformen im Darknet stellen Telemedien im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 TMG dar, sodass deren Betreiber grundsätzlich als Diensteanbieter nach § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG auftritt. Hält der Betreiber einer Plattform im Darknet eigene Informationen in Form von eigenen Verkaufsangeboten beziehungsweise Forenbeiträgen bereit, greift nach Maßgabe des § 7 Abs. 1 TMG die (volle) Verantwortlichkeit des Plattformbetreibers nach den allgemeinen Gesetzen. Beschränkt ein Plattformbetreiber seine Tätigkeit hingegen auf die bloße Speicherung fremder Informationen, vermag dieser grundsätzlich eine Haftungsprivilegierung im Sinne des § 10 TMG für sich zu beanspruchen, soweit dieser die obigen Voraussetzungen erfüllt, das heißt insbesondere keine positive Kenntnis der rechtswidrigen Handlung oder der rechtswidrigen Information hat oder im Falle dieser Kenntnis unverzüglich zur Löschung tätig wird. Angesichts des unionsrechtlichen Hintergrunds des § 10 TMG gilt es die einzelnen Merkmale – etwa Speicherung, eigene und fremde Informationen sowie Kenntnis – richtlinienkonform auszulegen.78 Eine nationale Handhabung darf die Haftungsprivilegierung des § 10 TMG daher aufgrund der durch Art. 14 ECRL beabsichtigten Vollharmonisierung inhaltlich nicht modifizieren; die Anwendung des nationalen Rechts muss vielmehr den jeweiligen Zielen der Richtlinie gerecht werden.79
III. Begrenzung des § 10 TMG durch das Neutralitätsgebot des EuGH Die vorstehenden Ausführungen zeigten einstweilen die Voraussetzungen, unter denen ein Plattformbetreiber als Host-Provider nach § 10 TMG auch im Darknet nicht für fremde, das heißt vom Nutzer eingegebene, Informationen verantwortlich ist. Entscheidend war dort neben der schlichten Speicherung derselben zuvorderst die fehlende tatsächliche Kenntnis von konkreten rechtswidrigen Handlungen oder Informationen beziehungsweise das unverzügliche Tätigwerden zur Löschung dieser bei Kenntniserlangung. Art. 14 ECRL respektive § 10 TMG erfährt indes zunehmend Einfluss vonseiten der Rechtsprechung des EuGH, der die Anwendbarkeit des Art. 14 ECRL an die Neutralität des Diensteanbieters knüpft.80 Die insoweit hervorgebrachte „aktive Rolle“-Rechtsprechung scheint vorliegend sodann von entscheidendem Wert, ist doch fehlende Neutralität mit Blick auf den hier vorrangig fokussierten Betreiber einer Plattform mit erkennbar krimineller Ausrichtung prima facie nicht gänzlich 78
Hoffmann, MMR 2002, 284 f.; Hoffmann / Volkmann, in: Spindler / Schuster, Vor §§ 7 ff. TMG Rn. 21; Sieber / Höfinger, in: Handbuch Multimedia-Recht, Teil 18.1 Rn. 10. 79 Sieber / Höfinger, in: Handbuch Multimedia-Recht, Teil 18.1 Rn. 10. 80 EuGH v. 23. 03. 2010 – C-236/08 bis C-238/08, EU:C:2010:159 – Google France und Google, Rn. 114, 120; EuGH v. 12. 07. 2011 – C-324/09, EU:C:2011:474 – L’Oréal u. a., Rn. 113.
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fernliegend, selbst wenn dieser im weiteren Verlauf keinen Einfluss auf einzelne Nutzergeschäfte nimmt. Käme ebendieser in den Genuss der §§ 7 Abs. 2, 10 TMG, bliebe eine strafrechtliche Verantwortlichkeit sodann womöglich allein bei tatsächlicher Kenntnis von der konkreten rechtswidrigen Handlung oder Information denkbar, weil § 10 TMG schlimmstenfalls die neue Strafvorschrift des § 127 StGB überlagerte,81 jedenfalls aber die unmittelbar auf fremde Nutzerbeiträge Bezug nehmenden Strafvorschriften wie diejenige des § 27 StGB82, soweit § 10 TMG auch bei einer Strafbarkeit wegen aktiven Tuns83 grundsätzlich angewendet wird.84 Just diese Kenntnis ist es jedoch, die sich bei bloßer krimineller Ausrichtung der Plattform oftmals nur schwerlich begründen lassen wird; das Fehlen einer solchen ist den benannten Fällen vielmehr meist geradezu immanent.85 Insoweit beabsichtigen die Betreiber meist zwar durch die spezifische Ausrichtung der Plattform entsprechende Rechtsverletzungen der Nutzer und wissen allgemein um diese, tatsächliche Kenntnis von der konkreten rechtswidrigen Handlung oder Information vermeiden diese jedoch insbesondere bei Vollautomatisierung einer Plattform. Ähnlich hatte auch der Betreiber im Fall des Darknet-Forums „Deutschland im Deep Web“ zwar keine positive Kenntnis von einzelnen Waffengeschäften der Nutzer, das LG Karlsruhe schloss aber – ohne Erwähnung von § 10 TMG – für eine Beihilfe zum Waffenhandel durch die Einrichtung der Unterkategorie „Waffen“ auf ein billigendes 81 Gerhold etwa verweist in diesem Zusammenhang auf eine Überlagerung auch des § 127 StGB, weil die der Speicherung fremder Informationen vorgelagerte Tätigkeit des Plattformbetriebs zwangsläufig in den Schutzbereich des § 10 TMG einbezogen sein müsse, um dessen Leerlaufen zu verhindern, Gerhold, ZRP 2021, 44, 45; wohl auch Gercke, ZUM 2021, 921, 927 f. Kulhanek hingegen weist darauf hin, dass § 127 StGB mit Art. 14 ECRL in keinem grundsätzlichen Konflikt stehe, weil insofern keine Verantwortlichkeit des Diensteanbieters für die im Auftrag seines Nutzers gespeicherten Informationen angenommen wird. Es werde vielmehr unter Strafe gestellt, dass der Betreiber die Infrastruktur auf die Ermöglichung oder Förderung der Begehung von Straftaten in Betrieb nimmt und aufrechterhält. Im Gegensatz zur Beihilfestrafbarkeit gehe es nicht um die Mitverantwortlichkeit für eine Haupttat, sondern um die Zurverfügungstellung des Systems, so Kulhanek, in: BeckOK-StGB, § 127 Rn. 54. Zur fehlenden Anknüpfung des § 127 StGB an „Haupttaten“ der Nutzer Teil 3 I. II. 82 Darauf verweist zu Recht bereits Eisele, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 4. 83 Wie noch ersichtlich werden wird, liegt der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit bei Betreiben krimineller Plattformen auf dem aktiven Tun des Plattformbetriebs und nicht nur dem bloßen Unterlassen der Löschung rechtswidriger Inhalte Teil 3 A. II. 84 Zur Anwendbarkeit der §§ 7 ff. TMG auf aktives Tun ausführlich Gerhold, StV-S 2022, 29 ff.; in der Rechtsprechung die Privilegierung auf eine Strafbarkeit wegen aktiven Tuns grundsätzlich anwendend etwa OLG München v. 02. 03. 2017 – 29 U 1819/16, GRUR 2017, 619, 621; KG v. 25. 08. 2014 – 4 Ws 71/14 – 141 AR 363/14, NJW 2014, 3798, 3799; für eine bloße Beschränkung der Unterlassungsstrafbarkeit hingegen Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 10 sowie Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 74. 85 In diesem Sinne Gerhold, ZRP 2021, 44, 45, der daraus folgert, dass ein neuer Straftatbestand allenfalls unter der Voraussetzung der positiven Kenntnis von der rechtswidrigen Information eingeführt werden kann. Kritisch hierzu auch Gercke, ZUM 2021, 921, 927 f. Anders hingegen unter Zugrundelegung eines weiteren Verständnisses von „Kenntnis“ siehe nur etwa Greco, ZIS 2019, 435, 448; Eisele, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 4 und Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 71. Ausführlich zur Kenntnis im Sinne von § 10 TMG siehe Teil 2 D. II. 3.
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Inkaufnehmen von Waffengeschäften der Nutzer.86 Unabhängig von der Frage, ob die §§ 7 ff. TMG lediglich eine Unterlassungsstrafbarkeit einschränken oder auch auf aktives Tun Anwendung finden, scheint denkbarer Ausweg aus dem Privileg bei fehlender positiver Kenntnis von konkreten Inhalten aber jedenfalls das Neutralitätsgebot des EuGH.87 Ungeachtet einer erkennbar kriminellen Ausrichtung der Plattform ohne weitergehende Einflussnahme des Betreibers ist fehlende Neutralität ferner denkbar, sollte der Betreiber im Einzelfall unterstützend in Bezug auf konkrete Nutzerbeiträge tätig werden. Dies wäre sodann – soweit nachfolgend ein Verlust des § 10 TMG bereits bei „bloßer“ krimineller Ausrichtung der Plattform begründet werden kann – vornehmlich mit Blick auf Plattformen bedeutsam, die grundsätzlich legalen Zwecken dienen. Ob insoweit die „aktive Rolle“-Rechtsprechung tatsächlich zur Unanwendbarkeit des Art. 14 ECRL beziehungsweise § 10 TMG zu verhelfen vermag, sei daher Gegenstand des nachfolgenden Abschnitts. Zu diesem Zweck seien im weiteren Verlauf zunächst die insoweit vorgebrachten Grundsätze des EuGH beleuchtet, bevor unter Würdigung der charakteristischen Plattformausgestaltungen, Verhaltensmuster und Abläufe zu klären ist, wann speziell im Kriminalitätsbereich des Darknets die Annahme einer „aktiven Rolle“ trägt. Differenziert sei dabei zwischen einer „bloß“ erkennbar kriminellen Ausgestaltung der Plattform seitens des Betreibers sowie einer weitergehenden Einflussnahme desselben auf konkrete Nutzergeschäfte. 1. Grundlagen des Neutralitätsgebots Der EuGH hatte die Anwendbarkeit des Art. 14 ECRL erstmals im GoogleUrteil von der „Neutralität“ des Diensteanbieters abhängig gemacht und dieses Vorgehen sodann in der Rechtssache L’Oréal v. eBay fortgeführt.88 Art. 14 ECRL gelte es insoweit nicht nur im Hinblick auf dessen Wortlaut, sondern zugleich unter Würdigung seines Zusammenhangs sowie der Ziele auszulegen, die mit der Regelung, zu der er gehört, angestrebt werden.89 Wesentliche Voraussetzung für dessen Anwendbarkeit sei daher, dass sich das Verhalten des Diensteanbieters auf das eines „Vermittlers“ in dem vom Gesetzgeber im Rahmen von Kapitel II Abschnitt 4 der E-Commerce-Richtlinie gewollten Sinne beschränke.90 Dem 86
LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 329 ff. In diese Richtung wohl Bartl / Moßbrucker / Rückert, Angriff auf die Anonymität im Internet, S. 8. 88 EuGH v. 23. 03. 2010 – C-236/08 bis C-238/08, EU:C:2010:159 – Google France und Google, Rn. 114, 120; EuGH v. 12. 07. 2011 – C-324/09, EU:C:2011:474 – L’Oréal u. a., Rn. 111 ff. 89 EuGH v. 12. 07. 2011 – C-324/09, EU:C:2011:474 – L’Oréal u. a., Rn. 111. 90 EuGH v. 23. 03. 2010 – C-236/08 bis C-238/08, EU:C:2010:159 – Google France und Google, Rn. 112; EuGH v. 12. 07. 2011 – C-324/09, EU:C:2011:474 – L’Oréal u. a., Rn. 112. 87
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entsprechend gelte es zuvorderst zu prüfen, „ob die Rolle des Anbieters insofern neutral ist, als sein Verhalten rein technischer, automatischer und passiver Art ist und er weder Kenntnis noch Kontrolle über die weitergeleitete oder gespeicherte Information besitzt.“91 Umgekehrt könne sich ein Diensteanbieter von vornherein nicht auf Art. 14 ECRL berufen, sofern dieser eine „aktive Rolle gespielt hat, die ihm eine Kenntnis der gespeicherten Daten oder eine Kontrolle über sie verschaffen konnte.“92 Zur Begründung dieses Neutralitätsgebots hatte sich der EuGH im GoogleUrteil vorwiegend auf Erwägungsgrund 42 der E-Commerce-Richtlinie berufen, woraus sich ergebe, dass die in der Richtlinie normierten Ausnahmen einer Verantwortlichkeit nur solche Fälle erfassten, in denen die Tätigkeit des Diensteanbieters „rein technischer, automatischer und passiver Art“ ist.93 Wenngleich sich der vom EuGH benannte Erwägungsgrund der E-Commerce-Richtlinie ausdrücklich nur auf die reine Durchleitung sowie das Caching – nicht aber das hier in Rede stehende Hosting – bezieht,94 lässt sich das postulierte Kriterium der Neutralität durchaus auf sämtliche Haftungsprivilegien der E-Commerce-Richtlinie übertragen.95 Der EuGH stellte insoweit in der Rechtssache L’Oréal v. eBay ergänzend klar, dass Art. 14 ECRL – auch unabhängig von Erwägungsgrund 42 – letztlich unter systematischen sowie teleologischen Gesichtspunkten auszulegen ist und verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass wesentliche Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Art. 14 ECRL sei, dass der Anbieter „Vermittler“ im Sinne von Kapitel II Abschnitt 4 der E-Commerce-Richtlinie ist.96 In diesem Sinne beruht Art. 14 ECRL bekanntlich auf der Erwägung, dass Diensteanbieter fremde Informationen automatisiert beziehungsweise technisiert speichern und angesichts der Unüberschaubarkeit an Datenmengen nicht in der Lage sind, sämtliche Informationen auf Rechtsverletzungen zu überprüfen.97 Verhält sich ein Anbieter hingegen 91
EuGH v. 23. 03. 2010 – C-236/08 bis C-238/08, EU:C:2010:159 – Google France und Google, Rn. 114. 92 EuGH v. 23. 03. 2010 – C-236/08 bis C-238/08, EU:C:2010:159 – Google France und Google, Rn. 120; in diesem Sinne auch EuGH v. 12. 07. 2011 – C-324/09, EU:C:2011:474 – L’Oréal u. a., Rn. 113. Jenes Verständnis wird vom EuGH auf sämtliche Haftungsprivilegierungen der Art. 12 bis 14 ECRL übertragen, vgl. EuGH v. 07. 08. 2018 – C-521/17, EU:C:2018:639 – SNBREACT. 93 EuGH v. 23. 03. 2010 – C-236/08 bis C-238/08, EU:C:2010:159 – Google France und Google, Rn. 113. 94 Zum Erwägungsgrund 42 siehe ABl. EG 2000 Nr. L 178, S. 6; kritisch zur Übertragung von Erwägungsgrund 42 auf das Hosting etwa der Schlussantrag des Generalanwalts Jääkinen, Schlussantrag v. 09. 12. 2010 – C-324/09, EU:C:2010:757 – L’Oréal u. a., Rn. 140 ff.; Altenhain, in: MüKo-StGB, Vor § 7 TMG Rn. 18. 95 Teils wird insoweit mit Blick auf den Host-Provider auch auf den in Art. 14 Satz 2 ECRL vorgesehenen Ausschluss bei Kontrolle oder Aufsicht verwiesen, Spindler, in: Spindler / Schmitz, § 7 TMG Rn. 10; allgemein kritisch hierzu Altenhain, in: MüKo-StGB, Vor § 7 TMG Rn. 18. 96 EuGH v. 23. 03. 2010 – C-236/08 bis C-238/08, EU:C:2010:159 – Google France und Google, Rn. 112; EuGH v. 12. 07. 2011 – C-324/09, EU:C:2011:474 – L’Oréal u. a., Rn. 112. 97 Teil 2 B. sowie die Nachweise in Teil 2 Fn. 14.
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ausnahmsweise nicht länger neutral in diesem Sinne und wahrt nicht die schon vonseiten der Überschrift „Verantwortlichkeit der Vermittler“ von Kapitel II Abschnitt 4 geforderte Distanz zur in Rede stehenden Information, ist die Anwendung des Art. 14 ECRL von vornherein verschlossen. Ebenjener Gedanke der Neutralität liegt der E-Commerce-Richtlinie daher augenscheinlich in Gänze zugrunde und lässt sich für die reine Durchleitung, das Caching sowie das Hosting gleichermaßen fruchtbar machen.98 An der obigen Lesart des Art. 14 ECRL hielt der EuGH zudem jüngst in den verbundenen Rechtssachen C-682/18 „YouTube“ und C-683/18 „Cyando“ grundsätzlich fest.99 Angesichts der sich aus Art. 19 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 EUV ergebenden konkretisierenden Auslegung des EuGH zur Wahrung des Unionrechts ist dies gleichfalls im Rahmen des § 10 TMG zu berücksichtigen100 und findet derweil Eingang in einige wenige nationale Judikate.101 Ferner sei an dieser Stelle anzumerken, dass sich das Kriterium der Neutralität nunmehr auch den Erwägungsgründen 18 und 20 des geplanten Gesetzes über digitale Dienste (englisch Digital Services Act) entnehmen lässt, wonach sämtliche und mit den Art. 12 bis 15 ECRL im Kern identischen Haftungsprivilegien nicht gelten sollen, sofern der Diensteanbieter sich nicht darauf beschränkt, die Dienstleistung auf neutrale Weise zu erbringen, sondern eine aktive Rolle einnimmt.102 Eine Abkehr vom Kriterium der Neutralität ist daher nicht absehbar.
98 So Spindler, in: Spindler / Schmitz, § 7 TMG Rn. 10 sowie etwa Frey, Die Haftung von Host-Providern, S. 135 ff.; Hennemann, in: BeckOK-InfoMedienR, § 7 TMG Rn. 34a. 99 Vgl. EuGH v. 22. 06. 2021 – C-682/18, C-683/18, EU:C:2021:503 – YouTube und Cyando, Rn. 106. 100 Siehe in diese Richtung bereits Frey / Rudolph / Oster, CR-Beilage 2015, 1, 3, 13, wenngleich anlässlich einer zuvor beabsichtigten Änderung des § 10 TMG. Vgl. zur Konkretisierungsleistung des EuGH allgemein auch Mayer, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, EUV / AEUV, Art. 19 EUV Rn. 30 ff. 101 Etwa BGH v. 05. 02. 2015 – I ZR 240/12, GRUR 2015, 485, 490; BGH v. 19. 03. 2015 – I ZR 94/13, GRUR 2015, 1129, 1132; OLG München v. 02. 03. 2017 – U 1797/16, ZUM-RD 2017, 337, 341; OLG München v. 02. 03. 2017 – U 1819/16, GRUR 2017, 619, 621. 102 Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 5. Juli 2022 im Hinblick auf den Erlass der Verordnung (EU) 2022/… des Europäischen Parlaments und des Rates über einen Binnenmarkt für digitale Dienste (Gesetz über digitale Dienste) und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG, S. 16, nachfolgend: Standpunkt des Europäischen Parlaments im Hinblick auf den Digital Services Act. Der Digital Services Act beabsichtigt eine Neubestimmung der Verantwortung von Diensteanbietern der Informationsgesellschaft. Zwar bliebe die E-Commerce-Richtlinie hiervon grundsätzlich unberührt, die Haftungsprivilegierungen der Art. 12 bis 15 ECRL werden aber im Wesentlichen in den geplanten Digital Services Act übernommen. Nach Art. 71 des Digital Services Acts sollen daher die Art. 12 bis 15 ECRL gestrichen werden und durch Art. 3 („reine Durchleitung“), Art. 4 („Caching“), Art. 5 („Hosting“) und Art. 7 („Keine allgemeine Verpflichtung zur Überwachung oder aktiven Nachforschung“) des Digital Services Acts ersetzt werden. Im Grundsatz bleibt das System der Haftungsprivilegierungen daher erhalten, siehe hierzu auch etwa Hennemann, in: BeckOK-InfoMedienR, § 7 TMG Rn. 4a.
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2. Bedeutung und Tragweite Wann nun jedoch ein Diensteanbieter konkret die neutrale Vermittlerrolle verlässt, blieb bis hierhin im Unklaren. Immerhin finden sich derweil in einigen wenigen Judikaten – wenngleich fallbezogene – Kriterien zur Bestimmung einer „aktiven Rolle“ des Diensteanbieters, mithilfe derer der EuGH erkennen lässt, unter welchen Umständen mangels Neutralität allgemein von einer fehlenden Anwendbarkeit des Art. 14 ECRL auszugehen ist. a) Aktive Rolle in „L’Oréal v. eBay“ In der Rechtssache L’Oréal v. eBay sprach sich der EuGH mit Blick auf den Betreiber eines Online-Marktplatzes dagegen aus, eine „aktive Rolle“ desselben allein aufgrund des Umstands anzunehmen, dass dieser Verkaufsangebote der Nutzer auf seinem Server speichert, die allgemeinen Modalitäten für seinen Dienst festlegt, für diesen eine Vergütung erhält und seinen Kunden Auskünfte allgemeiner Art erteilt.103 Eine „aktive Rolle“ liege hingegen etwa vor, soweit der Anbieter eine Hilfestellung vornimmt, indem dieser die Präsentation der jeweiligen Verkaufsangebote der Nutzer optimiert beziehungsweise diese bewirbt.104 Betrachtet man insoweit die vonseiten des EuGH in der Rechtssache L’Oréal v. eBay entwickelten Kriterien einer „aktiven Rolle“, sind dort zunächst mehr oder weniger individuelle Hilfestellungen des Betreibers gegenüber den Verkaufsangeboten seiner Kunden benannt, die aufgrund weitergehender Einflussnahme auf Nutzerbeiträge mangels bloßer Vermittlungstätigkeit zur Unanwendbarkeit des Art. 14 ECRL führen können.105 b) Aktive Rolle in „YouTube“ und „Cyando“ Allgemein aufschlussreich ist ferner die Entscheidung des EuGH in den verbundenen, vom BGH initiierten, Vorlageverfahren106 C-682/18 und C-683/18 zur urheberrechtlichen (Mit-)Verantwortung der Betreiber von Video-Sharing und Sharehosting-Plattformen, im Rahmen derer der EuGH an seiner Formel zur „ak-
103
EuGH v. 23. 03. 2010 – C-236/08 bis C-238/08, EU:C:2010:159 – Google France und Google, Rn. 116; EuGH v. 12. 07. 2011 – C-324/09, EU:C:2011:474 – L’Oréal u. a., Rn. 115. 104 EuGH v. 12. 07. 2011 – C-324/09, EU:C:2011:474 – L’Oréal u. a., Rn. 116. 105 Zur individuellen Hilfestellung in „L’Oréal v. eBay“ siehe nur die Ausführungen des Generalanwalts Saugmandsgaard Øe, Schlussantrag v. 16. 07. 2020 – C-682/18, C-683/18, EU:C:2020:586 – YouTube und Cyando, Rn. 158 f. 106 BGH v. 13. 09. 2018 – I ZR 140/15, MMR 2019, 37; BGH v. 20. 09. 2018 – I ZR 53/17, MMR 2019, 29.
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tiven Rolle“ festhält und diese in gewissem Maße fortentwickelt.107 Dabei sollte der EuGH im Rahmen der ersten Vorlagefrage des BGH zunächst Auskunft darüber geben, inwieweit bei einem solchen Betreiber eine Handlung der „öffentlichen Wiedergabe“ im Sinne des Art. 3 Abs. 1 InfoSoc-RL anzunehmen sei. Insoweit verwies der EuGH darauf, dass der Betreiber einer Video-Sharing oder Sharehosting-Plattform grundsätzlich keine Handlung der „öffentlichen Wiedergabe“ vornehme, es sei denn, dieser trage über die bloße Bereitstellung der Plattform hinaus dazu bei, der Öffentlichkeit Zugang zu urheberrechtlich geschützten Inhalten zu verschaffen.108 Letzteres solle nicht zuletzt der Fall sein, sofern der Betreiber, „obwohl er weiß oder wissen müsste, dass über seine Plattform im Allgemeinen durch Nutzer derselben geschützte Inhalte rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden, nicht die geeigneten technischen Maßnahmen ergreift, die von einem die übliche Sorgfalt beachtenden Wirtschaftsteilnehmer in seiner Situation erwartet werden können, um Urheberrechtsverletzungen auf dieser Plattform glaubhaft und wirksam zu bekämpfen, oder auch, wenn er an der Auswahl geschützter Inhalte, die rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden, beteiligt ist, auf seiner Plattform Hilfsmittel anbietet, die speziell zum Teilen solcher Inhalte bestimmt sind, oder ein solches Teilen wissentlich fördert, wofür der Umstand sprechen kann, dass der Betreiber ein Geschäftsmodell gewählt hat, das die Nutzer seiner Plattform dazu verleitet, geschützte Inhalte auf dieser Plattform rechtswidrig öffentlich zugänglich zu machen.“109 Dem EuGH zufolge lasse sich unter Würdigung dieser Kriterien auf die für eine Handlung der „öffentlichen Wiedergabe“ unter anderem erforderliche Vorsätzlichkeit des Handelns schließen.110 Im Rahmen der zweiten Vorlagefrage des BGH, die nunmehr die Auslegung des Art. 14 ECRL betraf, rekurrierte der EuGH sodann abermals auf die Formel der „aktiven Rolle“ und betonte, dass zwar die Frage, ob ein Betreiber eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 InfoSoc-RL vornehme, für die Frage, ob die horizontale Verantwortlichkeitsvorschrift des Art. 14 ECRL zur Anwendung gelangt, grundsätzlich nicht von Bedeutung sei.111 „Gleichwohl“ könne der Betreiber, der in diesem Sinne über die Bereitstellung einer Plattform hinaus dazu beiträgt, der Öffentlichkeit unter Verletzung des Urheberrechts Zugang zu solchen Inhalten zu gewähren, Art. 14 ECRL nicht für sich beanspruchen, weil dieser nicht die Anforderungen an einen neutralen Vermittler erfülle und vielmehr eine „aktive Rolle“ einnehme.112 107
EuGH v. 22. 06. 2021 – C-682/18, C-683/18, EU:C:2021:503 – YouTube und Cyando, Rn. 105 ff. 108 EuGH v. 22. 06. 2021 – C-682/18, C-683/18, EU:C:2021:503 – YouTube und Cyando, Rn. 102. 109 EuGH v. 22. 06. 2021 – C-682/18, C-683/18, EU:C:2021:503 – YouTube und Cyando, Rn. 102. 110 Siehe EuGH v. 22. 06. 2021 – C-682/18, C-683/18, EU:C:2021:503 – YouTube und Cyando, Rn. 83 ff. 111 EuGH v. 22. 06. 2021 – C-682/18, C-683/18, EU:C:2021:503 – YouTube und Cyando, Rn. 108. 112 EuGH v. 22. 06. 2021 – C-682/18, C-683/18, EU:C:2021:503 – YouTube und Cyando, Rn. 108.
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Reflektiert man sodann die in der Rechtssache „YouTube“ und „Cyando“ vonseiten des EuGH beschriebenen Kriterien einer Vorsätzlichkeit des Handelns, die einerseits eine Handlung der „öffentlichen Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 InfoSoc-RL tragen und andererseits zur Unanwendbarkeit des Art. 14 ECRL führen sollen, betreffen diese nunmehr auch allgemein gehaltene Hilfestellungen des Betreibers. Schließlich ist nicht zuletzt eine spezifische Art und Weise der Organisation der Plattform thematisiert. Mit Blick auf die Anwendbarkeit des Art. 14 ECRL scheint der EuGH insoweit auf vorsätzliche oder bösgläubige Förderungsbeiträge des Betreibers zu Rechtsverletzungen zu rekurrieren, die sich unter anderem in der schuldhaften Verletzung von Verkehrspflichten beziehungsweise gezielten Anreizen zu Rechtsverletzungen offenbaren.113 Es ist dort das durch die charakteristische Ausgestaltung des Dienstes und über die bloße Bereitstellung der Plattform hinausgehende Beitragen zu Rechtsverletzungen der Nutzer, aufgrund dessen der EuGH augenscheinlich auch allgemeine Förderungsmaßnahmen zu Rechtsverletzungen für eine Nichtanwendbarkeit des Art. 14 ECRL mangels Neutralität des Betreibers genügen lassen will. Nicht allein derjenige, der auf individuelle Nutzerbeiträge inhaltlich Einfluss nimmt, sondern auch derjenige, der durch die charakteristische Ausgestaltung seines Dienstes Beiträge zu Rechtsverletzungen erbringt, verlässt dem EuGH zufolge die bloße Vermittlerrolle, indem er über die neutrale Speicherung hinaus das Teilen illegaler Inhalte erleichtert beziehungsweise fördert und sich so gegenüber dem Inhalt der Informationen positioniert. c) Kenntnis oder Kontrolle An der grundsätzlichen Fähigkeit der „aktiven Rolle“-Formel, entsprechend strukturelle Ausgestaltungen von Plattformen genügen zu lassen, ändert sodann auch der Umstand nichts, dass der EuGH die „aktive Rolle“ des Anbieters stets an „Kenntnis oder Kontrolle“ knüpft.114 Dieser fordert zwar augenscheinlich eine hinreichende Verbindung zwischen der in Rede stehenden Hilfestellung sowie einer daraus folgenden Kenntnis oder Kontrolle.115 Unklar ist jedoch, welche Anforderungen der EuGH insoweit konkret stellt. In diesem Zusammenhang ist einerseits anzumerken, dass in gewissem Umfang schlichtweg jeder Diensteanbieter über eine gewisse Kontrolle der gespeicherten Informationen verfügt und sei dies nur, weil es ihm technisch möglich ist, diese zu entfernen.116 Ebendiese stets vorhandene Kontrollmöglichkeit scheint der EuGH 113
Der EuGH stellt insoweit Vorsätzlichkeit teilweise mit Fahrlässigkeitsbegriffen gleich, etwa wenn der EuGH darauf rekurriert, inwieweit der Betreiber „wissen musste“, dass auf seiner Plattform Urheberrechtsverletzungen begangen werden, vgl. allgemein hierzu auch Spindler, NJW 2021, 2554, 2555. 114 Siehe Teil 2 D. III. 1. 115 Darauf verweist, wenngleich kritisch, schon Ott, K&R 2012, 387, 391 f. 116 Siehe auch Saugmandsgaard Øe, Schlussantrag v. 16. 07. 2020 – C-682/18, C-683/18, EU:C:2020:586 – YouTube und Cyando, Rn. 151.
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nicht zu fokussieren. Mit Blick auf eine entsprechende Kenntnis kann es dem EuGH andererseits nicht zwingend auf eine tatsächliche Kenntnis konkreter verletzender Inhalte ankommen.117 Schließlich droht ein Diensteanbieter bei tatsächlicher Kenntnis von konkreten rechtswidrigen Inhalten ohnehin dem Haftungsprivileg des Art. 14 ECRL verlustig zu gehen.118 Zwar griff der EuGH etwa in der Rechtssache „L’Oréal v. eBay“ noch auf eine offenere Formulierung zurück, indem dieser danach fragte, inwieweit sich der Betreiber „eine Kenntnis der gespeicherten Daten oder eine Kontrolle über sie verschaffen ‚konnte‘.“119 Es scheint dort angesichts des Modalverbs „konnte“ bereits das Kennen-Können oder das Kennen-Müssen für die Nichtanwendbarkeit des Art. 14 ECRL zu genügen.120 Im Leitsatz der Entscheidung „YouTube“ und „Cyando“ findet sich hingegen eine engere Wortwahl, wenn dieser darauf verweist, dass die „aktive Rolle“ dem Anbieter „Kenntnis von den […] hochgeladenen Inhalten oder Kontrolle über sie ‚verschafft‘.“121 Dass der EuGH jedoch mit keiner der beiden Formulierungen eine tatsächliche Kenntnis von konkreten Informationen fokussiert, wird bereits angesichts des Umstands deutlich, dass sich die entsprechende Passage gerade nicht an derjenigen des Art. 14 Abs. 1 ECRL orientiert. Eine „‚tatsächliche‘ Kenntnis von der ‚rechtswidrigen‘ Tätigkeit oder Information“, wie sie Art. 14 Abs. 1 ECRL verlangt, fordert der EuGH insoweit gerade nicht. Geht es um die hier interessierende Frage, ob die Tätigkeit des Anbieters überhaupt in den Anwendungsbereich des Art. 14 ECRL fällt, verweist der EuGH auf eine „Kenntnis von den […] hochgeladenen Inhalten oder Kontrolle über sie“.122 In Bezug auf die nachgelagerte Frage, wann die Haftungsbefreiung bei grundsätzlicher Anwendbarkeit aufgrund von „Kenntnis“ im Sinne des Art. 14 Abs. 1 lit. a ECRL ausgeschlossen ist, fordert der EuGH hiervon abweichend „Kenntnis von den ‚konkreten‘ rechtswidrigen Handlungen seiner Nutzer“.123 Überdies sind die beschriebenen Kriterien des EuGH im „YouTube“ und „Cyando“-Urteil allesamt erkennbar solche, die dem Betreiber eher keine tatsächliche konkrete Kenntnis oder Kontrolle von Informationen vermitteln.
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Die „aktive Rolle“ unabhängig von tatsächlicher Kenntnis konkreter Inhalte beurteilend auch etwa Ott, K&R 2012, 387, 391 sowie Fischer, Die Einbindung von Providern, S. 159; Frey, Die Haftung von Host-Providern, S. 146; anders wohl Holznagel, CR 2021, 603, 605 f. Vgl. zur Kenntnis im Sinne von § 10 TMG siehe Teil 2 D. II. 3. 118 So beispielsweise Holznagel, CR 2017, 463, 469. 119 EuGH v. 23. 03. 2010 – C-236/08 bis C-238/08, EU:C:2010:159 – Google France und Google, Rn. 120; in diesem Sinne auch EuGH v. 12. 07. 2011 – C-324/09, EU:C:2011:474 – L’Oréal u. a., Rn. 113. 120 Kritisch hierzu etwa Altenhain, in: MüKo-StGB, Vor § 7 TMG Rn. 18. 121 EuGH v. 22. 06. 2021 – C-682/18, C-683/18, EU:C:2021:503 – YouTube und Cyando, Ls. 3. 122 EuGH v. 22. 06. 2021 – C-682/18, C-683/18, EU:C:2021:503 – YouTube und Cyando, Rn. 117. 123 EuGH v. 22. 06. 2021 – C-682/18, C-683/18, EU:C:2021:503 – YouTube und Cyando, Rn. 118.
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Der EuGH hat vor dem Hintergrund des Neutralitätsgebots demnach solche Sachverhalte vor Augen, in denen der Diensteanbieter zwar nicht notwendig tatsächliche Kenntnis oder Kontrolle konkreter Rechtsverletzungen besitzt, dieser jedoch über die inhaltsneutrale Speicherung hinausgehend eine Hilfestellung in Bezug auf den in Rede stehenden Inhalt vornimmt, die ihm sodann zumindest abstrakte Kenntnis oder gesteigerte Kontrolle hierüber verschafft.124 Insoweit betrifft die „aktive Rolle“-Rechtsprechung Konstellationen, in denen sich der Diensteanbieter nicht länger inhaltlich neutral verhält, sondern sich durch individuelle Hilfestellungen oder vorsätzliche beziehungsweise bösgläubige Beiträge zu Rechtsverletzungen ein gesteigertes, nicht länger von der Vermittlerrolle gedecktes, Näheverhältnis des Diensteanbieters zu den Inhalten offenbart.125 Dabei ist angesichts der bestehenden Rechtsunsicherheit freilich wünschenswert, dass sowohl der EuGH als auch der Unionsgesetzgeber bezüglich der nicht unumstrittenen126 „aktiven Rolle“-Formel Klarheit schaffen. Jedenfalls dem Unionsgesetzgeber eröffnet sich hierzu im geplanten Digital Services Act entsprechende Gelegenheit. d) Zwischenbilanz Freilich ist nicht zu verkennen, dass insbesondere die Entscheidung „YouTube“ und „Cyando“ die urheberrechtliche (Mit-)Verantwortlichkeit der Betreiber von Video-Sharing beziehungsweise Sharehosting-Plattformen betrifft, die inzwischen durch Art. 17 DSM-RL teilweise einer Art Sonderhaftungsrecht unterstellt sind.127 Gleichwohl ist entscheidender Erkenntnisgewinn ebenjener Ausführungen des EuGH, dass sich dieser der Annahme einer „aktiven Rolle“ im Falle eher allgemeiner Hilfestellungen durch strukturelle Ausrichtung der Plattform nicht per se verschließt. Immerhin handelt es sich im Falle von Art. 14 ECRL um eine horizontale Regelung, die sämtliche Rechtsbereiche unabhängig vom Gegenstand der Haftung betrifft.128 Im Ergebnis belegt daher das zuvor Gesagte jedenfalls, dass die Berufung auf Art. 14 ECRL nicht allein bei individueller Hilfestellung, sondern auch bei charakteristischer Ausgestaltung der Plattform versagt werden kann. Selbstredend bedarf es dabei mit Blick auf den Betreiber einer Darknet-Plattform eigenständiger Kriterien einer „aktiven Rolle“. Auf Grundlage des obigen Fundaments sei daher nachfolgend erörtert, wann nun speziell die Tätigkeit eines Plattformbetreibers im Darknet unter Würdigung dieser Leitgedanken sowie unter 124
Auf einen „inhaltlichen Einfluss“ rekurriert etwa auch Frey, Die Haftung von Host-Providern, S. 142; wohl auch Fischer, Die Einbindung von Providern, S. 176. In diese Richtung auch Ott, K&R 2012, 387, 391, wenngleich dieser der Rechtsprechung des EuGH kritisch gegenübersteht. 125 Kritisch hierzu Altenhain, in: MüKo-StGB, Vor § 7 TMG Rn. 18. 126 So jüngst Holznagel, CR 2021, 603, 605 ff. 127 Darauf im Allgemeinen verweisend etwa Holznagel, CR 2021, 603. 128 Siehe nur Saugmandsgaard Øe, Schlussantrag v. 16. 07. 2020 – C-682/18, C-683/18, EU:C:2020:586 – YouTube und Cyando, Rn. 138.
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Berücksichtigung der im Darknet typischen Verhaltensmuster aus dem Anwendungsbereich des Art. 14 ECRL herausfällt. Zu diesem Zweck sei erneut zwischen der „bloßen“ kriminellen Ausrichtung einer Plattform sowie einer Einflussnahme des Betreibers auf konkrete Nutzerbeiträge differenziert.129 e) Auswirkungen auf § 10 TMG Für § 10 TMG lässt sich jenes Verständnis einer „aktiven Rolle“ sodann im Rahmen des Merkmals der „Speicherung“ fremder Informationen fruchtbar machen.130 Dies stützt nicht zuletzt die Aussage des EuGH, wonach die „Speicherung […] nur dann unter Art. 14 der Richtlinie 2000/31/EG [falle], wenn das Verhalten dieses Anbieters auf das eines ‚Vermittlers‘ […] beschränkt bleibt.“131 Die Speicherung in diesem Sinne bezieht dementsprechend lediglich die rein passiven Begleithandlungen eines Host-Providers ein. Geht die Tätigkeit des Betreibers hingegen über die bloße Speicherung fremder Informationen hinaus, weil auf konkrete Inhalte Einfluss genommen wird oder Beiträge zu Rechtsverletzungen geleistet werden, kann dieser eine privilegierte Haftung nicht für sich beanspruchen.132 Daraus folgt ferner zugleich der insbesondere für den Bereich des Strafrechts bedeutsame Aspekt, dass durch eine entsprechende Nichtanwendung der Haftungsprivilegierung des § 10 TMG nicht etwa ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG droht.133 Denn bereits der Wortlaut des „Speicherns“ erfasst die bei Einnahme einer „aktiven Rolle“ einhergehenden Hilfestellungen nicht, die auf konkrete Informationen Einfluss nehmen oder über die bloße technische Bereitstellung von Speicherplatz hinaus zu Rechtsverletzungen beitragen. Die Voraussetzung der „Speicherung“ fremder Informationen lässt sich insoweit durchaus im Sinne eines „ausschließlich“ oder „rein“ technischen und inhaltsneutralen Speicherns fremder Informationen lesen, das der aktive Provider insoweit überschreitet.134 Wird daher innerhalb des Strafrechts die Haftungsprivilegierung angesichts einer „aktiven Rolle“ des Plattform 129
Siehe Teil 1 C. IV. In diesem Sinne bereits Holznagel, CR 2017, 463, 469. 131 EuGH v. 23. 03. 2010 – C-236/08 bis C-238/08, EU:C:2010:159 – Google France und Google, Rn. 112. 132 In diesem Sinne etwa Holznagel, CR 2017, 463, 469. 133 So aber letztlich Gerhold, ZRP 2021, 44, 45; allgemein auch Handel, Die straf- und bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit der Diensteanbieter sozialer Netzwerke im Internet, S. 167 f. 134 In diese Richtung argumentiert etwa bereits Kudlich in Bezug auf das Betreiben eines Anonymisierungsservers, wenn dieser darauf verweist, dass der Wortlaut des § 9 TDG a. F. durchaus im Sinne von „ausschließlich übermitteln“ gelesen werden kann, Kudlich, in: Informationsstrafrecht und Rechtsinformatik, S. 11 f. Auf eine fehlende „reine“ Speicherung bei erkennbar krimineller Ausrichtung von Plattformen – wenngleich ohne Bezug zum Neutralitätsgebot des EuGH und ohne Bezug zu Art. 103 Abs. 2 GG – rekurrieren hingegen auch Beck / Nussbaum, HRRS 2020, 112, 117 sowie Eisele, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 4. Ebenfalls im Rahmen des § 11 TDG a. F. allein auf den technischen Vorgang der Speicherung sowie den reinen Vermittlungsvorgang rekurrierend etwa BT-Drs. 14/6098, S. 25. 130
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betreibers nicht angewandt, so liegt im Ergebnis keine teleologische Reduktion zulasten des Täters und damit kein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG vor. 3. Aktive Rolle bei krimineller Ausrichtung der Darknet-Plattform Die bis dato fokussierten Kriterien einer „aktiven Rolle“ im Sinne der EuGHRechtsprechung betrafen allesamt freilich nur spezifische Konstellationen, verdeutlichten jedoch im Grundsatz, an welchen Maßstäben die Versagung von Art. 14 ECRL für Betreiber von Plattformen im Darknet zu messen ist. Diese Erkenntnis zugrunde gelegt, sei nunmehr in der gebotenen Kürze zunächst begründet, inwieweit die Rechtsprechung des EuGH eine Nichtanwendbarkeit des Art. 14 ECRL allein bei erkennbar krimineller Ausrichtung der Plattform trägt, bevor anhand von stichhaltigen Kriterien eine Konkretisierung dahingehend vorzunehmen ist, wann konkret der Betreiber einer Plattform im Darknet sich unter diesem Gesichtspunkt nicht auf Art. 14 ECRL berufen kann. a) Einbüßen von Neutralität bei Förderung von Rechtsverletzungen Ausgehend von obiger Erkenntnis lässt sich auch die Unanwendbarkeit des Art. 14 ECRL respektive § 10 TMG bei Betreiben einer erkennbar kriminell ausgerichteten Darknet-Plattform begründen. Die Privilegierung eines nicht rechtschaffenden Diensteanbieters scheint bereits wertungsmäßig zweifelhaft, sodass auch seitens der Literatur vermehrt Stimmen zur Versagung der haftungsprivilegierten Stellung eines solchen Diensteanbieters laut wurden.135 Während die im Urteil des 135 Jüngst befürwortend bei auf Rechtsverletzungen angelegtem Geschäftsmodell siehe etwa Janal, ZEuP 2021, 227, 240 sowie Frey / Rudolph / Oster, CR-Beilage 2015, 1, 26. Allgemein zur Versagung der Privilegierung bei Förderung von Rechtsverletzungen unter dem Aspekt der „aktiven Rolle“ auch Frey, Die Haftung von Host-Providern, S. 145; zur drohenden Überprivilegierung bei strukturell gefahrgeneigten Diensten und ferner speziell mit Bezug auf DarknetPlattformen auch Holznagel, CR 2021, 123, 125 sowie Holznagel, CR 2021, 603, 608, der aber dem derzeitigen Konstrukt einer „aktiven Rolle“ kritisch gegenübersteht. Allgemein zu „besonders gefahrgeneigten Diensten“ etwa auch Fischer, Die Einbindung von Providern, S. 173 ff. m. w. N., die ferner darauf verweist, dass sich ein ähnlicher Gedanke in der nationalen Störerhaftung wiederfände, weil dort dem gefahrgeneigten Diensteanbieter entgegen § 7 Abs. 2 TMG proaktive Überwachungspflichten auferlegt würden. Im Rahmen der Störerhaftung bezeichnete der BGH zunächst solche Dienste als besonders gefahrgeneigt, deren Geschäftsmodell entweder von vornherein auf Rechtsverletzungen durch die Nutzer angelegt ist oder die durch eigene Maßnahmen die Gefahr rechtswidriger Nutzungen fördern, BGH v. 12. 07. 2012 – I ZR 18/11, BGHZ 194, 339; auch BGH v. 15. 08. 2013 – I ZR 80/12, GRUR 2013, 1030, 1032. Der BGH führt sodann in diesem Zusammenhang aus: „[…] dies würde ihr Geschäftsmodell gefährden, das nicht von vornherein auf Rechtsverletzungen durch die Nutzer angelegt ist, sondern – wie dargelegt – in vielfältiger Weise auch legal genutzt werden kann […] und für das grundsätzlich das Haftungsprivileg des § 10 Satz 1 TMG gilt“, BGH v. 15. 08. 2013 – I ZR 80/12, GRUR 2013, 1030, 1033. Im Umkehrschluss zu diesen Ausführungen ließ sich entnehmen, dass die nationale
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EuGH fokussierte Sharehosting-Plattform „uploaded“ des Betreibers Cyando, hinsichtlich derer das Gericht eindeutige Sympathien für die Annahme einer „aktiven Rolle“ zeigte, neben der Gefahr der Förderung von Rechtsverletzungen durch eigene Maßnahmen des Betreibers zumindest auch legale Nutzungsmöglichkeiten aufwies,136 beruhen Plattformen im Darknet mit erkennbar krimineller Ausrichtung oftmals gar ausschließlich und unmittelbar auf der vorsätzlichen Förderung von Rechtsverletzungen in Form des Handels mit illegalen Waren oder Dienstleistungen; legale Nutzungsmöglichkeiten sind dort bereits der Konzeption nach nicht vorgesehen. Daher wird jedenfalls derjenige Betreiber, der gezielt Förderungsbeiträge zu Rechtsverletzungen durch entsprechende Ausgestaltung seines Dienstes auf ausschließlich rechtsverletzende Nutzung erbringt, sodann – gewissermaßen „erst recht“ – stets eine „aktive Rolle“ einnehmen. Angesichts des gezielten Vorschubleistens eines rechtsverletzenden Verhaltens der Nutzer durch erkennbar kriminelle Ausrichtung der Plattform leistet deren Betreiber eine Hilfestellung in Richtung der rechtswidrigen Nutzerinhalte, die eine reine Speicherung derselben übersteigt. Die Plattform wird insoweit gezielt zum inhaltlich lenkenden und nicht rein neutralen Wegweiser hin zu Rechtsverletzungen erhoben und erleichtert so das Auffinden eines kriminellen Pendants in entscheidendem Maße. Aufgegeben wird letztlich die erforderliche Distanz und in der Folge die Neutralität hinsichtlich dieser Nutzerinhalte, soweit der Betreiber durch die spezifische Einrichtung der Infrastruktur entsprechende Inhalte geradezu vorgibt und sich diesen letztlich befürwortend gegenüber positioniert.137 Daran ändert auch der Umstand nichts, dass sich die über die bloße Bereitstellung der Plattform hinausgehende Hilfestellung zu rechtsverletzendem Verhalten in diesem Fall nicht auf einzelne Nutzerbeiträge, sondern durch die generelle Ausgestaltung der Plattform als abstrakte Hilfestellung auf sämtliche Nutzerinhalte bezieht.138 Eine dahingehende Differenzierung lässt sich wie gesehen Rechtsprechung eine Haftungsprivilegierung nach § 10 TMG wohl jedenfalls solchen Geschäftsmodellen versagt, die von vornherein auf Rechtsverletzungen angelegt sind. Wie ein Ausschluss von §§ 7 Abs. 2, 10 TMG angesichts fehlender Neutralität für die zweite Alternative der Förderung der Gefahr von Rechtsverletzungen durch den Nutzer durch eigene Maßnahmen künftig gehandhabt wird, bleibt abzuwarten. Das OLG München ging im Fall „uploaded“ trotz der Gefahr der Förderung von Rechtsverletzungen durch die eigenen Maßnahmen von einer „neutralen Rolle“ aus, OLG München v. 02. 03. 2017 – 29 U 1797/16, ZUM-RD 2017, 337, 341. Der EuGH deutete hingegen im Falle von „uploaded“ eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne des Art. 3 Abs. 1 InfoSoc-RL sowie eine Nichtanwendbarkeit des Art. 14 ECRL angesichts des zur rechtsverletzenden Nutzung verleitenden Geschäftsmodells an, siehe EuGH v. 22. 06. 2021 – C-682/18, C-683/18, EU:C:2021:503 – YouTube und Cyando, Rn. 101 in Zusammenschau mit Rn. 108. 136 Siehe zu den Leitlinien des EuGH zur Einordnung von „Cyando“ EuGH v. 22. 06. 2021 – C-682/18, C-683/18, EU:C:2021:503 – YouTube und Cyando, Rn. 98, 101, 108. 137 In diese Richtung allgemein auch Fischer, Die Einbindung von Providern, S. 176. 138 Anders aber Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 71 ff., wonach die Privilegierung des § 10 TMG ohnehin allein eine bloße Unterlassungsstrafbarkeit beschränke. Für eine „aktive Rolle“ der Betreiber von Darknet-Plattformen bei massenhaft Anreizen für eine
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weder den bislang zugegeben spärlichen Ausführungen des EuGH grundsätzlich entnehmen noch ist diese wertungsmäßig angezeigt. Ein genereller Ausschluss des Art. 14 ECRL bei Bereithalten eines auf die Förderung von Rechtsverletzungen – den Handel mit illegalen Waren oder Dienstleistungen – ausgerichteten Dienstes unter dem Aspekt einer „aktiven Rolle“ versieht sich letzten Endes auch im Einklang mit dem Sinn und Zweck der Haftungsprivilegierung nach Art. 14 ECRL sowie dessen Entsprechung in § 10 TMG, als es der Sache nach nicht zuletzt um das – vielleicht prima facie vage anmutende – Argument der Rechtsmissbräuchlichkeit geht.139 Die in Rede stehende Norm sieht jedoch eine privilegierte Haftung angesichts der Tatsache vor, dass es einem Host-Provider aufgrund der Vielzahl an bei ihm gespeicherten Daten grundsätzlich unmöglich ist, sämtliche Informationen auf Rechtswidrigkeit hin zu kontrollieren.140 Ein von vornherein an kriminelles Verhalten angepasster Dienst kann für sich aber nicht länger soziale Billigung in Anspruch nehmen.141 Es handelt sich dort nicht länger um eine rein technische Vermittlerrolle des Anbieters, angesichts derer ihm eine Kenntnis oder Kontrolle unzumutbar wäre. Er provoziert die in Rede stehenden Inhalte ja sogar und erleichtert den Nutzern über die bloße Bereitstellung der Plattform beziehungsweise reine Speicherung hinaus die Begehung von Straftaten. Spräche man einem derartigen Diensteanbieter ein Haftungsprivileg zu, erwiese sich dieses letztlich als „safe harbour“ für auf die Förderung von Rechtsverletzungen ausgerichtete Dienste. Einem solch beeinflussenden, nicht rechtschaffenden Anbieter ein Privileg zu gewähren, widerspräche daher nicht zuletzt der ratio legis und ist mithilfe des Konstrukts einer „aktiven Rolle“ konsequent abzulehnen. Am Rande sei insoweit erneut auf Erwägungsgrund 20 des geplanten Digital Services Acts verwiesen, wonach bei einem Anbieter von Vermittlungsdiensten, illegale Nutzung plädieren hingegen auch Bartl / Moßbrucker / Rückert, Angriff auf die Anonymität im Internet, S. 8 sowie im Ergebnis auch Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 68. Zur Sinnlosigkeit einer Unterscheidung in konkrete und abstrakte Hilfestellung auch Ott, K&R 2012, 387, 391, wenngleich dieser der Rechtsprechung des EuGH im Allgemeinen kritisch gegenübersteht. 139 In diese Richtung geht wohl zugleich der dem Einwand im Gesetzentwurf zu § 127 StGBE zugrundeliegende Gedanke, wonach Art. 14 ECRL ohne Bezug zur „aktiven Rolle“-Rechtsprechung von vornherein keine Anwendung auf den Anbieter eines Dienstes finden soll, der maßgeblich zu kriminellen Zwecken betrieben wird. Schließlich führe Erwägungsgrund 44 der E-Commerce-Richtlinie dazu aus, dass ein Diensteanbieter, der absichtlich mit einem Nutzer seines Dienstes zusammenarbeitet, um rechtswidrige Handlungen zu begehen, mehr leiste als „reine Durchleitung“ und „Caching“ und sich daher nicht auf den Haftungsausschluss berufen könne. Entsprechend dieser Logik könne auch ein Betreiber nicht in den Genuss der Privilegierung kommen, der bewusst eine Plattform betreibt, die darauf ausgerichtet ist, Straftaten Dritter zu ermöglichen oder zu fördern, zum Ganzen vgl. BT-Drs. 19/28175, S. 12. Mit Erwägungsgrund 44 der E-Commerce-Richtlinie unter Ablehnung der „aktiven Rolle“ für derartige Fälle argumentiert außerdem Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 75. 140 Siehe Teil 2 B. sowie die Nachweise in Teil 2 Fn. 14. 141 In Bezug auf eine neutrale Beihilfe von Sharehosting-Diensten Bode, ZStW 127 (2015), 937, 984.
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der bewusst mit einem Nutzer zur Ausübung illegaler Tätigkeiten zusammenarbeitet, nicht davon ausgegangen werden sollte, dass die Dienstleistung auf neutrale Weise erbracht wurde und der Anbieter sollte daher die entsprechenden Haftungsausschlüsse nicht beanspruchen können. Zu bejahen sei dies etwa, „wenn der Anbieter seine Dienstleistung hauptsächlich zu dem Zweck anbietet, illegale Tätigkeiten zu erleichtern, indem er beispielsweise seinen Zweck – die Erleichterung illegaler Aktivitäten – klar zum Ausdruck bringt und seine Dienstleistungen für diesen Zweck geeignet sind“.142 Danach dürften gezielte Förderungsbeiträge des Betreibers zu Rechtsverletzungen der Nutzer auch künftig als Anwendungsfall der „aktiven Rolle“ und somit als Verstoß gegen das Neutralitätsgebot zu behandeln sein, der zur Nichtanwendbarkeit von § 10 TMG führt. b) Konkretisierung Insbesondere mit Blick auf Betreiber im Darknet, deren Plattform in Gänze auf die Förderung von Rechtsverletzungen ausgerichtet ist, ist demnach die Privilegierung des § 10 TMG mangels Neutralität nicht anwendbar. Dies wird meist die dort professionell organisierten Marktplätze zum Handel mit illegalen Waren oder Dienstleistungen sowie Foren zum Austausch kinderpornografischer Inhalte betreffen. Ausgehend davon sei abschließend unter Würdigung der charakteristischen Merkmale von kriminellen Plattformen im Darknet konkretisiert, wann nun ein Betreiber einer entsprechenden Plattform typischerweise angesichts einer „aktiven Rolle“ von vornherein nicht § 10 TMG unterfällt, ohne dass es auf die tatsächliche Kenntnis von der konkreten rechtswidrigen Handlung oder Information oder eine Einflussnahme auf konkrete Nutzerbeiträge ankäme. aa) Schaffung kriminalitätsbezogener Themenkategorien Als charakteristisch für Plattformen mit krimineller Ausrichtung im Darknet erweist sich wie gesehen meist eine überaus nutzerfreundliche Vorgabe von kriminalitätsbezogenen Waren- und Dienstleistungskategorien. Exemplarisch sah der ehemals aktive Marktplatz „AlphaBay“ eine entsprechende Kategorisierung vor, wobei das Spektrum von „Fraud“, „Drugs & Chemicals“, „Guides & Tutorials“, über „Counterfeit Items“ und „Jewels & Gold“ bis hin zu „Weapons“ und „Digital Products“ reichte. Die Kategorie „Drugs & Chemicals“ beinhaltete zudem Unterkategorien wie „Cannabis & Hashish“, „Ecstasy“, „Psychedelics“.143 Vornehmlich ebendiese kriminalitätsbezogene Themenstrukturierung einer Plattform lässt sich sodann für die Annahme einer „aktiven Rolle“ des Betreibers frucht 142 Zum Ganzen siehe Erwägungsgrund 20 im Standpunkt des Europäischen Parlaments im Hinblick auf den Digital Services Act, S. 16. 143 Siehe die Abbildung 1.5 bei EMCDDA / Europol, Drugs and the darknet, S. 26.
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bar machen. Zwar vermag allein die Festlegung allgemeiner Modalitäten nicht zur Unanwendbarkeit des § 10 TMG führen. Anders verhält sich dies jedoch, soweit der Betreiber gezielt eine kriminalitätsbezogene Kategorisierung der Plattform im obigen Sinne vornimmt, der als eine Art Wegweiser letztlich eine inhaltslenkende Funktion zwischen delinquenten Nutzern zukommen soll.144 Die Suche nach einem kriminellen Pendant wird mithilfe der Vorgabe von eindeutig kriminalitätsbezogenen Kategorien in erheblicher Weise erleichtert.145 Insoweit nimmt der Betreiber durch die Schaffung dahingehender Infrastruktur eine über die inhaltsneutrale Speicherung hinausgehende Hilfestellung in Richtung der rechtsverletzenden Nutzer zum Auffinden eines kriminellen Gegenübers vor, angesichts derer sich dieser nicht länger auf eine fehlende Kenntnis beziehungsweise Kontrolle bezüglich des Inhalts berufen kann. Praxisrelevantes Kriterium für eine Unanwendbarkeit des § 10 TMG ist demnach die Vorgabe von Waren- und Dienstleistungskategorien mit unzweifelhaftem Kriminalitätsbezug, wobei freilich nicht entscheidend sein kann, inwieweit Scheinkategorien zur Wahrung einer vermeintlichen Legalität vorhanden sind.146 bb) Implementierung von Zugangsbeschränkungen Fehlende Neutralität lässt sich ferner bei Implementierung sogenannter Keuschheitsproben vonseiten des Betreibers begründen. Wie gesehen, fordern Betreiber der auf den Austausch kinderpornografischer Materialien ausgerichteten Plattformen zum Ausschluss ungebetener Gäste nicht selten die Zusendung eigener strafbarer Inhalte als Zugangserfordernis.147 Dieses Verlangen fußt auf dem gegenwärtigen Bewusstsein, dass die deutsche Rechtsordnung sowohl Verdeckten Ermittlern als auch sonstigen Ermittlungsbeamten untersagt, zum Zwecke der Strafverfolgung (milieubedingte) Straftaten zu begehen.148 In der Folge galten Keuschheitsproben bis dato als vergleichsweise eindeutiges Indiz, wird doch aufgrund des Fernhaltens von Ermittlungsbeamten das Teilen illegaler Inhalte erheblich erleichtert, mit der Folge, dass der Betreiber der notwendigen Distanz und Neutralität verlustig geht. Nun bleibt abzuwarten, inwieweit jenem Kriterium weiterhin Aussagekraft
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In diese Richtung zu Art. 3 InfoSoc-RL, wenn Rubriken darauf abzielen, das Teilen unerlaubter Inhalte zu erleichtern oder zu fördern, vgl. EuGH v. 22. 06. 2021 – C-682/18, C-683/18, EU:C:2021:503 – YouTube und Cyando, Rn. 95. 145 Im Rahmen der Beihilfe siehe Greco, ZIS 2019, 435, 449; Beck / Nussbaum, HRRS 2020, 112, 115. 146 In diese Richtung zur kriminellen Zweckausrichtung im Sinne des § 127 StGB BTDrs. 19/28175, S. 15. 147 Siehe Teil 1 C. II. 2. 148 Hierzu Gercke, CR 2018, 480, 482; Wittmer / Steinebach, MMR 2019, 650, 651; zum Verbot für Verdeckte Ermittler allgemein etwa Bruns, in: KK-StPO, § 110c Rn. 6; Günther, in: MüKoStPO, § 110c Rn. 39; Hegmann, in: BeckOK-StPO, § 110c Rn. 7; Köhler, in: Meyer-Goßner / Schmitt, § 110c Rn. 4; Volk / Engländer, Grundkurs StPO, § 10 Rn. 63; siehe auch Krause, NJW 2018, 678, 680; Safferling, DRiZ 2018, 206, 207.
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zukommt. Inzwischen sieht § 184b Abs. 6 StGB sowie § 184c Abs. 6 StGB149 einen Tatbestandsausschluss für die von Ermittlungsbeamten im Zusammenhang mit Keuschheitsproben begangenen Straftaten vor, soweit diese fiktive, mittels Computertechnologie erzeugte Darstellungen von kinderpornografischen Inhalten zu Ermittlungszwecken einsetzen.150 Sollten Betreiber jedoch mangels Alternativen weiterhin die Abgabe einer Keuschheitsprobe fordern, spricht dies für eine Unanwendbarkeit von § 10 TMG hinsichtlich dieser Inhalte. cc) Kriminalitätsbezogene Benennung der Plattform Indiziell für eine „aktive Rolle“ kann sodann auch eine augenfällige Benennung der Plattform selbst sein, die deren kriminelle Ausrichtung unzweifelhaft erkennen lässt.151 Als virtuelle Marktplätze mit derartiger Bezeichnung sei nur etwa die Plattform „Cannabis Growers and Merchants Cooperative (CGMC)“ genannt.152 Deren Benennung dient etwaigen Delinquenten abermals als eine Art Wegweiser hin zu einem kriminellen Pendant. Schließlich deutet etwa die Bezeichnung „DrugList“ erkennbar auf einen Treffpunkt zum unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln hin, zugunsten dessen der Betreiber seinen Dienst mithilfe der „verlockenden“ Benennung gezielt anlegt. Der Betreiber wirbt durch die Bezeichnung ausdrücklich für den Handel mit illegalen Gütern und Dienstleistungen, sodass dieser aufgrund der einhergehenden Förderung von Rechtsverletzungen seiner Distanz sowie Neutralität mit Blick auf die dortigen Inhalte verlustig geht. Freilich kann dies schlicht für derart offensichtliche Bezeichnungen gelten und sollte nur in Zusammenschau mit anderweitigen Kriterien indiziell herangezogen werden. Schließlich bleibt ungewiss, welche Bezeichnungen abseits obiger Extreme tatsächlich ein Ausrichten auf rechtsverletzende Nutzung begründen. Genügt insoweit eine Bezeichnung wie „Outlaw Market“ oder muss diese gar den unmittelbaren Schluss auf rechtsverletzendes beziehungsweise strafwürdiges Verhalten zulassen?153 Ungeachtet jener Vagheit existieren im Darknet jedenfalls Plattformen mit augenscheinlich krimineller Ausrichtung, deren Benennung als solches – „Silk Road“ oder „AlphaBay“ – nicht unmittelbar illegale Inhalte vorgibt. Dort bedarf es anderer Anhaltspunkte, wie etwa die Schaffung kriminalitätsbezogener Themenkategorien.
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Zur Neuregelung eingehend die Ausführungen unter Teil 3 I. IV. 3. c) aa). BT-Drs. 19/13836, S. 15. 151 Zum Ganzen im Rahmen eines strafbaren Hilfeleistens bereits Greco, ZIS 2019, 435, 442. 152 Vgl. die Listung bei EMCDDA / Europol, Drugs and the darknet, S. 18 f. 153 In eine ähnliche Richtung diskutiert Bode das Kriterium der Bezeichnung der Dienste von Sharehostern zur Beurteilung einer neutralen Beihilfe, vgl. Bode, ZStW 127 (2015), 937, 984. 150
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dd) Erwirtschaftung eigener wirtschaftlicher Vorteile In Bezug auf das Vorliegen einer „aktiven Rolle“ wird zudem teils das Kriterium der eigenen wirtschaftlichen Vorteile eines Plattformbetreibers diskutiert.154 Vornehmlich die hochprofessionell organisierten Plattformen im Darknet mit ausgeklügeltem Geschäftssystem – insbesondere die virtuellen Marktplätze – verlangen zwar für die entgeltlichen Verkaufsgeschäfte der Nutzer in der Tat nicht selten prozentuale Provisionen.155 Das schlichte Streben nach eigenen wirtschaftlichen Vorteilen in Form von Provisionen beraubt den Betreiber indes nicht per se seiner Neutralität. Provisionen an den Verkaufsgeschäften werden vielmehr standardmäßig erhoben und erfolgen unabhängig vom konkreten Inhalt der Information. Dieses Verständnis versieht sich letztlich im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH. Schließlich bestimmt dieser, dass eine „aktive Rolle“ des Diensteanbieters nicht bereits dann vorliegt, soweit dieser eine allgemeine Vergütung erlangt.156 ee) Ermöglichung anonymer Dienstenutzung Letztlich wird teils eine illegale Nutzungen fördernde Anonymität als Kriterium einer „aktiven Rolle“ des Betreibers herangezogen.157 Dies zugrunde gelegt, ließe sich jenes Kriterium gleichermaßen für die hiesigen Plattformen im Darknet fruchtbar machen, setzen die Betreiber ihre Plattform doch gezielt als Onion Service auf, um eine anonyme Dienstenutzung zu ermöglichen.158 Konfliktpotential barg jene Annahme indes bereits im Hinblick auf die Vorschrift des § 13 Abs. 6 TMG a. F., wonach ein Diensteanbieter die Nutzung von Telemedien anonym beziehungsweise unter Pseudonym zu ermöglichen hat, soweit ihm dies technisch möglich und zugleich zumutbar ist.159 Zwar ist jene Vorschrift nunmehr aufgehoben,160 eine nahezu wortgleiche Regelung findet sich inzwischen aber in 154
Speziell in Bezug auf Plattformen im Darknet Bartl / Moßbrucker / Rückert, Angriff auf die Anonymität im Internet, S. 6 sowie im Ergebnis auch Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 68; vgl. allgemein Holznagel, CR 2017, 463, 469. 155 Siehe Teil 1 C. II. 1. 156 EuGH v. 12. 07. 2011 – C-324/09, EU:C:2011:474 – L’Oréal u. a., Rn. 115. 157 Etwa OLG Hamburg v. 14. 03. 2012 – 5 U 87/09, MMR 2012, 393, 398. Ähnlich sehen die Materialien zu § 127 StGB in der Verortung im Darknet ein Indiz für eine kriminelle Zweckausrichtung, vgl. BT-Drs. 19/28175, S. 15. 158 Zur Verschleierung der Identität unter Zuhilfenahme des Tor-Browsers vgl. die Ausführungen unter Teil 1 B. 159 In diese Richtung, wenngleich mit Blick auf die seitens der Gesetzesmaterialien intendierte Auslegung des Merkmals der kriminellen Zweckausrichtung in § 127 StGB anhand einer Verortung im Darknet, etwa Rückert, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 18. Allgemein ablehnend mit Verweis auf § 13 Abs. 6 TMG auch Greco, ZIS 2019, 435, 441 f.; Fischer, Die Einbindung von Providern, S. 177 m. w. N sowie Bode, ZStW 127 (2015), 938, 985. 160 Aufgehoben durch Art. 3 des Gesetzes zur Regelung des Datenschutzes und des Schutzes der Privatsphäre in der Telekommunikation und bei Telemedien vom 23. 06. 2021, BGBl. I 2021, S. 1982.
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§ 19 Abs. 2 Satz 1 TTDSG. Eine „aktive Rolle“ allein bei Ermöglichung von Anonymität zu bejahen, obgleich das beschriebene Verhalten gesetzlich zumindest erwünscht ist, überzeugt im Allgemeinen nicht.161 Anderenfalls wäre allein die Nutzung der Tor-Technologie trotz denkbarer legaler Gründe unter Generalverdacht gestellt. Ferner ist auch an dieser Stelle auf Erwägungsgrund 20 des geplanten Digital Services Acts in der Fassung des Standpunkts des Europäischen Parlament hinzuweisen. Danach soll allein der Umstand, dass verschlüsselte Übertragungen oder andere Systeme angeboten werden, mit denen die Identifizierung des Nutzers unmöglich wird, nicht als Erleichterung illegaler Tätigkeiten gelten und demnach für sich genommen einen Haftungsausschluss aufgrund von fehlender Neutralität nicht begründen können.162 c) Zusammenfassung Mit Blick auf Plattformen im Darknet ist eine „aktive Rolle“ des Betreibers und damit eine Unanwendbarkeit des § 10 TMG denkbar, soweit diese vonseiten des Betreibers erkennbar auf die Förderung von Rechtsverletzungen ausgerichtet wird. Für den Kriminalitätsbereich des Darknets vermag neben einer wegweisenden, eindeutig kriminalitätsbezogenen Bezeichnung der Plattform zugleich die Implementierung von Keuschheitsproben sowie vornehmlich die Schaffung von eindeutig kriminalitätsbezogenen Waren- und Dienstleistungskategorien als eine „aktive Rolle“ des Betreibers zu überzeugen, nimmt dieser Betreiber doch insoweit über die inhaltsneutrale Speicherung hinausgehende Hilfestellungen vor, die das Teilen illegaler Inhalte erleichtern. Es bedarf jedoch stets einer umfassenden Gesamtschau der Ausrichtung einer Plattform, im Rahmen derer die obigen Kriterien heranzuziehen sind. 4. Aktive Rolle bei teilweise krimineller Ausrichtung Ungeachtet der Plattformen im Darknet, die gewissermaßen in Gänze auf die Förderung von Rechtsverletzungen ausgerichtet sind, sind letztlich auch solche vorhanden, die als Mischformen neben legalen Nutzungsmöglichkeiten eine jedenfalls teilweise kriminelle Ausrichtung seitens des Betreibers aufweisen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass § 10 TMG uneingeschränkt anwendbar wäre. Schließlich wird in der Literatur eine „aktive Rolle“ des Diensteanbieters bereits erwogen, soweit dieser Kategorien schafft, die klare Rechtsverletzungen magnetisch anziehen.163 161
In diese Richtung Saugmandsgaard Øe, Schlussantrag v. 16. 07. 2020 – C-682/18, C-683/18, EU:C:2020:586 – YouTube und Cyando, Rn. 129. 162 Standpunkt des Europäischen Parlaments im Hinblick auf den Digital Services Act, S. 16. 163 Hierzu Czychowski / Nordemann, GRUR 2013, 986, 989. Darauf Bezug nehmend im Ergebnis auch Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 68.
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In diesem Sinne war zwar die Plattform „Deutschland im Deep Web“ im Grundsatz als Forum mit Kategorien zum bloßen Informationsaustausch ausgestaltet, wies jedoch sodann neben zahlreichen legalen Themenkategorien unter anderem in der Kategorie „Spackentreff“ die Unterkategorie „Waffen“ auf.164 Zwar bedeutet etwa die Kategorie „Waffen“ nicht zwangsläufig eine kriminelle Ausrichtung, weil auch ein für sich genommen legales Diskussionsforum zum Thema Waffen denkbar bliebe. Diese beinhaltete allerdings den Zusatz „Herstellung, Vertrieb und sachgerechte Verwendung“.165 Jedenfalls dem Zusatz „Vertrieb“ war insoweit eine lenkende Funktion immanent, weil dort augenscheinlich ein Vertrieb von Waffen fernab der Bestimmungen des Waffengesetzes vorgenommen werden konnte. Des Weiteren wies etwa die Kategorie „Marktplatz“ die Unterkategorie „Biete verifiziert (Cannabis verifiziert, Stimulanzien verifiziert, Psychedelika verifiziert, Apotheke verifiziert)“ sowie die Unterkategorie „Biete (Cannabis, Stimulanzien, Psychedelika, Apotheke, [Neu] Dienstleistung und Software)“ auf.166 Der Betreiber nahm daher jedenfalls hinsichtlich der in der entsprechenden Kategorie vorhandenen Beiträge eine „aktive Rolle“ ein und konnte sich diesbezüglich nicht auf § 10 TMG berufen. 5. Aktive Rolle bei Einflussnahme auf konkrete Nutzerbeiträge Die vorstehenden Ausführungen widmeten sich speziell dem Ausschluss des § 10 TMG bei ganz oder teilweise krimineller Ausrichtung einer Plattform, ohne dass insoweit eine Einflussnahme des Betreibers auf konkrete Nutzergeschäfte erforderlich wäre. Insbesondere mit Blick auf die am Rande thematisierten Plattformen im Darknet mit grundsätzlich legaler Ausrichtung ist jedoch ein Ausschluss des § 10 TMG zumindest dann in Erwägung zu ziehen, soweit dieser trotz legaler Ausrichtung gleichwohl im Einzelfall Einfluss auf einen konkreten rechtsverletzenden Nutzerbeitrag nimmt. a) Optimierung der Angebotspräsentation und Bewerbung von Beiträgen Der EuGH nennt als Kriterium fehlender Neutralität etwa den Umstand, dass ein Diensteanbieter die Präsentation der (Verkaufs-)Angebote eines Nutzers optimiert oder einen Nutzerbeitrag bewirbt.167 Sollte demnach der Betreiber einer Darknet-Plattform im Einzelfall Hilfe in Bezug auf die Optimierung des Inhalts eines rechtsverletzenden Nutzerangebots leisten oder den Inhalt eines solchen entsprechend bewerben, ergibt sich infolge der einhergehenden Unterstützungshand 164
Siehe LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 10. Siehe LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 10. 166 Siehe LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 10. 167 EuGH v. 12. 07. 2011 – C-324/09, EU:C:2011:474 – L’Oréal u. a., Rn. 116. 165
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lung eine „aktive Rolle“ desselben.168 Hinsichtlich dieser Information unterfiele der Betreiber nicht dem Anwendungsbereich des § 10 TMG. b) Inhaltliche Vorabkontrollen von Nutzerbeiträgen Aufschlussreich für die Unanwendbarkeit des § 10 TMG scheint zudem ein Rekurs auf die Überprüfung der Vollständigkeit und Richtigkeit von Nutzerbeiträgen sowie die nachfolgende Freischaltung durch den Betreiber. Jenes Kriterium wird bis dato zwar zumeist im Rahmen der nationalen Rechtsprechung des Zu-eigenMachens fremder Informationen diskutiert.169 Die Tatsache, dass diese Rechtsprechung nicht länger Geltung beanspruchen kann,170 entzieht dem Merkmal dennoch nicht gänzlich den Erkenntniswert. Schließlich lässt sich dieses zur Konturierung einer „aktiven Rolle“ fruchtbar machen, wenngleich dort nicht entscheidend ist, inwieweit sich der Betreiber aus Sicht eines verständigen Dritten fremde Informationen zu eigen macht. Durch inhaltliche Vorabkontrollen wird der Betreiber jedenfalls über die inhaltsneutrale Vermittlertätigkeit hinaus in der Sphäre des Nutzers tätig, soweit eine entsprechende Vorabkontrolle einer unter Umständen erforderlich werdenden redaktionell-inhaltlichen Einflussnahme dient.171 Hinsichtlich dieser Inhalte kann sich der Betreiber demnach nicht auf § 10 TMG berufen. Klarstellend gibt der EuGH mit Blick auf das sogenannte „Good Samaritan Paradox“ inzwischen jedoch zu erkennen, dass bloße technische Maßnahmen zur Erkennung potentiell urheberrechtsverletzender Inhalte angesichts des grundsätzlich zu begrüßenden Verhaltens keine aktive Rolle begründen sollen.172 Etwa im Falle der Plattform „Deutschland im Deep Web“ nahm der Betreiber zwar keine inhaltliche Vorabkontrolle vor und beschränkte sich in der Kategorie „Biete“ auf eine Überprüfung der Werbeschreiben auf die seinerseits geforderten Bestimmungen, indem lediglich die Einhaltung der Nutzungsbedingungen geprüft wurde und der Nutzer seinen Beitrag anschließend noch für weitere drei Stunden editieren konnte.173 Die Kontrolle sollte dort nicht der inhaltlichen Einflussnahme 168 So Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 71; im Ergebnis auch Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 68. 169 Zur Figur des „Sich-zu-eigen-Machens“ vgl. die Ausführungen unter Teil 2 D. II. 1. b) aa). 170 Vgl. die Ausführungen unter Teil 2 D. II. 1. b) bb). 171 Ausdrücklich etwa Frey, Die Haftung von Host-Providern, S. 144 f. 172 EuGH v. 22. 06. 2021 – C-682/18, C-683/18, EU:C:2021:503 – YouTube und Cyando, Rn. 109; siehe auch Spindler, NJW 2021, 2554, 2555, der darauf verweist, dass unklar bleibt, wie sich die hierdurch zwangsläufig erlangte Kenntnis von der Verletzung auswirkt. Auch Art. 6 des Vorschlags eines Digital Services Acts stellt diesbezüglich klar, dass freiwillige Untersuchungen auf Eigeninitiative und Einhaltung der Rechtsvorschriften die Haftungsprivilegien unberührt lassen. 173 LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 169 ff., 314 f., wonach eine Einflussnahme auf den Inhalt durch den Betreiber nicht festzustellen war und dieser hinsichtlich der Betäubungsmittelart und der Betäubungsmittelmenge keine Einschränkungen vorgegeben hatte beziehungsweise mit allen Angeboten einverstanden war.
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dienen, sondern schlicht der Einhaltung der Nutzungsbedingungen zur Vermeidung von Betrügereien im Betäubungsmittelsektor.174 Die Unanwendbarkeit des § 10 TMG resultierte insoweit jedoch ohnehin bereits aus der Schaffung der kriminalitätsbezogenen Kategorie „Biete (Cannabis, Stimulanzien, Psychedelika, Apotheke, [Neu] Dienstleistung und Software)“, mithilfe derer der Betreiber das Teilen solcher Inhalte erleichterte.175 c) Betätigen des „multi-signature-escrow“ Letztlich schiene die Annahme einer „aktiven Rolle“ grundsätzlich bei einer seitens des Betreibers vorgenommenen Betätigung des multi-signature-escrow zur Streitbeilegung zwischen Nutzern denkbar. Schließlich bieten Darknet-Plattformen inzwischen vielfach die Möglichkeit des „escrow“ beziehungsweise des „multi-signature-escrow“, wobei bei Streitigkeiten der Betreiber kontaktiert werden kann.176 Durch jene Sichtung und anschließende Bestätigung einer Transaktion zugunsten des Käufers oder Verkäufers im Rahmen des multi-signature-escrow offenbart der Betreiber jedoch eine über die Speicherung hinausgehende Einflussnahme. Insoweit verlässt der Betreiber seine reine Vermittlerrolle, wird gleichermaßen „aktiv“ in Richtung des Nutzergeschäfts tätig und fällt nicht in den Anwendungsbereich des § 10 TMG. Sehen muss man aber, dass die Betätigung des multi-signatureescrow im Kriminalitätsbereich des Darknets meist ohnehin im Rahmen der kriminellen Zwecken dienenden Plattformen zu verzeichnen ist,177 deren Betreiber dann aber bereits angesichts der im Übrigen kriminalitätsbezogenen Ausgestaltung des Dienstes ohnehin nicht in den Anwendungsbereich des § 10 TMG fallen wird. d) Zusammenfassung Der vornehmlich mit Blick auf Plattformen mit grundsätzlich legaler Ausrichtung an Bedeutung gewinnende Katalog der obigen Kriterien betrifft Unterstützungshandlungen, im Rahmen derer der Betreiber unmittelbar auf ein konkretes Nutzergeschäft Einfluss nimmt. Die händische redaktionelle Vorabkontrolle, die Bewerbung oder Optimierung konkreter Nutzerbeiträge sowie gegebenenfalls die Betätigung des multi-signature-escrow etwa sind solche nicht länger neutrale Hilfestellungen, die eine inhaltliche Einflussnahme des Betreibers auf Nutzerbeiträge offenbaren und daher zur Unanwendbarkeit des § 10 TMG führen.
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LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 131, 305. Siehe zu den Kategorien Teil 1 C. II. 2. 176 Siehe auch LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 18, wobei neben dem Betreiber alternativ auch ein zuvor vom Betreiber freigeschalteter Nutzer involviert werden konnte sowie allgemein die Ausführungen unter Teil 1 C. II. 1. 177 Teil 1 C. II. 1. 175
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Teil 2: Relevanz des Haftungsprivilegs der §§ 7 Abs. 2, 10 TMG
IV. Ergebnis Die vorgenannten Ausführungen widmeten sich den Auswirkungen der §§ 7 bis 10 TMG auf die zugrundeliegende Forschungsfrage. Diese finden als horizontale Regelungen auch für den Bereich des Strafrechts Anwendung und sind dort grundsätzlich in den Tatbestand eines Strafgesetzes zu integrieren. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wurde indes vorab dargestellt, wann dem Betreiber einer Plattform im Darknet überhaupt eine Privilegierung im Sinne des § 10 TMG gebührt und wann diese nicht anwendbar ist. Während der Betreiber für eigene Informationen entsprechend § 7 Abs. 1 TMG uneingeschränkt nach den allgemeinen Grundsätzen haftet, gebührt diesem bei bloßer Speicherung der hier interessierenden fremden Informationen nach § 10 TMG grundsätzlich eine Haftungsprivilegierung, sofern dieser entweder keine Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder Information hat (Nr. 1) oder dieser bei Kenntnis unverzüglich zur Löschung tätig wurde (Nr. 2). Nach den Vorgaben des EuGH scheidet die Anwendbarkeit des Art. 14 ECRL beziehungsweise § 10 TMG bei fremden Informationen jedoch aus, sofern der Diensteanbieter eine „aktive Rolle“ einnimmt. Für eine Nichtanwendbarkeit des § 10 TMG speziell bei Betreiben einer in Gänze auf die Förderung von Rechtsverletzungen ausgerichteten Plattform ist zur Vermeidung etwaiger „safe harbours“ die „aktive Rolle“-Rechtsprechung des EuGH heranzuziehen. Bei Ausrichten einer Plattform auf die Förderung von Rechtsverletzungen in Form des Handels mit illegalen Waren oder Dienstleistungen versieht sich ein Ausschluss des § 10 TMG im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH, weil die zu Rechtsverletzungen lenkende Komponente stets eine über die schlichte Speicherung hinausgehende „aktive Rolle“ des Betreibers bedeutet, die eine Begehung von Straftaten erleichtert. Auf ein Ausrichten der Plattform auf die Förderung von Rechtsverletzungen deuten insoweit neben einer eindeutig kriminalitätsbezogenen Bezeichnung zugleich die Implementierung von Keuschheitsproben sowie insbesondere die Schaffung kriminalitätsbezogener Themenkategorien hin. Richtet ein Betreiber zwar nicht das gesamte oder überwiegende Diensteangebot, wohl aber einzelne Kategorien auf die Förderung von Rechtsverletzungen aus, ist § 10 TMG erneut aufgrund einer „aktiven Rolle“ nicht anwendbar, zieht doch zumindest die Schaffung der entsprechenden Kategorie Rechtsverletzungen mehr als nur magnetisch an. Eine Nichtanwendbarkeit greift dort jedenfalls mit Blick auf die in der Kategorie mit Kriminalitätsbezug vorhandenen Nutzerbeiträge. In dem Umfang, in dem eine solche Plattform daher kriminell ausgerichtet ist, wird die strafrechtliche Verantwortlichkeit im Rahmen der kriminell ausgerichteten Plattformen behandelt. Mit Blick auf die grundsätzlich dem Privileg unterfallenden Betreiber einer Plattform mit legaler Ausrichtung lässt sich eine „aktive Rolle“ sowie eine Nichtanwendbarkeit des § 10 TMG sodann jedenfalls dort bejahen, wo der Betreiber auf einen konkreten Nutzerbeitrag Einfluss nimmt, indem dieser die Angebotspräsentation optimiert, diesen bewirbt oder vor Freischaltung inhaltlich prüft. Inwieweit außerdem die mit § 10 TMG einhergehenden Wertungen mit Blick
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auf die divergierenden Ausrichtungen von Plattformen im Darknet im Rahmen der strafrechtlichen Bewertung – etwa für die Frage einer neutralen Beihilfe oder einer objektiven Sorgfaltspflichtverletzung – von Aussagekraft sind, wird an entsprechender Stelle zu erörtern sein.178
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Siehe etwa Teil 3 G. II., Teil 3 H. II. 2., Teil 4 C. II. und Teil 4 E.
Teil 3
Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung Ein gesteigertes Gefährdungspotential wohnt denjenigen Plattformen inne, die bereits vonseiten der Betreiberebene erkennbar ganz oder teilweise auf den Handel mit illegalen Waren oder Dienstleistungen durch die Nutzer ausgerichtet wurden. Daher seien im weiteren Fortgang zunächst die strafrechtlichen Grundsätze einer Verantwortlichkeit des Betreibers krimineller Infrastruktur für strafbare Nutzerinhalte eingehend fokussiert. Obgleich sich ebenjener zumindest im Umfang der kriminellen Ausrichtung mangels gebotener Neutralität augenscheinlich nicht auf die Privilegierung der §§ 7 Abs. 2, 10 TMG berufen kann, wurde bereits erhellt, dass § 10 TMG eine nach den allgemeinen Grundsätzen bestehende Strafbarkeit nur zu begrenzen vermag, allein die Unanwendbarkeit des § 10 TMG bei krimineller Ausrichtung jedoch eine Strafbarkeit nicht begründet.1 Im Hinblick auf die daher notwendig werdende Begründung einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Betreibers sind es sodann exemplarisch die nachfolgenden Fragestellungen, die eine Betrachtung erfordern: Handelt es sich beim Verhalten des Betreibers um ein bloßes pflichtwidriges Unterlassen oder gar ein aktives Tun? Vermögen abgesehen von § 127 StGB weitere Straftatbestände die beschriebene Tätigkeit als Täterschaft zu erfassen? Handelt der Betreiber (mit-) täterschaftlich oder als bloßer Teilnehmer? Lässt sich das bloße Bereitstellen und Aufrechterhalten einer Plattform objektiv als Beihilfehandlung erfassen und stehen etwa Zugangsbeschränkungen der Annahme einer solchen entgegen? Und daran anknüpfend: Inwieweit gewinnen diesbezüglich die Grundsätze einer „neutralen Beihilfe“ an Bedeutung? Was muss der Betreiber über die Vorgänge der Nutzer wissen, um (mit-)verantwortlich zu sein? Wann ist eine fahrlässige Deliktsbegehung des Betreibers in Bezug auf Folgeschäden des illegalen Handels der Nutzer begründbar? Und unter welchen Voraussetzungen greift der zum 1. Oktober 2021 in Kraft getretene, nunmehr eigenständig das Betreiben krimineller Plattformen in den Blick nehmende und vom Gesetzgeber als Tatbestand mit „Auffangcharakter“2 bezeichnete § 127 StGB? Weil es der Anwendung des formell subsidiären § 127 StGB laut Gesetzgeber jedenfalls „nicht bedarf, wenn bereits aufgrund anderer Strafvorschriften eine hin-
1 2
Zur haftungsbegrenzenden Rechtsnatur des § 10 TMG siehe insbesondere Teil 2 A. BT-Drs. 19/28175, S. 16.
A. Die Abgrenzung des positiven Tuns vom pflichtwidrigen Unterlassen
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reichende Ahndung möglich ist“3, sei nachfolgend zunächst die abgesehen von § 127 StGB geltende Rechtslage umfassend beleuchtet, wobei teils gleichermaßen die Unterscheidung zwischen einer allgemeinen Zurverfügungstellung beziehungsweise Aufrechterhaltung krimineller Infrastruktur sowie einer weitergehenden Einwirkung des Betreibers auf konkrete Nutzergeschäfte von Bedeutung sein wird. Nachdem im Anschluss hieran die Strafvorschrift des § 127 StGB eingehend analysiert worden ist, gilt es letztlich einer Klärung zuzuführen, in welchem Verhältnis diese zu den ebenfalls einschlägigen Strafvorschriften steht und inwieweit hierdurch tatsächlich ein seitens der Gesetzesmaterialien vorgebrachter unzureichender Rechtszustand beseitigt oder vielmehr eine gefahrenträchtige Vorverlagerung des Strafrechtsschutzes angestoßen wird.4
A. Die Abgrenzung des positiven Tuns vom pflichtwidrigen Unterlassen Bevor der Blick auf die in Betracht kommenden Strafvorschriften gerichtet wird, sei einleitend in der gebotenen Kürze eine Abgrenzung des positiven Tuns vom pflichtwidrigen Unterlassen bemüht, knüpfen hieran doch bekanntlich divergierende Voraussetzungen einer Strafbarkeit.5 Während im Falle eines aktiven Tuns zunächst jede kausale Verursachung der Tatbestandsverwirklichung als strafrechtlich relevant erachtet wird, gilt dies beim pflichtwidrigen Unterlassen der zur Erfolgsabwendung gebotenen Handlung nur bei Vorliegen der zusätzlichen Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 StGB, es sei denn, jenes Unterlassen hat als echtes Unterlassungsdelikt in einen selbstständigen Tatbestand Eingang gefunden.6 Als Anknüpfungspunkt gewinnt vorliegend prima facie sowohl ein aktives Tun als auch ein pflichtwidriges Unterlassen an Bedeutung. Schließlich ließe sich neben der anfänglichen Inbetriebnahme einer Plattform zugleich das Verwalten beziehungsweise ein dauerhaftes Unterhalten sowie das Einwirken auf bestimmte Nutzergeschäfte als ein aktives Tun einordnen. Als Tatvorwurf denkbar ist jedoch gleichermaßen das Unterlassen einer Löschung der Plattform in Gänze beziehungsweise wenigstens das Nichtlöschen eines konkreten rechtsverletzenden Inhalts sowie das Unterlassen von Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen.7 Die Abgrenzung des aktiven Tuns vom pflichtwidrigen Unterlassen ist daher vorliegend im Besonderen von Bedeutung, als dem in Rede stehenden Verhalten regelmäßig sowohl Begehungsmomente als auch Unterlassungselemente immanent sind. 3
BT-Drs. 19/28175, S. 16. Zu § 126a StGB-E vgl. auch Bäcker / Golla, Strafrecht in der Finsternis. 5 Gaede, in: NK-StGB, § 13 Rn. 4 m. w. N. 6 Dazu Bosch, in: Schönke / Schröder, Vor §§ 13 ff. Rn. 134. 7 Zu den unterschiedlichen Anknüpfungspunkten speziell bei Betreiben einer Plattform im Darknet bereits etwa Greco, ZIS 2019, 435, 440 sowie Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 72. 4
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
I. Allgemeine Abgrenzungskriterien Die Abgrenzung von aktivem Tun und pflichtwidrigem Unterlassen wird in Teilen der Literatur bekanntlich anhand einer naturwissenschaftlichen Betrachtung vorgenommen, wonach als aktives Tun im Wesentlichen jeder Energieeinsatz gelte, der den Taterfolg kausal verursache.8 Altenhain hingegen befürwortet speziell für den Bereich der internetbasierten Tatbegehung eine Modifikation dieses Kriteriums und fordert als Bezugspunkt das Kriterium des beherrschten maschinellen Energieeinsatzes im Sinne einer Möglichkeit des Menschen, in den maschinellen Arbeitsprozess einzugreifen.9 Herrschend wird schließlich unter Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung sowie Teilen der Literatur eine Abgrenzung anhand des Schwerpunkts der Vorwerfbarkeit beziehungsweise des strafrechtlich relevanten Verhaltens vorgenommen. Danach sei neben dem naturwissenschaftlich geprägten Kriterium des Energieeinsatzes unter anderem maßgeblich, wo bei normativer Betrachtung und nach dem sozialen Handlungssinn sowie den Umständen des Einzelfalls der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit liege.10 Zwar unternimmt Altenhain den Vorstoß, der Eigenart einer internetbasierten Tatbegehung Rechnung zu tragen. Damit einher geht jedoch eine Ausweitung des aktiven Tuns sowie ausgehend davon de facto ein Unterlaufen der fakultativen Strafmilderungsmöglichkeit des § 13 Abs. 2 StGB.11 Ferner vermag auch eine rein naturwissenschaftliche Betrachtung unter Heranziehung des Kriteriums eines Energieeinsatzes vornehmlich im Falle eines mehrdeutigen Verhaltens nicht zu überzeugen, als im Einzelfall selbst bei grundsätzlichem Vorliegen eines Energieeinsatzes das Element des Unterlassens wertungsmäßig überwiegen kann.12 Hingegen bietet die Bewertung anhand des Schwerpunkts der Vorwerfbarkeit die notwendige Flexibilität hinsichtlich der in Rede stehenden Verhaltensweise und ermöglicht eine differenzierende Abgrenzung. Verhindert werden soll insoweit zu Recht eine „formale[] Überbetonung einer einzelnen Verhaltensweise.“13 Im Übrigen verschließt 8
Etwa Brammsen, GA 2002, 193, 205 ff.; Engisch, in: FS-Gallas, 163, 170 ff.; Gaede, in: NK-StGB, § 13 Rn. 7; Kindhäuser / Zimmermann, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 35 Rn. 4; Otto / Brammsen, Jura 1985, 530, 531; Otto, Jura 2000, 549; Roxin, ZStW 74 (1962), 411, 415; Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 2, § 31 Rn. 69 ff.; Zieschang, GA 2020, 57, 59. 9 Altenhain, CR 1997, 485, 487 ff. 10 BGH v. 17. 02. 1954 – GSSt 3/53, BGHSt 6, 46, 59; BGH v. 17. 08. 1999 – 1 StR 390/99, NStZ 1999, 607; BGH v. 14. 03. 2003 – 2 StR 239/02, NStZ 2003, 657; BGH v. 29. 01. 2015 – 1 StR 587/14, NJW 2015, 1190, 1191; OLG Karlsruhe v. 07. 02. 1980 – 1 Ss 319/79, NJW 1980, 1859, 1860; OLG Saarbrücken v. 27. 06. 1991 – Ss 84/90 (164/90), NJW 1991, 3045, 3046 sowie in der Literatur unter anderem Bosch, in: Schönke / Schröder, Vor §§ 13 ff. Rn. 158a; Geilen, JZ 1968, 145, 151; Krey / Esser, Deutsches Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 1107; Ranft, JuS 1963, 340, 344; Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 48 Rn. 10; Weigend, in: LK-StGB, § 13 Rn. 7; Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 1159. 11 In diesem Sinne bereits Götze, Aktuelle Fragen der strafrechtlichen Providerhaftung, S. 105. 12 Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 48 Rn. 10. 13 BGH v. 17. 02. 1954 – GSSt 3/53, BGHSt 6, 46, 59.
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sich auch die Schwerpunkts-Formel nicht der Einbeziehung des Kriteriums eines Energieeinsatzes, legt diese doch das benannte Kriterium einer anschließenden normativen Betrachtung regelmäßig zugrunde.14
II. Die aktive Gefahrschaffung des Betreibers krimineller Infrastruktur Das Verhalten eines Diensteanbieters, der als Host-Provider fremde Informationen speichert und nicht auf die Inhalte von Nutzern Einfluss nimmt, wird überwiegend als bloßes pflichtwidriges Unterlassen eingeordnet.15 Schließlich bewege sich die Zurverfügungstellung der Infrastruktur als Begehungselement im Rahmen des rechtmäßigen sowie sozialadäquaten Verhaltens und könne dem Diensteanbieter nicht zum Vorwurf gemacht werden.16 Ein Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit auf einem aktiven Tun gewinne dagegen allenfalls an Bedeutung, soweit ein Host-Provider mit dem rechtsverletzenden Nutzer kollusiv zusammenwirke, zusätzliche Handlungen in Richtung des rechtsverletzenden Nutzers vornehme oder einen Dienst anbiete, der die Speicherung strafrechtlich relevanter Inhalte unterstützt oder dessen Aufmachung dazu einlädt.17 Wendet man nun unter Berücksichtigung dessen den Blick hin zum Betreiber einer auf den Handel mit illegalen Waren oder Dienstleistungen ausgerichteten Plattform im Darknet, wird man insoweit regelmäßig zur Annahme eines aktiven Tuns gelangen. Schließlich trägt das Argument der Sozialnützlichkeit des Bereitstellens einer Plattform und damit die Annahme eines bloßen Unterlassens augenscheinlich nicht länger, sofern der Betreiber die in Rede stehende Plattform seinerseits kriminell – etwa durch die Schaffung kriminalitätsbezogener Kategorien – ausrichtet. Die eigentliche Gefahrschaffung liegt in diesem Fall nicht auf dem Unterlassen etwaiger Kontroll- beziehungsweise Löschungsmaßnahmen, sondern vielmehr bereits in dem Bereitstellen eines Mediums, welches etwaigen Delinquenten ein gegenseitiges Auffinden erst ermöglicht und so den Weg hin zu einem kriminellen Pendant erleichtert. Bereits die Zurverfügungstellung einer solchen
14
Darauf verweisend unter anderem Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 48 Rn. 10 sowie Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 1159 m. w. N. 15 Die Annahme eines bloßen pflichtwidrigen Unterlassens findet insoweit zu Recht Anklang innerhalb der Literatur, vgl. hierzu Conradi / Schlömer, NStZ 1996, 472 ff.; Hilgendorf / Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 239; Malek / Popp, Strafsachen im Internet, Rn. 109; Sieber, JZ 1996, 494, 499 sowie Sieber, in: Handbuch Multimedia-Recht, Teil 19.1 Rn. 23 f.; Wang, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Internet-Service-Providern, S. 55 f.; siehe zum Plattformbetreiber im Darknet auch etwa Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 257 f. 16 Etwa Malek / Popp, Strafsachen im Internet, Rn. 109; Sieber, in: Handbuch MultimediaRecht, Teil 19.1 Rn. 22. 17 Hierzu Sieber, in: Handbuch Multimedia-Recht, Teil 19.1 Rn. 25.
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
Infrastruktur offenbart insoweit eine aktive und unerlaubte Gefahrschaffung,18 verlässt doch der erkennbare Energieeinsatz die Sozialnützlichkeit. Insoweit überwiegt die Zurverfügungstellung einer kriminell ausgerichteten Plattform die anschließende Nichtlöschung rechtsverletzender Inhalte in entscheidendem Maße. Dies gilt gleichermaßen, soweit der Betreiber das Medium zwar nicht in Gänze, immerhin aber teilweise durch einzelne Kategorien kriminell ausrichtet. Jedenfalls im Umfang der Schaffung von Themenkategorien mit Kriminalitätsbezug ist dort eine aktive Gefahrschaffung seitens des Betreibers gegeben. Abseits dessen können Anknüpfungspunkt eines aktiven Tuns im Einzelfall sodann zugleich weitergehende Maßnahmen des Betreibers oder eine Einwirkung desselben auf konkrete rechtsverletzende Geschäftsabwicklungen der Nutzer sein.19 Ausgehend davon handelt es sich um ein aktives Tun im obigen Sinne, soweit der Betreiber über die Zurverfügungstellung einer kriminell ausgerichteten Plattform hinaus weitergehende Maßnahmen ergreift und fernab seiner bloßen Vermittlerrolle Unterstützungshandlungen in Richtung eines konkreten Nutzergeschäfts vornimmt.20 Schaltet ein Betreiber daher etwa händisch strafrechtlich relevante Nutzerbeiträge frei oder betätigt manuell den Treuhandservice, begründen jene beziehungsweise diesen äquivalente Unterstützungshandlungen gleichermaßen einen Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit auf einem aktiven Tun. Gleiches gilt etwa – wie im Fall des LG Karlsruhe – für die der Zurverfügungstellung der Plattform nachgelagerte Wiedersichtbarmachung einzelner kriminalitätsbezogener Kategorien.21 Einer Garantenstellung des Plattformbetreibers bedarf es zur Begründung einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit desselben jedenfalls nicht.
B. Täterschaft im Rahmen extensiv gefasster Tatbestände Ausgehend davon sei nun an erster Stelle beleuchtet, inwieweit das geltende Kern- und Nebenstrafrecht geeignet ist, die Tätigkeit des Betreibers gar als unmittelbare Täterschaft im Sinne des § 25 Abs. 1 Alt. 1 StGB zu fassen. In diesem Zusammenhang drängt sich zwar zunächst die zum 1. Oktober 2021 in Kraft getretene Vorschrift des § 127 StGB für das Betreiben krimineller Handelsplattfor 18
Zum Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit bei kriminell ausgerichteten Plattformen vgl. bereits Ceffinato, JuS 2017, 403, 407 sowie speziell zum Darknet ebenso Greco, ZIS 2019, 435, 440; Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 10; Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 74; Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 74; Zieschang, GA 2020, 57, 59. 19 Ausdrücklich Greco, ZIS 2019, 435, 440. Zum divergierenden Maß an Einflussnahme vgl. Teil 1 C. IV. 20 Speziell zu illegalen Plattformen im Darknet ähnlich Greco, ZIS 2019, 435, 440; zu HostProvidern im „traditionellen“ Internet etwa Sieber, in: Handbuch Multimedia-Recht, Teil 19.1 Rn. 25. 21 Zur Sichtbarmachung der Kategorie „Waffen“ vgl. den Sachverhalt bei LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 87.
B. Täterschaft im Rahmen extensiv gefasster Tatbestände
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men im Internet auf. Der Anwendung des § 127 StGB bedarf es aber den Gesetzesmaterialien zufolge nicht, soweit „bereits aufgrund anderer Strafvorschriften eine hinreichende Ahndung“ möglich ist.22 Schon im einstigen Entwurf des Bundesrats wurde insoweit aber auf einen bis dato unzureichenden Zustand verwiesen, sei doch abgesehen von § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 BtMG meist schlicht eine nur schwerlich nachweisbare Beihilfe zu den Haupttaten der Nutzer denkbar.23 Zwar leuchtet auf den ersten Blick ein, das Verhalten des Betreibers lediglich als Beihilfe zur Haupttat des Nutzers einzuordnen. Schließlich erschöpft sich die Tätigkeit desselben durch die Bereitstellung und Aufrechterhaltung der auf den Handel mit illegalen Waren und Dienstleistungen ausgerichteten Infrastruktur mehrheitlich in der bloßen Erleichterung eines Zusammentreffens und Kontakts der Nutzer.24 Die Diskussion um eine gar täterschaftliche Verantwortlichkeit im Sinne des § 25 Abs. 1 Alt. 1 StGB mag daher zunächst wenig vielversprechend erscheinen, handelt es sich prima facie doch um eine mehr oder weniger „klassische“ Gehilfenhandlung zur Straftatbegehung anderer.25 Das geltende Strafrecht hält jedoch abgesehen von § 127 StGB – der nunmehr das Betreiben von kriminellen Handelsplattformen losgelöst von der Beteiligung an etwaigen Nutzerstraftaten als eigenständiges Unrecht erfassen will26 – eine Vielzahl an Deliktstatbeständen mit weit gefasster Tathandlung bereit, hinsichtlich derer teilweise vorgebracht wird, diese näherten sich dem Begriff des sogenannten Einheitstäters an.27 Jene Tatbestände knüpfen als unter Strafe gestellte Tathandlung zwar anders als der Vorfeldtatbestand des § 127 StGB nicht unmittelbar an das Betreiben einer kriminellen Darknet-Plattform. Die Weite der Tathandlung lässt indes mitunter zumindest eine Subsumtion der Beteiligung an Nutzerstraftaten durch das Betreiben entsprechender Infrastruktur als täterschaft liches Handeln zu.28 Neben § 129 StGB als allgemeinem Vorfeldtatbestand orien 22
BT-Drs. 19/28175, S. 16. Siehe schon zu § 126a StGB-E BT-Drs. 19/9508, S. 9 ff. 24 Allgemein zur Hilfeleistung des Betreibers im Rahmen der Beihilfe schon Greco, ZIS 2019, 435, 443 sowie Teil 3 G. I. 25 Zur Ermöglichung einer Vielzahl an Haupttaten durch das Betreiben einer Plattform vgl. Teil 3 I. IV. 2. b) bb). 26 Siehe zu § 126a StGB-E schon BT-Drs. 19/9508, S. 11 sowie Teil 3 I. II. 27 Im vorliegenden Zusammenhang auch Greco, ZIS 2019, 435, 440; zu § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG unter anderem Maurach / Gössel / Zipf, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 2, § 47 Rn. 22; zu § 129 StGB und § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG: Rotsch, „Einheitstäterschaft“ statt Tatherrschaft, S. 207; zu Tendenzen der Einheitstäterschaft auch Volk, in: FS-Roxin, 2001, 563 ff.; allgemein Heine / Weißer, in: Schönke / Schröder, Vor §§ 25 ff. Rn. 10. 28 Eine Alleintäterschaft des Plattformbetreibers thematisieren bereits etwa Greco, ZIS 2019, 435, 440; Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 11 f.; im Wesentlichen auch Zieschang, GA 2020, 57, 62 sowie Bitz, in: VI. Sammelband-GKPR, 36, 42 ff.; darauf verweisend ebenfalls Bachmann / Arslan, NZWiSt 2019, 241, 243 f.; Zöller, KriPoZ 2019, 274, 280. Umfassend auch Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 76 ff., 90 ff.; Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 79 ff. Weber diskutiert darüber hinausgehend eine mittelbare Täterschaft des Plattformbetreibers im Darknet, steht dieser jedoch im Ergebnis ablehnend gegenüber, dazu Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 125 ff. 23
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
tiert sich die Auswahl nachfolgender Straftatbestände dabei insbesondere an den für das Darknet szenetypischen Waren und Dienstleistungen sowie an den von § 127 Abs. 1 Satz 2 StGB gelisteten Deliktsbereichen. Anknüpfungspunkt sind insoweit vielfach die mithilfe der Plattform abgewickelten Straftaten beziehungsweise Verkaufsgeschäfte der Nutzer, nicht hingegen – was für § 127 StGB noch aufzuzeigen sein wird – vorgelagert das bloße Betreiben der kriminellen Plattform.29
I. Bildung krimineller Vereinigungen nach § 129 StGB Den Weg hin zur täterschaftlichen Verantwortlichkeit des Betreibers einer auf den Handel mit illegalen Waren oder Dienstleistungen ausgerichteten Plattform scheint zunächst der allgemeine Vorfeldtatbestand des § 129 StGB zu ebnen. Schließlich bedroht § 129 Abs. 1 Satz 1 StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt30 denjenigen mit Freiheitstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe, der eine Vereinigung, deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist, gründet oder sich als Mitglied daran beteiligt. Dabei soll § 129 StGB nach wohl überwiegender Auffassung dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung31 inklusive des öffentlichen Friedens32 dienen. Teilweise wird der Sinn des § 129 StGB hingegen lediglich in der Funktion eines Vorfeldtatbestands zum Schutz der Rechtsgüter des Besonderen Teils gesehen.33 Jedenfalls ist aber bei Vorliegen eines besonders schweren Falls im Sinne des § 129 Abs. 5 StGB nach dessen Satz 1 auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren beziehungsweise nach dessen Satz 3 gar auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu erkennen, wobei ebendies nicht zuletzt mit Blick auf das Verhältnis des § 129 StGB zum gegenüber Strafvorschriften mit schwererer Strafe formell subsidiären § 127 StGB an Bedeutung erlangen wird.34 Die Gesetzesmaterialien zur Schaffung eines eigenständigen Tatbestands für das Betreiben krimineller Platt 29 Siehe Eisele, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 1 f.; Fünfsinn / Krause, in: FS-Eisenberg, 641, 650, die jedoch auf eine täterschaftliche Strafbarkeit gänzlich ohne Nachweis konkreter Verkaufsgeschäfte im Rahmen von § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 Var. 3 BtMG verweisen. 30 Unter anderem BGH v. 13. 01. 1983 – 4 StR 578/82, BGHSt 31, 202, 207; BGH v. 25. 07. 1984 – 3 StR 62/84, BGHSt 33, 16, 17; Fischer, StGB, § 129 Rn. 3; von HeintschelHeinegg, in: BeckOK-StGB, § 129 Rn. 2; Lohse, in: Satzger / Schluckebier / Widmaier, StGB, § 129 Rn. 3; Schäfer / Anstötz, in: MüKo-StGB, § 129 Rn. 4; Stein / Greco, in: SK-StGB, § 129 Rn. 4; a. A: Langer-Stein, Legitimation und Interpretation, S. 211, 243, wonach § 129 StGB ein konkretes Gefährdungsdelikt sei. 31 BGH v. 05. 01. 1982 – StB 53/81, BGHSt 30, 328, 331; BGH v. 25. 07. 1984 – 3 StR 62/84, BGHSt 33, 16, 17; BGH v. 22. 02. 1995 – 3 StR 583/94, BGHSt 41, 47, 51; Schäfer / Anstötz, in: MüKo-StGB, § 129 Rn. 1 sowie Sternberg-Lieben / Schittenhelm, in: Schönke / Schröder, § 129 Rn. 1 jeweils m. w. N. 32 Unter anderem Schäfer / Anstötz, in: MüKo-StGB, § 129 Rn. 1 m. w. N. 33 Etwa Hefendehl, StV 2005, 156, 160; Hohmann, wistra 1992, 85, 86; Ostendorf, JZ 1979, 252, 253; Rudolphi, in: FS-Bruns, 315, 317 f.; Zöller, StV 2012, 364, 365. 34 Vgl. zur formellen Subsidiarität des § 127 StGB siehe Teil 3 I. III. 9.
B. Täterschaft im Rahmen extensiv gefasster Tatbestände
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formen stehen aber der Anwendung des § 129 StGB allgemein ablehnend gegenüber, weil es den im Darknet vorzufindenden Cyberstrukturen in der Regel an der für eine Vereinigung im Sinne des § 129 StGB erforderlichen Festigkeit der Organisationsstruktur, an einer gewissen Vorausplanung und Koordinierung derselben beziehungsweise an einem übergeordneten gemeinsamen Interesse fehle.35 1. „Vereinigung“ im Sinne von § 129 Abs. 2 StGB Vor Durchsetzung des 54. StrÄndG galt als Vereinigung im Sinne des § 129 StGB jeder auf gewisse Dauer angelegte organisatorische Zusammenschluss von mindestens drei Personen, die bei Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolgten und unter sich derart in Beziehung standen, dass sie sich als einheitlicher Verband fühlten.36 Die Rechtsprechung forderte für das Vorliegen einer Vereinigung demnach einen Zusammenschluss mit einem Mindestmaß an gefestigter Organisation, welcher sich durch verteilte Rollen und einer abgestimmten sowie koordinierten Aufgabenverteilung auszeichnete.37 Eine Tatbegehung trotz eines Wechsels der Besetzung war gleichwohl im Grundsatz möglich.38 Daneben waren für das Vorliegen einer Vereinigung verbindliche Regeln über die Willensbildung39 sowie die Unterwerfung der Einzelnen unter den gebildeten Gesamtwillen erforderlich,40 sodass hierarchisch organisierte Zusammenschlüsse mit Durchsetzung eines autoritären Anführerwillens angesichts der fehlenden „Gruppenidentität“ nicht erfasst waren.41 Die Anforderungen an das Vorliegen einer Vereinigung erfuhren schließlich durch das 54. StrÄndG42 einige Änderungen. Neben der Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/841/JI des Rates vom 24. Oktober 2008 zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität43 brachte 35 Hierzu bereits zum Entwurf eines § 126a StGB-E etwa BT-Drs. 19/9508, S. 10; zu § 127 StGB auch BT-Drs. 19/28175, S. 10 f. 36 BGH v. 21. 12. 1977 – 3 StR 427/77 (S), NJW 1978, 433, in BGHSt 27, 325 nicht abgedruckt; BGH v. 11. 10. 1978 – 3 StR 105/78 (S), BGHSt 28, 147; BGH v. 02. 02. 1983 – 3 StR 313/82 (S), BGHSt 31, 239 f.; BGH v. 01. 10. 1991 – 5 StR 390/91, NJW 1992, 1518; BGH v. 08. 08. 2006 – 5 StR 273/06, NStZ 2007, 31; BGH v. 24. 01. 2008 – 5 StR 253/07, NStZ 2008, 575; in der Literatur jeweils m. w. N. Schäfer / Anstötz, in: MüKo-StGB, § 129 Rn. 14a; Sternberg-Lieben / Schittenhelm, in: Schönke / Schröder, § 129 Rn. 4; kritisch etwa Lampe, ZStW 106 (1994), 683, 695 f. 37 Unter anderem BGH v. 03. 12. 2009 – 3 StR 277/09, BGHSt 54, 216, 225. 38 BGH v. 13. 01. 1983 – 4 StR 578/82, BGHSt 31, 202, 206. 39 BGH v. 17. 03. 1999 – 3 ARs 2/99, BGHSt 45, 26, 35. 40 BGH v. 02. 02. 1983 – 3 StR 313/82 (S), BGHSt 31, 239 f.; BGH v. 08. 08. 2006 – 5 StR 273/06, NStZ 2007, 31. 41 BGH v. 01. 10. 1991 – 5 StR 390/91, NJW 1992, 1518; BGH v. 14. 08. 2009 – 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 109; Sternberg-Lieben / Schittenhelm, in: Schönke / Schröder, § 129 Rn. 4. 42 Vierundfünfzigstes Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuchs – Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/841/JI des Rates vom 24. Oktober 2008 zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität vom 17. 07. 2017, BGBl. I 2017, S. 2440. 43 ABl. EU 2008 Nr. L 300, S. 42.
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dies nicht zuletzt die Ausweitung des bisherigen Vereinigungsbegriffs mit sich.44 Vor diesem Hintergrund ist nach der nunmehr gelockerten Legaldefinition des § 129 Abs. 2 StGB eine Vereinigung „ein auf längere Dauer angelegter, von einer Festlegung von Rollen der Mitglieder, der Kontinuität der Mitgliedschaft und der Ausprägung der Struktur unabhängiger organisierter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen zur Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses“. Während ausgehend von jener Definition hinsichtlich Dauer sowie Mindestgröße einer Vereinigung augenscheinlich keine Änderungen vorgenommen wurden, setzte der Gesetzgeber jedenfalls die Anforderungen an Willensbildung und Organisationsstruktur mit dem 54. StrÄndG herab.45 Für das Vorliegen einer Vereinigung ist daher weder eine förmliche Festlegung von Rollen für ihre Mitglieder, eine Kontinuität ihrer Mitgliedschaft, noch eine bestimmte Ausprägung ihrer Struktur erforderlich, sodass sich der Vereinigungsbegriff des Absatzes 2 von dem zuvor durch die Rechtsprechung geprägten Begriff unterscheiden soll.46 Gleichwohl verlangt das Vorliegen einer Vereinigung nach wie vor mehr als die bloß lose Übereinkunft von mindestens drei Personen, miteinander Straftaten begehen zu wollen.47 Eine Vereinigung erfordert zumindest einen organisierten Zusammenschluss mit einer gewissen Organisationsstruktur sowie in gewissem Umfang instrumentelle Vorausplanung und Koordinierung.48 Zwar ist für das Vorliegen einer Vereinigung nicht länger das Mitwirken als Ausprägung einer Gruppenidentität erforderlich, sodass auch hierarchisch organisierte Gruppen fassbar sind.49 Auf die Verfolgung eines gemeinsamen übergeordneten Interesses wird indes nicht verzichtet, das eine Vereinigung letztlich auch von der Bande abgrenzt.50 Bis dahin unklar bleibt jedoch, inwieweit es sich bei den im Darknet vorhandenen Täterstrukturen um eine Vereinigung im beschriebenen Sinne handelt. Die Annahme einer solchen scheint mit Blick auf die Täterstrukturen im Darknet in zweierlei Hinsicht diskussionswürdig: Neben einer Vereinigung im Verhältnis zwischen Betreiber- und Nutzerebene der Plattform scheint im Besonderen eine solche innerhalb der Betreiberebene ein und derselben Plattform denkbar.
44 BT-Drs. 18/11275, S. 7, 11; vgl. von Heintschel-Heinegg, in: BeckOK-StGB, § 129 Rn. 4; Sternberg-Lieben / Schittenhelm, in: Schönke / Schröder, § 129 Rn. 4a. 45 BT-Drs. 18/11275, S. 11; siehe dazu von Heintschel-Heinegg, in: BeckOK-StGB, § 129 Rn. 4; Lohse, in: Satzger / Schluckebier / Widmaier, StGB, § 129 Rn. 16. 46 BT-Drs. 18/11275, S. 11. 47 BT-Drs. 18/11275, S. 11; von Heintschel-Heinegg, in: BeckOK-StGB, § 129 Rn. 4. 48 BT-Drs. 18/11275, S. 11. 49 Einbezogen sind damit auch die zuvor nicht erfassten hierarchisch organisierten Gruppen, vgl. BT-Drs. 18/11275, S. 11; Sternberg-Lieben / Schittenhelm, in: Schönke / Schröder, § 129 Rn. 4a. 50 BT-Drs. 18/11275, S. 11.
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a) Vereinigung zwischen Betreiber- und Nutzerebene Versucht man nunmehr die beschriebenen Grundsätze auf einen Zusammenschluss zwischen Betreiber- und Nutzerebene einer Plattform zu übertragen, scheint die Annahme einer Vereinigung – und insoweit ist den Einwänden der Gesetzesmaterialien51 beizupflichten – zunächst fernliegend. Wie gesehen, steht zwar der Annahme einer Vereinigung ein Wechsel der Besetzung nicht per se entgegen. Betrachtet man jedoch die Strukturen zwischen Betreiber und Nutzer, wird es sich regelmäßig nicht um einen Zusammenschluss zur Begehung von Straftaten im Sinne des Handels illegaler Waren und Dienstleistungen handeln. Eine wenn auch nur rudimentäre Organisationsstruktur sowie instrumentelle Vorausplanung und Koordinierung wird zwischen Betreiber und Nutzern einer Plattform meist bereits in Anbetracht der Tatsache gehindert, dass vornehmlich die Strukturen der Nutzerebene meist einem stetigen personellen Wechsel sowie einer Schnelllebigkeit unterliegen, kann doch im Grundsatz jedermann als Anbieter oder Besteller von illegalen Waren oder Dienstleistungen auftreten oder allgemein illegale Inhalte teilen.52 Darüber hinaus wird es zwischen Betreibern und Nutzern von hier in Rede stehenden Plattformen regelmäßig an einem übergeordneten gemeinsamen Interesse fehlen. b) Vereinigung innerhalb der Betreiberebene Die Annahme einer Vereinigung im Sinne des § 129 Abs. 2 StGB würde danach allenfalls mit Blick auf die Betreiberebene selbst tragen, sofern dort mehrere Personen involviert sind. Insoweit sind Plattformen im Darknet, die – wie das Forum „Deutschland im Deep Web“ – nicht von mehr als zwei Personen betrieben werden, angesichts der für eine Vereinigung geforderten Mitgliederzahl von vornherein aus dem Anwendungsbereich des § 129 StGB genommen.53 Selbstredend kann mit Blick auf die Flüchtigkeit und fehlende Organisationsstruktur auch die Gesamtheit der Betreiber krimineller Plattformen im Darknet nicht als eine kriminelle Vereinigung in diesem Sinne angesehen werden. Jedoch werden insbesondere Plattformen, die – wie der Darknet-Marktplatz „Wallstreet Market“ – in professioneller Weise dem Handel mit illegalen Waren oder Dienstleistungen verschrieben werden, vielfach von mindestens drei Betreibern organisiert und administriert.54 Anzuerkennen ist sodann zwar, dass der 51
BT-Drs. 19/28175, S. 10 f. Im Ergebnis auch Bachmann / Arslan, NZWiSt 2019, 241, 243; Ceffinato, JuS 2017, 403, 408; siehe ferner ablehnend Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 81 ff.; Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 85. 53 Vgl. den Sachverhalt in LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013. 54 Siehe dazu Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main, Presseinformation v. 22. 06. 2020. 52
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Vereinigungsbegriff auch nach Ausweitung durch das 54. StrÄndG ein gewisses Mindestmaß an Organisationsstruktur sowie Vorausplanung und Koordination innerhalb der Betreiberebene verlangt. Ein schlichtes arbeitsteiliges Zusammenwirken der Plattformbetreiber kann daher nicht für das Vorliegen einer Vereinigung genügen.55 Unter Würdigung der geforderten Eigendynamik, die das persönliche Verantwortungsgefühl der einzelnen Mitglieder absenkt,56 bleibt eine solche aber wenigstens hinsichtlich der professioneller organisierten Plattformen denkbar, die über klare Zuständigkeitsverteilungen zwischen Administratoren und Moderatoren57 verfügen und deren Beständigkeit vom Wechsel oder Ausscheiden einzelner Administratoren oder Moderatoren unabhängig ist. Dort, wo sich die Betreiberebene für gewisse Dauer etwa dem gemeinsamen Ziel der systematischen Unterstützung des Handels mit illegalen Waren und Dienstleistungen gegen Provisionen als übergeordnetes Interesse verschreibt und diese über ein gewisses Maß an Organisation und Vorausplanung – etwa durch eine Vereinbarung von Tätigkeitsfeldern – verfügt, trägt die Annahme einer Vereinigung im Grundsatz.58 Daran ändert auch der Umstand nichts, dass dort oftmals Moderatoren in der „Rangordnung“ unter den eigentlichen Administratoren tätig werden.59 Schließlich sind auch hierarchisch organisierte Gruppen nunmehr erfasst, solange diese zugleich ein gemeinsames übergeordnetes Interesse verfolgen. Dass Letzteres auch im Gewinnstreben liegen kann, ist jedenfalls im Bereich der Wirtschaftskriminalität anerkannt.60 Freilich ist dabei stets zu prüfen, ob das Gewinnstreben der Betreiber tatsächlich ein „gemeinsames“ übergeordnetes Interesse ist. Allgemein wird die Annahme einer Vereinigung angesichts des insoweit erforderlich werdenden Organisationsaufwands dabei eher für professionell organisierte und von mehreren Personen betriebene, kriminelle Handelsmarktplätze im Darknet tragen, ist aber auch für allgemeinere Foren nicht per se ausgeschlossen.61 Am Rande bleibt noch darauf hinzuweisen, dass § 129 StGB unmittelbar nur inländische Vereinigungen betrifft. Allerdings gilt § 129 StGB über den Verweis des § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB auch für Vereinigungen im Ausland. Im Falle einer Vereinigung außerhalb eines Mitgliedstaats der Europäischen Union sind sodann die in § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB zusätzlichen Voraussetzungen zu beachten, wobei ebendiese Fälle des Satzes 2 nach § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB ferner nur mit 55
Ceffinato, JuS 2017, 403, 408; im Allgemeinen kritisch zu § 129 StGB mit Blick auf die Betreiberebenen im Darknet ebenfalls etwa Bitz, in: VI. Sammelband-GKPR, 36, 44 f.; Fünfsinn / Krause, in: FS-Eisenberg, 641, 649; Greco, ZIS 2019, 435, 440; Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 11. Eher befürwortend Zöller, KriPoZ 2019, 274, 280. 56 Zur erforderlichen Eigendynamik etwa Ostendorf, in: NK-StGB, § 129 Rn. 5; Schäfer / Anstötz, in: MüKo-StGB, § 129 Rn. 2; Stein / Greco, in: SK-StGB, § 129 Rn. 4. 57 Allgemein zu Administratoren und Moderatoren Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 5. 58 So auch Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 77. 59 Allgemein zur Hierarchie Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 5. 60 BT-Drs. 18/11275, S. 11. 61 Vgl. auch Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 173.
