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German Pages 354 [357] Year 1981
Zur Ausbildung der Norm der deutschen Literatursprache auf der lexikalischen Ebene (1470—1730) untersucht an ausgewählten Konkurrentengruppen
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN DER DDR Zentralinstitut für Sprachwissenschaft
56/11 Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen Herausgegeben von Günter Feudel Zur Ausbildung der Norm der deutschen Literatursprache (1470—1730) • II Leitung: Joachim Dückert
Zur Ausbildung der Norm der deutschen Literatursprache auf der lexikalischen Ebene (1470-1730) Untersucht an ausgewählten Konkurrentengruppen unter Leitung von Joachim Dückert 2., unveränderte Auflage
Akademie-Verlag • Berlin 1981
Erschienen im Akademie-Verlag, DDR-1080 Berlin, Leipziger Straße 3—4 Lektor: Ursula Schöwe © Akademie-Verlag Berlin 1976 Lizenznummer: 202 • 100/155/81 Umschlaggestaltung: Helga Klein Gesamtherstellung: VEB Druckerei „Thomas Müntzer", 5820 Bad Langensalza Bestellnummer: 752 3845 (2054/56/H) • LSV 0815 Printed in GDR DDR 42,— M
INHALT
Einführung
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Anna Huber: 'Bauer'. Wortschatzuntersuchungen zu einem Grundbegriff aus dem bäuerlichen Lebensbereich
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Wilhelm Braun: 'Bäcker', 'Fleischer', 'Tischler'. Wortschatzuntersuchungen im Bereich des Handwerks am Beispiel konkurrierender Berufsbezeichnungen
55
Elfriede Adelberg: 'Geselle'. Untersuchungen zu Bezeichnungen für den abhängigen Handwerker nach Abschluß der Lehrzeit
121
Ger linde Richter: 'Ware', 'Kleinhandelsartikel', 'bar', 'Makler'. Wortschatzuntersuchungen im Bereich des Handels und Warenverkehrs
173
Ulrich Schröter: 'Strafe' und ein Vergleich der Ergebnisse mit 'Pranger' und 'Vormund'. Lexikalische Untersuchungen zu Rechtsbegriffen
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Joachim Dückert: 'Advokat'. Untersuchungen zum Einfluß des römischen Rechts auf den deutschen Wortschatz
263
Zur Spezifik des Sprachausgleichs in der Lexik (1470 - 1730)
311
Verzeichnis der für alle Teilthemen systematisch exzerpierten Quellen
321
Verzeichnis der benutzten Spezialliteratur und der Nachschlagewerke
340
AbkürzungsVerzeichnis
348
EINFÜHRUNG 1. Zur Notwendigkeit von Wortschatzuntersuchungen innerhalb des Rahmenthemas Wortschatzuntersuchungen sind innerhalb des Rahmenthemas notwendig, um Besonderheiten der Ausgleichsprozesse als Voraussetzung für die Normausbildung in der Lexik an konkreten Beispielen aufzuzeigen und um bestimmte gesellschaftliche Entwicklungen in ihrer Bedeutung für die Ausbildung der lexikalischen Norm der deutschen Literatursprache genauer zu erfassen. Die bisherigen Forschungen zur Entstehung der deutschen Literatursprache sind vorwiegend den geschlossenen sprachlichen Teilsystemen, dem "Gerüst", gewidmet. Die Lexik ist unter dem Gesichtspunkt der Ausbildung der nationalen Norm nur in relativ wenigen Fällen untersucht worden (zur Forschungslage s. 3.). In den im vorliegenden Band vereinigten Untersuchungen, die sich entsprechend der Anlage des Gesamtprojekts auf die Zeitspanne von 1470 - 1730 beziehen, soll eine Antwort vor allem auf folgende Fragen gesucht werden: - Welche lexikalischen Konkurrenz- bzw. Dominanzverhältnisse sind, bezogen auf den jeweiligen Untersuchungsgegenstand, zu Beginn und am Ende der untersuchten Zeitspanne in der Literatursprache zu beobachten, und welchen Stand haben die Ausgleichsprozesse um 1730 als dem Endpunkt der Untersuchungen erreicht? - Welche Rolle spielten die einzelnen Sprachlandschaften bei den Ausgleichsprozessen? - Welchen Anteil an den Ausgleichsprozessen als Voraussetzung für die Herausbildung einer nationalen Norm hatten die verschiedenen Schichten des deutschen Volkes? Die Lexik wird, anders als die Grammatik, in ihrer Entwicklung stark von außersprachlichen, gesellschaftlichen Faktoren beeinflußt. In ihr spiegelt sich, vermittelt durch das gesellschaftliche Bewußtsein, die objektive Realität wider. Die Lexik paßt sich ständig den Veränderungen in den gesellschaftlichen Kommunikationsbedürfnissen - durch Neubildung oder Entlehnung von Wörtern sowie durch Wandlungen in Gebrauch und Bedeutung vorhandener Wörter - an. Auf Grund des engen Zusammenhangs zwischen der Lexik und der Geschichte der Sprachträger entwickelt sich die Lexik wesentlich schneller als das grammatische System. Bei einer Systematisierung der Lexik nach Sachbereichen z. B. zeigt sich aber, daß diese relativ große Veränderlichkeit nur auf bestimmte Teile der Lexik zutrifft, und zwar vor allem auf diejenigen, die zur Bezeichnung gesellschaftlicher Erscheinungen und Realitäten dienen, die der stärksten Entwicklung unterworfen sind. Das gilt z. B. für den Wortschatz der Wirtschaft, Politik und Kultur, der Wissenschaft und Technik. Andere Teile der Lexik, wie z. B. Bezeichnungen für Grundtätigkeiten des Menschen (/essen, schlafen, gehen, sprechen/ usw.), für allgemeine Erscheinungen der Natur und des Lebens, sind dagegen relativ stabil.
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Einführung 2. Zum lexikalischen Ausgleich
Ein Kennzeichen der Lexik ist die relativ breite Möglichkeit des Gebrauchs verschiedener Bezeichnungen zum Ausdruck eines Begriffs. Sie können unterschiedlich (landschaftlich, sozial, stilistisch) bedingt sein. Auf Grund der Ergebnisse der sprachhistorischen Forschung kann davon ausgegangen werden, daß ihr literatursprachlicher Gebrauch im Deutschen in einer frühen Phase des Sprachausgleichs, z. B. um 1500, noch stark landschaftlich bedingt war. Die Herausbildung der frühkapitalistischen Gesellschaft und die allmähliche Ablösung des Feudalismus durch den Kapitalismus erforderten umfassende Kommunikationsmöglichkeiten, d. h. ein allgemein verständliches, verbindliches, einheitliches sprachliches Kommunikationsmittel (Näheres in Bd. 1, S. 16). Im literatursprachlichen deutschen Wortschatz ist daher seit dem 15. Jahrhundert in verstärktem Maße mit Tendenzen der Vereinheitlichung zu rechnen, begünstigt insbesondere durch den sich ausweitenden Handel und Warenverkehr und den Buchdruck. Nach unserm bisherigen Wissen können wir etwa für die Zeit um 1700 annehmen, daß die Ausgleichsprozesse schon weit vorangeschritten waren. Die einzelnen Arbeiten des vorliegenden Bandes werden zu dieser Frage Stellung nehmen. "Der Wortgebrauch der nhd. Schriftsprache Q= der deutschen Literatursprache - J.D.J kann . . . um die Mitte des 17. Jahrh. als einigermaßen befestigt und im wesentlichen einheitlich gestaltet bezeichnet werden" (K. v. Bahder 1 ).
3. Bemerkungen zur Forschungslage Bisherige Forschungen zur Ausbildung der Norm der deutschen Literatursprache befassen sich nur in relativ wenigen Fällen mit der Rolle der Lexik, die durch ihre Vielfalt und Vielschichtigkeit einen besonders hohen Aufwand zu ihrer Erforschung notwendig macht. Einen grundlegenden Beitrag lieferte 1925 K. v. Bahder. Er hat bereits die wesentlichen Fragestellungen umrissen, die auch von den neuesten Forschungen verfolgt werden. Sein Anliegen ist, "die Auswahl, die hinsichtlich des überkommenen Sprachgutes von der Schriftsprache [ = Literatursprache - J. D. ]
getroffen worden
ist, genauer ins Auge zu fassen und wo möglich die zugrunde liegenden Gesetze zu e r 2
mittein".
Er hat eine große Zahl von Synonymen im Hinblick auf die literatursprach-
liche Wortwahl untersucht, um zu ergründen, welche Faktoren zur Durchsetzung einer Bezeichnung auf Kosten anderer konkurrierender Bezeichnungen geführt haben. Da er aber in seiner Materialgrundlage im wesentlichen auf Wörterbücher und die in ihnen gebotenen Belege angewiesen war, können seine Ergebnisse nur begrenzt gültig sein.
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Einführung
In den jüngeren der Lexik gewidmeten Untersuchungen zu diesem Thema zeigt sich die Tendenz, bestimmte ausgewählte, zeitlich und landschaftlich sorgfältig festgelegte Quellen zugrunde zu legen, die für einen Vergleich ihrer Wortwahl besonders geeignet sind. Das gilt namentlich für die Bibelübersetzungen auf Grund des ihnen gemeinsamen Originaltextes. Als aufschlußreich hat sich auch die Untersuchung eines Flugschriftenkorpus (durch H. Winkler) sowie der Überlieferung einer weitverbreiteten Erbauungsschrift (W. Besch) erwiesen (im folgenden dazu Näheres). In all diesen Fällen bewegt sich die vergleichende Untersuchung jeweils innerhalb einer einzigen literarischen Gattung. Darin liegt ein Vorteil, andererseits müssen bei diesem Verfahren gewisse Nachteile insofern in Kauf genommen werden, als z. B. über nur eine literarische Gattung Aussagen gemacht werden können oder die einzelnen Texte nicht Uber das ganze deutsche Sprachgebiet verteilt sind. G. Ising weist in seiner auf ein Quellenkorpus von Bibelübersetzungen und Glossaren gegründeten Arbeit "Zur Wortgeographie spätmittelalterlicher deutscher Schriftdialekte" nach, daß neben dem Anteil hochdeutscher SpraQhlandschaften, z.B. des Ostmitteldeutschen, am Aufbau der Lexik der deutschen Literatursprache ein nicht unbeträchtlicher Einfluß des Niederdeutschen vorhanden ist, worauf auch v. Bahder bereits aufmerksam gemacht hatte. Prinzipiell stellt Ising fest: "Die Ausgleichsvorgänge bei der Herausbildung des schriftsprachlichen deutschen Wortschatzes vollziehen sich im Sinne eines echten Mischungsprozesses, nicht im Sinne der Übernahme eines in einer einzelnen Sprachlandschaft bereits fertig ausgebildeten Bestandes im Wortschatz... Alle deutschen Sprachlandschaften einschließlich des Niederdeutschen sind an diesem 3
Mischungs- und Ausgleichsprozeß beteiligt. " Die Arbeit von W. Besch über "Sprachlandschaften und Sprachausgleich im 15. Jahrhundert" untersucht 72 Handschriften, alle bis auf wenige Ausnahmen von ein und derselben Erbauungsschrift. Die Lokalisierung dieses Textkorpus ergibt "ein Ortsnetz . . . , das im Oberdeutschen erfreulich 4 dicht, im Mitteldeutschen leidlich, im Niederdeutschen völlig unzureichend ist." Besch bestreitet die überragende Rolle der meißnischen Sprachlandschaft bei den Ausgleichsprozessen in der Literatursprache; er lenkt die Aufmerksamkeit auf den Südosten und das "gemeine Deutsch", ohne allerdings die Bedeutung anderer 5Landschaf ten, insbesondere des Ostmitteldeutschen, in Abrede zu stellen. H. Winkler stellt die Frage nach der lexikalischen Norm der Literatursprache anhand von Flugschriften aus der Zeit der Reformation und des Bauernkrieges, deren Lexik sie im Alphabetbereich A - K untersucht. Sie stellt eine weitgehende Einheitlichkeit des Wortbestandes in den untersuchten (oberdeutschen und mitteldeutschen) Quellen fest. Durch diese und andere Arbeiten - dazu gehören auch g Untersuchungen zu einzelnen Wörtern und Wortgruppen sowie zu einzelnen Autoren - kann die Frage nach der Ausbildung der lexikalischen Norm der deutschen Literatursprache noch nicht umfassend
Einführung
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beantwortet werden. Weitere Untersuchungen sind erforderlich. Das geht auch aus der Monographie von M. M. Guchmann, Der Weg zur deutschen Nationalsprache, hervor. Unsere Arbeiten wollen zur Klärung einiger Teilprobleme beitragen.
4. Der Gegenstand unserer Untersuchungen In den Arbeiten des vorliegenden Bandes werden Ausgleichsprozesse als Voraussetzung für die Ausbildung der lexikalischen Norm der deutschen Literatursprache an Bezeichnungsgruppen untersucht, die jeweils e i n e n Begriff ausdrucken. Die einzelnen Bezeichnungen sind vielfach nicht durch semantische Gleichheit, sondern durch Bedeutungsähnlichkeit zu einer Gruppe verbunden. Sie werden Synonyme genannt. Darunter verstehen wir nicht nur diejenigen bedeutungsgleichen oder -ähnlichen Wörter, die (nebeneinander) in ein und derselben Landschaft, in ein und derselben Quelle vorkommen, sondern auch solche, die unterschiedlichen Landschaften angehören und die teilweise im wissenschaftlichen Schrifttum als Heteronyme bezeichnet werden. In diachronischer Sicht sind die Wörter einer Gruppe nicht nur durch ihre Synonymie, sondern auch durch ihre potentielle Konkurrenzfähigkeit hinsichtlich der Entwicklung eines einheitlichen Sprachgebrauchs miteinander verbunden. Wir sprechen daher auch von Konkurrenten und Konkurrentengruppen. Die Konkurrenten werden, dem besonderen Anliegen unserer Arbeiten entsprechend, auf der Ebene der Literatursprache untersucht. Die Konkurrenz kann unterschiedlich bedingt sein. Namentlich sind die folgenden Möglichkeiten gegeben: - Sie kann geographisch bedingt sein durch unterschiedliche landschaftliche Herkunft der Konkurrenten. Das ist z. B. der Fall bei /Fleischer, Metzger, Schlachter/. Der Wortschatz-der deutschen Literatursprache entwickelt sich auf dem Boden der Territorialdialekte bzw. der regionalen Literatursprachen und im Zusammenhang mit deren Lexik. - Sie tonn sozial bedingt sein, da sich der Wortschatz der Literatursprache im Zusammenhang mit der Gesellschaft und ihrer sozialen Schichtung entwickelt. Sozial bedingte Konkurrenz liegt z. B. im Fall von /Knecht, Geselle/ als Bezeichnungen des Begriffs 'abhängiger Handwerker nach Abschluß der Lehrzeit' vor. - Sie kann eine Folge der Übernahme fremden Wortgutes sein (vgl. z. B. /Prokurator, Fürsprecher/). Unsere Untersuchungen gehen jeweils vom Begriff aus (z. B. 'abhängiger Handwerker nach Abschluß der Lehrzeit'). Sie sind durch den onomasiologisehen Ansatzpunkt sowie durch eine Sprachbeschreibung gekennzeichnet, bei der der synchronische Aspekt durch den diachronischen ergänzt wird. Sie betrachten die Entwicklung der Lexik in engem
Einführung
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Zusammenhang mit außersprachlichen, gesellschaftlichen Veränderungen. Anhand konkurrierender Wörter, die als Bezeichnungen eines Begriffes z.T. austauschbar sind, untersuchen sie eine besondere Erscheinung der sprachlichen Realität. Die - durch die Konkurrenten ausgedrückten - Begriffe werden als Widerspiegelungen objektiv realer Gegebenheiten und nicht als Ergebnis der Ordnung und Abgrenzung von Wörtern im sprachlichen Feld verstanden. Daher folgen wir in unseren Arbeiten nicht dem Triersehen Feldbegriff; ebensowenig können wir uns bestimmten, die "sprachliche Zwischenwelt" betreffenden Ansichten der Sprachinhaltsforschung (z. B. Weisgerber) anschließen, die mit dem Blick auf die Besonderheiten nationaler Sprachinhalte den Einfluß der Sprache auf Erkenntnis und Denken überschätzen. Die in unseren Arbeiten untersuchten Konkurrentengruppen wurden vorwiegend unter dem Gesichtspunkt, daß sich in ihrer Entwicklung relevante gesellschaftliche Prozesse widerspiegeln, aus unterschiedlichen Sach- und damit Wortschatzbereichen ausgewählt: bäuerlicher Lebensbereich, Handwerk, Handel und Recht, die für die Struktur und Entwicklung der Gesellschaft in der untersuchten Epophe von entscheidender Bedeutung waren. Die behandelten Wörter gehören in der Regel der allgemein oder weithin bekannten und gebrauchten Lexik an. Gerade diese Lexik, nicht der fach- und sondersprachliche Wortschatz im engeren Sinne, verdient bei Arbeiten zu unserer Thematik besondere Beachtung. Ein Teil der untersuchten Bezeichnungen gehört zwar einem Fachwortschatz (des Handels oder Rechts) an, ist aber zugleich Teil der Allgemeinsprache, wie z. B. /Makler/ oder /Strafe, Advokat/. In fast allen Arbeiten des vorliegenden Bandes werden Personenbezeichnungen behandelt. Es wurde davon ausgegangen, daß Personenbezeichnungen gesellschaftliche Entwicklungsprozesse besonders anschaulich wider7 spiegeln, so daß Aufschlüsse über wichtige außersprachliche Faktoren erwartet werden durften, die bei den Ausgleichsprozessen in der Literatursprache eine Rolle gespielt haben. 5. Der wortgeographische Gesichtspunkt Wir nehmen an, daß die Ausbildung der nationalen Norm in der deutschen Lexik weitgehend auf dem Wege des Ausgleichs erfolgte, wobei Wörter mit zunächst sozial oder regional begrenztem Geltungsbereich sich gegen konkurrierende Bildungen durchsetzten und in der Literatursprache zu allgemeiner Geltung gelangten. Die Frage des Anteils bestimmter Landschaften am Ausgleichs- und Vereinheitlichungsprozeß ist von der sprachgeschichtlichen Forschung oft behandelt und unterschiedlich beantwortet worden. Auch in den Arbeiten des vorliegenden Bandes spielt diese Frage eine wichtige Rolle. Die Untersuchungen und das ihnen zugrunde liegende Belegkorpus wurden daher so an-
Einführung
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gelegt, daß sie sich auf das gesamte deutsche Sprachgebiet erstrecken. Das Gesamtgebiet wurde auf der Grundlage der bestehenden Dialekte in Großlandschaften oder Sprachlandschaften eingeteilt (vgl. Bd. 1,
S. 23), die hinsichtlich ihres lexikalischen Befun-
des miteinander verglichen werden. Das Mitteldeutsche ist in West- und Ostmitteldeutsch, das Niederdeutsche in West- und Ostniederdeutsch unterteilt. Für das Oberdeutsche wurde eine Dreiteilung vorgenommen in Westoberdeutsch (= schwäbisch und alemannisch), Ostoberdeutsch (= bairisch-österreichisch) und Oberfränkisch (= ostund südfränkisch). Diese im wesentlichen auf lautlichen Kriterien beruhende Einteilung des deutschen Sprachgebietes in 7 Großlandschaften soll für beide Untersuchungszeiträume (s. 7.) in gleicher Weise gelten. Deshalb mußten Veränderungen wie etwa die Nordverschiebung der Sprachgrenze zwischen dem Ostmitteldeutschen und Ostniederdeutschen unberücksichtigt bleiben. So werden Berlin und Frankfurt/Oder auch im 2. Untersuchungszeitraum zum Ostniederdeutschen gestellt. Es muß betont werden, daß die gewählten Landschaftsbezeichnungen sich nicht auf den Lautstand der von uns benutzten Quellen, sondern auf deren großlandschaftliche Einordnung schlechthin beziehen. So müssen in die west- oder ostniederdeutsche Großlandschaft einzuordnende Quellen nicht unbedingt in niederdeutscher Sprachform abgefaßt sein. In der Regel sind die niederdeutschen Quellen des 1. Untersuchungszeitraumes in niederdeutscher, die des 2. Zeitraumes in hochdeutscher Sprachform abgefaßt. Für den Wortbestand ist dieser Wechsel ohnehin kaum von Belang. Die Aufgliederung des deutschen Sprachgebietes in die genannten 7 Großlandschaften ist im Regelfall die Grundlage für die Darstellung des lexikalischen Befundes. Zusätzlich können aber - soweit erforderlich - speziellere Angaben zum Vorkommen eines Wortes gemacht werden, z. B. schwäbisch, obersächsisch, Nürnberg usw.
6. Zum Anteil der verschiedenen sozialen Schichten an den Ausgleichstendenzen in der Literatursprache Wir gehen davon aus, daß literatursprachliche Ausgleichstendenzen nicht in gleichem Maße in allen Wortschatzbereichen wirksam werden und daß darin der unterschiedliche Anteil der verschiedenen sozialen Schichten an der Normausbildung zum Ausdruck kommen kann. Um diese Frage zu untersuchen, sind unsere Arbeiten in unterschiedlichen Wortschatzbereichen angesiedelt (s. 4.). Insbesondere soll angestrebt werden, soziale Schichten, die sich bei diesen sprachlichen Prozessen als besonders aktiv erweisen, hervorzuheben. Die Notwendigkeit überlandschaftlicher Vereinheitlichung bestand offenbar in besonderem Maße für den Wortschatz von Handel, Recht, Verwaltung, also des öffentlichen Lebens, das sich unter den Bedingungen der Herausbildung des Frühkapitalismus in den Städten konzentrierte. Wesentliche Elemente des städtischen Lebens
Einfahrung
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wurden auch Universitäten und Buchdruck. Als wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Zentren wurden die Städte zu Mittelpunkten der Sprachmischung und (z. B. durch das Interesse des Buchdrucks an der Verbreitung seiner Erzeugnisse) des sprachlichen Ausgleichs, während die vom Verkehr abgeschlossene Landbevölkerung stärker an der sprachlichen Differenzierung festhielt. Um für die von uns untersuchten Konkurrentengruppen, die unterschiedlichen Wortschatzbereichen angehören, ausreichend Material zu gewinnen, wurde die Belegsammlung nicht auf einige bestimmte Literaturgattungen beschränkt, vielmehr wurden Quellen unterschiedlicher Gattungen gezielt ausgewertet. Da außerdem das Archiv des Deutschen Wörterbuchs von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm sowie wissenschaftliche Hilfsmittel (insbesondere Wörterbücher) benutzt wurden, sind praktisch alle Gattungen im Belegmaterial vertreten. Auf Grund der Vielschichtigkeit des Quellen- und Materialkorpus meinen wir Aussagen Uber Sprachträger und den Anteil verschiedener sozialer Schichten an den Ausgleichsprozessen machen zu können.
7. Synchronie und Diachronie Entsprechend der Anlage des Gesamtprojekts wird der literatursprachliche Wortgebrauch in zwei Zeiträumen, 1470 - 1530 und 1670 - 1730, untersucht. Diese liegen etwa am Beginn und Ende einer Epoche, in der nach bisherigen Forschungsergebnissen der lexikalische Ausgleich in der deutschen Literatursprache weitgehend erfolgt ist (vgl. unter 2.). Die erreichten Fortschritte bzw. die eingetretenen Veränderungen werden durch Vergleich des in den beiden Zeiträumen ermittelten Befundes deutlich gemacht. Der im 2. Zeitraum festgestellte Stand wird außerdem an Wörterbüchern, die den Sprachgebrauch der Zeit reflektieren, sowie am Wortgebrauch der Gegenwart vergleichend gemessen. Für die Entwicklung der Lexik sind die jeweils 60 Jahre umfassenden Unter suchungszeiträume nur bedingt als synchrone Querschnitte anzusehen, da sich in einer solchen Zeitspanne sehr wohl Wandlungen in der Lexik vollziehen können (vgl. das unter 1. zur Entwicklung der Lexik Gesagte). Ein schmalerer Zeitabschnitt hätte jedoch die Quellenauswahl und die Materialgrundlage zu stark eingeengt. Die Untersuchungszeiträume werden^ sofern der Wortgebrauch es erforderlich macht, weiter unterteilt. Der Vergleich zweier Untersuchungszeiträume miteinander und des 2. Zeitraums mit der Sprache der Gegenwart erlaubt unter Umständen noch nicht, die Entwicklung des Wortgebrauchs bis ins Detail zu erfassen. Unsere Materialgrundlage wurde daher so angelegt, daß sie es ermöglicht, Angaben zu Veränderungen in den untersuchten Konkurrentengruppen auch außerhalb der Untersuchungszeiträume, insbesondere für die Zeit vor
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Einführung
1470 sowie von 1530 - 1670, zu machen. Diesem Ziel dient auch die Benutzung des Archivmaterials des DWB und die Auswertung wissenschaftlicher Hilfsmittel, insbesondere der Wörterbücher.
8. Angaben zur Häufigkeit der untersuchten Konkurrenten Die Verhältnisse in den einzelnen Konkurrentengruppen und deren Wandlungen kommen u. a. in (Veränderungen) der relativen Häufigkeit der Konkurrenten zum Ausdruck. Über diese Mengenrelationen wird in unseren Arbeiten - durch Prozentangaben, die in Tabellen zusammengefaßt werden - Auskunft gegeben. Darüber hinaus werden, wo es angezeigt scheint, auch absolute Belegzahlen genannt, insbesondere um über das Gesamtmaterial, das der jeweiligen Arbeit bzw. dem einzelnen Untersuchungszeitraum zugrunde liegt, Auskunft zu geben und damit einen festen Bezugspunkt für die Prozentangaben zu schaffen.Zu den Mengenangaben muß afcer gesagt werden, daß die Belegstellen des Quellenkorpus für die untersuchten Konkurrenten nicht vollständig ausgezogen wurden. Die Exzerption hatte auswählenden Charakter unter dem Gesichtspunkt der Beschränkung auf eine repräsentative Belegauswahl. Dazugenommen wurde das Material des DWB-Archivs, das - bedingt durch die Geschichte des DWB - in seinen einzelnen Teilen nicht gleichmäßig ist. Ferner wurden aus der wissenschaftlichen Literatur, insbesondere aus Wörterbüchern, die historische Quellen auswerten, Belege gewonnen. Die Möglichkeiten dazu waren aber unterschiedlich, im Westoberdeutschen z.B. sehr gut wegen des Vorhandenseins großer Wörterbücher, die reichlich historisches Belegmaterial bieten, weniger günstig in anderen Landschaften, vor allem im Mitteldeutschen. Trotz dieser Einschränkungen sind im ganzen verhältnismäßig sichere Angaben zur relativen Häufigkeit der untersuchten Konkurrenten zu machen. In einzelnen Quellen wurden - im Gegensatz zur auswählenden Exzerption (s. oben) - die Belege für die untersuchten Konkurrenten vollständig erfaßt (Totalexzerption), um an den hier vorhandenen Mengenverhältnissen die Relationen des übrigen Materials messen zu können. Der Vergleich bestätigte im ganzen die Zuverlässigkeit des durch auswählende Exzerption gewonnenen Belegkorpus; auf die Darstellung der einzelnen Vergleichsergebnisse kann daher verzichtet werden. Das durch Totalexzerption gewonnene Material wird in den oben erwähnten Tabellen nicht mitgerechnet. Für das Verfahren einer Kombination verscliiedener Exzerptionsmethoden konnten die beim Aufbau des Wortarchivs für die Neubearbeitung des DWB gewonnenen Erfahrungen genutzt werden.
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9. Quellenkorpus und Materialsammlung Die Zusammensetzung des Quellenkorpus ist für die Gewinnung eines tragfähigen Belegmaterials von entscheidender Bedeutung. Für die Auswahl der Quellen waren drei Aspekte maßgebend: der geographische, der historische und der soziologische. Es war auch darauf zu achten, daß für die einzelnen Themen des vorliegenden Sammelbandes ergiebige Quellen erschlossen wurden. Vor allem wurden solche ausgewertet, die Material für alle Themen enthielten. Ergänzt wurde diese Sammlung durch die Auswertung von Quellen, die auf Grund ihrer spezielleren Lexik vor allem Bezeichnungen zu bestimmten Konkurrentengruppen erwarten ließen. o Das Quellenkorpus besteht aus insgesamt etwa 350 Quellen und umfaßt Texte aller wichtigeren Gattungen: Urkunden, Chroniken, Fachliteratur, Verordnungs- und Gesetzestexte, schöne Literatur, Briefe und Tagebücher, im 2. Untersuchungszeitraum auch periodisches Schrifttum. Die Quellen wurden so ausgewählt, daß sie hauptsächlich Belege für die beiden Untersuchungszeiträume (1470 - 1530 und 1670 - 1730) lieferten, aber auch Material, das weitergehende Aussagen ermöglicht. Von den insgesamt 350 Quellen stammen etwa 170 aus dem ersten, 120 aus dem zweiten Zeitraum. Der Rest verteilt sich im wesentlichen auf das 15. Jahrhundert bis 1470 und auf die Zeit zwischen 1530 und 1670. Bei der Auswahl der Quellen war ferner darauf zu achten, aus allen sieben Großlandschaften nach Umfang und Inhalt gleiche oder vergleichbare Texte heranzuziehen. Auf Grund der unterschiedlichen Quellenlage und des unterschiedlichen Standes der Edition (besonders von Texten des 15. und 16. Jahrhunderts) war dies aber nicht für alle Großlandschaften und Literaturgattungen möglich. Stärker vertreten sind beispielsweise im 1. Untersuchungszeitraum das Ostmitteldeutsche und Westoberdeutsche. Andererseits sind das Oberdeutsche und das Westmitteldeutsche im 2. Zeitraum etwas schwächer repräsentiert. Durch laufende Überprüfung der Exzerptionsergebnisse noch während der Sammelarbeiten konnten Auswahl und Auswertung der Quellen im ganzen so gesteuert werden, daß Disproportionen im Material, die die Sprachwirklichkeit verfälschen, vermieden wurden. Für die Gegenwart stutzen sich unsere Aussagen im wesentlichen auf das WDG und die ihm zugrunde liegende Kartei.
10.
Die im vorliegenden Sammelband vereinigten Arbeiten sollen den Prozeß der Normausbildung in der Lexik auf der Ebene der Literatursprache klären helfen. Da sie sich auf die Untersuchung einzelner Konkurrentengruppen beschränken, sind ihre Ergebnisse nur begrenzt zu verallgemeinern. Wir halten es jedoch für möglich, einzelne Seiten dieses
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Prozesses im Zusammenhang mit der gesellschaftlichen Entwicklung deutlicher, als es bisher geschehen ist, hervortreten zu lassen. Damit wollen wir einen Beitrag zur Aufhellung des Verhältnisses von Sprache und Gesellschaft leisten.
Berlin, im November 1975
Joachim DUckert
Anmerkungen 1 2 3 4 5 6 7 8
Bahder, Wortwahl (1925) 1. Ebd. 5. Ising, Wortgeogr. (1968) 1, 136. Besch, Sprachlandschaften (1967) 22. Winkler, Wortbestand (1970). Vgl. Wolf, Mathesius (1969). Spillmann, Müntzer (1971). Vgl. Ricken, "Gelehrter" (1961). Schippan, Semasiologie (1972) 186. S. das Verzeichnis der systematisch exzerpierten Quellen S. 321 -339.
»BAUER» WORTSCHATZUNTERSUCHUNGEN ZU EINEM GRUNDBEGRIFF AUS DEM BÄUERLICHEN LEBENSBEREICH
Anna Huber
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1.
Einleitung
1.1. Begründung der Wahl des Themas Entsprechend dem Gesamtplan des Bandes, Teile des Wortschatzes aus allen wichtigen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens in die Untersuchungen einzubeziehen, darf auch der bäuerliche Lebensbereich nicht unberücksichtigt bleiben, denn in den gewählten Untersuchungszeiträumen macht die Landbevölkerung den weitaus größten Teil der Gesamtbevölkerung aus. * Die Bauern sind in der Epoche des Feudalismus eine Grundklasse und nicht nur zahlenmäßig, sondern vor allem auch von ihrer ökonomischen und soziologischen Relevanz her, stellen sie eine wichtige historische Potenz dar. Im Untersuchungszeitraum 1470 - 1530 war die soziale Lage der Bauern besonders drückend. "Auf den Bauern lastete der ganze Schichtenbau der Gesellschaft, Fürsten, Adel, Beamte, Pfaffen, Patrizier und Bürger... er wurde überall wie eine Sache, wie 2
ein Lasttier behandelt, und schlimmer." Schon in den letzten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts begannen in einigen Teilen Deutschlands revolutionäre Bewegungen der Bauern, die sich schließlich 1525 im Großen Deutschen Bauernkrieg in voller Stärke entluden. Ideologisch gefördert wurden die Bauernaufstände durch das Ideengut der Reformation. Auf die Bauern richteten sich die Erwartungen auch weiter Kreise des fortschrittlichen Bürgertums für eine Befreiung von der feudalen Herrschaft. Die Niederlage der Bauern hatte zur Folge, daß der Feudalismus auf deutschem Boden sich noch für Jahrhunderte festigen konnte und die nationale Einheit Deutschlands auf lange Sicht verhindert wurde, während sich in andern Teilen Europas einheitliche Nationalstaaten herausbilden konnten. Die Niederlage der Bauern war auch die Voraussetzung für die Durchsetzung der "zweiten Leibeigenschaft", die insbesondere in den ostelbischen Gebieten Deutschlands bis in das 19. Jahrhundert hinein außerordentlich drückende soziale Bedingungen für die Bauern schuf. Diese wichtigen historischen Tatsachen blieben nicht ohne Einfluß auf die Rolle des Bauern in der Literatur, auf die Art seiner Bewertung durch die jeweiligen Zeitgenossen. So waren die Bauern in der Epoche der Reformation und des Bauernkrieges in ganz besonderem Maße Gegenstand der Literatur und genossen eine außerordentlich positive Einschätzung bei der Mehrheit der Bevölkerung. Seit den letzten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts hatten sich neue, sehr massenwirksame Publikationsformen durchgesetzt: 3 die Flugblätter und Flugschriften. Sie erschienen in hohen Auflagen und vielen Nach4
drucken. Ihre Zahl wird auf 2000 allein in den Jahren 1517 - 1525 geschätzt.
Die ein-
fache Ausstattung machte sie auch für finanziell weniger gut gestellte Bevölkerungsschichten erschwinglich. Gerade der einfache Bauer fand in der reformatorischen Flugschriftenliteratur besondere Beachtung und wi rde als Beispiel vorbildlicher Lebensführung den in Reichtum und Ausschweifung lebenden Fürsten, Adligen und Geistlichen
Anna Huber
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gegenübergestellt. Dieses neue progressive Ideengut erreichte durch mündliche Weitergabe, z. B. durch Predigten reformatorischer Geistlicher, auch weite Bevölkerungskreise, die des Lesens und Schreibens unkundig waren. Obgleich die Bauern infolge ihres geringen Bildungsstandes selbst nicht in der Lage waren, sich literarisch zu äußern, wurden gerade ihnen die Anliegen und Hoffnungen jener Zeit in den Mund gelegt. Im zweiten Untersuchungszeitraum spielt der Bauer kaum eine Rolle in der Literatur. Seiner niedrigen sozialen Stellung entspricht eine geringe Achtung durch Adel und Stadtbürgertum, die ihn wegen seiner mangelnden Bildung und seiner Unfähigkeit, sich "gesellschaftsfähig" zu benehmen, geringschätzen. So ist der Bauer in der Regel - sofern er überhaupt in der Literatur auftritt - Gegenstand des Spottes, Verkörperung von Grobheit und oft auch von geistiger und moralischer Minderwertigkeit. Man kann mit Recht von der Voraussetzung ausgehen, daß der Bauer in enger Verbindung mit wichtigen historischen Prozessen steht, und daß er von den verschiedensten Standpunkten her in der Literatur Erwähnung findet. 1.2. Fragestellung Die Bezeichnungsweisen für den Begriff ' Bauer', die Art seiner Verwendung in den schriftlichen Äußerungen der jeweiligen Zeitgenossen können Ausgangspunkt für wichtige linguistische und soziolinguistische Fragestellungen sein. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspuhkte werden die Bezeichnungsmöglichkeiten für den Begriff beschrieben, charakterisiert und mit anschaulichen Belegen dokumentiert. Über die beiden Untersuchungszeiträume hinaus wird auch für die Gegenwart, die ja auf dem Gebiet der Landwirtschaft als eine Zeit grundlegender Umgestaltung gelten kann, die Frage gestellt, inwieweit die behandelten Bezeichnungen noch gültig und für den Begriff repräsentativ sind. 1. 3. Begriffsbestimmung und Abgrenzung Unter ' Bauer' wird in der vorliegenden Arbeit der Inhaber landwirtschaftlicher Produktionsmittel verstanden, der hauptberuflich Landwirtschaft betreibt. 'Entsprechend den jeweils geltenden Produktionsweisen und örtlich und zeitlich differenzierten ökonomischen Bedingungen weist seine gesellschaftliche Stellung sehr erhbliche Unterschiede auf. In der Epoche des Feudalismus bilden die Bauern - abgesehen von einer kleinen Schicht freier Bauern - eine Klasse von Leibeigenen und Hörigen. Im Kapitalismus erfolgt eine Differenzierung in die werktätigen Klein- und Mittelbauern und in Großbauern, die der herrschenden Klasse angehören. Im Sozialismus bilden die Bauern eine Klasse neuer Qualität, die Genossenschaftsbauern. Bei der Wahl und Abgrenzung der zu untersuchenden Bezeichnungen wird von dem
'Bauer'
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Haupttätigkeitsmerkmal des Bauern ausgegangen, von der Bestellung und Nutzung des Bodens, das im wesentlichen in allen Gesellschaftsordnungen konstant bleibt. Folgende Bezeichnungen werden abgehandelt: /Ackerbauer, Ackermann, Bauer, Bauersmann, Baumann, Gebauer, Landmann, Landwirt/ mit den dazugehörigen Pluralformen /Ackerg
leute, Bauersleute, Bauleute, Landleute/. Es handelt sich um Bezeichnungen, die für die Gesamtheit der Bauern verwendet werden können und die auch eine gewisse Sprachüblichkeit zumindest in einem der beiden Untersuchungszeiträume oder in der Gegenwart erlangt haben. Nicht berücksichtigt werden die zahlreichen Bezeichnungen, die nur für bestimmte Gruppen der bäuerlichen Bevölkerung zutreffen und die den verschiedenen sozialen und lokalen Besonderheiten Rechnung tragen, wie z. B. /Häusler, Hübner, Hintersasse/ u. a. 1.4. Zur Materialgrundlage Diese Untersuchung liegen 1477 Belege zugrunde. Darin einbegriffen ist auch das Material aus dem Archiv für die Neubearbeitung des Deutschen Wörterbuchs, das besonders für den Alphabetteil A - F (Also für /Ackerbauer, Ackermann, Bauer, Bauersmann, Baumann/) ergiebig war, für /Gebauer, Landmann, Landwirt/ aber keine nennenswerte Materialbereicherung brachte.
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Anna Huber 2.
Beschreibung der Bezeichnungen für den Begriff ' Bauer*
2.1.
Zeitraum 1470 - 1530
2.1.1. Beschreibung des Materials Aus diesem Untersuchungszeitraum liegen für den Begriff ' Bauer' insgesamt 666 Belege vor. Sie verteilen sich in unterschiedlicher Stärke auf folgende Bezeichnungen: /Bauer/: 58, 5 %; /Baumann/: 12,2 %; /Ackerirtann/: H, 3 %; /Bauersmann/: 9,6 %; /Gebauer/: 6,9 %; /Ackerbauer/: 1, 5 % vereinzelt tritt auch /Landmann/ auf. In den dargebotenen Belegen wird neben der landschaftlichen Verbreitung der einzelnen Bezeichnungen auch ein Einblick in die Tätigkeit, Lebensweise, soziale Stellung des Bauern unter den verschiedensten Aspekten gegeben. Bauer Das Wort /Bauer/ hat den weitaus größten Anteil an der Gesamtzahl der Belege. Es ist besonders stark belegt im Westoberdeutschen und Ostmitteldeutschen, aber auch in allen übrigen Landschaften ist es das eindeutig dominierende Wort. Es kann also schon zu diesem Zeitpunkt als die gültige Klassen- und Berufsbezeichnung angesehen werden: wobd. omd. wnd,
/Ein frummer pur in syner acht, Der selb ist aller eren werdt, So er sich von sym buwen nert, Einfeltig handlet in sym stat/ (1512) Murner 2, 390 Sch. /Ein schuster, ein schmid, ein bawr, ein yglicher seyns handtwercks ampt unnd werck hat/ (1520) Luther, W. 6,409W. /De erste is de stad van den arbeyders, de syk neren eres swaren arbeydes vnde bruken erer kunst myt arbeyde, alze bure, amptlude vnde andere/ (1498) Reinke de Vos 4 P.
Besonders an dem Worte /Bauer/ lassen sich die wesentlichsten sozialen und politischen Gegensätze dieses Zeitraums ablesen. Immer, wenn Gesichtspunkte von gesellschaftlicher und sozialer Relevanz im Zusammenhang mit der Klasse der Bauern zur Sprache kommen, sei es vom neutralen, sei es von bauernfreundlichem oder bauernfeindlichem Standpunkt, wird in der Regel das Wort /Bauer/ verwendet. Für alle, die einer übergeordneten Gesellschaftsschicht angehören, verkörpert der Bauer in der Regel nicht nur soziale Minderwertigkeit, sondern zugleich auch geistige und moralische. Wird der Begriff unter diesem Aspekt erwähnt, so wird ausschließlich /Bauer/ und keine der anderen Bezeichnungen gebraucht. Wiederholt erscheint bei dem Worte /Bauer/ das Attribut /grob/: /nit als die groben baure . . . sund' nach vnßer leer/ (1493) Petrus de Crescentiis, Nutz der Ding (1518) 120d.
'Bauer'
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/Dem nach faren die groben bauren auch mit süffeln hereyn/ (1525) Luther, W. 17,2, 55 W. g Für sich nimmt der adlig Geborene das Attribut "edel" in Anspruch , und es wird ihm auch widerspruchslos von der Gesellschaft zuerkannt. So werden /edel/ und /Bauer/ als Gegensatz verwendet, der für so selbstverständlich und unabhänderlich angesehen wird wie Gegensätze, die durch Naturgesetze bedingt sind, etwa wie Jung - alt, groß klein, lang - kurz: /Der tod Übersicht nieman, er sey jung oder alt Edell oder baur, . . . reich oder a r m / (1510) Geiler, Trost Spiegel gg 2 C . /ain mensch . . . gros oder klain, lang oder kurtz, starckh oder swach, edel oder ain pawer/ (1528) Berthold v. Chiemsee, Theol. 309 R. Als Frucht der Propagierung revolutionären Gedankengutes bricht sich aber ein neues positiveres Bild des Bauern im Bewußtsein der Gesellschaft Bahn., Der Anspruch 7 der "Edlen" wird in Frage gestellt, denn der eigentliche Adel, der Tugendadel, ist nicht an adlige Geburt gebunden; die Berechtigung der scheinbar naturgegebenen Wertunterschiede wird in Zweifel gezogen: / d a s hoffart d' edelen sey ain großes übel, so sy die and' n pauren nenen vnd verachten, dardurch sy jren vnadel ertzaigen wan der ist nit edel der nit tugenhaftig ist vii nit würcket g8te werck/ (vl475) Eyb, Sitten (1511) 6 b . /Wirt ein priester erschlagen, szo ligt ein land ym Interdict, warumb auch nit, wen ein bawr erschlagen wirt? wo kumpt her solchs grosz unterscheyd unter den gleychen Christenn? allein ausz menschen gesetzen und tichten/ (1520) Luther, W. 6,410 W. Wesentlich kühner und deutlicher ist die Parteinahme für die Bauern im politischen Schrifttum, insbesondere in der Publizistik der Zeit: / d e r bawer mus noch die sachen richten, muß auch noch ein mal herr im haus werden, dem pfaffen den flegel auch geben, damit er seine kinder auch ernere/ (1523) Flugschr. Ref. 3,212 C. /die pauren sind arbetselige leut, sie haben jr leben mit der gantz sauren narung zubracht, auff das sie den ertz gottlosen Tyrannen den halß gefullet haben/ (1524) Müntzer, Polit. Sehr. 44 H. Der Bauer selbst tritt als Verfasser - bedingt durch seinen geringen Bildungsstand selten direkt in Erscheinung. Das Wort /Bauer/ in sprachlichen Äußerungen der Bauern selbst kann man am ehesten aus den zwölf Artikeln erschließen, die doch wenigstens unmittelbar im Namen der Bauern geschrieben wurden und aus Selbstbezeichnungen, die revolutionäre Bauerngruppen für sich gewählt haben:
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Anna Huber /Der herr soll jn nit weiter zwyngen noch dryngen, mer dyenst noch anders von jm vmb sunst begeren, Darmit der Baur solych g8tt onbeschwert also rüebllch brauchen vnd messen müg, ob aber dem herre dienst von notten weren, sol jm der baur willig vii gehorsam für ander sein, doch z8 stund vnd zeyt, das dem bauren nit z8 nachtail dyen/ (1525) 12 Artikel d. Bauern 43 G./Sch. /Unser beger an euch, daß ir wollet bei uns ston als bruder der gerechtigkeit, nach dem gemeinen nutz zu fordern nach laut der 12 artikel, so von den swartzen bauern ausgangen, so mit uns bruderlich vertraudt haben zusammenzuhalten, wihe cristliche orudern . . . anstet/ (1525) Akten Bauernkrieg Mitteldtld. 2,101 M. / F . Um so häufiger wird der Bauer indirekt in der Flugschriftenliteratur zum Sprecher
und zur handelnden Person. Oft geben die meist humanistisch gebildeten Verfasser Q
von Flugschriften vor, Bauer zu sein. Auf die außerordentliche Verbreitung und Popularität der Flugschriften wurde bereits hingewiesen. Es ist daher für die nachhaltige Durchsetzung des Wortes /Bauer/ bedeutsam, daß die Flugschriften es bei weitem allen übrigen Bezeichnungen vorziehen, g H. Winkler hat eine Reihe von Flugschriften auf ihre Wortwahl hin untersucht. Aus der Untersuchung geht hervor, daß fast ausschließlich die Bezeichnung /Bauer/ für den Begriff gewählt wurde. Diese Bevorzugung des Wortes / B a u e r / läßt sich auch aus einer Reihe von Flugschriftentiteln belegen, folgende Beispiele können für viele stehen: Der gestryfft Schwitzer Bauer (1522); 11 g Dialogus . . . zwischen einem Muntzerischen Schwermer vnd einem Euangelischen frumen Bauwern (1525); 12 13 Dialogus zwischen Petro und eynemBauern (1523); Gesprächbüchlein von eynem Bawern, Belial, Erasmo Roterodam (1524); 14 o 15 Ain schöner dialogus wie ein bauer mit aim Frauenbruder münich redt (o. J . ) . In den Akten zur Geschichte des Bauernkrieges ist das Wort /Bauer/ zu 95,7 % 16 vertreten, die übrigen Bezeichnungen fallen hier prozentual nicht ins Gewicht. Auch die Beunruhigung, der Groll einer durch die revolutionären Aktionen der Bauern in ihren Grundfesten erschütterten Gesellschaft entzündet und entlädt sich im Gebrauch des Wortes / B a u e r / . Obgleich die Bauern mit den eigenen Interessen zugleich die des Bürgertums vertraten, schreckte die große Mehrheit des sich herausbildenden Bürgertums vor der gewaltsamen Verwirklichung der revolutionären Forderungen zurück und verurteilte die Aktionen der Bauern mit der gleichen Schärfe wie diejenigen, gegen die sie gerichtet waren. Der vorübergehenden Hochachtung und Wertschätzung des Bauern, die sich in der Publizistik der Zeit geäußert hatte, folgte nach der Niederschlagung der Aufstände eine noch tiefere Geringschätzung. Sogar so bedeutende Autoren
'Bauer'
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wie Luther gaben ihrem Abscheu krassen Ausdruck, obgleich sie ursprünglich eine positive Haltung eingenommen und die Bauern zu ihrem Befreiungskampf sogar ermuntert hatten: /der oberkeyt, so da kan und w i l l . . . solche bawrn schlahen und straffen, will ich nicht weren . . . Denn sie hat das gut recht, Syntemal die bawrn nu nicht mehr umb das Euangelion fechten, sondern sind öffentlich worden e e trewlose, meyneydige, ungehorsame auffrurische morder, reuber, gottlesterer/ (1525) Luther, W. 18,359 W. /vor zwayen vnd dreyen jaren hat dewfel wider geistlich vnd weltlich oberkait aufgewigelt pawren vnd gemein volck, dieselben haben vesstiklich gelawbt vnd offenlich bekennt. Got sey jr hawbtman vnnd also den dewfel für jren Got gehallten/ (1528) Berthold v; Chiemsee, Theol. 164 R. Baumann 17 Das Wort /Baumann/ ist besonders heimisch im Oberdeutschen. Von den vorliegenden Belegen entfallen 43,2 % auf das Westoberdeutsche, 42 % auf das Ostoberdeutsche, die übrigen verteilen sich zu 8,6 % auf das Westmitteldeutsche und 6,2 % auf-das Westniederdeutsche: wobd. /wann ungewitter oder der hagel den fruchten schaden brächte, alldann solle dem zinsherren als wol am zins nach billigkeit abgan als dem armen buwman, der die arbeit hat/ (1525) Bauernkrieg, Aktenbd. 316 F. oobd. /Item wann rechte pauzeit ist, es sei im lanssing oder herbst und wann der erst paumann das samb traid auf das veld füert und sat/ (1485) öst. Weist. 12,196. wmd. /wie das der Rynstraume die aller bequemlichst straiss zu gebruchen ist duetscher nacion . . . dardurch die lande gar fruntlich und behelflich sament handel getrieben, damit der kaufman, buwemann und ein ieder sich betragen mocht/ (1487) Qu. Gesch. Köln. Handel 2, 544 K. wnd. / s o vaken alse eyn buman stiget efte stigen let syn gesinde . . . schall men alle tyt setten twintig garven/ (1479) Weist. 4, 688 G. Für das Oberfränkische, Ostmitteldeutsche und Ostniederdeutsche fehlen Belege. In einer Breslauer Ausgabe eines Werkes von Zwingli wurde das westoberdeutsch geläufige Wort /Baumann/ ersetzt durch /Bauer/, ein Beweis für die Ungeläufigkeit des Wortes /Baumann/ im Ostmittelaeutschen: wobd.
/Die £ schlechten priester J nemmend den frommen hirten und wächteren gottes die zehenden und frücht hin, und setzend sy denn erst den armen buwlüten (Var. Breslau 1524: puwren) uff den hals, gebend inen eintweders
Anna Huber
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gar nüt oder doch so wenig, das man ein suw kam darus möchte mesten/ (1523) Zwingli 2,443 E . / F . Die seit dem Ende des 15. Jahrhunderts aufkommende neue Bedeutung des Wortes /Baumann/ für den Beschäftigten im Baugewerbe ist in den Gebieten zuerst feststellbar, in denen keine Bedeutungskonkurrenz besteht; die Belege stammen besonders aus dem Oberfränkischen (Nürnberg). Es wird überwiegend der Plural/Bauleute/ gebraucht. obfrk.
/So sein sust in der stat hie pei zweintzig gemeiner pauleut, . . . dieselben pauleut nimpt man zu pewen, wo zwen ein maur mit einander machen wollen/ (2.Hl5. Jh.) Tucher, Baumeisterb. 261 LV.
Im Ostmitteldeutschen ist der Vorgang der Durchsetzung der neuen Bedeutung deutlich an einem Lutherzitat nachweisbar; 1523 schrieb Luther: /sie haben die bawleütt gereytzet/ An dieser Stelle stand vorher die Umschreibung: /haben gereytzet gegen die da baweten/ Luther, Bibel 1. 362 W. Allmählich setzt sich das Wort in dieser Bedeutung auch in anderen Landschaften durch und beginnt die ursprüngliche zu verdrängen. Ackermann Das Wort ist im gesamten deutschen Sprachgebiet gebräuchlich. An Belegen fehlt es allein für das Oberfränkische. Am häufigsten bezeugt ist es westoberdeutsch. Der größte Teil der Belege entstammt literarischen Quellen, selten ist das Wort in Urkunden anzutreffen: wobd.
oobd.
wmd. omd.
/Die zeitlich vnd irdische frucht ist das, das da erwartet der ackerman, nach dem so er geslt hat. vnd den ackerbaw volbracht/ (vi 510) Geiler, Schiff (1514) 119c. /Ir seyt gottes ackerpaw . . . gleich als seinn die layen ain erde die geackert wirt . . . vnd die priester seinn ackermannen/ (1528) Berthold v. Chiemsee, Theol. 664 R. /Also ist dem ackerman seyn harte arbeyt leycht, so er ynn der erne seyne erbawete frucht... stehen sihet/ (1525) Cronberg 158 HND. /Denn es geschieht, das für gott eyn ackerman bessers thutt mit seynem pflügen, denn eyn nonne mit yhrer keuschheyt/ (1522) Luther, W. 10,1,2,141 W.
Das Wort ist einer gehobeneren Stilebene zuzuordnen. Dafür spricht auch seine Häufigkeit in Bibelübersetzungen: Luther gebraucht in seiner Übersetzung der Bibel
27
'Bauer'
23mal /Ackermann/ und nur 3mal / B a u e r / . Er hat sogar gelegentlich in der handschriftlichen Fassung das Wort /Bauer/ durch /Ackermann/ ersetzt: /Die acker Leute gehen t r a u r i g Luther, Bibel 2,72 W. 18
Ursprünglich stand an dieser Stelle /Bauer/. Dies läßt darauf schließen, daß /Ackermann/ aus stilistischen Gründen bevorzugt wurde. Ein Vergleich verschiedener Stellen in anderen zeitgenössischen Bibelübersetzungen ergibt ebenfalls eine deutliche Bevorzugung des Wortes /Ackermann/; das gilt u.a. für die 1. deutsche Bibel (ul466), die Zürcher Bibel (1527/29), die Kölner Bibeln (ul478), ebenso für die anderen niederdeutschen Bibeln (die Halberstädter von 1522 und die beiden Lübecker von 1494 und 1533). Bauersmann 19 Das Kompositum /Bauersmann/
steht in seiner Verwendungsweise /Bauer/ sehr nahe.
Es kommt als seltenere Variante fast immer in den Quellen vor, die überwiegend die Bezeichnung /Bauer/ wählen und ist für alle Landschaften zu belegen: oobd. /wie in vnnserm in sonderhait der getraidt . . . mermalls g fürstenthumb, _ auf porg vil hoher, dan vmb par gellt, dardurch der gemain pawrsman zS mercklichem nachtail gedrungen, verkaufft werde/ (1516) B. Landpot Bairn H 4 b . omd.
/wollen wir, das di kruger auf dem lanndt dem gemeinen pawrszman . . . kein bier allein in feiertagen, auftragen/ (1521) Acten Ständetage Preussen 5, 680 T.
wnd.
/auch das desselbigen gesellen vater vnd großvater sich alletzeit als frome pauersleute erlich vnd jnn gutem geruchte gehalden/ (1512) Magdeb. Weist. 196 N.
Besonders deutlich wird das unmittelbare Nebeneinander von /Bauersmann/ und /Bauer/ im folgenden Beleg, wo bei der Beschreibung eines Sachverhalts beide Varianten im gleichen Absatz unmittelbar aufeinanderfolgen: omd.
/Ein bauersman must lang pflügen und ym weinberg hacken, das die erde korn und wein brechte . . . Der bauer gehet heim . . . Und unser Herr Gott nimpt sichs an und spricht: wolah, du lieber bauer, du hast dein arbeit gethan, so mus ich nu das meine auch dazu thun, da wechst denn erst korn und wein/ (1530) Luther, W. 32,71 W.
/Bauersmann/ ist neben /Bauer/ und /Gebauer/ auch Bezeichnung für die revolutionären Bauern:
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Anna Huber /Anno domini 1524 hat sich im Hegaw ain erschrockliche und vorhin unerhörte entporung von dem pawersman wider ir aigen herschaft und oberkeyt erhebt und bewegt, welche nachmals in dem Elsas, Schwaben, Wirtemberg, Algew, Franken, Thüringen und Saxen und an dem Rheinstrom (sich auch erhebt)/ (1525/27) Qu. Bauernkrieg Rotenb. 593 (Fußnote) LV. /Dann obwol die armen plinten und unverstendigen paursleut mit irm ungeschicktem furnemen zuvil aber die schnuer gehauen . . . so mein ich doch, nimand, der Vernunft hat, werde dagegen verneinen kuirnen, wie unfuglich, uncristenlich und gar zu ubermessig sich die oberkeit umb der Untertanen har, die sie doch weidnen, fursehen, reigirn und nit schinden sollen gerissen/ (1525) Bauernkrieg, Aktenbd. 384 F . Die moderne Bedeutung von ' Bauerleute', die die gesamte bäuerliche Familie mit
allen ihren Mitgliedern bezeichnet, tritt noch nicht klar in Erscheinung, doch deutet sie sich in einigen Belegen bereits an: ond.
/ s i e . . . Hessen die weide in Preussen auszroden und dorffer bawen und satzten darein paurleutt/ (1510/30) Grunau, Preuss. Chr. 1,466 P.
Gebauer /Gebauer/
20
ist in allen Landschaften belegt, mit Ausnahme des Ostoberdeutschen.
21
E s wird hier als selbständiges Wort behandelt, obgleich es die ältere Vorstufe von / B a u e r / ist. /Gebauer/ bewahrt insbesondere in bestimmten Landschaften neben / B a u e r / 22
zunächst durchaus seine Eigenständigkeit.
Am häufigsten ist es im Ostmitteldeutschen
bezeugt. Das Wort ist überwiegend in Chroniken und Urkunden anzutreffen, die in ihrer Wortwahl als konservativ gelten können. wobd.
/Gayus Caligula . . . z8 den zyten, als er kaiser ward, sich Schemen wolt daz er von Agrippe des geburen geschlecht, solte geboren syn und erdacht unerliche geburt syner muter/ (1473) Steinhöwel, De claris mulieribus 270 LV.
obfrk.
/ I s t auch die sag, wie etwas bey zehen tawsend gepawrn im Bayerland . . . sich empört/ (1527) Qu. Bauernkrieg Rotenb. 529 LV.
wmd.
/die Sasßen . . . slugen der gepure vil toid. Unde behilden ere eynteyls in den dorfferen, das sie den acker mit en bestelten/ (ul500) Gerstenberg, Chr. 19 D.
omd.
/Ouch ab wir ader unnsir Nochkomen ehm adir seynes Leybis Lehnszerbin dy Czynsze von den Gebawern befulen czu fordern/ (1494) Urk. schles. Dörfer 306 M.
wnd.
/die beyde gestolen pferde uff anfertigung und bedrawungh der gepauren
'Bauer'
29 des dorfs . . . dem schultzen zcu Zcernitz widderumb gebracht/ (ul530) Magdeb. Schöffensprüche 1,229 F. / L .
ond.
/in welcher zceit er [ Landmeister J . . . stete anhub und dörffer austeilte und darauff Deutsche gebauer satzte/ (1510/30) Grunau, Preuss. Chr. 1,230 P.
Im gleichen Text tritt gelegentlich unmittelbar neben /Gebauer/ das Wort /Bauer/ auf, der Übergangsprozeß von /Gebauer/ zu /Bauer/ wird damit augenfällig dokumentiert: wobd.
/Auch ist von alter herkomen, wölcher den funfern in ire erkantnus und in iren ayde redte, das sich dann in warheit erfunde, er wer ein edelman oder nit edel, gebauer oder söldner, so soll der edel geben zehen pfunt, der bauer fünf pfunt, und der söldner dreu pfunt/ (1525) Württ. ländl. Rechtsqu. 1, 34 W.
obfrk.
/die anndern paurn wiß er nit zunennen, dann das desselben Cristoff Marschalcks gepauren ir futter und lifrung in die holtzer gepracht/ (1520/30) Verh. Th. v. Absberg 476 LV.
Ackerbauer Das Wort ist nur von wenigen Autoren, ausschließlich in Übersetzungen antiker Quellen, meist als Entsprechung zu lat. /agricola/ verwendet. Es liegen für diesen Zeitraum nur insgesamt 10 Belege vor, davon 9 westoberdeutsche, 1 ostmitteldeutscher. wobd.
/also haltends och die wisen ackerbuwer das sy fünffzehen tag ee das der winter wiert, und so vil tag nach dem und der wintter gewesen ist, nit arend/ (1491) Oesterreicher, Columella 1,75 LV.
omd.
/Eyn gut ackerman, eyn guter ackerbawer. Von den ackerleutte werden geboren kuene, weydliche helden, vnd thettige, tapffere Kriegsßleutte, . . . Vber diß so haben die mit dem ackerbawe vmbgehen, nicht so vil böser gedancken, die leutte zu betriegen, als die kaufleutte/ (1529) Agricola, Sprichw. (i534) Q 8 a .