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Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt werden. Zumindest werden aber diejenigen Plattformen, die – wie der digitale Marktplatz „Wallstreet Market“ – ausschließlich von deutschen Staatsangehörigen62 betrieben werden, nach der insoweit für die Zuordnung maßgeblichen Gesamtschau aufgrund des „Aufenthaltsorts“ der Betreiber und damit einhergehend des „Orts“ der Organisationsstruktur, der „Verwaltung“ sowie der Willensbildung der Mitglieder als inländische Vereinigung einzuordnen sein.63 Im Übrigen bedarf es einer Beachtung der zusätzlichen Voraussetzungen insbesondere des § 129b StGB. Unklar bleibt im Ergebnis ferner, warum der Gesetzgeber insoweit einerseits an der erforderlichen Festigkeit der Organisationsstruktur von derartigen Cyberstrukturen zweifelt, andererseits jedoch im besonders schweren Fall des § 129 Abs. 5 Satz 3 StGB auf § 100b Abs. 2 Nr. 1 lit. b StPO und damit § 127 Abs. 3, Abs. 4 StGB verweist. Erforderlich ist dort abermals eine Vereinigung der Betreiberebene mit gewisser Festigkeit der Organisationsstruktur, die sodann auf die das gewerbsoder bandenmäßige Betreiben oder die absichtliche oder wissentliche Förderung von Verbrechen gerichtet ist. Wenn die Cyberstrukturen jedoch tatsächlich derart selten die notwendige Festigkeit aufweisen, wie vom Gesetzgeber beschrieben, bliebe jener Verweis wirkungslos. 2. Vereinigungszweck Erweist sich danach die vorzufindende Organisationsstruktur, Vorausplanung und Koordinierung der Betreiberebene je nach Einzelfall als ausreichend, ist ferner die Ausrichtung des Zwecks oder der Tätigkeit der Vereinigung auf die Begehung von Straftaten erforderlich. Die Straftatbegehung muss hierzu der verbindlich festgelegte Zweck der Vereinigung sein, den die Mitglieder erreichen wollen und die Organisation muss aufgrund der erforderlichen Eigendynamik auf den Zweck der gemeinschaftlichen Begehung von Straftaten ausgelegt sein.64 Dabei müssen die Straftaten dem organisatorischen Zusammenschluss zeitlich nachfolgen und dürfen sich nicht allein in dessen Aufrechterhaltung erschöpfen.65
62 Zur deutschen Staatsangehörigkeit der Betreiber von „Wallstreet Market“ siehe Bundeskriminalamt, Pressemitteilung v. 03. 05. 2019. 63 Siehe dazu allgemein BGH v. 13. 09. 2011 – 3 StR 231/11, BGHSt 57, 14, 18 ff.; Schäfer / Anstötz, in: MüKo-StGB, § 129b Rn. 8; ausdrücklich Sternberg-Lieben / Schittenhelm, in: Schönke / Schröder, § 129 Rn. 4b; zu Darknet-Plattformen ausführlich Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 82 ff. 64 BGH v. 21. 10. 2004 – 3 StR 94/04, BGHSt 49, 268, 271; von Heintschel-Heinegg, in: BeckOK-StGB, § 129 Rn. 7; Sternberg-Lieben / Schittenhelm, in: Schönke / Schröder, § 129 Rn. 7. 65 BGH v. 03. 11. 1954 – 6 StR 236/54, BGHSt 7, 6, 8; BGH v. 22. 02. 1995 – 3 StR 583/94, BGHSt 41, 47, 50; Fischer, StGB, § 129 Rn. 16; Krauß, in: LK-StGB, § 129 Rn. 52; Lohse, in: Satzger / Schluckebier / Widmaier, StGB, § 129 Rn. 28; Schäfer / Anstötz, in: MüKo-StGB, § 129 Rn. 37.
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Nicht entgegen steht zunächst, soweit die Plattform nicht in Gänze, sondern lediglich auch zur Begehung von Straftaten betrieben wird, indem beispielsweise einzelne Themenkategorien mit Kriminalitätsbezug vorgehalten werden. Schließlich erfordert § 129 StGB nicht, dass die Begehung von Straftaten der Hauptzweck einer Vereinigung ist.66 Im Hinblick auf einen Vereinigungszweck werden bezüglich der vorliegenden Sachverhalte jedoch teilweise Bedenken vorgebracht, weil durch die Ausrichtung der Plattform auf die Ermöglichung des illegalen Handels durch andere lediglich die Unterstützung fremder Straftaten in Rede stehe.67 Im Hinblick auf die Unterstützung fremder Straftaten als Vereinigungszweck wird allgemein teils befürwortet, als Zweck oder Tätigkeit der Vereinigung die Erfüllung sämtlicher Tatbestände des deutschen Strafrechts genügen zu lassen, soweit diese im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von zwei Jahren bedroht seien, deute doch der Gesetzeswortlaut nicht auf die Ausgliederung bestimmter Straftatbestände.68 Ferner wird teils darauf verwiesen, dass für einen Vereinigungszweck im Sinne des § 129 StGB grundsätzlich nicht genüge, wenn ausschließlich Dritte zur Begehung von Straftaten angestiftet würden oder ihnen Hilfe geleistet werde, anderes gelte aber, soweit die Aufforderung zur Begehung fremder Straftaten ihrerseits einen eigenständigen Straftatbestand verwirkliche.69 Unter Würdigung des zuvor Gesagten, wird man mit Blick auf die hier benannten Konstellationen zumindest zunächst sehen müssen, dass Plattformbetreiber im Darknet auch vor Inkrafttreten des § 127 StGB Nutzerstraftaten nicht stets lediglich im Wege der Beihilfe förderten, weil insoweit – wie noch ersichtlich werden wird – aufgrund einiger weitgefasster Tatbestände in szenetypischen Bereichen bereits Alleintäterschaft im Hinblick auf die Förderung fremder Nutzergeschäfte denkbar ist.70 Selbst wenn man danach die schlichte Beihilfe oder Anstiftung als Vereinigungszweck ausklammerte, bleibt zu bedenken, dass Betreiber insoweit teils selbstständige Straftatbestände verwirklichen. Ungeachtet dessen fordert die Rechtsprechung sowie die herrschende Literatur ausgehend vom ihrerseits vorgebrachten Schutzzweck des § 129 StGB, dass die von der Vereinigung geplanten oder begangenen Straftaten zumindest eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit bedeuten und unter diesem Blickwinkel
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BGH v. 15. 12. 1960 – 3 StR 26/59, BGHSt 15, 259, 260; Sternberg-Lieben / Schittenhelm, in: Schönke / Schröder, § 129 Rn. 7. 67 Etwa Ceffinato, JuS 2017, 403, 408. 68 Allgemein zur Förderung fremder Straftaten als Vereinigungszweck OLG Düsseldorf v. 15. 09. 1997 – VI 2/97, NStZ 1998, 249; bejahend wohl Fischer, StGB, § 129 Rn. 21; Krauß, in: LK-StGB, § 129 Rn. 58; Sternberg-Lieben / Schittenhelm, in: Schönke / Schröder, § 129 Rn. 7a. Anders noch zu §§ 111, 140 StGB etwa BGH v. 21. 12. 1997 – 3 StR 427/77 (S), BGHSt 27, 325, 328; offen dagegen in BGH v. 22. 02. 1995 – 3 StR 583/94, BGHSt 41, 47, 54. 69 Kuhli, in: Matt / Renzikowski, § 129 Rn. 18. 70 Siehe Teil 3 B. II. bis VIII.
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von einigem Gewicht sind.71 Ob es sich dabei um Delikte von einigem Gewicht handle, sei insoweit nicht allein unter Würdigung der Strafandrohungen der begangenen oder geplanten Delikte zu bestimmen; entscheidend soll vielmehr eine Gesamtwürdigung unter Einbeziehung sämtlicher Umstände sein, die – wie etwa die realen oder potentiellen Auswirkungen der Tat – für das Maß der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit von Relevanz sein könnten.72 Dabei sondert die Rechtsprechung – wenngleich zu Recht in der Literatur kritisiert73 – etwa auch Sachbeschädigungen nicht per se aus.74 Erforderlich sei insoweit eine Gesamtbetrachtung, die nicht allein vom Gewicht der Substanzverletzungen abhänge und die näheren Umstände der begangenen oder geplanten Straftaten – etwa bei Sachbeschädigungen durch Farbsprühaktionen den Inhalt der Parolen – berücksichtige.75 Dahingegen wird insbesondere von denjenigen Stimmen, die in § 129 StGB einen Vorfeldtatbestand zum Schutz der Rechtsgüter des Besonderen Teils sehen, eine solche teleologische Reduktion generell abgelehnt.76 Die Prüfung der Bedeutung der geförderten fremden Taten sei vielmehr § 129 Abs. 3 Nr. 2 StGB vorbehalten, wobei dort zugleich der größere Abstand zu den geförderten Rechtsverletzungen zu berücksichtigen sei.77 Wiederum abweichend verweisen etwa Stein und Greco sodann darauf, dass zwar die Straftaten von einigem Gewicht sein müssten, dies lasse sich aber wegen des Wortlauts nicht aus § 129 Abs. 3 Nr. 2 StGB ableiten.78 Die Einschränkung folge vielmehr aus einer allgemein restriktiven Interpretation des Tatbestands, wonach solche Fälle nicht erfasst sein könnten, in denen das vom Tatbestand geschützte Rechtsgut nicht oder nur unerheblich beeinträchtigt ist.79 Daher sei der Zweck oder die Tätigkeit nur dann auf die Begehung von „Straftaten“ gerichtet, sofern die Existenz der Vereinigung aufgrund des Gewichts der geplanten Straftaten ein nicht nur ganz unerhebliches Gefährdungspotential habe.80 Dafür komme es aber entgegen der herrschenden Auffassung nicht auf eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit an, die sich weder dem Ge-
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Unter anderem BGH v. 13. 01. 1983 – 4 StR 578/82, BGHSt 31, 202, 207; BGH v. 22. 02. 1995 – 3 StR 583/94, BGHSt 41, 47, 51; OLG Düsseldorf v. 15. 09. 1997 – VI 2/97, NStZ 1998, 249; Heger, in: Lackner / Kühl, § 129 Rn. 3; Sternberg-Lieben / Schittenhelm, in: Schönke / Schröder, § 129 Rn. 6 m. w. N.; im vorliegenden Zusammenhang im Ergebnis ebenso Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 79; kritisch hingegen wohl Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 85. 72 BGH v. 22. 02. 1995 – 3 StR 583/94, BGHSt 41, 47, 51. 73 Dazu etwa Ostendorf, in: NK-StGB, § 129 Rn. 24; Stein / Greco, in: SK-StGB, § 129 Rn. 35; Sternberg-Lieben / Schittenhelm, in: Schönke / Schröder, § 129 Rn. 6. 74 BGH v. 22. 02. 1995 – 3 StR 583/94, BGHSt 41, 47, 51 ff.; OLG Düsseldorf v. 18. 10. 1993 – 4 Ws 244/93, NJW 1994, 398, 399. 75 BGH v. 22. 02. 1995 – 3 StR 583/94, BGHSt 41, 47, 52. 76 Ostendorf, in: NK-StGB, § 129 Rn. 14. 77 Ostendorf, in: NK-StGB, § 129 Rn. 14. 78 Stein / Greco, in: SK-StGB, § 129 Rn. 35. 79 Stein / Greco, in: SK-StGB, § 129 Rn. 35. 80 Stein / Greco, in: SK-StGB, § 129 Rn. 35.
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setzeswortlaut noch der Gesetzessystematik entnehmen lasse.81 Das Gewicht der Bezugsstraftaten müsse sich jedenfalls aus deren tatbestandsspezifischem Unrechtsgehalt ergeben.82 Unabhängig davon, welcher Auffassung man nunmehr im Ergebnis beipflichtet, werden jene Einschränkungen den Weg hin zu § 129 StGB im Hinblick auf die hier benannten Fälle zumindest nicht per se versperren. Die Rechtsprechung bezieht bei der Frage einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Hinblick auf Straftaten von eher untergeordnetem Gewicht – wie der Sachbeschädigung – ohnehin auch außerhalb des Straftatbestands liegende Umstände ein. Unter Würdigung der in Rede stehenden geplanten oder begangenen Straftaten, ermöglichen die Betreiber von Plattformen im Darknet meist aber eine breite Palette an Straftaten vom Handel mit Betäubungs- und Arzneimitteln, bis hin zum Handel mit Waffen, Falschgeld oder Kreditkartendaten. Diesbezüglich zeigt auch die Verurteilung eines Verantwortlichen der Plattform „Fraudsters“ durch das Landgericht Bad Kreuznach, dass eine Anwendung des § 129 StGB mit Blick auf die Betreiber krimineller Plattformen nicht grundsätzlich ausgeschlossen scheint.83 Inwieweit aber die Betreiber entsprechender Plattformen daher trotz dahingehender Einschränkungen dem § 129 StGB unterfallen können, bedarf im Ergebnis einer sorgfältigen Prüfung unter Würdigung der im Einzelfall durch die Plattform ermöglichten Straftaten. 3. „Gründen“, „Sich als Mitglied beteiligen“ oder „Unterstützen“ § 129 Abs. 1 Satz 1 StGB fordert schließlich das Gründen einer Vereinigung oder das Sich-als-Mitglied-Beteiligen. Gründen meint dabei die Neubildung oder Umwandlung einer legalen Vereinigung zu einer kriminellen,84 wobei als Gründer nur derjenige gilt, der den Gründungsakt „führend und richtungsweisend“ bewirkt.85 Ein Beteiligen als Mitglied setzt hingegen eine dauerhaft bezweckte, mindestens einmalige Teilnahme am Verbandsleben voraus, welche sich in Form der aktiven
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Stein / Greco, in: SK-StGB, § 129 Rn. 35. Stein / Greco, in: SK-StGB, § 129 Rn. 36. 83 Zur Verurteilung wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung vgl. etwa Bundeskriminalamt, Bundeslagebild Cybercrime 2019, S. 36 f. Ceffinato steht hingegen einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit kritisch gegenüber, weil dies etwa bei Vermögensdelikten selbst bei einer Vielzahl von Vergehen angesichts des geschützten Individualrechtsguts Vermögen nur schwerlich zu bejahen sein dürfte. Auch mit Blick auf den Rauschgift- oder Waffenhandel dürfte laut Ceffinato eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit nicht anzunehmen sein, weil einerseits die Haupttäter einem ständigen Wechsel unterlägen und andererseits die Betreiberebene schlicht die Maximierung des Gewinns, nicht jedoch eine organisierte Verbreitung von Betäubungsmitteln oder Waffen fokussieren würde, Ceffinato, JuS 2017, 403, 408; Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 85 f. 84 Siehe BGH v. 21. 12. 1977 – 3 StR 427/77 (S), BGHSt 27, 325 ff. 85 BGH v. 21. 12. 1977 – 3 StR 427/77 (S), BGHSt 27, 325, 327; BGH v. 10. 01. 2006 – 3 StR 263/05, NStZ-RR 2006, 267, 269. 82
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Förderung von Aufbau, Fortdauer oder Tätigkeit der Vereinigung niederschlagen muss.86 Und schließlich unterstützt eine Vereinigung, wer ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer Ziele fördert, ohne selbst Mitglied der Organisation zu sein.87 Administratoren, die den Gründungsakt der kriminell ausgerichteten Plattform führend und richtungsweisend bewirken, sind sodann als Gründer einer kriminellen Vereinigung im Sinne von § 129 Abs. 1 Satz 1 StGB einzuordnen. Personen hingegen, die etwa durch eine auf Dauer ausgerichtete, zumindest einmalige Teilnahme am Verbandsleben mitwirken, beteiligen sich als Mitglied einer Vereinigung, soweit sich dies in Aufbau, Fortdauer oder Tätigkeit der Vereinigung – etwa hinzukommende Administratoren oder Moderatoren durch Übernahme gewisser Aufgabenbereiche wie der technischen Administration einer Plattform oder Forenpflege – niederschlägt.88 Mit Blick auf anderweitige Hilfspersonen, die weder Gründer sind noch sich als Mitglied beteiligen, kommt immerhin ein Unterstützen der Vereinigung im Sinne des § 129 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 StGB in Betracht, soweit diese die Ziele der Betreiberebene als Vereinigung fördern. 4. Besonders schwerer Fall nach § 129 Abs. 5 StGB Sind die Voraussetzungen des § 129 Abs. 1 StGB je nach Einzelfall gegeben, ist schließlich an einen besonders schweren Fall nach § 129 Abs. 5 StGB zu denken. Gemäß § 129 Abs. 5 Satz 1 StGB ist in besonders schweren Fällen des § 129 Abs. 1 Satz 1 StGB auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen. Ein solcher besonders schwerer Fall liegt dabei nach § 129 Abs. 5 Satz 2 StGB in der Regel vor, sofern der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern der Vereinigung gehört. Rädelsführer ist, wer innerhalb der Vereinigung dadurch eine Führungsrolle einnimmt, dass er sich besonders maßgebend für die Vereinigung betätigt, wobei nicht der Umfang, sondern das Gewicht des geleisteten Beitrags für die Vereinigung entscheidend ist.89 Dieser führende Einfluss muss sich auf die Vereinigung selbst richten, das heißt die Bestimmung der Zwecke, Tätigkeiten oder Ziele der Organisation, deren ideologische Ausrichtung, Struktur oder sonstige wesentliche Belange betreffen.90 Administratoren der Betreiberebene von Plattformen im Darknet, die über einen technischen Vollzugriff – also über die entsprechende Entscheidungsmacht zur Fortführung der Plattform – verfügen, die inhaltliche Ausrichtung einer Plattform verantworten und weisungsbefugt gegenüber Moderatoren sind, ließen sich in diesem Sinne für die hier interessierenden Fälle als
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BGH v. 22. 10. 1979 – StB 52/79, BGHSt 29, 114, 119 ff.; BGH v. 30. 03. 2001 – StB 4, 5/01, BGHSt 46, 349, 356; von Heintschel-Heinegg, in: BeckOK-StGB, § 129 Rn. 11. 87 Ausführlich dazu Schäfer / Anstötz, in: MüKo-StGB, § 129 Rn. 107 ff. 88 Siehe auch Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 82. 89 BGH v. 16. 02. 2012 – 3 StR 243/11, BGHSt 57, 160, 161; BGH v. 20. 12. 2018 – 3 StR 236/17, BeckRS 2018, 39814 Rn. 140, in BGHSt 64, 10 nicht abgedruckt. 90 BGH v. 16. 02. 2012 – 3 StR 243/11, BGHSt 57, 160, 161.
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Rädelsführer einordnen.91 Ist der Zweck oder die Tätigkeit der Vereinigung ferner auf die Begehung einer bestimmten, in § 129 Abs. 5 Satz 3 StGB gelisteten Straftat nach § 100b Abs. 2 StPO gerichtet, so ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu erkennen. Insoweit bezieht § 129 Abs. 5 Satz 3 StGB auch § 100b Abs. 2 Nr. 1 lit. b StPO ein, sodass sich der Strafrahmen erhöht, wenn die Vereinigung auf die Begehung eines qualifizierten Betreibens von kriminellen Handelsplattformen im Sinne von § 127 Abs. 3, Abs. 4 StGB gerichtet ist.92 5. Zusammenfassung Insgesamt ist § 129 StGB daher nicht per se ungeeignet, Täterstrukturen im Falle der Zurverfügungstellung von Infrastrukturen für den Handel mit illegalen Waren oder Dienstleistungen im Darknet zu erfassen. Im Hinblick darauf ist jedoch stets die jeweilige Organisationsstruktur der Betreiberebene, die Verfolgung eines übergeordneten Interesses sowie insbesondere der Vereinigungszweck im Einzelfall zu untersuchen. Zumindest die Betreiberebene hoch-professionell organisierter Marktplätze mit breitem Spektrum an Waren- und Dienstleistungskategorien – und gegebenenfalls auch Foren – im Darknet können jenen Anforderungen jedoch grundsätzlich gerecht werden.
II. Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Sinne von §§ 29 ff. BtMG Im praxisrelevanten Bereich des Betäubungsmittelstrafrechts gewinnt sodann die Tathandlung des „Handeltreibens“ an Relevanz,93 nehmen doch neben dem Grundtatbestand des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG insbesondere der besonders schwere Fall des § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG sowie die Qualifikationen der § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 30 Abs. 1 Nr. 1 BtMG und § 30a Abs. 1 BtMG auf die Tathandlung des „Handeltreibens“ mit Betäubungsmitteln Bezug. Die vorstehenden Ausführungen hatten bereits einen bekannten Grundsatz angedeutet, welcher letztlich in § 25 StGB Eingang gefunden hat: Eine unmittelbare (Allein-)Täterschaft im Sinne des sogenannten Eigenhändigkeitsprinzips nach 91
Allgemein zum nicht im Darknet verorteten Internetportal „Altermedia“ für die Verbreitung volksverhetzender Inhalte siehe etwa OLG Stuttgart v. 08. 02. 2012 – 5–2 StE 21/16, BeckRS 2018, 49339. 92 Zu § 127 Abs. 3, Abs. 4 StGB siehe Teil 3 I. III. 7. und 8. 93 Darauf verweisen speziell mit Blick auf das Betreiben einer Darknet-Plattform etwa bereits Bachmann / Arslan, NZWiSt 2019, 241, 243; Greco, ZIS 2019, 435, 440; Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 12; Zieschang, GA 2020, 57, 62 Fn. 32; Zöller, KriPoZ 2019, 274, 280; ausführlich siehe Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 87 ff. und Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 91 ff.
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§ 25 Abs. 1 Alt. 1 StGB als „Normalfall“ der täterschaftlichen Begehung ist grundsätzlich gegeben, sofern der Täter sämtliche objektiven wie auch subjektiven Tatbestandsmerkmale in eigener Person verwirklicht.94 Hinsichtlich einiger Deliktstatbestände mit weit gefasster Tathandlung – auch hinsichtlich § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG – wird ferner teils bemerkt, diese würden sich in Teilen dem sogenannten Einheitstäterbegriff nähern.95 Ausgehend davon ist nachfolgend einerseits zu beleuchten, unter welchen Voraussetzungen die Tätigkeit des Betreibers ein täterschaftliches „Handeltreiben“ in diesem Sinne begründet und andererseits, inwieweit sich ebenjene Tatmodalität in die benannte Dogmatik des § 25 Abs. 1 Alt. 1 StGB einfügt. 1. Tathandlung des „Handeltreibens“ Eine Begriffsbestimmung des Handeltreibens erfolgt im Betäubungsmittelstrafrecht zwar nicht durch Gesetz, dieses wird jedoch maßgeblich vonseiten der Rechtsprechung geprägt und insoweit extensiv ausgelegt.96 a) Extensive Auslegung Der Rechtsprechung zufolge gilt als Handeltreiben jede eigennützige auf die Förderung des Umsatzes von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit,97 und sei dies nur eine einmalige, gelegentliche, vermittelnde oder unterstützende.98 Abzie-
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Dazu Heine / Weißer, in: Schönke / Schröder, Vor §§ 25 ff. Rn. 74; Herzberg, GA 1971, 1, 2; Kühl, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 20 Rn. 36 f.; Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 2, § 25 Rn. 38; siehe auch Schild, in: NK-StGB, § 25 Rn. 47 ff. 95 Siehe die Nachweise in Teil 3 Fn. 27. 96 BGH v. 04. 10. 1978 – 3 StR 232/78, NJW 1979, 1259; BGH v. 01. 07. 1988 – 2 StR 330/88, NStZ 1988, 507; BGH v. 04. 03. 1993 – 4 StR 69/93, StV 1993, 474; darauf verweisend auch Oğlakcıoğlu, in: MüKo-StGB, § 29 BtMG Rn. 214; allgemein kritisch etwa Harzer, StV 1996, 336 f.; Paul, StV 1998, 623 ff.; Roxin, StV 1992, 517 ff. 97 BGH v. 01. 07. 1954 – 3 StR 657/53, BGHSt 6, 246 f. zu § 10 OpiumG; ferner BGH v. 21. 02. 1974 – 1 StR 588/73, BGHSt 25, 290, 291; BGH v. 21. 02. 1979 – 2 StR 663/78, BGHSt 28, 308, 309; BGH v. 15. 04. 1980 – 5 StR 135/80, BGHSt 29, 239 f.; BGH v. 04. 12. 1981 – 3 StR 408/81, BGHSt 30, 277, 278; BGH v. 04. 11. 1982 – 4 StR 451/82, BGHSt 31, 145, 148; BGH v. 15. 01. 1992 – 2 StR 267/91, StV 1992, 517; BGH v. 02. 12. 1999 – 3 StR 479/99, NStZ 2000, 207, 208; BGH v. 26. 10. 2005 – GSSt 1/05, BGHSt 50, 252, 256. Insgesamt zur Definition des Handeltreibens durch die Rechtsprechung jeweils m. w. N. auch Oğlakcıoğlu, in: MüKo-StGB, § 29 BtMG Rn. 213; Patzak, in: Patzak / Volkmer / Fabricius, § 29 BtMG Rn. 225; Weber, in: Weber / Kornprobst / Maier, § 29 BtMG Rn. 169. 98 Zur vermittelnden Tätigkeit siehe etwa BGH v. 24. 06. 1986 – 5 StR 153/86, BGHSt 34, 124, 125; BGH v. 23. 11. 1988 – 3 StR 503/88, StV 1989, 201. Zur unterstützenden Tätigkeit etwa BGH v. 01. 07. 1988 – 2 StR 330/88, NStZ 1988, 507 („Hilfsdienste“); BGH v. 24. 03. 1999 – 1 StR 84/99, StV 1999, 429.
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
len muss diese Bemühung auf eine eigennützige Förderung eines Umsatzgeschäfts, wobei Umsatzgeschäft die einverständliche Übertragung von Betäubungsmitteln von einer Person auf eine andere meint.99 Das Vorliegen eines eigenen Umsatzgeschäfts ist insoweit nicht erforderlich; es genügt vielmehr jede auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit, mithin auch die Förderung fremder Umsatzgeschäfte.100 Die in Rede stehende Tätigkeit muss ferner lediglich auf die Übertragung von Betäubungsmitteln gerichtet sein, ob der Umsatz anschließend tatsächlich gefördert wird, ist vor dem Hintergrund, dass es sich beim Handeltreiben nicht um ein Erfolgsdelikt handelt, ohne Bedeutung.101 Eine Förderung fremden Umsatzes setzt jedoch voraus, dass das angestrebte Geschäft hinreichend konkretisiert ist.102 Im Hinblick auf ein Handeltreiben im Internet ist dabei allgemein zu beachten, dass etwa das alleinige Einstellen eines Werbetextes in das Internet meist noch kein konkretes Verkaufsangebot, sondern die bloße Einladung an Kaufinteressenten beinhaltet, ein Kaufangebot in Form einer Bestellung abzugeben, weshalb bei fehlendem Besitz der Betäubungsmittel durch den Anbieter regelmäßig nur eine Vorbereitungshandlung gegeben ist.103 Hat der Anbieter die Betäubungsmittel hingegen in seinem Besitz und hält diese zum Verkauf bereit, so ist schon deshalb ein Handeltreiben desselben denkbar.104 Kommt es anschließend zur Abwicklung eines Geschäfts durch die Nutzer, ist ferner zu untersuchen, ob bei den Beteiligten Eigennützigkeit vorliegt. Eigennützig handelt dabei, wem es auf die Erlangung eines persönlichen Vorteils irgendeiner Art ankommt.105 Danach muss das Täterhandeln von einem Streben nach Gewinn geleitet sein oder sich der Täter sonst einen persönlichen Vorteil davon versprechen,106 durch den dieser ma-
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BGH v. 12. 05. 1993 – 3 StR 2/93, BGHSt 39, 216, 219; BGH v. 04. 12. 1981 – 3 StR 408/81, BGHSt 30, 277, 278. 100 BGH v. 04. 10. 1978 – 3 StR 232/78, NJW 1979, 1259; BGH v. 15. 04. 1980 – 5 StR 135/80, BGHSt 29, 239, 240; BGH v. 24. 06. 1986 – 5 StR 153/86, BGHSt 34, 124, 125; BGH v. 14. 12. 2005 – 2 StR 466/05, NStZ-RR 2006, 88, 89. 101 Unter anderem BVerfG v. 18. 09. 2006 – 2 BvR 2126/05, NJW 2007, 1193; BGH v. 04. 12. 1981 – 3 StR 408/81, BGHSt 30, 277, 278; BGH v. 20. 08. 1991 – 1 StR 273/91, NStZ 1992, 38, 39; Weber, in: Weber / Kornprobst / Maier, § 29 BtMG Rn. 264 ff. m. w. N.; kritisch unter anderem Liemersdorf / Miebach, MDR 1979, 981 ff. (Handeltreiben als Auffangtatbestand); Roxin, StV 1992, 517 ff. (Handeltreiben als Erfolgsdelikt). Die Kritik zusammenfassend m. w. N. Patzak, in: Patzak / Volkmer / Fabricius, § 29 BtMG Rn. 233 ff. 102 Patzak, in: Patzak / Volkmer / Fabricius, § 29 BtMG Rn. 227; Weber, in: Weber / Kornprobst / Maier, § 29 BtMG Rn. 301. 103 LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 296 ff.; Weber, in: Weber / Kornprobst / Maier, § 29 BtMG Rn. 380. 104 Weber, in: Weber / Kornprobst / Maier, § 29 BtMG Rn. 382 sowie Patzak, in: Patzak / Volkmer / Fabricius, § 29 BtMG Rn. 289 m. w. N. 105 Zur Eigennützigkeit BGH v. 21. 02. 1979 – 2 StR 663/78, BGHSt 28, 308, 309; BGH v. 24. 06. 1986 – 5 StR 153/86, BGHSt 34, 124, 126; BGH v. 22. 05. 2012 – 4 StR 117/12, BeckRS 2012, 12394 Rn. 2; Weber, in: Weber / Kornprobst / Maier, § 29 BtMG Rn. 313 ff. m. w. N. 106 BGH v. 21. 02. 1979 – 2 StR 663/78, BGHSt 28, 308, 309; BGH v. 24. 06. 1986 – 5 StR 153/86, BGHSt 34, 124, 126.
B. Täterschaft im Rahmen extensiv gefasster Tatbestände
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teriell oder immateriell bessergestellt wird.107 Nicht ausreichend ist hingegen, dass der Beteiligte einzig die Unterstützung des Eigennutzes eines anderen begehrt.108 b) Handeltreiben des Plattformbetreibers Der weitreichenden Definition des Handeltreibens unterfielen danach grundsätzlich auch die Tätigkeiten der Betreiber von Plattformen, die erkennbar (unter anderem) auf den Betäubungsmittelhandel durch Nutzer ausgerichtet sind. Die vom Betreiber bereitgehaltene Plattform bietet insoweit nicht nur einen Begegnungsort für Verkäufer und Kaufinteressenten. Geschaffen wird zugleich ein besonders vorteilhaftes Milieu für eine anonyme (Teil-)Abwicklung des Handels mit Betäubungsmitteln. Daher werden bereits mithilfe der durch entsprechende Kategorien und Features unmittelbar dem Handel mit Betäubungsmitteln gewidmeten Infrastruktur systematisch fremde Umsatzgeschäfte der Nutzer, teils auch durch händische Freischaltung von Werbetexten, gefördert. Darüber hinaus sind die Betreiber meist durch entsprechende Treuhandsysteme in die Abwicklung der Bezahlung eingebunden.109 Auch die Weiterleitung des Kaufpreises durch den Betreiber im Anschluss an den Erhalt der Ware seitens des Käufers erweist sich dabei als eine – ähnlich dem Transport von Kaufgeldern110 – auf die Förderung fremder Umsatzgeschäfte gerichtete Bemühung. Aufgrund der insoweit regelmäßig auf Darknet-Marktplätzen implementierten Provisionssysteme und Gebühren agieren die Betreiber ferner mit Eigennutz hinsichtlich der benannten Tätigkeiten.111 In Bezug auf konkret getätigte Umsatzgeschäfte der Nutzer unterfällt die Tätigkeit des Plattformbetreibers insoweit grundsätzlich der Definition des Handeltreibens. Lediglich für Betreiber von meist weniger professionell organisierten Foren, die – wie die Plattform „Deutschland im Deep Web“112 – nicht von Gewinnerzielungsabsicht geleitet sind, ist Eigennutz und damit täterschaftliches Handeltreiben von vornherein ausgeschlossen. Zwar bejaht die Rechtsprechung entsprechend der obigen Definition eine Eigennützigkeit auch für den Fall, dass es sich um immaterielle Vorteile – etwa die Tilgung der Darlehensschuld eines Angehörigen, die der Täter als „familiäre Pflicht“ ansieht113 – handelt und diese den Empfänger tat-
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BGH v. 24. 06. 1986 – 5 StR 153/86, BGHSt 34, 124, 126; BGH v. 01. 06. 2006 – 1 StR 32/06, NStZ 2006, 578; BGH v. 06. 11. 2012 – 2 StR 410/12, StV 2013, 701, 702; BGH v. 16. 03. 2016 – 4 StR 42/16, NStZ-RR 2016, 212, 213. 108 BGH v. 24. 06. 1986 – 5 StR 153/86, BGHSt 34, 124, 125 f. 109 Siehe dazu Teil 1 C. II. 1. 110 Zum Transport des Kaufgeldes als vollendetes Handeltreiben siehe nur Weber, in: Weber / Kornprobst / Maier, § 29 BtMG Rn. 568. 111 Zu Provisionssystemen der Plattformbetreiber im Darknet vgl. die Ausführungen unter Teil 1 C. II. 1. 112 Hierzu LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 158. 113 BGH v. 11. 08. 1995 – 2 StR 329/95, BeckRS 1995, 5608.
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
sächlich, das heißt objektiv messbar, besserstellen.114 Die bislang zur Eigennützigkeit anerkannten immateriellen Vorteile dürften indes nicht für die sonstigen Beweggründe von Plattformbetreibern im Darknet zum Tragen kommen. Schließlich bilden etwa die Ermöglichung eines freien Handels oder etwa die Steigerung des eigenen Ansehens in der Szene keine anerkannten Fallgruppen einer Eigennützigkeit.115 Vielmehr wird Eigennutz beispielsweise bei einer bloßen Hoffnung auf etwaige „Anerkennung“ bei anderen Tätern abgelehnt.116 2. Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme durch die Rechtsprechung Jene extensive Auslegung des „Handeltreibens“ wurde jedoch unter anderem dahingehend beanstandet, diese habe nicht zuletzt eine Verschleierung der Grenzen anerkannter Rechtsfiguren wie der Vorbereitung und des Versuchs sowie der Täterschaft und Teilnahme zur Folge.117 Demnach würden typische Begleittätigkeiten nicht länger als bloße Teilnahme, sondern vielmehr stets als täterschaftliches Handeln erfasst und damit faktisch sämtliche Mitwirkungsformen zur Täterschaft erhoben.118 Der wachsenden Diskussion um die zutreffende Auslegung des Merkmals trat letztlich der Große Senat des BGH entgegen, der an einer weiten Auslegung grundsätzlich festhielt.119 Eine Entgrenzung des Handeltreibens solle jedoch unter anderem vermieden werden, indem weiterhin insbesondere bei lediglich untergeordneten Tätigkeiten eine Abgrenzung von Täterschaft und Beihilfe entsprechend der allgemeinen Abgrenzungsregeln vorgenommen werde.120 114
BGH v. 29. 02. 2000 – 1 StR 46/00, NStZ-RR 2000, 234; BGH v. 06. 12. 2017 – 2 StR 46/17, NStZ 2019, 93, 95. 115 Zutreffend bereits Bartl / Moßbrucker / Rückert, Angriff auf die Anonymität im Internet, S. 6. 116 BGH v. 06. 03. 2008 – 4 StR 33/08, BeckRS 2008, 4795. 117 Die Einwände gegen eine weite Auslegung zusammenfassend etwa Patzak, in: Patzak / Volkmer / Fabricius, § 29 BtMG Rn. 233 ff. m. w. N. Infolge der weiten Auslegung entbrannte – auch innerhalb der Rechtsprechung – eine Diskussion um das Merkmal des Handeltreibens. Diese und weitere Kritik griff sodann der 3. Strafsenat des BGH am 10. 07. 2003 in seinem Anfragebeschluss auf, in welchem er die einengende Auslegung des Begriffs des Handeltreibens im BtMG forderte (NStZ 2004, 105 ff.). Dieser erfuhr jedoch nicht den entsprechenden Rückhalt der übrigen Strafsenate. Die Rechtsfrage nach dem Vollendungszeitpunkt des Handeltreibens wurde schließlich dem Großen Senat des BGH mit Vorlagebeschluss vom 13. 01. 2005 – 3 StR 61/02, 3 StR 243/02, NJW 2005, 1589 vorgelegt. Vgl. im Einzelnen Patzak, in: Patzak / Volkmer / Fabricius, § 29 BtMG Rn. 244 ff. m. w. N. 118 Darauf verweisend Maurach / Gössel / Zipf, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 2, § 47 Rn. 22; zusammenfassend etwa Patzak, in: Patzak / Volkmer / Fabricius, § 29 BtMG Rn. 244. 119 BGH v. 26. 10. 2005 – GSSt 1/05, BGHSt 50, 252, 256 ff. 120 BGH v. 26. 10. 2005 – GSSt 1/05, BGHSt 50, 252, 266; BGH v. 14. 12. 2005 – 2 StR 466/05, NStZ-RR 2006, 88, 89; BGH v. 28. 07. 2007 – 2 StR 516/06, BGHSt 51, 219, 221; BGH v. 30. 10. 2008 – 3 StR 397/08, NStZ-RR 2009, 93; in der Literatur m. w. N. darauf verweisend Becker, in: BeckOK-BtMG, § 29 Rn. 84 ff.; Oğlakcıoğlu, in: MüKo-StGB, § 29 BtMG Rn. 349; Weber, in: Weber / Kornprobst / Maier, § 29 BtMG Rn. 632.
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Ebendieses Vorgehen der Rechtsprechung wurde innerhalb der Literatur mit Blick auf § 25 Abs. 1 Alt. 1 StGB zu Recht kritisiert. Schließlich ist nach § 25 Abs. 1 Alt. 1 StGB Täter grundsätzlich derjenige, der eigenhändig sämtliche Tatbestandsmerkmale in seiner Person verwirklicht.121 Vonseiten der Literatur wird dort seit Jahren zutreffend eingewandt, dass jener Grundsatz der Eigenhändigkeit nicht länger trage, sofern – wie im Falle des Handeltreibens – vom Rechtsanwender ein derart weiter Tatbestand begründet, anschließend jedoch anhand allgemeiner Abgrenzungsregeln eingegrenzt wird.122 Im Sonderfall des Handeltreibens wäre angesichts der Weite der Tatmodalität grundsätzlich jede noch so untergeordnete Tätigkeit als Täterschaft einzuordnen, es sei denn, das Täterverhalten stellte sich nicht als eigennützig dar.123 Die Rechtsprechung nimmt dem widersprechend nicht bereits bei eigenhändiger Verwirklichung sämtlicher Tatbestandsmerkmale stets eine Täterschaft an und grenzt trotz eigenhändiger Verwirklichung nach den allgemeinen Regeln von Täterschaft und Teilnahme ab. Ein solcher Weg leidet demnach an einem Konflikt zu dem Grundsatz, dass derjenige, der sämtliche Tatbestandsmerkmale erfüllt, an sich Täter ist.124 Umgekehrt ist das Vorgehen der Rechtsprechung jedoch immerhin dahingehend zu befürworten, dass angesichts der Weite und Besonderheit des Handeltreibens dem Rechtsanwender jeglicher Spielraum genommen würde, soweit jede eigenhändige Verwirklichung der Tatbestandsmerkmale zur Täterschaft führt.125 Letztlich wird zumindest eine mehr oder weniger sachgerechte Abschichtung der Beteiligungsformen ermöglicht.126 Selbst wenn der Beteiligte sämtliche Merkmale des Handeltreibens in seiner Person verwirklicht, sollte daher auf eine weitergehende Abgrenzung nicht verzichtet werden, als anderenfalls der Weg hin zur Einheitstäterschaft eröffnet wäre.127 Solange die Rechtsprechung an einer grundsätzlich extensiven Definition des Handeltreibens innerhalb der §§ 29 ff. BtMG festhält, ist zugleich mit Blick auf die hier in Rede stehende Frage einer täterschaftlichen Verantwortlichkeit eines Plattformbetreibers trotz des durchaus kritikwürdigen Ansatzes die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme anhand der allgemeinen Regeln vorzunehmen, wenngleich jene Auslegung zumindest in Teilen eine faktische Durchbrechung des in § 25 Abs. 1 Alt. 1 StGB niedergelegten Grundsatzes bedeutet. Dass unter Zugrun 121
Siehe die Nachweise in Teil 3 Fn. 94. Oğlakcıoğlu, in: MüKo-StGB, § 29 BtMG Rn. 351; Oğlakcıoğlu, Der Allgemeine Teil des Betäubungsmittelstrafrechts, S. 578 ff.; Weber, in: Weber / Kornprobst / Maier, § 29 BtMG Rn. 638 ff.; das Vorgehen der Rechtsprechung im vorliegenden Zusammenhang ferner unter Verweis auf den Rahmenbeschluss 2004/757/JI des Rates der Europäischen Union vom 25. 10. 2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels ablehnend Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 94 f. 123 Zusammenfassend Oğlakcıoğlu, in: MüKo-StGB, § 29 BtMG Rn. 351 f. 124 So auch Weber, in: Weber / Kornprobst / Maier, § 29 BtMG Rn. 640. 125 Darauf verweist Weber, in: Weber / Kornprobst / Maier, § 29 BtMG Rn. 641. 126 So Weber, in: Weber / Kornprobst / Maier, § 29 BtMG Rn. 640. 127 Kritisch auch Weber, in: Weber / Kornprobst / Maier, § 29 BtMG Rn. 641 m. w. N. 122
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
delegung der weiten Begriffsbestimmung zugleich die benannten Tätigkeiten des Plattformbetreibers im Darknet der Definition des Handeltreibens im Sinne der §§ 29 ff. BtMG unterfällt, hat daher nicht zwingend die Täterschaft des Betreibers zur Folge. Entscheidende Abgrenzungskriterien bilden im Falle des Handeltreibens neben der Eigennützigkeit des Täterverhaltens obendrein wie gesehen die allgemeinen Regeln zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme. a) Eigennützigkeit des Täterverhaltens Einer ersten Vorabentscheidung über Täterschaft oder Teilnahme zuträglich, ist mit Blick auf ein Handeltreiben wie gesehen das Kriterium der Eigennützigkeit. Schließlich ist (mit-)täterschaftliches Handeln der Definition des Handeltreibens zufolge von vornherein ausgeschlossen, solange das Täterverhalten nicht von Eigennutz geleitet wird.128 Wie gesehen, ließ sich eigennütziges Handeln als zwingende Voraussetzung eines (mit-)täterschaftlichen Handeltreibens jedoch zumindest hinsichtlich der von Gewinnerzielungsabsicht geleiteten Betreiber – meist von professionellen Darknet-Marktplätzen wie „Wallstreet Market“ – begründen.129 Die Anerkennung einer Eigennützigkeit gibt jedoch schlicht zu erkennen, dass eine täterschaftliche Verantwortlichkeit des Plattformbetreibers im Grundsatz denkbar ist, zwingend ist eine dahingehende Annahme hingegen nicht.130 b) Abgrenzungskriterien der Rechtsprechung Ausgehend von obiger Erkenntnis ist daher eine Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme entsprechend der allgemeinen Regeln anzuschließen. Zwar ermöglicht die extensive Auslegung des Handeltreibens grundsätzlich die Einordnung der Verhaltensweisen des Betreibers als Handeltreiben. Der Tatrichter hat jedoch auf Grundlage einer wertenden Betrachtung aller von der Vorstellung des Täters umfassten Umstände zu beurteilen, ob sich die Beteiligung als (Mit-)Täterschaft oder Beihilfe darstellt.131 Diesbezüglich von Bedeutung sind der Rechtsprechung zufolge bekanntlich der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft.132 128
BGH v. 20. 12. 2001 – 3 StR 295/01, BeckRS 2002, 1126; BGH v. 17. 07. 1997 – 1 StR 753/96, NStZ-RR 1998, 25, 26; Oğlakcıoğlu, in: MüKo-StGB, § 29 BtMG Rn. 350. 129 Im Ergebnis auch Bartl / Moßbrucker / Rückert, Angriff auf die Anonymität im Internet, S. 6; Greco, ZIS 2019, 435, 440; Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 11 f.; Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 88 f.; Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 91. 130 Allgemein dazu BGH v. 15. 07. 2005 – 2 StR 226/05, StV 2005, 555. 131 BGH v. 14. 12. 2005 – 2 StR 466/05, NStZ-RR 2006, 88, 89. 132 Etwa BGH v. 04. 10. 1978 – 3 StR 232/78, NJW 1979, 1259; BGH v. 25. 03. 1981 – 2 StR 130/81, StV 1981, 275, 276; BGH v. 24. 06. 1986 – 5 StR 153/86, BGHSt 34, 124, 125; BGH v. 23. 11. 1993 – 1 StR 742/93, StV 1994, 241; BGH v. 04. 07. 1995 – 1 StR 225/95, StV
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Würdigt man ausgehend davon zunächst das Kriterium des Umfangs der Tatbeteiligung, so deutet dort der Rechtsprechung zufolge etwa der Umstand, dass sich der Tatbeitrag des Beteiligten mit Blick auf das Gesamtgeschehen als völlig untergeordnet darstellt,133 vorläufig auf die Eigenschaft als bloßer Gehilfe.134 Ein untergeordneter Tatbeitrag in diesem Sinne sei danach unter anderem anzunehmen, soweit dem Beteiligten jeglicher Einfluss hinsichtlich der Menge oder Art von Betäubungsmitteln fehle.135 Vorliegend ist in diesem Zusammenhang zwar zu bemerken, dass der Betreiber infolge der Bereitstellung der erforderlichen kriminellen Infrastruktur als entscheidender Kommunikations- und Interaktionsort den Nutzern letzten Endes neben dem Auffinden eines gleichgesinnten Delinquenten zugleich die anonyme Deliktsbegehung durch die Ausgestaltung der Plattform als Onion Service und weiterer Features ermöglicht. Auch dem bloßen Gehilfen kann zwar ein erhebliches Gewicht bei der Tat zukommen, wenn dieser etwa im alleinigen Besitz des erforderlichen Tatwerkzeugs ist.136 Entscheidend ist vorliegend aber, dass dem Betreiber regelmäßig kein maßgeblicher Einfluss hinsichtlich des konkreten Umsatzgeschäfts zukommt, weil dieser im vorgenannten Sinne weder Einfluss auf die Art noch auf die Menge oder den Preis des gehandelten Betäubungsmittels nimmt.137 Dies gilt nicht allein mit Blick auf das Betreiben der Infrastruktur oder die händische Freischaltung von Beiträgen, sondern regelmäßig auch mit Blick auf eine Treuhandtätigkeit hinsichtlich konkreter Nutzergeschäfte.138 Ausgehend davon 1995, 624, 625; BGH v. 29. 09. 2005 – 4 StR 420/05, NStZ 2006, 94; BGH v. 26. 04. 2012 – 4 StR 665/11, StV 2012, 669; BGH v. 26. 03. 2014 – 5 StR 91/14, BeckRS 2014, 8446; BGH v. 11. 07. 2017 – 2 StR 220/17, NStZ 2018, 144, 145; BGH v. 20. 09. 2018 – 1 StR 316/18, NStZ 2019, 416, 417. Zur älteren Rechtsprechung der animus-Theorie unter anderem RG v. 19. 02. 1940 – 3 D 69/40, RGSt 74, 84 ff.; BGH v. 19. 10. 1962 – 9 StE 4/62, BGHSt 18, 87 ff. 133 Zunächst betrachtete die Rechtsprechung das Verhalten des potentiellen Gehilfen isoliert vom jeweiligen Gesamtgeschäft und orientierte sich bei der Beurteilung der Beteiligungsform am jeweiligen Teilakt, zusammenfassend etwa Oğlakcıoğlu, in: MüKo-StGB, § 29 BtMG Rn. 353 f. m. w. N. Nunmehr ist für die Rechtsprechung im Wesentlichen entscheidend, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt, hierzu unter anderem BGH v. 26. 10. 2005 – GSSt 1/05, BGHSt 50, 252. 134 BGH v. 27. 08. 1998 – 1 StR 438/98, NStZ-RR 1999, 24; BGH v. 10. 05. 2000 – 3 StR 21/00, NStZ 2000, 482; BGH v. 16. 03. 2004 – 1 StR 83/04, BeckRS 2004, 3383; BGH v. 21. 12. 2005 – 2 StR 539/05, NStZ 2006, 455. 135 BGH v. 04. 03. 1993 – 4 StR 69/93, BeckRS 1993, 3539; BGH v. 03. 02. 1999 – 2 StR 506/98, NStZ-RR 1999, 186, 187; BGH v. 30. 03. 2007 – 2 StR 81/07, NStZ-RR 2007, 246, 247 f. 136 Darauf verweist allgemein etwa Zieschang, GA 2020, 57, 61, der jedoch die Eigenschaft des Betreibers sodann dadurch begründet, dass dieser sein Portal gerade darauf anlegt, dass dort vereinbarungsgemäß rechtswidrige Taten begangen werden, weil der Betrieb eines solchen Portals eine maßgebliche Voraussetzung dafür sei, dass über die Plattform Straftaten verübt werden könnten. 137 In diese Richtung allgemein wohl auch Fünfsinn / Krause, in: FS-Eisenberg, 641, 646; siehe auch Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 91. 138 Im Ergebnis Beihilfe bei entsprechender Treuhandtätigkeit bejahend LG Duisburg v. 05. 04. 2017 – 33 KLs-111 Js 32/16–8/16, BeckRS 2017, 128618 Rn. 545; siehe auch Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 88, 96; weitergehend Fünfsinn / Krause, in: FS-Eisenberg, 641, 646 sowie Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 91.
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
wird gleichermaßen weder Tatherrschaft noch der Wille des Betreibers hierzu als weitergehendes Indiz der Rechtsprechung zu bejahen sein.139 Ausschlaggebend innerhalb der Kriterien der Rechtsprechung ist daher vielfach allenfalls der Grad des Eigeninteresses am Taterfolg. Indiziell ist der Rechtsprechung zufolge dort wohl, inwieweit der Beteiligte entweder einen festen Lohn erhält oder dieser anteilig am Gewinn beteiligt wird: Handle es sich um eine anteilige Beteiligung am Verkaufserlös, deute dies regelmäßig auf ein eigenes Interesse am Taterfolg. Ist der erwartete Vorteil hingegen ein nicht an der Bedeutung des Umsatzes gemessenes geringes Entgelt, indiziere dies eher eine schlichte Teilnahme des Vermittlers.140 Ein erhöhtes Eigeninteresse am Taterfolg wird sich unter Heranziehung dieser Grundsätze daher abermals lediglich für diejenigen Plattformbetreiber begründen lassen, die prozentuale Provisionen je getätigtes Geschäft verlangen.141 Der Betreiber der Plattform „Deutschland im Deep Web“, der als Forenbetreiber keine Provisionen je Umsatzgeschäft einbehielt, fällt hingegen von vornherein – auch in Ermangelung der Eigennützigkeit – aus dem Bereich des täterschaftlichen Handeltreibens heraus. 3. Besonders schwerer Fall und Qualifikationstatbestände der §§ 29 ff. BtMG Ist je nach Einzelfall eine Täterschaft im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG gegeben und nachweisbar, gewinnen für das unerlaubte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln sodann sowohl ein besonders schwerer Fall nach § 29 Abs. 3 BtMG als auch die Qualifikationen der §§ 29a ff. BtMG an Bedeutung, die eine gegenüber dem Grundtatbestand erhöhte Strafandrohung vorsehen. Während etwa der benannte besonders schwere Fall einer gewerbsmäßigen Deliktsbegehung nach § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG sowie der Qualifikationstatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG eine Freiheitsstrafe von nicht unter einem Jahr vorsehen, erkennt der Qualifikationstatbestand des § 30 Abs. 1 Nr. 1 BtMG für die bandenmäßige Deliktsbegehung auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren sowie der Qualifikationstatbestand des § 30a Abs. 1 BtMG auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren. Jene erhöhten Strafrahmen 139 In diesem Sinne, wenngleich mit Blick auf die Frage einer Mittäterschaft zwischen Betreiber und Nutzer Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 10. 140 BGH v. 26. 01. 2007 – 2 StR 591/06, BeckRS 2007, 3399; BGH v. 21. 11. 2007 – 2 StR 468/07, NStZ 2008, 285; BGH v. 19. 03. 2009 – 4 StR 20/09, NStZ-RR 2009, 254, 255; dazu näher Oğlakcıoğlu, in: MüKo-StGB, § 29 BtMG Rn. 366 ff. 141 Im Ergebnis unter anderem Greco, ZIS 2019, 435, 440; Kubiciel / Mennemann, jurisPRStrafR 8/2019 Anm. 1; Patzak, in: Patzak / Volkmer / Fabricius, § 29 BtMG Rn. 291; Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 11 f.; Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 91; Zöller, KriPoZ 2019, 274, 280; weitergehend Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 95 f. Eingehend zur Abgrenzung von (Mit-)Täterschaft und Teilnahme – ebenfalls unter Einbeziehung der Kriterien der Literatur – vgl. Teil 3 C.
B. Täterschaft im Rahmen extensiv gefasster Tatbestände
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sind insoweit erneut mit Blick auf die gesetzlich angeordnete formelle Subsidiarität des § 127 StGB von Relevanz.142 a) Gewerbsmäßiges Handeltreiben nach § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG Einen im Rahmen der Strafzumessung und nicht als Tatbestandsqualifikation143 zu berücksichtigenden besonders schweren Fall im Sinne des § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG verwirklicht derjenige, der bei einer Tat nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG gewerbsmäßig handelt. Nach herrschender Auffassung liegt Gewerbsmäßigkeit vor, sofern sich der Täter durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang verschaffen will.144 Die Absicht wiederholter Tatbegehung erfordert zunächst nicht, dass schon mehrere Taten begangen wurden. Liegt eine auf Wiederholung gerichtete Absicht vor, ist vielmehr bereits die erste der geplanten Tathandlungen als gewerbsmäßig einzuordnen.145 Mit Blick auf das vorliegend fokussierte Betreiben einer Plattform im Darknet ist sodann zu beachten, dass insoweit trotz der mit Bereitstellung und stetigen Aufrechterhaltung beziehungsweise Administration zumeist einhergehenden Einzelaktivitäten der Betreiberebene vielfach – insbesondere bei professionell organisierten, automatisierten Darknet-Marktplätzen – von nur einer Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB auszugehen sein wird. Insoweit ähnelt die Situation derjenigen eines uneigentlichen Organisationsdelikts, aufgrund dessen sämtliche Handlungen der Betreiber, die der Bereitstellung und Aufrechterhaltung der Plattform als solcher dienen, zu einer einheitlichen Tat nach § 52 Abs. 1 StGB zusammenzufassen sind.146 Ähnlich ging ferner das LG Duisburg im Rahmen einer mangels Eigennützigkeit in Rede stehenden Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln von nur einer Beihilfehandlung durch das Betreiben und Aufrechterhalten 142
Zur formellen Subsidiarität des § 127 StGB vgl. Teil 3 I. III. 9. BGH v. 17. 09. 1993 – 4 StR 509/93, NStZ 1994, 39. 144 Etwa BGH v. 08. 11. 1951 – 4 StR 563/51, BGHSt 1, 383; BGH v. 24. 07. 1997 – 4 StR 222/97, StV 1997, 636, 637; BGH v. 17. 06. 2004 – 3 StR 344/04, BGHSt 49, 177, 181; BGH v. 11. 09. 2003 – 4 StR 193/03, NStZ 2004, 265, 266; BGH v. 20. 03. 2008 – 4 StR 63/08, NStZRR 2008, 212; BGH v. 07. 09. 2011 – 1 StR 343/11, NStZ-RR 2011, 373; BGH v. 29. 10. 2020 – 1 StR 344/20, NStZ 2021, 235, 236. 145 BGH v. 11. 10. 1994 – 1 StR 522/94, NStZ 1995, 85; BGH v. 19. 05. 1998 – 1 StR 154/98, NJW 1998, 2913, 2914; BGH v. 17. 06. 2004 – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 181; BGH v. 01. 09. 2009 – 3 StR 601/08, NJW 2009, 3798. 146 Zur Plattform „Altermedia-Deutschland“ mit Blick auf § 130 StGB siehe OLG Stuttgart v. 08. 02. 2018 – 5–2 StE 21/16, BeckRS 2018, 49339; zur „Hausverlosung“ im Internet als Betrug siehe BGH v. 15. 03. 2011 – 1 StR 529/10, NStZ 2011, 401, 402; allgemein zum uneigentlichen Organisationsdelikt auch BGH v. 28. 05. 2003 – 2 StR 74/03, wistra 2003, 342 f.; BGH v. 26. 08. 2003 – 5 StR 145/03, BGHSt 48, 331, 342 f.; BGH v. 17. 06. 2004 – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 182 ff.; BGH v. 29. 07. 2009 – 2 StR 160/09, NStZ 2010, 103, 104; BGH v. 24. 11. 2016 – 4 StR 87/16, NStZ 2017, 340, 341; im vorliegenden Zusammenhang ebenfalls Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 92 f. 143
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von Underground Economy Foren aus.147 Die Angeklagten hätten insoweit allgemein vorbereitende und begleitende Leistungen erbracht, die der Ermöglichung sämtlicher Haupttaten über die Foren dienlich waren, ohne dass diese einzelnen Haupttaten, abgesehen von den händisch erbrachten Treuhandtätigkeiten, zeitlich oder anderweitig konkret zugeordnet werden konnten.148 Der exakte Zeitpunkt sowie die Anzahl der erforderlichen Einzelhandlungen für Aufbau und Aufrechterhaltung der Forenstrukturen ließen sich nicht ermitteln und angesichts des funktionalen Zusammenhangs auch nur bedingt sinnvoll voneinander abgrenzen, sodass im Zweifelsfall von nur einer Handlung der Angeklagten je unterstütztes Forum auszugehen ist.149 Etwas anderes, nämlich die Annahme von Tatmehrheit im Sinne des § 53 StGB trägt hingegen dort, wo ein eigennützig handelnder Betreiber einzelne Nutzerbeiträge manuell nach Überprüfung auf Grundlage eines jeweils neugefassten Willensentschlusses freischaltet oder etwa nicht automatisiert, sondern händisch, mit Blick auf einzelne Nutzergeschäfte im Rahmen des Treuhandservices tätig wird.150 Soweit im Rahmen des mehrere Einzelaktivitäten umfassenden Betreibens und Aufrechterhaltens einer Plattform von einer einheitlichen Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB auszugehen ist, steht dies jedoch der Annahme der Gewerbsmäßigkeit nicht per se entgegen. In diesem Sinne hatte der BGH in einem Fall, in dem sich die Tatbeiträge eines Täters im Aufbau und der Aufrechterhaltung eines auf Straftaten ausgelegten Geschäftsbetriebs beschränkten, diese Tathandlungen als uneigentliches Organisationsdelikt zu einer einheitlichen Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammengefasst und klargestellt, dass die Annahme von gewerbsoder bandenmäßiger Begehung hiervon unberührt bleibe.151 Ob dies auch gelten soll, wenn ein Beteiligter an einer Deliktsserie nur durch eine Handlung beziehungsweise in natürlicher Handlungseinheit stehende Betätigungen mitwirkt, ließ der BGH insoweit ausdrücklich offen.152 Jedenfalls für Fälle aber, in denen eine Plattform fortlaufend durch verschiedene, erforderlich werdende Einzelaktivitäten aufrecht erhalten und allgemein administriert wird, wird man von einer Absicht der wiederholten Tatbegehung ausgehen können. Zwar erbringt der Betreiber durch Bereitstellung sowie wiederkehrende allgemeine Aufrechterhaltungs- und Admi 147
LG Duisburg v. 06. 04. 2017 – 33 KLs-111 Js 32/16–8/16, BeckRS 2017, 128618 Rn. 547 ff. LG Duisburg v. 06. 04. 2017 – 33 KLs-111 Js 32/16–8/16, BeckRS 2017, 128618 Rn. 548. 149 LG Duisburg v. 06. 04. 2017 – 33 KLs-111 Js 32/16–8/16, BeckRS 2017, 128618 Rn. 548. 150 Siehe zur – aber nicht eigennützigen – Freischaltung im Rahmen der Beihilfe LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 23, 384. Zur Betätigung des Treuhandservices mit Blick auf die Beihilfe auch LG Duisburg v. 06. 04. 2017 – 33 KLs-111 Js 32/16–8/16, BeckRS 2017, 128618 Rn. 550; Patzak, in: Patzak / Volkmer / Fabricius, § 29 BtMG Rn. 295; im vorliegenden Zusammenhang auch Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 93 f. 151 Siehe hierzu BGH v. 17. 06. 2004 – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 182 ff.; siehe auch BGH v. 09. 01. 2008 – 5 StR 572/07, wistra 2008, 181, 182; BGH v. 14. 11. 2012 – 3 StR 403/12, StV 2013, 386, 387; allgemein befürwortend Weber, in: Weber / Kornprobst / Maier, § 29 BtMG Rn. 2010; im vorliegenden Zusammenhang auch Wüst, Die Underground Economy des Dark nets, S. 98. 152 BGH v. 17. 06. 2004 – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 187. 148
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nistrationsaktivitäten, eigennützige Tatbeiträge, die der Förderung sämtlicher fremder Umsatzgeschäfte dienen und in seiner Person meist als eine einheitliche Tat im Sinne von § 52 Abs. 1 StGB zusammenzufassen sind. Maßgeblich sind jedoch die ursprünglichen Planungen sowie die tatsächlichen, strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen über den gesamten Tatzeitraum.153 Die für sich je nach Einzelfall rein tatsächlich selbstständigen Aktivitäten zur Aufrechterhaltung und Administration der Plattform werden jedoch in der Absicht vorgenommen, sich wiederholt an den sodann unter Zuhilfenahme der Plattform geförderten fremden Umsatzgeschäften zu bereichern. Entscheidend sind dabei selbstredend letztlich die Gegebenheiten des Einzelfalls. Die Einnahmequelle der Betreiberebene ist in den benannten Fällen jedenfalls von einiger Dauer sowie von einigem Umfang. Wann eine fortlaufende Einnahmequelle von einigem Umfang oder einigem Gewicht gegeben ist, ist zwar bis dato nicht eindeutig geklärt und unterliegt der tatrichterlichen Beweiswürdigung im Einzelfall.154 Insbesondere die Betreiber professionell organisierter digitaler Marktplätze verlangen jedoch meist Provisionen beziehungsweise Gebühren je getätigtes Nutzergeschäft, sodass jedenfalls mit Blick auf ebenjene meist Gewerbsmäßigkeit zu bejahen sein wird.155 b) Handeltreiben in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG Je nach den Umständen des Einzelfalls gewinnt zusätzlich der Qualifikationstatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG für die Betreiber von Darknet-Plattformen an Bedeutung.156 Entscheidend für das Vorliegen einer „nicht geringen Menge“ des geförderten Umsatzgeschäfts ist dort nicht etwa die Gewichtsmenge, sondern der Wirkstoffgehalt des Betäubungsmittels.157 Zwingend erforderlich ist insoweit unter anderem eine Feststellung dahingehend, inwieweit sich der Vorsatz des Betreibers auf eine nicht geringe Menge erstreckte.158 Etwa das LG Duisburg gab – wenngleich mit Blick auf eine Beihilfe der Betreiber von Underground Economy Foren zum unerlaubten Handeltreiben in nicht geringer Menge – zu erkennen, dass für den Vorsatz genüge, wenn den Angeklagten bekannt war, dass Betäubungsmittel aufgrund der unbegrenzten Angebote in erheblichen Mengen verfügbar waren und von den Nutzern auch große Einzelverkaufsmengen tatsächlich nachgefragt wur 153
BGH v. 17. 06. 2004 – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 181. BGH v. 24. 01. 1986 – 3 StR 2/86, StV 1986, 385. 155 Die Gewerbsmäßigkeit im Darknet allgemein als Regelfall bezeichnend Zöller, KriPoZ 2021, 79, 88. Ausführlich auch Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 97 f.; bejahend auch Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 92 f. 156 Zum Handeltreiben des Betreibers von Darknet-Plattformen in nicht geringen Mengen siehe auch Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 93 f.; Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 99. 157 Siehe nur Maier, in: Weber / Kornprobst / Maier, § 29a BtMG Rn. 64 f. m. w. N. 158 Dazu Maier, in: Weber / Kornprobst / Maier, § 29a BtMG Rn. 188. 154
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den.159 Vornehmlich die Betreiber professionell organisierter Darknet-Plattformen zielen jedoch nicht selten auf eine Ermöglichung eines unbegrenzten Handels mit Betäubungsmitteln, sodass auch eine Überschreitung des festgelegten Grenzwerts einer Wirkstoffmenge meist in deren Vorsatz aufgenommen sein wird. Eine Prüfung des Einzelfalls unter Würdigung sämtlicher Umstände bleibt jedoch stets unerlässlich.160 c) Bandenmäßigkeit nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 BtMG Im Falle des täterschaftlichen Handeltreibens im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG kommt ferner der Qualifikationstatbestand einer bandenmäßigen Deliktsbegehung nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 BtMG in Betracht. Der ständigen Rechtsprechung des BGH zufolge erfordert eine Bande in diesem Sinne den Zusammenschluss von mindestens drei Personen mit dem Willen, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbstständige, im Einzelnen noch ungewisse Straftaten des im Gesetz genannten Deliktstyps zu begehen.161 Im Anschluss an die Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen vom 22. März 2001 setzt der Bandenbegriff daher weder einen „gefestigten Bandenwillen“ noch ein „Tätigwerden in einem übergeordneten Bandeninteresse“ voraus.162 Notwendig sei lediglich eine zweckhafte Verbindung, die aber zumindest für eine gewisse Dauer eingegangen werden müsse.163 Eine Bande sei jedenfalls nicht mit einer kriminellen Vereinigung im Sinne des § 129 StGB gleichzusetzen, die anders als die Bande eine – möglicherweise nur rudimentäre – Organisationsstruktur sowie die Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses voraussetze.164 Das Vorliegen einer Bande erfordert jedenfalls zunächst einen Zusammenschluss von mindestens drei Personen. Von Bedeutung ist die bandenmäßige Deliktsbegehung demnach für die hier in Rede stehenden Sachverhalte von vornherein allenfalls für Betreiberebenen mit mindestens drei Personen. Plattformen – wie das Forum „Deutschland im Deep Web“ – hingegen, die von einer Einzelperson be 159
LG Duisburg v. 05. 04. 2017 – 33 KLs-111 Js 32/16–8/16, BeckRS 2017, 128618 Rn. 558. Etwa auf Verkaufsmasken von Plattformen verweisend Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 99. 161 BGH v. 22. 03. 2001 – GSSt 1/00, BGHSt 46, 321, 325; BGH v. 15. 01. 2002 – 4 StR 499/01, BGHSt 47, 214, 215 f.; BGH v. 16. 06. 2005 – 3 StR 492/04, BGHSt 50, 160, 161. Zur Entwicklung des Bandenbegriffs sowie der früheren Auffassung vgl. etwa zusammenfassend nur Bosch, in: Schönke / Schröder, § 244 Rn. 24 m. w. N. 162 BGH v. 22. 03. 2001 – GSSt 1/00, BGHSt 46, 321, 325; BGH v. 11. 09. 2003 – 1 StR 146/03, NStZ 2004, 398, 399; BGH v. 27. 05. 2004 – 4 StR 41/04, NStZ 2005, 230, 231. Anders wohl BT-Drs. 19/9508, S. 10. 163 Zusammenfassend m. w. N. etwa Kindhäuser, in: NK-StGB, § 244 Rn. 37. 164 BT-Drs. 18/11275, S. 11. Zur Abgrenzung vgl. auch LG Köln v. 09. 11. 2020 – 101 Qs 72/20, NStZ-RR 2021, 74 ff. Zur im Einzelfall schwierigen Abgrenzung im Rahmen des § 30 Abs. 1 Nr. 1 BtMG vgl. nur etwa Patzak, in: Patzak / Volkmer / Fabricius, § 30 BtMG Rn. 29. 160
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trieben werden, bleiben insoweit von vornherein außen vor.165 Es bedarf sodann jedenfalls nicht etwa einer gleichrangigen Eingliederung sämtlicher Mitglieder in die Bandenstruktur.166 Mitglied einer Bande kann vielmehr auch sein, wer nach der Bandenabrede schlicht solche Aufgaben wahrnehmen soll, die sich wertungsmäßig als Gehilfentätigkeit erweisen.167 Ausgehend davon kann für die benannten Fälle Bandenmitglied wenigstens ein Administrator der Plattform sein, gleichermaßen jedoch auch eine Person mit schlichter Moderatoreneigenschaft, der unter Umständen lediglich untergeordnete Tätigkeiten zugeteilt werden.168 Der Bandenzweck muss sodann darauf gerichtet sein, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbstständige, im Einzelnen noch ungewisse Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz begehen zu wollen. Für die an dieser Stelle interessierenden Fälle sollte ferner – wie bereits im Rahmen der Gewerbsmäßigkeit – jedenfalls eine konkurrenzrechtliche Einordnung als eine Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB der Annahme des Willens des Betreiberteams zur Begehung mehrerer, selbstständiger Taten nicht per se entgegenstehen.169 Inwieweit jemand letztlich Mitglied einer Bande ist, entscheidet sich anhand der deliktischen Vereinbarung als sogenannte Bandenabrede.170 Persönlich verabreden oder einander kennen, müssen sich die Bandenmitglieder für eine ausdrückliche oder konkludente Bandenabrede nicht.171 Die unter Umständen auch vor der Betreiberebene selbst nicht Halt machende Anonymität im Darknet steht einer Bandenabrede daher nicht etwa entgegen.172 Mit Blick auf das arbeitsteilige Betreiben eines Internet-Boards ordnete der BGH dabei denjenigen als Bandenmitglied ein, der in die Organisation der Bande eingebunden ist, die dortigen Regeln beachtet, zum Fortbestand der Bande beiträgt und sich an den Straftaten beteiligt.173 Jedenfalls müssen die Bandenmitglieder nicht zwingend im übergeordneten gemeinsamen Interesse handeln, die Verfolgung eigener Interessen genügt.174 Und unter Würdigung des Wortlauts des § 30 Abs. 1 Nr. 1 BtMG bedarf es – etwa 165
Zum Darknet Forum „Deutschland im Deep Web“ siehe nochmals Teil 1 C. II. 2. BGH v. 21. 10. 2003 – 1 StR 544/02, wistra 2004, 105, 108; Maier, in: Weber / Kornprobst / Maier, § 30 BtMG Rn. 30. 167 BGH v. 15. 01. 2002 – 4 StR 499/01, BGHSt 47, 214, 216, 218 f.; BGH v. 14. 12. 2006 – 4 StR 421/06, NStZ 2007, 288; BGH v. 11. 01. 2012 – 5 StR 445/11, NStZ-RR 2012, 121, 122; BGH v. 05. 11. 2014 – 2 StR 186/14, NStZ-RR 2015, 113, 114. 168 So auch Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 99. 169 Siehe dazu Teil 3 B. II. 3. a); bejahend im Falle der Bewertungseinheit Maier, in: Weber / Kornprobst / Maier, § 30 BtMG Rn. 84 m. w. N.; a. A. zur Bewertungseinheit etwa Patzak, in: Patzak / Volkmer / Fabricius, § 30 BtMG Rn. 31. Ausführlich in diesem Zusammenhang Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 100. 170 Siehe etwa BGH v. 05. 06. 2019 – 1 StR 223/19, BeckRS 2019, 25556 Rn. 3. 171 BGH v. 16. 06. 2005 – 3 StR 492/04, BGHSt 50, 160, 164, 168; BGH v. 16. 03. 2010 – 4 StR 497/09, wistra 2010, 347; BGH v. 28. 03. 2012 – 2 StR 398/11, BeckRS 2012, 9344 Rn. 10. Anders wohl BT-Drs. 19/9508, S. 10. 172 So auch Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 95; Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 99 f. 173 BGH v. 28. 03. 2012 – 2 StR 398/11, BeckRS 2012, 9344 Rn. 10. 174 Siehe nur BGH v. 22. 03. 2001 – GSSt 1/00, BGHSt 46, 321, 325, 329 f.; Patzak, in: Patzak / Volkmer / Fabricius, § 30 BtMG Rn. 31. 166
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
anders als bei § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB – nicht, dass der Täter „unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds“ handelt.175 Nach jenen Grundsätzen wird sich in den hiesigen Konstellationen die Annahme einer Bande begründen lassen, soweit sich dort wenigstens drei Personen einig sind, arbeitsteilig eine unter anderem auf den Betäubungsmittelhandel ausgerichtete Plattform – meist als Marktplatz – zu betreiben. Die Einordnung der Betreiberstrukturen des Darknets als Bande ist demnach zwar grundsätzlich denkbar. Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sodann stets weiterhin nach den allgemein geltenden Kriterien zu untersuchen ist, inwieweit die anderen Mitglieder an der konkreten Einzeltat als Mittäter, Anstifter oder Gehilfe mitwirkten beziehungsweise diese überhaupt einen strafrechtlich relevanten Beitrag hieran leisteten.176 d) Bandenmäßiges Handeln in nicht geringer Menge nach § 30a Abs. 1 BtMG Eine nochmals erhöhte Strafandrohung sieht schließlich der Qualifikationstatbestand des § 30a Abs. 1 BtMG vor, soweit die als Bande agierende Betreiberebene Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge treibt. In diesem Sinne hatte bereits die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main gegen die Betreiber des weltweit zweitgrößten, kriminellen Darknet-Marktplatzes „Wallstreet Market“ Anklage wegen des Verdachts auf bandenmäßiges Handeltreiben in nicht geringer Menge erhoben.177 4. Zusammenfassung Die extensive Auslegung des „Handeltreibens“ im Sinne der §§ 29 ff. BtMG sowie der Versuch der Rechtsprechung einer Eingrenzung unter Zuhilfenahme der allgemeinen Abgrenzungsregeln von Täterschaft und Teilnahme kollidiert zwar mit dem in § 25 Abs. 1 Alt. 1 StGB normierten Grundsatz. Solange aber die Rechtsprechung jenen Weg fortschreitet, wird die Annahme einer täterschaftlichen Verantwortlichkeit des Plattformbetreibers im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG unter Abgrenzung der allgemeinen Regeln und Zugrundelegung der subjektiven
175
BGH v. 09. 07. 1991 – 1 StR 666/90, BGHSt 38, 26, 29; BGH v. 21. 05. 2019 – 1 StR 114/19, NStZ 2019, 657, 658; Patzak, in: Patzak / Volkmer / Fabricius, § 30 BtMG Rn. 47; darauf im vorliegenden Zusammenhang ebenfalls verweisend Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 95 f. 176 Speziell zum Plattformbetreiber im Darknet BT-Drs. 19/9508, S. 10; allgemein vgl. nur etwa BGH v. 22. 03. 2001 – GSSt 1/00, BGHSt 46, 321, 338; BGH v. 13. 05. 2003 – 3 StR 128/03, NStZ-RR 2003, 265, 267; Bosch, in: Schönke / Schröder, § 244 Rn. 27; Kindhäuser, in: NK-StGB, § 244 Rn. 41; Maier, in: Weber / Kornprobst / Maier, § 30 BtMG Rn. 89 jeweils m. w. N. 177 Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main, Presseinformation v. 22. 06. 2020.
B. Täterschaft im Rahmen extensiv gefasster Tatbestände
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Theorie der Rechtsprechung jedenfalls im Hinblick auf mehr oder minder professionell organisierte Plattformen – insbesondere digitale Marktplätze – tragen, deren Betreiber Provisionen je getätigtes Geschäft erhalten. Die beschriebenen Abgrenzungskriterien formulieren insoweit eine bloße Leitlinie, die Zuweisung der konkreten Beteiligungsform bleibt auch im Sonderfall des Handeltreibens im Sinne der §§ 29 ff. BtMG eine Frage des Einzelfalls. Soweit eine Täterschaft im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG bejaht wurde, ist sodann ergänzend an einen besonders schweren Fall nach Maßgabe des § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG bei Gewerbsmäßigkeit sowie insbesondere die Qualifikationstatbestände der § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 30 Abs. 1 Nr. 1 BtMG sowie § 30a Abs. 1 BtMG zu denken.
III. Bieten einer Gelegenheit nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 BtMG Besonderes Augenmerk verdient für den praxisrelevanten Bereich des unerlaubten Betäubungsmittelhandels abschließend die Vorschrift des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 BtMG,178 obschon dort als Tathandlung abermals nicht unmittelbar die Zurverfügungstellung einer auf den unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln ausgerichteten Plattform umschrieben wird. In besonderer Relevanz erwächst jene Vorschrift mit gleichwohl weit gefasster Tathandlung derweil nicht zuletzt für den Fall, dass die Annahme eines Handeltreibens nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG in Ermangelung einer Eigennützigkeit des Verhaltens nicht trägt. Ferner kann das „Verschaffen einer Gelegenheit“ als Auffangtatbestand gegenüber anderen Tatbeständen des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG dienen, soweit Mittäterschaft oder Beihilfe zu anderen Verkehrsformen, beispielsweise dem „Handeltreiben“, im Einzelfall nicht nachweisbar ist. Das zuständige Gericht ist insoweit gehalten, jedenfalls die Anwendbarkeit des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 BtMG zu überprüfen.179 Tatbestandlich differenziert die Vorschrift des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 BtMG zwischen insgesamt vier verschiedenen Tatvarianten und normiert neben dem Verschaffen (Var. 1) oder Gewähren (Var. 2) einer Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln auch das öffentliche oder eigennützige Mitteilen einer solchen (Var. 3) sowie das Verleiten zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln (Var. 4). Der Sache nach werden insoweit mithilfe der ersten drei – als abstrakte Gefährdungsdelikte180 ausgestalteten – Varianten typische Teilnahmehandlungen zu selbstständigen Straftatbeständen er 178
Die Vorschrift nennen in Bezug auf ein etwaiges täterschaftliches Handeln des Plattformbetreibers im Darknet auch BT-Drs. 19/9508, S. 11; Bachmann / Arslan, NZWiSt 2019, 241, 243; Bitz, in: VI. Sammelband-GKPR, 36, 47; Greco, ZIS 2019, 435, 440; Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 11 f.; Zieschang, GA 2020, 57, 62 Fn. 32; Zöller, KriPoZ 2019, 274, 280; ausführlich Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im D arknet, S. 96 ff.; Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 102 ff. 179 BGH v. 16. 12. 1999 – 4 StR 496/99, NStZ 2000, 208; Weber, in: Weber / Kornprobst / Maier, § 29 BtMG Rn. 862. 180 Oğlakcıoğlu, in: MüKo-StGB, § 29 BtMG Rn. 1369.
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
hoben,181 wobei sich der Gesetzgeber letztlich von der Erwägung leiten ließ, dass denjenigen, der eine Gelegenheit des illegalen Betäubungsmittelhandels verschafft oder gewährt oder eine darauf gerichtete Möglichkeit mitteilt, die gleiche Strafe treffen solle, wie denjenigen, der selbst illegalen Handel mit Betäubungsmitteln betreibt.182 Exemplarisch gemeint waren Gastwirte sowie Halter von Imbissbuden und Trinkhallen, soweit diese ihre Betriebe gewissermaßen als Umschlagsplatz für den unerlaubten Umgang mit Betäubungsmitteln arrangierten.183 Vorliegend sei bereits zu Beginn darauf verwiesen, dass etwa der Betreiber des Darknet-Forums „Deutschland im Deep Web“ angesichts der Schaffung von auf den Betäubungsmittelhandel ausgerichteten Unterkategorien sowie der dortigen Freischaltung von Werbetexten nicht etwa wegen täterschaftlicher Verschaffung einer Gelegenheit im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 BtMG, sondern wegen Beteiligung am unerlaubten Werben mit Betäubungsmitteln im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BtMG verurteilt wurde.184 Im Falle des Darknet-Marktplatzes „Wallstreet Market“ wurde hingegen laut Pressemitteilung des Bundeskriminalamts auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main Untersuchungshaft wegen gewerbsmäßiger Verschaffung einer Gelegenheit zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln angeordnet.185 Vor diesem Hintergrund sei nachfolgend vorrangig einer Klärung zugeführt, inwieweit etwa das Errichten und Aufrechterhalten einer Darknet-Plattform ein prima facie naheliegendes „Verschaffen einer Gelegenheit“ zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 Var. 1 BtMG darstellt. Am Rande wird ferner auf die denkbare Verwirklichung weiterer Tatmodalitäten verwiesen. 1. Darknet-Plattform und die „Gelegenheit“ § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 BtMG sieht unter anderem eine Strafe für denjenigen vor, der einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt beziehungsweise eine solche öffentlich oder eigennützig mitteilt. Gelegenheit in diesem Sinne meint günstige äußere Bedingungen oder eine konkrete, besonders günstige Möglichkeit, Betäubungsmittel zu erwerben oder solche abzugeben.186 Dabei ist nach überwiegender Auffassung insbesondere nicht erforderlich, dass dem Erwerbs- oder 181
Kaluba, in: BeckOK-BtMG, § 29 Rn. 697; Patzak, in: Patzak / Volkmer / Fabricius, § 29 BtMG Rn. 1350. Der Sache nach stellt auch das Verleiten zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln (Var. 4) eine bloße Teilnahmehandlung dar, diese betrifft mit dem Konsum aber eine Haupttat, die grundsätzlich straflos ist, Weber, in: Weber / Kornprobst / Maier, § 29 BtMG Rn. 1730. 182 Zur Vorgängervorschrift des § 11 Nr. 8 BtMG in BT-Drs. VI/1877, S. 9. 183 Siehe BT-Drs. VI/1877, S. 9. 184 LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 296 ff. 185 Bundeskriminalamt, Pressemitteilung v. 03. 05. 2019. 186 Joachimski / Haumer, Betäubungsmittelgesetz, § 29 Rn. 206; Kaluba, in: BeckOK-BtMG, § 29 Rn. 700; Oğlakcıoğlu, in: MüKo-StGB, § 29 BtMG Rn. 1382; Patzak, in: Patzak / Volkmer / Fabricius, § 29 BtMG Rn. 1358; Weber, in: Weber / Kornprobst / Maier, § 29 BtMG Rn. 1742.
B. Täterschaft im Rahmen extensiv gefasster Tatbestände
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Abgabewilligen die Gelegenheit gänzlich neu oder unbekannt ist.187 Ohne Bedeutung ist ferner, ob die Gelegenheit bereits wahrgenommen wurde,188 oder ob ein Nutzer bereits zum unbefugten Erwerb beziehungsweise zur unbefugten Abgabe entschlossen ist.189 Davon ausgehend bietet eine erkennbar auf den unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln ausgerichtete Plattform im Darknet günstige äußere Bedingungen, weil infolge der spezifischen Ausgestaltung derselben etwa durch wegweisende Kategorien letztlich das Ausfindigmachen eines kriminellen Pendants erleichtert wird, das Aufsetzen derselben als Onion Service ein hohes Maß an Anonymität gewährleistet und durch das Medium allgemein eine Vielzahl an potentiellen Kunden angesprochen wird. Erreicht werden kann daher unter dem herabgesetzten Risiko einer Strafverfolgung ein breites Publikum. Ferner wird die konfliktfreie und reibungslose Abwicklung inkriminierter Geschäfte sodann meist unter Bereitstellung von verschlüsselten Kommunikationssystemen sowie Treuhandverfahren sichergestellt. Eine Gelegenheit in diesem Sinne können dabei neben einem klassischen DarknetMarktplatz mit unmittelbarer Bestelloption und digitalem Warenkorb – wie obig angeführter „Wallstreet Market“ – grundsätzlich auch Darknet-Foren verkörpern, die – wie das Forum „Deutschland im Deep Web“ – mithilfe von entsprechenden Kategorien einen separaten Handelsbereich zum Einstellen von Werbetexten für den Verkauf von Betäubungsmitteln aufweisen und den Handel ebenfalls durch Anonymität, integrierte Kommunikations- und Treuhandsysteme absichern.190 Das Ergebnis der insoweit vorzufindenden äußerst günstigen Bedingungen wird auch nicht etwa durch das Erfordernis des Tor-Browsers ins Gegenteil verkehrt, ist dieser doch wie gesehen ohne weitergehende Sonderkenntnisse zu bedienen und stellt zudem weitestgehende Anonymität sicher. Sollte ein Nutzer der Plattform im Einzelfall bereits fest zum unbefugten Umgang mit Betäubungsmitteln entschlossen sein und sich lediglich angesichts der erreichenden Anonymität sowie damit einherge 187
Oğlakcıoğlu, in: MüKo-StGB, § 29 BtMG Rn. 1384 ff.; Patzak, in: Patzak / Volkmer / Fabricius, § 29 BtMG Rn. 1358; Stegherr, NStZ 1995, 322, 323; Weber, in: Weber / Kornprobst / Maier, § 29 BtMG Rn. 1743 ff.; a. A. noch bei Körner, StV 1994, 683, 684; Körner, ZRP 1995, 453, 456. 188 Hierzu Oğlakcıoğlu, in: MüKo-StGB, § 29 BtMG Rn. 1387; Weber, in: Weber / Kornprobst / Maier, § 29 BtMG Rn. 1743. 189 Vergegenwärtigt man sich insoweit den Charakter der beschriebenen Tathandlungen als typische Beihilfehandlungen, trägt die Erwägung eines omnimodo facturus anders als im Falle der Anstiftung bekanntlich ohnehin zu Recht nicht; zum Ganzen Bölter, NStZ 1998, 224, 226; Oğlakcıoğlu, in: MüKo-StGB, § 29 BtMG Rn. 1388; Stegherr, NStZ 1995, 322, 323; Weber, in: Weber / Kornprobst / Maier, § 29 BtMG Rn. 1746 f.; Winkler, StV 1995, 216, 217. Anders Hoffmann-Riem, NStZ 1998, 7, 11 f. 190 Patzak, in: Patzak / Volkmer / Fabricius, § 29 BtMG Rn. 1384; a. A. wohl LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013. Die „Gelegenheit“ mit Blick auf Darknet-Marktplätze und Foren mit Marktplatzsektion bejahend, wobei von einem gegenüber Gastwirtschaftsräumen „besonderen“ virtuellen Raum die Rede ist; hingegen zweifelnd etwa bei Foren zur Schaltung von Werbe- oder Kontaktanzeigen siehe Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 102 ff., 175 ff.
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hend geringerer Risiken für die Abgabe oder den Erwerb von Betäubungsmitteln entscheiden, bleibt dies ohne Einfluss. Zwar wird sodann in der Literatur ausgehend vom Wortlaut teils darauf verwiesen, die Gelegenheit müsse über die bloße Bereitstellung „einem anderen“ verschafft werden, sodass die günstigen Bedingungen gegenüber einer konkreten anderen Person hergestellt werden müssten.191 Bedenkt man aber die hinter der Norm stehende Überlegung, dass insbesondere Gastwirte, Halter von Imbissbuden oder Trinkhallen erfasst sein sollten, die ihre Betriebe allgemein zu einträglichen Umschlagsplätzen für Rauschgift machen,192 sollte vorliegend genügen, dass die günstigen Umstände jedem Nutzer verschafft werden, der sich etwa auf der Plattform mit einem Nutzerkonto registriert und daher sinngemäß dem Hinweis des Gastwirts folgt, sich zur unbefugten Abgabe oder zum unbefugten Erwerb von Betäubungsmitteln ins Hinterzimmer zu begeben.193 2. Unbefugter Erwerb oder unbefugte Abgabe Die Gelegenheit muss zum Zwecke des unbefugten Erwerbs oder zur unbefugten Abgabe verschafft werden. Der Begriff des Erwerbs stimmt dabei mit demjenigen in § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG überein.194 Die Abgabe soll hingegen nach überwiegender Auffassung nicht allein die Übertragung eigener tatsächlicher Verfügungsgewalt am Betäubungsmittel ohne rechtsgeschäftliche Grundlage sowie ohne Gegenleistung an einen Dritten im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG erfassen, sondern in Anlehnung an § 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG als Oberbegriff der Weitergabe jede Gewahrsamsübertragung an einen anderen, also zugleich Begehungsweisen wie die Veräußerung sowie das Handeltreiben, sofern diese mit einer Übertragung der tatsächlichen Verfügungsgewalt einhergehen.195 3. „Verschaffen“, „Gewähren“ oder „Mitteilen“ einer Gelegenheit Als inkriminierte Tathandlungen nennt § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 BtMG sodann unter anderem das Verschaffen oder Gewähren einer derartigen Gelegenheit zum unerlaubten Erwerb oder zur unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln sowie das öffentliche oder eigennützige Mitteilen einer solchen.
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Weber, in: Weber / Kornprobst / Maier, § 29 BtMG Rn. 1758. Zur Vorgängervorschrift des § 11 Nr. 8 BtMG siehe BT-Drs. VI/1877, S. 9. 193 Ähnlich Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 103. 194 Oğlakcıoğlu, in: MüKo-StGB, § 29 BtMG Rn. 1389. 195 Zu § 29a BtMG Maier, in: Weber / Kornprobst / Maier, § 29a BtMG Rn. 8; Wienroeder, in: Franke / Wienroeder, § 29a Rn. 4; zu § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 BtMG auch Oğlakcıoğlu, in: MüKo-StGB, § 29 BtMG Rn. 1389; Weber, in: Weber / Kornprobst / Maier, § 29 BtMG Rn. 1760. 192
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a) Abgrenzung der Tatmodalitäten Eine eindeutige Abgrenzung der Tatmodalitäten des Verschaffens (Var. 1) und des Gewährens (Var. 2) einer Gelegenheit wird vielfach als nur schwerlich möglich erachtet.196 Immerhin hat der Rechtsprechung zufolge das „Gewähren […] vornehmlich dem Täter selbst zur Verfügung stehende Möglichkeiten im Auge, das Verschaffen das Besorgen eines Zugangs zu einer fremden Quelle.“197 Unter Verschaffen sei daher das über eine bloße Mitteilung hinausgehende Herbeiführen günstiger äußerer Bedingungen zu verstehen, die den unbefugten Erwerb oder die unbefugte Abgabe von Betäubungsmitteln fördern oder erleichtern.198 Hingegen beschreibe das Gewähren einer Gelegenheit ein eher passives Verhalten des Gelegenheitsgewährers, weil die günstigen Bedingungen bereits vorhanden seien.199 Eine Mitteilung meint sodann jede Art der Bekanntgabe, die geeignet ist einen anderen zu erreichen, unabhängig davon, ob diese mündlich, schriftlich, fernmündlich oder fernschriftlich erfolgt.200 Ausweislich des Wortlauts der Norm muss das Mitteilen anders als das Verschaffen oder Gewähren öffentlich oder eigennützig erfolgen. Mit Blick auf die Öffentlichkeit der Mitteilung ist die Wahrnehmungsmöglichkeit einer Vielzahl von Personen maßgeblich, nicht hingegen der Ort der Bekanntgabe.201 Eigennutz liegt ferner wie gesehen vor, wenn es dem Täter auf seinen persönlichen Vorteil ankommt.202 Zum Zwecke der Einordnung des Betreibens einer auf den unerlaubten Umgang mit Betäubungsmitteln ausgerichteten Plattform im Darknet in die beschriebenen Tatmodalitäten scheint sodann zunächst ein Seitenblick zur analogen Welt lohnend. Dort wird ein Verschaffen von Gelegenheit etwa grundsätzlich bejaht, soweit ein Gastwirt in seinen Lokalräumen die unerlaubte Abgabe oder den unerlaubten Erwerb von Betäubungsmitteln fördert, indem er Bemühungen entfaltet, die äußeren Bedingungen zum Umgang mit Betäubungsmitteln zu verbessern, sei es, dass 196
BayObLG v. 30. 07. 1982 – RReg. 4 St 140/82, BayObLGSt 1982, 100; Weber, in: Weber / Kornprobst / Maier, § 29 BtMG Rn. 1764; auch Kaluba, in: BeckOK-BtMG, § 29 Rn. 707. 197 BayObLG v. 30. 07. 1982 – RReg. 4 St 140/82, BayObLGSt 1982, 100. 198 BGH v. 21. 04. 1982 – 2 StR 710/81, NStZ 1982, 335; BayObLG v. 30. 07. 1982 – RReg. 4 St 140/82, BayObLGSt 1982, 100; Kaluba, in: BeckOK-BtMG, § 29 Rn. 701; Oğlakcıoğlu, in: MüKo-StGB, § 29 BtMG Rn. 1390; Patzak, in: Patzak / Volkmer / Fabricius, § 29 BtMG Rn. 1359; Wienroeder, in: Franke / Wienroeder, § 29 Rn. 193. 199 Patzak, in: Patzak / Volkmer / Fabricius, § 29 BtMG Rn. 1360; Weber, in: Weber / Kornprobst / Maier, § 29 BtMG Rn. 1764. 200 Patzak, in: Patzak / Volkmer / Fabricius, § 29 BtMG Rn. 1368. § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BtMG stellt hingegen die Werbung für Betäubungsmittel entgegen § 14 Abs. 5 BtMG unter Strafe, wobei anders als bei der öffentlichen Mitteilung einer Erwerbsgelegenheit bei Dritten die Werbung ein Hinweis des Werbenden auf eigene Liefermöglichkeiten ist, so Nestler, in: FG-Paulus, 133, 139; Oğlakcıoğlu, in: MüKo-StGB, § 29 BtMG Rn. 1403; Patzak, in: Patzak / Volkmer / Fabricius, § 29 BtMG Rn. 1375. 201 Patzak, in: Patzak / Volkmer / Fabricius, § 29 BtMG Rn. 1369; Weber, in: Weber / Kornprobst / Maier, § 29 BtMG Rn. 1776 jeweils m. w. N. 202 Weber, in: Weber / Kornprobst / Maier, § 29 BtMG Rn. 1784 sowie zur Definition in Teil 3 B. II. 1. a).
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
dieser verhängte Nischen einrichtet oder Lokalräume verdunkelt.203 Ein Gewähren wird hingegen angenommen, soweit sich das Lokal zwar ohne Zutun des Gastwirts zum Drogenlokal entwickelt, er dies aber entgegen seiner Garantenstellung aus § 13 Abs. 1 StGB nicht nur duldet, sondern unterstützt und Gegenmaßnahmen unterlässt.204 Vor diesem Hintergrund wird das Errichten und Unterhalten einer vom Betreiber auf den unerlaubten Umgang mit Betäubungsmitteln ausgerichteten Plattform sodann gar den Anforderungen an den Verschaffungstatbestand gerecht. Schließlich ist in dem Betreiben einer Plattform, die vonseiten des Betreibers als Onion Service aufgesetzt und etwa mittels wegweisender Kategorien dem Betäubungsmittelhandel gewidmet wird, eine Bemühung desselben zur Herbeiführung günstiger äußerer Bedingungen zu erblicken, die den unerlaubten Absatz oder unerlaubten Erwerb der jeweiligen Nutzer erleichtern beziehungsweise fördern. Ähnlich des Gastwirts, der verhängte Nischen einrichtet und Lokalräume verdunkelt, entfaltet der Betreiber durch eine erkennbar auf den Betäubungsmittelhandel ausgerichtete und die Identitäten verschleiernde Plattform Bemühungen, besonders günstige äußere Bedingungen herbeizuführen und besorgt diesen insoweit Zugang zu einer fremden Quelle im obigen Sinne.205 Dabei übersteigt das Einrichten einer entsprechenden, ganz oder teilweise auf den unerlaubten Betäubungsmittelhandel ausgerichteten Infrastruktur als aktives Verschaffen von Gelegenheit die bloße Duldung der Nutzung der virtuellen Räumlichkeiten als ein passives Gewähren einer solchen. Der Gewährungstatbestand würde hingegen exemplarisch für die an anderer Stelle noch zu fokussierenden Betreiber an Bedeutung gewinnen, deren für sich genommen legale Plattform ohne Zutun des Betreibers seitens der Nutzer als Drogenumschlagsplatz missbraucht wird und die sodann keine Gegenmaßnahmen ergreifen, wobei dort freilich die Privilegierung des § 10 TMG zu beachten wäre. Desgleichen kann etwa die öffentliche oder – je nach Einzelfall – eigennützige Bekanntmachung der Darknet-Plattform als Gelegenheit im Surface Web in sogenannten Link-Listen oder auf anderen Darknet-Foren im obigen Sinne die Variante des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 Var. 3 BtMG erfüllen.206 Ordnet man ferner die Verkaufsangebote der Nutzer als Gelegenheit ein, ist ein öffentliches oder eigennütziges Mitteilen einer solchen denkbar, sofern der Betreiber etwa durch Werbebanner und Aktionen auf besondere Angebote hinweist.207 203
Siehe Fallgruppe 2 bei Körner, MDR 1989, 956, 958; auch Franke, in: Franke / Wienroeder, § 29 Rn. 193; wohl auch Oğlakcıoğlu, in: MüKo-StGB, § 29 BtMG Rn. 1392 und Weber, in: Weber / Kornprobst / Maier, § 29 BtMG Rn. 1752. 204 So Fallgruppe 3 bei Körner, MDR 1989, 956, 958; vgl. Franke, in: Franke / Wienroeder, § 29 Rn. 193; Oğlakcıoğlu, in: MüKo-StGB, § 29 BtMG Rn. 1398; siehe auch BGH v. 16. 12. 1999 – 4 StR 496/99, NStZ 2000, 208. 205 Zum Verschaffen bei Errichten einer Darknet-Plattform auch Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 106 f. 206 Ähnlich Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 108. 207 Zu § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 Var. 3 BtMG siehe Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 98; Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 108 f.; allgemeiner schon Rüffer, in: Rückert / Wüst, KriPoZ 2018, 247, 252 sowie Fünfsinn / Krause, in: FS-Eisenberg, 641, 650.
B. Täterschaft im Rahmen extensiv gefasster Tatbestände
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b) Enge Verbindung zur geförderten Handlung Ungeachtet der Frage, nach welchen Grundsätzen insbesondere die Begriffe des „Verschaffens“ und „Gewährens“ trennscharf abzugrenzen sind, besteht Einigkeit jedenfalls dahingehend, dass beide Tatmodalitäten unter Würdigung des Bestimmtheitsgebots nach Art. 103 Abs. 2 GG eine einschränkende Auslegung gebieten. Insoweit bedarf es zur Vermeidung eines uferlosen Tatbestands nach herrschender Auffassung wenigstens einer engen Verbindung der Tat zu der geförderten Handlung.208 Ausgehend davon findet sich teils die Formulierung, das Verschaffen einer Gelegenheit müsse eine Tätigkeit beinhalten, die günstige äußere Bedingungen für den unbefugten Erwerb oder die Abgabe schafft, die diesen sodann unmittelbar förderlich ist.209 Im Rahmen des § 180 StGB hatte der BGH ferner zuvor schon darauf verwiesen, dass die Vorschrift lediglich „bestimmte, typische Förderungshandlungen“, nicht hingegen jede Art der Unterstützung erfassen will.210 In der Folge werden für eine einschränkende Auslegung auch im Rahmen von § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 BtMG inzwischen zumeist beide Einschränkungen herangezogen, das heißt sowohl die Unmittelbarkeit als auch diejenige der typischen Förderungshandlung.211 Den Tatbestand verwirkliche demnach nur derjenige, dessen Handlung dem unbefugten Erwerb oder der unbefugten Abgabe unmittelbar förderlich ist212 oder sich als typische Förderungshandlung erweist.213 Verneint wird eine solche unmittelbare oder typische Förderungshandlung daher bei Vorliegen von wesentlichen Zwischenakten mit Blick auf den bevorstehenden Erwerb etwa bei Hingabe einer Paketmarke durch einen Häftling an einen anderen Insassen, um sich Betäubungsmittel in die Vollzugsanstalt senden zu lassen.214 Gleiches gilt für Alltagsgeschäfte wie dem Verkauf von Waagen, solange diese keinen unmittelbaren Bezug zum geplanten Erwerb oder der bevorstehenden Abgabe aufweisen.215 Eine typische Förderungshandlung liege hingegen vor, soweit 208
BayObLG v. 20. 06. 1991 – RReg. 4 St 10/91, BayObLGSt 1991, 85, 86; BayObLG v. 30. 07. 1982 – RReg. 4 St 140/82, BayObLGSt 1982, 100; Oğlakcıoğlu, in: MüKo-StGB, § 29 BtMG Rn. 1391, 1395, 1397; Weber, in: Weber / Kornprobst / Maier, § 29 BtMG Rn. 1751, 1765. 209 BayObLG v. 30. 07. 1982 – RReg. 4 St 140/82, BayObLGSt 1982, 100 f.; BayObLG v. 20. 06. 1991 – RReg. 4 St 10/91, BayObLGSt 1991, 85, 86. 210 BGH v. 24. 04. 1959 – 4 StR 73/59, NJW 1959, 1284 zu § 180 Abs. 1 StGB. 211 BayObLG v. 20. 06. 1991 – RReg. 4 St 10/91, BayObLGSt 1991, 85 ff.; Oğlakcıoğlu, in: MüKo-StGB, § 29 BtMG Rn. 1391, 1395, 1397; Weber, in: Weber / Kornprobst / Maier, § 29 BtMG Rn. 1751, 1765. 212 Aus der Rechtsprechung etwa BayObLG v. 30. 07. 1982 – RReg. 4 St 140/82, BayObLGSt 1982, 100; BayObLG v. 20. 06. 1991 – RReg. 4 St 10/91, BayObLGSt 1991, 85, 86; BayObLG v. 27. 05. 2003 – 4 St RR 47/2003, BayObLGSt 2003, 69, 71. 213 Zu § 180 Abs. 1 StGB bereits BGH v. 24. 04. 1959 – 4 StR 73/59, NJW 1959, 1284; BayObLG v. 20. 06. 1991 – RReg. 4 St 10/91, BayObLGSt 1991, 85, 87. 214 BayObLG v. 20. 06. 1991 – RReg. 4 St 10/91, BayObLGSt 1991, 85; siehe hierzu auch Oğlakcıoğlu, in: MüKo-StGB, § 29 BtMG Rn. 1395; Weber, in: Weber / Kornprobst / Maier, § 29 BtMG Rn. 1753. 215 Weber, in: Weber / Kornprobst / Maier, § 29 BtMG Rn. 1753.
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entsprechende Räumlichkeiten zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe bereitgehalten würden.216 Würdigt man daraufhin obige Eingrenzungsversuche, so bleibt zunächst fraglich, inwieweit das Betreiben einer Plattform im Darknet eine derart enge Verbindung zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe der Nutzer aufweist.217 Obgleich das Bereitstellen einer auf den Betäubungsmittelhandel ausgerichteten Plattform für den jeweiligen Nutzer angesichts der spezifischen Ausgestaltung derselben durchaus günstig anmuten mag, muss man dort jedenfalls anerkennen, dass Gewahrsamsübertragung in Form der Lieferung beziehungsweise der Übergabe – anders als bei den zuvor als Vergleich herangezogenen Gastwirtschaftsräumen – gerade nicht unmittelbar auf der entsprechenden Plattform stattfindet. Zwischen dem Betrieb der Plattform als Verschaffen einer Gelegenheit und der unerlaubten Abgabe beziehungsweise dem unerlaubten Erwerb liegt insoweit eine weitere notwendige Handlung in Gestalt der außerhalb der Plattform erfolgenden Lieferung der Betäubungsmittel. Es bedarf dort zwangsläufig des Übergangs in die analoge Welt, die wohl zumindest eine Unmittelbarkeit im obigen Sinne ausschließen dürfte. Inwieweit aber die Kriterien der „Unmittelbarkeit“ sowie der „typischen Förderungshandlung“ inhaltlich übereinstimmen oder aber einen abweichenden Bedeutungsgehalt aufweisen, ließ die Rechtsprechung bislang ausdrücklich dahinstehen.218 In der Literatur wird zudem vereinzelt und mit Blick auf § 180 StGB darauf verwiesen, typische Förderungshandlungen würden sich teilweise, aber nicht zwangsläufig mit dem Begrenzungskriterium der „Unmittelbarkeit“ decken.219 Legt man ebendieses Verständnis zugrunde, ließe sich bei Berücksichtigung der Wortwahl durchaus argumentieren, dass typische Förderungshandlungen zwar eine gegenüber den unmittelbaren Förderungshandlungen weniger enge Verbindung zur geförderten Handlung aufweisen, erstere aber gleichsam eine noch hinreichend – wie sie die Rechtsprechung wohl jedenfalls fordert – „enge, typische Verbindung zu der geförderten Handlung“220 begründen. Wird daher eine Darknet-Plattform vergleichbar eines Gastwirtschaftsraums bereitgehalten, die zugleich speziell an die Bedürfnisse der Nutzer angepasst ist, indem insbesondere die Schaffung eindeutiger Kategorien mit Bezug zum Betäubungsmittelhandel das Auffinden von kriminellen Pendants erleichtert und die Implementierung von Treuhand- und verschlüsselten Kommunikationssystemen die reibungslose Abwicklung von Geschäften sicherstellt, scheint dies prima facie dem unbefugten Erwerb beziehungsweise der unbefugten Abgabe durch die Nutzer durchaus in typischer Weise förderlich. Dass die Ablieferung der georderten 216
BayObLG v. 20. 06. 1991 – RReg. 4 St 10/91, BayObLGSt 1991, 85, 87. Dazu siehe schon Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 103 ff. 218 BayObLG v. 20. 06. 1991 – RReg. 4 St 10/91, BayObLGSt 1991, 85, 87. 219 Ausdrücklich Maurach / Schroeder / Maiwald / Hoyer / Momsen, Strafrecht Besonderer Teil, Bd. 1, § 20 Rn. 29 zu § 180 StGB. Zu § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 BtMG nunmehr auch Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 105. 220 BayObLG v. 20. 06. 1991 – RReg. 4 St 10/91, BayObLGSt 1991, 85, 87. 217
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Betäubungsmittel daher nicht unmittelbar auf der Plattform als Gelegenheit vorgenommen wird, ist dabei allein dem digitalen Dasein derselben geschuldet. Auch im Anschluss an die Erlangung der tatsächlichen Verfügungsgewalt durch den Nutzer infolge der Ablieferung der Betäubungsmittel werden weitere Schritte unter Zuhilfenahme der Plattform vorgenommen, gemeint ist beispielsweise die Freigabe der Zahlungsmittel durch den Käufer bei Einbeziehung eines Treuhandservices oder aber die Abgabe einer Bewertung zur Lieferung. Dass die Ablieferung der Betäubungsmittel selbst daher abseits der Plattform als Gelegenheit an der Schnittstelle zur analogen Welt vorgenommen wird, ändert nichts an der typischen Bedeutung und engen Verbindung des Betriebs einer auf den Betäubungsmittelhandel ausgerichteten Plattform im Darknet für den unbefugten Erwerb oder der unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln. Dieser stellt insoweit jedenfalls eine typische Förderungshandlung dar.221 4. Eigennützigkeit Anders als die Mitteilung (Var. 3) einer Gelegenheit, welche lediglich tatbestandlich ist, sofern diese öffentlich oder eigennützig erfolgt, erfordert die Verschaffung (Var. 1) einer solchen ferner nicht die Eigennützigkeit des Täterverhaltens.222 Den Tatbestand des Verschaffens einer Gelegenheit im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 Var. 1 BtMG erfüllt demnach auch derjenige, der die Gelegenheit zum Erwerb oder zur Abgabe von Betäubungsmitteln uneigennützig verschafft.223 Welche Motive den Plattformbetreiber im Darknet hinsichtlich der Verschaffung einer Gelegenheit zum unerlaubten Umgang mit Betäubungsmitteln in Form des Bereitstellens einer kriminellen Infrastruktur leiten, ist demnach im Rahmen des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 Var. 1 BtMG unbeachtlich. Entscheidender Wert jener Vorschrift liegt demnach – neben der einhergehenden Beweiserleichterung224 – in der Möglichkeit, selbst diejenigen Plattformen im Darknet erfassen zu können, die kein umfängliches Provisionssystem vorsehen.225 Insoweit schließt § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 Var. 1 BtMG für den Bereich des Handels mit Betäubungsmitteln eine etwaige Lücke in Bezug auf eine täterschaftliche Strafbarkeit des Plattformbetreibers, soweit sich ein „Handeltreiben“ im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG mangels Eigennützigkeit des Täterverhaltens nicht begründen lässt. 221 Im Ergebnis mit weiterführender Begründung siehe Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 103 ff. 222 Bölter, NStZ 1998, 224, 226; Patzak, in: Patzak / Volkmer / Fabricius, § 29 BtMG Rn. 1363; Weber, in: Weber / Kornprobst / Maier, § 29 BtMG Rn. 1761; a. A. Hoffmann-Riem, NStZ 1998, 7, 10 f. 223 Weber, in: Weber / Kornprobst / Maier, § 29 BtMG Rn. 1761. 224 Zur Erleichterung bei § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 BtMG auch Fünfsinn / Krause, in: FS-Eisenberg, 641, 650. 225 Bereits Bartl / Moßbrucker / Rückert, Angriff auf die Anonymität im Internet, S. 6; Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 97.
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5. Zusammenfassung Das Betreiben einer Plattform im Darknet, die angesichts der spezifischen Ausgestaltung den unerlaubten Umgang mit Betäubungsmitteln erleichtert oder fördert, stellt wie gesehen ein Verschaffen einer Gelegenheit zum unbefugten Erwerb sowie der unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 Var. 1 BtMG dar. Die Tat ist dabei bereits vollendet, sobald die angebotenen günstigen Bedingungen von einem konkreten Nutzer hätten in Anspruch genommen werden können, ohne dass es auf den tatsächlichen Gebrauch derselben ankäme.226 Macht der Betreiber die dem Handel mit Betäubungsmittel ganz oder teilweise gewidmete Plattform als Gelegenheit sodann zugleich etwa im Surface Web oder auf anderweitigen Darknet-Foren bekannt, ließe sich hierin zwar gleichermaßen eine öffentliche Mitteilung einer Gelegenheit im Sinne von § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 Var. 3 BtMG erblicken. Diese tritt jedoch hinter dem Verschaffungstatbestand als schwächere Variante zurück.227 Anders als im Falle des Handeltreibens nach Maßgabe des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG sind zwar hinsichtlich des Verschaffens einer Gelegenheit die Qualifikationstatbestände der §§ 29a bis 30a BtMG nicht anwendbar. Denkbar bleibt jedoch ein besonders schwerer Fall bei gewerbsmäßiger Deliktsbegehung nach Maßgabe des § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG, der immerhin eine Freiheitsstrafe von nicht unter einem Jahr vorsieht, wobei dies abermals für das Konkurrenzverhältnis zu § 127 StGB von Bedeutung sein wird.228 Für die Praxis erweist sich § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 BtMG daher als weitere bedeutsame Vorschrift zur Erfassung des Betreibens einer dem unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln dienenden Plattform im Darknet.
IV. Handeltreiben im AntiDopG, GÜG, NpSG, AMG, StGB und KrWaffKontrG Die Tatmodalität des Handeltreibens findet sich obendrein in weiteren für das Darknet szenetypischen und von § 127 Abs. 1 Satz 2 StGB gelisteten Deliktstatbeständen,229 wobei sich diese zur Bestimmung des Handeltreibens allesamt der 226
Siehe allgemein hierzu Oğlakcıoğlu, in: MüKo-StGB, § 29 BtMG Rn. 1422; Patzak, in: Patzak / Volkmer / Fabricius, § 29 BtMG Rn. 1397; Weber, in: Weber / Kornprobst / Maier, § 29 BtMG Rn. 1793. 227 Patzak, in: Patzak / Volkmer / Fabricius, § 29 BtMG Rn. 1401; Weber, in: Weber / Kornprobst / Maier, § 29 BtMG Rn. 1814. 228 Zur formellen Subsidiarität des § 127 StGB vgl. Teil 3 I. III. 9. Allgemein auf den besonders schweren Fall verweisend bereits Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 12 f.; Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 107. 229 Darauf verweist unter Listung einiger der nachfolgenden Vorschriften schon etwa Greco, ZIS 2019, 435, 440; weiterführend zur Tatmodalität des „Handeltreibens“ verschiedener Deliktsbereiche auch Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 109 ff., 175 ff.; Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 99 ff.
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im Rahmen des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG von der Rechtsprechung geprägten Auslegung bedienen.230 Die Einordnung der Tätigkeit des Betreibers krimineller Infrastruktur im Darknet als täterschaftliches Handeltreiben läuft dort daher im Gleichlauf zu den mit Blick auf die §§ 29 ff. BtMG erläuterten Grundsätzen, sodass an dieser Stelle nur knapp auf die gemeinten Strafvorschriften verwiesen sei. Entscheidend ist insoweit gleichermaßen, inwieweit der Betreiber aus Eigennutz handelt und sich dessen Tätigkeit nach den allgemeinen Abgrenzungsregeln als täterschaftlich darstellt. Soweit ein täterschaftliches Handeltreiben insbesondere im Hinblick auf professionell organisierte Darknet-Marktplätze in Betracht kommt, hält eine Vielzahl der nachfolgend genannten Tatbestände ferner eine erhöhte Strafandrohung für die auch im Darknet denkbare gewerbs- oder bandenmäßige Deliktsbegehung bereit. Sowohl für die Tathandlung des Grundtatbestands als auch für eine etwaige gewerbs- oder bandenmäßige Deliktsbegehung ist daher auf die Ausführungen im Rahmen der §§ 29 ff. BtMG zu verweisen.231 In diesem Sinne wird nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 AntiDopG bestraft, wer entgegen § 2 Abs. 1 Nr. 2 AntiDopG mit einem Dopingmittel Handel treibt, wobei § 4 Abs. 4 Nr. 1 lit. c AntiDopG einen Qualifikationstatbestand für das Erlangen von Vermögensvorteilen großen Ausmaßes aus grobem Eigennutz232 und § 4 Abs. 4 Nr. 2 lit. b AntiDopG Qualifikationstatbestände für das gewerbsmäßige (Alt. 1) oder bandenmäßige (Alt. 2) Handeltreiben vorsieht.233 § 19 Abs. 1 Nr. 1 GÜG bestraft denjenigen mit Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe, der entgegen der Verbotsnorm des § 3 GÜG mit einem Grundstoff im Sinne des § 1 Nr. 1 GÜG Handel treibt. § 19 Abs. 3 Satz 2 GÜG hält zudem einen besonders schweren Fall bei Gewerbsmäßigkeit (Nr. 1) oder bei Handeln als Mitglied einer Bande (Nr. 2) bereit. Im Bereich des unerlaubten Umgangs mit neuen psychoaktiven Stoffen bestraft § 4 Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 NpSG denjenigen, der entgegen § 3 Abs. 1 NpSG mit einem neuen psychoaktiven Stoff im Sinne des § 2 Nr. 1 NpSG Handel treibt. § 4 Abs. 3 Nr. 1 lit. a NpSG hält ferner einen Qualifikationstatbestand im Falle gewerbsmäßiger (Alt. 1) oder bandenmäßiger (Alt. 2) Deliktsbegehung bereit.
230
Zu § 4 Abs. 1 Nr. 1 AntiDopG: Kornprobst, in: Weber / Kornprobst / Maier, § 4 AntiDopG Rn. 45; zu § 19 Abs. 1 Nr. 1 GÜG: Wußler, in: Erbs / Kohlhaas, § 19 GÜG Rn. 2; Volkmer / Patzak, in: Patzak / Volkmer / Fabricius, § 19 GÜG Rn. 18; zu § 4 NpSG: Oğlakcıoğlu, in: MüKo-StGB, § 4 NpSG Rn. 16; zu § 95 Abs. 1 AMG: Raum, in: Kügel / Müller / Hofmann, AMG, § 95 Rn. 32a; Volkmer / Fabricius, in: Patzak / Volkmer / Fabricius, § 95 AMG Rn. 181a; zum KrWaffKontrG: B. Heinrich, in: MüKo-StGB, § 19 KrWaffKontrG Rn. 9; Holthausen, NJW 1991, 203, 204 Fn. 12. 231 Siehe Teil 3 B. II. 232 Zu den Voraussetzungen des Qualifikationstatbestands des § 4 Abs. 4 Nr. 1 lit. c AntiDopG siehe Kornprobst, in: Weber / Kornprobst / Maier, § 4 AntiDopG Rn. 293 ff. 233 Auf § 4 Abs. 4 Nr. 2 lit. b AntiDopG verweisend auch Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 100 f.
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Nach § 95 Abs. 1 Nr. 3a AMG wird das Handeltreiben mit gefälschten Arzneimitteln oder Wirkstoffen entgegen § 8 Abs. 2 AMG bestraft. Darüber hinaus stellt § 95 Abs. 1 Nr. 4 Alt. 1 AMG das Handeltreiben mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln außerhalb einer Apotheke entgegen § 43 Abs. 1 Satz 2 AMG unter Strafe.234 Bei Vorliegen eines besonders schweren Falls hält § 95 Abs. 3 Satz 1 AMG ferner eine erhöhte Strafandrohung bereit. In Betracht kommt dort zum einen der benannte besonders schwere Fall des § 95 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 lit. c AMG, der abweichend von § 4 Abs. 4 Nr. 1 lit. c AntiDopG nicht als Qualifikationstatbestand ausgestaltet ist. Insbesondere aber gewinnt dort für die gewerbs- oder bandenmäßige Deliktsbegehung § 95 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 AMG an Bedeutung.235 Auch die im Jahr 2021 in das Strafgesetzbuch aufgenommene und von § 127 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 lit. a StGB gelistete Vorschrift des § 184l StGB236 sieht in § 184l Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB die Tathandlung des „Handeltreibens“ vor. Bestraft wird danach, wer mit einer körperlichen Nachbildung eines Kindes oder eines Körperteils eines Kindes, die nach ihrer Beschaffenheit zur Vornahme sexueller Handlungen bestimmt ist, Handel treibt. Die Tathandlung des „Handeltreibens“ wird in den Gesetzesmaterialien dabei ebenfalls im Gleichlauf zu jener im Rahmen der §§ 29 ff. BtMG definiert,237 sodass das mit Gewinnerzielungsabsicht vorgenommene Betreiben darauf gerichteter Plattformen grundsätzlich fassbar wäre. Betreffend den unerlaubten Umgang mit Kriegswaffen beziehen letztlich auch die als Verbrechenstatbestände ausgestalteten und damit ebenfalls von § 127 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB erfassten Tatbestände der §§ 19 Abs. 1 Nr. 1, 20 Abs. 1 Nr. 1, 20a Abs. 1 Nr. 1 KrWaffKontrG die Tatmodalität des Handeltreibens ein.238 Auch in diesem Bereich ist daher eine unmittelbare Täterschaft des Plattformbetreibers ohne Rückgriff auf § 127 StGB grundsätzlich denkbar. Daneben sehen § 19 Abs. 2 Nr. 1 KrWaffKontrG und § 20a Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 KrWaffKontrG relevante Strafschärfungen vor.
234
Wüst diskutiert ferner eine Arzneivermittlung nach § 96 Nr. 14a AMG, siehe Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 111. 235 Wüst verweist etwa auf § 95 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 lit. c AMG, dazu Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 110 f.; Weber thematisiert hingegen § 95 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 AMG, wobei zutreffend darauf verwiesen wird, dass die Variante des Handeltreibens dort nicht ausdrücklich aufgenommen wurde, dazu Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Dark net, S. 102 f. 236 § 184l StGB wurde eingefügt durch das Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder vom 16. 06. 2021, BGBl. I 2021, S. 1810. 237 Vgl. BT-Drs. 19/23707, S. 42 f. 238 Dort käme zugleich die in den §§ 19 bis 20a KrWaffKontrG befindliche Modalität des „Förderns“ (§§ 19 Abs. 1 Nr. 2, 20 Abs. 1 Nr. 2, 20a Abs. 1 Nr. 3 KrWaffKontrG) in Betracht. Zur Tatmodalität B. Heinrich, in: MüKo-StGB, § 19 KrWaffKontrG Rn. 13 ff.; speziell in diesem Zusammenhang und zugleich auf die Vermittlung von Auslandsgeschäften nach § 22a Abs. 1 Nr. 7 KrWaffKontrG verweisend ausführlich Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 116 f.
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V. Handeltreiben im Sinne der §§ 51, 52 WaffG Abseits des Kernstrafrechts gewinnen mit Blick auf eine täterschaftliche Verantwortlichkeit des Betreibers einer unter anderem auf den unerlaubten Handel mit Waffen und Munition gerichteten Plattform schlussendlich die Strafvorschriften der §§ 51, 52 WaffG grundsätzlich an Bedeutung.239 Schließlich umschreiben neben dem Verbrechenstatbestand des § 51 WaffG zugleich die Vergehenstatbestände des § 52 WaffG die Tatmodalität des „Handeltreibens“, hinsichtlich derer die Einordnung der Zurverfügungstellung einer dem unerlaubten Waffenhandel dienenden Plattform begründbar erscheint. Konkret findet die Tatmodalität des „Handeltreibens“ etwa in § 51 Abs. 1 WaffG (Handeltreiben mit Vollautomaten oder Vorderschaftrepetierflinten), § 52 Abs. 1 Nr. 1 WaffG (Handeltreiben mit ehemaligen Kriegswaffen und Brandsätzen), § 52 Abs. 1 Nr. 2 lit. c WaffG (Handeltreiben mit erlaubnispflichtigen Schusswaffen und erlaubnispflichtiger Munition), § 52 Abs. 3 Nr. 1 WaffG (Handeltreiben mit verbotenen Waffen) sowie in die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit des § 52 Abs. 4 WaffG Eingang. Ebenjene Vorschriften sehen ferner – insbesondere der besonders schwere Fall des § 51 Abs. 2 WaffG sowie des § 52 Abs. 5 WaffG bei gewerbs- oder bandenmäßiger Begehung mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren – einen durchaus hohen Strafrahmen vor. 1. „Vermittlung“ des Erwerbs, des Vertriebs oder des Überlassens Die benannte Modalität des „Handeltreibens“ wird gemäß der Begriffsbestimmung in § 1 Abs. 4 WaffG in Verbindung mit Anlage 1 Abschnitt 2 Nr. 9 definiert, wobei der dortige Terminus des „Handeltreibens“ nicht demjenigen des Betäubungsmittelgesetzes entspricht.240 Der Begriffsbestimmung in Anlage 1 Abschnitt 2 Nr. 9 zufolge „treibt Waffenhandel, wer gewerbsmäßig oder selbstständig im Rahmen einer wirtschaftlichen Unternehmung Schusswaffen oder Munition ankauft, feilhält, Bestellungen entgegennimmt oder aufsucht, anderen überlässt oder den Erwerb, den Vertrieb oder das Überlassen vermittelt“.241 Das „Treiben“ von Waffenhandel fungiert insoweit erkennbar als ein Oberbegriff für die gelisteten unterschiedlichen Formen eines Waffenhandels.242 Innerhalb der verschie 239 Darauf verweisend etwa Bachmann / Arslan, NZWiSt 2019, 241, 243; Bitz, in: VI. Sammelband-GKPR, 36, 47; Gercke, ZUM 2019, 789, 799; Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 12; ausführlich Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 104 ff.; Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 112 ff. 240 Gemeint ist die Tathandlung des „Handeltreibens“ im Rahmen der §§ 29 ff. BtMG. Zum abweichenden Begriffsverständnis etwa B. Heinrich, in: Steindorf, § 51 WaffG Rn. 14; Weber, JR 2006, 139, 141. 241 Zum „Handeltreiben“ im Sinne des WaffG etwa auch Gade, WaffG, Anlage 1 Rn. 187; B. Heinrich, in: Steindorf, WaffG Anlage 1 Rn. 224; B. Heinrich, in: MüKo-StGB, § 1 WaffG Rn. 219. 242 B. Heinrich, in: Steindorf, WaffG Anlage 1 Rn. 224; B. Heinrich, in: MüKo-StGB, § 1 WaffG Rn. 219.
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denen Ausprägungen eines „Handeltreibens“ ist es sodann die Tatmodalität der „Vermittlung“ des Erwerbs, des Vertriebs oder des Überlassens von Schusswaffen beziehungsweise Munition, welche mit Blick auf die Tätigkeit des Betreibers an Bedeutung gewinnt. „Vermitteln“ in diesem Sinne bedeutet dabei gemeinhin eine Mitwirkung am Zustandekommen von Rechtsgeschäften, sei es etwa die Herbeiführung des Abschlusses eines schuldrechtlichen Vertrags, der bloße Nachweis einer Gelegenheit zum Vertragsschluss oder die Mitteilung des Angebots.243 Ungeachtet der konkreten Ausgestaltung einer Mitwirkung erfordert ein vollendetes Vermitteln jedenfalls das Zustandekommen eines darauf gerichteten schuldrechtlichen Rechtsgeschäfts, als ansonsten schlicht der Versuch einer Vermittlung denkbar bliebe.244 Ohne Bedeutung ist indes, inwieweit das jeweilige Rechtsgeschäft tatsächlich durchgeführt wird, indem die Schusswaffe oder Munition tatsächlich überlassen wird.245 Eines Erfolgs der Vermittlungstätigkeit bedarf es mit Blick auf eine Tatvollendung demnach schlicht hinsichtlich des zugrundeliegenden schuldrechtlichen Rechtsgeschäfts.246 Ein vollendetes Vermitteln beziehungsweise allgemein ein Handeltreiben im Sinne des WaffG verlangt ferner herrschend die Existenz der jeweiligen Schusswaffe oder Munition.247 Wenngleich der Handel mit Schusswaffen auf Darknet-Plattformen häufig untersagt ist,248 lässt sich die Tätigkeit des Betreibers einer im Einzelfall auf den unerlaubten Waffenhandel ausgerichteten Plattform jedoch im Grundsatz als „Vermittlung“ in diesem Sinne erfassen.249 Zwar erschöpft sich die Tätigkeit des Plattformbetreibers im Darknet meist in der Zurverfügungstellung und Aufrechterhaltung einer auf den unerlaubten Waffenhandel ausgerichteten Infrastruktur.250 Die Plattform entpuppt sich jedoch zugleich als verbindendes Medium möglicher Delinquenten, mithilfe dessen ein Plattformbetreiber den jeweiligen Nutzern die Suche eines delinquenten Pendants gezielt erleichtert. Der Beitrag des Plattform 243
Zum „Vermitteln“ auch BGH v. 07. 02. 1979 – 2 StR 523/78, BGHSt 28, 294 f.; BGH v. 02. 07. 1981 – 1 StR 195/81, NStZ 1983, 172; Apel, in: Apel / Bushart, § 21 WaffG Rn. 31; B. Heinrich, in: Steindorf, WaffG Anlage 1 Rn. 230; B. Heinrich, in: MüKo-StGB, § 1 WaffG Rn. 225; Pauckstadt-Maihold / Lutz, in: Erbs / Kohlhaas, § 52 WaffG Rn. 18. 244 B. Heinrich, in: Steindorf, WaffG Anlage 1 Rn. 230; B. Heinrich, in: MüKo-StGB, § 1 WaffG Rn. 225. 245 B. Heinrich, in: Steindorf, WaffG Anlage 1 Rn. 230; B. Heinrich, in: MüKo-StGB, § 1 WaffG Rn. 225; Pauckstadt-Maihold / Lutz, in: Erbs / Kohlhaas, § 1 WaffG Rn. 32. 246 B. Heinrich, in: MüKo-StGB, § 1 WaffG Rn. 225. 247 Sofern die Waffe daher tatsächlich nicht existiert, der Täter aber an deren Existenz glaubt, bleibt ein versuchtes Handeltreiben denkbar, vgl. B. Heinrich, in: MüKo-StGB, § 1 WaffG Rn. 228. 248 Siehe dazu Teil 1 C. II. 1. 249 Im Ergebnis etwa auch Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 12; ebenfalls Bachmann / Arslan, NZWiSt 2019, 241, 243; Zöller, International Cybersecurity Law Review 2021, 279, 284; ausführlich Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Dark net, S. 104 f.; Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 113 f. 250 Für den Fall, dass der Plattformbetreiber im Einzelfall zusätzliche Handlungen vornimmt oder gar eigene Inhalte bereitstellt vgl. Teil 1 C. IV.
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betreibers fördert demnach gezielt durch die Einrichtung entsprechender Kategorien und Unterkategorien – teils auch durch das Schalten von Werbeanzeigen – das Zustandekommen der auf den Waffenhandel gerichteten schuldrechtlichen Rechtsgeschäfte der Nutzer, als dieser jedenfalls die Herstellung eines ersten Kontakts zwischen den Nutzern begünstigt. Vollendung ist dabei gegeben, sobald je nach Einzelfall nutzerseitig die schuldrechtlichen Rechtsgeschäfte über den Waffenhandel zustande gekommen sind. Letzten Endes entscheidet über die Erfassung der Tätigkeit des Plattformbetreibers mithilfe der §§ 51, 52 WaffG jedoch die für ein Handeltreiben augenscheinlich erforderliche Gewerbsmäßigkeit oder Selbstständigkeit im Rahmen einer wirtschaftlichen Unternehmung, wobei zunächst die allgemeinen Grundsätze gelten. Demnach kann zur Bestimmung der Gewerbsmäßigkeit erneut auf die im Kernstrafrecht geltenden Bestimmungen verwiesen werden, wonach jede selbstständige auf gewisse, wenn auch begrenzte Dauer angelegte und mit der Absicht der Gewinnerzielung vorgenommene Tätigkeit, als gewerbsmäßig gilt.251 Selbstständig handelt außerdem, wer nach außen hin in eigener Verantwortung auftritt und (oder) wem nach innen die Leitung eines Betriebs zukommt.252 Und schließlich gilt als wirtschaftliche Unternehmung jede von einer natürlichen oder juristischen Person vorgenommene Zusammenfassung persönlicher und sachlicher Mittel zur Erreichung eines wirtschaftlichen Zwecks, wenn hierdurch am Wirtschaftsverkehr teilgenommen wird.253 Insoweit erscheint mit Blick auf die Plattformbetreiber sodann vornehmlich die Alternative der Gewerbsmäßigkeit des Handelns von Bedeutung, wobei ebendiese abermals schlicht mit Blick auf die Betreiber von professionell organisierten Marktplätzen mit Provisionssystem je Verkaufsgeschäft zu begründen sein wird. 2. Zusammenfassung Jedenfalls für das Betreiben professionell organisierter Marktplätze mit Provisionssystem ist ein Vermitteln und damit ein Handeltreiben im Sinne der §§ 51, 52 WaffG je nach Einzelfall begründbar. Freilich bleibt insoweit der Nachteil, dass die Variante des „Handeltreibens“ den Nachweis des Abschlusses schuldrechtlicher Rechtsgeschäfte der Nutzer bedarf.254 Bereits die §§ 51, 52 WaffG sehen jedoch 251
Zur Gewerbsmäßigkeit vgl. unter anderem LG München I v. 19. 01. 2018 – 12 KLs 111 Js 239798/16, BeckRS 2018, 5795 Rn. 622 ff.; B. Heinrich, in: MüKo-StGB, § 1 WaffG Rn. 229 sowie bereits Teil 3 B. II. 3. a). 252 Hierzu Gerlemann, in: Steindorf, § 21 WaffG Rn. 5; B. Heinrich, in: MüKo-StGB, § 1 WaffG Rn. 230. 253 Apel, in: Apel / Bushart, § 21 WaffG Rn. 18; Gerlemann, in: Steindorf, § 21 WaffG Rn. 5; B. Heinrich, in: MüKo-StGB, § 1 WaffG Rn. 230. 254 Zu Möglichkeiten eines solchen Nachweises siehe Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 113 f. Zur möglichen Bewältigung von Ermittlungshindernissen und damit einhergehend Nachweisschwierigkeiten im Darknet vgl. sodann die Ausführungen unter Teil 3 I. IV. 3.
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einen durchaus hohen Strafrahmen vor. Sofern sodann ein dahingehender Nachweis gelingt und die Betreiber von Handelsplattformen mit Provisionssystem dem Grunde nach den §§ 51, 52 WaffG unterfallen, ist schließlich an einen besonders schweren Fall nach § 51 Abs. 2 Satz 2 WaffG sowie § 52 Abs. 5 Satz 2 WaffG zu denken, wonach eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren insbesondere droht, sollte der Plattformbetreiber gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handeln.255
VI. Betreiben des Verkehrs nach § 40 Abs. 1 Nr. 2 SprengG Am Rande sei an dieser Stelle zugleich auf die von § 127 StGB ebenfalls als Katalogtat gelistete Vorschrift des § 40 Abs. 1 Nr. 2 SprengG verwiesen. Dort wird mit Strafe bedroht, wer ohne die erforderliche Erlaubnis entgegen § 7 Abs. 1 Nr. 2 SprengG den „Verkehr“ mit explosionsgefährlichen Stoffen „betreibt“. Der „Verkehr“ ist sodann in § 3 Abs. 2 Nr. 4 SprengG legaldefiniert als die „Bereitstellung auf dem Markt, der Erwerb, das Überlassen und das Vermitteln des Erwerbs, des Vertriebs und des Überlassens“. Dabei erfasst das Vermitteln des Erwerbs, des Vertriebs und des Überlassens ähnlich der §§ 51, 52 WaffG sämtliche Mitwirkungshandlungen am Zustandekommen dieser Rechtshandlungen.256 Vollendung ist dort bereits bei Aufnahme der Vermittlungen, bei Mitteilung eines Nachweises einer Gelegenheit oder bei Beginn der Vertragsverhandlungen mit einer Partei gegeben.257 Anders als im Rahmen des § 22a Abs. 1 Nr. 7 i. V. m. § 4a Abs. 1 KrWaffKontrG bedürfe es im Rahmen des § 40 Abs. 1 Nr. 2 SprengG zur Vollendung daher nicht, dass ein Vertrag tatsächlich zustande kam. Während nämlich in § 40 Abs. 1 Nr. 2 SprengG schlicht der Verstoß gegen § 7 Abs. 1 Nr. 2 SprengG mit Strafe bedroht werde, werde eine Strafbarkeit nach § 22a Abs. 1 Nr. 7 KrWaffKontrG an die Voraussetzung gekoppelt, dass der Vertrag vermittelt wurde. Die Erlaubnispflicht des § 7 Abs. 1 Nr. 2 SprengG greife aber bereits bei Absicht des Täters, einen Vertrag vermitteln zu wollen und nicht erst bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts.258 Über § 7 Abs. 1 SprengG findet wie auch im Rahmen der §§ 51, 52 WaffG eine Beschränkung auf unter anderem gewerbsmäßige (Var. 1) oder selbstständige im Rahmen einer wirtschaftlichen Unternehmung stattfindende (Var. 2) Tätigkeiten statt.259 Auch das gewerbsmäßige Betreiben einer Plattform, die unter anderem dem unerlaubten Handel von explosionsgefährlichen Stoffen dient, ist daher im Hinblick auf abgewickelte Nutzergeschäfte mit § 40 Abs. 1 Nr. 2 SprengG als unmittelbar täterschaftliches Handeln grundsätzlich fassbar. 255 Zu den benannten Strafschärfungen allgemein etwa B. Heinrich, in: MüKo-StGB, § 51 WaffG Rn. 9 ff. sowie speziell zu Plattformbetreibern im Darknet etwa Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 106 f.; Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 114. 256 B. Heinrich, in: MüKo-StGB, § 40 SprengG Rn. 51. 257 B. Heinrich, in: MüKo-StGB, § 40 SprengG Rn. 51. 258 B. Heinrich, in: MüKo-StGB, § 40 SprengG Rn. 51. 259 Allgemein hierzu B. Heinrich, in: MüKo-StGB, § 40 SprengG Rn. 60.
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VII. Das Zugänglichmachen und der Besitz nach §§ 184b, 184c StGB Im Kernstrafrecht gewinnen hinsichtlich des Betreibens einer auf den Austausch kinder- oder gegebenenfalls jugendpornografischer Inhalte ausgerichteten Tauschbörse vornehmlich die Straftatbestände der §§ 184b, 184c StGB an Bedeutung.260 § 184b StGB dient dabei dem Kinder- und Jugendschutz, primär dem Schutz von Kindern, welche als Darsteller in kinderpornografischen Schriften zu sehen sind und dabei sexuell missbraucht werden.261 Darüber hinaus soll einer Anreiz- sowie Nachahmungswirkung entgegengetreten werden, um den Markt für kinderpornografische Produkte zu bekämpfen.262 Von entscheidendem Wert ist § 184b StGB vorliegend nicht zuletzt deshalb, weil inzwischen sogar dessen Grundtatbestand in § 184b Abs. 1 Satz 1 StGB als Verbrechen ausgestaltet ist und einen Strafrahmen mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren vorsieht.263 Überdies beinhaltet der Qualifikationstatbestand des § 184b Abs. 2 StGB nunmehr eine Strafandrohung von nicht unter zwei Jahren Freiheitsstrafe. Ebendiese Erkenntnis ist sodann abermals mit Blick auf den an späterer Stelle eingehend zu fokussierenden, gegebenenfalls formell subsidiären § 127 StGB von Relevanz.264 Insbesondere die benannten kinderpornografischen Inhalte gelten jedoch auf den klassischen Darknet-Marktplätzen meist als sogenannte „forbidden goods“; diese werden vielmehr unmittelbar in eigens dafür geschaffenen Tauschbörsen beziehungsweise Foren durch die Nutzer getauscht.265 Bekanntes Darknet-Forum zum 260
Siehe zur Listung des Austauschs kinder- und jugendpornografischer Inhalte als im Darknet gehandelte und ausgetauschte Waren und Dienstleistungen Bundeskriminalamt, Bundeslagebild Cybercrime 2019, S. 30. §§ 184b, 184c StGB im vorliegenden Zusammenhang außerdem listend etwa Bachmann / Arslan, NZWiSt 2019, 241, 243; Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 12; ausführlich Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 108 ff. Allgemein zu den §§ 184 ff. StGB mit Blick auf den Handel von pornografischen Inhalten auf Darknet-Marktplätzen und Foren ausführlich – auch mit Blick auf die dortige Tathandlung des „Bewerbens“ siehe Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 121 ff., 183 ff. 261 BGH v. 24. 03. 1999 – 3 StR 240/98, BGHSt 45, 41, 43; BGH v. 27. 06. 2001 – 1 StR 66/01, BGHSt 47, 55, 61; Baier, ZUM 2004, 39, 40; Böse, in: FS-F. C. Schroeder, 751, 752; Eisele, in: Schönke / Schröder, § 184b Rn. 2; Harms, NStZ 2003, 646; Heger, in: Lackner / Kühl, § 184b Rn. 1; Hörnle, in: MüKo-StGB, § 184b Rn. 1; Laufhütte / Roggenbuck, in: LK-StGB, § 184 Rn. 2; Schroeder, ZRP 1990, 299 ff.; Schroeder, NJW 1993, 2581 f.; Wolters / Greco, in: SK-StGB, § 184b Rn. 1. 262 So BT-Drs. 12/3001, S. 5; Harms, NStZ 2003, 646; M. Heinrich, NStZ 2005, 361, 362; Hörnle, in: MüKo-StGB, § 184b Rn. 1 m. w. N. 263 § 184b StGB wurde mit Wirkung vom 01. 07. 2021 durch das Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder vom 16. 06. 2021, BGBl. I 2021, S. 1810, neu gefasst. Kritisch zur unterschiedslosen Anhebung der Mindeststrafandrohung siehe etwa Bussweiler, ZRP 2021, 84, 86. 264 Zur formellen Subsidiarität des § 127 StGB vgl. Teil 3 I. III. 9. 265 Bundeskriminalamt, Bundeslagebild Cybercrime 2016, S. 16; Bundeskriminalamt, Bundeslagebild Cybercrime 2018, S. 39; Bundeskriminalamt, Bundeslagebild Cybercrime 2019, S. 30. Siehe hierzu etwa den Sachverhalt zu der dem illegalen Austausch mit kinderpornografischen Inhalten dienenden Darknet-Plattform „The Giftbox Exchange“ beziehungsweise „Elysium“, LG Limburg v. 07. 03. 2019 – 1 KLs-3 Js 73019/18, BeckRS 2019, 34315.
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Austausch kinderpornografischer Inhalte war etwa die Plattform „Elysium“, auf der in thematisch dafür vorgesehenen Kategorien ein Eingangsbeitrag zum Posten von dauerhaft verfügbaren Links zu den Speicherorten der zur Veröffentlichung vorgesehenen Dateien eröffnet werden konnte, an die andere Nutzer sodann unmittelbar durch Aufruf und Eingabe eines Passworts gelangen konnten.266 Deren Betreiber wurden im Jahr 2019 unter anderem wegen des bandenmäßigen öffentlichen Zugänglichmachens kinderpornografischer Schriften verurteilt.267 Zudem hatte die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main – Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität – sowie das Bundeskriminalamt in einem umfangreichen Ermittlungskomplex im April 2021 drei mutmaßlich Verantwortliche und Mitglieder einer der weltweit größten kinderpornografischen Darknet-Plattform „Boystown“ unter anderem wegen des Verdachts der bandenmäßigen Verbreitung kinderpornografischer Inhalte festgenommen. Das Forum war insoweit in unterschiedliche Bereiche untergliedert, um eine geordnete Ablage und ein einfaches Auffinden der kinderpornografischen Inhalte zu ermöglichen.268 Dabei sollen die drei Verantwortlichen als Betreiber der Plattform mit der technischen Umsetzung der Darknet-Seite, der Einrichtung und Wartung der Serverstruktur sowie der Mitgliederbetreuung beschäftigt gewesen sein.269 1. „Zugänglichmachen“ im Sinne der §§ 184b, 184c StGB Mit Blick auf das Betreiben einer entsprechenden Darknet-Plattform sei innerhalb der §§ 184b, 184c StGB zunächst die weitgefasste Tathandlung eines „Zugänglichmachens“ kinder- oder jugendpornografischer Inhalte benannt. Die Frage jedenfalls, inwieweit beim Einsatz einer Darknet-Plattform unmittelbar die §§ 184b, 184c StGB oder vielmehr § 184d Abs. 1 Satz 1 StGB zum Tragen kommen, ist mit Änderung des § 11 Abs. 3 StGB sowie der einhergehenden Streichung des § 184d StGB nunmehr hinfällig. Schließlich ist der Wegfall des bisherigen § 184d StGB („Verbreitung pornographischer Darbietungen durch Rundfunk, Medien- oder Teledienste“) rechtstechnische Folge der Ersetzung des Schriftenbegriffs des § 11 Abs. 3 StGB durch den Begriff der „Inhalte“.270 Von Relevanz zur Erfassung der Zurverfügungstellung einer auf den Austausch kinder- und jugendpornografischer Inhalte ausgerichteten Plattform im Darknet erweisen sich demnach vornehmlich die §§ 184b, 184c StGB sowie die dortige Tathandlung des
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LG Limburg v. 07. 03. 2019 – 1 KLs-3 Js 73019/18, BeckRS 2019, 34315 Rn. 81. LG Limburg v. 07. 03. 2019 – 1 KLs-3 Js 73019/18, BeckRS 2019, 34315. 268 Bundeskriminalamt, Pressemitteilung v. 03. 05. 2021. 269 Bundeskriminalamt, Pressemitteilung v. 03. 05. 2021. 270 § 184d StGB wurde durch das Sechzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Modernisierung des Schriftenbegriffs und anderer Begriffe sowie Erweiterung der Strafbarkeit nach den §§ 86, 86a, 111 und 130 des Strafgesetzbuches bei Handlungen im Ausland vom 30. 11. 2020 (BGBl. I 2020, S. 2600) mit Wirkung vom 01. 01. 2021 aufgehoben. 267
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„Zugänglichmachens“. Diese findet sich im Bereich der Kinderpornografie neben § 184b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 StGB in § 184b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 StGB sowie im Bereich der Jugendpornografie neben § 184c Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 StGB in § 184c Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 StGB. a) Die Tathandlung des „Zugänglichmachens“ Die Anforderungen an ein Zugänglichmachen im Sinne der §§ 184b, 184c StGB erweisen sich als denkbar gering. Ausreichend soll insoweit sein, dass der Täter dem Adressaten die Möglichkeit eröffnet, sich im Wege der sinnlichen Wahrnehmung von dem jeweiligen pornografischen Inhalt Kenntnis zu verschaffen; einer tatsächlichen Wahrnehmung durch das Gegenüber beziehungsweise eines Abrufs des entsprechenden Inhalts bedarf es hingegen nicht.271 Ausgehend davon lassen sowohl Rechtsprechung als auch Literatur für ein Zugänglichmachen im obigen Sinne bereits die Zurverfügungstellung einer Internetplattform genügen, welche dem Einstellen von kinderpornografischen Dateien durch Nutzer im Internet dient, wobei die Möglichkeit des Lesezugriffs als ausreichend erachtet und dies unabhängig davon beurteilt wird, inwieweit dort schlicht entsprechende Links und Vorschaubilder auf kinderpornografische Inhalte gepostet werden.272 Entsprechend dieser Grundsätze eröffnet ein Plattformbetreiber auch im Darknet durch das Betreiben und Administrieren einer entsprechenden Tauschbörse – das heißt der erforderlichen Infrastruktur zum unmittelbaren Austausch unerlaubter Inhalte – den jeweiligen Nutzern grundsätzlich die Möglichkeit des Einstellens sowie der sinnlichen Wahrnehmung der geteilten unerlaubten pornografischen Inhalte. Dies gilt nach den Grundsätzen des LG Limburg für den Fall, dass pornografische Inhalte unmittelbar über die darauf ausgerichtete Plattform getauscht beziehungsweise gepostet werden, wie auch für den Fall, dass Nutzer lediglich entsprechende Links zu den Inhalten posten, die andere Nutzer sodann abrufen können. Unbeachtlich wäre dabei ferner, sofern die Zieladresse durch Veränderung von Buchstaben aus Sicherheitsgründen geringfügig abgeändert wird und vonseiten der Nutzer nach Weisung manuell eingegeben wird.273 Jedenfalls bleibt den Nutzern ohne die Plattform als verbindendes Medium ein Auffinden und damit einhergehend die Möglichkeit der sinnlichen Wahrnehmung der entsprechenden Nutzerinhalte unmöglich, woraus sich im Allgemeinen die Tauglichkeit der Tathandlung des Zugänglichmachens er-
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BGH v. 12. 11. 2013 – 3 StR 322/13, NStZ-RR 2014, 47; Derksen, NJW 1997, 1878, 1881; Eisele, in: Schönke / Schröder, § 184 Rn. 16, § 184b Rn. 24; B. Heinrich, in: Wandtke / Ohst, Kap. 6 Rn. 172 f.; M. Heinrich, ZJS 2016, 132, 144; M. Heinrich, ZJS 2016, 698, 699; Hörnle, in: MüKo-StGB, § 184b Rn. 24; Wolters / Greco, in: SK-StGB, § 184 Rn. 28. 272 Dazu BGH v. 18. 01. 2012 – 2 StR 151/11, BeckRS 2012, 6061 Rn. 9; LG Limburg v. 07. 03. 2019 – 1 KLs-3 Js 73019/18, BeckRS 2019, 34315 Rn. 712; Ziegler, in: BeckOK-StGB, § 184b Rn. 13. 273 Dazu allgemein BGH v. 18. 01. 2012 – 2 StR 151/11, BeckRS 2012, 6061 Rn. 9.
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gibt, das Betreiben einer auf den Austausch pornografischer Inhalte ausgerichteten Plattform als täterschaftliches Zugänglichmachen zu erfassen.274 b) „Öffentlichkeit“ trotz Implementierung von Keuschheitsproben Adressat kinder- oder jugendpornografischer Inhalte ist im Rahmen des § 184b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 und § 184c Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 StGB zunächst die „Öffentlichkeit“. Ein „öffentliches“ Zugänglichmachen wird dort bereits bejaht, sofern jeder beliebige Nutzer des Mediums Zugriff auf den Inhalt nehmen kann.275 Stellt ein Plattformbetreiber im Darknet demnach eine Infrastruktur ohne spezifische Zugangshindernisse zur Verfügung, wird ein Zugänglichmachen pornografischer Inhalte an die „Öffentlichkeit“ regelmäßig vorliegen. Daran ändert freilich auch die Zurverfügungstellung der Plattform im Darknet als speziellen Bereich der Internetstruktur nichts.276 Schließlich vermag allein das Erfordernis des Downloads oder der Installation des Tor-Browsers einen Ausschluss der Öffentlichkeit nicht zu begründen. Nach herrschender Auffassung sind letztlich sogar geschlossene Benutzergruppen von der „Öffentlichkeit“ erfasst, soweit diese für jedermann ohne größere Schwierigkeiten zugänglich sind.277 Der Download oder die Installation des Tor-Browsers erfordert insoweit keinerlei Sonderkenntnisse seitens eines Nutzers. Die jeweilige Plattform bleibt vielmehr grundsätzlich jedermann – und damit der Öffentlichkeit – zugänglich.278 Im szenetypischen Bereich des unerlaubten Austauschs kinderpornografischer Inhalte ist gleichwohl zu beachten, dass darauf ausgerichtete Plattformen – wie die Plattform „The Giftbox Exchange“ als Vorgängerplattform von „Elysium“ – oftmals in Form von geschlossenen Benutzergruppen agieren, indem diese Zugang 274
So bereits Bachmann / Arslan, NZWiSt 2019, 241, 243; auch Fünfsinn / Krause, in: FSEisenberg, 641, 647; im Grundsatz ein öffentliches Zugänglichmachen bei Zurverfügungstellung einer entsprechenden Plattform bejahend, im Sonderfall des Postens von Hyperlinks zu fremden Zielseiten mit bereits öffentlich zugänglichen Inhalten durch die Nutzer verneinend, siehe Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 115. Teils wird auch auf § 184b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Var. 6 StGB verwiesen, soweit ein Plattformbetreiber selbst nicht mit den Inhalten in Berührung kommt, siehe Bartl / Moßbrucker / Rückert, Angriff auf die Anonymität im Internet, S. 6 f.; Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 119 ff. Auf § 184b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB verweisend auch Gercke, ZUM 2019, 798, 799. Zu dem auf Marktplätzen vorzufindenden öffentlichen Zugänglichmachen von Vorschaubildern mit pornografischem Inhalt im Rahmen des § 184d StGB a. F. siehe Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 122 f., 184 f. 275 Etwa Eisele, in: Schönke / Schröder, § 184b Rn. 25; Hörnle, in: MüKo-StGB, § 184b Rn. 24 m. w. N. 276 Zur Abgrenzung der verschiedenen Internetstrukturen vgl. Teil 1 A. I. 277 Derksen, NJW 1997, 1878, 1882; Eisele, in: Schönke / Schröder, § 184b Rn. 25; Hörnle, in: MüKo-StGB, § 184b Rn. 24; Lindemann / Wachsmuth, JR 2002, 206, 209; Sieber, JZ 1996, 494, 495 f. 278 Zur technischen Funktionsweise des Tor-Browsers siehe Teil 1 B.
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schlicht bei vorheriger Zusendung eigener strafbarer kinderpornografischer Inhalte der Nutzer als eine Art Vertrauensbeweis – sogenannte Keuschheitsprobe – gewähren.279 Ein „öffentliches“ Zugänglichmachen wird mit Blick auf geschlossene Benutzergruppen zwar negiert, soweit der Zugang gesichert und diese tatsächlich nur wenigen Personen zugänglich sind; etwas anderes solle aber gelten, sofern das Zugangshindernis von einer Vielzahl an Personen ohne Weiteres überwindet werden könne.280 Schließlich ging der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 184b StGB davon aus, dass ein „öffentliches“ Zugänglichmachen bei geschlossenen Benutzergruppen mit bestimmten Zugangssicherungen bei zwei oder wenig mehr Personen nicht vorliege.281 Von dieser Einschränkung werden nach Auffassung des BGH jedoch ersichtlich solche Fälle nicht erfasst, in denen „ein professionell organisierter Kinderpornoring im Internet eine Tauschbörse mit mehreren tausenden Zugriffen pro Tag und vielen hundert anonymen pädophilen Mitgliedern unterhält, wobei das einzige Zugangshindernis das eigene Posten kinderpornografischer Dateien ist. Ein öffentliches Zugänglichmachen von kinderpornografischem Material liegt deshalb vor, wenn der Zugang nicht auf einen dem Anbieter überschaubaren kleinen Personenkreis beschränkt werden kann, es sich vielmehr um einen anonymen, nicht überschaubaren Benutzerkreis handelt“282. Das Kriterium des unüberschaubaren Personenkreises ist es daher, welches ein „öffentliches“ Zugänglichmachen grundsätzlich zugleich für professionell organisierte Tauschplattformen für kinderpornografische Inhalte im Darknet denkbar erscheinen lässt. Der BGH verweist sodann darauf, dass selbst bei restriktiverer Auffassung der Literatur, wonach ein „öffentliches“ Zugänglichmachen nur gegeben sei, sofern die Zugangsmechanismen einer Vielzahl von Personen bekannt sind oder jedermann ohne Weiteres einer Benutzergruppe beitreten kann,283 kein anderes Ergebnis geboten wäre.284 Schließlich erweise sich ein Zugangshindernis im Sinne des eigenen Postens strafbarer Inhalte für Pädophile regelmäßig als ein bloßes Scheinhindernis, seien diese doch zumeist im Besitz entsprechender Inhalte oder könnten sich solche beschaffen.285 Folgt man demnach der Auffassung des BGH, steht einem öffentlichen Zugänglichmachen pornografischer Inhalte durch die Zurverfügungstellung der erforderlichen Infrastruktur ein „Zugangshindernis“ in Gestalt einer sogenannten Keuschheitsprobe grundsätzlich nicht entgegen.286 279 Siehe etwa zum Keuschheitstest auf „The Giftbox Exchange“ die Ausführungen in LG Limburg v. 07. 03. 2019 – 1 KLs-3 Js 73019/18, BeckRS 2019, 34315 Rn. 597. 280 Hilgendorf / Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 300; Hörnle, in: MüKo-StGB, § 184b Rn. 24; hierzu auch Eisele, in: Schönke / Schröder, § 184b Rn. 25 m. w. N. 281 BT-Drs. 15/350, S. 20 f. 282 BGH v. 18. 01. 2012 – 2 StR 151/11, BeckRS 2012, 6061 Rn. 13. 283 Siehe die Nachweise in Teil 3 Fn. 280. 284 BGH v. 18. 01. 2012 – 2 StR 151/11, BeckRS 2012, 6061 Rn. 14. 285 BGH v. 18. 01. 2012 – 2 StR 151/11, BeckRS 2012, 6061 Rn. 14. 286 Im Ergebnis auch Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 118 f.; kritisch Gercke, CR 2018, 480, 483; Wittmer / Steinebach, MMR 2019, 650, 651.
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Jenes potentielle Spannungsverhältnis mit Blick auf die durch „Keuschheitsproben“ geschlossenen Benutzergruppen sowie das Merkmal der „Öffentlichkeit“ in §§ 184b, 184c StGB ist indes nunmehr weitestgehend beseitigt. Selbst für den Fall, dass ein „öffentliches“ Zugänglichmachen bei Vorliegen einer geschlossenen Benutzergruppe abgelehnt wird, sehen § 184b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 StGB und § 184c Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 StGB seit dem 60. StrÄndG zugleich die Strafbarkeit des Zugänglichmachens pornografischer Inhalte an „eine andere Person“ vor, soweit der Inhalt ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergibt.287 Jene Neuerung resultiert letztlich aus dem Umstand, dass der im Zuge dessen aufgehobene § 184d Abs. 1 Nr. 1 StGB bei Zugänglichmachen pornografischer Inhalte mittels Telemedien ausweislich des Wortlauts neben dem Zugänglichmachen an die „Öffentlichkeit“ zugleich das Zugänglichmachen an „eine andere Person“ erfasste. Gemeinsam mit dem neuen Inhaltsbegriff soll damit auch das Zugänglichmachen eines kinderpornografischen Inhalts einer anderen Person gegenüber – etwa im Internet in einer geschlossenen Benutzergruppe – von § 184b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 StGB umfasst sein.288 Selbst im Falle der Zurverfügungstellung einer rigoros abgeschirmten Plattform zum Austausch kinder- oder jugendpornografischer Inhalte, welche zugleich nur wenigen Nutzern unter erschwerten Bedingungen zugänglich ist, ist daher ein „Zugänglichmachen“ des Plattformbetreibers durch das Betreiben einer entsprechenden Plattform im Sinne der §§ 184b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1, 184c Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 StGB grundsätzlich denkbar, sofern im Übrigen die Voraussetzungen – insbesondere ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen des Inhalts – gegeben sind.
2. Qualifikationstatbestände des § 184b Abs. 2 StGB und § 184c Abs. 2 StGB Die Erfassung des Betreibens einer auf den Austausch kinder- oder jugendpornografischer Inhalte ausgerichteten Plattform mithilfe der §§ 184b, 184c StGB erscheint nicht zuletzt deshalb besonders lohnend, weil zugleich die dortigen strafschärfenden Qualifikationstatbestände an Bedeutung gewinnen. Nicht zuletzt mit Blick auf die benannte Tathandlung des „öffentlichen Zugänglichmachens“ nach § 184b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 StGB wird dort insbesondere § 184b Abs. 2 StGB relevant, wonach die gewerbs- oder bandenmäßige Deliktsbegehung gar mit Freiheitsstrafe von nicht unter zwei Jahren bedroht ist, soweit der Inhalt ein tatsäch-
287 Sechzigstes Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Modernisierung des Schriftenbegriffs und anderer Begriffe sowie Erweiterung der Strafbarkeit nach den §§ 86, 86a, 111 und 130 des Strafgesetzbuches bei Handlungen im Ausland vom 30. 11. 2020, BGBl. I 2020, S. 2600. Zum tatsächlichen oder wirklichkeitsnahen Geschehen siehe Eisele, in: Schönke / Schröder, § 184b Rn. 29 f. 288 Hierzu BT-Drs. 19/19859, S. 65.
B. Täterschaft im Rahmen extensiv gefasster Tatbestände
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liches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergibt.289 Daneben sieht § 184c Abs. 2 StGB hinsichtlich der gewerbs- oder bandenmäßigen Deliktsbegehung unter den dortigen Voraussetzungen eine Freiheitsstrafe von immerhin drei Monaten bis zu fünf Jahren vor. Der deutlich erhöhte Strafrahmen des Absatzes 2 der §§ 184b, 184c StGB betrifft zunächst die gewerbsmäßige Tatbegehung. Das Vorliegen von Gewerbsmäßigkeit bestimmt sich dabei anhand der allgemein anerkannten Grundsätze.290 Insbesondere die im Rahmen der §§ 184b, 184c StGB interessierenden Plattformen zum Austausch kinder- oder jugendpornografischer Materialien werden jedoch häufig ohne entsprechende Gewinnerzielungsabsicht seitens der Betreiber unterhalten.291 Erweist sich die Gewerbsmäßigkeit hinsichtlich einer auf den Austausch von kinderpornografischen Inhalten ausgerichteten Plattform im Einzelfall ohne Bedeutung, ist stattdessen eine bandenmäßige Deliktsbegehung in Erwägung zu ziehen. Schließlich werden auch die professionell organisierten Plattformen zum Austausch von kinderpornografischen Inhalten vielfach von einer Gruppe an Administratoren unterhalten.292 Insoweit kann im Wesentlichen auf die bereits getroffenen Aussagen zur Bandenmäßigkeit verwiesen werden.293 Wird daher eine dem Austausch (kinder-)pornografischer Inhalte dienende Plattform im Darknet von mindestens drei Personen betrieben, hindert die Annahme einer Bande nicht, dass diese die eigene Identität unter Umständen auch untereinander verschleiern. Ausreichend ist vielmehr der schlichte Zusammenschluss von mindestens drei Personen mit dem Willen, künftig für eine gewisse Dauer (kinder-)pornografische Inhalte mithilfe der ihrerseits betriebenen Plattform zugänglich zu machen. Betreffend die Darknet-Plattform „The Giftbox Exchange“ beziehungsweise „Elysium“ nahm das LG Limburg sodann eine Bande gar hinsichtlich der Betreiber sowie sämtlicher im Forum registrierter Mitglieder an, die sich zumindest konkludent durch den Erwerb ihrer Mitgliedschaft der Bande angeschlossen hätten.294 Nach Auffassung des LG Limburg hatten sich die Mitglieder mit dem Willen zusammen geschlossen, künf-
289
Zu den Qualifikationstatbeständen der §§ 184b Abs. 2, 184c Abs. 2 StGB erläuternd Eisele, in: Schönke / Schröder, § 184b Rn. 33 und Eisele, in: Schönke / Schröder, § 184c Rn. 16; Fischer, StGB, § 184b Rn. 27; Heger, in: Lackner / Kühl, § 184b Rn. 6; Hörnle, in: MüKo-StGB, § 184b Rn. 33. Zur Gewerbs- und Bandenmäßigkeit siehe schon Teil 3 B. II. 3. a) und c). 290 Zu § 184b Hörnle, in: MüKo-StGB, § 184b Rn. 33; siehe zur Gewerbsmäßigkeit Teil 3 B. II. 3. a). 291 Vgl. etwa den Sachverhalt in BGH v. 18. 01. 2012 – 2 StR 151/11, BeckRS 2012, 6061; LG Limburg v. 07. 03. 2019 – 1 KLs-3 Js 73019/18, BeckRS 2019, 34315. 292 Speziell zu Plattformen zum Austausch kinderpornografischer Materialien vgl. etwa den Sachverhalt in BGH v. 18. 01. 2012 – 2 StR 151/11, BeckRS 2012, 6061; LG Limburg v. 07. 03. 2019 – 1 KLs-3 Js 73019/18, BeckRS 2019, 34315. Anders etwa allgemein die Feststellung in BT-Drs. 19/9508, S. 10. 293 Teil 3 B. II. 3. c). 294 Hierzu LG Limburg v. 07. 03. 2019 – 1 KLs-3 Js 73019/18, BeckRS 2019, 34315 Rn. 713 ff. Bejahend auch Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 122 f.
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
tig für eine gewisse Dauer mehrere, selbstständige, im Einzelnen noch ungewisse Straftaten des gleichen Deliktstyps zu begehen.295 Schließlich verfolgten sowohl die Betreiber wie auch sämtliche registrierte Mitglieder das Ziel, über einen Tausch fortlaufend an neues kinderpornografisches Material zu gelangen und sich über die Themen Pädophilie und sexueller Kindesmissbrauch auszutauschen.296 Die künftige Begehung von Straftaten in diesem Sinne war mithin Zweck der Verbindung. Dieser Zweck war laut LG Limburg jedem Mitglied bekannt, unabhängig davon, ob sich die Beteiligten persönlich kannten.297 Insgesamt ist in Abweichung zu Eigentumsdelikten auch nicht etwa ein Handeln unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds notwendig, weil die spezifische Gefährlichkeit im Falle der bandenmäßigen Verbreitung von (kinder-)pornogra fischen Inhalten letztlich aus der schlichten Existenz der Bande und weniger aus der Tatbegehung seitens mehrerer Personen resultiert.298 Die Annahme einer Bande innerhalb der Betreiberstrukturen des Darknets ist demnach zwar grundsätzlich denkbar. Dies darf jedoch erneut nicht darüber hinwegtäuschen, dass sodann stets weiterhin nach den allgemein geltenden Kriterien zu untersuchen ist, inwieweit die anderen Mitglieder an der konkreten Einzeltat als Mittäter, Anstifter oder Gehilfe mitwirkten beziehungsweise diese überhaupt einen strafrechtlich relevanten Beitrag hieran leisteten.299 3. Besitz im Sinne der §§ 184b, 184c StGB Letztlich ist zugleich an eine Besitzstrafbarkeit des Plattformbetreibers im Sinne der §§ 184b Abs. 3, 184c Abs. 3 StGB zu denken. Für einen strafbaren Besitz im Sinne der §§ 184b Abs. 3, 184c Abs. 3 StGB genügt nach überwiegender Auffassung bereits das Vorhandensein der Inhalte im (Cache-)Speicher.300 Unstreitig ist aber eine Strafbarkeit im Sinne der §§ 184b Abs. 3 Var. 2, 184c Abs. 3 Var. 2 StGB jedenfalls für den Fall denkbar, dass der Betreiber die zum Vertrauensbeweis zugesandten, strafrechtlich relevanten Nutzerinhalte nachweislich unmittelbar herunterlädt und anschließend auf einem Datenträger speichert, ist doch angesichts
295
LG Limburg v. 07. 03. 2019 – 1 KLs-3 Js 73019/18, BeckRS 2019, 34315 Rn. 713. LG Limburg v. 07. 03. 2019 – 1 KLs-3 Js 73019/18, BeckRS 2019, 34315 Rn. 713. 297 LG Limburg v. 07. 03. 2019 – 1 KLs-3 Js 73019/18, BeckRS 2019, 34315 Rn. 715. 298 BT-Drs. 12/3001, S. 5. 299 Speziell zum Plattformbetreiber im Darknet BT-Drs. 19/9508, S. 10; allgemein vgl. nur etwa BGH v. 22. 03. 2001 – GSSt 1/00, BGHSt 46, 321, 338; BGH v. 13. 05. 2003 – 3 StR 128/03, NStZ-RR 2003, 265, 267; Bosch, in: Schönke / Schröder, § 244 Rn. 27; Kindhäuser, in: NK-StGB, § 244 Rn. 41; Schmitz, in: MüKo-StGB, § 244 Rn. 56 jeweils m. w. N. 300 Allgemein BGH v. 10. 10. 2006 – 1 StR 430/06, NStZ 2007, 95; Eisele, in: Schönke / Schröder, § 184b Rn. 40; Ziegler, in: BeckOK-StGB, § 184b Rn. 19 jeweils m. w. N. Speziell im hier interessierenden Sachverhalt verweisen darauf etwa Bitz, in: VI. Sammelband-GKPR, 36, 46 f.; Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 12. 296
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der damit einhergehenden Verfügungsgewalt über den kinder- oder jugendpornografischen Inhalt eine Besitzverschaffung des Betreibers gegeben.301 4. Zusammenfassung Zusammenfassend eröffnen die §§ 184b, 184c StGB für den Bereich des illegalen Handels mit kinder- und jugendpornografischen Inhalten angesichts der weit gefassten Tathandlungen die Möglichkeit, die Zurverfügungstellung der erforderlichen Infrastruktur vonseiten des Plattformbetreibers als täterschaftliches Handeln im Sinne des § 25 Abs. 1 Alt. 1 StGB zu erfassen. Für den szenetypischen unerlaubten Austausch kinder- und jugendpornografischer Materialien gerieren sich dabei insbesondere das öffentliche Zugänglichmachen kinder- oder jugendpornografischer Inhalte nach § 184b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 StGB oder § 184c Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 StGB von Bedeutung. Grundsätzlich denkbar ist ferner eine Heranziehung des § 184b Abs. 3 StGB sowie § 184c Abs. 3 StGB, insbesondere bei Herunterladen entsprechender Inhalte infolge der Implementierung von Keuschheitsproben. Als lukrativ erweisen sich jene Tatbestände nicht zuletzt mit Blick auf die durchaus hohe Strafandrohung. Insoweit halten die §§ 184b, 184c StGB jedenfalls in Bezug auf die Tathandlung des „Zugänglichmachens“ eine erhöhte Strafandrohung bei bandenmäßiger beziehungsweise gewerbsmäßiger Deliktsbegehung im Sinne der § 184b Abs. 2 StGB und § 184c Abs. 2 StGB bereit.
VIII. Zugänglichmachen nach § 130 Abs. 2 Nr. 1 StGB Die Tathandlung des „Zugänglichmachens“ findet sich ferner in dem von § 127 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 lit. a StGB gelisteten § 130 Abs. 2 Nr. 1 StGB. Danach wird etwa bestraft, wer einen volksverhetzenden Inhalt der Öffentlichkeit oder einer Person unter achtzehn Jahren zugänglich macht. Für die Auslegung jener Tatmodalität wird auf das Verständnis im Rahmen der §§ 184 ff. StGB verwiesen.302 In diesem Sinne dürfte die Zurverfügungstellung einer Plattform, die der Einstellung der benannten Inhalte dient, gleichermaßen als ein „Zugänglichmachen“ von § 130 Abs. 2 Nr. 1 StGB erfasst sein.
301
Allgemein Eisele, in: Schönke / Schröder, § 184b Rn. 39; Hörnle, in: MüKo-StGB, § 184b Rn. 41. Hierzu im vorliegenden Zusammenhang auch Bitz, in: VI. Sammelband-GKPR, 36, 46 f. 302 Etwa Schäfer / Anstötz, in: MüKo-StGB, § 130 Rn. 74; Sternberg-Lieben / Schittenhelm, in: Schönke / Schröder, § 130 Rn. 15.
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
IX. Kein „Zugänglichmachen“ rechtswidrig erlangter Daten Florierend im Darknet ist ferner der Handel mit rechtswidrig erlangten Daten.303 Obgleich neben § 202d Abs. 1 StGB auch § 42 Abs. 1 Nr. 2 BDSG die Tathandlung des „Zugänglichmachens“ bereithält, sei am Rande darauf verwiesen, dass die benannten Tatbestände eine Einordnung der Tätigkeit des Plattformbetreibers als täterschaftliches Zugänglichmachen regelmäßig nicht zulassen.304 Zwar liegt ein Zugänglichmachen im Sinne des § 202d StGB vor, soweit die Daten in den Wahrnehmungs- oder Herrschaftsbereich zumindest eines Empfängers gelangen, der daraufhin unmittelbare Zugriffsmöglichkeit sowie die Möglichkeit der Kenntnisnahme der Daten erlangt.305 Ähnlich ist im Rahmen des § 42 Abs. 1 Nr. 2 BDSG ausreichend, dass zumindest ein nicht notwendig individualisierter Dritter auf die Daten zugreifen und sich so Kenntnis von deren Informationsgehalt verschaffen kann.306 Entscheidender Unterschied zu den vorstehend fokussierten pornografischen beziehungsweise volksverhetzenden Inhalten, hinsichtlich derer ein täterschaftliches Zugänglichmachen des Betreibers bejaht wurde,307 ist jedoch, dass rechtswidrig erlangte Daten angesichts des drohenden Wertverlusts nicht etwa für sämtliche Nutzer auf der Plattform unmittelbar verfügbar und einsehbar sind. Vielmehr ermöglicht der Verkäufer erst infolge einer Bestellung des Käufers den alleinigen Zugriff durch denselben. Das Betreiben der Plattform führt mit Blick auf den Handel rechtswidrig erlangter Daten daher nicht dazu, dass der Betreiber dem Käufer einen Zugriff auf die rechtswidrig erlangten Daten ermöglicht. Dies erfolgt vielmehr verkäuferseitig nur an individuelle Nutzer.308 Straffreiheit bedeutet dies indes nicht, es verbleibt nicht zuletzt eine Beihilfestrafbarkeit des Plattformbetreibers.
X. Zusammenfassung zur täterschaftlichen Verantwortlichkeit des Betreibers Eine Vielzahl an vornehmlich als abstrakte Gefährdungsdelikte ausgestalteten Straftatbeständen ist im Ergebnis geeignet, die Beteiligung am unerlaubten Handel mit Waren, Dienstleistungen oder Inhalten durch das Betreiben einer darauf ausgerichteten Darknet-Plattform gar als unmittelbare Alleintäterschaft zu 303
Siehe Teil 1 C. I. Ablehnend zu § 202d StGB bereits Fünfsinn / Krause, in: FS-Eisenberg, 641, 649; ablehnend zu §§ 202c, 202d StGB Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 12; ablehnend zu §§ 202c, 202d StGB sowie § 42 BDSG auch Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 119; ablehnend zu § 202d StGB und § 42 BDSG ebenfalls Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 123 ff. 305 Zu § 202d StGB Eisele, in: Schönke / Schröder, § 202d Rn. 12. 306 Brodowski / Nowak, in: BeckOK-DatenschutzR, § 42 BDSG Rn. 33 m. w. N. 307 Siehe Teil 3 B. VII. und VIII. 308 Hierzu bereits Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 119; Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 125. 304
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fassen. Bereits der allgemeine Vorfeldtatbestand des § 129 StGB ist nicht per se ungeeignet, die Täterstrukturen des Darknets – freilich unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Organisationsstruktur der Betreiberebene – einzubeziehen. Im praxisrelevanten Bereich des Betäubungsmittelhandels ist es zuvorderst die weit ausgelegte Tathandlung des „Handeltreibens“ im Sinne von § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG, die eine Täterschaft mit Blick auf die Verhaltensweisen des Plattformbetreibers zulässt, wenngleich dort aufgrund der vonseiten der Rechtsprechung vorgenommenen Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme anhand der allgemeinen Abgrenzungsregeln regelmäßig schlicht, aber immerhin, die Betreiber von Plattformen mit Provisions- oder Treuhandsystemen fassbar sind. Fehlt es an einer Eigennützigkeit des Handelns oder ist weder ein Handeltreiben noch eine Beihilfe hierzu nachweisbar, bleibt insoweit zumindest die Vorschrift des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 BtMG. Die benannte Tathandlung des „Handeltreibens“ im Sinne der §§ 29 ff. BtMG findet sich ferner in den Tatbeständen der § 4 Abs. 1 Nr. 1 AntiDopG, § 19 Abs. 1 Nr. 1 GÜG, § 4 Abs. 1 Nr. 1 NpSG, § 95 Abs. 1 Nr. 3a, Nr. 4 AMG und §§ 19 Abs. 1 Nr. 1, 20 Abs. 1 Nr. 1, 20a Abs. 1 Nr. 1 KrWaffKontrG wieder und wird dort entsprechend ausgelegt. Daneben lassen die §§ 51 Abs. 1, 52 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 lit. c, Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 WaffG mithilfe der insoweit abweichend auszulegenden Tathandlung des „Handeltreibens“ für den Waffenhandel sowie § 40 Abs. 1 Nr. 2 SprengG mithilfe der Tathandlung des „Betreibens des Verkehrs“ für den Handel explosionsgefährlicher Stoffe eine Subsumtion des Betreibens einer Plattform bei Gewerbsmäßigkeit der Verhaltensweise zu. Das Kernstrafrecht sieht für den praxisrelevanten Bereich des Betreibens einer Tauschbörse für kinder- und jugendpornografische Materialien schließlich § 184b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2, Nr. 2 Alt. 1 StGB sowie § 184c Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2, Nr. 2 Alt. 1 StGB vor, welche die Zurverfügungstellung einer Plattform, die dem Einstellen entsprechender Dateien dient, als ein „Zugänglichmachen“ jener Inhalte mit Strafe bedrohen. Bei Implementierung etwaiger Keuschheitsproben verhilft je nach Konstellation zudem der extensive Besitzbegriff im Rahmen der §§ 184b Abs. 3, 184c Abs. 3 StGB zur täterschaftlichen Verantwortlichkeit eines Betreibers. Gleiches gilt für ein „Zugänglichmachen“ im Rahmen des § 130 Abs. 2 Nr. 1 StGB. Und schließlich ließe auch die jüngst eingefügte Vorschrift des § 184l Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB eine Täterschaft des Betreibers unter dem Gesichtspunkt des „Handeltreibens“ zu. Obendrein knüpfen die benannten Vorschriften vielfach eine erhöhte Strafandrohung an die gewerbs- oder bandenmäßige Deliktsbegehung, wobei jedenfalls eines dieser Qualifikationsmerkmale mit Blick auf die Betreiberebene von Plattformen im Darknet oftmals begründbar scheint. Ferner ist nicht zuletzt die Erkenntnis von Bedeutung, dass in vielen Fällen eine gegenüber § 127 StGB gesteigerte Strafandrohung vorgesehen ist, was nicht zuletzt das Konkurrenzverhältnis des formell subsidiären § 127 StGB zu den im Übrigen anwendbaren Strafvorschriften betreffen wird.309 Sofern abgesehen davon eine unmittelbare Täterschaft des Betreibers nicht 309
Zur formellen Subsidiarität des § 127 StGB siehe Teil 3 I. III. 9.
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
begründbar ist, bedeutet dies außerdem nicht etwa eine Straffreiheit desselben. Insbesondere im Bereich des Handels mit rechtswidrig erlangten Daten bleibt weiterhin die Möglichkeit einer noch zu erörternden Beihilfestrafbarkeit.
C. Die Mittäterschaft zwischen Betreiber- und Nutzerebene Abseits der zuvor benannten Tatbestände mit weit gefasster Tathandlung sowie ungeachtet der zum 1. Oktober 2021 in Kraft getretenen Strafvorschrift des § 127 StGB erscheint des Weiteren eine mittäterschaftliche Tatbegehung zwischen Betreiber und Nutzer im Hinblick auf den Handel mit illegalen Waren oder Dienstleistungen diskussionswürdig. Ebenjene wird innerhalb der bislang zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Betreiberebene vorzufindenden Abhandlungen teils unter Verweis auf einen fehlenden Tatbeitrag im Ausführungsstadium,310 nahezu einhellig aber mit dem Hinweis auf einen jedenfalls mangelnden gemeinsamen Tatentschluss derselben verneint.311 Dahingegen wird Mittäterschaft vereinzelt nicht allein bei weitergehender Einwirkung des Betreibers auf strafbare Nutzergeschäfte, sondern zugleich im Falle der schlichten Einrichtung entsprechender Produktkategorien erwogen.312 Nachstehend sei daher Gegenstand einer eingehenden Analyse, inwieweit die Annahme einer mittäterschaftlichen Tatbegehung im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB zwischen Betreiber- und Nutzerebene im Darknet trägt. Erforderlich wird diesbezüglich eine differenzierte Betrachtung der schlichten Zurverfügungstellung und Aufrechterhaltung der kriminellen Infrastruktur einerseits sowie einer gegebenenfalls weitergehenden Einwirkung des Betreibers in Richtung des illegalen Handels eines Nutzers andererseits. Die wechselseitige Zurechnung von Tatbeiträgen nach Maßgabe des § 25 Abs. 2 StGB verlangt entsprechend der allgemeinen Definition die gemeinschaftliche Tatbegehung durch ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken zweier oder mehrerer Personen.313 Neben einer objektiven Komponente („Zusammenwirken“) 310
So etwa Ceffinato, JuS 2017, 403, 408; Greco, ZIS 2019, 435, 441 f. Zum fehlenden gemeinsamen Tatentschluss Ceffinato, JuS 2017, 403, 408; Greco, ZIS 2019, 435, 441 f.; zum fehlenden Tatentschluss sowie zum fehlenden Willen zur Tatherrschaft vgl. auch Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 10; Fünfsinn / Krause, in: FS-Eisenberg, 641, 646 („grundsätzlich eher“ Beihilfe). Zur fehlenden weitergehenden Tatherrschaft sowie zum fehlenden Tatinteresse bei Freischaltung von Beiträgen siehe LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 314. Umfassend zur Mittäterschaft auch Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 86 ff., 174 f.; Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 132 ff. 312 So etwa Zieschang, GA 2020, 57, 61 f. 313 Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 44 Rn. 2; auch Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 811. Instruktiv zu den Voraussetzungen der Mittäterschaft Nestler, Jura (JK) 2018, 637. 311
C. Die Mittäterschaft zwischen Betreiber- und Nutzerebene
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in Form der gemeinsamen Tatausführung bedarf es zur Begründung von Mittäterschaft daher zugleich einer subjektiven Komponente („bewusst und gewollt“) in Form des gemeinsamen Tatentschlusses.314
I. Die gemeinsame Tatausführung In objektiver Hinsicht fordert § 25 Abs. 2 StGB demnach die gemeinschaftliche Begehung, das heißt die Erbringung eines Tatbeitrags eines jeden Beteiligten.315 Umstritten sind jedoch bekanntlich die Anforderungen an die Qualität eines mittäterschaftlichen Tatbeitrags sowie an den Zeitpunkt der Erbringung. 1. Qualität des Tatbeitrags Die Zuweisung zur (Mit-)Täterschaft oder Beihilfe erfolgt seitens der Rechtsprechung inzwischen anhand der geschilderten gemäßigten subjektiven Theorie, die auf eine Gesamtschau subjektiver und objektiver Kriterien zurückgreift. Wesentliche Anhaltspunkte sind neben dem Grad des eigenen Interesses am Taterfolg der Umfang der Tatbeteiligung sowie die Tatherrschaft oder der Wille zur selben.316 Zwar berücksichtigt die Rechtsprechung in objektiver Hinsicht etwa den Umfang der Tatbeteiligung, legt sich aber unter dem Einfluss der subjektiven Täterlehre hinsichtlich des konkreten Gewichts eines Tatbeitrags nicht per se fest.317 Auch untergeordnete oder vorbereitende Tatbeiträge können demnach Mittäterschaft begründen.318 Die im Schrifttum vorherrschende Tatherrschaftslehre nähert sich der Abgrenzung hingegen im Wege eines objektiv geprägten Ansatzes und verlangt die Tatherrschaft des Beteiligten.319 Danach gelte als Tatherrschaft das vom Vorsatz umfasste In-den-Händen-Halten des tatbestandsmäßigen Geschehens.320 Täter sei, wem als Zentralgestalt eine planvoll-lenkende oder mitgestaltende Tatherrschaft zukomme, 314
Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 44 Rn. 2. Siehe nur Joecks / Scheinfeld, in: MüKo-StGB, § 25 Rn. 194. 316 Siehe die Nachweise in Teil 3 Fn. 132. 317 Heine / Weißer, in: Schönke / Schröder, § 25 Rn. 63. 318 Siehe nur BGH v. 23. 01. 1958 – 4 StR 613/57, BGHSt 11, 268, 271; BGH v. 10. 03. 1961 – 4 StR 30/61, BGHSt 16, 12, 13 f.; BGH v. 25. 10. 1994 – 4 StR 173/94, BGHSt 40, 299, 301; BGH v. 31. 10. 2001 – 2 StR 315/01, NStZ-RR 2002, 74, 75; BGH v. 29. 09. 2015 – 3 StR 336/15, NStZ-RR 2016, 6, 7. 319 Allgemein als Vertreter der Tatherrschaftslehre siehe nur etwa Kudlich, in: BeckOK-StGB, § 25 Rn. 15; Kühl, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 20 Rn. 29; Kühl, in: Lackner / Kühl, Vor § 25 Rn. 6; Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 41 Rn. 10; Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 2, § 25 Rn. 27 ff.; Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 808. 320 Siehe dazu Maurach / Gössel / Zipf, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 2, § 47 Rn. 87; Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 806. 315
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
sodass dieser die Tat nach seinem Willen hemmen oder ablaufen lassen kann; Teilnehmer sei hingegen, wer ohne Tatherrschaft als Randfigur die Begehung der Tat veranlasse oder fördere.321 Auch die Tatherrschaftslehre fußt jedoch nicht auf einem ausschließlich objektiven Ansatz, das subjektive Element findet sich insoweit im Willen zur Tatherrschaft.322 Maßgeblich für eine Täterschaft sei demnach, ob und inwieweit der Einzelne in Ansicht der Qualität seines objektiven Tatbeitrags sowie aufgrund der inneren Einstellung zur Tat das „Ob“ und „Wie“ der Tatbestandsverwirklichung derart beherrscht, dass sich der tatbestandliche Erfolg als das Ergebnis auch seines lenkenden oder mitgestaltenden Willens erweist.323 Mit Blick auf Mittäterschaft wird Tatherrschaft sodann herrschend als funktionale Tatherrschaft definiert.324 Der Tatbeitrag des Beteiligten müsse demnach von seiner Funktion her aufgrund des gemeinsamen Tatentschlusses für das Gelingen der Tat so „wesentlich“ sein, dass dieser das Geschehen (mit-)beherrsche.325 Es bedürfe im Falle der Mittäterschaft ferner einer Willensbeteiligung, aus der sich auf Grundlage des gemeinsamen Tatentschlusses Anhaltspunkte dafür ergäben, inwieweit der Beteiligte als gleichberechtigter Partner tätig wird.326 2. Zeitpunkt der Erbringung Während zwar anerkannt ist, dass ein „wesentlicher“ Tatbeitrag innerhalb des Ausführungsstadiums der Tat, das heißt ab Eintritt in das Versuchsstadium, Mittäterschaft begründet,327 endet ein Konsens dort, wo Tatbeiträge abseits dessen erbracht werden. In diesem Zusammenhang ist etwa umstritten, ob auch solche Tatbeiträge wesentlich sind, die lediglich das Vorbereitungsstadium der Tat betreffen. Ebendieser Streitpunkt gewinnt vorliegend deshalb an Bedeutung, weil zumindest der Tatbeitrag der Zurverfügungstellung und Aufrechterhaltung der Plattform regelmäßig außerhalb des Ausführungsstadiums erbracht wird, ist der Betreiber doch 321
Heine / Weißer, in: Schönke / Schröder, Vor §§ 25 ff. Rn. 57; Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 41 Rn. 11; Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 2, § 25 Rn. 10; Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 806 m. w. N. 322 Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 41 Rn. 11. 323 Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 808. 324 Bloy, GA 1996, 424, 425; Bode, JA 2018, 34, 35; Geppert, Jura 2011, 30; Heine / Weißer, in: Schönke / Schröder, Vor §§ 25 ff. Rn. 80, § 25 Rn. 64; Hoyer, in: SK-StGB, § 25 Rn. 13; Jescheck / Weigend, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 679; Kühl, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 20 Rn. 99; Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 2, § 25 Rn. 188; Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 310 ff.; Schünemann / Greco, in: LK-StGB, § 25 Rn. 176; Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 806, 811. 325 Zum Erfordernis eines „wesentlichen“ Tatbeitrags teils m. w. N. etwa Heine / Weißer, in: Schönke / Schröder, § 25 Rn. 64; Hoyer, in: SK-StGB, § 25 Rn. 109; Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 2, § 25 Rn. 188. 326 Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 41 Rn. 11. 327 Dazu Heine / Weißer, in: Schönke / Schröder, § 25 Rn. 66; Joecks / Scheinfeld, in: MüKoStGB, § 25 Rn. 195.
C. Die Mittäterschaft zwischen Betreiber- und Nutzerebene
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insoweit in die eigentliche Geschäftsabwicklung oder Kommunikation der Nutzer nicht weitergehend involviert. Die Rechtsprechung lässt für Mittäterschaft ausgehend vom gemäßigten subjektiven Ansatz auch eine Mitwirkung im Stadium der Vorbereitung genügen, solange der Beteiligte einen vom gemeinsamen Wollen getragenen Beitrag leistet, der die Tat fördert.328 Auch die Befürworter einer gemäßigten Tatherrschaftslehre erachten – wenngleich im Einzelnen differierend – Tatbeiträge im Vorbereitungsstadium als ausreichend, solange diese von einigem Gewicht sind und so die fehlende Mitwirkung im Ausführungsstadium aufwiegen. Demnach könne ein Defizit im Ausführungsstadium durch eine beherrschende Rolle im Vorbereitungsstadium kompensiert werden.329 Nach Jakobs etwa gleiche ein „Plus“ im Vorbereitungsstadium ein „Minus“ im Ausführungsstadium aus und vermittle so die materielle Herrschaft in Form von „Gestaltungsherrschaft“, die dieser als die „Festlegung des tatbestandsverwirklichenden Geschehens in seinem konkreten Verlauf“ umschreibt.330 Dahingegen stehen die Vertreter der strengen Tatherrschaftslehre der Annahme von Mittäterschaft bei Tatbeiträgen im Vorbereitungsstadium bekanntlich ablehnend gegenüber, weil eine Tatbestandsverwirklichung allein bei Erbringung eines Tatbeitrags im Ausführungsstadium (mit-)beherrscht werden könne.331 Ohne nun die Diskussion um die zeitlichen Grenzen der Mittäterschaft im Detail nachzeichnen zu wollen, vermag jedenfalls die einschränkende Forderung der strengen Tatherrschaftslehre nicht zu überzeugen. Eine leitende und planende Rolle im Vorbereitungsstadium auch bei fehlender Mitwirkung des Beteiligten am Kerngeschehen ist schließlich nicht von vornherein ungeeignet, eine wesentliche Auswirkung des Tatbeitrags im Ausführungsstadium zu begründen. Verwiesen sei dort 328
Hierzu BGH v. 23. 01. 1958 – 4 StR 613/57, BGHSt 11, 268, 271 f.; BGH v. 10. 03. 1961 – 4 StR 30/61, BGHSt 16, 12, 14; BGH v. 13. 03. 1979 – 1 StR 739/78, BGHSt 28, 346, 348; BGH v. 25. 10. 1994 – 4 StR 173/94, BGHSt 40, 299, 301; BGH v. 31. 10. 2001 – 2 StR 315/01, NStZ-RR 2002, 74, 75; BGH v. 17. 10. 2002 – 3 StR 153/02, NStZ 2003, 253, 254; BGH v. 02. 07. 2008 – 1 StR 174/08, NStZ 2009, 25, 26; BGH v. 13. 09. 2017 – 2 StR 161/17, NStZ-RR 2018, 40. 329 Als Vertreter der gemäßigten Tatherrschaftslehre siehe Baumann, JuS 1963, 85, 86 f.; Beulke, JR 1980, 423, 424; Hauf, NStZ 1994, 263, 265; Heine / Weißer, in: Schönke / Schröder, § 25 Rn. 67; Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, Abschn. 21 Rn. 48; Jescheck / Weigend, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 680; Kudlich, in: BeckOK-StGB, § 25 Rn. 47; Kühl, in: Lackner / Kühl, § 25 Rn. 11; Kühl, JA 2014, 668, 671 f.; Küpper, GA 1986, 437, 444 ff.; Murmann, in: Satzger / Schluckebier / Widmaier, StGB, § 25 Rn. 43; Otto, Jura 1987, 246, 253; Rengier, JuS 2010, 281, 282; Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 44 Rn. 43; Seelmann, JuS 1980, 571, 573; Stratenwerth / Kuhlen, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 12 Rn. 93 f. 330 Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, Abschn. 21 Rn. 48 f. 331 Zur strengen Tatherrschaftslehre etwa Bloy, GA 1996, 424, 432 ff.; Bloy, Die Beteiligungsform als Zurechnungstypus im Strafrecht, S. 196 ff.; Herzberg, ZStW 99 (1987), 49, 58; Puppe, GA 2013, 514, 522 ff.; Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 2, § 25 Rn. 198 ff.; Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 326 ff.; Rudolphi, in: FS-Bockelmann, 369, 372 ff.; Schünemann / Greco, in: LK-StGB, § 25 Rn. 205; Zieschang, ZStW 107 (1995), 361, 369 ff., 377, wobei wiederum umstritten ist, ob die Anwesenheit des Täters am Tatort erforderlich ist.
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
auf den bekannten Einwand, dass etwa der Tatbeitrag des ortsabwesenden Bandenchefs nicht hinreichend gewürdigt wäre, ordnete man diesen als bloße Randfigur ein.332 Vielmehr kann sich ein Tatbeitrag in Form der konstruktiven Ausarbeitung sowie steuernden Organisation der Tatbegehung gleichermaßen entscheidend in einer Beherrschung des Geschehensablaufs als Werk des Täters niederschlagen, selbst für den Fall, dass dieser an der Ausführung sodann nicht unmittelbar beteiligt ist. Eine akribische Planung und Organisation zeichnet dort das Verhalten der Beteiligten im Ausführungsstadium vor und gestaltet deren Rollen in einer Weise, dass die Ausführung anschließend nahezu automatisch abrollt.333 Entscheidend ist in Übereinstimmung mit § 25 Abs. 2 StGB, dass der vorbereitende Tatbeitrag im Geschehen als Teil der Tätigkeit aller fortwirkt und vom Tatentschluss gedeckt ist.334
II. Der gemeinsame Tatentschluss Subjektiv erfordert Mittäterschaft das Vorliegen eines gemeinsamen Tatentschlusses. Schließlich vereinigen sich die Tatbeiträge der Beteiligten erst auf Grundlage eines solchen zur mittäterschaftlichen Tatbegehung.335 Allein der auf das Erbringen eines gewichtigen Tatbeitrags gerichtete Wille ist nicht ausreichend,336 es bedarf vielmehr eines bewussten und gewollten Zusammenwirkens. Erforderlich für Mittäterschaft ist, dass jeder der Beteiligten nach dem gemeinsamen Tatentschluss willentlich eine für die Gesamttat wesentliche Rolle einnimmt.337 Um Mittäter zu sein, müssen die Beteiligten daher den Entschluss gefasst haben, eine Tat gemeinsam, mithin als gleichberechtigte Partner, arbeitsteilig auszuführen, wobei „Tat“ eine konkrete einzelne Tatbestandsverwirklichung meint.338 Einer ausdrücklichen Verabredung bedarf es nicht, es genügt die konkludente Herbeiführung derselben.339 Zumindest ein irgendwie gearteter Kommunikationsakt 332
Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 823. Kühl, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 20 Rn. 111 sowie Stratenwerth / Kuhlen, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 12 Rn. 94. 334 Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 823. 335 Allgemein zum Erfordernis siehe Heine / Weißer, in: Schönke / Schröder, § 25 Rn. 71; auch Küpper, ZStW 105 (1993), 295 ff.; kritisch zum Erfordernis etwa Lesch, ZStW 105 (1993), 271 ff. 336 Heine / Weißer, in: Schönke / Schröder, § 25 Rn. 71 m. w. N. 337 Heine / Weißer, in: Schönke / Schröder, § 25 Rn. 71; Stratenwerth / Kuhlen, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 12 Rn. 83. 338 Kühl, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 20 Rn. 104. 339 Unter anderem RG v. 12. 03. 1920 – II 41/20, RGSt 54, 271, 272; BGH v. 15. 01. 1991 – 5 StR 492/90, BGHSt 37, 289, 292; BGH v. 17. 03. 2011 – 5 StR 570/10, NStZ-RR 2011, 200; BGH v. 04. 02. 2016 – 1 StR 344/15, NStZ-RR 2016, 136, 137; Eisele, in: Baumann / Weber / Mitsch / Eisele, § 25 Rn. 61; Freund / Rostalski, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 10 Rn. 163; Heine / Weißer, in: Schönke / Schröder, § 25 Rn. 72; Hilgendorf / Valerius, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 9 Rn. 73; Kühl, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 20 Rn. 104; Murmann, in: Satzger / Schluckebier / Widmaier, StGB, § 25 Rn. 38; Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 44 Rn. 11a; Schünemann / Greco, in: LK-StGB, § 25 Rn. 195; Seher, JuS 2009, 304, 305; Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 815. 333
C. Die Mittäterschaft zwischen Betreiber- und Nutzerebene
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zwischen den Beteiligten ist jedoch unerlässlich,340 ein einseitiger „Einpassungsbeschluss“ ist hingegen nicht ausreichend.341 Ohne Belang ist insoweit, dass sich die Beteiligten persönlich kennen, sofern jedem klar ist, dass neben ihm noch andere mitwirken und diese vom gleichen Bewusstsein geleitet werden.342
III. Tatbeiträge der Betreiberebene Benannt sind damit bislang lediglich allgemein die Anforderungen an eine mittäterschaftliche Zurechnung im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB, nicht jedoch, inwieweit sich speziell die Tatbegehung mittels Plattform im Darknet in die vorstehenden Grundsätze einer gemeinschaftlichen Tatbegehung einfügt. Tatbeiträge der Nutzerebene sind je nach Fallgestaltung vornehmlich in dem Offerieren eines konkreten Angebots oder dem Anbieten illegaler Waren oder Dienstleistungen auf Bieterseite, in dem Erwerb dieser aufseiten des Erwerbers oder allgemein dem Einstellen von Forenbeiträgen zu erblicken. Betrachtet man sodann die Verhaltensmuster der Betreiberebene, so beschränkt sich diese – insbesondere im Falle der professionell organisierten digitalen Marktplätze – vielfach auf die Zurverfügungstellung der unter Umständen gar vollautomatisierten, kriminell ausgerichteten Infrastruktur. Nicht zuletzt unter Würdigung des dem LG Karlsruhe vorliegenden Sachverhalts wird jedoch ersichtlich, dass vonseiten der Betreiberebene zumindest teilweise zugleich Handlungen mit Bezug zu konkreten Nutzerbeiträgen vorgenommen werden, indem die Betreiber exemplarisch einen Werbetext für den Verkauf von Betäubungsmitteln erst infolge einer eigenhändigen Prüfung freischalten.343 Daneben zeigt etwa das Urteil des LG Duisburg mit Blick auf die Betreiberebene von verschiedenen, teils auch über das Darknet zu erreichenden Underground Economy Foren, dass Betreiber im Hinblick auf einzelne Geschäfte als Treuhänder tätig werden.344 Als Tatbeitrag des Betreibers gewinnt daher nicht allein die Zurverfügungstellung der Plattform, sondern auch die Vornahme von zusätzlichen Maßnahmen bezüglich konkreter Geschäfte an Relevanz.
340
Kühl, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 20 Rn. 104 m. w. N. Küpper, ZStW 105 (1993), 295, 301 f.; Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 44 Rn. 12; Rotsch, in: FS-Puppe, 887, 891; Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 2, § 25 Rn. 190 ff.; Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 815; a. A.: Derksen, GA 1993, 163, 169 ff.; Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, Abschn. 21 Rn. 43. 342 RG v. 12. 03. 1920 – II 41/20, RGSt 54, 271, 272; RG v. 23. 09. 1924 – I 54/24, RGSt 58, 279; ferner BGH v. 12. 11. 2009 – 4 StR 275/09, NStZ 2010, 342, 343. 343 LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 312 ff. 344 LG Duisburg v. 05. 04. 2017 – 33 KLs-111 Js 32/16–8/16, BeckRS 2017, 128618 Rn. 542 ff.
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
1. Zurverfügungstellung von Infrastruktur Würdigt man als Tatbeitrag des Betreibers zunächst das bloße Betreiben der auf den Handel mit illegalen Waren und Dienstleistungen ausgerichteten Plattform, so ist dieses der eigentlichen Tatausführung des Nutzers vorgelagert. Schließlich ist der Betreiber bei schlichter Zurverfügungstellung von Infrastruktur im weiteren Verlauf weder unmittelbar an der Abwicklung der illegalen Geschäfte über Waren oder Dienstleistungen noch an der Erstellung von Forenbeiträgen seitens der Nutzer beteiligt. Schafft ein Plattformbetreiber im Darknet daher lediglich eine Infrastruktur zum Handel mit illegalen Waren oder Dienstleistungen, nimmt aber sodann keinerlei zusätzliche Handlungen in Richtung der durch die Nutzer abgewickelten Geschäfte oder Beiträge vor, so erstreckt sich dessen Tatbeitrag insbesondere bei automatisierten Plattformen schlicht auf das Vorbereitungsstadium der Tat.345 Während die Rechtsprechung auf Grundlage der gemäßigten subjektiven Theorie prinzipiell auch vorbereitende Tatbeiträge für eine Mittäterschaft ausreichen lässt, bedarf es im Sinne der gemäßigten Tatherrschaftslehre einer näheren Betrachtung dahingehend, inwieweit die Zurverfügungstellung krimineller Infrastruktur als Tatbeitrag im Vorbereitungsstadium zumindest in das Ausführungsstadium hineinwirkt, das Defizit des Betreibers im Ausführungsstadium also durch ein „Mehr“ an Planung und Organisation kompensiert wird. Im Sinne einer weitergehenden Konkretisierung wird dort teils als Minimalanforderung verlangt, dass durch den Beitrag im Vorfeld der Tat das tatbestandliche Geschehen in hinreichend konkretisiertem Maß abgesteckt ist. Mittels der Organisation müssten daher wenigstens Tatausführender, Tatobjekt, Maß seiner Verletzung sowie Mittel der Rechtsgutsverletzung derart hinreichend bestimmt sein, dass dem Tatausführenden im Falle des planmäßigen Handelns allenfalls das Ob, nicht aber das Wie der Tatausführung obliegt.346 Vergegenwärtigt man sich ausgehend davon die Bereitstellung krimineller Infrastruktur als in Rede stehenden Tatbeitrag des Betreibers, ist dort zwar einstweilen hervorzuheben, dass den Nutzern infolge des Bereithaltens der Infrastruktur – insbesondere durch Schaffung von Produkt- oder Themenkategorien mit Kriminalitätsbezug – neben dem Auffinden eines gleichgesinnten Delinquenten zugleich die anonyme Deliktsbegehung durch die Ausgestaltung der Plattform als Onion Service ermöglicht wird.347 Der Tatbeitrag des Betreibens einer kriminell und auf Anonymität ausgerichteten Plattform als Kommunikations- und Interaktionsort eröffnet den Nutzern daher zwar gewissermaßen erst den Weg hin zur Deliktsbegehung. Dass 345
In diesem Sinne auch Ceffinato, JuS 2017, 403, 408; Greco, ZIS 2019, 435, 440 f.; Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 133 f.; Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 87 f.; anders etwa Zieschang, GA 2020, 57, 61. 346 Bosch, Organisationsverschulden in Unternehmen, S. 271. 347 Siehe zur Verschleierung von IP-Adressen Teil 1 B.
C. Die Mittäterschaft zwischen Betreiber- und Nutzerebene
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jedoch auch durch Lieferung des Tatwerkzeugs ein entscheidender Beitrag geleistet werden kann, ohne dabei als Mittäter aufzutreten, ist anerkannt.348 Verglichen zur analogen Welt ähnelt der Tatbeitrag des Betreibers zumindest insoweit dem Verhalten des Konstrukteurs beziehungsweise Lieferanten eines Tatmittels oder eines Tatvermittlers, dessen Tatbeitrag gleichermaßen im Vorbereitungsstadium endet und grundsätzlich als Gehilfenbeitrag eingeordnet wird.349 Entscheidend ist dort, dass der Betreiber bei bloßer Zurverfügungstellung krimineller Infrastruktur trotz Herrschaft über diese an der unmittelbaren Tatausführung der Nutzer nicht beteiligt ist und ebendieses Defizit auch nicht durch ein seinerseits erhöhtes Maß an Planung und Organisation der Tat aufgewogen wird. Der Mittäterschaftstauglichkeit des Tatbeitrags eines beherrschenden Organisators liegt vielmehr wie gesehen der Gedanke zugrunde, dass die Ausführung der Tat gleichsam von alleine abläuft, soweit der Plan erst einmal durch die akribische Organisation steht.350 Stellt der Betreiber jedoch schlicht die auf den illegalen Handel ausgerichtete Infrastruktur zur Verfügung und hält diese – im Einzelfall gar vollautomatisiert – aufrecht, ist die nachfolgende Tatgestaltung gerade dem Nutzer selbst überlassen; der Betreiber verzichtet insoweit auf eine Einflussnahme auf konkrete Geschäftsvorgänge, ohne zumindest ähnlich eines Organisators die Fäden der Tatherrschaft durch vorausgehende Planung derselben in der Hand zu halten. In diesem Fall legt der Betreiber nicht etwa das tatbestandsverwirklichende Geschehen in seinem konkreten Verlauf fest, indem er sich nach Jakobs die materielle Herrschaft in Form von „Gestaltungsherrschaft“ aneignet beziehungsweise die tatausführenden Nutzer, Inhalt des abgewickelten Geschäfts, das Maß der Verletzung oder Ähnliches bestimmt. Vielmehr bleiben Vertragspartner, Menge und Preis der gehandelten Waren oder Dienstleistungen dem Nutzer überlassen.351 Erschöpft sich das Verhalten eines Plattformbetreibers im Darknet in der Zurverfügungstellung und Aufrechterhaltung der kriminellen Infrastruktur im Vorfeld der unmittelbaren Tatbegehung durch die Nutzer, ist daher jedenfalls im Sinne der gemäßigten Tatherrschaftslehre bereits die Mittäterschaftstauglichkeit des Tatbeitrags in objektiver Hinsicht zu verneinen. Ohnehin wird es in ebendiesen Fällen an den auch von der grundsätzlich objektiv geprägten Tatherrschaftslehre geforderten subjektiven Anforderungen einer wechselseitigen Zurechnung mangeln. Bedenkt man insoweit einmal mehr die spezifischen Gegebenheiten der Tatbegehung mittels Darknets, wird die Annahme eines gemeinsamen Tatentschlusses zwischen den Beteiligten zwar zunächst nicht in Anbetracht der Tatsache gehindert, dass sich Betreiber und Nutzer angesichts des meist stetigen Wechsels der Nutzer sowie der diesen Bereich prägenden, weitest-
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Siehe Stratenwerth / Kuhlen, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 12 Rn. 94. Zur Gehilfeneigenschaft des Lieferanten von Tatmitteln siehe Stratenwerth / Kuhlen, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 12 Rn. 94. 350 Allgemein hierzu siehe etwa Kühl, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 20 Rn. 111. 351 Im Ergebnis auch Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 87 f. sowie Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 135. 349
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
gehenden Anonymität in aller Regel nicht persönlich kennen.352 Unerlässlich bleibt jedoch eine Verabredung im Sinne eines irgendwie gearteten einvernehmlichen Kommunikationsakts, der auf die Begehung einer bestimmten Vorsatztat gerichtet ist. Bei schlichter Bereitstellung von Infrastruktur ohne Einwirkung auf Nutzerbeiträge fehlt es jedoch bereits an einem auf Einzeltaten gerichteten gemeinsamen Tatentschluss zwischen Nutzer und Plattformbetreiber.353 Daran vermag mangels Ausrichtung auf Einzeltaten auch die kriminelle Ausrichtung der Plattform als solches nichts zu ändern.354 Im Übrigen findet dort keinerlei weitergehende Interaktion zwischen den Beteiligten in Bezug auf nachfolgende Einzeltaten statt. Es fehlt im Falle bloßen Bereitstellens der Plattform ohne Einflussnahme auf einzelne Nutzergeschäfte an einem, wenngleich nur konkludent gefassten, gemeinschaftlichen Entschluss zwischen Betreiber und Nutzer dahingehend, eine Tat gemeinsam, das heißt als gleichberechtigte Partner, arbeitsteilig zu begehen. Der Betreiber begehrt insoweit mangels irgendwie gearteter Einflussnahme auf Nutzergeschäfte lediglich die Unterstützung fremden Tuns,355 erbracht wird nicht etwa willentlich eine für die in Rede stehende Gesamttat wesentliche Rolle. Insoweit fehlt es ferner an dem auch im Rahmen der Tatherrschaftslehre anerkanntem subjektiven Kriterium des Willens zur Tatherrschaft.356 Das bisherige Schrifttum steht daher einer Mittäterschaft zwischen Plattformbetreiber und Nutzer in diesen Fällen im Ergebnis zu Recht mehrheitlich ablehnend gegenüber.357 2. Einwirkung auf Nutzerbeiträge Der Tatbeitrag des Betreibers erschöpft sich jedoch nicht stets in dem schlichten Bereitstellen einer kriminell ausgerichteten Plattform. Exemplarisch war der Betreiber des Darknet-Forums „Deutschland im Deep Web“ als alleiniger Administrator in der Lage, Werbetexte der Nutzer in der seinerseits geschaffenen Unterkategorie „Biete (Cannabis, Stimulanzien, Psychedelika, Apotheke, [Neu] Dienstleistung und Software)“ freizuschalten oder dies abzulehnen. Diejenigen Angebote, die ihm mit der Bitte um Einstellung in die Unterkategorie „Biete“ 352
Darauf verweist auch Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 87. So Ceffinato, JuS 2017, 403, 408; im Ergebnis auch Greco, ZIS 2019, 435, 440 f. sowie Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 10. 354 Im Ergebnis auch Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 140 f. Anders etwa Zieschang, GA 2020, 57, 62 Fn. 29, wonach sich der gemeinsame Tatplan zumindest konkludent aus der Ausrichtung der Plattform auf illegale Geschäfte ergibt. 355 Darauf, dass auch subjektiv meist eher Beihilfe vorliegen wird, verweisen bereits Fünfsinn / Krause, in: FS-Eisenberg, 641, 646; so auch Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 87. 356 Im Ergebnis zum fehlenden Willen zur Tatherrschaft sowie zum fehlenden gemeinsamen Tatentschluss bereits Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 10. 357 So im Ergebnis Ceffinato, JuS 2017, 403, 408; Greco, ZIS 2019, 435, 440 f.; Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 10; auch Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 87; grundsätzlich befürwortend hingegen Zieschang, GA 2020, 57, 62 Fn. 29. 353
C. Die Mittäterschaft zwischen Betreiber- und Nutzerebene
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übermittelt wurden, prüfte der Betreiber sodann nur dahingehend, ob dem Angebot ein Bild (sogenanntes „proofpic“) angefügt wurde, das den von ihm gestellten Anforderungen (Datum, Verkäufername) entsprochen habe.358 Menge und Art der angebotenen Betäubungsmittel waren für ihn ohne Bedeutung, insoweit hatte der Betreiber auch sonst keine Einschränkungen vorgegeben.359 Wenngleich der Betreiber den Nutzer, soweit erforderlich, zur Nachbesserung aufforderte, bevor der Beitrag freigeschaltet und somit Kaufinteressenten zugänglich gemacht wurde, war eine Einflussnahme auf den Inhalt des Werbetextes nicht festzustellen.360 Nach Freischaltung konnte der potentielle Verkäufer den Beitrag außerdem für maximal drei Stunden editieren.361 Mit Blick auf die Mittäterschaftstauglichkeit ebenjener manuellen Freischaltung als weitergehender Tatbeitrag gewinnt anschließend abermals die Verwirklichungsstufe der Tat an Bedeutung. Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang zuvorderst der Inhalt des entsprechenden Nutzerbeitrags sowie der insoweit in Erwägung zu ziehende Tatbestand. Nach § 22 StGB versucht eine Straftat und gelangt in das Ausführungsstadium einer Tat, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Tatbestandsverwirklichung unmittelbar ansetzt, wobei dies herrschend unter Zuhilfenahme des sogenannten individuell-objektiven beziehungsweise subjektiv-objektiven Kombinationsansatzes bestimmt wird.362 Vollendet ist die Tat, wenn sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht sind, beendet hingegen, sobald das Tatgeschehen über die Tatbestandsverwirklichung hinaus tatsächlich abgeschlossen ist.363 Unter Würdigung des Einzelfalls ist daher jedenfalls stets eine Überprüfung dahingehend erforderlich, inwieweit das Verfassen und Weiterleiten des Werbetextes an den Betreiber beziehungsweise die Freischaltung desselben die Versuchs- oder Vollendungsschwelle überschreitet. Im Fall des LG Karlsruhe stand mit der Freischaltung der entsprechenden Beiträge eine nicht unumstrittene Beteiligung des Betreibers am unerlaubten Werben mit Betäubungsmitteln im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BtMG i. V. m. § 14 Abs. 5 BtMG und Anlagen I und III zum BtMG in Rede,364 wobei Werbung in die 358
LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 131. LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 315. 360 LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 312 ff. 361 LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 131. 362 BGH v. 16. 09. 1975 – 1 StR 264/75, BGHSt 26, 201, 203; BGH v. 26. 08. 1986 – 1 StR 351/86, NStZ 1987, 20; BGH v. 09. 03. 2006 – 3 StR 28/06, NStZ 2006, 331 f.; Eser / Bosch, in: Schönke / Schröder, § 22 Rn. 32 ff.; Jescheck / Weigend, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 518; Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 34 Rn. 22. 363 BGH v. 24. 06. 1952 – 1 StR 316/51, BGHSt 3, 40, 43. 364 Kritisch hierzu Oğlakcıoğlu, der darauf verweist, dass § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BtMG insoweit nur einschlägig sein könne, wenn man davon ausgehe, dass § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BtMG nicht ausschließlich die „unerlaubte Werbung“ im legalen Betäubungsmittelverkehr betrifft, Oğlakcıoğlu, NStZ-RR 2019, 329, 330. Zum diesbezüglichen Streitstand näher m. w. N. auch Oğlakcıoğlu, in: MüKo-StGB, § 29 BtMG, Rn. 1323. Kritisch zur Verurteilung wegen § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BtMG auch etwa Patzak, in: Patzak / Volkmer / Fabricius, § 29 BtMG Rn. 1332, 1384, der hingegen auf § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 BtMG verweist. 359
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
sem Sinne der an Dritte gerichtete Hinweis auf die Bereitschaft des Werbenden ist, Betäubungsmittel zu liefern365 und die Tat vollendet ist, wenn die verbotene Mitteilung den Adressatenkreis erreicht hat.366 Das LG Karlsruhe gelangte vorliegend auf Grundlage der in der Rechtsprechung vorherrschenden gemäßigten subjektiven Theorie zu einer schlichten Beihilfe des Betreibers zum unerlaubten Werben mit Betäubungsmitteln der Nutzer nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BtMG, § 27 StGB. Laut LG Karlsruhe sei ein weitergehendes Tatinteresse des Betreibers am Erfolg der konkreten Werbehandlung oder eine Einflussnahme auf den Inhalt des Werbetextes nicht festzustellen.367 Daher sei die Freischaltung mangels weitergehender Tatherrschaft und Tatinteresses des Betreibers nicht als mittäterschaftstauglich einzuordnen.368 Mit diesem Hinweis stellt das LG Karlsruhe indes aber zumindest eine abweichende Einschätzung in Aussicht, würde der Betreiber durch Provisionen am Werbetext profitieren oder Einfluss auf den Inhalt desselben nehmen.369 Die Tatherrschaftslehre nähert sich der Abgrenzung von (Mit-)Täterschaft und Beihilfe hingegen durch eine im Grundsatz objektiv geprägte Herangehensweise. Objektiv ist die Einflussnahme des Betreibers bei händischer Freischaltung von Werbetexten zwar auf den ersten Blick eine ungleich größere als bei schlichter Bereitstellung von Infrastruktur, war der Betreiber doch als alleiniger Administrator in der Lage, die entsprechenden Werbetexte in der Kategorie „Biete“ freizuschalten oder dies zu versagen. Prima facie scheint dies aufgrund der die unerlaubte Werbung erst ermöglichenden Handlung eine nicht unerhebliche Rolle.370 Umgekehrt war jedoch mit der vorherigen Überprüfung und anschließenden Freischaltung keine irgendwie geartete inhaltliche Einflussnahme auf die Beschreibung von Zusammensetzung, Wirkung, Menge, Art oder Preis der angebotenen Betäubungsmittel und damit den Inhalt des Werbetextes verbunden. Die Freischaltung infolge von Sichtung diente daher nicht etwa einer Umsetzung bestimmter inhaltlicher Vorgaben des Betreibers, sie war im Verhältnis zu den Rollen der Nutzer weniger wesentlich. Auf Art und Ausmaß des Angriffs gegen das geschützte Rechtsgut bestand insoweit keinerlei Einfluss. Mit Blick auf den in Rede stehenden Tatbestand – das unerlaubte Werben mit Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BtMG – wird so zugleich deutlich, dass es dem Betreiber neben einer weitergehenden Tatherrschaft mit Blick auf das konkrete Geschäft jedenfalls am subjektiven Kriterium der Mittäterschaft fehlt, ebenjene Tat als gleichberechtigter Partner begehen zu wollen. Freigeschaltet werden sollte unabhängig von Zusammensetzung, Wirkung, Menge, Art oder Preis der Betäubungsmittel jeder Beitrag, der den formellen An 365
LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 309; Patzak, in: Patzak / Volkmer / Fabricius, § 29 BtMG Rn. 1318. 366 Patzak, in: Patzak / Volkmer / Fabricius, § 29 BtMG Rn. 1331. 367 LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 314. 368 LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 314. 369 Im Ergebnis so auch Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 138. 370 So Zieschang, GA 2020, 57, 62.
C. Die Mittäterschaft zwischen Betreiber- und Nutzerebene
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forderungen – insbesondere durch Beifügung eines „proofpics“ – genügte, sodass es dem Betreiber mangels gesteigerter Einflussnahme auf den entsprechenden Werbetext nicht darauf ankam, für das unerlaubte Werben mit Betäubungsmitteln und damit den Angriff auf das Rechtsgut eine wesentliche Rolle einzunehmen. Ziel des Betreibers war lediglich die Vermeidung von Betrügereien371 und weniger die Verbesserung von Absatzchancen des potentiellen Verkäufers durch gemeinschaftliche, das heißt eine durch gleichberechtigte Partnerschaft arbeitsteilige, unerlaubte Werbung mit Betäubungsmitteln.372 Auch auf dem Boden der Tatherrschaftslehre ist demnach Mittäterschaft vorliegend abzulehnen, wobei dort nicht einmal ein subjektives Tatinteresse – etwa der Erhalt von Provisionen – zu einem anderen Ergebnis führte.373 Etwas anderes käme daher nur für diejenigen Fälle in Betracht, in denen der Betreiber tatsächlich gegebenenfalls ohne Änderungsmöglichkeit der Nutzer inhalt lichen Einfluss auf Werbetexte oder allgemein Verkaufsgeschäfte nimmt, diese also exemplarisch nur freischaltet, sofern Menge, Art und Preis der Betäubungsmittel seinen Vorstellungen entsprechen. Dann ließen sich neben den objektiven Voraussetzungen einer Mittäterschaft in aller Regel auch deren Anforderungen in subjektiver Hinsicht begründen. Schließlich fände sich in den beschriebenen Erwägungen letztlich der gesuchte auf Einzeltaten gerichtete Tatentschluss der Beteiligten, gemeinsam die dortige Straftat begehen zu wollen, wobei freilich abermals ohne Belang bliebe, inwieweit sich Plattformbetreiber und Nutzer angesichts der dortigen Anonymität persönlich kennen. Bei tatsächlicher inhaltlicher Einflussnahme auf ein einzelnes Geschäft vonseiten des Betreibers verfolgen beide Seiten sodann nicht länger divergierende Ziele, sondern beabsichtigen eine gemeinschaftliche Rechtsgutsbeeinträchtigung. Für die Praxis dürften derartige Fälle jedoch nur eine geringe Rolle spielen. Neben einer händischen Freischaltung von Nutzerbeiträgen als Tatbeitrag des Betreibers bleibt abschließend noch auf eine etwaige Treuhandtätigkeit desselben mit Blick auf Nutzergeschäfte zu verweisen.374 Wenngleich ein entsprechender Treuhandservice über die bloße Bereitstellung der Infrastruktur hinausgeht, bedeutet dies erneut nicht zwingend die Annahme einer Mittäterschaft zwischen Betreiber und Nutzer. Nach Auffassung des LG Duisburg fördert zwar die Zurver 371
LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 305. Allgemein zum Zweck des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BtMG siehe etwa Patzak, in: Patzak / Volkmer / Fabricius, § 29 BtMG Rn. 1311. 373 Allgemein zur Irrelevanz des eigenen Tatinteresses im Rahmen der Tatherrschaftslehre siehe Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 41 Rn. 12, 15. Im Ergebnis Mittäterschaft bei Freischaltung zusätzlich unter vergleichender Betrachtung des Falls „Kino.to“ ablehnend auch Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 137 ff.; verneinend bei manueller Freischaltung von Werbetexten durch den Betreiber der Plattform „Deutschland im Deep Web“, wenngleich unter Bezug auf einen Tatbeitrag im Vorbereitungsstadium Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 174 f. 374 Siehe dazu den Sachverhalt in LG Duisburg v. 05. 04. 2017 – 33 KLs-111 Js 32/16–8/16, BeckRS 2017, 128618, Rn. 542 ff. 372
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
fügungstellung eines Treuhandservices die Tatbereitschaft der Nutzer sowie die Abwicklung der Straftat in objektiver Hinsicht, weil es den Tätern eine Absicherung des Geschäfts in Aussicht stellte und der Treuhänder die Gegenleistung in Bitcoin verwaltete und weiterleitete.375 Ein mittäterschaftlicher Tatbeitrag werde hierdurch jedoch nicht begründet, weil das Ob und Wie des Geschäfts unabhängig vom Treuhänder bestimmt werde und der Treuhänder regelmäßig lediglich eine Zahlungsdienstleistung ohne Kontakt oder Zugriffsmöglichkeit auf die inkriminierten Güter ausübe.376 Inwieweit die Rechtsprechung auf Grundlage der subjektiven Theorie zur Annahme einer mittäterschaftlichen Tatbegehung neigt, soweit mit Blick auf die Treuhandtätigkeit – anders als im Falle des LG Duisburg377 – ein eigenes finanzielles Interesse durch die Erhebung von Gebühren festzustellen ist, bleibt abzuwarten. Abhängig von den Umständen des Einzelfalls trägt dieses Ergebnis im Grundsatz jedenfalls auch mit Blick auf die in der Literatur vorherrschende Tatherrschaftslehre. Solange dem Betreiber keine inhaltliche Einflussnahmemöglichkeit hinsichtlich der in Rede stehenden Geschäfte zukommt, wird man bei bloßer Erbringung einer Art Finanzdienstleistung zur Verhinderung von Betrügereien abermals nicht davon ausgehen können, dass dieser als gleichberechtigter Partner auftreten will. Selbstredend sind jedoch erneut die Umstände des Einzelfalls von Bedeutung.
IV. Zusammenfassung Im Ergebnis zeigt das zuvor Gesagte in Übereinstimmung mit dem bis dato vorzufindenden Schrifttum, dass die Annahme einer Mittäterschaft zwischen Plattformbetreiber und Nutzer bei schlichter Zurverfügungstellung einer kriminell ausgerichteten Plattform im Darknet grundsätzlich nicht trägt. Ausschlaggebend sind insoweit neben dem Fehlen eines hinreichend in das Ausführungsstadium hineinwirkenden Tatbeitrags zugleich der Mangel eines gemeinschaftlichen Tatentschlusses sowie eines Willens des Betreibers zur Tatherrschaft. Mittäterschaft lässt sich nach den obigen Grundsätzen auch für den Fall, dass der Betreiber – wie im Falle des Darknet-Forums „Deutschland im Deep Web“ – unerlaubte Werbetexte für Betäubungsmittel erst infolge einer manuellen Sichtung der formellen Anforderungen freischaltet, regelmäßig nicht begründen. Das LG Karlsruhe sah darin zu Recht lediglich eine Beihilfe zum unerlaubten Werben mit Betäubungsmitteln und verneinte eine Mittäterschaft des Betreibers.378 Etwas anderes ließe sich auf dem Boden der Tatherrschaftslehre allenfalls dort begründen, wo der Betreiber willentlich einen Einfluss auf den Inhalt des jeweiligen Geschäfts nimmt. Inwieweit die Rechtsprechung hingegen dem eigenen Interesse am Taterfolg – etwa 375
LG Duisburg v. 05. 04. 2017 – 33 KLs-111 Js 32/16–8/16, BeckRS 2017, 128618, Rn. 545. LG Duisburg v. 05. 04. 2017 – 33 KLs-111 Js 32/16–8/16, BeckRS 2017, 128618, Rn. 545. 377 LG Duisburg v. 05. 04. 2017 – 33 KLs-111 Js 32/16–8/16, BeckRS 2017, 128618, Rn. 545. 378 LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 314; kritisch mit Blick auf die dahingehende Verurteilung wegen Beihilfe zum Betäubungsmittelhandel etwa Zieschang, GA 2020, 57, 62. 376
D. Die Mittäterschaft innerhalb der Betreiberebene
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durch Einnahme von Provisionen – künftig Bedeutung beimisst, bleibt abzuwarten. Gleiches gilt für eine Treuhandtätigkeit des Betreibers. Stets bleibt aber die Abgrenzung von Mittäterschaft und Teilnahme eine Frage des Einzelfalls unter genauer Berücksichtigung des in Rede stehenden Tatbestands sowie des Maßes der jeweiligen Einflussnahme des Plattformbetreibers. Und dass auch die Voraussetzungen einer Mittäterschaft gewissen Beweisschwierigkeiten unterliegen können, wird freilich nicht in Abrede gestellt.
D. Die Mittäterschaft innerhalb der Betreiberebene Mittäterschaft scheint ferner nicht allein im Verhältnis zwischen Betreiber und Nutzer einer Diskussion würdig. Mit Blick auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Betreiberebene im Darknet wird vielmehr teils auf die missliche Lage der Gerichte verwiesen, die angesichts des „in dubio pro reo“-Grundsatzes zugunsten eines jeden Beteiligten davon ausgehen müssten, dass dieser die entsprechende Handlung nicht getätigt hat, sollte digitalforensisch nicht konkret nachweisbar sein, welcher Administrator oder Moderator welchen Teil der Plattform zuvor programmiert beziehungsweise gepflegt hat.379 In diesem Zusammenhang wird jedenfalls bezüglich der Deliktstatbestände des Besonderen Teils, die vorstehend eine täterschaftliche Verantwortlichkeit grundsätzlich zuließen, zur Überwindung dahingehender Nachweisschwierigkeiten teils auf die Möglichkeit der wechselseitigen Zurechnung von Tatbeiträgen nach § 25 Abs. 2 StGB innerhalb der Betreiberebene selbst verwiesen.380 Eine solche mittäterschaftliche Zurechnung von Tatbeiträgen erfordert auch innerhalb der Betreiberebene wie gesehen das arbeitsteilige Zusammenwirken sowie einen gemeinsamen Tatentschluss der Beteiligten. Inwieweit einzelne Mitglieder der Betreiberebene von Plattformen im Darknet nach dem erforderlichen, gemeinsamen Tatentschluss als Mittäter oder Gehilfe agieren, ist dabei abermals unter Zuhilfenahme der allgemeinen Abgrenzungskriterien zu bestimmen.381 Im Sinne der Tatherrschaftslehre wird insoweit für einen wesentlichen Tatbeitrag nicht zuletzt von Bedeutung sein, inwieweit dem Einzelnen etwa ein Zugriff auf die Infrastruktur oder ein eigenständiger Aufgabenbereich zugeteilt wurde. Entsprechend der subjektiven Theorie der Rechtsprechung ließe sich zudem vornehmlich der Erhalt eines vom Umsatz der Plattform abhängigen Gehalts fruchtbar machen.382 Jedenfalls hinsichtlich der durch Provisionen je Umsatzge 379 So schon Rüffer, in: Rückert / Wüst, KriPoZ 2018, 247, 252; darauf Bezug nehmend auch Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 89, 139. 380 Allgemein anklingend bei Rüffer, in: Rückert / Wüst, KriPoZ 2018, 247, 252; ausdrücklich auch Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 89 f. Eine wechselseitige Zurechnung von Tatbeiträgen speziell in Bezug auf § 127 StGB-E thematisierend etwa Rückert, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 13. 381 Siehe dazu die Ausführungen unter Teil 3 C. I. 382 Siehe hierzu Teil 3 B. II. 2.
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
schäft profitierenden Administratoren mit Vollzugriff auf die Plattform schiene danach die Annahme einer Mittäterschaft sowie eine wechselseitige Zurechnung der Tatbeiträge untereinander bei entsprechendem gemeinsamen Tatentschluss derselben denkbar. Mit Blick auf die in der Hierarchieebene der Betreiber unter den Administratoren stehenden Moderatoren bedürfte es hingegen stets einer eingehenderen Betrachtung. Entscheidend für die Annahme einer mittäterschaftlichen Stellung innerhalb der Betreiberebene dürfte dabei sein, inwieweit diesen zumindest eigene und selbstständige Aufgabenbereiche – etwa die Forenpflege oder der Kundenservice – zugeteilt wurden.383 Lässt man aber die Überwindung von Nachweisschwierigkeiten im Rahmen von Deliktstatbeständen des Besonderen Teils mithilfe einer wechselseitigen Zurechnung zu, scheint dies im Grundsatz auch mit Blick auf schlichte Gehilfenbeiträge gangbar.384 Schließlich soll sich Mittäterschaft – nach nur wenig diskutierter Auffassung – nicht allein auf die Verwirklichung von Tatbeständen des Besondern Teils beziehen können, sondern auch mit Blick auf die gesetzlichen Teilnahmeformen.385 Sofern für jene Figur im Einzelfall ein Bedürfnis auszumachen ist, wäre ein Teilnehmer danach zwar weiterhin über § 27 StGB zu bestrafen, Mittäterschaft kann dann aber zur Zurechnung etwaiger Beiträge anderer herangezogen werden.386 Mit Blick auf die Betreiberebene von Plattformen im Darknet bleibt dort freilich weiterhin erforderlich, dass die Beteiligten aus eigenen Antrieb gemeinsam arbeitsteilig zusammenwirken, das heißt eine gemeinschaftliche Struktur unter den Adminis tratoren und Moderatoren gegeben und nachweisbar ist.
E. Das Betreiben einer Darknet-Plattform im Lichte des § 26 StGB Neben einer täterschaftlichen Verantwortlichkeit des Plattformbetreibers im Darknet wird im Hinblick auf die schlichte Zurverfügungstellung einer Plattform mit krimineller Ausrichtung des Weiteren vereinzelt die Strafbarkeit des Plattform 383
Ähnlich Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 90. Anders wohl Rüffer, in: Rückert / Wüst, KriPoZ 2018, 247, 252; Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 89, 139. 385 Zur gemeinschaftlichen Beihilfe etwa Joecks / Scheinfeld, in: MüKo-StGB, § 25 Rn. 193; Kudlich, JuS 2002, 751, 752 f.; Schünemann / Greco, in: LK-StGB, § 25 Rn. 193. Siehe auch BGH v. 16. 11. 2006 – 3 StR 139/06, NJW 2007, 384, 389. Zur Begründung ebendieser Figur wird darauf verwiesen, dass auch die Beihilfe eine „Straftat“ im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB darstellen könne und der Umstand, dass der Wortlaut des § 25 Abs. 2 StGB jeden Beteiligten als „Täter“ bestrafen will, mit Art. 103 Abs. 2 GG in diesem Fall vereinbar sei, weil der sprachlich nicht passende Teil des § 25 Abs. 2 StGB nicht die Voraussetzungen einer Strafbarkeit, sondern nur deren Rechtsfolge betreffe, vgl. die Begründung bei Kudlich, JuS 2002, 751, 753. 386 Joecks / Scheinfeld, in: MüKo-StGB, § 25 Rn. 193; Schünemann / Greco, in: LK-StGB, § 25 Rn. 193. 384
E. Das Betreiben einer Darknet-Plattform im Lichte des § 26 StGB
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betreibers als Anstifter diskutiert.387 Lohnend erscheint eine dahingehende Würdigung allenfalls unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Betreiber infolge des Betreibens einer als Onion Service ausgestalteten sowie ganz oder teilweise auf den Handel mit illegalen Waren oder Dienstleistungen ausgerichteten Plattform einen gewissen Tatanreiz zur Begehung von Straftaten seitens der Nutzer setzt. Ausgehend davon gewinnt bei Zurverfügungstellung der erforderlichen Infrastruktur zur Tatbegehung im Darknet abermals die bekannte Problematik um die Reichweite eines „Bestimmens“ sowie die Konkretisierung der Haupttat an Bedeutung.
I. „Bestimmen“ eines Nutzers zur Haupttat § 26 StGB erfordert als Anstifterhandlung zunächst das Bestimmen des Haupttäters zu dessen Tat im Sinne des Hervorrufens eines darauf gerichteten Tatentschlusses.388 Umstritten ist dabei jedoch, inwieweit jede Art des Herbeiführens eines Tatentschlusses genügt oder vielmehr eine spezifische Art der Willensbeeinflussung durch den Anstifter erforderlich ist. Im Spektrum der verschiedenen Auffassungen erachtet zunächst die extensive Verursachungstheorie jedes (Mit-)Verursachen des Tatentschlusses beim Haupttäter für ein Bestimmen als ausreichend, sodass letztlich auch das bloße Schaffen einer zur Tat anreizenden Sachlage – als sogenanntes Tatsachenarrangement – für eine Anstiftungshandlung genügen könne.389 Tragende Gründe einer solch weiten Auslegung des Bestimmens seien neben dem insoweit offenen Wortlaut des § 26 StGB zugleich das gesteigerte Maß an krimineller Energie, welches sich bei gezielter Schaffung tatprovozierender Umstände durch den Teilnehmer offenbare, als das böswillige Schaffen einer tatanreizenden Sachlage sogar „aussichtsreicher, raffinierter und damit für das Angriffsobjekt gefährlicher“ sei.390 Ließe man für ein Bestimmen im Sinne des § 26 StGB nunmehr bereits das Schaffen einer tatanreizenden Sachlage genügen, würde eine strafbare Anstiftung zugleich mit Blick auf die Zurverfügungstellung einer kriminellen Infrastruktur im Darknet an Bedeutung gewinnen. Schließlich könnte nur schwerlich bestritten werden, dass der Betreiber infolge des Bereitstellens einer auf Anonymität angelegten sowie auf die Begehung von Straftaten ausgerichteten Plattform eine zur Tat der Nutzer anreizende Situation im obigen Sinne schafft. 387
Ablehnend etwa Bachmann / Arslan, NZWiSt 2019, 241, 243 f.; Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 143 ff.; Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 132 ff. 388 Siehe nur Kühl, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 20 Rn. 169 m. w. N. 389 Als Vertreter der Verursachungstheorie etwa Heghmanns, GA 2000, 473, 487; Herzberg, JuS 1976, 40, 41; Hillenkamp, JR 1987, 254, 256; Kuhlen / Roth, JuS 1995, 711, 712; Kühl, JA 2014, 668, 672; Kühl, in: Lackner / Kühl, § 26 Rn. 2; zur Strafbarkeit von sogenannten Tatsachenarrangements Christmann, Zur Strafbarkeit sogenannter Tatsachenarrangements wegen Anstiftung, passim. 390 Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, S. 146.
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
Ein derart extensives Verständnis des Bestimmens wird jedoch herrschend zu Recht abgelehnt und stattdessen ein gewisser geistiger Kontakt im Sinne einer ausdrücklichen oder konkludenten kommunikativen Beeinflussung zwischen Anstifter und Haupttäter gefordert.391 Zwar lässt der im Gesetz normierte Begriff des „Bestimmens“ zunächst in der Tat beide Deutungsalternativen zu und gibt augenscheinlich keinen näheren Aufschluss über die zutreffende Auslegung.392 Ohne die Diskussion im Detail vertiefen zu wollen, spricht jedoch für eine einschränkende Auslegung des Bestimmens im Sinne einer geistigen Kommunikation der Beteiligten vornehmlich die Anordnung der tätergleichen Bestrafung nach Maßgabe des § 26 StGB. Schließlich geht es im hier in Rede stehenden Streitpunkt der Reichweite eines Bestimmens der Sache nach um die Frage, welches Maß an Einflussnahme des Teilnehmers die tätergleiche Bestrafung zu tragen vermag.393 Dem wird aber nur eine weitergehende Einwirkung auf den Haupttäter durch einen irgendwie gearteten Kommunikationsakt zwischen Anstifter und Haupttäter im obigen Sinne gerecht.394 Für eine schlichte (Mit-)Kausalität gilt dies hingegen nicht.395 Zwar wird innerhalb dieser vorzugswürdigen Auffassung nicht in Gänze einheitlich beurteilt, von welcher Qualität die Kommunikation zwischen Anstifter und Haupttäter zu sein hat.396 Klar ist jedoch, dass sich im Hinblick auf die schlichte Zurverfügungstellung einer kriminellen Infrastruktur im Darknet ohne weitergehende Einflussnahme des Plattformbetreibers weder eine ausdrückliche noch eine konkludente geistige Kommunikation zwischen Plattformbetreiber und Nutzer konstruieren lassen wird, sodass kein „Bestimmen“ im Sinne von § 26 StGB gegeben sein wird.397
391
BGH v. 05. 08. 2008 – 3 StR 224/08, NStZ 2009, 393; Bachmann / Arslan, NZWiSt 2019, 241, 243 f.; Fischer, StGB, § 26 Rn. 3a; Gerson, ZIS 2016, 295, 299; Jescheck / Weigend, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 687; Koch / Wirth, JuS 2010, 203, 205; Kretschmer, Jura 2008, 265, 266; Krüger, JA 2008, 492, 497 f.; Otto, JuS 1982, 557, 560; Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 45 Rn. 30; Rogall, GA 1979, 11, 12; einschränkend etwa Amelung, in: FS-F. C. Schroeder, 147, 163 ff. („korrumpierende Aufforderung“ bzw. „sanktionsträchtiger Sprechakt“); Geppert, Jura 1997, 299, 304; Roxin, in: FS-Stree / Wessels, 365, 377 („zielgerichtete Aufforderung“). Noch enger fordert etwa Puppe einen Unrechtspakt zwischen Anstifter und Angestifteten, vgl. Puppe, GA 1984, 101, 112; Puppe, NStZ 2006, 424 ff. Vgl. außerdem den Überblick restriktiver Ansätze bei Joecks / Scheinfeld, in: MüKo-StGB, § 26 Rn. 11 m. w. N. 392 Teilweise wird angesichts einer Verhaltensneutralität des Begriffs des „Bestimmens“ gefolgert, jedes Hervorrufen genügen zu lassen, vgl. Kühl, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 20 Rn. 171. 393 Joecks / Scheinfeld, in: MüKo-StGB, § 26 Rn. 18. 394 Heine / Weißer, in: Schönke / Schröder, § 26 Rn. 3. 395 Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 45 Rn. 30. 396 Ein Überblick bei Heine / Weißer, in: Schönke / Schröder, § 26 Rn. 4 m. w. N. 397 Im Ergebnis Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 143 ff.; Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 133; siehe hierzu sowie ergänzend zu weiterführenden Tatbeiträgen des Betreibers Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 132 ff.
E. Das Betreiben einer Darknet-Plattform im Lichte des § 26 StGB
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II. Konkretisierung der Haupttat Ungeachtet des fehlenden „Bestimmens“ zur Haupttat scheitert die Anstiftung im Sinne des § 26 StGB bei schlichter Zurverfügungstellung der Plattform als verbindendes Medium ohnehin an einer unzureichenden Konkretisierung der Haupttat durch den Betreiber als Anstifter. Anerkannt ist, dass sich die Anstiftung auf eine bestimmte Tat beziehen muss und so eine konkrete Vorstellung des Anstifters von ebendieser notwendig wird.398 Zwar erfordert dies nicht etwa die Kenntnis sämtlicher Einzelheiten, der Rechtsprechung zufolge darf die Tat jedoch nicht lediglich nach Tatbestandstypus sowie allgemeiner Gattungsmerkmale des Tatobjekts bestimmt sein; sie muss vielmehr in der Vorstellung des Anstifters als zumindest umrisshaft individualisiertes Geschehen erscheinen.399 Sodann muss sich die Anstiftung zwar nicht an eine individuell bestimmte Person richten, ausreichend, aber auch notwendig, ist die Aufforderung an einen individuell bestimmten Personenkreis.400 Die Grenze einer noch ausreichenden Bestimmtheit des Personenkreises ist zwar nicht unumstritten.401 Oftmals wird jedoch darauf rekurriert, inwieweit der oder die Haupttäter für den Anstifter noch ohne größeren Aufwand ermittelbar sind, sodass er diese von der Tat abhalten könnte.402 Unter Würdigung jener Grundsätze wird man eine Anstiftung des Betreibers mit Blick auf die schlichte Zurverfügungstellung einer kriminell ausgerichteten Plattform schon in Ermangelung einer hinreichenden Konkretisierung der Haupttat sowie eines individuell bestimmten Personenkreises ablehnen müssen. Die mehr oder weniger bestimmte kriminelle Ausrichtung der Plattform offenbart insoweit nicht etwa die Vorstellung des Betreibers von einem umrisshaft individualisiertem Geschehen. Ferner sind Darknet-Plattformen meist für jedermann zugänglich, der Personenkreis daher nur unzureichend konkretisiert.403
398
Heine / Weißer, in: Schönke / Schröder, § 26 Rn. 18; Joecks / Scheinfeld, in: MüKo-StGB, § 26 Rn. 66. 399 BGH v. 21. 04. 1986 – 2 StR 661/85, BGHSt 34, 63, 66; Fischer, StGB, § 26 Rn. 8; Heine / Weißer, in: Schönke / Schröder, § 26 Rn. 18. 400 Heine / Weißer, in: Schönke / Schröder, § 26 Rn. 19; Kühl, in: Lackner / Kühl, § 26 Rn. 5; Kühl, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 20 Rn. 189; Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 2, § 26 Rn. 148; Schünemann / Greco, in: LK-StGB, § 26 Rn. 48; a. A. Hoyer, in: SK-StGB, Vor § 26 Rn. 55. 401 Zum Streitstand siehe etwa Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 2, § 26 Rn. 149 m. w. N. 402 Rogall, GA 1979, 11, 14; auch Kühl, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 20 Rn. 189; Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 2, § 26 Rn. 149. 403 Eine Strafbarkeit des Betreibers wegen Anstiftung ablehnend bereits Beck / Nussbaum, HRRS 2020, 112, 114; Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 133; Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 148 f.
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
III. Zusammenfassung Nach alledem ließe sich die Bereitstellung einer kriminell ausgerichteten Plattform im Darknet zwar als straftatanreizendes Tatsachenarrangement seitens des Betreibers einordnen. Unter Zugrundelegung des vorzugswürdigen Verständnisses eines „Bestimmens“ im Sinne des § 26 StGB wird indes eine strafbare Anstiftung bei schlichter Zurverfügungstellung der erforderlichen Infrastruktur regelmäßig bereits in Ermangelung einer geistigen Kommunikation zwischen Plattformbetreiber und Nutzer ausscheiden. Ungeachtet dessen mangelt es insoweit an einer Vorstellung des Anstifters von einem umrisshaft individualisierten Geschehen sowie an einem für § 26 StGB hinreichend bestimmten Personenkreis.