Als Konkurrent für /Bauer/ spielt /Ackerbauer/ nur eine sehr untergeordnete Rolle, da es aber bis zur Gegenwart noch eine gewisse Geltung bewahrt hat, kann es 23 nicht außer acht gelassen werden. Landmann /Landmann/ in der Bedeutung 'Bauer' ist im Zeitraum 1470 - 1530 nur vereinzelt 24 sicher zu belegen. Eindeutige Belege für den Zeitraum sind westniederdeutsch und ostmitteldeutsch.
30
Anna Huber
wnd.
/Rusticus ein lantman eft kerle/ (1495) Voc. optimus Gemma (Magdeb.) D4b.
omd.
/die forighe aufsatzczunge alleyne den landtmann und kow£fmann im sweresten treffen wurde/ (1479) Acten Ständetage Preussen 1, 503 Th.
Weitere Belege finden sich in oberdeutschen Ausgaben bzw. Fassungen westniederdeutscher Vorlagen; es kann hier also mit niederdeutschem Einfluß gerechnet werden: wobd.
/Rusticus ein lantmä od' puwr/(1505) Voc. Gemma gemmarum (Straßb.) Y 3a. /sieht er das da ein lantman ein grün Kindisch duch kaufft, vnd wolt darmit z8 hauß. Da gedacht vlenspiegel vff das letst, wie er den bauren vmb das duch betriegen mocht, vnd fragte nach dem dorff, da der bauer da heim was/ (1515) Eulenspiegel 107 HND.
Im Eulenspiegel-Beleg wird /Landmann/ im weiteren Textverlauf durch das Wort /Bauer/ variiert. Die Bezeichnung /Landmann/ hat allgemeineren Charakter als diejenigen, die in der Bezeichnungsweise von der Tätigkeit des Ackerbauens ausgehen. Die Polysemie des Wortes beeinträchtigt seine Verständlichkeit und Eindeutigkeit. Das DWB führt fünf verschiedene Bedeutungen für das Wort an (vgl. Anmerkung 24). Viele Belege sind nicht klar interpretierbar, weil aus dem Textzusammenhang die Bedeutung nicht präzise hervorgeht. Auf Zahlenangaben wird deshalb verzichtet. Die Form/Landsmann/ist nur sehr vereinzelt belegbar; auch sie ist - wie die 25 :
folgenden Belege zeigen - nicht auf eine Bedeutung fixiert wobd.
/Sust, so spricht yederman: ich wurd übersetzt, es ist alles in der statt übersetzt und sind herren und lantzleutt darumb den Stetten gram/ (1476) Ref. Sigmund 69 W. /Min lieber man So erwirb mir ouch den wege mit vch. ist daz vnser gemein haimat daz wir sament lantzlüt sint/ (1478) Niclas v. Wyle, Translationen 234 LV.
2.1.2. Resümee des Zeitraums 1470 - 1530 Die hier dargestellten Bezeichnungen: /Bauer, Baumann, Ackermann, Bauersmann, Gebauer, Ackerbauer/ haben in der Mehrheit überlandschaftliche Geltung. Ein sehr geringes Verbreitungsgebiet hat allein /Ackerbauer/, es ist meist nur Übersetzungswort für lat. /agricola/. /Baumann/ und /Gebauer/ lassen sich in bestimmte Schwerpunktgebiete einordnen: /Baumann/ ist überwiegend oberdeutsch, fehlt ostniederdeutsch und ostmitteldeutsch; /Gebauer/ ist dagegen besonders häufig ostmitteldeutsch und fehlt im Ostoberdeutschen. /Ackermann/ ist zwar in allen Landschaften bezeugt, aber in seiner stilistischen Geltungssphäre überwiegend auf Texte gehobener Literatur be-
'Bauer'
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schränkt; es ist auch bevorzugtes Wort der meisten Bibelübersetzungen. Bei weitem vorherrschend ist das Wort /Bauer/. Es spiegelt in seiner Verwendungsweise auch alle historisch bedeutsamen Erscheinungen der Zeit wider. Es ist das in den Flugschriften und in den Akten zur Geschichte des Bauernkrieges fast durchgehend gebrauchte Wort und wird in allen relevanten gesellschaftlichen Zusammenhängen als Bezeichnung für den Begriff weitaus bevorzugt, sowohl von den Freunden der Bauern als auch von ihren Gegnern. /Bauersmann/ ist nur als seltenere Variante zu /Bauer/ anzusehen und hat keinen ausgeprägten eigenen Charakter. Vereinzelt ist in der Bedeutung ' Bauer' auch das Wort /Landmann/ belegt. Die Belege sind westniederdeutsch und ostmitteldeutsch, wenig später auch westoberdeutsch in Quellen mit westniederdeutschen Vorlagen. Tabelle 1 Der Anteil der Konkurrenten in den einzelnen Großlandschaften und im Gesamtgebiet für den Zeitraum 1470 - 1530 (in Prozenten) wobd. oobd. Ackerbauer Ackermann Bauer Bauersmann Baumann Gebauer
3,6 15,9 58,2 3,6 14,2 4,5
0,9 45,3 21,7 32,1
obfrk. wmd.
85,2 6,6 8,2
26,8 44,6 8,9 12, 5 7,2
omd. 0,8 9,9 59,5 12, 5 17,3
wnd.
13,3 60,0 13,3 11,1 2,3
ond.
6,5 74,1 6,5 12,9
Tabelle 2 Verteilung jedes der Konkurrenten auf die einzelnen Großlandschaften, Zeitraum 1470 - 1530 (in Prozenten) wobd. oobd. Ackerbauer Ackermann Bauer Bauersmann Baumann Gebauer Landmann+
90,0 52,0 36,7 14,1 43,2 23,9
1,3 12,3 35,8 42,0
obfrk. wmd.
13,3 6,2 10,9
20,0 6,4 7,9 8,6 8,7
omd. 10,0 16,0 18, 5 23, 5 45,6
+ auf Zahlenangaben wurde verzichtet (vgl. S. 30).
wnd.
ond.
8,0 6,9 9,4 6,2 2,2
2,7 5,8 3,1 8,7
Gesamtgebiet 1,5 11,3 58, 5 9,6 12,2 6,9
32
Anna Huber 2.2.
Zeitraum 1670 - 1730
2.2.1. Beschreibung des Materials Für den Begriff' Bauer' liegen aus diesem Zeitraum 811 Belege vor, die sich folgendermaßen auf die geltenden Bezeichnungen verteilen: /Bauer/ 67,1 %, /Bauersmann/ 11,2 %, /Ackermann/ 10,0 %, /Landmann/ 9,2 %, /Baumann/ 1, 58 %, /Landwirt/ 0,4 %, /Ackerbauer/ 0,1 %. Bauer Der prozentuale Anteil des Wortes /Bauer/ an der Gesamtzahl der Belege für den Begriff ist in allen Landschaften weitaus am höchsten. Es besteht kein Zweifel, daß es die vorherrschende Bezeichnung ist: oobd.
obfrk.
omd.
/das galte Teutsche Sprichwort...: Wann grosse Herren miteinander rauffei), so müssen die Bauren die Haar darzu herleyen/ (1698) Weigel, HauptStände 531. /sie anjetzo den Wein aus Franckreich kauften, als woselbst der Baur Gott dancken muß, daß er beym Wein-Pflantzen noch Brodt und Wasser hat/ (1708) Marperger, Kauffmanns-Magazin 413. / e s ist der alte Bund, daß ein Bauer geschoren wird: Und der neue Bund ist dieser, wers nicht leiden wil, der muß sich doppelt scheren lassen/ (1683) Weise, Masaniello 62 HND. ©
ond.
/Der Baur ist ehe gewesen, ehe der wolberedte Hoffmann, und wurde dieser keine Beredsamkeit haben, wenn nicht die Bauren vor ihm geredet hltten, und die Sprache machen helffen/ (1682) Morhof, Unterr. 79. Aus dem Inhalt der meisten Belege geht deutlich hervor, wie rechtlos und wehrlos der Bauer der Willkür der Herrschenden ausgeliefert ist und wie mühsam er seinen dürftigen Lebensunterhalt bestreitet. Diese drückende soziale Lage findet in den Augen weiter Kreise der nichtbäuerlichen Bevölkerung eine oberflächliche unsachliche Deutung, die sich in einer geringschätzigen Einstellung den Bauern gegenüber äußert. So ist die 26
Zahl der Belege erheblich, in denen der Bauer negativ und abschätzig beurteilt wird. Abwertende Beiwörter wie /dumm, grob, ungeschliffen bilden mit der Bezeichnung /Bauer/ beinahe feste Wendungen: oobd. /sie seynd gleich den groben Bauern/ (vl709) Abraham a S. Clara, Etwas (1699) 2, 210. omd. /der aller-grobste Bauer/ (1719) Ettner, Maul-Affe 224. /bey ungeschliffnen Bauern/ (1724) Henrici, Ged. 1 (1727) 344. ond. /was . . . mich ein dummer Baur gelehrt/ (1729) Abel, Sat. Ged. 1, 279.
'Bauer'
33
Aus der gleichen Haltung resultieren auch charakteristische Vergleiche und Wortpaare: omd.
/wenn ein Praeceptor manches Kind auf eine schimpfliche Art mit einem Thier oder andern verächtlichen Dinge vergleichet, und etwa s a g e t . . . du bist wie ein . . . Ochse, oder wie ein grober Bauer etc. / (1702) Ev. Schulordn, 3,108 V. /Bauern oder Barbaren/ (1707) Thomasius 90 DLE. /mich mit den groben P-rügeln, den Bauren placken muß/ (1700) Kuhnau, Quack-Salber 158 DLD. wnd. /gleichwie eine Sau die Rosen nichts achtet, sie auch nicht ansiehet... e oder wie ein Bauer nichts weiß, was für Lust und anmuthigkeit bey den Bücher!» und Studieren ist/ (1692) Scriver, Theognosia 611. Im übertragenen Sinne wird das Wort /Bauer/ sogar auf Personen angewendet, die nicht zur Klasse der Bauern gehören, um Geringschätzung gegen sie auszudrücken, es 27 wird gewissermaßen zum Schimpfwort: wmd.
omd.
/die privillegien Von unß seindt daß wen wir gleich sterben behalten unßere bedinten so man officier de maison Royale heist Ihre prerogativen daß wen sie gleich bawern sein doch nicht wie die andern gelt geben Müßen sondern haben Viel freyheiten alß wen wir noch Lebten/ (1716) Elisabeth Ch. v. Orleans, Br. an Raugräfin Louise 243 LV. /Bellise [zu Pickelhering] Geh du Bauer, und schütte die Unhoffligkeit bey deines Gleichen aus/ (Dr. 1678) Weise, Überflüssige Gedanken 214 HND. /daß die . . . Apotecker-Kunst... einen solchen Fleiß erfordere, daß Unverstlndige und Bauren mit ihrer Arbeit hier nichts ausrichten wurden/ (1700) Ettner, Apotecker 422.
Soziale und moralische Minderwertigkeit und eine geradezu schicksalhafte Prädestination zur Unbildung scheinen im Bewußtsein der nichtbäuerlichen Bevölkerung mit dem Worte /Bauer/ verknüpft zu sein. Tatsächlich war dem Bauern, der alle Kraft und Zeit für den eigenen Lebensunterhalt und für den seines Grundherrn aufwenden mußte, der Zugang zur Kultur und Bildung weitgehend verschlossen. Besonders drückend war die Lage der Bauern in den Gebieten der Gutsherrschaft östlich der Elbe. In diesen Gebieten, besonders in Mecklenburg, Pommern, der Lausitz und in Holstein war fast das gesamte Ackerland teils durch Inbesitznahme von wüstem Bauernland, seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts aber verstärkt durch Bauernlegen, in den Händen von Gutsbesitzern vereinigt. Es gab kaum bäuerliche Einzelwirtschaft, wie sie in den Gebieten westlich der Elbe vorherrschte. Den Gutsherren war es gelungen, die "zweite Leibeigenschaft" durchzusetzen. Sie bestand vor allem darin, daß die Bauern ohne die ausdrückliche
34
Anna Huber
Erlaubnis ihres Gutsherrn - ohne einen Abzugsbrief - nicht abwandern durften, um sich den ständig zunehmenden Frondiensten zu entziehen. In den Städten aber wurde Bauern ohne Abzugsbrief keine Aufenthaltsgenehmigung erteilt. In Mecklenburg, Pommern und Holstein wurden die Bauern ganz offiziell als /Leibeigene/ bezeichnet, während in der 28 Mark Brandenburg die Bezeichnung /Erbuntertänige/ galt. Angesichts dieser Tatsachen ist es nicht überraschend, daß die Zahl der Belege mit negativer Wertung besonders zahlreich im Ostniederdeutschen und Ostmitteldeutschen ist. In ihnen findet die geringe Achtung, die die Bauern in den Augen der Gutsbesitzer und Stadtbürger genossen, ihren Niederschlag. Allerdings muß auch betont werden, daß negative Verwendungen des Wortes /Bauer/ fast ausschließlich bei Einzelautoren in Texten mit überwiegend literarischem Charakter vorkommen, die eine gewisse Gefühlsfärbung erkennen lassen, ferner in zahllosen Sprichwörtern und Redens29 arten. Es handelt sich also um Belege, die eine subjektive Stellungnahme erkennen lassen. Sachprosa, Urkunden, offizielle Verlautbarungen gebrauchen das Wort /Bauer/ fast ausnahmslos sachlich und neutral. Die Abwertung des Wortes /Bauer/ ist also nicht generell, im offiziellen amtlichen Kommunikationrfbereich bleibt ihm eine wichtige neutrale Geltungssphäre erhalten. Bauersmann Die Entwicklung des Wortes /Bauersmann/ vollzieht sich in enger Anlehnung an die von / B a u e r / . Zahlenmäßig liegt /Bauersmann/ an zweiter Stelle und ist weitgehend gleichmäßig in allen Landschaften verbreitet; lediglich das Ostmitteldeutsche hebt sich durch besonders starke Belegung ab. oobd.
/Der fünffte, der sich [auf der Schaubühne] praesentirte, wäre der Bauersmann, dieser deutete mit dem Finger auf seinen Pflug sprechend: Sudore & labore: Mit Muhe und Arbeit, vertreib ich meine Zeit/ (vl709) Abraham a S. Clara, Etwas (1699) 2,443.
omd.
/also kan ein geringer Pauers=Mann offt so klug seyn, als ein Hochgelehrter:
wnd.
/denen bauersleuten, so von benachbarten orten victualien in die Stadt brin-
massen klug und gelehrt zweyerley/ (1677) Butschky, Pathmos 88. gen/ (1713) Qu. Verwaltungsgesch. Quedlinb. 1,495 L. Auch an diesem Wort äußert sich in Ansätzen die negative Wertung der Bauern. Auch hier wird in abwertenden Beiwörtern und Vergleichen ihre niedrige soziale Einschätzung zum Ausdruck gebracht: wobd.
/wie auch denen Juden, Scheuren-Krämmern und andern Vaganten. Item Bawers=Leuthen, und dergleichen/ (1690) Samml. württ. RegierungsGesetze 2, 683 Z.
35
'Bauer' obfrk. wmd. omd.
/ d e r Pöbel und Baursmann/ (1708) Marperger, Kauffmanns-Magazin 1270. /grobe Baurs=Leut/ (1669) Grimmelshausen, Simplicissimus 167 Sch. /jeder gemeiner Bauersmann/ (1727) Ludewig, Profession 166.
Die alte Pluralform /Bauersleute/ hat häufig eine verallgemeinernde Nuance, sie bezeichnet nicht nur den Bauern, sondern schließt auch seine Angehörigen mit ein; 30 eine Tendenz deutet sich damit an, die in der Gegenwart vorherrscht : /Hieraus ist zu ersehen, warum die Krankheit [Fußgicht] bey den Reichen, e e e die ein mussiges, und wollustiges Leben fuhren, einkehret; hingegen aber, bey denen arbeitsamen Bauers-Leuten, selten gefunden wird/ (vl678) Butschky, Rosen-thal (1679) 676. Ackermann Das Wort ist in allen Landschaften belegt, besonders häufig im Ostmitteldeutschen und Ostniederdeutschen; die Belege stammen überwiegend aus Quellen schöngeistiger Literatur. Ohne ersichtliche Bedeutungsdifferenz oder Veränderung der Stilebene e r scheint analog zu anderen Bildungen mit Fugen - s auch die Form /Ackersmann/. Sie ist nicht auf bestimmte Landschaften beschränkt. Beide Formen werden unter Umständen von dem gleichen Autor gebraucht: oobd.
/ihre [der Glasmacher] Regels-Articul vermögen, daß von der Glas-Hutten das Wirths-Haus über 10. Schritt nicht soll stehen . . . dahero kommt es, . . . daß ein Glasmacher dem Schuldenmacher so gleich sieht, wie ein Bauer einem Ackers-Mann/ (1699) Abraham a S. Clara, Etwas 1, 511.
wmd.
/Esau ward ein Jager und Ackermann/ (1690) Happel, Academ. Rom. 12.
wnd.
/ein Ackerman spahret seinen Fleiß auch nicht, . . . weiß aber nicht gewiß, ob er eine reiche oder geringe Erndte haben werde/ (1692) Scriver, Theognosia 231.
ond.
sein Vater war ein Ackersmann/ (1721) Stieber, Gelehrsamkeit 79.
31 Die gehobenere Stilebene von /Ackermann/ gegenüber /Bauer/ wird von Adelung folgendermaßen zum Ausdruck gebracht: "Der Ackermann . . . ein Mann, der den Ackerbau verstehet und ausübet; eine glimpflichere Benennung dessen, was man sonst einen Bauer nennet. " Die stärkere Belegung im Ostniederdeutschen und Ostmitteldeutschen kann darin begründet sein, daß hier häufiger das Bedürfnis bestand, auf weniger pejorativ belastete Bezeichnungen auszuweichen (vgl. S. 33 f.). Landmann Das Wort ist in allen Landschaften belegt, am häufigsten im Ostniederdeutschen und Ostmitteldeutschen. Es scheint sich auch im Nord- und Mitteldeutschen zuerst durch-
36
Anna Huber
gesetzt zu haben. Die Formen /Landmann/ und /Landsmann/ haben exakt abgegrenzte Bedeutungssphären; /Landmann/ bezeichnet stets den auf dem Lande lebenden und tätigen Menschen, /Landsmann/ den Miteinwohner in einem bestimmten Lande. 32 wobd.
/daß er ihn . . . mit Kleidern und Werckzeug zum Feld-Bau versehen solte, als worauf er . . . sich gut verstünde, weil er ein alter Land-Mann . . . gewesen/ (1720) Vischer, Robinson Crusoe (Leipz.) 2,249. omd. /nicht allein die Stldte alle wieder aufkommen, sondern auch der angrfntzende g Landmann ein reicheres Auskommen haben, und also der Burger dem Bauer & vice versa die Nahrung vermehren wird/ (1683) Bedencken v. Manufakturen 139. Q M ond. / E s war ein Landman im grossen Werder, welcher zwolffthalb Tonnen Geld gesamlet, und da gedachter Hohemeister einmahls zu ihm kommen, hat er dem Bauer die zwolffte Tone voll machen lassen/ (1684) Hartknoch, Preussen 2, 306a. Da häufig im gleichen Satz (wie auch z.T. in den angeführten Belegen) /Landmann/ und /Bauer/ wechseln, ist die Identität der Bezeichnungen offenkundig, wenn auch die Annahme naheliegt, daß /Landmann/ allgemeineren Charakter haben kann und /Bauer/ eine Präzisierung darstellen soll: oobd.
obfrk.
/daß man gute Kundschafften, wegen Beschaffenheit deß Feindes zu Kriegszeiten, wie auch gute Zufuhren von allerhand Proviant... habe, welches durch Landleute und Bauren am besten geschehen kan/ (1682) Hohberg, Georgica (1687) 2,12 a . /Kan ein jeder Landmann und Bauer seine GottesGabe gewiß versilbern/ (1708) Marperger, Kauffmanns-Magazin 803.
Baumann Für das Wort /Baumann/ liegt nur eine geringe Zahl von Belegen vor. Sie entstammen größtenteils den österreichischen Weistümern, die häufig auf älteren Vorlagen beruhen und deshalb nicht selten veralteten Wortschatz bewahren. Die vorliegenden Belege - neben den ostoberdeutschen gehören dazu vereinzelte westoberdeutsche und westnieder33 deutsche - lassen keine einheitliche Bedeutung erkennen. Sie reicht von 'Großbauer' bis 'Landarbeiter'. wobd. / E s solle kein Gemeinder oder Bawmann in des Lehenherrn oder seinen aigenen Reeben geschlachte rothe Reeben hinderen, schädigen oder aushawen/ (1707) Obrhein. Stadtrechte II 2, 642. oobd. /welcher pauman anpauet, eß seie zu der winter- oder sommersath (1714) Öst. Weist. 12,273.
'Bauer' oöbd. wnd.
37 /Valtin Hueber, paumann auf dem Kalchgrueberhof im Dorf, zu Villanders gebirtig/ (1688) Bozner Bürgerb. 1,111 Ndr. /weil wir in Erfahrung kommen, daß gemeine Leute . . . unterm Schein des Kornlesens den Bauleuten, an Diemen, Hocken und Garben . . . mercklichen Schaden zufügen/ (1722) Lüneb. Stadt-Recht 144.
In jüngeren Belegen bedarf das Wort bereits eines erläuternden Zusatzes: /Die Bohnradtswiese wird in 8 Looß geteilet und gehet unter die 8 Bauleute (daß sind die Bauern) und die großen Bürger/ (1747) Schönb. Bürgerb. 15 W. Das Wort ist rein zahlenmäßig für die Bezeichnung dieses Begriffs irrelevant, es ist 34 geläufiger für den im Baugewerbe Tätigen. Landwirt^ 5 Das Wort ist selten bezeugt und zunächst nur auf das Ostmitteldeutsche beschränkt. Aus der Art der Belege geht klar hervor, daß sich mit der Bezeichnung /Landwirt/ eine gewisse Anerkennving für den Bezeichneten verbindet; in einem der Belege wird der Landwirt sogar dem deutlich geringer geschätzten Bauern gegenübergestellt, offensichtlich äußert sich darin das Bestreben der größeren Bauern und Großbauern, sich gegen die Kleinbauern und abhängigen Bauern abzugrenzen: omd. /Wenn sich einer für einen grossen Landwirth ausgiebet, in seinen Prahlereyen Q aber solche Schnitzer begehet, die ihm gemeine Bauren verweisen können, Q
auf dessen Urtheil wird wenig gesehen, wenn er zur Landwirthschafft gehörige Sachen tadeln wil/ (1720) Ch. Wolff, Thun 418. /Gotthart führet einen Land-Wirth an, welcher durch gleichen Vortheil mehr Land-Fruchte als seine Nachbarn eingesammlet hat/ (1719) Ettner, Maul-Affe 557. /daß . . . vielleicht auf ieden Landwirth in allen genannten Landern etliche [ B ü c h e r ] kommen konten/(1725) Schles. Haußb.)( 2 b . 36 Ackerbauer Für den Untersuchungszeitraum ist nur ein Beleg beizubringen: ond.
/daß die Winter hieselbst sehr strenge und lange anhaltend wären, Schnee aber gar wenig fiele, dahero auch die Ackerbauren kein Winterkorn säeten/ (1724) Messerschmidt, Sibirien 3, 86 W.
2.2.2. Resümee des Zeitraums 1670 - 1730 Es wurden 7 Bezeichnungen für den Begriff ' Bauer' erörtert: /Bauer, Bauersmann, Ackermann, Landmann, Baumann, Landwirt, Ackerbauer/ (aufgeführt nach Häufigkeit).
Anna Huber
38
Die vier erstgenannten sind in allen Landschaften verbreitet. Auf das Wort /Bauer/ entfallen mehr als 2/3 aller Belege, es ist also bei weitem die geläufigste Bezeichnung für den Begriff; doch ist es einer starken Abwertung unterworfen, die z. T. auch auf das Wort /Bauersmann/ übergegriffen hat. Am größten ist die Zahl der Belege mit negativer Wertung im Ostmitteldeutschen und Ostniederdeutschen. Hier sind auch die nicht pejorativ belasteten Bezeichnungen häufiger belegt als in anderen Landschaften, z. B. /Ackermann/ und /Landmann/. So entfallen bei dem Wort /Landmann/ 29, 7 % der Belege auf das Ostniederdeutsche, 24, 3 % auf das Ostmitteldeutsche, die restlichen verteilen sich auf die 5 übrigen Landschaften. Ebenso entfallen 27,2 % der Belege für /Ackermann/ auf das Ostniederdeutsche und 25, 9 % auf das Ostmitteldeutsche. Bemerkenswert ist auch die Tatsache, daß das jüngste, in dieser Bedeutung eben erst aufkommende Wort /Landwirt/ nur ostmitteldeutsch belegt ist. Wie /Landwirt/ sind auch /Baumann/ und /Ackerbauer/ zahlenmäßig sehr gering vertreten und auch in ihrer räumlichen Verbreitung begrenzt: /Baumann/ beschränkt sich im wesentlichen auf das Ostoberdeutsche und ist sonst nur vereinzelt westoberdeutsch und westniederdeutsch belegt. Seine Bedeutung ist nicht einheitlich, sie reicht von ' Großbauer' bis ' Landarbeiter' und kann auch den Ackerbau treibenden Stadtbürger bezeichnen. Von völlig untergeordneter Bedeutung ist /Ackerbauer/. Es wird innerhalb des Zeitraums nur durch einen Beleg repräsentiert. Tabelle 3 Der Anteil der Konkurrenten in den einzelnen Großlandschaften und im Gesamtgebiet für den Zeitraum 1670 - 1730 (in Prozenten)
Bauer Bauersmann Ackermann Landmann Baumann Landwirt Ackerbauer Gebauer
omd.
wnd.
ond.
Gesamtgebiet
57,4
72,4
39,3
70, 5
67,1
22,3 11,2
11,0
6,6 19,7 26,2
9,7
11,2
9,7 9,7
10,0
0,4
0,1
wobd. oobd.
obfrk. wmd.
69,2
67,6 13,0
9,1
7,1
15,4
67,8
10,2
9,6 9,6
2,6 2,6
4,3 8,7
8,1 11,3
8,3
8,2 1,2
9,2 2,0 0,4
'Bauer' Tabelle 4 Verteilung jedes der Konkurrenten auf die einzelnen Großlandschaften, Zeitraum 1670 - 1730 (in Prozenten) wobd. oobd.
obfrk. wmd.
omd.
wnd.
Ackerbauer
ond. 100
13,6
7,4
25,9
14,8
27,2
4,9
14,3
7,7
5,7
33,6
4,4
29,4
Bauersmann
6,6
12,0
8,8
13,2
30,8
4,4
24,2
Baumann
6,25 62, 5
CO
4,9
Bauer
o>
Ackermann
31,25
Gebauer Landmann Landwirt
1,4
6,8
9,4
6,8
24,3 100
21,6
29,7
40
Anna Huber 3.
Vergleich der untersuchten Zeiträume und Schlußfolgerungen
3.1.
Diachroner Vergleich
Den sieben Bezeichnungen des Untersuchungszeitraumes 1470-1530: /Bauer, Baumann, Ackermann, Bauersmann, Gebauer, Ackerbauer, Landmann/ (aufgeführt nach Häufigkeit) stehen im Untersuchungszeitraum 1670 - 1730 gleichfalls sieben Bezeichnungen gegenüber: /Bauer, Bauersmann, Ackermann, Landmann, Baumann, Landwirt, Ackerbauer/. Schon im ersten Untersuchungszeitraum vertrat /Bauer/ in allen Landschaften auf allen Kommunikationsebenen den Begriff weitaus am häufigsten; ein stark dominierendes Wort war also bereits vorhanden. Dennoch ist in der Zahl der Bezeichnungen keine Verringerung eingetreten. Die Bezeichnungen sind auch, mit wenigen Ausnahmen, im ersten und zweiten Untersu^hungszeitraum identisch. Nicht mehr belegt ist im zweiten Untersuchungszeitraum /Gebauer/, neu in Gebrauch gekommen ist das zunächst nur ostmitteldeutsch belegte Wort /Landwirt/. Deutliche Verschiebungen haben sich in der Reihenfolge der Häufigkeit ergeben. Die rückläufige Tendenz gegenüber dem ersten Untersuchungszeitraum ist am augenfälligsten bei dem Wort /Baumann/, es ist zwar noch mehrmals belegt, aber die Art der Texte, in denen es vorkommt, verrät, daß es eigentlich nicht mehr zum lebendigen Sprachgebrauch gehört. Einen leichten Rückgang zeigt auch das Wort /Ackermann/, vor allem dadurch, daß es zunehmend auf eine gehobenere Stilebene beschränkt wird. Stark zugenommen hat die Zahl der Belege fUr /Landmann/. Im ersten Untersuchungszeitraum ist es in der Bedeutung 'Bauer' nur selten eindeutig nachzuweisen, es erscheint im Westniederdeutschen und Ostmitteldeutschen und in oberdeutschen Ausgaben bzw. Fassungen niederdeutscher Texte (vgl. S. 30). Auch im Untersuchungszeitraum 1670 - 1730 ist /Landmann/ am häufigsten im Niederdeutschen und Mitteldeutschen belegt. Es hat sich aber auch in allen übrigen Gebieten durchgesetzt. /Bauersmann/ hat zahlenmäßig zugenommen, es liegt in der Häufigkeit an zweiter Stelle hinter /Bauer/. Die Pluralform /Bauersleute/ kann bereits öfter die verallgemeinerte Bedeutung haben, die in der Gegenwart vorherrscht, und kann auch die nichtmännlichen Familienangehörigen des Bauern mit einschließen oder ganz allgemein eine gemischte Gruppe bäuerlicher Bevölkerung bezeichnen. /Ackerbauer/ ist im ersten wie im zweiten Untersuchungszeitraum von sehr untergeordneter Bedeutung.
'Bauer'
41
Tabelle 5 Gegenüberstellung der Anteile der Konkurrenten für das Gesamtgebiet in beiden Zeiträumen (in Prozenten) Zeitraum 1470 - 1530
Zeitraum 1670 - 1730
Ackerbauer
1.5
0,1
Ackermann
11,3
10,0
Bauer
58, 5
67.1
9.6
11.2
12,2
2,0
Bauersmann Baumann Gebauer
6,9
Landmann
9,2
Landwirt
0,4
+
+
Auf Zahlenangaben wird verzichtet (vgl. S. 30). 3.2.
Sprachgeographische Aspekte
Der Untersuchungsbefund liefert kaum Anhaltspunkte für die Erhellung der Rolle einzelner Landschaften am Verlauf der Ausgleichsprozesse. Mit wenigen Ausnahmen sind alle erörterten Bezeichnungen für den Begriff ' Bauer' bereits im ersten Untersuchungszeitraum allgemein geläufig und haben einen breiten überlandschaftlichen Geltungsbereich. Die wenigen Ausnahmen scheinen weit mehr in bestimmten soziologischen Gegebenheiten begründet zu sein, als in einer sprachlich dominierenden oder retardierenden Rolle einzelner Landschaften (vgl. S. 42 ff.). Dennoch lassen sich einige interessante Beobachtungen vermerken. Festzustellen ist zunächst, daß /Gebauer/ und /Baumann/, zwei ursprünglich häufige, aber nicht im gesamten Sprachgebiet gültige Bezeichnungen, untergegangen sind. Bemerkenswert ist ferner, daß die jüngsten und neben /Bauer/ in der Gegenwart geläufigsten Bezeichnungen /Landmann/ und /Landwirt/ sich im Ostmitteldeutschen und Niederdeutschen zuerst durchgesetzt und hier die höchsten Belegzahlen im zweiten Zeitraum erreicht haben. /Landwirt/ ist zuerst ostmitteldeutsch zu belegen, und innerhalb des Zeitraums 1670 - 1730 ist es auch noch auf diese Landschaft beschränkt. Es findet erst später allgemeine Verbreitung. Das Ostmitteldeutsche hat also mit dem Wort /Landwirt/ nachweislich eine der für die Gegenwart bedeutsamsten Bezeichnungen des Begriffs beigesteuert. 3. 3.
Soziolinguistische Aspekte und stilistische Differenzierung
Für den Begriff ist schon im ersten Untersuchungszeitraum das Wort /Bauer/ die weitaus häufigste und auch allgemein gültige Bezeichnung. Die Zeitereignisse boten in be-
42
Anna Huber
sonderem Maße Veranlassung für die Zeitgenossen, den Begriff ' Bauer' von den verschiedensten Standpunkten aus zu erörtern. Die Untersuchung hat gezeigt, daß in allen relevanten Zusammenhängen das Wort /Bauer/ weitaus häufiger gebraucht wird als alle übrigen Bezeichnungen dieses Begriffs, sowohl von den Freunden als auch von den Gegnern der Bauern. Es erscheint auch in den wenigen Fällen, wo die Bauern wenigstens indirekt selbst von sich sprechen, oder wo doch unmittelbar in ihrem Namen gesprochen wird, z. B. in den Zwölf Artikeln oder in Selbstbezeichnungen revolutionärer Gruppen von Bauern. Bedeutsam ist vor allem die häufige Verwendung des Wortes /Bauer/ in der zahlreichen und weitverbreiteten Flugschriftenliteratur. Diese Tatsachen beweisen den Vorrang des Wortes /Bauer/ bereits im ersten Untersuchungszeitraum; jedoch erst durch die historischen Zeitereignisse erhält es die große Aktualität und Popularität, durch die es sich auf so breiter Basis einbürgern und bis zur Gegenwart als die eigentliche Klassenbezeichnung behaupten kann. Schon früh macht sich eine Tendenz zu pejorativer Verwendung des Wortes /Bauer/ bemerkbar. Der geringe Bildungsstand des Bauern, seine wenig geachtete soziale Position boten den herrschenden Klassen Anhaltspunkte für Verachtung und Diffamierung. Eine sehr starke Zunahme pejorativer Belege ist im zweiten Untersuchungszeitraum zu beobachten, wo /grob, dumm, ungeschliffen/ u. ä. Attribute beinahe feste Wendungen mit dem Worte /Bauer/bilden. Es wird schließlich sogar verabsolutiert als Schimpfwort auf Personen angewendet, die nicht der Klasse der Bauern angehören. Nicht zufällig ist die Zahl solcher Belege mit negativer Wertung besonders häufig im Ostniederdeutschen und Ostmitteldeutschen (vgl. S. 33 f.). In den Gebieten der Gutsherrschaft war die Lage der Bauern besonders drückend, ihre Bildungsmöglichkeiten und ihre soziale Einschätzimg besonders gering. In literarischen Werken, wo der Bauer als handelnde Figur auftritt, in Briefen, in zahllosen Redensarten und Sprichwörtern verbindet sich mit der Person des Bauern und mit dem Wort /Bauer/ Geringschätzung und Verachtung. Doch ist die Abwertung auf bestimmte Kommunikationssphären beschränkt. Es handelt sich stets um subjektive Stellungnahmen einzelner, die zu den Gesellschaftsschichten gehören, die sich den Bauern geistig, moralisch und materiell überlegen fühlen. In Urkunden, öffentlichen Verlautbarungen aller Art findet sich in der Regel nur sachlicher, neutraler Gebrauch. Im amtlichen Kommunikationsbereich wird ein Gegengewicht gegen die Abwertimg des Wortes /Bauer/ geschaffen und seine Funktion als gültige Standesbezeichnung bzw. Berufsbezeichnung gewahrt. Die übrigen weitaus selteneren Bezeichnungen haben mit Ausnahme von /Bauersmann/, das der Entwicklung von /Bauer/ in allen wesentlichen Punkten folgt, und /Ackerbauer/, das in den Untersuchungszeiträumen nur vereinzelt belegt ist, eine Differenzierung erfahren. Sie betonen in verschiedener Weise jeweils einen spezifischen Aspekt. Tendenzen dazu deuten sich bereits im ersten Untersuchungszeitraum an.
'Bauer'
43
So hat das Wort /Ackermann/ von vornherein eine Tendenz zu gehobenerem Gebrauch. Es erscheint vorwiegend in literarischen Texten und nur sehr vereinzelt in Urkunden und Chroniken. In Luthers Bibelübersetzung wird fast durchgehend das Wort /Ackermann/ gewählt, in einigen Fällen wird es sogar nachträglich in der Handschrift für das Wort /Bauer/ eingesetzt. Auch in anderen Bibelübersetzungen ist diese Bevorzugung des Wortes /Ackermann/ zu vermerken. (Vgl. S. 27). Die Besonderheit des Wortes /Landmann/ besteht in seinem allgemeineren Charakter, es scheint unspezifischer zu sein als das Wort /Bauer/. Das zeigt sich z. B. in einigen Doppelformeln, wo /Landmann/ durch danebenstehendes /Bauer/ präzisiert wird (vgl. S. 36). /Landmann/ betont mehr den Aspekt, daß es sich bei dem Bezeichneten um einen Landbewohner handelt, als den Aspekt seiner Funktion als Bebauer des Ackers. Das Wort hat bis zum zweiten Untersuchungszeitraum eine rasche Zunahme erfahren, vielleicht gerade dadurch, daß es die großen gesellschaftlichen Unterschiede, die in der Landbevölkerung um 1700 herrschen, verhüllt: Hinter dem Worte /Landmann/ kann sich sowohl der abhängige oder leibeigene Bauer als auch sein Grundherr verbergen. In Mundartwörterbüchern wird betont, daß der Bauer selbst sich gern als /Landmann/ bezeichnete und das abwertende Wort /Bauer/ vermied: "als . . . die Bauern sich . . . des Namens Bauer zu schämen begannen, . . . gebrauchten sie . . . von sich die vermeintlich mehr ehrende Bezeichnung Landmann, verlangten auch so bezeichnet zu wer37 den. " Das Wort ist in der Bedeutung ' Bauer' im Westniederdeutschen und Ostmitteldeutschen zuerst vertreten. Im zweiten Zeitraum liegt das Ostniederdeutsche in der Zahl der Belege an der Spitze, es folgt das Ostmitteldeutsche. Die Annahme scheint berechtigt, daß in den Gebieten, wo die Abwertung des Wortes /Bauer/ besonders ausgeprägt ist, auch das Bedürfnis der Betroffenen besonders groß ist, auf allgemeinere und nicht pejorativ belastete Bezeichnungen auszuweichen. Vielleicht erklärt dies auch das Aufkommen der jüngsten Bezeichnung /Landwirt/ gerade im Ostmitteldeutschen. Die Zahl der Belege ist bis 1730 noch gering, doch in allen Fällen meinen die Belege den Inhaber eines ausgedehnteren Landbesitzes, der in der Führung eines landwirtschaftlichen Betriebes sachverständig und erfahren ist. (Vgl. S. 37). In diesem Wort ist - anders als bei /Landmann/ - gerade das Anliegen spürbar, den unterschiedlichen Besitzverhältnissen auf dem Lande Rechnung zu tragen und zwar in Richtung einer Abgrenzung des größeren Bauern und Großbauern gegen den sozial schlechter gestellten und abhängigen Bauern. Das Wort /Landwirt/ scheint erst später allgemeine Verbreitung erlangt zu haben, denn noch 1777, mehr als fünfzig Jahre nach der frühesten Bezeugung des Wortes, verzeichnet Adelung unter dem Stichwort/Landwirt/ nur andere Bedeutungen (vgl. Anm. 35). Funktionslos geworden sind im 2. Untersuchungszeitraum die Bezeichnungen /Gebaue r / und/Baumann/. Die Abnahme ihrer Gebräuchlichkeit macht sich bereits im ersten
Anna Huber
44
Untersuchungszeitraum bemerkbar. Die Hauptursachen ihres Unterganges sind offensichtlich soziologischer Art. Die Kollektivform /Gebauer/ beruht auf der alten Markgenossenschaft, wo jeder Markgenosse gleichberechtigten Anteil am gemeinsamen 38 Landbesitz einer oder mehrerer Dorfgemeinschaften hatte. Sie war zunächst die häufigste Bezeichnung. Mit der veränderten Organisationsform der Landwirtschaft unter feudalistischen Bedingungen war sie gegenstandlos geworden, und um 1500 liegt sie in der Häufigkeit bereits an vorletzter Stelle in der Reihe der behandelten Bezeichnungen. Bis in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts hinein läßt sie sich noch im Ostmitteldeutschen belegen. Die größere Häufigkeit und längere Lebensdauer des Wortes in diesem Gebiet ist vielleicht dadurch zu erklären, daß bei der Kolonisierung Schlesiens und Brandenburgs die Bauern nach dem alten deutschen Markrecht dorfweise angesiedelt wurden, zu einer Zeit, als in ihrer ursprünglichen Heimat dieses Recht von den 39 Feudalherren schon stark beeinträchtigt war. Im Ostniederdeutschen übersteigt die Zahl der Belege für /Gebauer/ nicht den Durchschnitt. Die nach /Gebauer/ am häufigsten im Material vertretene Bezeichnung vor 1470 ist /Baumann/. In der Zeit von 1470 bis 1530 erfährt es zunächst eine Aufspaltung seiner Bedeutung. Vom Oberfränkischen her, wo /Baumann/ in der Bedeutung ' Bauer' anscheinend nicht bekannt war, setzt sich eine neue Bedeutung für das Wort allmählich durch. Mit dem Wachsen der Städte nimmt das Bauwesen großen Aufschwung. /Baumann/, besonders der Plural /Bauleute/, wird in zunehmendem Maße auf den im Baugewerbe Tätigen angewendet. In der Bedeutung ' Bauer' hat das Wort einen unaufhaltsamen Rückgang, so daß es im zweiten Untersuchungszeitraum nur noch als Rudiment in sprachlich konservativen Quellen, wie z.B. Weistümern, erscheint. /Gebauer/ und/Baumann/ gehören aber wie auch /Bauer, Ackermann/ und /Landmann/ zu den geläufigen deutschen Familiennamen. 3.4.
Allgemeine Beobachtungen
Der Begriff /Bauer/ kann als Beispiel dafür dienen, daß in bestimmten Teilen des Wortschatzes schon zu einem frühen Zeitpunkt ein Bestand an Bezeichnungen vorhanden ist, der weitgehend dem in der deutschen Literatursprache der nationalen Epoche entspricht. Es ist anzunehmen, daß für Teile des Wortschatzes von besonderer gesellschaftlicher Relevanz schon früh das Bedürfnis und die Notwendigkeit für die Herausbildung allgemein verständlicher Benennungen bestand. Sofern die bezeichneten Gegenstände oder Begriffe nicht durch sich wandelnde historische Bedingungen in ihrem Wesen völlig verändert wurden, konnten ihre Bezeichnungen über lange Zeiträume Gültigkeit bewahren. Das trifft besonders für das Wort /Bauer/ zu. Nur die zahlenmäßig und ihrem Gewicht nach s e k u n d ä r e n Bezeichnungen für den Begriff ' Bauer' waren gewissen Umschichtungen unterworfen. Verschwunden sind Bezeichnungen, die durch
'Bauer'
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Polysemie oder durch Inadäquatheit der Bezeichnungsweise beeinträchtigt waren, statt dessen sind Neubildungen entstanden, die den veränderten Bedingungen besser entsprechen. Diese sekundären Bezeichnungen orientieren sich an der Hauptbezeichnung /Bauer/ und nehmen z. T. spezifische Bedeutungsnuancen oder Stilmerkmale an, und damit bewahren sie ihre Daseinsberechtigung. Die behandelten Bezeichnungen können deshalb auch nur bedingt als Konkurrentengruppe angesprochen werden. Sie bilden vielmehr - besonders im zweiten Untersuchungszeitraum - eine Skala von Bezeichnungsmöglichkeiten, die es erlauben, den Begriff von verschiedenen Ebenen und Standpunkten her zu benennen, wie es die gesellschaftliche Relevanz dieses Begriffs erfordert.
Anna Huber
46 4.
Bezeichnungen für den Begriff ' Bauer' in der Gegenwart
In der Gegenwart hat die Landwirtschaft einen grundlegenden Strukturwandel erfahren. Der landwirtschaftliche Grundwortschatz zeigt eine Tendenz zum Fachwortschatz. Wie für die Industrie ist auch für die moderne Landwirtschaft eine ständig zunehmende Technisierung und Spezialisierung charakteristisch. Damit ist ein grundlegender Wandel des Berufsbildes des Bauern verbunden. Die neue industrielle Form der Landwirtschaft e r fordert eine Fülle von Spezialberufen für die verschiedenen Zweige der landwirtschaftlichen Produktion. So wurden in der DDR bereits für das Jahr 1956 vierundzwanzig landwirtschaftliche Lehrberufe konstatiert. 1972 verfügten mehr als 64 % der Werktäti42 gen in der Landwirtschaft über einen fachlichen Abschluß. Seit dem Ubergang zur genossenschaftlichen Produktion in der Landwirtschaft haben sich in der DDR auch die Eigentumsverhältnisse geändert. Damit sind zwei wichtige Merkmale des ' Bauern' im ursprünglichen Sinne nicht mehr vorhanden: der umfassende Charakter des Berufsbildes und die private Verfügung über landwirtschaftliche Produktionsmittel, Hier sind offensichtlich wesentliche Gründe dafür zu suchen, daß die ursprünglichen Bezeichnungen für den Begriff z. T. eine rückläufige Tendenz erkennen lassen oder einen neuen Bedeutungsgehalt erhalten haben. Das WDG verzeichnet zwar noch alle in dieser Untersuchung erörterten Bezeichnungen, mit Ausnahme von /Baumann/ und/Gebauer/, also/Ackerbauer, Ackermann, Bauer, Bauersmann, Landmann, Landwirt/; uneingeschränkt gelten läßt es allerdings nur drei, nämlich /Bauer, Landmann/und/Landwirt/, ferner in einer verallgemeinerten Bedeutung auch den Plural von /Bauersmann: Bauersleute/. /Bauersmann/ und die übrigen Bezeichnungen werden als veraltend bzw. veraltet charakterisiert. 43 Bei Wahrig fehlt außer /Baumann/ und /Gebauer/ auch bereits /Ackermann/. 16
Duden (Leipzig) verzeichnet /Ackerbauer, Acker(s)mann, Bauer, Bauersmann, Landmann, Landwirt/. Wie die aufgeführten Belege beweisen, ist zumindest eine passive Gebräuchlichkeit aller dieser Bezeichnungen in der Gegenwartssprache nicht zu bestreiten, und damit ist die Berechtigung gegeben, sie in Wörterbüchern zu verzeichnen. Was die aktive Gebräuchlichkeit anbelangt, so scheinen die Einschränkungen des WDG und Wahrigs berechtigt. Literarische Belege lassen sich für alle diese Bezeichnungen beibringen, doch beziehen sie sich inhaltlich meist nicht auf die unmittelbare Gegenwart. Das gilt besonders für /Ackerbauer/: /Die bewußte Abrichtung des Hundes geschah vielleicht erst, als der Ackerbauer den Hirten zwang, seine Tiere von den bestellten Äckern fernzuhalten/ (1966) Renn, Zu Fuß 198.
'Bauer'
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/Ackermann/ gehört nach wie vor zu einer gehobenen Stilebene: /auf den ockerfarbenen Äckern am besonnten Horizont . . . , wo . . . ein erster Ackermann winzig klein unter riesigen Wolkenballen hinter seinem Zugochsen den Pflug führte/ (1962) Marg, Demetrius 2, 340. /Bauersmann/ erscheint in der Regel als Plural in verallgemeinerter Bedeutung (vgl. auch Anm. 30): /Allerorts waren Soldaten und Bauersleute und selbst die Kinder heftig erregt/ (1965) Seghers, Kraft 21. Sehr aufschlußreich für die beiden Bezeichnungen /Bauer/ und /Landmann/ und für ihr Verhältnis zueinander ist folgender Beleg: /In unserm Lesebuch gab es also ein Bild " Frühling". Darauf lächelten alle Leute so, wie sie bei der Arbeit nie lächeln. Neben dem Bilde stand noch ein Satz: "Der Landmann pflügt." Das ärgerte mich. Landmann? Wer sagt denn das? Bauer nennt man das doch!/ (1957) Renn, Kindheit (1958) 43. Die Verwendung von /Landmann/ in einem die Tatsachen beschönigenden Sinne wird hier kritisch reflektiert. So scheinen auch bei /Landmann/ Vorbehalte für die Gebräuchlichkeit zu bestehen, wenn es auch von den meisten gegenwartssprachlichen Wörterbüchern vorbehaltlos als Interpretament für /Bauer/ eingesetzt wird. Das Wort bezeichnet allgemein den Landbewohner gegenüber dem Stadtbewohner und ist keine Berufsbezeichnung. So haben von den im Untersuchungszeitraum 1670 - 1730 abgehandelten Bezeichnungen heute nur noch zwei als Berufsbezeichnung uneingeschränkte Geltung: /Bauer/ und /Landwirt/, aber auch sie haben z. T. neuen Bedeutungsgehalt erlangt und eine deutliche Funktionsteilung erfahren. Wieder - wie bereits wiederholt in dieser Untersuchung deutlich wurde - bleibt dem Worte /Bauer/ die unbestrittene Priorität. Trotz seiner Abwertung bis zum Schimpfwort in vergangenen Jahrhunderten und trotz seiner künstlichen Aufwertung und Bedeutungsverengung in der Zeit des Faschismus, wo nicht jeder Inhaber eines bäuerlichen 44 Betriebes sich /Bauer/ nennen durfte, hat es heute wieder allgemeine Gültigkeit. Auch unter den sozialistischen Eigentumsverhältnissen in der DDR wird die Bezeichnung /Bauer/, vor allem auch in der Verbindung /werktätiger Bauer, Genossenschaftsbauer/ bewußt beibehalten, jedoch vor allem als Klassenbezeichnung des Genossenschaftsbauern und weniger als Berufsbezeichnung. In einer für die Sprachentwicklung verhältnismäßig kurzen, aber an gesellschaftlichen Veränderungen reichen Zeit hat das Wort in der DDR bereits mehrere Wandlungen e r fahren, die im engen Zusammenhang mit den gesellschaftlichen Veränderungen stehen. Die folgenden Belege spiegeln dies klar wider:
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/Die Bodenreform war gekommen. Die Landarbeiter waren nun Bauern/ (1965) Zeiske, Spuren 8. /Ein werktätiger Bauer muß von allen Produktionszweigen etwas wissen/ (1959) u Wiss. u. Fortschritt 352 . /Die Bauern entwickelten sich zur Klasse der Genossenschaftsbauern/ (1973) Kl. polit. Wb. 16. Die soziale Gleichstellung des werktätigen Bauern mit der Stadtbevölkerung, die Freizügigkeit zwischen Stadt und Land, der gleichberechtigte Zugang zu allen Bildungsmöglichkeiten hat das frühere Bildungsgefälle zwischen Stadt und Land weitgehend beseitigt. Auch die Erweiterung des geistigen Horizonts durch die Massenkommunikationsmittel Film, Rundfunk, Fernsehen vollzieht sich annähernd gleichmäßig in Stadt und Land. Damit ist in der DDR der Geringschätzung der Landbevölkerung jede Grundlage entzogen und dadurch auch einer Abwertung des Wortes /Bauer/. /Landwirt/ als jüngste der bisher behandelten Bezeichnungen hat in der Gegenwart eine wichtige Position eingenommen. Es ist für die gesamte Fachrichtung repräsentativ 45 geworden und scheint auch für ihre Benennung ausschlaggebend gewesen zu sein. An die frühen Belege (vgl. S. 37), die mit dem Wort /Landwirt/ bereits die Vorstellung eines Kenners und Experten auf dem Gebiet der Landwirtschaft verbinden, knüpft wahrscheinlich die moderne Bedeutung an: "Landwirt - allg. Bez. für hauptberuflich in der Landw. tätige Pers. Mit dem Begriff L. können Qualifikationsbez. verbunden sein, 46 z. B. Staatl. gepr. Landw., Diplomlandw., jedoch auch Tätigkeitsbereiche im Betrieb." / e r ist gelernter Landwirt/ (1969) WDG 3,3395 b . /Staatl. geprüfter Landw., 35/1,75 . . . möchte intell. u. verständnisv. Partnerin zw. spät. Heirat kennenl. / (1973) Wochenpost 20. Jg. (1.6.) 26 c . / E r : Dipl. -Landw., Abschl. 69, Sie: Zahnärztin, 1. Ausbildungsj., su. neuen Wirkungskr./ (1973) ebd. 20 a . Als weitere Bezeichnung, die noch von einem umfassenderen Charakter des Berufsbildes ausgeht und die in der Gegenwart große Aktualität erlangt hat, ist /Agronom/ 47 zu nennen. Das Wort ist ähnlich wie / (Diplom)landwirt/ nicht mit der Vorstellung eines privaten Landbesitzes verbunden und deshalb den neuen Bedingungen angemessen. "Als Agronom wird ein an landwirtschaftlichen Fakultäten der Universitäten bzw. an Landwirtschaftlichen Hoch- und Fachschulen wissenschaftlich ausgebildeter Landwirt bezeichnet, der eine leitende Tätigkeit auf dem 48 Gesamtgebiet oder auf einem Spezialgebiet des Acker- und Pflanzenbaus ausübt." Das Wort ist häufig in modernen literarischen und fachbezogenen Texten vertreten, die in der DDR publiziert wurden: /Jetzt aber brauchte jede LPG Agronomen, Techniker, ausgebildete Viehzüchter und andere Spezialisten/ (1966) Gesch. Arbeiterbewegung 8,204.
'Bauer'
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/Der Agronom war krank, der Vorsitzende vertrat ihn/ (1966) Strittmatter, Kramkalender 123. In der BRD besteht nach wie vor das Privateigentum an Grundbesitz, dort hat /Bauer/ die ursprüngliche Bedeutung des Eigentümers landwirtschaftlicher Produktionsmittel; doch hat sich auch in der BRD eine starke Zentralisierung auf große landwirtschaftliche Betriebe vollzogen dadurch, daß die Mehrheit der Klein- und Mittelbauern im Konkurrenzkampf unterlag. Der Großbauer ist genötigt, um im weiter andauernden Konkurrenzkampf zu bestehen, landwirtschaftliche Sachverständige zu beschäftigen, die selbst nicht Eigentümer von Grund und Boden sind, oder die entsprechende Qualifikation selbst zu erwerben. Auch dort ist also der Landwirt mit einer Fachausbildung unentbehrlich, doch wird das Wort /Landwirt/ auch häufig in der ursprünglichen allgemeinen Bedeutung verwendet. Die in der BRD erschienenen gegenwartssprachlichen Wörterbücher wie z. B. Wahrig, Pekrun, Mackensen, Duden-Fremdwörterbuch verzeichnen durchgehend auch das Wort /Agronom/ in der für die DDR gebräuchlichen Bedeutung. Literarische Belege aus modernen in dei: BRD erschienenen Quellen liegen 49 dafür nicht vor. Auch an der Bezeichnungsweise des Begriffs ' Bauer» in der Gegenwart bestätigt sich, daß gesellschaftliche Entwicklungen unmittelbar Entwicklungen im Wortschatz auslösen und beeinflussen können. Anmerkungen 1 "Bei einer Gesamtzahl von etwa fünfzehn Millionen Menschen um 1500 wird der Anteil der Landbewohner auf ungefähr achtzig bis fünfundachtzig Prozent geschätzt." Kammnitzer, Vorgesch. d. Dt. Bauernkrieges (1953) 13. 2 Engels, Bauernkrieg. In: Marx/E. (1956) 7,339. 3 Zur Bedeutung der Flugschriftenliteratur vgl. u. a.: Guchmann, Spr. d. polit. Lit. (1974); Uhrig, D. Bauer in d. Publizistik 117; Grundpositionend. dt. Lit. (1972) 92; Winkler, Wortbestand v. Flugschriften (1970) 75 ff. 4 Gesch. d. dt. Lit. 4 (1961) 283. Zur Zahl der Drucke und zu den Auflagehöhen einiger bekannter Flugschriften vgl. Grundpositionen d. dt. Lit. (1972) 423 f. 5 Vereinzelt kommen auch andere Komposita wie z. B. /Ackerbauersmann, Gebauersmann/ u. ä. vor, sie haben aber keine weiterführende Bedeutung für die Bezeichnung des Begriffs und wurden nicht berücksichtigt. 6 Vgl. *DWB 3,25: "edel ist edelgeboren, von adel. " Ebd. 26: "Unsern heutigen gegen satz zwischen bürger und bauer drückte also vormals auch edler und bauer aus, dem bauer bleibt immer die unterste stelle." 7 "Dieses Prinzip vom Tugendadel wird nun direkt zu einem wesentlichen Bestandteil der Neubewertung eines ganzen Standes, nämlich des Bauern" Grundpositionen d. dt. Lit. (1972) 214.
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8 Martini, Bauerntum 250. Vgl. unten Anm. 11. 9 Winkler, Wortbestand v. Flugschriften (1970). 10 Mit wenigen Belegen ist /Bauersmann/ vertreten, die übrigen Bezeichnungen fehlen ganz. e o 11 Der gestryfft Schwitzer Baur. Diß buchlin hat gemacht ein Baur auß dem Entlibuch. O. O. u. J. Q 12 Ein nutzlicher Dialogus odder gesprechbüchlein zwischen einem Muntzerischem Schweriner vnd einem Euangelischen frumen Bawern. Wittenberg 1525. 13 Balthasar Stanberger, Dialogus zwischen Petro und einem Bauern (1523). In: Flugschriften. Hg. v. O. Clemen. 3 (1908) S. 185 - 218. 14 Gesprächbüchlein von einem Bauern, Belial, Erasmo Rotterodam und Doctor Johann Fabri (1524) In: Flugschriften. Hg. v. O. Clemen. 1 (1907) S. 313 - 336. 15 Ain schöner dialogus wie ain baur mit aim frauenbrSder münich redt (1525). In: Satiren u. Pasquille. Hg. v. O. Schade. 2 (21863) S. 155 - 159. 16 /Ackermann/ ist mit 0, 2 %, /Bauersmann/ mit 1 , 5 % und /Gebauer/ mit 2, 6 % vertreten. Sehr häufig steht in dieser Quelle als allgemeinere Umschreibung für 'Bauer': /der arme Mann, die armen Leute/. 17 Dieses Wort ist für die Zeit vor 1470 häufiger1 im Material vertreten als das Wort /Bauer/. Vgl. auch Ahd. Gl. 3,137, 28 ff. S./S. Vgl. auch Luther, Bibel 2,159 W. Hier wurde /Bauer/ durch /Hirte/ ersetzt. 19 Eine Reihe von Komposita mit /-mann/ als zweitem Kompositionsglied nähern sich ihrem Charakter nach den Ableitungen. Das zweite Kompositionsglied ist schon fast sinnentleert, so z. B. „/Bauers-, Bürgers-, Jägers-, Reitersmann/ u.a. Vgl. Henzen, Wortbildung ( 1965) 193. 20 20 Zum Verhältnis /Gebauer - Bauer/ vgl. Kluge/M., Et. Wb. ( 1967) 57. Vor 1470 ist /Gebauer/ von allen hier erörterten Bezeichnungen am häufigsten verwendet, es ist schon ahd. belegt: Ahd. Gl. 1,700,13-15 S./S. 21 "Im Oberdeutschen, besonders der späteren Zeit, kommt . . . Ausstoßung des e in ge- und be- vor . . . auch mit Assimilation des g oder b an den folgenden Kons., so daß die Vorsilbe ganz geschwunden erscheint: vgl. . . . birge, ' Gebirge', bure, ' Bauer'. " Paul/M., Mhd. Grammatik ( 1969) 52. 18
Vgl. Siebenb. -sächs. Wb. 3 (1971) 44 f. Hier werden Belege bis zur unmittelbaren Gegenwart aufgeführt. 23 /Ackerbauer/ ist mehrfach zwischen 1530 und 1670 belegt und nicht mehr ausschließlich in Übersetzungslit^ratur: /daß er [Cato] ein ackerbaur worden vii dasselbige auch mit grossem lob getriebe/ (1559) Petrarca, Zwei Trostb. 53 . /was der Lohn der Weingart, Acker vnd Feldbawer . . . sein [ s o l l e ] / (1621) Samml. württ. Regierungs-Gesetze 1,786 Z. 24 Das Wort /Landmann/ bezeichnet in erster Linie den Einwohner eines Landes, den heutigen /Landsmann/; ferner kann es für den Abgeordneten zum Landtag stehen u. ä. vgl. DWB 6, 124 f. Einzelne ältere, aber nicht eindeutige Belege für die Bedeutung ' Bauer' s. Lexer, Mhd.Hdwb. (1872) 1,1825 f.; vgl. auch Akten Gesch. Verf. Köln 2,119 f. u. ebd. 762. 22
25 Doch wird die Form /Landsmann/ von vornherein häufiger für den Einwohner eines Landes und für den Miteinwohner gebraucht. Vgl. DWB 6, 140 f.
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Pejorative Tendenzen sind mit dem Begriff ' Bauer' nicht nur im Deutschen verbunden. Vgl. Zessin, Der Begriff "Bauer" im Englischen (1937) 118 ff.