F. Öffentliche Aufforderung zu Straftaten nach § 111 Abs. 1 Var. 1 StGB In diesem Zusammenhang sei der Vollständigkeit halber noch darauf verwiesen, dass auch der Tatbestand der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten nach § 111 Abs. 1 Var. 1 StGB nicht über die letztgenannten Hürden einer Anstiftung verhilft. § 111 StGB bedroht zwar diejenigen Sachverhalte mit einer anstifter-, das heißt tätergleichen Strafe, die wegen der Unbestimmtheit des Adressatenkreises sowie der unzureichenden Konturierung der Tat den Anforderungen der §§ 26, 30 StGB nicht gerecht werden, jedoch im Übrigen die Anforderungen des § 111 StGB erfüllen.404 Die im Falle der Aufforderung zu rechtswidrigen Taten fehlende, einer Anstiftung gleichkommende Konkretisierung der Adressaten wird dort sodann nach überwiegender Auffassung aufgrund der Gefährlichkeit der öffentlichen Einwirkung auf einen unbestimmten Adressatenkreis aufgewogen.405 Inwieweit jedoch die schlichte Zurverfügungstellung einer kriminell ausgerichteten Infrastruktur den Anforderungen einer öffentlichen Aufforderung zu Straftaten im Sinne des § 111 Abs. 1 Var. 1 StGB genügt, ist nachfolgend kurz zu fokussieren.406
404
Paeffgen, in: NK-StGB, § 111 Rn. 13; ferner Bosch, in: MüKo-StGB, § 111 Rn. 7. Bosch, in: MüKo-StGB, § 111 Rn. 1; zum Sinn und Zweck des § 111 StGB siehe auch OLG Karlsruhe v. 12. 02. 1993 – 3 Ss 99/92, NStZ 1993, 389, 390; Eser, in: Schönke / Schröder, § 111 Rn. 1 f.; Heger, in: Lackner / Kühl, § 111 Rn. 1; Wolters, in: SK-StGB, § 111 Rn. 2. 406 Dazu ausführlich Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 146 ff. 405
F. Öffentliche Aufforderung zu Straftaten nach § 111 Abs. 1 Var. 1 StGB
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I. Begriff des Aufforderns Tathandlung des § 111 Abs. 1 StGB ist die Aufforderung zu Straftaten. Zwar ist das Verhältnis der Aufforderung im Sinne von § 111 Abs. 1 StGB zum Bestimmen im Sinne des § 26 StGB nicht unumstritten.407 Weitgehend anerkannt ist jedoch, dass Auffordern die ausdrückliche oder konkludente Kundgabe des Willens gegenüber Dritten meint, ein beliebiger Dritter solle einen Straftatbestand verwirklichen.408 Die Äußerung müsse dabei ersichtlich darauf gerichtet sein, die Adressaten derselben unmittelbar dazu zu motivieren, bestimmte rechtswidrige Taten zu begehen.409 Entscheidend soll im Rahmen des Aufforderns daher jedenfalls der Appellcharakter einer Äußerung sein, also das Verlangen nach Verwirklichung der Tat durch die Adressaten.410 Abzugrenzen gilt es die Aufforderung ferner insbesondere vom bloßen „Befürworten“ sowie vom „Anreizen“ von Straftaten.411 Danach ist etwa eine befürwortende Äußerung, innerhalb derer eine Tat „als begrüßenswert, zumindest als notwendig oder unvermeidbar bejaht wird“412, aufgrund des Fehlens eines appellativen Charakters nicht als Aufforderung im Sinne des § 111 StGB zu werten.413 Wenngleich insoweit ein psychisches Klima geschaffen wird, in dem Straftaten gedeihen können, ist eine offene Einflussnahme auf die Willensentschließung Dritter als charakteristisches Kriterium der Aufforderung zu vermissen.414 Ein bloßes Anreizen soll hingegen bei einer Beeinflussung, einer Wirkung auf Sinne und Leidenschaften gegeben sein, die einen Reiz zum Handeln erwecken und den Angereizten aufgrund eines eigenen Beschlusses zum Handeln bewegen.415 407
Teilweise wird darauf verwiesen, der Begriff der Aufforderung entspreche weitgehend dem der Anstiftung, siehe Eser, in: Schönke / Schröder, § 111 Rn. 3; Wolters, in: SK-StGB, § 111 Rn. 7; einschränkend Rosenau, in: LK-StGB, § 111 Rn. 17; differenzierend etwa auch Paeffgen, in: NK-StGB, § 111 Rn. 12. 408 RG v. 01. 11. 1913 – IV 683/13, RGSt 47, 411, 413; RG v. 31. 05. 1929 – I 290/29, RGSt 63, 170, 173; OLG Stuttgart v. 26. 02. 2007 – 4 Ss 42/07, NStZ 2008, 36, 37; Bosch, in: MüKoStGB, § 111 Rn. 6; Paeffgen, in: NK-StGB, § 111 Rn. 12. 409 BGH v. 28. 02. 1979 – 3 StR 14/79 (S), BGHSt 28, 312, 314; BGH v. 14. 03. 1984 – 3 StR 36/84, BGHSt 32, 310; Bosch, in: MüKo-StGB, § 111 Rn. 6; Fahl, in: Satzger / Schlucke bier / Widmaier, StGB, § 111 Rn. 2; Fischer, StGB, § 111 Rn. 4. 410 OLG Köln v. 17. 09. 1982 – 1 Ss 653/82, MDR 1983, 338; OLG Celle v. 14. 03. 2013 – 32 Ss 125/12, NStZ 2013, 720, 721; KG v. 29. 06. 2001 – (3) 1 Ss 410/00 (35/01), NStZ-RR 2002, 10; Bosch, in: MüKo-StGB, § 111 Rn. 7; Eser, in: Schönke / Schröder, § 111 Rn. 3; Paeffgen, in: NK-StGB, § 111 Rn. 12. 411 Zur Abgrenzung vom „Befürworten“ und „Anreizen“ siehe etwa RG v. 01. 11. 1913 – IV 683/13, RGSt 47, 411, 413; RG v. 31. 05. 1929 – I 290/29, RGSt 63, 170, 173; BGH v. 14. 03. 1984 – 3 StR 36/84, BGHSt 32, 310, 311; OLG Karlsruhe v. 12. 02. 1993 – 3 Ss 99/92, NStZ 1993, 389, 390; Bosch, in: MüKo-StGB, § 111 Rn. 7; Paeffgen, in: NK-StGB, § 111 Rn. 13. 412 Mit Blick auf § 88a StGB a. F. BGH v. 28. 02. 1979 – 3 StR 14/79 (S), BGHSt 28, 312, 314. 413 Bosch, in: MüKo-StGB, § 111 Rn. 7; Paeffgen, in: NK-StGB, § 111 Rn. 12; Rosenau, in: LK-StGB, § 111 Rn. 19. 414 Bosch, in: MüKo-StGB, § 111 Rn. 7; siehe auch Rosenau, in: LK-StGB, § 111 Rn. 19. 415 RG v. 31. 05. 1929 – I 290/29, RGSt 63, 170, 173.
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
II. Zurverfügungstellung der kriminell ausgerichteten Plattform Ausgehend davon lässt die Zurverfügungstellung einer auf den illegalen Handel ausgerichteten Infrastruktur nicht etwa eine konkludente Aufforderung des Betreibers an die Motivation der Nutzer erkennen, Straftaten zu verwirklichen. In Abgrenzung zum subtileren Befürworten und Anreizen ist es im Rahmen der Aufforderung wie gesehen gerade der wesensimmanente Appellcharakter, der eine Anwendung des § 111 StGB rechtfertigt. Wie schon im Rahmen des „Bestimmens“ erläutert, begründet zwar die vorzufindende Anonymität sowie eine Implementierung bestimmter kriminalitätsbezogener Kategorien zweifelsohne einen gewissen Anreiz zur Tatbegehung durch die Nutzer. Darüber hinausgehend fehlt es jedoch weiterhin an einer offenen Einflussnahme des Betreibers auf die Willensentschließung der potentiellen Nutzer als kennzeichnendes Kriterium der Aufforderung. Eine willenssteuernde, konkludente Erklärung zur Begehung einer Straftat ist insoweit nicht ersichtlich. Ohne Hinzutreten weiterer Umstände lässt sich daher bei schlichter Zurverfügungstellung einer Plattform mit krimineller Ausrichtung keine wenigstens konkludente Aufforderung des Betreibers an die Nutzer zur Begehung von Straftaten erblicken.416
III. Zusammenfassung Im Ergebnis verhilft auch § 111 Abs. 1 Var. 1 StGB nicht über die im Rahmen des § 26 StGB schon bestehenden Hürden hinweg. Es ermangelt bei schlichtem Bereitstellen und Aufrechterhalten krimineller Infrastruktur an der im Rahmen des § 111 StGB erforderlich werdenden, unmittelbaren Motivierungstendenz mit Appellcharakter seitens des Betreibers.
G. Die Beihilfestrafbarkeit des Plattformbetreibers Überall dort, wo keine Täterschaft des Betreibers infrage kommt, fokussiert sich die Untersuchung daher auf eine etwaige Gehilfenstrafbarkeit des Betreibers einer Plattform mit krimineller Ausrichtung. Eine eigenständige Strafbarkeit für das Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet wurde innerhalb der Gesetzesmaterialien zu § 126a StGB-E noch vorrangig mit Nachweisschwierigkeiten im Rahmen der Beihilfe begründet.417 Die Materialien zu § 127 StGB stützten die 416
Im Ergebnis ablehnend ebenfalls Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 146 ff., die aber weiterführend bei besonderer Hervorhebung einzelner Produkte oder des Einsatzes eines „Kunden werben Kunden Systems“ durch einen auf den Betäubungsmittelhandel ausgerichteten Marktplatz § 111 StGB für anwendbar erklärt. Bejahend zum Bewerben noch unbestimmter Taten in Foren siehe Bitz, in: VI. Sammelband-GKPR, 36, 44 f. 417 BT-Drs. 19/9508, S. 9 f.; zur erschwerten Nachweisbarkeit Fünfsinn / Krause, in: FS-Eisenberg, 641, 648.
G. Die Beihilfestrafbarkeit des Plattformbetreibers
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Erforderlichkeit hingegen vornehmlich auf eine Lücke, weil mit § 27 StGB nicht jeder Sachverhalt erfasst werden könne. Dies gelte insbesondere dann, wenn der Betreiber aufgrund einer Vollautomatisierung keine Kenntnis von den auf der Plattform konkret gehandelten Waren oder Dienstleistungen nehmen müsse, obgleich die Plattform auf den inkriminierten Handel ausgerichtet sei. In solchen Fällen könnten die Regeln der Beihilfe nicht genügen, weil diese eine Kenntnis der Haupttat zumindest in den wesentlichen Merkmalen voraussetzen würden.418 Schließlich sei die bisherige strafrechtliche Konstruktion von Täterschaft und Teilnahme nicht stets geeignet, diese Formen der Kriminalität im Internet angemessen zu erfassen, es bedürfe vielmehr einer Ergänzung der strafrechtlichen Regelungen.419 Insoweit könne nicht hingenommen werden, dass sich Betreiber nicht strafbar machen oder eine effektive Strafverfolgung nicht möglich sei.420 Entscheidend für die Frage einer Notwendigkeit des § 127 StGB ist demnach nicht zuletzt, inwieweit sich die beschriebenen Einwände gegen eine Gehilfenhaftung des Plattformbetreibers als tatsächlich berechtigt erweisen. Ausgehend davon ist einer Klärung zuzuführen, inwieweit die Zurverfügungstellung einer ganz oder teilweise auf den Handel mit illegalen Waren, Dienstleistungen oder Inhalten ausgerichteten Plattform im Darknet den objektiven Anforderungen an ein „Hilfeleisten“ gerecht wird und sich sodann subjektiv der Vorsatz eines Plattformbetreibers auf die einzelnen Haupttaten der Nutzer konkretisiert.
I. Anforderungen an ein „Hilfeleisten“ In § 27 Abs. 1 StGB wird bekanntlich als Gehilfe bestraft, „wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat“. Die danach erforderliche, vorsätzlich rechtswidrige Haupttat eines anderen ist dabei zunächst in den einzelnen illegalen Handelsgeschäften unterschiedlicher Waren oder Dienstleistungen beziehungsweise den Forenbeiträgen der Nutzerebene zu erblicken. Aufgrund des hiesigen Fokus auf der Strafbarkeit der Betreiberebene sei an dieser Stelle jedoch schlicht auf die im Darknet szenetypischen, in Bezug auf die Haupttat in Betracht kommenden Straftatbestände verwiesen, die teils auch vom Katalog des § 127 Abs. 1 Satz 2 StGB in den Blick genommen werden. Berührt sind hinsichtlich der Haupttaten der Nutzer im Kernstrafrecht etwa die §§ 184 ff., 253, 202a ff., 267 ff., 146 ff., 303a f. StGB, im Nebenstrafrecht vorwiegend die §§ 29 ff. BtMG, §§ 51 f. WaffG, §§ 95 f. AMG oder §§ 51, 65 DesignG.421
418
Zum Ganzen BT-Drs. 19/28175, S. 10. BT-Drs. 19/28175, S. 10. 420 BT-Drs. 19/28175, S. 11. 421 Umfassend zur Akzessorietät der Beihilfe zur Haupttat im Falle des Betreibens einer Plattform im Darknet unter Würdigung von § 28 StGB sowie zu einzelnen für das Darknet typischen Haupttaten siehe Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 167 ff. 419
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
Als darauf gerichtete Teilnahmehandlung fordert § 27 Abs. 1 StGB ein „Hilfeleisten“ seitens des Gehilfen. Über die konkrete Ausgestaltung eines Hilfeleistens hält sich das Gesetz indes bedeckt, sodass grundsätzlich jeder Tatbeitrag tauglich ist, der weder eine (Mit-)Täterschaft noch eine Anstiftung begründet.422 Nicht erforderlich ist jedenfalls ein Tatbeitrag im Ausführungsstadium, dieser kann vielmehr dem Versuchsbeginn der Haupttat weit vorgelagert sein.423 Der Tatbeitrag des Plattformbetreibers wird sodann objektiv vielfach in der schlichten Zurverfügungstellung und Aufrechterhaltung einer – unter Umständen auch vollautomatisierten – auf den illegalen Handel ausgerichteten Infrastruktur zu erblicken sein.424 Diesen kennzeichnet neben einer eindeutig kriminellen Bezeichnung der Plattform insbesondere Produkt- oder Themenkategorien mit klarem Kriminalitätsbezug sowie Treuhand- oder Bewertungssysteme, sodass den Nutzern letztlich die Suche eines kriminellen Pendants durch die wegweisende Ausgestaltung der Infrastruktur erleichtert wird und mögliche Delinquenten – bildlich gesprochen – zur Kontaktaufnahme in einem dunklen Raum zusammen gebracht werden.425 Dabei ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass nach den allgemeinen Grundsätzen nur eine Beihilfetat vorliegt, sofern ein Gehilfe mit einer Beihilfehandlung mehrere Haupttaten fördert.426 Ausgehend davon ging – wie schon an anderer Stelle ausgeführt427 – etwa das LG Duisburg mit Blick auf den allgemeinen Betrieb von teils auch über das Darknet erreichbaren Underground Economy Foren von nur einer Beihilfehandlung der Angeklagten je unterstütztes Forum aus.428 Die Angeklagten hätten insoweit allgemein vorbereitende und begleitende Leistungen 422
Heine / Weißer, in: Schönke / Schröder, § 27 Rn. 1; Kühl, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 20 Rn. 211; Schünemann / Greco, in: LK-StGB, § 27 Rn. 1. 423 BGH v. 24. 04. 1952 – 3 StR 48/52, BGHSt 2, 344, 345 f.; BGH v. 26. 10. 1984 – 3 StR 438/84, NJW 1985, 1035, 1036; BGH v. 01. 08. 2000 – 5 StR 624/99, BGHSt 46, 107, 115; BGH v. 20. 09. 2016 – 3 StR 49/16, BGHSt 61, 252, 257; Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 45 Rn. 83. 424 Zur Vornahme zusätzlicher Maßnahmen im Hinblick auf Nutzergeschäfte siehe Teil 1 C. IV. 425 Ceffinato, JuS 2017, 403, 408; Greco, ZIS 2019, 435, 441; im Ergebnis auch Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 138; Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 149. 426 BGH v. 19. 04. 1984 – 4 StR 205/84, StV 1984, 329; BGH v. 27. 10. 1999 – 2 StR 451/99, NStZ 2000, 83; BGH v. 06. 07. 2004 – 4 StR 161/04, wistra 2004, 417; BGH v. 21. 02. 2006 – 5 StR 558/05, wistra 2006, 226; BGH v. 04. 03. 2008 – 5 StR 594/07, wistra 2008, 217; BGH v. 07. 10. 2014 – 4 StR 371/14, wistra 2015, 56, 57; BGH v. 22. 07. 2015 – 1 StR 447/14, NStZ 2016, 39, 40; BGH v. 25. 07. 2019 – 1 StR 230/19, NStZ-RR 2019, 347; Heghmanns, in: FS-Roxin, Bd. 1, 2011, 867 f.; Heine / Weißer, in: Schönke / Schröder, § 27 Rn. 42; Ingelfinger, in: HK-GS, § 27 Rn. 24; Joecks / Scheinfeld, in: MüKo-StGB, § 27 Rn. 133; Kudlich, in: BeckOKStGB, § 27 Rn. 24; Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 2, § 26 Rn. 285; Schünemann / Greco, in: LK-StGB, § 27 Rn. 75; Waßmer, in: AnwaltKommentar-StGB, § 27 Rn. 41. Zum Konkurrenzverhältnis der Beihilfe außerdem Teil 3 I. IV. 2. b) bb) (1). 427 Siehe dazu Teil 3 B. II. 3. a). 428 LG Duisburg v. 05. 04. 2017 – 33 KLs-111 Js 32/16–8/16, BeckRS 2017, 128618 Rn. 547 ff.
G. Die Beihilfestrafbarkeit des Plattformbetreibers
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erbracht, die der Ermöglichung sämtlicher Haupttaten dienlich waren, ohne dass diese den einzelnen Haupttaten zugeordnet werden konnten. Weil der exakte Zeitpunkt und die Anzahl der insoweit erforderlichen Einzelhandlungen für Aufbau und Aufrechterhaltung der Foren nicht ermittelt und angesichts des funktionalen Zusammenhangs auch nur bedingt sinnvoll abgegrenzt werden konnten, war im Zweifel von nur einer Handlung je unterstütztes Forum auszugehen.429 Im Fall des Darknet-Forums „Deutschland im Deep Web“ sah das LG Karlsruhe sodann zwar aufgrund des Fokus auf der Ermöglichung eines Informationsaustauschs nicht allgemein das Betreiben des Forums als Beihilfehandlung an, wohl aber die Erstellung beziehungsweise die Wiedersichtbarmachung der Unterkategorie „Waffen“.430 Auch insoweit war dem LG Karlsruhe zufolge dem Angeklagten aufgrund der singulären Förderungshandlung nur eine Tathandlung zur Last zu legen, wenngleich insoweit mehrere Haupttaten der Nutzer unterstützt wurden.431 Würdigt man darüber hinausgehend die Feststellungen des LG Karlsruhe, lassen sich sodann wohl vornehmlich für die gegenüber den Marktplätzen verstärkt moderierten Foren mit separatem Handelsbereich zugleich abweichende Gehilfenbeiträge identifizieren. Knüpft der Betreiber – wie im Fall des Darknet-Forums „Deutschland im Deep Web“ – etwa das Inserieren einzelner Verkaufsangebote von Betäubungsmitteln durch die Nutzer in einer seinerseits hierfür geschaffenen Kategorie an eine Freischaltung infolge von Sichtung, stehen die Beihilfetaten des Betreibers aufgrund eines eigenen Willensentschlusses und der eigenen Handlung untereinander in Tatmehrheit.432 Gleiches gilt etwa im Falle einer – wie im Fall des LG Duisburg in Rede stehenden – manuellen Treuhandtätigkeit.433 Sollte der Betreiber neben einer Freischaltung zugleich einem Nutzer den Status „verifizierter Händler“ verleihen und in der Folge die zuvor in der Kategorie „Biete“ freigeschalteten Werbetexte dieses Verkäufers in die Kategorie „Biete verifiziert“ verschieben, ist das Verschieben der Beiträge sowie die Ernennung zum verifizierten Verkäufer zwar grundsätzlich eine weitere Förderungshandlung vonseiten des Betreibers; diese ist jedoch laut LG Karlsruhe mangels weiterer Rechtsgutsgefährdung als eine einheitliche Beihilfehandlung mit Blick auf denselben werbenden Nutzer einzuordnen.434 Soweit der Betreiber schließlich dem Nutzer infolge der Ernennung zum „verifizierten Händler“ die eigenständige Einstellung von Werbetexten ermöglichte, verwies das LG Karlsruhe darauf, dass zwar jede Ernennung zum „verifizierten Verkäufer“ als eine einzelne Beihilfehandlung anzusehen sei. Folgten der Ernen-
429
LG Duisburg v. 05. 04. 2017 – 33 KLs-111 Js 32/16–8/16, BeckRS 2017, 128618 Rn. 547 ff.; siehe zum Betrieb der Plattform als eine Handlung bereits Teil 3 B. II. 3. a). 430 LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 290 ff., 329 f. 431 Zur Erstellung der Unterkategorie „Waffen“ LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 385. 432 LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 313, 384. 433 LG Duisburg v. 05. 04. 2017 – 33 KLs-111 Js 32/16–8/16, BeckRS 2017, 128618, Rn. 550 f. 434 LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 316 f.
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
nung mehrere Werbetexte desselben Nutzers, erwies sich ebendiese Ernennung als singulärer Förderungsakt jedoch als eine einzelne Beihilfehandlung.435 Deutlich wird im Ergebnis, dass als typischer Gehilfenbeitrag der Betreiberebene im Darknet nicht allein die Bereitstellung krimineller Infrastruktur sowie die Schaffung spezifischer Kategorien und Unterkategorien oder die Wiedersichtbarmachung einzelner solcher Kategorien denkbar ist, sondern im Einzelfall etwa auch die jeweils manuelle Freischaltung einzelner Nutzerbeiträge oder eine händische Treuhandtätigkeit.436 Handelt es sich um eine singuläre Förderungshandlung – etwa die Bereitstellung krimineller Infrastruktur oder die Erstellung einer Unterkategorie – zu mehreren Haupttaten, ist dem Gehilfen dabei lediglich eine Tathandlung zur Last zu legen. Etwas anderes gilt jedoch aufgrund des eigenen Willensentschlusses sowie der eigenen Handlung im Falle einer manuellen Freischaltung von Werbetexten oder einer händischen Treuhandtätigkeit. Im Hinblick auf das Hilfeleisten ist zudem bekanntlich umstritten, inwieweit der Beitrag des Gehilfen für den nachfolgenden Taterfolg der Haupttat tatsächlich kausal geworden sein muss. Die Rechtsprechung sowie anknüpfend hieran Teile des Schrifttums sehen in diesem Zusammenhang von einem Erfordernis der Kausalität ab, vielmehr sei ausreichend, dass der Beitrag die Haupttat „tatsächlich gefördert“ habe.437 Hingegen hält ein Großteil der Literatur an dem Erfordernis grundsätzlich fest und verlangt, dass die Hilfeleistung für die Haupttat zumindest (mit-)ursächlich geworden ist, indem sie jedenfalls die Art und Weise der Verwirklichung der Haupttat beeinflusst.438 Schließlich lässt eine weitere Auffassung die Erhöhung des Risikos für den Erfolg der Haupttat durch den Beitrag des Teilnehmers genügen.439 Abgesehen davon, dass sich die praktischen Abweichungen der unterschiedlichen Ansätze angesichts der zumeist übereinstimmenden Ergebnisse als gering erweisen 435
LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 318 f., 384. 436 Zu einzelnen Anknüpfungspunkten einer Hilfeleistung vgl. auch Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 138 f., 186 ff. 437 RG v. 18. 03. 1924 – I 50/24, RGSt 58, 113, 114 f.; RG v. 12. 04. 1937 – 3 D 970/36, RGSt 71, 176, 178; BGH v. 01. 08. 2000 – 5 StR 624/99, BGHSt 46, 107, 109; BGH v. 25. 10. 2011 – 3 StR 206/11, NStZ 2012, 316; BGH v. 22. 07. 2015 – 1 StR 447/14, NStZ 2016, 39, 40; BGH v. 20. 09. 2016 – 3 StR 49/16, BGHSt 61, 252, 257; Seher, JuS 2009, 793, 795; Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 901. 438 Im Einzelnen unterschiedlich Baun, Beihilfe zu NS-Gewaltverbrechen, S. 100; Beckemper, Jura 2001, 163, 164; Fischer, StGB, § 27 Rn. 14a; Geppert, Jura 1999, 266, 268; Gropp / Sinn, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 10 Rn. 306; Heine / Weißer, in: Schönke / Schröder, § 27 Rn. 6; Jescheck / Weigend, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 694; Joecks / Scheinfeld, in: MüKo-StGB, § 27 Rn. 47; Kühl, in: Lackner / Kühl, § 27 Rn. 2; Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 2, § 26 Rn. 184; Roxin, in: FS-Miyazawa, 501 ff.; Roxin, in: FS-Achenbach, 409, 410 ff.; Spendel, in: FS-Dreher, 167, 169 f., 185 f. 439 Zur sogenannten Risikoerhöhungslehre unter anderem Murmann, JuS 1999, 548, 549 ff.; Otto, JuS 1982, 557, 563; ähnlich Stratenwerth / Kuhlen, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 12 Rn. 158. Siehe ferner etwa Herzberg als Vertreter der sogenannten abstrakten Gefährdungstheorie Herzberg, GA 1971, 1, 4 ff.
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werden,440 würde ein völliger Verzicht auf Kausalität jedoch schon dem Strafgrund der akzessorischen Teilnahme widersprechen.441 Dementsprechend ist im Sinne der herrschenden Literatur entscheidend, inwieweit der Tatbeitrag die Haupttat ermöglicht, erleichtert, intensiviert oder absichert.442 Ohnehin kann aber hinsichtlich des Streitpunkts eines Kausalitätserfordernisses vorliegend jedenfalls insoweit hinweggesehen werden, als die Zurverfügungstellung der Infrastruktur, die Erstellung oder Wiedersichtbarmachung von Unterkategorien, die Freischaltung oder Verifizierung als Tatbeitrag des Plattformbetreibers regelmäßig (mit-)ursächlich für die Haupttaten der Nutzer sein wird.443 Daneben verweist das LG Duisburg darauf, dass die unterschiedlichen Beiträge der Angeklagten zur Gründung und Aufrechterhaltung der Foren jeweils kausal und wesentlich waren, sodass sie sich deren Funktion für die abgewickelten Straftaten insgesamt zurechnen lassen müssen.444 Die vom Angeklagten geleistete technische Betreuung der Foren in Form von Sicherheitsaspekten und Serverangelegenheiten sei für diese existentiell gewesen.445 Daneben stellten auch die moderierenden und administrierenden Tätigkeiten der im engsten Kreis der Führungsriege tätigen Angeklagten einen unverzichtbaren Beitrag für den Fortbestand der Foren dar.446 An einer für § 27 StGB genügenden Erleichterung der Nutzerhaupttaten ändert sodann selbst die teils für den Bereich des Darknets charakteristische Implementierung von Zugangshindernissen – gemeint sind etwa Keuschheitsproben – trotz des insoweit prima facie zu vermutenden Hindernisses für Nutzer nichts.447 Zum 440
Darauf verweisen etwa Heine / Weißer, in: Schönke / Schröder, § 27 Rn. 6; Roxin, in: FSMiyazawa, 501, 502 f.; Schünemann / Greco, in: LK-StGB, § 27 Rn. 30. 441 Kühl, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 20 Rn. 220. Der Unrechtsgehalt der Teilnahme wird nach der heute herrschenden akzessorietätsorientierten Verursachungstheorie aus dem Unrecht der Haupttat abgeleitet und ist von diesem abhängig, etwa Jescheck / Weigend, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 685; Kühl, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 20 Rn. 132. Daneben soll die Teilnahme nach teilweise vertretener Auffassung jedoch zusätzlich einen eigenen mittelbaren Rechtsgutsangriff enthalten, etwa Roxin, in: FS-Stree / Wessels, 365, 369 ff. und Heine / Weißer, in: Schönke / Schröder, Vor § 25 Rn. 16. 442 So etwa Jescheck / Weigend, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 694; Kühl, in: Lackner / Kühl, § 27 Rn. 2; Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 45 Rn. 94. 443 Zur unabdingbaren Voraussetzung der Wiedersichtbarmachung der Kategorie „Waffen“ durch den Betreiber der Darknet-Plattform „Deutschland im Deep Web“ siehe LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 362. Zur Kausalität des Betreibens von Darknet-Plattformen als Gehilfenbeitrag unter Bezugnahme auf die Entwicklung der Rechtsprechung mit Blick auf Organisationsstrukturen auch Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 136 ff. Zur Kausalität der Bereitstellung einer Plattform auch Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 149 ff. 444 LG Duisburg v. 05. 04. 2017 – 33 KLs-111 Js 32/16–8/16, BeckRS 2017, 128618, Rn. 537. 445 LG Duisburg v. 05. 04. 2017 – 33 KLs-111 Js 32/16–8/16, BeckRS 2017, 128618, Rn. 538. 446 LG Duisburg v. 05. 04. 2017 – 33 KLs-111 Js 32/16–8/16, BeckRS 2017, 128618, Rn. 539. 447 Gemeint ist etwa das Verlangen des Plattformbetreibers nach einer Keuschheitsprobe der Nutzer im Bereich des unerlaubten Handels mit kinderpornografischen Materialien, wobei dort nach hier vertretener Auffassung bereits eine Täterschaft des Betreibers denkbar ist, siehe dazu Teil 3 B. VII.
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einen nicht, weil die Gegenwart in einem durch strafrechtlich relevante Zugangshindernisse abgeschotteten Bereich die kriminelle Motivation der Beteiligten in besonderem Maße offenbart und so gleichermaßen das Auffinden eines kriminellen Pendants erleichtert wird.448 Zum anderen nicht, weil sich das Verlangen von Keuschheitsproben letztlich als eine Art Versprechen des Plattformbetreibers einer risikofreien Durchführung krimineller Machenschaften entpuppt, sollen doch durch die Implementierung von Zugangshindernissen ungebetene Gäste wie Strafverfolgungsbehörden vom – hält man an der Metapher fest – dunklen Raum ferngehalten werden.449 Ohnehin erweisen sich diese meist als bloßes Scheinhindernis für entsprechende Kreise.450
II. Sozialinadäquanz des Bereitstellens und Betreibens krimineller Infrastruktur Schlichte Kausalität der Unterstützungshandlung eines Gehilfen genügt indes nicht zur Begründung einer strafbaren Beihilfe. Vor diesem Hintergrund ist im Besonderen umstritten, inwieweit alltags- oder berufstypische Verhaltensweisen als „neutrale“ Handlungen, die zwar faktisch für das Gelingen der Haupttat kausal waren, ein strafbares Hilfeleisten begründen.451 Nach der Definition Wohllebens sollen „äußerlich neutrale“ Handlungen oder Alltagshandlungen solche Verhaltensweisen sein, „die der Ausführende jedem anderen in der Lage des Täters gegenüber vorgenommen hätte, weil er mit der Handlung – im vorhinein (auch) – tat- und täterunabhängige eigene, rechtlich nicht mißbilligte Zwecke verfolgt.“452 Auch mit Blick auf das Bereitstellen und Aufrechterhalten einer Plattform im Darknet wird sodann teils zu Recht darauf verwiesen, dieses sei für sich genommen eine neutrale – weil alltags- oder gar berufstypische – Handlung.453 Vergegenwärtigt man sich insoweit die beschriebene Definition neutraler Handlungen, bleiben in der Tat nicht zuletzt im Bereich der Onion Services des Darknets tat- und täterunabhängige, rechtlich nicht missbilligte Zwecke denkbar, und sei dies nur die beabsichtigte anonyme Dienstebereitstellung zur Gewährleistung eines unverfänglichen Meinungs- und Informationsaustauschs der Nutzer, um etwa der Entwicklung hin zum „gläsernen“ Internetnutzer entgegenzutreten.454 448
Hierzu überzeugend bereits Greco, ZIS 2019, 435, 443. So auch Greco, ZIS 2019, 435, 443. 450 Siehe Teil 3 B. VII. 1. b). 451 Zur Kritik an der Bezeichnung als „neutral“ sowie der einhergehenden präjudiziellen Wirkung siehe unter anderem Putzke, ZJS 2014, 635 Fn. 5 m. w. N. 452 Wohlleben, Beihilfe durch äußerlich neutrale Handlungen, S. 4. 453 Unter anderem LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 292 ff.; Bachmann / Arslan, NZWiSt 2019, 241, 243; Beck / Nussbaum, HRRS 2020, 112, 113 f.; Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 10 f.; Zöller, KriPoZ 2021, 79, 86. 454 Ähnlich in diesem Zusammenhang Beck / Nussbaum, HRRS 2020, 112, 115; Greco, ZIS 2019, 435, 441. 449
G. Die Beihilfestrafbarkeit des Plattformbetreibers
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Zumindest aber bei Zurverfügungstellung einer hier vorrangig fokussierten, erkennbar vom Betreiber kriminell ausgerichteten Plattform scheint die Annahme einer neutralen Verhaltensweise – was freilich sogleich zu belegen ist – von vornherein zweifelhaft. Ähnlich betonen bereits Safferling und Rückert, dass ein Weg zu § 27 StGB führen wird, sofern der Zweck des Betriebs rein auf die Ermöglichung oder Förderung rechtswidriger Taten gerichtet ist, wenngleich der zur Beurteilung neutraler Handlungen hergebrachte Differenzierungsansatz auf Abläufe im Rahmen von Darknet-Plattformen den Autoren zufolge nicht ohne Weiteres übertragen werden könne.455 Aufschlussreich mit Blick auf die Frage strafbarer Beihilfe durch das Betreiben einer erkennbar kriminell ausgerichteten Plattform scheint sodann zunächst das Urteil des LG Duisburg, in dem das Gericht die Betreiberebene mehrerer Underground Economy Foren bestehend aus zwei Administratoren und zwei Moderatoren jeweils wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln verurteilt hatte.456 Dem LG Duisburg zufolge konnte der zugrundeliegende Sachverhalt nicht etwa mit einer neutralen Handlung, wie der Bereitstellung des Internets oder anderer Kommunikationsmedien an sich, verglichen werden.457 Schließlich waren die Foren laut LG Duisburg ersichtlich allein darauf ausgelegt, die Begehung von Straftaten zu ermöglichen.458 Das Errichten einer Infrastruktur aber, die erkennbar auf die Ermöglichung von Straftaten abzielt, sei für sich genommen keine neutrale Handlung. Außerdem würden selbst tatsächlich neutrale Verhaltensweisen ihren neutralen Charakter spätestens im subjektiven Tatbestand verlieren, wenn die Handlung des Haupttäters auf die Begehung einer Straftat abzielt und der Unterstützende dies weiß.459 Unter Würdigung des zuvor Gesagten wird das Betreiben und Aufrechterhalten einer erkennbar kriminellen Plattform – sei es etwa ein digitaler Marktplatz zum Handel illegaler Güter und Dienstleistungen oder ein Forum zum Austausch kinderpornografischer Inhalte – indes regelmäßig als strafbares Hilfeleisten im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB einzuordnen sein.460 Der vom Betreiber geleistete Unterstützungsbeitrag zielt im Falle der Zurverfügungstellung einer erkennbar kriminell ausgerichteten Plattform rein auf die Ermöglichung oder Förderung von Straftaten. Schließlich ist kennzeichnend für jene Plattformen die Schaffung kriminalitätsbezogener Themenkategorien, oftmals eine eindeutige Bezeichnung der Plattform sowie 455 Offen gelassen Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 11. Zur Übertragbarkeit des Differenzierungsansatzes Teil 4 C. I. 456 LG Duisburg v. 05. 04. 2017 – 33 KLs-111 Js 32/16–8/16, BeckRS 2017, 128618. 457 LG Duisburg v. 05. 04. 2017 – 33 KLs-111 Js 32/16–8/16, BeckRS 2017, 128618 Rn. 535. 458 LG Duisburg v. 05. 04. 2017 – 33 KLs-111 Js 32/16–8/16, BeckRS 2017, 128618 Rn. 535. 459 LG Duisburg v. 05. 04. 2017 – 33 KLs-111 Js 32/16–8/16, BeckRS 2017, 128618 Rn. 536. 460 Im Ergebnis Patzak, in: Patzak / Volkmer / Fabricius, § 29 BtMG Rn. 294; Rückert, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 9; Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 139 f., 186 ff.; strafbares Hilfeleisten ebenfalls bejahend Beck / Nussbaum, HRRS 2020, 112, 115 f.; Zöller, KriPoZ 2019, 79, 86.
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unter Umständen die Implementierung von Zugangsbeschränkungen in Form einer Keuschheitsprobe.461 Ebendiese bereits äußerlich zu Tage tretende kriminelle Ausrichtung der Infrastruktur ist es jedoch, angesichts derer nicht länger im Sinne der im Schrifttum vorzufindenden Definition von einer Handlung die Rede sein kann, die der Ausführende jedem gegenüber vorgenommen hätte, weil insoweit auch tat- und täterunabhängige, rechtlich nicht missbilligte Ziele verfolgt würden.462 Schließlich sind legale Nutzungsmöglichkeiten der Plattform bereits der Konzeption nach nicht vorgesehen und tatsächlich nicht existent. Es offenbart sich letztlich eine deliktische Anpassung des Betreibers an den Nutzer als Haupttäter, die unabhängig vom konkreten Lösungsansatz von vornherein nicht privilegierungswürdig erscheint, wird doch dem Nutzer gezielt das Auffinden eines kriminellen Pendants erheblich erleichtert. Das gefundene Ergebnis eines strafbaren Hilfeleistens wird dort auch nicht etwa dadurch infrage gestellt, dass beispielsweise der eingesetzten Verschlüsselungstechnik für sich genommen zugleich legale Anwendungsbereiche zukommen. Die Art und Weise der Zusammenstellung in Kombination mit den dortigen Inhalten sowie der Aufmachung der Plattform im Übrigen lassen insoweit erkennen, dass selbst für sich genommen legal einsetzbare Anwendungen wie die Anonymisierung in diesem Fall ausschließlich der Begehung von Straftaten dienen.463 Nach alledem ist Safferling und Rückert insoweit zuzustimmen, dass der Weg zu § 27 StGB führt, sollte die Darknet-Plattform rein auf die Ermöglichung und Förderung von Straftaten gerichtet sein. Das LG Karlsruhe nahm zwar mit Blick auf die Eröffnung der Plattform sodann zunächst eine neutrale Handlung an, weil der Angeklagte das Forum nicht etwa auf die Begehung strafbarer Handlungen hin ausgelegt habe; sein Fokus lag vielmehr zunächst auf der Ermöglichung eines sicheren Informationsaustauschs.464 Ist die Plattform daher zwar nicht in Gänze bei Inbetriebnahme, wohl aber durch die spätere, aktive Schaffung einzelner Unterkategorien oder separater Handelsbereiche in einzelnen Bereichen kriminell ausgerichtet, wird man zumindest insoweit ein strafbares Hilfeleisten im Sinne des § 27 StGB erblicken. Dies gab letztlich auch das LG Karlsruhe zu erkennen, nachdem dieses eine Beihilfe zu den Waffendelikten der Nutzer anschließend auf die Schaffung entsprechender, einzelner Unterkategorien stützte.465 Schließlich verließ der Betreiber des Darknet-Forums „Deutschland im Deep Web“ jedenfalls insofern den Bereich der Neutralität im vorgenannten Sinne. Anknüpfungspunkt strafbaren Hilfeleistens ist daher bei umfassend kriminell ausgerichteten Plattformen das Betreiben und Aufrechterhalten der Plattform als solches, bei lediglich teilweise krimineller Ausrichtung jedenfalls die Schaffung einzelner, ausschließlich kriminalitätsbezogener Kategorien beziehungsweise Han 461
Hierzu eingehend die Ausführungen unter Teil 1 C. II. und Teil 2 D. III. 3. b). Ähnlich Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 139 f., 186 ff. 463 Ähnlich LG Duisburg v. 05. 04. 2017 – 33 KLs-111 Js 32/16–8/16, BeckRS 2017, 128618 Rn. 535. 464 LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 294. 465 LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 329 ff. 462
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delsbereiche. Insoweit trägt eine allgemeine Privilegierung neutraler Handlungen im Rahmen des § 27 StGB zu Recht von vornherein nicht, denn wer seine Plattform selbst auf kriminelles Verhalten auslegt, kann sich nicht länger auf generelle Billigung berufen und unterfällt § 27 StGB.466 Bei dahingehender krimineller Ausrichtung der Plattform sperrt sodann mangels Anwendbarkeit auch nicht die Vorschrift des § 10 TMG die Annahme eines strafrechtlich relevanten Hilfeleistens im Sinne des § 27 StGB.467 Ein klarstellender Hinweis vonseiten des LG Karlsruhe hinsichtlich der fehlenden Anwendbarkeit des § 10 TMG insbesondere bei Wiedersichtbarmachung der kriminalitätsbezogenen Kategorie „Waffen“ wäre indes dennoch wünschenswert gewesen.
III. Die subjektive Tatseite und die Bestimmtheit des Gehilfenvorsatzes Neben den vorgenannten objektiven Anforderungen einer strafbaren Beihilfe erfordert diese nach Maßgabe des § 27 Abs. 1 StGB zugleich das vorsätzliche Handeln des Betreibers einer Plattform mit krimineller Ausrichtung. In diesem Sinne verlangt die subjektive Tatseite einerseits den Vorsatz des Betreibers bezüglich des Bereitstellens krimineller Infrastruktur sowie andererseits den Vorsatz desselben bezüglich des Handels mit illegalen Waren, Dienstleistungen oder Inhalten als Haupttat eines Nutzers (sogenannter „doppelter Gehilfenvorsatz“).468 1. Vorsatz bezüglich der Hilfeleistung Vorsätzliches Handeln des Betreibers einer ganz oder teilweise kriminell ausgerichteten Plattform wird sich hinsichtlich der eigenen Hilfeleistung, namentlich der Zurverfügungstellung einer kriminellen Infrastruktur, regelmäßig ohne nennenswerten Aufwand begründen lassen. Erforderlich ist die Vornahme der Hilfeleistung mit jedenfalls bedingtem Vorsatz hinsichtlich der Förderungswirkung.469 Derjenige, der eine Plattform im Darknet bereitstellt, die angesichts der durch ihn zugrunde gelegten kriminellen Ausrichtung etwaigen Delinquenten das gegenseitige Auffinden sowie die anonyme Geschäftsabwicklung erleichtert, handelt vor 466
Ähnlich bereits Bode, ZStW 127 (2015), 937, 984. Eingehend zur Unanwendbarkeit der Haftungsprivilegierung des § 10 TMG bei krimineller Ausrichtung vgl. die Ausführungen unter Teil 2 D. III. 3. und 4. 468 Zum Erfordernis des doppelten Gehilfenvorsatzes unter anderem Eisele, in: Baumann / Weber / Mitsch / Eisele, § 26 Rn. 122; Heine / Weißer, in: Schönke / Schröder, § 27 Rn. 28; Jescheck / Weigend, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 695; Kühl, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 20 Rn. 241; Murmann, in: Satzger / Schluckebier / Widmaier, StGB, § 27 Rn. 10; Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 2, § 26 Rn. 270; kritisch zur Begrifflichkeit unter anderem Joecks / Scheinfeld, in: MüKo-StGB, § 27 Rn. 102. 469 Siehe nur Heine / Weißer, in: Schönke / Schröder, § 27 Rn. 28 m. w. N. 467
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sätzlich mit Blick auf eine Förderung entsprechender Haupttaten der Nutzer. Es wird sich dort – nicht zuletzt wegen der Gewinnbeteiligung – vielfach gar um eine zielgerichtete Absicht im Sinne eines dolus directus ersten Grades handeln, beabsichtigt dieser doch bei Ausrichten der Plattform auf den Handel mit illegalen Waren oder Dienstleistungen gerade die Erleichterung dahingehender Haupttaten.470 2. Vorsatz bezüglich der Haupttat Wendet man daraufhin den Blick hin zum Vorsatz des Plattformbetreibers hinsichtlich der nachfolgenden Haupttat eines Nutzers, wurde innerhalb der Gesetzesmaterialien zur Schaffung eines § 127 StGB das Vorliegen eines doppelten Gehilfenvorsatzes nicht zuletzt angesichts einer mangelnden Konkretisierung der Haupttat der Nutzer durch den Betreiber angezweifelt.471 In Erinnerung zu rufen sei insoweit erneut der dortige Einwand, dass mit § 27 StGB nicht jeder Sachverhalt erfasst werden könne, insbesondere dann nicht, wenn ein Betreiber bei Vollautomatisierung der Plattform keine Kenntnis davon nehmen müsse, welche konkreten Waren auf der Plattform gehandelt werden.472 Die Regelungen der Beihilfe würden insoweit wegen der Notwendigkeit einer Kenntnis von der Haupttat zumindest in ihren wesentlichen Merkmalen nicht ausreichen.473 Teilweise wurde im Gesetzgebungsverfahren zu § 126a StGB-E zudem darauf verwiesen, die Arten von Straftaten, welche vonseiten der Nutzer über die entsprechende Plattform abgewickelt werden, seien regelmäßig nicht klar definiert und die Art der konkret über die Plattform durch die Nutzer gehandelten Güter für den Betreiber zumeist nicht von Bedeutung.474 Unter Würdigung der vorgenannten Bedenken sei daher nachfolgend zu beleuchten, wann die Vorstellung des Plattformbetreibers über die Haupttat des Nutzers nach den allgemeinen Grundsätzen hinreichend konkretisiert ist. In tatsächlicher Hinsicht ist in diesem Zusammenhang zunächst anzumerken, dass der Betreiber mithilfe der seinerseits zur Verfügung gestellten kriminellen Infrastruktur eine Vielzahl an Haupttaten der Nutzer fördert. Zuzugestehen ist ferner, dass das Geschehen innerhalb des Darknets von einer gewissen Asynchronität der Abläufe geprägt ist, sodass der Betreiber anders als etwa ein unmittelbar am Tatort anwesender Teilnehmer eine ausreichende Konkretisierung der Haupttat jedenfalls nicht auf die während der Tat für ihn vor Ort erkennbaren Umstände stützen kann.475 470
Siehe auch Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 145. Zu den Bedenken hinsichtlich des Vorliegens eines doppelten Gehilfenvorsatzes des Plattformbetreibers im Darknet vgl. BT-Drs. 19/28175, S. 10; auch BT-Drs. 19/9508, S. 9 f. sowie RegE kriminelle Handelsplattformen, S. 7. 472 BT-Drs. 19/28175, S. 10, auch RegE kriminelle Handelsplattformen, S. 7. 473 BT-Drs. 19/28175, S. 10. 474 BT-Drs. 19/9508, S. 9 f. 475 So etwa zum anwesenden Gehilfen Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 905. 471
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a) Anforderungen an die Konkretisierung der Haupttat Die Anforderungen an den Gehilfenvorsatz bezüglich der Haupttat erweisen sich als denkbar gering. Überwiegend wird hinsichtlich der Vorstellung des Gehilfen von den Details einer Haupttat – das heißt der Konkretisierung von Tat und Täter – zunächst weniger verlangt als im Falle einer Anstiftung, weil sich der Gehilfe auf die Erleichterung oder Förderung einer ohnehin geplanten Tat des Haupttäters beschränkt, während der Anstifter den Tatentschluss des Haupttäters noch hervorrufen und demnach die Tat genauer vorzeichnen muss.476 Ausgehend davon wird teils in der Literatur unter Projektion der Lehre von der objektiven Zurechnung auf den subjektiven Tatbestand einer Beihilfe vertreten, der Gehilfe müsse nicht einmal den genauen Tatbestand kennen, es werden vielmehr all diejenigen Erfolge, die auf den vom Täter vorsätzlich gesetzten Kausalverlauf zurückführbar sind beziehungsweise in denen sich die vorsätzlich geschaffene Gefahr verwirklicht, vom Vorsatz umfasst sein, sofern der Gehilfe das Risiko ihres Eintritts erkannt hatte.477 Vielfach wird in der Literatur für eine hinreichende Konkretisierung des Gehilfenvorsatzes hingegen darauf verwiesen, dem Gehilfen müsse immerhin der vom Haupttäter verwirklichte Tatbestand bekannt sein, ohne dass dieser zugleich Näheres über das ungefähre Ausmaß des Schadens oder die Art und Weise des geplanten Angriffs erfahren müsste.478 Die Notwendigkeit eines solchen Tatbestandsbezugs des Gehilfenvorsatzes ergebe sich aus dem Grundsatz der limitierten Akzessorietät einer strafbaren Beihilfe sowie aus der daraus folgenden Orientierung der für einen Gehilfen geltenden Strafandrohung an derjenigen der verwirklichten Haupttat (§ 27 Abs. 2 Satz 1 StGB).479 Die Linie der Rechtsprechung zum Gehilfenvorsatz diesbezüglich ist uneinheitlich. Es findet sich dort teils die Äußerung, für einen hinreichenden Gehilfenvorsatz sei notwendig, dass der Gehilfe die Haupttat in ihren „wesentlichen Merkmalen“ kenne.480 Der konkrete Hergang, der Ort, die Zeit oder das Opfer der Haupttat 476
Eine geringere Konkretisierung des Gehilfenvorsatzes fordernd etwa BGH v. 18. 04. 1996 – 1 StR 14/96, BGHSt 42, 135, 138; Fahl, JA 1997, 11, 14; Fischer, StGB, § 27 Rn. 21; Kudlich, in: BeckOK-StGB, § 27 Rn. 19; Kühl, in: Lackner / Kühl, § 27 Rn. 7; Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 2, § 26 Rn. 272; Roxin, in: FS-Salger, 129, 136; kritisch Schlehofer, StV 1997, 412, 415 f. 477 Hierzu und speziell zur Bestimmtheit des Gehilfenvorsatzes eines Plattformbetreibers Greco, ZIS 2019, 435, 444 ff.; allgemein Schünemann / Greco, in: LK-StGB, § 27 Rn. 65; a. A. noch bei Schünemann, in: LK-StGB, 12. Aufl., § 27 Rn. 56. 478 Hoyer, in: SK-StGB, § 27 Rn. 34; Kindhäuser, NStZ 1997, 273, 275; Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 2, § 26 Rn. 272; Scheffler, JuS 1997, 598, 599; Schünemann, in: LK-StGB, 12. Aufl., § 27 Rn. 56; Wild, JuS 1992, 911, 912; Wolf, JR 1992, 428, 429; im Wesentlichen auch Theile, Tatkonkretisierung und Gehilfenvorsatz, S. 144, der einen „abstrakt-anschaulichen Vorstellungsinhalt“ fordert. 479 Etwa Roxin, in: FS-Salger, 129, 136 sowie Scheffler, JuS 1997, 598, 599. 480 RG v. 09. 11. 1933 – II 321/33, RGSt 67, 343, 344; BGH v. 12. 11. 1957 – 5 StR 505/57, BGHSt 11, 66.
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
bräuchten diesem hingegen nicht bekannt zu sein.481 In BGHSt 42, 135 verwies der BGH im sogenannten Wertgutachten-Fall eingangs darauf, Vorsatz habe derjenige, der bereits wesentliche Einzelheiten des Tatplans kenne, wobei ein Umstand dann wesentlich in diesem Sinne sei, sofern dessen „Kenntnis die Begehung der Haupttat hinreichend wahrscheinlich werden läßt.“482 Ausdrücklich sollte jedoch ein anderer Maßstab als derjenige im Rahmen der Anstiftung angelegt werden.483 Daher könne Beihilfe schon begehen, wer dem „Täter ein entscheidendes Tatmittel […] willentlich an die Hand gibt und damit bewußt das Risiko erhöht, daß eine durch den Einsatz gerade dieses Mittels typischerweise geförderte Haupttat verübt wird.“484 Roxin etwa merkt insoweit zwar zustimmend an, der Gehilfe müsse nur wissen und wollen, „daß er in rechtlich nicht tolerierter Weise das unerlaubte Risiko der Verwirklichung eines bestimmten Tatbestandes […] erhöht“485, kritisiert jedoch die Forderung des BGH nach einer Kenntnis des Gehilfen von Einzelheiten der Tat trotz des Verlangens nach einem anderweitigen Maßstab als denjenigen der Anstiftung.486 Neben eines weitergehenden Verweises auf den zur Anstiftung von Roxin entwickelten Ansatz, wonach die Kenntnis der Dimension des Unrechts der ins Auge gefassten Tat entscheidend sei,487 ließ die Entscheidung sodann zugleich Anhaltspunkte für einen Verzicht auf das Erfordernis einer Kenntnis des Tatbestands des Gehilfenvorsatzes anklingen.488 Dem BGH zufolge konnte ein unzutreffendes Wertgutachten über Edelsteine nämlich nicht allein zur Begehung eines vom Sachverständigen vorgestellten Betrugs nach § 263 StGB verwendet werden; vielmehr sei auch ein Kreditbetrug nach § 265b StGB oder eine illegale Vorsteuererstattung nach § 370 AO denkbar, es hätte sich aber auch dabei um Manipulationen gehandelt, bei denen ein rechtswidriger Vermögensvorteil durch Täuschung über den Wert der Edelsteine erstrebt worden wäre.489 Insoweit wurde seitens des Senats vom Gehilfen nicht einmal eine Tatbestandskenntnis verlangt und schlicht die Vorstellung einer „mittels Täuschung gegen fremdes Vermögen gerichtete[n] Haupttat“490 für ausreichend erachtet. Roxin verwies in diesem Zusammenhang fer 481
RG v. 09. 11. 1933 – II 321/33, RGSt 67, 343, 344; BayObLG v. 27. 03. 1991 – RReg. 4 St 198/90, BayObLGSt 1991, 56, 57; ausgehend davon Heine / Weißer, in: Schönke / Schröder, § 27 Rn. 29; Joecks / Scheinfeld, in: MüKo-StGB, § 27 Rn. 104; Waßmer, in: AnwaltKommentar-StGB, § 27 Rn. 32; Wild, JuS 1992, 911, 912 f. 482 BGH v. 18. 04. 1996 – 1 StR 14/96, BGHSt 42, 135, 138; auch BGH v. 07. 02. 2017 – 3 StR 430/16, NStZ 2017, 274, 275. 483 BGH v. 18. 04. 1996 – 1 StR 14/96, BGHSt 42, 135, 138. 484 BGH v. 18. 04. 1996 – 1 StR 14/96, BGHSt 42, 135, 138; BGH v. 07. 02. 2017 – 3 StR 430/16, NStZ 2017, 274, 275; Kudlich, in: BeckOK-StGB, § 27 Rn. 19. 485 Roxin, JZ 1997, 210, 211. 486 Roxin, JZ 1997, 210, 211. 487 BGH v. 18. 04. 1996 – 1 StR 14/96, BGHSt 42, 135, 139. 488 Darauf verweisend Roxin, JZ 1997, 210, 211 f.; siehe dazu auch Schild, in: NK-StGB, § 27 Rn. 13. 489 BGH v. 18. 04. 1996 – 1 StR 14/96, NJW 1996, 2517, 2518, in BGHSt 42, 135 nicht abgedruckt. 490 BGH v. 18. 04. 1996 – 1 StR 14/96, BGHSt 42, 135, 139.
G. Die Beihilfestrafbarkeit des Plattformbetreibers
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ner kritisch darauf, dass der Gehilfe zwar das von ihm unterstützte Geschehen nicht unter den vom Haupttäter verwirklichten Tatbestand subsumieren müsse, er müsse aber „jedenfalls die Verwirklichung aller Tatumstände des in Betracht kommenden Tatbestands durch den Täter in seinen Vorsatz aufgenommen haben.“491 Die Auffassung, es reiche für eine Beihilfe zu allen in Erwägung zu ziehenden Tatbeständen die bloße Vorstellung einer mittels Täuschung gegen fremdes Vermögen gerichteten Haupttat, verwische hingegen die Grenzen der Tatbestände. Der Tatbestand sei jedoch immer alleiniger Bezugspunkt auch des Gehilfenvorsatzes.492 Im Rahmen der Motassadeq-Entscheidung sah der BGH anschließend in Abkehr von BGHSt 42, 135 von einer Kenntnis der „Dimension des Unrechts“ ab und forderte letztlich in Übereinstimmung mit Roxin die schlichte Kenntnis der Umstände des Tatbestands nach § 16 StGB.493 Jüngere Entscheidungen rekurrieren nunmehr neben der durch ein entscheidendes Tatmittel bewussten und unerlaubten Erhöhung des Risikos494 erneut schlicht darauf, ob der Gehilfe zumindest die „wesentlichen Merkmale der Haupttat, insbesondere deren Unrechts- und Angriffsrichtung“ erfasst habe.495 Einzelheiten der Haupttat brauche der Gehilfe jedenfalls nicht zu kennen und auch keine konkrete Vorstellung von ihr zu haben.496 Ein strafrechtlich relevantes Hilfeleisten im Sinne des § 27 StGB komme selbst dann in Betracht, sofern dem Gehilfen nicht einmal die Person des Haupttäters bekannt ist.497 Hinsichtlich der zutreffenden rechtlichen Einordnung der Haupttat seitens des Gehilfen lässt die Rechtsprechung sodann mit Blick auf dessen Vorsatz Abweichungen zu, solange es sich bei der verwirklichten Haupttat nicht um eine „grundsätzlich andere Tat“ handle.498
491
Roxin, JZ 1997, 210, 212. Roxin, JZ 1997, 210, 212. 493 BGH v. 16. 11. 2006 – 3 StR 139/06, NJW 2007, 384, 389 f., wobei dies dort mit dem Charakter des höchstpersönlichen Rechtsguts „Leben“ begründet wird. Ob an dieser Linie bei anderen Straftaten festgehalten wird, bleibt demnach offen, vgl. Schild, in: NK-StGB, § 27 Rn. 13. 494 BGH v. 07. 02. 2017 – 3 StR 430/16, NStZ 2017, 274, 275. 495 BGH v. 20. 01. 2011 – 3 StR 420/10, NStZ 2011, 399, 400; BGH v. 08. 11. 2011 – 3 StR 310/11, NStZ 2012, 264; BGH v. 28. 11. 2017 – 3 StR 272/17, BeckRS 2017, 145721 Rn. 33; BGH v. 20. 12. 2018 – 3 StR 236/17, BGHSt 64, 10, 32; darauf in der Literatur Bezug nehmend etwa Heine / Weißer, in: Schönke / Schröder, § 27 Rn. 29; Kühl, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 20 Rn. 242; Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 45 Rn. 115; Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 905. 496 Siehe nur BGH v. 20. 01. 2011 – 3 StR 420/10, NStZ 2011, 399, 400. 497 Unter anderem BGH v. 07. 11. 2001 – 1 StR 455/01, NStZ 2002, 145, 146; zugleich in der Literatur etwa Heine / Weißer, in: Schönke / Schröder, § 27 Rn. 29; Joecks / Scheinfeld, in: MüKoStGB, § 27 Rn. 104; Kühl, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 20 Rn. 242. 498 BGH v. 12. 11. 1957 – 5 StR 505/57, BGHSt 11, 66, 67; BGH v. 20. 01. 2011 – 3 StR 420/10, NStZ 2011, 399, 400. 492
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
b) Vorstellung des Betreibers von der Haupttat eines Nutzers Was nun den Gehilfenvorsatz des Betreibers einer Plattform mit krimineller Ausrichtung im Darknet anbelangt, waren es vornehmlich die Gesetzesmaterialien zur Schaffung eines § 127 StGB, die Zweifel an einer hinreichenden Konkretisierung anmeldeten. Schließlich würde § 27 StGB eine Kenntnis der Haupttat wenigstens in ihren wesentlichen Merkmalen voraussetzen.499 Zweifelhaft sei dies aber, wenn der Betreiber etwa infolge einer Vollautomatisierung der Infrastruktur keine Kenntnis davon nehmen müsse, welche konkreten Waren oder Dienstleistungen auf der Plattform gehandelt werden.500 Ohne nun die Vorzüge und Schwächen der vorstehenden Ansätze im Einzelnen nachzeichnen zu wollen, wird sich – wie nachfolgend zu begründen ist – die Vorstellung des Betreibers in den praxisrelevanten Fällen nach den benannten Grundsätzen regelmäßig als hinreichend konkretisiert erweisen. aa) Die Einordnung Grecos Einer eingehenden Auseinandersetzung mit der Frage des Gehilfenvorsatzes des Plattformbetreibers im Darknet widmete sich bereits Greco. Dieser spricht mit Blick auf eine hinreichende Konkretisierung des Gehilfenvorsatzes des Plattformbetreibers im Darknet weniger unter Berücksichtigung des Tatbestandsbezugs der Vorstellung des Gehilfen als vielmehr unter Projektion der Lehre von der objektiven Zurechnung auf den subjektiven Tatbestand von einer „Streubreite“ des Gehilfenvorsatzes.501 Danach würden dem Gehilfen die vorsätzlich gesetzten Gefahren angelastet, die sich anschließend in der begangenen Haupttat verwirklichen.502 Der Plattformbetreiber werde als Gehilfe daraufhin für ebenjenes Unrecht belangt, welches der Nutzer aus dem ihm durch die Plattform als Tatmittel eröffneten Rahmen wähle und tatsächlich verwirkliche.503 In der Sache liege zwar bezüglich der gesamten Streubreite der ermöglichten Haupttaten Vorsatz vor, dieser verdichte sich aber auf die konkret verwirklichte Haupttat, wobei es meist um einen dolus alternativus gehen werde.504 Der vom Haupttäter nachfolgend verwirklichte gesetz 499
BT-Drs. 19/28175, S. 10. BT-Drs. 19/28175, S. 10. 501 Speziell zum Begriff der „Streubreite“ des Beihilfevorsatzes eines Plattformbetreibers im Darknet unter Bezugnahme auf die objektive Zurechnung Greco, ZIS 2019, 435, 445. 502 Greco, ZIS 2019, 435, 445, wonach es sich um einen normalen Vorsatz handle, der die Umstände zum Gegenstand habe, die die unerlaubte Gefahr begründen, die das eigene Verhalten schafft. Greco verweist zugleich auf den missverständlichen Begriff des dolus generalis bei Scheffler, JuS 1997, 598, 602. 503 Im Ergebnis speziell mit Blick auf das Betreiben einer von vornherein illegalen Zwecken dienenden Plattform im Darknet Greco, ZIS 2019, 435, 445 f. 504 Greco, ZIS 2019, 435, 445 f. mit Verweis auf Scheffler, JuS 1997, 598, 601 f. und Theile, Tatkonkretisierung und Gehilfenvorsatz, S. 96 ff. Greco verweist zusätzlich zutreffend darauf, dass angesichts der generellen Straflosigkeit einer versuchten Beihilfe die Diskussion um die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung ist. 500
G. Die Beihilfestrafbarkeit des Plattformbetreibers
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liche Tatbestand gelte anschließend als vom Vorsatz des Gehilfen erfasst, solange sich dieser grundsätzlich innerhalb der anfänglich fokussierten „Streubreite“ der vorsätzlich gesetzten Gefahren bewege.505 Der Gehilfenvorsatz des Plattformbetreibers könne daher hinsichtlich aller Straftaten begründet werden, die sich in der spezifischen Ausrichtung der Plattform oder im Bereich der offensichtlich akzeptierten Waren und Dienstleistungen bewegen sowie bei Plattformen ohne spezieller Ausrichtung jedenfalls für Straftaten im Rahmen des typischen Spektrums der Internetkriminalität.506 bb) Tatbestandsbezug bei krimineller Ausrichtung Selbst wenn man sich jedoch stärker an der oftmals als Mindestvoraussetzung geforderten Vorstellung des Gehilfen über den zu verwirklichenden Tatbestand orientiert und angesichts des Grundsatzes der limitierten Akzessorietät verlangt, dass der Gehilfe zumindest eine Vorstellung über den Tatbestand hat, den der Haupttäter anschließend verwirklicht, wird man regelmäßig unter Zuhilfenahme der sich in der Plattformstruktur manifestierenden kriminellen Ausrichtung abermals zu keinem abweichenden Ergebnis mit Blick auf eine hinreichende Konkretisierung des Gehilfenvorsatzes gelangen. Zwar sind hinsichtlich des Betreibers einer kriminellen Plattform im Darknet durchaus Fälle denkbar und praxisrelevant, in denen der Hilfeleistung desselben eine Vorstellung zugrunde liegt, die eine gewisse Weite aufweist. Schädlich mit Blick auf einen hinreichenden Tatbestandsbezug ist jedenfalls ein gänzlich „unbestimmtes Wissen und Wollen“507 oder ein allgemeiner „böser Wille“ des Gehilfen im Sinne eines nicht näher konturierten dolus malus.508 Um eine Verwischung der Grenzen von Tatbeständen zu vermeiden, müsse der Gehilfe für eine hinreichende Vorstellung über den Tatbestand – wie etwa Roxin ausführt – zwar das von ihm geförderte Geschehen nicht unter den vom Haupttäter verwirklichten Tatbestand subsumieren, er müsse aber zumindest die Verwirklichung aller Tatumstände des infrage stehenden Tatbestands durch den Haupttäter in seinen Vorsatz aufgenommen haben.509 Dies schließt im Allgemeinen jedoch nicht aus, dass der Gehilfe die potentielle Verwirklichung mehrerer Tatbestände in seine Vorstellung aufgenommen hat.510 505
Greco, ZIS 2019, 435, 445 f. Greco, ZIS 2019, 435, 445 f. 507 Ein unbestimmtes Wissen und Wollen bereits ablehnend RG v. 25. 05. 1925 – II 138/25, RGSt 59, 245, 246; dieses im vorliegenden Zusammenhang ebenfalls ablehnend Greco, ZIS 2019, 435, 445; auch Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 162. 508 Zum dolus malus etwa Warneke, Die Bestimmtheit des Beteiligungsvorsatzes, S. 123 f. 509 Roxin, JZ 1997, 210, 212. 510 Für die hier interessierenden Fälle auch unter Bezugnahme der Gegenauffassungen siehe im Ergebnis Greco, ZIS 2019, 435, 445, der dort darauf verweist, dass weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung ein anderes Ergebnis vertreten worden sein dürfte; siehe unter Bezugnahme auf Greco auch Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 160. 506
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
Teils wird generell darauf verwiesen, der Vorstellung des Gehilfen werde insbesondere bei weit im Vorfeld der eigentlichen Haupttatbegehung erbrachten Hilfeleistungen eine gewisse Vagheit nahezu zwangsläufig immanent sein.511 Insbesondere die im Vorfeld innerhalb eines bestimmten sozialen Kontexts erbrachte konkrete Hilfeleistung sei es indes sodann, angesichts derer sich der Gehilfe regelmäßig Gedanken über den Einsatz seines Tatbeitrags seitens des Haupttäters machen wird.512 Insoweit wird sich nach Theile häufig unter anderem aus der Art des bewusst geleisteten Tatbeitrags selbst zumeist eine Konturierung der Vorstellung der infrage stehenden Tatbestände des Kern- und Nebenstrafrechts ergeben.513 Ferner habe der Gehilfe nach Theile meist mehrere in einem Näheverhältnis stehende Tatbestände in seine Vorstellung aufgenommen.514 Derartige Fälle löst Theile sodann mithilfe der Vorsatzfigur des dolus alternativus.515 Auch für die Frage einer hinreichend konkretisierten Vorstellung des Betreibers über die Haupttat des Nutzers gilt es daher die jeweilige Aufmachung der Plattform heranzuziehen, ist es doch vornehmlich die konkrete vom Betreiber zugrunde gelegte Ausrichtung des bereitgestellten Tatmittels selbst, die etwaige Bedenken abzuschwächen vermag.516 Richtet der Betreiber seine Plattform auf den Handel mit illegalen Waren oder Dienstleistungen – etwa durch die Schaffung von Waren- und Dienstleistungskategorien mit Kriminalitätsbezug517 – aus, wird sich eine tatbestandliche Fixierung der Vorstellung zumeist bereits in ebendiesem Umstand finden. Dies gilt für denjenigen, der durch eine ganz spezifische Ausrichtung augenscheinlich einen bestimmten Tatbestand fokussiert, aber auch für denjenigen, der angesichts der Ausrichtung auf verschiedene kriminelle Waren- und Dienstleistungskategorien mehrere bestimmte Tatbestände laienhaft in den Blick nimmt. Dass etwa die Vorstellung des Betreibers einer Plattform, die seinerseits mithilfe von entsprechenden Kategorien ganz konkret dem Handel mit Betäubungsmitteln gewidmet wird, in Bezug auf nachfolgende Haupttaten eine andere sein wird, als diejenige des Betreibers einer Plattform, die Kategorien für Waffen, Betäubungsmittel und Hacking-Angebote vorsieht, dürfte wohl außer Frage stehen. Der Betreiber des Darknet-Marktplatzes „DrugMarket“ kann wohl nur schwerlich behaupten, er hätte keine Vorstellung über die dort verwirklichten Haupttaten der Nutzer
511 Dies ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass der Gehilfe nach Erbringung der entsprechenden Hilfeleistung regelmäßig die Beeinflussungsmacht im Hinblick auf die nachfolgende Haupttat verliert, Theile, Tatkonkretisierung und Gehilfenvorsatz, S. 93. 512 Theile, Tatkonkretisierung und Gehilfenvorsatz, S. 94. 513 Theile, Tatkonkretisierung und Gehilfenvorsatz, S. 94. 514 Theile, Tatkonkretisierung und Gehilfenvorsatz, S. 94 f. 515 Siehe Theile, Tatkonkretisierung und Gehilfenvorsatz, S. 96 ff. 516 Auf die kriminelle Ausrichtung der Plattform im Ergebnis ebenfalls rekurrierend Greco, ZIS 2019, 435, 445 f.; Kubiciel / Mennemann, jurisPR-StrafR 8/2019 Anm. 1; Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 160 ff.; Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 143 f.; Zöller, KriPoZ 2021, 79, 85 f. 517 Dazu schon Kubiciel / Mennemann, jurisPR-StrafR 8/2019 Anm. 1.
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gehabt, selbst wenn der unerlaubte Handel sodann automatisiert, weitestgehend unbeaufsichtigt und eigenständig durch die Nutzer abgewickelt wird. Denn individuelle Tatumstände muss der Gehilfe nicht kennen. Ausreichend ist daher, dass die Vorstellung des Betreibers infolge der erkennbaren Ausrichtung der Plattform eine hinreichende Kontur aufweist und sich je nach Ausgestaltung einem einzigen Tatbestand oder verschiedenen, aber durch die erkennbare Ausrichtung jedenfalls hinreichend konturierten Tatbeständen zuordnen lässt. Dass sich der erforderliche Tatbestandsbezug stets auf einen einzigen, ganz konkreten Tatbestand beziehen muss, ist im Ergebnis jedenfalls nicht gemeint. Derjenige, der willentlich ein auf unterschiedliche Weise einsetzbares Tatmittel zur Haupttatbegehung bereitstellt und dabei in Kauf nimmt, dass jenes zu diesen verschiedenen kriminellen Zwecken verwendet wird, hat die Verwirklichung dieser verschiedenen Tatbestände als Haupttat vor Augen und erfüllt hinsichtlich dieser vorgestellten Haupttaten grundsätzlich die subjektiven Voraussetzungen. Insoweit lassen sich neben der Schaffung entsprechender Waren- und Dienstleistungskategorien zugleich etwa eine kennzeichnende Bezeichnung oder praktizierte Nutzungsbedingungen der Plattform mit Kriminalitätsbezug fruchtbar machen, um unzulässige Fiktionen des Gehilfenvorsatzes zu vermeiden. Im Ergebnis wird daher derjenige, der die betriebene Plattform selbst errichtet und anschließend betreibt oder derjenige, der trotz des Wissens um die kriminelle Bezeichnung, entsprechende Kategorien sowie Verhaltensrichtlinien in der Betreiberebene willentlich tätig wird, regelmäßig die erforderliche Vorstellung über die von den Nutzern verwirklichten Tatbestände aufweisen, auch wenn die Plattform automatisiert betrieben wird und daher keine Kenntnis des Betreibers von einzelnen Nutzergeschäften vorliegt.518 cc) Umgang der Rechtsprechung Letztlich hegt auch die Rechtsprechung in den bis dato zu entscheidenden Sachverhalten keine Bedenken mit Blick auf die Begründung des Gehilfenvorsatzes von Plattformbetreibern. In diesem Sinne verwies etwa das LG Karlsruhe ebenfalls auf die von den Gesetzesmaterialien zu § 127 StGB ins Feld geführte519 Formulierung, dass der Gehilfe die Haupttat in ihren „wesentlichen Merkmalen“ kennen muss.520
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Den Gehilfenvorsatz des Plattformbetreibers im Ergebnis bejahend: Bachmann / Arslan, NZWiSt 2019, 241, 244; Bäcker / Golla, Strafrecht in der Finsternis; Bartl / Moßbrucker / Rückert, Angriff auf die Anonymität im Internet, S. 7; Gercke, ZUM 2019, 798, 799; Greco, ZIS 2019, 435, 441 ff.; Jahn, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 10 f.; Kubiciel / Mennemann, jurisPRStrafR 8/2019 Anm. 1; Rückert, StV 2019, I; Rückert, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 9 f.; Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 155; Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 143 ff.; Zöller, KriPoZ 2019, 274, 280; Zöller, KriPoZ 2021, 79, 85 f. 519 BT-Drs. 19/28175, S. 10. 520 LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 333.
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Dem Angeklagten war aber laut LG Karlsruhe der insoweit genügende Umstand bekannt, dass sein Forum mithilfe der Unterkategorie „Waffen“ den gezielten Absatz von Waffen und Munition ohne die erforderliche Erlaubnis förderte.521 Die Kenntnis individueller Tatumstände fordert auch das LG Karlsruhe nicht. Dabei ist im Ergebnis überzeugend vonseiten des LG Karlsruhe, zwar eine vorsätzliche Beihilfe des Betreibers der Plattform „Deutschland im Deep Web“ unter anderem zum unerlaubten Handel mit Schusswaffen zu bejahen, weil sich insoweit die kriminelle Ausrichtung der Plattform und damit die Vorstellung des Plattformbetreibers durch die Schaffung der Unterkategorie „Waffen“ auf den unerlaubten Handel mit solchen bezog. Augenscheinlich offenbart sich in jener vom Betreiber vorgenommenen kriminellen Ausrichtung die teils in der Rechtsprechung – und auch vom LG Karlsruhe – geforderte Kenntnis der wesentlichen Merkmale einer Haupttat, insbesondere deren Unrechts- und Angriffsrichtung.522 Dabei sei hier nur am Rande darauf verwiesen, dass der Betreiber des Forums zwar im Betäubungsmittelsektor eine relativ umfassende Administration vornahm und Beiträge teils manuell freischaltete, den Bereich rund um die Unterkategorie „Waffen“ den Nutzern jedoch weitestgehend unbeaufsichtigt und automatisiert überlies.523 Umgekehrt ist gleichermaßen schlüssig vonseiten des LG Karlsruhe, den Gehilfenvorsatz des Betreibers der Plattform „Deutschland im Deep Web“ zur begangenen Mehrfachtötung sowie den Körperverletzungsdelikten des Haupttäters zu verneinen.524 Denn die Verwirklichung des Tatbestands des § 212 StGB kann auch innerhalb des Darknets durchaus außerhalb der Vorstellung des Betreibers als Gehilfen liegen, als anderweitige Gründe für den unerlaubten Waffenhandel ersichtlich sind, und sei dies nur die Stärkung des eigenen Sicherheitsgefühls eines Nutzers.525 Insoweit kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Betreiber willentlich ein entscheidendes Tatmittel zur nachfolgenden Mehrfachtötung an die Hand gibt, auch wenn dieser angesichts der geschaffenen Unterkategorie „Waffen“ grundsätzliche Kenntnis von dem Waffenhandel über seine Plattform hat.526 Das LG Karlsruhe führt dort ferner aus, dass die Tatsache, dass der „Gehilfe jedwedes oder irgendein Delikt fördern wollte“, genauso wenig genüge wie „die bloße Kenntnis eines generellen Risikos der Tatförderung“.527 Selbstredend bedarf eine dahingehende Beurteilung einer Würdigung des Einzelfalls unter Berücksichtigung der jeweiligen Plattform. Vorsatz hinsichtlich einer vom Nutzer begangenen Tötung ließe sich insoweit wohl zumindest für den Fall begründen, dass der Betreiber die jeweilige 521
LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 333. Dazu allgemein siehe die Ausführungen unter Teil 3 G. III. 2. a) sowie LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 346. 523 LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 76. 524 LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 341. 525 Beck / Nussbaum, HRRS 2020, 112, 118. 526 So auch Beck / Nussbaum, HRRS 2020, 112, 118; im Ergebnis ebenfalls übereinstimmend, wenngleich im Rahmen der objektiven Zurechnung im objektiven Tatbestand verortend Greco, ZIS 2019, 435, 449. 527 LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 346. 522
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Plattform speziell als sogenannten „Assassination Market“ ausrichtet.528 Inwieweit der Betreiber aber bei Verneinung des Gehilfenvorsatzes wegen fahrlässiger Tötung zur Verantwortung gezogen werden kann, bleibt noch zu klären.529 Auch das LG Duisburg verweist mit Blick auf den Betrieb von Underground Economy Foren darauf, dass der Gehilfe zwar die Haupttat in ihren wesentlichen Merkmalen kennen müsse.530 Das Forum diente jedoch ausschließlich der Förderung und Anbahnung krimineller Geschäfte, insbesondere im Bereich des Betäubungsmittelhandels. Dies war den Angeklagten nicht nur bekannt, sondern entsprechend der Zweckrichtung der Foren auch beabsichtigt. Zudem hatten die Angeklagten Kenntnis von Art und Größenordnung der über die Foren veräußerten Betäubungsmittel, wenn auch nicht bezogen auf jedes einzelne Geschäft.531 Obgleich daher den Betreibern in den vorgenannten Fällen keine weitergehenden Einzelheiten mit Blick auf die Haupttaten der Nutzer bekannt waren, bejaht die Rechtsprechung unter Würdigung der kriminellen Ausrichtung der Plattform die hinreichende Konkretisierung des Gehilfenvorsatzes. Die Bedenken der Gesetzesmaterialien gegen eine Beihilfestrafbarkeit werden auch in dieser Hinsicht abgeschwächt. Fehlt es hingegen gänzlich an einer Vorstellung über mögliche Haupttaten eines Nutzers, wird man sich eher über die Strafwürdigkeit des Verhaltens Gedanken machen müssen.532 Inwieweit dann gar eine täterschaftliche Verantwortlichkeit im Sinne eines § 127 StGB legitimierbar sein soll, bleibt dabei im Verborgenen.
IV. Zusammenfassung Eine Beihilfestrafbarkeit des Betreibers einer auf den Handel mit illegalen Waren und Dienstleistungen ausgerichteten Plattform im Darknet wird sich – unter der Bedingung der Nachweisbarkeit von Haupttaten – regelmäßig bejahen lassen. In objektiver Hinsicht ist ein Hilfeleisten des Betreibers entweder in der Zurverfügungstellung einer in Gänze auf den illegalen Handel ausgerichteten Infrastruktur oder zumindest in der Schaffung oder Wiedersichtbarmachung einzelner krimineller Kategorien und Unterkategorien zu erblicken. Denkbar ist ferner etwa eine manuelle Freischaltung von Nutzerangeboten oder die händische Betätigung des 528 Beck / Nussbaum, HRRS 2020, 112, 118; im Ergebnis schon Greco, ZIS 2019, 435, 449. Zum im Jahr 2013 im Tor-Netzwerk wohl vorzufindenden „Assassination Market“ vgl. etwa die Ausführungen von Mey, Darknet, S. 63, vgl. zu „Assassination Markets“ allgemein auch Moore / Rid, Survival 2016, Vol. 58 (1), 7, 24; darauf verweisend auch Elangovan, in: Encyclopedia, 129, 136. 529 Vgl. insbesondere die Ausführungen unter Teil 3 H. 530 LG Duisburg v. 05. 04. 2017 – 33 KLs-111 Js 32/16–8/16, BeckRS 2017, 128618 Rn. 555. 531 LG Duisburg v. 05. 04. 2017 – 33 KLs-111 Js 32/16–8/16, BeckRS 2017, 128618 Rn. 556. 532 Siehe allgemein auch Bäcker / Golla, Strafrecht in der Finsternis; Rückert, Endlich Licht ins Darknet?.
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
Treuhandsystems. In Anbetracht der erkennbar kriminellen Ausrichtung tragen dort auch nicht die Grundsätze einer neutralen Handlung. Wenngleich die Frage nach einer hinreichenden Konkretisierung des Gehilfenvorsatzes nicht unumstritten ist, wird sich eine ausreichend konkretisierte Vorstellung des Betreibers mit Blick auf die nachfolgende Haupttat eines Nutzers sodann trotz etwaiger Automatisierung der Abläufe jedenfalls durch die spezifische kriminelle Aufmachung einer Plattform als bereitgestelltes Tatmittel belegen lassen. Insoweit verhelfen regelmäßig neben bestimmten Bezeichnungen und Verhaltensrichtlinien vornehmlich die seitens der Betreiberebene errichteten Kategorien für illegale Waren und Dienstleistungen zu einer hinreichend konkretisierten Vorstellung des Betreibers. Gewiss bleibt Nachteil der Beihilfestrafbarkeit das sich aus dem Grundsatz der limitierten Akzessorietät ergebende Erfordernis des Nachweises einer konkreten Haupttat, das aus Sicht der Praxis im anonymisierten Darknet zweifelsohne erheblichen Schwierigkeiten begegnen kann.533 Die obigen Urteile belegen jedoch bereits, dass Nachweisschwierigkeiten auch im Darknet trotz des Einsatzes verschlüsselter Kommunikationskanäle nicht unüberwindbar sind.534 Der vor Einführung des § 127 StGB geltende Rechtszustand mit Blick auf das Betreiben einer Darknet-Plattform erscheint demnach nicht derart unzureichend, wie vonseiten der Gesetzesmaterialien zur Schaffung des § 127 StGB zunächst befürchtet. Und inwieweit § 127 StGB der wahren Problematik des erschwerten Ausfindigmachens der Betreiber selbst tatsächlich zuträglich ist, ist damit nicht geklärt.535
H. Die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit für Folgeschäden Vorstehend wurde eingehend beleuchtet, inwieweit der Betreiber einer ganz oder teilweise auf den Handel mit illegalen Waren oder Dienstleistungen ausgerichteten Darknet-Plattform für die jedenfalls bedingt vorsätzliche Deliktsverwirklichung – sei dies als (Mit-)Täter, sei dies als Teilnehmer – strafrechtlich zu belangen ist.536 Für den Fall, dass nicht wenigstens ein Eventualvorsatz des Betreibers in Bezug auf den infrage stehenden tatbestandlichen Erfolg ersichtlich ist, bleibt aber eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit gemäß der allgemeinen Grundsätze davon unberührt. Schließlich ergeben sich strafrechtliche Konsequenzen nach Maßgabe des § 15 StGB gleichermaßen aus einer fahrlässigen Tatbegehung, sofern das Gesetz einen entsprechenden Fahrlässigkeitstatbestand bereithält. Exemplarisch demonstrieren bereits die mit Blick auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit eines Plattformbetreibers im Darknet richtungsweisenden Aus 533
Zum Einwand vgl. bereits BT-Drs. 19/9508, S. 9 f. Zum Nachweis einer konkreten Haupttat im Darknet siehe auch Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 140 ff. 535 Allgemein zum Für und Wider von § 127 StGB siehe Teil 3 I. IV. sowie zum erschwerten Ausfindigmachen von Betreibern ferner Teil 3 I. IV. 1. 536 Hierzu Teil 3 B. bis H. 534
H. Die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit für Folgeschäden
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führungen des LG Karlsruhe die Möglichkeit einer Verurteilung des Betreibers wegen fahrlässiger Deliktsbegehung.537 Während wie gesehen in Bezug auf die seitens der Nutzer mithilfe der Plattform getätigten Handelsgeschäfte oder Forenbeiträge regelmäßig zumindest bedingter Vorsatz vorliegen wird,538 wird die fahrlässige Deliktsbegehung sodann vornehmlich mit Blick auf etwaige Folgeschäden des Handels illegaler Waren oder Dienstleistungen an Bedeutung gewinnen, den der Betreiber mithilfe der erforderlichen Infrastruktur ermöglicht. In praktischer Hinsicht erweisen sich diesbezüglich im Wesentlichen die §§ 222, 229 StGB von Relevanz, wird doch zumeist eine Verantwortlichkeit des Betreibers für den Einsatz von über die Plattform gehandelten Waffen oder Betäubungsmitteln seitens der Nutzer im Raum stehen. Gemeint ist etwa die vom Nutzer – mithilfe einer über die Plattform erworbenen Schusswaffe – begangene Mehrfachtötung oder Körperverletzung.539 Inwieweit der Betreiber für ebenjene meist nicht vom Vorsatz umfasste Folgeschäden vornehmlich entsprechend der §§ 222, 229 StGB zur Verantwortung gezogen werden kann, sei daher nicht zuletzt unter Würdigung der Ausführungen des LG Karlsruhe Gegenstand der nachfolgenden Untersuchung.540 Hinsichtlich der Aufarbeitung einer Fahrlässigkeitsstrafbarkeit des Plattformbetreibers im Darknet sei vorab eine klarstellende Bemerkung veranlasst: Über die konstituierenden Merkmale des Fahrlässigkeitsdelikts herrscht nach wie vor kein vollumfänglicher Konsens, als neben dem konkreten Aufbau letztlich auch die einzelnen Kriterien fahrlässigen Verhaltens umstritten bleiben.541 Ungeachtet der insoweit vorherrschenden Strukturprobleme, einer generellen Kritik an der Bestrafung fahrlässigen Handelns sowie möglicher Reformvorschläge,542 folgt nach derzeit geltendem Recht aus § 15 StGB, dass eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit in denjenigen Fällen vom Rechtsanwender zu berücksichtigen ist, in denen das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht.543 Insoweit dient als Grundlage der 537
LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013. Zum jedenfalls hinreichenden Gehilfenvorsatz, solange sich die Geschäfte innerhalb der anfänglichen kriminellen Ausrichtung der Plattform bewegen, vgl. die Ausführungen unter Teil 3 G. III. 539 Zum beschriebenen Sachverhalt der Mehrfachtötung sowie Körperverletzung vgl. unter anderem LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013. 540 Zur Begründung einer fahrlässigen Tötung sowie fahrlässigen Körperverletzung des Plattformbetreibers vgl. etwa die Ausführungen des LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 355 ff.; Beck / Nussbaum, HRRS 2020, 112, 118 ff.; Eisele, JuS 2019, 1122 ff.; Greco, ZIS 2019, 435, 449; Nestler, Jura (JK) 2019, 898; ferner auch Trentmann / Mustafi, JA 2020, 359 ff. 541 Hierauf verweist etwa auch Kudlich, in: BeckOK-StGB, § 15 Rn. 31; zu den insoweit vorzufindenden Strukturproblemen grundlegend unter anderem Sternberg-Lieben / Schuster, in: Schönke / Schröder, § 15 Rn. 110 ff.; die verschiedenen Standpunkte zu Begriff und Systematik der Fahrlässigkeit zusammenfassend etwa Duttge, Zur Bestimmtheit des Handlungsunwerts von Fahrlässigkeitsdelikten, S. 40 ff.; zu historischen Entwicklungen des Fahrlässigkeitsdelikts und im europäischen Kontext unter anderem Duttge, in: MüKo-StGB, § 15 Rn. 42 ff. 542 Diese zusammenfassend Beck, in: Handbuch des Strafrechts, Bd. 2, § 36 Rn. 4 ff. 543 Darauf verweisend etwa Beck, in: Handbuch des Strafrechts, Bd. 2, § 36 Rn. 1. 538
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
nachfolgenden Ausführungen die Annahme, dass die fahrlässige Deliktsbegehung nicht nur graduell, sondern auch qualitativ vom Vorsatzdelikt auf objektiver Ebene divergiert.544 Der Tatbestand eines fahrlässigen Erfolgsdelikts verlangt demzufolge die kausale und objektiv zurechenbare Verursachung des tatbestandlichen Erfolgs, eine Sorgfaltspflichtverletzung, welche den Handlungsunwert begründet sowie letztlich die Vorhersehbarkeit des Taterfolgs.545
I. Die kausale Verursachung des Taterfolgs der §§ 222, 229 StGB Die fahrlässigen Erfolgsdelikte der §§ 222, 229 StGB erfordern demnach zunächst die kausale Verursachung eines tatbestandlichen Erfolgs.546 Das LG Karlsruhe verurteilte insoweit erstmals den Betreiber des Darknet-Forums „Deutschland im Deep Web“ angesichts der Mehrfachtötung eines Nutzers mittels einer über die Plattform erworbenen Schusswaffe wegen fahrlässiger Tötung in neun Fällen in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung in fünf Fällen.547 Das LG Karlsruhe verweist insoweit zunächst darauf, dass es dem Amokläufer bis zur Kontaktaufnahme mit dem Verkäufer in der Unterkategorie „Waffen“ nicht geglückt war, an die gesuchte Waffe zu gelangen.548 Ausgehend davon stützte das Gericht die Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung auf die kausale Handlung der Wiedersichtbarmachung der Unterkategorie „Waffen“ durch den Betreiber, weil diese insoweit unabdingbare Voraussetzung des tatbestandlichen Erfolgs der Mehrfachtötung gewesen sei.549 Unter dem Gesichtspunkt der unabdingbaren Voraussetzung erweist sich ungeachtet einer derartigen Wiedersichtbarmachung von Handelskategorien oder manuellen Freischaltung von Beiträgen jedoch gleichermaßen regelmäßig die schlichte Zurverfügungstellung der auf den Handel mit illegalen Waren oder Dienstleistungen ausgerichteten Plattform als kausale Handlung, ist diese doch verbindendes Medium zwischen Nutzern.550
544
Etwa Beck, in: Handbuch des Strafrechts, Bd. 2, § 36 Rn. 38. Zum dahingehenden Verständnis der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit sowie zum sich hieraus ergebenden Aufbau unter anderem Beck, in: Handbuch des Strafrechts, Bd. 2, § 36 Rn. 37 f. mit Verweis auf abweichende Auffassungen zur Struktur der Fahrlässigkeitsdelikte; siehe auch etwa Kudlich, in: BeckOK-StGB, § 15 Rn. 31 ff.; Kühl, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 17 Rn. 9; Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 52 Rn. 11 f. Zur ferner erforderlich subjektiven Fahrlässigkeit im Rahmen der Schuld siehe etwa Beck, in: Handbuch des Strafrechts, Bd. 2, § 36 Rn. 81 ff.; Kudlich, in: BeckOK-StGB, § 15 Rn. 65 ff. 546 Beck, in: Handbuch des Strafrechts, Bd. 2, § 36 Rn. 39; B. Heinrich, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 1008 f.; Kindhäuser / Zimmermann, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 33 Rn. 15; Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 1112. 547 LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013. 548 LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 361. 549 LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 362. 550 Zur Kausalität der Bereitstellung einer Darknet-Plattform für die vorsätzliche Tötung oder Verletzung durch Dritte siehe auch Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 151 f. 545
H. Die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit für Folgeschäden
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II. Objektive Sorgfaltspflichtverletzung Das Unrecht eines Fahrlässigkeitsdelikts beschränkt sich jedoch nach inzwischen überwiegendem Verständnis nicht auf die kausale Herbeiführung eines Taterfolgs, meint doch Fahrlässigkeit nicht etwa eine bloße Schuldform.551 Vielmehr divergieren Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikte bereits im zugrundeliegenden Unrecht: Wohingegen der Handlungsunwert eines Vorsatzdelikts im Wesentlichen darin zu erblicken ist, dass der Täter sein Verhalten wissentlich und willentlich auf eine Gefährdung oder Verletzung eines Rechtsguts ausrichtet, findet sich der Handlungsunwert eines Fahrlässigkeitsdelikts darin, dass der Täter sorgfaltswidrig in Richtung eines Rechtsguts handelt.552 Der Fahrlässigkeitstatbestand bedarf demnach zunächst einer Ausfüllung mithilfe des ungeschriebenen Elements der Sorgfaltspflichtverletzung. 1. Die Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt Weitergehender Bestandteil des Handlungsunrechts eines Fahrlässigkeitsdelikts ist daher das im Hinblick auf ein geschütztes Rechtsgut sorgfaltswidrige Verhalten, wobei im Allgemeinen bereits Uneinigkeit hinsichtlich der Bestimmung des konkreten Sorgfaltsmaßstabs besteht.553 Mithilfe der Umschreibung als „außer Acht lassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt“ allein ist jedenfalls zur Bestimmung des Sorgfaltsmaßstabs nicht viel gewonnen. In diesem Sinne wird teilweise zur Konkretisierung vorgebracht, Inhalt der Sorgfaltspflicht sei, „die Gefährlichkeit einer bestimmten Situation für das geschützte Rechtsgut zu erkennen und sich danach zu richten, das heißt die gefährliche Handlung entweder ganz zu unterlassen oder nur unter bestimmten Sicherheitsvorkehrungen vorzunehmen.“554 Die herrschende Auffassung rekurriert sodann zur Bestimmung des Sorgfaltsmaßstabs auf einen grundsätzlich objektiven Maßstab, welcher dennoch die konkrete Lage des jeweiligen Täters betrachtet. Danach ergäben sich Art und Maß der anzuwendenden Sorgfalt aus den Anforderungen, die – bei einer Betrachtung der Gefahrenlage
551 Unter anderem Jescheck / Weigend, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 564; Kaspar, JuS 2012, 16, 17; Roxin / Greco, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 1, § 24 Rn. 54; Schünemann, JA 1975, 435, 437 f.; Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 1102. 552 Sternberg-Lieben / Schuster, in: Schönke / Schröder, § 15 Rn. 121. 553 Nach Jakobs sowie Roxin und Greco erweist sich das Merkmal der Sorgfaltspflichtverletzung als generell untauglich für die Begründung eines Fahrlässigkeitsvorwurfs, vgl. Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, Abschn. 9 Rn. 5 ff.; Roxin / Greco, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 1, § 24 Rn. 10 ff.; auch Schroeder bezeichnet die Sorgfaltspflichten als „Irrlehre“ und rekurriert allein auf die Erkennbarkeit der Tatbestandsverwirklichung, Schroeder, JZ 1989, 776 ff.; allgemein zur Entwicklung siehe etwa Weigend, in: FS-Gössel, 129, 131 ff. 554 Jescheck, Aufbau und Behandlung der Fahrlässigkeit, S. 10; siehe auch Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 1117 und Beck, in: Handbuch des Strafrechts, Bd. 2, § 36 Rn. 42.
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ex ante – an einen besonnenen und gewissenhaften Menschen in der konkreten Lage und der sozialen Rolle des Handelnden zu stellen sind.555 Darüber hinaus ist nach überwiegender Ansicht etwaiges Sonderwissen zulasten des Täters bereits bei der Bestimmung der objektiven Sorgfaltswidrigkeit zu berücksichtigen.556 Unter Würdigung der Wahrung des Rechtsfriedens sowie der Ermöglichung gewisser allgemeiner Verhaltensmaßstäbe erscheint die Annahme eines objektiven Maßstabs – wenn auch unter Beachtung des Verkehrskreises des Täters – letztlich überzeugend.557 Dementsprechend muss der Täter eines Fahrlässigkeitsdelikts im Einzelfall eine sich aus der Zusammenschau objektiver Maßstäbe sowie tatsächlicher Gegebenheiten der Situation resultierende Sorgfaltspflicht außer Acht lassen.558 Für der Ermittlung der anzuwendenden Sorgfalt kann ferner vorrangig auf unter Umständen existente sogenannten Sondernormen zurückgegriffen werden. Nach verbreiteter Auffassung wird Sondernormen gesetzlicher Art oder nicht gesetzlicher Natur bei der Bestimmung der Sorgfaltswidrigkeit jedoch im Grundsatz eine bloße Indizfunktion zugeschrieben, sodass diese zwar vorrangig im Hinblick auf mögliche Quellen von Sorgfaltspflichten zu berücksichtigen seien.559 Maßstab 555
BGH v. 14. 03. 2003 – 2 StR 239/02, NStZ 2003, 657, 658; BGH v. 01. 02. 2005 – 1 StR 422/04, NStZ 2005, 446, 447; LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 363; Beck, in: Handbuch des Strafrechts, Bd. 2, § 36 Rn. 43 f.; Hirsch, ZStW 94 (1982), 239, 266 ff.; Kaspar, JuS 2012, 16, 19 f.; Kretschmer, Jura 2000, 267, 270 f.; Kühl, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 17 Rn. 25; Nestler, Jura 2015, 562; Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 52 Rn. 15; Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 1114, 1118; a. A. sogenannte Individualisierungstheorie unter anderem bei Duttge, in: MüKo-StGB, § 15 Rn. 95 ff.; Stratenwerth, in: FS-Jescheck, 285 ff., wonach die Sorgfaltspflichtverletzung ohne Differenzierung zwischen objektivem und subjektivem Sorgfaltspflichtverstoß nur unter Berücksichtigung von individuellen Fähigkeiten des Täters zu bestimmen sei. 556 Etwa Hirsch, ZStW 94 (1982), 239, 274; Kaspar, JuS 2012, 16, 20; Kudlich, in: BeckOKStGB, § 15 Rn. 45; Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 52 Rn. 20; Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 1119. 557 Bereits Beck, in: Handbuch des Strafrechts, Bd. 2, § 36 Rn. 44. 558 Beck, in: Handbuch des Strafrechts, Bd. 2, § 36 Rn. 45. 559 Zur indiziellen Bedeutung von Sondernormen unter anderem BGH v. 23. 04. 1953 – 3 StR 894/52, BGHSt 4, 182, 184 ff.; Burgstaller, Das Fahrlässigkeitsdelikt im Strafrecht, S. 45 ff.; Krey / Esser, Deutsches Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 1350; Kühl, in: Lackner / Kühl, § 15 Rn. 39; Roxin / Greco, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 1, § 24 Rn. 16; Schünemann, JA 1975, 575, 577; Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 1123. Colombi Ciacchi, Fahrlässigkeit und Tatbestandsbestimmtheit, S. 87 ff. hält unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes schlicht solche Fahrlässigkeitsvorwürfe als begründet, die auf der Missachtung von weit interpretierten Sondernormen basieren. Teilweise wird jedenfalls Sondernormen mit Rechtssatzqualität unter bestimmten Voraussetzungen eine größere Aussagekraft beigemessen, dazu Lenckner, in: FS-Engisch, 490, 494; Kuhlen, Fragen einer strafrechtlichen Produkthaftung, S. 115 ff.; Sternberg-Lieben / Schuster, in: Schönke / Schröder, § 15 Rn. 135; Satzger, Die Europäisierung des Strafrechts, S. 610 ff.; zur Bedeutung von Sondernormen siehe weitergehend auch Kudlich, in: FS-Otto, 373 ff.; Schürer-Mohr, Erlaubte Risiken, S. 176 ff.; ferner stellt Bohnert die These auf, dass sogenannten limitierenden Sondernormen eine konstitutive Bedeutung für die Sorgfaltswidrigkeit zukommt, also solchen Sondernormen, die nicht nur ein Rechtsgut schützen, sondern auch gefährliche Handlungen in gewissem Umfang gestatten, vgl. Bohnert, JR 1982, 6, 7, 10 ff.
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bilde demnach weiterhin die Figur des besonnenen und gewissenhaften Dritten: Die Verletzung einer Sondernorm indiziere zwar in hohem Maße eine Sorgfaltswidrigkeit, begründe aber eine solche nicht zwingend; umgekehrt würde die Befolgung derartiger Sondernormen die Annahme von Fahrlässigkeit nicht per se ausschließen.560 2. Die Sorgfaltspflichtverletzung eines Plattformbetreibers Bei der Bestimmung der anzuwendenden Sorgfalt eines Plattformbetreibers im Darknet ergeben sich entsprechend den obigen Ausführungen Art und Maß der anzuwendenden Sorgfalt demnach gleichermaßen zuvorderst aus den Anforderungen, die bei einer Betrachtung der Gefahrenlage ex ante an einen besonnenen und gewissenhaften Menschen in der konkreten Lage und der sozialen Rolle des Handelnden zu stellen sind. Soweit im jeweiligen Bereich beispielsweise waffenrechtliche oder betäubungsmittelrechtliche Sondernormen im obigen Sinne existieren, entfaltet deren Nichtbefolgung zugleich Indizwirkung im Hinblick auf die Missachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Blickt man zum richtungsweisenden Urteil des LG Karlsruhe, rekurriert dieses zur Bestimmung der Sorgfaltspflichtverletzung des Betreibers der Plattform „Deutschland im Deep Web“ sodann gleichermaßen auf eine objektive Maßstabsfigur.561 Pflichtwidrig handle nach Auffassung des LG Karlsruhe jedoch, „wer gegen eine Sorgfaltspflicht verstößt, die gerade dem Schutz des beeinträchtigten Rechtsguts dient, wenn der Verstoß zu einer Rechtsgutverletzung führt“562. Das LG Karlsruhe beachtet dementsprechend bereits zur Bestimmung eines objektiv sorgfaltswidrigen Verhaltens eine Einschränkung, die überwiegend erst im Rahmen der weitergehenden Frage einer objektiven Zurechenbarkeit des Taterfolgs thematisiert wird.563 Den Sorgfaltspflichtverstoß erblickt das LG Karlsruhe jedenfalls in der Beihilfe zum vorsätzlichen unerlaubten Erwerb einer halbautomatischen Kurzwaffe gemäß §§ 52 Abs. 1 Nr. 2 lit. b, 2 Abs. 2 WaffG i. V. m. Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 zum WaffG i. V. m. § 27 StGB.564 Der Schutzzweck der Waffengesetze liege gemäß § 1 Abs. 1 WaffG allgemein darin, dass diese dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit und des Lebens als Teil der öffentlichen Sicherheit dienen.565 Demnach sei die objektive Sorgfaltspflichtverletzung des Angeklagten
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Etwa Kühl, in: Lackner / Kühl, § 15 Rn. 39 m. w. N. LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 363. 562 LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 363. 563 LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 363 ff. Darauf verweisen auch Beck / Nussbaum, HRRS 2020, 112, 118 und Nestler, Jura (JK) 2019, 898. 564 LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 364; vgl. zudem die Anmerkung bei Eisele, JuS 2019, 1122, 1123. 565 LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 365. 561
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durch die Wiedersichtbarmachung der Beiträge in der Unterkategorie „Waffen“, die die Mehrfachtötung ermöglichte, zu bejahen.566 Die vom LG Karlsruhe gewählte Vorgehensweise zur Bestimmung einer Sorgfaltspflichtverletzung – dass die Sorgfaltspflicht gerade dem Schutz des beeinträchtigen Rechtsguts diene – wurde zwar zuvor bereits innerhalb der Literatur vereinzelt befürwortet: Danach sei eine dahingehende Verengung der Suche nach einer Sorgfaltspflichtverletzung zwar „nicht etwa logisch zwingend, aber gegenüber dem herkömmlichen Verfahren pragmatisch vorzugswürdig“, schütze diese doch vor Fehlern, „die gelegentlich aus dem Blick auf irrelevante Sorgfaltspflichtverletzungen resultieren“567. Nestler etwa wendet hingegen ein, dass eine Verengung des objektiven Sorgfaltspflichtenverstoßes auf „rechtsgutsrelevante“ Sorgfaltsnormen die Gefahr berge, die Prüfungsstufe der objektiven Zurechnung vorwegzunehmen, ohne an dieser Stelle die spezifischen Wertungen der dortigen Frage zu berücksichtigen.568 Allgemein überzeugender erscheint, für die Frage der objektiven Sorgfaltspflichtverletzung zunächst jeden Sorgfaltsverstoß genügen zu lassen und erst im Rahmen des Schutzzwecks der Norm danach zu fragen, inwieweit ein innerer Zusammenhang zwischen Sorgfaltsverstoß und dem konkreten eingetretenen Erfolg besteht. Unter Heranziehung der objektiven Maßstabsfigur ergibt sich sodann, dass von einem besonnenen und gewissenhaften Plattformbetreiber erwartet werden kann, keine Kategorien für den unerlaubten Waffenhandel zu schaffen. Es hätte dort ferner die Feststellung genügt, dass der Angeklagte durch die erneute Sichtbarmachung der Unterkategorie „Waffen“ den Straftatbestand der Beihilfe zum vorsätzlichen unerlaubten Erwerb einer halbautomatischen Kurzwaffe gemäß §§ 52 Abs. 1 Nr. 2 lit. b, 2 Abs. 2 WaffG i. V. m. Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 zum WaffG i. V. m. § 27 StGB erfüllt hat, was die Sorgfaltswidrigkeit des Verhaltens jedenfalls indiziert. Reflektiert man nun abschließend die Ausführungen des LG Karlsruhe zur fahrlässigen Mehrfachtötung mit tateinheitlich verwirklichter fahrlässiger Körperverletzung des Betreibers des Forums „Deutschland im Deep Web“, so stützt das Gericht die Sorgfaltswidrigkeit des Verhaltens des Plattformbetreibers auf die Beihilfe zum vorsätzlichen unerlaubten Waffenhandel infolge der Sichtbarmachung der Unterkategorie „Waffen“.569 Wie gesehen, verließ der Plattformbetreiber bereits durch die dortige über die bloße Speicherung hinausgehende Verhaltensweise den Anwendungsbereich des § 10 TMG.570 Das LG Karlsruhe brauchte demnach nicht danach zu fragen, inwieweit etwa die Einhaltung des § 10 TMG als gesetzliche Vorschrift die Annahme einer Beihilfe zum Waffenhandel und insoweit eine 566
LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 365. Mit der Verletzung entsprechender Sondernormen sowie dem Schutzzweck des § 1 WaffG argumentierend auch Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 152 f. 567 Befürwortend Hardtung, in: MüKo-StGB, § 222 Rn. 12. 568 Nestler, Jura (JK) 2019, 898; ferner kritisch bereits Herzberg, NStZ 2004, 660, 666 f. 569 LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 364. 570 Vgl. die Ausführungen unter Teil 2 D. III. 3. und 4. sowie Teil 3 G. II.
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Sorgfaltswidrigkeit sperrt,571 den Diensteanbieter mithin von der Haftung freistellt. Ein klarstellender Hinweis dahingehend, dass erst die Sichtbarmachung der Unterkategorie „Waffen“ überhaupt zur Nichtanwendbarkeit des § 10 TMG führt, wäre dennoch wünschenswert gewesen. Schließlich eröffnet erst die Nichtanwendbarkeit des haftungsbegrenzenden § 10 TMG den Weg zur Beihilfe des Plattformbetreibers zum unerlaubten Waffenhandel der Nutzer und steht sodann auch der Annahme einer Sorgfaltspflichtverletzung nicht im Wege. Inwieweit anschließend die weitergehenden konstituierenden Merkmale einer Fahrlässigkeitsstrafbarkeit – insbesondere die Vorhersehbarkeit des Taterfolgs sowie dessen objektive Zurechenbarkeit – im Falle des Betreibens einer Plattform im Darknet zu bejahen sind, bedarf einer eigenständigen Klärung.
III. Die objektive Vorhersehbarkeit Gelangt man unter Würdigung der obigen Grundsätze zur Annahme einer objektiven Sorgfaltspflichtverletzung, ist als weiteres Element des Fahrlässigkeitsdelikts die objektive Vorhersehbarkeit des Erfolgs anerkannt. Während diese teils als eigenständiges Merkmal sowie dort als Unterfall der objektiven Zurechnung behandelt wird,572 findet sich zugleich die Äußerung, Fahrlässigkeit meine die „Verletzung einer objektiven Sorgfaltspflicht bei objektiver Vorhersehbarkeit des Erfolgseintritts“573. Dementsprechend seien die objektive Vorhersehbarkeit des Erfolgs sowie die Sorgfaltspflichtverletzung als Bestandteile des Handlungsunrechts inhaltlich verbunden und könnten nicht gesondert beurteilt werden.574 Zur Bestimmung der objektiven Vorhersehbarkeit findet sich sodann teils die Formulierung, objektiv vorhersehbar sei das, „was ein umsichtig handelnder Mensch aus dem Verkehrskreis des Täters unter den jeweils gegebenen Umständen aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung in Rechnung stellen würde“575. Etwaiges Sonderwissen gelte es in die Beurteilung ebenfalls einzustellen.576 Die Rechtsprechung – auch das LG Karlsruhe577 – lässt ausreichen, dass der Erfolg in seinem Ergebnis vorhergesehen werden konnte, nicht zwingend auch der Geschehensablauf an sich, außer, der Verlauf liege so sehr außerhalb jeglicher Lebenserfahrung, dass niemand mit jenem Erfolg zu rechnen brauchte.578 571
Dazu Teil 4 C. II. und Teil 4 E. Offensichtlich unter anderem B. Heinrich, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 1013. 573 Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 1101. 574 Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 1115. 575 Beck, in: Handbuch des Strafrechts, Bd. 2, § 36 Rn. 55; Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 1115. 576 Unter anderem Kudlich, in: BeckOK-StGB, § 15 Rn. 56; Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 1115. 577 LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 366. 578 So bereits unter anderem RG v. 31. 05. 1920 – I 211/20, RGSt 54, 349, 350 f.; RG v. 05. 01. 1922 – I 648/21, RGSt 56, 343, 350; RG v. 03. 11. 1939 – 4 D 575/39, RGSt 73, 572
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Das LG Karlsruhe stellte hinsichtlich der objektiven Vorhersehbarkeit des Taterfolgs der Mehrfachtötung zunächst fest, dass „ein besonnener Dritter bei erneuter Sichtbarmachung der Unterkategorie ‚Waffen‘ [hätte] erkennen können, dass die Möglichkeit des anonymen Waffenerwerbs abseits des geregelten legalen Marktes dazu führen kann, dass der Erwerber eine auf diesem Weg erworbene Schusswaffe zur Verletzung und Tötung von Menschen zielgerichtet einsetzen wird. Waffen von namentlich nicht bekannten Verkäufern, ohne Gewährleistung und zu überteuerten Konditionen, erwirbt nur derjenige, der sich aus legalen Quellen nicht bedienen kann, weil er die erforderlichen Zuverlässigkeitskriterien nicht erfüllen kann. Diese Erkenntnis musste sich jedem verständigen Menschen aufdrängen.“579 Erschwerend kam nach Auffassung des LG Karlsruhe außerdem hinzu, dass infolge der Terroranschläge in Paris umfassend in der Presse über die Möglichkeit berichtet worden war, dass neben Terroristen auch selbsternannte Gotteskrieger Waffen im Darknet besorgt haben und die Plattform „Deutschland im Deep Web“ dabei ausdrücklich genannt wurde.580 Selbst wenn nicht bestätigt werden konnte, dass die Waffen zum Terroranschlag in Paris tatsächlich dort bezogen wurden, musste laut LG Karlsruhe jedem verständigen Menschen klar werden, dass es sich insoweit um eine „potentielle Bezugsquelle für Attentäter und Amokläufer“ handle.581 Sodann stützte das LG Karlsruhe die objektive Vorhersehbarkeit auf einen Erst-Recht-Schluss zum Fall in Winnenden.582 Dort gab der BGH – nachdem ein Vater seine Waffe unzulässigerweise ungesichert verwahrte und so den Amoklauf seines Sohnes ermöglichte – zu erkennen, dass bereits die fahrlässige Verletzung spezifischer waffenrechtlicher Aufbewahrungsvorschriften nach § 36 WaffG eine Vorhersehbarkeit begründe.583 Nach Auffassung des LG Karlsruhe musste die objektive Vorhersehbarkeit daher erst recht für einen Plattformbetreiber bejaht werden, soweit ihm die „bewusste und gezielte Schaffung eines Absatzmarktes für Waffenkäufer und -verkäufer, die damit den legalen Waffenerwerb und die dortigen Voraussetzungen für den Erwerb einer Besitzkarte bzw. eines Waffenscheins umgehen konnten“, vorzuwerfen ist.584 Im Ergebnis musste dem LG Karlsruhe zufolge „der Aufbau einer Plattform, die mittels Tor-Browser-Technologie und Verschlüsselungsmechanismen wie ‚PGP‘ auf größtmögliche Anonymität und Abschottung ausgerichtet und in der eine spezielle Kategorie für Waffen eingerichtet wurde, zwangsläufig dazu führen […], dass sich auch psychisch kranke oder auffällige Personen […] – die auf dem legalen Markt niemals in den Besitz einer funktionsfähigen Schusswaffe gelangt wären – dort 370, 372 f.; BGH v. 29. 08. 1952 – 2 StR 330/52, BGHSt 3, 62, 63 f.; OLG Karlsruhe v. 09. 06. 1976 – 2 Ss 111/76, NJW 1976, 1853, 1854; siehe hierzu Sternberg-Lieben / Schuster, in: Schönke / Schröder, § 15 Rn. 180. 579 LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 367. 580 LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 367. 581 LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 367. 582 LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 368 unter Verweis auf BGH v. 22. 03. 2012 – 1 StR 359/11. 583 BGH v. 22. 03. 2012 – 1 StR 359/11, BeckRS 2012, 9450 Rn. 35. 584 LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 368.
H. Die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit für Folgeschäden
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um Waffen bemühen und diese dann zur Tötung und Verletzung von Menschen einsetzen würden.“585 Hinsichtlich der Ausführungen des LG Karlsruhe wird an dieser Stelle in der Literatur zweierlei kritisch angemerkt. Einerseits sei die getroffene Feststellung zweifelhaft, dass sich „zwangsläufig“ psychisch kranke und auffällige Personen um Waffen bemühen und diese zur Tötung von Menschen einsetzen, sind doch wie bereits benannt grundsätzlich gleichermaßen legitime Verwendungen des unerlaubten Waffenhandels denkbar, und sei dies nur zur Stärkung des eigenen Sicherheitsgefühls.586 Diesen Schluss auf eine Zwangsläufigkeit schwächt das LG Karlsruhe zumindest durch die Formulierung ab, dass sich „auch“ psychisch kranke und auffällige Personen um Waffen zur Tötung bemühen. Relativiert wird dies ebenfalls durch die vorherige Äußerung, dass die Möglichkeit des anonymen Waffenerwerbs abseits des legalen Marktes „dazu führen kann, dass der Erwerber einer auf diesem Weg erworbene Schusswaffe zur Verletzung und Tötung von Menschen zielgerichtet einsetzen wird.“587 Auch der vom LG Karlsruhe gezogene Erst-Recht-Schluss mit Blick auf den Fall Winnenden wird in der Literatur zu Recht angezweifelt, ist doch unter anderem nicht einzusehen, weshalb ein vorsätzlicher Verstoß stets eher eine Vorhersehbarkeit herstellt als ein fahrlässiger Verstoß.588 Im Ergebnis schafft nach Auffassung des LG Karlsruhe bereits die Sichtbarmachung der Unterkategorie „Waffen“ sowie das durch die kriminelle Ausrichtung der Plattform einhergehende Hilfeleisten zum vorsätzlichen unerlaubten Erwerb einer halbautomatischen Kurzwaffe gemäß §§ 52 Abs. 1 Nr. 2 lit. b, 2 Abs. 2 WaffG i. V. m. Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 zum WaffG i. V. m. § 27 StGB die Gefahr eines vorsätzlichen Einsatzes einer über jene Kategorie erworbenen Waffe. Dennoch verwies das Gericht ergänzend für die Vorhersehbarkeit auf weitere kontextuelle Umstände des konkreten Falls wie der vorherige medienwirksame Pariser Anschlag sowie die im Laufe der Zeit vorgenommene Wiedersichtbarmachung der Waffenkategorie.589
585
LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 369. Kritisch bereits Beck / Nussbaum, HRRS 2020, 112, 119; ebenfalls auf anderweitige Gründe verweisend Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 154 f. 587 LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 367. 588 Näher zum Erst-Recht-Schluss des LG Karlsruhe Beck / Nussbaum, HRRS 2020, 112, 121 f., die unter anderem anführen, dass nicht ausgeschlossen sei, dass die vorsätzliche Besitzverschaffung etwa des Verkaufs an einen Sammler weniger riskant sein könne als etwa das fahrlässige Liegenlassen einer Flinte in einer Gastwirtschaft, derer sich jeder bemächtigen könne. Siehe auch Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 243. Weniger kritisch hingegen Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 155. 589 LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 366 ff. Zum besonderen Regelungsinhalt der waffenrechtlichen Vorschriften sowie deren Aussagekraft ferner Teil 3 H. IV. 3. 586
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
IV. Objektive Zurechnung mittelbarer Taterfolge Letztlich erfordert der Unrechtstatbestand eines fahrlässigen Erfolgsdelikts die Zurechenbarkeit des infolge einer objektiven Sorgfaltspflichtverletzung verursachten objektiv vorhersehbaren Taterfolgs.590 Es sei daher unter Würdigung der Ausführungen des LG Karlsruhe nachfolgend insbesondere beleuchtet, inwieweit dem Betreiber einer Plattform mit Ausrichtung auf den Handel mit illegalen Waren oder Dienstleistungen ein durch Eingreifen eines Nutzers verwirklichter Taterfolg im Rahmen der §§ 222, 229 StGB objektiv zuzurechnen ist. 1. Pflichtwidrigkeitszusammenhang Unter dem sogenannten Pflichtwidrigkeitszusammenhang wird ein Zusammenhang zwischen dem pflichtwidrigen Verhalten des Täters und dem Eintritt des Taterfolgs dahingehend gefordert, dass der Taterfolg seinen Grund gerade in der Pflichtwidrigkeit, mithin der Sorgfaltspflichtverletzung, offenbaren muss.591 Dieser Pflichtwidrigkeitszusammenhang entfällt nach herrschender Auffassung in denjenigen Fällen, in denen der Erfolg auch bei pflichtgemäßem Alternativverhalten eingetreten wäre.592 Dahingegen wollen Vertreter der Risikoerhöhungslehre ausreichen lassen, dass durch die Pflichtwidrigkeit die Gefahr für das Rechtsgut erhöht wurde.593 Dabei darf innerhalb der Prüfung, inwieweit der Erfolg auch ohne das pflichtwidrige Verhalten eingetreten wäre, nur auf ein Geschehen abgestellt werden, das in der konkreten Tatsituation angelegt war, nicht hingegen auf irgendein hypothetisches.594 Das LG Karlsruhe führt in diesem Zusammenhang aus, dass erst durch die erneute Sichtbarmachung der Unterkategorie „Waffen“ vonseiten des Betreibers der Plattform „Deutschland im Deep Web“ die Nutzer den entsprechenden Erwerb der Waffe abwickeln konnten, mithilfe derer die Mehrfachtötung durchgeführt wurde. Ohne die Möglichkeit der Kontaktaufnahme mittels der Plattform wäre ein Kontakt zwischen den Nutzern nicht zustande gekommen.595 Der Taterfolg der Mehrfachtötung wäre insoweit objektiv vermeidbar gewesen. Dieses Ergebnis gilt ungeachtet 590
Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 1126. Nestler, Jura 2015, 562, 564; Kühl, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 17 Rn. 47. 592 BGH v. 06. 11. 1984 – 4 StR 72/84, BGHSt 33, 61, 63 f.; BGH v. 13. 11. 2003 – 5 StR 327/03, BGHSt 49, 1, 4; Kudlich, in: BeckOK-StGB, § 15 Rn. 53, 54.2; Sternberg-Lieben / Schuster, in: Schönke / Schröder, § 15 Rn. 174; Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 1129. 593 Roxin, ZStW 74 (1962), 411 ff.; Roxin / Greco, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 1, § 11 Rn. 88 ff.; Schünemann, GA 1999, 207, 226. 594 BGH v. 13. 11. 2003 – 5 StR 327/03, BGHSt 49, 1, 4; Kühl, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 17 Rn. 62; Sternberg-Lieben / Schuster, in: Schönke / Schröder, § 15 Rn. 176; Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 1130. 595 LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 371. 591
H. Die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit für Folgeschäden
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der weitergehenden erneuten Sichtbarmachung von Kategorien für illegale Waren auch, sofern sich der Betreiber auf die Bereitstellung und Aufrechterhaltung der Plattform beschränkt. Das pflichtgemäße Alternativverhalten ist dort allgemein in dem Unterlassen des Betriebs einer auf den illegalen Waffenhandel ausgerichteten Plattform zu erblicken. Im Falle dieses pflichtgemäßen Alternativverhaltens ist aber der Erfolg der Mehrfachtötung angesichts des nicht hinwegzudenkenden Erwerbs einer Schusswaffe meist ausgeschlossen. Unter ausschließlicher Würdigung der konkreten Tatsituation kann dort nicht etwa berücksichtigt werden, dass ein Erwerb entsprechender Schusswaffen und Munition unter Umständen auch über anderweitige Darknet-Plattformen vorgenommen werden könnte.596 2. Schutzzweck der Norm Eine Bestrafung wegen fahrlässiger Deliktsbegehung kann ferner ausscheiden, sofern der Erfolgseintritt gleichwohl außerhalb des Schutzzwecks der verletzten Sorgfaltspflicht liegt, mithin die verletzte Sorgfaltspflicht nicht dazu dient, Erfolgsverursachungen dieser Art zu verhindern.597 Daher ist stets zu prüfen, inwieweit die seitens des Betreibers verletzte Verhaltensnorm gerade dem Schutz des betroffenen Rechtsguts dienen soll. Im Falle des LG Karlsruhe hatte der Betreiber des Forums „Deutschland im Deep Web“ durch die erneute Sichtbarmachung der Kategorie „Waffen“ Beihilfe zum vorsätzlichen unerlaubten Erwerb einer halbautomatischen Kurzwaffe gemäß §§ 52 Abs. 1 Nr. 2 lit. b, 2 Abs. 2 WaffG i. V. m. Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 zum WaffG i. V. m. § 27 StGB geleistet. Das Gericht argumentiert ausgehend davon – wenngleich im Rahmen der objektiven Sorgfaltswidrigkeit – zutreffend mit Blick auf § 1 Abs. 1 WaffG, wonach das Waffengesetz den Umgang mit Waffen oder Munition unter Berücksichtigung der Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung regelt und die öffentliche Sicherheit nicht zuletzt den Schutz von Leben und Gesundheit umfasse.598 Daher sollen durch das Waffengesetz gerade der unberechtigte Gebrauch von Waffen, insbesondere aber Verletzungen oder gar Tötungen verhindert werden. Die seitens des Betreibers missachtete Vorschrift des § 52 Abs. 1 Nr. 2 lit. b WaffG stelle unter Strafe, unerlaubt halbautomatische Kurzwaffen zu erwerben und damit die Verfügungsgewalt über einen besonders gefährlichen Gegenstand zu erhalten, der nach Art seiner Anfertigung allgemein zumindest auch dazu bestimmt und geeignet ist, Menschen auf mechanischem Wege zu verletzen oder zu töten und dabei die hierfür vorgesehenen Anforderungen an die zu prüfende Zuverlässigkeit zu umgehen. Daher diene die Norm insbesondere dem Schutz der 596 Im Ergebnis auch Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 240; Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 156. 597 Dazu Kudlich, in: BeckOK-StGB, § 15 Rn. 55; Kühl, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 17 Rn. 68; Sternberg-Lieben / Schuster, in: Schönke / Schröder, § 15 Rn. 157. 598 LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 365.
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
körperlichen Unversehrtheit und des Lebens.599 Demnach liegt der Erfolgseintritt der Mehrfachtötung und Verletzung von Menschen durch den Amokläufer gerade nicht außerhalb des Schutzzwecks der verletzten waffenrechtlichen Vorschriften. 3. Das vorsätzliche Dazwischentreten eines Nutzers Mit Blick auf die benannte Mehrfachtötung und Körperverletzung gewinnt letztlich die umstrittene Frage einer objektiven Zurechenbarkeit von Taterfolgen trotz des vorsätzlichen Dazwischentretens eines Dritten an Bedeutung. Schließlich werden dahingehende Folgeschäden des unerlaubten Handels nicht etwa unmittelbar durch den Plattformbetreiber als Erstverursacher, sondern durch einen der Nutzer als Letztverursacher bewirkt. Nicht unmittelbar die Wiedersichtbarmachung der Unterkategorie „Waffen“ durch den Betreiber „luckyspax“ verursachte den Erfolg der Mehrfachtötung, es war vielmehr erst der Erwerb einer Waffe sowie der sich anschließende Amoklauf durch den Nutzer „Maurächer“.600 Daher widmen sich nicht zuletzt die Ausführungen des LG Karlsruhe der Diskussion um ein vorsätzliches Dazwischentreten des Nutzers „Maurächer“ sowie der Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs im Hinblick auf die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung des Betreibers als Erstverursacher.601 Ausgehend davon sei nachfolgend einer Klärung zugeführt, inwieweit dem Betreiber einer auf den Handel mit illegalen Waren und Dienstleistungen ausgerichteten Plattform eine etwaige Mehrfachtötung und Körperverletzung trotz des vorsätzlichen Dazwischentretens des Nutzers im Rahmen von §§ 222, 229 StGB zuzurechnen ist. a) Grundlagen Ob und unter welchen Voraussetzungen der von einem Dritten vorsätzlich herbeigeführte Unrechtserfolg auch dem Erstverursacher objektiv zugerechnet werden kann, der diese Vorsatztat unvorsätzlich ermöglicht und demnach eine Bedingung mit Blick auf den verwirklichten Erfolg setzt, wird nicht einheitlich beurteilt. Während die Lehre vom modernen Regressverbot einer Zurechnung ganz allgemein ablehnend gegenüber steht,602 ist nach der teils vertretenen Lehre vom 599 Im Ergebnis, wenngleich im Rahmen der objektiven Sorgfaltspflichtverletzung, siehe LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 365 unter Bezugnahme auf BGH v. 22. 03. 2012 – 1 StR 359/11. 600 So der dem Urteil des LG Karlsruhe zugrundeliegende Sachverhalt in LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013. 601 LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 372 ff. 602 Für ein grundsätzliches Regressverbot, im Einzelnen unterschiedlich, etwa Otto, in: FSMaurach, 91 ff.; Naucke, ZStW 76 (1964), 409 ff.; siehe auch Wehrle, Fahrlässige Beteiligung am Vorsatzdelikt – Regressverbot?, S. 83 ff.; Welp, Vorangegangenes Tun als Grundlage einer Handlungsäquivalenz der Unterlassung, S. 274 ff.
H. Die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit für Folgeschäden
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adäquaten Zurechnungszusammenhang die Zurechnung eines Unrechtserfolgs an denjenigen, der diesen fahrlässig ermöglicht, grundsätzlich nicht zu verneinen. Eine Haftung scheide lediglich aus, sofern das vorsätzliche Dazwischentreten des Dritten so weit außerhalb jeglicher Lebenserfahrung lag, dass damit vernünftigerweise nicht zu rechnen war.603 Nach der Lehre von den begrenzten Verantwortungsbereichen dürfe hingegen zwar jeder grundsätzlich auf das rechtstreue Verhalten anderer vertrauen. Ein durch das vorsätzliche Dazwischentreten eines Dritten verursachter Erfolg könne dem Erstverursacher aber ausnahmsweise zugerechnet werden, wenn entweder erkennbare Anzeichen für die Tatgeneigtheit des Dritten gegeben waren604 oder – nach teils vorzufindenden Stimmen – dem Ersthandelnden als Garant eine Pflicht zur Schadensvermeidung zukam.605 Nach verbreiteter Auffassung soll eine Bestrafung des fahrlässig Ersthandelnden sodann jedenfalls möglich sein, sofern die verletzte Sorgfaltspflicht gerade darauf gerichtet ist, auch Vorsatztaten Dritter zu verhindern.606 Gemeint sind insbesondere Situationen, in denen der Erstverursacher eine dahingehende Gefahr infolge der Verletzung von Sicherheitsvorschriften – etwa § 36 WaffG, § 52 Abs. 1 Nr. 2 lit. c WaffG, § 5 AtG – schafft, welche sich gerade dem Schutz vor Vorsatz- oder Fahrlässigkeitstaten verschreiben.607 b) Zurechnung mittelbarer Taterfolge bei Betreiben einer Plattform Das LG Karlsruhe rekurriert für ein etwaiges Dazwischentreten des Nutzers „Maurächer“ darauf, ob das Dazwischentreten des eigenverantwortlich handelnden Dritten so sehr außerhalb der Lebenserfahrung lag, dass damit nicht gerech 603
Unter anderem BGH v. 01. 10. 1953 – 3 StR 854/52, BGHSt 4, 360, 362; LG München I v. 19. 01. 2018 – 12 KLs 111 Js 239798/16, BeckRS 2018, 5795 Rn. 676; LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 374; Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 284. 604 Roxin, in: FS-Tröndle, 177, 190 ff.; Roxin / Greco, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 1, § 24 Rn. 26 ff.; Duttge, in: MüKo-StGB, § 15 Rn. 148 ff.; sowie Beck, in: Handbuch des Strafrechts, Bd. 2, § 36 Rn. 68; Beck / Nussbaum, HRRS 2020, 112, 119 ff.; B. Heinrich, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 1053. Auch teilweise Anklang in der Rechtsprechung findend, siehe BGH v. 13. 11. 1963 – 4 StR 267/63, BGHSt 19, 152, 155 f. 605 Beck, in: Handbuch des Strafrechts, Bd. 2, § 36 Rn. 68; Frisch, JuS 2011, 116, 121; B. Heinrich, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 1053; Kaspar, JuS 2012, 112, 113 f.; kritisch hierzu Roxin, in: FS-Tröndle, 177, 198 ff. Letzteres steht jedenfalls der sogleich erläuterten Annahme nahe, demjenigen Erfolge zuzurechnen, der eine Sorgfaltsnorm verletzt, die gerade den Erfolg der Vorsatztat verhindern soll, siehe etwa Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 52 Rn. 58 f. 606 B. Heinrich, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 254, 1050 ff.; Jäger, JA 2012, 634, 635 f.; Jäger, in: SK-StGB, Vor § 1 Rn. 131 ff.; Krüger, in: LK-StGB, § 222 Rn. 92; Mitsch, ZJS 2011, 128, 131; Mitsch, JuS 2013, 20, 22 f.; Puppe, in: NK-StGB, Vor §§ 13 ff. Rn. 169; Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 13 Rn. 93; Satzger, Jura 2014, 695, 701; Schünemann, GA 1999, 207, 224; Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 284. 607 Etwa Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 284.
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
net zu werden brauchte.608 Notwendig sei, dass die seitens des Täters ursprünglich gesetzte Ursache trotz des eingreifenden Dritten wesentlich fortwirke, der Dritte also daran anknüpfe.609 Dem LG Karlsruhe zufolge liegt das Eingreifen eines Dritten jedenfalls dann nicht außerhalb jeglicher Lebenserfahrung, „wenn sich in dem pflichtwidrigen Handeln des Dritten gerade das Risiko der Pflichtwidrigkeit des Täters selbst verwirklicht.“610 In der Folge liege Nebentäterschaft vor, sodass „die Strafbarkeit des einen Verhaltens die Strafbarkeit des anderen mitursächlichen Verhaltens nicht berührt“611. Der Verkauf der Waffe sowie die Mehrfachtötung lagen laut LG Karlsruhe nicht außerhalb jeglicher Lebenserfahrung, als beides an das pflichtwidrige, den Einsatz der Waffe überhaupt erst ermöglichende, Verhalten des Angeklagten anknüpft.612 Der Angeklagte habe gegen eine Sorgfaltspflicht verstoßen, die gerade dem Schutz der beeinträchtigten Rechtsgüter diene und den eingetretenen tatbestandlichen Erfolg hätte verhindern sollen.613 Auch hier müsse dem Gericht zufolge Berücksichtigung finden, „dass der Verkauf unter Gewährleistung größtmöglicher Anonymität im Darknet zustande kam, in einer virtuellen Umgebung, in der sich die Vertragsparteien typischer Weise nicht persönlich kennen und weder prüfen noch einschätzen können, was mit einer Waffe geschehen soll. Dass Schusswaffen, die unter Umgehung der gesetzlichen Voraussetzungen anonym erworben werden, in illegaler Weise zur Tötung oder Verletzung von Menschen eingesetzt werden, liegt nicht außerhalb jeder Lebenserfahrung. Vielmehr besteht gerade in einem solchen Fall ein nicht kalkulierbares und erheblich erhöhtes Risiko des Einsatzes der Waffen gegen Menschen.“614 Das LG Karlsruhe bemüht zur Einschränkung der objektiven Zurechnung augenscheinlich zunächst das bekannte Kriterium des Adäquanzzusammenhangs und ergänzt jenes – wie schon im Rahmen der objektiven Vorhersehbarkeit – unter Rückgriff auf den Schutzzweck der verletzten Sorgfaltsnorm.615 Das LG Karlsruhe greift insoweit grundsätzlich den anerkannten, obigen Ansatz auf, der die Zurechnung der Vorsatztat eines Dritten zumindest dann nicht verneint, sofern die missachtete Sorgfaltspflicht gerade der Verhinderung einer solchen diene.616 Der Ansatz, wonach eine Zurechnung möglich sein soll, wenn die verletzte Sorgfaltspflicht gerade der Verhinderung von Vorsatztaten Dritter diene, wird jedoch teilweise dahingehend kritisiert, das Kriterium des speziellen Schutzzwecks der Norm generalisiere etwa im Bereich des Waffengesetzes und lasse wenig Raum für Einzelfallbetrachtungen. Erforderlich sei daher zumindest eine Kombination 608
LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 374. LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 374. 610 LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 374. 611 LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 374. 612 LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 375. 613 LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 376. 614 LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 376. 615 Darauf verweisen schon Beck / Nussbaum, HRRS 2020, 112, 120. 616 Vgl. die Ausführungen unter Teil 3 H. IV. 3. a). 609
H. Die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit für Folgeschäden
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der Kriterien des Schutzzwecks der speziellen Sorgfaltsnorm sowie der konkret erkennbaren Tatgeneigtheit.617 Ist aber der Schutzzweck einer speziellen Norm gerade darin zu erblicken, auch das vorsätzliche Verhalten eines Dritten zu verhindern, kann die Zurechnung bei Eingreifen eines Dritten weder durch ein Regressverbot unterbrochen noch einem weitergehenden Erfordernis der erkennbaren Tatgeneigtheit oder konkreten Vorhersehbarkeit unterstellt werden.618 Einige Stimmen bemerken insoweit zutreffend, dass es keiner gesonderten Feststellung der besonderen Nähe des Erstverursachers zum Erfolg im Einzelfall benötige, sofern die spezifische Sorgfaltsnorm für sich schon eine Erkennbarkeit des Schadensverlaufs annimmt. Waffenrechtliche Sicherheitsvorschriften würden insoweit dem Zweck dienen, generell Tatgeneigte von der Tat abzuhalten.619 Im Falle eines Verstoßes hiergegen kann demnach die konkret erkennbare Tatgeneigtheit oder die konkrete Vorhersehbarkeit für eine Zurechnung nicht von Bedeutung sein.620 Ist es nämlich das Gesetz, das den unerlaubten Waffenhandel „unter einen abstrakten Gefährlichkeitsverdacht mit Blick auf fremde Vorsatztaten stellt“, ist für eine Zurechnung ausreichend, dass sich die dortige abstrakte Gefahr nachfolgend im eingetretenen Erfolg niederschlägt.621 Andere Stimmen benennen dies als „positivrechtliche Einschränkung“ des Vertrauensgrundsatzes für Gegenstände wie Schusswaffen, Betäubungsmittel oder Gifte, die wegen der Gefahr, dass sie zu strafbaren Handlungen dienen, gerade nicht frei verkäuflich sind.622 Als fahrlässiger Verursacher sei daher mitverantwortlich, wer die vorgeschriebenen Sicherheitsvorschriften nicht einhält.623 Auch etwa Nestler formuliert allgemein in Bezug auf dahingehende Vorschriften, der Gesetzgeber habe dort typisches Anknüpfungsverhalten Dritter vorhergesehen und insoweit entsprechende präventive Vorschriften geschaffen.624 Die Kombination des Schutzzwecks der verletzten Sorgfaltsnorm sowie der konkreten erkennbaren Tatgeneigtheit oder konkreten Vorhersehbarkeit vermag daher nicht zu überzeugen. Ist es der Gesetz 617 Zum Einwand gegen das Vorgehen des LG Karlsruhe siehe Beck / Nussbaum, HRRS 2020, 112, 120. 618 Zutreffend bereits Jäger, der darauf verweist, dass der Zusammenhang durch das Eingreifen eines Dritten unterbrochen oder vom Kriterium der erkennbaren Tatgeneigtheit abhängig gemacht werden könne, sofern der Zweck einer Norm umgekehrt nicht spezifisch den Schutz vor einem Drittverhalten im Auge habe, Jäger, in: SK-StGB, Vor § 1 Rn. 132. 619 Jäger, in: SK-StGB, Vor § 1 Rn. 132; Mitsch, ZJS 2011, 128, 130; Puppe, in: NK-StGB, Vor §§ 13 ff. Rn. 169; Sternberg-Lieben / Schuster, in: Schönke / Schröder-StGB, § 15 Rn. 172. 620 Jäger, JA 2012, 634, 635; Jäger, in: FS-Kühne, 3, 11 f.; im Grundsatz siehe auch das Vorgehen des BGH im Fall Winnenden, wenn dieser zumindest darauf verweist, dass „schon“ die unzulängliche Sicherung von Waffen und Munition unter Verstoß gegen die spezifischen waffenrechtlichen Aufbewahrungspflichten den Vorwurf der Fahrlässigkeit für Straftaten begründen könne, BGH v. 22. 03. 2012 – 1 StR 359/11, BeckRS 2012, 9450 Rn. 35. 621 Jäger, in: SK-StGB, Vor § 1 Rn. 132; auch Jäger, JA 2012, 634, 635 f.; Jäger, in: FS-Kühne, 3, 11 f. 622 Puppe, in: NK-StGB, Vor §§ 13 ff. Rn. 169. 623 Puppe, in: NK-StGB, Vor §§ 13 ff. Rn. 169. 624 Nestler, Jura 2019, 1049, 1055.
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geber, der für bestimmte Bereiche durch Sicherheitsvorschriften eine Vorwertung schafft, weil die Gefahr fremder Vorsatztaten erkannt wurde, ist jene Entscheidung insoweit zu respektieren. Der Gesetzgeber trifft dort die zu beachtende Präsumtion, dass Tatgeneigte von der Tat abgehalten werden, beziehungsweise, dass das Eingreifen eines Dritten eben nicht außerhalb der Lebenserfahrung liegt. Das LG Karlsruhe schien dennoch unter Einbeziehung von Umständen des konkreten Einzelfalls – etwa durch den Verweis auf die Anonymität der Kommunikation – beiden Lagern gerecht werden zu wollen. Um nun unter Würdigung des zuvor Gesagten die Frage einer Zurechenbarkeit mittelbarer Taterfolge an den Plattformbetreiber im Darknet zu beantworten: Eine Zurechenbarkeit wird man annehmen müssen, soweit ein Verstoß gegen eine Vorschrift vorliegt, die gerade Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten Dritter verhindern sollen.625 Für den im Darknet praxisrelevanten Bereich des unerlaubten Waffenhandels wird die Zurechnung daher auch bei Eingreifen eines Dritten zu bejahen sein, sofern der Betreiber etwa durch die Schaffung von entsprechenden Kategorien gegen Sicherheitsvorschriften verstößt, die Vorsatztaten Dritter verhindern wollen. Sinn und Zweck der Vorschriften des Waffengesetzes liegt gerade darin, den Besitz von Waffen von nicht zuverlässigen Personen sowie anknüpfend daran einen vorsätzlichen Missbrauch zu verhindern.626 Diese Vorwertung des Gesetzgebers gilt es im Rahmen der Zurechnung zu berücksichtigen. Ungeachtet dessen ließe sich dort jedoch – wie auch vom LG Karlsruhe bemüht – zugleich dem Kriterium der erkennbaren Tatgeneigtheit oder der Voraussehbarkeit gerecht werden. Insoweit wäre danach zu fragen, ob die konkrete Ausgestaltung der Plattform diese in einen kriminellen Kontext rückt, der besonders die Gefahr der jeweils nachfolgenden Haupttat schafft.627 Berücksichtigung können dabei auch Umstände finden, wie etwa der Handel im anonymisierten Bereich des Darknets, welcher bereits mit Anschlägen und Amokläufen in der Öffentlichkeit in Verbindung gebracht wurde.628 4. Selbstschädigung beziehungsweise Selbstgefährdung eines Nutzers Abschließend wird im Hinblick auf die hier aufgeworfene Frage einer objektiven Zurechenbarkeit möglicher Folgeschäden des Handels von illegalen Waren und Dienstleistungen eine mögliche eigenverantwortliche Selbstschädigung beziehungsweise Selbstgefährdung eines Nutzers relevant. Genannt seien insoweit Fälle, in denen sich ein Nutzer etwa unter Zuhilfenahme einer über die Plattform 625 Bejahend im vorliegenden Zusammenhang Eisele, in: FS-Sieber, 757, 759; Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 157; im Ergebnis auch Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 251. 626 Siehe Teil 3 H. IV. 2. 627 Beck / Nussbaum, HRRS 2020, 112, 121. 628 Beck / Nussbaum, HRRS 2020, 112, 121; siehe auch LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 376.
H. Die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit für Folgeschäden
201
erworbenen Ware selbst gefährdet oder schädigt. Dahingehend bedarf es indes gleichermaßen einer Klärung, inwieweit sich die seitens des Plattformbetreibers geschaffene Gefahr im jeweiligen tatbestandlichen Erfolg realisiert. Das LG Karlsruhe konnte sich in diesem Zusammenhang mit der Bemerkung begnügen, dass dem Angeklagten die eigenverantwortliche Selbsttötung des Amokläufers nicht zur Last zu legen sei.629 Allgemein wird als Grundlage des Eigenverantwortlichkeitsprinzips jedenfalls häufig der Gedanke angeführt, dass bereits die Selbsttötung beziehungsweise Selbstverletzung nicht tatbestandsmäßig sei und daher zugleich die Veranlassung zur eigenverantwortlichen Selbstschädigung beziehungsweise Selbstgefährdung strafrechtlich unbedeutend sein müsse.630 Denn Schutzrichtung der §§ 212, 222 StGB und §§ 223, 229 StGB sei es, den Rechtsgutsinhaber vor Eingriffen Dritter zu bewahren.631 Der Rechtsprechung zufolge müsse insoweit Gleiches für die fahrlässige Hilfeleistung gelten.632 Ist der Schutzzweck des infrage stehenden Tatbestands aber ein anderer, wie etwa bei § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG oder § 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG der Schutz der Volksgesundheit,633 ist zwar innerhalb dieses Tatbestands auch die Selbstgefährdung des einzelnen Drogenkonsumenten vom Schutzzweck erfasst und eine Zurechnung dort nicht ausgeschlossen.634 Dies bedeutet indes nicht, dass das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit im Kontext des Betäubungsmittelstrafrechts ohne jede Bedeutung wäre. Vielmehr ist dieses jedenfalls dort von Relevanz, wo
629
LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 382. Eingehend zur Selbstschädigung beziehungsweise Selbstgefährdung eines Nutzers auch Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 158 f. 630 Hierzu unter anderem Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 13 Rn. 78; Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 267. 631 Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 267. 632 BGH v. 14. 02. 1984 – 1 StR 808/83, BGHSt 32, 262, 264; LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 382; allgemein kritisch zu diesem Schluss etwa Hardtung, der sodann anführt, dass der an der Selbstschädigung des Opfers Beteiligte insoweit keine Sorgfaltspflicht verletze, weil die Rechtsordnung eine (Mit-)Verursachung einer eigentlichen Selbstschädigung eines anderen nicht missbillige, vgl. Hardtung, in: MüKo-StGB, § 222 Rn. 21 m. w. N. 633 Zum Schutz der Volksgesundheit vgl. BVerfG v. 09. 03. 1994 – 2 BvL 43/92, 2 BvL 51/92, 2 BvL 63/92, 2 BvL 64/92, 2 BvL 70/92, 2 BvL 80/92, 2 BvR 2031/92, BVerfGE 90, 145, 174; BGH v. 20. 12. 1995 – 3 StR 245/95, BGHSt 42, 1, 5; wonach der Gesetzgeber mit dem Betäubungsmittelstrafrecht beabsichtige, die menschliche Gesundheit sowohl des Einzelnen als auch der Bevölkerung im Ganzen vor den von Betäubungsmitteln ausgehenden Gefahren zu schützen und die Bevölkerung, vor allem Jugendliche, vor Abhängigkeit von Betäubungsmitteln zu bewahren. Zur Kritik am zweispurigen Konzept der Rechtsprechung vgl. anschaulich Oğlakcıoğlu, in: MüKo-StGB, Vor §§ 29 ff. BtMG Rn. 14 ff.; Patzak, in: Patzak / Volkmer / Fabricius, § 29 BtMG Rn. 206 ff. 634 Unter anderem BGH v. 25. 09. 1990 – 4 StR 359/90, BGHSt 37, 179, 182; BGH v. 07. 02. 2001 – 5 StR 474/00, BGHSt 46, 279, 284; Beulke / Schröder, NStZ 1991, 393; Duttge, NStZ 2001, 546; Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 268; Wienroeder, in: Franke / Wienroeder, § 30 Rn. 35.
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
es etwa eines Rückgriffs auf die fahrlässige Tötung oder Körperverletzung mit Todesfolge bedarf.635 Unter dem Gesichtspunkt der Abschichtung verschiedener Verantwortungsbereiche erfordert ein Zurechnungsausschluss jedenfalls stets zweierlei: Die Selbstgefährdung oder Selbstschädigung sowie die Eigenverantwortlichkeit des Opferverhaltens.636 Bezüglich der Frage der Eigenverantwortlichkeit einer Selbstschädigung beziehungsweise Selbstgefährdung bleiben die Kriterien im Einzelnen umstritten. Während insoweit wohl herrschend637 auf die Regeln der Einwilligung inklusive der Frage wesentlicher Willensmängel zurückgegriffen wird, zieht ein Teil der Lehre638 zur Beurteilung die Exkulpationsregeln der §§ 20, 35 Abs. 1 StGB, § 3 JGG entsprechend heran. Für die Abgrenzung einer Selbstschädigung zur Fremdschädigung wird zunächst überwiegend auf eine entsprechende Anwendung der Kriterien einer Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme rekurriert und danach gefragt, wer das Geschehen tatsächlich beherrscht.639 Eine Tatherrschaft des Täters soll dort in bestimmten Fällen auch aus einem gegenüber dem Opfer überlegenen Sachwissen resultieren können. Für den Bereich der Fahrlässigkeitshaftung genüge insoweit nach teils vertretener Auffassung, dass der Täter das Risiko hätte besser erfassen können als das Opfer.640 Hingegen wird dort zum Teil danach unterschieden, inwieweit dem Rechtsgutsinhaber sowie dem Veranlassenden zur Erfassung des Risikos eine weitestgehend vergleichbare Informationsgrundlage zur Verfügung stand: Bei gleicher Informationsbasis handle es sich bei dem Opferverhalten um eine Zustimmung in das Restrisiko eines Misserfolgs und damit eine die Zurechnung ausschließende Selbstschädigung.641 Betrachtet man nun die für den Bereich des Darknets typischen Fälle wird der Nutzer angesichts der bloßen Vorfeldhandlung des Plattformbetreibers das Ge 635
Maier, in: Weber / Kornprobst / Maier, § 30 BtMG Rn. 205. Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 271. 637 Als Vertreter der sogenannten Einwilligungslehre vgl. unter anderem Duttge, MedR 2017, 145 f.; Eisele, Strafrecht Besonderer Teil I, Rn. 183; Herzberg, NJW 1986, 1635, 1636; Herzberg, in: FS-Neumann, 839, 843; Kühl, in: Lackner / Kühl, Vor § 211 – § 222 Rn. 13a; Otto, Jura 1987, 246, 256 f. 638 Als Vertreter der sogenannten Exkulpationslösung vgl. unter anderem Beck, in: Handbuch des Strafrechts, Bd. 2, § 36 Rn. 65; Dölling, GA 1984, 71, 78 f.; Hilgendorf, in: Arzt / Weber / Heinrich / Hilgendorf, § 3 Rn. 28 ff.; Hirsch, JR 1979, 429, 432 ff.; Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 2, § 25 Rn. 54. 639 BGH v. 11. 12. 2003 – 3 StR 120/03, BGHSt 49, 34, 39; BGH v. 20. 11. 2008 – 4 StR 328/08, BGHSt 53, 55, 60 f.; OLG Celle v. 25. 04. 2012 – 31 Ss 7/12, StV 2013, 27, 29; Fischer, StGB, Vor § 13 Rn. 37; Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 13 Rn. 81; Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 275; Wessels / Hettinger / Engländer, Strafrecht Besonderer Teil 1, Rn. 121 ff. 640 Eisele, JuS 2012, 577, 583; Hardtung, in: MüKo-StGB, § 222 Rn. 23; Hardtung, NStZ 2001, 206, 207; Maier, in: Weber / Kornprobst / Maier, § 30 BtMG Rn. 221; zu diesem Problemkreis siehe ferner Weißer, in: FS-Wolter, 541, 545 ff. 641 Jeweils m. w. N. zusammenfassend etwa Beck, in: Handbuch des Strafrechts, Bd. 2, § 36 Rn. 66; Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 278. 636
H. Die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit für Folgeschäden
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schehen der Selbsttötung beziehungsweise -gefährdung beherrschen und die Tatherrschaft im Hinblick auf die zeitlich letzte zum Erfolg führende Handlung in den Händen halten. Erwirbt demnach – wie im Fall des LG Karlsruhe – ein Nutzer unter Zuhilfenahme der Plattform eine Waffe zur anschließenden Tötung der eigenen Person, unterbricht diese eigenverantwortliche Selbstschädigung des Nutzers den Zurechnungszusammenhang im Hinblick auf die §§ 212, 222 StGB und §§ 223, 229 StGB.642 Auch eine Tatherrschaft kraft überlegenen Sachwissens des Plattformbetreibers wird in den vorliegenden Konstellationen regelmäßig nicht gegeben sein. Schädigt oder gefährdet sich ein Nutzer etwa durch den Konsum von über die Plattform erworbenen Betäubungsmitteln selbst, wäre für eine Zurechnung weiterhin erforderlich, dass der Plattformbetreiber die Sachlage zumindest besser erfassen hätte können. Aufgrund der Distanz in mehrfacher Hinsicht sowie der fehlenden weitergehenden Einbindung in die Geschäfte der Nutzer wird dem Plattformbetreiber insoweit jedoch – anders als beispielsweise dem Veräußerer der Substanzen – keine weitergehende Möglichkeit zukommen, die Sachlage sowie das damit einhergehende Risiko gegenüber dem Opfer besser zu erfassen.643
V. Zusammenfassung zur Fahrlässigkeitsstrafbarkeit für Folgeschäden Eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit des Plattformbetreibers im Darknet für etwaige sich aus dem Handel der Nutzer mit illegalen Waren und Dienstleistungen ergebende Folgeschäden – im Besonderen eine fahrlässige Tötung sowie fahrlässige Körperverletzung – lässt sich demnach wie gesehen dem Grunde nach begründen. Im Hinblick auf die insoweit bedeutende Konstellation eines vorsätzlichen Dazwischentretens eines Nutzers sowie einer möglichen Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs entscheidet sodann vornehmlich die Verletzung von Sicherheitsvorschriften, die gerade der Verhinderung von Vorsatztaten dienen. Die eigenverantwortliche Selbstschädigung eines Nutzers mittels einer über die Plattform erworbenen Waffe ist dem Betreiber hingegen nicht zuzurechnen.
642 Zum Zurechnungsausschluss bezüglich der Strafbarkeit des Plattformbetreibers wegen fahrlässiger Tötung im Hinblick auf eine sich anschließende Selbsttötung des Nutzers siehe auch die knappen Ausführungen des LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 382. 643 Im Ergebnis auch Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 160 f.
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
I. „Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet“ gemäß § 127 StGB Anlass der zugrundeliegenden Forschungsfrage war neben dem richtungsweisenden Urteil des LG Karlsruhe zur Strafbarkeit des Betreibers des DarknetForums „Deutschland im Deep Web“ nicht zuletzt die Forderung verschiedener Gesetzentwürfe, das Betreiben von Plattformen für den Handel mit illegalen Waren oder Dienstleistungen mithilfe eines eigenständigen Straftatbestands angemessen unter Strafe zu stellen.644 Ebendieser Forderung ist der Gesetzgeber mit Wirkung vom 1. Oktober 2021 trotz der bis dahin zuhauf vorgebrachten Kritik645 nachgekommen. Nach langem Ringen findet sich daher im 7. Abschnitt des Strafgesetzbuchs die Vorschrift des § 127 StGB, die nunmehr anders als die vorstehend beleuchteten Strafvorschriften als relevante Tathandlung unmittelbar das Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet umschreibt. Die zuvor in § 127 StGB verankerte Strafbarkeit der „Bildung bewaffneter Gruppen“ ist fortan in § 128 StGB verortet.646 Im Anschluss an eine knappe Darstellung der Entwicklung des § 127 StGB seien daher neben dem geschützten Rechtsgut sowie der Deliktsnatur insbesondere die Tatbestandsvoraussetzungen jener Vorschrift unter besonderer Berücksichtigung der hier fokussierten, erkennbar auf den Handel mit illegalen Waren oder Dienstleistungen ausgerichteten Plattformen im Darknet kritisch gewürdigt. Wie jedoch die vorstehenden Ausführungen belegten, hält das Kern- und Nebenstrafrecht vornehmlich mit einer Vielzahl an szenetypischen Straftatbeständen, der Gehilfenstrafbarkeit sowie der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit im Hinblick auf mögliche Folgeschäden bereits anderweitige Instrumente zur Erfassung der Tätigkeit des Plattformbetreibers bereit. Weil die Regelung des § 127 StGB gegenüber Strafvorschriften mit schwererer Strafandrohung formell subsidiär sein soll, sei daher ferner das Verhältnis des § 127 StGB zur vorstehenden materiell-rechtlichen Erfassung des Betreibens krimineller Plattformen im Darknet geklärt. Abschließend gilt es unter Würdigung des Für und Widers der Vorschrift zu untersuchen, inwieweit die aktualisierte Rechtslage kriminellen Handelsplattformen – vornehmlich im Darknet – tatsächlich langfristig Einhalt gebieten kann oder sich § 127 StGB insgesamt als gesetzgeberische Überregulierung entpuppt.
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So bereits der Entwurf des Bundesrats, vgl. BT-Drs. 19/9508, S. 10. Siehe die Nachweise in Einleitung Fn. 12. 646 Siehe BT-Drs. 19/28175, S. 7. 645
I. „Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet“
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I. Entwicklung des § 127 StGB Vor dem Hintergrund eines Reformvorhabens im Hinblick auf die vor Einführung des § 127 StGB geltende Rechtslage ließ bereits der Koalitionsvertrag der 19. Legislaturperiode zwischen CDU, CSU und SPD die Absicht erkennen, in Bezug auf das Betreiben krimineller Internetinfrastrukturen – dort unter besonderer Berücksichtigung der Handelsplätze im Darknet – Strafvorschriften zu schaffen, soweit dahingehend Strafbarkeitslücken bestünden.647 Dem nun geltenden § 127 StGB gingen innerhalb des insgesamt mehr als zwei Jahre andauernden Diskurses indes mehrere abweichende Entwurfsfassungen mit teils beträchtlichen Änderungen voraus.648 1. Der Vorstoß des Bundesrats Mit dem Ziel einer eigenständigen Strafbarkeit für das Anbieten krimineller Online-Angebote wurde bereits am 18. Januar 2019 auf Initiative NordrheinWestfalens ein Gesetzesantrag zur Schaffung eines § 126a StGB-E („Anbieten von Leistungen zur Ermöglichung von Straftaten“) in den Bundesrat eingebracht, dem sich sodann die Bundesländer Hessen und Bayern anschlossen. § 126a StGBE lautete wie folgt:649 „§ 126a Anbieten von Leistungen zur Ermöglichung von Straftaten (1) Wer eine internetbasierte Leistung anbietet, deren Zugang und Erreichbarkeit durch besondere technische Vorkehrungen beschränkt und deren Zweck oder Tätigkeit darauf ausgerichtet ist, die Begehung von rechtswidrigen Taten im Sinne von Satz 2 zu ermöglichen oder zu fördern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist. Rechtswidrige Taten im Sinne des Satzes 1 sind 1. § 95 Absatz 1 des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln, 2. §§ 29 Absatz 1 Nr. 1, 29a, 30, 30a des Betäubungsmittelgesetzes, 3. § 19 Absatz 1 des Grundstoffüberwachungsgesetzes, 4. § 52 Absatz 1 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 1 des Waffengesetzes,
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Koalitionsvertrag der 19. Legislaturperiode zwischen CDU, CSU und SPD, S. 128, abrufbar unter: https://www.bundesregierung.de/resource/blob/974430/847984/5b8bc23590d 4cb2892b31c987ad672b7/2018-03-14-koalitionsvertrag-data.pdf?download=1 (Abruf am 28. 09. 2022). 648 Zur Entwicklung des Straftatbestands siehe auch Zöller, KriPoZ 2019, 274, 277; Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 282 ff.; Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 217 ff. 649 Zum Gesetzesantrag Nordrhein-Westfalens siehe BR-Drs. 33/19.
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
5. § 40 Absatz 1 und 2 des Sprengstoffgesetzes, 6. §§ 19 Absatz 1, 20 Abs. 1, 20a Absatz 1, 22a Absatz 1 Nr. 1, 2 und 4 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen sowie 7. §§ 146, 147, 149, 152a, 152b, 184b Abs.1, 202a, 202b, 202c, 263a, 275, 276, 303a und 303b des Strafgesetzbuches. (2) Die Strafe darf nicht schwerer sein, als die für die Tat im Sinne von Absatz 1 Satz 2 angedrohte Strafe. (3) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer die Tat gewerbsmäßig begeht.“
Dem Gesetzesantrag zufolge sollte nach § 126a Abs. 1 Satz 1 StGB-E künftig derjenige mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft werden, der eine sogenannte internetbasierte Leistung anbietet, die in ihrem Zugang und ihrer Erreichbarkeit durch besondere technische Vorkehrungen beschränkt ist und deren Zweck oder Tätigkeit darauf ausgerichtet ist, die Begehung bestimmter rechtswidriger Taten zu ermöglichen oder zu fördern. Dabei ließ besonders das Merkmal der Zugangs- und Erreichbarkeitsbeschränkung der inkriminierten internetbasierten Leistung erkennen, dass sich § 126a StGB-E vornehmlich dem Kriminalitätsbereich des Darknets annehmen wollte.650 Ferner enthielt die teils als „Darknet-Paragraf“651 bezeichnete Vorschrift in deren § 126a Abs. 1 Satz 2 StGB eine enumerative Listung von insbesondere für das Darknet szenetypischen rechtswidrigen Taten, etwa des Arznei-, Betäubungsmittel- oder Waffengesetzes.652 § 126 Abs. 3 StGB-E sah schließlich einen Qualifikationstatbestand mit erhöhtem Strafrahmen für die gewerbsmäßige Begehung vor.653 Diese vorwiegend kriminelle Darknet-Plattformen in den Blick nehmende Fassung sollte indes vor Verabschiedung des Entwurfs durch den Bundesrat infolge einer Beschlussempfehlung der zuständigen Ausschüsse auf Anstoß Bayerns eine erhebliche Ausweitung erfahren, indem neben der Voraussetzung der Zugangs- oder Erreichbarkeitsbeschränkung unter anderem die enumerative Aufzählung an für das Darknet szenetypischen rechtswidrigen Bezugstaten gestrichen werden sollte.654 Im Plenum des Bundesrats fand diese Erweiterung des Gesetzentwurfs jedoch nicht die erforderliche Mehrheit.655 Am 17. April 2019 wurde daher der „Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes – Einführung einer eigenständigen Strafbarkeit
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Siehe BR-Drs. 33/19, S. 8 ff. So etwa Zöller, KriPoZ 2019, 274, 277. 652 Zu szenetypischen Delikten des Darknets siehe die Ausführungen unter Teil 1 C. I. 653 Zu den Erläuterungen siehe BR-Drs. 33/19, S. 8 ff. 654 Siehe die Beschlussempfehlung v. 01. 03. 2019, BR-Drs. 33/1/19. 655 So das Ergebnis der Abstimmung in der 975. Sitzung des Bundesrats vom 15. März 2019, BR-Plenarprotokoll 975, S. 93. Daraus resultierte der Gesetzentwurf des Bundesrats in der Fassung des Gesetzesantrags Nordrhein-Westfalens, vgl. BR-Drs. 33/19 (Beschluss). 651
I. „Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet“
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für das Betreiben von internetbasierten Handelsplattformen für illegale Waren und Dienstleistungen“ dem Bundestag in der ursprünglichen Fassung des Gesetzesantrags vorgelegt.656 2. Die Ausweitung des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat Inzwischen griff jedoch das CSU geführte Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat die zuvor im Bundesrat auf Anstoß Bayerns beratene, letztlich jedoch gescheiterte Beschlussempfehlung auf und legte diese wortgleich dem Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Erhöhung der Sicherheit informationstechnischer Systeme (IT-Sicherheitsgesetz 2.0 – IT-SiG 2.0) in der Fassung vom 27. März 2019 zugrunde:657 „§ 126a Zugänglichmachen von Leistungen zur Begehung von Straftaten (1) Wer Dritten eine internetbasierte Leistung zugänglich macht, deren Zweck oder Tätigkeit darauf ausgerichtet ist, die Begehung von rechtswidrigen Taten zu ermöglichen, zu fördern oder zu erleichtern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist. (2) Die Strafe darf nicht schwerer sein, als die für die Tat im Sinne von Absatz 1 angedrohte Strafe. (3) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer die Tat gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten im Sinne dieser Vorschrift verbunden hat, begeht. (4) Absatz 1 gilt nicht für Handlungen 1. wenn die Begehung von Straftaten nur einen Zweck oder eine Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung darstellt, oder 2. die ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger dienstlicher oder beruflicher Pflichten dienen. Dazu gehören insbesondere beruflichen Handlungen der in § 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 der Strafprozessordnung genannten Personen.“
Dort sollte die Strafbarkeit des „Zugänglichmachens von internetbasierten Leistungen zur Begehung von Straftaten“ im Sinne des § 126a StGB-E erheblich ausgeweitet werden, indem wie gesehen neben dem einstigen Erfordernis einer Zugangs- und Erreichbarkeitsbeschränkung zugleich der enumerative Katalog an Bezugstaten gestrichen wurde. Ferner sollte dessen Qualifikationstatbestand um die bandenmäßige Begehung erweitert werden. Während schließlich die vom Bundes-
656 657
BT-Drs. 19/9508. RefE IT-Sicherheitsgesetz 2.0, S. 76.
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
rat zuvor beschlossene Fassung des § 126a StGB-E noch einen Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe vorsah, hielt der benannte Referentenentwurf nunmehr einen gesteigerten Strafrahmen von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bereit. Mehr als ein Jahr nach dem Referentenentwurf zum „IT-Sicherheitsgesetz 2.0“ vom 27. März 2019 beinhaltete sodann die aktualisierte Fassung vom 7. Mai 2020 nicht länger einen Vorschlag zur Schaffung eines § 126a StGB-E.658 Die beschriebene Ausweitung des § 126a StGB-E wurde vielmehr durch das für das materiell-rechtliche Strafrecht eigentlich federführende Bundesjustizministerium aus formalen Gründen nicht unterstützt und daher vorerst aus dem Referentenentwurf gestrichen,659 sodass der offensichtlich unabgestimmte Vorstoß letztlich nicht Gegenstand des in den Bundestag eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Erhöhung der Sicherheit informationstechnischer Systeme wurde.660 3. Der Entwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz Am 27. November 2020 legte jedoch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz einen eigenen Referentenentwurf zur Strafbarkeit des Betreibens krimineller Handelsplattformen im Internet vor, nunmehr in Gestalt eines § 127 StGB-E:661 „§ 127 Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet (1) Wer eine Handelsplattform im Internet betreibt, deren Zweck darauf ausgerichtet ist, die Begehung von rechtswidrigen Taten im Sinne des Satzes 2 zu ermöglichen oder zu fördern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist. Rechtswidrige Taten im Sinne des Satzes 1 sind 1. Verbrechen 2. Vergehen nach a) den §§ 147, 149, 152a, 152b, 176a Absatz 2, § 176b Absatz 2, § 184b Absatz 1 Satz 2, § 184c Absatz 1, § 184l Absatz 1 und 3 sowie den §§ 202a, 202b, 202d, 259, 263a, 275, 276, 303a und 303b,
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Siehe dazu den RefE IT-Sicherheitsgesetz 2.0 v. 07. 05. 2020, abrufbar unter: https:// intrapol.org/wp-content/uploads/2020/05/200507_BMI_RefE_IT-SiG20.pdf (Abruf am 28. 09. 2022). 659 Dazu Zöller, KriPoZ 2021, 79, 80. 660 Vgl. BT-Drs. 19/26106. 661 Zur dortigen Fassung des § 127 StGB-E siehe RefE kriminelle Handelsplattformen.
I. „Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet“
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b) § 95 Absatz 1 und 2 des Arzneimittelgesetzes, c) § 29 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 2 des Betäubungsmittelgesetzes, d) § 19 Absatz 1 und 2 des Grundstoffüberwachungsgesetzes, e) § 52 Absatz 1 Nummer 1, Absatz 2 und 3 Nummer 1 des Waffengesetzes, f) § 40 Absatz 1 und 2 des Sprengstoffgesetzes, g) den §§ 143, 143a und 144 des Markengesetzes sowie h) den §§ 51 und 65 des Designgesetzes. (2) Die Strafe darf nicht schwerer sein als die für die Tat im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 angedrohte Strafe. (3) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer die Tat gewerbsmäßig begeht.“
Anders als deren Vorgängerversionen bezog sich die Fassung des Referentenentwurfs des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz nunmehr nicht auf eine internetbasierte Leistung, sondern eine Handelsplattform im Internet. Ferner wurde neben der Ausrichtung des Zwecks einer Handelsplattform nicht länger auf die Ausrichtung der Tätigkeit einer Handelsplattform rekurriert. In Anlehnung an den Referentenentwurf des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat wurde zwar auf die Voraussetzung einer Zugangs- und Erreichbarkeitsbeschränkung verzichtet und der im Grundtatbestand gegenüber der Fassung des Bundesrats erhöhte Strafrahmen beibehalten. In Anlehnung an die einstige Fassung des Bundesrats war aber erneut ein enumerativer Katalog an rechtswidrigen Straftaten vorgesehen.662 Im nachfolgenden Regierungsentwurf vom 10. Februar 2021 wurde § 127 StGBE indes erneut erweitert: Erstens beinhaltete § 127 StGB-E neben der Strafbarkeit für das Betreiben einer Handelsplattform zugleich eine Strafbarkeit für das absichtliche oder wissentliche Bereitstellen einer darauf gerichteten Server-Infrastruktur. Zweitens wurde der Katalog an rechtswidrigen Taten nochmals ausgeweitet und drittens enthielt § 127 StGB-E neben der gewerbs- oder bandenmäßigen Tatbegehung einen weiteren Qualifikationstatbestand mit einem Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe für das absichtliche oder wissentliche Ermöglichen oder Fördern von Verbrechen mithilfe einer Handelsplattform. Schließlich sah dessen Absatz 2 nunmehr eine Legaldefinition von Handelsplattformen im Internet vor:663
662
Siehe die Fassung des § 127 StGB-E in RefE kriminelle Handelsplattformen, S. 3 f. Zum Ganzen vgl. die Fassung des RegE kriminelle Handelsplattformen, abrufbar unter: https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/RegE_kriminelle_ Handelsplattformen.pdf;jsessionid=E7B804236F5598672F9C5076055C4CC9.1_cid324?__ blob=publicationFile&v=2 (Abruf am 28. 09. 2022). 663
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung „§ 127 Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet; Bereitstellen von Server-Infrastrukturen
(1) Wer eine Handelsplattform im Internet betreibt, deren Zweck darauf ausgerichtet ist, die Begehung von rechtswidrigen Taten zu ermöglichen oder zu fördern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist. Ebenso wird bestraft, wer absichtlich oder wissentlich eine Server-Infrastruktur für eine Tat nach Satz 1 bereitstellt. Rechtswidrige Taten im Sinne des Satzes 1 sind 1. Verbrechen, 2. Vergehen nach a) den §§ 86, 86a, 91, 130, 147 und 148 Absatz 1 Nummer 3, den §§ 149, 152a, 152b und 176a Absatz 2, § 176b Absatz 2, § 180 Absatz 2, § 184b Absatz 1 Satz 2, § 184c Absatz 1, § 184l Absatz 1 und 3, den §§ 202a, 202b, 202c, 202d, 232 und 232a Absatz 1, 2, 5 und 6, § 232b Absatz 1, 2 und 4 in Verbindung mit § 232a Absatz 5 sowie den §§ 233, 233a, 236, 259, 260, 263, 263a, 267, 269, 275, 276, 303a und 303b, b) § 4 Absatz 1 bis 3 des Anti-Doping-Gesetzes, c) § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 6, und Absatz 2 sowie 3 des Betäubungsmittelgesetzes, d) § 19 Absatz 1 bis 3 des Grundstoffüberwachungsgesetzes, e) § 4 Absatz 1 und 2 des Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetzes, f) § 95 Absatz 1 bis 3 des Arzneimittelgesetzes, g) § 52 Absatz 1 Nummer 1 und 2 Buchstabe b und c, Absatz 2 und 3 Nummer 1 und 7 sowie Absatz 5 und 6 des Waffengesetzes, h) § 40 Absatz 1 bis 3 des Sprengstoffgesetzes, i) § 13 des Ausgangsstoffgesetzes, j) den §§ 143, 143a und 144 des Markengesetzes sowie k) den §§ 51 und 65 des Designgesetzes. (2) Handelsplattform im Internet im Sinne dieser Vorschrift ist jede virtuelle Infrastruktur im frei zugänglichen wie im durch technische Vorkehrungen zugangsbeschränkten Bereich des Internets, die Gelegenheit bietet, Menschen, Waren, Dienstleistungen oder Inhalte (§ 11 Absatz 3) anzubieten oder auszutauschen. (3) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer im Fall des Absatzes 1 Satz 1 gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat. (4) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer bei der Begehung einer Tat nach Absatz 1 Satz 1 beabsichtigt oder weiß, dass die Handelsplattform im Internet den Zweck hat, Verbrechen zu ermöglichen oder zu fördern.“
I. „Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet“
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Nach Einholung der Stellungnahme des Bundesrats664 wurde sodann der „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Strafbarkeit des Betreibens krimineller Handelsplattformen im Internet und des Bereitstellens entsprechender Server-Infrastrukturen“665 in den Bundestag eingebracht. Die Aufnahme des Betreibens krimineller Handelsplattformen in § 127 StGB wurde im Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz mit der Neufassung des § 126a StGB durch das Gesetz zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes gegen sogenannte Feindeslisten begründet.666 Die noch im Gesetzentwurf als § 127 Abs. 1 Satz 2 StGB-E intendierte selbstständige Strafbarkeit des absichtlichen oder wissentlichen Bereitstellens von Server-Infrastrukturen für eine Tat nach § 127 Abs. 1 Satz 1 StGB findet sich aufgrund der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz nicht länger in § 127 StGB. Die insoweit betroffenen Sachverhalte sollen künftig als Beihilfehandlungen nach §§ 127 Abs. 1 Satz 1, 27 StGB bestraft werden, um sicherzustellen, dass die Qualifikationstatbestände des § 127 Abs. 3, Abs. 4 StGB – anders als nach der ursprünglichen Version wegen des dortigen Verweises auf § 127 Abs. 1 Satz 1 StGB – ebenso auf die Bereitsteller von physischen oder virtuellen Infrastrukturen anwendbar sind, die als Gehilfen von Taten nach diesen Qualifikationsvorschriften agieren.667 Außerdem soll durch die Streichung gewährleistet werden, dass die Vorschriften der §§ 100a, 100b und 100g StPO auch für die Bereitsteller von Server-Infrastrukturen Anwendung finden, weil diese Ermittlungsmaßnahmen gegen Täter oder Teilnehmer der Katalogtat des § 127 Abs. 3, Abs. 4 StGB gerichtet werden können.668 Das in der letzten regulären Sitzungswoche des Bundestags der 19. Legislaturperiode aufgrund der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz beschlossene und zum 1. Oktober 2021 in Kraft getretene „Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Strafbarkeit des Betreibens krimineller Handelsplattformen im Internet“669 sieht neben weiteren, vornehmlich strafprozessualen Änderungen, insbesondere einen neuen Straftatbestand für das Betreiben krimineller Handelsplattformen vor: „§ 127 Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet (1) Wer eine Handelsplattform im Internet betreibt, deren Zweck darauf ausgerichtet ist, die Begehung von rechtswidrigen Taten zu ermöglichen oder zu fördern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist. Rechtswidrige Taten im Sinne des Satzes 1 sind 664
BR-Drs. 147/21 (Beschluss). BT-Drs. 19/28175. 666 BT-Drs. 19/31108, S. 4. 667 BT-Drs. 19/31108, S. 4. 668 BT-Drs. 19/31108, S. 4. 669 BGBl. I 2021, S. 3544. 665
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
1. Verbrechen, 2. Vergehen nach a) den §§ 86, 86a, 91, 130, 147 und 148 Absatz 1 Nummer 3, den §§ 149, 152a und 176a Absatz 2, § 176b Absatz 2, § 180 Absatz 2, § 184b Absatz 1 Satz 2, § 184c Absatz 1, § 184l Absatz 1 und 3, den §§ 202a, 202b, 202c, 202d, 232 und 232a Absatz 1, 2, 5 und 6, nach § 232b Absatz 1, 2 und 4 in Verbindung mit § 232a Absatz 5, nach den §§ 233, 233a, 236, 259 und 260, nach § 261 Absatz 1 und 2 unter den in § 261 Absatz 5 Satz 2 genannten Voraussetzungen sowie nach den §§ 263, 263a, 267, 269, 275, 276, 303a und 303b, b) § 4 Absatz 1 bis 3 des Anti-Doping-Gesetzes, c) § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 6, sowie Absatz 2 und 3 des Betäubungsmittelgesetzes, d) § 19 Absatz 1 bis 3 des Grundstoffüberwachungsgesetzes, e) § 4 Absatz 1 und 2 des Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetzes, f) § 95 Absatz 1 bis 3 des Arzneimittelgesetzes, g) § 52 Absatz 1 Nummer 1 und 2 Buchstabe b und c, Absatz 2 und 3 Nummer 1 und 7 sowie Absatz 5 und 6 des Waffengesetzes, h) § 40 Absatz 1 bis 3 des Sprengstoffgesetzes, i) § 13 des Ausgangsstoffgesetzes, j) § 83 Absatz 1 Nummer 4 und 5 sowie Absatz 4 des Kulturgutschutzgesetzes, k) den §§ 143, 143a und 144 des Markengesetzes sowie l) den §§ 51 und 65 des Designgesetzes. (2) Handelsplattform im Internet im Sinne dieser Vorschrift ist jede virtuelle Infrastruktur im frei zugänglichen wie im durch technische Vorkehrungen zugangsbeschränkten Bereich des Internets, die Gelegenheit bietet, Menschen, Waren, Dienstleistungen oder Inhalte (§ 11 Absatz 3) anzubieten oder auszutauschen. (3) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer im Fall des Absatzes 1 gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat. (4) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer bei der Begehung einer Tat nach Absatz 1 beabsichtigt oder weiß, dass die Handelsplattform im Internet den Zweck hat, Verbrechen zu ermöglichen oder zu fördern.“
II. Rechtsgut und Deliktsnatur Widmet man sich nun der zum 1. Oktober 2021 in Kraft getretenen Strafvorschrift des § 127 StGB, herrscht Unklarheit zunächst mit Blick auf das von der Norm geschützte Rechtsgut. Im bisherigen Schrifttum wird diesbezüglich zum
I. „Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet“
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Teil auf das spezifische Unrecht einer bezweckten breitflächigen, mitunter anonymen Förderung von Kriminalität durch Onlinedienste ohne Zusammenhang zu nachfolgenden Haupttaten verwiesen, weshalb die Vorschrift dem Schutz des eigenständigen Rechtsguts der öffentlichen Sicherheit und Ordnung diene.670 Dabei wird vereinzelt explizit der öffentliche Frieden als Teilaspekt der öffentlichen Sicherheit671 benannt oder aber allein der öffentliche Frieden672 als geschütztes Rechtsgut angeführt. Gelegentlich wird ferner darauf verwiesen, dass neben dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und staatlichen Ordnung in ausdrücklicher Anlehnung an § 129 StGB ein zusätzlicher Schutz der Rechtsgüter der Katalogtaten des § 127 Abs. 1 Satz 2 StGB schon in deren Vorbereitungsphase intendiert sein soll.673 Nähere Aussagen aber, was unter der „öffentlichen Sicherheit und Ordnung“674 oder – sprachlich abweichend – der „inneren öffentlichen Sicherheit und staatlichen Ordnung“675 zu verstehen ist, finden sich nicht. Goger beschreibt ferner ebenfalls einen spezifisch-eigenen Unrechtsgehalt des Betreibens krimineller Plattformen und betont neben einer Gefährdung für die von den Bezugstaten geschützten Rechtsgüter eine solche für die Funktionsfähigkeit und Integrität der Online-Wirtschaft.676 Dahingegen wird zuweilen schlicht auf den Schutz der von den Katalogtatbeständen geschützten Rechtsgüter durch § 127 StGB rekurriert.677 Zöller beispielsweise merkt insoweit kritisch an, hinter Kollektivrechtsgütern wie der öffentlichen Sicherheit und Ordnung würden sich in Wahrheit stets die im Besonderen Teil des Strafgesetzbuchs und in den strafrechtlichen Nebengesetzen geschützten Rechtsgüter verbergen.678 Innerhalb dieses Meinungsspektrums zum Rechtsgut des § 127 StGB streiten nun zwar für diejenigen Auffassungen, die den Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bemühen, prima facie die systematische Stellung der Vorschrift im 7. Abschnitt des Strafgesetzbuchs („Straftaten gegen die öffentliche Ordnung“) sowie die im Gesetzgebungsverfahren anklingenden Äußerungen. Schließlich würden schon dem Entwurf des Bundesrats zur Schaffung eines § 126a StGB-E zufolge kriminelle Handelsplattformen aufgrund der Verbreitung des illegalen Angebots 670
Kulhanek, in: BeckOK-StGB, § 127 Rn. 5, 10; auf das Rechtsgut der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verweisen ferner Eisele, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 2; Eisele, in: FS-Sieber, 757, 764 („diffuses Schutzgut“); Vassilaki, CR 2022, 204, 205 („innere öffentliche Sicherheit und die staatliche Ordnung“). 671 Vassilaki, CR 2022, 204, 205. 672 Kindhäuser / Schramm, Strafrecht Besonderer Teil I, § 40 Rn. 11b. 673 Hartmann, in: HK-GS, § 127 Rn. 1. 674 Kulhanek, in: BeckOK-StGB, § 127 Rn. 10; Eisele, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 2; Eisele, in: FS-Sieber, 757, 764. 675 Vassilaki, CR 2022, 204, 205. 676 Goger, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 2. 677 Fischer, StGB, § 127 Rn. 2; Zöller, KriPoZ 2019, 274, 279. 678 Zöller, KriPoZ 2019, 274, 279; Zöller, International Cybersecurity Law Review 2021, 279, 291.
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
gezielt die Gefahren für die durch das Verbot der Waren und Dienstleistungen geschützten Rechtsgüter erhöhen und daher eine darüber hinausgehende eigenständige erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen.679 Die Vorschrift sollte daher dem Schutz der öffentlichen Sicherheit sowie der staatlichen Ordnung dienen.680 Im späteren Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz zur Schaffung eines § 127 StGB wird ebenfalls betont, dass schon nicht gewerbsmäßig betriebene kriminelle Handelsplattformen die öffent liche Sicherheit und Ordnung erheblich beeinträchtigen würden, weil dort der Vertrieb einer Vielzahl an illegalen Waren und Dienstleistungen möglich sei.681 Die Gesetzesbegründung zu § 127 StGB äußert sich sodann zwar nicht ausdrücklich zum von der Norm geschützten Rechtsgut. Hingewiesen wird jedoch zumindest auf die besondere Schwere der Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bei gewerbs- oder bandenmäßiger Begehung.682 Erkennt man nun aber die öffentliche Sicherheit und Ordnung beziehungsweise den öffentlichen Frieden im obigen Sinne ohne Weiteres als eigenständiges Rechtsgut des § 127 StGB an, wird letztlich die zuvor schon meist im Kontext des § 129 StGB geführte und hier nicht in jedem Detail zu vertiefende Debatte um einen eigenständigen Rechtsgutscharakter solcher Schutzobjekte übergangen. Schließlich ist bereits bei § 129 StGB umstritten, ob die Vorschrift dem eigenständigen Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung beziehungsweise des öffentlichen Friedens dient oder sich in einer Vorverlagerung des Schutzes der Rechtsgüter des Besonderen Teils erschöpft.683 Dabei begegnen Schutzobjekte wie die öffentliche Sicherheit und Ordnung beziehungsweise der öffentliche Frieden ganz allgemein zunehmend einiger Kritik.684 Verwiesen wird exemplarisch auf die Verschwommenheit und Weite derartiger Begriffe685 sowie die Problematik, solche abstrakten Zustände ausreichend konkretisieren und eine Beeinträchtigung gegebenenfalls nachweisen zu können.686 Ferner wird die Entwicklung moniert, „den Schutz von Rechtsgütern zu einem allgemeinen Sicherheitsgefühl verflüchtigen zu lassen.“687 679
BT-Drs. 19/9508, S. 10. BT-Drs. 19/9508, S. 11. 681 RefE kriminelle Handelsplattformen, S. 12. 682 BT-Drs. 19/28175, S. 17. 683 Siehe dazu Teil 3 B. I. sowie die Nachweise in Teil 3 Fn. 31 und Teil 3 Fn. 33. 684 Allgemein die öffentliche Sicherheit und Ordnung beziehungsweise den öffentlichen Frieden als Schutzgut ablehnend etwa Fischer, NStZ 1988, 159, 163; Gierhake, ZIS 2008, 397, 403 f.; Gierhake, Der Zusammenhang von Freiheit, Sicherheit und Strafe im Recht, S. 182 ff.; Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 287 ff.; Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 93 f.; Langer-Stein, Legitimation und Interpretation, S. 82 ff.; Müssig, Schutz abstrakter Rechtsgüter und abstrakter Rechtsgüterschutz, S. 216 f.; Stein / Greco, in: SK-StGB, § 129 Rn. 5; Wohlers, Deliktstypen des Präventionsstrafrechts, S. 225 f., 270. 685 Beck, Unrechtsbegründung und Vorfeldkriminalisierung, S. 96; Zöller, Terrorismusstrafrecht, S. 514 f. 686 Fürst, Grundlagen und Grenzen der §§ 129, 129a StGB, S. 68; Langer-Stein, Legitimation und Interpretation, S. 128. 687 Fürst, Grundlagen und Grenzen der §§ 129, 129a StGB, S. 68 f. 680
I. „Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet“
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Nach Hefendehl etwa suggerieren Schutzobjekte wie die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder der öffentliche Frieden das Bestehen zumindest zu gefährdender Rechtsgüter, diese würden sich allerdings bei eingehender Untersuchung auflösen und einen weit in das Vorbereitungsstadium eines tatsächlichen Rechtsguts vorgelagerten Strafrechtsschutz hinterlassen.688 Speziell mit Blick auf § 129 StGB merken exemplarisch Stein und Greco an, dass jedenfalls die öffentliche Sicherheit im bei § 125 StGB verstandenen Sinne durch die von § 129 StGB erfassten kriminellen Vereinigungen nicht zwingend oder üblicherweise betroffen sei, soweit man sich vor Augen führte, dass der Vereinigungszweck auch lediglich auf Steuerstraftaten oder verbotene Glücksspiele gerichtet sein könne.689 Bereits jenem Einwand setzte sich angesichts des in § 127 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StGB verorteten, weitreichenden Katalogs an Vergehen wohl auch § 127 StGB aus. Die öffentliche Sicherheit beziehungsweise den öffentlichen Frieden betiteln Stein und Greco ferner unter Verweis auf eine neuere Literaturströmung als Scheinrechtsgüter ohne eigenständigen Gehalt verglichen zu den von der Vorschrift bereits geschützten Rechtsgütern.690 Auch Hörnle verweist zunächst auf ein unklares Verhältnis zwischen der öffentlichen Sicherheit und dem öffentlichen Frieden und kritisiert sodann, dass die Reichweite des öffentlichen Friedens als Zustand „allgemeiner Rechtssicherheit“ und der öffentlichen Sicherheit auf der einen Seite sowie der dahinterstehenden Individualrechtsgüter beziehungsweise klassischen Kollektivrechtsgüter auf der anderen Seite identisch sei.691 Schließlich bliebe ohne die Verletzung oder Gefährdung eines anerkannten Rechtsguts eine Verletzung der öffentlichen Sicherheit undenkbar.692 Ungeachtet dieser allgemeinen Kritik gegen Schutzobjekte wie die öffentliche Sicherheit und Ordnung beziehungsweise den öffentlichen Frieden wird man mit Blick auf § 127 StGB zusätzlich bedenken müssen, dass ein vorrangiger oder alleiniger Schutz eines Rechtsguts mit – wie auch immer gearteten – gegenüber den Rechtsgütern der Bezugstaten eigenständigem Gehalt zwar durch die allgemeine Subsidiaritätsklausel des § 127 Abs. 1 Satz 1 a. E. StGB nicht zwingend ausgeschlossen sein muss, sich ein solcher aber jedenfalls nur schwerlich sinnvoll mit der formellen Subsidiarität in Einklang bringen lässt. Denn weshalb sollte § 127 StGB einen eigenen Unrechtsgehalt aufweisen und dem Schutz eines eigenen Rechtsguts dienen, sich dies aber aufgrund der formellen Subsidiarität bei Verwirklichung anderer, mit schwererer Strafe bedrohter Tatbestände nicht ebenfalls im Schuldspruch niederschlagen?693 Wenngleich sich – wie dies teils mit Blick auf § 125 StGB a. F. geschah – argumentieren ließe, dass § 127 StGB vornehmlich ein Tatbestand gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung sein sollte, das Bedürfnis, die Tat vor diesem Hintergrund zu bestrafen aber zurücktrete, soweit eine Straftat mit schwererer 688
Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, S. 37, 288 ff. Stein / Greco, in: SK-StGB, § 129 Rn. 5. 690 Stein / Greco, in: SK-StGB, § 129 Rn. 5. 691 Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 93 f. 692 Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, S. 93 f. 693 In diese Richtung kritisch schon Goger, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 3. 689
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
Strafe begangen worden ist,694 erwiese sich eine dahingehende gesetzgeberische Entscheidung jedenfalls als nicht besonders sinnvoll. Die noch in § 125 StGB a. F. enthaltene Subsidiaritätsklausel wurde jedenfalls durch das 52. StrÄndG695 mit der Begründung gestrichen, das spezifische Unrecht des Landfriedensbruchs solle auch bei der Erfüllung anderer, schwerer wiegender Straftatbestände im Strafausspruch zum Ausdruck kommen.696 Letzten Endes geht die Anerkennung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung beziehungsweise des öffentlichen Friedens als von § 127 StGB geschütztes Rechtsgut daher zumindest nicht ohne Widersprüche zur Subsidiaritätsklausel auf und setzt sich gar dem Vorwurf der Anerkennung von Scheinrechtsgütern aus. Geschützt sind daher die von den Katalogtaten des § 127 Abs. 1 Satz 2 StGB geschützten Rechtsgüter. Der Wortlaut des § 127 StGB lässt sodann erkennen, dass schon das Betreiben einer auf die Ermöglichung oder Förderung der Begehung rechtswidriger Taten ausgerichteten Plattform zur Tatbestandsverwirklichung genügt.697 Aufgrund ebendieser Loslösung einer Strafbarkeit von der tatsächlichen Begehung der in § 127 Abs. 1 Satz 2 StGB gelisteten rechtswidrigen Taten ist § 127 StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt im Vorfeld einer Tatbegehung durch die Nutzer ausgestaltet.698 Das Betreiben von Plattformen dabei allgemein als strafwürdiges Unrecht zu erfassen, das stets eine täterschaftliche Bestrafung des Betreibers absichert, soll laut etwa Kusche jedenfalls schlicht für diejenigen Plattformen in Betracht kommen, von denen über bloße Kausalität hinaus eine Anreizwirkung für die Begehung von Straftaten der Nutzer ausgeht.699 Danach sei es dem geltenden Strafrecht unter anderem mit Blick auf die Vorschrift des § 130a StGB nicht per se unbekannt, das Schaffen einer Sachlage, die Straftaten Dritter wenigstens abstrakt zu fördern geeignet ist, für strafwürdig zu erachten.700 Im Hinblick auf das Betreiben krimineller Internetplattformen sei dabei die Behauptung der Strafwürdigkeit schon des Schaffens einer generell tatanreizenden Situation speziell auf die Breitenwirkung
694 Darauf im Rahmen des § 125 StGB verweisend etwa Sternberg-Lieben, in: Schönke / Schröder, 29. Aufl., § 125 Rn. 2. 695 Zweiundfünfzigstes Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften vom 23. 05. 2017, BGBl. I 2021, S. 1226. 696 BT-Drs. 18/11161, S. 9, 10. 697 Allgemein auf die fehlende Notwendigkeit einer tatsächlichen Tatbegehung der Nutzer verweisen etwa Bäcker / Golla, Strafrecht in der Finsternis; Bartl / Moßbrucker / Rückert, Angriff auf die Anonymität im Internet, S. 9; Eisele, in: FS-Sieber, 757, 764; Gerhold, ZRP 2021, 44; Kulhanek, in: BeckOK-StGB, § 127 Rn. 5 ff., 35; Rückert, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 12 f.; Rückert, Endlich Licht ins Darknet?; Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 290 f.; Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 227; Vassilaki, CR 2022, 204, 205. 698 Eisele, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 2; Kulhanek, in: BeckOK-StGB, § 127 Rn. 7; Zöller, International Cybersecurity Law Review 2021, 279, 291. Dazu näher unter Teil 3 I. III. 5. 699 Kusche, JZ 2021, 27, 30. 700 Kusche, JZ 2021, 27, 30.
I. „Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet“
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von Plattformen zu stützen.701 Der Umstand, dass die Strafbarkeit des Betreibens krimineller Infrastruktur von der Begehung rechtswidriger Taten der Nutzer nunmehr unabhängig ist, erschließt sich Kusche zufolge nämlich vornehmlich vor der Prämisse, dass die bereitgestellte Plattform trotz des Fehlens einer „Haupttat“ aufgrund der Breitenwirkung wenigstens die abstrakte Gefahr der potentiell massenhaften Begehung solcher Taten birgt.702 Daher werde mit § 127 StGB – worauf auch vorliegend im weiteren Verlauf noch kritisch einzugehen sein wird703 – das Betreiben von kriminellen Handelsplattformen unter Strafe gestellt, „die zumindest die abstrakte Gefahr der Unterstützung massenhafter Tatbegehung schaffen, weil ihr Angebot einen besonders breitenwirksamen Tatanreiz schafft.“704 § 127 StGB ist ferner eine Dauerstraftat. Schließlich soll dieser ausweislich der Begründung als Auffangtatbestand dienen, soweit eine Ahndung aufgrund anderer Strafvorschriften nicht hinreichend sichergestellt ist.705 Die zu diesem Zweck in § 127 Abs. 1 Satz 1 a. E. StGB normierte Subsidiaritätsklausel verlöre jedoch weitestgehend an Bedeutung, würde man ausschließlich auf das Errichten beziehungsweise den Zeitpunkt der erstmaligen Inbetriebnahme der Plattform als Tathandlung rekurrieren. Es geht vielmehr gleichermaßen um die Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustands in Form des Betriebs der auf kriminelle Zwecke ausgerichteten Plattform, mit der Folge, dass das Betreiben der Plattform zeitlich auch mit der Beteiligung an erst später begangenen Straftaten der Nutzer zusammenfällt.706 Der strafrechtliche Vorwurf bezieht sich insoweit auf die Herbeiführung wie auch die willentliche Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustands.707 § 127 StGB ist demnach zwar bereits mit Herbeiführung des rechtswidrigen Zustands – das heißt der erstmaligen Inbetriebnahme der kriminellen Infrastruktur – vollendet, ohne dass es insoweit der Begehung etwaiger Nutzerstraftaten bedürfte.708 Beendigung und damit Verjährungsbeginn nach § 78a Satz 1 StGB tritt jedoch erst mit Beseitigung des Gefährdungspotentials ein, das heißt in dem Zeitpunkt, in dem die Plattform endgültig vom Netz genommen wird und nicht länger für die Nutzer erreichbar ist.709 Der Versuch des § 127 StGB ist grundsätzlich nicht mit Strafe bedroht. Unter Berücksichtigung der allgemeinen Vorschriften der §§ 23 Abs. 1 Alt. 1, 12 Abs. 1, 22 StGB ist der Versuch des § 127 Abs. 4 StGB jedoch strafbar.710
701
Kusche, JZ 2021, 27, 30. Kusche, JZ 2021, 27, 30; siehe auch Kulhanek, in: BeckOK-StGB, § 127 Rn. 8; ähnlich Brodowski, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 3. 703 Siehe etwa Teil 3 I. III. 5. und Teil 3 I. IV. 2. a). 704 Kusche, JZ 2021, 27, 30. 705 BT-Drs. 19/28175, S. 16. 706 Zum Ganzen zutreffend Eisele, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 9. 707 Allgemein Sternberg-Lieben / Bosch, in: Schönke / Schröder, Vor §§ 52 ff. Rn. 81 m. w. N. 708 Siehe Kulhanek, in: BeckOK-StGB, § 127 Rn. 68. 709 Zur Beendigung siehe auch Kulhanek, in: BeckOK-StGB, § 127 Rn. 71. 710 Kulhanek, in: BeckOK-StGB, § 127 Rn. 70. 702
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
III. Regelungsinhalt Das Gesetz normiert mit § 127 StGB nunmehr einen Tatbestand, der sich explizit der Strafbarkeit des „Betreibens krimineller Handelsplattformen im Internet“ annimmt. Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe wird nach § 127 Abs. 1 Satz 1 StGB derjenige bestraft, der eine Handelsplattform im Internet betreibt, deren Zweck darauf ausgerichtet ist, die Begehung rechtswidriger Taten zu ermöglichen oder zu fördern. Unter besonderer Berücksichtigung der hier fokussierten Plattformen im Darknet sei daher nachfolgend zunächst der Regelungsinhalt des § 127 StGB näher betrachtet. 1. Handelsplattform Während die Vorgängerentwürfe eines § 126a StGB-E als zentrales Merkmal im Grundtatbestand noch den Begriff der „internetbasierten Leistung“ in den Blick nahmen, richtet § 127 Abs. 1 Satz 1 StGB nun seinen Fokus auf „Handelsplattformen“ im Internet.711 Der Begriff der „Handelsplattform im Internet“ wird in § 127 Abs. 2 StGB legaldefiniert als „jede virtuelle Infrastruktur im frei zugänglichen wie im durch technische Vorkehrungen zugangsbeschränkten Bereich des Internets, die Gelegenheit bietet, Menschen, Waren, Dienstleistungen oder Inhalte (§ 11 Absatz 3) anzubieten oder auszutauschen“. Den Gesetzgebungsmaterialien zufolge sind vom Begriff der Handelsplattform neben Online-Foren auch Online-Marktplätze umfasst und zwar unabhängig davon, ob es sich um kommerzielle oder nicht-kommerzielle Plattformangebote handelt und ob diese Kaufgeschäfte, Tauschgeschäfte oder Schenkungen fokussieren.712 Aus welchen Beweggründen heraus die Betreiberebene agiert, bleibt daher zunächst unerheblich. Der Wortteil „Handel“ soll ferner nicht nur kommerziellen Warenaustausch einbeziehen, sondern auch im Sinne eines Tauschhandels zu verstehen sein.713 Auf diese Weise soll § 127 StGB auch Sharing-Plattformen erfassen, bei denen Nutzer durch Einstellen eigener Inhalte Zugriff auf die von anderen Nutzern eingestellten Inhalte erlangen, ohne dass ein unmittelbarer Austausch zwischen Nutzern erforderlich wäre.714 Gemeint sind dort vorwiegend Foren mit kinderpornografischem Schwerpunkt.715 Dem steht nicht entgegen, dass der Wortteil „Handel“ dem ersten Anschein nach auf eine Erfassung nur kommerziel 711
Das Merkmal der „Leistung“ sollte beiden Gesetzesmaterialien zufolge grundsätzlich alle Angebote erfassen, welche sich an einen oder mehrere Nutzer richten, ohne dass diese stets auf Dauer und wiederholte Nutzung abzielen müssten, vgl. BT-Drs. 19/9508, S. 13; RefE ITSicherheitsgesetz 2.0, S. 80. 712 BT-Drs. 19/28175, S. 15. Zur Ausgestaltung von Marktplätzen und Foren mit Handelsbereichen ausführlich unter Teil 1 C. II. 713 BT-Drs. 19/28175, S. 16. 714 BT-Drs. 19/28175, S. 16. 715 BT-Drs. 19/28175, S. 16; Reuter, Kriminalistik 2021, 490, 492.
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len Austauschs deutet, weil diesem nach heutigem Verständnis in gewisser Weise die Erwartung einer wirtschaftlichen Gegenleistung innewohnt.716 Das Verb „auszutauschen“ neben „anzubieten“ in § 127 Abs. 2 StGB lässt insoweit hinreichend deutlich erkennen, dass eine wirtschaftliche Gegenleistung nicht erforderlich ist,717 lässt doch der Begriff auch die Erfassung eines nicht-kommerziellen Tauschhandels als Urform des Handeltreibens zu.718 Neben klassischen browserbasierten Plattformen soll § 127 StGB – bedingt durch die Offenheit des Begriffs der „virtuellen Infrastruktur“ – außerdem bei als administrierte Chatgruppen betriebenen Handelsplattformen greifen.719 Insoweit werden ebenfalls die jüngst vermehrt in die Schlagzeilen geratenen „Handelsplattformen“ einbezogen, die mithilfe von Messengerdiensten wie Telegram aufgesetzt werden.720 Insgesamt ist § 127 StGB mit dem Begriff der „Handelsplattform“ zwar bestrebt, den Anwendungsbereich der Vorgängerentwürfe einzuschränken, weil mithilfe der dortigen „internetbasierten Leistung“ neben Plattformen zum Waren- und Dienstleistungsaustausch auch reine Kommunikationsdienste oder Dienste zur Ermöglichung anonymer Internetnutzung fassbar waren.721 Eine tatsächliche Begrenzung untergräbt der Gesetzgeber jedoch sogleich in gewissem Maße, indem § 127 Abs. 2 StGB neben Menschen, Waren und Dienstleistungen zugleich auf Inhalte nach § 11 Abs. 3 StGB Bezug nimmt, die das Gesetz als solche umschreibt, „die in Schriften, auf Ton- oder Bildträgern, in Datenspeichern, Abbildungen oder anderen Verkörperungen enthalten sind oder auch unabhängig von einer Speicherung mittels Informations- oder Kommunikationstechnik übertragen werden“. Beispielhaft nennt der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang E-Mail-Dienste, Instant-Messaging-Dienste oder Over-the-top-Dienste wie Facebook.722 Soweit mit den „Inhalten“ im Sinne von § 11 Abs. 3 StGB in § 127 Abs. 2 StGB kinderpornografische Materialien einbezogen werden sollten, die der Gesetzgeber wohl nicht als Waren oder Dienstleistungen ansehen wollte,723 führt die Weite des in § 11 Abs. 3 StGB normierten Inhaltsbegriffs im Ergebnis jedoch dazu, dass sich 716 So schon der Einwand des Bundesrats, vgl. BR-Drs. 147/1/21, S. 2; darauf verweisend auch Kulhanek, in: BeckOK-StGB, § 127 Rn. 18. 717 Wenngleich weiterhin kritisch zum Begriff der „Handelsplattform“ siehe BR-Drs. 147/1/21, S. 2; zustimmend auch Kulhanek, in: BeckOK-StGB, § 127 Rn. 18. 718 So die Gegenäußerung der Bundesregierung, vgl. BT-Drs. 19/28175, S. 26. 719 BT-Drs. 19/28175, S. 15; zur Erfassung siehe auch Kulhanek, in: BeckOK-StGB, § 127 Rn. 14; Reuter, Kriminalistik 2021, 490, 492. 720 Zum Verdacht des unerlaubten Handels mit Betäubungsmitteln, gefälschten Dokumenten, illegal erlangten Daten und anderen inkriminierten Gütern über den Messengerdienst „Telegram“ vgl. Bundeskriminalamt, Pressemitteilung v. 30. 10. 2020. 721 Unter anderem Rückert, Endlich Licht ins Darknet?; kritisch auch etwa Bartl / Moßbrucker / Rückert, Angriff auf die Anonymität im Internet, S. 10 ff. 722 BT-Drs. 19/19859, S. 26. 723 Eisele schlägt in diesem Zusammenhang hingegen mit Verweis auf § 298 StGB vor, pornografische Inhalte als „Waren“ zu fassen, Eisele, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 5.
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
neben Tauschbörsen für Kinderpornografie erneut auch solche Dienste unter § 127 Abs. 2 StGB subsumieren lassen, die schlicht der internetbasierten Kommunikation dienen.724 Insoweit verhilft aber das Merkmal der kriminellen Zweckausrichtung bei sachgerechter Auslegung sowie der enumerative Straftatenkatalog zur Ausklammerung legaler (Kommunikations-)Dienste.725 Dennoch ist nach alledem zumindest in Zweifel zu ziehen, ob die Verwendung des Begriffs der „Plattform“ anstelle desjenigen der „Handelsplattform“ tatsächlich – wie von der Bundesregierung vorgebracht – zu einem gegenüber der jetzigen Ausgestaltung konturenloseren Tatbestand geführt hätte.726 Ungeachtet ebendieser Unsicherheiten unterfallen jedenfalls die vorliegend in Rede stehenden Marktplätze und Foren des Darknets zum Handel mit Waren oder Dienstleistungen allesamt dem Merkmal der „Handelsplattform“, und zwar unabhängig davon, ob diese nun Kauf- oder Tauschgeschäfte beziehungsweise Schenkungen durch die Nutzer fokussieren. Schließlich bieten die dortigen Marktplätze und Foren ihren Nutzern unzweifelhaft die Gelegenheit, neben Waren auch Dienstleistungen und Inhalte beziehungsweise im Einzelfall Menschen anzubieten oder auszutauschen. 2. Erfassung sämtlicher virtueller Infrastrukturen Im einstigen Entwurf des Bundesrats sollte mit § 126a StGB-E lediglich das Anbieten einer internetbasierten Leistung unter Strafe gestellt werden, „deren Zugang und Erreichbarkeit durch besondere technische Vorkehrungen beschränkt“ ist.727 Die Entwurfsbegründung zielte insoweit insbesondere auf Darknet-Angebote und nannte als Zugangs- und Erreichbarkeitsbeschränkungen – anstelle der ausdrücklich nicht genügenden Zugangskennung – exemplarisch die Nutzung des Tor-Browsers sowie ähnliche Zugangsbeschränkungen wie Keuschheitsproben.728 Mit § 126a StGB-E in der Fassung des Referentenentwurfs vom 27. März 2019 sollten hingegen sämtliche internetbasierte Leistungen unter Rückgriff auf einen Erst-Recht-Schluss erfasst werden: Erstens dürfe die Dreistigkeit des unverdeckt Handelnden nicht belohnt werden. Und zweitens sei das Gefährdungspotential ein ungleich größeres, soweit jemand ungeachtet eines technischen Know-hows auf
724
Kritisch bereits Eisele, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 5; Rückert, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 14 f.; siehe auch Kulhanek, in: BeckOK-StGB, § 127 Rn. 16; Vassilaki, CR 2022, 204, 206. 725 Auf die kriminelle Zweckausrichtung verweisend ebenfalls Vassilaki, CR 2022, 204, 206. 726 So aber die Gegenäußerung der Bundesregierung, vgl. BT-Drs. 19/28175, S. 26; an einem insoweit konturenloseren Tatbestand zweifeln auch Kulhanek, in: BeckOK-StGB, § 127 Rn. 18; befürwortend Zöller, International Cybersecurity Law Review 2021, 279, 288 f. Die Änderung in „Plattform“ ablehnend aber etwa Rückert, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 14. 727 BT-Drs. 19/9508, S. 11, 13. 728 Siehe BT-Drs. 19/9508, S. 11, 13.
I. „Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet“
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eine Leistung zugreifen könne.729 § 127 StGB will nunmehr ebenfalls sämtliche Plattformen erfassen.730 Zwar bieten laut Gesetzesmaterialien beschränkt zugängliche Bereiche wie das Darknet angesichts des hohen Maßes an Anonymität neben rechtmäßigen Nutzungsmöglichkeiten eine optimale Umgebung für das Betreiben krimineller Handelsplattformen.731 Dennoch sei eine Beschränkung auf Plattformen, deren Zugang und Erreichbarkeit durch besondere technische Vorkehrungen beschränkt ist – etwa dadurch, dass sie im Darknet betrieben werden – nicht geboten, weil auch im offenen Bereich des Surface Web digitale Marktplätze für den Handel mit illegalen Waren oder Dienstleistungen ohne Unterschied in der Strafwürdigkeit existierten.732 Würdigt man nun jene Entwicklung, bestand mit Blick auf die einstige Begrenzung des Bundesrats auf zugangsbeschränkte Plattformen schon deshalb Unsicherheit, weil teils infrage gestellt wurde, inwieweit das Kriterium der durch „besondere technische Vorkehrungen“ bewirkten „Zugangs- und Erreichbarkeitsbeschränkung“ eine Fokussierung auf Darknet-Plattformen überhaupt sicherstellen hätte können.733 Schließlich sei als Vorkehrung etwa der Tor-Browser genannt, die für den Zugang in das Darknet notwendige, aber zugleich genügende, Tor-Software sei jedoch für jedermann im Surface Web zugänglich.734 Ferner erfordere der Zugang zu Plattformen in sämtlichen Bereichen des Internets den Download einer Browser-Software, sodass letztlich alle Daten im Internet „besonders gesichert“ wären.735 Zwar ist dem dahingehend beizupflichten, dass der Zugang zu den Onion Services des Darknets lediglich an den Download oder die Installation des frei zugänglichen Tor-Browsers ohne weitergehendes technisches Sonderwissen geknüpft ist.736 Aus Anwendersicht liegt die Besonderheit der Tor-Software gegenüber herkömmlichen Internet-Browsern letztlich schlicht in der standardisierten Verschleierung von IP-Adressen. Sehen muss man jedoch, dass die Onion Services des Tor-Darknets allein unter Zuhilfenahme speziell des Tor-Browsers als insoweit besondere Software und gerade nicht mithilfe der herkömmlichen Internetbrowser (etwa Mozilla Firefox oder Google Chrome) zugänglich sind. Die Tor-Software ließe sich daher noch als „besondere“ technische Vorkehrung zur Zugangs- und Erreichbarkeits 729
RefE IT-Sicherheitsgesetz 2.0, S. 79. BT-Drs. 19/28175, S. 15 f.; dazu Kulhanek, in: BeckOK-StGB, § 127 Rn. 14; Reuter, Kriminalistik 2021, 490, 492; Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 295; Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 243; Zöller, International Cybersecurity Law Review 2021, 279, 287. 731 BT-Drs. 19/28175, S. 15 f. 732 BT-Drs. 19/28175, S. 15 f. 733 So etwa der bayerische Justizminister Eisenreich, vgl. BR-Plenarprotokoll 974, S. 20; zustimmend auch Bachmann / Arslan, NZWiSt 2019, 241, 246. 734 Zu den Bedenken Eisenreichs vgl. BR-Plenarprotokoll 974, S. 20; Bachmann / Arslan, NZWiSt 2019, 241, 246 und Eisele, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 5. 735 Bachmann / Arslan, NZWiSt 2019, 241, 246. 736 Zur Bedienungsfreundlichkeit und Funktionsweise des Tor-Browsers vgl. die Ausführungen unter Teil 1 B. 730
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
beschränkung einordnen und daher gegenüber herkömmlichen Browsern abgrenzen.737 Auch hinsichtlich der seitens des Bundesrats genannten Keuschheitsprobe, die wohl zugleich speziell im Surface Web befindliche Plattformen zum Austausch kinderpornografischer Materialien betreffen sollte, wurde teils bezweifelt, inwieweit eine solche als besondere technische Vorkehrung einzuordnen ist.738 Schließlich würden Keuschheitsproben als Vertrauensbeweis zum Ausschluss von Strafverfolgungsbehörden schlicht das Bereitstellen eigener strafbarer Inhalte erfordern, das in analogen Strukturen der bloßen Übergabe einer inkriminierten Schrift an das Gegenüber gleiche.739 Als technisch kompliziertestes Szenario sei dort das Hochladen kinderpornografischer Inhalte in ein Forum oder das Zusenden an den Betreiber selbst bekannt, was jedoch keine „besondere technische Vorkehrung“ mehr darstelle, die den Zugang und die Erreichbarkeit beschränke.740 Ungeachtet dieser Bedenken ließe sich eine Keuschheitsprobe aber zumindest als „besondere“ technische Vorkehrung einordnen, soweit man bedenkt, dass der Zugang zu Plattformen üblicherweise gerade nicht die technische Bereitstellung eigener strafbarer Inhalte erfordert. Erkennbar wurde jedenfalls, dass das Merkmal der „besonderen technischen Vorkehrung“ vornehmlich auf die Erfassung derjenigen Sachverhalte zielen sollte, die einer erschwerten Ermittlung der Tatverdächtigen unterliegen.741 Schließlich sollte eine allgemeine Zugangskennung nicht genügen, obgleich die Überwindung einer solchen technisch teils schwerer zu bewerkstelligen sein dürfte als der Download des Tor-Browsers.742 Es schien insbesondere die durch den Tor-Browser bewirkte Verschleierung von IP-Adressen sowie die für Ermittler vor Einführung des § 184b Abs. 6 StGB743 nahezu unüberwindbare Keuschheitsprobe und die damit einhergehende erschwerte Strafverfolgung gewesen zu sein, die den Bundesrat zur Schaffung einer Norm für die dortigen Sachverhalte bewegte.744 Im Hinblick auf die vorstehenden Begründungen einer nunmehrigen Erfassung sämtlicher Internetplattformen ließe sich nun zwar andenken, ob nicht gerade das Anbieten einer Gelegenheit zur anonymen Tatbegehung einen besonderen Tatanreiz schafft und demzufolge gegenüber der Gelegenheit zu unverdecktem Handeln strafwürdiger erscheint. Ferner drängte sich wohl die Frage auf, inwieweit ein unverdecktes Handeln im Surface Web tatsächlich stets dreister als ein Verschleiern der eigenen Identität mit dem Ziel des Entgehens einer möglichen Strafverfolgung im Bereich des Darknets oder unter Zuhilfenahme von Keuschheitsproben ist. Zumindest aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden dürfte der Verweis auf die gesteigerte Dreistigkeit des offen Handelnden wohl nicht überzeugen. Danach ließe sich zwar 737
Zutreffend Kusche, JZ 2021, 27, 28. Ausführlich etwa Kusche, JZ 2021, 27, 29. 739 Bereits Kusche, JZ 2021, 27, 29. 740 Kritisch etwa Kusche, JZ 2021, 27, 29. 741 Dazu Kriminalpolitischer Kreis, Stellungnahme zu § 126a StGB-E, S. 3 ff.; Kusche, JZ 2021, 27, 28 f. 742 Siehe schon Kusche, JZ 2021, 27, 28 f. 743 Zu § 184b Abs. 6 StGB siehe Teil 3 I. IV. 3. c) aa). 744 Zutreffend bereits Kusche, JZ 2021, 27, 28 f. 738
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in Erwägung ziehen, ob nicht etwa durch besondere technische Vorkehrungen zusätzlich zu verlangen sei, dass die Anreizwirkung gerade daraus folgt, dass die Plattform das Ausfindigmachen der Tatbeteiligten gegenüber dem offenen Bereich des Internets erheblich behinderte.745 Der Bundesrat selbst wies aber im Rahmen von § 126a StGB-E schon darauf hin, dass die in der Erreichbarkeit beschränkten Plattformen einen niedrigschwelligen Zugriff auf logistische Infrastrukturen für die Begehung von Straftaten auch für Personen schaffen, die herkömmliche Beschaffungswege nicht beschreiten würden.746 Danach resultierte jedoch eine besondere Gefährlichkeit des Betreibens krimineller Handelsplattformen ohne Bezug zu einer tatsächlichen Begehung der nachfolgenden Haupttaten weniger aus einer erschwerten Identifikation der Nutzer, sondern vielmehr aus einem Zusammenspiel von Qualität und Quantität der ihrerseits ausgehenden Anreizwirkung.747 Die gegenüber analogen Strukturen gesteigerte Breitenwirkung einer kriminellen Handelsplattform wohnt dabei im Ergebnis sämtlichen im Internet existenten, auf kriminelle Zwecke ausgerichteten, Plattformen – vor allem den frei und ohne technisches Know-how zugänglichen – inne.748 Die Erforderlichkeit eines § 127 StGB insgesamt unterstellt, erfasst dieser daher nunmehr zumindest unter Würdigung der teils als Legitimation angeführten Anreiz- und Breitenwirkung folgerichtig sämtliche kriminelle Handelsplattformen, sei dies im Surface Web, Deep Web oder im Darknet. Um insoweit jedoch allgemein nicht auch sozial nützliche Dienste zu erfassen, bedarf es dann selbstredend einer sachgerechten Auslegung des Merkmals der kriminellen Zweckausrichtung einer Plattform.749 Zwar werden die bereits mit Blick auf die Version eines § 126a StGB-E des Bundesrats bestehenden Unsicherheiten aufgrund der nunmehr in § 127 Abs. 2 StGB gewählten Formulierung nochmals verstärkt. Denn während der Gesetzgeber in den Materialien zu § 127 StGB von „besonderen technischen Vorkehrungen“ beim Betrieb einer Plattform im Darknet spricht,750 ist in der Legaldefinition des § 127 Abs. 2 StGB neben dem frei zugänglichen schlicht vom durch „technische Vorkehrungen“ zugangsbeschränkten Bereich des Internets die Rede, was eine exakte Einordnung insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Zugang einer jeden Plattform die „technische Vorkehrung“ einer Browsersoftware erfordert, nochmals erschwert. Immerhin wird aber in Zusammenschau mit den Gesetzesmaterialien deutlich, dass der Gesetzgeber unter Plattformen, deren Zugang und Erreichbarkeit durch (besondere) technische Vorkehrungen beschränkt ist, vorwiegend die im Darknet betriebenen Plattformen fassen will.751 Plattformen im Surface Web hingegen, die 745
So etwa Kriminalpolitischer Kreis, Stellungnahme zu § 126a StGB-E, S. 3 ff. BT-Drs. 19/9508, S. 10. 747 Kusche, JZ 2021, 27, 31. 748 Auf die Anreiz- und Breitenwirkung von Plattformen als Legitimation einer dahingehenden Vorfeldstrafbarkeit verweisend etwa Kusche, JZ 2021, 27, 30. 749 Ceffinato, ZRP 2019, 161, 163; Kusche, JZ 2021, 27, 31. 750 BT-Drs. 19/28175, S. 15 f. 751 BT-Drs. 19/28175, S. 15 f. 746
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
mit herkömmlichen Browsern zu erreichen sind, sollen unter die Alternative der frei zugänglichen Plattformen fallen.752 Die hier näher fokussierten Plattformen im Darknet sind jedenfalls trotz der damit einhergehenden Auslegungsschwierigkeiten von der Legaldefinition des § 127 Abs. 2 StGB erfasst. 3. „Betreiben“ einer Handelsplattform als inkriminierte Tathandlung § 127 StGB stellt als Tathandlung das „Betreiben“ einer Handelsplattform unter Strafe, das vom Gesetzgeber zunächst nicht ausdrücklich definiert wird. Ganz allgemein wird in den Gesetzgebungsmaterialien jedoch zumindest darauf verwiesen, dass die plattformbetreibende Person eine Infrastruktur biete, auf der sodann Händler ihre Waren einstellen und Kunden diese erwerben können.753 Betreiben einer Handelsplattform meint daher zunächst das Zurverfügungstellen der erforderlichen Infrastruktur zum Anbieten oder zum Austausch von Waren, Dienstleistungen, Inhalten und Menschen durch deren Nutzer. Dieses beginnt mit der initialen Inbetriebnahme einer Plattform und bezieht aufgrund der Ausgestaltung als Dauerdelikt754 deren gesamte Aufrechterhaltung inklusive Wartung bis zur vollständigen Abschaltung ein.755 Das bloße Errichten im Sinne einer Programmierung der virtuellen Infrastruktur genügt hingegen noch nicht für ein Betreiben in diesem Sinne.756 Ferner ist eine Vorverlagerung der Strafbarkeit auf Handlungen, mit denen die Plattform „unmittelbar in Gang gesetzt werden soll“, angesichts der Weite des Betreibens nicht erforderlich. Diese sind – abgesehen von § 127 Abs. 4 StGB – straflose Vorbereitungshandlungen.757 Betreiben einer Handelsplattform im Sinne von § 127 StGB ist sodann regelmäßig aktives Tun,758 weil die Inbetriebnahme einer kriminell ausgerichteten Infrastruktur sowie gegebenenfalls fortlaufende technische oder inhaltliche Wartungen insoweit den Vorwurf eines positiven Tuns begründen.759 Ein Betreiben durch Unterlassen wäre hingegen auf die wohl praktisch seltenen Fälle beschränkt, in denen eine ursprünglich zu legalen Zwecken in Betrieb genommene Plattform gänzlich ohne aktiven Zugriff des Betreibers überwiegend zu kriminellen Zwecken durch deren Nutzer missbraucht wird und der Betreiber diese trotz Kenntnis
752
BT-Drs. 19/28175, S. 15 f. BT-Drs. 19/28175, S. 10. 754 Hierzu Teil 3 I. II. 755 Zu Versuch, Vollendung und Beendigung von § 127 StGB siehe die Ausführungen unter Teil 3 I. II. sowie Kulhanek, in: BeckOK-StGB, § 127 Rn. 68 ff. 756 Kulhanek, in: BeckOK-StGB, § 127 Rn. 68. 757 Zur Versuchsstrafbarkeit bei § 127 StGB siehe auch Kulhanek, in: BeckOK-StGB, § 127 Rn. 70. 758 Näher zum Betreiben durch Tun oder Unterlassen etwa Kulhanek, in: BeckOK-StGB, § 127 Rn. 24 ff. 759 Siehe schon Teil 3 A.; Kulhanek, in: BeckOK-StGB, § 127 Rn. 25. 753
I. „Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet“
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der massenhaften Rechtsverletzungen nicht an der missbräuchlichen Nutzung der Plattform hindert beziehungsweise die Plattform nicht vom Netz nimmt.760 Dies setzt jedoch voraus, dass dem Betreiber eine Garantenstellung zukommt, ein „Ausrichten“ auf kriminelle Zwecke durch Unterlassen denkbar ist und dies mit telemedienrechtlichen Grundsätzen in Einklang steht.761 Eine etwaige Vollautomatisierung der Plattform nach initialer Inbetriebnahme derselben steht der Annahme eines Betreibens jedenfalls nicht entgegen.762 § 127 StGB sollte vielmehr laut Gesetzgeber insbesondere den bei Vollautomatisierung von Plattformen unzureichenden Vorschriften der Beihilfe entgegentreten.763 Daraus folgt, dass für ein Betreiben von Handelsplattformen die schlichte erstmalige Inbetriebnahme trotz anschließender Vollautomatisierung bei fortwährender Zugriffsmöglichkeit des Täters genügt.764 Führt daher ein Betreiber den durch Inbetriebnahme der kriminellen Plattform herbeigeführten rechtswidrigen Zustand willentlich durch Aufrechterhaltung der – wenngleich automatisierten – Infrastruktur fort, unterfällt dies ebenfalls § 127 StGB. Eine irgendwie geartete Einwirkung auf individuelle Nutzergeschäfte – etwa einer wie im Fall des LG Karlsruhe vorgenommenen manuellen Freischaltung von Werbetexten der Nutzer – bedarf es dabei schon aufgrund der Loslösung des § 127 StGB von der tatsächlichen Begehung rechtswidriger Taten nicht.765 Als Betreiben einer Handelsplattform kommt grundsätzlich auch ein Betrieb derselben auf Probe in Betracht. Eine nur vorübergehende Stilllegung der Plattform – etwa zum Zwecke von Wartungen – unterbricht das Betreiben ebenfalls nicht.766 Tatmehrheit ist insofern erst für den Fall gegeben, dass die Plattform nach endgültiger Abschaltung auf Grundlage eines neu gefassten Entschlusses erneut in Betrieb genommen wird.767 Das schlichte Bereitstellen von Server-Infrastrukturen genügt für das Betreiben einer Plattform nicht. Dies folgt schon daraus, dass der Gesetzgeber dies zuvor mit § 127 Abs. 1 Satz 2 StGB-E als eigenständige Strafbarkeit fassen wollte, davon aber absah, um dies als Beihilfe zum Betreiben krimineller Plattformen zu bestrafen.768 Wird die Plattform von einer Einzelperson unterhalten, betreibt diese die Plattform, solange eine administrative Zugriffsmöglichkeit auf die Plattform besteht. 760
Zum Betreiben durch Unterlassen Kulhanek, in: BeckOK-StGB, § 127 Rn. 25. Zur Garantenpflicht siehe näher Teil 4 D.; zum Ausrichten durch „Unterlassen“ siehe ferner Teil 3 I. III. 4. b) bb). 762 Kulhanek, in: BeckOK-StGB, § 127 Rn. 20; Reuter, Kriminalistik 2021, 490, 491; V assilaki, CR 2022, 204, 207. 763 BT-Drs. 19/28175, S. 10. 764 Zutreffend auf die Zugriffsmöglichkeit rekurrierend Kulhanek, in: BeckOK-StGB, § 127 Rn. 20. 765 Kulhanek, in: BeckOK-StGB, § 127 Rn. 23. 766 Kulhanek, in: BeckOK-StGB, § 127 Rn. 22. 767 Teil 3 I. III. 9. b). 768 BT-Drs. 19/31108, S. 5. 761
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
Setzt sich die Betreiberebene hingegen – vorwiegend im Falle professionell organisierter Marktplätze – aus einer Gruppe an Betreibern zusammen, ist nicht eindeutig, wer die entsprechend auf kriminelle Zwecke ausgerichtete Handelsplattform betreibt.769 Die Gesetzesmaterialien verhalten sich hierzu bedeckt. Betreiben werden eine Plattform jedenfalls Personen mit administrativem Vollzugriff auf die Infrastruktur,770 weil diese hierdurch über die Inbetriebnahme sowie die Inganghaltung der Plattform entscheiden können. Inwieweit ausgehend davon auch die in der Hierarchieebene meist unter den eigentlichen Administratoren stehenden Moderatoren eine Plattform betreiben, ist vor dem Hintergrund, dass das „Betreiben“ eine gewisse Selbstständigkeit verlangt, unklar.771 Ob daher auch Moderatoren, die für einzelne Teilbereiche einer Plattform, die Durchsetzung von Regeln oder die Streitschlichtung zwischen Nutzern zuständig sind, eine Handelsplattform betreiben, hängt neben den allgemeinen Abgrenzungsregeln von Täterschaft und Teilnahme nicht zuletzt davon ab, inwieweit zum Beispiel einzelne Teilbereiche eigenständige Handelsplattformen darstellen können.772 4. Kriminelle Zweckausrichtung der Handelsplattform § 127 Abs. 1 Satz 1 StGB knüpft die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Betreibers darüber hinaus an das zentrale Erfordernis, dass der „Zweck [der Handelsplattform] darauf ausgerichtet ist, die Begehung von rechtswidrigen Taten zu ermöglichen oder zu fördern“. Mithilfe dieses Merkmals sollen den Gesetzesmaterialien zufolge allein diejenigen Plattformen vom Tatbestand des § 127 StGB erfasst werden, die auf das Angebot von inkriminierten Waren oder Dienstleistungen beziehungsweise den inkriminierten Handel mit als solchen legalen Waren oder Dienstleistungen ausgerichtet sind.773 Das Merkmal diene insoweit zur bereits tatbestandlichen Ausklammerung von Plattformen mit grundsätzlich rechtmäßigem Geschäftsmodell sowie von Plattformen, die entgegen ihrer legitimen Zielsetzung vereinzelt für den Handel mit illegalen Waren, Dienstleistungen, Inhalten oder Menschen missbraucht werden.774 Hinsichtlich des objektiven Tatbestandsmerkmals, dass der Zweck der Plattform darauf ausgerichtet ist, bestimmte rechtswidrige Taten zu ermöglichen oder zu fördern, seien ferner vornehmlich die Art und Weise der Darstellung der Plattform durch vorgegebene Kategorien für bestimmte illegale Warenangebote, die Gesamtschau des Angebots auf der Plattform oder 769
Zur Unterscheidung von Administratoren und Moderatoren Teil 1 C. IV. Rückert, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 19; Kulhanek, in: BeckOK-StGB, § 127 Rn. 21. 771 Kulhanek, in: BeckOK-StGB, § 127 Rn. 21. 772 Kulhanek, in: BeckOK-StGB, § 127 Rn. 21. 773 BT-Drs. 19/28175, S. 15. 774 BT-Drs. 19/28175, S. 15. Zur Strafbarkeit eines Plattformbetreibers, dessen Plattform nur vereinzelt zum Handel mit illegalen Waren und Dienstleistungen missbraucht wird siehe Teil 4. 770
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die Verortung der Plattform im Darknet beziehungsweise Deep Web als Indizien heranzuziehen.775 Würdigt man jedoch die Ausführungen der Gesetzesmaterialien zum bedeutsamen Merkmal der Ausrichtung des Zwecks der Handelsplattform auf die Ermög lichung oder Förderung der Begehung von rechtswidrigen Taten im Sinne von § 127 Abs. 1 Satz 2 StGB, verbleiben einige Unsicherheiten. a) „Handelsplattform […], deren Zweck darauf ausgerichtet ist“ Unklar bleibt schon der genaue Bedeutungsgehalt des Merkmals der Zweckausrichtung einer Handelsplattform. In § 127 Abs. 1 Satz 1 StGB ist insoweit die Rede von einer „Handelsplattform […], deren Zweck darauf ausgerichtet ist, […]“, in § 127 Abs. 4 StGB ferner davon, dass „die Handelsplattform […] den Zweck hat […]“. § 126a StGB-E in der einstigen Version des Bundesrats nahm abweichend hiervon unter ausdrücklichem Verweis auf die Formulierung des § 129 StGB noch eine internetbasierte Leistung in den Blick, deren „Zweck oder Tätigkeit darauf ausgerichtet ist, […]“.776 Im Referentenentwurf des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat wurde insoweit einerseits auf eine Anlehnung an die Formulierung des § 129 StGB,777 andererseits hinsichtlich der Prüfung der Ausrichtung einer Online-Plattform auf die zu § 202c Abs. 1 Nr. 2 StGB entwickelten Maßstäbe hingewiesen.778 In § 127 StGB wurde nun auf die noch in § 126a StGB-E vorhandene, in Anlehnung an § 129 StGB gewählte, Alternative der Ausrichtung der Tätigkeit einer Handelsplattform verzichtet. Dies mag daran liegen, dass § 127 StGB eine Handelsplattform und nicht etwa wie § 129 StGB eine Vereinigung fokussiert. Während die Tätigkeit einer (Personen-)Vereinigung auf die Begehung von Straftaten ausgerichtet sein kann, kann eine Handelsplattform als solche schon nicht tätig werden. Hinsichtlich der Umschreibung „Handelsplattform […], deren Zweck darauf ausgerichtet ist“ wird seitens der Gesetzesmaterialien zu § 127 StGB sodann ausgeführt, das Merkmal „Zweck der Handelsplattform“ sei, vergleichbar mit § 129 StGB, ein objektives Tatbestandsmerkmal, auf das sich der Vorsatz – ausreichend sei dolus eventualis – beziehen müsse.779 Im Rahmen von § 129 StGB wird die Zweckrichtung der Vereinigung auf die Begehung von Straftaten allerdings danach beurteilt, inwieweit die Organisation nach dem Willen der für ihre Willensbildung maßgeblichen Personen das Ziel verfolgt, strafbare Handlungen zu begehen.780 Insoweit ist jedoch auch an dieser Stelle zu bemerken, dass es bei 775
BT-Drs. 19/28175, S. 15. Siehe die Versionen in Teil 3 I. I. 1. bis 3. 777 RefE IT-Sicherheitsgesetz 2.0, S. 79. 778 RefE IT-Sicherheitsgesetz 2.0, S. 80. 779 BT-Drs. 19/28175, S. 16. 780 BGH v. 22. 01. 2015 – 3 StR 223/14, BGHSt 60, 166, 173. 776
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
§ 129 StGB gerade um den Zweck einer Personenvereinigung geht, sodass Träger des Ziels, Straftaten zu begehen, die Vereinigung ist. Bei § 127 StGB bezieht sich der Zweck dem Wortlaut nach hingegen auf eine Handelsplattform, die als solche keinen Willen bilden und damit kein Ziel der Begehung von Straftaten verfolgen kann. Auch die Ausrichtung des „Zwecks“ bezieht sich daher dem Wortlaut nach nicht unmittelbar auf das Verhalten des Betreibers beziehungsweise der Betreiberebene, sondern auf die im Internet betriebene Handelsplattform („Handelsplattform […], deren Zweck darauf ausgerichtet ist“). Der Gesetzgeber begreift das Merkmal „Zweck der Handelsplattform“ als objektives Tatbestandsmerkmal und führt insoweit objektive Indizien zur Bestimmung an.781 Die Formulierung erinnert aber – ähnlich des Verweises des Referentenentwurfs des Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat zu § 126a StGB-E – an die Vorschrift des § 202c Abs. 1 Nr. 2 StGB. Das Gesetz spricht dort von „Computerprogramme[n], deren Zweck die Begehung einer solchen Tat ist“. Diesbezüglich wurde jedoch nicht selten eingewandt, es könne im Grunde keine „objektiven Zwecke“ eines Computerprogramms geben, weil Zwecke von Menschen gesetzt und daher stets subjektiv seien.782 Zwecke seien danach nicht etwa Eigenschaften, die mit dem Programm auf Dauer verbunden sind; diese seien auch nicht ohne Bezugnahme auf ein zwecksetzendes menschliches Subjekt objektiv feststellbar.783 Das BVerfG fordert daher für die Tatbestandsmäßigkeit eines Computerprogramms im Sinne von § 202c Abs. 1 Nr. 2 StGB, dass dieses mit der Absicht entwickelt oder modifiziert worden sei, es zur Begehung der genannten Straftaten einzusetzen und diese Absicht müsse sich sodann objektiv manifestieren.784 Mit der dem Begriff „Zweck“ innewohnenden finalen Dimension unterscheide sich dieser von jenem der bloßen Eignung. Auch ein systematischer Vergleich zu § 149 StGB und § 275 StGB spreche dafür, den Begriff des Zwecks in § 202c Abs. 1 Nr. 2 StGB in einem engeren Sinne als dem der Eignung oder spezifischen Eignung zu verstehen.785 Insoweit deute auch die Entstehungsgeschichte darauf, die Absichten des Entwicklers des jeweiligen Programms als maßgeblich für dessen Zweckbestimmung zu erachten.786 Dem laut BVerfG vom Wortlaut, der Entstehungsgeschichte, teleologischen und pragma tischen Überlegungen getragenen objektiven Charakter der Zweckbestimmung will dieses sodann Rechnung tragen, indem die Auslegung zwar von den Absichten des Programmentwicklers ausgeht, zusätzlich aber deren äußerlich feststellbare Mani-
781
BT-Drs. 19/28175, S. 15 f. Dazu etwa Hilgendorf, in: LK-StGB, § 202c Rn. 15 m. w. N. 783 Hilgendorf, in: LK-StGB, § 202c Rn. 15. 784 BVerfG v. 18. 05. 2009 – 2 BvR 2233/07, 2 BvR 1151/08, 2 BvR 1524/08, ZUM 2009, 745, 749. 785 BVerfG v. 18. 05. 2009 – 2 BvR 2233/07, 2 BvR 1151/08, 2 BvR 1524/08, ZUM 2009, 745, 749. 786 BVerfG v. 18. 05. 2009 – 2 BvR 2233/07, 2 BvR 1151/08, 2 BvR 1524/08, ZUM 2009, 745, 749. 782
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festation fordert.787 Dies möge in der Gestalt des Programms liegen, etwa im Sinne einer Verwendungsabsicht, die sich der Sache selbst interpretativ ablesen lasse oder aber in einer erkennbar auf illegale Verwendungen abzielenden Vertriebspolitik und Werbung des Herstellers.788 Vor dem Hintergrund der finalen Dimension des Begriffs des Zwecks sollte daher für eine Auslegung des Merkmals der kriminellen Zweckausrichtung einer Handelsplattform in Anlehnung an § 202c Abs. 1 Nr. 2 StGB maßgeblich sein, dass die Plattform nach der Absicht einer bestimmten Person der Ermöglichung oder Förderung der Begehung gewisser rechtswidriger Taten gewidmet wurde und sich diese Absicht sodann nach außen erkennbar manifestiert.789 Mithilfe der Verobjektivierung der Zweckausrichtung dürfte auch dem Willen des Gesetzgebers Rechnung getragen werden, der auf ein objektives Tatbestandsmerkmal pocht und zur Beurteilung der Zweckausrichtung im Sinne des § 127 StGB auf objektive Kriterien rekurriert.790 Zwar finden sich in den Materialien zu § 127 StGB sodann keine ausdrücklichen Ausführungen zum zwecksetzenden Subjekt; als Indizien für eine kriminelle Zweckausrichtung einer Plattform werden lediglich die objektiven Kriterien der Art und Weise der Darstellung, die Gesamtschau des Angebots sowie die Verortung im Deep Web oder im Darknet benannt.791 In den praxisrelevanten Fällen wird es jedoch häufig der Betreiber der Plattform selbst sein, der ihr bei Errichtung beziehungsweise Programmierung einen kriminellen Zweck verleiht.792 Dabei kann etwa auch eine ursprünglich vom Betreiber oder einem anderen zu legalen Zwecken geschaffene Plattform erst im Laufe der Zeit durch den Betreiber kriminellen Zwecken gewidmet werden. Der Verweis der Gesetzesmaterialien darauf, dass hinsichtlich des Merkmals „Zweck der Handelsplattform“ dolus eventualis genügt, ist aber ausgehend davon insbesondere mit Blick auf einen Einzeltäter angesichts der finalen Dimension des „Zwecks“ sowie der „Ausrichtung“ nur sinnvoll, wenn davon ausgegangen wird, dass zwischen zwecksetzendem Subjekt und Betreiber nicht zwingend Personenidentität vorliegen muss. Denn Konstellationen, in denen der Betreiber selbst der Plattform den kriminellen Zweck verleiht, dieser aber gleichzeitig lediglich mit dolus eventualis diesbezüglich handelt, dürften 787
BVerfG v. 18. 05. 2009 – 2 BvR 2233/07, 2 BvR 1151/08, 2 BvR 1524/08, ZUM 2009, 745, 750. 788 BVerfG v. 18. 05. 2009 – 2 BvR 2233/07, 2 BvR 1151/08, 2 BvR 1524/08, ZUM 2009, 745, 750. 789 So im Rahmen des § 202c StGB etwa BVerfG v. 18. 05. 2009 – 2 BvR 2233/07, 2 BvR 1151/08, 2 BvR 1524/08, ZUM 2009, 745, 749 f.; zustimmend etwa Graf, in: MüKo-StGB, § 202c Rn. 16; Eisele, in: Schönke / Schröder, § 202c Rn. 4; kritisch unter anderem Valerius, JR 2010, 84, 85 f. sowie Hilgendorf, in: LK-StGB, § 202c Rn. 15 ff. Instruktiv zur Auslegung des § 202c Abs. 1 Nr. 2 StGB vgl. auch etwa Nestler, Jura 2021, 629 ff. Zu § 127 StGB etwa Eisele, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 6; Kusche, JZ 2021, 27, 32. 790 BT-Drs. 19/28175, S. 15. 791 BT-Drs. 19/28175, S. 15; dazu siehe sogleich Teil 3 I. III. 4. b). 792 Siehe nur den Sachverhalt in LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013.
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angesichts der finalen Dimension beider Begriffe bei Einzeltätern nur schwerlich vorstellbar sein.793 Dementsprechend scheint der Gesetzgeber nicht notwendig Personenidentität zwischen dem Zwecksetzer und dem mit wenigstens dolus eventualis hinsichtlich dieser kriminellen Zweckausrichtung der Plattform handelnden Betreiber zu fordern. In Anlehnung an die im Rahmen von § 202c Abs. 1 Nr. 2 StGB getroffenen Ausführungen des BVerfG, das auf die historischen Absichten des Programmherstellers rekurriert, ließe sich im Rahmen von § 127 StGB daher zugleich andenken, beispielsweise die sich objektiv manifestierenden Absichten des histo rischen Programmierers einer Plattform als zwecksetzendes Subjekt in den Blick zu nehmen, der nicht notwendig mit dem mit dolus eventualis handelnden Betreiber der Plattform personenidentisch sein muss. Jedenfalls der vereinzelte Missbrauch durch einen Nutzer soll aber einer Plattform ausdrücklich keine derartige kriminelle Zweckausrichtung verleihen können.794 Mit Blick auf § 127 StGB wird eine solche zumindest verobjektivierte Auslegung des Merkmals indes nicht nur aus praktischen Erwägungen, sondern – was an späterer Stelle nochmals gesondert zu thematisieren sein wird – schon vor dem Hintergrund der Konturierung des strafwürdigen Verhaltens eines anderenfalls nahezu uferlosen Vorfeldtatbestands erforderlich sein.795 Schließlich erfasst § 127 StGB – worauf ebenfalls noch näher einzugehen ist796 – bereits das bloße Schaffen einer Sachlage, die Straftaten der Nutzer ermöglicht oder fördert, welche teils gar selbst lediglich eine bloße abstrakte Gefährdung für ein Rechtsgut begründen.797 Eine tatsächliche Beeinträchtigung beziehungsweise Verletzung von anerkannten Rechtsgütern wird beim Betreiben krimineller Plattformen jedenfalls erst durch selbstständige deliktische Handlungen der Nutzer verursacht.798 Um mit § 127 StGB nicht einer vollkommen entgrenzten Strafbarkeit im Vorfeld einer Gefährdung oder Verletzung von anerkannten Rechtsgütern den Weg zu ebnen, weist etwa Kusche zu Recht darauf hin, dass eine materielle Unrechtsbegründung nicht durch einen alleinigen Rekurs auf die Breitenwirkung der inkriminierten Plattform erfolgen kann, die letztlich einer jeden Internetplattform innewohnt.799 Das Merkmal der kriminellen Zweckausrichtung soll der Entwurfsbegründung zufolge dazu dienen, rechtmäßige Geschäftsmodelle aus dem Anwendungsbereich der Norm zu entnehmen, selbst wenn diese im Einzelfall entgegen der legalen Zweckausrichtung
793 Allgemeiner dazu auch Eisele, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 7; Rückert, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 20. 794 Vgl. BT-Drs. 19/28175, S. 15. 795 Zur Struktur sowie Legitimation von § 127 StGB siehe ferner Teil 3 I. III. 5. und Teil 3 I. IV. 2. a). 796 Teil 3 I. III. 5. und Teil 3 I. IV. 2. a). 797 Darauf verweisen allgemein bereits Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 12. Speziell im Zusammenhang der „kriminellen Zweckausrichtung“ ebenfalls darauf Bezug nehmend etwa Kusche, JZ 2021, 27, 32. 798 Zum geschützten Rechtsgut des § 127 StGB siehe Teil 3 I. II. 799 Kusche, JZ 2021, 27, 31.
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zur Deliktsbegehung seitens der Nutzer missbraucht werden.800 Damit erkennt auch die Entwurfsbegründung die in gewissem Maße einer jeden Internetplattform innewohnende allgemeine Gefahr, dass Nutzer Plattformen zu kriminellen Geschäften missbrauchen. In Anlehnung an Kusche ist daher vielmehr wenigstens eine Eingrenzung der insoweit strafbegründenden Anreizwirkung mithilfe des Merkmals der Zweckausrichtung einer Handelsplattform auf die Unterstützung von Straftaten vonnöten.801 Diese der Plattform verliehene, kriminelle Zweckrichtung muss sich insoweit aber nicht rein subjektiv, sondern wenigstens auch nach außen erkennbar niederschlagen, um strafwürdiges Unrecht konturieren zu können.802 Bestraft werden sollte danach allenfalls die Verursachung einer gegenüber der allgemeinen Missbrauchsgefahr gesteigerten Gefahr, kriminell Gleichgesinnte an einem virtuellen Ort zusammenzubringen.803 Anhaltspunkt dafür ist, dass sich der verliehene, kriminelle Zweck bereits in einer Weise nach außen hin für einen durchschnittlichen Nutzer offenbart, dass er eindeutig erkennt, dort kriminell Gleichgesinnte anzutreffen.804 Die generelle Erforderlichkeit eines Vorfeldtatbestands einmal angenommen, bedarf es daher zumindest einer verobjektivierten Manifestation der verliehenen Zweckrichtung auf die Ermöglichung oder Förderung der Begehung von Straftaten, um auf diese Weise mithilfe ebenjener Anreizwirkung unverdächtige Alltagshandlungen auszusondern und strafwürdige von strafunwürdigen Verhaltensweisen abzugrenzen.805 b) Würdigung der angeführten Indizien Zwar wurden mit Blick auf das Merkmal der kriminellen Zweckausrichtung nicht zuletzt Bedenken gegen eine hinreichende Bestimmtheit des Tatbestands vorgebracht.806 Diesbezüglich ist aber die mit Blick auf die Beurteilung der Bestimmtheit von Straftatbeständen eher zurückhaltende Tendenz des Bundesverfassungsgerichts gegenüber dem Gesetzgeber zu beachten, und sei es, dass die Vor 800
BT-Drs. 19/28175, S. 15. Kusche, JZ 2021, 27, 31; zur Legitimation von § 127 StGB siehe ferner Teil 3 I. IV. 2. a). 802 Kusche, JZ 2021, 27, 32; Kriminalpolitischer Kreis, Stellungnahme zu § 126a StGB-E, S. 4 f. 803 In diese Richtung Kusche, JZ 2021, 27, 32 unter Verweis auf Greco, ZIS 2019, 435, 443; ferner Ceffinato, JuS 2017, 403, 408. 804 In Anlehnung an Kusche, JZ 2021, 27, 32 unter Verweis auf Greco, ZIS 2019, 435, 442; ferner Kulhanek, in: BeckOK-StGB, § 127 Rn. 41. 805 Kusche, JZ 2021, 27, 32; siehe auch Eisele, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 6. 806 Zum Vorgängerentwurf eines § 126a StGB-E Kubiciel / Mennemann, jurisPR-StrafR 8/2019 Anm. 1; Oehmichen / Weißenberger, KriPoZ 2019, 174, 178; Zöller, KriPoZ 2019, 274, 279; dies thematisierend ebenfalls Bäcker / Golla, Strafrecht in der Finsternis; Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 293 f.; Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 222 f. Allgemein zum strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot vgl. unter anderem Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 103 Rn. 63 ff.; Radtke, in: BeckOK-GG, Art. 103 Rn. 18 ff.; Remmert, in: Dürig / Herzog / Scholz, Art. 103 Rn. 77 ff.; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 103 Abs. 2 Rn. 1 ff. 801
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aussetzungen eines Straftatbestands teils vage formuliert sind.807 Der Gesetzgeber gibt sodann zwar einige Indizien für eine kriminelle Zweckausrichtung vor, scheint die Aufgabe einer sachgerechten Auslegung aber künftig dem Rechtsanwender zu überantworten, der sodann die Grenzen des § 127 StGB bei dessen Auslegung und Anwendung zu ziehen beziehungsweise zu konkretisieren haben wird.808 Würdigt man jedenfalls die objektiven Indizien, die seitens der Gesetzesbegründung zur Beurteilung einer Ausrichtung des Zwecks der Plattform auf die Ermöglichung oder Förderung der Begehung fremder Straftaten ins Feld geführt werden, bedürfen diese einiger klarstellender Bemerkungen. aa) Art und Weise der Darstellung Der Gesetzgeber führt als Indiz für die kriminelle Zweckausrichtung einer Plattform zunächst die Art und Weise der Darstellung einer Plattform – etwa eine Kategorienbildung für bestimmte illegale Waren oder Dienstleistungen – an.809 Unter Zugrundelegung der vorgenannten Linie taugt dies in der Tat grundsätzlich als Indiz zur Konturierung eines strafwürdigen Verhaltens. Ist es etwa der Betreiber selbst, der mithilfe der Art und Weise der Darstellung einer Plattform gezielt die Begehung von Straftaten ermöglicht oder fördert, offenbart dies bereits eine missbilligte Gefahrschaffung desselben.810 Weist die Plattform daher – wie dies in den praktisch bedeutsamen Fällen des Betriebs einer kriminellen Plattform im Darknet häufig der Fall sein wird – eine wegweisende Bezeichnung, Themenkategorien mit eindeutigem Kriminalitätsbezug oder Zugangshindernisse wie Keuschheitsproben auf, bringt deren Betreiber delinquente Nutzer gezielt an einem Ort zusammen. Die Art und Weise der Darstellung fungiert insoweit als eine Art Wegweiser zum Auffinden eines gleichgesinnten Delinquenten und unterfällt allein dem Einflussbereich des Betreibers.811
807
Siehe BVerfG v. 18. 05. 2009 – 2 BvR 2233/07, 2 BvR 1151/08, 2 BvR 1524/08, ZUM 2009, 745 ff.; BVerfG v. 23. 06. 2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, BVerfGE 126, 170 ff.; darauf verweisen in diesem Zusammenhang m. w. N. auch Golla / Bäcker, Strafrecht in der Finsternis. 808 Im Ergebnis zu § 126a StGB-E bereits Golla / Bäcker, Strafrecht in der Finsternis; K ulhanek, in: BeckOK-StGB, § 127 Rn. 39; wohl auch Kubiciel / Mennemann, jurisPR-StrafR 8/2019 Anm. 1; Zöller, KriPoZ 2019, 274, 279. 809 BT-Drs. 19/28175, S. 15. Nach dem Vorgängerentwurf sollten insoweit das tatsächliche Angebot der Plattform, der Umgang mit Hinweisen sowie die Allgemeinen Geschäftsbedingungen entscheidend sein, RefE IT-Sicherheitsgesetz 2.0, S. 80 f. 810 Siehe in diese Richtung schon die Ausführungen unter Teil 2 D. III. 3. und 4., Teil 3 G. II. 811 In diese Richtung auch Rückert, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 15.