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/wenn man jemand einen argen Bawren schilt, so ist es eben so viel, als wenn man jhn einen abgescheumbten, durchtriebenen Essig vnd Kern Boßwicht nennet/ (1619) Garzoni, Schawplatz (1641) 593 . 5 28 Vgl. Mottek, Wirtschaftsgesch. ( 1972) 1,349 f. Als Leibeigene wurden auch z.T. die Bauern in Südwestdeutschland bezeichnet, diese Bezeichnung hatte aber nur formalen Charakter, der Grad der Abhängigkeit war hpi weitem nicht so stark wie in den Gebieten östlich der Elbe. Vgl. ebd, 322. 29 Vgl. Wander, Sprichwörter-Lex. 1 (1867) 255 ff. 30 Weitere Belege für die verallgemeinerte Verwendung von /Bauersleute/: wmd.
/wann wir Baursleuth auff den einzelnen Höffen an der Arbeit im Feld: und also hingegen unsere Häuser von Leuthen lär seyn, so schleichen sie [die Zigeuner] dann wie die Füchs durch die Bösche herzu, und mausen uns Kisten und Kästen auß/ (1682) Grimmelshausen, Simpliciana 80 Sch.
ond.
/Den es sind noch in Samland unter den Bauersleuten, die sich noch auff die alte Art schlecht behelffen, viel sehr alte Leute, ob gleich die Art zu lebei^itzund sich schon sehr verändert/ (1684) Hartknoch, Preussen 1, 82 ,
31
Adelung, Wb. (1774) 1,141.
32
Es gibt nur ganz vereinzelt Belege, wo von dieser Funktionsteilung abgewichen wird: ond.
/hätte der Herr Woiwode allhier ausrufen lassen, daß die Bauren und Landsleute allerhand Gevögel, Tiere und sonst andere mineralische Sachen, so sie überkommen könnten, zum Herrn Doktor einbringen sollten/ (1721) Messerschmidt, Sibirien 1, 93 W. Vgl. auch Anm. 25.
33
Aus dem Ostniederdeutschen liegen einige Bürgerbuchbelege vor, die keine klare Interpretation zulassen, da nur Name und Berufsangabe verzeichnet sind.
34
Das Verhältnis 6 : 1 zwischen /Baumann/ ' Bauer' und /Baumann/ ' Bauarbeiter' im ersten Untersuchungszeitraum hat sich verschoben auf 1 : 1. Dabei ist zu berücksichtigen, daß bei der systematischen Exzerption, die ja den größten Teil der Belege erbrachte, /Baumann/ ' Bauarbeiter' nicht berücksichtigt wurde, der Vergleich für /Baumann/ ' Bauer' also in Wirklichkeit viel ungünstiger aussieht.
35 Adelung, Wb. (1774) 3,45 interpretiert: "1. Ein Gast= oder Schenkwirth auf dem Lande oder Dorfe; zum^Unterschiede von einem Stadtwirthe. 2. Ein jeder Hauswirth auf dem Lande." Auch DWB 6, 151 hat nur jüngere Belege als die angeführten für die Bedeutung ' Bauer'. 36
Größere Häufigkeit erlangt das Wort erst nach dem zweiten Untersuchungszeitraum; dafür einige Belege: /der arme Ackerbauer/ (1794) Jean Paul I 4,163 Ak. /würden die vordringenden germanischen Stämme viele unstäte Jägerhorden noch da umherziehend gefunden haben, wo die spanischen Eroberer ansässige Ackerbauer fanden/ (1847) A. v. Humboldt, Kosmos 2, 338. /wenn man die Kornzölle durchaus abschafft, so müssen ein paar Millionen Ackerbauern krepieren/ (1846) Weerth 5,195 K. In den Belegen erscheint sowohl der Plural: /Ackerbauer/ als auch /Ackerbauern/, doch sind Belege für den Plural: /Ackerbauer/ häufiger. Der Ackerbauer wird oft . in Gegensatz zum Viehzüchter gestellt.
37
Vilmar, Id. Kurhessen (1868) 136; vgl. auch Rhein. Wb. 5, 84: Landmann . . . so
52
Anna Huber bezeichnet sich der B(auer) gern selber, da das Wort B(auer) einen verächtl. Klang angenommen hat.
38 Vgl. Engels, Dte Mark. In: Marx/E. (1956) 19,318 ff.; vgl. auch Mottek, Wirtschaftsgesch. ( 1972) 1,102. Eine Darlegung verschiedener Theorien zu Wesen und Geschichte der Markgenossenschaften findet sich bei Elsener in: Schweiz. Beitr. z. allg. Gesch. 13 (1955) 204 ff. 39 Vgl. Engels in: Marx/E. (1956) 19, 325 f. Das siebenb.-sächs. Wb. 3 (1971) 44 f. verzeichnet Belege für /Gebauer/ noch bis zur unmittelbaren Gegenwart. 40 Vgl. Heintze/C. Familiennamen (71933) 212b; 133 a . 41 Vgl. auch die Ausführungen zur Gegenwart S. 46 ff. 42 Einheit (1956) 8,728. Kl. polit. Wb. (1973) 406. 43 Wahrig, Dt. Wb. (1968). Trübner, Dt. Wb. (1939) 1,242 schreibt: "Bauer heißt jetzt nach dem Erbhofgesetz nur der Eigentümer eines Erbhofes, der Eigentümer oder Besitzer anderen land= oder forstwirtschaftlich genutzten Grundeigentums heißt Landwirt. " Nach Wortgesch. 2, 507 M./S. war das Wort /Bauer/ in der Zeit vor dem ersten Weltkrieg gegenüber /Landwirt/ abgesunken; erst in den 20er Jahren und nachher, besonders auch in der Zeit des Faschismus ist es wieder aufgewertet worden. 45 Der erste uns vorliegende Beleg für das Wort /Landwirtschaft/ entstammt dem Ostmitteldeutschen (s. S. 37 oben) und ist vom Jahre 1720. Ferner kommt es in dem Titel einer ebenfalls ostmitteldeutschen Quelle von y 3 1 vor: Allgemeines Oeconomisches Lexicon, Darinnen nicht ^Llein die Kunst =Worter und Erklärungen derjenigen Sachen, welche in einer vollständigen Landwirthschafft und Haushaltung von Acker- Feld-Holtz= Hooffen= Obst= Wein= und Garten=Bau, Wiesewachs, F^scherey, Jagerey, Bierbrauerey, Branteweinbrennerey, Vieh=Zucht zu wissen nothig . . . " Aus diesem Titel geht gleichzeitig hervor, in welchem umfassenden Sinne das Wort verstanden wird.
44
46
Lex. d. Wirtschaft. Arbeit (1969) 391.
47 Das Wort /Agronom/ läßt sich erst seit den fünfziger Jahren d. 20. Jahrhunderts häufig in der Literatur nachweisen, jedoch können vereinzelte Belege schon für eine wesentlich frühere Zeit angeführt werden; /Aber all die Tausendkünste unsrer neuern berüchtigten Agronomen haben sie unsrer Oeconomie den geringsten Nutzen geleistet?/ (1778) Ephemeriden d. Menschheit 4,109. /Ob ihm des Münchener Agronomen Fraas . . . Alluvionstheorie bekannt?/ (1868) Marx/E. (1956) 32,5. / E r könne ihn ja verklagen, ihn, den Agronomen Petermann/ (1919) Tucholsky 1, 500 G. - T . / R . /Aber als Agronom, als Landwirt, wenn Ihr wollt, weiß ich, daß alles, was da draußen wächst, . . . am Ende doch Futter wird/ (1924) Werfel, Verdi 53. Häufig sind im 19. Jahrhundert Belege für /agronomisch/ und /Agronomie/. 48
Lex. d. Wirtschaft. Arbeit (1969) 18.
49 Benutzt wurden die Archive des DWB und WDG.
'Bauer'
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Verzeichnis der für das Teilthema zusätzlich herangezogenen Sekundärliteratur Abel, Wilhelm: Agrarkrisen und Agrarkonjunktur in Mitteleuropa vom 13. bis zum 19. Jahrhundert. Berlin 1935. - Geschichte der Landwirtschaft vom frühen Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert. Stuttgart 1962. Die zwölf Artikel der Bauern 1525. Hans Hergot, Von der neuen Wandlung 1527. Hg. v. A. Götze u. L.E. Schmitt. Halle 1953. Bach, Heinrich: Die entstehung der deutschen hochsprache im frühneuhochdeutschen. In: ZfMdaf. 23 (1955) S. 193 - 201. Benkö, Loränd: Einige allgemeine Probleme der Geschichte der Literatursprache. In: Acta Linguistica Academiae Scientiarum Hungaricae. 12 (1962) S. 19 - 52 u. 273 - 363 Bezold, F. von: Die armen Leute und die deutsche Literatur des späten Mittelalters. München 1879. Blaschke, Karlheinz: Soziale Gliederung und Entwicklung der sächsischen Landbevölkerung im 16. bis 18. Jahrhundert. In: Zeitschrift für Agrargeschichte 4 (1956) S. 144 ff. Blochwitz, G.: Die antirömischen Flugschriften der frühen Reformationszeit. Diss. Rostock 1930. Daube, Anna: Der Aufstieg der Muttersprache im deutschen Denken des 15. und 16. Jahrhunderts. Diss. Rostock 1939. Drozd, Lubomir: Grundfragen der Terminologie in der Landwirtschaft. In: Muttersprache 74 (1964) S. 296 - 312; 336 - 344; 360 - 369. Elsener, Ferdinand: Neuere Literatur zur Verfassungsgeschichte der Dorfgemeinde. In: Schweiz. Beitr. z. allg. Gesch. hg. v. W. Näf u. E. Walder. 13 (1955) S. 202 - 224. Fleischer, Wolfgang: Zur Entstehung der deutschen Nationalsprache. In: PBB (H) 84 (1962) S. 385 - 405. - Frühneuhochdeutsche Geschäftssprache und neuhochdeutsche Norm. In: PBB (H) 88 (1966) S. 107 - 246. Franz, Günter: Der Dreißigjährige Krieg und das deutsche Volk. Jena 1940. Fuchs, Carl Johannes: Der Untergang des Bauernstandes und das Aufkommen der Gutsherrschaft. Straßburg 1888. 3
Gerdes, Heinrich: Geschichte des deutschen Bauernstandes. Leipzig 1928, Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart. Bd. 4: 1480 - 1600. VonJ. G. Boeckh, G. Albrecht u.a. Berlin 1961. Goldenbaum, Ernst: Die deutschen Bauern in Vergangenheit und Gegenwart. Berlin "51954. Großmann, Friedrich: Über die gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse in der Mark Brandenburg vom 16. bis 18. Jahrhundert. Leipzig 1890. Grundpositionen der deutschen Literatur im 16. Jahrhundert. Von Ingeborg Spriewald, Hildegard Schnabel u. a. Berlin und Weimar 1972.
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Anna Huber
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'BÄCKER', ' FLEISCHER», 'TISCHLER' WORTSCHATZUNTERSUCHUNGEN IM BEREICH DES HANDWERKS AM BEISPIEL KONKURRIERENDER BERUFSBEZEICHNUNGEN
Wilhelm Braun
1.
Einleitung
1.1.
Begründung der Wahl des Themas
Handwerkerbezeichnungen sind durch ihre Vielfalt und ihre sprachgeographische Differenziertheit 1 im Frühneuhochdeutschen in besonderer Weise geeignet, als Gegenstand für die Untersuchung sprachlicher Ausgleichsprozesse herangezogen zu werden. Dabei durfte davon ausgegangen werden, daß die gesellschaftlichen und ökonomischen Veränderungen in der Zeit von 1470 - 1730 als außersprachliche Faktoren in diesem Wortschatzbereich besonders wirksam sind. Zu nennen ist in erster Linie die die Entwicklung der einzelnen Handwerke bestimmende Organisationsform, die Zünfte; sie entstanden in Deutschland seit dem 12. und 13. Jahrhundert, und zwar zunächst als Organisation für gegenseitige Hilfe bei Krank2 heit und Tod, dann vor allem zum Schutz vor unerwünschter Konkurrenz von innen und 3 außen und als "Basis des Kampfes gegen Feudalherren und das städtische Patriziat" . Die Einschränkung der Konkurrenz durch Begrenzung der Mitgliederzahl und Absperrung nach außen sowie die oft ins einzelne gehende Abgrenzung z. T. nah verwandter Handwerke voneinander sind nicht ohne Einfluß auf die Ausbildung der Handwerkerbezeichnungen geblieben. Allgemein läßt sich sagen, daß die im Spätmittelalter und zu Beginn der Neuzeit bestehende, sehr weitgehende Arbeitsteilung im Handwerk durch die Zünfte entscheidend gefördert und auch dann noch aufrechterhalten wurde, als die technische Entwicklung längst4 zur Zusammenlegung bestimmter Arbeiten in die Hand e i n e s Handwerkers drängte. Der Grad der Arbeitsteilung ist abhängig nicht nur vom Entwicklungsstand des einzelnen Handwerks, sondern auch von der Größe der5 Stadt oder Absiedlung, d. h. von den Absatzmöglichkeiten für ein bestimmtes Produkt, Zu der im wesentlichen durch den zu verarbeitenden Werkstoff (z.B. Holz oder Leder) bestimmten Gliederung der Handwerke kommt eine soziale Schichtung. Handwerker, die nicht die Vollmitgliedschaft einer anerkannten Zunft erlangen, weil sie eine der zahlreichen, oft willkürlichen Bedingungen nicht erfüllen können, sind in der Regel gezwungen, untergeordnete, wenig angesehene und entsprechend gering bezahlte Arbeiten auszuführen. Sie müssen sich meist außerhalb berufsgenossenschaitlicher Zusammenschlüsse einzeln, als Bönhasen , zu behaupten suchen. Oft wurde ihnen das Recht der Niederlassung in der Stadt verweigert. In vielen Handwerken hatten sich die Unzünftigen mit schlechtbezahlten Reparaturarbeiten zu befassen: So die Altreusen, Altlapper, Flickschuster unter den Schuhmachern, die Altbinder unter den Böttchern. Soziale Schichtungen sind auch überall dort erkennbar, wo die Größe des Bedarfs und die Zahl der Handwerker eine Arbeitsteilung fordern oder zulassen. So stehen in manchen Städten die sozial höher eingestuften Weißbäcker (Losbäcker) und Fleischer (Knochenhauer) den niedriger eingestuften Grobbäckern (Festbäckern) und Freischlächtern
Wilhelm Braun
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(Kütern, Lästerern) gegenüber. Auf unvergleichlich höherer sozialer Stufe stehen ganz allgemein die Handwerker einer Stadt gegenüber den Handwerkern, die auf dem Land oder in der Nähe der Städte arbeiten. Die vorliegende Arbeit soll zur Klärung der Frage beitragen, wie sich die Gliederung und die Wandlungen der Zünfte auf die Entwicklung der Handwerkerbezeichnungen auswirkten. Mit der Frage nach den außersprachlichen Bedingungen der lexikalischen Prozesse verbindet sich die nach den sprachlichen Ursachen. Die zur Bearbeitung ausgewählten Konkurrentengruppen' Bäcker', ' Fleischer' und ' Tischler' bieten ein besonders reiches und ergiebiges Material zur Beantwortung der im vorliegenden Band aufgeworfenen Fragen. 1.2.
Zur Materialgrundlage und zur Methode der Arbeit
1.2.1. Eine ausreichende Bezeugungsdichte war für die meisten Handwerkerbezeichnungen - außer für ' Bäcker' und ' Fleischer' - nur durch gezielte Nachexzerption zur Ergäng zung der in der systematischen Exzerption gewonnenen Belege zu erreichen. Die Bezeichnungen für die wichtigsten Handwerker dürften in den untersuchten Zeiträumen - grob geschätzt - zu den 5000 - 10000 häufigsten Wörtern der deutschen Literatur9 spräche gehören. Uber die systematisch exzerpierten Texte hinaus boten sich als ergiebige Quellen in erster Linie die in den meisten Landschaften überlieferten und z. T. edierten Bürgerbücher an. Durchgesehen wurden u. a. die Btirgerbücher von Berlin (ond.), Bozen (oobd.), Cölln/Spree (ond.), Füssen (wobd.), Goslar (wnd.), Hannover (wnd.), Kassel (wmd.), Kempten (wobd.), Kamenz (omd.), Reval (ond.), Schönberg (ond.), Stuttgart (wobd.), Uelzen (wnd.). Ergiebig waren ferner für den Bereich der Handwerkerbezeichnungen außer den eigentlichen Zunfturkunden bestimmte Rechtsund Verordnungstexte wie Stadtrechtsbücher und Polizei Ordnungen. Die Materialsammlung für Handwerkerbezeichnungen wurde nicht auf die Konkurrentengruppen ' Bäcker', ' Fleischer' und ' Tischler' beschränkt, sondern zunächst erheblich breiter angelegt. Es wurde versucht, die Bezeichnungen für möglichst viele der wichtigeren Handwerker zu sammeln und das Material so weit aufzubereiten, daß die fllr die Frage nach den Ausgleichsprozessen ergiebigsten Konkurrentengruppen ausgewählt und in die Untersuchung einbezogen werden konnten. Übersichten anhand des von uns durchgesehenen Quellenkorpus bestehen (außer für ' Bäcker', ' Fleischer' und ' Tischler') für ' Beutler', ' Böttcher', ' Schlosser', ' Schneider', ' Schuhmacher', ' Seiler', ' Spengler', ' Töpfer', ' Wagner'. Ausgleich und Vereinheitlichung vollziehen sich in den verschiedenen Konkurrentengruppen zu verschiedenen Zeiten und mit unterschiedlicher Konsequenz. Während in der GrtlJSpe 'Schneider' der einzige relevante Konkurrent /Schröter/ bereits im 15./16. Jahrhun-
'Bäcker', 'Fleischer',
'Tischler'
59
dert auch in seinem niederdeutschen Stammgebiet zurücktritt, in der Gruppe 'Schuhmacher' /Suter/ und /Schubert/ nur bis ins 16. Jahrhundert reichen und die Konkurrenz zwischen /Schuhmacher/ und /Schuster/ ohne erkennbare landschaftliche Differenzierungen bis in neueste Zeit weiterbesteht (eine stilistische Unterscheidung läßt sich erst seit dem 18. Jahrhundert beobachten)*®, erweisen sich viele Bezeichnungsgrüppen gegenüber den allgemeinen Ausgleichs- und Vereinheitlichungstendenzen als äußerst beharrsam. Das gilt vor allem für Gruppen mit so reicher Varianz wie ' Böttcher', ' Töpfer' und ' Wagner' und besonders auch für die in die Darstellung einbezogenen Konkurrentengruppen ' Fleischer' und ' Tischler'. ** Beispielsweise stehen neben /Böttcher/ bis in jüngste Zeit /Binder, Faßbinder, Büttner, Küfer, Kübler/ und /Schäffler/. Dennoch zeichnet sich in der Literatursprache der Gegenwart auch hier eine klare Reduzierung der überwiegend landschaftlich gebundenen Synonyme zugunsten weniger Bezeichnungen ab; bei 'Töpfer' von 14 auf 2, bei 'Wagner' von 12 auf 2. 1.2.2. Für das Teilthema der Handwerkerbezeichnungen bietet die Festlegung der Untersu12
chungszeiträume auf die Jahre 1470 - 1530 und 1670 - 1730 günstige Möglichkeiten, den Beziehungen zwischen Sprache und Gesellschaft nachzugehen. Im ersten Untersuchungszeitraum, am Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts, darf die durch die Zünfte bestimmte Entwicklung des Handwerks in allen wichtigen Zweigen als abgeschlossen gelten. Auch die Differenzierung der klassischen Handwerke dürfte ihren Höhepunkt erreicht haben. Das Zunftwesen hatte im Bereich der städtischen Handwerke seine Macht voll entfaltet und war in vielen der bedeutenderen Städte zugleich ein entscheidender Faktor im Herrschaftsgefüge der Stadtpatriziate. 13 Seit Ende des zweiten Untersuchungszeitraumes geht, nachdem die Zünfte längst zu einem Hemmschuh der frühkapitalistischen Entwicklung geworden waren, mit dem 14 Reichsabschied vom 22.6.1731 die strengere Zunftgesetzgebung allmählich zu Ende. Eine besondere Bedeutung hat in dem hier aufgegriffenen Teilthema die Untersuchving des s p r a c h g e o g r a p h i s c h e n Aspekts. Nicht nur die große Zahl der Bezeichnungen für viele Handwerker, sd ndern auch ihre weithin strenge Begrenzung auf einzelne Landschaften geben gute Ansatzpunkte für sprachgeographische Fragestellungen. Die dem Gesamtprojekt zugrunde liegende Aufgliederung des deutschen Sprachgebiets in sieben 15 Großlandschaften wurde dahingehend modifiziert, daß in vielen Fällen eine weitergehende Aufschlüsselung des Belegmaterials vorgenommen wurde. Ergiebig für die Untersuchung des s o z i o l i n g u i s t i s c h e n Aspekts sind die bereits erwähnten Ansatzpunkte: der Gegensatz zwischen zünftigem und nichtzünftigem oder nicht voll zünftigem Handwerk und der Gegensatz zwischen Stadt- und Landhandwerk. Dabei ist das Handwerk auf dem Lande und in der Nähe der Städte in der Regel nicht-
60
Wilhelm Braun
zünftig. Methodisch zu fassen war der soziolinguistische Aspekt innerhalb der drei herangezogenen Konkurrentengruppen durch die Einbeziehung von Bezeichnungen für nichtzünftige oder nicht als zünftig anerkannte Handwerker. Nicht näher konnte der Frage nachgegangen werden, ob es innerhalb der Könkurrentengruppen in bestimmten Landschaften weitere Differenzierungen gab, die entweder auf soziale Ursachen zurückgehen oder sprachlicher, d. h. stilistischer Natur sind.
'Bäcker', 'Fleischer', 'Tischler' 2.
Konkurrentengruppe ' Bäcker'
2.1.
Begriffsbestimmung
2.1.1.
Definition:
61
'Bäcker' ist in allgemeiner Auffassung ein "Handwerker, der zum Zwecke des Erwerbs Backwaren (überwiegend Brot und Weißbrot, aber auch Kuchen u. dgl.) herstellt und verkauft". 2.1. 2.
Sachliche Abgrenzungen und Auswahl der behandelten Bezeichnungen
Im Bereich des Bäckerhandwerks gibt es sehr stark ausgeprägte Differenzierungen und soziale Unterscheidungen. Dem unter 2.1.1. definierten allgemeinen Begriff des Backwarenherstellers entsprechen in den Untersuchungszeiträumen die folgenden fünf Bezeichnungen: /Bäcker, Beck, Brotbäcker, Brotbeck, Pfister/. Nur sie sind Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. Es darf davon ausgegangen werden, daß /Bäcker, Beck, Pfister/ und natürlich auch /Brotbäcker/ und /Brotbeck/ einen Handwerker bezeichnen, der a l l e Sorten von Brot (Schwarzbrot, Weißbrot, Semmeln u. dgl.) herstellt. Von der Darstellung ausgeschlossen bleiben Bezeichnungen für Spezialberufe im Bäcker gewer be. Klammert man den ohnehin jüngeren Konditor (Zuckerbäcker) aus, so ist zu unterscheiden in Bäcker, die Schwarzbrot und in Bäcker, die Weißbrot backen. Diese Unterscheidung dürfte in der Regel jedoch sprachlich irrelevant geblieben sein, weil zwar die Gesetzmäßigkeit der Arbeitsteilung auch innerhalb dieses Handwerks wirksam wird, aber eine konsequente Trennung in zwei voneinander unabhängige Berufe meistens unterbleibt. In der Regel vertritt ein und derselbe Handwerker beide Berufs16
richtungen. Dem entspricht auch die relative Seltenheit der Belege für die beiden folgenden Reihen von Bezeichnungen für ' Grobbäcker' und ' Weißbäcker'. Grobbäcker: Weißbäcker: Festbäcker Grobbäcker Gr.oßbäcker
14 1 7 19 1
Roggenbäcker
3
Roggenbeck Roggenbrotbäcker
3 2
Sauerbeck Schwarzbäcker
10 1
Hellpfister Kleinbäcker Kleinbeck Losbäcker Semmelbäcker
3 2 2 22
Semmelbeck
2 1
Semmler
1
Weißbäcker
19
Weißbeck
15 1
Weißbrotbäcker Weißbrotbeck Weizenbäcker
1 2
Wilhelm Braun
62
Im Bereich der Fein- oder Zuckerbäckerei kommt es zu noch weitergehenden Differenzierungen, die sich in einer langen Liste spezieller Berufsbezeichnungen niederschlagen. Einige davon sind Bezeichnungen für Hersteller ganz bestimmter Spezialitäten, wie etwa /Honigkuchenbäcker, Konfektbäcker, Lebküchner, Lebzelter, Pfefferküchler/ u. dgl. Von den Bezeichnungen für den Fein- oder Zuckerbäcker haben nur /Konditor, Kuchenbäcker, Küchler/ und /Zuckerbäcker/ allgemeinere Bedeutung erlangt und auch nur diese stehen in einem Konkurrenzverhältnis zueinander. Sie bilden eine eigene Gruppe von Konkurrenten, die zudem relativ spät aufkommen (/Konditor seit dem 17., /Zuckerbäcker/ seit dem 16. Jahrhundert) und deshalb von der Darstellung ausgeschlossen bleiben. Die Kuchenbäcker stehen zwischen Bäckern und Konditoren. Auch hier gilt seit alter Zeit, daß (lokale) Abspaltungen sich zwar verselbständigen können, daß aber der Bäcker im allgemeinen alles herstellen kann und darf, was an Backwaren entwickelt worden ist. Das wird deutlich in Belegen wie dem folgenden von Hans Sachs: "Der Beck: . . . Ich hab gut Weitz vnd Rucken Brot// auß Korn, Weitzen vnd Kern b a c h e n / / . . . Semmel, Bretzen, Laub, Spuln vnd Weck,//
18 Dergleich Fladen vnd Eyerkuchn// Thut man zu Ostern bey mir suchn. " Das Handwerk des Bäckers ist bis in jüngere Zeit fest an die Entwicklung der Städte oder größerer Siedlungen gebunden. Auf dem Lande ist die Errichtung von Backhäusern oder Backöfen jedem gestattet, der dazu die Möglichkeit hat. Der Landbewohner, der Bauer, buk sein Brot in der Regel selbst. Bäcker ließen sich oft nur in der Nähe großer Städte nieder, wo sie dem direkten Zunftzwang nicht ausgesetzt waren und von wo aus sie unter bestimmten Bedingungen ihre Waren in die Stadt zum Verkauf bringen konnten. Ebenfalls nicht in die Darstellung einbezogen werden die zahlreichen, jedoch fast durchweg selten bezeugten Bezeichnungen, die nur die soziale Stellung des Bäckers, seine Stellung zu Zunft oder Innung, den Ort seiner Niederlassung u. dgl. näher benennen. Häufiger sind hier nur Bezeichnungen, die aus dem Kampf um Zulassung oder Ver19 bot von Landbäckern und ihren Waren innerhalb der städtischen Kommunen hervorgehen : Bauernbeck Feilbäcker
Heimbäcker
Feiler 2 0 Feldbäcker 21 Fochenzer
Innebäcker
Garnisonbäcker
Marktbeck
Gaubeck Gemeindebäcker
Mundbeck Spitalbeck
Hausbäcker
Stadtbeck
Hauspfister
Hofbeck Landbeck Landbrotbäcker
'Bäcker', 'Fleischer', 'Tischler'
63
Die Zahl der Bezeichnungen für den Bäckerberuf in seinen unterschiedlichen Ausprägungen vom Grobbäcker bis zum Konditor und einschließlich der eben angeführten Gelegenheitsbildungen beläuft sich auf mehr als 110. Viele davon sind äußerst selten bezeugt und ohne Einfluß auf den sprachlichen Ausgleichsprozeß. Die zahlreichen Zusammensetzungen mit /Bäcker, Beck/ und / P f i s t e r / als zweitem Kompositionsglied ordnen sich im allgemeinen der regionalen Verbreitung der Grundwörter zu. Auch aus diesem Grunde konnte auf eine Behandlung von Bezeichnungen wie /Grobbäcker/ oder /Hellpfister/ verzichtet werden. Eine Ausnahme bilden /Brotbäcker/ und /Brotbeck/, die den allgemeinen Begriff ' Bäcker' weitgehend abdecken, deren regionale Verbreitung jedoch z.T. erheblich von der des Grundwortes abweicht. Besonders auffallend ist das Auftreten von /Brotbäcker/ in westoberdeutschen Quellen seit dem Ende des 14. Jahrhunderts (21 Belege bis 1470), während/Bäcker/ in der gleichen Sprachlandschaft 1498 erstmalig auftritt und auch im 16. und 17. Jahrhundert noch insgesamt selten bleibt. 2.2.
Zeitraum 1470 - 1530
2. 2.1.
Aufführung der Konkurrenten nach der Häufigkeit der Belege aus der Zeit des ersten Untersuchungszeitraumes
Im ersten Zeitraum sind unter den 366 Stellennachweisen die folgenden Bezeichnungen belegt: /Bäcker/ (43,1 %), /Beck/ (38, 2 %), /Brotbäcker/ (6, 3 %), /Brotbeck/ (6, 3 %), / P f i s t e r / (5,4 %). 2. 2.2. _ .
Backer
22
Die Verbreitung der Konkurrenten in den Großlandschaften ,
das ursprünglich nd./md. Wort, ist in der Zeit des ersten Untersuchungszeitraumes im wesentlichen in allen niederdeutschen und mitteldeutschen Gebieten verbreitet. Es herrscht im gesamten Niederdeutschen konkurrenzlos, dominiert eindeutig im Westmitteldeutschen und Ostmitteldeutschen und ist auch im Oberfränkischen bezeugt. obfrk.
/Item sollen sich die becker schicken mit gereitschaft, das man stets feiln
wmd.
kauf mit brode finden möge/ (1492) Obrhein. Stadtrechte I 265. /Item up dat die beckere die bas zukomen ind der gemeynde gut broit vur
omd.
ire gelt backen moigen, . . . / (1481) Akten Gesch. Verf. Köln 1,472 S. / s o gaben inen die becker gemeiniglich 1 pahr semmein oder 1 krengel in
wnd.
den korb/ (ul480) Spittendorff, Denkw. 236 0. /in Hinrik Koch des beckers hues/ (1470) Lüb. Urkb. 1 11,640.
ond.
/Anno domini 1475 . . . het die ratt, oldt und nye, die schumaker und becker der twidracht halven . . . also entscheyden . . . / (1475) Berl. Stadtb. (1883) 255.
64
Wilhelm Braun Sehr klar ist die Abgrenzung des nd. /md. Wortes zum West- und Ostoberdeutschen
hin. Im Westoberdeutschen findet sich ein einziger Beleg aus Schlettstadt (1498), die anderen entstammen dem Straßburger Druck des ursprünglich niederdeutschen Eulen23 Spiegel. Das sporadische Auftreten von /Bäcker/ im Westoberdeutschen in so früher Zeit könnte durch die hier geläufige Zusammensetzung /Brotbäcker/ (s. d.) vermittelt 24 worden sein. Ostoberdeutsch ist weder /Bäcker/ noch Brotbäcker/ bezeugt. wobd.
/und sollent der selben becker zwen sin, die den affter tag bachen/ (1498) Obrhein. Stadtrechte m 1,2,441. /Da nun vlnspiegel wider gon Brunßwick kam, zu der beckerstuben, da wont ein becker nach darbei/ (1515) Eulenspiegel 27 HND.
Beck 2 5 , das alte deutsche Wort für ' Bäcker', kommt in der Häufigkeit der Belege des ersten Untersuchungszeitraumes dem Hauptkonkurrenten /Bäcker/ nahe. Sein Verbreitungsgebiet erstreckt sich über das gesamte Oberdeutsche, es behauptet sich im Westoberdeutschen vor seinen Mitkonkurrenten /Brotbäcker, Brotbeck, Pfister/, herrscht im Ostoberdeutschen und im Oberfränkischen fast ausschließlich und ist auch im Ostmitteldeutschen gut bezeugt. Keine Belege konnten für die Zeit von 1470 - 1530 aus dem Niederdeutschen und dem Westmitteldeutschen beigebracht werden. wobd.
/Der beck sprach: Ist er von mynen kuochen und ist er nit wol berait, so schlach mich ze tod/ (ul477) Steinhöwel, Äsop 56 LV.
oobd.
/Item die pegkchen schullen geleichs und guets prat haben/ (1481) öst. Weist. 12, 658.
obfrk.
/Verprioht ein peck, das er durch die schetzer am prot unrecht erfunden wirdet/ (1484) Obrhein. Stadtrechte 1104.
omd.
/Item die beckenn sullenn eynem idermann, der es begert hawßbackenn brot ungewegert backenn/ (1487) Urkb. Freiberg 3,472 E.
Brotbäcker, wie das folgende /Brotbeck/ eine verdeutlichende Zusammensetzung, ist überwiegend für das Westoberdeutsche bezeugt; nur zweimal findet sich das Wort in westmitteldeutsehen Quellen. wobd.
26
/Wellicher brotbecker ruckenbrat bacht, der sol bachen XII pfeningbrot für I ß/ (1498) Obrhein. Stadtrechte m 1,2,440.
wmd.
/das sie die brotbecker hie zu Heydelberg . . . ermanen mögen . . . und welcher becker sich des w e i g e r t . . . / (1477) ebd. I 514.
65
'Bäcker', 'Fleischer', 'Tischler' Brotbeck
Auch diese Zusammensetzving ist überwiegend für das Westoberdeutsche bezeugt; nur 2 Belege stammen aus ostoberdeutschen Quellen. wobd.
/Ich [ ein Esel] wäre aber gekouft von ainem brot becken, der gesessen was in ainem dorfe näch by der statt gelegen/ (1478) Niclas v. Wyle, Translationen 275 LV. /Mit den brotpöcken soll es also gehalten werden, das die außwendigen pecken und pöckin auf dem gei [ Land] kainerlei brodt noch prezen in dem markt und sonderlich heimblich in die heüser fürbaß tragen/ (1482) öst. Weist. 6,82.
oobd.
Pfister
27
ist Lehnwort aus lateinisch /pistor/ und findet stärkere Verbreitung nur in einigen Gebieten des Westoberdeutschen. Im Schweizerdeutschen ist es über längere Zeit herr28
sehende Bezeichnung für den Allgemeinbegriff' Bäcker'. Im übrigen Alemannischen und in Teilen des Westmitteldeutschen und Oberfränkischen wird das Wort überwiegend für den pistor der Klöster und geistlichen Stifte verwendet. Von hier dürfte die deutsche Entlehnimg ihren Ausgang genommen haben. Das in den Texten begegnende Nebeneinander von /Pfister/ und /Beck/ bzw. /Pfister/ und /Brotbäcker/ deutet auf Unsicherheit im Sprachgebrauch und ist wohl in den meisten Fällen als interpretierende Synonymie aufzufassen: /By dem becken oder pfister belyb das brote/ (1478) Niclas v. Wyle, Translationen 224 LV. / E s sol öch ein jetlicher pfister der zu Einsidlen brot vff den kaff bachen wil pfenning wert brot machen nach dem vnd denn der kouff vmb das korn stät vnd gät/ (1493) Weist. 1,156 G. /jedem wirt, metzger, pfister/ (1518) Rechtsqu. Kanton Argau 1,4,263 M. Im Schwäbischen und Elsässischen begegnet das Wort insgesamt seltener und wohl auch nur für die Bäcker der Klöster, Spitäler u. dgl.: /ein jeder pfister . . . deß allhiesigen spithals/ (1474, elsäss.) Obrhein. Stadtrechte m 1,2,948. /Hanns Riedle von Kempten, "pfister hie im closter gewesen"/ (1507) Füßener Bürgerb. 39 W. /Man schreibt von einem bischoff der verachtet die rät der gelerten vnd het drei hantwercks man die im rieten . . . der drit ein pflstor ein brotbacher/ (1520) Pauli, Narrenschiff 34°.
Wilhelm Braun
66
Nur vereinzelt finden sich für den untersuchten Zeitraum Belege aus oberfränkischen 29 und westmitteldeutschen Quellen. obfrk.
vmd.
/also oft und dick unser knecht oder pfister das wasser nam, so wurd es wider genommen/(1495, Heilbronn, südfrk.) Württ. Gesch. qu. 15, 578. / E s sal nymand zu panck sten, er sey flescher ader schuwrecht nach pfister, er geb dann einen halben virdung zugeschos/ (1496, ostfrk.) Rechtsdenkm. Thür. 434 M. /dat sij doch den burgermeisteren in den sack van geven zo allen 9 wechen jeder pister 9 m . / (2. H 15. Jh.) Kolner Zunfturk. 2,22 L.
Nicht nachgewiesen wurde das Wort in den ostoberdeutschen Quellen des ersten Zeit30 raumes. 2.2. 3.
Resümee des Zeitraums 1470 - 1530
Die Bezeichnungen für ' Bäcker' zeigen bereits in diesem Zeitraum eine großräumige Gliederung der beiden Hauptkonkurrenten /Beck/ und /Bäcker/. Als einheitlich erweist sich dabei das gesamte Niederdeutsche, das ausschließlich durch /Bäcker/ vertreten wird. Eine nicht ganz so beherrschende Stellung nimmt /Beck/ im Oberdeutschen ein, das zwar im Ostoberdeutschen eindeutig dominiert, im Westoberdeutschen aber sich gegen die starke Konkurrenz von /Brotbäcker, Brotbeck/ und auch /Pfister/ zu behaupten hat. Das Oberfränkische ordnet sich ziemlich konsequent dem Ostoberdeutschen zu, auch wenn das nd. /md. /Bäcker/ bereits vertreten ist. Ebenso eindeutig gehört das Westmitteldeutsche zum niederdeutschen/Bäcker/-Gebiet, während im Ostmitteldeut31 sehen /Beck/ noch einen Anteil von 40,6 % der Belege besitzt. Über landschaftliche Geltung erlangen nur /Bäcker/, das in 6 der 7 Großlandschaften und /Beck/, das in 4 Großlandschaften auftritt. Belege für /Pfister/, das mit Ausnahme des Schweizerischen, wohl im wesentlichen nur als Bezeichnung für den Bäcker einer kirchlichen Kommunität verwendet wird, finden sich im gesamten Westoberdeutschen und sporadisch im Oberfränkischen und Westmitteldeutschen. /Brotbäcker/ und /Brotbeck/ sind fast ausschließlich auf eine Großlandschaft, das Westoberdeutsche, beschränkt.
'Bäcker', 'Fleischer', 'Tischler'
67
Tabelle 1 Der Anteil der Konkurrenten in den einzelnen Großlandschaften und im Gesamtgebiet für den Zeitraum 1470 - 1530 (in Prozenten) wobd. Bäcker
oobd.
obfrk.
wmd.
omd.
wnd.
ond.
Gesamtgebiet
86,2
59,1
100
100
43.1
95,4
18, 5 77,1
1,8
Beck
39, 5
40,6
Brotbäcker 22, 9 Brotbeck
22,9
Pfister
12,8
38.2
3.4
6,3
4, 5
6.3 4,3
10.3
5.4
Tabelle 2 Die wortgeographische Verbreitung der Konkurrenten im ersten Zeitraum spiegelt sich äußerst genau in den Bibelübersetzungen der Zeit wider: 1. dt. Bib. Zür. Bib. + Eck ul466 1527/9 1537
Vulgata
wobd.
wobd.
oobd.
brotbeck
pfister
Gen. 40,1
pistor
phister
2
pistor
phister
16
pistor
20
pistor
phister pfister
41,10 pistor
pfister
Hosea 4,4 a coquente l.Sam.
8,13
pfister beck
brotbecker
panifica
brotmacherin
beck
pfister
[koch]
beckin
wnd.
omd. becker
becker becker-
becker
becker-
becker becker
brotbecker
brotbeck
pfister
coquens
Luther 1523 f.
becker becker brodtbecker
brotbeck
22
6
brotbeck
Köln. Bib. ul478
becker becker (Über sehr. ) brodtbecker
beck brotbeck
5
Dietenberger 1534 wmd.
brockbecker(!) becker becker
[brot beckerin bachen]
becker
becker becker becker 1524: beckyn 1545: Becker in
Entsprechend übersetzt die Ausgabe Zürich 1531; moderne Ausgaben der Zürcher Bibel setzen durchgehend /Bäcker/. Auch die andern niederdeutschen Bibeln (die zweite Kölner von ul478> die Halberstädter von 1522 und die Lübecker Bibeln von 1494 und 1533) haben ausschließlich das nd. /md. Wort.
68
Wilhelm Braun 2.3.
Zeitraum 1670 - 1730
2.3.1.
Aufführung der Konkurrenten nach der Häufigkeit der Belege des zweiten Untersuchungszeitraumes
Im zweiten Zeitraum sind unter 363 Belegstellen die folgenden Bezeichnungen nachzuweisen: /Bäcker/ (62 %), /Beck/ (35,2 %), /Brotbäcker/ (1,1 %), /Pfister/ (1,1 %), /Brotbeck/ (0, 5 %). 2. 3. 2.
Die Verbreitung der Konkurrenten in den Großlandschaften
Bäcker hat in der Zeit von 1670 - 1730 seinen oberdeutschen und ostmitteldeutschen Konkurrenten /Beck/ in der Gesamtzahl der Belege weit überholt. Das Wort gilt außer im gesamten Niederdeutschen und Westmitteldeutschen weiter zunehmend im Ostmitteldeutschen und Oberfränkischen und dringt auch ins Ostoberdeutsche und Westoberdeutsche vor. wobd. oobd.
/Wolan du b i s t . . . ein Beker und ein Wirt// Und durch diß dopelwerk hast du dich oft geirrt/ (vl697) Grob, Epigr. 219 LV. /daß die Becker . . . wohl bestellt seyen, damit das Brod sein rechtes
omd.
Gewicht und Gute . . . habe/ (1682) Hohberg, Georgica (1687) 2,10 b . /der Obriste Beck [ v a r . : /Becker/] und der Mundsehenck des Königs/ (1675) Grimmelshausen, Simplicissimus 2,793 K. (/der Obriste Hoffbeck oder Pistorey-Verwalter/ ebd. 795,7; /Pfisterey-Verwalter/ 795,31; /der Obriste Becker/ 798,31). /wie denn die Blcker offt mit kleinen Brodten grosse Heuser bauen/
ond.
(1677) Butschky, Pathmos 142. /Becker/ (1672) Bürgerb. Könitz 42 K.
wmd.
Beck behauptet sich im Ostoberdeutschen und Westoberdeutschen. Im Oberfränkischen und Ostmitteldeutschen hingegen steht es mit Abstand an zweiter Stelle hinter /Bäcker/. Vereinzelt finden sich westmitteldeutsche Belege aus Quellen (Grimmelshausen), die jedoch oberdeutsch beeinflußt sein können. Für das gesamte niederdeutsche Sprachge32 biet ist auch aus den Quellen des zweiten Zeitraumes kein Beleg beigebracht worden, wobd.
/Beck/ (1670) Bürgerb. Stuttg. 1, 36bN.
oobd.
/Laß mir mein Brod// Du hast dir wol eins z' kauffen// Geh nur zum Beck// Denselben reck// Dem kanst du bald entlauffen/ (1670) Abele, Unordn. (1669) 2,72. /pöckh und keller im spital/ (1690) Bozner Bürgerb. 1,113 Ndr.
'Bäcker', 'Fleischer', 'Tischler'
69
obfrk,
/Bey des Königs Einzug . . . hat ein Beck seinen Sohn . . . auf diese lächer-
wmd.
/fischte auch daselbst einem Becken zwey Kreutzer Brod ab/ (1672)
liche Weise herausgestaffirt/ (1687) Francisci, Trauer-Saal 2,107. Grimmeishaiisen, Vogelnest I 76 Sch. omd.
/die beckhen in denen benachbarten königl. undt anderen Stätten (1670) Zunftordn. Komotau 236 W.
Brotbäcker, das ursprünglich im Westoberdeutschen geläufige Bezeichnung neben /Beck/ war, ist hier nicht mehr nachzuweisen, taucht jedoch jetzt sporadisch in anderen Sprachlandschatten auf, und zwar im Ostmitteldeutschen, Oberfränkisehen und Ostniederdeutschen. /Brotbäcker/ dürfte in diesen vereinzelten Belegen der verschiedenen Landschaften größtenteils verdeutlichende ad-hoc-Bildung sein, vor allem dann, wenn es (wie in dem ostmitteldeutschen Beleg von 1695) Bezeichnungen für spezielle Berufsrichtungen gegenübersteht. obfrk.
/die Muller und Brodt-Becker sich der Siebe fast tlglich gebrauchen/ (1708) Marperger, Kauffmanns-Magazin 1190.
omd.
/soll ein . . . wagner, brodtbäckher, fleischhacker, püettner . . . zwene thaler . . . in die laden geben / (1676) Zunftordn. komotau 223 W. (ein erster ostmitteldeutscher Beleg von 1597: /brodtbecker/ ebd. 260). /bey denen Frembden Brod- und Kuchel-Beckern, auch Mehl-Verkauffern (1695) Leipz. Ordn. (1701) 449.
ond.
/Mittwoch wurde aus Befehl einer hohen Obrigkeit ein Brodt-Becker . . . , wegen daß er das Brodt wider die Satz Ordnung zu klein . . . gebacken, . . . zur Straffe in das Wasser getuncket/ (1728) D. Neueste v. gestern 2,182 B.
Brotbeck Noch eindeutiger als bei /Brotbäcker/ zeichnen sich Rückgang und Schwinden der ebenfalls westoberdeutschen Bezeichnung /Brotbeck/ ab. Das Wort ist so gut wie ausgestor34 ben und nur noch vereinzelt im Alemannischen bezeugt : /die überflüssige Brotbecken förderlich abzuschaffen und nach jeden Dorfs Beschaffenheit nur die unentbehrlich erfordernde von solch ehrlichen Leuten zu bestellen/ (1693) in: Schweiz. Id. 4,1108. (ul730) ebd. 4,1110. Pfister ist für die Zeit von 1670 - 1730 außerhalb des Alemannischen nur vereinzelt zu bele35 gen. Im Schweizerdeutschen ist das Wort neben dem aufkommenden /Beck/ durchaus ... f . 36 gelaufig :
33
70
Wilhelm Braun
wobd.
oobd,
2. 3. 3.
/Pfister und müller sollen eine zunnft haben/ (1713) Qu. Ztirch. Zunft gesch. 2,792 Sch. /eine sämtliche meisterschafft der pfisteren/ (1714) ebd. 2,798. /Vom Brotbacken . . . wo man [[auf dem Bauerngut] keinen eigenen Pfister hält, muß eine starcke . . . Dirne dar zu geordnet werden/ (1682) Hohberg, Georgica (1687) l,295 a ; ebd. 297 b . Resüme des Zeitraums 1670 - 1730
Die Zahl der Konkurrenten ist im wesentlichen auf zwei reduziert: /Bäcker/ und /Beck/. /Brotbäcker, Pfister/ und /Brotbeck/ sind auf das ganze Sprachgebiet bezogen nur selten bezeugt. Lokal behauptet sich / P f i s t e r / im Schweizerdeutschen, so besonders in Zürich. Das insgesamt dominierende /Bäcker/ hat seinen Geltungsbereich auch in oberdeutschen Gebieten ausweiten können; es ist in allen 7 Großlandschaften in Gebrauch. /Beck/ behauptet seine dominierende Stellung im Ostoberdeutschen und kann sich im Westoberdeutschen gegen die Konkurrenz von /Brotbäcker, Pfister/ und /Brotbeck/ durchsetzen. Im Oberfränkischen und Ostmitteldeutschen verliert es eindeutig an Boden. Die wenigen Belege von /Beck/, die im Westmitteldeutschen auftreten, sind wohl auf den Einfluß oberdeutscher Drucker zurückzuführen. Im Ostmitteldeutschen beträgt sein Anteil etwa ein Viertel der Belege. Tabelle 3 Der Anteil der Konkurrenten in den einzelnen Großlandschaften und im Gesamtgebiet für den Zeitraum 1670 - 1730 (in Prozenten) wobd.
oobd.
7,8
Beck 84,3 Brotbäcker Pfister 3,9
Bäcker
Brotbeck 2.4.
obfrk.
wmd.
omd.
wnd.
ond.
Gesamtgebiet
9,4
60,7
93,5
70,2
100
100
62,0
87, 8
34,7 4,4
6,4
24, 3 5,4
1
35,2 1,1 1,1
2,7
3,9
0,5
Vergleich der untersuchten Zeiträume
In der Konkurrentengruppe ' Bäcker' hat sich in der Zeit vom Ende des 15. bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts eine deutliche Umschichtung zugunsten des nd./md. /Bäcker/ vollzogen. /Bäcker/ stellt - wie die folgende Übersicht zeigt - im zweiten Zeitraum 62 % der Belege gegenüber 43,1 % im ersten Zeitraum. Der Anteil von /Beck/ sinkt geringfügig von 38, 2 % auf 35,2 %. Die drei übrigen Konkurrenten des
71
'Bäcker', 'Fleischer', 'Tischler'
ersten Zeitraums /Brotbäcker, Brotbeck/ und / P f l s t e r / , die zusammen 18 % der Belege stellten, sind in den Quellen des 2. Zeitraumes kaum noch nachzuweisen; ihr Beleganteil beträgt jetzt 2,7 %. Dennoch vollzieht sich der Ausgleich zwischen den beiden wichtigsten Konkurrenten nur ganz allmählich. Im Westoberdeutschen kann /Beck/ seine Stellung mit 84,3 % im zweiten Zeitraum gegenüber 39, 5 % im ersten Zeitraum sogar weiter ausbauen. Diese Entwicklung vollzieht sich noch zu einer Zeit, in der /Bäcker/ bereits auch in ober37 deutsche Gebiete vordringt. Tabelle 4 Gegenüberstellung der(in Anteile der Konkurrenten für das Gesamtgebiet in beiden Zeiträumen Prozenten) Zeitraum 1470 - 1530
Zeitraum 1670 - 1730
Bäcker
43,1
62,0
Beck
38,2
35,2
Brotbäcker
6,3
1,1
Pfister
5,4
1,1
Brotbeck
6,3
0,5
2. 5.
Stand der Ausgleichsprozesse um 1730 und Bezug zur Gegenwart
2. 5.1. Der Vergleich der beiden Zeiträume zeigt die Ausdehnung des Geltungsbereiches von /Bäcker/, das um 1730 nicht nur im gesamten Niederdeutschen und Mitteldeutschen herrscht, sondern auch im Oberfränkischen dominiert und im Ostoberdeutschen sowie Westoberdeutschen aufkommt. Nicht eindeutig zu klären ist anhand des gegebenen Belegmaterials, ob am Beginn des 18. Jahrhunderts in den Gebieten mit noch andauernder (im Ostmitteldeutschen und Westmitteldeutschen) und neu einsetzender Konkurrenz (im Ostoberdeutschen und Westoberdeutschen) bereits eine Differenzierung eingesetzt hat, durch die /Bäcker/ mehr der Literatursprache, /Beck/ der landschaftlich gebundenen Umgangssprache oder der Mundart zuzuordnen wäre. Viele der /Beck/-Belege des zweiten Untersuchungszeitraumes entstammen jedoch Quellen mit landschaftsgebundener und mundartnaher Sprache. 2. 5. 2. In der Sprache der Gegenwart ist der Ausgleichsprozeß eindeutig zum Abschluß gekommen. /Bäcker/ ist alleinige Bezeichnving der Literatursprache. Die meisten der Sprach38 Wörterbücher des 20. Jahrhunderts verzeichnen das Wort /Beck/ nicht mehr. Histo-
72
Wilhelm Braun
rische oder historisch orientierte Lexika ordnen /Beck/ bestimmten Sprachlandschaften und Mundarten zu und schließen damit eine literatursprachliche Geltung ausdrücklich 39 aus. Der Rückzugsprozeß des Wortes wird von Lexikographen seit dem Ende des 18. Jahrhunderts beobachtet. Adelung^0 vermerkt, daß "in der oberdeutschen [Mda.l , 41 der noch viele Obersachsen im gemeinen Leben folgen", das Wort /Beck/ laute. 42 Jacob Grimm bringt zwar noch Belege aus Werken oberdeutscher Schriftsteller bei, trifft aber zugleich die Feststellung, das Wort sei "in der Schriftsprache . . . allmälich erloschen und durch becker verdrängt worden". Dennoch dauerte die Ablösung von 2 /Beck/ durch /Bäcker/ bis in unser Jahrhundert an. Das Wortarchiv des DWB enthält aus der Zeit von 1800 bis zur Gegenwart insgesamt 18 Belege aus oberdeutschen (bairisch, alemannisch, oberfränkisch) und ostmitteldeutschen Quellen, darunter Belege von Nestroy, Raimund, Gotthelf, Gottfried Keller, Hermann Hesse, Otto Ludwig. Einige dieser Autoren verwenden in ein und demselben Werke neben /Beck/ auch /Bäcker/. Dabei ist allerdings bei sehr vielen Belegstellen nicht zu entscheiden, ob es sich um ein resthaftes Weiterleben des Wortes 43 in oberdeutsch beeinflußter Literatursprache, um direkten Einfluß der Mundarten oder um bewußte Aufnahme eines Dialektwortes in den literatursprachlichen Kontext handelt.
'Bäcker', 'Fleischer', 'Tischler'
73
3.
Konkurrentengruppe ' Fleischer'
3.1.
Begriffsbestimmung
3.1.1.
Definition: 44 ' Fleischer' ist in allgemeiner Auffassung ein "Handwerker, der zum Zwecke des Erwerbs Vieh, sogenanntes Schlachtvieh (besonders Rind, Schwein), schlachtet und das Fleisch zu Fleisch- und Wurstwaren verarbeitet (und verkauft). " 3.1. 2.
Sachliche Abgrenzungen und Auswahl der behandelten Bezeichnungen
Die Gruppe ' Fleischer' gehört zu den am reichsten gegliederten Konkurrentengruppen deutscher Handwerkerbezeichnungen. Im oben definierten Sinn m e i n t ' Fleischer' fast durchweg den Handwerker, der in frühkapitalistischer Zeit (repräsentiert durch den ersten Untersuchungszeitraum 1470 - 1530) und auch noch im zweiten Zeitraum 1670 - 1730 in der Regel einer bestimmten Berufsvereinigung (Amt oder Zunft) angehört, also zünftiger Handwerker ist. Bezeichnungen für einen nichtzünftigen, nichtanerkannten Handwerker sind meist von nur lokaler Verbreitung. In die Darstellung einbezogen werden nur Wörter, die den oben definierten Begriff abdecken; es sind dies die folgenden Bezeichnungen: Fleischer
Küter
Metzger
Metzler
Fleischhauer
Geisler
Schlachter
Metzinger
Fleischhacker
ferner auch:
Knochenhauer
Fleischhäckel
Lästerer Fleischmann Landschaftliche Bezeichnungen finden Erwähnung, wenn sie in der Konkurrenz innerhalb einer bestimmten Landschaft eine gewisse Rolle spielen, z. B. /Küter/ im Niederdeutschen, / L ä s t e r e r / und /Geisler/ im Ostmitteldeutschen. Differenzierungen und Arbeitsteilungen ergeben sich im Fleischerhandwerk vor allem in größeren Städten. Die Vielfalt der Bezeichnungen in älterer Zeit ist zum Teil auf die von Stadt zu Stadt bestehenden Unterschiede in der Regelung bestimmter Arbeits45 gänge zurückzuführen. So wurde die Schlachtung der Tiere in vielen Städten früh in eigens für diesen Zweck errichteten zentralen Schlachthäusern (Kuttelhöfen) durchgeführt. Die Weiterverarbeitung der geschlachteten Tiere und der Verkauf des Fleisches erfolgte in den den Fleischern durch Verpachtung überlassenen Fleischbänken. Besitzer der Fleischbänke waren meist Angehörige der herrschenden Klasse, die Stadträte selbst oder Fürsten, die die Bankgerechtigkeiten gegen Zinsleistungen den Fleischern überließen oder als Gnadenerweis ihren Vasallen übertrugen.
74
Wilhelm Braun
In vielen Orten bildeten sich entsprechend der handwerklichen Arbeitsteilung im wesentlichen zwei Berufsrichtungen heraus, die sich in der Regel zu selbständigen Zünften zusammenschlössen. Die eine Berufsrichtung übernahm den "Viehkauf und 46 die Zerteilung der Schlachttiere für den Verkauf an die Verbraucher" , die andere hatte die Schlachtung der Tiere und die Verarbeitung der Innereien zu erledigen. Zur ersten Berufsart gehörten je nach Sprachlandschaft die Fleischer, Fleischhauer, Knochenhauer, Metzger, Fleischhacker, Fleischhäckel u. a. sowie die unzünftigen oder einer niedrigeren Zunft angehörenden Geisler und Lästerer. Zur zweiten Berufsrichtung zählen die insgesamt wirtschaftlich schwächeren und weniger angesehenen Schlachter, Küter, Schmalzler, Selcher, Wämstier und Wurster. Diese vielerorts zu beobachtende Scheidung in zwei Berufsrichtungen setzt sich in der Allgemeinsprache nicht voll durch, findet ihren Niederschlag jedoch in zahlreichen Zeugnissen aus fachsprachlichen Texten; vgl. u.a. den wnd. Beleg (1487) unter /Schlachter/, den omd. (1469) unter /Lästerer/ und den ond. (1510) unter /Küter/. Einige Arbeiten des Fleischers (wie das'Herstellen von Wurstwaren, das Selchen, Räuchern des Fleisches) wurden lokal oder auch in größeren Landschaften von Spezialhandwerkern wie /Wurstern, Selchern/ ausgeführt. Da diese Berufsbezeichnungen nur vereinzelt für ' Fleischer' eintreten, werden sie in die Darstellung nicht einbezogen. Ein großer Bedarf an neuen, differenzierenden Berufsbezeichnungen entwickelt sich 47 infolge der die zünftigen Handwerker begünstigenden Ordnungen und Zwänge. Ebenso sind Bezeichnungen wie /Hausmetzger, -schlächter, Hofschlächter, Landfleischer, -metzger, Stadtfleischer, -metzger/, oder sogar /Rindmetzger, Schweineschlächter/ u. ä. zum überwiegenden Teil durch die das Handwerk und den Verkauf regulierenden Zunftverordnungen verursacht. Auch diese Bezeichnungen, es handelt sich vorwiegend um Zusammensetzungen, werden - als zu spezielle Ausdrücke - von der Darstellung ausgeschlossen. 3.2.
Zeitraum 1470 - 1530
3. 2.1.
Aufführung der Konkurrenten nach der Häufigkeit der Belege des ersten Zeitraumes
Im ersten Untersuchungszeitraum sind unter den 388 Belegen die folgenden 12 Konkurrenten nachzuweisen: /Knochenhauer/ (17, 6 %), /Metzger/ (16,8 %), /Metzler/ (16, 5 %)t /Fleischhauer/ (15%), /Fleischer/ (12,6%), /Fleischhacker/ (11,8%), /Metzinger/ (3, 5 %), /Schlachter/ (3, 5 %), /Küter/ (1, 5 %), /Lästerer/ (0,6 %), /Fleischhäckel/ (0, 3 %), /Fleischmann/ (0, 3 %).
'Bäcker', 'Fleischer', 'Tischler' 3.2.2.
75
Die Verbreitving der Konkurrenten in den Großlandschaften
Knochenhauer, der am häufigsten bezeugte Konkurrent des ersten Untersuchungszeitraumes, ist die vorherrschende Bezeichnung im gesamten Niederdeutschen. Im Westniederdeutschen steht das Wort mit 68,4 % vor /Fleischhauer, Schlachter, Fleischer/ und vereinzeltem /Küter/, im Ostniederdeutschen mit 51, 6 % vor /Schlachter, Küter, Fleischhauer/ und vereinzelt bezeugtem / F l e i s c h e r / . Nur mit wenigen Belegen ist /Knochenhauer/ in den dem Ostniederdeutschen benachbarten Gebieten des Ostmitteldeutschen vertreten. omd.
/Item wer ein gewantsneyder adder fleyscher wirt, der gewantsneyder gybt l ü g . , die knochenhawer . . . ein halb kalp/ (1474, schles., Lübben) Urkb. Lübben 1,75 L. /Uff den obgeschriDen dinstagk assen die herren der knochenhauer braten uff dem rathause/ (ul480, obsächs., Halle) Spittendorff, Denkw. 174 0.
wnd.
/de olderlude des amptes der knokenhower/ (1475, nordndsächs.) Lüb. Ratsurteile 1,115 E. (1489, ostfäl.) Qu. Verwaltungsgesch. Quedlinb. 1,7 L.
ond.
/den andern beiden werken, als den knakenhouwern unde lakenmakern/ (1475, brand.) Berl. Stadtb. (1883) 256.
Metzger, der zweitstärkste Konkurrent des ersten Untersuchungszeitraumes, herrscht eindeutig im gesamten Westoberdeutschen. Im Ostoberdeutschen, wo das Wort seit dem Ende des 15. Jahrhunderts im westlichen Teil des Bairisch-Österreichischen auftritt, steht es hinter /Fleischhacker/ an zweiter Stelle. Seltener bezeugt ist /Metzger/ für das Oberfränkische und Westmitteldeutsche. Im Ostfränkischen steht es in Konkurrenz mit /Fleischhacker/, im Südfränkischen und Rheinfränkischen mit /Metzler/. wobd.