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bb) Gesamtschau des tatsächlichen Angebots Im nächsten Halbsatz verweist die Gesetzesbegründung auf die Gesamtschau des dortigen Angebots als Indiz für die kriminelle Zweckausrichtung einer Plattform.812 Erforderlich sei stets eine Prüfung anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls. Jedenfalls vereinzelte rechtmäßige Angebote, die nur eine untergeordnete Bedeutung hätten oder der Verschleierung der tatsächlichen Ausrichtung dienten, stünden der Annahme einer kriminellen Ausrichtung nicht entgegen. Umgekehrt rechtfertigen laut Gesetzgeber vereinzelt rechtswidrige Angebote die Annahme einer insgesamt kriminellen Ausrichtung nicht. Der Charakter des Angebots als stark überwiegend strafrechtlich relevant könne jedoch erhebliche Indizwirkung entfalten.813 Mit Blick auf ebendieses Indiz des tatsächlich auf einer Plattform verfügbaren Angebots wird teils betont, dieses statuiere mittelbar eine Prüfpflicht des Betreibers, die unionsrechtlich mit Blick auf Art. 15 ECRL und §§ 7 ff. TMG unzulässig sei.814 Sofern nämlich § 127 StGB von den tatsächlich auf der Plattform angebotenen Waren und Dienstleistungen abhängen soll, müssten Betreiber das Angebot prüfen, um nicht Gefahr einer Strafbarkeit zu laufen, wenn illegale Inhalte auf ihrer Plattform zunehmen.815 Der Gesetzgeber deutet in diesem Zusammenhang sodann darauf hin, es handle sich bei der Gesamtschau des Angebots lediglich um ein Indiz, sodass Betreiber von legalen Plattformen nicht verpflichtet würden, die jeweils auf ihren Plattformen angebotenen Waren ohne Hinweise auf ein rechtswidriges Angebot von sich aus auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen.816 Vermeiden lässt sich ein drohender Konflikt von § 127 StGB mit Art. 15 ECRL beziehungsweise § 7 Abs. 2 TMG daher zumindest, soweit das Indiz des tatsächlichen Angebots nicht isoliert, sondern lediglich in Ergänzung zu für sich konfliktfreien Indizien herangezogen wird. Ist der Charakter des Angebots etwa angesichts einer vom Betreiber gewählten, kriminellen Darstellung der Plattform überwiegend strafrechtlich relevant, zum Beispiel weil eine kriminelle Nutzung durch Verhaltensrichtlinien ausdrücklich befürwortet wird oder kriminelle Themenkategorien geschaffen werden, ließe sich das Indiz des überwiegend rechtswidrigen Angebots ergänzend fruchtbar machen, wenngleich ein eigenständiger Mehrwert dann eingebüßt wird. Für sich genommen genügt das Indiz des tatsächlichen Angebots aber jedenfalls aufgrund der telemedienrechtlichen Haftungsprivilegierungen nicht, auch nicht zur Begründung eines Anfangsverdachts.817 812
BT-Drs. 19/28175, S. 15. Zum Ganzen siehe BT-Drs. 19/28175, S. 15. 814 Rückert, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 15 ff.; Gerhold, ZRP 2021, 44, 46; Kubiciel / Mennemann, jurisPR-StrafR 8/2019 Anm. 1; Oehmichen / Weißenberger, KriPoZ 2019, 174, 177; Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 296; Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 228. 815 Gerhold, ZRP 2021, 44, 46. 816 BT-Drs. 19/28175, S. 15; Vassilaki, CR 2022, 204, 207. 817 Kusche, JZ 2021, 27, 33. 813
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Probleme bereiten in diesem Zusammenhang ferner die teils benannten, theoretisch denkbaren, im Darknet indes wohl seltenen und daher hier nur am Rande thematisierten Fälle, in denen eine anfangs zu legalen Zwecken in Betrieb genommene Plattform ohne jedes aktive Zutun des Betreibers allmählich von kriminellen Angeboten der Nutzer überrannt wird und deren Betreiber trotz sodann erlangter Kenntnis von der überwiegend kriminellen Nutzung nichts unternimmt.818 Eine von vornherein kriminelle Zweckausrichtung der Plattform durch den Betreiber ist dort nicht gegeben. Anzudenken wäre allenfalls eine Zweckausrichtung durch Unterlassen, wenn der Betreiber gegen die überwiegend missbräuchliche Nutzung nicht einschreitet819 beziehungsweise eine entsprechende Zweckausrichtung durch überwiegend kriminelle Nutzung.820 Auch insoweit sind aber zunächst die §§ 7 Abs. 2, 10 TMG zu berücksichtigen. Betreiber von Plattformen sind danach gemäß § 7 Abs. 2 TMG grundsätzlich nicht verpflichtet, Nutzerinformationen anlasslos zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf rechtswidrige Tätigkeiten hinweisen. Ferner erfordert deren Verantwortlichkeit, dass diese trotz Kenntnis von der konkreten rechtswidrigen Handlung oder der Information nicht zur Löschung tätig werden (§ 10 Satz 1 Nr. 2 TMG).821 Erlangt ein Betreiber sodann allgemein Kenntnis um die überwiegend kriminelle Nutzung seiner Plattform, ist diese Kenntnis jedenfalls nicht auf eine konkrete Information gerichtet, wie § 10 Satz 1 TMG dies verlangt.822 Erklärungspflichtig in Erwägung zu ziehen wäre daher allenfalls, dem Betreiber bei Kenntnis um die überwiegend kriminelle Nutzung die Anwendbarkeit der §§ 7 Abs. 2, 10 TMG aufgrund des Verlassens einer rein neutralen Speicherung und Vermittlerrolle zu versagen, wenn dieser nicht zumindest geeignete technische Maßnahmen ergreift, um Rechtsverletzungen zu verhindern. Schließlich fußt die Haftungsfreistellung des Host-Providers auf dem Gedanken, dass dieser aufgrund eingehender Datenmengen und seiner passiven Vermittlungstätigkeit keine Kenntnis oder Kontrolle über die gespeicherten Inhalte hat.823 Wer aber weiß, dass mithilfe seiner Plattform überwiegend rechtswidrige Inhalte verbreitet werden und es unterlässt, angemessene und zumutbare technische Maßnahmen zu ergreifen, der erleichtert den Nutzern Rechtsverletzungen und leistet gewissermaßen über eine bloße inhaltsneutrale Bereitstellung der Plattform der Begehung von
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Siehe dazu schon Teil 3 I. III. 3.; dazu im vorliegenden Zusammenhang bereits Kusche, JZ 2021, 27, 33 sowie in Bezug auf die Beihilfe Beck / Nussbaum, HRRS 2020, 112, 116 f. 819 Zum „Ausrichten durch Unterlassen“ siehe Kusche, JZ 2021, 27, 33. 820 Im Rahmen der Beihilfe Beck / Nussbaum, HRRS 2020, 112, 116. Zur Garantenstellung eines Betreibers Teil 4 D. 821 Zu den Voraussetzungen der §§ 7 Abs. 2, 10 TMG siehe Teil 2 D. 822 Beck / Nussbaum, HRRS 2020, 112, 117. 823 Ohne Bezug zur „aktiven Rolle“ mit Verweis auf den Sinn und Zweck des Privilegs ähnlich Kusche, JZ 2021, 27, 33. Beck / Nussbaum, HRRS 2020, 112, 117 verweisen insoweit darauf, dass bei abstrakter Kenntnis von der überwiegend kriminellen Nutzung eine Gleichbehandlung zur aktiven kriminellen Ausrichtung aufgrund der tatsächlichen Herrschaft des Betreibers über die Daten und der sich ab dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme verdichtenden rechtlichen Verpflichtung geboten erscheint. Ausführlich zum Neutralitätsgebot des EuGH siehe Teil 2 D. III.
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Straftaten Vorschub.824 Welche technischen Maßnahmen mit Blick auf Marktplätze und Foren zum Handel illegaler Waren und Dienstleistungen dann aber geeignet und zumutbar wären und auf welchem Niveau sich das unionsrechtlich geprägte Privileg mit Blick auf deren Betreiber insgesamt stabilisiert, bleibt abzuwarten. cc) Verortung im Darknet oder Deep Web Abschließend nennen die Gesetzesmaterialien als Indiz für eine kriminelle Zweckausrichtung der Handelsplattform eine Verortung derselben im Darknet oder im Deep Web.825 Schließlich laufe die damit einhergehende Beschränkung der Auffindbarkeit auf bestimmte Kreise dem für gewöhnlich beim Handel verfolgten Ziel zuwider, durch Ausrichtung an möglichst viele Interessenten für eine hohe Nachfrage zu sorgen.826 Insoweit muss man jedoch zunächst sehen, dass eine etwaige Verortung der Plattform im Darknet häufig nicht einmal einer Beschränkung der Auffindbarkeit sowie damit einhergehend einer beschränkten Nachfrage dient, wird doch das Ausfindigmachen von Darknet-Plattformen nicht selten durch Ankündigungen im offenen Bereich des Internets sichergestellt. Intendiert ist insoweit vielmehr die damit einhergehende Verschleierung von IP-Adressen. Unabhängig davon blieben zugleich hinsichtlich einer Beschränkung von Interessenten legitime Gründe denkbar, und seien dies nur anderenfalls nicht durchführbare Sonderaktionen. Konfliktpotential birgt das benannte Indiz – würde man es ohne Hinzukommen aussagekräftiger Indizien genügen lassen – insbesondere vor dem Hintergrund, dass § 127 StGB ausdrücklich nicht auf Plattformen im Darknet begrenzt wurde und tatbestandlich unabhängig von einer Verortung der Handelsplattform innerhalb der Internetstrukturen Anwendung finden soll.827 Der Gesetzgeber 824 Speziell im Urheberrecht lässt der EuGH in Bezug auf die Frage einer „öffentlichen Wiedergabe“ nach Art. 3 Abs. 1 InfoSoc-RL erkennen, dass der Umstand, dass die hauptsächliche oder überwiegende Nutzung einer Plattform in der unrechtmäßigen Zugänglichmachung geschützter Inhalte besteht, zu den Gesichtspunkten zählen könnte, die von Bedeutung sind, um zu ermitteln, ob der Betreiber vorsätzlich tätig wurde. Die Relevanz dieses Umstands wäre laut EuGH umso bedeutsamer, wenn der Betreiber es unterließe, die geeigneten technischen Maßnahmen zu ergreifen, die von einem die übliche Sorgfalt beachtenden Wirtschaftsteilnehmer in seiner Situation erwartet werden können, um Urheberrechtsverletzungen auf seiner Plattform glaubhaft und wirksam zu bekämpfen, EuGH v. 22. 06. 2021 – C-682/18, C-683/18, EU:C:2021:503 – YouTube und Cyando, Rn. 100. Ein solcher Betreiber, der über die Bereitstellung der Plattform zum Teilen rechtswidriger Inhalte beiträgt, erfüllt laut EuGH nicht die Anwendungsvoraussetzungen von Art. 14 ECRL, EuGH v. 22. 06. 2021 – C-682/18, C-683/18, EU:C:2021:503 – YouTube und Cyando, Rn. 108. Dort wurde jedoch inzwischen mit Art. 17 DSM-RL teils ein Sonderhaftungsrecht geschaffen. Siehe allgemein dazu schon Teil 2 D. III. 2. b). 825 BT-Drs. 19/28175, S. 15; kritisch hierzu Eisele, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 6; Rückert, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 17 f.; Zöller, International Cybersecurity Law Review 2021, 279, 289. 826 BT-Drs. 19/28175, S. 15. 827 Dazu Teil 3 I. III. 2.
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
betont selbst unter Verweis auf das Bundeskriminalamt, dass auch im frei zugänglichen Bereich des Internets digitale Marktplätze zum Handel mit illegalen Waren und Dienstleistungen existieren, ohne dass in der Strafwürdigkeit ein Unterschied zum Betreiben solcher Plattformen im Darknet oder Deep Web gegeben wäre.828 Umgekehrt wurde noch im Gesetzentwurf des Bundesrats zur Schaffung eines § 126a StGB-E darauf verwiesen, dass Angebote im Darknet neben solchen mit strafrechtlicher Relevanz unter anderem auch Foren für Whistleblower oder Chatrooms für politisch Verfolgte in autoritär geführten Staaten umfassen.829 Die Tatsache, dass etwa die Tor-Technologie zuhauf für Straftaten genutzt wird, darf daher nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese auch legalen Zwecken dient. Isoliert betrachtet lässt die Verortung einer Plattform im Darknet oder Deep Web – schon vor dem Hintergrund des § 10 TMG830 – jedenfalls unter Würdigung der auch dort legitimen Angebote keinen Rückschluss auf die Ausrichtung der Handelsplattform zu. Anderenfalls drohte die Erfassung sozial nützlicher Verhaltensweisen. Dem Gesetzgeber scheint es insoweit abermals eher um eine dort erschwerte Identifizierung von Tatbeteiligen zu gehen. Vor dem Hintergrund der Konturierung eines strafwürdigen Verhaltens kommt dem benannten Indiz allenfalls in Zusammenschau mit weiteren, eindeutigen Indizien eine Aussagekraft zu.831 c) Plattformen mit teilweise krimineller Ausrichtung Im Verlauf der Schaffung eines eigenständigen Straftatbestands für das Betreiben krimineller Handelsplattformen blieb ferner zunächst unklar, inwieweit solche Plattformen dem Tatbestand unterfallen, die nicht etwa ausschließlich kriminell ausgerichtet sind und neben einzelnen kriminalitätsbezogenen Kategorien als multifunktionale Plattformen in großem Umfang auch legalen Zwecken dienen. Im einstigen Entwurf des Bundesrats zur Schaffung eines § 126a StGB-E wurde allgemein noch darauf verwiesen, dass einer kriminellen Zweckausrichtung nicht entgegenstehe, dass auf der Plattform auch legale Aktivitäten abgewickelt werden, die schlicht die eigentliche Ausrichtung verschleiern sollen.832 Weil insoweit lediglich auf eine etwaige Verschleierung rekurriert wurde, legten ebenjene Aussagen das Erfordernis einer tatsächlich kriminellen Ausrichtung der Plattform in Gänze nahe und standen einer Einbeziehung von Plattformen entgegen, die – wie das Darknet-Forum „Deutschland im Deep Web“ – neben einzelnen kriminellen Kategorien nicht nur zur Verschleierung, sondern tatsächlich auch auf legale Zwecke – den Meinungs- und Informationsaustausch – ausgerichtet sind. Die Gesetzes 828 BT-Drs. 19/28175, S. 16 unter Verweis auf Bundeskriminalamt, Bundeslagebild Cybercrime 2018, S. 38 f. 829 BT-Drs. 19/9508, S. 1. 830 Siehe zur fehlenden „aktiven Rolle“ bei schlichter Ermöglichung von Anonymität siehe schon Teil 2 D. III. 3. b) ee). 831 Im Ergebnis Kulhanek, in: BeckOK-StGB, § 127 Rn. 38. 832 BT-Drs. 19/9508, S. 13.
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begründung zu § 127 StGB verwies sodann darauf, dass vereinzelte rechtmäßige Angebote, die lediglich eine untergeordnete Bedeutung haben oder die tatsächliche Ausrichtung der Plattform verschleiern sollen, einer kriminellen Ausrichtung nicht entgegenstehen würden.833 Umgekehrt sollten vereinzelt rechtswidrige Angebote eine insgesamt kriminelle Zweckausrichtung der Plattform nicht begründen.834 Wenngleich danach zwar zumindest Plattformen dem Tatbestand unterfallen sollten, bei denen den rechtmäßigen Angeboten nur eine untergeordnete Bedeutung zukommt, deuteten die Formulierungen abermals auf das Erfordernis einer zumindest weit überwiegenden kriminellen Ausrichtung der Plattform. Im abschließenden Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz wurde indes klarstellend betont, dass eine kriminelle Ausrichtung des Zwecks der Handelsplattform auch dann begründet werden kann, sofern lediglich einzelnen Kategorien oder Unterkategorien ein solcher ausschließlich krimineller Zweck zugrunde gelegt wurde. Schließlich dränge sich bei einer Kategorie „Kriegswaffen“ neben harmlosen Kategorien wie „Fahrräder“ und „Autos“ die Annahme einer entsprechenden Zweckausrichtung der Plattform insgesamt auf.835 Damit reagierte der Gesetzgeber grundsätzlich auf die Forderung, dass auch die Schaffung einzelner, bewusst vom Betreiber angelegter Unterstrukturen der Plattform von § 127 StGB erfasst sein müsste, sofern man die generelle Erforderlichkeit einer solchen Vorschrift unterstellt.836 Folgerichtig werden daher jedenfalls auch Plattformen wie die hierzulande wohl bekannteste Plattform „Deutschland im Deep Web“ erfasst, bei denen neben einer Vielzahl an legalen Themenkategorien zugleich einige wenige Kategorien für eindeutig kriminelle Zwecke vorgehalten werden.837 Um hier Klarheit zu schaffen, sollte aber § 127 StGB dahingehend geändert werden, dass der Zweck der Handelsplattform „ganz oder teilweise darauf ausgerichtet ist, die Begehung von rechtswidrigen Taten zu ermöglichen oder zu fördern“.838 Schließlich deutet die Schaffung einzelner krimineller Kategorien nicht zwingend auf eine kriminelle Zweckausrichtung der Plattform insgesamt. Gleichwohl ist die Erfassung von Plattformen mit nur teilweise krimineller Ausrichtung zumindest im Umfang derselben bei unterstellter Erforderlichkeit des § 127 StGB überzeugend. Aus Sicht der Praxis bietet dies ferner den entscheidenden Vorteil, dass rechtmäßige Themenkategorien zur Verschleierung einer kriminellen Ausrichtung der Plattform im Übrigen die Anwendbarkeit des § 127 StGB nicht hindern.839
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BT-Drs. 19/28175, S. 15. BT-Drs. 19/28175, S. 15. 835 BT-Drs. 19/31108, S. 4. 836 Eisele, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 7; Kusche, JZ 2021, 27, 31 f.; befürwortend auch Kulhanek, in: BeckOK-StGB, § 127 Rn. 40 ff. 837 Siehe zu solchen Plattformen Teil 1 C. II. 2. 838 Zutreffend Eisele, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 7. 839 Eisele, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 7. 834
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
d) „Ermöglichung“ oder „Förderung“ der Begehung rechtswidriger Taten Anders als etwa § 202c Abs. 1 Nr. 2 StGB, der von Computerprogrammen spricht, „deren Zweck die Begehung solcher Taten ist“, ist in § 127 Abs. 1 Satz 1 StGB außerdem von einer Handelsplattform die Rede, „deren Zweck darauf ausgerichtet ist, die Begehung von rechtswidrigen Taten zu ermöglichen oder zu fördern“. Auch der von den Gesetzesmaterialien zu § 127 StGB im Zusammenhang mit der Zweckausrichtung genannte § 129 StGB fordert abweichend davon eine „Vereinigung […], deren Zweck auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist“.840 Was der Gesetzgeber jedoch konkret unter einer Zweckausrichtung der Plattform auf die „Ermöglichung“ oder „Förderung“ der Begehung von Straftaten im Sinne von § 127 StGB versteht, bleibt unklar, werden doch beide Begrifflichkeiten in der Gesetzesbegründung nicht näher erläutert. In der Literatur wird mit Blick auf beide Merkmale teils darauf verwiesen, der Plattformbetreiber würde eine rechtswidrige Tat ermöglichen, soweit er durch den Plattformbetrieb ein notwendiges Mittel zur Tatbegehung der Nutzer stellt.841 Der Betreiber würde hingegen eine rechtswidrige Tat fördern, sofern er durch den Plattformbetrieb die Bereitschaft zur Tatbegehung beim Nutzer steigern oder unterstützen würde.842 Ferner findet sich in Anlehnung daran die Aussage, „Ermöglichen“ sei als gewünscht ursächlicher Beitrag zum kriminellen Arrangement zwischen den Plattformkunden zu verstehen, das Fördern umschreibe hingegen jede Handlung, welche die Herbeiführung des späteren, originären Taterfolgs durch den auf der Plattform handelnden Kunden objektiv begünstigen oder erleichtern soll, ohne dass hierfür erforderlich wäre, dass sie für den Eintritt dieses Erfolges in seinem konkreten Gepräge in irgendeiner Weise kausal werde oder auch nur werden solle.843 Der in Bezug genommene Straftatenkatalog lässt jedenfalls erkennen, dass letztlich zwei Arten der unter Zuhilfenahme der Plattform begehbaren Delikte zu differenzieren sind.844 Gelistet sind in § 127 Abs. 1 Satz 2 StGB zum einen Tatbestände, die unmittelbar auf der Plattform verwirklicht werden, zum anderen finden sich dort auch Tatbestände, die unter Einbeziehung der Plattform selbst erst vorbereitet werden, etwa dadurch, dass Kontodaten für spätere Betrugstaten unter den Nutzern ausgetauscht werden.845 In Erwägung zu ziehen ist daher, ob nicht die dortige Unterscheidung darauf abzielt, inwieweit die in § 127 Abs. 1 Satz 2 StGB in den Blick genommenen Nutzerstraftaten unmittelbar auf der Plattform verwirklicht oder diese – unter noch weitergehender Vorverlagerung der Strafbarkeit – mithilfe
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Auf diese sprachliche Abweichung verweisen schon Bäcker / Golla, Strafrecht in der Finsternis. 841 Reuter, Kriminalistik 2021, 490, 491. 842 Reuter, Kriminalistik 2021, 490, 491. 843 Kulhanek, in: BeckOK-StGB, § 127 Rn. 32 f. 844 Zur Unterscheidung siehe Ceffinato, ZRP 2019, 161, 163. 845 Ceffinato, ZRP 2019, 161, 163.
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der Plattform selbst nur vorbereitet werden. Schließlich beziehen sich die Merkmale des „Ermöglichens“ sowie des „Förderns“ ebenfalls auf den Zweck der Handelsplattform und nicht unmittelbar auf das Verhalten des Betreibers. Würde man sodann aber die Alternative der Ausrichtung auf die Ermöglichung der Begehung von Straftaten dahingehend interpretieren, dass nur die Ausrichtung auf solche Katalogtaten erfasst ist, deren Begehung durch den Plattformbetrieb unmittelbar ermöglicht wird, wären Plattformen, die darauf ausgerichtet sind, bestimmte Katalogtaten mithilfe der Plattform selbst nur vorzubereiten, nicht vom Tatbestand erfasst. 5. Verzicht auf „Haupttat“ und Ausgestaltung der subjektiven Tatseite Obgleich die in § 127 Abs. 1 Satz 1 StGB enthaltenen Merkmale des „Ermöglichens“ oder „Förderns“ der Begehung von Straftaten an § 27 StGB erinnern, unterscheiden sich beide Strafvorschriften grundlegend. Wie gesehen erfordert § 27 StGB in objektiver Hinsicht einen Gehilfenbeitrag sowie eine zumindest versuchte, vorsätzlich rechtswidrige Haupttat eines anderen, in subjektiver Hinsicht einen Vorsatz gerichtet auf den eigenen Gehilfenbeitrag einerseits sowie die vorsätzlich rechtswidrige Haupttat andererseits.846 Dahingegen lässt der Wortlaut des § 127 Abs. 1 Satz 1 StGB das schlichte Betreiben einer Plattform, deren Zweck auf die Ermöglichung oder Förderung der Begehung von rechtswidrigen Taten im Sinne des § 127 Abs. 1 Satz 2 StGB ausgerichtet ist, zur Tatbestandsverwirk lichung genügen und ist daher bereits von einer zumindest versuchten Tatbegehung der Nutzer grundsätzlich unabhängig.847 Damit einhergehend offenbart sich den Ermittlungsbehörden eine – insbesondere im hier thematisierten Bereich des anonymisierten Darknets – entscheidende Beweiserleichterung, weil nunmehr, anders als im Rahmen von § 27 StGB, nicht länger der Nachweis konkreter Haupttaten erforderlich ist.848 Im Hinblick auf den subjektiven Tatbestand des § 127 StGB ist sodann zunächst anzumerken, dass der Gesetzgeber schlicht darauf verweist, es handle sich bei dem Merkmal „Zweck der Handelsplattform“ vergleichbar mit § 129 StGB um ein objektives Tatbestandsmerkmal, worauf sich der Vorsatz beziehen müsse, wobei ebenfalls wie bei § 129 StGB dolus eventualis ausreichend sei.849 Schon im Rahmen des § 129 StGB wird aber insbesondere mit Blick auf die Tatvariante des Gründens einer Vereinigung darauf verwiesen, dass insoweit Absicht im Sinne eines zielgerichteten Wollens zu verlangen sein wird.850 Ginge man davon aus, dass der Betreiber selbst der Plattform den kriminellen Zweck verleihen muss, blieben je-
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Siehe Teil 3 G. Siehe die Nachweise in Teil 3 Fn. 697 sowie Teil 3 I. II. 848 Dazu ausführlich Teil 3 I. IV. 1. 849 BT-Drs. 19/28175, S. 16. 850 Siehe etwa Sternberg-Lieben / Schittenhelm, in: Schönke / Schröder, § 129 Rn. 16. 847
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
doch – wie schon erläutert – praxisrelevante Fälle von dolus eventualis hinsichtlich der Zweckausrichtung angesichts der dortigen finalen Dimension kaum denkbar.851 Sinnvoll ist der Verweis auf einen genügenden bedingten Vorsatz daher vorliegend nur, sofern Zwecksetzer und Betreiber gerade nicht zwingend personenidentisch sein müssen.852 Vergleicht man § 127 StGB anschließend im Hinblick auf die Ausgestaltung der subjektiven Tatseite erneut mit der Strafvorschrift des § 202c Abs. 1 Nr. 2 StGB, so weicht die dogmatische Konstruktion des § 127 StGB indes auch hiervon ab. Schließlich bezieht der Tatbestand des § 202c StGB, der nach dem gesetzgeberischen Willen ausdrücklich dasjenige Verhalten erfassen soll, das bei Ausbleiben einer Haupttat als versuchte Beihilfe straflos bliebe,853 insoweit anders als § 127 StGB, ausdrücklich das „Vorbereiten“ einer Straftat nach §§ 202a, 202b StGB („Wer eine Straftat nach § 202a oder § 202b StGB vorbereitet, indem […]“) ein. Den Gesetzesmaterialien des § 202c StGB zufolge muss der Täter insoweit eine eigene oder fremde Computerstraftat in Aussicht genommen haben.854 Zwar ist ebendieses Merkmal der „Vorbereitung“ in seiner Rolle und Reichweite nicht unumstritten. Nach verbreiteter Auffassung muss jedoch der zumindest bedingte Vorsatz des Täters Tathandlung und Tatgegenstand umfassen und sich darüber hinaus als überschießende Innentendenz auf die Vorbereitung einer Straftat nach §§ 202a, 202b StGB richten,855 wenngleich nicht einheitlich beurteilt wird, in welchem Maße dabei die Tat gemäß § 202a StGB oder § 202b StGB nach der Vorstellung des Vorbereitungstäters konkretisiert sein muss.856 In Anbetracht der Tatsache aber, dass die in diesem Vorbereitungsvorsatz aufgenommene künftige Computerstraftat tatsächlich nicht einmal zumindest versucht werden muss, findet dieser im objektiven Tatbestand jedenfalls keine Entsprechung.857 Jene dem Merkmal des „Vorbereitens“ innewohnende, über den objektiven Tatbestand hinausgehende, subjektive Seite ist es daher auch, weshalb § 202c StGB der Kategorie der Vorbereitungsdelikte zugeordnet wird, innerhalb derer eine Rechtsgutsgefährdung vorwiegend aus den subjektiven Absichten, Planungen oder sonstigen Vorstellungen des Täters hervorgehen soll.858 In Abgrenzung zu § 202c StGB verweist etwa Popp auf den im Übrigen ähnlichen Straftatbestand des § 4 ZKDSG, dessen entscheidender Unterschied gegenüber § 202c Abs. 1 Nr. 2 StGB im subjektiven Tatbestand liege, weil dort ge-
851 Darauf verweisen zutreffend bereits Eisele, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 7; Rückert, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 20. 852 Siehe dazu schon Teil 3 I. III. 4. a). 853 BT-Drs. 16/3656, S. 12. 854 BT-Drs. 16/3656, S. 19. 855 Näher dazu etwa Eisele, in: Schönke / Schröder, § 202c Rn. 6 f.; Fischer, StGB, § 202c Rn. 8; Graf, in: MüKo-StGB, § 202c Rn. 30; Kargl, in: NK-StGB, § 202c Rn. 13. 856 Für eine Orientierung an §§ 26, 27 StGB etwa Hilgendorf, in: LK-StGB, § 202c Rn. 28; anders hingegen beispielsweise Fischer, StGB, § 202c Rn. 8. 857 Popp, GA 2008, 375, 377. 858 Siehe etwa Sieber, NStZ 2009, 353, 359.
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rade kein solcher Vorbereitungsvorsatz hinsichtlich des deliktischen Einsatzes der Umgehungsvorrichtung vonnöten sei.859 Auch Albrecht unterscheidet terminologisch angelehnt an Sieber zwischen sogenannten Vorbereitungsdelikten einerseits und sogenannten Anschließungsdelikten860 andererseits und ordnet § 202c StGB ersterer, § 4 ZKDSG hingegen letzterer Kategorie zu.861 Der Begriff des Anschließungsdelikts verdeutliche dabei, dass ein eigenständiges Verhalten eines anderen an das Verhalten des Vorfeldtäters anschließen müsse, um eine Verletzung des geschützten Rechtsguts zu bewirken.862 Zwar sei bei Anschließungsdelikten sodann nicht erforderlich, dass der Vorfeldtäter wie bei Vorbereitungsdelikten seine Handlung mit einem entsprechenden subjektiven Bezug zu einer Zieltat vornehme, gänzlich frei von subjektiven Bezügen seien jedoch auch Anschließungsdelikte nicht.863 Diese fänden sich aber anders als bei Vorbereitungsdelikten nicht in der Tathandlung des Vorbereitungstäters, sondern im Tatobjekt und damit grundsätzlich losgelöst vom Vorfeldtäter.864 Strafgrund sei insoweit der Umgang mit gefährlichen Computerprogrammen, wobei deren Gefährlichkeit und Unbeherrschbarkeit einen fehlenden subjektiven Bezug des Vorfeldtäters zu bestimmten Zieltaten aufwiegen soll.865 Nach Albrecht könne man in solchen Fällen aber jedenfalls nicht von einer versuchten Beihilfe ähnlich des § 202c StGB sprechen, weil dort zumindest ein doppelter Gehilfenvorsatz erforderlich wäre, der sich mit nötigen Abänderungen auch im Vorfelddelikt abzeichnen müsse.866 Bei den sogenannten Anschließungsdelikten finde sich die Zieltat aber weder im objektiven noch im subjektiven Tatbestand wieder, sodass Albrecht solche Konstruktionen als nicht-akzessorische Beihilfe bezeichnet.867 Mit der Ausgestaltung der subjektiven Seite der Vorschrift lege der Gesetzgeber jedenfalls zugleich deren Deliktsstruktur fest.868
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Popp, GA 2008, 375, 378. Allgemeiner zur Abgrenzung von Vorbereitungsdelikten zu sogenannten Anschließungsdelikten, die anders als Vorbereitungsdelikte nicht voraussetzen würden, dass der Vorfeldtäter seine Handlung mit einem bestimmten intentionalen Bezug zur Zieltat vornimmt, Albrecht, Die Kriminalisierung von Dual-Use-Software, S. 135 ff.; zu diesen Vorfelddelikten bereits Sieber, NStZ 2009, 353, 358 ff. 860 Albrecht, Die Kriminalisierung von Dual-Use-Software, S. 135 unter Bezugnahme auf Sieber, NStZ 2009, 353, 358 ff. 861 Ausführlich dazu Albrecht, Die Kriminalisierung von Dual-Use-Software, S. 135 ff., 153 f. 862 Albrecht, Die Kriminalisierung von Dual-Use-Software, S. 153 unter Verweis auf Sieber, NStZ 2009, 353, 358. 863 Albrecht, Die Kriminalisierung von Dual-Use-Software, S. 154. 864 Albrecht, Die Kriminalisierung von Dual-Use-Software, S. 154. 865 Albrecht, Die Kriminalisierung von Dual-Use-Software, S. 153 f., der jedoch sodann anmerkt, dass nicht alle Anschließungsdelikte im Software-Strafrecht rechtstechnisch so ausgestaltet sind, dass diese ein unbeherrscht gefährliches Verhalten abbilden. 866 Albrecht, Die Kriminalisierung von Dual-Use-Software, S. 158. 867 Albrecht, Die Kriminalisierung von Dual-Use-Software, S. 158. Allgemein kritisch zur Bezeichnung der Kriminalisierung einer versuchten Beihilfe bei § 127 StGB, jedoch zusätzlich unter Verweis auf den Schutz eines eigenen Rechtsguts siehe Kulhanek, in: BeckOK-StGB, § 127 Rn. 7, 10. 868 Albrecht, Die Kriminalisierung von Dual-Use-Software, S. 135.
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
Richtet man nun den Blick erneut hin zu § 127 StGB und lehnt die öffentliche Sicherheit und Ordnung als geschütztes Rechtsgut ab,869 erfordert eine tatsächliche Beeinträchtigung anerkannter Rechtsgüter stets weitere deliktische Handlungen der Nutzer. In § 127 StGB findet sich nun aber kein entsprechendes Merkmal des „Vorbereitens“, aus dem ein Vorbereitungsvorsatz ähnlich des § 202c Abs. 1 StGB im Sinne einer überschießenden Innentendenz des Betreibers im Hinblick auf die nachfolgende Katalogtat des § 127 Abs. 1 Satz 2 StGB unmittelbar abzuleiten wäre. Zwar finden sich subjektive Bezüge zu den Katalogtaten in dem Merkmal der auf kriminelle Zwecke ausgerichteten Handelsplattform, das aufgrund der finalen Dimension des Begriffs „Zweck“ in Anlehnung an § 202c Abs. 1 Nr. 2 StGB dahingehend zu interpretieren ist, dass die Handelsplattform etwa mit der Absicht erstellt oder modifiziert worden ist, diese zu kriminellen Zwecken einzusetzen und sich jene Absicht des Zwecksetzers nach außen manifestiert.870 Wie gesehen deuten die Gesetzesmaterialien jedoch mit dem Verweis auf einen hinsichtlich des objektiven Merkmals des „Zwecks der Handelsplattform“ genügenden dolus eventualis des Betreibers871 darauf, dass Zwecksetzer und Betreiber der Plattform wohl nicht zwingend personenidentisch sein müssen.872 Diese im Zweckmerkmal verankerten subjektiven Bezüge beziehen sich daher ähnlich des § 4 ZKDSG jedenfalls nicht unmittelbar auf die Tathandlung des Betreibers als Vorfeldtäter, sodass der Vorschrift nicht explizit entnommen werden kann, dass auch das Betreiben der Plattform als relevante Tathandlung mit einem überschießenden Vorbereitungsvorsatz hinsichtlich des deliktischen Einsatzes der Plattform vorgenommen werden muss. Nicht nur auf das Vorliegen einer zumindest versuchten Haupttat, sondern zugleich auf einen entsprechenden überschießenden Vorbereitungsvorsatz des Betreibers zu verzichten, dürfte indes auch vom Gesetzgeber so beabsichtigt worden sein. Schließlich begründet dieser die Erforderlichkeit des § 127 StGB in den Gesetzesmaterialien damit, dass die Regelungen zur Beihilfe jedenfalls nicht ausreichten, sofern der Betreiber aufgrund einer Vollautomatisierung der Plattform keine Kenntnis von den konkreten Waren oder Dienstleistungen nehmen müsse und diesem daher keine Kenntnis der Haupttat in ihren wesentlichen Merkmalen nachzuweisen sei.873 Zumindest teilweise wird allerdings auch im Rahmen von § 202c StGB für die Vorstellung von der künftigen „Haupttat“ auf die Grundsätze des § 27 StGB verwiesen,874
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Siehe dazu Teil 3 I. II. Siehe Teil 3 I. III. 4. a). Allgemein zu intentionalen Bezügen in Tatobjekten bei sogenannten Anschließungsdelikten siehe Albrecht, Die Kriminalisierung von Dual-Use-Software, S. 155 ff. 871 BT-Drs. 19/28175, S. 16. 872 Siehe dazu Teil 3 I. III. 4. a). 873 BT-Drs. 19/28175, S. 10. 874 Etwa Hilgendorf, in: LK-StGB, § 202c Rn. 28; allgemeiner zu den Anforderungen an die Vorstellung von der künftigen Straftat im Rahmen eines Vorbereitungsdelikts siehe Puschke, Legitimation, Grenzen und Dogmatik von Vorbereitungstatbeständen, S. 366 f., der darauf verweist, dass die Voraussetzungen des Gehilfenvorsatzes bei Vorbereitungstatbeständen nicht unterschritten werden dürften, weil bereits auf das Erfordernis der Begehung der Haupttat verzichtet werde. Anders hingegen unter anderem Fischer, StGB, § 202c Rn. 8; Popp, GA 2008, 375, 392. 870
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deren Nachweis in den Augen des Gesetzgebers beim Betreiben vollautomatisierter Plattformen gerade nicht gelingen würde. Ferner spricht § 127 StGB lediglich von einer Handelsplattform, deren Zweck darauf ausgerichtet ist, die Begehung rechtswidriger Taten zu ermöglichen oder zu fördern. Die tatsächliche Begehung einer „Haupttat“ muss demnach augenscheinlich nicht in den Vorsatz des Betreibers aufgenommen sein. Dementsprechend müsste der Betreiber nach der derzeitigen Ausgestaltung schlicht vorsätzlich hinsichtlich der objektiven Tatbestandsmerkmale handeln, das heißt die Tathandlung des Betreibens vorsätzlich vornehmen und mit mindestens bedingtem Vorsatz hinsichtlich der verobjektivierten Zweckausrichtung der Plattform agieren.875 Letztlich kam es dem Gesetzgeber mit § 127 StGB demnach nicht auf die Schaffung eines Vorbereitungsdelikts an, bei dem sich die Rechtsgutsgefährdung vorwiegend aus subjektiven Vorstellungen des Täters ergibt, sondern auf die Schaffung eines objektiven Gefahrschaffungsdelikts aufgrund der seinerseits erblickten Gefährlichkeit und Unbeherrschbarkeit krimineller Handelsplattformen. Inwieweit sich diese Vorverlegung des Strafrechtsschutzes gänzlich abgekoppelt von fremdem Unrecht allgemein als legitim erweist, sei dabei an späterer Stelle nochmals kurz gesondert thematisiert.876 6. Enumerativer Katalog rechtswidriger Taten des § 127 Abs. 1 Satz 2 StGB § 126a StGB-E im Entwurf des Bundesrats nahm aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auf die Ermöglichung oder Förderung der Begehung einer enumerativen Aufzählung an Verbrechen und Vergehen Bezug.877 Dahingegen sollte § 126a StGB-E in der Fassung des Referentenentwurfs vom 27. März 2019 im Sinne eines sogenannten All-Crime-Ansatzes sämtliche „rechtswidrige Taten“ gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB betreffen, um zugleich beispielsweise etwaige Ermög lichungs- oder Förderungsbeiträge zu Äußerungsdelikten zu erfassen.878 § 127 Abs. 1 Satz 2 StGB kehrt nunmehr zurück zu einem enumerativen Katalog an rechtswidrigen Taten. Der Begriff der „rechtswidrigen Taten“ orientiert sich dabei an demjenigen des § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB.879 Nach § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB ist rechtswidrige Tat eine solche, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht. Mit Blick auf § 127 StGB folgt daraus, dass die Begehung straftatbestandsmäßiger sowie rechtswidriger Taten ermöglicht oder gefördert werden muss, der 875 Allgemeiner zu Anschließungsdelikten siehe Albrecht, Die Kriminalisierung von DualUse-Software, S. 156 ff. 876 Zur Legitimation von § 127 StGB siehe Teil 3 I. IV. 2. a). 877 BT-Drs. 19/9508, S. 13. 878 RefE IT-Sicherheitsgesetz 2.0, S. 81; zusammenfassend auch etwa Kubiciel / Mennemann, jurisPR-StrafR 8/2019 Anm. 1. 879 Zu § 126a StGB-E ohne enumerativen Katalog siehe noch RefE IT-Sicherheitsgesetz 2.0, S. 81.
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Zweck der Plattform muss hingegen nicht auf die Ermöglichung oder Förderung auch der schuldhaften Begehung solcher Taten gerichtet sein.880 § 127 StGB spricht sodann von einer Zweckausrichtung dahingehend, die Begehung von „rechtswidrigen Taten“ zu ermöglichen oder zu fördern. Fraglich ist insoweit, ob ebenjene Formulierung im Plural die Anwendbarkeit des § 127 StGB verschließt, soweit – in den schon praktisch kaum denkbaren Fällen – der Zweck der Plattform lediglich auf die Ermöglichung oder Förderung der Begehung einer einzigen rechtswidrigen Tat gerichtet ist.881 Die Verwendung der Pluralform ließe sich dort zwar grundsätzlich lediglich als Ausdruck dafür interpretieren, dass der Tatbestand durch die Ausrichtung auf die verschiedenen, gelisteten rechtswidrigen Taten verwirklicht werden kann. Ähnlich wird im Rahmen von § 219b StGB sowie der dortigen Bezugnahme auf „rechtswidrige Taten“ nach § 218 StGB vertreten, dass die Verwendung des Plurals die Anwendung der Norm nicht ausschließt, sofern nur eine Tat beabsichtigt ist.882 Und schließlich formuliert das Gesetz Tatbestandsmerkmale auch an anderer Stelle im Plural, obgleich dort die tatsächliche Verwirklichung eines darunter zu subsumierenden Beispiels genügt. In diesem Sinne bedient sich etwa § 315b Abs. 1 Nr. 1 StGB des Merkmals der „Anlagen“, obwohl dort die Beschädigung, Zerstörung oder Beseitigung nur einer Anlage genügt. Sieht man die Legitimation des § 127 StGB jedoch in der kriminellen Handelsplattformen innewohnenden Anreiz- und Breitenwirkung sowie der damit einhergehenden Unbeherrschbarkeit,883 sollten Plattformen, die schlicht auf die Begehung einer einzigen rechtswidrigen Tat ausgerichtet sind, nicht dem Tatbestand unterfallen. § 127 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB bezieht als rechtswidrige Taten sodann zunächst sämtliche Verbrechen ein, sei diesbezüglich doch von besonderer Relevanz, „keine Strafbarkeitslücken bei Ermöglichungs- oder Förderungsbeiträgen zu lassen.“884 Anders als der Entwurf des Bundesrats erfasst § 127 StGB daher nunmehr etwa auch das Betreiben eines sogenannten assassination-markets.885 Daneben listet § 127 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 lit. a – l StGB bestimmte als Vergehen ausgestaltete Tatbestände des Kern- und Nebenstrafrechts, die den Handel mit inkriminierten Waren oder inkriminierte Formen des Handeltreibens mit nicht per se unerlaubten Waren betreffen. Ferner werden Vergehen gelistet, die das internetbasierte Bestellen einer inkriminierten Dienstleistung – wie das Ausspähen von Daten – zum Gegenstand
880
Allgemein zu § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB siehe Hilgendorf, in: LK-StGB, § 11 Rn. 79; Radtke, in: MüKo-StGB, § 11 Rn. 131; Saliger, in: NK-StGB, § 11 Rn. 55; Stein / Deiters, in: SK-StGB, § 11 Rn. 79; zu § 127 StGB Kulhanek, in: BeckOK-StGB, § 127 Rn. 49. 881 Dazu Kulhanek, in: BeckOK-StGB, § 127 Rn. 47. 882 Etwa Merkel, in: NK-StGB, § 219b Rn. 4. 883 Dazu noch Teil 3 I. IV. 2. a). 884 BT-Drs. 19/28175, S. 16. 885 Kritisch zur Fassung des Bundesrats, die etwa nicht die §§ 211, 212 StGB als Verbrechen listete, Eisenreich, in: BR-Plenarprotokoll 974, S. 20 sowie Bachmann / Arslan, NZWiSt 2019, 241, 246.
I. „Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet“
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haben.886 Im Hinblick auf den enumerativen Straftatenkatalog des § 127 Abs. 1 Satz 2 StGB wird daher, wie schon an anderer Stelle erläutert,887 deutlich, dass neben rechtswidrigen Taten, die unmittelbar auf der Plattform verwirklicht werden auch solche rechtswidrigen Taten erfasst sind, die unter Zuhilfenahme der Plattform schlicht vorbereitet werden, indem etwa rechtswidrig erlangte Kontodaten für einen späteren Betrug gehandelt werden.888 Die Notwendigkeit des § 127 StGB einstweilen unterstellt, verdient sodann zwar die Begrenzung auf einen enumerativen Katalog an rechtswidrigen Taten, anders als der zuvor ebenfalls diskutierte All-Crime-Ansatz, nicht zuletzt unter Verhältnismäßigkeitsaspekten, im Grundsatz Zuspruch. Soweit § 127 StGB nicht die Unterstützung sämtlicher Taten – und damit nicht auch die Unterstützung etwaiger Bagatelldelikte – erfasst, trägt ebendies, wenngleich in geringem Maße, zur Begrenzung des anderenfalls nahezu uferlosen Tatbestands bei.889 Am Rande hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang jedenfalls bereits darauf, dass sich im Straftatenkatalog des § 127 Abs. 1 Satz 2 StGB neben einigen Vergehen, deren Versuch jeweils im Gesetz mit Strafe bedroht ist, zugleich eine Reihe an Vergehen findet, hinsichtlich derer von der Anordnung einer Strafbarkeit des Versuchs abgesehen wurde. Gemeint sind etwa die §§ 202a f. StGB. Das Fehlen einer Versuchsstrafbarkeit begründet der Gesetzgeber dort unter anderem mit einem Verweis auf die ohnehin niedrige Schwelle einer Strafbarkeit.890 § 127 StGB pönalisiert nun als abstraktes Gefährdungsdelikt die zumindest faktisch als Vorbereitungshandlungen einzuordnenden Tätigkeiten zu den genannten Delikten, deren Versuch selbst nicht strafbar ist. Insoweit werden mithilfe von § 127 StGB die nur abstrakt gefährlichen Handlungen im Vorfeld mit täterschaftlicher Strafe belegt, konkret gefährliche Versuchshandlungen solcher Haupttaten jedoch in Straffreiheit entlassen.891 Der Gesetzgeber wird insoweit aber darauf verweisen, dass § 127 StGB unabhängig vom Unrecht der „Haupttaten“ ist und darüber hinausgehend nicht allein die durch die rechtswidrigen Taten geschützten Rechtsgüter in den Blick nimmt, sondern aufgrund des eigenständigen Unrechtsgehalts für sich dem Schutz der öffentlichen Sicherheit
886
Zum Ganzen BT-Drs. 19/28175, S. 16. Durch die Beschlussempfehlung wurde der Katalog ferner um § 261 Abs. 1, Abs. 2 StGB unter den in § 261 Abs. 5 Satz 2 StGB genannten Voraussetzungen sowie § 83 Abs. 1 Nr. 4 und 5, Abs. 4 KGSG erweitert; vgl. hierzu sowie zu weiteren teils redaktionellen Korrekturen den Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drs. 19/31108, S. 5. 887 Siehe Teil 3 I. III. 4. d). 888 Ceffinato, ZRP 2019, 161, 163. 889 Kritisch zur vorherigen Erfassung von Bagatelldelikten etwa Zöller, KriPoZ 2019, 274, 279; Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 224. 890 So etwa für die §§ 202a, 202b StGB, vgl. BT-Drs. 16/3656, S. 10, 11. 891 Kritisch zu § 202c StGB siehe Borges / Stuckenberg / Wegener, DuD 2007, 275; Bosch, in: Satzger / Schluckebier / Widmaier, StGB, § 202c Rn. 1; Graf, in: MüKo-StGB, § 202c Rn. 3a; Hilgendorf, in: LK-StGB, § 202c Rn. 6. Zum Ganzen anlässlich des Vorgängerentwurfs des § 126a StGB-E sowie die dortige Bezugnahme auf § 276 StGB auch Bitz, in: VI. SammelbandGKPR, 36, 52 f.
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
und Ordnung dient.892 Warum der Gesetzgeber dann aber – worauf noch näher einzugehen ist893 – bei § 127 StGB von einem Tatbestand mit Auffangcharakter spricht und das eigenständige Unrecht wegen der formellen Subsidiaritätsklausel des § 127 Abs. 1 Satz 1 a. E. StGB im Schuldspruch nicht im Wege der Tateinheit zum Ausdruck kommen lassen will, bleibt dabei im Unklaren. Daneben bezieht der Straftatenkatalog des § 127 Abs. 1 Satz 2 StGB zugleich Straftatbestände ein, die selbst lediglich Vorbereitungshandlungen oder die Schaffung abstrakter Gefahren sanktionieren und führt insoweit zu einer erheblichen Vorverlagerung des Rechtsgüterschutzes.894 Ungeachtet dessen erweist sich mit Blick auf die hier interessierenden Plattformen im Darknet nach wie vor eine Vielzahl der dortigen Straftatbestände als besonders für das Darknet szenetypisch. Der hier vornehmlich interessierende Betrieb eines digitalen Marktplatzes oder eines Forums im Darknet, der auf einen oder mehrere praxisrelevante Bereiche des illegalen Handels mit pornografischen Inhalten, Betäubungs- oder Arzneimitteln, Waffen oder Munition beziehungsweise falschen digitalen Identitäten ausgerichtet ist, ist demnach durch die Bezugnahme des § 127 Abs. 1 Satz 2 StGB regelmäßig erfasst. 7. Gewerbs- oder bandenmäßige Begehung nach § 127 Abs. 3 StGB Neben dem in § 127 Abs. 1 StGB normierten Grundtatbestand hält § 127 Abs. 3 StGB ferner einen Qualifikationstatbestand für das gewerbsmäßige (Alt. 1) oder bandenmäßige (Alt. 2) Betreiben einer kriminellen Handelsplattform bereit, der im Strafrahmen – sechs Monate bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe – ausdrücklich an § 260 Abs. 1 Nr. 1 StGB, § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB und § 267 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB angelehnt ist.895 Die erhöhte Strafandrohung sei insoweit bei gewerbsmäßigem Betrieb aufgrund der meist einhergehenden Steigerung von Dauer und Umfang der Tätigkeit sowie der insoweit regelmäßig deutlich gesteigerten kriminellen Energie des Täters gerechtfertigt, bei bandenmäßiger Begehung hingegen durch die zunehmende Gefährlichkeit angesichts der verfestigten Struktur bei Zusammenschluss mehrerer sowie der in der Bandenabrede zum Ausdruck kommenden erhöhten kriminellen Energie.896 Mit § 127 Abs. 3 StGB werde daher einerseits den Gerichten ein Instrumentarium gereicht, um ein „tat- und schuldangemessenes Strafmaß bestimmen zu können“, andererseits werde verdeutlicht, dass die beschriebenen Verhaltensweisen dem Bereich der besonders schweren
892
Zum Rechtsgut siehe Teil 3 I. II. Siehe Teil 3 I. III. 9. 894 Siehe hierzu ferner Teil 3 I. IV. 2. a). 895 BT-Drs. 19/28175, S. 17. 896 BT-Drs. 19/28175, S. 17. Nur die gewerbsmäßige Tatbegehung als Qualifikationstatbestand vorsehend noch RefE kriminelle Handelsplattformen, S. 4, 12 f. 893
I. „Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet“
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Straftaten unterfallen.897 Abweichend zu den vom Gesetzgeber unter anderem ins Feld geführten § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB und § 267 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB handelt es sich bei § 127 Abs. 3 StGB jedoch um einen Qualifikationstatbestand und nicht um einen besonders schweren Fall.898 Wie schon an anderer Stelle ausgeführt, liegt gewerbsmäßiges Handeln vor, sofern sich der Täter durch die wiederholte Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang und von einiger Dauer verschaffen will.899 Mit Blick auf § 127 Abs. 3 StGB gilt es im Rahmen des Definitionsmerkmals der wiederholten Tatbegehung indes den Deliktscharakter des § 127 StGB als Dauerdelikt zu bedenken.900 Konkurrenzrechtlich bilden Dauerdelikte angesichts der einmaligen ununterbrochenen Tatbestandsverwirklichung lediglich eine Handlung im juristischen Sinne.901 Hinsichtlich des Erfordernisses der Absicht einer wiederholten Tatbegehung lässt sich jedoch eine Parallele zur Möglichkeit des gewerbsmäßigen Handeltreibens trotz der Zusammenfassung von Einzelbeiträgen zu einer einheitlichen Tat im Sinne von § 52 Abs. 1 StGB begründen.902 Ungeachtet dessen bleiben theoretisch Fälle denkbar, in denen die Gewerbsmäßigkeit vergleichsweise unproblematisch zu begründen ist. Ist etwa nachweisbar, dass die Betreiberebene eine Handelsplattform von vornherein mit der Absicht eines sogenannten „exit scams“903 betreibt und im Anschluss an eine Vereinnahmung der Kundengelder und Abschaltung der Plattform eine neue Handelsplattform in Betrieb nehmen will, ist Gewerbsmäßigkeit des Handelns bereits im Falle der ersten Tat anzunehmen. Die bandenmäßige Deliktsbegehung setzt ferner einen Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbstständige, im Ergebnis noch ungewisse Straftaten des im Gesetz genannten Deliktstyps zu begehen.904 Dabei ist der Deliktscharakter des § 127 StGB als Dauerdelikt auch im Rahmen des Qualifikationstatbestands der bandenmäßigen Deliktsbegehung nach § 127 Abs. 3 Alt. 2 StGB grundsätzlich zu beachten. Zwar steht dem Merkmal der Begehung mehrerer selbstständiger Taten grundsätzlich die Zusammenfassung mehrerer Beiträge als eine einheitliche Tat nach § 52 Abs. 1 StGB nicht per se entgegen.905 Inwieweit jedoch die Formulierung von § 127 Abs. 3 Alt. 2 StGB „zur fortgesetzten Begehung sol 897
BT-Drs. 19/28175, S. 17. Kulhanek, in: BeckOK-StGB, § 127 Rn. 59. 899 Zur Gewerbsmäßigkeit siehe allgemein Teil 3 B. II. 3. a). 900 Dazu Teil 3 I. II.; Kulhanek, in: BeckOK-StGB, § 127 Rn. 60. 901 Etwa Eschelbach, in: Satzger / Schluckebier / Widmaier, StGB, § 52 Rn. 46. 902 Siehe Teil 3 B. II. 3. a). Ähnlich Kulhanek, in: BeckOK-StGB, § 127 Rn. 60, der schlicht ein zeitliches und ein finanzielles Moment für Gewerbsmäßigkeit im Sinne von § 127 Abs. 3 StGB fordert. 903 Zu sogenannten „exit scams“ siehe Teil 1 Fn. 38. 904 Teil 3 B. II. 3. c). 905 Teil 3 B. II. 3. c). 898
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cher Taten verbunden“ – gemeint ist § 127 Abs. 1 StGB – aufgrund der Verwendung des Plurals tatsächlich eine geplante mehrfache selbstständige Verwirklichung des § 127 StGB verlangt, wird eine Auslegung der Rechtsprechung zeigen müssen.906 Abermals gewinnen jedoch zumindest die denkbaren Fälle eines von vornherein geplanten exit-scams der Betreiberebene samt intendierter anschließender Neueröffnung einer anderen Handelsplattform an Bedeutung. Anzumerken ist mit Blick auf den Qualifikationstatbestand des § 127 Abs. 3 StGB ferner, dass die in § 127 Abs. 1 Satz 2 StGB gelistete Katalogtat bei gewerbsmäßiger Begehung teils selbst mit geringerer Strafe belegt ist als das gewerbsmäßige Ermöglichen oder Fördern einer solchen, obgleich es zur Verwirklichung des § 127 StGB nicht einmal des Versuchs einer einzigen „Haupttat“ bedarf. Gemeint ist exemplarisch das gewerbsmäßige Verschaffen von falschen amtlichen Ausweisen, das nach § 276 Abs. 2 StGB mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren belegt ist. Das diesem vorgelagerte gewerbsmäßige Betreiben einer Handelsplattform zur auch nur versuchten Verschaffung amtlicher Ausweise ist hingegen nach § 127 Abs. 3 StGB mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bedroht. Der Gesetzgeber wird dort aber erneut den eigenständigen Unrechtsgehalt sowie das eigene Rechtsgut des Betreibens krimineller Handelsplattformen als Rechtfertigung anführen. In Bezug auf den in § 127 Abs. 3 StGB normierten Qualifikationstatbestand ist schließlich zu bedenken, dass auch die hier in Rede stehenden Darknet-Plattformen meist jedenfalls eines der beiden Qualifikationsmerkmale verwirklichen werden. Schließlich dürfte eine Darknet-Plattform wie die im richtungsweisenden Urteil des LG Karlsruhe fokussierte Plattform „Deutschland im Deep Web“, die vom Betreiber ohne Gewinnerzielungsabsicht und als Individuum betrieben wurde, eher die Ausnahme darstellen.907 Insbesondere eine Gewinnerzielungsabsicht bildet hingegen nicht selten gerade einen Beweggrund für das Betreiben einer Handelsplattform im Darknet, sodass nicht zuletzt die Qualifikation des § 127 Abs. 3 Alt. 1 StGB sowie die erhöhte Strafandrohung von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zum Normalfall und damit gewissermaßen zum verkappten Grundtatbestand zu werden droht.908
906
Bejahend Kulhanek, in: BeckOK-StGB, § 127 Rn. 62. Zu Täterstrukturen im Darknet vgl. Teil 1 C. IV. 908 Zum Regelfall des Qualifikationstatbestands sowie der insoweit unverhältnismäßigen Anhebung des Strafrahmens bereits Zöller, KriPoZ 2021, 79, 88 sowie Rückert, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 24. Zur Gewerbsmäßigkeit bei Betreiben einer Plattform im Darknet vgl. ferner Teil 3 B. II. 3. a). 907
I. „Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet“
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8. Verbrechensqualifikation des § 127 Abs. 4 StGB § 127 Abs. 4 StGB betrifft schließlich als Verbrechensqualifikation das absichtliche oder wissentliche Ermöglichen oder Fördern von Verbrechen mithilfe einer Handelsplattform und sieht eine Strafandrohung von einem Jahr bis zu zehn Jahren vor.909 Insoweit wird § 127 Abs. 4 StGB gar zum Verbrechen nach § 12 Abs. 1 StGB erhoben. Greifen soll jene Verbrechensqualifikation der Gesetzesbegründung zufolge insbesondere bei Sachverhalten mit bewussten Ermöglichungs- oder Förderungsbeiträgen zum Handel von Verbrechen als Dienstleistung – etwa Beiträge zu Auftragsmorden – oder bei Sachverhalten, in denen schon der Handel selbst ein Verbrechen darstellt, so beim Verbreiten von kinderpornografischen Inhalten.910 Insoweit seien Wertungswidersprüche aufgelöst, die drohten, wäre beim nichtgewerblichen Betreiben einer Plattform zur Vermittlung von Mordaufträgen der Strafrahmen des Absatzes 1 anzuwenden, während eine Beihilfe zum Mord gemäß §§ 211, 212, 27, 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren zu bestrafen wäre. Vergleichbare Widersprüche drohten etwa mit Blick auf § 184b Abs. 3 StGB, wenn der Besitz eines einzelnen kinderpornografischen Inhalts ein Verbrechen darstelle, für das Betreiben einer Plattform, mithilfe derer eine potentiell größere Menge an kinderpornografischen Inhalten gehandelt werden könne, aber der Strafrahmen des § 127 Abs. 1 StGB anzuwenden wäre.911 Auch mit Blick auf ebenjene Verbrechensqualifikation wird schon aus praktischen Erwägungen nicht erforderlich sein, dass die Plattform in Gänze auf die Ermöglichung oder Förderung der Begehung von Verbrechen ausgerichtet ist. Vielmehr ist ausreichend, dass einzelne Kategorien auf die absichtliche oder wissentliche Unterstützung von Verbrechen gerichtet sind.912 Anderenfalls wäre eine Plattform, die neben einer Kategorie für den Austausch kinderpornografischer Materialien im Übrigen legale Kategorien vorhält, nicht erfasst, obgleich der Gesetzgeber Wertungswidersprüche in diesem Bereich vermeiden wollte. Dort bietet sich jedoch ebenfalls eine Klarstellung des Wortlauts („ganz oder teilweise“) an. Ungeachtet dessen ist mit Blick auf die vorliegend betrachteten Darknet-Plattformen gleichermaßen zu bedenken, dass § 127 Abs. 4 StGB auch insoweit zum verkappten Grundtatbestand zu werden droht.913 Schließlich wird die Betreiberebene einer Handelsplattform beispielsweise durch die bewusste Schaffung von auf Verbrechen bezogenen Themenkategorien die dortigen seitens der Nutzer vollzogenen Verbrechen regelmäßig bewusst beziehungsweise gar absichtlich ermöglichen, insbesondere soweit die Plattform von nur einer Person betrieben wird. Ohnehin wird ein Betreiber angesichts der zumeist damit einhergehenden Gewinnerzielungsabsicht in 909
Siehe hierzu BT-Drs. 19/28175, S. 17. BT-Drs. 19/28175, S. 17. 911 Zum Ganzen BT-Drs. 19/28175, S. 17. 912 Eisele, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 8 f.; Kulhanek, in: BeckOK-StGB, § 127 Rn. 65. 913 Darauf verweist zutreffend bereits Zöller, KriPoZ 2021, 79, 88. 910
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
vielen Fällen absichtlich oder wissentlich hinsichtlich der Ermöglichung oder Förderung der dortigen Straftaten handeln.914 Der Ermöglichungs- oder Förderungsbeitrag in Form der Zurverfügungstellung der erforderlichen Infrastruktur betrifft insoweit jedoch besonders innerhalb der für das Darknet szenetypischen Bereiche des unerlaubten Handels mit Waffen, Betäubungsmitteln sowie kinderpornografischen Inhalten zumindest auch einen Verbrechenstatbestand. Man beachte insoweit exemplarisch nur die § 184b StGB, §§ 29a ff. BtMG und § 51 WaffG.915 Die Anwendung des erhöhten Strafrahmens ist daher in gewisser Weise in einer Vielzahl an praxisrelevanten Fällen vorprogrammiert. Dass es insoweit zur Vollendung des Qualifikationstatbestands des § 127 Abs. 4 StGB nicht einmal der zumindest versuchten Abwicklung auch nur eines einzigen Verbrechens mithilfe der Plattform bedarf, ist insoweit erneut vor dem Hintergrund des vom Gesetzgeber in dem Betreiben der Plattform erblickten, eigenständigen Unrechtsgehalts zu verstehen. Abschließend bleibt hinsichtlich der vom Gesetzgeber angeführten Wertungswidersprüche unklar, inwieweit diese tatsächlich bestehen beziehungsweise durch § 127 Abs. 4 StGB beseitigt werden. Wer beabsichtigt oder weiß, dass der Zweck der Plattform auf die Ermöglichung oder Förderung der Begehung von Taten nach § 211 StGB ausgerichtet ist, der kennt in den praxisrelevanten Fällen auch die wesentlichen Merkmale der Haupttat. Soweit aber der doppelte Gehilfenvorsatz nachgewiesen werden kann, ist § 127 Abs. 4 StGB gegenüber der Beihilfe zum Mord aufgrund der schwereren Strafe von drei Jahren bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe ohnehin formell subsidiär.916 Der Gesetzgeber scheint dort vielmehr Fälle im Keim ersticken zu wollen, in denen die Plattform auf die Vermittlung von Mordaufträgen ausgerichtet ist, ohne dass es bereits zur Begehung eines Mordes durch die Nutzer kam. Sehen muss man insoweit aber, dass zur tatsächlichen Verletzung beziehungsweise Beeinträchtigung des Rechtsguts selbstständige deliktische Handlungen der Nutzer erforderlich sind. Ob ein Strafrahmen von mindestens einem Jahr bis zu zehn Jahren für ein der Rechtsgutsverletzung derart vorgelagertes Verhalten ohne die Begehung einer Nutzertat schuldangemessen erscheint, bleibt zweifelhaft. Und schließlich drohen auch keine nennenswerten Widersprüche mit Blick auf Plattformen, die dem Einstellen kinderpornografischer Inhalte dienen, weil die Zurverfügungstellung entsprechender Infrastruktur – wie gesehen917 – als „Zugänglichmachen“ im Sinne des § 184b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 StGB einzuordnen ist, das inzwischen selbst als Verbrechen ausgestaltet ist.
914
Bereits Zöller, KriPoZ 2021, 79, 88. Hierzu Rückert, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 21; Zöller, KriPoZ 2021, 79, 88. 916 Zur formellen Subsidiarität ausführlich Teil 3 I. III. 9. 917 Teil 3 B. VII. 915
I. „Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet“
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9. Verhältnis zu anderen Vorschriften § 127 Abs. 1 Satz 1 a. E. StGB ordnet schließlich formelle Subsidiarität für diejenigen Fälle an, in denen die Tat „in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist“.918 § 127 StGB enthält daher eine sogenannte allgemeine Subsidiaritätsklausel.919 Subsidiaritätsklauseln wird dabei teils die Eigenschaft als „Produkt gesetzgeberischer Verlegenheit“ zugeschrieben, soweit diese zwar eine Strafbarkeitslücke füllen sollen, der Gesetzgeber jedoch nicht imstande ist, die Formulierung des Tatbestands so zu wählen, dass nur die jene Lücke füllenden Sachverhalte umfasst sind.920 Den betroffenen Tatbeständen soll hierbei Auffangcharakter zukommen, soweit nicht eine andere Vorschrift die Tat schon hinreichend bestraft.921 Ganz in diesem Sinne bestätigen nunmehr auch die Gesetzesmaterialien den Auffangcharakter des § 127 StGB.922 Die Regelung gewährleiste insoweit die sachlich gebotene Ausweitung strafrechtlicher Verantwortlichkeit, mit der Folge, dass es einer Anwendung nicht bedürfe, soweit schon mithilfe anderer Strafvorschriften eine hinreichende Ahndung möglich sei.923 Weitere Aussagen zu § 127 Abs. 1 Satz 1 a. E. StGB werden indes nicht getroffen, sodass letztlich einige Unsicherheiten mit Blick auf ebenjene Subsidiaritätsklausel verbleiben. a) Grundsätze formeller Subsidiarität Die generelle Sinnhaftigkeit der Anordnung formeller Subsidiarität des § 127 StGB sowie des damit einhergehenden, vom Gesetzgeber gewollten Auffangcharakters bleibt im Unklaren, sofern man sich vor Augen führt, dass der Gesetzgeber mithilfe von § 127 StGB aufgrund des vorgebrachten eigenständigen Unrechtsgehalts insbesondere die öffentliche Sicherheit und Ordnung und gerade nicht allein die Rechtsgüter der durch das Betreiben krimineller Handelsplattformen unterstützten rechtswidrigen Taten schützen will.924 Insoweit wäre aus Sicht des Gesetzgebers nur konsequent, dieses eigenständige Unrecht auch im nachfolgenden richterlichen Schuldspruch zum Ausdruck kommen zu lassen. Zurück bleibt schon dort der Eindruck, dass § 127 StGB vornehmlich als Anknüpfungsnorm für zeitlich vorgelagerte Ermittlungsmaßnahmen dienen soll.925
918
BT-Drs. 19/28175, S. 16. Allgemein zu formeller Subsidiarität vgl. von Heintschel-Heinegg, in: MüKo-StGB, Vor § 52 Rn. 44 f. 919 Zur Begrifflichkeit etwa von Heintschel-Heinegg, in: MüKo-StGB, Vor § 52 Rn. 44. 920 Schmitt, ZStW 75 (1963), 43, 50 f. 921 Allgemein etwa Reinbacher, in: Handbuch des Strafrechts, Bd. 3, § 62 Rn. 37. 922 BT-Drs. 19/28175, S. 16. 923 BT-Drs. 19/28175, S. 16. 924 Goger, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 3; zum Unrechtsgehalt sowie dem Schutzgut des § 127 StGB siehe Teil 3 I. II. 925 Dazu noch Teil 3 I. IV. 2. c).
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Ferner wurde die benannte Subsidiaritätsklausel lediglich im Grundtatbestand des § 127 Abs. 1 Satz 1 a. E. StGB normiert. Dem ersten Anschein nach verschließt sich diese systematische Positionierung in § 127 Abs. 1 Satz 1 a. E. StGB daher einer Anwendbarkeit mit Blick auf die Qualifikationstatbestände des § 127 Abs. 3, Abs. 4 StGB. Denn die Qualifikation der gewerbs- oder bandenmäßigen Begehung in § 127 Abs. 3 StGB wurde wie auch die Verbrechensqualifikation in § 127 Abs. 4 StGB der Subsidiaritätsklausel des § 127 Abs. 1 Satz 1 a. E. StGB nachgelagert verortet.926 Ob ebenjene, unbeschadet der dann systematisch missglückten Zuweisung in § 127 Abs. 1 Satz 1 a. E. StGB, zugleich im Falle eines nach § 127 Abs. 3, Abs. 4 StGB qualifizierten Betreibens von kriminellen Handelsplattformen zur Anwendung gelangen soll, lassen die Gesetzgebungsmaterialien unbeantwortet. Gegen die Anwendung der Subsidiaritätsklausel auch auf die Qualifikationstatbestände des § 127 Abs. 3, Abs. 4 StGB spräche aus Sicht des Gesetzgebers eigentlich der Umstand, dass sodann zumindest im Rahmen der Qualifikationstatbestände das vom Gesetzgeber erblickte eigenständige Unrecht des Betreibens krimineller Handelsplattformen im Schuldspruch zum Ausdruck käme, selbst wenn andere Vorschriften mit schwererer Strafe griffen. Vergegenwärtigt man sich jedoch den Wortlaut beider nachfolgender Qualifikationstatbestände des § 127 StGB, so nehmen diese durch die Formulierung „im Fall des Absatzes 1“ in § 127 Abs. 3 StGB beziehungsweise „bei der Begehung einer Tat nach Absatz 1“ in § 127 Abs. 4 StGB explizit auf § 127 Abs. 1 StGB Bezug.927 Dabei ähnelt die Wortwahl derjenigen des § 246 Abs. 2 StGB, innerhalb dessen die Formulierung „in den Fällen des Absatzes 1“ herrschend dahingehend verstanden wird, dass auch die in § 246 Abs. 1 StGB enthaltene Subsidiaritätsklausel trotz der nicht überzeugenden Systematik letztlich Bestandteil des § 246 Abs. 2 StGB sein soll.928 In den Materialien zu § 127 StGB wird mit Blick auf die Subsidiaritätsregelung ferner darauf verwiesen, dem Tatbestand komme Auffangcharakter zu.929 Die Vorschrift des § 127 StGB diene insbesondere der sachlich gebotenen Ausdehnung strafrechtlicher Verantwortlichkeit, sodass eine Anwendung nicht notwendig sei, soweit bereits andere Strafvorschriften eine hinreichende Ahndung sicherstellen.930 Der Gesetzgeber verdeutlicht insoweit, dass bei Eingreifen anderer Vorschriften mit schwererer Strafe der Regelung des § 127 StGB in Gänze, nicht allein dem Grundtatbestand, Auffangcharakter zukommen soll.931 Vor diesem Hintergrund geht der gesetzgeberische Wille augen 926
Allgemein zu § 246 StGB siehe BGH v. 26. 06. 2012 – 2 StR 137/12, NStZ 2012, 628; Hohmann, in: MüKo-StGB, § 246 Rn. 64; Hohmann, NStZ 2013, 161, 162; zu § 127 StGB auch Zöller, International Cybersecurity Law Review 2021, 279, 292. 927 Darauf verweist auch Kulhanek, in: BeckOK-StGB, § 127 Rn. 76. 928 BGH v. 26. 06. 2012 – 2 StR 137/12, NStZ 2012, 628; Duttge / Sotelsek, Jura 2002, 526, 533; Hohmann, in: MüKo-StGB, § 246 Rn. 64; Hohmann, NStZ 2013, 161, 162; Jäger, JuS 2000, 1167, 1171; Kindhäuser, in: NK-StGB, § 246 Rn. 45; Kühl, in: Lackner / Kühl, § 246 Rn. 14; Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil 2, S. 191. 929 BT-Drs. 19/28175, S. 16. 930 BT-Drs. 19/28175, S. 16. 931 Zutreffend Zöller, International Cybersecurity Law Review 2021, 279, 292.
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scheinlich dorthin, die Subsidiaritätsklausel auch auf die Qualifikationstatbestände des § 127 StGB anzuwenden, soweit andere Strafvorschriften die Verhaltensweisen hinreichend sanktionieren. Für die Frage, inwieweit die Tat in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist, sind sodann die erhöhten Strafrahmen der Qualifikationstatbestände in den Blick zu nehmen.932 Mit Blick auf derartige Klauseln, die formelle Subsidiarität dem Wortlaut nach gegenüber sämtlichen Vorschriften mit schwererer Strafe anordnen, herrscht ferner kein allgemeiner Konsens darüber, inwieweit der Tatbestand tatsächlich hinter jedwede Vorschrift mit schwererer Strafe oder nur hinter Vorschriften mit gleicher Angriffsrichtung zurücktritt. Während ein Teil der Literatur etwa im Rahmen von § 246 StGB formelle Subsidiarität allein gegenüber solchen Vorschriften annimmt, die ganz oder teilweise dem Schutz desselben Rechtsguts dienen,933 geht insbesondere die Rechtsprechung davon aus, dass Subsidiarität gegenüber sämtlichen Vorschriften mit schwererer Strafe zu bejahen ist.934 Bedenkt man, dass § 127 StGB in Wahrheit mittelbar die von den Katalogtaten des § 127 Abs. 1 Satz 2 StGB in den Blick genommenen Rechtsgüter schützt, wird man bei Verwirklichung einer Strafvorschrift mit schwererer Strafe vielfach auch auf Grundlage der restriktiveren Ansicht zur formellen Subsidiarität des § 127 StGB gelangen.935 Zu berücksichtigen ist außerdem, dass der Gesetzgeber in den Materialien zu § 127 StGB – anders als etwa im Falle des § 246 StGB angedeutet936 – keine Einschränkung der „anderen Vorschriften“ vornimmt, sodass man auch beim vom Gesetzgeber angeführten Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zur Anwendbarkeit der Subsidiaritätsklausel gelangen wird. „Tat“ in diesem Sinne meint schließlich die materiell-rechtliche Tat, sodass die Subsidiaritätsklausel nur Anwendung findet, soweit mehrere Tatbestände in Idealkonkurrenz zueinander stehen.937 Anders als der Wortlaut („bedroht“) nahelegt, muss der Täter sich nach den anderen Vorschriften tatsächlich strafbar machen, wenn § 127 StGB im Wege der Subsidiarität zurücktreten soll.938 Inwieweit die Tat „mit schwererer Strafe“ bedroht ist, hängt nach einhelliger Auffassung vom 932 Kulhanek, in: BeckOK-StGB, § 127 Rn. 76; Zöller, International Cybersecurity Law Review 2021, 279, 292. 933 Bosch, in: Schönke / Schröder, § 246 Rn. 32; Duttge / Sotelsek, Jura 2002, 526, 533 f.; Hoyer, in: SK-StGB, § 246 Rn. 46; Kindhäuser, in: NK-StGB, § 246 Rn. 45; Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 2, § 33 Rn. 196. 934 BGH v. 06. 02. 2002 – 1 StR 513/01, BGHSt 47, 243, 244; BGH v. 13. 08. 2004 – 2 StR 234/04, BeckRS 2004, 8552; BGH v. 26. 06. 2012 – 2 StR 137/12, NStZ 2012, 628; BGH v. 16. 01. 2018 – 2 StR 527/17, NStZ-RR 2018, 118, 119; in der Literatur etwa Hohmann, NStZ 2013, 161; Kudlich, in: Satzger / Schluckebier / Widmaier, StGB, § 246 Rn. 31; Kühl, in: Lackner / Kühl, § 246 Rn. 14. 935 Zöller, International Cybersecurity Law Review 2021, 279, 291. 936 BT-Drs. 13/8587, S. 43 f. 937 Cantzler, JA 2001, 567, 571; Cantzler / Zauner, Jura 2003, 483, 484 jeweils m. w. N. 938 Kulhanek, in: BeckOK-StGB, § 127 Rn. 78; allgemein etwa Cantzler / Zauner, Jura 2003, 483, 486; von Heintschel-Heinegg, in: MüKo-StGB, Vor § 52 Rn. 45.
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
gesetzlichen Strafrahmen inklusive etwaiger Qualifikationstatbestände, besonders schwerer Fälle sowie gesetzlicher Milderungen ab.939 Sehen die zusammentreffenden Tatbestände einen übereinstimmenden Strafrahmen vor, ist das Konkurrenzverhältnis jedenfalls entsprechend der allgemeinen Regeln zu bestimmen.940 Zwar spräche bei gleichem Strafrahmen beider Strafvorschriften der vom Gesetzgeber zugrunde gelegte umfassende Auffangcharakter dafür, formelle Subsidiarität des § 127 StGB auch in diesen Fällen anzunehmen.941 Der Wortlaut der „schwereren Strafe“ dürfte jedoch ein solches Vorgehen hindern. Im – zwar sich dem Auffangcharakter widersetzenden – gesetzgeberischen Sinne würde außerdem zumindest im Falle identischer Strafrahmen das vom Gesetzgeber gesehene eigene Unrecht des Betreibens krimineller Handelsplattformen im Wege der Tateinheit zum Ausdruck kommen. Subsidiarität liegt jedenfalls nicht allein gegenüber vollendeten Delikten mit schwererer Strafe vor. Vielmehr wird man die Subsidiaritätsklausel des § 127 Abs. 1 Satz 1 a. E. StGB auch bei nur versuchten Delikten oder bei nur Teilnahme am anderen Delikt anwenden müssen, solange insoweit eine schwerere Strafe vorgesehen ist.942 Obgleich nun insbesondere § 127 Abs. 4 StGB mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren als Verbrechenstatbestand eine hohe Strafandrohung vorsieht – die zugleich häufig verwirklicht sein dürfte – ist zu beachten, dass § 127 StGB angesichts des Auffangcharakters gegenüber sämtlichen Delikten mit schwererer Strafe formell subsidiär ist. Das Kernstrafrecht hält jedoch exemplarisch für den praxisrelevanten Bereich des Austauschs kinderpornografischer Materialien mit § 184b StGB bereits im Grundtatbestand des Absatzes 1 einen Strafrahmen von einem Jahr bis zu zehn Jahren bereit, der bei qualifizierter Tatbegehung nach Absatz 2 auf Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren hochgestuft wird. § 127 StGB ist insoweit sowohl im Grundtatbestand als auch bei gewerbs- oder bandenmäßiger Tatbegehung formell subsidiär gegenüber § 184b StGB. Ferner enthält der praxisrelevante Tatbestand des § 29 BtMG im Grundtatbestand des Absatzes 1 eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe und damit einen zumindest mit dem Grundtatbestand des § 127 Abs. 1 StGB übereinstimmenden Strafrahmen. Im Qualifikationstatbestand des § 30 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 BtMG ist jedoch ein Strafrahmen von nicht unter zwei Jahren vorgesehen, sodass § 127 StGB etwa auch insoweit formell subsidiär ist. Im Bereich des unerlaubten Waffenhandels hält § 51 WaffG im Grundtatbestand einen Strafrahmen von mindestens einem Jahr bis zu fünf Jahren
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Cantzler, JA 2001, 567, 572; von Heintschel-Heinegg, in: MüKo-StGB, Vor § 52 Rn. 45; Jäger, in: SK-StGB, Vor § 52 Rn. 94; Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 5 Rn. 69; Wittig, in: BeckOK-StGB, § 246 Rn. 15.1. 940 Cantzler / Zauner, Jura 2003, 483, 486; Duttge / Sotelsek, Jura 2002, 526, 533; Jäger, in: SK-StGB, Vor § 52 Rn. 94. 941 So etwa Zöller, International Cybersecurity Law Review 2021, 279, 291. 942 Allgemein zur Subsidiaritätsklausel im Verhältnis zu Teilnahme und Versuch siehe Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 5 Rn. 69; hierzu auch Zöller, International Cybersecurity Law Review 2021, 279, 292.
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bereit, der bei Vorliegen eines besonders schweren Falls nach § 51 Abs. 2 WaffG auf eine Strafandrohung von einem Jahr bis zu zehn Jahren hochgestuft wird, sodass auch dort § 127 Abs. 3 StGB als formell subsidiär zurücktreten dürfte. Ließe sich etwa beim Betreiben eines sogenannten assassination-markets exemplarisch gar eine Beihilfe des Betreibers zum Mord als Haupttat eines Nutzers begründen, wäre zwar die Strafe des Gehilfen nach §§ 211, 212 Abs. 1, 27 Abs. 1, Abs. 2, 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB obligatorisch zu mildern. Dennoch ergäbe sich eine Strafe des Betreibers von nicht unter drei Jahren und damit eine gegenüber § 127 Abs. 4 StGB schwerere Strafe, mit der Folge, dass sich dieser als formell subsidiär gegenüber der Beihilfe zum Mord erwiese. b) Konkurrenzen im Übrigen Abgesehen von den Fällen formeller Subsidiarität, steht das Dauerdelikt des § 127 StGB etwa mit der Beihilfe zu späteren Haupttaten der Nutzer durch den Betrieb der Plattform aufgrund der (Teil-)Identität der Ausführungshandlungen jedenfalls in Idealkonkurrenz gemäß § 52 Abs. 1 StGB, sofern man die öffentliche Sicherheit und Ordnung als von § 127 StGB geschütztes Rechtsgut ansieht.943 Begreift man hingegen die Rechtsgüter der Katalogtaten als geschützte Rechtsgüter, gelangt man zu Tateinheit mit der Beihilfe des Betreibers zu etwaig nachfolgenden Haupttaten allenfalls vor dem Hintergrund, dass § 127 StGB wegen der Unbeherrschbarkeit und Gefährlichkeit als abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestaltet sein soll, das über die einzelne Beihilfe zu einer konkreten Haupttat hinausgeht. Tatmehrheit ist denkbar in Fällen, in denen zeitgleich mehrere Plattformen betrieben werden oder aber in Fällen, in denen der Täter beispielsweise infolge eines sogenannten „exit scams“ eine neue Plattform in Betrieb nimmt.944 10. Die strafanwendungsrechtliche Ausweitung des § 5 StGB Abschließend sei kurz darauf verwiesen, dass auch die Erweiterung der strafanwendungsrechtlichen Vorschrift des § 5 StGB um § 127 StGB gewissen Bedenken begegnet.945 Der Gesetzesbegründung zufolge ist jene Ausweitung zur Erfassung von Auslandstaten unter Würdigung der neueren Rechtsprechung des BGH zu §§ 3, 9 Abs. 1 StGB erforderlich, bestünde doch ansonsten die Gefahr, dass Betreiber Handlungsorte ins Ausland verlagerten, um eine Strafbarkeit nach § 127 StGB zu
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Für Tateinheit Kulhanek, in: BeckOK-StGB, § 127 Rn. 79. Allgemein siehe dazu Sternberg- Lieben / Bosch, in: Schönke / Schröder, Vor §§ 52 ff. Rn. 89. 944 Teil 3 I. III. 3. 945 Kritisch etwa Zöller, KriPoZ 2021, 79, 88; anders hingegen Eisele, Stellungnahme zu BTDrs. 19/28175, S. 9 f.
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umgehen, insbesondere, soweit dies im Ausland keiner Strafe unterliege.946 Wendet man insoweit den Blick hin zu den §§ 3 ff. StGB, so gilt deutsches Strafrecht nach dem Territorialitätsprinzip des § 3 StGB zuvorderst für inländische Taten, wobei sich der Tatort nach § 9 StGB bestimmt.947 Entscheidend ist danach unter anderem der Ort, an dem der Täter gehandelt hat (Var. 1) oder an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist (Var. 3). Ein Handlungsort im Inland wird sich bei Betreiben einer Plattform im Ausland jedoch regelmäßig nicht begründen lassen, weil allein der Aufenthaltsort des Täters und nicht etwa der Standort des Servers von Bedeutung ist.948 Durch das Herkunftslandprinzip des § 3 TMG wird ferner weder ein zusätzlicher Handlungsort bei Sitz in Deutschland begründet noch eine Ausweitung deutscher Strafgewalt auf Auslandstaten generell untersagt.949 Einen Erfolgsort gemäß §§ 3, 9 Abs. 1 StGB lehnt der BGH jedoch inzwischen – insoweit ist der Gesetzesbegründung zuzustimmen – bei abstrakten Gefährdungsdelikten ab.950 Ohne Aufnahme in § 5 StGB greift § 127 StGB bei Auslandstaten daher allenfalls über § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB, wobei dort die Tat – anders als bei § 5 StGB – am Tatort mit Strafe bedroht sein oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegen muss und der Täter zur Tatzeit Deutscher gewesen oder nach der Tat geworden sein muss. Dieser eingeschränkten Anwendbarkeit soll daher begegnet werden.
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BT-Drs. 19/28175, S. 14. Allgemein zum Territorialitätsprinzip sowie zur Ubiquitätstheorie etwa Ambos, in: MüKoStGB, § 3 Rn. 1, § 9 Rn. 4; Safferling, Internationales Strafrecht, § 3 Rn. 15 f. 948 Allgemein BGH v. 19. 08. 2014 − 3 StR 88/14, NStZ 2015, 81, 82; Ambos, in: MüKo-StGB, § 9 Rn. 29; Hilgendorf / Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 150; Kudlich / Berberich, NStZ 2019, 633, 635; Valerius, in: Cybercrime und Cyberinvestigations, 49, 52; anders etwa Cornils, JZ 1999, 394, 396 f. 949 Ausführlich Ambos, in: MüKo-StGB, § 9 Rn. 26 m. w. N. Zur Irrelevanz des Herkunftslandprinzips für das Strafrecht auch Bär, in: Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, Kap. 15 Rn. 205 sowie jüngst etwa Kudlich / Berberich, NStZ 2019, 633, 635; Trentmann, RW 2021, 27, 40 f.; zum Verhältnis auch Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 208 f. 950 Im Fall „Toeben“ hatte der 1. Senat des BGH die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auf eine Auslandstat für § 130 StGB noch bejaht, sei doch § 130 StGB ein abstrakt-konkretes Gefährdungsdelikt und die Eignung zur Gefährdung des öffentlichen Friedens ein zum Tatbestand gehörender Erfolg nach §§ 3, 9 Abs. 1 StGB, vgl. BGH v. 12. 12. 2000 – 1 StR 184/00, BGHSt 46, 212, 220 ff. Ohne Internetbezug verwies der 2. Senat sodann darauf, dass § 261 Abs. 1 Nr. 2 StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt keinen inländischen Erfolg aufweise, vgl. BGH v. 23. 04. 2013 – 2 ARs 91/13, 2 AR 56/13, MMR 2013, 674. Auch der 3. Senat verwies 2014 beim abstrakten Gefährdungsdelikt des § 86a StGB darauf, dass dieses keinen zum Tatbestand gehörenden Erfolg aufweise. Erforderlich sei vielmehr eine „von der tatbestandsmäßigen Handlung räumlich und / oder zeitlich abtrennbare[ ] Außenweltsveränderung“, BGH v. 19. 08. 2014 − 3 StR 88/14, NStZ 2015, 81, 82. In Abkehr vom Fall „Toeben“ bestätigte der BGH dies sodann auch zu § 130 StGB, vgl. BGH v. 03. 05. 2016 − 3 StR 449/15, NStZ 2017, 146, 147. Das OLG Hamm schloss sich dem zu § 130 StGB mit Internetbezug an, OLG Hamm v. 01. 03. 2018 – 1 RVs 12/18, NStZ-RR 2018, 292, 293. Im Jahr 2018 rekurrierte der BGH bei einem Sachverhalt zu § 130 StGB mit Internetbezug nur noch auf § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB, BGH v. 30. 10. 2018 – 3 StR 167/18, NStZ-RR 2019, 108, 109. Zu abweichenden Auffassungen vgl. den Überblick bei Ambos, in: MüKo-StGB, § 9 Rn. 26 ff. 947
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Dass eine uneingeschränkte Ausweitung nationaler Strafgewalt völkerrechtlich unzulässig ist, ist mittlerweile einhellig anerkannt.951 Zwar ist das Verhältnis von völkerrechtlicher Legitimation und staatlicher Regelungsmacht mit Blick auf eine extraterritoriale Strafgewaltsausdehnung umstritten.952 Abgesehen davon besteht aber Einigkeit dahingehend, dass die Norm des staatlichen Strafanwendungsrechts von einem völkerrechtlich anerkannten „legitimierenden Anknüpfungspunkt“ getragen sein muss, weil sonst gegen das völkerrechtliche Verbot der Einmischung verstoßen wird.953 Die legitimierenden Anknüpfungspunkte kann der Gesetzgeber jedoch nach seinem Ermessen kombinieren oder modifizieren.954 § 127 StGB soll nach § 5 Nr. 5a lit. b StGB auf Auslandstaten Anwendung finden, soweit der Zweck der Plattform darauf ausgerichtet ist, die Begehung von rechtswidrigen Taten im Inland zu ermöglichen oder zu fördern und der Täter Deutscher ist oder seine Lebensgrundlage im Inland hat. Den Gesetzesmaterialien zufolge sind mithilfe dieses sachlichen und personalen Inlandsbezugs völkerrechtliche Bedenken ausgeräumt, weil es sich insbesondere bei dem Anknüpfen an die Staatsangehörigkeit des Täters um einen völkerrechtlich anerkannten Grundsatz handelt, der zusätzlich um eine inländische Lebensgrundlage des Täters ergänzt wird.955 Ob dies jedoch tatsächlich einen Verstoß gegen das Verbot der Einmischung abzuwenden vermag, bleibt zunächst im Unklaren. Der sachliche Inlandsbezug liegt der Begründung zufolge bereits vor, soweit sich zum Beispiel die auf der Plattform befindlichen Angebote an Inländer richten.956 Neben der Aufrufbarkeit der Angebote durch Inländer wird man insoweit jedoch 951
Etwa BGH v. 05. 03. 1998 – 5 StR 494/97, BGHSt 44, 52, 57; Ambos, in: MüKo-StGB, Vor § 3 Rn. 10; Böse, in: NK-StGB, Vor §§ 3 ff. Rn. 12; Eser / Weißer, in: Schönke / Schröder, Vor §§ 3–9 Rn. 10; Werle / Jeßberger, in: LK-StGB, Vor §§ 3 ff. Rn. 20. 952 Der sich vornehmlich auf das Judikat des StIGH im Lotus-Fall (StIGH v. 07. 09. 1927, PCIJ Series A – No. 10, The Case of the S. S. „Lotus“) stützenden Ansicht zufolge sei den Staaten von Völkerrechts wegen gestattet, Strafgewalt auf alle Sachverhalte mit Auslandsbezug auszudehnen, soweit dies nicht durch einen Völkerrechtssatz verboten ist, vgl. noch Epping / Gloria, in: Völkerrecht, 5. Aufl., § 23 Rn. 87; ähnlich Eser / Weißer, in: Schönke / Schröder, Vor §§ 3–9 Rn. 12 ff. („am Einmischungsverbot ausgerichtete[s] Vereinbarkeitsprinzip“). Nach anderer Ansicht soll die Ausdehnung der Strafgewalt auf Sachverhalte mit Auslandsbezug hingegen von Völkerrechts wegen nur gestattet sein, wenn ein entsprechender völkerrechtlicher Erlaubnissatz nachweisbar ist, vgl. das Sondervotum des Präsidenten Guillaume zu IGH v. 14. 02. 2002, EuGRZ 2003, 570, 571 Rn. 15 („Haftbefehlsfall“); grundlegend Jeßberger, Der transnationale Geltungsbereich des deutschen Strafrechts, S. 212 ff. m. w. N. sowie etwa Kreß, ZStW 114 (2002), 818, 830 ff.; Merkel, in: Aufgeklärte Kriminalpolitik, Bd. III, 237, 242; Weiß, JZ 2002, 696, 700 f.; kritisch hingegen noch Gribbohm, in: LK-StGB, 11. Aufl., Vor § 3 Rn. 145; allgemein zum Streitstand siehe ferner Werle / Jeßberger, in: LK-StGB, Vor §§ 3 ff. Rn. 24 ff. m. w. N. 953 Siehe hierzu sowie zur divergierenden Terminologie etwa m. w. N. Ambos, in: MüKo-StGB, Vor § 3 Rn. 14 und Werle / Jeßberger, in: LK-StGB, Vor §§ 3 ff. Rn. 28, 235, die von „Geltungsprinzipen“ sprechen. 954 Satzger, in: Satzger / Schluckebier / Widmaier, StGB, Vor §§ 3–7 Rn. 4 sowie Werle / Jeß berger, in: LK-StGB, Vor §§ 3 ff. Rn. 23 m. w. N. 955 BT-Drs. 19/28175, S. 15. 956 BT-Drs. 19/28175, S. 14 f.
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ausreichen lassen müssen, dass etwa eine Versandoption nach Deutschland besteht und Dienstleistungen an Inländer erbracht werden.957 Eine Abfassung in deutscher Sprache wird hingegen nicht erforderlich sein.958 Gleiches sollte für eine Bezahloption in deutscher Währung gelten. Darauf deuten auch die Gesetzesmaterialien hin, wonach genügen soll, dass die Plattform „auch“ auf die Ermöglichung oder Förderung von Straftaten im Inland gerichtet ist.959 Als legitimierender Anknüpfungspunkt kann insoweit jedoch nicht etwa das sogenannte Staatsschutzprinzip erhoben werden, wonach ein Staat die Strafgewalt auf Taten ausweiten kann, die sich gegen eigene staatliche Rechtsgüter richten.960 Zwar soll § 127 StGB laut Gesetzgeber dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dienen.961 Erstens legitimiert jedoch nicht jedes Verhalten, das sich gegen staatliche Interessen richtet, die Ausweitung von Strafgewalt auf Basis des Staatsschutzprinzips; betroffen sein muss ein Kernbereich essenzieller Staatsinteressen wie die Sicherheit, die territoriale Integrität oder die politische Unabhängigkeit des Staats.962 Und zweitens handelt es sich bei der öffentlichen Sicherheit und Ordnung um ein bloßes Scheinrechtsgut, sodass in Wahrheit die Rechtsgüter der in Bezug genommenen Katalogtaten von § 127 StGB geschützt sind.963 Ein Anknüpfen an das Staatsschutzprinzip ist daher von vornherein ausgeschlossen. Bedenken gegen ein Anknüpfen an ebendieses scheint letztlich auch der Gesetzgeber zu hegen, der die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts in Anlehnung an die durch das 60. StrÄndG erfolgte Ausweitung des § 5 StGB zusätzlich an die Voraussetzung knüpft, dass der Täter Deutscher ist oder seine Lebensgrundlage im Inland hat.964 Das aktive Personalitätsprinzip erhebt dabei die Staatsangehörigkeit des Täters zum Anknüpfungspunkt, hat seinen Ursprung in der Personalhoheit des Staats über seine Angehörigen und ist überwiegend völkerrechtlich anerkannt,965 wenngleich ein absolutes aktives Personalitätsprinzip – das heißt wie hier ohne identische Tatortnorm – teils in Zweifel gezogen wird.966 Nicht kumulativ, sondern alternativ, soll nach dem aktiven Domizilprinzip zugleich eine Lebensgrundlage im Inland genügen,967 die meist bei ausschließlichem Wohn-
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Dazu auch Ibold, in: Criminal Law Discourse of the Interconnected Society, 319, 339. Wohl auch Ibold, in: Criminal Law Discourse of the Interconnected Society, 319, 338. 959 BT-Drs. 19/28175, S. 14 f. 960 Hierzu Ambos, in: MüKo-StGB, Vor § 3 Rn. 36 ff.; Böse, in: NK-StGB, Vor §§ 3 ff. Rn. 19; Werle / Jeßberger, in: LK-StGB, Vor §§ 3 ff. Rn. 245. 961 Dazu Teil 3 I. II. 962 Werle / Jeßberger, in: LK-StGB, Vor §§ 3 ff. Rn. 245 m. w. N. 963 Teil 3 I. II. Im Hinblick auf das Staatsschutzprinzip im Zusammenhang mit § 126a StGB-E siehe Ibold, in: Criminal Law Discourse of the Interconnected Society, 319, 341 f. 964 BT-Drs. 19/28175, S. 14 f. 965 Böse, in: NK-StGB, Vor §§ 3 ff. Rn. 18; Werle / Jeßberger, in: LK-StGB, Vor §§ 3 ff. Rn. 251 m. w. N. 966 Kritisch Ambos, in: MüKo-StGB, Vor § 3 Rn. 29 f. 967 Allgemein Ambos, in: MüKo-StGB, Vor § 3 Rn. 32; Böse, in: NK-StGB, Vor §§ 3 ff. Rn. 18; Eser / Weißer, in: Schönke / Schröder, Vor §§ 3–9 Rn. 28; Werle / Jeßberger, in: LK-StGB, Vor §§ 3 ff. Rn. 273. 958
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sitz oder ständigem Aufenthalt in Deutschland anzunehmen ist.968 Die alleinige legitimierende Wirkung dessen ist jedoch weiterhin nicht eindeutig anerkannt.969 Völkerrechtliche Bedenken, die gegebenenfalls mit einer Kombination beider Prinzipien ausgeräumt werden könnten, bestehen daher weiterhin. Wenngleich die Ausweitung des § 5 StGB zur Abwendung eines „Straftatentourismus“ nicht zuletzt angesichts der Aussage des BGH bei Auslegung der §§ 3, 9 StGB – der Gesetzgeber müsse Lücken schließen, soweit er dies für erforderlich halte970 – konsequent erscheinen mag, so ist sie auf lange Sicht nicht erstrebenswert. Schließlich wird zu Recht angezweifelt, ob ein nationaler Alleingang insoweit der Weisheit letzter Schluss ist, wird doch mit zunehmender Ausweitung des § 5 StGB971 die völkerrechtliche Souveränität anderer Staaten nicht zuletzt bei den benannten vagen legitimierenden Anknüpfungspunkten nicht geachtet.972 Durch § 5 StGB werden Auslandstaten unabhängig davon nach deutschem Strafrecht verfolgt, ob diese nach ausländischem Recht straflos sind oder ein außerhalb Deutschlands für nicht schutzwürdig erachtetes Rechtsgut betreffen.973 Zu Recht wird daher bereits darauf verwiesen, ein bei derartiger Ausweitung nationaler Strafgewalt geübtes Selbstverständnis des nationalen Gesetzgebers würde auf lange Sicht weniger zur Lösung als zur Irritation anderer Staaten beitragen; völkerrechtliche bi- und multilaterale Vereinbarungen müssten daher trotz des Aufwands sowie etwaiger Unsicherheiten vorangetrieben werden.974 Ungeachtet der konkreten, völkerrechtlich ohnehin bedenklichen Ausgestaltung des § 5 Nr. 5a lit. b StGB ist jene Forderung daher einmal mehr von Relevanz.
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Ambos, in: MüKo-StGB, § 5 Rn. 15; Eser / Weißer, in: Schönke / Schröder, § 5 Rn. 5; Werle / Jeßberger, in: LK-StGB, § 5 Rn. 18. 969 Bejahend etwa Ambos, in: MüKo-StGB, Vor § 3 Rn. 32; der darauf verweist, dass der Wohnsitz in internationalen Abkommen vermehrt als ausreichender Anknüpfungspunkt eingeordnet wird; auch Jescheck / Weigend, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 169 („völkerrechtlich bedenkenfrei“); Böse, in: NK-StGB, Vor §§ 3 ff. Rn. 18; ablehnend Roegele, Deutscher Strafrechtsimperialismus, S. 122; zweifelnd Bochmann, Strafgewaltkonflikte und ihre Lösung, S. 82 f.; zweifelnd auch Werle / Jeßberger, in: LK-StGB, Vor §§ 3 ff. Rn. 273; Jeßberger, Der transnationale Geltungsbereich des deutschen Strafrechts, S. 250 f., nach dem aber das Domizilprinzip seinen Platz im Strafanwendungsrecht finden sollte; kritisch auch Oehler, Internationales Strafrecht, Rn. 137 sowie Valerius, HRRS 2016, 186, 189. 970 Siehe BGH v. 19. 08. 2014 − 3 StR 88/14, NStZ 2015, 81, 83. 971 Mit dem 51. StrÄndG (BGBl. I 2017, S. 815) wurden etwa die §§ 265c, 265d StGB, mit dem 60. StrÄndG (BGBl. I 2020, S. 2600) die §§ 86, 86a, 111, 130 StGB eingefügt. 972 Allgemein Valerius, in: Handbuch des Strafrechts, Bd. 2, § 31 Rn. 101. 973 Allgemein im Zusammenhang mit einer Ausweitung des § 5 StGB Hoyer, in: SK-StGB, § 5 Rn. 4. 974 Im Zusammenhang mit einer zunehmenden Ausweitung des § 5 StGB etwa Valerius, in: Handbuch des Strafrechts, Bd. 2, § 31 Rn. 101; jüngst auch etwa Trentmann, RW 2021, 27, 41 ff.
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
11. Zusammenfassung Mit § 127 StGB hält das Strafgesetzbuch seit dem 1. Oktober 2021 einen Tatbestand bereit, der als Tathandlung explizit das Betreiben einer auf kriminelle Zwecke ausgerichteten Handelsplattform im Internet umschreibt. Zur Tatbestandsverwirklichung immerhin erforderlich, aber zugleich ausreichend, ist dort künftig die Ausrichtung des Zwecks der Plattform auf die Ermöglichung oder Förderung einer der im Katalog des § 127 Abs. 1 Satz 2 StGB gelisteten „Haupttaten“ der Nutzer. Der tatsächlichen Begehung einer solchen Katalogtat bedarf es hingegen nicht. Das Merkmal der kriminellen Zweckausrichtung ist dabei in Anlehnung an die Rechtsprechung des BVerfG zu § 202c Abs. 1 Nr. 2 StGB dahingehend auszulegen, dass die Plattform von einer bestimmten Person mit der Absicht entwickelt oder modifiziert worden ist, diese zur Ermöglichung oder Förderung der Begehung von Straftaten einzusetzen und diese Absicht muss sich sodann nach außen manifestieren. Aufgrund der Äußerungen des Gesetzgebers, dass hinsichtlich dieses „Zwecks der Handelsplattform“ dolus eventualis genüge, wird ferner unter Würdigung der finalen Dimension des Merkmals „Zwecks“ ersichtlich, dass Personenidentität zwischen zwecksetzendem Subjekt und Betreiber nicht zwingend erforderlich sein soll. Ferner gilt es die von den Materialien zur Bestimmung der kriminellen Zweckausrichtung angeführten Indizien teils mit Vorsicht zu genießen und insbesondere mit §§ 7 Abs. 2, 10 TMG abzustimmen. Maßgeblich für eine kriminelle Zweckausrichtung sollte daher im Ergebnis vornehmlich die Art und Weise der Ausgestaltung der Plattform durch entsprechende Themenkategorien mit Kriminalitätsbezug, eine wegweisende Bezeichnung der Plattform selbst sowie beispielsweise die Implementierung von Keuschheitsproben sein. Obwohl des Weiteren – bei Ablehnung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung als von § 127 StGB geschütztes Rechtsgut – eine Verletzung anerkannter Rechtsgüter bei Betreiben krimineller Handelsplattformen grundsätzlich selbstständige Handlungen der Nutzer verlangt, verlangt § 127 StGB derzeit keinen ausdrücklichen subjektiven Bezug des Betreibers gerichtet auf die „Haupttat“ eines Nutzers. § 127 StGB ist daher nicht als Vorbereitungsdelikt ähnlich des § 202c Abs. 1 Nr. 2 StGB, sondern als ein von fremdem Unrecht abgekoppeltes, objektiv-abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestaltet. Der Straftatenkatalog des § 127 Abs. 1 Satz 2 StGB bezieht sodann sämtliche Verbrechen sowie eine Vielzahl an unterschiedlichsten Vergehen ein, die teils selbst abstrakte Gefährdungsdelikte darstellen. § 127 Abs. 3, Abs. 4 StGB sieht außerdem eine gegenüber derjenigen des Grundtatbestands deutlich erhöhte Strafandrohung von gar bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe bei gewerbs- oder bandenmäßigem Handeln beziehungsweise absichtlicher oder wissentlicher Verbrechensunterstützung vor. Weil jedoch wenigstens eines der dortigen Qualifikationsmerkmale insbesondere mit Blick auf das Betreiben einer Plattform im Darknet vielfach von Bedeutung sein wird, bleibt die Erkenntnis, dass § 127 Abs. 3, Abs. 4 StGB letztlich einen verkappten Grundtatbestand mit gesteigerter Strafandrohung zu verkörpern droht.
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Im Hinblick auf das Verhältnis des durch die Tathandlung des „Betreibens“ als Dauerdelikt zu charakterisierenden § 127 StGB zur im Übrigen denkbaren materiell-rechtlichen Erfassung des Betreibens einer Plattform ist schlussendlich zu bemerken, dass vornehmlich die für das Darknet szenetypischen Straftatbestände mit gegenüber § 127 StGB schwererer Strafe bedroht sind, sodass materiell-rechtlich in vielen Fällen die formelle Subsidiaritätsklausel des § 127 Abs. 1 Satz 1 a. E. StGB zum Tragen kommen wird.
IV. Für und Wider der aktualisierten Rechtslage Ausgehend von den vorstehend gewonnenen Erkenntnissen über den Regelungsinhalt des § 127 StGB sei nun zuletzt die Frage in den Fokus gerückt, inwieweit die durch § 127 StGB inklusive bestimmter Folgeanpassungen aktualisierte Rechtslage in Bezug auf das Betreiben krimineller Handelsplattformen dem bis zum 1. Oktober 2021 geltenden Rechtszustand überlegen ist. Die Schaffung eines eigenständigen Straftatbestands für die benannten Sachverhalte hatte bereits während des Gesetzgebungsverfahrens vornehmlich seitens der Rechtswissenschaft verschiedenste, teils erhebliche Kritik erfahren.975 Nachfolgend sollen unter Würdigung dessen neben dem Nutzen der Vorschrift des § 127 StGB zugleich knapp die Schattenseiten der Reform beleuchtet werden, die sich insbesondere in einer damit einhergehenden Vorverlagerung des Strafrechtsschutzes, der fehlenden Erforderlichkeit der Vorschrift des § 127 StGB sowie einer Ausdehnung von eingriffsintensiven Strafverfolgungsmaßnahmen offenbaren. Inwieweit die Vorschrift des § 127 StGB daher tatsächlich mehr Schwierigkeiten beseitigt, als neue Unsicherheiten schafft, sei nachstehend in den Blick genommen. 1. Der Nutzen eines § 127 StGB Während die Gesetzesbegründung zu § 127 StGB nunmehr unter anderem darauf verweist, dass insbesondere bei Vollautomatisierung einer Plattform nicht jeder Sachverhalt im Wege der Beihilfe erfasst werden könne, weil für den Gehilfenvorsatz eine Kenntnis der Haupttat in ihren wesentlichen Merkmalen erforderlich sei,976 rekurrierte die Entwurfsbegründung des Bundesrats zu § 126a StGBE noch vorwiegend auf eine oft fehlende Nachweisbarkeit der Beihilfe, weil die Haupttaten der Nutzer meist bilateral über verschlüsselte Kommunikationskanäle abgewickelt werden würden beziehungsweise diese zumindest nicht offen in Foren einsehbar seien.977
975
Vgl. bereits die Nachweise in Einleitung Fn. 12. BT-Drs. 19/28175, S. 10. 977 BT-Drs. 19/9508, S. 9 f. 976
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Anzuerkennen ist in diesem Zusammenhang, dass § 27 StGB unter Berücksichtigung des Grundsatzes der limitierten Akzessorietät stets wenigstens den Versuch einer vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat erfordert.978 Wird hingegen ein eigenständiger Straftatbestand geschaffen, der von fremdem Unrecht gänzlich abgekoppelt ist,979 ist ebendies gerade entbehrlich. So erinnert zwar die in § 127 Abs. 1 Satz 1 StGB gewählte Formulierung, wonach eine Handelsplattform betrieben werden muss, die darauf ausgerichtet ist, die Begehung von rechtswidrigen Taten zu ermöglichen oder zu fördern, auf den ersten Blick an § 27 Abs. 1 StGB sowie das dortige Verständnis eines strafbaren Hilfeleistens zu fremden Haupttaten.980 Zur Vollendung des § 127 StGB genügt jedoch wie gesehen schlicht das Betreiben einer Handelsplattform mit der Ausrichtung des Zwecks auf die Ermöglichung oder Förderung der Begehung von rechtswidrigen Taten. Inwieweit eine „rechtswidrige Tat“ im Sinne von § 127 Abs. 1 Satz 2 StGB durch einen Nutzer der Handelsplattform anschließend zumindest versucht wird, bleibt insoweit ohne jede Bedeutung.981 Zugleich benannt ist daher der immerhin einer der aus Sicht der Strafverfolgungspraxis gewichtigen Vorteile eines § 127 StGB: Die hiesigen Strafverfolgungsbehörden trifft ohne einen eigenständigen Straftatbestand im Sinne des § 127 StGB im Rahmen von § 27 StGB angesichts der dortigen limitierten Akzessorietät die Pflicht, neben der Hilfeleistung des Plattformbetreibers zugleich die Haupttat eines Nutzers sowie den darauf gerichteten Vorsatz nachzuweisen.982 Vornehmlich im Kriminalitätsbereich des Darknets, in dem Anonymität mithilfe des Einsatzes spezifischer Verschlüsselungssoftware angestrebt wird und die Taten der Nutzer teils bilateral über verschlüsselte Kommunikationskanäle abgewickelt werden, ist es jedoch jener Nachweis, der in der Tat ein potentielles Hindernis zur Strafbarkeit des Betreibers offenbart. Aufgehoben wird mithilfe jener Konstruktion einer stets täterschaftlichen Verantwortlichkeit daher der insbesondere bei Tatbegehung mittels Darknets nur unter erschwerten Bedingungen zu führende, aufwändige Nachweis konkreter Haupttaten der Nutzer. Über den Umweg des § 127 StGB wird so eine jedenfalls aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden durchaus nützliche Beweiserleichterung geschaffen.983 Zu bedenken ist mit Blick auf den für die Praxis prima facie immens wirkenden Nutzen eines § 127 StGB jedoch vorab bereits Eines: § 127 StGB erspart zur Verurteilung eines Plattformbetreibers zwar den Nachweis einzelner Nutzerstraftaten. Erstens erleichtert die schlichte Schaffung eines eigenen Straftatbestands jedoch 978
Zur Akzessorietät der Beihilfe siehe Heiße / Weißer, in: Schönke / Schröder, § 27 Rn. 34 ff. Dazu Teil 3 I. II. und III. 5. 980 In diese Richtung auch Rückert, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 13. Vgl. allgemein zu strafbarer Beihilfe die Ausführungen unter Teil 3 G. I. 981 Siehe Teil 3 I. II. 982 Zu erforderlichen Feststellungen hinsichtlich der vom Gehilfen geförderten Tat siehe nur BGH v. 16. 12. 2020 – 4 StR 297/20, NStZ-RR 2021, 78, 79. 983 Auf den erleichterten Tatnachweis verweisen bereits etwa Bachmann / Arslan, NZWiSt 2019, 241, 246. 979
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nicht das einer Verurteilung zwingend vorausgehende Ausfindigmachen des Plattformbetreibers im besonders praxisrelevanten, anonymen Bereich des Darknets.984 Zweitens sollte doch die Ermittlung der Nutzerstraftaten als die eigentlichen und unmittelbareren Beeinträchtigungen des Rechtsguts ohnehin ein Anliegen der Strafrechtswissenschaft und im Besonderen der Praxis sein. Dies nicht zuletzt deshalb, weil den Nutzern bei bloßer Abschaltung eines Onion Services ein jederzeitiger Wechsel zu anderweitigen versteckten Diensten möglich ist, sodass letztlich kein langfristiger Rückgang des illegalen Handelsgeschehens zu erwarten ist.985 Und dass der erforderliche Nachweis konkreter Haupttaten auch in der Praxis gelingt, zeigt nicht zuletzt das richtungsweisende Urteil des LG Karlsruhe.986 Freilich aber stehen erfolgreiche Ermittlungen unter der Prämisse ausreichender Ermittlungsinstrumentarien und Personaldichte, was im weiteren Verlauf noch zu thematisieren sein wird.987 2. Die Schattenseiten der Reform Wenngleich die Schaffung einer eigenständigen Strafbarkeit für die Zurverfügungstellung einer auf kriminelle Zwecke ausgerichteten Plattform sowie damit einhergehend die Abkoppelung von einer tatsächlichen Begehung der Nutzertaten auf den ersten Blick nachvollziehbar anmuten mag, so bleibt dennoch fraglich, inwieweit jenes Ziel das gewählte Mittel heiligt. Bedenken im Hinblick auf die durch § 127 StGB sowie einige Folgeanpassungen aktualisierte Rechtslage rühren nicht zuletzt aus der massiven Vorverlagerung des Strafrechtsschutzes, eines fehlenden Bedarfs für § 127 StGB sowie einer fragwürdigen Ausweitung einschneidender strafprozessualer Maßnahmen. a) Zur Legitimation von Vorfeldtatbeständen Wie gesehen, ist § 127 StGB nunmehr als abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestaltet und erfordert daher tatbestandlich nicht den Eintritt eines Erfolgs im Sinne einer Verletzung von Rechtsgütern.988 Abstrakte Gefährdungsdelikte, die nicht unmittelbar an die Verletzung eines Rechtsguts anknüpfen, sondern vorgelagert an der generellen Gefährlichkeit eines Verhaltens, sind dem geltenden Strafrecht
984 Dies geben etwa bereits Bachmann / Arslan, NZWiSt 2019, 241, 246 sowie Zöller, KriPoZ 2019, 274, 280 zu bedenken. 985 Zur Verlagerung des Handelsgeschehens auf andere Plattformen siehe Soska / Christin, in: Proceedings of the 24th USENIX Security Symposium, 33 ff. 986 LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013. 987 Vgl. Teil 3 I. IV. 3. 988 Allgemein Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 6 Rn. 8. Siehe zur Ausgestaltung von § 127 StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt Teil 3 I. II.
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zwar nicht fremd und erfahren zunehmend gesetzgeberische Beliebtheit.989 Gänzlich unbestritten bleibt diese Regelungstechnik indes nicht.990 Ganz allgemein sollen sich abstrakte Gefährdungsdelikte als weitestgehend legitim erweisen, soweit ein Gefährdungsverhalten klar dargelegt, ein Rechtsgutsbezug ersichtlich sowie das Schuldprinzip gewahrt wird.991 Etwas anderes soll hingegen dort gelten, wo eine immer weitergehende Vorfeldkriminalisierung unter Einsatz schwammiger Rechtsgüter fokussiert beziehungsweise die Vorverlagerung der Strafbarkeit sowie der Einsatz unklarer Rechtsgüter zur Umgehung von Beweisschwierigkeiten prozessualer Art genutzt werde.992 Auch mit Blick auf § 127 StGB drängt sich sodann die generelle Frage auf, in welchem Umfang und mit welcher Begründung sich die Vorverlegung des Strafrechtsschutzes in das Vorfeld von Rechtsgutsverletzungen als legitim darstellt. Allgemein wird die Aufgabe des Strafrechts überwiegend zunächst – mit im Einzelnen bestehenden Abweichungen – im Schutz von Rechtsgütern vor Gefährdung oder Verletzung erblickt.993 Darüber hinaus verlange strafbares Unrecht eine besondere Beziehung oder Deliktsstruktur zwischen strafbarem Verhalten des Täters und geschütztem Rechtsgut.994 Das strafbare Verhalten müsse insoweit ein missbilligtes, unerlaubtes sowie dem Täter zurechenbares Risiko im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut begründen.995 Steht nun ein über die Verletzung von Individualrechtsgütern hinausgehender strafrechtlicher Vorfeldschutz in Rede, soll ein solcher etwa nach Sieber grundsätzlich durch zwei auch kombinierbare Vorgehensweisen legitimierbar sein, namentlich die Vorverlagerung der Strafbarkeit durch die Schaffung von Gefährdungsdelikten oder der Vorfeldschutz durch die Anerkennung überindividueller Rechtsgüter.996 Mit Blick auf die Vorverlagerung
989
Zu abstrakten Gefährdungsdelikten siehe etwa Brettel / Schneider, Wirtschaftsstrafrecht, § 2 Rn. 16; Frister, Strafrecht Allgemeiner Teil, Kap. 3 Rn. 26; Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 6 Rn. 7 f. 990 Insoweit versehen sich abstrakte Gefährdungsdelikte nicht selten der allgemein bekannten Kritikpunkte: Eine Ausweitung in den Bereich der Vorfeldkriminalisierung ließe sich angesichts des fehlenden beziehungsweise schwammigen Rechtsgutsbezugs schwerlich legitimieren und es sei nicht Aufgabe des Staates, die Schwierigkeiten einer modernen Gesellschaft zu lösen beziehungsweise möglichen Risiken entgegenzutreten, Hassemer, ZRP 1992, 378, 381; sowie zusammenfassend etwa Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 6 Rn. 11; gegen eine generelle Kritik an abstrakten Gefährdungsdelikten aber etwa Schünemann, GA 1995, 201, 210 ff.; Kuhlen, GA 1994, 347, 362 ff. 991 Hierzu Roxin / Greco, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 1, § 2 Rn. 69. 992 Kritisch etwa Weigend, in: FS-Triffterer, 695 ff., darauf verweisend ebenfalls Roxin / Greco, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 1, § 2 Rn. 69. 993 Siehe hierzu etwa Hassemer / Neumann, in: NK-StGB, Vor § 1 Rn. 108 ff.; Heger, in: Lackner / Kühl, Vor § 13 Rn. 4; Jäger, in: SK-StGB, Vor § 1 Rn. 1 ff.; Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 3 Rn. 1 ff.; Roxin / Greco, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 1, § 2 Rn. 1 ff.; Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 9 ff. 994 Sieber, NStZ 2009, 353, 357. 995 Sieber, NStZ 2009, 353, 357. 996 Sieber, NStZ 2009, 353, 357 ff.