/metzger, die das fleisch zetewr gebent/ (1476, schwäb.) Ref. Sigmund 68 W.
oobd.
/Junckfra, kert euch zu mir h e r ! / / Ich pin ain starckher Meczger/ (1511) Sterzinger Sp. 1, 273 WND. /von eßflaysch der burger oder metzger/ (vi 511, südfrk.) Württ. Gesch. qu. 19,293.
obfrk.
wmd.
/Die Pecken sollen jre heuser haben . . . gegen den metzgern vber/ (1527, ostfrk.) Dürer, BefestigungE 1 (der Fleyschhacker schlachhauß, ebd.). / E r sal jhorlich hemmel kauften lasszen, szo viel er vor den hoff bedarff, das er solch fleisch nit vmb die metzker kauften dorffe/ (vi 516, rheinfrk.) Mainzer Hof 22 M.
76
Wilhelm Braun
Metzler überwiegt im Oberfränkisehen vor /Fleischhacker/ und im Westmitteldeutschen vor /Fleischhauer/; das Wort ist jedoch nur im rheinfränkischen Gebiet des Westmitteldeutschen verbreitet und ist im Oberfränkischen im wesentlichen auf das Südfränkische und die westlichen Teile des Ostfränkischen beschränkt. Ganz vereinzelt finden sich Belege für /Metzler/ im Norden des Westoberdeutschen. wobd, obfrk.
wmd.
/Metzler/ (1479) in: Fischer, Schwäb. Wb. 4,1652. /sollen . . . geen und zu inen nemmen einen von den metzlern/ (1500, südfrk.) Obrhein. Stadtrechte 1,885. / h e t . . . den becker heissen backen und den metzler heißen kelber stechen/ (1525, ostfrk., Rothenburg) Bauernkrieg, Aktenbd. 359 F. /dieselben metzler machen jerlichen ire hamel uf unsern guttern . . . feist/' (1525, rheinfrk.) Bauernkrieg, Aktenbd. 375 F.
Fleischhauer ist die Bezeichnung des ersten Untersuchungszeitraumes, die am weitesten verbreitet ist. Außer im nördlichen Ostfränkischen und Westmitteldeutschen ist das Wort vor allem im Ostmitteldeutschen und Westniederdeutschen (Ostfälischen) bezeugt und reicht mit einzelnen Zeugnissen bis ins Ostniederdeutsche. obfrk.
wmd.
/Item zu wißen, daß diese hirnachfolgende ist unser der fleischhawer und unsers handwergs hir zu Isenach alte herkommen und gewonheit/ (1494/9) Thür. Geschichtsqu. 9,74; ebd. 76. /Item en sali geyn vleischauwer, noch underkeufer in geynichen kouf gain, dair ander underkeufer . . . in gedinckenisse stonden/ (1470, rip.) Qu. Gesch. Köln. Handel 2,261.
omd.
/ob auch der stat fleyschauer wolden clagenn das sie yres fromen beraubt wurdenn mit freyen mergkten/ (1470, obsächs.) Qu. Wirtschaftsgesch. Mtteldtlds. 1,44 H. /von wegen des gantzen hantwergks der fleischhawer (1526, schles.) Urkb. Lübben 1,170 L.
wnd.
/sollen die fleischhauer von den jhennen, den sie umb Ion slachten, keyne
ond.
feil am lone nehmen, sundern das Ion darvon geben lassen (1478, Quedlinburg) Qu. Wirtschaftsgesch. Mitteldtlds. 1, 87 H. /Da woren die 4 haubtwercke und sonderlich die fleischauer, . . . / (1527) Script, r e r . Pruss. 5, 578.
'Bäcker', 'Fleischer', 'Tischler'
77
Fleischer ist während des ersten Untersuchungszeitraumes im wesentlichen auf das Ostmitteldeutsche beschränkt. 88 % der Belege entstammen ostmitteldeutschen Quellen. Nur ganz vereinzelt findet sich das Wort in den an das Ostmitteldeutsche angrenzenden Gebieten des Oberfränkischen, Westniederdeutschen und Ostniederdeutschen. Die Identität des Verbreitungsgebietes von /Fleischer/ mit dem von /Fleischhauer/ ist wichtig für die 48 These, daß /Fleischer/ Klammerform für /Fleischhauer/ sei. obfrk.
omd. wnd.
ond.
/ E s sal nymand zu panck sten, er sey flescher ader schuwrecht noch pfister, er geb dann einen halben virdung zugeschos/ (1496, ostfrk.) Rechtsdenkm. Thür. 434 M. /die fleysscher der stat Lypczk habenn den margkt alleyne/ (1470, obsächs.) Qu. Wirtschaftsgesch. Mitteldtlds. 1,44 H. /szo musten ouch die fleisscher . . . yrem compane yre hantwerk vngeweygert zutreyben vorgunnen/ (1513, ostfäl., auf Görlitz bezogen) Magdeb. Weist. 201 N. / s o man was mercken würde, solte man sich bey dem rathe auf dem marckte finden lassen, welches fast die meisten wercke zugesagt hatten, aber nicht gehalten, ausgenommen die fleischers alleine/ (1525, Danzig) Script, rer. Pruss. 5, 590.
Fleischhacker herrscht im Ostoberdeutschen sowie in dem vom Bairischen beeinflußten Teil des Ostfränkischen und findet sich vereinzelt im Westoberdeutschen sowie im Ostmitteldeutschen, wo /Fleischhauer/ bei weitem überwiegt. In der unten zitierten Leipziger Urkunde von 1470, in der sich die Universität über Mißstände im Fleischhandel beschwert, finden sich unter 9 Belegstellen: 7 Belege für /Fleischhauer/, je 1 Beleg für /Fleischer/ und/Fleischhacker/. Die Gegenüberstellung "dy fremden fleyschacker" und "der stat fleyschauer" könnte vermuten lassen, daß die fremden Fleischer mit der in Leipzig fremden oder doch nicht geläufigen Bezeichnung /Fleischhacker/ benannt wurden. Im selben Text stehen jedoch dreimal "fremde fleyschauer" den "inwendigenn fleyschauern" gegenüber. wobd. oobd.
/Misserus Petter, ain flaischhackher/ (1527, schwäb.) Inventur Fugger 109 S. /Item, es sullen auch die fleischhäker zu allen zeiten fleisch an der pank haben/ (1485, ttrol.) Öst. Weist. 5,354. /die fleischhacker mit den schafen in die mendel der helmer nit treiben sullen/ (u 1490, nordbair.) in: Siegl, Alt-Eger (1927) 211.
78 obfrk.
omd.
Wilhelm Braun /Auch sol kein fleischhacker, sewprüer oder ir gewalt einich schwein, . . . unnter die fleischpennck . . . nittragen/ (1497, ostfrk.) Nürnb. Polizei ordn. 233 LV. /dy fremden fleyschacker legen ir gelt widder in der stat an; ob auch der stat fleischauer wolden clagenn das sie yres fromen beraubt wurdenn mit freyen merkten/ (1470, obsächs.) Qu. Wirtschaftsgesch. Mitteldtlds. 1,44 H.
Metzinger Auf das Elsässische beschränkt ist die gegenüber /Metzger/ eine gewisse Selbständig49 keit erlangende Form /Metzinger/ . wobd.
/Die metzinger sollent den wurtin kein pfynig fleisch zu kouffen geben/ (1482, elsäss.) Obrhein. Stadtrechte m 1,2, 561. /alle brotbecken und metzinger (1530) ebd. 766.
Schlachter, mit insgesamt 12 Belegen nur selten bezeugt, steht im Niederdeutschen neben herrschendem /Knochenhauer/ und gebietsweise geläufigem /Fleischhauer/. Ganz vereinzelt tritt das Wort in benachbarten Teilen des West- und Ostmitteldeutschen auf. vmd.
omd. wnd.
ond.
/Item willent unse heren vanme raide, dat die slechtere, die dat vehe afdoint, yren bürgeren volgen vnd yn yre fleisch afdoin sullen/ (1470, rip.) Qu. Gesch. Köln. Handel 2,263. / e r habe nichts darvon gewust, das es sei der kleine Hans, der schlechter/ (1525, thiir.) Akten Gesch. Bauernkrieg 2, 560 F. /De olderlude der knakenhouwer to Lubeke . . . hebben sick hochlick beclaget aver de slachter dat se ossen und ander queck in eren husen slogen und de vorparteden und uthselleden/ (1487, nordndsächs.) Lüb. Ratsurteile 1,243 E. (1514, ostfäl.) Chr. dt. Städte 16,453. /das wir diße . . . zu vnnserenn Juden auffgenomen jn vnnser Stadt Stendal drey Jar zu wonen, vnnd sollenn bey sich habn . . . einen Slechter/ (1490, brand.) in: Zimmermann, Märk. Städteverf. 2 (1838) 263. /Cristoff t ;hlachter hot betzalt seinen alden zins/ (1507) Berl. Kämmereirechn. 103 G.
Lästerer Eine wohl meist abwertend verwendete Bezeichnung für den durch die Zunftgesetzgebung 50 diskriminierten und sozial niedrig eingestuften Landfleischer ist das auf den ober51 sächsischen Teil des Ostmitteldeutschen beschränkte /Lästerer/ .
'Bäcker', 'Fleischer', 'Tischler' omd.
79
/Item gut rintfleisch . . . soln die fleischhawer vnd lesterer anders nicht danne noch dem pfunde verkeuffeiy' (1469) Qu. Wirtschaftsgesch. Mitteldtlds. 1,42 H. /das kein lesterer einicherley fleisch alhier in der stadt füren soll, es sei den das er die leder vnnd feil von dem vihe . . . mit sich brenge/ (1481) Urkb. Leipz. 1,427 P. -K.
Küter ist ein niederdeutsches Wort, das in den herangezogenen Quellen vereinzelt neben dem 52 geläufigen /Knochenhauer/ auftritt. Die Aufgabenteilung zwischen Küter und Knochenhauer wird deutlich auch in den folgenden Belegen. Die Knochenhauer schlachten auf dem Schlachthofe, die Küter dagegen besorgen das Vieh für den Schlachthof, kaufen die Eingeweide der geschlachteten Tiere zur Weiterverarbeitung, stellen Würste her oder unterhalten zugleich Garküchen. •wnd. /Wörste wringen dorch den böggel// dat könnet wol de kok unde de kuter/ (ul520, ostfäl.) Bote, Köker 38 ATB. ond. /Fechner, Albrecht, kuter/ (1479) Berl. Bürgerb. 48 G. /soll neyn knakenhouwer binnen seinem husze sülvest, besonder up dem kuterhave den küter schlachten laten/ (1510) Schrägen Riga 272 S./M. Fleischhäckel Nur vereinzelt findet sich in den Quellen des ersten Untersuchungszeitraumes neben dem geläufigen /Fleischhacker/ die auf das Bairische beschränkte Bildung /Fleischhäckel/. oobd. /wenn ain fleischhäkel ain vich an der pank zerlegt/ (1485, tirol.) öst. Weist. 5,354. Fleischmann Ebenfalls vereinzelt bezeugt im Bairischen ist die Bezeichnung /Fleischmann/ oobd. /fleischman/ (1530, nordbair.) in: Skäla, Eger (1967) 270. 3.2.3. Resümee des Zeitraums 1470 - 1530
53 .
Der auffälligste Sachverhalt neben der großen Zahl der Konkurrenten und ihrer weitgehenden Ebenbürtigkeit ist die relativ strenge Abgrenzung ihrer Verbreitungsgebiete. Die Hauptmenge der Belege für jeden Konkurrenten kommt aus jeweils einer, höchstens 54 2 Landschaften. Im wesentlichen stehen sich gegenüber: /Metzger/ in geschlossenem westoberdeutschen Bezeugungsgebiet, /Fleischhacker/ im Ostoberdeutschen und Oberfränkischen,
80
Wilhelm Braun
/Metzler/ im Westmitteldeutschen und Oberfränkischen, /Fleischer/ und /Fleischhauer/ im gesamten Ostmitteldeutschen, /Knochenhauer/ und das noch wenig bezeugte /Schlachter/ im Westniederdeutschen und Ostniederdeutschen. Nur einer der Konkurrenten ist in fünf Großlandschaften bezeugt: Für /Fleischhauer/ finden sich Belege für das Ost- und Westmitteldeutsche, für das Oberfränkische und für das West- und Ostnieder deutsche, wobei das Wort im Ostniederdeutschen nur selten nachzuweisen ist. /Metzger/ (obd., obfrk. undwmd.), /Fleischhacker/ (obd., obfrk. und omd.) und/Schlachter/ (nd. undmd.) sind in je 4, /Knochenhauer/ (nd. und omd.) und /Metzler/ (obfrk., wmd. und wobd.) in je 3, /Fleischer/ und /Küter/ (nd.) in 2 Großlandschaften zu belegen. Dabei ist zu beobachten, daß viele Konkurrenten - wie z. B. /Metzger/, /Fleischer/ und /Schlachter/ - zunächst die Grenzen der Sprachlandschaften nur geringfügig überschreiten oder in der von einem anderen Konkurrenten beherrschten benachbarten Landschaft nur sporadisch auftauchen. Eine Reihe weiterer Bezeichnungen, das elsässische /Metzinger/, das obersächsische /Lästerer/ und die bairischen/Fleischhäckel/ und/Fleischmann/, begegnet auf kleinräumigem Verbreitungsgebiet. Diese Bezeichnungen können sich gegen die in der Großlandschaft dominierenden Konkurrenten nur unter bestimmten Bedingungen halten. /Metzinger/ behauptet sich dadurch, daß es auf geschlossenem, wenn auch kleinräumigem Bezeugungsgebiet geläufig ist, /Lästerer/ ist Bezeichnung für den auf dem Lande arbeitenden Fleischer und hat damit eine Sonderfunktion inne. /Fleischhäckel/ und /Fleischmaniv', die in Teilen des Ostoberdeutschen im 14. und 15. Jahrhundert offenbar geläufig waren, finden sich nur noch in vereinzelten Belegen aus mundartnahen Texten.
'Bäcker', 'Fleischer', 'Tischler'
81
Tabelle 5 Der Anteil der Konkurrenten in den einzelnen Landschaften und im Gesamtgebiet für den Zeitraum 1470 - 1530 (in Prozenten) wobd. oobd. Knochenhauer Metzger Metzler Fleischhauer Fleischer Fleischhacker Schlachter Metzinger Küter Lästerer Fleischhäckel Fleischmann
70,9 3,6
3,6
35,3
58,8
obfrk. wmd,
8,3 53,3 10 1,7 26,7
3, 5 75,8 17,2
3,5
omd.
wnd.
ond.
Gesamt gebiet
6,8
68,4
51,6
35,1 51,1 2,7
17,5 5,3
12,9 3,2
1,4
7
19,3
17,6 16,8 16, 5 15 12,6 11,8 3, 5 3, 5
1,8
12,9
21,8 2,7 2,9 2,9
1,5 0,6 0,3 0,3
3.3.
Zeitraum 1670 - 1730
3.3.1.
Aufführung der Hauptkonkurrenten nach der Häufigkeit der Belege des zweiten Untersuchungszeitraumes
Im zweiten Zeitraum sind unter den 416 Stellennachweisen die folgenden 10 Bezeichnungen zu belegen: /Fleischer/ (28,4 %), /Metzger/ (27, 3 %), /Fleischhauer/ (20 %), /Schlachter/ (12, 5 %), /Fleischhacker/ (7,3 %), /Knochenhauer/ (3, 3 %), /Lästerer/ (0,6 %, /Küter/ (0,4 %), /Metzler/ (0,2 %), /Geisler/ (0,2 %). Die Gesamtzahl der Belege des zweiten Zeitraumes ist erheblich höher als die des 55 ersten. Die wortgeschichtlichen Entwicklungen zeichnen sich klar ab. Während sich die Belege für /Fleischer/ verdreifachen, steigen die für /Metzger/ und /Fleischhauer/ auf das Doppelte, für /Schlachter/, das frühneuhochdeutsch wenig bezeugt ist, beinahe auf das Fünffache. Andererseits nimmt die Zahl der Belege für /Fleischhacker/ um ein Viertel und für /Knochenhauer/ auf ein Fünftel ab; /Metzler/ ist so gut wie vollständig abgekommen. 3. 3.2.
Die Verbreitung der Konkurrenten in den Großlandschaften
Fleischer ist während des zweiten Untersuchungszeitraumes außer im Ostmitteldeutschen und Ostniederdeutschen auch im Westniederdeutschen und mit vereinzelten Belegen auch im Ostoberdeutschen und Oberfränkischen vertreten. Starke Konkurrenz besteht zwischen
Wilhelm Braun
82
/Fleischer/ und /Fleischhauer/ im Ostmitteldeutschen und Ostniederdeutschen, wo mit /Schlachter/ sich ein dritter Konkurrent im Sprachgebrauch durchgesetzt hat. Im Westniederdeutschen steht /Fleischer/, das hauptsächlich für das Ostfälische belegt ist, an zweiter Stelle hinter /Fleischhauer/. Unterschiede in Bedeutung und Gebrauch der verschiedenen Bezeichnungen, die mit /Fleischer/ konkurrieren, sind kaum nachzuweisen. Das zeigen Beispiele aus Bürgerbüchern, die für einen bestimmten, namentlich aufgeführten Handwerker die Berufsbezeichnung /Fleischer/ angeben, während eine andere zeitgenössische Quelle, etwa die Kämmereirechnungen, den selben Fleischer als /Schlachter/ bezeichnet. oobd.
/Beatus Rhenanus war eines Fleischers Sohn/ (1698, nordbair.) Weigel, Haupt-Stände 491.
omd.
/Die Rinds=Kaldaunen, aus welchen die Fleischer das Feiste nicht heraus reissen . . . sollen/ (1677, obsächs.) Leipz. Ordn. (1701) 427. /da nehmen ihn [Ochsen] die Fleischer, und lauffen mit ihm dem Schlachthause zu/ (1697, schles./obsächs.) Ettner, Doctor 931.
wnd.
/daß die den Diebstahl an dem Fleischer . . . verübet/ (1700, ostfäl.) Hosmann, Denck-Mahl 2,75.
ond.
/Fleischer/ (1681, westpreuß.) Bürgerb. Könitz 44 K. /Eichler, Chn., Fleischer, Naumburg i. Sa. / (1716, brand.) Bürgerb. Berl. 60 K. (gleichzeitige Kämmereirechn.:/Schweineschlächter/, ebd.).
Metzger herrscht konkurrenzlos im Westoberdeutschen und dominiert im westlichen Teil des Ostober deutschen, wo es /Fleischhacker/ auf den zweiten Platz verdrängt. Es dominiert ferner im Westmitteldeutschen, wo neben/Metzger/ nur /Fleischhauer/ bezeugt ist. Im Oberfränkischen steht /Metzger/ vor einer Reihe von Konkurrenten - /Schlachter, 56 Fleischhauer, Fleischer/ - an erster Stelle und ist auch im Ostmitteldeutschen vertreten. Belege, die geographisch am weitesten vom geschlossenen südwestdeutschen und westdeutschen/Metzger/-Gebiet entfernt liegen, entstammen schöngeistiger Literatur. wobd.
/Hannß Ulrich Öchslin, Metzger, von Geißlingen/(1670, schwäb.) Bürgerb. Stuttg. 1, 36aN. /daß kein metzger kein burger soll im hauß metzgen und außhauen, sonder soll es im abkauften und in der grosen metzig außhauen/ (1697, elsäss.) Obrhein. Stadtrechte m 1,2,785.
oobd.
/Hanns Haim, mezger/ (1670, tirol.) Bozner Bürgerb. 1, 94 Ndr. /den Unrath aus den Wampen, die man bey den Metzgern bestellen kan/ (1682, nordbair.) Hohberg, Georgica (1687) 2, 556 .
'Bäcker', 'Fleischer', 'Tischler'
83
/ d e r Fleischhacker oder Metzger/ (vl709, mittelbair.) Abraham a S. Clara, Etwas (1699) 2,114. obfrk.
/Kleine Metzger und Schmiß/ (1705, ostfrk.) Erberg, Handels-Contor 2,17.
wmd.
/Simon Sawr, metzger/ (1674, rheinfrk.) Casseler Bürgerb. 81 a G. /wie er dann solches von einem Metzger den Tag zuvor bey dem Trunck vernommen/ (1690, rheinfrk.) Happel, Academ. Rom. 259.
omd.
/Cillicon verrieht sein Vaterland Miletum; darum hieb ihm der Metzger Theagenes, als Er von dem selben hernach ein Stük Fleisches kaufte, die Hand ab/ (1677, schles.) Butschky, Pathmos 360.
Fleischhauer überwiegt im Westniederdeutschen, ist gut bezeugt im Ostmitteldeutschen und Ostniederdeutschen sowie im ripuarischen Teil des Westmitteldeutschen und im Oberfränkischen. Kaum nachzuweisen ist das Wort im Ostoberdeutschen. , oobd.
/ein Fleischhauer von Creutzenach . . . , ein starcker freudiger Kriegsmann/
obfrk.
(1698) W ei gel, Haupt-Stände 491. /daß wegen der Fleischhauer . . . eine solche Verordnung gemachet werde/ (1716) Marperger, Eich- u. Keller-Dict. 1028b. /sollen sich alle Hirten, auch die Fleischhauer des Hütens . . . genzlich enthalten (17. Jh., ostfrk., an der Grenze zum Omd.) Thür. Gesch. qu. 9, 366.
wmd.
omd.
/darneben auch bey den Fleischhawern daran zuseyn, und sonderlich Auffmerckens zuhaben, daß das Fleisch nicht untereinander vermischt . . . und verkaufft werde/ (Dr. 1696, rip.) Gül. u. Berg. Policey-Ordn. 27. /Da giengs an ein Hände drücken wie zu Lintz auff dem Viehmarckte, wann die frembden Fleischhauer zusammen kommen/ (1679, obsächs.) Riemer, Maul-Affe 49.
wnd. ond.
/Arent Behrentmundt von Osterwiek, ein Fleischhauer/ (1683, ostfäl.) Goslarer Bürgerb. 2, 51b B. /Schulze, Joach., Fleischhauer/ (1722, brand.) Bürgerb. Berl. 80 K. (gleichzeitige Kämmereirechn.: /Schlächter/, ebd.).
Schlachter liegt im Niederdeutschen nach /Fleischer/ und /Fleischhauer/ an dritter Stelle in der Konkurrentengruppe, wobei es im Ostniederdeutschen relativ häufiger belegt ist als im Westniederdeutschen. öfters bezeugt ist /Schlachter/ ferner im Ostmitteldeutschen und Oberfränkischen.
84
Wilhelm Braun
obfrk.
/da . . . die Schlachter das frische Fleisch theurer als im Sommer halten/
omd.
(1708, ostfrk.) Marperger, Kauffmanns-Magazin 981. /Zehen Thaler Straffe, welche sowohl der unvereydete Schlachter, als der
ond.
solchen brauchet, erlegen/ (1684, obsächs.) Leipz.Ordn. (1701) 440. /Die Schlächter alhier müßen bey dem Schlachten eines jeden Viehes zuvor einen Eyd schweren, daß sie solches von keinem verdächtigen Ort bekommen/ (1717, brand.) Berl. geschr. Ztg. 597 F.
Fleischhacker ist im zweiten Zeitraum im wesentlichen auf das östliche Ostoberdeutsche beschränkt. Im Ostmitteldeutschen steht das Wort nach /Fleischer/ und /Fleischhauer/ an dritter Stelle in der Konkurrentengruppe. Nur vereinzelt ist es für das Oberfränkische bezeugt. oobd.
/die Ochsen, Kühe,
undSchaafe, wann ihnen die Fleischhacker zur
obfrk.
Ader lassen;/ (1670, mittelbair.) Abele, Unordn. (1669) 2,330. /wann man dir die Zungen, so viel du haben wilt, vom Fleischhacker bringet/ (1682, nordbair.) Hohberg, Georgica (1687) 1, 311 b . /den Wiener, Preßburger und Oedenburgischen Fleisch-Hackern einen Jahr-Kauff machen lassen/ (1708, ostfrk.) Marperger, Kauffmanns-Magazin 748.
omd.
/ e i n . . . brodtbäckher fleischhacker, püettner, schuster/(1676, nordböhm.) Zunftordn. Komotau 223 W. /Auf diesen Fall, durften die Fleisch-Hacker wenig Geldes losen (vi 678, schles.) Butschky, Rosen-Thal (1679) 683.
Knochenhauer ist im zweiten Untersuchungszeitraum insgesamt selten bezeugt. Belege finden sich außer im Niederdeutschen nur noch im Ostmitteldeutschen. Kaum als Beleg für das Ostoberdeutsche dürfte das vereinzelte Vorkommen von /Knochenhauer/ neben/Metzger/ in dem nordbairischen Fachtext von Weigel zu werten sein, der auf niederdeutsche Quellen zurückgehen kann. oobd.
/Thomas Volslus hatte gleichfalls einen Metzger oder Knochenhauer zum
omd.
/Nominibus distincta sunt opificia Carnariorum, quos dicunt Kuter, Haus-
Vatter/ (1698) Weigel, Haupt-Stände 491. schlichter, Garbrlter, & Lanionum, qui Knochenhauer vocantur/ (1688, thür.) Beier, Zwang 103. wnd.
/wen de Knackenhouwer einige Ochsen auf dem Market feil und zu Kaufte haben werden/(1714, nordndsächs.) Hamb. Zunftrollen 178 R. (1725, ostfäl.) Goslarer Bürgerb. 3, 36 a B.
'Bäcker', 'Fleischer', 'Tischler'
85
Lästerer 57 ist als Bezeichnung für den Landfleischer im Obersächsischen weit verbreitet : /Die frembden Fleischer außerhalb um Dresden nennet man heutigen Tages Lesterer/ (1680) Weck, Beschr. Dresdens 467. /Soll kein Gewercke . . . mit einem Lesterer kein Vi ehe kauften (1683, Halle) in: M. Meyer, Handwerkerpolitik 1 (1884) 362. Küter taucht vereinzelt in einem ostmitteldeutschen Fachtext^® auf, doch ist das Wort außerhalb des niederdeutschen Sprachgebietes nicht im Gebrauch gewesen. /Nominibus distincta sunt opificia Carnariorum, quos dicunt Kuter, Hausschlichter, Garbrlter/ (1688, thür.) Beier, Zwang 103. Metzler Eher Reminiszenz eines sachkundigen Autors als Beleg für lebendigen Sprachgebrauch ist die Erwähnung von /Metzler/ in der folgenden Aufzählung: omd.
/Sie [die Macellarii] heissen . . . im Teutschen auch Metzler, Metzger, Schlächter, Knochenhauer/ (1715, thür.) Frisius, Fleisch-Hauer 798.
Geisler Vereinzelt bezeugt ist das einen z.T. (so in Breslau) auch zünftigen, vorwiegend Klein59 vieh schlachtenden Handwerker bezeichnende /Geisler/ . omd.
3. 3. 3.
/wegen desz von den Geisziern . . . biszher vorgenommenen sogenannten Kuchel Schlachtens Streit und Irrung entstanden/ (1707, schles.) in: Zs. f. dt. Phil. 59 (1935) 123. Resümee des Zeitraums 1670 - 1730
In diesem Zeitraum sind zehn Konkurrenten vorhanden. Eine bestimmende Rolle spielen jedoch nur /Fleischer, Metzger, Fleischhauer/ und /Schlachter/. /Fleischhacker/ und /Knochenhauer/ sind auch in ihren Ursprungslandschaften, dem Ostoberdeutschen, bzw. dem Westniederdeutschen von /Metzger/ bzw. /Fleischer/ überholt worden. Die Polarität zwischen dem westoberdeutschen/Metzger/ und dem ostmitteldeutschen /Fleischer/ bildet sich stärker heraus. /Metzger/ herrscht allein im Westoberdeutschen und Westmitteldeutschen, es dominiert im Ostoberdeutschen, ist im Oberfränkischen gut bezeugt und dringt auch ins Ostmitteldeutsche ein. /Fleischer/ herrscht eindeutig im Ostmitteldeutschen, trotz weiter andauernder Konkurrenz von /Fleischhauer/ und auch /Knochenhauer/, wird vor /Fleischhauer/ dominierende Bezeichnung im Ost-
86
Wilhelm Braun
niederdeutschen, dringt in Teile des Westniederdeutschen vor und ist gelegentlich auch im Ostoberdeutschen bezeugt. In den östlichen Gebieten des Ostoberdeutschen behauptet sich /Fleischhacker/. Im Westniederdeutschen hält sich /Fleischhauer/ am sichersten, während /Knochenhauer/ nur noch sporadisch belegt ist. Sehr stark breitet sich Schlachter im Ostniederdeutschen aus und ist öfters im Ostmitteldeutschen bezeugt. Tabelle 6 Der Anteil der Konkurrenten in den einzelnen Landschaften und im Gesamtgebiet für den Zeitraum 1670 - 1730 (in Prozenten) wobd.
oobd. 8,9
7,7
100
44,4
38, 5
83,3
9,2
15,4
16,7
Fleischer Metzger Fleischhauer
2,2
Schlachter
obfrk.
wmd
omd.
wnd.
ond.
36
40
47,2
Gesamtgebiet 28,4 27,3
22,4
43,3
26,8
20
30,8
6,7
6,7
25,3
12, 5
Fleischhacker
42,2
3,8
11,2
Knochenhauer
2,2
3,8
6,7
7,3 10
0,7
3,3
Lästerer
3,4
Küter
2,2
0,4
1,1
0,2
Metzler Geisler 3.4.
1,1
0,6
0,2
Vergleich der untersuchten Zeiträume
Von den 6 Bezeichnungen (/Knochenhauer, Metzger, Metzler, Fleischhauer, Fleischer, Fleischhacker/), die während des ersten Zeitraumes nahezu gleichgewichtig in den verschiedenen Landschaften verwendet wurden, setzen sich drei (/Fleischer, Metzger, 60 Fleischhauer/) im zweiten Zeitraum deutlich von den übrigen ab. Den größten Fortschritt erzielt hierbei das ostmitteldeutsche /Fleischer/, das vom fünften auf den e r sten Platz rückt und dessen Verbreitungsgebiet sich von 3 auf 5 Großlandschaften ausweitet. Der Beleganteil steigt von etwa 12, 6 auf 28,4 %. /Metzger/ bleibt auf dem zweiten Platz und kann im Ostoberdeutschen auf Kosten von /Fleischhacker/, im Westmitteldeutschen auf Kosten von /Metzler/ weiter Boden gewinnen. Der Beleganteil wächst von 16, 8 auf 27, 3 %. Groß ist der Gewinn für Fleischhauer (Gesamtanteil jetzt 20 statt 15 %) im Ostniederdeutschen und Westniederdeutschen (auf Kosten von /Knochenhauer/), während es im Ostmitteldeutschen durch die starke Konkurrenz von /Fleischer/ zurückgeht. Bis zur Bedeutungslosigkeit sinken /Knochenhauer/ (von etwa 17, 6 auf 3, 3 %) und
87
'Bäcker', 'Fleischer', 'Tischler'
/Metzler/ (von 16, 5 auf 0,2 %) ab. Hingegen kann sich /Fleischhacker/, dessen Gesamtanteil von etwa 11,8 auf 7, 3 % sinkt, noch im östlichen Ostoberdeutschen behaupten. Bemerkenswert ist das Ansteigen des Anteils von /Schlachter/ (von 3, 5 auf 12, 5 %), das damit eine feste Ausgangsposition für das Vordringen im Niederdeutschen gewinnt. Tabelle 7 Gegenüberstellung der Anteile der Konkurrenten für das Gesamtgebiet in beiden Zeiträumen (in Prozenten)
Fleischer Metzger Fleischhauer Schlachter Fleischhacker Knochenhauer Lästerer Küter Metzler Geisler Metzinger Fleischhäckel Fleischmann 3. 5.
Zeitraum 1470 - 1530
Zeitraum 1670 - 1730
12,6 16,8 15 3,5 11,8 17,6 0,6
28,4 27,3 20 12, 5 7,3 3,3 0,6 0,4 0,2 0,2
1,5 16,5 3,5 0,3 0,3
Stand der Ausgleichsprozesse um 1730 und Bezug zur Gegenwart
3. 5. 1. Am Anfang des 18. Jahrhunderts ist für die Konkurrentengruppe ' Fleischer' noch keine einheitliche literatursprachliche Verwendung erreicht. Trotz beträchtlicher Fortschritte in Richtung einer Vereinheitlichving zeichnet sich mit omd. /ond. /Fleischer/, wobd, / wmd./westoobd. /Metzger/ und wnd. /ond. /Schlachter/ - zu erwähnen ist noch oobd. /Fleischhacker/ - die die spätere Entwicklung bestimmende und bis in jüngste Zeit 61
fortbestehende Vier- bzw. Dreiteilung des Sprachgebietes ab. Neben den vier Hauptkonkurrenten (/Fleischer, Metzger, Schlachter, Fleischhacker/), die um 1730 in jeweils größeren Landschaften dominieren und von denen mindestens /Fleischer/ und /Metzger/ bereits überlandschaftliche Geltung erlangt haben, existiert eine Reihe z.T. eng landschaftsgebundener Ausdrücke wie /Fleischhauer, Knochenhauer/ oder /Lästerer, Küter, Geisler/ weiter; diese Bezeichnungen werden in der Literatursprache ungebräuchlich, sinken in die Mundart ab oder kommen völlig außer Gebrauch. Der Prozeß des Ausgleichs vollzieht sich in einem vergleichsweise langen Zeitraum und setzt sich in den einzelnen Landschaften mit sehr unterschiedlicher Konsequenz durch.
Wilhelm Braun
88
3. 5.2. Für die Gegenwart dürfte noch im wesentlichen der Befund gelten, wie ihn der Deutsche Wortatlas darstellt. Die Karten veranschaulichen jedoch in erster Linie den Gesamtvorrat der Bezeichnungen und es ist nicht auf den ersten Blick erkennbar, welche der Konkurrenten in die Literatursprache eingegangen sind und welche der landschaftlich begrenzten Umgangssprache oder der Mundart angehören. Für die allerjüngste Zeit bezeugen die meisten Wörterbücher und Nachschlagewerke ein weiteres Vordringen von /Fleischer/, das als einziger der Konkurrenten ohne Landschaftsmarkierung gebucht wird. Auch in der Handwerksgesetzgebung hat sich /Fleischer/ 62
seit den 50er Jahren' unseres Jahrhunderts durchgesetzt.
Dennoch behaupten sich
/Metzger/ im Süden und westlichen Mitteldeutschen und /Schlachter/ im Norden auch literatursprachlich, ohne daß sich klare Unterschiede in Bedeutung und Gebrauch feststellen ließen.
'Bäcker', 'Fleischer', 'Tischler' 4.
Konkurrentengruppe ' Tischler'
4.1.
Begriffsbestimmung
4.1.1.
Definition:
89
'Tischler' ist in allgemeiner Auffassung ein "Handwerker, der Einrichtungsgegenstände, insbesondere Möbel, aus Holz herstellt". 4.1.2.
Sachliche Abgrenzungen und Auswahl der behandelten Bezeichnungen
Der Vielzahl der Berufsbezeichnungen für den holzverarbeitenden Handwerker, den wir seit dem späten Mittelalter mit dem Begriff' Tischler' fassen, liegen ursprünglich 63 z.T. äußerst differenzierte Verhältnisse zugrunde. Das Handwerk des Tischlers hat 64 sich erst relativ spät von dem des Zimmermanns abgesondert und zwar in der Richtung, daß der Tischler mehr und mehr die feineren, eine größere Präzision erfordernden Arbeiten (wie Möbel, Türen, Fenster) übernahm, während dem Zimniermann die groben Holzarbeiten beim Hausbau vorbehalten blieben. Der Herauslösungsprozeß des Tischlerhandwerks hat sich unter den Bedingungen fiü hkapitalistischer Zunftherrschaft in langandauernden Kämpfen vollzogen und kann zur Zeit des ersten Untersuchungszeitraumes (1470 - 1530) als weithin abgeschlossen gelten. Doch obwohl das Berufsbild des Zimmermanns auf der einen Seite und das des Tischlers auf der anderen Seite festgelegt und abgegrenzt ist, kommt es zu ständigen Auseinandersetzungen um die Zuständigkeit für die Herstellung bestimmter Gegenstände. Wenn der Kampf um Absatzmöglichkeiten und die Sicherung der Existenz für die Mitglieder einer Zunft die Abgrenzung der Aufgabenbereiche verwandter Handwerke bestimmten, so konnten ökonomische E r fordernisse der Gesellschaft die starren Zunftordnungen gelegentlich auflockern oder wirkungslos werden lassen. In Lübeck z. B. reichte die Kapazität der Tischler in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts nicht aus, und deshalb veranlaßte der Rat der Stadt eine Aussprache zwischen Kistenmachern und Zimmerleuten, bei der ein Teil der Tischlerarbeiten (Schränke und "Leimwerk") den Zimmerleuten übertragen wurden. 65 •• Ahnfifi lieh großzügige Regelungen gab es auch in anderen Städten wie z. B. in Straßburg (vgl. den Beleg unter /Kistner/). In den einschlägigen Zunftordnungen, vor allem in denen der Zimmerer und Tischler, nehmen die Bestimmungen und Festlegungen über die zu fertigenden Gegenstände breiten Raum ein. Daher zeigen sich von fV7 Landschaft zu Landschaft und oft von Stadt zu Stadt nicht unerhebliche Unterschiede, die auch im Wortschatz ihren Niederschlag finden. fift Zwischen Zimmermann und Tischler stehen Kistenmacher, Kistner, Kistler , die anfangs die als Einrichtungsgegenstände und einfache Möbel dienenden Kisten und Truhen herstellten, dann aber weithin auch die anderen Aufgaben des Tischlerhandwerks über. 69 nehmen.
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Einige der Bezeichnungen haben ihren Ursprung in der auf Verschönerung und Verzierung gerichteten Tätigkeit des Möbelherstellers, so /Schnittger/ und /Schnitzler/. Die meisten Bezeichnungen sind jedoch nach dem einen Gegenstand gebildet, den ein Tischler ursprünglich hergestellt hat: /Schreiner/ zu /Schrein/ (wie /lüstner/ zu /Kiste/); /Tischler, Tischer/ zu /Tisch/; ferner: /Fenstermacher, Kontormacher, Ladenmacher, Paneelmacher, Stuhlmacher, Tafelmacher/. Viele dieser Spezialhandwerker dürften sich vorwiegend auf die Herstellung e i n e s bestimmten Gegenstandes konzentriert haben, und die entsprechende Berufsbezeichnung konnte deshalb kaum (so /Fenstermacher/) oder nur gelegentlich (wie etwa /Stuhlmacher/) die allgemeinere Bedeutung' Tischler' annehmen. In die Darstellung einbezogen werden nur Bezeichnungen, die eindeutig die Bedeutung ' Tischler* aufweisen, eine gewisse Verbreitung erlangt haben und in Konkurrenzbeziehungen zu anderen Bezeichnungen getreten sind; dazu gehören: Tischler Schreiner Tischer Tischmacher Schnittger Schnitzler Kontormacher
Kistner Kistenmacher Kistler und mit Einschränkung auch: Schreinmacher Schreinwerker Schnitzer
Stuhlmacher Unterschiede in Bedeutung und Gebrauch der einzelnen Konkurrenten - wie etwa zwischen /Kontormacher/ und /Kistenmacher/ bzw. /Kontormacher/ und /Schnittger/ finden nur dann Erwähnung, wenn sie für die Geschichte der einzelnen Bezeichnung oder für die Konkurrentengruppe von Belang sind. Das Nebeneinander zweier oder mehrerer Konkurrenten in ein und demselben Beleg ist in der Mehrzahl der Fälle als interpretierende Synonymie aufzufassen. Seltener handelt es sich um sachliche Unterschiede, die im Text durch die Anführung zweier nebengeordneter Bezeichnungen ausgedrückt werden sollen. Unberücksichtigt bleiben Bezeichnungen, die nur die Stellung des Handwerkers zu seiner Zunft oder zu der Kommune, in der er lebt, näher benennen, wie z. B. /Amtstischler, Dorfschreiner, Freitischler, Hofschreiner/ und Bezeichnungen, die eine neuerliche Differenzierung im Tischlerhandwerk kennzeichnen, wie etwa /Grobschreiner, Kunsttischler/ u. ä., die in neuerer und neuester Zeit dem /Bautischler/ bzw. /Möbeltischler/ und /Modelltischler/ entsprechen.
Bäcker', 'Fleischer', 'Tischler' 4.2.
Zeitraum 1470 - 1530
4.2.1.
Aufführung der Konkurrenten nach der Häufigkeit der Belege des ersten Untersuchungszeitraumes
91
Im ersten Zeitraum sind unter den insgesamt 215 Stellennachweisen die folgenden 13 Bezeichnungen belegt: /Schreiner/ (23,3 %), /Schnittger/ (15,3 %), /Kontormacher/ (13,9 %), /Kistenmacher/ (9,3 %), /Tischmacher/ (8,4 %), /Kistner/ (7 %), /Kistler/ (7 %), /Tischler/ (6, 5 %), /Tischer/ (6, 5 %), /Schnitzer/ (0, 9 %), /Schnitzler/ (0,9 %), /Schreinmacher/ (0, 5 %), /Stuhlmacher/ (0, 5 %). 4.2.2. Schreiner
Die Verbreitung der Konkurrenten in den Großlandschaften 70
ist der am häufigsten belegte Konkurrent des ersten Zeitraumes; es herrscht eindeutig im Oberfränkischen, ist gut bezeugt im Westoberdeutschen mit Ausnahme des Schweizerischen und ist vertreten im Westmitteldeutschen und westlichen Ostoberdeutschen. 71 Das Wort fehlt im gesamten Niederdeutschen und Ostmitteldeutschen. wobd. oobd.
obfrk. wmd.
/gab sich vß für einen schreinerknecht, den nam da ein schreiner an/ (1515) Eulenspiegel 94 HND. /So handwercher, als . . . schreiner, slosser, und ander wie di genannt, in den markt und purgfrid ziehen wellen/(1516, mbair./b. Linz) Öst. Weist. 12, 98. /Auch so soll ein paumeister bestellen und sein abrede haben mit einem schreinner/ (2.H 15. Jh.) Tucher, Baumeisterb. 108 LV. /Schrinner wollen halten, wes hie entschlossen wurt/ (1525) Qu. Frankf. Gesch. 2, 210 G.; ebd. 2,178.
Schnittger ist wie das folgende /Kontormacher/ für das gesamte Niederdeutsche belegt. Für die Geläufigkeit des Wortes im Mittelniederdeutschen zeugt auch seine Entlehnung in nor72 dische Sprachen. wnd.
ond.
/Maler, snytker, becker, goltsmyt, De eyne hantwerkesman den anderen beschyt/ (1497) Hans v. Ghetelen, Narrenschyp 104 B. /myt den kontormaker offte snyddekeren an de eynen vnde den olderluden . . . der tymmerlude . . . an de andern syden/ (1499) Lüb. Zunftrollen 298 W. /snitkers, küntörmakers/ (1513) Schrägen Riga 123 S./M. /Volgende winter sindt de banen . . . in das kornhus gemaket, und wurden de brede vam Sunde gehaleth, durch m. Claves Everdes, schniddeker/ (1523/32) Chr. Ribnitz 182 T.
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Wilhelm Braun
Kontormacher ist sehr häufig für das westniederdeutsche und gut für das ostniederdeutsche Gebiet bezeugt, insbesondere für die Hansestädte Lübeck und Hamburg. Das Wort - zu /Kontor (Comptoir)/im Sinne ' (kunstvoll verzierter) Schreibtisch, Schreibpult' gebildet - bezeichnet vorwiegend einen Kunsttischler und stimmt in Bedeutung und Gebrauch mit dem gleichfalls nur niederdeutsch bezeugten /Schnittger/ überein. Hingegen bezeichnet das ebenfalls nd. /Kistenmacher/ den Hersteller von einfachen, unverzierten Möbeln. wnd.
ond.
/ock so en Scholen see nene schappe [^Schränke] maken, alse der kistenmaker wyse is, vppe den koep to hebbende, men willen de kunthormaker schappe maken vppe den koep, de Scholen se mit seemseden listen maken, mit anvatede doren/ (1470) Lüb. Zunfrollen 300 W. /kuntoer-makers/ (1523) Zunfturk. Lüneb. 161 B. /kuntormaker/ (1481) in: Fehring, Tischler (1929) 34. /de meler und glassewerters und snitkers, küntörmakers/ (1513) Schrägen Riga 123 S./M.
Kistenmacher ist im ripuarischen Teil des Westmitteldeutschen und im gesamten Westniederdeutschen gut, im Ostniederdeutschen hingegen nur vereinzelt bezeugt. Im Unterschied von /Schnittger/ und /Kontormacher/ (s. d.), den beiden stärksten Konkurrenten auf niederdeutschem Gebiet, bezeichnet /Kistenmacher/ den Hersteller einfacher Möbel. wmd.
wnd.
/ Z o der clagen der zimmerlüde tgaen die kistenmechere as van stoeven zo bekleiden ind anders sijnt geschickt . . . dese naegeschreven herren/ (1470) Kölner Zunfturk. 2, 395 L. (1500) ebd. 94. /Vppe de sulfften tyd do weren de vromen lüde, also mit namen de kistenmaker, vppe de eyne syd, vnde de kuntormaker vppe de andern zyd twedrachtich/(1470) Lüb. Zunftrollen 299 W. /den amptluden der kistenmaker unde luchtemaker/ (1515) Hamb. Zunftrollen 135 R.
ond.
/Kostenmakeren/ (1500) in: Fehring, Tischler (1929) 33.
Tischmacher ist -während des ersten Zeitraums im wesentlichen nur auf das Hochalemannische beschränkt, 74 wo es allerdings so gut wie konkurrenzlos herrscht. wobd.
/Simon Haider, tischmacher/ (1476) Konst. Ratslisten 172 B. (weitere Belege von 1479, 1481, 1482 ebd. S. 175, 176).
'Bäcker', 'Fleischer', 'Tischler'
93
/Ich bytten üch mit flyss, Ir wellint mit dem langen schilenden tischmacher zuo Switz reden ernstlich/ (1494) in: D. Geschichtsfreund 7 (1851) 204. Kistner ist gut bezeugt im Westoberdeutschen und Westmitteldeutschen, insbesondere für Straßburg im Elsaß und Frankfurt a. Main. wobd.
/Die zimberlute mögent ouch machen sieht disch uf bein oder dryspitzen, also das dieselben dische nit gevalten sint und kein snytzelwerck haben; desglich mögent die kistener ouch machen/ (15. Jh.) Straßb. Zunft-Verordn. 595 B.
75 wmd.
/ a l s die kistener dis buch hinder und one erleubunge myner herren gemacht han/ (1478) Frankf. Zunfturk. 2,1 Sch. /die kistener oder schriner/ (1519) ebd. 2, 9.
Kistler ist eine im West- und Ostoberdeutschen verbreitete und vereinzelt auch im Oberfränkischen bezeugte Bezeichnung, die ähnlich wie wmd./wnd. /Kistenmacher/ und wobd./wmd. /Kistner/ im ersten Untersuchungszeitraum landschaftlich gebräuchlich ist und im Gebiet zwischen München und Augsburg eindeutig dominiert. 76 wobd.
/Wie man sich gegen Inen, und Sie sich gegen Ainer Erbern Zunfft und dem Hanndtwerck der Kistler halten, auch was Sie angloben sollen e t c . / (1519) in: Hellwag, Tischlerhandwerk (1924) 549. /ain yeder maister des hanntwerchs der Kistier der . . . einem lerenknecht gehabt hat und ausgedient hat/ (1470) in: Hellwag, Tischlerhandwerk (1924) 543. (1517) ebd. 548.
oobd.
obfrk.
Tischler
/Weiln zu Frankfort nit taugliche Schreiner oder Kistler, also vermein ich nachmaln, es sollte die Tafel allhie gemacht werden/ (1507) in: Dürer, Nachlass 44 L. / F . 77
ist in den Quellen des ersten Untersuchungszeitraumes insgesamt selten bezeugt. Belege finden sich im östlichen Teil des Westoberdeutschen (Füssen und Kempten), im Ostoberdeutschen, Ostmitteldeutschen und im Ostniederdeutschen. Die Ableitung mit / - 1 e r / Suffix steht in dieser Zeit in den meisten Verbreitungsgebieten neben / T i s c h e r / (s.u.). wobd.
/ J o r g Aufkircher der tischler us dem Niderland/ (1471) Füßener Bürgerb. 25 W. ebd. 36. 38. 61. /Caspar Übelher, Tischler/ (1528) Bürgerb. Kempten 3 W.
Wilhelm Braun
94 oobd.
omd.
/maister Andre Sinreich, tischler/ (1489) Bozner Bürgerb. 2,1 Ndr. /Käschtn vnd tisch von raidem holcz, / / das wolt ich machn tischler stolcz, / / Es sey von hobl, geschnitn oder verschlagn/ (1511) Sterzinger Sp. 1,278 WND. /Den Werckleuten mag man einen Palirer, er sey Steinmatz, Meurer,
ond.
Tischler oder Zimmerman . . . die Woche achtzehen [ GroschenJ geben/ (1482) Corp. jur. Sax. (1672) 3. /Hewsch, Cuntze, tischler/ (1482) Berl. Bürgerb. 50 G. /Starch, Simon, tischler/ (1489) ebd. 53.
Tischer Die Verbreitung von /Tischer/ stimmt im wesentlichen mit der von /Tischler/ überein. Das Wort fehlt jedoch im Westoberdeutschen, reicht dagegen im Niederdeutschen und Mitteldeutschen weiter nach Westen. oobd. 7 8
/tischer/ (1500) in: Skäla, Eger (1967) 271. / t i s c h e r / (1520) ebd.
wmd. omd.
7Q
/Itzundt helt man vier Tiescher/ (ul513) Hofordn. 2, 87 K. * RO /tischer/ (1505, Stadtarch. Wittenberg); /disßer/ (1506, ebd.). /die maister des erbarn handtwergs der tischer/ (1531) Zunftordn. Komotau 147 W.
ond.
/wy amptbrodere der melrhe, glaszewerdere unnde dyschere thome Gripeszwolde/ (1511) Zunftrollen Greifsw. 55 K.
Schnitzler ist im Sinne von ' Tischler' nur im Westmitteldeutschen (Ripuarischen) und Westniederdeutschen (Westfälischen) zu belegen. wmd.
/So wir durch ein gemein gebot des amptz bieinanderen nae gewoenlicner wise verboidt ind vergadert geweist sijn umb gebrechen willen, die snitzeler uns steinmetzeren ind zimmerluden anbracht haint/ (1492) Kölner Zunfturk. 2,400 L.
wnd.
/snytler/ (1511/2) Beitr. Gesch. Dortm. 12 (1903) 66.
Schreinmacher 81 ist nur im Westmitteldeutschen (Ripuarischen) zu belegen. wmd.
/Scrinarius. eyn schrijnmecher/ (1504) (Köln) Gemma gemm. U 6^. /die Schreinemacher/ (1528) in: Hermandung, Zunftwesen Aachen (1908) 18.
'Bäcker', 'Fleischer', 'Tischler'
95
Schnitzer ist in der Bedeutung ' Tischler' nur selten bezeugt. wmd,
82
/dat gein zimmerman . . . einiche malzmoele . . . machen en sali. Desgelichen ouch van den snitzeren, driessleren ind kisten mecheren/ (1500) Kölner Zunfturk. 2, 94 L.
ond.
Lincke, Cuntze, maier vel snitzer
(1477) Bürgerb. Berl. 47 K.
Stuhlmacher, das nur vereinzelt in den Quellen auftaucht, scheint die allgemeine Bedeutung ' Tischler' nicht voll angenommen zu haben. Der Stuhlmacher war "zugleich Tischler und Drechs83 ler" . Das Wort bezeichnet ein Teilgewerbe, das später im Tischlerhandwerk aufge. . 84 gangen ist. obfrk.
/Auch ist den stulmachern und zeichenmachern vergönnt, (das sie) eins tags einer person zwey fei zu irem hantwerck dienende und nit darüber verkauften mögen (E 15. Jh.) Nürnb. Polizeiordn. 221 LV.
wnd. 4.2. 3.
/stoelmeker/ (1498/9) in: Holmberg, Handwerkerbezeichnungen (1950) 204. Resümee des Zeitraums 1470 - 1530
Der äußerst differenzierten Situation im stark arbeitsteiligen Tischlerhandwerk entsprechend, tritt in diesem Untersuchungszeitraum eine große Zahl von Konkurrenten (14) auf. Davon finden nur 3 größere Verbreitung; /Schreiner/, der in dieser Zeit stärkste Konkurrent, ist in vier Großlandschaften nachzuweisen; er herrscht im Oberfränkischen, im Westoberdeutschen mit Ausnahme des Schweizerischen und tritt mit einigen Belegen auch im Westmitteldeutschen und Ostober deutschen auf. Ebenfalls für je vier Großlandschaften oder Teilgebiete davon sind die im ersten Zeitraum insgesamt seltenen /Tischler/ und /Tischer/ bezeugt; /Tischler/ im Ostoberdeutschen und im benachbarten Westoberdeutschen (Schwäbischen) sowie im Ostmitteldeutschen und Ostniederdeutschen. /Tischer/-Belege finden sich im Ostmitteldeutschen, im Ostoberdeutschen und vereinzelt im Westmitteldeutschen und Ostniederdeutschen. /Kistler/ und /Kistenmacher/ sind in je 3 Großlandschaften belegt; /Kistler/ ist verbreitet bezeugt im Westund Ostoberdeutschen und vereinzelt im Oberfränkischen, /Kistenmacher/ im Westniederdeutschen und Westmitteldeutschen sowie vereinzelt im Ostniederdeutschen. Fünf weitere Bezeichnungen, /Kontormacher, Schnittger, Kistner/ sowie /Schnitzler/ und /Schnitzer/, sind nur in je zwei Großlandschaften nachzuweisen. /Kontormacher/ und /Schnittger/, deren Aufgabenbereiche weithin identisch sind, stehen meist eng nebeneinander und sind im gesamten Niederdeutschen geläufig. /Kistner/ und /Kistenmacher/ treffen nur im Westmitteldeutschen aufeinander. /lüstner/ ist im Westoberdeutschen geläufig und ist vereinzelt im Westmitteldeutschen belegt. /Schnitzer/ ist sporadisch im
96
Wilhelm Braun
Westmitteldeutschen und Ostniederdeutschen bezeugt. Für nur je eine Großlandschaft bzw. für Teilgebiete einer Großlandschaft sind die Bezeichnungen /Tischmacher, Schreinmacher/ und /Stuhlmacher/ nachzuweisen. Tabelle 8 Der Anteil der Konkurrenten in den einzelnen Großlandschaften und im Gesamtgebiet für den Zeitraum 1470 - 1530 (in Prozenten)
Schreiner Schnittger Kontor macher Kistenmacher Tischmacher Kistner Kistler Tischler Tischer Schnitzer Schnitzler Schreinmacher Stuhlmacher
wobd.
oobd.
13,6
5,9
obfrk.
wmd.
95
35,3
omd.
29,4 40,9 29, 5 11,4 4,6
wnd.
ond.
41,4 37,2 20
22,2 22,2 5,5
11,7 52,9 29,4 11,8
2,5 5,9 5,9 5,9 5,9 "
20 80
27,8 16,7 5,5 1,4
2,5
4. 3.
Zeitraum 1670 - 1730
4.3.1.
Aufführung der Konkurrenten nach der Häufigkeit der Belege des zweiten Untersuchungszeitraumes
Gesamtgebiet 23,3 15,3 13,9 9,3 8,4 7 7 6,5 6,5 0,9 0,9 0,5 0,5
Im zweiten Zeitraum sind 10 Bezeichnungen belegt. Die insgesamt 219 Belege dieses Untersuchungszeitraumes verteilen sich auf die Konkurrenten folgendermaßen: /Tischler/ (47, 3 %), /Schreiner/ (27, 2 %), /Tischer/ (17, 9 %), /Kistler/ (1, 9 %), /Kistenmacher/ (1, 9 %), /Schnittger/ (1,4 %), /Tischmacher/ (0, 9 %), /Schnitzler/ (0, 5 %), /Schreinwerker/ (0, 5 %), /Stuhlmacher/ (0, 5 %). 4. 3.2.
Die Verbreitung der Konkurrenten in den Großlandschaften
Tischler findet sich im gesamten Osten des Sprachgebietes. Es dominiert im Ostoberdeutschen und Ostniederdeutschen, steht im Ostmitteldeutschen an zweiter Stelle hinter /Tischer/ und ist auch im Westniederdeutschen und Oberfränkischen bezeugt. Das Wort fehlt im Westoberdeutschen und Westmitteldeutschen.
'Bäcker', 'Fleischer', 'Tischler' oobd.
87
/Gregori Pichler, tischler/ (1674) Bozner Bürgerb. i , 98 Ndr. /Holtz, das . . . zum bauen den Handwerckern als Tischlern, Wagnern, Drechslern, Bindern mag gebraucht werden/ (1682) Hohberg, Georgica (1687) 2, 662 a .
obfrk.
/ E s [Leinöl] wird auch von den . . . Tischlern zu andern vielfältigen Nutzen gebraucht/ (1708) Marperger, Kauffmanns-Magazin 772.
omd.
/George Krafft, der Tischler aus der Neustadt/ (1672) Eisleber Stadt-Chr. 238 G./S. /die Zimmerleute und Tischler/ (1677) Butschky, Pathmos 158.
wnd.
/Tischler/ (1694) Bürgerb. Uelzen 40 V. /ein Tischler/ (1721) Goslarer Bürgerb. 3, 30 b B.
ond.
/Tischler/ (1679) Bürgerb. Könitz 43 K. (1681) ebd. 44. /wie die Tischler von Anbegin dieser wehrten Stadt Riga biss 1535 ohne Regiment gelebet/ (1729) Schrägen Riga 664 S./M.
Schreiner, nach /Tischler/ zweithäufigster Konkurrent des zweiten Untersuchungszeitraumes, dominiert im südlichen und mittleren Westen des Sprachgebietes sowie im Oberfränkischen. Im Westoberdeutschen ist das Wort nicht in allen Teilgebieten durchgedrungen; Belege aus dem Hochalemannischen sind selten (vgl. den von 1673 unter /Tischmacher/); im Schwäbischen um Augsburg herrscht /Kistler/. Auch im Oberfränkischen besteht mit /Tischer/ eine starke Konkurrenz. Hingegeh herrscht /Schreiner/ in allen westmitteldeutschen Gebieten unangefochten. Die Belege aus dem Ostober deutschen entstammen z. T. literarischen Quellen, die nicht streng zu lokalisieren sind, wie z. B. die Werke Abrahams a S. Clara, der im Badischen geboren wurde, aber seit seinem 24. Lebensjahr in Wien wirkte. wobd.
/die Schreiner mit beschreibung gantzer Beschlag an neues Schrein=Werck von ausländischen Orthen her, . . . dem Schlosser=Handwerck . . . abbruch an ihrem Gewerb . . . zu thun sich underfangen/ (1700) Samml. württ. Regierungs-Gesetze 2, 733 Z.
oobd.
/Wegen zweyer Sachen können sich die Tischler oder Schreiner rühmen: . . . / (1699) Abraham a S. Clara, Etwas 1, 545. /die Schmierber wollen denen Mahlern gleich seyn, und die Zimmerleut den Künstlern oder Schreinern/ (1711) Ollapatrida 32 WND.
obfrk.
/Maßeicher 1. ist beständig ein schreiner geweßen/ (1691) Obrhein. Stadt-
wmd.
/schreiner aus Cassel/ (1680) Casseler Bürgerb. 84 b G.
rechte I 750. /Die Schreinere und andere Handtwercks-Leuthe sollen bey ihrer Arbeit von
98
Wilhelm Braun denen Hobel-Splnen . . . kein feur machen/ (1723) Hzgts. Westphahlen Policey-Ordn. 116.
Nur sporadisch zu belegen ist /Schreiner/ im Ostmitteldeutschen (4 von 32 Belegen) und Westnieder deutschen (3 von 16). omd.
/Wie zu finden beym Limnaeo da er von Schreinern spricht, machten e selbige ihre Meister-Stuck zeitig fertig, seyen sie befugt, alsbalden Gesellen . . . einzustellen/ (1722) Beier, Handlungs-Lex. 106 a .
wnd.
/Henricus Grolman von Castrop, ein schreiner/ (1723) Beitr. Gesch. Dortm. 12 (1903) 168. /ein Schreiner/ (1688) Goslarer Bürgerb. 2, öO^B. (1726) ebd. 3,37 b .
Tischer hat sein Hauptverbreitungsgebiet im Ostmitteldeutschen, ist ferner bezeugt im Oberfränkischen sowie sporadisch auch im West- und Ostniederdeutschen. Die westniederdeutschen Belege entstammen einer Quelle aus Goslar, die vom Ostmitteldeutschen her beeinflußt sein kann. Ebenso unter ostmitteldeutschem Einfluß dürften die Quellen der beiden Belege aus dem Ostoberdeutschen stehen. Nicht zu bezeugen ist /Tischer/ im Westoberdeutschen und Westmitteldeutschen. oobd. obfrk.
/etliche Tischer und Zimmerleute (1683) Beer, Sommer-Täge 144 HND. /Die Tischer, die Tag und Nacht arbeiten/ (1698) Weigel, Haupt-Stände 431. /Nuß, Kirschen- und Pflaumen-Blumholtz ist gut vor die Tischer/ (1708)
omd.
Marperger, Kauffmanns-Magazin 614. / E r hltte etzliche Handwercksleute, Mahler, Tischer, Orgellmacher . . .
wnd.
mit einen geringen Gastgebot abzufertigen/ (1679) Riemer, Maul-Affe 205. /Tischer/ (1726) Kamenzer Bürgerb. 70 S. /Tischer aus Mumpelgardt/ (1691) Goslarer Bürgerb. 2, 65 a B. (1695) ebd.
ond.
2,68 b . (1730) ebd. 3,42 b . /Ein Discher/ (1683) Schönb. Bürgerb. 70 W. /tischer, von Ziesar bürtig/ (1705) Bürgerb. Cölln 103 G.
Kistler ist für den zweiten Untersuchungszeitraum nur im Schwäbischen um Augsburg zu belegen. 85 wobd.
/Kistler/ (1715) in: Hellwag, Tischlerhandwerk (1924) 592. /Meisterstückordnung der Kistler/ (1727) ebd. 593; und öfter.
'Bäcker', 'Fleischer', 'Tischler'
99
Kistenmacher ist für das ursprüngliche Verbreitungsgebiet im Westmitteldeutschen und Westniederdeutschen nicht mehr nachzuweisen, taucht jedoch jetzt gelegentlich im Ostoberdeutschen auf. oobd.
/Michael Obermayr, cistenmacher/ (1678) Bozner Bürgerb. 1,101 Ndr. /Paul Wassermann, cistenmacher, im Sarnthall gebirtig/ (1692) ebd. 1,115; und öfter.
Schnittger ist nur im Westniederdeutschen bezeugt: /Schnitger/ (1688) Bürgerb. Hadersleben 1,38 A. (1722) ebd. 1,41. Tischmacher ist ausschließlich auf das Hochalemannische beschränkt und herrscht hier neben vereinzelt bezeugtem /Schreiner/. wobd.
/ N . , der Schreiner . . . [klagtj wie dass . . . ussere Tischmacher . . . Fensterfueter undRamen alher bringen/ (1673) in: Schweiz. Id. 9,1625. /Tischmacher/ (1696) in: Hellwag, Tischlerhandwerk (1924) 588.
Schnitzler ist öfters bezeugt im Westmitteldeutschen. wmd.
/Schnitzler/ (1672) in: Hellwag, Tischlerhandwerk (1924) 587. /Vincent Reckman von der Horneburgh, seines handwercks ein schnitzler/ (1681) Beitr. Gesch. Dortm. 12 (1903) 154. (1695) ebd. 157.
Schreinwerker ist nur vereinzelt im Westniederdeutschen bezeugt (vgl. nl. schrijnwerker), dürfte 86 jedoch weiter verbreitet gewesen sein. wnd.
/Verordnung und Artikulen, worüber die Ladenmacher und Schreinwerker Amts-Genossen unter sich selbsten v e r e i n i g e t . . . haben/ (2. H 17. Jh.) Statuten Gilden Essen 72 B.
Stuhlmacher ist nur vereinzelt bezeugt im Oberfränkischen. obfrk.
/Stuhlmachers . . . , welche an kunstlicher Bildhauer-Arbeit und denen Q
Stuhlen selbst eine zierliche Facon zu geben, nichts an sich ermangeln lassen/ (1708) Marperger, Kauffmanns-Magazin 1240.
100
Wilhelm Braun
4. 3. 3.
Resümee des Zeitraums 1670 - 1730
Die Hauptkonkurrenten dieses Zeitraums sind /Tischler, Schreiner/ und /Tischer/, wobei /Schreiner/ im wesentlichen im Südwesten und Westen des Sprachgebietes dominiert, während /Tischler/ im gesamten Osten und Norden, vom Ostoberdeutschen über das Ostmitteldeutsche bis ins Ostniederdeutsche und auch Westniederdeutsche bezeugt ist. Die Verbreitung von /Tischer/ entspricht im ganzen der von /Tischler/, doch gibt es erhebliche Unterschiede in der Belegfrequenz beider Wörter für die einzelnen Großlandschaften. Während im Ostoberdeutschen und Ostniederdeutschen / T i s c h l e r / Belege eindeutig überwiegen (28 : 2 und 53 : 7), ist das Verhältnis im Ostmitteldeutschen (mit 11 : 17) und Oberfränkisehen (mit 4 : 9) eher umgekehrt. Neben diesen Hauptkonkurrenten, die weite Verbreitung gefunden haben, /Schreiner/ in 6, /Tischler/ und /Tischer/ in 5 Großlandschaften, sind die übrigen 7 Konkurrenten nur von lokaler Bedeutung. Tabelle 9 Der Anteil der Konkurrenten in den einzelnen Großlandschaften und im Gesamtgebiet für den Zeitraum 1670 - 1730 (in Prozenten) wobd.
oobd. 60,9
16
Schreiner Tischer
58,8
26 4,3
44
Kistler
23, 5
Tischler
wmd.
omd.
wnd.
ond.
Gesamtgebiet
34,4
35,3
88,3
95
12, 5
17,6
47,3 27,2
53,1
23, 5
11,7
17,9
36
1,9 8,7
Kistenmacher Schnittger Tischmacher
obfrk.
17,6 17,7 5
Schnitzler
5,9
Schreinwerker Stuhlmacher 4.4.
4
1,9 1,4 0,9 0,5 0,5 0,5
Vergleich der untersuchten Zeiträume
Die durch weitgehende landschaftliche Differenzierung charakterisierte Konkurrentengruppe ' Tischler' hat in der Zeit vom ersten zum zweiten Untersuchungszeitraum eine grundlegende Umschichtung erfahren. Während im ersten Untersuchungszeitraum eine Vielzahl z.T. eng landschaftsgebundener Bezeichnungen (/Schreiner, Schnittger, Kontormacher, Tischmacher, Kistner, Kistenmacher, Kistler, Tischler, Tischer/) das Gesamtbild bestimmt, zeichnet sich im zweiten Zeitraum eine deutliche Vereinheitlichung
'Bäcker', 'Fleischer', 'Tischler'
101
zugunsten der Hauptkonkurrenten/Tischler, S c h r e i n e r / u n d / T i s c h e r / ab. Dabei verringert sich die Zahl der Konkurrenten zwar nur unwesentlich (10 statt 13), aber neben den drei Hauptkonkurrenten, dem südwestdt. und westdt. /Schreiner/ und den südostdt. und ostdt. /Tischler/ und /Tischer/ kann keine Bezeichnung ihre Stellung behaupten. Besonders augenfällig ist das Schwinden von nd. /Kontormacher/ und der starke Rückgang von nd. /Schnittger/ und alem. /Tischmacher/. Auch /Kästner, Kistenmacher/ und /Kistler/, die zusammen im ersten Zeitraum einen Beleganteil von 23, 3 % stellen, sind weitgehend verdrängt; ihr Beleganteil beträgt jetzt nur noch 3, 8 %. Aufmerksamkeit verdient das Nebeneinander von /Tischler/ und /Tischer/, die in älterer Zeit einander vertreten und offenbar gegenüber den zahlreichen anderen Konkurrenten sich gegenseitig stützen. Dabei handelt es sich keineswegs um eine bloße Ablösung des älteren /Tischer/ durch jüngeres /Tischler/. Beide Bildungen zeigen vielmehr zunächst in Verbreitung und Gebrauch durchaus eine gewisse Eigenständigkeit. /Tischler/ geht vom Ostoberdeutschen aus, während / T i s c h e r / seinen Schwerpunkt von Anfang 87 an im Ostmitteldeutschen hat und sich hier auch am längsten gegenüber dem erfolgreicheren /Tischler/ behaupten kann. Vergleicht man den Beleganteil der drei im zweiten Zeitraum noch allein gebräuchlichen Konkurrenten/Tischler, Schreiner/ und /Tischer/, der nun 92,4 % beträgt, mit dem des ersten Zeitraumes von nur 36, 3 % (davon allein für /Schreiner/ 23, 3 %), dann wird deutlich, mit welcher Dynamik sich die oobd. /omd. Bezeichnungen /Tischler/ und /Tischer/ durchsetzen. Damit ist zugleich die spätere Entwicklung vorgezeichnet.
102
Wilhelm Braun
Tabelle 10 Gegenüberstellung der Anteile der Konkurrenten für das Gesamtgebiet in beiden Zeiträumen (in Prozenten) Zeitraum 1470 - 1530
Zeitraum 1670 - 1730
Tischler
6,5
47,3
Schreiner
23,3
27,2
6,5 7
17,9
9,3
1,9 1,4 0,9
Tischer Ki stier Kistenmacher Schnittger
15,3
Tischmacher
8,4
Schreinwerker
0,5
Schnitzler Kistner Stuhlmacher Kontormacher Schnitzer Schreinmacher 4. 5.
1,9
0,9 7
0, 5
0,5
0,5
13,9 0,9 0,5
Stand der Ausgleichsprozesse um 1730 und Bezug zur Gegenwart
4. 5.1. Wie der Vergleich des wortgeschichtlichen Befundes der beiden Zeiträume zeigt, haben sich /Tischler/ und/Tischer/ am Anfang des 18. Jahrhunderts in allen Großlandschaften mit Ausnahme des Westoberdeutschen und Westmitteldeutschen durchgesetzt. Beide Wörter zusammen stellen die überwiegende Mehrheit der Belege im Ostober deutschen, Ostmitteldeutschen und im gesamten Niederdeutschen. Das Oberfränkische gehört mit seinen südlichen und westlichen Teilen zu dem sich formierenden geschlossenen südwestdeutschen Bezeugungsgebiet von /Schreiner/. Im wesentlichen dürfte um 1730 der Stand 88
erreicht sein, wie ihn der Deutsche Wortatlas
vorwiegend für die Mundarten der Ge-
genwart darstellt. Die zeitgenössischen Wörterbücher tragen mit ihren Buchungen der Entwicklung nur in groben Zügen Rechnung. Sie vermerken nicht nur die in der Zeit geläufigen Bezeichnungen, sondern auch das 89 in der lexikalischen Tradition überlieferte und z. T. veraltete Wortgut. So bucht Rädlein (1711, omd.) "Kistler, Kistenmacher, Schreiner", obwohl /Kistler/ und /Kistenmacher/ im Ostmitteldeutschen kaum je in Gebrauch waren, 90 91 Aler (1727, wmd.) verzeichnet "Tischer, tischler, tischmacher", Kramer (1702, obfrk.) verweist unter "Schnitzer, Schnitzeler" auf "Schreiner, Tischler" usw.
•Bäcker', 'Fleischer', 'Tischler'
103
Insgesamt macht die Art der Erfassung der ' Tischler' -Bezeichnungen durch die Lexikographen der Zeit um 1700 deutlich, daß die Hauptkonkurrenten /Tischler/ und /Schreiner/ im gesamten Sprachgebiet bekannt waren und - aktiv oder passiv - fest zum literatursprachlichen Wortbestand gehörten. Genauere Angaben über Verwendungsweise, regionale und soziale Zuordnung der ' Tischler' -Bezeichnungen finden sich erst in den normierenden Wörterbüchern seit dem Ende des 18. Jahrhunderts. So ist 92 für Adelung (1780): "Der Tischler . . . ein zünftiger Handwerker . . . Im gemeinen Leben der Hochdeutschen Tischer, im Oberdeutschen Schreiner . . . ehedem Schnittger . . . in der Schweitz Tischmacher". Hingegen: "Der Kistenmacher . . . in einigen Gegenden, eine Art Tischler, welche vornehmlich kleine und größere Kisten . . . verfertigen; der Kistner" 4. 5.2.
.
Der Ausgleichsprozeß unter den konkurrierenden Bezeichnungen für 'Tischler' setzt sich im 19. und 20. Jahrhundert fort und ist auch in der Sprache der Gegenwart nicht in allen Teilen des Sprachgebiets zum Abschluß gekommen. Dennoch darf schon heute /Tischler/ allein als das Wort der Literatursprache gelten. Auch in der überregionalen 94 Handwerkergesetzgebung wird /Tischler/ mehr und mehr bevorzugt. /Schreiner/ ist zwar im gesamten Sprachgebiet bekannt, wird aber außer im Südwesten und Westen weitgehend als landschaftlich begrenztes Wort empfunden. Die Wörterbücher der Gegenwartssprache verzeichnen - soweit sie nicht historisch orientiert oder der lexikographischen Tradition verhaftet sind - von der ursprünglichen Vielzahl der Benennungen nur noch /Tischler/ und /Schreiner/. /Tischler/ erscheint hierbei in der Regel als das Wort der Literatursprache ohne jeden einschränkenden Zusatz. 95 Viele Wörterbücher heben die allgemeinliteratursprachliche Geltung von /Tisch96 l e r / ausdrücklich hervor. Hingegen wird die landschaftliche Bindung von /Schreiner/ an das Südwestdeutsche und Westdeutsche regelmäßig vermerkt. 97
104 5.
Wilhelm Braun Zusammenfassung und Schlußfolgerungen
Auf die Frage nach der Z e i t von Verlauf und Abschluß der Ausgleichsprozesse im Wortbestand der neuhochdeutschen Literatursprache ist anhand der untersuchten Konkurrentengruppen allgemein zu antworten: Der Ausgleich bzw. die Eliminierung einer Vielzahl von Konkurrenten, ist in allen 98 drei Konkurrentengruppen ein Prozeß von jahrhundertelanger Dauer. Der Ausgleich vollzieht sich in den einzelnen Konkurrentengruppen nicht gleichzeitig und mit unterschiedlicher Konsequenz. Die folgende Übersicht zeigt die Zahl der Bezeichnungen in den beiden Untersuchungszeiträumen und in der Sprache der Gegenwart sowie den Anteil der beiden stärksten Konkurrenten des zweiten Zeitraumes an den Belegen der beiden Zeiträume in Prozenten. Tabelle 11 Zahl der Konkurrenten und Prozentanteil der beiden stärksten Konkurrenten des zweiten Zeitraums ' Bäcker' ' Fleischer' ' Tischler' / Bäcker/u. /Be ck/ /Fleischer/u./Metzger/ /Tischler/u./Schreiner/ Zeitraum 1470-1530
5 (81,3 %)
12 (29,4%)
13 (29,8%)
Zeitraum 1670-1730 Sprache d. Gegenwart
5 (97,2 %)
10 (55,7%)
10 (74,5%)
3
2
1
Dabei wird besonders am Prozentanteil der beiden stärksten Konkurrenten deutlich, welche Fortschritte in Richtung auf die Vereinheitlichung in der Zeit vom ersten zum zweiten Untersuchungszeitraum erreicht worden sind. Hingegen ist die Zahl der Konkurrenten bis 1730 nur unwesentlich zurückgegangen, wobei jedoch die Mehrzahl der Bezeichnungen nur noch selten belegt ist. Wird also das Bild bis 1730 im wesentlichen von der großen Zahl zumeist landschaftlich gebundener Konkurrenten bestimmt, so setzen sich seit dem 18. Jahrhundert jeweils 2 bis 4 Bezeichnungen deutlich von den 99 übrigen ab. /Beck/, der letzte Konkurrent von/Bäcker/, tritt im 19. Jahrhundert so gut wie vollständig zurück. Neben /Fleischer/ behaupten sich /Metzger/ und /Schlacht e r / bis ins 20. Jahrhundert, das eine auf geschlossenem Bezeugungsgebiet im Südwesten und Westen, das andere, literatursprachlich von /Fleischer/ noch stärker bedrängt, im Norden. Ähnlich fest wie /Metzger/ behauptet sich /Schreiner/ im Südwesten und Westen gegen das stärkere /Tischler/. Die in der Sprache der Gegenwart verbliebenen Konkurrenten /Fleischer/, /Metzger/ und /Schlachter/ sowie /Tischler/ und /Schreiner/ gehören - aktiv oder passiv - zum allgemein bekannten Wortbestand, trotz der regional sehr erheblichen Unterschiede im Sprachgebrauch.
'Bäcker', 'Fleischer', 'Tischler'
105
Der Grund für den bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts nur ganz allmählichen Verlauf der Vereinheitlichungsprozesse in den drei Konkurrentengruppen von Handwerkerbezeichnungen dürfte in dem bis dahin unvermindert und wenig verändert fortbestehenden Zunftwesen zu suchen sein. Mit großer Sicherheit ist davon auszugehen, daß die Zunftverfassungen auf die Handwerkerbezeichnungen in der Regel stark konservierend wirken. In den Ordnungen und sonstigen Zunftdokumenten werden alte, landschaftlich gebräuchliche Berufsbezeichnungen der Handwerker so lange beibehalten wie die lokale, meist sehr traditionsgebundene Zunftverfassung weiterbesteht. Ganz besonders gilt das für die Konkurrentengruppen ' Fleischer' und ' Tischler', für die erst die Lockerung der Zunftgesetzgebung seit dem Reichsabschied von 1731 und die Einführung der Gewerbefreiheit 1 0 0 in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts den entscheidenden Wandel herbeiführen. Daß auch die Machtverhältnisse in einer Stadt und die Geschichte der Zünfte oder Ämter bestimmter Handwerke oder Handwerksrichtungen innerhalb der Stadtgemeinden oft von entscheidender Bedeutung für Abkommen oder Fortbestand bestimmter Handwerkerbezeichnungen sein können, zeigen Beispiele aus Hamburg und Lübeck. In Hamburg wurde das Amt der Kontormacher wohl schon vor 1603 wegen Widersetzlichkeit vom Senat aufgehoben; die Schnittger wurden ihre Nachfolger. 1 0 1 In Lübeck genehmigte der Rat 1620 die Vereinigung der bis dahin selbständigen Ämter der Kistenmacher und der 102 Schnittger, die von beiden gemeinsam beantragt worden war. Solche Vorgänge haben sicher dazu beigetragen, daß lokal geläufig gewesene Konkurrenten überflüssig wurden und außer Gebrauch kamen. Unter soziolinguistischem Aspekt ist auch die Benennung bestimmter Berufsrichtungen und Teilfunktionen des Handwerks zu sehen, die eine Folge des Zunftzwanges sind. Aufkommen und Verdrängung der Bezeichnungen für den nichtzünftigen und meist diskriminierten Handwerker sind eng verflochten mit der Geschichte des Handwerks und der Zünfte. Der zur Zunft nicht Zugelassene oder von der Zunft Ausgeschlossene war in seiner beruflichen Existenz getroffen und stand auf sozial niedriger Stufe. So entstanden Bezeichnungen wie / L ä s t e r e r / für den103 von den Zunfthandwerkern der Städte bekämpften Landfleischer, /Geisler/ und/Küter/ für nichtzünftige oder einer niedrigen Zunft angehörige Fleischer, die nur bestimmte Tiere schlachten, nur bestimmte Arbeiten 104 verrichten und ihre Waren nur zu bestimmten Verkaufszeiten feilbieten durften. Zu fragen ist ferner, welche sprachlichen Ursachen dem einen oder anderen Konkurrenten zum Durchbruch verholfen haben könnten und welche sprachlichen Gründe für das Abkommen eines Wortes zu nennen wären. Beispielsweise hatte /Beck/ um 1500 und auch noch um 1700 eine im Vergleich zu /Bäcker/ durchaus gleichwertige Position. Es dürfte zurückgetreten sein, weil der Bildungstypus der Nomina agenüs auf / - j a n / nicht mehr produktiv war 105 und der Wortsinn vom Sprachnutzer nicht mehr erkannt
106 werden konnte.
Wilhelm Braun 106
Sicher ist, daß /Bäcker/ etymologisch völlig durchsichtig erscheint
und entsprechend dem allein geläufigen Bildungstypus von Berufsbezeichnungen als /-er/-Bildung zum Verbum /backen/ erkannt wird.
107 Ebenso überlegen aus sprachlichen Gründen sind /Fleischer/ und /Tischler/ ihren Konkurrenten. /Fleischer/, das in seinem ostmitteldeutschen Ursprungsgebiet am längsten von /Fleischhauer/ bedrängt wird, hat gegenüber diesem und einer Reihe anderer Konkurrenten wie /Knochenhauer/ und /Fleischhacker/ den Vorteil der größeren Kürze, und es vermag außerdem den Begriff ' Fleischer' besser wiederzugeben als Bezeichnungen, die nur eine Teilaufgabe dieses Handwerks, das Töten und Zerlegen der Tiere, zum Ausdruck bringen wie vor allem /Schlachter/. Ähnliches gilt von /Tischler/, das seit Ende des 18. Jahrhunderts sich im Wortbestand der Literatursprache den ersten Platz sichern kann. Die meisten der konkurrierenden Bezeichnungen sind hier allerdings nicht nach bestimmten Einzelverrichtungen des Handwerkers, sondern nach einem der zahlreichen von ihm hergestellten Einrichtungsgegenstände gebildet. In der Konkurrenz mit /Schreiner/ und /Kistler, Kistenmacher, Kistner/ dürfte sich /Tischler/ seit dem 19. Jahrhundert deshalb mehr und mehr durchsetzen, weil /Schreiner/ - der Bedeutungsentwicklung von /Schrein/ folgend - literatursprachlich in den meisten Sprachlandschaften als gehoben empfunden oder als Bezeichnung im Sinne von ' Kunsttischler' verstanden wird. Diese Entwicklung wird gefördert durch den Rückgang 108
und das Schwinden von /Schrein/ , das Bedeutungen wie ' Lade', ' Kommode', ' Schrank' verloren hat und nur noch archaisierend oder aber dichterisch im Sinne ' kleines kostbares Behältnis' verwendet wird. Die Gruppe der nach / l ö s t e / gebildeten Bezeichnungen hingegen dürfte deshalb außer Gebrauch gekommen sein, weil /Kistenmacher, Kistler, Kistner/, die in frühester Zeit eine mittlere, zwischen ' Zimmermann' und ' Tischler' stehende Berufsrichtung bezeichneten, die Präzision und das handwerkliche Können, das das Tischierhandwerk erfordert, nicht angemessen auszudrücken vermögen (vgl. Anm. 68). Fragt man nach der Rolle der einzelnen S p r a c h l a n d s c h a f t e n im überregionalen Ausgleichsprozeß und nach ihrem Beitrag zur Entwicklung eines einheitlichen literatursprachlichen Wortbestandes, so zeigen die untersuchten Konkurrentengruppen, daß der jeweils siegreiche oder erfolgreichste Konkurrent bereits im ersten Zeitraum im Ostmitteldeutschen heimisch oder doch stark verbreitet war.
'Bäcker', 'Fleischer', 'Tischler'
107
Tabelle 12 Beleganteil der in der Gegenwart siegreichen oder dominierenden Konkurrenten in den einzelnen Großlandschaften (in Prozenten) 1. 2. 1. 2. 1. 2. Zeitraum Zeitraum Zeitraum Fleischer
Bäcker wobd.
1,8
7,8
oobd.
9,4
8,9
obfrk.
18, 5
60,7
7,7
wmd.
86,2
93, 5
omd.
29,4/11,8
Tischer 60, 9/4, 3 16
/36
0/5,9 51,1
36
wnd.
100
100
5,3
40
ond.
100
100
3,2
47,2
59,1
70,2
M
Tischler / 4,6/0
34.4/53,1
20/80
35, 3/23, 5 27, 8/16, 7
88,3/11,7
109 Die Aussicht, daß ein um 1500 im Ostmitteldeutschen
heimisches und hier dominie-
rendes Wort sich allgemein durchsetzt, verstärkt sich in dem Maße, wie das ostmitteldeutsche Wort bereits in anderen Landschaften verbreitet ist.
Das trifft vor allem
für /Bäcker/ zu, das bereits im ersten Untersuchungszeitraum das gesamte Niederdeutsche lOOprozentig und das Westmitteldeutsche mit 86 % vertritt. Schwieriger ist die Ausgangsposition für /Fleischer/ und/Tischler, Tischer/. /Fleischer/ ist im ersten Zeitraum fast ausschließlich auf das Ostmitteldeutsche beschränkt; erste ostfälische***, ostniederdeutsche und ostfränkische Belege sind vom Ober sächsischen her eingedrungen. /Tischler/ und /Tischer/ sind im ersten Zeitraum für das Ostoberdeutsche, das Ostmitteldeutsche sowie das Ostniederdeutsche bezeugt. Beide Wörter haben einen Beleganteil am ersten Untersuchungszeitraum von je nur 6, 5 % und stehen damit hinter den dominierenden Ausdrücken anderer Landschaften weit zurück (/Schreiner/ 23, 3 %, /Schnittger/ 15, 3 %, /Kontormacher/ 13, 9 %. Um so auffälliger ist, daß /Tischler/ und /Fleischer/ gegen stärkste Konkurrenz in der Zeit von 1470 bis 1730 an die erste Stelle ihrer Konkurrentengruppen vorrücken konnten. Die ostmitteldeutsche Sprachlandschaft ist im Ausgleichs- und Einigungsprozeß der hier untersuchten Konkurrentengruppen von entscheidender Bedeutung. Nur darf diese Rolle nicht überbetont oder verabsolutiert werden. Die These, daß das ObersächsischMeißnische die "Wiege" der neuhochdeutschen Literatursprache gewesen sei, ist in 112 113 jüngster Zeit vielfach verworfen oder modifiziert worden. Für die Lexik gilt grundsätzlich, daß jede Landschaft gebend und nehmend sein kann. Dennoch bleibt die Frage wichtig, welche Landschaften und Territorien den entscheidenden Anteil an der Ausbildung des Wortbestandes des Neuhochdeutschen haben. Aufschluß darüber ist in dem Maße zu gewinnen, wie Untersuchungen der vorliegenden Art auf möglichst viele Wortschatzbereiche ausgedehnt werden.
Wilhelm Braun
108
Die Ergebnisse dieser Untersuchung zeigen, daß die deutsche Wortgeographie um 1500 keineswegs die Grenzen der Territorien nachzeichnet. Durch Mischungs- und Ausgleichsvorgänge haben viele ursprünglich lokal gebräuchliche Bezeichnungen über die Grenzen ihrer Ausgangslandschaft hinaus Geltung erlangt. Dieses Vordringen läßt sich bei /Fleischer, Tischler/ und auch bei /Bäcker/ gut verfolgen. Doch zeigen diese drei Beispiele deutliche Unterschiede. Während für /Fleischer/ das Ostmitteldeutsche als Ausgangslandschaft voll in Anspruch genommen werden muß, ist für /Tischler/ das Ost114 115 oberdeutsche und für /Bäcker/ das Niederdeutsche mit heranzuziehen. Verbreitung, Vordringen und Rückgang einiger Konkurrenten lassen die relative Abgeschlossenheit und Selbständigkeit bestimmter Großlandschaften und Sprachräume hervortreten. So nehmen z. B. am Ende des zweiten Untersuchungszeitraumes /Metzger/ und /Schreiner/ ein im großen übereinstimmendes Bezeugungsgebiet im Süden und Westen ein. Andere Bezeichnungen wie /Fleischhauer/ und /Fleischhacker/ machen deutlich, zwischen welchen Sprachlandschaften Verkehr und Kommunikation sich am stärksten entfalten. Der Südwesten und der Nordwesten liegen am Rande oder abseits der großen Bewegungen. Generell ist zu beobachten, daß die stärksten Impulse vom Osten des Sprachgebietes, vom Ostmitteldeutschen, aber auch vom Ostoberdeutschen und Ostniederdeutschen ausgehen. Das entspricht im wesentlichen den politischen und ökonomischen Gegebenheiten der Zeit vom 15. bis 18. Jahrhundert.
Anmerkungen 1 Vgl. u.a. Ricker, Z. landschaftl. Synonymik d. dt. Handwerkernamen. 1917. Holmberg, Stud. z. d. nd. Handwerkerbezeichnungen. (1950). Mitzka/Sch., Dt. Wortatlas, Bd. 9. 1959. 2 Vgl. hierzu Mottek, Wirtschaftsgesch. 1 (51972) 174. 3 Meyers n. Lex. 8 (1964) 924b. 4 Vgl. das Nebeneinander von Kistlern und Schreinern, ochnittgern und Kontormachern innerhalb des Tischlerhandwerks in bestimmten Landschaften uiid Zeiten; zur Sachgeschichte der einzelnen Berufsrichtungen s. Hellwag, Tischlerihandwerk (1924) 37 ff. 5 Auf die tragende Rolle des Handwerks bei der Entwicklung der Städte und "die ¡Förderung des Handwerks durch die Stadt" verweist Mottek, Wirtschaftsgesch. 1( 1972) 170 ff. Vgl. ferner den Abschnitt "Das Handwerk - die Grundlage der städtischen Wirtschaft". In: Dt. Gesch. 1(1965) S. 342-345. Zur Auseinandersetzung zwischen Stadt und Land um das Niederlassungsrecht für Handwerk und Gewerbe s. Blaschke, Bevölkerungsgesch. (1967) 160 ff. 6 Das nd. Wort ist in Norddeutschland bis in jüngere Zeit im Sinne ' Pfuscher, nichtzünftiger Handwerker' bekannt, s. Duden (Leipz. 161974) 63b; wahrig, Wb. (1968) 730. 7 Vgl. Thikötter, Zünfte Bremens im Ma. (1930) 27. o 8 Vgl. Einführung S. 15. Das Archivmaterial des DWB für die Stichwörter/Bäcker/ und /Beck/ macht für die beiden Untersuchungszeiträume nur etwa 5 % der Belege aus.
'Bäcker', 'Fleischer', 'Tischler'
109
9
Kaeding, Häufigkeitswb. (1898), fand in seinem ' Zählstoff' von reichlich 10 900 000 Textwörtern 99 /Tischler/ (+ 5 /Schreiner/), 103 /Bäcker/, 30 /Fleischer/ (+ 23 /Schlächter/ und 18 /Metzger/ = 71 ' Fleischer'), Nach der Übersicht ebd, S. 44 sind vorgekommen: 26 - 50 mal 8528 Wörter 51 - 100 " 5478 " 101 - 200 " 3502 " 10 Adelung, Wb. 4 (1780) 288: "Schuhmacher . . . ein zünftiger Handwerker, welcher Schuhe verfertiget, wo dieses Wort für edler, als das gemeinere Schuster gehalten wird, übrigens aber mit demselben gleich bedeutend ist. " 11 Vgl. die Karten ' Böttcher', ' Klempner', ' Schlächter', ' Fleischer', ' Töpfer', 'Wagenmacher' in: Mitzka/Sch., Dt. Wortatlas 9 (1959). 12 S. Bd. 1, S. 21. 13 Vgl. Marx/E. 25 (1969) 809: "so e^oloitiert die Stadt überall . . . das Land ökonomisch durch ihre Monopolpreise, ihr Steuersystem, ihr Zunftwesen, ihren direkten kaufmännischen Betrug und ihren Wucher. " 14 Abgedrucktin: Wissel, Recht 1 (1929) 554-568. 15 S. Einführung zum Band S. 12. 16 Nur wenige Städte hatten eigene Zünfte für die Fest- oder Schwarzbäcker, vgl. Krünitz, Enzykl. 3 (1774) 340. Hoyer, Müller-u. Bäckergewerbe in Bremen (1915) 39. Chomel, Lex. 1 (1750) 1297. 17 Die Zahlen beziehen sich auf alle Belege vom 15. -18. Jahrhundert. 18 Sachs, Beschreibung aller Ständ (1568) M l a . 19 Vgl. ein Leipziger Mandat von 1679: "Ein Hochw. Rath hat mit . . . Mißfallen . . . vernehmen müssen, welcher (jjestalt die so genannten Bauerbecken . . . die gegebenen Becken-Regimente . . . gröblichen uberschritten . . . , vor und in der Stadt ihre Brodte in gewisse Kammern und Hauser heimlichen gebracht, und . . . ohne den . . . gesetzten Preiß verkauftet" Leipz. Ordn. (1701) 446. 20 / F e i l e r / kommt dem Allgemeinbegriff ' Bäcker' nahe, ist jedoch nur für Zürich (von 1331 - 1770) belegt; das Wort bezeichnet einen "Bäcker, welcher Brot aus seinem eigenen Mehl zum Verkauf buk und solches an einem vom Magistrate angewiesenen öffentlichen Lokale feil bot", s. Schweiz. Id. 1,774. 21 /Fochenzer/ ist ein "Bäcker, welcher das von seinen Kunden ihm ' eingeschüttete' Korn mahlen liess und davon . . . Brotlaibe für dieselben buk", s. Schweiz. Id. 1, 654, Das Wort ist wie / F e i l e r / nur für Zürich nachgewiesen; zur Herleitung aus mlat. /focacia/ ' auf dem focus, Herd, nicht im Backofen gebackenes Brot' s. Fischer, Schwab. Wb. 2, 1598; Schweiz. Id. 1, 653. 22
mhd., mnd. /becker/, Neubildung nach dem Typ der Nomina agentis auf / - e r / .
23 Der westoberdeutsche Druck verfährt bei der Übersetzung nicht konsequent. Von den insgesamt 33 Stellen sind 5 mit /beck/, 10 mit /brotbecker/ wiedergegeben. 18mal blieb das für die niederdeutsche Vorlage anzusetzende /becker/ unübersetzt. 24 Ein erster Beleg findet sich 1533/4 bei Turmair 4,1,444 Ak. 25 ahd./becko/, mhd. /becke/. 26
Besonders auffallend ist die Tatsache, daß die Zusammensetzung /Brotbäcker/ im Westoberdeutschen seit 1370 durchgehend zu belegen ist, während das Simplex /Bäcker/ hier erstmalig 1498 auftaucht und sich auch für das 16. und 17. Jahrhundert nur sporadisch vorfindet.
110
Wilhelm Braun
27 Das Wort wird landschaftlich nur im Sinne ' Klosterbäcker' verwendet, s. Fischer, Schwäb. Wb. 1,1050; »für bestimmte Arten von Bäckern, meist für Klosterbäcker' Bad. Wb. 1,205 ; nach Heyne, Dt. Hausaltertümer 2(1901)279, tritt es seit dem 11. Jahrhundert auch für den 'weltlichen Bäcker' auf; s. ferner öhmann in: ZfMaf. 20(1952)99f. Im folgenden wird nicht nach der Gebrauchsweise des Wortes unterschieden, wohl aber wird auf die Sonderverwendungen hingewiesen. 28 Vgl. Schweiz. Id. 5,1194. 29 Dennoch läßt sich Öhmanns Annahme (ZfMdaf. 20, 99), das Wort könne "bedeutend weiter nach dem Norden gedrungen" sein, bestätigen. Weitere oberfränkische Belege: /Pfister, Schmiedeknecht und dergleichen/ (1568, südfrk.) Dt. Hofordn. 2,135 K., ebd. 128; /Welches auch der pfister haltenn soll/ ebd. 137; Westmitteldeutsche Belege in unverschobener u. z.T. uneingedeutschter Form: /die pister/ (M 15. Jh., rheinfrk.) (Mainz) Chr. dt. Städte 17,15; /den mögen de pystere broyt geyven/ (1407, rip.) Akten Gesch. Verf. Köln 1, 244 S.; /de beckere ind pistere/ (1412, rip. )Kölner Zunfturk. 2,8 L.; /war manich jar ein pistor s. Joris gewest/ (1561, rip.) Weinsberg, Denkw. 1,125 H.; / d e r alt pistor s. Georgen, deruber drissich oder veirzich jar pistor gewesen/ (1584, rip.) ebd. 5,237. 30 In Ecks Bibelübersetzung, gedruckt Ingolstadt 1537, steht / p f i s t e r / (für sonst übliches /beck/) nur 2mal, Gen. 40,1 und 40,16; beide Stellen sind entsprechend übersetzt im Straßburger Druck (ul466) der 1. dt. Bibel (Bd. 3,179/180 LV); vgl. die Übersicht S. 67. 31 Die Belegzahlen für /Bäcker/ und /Beck/ in ihren jeweiligen Hauptverbreitungsgebieten verdeutlichen diesen Sachverhalt. Von 163 /Beck/-Belegen stammen 139 aus oberdeutschen Quellen; von 184 /Bäcker/-Belegen 169 aus niederdeutschen und mitteldeutschen Quellen. 32
Im Gesamtmaterial finden sich lediglich ein Beleg aus dem Westniederdeutschen (1419, ostfälisch, Magdeb. Weist. 11 N.) und zwei Stellen von 1628 in einem ostniederdeutschen Reisebericht (Lubenau, Reisen 1,271 S., ebd. 2,37; daneben: /Becker/ ebd. 1, 89).
33 Die Belege aus dem Westoberdeutschen (insgesamt 50) reichen nur bis in die 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts. Ein westmitteldeutscher Beleg von 1581 findet sich bei Weinsberg, Denkw. 5,187, ein ostoberdeutscher 1610 (/Brotbacher/) bei Guarinonius, Grewel 737. 34 Auch für die Zeit außerhalb der Untersuchungszeiträume ist das Wort kaum nachzuweisen; insgesamt fanden sich nur 2 frühe Belege: /die protpechen/ (1379, oobd.) Öst. Weist. 5, 389; /alle brotbecken/ (1379, wmd.) Obrhein. Stadtrechte I 308. 35 Im gesamten bairischen Sprachgebiet scheint das Wort kaum jemals geläufig gewesen zu sein; vgl.. Uhlirz, Gewerbe (1901) 102. Schmeller/F., Bayer.Wb. 1,443 verzeichnen eine Stelle von 1616. Dagegen erscheint öfters das Fem. / P f i s t e r / 'Bäckerei (eines Klosters)', s. Schmeller/F. ebd., Schöpf, Tirol. Id. (1866)498; hierzu wohl auch: /3tio bei der (!) Pfister so wol mit dem Meli alß Brot beobachtet werden, dergestalten das soliches nit wie bißhero in alleiniger Disposition der Ehehalten haffte/ (1715, oobd. ) Chr. Sonnenb. 1,134 H. 36
Für Zürich finden sich /Pfister/-Belege in fachsprachlichen Texten bis zum Ende des 18. Jahrhunderts: /In ansehung der pfisteren/ (1770) Qu. Zürch. Zunftgesch. 2, 851 Sch. /die meisterschaft der pfistern/ (1774) ebd. 2, 853. Mundartlich ist das Wort für das Schweizerische verbreitet bis in die 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts bezeugt, wird dann jedoch als veraltet und veraltend bezeichnet, vgl. Schweiz. Id. 5(1905)1194. 37 Eine Parallele hierzu findet sich in der Konkurrentengruppe ' Fleischer', in der /Metzger/, vom westoberdeutschen Gebiet ausgehend, das Ostoberdeutsche und Westmitteldeutsche zum Teil erobert, während gleichzeitig das omd. /Fleischer/ als stärkster Konkurrent in den übrigen Gebieten zunehmend geläufig wird.
'Bäcker', 'Fleischer', 'Tischler'
111
38 S. u . a . : WDG; Wahrig, Wb. (1968); Pekrun, Wort ( 10 1967); Trübners Dt. Wb. 1(1939). K 9il n 39 Vgl. Paul/Sch., Wb. ( 1956) 72 ('oberd.'); Kluge/M., Etym. Wb. ( 1967) 59 ('alem., schwäb., bair., südthüring., ostfränk. Dialektwort'). 40 Wb. 1(1774)610 (s.v. /Bäcker/). 41 Auch bei Campe, Wb. l(1807)403b: ' oberdeutsch für Becker'. 42 S w B 1,1215. 43 In den oberdeutschen und z. T. auch mitteldeutschen Mundarten ist /Beck/ immer noch vorherrschend, vgl. u.a. Schweiz. Id. 4,1108; Fischer, Schwäb. Wb. 1,739; Bad. Wb. 1,132 ; Jutz, Vorarlberg. Wb. 1, 265; Schmeller/F., Bayer. Wb. 1,201; "Bäck (mdal. bes. in Wien)" Duden, äst. (1969)40 ; Südhess. Wb. 1,641; "Becke, Bäck(e)" Mitzka, Schles. Wb. 1,101 . Dagegen i s t / B ä c k e r / kaum in oberdeutsche Mundarten eingedrungen, vgl. Fischer, Schwäb. Wb. 1,746 s. v. Beckerei: 'wie Becker nicht populär'. Die Form /Bacher/ verzeichnen Schöpf, Tirol. Id. 24; Lexer, Kärnt. Wb. 13. 44 Wort und Sache sind wiederholt in unterschiedlichen Zusammenhängen dargestellt worden, vgl. Kretschmer, Wortgeogr. (1918) 412-414; Potthoff, Gesch. d. dt. Fleischer-Handwerks, Berlin 1927; Schönfeldt, Räumliche und hist. Bezeichnungsschichten in d. dt. Synonymik des Fleischers und Schlächters. 1965. 45 Vgl. Potthoff, Fleischer-Handwerk (1927) 29 ff. 46 Volckmann, Gewerbe (1921) 23 f. 47 Vgl. "Küter. Sind an etzlichen (nd.) Orten ein Mittel Gattung der Fleischer nach denen Knochenhauern, doch vor denen Lohn- und Hauß-Schlachtern, so . . . in den Kuttelhoff nicht kommen, sondern im Hause schlachten müssen . . . " Beier, Handlungs- Lex. (1722) 239 a . 48
Zuletzt Kluge/M., Etym. Wb. ( 20 1967)204 b ; noch Trübners Dt. Wb. 2, 378 a vermutet: "verkürzt aus Fleischhacker oder =hauer"; /Fleischhacker/ dringt jedoch erst seit 1470 in Teile des Ostmitteldeutschen vor, während /Fleischer/ hier seit mehr als anderthalb Jahrhunderten dominiert.
49 In den Wörterbüchern ist /Metzinger/ nicht gebucht, vgl. jedoch noch Mitzka/Sch., Dt. Wortatlas 9 (1959), Karte 4. 50 Vgl.: "die fleischhawer vf dem lande, die man lesterer nennet" (1466) Urkb. Leipz. 1, 338 P. -K. 51 Zur Etymologie - / L ä s t e r e r / zu /(zer-)lästern/, Fleisch ' mit stumpfem Messer oder ohne kunstgeübte ^and auseinander reißen' - vgl. Müller-Fraureuth, Wb. obsächs. Mdaa. 2, 141 . 52 Vgl. Girgensohn in: Berl. Kämmereirechn. (1929) 150; ferner Anm. 47. 53 Daß das Wort in älterer Zeit im Bairischen und Ostfränkischen stärker verbreitet war, bezeugen Belege wie: /Otte der fleischman/ (1293, Engeltal b. Nürng.) Corp. altdt. Originalurk. 3, 38 W.; /Und swelich flaeschman anders den juden flasch geit ze chauffen/ (1365, München) Bayer. Rechtsqu. 1,435 Ak. 54 Von 57 /Metzger/-Belegen entstammen 39 westoberdeutschen Quellen, von 43 Belegen für /Fleischer/ 38 aus ostmitteldeutschen; /Knochenhauer/ ist 39mal für das Westniederdeutsche belegt; für /Metzler/ liegen 32 oberfränkische und 22 westmitteldeutsche Belege vor. 55 Das gute Exzerptionsergebnis aus diesem Zeitraum ist bedingt durch die größere Ergiebigkeit der Quellen; vor allem der Bürgerbücher, die in älterer Zeit meist keine oder nur lateinische Berufsbezeichnungen beibringen.
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Wilhelm Braun
56 Vgl. den Thüringer Beier, Handlungs-Lex. 276 : "Metzger. Ist ein Fleischer, aber nicht durchgehends . . . also genant. " 57
Weitere Belege in "Der Fleischer zu Halle Privilegium" (1683). In: Meyer, Handwerkerpolitik 1 (1884) 354-36 5.
58
Eine strenge landschaftliche Zuordnung dieser Quellenkategorie, die ähnlich wie die historischen Wörterbücher Vorgänger und zeitgenössische Fachtexte in großem Umfang benutzt und kompiliert, ist nicht möglich; vgl. auch die Bemerkung zu dem Beleg aus Frisius, Fleisch-Hauer (1715), unter /Metzler/ und zu der Stelle aus Weigel, Haupt-Stände (1698), unter /Knochenhauer/.
59
Seit Anfang, des 15. Jahrhunderts in Schlesien und in Teilen von Ostpreußen heimisch. s. DWB 4, 1,2,2622; Volckmann, Gewerbe (1921) 27; Mitzka, Schles. Wb. 1, 385 .
60
Der Anteil der drei am häufigsten bezeugten Konkurrenten (/Fleischer, Metzger, Fleischhauer/; im ersten Zeitraum waren es /Knochenhauer, Metzger, Metzler/) wächst von 50, 9 auf 75, 7 %.
61
Vgl. die Karten 3 ('Schlachter') und 4 ('Fleischer') in: Mitzka/Sch., Dt. Wortatlas, Bd. 9 (1959), deren Materialgrundlage seit 1939 zusammengetragen wurde; ferner die den Wortatlaskarten folgende Skizze 3 in Beschs Aufsatz "SprachnormKompetenz des Bundestages?" in: Festschr. M. Zender 2 (1972) 1006, die abweichend vom Wortatlas für das östliche Ostoberdeutsche nicht /Fleischhacker/, sondern /Fleischer/ verzeichnet.
62
Vgl. u . a . : "als Schriftwort verdrängt Fleischer Knochenhauer, Metzger, Metzler und Schlächter" Kluge/M., Etym.Wb. ( 2 0 1967) 204 f . ; WDG 2,1310 b ; Wahrig, Wb. (1968)1292. Im Gesetz zur Ordnung des Handwerks für das Gebiet der BRD (17. 9.1953) findet sich in einem "Verzeichnis der Gewerbe, die als Handwerk betrieben werden können" neben ' schriftsprachlichem' /Fleischer/ 'mundartliches' /Metzger/ und /Schlachter/. In der Novellierung des Gesetzes von 1965 wurden diese ' mundartlichen' Bezeichnungen ganz weggelassen. Zu den Auseinandersetzungen in dieser Frage vgl. Besch in: Festschr. M. Zender 2 (1972) 994 ff.
63 Vgl. die Unterscheidungen für die einzelnen Berufsrichtungen des Tischlerhandwerks im Gebiet des Mittelniederdeutschen bei Holmberg, Handwerkerbezeichnungen (1950) 189 ff.; Hellwag, Tischlerhandwerk (1924) 44 ff. "Der Verfertiger der in voriger Periode noch dürftigen Hausmöbeln, bildet sich, nachdem diese in vielfältiger Weise zu feinen und künstlerischen Gebilden geworden sind, zu dem aus, was wir heute Kunsttischler nennen" Heyne, Handwerk (1908) 140. 64
"der Zimmermann vertritt im mittelalter auch das schreinergewerbe; dieses kommt erst mit dem mobiliar auf, während vorher eingebaute schränke und wandfeste bänke im gebrauch waren" Teuchert in: *DWB 15,1331.
65
Vgl. Hellwag, Tischlerhandwerk (1924) 57.
66
Die Straßburger Stadtordnung für Zimmerleute und Schreiner (15. Jh.), abgedruckt in: Straßb. Zunft-Verordn. 595 B . , gestattet den Kistnern sogar die Herstellung kunstvoller Werkstücke: "were es das jemans an einen kistener begerte jm etwas hübesches snytzelwerckes zu machen für ein thor oder ein hübesch thür, mag derselbe kistener ouch machen. "
67
Die in einzelnen Städten (darunter Basel, Köln, Lübeck, München, Straßburg) geltenden Festlegungen über die Zuständigkeit der Zimmerleute bzw. der Tischler für die Herstellung bestimmter Gegenstände s. bei Hellwag, Tischlerhandwerk (1924) 54 f.
68
Vgl. Volckmann, Gewerbe (1921) 174: "Der Kistner oder Kistenmacher war die ältere Handwerksart, die Truhen und andere, noch dürftige, einfache Hausmöbel herstellte, während der Schreiner die gleichen Arbeiten in verfeinerter Gestalt ausführt. "
'Bäcker', 'Fleischer', 'Tischler'
113
69 "Mit peinlicher Genauigkeit sind . . . die Verhältnisse der Kistler, die der Holzverarbeitung als Mittelstufe zwischen den Schreinern und Zimmerleuten sich widmeten, einer Regelung unterworfen" Bayer. Handwerk 67 Z. 70
Mhd. /schrinaere/ist erst seit Anfang des 13. Jahrhunderts bezeugt, z u / s c h r i n / 'Schrein, Kasten'. 71 Vereinzelte nd. Belege für das 14. und frühe 15. Jahrhundert s. bei Holmberg, Handwerkerbezeichnungen (1950) 201. 72
Mnd. /sniddeker/ ist entlehnt ins Dänische (/snedkex/) und Schwedische (/snickare/), s. ODS 20,1074, Hellquist, Svensk etym. ordb. 2(J1948)1012D.
73 S. die Rolle der "Kunthor- vnde panelenmaker" in: Lüb. Zunftrollen 294 ff. W. sowie der "Kuntormaker und Kystenmaker" ebd. 299; zu/Kontor, Kontorwerk/ vgl. Wehrmann ebd. 512 , ferner Hamb. Zunftrollen 327TI. 74 Später vereinzelt auch schwäbisch, vgl. 1553 /tischmacher/ Obrhein. Stadtrechte II 2,466. Zum Gebrauch im Hochalemannischen vgl. Schweiz. Id. 4, 54 f. 75 Ein erster westmitteldeutscher Beleg ist aus Mainz überliefert: /wir, die zonft und zonftgesellen . . . mit namen . . . die smede . . . die bender . . . die kistener/ (M15.Jh.) Chr. dt. Städte 17,187. 76
Zur Bedeutung Augsburgs als Stadt des Tischlerhandwerks s. Hellwag, Tischlerhandwerk (1924) 132 f. 77 /Tischler/ ist zuerst bezeugt im Ofner Stadtrecht 106 M., dessen Sprache oobd./ omd. Züge trägt und das für die Zeit (1403/39) zu datieren ist. Weiter: (1462) Beheim, B. v. d. Wienern 18 K. 78 Im östl. Oberdeutschen ist /Tischer/ seit Anfang des 15. Jahrhunderts zu belegen: (1408) Qu. Gesch. Wien n Nr. 1740; (1454) Copeyb. Wienn 4 Z., ebd. 11, (1460) ebd. 206. 79 Omd. Belege sind nachzuweisen seit Ende des 14. Jahrhunderts: 1389 Cod. dipl. Silesiae 8, 84 K., 1402 Marienb. Tresslerb. 175 J. 80
Brieflich mitgeteilt von G. Kettmann.
81 Vgl. nl. schrijnmaker. 82 Das Wort wird in zahlreichen unterschiedlichen Bedeutungen verwendet, von denen die Bedeutung ' Holzschnitzer' einer bestimmten Richtung des Tischlerhandwerks nahesteht, vgl. 1DWB 9,1365 f. 83 Volckmann, Gewerbe (1921) 176. 84 Vgl. Hellwag, Tischlerhandwerk (1924) 142. 85 Etwas jüngere Belege (1737) für München s. bei Hellwag, Tischlerhandwerk (1924) 59; 593. 86 Vgl. wobd. /Also hat er das Kistler oder Schreinwerker antwerk fir all andre erwöltt/ (1533) Rem, Tgb. 65 G. 87 Die Zahl der Belege für ' Tischler' aus ostmitteldeutschen Quellen des ersten Zeitraumes liegt wesentlich unter dem Durchschnitt. Die getroffenen Feststellungen werden jedoch gestützt durch Zeugnisse des 14. bis 16. Jahrhunderts. 88 Mitzka/Sch., Dt. Wortatlas 9(1959), Karte 5 ('Tischler'). 89 Rädlein, Sprach-Schatz 1, 538b. 90 Aler, Dict. 2, 1900 a . 91
Kramer, Dict. 2, 633 b .
92 Adelung, Wb. 4,988.
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93
Adelung, Wb. 2,1595.
94
Ricker, Synonymik (1917) 132: "als bevorzugtes Schriftwort ist Tischler auch heute im Vormarsch begriffen, das zeigt sein Gindringen in die Umgangssprache der benachbarten Gebiete". Die für das Gebiet der BRD 1953 erlassene Handwerkerordnung nennt /Tischler/ als den ' schriftsprachlichen' Ausdruck, während /Schreiner/ als ' mundartlich' gekennzeichnet wird. In der Handwerksordnung von 1965 fehlt /Schreiner/ ganz. Zur Problematik dieser Entscheidung vgl. Besch in: Festschr. M. Zender 2 (1972) 1003 f.
95 Vgl. u.a.: Wahrig, Wb. (1968) 3570; Duden (Leipz. haus (1935) 660b: "Tischler, veraltet: Tischer".
161974)
476b; Sprach-Brock-
96
Paul/Sch., Wb. (51956) 618b: "Jetzt ist Tischler das in der Schriftsprache herrschende Wort."
97
PauVSch., Wb. (51956) 535a: "Schreiner südd.und westd."; Duden (Leipz. 161974) 420 : "süd-u. westdt. für Tischler."; Hoffmann/B., Wb. (101936) 474°: "Schreiner, südd. u. westd.: der Tischler"; Sprach-Brockhaus (1935) 577b: "Schreiner, südd.: Tischler".
98
Auf die Langwierigkeit und Kompliziertheit sprachlicher Ausgleichs- und Einigungsprozesse verweist Schützeichel, Mda., Urk. spr. u. Schriftspr. (1960) 124. Vgl. ferner Schirokauer, Germanist, Stud. (1957) 283: "Man muß sich vor Augen halten, daß wir es bei der Bildung des Neuhochdeutschen mit einem Jahrhunderte dauernden Prozeß zu tun haben. "
99 Vgl. die Übersichten (Tabelle 4, 7 und 10) auf S. 71, 87 und 102. 100
Die gesetzliche Neuregelung der Gewerbeausübung trat 1869 als Gesetz (' Gewerbeordnung') im Norddeutschen Bund in Kraft und wurde 1873 Reichsgesetz; vgl. Ökon. Lex. 1 (1967) 795a.
101 Vgl. Rüdiger in: Hamb. Zunftrollen (1874) XXVH u. 327a. 102 Vgl. Wehrmann in: Lüb. Zunftrollen (1864) 57. 103
In der Konkurrentengruppe ' Tischler' sind damit Bezeichnungen wie /Kistenmacher, Kistler/ und /Stuhlmacher/ in manchen Landschaften vergleichbar, auch wenn die durch sie benannten Handwerker nicht im selben Maße den diskriminierenden Bestimmungen der Zunftordnungen unterworfen sind wie einige Berufsrichtungen des Fleischerhandwerks.
104
Ein Beispiel für die Diskriminierung der Landhandwerker ist das Privilegium der Fleischer zu Halle: /Auch soll ein Fleischer-Knecht . . . gute Kundschafft bringen, . . . das er rechtschaffenen Meistern, und nicht Lesterern gedienet, oder sonst unehrliche Thaten begangen/ in: Meyer, Handwerkerpolitik 1 (1884) 358. 3
105 Vgl. Henzen, Wortbildungslehre ( 1965) 134, 106
Daß der Wortsinn von /Beck/ völlig verdunkelt ist, zeigen Befragungen. Nicht nur die Bedeutung des Wortes ist unbekannt, sondern auch die Möglichkeit sinnvoller Assoziationen scheint nicht mehr gegeben zu sein.
107
Zur Rolle der besseren Motiviertheit einer Bildung gegenüber ihren Konkurrenten im Ausgleichsprozeß vgl. Große in: Deutsch als Fremdspr, 9 (1972) 329b; Besch in: Festschr. M. Zender 2 (1972) 1004 ff.
108 /Schrein/ "kommt hochdeutsch nur noch als Archaismus der dichterischen Sprache . , . und als technischer Ausdruck für den mittelalterlichen Reliquien= und Altarschrein vor" Kretschmer, Wortgeogr. (1918) 475. Vgl. ferner Paul/B., Wb. (51966) 57 3 b .
'Bäcker', 'Fleischer', 'Tischler'
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109
Die Rolle der ostmitteldeutschen Großlandschaft dürfte von den Ergebnissen lexikalischer Untersuchungen her im wesentlichen so beurteilt werden, wie Ising, Wortgeogr. (1968) 1,136, sie beschreibt: "Das Ostmitteldeutsche tritt als isoliertes Ursprungsgebiet von Neuerungen im Wortschatz kaum stärker hervor als andere Sprachlandschaften, bietet jedoch wegen seiner wortgeographischen Verzahnung mit den Nachbargebieten besonders günstige Bedingungen für den Sprachausgleich." Vgl. auch Kettmann in: Stud. z. Gesch. d. dt. Spr. (1972) 34.
110
Das bestätigt die Auffassungen von Besch, Sprachlandschaften (1967) 20, "daß bei einer ganzheitlichen Betrachtung des Werdegangs unserer Schriftsprache nun nicht mehr so leicht e i n e Landschaft in überragender Rolle heraustreten kann, sondern daß auch andere Großlandschaften, etwa die bairische einschließlich der ostfränkischen, stärker in das Gesichtsfeld rücken. "
111
Es handelt sich um eine Görlitzer Rechtssache, die vor dem Magdeburger Schöffenstuhl verhandelt wurde, s. Magd. Weist. 198 f. N. Vgl. Henzen, Schriftspr. u. Mdaa. (1954) 92: " . . . dürfte feststehen, daß es eine 'Wiege' der nhd. Schriftsprache nicht gibt. Besser dürfte das Bild von Wurzeln entsprechen . . . oder von Quellbächen, die von allen Seiten aus verborgenen Tiefen zusammenstreben."
112
113
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115
Vgl. Frings, Spr. u. Gesch. 3 (1956) 3: "Die grundlegende Bedeutung des Mainzischen Anteils, der Sprache von Würzburg und Bamberg hat sich in der jüngeren Forschung erhärtet. " Ferner Schirmunski, Dt. Mdakde. (1962) 604: "Die wesentlichen Züge dieser Norm [der dt. Literatursprache] sind im obersächsischen Dialekt vereinigt, aber sie finden sich in unterschiedlichem Grade auch außerhalb seiner Grenzen." Verwiesen wird insbesondere auf die Bedeutung des Ostfränkisch-Nordbairischen: "Für die Entstehung der nhd. Schriftsprache kommt immer wieder das breite Mittelstück Deutschlands mit Franken, Nordbayern und Sachsen in Frage" Skäla, Eger (1967) 15; "Es zeigt sich auf Grund des Egerer und Nürnberger Materials, daß die mainisch-nordbairisch-thüringisch-meißnische Einheit in der Schrifttradition schon um 1400 stark ausgebildet war" ebd. 291; vgl. hierzu auch Eggers, Sprachgesch. 3 (1969) 22, ferner 74 u. 139. Vgl. Ising, Wortgeogr. (1968)1,136: "Alle deutschen Sprachlandschaften einschließlich des Niederdeutschen sind an diesem Mischungs- und Ausgleichsprozeß beteiligt."
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Verzeichnis der für das Teilthema zusätzlich herangezogenen Sekundärliteratur und Quellen Althaus, Hans Peter: Wortgeographie und sprachsoziologische Studien zum jiddischen Lehnwortschatz im Deutschen am Beispiel /Kazzow/ * Fleischer'. In: ZfdSpr. 21 (1966) S. 20-41. Ammann, Gottlieb: Die Metzgergilde der Stadt Luzern. Luzern 1933. Beheim, Michael: Buch von den Wienern. 1462 - 1465. Zum ersten Mahle . . . hg. v. Th. G. v. Karajan. Wien 1843. Besch, Werner: Sprachnorm-Kompetenz des Bundestages? Das Beispiel der Handwerkernamen. In: Festschr. Matthias Zender. . . . hg. v. E. Ennen u. G. Wiegelmann. 2(1972) S. 993-1015. B i b e l : De Biblie . . . na deme latine in dudesck auerghesettet. Lübeck 1494. - Biblia dudesch. Halberstadt 1522. - Die gantze Bibel . . . auffs aller treüwlichest verteütschet. Zürich 1531. - Die erste deutsche Bibel [ul466l. Hg. v. W. Kurrelmeyer. Tübingen 1904-1915. 10 Bde. Blaschke, Karlheinz: Bevölkerungsgeschichte von Sachsen bis zur industriellen Revolution. Weimar 1967. Bücher, Karl: Die Bevölkerung von Frankfurt am Main im XIV. und XV. Jahrhundert. 1. Bd. Tübingen 1886. - Die Entstehung der Volkswirtschaft. Bd. 1. Tübingen 1919. B ü r g e r b u c h : Das älteste B e r l i n e r Bürgerbuch 1453 - 1700. Hg. v. P. v. Gebhardt. Berlin 1927. - Das Bürgerbuch der Stadt K ö n i t z von 1550 - 1850 (hg.) v. Elisabeth Kloß. Danzig 1927. Bugenhagen, Johann: De Biblie vth der vthlegginge Doctoris Martini Luthers. Lübeck 1533. Codex diplomaticus Silesiae. 8. Bd. Schles. Urkunden z. Gesch. d. Gewerberechts. Hg. v. G. Korn. Breslau 1867. Corpus juris Saxonici, Worinnen Alle und iede Ordnungen, Constitutiones, Edicta , . . Dresden 1672. Dietenberger, Johann: Biblia, beider Allt vnnd Newen Testamenten . . . new verdeutscht. Mainz 1534. Duncker, Hermann: Das mittelalterliche Dorfgewerbe. Inauguraldiss. Leipzig 1903. Eberstadt, Rudolph: Der Ursprung des Zunftwesens und die älteren Handwerkerverbände des Mittelalters. Leipzig 1900. Eck, Johann: Bibel. Alt vnd New Testament, nach dem Text in der hailigen kirchen . . . auf hohteutsch verdolmetscht. (Ingolstadt) 1537. Erben, Johannes: Luther und die neuhochdeutsche Schriftsprache. In: Dt. Wortgesch. 1 (21959) S. 439-492. Fehring, Max: Sitte und Brauch der Tischler. Hamburg 1929. Fleischer, Wolfgang: Untersuchungen zur Geschäftssprache des 16. Jahrhunderts in Dresden. Berlin 1970.