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von Strafrechtsschutz durch die Schaffung von Gefährdungstatbeständen wird sodann ebenfalls darauf verwiesen, dass die Begründung strafbaren Unrechts im Falle einer schlichten Gefährdung von Rechtsgütern über die Verursachung eines unerlaubten Risikos hinaus zusätzliche Legitimationskriterien erfordere.997 Notwendig sei dabei nicht allein eine Zurechnung der Gefahr zum Verantwortungsbereich des Täters.998 Als funktionales Äquivalent zur Verletzungskausalität des Erfolgsdelikts bedürfe es insoweit einer Begründung, weshalb das Verhalten ohne Verletzung des Rechtsguts zu missbilligen und zu ahnden ist.999 Sieber differenziert insoweit zwischen drei Haupttypen von Gefährdungsdelikten mit jeweils besonderen Legitimationsbegründungen.1000 In der ersten Deliktsgruppe – der sogenannten objektiven Gefahrschaffungsdelikte – soll die Gefährdung vorrangig auf einer vom Täter vorsätzlich oder fahrlässig verursachten und nicht länger beherrschten objektiven Gefahrensituation gründen.1001 Auf erhebliche Begründungsprobleme verweist Sieber dort mit Blick auf die – auch vorliegend schon benannte1002 – Untergruppe der seinerseits als Anschließungsdelikte bezeichneten Gefährdungsdelikte, wenn eine Gefährdung und mögliche Rechtsgutsverletzung nicht allein durch das Täterverhalten verursacht wird, sondern es hierfür selbstständiger deliktischer Handlungen fremder Personen bedarf.1003 Die Zurechnung einer deliktischen Anschlusstat zum Ersthandelnden versperrten laut Sieber zwar grundsätzlich das Eigenverantwortlichkeitsprinzip beim Anschlusstäter sowie der Vertrauensgrundsatz; besondere Legitimationsbegründungen seien aber möglich, wenn der Ersthandelnde eine Sorgfaltspflicht verletze, die deliktisches Anschlusshandeln ausschließen will, wenn der überlassene Gegenstand oder eine weitergegebene Information ausschließlich oder ganz überwiegend deliktisch genutzt werden könnte oder in besonderem Maße gefährlich sei.1004 Die Zurechnung fremden Unrechts sei ferner denkbar, soweit Erst- und Anschlusstäter kollusiv zusammenwirkten, dem Verhalten des Ersthandelnden ein spezifischer Aufforderungscharakter zukomme oder der Ersthandelnde sicher wisse, dass sein Verhalten deliktische Anschlusstaten fördere.1005 Als zweiten Haupttyp benennt Sieber sodann die – ebenfalls schon benannten1006 – auch als „Versuchs- oder Vorbereitungsdelikte“ oder „Gefährdungsdelikte mit überschießender Innentendenz“ zu charakterisierenden „Planungsdelikte“, bei denen die 997
Sieber, NStZ 2009, 353, 358. Sieber, NStZ 2009, 353, 358. 999 Sieber, NStZ 2009, 353, 358. 1000 Zum Ganzen Sieber, NStZ 2009, 353, 358 ff. 1001 Sieber, NStZ 2009, 353, 358. 1002 Siehe dazu Teil 3 I. III. 5. 1003 Sieber, NStZ 2009, 353, 358; dazu etwa auch Wohlers, der diese als Vorbereitungsdelikte bezeichnet, Wohlers, Deliktstypen des Präventionsstrafrechts, S. 328 ff. 1004 Sieber, NStZ 2009, 353, 358 f. 1005 Sieber, NStZ 2009, 353, 358 f.; siehe ferner auch von Hirsch / Wohlers, in: Die Rechtsgutstheorie, 196, 204 ff. 1006 Teil 3 I. III. 5. 998
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Gefährdung primär aus dem Vorsatz zur Deliktsbegehung folgen soll, den der Täter durch äußere Manifestation dokumentiere.1007 Anders als bei den primär objektiv definierten Gefährdungsdelikten gehe der Vorsatz des Täters dort über den objektiv verwirklichten Sachverhalt hinaus.1008 Weil jene Deliktskategorie besonders dem Einwand des Gesinnungsstrafrechts sowie des fehlenden Zurechnungszusammenhangs ausgesetzt sei, bedürfe es zur Legitimation insoweit einer eindeutig objektiven Manifestation der Tatvorbereitung, einer besonderen Gefahrschaffung sowie spezieller Vorsatzmerkmale.1009 Schließlich kennzeichne eine dritte Deliktsgruppe als sogenannte Kooperationsdelikte die Kombination beider Gesichtspunkte des Tatentschlusses sowie seiner objektiven Manifestation durch gefahrsteigerndes Zusammenwirken Mehrerer.1010 Blickt man nun zu § 127 StGB, ist jene Vorschrift zwar laut Gesetzesmaterialien durch das Merkmal der Zweckausrichtung an § 129 StGB angelehnt,1011 dort muss aber die Begehung von Straftaten der verbindlich festgelegte Zweck der Vereinigung und der Wille hierzu fest gefasst sein.1012 Bäcker und Golla verwiesen zunächst schon mit Blick auf § 126a StGB-E darauf, dass die Vorschrift, anders als § 129 StGB, dem Wortlaut nach nicht die Ausrichtung des Zwecks auf die Begehung von Straftaten fordere, sondern lediglich auf deren Ermöglichung oder Förderung.1013 Daraus folgern Bäcker und Golla, der Anbieter müsse nicht bezwecken, dass mithilfe seiner Plattform tatsächlich Straftaten begangen würden, dieser müsse schlicht zweckgerichtet ein Umfeld schaffen, in welchem derartige Straftaten nahelägen.1014 Ungeachtet dessen wird der Strafgrund des § 129 StGB in der Schaffung oder Verstärkung desjenigen Gefahrenpotentials erblickt, das in der Existenz und den Aktionsmöglichkeiten krimineller Vereinigungen liege: Zum einen seien die von Vereinigungen drohenden Straftaten wegen der gemeinschaftlichen Begehungsweise typischerweise besonders gefährlich, zum anderen sei die Begehungswahrscheinlichkeit erhöht, indem kriminelle Vereinigungen regelmäßig eine auf die Begehung von Straftaten hindrängende Eigendynamik entfalten würden, die das Verantwortungsgefühl einzelner Mitglieder herabsetze.1015 Bezogen auf § 127 StGB, ist es dort, wie bereits erläutert, nicht etwa eine Vereinigung, deren Zweck auf die Begehung von Straftaten gerichtet sein muss, sondern eine Handelsplattform, die auch von einem Einzeltäter betrieben werden kann.1016 Im Rahmen von § 127 StGB kann daher jedenfalls nicht auf eine spezifische Gruppendynamik
1007
Sieber, NStZ 2009, 353, 358. Sieber, NStZ 2009, 353, 359. 1009 Sieber, NStZ 2009, 353, 359 ff. 1010 Sieber, NStZ 2009, 353, 358, 361. 1011 BT-Drs. 19/28175, S. 16. 1012 Siehe Teil 3 B. I. 2. 1013 Bäcker / Golla, Strafrecht in der Finsternis. 1014 Bäcker / Golla, Strafrecht in der Finsternis. 1015 Etwa Rudolphi, in: FS-Bruns, 315, 317; Stein / Greco, in: SK-StGB, § 129 Rn. 4. 1016 Siehe hierzu Teil 3 I. III. 4. a). 1008
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durch das Zusammenwirken Mehrerer im Sinne eines oben genannten Kooperationsdelikts als Strafgrund verwiesen werden.1017 Will man sich ferner nicht mit der Anerkennung des vorgelagerten Universalrechtsguts der öffentlichen Sicherheit und Ordnung beziehungsweise des öffent lichen Friedens als geschütztes Rechtsgut dem Vorwurf der Schaffung von Scheinrechtsgütern aussetzen, stellt sich mit Blick auf eine Legitimierung des § 127 StGB als objektives Gefahrschaffungsdelikt weiterhin die bereits benannte Problematik, dass eine tatsächliche Verletzung oder Beeinträchtigung der geschützten Rechtsgüter letztlich nicht allein aus dem Verhalten des Betreibers folgt, sondern von deliktischen Handlungen der Plattformnutzer abhängig ist. Die insoweit bereits angedeuteten, mitunter bestehenden Friktionen im Hinblick auf das Eigenverantwortlichkeitsprinzip, wonach jeder sein Verhalten im Grundsatz nur darauf auszurichten hat, dass er selbst keine Rechtsgüter gefährdet, nicht jedoch darauf, dass andere dies nicht tun,1018 werden bei den von Sieber als Anschließungsdelikten bezeichneten objektiven Gefahrschaffungsdelikten teils bei Handlungen mit einem eindeutig deliktischen Sinnbezug durch besondere Legitimationsbegründungen abgeschwächt. Für § 127 StGB ist dementsprechend danach zu fragen, inwieweit es sich bei dem tatbestandlich festgeschriebenen Verhalten um ein tatsächlich schon objektiv gefährliches und unbeherrschbares Verhalten handelt. Diesbezüglich ließe sich im Hinblick auf das Betreiben einer auf kriminelle Zwecke ausgerichteten Handelsplattform als Ersthandlung verallgemeinernd allenfalls auf eine besondere Gefährlichkeit und Unbeherrschbarkeit aufgrund einer dieser innewohnenden, spezifischen Anreiz- und Breitenwirkung verweisen, weil neben einem vergleichsweise unkomplizierten Zugriff auf logistische Strukturen hierdurch Ländergrenzen aufgehoben und Hemmnisse persönlicher Begehung zur Straftatbegehung abgemildert werden.1019 Insoweit lässt sich für das Betreiben einer (nach sachgerechten Kriterien auszulegenden) kriminellen Zwecken dienenden Handelsplattform und der damit einhergehenden Anreizwirkung zumindest keine sinnvolle, nichtdelik tische Erklärung anführen. Ließe man hingegen eine Legitimation als objektiv-abstraktes Gefahrschaffungsdelikt im obigen Sinne insbesondere unter stärkerer Berücksichtigung des Eigenverantwortlichkeitsprinzips scheitern, weil eine unmittelbare Rechtsgutsbeeinträchtigung nicht aus naturgesetzlichen Zusammenhängen folgt und vom Zufall abhängig ist, sondern deliktische Handlungen anderer erforderlich sind,1020 käme sodann allenfalls eine Legitimation als sogenanntes Vorbereitungs- oder Planungsdelikt in Betracht. In diesem Kontext wird etwa von Puschke zur Legitimation der eigenständigen Sanktionierung von Vorbereitungshandlungen im weiteren Sinne, die hinzutretende freiverantwortliche Handlungen Dritter erfordern, eine Kombina 1017
Ähnlich Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 292 f. Siehe nur Eisele, in: Schönke / Schröder, Vor §§ 13 ff. Rn. 101 m. w. N. 1019 Allgemein dazu Kusche, JZ 2021, 27, 30. 1020 So allgemein und exemplarisch mit Blick auf § 130a StGB etwa Puschke, Legitimation, Grenzen und Dogmatik von Vorbereitungstatbeständen, S. 257 ff., 340 f., 429 f. 1018
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tion aus entsprechend fördernder Qualität der Vorbereitungshandlung sowie aus der Planung einer eigenen oder fremden Tat als Elemente einer hinreichenden Rechtsgutsbeziehung verlangt.1021 Danach folge erst aus dem Planungszusammenhang, das heißt der Einbeziehung einer künftigen unmittelbaren Rechtsgutsbeeinträchtigung in den Vorsatz des Handelnden, dass das Gefährdungsunrecht aus dem Verletzungsunrecht durch weitere freiverantwortliche Handlungen Dritter abgeleitet und sodann an die vorbereitende Handlung angebunden werden könne.1022 Würde man dies auf § 127 StGB übertragen, der in der derzeitigen Ausgestaltung auf einen solchen unmittelbaren subjektiven Bezug des Betreibers zur Tat des Nutzers wohl verzichtet,1023 wird man dort aber zumindest sehen müssen, dass im enumerativen Straftatenkatalog des § 127 Abs. 1 Satz 2 StGB auch solche Delikte aufgenommen sind, die lediglich als abstrakte Gefährdungsdelikte ausgestaltet sind beziehungsweise ihrerseits schlicht die Vorbereitung einer anderen Straftat bestrafen.1024 Verwiesen sei exemplarisch auf die von § 127 Abs. 1 Satz 2 StGB unter anderem in Bezug genommenen und als abstrakte Gefährdungsdelikte ausgestalteten Tatbestände des § 149 StGB und § 202c StGB, die selbst nur das Vorfeld einer das Rechtsgut unmittelbar beeinträchtigenden Verhaltensweise betreffen.1025 Allgemein begegnen die in § 127 Abs. 1 Satz 2 StGB genannten Tatbestände betreffend den unmittelbaren Handel mit illegalen Waren und Dienstleistungen vonseiten der Nutzer vielfach selbst schlicht einer im Hinblick auf das infrage stehende Rechtsgut bloß abstrakten Gefahr in Gestalt der Ausbreitung der gehandelten riskanten Güter oder Dienstleistungen durch andere.1026 Die in § 127 StGB normierte und daran anknüpfende Handlung des Betreibens einer darauf gerichteten kriminellen Plattform bewirkt insoweit eine doppelte Vorverlagerung der Strafbarkeit, weil dort jedenfalls partiell ein abstrakter Gefährdungstatbestand an einen weiteren abstrakten Gefährdungstatbestand geknüpft wird. In solchen Fällen müsste Puschke zufolge für eine hinreichende Rechtsgutsbeziehung wenigstens die unmittelbare Rechtsgutsbeeinträchtigung bei der Vornahme der Vorbereitungshandlung in den Vorsatz des Betreibers aufgenommen worden sein.1027 Ferner dürften laut Puschke bei der 1021 Puschke, in: Grenzenlose Vorverlagerung des Strafrechts?, 9, 29 ff.; Puschke, Legitimation, Grenzen und Dogmatik von Vorbereitungstatbeständen, S. 245 ff. 1022 Puschke, Legitimation, Grenzen und Dogmatik von Vorbereitungstatbeständen, S. 257 ff. 1023 Siehe dazu Teil 3 I. III. 5. 1024 Allgemeiner darauf verweisend bereits etwa Rückert, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 3, 12; dazu auch Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 226 f. 1025 Siehe zu § 149 StGB vgl. m. w. N. Weidemann, in: BeckOK-StGB, § 149 Rn. 3; zu § 202c StGB etwa Graf, in: MüKo-StGB, § 202c Rn. 3. 1026 Allgemein dazu Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 12; im Zusammenhang mit § 127 StGB auch Rückert, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 12; Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 226. 1027 Zur Aufnahme einer unmittelbaren Rechtsgutsbeeinträchtigung im Sinne einer konkreten Gefährdung oder Verletzung eines Rechtsgutsobjektes in den Vorsatz des Vorbereitungstäters allgemein Puschke, in: Grenzenlose Vorverlagerung des Strafrechts?, 9, 29 ff.; Puschke, in: Cybercrime im Rechtsvergleich, 147, 180; Puschke, Legitimation, Grenzen und Dogmatik von Vorbereitungstatbeständen, S. 362; eine Anschlagsabsicht im Rahmen des § 89b StGB fordernd bereits Sieber, NStZ 2009, 353, 362.
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Bestimmung der Voraussetzungen an die Vorstellung von der künftigen Straftat die Anforderungen an den Gehilfenvorsatz nicht unterschritten werden, weil bereits von der Notwendigkeit der Begehung einer Haupttat abgesehen werde.1028 Der Gesetzgeber wollte nun aber mit § 127 StGB gerade Fälle sanktionieren, in denen beim Betreiber aufgrund einer Vollautomatisierung der Plattform keine Kenntnis von den wesentlichen Merkmalen der Haupttat im Sinne von § 27 StGB nachweisbar sei.1029 Wie schon an anderer Stelle erläutert,1030 wird jedoch zumindest in den praxisrelevanten Fällen, in denen der Betreiber selbst die Plattform auf kriminelle Zwecke ausrichtet, entgegen der Aussage des Gesetzgebers auch bei Vollautomatisierung aufgrund der Finalität des Zwecks- und Ausrichtungsmerkmals vergleichsweise unproblematisch eine Kenntnis desselben von den wesentlichen Merkmalen der Haupttat im Sinne des § 27 StGB gegeben sein. Vorteil von § 127 StGB wäre dann zumindest der Verzicht auf einen Nachweis konkreter „Haupttaten“. In Fällen hingegen, in denen dieser Nachweis der subjektiven Anforderungen nicht gelingt, wird man sich nach diesen Grundsätzen allgemein Gedanken über die Strafwürdigkeit des Verhaltens machen müssen.1031 Im Ergebnis manifestiert sich daher mit § 127 StGB eine massive Vorverlagerung des Strafrechtsschutzes, indem ein vom Gesetzgeber auf den Schutz eines schwammigen Rechtsguts – die öffentliche Sicherheit und Ordnung – zu beziehendes Verhalten zu einem vorgelagerten Zeitpunkt mit einer täterschaftlichen Vollendungsstrafe belegt wird. Erkennt man hingegen als geschützte Rechtsgüter diejenigen Rechtsgüter der Katalogtaten an, ist zu bedenken, dass eine tatsächliche Rechtsgutsverletzung grundsätzlich selbstständige Handlungen Dritter bedarf. Ebendies wird vom Gesetzgeber nicht näher thematisiert. Ob dort aber allein die Anreiz- und Breitenwirkung zur Legitimation von § 127 StGB als objektiv-abstraktes Gefährdungsdelikt genügt, bedarf einer weitergehenden Auseinandersetzung der Rechtswissenschaft. Insbesondere unter Berücksichtigung der mit § 127 StGB einhergehenden Beweiserleichterung scheint die eigentliche Intention des Gesetzgebers jedenfalls weniger die repressive Strafandrohung für begangenes Fehlverhalten zu sein, sondern vielmehr, dem Betreiben von kriminellen Plattformen prophylaktisch entgegenzutreten, um Nachweisschwierigkeiten vornehmlich im Bereich des Dark nets von vornherein zu umgehen.1032 Darauf deutet nicht zuletzt der vom Gesetzgeber angeordnete umfassende Auffangcharakter der Norm gegenüber Vorschriften mit schwererer Strafe hin. Damit reiht sich § 127 StGB als weiteres Exempel in den Trend der zunehmenden Vorverlagerung eines Strafrechtsschutzes und provoziert die bekannte Kritik an der Schaffung abstrakter Gefährdungsdelikte zur
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Puschke, Legitimation, Grenzen und Dogmatik von Vorbereitungstatbeständen, S. 366 f. BT-Drs. 19/28175, S. 10. 1030 Siehe dazu Teil 3 G. III. 2. 1031 Allgemeiner schon Rückert, Endlich Licht ins Darknet?. 1032 In diese Richtung zur ursprünglichen Entwurfsfassung des Bundesrats etwa Bäcker / Golla, Strafrecht in der Finsternis. 1029
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Umgehung von Beweisschwierigkeiten gewissermaßen auf ein Neues.1033 Inwieweit jedoch auf diese Weise dem Betreiben krimineller Plattformen im Darknet als eigentliches und ursprünglich anvisiertes Problem ein Riegel vorgeschoben wird, bleibt insbesondere mit Blick auf eine tatsächliche Wirksamkeit der Norm höchst zweifelhaft.1034 b) Notwendigkeit eines § 127 StGB Der einstige Entwurf eines § 126a StGB-E des Bundesrats verwies zur Begründung der Einführung eines eigenen Straftatbestands noch vorwiegend auf die Problematik der strafrechtlichen Praxis, dass eine Beihilfe gemäß § 27 StGB zu den über die Plattform begangenen Straftaten oft nicht nachweisbar sei, weil die Haupttaten bilateral zwischen den Nutzern mithilfe verschlüsselter Kommunikationskanäle abgewickelt werden würden beziehungsweise nicht offen im Forum sichtbar seien.1035 Daneben seien die Arten von Straftaten in vielen Foren zu Beginn nicht klar definiert; welche Art von Gütern konkret gehandelt werde, sei für die Täter insoweit ohne Bedeutung.1036 Eine Vielzahl an Foren würde darüber hinaus über vollautomatisierte Verkaufssysteme verfügen, die eine Beihilfe zu konkreten Haupttaten noch schwerer nachweisbar machten.1037 Ungeachtet dessen würde die strafrechtliche Ahndung unter dem Gesichtspunkt der Beihilfe den aktiven Charakter der Tathandlung, die die Grundlagen der Underground Economy schaffe, nicht hinreichend erfassen.1038 Auf eine Zurechnung von Einzeltaten unter dem Gesichtspunkt einer bandenmäßigen Tatbegehung könne meist nicht zurückgegriffen werden, weil Foren häufig nur von einer Person betrieben werden würden. Bei Plattformen mit mehreren Betreibern würden sich diese ferner nicht persönlich kennen und kein übergeordnetes, homogenes Interesse vorliegen.1039 Außerdem müsse bei Annahme einer Bande stets weitergehend überprüft werden, inwieweit sich die Mitglieder an der einzelnen Tat als Mittäter, Anstifter oder Gehilfe beteiligten oder überhaupt keinen strafbaren Beitrag leisteten, wobei letzteres insbesondere dann der Fall sei, sofern etwa technische Administratoren glaubhaft versicherten, keine Kenntnis von oder kein Interesse an den angebahnten illegalen Verkaufstätigkeiten gehabt zu haben.1040 Auch die Bildung einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB komme bei den insoweit relevanten Cyberstruktu-
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Allgemein kritisch etwa Weigend, in: FS-Triffterer, 695 ff., ebenfalls Roxin / Greco, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 1, § 2 Rn. 69. 1034 Vgl. Teil 3 I. IV. 2. c) cc). 1035 BT-Drs. 19/9508, S. 9. 1036 BT-Drs. 19/9508, S. 9 f. 1037 BT-Drs. 19/9508, S. 10. 1038 BT-Drs. 19/9508, S. 10. 1039 BT-Drs. 19/9508, S. 10. 1040 BT-Drs. 19/9508, S. 10.
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ren, die sich meist nur zufällig zur unmittelbaren Begehung von Straftaten bilden würden, nicht in Betracht.1041 Die Gesetzesmaterialien zu § 127 StGB verweisen nun wie gesehen darauf, dass die Regelungen zur Beihilfe aufgrund des Erfordernisses einer Kenntnis des Betreibers von der Haupttat in den wesentlichen Merkmalen insbesondere bei Vollautomatisierung der Plattform nicht ausreichen würden.1042 Daneben sei auch eine Zurechnung von Einzeltaten im Zuge einer bandenmäßigen Tatbegehung mangels erforderlicher Personenanzahl nur teilweise möglich.1043 Das bisherige System von Täterschaft und Teilnahme sei insoweit nicht stets tauglich, „moderne Formen der Kriminalität insbesondere im Bereich des Internets angemessen zu erfassen.“1044 Diese Lücke könne auch der Straftatbestand des § 129 StGB nicht füllen.1045 Es bestehe daher dringender Bedarf der Ergänzung der strafrechtlichen Regelungen, weil die Anzahl an kriminellen Handelsplattformen zunehme und nicht hingenommen werden könne, dass sich ihre Betreiber nicht strafbar machen würden oder eine effektive Strafverfolgung nicht möglich sei.1046 aa) Fehlender Beleg für unzureichende Regelungen Der erklärte, dringende Bedarf der Ergänzung der strafrechtlichen Regelungen mithilfe von § 127 StGB ist jedoch bereits unter Würdigung der Tatsache mit Skepsis zu betrachten, dass die vorstehenden Ausführungen jedenfalls eine Erkenntnis offenbarten: Infolge einer Aufarbeitung des vor Inkrafttreten des § 127 StGB geltenden Kern- und Nebenstrafrechts trat erkennbar zutage, dass jedenfalls eine nennenswerte materiell-rechtliche Strafbarkeitslücke zur Erfassung der praxisrelevanten Fälle des Betreibens krimineller Handelsplattformen nicht existiert.1047 Insoweit reicht das Spektrum zur materiell-rechtlichen Erfassung des Betreibens einer auf kriminelle Zwecke ausgerichteten Handelsplattform im abgesehen von § 127 StGB geltenden Recht von einer Alleintäterschaft des Betreibers bis hin zur Beihilfe desselben zu den Nutzergeschäften.1048
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BT-Drs. 19/9508, S. 10. BT-Drs. 19/28175, S. 10. 1043 BT-Drs. 19/28175, S. 10. 1044 BT-Drs. 19/28175, S. 10. 1045 BT-Drs. 19/28175, S. 10 f. 1046 BT-Drs. 19/28175, S. 11. 1047 Darauf verweisen im vorliegenden Zusammenhang etwa Jahn, Stellungnahme zu BTDrs. 19/28175, S. 5 ff.; Rückert, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 4 ff.; Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 299 f.; Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 228 ff.; Zöller, KriPoZ 2021, 79, 83 ff. 1048 Ausführlich zur Einordnung des Betreibens krimineller Infrastruktur vgl. die Ausführungen unter Teil 3 B. bis H. 1042
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Entgegen der grundsätzlichen Skepsis der Gesetzesmaterialien bietet bereits der allgemeine Vorfeldtatbestand des § 129 StGB jedenfalls in Fällen professionell organisierter Handelsplattformen die Möglichkeit einer täterschaftlichen Erfassung, was nicht zuletzt die Verurteilung eines Administrators der Plattform „Fraudsters“ belegt.1049 Daneben wurde ausführlich erläutert,1050 dass einige insbesondere für das Darknet szenetypische Deliktsbereiche Straftatbestände bereithalten, die zwar nicht unmittelbar das Betreiben einer Plattform als Tathandlung umschreiben, angesichts der Weite der Tathandlung jedoch gleichwohl geeignet sind, das Verhalten des Plattformbetreibers einzubeziehen. Gemeint sind exemplarisch die Tatbestände der § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Nr. 10 BtMG, §§ 51, 52 WaffG, §§ 184b, 184c StGB, § 19 GÜG oder § 40 SprengG. In Erinnerung gerufen sei insoweit nur nochmals das Urteil des LG Limburg zum Darknet-Forum „Elysium“, in dem in der Zurverfügungstellung einer Plattform, die dem Einstellen von Dateien im Internet dient, ein Zugänglichmachen kinderpornografischer Inhalte im Sinne von § 184b StGB erblickt wurde.1051 Beschränkt sich der Betreiber auf die Zurverfügungstellung und Aufrechterhaltung des Mediums und greift keiner der zuvor genannten Tatbestände, bleibt entgegen der Behauptung der Gesetzesmaterialien in den praxisrelevanten Fällen wenigstens eine Beihilfestrafbarkeit des Plattformbetreibers begründbar.1052 Dass jedenfalls bei den praktisch bislang bedeutsamen Fällen der Ausrichtung einer Plattform auf kriminelle Zwecke durch den Betreiber selbst trotz anschließender Vollautomatisierung der Plattform ein Vorsatz bezüglich der Haupttaten der Nutzer grundsätzlich nachweisbar ist, wurde an anderer Stelle bereits ausführlich verdeutlicht.1053 Insoweit weisen Betreiber, die der Plattform selbst etwa durch bestimmte Waren- oder Dienstleistungskategorien kriminelle Zwecke verleihen, durchaus eine Kenntnis von den wesentlichen Merkmalen der Haupttat in diesem Sinne auf.1054 Nach Auffassung des LG Duisburg stand es dem Gehilfenvorsatz beispielsweise auch nicht entgegen, dass sich die Angeklagten teilweise dahin eingelassen hatten, sich vorwiegend für die technische Seite des Forums begeistert zu haben, soweit sie den Handel mit Betäubungsmitteln und anderen inkriminierten Gütern zumindest billigten.1055 Zöller verweist ferner etwa zu Recht darauf, dass die Vorstellung, jemand betreibe eine Handelsplattform, ohne sich anschließend auch nur im Ansatz dafür zu interessieren, was dort von wem angeboten und nachgefragt wird, bereits psychologisch betrachtet nicht nur wenig plausibel, sondern regelrecht naiv sei.1056
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Teil 3 B. I. Teil 3 B. I. bis VIII. 1051 Teil 3 B. VII. 1052 Zur Beihilfestrafbarkeit des Plattformbetreibers eingehend die Ausführungen unter Teil 3 G. 1053 Vgl. die Ausführungen unter Teil 3 G. III. 1054 Teil 3 G. III. 1055 LG Duisburg v. 05. 04. 2017 – 33 KLs-111 Js 32/16–8/16, BeckRS 2017, 128618 Rn. 556. 1056 Zöller, International Cybercrime Law Review, 279, 285. 1050
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Jedenfalls bleiben praxisrelevante Fälle, in denen sich der Betreiber einer kriminell ausgerichteten Plattform keine entsprechenden Gedanken macht, tatsächlich nur schwerlich vorstellbar und wurden von den Gesetzesmaterialien auch nicht vorgebracht. Hingegen wurden die zahlreichen Stimmen der Strafrechtswissenschaft, die den von den Gesetzesmaterialien angemahnten dringenden Bedarf der Ergänzung der strafrechtlichen Regelungen bereits vor Schaffung des § 127 StGB entkräfteten,1057 vom Gesetzgeber ebenfalls vollständig ausgeblendet. Daneben ist auch die von den Gesetzesmaterialien ebenfalls angezweifelte praktische Nachweisbarkeit einer Haupttat der Nutzer sowie eines darauf gerichteten Gehilfenvorsatzes nicht belegt. Ebendies gelang vielmehr in den bislang vorzufindenden Sachverhalten, wie dies nicht zuletzt etwa das Urteil des LG Karlsruhe beziehungsweise das Urteil des LG Duisburg zu entsprechenden Foren belegt.1058 Seitens der Gesetzesmaterialien werden jene Entscheidungen ebenfalls nicht mit einem einzigen Wort erwähnt. Im Plenarprotokoll zur 1. Beratung des Entwurfs eines § 127 StGB-E im Bundestag findet sich hingegen die nicht nachvollziehbare Äußerung, der Betreiber der Plattform, mithilfe derer die Waffe zum Amoklauf in München erworben worden konnte, sei am Ende straflos geblieben.1059 Allgemein bleibt der Gesetzgeber insoweit eines empirischen Belegs für die vorgebrachten Nachweisschwierigkeiten schuldig.1060 Dass ein dahingehender Nachweis in der Praxis freilich einem erheblichen Aufwand der zuständigen Strafverfolgungsbehörden unterliegt, soll insoweit keinesfalls in Abrede gestellt werden. Sachgerechter scheinen insoweit jedoch anderweitige Lösungsansätze.1061 bb) Das Unrecht des Betreibens krimineller Plattformen und § 27 StGB Neben dem bereits widerlegten Aspekt einer nennenswerten Strafbarkeitslücke verwiesen schon die Gesetzesmaterialien zum Vorgängerentwurf des § 127 StGB nicht zuletzt darauf, dass eine Bestrafung unter dem Gesichtspunkt der Beihilfe nicht geeignet sei, den aktiven Charakter der Tathandlung des Betreibers hinreichend abzubilden.1062 Auch die Materialien zu § 127 StGB wenden an anderer Stelle ein, die bisherige strafrechtliche Konstruktion von Täterschaft und Teilnahme sei nicht stets geeignet, „moderne Formen der Kriminalität im Bereich des Internets angemessen zu erfassen.“1063 Zweifel an einer Gehilfenstrafbarkeit ließen sich dabei auf den ersten Blick vornehmlich aufgrund der dortigen Strafmilderung des 1057
Siehe etwa die Nachweise kritischer Stimmen in Einleitung Fn. 12. LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013; LG Duisburg v. 05. 04. 2017 – 33 KLs-111 Js 32/16–8/16, BeckRS 2017, 128618. 1059 BT-Plenarprotokoll 19/222, S. 28181. 1060 Rückert, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 4. 1061 Teil 3 I. IV. 3. 1062 BT-Drs. 19/9508, S. 10. 1063 BT-Drs. 19/28175, S. 10. 1058
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§ 27 Abs. 2 Satz 2 StGB sowie der konkurrenzrechtlichen Verhältnisse einer Beihilfe anmelden. (1) Strafe des Gehilfen und Konkurrenzen Zwar ist die Strafe des Gehilfen im Grundsatz akzessorisch zur Haupttat, indem sich die Strafandrohung entsprechend § 27 Abs. 2 Satz 1 StGB nach derjenigen der Haupttat richtet. Das Gesetz sieht allerdings mit Blick auf die Strafe des Gehilfen in §§ 27 Abs. 2 Satz 2, 49 Abs. 1 StGB bekanntlich einen obligatorischen, das heißt – anders als im früheren Recht – zwingenden gesetzlichen Strafmilderungsgrund vor.1064 Ausgehend davon ist die Strafe des Gehilfen nach Maßgabe der §§ 27 Abs. 2 Satz 2, 49 Abs. 1 StGB entsprechend zu mildern, wobei die Berücksichtigung dieser obligatorischen Strafmilderung aus den jeweiligen Urteilsgründen hervorzugehen hat.1065 Diese hinsichtlich des Betreibens einer kriminellen Handelsplattform aufgrund der Vielzahl der so ermöglichten Haupttaten auf den ersten Blick bedenklich anmutende Strafmilderung ist es zum einen, angesichts derer teils Zweifel an einer Angemessenheit der Gehilfenstrafbarkeit des Plattformbetreibers geäußert werden.1066 Vor diesem Hintergrund ließe sich sodann erwägen, das allgemein für zu gering erachtete Strafniveau mithilfe der Schaffung einer eigenständigen Strafbarkeit anzuheben, weil der über die einzelnen Beihilfehandlungen hinausgehende Unwertgehalt des Betreibens krimineller Handelsplattformen insgesamt nicht gerecht abgebildet werde.1067 Hinzu kommt, dass die Bestimmung von Tateinheit oder Tatmehrheit im Rahmen des § 27 StGB anhand der Anzahl an Hilfeleistungen sowie der insoweit geförderten Haupttaten erfolgt.1068 Leistet ein Gehilfe daher durch eine einzige Hilfeleistung Beihilfe zu mehreren Haupttaten von einem oder mehreren Haupttätern, ist grundsätzlich nur eine tateinheitlich begangene Beihilfe gegeben.1069 Schließlich meint „Tat“ entsprechend den §§ 52, 53 StGB im Falle der Beihilfe die Unterstützungshandlung des Gehilfen; die anschließende Begehung der Haupttat bewirkt ausgehend vom Grundsatz der limitierten Akzessorietät schlicht dessen Strafbarkeit. Diese Akzessorietät allein rechtfertigt allerdings nicht, angesichts der Mehrheit an 1064 Zur Strafmilderung nach §§ 27 Abs. 2 Satz 2, 49 Abs. 1 StGB unter anderem Brögelmann, JuS 2002, 903, 905; Heine / Weißer, in: Schönke / Schröder, § 27 Rn. 39; Joecks / Scheinfeld, in: MüKo-StGB, § 27 Rn. 125; Kudlich, in: BeckOK-StGB, § 27 Rn. 23; Kühl, in: Lackner / Kühl, § 27 Rn. 10; Kühl, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 20 Rn. 212. 1065 So Detter, NStZ 1993, 473; Heine / Weißer, in: Schönke / Schröder, § 27 Rn. 39; Joecks / Scheinfeld, in: MüKo-StGB, § 27 Rn. 125; kritisch Frister, in: FS-Dencker, 119, 131 f. 1066 Kritisch etwa Rüffer, in: Rückert / Wüst, KriPoZ 2018, 247, 252; wohl auch Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 11. 1067 Allgemeiner darauf verweisend etwa Ceffinato, ZRP 2019, 161, 162; Greco, ZIS 2019, 435, 450; Rückert, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 11. 1068 Zum Ganzen Waßmer, in: AnwaltKommentar-StGB, § 27 Rn. 41. 1069 Siehe die Nachweise in Teil 3 Fn. 426.
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Haupttaten ein mehrfaches Hilfeleisten des Gehilfen zu konstruieren.1070 Erschöpft sich das Verhalten des Betreibers sodann etwa in dem Bereitstellen einer ansonsten vollautomatisierten Plattform, liegt nach obigen Grundsätzen regelmäßig eine einzige Hilfeleistung im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB vor, obgleich insoweit zu einer Vielzahl an Haupttaten in Gestalt des Handels mit illegalen Waren und Dienstleistungen der Nutzer Hilfe geleistet wird.1071 (2) Relativierung der Bedenken Zur Abschwächung von generellen Bedenken gegen die Strafe des Gehilfen in derartigen Konstellationen wird jedoch bereits zu Recht darauf verwiesen, dass immerhin schon das vor dem 1. Oktober 2021 geltende Strafrecht eine Reihe an Straftatbeständen bereithielt, mithilfe derer das Verhalten des Betreibers als gar täterschaftliches Verhalten fassbar ist, ohne dass dort die Strafe nach § 27 Abs. 2 Satz 2 StGB zu mildern wäre.1072 Auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass zur Einschränkung dieser teils zu weit gefassten Tatbestände überwiegend die allgemeinen Abgrenzungskriterien herangezogen werden, lassen diese zumindest eine Subsumtion der professionell organisierten, mit Gewinnerzielungsabsicht agierenden, Betreiber zu.1073 Zwar bleibt eine mittäterschaftliche Zurechnung der Nutzerbeiträge insbesondere bei Betrieb einer vollautomatisierten Plattform in der Tat regelmäßig verschlossen.1074 Insoweit bliebe dort, wo sich der Betreiber auf die benannte Verhaltensweise beschränkt und keiner der zuvor genannten weiten Straftatbestände des Kern- und Nebenstrafrechts greift, ohne § 127 StGB tatsächlich schlicht die Annahme einer Beihilfe und damit einhergehend die für den Gehilfen zwingende Strafmilderung des § 27 Abs. 2 Satz 2 StGB. Im Hinblick darauf muss man jedoch immerhin anerkennen, dass die beschriebenen Fälle teils ein weit im Vorfeld der tatsächlichen Verletzung von anerkannten Rechtsgütern liegendes Verhalten verkörpern.1075 Schon Safferling und Rückert verwiesen darauf, dass bereits die Kriminalisierung des unmittelbaren Handels mit Waffen oder Betäubungsmitteln durch die Nutzer die Eindämmung abstrakter Gefahren – etwa die Ausbreitung der als riskant eingeordneten Güter – sicherstelle.1076 1070
Zum Ganzen Schünemann / Greco, in: LK-StGB, § 27 Rn. 76 m. w. N. Zur Annahme einer Hilfeleistung zu einer Vielzahl an verschiedenen Haupttaten speziell mit Blick auf das Betreiben einer Plattform im Darknet etwa Bachmann / Arslan, NZWiSt 2019, 241, 244; Greco, ZIS 2019, 435, 450; Rückert, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 11; Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 230. 1072 Darauf verweisen beispielsweise bereits Greco, ZIS 2019, 435, 450; Jahn, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 11; Rückert, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 11 f. 1073 Rückert, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 11 f.; vgl. ausführlich Teil 3 B. II. 1074 Vgl. zur mittäterschaftlichen Tatbegehung ausführlich unter Teil 3 C. 1075 Bereits Rückert, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 12; vgl. in diesem Zusammenhang auch Bachmann / Arslan, NZWiSt 2019, 241, 244; kritischer zur Strafmilderung noch Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 11. 1076 Hierzu Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 12. 1071
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Insoweit ist auch eine Vielzahl der in § 127 Abs. 1 Satz 2 StGB gelisteten rechtswidrigen „Haupttaten“ selbst als abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestaltet.1077 In Bezug auf den von § 127 Abs. 1 Satz 2 StGB gelisteten § 91 StGB wird dabei beispielsweise diskutiert, ob die Zulassung einer dogmatisch freilich möglichen Teilnahme an dem bereits selbstständig vertatbestandlichten Vorbereitungsdelikt des § 91 StGB aufgrund einer ansonsten entgrenzten Ausweitung der Strafbarkeit „materiell sachrichtig“ ist.1078 Ungeachtet der zwingenden Strafmilderung des § 27 Abs. 2 Satz 2 StGB bliebe Grundlage der eigentlichen Strafzumessung ohnehin die individuelle Schuld des Gehilfen, mit der Folge, dass dessen Strafe der Strafe des Haupttäters im Einzelfall entsprechen oder diese sogar überschreiten kann.1079 Schließlich bedeutet die für den Gehilfen zwingend vorgesehene Strafmilderung nicht eine stets gegenüber der Strafe des Haupttäters mildere Strafe, sondern schlicht eine Herabsetzung des gesetzlich für den Haupttäter vorgesehenen Strafrahmens. Innerhalb der Strafzumessung einer Beihilfe bliebe daher Spielraum für eine Beachtung etwaiger Gewinnerzielungsabsichten, soweit dann nicht ohnehin bereits einer der genannten Straftatbestände greift.1080 Ausgehend davon bietet sich im Rahmen der Strafzumessung einer Beihilfe die Gelegenheit, unter anderem zwischen den vom Streben nach Gewinn geleiteten und den lediglich von ideellen Zwecken geleiteten Plattformbetreibern zu unterscheiden.1081 Vor dem Hintergrund der Gefahr der Ermöglichung einer potentiellen Vielzahl an Haupttaten scheint zwar eine erhöhte Strafandrohung für die Betreiber entsprechender Plattformen prima facie nachvollziehbar. Dass insoweit nun das Betreiben der kriminellen Handelsplattform als abstraktes Gefährdungsdelikt völlig unabhängig von der Begehung auch nur einer einzigen Nutzertat und damit vollkommen abgekoppelt von fremdem Unrecht stets mit täterschaftlicher Strafe bedroht sein soll, erklärt der Gesetzgeber – wenn es ihm nicht ohnehin nur auf die Beseitigung von Beweisschwierigkeiten ankam1082 – durch das insoweit für die öffentliche Sicherheit und Ordnung schon objektiv gefährliche Verhalten des Betreibers.1083 Enttarnt man jedoch die öffentliche Sicherheit und Ordnung als bloßes
1077 Siehe nur Teil 3 I. III. 6.; darauf in diesem Zusammenhang zutreffend verweisend Rückert, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 12. 1078 Zweifelnd etwa Paeffgen, in: NK-StGB, § 91 Rn. 24 m. w. N. 1079 RG v. 29. 06. 1917 – IV 290/17, RGSt 51, 106, 111 f.; Schünemann / Greco, in: LK-StGB, § 27 Rn. 87. 1080 Zutreffend Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 11, zu etwaigen Provisionen von Plattformbetreibern vgl. unter anderem die Ausführungen Teil 1 C. II. 1. 1081 Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 11. 1082 Fischer etwa verweist allgemein darauf, dass § 127 StGB den Weg einer materiell-rechtlichen Anknüpfungsnorm zur Ermöglichung prozessualer Eingriffe gehe, was auch die Subsidiaritätsklausel des § 127 Abs. 1 StGB zeige, Fischer, StGB, § 127 Rn. 2. 1083 Zum vom Gesetzgeber angeführten Rechtsgut der öffentlichen Sicherheit und Ordnung siehe Teil 3 I. II.
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Scheinrechtsgut, wird man bedenken müssen, dass eine tatsächliche Gefährdung oder Verletzung anerkannter Rechtsgüter jedenfalls nicht allein vom Zufall abhängig ist, sondern grundsätzlich ein selbstständiges deliktisches Verhalten der Nutzer hinzutreten muss.1084 Rechtfertigen ließe sich die Schaffung eines solchen objektiv-abstrakten Gefährdungsdelikts insoweit aber wie gesehen höchstens vor dem Hintergrund der besonderen Gefährlichkeit und Unbeherrschbarkeit des Betreibens von kriminellen Handelsplattformen für anerkannte Rechtsgüter, weil dadurch ein besonders breitenwirksamer Tatanreiz geschaffen wird.1085 Ob aber umgekehrt eine stets täterschaftliche Strafe mit Blick auf das insoweit verkörperte – von fremdem Unrecht abgekoppelte – Unrecht des Betreibers angemessener ist als eine wegen des Charakters als Vorbereitungshandlung hinzunehmende Strafmilderung, bleibt nach alledem unklar. c) Vermeintlich prozessuale Schlüsselnorm im materiellen Recht Die Äußerungen der Gesetzesmaterialien zur erschwerten Nachweisbarkeit einer Beihilfe, das von der Rechtswissenschaft belegte Fehlen einer nennenswerten Strafbarkeitslücke, das Scheinrechtsgut der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie die Subsidiaritätsklausel des § 127 StGB legen sodann nahe, dass die Vorschrift vornehmlich zur Umgehung etwaiger Nachweisschwierigkeiten geschaffen wurde. Die Vorverlagerung der Strafbarkeit weit in das Vorfeld tatsächlicher Rechtsgutsverletzungen zieht schließlich auch Folgen in prozessualer Hinsicht nach sich, soweit sich nunmehr ungeachtet einer tatsächlichen Abwicklung von kriminellen Nutzergeschäften ein Anfangsverdacht für § 127 StGB begründen lässt. Blickt man sodann auf die Listung des § 127 Abs. 3, Abs. 4 StGB in den Straftatenkatalogen der einschneidenden Ermittlungsmaßnahmen der §§ 100a, 100b StPO, erhärtet sich der Verdacht einer intendierten prozessualen Schlüsselrolle des § 127 StGB als Anknüpfungspunkt und Türöffner für zeitlich vorgelagerte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, die es nachfolgend gleichermaßen kritisch zu würdigen gilt.1086
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Siehe dazu schon Teil 3 I. IV. 2. a). Teil 3 I. IV. 2. a). 1086 Auf die Intention des § 126a StGB-E der Vorverlagerung von Ermittlungsmaßnahmen zur Begegnung von Beweisschwierigkeiten verweisend etwa bereits Zöller, KriPoZ 2019, 274, 280 f.; auch Bachmann / Arslan, NZWiSt 2019, 241, 246; Oehmichen / Weißenberger, KriPoZ 2019, 174, 182; Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 227; zu § 127 StGB-E auch Zöller, KriPoZ 2021, 79, 82 f.; Fischer verweist auf eine materiell-rechtliche Anknüpfungsnorm zur Ermöglichung prozessualer Eingriffe, Fischer, StGB, § 127 Rn. 2. 1085
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aa) Der Anfangsverdacht und das telemedienrechtliche Haftungsprivileg Erhärtet sich der Verdacht einer Straftat, eröffnet sich den Ermittlungsbehörden bekanntlich eine Vielfalt an sachverhaltserforschenden Maßnahmen.1087 Nach § 152 Abs. 2 StPO trifft die Staatsanwaltschaft grundsätzlich die Pflicht zum Einschreiten wegen aller verfolgbaren Straftaten, sofern „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen“. Ein Anfangsverdacht in diesem Sinne ist jedoch gemeinhin bereits denkbar, soweit nach kriminalistischer Erfahrung die Begehung einer verfolgbaren Straftat als möglich erscheint.1088 Unter Zuhilfenahme der hiesigen Indizien einer kriminellen Zweckausrichtung1089 wird sich ein dahingehender Anfangsverdacht auch für § 127 StGB meist ohne größeren Aufwand begründen lassen. In diesem Zusammenhang wird teils kritisiert, § 127 StGB bürde den Betreibern sämtlicher Internetplattformen eine dem unionsrechtlichen Haftungsprivileg widersprechende Überwachungspflicht von Nutzerinhalten auf, als sich diese anderenfalls dem Risiko einer Strafbarkeit nach § 127 StGB beziehungsweise zumindest eines entsprechenden Anfangsverdachts aussetzen würden.1090 Ein solcher Hinweis erweist sich prima facie als tragfähig. Wird nämlich das Angebot an illegalen Waren und Dienstleistungen durch Missbrauch der Nutzer auf der jeweiligen Plattform zu umfangreich, bestünde auf den ersten Blick auch für legale Plattformen die Gefahr, dass Strafverfolgungsbehörden eine Zweckausrichtung der Plattform auf die Begehung von Straftaten angesichts des Charakters des auf der Plattform befindlichen Angebots unterstellen und insoweit einen Anfangsverdacht für § 127 StGB begründen.1091 Dies wiegt umso schwerer, als Internet-Plattformen ein gewisses Maß an illegalen Inhalten nahezu immanent ist. Schutz bieten jedoch auch hier die unionsrechtlich durch Art. 12 bis 15 ECRL determinierten Haftungsprivilegierungen der §§ 7 bis 10 TMG. Danach sind Diensteanbieter nur unter gewissen Voraussetzungen für die von ihnen übermittelten beziehungsweise gespeicherten Informationen verantwortlich. Im Falle eines Host-Providers stellt § 10 TMG sicher, dass dieser für fremde Informationen nur verantwortlich ist, sofern er von einem konkreten Inhalt Kenntnis erlangt oder dieser im Falle der Kenntniserlangung nicht unverzüglich zur Löschung tätig wird. Eine allgemeine Überwachungspflicht für die nach §§ 8 bis 10 TMG privilegierten Diensteanbieter mit Blick auf illegale Inhalte schließt
1087 Zum Anfangsverdacht vgl. unter anderem Diemer, in: KK-StPO, § 152 Rn. 7 ff.; Peters, in: MüKo-StPO, § 152 Rn. 34 ff. 1088 BVerfG v. 23. 07. 1982 – 2 BvR 8/82, NStZ 1982, 430; BGH v. 21. 04. 1988 – III ZR 255/86, NJW 1989, 96, 97 sowie m. w. N. Peters, in: MüKo-StPO, § 152 Rn. 35; Schmitt, in: Meyer-Goßner / Schmitt, § 152 Rn. 4. 1089 Vgl. Teil 3 I. III. 4. b). 1090 Ausdrücklich etwa Rückert, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 17; dies thematisierend auch Eisele, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 10; siehe auch Kubiciel / Mennemann, jurisPR-StrafR 8/2019 Anm. 1. 1091 Bartl / Moßbrucker / Rückert, Angriff auf die Anonymität im Internet, S. 10; Rückert, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 17.
I. „Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet“
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Art. 15 ECRL beziehungsweise § 7 Abs. 2 TMG hingegen ausdrücklich aus.1092 Anwendung findet § 10 TMG nur dann nicht, soweit der Diensteanbieter über die bloße Speicherung fremder Informationen durch die spezifische Ausgestaltung seiner Plattform Förderungsbeitrage zu Rechtsverletzungen erbringt. Dass indes das bloße Angebot an rechtswidrigen Inhalten eine kriminelle Zweckausrichtung grundsätzlich nicht zu begründen vermag, wurde bereits beleuchtet.1093 Jedenfalls darf schon die Auslegung des Merkmals der kriminellen Zweckausrichtung nicht dem telemedienrechtlichen Haftungsprivileg zuwiderlaufen. Wegen des Anwendungsvorrangs der E-Commerce-Richtlinie betrifft die unionsrechtlich determinierte Haftungsprivilegierung des § 10 TMG sowie die daraus folgende fehlende Pflicht zur Überwachung nach § 7 Abs. 2 TMG sodann nicht allein den Bereich des materiellen Strafrechts, sondern auch denjenigen des Strafprozessrechts inklusive der Begründung eines Anfangsverdachts.1094 In der Praxis muss dies daher dazu führen, dass die Privilegierung für Betreiber legaler Plattformen auch bei Begründung eines Anfangsverdachts zu beachten ist, sodass ein solcher gegen den Betreiber einer Plattform, die keine tatsächlichen Anhaltspunkte für eine nach den obigen Kriterien zu bestimmende kriminelle Zweckausrichtung erkennen lässt, weiterhin lediglich bei Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte der positiven Kenntnis der rechtswidrigen Handlung oder Information und anschließender Untätigkeit angenommen werden kann. Ein Anfangsverdacht bezüglich § 127 StGB gegen den Betreiber und damit die Ermittlungsmaßnahmen der §§ 100a ff. StPO bei bloß vereinzeltem Missbrauch der Plattform seitens der Nutzer ließe sich demnach unter Würdigung des § 10 TMG nicht begründen. Gleiches gilt für eine schlichte Verortung der Plattform im Darknet oder im Deep Web. bb) Ausweitung der Straftatenkataloge der §§ 100a ff. StPO Bereits der Fassung des Bundesrats zufolge sollte mit § 126a StGB-E zugleich eine Ausweitung der strafprozessualen Ermittlungsbefugnisse erfolgen und aus Gründen der Verhältnismäßigkeit wenigstens der Qualifikationstatbestand des § 126a Abs. 3 StGB-E als Anlasstat einer Telekommunikationsüberwachung in § 100a Abs. 2 Nr. 1 lit. d StPO aufgenommen werden.1095 Der Referentenentwurf des Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat verstrickte sich sodann in Widersprüche, indem dieser einerseits § 126a StGB-E in Gänze als Anlasstat für Maßnahmen nach § 100a StPO zugrunde legte, andererseits jedoch an späterer
1092
Siehe Teil 2 B. Allgemein kritisch etwa Rückert, Endlich Licht ins Darknet?. Teil 3 I. III. 4. b) bb). 1094 Allgemein zur Berücksichtigung des § 5 TDG a. F. im Rahmen der Begründung eines Anfangsverdachts für § 102 StPO siehe etwa LG Stuttgart v. 07. 05. 2001 – 9 Qs 23/01, NStZ-RR 2002, 241, 242. Auf den Anwendungsvorrang der E-Commerce-Richtlinie allgemein verweisend etwa auch Bäcker / Golla, Strafrecht in der Finsternis. 1095 BT-Drs. 19/9508, S. 8, 12, 15. 1093
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
Stelle darauf verwies, es sei aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nur die Aufnahme der Qualifikation geboten.1096 Daneben war dort eine Änderung des § 100b Abs. 2 Nr. 1 StPO sowie des § 100g Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StPO vorgesehen, um bei entsprechendem Verdacht auch Online-Durchsuchungen und Erhebungen von Verkehrsdaten zu ermöglichen.1097 Mit dem Gesetz zur Strafbarkeit des Betreibens krimineller Handelsplattformen im Internet ist nunmehr die gewerbs- oder bandenmäßige Tatbegehung des § 127 Abs. 3 StGB sowie die Verbrechensqualifikation des § 127 Abs. 4 StGB in die Straftatenkataloge der § 100a Abs. 2 Nr. 1 lit. d StPO, § 100b Abs. 2 Nr. 1 lit. b StPO und § 100g Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 lit. b StPO aufgenommen worden, sodass sämtliche Ermittlungsmöglichkeiten eröffnet werden, die an diese Kataloge anknüpfen.1098 Die eingriffsintensive Maßnahme des § 100b StPO – und damit auch eine daran anknüpfende Ermittlungsmaßnahme – ist sodann an die Maßgabe gebunden, dass der Zweck der Handelsplattform darauf ausgerichtet ist, die in § 100b Abs. 2 StPO gelisteten Taten zu ermöglichen oder zu fördern.1099 Speziell mit Blick auf die verdeckten Ermittlungsmaßnahmen der §§ 100a ff. StPO müssen zwar sodann „bestimmte Tatsachen“ den Verdacht einer dortigen Straftat begründen. Daher ist der Tatverdacht im Sinne der §§ 100a ff. StPO an höhere Anforderungen als der bloße Anfangsverdacht geknüpft, hinreichend im Sinne von § 203 StPO oder dringend im Sinne von § 112 Abs. 1 Satz 1 StPO muss dieser jedoch nicht etwa sein.1100 Erforderlich sind vielmehr Umstände, welche entsprechend der Lebenserfahrung oder der kriminalistischen Erfahrung in erheblichem Maße darauf deuten, dass jemand eine im Katalog gelistete Tat als Täter oder Teilnehmer begangen hat.1101 Auch etwa eine vom Betreiber initiierte, sich nach außen manifestierende Ausrichtung einer Plattform auf die Ermöglichung oder Förderung einer in § 127 Abs. 1 Satz 2 StGB gelisteten Tat kann jedoch unter Zuhilfenahme der obigen Indizien entsprechende „bestimmte Tatsachen“ und demnach einen Tatverdacht im Sinne der §§ 100a ff. StPO begründen.1102
1096 Zur Aufnahme des § 126a StGB-E in den Straftatenkatalog des § 100a StPO vgl. RefE ITSicherheitsgesetz 2.0, S. 32. Zur insoweit widersprüchlichen Erklärung, nur die Aufnahme des § 126a Abs. 3 StGB sei sachgerecht, vgl. RefE IT-Sicherheitsgesetz 2.0, S. 80. 1097 RefE IT-Sicherheitsgesetz 2.0, S. 32. 1098 BT-Drs. 19/28175, S. 11. 1099 BT-Drs. 19/28175, S. 18 f. 1100 Zu § 100c StPO: BVerfG v. 03. 03. 2004 – 1 BvR 2378/98, 1 BvR 1084/99, BVerfGE 109, 279, 350; zu § 100a StPO: Eschelbach, in: Satzger / Schluckebier / Widmaier, StPO, § 100a Rn. 12. 1101 Bruns, in: KK-StPO, § 100a Rn. 30; Graf, in: BeckOK-StPO, § 100a Rn. 107. 1102 Gemeint sind insoweit die obigen Kriterien unter Teil 3 I. III. 4. b).
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(1) „Besonders schwere“ und „schwere“ Straftaten der §§ 100a ff. StPO Ausgehend davon wurde im Diskurs um die Einführung des § 127 StGB teils infrage gestellt, inwieweit die nunmehr in die Straftatenkataloge der §§ 100a ff. StPO aufgenommenen Qualifikationstatbestände des § 127 Abs. 3, Abs. 4 StGB überhaupt den dortigen verfassungsrechtlichen Eingriffsvoraussetzungen gerecht werden.1103 Schließlich wird dort neben dem Verdacht einer „schweren Straftat“ zugleich der Verdacht einer „besonders schweren Straftat“ gefordert.1104 Zum zunächst in § 100c StPO a. F. normierten Begriff der „besonders schweren Straftat“ nahm das BVerfG bereits im Jahr 2004 Stellung, wobei der Katalog des § 100c Abs. 2 StPO a. F. sodann in § 100b Abs. 2 StPO übertragen wurde und nunmehr mittels Verweis in § 100c Abs. 1 Nr. 1 StPO gleichermaßen für die akustische Wohnraumüberwachung zur Anwendung gelangt.1105 Das BVerfG verwies dort zunächst darauf, dass für die Schwere des tatbestandlich vertypten Unrechts „der Rang des verletzten Rechtsguts und andere tatbestandlich umschriebene, gegebenenfalls auch in einem Qualifikationstatbestand enthaltene Begehungsmerkmale und Tatfolgen“ entscheidend seien.1106 Schon diese allein müssten „die besondere, deutlich über dem Durchschnitt liegende Schwere des jeweiligen Straftatbestandes begründen.“1107 Ausgehend davon ist laut BVerfG erforderlich, dass die „besonders schweren Straftaten“ den mittleren Kriminalitätsbereich deutlich übersteigen. Zwar erfordere dies weder eine Beschränkung des Straftatenkatalogs allein auf Verbrechen noch auf typische Erscheinungsformen Organisierter Kriminalität.1108 Umgekehrt könnten Straftaten jedoch nicht allein aufgrund der Nähe zur Organisierten Kriminalität als besonders schwer qualifiziert werden.1109 Jedenfalls erfordere die Eigenschaft als besonders schwere Straftat, dass das Delikt schon als solches und nicht allein im Einzelfall besonders schwer sei, weil sich das Merkmal der besonders schweren Tat anderenfalls nicht länger als eingriffsbegrenzend erweise.1110 Das BVerfG verweist sodann auf einen Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers bei der Bestimmung des Unrechtsgehalts eines Delikts sowie bei der Entscheidung, welche Straftaten Anlasstaten sein sollen.1111 Für die Einordung als „besonders schwere
1103
Dies bereits zu § 126a StGB-E problematisierend Oehmichen / Weißenberger, KriPoZ 2019, 174, 182; zu § 127 StGB-E auch Rückert, Endlich Licht ins Darknet? sowie Rückert, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 23 f. 1104 Das Erfordernis einer „schweren Straftat“ findet sich etwa in § 100a StPO sowie durch Verweis auf § 100a StPO in §§ 100f ff. StPO. Das Vorliegen einer „besonders schweren Straftat“ setzen hingegen §§ 100b, 100c StPO voraus. 1105 Etwa Graf, in: BeckOK-StPO, § 100b Rn. 20. 1106 BVerfG v. 03. 03. 2004 – 1 BvR 2378/98, 1 BvR 1084/99, BVerfGE 109, 279, 344. 1107 BVerfG v. 03. 03. 2004 – 1 BvR 2378/98, 1 BvR 1084/99, BVerfGE 109, 279, 344. 1108 BVerfG v. 03. 03. 2004 – 1 BvR 2378/98, 1 BvR 1084/99, BVerfGE 109, 279, 345. 1109 BVerfG v. 03. 03. 2004 – 1 BvR 2378/98, 1 BvR 1084/99, BVerfGE 109, 279, 345 f. 1110 BVerfG v. 03. 03. 2004 – 1 BvR 2378/98, 1 BvR 1084/99, BVerfGE 109, 279, 346. 1111 BVerfG v. 03. 03. 2004 – 1 BvR 2378/98, 1 BvR 1084/99, BVerfGE 109, 279, 347.
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Straftat“ gebe insoweit der Strafrahmen einen maßgebenden Anhaltspunkt.1112 Dem BVerfG zufolge ist eine besondere Schwere jedoch nur anzunehmen, sofern die Straftat mit einer höheren Höchststrafe als fünf Jahre Freiheitsstrafe bedroht ist, weil eine solche denjenigen Delikten vorbehalten ist, die ein besonders schweres Tatunrecht bergen und damit den Bereich der mittleren Kriminalität erkennbar übersteigen.1113 Dem Begriff der „schweren Straftat“ im Sinne des § 100a Abs. 2 StPO widmete sich das BVerfG sodann im Jahre 2011. Dort verwies das BVerfG allgemein zwar erneut auf einen entsprechenden Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers. 1114 Durch Ermittlungsmaßnahmen nach § 100a StPO bewirkte Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis würden jedoch die Einordnung einer Straftat als „schwer“ erfordern, was in der Strafnorm vornehmlich etwa durch den Strafrahmen einen objektivierten Ausdruck finden müsse.1115 Entscheidend für eine dahingehende Einordnung könnten indes auch das geschützte Rechtsgut sowie dessen Bedeutung für die Rechtsgemeinschaft sein.1116 Allein eine Höchststrafe von mindestens fünf Jahren qualifiziere jedenfalls das jeweilige Delikt nicht als schwere Straftat; gefordert wird insoweit eine „Gesamtschau“, die „insbesondere die jeweils geschützten Rechtsgüter in den Blick nimmt.“1117 (2) Einordnung des § 127 Abs. 3, Abs. 4 StGB Als solche „schwere“ beziehungsweise „besonders schwere“ Anlasstaten sind nunmehr die Qualifikationstatbestände des § 127 Abs. 3, Abs. 4 StGB bei gewerbsoder bandenmäßiger Begehung beziehungsweise absichtlicher oder wissentlicher Ermöglichung oder Förderung von Verbrechen in den §§ 100a ff. StPO gelistet. Den Strafrahmen stuft der Gesetzgeber in § 127 Abs. 3 StGB auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in § 127 Abs. 4 StGB gar auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren. Ebendieser sei dabei wegen der besonderen Schwere der Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die von gewerbsoder bandenmäßig betriebenen kriminellen Plattformen ausgehe, auch geboten.1118 1112
BVerfG v. 03. 03. 2004 – 1 BvR 2378/98, 1 BvR 1084/99, BVerfGE 109, 279, 347. BVerfG v. 03. 03. 2004 – 1 BvR 2378/98, 1 BvR 1084/99, BVerfGE 109, 279, 347 f. 1114 BVerfG v. 12. 10. 2011 – 2 BvR 236/08, 2 BvR 237/08, 2 BvR 422/08, BVerfGE 129, 208, 243 unter Verweis auf BVerfG v. 03. 03. 2004 – 1 BvR 2378/98, 1 BvR 1084/99, BVerfGE 109, 279, 347. 1115 BVerfG v. 12. 10. 2011 – 2 BvR 236/08, 2 BvR 237/08, 2 BvR 422/08, BVerfGE 129, 208, 243 unter Verweis auf BVerfG v. 02. 03. 2010 – 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08, BVerfGE 125, 260, 329. 1116 BVerfG v. 12. 10. 2011 – 2 BvR 236/08, 2 BvR 237/08, 2 BvR 422/08, BVerfGE 129, 208, 243. 1117 BVerfG v. 12. 10. 2011 – 2 BvR 236/08, 2 BvR 237/08, 2 BvR 422/08, BVerfGE 129, 208, 243. 1118 BT-Drs. 19/28175, S. 17. 1113
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Der Gesetzgeber begründet die Aufnahme des § 127 Abs. 3, Abs. 4 StGB in § 100a StPO zunächst vor dem Hintergrund, dass eine Aufklärung von Taten nach § 127 StGB ohne dieses strafprozessuale Instrument in vielen Fällen von vornherein ausgeschlossen wäre.1119 Unter Berücksichtigung dessen sowie mit Blick auf die Strafandrohung sei die Aufnahme in den Katalog der schweren Straftaten in § 100a StPO und der hierdurch ermöglichte Eingriff in das Fernmeldegeheimnis sachgerecht.1120 Hinsichtlich der Aufnahme in § 100b StPO verweisen die Gesetzesmaterialien anschließend auf den Strafrahmen sowie das geschützte Rechtsgut des § 127 StGB.1121 Bemüht wird insoweit das Argument, dass die von kriminellen Handelsplattformen rührende Gefahr mit Blick auf die dort unkontrolliert gehandelten Waren wie Waffen, Kriegswaffen, Betäubungsmittel oder kinderpornografisches Material erheblich sei.1122 Durch die gewerbs- oder bandenmäßige Begehung erhöhe sich die Gefahr für die Rechtsgüter, die schon mithilfe des Grundtatbestands und der Katalogtaten geschützt würden.1123 Im Hinblick auf die Aufnahme des § 127 Abs. 3, Abs. 4 StGB in die §§ 100a ff. StPO muss man nun aber sehen, dass zumindest durch § 127 Abs. 3 StGB, anders als durch § 127 Abs. 4 StGB, nicht nur Verbrechen in Bezug genommen werden, sondern exemplarisch auch die §§ 143, 143a und 144 MarkenG sowie die §§ 51, 65 DesignG. Zur Begründung der einheitlichen Strafandrohung des Grundtatbestands von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe merkt der Gesetzgeber an, dass der Strafrahmen hinreichend Raum biete, um Taten, die unter Berücksichtigung der auf der Plattform gehandelten Waren und Dienstleistungen oder des Handelsvolumens dem Bereich der leichteren oder mittelschweren Kriminalität zuzuordnen sind, angemessen zu bestrafen.1124 Ähnlich mag eine Strafandrohung von – in den Qualifikationstatbeständen – bis zu zehn Jahren zwar für die gewerbs- oder bandenmäßige Ermöglichung oder Förderung von Verbrechen und die insoweit bedrohten Rechtsgüter noch angemessen erscheinen, beispielsweise für die gewerbs- oder bandenmäßigen Ermöglichung oder Förderung von Taten nach den §§ 143, 143a und 144 MarkenG oder §§ 51, 65 DesignG ist dies indes in Zweifel zu ziehen. Ferner ist zu beachten, dass die Gewinnerzielung oftmals gerade die Motivation der Betreiber und daher eher den Normalfall einer solchen Deliktsbegehung abbilden wird.1125 Ob der Strafrahmen daher für sämtliche Fälle des § 127 Abs. 3, Abs. 4 StGB angemessen ist, bleibt bereits unklar. Der Gesetzgeber verweist zwar zumindest mit Blick auf die Aufnahme in § 100b StPO zusätzlich auf das vom Grundtatbestand des § 127 StGB geschützte Rechtsgut sowie 1119
BT-Drs. 19/28175, S. 18. BT-Drs. 19/28175, S. 18. 1121 BT-Drs. 19/28175, S. 18. 1122 BT-Drs. 19/28175, S. 18. 1123 BT-Drs. 19/28175, S. 18. 1124 BT-Drs. 19/28175, S. 16. 1125 Vgl. bereits die Ausführungen Teil 3 I. III. 7. 1120
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
diejenigen Rechtsgüter der Katalogtaten. In Erinnerung gerufen sei an dieser Stelle jedoch abermals, dass jedenfalls die vom Gesetzgeber als geschütztes Rechtsgut angeführte öffentliche Sicherheit und Ordnung letztlich ein bloßes Scheinrechtsgut verkörpert.1126 Tatsächlich schützt § 127 StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt schlicht die von den Katalogtaten des § 127 Abs. 1 Satz 2 StGB geschützten Rechtsgüter. § 127 StGB und damit auch die Qualifikationstatbestände des § 127 Abs. 3, Abs. 4 StGB nehmen dabei als abstraktes Gefährdungsdelikt selbst in vielen Fällen schlicht abstrakte Gefährdungsdelikte in Bezug und die tatsächliche Gefährdung oder Verletzung der in den Katalogtaten geschützten, anerkannten Rechtsgüter bedarf in den vorliegenden Konstellationen grundsätzlich selbstständiger Handlungen Dritter.1127 Zu bezweifeln ist daher, inwieweit § 127 Abs. 3, Abs. 4 StGB stets eine Gefahr für ein bedeutsames Rechtsgut zum Gegenstand hat, die dessen Strafrahmen und letztlich die Aufnahme in den Katalog der „schweren“ oder „besonders schweren“ Straftaten rechtfertigt. Von jenen Bedenken schien wohl auch der Gesetzgeber jedenfalls insoweit geleitet, als dieser zumindest die Maßnahme des § 100b StPO begrenzend an eine Zweckausrichtung der Plattform auf die Unterstützung der in § 100b Abs. 2 StPO gelisteten, besonders schweren Straftaten knüpfte.1128 Warum dies aber für § 100a StPO sowie die daran anknüpfenden Straftatenkataloge weiterer Ermittlungsmaßnahmen unterblieb, ist unklar. Widersprüchlich erscheint daher nicht zuletzt die Inkongruenz der Straftatenkataloge des § 100a Abs. 2 StPO sowie des § 127 Abs. 1 Satz 2 StGB. Einige der in § 127 Abs. 1 Satz 2 StGB genannten „Haupttaten“ auf deren Ermöglichung oder Förderung der Zweck der Plattform ausgerichtet sein muss, finden sich insoweit selbst nicht in § 100a Abs. 2 StPO. Man denke dabei nur an eine mit Gewinnerzielungsabsicht auf die Ermöglichung oder Förderung von Straftaten im Sinne des § 202a StGB ausgerichtete Plattform, hinsichtlich derer die einschneidenden Maßnahmen der §§ 100a ff. StPO bereits zu einem Zeitpunkt zum Tragen kämen, in dem mithilfe der Plattform nicht eine einzige Tat nach § 202a StGB seitens der Nutzer abgewickelt worden wäre und ohne dass mit Blick auf die „Haupttat“ des § 202a StGB selbst überhaupt die Maßnahmen nach § 100a StPO eröffnet wären. Dass die näher an der Rechtsgutsbeeinträchtigung gelagerten „Haupttaten“ nicht als „schwere Straftat“ nach § 100a StPO eingeordnet werden, dem vorgelagert aber der Beitrag des Betreibers, wird der Gesetzgeber mit dem eigenen Rechtsgut sowie der Anreiz- und Breitenwirkung des Betreibens krimineller Handelsplattformen begründen, sich insoweit aber in Widerspruch mit der Subsidiaritätsklausel des § 127 Abs. 1 Satz 1 a. E. StGB setzen.1129 Zu bedenken ist abschließend, dass sich den Ermittlungsbehörden die Maßnahmen der §§ 100a ff. StPO auch ohne die Listung des § 127 StGB eröffnen, spätestens 1126
Teil 3 I. II. Siehe schon Teil 3 I. IV. 2. a). 1128 Zur Anknüpfung siehe BT-Drs. 19/28175, S. 18 f. 1129 Zur ähnlich gelagerten und sodann vom Gesetzgeber beseitigten Problematik um die einstige Aufnahme von § 261 StGB ohne Beschränkung auf die in § 100a Abs. 2 StPO selbst genannten schweren Taten vgl. etwa Hauck, in: Löwe / Rosenberg, § 100a Rn. 48. 1127
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dann, soweit der Verdacht der Teilnahme des Betreibers in Bezug auf eine begangene Haupttat der Nutzer im Sinne der Katalogtaten der §§ 100a ff. StPO vorliegt. Auch die gegebenenfalls täterschaftliche Verantwortlichkeit beispielsweise nach Maßgabe der in den §§ 100a ff. StPO gelisteten §§ 29 ff. BtMG, §§ 51 f. WaffG und §§ 184b f. StGB eröffnet die Möglichkeit der verdeckten Maßnahmen der §§ 100a ff. StPO. Mit Aufnahme des im Vorfeld angesiedelten, lediglich die kriminelle Zweckausrichtung fordernden § 127 StGB in die §§ 100a ff. StPO werden jene Maßnahmen indes zeitlich nochmals vorgelagert. Dies scheint nicht zuletzt mit Blick auf die Tatsache kritisch, dass die Gesetzesmaterialien die Vorschrift des § 127 StGB als Tatbestand mit „Auffangcharakter“ deklarieren.1130 Prozessual soll § 127 StGB hingegen augenscheinlich als Türöffner für einschneidende Ermittlungsmaßnahmen dienen, ohne insoweit den Unrechtsgehalt der infrage stehenden Verhaltensweisen hinreichend zu würdigen.1131 cc) Der Irrweg technikbasierter Ermittlungsmaßnahmen Ungeachtet der verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen werden die Ermittlungsmaßnahmen der §§ 100a ff. StPO für den vorliegend in Rede stehenden, praxisrelevanten Kriminalitätsbereich des Darknets sodann ohnehin kaum von praktischem Nutzen sein.1132 Denn mit Blick auf das Spektrum an technikbasierten Maßnahmen der Strafprozessordnung wird im Bereich des Darknets bereits eine „schlichte“ Telekommunikationsüberwachung nach Maßgabe des § 100a Abs. 1 Satz 1 StPO in Anbetracht der durch die spezifische Verschlüsselungssoftware ausgeleiteten kryptierten Datenpakete regelmäßig keine brauchbaren Resultate liefern.1133 Auf die generelle Problematik eines zunehmend verschlüsselten Datenverkehrs hat der Gesetzgeber zwar zwischenzeitlich reagiert und in § 100a Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 StPO die Möglichkeit einer sogenannten Quellen-Telekommunikationsüberwachung normiert.1134 Zum Zwecke der Quellen-Telekommunikationsüberwachung wie auch der zugleich ermöglichten technikbasierten Online-Durchsuchung bedarf es indes einer 1130
BT-Drs. 19/28175, S. 16. In diese Richtung wohl auch Zöller, KriPoZ 2021, 79, 83; Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 297; kritisch auch Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 242 f. 1132 Ähnlich zu § 126a StGB-E Bachmann / Arslan, NZWiSt 2019, 241, 247; Zöller, KriPoZ 2019, 274, 281; Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 297 f.; allgemein bereits Krause, NJW 2018, 678, 679. 1133 In diesem Sinne bereits Krause, NJW 2018, 678, 679; Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 6 f.; Sinn, in: Organisierte Kriminalität, 141, 153 f.; Zöller, KriPoZ 2019, 274, 276. 1134 Allgemein zur Quellen-TKÜ Bruns, in: KK-StPO, § 100a Rn. 42 ff.; Graf, in: BeckOKStPO, § 100a Rn. 100 ff.; Günther, in: MüKo-StPO, § 100a Rn. 223 ff.; Hauck, in: Löwe / Rosenberg, § 100a Rn. 87 ff. 1131
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heimlichen Infiltration des Zielrechners mithilfe von Spionagesoftware.1135 Erforderlich ist daher zwingend zunächst das Ausfindigmachen des jeweiligen Zielrechners. Ungeachtet der Frage, inwieweit eine den gesetzlichen Anforderungen genügende Spähsoftware überhaupt entwickelt werden kann, bleibt daher jedenfalls unklar, inwieweit die Möglichkeit besteht, eine solche anschließend auf einem Zielrechner zu installieren.1136 Zwar ist als Zielperson neben dem Käufer und Verkäufer auch unmittelbar der Betreiber denkbar. Die Identifizierung der Zielperson erweist sich indes als die eigentliche Problematik im anonymisierten Bereich des Darknets. Schließlich ist den Ermittlungsbehörden angesichts der im Darknet verwendeten, spezifischen Verschlüsselungssoftware nicht einmal die IP-Adresse des jeweiligen Zielgeräts bekannt.1137 Exemplarisch war dem zuständigen Informatiker zufolge auch die Identifizierung des Betreibers der Plattform „Deutschland im Deep Web“ nur gelungen, weil der Betreiber anlässlich eines Spendenaufrufs bei der Bitcoin-Börse den Klarnamen sowie die tatsächliche Anschrift hinterlegt hatte.1138 Sofern im Einzelfall überhaupt eine Zielperson ausfindig gemacht werden konnte, kann ein Zugriff auf deren informationstechnische Systeme zum Zwecke der Aufbringung der entsprechenden Überwachungssoftware sodann jedoch allein auf technischem Wege beziehungsweise mittels kriminalistischer List vorgenommen werden.1139 Eine Ferninstallation ist dort vielfach ohne Bedeutung, weil den Ermittlungsbeamten die dem Zielgerät zugehörige IP-Adresse wie gesehen meist verschlossen bleibt. Ob ein heimliches Eindringen in die Wohnräume ohne Zustimmung des Wohnungsinhabers zur Infiltrierung des Zielrechners als Annexkompetenz erfasst ist, ist ferner umstritten, wird aber insbesondere im Rahmen des § 100a StPO überwiegend abgelehnt.1140 Möglich erschiene demnach allenfalls das Aufspielen der jeweiligen Spionagesoftware mittels kriminalistischer List, sofern
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Speziell in diesem Zusammenhang etwa Krause, NJW 2018, 678, 679; Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 6 f.; allgemein zu den Voraussetzungen und Grenzen einer Online-Durchsuchung im Sinne des § 100b StPO vgl. Bruns, in: KK-StPO, § 100b Rn. 1 ff.; Graf, in: BeckOK-StPO, § 100b Rn. 1 ff.; Großmann, JA 2019, 241 ff.; zur heimlichen Infiltration ebenfalls Bruns, in: KK-StPO, § 100a Rn. 42; Volk / Engländer, Grundkurs StPO, § 10 Rn. 40. 1136 Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 6, die ferner zu Recht kritisch darauf verweisen, dass die Behörden insoweit von denselben Schwachstellen in der IT-Sicherheit abhängig sind, welche sich mögliche Delinquenten zu Nutze machen. Der Staat beteilige sich diesbezüglich am „Exploit-Markt“, dessen Bekämpfung er eigentlich zu fokussieren habe. Allgemein kritisch ebenfalls etwa Derin / Golla, NJW 2019, 1111 ff. 1137 Zur Tor-Technologie siehe Teil 1 B. 1138 Siehe dazu LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 148 f., 160. 1139 Siehe BT-Drs. 18/12785, S. 52; Bruns, in: KK-StPO, § 100a Rn. 46; Soiné, NStZ 2018, 497, 500 f. 1140 Ablehnend mit Blick auf § 100a StPO etwa: BT-Drs. 18/12785, S. 52; Bruns, in: KK-StPO, § 100a Rn. 46; Derin / Golla, NJW 2019, 1111, 1112 f.; Eschelbach, in: Satzger / Schluckebier /
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sich ein Tatverdächtiger mit seinem Zielgerät außerhalb der Wohnung befindet. Weil sich die Umsetzung einer solchen Maßnahme als aufwändig, kostenintensiv und mit Blick auf ein mögliches Entdeckungsrisiko durchaus riskant erweist, werden jene Maßnahmen wohl Ausnahmen bleiben.1141 Angesichts der Verschlüsselungssoftware wird sodann gleichermaßen etwa eine Auskunft über Verkehrsdaten nach Maßgabe des § 100g StPO regelmäßig ohne Erfolg bleiben.1142 Der dortige Katalog in § 100g Abs. 2 Satz 2 StPO wurde zwar ebenfalls um die Vorschrift des § 127 Abs. 3, Abs. 4 StGB erweitert. Unter erneuter Berücksichtigung der spezifischen Verschlüsselungsstruktur der Tor-Software ist dies jedoch weiterhin meist nur bei Hinzukommen von Leichtsinnigkeit oder Unkenntnis seitens der Delinquenten denkbar. Auch die in diesem Zusammenhang vielfach geforderte und umstrittene Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung verspräche jedoch gleichermaßen nur dann Erfolg, sofern überhaupt die IP-Adressen der Beteiligten ausfindig gemacht werden konnten.1143 Im Ergebnis kann der Erkenntnis einer regelmäßigen Fruchtlosigkeit technikgestützter Ermittlungsmaßnahmen daher zumindest Eines abgewonnen werden: Die Schaffung einer eigenständigen Strafnorm sowie die Aufnahme in den Katalog schwerer beziehungsweise besonders schwerer Straftaten im Rahmen der §§ 100a Abs. 2, 100b Abs. 2, 100g Abs. 2 Satz 2 StPO vermag für sich genommen nicht über die bestehenden Herausforderungen des Ausfindigmachens der Plattformbetreiber hinweg zu verhelfen.1144 Insoweit wurde auch infolge der Abschaltung des weltweit größten Darknet-Marktplatzes „Hydra Market“ zunächst gegen Unbekannt unter anderem wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Betreibens krimineller Handelsplattformen im Internet ermittelt.1145 Gerade die technikbasierten Ermittlungsmaßnahmen – hinsichtlich derer § 127 StGB augenscheinlich als Türöffner dienen soll – lassen sich jedenfalls im Kriminalitätsbereich des Darknets nur schwerlich realisieren.
Widmaier, StPO, § 100a Rn. 46; Köhler, in: Meyer-Goßner / Schmitt, § 100a Rn. 14d; ablehnend in Bezug auf § 100b StPO: Derin / Golla, NJW 2019, 1111, 1112 f.; Eschelbach, in: Satzger / Schluckebier / Widmaier, StPO, § 100b Rn. 27; befürwortend bei § 100b StPO Köhler, in: MeyerGoßner / Schmitt, § 100b Rn. 1; nur befürwortend unter der Voraussetzung, dass zusätzlich eine Überwachung des Wohnraums angeordnet ist, Soiné, NStZ 2018, 497, 501. 1141 Vgl. nur die Abschlussdiskussion in Rückert / Wüst, KriPoZ 2018, 247, 256. 1142 Siehe Krause, NJW 2018, 678, 679; Zöller, KriPoZ 2019, 274, 276. 1143 Vgl. nur etwa die Forderung der Innenminister nach einer Vorratsdatenspeicherung, abrufbar unter: https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/innenminister-diskutieren-uebervorratsdatenspeicherung-im-kampf-gegen-kindesmissbrauch (Abruf am 28. 09. 2022); die Entwicklung der sogenannten Vorratsdatenspeicherung ausführlich nachzeichnend etwa Graf, in: BeckOK-StPO, § 100a Rn. 225 ff. 1144 So schon Zöller, KriPoZ 2021, 79, 87. 1145 Bundeskriminalamt, Pressemitteilung v. 05. 04. 2022.
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3. Notwendigkeit ganzheitlicher und nachhaltiger Ansätze § 127 StGB bewirkt nun zwar eine prima facie nützliche Beweiserleichterung, indem durch die Abkopplung von fremdem Unrecht insbesondere kein Nachweis konkreter Haupttaten erforderlich ist.1146 Ferner dient § 127 StGB der Vorverlagerung strafprozessualer Ermittlungsmaßnahmen,1147 wobei die Qualifikationstatbestände des § 127 Abs. 3, Abs. 4 StGB gar als Anlasstat für die Maßnahmen der §§ 100a ff. StPO fungieren. Ebenjene technikgestützten Maßnahmen bleiben aber wie gesehen vielfach aussichtslos.1148 Die eigentliche Hürde der Identifizierung von Betreibern wird daher auch künftig bestehen. Ferner belegen Studien, dass die Abschaltung einer Plattform regelmäßig keinen tatsächlichen Rückgang des Handelsgeschehens zur Folge hat und sich dieses vielmehr auf andere Plattformen verlagert.1149 Um demnach kriminellen Handelsplattformen, insbesondere im Darknet, langfristig Herr zu werden, kann allein eine materiell-rechtliche Lösung nicht genügen. Es bedarf vielmehr einer Steigerung der Handlungsfähigkeit von Ermittlungsbehörden und entsprechender Ermittlungswerkzeuge, sodass nachfolgend knapp einige ausgewählte Ansätze dargestellt werden sollen. a) Ausbau personeller und technischer Ressourcen Ermittlungen speziell im Darknet sind nicht zuletzt aufgrund der dortigen technischen Gegebenheiten zweifelsohne aufwändig. Zeitintensive personale Ermittlungsmethoden erweisen sich dort am aussichtsreichsten.1150 Zwar wurden seit 2017 zunehmend spezielle Cybereinheiten der Polizei in Form von eigenen Kommissariaten sowie des Zolls etwa durch Unterstützung der Zentralen Internet Recherche Einheit (ZIRE) eingeführt, die sich dem Bereich der Internetkriminalität und besonders dem Darknet widmen.1151 Wie aber bereits einige Stimmen zu Recht fordern, bedarf es weiterhin der Erweiterung personeller Kapazitäten von Bundes-, Landespolizei und Staatsanwaltschaften.1152 Zu begrüßen ist ferner der Rückgriff auf Fachkräfte, die neben IT-Kenntnissen auch kriminalpolizeiliche Expertise aufweisen. Das Bundeskriminalamt bedient sich insoweit seit geraumer Zeit einer
1146
Siehe Teil 3 I. IV. 1. Siehe auch Zöller, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28175, S. 12. 1148 Dazu Teil 3 I. IV. 2. c) cc). 1149 Siehe den Nachweis in Teil 3 Fn. 985. 1150 Fünfsinn / Ungefuk / Krause, Kriminalistik 2017, 440, 444; Ihwas, WiJ 2018, 138, 142. 1151 Darauf verweist bereits Vogt, Die Kriminalpolizei 2017 (Nr. 2), 4, 6. Exemplarisch zu spezialisierten Einheiten für Darknet-Ermittlungen Generalzolldirektion, Zoll Aktuell 2/19, 4, 5; siehe ferner zu verschiedenen Abteilungen für illegale Darknet-Aktivitäten Sinn, in: Organisierte Kriminalität, 141, 145 Fn. 11. 1152 In diesem Zusammenhang Bartl / Moßbrucker / Rückert, Angriff auf die Anonymität im Internet, S. 3; Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 246 f.; Vogt, Die Kriminalpolizei 2017 (Nr. 2), 4, 6; ähnlich auch Bachmann / Arslan, NZWiSt 2019, 241, 245. 1147
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„Tandemlösung“, sprich der Zusammenarbeit je eines IT-Experten sowie eines Polizeibeamten.1153 Daneben ist etwa der Einsatz sogenannter „Cybercops“ verbreitet, die als IT-Experten in einer verkürzten Ausbildung in die Tätigkeiten von Kriminalbeamten eingearbeitet werden.1154 Mit Blick auf kinderpornografische Foren ist etwa zu begrüßen, dass mit dem „Zentrum zur Bekämpfung von Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch“ (ZKI) seit Oktober 2020 eine neue Spezialeinheit im Einsatz ist, die bei der „Zentralstelle Cybercrime Bayern“ (ZCB) der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg angesiedelt ist.1155 Allgemein lohnend scheint ferner der Ausbau bestehender Schwerpunktstaatsanwaltschaften im Bereich Cybercrime und Darknet sowie gegebenenfalls die Errichtung spezieller CybercrimeStrafkammern an den Landgerichten ähnlich der Wirtschaftsstrafkammern.1156 Daneben bedarf es der Investition in technische Schulungen sowie die Entwicklung von Equipment. Zu begrüßen ist dort etwa die Kooperationsvereinbarung zwischen dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz und der niederländischen Forschungsgesellschaft TNO.1157 Bei der von TNO entwickelten Software namens „Dark Web Monitor“ handelt es sich um ein Open Source Intelligence-Verzeichnis, bei dem die gesammelten Informationen aus frei zugänglichen Quellen rühren. Um künftig zeitaufwändige Recherchen zu vereinfachen, werden mithilfe der Web Crawling-Technologie kriminelle Aktivitäten im Darknet gesammelt, kategorisiert und etwaige Zusammenhänge erarbeitet.1158 Vielversprechend ist zudem das von ITSpezialisten des Landeskriminalamts Niedersachsen entwickelte Neuronale Netz zur Erkennung von (Kinder-)Pornografie.1159 Neben psychischen Belastungen gehe mit der Auswertung ein nur schwerlich zu bewältigender Aufwand einher.1160 Nach dem bislang üblichen technischen Abgleich mit bereits bekannten pornografischen Dateien nimmt die Software daher anschließend eine Vorselektion in Dateien ohne pornografischen Inhalt und solchen mit pornografischem Inhalt vor.1161 Nicht zuletzt herauszustellen, sind an dieser Stelle Kooperationen mit Universitäten und Instituten zur Stärkung von Forschung, Lehre und Strafverfolgung im Bereich Cybercrime,1162 die es weiter auszubauen gilt. Zwar erweisen sich derartige Maßnahmen als kostenintensiv, etwa Vogt führte aber bereits im Jahr 2017 zutreffend 1153
Vogt, Die Kriminalpolizei 2017 (Nr. 2), 4, 6. Vogt, Die Kriminalpolizei 2017 (Nr. 2), 4, 6. 1155 Bayerisches Staatsministerium der Justiz, Pressemitteilung 185/14 v. 30. 12. 2014. 1156 So die Forderung von Bartl / Moßbrucker / Rückert, Angriff auf die Anonymität im Internet, S. 21. 1157 Hierzu Bayerisches Staatsministerium der Justiz, Pressemitteilung 69/20 v. 27. 07. 2020. 1158 Bayerisches Staatsministerium der Justiz, Pressemitteilung 69/20 v. 27. 07. 2020; zur strafprozessualen Zulässigkeit siehe Rückert / Goger, Polizei.Wissen 2022, 17 ff. 1159 Hierzu Landeskriminalamt Niedersachsen, Pressemitteilung Nr. 1 v. 16. 01. 2020. 1160 Siehe Landeskriminalamt Niedersachsen, Pressemitteilung Nr. 1 v. 16. 01. 2020. 1161 Landeskriminalamt Niedersachsen, Pressemitteilung Nr. 1 v. 16. 01. 2020. 1162 Zur Kooperation der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und der Zentralstelle Cybercrime Bayern vgl. Generalstaatsanwaltschaft Bamberg, Pressemitteilung Nr. 16 v. 30. 09. 2020. 1154
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an, dass eine erfolgsversprechende Bekämpfung von Cybercrime im „Niedrigpreissegment“ nicht zielführend ist.1163 b) Intensivierung internationaler Zusammenarbeit Wenngleich etwa das Urteil zum Betreiber der Plattform „Deutschland im Deep Web“ einen nationalen Sachverhalt betraf, werden internetbezogene Sachverhalte vielfach auf internationaler Ebene bedeutend. Ermittlungen im Darknet müssen daher über Ländergrenzen hinweg und in internationaler Zusammenarbeit vonstattengehen, die es weiterhin voranzutreiben gilt.1164 Aufgrund der teils in Papierform oder auf diplomatischem Wege erforderlichen Übermittlung erweisen sich etwa „klassische“ Rechtshilfeersuchen als zeitintensive Prozesse justizieller Rechtshilfe.1165 Um drohende Datenverluste abzuwenden, schaffen zwar eine umgehende Sicherung der Daten im Wege der beschleunigten Rechtshilfe nach Art. 29 Cybercrime-Konvention1166 oder erleichterte Rechtshilfeersuchen mittels Telefax beziehungsweise E-Mail nach Art. 25 Abs. 3 der Cybercrime-Konvention Abhilfe im Geltungsbereich der Cybercrime-Konvention.1167 Außerhalb dessen bleiben die Möglichkeiten aber begrenzt, sodass Goger und Stock unter anderem fordern, dass weitere Rechtshilfeverträge Vorabsicherungen ermöglichen.1168 Ferner sei ein Standard für die Übermittlung von Rechtshilfeersuchen mithilfe moderner Informations- und Kommunikationstechnik einzuführen, der unabhängig von den beteiligten Ländern und vom zugrundeliegenden Vertragswerk zur Verfügung steht und höchsten Anforderungen an Verfügbarkeit und Übermittlungssicherheit genügen muss.1169 Voranzutreiben ist sodann auch die Bildung sogenannter gemeinsamer Ermittlungsgruppen (§ 93 IRG, § 61b IRG),1170 1163
Vogt, Die Kriminalpolizei 2017 (Nr. 2), 4, 7. Für den Ausbau internationaler Zusammenarbeit im Darknet etwa Bachmann / Arslan, NZWiSt 2019, 241, 245; Göppner, Kriminalistik 2018, 623, 626; Rückert, Politische Studien 69 (2018), 12, 18 f.; Rückert / Goger, MMR 2020, 373, 374 f.; Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 8; Vogt, Die Kriminalpolizei 2017 (Nr. 2), 4, 6; Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 245 f.; Zöller, KriPoZ 2019, 274, 277. 1165 Goger / Stock, ZRP 2017, 10, 11. 1166 Gesetz zu dem Übereinkommen des Europarats vom 23. November 2001 über Computerkriminalität vom 05. 11. 2008, BGBl. II 2008, S. 1242; Übereinkommen über Computerkriminalität, Sammlung Europäischer Verträge – Nr. 185. 1167 Bruns, in: KK-StPO, § 110 Rn. 8a; Hausschild, in: MüKo-StPO, § 110 Rn. 18; im vorliegenden Zusammenhang ebenfalls darauf verweisend Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 246. 1168 Goger / Stock, ZRP 2017, 10, 12; ebenso Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 246. 1169 Dazu und zu weiteren Vorschlägen siehe Goger / Stock, ZRP 2017, 10, 11 ff. 1170 Goger / Stock, ZRP 2017, 10, 13; speziell für das Darknet etwa Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 8; Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 246; Zöller, KriPoZ 2019, 274, 277. 1164
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die nach Bewilligung und Ausarbeitung einer Errichtungsvereinbarung den Zugang aller involvierten Mitgliedstaaten zu den erlangten Ermittlungserkenntnissen gestattet.1171 Insgesamt wird dadurch die Effizienz der Strafverfolgung erhöht und potentiellen Doppelermittlungen entgegengetreten.1172 Mitglieder gemeinsamer Ermittlungsgruppen können neben Ermittlungspersonen unterschiedlicher Staaten etwa auch Bedienstete von Eurojust beziehungsweise Europol (Art. 88 Abs. 2 UAbs. 1 Satz 2 lit. b AEUV) sein.1173 Nach Goger und Stock sollten ferner vorhandene und künftige Rechtshilfeabkommen die Einrichtung gemeinsamer Ermittlungsgruppen ausdrücklich zulassen und fördern, um deren Möglichkeiten besser ausnutzen zu können.1174 Zu verweisen sei im Zusammenhang wünschenswerter internationaler Zusammenarbeit schließlich etwa auf das 2018 durch Europol errichtete Darknet-Team, das in das European Cybercrime Centre (EC3) eingebettet ist und einen koordinierten Strafverfolgungsansatz zur Bekämpfung der Kriminalität im Darknet unter Beteiligung von Strafverfolgungsbehörden aus EU-Mitgliedstaaten, operativen Dritten sowie anderen relevanten Partnern wie Eurojust beabsichtigt.1175 Ziel ist unter anderem ein verbesserter Informationsaustausch, die Bereitstellung von operativer Unterstützung und Fachwissen sowie die Entwicklung von Tools, Taktiken und Techniken zur Durchführung von Untersuchungen im Internet.1176 Die Wirksamkeit grenzüberschreitender Ermittlungstätigkeit belegen jedenfalls einschlägige Ermittlungserfolge. So beruhte die Festnahme der Betreiber des zweitgrößten Darknet-Marktplatzes „Wallstreet Market“ auf einer Kooperation der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main und des Bundeskriminalamts mit US-amerikanischen und niederländischen Strafverfolgungsbehörden sowie mit Europol.1177 Der Abschaltung von „AlphaBay“ und „Hansa“ ging eine internationale Zusammenarbeit von Europol, der amerikanischen Drogenvollzugsbehörde DEA, dem FBI sowie der niederländischen Polizei voraus.1178 Und schließlich wurde der Darknet-Marktplatz „DarkMarket“ mithilfe einer internationalen Operation und Unterstützung von Europol vom Netz genommen.1179 1171 Zur Definition von gemeinsamen Ermittlungsgruppen siehe Riegel, Die Kriminalpolizei 2008 (Nr. 3), 80. 1172 Riegel, Die Kriminalpolizei 2008 (Nr. 3), 80, 84. 1173 Riegel, Die Kriminalpolizei 2008 (Nr. 3), 80, 82; zu Europol auch Dannecker, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 88 AEUV Rn. 17. Zur Beteiligung von Europol beachte auch Art. 5 der Verordnung 2016/794 vom 11. 05. 2016 über die Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung (Europol) und zur Ersetzung und Aufhebung der Beschlüsse 2009/371/JI, 2009/934/JI, 2009/935/JI, 2009/936/JI und 2009/968/JI des Rates, ABl. EU 2016 Nr. L 135, S. 53. 1174 Goger / Stock, ZRP 2017, 10, 13. 1175 Europol, Pressemitteilung v. 29. 05. 2018. 1176 Europol, Pressemitteilung v. 29. 05. 2018. 1177 Bundeskriminalamt, Pressemitteilung v. 03. 05. 2019. 1178 Europol, Pressemitteilung v. 20. 07. 2017. 1179 Siehe Europol, Pressemitteilung v. 12. 01. 2021.
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c) Weitere Neuerungen betreffend Ermittlungen im Darknet Um kriminelle Handelsplattformen auf lange Sicht auszutrocknen, müssen Strafverfolgungsbehörden nicht nur personell und technisch, sondern auch rechtlich in die Lage versetzt werden, effektiv ermitteln zu können. Dies betrifft nicht nur die Identifizierung der Betreiber, sondern – weil sich das Handelsgeschehen der Nutzer bei Abschaltung einer Plattform meist schlicht auf andere verlagert – auch Ermittlungen mit Blick auf Nutzerstraftaten. aa) „Keuschheitsproben“ und §§ 184b Abs. 6, 176e Abs. 5 StGB und § 110d StPO Zu begrüßen ist, dass die Identifizierung einzelner Täter sowie der Betreiber im Bereich des Austauschs kinderpornografischer Inhalte in Internetforen nun durch die Schaffung eines Tatbestandsausschlusses in § 184b Abs. 6 StGB und § 176e Abs. 5 StGB sowie einer flankierenden strafprozessualen Vorschrift in § 110d StPO für den Einsatz computergenerierter kinderpornografischer Materialien durch Ermittlungsbeamte vorangetrieben wird.1180 Schließlich werden Strafverfolgungsbehörden bei entsprechenden Foren wie gesehen vielfach mit Keuschheitsproben konfrontiert, indem deren Zugang das eigene Bereitstellen kinderpornografischer Inhalte zum Beweis der „Vertrauenswürdigkeit“ erfordert.1181 Je nach Sachverhalt war dies jedoch gemäß § 184b Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 StGB a. F. beziehungsweise § 184d Abs. 1 Satz 1 StGB a. F. unter Strafe gestellt und daher für Ermittlungsbeamte – aufgrund des Verbots der Begehung von Straftaten1182 – nicht zu bewältigen. Die Anwendung des bereits durch das 27. StrÄndG eingefügten Tatbestandsausschlusses des § 184b Abs. 5 Satz 1 StGB a. F. zumindest in Konstellationen, in denen der Inhalt nicht einem unbestimmten Personenkreis,1183 sondern einem Administrator – strafbar nach § 184b Abs. 1 Nr. 2 StGB a. F. – bereitgestellt werden sollte, wurde unter anderem abgelehnt, weil bei unkontrollierter Weitergabe solcher Inhalte nicht von einer „ausschließlich“ rechtmäßigen Erfüllung staatlicher Aufgaben (Nr. 1) bzw. dienstlicher oder beruflicher Pflichten (Nr. 3) ausgegangen werden könne.1184 Wenngleich
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So Soiné, NStZ 2022, 321. Dazu siehe Teil 1 C. II. 2. 1182 Dieses gilt sowohl für Verdeckte Ermittler als auch Ermittlungsbeamte allgemeiner Ermittlungen, siehe Bruns, in: KK-StPO, § 110c Rn. 6; Gercke, CR 2018, 480, 482; Günther, in: MüKoStPO, § 110c Rn. 39; Hegmann, in: BeckOK-StPO, § 110c Rn. 7; Köhler, in: Meyer-Goßner / Schmitt, § 110c Rn. 4; Wittmer / Steinebach, MMR 2019, 650, 651. 1183 Einigkeit bestand dahingehend, dass § 184b Abs. 5 Satz 1 StGB a. F. weder bei „Verbreiten“ noch bei „öffentlichem Zugänglichmachen“ greife, Safferling, DRiZ 2018, 206, 207; Wittmer / Steinebach, MMR 2019, 650, 651. 1184 Rückert / Goger, MMR 2020, 373, 374. 1181
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entsprechende Aufweichungen des Verbots teils mit Verweis auf den hohen Stellenwert des Legalitätsprinzips abgewiesen wurden,1185 stieß sodann die 89. Justizministerkonferenz unter Berufung auf Erfahrungen der Praxis die Verwendung computergenerierter kinderpornografischer Materialien durch Ermittlungsbeamte zur Erlangung von Zutritt zu derartigen Foren an.1186 Durch das 57. StrÄndG1187 normierte der Gesetzgeber daher zunächst einen Tatbestandsausschluss in § 184b Abs. 5 Satz 2 StGB a. F., wonach § 184b Abs. 1 Nr. 1, Nr. 4 StGB a. F. nicht für dienstliche Handlungen im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gelten sollte, wenn sich die Handlung auf einen kinderpornografischen Inhalt bezieht, der kein tatsächliches Geschehen wiedergibt und auch nicht unter Verwendung einer Bildaufnahme eines Kindes oder Jugendlichen hergestellt worden ist (Nr. 1) und die Aufklärung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre (Nr. 2). Ergänzt wurde dies durch eine strafprozessuale Befugnisnorm in § 110d StPO. Nachdem § 184b Abs. 1 StGB a. F. zum 1. Juli 20211188 inhaltlich angepasst wurde, wurde § 184b Abs. 5 Satz 2 StGB a. F. im Übrigen wortgleich in § 184b Abs. 6 StGB verschoben und durch einen Verweis auf § 184b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 4 und Satz 2 StGB erweitert. § 110d StPO passte der Gesetzgeber entsprechend an. Mit Wirkung zum 14. September 20211189 wurde sodann § 176e Abs. 5 StGB nach dem Vorbild des § 184b Abs. 6 StGB eingefügt, um zu verhindern, dass künftig stattdessen als „Eintrittskarte“ eine Missbrauchsanleitung gefordert und so § 184b Abs. 6 StGB umgangen wird.1190 Das aus der Anpassung des § 110d StPO resultierende, redaktionelle Versehen des Gesetzgebers, der dort auf § 184 StGB und nicht § 184b StGB verwies und den Richtervorbehalt nicht auf alle in § 176e Abs. 5 StGB genannten Tathandlungen erstreckte,1191 wurde inzwischen durch eine Gesetzesänderung1192 behoben.
1185 Siehe Bruns, in: KK-StPO, § 110c Rn. 6; Günther, in: MüKo-StPO, § 110c Rn. 39; Krause, NJW 2018, 678, 680. 1186 Top II.9, S. 2, abrufbar unter: https://www.justiz.nrw.de/JM/jumiko/beschluesse/2018/ Fruehjahrskonferenz_2018/II-9-BY---Effektive-Verfolgung-und-Verhinderung-von-Kinder pornografie-und-Kindesmissbrauch-im-Darknet.pdf (Abruf am 28. 09. 2022). 1187 Siebenundfünfzigstes Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Versuchsstrafbarkeit des Cybergroomings vom 03. 03. 2020, BGBl. I 2020, S. 431. 1188 Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder vom 16. 06. 2021, BGBl. I 2021, S. 1810. 1189 Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes gegen sogenannte Feindeslisten, Strafbarkeit der Verbreitung und des Besitzes von Anleitungen zu sexuellem Missbrauch von Kindern und Verbesserung der Bekämpfung verhetzender Inhalte sowie Bekämpfung von Propagandamitteln und Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen vom 14. 09. 2021, BGBl. I 2021, S. 4250. 1190 BT-Drs. 19/31115, S. 14. 1191 BT-Drs. 20/204, S. 6. 1192 Gesetz über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Jahr 2022, zur elektronischen Erhebung der Bankenabgabe und zur Änderung der Strafprozessordnung vom 25. 03. 2022, BGBl. I 2022, S. 571.
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Der materiell-rechtliche Tatbestandsausschluss1193 des § 184b Abs. 6 StGB gestattet nun jedenfalls dienstliche Handlungen, sofern sich diese auf computergenerierte, fiktive Darstellungen beziehen. Dass es insoweit überhaupt einer ermächtigenden Grundlage für die Verbreitung solcher Darstellungen bedarf, wird vor dem Hintergrund von Nachahmungsgefahren und marktbezogenen Argumenten erklärt.1194 Sodann merkt etwa Wagner an, dass für die Straflosigkeit von handelnden Polizeibeamten auch schlicht die prozessuale Befugnisnorm des § 110d StPO genügt hätte, weil einem Handeln innerhalb dieser Befugnis strafbefreiende Wirkung zukomme.1195 Aus der Zweigleisigkeit folgt daher, dass materiell bereits die Tatbestandsmäßigkeit ausgeschlossen sein soll, sofern § 184b Abs. 6 StGB eingehalten ist; ein „bloßer“ Verstoß gegen § 110d StPO soll hingegen keine Strafbarkeit nach sich ziehen.1196 Inhaltlich verlangt § 184b Abs. 6 StGB aufgrund der „dienstlichen Handlungen im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren“ einen Anfangsverdacht für eine verfolgbare Straftat und begrenzt die Anwendbarkeit auf Polizeibeamte und Staatsanwälte.1197 Abweichend von § 184b Abs. 5 Nr. 2 StGB, der Straflosigkeit auch für Dritte vorsieht, kennt § 184b Abs. 6 StGB keine entsprechende Ausweitung. Daraus folgt für die Praxis die Unsicherheit, ob sich Hilfspersonen der Ermittlungsbehörden mangels direkten Tatbestandsausschlusses strafbar machen und daher Ermittlungsbehörden entsprechende computergenerierte Darstellungen unmittelbar selbst herstellen müssen.1198 § 184b Abs. 6 StGB gestattet sodann jedenfalls die Verwendung solcher Inhalte, die kein tatsächliches Geschehen wiedergeben1199 und nicht unter Verwendung einer Bildaufnahme eines Kindes oder Jugendlichen hergestellt wurden (Nr. 1). Ausweislich der Gesetzesbegründung ist hierzu das Erzeugen rein technisch beziehungsweise digital generierter Materialien im Wege künstlicher Intelligenz möglich.1200 Nicht ausgeschlossen ist ferner 1193 Als Tatbestandsausschluss begreifend Hörnle, in: MüKo-StGB, § 184b Rn. 54; Rückert / Goger, MMR 2020, 373 ff.; Soiné, NStZ 2022, 321 ff.; anders hingegen Wagner, ZStW 133 (2021), 1025, 1033. 1194 Zum Verbot von fiktiven Darstellungen Hörnle, in: MüKo-StGB, § 184b Rn. 1 ff.; Wagner, ZStW 133 (2021), 1025, 1030 ff. 1195 In diesem Kontext Wagner, ZStW 133 (2021), 1025, 1034. 1196 Hierzu Rückert / Goger, MMR 2020, 373, 377; kritisch dazu Wagner, ZStW 133 (2021), 1025, 1034. 1197 Rückert / Goger, MMR 2020, 373, 376. 1198 Nach Rückert und Goger verdeutliche das Merkmal der „dienstlichen“ Handlung sowie ein Umkehrschluss zu § 184b Abs. 5 Satz 1 StGB a. F., dass die von der Norm erfassten Varianten nicht straffrei von Hilfspersonen verwirklicht werden könnten, Rückert / Goger, MMR 2020, 373, 376; anders hingegen Wagner, ZStW 133 (2021), 1025, 1041, der sodann eine gesetzliche Klarstellung fordert. 1199 Nicht gestattet sind daher Darstellungen tatsächlicher sexueller Handlungen mit echten Kindern, ganz oder teilweise unbekleidete echte Kinder in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung sowie unbekleidete Genitalien oder Gesäße echter Kinder in sexuell aufreizender Form, BT-Drs. 19/16543, S. 11. 1200 BT-Drs. 19/16543, S. 11.
I. „Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet“
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das Trainieren künstlicher Intelligenz, welche zur Herstellung eines kinderpornografischen Inhalts, der kein tatsächliches Geschehen wiedergibt, eingesetzt wird.1201 Schließlich ist das Trainieren eine im Vorfeld der Herstellung positionierte Tätigkeit und die Trainingsbilder werden anschließend kein Bestandteil der künstlich erzeugten Aufnahmen.1202 Daher können insoweit auch Dritte einbezogen werden, wobei deren Besitz kinderpornografischer Inhalte jedenfalls nach § 184b Abs. 5 Nr. 2 StGB straflos ist.1203 § 184b Abs. 6 Nr. 2 StGB enthält außerdem eine – sonst aus der Strafprozessordnung bekannte – Subsidiaritätsklausel.1204 Flankiert wird der Tatbestandsausschluss schließlich von der verfahrensrechtlichen Befugnisnorm des § 110d StPO, die zwar den §§ 110a ff. StPO angefügt ist, gleichwohl aber nicht auf Verdeckte Ermittler beschränkt ist und ebenfalls den Einsatz künstlicher kinderpornografischer Inhalte durch nicht offen ermittelnde Polizeibeamte gestattet.1205 Für die Frage, ob insoweit der Einsatz eines Verdeckten Ermittlers nach den strengeren §§ 110a ff. StPO erforderlich wird, kann auf die Rechtsprechung des BVerfG zurückgegriffen werden,1206 wonach die schlichte Verwendung einer Legende im Internet keinen relevanten Eingriff in das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung darstelle.1207 Eingriffsqualität gewinne ein solches Vorgehen aber dann, wenn der Beamte ein schutzwürdiges Vertrauen des Betroffenen in die Identität sowie die Motivation seines Kommunikationspartners ausnutze, um persönliche Daten zu erheben, die dieser anderenfalls nicht erlangen würde.1208 Weil aber etwa besonders im Darknet das Vertrauen Einzelner in die Identität des Gegenübers aufgrund der Verwendung von Pseudonymen ohne Überprüfungsmechanismen nicht schutzwürdig sei, wird teilweise der Einsatz Verdeckter Ermittler im Sinne der §§ 110a ff. StPO dort nicht für erforderlich erachtet.1209 Zwar dürfte bei Hinzutreten besonderer Umstände auch anderes
1201
BT-Drs. 19/16543, S. 11. BT-Drs. 19/16543, S. 11; darauf verweisend ebenfalls Rückert / Goger, MMR 2020, 373, 375; Ziegler, in: BeckOK-StGB, § 184b Rn. 23. 1203 Zutreffend etwa Rückert / Goger, MMR 2020, 373, 375. 1204 Näher dazu Rückert / Goger, MMR 2020, 373, 378. 1205 Rückert / Goger, MMR 2020, 373, 377; Soiné, NStZ 2022, 321, 325. Rechtsgrundlage des nicht offen ermittelnden Polizeibeamten bildet nach überwiegender Auffassung die Ermittlungsgeneralklausel der §§ 161, 163 StPO, BGH v. 06. 02. 1997 – 1 StR 527/96, NJW 1997, 1516, 1518; Bruns, in: KK-StPO, § 110a Rn. 6; Hegmann, in: BeckOK-StPO, § 110a Rn. 5; kritisch etwa Günther, in: MüKo-StPO, § 110a Rn. 28 f.; Murmann, in: Handbuch zum Strafverfahren, Abschn. III Rn. 436. 1206 BVerfG v. 27. 02. 2008 – 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07, BVerfGE 120, 274 ff.; in der Literatur siehe allgemein zu personalen Ermittlungen im Internet etwa Rosengarten / Römer, NJW 2012, 1764 ff.; Soiné, NStZ 2003, 225 ff.; Soiné, NStZ 2014, 248 ff.; Henrichs, Kriminalistik 2012, 632 ff. 1207 BVerfG v. 27. 02. 2008 – 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07, BVerfGE 120, 274, 345. 1208 BVerfG v. 27. 02. 2008 – 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07, BVerfGE 120, 274, 345. 1209 So etwa Krause, NJW 2018, 678, 680; Rath, DRiZ 2016, 292, 293; siehe allgemeiner dazu auch Hauck, in: Löwe / Rosenberg, § 110a Rn. 26. 1202
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Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
gelten.1210 Jedoch wird der Zugang zu entsprechenden Foren häufig in einem Ermittlungsstadium erforderlich, in dem die Voraussetzungen für den Einsatz eines Verdeckten Ermittlers jedenfalls noch nicht gegeben sind.1211 Ungeachtet dessen verlangt § 110d Satz 1 StPO eine gerichtliche Zustimmung für entsprechende „Einsätze“. Dabei soll ein „Einsatz“ weder einzelne Handlungen noch eine dauerhafte Erlaubnis meinen und zu bejahen sein, solange das Material innerhalb des im Antrag auf richterliche Zustimmung bezeichneten Ermittlungsverfahrens und nur auf der dort bezeichneten Plattform eingesetzt wird.1212 Weitere Einschränkungen – etwa die Vorbereitung des Polizeibeamten, die Zustimmung der Staatsanwaltschaft bei Gefahr im Verzug1213 – regelt § 110d Satz 2 bis 6 StPO. Verstöße gegen § 184b Abs. 6 StGB beziehungsweise § 110d StPO können sodann zur Strafbarkeit des Polizeibeamten oder zu unselbstständigen Beweisverwertungsverboten führen.1214 Wenngleich es nun an empirischen Belegen dafür fehlen mag, inwieweit Ermittlungen an Keuschheitsproben scheiterten,1215 ist die Einführung entsprechender Vorschriften im Grundsatz zu begrüßen. Das Verbot des § 184b StGB wird von dem Gedanken getragen, den Markt für entsprechende kinderpornografische Darstellungen auszutrocknen, um als Reflex den Missbrauch von Kindern zur Herstellung solcher Materialien zu verhindern.1216 Dieses Ziel verfolgen jedoch zugleich Ermittlungen gegen Betreiber und Nutzer.1217 Zuzugestehen ist zwar, dass der Markt auch durch die staatliche Verbreitung computergenerierter Materialien in gewisser Weise befeuert wird; aufwiegen dürfte dies jedoch die einhergehende Effektivitätssteigerung von Ermittlungen.1218 Insgesamt wird der Markt eher erschüttert, wenn Delinquenten identifiziert werden und die zunehmende Präsenz von Ermittlern zu befürchten ist.1219 Werden hierfür „nur“ computergenerierte Materialien eingesetzt, werden Bedenken möglichst abgeschwächt. Technisch ist die Erzeugung fiktiver kinderpornografischer Inhalte jedenfalls umsetzbar, sei es durch den verbreiteten Einsatz von Vektorgrafiken, wobei realistische Körperbewegungen durch das Motion-Capture-Verfahren, realistische Gesichtsausdrücke durch das PerformanceCapture-Verfahren umsetzbar sind.1220 Auch der Einsatz erwachsener Darsteller mit 1210
Siehe Ihwas, WiJ 2018, 138, 144 f., der aber für Internetermittlungen ohne bereits vorhandene Legende mangels Vergleichbarkeit nicht § 110a StPO heranzieht, sondern eine „neue und klare Regelung“ fordert, siehe hierzu mit einem Vorschlag Ihwas, Strafverfolgung in Sozialen Netzwerken, S. 172. 1211 So Rückert / Goger, MMR 2020, 373, 377. 1212 Rückert / Goger, MMR 2020, 373, 377; näher zum Merkmal Wagner, ZStW 133 (2021), 1025, 1037 ff. 1213 Näher dazu Wagner, ZStW 133 (2021), 1025, 1042. 1214 Umfassend Rückert / Goger, MMR 2020, 373, 378 f.; Wagner, ZStW 133 (2021), 1025, 1042 ff. 1215 Gercke, CR 2018, 480, 481. 1216 Safferling, DRiZ 2018, 206, 207. 1217 Safferling, DRiZ 2018, 206, 207. 1218 Safferling, DRiZ 2018, 206, 207. 1219 Safferling, DRiZ 2018, 206, 207. 1220 Wittmer / Steinebach, MMR 2019, 650, 652.
I. „Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet“
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kindlicher Statur sowie der Austausch der Gesichter mit digital erzeugten Kindergesichtern ist als Ansatz denkbar.1221 Und dass sich computergenerierte Darstellungen zur Täuschung krimineller Kreise eignen, zeigt bereits der Fall „Sweetie“ aus dem Jahr 2013, in dem ein computergeneriertes, zehnjähriges Mädchen in Videochats mit insgesamt 20.000 Nutzern rund 1.000 Personen veranlasste, diesem Geld für sexuelle Handlungen anzubieten.1222 bb) Retrograde Auskunftsverlagen Am Rande sei ferner auf die zu begrüßende Neuerung des § 99 StPO verwiesen. Nach § 99 Satz 1 StPO a. F. war insoweit nur die Beschlagnahme der an den Beschuldigten gerichteten Postsendungen gestattet, die sich im Zeitpunkt der Anordnung im Gewahrsam des Postdienstleisters befanden. Daneben anerkannt war zwar – als milderes Mittel – die Befugnis, in eingeschränktem Umfang Auskunft über Sendungen im Gewahrsam des Postdienstleisters zu verlangen.1223 Nicht in § 99 StPO a. F. geregelt war jedoch ein retrogrades Auskunftsverlangen, das heißt eine Auskunft über nicht länger in dessen Gewahrsam befindliche Sendungen. Diese wurden daher teils durch § 99 StPO analog1224, teils durch die §§ 94, 98 StPO legitimiert.1225 Herrschend wurde dies jedoch mangels Rechtsgrundlage verneint.1226 Letzterem pflichtete auch der BGH bei.1227 Zum 7. Juli 2021 wurde § 99 StPO nun angepasst.1228 Schließlich würden sich Postdienstleister insbesondere beim inkriminierten Handel mittels Darknets oftmals als entscheidende „Schnittstelle“ von digitaler und analoger Welt erweisen und Informationen darüber liefern,
1221
Wittmer / Steinebach, MMR 2019, 650, 652. Zum Fall „Sweetie“ siehe etwa Wittmer / Steinebach, MMR 2019, 650, 651. 1223 Unter anderem Bär, in: Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, Kap. 28 Rn. 55a; Graf, in: BeckOK-StPO, § 99 Rn. 21; Greven, in: KK-StPO, § 99 Rn. 11. 1224 So etwa BGH (Ermittlungsrichter) v. 11. 07. 2012 – 3 BGs 211/12, BeckRS 2014, 5922; Graf, in: BeckOK-StPO, § 99 Rn. 21; Greven, in: KK-StPO, § 99 Rn. 11. 1225 Hierzu LG Landshut v. 21. 05. 2012 – 6 Qs 82/12, BeckRS 2013, 10378; Krause, NZWiSt 2017, 60 ff.; Schmidt, NJW 2017, 681, 682; Weisser, wistra 2016, 387, 390. 1226 LG Hamburg v. 12. 02. 2009 – 628 Qs 5/09, BeckRS 2009, 19797; Eschelbach, in: Satzger / Schluckebier / Widmaier, StPO, § 99 Rn. 22; Günther, in: MüKo-StPO, § 99 Rn. 48; Menges, in: Löwe / Rosenberg, § 99 Rn. 30; Köhler, in: Meyer-Goßner / Schmitt, § 99 Rn. 14a. 1227 So zunächst BGH (Ermittlungsrichter) v. 27. 10. 2016 – 1 BGs 107/16, NJW 2017, 680, 681; nunmehr auch BGH v. 20. 02. 2019 – StB 51/18, NStZ-RR 2019, 280 f. 1228 Gesetz zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25. 06. 2021, BGBl. I 2021, S. 2099. Eine Ausweitung wurde etwa schon durch einen Beschluss der 88. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister im Jahr 2017 (TOP II.3) angeregt, abrufbar unter: https://www.justiz.nrw.de/JM/jumiko/beschluesse/2017/ Fruehjahrskonferenz_2017/II_3_Auskunftsverlangen_gegenueber_Postdienstleistern.pdf (Abruf am 28. 09. 2022). Auch der Entwurf des Bundesrats zur Einführung eines § 126a StGB-E sah zusätzlich die Schaffung eines – dort noch anders lautenden – § 99 Abs. 2 StPO-E vor, BTDrs. 19/9508, S. 8, 14 f., 16. 1222
298
Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
wann, wo und von wem eine Sendung ausgeliefert wurde oder schon aufgegeben, aber vom Versender noch nicht beim Postdienstleister abgegeben wurde.1229 Ausgehend davon findet sich ergänzend1230 zur nun in § 99 Abs. 1 StPO geregelten Postbeschlagnahme in § 99 Abs. 2 StPO ein Auskunftsanspruch der Strafverfolgungsbehörden gegenüber Postdienstleistern. Hinsichtlich der allgemeinen Voraussetzungen verweist § 99 Abs. 2 Satz 1 StPO auf diejenigen des § 99 Abs. 1 StPO. Umfasst ist daher derselbe Adressatenkreis von Postdienstleistern und die Auskunft muss sich auf Postsendungen beziehen.1231 Das Verfahren muss sich ferner wie bei der Postbeschlagnahme gegen einen Beschuldigten richten, wobei dieser nicht näher bekannt oder identifiziert sein muss.1232 Der Inhalt des Auskunftsverlangens richtet sich sodann nach § 99 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 StPO. Danach soll dieses grundsätzlich nach Satz 2 schlicht die gelisteten Daten – im Wesentlichen die äußeren Merkmale – einer Sendung umfassen und sich nur ausnahmsweise nach § 99 Abs. 2 Satz 3 StPO auf den eigentlichen Inhalt der Sendung erstrecken, sofern ein Postdienstleister davon auf rechtmäßige Weise unter Wahrung des Postgeheimnisses nach § 39 Abs. 1, Abs. 4 PostG Kenntnis erlangt.1233 In zeitlicher Hinsicht werden gemäß § 99 Abs. 2 Satz 1 StPO sich im Gewahrsam des Postdienstleisters befindliche Postsendungen erfasst sowie gemäß § 99 Abs. 2 Satz 4 StPO solche, die sich dort noch nicht oder nicht mehr befinden. Als eigentlicher Anlass der Reform bemüht § 99 Abs. 2 Satz 4 StPO daher einerseits die Schaffung einer Rechtsgrundlage zu retrograden Auskunftsverlangen der Strafverfolgungsbehörden. Andererseits bestimmt § 99 Abs. 2 Satz 4 StPO auch ein Auskunftsverlangen bezüglich künftiger Sendungen. Das Verfahren des Auskunftsverlangens richtet sich, wie dasjenige der Postbeschlagnahme, nach § 100 StPO und steht demnach unter Richtervorbehalt, es sei denn, es liegt ein Fall von Gefahr im Verzug vor. Insgesamt differenziert die in § 99 Abs. 2 Satz 4 StPO umschriebene Rechtsgrundlage nach der Art der Daten, dem betroffenen Zeitraum, dem Ort der Datenerhebung sowie nach dem zur Entscheidung befugten Organ und der Art und Weise der Durchführung der Maßnahme und wird daher den Anforderungen des BGH zu retrograden Auskunftsverlangen gerecht.1234
1229
BT-Drs. 19/27654, S. 67. BT-Drs. 19/27654, S. 68. 1231 Zu Postsendungen Weisser, NZWiSt 2021, 372, 374; zuvor Graf, in: BeckOK-StPO, § 99 Rn. 9. 1232 Weisser, NZWiSt 2021, 372, 374; zur Postbeschlagnahme Graf, in: BeckOK-StPO, § 99 Rn. 6. 1233 BT-Drs. 19/27654, S. 69 f. 1234 So die Anforderungen in BGH v. 20. 02. 2019 – StB 51/18, NStZ-RR 2019, 280, 281. 1230
J. Ergebnis
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cc) Vorlagepflicht nach § 39 Abs. 4a PostG Mit § 39 Abs. 4a PostG sind Postdienstleister ferner künftig verpflichtet, den Strafverfolgungsbehörden Sendungen vorzulegen, über deren Inhalt sie sich nach § 39 Abs. 4 Satz 1 PostG Kenntnis verschafft haben, wenn zureichende Anhaltspunkte für bestimmte strafbare Handlungen vorliegen. Zwar durften sich diese schon zuvor in den Grenzen des § 39 Abs. 4 PostG Kenntnis vom Inhalt verschaffen.1235 Es galt nach § 39 Abs. 3 Satz 4 PostG aber nur die allgemeine und nach § 138 StGB strafbewehrte Pflicht zur Anzeige geplanter Straftaten.1236 Aufgeweicht wird dadurch nicht die grundsätzliche Pflicht zur Wahrung des Postgeheimnisses. Innerhalb der bestehenden Ausnahmen soll jedoch gewährleistet werden, dass zufällig erlangte Funde sogleich den Strafverfolgungsbehörden zur Nachprüfung vorgelegt werden.
J. Ergebnis In Teil 3 sollte umfassend die strafrechtliche Verantwortlichkeit für das Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung im Darknet beleuchtet und dabei nicht zuletzt eine Antwort auf die Frage gefunden werden, inwieweit sich die Einführung einer eigenständigen Strafbarkeit in Form des § 127 StGB als eine gegenüber der bis zum 1. Oktober 2021 geltenden Rechtslage sachgerechtere Lösung erweist. Die umfassende Aufarbeitung der ungeachtet vom Auffangtatbestand des § 127 StGB geltenden Rechtslage zeigte dort, dass im Hinblick auf eine materiellrechtliche Erfassung neben einigen für das Darknet szenetypischen Tatbeständen mit weitgefasster Tathandlung und durchaus hohen Strafandrohungen insbesondere eine Strafbarkeit des Betreibers wegen Beihilfe zum Handel mit illegalen Waren oder Dienstleistungen der Nutzer sowie eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit für etwaige Folgeschäden in Betracht kommen. Eine nennenswerte materiell-rechtliche Lücke konnte demnach nicht ausfindig gemacht werden. „Nutzen“ von § 127 StGB scheint demnach zunächst die jedenfalls aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden prima facie sinnvoll anmutende Erhebung des Tatbeitrags des Betreibers zur Täterschaft, weil insoweit ein nicht zuletzt im Kriminalitätsbereich des Darknets schwer zu führender Nachweis konkreter Nutzerstraftaten nicht länger von Bedeutung ist. Das Ausfindigmachen der Identität des Plattformbetreibers als eigentliche Mammutaufgabe im hier interessierenden Bereich des Darknets vermag jedoch auch die Erhebung zur Täterschaft nicht zu bewältigen.
1235 Gemeint sind etwa die Ausnahmen vom Postgeheimnis, um den Inhalt beschädigter Sendungen zu sichern (Nr. 2), den auf anderem Weg nicht feststellbaren Empfänger oder Absender einer unanbringlichen Postsendung zu ermitteln (Nr. 3) oder körperliche Gefahren abzuwenden, die von einer Postsendung für Personen und Sachen ausgehen (Nr. 4). 1236 Zur insoweit vorgebrachten Legitimation siehe BT-Drs. 19/20347, S. 9.