'Bäcker', 'Fleischer', 'Tischler'
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'Bäcker', 'Fleischer', 'Tischler'
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'GESELLE' UNTERSUCHUNGEN ZU BEZEICHNUNGEN FÜR DEN ABHÄNGIGEN HANDWERKER NACH ABSCHLUSS DER LEHRZEIT
Elfriede Adelberg
1.
Einleitung
1.1.
Begründung für die Wahl des Untersuchungsgegenstandes
Wortschatzuntersuchungen in den Zeiträumen von 1470 bis 1530 und 1670 bis 1730 müssen Beispiele aus dem Bereich des Handwerks mit einbeziehen, weil das Handwerk in der Epoche des Spätfeudalismus und der Ausbildung frühkapitalistischer Merkmale große Bedeutung hatte. In den Städten entstanden neue Gesellschaftsschichten: "Patrizier und Plebejer, . . . Zunftbürger und Gesell, kurz, Unterdrücker und Unterdrückte standen in stetem Gegensatz zueinander, führten einen ununterbrochenen, bald versteckten, bald offenen Kampf" 1 . 1.2.
Fragestellungen
Es muß geprüft werden, ob mit der Herausbildung der handwerklichen Lohnarbeiter im gesellschaftlichen Produktionsprozeß das Bedürfnis entstand, diese abhängigen Handwerker einheitlich zu bezeichnen. Grundsätzlich ist zu fragen, ob die abhängigen Handwerker selbst den Anstoß für eine entsprechende Bezeichnung gaben, oder ob das aufstrebende Bürgertum - Stadtpatrizier und Zunftmeister - einen entscheidenden Anteil an der Herausbildung einer Bezeichnung für den handwerklichen Lohnarbeiter hatte und ob staatliche Institutionen einen Einfluß ausübten. Es muß geprüft werden, ob die einzelnen Handwerksarten bei der Bezeichnung der abhängigen Handwerker eine Rolle spielten, ob sich Unterschiede ergeben haben zwischen weniger angesehenen Handwerken, die für den täglichen Bedarf arbeiteten (Bäcker, Fleischer, Brauer, Schuhmacher) und wirtschaftlich und politisch starken Handwerkszünften (Erzbergbau, Goldschmiede, Baugewerbe, metallverarbeitende 2
Handwerke, Tucher- und Weberhandwerk ), in denen sich früh das Verlags- oder Manufakturwesen entwickelte. In diesem Zusammenhang ist auch nach der Bedeutung der einzelnen Landschaften zu fragen,3 ob und "wie Berufs- und Sozialstrukturen sich in . . . (der) Wortgeographie spiegeln" . Schließlich muß überlegt werden, ob Besonderheiten, die nur dem Handwerk eigen sind, sich sprachlich niedergeschlagen haben; hier ist an die Verwandtschaft der Zunftordnungen zu denken, an die überregionalen4 Zusammenschlüsse von Zunftmeistern und Gesellen während der Gesellenkämpfe, vor allem aber an die wandernden Hand5 werksgesellen. Jürgen Eichhoff hat darauf hingewiesen, daß der Mangel an geographischer Differenziertheit in der Sprache der Reepschläger durch den ausgleichenden Einfluß der wandernden Gesellen zu erklären ist, und daß andererseits bei Handwerken, die nicht durch eine Zunft vereinigt sind und in denen die Gesellen nicht wandern, eine starke wortgeographische Gliederung erwartet werden muß. "Die Richtigkeit dieses
124
Elfriede Adelberg
Schlusses erweisen van Bakets Untersuchungen der niederländischen HolzschuhSchnitzer" . Es muß geprüft werden, ob etwas darüber ausgesagt werden kann, daß bei der Ausbildung einheitlicher Bezeichnungen im Bereich des Handwerks bestimmte Existenzformen der Sprache eine besondere Rolle spielten, ob vermutet werden darf, daß Bezeichnungen, die eindeutig dem Wortschatz der abhängigen Handwerker angehörten, sich zunächst 7 im mündlichen Kommunikationsprozeß durchsetzten, z. B. in einer städtischen
Koine.
8
Die Bedeutung der Funktionalstile ist zu untersuchen. Belege der Amts- und Geschäftssprache (Gesellendokumente einerseits und Zunfturkunden, Städteakten usw. andererseits), Belege aus der schönen Literatur und - falls bezeugt - Belege, die die (schriftliche) Alltagsrede repräsentieren, sind einander gegenüberzustellen. Es ist zu untersuchen, welche Rolle Determinativkomposita bei der Aufgabe einer früher gebräuchlichen und bei der Durchsetzung einer neuen Bezeichnung spielten, ob eine Bezeichnung, die als Simplex verschwunden war, im Determinativkompositum üblich blieb, oder ob eine neue Bezeichnung zunächst als Determinativkompositum auftauchte, bevor sich das Simplex durchsetzte. Es muß geklärt werden, welche Bedeutung den Doppelformeln zukommt, ob zwei Konkurrenten nebeneinander standen, weil die neue Bezeichnung der Erläuterimg bedurfte, also durch die alte, allgemein übliche Bezeichnung gestützt werden mußte, oder ob andere Gründe entscheidend waren. 1.3.
Zur Materialgrundlage
Der Untersuchung liegen 1. 579 Belege zugrunde; 752 entfallen auf den ersten, 827 auf den zweiten Zeitraum. Die Belege entstammen der in der Einführung zum Band beschriebeg nen Exzerption. Prozentzahlen innerhalb der Arbeit beziehen sich - wenn nicht anders angegeben - immer auf diese Belege. Zusätzlich wurden folgende Quellen zur Beantwortung bestimmter Fragestellungen total exzerpiert: 1457 wobd.
Bündnis d. Schnei der zünfte v. 20 oberrhein. Städten gegen d. Gesellen
1465
oobd.
1468
Straßb. Knechte-Ordn. Gesellschaftsstatute d. Kürschnergesellen Freib.
1478 1515
Verordn. d. Stadtrats Freib. gegen d. Gesellen Ordenung d. Steinmetzen
1563
Ordn. d. Parlier u. Gesellen mit Steinmetzen Handwerks
1563
Der Steinmetzen Brüderschafft Ordnungen
1628
Maurer- u. Steinmetz-Ordn.
'Geselle'
125
vmd.
1464 1750 1769
Ordenung d. Steinmetzen Allg. Zunft-Ordn. Baden Allg. Zunft-Ordn. Baden
omd.
1462/86 1574
Ordn. d. sächs. Steinmetzen Handwerks-Ordn. d. Maurer u. Steinmetzen
wnd./ond. 1573
Beschlüsse d. Kannegießerämter v. 15 Städten
ond. ul516 Reichs- 1530 abschiede 1731
Ratsprivilegien d. Schuhknechte
gegen d. Gesellen Augsb. Wien
Das aus den total exzerpierten Quellen gewonnene Material wurde nicht in die auswählend exzerpierten Belege eingeordnet, bleibt also bei der Beschreibung der beiden Zeiträume unberücksichtigt. Wenn Spezialprobleme mit Hilfe von total exzerpierten Quellen behandelt werden, wird ausdrücklich auf die Materialgrundlage hingewiesen.
126
Elfriede Adelberg
2.
Wortschatzuntersuchungen zu Bezeichnungen für den abhängigen Handwerker nach Abschluß der Lehrzeit
2.1.
Zur Begriffs- und Sachgeschichte
2.1.1. Begriffsbestimmung Unter ' abhängigen Handwerkern nach Abschluß der Lehrzeit' sind in beiden Untersuchungszeiträumen Handwerker zu verstehen, die zwar ihre Lehrzeit erfolgreich abgeschlossen hatten und "freigesprochen" waren, aber den Meistertitel noch nicht oder Uberhaupt nicht erwerben konnten. Sie besaßen nur ihre Arbeitskraft und ihre handwerklichen Fertigkeiten (vereinzelt auch einfache Arbeitsmittel) und waren als Lohnarbeiter bei selbständigen Handwerksmeistern tätig. Diese Tätigkeit war in der Frühzeit des Handwerks^" zeitlich begrenzt, sie betrug durchschnittlich zwei bis drei Jahre und galt als Durchgangsstadium vor der Erlangung der Meisterwürde. Der gelernte Handwerker gehörte wie sein Meister der Zunft an, ^ er wohnte und aß im Hause des Meisters. Nur die Bauarbeiter kannten auf Grund ihrer Arbeitsbedingungen diesen Wohnzwang nicht; sie erhielten in der Regel den ganzen Lohn in Geld und mußten an den jeweiligen Baustellen selbst für ihre Verpflegung sor12
gen.
Die politischen Forderungen der Zunftmeister, Sitz und Stimme in den Stadt-
räten zu erhalten, die in zahlreichen Städten zu Aufständen führten, wurden oft von den gelernten Handwerkern unterstützt, denn diese sozialen Kämpfe waren auch ihre eigenen: "Die Zunftordnungen sorgten dafür, daß der Geselle von heute in den Meister von morgen überging. Das änderte sich mit der Herausbildung von Elementen der frühkapitalistischen Produktionsweise. Die Zunftmeister versuchten, das Aufkommen von Konkurrenz zu verhindern: der Übergang zum Meister wurde immer mehr erschwert durch Erhöhung des 14 Meistergeldes, Wanderzwang, Vermehrung der Gesellenjahre, schwierige Meisterstücke; die Zahl der Lehrlinge und Gesellen wurde beschränkt. Schließlich verboten die Zünfte die Neuaufnahme von Meistern fast völlig, die vorhandene Anzahl der zünftigen Meister sollte nicht überschritten werden (mitunter wurde sie auch wiederholt herabgesetzt): die Zünfte waren "geschlossen". Der größte Teil der gelernten Handwerker wurde zu Lohnarbeitern auf Lebenszeit. "Das Bewußtsein eines besonderen Standes wurde lebendig, der unselbständige Hilfs15 v arbeiter war Klassenelement geworden. " V. V. Stoklickaja-TereSkovic hebt hervor, daß der Aufstand der Kolmarer Bäcker und ihr Auszug aus der Stadt für zehn Jahre (1495 - 1505) ein Beweis für ihr klares Bewußtsein seien (Anlaß dieser Ereignisse waren kirchlich-religiöse Privilegien). Die handwerklichen Lohnarbeiter waren aber noch keine in sich geschlossene soziale Schicht; selbst in der Organisation blieben sie nach Zünften gespalten. Ihr Hauptanliegen war der regionale Zusammenschluß zu professionellen Interessen.
127
'Geselle' Es gab zwei Organisationsformen der handwerklichen Lohnarbeiter: die Brüder-
schaften und die Gesellenschaften. Die kirchlichen Brüderschaften dienten vorwiegend religiösen und caritativen Zwecken; Hauptanliegen der Gesellenschaften war das Recht 17 des Arbeitsnachweises und die eigene Gerichtsbarkeit. Das an die "Schenke" gebundene Recht der Arbeitsvermittlung machte die Stärke der "geschenkten Handwerke" aus, die in ganz Deutschland im wesentlichen die gleiche Organisation erhielten. Brüderschaft und Gesellenschaft eines Handwerks verschmolzen im allgemeinen früh miteinander, oder es entwickelten sich Brüderschaften zu Gesellschaften (auch die Zünfte waren aus kirchlichen Brüderschaften entstanden). Kampfmittel der Gesellenschaften war vor allem der Ausstand, Kampfziele waren neben dem erwähnten Recht auf Arbeitsvermittlung und der eigenen Gerichtsbarkeit der "Blaue Montag" (das Recht auf geregelte Freizeit), vorfristiges Kündigungsrecht, angemessene Verpflegung und Unterkunft, Verkürzung der Arbeitszeit, Lohnerhöhung und die Sicherung gewisser (oft kirchlicher) . 18 „ . Privilegien, Schmoller bemerkt zu Recht, daß das "Knechtewesen" bereits im 14. Jahrhundert am Oberrhein auf Grund der wirtschaftlichen Verhältnisse entwickelter war als ander19 wärts, und daß die Gesellenschaften und Brüderschaften im 15. Jahrhundert sich noch mehr ausbildeten und festigten. Es gab im Norden und Osten auch einen "Knechtestand", aber er stand um 1400 den Meistern noch nicht so selbständig organisiert gegenüber wie im Südwesten. Während man im Südwesten Konzessionen an die Knechte machen mußte, zu Verhandlungen mit ihnen genötigt war - auch wenn man ihre Gesellenschaften noch nicht anerkannte - schnitt man in Danzig ohne weiteres dem Knecht die Ohren ab, wenn er die Arbeit vorfristig einstellte. 20 Knoll zählt die wichtigsten Gesellenschaften auf; danach wurden im ersten Untersuchungszeitraum in den verschiedensten Handwerkszweigen Gesellenschaften gegründet oder neu bestätigt, und zwar im westoberdeutschen Sprachraum fünfzehn, im ostmitteldeutschen drei, im westmitteldeutschen und westniederdeutschen je zwei und im ost21
niederdeutschen eine.
Für die vorliegende Untersuchung scheint außer der führenden
Rolle des Südwestens die enge überlandschaftliche Verbindung der Gesellenschaften wichtig zu sein. Verrufserklärungen von Meistern, ganzen Zünften, aber auch von Mitgesellen wurden durch Laufbriefe bekanntgegeben, die sich mit überraschender Schnelligkeit über das ganze deutsche Sprachgebiet verbreiteten. Verhandlungen, Absprachen wurden geführt, gemeinsame Verpflichtungen eingegangen, wie z.B. 1496 zwischen acht Gesel99 lenschaften im westoberdeutschen Raum während des Kolmarer Bäckeraufstandes. Zünfte und Stadtverwaltungen versuchten, dem Aufbegehren der Handwerker regional und überregional entgegenzutreten. So wurde 1426 die Gesellenschaft der Kürschner in Straßburg aufgelöst, in Mainz, Worms, Speyer und Frankfurt/M. verbot man den Gesellenschaften alle Trinkstuben, in Konstanz wurde jeder Zusammenschluß der handwerk-
Elfriede Adelberg
128
liehen Lohnarbeiter untersagt, und die 1465 verkündete Straßburger Knechteordnung, die alle Handwerker den Zunftmeistern und dem Rat endgültig unterordnen sollte, wurde 23 jedem Handwerk schriftlich zugestellt. 1573 erließen Lübeck, Hamburg, Rostock und Lüneburg gemeinsame Beschlüsse gegen die abhängigen Handwerker, im selben Jahr veröffentlichten die Meister der Kannegießerzünfte aus 15 norddeutschen Städten 24 25* ähnlich harte Bestimmungen (weitere Beispiele bei Wissell Die Aktionen der Gesellenschaften hatten sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts über das ganze Reich ausgedehnt, wie auch die Reichsabschiede (1530, 1548, 1551, 1577) zeigen, denen entsprechende Erlasse der Landesregierungen folgten: Aufstand und Streik wurden verboten, die abhängigen Handwerker sollten einer strengen polizeilichen Aufsicht unterstellt werden, den Gesellenschaften wurde die eigene Gerichtsbarkeit untersagt, der 26
Arbeitsnachweis wurde ihnen z.T. entzogen und den Meistern übergeben.
Aber die
Gesellenschaften führten den Kampf weiter; man duldete sie schließlich, genehmigte sie auch, und ihre Zahl nahm ständig zu. Im Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit braucht nicht ausführlich auf die weitere Entwicklung innerhalb des Handwerks eingegangen zu werden. Es soll nur erwähnt werden, daß sich die Gesellenkämpfe seit dem 17. Jahrhundert immer mehr auf ökonomische und politische Ziele konzentrierten, daß sie meist größere Gebiete e r faßten und sich nur selten auf einzelne Handwerke beschränkten. Ratserlasse, landesfürstliche Edikte und Reichsabschiede wandten sich daher in der Regel gegen die 27 abhängigen Handwerker im allgemeinen und kaum gegen bestimmte Berufsgruppen. 2.1. 2. Sachliche Abgrenzungen Der Untersuchungsgegenstand wird mit /Knecht, Geselle/ und /Knappe/ bezeichnet. Determinativkomposita werden in die Untersuchung mit einbezogen, und zwar sowohl Berufsbezeichnungen (/Bäckerknecht, Schneidergeselle, Tuchknappe/ usw.) als auch Sammelbezeichnungen (/Handwerksknecht, Handwerksgeselle/). Bezeichnungen, die nicht unbedingt die Abhängigkeit oder den Abschluß der Lehrzeit einschließen, bleiben unberücksichtigt, z . B . /Handwerksbursche, Handwerker, (Hand)werksmann/. Unberücksichtigt bleibt auch die selten bezeugte Bezeichnung /Jünger/, die sich nicht völlig mit /Knecht, Geselle/ und /Knappe/ deckt: "Die ' Jünger' waren bloss von den Meistern (nicht aber von der Gesellenverbindung) freigesprochene Gesellen; sie konnten an der Gesellenschaft Theil nehmen, mussten aber vor den ' gemachten' 28
Gesellen in vieler Dingen zurückstehen" • . Alle elementaren Handwerke sind aus der bäuerlichen Wirtschaft hervorgegangen. Die Handwerker waren als Leibeigene oder Hörige ganz oder teilweise an den Fronhof 29 gebunden. Die Abwanderung in die Städte und damit die Herausbildung eines unabhängigen Handwerks begann im wirtschaftlich höher entwickelten Süden und Westen Deutschlands. 30 Die Bezeichnungen/Knecht, Knappe/ und/Geselle/ im Wortschatz der Hand-
'Geselle'
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werker deuten auf die Herkunft des Handwerks und zeigen, daß die ständischen Organisationen und Verbände (hier die Zünfte) die gleiche hierarchische Gliederung aufwiesen 31 wie das gesamte System der politischen Organisation der Feudalgesellschaft. /Knecht, Geselle/ und /Knappe/ waren nicht nur allgemein, sondern auch im speziellen Wortschatz der Handwerker polysem. Die Polysemie der Bezeichnungen im Handwerkerwortschatz wird nur soweit berücksichtigt, wie es für die vorliegende Untersuchung 32 erforderlich ist. So bezeichnete /Knecht/ neben dem gelernten Handwerker auch den Handwerkslehrling (im folgenden steht je ein Beleg stellvertretend für das ganze deutsche Sprachgebiet): /man hat auch gesetzet, daz alle maister under den smiden suln dehainen kneht hie mer leren in fünf jaren, er sei dann einez burgers sun von Nüremberg/ (ul300) Nürnb. Polizeiordn. 160 LV. Bei frühen Belegen überwiegt das Simplex (z. B. [1310/2] Bayer. Rechtsqu. 1, 223 Ak.). 33 Im ersten Untersuchungszeitraum wird /Knecht/ in der Bedeutung ' Lehrling' jedoch häufig determiniert, da inzwischen die Ausbildung des Nachwuchses mit der 34 Scheidung in Lehrlinge und Gesellen rechtlich geregelt wurde : /kein meister sal uff einmal mehir denne einen lereknecht halden/ (1491) Cod. dipl. Sax. H 7, 279. 35 Auch /Knappe/ bezeichnete zunächst den Handwerkslehrling
:
/vortmer weret dat een knape, de to synen jaren komen is, dit ampt leren wolde, de knape schal geven sinem mestere twe marc penninghe/ (1400/ 50) Hamb. Zunftrollen 30 5 R.; vgl. ebd. 325. Die Verwendung von /Knappe/ im Sinne des Untersuchüngsgegenstandes beschränkte 36 sich schon früh auf bestimmte Handwerke, insbesondere auf die Weber (1331) und 37 den Bergbau (ul350) . Innerhalb des Weberhandwerks wurde im Westoberdeutschen zwischen /(Haus)knappen/ und /Knechten/ unterschieden: die gesellen selbst heiszen knechte, der knappe aber bereitet die wolle zum weben vor: / e s soll auch kein meister oder husknapp keinen mer leren kemmen oder strichen, er wolle dann das ganz handwerk leren/ (1486, Baden) in: *DWB 5,1343. /Geselle/ war ursprünglich die Bezeichnung für selbständige Handwerker im gleichen 38 39 Gewerbe (im Bergbau auch speziell 40 für Mitunternehmer ), d.h. für vollberechtigte Mitglieder ein und derselben Zunft / ok neen man schal zynen leer jungen lenen enem anderen ghezellen, de buten deme werke [ = Zunft] i s / (1390) Schrägen Riga 426 S./M. Die Belege machen deutlich, daß vor allem die Meister selbst sich untereinander /Gesellen/ nannten, gelegentlich wurden sie auch von städtischen oder staatlichen Insti-
130
Elfriede Adelberg
tutionen so bezeichnet. (In Gesellendokumenten steht /Meister/; /Geselle/ als Meisterbezeichnung ist nicht bezeugt.) Nach 1500 ist /Geselle/ als Meisterbezeichnung über41 42 haupt nicht mehr belegt, auch nicht als Determinativkompositum. /Bruder/ und /Genosse/ 43 blieben erhalten, beide sind überwiegend als Komposita bezeugt. Im Zusammenhang mit einer Organisation nannten sich auch die abhängigen Hand44 werker
/Geselle/ (oder sie wurden so genannt), und zwar als Mitglieder der bereits
erwähnten Brüder- und Gesellenschaften (s. S. 127).
Der überwiegende Teil der
Belege entstammt Dokumenten dieser - vor allem südwestdeutschen - Vereinigungen: /von solcher spenne und zweiung, so sich verloufen und gemacht het zwuschen den meistern der kursener und der gesellen der kürsenerknechte/ (1470) in: Schanz, Gesch. Gesellen-Verbände (1877) 206. Im Hinblick auf die Brüderschaft steht /Geselle/ oder /Bruder/, neben Gesell(en)schaft aber nur /Geselle/: /weiher by uns vorgemelten sch8ster gesellen z8 Friburg geselle werden will, dem es zer wochen gültet ein Schilling pfennig und darüber, der ist ein knecht, der git sechs pfennig umb die geselschaft und der geselschaft hußrecht. item welchem es gültet zer wochen under eime Schilling, der ist ein knabe [ LehrlingJ, der git drü pfennig umb die geselschaft/ (1484) in: Schanz, Gesch. Gesellen-Verbände (1877) 224. /so eyn Knecht dem andrn Vnrecht gethan hette, den sal nymant am Dinste haldn, er hab sich dan fruntlich mit jm vertragen. Auch sollen alle Gesellen vnser Bruderschafft, so eyn Meister . . . stirbet mit zu Grabe volgen . . . vnd wer den also aus irer Bruderschafft verstirbet sollen die Bruder . . . zu Grab volgen vnd begheen/ (ul516) in: Zimmermann, Märk. Städteverf. 2 (1838) 125. Die Korrespondenz zwischen Gesellenvereinigungen zeigt, daß /Geselle/ als Anrede diente: /(Me bruderschaft und gesellen der brotbeckerknecht . . . zu Straßburg der erbern bruderschaft und geselschaft der brotbeckerknecht zu Sletzstat unsern güten gesellen . . . unsern grüß zuvor, lieben gesellen, . . . / (1495) in: Schanz, Gesch. Gesellen-Verbände (1877) 232. In Gesellendokumenten aus dem zweiten Untersuchungszeitraum ist /Geselle/ in dieser spezifischen Bedeutung nicht mehr bezeugt; /(Mit-)Bruder/ blieb erhalten: /werth geschätzte Mitbrüder in Nürnberg: . . . wir haben erfahren müssen, daß Unser Mitbruder . . . schon so eine lange Zeit im Gefängnus liegen müssen . . . also thun wir eine Löbl. Bruderschaft in Nürnberg bitten, sich doch diesen Mitbruder ein wenig anzunehmen/ (1716) in: Wisseil, Recht 1, 547. In Zunfturkuriden und Ratsakten tritt /Geselle/ in der Bedeutung ' Mitglied einer
'Geselle'
131
Bruder- oder Gesellenschaft' später und seltener als in Gesellendokumenten auf: / e s sol auch ein hauptkan [von der Zunft eingesetzter Verwalter des Schenkamtes] eim jeglichen meister knecht setzen zu arweiten und die gesellen nit me t8n/ (15. Jh.) in: Zs. Gesch. Oberrhein 17 (1865) 54. 2.2.
Zeitraum 1470 - 1530
Zur Bezeichnung des Untersuchungsgegenstandes dienen im ganzen deutschen Sprachgebiet /Knecht, Geselle/ und /Knappe/. Vereinzelt belegte Doppelformeln bestätigen, daß 45 die Bezeichnungen synonym sind. /Knecht/ ist am häufigsten bezeugt (65, 7 %): oobd. omd. wnd.
/ e s soll auch keynn mayster dem andern keynn knecht empfrembden noch abdingen/ (1500) Egerer Zunftordn. 60 S. /auch ist gedacht, das keyn meyster dem andern seynen knecht sali abespanne mit keynerley sachen/ (1487) Qu. Wirtschaftsgesch. Mitteldtlds. 1,113 H. /up dat de meister underenander ock de knechte underenander, offte de meister mit den knechten unde de knechte mit den meistern kannengeterambts möchten leflick, fredesam unde christlick leve unde handeln/ (1526) Handwerksgesellendoc. 33 R.
/Geselle/ ist viel seltener belegt (29,1 %): wobd.
/wan ein . . . meister . . . einen gesellen halt/ (1522) Strassb. Tucherzunft 134 Sch.
omd.
/ e s sol auch kein maister vber vier gesellen vnd zwen lehriungen haldenn/ (1499) Qu. Wirtschaftsgesch. Mitteldtlds. 1, 85 H. /zall nein goldtschmitt einer dem anderen untwinnen sinen gesellen by pene/ (1491) in: DRW 4,493.
wnd,
Noch seltener tritt /Knappe/ auf (5, 2 %): wobd.
/ a l s nu ietz die maister zum webern sich beschlossen haben, die zelten mit ain andern zu essen und die knappen nit dabi haben wollen/ (1521) Württ. Gesch. qu. 21,267.
ond.
/wie die Guidebruder . . . bißhere zu jrem Hantwerck allen zwe Knapen vnd einen Lerknecht gehaltten/ (1495) Zimmermann, Mark. Städteverf. 2 (1838) 275.
Der Untersuchungsgegenstand ist überwiegend in der Amts- und Geschäftssprache be46 zeugt (75, 5 %), weitaus seltener in der schönen Literatur (24, 5 %) . Belege, die eindeutig der (schriftlichen) Alltagsrede entstammen, konnten nicht nachgewiesen werden. In der Amts- und Geschäftssprache dominiert /Knecht/ (66,4 %): obfrk. /welcher knecht sich . . . bi ein [ Weber-J meister zu arbeit setz, der vor nit
132
Elfriede Adelberg da gewest oder gearbeit hett/ (1490, Bischof v. Speyer) Obrhein. Stadtrechte I 871.
omd. wnd.
/ s o eins gewercken knecht eines andern gewercken des [Gerber-] handtwerges tochter . . . zu der ehe nehmen wurde/ (1481) Urkb. Leipz. 1,425 P. -K. /idt were ock allen amptbrodern [der Kürschner zunft] kunt und apenbar, dat eyne frouwe na dode ores mannes knechte, yungen und ander arbeydes volck holden mochte/ (1522) Lüb. Ratsurteile 2, 504 E.
/Geselle/ tritt viel seltener auf (28,2 %): wobd. wmd. ond.
/uf fritag . . . hat ain ers. rat. den maistern und gesellen der messerschmid hantwerch disen beschaid geben/ (1529) Wtirtt. Gesch. qu. 21,270. /sowilch geselle . . . buissen wist . . . sins meisters des nachtz uisginge slaifen/ (1495) Kölner Zunfturk. 2,414 L. /domit sich auch der arme neben dem reichn neren möge, sal keyn Meister mher haldn vnd setzen vf eynmal vnd zugleich dan drei Gesellen . . . vnd tzwene Lerejunge/ (1509) in: Zimmermann, Märk. Städteverf. 2 (1838) 119.
/Knappe/ ist am seltensten belegt (5,4 %): wobd. omd.
/die von Sangans sind urbüttig, ire erz(knappe)n für das schloss ze schicken/ (1499) in: Schweiz. Id. 3,711. /stürbe auch ein meister ader meisterinne, so soln alle die des hantwerckes sein . . , zcu der beigrafft komen . . . bey der büße ein meister sechs pfennige, die meisterinne ader ein knappe drey pfennige/ (1470) Urkb. Leipz. 1, 381 P. -K.
Eine Sonderstellung nimmt Tuchers Baumeisterbuch ein, das als Fachliteratur be47 zeichnet werden kann. Der Verfasser unterscheidet im Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand ziemlich exakt die Bezeichnungen, die im Baugewerbe üblich sind, von denen anderer Handwerkszweige (s. 48 S. 138). In der schönen Literatur überwiegt /Knecht/ zur Bezeichnung des Untersuchungsgegenstandes nur knapp (50, 8 %): wobd.
/da sprach der knecht.[Schuster zu seinem Meister] Meister . . . , lassen
wmd,
/ s z o er [ Binder], wie obgemelt arbeith, giebt man ihme vnd seinem knecht
wnd.
/ s u s de [ßarbier-Jmeysters myt den knechten// myt grotem flyte bedechten,//
vnsz im die stiffel spicken/ (1522) Pauli, Schimpf 352 LV. die kost im hofe/ (vi 516) Mainzer Hof 37 M. beth to warden yederman/ (1492) (Braunschw.) Chr. dt. Städte 16,165. /Geselle/ ist - im Gegensatz zur Amts- und Geschäftssprache - fast gleichstark bezeugt (43,2 %), vereinzelt auch abwertend:
'Geselle' wobd. obfrk.
wmd. wnd.
133 / d e r richman tranck a)s eyn gesell// Vnd asz des morndes jnn der hell/ (1494) Brant, Narrenschiff 19 a Z. /darzu wurden unser handwerkleut verderben, dann in wurd kein gesell arbaiten, ursach, er wurd anderstwo für unredlich seines handwerks geacht/ (1525) Chr. Bamb. 2, 81 Ch. /darnach setz allenn vnkosten . . . , Den gesellen yrn Ion vnd für gewicht Abgang Im giessen [der Münzen] / (1480) Mal. Hausb. XXX B. /S. / d e druckerghesellen in deme braß ümmeghan, / / Se laten vakeri de werckstede stan/ (1497) Hans v. Ghetelen, Narrenschyp 104 B.
/Knappe/ ist nur vereinzelt belegt (6,0 %): oobd.
/vber die wochn seit ir [Bergmann] nit dahaim,// so muest ich den lign allain;// . . . Darum ich kain knappm habm will/ (1511) Sterzinger Sp. 1, 267 WND.
Im Unterschied zur übrigen schönen Literatur treten die konkurrierenden Bezeichnungen im Volksbuch vom Till Eulenspiegel und in Johannes Paulis Schwanksammlung "Schimpf und Ernst" in einem ganz anderen Verhältnis zueinander auf. Im "Eulenspiegel" begegnet der Untersuchungsgegenstand 66mal und wird überwiegend mit /Knecht/ wiedergegeben (86,4 %): / d e r m e i s t e r . . . ward in im selber eins, wie dz. er V. tag lang wolt alle mitnacht vff ston vnd den knecht wecken vnd arbeiten, Da weckt er dy knecht vnd ließ sie Schmiden/ (1515) Eulenspiegel 63 HND. /da sprach der [Kürschner-] meister zu im, Lieber knecht, ich sih wol das du by disem hantwerck nit gern bist ich las mich duncken du syest kein rechter kürßner knecht daß merck ich an deinen geberden/ ebd. 83. / d e r meister fragt in.Wz bistu für ein handtwerckß knecht. Vlenspiegel sagt. Ich bin ein barbier e r / ebd. 116. /Geselle/ ist ausgesprochen selten (12,1 %); /Handwerksgeselle/ begegnet vereinzelt pejorativ: / [Eulenspiegel] gab sich vß für einen schreinerknecht, den nam da ein schreiner an, der bedorfft gesellen . . . , dan seine gesellen hetten vß gedienet, vnd waren gewandert/ ebd. 94. /Vlenspiegel . . . bäte da vmb ein herberg, da kam die wirtin . . . vnd fraget in da, was er für ein gesell wer. Vlenspiegel der sprach. Ich bin nicht ein handtwerckßgesell, sunder ich pfleg die warheit z8 sagen/ ebd. 45. /Knappe/ tritt nur vereinzelt auf (1, 5 %): o 49 / d a sagt der wullen weber zu im lieber knap/ ebd. 80.
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Elfriede Adelberg
In Paulis Schwanksammlung "Schimpf und Ernst" ist für den Untersuchungsgegenstand ausnahmslos /Knecht/ belegt: wobd.
/ d e r was ein zimerknecht, in dem selben dorff/ (1522) Pauli, Schimpf 154 LV. /vff ein mal kam ein weberknecht zu einem meister vnd wolt im wercken. . . . der knecht sprach . . . Der knecht . . . kam in ein ander stat . . . Der —55— knecht wandlet weiter/ ebd. 335.
2.2.1. Geographische Differenzierungen Es fällt auf, daß innerhalb des Ostmitteldeutschen /Geselle/ überwiegt (55,1 %), während in den übrigen Großlandschaften /Knecht/ vorherrscht. Das Ostoberdeutsche macht nur scheinbar eine Ausnahme (45, 5 % /Knecht/ und 45, 5 % /Geselle/); es muß berücksichtigt werden, daß von den 20 /Geselle-/Belegen 17 aus dem 51 Gebiet um Eger (nordbair.) stammen. Auch im Ostniederdeutschen scheint das Verhältnis von /Geselle/ (41,3 %) und /Knecht/ (48,0 %) annähernd gleich zu sein. Von den 31 Belegen stammen jedoch 26 52 aus dem Raum Berlin - Frankfurt/O., aus Riga und Reval. Westoberdeutsch dominiert /Knecht/ bei weitem (80, 8 %), aber unter den wenigen /Geselle-/Belegen (16,2 %) finden sich die frühesten. Teilt man den ersten Untersuchungszeitraum und stellt innerhalb der einzelnen Großlandschaften das Verhältnis von /Knecht, Geselle/ und /Knappe/ von 1470 bis 1499 dem von 1500 bis 1530 gegenüber, so ergeben sich keine wesentlichen Abweichungen von den prozentualen Werten des gesamten Zeitraumes - mit Ausnahme des Westoberdeutschen. Von 1470 bis 1499 wird der Untersuchungsgegenstand im Westoberdeutschen zu 85,4 % mit /Knecht/, zu 11,1 % mit /Geselle/ und zu 3, 5 % mit /Knappe/ bezeichnet; von 1500 bis 1530 dagegen zu 53, 8 % mit /Knecht/ und zu 46, 2 % mit /Geselle/. Der Anteil der /Geselle-/Belege ist in der zweiten Hälfte des ersten Untersuchungszeitraumes um 35,1 % höher als in der ersten Hälfte. Geht man von den Bezeichnungen aus und betrachtet ihre Verteilung in den Großlandschaften, so ergibt sich, daß der größte Teil der /Knecht-/Belege dem westdeutschen Sprachraum entstammt, wobei der Südwesten besonders stark vertreten ist: im Westoberdeutschen ist /Knecht/ am häufigsten bezeugt (43, 3 %). Mit erheblichem Abstand folgen das Oberfränkische (14, 8 %), das Westniederdeutsche (13, 2 %) und das Westmitteldeutsche (9, 3 %). Demgegenüber spielt der ostdeutsche Sprachraum nur eine untergeordnete Rolle. Von den wenigen Belegen entstammen die meisten dem Ostmitteldeutschen (8,1 %), gefolgt vom Ostniederdeutschen (7, 3 %) und Ostoberdeutschen (4,0 %). /Geselle/ ist am häufigsten im Ostmitteldeutschen (24, 7 %) und Oberfränkischen (22,8 %) belegt; etwas seltener tritt es im Westoberdeutschen (19,6 %) und im Ostniederdeutschen (14,2 %) auf. Wesentlich weniger Belege bieten das Ostoberdeutsche (9,1 %), das Westniederdeutsche (5,0 %) und das Westmitteldeutsche (4, 6 %).
'Geselle'
135
/Knappe/ begegnet am häufigsten im Niederdeutschen (westniederdeutsch 25, 6 %, ostniederdeutsch 20, 5 %); im Oberdeutschen ist es etwas seltener (westoberdeutsch 20, 5 %, ostoberdeutsch 15,4 %). In den übrigen Großlandschaften kommt es nur vereinzelt vor (ostmitteldeutsch 10, 3 %, westmitteldeutsch 5,1 % und oberfränkisch 2, 6 %). 2.2. 2. Soziolinguistische Differenzierungen Der Untersuchungsgegenstand wird sowohl von den abhängigen Handwerkern selbst, als auch von Zunftmeistern, dem Stadtpatriziat und von staatlichen Institutionen mit /Knecht/ bezeichnet: wobd.
(Straßb. Knechtsordn. des Stadtrats:) /Und welicher knecht sich wider diese vorgeschrieben stuck puncten und artikele satzte und den nit nochgen wolte, dem sollent alle ander meyster in disem kreyse und begriffe nit ufnehmen zu knechte oder sie weder husen noch höfen/ (1473) in: Wisseil, Recht (1929) 1,468.
wmd.
(Zunfturkunde:) /zum ersten sol man [Schneiderzünfte in 14 StädtenJ in den hienach gezellten Stetten . . . keinen knecht meher ein ziel dan anderthalben gülden zu Ion geben. . . . Vnd ob es sich begebe, das ein meister vnd der knecht vmb den Ion zweitrechtig würden, sol vor dem Hantwergk verhört vnd vertragen werden/ (1520) in: Anz. Kde t. Vorzeit 8,285 M. wnd. (Gesellendokument:) /hyr ynne doth dat beste, leven gyldemester und mester, und maket uns hyr eyne mydel uth, dath yth mocht syn vor de mester unde knechte, wente wy don eynen vorrom na unsen klynen vorstände/ (ul 500) Osnabrück. Gildeurk. 80 Ph. (Reichstagsabschied:) /handwerksleüt und ire knecht/ (1500) in: *DWB 5, 1387. Auch /Geselle/ ist sowohl bei abhängigen Handwerkern, als auch bei Zünften, Stadträten und staatlichen Institutionen belegt: wobd.
obfrk.
(Satzung d. Gerber gesellen:) /welcher geselle ouch nu for me fromde har kerne oder welcher heimisch umb lone dienen wolte/ (1470) in: Zs. Gesch. Obrhein 18 (1865) 23. (Anordnung des Nürnb. Stadtrates:) /Die weil die gesellen . . . gesperret
ond.
sein/ (1501) in: Jb. f. Nationalökon. u. Statistik (1889) N. F. 19, 603. (Zunftordnung:) /welck geselle, de sinem meister van einem werckeldage einen speledag maket, der mag em syn meister vor affschlan 2 sch. / (1492) Schrägen Riga 485 S./M.
136
Elfriede Adelberg
Die Gegenüberstellung der /Knecht-/ und / G e s e l l e - / B e l e g e macht soziolinguistische Differenzierungen deutlich: Die Dokumente, die Aufschlüsse über Gesellenkämpfe geben, zeigen, daß in Gesellen53 dokumenten bereits zu Beginn des ersten Zeitraumes /Geselle/ überwiegt, während in Zunft- und Stadturkunden zur gleichen Zeit /Knecht/ steht. Belege über den Aufstand der Straßburger Kürschnergesellen 1470 sollen als Beispiel dienen. In einer Eingabe der Gesellen an den Stadtrat heißt es: wobd.
/wir
£ Kürschner gesellen^] vernemen von etlichen gesellen unsers hantwerks,
daz die ersamen meister unsers hantwerks understanden etlich nuwerung gegen inen zü gebruchend . . . , dodurch wir und ähder gesellen unser hantwerk treffenlich besweret und in uwer statt zu werkend schuhung enpfohen, ob die meister by üch doby z8 hanthabend understanden würdent/ (1470) in: Schanz, Gesch. Gesellen-Verbände (1877) 205. (Lediglich zum Schluß des Dokumentes setzen die Unterzeichnenden neben ihre Namen als Berufsbezeichnung /kürsenerknechte/ £vgl. S. 140 ] sonst steht immer /Geselle/.) Das Zunftgericht entscheidet im Hinblick auf eine der Forderungen der Kürschnergesellen: wobd.
/welher meister einem knecht die stube verbieten wil, der sol das vorhin für das gerichte bringen/ (ul470) in: Zs. Gesch. Obrhein 17 (1865) 32.
In der Knechtsordnung des Straßburger Stadtrates steht ausnahmslos /Knecht/ (vgl. Belegs. 135). Auch die Verordnungen de§ Stadtrates Freiburg über die Schneidergesellen (1478) 54 weisen für den Untersuchungsgegenstand ohne Ausnahme /Knecht/ auf. In diesen Verordnungen sind jedoch Komposita belegt, die wohl während der Kämpfe von den Gesellen geprägt wurden, und in denen /Geselle/ als Determinant steht: wobd.
/man ensol keinem knecht me Ions geben denn gesellenrecht, das ist zur r e Wochen zwölf pfennig, und welcher knecht gesellenrecht nimpt I, der haftet für seine Arbeit}. . . . Ein yeder meister . . . sol . . . zwen knecht, die gesellenlon nement und verdienent . . . setzen/ (1478) in: Zs. Gesch. Obrhein 13 (1861) 306/7.
Wenig später (1484) und ebenfalls aus Freiburg ist die Ordnung überliefert, die die Schuhmachergesellen sich selber gaben. Im Gegensatz zur Stadtratsverordnung steht in 55 diesem Dokument fast ausnahmslos /Geselle/ : wobd.
/item welher under den gesellen oder knaben uf der stuben mit den andern spilt/ (1484) in: Schanz, Gesch. Gesellen-Verbände (1877) 225.
137
'Geselle' Insgesamt wird der Untersuchungsgegenstand von 1470 bis 1499 in Gesellendokumenten zu 64, 5 % durch /Geselle/ wiedergegeben und
zu 35, 5 % durch /Knecht/;
in Zunft- und Stadturkunden
zu 28, 2 % durch /Geselle/
und zu 71, 8 % durch /Knecht/. Die Dokumente, die über den weiteren Kampf der Straßburger Kürschnergesellen nach dem Aufstand von 1470 berichten, machen deutlich, daß sich /Geselle/ im Verlauf des ersten Untersuchungszeitraumes auch bei den Gegnern der gelernten, abhängigen Handwerker durchgesetzt hat. Nicht nur in Dokumenten der Kürschner gesellen selbst, sondern auch in den Bestimmungen des Straßburger Stadtrates über die Kürschnergesellen steht nach 1500 ausnahmslos /Geselle/: wobd.
/auch ist uns gesellen, über das die feyertag abgethan und unser lidlon nit gebessert worden, sonder auch die belonung vom stuckwerk . . . von den [Kürschner-] meystern geringert worden/ (1529) in: Schanz, Gesch. GesellenVerbände (1877) 248. / [ d e r Rat verfügt:] wan dem gesellen arweit by dem mayster gefalt, und sy des Ions eins sint, . . . so sol im der gesel on redlich ursach nit ufstan und eim anderen mayster nidersitzen werken/ (1513) ebd. 243.
Im Augsburger Reichsabschied von 1530 überwiegt /Geselle/ (78, 5 %) gegenüber /Knecht/ (21, 5 %) 5 6 : /Diweil im Heil. Reich Teutscher Nation . . . wegen der Meister-Söhn, Gesellen, . . . und Lehrknaben, viel Unruh, Widerwillen, Nachtheil und Schaden nicht allein unter ihnen selbst sondern auch zwischen derselben HandwercksMeistern . . . von wegen des müßigen Umgehens, Schenckens und Zehrens derselben Meister-Söhn und Handwercks-Gesellen, bisher vielfältig entstanden sind/ (1530) in: Wissell, Recht (1929) 1, 503. Die wenigen /Knappe-/Belege geben keinen Anhaltspunkt dafür, daß die soziale Schichtung bei der Verwendung dieser Bezeichnung eine Rolle spielte. Belege aus Gesellendokumenten fehlen, die meisten Belege entstammen Zunfturkunden: wnd. /de genannte werckmeister der kymer [ Böttcher] mach ook ere knapen annamen edder entsetten/ (1506) Hamb. Zunftrollen 35 R. 2. 2.3. Berufliche Differenzierungen Der Untersuchungsgegenstand wird in allen Großlandschaften bei allen bezeugten Handwerksarten mit /Knecht/ bezeichnet; es gilt für Schneider (Gewand-, Lakenmacher), Bäcker, Schuhmacher, Fleischer (Knochenhauer), Brauer, Müller, Weber, Tucher, F ä r ber, Tuchscherer, Wollschläger, Hutmacher, Kürschner (Pelzer, Buntmacher), Schmiede, Schlosser, Faßbinder, Schilderer, Leuchtenmacher, Kannegießer, Beckenschläger,
138
Elfriede Adelberg
Schwertfeger, Panzermacher, Tischler (Kistenmacher), Wagner, Maurer, Dachdecker, Steinmetzen, Zimmerleute, Töpfer, Glaser, Seiler (Reepschläger), Goldschmiede, Paternostermacher, Bartscherer usw.: e
wobd.
^
/ a l s wir meister und rat der zweyer erbern antwerk der ducher und wober und i r e r knechte spenne und iTunge, so vor uns erlutet sint, . . . habent verhört/ (1474) Strassb. Tucherzunft 80 Sch.
wmd.
/dat die panzermechere sich vurbasz mit iren kneichten ind jungen halden
wnd.
/dat nen knecht schall sines sulves warden in unserm ampte [ Reepschläger],
sullen na luide i r s amptzbriefs/ (1494) Kölner Zunfturk. 2,287 L. sunder he schall maken 10 seien enes dages/ (1479) Hamb. Zunftrollen 204 R. /Geselle/ steht zu Beginn des ersten Untersuchungszeitraumes fast ausschließlich bei bestimmten Handwerksarten. Bei Tucher, Baumeisterbuch (Abfassungszeit 1464-75), gilt in allen Bauberufen /Geselle/ (nur ganz vereinzelt /Knecht/): obfrk.
/nachdem man zimmerleutten, Steinmetzen, maurrern, deckern, tunchern und kleibern, den meistern, iren gesellen und taglonern pißher zu essen geben hat/ (2. H. 15. Jh.) Tucher, Baumeisterb. 276 LV. Vgl. auch ebd. 32 , 37, 48, 59, 147, 195, 197, 236, 250, 278, 28 7. - Außerhalb des Baugewerbes steht bei Tucher /Knecht/, vgl. 97, 99, 292 (Schlosser); 103 (Wagner); 104 (Hafner); 106 (Glaser); 109 (Schreiner); 110 (Seiler); 287 (Bäcker); 99 (Schmied).
Der Befund bei Tucher wird durch die total exzerpierten Ordnungen der Bauhandwerker bestätigt. ^ Auch der früheste ostoberdeutsche 5 8 /Geselle-/Beleg des ersten Untersuchungszeitraumes entstammt dem Baugewerbe, und zwar einer Egerer Lohnordnung für Bauhandwerker: oobd.
/ e s sollen sich auch die obgeschrieben werckleut alle vnnd Jhre gesellen keiner andernn possei a r b e i t . . . nit vnder winden/ (1470) Egerer Zunftordn. 79 S.
Ebenfalls 1470 ist bei den Straßburger Kürschnern /Geselle/ belegt (vgl. S. 136 f. ): wobd.
/ [die Kürschnergesellen fordern den Stadtrat auf,] die Sachen anzüsehend, dodurch die gesellen by irem altem harkomen und guter gewonheit gehanthabet und nit von den meystern uberylet oder entrüstet gemacht gewerdent/ (1470) in: Schanz, Gesch. Gesellen-Verbände (1877) 206.
Die frühesten /Geselle-/Belege des Westmitteldeutschen, Ostniederdeutschen
59
60
Westniederdeutschen wmd.
und
im ersten Untersuchungszeitraum betreffen die Goldschmiede:
/sowie hei hie binnen Coelne as ein geselle ind in gesellenswijse an dem goultsmedeampte . . . dienre/ (1473) Kölner Zunfturk. 2, 249 L.; ebd. 248.
Nach der Jahrhundertwende findet sich /Geselle/ auch in anderen Berufen häufiger, wie z. B.61 die abgefaßten Ratsprivilegien aus Berlin-Cölln und Frankfurt/O. zeigen. Der1500/16 gelernte, abhängige Handwerker wird hier bei Kürschnern, Beutlern
'Geselle'
139
und Hutmachern ausschließlich mit /Geselle/ bezeichnet, bei Leinewebern auch mit /Knappe/, Dagegen überwiegt /Knecht/ bei den Bäckern, und bei den Schuhmachern steht fast ausschließlich /Knecht/ als Bezeichnung für den Untersuchungsgegenstand (die Beobachtung, daß /Geselle/ bei Schuhmachern und Bäckern - auch bei-Fleischern und Müllern - selten oder gar nicht auftritt, gilt beinahe für alle Großlandschaften): ond. / s o auch demselbigen [ Schuhmacher-] Knecht die Stat nicht geflle ader keyn Arbeit hette, sal nicht wandern, er hab dan das gelihn Gelt betzalet, ader thu das mit Wissen vnd Willen der gekornen Knechte/ (ul516) in: Zimmermann, Märk. Städteverf. 2 (1838) 123. Nur im Ostmitteldeutschen gilt /Geselle/ bereits zu Beginn des ersten Zeitraumes ganz allgemein für den gelernten, abhängigen Handwerker aller möglichen Berufsarten (nur im Ostmitteldeutschen ist /Geselle/ auch die häufigste Bezeichnung für den Untersuchungsgegenstand; vgl. S. 134): omd.
/und welchir das forder so nicht halden und brechen wurde, es were meister addir gesellen, der sal seyns [ B ä c k e r - ] handwergis vorlustig sien/ (1479) Cod. dipl. Sax. II 12, 308. /[bei Fleischern] sol gestraffet werden, ein meyster vmb ein pfundt wachs vnd ein gesell ymb ein halb pfundt wachs/ (1480) Qu. - u. Urkb. Teplitz-Sch. 270 M. /Item wenn auch ein geselle von eynem [ Schmiede-] meister auffsteet on des meisters willen vnd wissen zcu eynem andern meister, das sol nicht sein/ (1480) ebd. 268.
Es wurde bereits erwähnt, daß /Knappe/ sich früh auf bestimmte Handwerksarten konzentrierte (s. S. 129). Über die Hälfte der Belege betrifft das Weberhandwerk (33, 3 %) und den Bergbau (25, 6 %): wobd. omd.
ond.
/daz dehain Knapp dehain aigen . . . [ w e b - ] St8le . . . hab/ (15. Jh.) in: Fischer, Schwäb. Wb. 4, 519. / s o auch ein knappe gewandert kommet, so balt er vff sitzet so sali er zcwene Pfennige zcu den kertzen geben . . . ; er sali auch bey eyme [ Leineweber-] meister im wichbilde gelart haben/ (1470) Urkb. Leipz. 1, 382 P. -K. / E s sali auch keinn steyger ader Schichtmeister ab der einwoner ader burgers aufm berge were keinen knappen ader erbeyter dar hin dringen/ (1499/1500) Qu. Wirtschaftsgesch. Mitteldtlds. 4,121 H. /Wer auch eyn [Leineweber-] Meister willens seynem Knapen ader Knepfin zuuervrlobn, dem sal er zuuorne allein eyn Vrlabswerk lasen ausbereitn vnd arbeitn/ (ul516) in: Zimmermann, Märk. Städteverf. 2 (1838) 112.
140
Elfriede Adelberg
2 . 2 . 4 . Determinativkomposita und entsprechende Genitivkonstruktionen (genitivus definitivus) /Knecht/ ist, wie bereits erwähnt, polysem (vgl. S. 129). Als Bezeichnung für den abhängigen Handwerker wird es oft (33,4 % der /Knecht-/Belege) durch Determinanten, die den Beruf angeben, präzisiert. Die Komposita sind im gesamten deutschen Sprachgebiet bezeugt und finden sich in allen Handwerkszweigen. Bei Bäckern (20,0 % der Komposita) und Schuhmachern (18,2 %) sind sie jedoch wesentlich häufiger belegt als bei den anderen Handwerken: wobd.
/ a l l e die r o t - und wißgerwerknecht, so nun ze mol by den meisteren r o t - und wißgerwer hantwercks in unser stat Colmar dienent/ (1470) in: Zs. Gesch. Obrhein 18 (1865) 20.
obfrk.
/Nachdem bisshere etwo vil personen umb dise stat durch der fleischhackerknecht und ander mit dem vihe und schaffen, auch in annder weiss an iren ackern . . . und f eidern . . . vil .... Scheden zugefügt/ (1497) Nürnb. Polizeiordn. 240 LV.
wmd.
/ i n dem jare . . . haben wir beckerknecht, die dazumal dinstlich hye zu Spyer wonhaftig warn, hernuwert und gepessert den briefe unser der beckerknecht recht und gewonliche punte und gesetzte/ (1474) in: Schanz, Gesch. GesellenVerbände (1877) 174.
wnd.
/ d e beckensleger- unde de pylserknechte, makeden eyn lach in deme vastelavende unde danseden myt den megeden in der stad . . . . Düsse dinge togen sick de smedeknechte to hone, de togen to sick de schoknechte unde nemen under oren heyken meste undebarden/ (1514,Braunschw.) Chr. dt. Städte 16,338.
/Geselle/ wird seltener als /Knecht/ determiniert (10,0 % der /Geselle-/Belege). Die Komposita sind in fast allen Großlandschaften bezeugt (im Westmitteldeutschen fehlen entsprechende Belege; hierfür kann evtl. die verhältnismäßig geringe Belegzahl verantwortlich sein; vgl. S. 142), nicht aber in allen Handwerkszweigen. Sie begegnen überwiegend im Baugewerbe (22, 7 %) und im Kürschner- (18,2 %) und Goldschmiedehandwerk (13,6 %), d. h. in den Berufsarten, in denen die frühesten /Geselle-/Belege angetroffen werden (vgl. S. 138): wobd.
/ e u e r genaden underthänige kürschnergesellen zu Strassburg/ (1529) in: Schanz, Gesch. Gesellen-Verbände (1877) 249. - Rund 60 Jahre früher (1470) nannten sich die Straßburger Kürschner gesellen in einer Eingabe an den Rat/kürsenerknechte/ (vgl. den Beleg S. 136).
obfrk.
/ u m b sant Endres . . . soll der stat paumeister . . . erzelen, . . . wie vil Steinmetzen und zimmergesellen er an der stat arbeit das vergangen j a r e gehabt hab/ (2.H 15. Jh.) Tucher, Baumeisterb. 32 LV.
wnd.
/Hans B. eyn goltsmede geselle vor deme Ersamen Rade to Lubeke. irschinende h e f f t . . . vorgeven laten/ (1494) Lüb. Ratsurteile 1,344 E.
141
'Geselle'
/Knappe-/Komposita sind in fast allen Großlandschalten belegt (23,1 % der /Knappe-/ Belege), aber nur ganz vereinzelt außerhalb des Bergbaus (77,8 % der /Knappe-/Komposita betreffen den Bergbau): obfrk. wmd.
/Schneider knapp/ (15. Jh.) Fastnachtsp. 2, 618 LV. /wollknap lanarius/ (nl485) Voc. incipiens teut. oo
Im Bereich des Bergbaus treten demgegenüber fast ausschließlich Komposita auf: oobd. /Do chamen nicht mer zw in dan pey 70 ertzknappen/ (1499) Unrest, öst. Chr. 96 MGH. wmd.
ond.
/salzknappen/ (16. Jh.) in: ^ W B 5,1344. /man hat vill von mancherlei gesagt, in sunderheit von den erzgnappen, welche das bistum Salzburg ingehabt und den pundeschen vill schadens zugefugt/ (1526) Qu. Frankf. Gesch. 2,106 G. /mit den bergckknapen vom Goltberg/ (1510/30) Grunau, Preuss. Chr. 1, 206 P.
Begriffsbestimmende Genitive neben /Knecht/ und /Geselle/ sind weitaus selte„ 62 ner : wobd. /zwüschent meistern und knehten des kursenerhantwerks/ (15. Jh.) in: Schanz, Gesch. Gesellen-Verbände (1877) 210.
wmd.
omd.
/wa nu hinfüro ain oder mer frömbd gesellen des kirsner hantwerks, so alhie nicht burger weren, . . . das egemelt hantwerk treiben . . . wolten/ (1501/12) Nördlinger Stadtrechte Ma. 253 M. /vorter ist unser [ d e s Stadtrats^ bescheidt, daß eyn iglicher knecht benderhantwercks, der gedingkte werck machet, obe sin der meister in der zyt synes gedingts bedorffte in tagelone zu arbeiden, das solte er thun und deß nit weigern/ (1495) in: Schanz, Gesch. Gesellen-yerbände (1877) 110. /wir haben . . . an uch begert, Jacoben P. van Worms ein gesellen goltsmithantwergs ufzunemen/ (1486) Kölner Zunfturk. 2, 566 L. /das fort mer dy gesellen der hutter keyn herbrige noch keyn eldsten vnder den gesellen haben Süllen/ (1501) Zunftordn. Krakau 105 B.
Für /Knappe/ fehlen entsprechende Belege. Als Sammelbezeichnung für gelernte, abhängige Handwerker ist /Handwerksknecht/ und /Handwerksgeselle/ belegt (zusammen 39 Belege). /Handwerksknecht/ ist in allen Großlandschaften gut bezeugt (53, 8 %): wobd. / a l s man dan sniderknecht oder ander hantwerkknecht dingt/ (1470) in: Wissell, Recht (1929) 1,470. omd. /das der rathsmeister . . . mit den andern in dem closter alle handtwercKSknechte . . . zu ihnen in das closter vorbotten/ (ul480) Spittendorff, Denkw. 449 0.
142 ond.
Elfriede Adelberg / s a l keyn hantwerksknecht . . . Montag haidtin/ (1503) Acten Ständetage Preussen 5,476 T.
/Handwerksgeselle/ ist weniger häufig (46,2 %). E s tritt überwiegend im Ostmitteldeutschen auf (55, 6 % der /Handwerksgeselle-/Belege), seltener im We stober deutschen (27, 8 %) und nur vereinzelt im Ostniederdeutschen (11,1 %) und Ostoberdeutschen (5, 5 %); im Oberfränkischen und Westniederdeutschen ist es (im Gegensatz zu /Handwerksknecht/) nicht belegt: wobd.
/durch den raut ist einhelliclich erkant, den handwerchsgeseilen ze sagen, sich darnach ze schicken, das sie . . . / (1500) in: Zs. Gesch. Obrhein 15 (1863) 47.
omd.
/welch einwoner ader hantwerckgeselle, der sich zu dinst ader arbeit vor dinget hat, am wercktage zcur zceche inn ein schennckehaws gehet, der sal ein gut schock deme rate gebenn/ (1487) Urkb. Freiberg 3,475 E. /welch hantwercksgeselle von seynem meyster bawszen gewonlicher zceyt
ond.
mit mutwyllen . . . wurde wandern/ (1503) Acten Ständetage Preussen 5,479 T. Eine Bildung /Handwerksknappe/ ist nicht belegt. Tabelle 1 Der Anteil der Konkurrenten in den einzelnen Großlandschaften und im Gesamtgebiet für den Zeitraum 1470 - 1530 (in Prozenten) wobd.
oobd.
Knecht
80,8
Geselle
16,2
Knappe
3,0
2. 3.
obfrk.
wmd.
omd.
wnd.
ond.
45, 5
58, 8
79,3
40,8
75,6
48,0
65,7
45, 5
40,3
17,2
55,1
12,8
41,3
29,1
9,0
0,9
3,5
4,1
11,6
10,7
5,2
Gesamtgebiet
Zeitraum 1670 - 1730
63 Der Untersuchungsgegenstand wird mit /Geselle, Knecht/ und /Knappe/ bezeichnet. /Geselle/ ist in allen Großlandschaften am häufigsten bezeugt (73, 6 %): wobd. /solle hinfüro keiner zu einem meister hutmacher handwercks alhie angenommen werden, also daß er mit gesellen und lehr jungen ärbeiten . . . möge, er habe dann zuvor volgende meisterstuck gemacht/ (1672) Obrhein. Stadtrechte m 1, 2, 721. obfrk. /gleicher gestalt hat es auch mit denen Gesellen, wann solche jetzt ihre Lehr-Jahr ausgestanden, und Gesellen werden, bey Meistern vor Lohn arbeiten, und künfftig wandern sollen, seine bestimmte Ordnung/ (vl724) Marperger, Vorber. v. Handwercks-ZUnfften [l724] 35. wnd. /wenn ein Lehr-Knecht seine Lehr-Jahr redlich . . . ausgelernet, soll er drey Jahr . . . vor einen Gesellen arbeiteiy/ (1722) Lüneb. Stadt-Recht 178.
'Geselle'
143
/Knecht/ ist weitaus seltener belegt (22, 9 %): wobd.
/So es aber geschehen solte, daß einer aus Untüchtigkeit die Prob des
obfrk.
Meister =Stucks nicht machen kSnte, . . . mag . . . ihme . . . erlaubt werden nur vor seine Person ohne Haltung Knecht und Jungen auffm Handwerck zuschaffen/ (1720) Samml. württ. Regierungs-Gesetze 2,1200 Z. / [die Schuhmachermeister hätten] sich des piers, so man bißher den
omd.
knechten über disch gegeben und auch des grossen taglohns so sehr beschwert, daß sie zu dieser theüren zeit solches nit mehr erschwingen könten/ (1675) in: Schoenlank, Gesch. altnürnb. Gesellenwesen (1889) 602. / E ß soll auch kein [ Fleischer-] meister keinen knecht auf solchen handtwergk befördern/ (1673) Zunftordn. Komotau 237 W.
Noch seltener tritt /Knappe/ auf (3, 5 %)•. wobd. /Erstlich, Solle ein jeder Knapp, so bey einem Meister die zarte, breite und schmale Stuck zuwurcken, auch auff Kunden=Arbeit bedingt, und einstehet, sein aigen Brod und Liechter haben/ (1720) Samml. württ. Regierungs-Gesetze 2,1195 Z. omd.
/ [ d a ß ] unter denen Tuchmacher-Zünfften, in Ober lausitz ein der gestaltiges Auftreiben sich ereignet, dass . . . die ausländischen Knappen anieczo noch Bedenken tragen, sich bey einigen Ober lausitzischen Mitteln in Arbeit einczulassen/ (1721) in: Knoll, Handwerksgesellen (1924) 121.
Der Untersuchungsgegenstand ist überwiegend in der Amts- und Geschäftssprache bezeugt (86,0 %), Belege aus der schönen Literatur sind weitaus seltener (14,0 %). Belege, die eindeutig der (schriftlichen) Alltagsrede entstammen, konnten nicht nachgewiesen werden. - In der Amts- und Geschäftssprache dominiert /Geselle/ (76,9 %): wobd. /Ein Schneider hat hier einen fremden Gesellen bekommen/ (1729) in: omd.
ond.
Wissell, Recht (1929) 1,476. /Wie die Handwerge zu strafen haben? Sie sollen auch keine andere Strafe üben noch ihre Mitmeister oder Gesellen damit beschweren, als allein, die ihnen in ihren Articulsbriefen von fürstl. gnädigster Herrschaft vergünstiget und zugelaßen worden/(1670) Thür. Gesch, qu. 9,167. /Worhingegen wiedrumb ein solcher Gesell nicht er von seinem Meister zu treten befuget sein soll, eh und bevor er ihm diesen Verschosz durch sein Wochenlohn guthgethan/ (1679/88) Schrägen Riga 691 S./M.
/Knecht/ tritt viel seltener auf (19, 3 %): wobd. /Herrn maister und rath diser statt Schlettstatt haben den beckenknechten . . . obfrk.
dise Ordnung zue haben bevohlen/ (17. Jh.) Obrhein. Städtrechte m 1,2,458. /[daß kein Meister] seinem Schuhknecht mehr denn sechs kreuzer von einem paar schuh neben der kost zu lohn geben soll/ (1696) in: Schoenlank, Gesch. altnürnb. Gesellenwesen (1889) 595.
144
Elfriede Adelberg
ond.
/ [ N. N.] Fleischhauer . . . ; 9 Jahre als Fleischerknecht bei Mstr. St,, dessen Tochter er heiratet/ (1727) Bürgerb. Berl. 112 K. /Knappe/ ist am seltensten belegt (3, 8 %): wobd. /So sollen auch solche Schau-Meister alle Wochen einmal zwey oder drey,
omd.
nach viele der Knappen der Schau zu . . . gewissen Stunden beywohnen/ (1706) Samml. württ. Regierungs-Gesetze 2, 840 Z. /soll ein jeder [ Tuchmacher-] meister . . . achtzehen kleine pfennig unnett ein knapp zwölff kleine pfennig bey der laden auflegen/ (1669) Zunftordn. Komotau 183 W.
In der schönen Literatur überwiegt /Geselle/ zur Bezeichnung des Untersuchungsgegenstandes nur knapp (53,4 %): wobd, oobd. omd.
/ J h r Wohl Ehrwürdigen, ihr Ehrenvesten, . . . ihr Meister, ihr Gesellen, ihr Burger, ihr Bauren/ (1682) Polit. Grillenfänger (1683) 29, /Dieser [ Schneider] hat als ein Gesell einem Meister in Oesterreich 50. Gulden entfrembdt/ (1699) Abraham a S . Clara, Etwas 1,492. / e s hatte sein Lehr-Herr [ Goldschmied] immer viel zu thun gehabt, daß die e e Gesellen und Jungen selten hatten vor 12. biß 1. Uhr des Nachts durffen zu Bette gehen/ (1707) J. G. Schmidt, Speculationes 751.
ond.
/da vordehm ein Meister 7 bis 8 Gesellen zu der Arbeit nöhtig gehabt, jetzo aber kaum vor 1 oder 2 Arbeit hätte/ (1714) Berl. geschrieb. Ztg. 230 F.
/Knecht/ ist - im Unterschied zur Amts- und Geschäftssprache - fast gleichstark bezeugt (44,0 %): oobd.
omd.
/ e s hat sich hier begeben, daß ein Schuhknecht eines Schusters Tochter . . . mit Vorgeben solche zu heurathen dahin vermöcht, daß das Mägdlen ihn besuchet/ (1698) D. Neueste v. gestern 1, 301 B. /weil die alten Rocken-Weiber fabuliren, es sey der Guckuck ein Becken-
wnd.
Knecht gewesen, welcher in theurer Zeit denen armen Leuten hftte von ihrem Teig gestohlen/ (1707) J. G. Schmidt, Rocken-Philos. 3/4, 30. /daß . . . die gesammte Fleischer-Knechte am vergangenen Fastnachts Dienstage einen öffentlichen Aufzug gehalten/ (1726) D. Neueste v. gestern 2,154 B.
/Knappe/ ist nur vereinzelt belegt (2, 6 %): 6 6 omd. / e r erwähnte weiter, daß an unterschiedenen Orten in Mühlen an denen Einschütte-Kasten zwo Schellen gehangen wtren, welche, wann das eingee e schüttete Korn gar aus gebeutelt, klingend gemacht wurden; wodurch sie den 6 6 6 Muhlknappen erinnerten, daß auffs frische müsse eingeschüttet werden/ (1679) Riemer, Maul-Affe 199.
'Geselle' 2. 3.1.
145 Geographische Differenzierungen
/Geselle/ dominiert in allen Großlandschaften als Bezeichnung für den Untersuchungsgegenstand. Am stärksten ist es im Oberfränkischen (96,3 %), Ostniederdeutschen (83, 8 %) und Ost mitteldeutschen (78, 7 %) vertreten, gefolgt vom Ostoberdeutschen (66,7 %), dem Westniederdeutschen (65, 3 %), dem Westmitteldeutschen (63,0 %) und dem Westoberdeutschen (50,9 %). Die ostniederdeutschen Belege stammen fast ausschließlich aus dem Raum Berlin, aus Reval und Riga. Im Revaler Bürgerbuch z. B. steht ausschließlich /Geselle/ als Determinat, auch bei den Determinanten Schuhmacher, Fleischer, Brauer und Bäcker, 64 bei denen sonst /Knecht/ vorherrscht (vgl. z.B. den Beleg S. 150). /Knecht/ tritt demgegenüber zurück; es ist im Westen des deutschen Sprachgebietes relativ häufiger als im Osten: westoberdeutsch 42,8 %, westmitteldeutsch 37,0 %, westniederdeutsch 34,7 %; ostoberdeutsch 33,3 %, ostniederdeutsch 16,2 %, ostmitteldeutsch 13,4 %• oberfränkisch 3,7 %. /Knappe/ spielt als Bezeichnung für den gelernten, abhängigen Handwerker kaum eine Rolle (ostmitteldeutsch 7, 9 %, westoberdeutsch 6, 3 %). Geht man von den konkurrierenden Bezeichnungen aus und verfolgt ihre Verteilung in den Großlandschaften, so ergibt sich, daß /Geselle/ am häufigsten im Ostmitteldeutschen (32, 8 %) und Ostniederdeutschen (24, 6 %) belegt ist. Mit erheblichem Abstand folgen das Westoberdeutsche (13, 5 %), das Oberfränkische (12, 8 %) und das Westniederdeutsche (8,0 %). Die geringste Belegzahl bieten das Ostoberdeutsche (5, 5 %) und das Westmitteldeutsche (2, 8 %). Die meisten /Knecht-/Belege entstammen dem Westoberdeutschen (36,7 %). Die übrigen Großlandschaften sind mit einem wesentlich geringeren Anteil vertreten: ostmitteldeutsch 18,1 %, ostniederdeutsch 15,4 %, westniederdeutsch 13, 8 %, ostoberdeutsch 9,1 %, westmitteldeutsch 5, 3 %, oberfränkisch 1, 6 %. /Knappe/ ist nur im Ostmitteldeutschen und Westoberdeutschen bezeugt, wobei das Ostmitteldeutsche (66,7 %) gegenüber dem Westoberdeutschen (33, 3 %) überwiegt. 2. 3. 2.
Soziolinguistische Differenzierungen
Der Untersuchungsgegenstand wird sowohl von den abhängigen Handwerkern selbst, 65 als auch von Zünften und städtischen oder staatlichen Institutionen mit /Geselle/ bezeichnet: wobd.
(Augsb. Zunftmeister an den Stadtrat:) / s o kan hiervon [ Gesellenausstand] stattliche Zeugschafft geben Meister S. H., welchen in gar weniger Zeit drei Gesellen, ohnerachtet er mit Arbeit überhäufft wäre, verlassen habeiy' (1727) in: Wisseil, Recht (1929) 1, 544.
wmd.
(Landesfürstlicher Erlaß:) /den Gesellen sollen die sog. Krugtage . . .
146
omd.
Elfriede Adelberg gänzlich abgeschnitten und verboten sein; jedoch bleibt den Meistern unverwehret, den Gesellen . . . einen ganzen oder halben Tag in der Woche . . . zu ihrer Recreation zu erlauben; es soll ihnen aber von den Gesellen nichts vorgeschrieben werden/ (1730) in: Singer, Montag (1917) 77 f. (Bei der Ankunft eines Wandergesellen in der Schenke vorgeschriebene
Begrüßung:) /Meister und Gesellen lassen dich [ den Altgesellen] freundlich grüssen, allenthalben wo ich [ Wandergeselle] herkomme, wegen des Handwerkes/ (ul700) in: Knoll, Handwerksgesellen (1924) 92. (Reichstagsabschied:) / J h r e Kaiserliche Majestät wolten dahero hernechstens die Kaiserl. Verbot ins Reich ebenfalls ergehen lassen, daß inskünfftige keine Meister und Gesellen des Steinmetzen Handwercks im Reich sich von vorgedachter Straszburgischen Steinmetzen-Hütten avociren und citiren lassen/ (1722, Regensb.) in: Wisseil, Recht (1929) 1, 552. Auch /Knecht/ ist sowohl bei den abhängigen Handwerkern, als auch in Zunft- und Ratsurkunden belegt: wobd.
omd.
/Anordnung des Augsb. Stadtrats:)/also wird . . . sämtlichen Schuknechten von Gerichtswegen anbefohlen/ (1724) in: Wisseil, Recht (1929) 1, 525. (Eingabe der Schuhmachergesellen an den Augsb. Rat:) /daß all die Jenige Schuhknecht beederley religionen, welche den 12. Mertzen auf gestanden seyn, . . . ieder 1 fl. 30 xr. zur Straff erlegen . . . da wür Schuhknecht dißem obrigkeitl. befelch nit nachkommen/ (1726) ebd. 1, 530. (Laufbrief einer Gesellenvereinigung:) / a n eine Ehrsame Bruderschafft der Schuh-Knecht Heidelberg, auf Schuh-Knecht Herberg abzulegen . . . Wir machen euch kund und zu wissen, wie deß wir in Augspurg einen Aufstand haben, . . . so haben wir uns nacher Fridberg begeben . . . , die wir SchuhKnechte auf beeden Seiten einhellig seynd, die Evangelische Schuh-Knecht so wohl, als wir Catholische/ (1726) ebd. 1, 533; 534. (Zunftordnung:) /Daß in das verledigte Back-Hauß kein frembder Meister oder Becken-Knecht eingenommen werden soll, sondern ,die Meister- und Bürger-Söhne allhier sollen den Vorzug haben/ (1722) in: Beier, HandlungsLex. 101 b S. (Der sächs. Gesandte in Wien meldet nach Dresden:) /Das . . . wieder die unruhigen Handwerker und Handwerks-Pursehe erlassene Kayserl. Mandat hat . . . bey unterschiedenen Handwerkern alhier allerhand Unruhe, und bei den Schuhknechten insonderheit ein Aufstand veruhrsachet/ (1722) in: Knoll, Handwerksgesellen (1924) 123.
Das gleiche gilt auch für die /Knappe-/Belege:
'Geselle'
147
wobd.
(Landesgesetz:) /Welcher Knapp auf der weißen Schau verftllt, soll zur Straf verfallen seyn zehen Kreutzer/ (1706) Samml. württ. RegierungsGesetze 2, 841 Z.
omd.
(Zunfturkunde:) /welher [Tuchmacher-] meister oder knape sich vor einen handtwerck ungebührlichen verhielte, mit wortten oder wercken, der soll nach erkantnus des handtwercks gestrafft werden/ (1674) Zunftordn. Komotau 241 W.
Die Gegenüberstellung der /Geselle-, Knecht-/ und /Knappe-/Belege gibt keinen Anhaltspunkt für eine soziolinguistische Differenzierung. Bei allen sozialen Schichten spielt die berufliche Differenzierung die Hauptrolle. 2. 3. 3.
Berufliche Differenzierungen
Der Untersuchungsgegenstand wird in allen Großlandschaften bei allen bezeugten Handwerksarten mit /Geselle/ bezeichnet; bei Schuhmachern, Fleischern, Bäckern und Brauern tritt /Geselle/ jedoch wesentlich seltener auf (7, 9 % der /Geselle-/Belege) als bei den übrigen Handwerken: wobd.
/eine außfuhrliche Ordnung, wie es hinführo bey diesem Handwerck [Schuhmacher], mit Meistern, Gesellen, und Lehrjungen . . . in dem gantzen Herzogthumb gehalten werden solle/ (1687) Samml. württ. RegierungsGesetze 2, 644 Z.
omd.
/zu einem Schmiede, in die Werk-Stelle, früh kommen, . . . bey der Esse stehen blieben, nichts geredet; . . . Meister und Gesellen, haben dabey, den ganzen Vor-Mittag, ihre Arbeit verrichtet/ (vl678) Butschky, RosenThal (1679) 648.
wnd.
/ [ Privilegium der Seiler] auch sollen . . . die guten Montage verboten sein, und welcher Geselle darüber ohne redliche Ursache dem Meister von der Arbeit geht, der soll jedesmal um einen Wochenlohn . . . gestraft werden/ (1680) in: Singer, Montag (1917) 56.
Im Gegensatz zu /Geselle/ steht /Knecht/ fast ausschließlich bei bestimmten Hand66
werksarten. 84,0 % der/Knecht-/Belege betreffen Schuhmacher, Fleischer, Brauer und Bäcker. Der Untersuchungsgegenstand ist insgesamt 205mal im Zusammenhang mit diesen vier Handwerken belegt; er wird in allen Großlandschaften überwiegend mit /Knecht/ (77,1 %) und nur selten mit /Geselle/ bezeichnet (22, 9 %; von diesen Belegen stammen 25 aus dem Ostmitteldeutschen und Ostniederdeutschen [ Reval] ). Das Verhältnis von /Geselle/ zu /Knecht/ weist innerhalb der vier genannten Handwerksarten kaum Unterschiede auf. Bei den Brauern wird der Untersuchungsgegenstand fast ausschließlich durch /Knecht/ wiedergegeben (95,0 % /Knecht/ : 5,0 % /Geselle/):
148 omd.
Elfriede Adelberg /weii die Brluerknechte . . . untereinander körnen, so finget eines irgend ein geistlich Lied an zu singen/ (1707) J. G. Schmidt, Rocken-Philos. 3/4, 388.
ond.
/ [ N. N.] hat 6 Jahre die Braunahrung auf der Friedr. getrieben und vorher bei seinem Bruder als Brauerknecht gedient/ (1726) Bürgerb. Berl. 102 K.
Auch bei den Fleischern überwiegt /Knecht/ bei weitem (82, 8 % /Knecht/ : 17,2 % /Geselle/): wobd.
/Metzger Knecht/ (1678) Bürgerb. Stuttg. 1,74 b N.
omd.
/In einigen Königlichen Residentien Pflegt dieser Ochse einige Tage vorher durch die Fleischer-Knechte in der Stadt herum gefuhrt zu werden/ (1729) Rohr, Ceremoniel-Wiss. 607.
Gleiches gilt für die Bäcker (81, 3 % /Knecht/ : 18,7 % /Geselle/): wobd.
/den beckenknechten/ (17. Jh.) Obrhein. Stadtrechte m 1,2,458 (Beleg S. 143).
omd.
/Becken-Knecht/ (1707) J. G. Schmidt, Rocken-Philos. 3/4,30 (Beleg S. 144).
ond.
/Alß man . . . einem frantzoischen Becker seinen Knecht aus dem Hause nehmen wollen, und es bey der Wiedersetzung zum Handgemenge kommen, ist dem Meister die eine Hand abgehauen worden/ (1715) Berl. geschrieb. Ztg. 271 F.
Die Belege, die das Schuhmacherhandwerk betreffen, zeigen ebenfalls überwiegend /Knecht/ (72, 9 % /Knecht/ : 27,1 % /Geselle/): omd.
/kein Schuster . . . wird einen Knecht, der nicht auf dieses Handwerck gewandert, und schwerlich ein Schneider einen Gesellen setzen, der nicht weiß, ob er . . . / (vi686) Winkler, Edelmann (1697) 788,
wnd.
/[N. N.] ein Schuknecht von Zedenik hinter Berlin aus der Ukermark/ (1702) Goslarer Bürgerb. 3,4 b B.
Im kaiserlichen Edikt für die Augsburger Schuhmachergesellen steht ausschließlich / (S chuh) Kne cht/: /Wir Carl der Sechste . . . fügen denen widerspenstigen Schue Knechten in Unser und des Heil. Reichs Statt Augspurg hiermit zu wissen/ (1726, Wien) in: Wisseil, Recht (1929) 1, 541. /Knappe/ ist überwiegend bei den Tuchern und Webern bezeugt (70,0 % der /Knappe-/Belege), weitaus seltener bei den Müllern (13, 3 %). Für den Bergbau fehlen Belege aus 67 der auswählenden Exzerption, es gibt sie jedoch in Wörterbüchern . Der Untersuchungsgegenstand ist im Tucher- und Weberhandwerk 25mal belegt, er wird überwiegend mit /Knappe/ bezeichnet (84,0 %): wobd.
(Weberordn.:) /die ledigen Knappen hatten die Kost beim Meister, die Hausknappen nicht/ (17. Jh.) in: Fischer, Schwäb. Wb. 4, 519.
149
'Geselle' omd.
/Well nehmlich der Spanische Hochmuth so groß, daß die wenigste sich auf Handwercker legen und Tuchknappen werden wollen/ (1727) Ludewig, Profession 58.
/Geselle/ tritt nur vereinzelt auf (16,0 %), und zwar fast ausschließlich im Ostmitteldeutschen und Ostniederdeutschen (Berlin): ond.
/daß daselbst ein grosser Hauffe Weber =Gesellen, mit grossen Stöcken . . . zu verschiedenen Meistern gekommen, und ihnen das Zeug von den Stühlen abgeschnitten, weilen die Gesellen daselbst alzuwolfeile arbeiteten/ (1727) D. Neueste v. gestern 2,170 B.
Im Müllerhandwerk ist der Untersuchungsgegenstand lOmal belegt und wird fast zu gleichen Teilen mit /Knappe/ (40,0 %), /Geselle/ (30,0 %) und /Knecht/ (30, 0 %) bezeichnet: wmd. omd. 2. 3.4.
/dem Müllerknecht vor 6 Achtel Mehl Trinkgelt fl 15/ (1693) Stud. Gesch. Lebenshaltung Frankf. /M. 2,220 B. /Muhlknappen/ (1679) Riemer, Maul-Affe 199 (Beleg S. 144). Determinativkomposita und entsprechende Genitivkonstruktionen (genitivus definitivus)
Die Häufigkeit der Determinativkomposita ist bei den einzelnen Bezeichnungen unterschiedlich. Am häufigsten wird /Knecht/ präzisiert (83, 0 % der /Knecht-/Belege). Die /Knecht-/ Komposita sind im gesamten deutschen Sprachgebiet bezeugt (keine Großlandschaft tritt besonders hervor), aber nicht bei allen Handwerkszweigen. Es überwiegen Schuhmacher, Fleischer, Brauer und Bäcker; die Häufigkeit der Komposita bei den einzelnen Handwerksarten entspricht den zur beruflichen Differenzierung gemachten Beobachtungen (vgl. S. 147 ff.): oobd.
omd.
ond.
/Vor einigen Tagen hat sich zwischen denen, aus ihren Werkstätten und Arbeit gegangenen und sich zusammenrottirten Schuhknechten . , . und der hiesigen Rumor-Wacht . . . eine scharpffte Rencontre ereignet/ (1722) in: Wissen, Recht (1929) 1,477. /Denn das ist gewiß, daß mancher einflltiger Muhl=Knecht, Zimmer= oder 0 Maurer =Geselle etc. nicht allein sein Bißgen Verdienst und Tage= oder Wochen=Lohn einem solchen Betruger . . . giebt/ (1709) J. G. Schmidt, Rocken-Philos. 1/2, 332. - Dieser Beleg zeigt deutlich, daß die verschiedenen Berufsarten auch bei den Komposita für die Verwendung von /Knecht/ und /Geselle/ eine Rolle spielen, / [ N. N.] 4 Jahre in B. als Schlächterknecht; außer Lehr= und Geburtsbrief 3 Kundschaften/ (1726) Bürgerb. Berl. 104 K.
150
Elfriede Adelberg
/Geselle/ wird viel seltener als /Knecht/ durch die Hinzufügung einer Handwerksbezeichnung näher bestimmt (32, 5 % der /Geselle-/Belege). Die /Geselle-/Komposita sind in allen Berufszweigen bezeugt, treten aber in den einzelnen Großlandschaften unterschiedlich auf. Im Westniederdeutschen sind sie am häufigsten (55,1 %), im Ostmitteldeutschen (13,1 %) und Oberfränkischen am seltensten (0 % - die 78 oberfränkischen Belege sind Simplizia): wobd.
wmd.
/Würde aber ein frömbter schreinergesell eines meisters hinderlaßene wittib oder tochter zue der ehe nehmen/ (1682) Obrhein. Stadtrechte in 1, 2, 920. /man hatte Ihnen die Kopff gantz Zerschlagen gefunden daß war daß bludt so herab auff die schuster gesellen gefallen ist bey jedem war Ein scheydt holtz voller bludt/ (1717) Elisabeth Ch. v. Orleans, Br. an Raugräfin Louise 264 LV,
ond.
/ein Beckergeselle von Wittenbergen auß der Marckt/ (1674) Revaler Bürgerb. 85 A. /Knappe-/Komposita sind nur im Ostmitteldeutschen belegt (30,0 % der /Knappe-/Belege). Der überwiegende Teil der /Knappe-/Komposita betrifft die Weber (66,7 %\ der Rest die Müller: omd. /wodurch sie den Muhlknappen erinnerten/ (1679) Riemer, Maul-Affe 199 (Beleg S. 144). fift /ein Tuchknappe von Görlitz/ (1716) Kamenzer Bürgerb. 66 S. 69 Begriffsbestimmende Genitive neben/Knecht/ und/Geselle/ sind weitaus seltener : omd. /daß kein Gesell oder Knecht des Schusterhandwercks das Pfennigwerck den Meistern an ihrer Nahrung zu Schmlhlerung arbeite/ (1688) Beier, Zwang 52. Ein weiteres Beispiel bietet ein Beleg aus dem Regensburger Reichsabschied: /Meister und Gesellen des Steinmetzen Handwercks/ (1722) in: Wissen, Recht (1929) 1, 552 (Beleg S. 146). Für /Knappe/ fehlen entsprechende Belege. Als Sammelbezeichnung für handwerkliche Lohnarbeiter gilt in allen Großlandschaften beinahe ausnahmslos /Handwerksgeselle/ (100 %): oobd. / i h r Mitmeister C. habe ein Ehebrecherisches Weib, welche mit seinem Handwercks-Gesellen fleischlich zugehalten/ (1670) Abele, Unordn. (1669) 2, 84. obfrk. /insonderheit will auch bey einigen Handwerckern, dieser wider alle Vernunfft lauffende Mißbrauch einreißen, daß die Handwercks-Gesellen vermittelst eines unter sich selbst anmaßlich haltenden Gerichts die Meister vorstellen, denenselben gebieten, ihnen allerhand ungeräumte Gesetze vorschreiben/ (1671) Märperger, Vorher, v. Handwercks-Zünfften [l724] 44.
'Geselle' omd.
151 /daß hlnftiro alle . . . Handwercks=Gesellen und Lehrjungen, . . . welche . . . von frembden Orten anhero kommen, . . . bey einem derer Herren Geistlichen . . . sich zuvorhero anmelden/ (1670) Leipz. Ordn. (1701) 302.
wnd.
/eine Schllgerey . . . , in welcher der Handwercks Geselle erstochen ward/ (1700) Hosmann, Denck-Mahl 2, 53.
Tabelle 2 Der Anteil der Konkurrenten in den einzelnen Großlandschaften und im Gesamtgebiet für den Zeitraum 1670 - 1730 (in Prozenten) wobd. oobd.
obfrk.
wind.
omd.
wnd.
ond.
Gesamtgebiet
Geselle
50, 9
66, 7
96,3
63,0
78,7
65,3
83,8
73,6
Knecht
42, 8
33, 3
3,7
37,0
13,4
34,7
16,2
22,9
Knappe
6,3
2.4.
7,9
3,5
Vergleich der untersuchten Zeiträume
Der Untersuchungsgegenstand wird in beiden Zeiträumen im gesamten deutschen Sprachgebiet mit /Knecht, Geselle/ und /Knappe/ bezeichnet. Im ersten Zeitraum ist /Knecht/ (65,7 %) die geläufigste Bezeichnung, /Geselle/ (29,1 %) tritt demgegenüber ganz zurück (s. S. 131 f.). Im zweiten Zeitraum herrscht allgemein /Geselle/ vor (73,6 %), während /Knecht/ (22, 9 %) zurücktritt (s. S. 142 f.). Das Verhältnis der beiden Haupt konkurrenten zueinander hat sich umgekehrt. /Knappe/ spielt in beiden Zeiträumen im Hinblick auf die Häufigkeit eine untergeordnete Rolle (5,2 % im ersten, 3, 5 % im zweiten Zeitraum). Betrachtet man die Verteilung der Bezeichnungen innerhalb der einzelnen Großlandschaften (s. S.134 f. u. S. 145), so ergibt sich, daß /Geselle/ im zweiten Zeitraum überall dominiert, was jedoch für /Knecht/ im ersten Zeitraum nicht gilt: Im Ostmitteldeutschen überwiegt hier bereits /Geselle/ gegenüber /Knecht/ um 14,3 %. In den anderen Großlandschaften dominiert /Knecht/, aber die Differenz zwischen der Zahl der /Knecht-/ und /Geselle-/Belege weist erhebliche Unterschiede auf. Sie ist im Westoberdeutschen (64, 6 % im Gesamtzeitraum) am höchsten, nimmt aber im Verlauf des Untersuchungszeitraumes ab; sie beträgt von 1470 bis 1499 74, 3 %, von 1500 bis 1530 aber nur noch 7, 6 %. In den übrigen Großlandschaften ist eine ähnliche Entwicklung nicht zu beobachten. Im Westniederdeutschen beträgt die Differenz zwischen /Knecht/ und /Geselle/ 62, 8 % und im Westmitteldeutschen 62,1 %. Im Oberfränkischen (18, 5 %) 70 und Ostniederdeutschen (6,7 %) ist sie auffallend geringer. /Knappe/ ist im ersten Zeitraum in allen Großlandschaften bezeugt, am häufigsten im Niederdeutschen (westniederdeutsch 25, 6 %, ostniederdeutsch 20, 5 %), seltener im
152
Elfriede Adelberg
Oberdeutschen (westoberdeutsch 20, 5 %, ostoberdeutsch 15,4 %), gelegentlich im Ostmitteldeutschen (10,3 %) und im Westmitteldeutschen und Oberfränkischen nur vereinzelt. Im zweiten Zeitraum ist es nur ostmitteldeutsch (66,7 %) und westoberdeutsch (33,3 %) belegt. 7 1 Ein Vergleich der /Knecht-/ und /Geselle-/Belege des ersten Zeitraums läßt soziolinguistische Differenzierungen erkennen; im zweiten Zeitraum ist das nicht der Fall. Die /Knappe-/Belege bieten in keinem der Untersuchungszeiträume Anhaltspunkte für soziolinguistische Differenzierungen (s. S. 135 ff.u. S.145 ff. ).Die unterschiedliche Verwendung von /Knecht/ und /Geselle/ bei zünftigen Meistern, beim Stadtpatriziat usw. einerseits und der sich herausbildenden Schicht der handwerklichen Lohnarbeiter andererseits betrifft vor allem die erste Hälfte des ersten Untersuchungszeitraumes. Die Dokumente, die Aufschlüsse über die sich in diesem Zeitraum zuspitzenden Gesellenkämpfe geben, zeigen, daß in Gesellendokumenten bereits zu Beginn des ersten Zeitraumes /Geselle/ überwiegt, während in gleichzeitigen Zunft- und Stadturkunden /Knecht/ steht. /Geselle/ setzt sich allmählich auch bei der herrschenden Klasse durch; im Augsburger Reichsabschied von 1530 überwiegt es gegenüber /Knecht/. Bemifliche Differenzierungen spielen in beiden Untersuchungszeiträumen eine wichtige Rolle (s. S. 137 ff. u.S. 147 ff.). Zu Beginn des ersten Zeitraumes gilt allgemein /Knecht/, und /Geselle/ tritt fast ausschließlich bei bestimmten Handwerken auf (Bauberufe, Kürschner, Goldschmiede); es setzt sich allmählich auch in anderen Berufen durch, aber kaum bei Schuhmachern, Bäckern, Fleischern und Müllern (nur im Ostmitteldeutschen findet sich /Geselle/ auch in diesen Berufen). Im zweiten Zeitraum gilt allgemein /Geselle/, und /Knecht/ steht fast ausschließlich bei bestimmten Berufen (Schuhmacher, Bäcker, Fleischer, Brauer; 84,0 % der/Knecht-/Belege). /Knappe/ ist in beiden Zeiträumen vor allem im Tucher- und Weberhandwerk bezeugt, im Bergbau und (seltener) bei den Müllern. Während jedoch im ersten Zeitraum noch 41,1 % der /Knappe-/Belege auch andere Berufe betreffen, ist dies im zweiten Zeitraum nur noch bei 16, 7 % der Fall. Der Untersuchungsgegenstand ist in beiden Zeiträumen überwiegend in der Amts- und Geschäftssprache bezeugt, seltener in der schönen Literatur. Belege, die eindeutig der (schriftlichen) Alltagsrede entstammen, fehlen (s.S. 131 ff.u.S. 143 f.). Dieses Verhältnis ist historisch bedingt, denn die Gesellenkämpfe spiegeln sich vor allem in Gesellendokumenten und in gegen die Gesellen gerichteten Verordnungen der herrschenden Klasse wider. In der Amts- und Geschäftssprache dominiert im ersten Zeitraum /Knecht/ (66,4 % : 28,2 % /Geselle/), im zweiten Zeitraum überwiegt/Geselle/ (76, 9 % : 19, 3 % /Knecht/). - Tuchers Baumeister buch (2.H 15. Jh.), das als Fachliteratur gelten kann, nimmt eine Sonderstellung ein; hier sind bei den Bezeichnungen für den Untersuchungsgegenstand berufliche Gliederungen entscheidend (vgl. S. 138).
'Geselle'
153
In der schönen Literatur sind in beiden Zeiträumen /Knecht/ und /Geselle/ fast gleichstark vertreten (50, 8 % /Knecht/ : 43,2 % /Geselle/; 53,4 % /Geselle / : 44,0 % /Knecht/). /Knappe/ tritt jeweils nur vereinzelt auf. - Im Volksbuch "Eulenspiegel" und in Paulis Schwanksammlung "Schimpf und Ernst" stehen die Hauptkonkurrenten in einem ganz anderen Verhältnis zueinander als in der übrigen schönen Literatur des ersten Untersuchungszeitraumes: Bei Pauli tritt ausnahmslos /Knecht/ auf, und im "Eulenspiegel" überwiegt es bei weitem (86,4 %). Determinativkomposita sind in beiden Zeiträumen im gesamten deutschen Sprachgebiet für alle Bezeichnungen bezeugt (s.S. 140 f. u. S. 149 f.). Im ersten Zeitraum werden 33,4 % der /Knecht-/Belege durch eine Handwerksart näher bestimmt; die Komposita kommen bei Bäckern und Schuhmachern wesentlich häufiger vor als in den übrigen Handwerkszweigen. Im zweiten Zeitraum ist der Anteil der /Knecht-/Komposita entschieden größer (83,0 % der /Knecht-/Belege); die Komposita betreffen überwiegend Bäcker, Schuhmacher, Fleischer und Brauer. Auch /Geselle/ wird in beiden Zeiträumen in fast allen Großlandschaften determiniert, aber wesentlich seltener als /Knecht/ (im ersten Zeitraum 10,0 % der /Geselle-/Belege, im zweiten 32, 5 %). Die Komposita begegnen im ersten Zeitraum überwiegend im Baugewerbe und im Kürschner- und Goldschmiedehandwerk, im zweiten Zeitraum jedoch in allen bezeugten Berufsarten. Während im e r sten Zeitraum keine Großlandschaft im Hinblick auf /Geselle-/Komposita besonders hervortritt, fällt im zweiten Zeitraum auf, daß die Komposita am häufigsten im Westniederdeutschen und am seltensten im Ostmitteldeutschen und Oberfränkisehen belegt sind. /Knappe/ ist im ersten Zeitraum in fast allen Sprachlandschaften als Grundwort eines Determinativkompositums bezeugt, und zwar überwiegend im Bereich des Bergbaus. Im zweiten Zeitraum sind /Knappe-/Komposita nur im Ostmitteldeutschen belegt, überwiegend im Weberhandwerk. Begriffsbestimmende Genitive neben /Knecht/ und /Geselle/ treten in beiden Zeiträumen so vereinzelt auf, daß sie für die Beschreibung des Untersuchungsgegenstandes bedeutungslos sind (s. S. 141 u. S. 150). Als Sammelbezeichnung für handwerkliche Lohnarbeiter dominiert im ersten Untersuchungszeitraum in allen Großlandschaften /Handwerksknecht/ (53, 8 %), /Handwerksgeselle/ ist weniger häufig (46, 2%), es ist überwiegend im Ostmitteldeutschen bezeugt (55, 6 % der /Handwerksgeselle/-Belege). Im zweiten Zeitraum gilt ausnahmslos /Handwerksgeselle/ (40 Belege), /Handwerksknecht/ ist nicht belegt (s. S.141 f.u. S.150 f.). Doppelformeln sind in beiden Zeiträumen nur vereinzelt belegt (s. S.131 und Anm. 63). Im ersten Zeitraum werden die selteneren Bezeichnungen /Knappe/ und /Geselle/ durch das allgemein verbreitete /Knecht/ interpretiert. Im zweiten Zeitraum werden /Knappe/ und/Knecht/, die fast nur noch bei bestimmten Handwerksarten vorkommen, durch das überall geläufige /Geselle/ verdeutlicht.
154
Elfriede Adelberg
Tabelle 3 Gegenüberstellung der Anteile der Konkurrenten für das Gesamtgebiet in beiden Zeiträumen (in Prozenten) Zeitraum 1470 - 1530 Geselle Knecht Knappe
29,1 65,7 5,2
Zeitraum 1670 - 1730 73,6 22,9 3,5
'Geselle' 3.
155 Ursachen und Verlauf des Ausgleichsprozesses
N. N. Semenjuk führt aus, daß die Herausbildung der Norm der deutschen Literatursprache durch sprachliche und außersprachliche (vorwiegend sozial-historische) Fak72 toren bedingt ist. Die Belege für den Untersuchungsgegenstand innerhalb der beiden Zeiträume bestätigen diese Aussage: Fast alle in den Fragen S.123 f. genannten Faktoren sind bei der Durchsetzung der einheitlichen Bezeichnung /Geselle/ von Bedeutung; ausschlaggebend sind jedoch die sozial-historischen Faktoren, sie sind als eigentliche Ursache zu betrachten. Mit der Herausbildung der handwerklichen Lohnarbeiter entstand das Bedürfnis, diese abhängigen Handwerker einheitlich zu bezeichnen. Die Belege des ersten Untersuchungszeitraumes deuten darauf hin, daß die Bezeichnung /Geselle/ von den Gesellenverbänden ausging (vgl. S. 136 f.). Trotz aller Rückschläge und Mißerfolge haben die handwerklichen Lohnarbeiter in der Epoche der frühbürgerlichen Revolution immer wieder den Kampf um ihre Rechte aufgenommen. Die "Erfahrungen während des gemeinsamen Kampfes schlugen in Bewußtsein um, die Handwerksgesellen erkannten ihren Standpunkt in der sich herausbildenden frühkapitalistischen Gesellschaftsstruktur und gaben den Anstoß für eine einheitliche Bezeichnung: Sie nannten sich nicht mehr /Knechte/, sondern /Gesellen/. Die Bezeichnung, die ursprünglich eine Mitgliederbezeichnung innerhalb der Gesellenvereinigung war, wurde zur Bezeichnung für "die mehr oder weniger 73 entwickelte Vorgängerin des modernen Proletariats". /Knecht/ verschwand allmählich aus den Gesellendokumenten des ersten Untersuchungszeitraumes, lediglich als Berufsbezeichnung (Determinativkompositum) blieb es noch erhalten; Zunftmeister, städtische und staatliche Institutionen hielten dagegen überwiegend an der alten Bezeichnung /Knecht/ fest (vgl. S. 136 f.). Wenn man /Knappe/ zunächst ausklammert, so standen um die Mitte des ersten Untersuchungszeitraumes für ein und dieselbe Erscheinung zwei sprachliche Bezeichnungsweisen zur Verfügung. Da es sich um Bezeichnungen für Angehörige einer sich entwickelnden Gesellschaftsschicht handelte, war die Verwendung der Bezeichnungen letztlich von den Beziehungen abhängig, die die Menschen zueinander 74 hatten, die diese Bezeichnungen benutzten. Es könnte eingewendet werden, der Einfluß bestimmter Handwerksarten sei als Ursache dafür anzusehen, daß sich /Geselle/ als einheitliche Bezeichnimg durchgesetzt hat, denn die frühesten /Geselle-/Belege finden sich bei bestimmten Handwerksarten: in Bauberufen, bei Kürschnern und Goldschmieden. Die Ursachen, auf die diese frühesten /Geselle-/Belege zurückzuführen sind, sind in den genannten Handwerken unterschiedlicher Art: Bei den Kürschnern ist die Bezeichnung überwiegend in 75Gesellendokumenten bezeugt, die die Aufstände im westoberdeutschen Raum betreffen. Nicht die Berufsart ist hier
156
Elfriede Adelberg
von Bedeutung, sondern die beschriebene Verwendung der Bezeichnung innerhalb der Gesellenverbindungen. Anders verhält es sich bei den (relativ wenigen) frühen /Geselle-/Belegen aus dem Goldschmiedehandwerk; die Belege entstammen Zunfturkunden. Gesellenverbindungen spielten in diesem Handwerkszweig kaum eine Rolle; die Gesellen waren - weitaus län76 ger als in anderen Handwerken - gemeinsam mit ihren Meistern Mitglieder der Zunft. Außerdem ist zu beachten, daß die Ausübung des Goldschmiedehandwerkes einen gewissen Reichtum voraussetzte, da die Handwerksmeister in der Regel auch die Rohstoffe ihrer Produkte lieferten. Man darf daher annehmen, daß der Nachwuchs dieses Handwerks (soweit er nicht dem Goldschmiedehandwerk selbst entstammte) begüterten Schichten angehörte, sonst wäre es von vornherein aussichtslos gewesen, selbständiger Meister zu werden. Die Beziehungen zwischen Meistern und Gesellen waren demnach vor allem durch die gemeinsame Zugehörigkeit zu einer bestimmten, gesellschaftlich privilegierten Schicht und durch die gemeinsame Zugehörigkeit zur Zunft bestimmt. Die frühen Belege aus dem Goldschmiedehandwerk, in denen /Geselle/ eindeutig als Bezeichnung für den Untersuchungsgegenstand steht, gehen wohl auf die Verwendung im Sinne von ' Mitglied einer gemeinsamen Zunft' (vgl. S. 129) zurück, drücken also einen anderen Grad der Abhängigkeit des Gesellen vom Meister aus als in den meisten übrigen Berufen. Auch im Baugewerbe unterschieden sich die Beziehungen zwischen Meistern und Gesellen im Gegensatz zu anderen Handwerken (vgl. S.126). Beide waren gleichermaßen vom Bauherren abhängig, wie die Maurer- und Steinmetzen-Ordnungen deutlich zeigen: /und domit den Bauherren keine Vorhinderunge oder Schaden an ihren Gebewden widerfahre, soll kein Meister noch Gesell von eines wegen, der gescholden und doch noch nicht uberwiesen oder zurechte uberwunden were, von einer Arbeit abtreten/ (1574) in: Wisseil, Recht (1929) 2, 725. Die frühe Bezeichnung /Geselle/ im Bauhandwerk ist demnach auf die fast gleichberechtigte Stellung am Arbeitsplatz zurückzuführen, etwa im Sinne von ' Mitarbeiter'. Es gibt also sehr frühe Belege im Goldschmiede- und Bauhandwerk, aber es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß sich /Geselle/ von diesen Handwerksarten aus in anderen Berufen durchgesetzt hätte - im Gegenteil: Tucher nennt nur die Bauarbeiter /Geselle/, alle anderen Handwerker aber /Knecht/ (vgl. S. 138). /Geselle/ geht in den beiden genannten Handwerken auf spezifische soziale Beziehungen zwischen Meistern und Gesellen zurück; die Bezeichnung wäre wahrscheinlich auf diese Handwerksarten beschränkt geblieben, wie auch /Knappe/ auf bestimmte Handwerksarten beschränkt blieb (vgl. S. 129). Die in den frühesten Belegen bezeugte spezifische Verwendung von /Geselle/ ist also nicht als Ausgangspunkt der einheitlichen Bezeichnung zu betrachten. Der Verlauf des Ausgleichsprozesses bestätigt diese Feststellung. Die Belege zeigen, daß in Gesellendokumenten bereits zu Beginn des ersten Zeitraumes (1470 - 1499)
'Geselle'
157
/Geselle/ gegenüber /Knecht/ im gesamten deutschen Sprachgebiet überwiegt (64, 5 %; vgl. S. 136 f.). So steht z. B. in der Gesellenschaftsordnung, die sich die Schuhmacher77 gesellen 1484 in Freiburg gaben, fast ausschließlich /Geselle/; dasselbe gilt für das 78 Statut der Freiburger Kürschner von 1468, Dieses Überwiegen der einheitlichen Bezeichnung in Gesellendokumenten hat eine Parallele: Die Dokumente deuten darauf hin, daß die Gesellen überall dieselben Kampfmethoden entwickelten. "Obgleich sie nicht lesen und schreiben konnten, . . . wurden die gleichen Kampfmethoden nicht nur von den Gesellen einer Stadt, sondern von den Gesellen des ganzen deutschen Reiches angewandt. Es muß hier also ein gemeinsames Verständigungsmittel gegeben haben. Diese Verständigung zwischen den Handwerksburschen eines jeden Gewerbes 79 im ganzen deutschen Reiche erfolgte nun durch die wandernden Handwerksgesellen" . Die schnelle Verbreitung von /Geselle/ dürfte ebenfalls den wandernden Handwerkern zuzuschreiben sein (vgl. S. 123). Umfang und Bedeutung der Fluktuation in den einzelnen Handwerken lassen sich aus den zum Teil erhaltenen Gesellenbüchern und aus den Bürgerbüchern ermitteln. So sind z. B. während des ersten Untersuchungszeitraumes im Nürnberger Glaserhandwerk "Gesellen aus aller Herren Ländern, aus Bayern, Württemberg, der Schweiz, aus Idria, Leipzig, Straßburg, Konstanz, Breslau, Wien, Bludenz, Gr. -Ehrich80in SchwarzburgSondershausen, Linz, Berlin, Frankfurt a. M. usw." nachzuweisen. Die Auswertung des Materials zeigt, daß zur gleichen Zeit (1470 - 1499) in Zunft und Stadturkunden des gesamten deutschsprachigen Raumes /Knecht/ vorherrscht (71,8 %; vgl. S. 136 f.); so steht z. B. in der (total exzerpierten) Verordnung des Stadtrates Freiburg von 1478 ausschließlich /Knecht/ (auch im Bündnis der oberrheinischen 81 82 Schneiderzünfte von 1457 und in der Straßburger Knechteordnung von 1465 steht ausschließlich /Knecht/): /Die sniderknecht sollent fürter kein gepott haben denn mit des Zunftmeisters erloubung, . . . umb des willen, das alda nutzit ungepürlichs wider die herschaft, den rXt, die zunft und gemeinen nutz furgenomen werde/ (1478) in: Zs. Gesch. Obrhein 13 (1861) 306. Die in dieser Verordnung bezeugten Komposita /gesellenrecht/ und /gesellenlon/ (vgl. S. 136) lassen darauf schließen, daß auch das Simplex/Geselle/ als Bezeichnung für die gelernten, abhängigen Handwerker geläufig war, es wird aber in der Verordnung nicht verwendet. Erst nach der Jahrhundertwende setzte sich /Geselle/ auch in den Dokumenten der Zünfte, Stadträte und des Reichs immer mehr durch (vgl. S. 137). Bereits im (total exzerpierten) Augsburger Reichsabschied von 1530 überwiegt /Geselle/ (78, 5 %) gegenüber /Knecht/ (21, 5 %), und in den (ebenfalls total exzerpierten) Beschlüssen der norddeutschen Kannegießerzünfte von 1573, die die härtesten Bestimmungen gegen die Gesellen enthalten, steht nie /Knecht/, sondern ausschließlich /Geselle/: /worden sich ock solliche gesellen allen vorgeschrevenen puncten und
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Elfriede Adelberg
articulen towedderen setten . . , , Scholen desulvige £im ganzen Umkreis verrufen werden und keine Arbeit erhaltenj / (1573) in: Jb. f. Nationalökon. u. Statistik 33 (1879) 338. Sicher haben die überregionalen Beziehungen der Zünfte bei der relativ einheitlichen Verwendung von (frühem) /Knecht/ und (späterem) /Geselle/ eine Rolle gespielt (vgl. S. 123). Das gilt zunächst für die Handwerksordnungen, die jeweils ausführliche Bestimmungen über die Rechte und Pflichten der gelernten Handwerker (und damit auch die Bezeichnungen für den Untersuchungsgegenstand) enthielten. Die Verwandtschaft der Handwerksordnungen ist bekannt, es gibt hinreichende Beweise, "daß die Handwerksordnung der einen Stadt für das gleiche Handwerk einer anderen Stadt die Unterlage 83 einer neuen Ordnung abgab" . Ebenfalls von Bedeutung waren die regionalen und überregionalen Zunftbündnisse, bzw. deren Korrespondenz, Beschlüsse usw. im Kampf gegen die Gesellen (z. B. die bereits erwähnten Bündnisse der Schneiderzünfte zwanzig oberrheinischer Städte von 1457 und der Kannegießerzünfte fünfzehn norddeutscher Städte 84 von 1573 ) sowie die Reichsabschiede, deiien in der Regel entsprechende landesfürstliche Erlasse gegen die Handwerksgesellen folgten. Die Durchsetzung der einheitlichen Bezeichnung in Zunft-, Stadt- und Reichsdokumenten wird dadurch besonders anschaulich, daß /Knecht/ durch /Geselle/ ersetzt wurde. Im Bürgerbuch Cölln steht noch 1553, 1589 und 1591 /Zimmerknecht/, aber ab 1696 immer 85 /Zimmergeselle/. In einer Rigaer Böttcherordnung von 1581 heißt es: /Item entginge einem sein knecht aus seinem dienste mit seinem gelde unnd were von ihm ein jhar min oder mehr unnd queme hernach wieder unnd begerte desselben vorigenn meisters dienste,... Endtgienge aber derselbige knecht zum andern mall, so soll sich niemandt des ampts verdristen ihn wieder anzunhemen/ (1581) Schrägen Riga 265 S./M. Eine Anmerkung der Herausgeber besagt, daß 1623 /Knecht/ in beiden Fällen getilgt und /Gesell/ darüber geschrieben wurde. Nach Schoenlank "lässt sich in dem Kodex der Nürnberger Gesellenordnungen deutlich verfolgen, wie verbessernde Hände im XVm. Jahrhundert den Ausdruck Knecht, der sich ausgemerzt in manchen und aus durch dem XVI. Jahrhundert stammenden Ordnungen öfters findet, sorglieh Geselle ersetzt haben. " 86 Im Augsburger Reichsabschied von 1530 überwiegt zwar /Geselle/, aber zu 21, 5 % wird der Untersuchungsgegenstand noch mit /Knecht/ bezeichnet (vgl. S. 137). Im Reichs87 abschied Wien 1731 steht fast ausschließlich /Geselle/ (98, 6 %) und nur einmal /Handwerksknecht/ (1,4 %). Im Verlauf des Ausgleichsprozesses gibt es zwischen einzelnen Großlandschaften z. T. erhebliche Unterschiede in der Frequenz. Insbesondere das Westoberdeutsche und Ostmitteldeutsche treten im ersten Untersuchungszeitraum bei der Durchsetzung von
'Geselle'
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/Geselle/ gegenüber /Knecht/ hervor. Im wirtschaftlich hochentwickelten Südwesten Deutschlands fanden (vor allem nach der Straßburger Knechteordnung) mit dem fortschreitenden sozialen Differenzierungsprozeß innerhalb des Handwerks die frühesten und heftigsten Kämpfe um die Existenz und Anerkennung der Gesellenverbände statt,
88
und im Westoberdeutschen finden sich auch die frühesten Belege für /Geselle/ im Sinne des Untersuchungsgegenstandes, die aber zahlenmäßig unbedeutend sind, wenn man den ersten Untersuchungszeitraum insgesamt betrachtet (16,2 % /Geselle/ : 80,8 % /Knecht/); /Knecht/ überwiegt gegenüber /Geselle/ um 64, 6 % (vgl. S. 134). Teilt man jedoch den Zeitraum, so ergibt sich, daß /Knecht/ von 1470 bis 1499 um 74,3 % überwiegt, von 1500 bis 1530 aber nur noch um 7,6 %. In den übrigen Großlandschaften ist eine derartige Entwicklung nicht zu beobachten. Wenn man das Ostoberdeutsche und Ostniederdeutsche aus den bereits erwähnten Gründen ausklammert (vgl. S. 134), so ergeben sich in den einzelnen Großlandschaften folgende Differenzen in der Frequenz von /Knecht/ und /Geselle/: Westoberdeutsch (1500 bis 1530) 7, 6 %, oberfränkisch 18, 5 %, westmitteldeutsch 62,1 %, westniederdeutsch 62,8 % (vgl. S.
151). Innerhalb des ersten Untersuchungszeitraumes setzte
sich /Geselle/ gegenüber /Knecht/ im Westoberdeutschen (nach 1500) und Oberfränldschen allmählich durch, im Westniederdeutschen und Westmitteldeutschen behielt /Knecht/ das absolute Übergewicht. Nur im Ostmitteldeutschen dominierte bereits im ersten Untersuchungszeitraum /Geselle/ (55,1 %) gegenüber /Knecht/ (40, 8 %) (vgl. S. 134), und /Knappe/ war seit der Erstbezeugung (fast) ausschließlich im Bergbau und x 89 Textilgewerbe vertreten. Die Belege zeigen auch im Hinblick auf einzelne Aspekte, daß die Durchsetzung der einheitlichen Bezeichnung im Ostmitteldeutschen weiter vorangeschritten war als in den übrigen Sprachlandschaften: Nur im Ostmitteldeutschen galt /Geselle/ bereits zu Beginn des ersten Zeitraumes ganz allgemein zur Bezeichnung für den gelernten, abhängigen Handwerker aller möglichen Berufsarten (vgl. S. 139), während in den übrigen Sprachlandschaften noch im zweiten Untersuchungszeitraum in bestimmten Berufen (Schuhmacher, Fleischer, Brauer, Bäcker)/Knecht/vorherrschte (vgl. S.147ff.); vor allem im Ostmitteldeutschen konnte /Geselle/ auch bei Handwerksarten stehen, bei denen sonst /Knappe/ belegt ist (Tucher und Weber - vgl. S. 149); im zweiten Untersuchungszeitraum, in dem /Geselle/ in allen Sprachlandschaften die geläufige Bezeichnung war, wurde es im Ostmitteldeutschen (und Oberfränkischen) am seltensten durch die Hinzufügung einer Handwerksart näher bestimmt, während im Westniederdeutschen Determinativkomposita überwogen (vgl. S. 150). Im Ostmitteldeutschen hat das Simplex/Geselle/ innerhalb eines entsprechenden Kontextes demnach eindeutig den gelernten, abhängigen Handwerker bezeichnet, es brauchte nicht determiniert zu werden, es war die gültige ostmitteldeutsche Bezeichnung.
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Elfriede Adelberg
Die Verwendung von /Knappe/ und /Knecht/ im Sinne des Untersuchungsgegenstandes wurde im Verlauf der Ausbildung der Norm der deutschen Literatursprache auf bestimmte Handwerksarten beschränkt. Bei /Knappe/ begann der Differenzierungsprozeß bereits im 14. Jahrhundert (vgl. S. 129); die Bezeichnung behauptete sich im Textilgewerbe, im Bergbau und Hüttenwesen, wo sich im 14. und 15. Jahrhundert Keimformen, Elemente der kapitalistischen Produktionsweise (Verlage bzw. Manufakturen), innerhalb 90 der bestehenden Feudalgesellschaft herausbildeten. Im ersten Untersuchungszeitraum ist /Knappe/ daher überwiegend im Bergbau und im Weberhandwerk bezeugt; aber 41,1 % der /Knappe-/Belege betreffen andere Berufe. Im zweiten Zeitraum hat sich der Anteil von /Knappe/ in besonderen Berufen verdoppelt, und nur 16,7 % der Belege betreffen andere Handwerksarten. Im Ostmitteldeutschen ist /Knappe/ 91 jedoch schon vor dem ersten Zeitraum (nach dem vorhandenen Material seit 1377 ) nur bei Tuchern, Webern und im Bergbau bezeugt. Bergbau und Textilgewerbe waren die strukturbestimmenden Handwerke des ostmitteldeutschen Raumes; es wäre denkbar, daß das Ostmitteldeut .sche eine führende Rolle dabei gespielt hat, daß /Knappe/ sich in diesen beiden Handwerksarten als einheitliche Bezeichnung durchgesetzt hat. In diesem Fall könnte Friebertshäusers Frage, ob "Berufs- und Sozialstrukturen sich in . . . (der) Wortgeographie spiegeln" (vgl. S. 123) bejaht werden. Bei einigen Berufsarten setzt sich im ersten Zeitraum /Geselle/ nicht oder kaum durch (nur das Ostmitteldeutsche macht eine Ausnahme), und auch im zweiten Zeitraum, in dem allgemein /Geselle/ gilt, steht bei diesen Berufen fast ausschließlich /Knecht/: bei Schuhmachern, Bäckern, Fleischern und Brauern (vgl. S. 152). Adelungs Feststellung, daß diese Berufe zu den ältesten gehören und ursprünglich "auf dem Lande getrieben" wurden, (s. Beleg S. 161) meint wohl das Richtige, muß aber ergänzt werden. Bäcker, 92 Brauer, Fleischer, Schuhmacher (und Müller ) gehörten seit der Frühzeit des Handwerks zu den unfreien Handwerkern, die mit den Produktionsmitteln der Feudalherren (hauptsächlich) für den Verbrauch ihrer Herren arbeiteten, 93 also keine eigenen Produktionsmittel besaßen. Ihre Produkte wurden nicht zu Waren. Nach der Entwicklung des städtischen Handwerks umfaßten diese Handwerksarten sowohl freie städtische als auch unmittelbar an den Feudalherren gebundene Handwerker, und bei diesen Handwerkszweigen blieb /Knecht/ erhalten - auch innerhalb des städtischen Handwerks. Adelung beschreibt die Verwendung von /Geselle, Knecht/ und /Knappe/ im wesentlichen so, wie sie durch das ausgewertete Material um 1730 belegt ist: /Geselle . . . bey den Handwerkern . . . , welche ihre Gehülfen Gesellen . . . nennen . . . , welche die Lehrjahre überstanden haben/ (1775) Adelung, Wb. 2,616. /Verschiedene Handwerker pflegen ihre Gesellen Knechte zu nennen; dergleichen sind die Brauer, Bäcker, Fleischer, Grobschmiede, Schuster
'Geselle'
161 und vor einiger Zeit noch die Bader. Daher der Brauknecht, Bäckenknecht, Fleischerknecht, Schmiedeknecht, Schuhknecht, Badeknecht. Die Handwerker, bey welchen dieser Gebrauch eingeführet ist, gehören unter die ältesten, welche noch vor Einrichtung der Städte auf dem Lande getrieben wurden/ ebd. 1659. /Knappe . . . Ein Gesell, bey verschiedenen Handwerkern, z. B. bey den Müllern und einmännischen Tuchmachern, deren Gesellen Mühlknappen, Tuchknappen, und auch wohl nur Knappen schlechthin genannt werden. Auch bey den Leinwebern führen sie an einigen Orten diesen Namen, . . . Auch die Bergleute werden Knappen oder Bergknappen, . . . die Arbeiter in den Salzkothen Salzknappen genannt/ ebd. 1654.
Da das Handwerk fast ausschließlich an die Stadt gebunden war, darf man vermuten, daß im Bereich des Handwerkerwortschatzes städtische Koines eine Rolle gespielt haben. Sicher gehörte die Schicht der handwerklichen Lohnarbeiter zu den Gruppen, die Träger dieser Existenzform der Sprache waren und an ihrer Ausbildung teilnahmen.