300
Teil 3: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit krimineller Ausrichtung
Die insoweit bestehenden Schwierigkeiten werden vielmehr von § 27 StGB hin zum neuen § 127 StGB verlagert. § 127 StGB bewirkt hingegen durch die Schaffung eines abstrakten Gefährdungsdelikts eine massive Vorverlagerung der Strafbarkeit. Die dortige Problematik, dass – lehnt man die öffentliche Sicherheit und Ordnung als Scheinrechtsgut ab – Verletzungen anerkannter Rechtsgüter im Falle des Betreibens krimineller Plattformen grundsätzlich von selbstständigen Handlungen der Nutzer abhängig sind, wurde vonseiten des Gesetzgebers nicht thematisiert. Ebendies wiegt jedoch umso schwerer, weil eine nennenswerte Regelungslücke im vor Inkrafttreten des § 127 StGB geltenden Recht nicht zu ermitteln war, der Unrechtsgehalt des Betreibens krimineller Handelsplattformen nicht per se mit der gemilderten Strafe des § 27 Abs. 2 StGB unvereinbar scheint und auch die von den Materialien angeführten Nachweisschwierigkeiten durch nichts belegt sind. Die vorgebrachten Bedenken sind vielmehr nicht zuletzt aufgrund des richtungsweisenden Urteils des LG Karlsruhe in Zweifel zu ziehen. Umgekehrt erscheint die Schaffung einer Vorschrift ohne ernsthaftes materiell-rechtliches Bedürfnis im Zusammenspiel mit einer unklaren Legitimation sowie entgrenzten Ermittlungsmaßnahmen als weitestgehend fragwürdig. Den zugegeben erschwerten Ermittlungen im Darknet sollte jedenfalls nicht unbedacht und ausschließlich durch materiell-rechtliche „Lösungen“ begegnet werden.1237 Im Ergebnis soll vorliegend nicht etwa das gefahrenträchtige Phänomen des Betreibens krimineller Plattformen im anonymisierten Darknet in Abrede gestellt werden. Die aktualisierte Rechtslage bedeutet aber eine weite Vorverlagerung der Strafbarkeit, ohne, dass § 127 StGB sowie die damit einhergehenden strafprozessualen Erweiterungen der §§ 100a ff. StPO für sich genommen geeignet wären, kriminellen Handelsplattformen im Darknet langfristig Einhalt zu gebieten. Für nachhaltige Lösungen im Hinblick auf kriminelle Darknet-Marktplätze und Foren bedarf es vielmehr zugleich einer sachgerechten Ausstattung von Ermittlungsbehörden sowie einer Ausweitung von Ermittlungswerkzeugen in personeller, technischer und rechtlicher Hinsicht.
1237 In diese Richtung etwa bereits Kriminalpolitischer Kreis, Stellungnahme zu § 126a StGBE, S. 2. Insoweit wird ganz allgemein immer wieder darauf verwiesen, dass das Bestreben, Beweisprobleme zu vermeiden, weder einen Tatbestand als solchen noch die Verlagerung desselben ins Vorfeld einer Schädigung rechtfertigen kann, siehe allgemein zu ebendiesen Bedenken etwa mit Blick auf § 265b StGB: Haft, ZStW 88 (1976), 365, 367; Kasiske, in: MüKo-StGB, § 265b Rn. 6; Nestler, Bank- und Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 232; a. A. wohl etwa Tiedemann, in: LKStGB, § 265b Rn. 18.
Teil 4
Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit legaler Ausrichtung Angesichts des gesteigerten Gefährdungspotentials von Plattformen mit ganz oder teilweise krimineller Ausrichtung wurde in Teil 3 umfassend die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Betreibers derartiger Infrastruktur fokussiert. Nichtsdestotrotz existieren auch im Darknet Plattformen – meist in Form von Foren – mit grundsätzlich legaler Ausrichtung.1 In diesem Sinne verwiesen nicht zuletzt die Materialien zu § 126a StGB-E auf Foren für Whistleblower oder Chatrooms für politisch Verfolgte sowie Angebote bekannter Servicebetreiber wie Facebook.2 Dass jedoch auch einer Plattform mit legaler Ausrichtung unter anderem aufgrund der im Darknet vorherrschenden Anonymität eine gewisse Missbrauchsgefahr anhaftet, ist nicht von der Hand zu weisen. Insoweit können beispielsweise Foren, die grundsätzlich dem legalen Informationsaustausch über den sachgerechten Umgang mit Waffen dienen, durch Nutzer zum Einstellen von unerlaubten Verkaufsangeboten für Schusswaffen missbraucht werden. § 127 StGB will jedenfalls Plattformen, die lediglich im Einzelfall entgegen ihrer legitimen Zielsetzung von einem Nutzer für den Handel mit illegalen Waren, Dienstleistungen, Inhalten oder Menschen missbraucht werden, nicht erfassen.3 Dies bedeutet allerdings nicht zwingend eine Straffreiheit des Betreibers im Falle des Missbrauchs durch Nutzer. Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen sei daher knapp, ob und in welchem Umfang ein Plattformbetreiber im Darknet bei Missbrauch seiner grundsätzlich legalen Infrastruktur zur Verantwortung gezogen werden kann.
A. Der Vorwurf einer unterlassenen Löschung strafbarer Nutzerinhalte Bemüht man hierzu zunächst eine Abgrenzung des aktiven Tuns vom pflichtwidrigen Unterlassen als Grundlage divergierender Anforderungen strafbaren Verhaltens unter Zuhilfenahme der bereits erörterten Grundsätze,4 erweist sich die aktive Zurverfügungstellung einer Plattform mit legaler Ausrichtung, wie schon in Teil 3 in Aussicht gestellt, als eine sozial nützliche Tätigkeit, die dem 1
Dazu Teil 1 C. III. 2. BT-Drs. 19/9508, S. 1. 3 BT-Drs. 19/28175, S. 15 sowie Teil 3 I. III. 4. 4 Teil 3 A. 2
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Teil 4: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit legaler Ausrichtung
Betreiber regelmäßig nicht zum Vorwurf gemacht werden kann.5 Hieran ändert auch die Verortung einer Plattform im spezifischen Bereich des Darknets grundsätzlich nichts.6 Ähnlich führte etwa auch das LG Karlsruhe im Hinblick auf das Darknet-Forum „Deutschland im Deep Web“ aus, dass die Errichtung und Aufrechterhaltung der Plattform noch als sozialadäquat anzusehen sei, weil der Schwerpunkt des Forums anfänglich auf der Ermöglichung eines sicheren Informationsaustauschs und nicht etwa auf der Ermöglichung der Begehung von Straftaten durch die Nutzer lag.7 Aufgrund der Wertungen des § 7 Abs. 2 TMG beziehungsweise Art. 15 ECRL kann dem nach § 10 TMG privilegierten Diensteanbieter ferner nicht das Unterlassen von Vorabkontrollen der gespeicherten Inhalte vorgeworfen werden.8 Ausgehend davon bleibt als Anknüpfungspunkt des Vorwurfs strafbaren Verhaltens bei Betreiben einer Plattform mit legaler Ausrichtung grundsätzlich schlicht das Unterlassen der Löschung rechtswidriger Inhalte.9 Daher ist nachfolgend einer Klärung zuzuführen, ob und unter welchen Voraussetzungen der Betreiber für die unterbliebene Löschung strafrechtlich relevanter Nutzerinhalte zu belangen ist.
B. Täterschaft oder Teilnahme im Unterlassungsbereich Gelangt man im obigen Sinne zum Vorwurf eines schlichten Unterlassens der Löschung rechtswidriger Nutzerinhalte durch den Betreiber, ist weitergehend zu fokussieren, inwieweit dieser als Täter oder Teilnehmer einzuordnen ist. Berührt ist insoweit die umstrittene Frage der allgemeinen Strafrechtsdogmatik, wie Täterschaft und Beihilfe durch Unterlassen voneinander abzuschichten sind: Ist ein sich am Begehungsdelikt des Nutzers beteiligender, die Löschung unterlassender Plattformbetreiber, als bloßer unterlassender Teilnehmer des Begehungstäters oder vielmehr als Täter eines Unterlassungsdelikts einzuordnen. Zu dieser Thematik findet sich mittlerweile allgemein eine Bandbreite an unterschiedlichen Lösungsansätzen, die im vorliegenden Zusammenhang nur in ihren Grundzügen skizziert werden sollen.10
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Teil 3 A. So auch Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 164 f. 7 LG Karlsruhe v. 19. 12. 2018 – 4 KLs 608 Js 19580/17, BeckRS 2018, 40013 Rn. 294 f. 8 Vgl. auch etwa BGH v. 12. 07. 2012 – I ZR 18/11, MMR 2013, 185, 187. 9 Im Ergebnis Ceffinato, JuS 2017, 403, 404; Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 257 f.; Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 164 f.; Zieschang, GA 2020, 57, 59 f.; sowie allgemein zum Unterlassen Sieber, in: Handbuch Multimedia-Recht, Teil 19.1 Rn. 22 ff. m. w. N. und ergänzend die Ausführungen zur Abgrenzung des positiven Tuns vom pflichtwidrigen Unterlassen unter Teil 3 A. 10 Eine umfassende Übersicht der vorzufindenden Meinungen etwa bei Freund, in: MüKoStGB, § 13 Rn. 266 ff.; Heine / Weißer, in: Schönke / Schröder, Vor §§ 25 ff. Rn. 90 ff.; Otto, JuS 2017, 289 ff. 6
B. Täterschaft oder Teilnahme im Unterlassungsbereich
303
Im Meinungsspektrum zur Abschichtung von Täterschaft und Beihilfe durch Unterlassen wird ein Tatbeitrag des gegen den vorsätzlich handelnden Begehungstäter nicht einschreitenden Garanten von Teilen des Schrifttums als bloßer Gehilfenbeitrag eingeordnet, könne doch der Unterlassende das Geschehen neben dem aktiv handelnden Täter nicht in den Händen halten.11 Entsprechend einer gegensätzlichen Extremposition stelle – angesichts des zugrundeliegenden Verständnisses der Unterlassungsdelikte als Pflichtdelikte – jede Beteiligung durch Unterlassen stets die täterschaftliche Verwirklichung eines Tatbestands dar, weil die Verletzung einer Garantenpflicht allgemein eine Täterschaft des Unterlassenden begründe.12 In weiten Teilen verbreitet ist schließlich eine vermittelnde Differenzierung unter Bezugnahme auf die Qualität sowie den Inhalt der durch den Unterlassenden verletzten Pflicht: Eine Beschützergarantenstellung begründe danach regelmäßig Täterschaft, eine Überwachungsgarantenstellung hingegen eine bloße Gehilfeneigenschaft.13 Letztlich erachten Teile der Rechtsprechung sowie der Lehre auch für die Abschichtung der Täterschaft und Beihilfe durch Unterlassen die allgemeinen Abgrenzungskriterien, namentlich den Täter- oder Teilnehmerwillen14 beziehungsweise das In-den-Händen-Halten der Tatherrschaft15, für entscheidend. Zur Vermeidung von zu pauschalen Ergebnissen erscheint jedoch im Grundsatz überzeugend, auch im Bereich des Unterlassens zur Abschichtung von Täterschaft und Beihilfe auf die Kriterien der Tatherrschaftslehre zu rekurrieren.16 Gleichwohl kann die Tatherrschaftslehre im Unterlassungsbereich freilich nicht im völligen Gleichlauf zu den Begehungsdelikten interpretiert werden. Entscheidend muss in-
11
Zur sogenannten Gehilfentheorie etwa Gallas, JZ 1952, 371, 372; Gallas, JZ 1960, 686, 687; Jescheck / Weigend, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 696; Kudlich, in: Satzger / Schluckebier / Widmaier, StGB, § 13 Rn. 47; Kühl, in: Lackner / Kühl, § 27 Rn. 5; Ranft, ZStW 94 (1982), 815, 828 ff. 12 Zur sogenannten Pflichtdeliktslehre unter anderem Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 2, § 31 Rn. 140 ff.; Bachmann / Eichinger, JA 2011, 105, 107; Gaede, in: NK-StGB, § 13 Rn. 26; Mitsch, Jura 1989, 193, 197; Stratenwerth / Kuhlen, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 14 Rn. 13, 23. 13 Geppert, Jura 1999, 266, 271; Hecker, JuS 2019, 400, 402; Herzberg, Die Unterlassung im Strafrecht, S. 259 ff.; Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, S. 82 ff.; Krey / Esser, Deutsches Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 1181 ff.; in diese Richtung auch Murmann, in: FS-Beulke, 181, 193, der danach differenziert, inwieweit der Schutzzweck der Garantenpflicht die Erfolgsverhinderung (Täterschaft) oder die Reduzierung des Risikos der Haupttatbegehung ist; ferner Hoffmann-Holland, ZStW 118 (2006), 620 ff. („situationsbezogene und -unabhängige Pflichten“). 14 RG v. 16. 06. 1930 – II 419/30, RGSt 64, 273, 275; BGH v. 12. 02. 1952 – 1 StR 59/50, BGHSt 2, 150, 151; BGH v. 15. 05. 1959 – 4 StR 475/58, BGHSt 13, 162, 166; BGH v. 17. 07. 2009 – 5 StR 394/08, BGHSt 54, 44, 51; BGH v. 12. 02. 2009 – 4 StR 488/08, NStZ 2009, 321, 322. 15 Unter anderem Engelmann, HRRS 2013, 351, 359; Ransiek, JuS 2010, 678, 680 f.; Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 51 Rn. 18 ff.; Satzger, Jura 2015, 1055, 1063; Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 1211; Zieschang, GA 2020, 57, 63. 16 Vgl. zur Tatherrschaftslehre eingehend die Ausführungen unter Teil 3 C. I. 1.
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Teil 4: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit legaler Ausrichtung
soweit vielmehr die „potentielle Tatherrschaft“ unter Bezugnahme auf die vorherrschenden Einflussmöglichkeiten des unterlassenden Garanten sein.17 Übertragen auf den Plattformbetreiber bedeutet dies, dass allein die Möglichkeit zur Löschung der gespeicherten rechtswidrigen Informationen eine potentielle Tatherrschaft desselben nicht zu begründen vermag. Ebendiese umschreibt schlicht die beim Unterlassungsdelikt stets notwendige physisch-reale Möglichkeit der Erfolgsabwendung, die auch dem unterlassenden Teilnehmer zukommen muss.18 Jener Umstand darf demnach nicht über die Abgrenzung der Täterschaft und Beihilfe des Betreibers im Bereich des Unterlassens vorentscheiden.19 Schließlich ist es grundsätzlich der Nutzer, der die strafbaren Informationen erstellt und anschließend ohne Zutun des Betreibers der Plattform zuführt. Daher bleibt es grundsätzlich bei der Annahme einer Randfigur und damit der bloßen Gehilfeneigenschaft des Plattformbetreibers. Die Annahme einer Täterschaft vermag lediglich bei Hinzukommen weiterer Umstände zu überzeugen.20 Freilich ist insoweit jedoch erneut der betroffene Straftatbestand – etwa § 184b Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 StGB – von hervorgehobener Bedeutung.21 Steht sodann eine Beihilfe des Betreibers durch Unterlassen der Löschung rechtswidriger Inhalte in Rede, ist jedenfalls nicht schädlich, dass die in den Blick genommene Haupttat – etwa § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BtMG – im Zeitpunkt der Hilfeleistung bereits vollendet ist.22 Nach der Rechtsprechung ist eine sogenannte sukzessive Beihilfe zwischen Vollendung und Beendigung uneingeschränkt möglich.23 In der Literatur wird Beihilfe nach Vollendung hingegen teils nur in Fällen zugelassen, in denen Hilfe zu einem Dauerdelikt geleistet wird.24 Solange aber etwa die unerlaubte Werbung für Betäubungsmittel durch andauernde Verfügbarkeit ihre Wirkung noch entfalten kann, das heißt noch keine Beendigung des Dauerdelikts des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BtMG eingetreten ist,25 ist Beihilfe durch unterlassene Löschung nach vorstehenden Auffassungen möglich. Im Übrigen kommt es 17
Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 51 Rn. 20; Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 1211, wobei danach als Anzeichen für eine potentielle Tatherrschaft gelte, inwiefern der Beteiligte bei Erfüllung seiner Handlungspflichten als Täter oder Gehilfe einzuordnen wäre. 18 Zieschang, GA 2020, 57, 63; allgemein hierzu Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 51 Rn. 20. 19 Zieschang, GA 2020, 57, 63; anders wohl Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 265, 267 f. 20 Näher hierzu Zieschang, GA 2020, 57, 63 f. 21 Vgl. Zieschang, GA 2020, 57, 64. 22 Zum Vollendungszeitpunkt von § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BtMG den Nachweis in Teil 3 Fn. 366. 23 RG v. 22. 04. 1937 – 2 D 10/37, RGSt 71, 193, 194; BGH v. 24. 04. 1952 – 3 StR 48/52, BGHSt 2, 344, 346; BGH v. 08. 07. 1954 – 4 StR 350/54, BGHSt 6, 248, 251; BGH v. 27. 11. 2012 – 3 StR 433/12, NStZ 2013, 463, 464. 24 Heine / Weißer, in: Schönke / Schröder, § 27 Rn. 21; Joecks / Scheinfeld, in: MüKo-StGB, § 27 Rn. 25; Kühl, in: Lackner / Kühl, § 27 Rn. 3; Kühl, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 20 Rn. 235. 25 Zum Dauerdeliktscharakter und Beendigungszeitpunkt Patzak, in: Patzak / Volkmer / Fabricius, § 29 BtMG Rn. 1331.
C. Zur Beschränkung neutralen Verhaltens
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auf den infrage stehenden Tatbestand sowie dessen Vollendungs- beziehungsweise Beendigungszeitpunkt an.
C. Zur Beschränkung neutralen Verhaltens Wie bereits in Teil 3 angedeutet, erweist sich das Betreiben einer Plattform auch im Darknet grundsätzlich als neutrale Handlung.26 Die aktive Inbetriebnahme einer Plattform mit legaler Ausrichtung kann dem Betreiber daher angesichts der Sozialnützlichkeit bei Missbrauch ebenjener durch Nutzer regelmäßig nicht zum Vorwurf gemacht werden.27 Auch das hier in Rede stehende Nichtlöschen von gespeicherten Nutzerbeiträgen ist für sich genommen jedoch als sozial nützliches, neutrales Verhalten einzuordnen, trägt doch die Nichtentfernung von Inhalten zum sozial erwünschten Diensteangebot bei, welches in dem Speichern und Bereithalten von fremden Informationen besteht.28 Im Schrifttum wird sodann teils darauf verwiesen, der zur Abgrenzung neutraler und strafbarer Handlungen herrschende Differenzierungsansatz sei aufgrund des anonymisierten und technisierten Ablaufs im Rahmen einer Darknet-Plattform nicht ohne Weiteres übertragbar.29 Ungeachtet dessen bleiben ferner die Auswirkungen des Haftungsprivilegs der §§ 7 Abs. 2, 10 TMG auf das Beihilfeverbot unklar. Daher sei nachfolgend zunächst – unter Vorbehalt der §§ 7 Abs. 2, 10 TMG – einer Klärung zugeführt, inwieweit sich der benannte Differenzierungsansatz auch für den Plattformbetreiber im Darknet fruchtbar machen ließe, bevor sodann insbesondere die Auswirkungen der §§ 7 Abs. 2, 10 TMG zu untersuchen sind.
I. Anwendbarkeit des Differenzierungsansatzes auf Plattformbetreiber Der Meinungsstand zur Beschränkung der Strafbarkeit bei neutralen Handlungen entpuppt sich inzwischen als nahezu unüberschaubar und soll nicht näher Gegenstand der hiesigen Ausführungen sein.30 Ohne nun das Für und Wider des 26
Siehe Teil 3 G. II. So schon in Teil 4 A. 28 Siehe zum berufstypischen Verhalten der Diensteanbieter sozialer Netzwerke etwa Handel, Die straf- und bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit der Diensteanbieter sozialer Netzwerke im Internet, S. 236. 29 Allgemein siehe schon Bode, ZStW 127 (2015), 937, 955. Wenngleich mit Blick auf das Betreiben krimineller Darknet-Plattformen siehe Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 11; Bachmann / Arslan, NZWiSt 2019, 241, 243. Zur Übertragbarkeit des Ansatzes auch unter Würdigung von § 10 TMG siehe Beck / Nussbaum, HRRS 2020, 112 ff. Näher dazu sogleich in Teil 4 C. I. 3. 30 Teils wird eine pauschale Einschränkung abgelehnt, siehe Beckemper, Jura 2001, 163, 169; Dörn, DStZ 1992, 330, 331 f.; Niedermair, ZStW 107 (1995), 507 ff. Dahingegen werden neut 27
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Teil 4: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit legaler Ausrichtung
herrschenden Differenzierungsansatzes zur Eindämmung einer uferlosen Strafbarkeit neutraler Beihilfehandlungen beurteilen zu wollen,31 sei im weiteren Fortgang der Fokus zunächst schlicht auf die Frage gelegt, unter welchen Voraussetzungen sich ebendieser Ansatz – unter Vorbehalt der im Anschluss beleuchteten §§ 7 Abs. 2, 10 TMG – auch auf Fälle der Unterstützungsbeiträge des Plattformbetreibers im Darknet übertragen ließe.32 1. Grundlagen Vonseiten der Rechtsprechung wird die Problematik neutraler Handlungen grundsätzlich in subjektiver Hinsicht aufgegriffen, wenngleich unter Hinzuziehung objektiver Umstände.33 In weitestgehender Übernahme der Lehre Roxins34 liege danach strafbare Beihilfe vor, soweit das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf abziele, eine strafbare Handlung vorzunehmen und der Hilfeleistende dies weiß. Sein Tun verliere dann den „Alltagscharakter“, es sei als Solidarisierung mit dem Haupttäter zu deuten. Halte der Hilfeleistende hingegen lediglich für möglich, dass sein Tun zur Begehung einer Straftat benutzt werde, soll dies grundsätzlich keine strafbare Beihilfehandlung begründen, es sei denn, das von ihm erkannte rale Handlungen teils unter dem Stichwort der „Sozialadäquanz“ aus dem objektiven Tatbestand ausgeklammert, etwa Murmann, JuS 1999, 548, 552; Rudolphi, in: FS-Bruns, 315, 332. Vereinzelt wird dort auf die „professionelle“ Adäquanz zurückgegriffen, Hassemer, wistra 1995, 81, 83. Zum Teil wird allgemein auf den Gedanken der Lehre der objektiven Zurechnung rekurriert und verschiedene Kriterien einer Zurechnung herausgearbeitet, vgl. im Einzelnen unterschiedlich: Freund / Rostalski, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 10 Rn. 141 ff.; Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, S. 295 ff.; Kretschmer, Jura 2008, 265, 271; Lesch, JA 2001, 986, 990 f.; Meyer-Arndt, wistra 1989, 281 ff.; Stratenwerth / Kuhlen, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 12 Rn. 161. Vereinzelt wird subjektiv ein Tatförderungswillen verlangt, RG v. 17. 11. 1904 – 1178/04, RGSt 37, 321, 324; RG v. 14. 06. 1906 – III 124/06, RGSt 39, 44, 48. Umfassend zu den Auffassungen siehe nur Kudlich, Die Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten, S. 74 ff.; Rackow, Neutrale Handlungen als Problem des Strafrechts, S. 129 ff.; Wolff-Reske, Berufsbedingtes Verhalten als mittelbare Erfolgsverursachung, S. 47 ff.; zusammenfassend etwa auch Ambos, JA 2000, 721 ff.; Rotsch, Jura 2004, 14 ff.; Tag, JR 1997, 49 ff. 31 Allgemein zur Kritik am Differenzierungsansatz m. w. N. etwa Kudlich, in: BeckOK-StGB, § 27 Rn. 15.2 ff. sowie Rackow, in: BeckOK-StGB, § 27 Rn. 5 ff. 32 Kritisch zur Übertragbarkeit zunächst Bode, ZStW 127 (2015), 937, 955 sowie im vorliegenden Zusammenhang etwa Safferling / Rückert, Analysen und Argumente 291 (2018), S. 11; dies aufgreifend Bachmann / Arslan, NZWiSt 2019, 241, 243; Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 139 f.; siehe auch Beck / Nussbaum, HRRS 2020, 112, 114 f., die aber eine Anwendung im Ergebnis befürworten. Zu den Auswirkungen der §§ 7 Abs. 2, 10 TMG siehe Teil 4 C. II. 33 Zum gemischt objektiv-subjektiven Ansatz der Rechtsprechung siehe Kudlich, in: BeckOK- StGB, § 27 Rn. 13. 34 Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 2, § 26 Rn. 218 ff.; Roxin, in: FS-Stree / Wessels, 365, 378 ff.; im Schrifttum befürwortend etwa Bechtel, Jura 2016, 865, 868 ff.; Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 45 Rn. 109 ff.; Schünemann / Greco, in: LK-StGB, § 27 Rn. 17 ff.; Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 908.
C. Zur Beschränkung neutralen Verhaltens
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Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten war derart hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein ließ.35 Ähnlich der Lehre Roxins soll daher im Falle eines sicheren Wissens vom Tatentschluss des Haupttäters strafbare Beihilfe nur anzunehmen sein, soweit der Tatbeitrag objektiv einen „deliktischen Sinnbezug“ aufweist. Ein solcher liegt Roxin zufolge vor, wenn der Gehilfe direkt eine Handlung deliktischer Natur fördert oder die geförderte Handlung an sich zwar legal ist, ihr einziger Zweck allerdings in der Ermöglichung einer Straftat liegt.36 Hält der Gehilfe ein deliktisches Verhalten des Täters hingegen lediglich für möglich, soll dieser zwar auf das Nichtbegehen einer Straftat vertrauen können.37 Ein derartiges Vertrauen sei jedoch unberechtigt, soweit konkrete Anhaltspunkte vorhanden sind, die die Wahrscheinlichkeit eines deliktischen Verwendungszwecks nahelegen.38 Erstgenannte Alternative exemplifiziert Roxin etwa mit dem Verkauf eines Hammers trotz des durch eigene Angaben des Käufers oder durch Informationen Dritter sicheren Wissens um den Deliktsentschluss des Haupttäters.39 Mit Blick auf Letztere führt Roxin beispielhaft den Verkauf von Waffen an Teilnehmer einer erbittert geführten Straßenschlacht in einem in Sichtweite gelegenen Waffengeschäft an.40 Die dort typischen Fallkonstellationen sind insoweit jedenfalls vielfach von engerem Kontakt und sinnlicher Wahrnehmung von Hilfeleistendem und Haupttäter geprägt.41 2. Besonderheit der Asynchronität bei Tatbegehung mittels Plattform Dahingegen charakteristisch für die Plattform-Konstellation ist bereits die lokale Entfernung zwischen Betreiber- und Nutzerebene, bleibt doch die Infrastruktur über Ländergrenzen hinweg allerorts und jederzeit zugänglich.42 In Rede stehen vorliegend nicht etwa unmittelbare Austauschgeschäfte des täglichen Lebens, innerhalb derer sich der potentielle Gehilfe sowie der Haupttäter in persona gegenübertreten würden. Vielmehr kennzeichnen die hiesigen Fallgestaltungen 35 Zum Ganzen BGH v. 20. 09. 1999 – 5 StR 729/98, NStZ 2000, 34; BGH v. 01. 08. 2000 – 5 StR 624/99, BGHSt 46, 107, 112; BGH v. 08. 03. 2001 – 4 StR 453/00, NJW 2001, 2409, 2410; BGH v. 18. 06. 2003 – 5 StR 489/02, NJW 2003, 2996, 2999; BGH v. 13. 07. 2010 – XI ZR 28/09, NJW-RR 2011, 197, 201; BGH v. 15. 05. 2012 – VI ZR 166/11, NJW 2012, 3177, 3180; BGH v. 03. 12. 2013 – XI ZR 295/12, NJW 2014, 1098, 1100; BGH v. 22. 01. 2014 – 5 StR 468/12, NZWiSt 2014, 139, 141; BGH v. 21. 12. 2016 – 1 StR 112/16, NStZ 2017, 337, 338. Zur Anlehnung der Rechtsprechung an die Lehre Roxins bereits Kudlich, in: BeckOKStGB, § 27 Rn. 13; Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 45 Rn. 109. 36 Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 2, § 26 Rn. 223. 37 Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 2, § 26 Rn. 241. 38 Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 2, § 26 Rn. 241. 39 Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 2, § 26 Rn. 222. 40 Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 2, § 26 Rn. 241. 41 Beck / Nussbaum, HRRS 2020, 112, 114 f.; ähnlich Bode, ZStW 127 (2015), 937, 955. 42 Zur räumlichen Distanz Beck / Nussbaum, HRRS 2020, 112, 114.
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Teil 4: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit legaler Ausrichtung
im Vergleich zu obigen Konstellationen ein ausgeprägteres Maß an Automatisierung, Anonymisierung und Asynchronität. Die Abläufe auf Darknet-Plattformen gründen auf zeitversetzten, anonymisierten und teils vollautomatisierten Gegebenheiten, die nahezu zwangsläufig eine gewisse Kluft zwischen Gehilfen und dem einzelnen Nutzer begründen.43 Zugegebenermaßen mangelt es dem Betreiber verglichen zu obigen Klassikern im Zeitpunkt der Erbringung der Hilfeleistung jedenfalls an einer sinnlichen Wahrnehmung des einzelnen Nutzers und so an in der Person des Nutzers liegenden Auffälligkeiten, durch die sich Ersterer eine Vorstellung über die Tatgeneigtheit eines bestimmten Nutzers machen könnte.44 Anders als der Betreiber kann sich ein Taxifahrer fragen, ob die Insassen sich während der Fahrt auffallend nervös oder aggressiv verhielten oder etwa von einem „Beutezug“ sprachen, um so anhand von sinnlich wahrnehmbaren und in der Person des Täters liegenden Anhaltspunkten das Risiko einer Tatbegehung seitens eines ganz bestimmten Haupttäters einzuschätzen.45 3. Fruchtbarmachung für Plattform-Konstellation Dieses oftmals immanente Minus an sinnlicher Wahrnehmbarkeit bedeutet jedoch – unter Vorbehalt der §§ 7 Abs. 2, 10 TMG46 – nicht eine generelle Untauglichkeit des Differenzierungsansatzes mit Blick auf den Plattformbetreiber. Zumindest im Fall der Inkenntnissetzung des Betreibers ließe sich ebendieser durchaus fruchtbar machen.47 Weiß der Betreiber etwa infolge eines konkreten Hinweises sicher, dass der Nutzerbeitrag ausschließlich auf die Begehung einer strafbaren Handlung abzielt, verlöre das Nichteinschreiten gegen diesen Inhalt aufgrund der sich insoweit offenbarenden Solidarisierung mit dem Haupttäter seinen Alltagscharakter. Hält der Betreiber eine Straftatbegehung hingegen lediglich allgemein für möglich, läge grundsätzlich keine strafbare Beihilfehandlung vor. Etwas anderes würde bei dolus eventualis hinsichtlich der Haupttatbegehung nur gelten, sofern das vom Betreiber – aufgrund von konkreten Hinweisen oder aufgrund eines vorherigen straffälligen Nutzerverhaltens – erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des Nutzers derart hoch war, dass er sich mit dem Nichteinschreiten das Risiko eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein ließ.48 Diese allgemeinen Grundsätze stehen jedoch unter dem Vorbehalt des Haftungsprivilegs der §§ 7 Abs. 2, 10 TMG.
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Ähnlich schon Bode, ZStW 127 (2015), 937, 955; siehe auch Beck / Nussbaum, HRRS 2020, 112, 114. 44 Bode, ZStW 127 (2015), 937, 955; Beck / Nussbaum, HRRS 2020, 112, 114. 45 Beck / Nussbaum, HRRS 2020, 112, 114 f. 46 Siehe hierzu sogleich die Ausführungen unter Teil 4 C. II. 47 Siehe im Rahmen der erkennbaren Tatgeneigtheit Bode, ZStW 127 (2015), 937, 955. 48 Wenngleich als „konkreter Anhaltspunkt“ bei Betreiben eines Anonymisierungsdienstes Kudlich, in: Informationsstrafrecht und Rechtsinformatik, 1, 20 Fn. 51.
C. Zur Beschränkung neutralen Verhaltens
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Abseits dessen verweisen Beck und Nussbaum zur Übertragbarkeit des Differenzierungsansatzes ferner darauf, dass auch die Rechtsprechung nicht allein danach frage, ob der Täter als auffälliges Individuum erkennbar tatgeneigt war, sondern ob das vom Gehilfen „erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten […] derart hoch war, dass er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein ließ.“49 Daher könne in den vorliegenden Konstellationen auch das Risiko des Beitrags als solches betrachtet werden; es sei zu fragen, wie wahrscheinlich eine deliktische Verwendung dessen ist beziehungsweise, ob die Plattform in besonderem Maße zum Missbrauch geeignet ist.50 Schließlich schaffe der Plattformbetreiber dann ein Risiko, das eine Tatbegehung nahelegt und der Beitrag sei nicht länger als sozialadäquat zu behandeln.51 Für ein solches Vorgehen spricht jedenfalls, dass der Betreiber anders als viele „Klassiker“ neutraler Beihilfe den Beitrag zu Rechtsverletzungen nicht aus der Hand gibt, eine Vorstellung über die Wahrscheinlichkeit einer deliktischen Nutzung sich demnach im Laufe der Zeit entwickeln kann.52 Im für das Darknet praktisch wohl seltenen Fall, dass eine anfänglich vollkommen neutrale Plattform in Betrieb genommen wird und diese im Laufe der Zeit ohne irgendwie geartete Mitwirkung des Betreibers überwiegend kriminell genutzt wird, ließe sich ausgehend davon – wie Beck und Nussbaum dies tun – durchaus argumentieren, dass jedenfalls der Betreiber, der einen überwiegenden Missbrauch dieser Plattform erkennt, auch das gesteigerte Risiko abschätzen kann, dass weitere Nutzer diese zu vergleichbaren kriminellen Aktivitäten missbrauchen.53 Daher bliebe abermals unter Vorbehalt der §§ 7 Abs. 2, 10 TMG54 denkbar, den Betreiber, der um die überwiegend kriminelle Nutzung der Plattform weiß, so zu behandeln, als hätte er bewusst die Tat eines erkennbar Tatgeneigten gefördert, wenn er gegen rechtswidrige Inhalte nicht einschreitet.55 Das dem Betreiber dort aufgrund anfänglicher Sozialadäquanz der Plattforminbetriebnahme und mangels weitergehender Mitwirkung vorwerfbare Nichteingreifen gegen strafbare Inhalte verlöre insoweit gleichermaßen nach der Formel des Differenzierungsansatzes seine Neutralität.
II. Bedeutung der §§ 7 Abs. 2, 10 TMG Bereits in Aussicht gestellt wurde aber, dass die allgemeinen Lösungsregeln des dargestellten Differenzierungsansatzes unter dem Vorbehalt der telemedienrechtlichen Verantwortlichkeitsvorschriften stehen, weil gesetzliche Sondervorschrif 49
BGH v. 20. 09. 1999 – 5 StR 729/98, NStZ 2000, 34. Beck / Nussbaum, HRRS 2020, 112, 115. 51 Beck / Nussbaum, HRRS 2020, 112, 115. 52 So Holznagel, CR 2017, 463, 467. 53 Beck / Nussbaum, HRRS 2020, 112, 116. 54 Siehe Teil 4 C. II.; allgemein zur Vereinbarkeit mit den §§ 7, 10 TMG siehe bereits Beck / Nussbaum, HRRS 2020, 112, 116 f. 55 Beck / Nussbaum, HRRS 2020, 112, 116. 50
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Teil 4: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit legaler Ausrichtung
ten die Annahme eines pflichtwidrigen Verhaltens unter strengere Anforderungen stellen können.56 Die Frage jedoch, inwieweit sich speziell die als Provider-Privileg bezeichneten §§ 7 Abs. 2, 10 TMG auf eine Beihilfe des Host-Providers auswirken, ist zunächst einmal vergleichsweise wenig diskutiert und betrifft die weitergehende Frage, ob und inwieweit gesetzliche Sondervorschriften überhaupt auf das Beihilfe verbot des § 27 StGB Einfluss nehmen können.57 1. Einfluss inhaltsreicher Sondernormen In Fällen, die weder eine offensichtliche Unabhängigkeit noch eine explizite Abhängigkeit zwischen Strafrecht und einer außerstrafrechtlichen Vorschrift erkennen lassen, wird in der Literatur allgemein teils das Kriterium des größeren Inhaltsreichtums bemüht: Einer Norm komme danach im Verhältnis zu einer anderen immer dann Vorrang zu, soweit es sich um die inhaltsreichere Regelung handle, weil „eine inhaltlich reichere Aussage den Willen des ‚Sprechenden‘ vorrangig vor einer inhaltlich ärmeren wiedergibt“.58 Im Falle eines Konflikts der jeweiligen Vorschriften sei dabei vorrangig die Wertung der Vorschrift des größeren Inhaltsreichtums ausschlaggebend.59 Kudlich etwa veranschaulicht dies unter Heranziehung der Binding’schen Differenzierung von Verhaltens- und Sanktionsnorm:60 In diesem Sinne gelte es die im Strafgesetz sowie die in der bereichsspezifischen Vorschrift liegende Verhaltensnorm zu vergleichen. Die inhaltsreichere Verhaltensnorm sei bei der Auslegung der inhaltsärmeren so zu würdigen, dass ein Konflikt beider Vorschriften umgangen werde. Ausgehend davon wird von Kudlich mit Blick auf den Einfluss einer Sondervorschrift im Bereich der neutralen Beihilfe unter Zuhilfenahme des vorstehend benannten Kriteriums eines größeren Inhaltsreichtums die folgende Leitlinie formuliert: Existiert für ein bestimmtes Verhalten eine detaillierte Vorschrift und wurde diese eingehalten, so deutet das Vorliegen einer gesetzlichen Sondernorm zwar zu 56
Kudlich, in: BeckOK-StGB, § 27 Rn. 16. Ausführlich zu § 10 TMG im Kontext neutraler Beihilfe etwa Kudlich, in: BeckOKStGB, § 27 Rn. 16.2; sowie zu den Vorgängervorschriften der §§ 9 bis 11 TDG a. F. Kudlich, Die Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten, S. 222 ff.; Kudlich, in: Informationsstrafrecht und Rechtsinformatik, 1, 16 ff.; zur Diskussion um § 10 TMG in Bezug auf neutrale Beihilfehandlungen vgl. im Allgemeinen auch Bode, ZStW 127 (2015), 937 ff.; speziell mit Blick auf das Betreiben einer Plattform im Darknet siehe auch die Diskussion bei Beck / Nussbaum, HRRS 2020, 112, 114 ff.; allgemein auf § 10 TMG im Zusammenhang neu traler Beihilfe verweisend auch Joecks / Scheinfeld, in: MüKo-StGB, § 27 Rn. 58. 58 Kudlich, Die Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten, S. 220 unter Verweis auf Sieber, in: FS-Roxin, 2001, 1113, 1125 und Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, Abschn. 31 Rn. 12. 59 Speziell zu Sondernormen im Bereich neutraler Beihilfe etwa Kudlich, Die Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten, S. 220. 60 Dazu Kudlich, Die Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten, S. 220 unter Verweis auf Binding, Die Normen und ihre Übertretung, Bd. I, S. 3 ff. 57
C. Zur Beschränkung neutralen Verhaltens
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nächst einmal darauf hin, dass die grundsätzliche Gefährlichkeit eines Verhaltens seitens des Gesetzgebers erkannt wurde, dieser aber die Risiken unter Abwägung der infrage stehenden Bedürfnisse bei Beachtung der spezifischen Anforderungen zu akzeptieren scheint.61 Straflosigkeit könne indes selbst bei Befolgung der Voraussetzungen einer Sondernorm nicht ohne Weiteres angenommen werden.62 Zwar fänden sich etwa vielfach spezielle Vorschriften im Hinblick auf ein gewisses Verhalten, ebendiese erwiesen sich jedoch zumeist nicht als tatsächlich abschließend dahingehend, dass sie sämtliche dem jeweiligen Verhalten anhängenden Gefahren beachten sollen, die infolge der missbräuchlichen Verwendung der Leistung seitens Dritter denkbar erschienen.63 Insbesondere könne aber allein die Tatsache, dass der Gesetzgeber in gewissen Fällen unter Beachtung der Voraussetzungen das für ein Rechtsgut gefährliche Verhalten gestatte, nicht uneingeschränkt darauf hindeuten, dass dieser beispielsweise auch deren vorsätzliche Verletzung akzeptiere.64 Im Ergebnis komme es demnach maßgeblich auf die Auslegung der gesetzlichen Sondervorschrift an.65 Mit Blick auf die Verwirklichung eines deliktischen Erfolgs mit einem bestimmten Grad der subjektiven Einstellung – Vorsatz oder Fahrlässigkeit – ist Kudlich zufolge die Sondernorm nur dann von größerem Inhaltsreichtum und somit die Strafbarkeit bei Einhaltung ausschließend, sofern deren Auslegung zeigt, dass die ausdrückliche Gestattung eines Verhaltens unter bestimmten riskanten Gegebenheiten auch in Fällen gelten soll, die ansonsten die Anforderungen eines Strafgesetzes verwirklichen.66 Deren Auslegung müsse daher das Vorhandensein von Sondererlaubnissen ergeben, die nicht allein etwaige Gefährdungen dulden, sondern auch bei Realisierung eines Schadens zum Tragen kommen sollen.67 Dies wird man laut Kudlich allerdings überwiegend nur dort bejahen können, wo beispielsweise eine ausdrückliche Verantwortlichkeitsfreistellung seitens der gesetzlichen Sondernorm angeordnet wird.68 Dies vermag letztlich zu überzeugen. Schließlich leuchtet die Annahme von Straflosigkeit allein bei Beachtung irgendeiner, einen bestimmten Bereich regelnden, Sondervorschrift in der Tat nicht ein. Exemplarisch wird in diesem Zusammenhang teils die Vorschrift des § 34 Abs. 1 WaffG angeführt.69 Nach dessen 61
Kudlich, Die Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten, S. 223 unter Verweis auf Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, S. 92. 62 Kudlich, Die Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten, S. 223. 63 Kudlich, Die Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten, S. 224. 64 Kudlich, Die Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten, S. 224. 65 Kudlich, Die Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten, S. 224; hierzu auch Rackow, Neutrale Handlungen als Problem des Strafrechts, S. 517 ff. 66 Kudlich, Die Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten, S. 224. 67 Kudlich, Die Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten, S. 442. 68 Ausdrücklich in Bezug auf die §§ 9 ff. TDG a. F. Kudlich, Die Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten, S. 224. 69 Zum nachfolgenden Beispiel bereits Kudlich, Die Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten, S. 223 f. sowie weiterführend und zu Recht kritisch Rackow, Neu trale Handlungen als Problem des Strafrechts, S. 520 f. m. w. N.
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Teil 4: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit legaler Ausrichtung
Satz 1 dürfen „Waffen oder Munition […] nur an berechtigte Personen überlassen werden.“ Allein die Tatsache jedoch, dass die Berechtigung im Sinne von Satz 2 offensichtlich ist oder nachgewiesen wird und den Anforderungen der Vorschrift des § 34 Abs. 1 WaffG Rechnung getragen wurde, vermag sodann nicht unbesehen die Straflosigkeit des Waffenverkäufers zu bewirken. Anderenfalls wäre Straffreiheit selbst für den Fall anzunehmen, dass ein Waffenhändler Schusswaffen an einen im Sinne von Satz 2 berechtigten Kunden veräußert, obgleich dieser ein Blutbad für sicher oder zumindest für möglich hält, weil der Abnehmer jenes zuvor angedroht hatte.70 Das, was aber der Gesetzgeber ausdrücklich durch eine abschließende und daher inhaltsreichere Verantwortlichkeitsfreistellung der Verantwortung des Gehilfen entzieht, kann sodann nicht durch das strafrechtliche Beihilfeverbot unterlaufen werden. Für diesen Fall ist die Sondernorm gegenüber dem strafrechtlichen Verbot inhaltsreicher und in der Folge vorrangig zu berücksichtigen. 2. Die Verantwortlichkeitsfreistellung der §§ 7 Abs. 2, 10 TMG Richtet man nun den Blick hin zum vorliegend in Rede stehenden Bereich des Host-Providings, existiert mit § 10 TMG eine detaillierte Sondervorschrift, die sich speziell der Verantwortlichkeit eines Diensteanbieters für fremde Informationen widmet. Ein Diensteanbieter ist nach § 10 Satz 1 TMG bei schlichter Speicherung fremder Informationen grundsätzlich nicht verantwortlich, sofern dieser keine positive Kenntnis von der konkreten rechtswidrigen Handlung oder Information erlangt (Nr. 1) oder im Falle dieser Kenntnis unverzüglich zur Löschung tätig wird (Nr. 2). Ein Diensteanbieter im Sinne des § 10 TMG ist sodann nach § 7 Abs. 2 TMG auch nicht zur Überwachung oder Nachforschung verpflichtet. Insoweit findet sich mit § 10 TMG eine ebensolche ausdrückliche Verantwortlichkeitsfreistellung („nicht verantwortlich, sofern“). Aufgrund dieser dort enthaltenen Art Sondererlaubnis akzeptiert der Gesetzgeber augenscheinlich, dass ein sich im Rahmen von § 10 TMG handelnder Diensteanbieter fahrlässig oder mit Eventualvorsatz im Hinblick auf eine fremde rechtswidrige Handlung oder Information agiert und damit grundsätzlich die Voraussetzungen an ein bestimmtes Strafgesetz erfüllen würde. Dies gilt jedenfalls, solange dieser bei schlichter Speicherung keine Kenntnis der rechtswidrigen Handlung oder Information hat (§ 10 Satz 1 Nr. 1 TMG) oder dieser bei positiver Kenntnis von einem rechtswidrigen Inhalt unverzüglich zur Löschung tätig wird (§ 10 Satz 1 Nr. 2 TMG). Denn insoweit sind die Anforderungen der ausdrücklichen Verantwortlichkeitsfreistellung des § 10 TMG eingehalten. Solange sich ein Diensteanbieter daher innerhalb von § 10 TMG bewegt, kann eine (strafrechtliche) Verantwortlichkeit angesichts des größeren Inhaltsreichtums nicht begründet werden, selbst wenn ein vom Gesetzgeber zuvor er-
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Bereits Kudlich, Die Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten, S. 223 f. sowie Rackow, Neutrale Handlungen als Problem des Strafrechts, S. 520 f.
C. Zur Beschränkung neutralen Verhaltens
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kanntes Risiko anschließend tatsächlich eintritt. Anders gewendet: Das, was durch die abschließende Sondervorschrift des § 10 TMG mithilfe einer ausdrücklichen Verantwortlichkeitsfreistellung gesetzlich zugelassen ist, kann sodann angesichts des größeren Inhaltsreichtums nicht als eine § 27 StGB unterfallende strafbare Beihilfehandlung eingeordnet werden. Letztlich entnimmt daher die Verantwortlichkeitsfreistellung des § 10 TMG die dort ausdrücklich durch Gesetz zugelassenen Verhaltensweisen dem Beihilfeverbot und schmälert so § 27 StGB um die dort normierten riskanten beziehungsweise schädigenden Verhaltensweisen. Ebenjene abschließende Verantwortlichkeitsfreistellung („nicht verantwortlich, sofern“) für die im Bereich des § 10 TMG vorgenommenen Verhaltensweisen verdeutlicht umgekehrt zugleich, dass der Gesetzgeber jenseits des § 10 TMG getätigte Verhaltensweisen nicht länger einer Verantwortlichkeit des Diensteanbieters generell entzieht. Außerhalb des Anwendungsbereichs der privilegierenden Sondervorschrift des § 10 TMG gelten vielmehr die allgemeinen Grundsätze zur Beurteilung einer neutralen Beihilfe.
III. Konsequenzen Die obigen Ergebnisse des Differenzierungsansatzes sind daher mit der abschließenden Verantwortlichkeitsfreistellung des § 10 TMG abzugleichen. Unterlässt der Betreiber die Löschung eines strafbaren Inhalts trotz sicheren Wissens um dessen Strafbarkeit, gelangt man unter vorrangiger Würdigung der inhaltsreicheren Sondernorm des § 10 TMG indes zu keinem abweichenden Ergebnis. Ab positiver Kenntnis von der konkreten rechtswidrigen Handlung oder Information geht der Diensteanbieter bei fehlender Löschung der Information seiner Haftungsfreistellung nach § 10 Satz 1 Nr. 2 TMG ohnehin verlustig. Hält der Diensteanbieter die Haupttatbegehung durch einen Nutzer hingegen lediglich aufgrund von allgemeinen oder konkreten Hinweisen für möglich, genügt dies aufgrund der Verantwortlichkeitsfreistellung des § 10 TMG nicht für dessen Strafbarkeit bei fehlender Löschung rechtswidriger Inhalte. § 10 TMG begrenzt dort die Beihilfe auf einen direkten Vorsatz bezüglich der konkreten Haupttat. (Verschärfter) Eventualvorsatz genügt hingegen gerade nicht. Bezüglich derjenigen Plattformen, bei denen der Betreiber sodann Kenntnis von einem überwiegenden Missbrauch durch Nutzer erlangt, kommt es ferner entscheidend darauf an, inwieweit man – wie schon an vorheriger Stelle thematisiert71 – das Haftungsprivileg des § 10 TMG mangels Neutralität des Diensteanbieters für unanwendbar erklärt. Ungeachtet dessen wird im Ergebnis jedenfalls deutlich, dass das Nichteinschreiten des hier interessierenden Betreibers einer legalen Plattform, die nur ver-
71
Teil 3 I. III. 4. b) bb).
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Teil 4: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit legaler Ausrichtung
einzelt zur Straftatbegehung missbraucht wird, aufgrund der Verantwortlichkeitsfreistellung des § 10 TMG stets erst ab positiver Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder Information als grundsätzlich strafbares Hilfeleisten einzuordnen ist, weil die abschließende und inhaltsreichere Sondernorm des § 10 TMG die Bejahung eines pflichtwidrigen Verhaltens unter strengere Voraussetzungen stellt.72
D. Die Suche nach einer Garantenpflicht Bislang außen vor gelassen wurde ferner die erforderliche Garantenpflicht des Betreibers. Schließlich greift Beihilfe durch Unterlassen nach § 13 Abs. 1 StGB schlicht für den Fall, dass der Betreiber für den Nichteintritt des vom Nutzer herbeigeführten tatbestandlichen Erfolgs „rechtlich […] einzustehen hat“. Demnach erfordert die Strafbarkeit wegen Unterlassens nach § 13 Abs. 1 StGB – sowohl für den Unterlassungstäter als auch für den Unterlassungsteilnehmer – jedenfalls das Bestehen einer Garantenpflicht. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit für die fehlende Löschung strafbarer Nutzerinhalte ist demnach zwingend mit einer Garantenstellung sowie daraus folgend der Garantenpflicht im Sinne einer Handlungspflicht des Betreibers verbunden. Als Ausgangspunkt einer Garantenpflicht postuliert der BGH insoweit als Negativabgrenzung sodann, dass die „bloße tatsächliche Möglichkeit, den Erfolg zu verhindern, oder eine sittliche Verpflichtung, dies zu tun, […] niemals als ausreichender Grund für die Annahme einer Garantenpflicht angesehen worden [sind].“73 Im Hinblick auf die Entstehungsgründe von Garantenpflichten wurde dabei lange Zeit eine Orientierung an eher formellen Gesichtspunkten sowie bestimmten Rechtsquellen befürwortet: Als Garantenpflichten ließen sich danach solche aus Gesetz, Vertrag, Ingerenz sowie später engen Lebensgemeinschaften ableiten.74 Der inzwischen vorherrschenden Funktionenlehre liegen sodann vorwiegend materielle Kriterien zugrunde, sodass Garantenpflichten aufgrund ihrer Funktion in zwei Grundpositionen unterteilt werden, namentlich die Beschützergarantenpflichten sowie die Überwachungsgarantenpflichten:75 Während dem Garanten danach im Falle der Beschützergarantenpflicht eine besondere Schutzpflicht für bestimmte
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Zu den Anforderungen an die Kenntnis in diesem Sinne siehe bereits Teil 2 D. II. 3. BGH v. 24. 02. 1982 – 3 StR 34/82, BGHSt 30, 391, 394; auch bereits RG v. 04. 01. 1932 – II 1389/31, RGSt 66, 71, 73; sowie allgemein Bosch, in: Schönke / Schröder, § 13 Rn. 7; Heuchemer, in: BeckOK-StGB, § 13 Rn. 33; siehe im vorliegenden Zusammenhang auch Sieber, in: Handbuch Multimedia-Recht, Teil 19.1 Rn. 29. 74 Zur sogenannten Rechtsquellenlehre noch RG v. 28. 03. 1924 – I 818/23, RGSt 58, 130, 131 f.; RG v. 20. 01. 1930 – II 230/29, RGSt 63, 392, 394; RG v. 10. 09. 1935 – 1 D 626/35, RGSt 69, 321, 323; BGH v. 12. 02. 1952 – 1 StR 59/50, BGHSt 2, 150, 153; anders dann BGH v. 29. 11. 1963 – 4 StR 390/63, BGHSt 19, 167, 168. 75 Zur Funktionenlehre unter anderem A. Kaufmann, Die Dogmatik der Unterlassungsdelikte, S. 283 ff.; Heger, in: Lackner / Kühl, § 13 Rn. 12; Kühl, JuS 2007, 497, 500; Maurach / Gössel / 73
D. Die Suche nach einer Garantenpflicht
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Rechtsgüter obliegt, betrifft eine Überwachungsgarantenpflicht besondere Sicherungspflichten des Garanten für bestimmte Gefahrenquellen. Im hier interessierenden Fall der Zurverfügungstellung einer Plattform mit legaler Ausrichtung im Darknet erscheint eine Garantenpflicht des Plattformbetreibers zum Schutz eines bestimmten Rechtsguts – im Sinne einer Beschützergarantenstellung – regelmäßig ohne Bedeutung.76 Von größerer Relevanz erweist sich vielmehr eine etwaige Überwachungsgarantenpflicht des jeweiligen Plattformbetreibers. Eine solche vermag grundsätzlich aus verschiedenen Gesichtspunkten resultieren, namentlich einem vorausgegangenen pflichtwidrigen Verhalten, einer tatsäch lichen und rechtlichen Herrschaft über gefährliche Sachen, aus einer Übernahme von Sicherungspflichten beziehungsweise der Verantwortung für rechtswidriges Verhalten Dritter.77 Dabei sei der Fokus der Diskussion um eine Garantenpflicht des Betreibers nachfolgend jedoch auf eine solche aus Gesetz, Ingerenz sowie der Herrschaft über eine Gefahrenquelle gelegt.
I. Keine Garantenpflicht aus § 10 TMG Prima facie erscheint im Hinblick auf die Frage einer Garantenpflicht des Plattformbetreibers eine Heranziehung des § 10 TMG naheliegend. Ein Diensteanbieter ist danach nicht verantwortlich für fremde Informationen, solange sich dieser auf deren Speicherung beschränkt und ihm keine Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder Information zukommt (§ 10 Satz 1 Nr. 1 TMG) beziehungsweise dieser im Falle der Kenntniserlangung unverzüglich zur Löschung tätig wird (§ 10 Satz 1 Nr. 2 TMG). Die Negativformulierung – „nicht verantwortlich, sofern“ – deutet indes bereits darauf hin, eine unmittelbar vonseiten des Gesetzgebers in § 10 TMG normierte Pflicht des Diensteanbieters zur Erfolgsabwendung abzulehnen.78
Zipf, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 2, § 46 Rn. 40; Ransiek, JuS 2010, 585, 587; Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 50 Rn. 3; Rudolphi, NStZ 1984, 149, 151; Rudolphi, Die Gleichstellungsproblematik der unechten Unterlassungsdelikte und der Gedanke der Ingerenz, S. 101 ff.; Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 1175; nunmehr in der Rechtsprechung etwa BGH v. 06. 11. 2002 – 5 StR 281/01, BGHSt 48, 77, 91 f. 76 Generell zu Internetplattformen ebenfalls Sieber, in: Handbuch Multimedia-Recht, Teil 19.1 Rn. 31. 77 Siehe etwa Kühl, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 18 Rn. 46a; Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 1175. 78 Im Ergebnis ablehnend Altenhain, in: MüKo-StGB, Vor § 7 TMG Rn. 4; Haft / Eisele, in: Regulierung in Datennetzen, 53, 67; Handel, Die straf- und bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit der Diensteanbieter sozialer Netzwerke im Internet, S. 221 ff.; Heger, in: Lackner / Kühl, § 184 Rn. 7a; Hoven, ZWH 2018, 97, 99; Sieber, in: Handbuch Multimedia-Recht, Teil 19.1 Rn. 32 ff.; Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 269; Wiacek, Strafbarkeit rechts motivierter Cyberkriminalität in sozialen Netzwerken, S. 296 f.; Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 166.
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Teil 4: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit legaler Ausrichtung
Die vorzufindenden Gesetzesmaterialien verhalten sich zur Frage einer Garantenstellung des Diensteanbieters aus § 10 TMG zum Teil nicht einheitlich. Während die Gesetzesmaterialien zu § 5 TDG a. F. noch konstatierten, die Regelung wolle klarstellen, dass den Diensteanbieter, der rechtswidrige Inhalte in sein Diensteangebot übernimmt, eine Garantenstellung für die Verhinderung der Übermittlung an Dritte treffe,79 halten sich die Gesetzesmaterialien der §§ 7 bis 10 TMG zur Frage einer Garantenstellung bedeckt und verweisen lediglich auf die Vorgängerregelungen der §§ 9 ff. TDG a. F.80 Der Gesetzgeber stellte jedoch mit Blick auf die §§ 9 bis 11 TDG a. F. zwischenzeitlich klar, dass die bestehende Verantwortlichkeit nicht begründet oder erweitert werden soll, eine solche müsse sich vielmehr aus den allgemeinen Vorschriften ergeben.81 Weiterhin führte die Bundesregierung im Rahmen ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrats hinsichtlich der §§ 9 bis 11 TDG a. F. aus, dass diese nicht darauf abzielen würden, eine Garantenstellung zu begründen.82 Aufgezeigt wurde bereits, dass es sich bei § 10 TMG lediglich um eine haftungsbegrenzende Norm handelt, nicht aber um eine haftungsbegründende.83 Wie gesehen, enthält § 10 TMG schlicht die Aussage, unter welchen Voraussetzungen eine vom Gesetzgeber tolerierte Gefahrschaffung des Host-Providers und damit eine Nichtverantwortlichkeit desselben vorliegt.84 Eine Garantenpflicht des Plattformbetreibers muss sich daher aus den allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen ergeben.85 Ebenjene Erkenntnis bedeutet jedoch nicht zugleich, dass die Wertungen der telemedienrechtlichen Vorschrift des § 10 TMG für die Frage einer Garantenpflicht gänzlich irrelevant blieben. Unter Berücksichtigung dessen, dass Garantenpflichten gleichermaßen auf Verhaltenserwartungen der Gesellschaft fußen können,86 kann eine dahingehende Verhaltenserwartung an einen Host-Provider gegebenenfalls nachfolgend unter anderem mit den in § 10 TMG enthaltenen Wertungen untermauert werden. Daher kann bei der Anwendung der geltenden Lehren über die Entstehung von strafrechtlichen Garantenpflichten gegebenenfalls auf die dem
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BT-Drs. 13/7385, S. 20. BT-Drs. 16/3078, S. 15; darauf im vorliegenden Zusammenhang verweisend etwa Sieber, in: Handbuch Multimedia-Recht, Teil 19.1 Rn. 35. 81 BT-Drs. 14/6098, S. 23. 82 BT-Drs. 14/6098, S. 37. 83 Dazu Teil 2 A. 84 Siehe Teil 4 C. II. 2. 85 Weber verweist darauf, dass sich eine Garantenstellung der Betreiber im Darknet zugleich nicht aus § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 NetzDG ableiten lässt, weil die dortigen Plattformen regelmäßig weniger als zwei Millionen registrierte Nutzer aufweisen und demnach gemäß § 1 Abs. 2 NetzDG von den genannten Pflichten befreit sind, Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 270 f. 86 Allgemein siehe nur Bosch, in: Schönke / Schröder, § 13 Rn. 15; Gaede, in: NK-StGB, § 13 Rn. 34 jeweils m. w. N. 80
D. Die Suche nach einer Garantenpflicht
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§ 10 TMG zugrundeliegenden Wertungen zurückzukommen sein.87 Zumindest eine gesetzliche Garantenpflicht für einen Host-Provider aus § 10 TMG ist jedoch zunächst zu verneinen.
II. Keine Garantenpflicht aus Ingerenz Diskussionswürdig erscheint ferner eine Überwachungsgarantenpflicht des Plattformbetreibers aus einer vorangegangenen Gefahrschaffung. Gemeinhin anerkannt – und als Garantenpflicht aus Ingerenz benannt – ist danach, dass derjenige, der durch ein gefährliches Vorverhalten eine Gefahr für Dritte schafft, anschließend zur Abwendung einer Schädigung fremder Rechtsgüter verpflichtet ist.88 Das einer dahingehenden Garantenpflicht aus Ingerenz zugrundeliegende und das im Unterlassungsbereich vorherrschende Gebot, selbst geschaffene Gefahren zu beseitigen, gleicht demnach dem im Begehungsbereich vorzufindenden Verbot, andere zu verletzen („neminem laede“).89 In diesem Sinne wird ein Plattformbetreiber im Darknet im Hinblick auf die unterlassene Löschung rechtswidriger Nutzerinhalte garantenpflichtig im Sinne des § 13 Abs. 1 StGB, sofern in der Zurverfügungstellung einer Darknet-Plattform ein gefährliches (Vor-)Verhalten des Betreibers zu erblicken ist. Grundvoraussetzung ebenjener Garantenpflicht aus Ingerenz ist nach überwiegender Auffassung jedoch zunächst das objektiv pflichtwidrige Vorverhalten.90 Es 87
Hierzu Sieber, in: Handbuch Multimedia-Recht, Teil 19.1 Rn. 36 f. Siehe etwa BGH v. 22. 01. 1953 – 4 StR 417/52, BGHSt 4, 20, 22; BGH v. 22. 09. 1992 – 5 StR 379/92, BGHSt 38, 356, 358; Kühl, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 18 Rn. 91; Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 2, § 32 Rn. 143 ff.; Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 1196; kritisch etwa Schünemann, GA 1974, 231 ff. und Schünemann, Grund und Grenzen der unechten Unterlassungsdelikte, S. 313 ff.; umfassend auch Brammsen, Die Entstehungsvoraussetzungen der Garantenpflichten, S. 284 ff. 89 Dazu Arzt, JA 1980, 712, 714; Heuchemer, in: BeckOK-StGB, § 13 Rn. 92; H erzberg, JuS 1971, 74 f.; Stree, in: FS-Mayer, 145, 155 f.; ablehnend hingegen etwa Bosch, in: Schönke / Schröder, § 13 Rn. 32, wonach aus dem inhaltsleeren Verbot, andere zu verletzen, nicht begründet werden könne, wann aus diesem das Gebot abgeleitet werden kann, selbstgeschaffene Gefahren zu beseitigen. 90 BGH v. 13. 11. 1963 – 4 StR 267/63, BGHSt 19, 152, 154; BGH v. 19. 07. 1973 – 4 StR 284/73, BGHSt 25, 218, 221; BGH v. 06. 05. 1986 – 4 StR 150/86, BGHSt 34, 82, 84; BGH v. 06. 07. 1990 – 2 StR 549/89, BGHSt 37, 106, 115; BGH v. 23. 09. 1997 – 1 StR 430/97, NStZ 1998, 83, 84; BGH v. 24. 09. 1998 – 4 StR 272/98, NJW 1999, 69, 71; BGH v. 16. 02. 2000 – 2 StR 582/99, NStZ 2000, 414; BGH v. 17. 07. 2009 – 5 StR 394/08, BGHSt 54, 44, 47; auch jeweils m. w. N. etwa Bosch, in: Schönke / Schröder, § 13 Rn. 35; Gaede, in: NK-StGB, § 13 Rn. 43; B. Heinrich, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 960 ff.; Heuchemer, in: BeckOK-StGB, § 13 Rn. 93 f.; Fischer, StGB, § 13 Rn. 48; Kudlich, JA 2010, 151, 152; dazu auch Sowada, Jura 2003, 236, 238 ff. Vgl. zur früheren Rechtsprechung, welche grundsätzlich jedes gefahrschaffende Vorverhalten für eine dahingehende Garantenpflicht als ausreichend erachtete BGH v. 22. 01. 1953 – 4 StR 417/52, BGHSt 4, 20, 22; BGH v. 01. 04. 1958 – 1 StR 24/58, BGHSt 11, 353, 355. 88
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Teil 4: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit legaler Ausrichtung
ist daher vorliegend bereits das Merkmal der Pflichtwidrigkeit des Vorverhaltens, weswegen sich bei Zurverfügungstellung einer Darknet-Plattform mit legaler Ausrichtung im Grundsatz keine Garantenpflicht des Betreibers aus Ingerenz begründen lassen wird.91 Schließlich bildet die Zurverfügungstellung und Aufrechterhaltung einer solchen Infrastruktur – und damit das einer unterlassenen Löschung rechtswidriger Inhalte vorangegangene Verhalten – angesichts des sozialen Nutzens regelmäßig schon kein pflichtwidriges Vorverhalten.92 Dieses Ergebnis wird auch nicht allein durch die Tatsache ins Gegenteil verkehrt, dass eine Plattform innerhalb des Darknets betrieben wird.93 Obgleich dem Betreiben einer Darknet-Plattform insoweit zwar eine wohl nicht zuletzt aufgrund der dortigen Anonymität erhöhte Missbrauchsgefahr innewohnen wird, vermag dies nicht die Annahme einer Pflichtwidrigkeit zu begründen. Schließlich bleiben gleichwohl auch im Bereich des Darknets eine Vielzahl an legalen Zwecken einer Infrastruktur denkbar, und sei dies nur der unverfängliche Meinungs- und Informationsaustausch von Gleichgesinnten unter Zuhilfenahme der vorzufindenden Anonymisierungstechniken. Dass Anonymität zugleich gesetzlich erwünscht ist, wurde bereits belegt.94 Soweit der Betreiber daher eine Plattform mit legaler Ausrichtung betreibt, hindert dies auch im spezifischen Bereich des Darknets die Annahme eines pflichtwidrigen Vorverhaltens und damit eine Garantenpflicht des Betreibers aus Ingerenz.95
91 Im Ergebnis eine Garantenstellung aus Ingerenz des die Löschung rechtswidriger Inhalte trotz Kenntnis unterlassenden Diensteanbieters ebenso ablehnend Haft / Eisele, in: Regulierung in Datennetzen, 53, 67 f.; Handel, Die straf- und bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit der Diensteanbieter sozialer Netzwerke im Internet, S. 223 f.; Hilgendorf / Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 241; Sieber, in: Handbuch Multimedia-Recht, Teil 19.1 Rn. 37. Mit Darknet- Bezug schon Hoffmann, in: Die Internetkriminalität boomt, 49, 61; Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 272 ff.; kritisch Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 166. 92 Allgemein Sieber, in: Handbuch Multimedia-Recht, Teil 19.1 Rn. 37. 93 Vgl. zum Darknet als besonderer Bestandteil des Deep Web die Ausführungen unter Teil 1 A. I. Darauf verweist auch Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 272 ff. 94 Teil 2 D. III. 3. b) ee). 95 Etwas anderes gilt allgemein im Hinblick auf ein vorausgegangenes pflichtwidriges Verhalten, sofern ein Host-Provider seinen Dienst in zielgerichteter Weise für illegale Informationen der Nutzer ausrichtet und insoweit eine kriminellen Zwecken dienende Infrastruktur zur Verfügung stellt. Die Ausführungen unter Teil 3 A. II. zeigten indes bereits, dass es sich insoweit regelmäßig um eine aktive Gefahrschaffung im Sinne eines positiven Tuns handeln wird, sodass ein Rückgriff auf das pflichtwidrige Unterlassen strafbarer Inhalte sowie eine erforderliche Garantenstellung aus Ingerenz insgesamt nicht erforderlich werden wird, vgl. im Ergebnis gleichermaßen die Ausführungen bei Sieber, in: Handbuch Multimedia-Recht, Teil 19.1 Rn. 39; Zieschang, GA 2020, 57, 66.
D. Die Suche nach einer Garantenpflicht
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III. Die Garantenpflicht aus der Verantwortung für Gefahrenquellen Letztlich erscheint demnach mit Blick auf das Betreiben einer Plattform mit legaler Ausrichtung im Darknet eine Garantenpflicht des Betreibers wegen der Verantwortung für eine Gefahrenquelle denkbar. Im Grundsatz gemeinhin anerkannt, trifft danach denjenigen eine Überwachungsgarantenpflicht, der die Verantwortung für bestimmte in den eigenen Zuständigkeitsbereich fallende Gefahrenquellen trägt.96 Für die vorliegenden Sachverhalte erscheint eine dahingehende Garantenpflicht aus der Überwachung einer Gefahrenquelle schließlich von entscheidendem Wert: Im Gegensatz zur vorgenannten Garantenstellung aus Ingerenz ist hinsichtlich einer Garantenstellung aus der Verantwortlichkeit für Gefahrenquellen ohne Bedeutung, inwiefern die besagte Gefahrschaffung aus einem pflichtwidrigen Verhalten erwächst oder sich diese auf eine im Grundsatz erlaubte Tätigkeit bezieht.97 Legitimation findet eine solche Verantwortungszuschreibung in dem Gedanken, dass mit der Eröffnung selbstständiger Herrschaftsbereiche zwar Freiheit sowie Handlungsspielräume eingeräumt werden, diese indes als Kehrseite zwingend die Pflicht zum verantwortungsvollen und bewussten Umgang mit der Gefahrenquelle beinhalten.98 Schließlich geht mit der Einräumung eines Herrschaftsbereichs zugleich das Vertrauen Außenstehender einher, dass derjenige, der andere von der Einwirkung auf seinen Zuständigkeitsbereich ausschließen kann, seine Sache umgekehrt in einer Weise kontrolliert, die anschließend keine Gefahren nach außen gelangen lässt.99 Die insoweit häufig diskutierten Konstellationen betrafen dabei insbesondere Sachen wie Kraftfahrzeuge, Tiere, Anlagen beziehungsweise Grundstücke, von denen Gefahren ausgehen und zu deren Kontrolle und Eindämmung der Inhaber der Sachherrschaft – namentlich der Eigentümer, der Halter oder ein Betriebsinhaber – verpflichtet ist.100
96
Bosch, in: Schönke / Schröder, § 13 Rn. 43; Heuchemer, in: BeckOK-StGB, § 13 Rn. 101. Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 1187. 98 Weigend, in: LK-StGB, § 13 Rn. 48; ähnlich ebenso Frister, Strafrecht Allgemeiner Teil, Kap. 22 Rn. 27. 99 Jescheck / Weigend, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 627; Kühl, in: Strafrecht Allgemeiner Teil, § 18 Rn. 106; Sieber, in: Handbuch Multimedia-Recht, Teil 19.1 Rn. 42; Weigend, in: LKStGB, § 13 Rn. 48; Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 1187. 100 Zu typischen Konstellationen unter anderem BGH v. 21. 04. 1964 – 1 StR 72/64, BGHSt 19, 286 ff.; BGH v. 05. 07. 1995 – 2 StR 219/94, NStZ-RR 1996, 1 ff.; Bosch, in: Schönke / Schröder, § 13 Rn. 43; Kühl, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 18 Rn. 106; Lindemann, ZJS 2008, 404 ff.; Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 50 Rn. 45; Weigend, in: LK-StGB, § 13 Rn. 50 ff.; Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 1187; zu einzelnen Fallgruppen ebenfalls etwa Mergner / Matz, NJW 2015, 197 ff. 97
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Teil 4: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit legaler Ausrichtung
1. Darknet-Plattform als Gefahrenquelle Eine dahingehende Garantenpflicht des Betreibers erfordert daher zunächst die Eröffnung einer Gefahrenquelle vonseiten des Betreibers. Als Gefahrenquelle kommt vorliegend insbesondere die Darknet-Plattform selbst in Betracht. Dabei erscheint für die Frage, inwieweit die grundsätzlich nützliche Zurverfügungstellung einer Internetplattform als Eröffnung einer Gefahrenquelle einzuordnen ist, ein Vergleich zum viel diskutierten und zugleich problembehafteten Bereich einer potentiellen Überwachungsgarantenstellung eines Wohnungsinhabers für Straftaten dort befindlicher Personen zielführend.101 Jedenfalls der Sache nach ähnelt die Zurverfügungstellung einer Plattform prima facie einer Inhaberschaft über Räume, als ein Plattformbetreiber den Nutzern mithilfe der Plattform gleichermaßen sinngemäß einen virtuellen Raum eröffnet. Mit Blick auf die Garantenstellung eines Wohnungsinhabers ist mittlerweile nahezu einhellig anerkannt, dass allein die Eigenschaft als Wohnungsinhaber nicht die allgemeine Pflicht zur Überwachung der in der Wohnung anwesenden Personen zu legitimieren vermag.102 Eine Garantenpflicht des Wohnungsinhabers zur Abwendung deliktischer Schädigungen durch in der Wohnung befindliche Personen soll indes entstehen, sofern die Wohnung angesichts der „besonderen Beschaffenheit oder Lage eine Gefahrenquelle darstellt, die er [der Wohnungsinhaber] so zu sichern und zu überwachen hat, daß sie nicht zum Mittel für die leichtere Ausführung von Straftaten gemacht werden kann.“103 Zu diesem Zweck deutete der BGH an, dass allein die Tatsache, dass eine Wohnung ein „nach außen abgeschirmter, der Wahrnehmung dort geschehener Vorgänge von außen entzogener Bereich“ ist, noch keine besondere Gefahrenquelle in diesem Sinne begründe.104 Davon ausgehend wird eine Garantenpflicht des Wohnungsinhabers nicht bereits in Anbetracht der Tatsache bejaht, dass die Wohnung als Tatort einer nachfolgenden Straftat durch Dritte dient, jedoch aber, soweit diese im gegenständlichen Tatablauf eine tatför-
101
Vgl. zum Vergleich bereits Ceffinato, JuS 2017, 403, 405 f.; bejahend ebenso Kühl, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 18 Rn. 115b; kritisch Sieber, in: Handbuch Multimedia-Recht, Teil 19.1 Rn. 56, wonach einer Übertragung der Grundsätze einer Garantenpflicht eines Wohnungsinhabers unter anderem die Tatsache entgegenstehe, dass ein Host-Provider eine geringere Beziehung zu den fremden Inhalten hätte als der Wohnungsinhaber zu seiner Wohnung. 102 BGH v. 24. 02. 1982 – 3 StR 34/82, BGHSt 30, 391, 395; BGH v. 02. 08. 2006 – 2 StR 251/06, StV 2007, 81 f.; BGH v. 30. 09. 2009 – 2 StR 329/09, NStZ 2010, 221 f., BGH v. 19. 12. 2013 – 4 StR 300/13, NStZ 2014, 164; Herzberg, Die Unterlassung im Strafrecht, S. 332 ff.; Tenckhoff, JuS 1978, 308, 310 f.; Pfleiderer, Die Garantenstellung, S. 131 f.; Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 50 Rn. 55; Weigend, in: LK-StGB, § 13 Rn. 52. 103 BGH v. 24. 02. 1982 – 3 StR 34/82, BGHSt 30, 391, 396; sowie dazu Fischer, StGB, § 13 Rn. 61; Heuchemer, in: BeckOK-StGB, § 13 Rn. 106; Jescheck / Weigend, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 627; Maurach / Gössel / Zipf, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 2, § 46 Rn. 85; Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 1187; kritisch dazu Bosch, JA 2010, 306, 307 f. 104 BGH v. 24. 02. 1982 – 3 StR 34/82, BGHSt 30, 391, 396.
D. Die Suche nach einer Garantenpflicht
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dernde Rolle einnimmt.105 Entscheidend zur Entstehung einer Garantenpflicht des Wohnungsinhabers hinsichtlich der Straftaten dort befindlicher Personen sei ferner, dass die Wohnung als Herrschaftsbereich den maßgeblichen Faktor für die Durchführung einer Straftat oder die Sicherung des Taterfolgs darstelle.106 Vergegenwärtigt man sich vor diesem Hintergrund sodann die Eigenheiten von Internetplattformen, so ist insoweit zunächst charakteristisch, dass diese regelmäßig die Verbreitung verschiedenster Inhalte durch Nutzer über Ländergrenzen hinweg, zu jeder Zeit und ohne besonderes Know-how fördern. Erreicht wird dabei stets eine Vielzahl an anderen Nutzern. Hinzukommt insbesondere im Hinblick auf die Onion Services des Darknets die Sicherstellung einer anonymen Dienstenutzung, die etwaige Hemmungen der Nutzer zur Straftatbegehung zumindest in gewissem Maße herabsetzen dürfte. Diese spezifische Charakteristik einer Darknet-Plattform erweist sich daher als mitunter entscheidender Gesichtspunkt der Tatbegehung eines Nutzers, weil ebenjene wegen der raschen Verbreitung der strafbaren Inhalte sowie der dortigen Anonymität als eine Art Tatmittel eingesetzt wird und nicht schlicht als Tatort fungiert.107 Schließlich ist es gerade der Zweck einer Plattform, die rasche und breitenwirksame Verbreitung von Informationen – etwa in Form von Verkaufsangeboten oder Kommunikationsbeiträgen – ohne größeren Aufwand zu erleichtern. Die sodann mithilfe der Plattform begangenen Straftaten erweisen sich dort letzten Endes lediglich als Pervertierung dessen.108 Daher wird die Plattform nicht nur beiläufig zur Begehung von Straftaten der Nutzer verwendet, sondern als förderndes Tatmittel zur Verbreitung der Inhalte eingesetzt. Nicht zuletzt dieser Umstand ist es jedoch, welcher sodann den Unterschied zum Wohnungsinhaber unterstreicht.109 Denn eine Wohnung dient dem eigentlichen Delinquenten regelmäßig – etwa zur Begehung einer Körperverletzung – nicht als entscheidendes Tatmittel und wird sich meist nicht in besonderer Weise tatfördernd im Hinblick auf den konkreten tatbestandlichen Erfolg auswirken. Der Betreiber aber eröffnet durch die Zurverfügungstellung einer Plattform im Bereich des Darknets angesichts der ihr aus der Natur der Sache innewohnenden Missbrauchsgefahr eine Gefahrenquelle im zuvor beschriebenen Sinne, als insoweit die von ihm beherrschte Plattform zum Mittel einer leichterten Tatausführung gemacht wird, weil die entsprechenden Daten allgemein zugänglich und ständig verfügbar
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Kühl, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 18 Rn. 115. Bosch, JA 2010, 306, 307; vgl. im vorliegenden Kontext auch Ceffinato, JuS 2017, 403, 405 f. 107 Im Hinblick auf Internetplattformen Ceffinato, JuS 2017, 403, 405 f.; Handel, Die strafund bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit der Diensteanbieter sozialer Netzwerke im Internet, S. 227; Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 168; anders hingegen etwa Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 274 ff. 108 So allgemeiner Ceffinato, JuS 2017, 403, 405. 109 Im Zusammenhang mit auf kriminelle Zwecke ausgerichtete Internetplattformen auch Ceffinato, JuS 2017, 403, 405 f. 106
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Teil 4: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit legaler Ausrichtung
sind.110 Vor diesem Hintergrund wird sich auch begründen lassen, dass jedenfalls ab dem Zeitpunkt der Kenntniserlangung von der konkreten rechtswidrigen Handlung oder Information die Löschung derartiger Inhalte der eigenverantwortlich handelnden Nutzer in den Organisationsbereich des jeweiligen Host-Providers fällt.111 2. Herrschaft über die Gefahrenquelle Der Betreiber der Darknet-Plattform ist insoweit auch für die Gefahrenquelle verantwortlich. Als Grundlage einer tatsächlichen Herrschaft über die Gefahrenquelle dient dort neben der Sachherrschaft über die konkrete technische Infrastruktur insbesondere die bestehenden Einflussnahmemöglichkeit des Plattformbetreibers auf die auf seiner Infrastruktur gespeicherten Nutzerinhalte.112 Für einen Host-Provider, der Informationen der Nutzer auf seiner Darknet-Plattform speichert, ist die gesuchte Sachherrschaft über die Gefahrenquelle insoweit gegeben. Denn wer eine Plattform zur Verfügung stellt und diese betreibt, der verfügt ab dem Zeitpunkt der Kenntniserlangung über die Möglichkeit, den jeweiligen rechtswidrigen Nutzerinhalt zu entfernen beziehungsweise zu löschen.113 In der Funktion des Betreibers der jeweiligen Plattform steht dieser den Gefahren einer Nutzung derselben näher als Außenstehende, schließlich ist er Administrator der Infrastruktur und schließt Dritte von einer Einwirkung auf die gespeicherten Daten aus.114 Diesem kommt nicht allein eine faktische Handlungsmöglichkeit, sondern ein rechtliches Entscheidungsmonopol über den Fortbestand der gespeicherten Dateien zu.115
110
Im Ergebnis eine Garantenstellung des Host-Providers aus der Überwachung einer Gefahrenquelle bejahend etwa Ceffinato, JuS 2017, 403, 405 f.; Eisele, in: Schönke / Schröder, § 184 Rn. 85; Haft / Eisele, in: Regulierung in Datennetzen, 53, 68; Heger, in: Lackner / Kühl, § 184 Rn. 7; Kühl, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 18 Rn. 115b; Weigend, in: LK-StGB, § 13 Rn. 54; Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 1188; Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 168; vgl. allgemein kritisch zur Garantenstellung aus der Beherrschung einer Gefahrenquelle etwa Zieschang, GA 2020, 57, 65 f. 111 Allgemein zum Internet-Providing Sieber, in: Handbuch Multimedia-Recht, Teil 19.1 Rn. 59. 112 Grundsätzlich hierzu Sieber, in: Handbuch Multimedia-Recht, Teil 19.1 Rn. 44. 113 Allgemein zum Host-Provider vgl. Sieber, in: Handbuch Multimedia-Recht, Teil 19.1 Rn. 44. 114 Hoven, ZWH 2018, 97, 99. 115 Hörnle, NJW 2002, 1008, 1012.
D. Die Suche nach einer Garantenpflicht
323
3. Begrenzende Umstände Etwa Sieber verweist darauf, dass nicht jedwede Eröffnung des Zugangs zu einer Gefahrenquelle die Bejahung einer Garantenstellung zur Folge hat.116 Als einschränkendes Kriterium wird insoweit unter anderem ein besonderes Vertrauen Außenstehender in die Kontrolle vonseiten des Garanten angeführt.117 Im Hinblick auf ein derartiges Vertrauen Außenstehender in die Kontrolle des Betreibers gewinnen vorliegend die Verantwortlichkeitsvorschriften der §§ 7 ff. TMG an grundsätzlicher Bedeutung. Danach kann ein generelles Vertrauen Außenstehender, dass ein Host-Provider proaktiv die gespeicherten fremden Informationen anlasslos auf strafbare Inhalte überprüfen muss, zwar aufgrund der Existenz des § 7 Abs. 2 TMG nicht begründet werden.118 § 10 TMG geht jedoch bei positiver Kenntnis der rechtswidrigen Handlung oder Information von einer Löschpflicht des Diensteanbieters bezüglich rechtswidriger Daten aus. Ein Vertrauen Außenstehender in die Beseitigung rechtswidriger Informationen bei entsprechender Kenntnis wird daher normativ durch die Wertungen des § 10 TMG untermauert.119 Insoweit lassen sich zugleich einschränkende Kriterien zur Bejahung einer Garantenstellung des Betreibers begründen. 4. Zusammenfassung Nach alledem bleibt im Ergebnis festzuhalten, dass sich eine nach § 13 Abs. 1 StGB erforderliche Garantenpflicht des Betreibers einer Darknet-Plattform aus der tatsächlichen Herrschaft über die Plattform als Gefahrenquelle ergibt. Die Beihilfe durch Unterlassen ist jedoch aufgrund der ausdrücklichen Verantwortlichkeitsfreistellung der §§ 7 Abs. 2, 10 TMG auf das Nichtentfernen der Information ab positiver Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder Information beschränkt. Zu beachten ist insoweit, dass die Kenntnis im beschriebenen Sinne nach teils vertretener Auffassung die Kenntnis der Rechtswidrigkeit – sowohl bei der Handlung als auch bei der Information – umfasst.120
116
Sieber, in: Handbuch Multimedia-Recht, Teil 19.1 Rn. 47. Sieber, in: Handbuch Multimedia-Recht, Teil 19.1 Rn. 47. 118 Sieber, in: Handbuch Multimedia-Recht, Teil 19.1 Rn. 53; ähnlich siehe auch Freund, in: MüKo-StGB, § 13 Rn. 163. 119 Allgemein zu diesem Gesichtspunkt siehe nur Sieber, in: Handbuch Multimedia-Recht, Teil 19.1 Rn. 49; im vorliegenden Zusammenhang auch Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 168 f. 120 Zur Kenntnis auch der Rechtswidrigkeit vgl. die Ausführungen unter Teil 2 D. II. 3. 117
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Teil 4: Strafbarkeit bei Betreiben einer Plattform mit legaler Ausrichtung
E. Fahrlässigkeitsstrafbarkeit für Folgeschäden Abschließend sei am Rande darauf hingewiesen, dass sich auch der Betreiber einer Darknet-Plattform mit legaler Ausrichtung im Falle der Tötung oder Verletzung von Menschen als Folgeschaden des Handels mit illegalen Gütern durch Nutzer wegen eines fahrlässigen Unterlassungsdelikt nach §§ 222, 229, 13 Abs. 1 StGB strafbar machen kann.121 Anknüpfungspunkt ist dort erneut das Unterlassen der Löschung rechtswidriger Inhalte. Eine Garantenstellung desselben wurde bereits belegt. Unklar bleiben aber die Auswirkungen der Vorschrift des § 10 TMG auf das Erfordernis der objektiven Sorgfaltswidrigkeit. Bleisteiner gibt zur Vorgängervorschrift der §§ 8 bis 10 TMG zu erkennen, dass diese zur Bestimmung des Sorgfaltsmaßstabs im Bereich des Internet-Providings heranzuziehen sei.122 Haft und Eisele gelangen zur Vorgängervorschrift sowie mit Blick auf einen Zugangsvermittler zum Ergebnis, dass sich dieser bei Einhaltung der telemedienrechtlichen Verantwortlichkeitsvorschrift mangels Sorgfaltswidrigkeit des Verhaltens nicht wegen fahrlässiger Körperverletzung durch Unterlassen strafbar machen könne, sofern dieser den Verkauf eines gesundheitsschädlichen Produkts oder gesundheitsgefährdende Ratschläge Dritter nicht verhindere.123 Eine Sorgfaltspflichtverletzung des Betreibers ließe sich vorliegend aber jedenfalls im Falle einer sich aufgrund von positiver Kenntnis im obigen Sinne und anschließender Untätigkeit außerhalb von § 10 TMG bewegenden Beihilfe durch Unterlassen zu einem strafbaren Nutzerinserat begründen.124 Im Übrigen ergeben sich keine entscheidenden Abweichungen zu den bereits erörterten Grundsätzen eines Fahrlässigkeitsdelikts.125
F. Ergebnis Unter Zugrundelegung der vorstehenden Ausführungen lässt sich im Hinblick auf eine Strafbarkeit des Betreibers einer Plattform mit legaler Ausrichtung bei Missbrauch dieser durch Nutzer in Form der Verbreitung strafbarer Inhalte das folgende Fazit ziehen: Die Zurverfügungstellung der Plattform erweist sich regel 121 Siehe zur Fahrlässigkeitsstrafbarkeit bei unterlassener Löschung rechtswidriger Inhalte auch Wüst, Die Underground Economy des Darknets, S. 193 ff.; siehe auch Weber, Die Strafbarkeit von Plattformbetreibern im Darknet, S. 281, die aber eine Garantenpflicht des Betreibers ablehnt. 122 Zu § 5 TDG a. F. Bleisteiner, Rechtliche Verantwortlichkeit im Internet, S. 156; dahingegen ordnet Zieschang, GA 2020, 57, 67 die Vorschrift des § 10 TMG als Rechtfertigungsgrund ein, lehnt eine Rechtfertigung im Hinblick auf die fahrlässige Tötung durch den Betreiber der Plattform „Deutschland im Deep Web“ aber mit der Begründung ab, dass § 10 TMG nur bezüglich der auf der Plattform gespeicherten Inhalte greife. 123 Haft / Eisele, in: Regulierung in Datennetzen, 53, 71. 124 Zur Relevanz des § 10 TMG im Rahmen der Beihilfe siehe Teil 4 C. II. Zur Sorgfaltspflichtverletzung allgemein Teil 3 H. II. 125 Zur Fahrlässigkeitsstrafbarkeit siehe Teil 3 H.
F. Ergebnis
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mäßig als sozial nützlich und kann daher nicht als Anknüpfungspunkt strafbaren Verhaltens dienen. Der an den Betreiber ergehende strafrechtliche Vorwurf fokussiert sich insoweit auf eine unterlassene Löschung strafbarer Inhalte der Nutzer. Diesbezüglich ist angesichts des Verhaltens des Betreibers als Randfigur regelmäßig eine schlichte Beihilfe durch Unterlassen begründbar. Zwar lässt sich im Hinblick auf die grundsätzlich neutralen Handlungen des Betreibers legaler Infrastruktur auch im Darknet der insoweit herrschende Differenzierungsansatz fruchtbar machen. Wegen der ausdrücklichen Verantwortlichkeitsfreistellung des § 10 TMG bedarf es jedoch stets eines Nichteingreifens trotz positiver Kenntnis des Betreibers von der rechtswidrigen Handlung oder Information. (Verschärfter) Eventualvorsatz hinsichtlich der Straftatbegehung eines Nutzers begründet hingegen keine strafbare Beihilfe des Betreibers. Mit Blick auf eine auch für den Bereich der Teilnahme erforderlich werdende Garantenpflicht des Betreibers verhelfen zwar nicht die Grundsätze einer solchen aus Gesetz oder Ingerenz. Eine Garantenpflicht des Plattformbetreibers lässt sich aber aus der Sachherrschaft über die jeweilige Plattform als Gefahrenquelle begründen.
Schlussbetrachtung Die vorliegenden Ausführungen verschrieben sich dem Ziel, die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Plattformbetreibers im Darknet einschließlich der jüngsten gesetzgeberischen Änderung zu beleuchten. Im Anschluss an einen Überblick über die unterschiedlichen Plattformmodelle in Form von Marktplätzen und Foren galt es aufgrund abweichender Strafbarkeitsvoraussetzungen in Teil 1 zuvorderst zwischen Plattformen mit ganz oder teilweise vom Betreiber zugrunde gelegter krimineller Ausrichtung und solchen mit legaler Ausrichtung zu differenzieren. Ferner wurden verschiedene Verhaltensmuster der Betreiberebene veranschaulicht, namentlich etwa die – gegebenenfalls gegen Provisionen – bloße Zurverfügungstellung einer unter Umständen gar vollautomatisierten Infrastruktur oder die manuelle Freischaltung von Nutzerbeiträgen beziehungsweise die händische Betätigung des Treuhandservices durch den Betreiber. In Anbetracht dessen, dass sich die benannte Materie an der Schnittstelle von Straf- und Telemedienrecht bewegt, war unter Würdigung der unterschiedlichen Ausrichtungen von Plattformen und Verhaltensmuster von Betreibern in Teil 2 zunächst die Tragweite der durch die Art. 12 bis 15 ECRL unionsrechtlich determinierten Verantwortlichkeitsvorschriften der §§ 7 bis 10 TMG zu beleuchten. Diese finden als horizontale Regelungen gleichermaßen im Strafrecht Anwendung und sind angesichts einer zum Ausdruck kommenden, vom Gesetzgeber generell tolerierten Gefahrschaffung, in den Tatbestand eines Strafgesetzes zu integrieren. Vorab zu untersuchen galt es jedoch, unter welchen Voraussetzungen dem Betreiber einer Plattform im Darknet überhaupt eine Privilegierung im Sinne des § 10 Satz 1 TMG gebührt und wann diese hingegen nicht anwendbar ist. Ersichtlich wurde dort, dass der Betreiber für eigene, das heißt eigens eingegebene Informationen, entsprechend § 7 Abs. 1 TMG uneingeschränkt nach den allgemeinen Grundsätzen haftet. Dahingegen ist dieser bei bloßer Speicherung der hier fokussierten, für ihn fremden Informationen, nach § 10 Satz 1 TMG auch im Darknet grundsätzlich nicht verantwortlich, solange ihm keine positive Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder der Information zukommt (Nr. 1) oder dieser bei Kenntniserlangung unverzüglich zur Löschung tätig wird (Nr. 2). Nach der Rechtsprechung des EuGH unterfällt ein Diensteanbieter jedoch gleichwohl nicht dem Anwendungsbereich des Art. 14 ECRL beziehungsweise § 10 TMG, wenn dieser eine „aktive Rolle“ einnimmt. Diesbezüglich herausgearbeitet wurde, dass die „aktive Rolle“Rechtsprechung des EuGH vorwiegend solche Sachverhalte in den Blick nimmt, in denen sich das Verhalten des Diensteanbieters nicht länger als inhaltlich neutral erweist, sondern sich durch individuelle Hilfestellungen oder vorsätzliche beziehungsweise bösgläubige Förderungsbeiträge zu Rechtsverletzungen ein gesteiger-
Schlussbetrachtung
327
tes, nicht mehr von der nur technischen Vermittlerrolle gedecktes, Näheverhältnis des Diensteanbieters zu den Inhalten offenbart. Unter Zuhilfenahme dessen wurde sodann zunächst eine Nichtanwendbarkeit des § 10 TMG hinsichtlich der Plattformen mit vom Betreiber zugrunde gelegter krimineller Ausrichtung begründet. Schließlich liegt jedenfalls eine über die neutrale Speicherung hinausgehende „aktive Rolle“ und Solidarisierung des Betreibers durch Erleichterung der Verbreitung rechtswidriger Inhalte vor, soweit dieser die Plattform gezielt auf die Förderung von Rechtsverletzungen ausrichtet. Vermieden werden insoweit durch die Verneinung einer „rein“ technischen „Speicherung“ von fremden Informationen etwaige „safe harbours“ für Betreiber, die zwar die Plattform gezielt auf die Förderung von Rechtsverletzungen ausrichten, denen jedoch keine positive Kenntnis hinsichtlich einzelner rechtswidriger Inhalte zukommt. Als Kriterien für ein entsprechendes Ausrichten der Plattform auf die Förderung von Rechtsverletzungen wurden dabei neben einer eindeutig kriminalitätsbezogenen Bezeichnung zugleich die Implementierung von Keuschheitsproben sowie insbesondere die Schaffung kriminalitätsbezogener Themenkategorien angeführt. Zu verneinen galt es die Anwendbarkeit des § 10 TMG aufgrund einer „aktiven Rolle“ ferner für den Fall, dass ein Betreiber zwar nicht das gesamte Diensteangebot, wohl aber einzelne Kategorien auf kriminelle Zwecke ausrichtet, weil zumindest die Schaffung der entsprechenden Kategorie durch den Betreiber Rechtsverletzungen gewissermaßen magnetisch anzieht. Hinsichtlich des Betreibers einer Plattform mit legaler Ausrichtung war eine „aktive Rolle“ schließlich zu bejahen, sofern Angebotspräsentationen von Nutzerbeiträgen individuell optimiert, einzelne Beiträge beworben oder vor Freischaltung inhaltlich überprüft werden. Angesichts des gesteigerten Gefährdungspotentials sowie der zum 1. Oktober 2021 in § 127 StGB aufgenommenen, eigenständigen Strafbarkeit für das Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet, sollte in Teil 3 zuvorderst die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Betreibers einer Plattform mit ganz oder teilweise krimineller Ausrichtung einer Analyse unterzogen werden. Dabei erwies sich die Zurverfügungstellung krimineller Infrastruktur aufgrund der fehlenden Sozialnützlichkeit zunächst als dem Betreiber vorwerfbares aktives Tun. Wenngleich nun das Gesetz mit § 127 StGB einen Straftatbestand bereithält, der speziell das Betreiben krimineller Handelsplattformen unter Strafe stellt, sollten aber aufgrund der formellen Subsidiarität sowie des vom Gesetzgeber angeführten Auffangcharakters des § 127 StGB vorweg die abgesehen davon in Betracht kommenden Strafvorschriften erörtert werden. Nach eingehender Beleuchtung des § 127 StGB sowie etwaiger Folgeänderungen sollte sodann abschließend das Für und Wider der seit dem 1. Oktober 2021 in Bezug auf das Betreiben krimineller Handelsplattformen geltenden Rechtslage dargestellt werden. Im Hinblick auf die abgesehen von § 127 StGB geltende Rechtslage wurde eingangs ersichtlich, dass eine Vielzahl an für das Darknet szenetypischen Straftatbeständen mit weit gefasster Tathandlung geeignet ist, die Beteiligung des Betreibers an den durch die Nutzer abgewickelten Geschäften mit illegalen Waren und
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Schlussbetrachtung
Dienstleistungen als unmittelbare Alleintäterschaft einzubeziehen. Danach ist, entgegen den Gesetzesmaterialien zu § 127 StGB, der allgemeine Vorfeldtatbestand der Bildung krimineller Vereinigungen nach § 129 StGB nicht per se außerstande, das Verhalten der Betreiber krimineller Handelsplattformen zu erfassen, solange – insbesondere bei professionell organisierten Marktplätzen – die Anzahl der involvierten Betreiber sowie deren Organisationsstruktur dies zulässt. Im Bereich des Betäubungsmittelhandels grundsätzlich denkbar, ist eine täterschaftliche Verantwortlichkeit des Plattformbetreibers sodann zunächst unter Würdigung der Tathandlung des „Handeltreibens“ im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG. Aufgrund der Eigennützigkeit des Handelns sowie einer Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme anhand der allgemeinen Regeln wird aber Täterschaft dort wegen der regelmäßig fehlenden Einflussnahme des Betreibers auf Nutzergeschäfte allenfalls auf Grundlage der gemäßigten subjektiven Theorie der Rechtsprechung sowie eines Eigeninteresses am Taterfolg zum Tragen kommen, sofern Provisionen je getätigtes Geschäft einbehalten werden. Kann jedoch weder ein Handeltreiben noch eine Beihilfe hierzu nachgewiesen werden, ist immerhin eine Strafbarkeit nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 Var. 1 BtMG wegen des Verschaffens von Gelegenheit zur unerlaubten Abgabe oder zum unerlaubten Erwerb von Betäubungsmitteln in Erwägung zu ziehen. Die an das Betäubungsmittelstrafrecht angelehnte Tathandlung des „Handeltreibens“ enthalten ferner exemplarisch die szenetypischen Tatbestände der § 4 Abs. 1 Nr. 1 AntiDopG, § 19 Abs. 1 Nr. 1 GÜG, § 4 Abs. 1 Nr. 1 NpSG, § 95 Abs. 1 Nr. 3a, Nr. 4 AMG, §§ 19 Abs. 1 Nr. 1, 20 Abs. 1 Nr. 1, 20a Abs. 1 Nr. 1 KrWaffKontrG und § 184l Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB. Wenngleich die Tathandlung des Handeltreibens im Sinne der § 51 Abs. 1 WaffG sowie § 52 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 lit. c, Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 WaffG abweichend auszulegen ist, kommt dort bei Gewerbsmäßigkeit gleichermaßen eine Strafbarkeit hinsichtlich der Tätigkeit des Betreibers einer auf den unerlaubten Waffenhandel ausgerichteten Plattform in Betracht. Im Hinblick auf die Förderung des unerlaubten Handels mit explosionsgefährlichen Stoffen greift ferner § 40 Abs. 1 Nr. 2 SprengG bei Vorliegen von Gewerbsmäßigkeit. Die Zurverfügungstellung einer Plattform, die dem Einstellen kinder- oder jugendpornografischer Dateien dient, ist als „Zugänglichmachen“ jener Inhalte gemäß § 184b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2, Nr. 2 Alt. 1 StGB oder § 184c Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2, Nr. 2 Alt. 1 StGB mit täterschaftlicher Strafe bedroht. Gleiches gilt für ein „Zugänglichmachen“ im Rahmen des § 130 Abs. 2 Nr. 1 StGB. Sofern außerdem der Zugang zu Kinderpornografie-Foren an das Erfordernis einer Keuschheitsprobe geknüpft ist, verhilft je nach Konstellation zudem der extensive Besitzbegriff im Rahmen der §§ 184b Abs. 3, 184c Abs. 3 StGB zur täterschaftlichen Strafbarkeit des Betreibers. Schließlich sehen die benannten Vorschriften vielfach eine erhöhte Strafandrohung durch besonders schwere Fälle oder Qualifikationstatbestände vor. Gemeint sind etwa die Vorschriften der § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG, § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 30 Abs. 1 Nr. 1 BtMG sowie § 30a Abs. 1 BtMG, § 4 Abs. 4 Nr. 1 lit. c AntiDopG sowie § 4 Abs. 4 Nr. 2 lit. b AntiDopG, § 19 Abs. 3 Satz 2 GÜG, § 4 Abs. 3 Nr. 1 lit. a NpSG, § 95 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 AMG und § 184b Abs. 2 StGB, § 184c Abs. 2 StGB.
Schlussbetrachtung
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Abseits einer je nach Einzelfall begründbaren Alleintäterschaft des Betreibers wurde sodann herausgearbeitet, dass eine mittäterschaftliche Tatbegehung zwischen Plattformbetreiber und Nutzer im Regelfall abzulehnen ist. Ersichtlich wurde, dass es bei dem Betreiber, der sich auf die Zurverfügungstellung der Infrastruktur beschränkt, zum einen an einem hinreichenden, in das Ausführungsstadium hineinwirkenden, Tatbeitrag fehlt. Zum anderen mangelt es insoweit an einem gemeinschaftlichen Tatentschluss zwischen Betreiber und Nutzer sowie dem Willen des Betreibers zur Tatherrschaft. Ersichtlich wurde weiterhin, dass Mittäterschaft mangels tatsächlich inhaltlicher Einflussnahme auch dann nicht begründbar ist, wenn der Betreiber – wie im Falle des Darknet-Forums „Deutschland im Deep Web“ – unerlaubte Werbetexte der Nutzer für Betäubungsmittel erst infolge einer manuellen Sichtung der formellen Anforderungen freischaltet. Etwas anderes gilt auf dem Boden der Tatherrschaftslehre allenfalls dort, wo der Betreiber mit Tatherrschaftswillen Einfluss auf den Inhalt des jeweiligen Verkaufsgeschäfts nimmt. Auf Grundlage der Rechtsprechung ist ein anderes Ergebnis ferner bei stärkerer Berücksichtigung eines eigenen Interesses am Taterfolg – etwa durch die Einnahme von Provisionen je Verkaufsgeschäft – denkbar. Mangels kommunikativer Beeinflussung wurde ferner ersichtlich, dass eine Anstiftung bei schlichtem Betreiben einer kriminellen Plattform ausscheidet. Über die im Rahmen des § 26 StGB bestehenden Hürden hilft auch nicht § 111 Abs. 1 Var. 1 StGB hinweg. Bei bloßer Zurverfügungstellung krimineller Infrastruktur mangelt es an einer im Rahmen von § 111 Abs. 1 Var. 1 StGB notwendigen, unmittelbaren Motivierungstendenz mit Appellcharakter seitens des Betreibers. In Fällen, in denen weder Allein- noch Mittäterschaft begründet werden kann, war sodann eine strafbare Beihilfe nach § 27 StGB zu fokussieren, hinsichtlich derer die Gesetzesmaterialien zu § 127 StGB Bedenken äußerten. Zu thematisieren war dort zunächst der bekannte Problemkreis „neutraler“ Hilfeleistungen, als sich das Hosting-Providing für sich genommen zunächst als sozial nützlich erweist. Belegt wurde jedoch, dass das Betreiben einer von vornherein kriminell ausgerichteten Plattform schon äußerlich keine neutrale Handlung darstellt. Weil der Betreiber einer entsprechenden Plattform sein Verhalten, etwa durch die Schaffung entsprechender Kategorien, von vornherein an die Pläne des Haupttäters anpasst, war daher jedenfalls das Betreiben einer kriminellen Infrastruktur als strafwürdiges und nicht neutrales Hilfeleisten einzuordnen. Hinsichtlich der subjektiven Tatseite vermochten letzten Endes auch die – insbesondere bei Vollautomatisierung einer Plattform – seitens der Gesetzesmaterialien vorgebrachten Einwände gegen eine hinreichende Vorstellung des Gehilfen von der Haupttat in den praxisrelevanten Fällen, in denen der Betreiber selbst die Infrastruktur auf kriminelle Zwecke ausrichtet, nicht zu überzeugen. Die Kenntnis der wesentlichen Merkmale von der Haupttat offenbart sich dem Betreiber insoweit jedenfalls angesichts der in der Plattform nach außen zum Ausdruck kommenden, kriminellen Ausrichtung, sei dies aufgrund der Schaffung einer kriminalitätsbezogenen Themenkategorie oder aufgrund eindeutiger vom Betreiber festgelegter Verhaltensrichtlinien.
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Im Hinblick auf die von Nutzern herbeigeführten Folgeschäden des Handels mit illegalen Gütern, etwa in Gestalt einer Mehrfachtötung des Nutzers mittels einer über die Plattform erworbenen Waffe, zeigte sich, dass meist in Ermangelung eines zumindest bedingten Vorsatzes eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit des Plattformbetreibers an Bedeutung gewinnt. Eine objektive Sorgfaltspflichtverletzung des Betreibers einer kriminell ausgerichteten Plattform wird insoweit meist in der Beihilfe zu den über die Plattform abgewickelten Straftaten der Nutzer zu erblicken sein. Bezüglich des insoweit vorsätzlichen Dazwischentretens eines Nutzers sowie einer möglichen Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs ist insbesondere die Verletzung von Sicherheitsvorschriften zu beachten, die gerade der Verhinderung von Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten Dritter dienen. Dahingegen scheidet eine Zurechnung hinsichtlich einer eigenverantwortlichen Selbstschädigung eines Nutzers mittels einer über die Plattform erworbenen Waffe aus. § 127 StGB bedroht seit dem 1. Oktober 2021 eigenständig das Betreiben solcher Handelsplattformen im Internet mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe, deren Zweck darauf ausgerichtet ist, die Begehung bestimmter rechtswidriger Taten zu ermöglichen oder zu fördern. Ebenjene Vorschrift, die trotz vielfacher Kritik in das Strafgesetzbuch eingefügt wurde, galt es daraufhin eingehend zu beleuchten. Zunächst verdeutlicht wurde dort, dass geschützte Rechtsgüter des § 127 StGB die von den Katalogtaten des § 127 Abs. 1 Satz 2 StGB in Bezug genommenen Rechtsgüter sind. Dahingegen erwies sich das vom Gesetzgeber bemühte Rechtsgut der öffentlichen Sicherheit und Ordnung als bloßes Scheinrechtsgut. Weil § 127 StGB ferner von fremdem Unrecht abgekoppelt ist und die Tatbestandsverwirklichung nicht eine wenigstens versuchte „Haupttat“ eines Nutzers erfordert, ist die Vorschrift als abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestaltet. Die Tathandlung des Betreibens, die die Inbetriebnahme einer Plattform bis zur vollständigen Abschaltung derselben umfasst, verleiht dem Straftatbestand ferner den Charakter eines Dauerdelikts. Hinsichtlich des Merkmals der Ausrichtung des Zwecks einer Handelsplattform auf die Ermöglichung oder Förderung der Begehung von Straftaten wurde zunächst ersichtlich, dass sich der „Zweck“ dem Wortlaut nach auf die Handelsplattform bezieht. Insoweit galt es zu beachten, dass – wie schon bei § 202c Abs. 1 Nr. 2 StGB moniert – keine rein objektiven Zwecke von Plattformen existieren, weil Zwecke vom Menschen gesetzt und stets subjektiv sind. In Anlehnung an die BVerfG-Rechtsprechung zu § 202c Abs. 1 Nr. 2 StGB ist daher angesichts der finalen Dimension des Begriffs des „Zwecks“ maßgeblich, dass die Plattform von einer bestimmten Person mit der Absicht entwickelt oder modifiziert worden ist, diese zur Ermöglichung oder Förderung der Begehung von bestimmten Straftaten einzusetzen und diese Absicht muss sich sodann objektiv manifestieren. Dabei ist eine zumindest verobjektivierte Zweckbestimmung jedenfalls schon zur Konturierung strafwürdigen Verhaltens erforderlich und beachtet den Willen des Gesetzgebers, der ein objektives Tatbestandsmerkmal anstrebt. Zwar wurde anschließend dargelegt, dass in den praxisrelevanten Fällen der Betreiber selbst zwecksetzendes Sub-
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jekt sein wird. Durch den Verweis des Gesetzgebers, dass hinsichtlich des „Zwecks der Handelsplattform“ dolus eventualis genügen soll, wurde jedoch mit Blick auf die finale Dimension des Begriffs des „Zwecks“ herausgearbeitet, dass der Gesetzgeber nicht notwendig Personenidentität zwischen zwecksetzendem Subjekt und Betreiber zu fordern scheint. Ungeachtet dessen konnten jedenfalls die Indizien der Gesetzgebungsmaterialien zur Bestimmung der kriminellen Zweckausrichtung nicht vollends überzeugen. Ersichtlich wurde dort, dass insbesondere Kriterien wie das tatsächliche Angebot sowie die Verortung einer Plattform im Darknet zur Vermeidung von Friktionen nicht ohne Zuhilfenahme weiterer Kriterien herangezogen werden können. Obgleich sodann eine Verletzung anerkannter Rechtsgüter bei Betreiben krimineller Plattformen grundsätzlich von selbstständigen Handlungen der Nutzer abhängig ist, fordert § 127 StGB – anders als etwa das Vorbereitungsdelikt des § 202c StGB – keinen ausdrücklichen subjektiven Bezug des Betreibers gerichtet auf die „Haupttat“ eines Nutzers. § 127 StGB wurde daher als ein von fremdem Unrecht abgekoppeltes, objektiv-abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestaltet. Infolge einer Würdigung des Straftatenkatalogs des § 127 Abs. 1 Satz 2 StGB wurde des Weiteren ersichtlich, dass sich dieser auf sämtliche Verbrechen sowie ausgewählte Vergehen bezieht, wobei keiner erkennbaren Struktur hinsichtlich der Aufnahme von Strafvorschriften gefolgt wird. In den Straftatenkatalog einbezogen werden jedenfalls vielfach selbst abstrakte Gefährdungsdelikte. § 127 Abs. 3 StGB enthält ferner einen Qualifikationstatbestand mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren für das gewerbs- oder bandenmäßige Betreiben von kriminellen Handelsplattformen. Daneben erhöht § 127 Abs. 4 StGB die Strafandrohung nochmals auf mindestens ein Jahr bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe für das absichtliche oder wissentliche Ermöglichen oder Fördern von Verbrechen. Beide Qualifikationstatbestände erwiesen sich jedoch als in gewisser Weise verkappte Grundtatbestände, weil die Plattform in den praxisrelevanten Fällen meist entweder gewerbsmäßig oder bandenmäßig betrieben wird oder aber durch den Betreiber absichtlich (auch) Verbrechen ermöglicht oder gefördert werden. § 127 Abs. 1 Satz 1 a. E. StGB ordnet sodann formelle Subsidiarität des Tatbestands gegenüber Vorschriften mit schwererer Strafe an, wobei sich die Notwendigkeit einer solchen Klausel nicht erschloss, wenn man bedenkt, dass der Gesetzgeber das eigenständige Rechtsgut der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu schützen suchte. Unter Würdigung des Wortlauts sowie des vom Gesetzgeber intendierten Auffangcharakters wurde ferner herausgearbeitet, dass die Subsidiaritätsklausel nicht nur mit Blick auf den Grundtatbestand, sondern auch mit Blick auf die Qualifikationstatbestände Anwendung findet. Zudem wird Subsidiarität des § 127 StGB in Anlehnung an die Rechtsprechung gegenüber sämtlichen Vorschriften mit schwererer Strafe anzunehmen sein. Sieht man ferner ohnehin die von den Katalogtaten geschützten Rechtsgüter als die Schutzgüter von § 127 StGB an, gelangte man auch auf Grundlage dessen zur Subsidiarität des § 127 StGB gegenüber Delikten mit schwererer Strafe. Veranschaulicht wurde abschließend, dass eine Vielzahl
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der zuvor erörterten, für das Darknet szenetypischen, Tatbestände mit gegenüber § 127 StGB schwererer Strafe bedroht sind, sodass in vielen Fällen die formelle Subsidiaritätsklausel des § 127 Abs. 1 Satz 1 a. E. StGB greift. Insgesamt wurde daher ersichtlich, dass erkennbarer „Nutzen“ des § 127 StGB aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden insbesondere der Verzicht auf einen Nachweis etwaiger Haupttaten beziehungsweise Vorsatz diesbezüglich ist. Der Preis, den der Gesetzgeber dafür zahlt, ist die mit § 127 StGB einhergehende, massive Vorverlagerung des Strafrechtsschutzes. Die dort aufkommende Problematik, dass eine tatsächliche Verletzung beziehungsweise Beeinträchtigung anerkannter Rechtsgüter selbstständige deliktische Handlungen Dritter erfordert, versucht dieser schlicht durch einen Verweis auf die öffentliche Sicherheit und Ordnung als geschütztes Rechtsgut zu umgehen. Enttarnt man diese jedoch als Scheinrechtsgut, bedarf die Frage, ob allein die Anreiz- und Breitenwirkung von Plattformen als Legitimation für § 127 StGB genügen kann oder aber aufgrund des Eigenverantwortlichkeitsprinzips zusätzlich ein subjektiver Bezug des Betreibers als Vorfeldtäter zu Haupttaten der Nutzer erforderlich ist, einer intensiven Auseinandersetzung der Rechtswissenschaft. Ersichtlich wurde jedenfalls, dass schon die abgesehen von § 127 StGB geltende Rechtslage durchaus geeignet war, das Betreiben krimineller Handelsplattformen im Wesentlichen angemessen zu erfassen. Auch die mit § 27 StGB einhergehende, gemilderte Strafe erwies sich dem Unrechtsgehalt des Betreibens krimineller Plattformen nicht per se widersprechend, wenn man bedenkt, dass es ein der Rechtsgutsverletzung erheblich vorgelagertes und von selbstständigen Handlungen Dritter abhängiges Verhalten in Rede steht. Die mit § 127 StGB einhergehenden Folgeänderungen der §§ 100a ff. StPO versprechen jedenfalls mit Blick auf den Kriminalitätsbereich des Darknets keinen nennenswerten Mehrwert, weil die technikgestützten Ermittlungsmaßnahmen der Strafprozessordnung angesichts des Einsatzes von Anonymisierungssoftware dort meist wenig aussichtsreich sind. Das besonders im Darknet problematische Ausfindigmachen der Betreiber wird daher weder durch § 127 StGB noch durch die Ausweitung der §§ 100a ff. StPO erleichtert. Will man kriminellen Handelsplattformen im Darknet und deren Nutzung langfristig Einhalt gebieten, dürfte sich die Sicherstellung effektiver Ermittlungsarbeit als erfolgsversprechender erweisen, wobei es an dem Ausbau personeller und technischer Ressourcen sowie der Intensivierung internationaler Zusammenarbeit festzuhalten gilt. Zu begrüßen ist außerdem die Schaffung der § 184b Abs. 6 StGB, § 176e Abs. 5 StGB und § 110d StPO betreffend Ermittlungen im Bereich des Austauschs kinderpornografischer Materialien, die Ausweitung des § 99 Abs. 2 StPO im Hinblick auf retrograde Auskunftsverlangen von Postdienstleistern sowie die Vorlagepflicht von Postdienstleistern mit Blick auf verdächtige Sendungen nach § 39 Abs. 4a PostG. Weil § 127 StGB nicht den Betreiber einer Darknet-Plattform mit legaler Ausrichtung erfassen soll, die nur im Einzelfall von Nutzern missbraucht wird, wurde in Teil 4 abschließend in der gebotenen Kürze dessen Verantwortlichkeit für den Missbrauch seiner Plattform durch Dritte erörtert. Der Schwerpunkt der Vorwerf-
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barkeit liegt dort angesichts der Sozialnützlichkeit des Betreibens entsprechender Infrastruktur auf der unterlassenen Löschung rechtswidriger Inhalte. Der Betreiber agiert insoweit meist als Randfigur. Im Hinblick auf die sich im Rahmen der Beihilfe durch Unterlassen ergebende Problematik „neutraler“ Hilfeleistungen kann zwar zur erforderlichen Grenzziehung neutraler von strafbarer Beihilfe auch innerhalb der digitalen Strukturen des Darknets grundsätzlich auf den herrschenden Differenzierungsansatz zurückgegriffen werden. Angesichts des Umstands jedoch, dass Sondervorschriften die Bejahung eines pflichtwidrigen Verhaltens im Einzelfall unter strengere Voraussetzungen stellen können, zeigte sich insoweit, dass es im Bereich des Hosting-Providings stets eines Blicks auf die Sondervorschrift des § 10 TMG bedarf, weil die vom Gesetzgeber insoweit tolerierten Verhaltensweisen aufgrund der dortigen ausdrücklichen Verantwortlichkeitsfreistellung abschließend markiert werden. Weil dem Betreiber einer Plattform mit legaler Ausrichtung auch im Darknet die Haftungsprivilegierung des § 10 TMG gebührt, solange sich dieser auf die Speicherung fremder Nutzerinformationen beschränkt und diesem keine positive Kenntnis von der rechtswidrigen Information zukommt, haftet dieser daher erst bei unterbliebener unverzüglicher Löschung im Zeitpunkt der Kenntnis von konkreten, rechtswidrigen Handlungen oder Informationen. In Anbetracht dessen, dass der Vorwurf strafbaren Verhaltens bei fehlender Einflussnahme auf Nutzergeschäfte auf einem bloßen Unterlassen der Löschung des jeweiligen Inhalts liegt, erfordert eine Strafbarkeit nach § 13 Abs. 1 StGB das Vorliegen einer Garantenstellung. Diese resultiert dort aber aus der Herrschaft über die Darknet-Plattform als Gefahrenquelle. Daneben ist eine Strafbarkeit des Betreibers wegen eines fahrlässigen Unterlassungsdelikts im Hinblick auf etwaige Folgeschäden des illegalen Handels der Nutzer denkbar.
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Sachwortverzeichnis Administratoren 44 Aktive Rolle-Rechtsprechung 62 ff. Aktives Tun 87 ff. Anstiftung 158 ff. Aufforderung zu Straftaten 162 ff. Bandenmäßigkeit 114 ff., 127 ff., 138 ff., 246 ff. Beihilfe 164 ff., 302 ff. – Vorsatz bezüglich Haupttat 174 ff. Besitz 140 f. Bestimmen 159 f. Betreiben des Verkehrs (SprengG) 132 Betreiben einer Handelsplattform 224 ff. Dark Web Monitor 289 Darknet – Begriff 26 ff. Dazwischentreten Dritter 196 ff. Deep Web 27 f. Deliktsnatur 212 ff., 239 ff. – Abstraktes Gefährdungsdelikt 216 f. – Dauerdelikt 217 Digital Services Act (Gesetz über digitale Dienste) 66, 75 f., 80, 82 E-Commerce-Richtlinie 48 ff. Eigennützigkeit 104 ff., 108, 125 Ermittlungsmaßnahmen 277 ff. Exit scam 34, 38, 247, 255 Fahrlässigkeit 184 ff., 324 – Kausalität 186 Filtermodell 50 f. Foren 39 ff. – „Deutschland im Deep Web“ 40 Formelle Subsidiarität 251 ff. Garantenpflicht 314 ff. Gefahrenquelle 319 ff. Gehilfenvorsatz 173 f. Gelegenheit (BtMG) 117 ff.
Gemeinsame Ermittlungsgruppen 290 f. Gewerbsmäßigkeit 111 ff., 127 ff., 131, 138 f., 246 ff. Haftungsprivileg 47 ff. Handelsplattform 218 ff. Handeltreiben – AMG 128 – AntiDopG 127 – BtMG 102 ff. – GÜG 127 – KrWaffKontrG 128 – NpSG 127 – StGB 128 – WaffG 129 ff. Hilfeleisten 165 ff. – Kausalität 168 f. – Sozialinadäquanz 170 ff. Host-Provider 49 ff. Information 55 ff. – eigene 55 f. – fremde 55 f. – Zueigenmachen fremder Informationen 56 ff. Ingerenz 317 f. Integrationslösung 51 f. Kenntnis 60 f. – positive Kenntnis 60 f. – Rechtswidrigkeit 61 Keuschheitsprobe 40, 77 f., 136 ff., 169 f., 220 ff. – Tatbestandsausschluss 292 ff. Kriminelle Vereinigung 92 ff. Kriminelle Zweckausrichtung 226 ff. Kryptowährung 38 f. Marktplatz 35 ff. Mittäterschaft 144 ff. Moderatoren 44
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Sachwortverzeichnis
Nachweisbarkeit – Erleichterung 261 ff. – Schwierigkeiten 164, 184 Neutrale Beihilfe 305 ff. Neutralitätsgebot 62 ff.
Selbstschädigung 200 ff. Sondernorm 310 ff. Sorgfaltspflichtverletzung 187 ff. Speicherung 59 f. Strafanwendungsrecht 255 ff. Surface Web 27 f.
Onion-Service 31 ff. Pflichtwidrigkeitszusammenhang 194 f. Plattform – mit krimineller Ausrichtung 41 f., 73 ff., 86 ff. – mit legaler Ausrichtung 42 f., 301 ff. Provisionen 37, 79, 105, 110, 113, 131, 154 f.
Telemedium 54 Tor-Browser 29 ff. Tor-Technologie 29 ff. Treuhandservice 37 f. Überwachungs- und Nachforschungspflicht 49 f., 234, 278 f., 312 Underground Economy 34 f. Unterlassen 87 ff., 301 f.
Rechtsgut 212 ff. – Öffentliche Sicherheit und Ordnung 213 ff. Rechtswidrige Tat 243 ff. Retrograde Auskunftsverlangen 297 f.
Verbrechensqualifikation 249 f. Vorhersehbarkeit 191 ff. Vorverlagerung des Strafrechtsschutzes 263 ff.
Schutzzweck der Norm 195 f.
Zugänglichmachen 133 ff.