94
Die städtische Koine diente im tagtäglichen Leben als (mündliches oder schriftliches) 95 Kommunikationsmittel. Es ist mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß ein Wort, das von den Gesellenverbänden ausging und im wesentlichen durch wandernde Handwerker Verbreitung fand, zunächst in der mündlichen Kommunikation verwendet wurde, in der mündlichen Alltagsrede. Das dieser Arbeit zugrunde liegende Material bietet allerdings keine Anhaltspunkte für die Verwendung der untersuchten Bezeichnungen in der Alltagsrede. Funktionalstilistische Differenzierungen zwischen Amts- und Geschäftssprache und schöner Literatur sind bereits im ersten Zeitraum zu beobachten, gewinnen aber erst im weiteren Verlauf des Ausgleichsprozesses an Bedeutung. /Geselle/ setzt sich zwar zuerst in der Amts- und Geschäftssprache durch, aber nur in Gesellendokumenten (s. S. 137); insgesamt betrachtet ist /Geselle/ im ersten Zeitraum in 96 der schönen Literatur stärker vertreten als in der Amts- und Geschäftssprache. Eine Ausnahme bilden das Volksbuch "Eulenspiegel" und Paulis Schwanksammlung "Schimpf und Ernst"; hier dominiert /Knecht/ (vgl. S. 13397 f . ) . Man darf vermuten, daß in diesen literarischen Gattungen - ähnlich wie im Märchen - altes Wortgut länger erhalten blieb als in der übrigen schönen Literatur. Im Hinblick auf Pauli scheint diese Annahme gerechtfertigt zu sein, beim "Eulenspiegel" muß jedoch berücksichtigt werden, daß die niederdeutsche Vorlage von Bedeutung sein könnte. Es liegt also die Frage nahe, ob die überlieferte Fassung des Volksbuches im Hinblick auf den Wortschatz überhaupt als Quelle für das Westoberdeutsche um 1515 gewertet werden kann. Im Westoberdeutschen wurde im ersten Zeitraum der Unterguchungsgegenstand zwar zu 80, 8 % durch /Knecht/, zu 16,2 % durch /Geselle/
162
Elfriede Adelberg
und zu 3,0 % durch /Knappe/ abgedeckt (vgl. S. 134), es wurde aber bereits erwähnt, daß sich z. B. bei den Straßburger Kürschnern nach der Jahrhundertwende ausnahmslos /Geselle/ durchsetzte (vgl. S.137). Es wurde auch nachgewiesen, daß von 1500 bis 1530 /Knecht/ (53,8 %) und /Geselle/ (46,2 %) im Westoberdeutschen fast gleich stark vertreten sind (vgl. S. 134). Der "Eulenspiegel" gibt demnach nicht das Verhältnis der Bezeichntingen im Westoberdeutschen um 1515 wieder. Im Westniederdeutschen überwiegt dagegen von 1500 bis 1530 /Knecht/ (76,0 %; /Geselle/ 14,0 %; /Knappe/ 10,0 %). Dieser Befund bestätigt die Feststellung von Knust, der in seiner Eulenspiegel-Ausgabe auf "aus dem niedersächsischen Texte im hochdeutschen beibehaltene Wörter" hin98 weist. Allerdings ist im Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand zu berücksichtigen, daß der Eulenspiegel-Bearbeiter nicht zwangsweise /Knecht/ durch /Geselle/ ersetzen mußte, um verständlich zu bleiben. Beide Bezeichnungen waren im Westoberdeutschen des ersten Zeitraumes fast gleichermaßen geläufig, eine von ihnen konnte gewählt w e r den. Der Bearbeiter ließ hier im Volksbuch das alte /Knecht/ seiner Vorlage stehen. Gegen Ende des zweiten Zeitraums wird der Untersuchungsgegenstand in der Amtsund Geschäftssprache ganz überwiegend mit /Geselle/ bezeichnet (vgl. S. 143). Ein Beleg vom Ende des 18. Jahrhunderts zei§t, daß in Dokumenten der Gesellenverbände /Knecht/ in diesem Sinne nicht mehr verwendet werden konnte: /Ihr Knechte zu Bremen ihr Handwerk, wir haben hier vor Einigezeit gehört, dass die Meister zu Bremen Ihr als Knecht gehört. O ihr muss Euch alle Schämen für andern Handwerk Gesellen. Wir nönnen Euch nicht Gesellen Sonder als Schinderknöchte/ (1796) in: Jb. f. Nationalökon. u. Statistik 9 (1907) 143. Demgegenüber sind in der schönen Literatur beide Bezeichnungen fast gleichstark vertreten (vgl. S. 144); das Verhältnis unterscheidet sich kaum von dem des ersten Zeitraumes. In der schönen Literatur wurde /Knecht/ noch verwendet, als sich in der Amts- und Geschäftssprache schon längst /Geselle/ fest durchgesetzt hatte. Während im ersten Zeitraum soziolinguistische Differenzierungen entscheidend sind und auch geographische Differenzierungen eine gewisse Bedeutung haben, ist beides im zweiten Zeitraum nicht der Fall (vgl. S. 152); hier spielen bei der Verwendung der Bezeichnungen /Knecht/ und /Geselle/ funktionalstilistische Differenzierungen die 99 Hauptrolle. Der Prozeß beginnt im ersten Untersuchungszeitraum, und zwar scheinen sich funktionalstilistische Differenzierungen in dem Maße zu festigen, wie soziolinguistische und geographische Differenzierungen an Bedeutung verlieren. Determinativkomposita sind in beiden Zeiträumen als Berufsbezeichnung belegt (vgl. S. 153). Im ersten Zeitraum überwiegen/Geselle-/Komposita in denjenigen Berufsarten, in denen die frühesten /Geselle-/Belege anzutreffen sind: im Baugewerbe, im Kürschner- und Goldschmiedehandwerk. Hier wird das Bedürfnis nach Informationsgenauigkeit deutlich: Das Simplex /Geselle/ bezeichnete zu Beginn des ersten Zeitraumes
'Geselle'
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(mit Ausnahme des Ostmitteldeutschen) noch nicht eindeutig den Untersuchungsgegenstand, es mußte determiniert werden. Im zweiten Zeitraum, in dem allgemein /Geselle/ galt, wurde /Knecht/ fast immer durch die Berufsart näher bestimmt. Das Simplex, das im Bereich der Landwirtschaft nach wie vor seinen festen Platz hatte, war im Bereich des Handwerks nicht mehr eindeutig und mußte determiniert werden (Bäckerknecht, Fleischerknecht usw.). Es ist bezeichnend, daß als Sammelbezeichnung im zweiten Zeitraum fast ausschließlich /Handwerksgeselle/ gilt, /Handwerksknecht/ ist nur vereinzelt belegt.
164 4.
Elfriede Adelberg Bezeichnungen für den Untersuchungsgegenstand im Wortschatz der Gegenwart
/Knappe/ ist heute nur noch im Bergbau geläufig. ^ ^ Die Hauptbezeichnungen für den gelernten Handwerker in der deutschen Gegenwartssprache sind/Facharbeiter/ und /Geselle/. Belege vor der Jahrhundertwende zeigen den ursprünglichen Unterschied zwischen /Facharbeiter/ und /Geselle/: /Der Ausdruck Facharbeiter statt gelernter Arbeiter wird mit Vorbedacht gewählt. Es soll dadurch zum Ausdruck gebracht werden, dass es keineswegs immer gelernte Arbeiter sind, welche in einem bestimmten Fache Verwendung finden. Allerdings erwirbt ein dauernd mit bestimmten Verrichtungen betrauter Arbeiter mit der Zeit eine gewisse Fertigkeit, welche schliesslich der des gelernten Handwerksgesellen gleich kommen kann, aber er ist eben thatsächlich kein gelernter Geselle. / (1897) Hirschberg, Soz. Lage 232 f. Hirschberg betont, daß er /Facharbeiter/ nur für die Arbeiter in industriellen Groß-
102
betrieben verwendet; wenn er von gelernten Handwerkern spricht, wählt er /Geselle/. 1929 ist /Facharbeiter/ im Sinne von ' Handwerker mit abgeschlossener Lehre' belegt, und zwar sowohl für Arbeiter in Industriebetrieben als auch im Handwerk: /Gut ausgebildete Facharbeiter, das ist die Frage, mit der sich Handwerk und Industrie zu befassen haben, aber in nicht geringem Masse den Lehrling . . . und nicht zuletzt den Facharbeiter selbst angeht. / (1929) Schliebener, Tischler beruf 29. Nach 1945 gilt /Facharbeiter/ zunächst nur im Bereich der Industrie: /die Facharbeiter füllten wieder die Fabriksäle/ (1946) Heuss, Bosch 284. /Der junge Schweißer. Ein Fachbuch f. d. angehenden Facharbeiter/ (1955) Dt. Nationalbibliographie (A) 40 Nr. 2269. /Stand früher [ f ü r körperbehinderte Jugendliche] ein handwerklicher Beruf, wie die . . . Schuhmacherei, im Vordergrund, so wird heute in diesen [pflege-] Anstalten der industrielle Facharbeiter ausgebildet, der nach der Gesellenprüfung einen vollen Platz im Betrieb einnehmen kann./ (1961) Frankf. allg. Ztg. (9. 5.)6. /Insbesondere sollen sich die Köpenicker Kabelwerke . . . darauf konzentrieren, den Anteil der Facharbeiter an der Gesamtzahl der Produktionsarbeiter zu erhöhen./ (1963) Berl. Ztg. 88,12. 103 Im Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache wird neben dem industriellen .der landwirtschaftliche /Facharbeiter/ genannt, aber nicht der im Handwerksbetrieb tätige. Demgegenüber kann Wahrigs Definition auch auf das Handwerk bezogen werden:
'Geselle'
165 /Facharbeiter . . . Arbeiter mit abgeschlossener Lehre (in einem anerkannten Lehrberuf)/ (1968) Wahrig, Wb. 1193.
/Geselle/ ist in Wörterbüchern nur im Hinblick auf Handwerksbetriebe bezeugt: /Geselle . . . : Facharbeiter in einem Handwerksbetrieb, der die Lehrzeit erfolgreich abgeschlossen hat. Der G. entspricht dem gelernten Facharbeiter in der Industrie. / (1962) Meyers n. Lex. 3, 618 a . /Geselle . . . Facharbeiter in einem Handwerksbetrieb, der die Lehre e r folgreich abgeschlossen hat/ (1967) WDG 2,1560 b . 1 0 4 Bei den Wörterbuchbelegen aus der BRD fällt auf, daß /Facharbeiter/ nicht als Interpretament für /Geselle/ benutzt wird: /Geselle ( . . . Handwerk) Gehilfe nach Abschluß der Lehrzeit u. abgelegter Gesellenprüfung/ (1968) Wahrig, Wb. 1486. Im heutigen Sprachgebrauch der DDR ist /Facharbeiter/ die "berufliche Bezeichnung für Werktätige, die eine abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf 106
besitzen"
, d. h. einschließlich der handwerklichen Ausbildungsberufe: /Wir finden die Bezeichnung Facharbeiter nunmehr auch in allen Gesetzen und Verordnungen sowie in der Presse in bezug auf das Handwerk (' junge Facharbeiter eines Handwerksbetriebes', ND vom 17.11.1971, S. 8), was nicht ausschließt, daß diese in der Umgangssprache durchaus noch als Gesellen bezeichnet werden können. / (1972) Sprachpflege 21,182.
In der DDR dominiert demnach /Facharbeiter/ in der Amts- und Geschäftssprache und setzt sich auch in der Alltagsrede immer mehr durch. In der schönen Literatur herrscht /Facharbeiter/ vor, wenn Gegenwartsthemen behandelt werden107 (wenn die Handlung in der Vergangenheit spielt, kann nur /Geselle/ verwendet werden ): /Ella hatte ihm Ramuz als einen ausgezeichneten Chirurgen geschildert, und das war für Karl Birke [ Stahlwerker] Grund genug, ihm ebenso wie einem hervorragenden Facharbeiter zu begegnen. / (1957) Joho, Wendemarke 202. Die nächste Auflage des "Duden" wird den heutigen Gebrauch der Bezeichnungen /Geselle/ und/Facharbeiter/ sicher berücksichtigen. In der letzten Ausgabe (1974) steht unter /Geselle/ das nicht gerade glücklich gewählte Interpretament "ausgelernter Lehrling"'''®®, und /Facharbeiter/ ist überhaupt nicht gebucht.
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Elfriede Adelberg
Anmerkungen 1 Marx/E. (1956) 4,462; vgl. auch: Grundlagen d. marx. -lenin. Philos. (1971) 338; 414. 2 Die Fugger besaßen ursprünglich eine Weberwerkstatt. 3 Friebertshäuser in: Wortgeogr. (1968) 212 M. 4 Vgl. Mottek, Wirtschaftsgesch. 5 1 (1972) 202 f.; Singer, Montag (1917) 8. 5 Vgl. Guchmann, Weg 2 (1969) 64; Künßberg, Rechtsgeogr. (1926) 36; Gernentz, Niederdeutsch (1964) 66. 6 Eichhoff, Spr. d. nd. Reepschlägerhandwerks (1968) 100 f. - Vgl. jedoch die sehr weitgehende Differenziertheit der Bezeichnungen für /Fleischer/ und /Tischler/, S. 73 ff., 89 ff. 7 Vgl. Guchmann in: Allg. Sprachwiss. 1 (1973) 438. 8 Vgl. Fleischer in: Sprachpflege 18 (1969) 228; ders. in: Wiss. Zs. Päd. Hochschule Erfurt. Gesellschafts- u. sprachwiss. Reihe 7 (1970) H. 2,25. 9 S. S. 15. 10 Vgl. Schmieder, Arbeitsrecht 1 (1939) 112 f. 11 Er war aber nur "Schutzgenosse", nicht gleichberechtigter "Genosse der Meister". Vgl. Schönberg in: Jb. f. Nationalökon. u. Statistik 9 (1907) 140 ff. 12 Vgl. Stoklickaja-T., Nemeckij podmaster'e (1933) 12. 13 Marx/E. (1956) 19,214. 14 Bestimmungen dieser Art finden sich schon 1360 in den Zunftordnungen der Straßburger Schuhmacher; s. Knoll, Handwerksgesellen (1924) 33. 15 Fischer, Arbeitskämpfe (1933) 14; vgl. Marx/E. (1956) 19,191; 214. 16 Vgl. Stoklickaja-T., Nemeckij podmaster'e (1933) 50; 56. 17 Begrüßungs- oder Abschiedsgeschenk für wandernde Handwerker; vgl. *DWB 4, 1, 2, 3845; 8,2543; Mummenhoff, Handwerker (21924) 98. 18 Vgl. Mummenhoff, Handwerker (Z1924) 81 und Stoklickaja-T., Nemeckij podmaster'e (1933) 29 ff. 19 Vgl. auch Mottek, Wirtschaftsgesch. 1 (51972) 295. 20 Vgl. Strassb. Tucherzunft 453; 524 Sch. 21 Vgl. Knoll, Handwerksgesellen (1924) 51 ff. 22 Vgl. in: Zs. Gesch. Obrhein 17 (1865) 48. 23 Vgl. Strassb. Tucherzunft 524 f. Sch. und Schanz, Gesch. Gesellen-Verbände (1877) 60. 24 Vgl. Handwerksgesellendoc. 558 - 61, 564 - 72 R. 25 26 27 28 29 30
Wisseil, Recht (1929) 1,207 ff. Vgl. Below, Probleme d. Wirtschaftsgesch. (1926) 547 f. Vgl. Mottek, Wirtschaftsgesch. 1 (51972) 312 ff. Schanz, Gesch. Gesellen-Verbände (1877) 125; vgl. auch 1DWB 4,2,2380. Vgl. Mottek, Wirtschaftsgesch. 1 (51972) 107 ff. Vgl. Wissell, Recht (1929) 1,1 ff.
'Geselle'
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31 Vgl. Grundlagen d. marx. -lenin. Philos. (1971) 388. 32
Zum Gebrauch der Konkurrenten außerhalb des Handwerks vgl. 1 DWB 4 , 1 , 2 , 4 0 2 5 ff.; 5,1341 ff.; 1380 ff.
33 Vgl. Heyne, Handwerk (1908) 131 f. 34
Vgl. Anm. 10.
35 Vgl. Weigand/H., Wb.
5
1,1070.
36
1331 erhielten die Woll- und Leineweberknechte in Berlin einen /knappen-briff/; vgl. Knoll, Handwerksgesellen (1924) 47.
37
ul350 bei Konrad v. Megenberg/Perchknappen/; 1361 im Freib. Urkb. 2,16 als Simplex bezeugt; vgl. Wolf in: Wortgeogr. (1968) 426 M.
38
Vgl.: /ein schuster seinen gesellen neydet, / / ob er leders mer zesneydet./
39
DRW 4,490 f . ; Wolf in: Wortgeogr. (1968) 427 M.
40 41
Vgl. auch Stoklickaja-T., Nemeckij podmaster'e (1933) 6. Wie vor 1500, z . B . /zunfftgesellen/ (1486) Obrhein. Stadtrechte m 1,2, 587 (im Wörterbuch noch |_1691J Stieler, Stammbaum 2004; [1775] Adelung, Wb., nicht gebucht). /yren amptgesellen fampt = Zunftl ind broederen/ (1478) Qu. Gesch. Köln. Handel 2, 398. /min mitgeselle, noch niemantz anders unser amptzgnoissen/ (1493/4) Köln. Zunfturk. 2, 97 L.
42
Zum Beispiel /zunfftbrüder/ (1522) Pauli, Schimpf 103 LV. /Zunfft-Bruder/ (1724) Marperger, Vorher, v. Handwercks-Zunfften 16. /olderlude vnd gemene broder des boddekerampts/ (1526) Lüb. Zunftrollen 177 W. /Amts-Bruder/ (1722) Lüneb. Stadt-Recht 130. /Gilde-Bruder [Gilde = Zunft] / ebd. 131. Zum Beispiel /Handwercks-Genoß/ (1720) Samml. Württ. Regierungs-Gesetze 2,1202 Z. /Zunfftgenossen/ ebd. 1211. /daß sich . . . handwerchs zunften understehen ihre handwerchs genossene . . . zu straffen/ (l.H 18. Jh.) Öst. Weist. 12,370. /yres handwercks genossen/ (1530) Luther, W. 30, 3, 227 W. /gemeyne Genoten des Werkes ader der Guide/ (1481) in: Zimmermann, Märk. Städteverf. 2 (1838) 227.
(1350/70) Teichner 73, 27 DTM.
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Im Baugewerbe begegnet vereinzelt / l e r geselle/ (2. H 15. Jh.) Tucher, Baumeisterb. 50 LV, sonst sind immer Handwerker mit abgeschlossener Lehre gemeint.
45
Insgesamt 6 Belege, z . B . : wobd. / E s soll auch niemant dem andern kain knecht oder gesellen wider seinen willen weder haimen, ufenthalten noch abdingen/ (1522) Nördlinger Stadtrechte Ma. 323 M. omd. /Item ap ein knecht ader geselle von seynem meister zcu eynem andern meister czihen weide/ (1480) Qu. u. Urkb. Teplitz-Sch. 268 M. wnd. /Item idt schall ock na dissem daghe nhenn knecht offte geselle samptlick myt den meisteren umme de helffte des lones vorbynden offte helen. / (1519) Hamb. Zunftrollen 13 R.
46
Die Belege aus Tuchers Baumeisterbuch und aus dem "Eulenspiegel" werden bei dieser Gegenüberstellung nicht berücksichtigt; beide Quellen wurden zur Beantwortung spezifischer Fragen total exzerpiert; s. S. 133; 138.
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Elfriede Adelberg
47 Endres Tucher (1423 - 1507) war seit 1454 Mitglied des Nürnberger Stadtrates und wurde 1461 zum Baumeister der Stadt ernannt. Er hatte u.a. die oberste Kontrolle de: in Angriff genommenen Bauten und der mit den Arbeiten beauftragten Handwerker. 48 Die Belege entstammen den auswählend exzerpierten Quellen (s. S. 15). 49 Vgl. zu den Eulenspiegel-Belegen die Ausführungen S. 161 f. 50 Von den 10 auswählend exzerpierten Belegen dieser Quelle entstammen 3 dem Eulenspiegel. - Vgl. zu den Pauli-Belegen die Ausführungen S. 161. 51 Vgl. zum Einfluß des Omd. auf das Oobd. auch S. 107 f. 52 Vgl. zum Einfluß des Omd. auf das Ond. auch S. 107 f. 53 Es muß erwähnt werden, daß nur wenige Gesellendokumente erhalten blieben; die sogenannten Gesellenordnungen wurden überwiegend von den Zünften oder von den Stadträten erlassen. 54 Die Quelle wurde total exzerpiert. 55 Bei Belegen aus Gesellenordnungen ist es mitunter schwierig zu entscheiden, ob mit /Geselle/ der gelernte, abhängige Handwerker gemeint ist oder das Mitglied einer Gesellenvereinigung. Es wurden nur Belege ausgewertet, die eindeutig den Untersuchungsgegenstand bezeichnen. 56 Die Quelle wurde total exzerpiert und mit dem ebenfalls total exzerpierten Reichsabschied von 1731 verglichen; s. S. 158. 57 Es wurden insgesamt sieben Maurer - und Steinmetzen-Ordnungen von 1462 - 1628 (in: Wisseil, Recht [1929] 2, 685 - 726) total exzerpiert (347 Belege). In allen vertretenen Großlandschaften (westoberdeutsch, ostoberdeutsch, westmitteldeutsch, ostmitteldeutsch) steht ausnahmslos (100 %) /Geselle/. 58
Zur geographischen Einordnung des Beleges vgl. Anm. 51.
59 (1479) Schrägen Riga 298 S. /M. 60
(1491) in: DRW 4,493.
61 In: Zimmermann, Märk. Städteverf. 2 (1838) 107 - 128 (total exzerpiert). 62 Insgesamt 5 Belege. 63 Ganz vereinzelt (5 Belege) stehen die konkurrierenden Bezeichnungen als Doppelformeln, z. B.: / i s t ein purer Lohgerberknecht oder =geselle/ (1727) Bürgerb. Berl. 118 K. Vgl. auch / d a s s N. N. [ ein Rotgerber] gesell- oder knechtsweis auf seinem Handwerk in unserm Land arbeiten könne/ (1725) in: Schweiz. Id. 3,721. 64
Vgl. Anm. 52.
65 Mit dem Rückgang der Zünfte nimmt auch die Zahl der überlieferten Zunftdokumente ab. 66 Vgl.
/ s o werden dieselbe [ Handwercks-Gesellen] nach Unterschied ihrer Handwercke und auch der Oerter, wo sie sich aufhalten, Gesellen, Knappen, Knechte und Pursche genannt/ (1712) Marperger, Natur-Lex. 1442. /+Knechte. Heissen unter den Handwerckern der Schmiede, Becker, Fleischer und Schuster ihre Gesellen wiewol diese letzteren auch Schuhm. Gesellen wollenjjenennet werden/ (1722) Beier,Handlungs-Lex. 223 S.; s. auch ebd. 36 . Beiers Hinweis, daß auch die Schmiede /Knecht/ genannt werden, kann nicht bestätigt werden. Der Untersuchungsgegenstand ist im Schmiedehandwerk 15mal belegt und wird zu 66,7 % mit /Geselle/ und zu 33, 3 % mit /Knecht/ bezeichnet.
'Geselle'
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67 Zum Beispiel /Berg-Knapp/ . . . /Saltz-Knapp/ (1700) Kramer, pict. 1,805 , 805 . /knapp . . . ein Tuchknapp . . . Bergknappen . . . Muhlknappen . . . Salzknappen, qvod in aliis . . . opiüciis manuariis dicitur: Knecht et Gesell, ut: Schuhknecht, . . . Schneidergesel]/ (1691) Stieler, Stammbaum 990. 68 Vgl. auch /Knappen. Ist unter den Handwercks-Leuten der Gesellen Nähme . . . Zu mercken aber ist, daß dies Wort.... bey nahe, die Muhl-Knappen ausgenommen, denen Tuchmachern alleine [zukommt]] / (1722) Beier, Handlungs-Lex. 221 f. S. 69 Insgesamt 4 Belege. 70 Zum Ostniederdeutschen s. Anm. 52. Zum Ostoberdeutschen, wo /Knecht/ und /Geselle/ gleichstark vertreten sind, s. Anm. 51. 71 Wörterbuchbelege ausgenommen; s. Anm. 67. 72 Vgl. Semenjuk in: Allg. Sprachwiss. 1 (1973) 463. 73 Vgl. Marx/E. (1956) 19,191. 74 Vgl. Klaus, Spr. d. Politik (1971) 122; Fleischer in: Dt. als Fremdspr. 3 (1971) 131 u. 134 ; Schmidt in: Wiss. Zs. d. päd. Hochschule Potsdam 13 (1969) 2,461; Michel ebd. 2 , 505. 75 Vgl. z.B. den Belegs. 138. 76 Vgl. S. 126. 77 Vgl. Schanz, Gesch. Gesellen-Verbände (1877) 225 ff. 78 Vgl. Schanz, Gesch. Gesellen-Verbände (1877) 111 Anm. 3. - Die Quelle wurde total exzerpiert 79 Fischer, Arbeitskämpfe (1933) 10. 80 Schoenlank in: Jb. f. Nationalökon. u. Statistik, N. F. 19 (1889) 598. - Vgl. auch Wissell, Recht (1929) 1,151 und den Beleg bei Schanz, Gesch. Gesellen-Verbände (1877) 206. 81 In: Zs. Gesch. Obrhein 13 (1861) 16. 82 In: Schanz, Gesch. Gesellen-Verbände (1877) 199. 83 Wissell, Recht (1929) 1, 213. 84 Vgl. S. 157 - weitere Beispiele s. Schanz, Gesch. Gesellen-Verbände (1877) 28 ff. und Wissell, Recht (1929) 1,202. 85 Bürgerb. Cölln 19, 35, 37 G., 86 Schoenlank in: Jb. f. Nationalökon. u. Statistik, N. F. 19 (1889) 590. 87 In: Wissell, Recht (1929) 1, 554 - 568. - Beide Reichsabschiede wurden total exzerpiert. 88 Vgl. die Beleges. 136 f. 89 Vgl. S. 160; im zweiten Zeitraum vereinzelt auch bei Müllern, s. S. 148 f. 90 Vgl. Mottek, Wirtschaftsgesch. 1 (51972) 216 f.; 310 f. 91 Zunftordn. Krakau 53 B. 92 Die geringe Belegzahl (10) für das Müllerhandwerk im zweiten Zeitraum erlaubt keine Schlußfolgerungen; vgl. S. 149. 93 Vgl. Mottek, Wirtschaftsgesch. 1 (51972) 108 ff. 94 Vgl. Guchmannin: Allg. Sprachwiss. 1 (1973) 426 (s. auch S. 124 ).
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Elfriede Adelberg
95 Vgl. Guchmann in: Allg. Sprachwiss. 1 (1973) 435 f. 96 Vgl. S. 132 und 153. - Auch pejorativ, vgl. die Belege S. 133 (Brant und Eulenspiegel). 97 So steht z. B. 1812 im "Tapferen Schneiderlein" immer /Knecht/, nie /Geselle/. Jacob Grimm selbst spricht aber in einem Brief (1810) im Zusammenhang mit diesem Märchen von /-geselle/. Vgl. Grimm, Kinder- u. Haus-Märchen (1948) 87 u. 431 K. 98 Eulenspiegel x m HND; vgl. auch Gesch. dt. Lit. 4 (1961) 233. 99 Die beruflichen Differenzierungen können hier unberücksichtigt bleiben. Sie betreffen im zweiten Zeitraum nicht die beiden Hauptbezeichnungen, sondern (außer /Knappe/) nur /Knecht/ (vgl. S. 152). 100 Vgl. z. B. WDG 3, 2125; Wahrig, Wb. (1968) 2062. - Auf die Verwendung von /Knappe/ braucht nicht näher eingegangen zu werden. 101 Auch /Gehilfe/ wird ausgeklammert. Die Bezeichnung wurde Ende des 19. Jhs. in einigen Gewerben üblich (vgl. DWB 4,1,2,2555), spielt aber in der Gegenwart im Bereich des Handwerks kaum eine Rolle (ist jedoch noch in Wörterbüchern bezeugt, z.B. Meyers n. Lex. 3,108 , WDG 2,1499 , Wahrig, Wb. [1968] 1432). 102 Vgl. ebd. S. 233 ff. - /Geselle-/Belege z. B. S. 241, 243, 246, 254. 103 Vgl. WDG 2,1181 b . 104 Vgl. auch (1970) Wörter u. Wendungen 4 234 b . 105 Vgl. auch (1955) Mackensen, Wb. 3.322a; (1967) Pekrun, Wort 10 277 c ; (1970) Duden (Mannh.) Bedeutungswb. 286 . 106 (1972) Lex. Arbeitsrecht DDR 156a. - /Geselle/ ist nicht gebucht. 107 Entsprechende Belege fehlen allerdings im Material (es wurden die Archive des DWB und WDG benutzt). 108 (1974) Duden (Leipz.) 16 162 b . 109 Vgl. demgegenüber (1970) Duden (Mannh.) Bedeutungswb. 232c.
'Geselle'
171
Verzeichnis der für das Teilthema zusätzlich herangezogenen Sekundärliteratur und Quellen Below, Georgv.: Probleme der Wirtschafts-Geschichte. Tübingen 1926. Beschlüsse der Kannegießerämter von 15 Städten gegen die Gesellen (1573). In: Jb. f. Nationalökon. u. Statistik. 33 (1879). Bündnis der Schneiderzünfte von 20 oberrheinischen Städten gegen die Gesellen (1457). In: Zs. Gesch. Obrhein 13 (1861). Fischer, G. F . : Entwicklung und Taktik der gewerblichen Arbeitskämpfe. Dissertation Königsberg 1933. Fleischer, Wolfgang: Zur funktional-stilistischen Differenzierung der deutschen Schriftsprache. In: Sprachpflege 18 (1969) S. 225 ff. Grundfragen der Stilklassifikation unter funktionalem Aspekt. In: Wiss. Zs. d. Päd. Hochschule Erfurt/Mühlhausen. Gesellschafter und sprachwiss. Reihe. 7 (1970) Heft 2, S. 23 - 28. Ideologische Aspekte der Sprache. In: Deutsch als Fremdspr. 3 (1971) S. 131-136. Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart. Hg. von Klaus Gysi [ u . a . ] Bd. 4. Berlin 1961. Gesellschaftsstatute der Kürschnergesellen Freiburg 1468. In: Zs. Gesch. Obrhein 17 (1865). Grimm, Brüder: Kinder= und Haus=Märchen.Gesammelt durch d. Brüder Grimm. Berlin 1812. = Historische Ausgabe. Bd. 1. Berlin 1948. Grundlagen der marxistisch-leninistischen Philosophie. Berlin 1971. Ältere hamburgische und hansestädtische Handwerksgesellendocumente. Gesammelt und hg. von O. Rüdiger. In: Zs. d. Ver. f. Hamb. Gesch. N. F. 3 (1865). Hirschberg, Ernst: Die soziale Lage der arbeitenden Klassen in Berlin. Berlin 1897. Straßburger Knechteordnung (1465). In: Schanz, Zur Gesch. d. dt. Gesellen-Verbände. Leipzig 1877. Straßburger Knechteordnung (1473). In: Wissell, Recht 1 (1929). Knoll, Alexander: Geschichte der deutschen Steinmetzerbewegung. Berlin 1913. 2 Bde. Handwerksgesellen und Lehrlinge im Mittelalter. Berlin 1924. Marperger, Paul Jacob: Nothwendiger Vorbericht Von denen Handwercks-Zunfften o.O.o.J. [1724]. Michel, Georg: Zur Wertung sprachlicher Varianten in der Politik. In: Wissenschaftl. Zeitschr. d. päd. Hochschule Potsdam. Potsdam 13 (1969) 2, S. 499 - 507. Ordnungen: Ordenung der Steinmetzen (1515); Ordnung der Parlier und Gesellen mit Steinmetzen Handwerks (1563); Der Steinmetzen Brüderschafft Ordnungen (1563); Maurer- und Steinmetz-Ordnung (1628); Ordnung der Steinmetzen (1464); Ordnung der sächsischen Steinmetzen (1462/86): Handwerks-Ordnung der Maurer und Steinmetzen (1574). In: Wissell, Recht 2 (1929). Priuilegien der Schueknecht (ul516). In: Zimmermann, Märk. Städteverf. 2 (1838) S. 122 - 126.
172
Elfriede Adelberg
Reichsabschied Augsburg 1530; Reichsabschied Wien 1731. In: Wisseil, Recht 1 (1929) S. 502 - 504; 554 - 568. Schanz, Georg: Zur Geschichte der deutschen Gesellen-Verbände. Mit 55 bisher unveröffentlichten Documenten aus der Zeit des 14. - 17. Jahrhunderts. Leipzig 1877. Schliebener, W.: Der Tischlerberuf. Berlin 1929. Schmieder, E.: Geschichte des Arbeitsrechts im deutschen Mittelalter. Bd. 1: Leipzig 1939. Schmidt, Wilhelm: Zur Ideologiegebundenheit der politischen Lexik. In: Wiss. Zs. d. päd. Hochschule Potsdam. Potsdam 13 (1969) 2, S. 461 - 473. Schmoller, Gustav: Die Strassburger Tucher- und Weberzunft. Urkunden und Darstellung nebst Regesten und Glossar. Straßburg 1879. Schönberg, G.: Zur wirtschaftlichen Bedeutung des deutschen Zunftwesens im Mittelalter. In: Jb. f. Nationalökon. u. Statistik. 9 (1907) S. 1 - 72; 97 - 169. Schoenlank, B.: Zur Geschichte altnürnbergischen Gesellenwesens. In: Jb. f. Nationalökon. u. Statistik. N.F. 19 (1889) S. 337 - 395; 588 - 615. Singer, H. F.: Der Blaue Montag. Eine kulturgeschichtliche und soziale Studie. Nach den Zeitquellen. Mainz 1917. Sprachpflege, Zeitschrift für gutes Deutsch. Bd. 21: Leipzig 1972. Stieda, W. in: Jb. f. Nationalökon. u. Statistik. 33 (1879). Stoklickaja-TereXkovi?, Vera Veniaminova: Nemeckij podmaster' e XIV - XV vekov (Der deutsche Handwerksgeselle des 14. - 15. Jahrhunderts). Leningrad 1933. Verordnung des Stadtrats Freiburg gegen die Gesellen (1478). In: Zs. Gesch. Obrhein. 13 (1861).
' W A R E ' , 'KLEINHANDELSARTIKEL', ' B A R ' , 'MAKLER' WORTSCHATZUNTERSUCHUNGEN IM BEREICH DES HANDELS UND WARENVERKEHRS
Gerlinde Richter
1.
Einleitung
1.1.
Begründung der Wahl des Themas
Die Sprachgeschichtsforschung räumt dem Handel eine wichtige Rolle bei der Herausbildung einer Sprache mit überlandschaftlicher Geltung ein. Mit der Entwicklung und Ausbreitung von Handel und Warenverkehr geht die Herausbildung eines Netzes von Handelsstraßen parallel, die an die geographische Lage von Handels- und Gewerbezentren gebunden sind, wie auch Handels- und Gewerbezentren an Handelsstraßen entstehen. Auf diesen Straßen bringen die Kaufleute mit ihren Waren auch ihren Wortschatz in andere Gegenden, zu anderen Menschen und nehmen wiederum von ihnen mit neuen Waren neue Wörter aktiv auf und verwenden sie. * Andererseits müssen sie den Wortschatz des Partners zumindest so weit passiv kennen, daß sie sich verständigen können. Das gilt für den niederdeutschen wie für den oberdeutschen Kaufmann. Aktiver Gebrauch und passive Kenntnis müssen Hand in Hand gehen. Unter diesem Gesichtspunkt kommt den einzelnen 2 Handelszentren auch eine sprachliche Bedeutung zu". 1.2.
Untersuchungsgegenstand
Als Untersuchungsgegenstand wurden einige Begriffe ausgewählt, die in verschiedenen deutschen Sprachlandschaften ursprünglich mit unterschiedlichen Bezeichnungen benannt wurden. Untersucht werden die Begriffe ' Ware', ' Kleinhandelsartikel', ' bar' (vom Geld) und ' Makler'. Hierbei handelt es sich um kaufmännischen Wortschatz. Es wurden aber mit Bedacht solche Begriffe gewählt, deren Bezeichnungen - aus heutiger Sicht vor allem - gleichzeitig auch zum Allgemeinwortschatz gehören, also allgemein bekannt sind und gebraucht werden. Die Bezeichnungen sind weitgehend polysem (so bedeutet z.B. /Kaufmannschaft/ nicht nur 'Ware', sondern auch 'Handel' oder 'Gesamtheit der Kaufleute'); sie werden hier nur behandelt, sofern ihre Bedeutungen die gewählten Begriffe abdecken. Weitere Bedeutungen interessieren in der Regel nur, wenn sie für die Durchsetzung oder das Verschwinden der Bezeichnung wichtig sind. 1.3.
Besonderes zur Materialgrundlage und Methode
Die aus dem Quellenkorpus des Bandes gewonnene Materialgrundlage wird ergänzt durch das Material des Wörterbuchs der Kaufmannssprache von Schirmer. Zusätzlich wurde eine Reihe von Texten in Hinsicht auf die hier behandelten Bezeichnungen total exzerpiert. Es sind folgende Quellen: 1. Zeitraum: obfrk. (ostfrk.): Nürnberger Polizeiordnungen. wmd. (rip.): Quellen zur Geschichte des Kölner Handels, Bd. 2.
176
Gerlinde Richter 2. Zeitraum: obfrk. (ostfrk., Nürnberg): Erberg, Handels-Contor. wnd.: Lüneburg. Stadt-Recht.
Der Wortschatz des Handels und Warenverkehrs wird in erster Linie durch Kaufleute realisiert. Diese wiederum sind in ihrer schriftlichen Niederlegung, mit der wir es hier zu tun haben, vornehmlich in Städten konzentriert. Insofern ist es nur erklärlich, daß im Material häufig Texte aus bestimmten städtischen Handelszentren auftauchen. So wird z. B. das Ostfränkische durch Nürnberger und Würzburger Quellen, das Westmitteldeutsche in früherer Zeit weitgehend durch Kölner Quellen repräsentiert. Die durch die Totalexzerption der genannten Quellen gewonnenen Einsichten in die Häufigkeit bestimmter Bezeichnungen sollen Veränderungen im Gebrauch und Vereinheitlichungen der Bezeichnungen an einem konkreten Beispiel deutlich machen, natürlich immer in bezug auf das übrige Material aus der betreffenden Großlandschaft. Zählungen aus weiteren Quellen oder auch nur summarische Bemerkungen zum Gebrauch eines Wortes (vgl. z. B. Weinsberg, Meder) außerhalb dfer Zeiträume bieten zum Teil interessantes Vergleichsmaterial wie beispielsweise die Nürnberger Polizeiordnungen um 1300. In diesem Zusammenhang ist eine Anmerkung zu den Tabellen nötig. Da es sich bei den behandelten Wörtern weitgehend um Wortschatz handelt, der immer - auch im allgemeinsprachlichen Bereich - an eine bestimmte Situation und an einen bestimmten Kontext gebunden ist, erscheint es als ganz natürlich, daß die Wörter in entsprechenden Texten häufig, in allgemeineren Texten dagegen seltener oder nicht auftreten. So ist es beispielsweise nur in Kaufurkunden u. ä. Texten wichtig, ob ' bar' bezahlt wurde oder nicht. Das seltenere Auftreten der entsprechenden Bezeichnungen z. B. in der schönen Literatur muß nicht besagen, daß sie nicht üblich waren; es sei denn, neben ihnen stehen starke Konkurrenten. Die Ergebnisse der Tabellen sind nur unter Berücksichtigung dieser Beleglage zu verstehen. 1.4.
Historische Grundlagen
Eine Untersuchung des Wortschatzes von Handel und Warenverkehr berührt zugleich die Frage nach der konkreten historischen Situation des Handels in Deutschland in der hier 3 behandelten Zeit des entstehenden Frühkapitalismus. Es sei im folgenden ein grober Überblick skizziert, der nötig ist, um die sprachlichen Untersuchungen in den Zusammenhang von Sprache und Gesellschaft stellen zu können. Das Bild der Handelsbeziehungen in Deutschland stellt sich in der untersuchten Zeit etwa folgendermaßen dar: An der Spitze der oberdeutschen Städte steht im 15. Jahrhundert Nürnberg als. Erbe Regensburgs. Nürnberg nimmt vom Anfang des 14. Jahrhunderts bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts eine zentrale Stellung ein. "Hier schneiden sich verschiedene wichtige spätmittelalterliche Verkehrslinien; von den mittel- und
177
'Ware', 'Kleinhandelsartikel', ' b a r ' , 'Makler'
niederrheinischen Ländern zur Donau, von Oberitalien nach Mittel- und Norddeutschland, 4
von der Schweiz nach Böhmen, Schlesien und Polen. " Die Nürnberger Kaufleute stehen innerhalb Deutschlands an erster Stelle im Handel mit der Hanse (an der Spitze Lübeck). Lübeck und Nürnberg haben im Nord-Süd-Handel Köln und Regensburg in der Führung abgelöst. Köln bildet seit 5 dem Mittelalter ein weitgehend einheitliches Wirtschaftsgebiet mit Flandern-Brabant. Der Handel von Süden nach Norden und Osten umfaßt unter anderem orientalische Gewürze, Wein, italienische Seiden und Samt, die sogenannten Nürnberger "Pfennigwerte" (z.B. Messer, Schlösser, Waffen, Hausgeräte, Goldschmiedewaren), Metallwaren, Erzeugnisse der Ulmer und Augsburger Barchentwebereien, Tuche, Leinwand aus dem Bodenseegebiet (Konstanz, St. Gallen). Von Norden und Osten nach Süden werden Pelze, Wachs, Honig, Fische (besonders Heringe als Fastenspeise und Stockfische), Leder, Talg, Holz, Teer, Pech usw. gehandelt. Am Ende des 15. Jahrhunderts hat die Hanse ihre Blütezeit bereits hinter sich. Durch den innerhansischen Konkurrenzkampf, den Klassenkampf in den Hansestädten und den Beginn der Herausbildung der Nationalstaaten (z. B. England, Niederlande) wird ihre wirtschaftliche und politische Machtstellung erschüttert. Dazu kommen Verlagerungen der Handelswege. Seit dem 14. Jahrhundert steigt die Bedeutung Frankfurts am Main durch die Messen und damit die des Landweges von Norden nach Süden und von Westen nach Osten Uber Frankfurt. Gleichzeitig sinkt die Bedeutung der Sundschiffahrt. "Auf den Märkten der Mainstadt spielten sich im 15. und beginnenden 16. Jahrhundert die wesentlichsten Handelsbeziehungen zwischen dem Norden und dem Süden ab: in der einen Richtung nach Lübeck und in die Ostseeländer, in der andern nach den rheinischen Städten (Köln) und Flandern und über Flandern wieder ins hansische Kerngebiet... Die Hansen, die Niederländer und auch die Engländer tauschten ihre Waren mit den Konstanzern, St. Gallenern, Ulmern, Augsburgern, Nürnbergern aus. Die großen süddeutschen Handelsunternehmen . . . entsandten ihre Vertreter nach Frankfurt zum Einkauf und Verkauf. " Im 16. Jahrhundert bereits ist Leipzig ein wichtiger Stapelplatz für den Landhandel von Frankfurt und Nürnberg über Erfurt nach dem Osten (Breslau, Krakau und Frankfurt/Oder, Danzig). Die Leipziger Messen erhalten die gleiche Bedeutung für den Handel nach Osten wie die Frankfurter Messen für den Handel nach Westen. Die Rolle Lübecks übernehmen bis zu einem gewissen Grade Hamburg und Bremen.
178
Gerlinde Richter
2.
Wortschatzuntersuchungen zu einzelnen Begriffen
2.1.
Unspezifische Bezeichnungen für 'Ware'
2.1.1. Begriffsbestimmung Der Begriff '7W a r e ' , ' Produkt menschlicher Arbeit, das für den Kauf und Verkauf bestimmt i s t ' , kann durch die Bezeichnungen /Gut, Kaufmannschaft, Kaufmannschatz, Kaufmannsgut, Kaufschatz, Kram, Krämerei, Merze, Pfennigwert, Ware/ wiedergegeben werden. Einige von ihnen bezeichnen vorwiegend ' Kleinhandelsartikel' und ganz spezielle Handelsartikel (vgl. z. B. /Merze/ ' Nahrungsmittel' ). Sie decken also nur Teile des Begriffes ' Ware' ab und werden daher gesondert behandelt. Zu ihnen gehören /Kram, Krämerei, Merze, Pfennigwert/. Es sind die Dinge, mit denen der K r ä m e r g en détail handelt, im Gegensatz zum K a u f m a n n . Das Mittelalter unterscheidet zwischen diesen beiden sozialen Gruppen. Das schließt nicht aus, daß gauch ein Krämer Großhandel betreibt und ein Kaufmann sich mit Kleinhandel befaßt. Im Gegensatz zum Kaufmann, der vorwiegend Groß- und Fernhandel treibt, verkauft der Krämer seine Waren als Klein- oder Einzelhändler ambulant oder ortsgebunden in festen Buden oder Läden. Er ist auf bestimmte Waren oder auch auf eine bestimmte Menge von Waren festgelegt. Diese Warenarten sind jeweils in den Satzungen der lokalen Krämerinnungen aufgeführt. Vorerst interessieren jedoch nur die u n s p e z i f i s c h e n Bezeichnungen für ' W a r e ' , 2.1.2. Zeitraum 1470 - 1530 Das Material umfaßt 661 Belege. Es sind folgende Bezeichnungen in Gebrauch: /Gut, Kaufmannschaft, Kaufmanns chatz, Kaufmannsgut, Kauf schätz, Ware/. Von diesen sind/Gut/und sein Determinativkompositum /Kaufmannsgut/ in allen Großlandschaften als Bezeichnung für die ' Ware des Kaufmanns' bekannt. /Kaufmannsgut/ ist allerdings durchschnittlich häufiger im Westen des deutschen Sprachgebiets bezeugt als im Osten. ** Stellvertretend seien Belege aus folgenden Landschaften genannt: wobd.
oobd.
/ d a s guot waer langost vercoufft/ (1477) Handelsakten Ma., Neuzeit 3, 57 Ak. /m8ß ein . . . jeder den zoll usrichten wie ein frembder . . . , das si unbillich bedunke, vermeinend, wölcher darüber . . . fare, so nit koufmansgut fure, zollfry zu sin/ (1525) Bauernkrieg, Aktenbd. 314 F. /von allem guet und kauffmanschacz, so sew werden kauffen zw Constantinopel/ (1499) Unrest, Öst. Chr. 87 MGH. / e s sein wein oder annder kauffmansgut/ (vi 519) Urk., Br, Maximilian I. 373 LV.
wnd.
/deme kopmanne, de eme zine gudere na Flandern . . . ingeschepet hadde/ (1472) Lüb. Ratsurteile 1,97 E.
'Ware', 'Kleinhandelsartikel', 'bar', 'Makler'
179
/andere koepmans guder alse heringk unnd lakene/ (1502) ebd. 2, 50 E. ond.
/ E s quamen ausz Reussen vil Littawen . . . mit den guttern . . . auf den jarmarckt gen Danntzke/ (1510/30) Granau, Preuss. Chr. 1, 617 P. /hat sich der Kawffmann bewilligt alle . . . ir Kawfmansguter durch die Marek geen zu lassen/ (1513) in: Zimmermann, Märk. Städteverf. 2(1838)299.
/Gut/ hat jedoch einen größeren und allgemeineren Geltungsbereich, da es auch 'Vermögen' und ' Besitz' schlechthin heißen kann.
12
Es ist somit nicht ausschließlich
auf das Gebiet der Kaufmannssprache beschränkt. Oft steht es - vielleicht auch aus 13 diesem Grunde - als ein Glied in mehrgliedrigen Formeln , deren (meist) zweites Glied die speziell kaufmannssprachliche Bezeichnung enthält, sozusagen präzisierend wirkt, wie z. B . : omd.
/allirlei kauffmanschatz, gut vnndwahr/ (1475) Urkb. Meissen 4, 86 G. oder
oobd.
/deß . . . guets oder kaufmannschaft/ (1482) Öst. Weist. 6, 82.
/Kaufmannsgut/ ist außer Bezeichnung für ' Ware' zugleich eine Wertmarke für diese Ware; es ist Bezeichnung für ' einwandfreie Ware', die dem Gewerbe und Ruf eines Kaufmanns würdig ist, und nur diese darf verkauft werden: wobd.
/[Garn, das] nit für gut kauffmannsgut geachtet wird, das sollen sie macht
omd.
/der Rath s o l l . . . zwene Rathsgeschworne zu fischauern . . . setzen, die
haben aus diser statt zeschaffen/ (1495, Augsb.) Chr. dt. Städte 34, 239. sollen die . . . Heringe vnter einheimischen und frembden feilhändlern uf ihren Eydt schauen, ehe man etwas darvon verkaufft, und was nicht Kaufmansgutt ist, das verbiethen und nicht zulaßen/ (1487) Beytr. dt. Recht 2,104 W. Diese Nuance schwingt in den meisten Belegen mit, bzw. tritt sogar häufig in den Vordergrund; sie fehlt aber in den Belegen, die /Kaufmannsgut/ im Plural verwenden: vgl. oben die Belege von 1502 und 1513. Auch /Ware/ ist in allen Großlandschaften bekannt und in Gebrauch, z. B . : wobd.
/wer jemant der valsch wurtz oder spetzerige-wahr . . . hie hette/ (1470) Strassb. Zunft-Verordn. 309 B.
obfrk.
/ E s s o l . . . soliche wäre annderswo nyndert gewegen werden/ (El 5. Jh.) Nürnb. Polizeiordn. 128 LV.
omd.
/Stapel mit grosser und kleiner wahr/ (1507) Leipz. Ordn. (1701) 7.
wnd.
/von aller und jeder kauffmanschatz, waar, habe . . . / (1475) in: W. Richter, Paderborn (1899) 1, Anh. XC. 14
Auffallend gering ist die Bezeugung im Ostniederdeutschen;
sonst ist /Ware/
gegen Ende des Zeitraumes entweder gut bezeugt in den einzelnen Großlandschaften (ostoberdeutsch, oberfränkisch, westmitteldeutsch, westniederdeutsch) oder sogar
180
Gerlinde Richter
als die vorherrschende Bezeichnving im Material belegt (westoberdeutsch, ostmitteldeutsch). Luther ändert in seiner Bibelübersetzung das ursprünglich geschriebene /Kaufmannschaft/ in /Ware/: /die brachten fissch vnd allerley wahr/ £ vorher /kauffmanschafft/j vnd verkaufftens/ (1523) Luther, Bibel 1, 379 W. In den mit 'Ende 15. Jh.' zu datierenden total exzerpierten Nürnberger Polizeiordnungen erscheint /Ware/ bereits überwiegend (25mal), /Gut/ (5mal) und/Kaufmannschaft/ (5mal) nur noch selten; dazu 2mal /Kaufmannschatz/ (vgl. auch S. 185). Im Westmitteldeutschen (Ripuarischen) ist neben /Ware/ noch die dort ursprünglich übliche Bezeichnung /Kaufmannschaft/ gut vertreten, wie unter anderem eine total exzerpierte westmitteldeutsche Quelle bezeugt. Aus den "Quellen zur Geschichte des Kölner Handels", Bd. 2, wurden von 1470 bis 1500 18 Belege für /Kaufmannschaft/ und 34 Belege für /Ware/ exzerpiert (vgl. dazu S. 185). In ihrer Verteilung mehr (oder ausschließlich) auf den hochdeutschen Sprachbereich orientiert sind /Kaufmannschaft, Kaufmannschatz/ und /Kaufschatz/. /Kaufmannschaft/ ist vorwiegend hochdeutsch, hauptsächlich oberdeutsch (etwa 2/3 aller Belege) bezeugt (zum Westmitteldeutschen siehe oben): oobd. /ein ieder gast, der kaufmanschaft herpringt, als eisen, s t a c h e l . . . / (E15. Jh.) Öst. Weist. 5,479. obfrk. /derselb [Kaufmann] ist mit kauffmanschafft geschifft gen allexandria/ (1472) Eyb, Dt. Sehr. 1, 64 H. wmd. /koufmanschaft... zo marte zo brengen/ (1470) Qu. Gesch. Köln.Handel 2,253 K. Auf ostmitteldeutschem und niederdeutschem Gebiet ist es weniger gut bezeugt: omd. /jegliche Personen, so die vorgemeldten Jahrmarckte mit ihren Kauffmannschafften, Haben, Gutern besuchen/ (1497) Leipz. Ordn. (1701) 4. wnd. /we lantkop deyt, de schal syn varnde gud unde kopenschop vorbroken hebben/ ond.
(1470) Lüb. Urk. 1 11, 693. /nemandt schall jenigerley kopenschop schepen anderswor den in unser stadt havene/ (1480) Meckl. Wb. 4, 547.
/Kaufmannschatz/ ist vorwiegend westoberdeutsch belegt; etwa die Hälfte aller Belege fallen in diese Sprachlandschaft: /was kouffmanschatz in das kouffhuß zu verkouffen kompt/ (1498) Obrhein. Stadtrechte m 1, 2, 985. Hier, wo es von Anfang an gut belegt ist, hält es sich auch verhältnismäßig lange. Es wird z. B. von elsässischen Schriftstellern bis in die 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts
'Ware', 'Kleinhandelsartikel', 'bar', 'Makler'
181
hinein immer noch benutzt, obwohl sie daneben schon zum neuen Wort /Ware/ über15 gegangen sind, so von Geiler, Murner, Wickram. Das beweist, daß /Ware/ in dieser Zeit bereits so weit Allgemeingut ist, daß es in der schönen Literatur durchaus gebräuchlich ist. In allen anderen Großlandschaften erscheint /Kaufmannschatz/ dagegen seltener; am geringsten ist die Bezeugung im Ostoberdeutschen, wo /Kaufmannschaft/ überwiegt: oobd.
/hiet aber der erste chaufman dieselbe chaufmaschatz [ ! ] pracht in sein
wmd.
/Man fant . . . schiffe uff dem mere mit kouffmanschattze/ (ul500) Gersten-
wnd.
/diejhenen, so dieselben jarmerckt mit jren kauffmannsschatzen, waar, hab
haus/ (16.Jh.) Öst. Weist. 5,310. berg, Chr. 252 D. vnd guetern . . . besuchen/ (1521) Urkb. Braunschw. 1,295 H. /Kaufschatz/ ist nur hochdeutsch belegt (2/3 der Belege westoberdeutsch, 1/3 ostoberdeutsch); es scheint bereits zu Beginn des 16. Jahrhunderts kaum noch gebräuchlich gewesen zu sein: oobd.
/kauffleytt vnd auslender, . . . , die das lanndt Osterreich mit jrm kaufschatz berürn/(ul512) Urk., B r . Maximilian I. 364 L V . 1 6
Tabelle 1 Der Anteil der Konkurrenten in den einzelnen Großlandschaften und im Gesamtgebiet für den Zeitraum 1470 - 1530 (in Prozenten) oobd.
obfrk.
wmd.
omd.
wnd.
ond.
Gesamtgebiet
Gut
24,8
20,8
7,4
31,7
16,0
47, 5
52,3
32.1
Kaufmannschaft
13,1
37, 5
17,0
22,2
5,3
5,6
6,8
13.2
Kaufmannschatz
22,2
CO
wobd.
9,8
6,4
14,7
6,1
18,2
11,7
Kaufschatz
1,3
1,4
Kaufmannsgut
9,8
6,9
36, 5
14.3
6,7
9,9
,6,8
11,0
28,8
29,2
29,3
25.4
57, 3
30,9
15,9
31, 5
Ware
0, 5
2.1. 3. Zeitraum 1670 - 1730 Das Material umfaßt 543 Belege. Es sind folgende Bezeichnungen in Gebrauch: /Ware/ herrscht eindeutig im gesamten Sprachgebiet vor (etwa 5/6 gegenüber etwa 1/6 anderer Bezeichnungen). oobd.
/Kram-Lfden, woselbst die Waaren zur Schau ausgeleget werden, die Kauffer damit anzulocken/ (1711) Ollapatrida 166 WND.
Gerlinde Richter
182
wmd. wnd.
/einige Juden . . . , die . . . [ ihm] alle seine gefundene Waaren abhandelten/ (1690) Happel, Academ. Rom. 176. /abgeladene Waaren/ (1722) Lüneb. Stadt-Recht 165.
Das Handels-Contor des Nürnberger Sprachmeisters Erberg von 1705 verzeichnet 88 Belege für /Ware/, nur noch 2 (sichere) für /Kaufmannschaft/. Das Lüneburgische Stadtrecht benutzt ebenfalls meist /Ware/ (37 Belege), daneben auch häufig /Gut/ (28 Belege). /Gut/ und /Kaufmannsgut/ sind im gesamten Sprachgebiet belegt, aber beide Bezeichnungen weisen weitgehende Bedeutungsspezialisierungen auf. Es ist auffällig, daß / Gut/ schon früh kaum verwendet wird, wenn z. B. die einzelnen Verkaufsartikel des 17 Händlers gemeint sind. Vielmehr scheint /Gut/ häufig 'Engrosware' zu bezeichnen, die über große Strecken transportiert wird, 'Versandtgut, Fracht». Eindeutig sind Belege des 18. Jahrhunderts in diese Richtung zu interpretieren: oobd. /Last-Trlger . . . , die Guter nach dem Marckt, der Waage, und dem KauffHause, oder aber nach denen abgehenden Schiffen bringen/ (vl709) Abraham a S. Clara, Etwas (1699) 2,49. obfrk. /Ursach der langsamen Spedition der Guter/ (1705) Erberg, Handels-Contor 1,168.
wmd.
/Will mit seinem Schiff nach Coblentz fahren, und suchet Persohnen und Güter/ (1721) Leben in Frankf. a. M. 1,14 B. /Gut/ hat also im zweiten Zeitraum eindeutig eine andere Bedeutungsnuance; es ist nicht generell gleichzusetzen mit /Ware/, obwohl /Gut/ bei Adelung, Wb. 2 (1775) 854 auch in der Bedeutung 'Ware' verzeichnet ist und auch sonst noch in dieser Bedeutung gebraucht wird, 18 z. B.: Q
wobd.
/verkaufft... seine Waaren und Guter mit grossem Profit/ (1720) Vischer, Robinson Crusoe (Leipz.) 2,) (5b. omd. /Der Kaufman war nur von der Leipziger Messe kommen und hatte viel Gut mitgebracht, welches Er den folgenden Tag auszupacken vorgab/ (1679) Riemer, Maul-Affe 16. wnd. / die Factorn, welche die abgeladene Waaren oder Güter in ihre Häuser legen/ (1722) Lüneb. Stadt-Recht 165. /Kaufmannsgut/ ist noch im 18. Jahrhundert als Bezeichnung für 'Ware' üblich, 19 fungiert aber auch weiterhin als Wertmarke. In neutraler Bedeutung: obfrk. /Kauf-Leut..., die allerley Waaren und Kauifmanns-Gütter in ihre Hand und Gewalt allein zubringen unterstehen/ (1699) Zoll-Vertheidigung (Ansbach) 143. wnd. /alle Kauffmanns-Güter, die keinen Herrn haben, sondern . . . um das Kauff-
'Ware', 'Kleinhandelsartikel', 'bar', 'Makler'
ond.
183
Hauß herliegend befunden werden/ (1722) Lüneb. Stadt-Recht 164. /die Schwedische Capres haben . . . ein Colberger mit Kauftmans-Güthern ausgelauffenes Schiff weggenommen/(1715) Berl. geschr. Ztg. 293 F.
Als Wertmarke: wobd. /sollen die geschworene schawmeister . . . die hüet, nicht allein ob sie mit hundshaaren vermüscht, sondern auch ob sie auch sonst kaufmansgut gemacht, besichtigen/ (1672) Obrhein. Stadtrechte m 1,2,722. obfrk. /Güter, . . . die nicht aufrichtig Kauffmanns-Gut... seyn/ (1708) Marperger, Kauffmanns-Magazin 320. omd. /wenn ein Käuffer klagt, daß die ihm verkauffte Waare nicht Kauffmanns-Gut gewesen/ (1722) Beier, Handlungs-Lex. 209 . /Kaufmannschaft/ erscheint vereinzelt im Oberdeutschen und Westniederdeutschen, z.B.: oobd. /daß alle Bezahlungen sowohl für Kauffmannschafften, als Wechsel, in guten . . . Müntz-Sorten . . . gescheher/ (17. Jh. ?) Corp. jvr. Cambialis 1, 587 S. obfrk. /Schiffe, welche ausserhalb Landes a r r e s t i r e t . . . werden, von solchen soll man, der darinn geladenen . . . unverderblichen Waaren halber, erst nach 6. Monaten . . . einen Abandon thun; M i t . . . verderblichen Kauffmannschafften aber darff der Versicherte so lange nicht warten/ (1708) Marperger, Kauffmarnls-Magazin 103 und öfter, wnd. /alle . . . Sorten der Waaren und Kauffmannschafften zu taxiren/ (1692) Hzgter. Bremen u. Verden Policey-Ordn. (1732) 509. Tabelle 2 Der Anteil der Konkurrenten in den einzelnen Großlandschaften und im Gesamtgebiet für den Zeitraum 1670 - 1730 (in Prozenten) wobd. 2, 9 Gut Kaufmannschaft Kaufmann2,9 schatz Kaufmanns- 14, 3 gut Ware 79, 9
oobd.
obfrk.
8, 7
14, 9
4,4
4,5
wmd.
omd.
wnd.
ond.
7,0
4,0
24,8
5,8
2,0
Gesamtgebiet 12,0 1,5 0,2
4,4
11,9
7,0
4,0
2,0
3,8
5,0
82, 5
68, 7
86,0
92,0
71,2
90,4
81,3
184
Gerlinde Richter
2.1.4. Vergleich der untersuchten Zeiträume und Schlußfolgerungen Der 1. Zeitraum weist mit/Gut, Kaufmannschaft, Kaufmannschatz, Kaufmannsgut, Kaufschatz/ und /Ware/ eine große Vielfalt an Bezeichnungen für den Begriff ' Ware' auf. Von diesen gelten /Gut/ und /Kaufmannsgut/ im gesamten Sprachgebiet. Eine solche weitgehend gleichmäßige Verbreitung erringt auch das ursprünglich niederdeutsche Wort /Ware/ bis gegen Ende des 1. Zeitraumes und tritt damit gleichgewichtig im Hochdeutschen neben die ursprünglich dort (speziell im Oberdeutschen) heimischen Bezeichnungen /Kaufmannschaft/ und /Kaufmannschätz/. Das nur vereinzelt hochdeutsch belegte /Kaufschatz/ ist ohne Bedeutung. Im 2. Zeitraum hat sich diese Vielfalt auf eine Bezeichnving reduziert. Von den im 1. Zeitraum gebräuchlichen Bezeichnungen hat sich /Ware/ gegen alle anderen Konkurrenten durchgesetzt. /Kaufmannschaft/ erscheint noch vereinzelt bis in den Anfang des 18. Jahrhunderts im Oberdeutschen (ostoberdeutsch und oberfränkisch). /Kaufschatz/ ist nicht mehr belegt, /Kaufmannschatz/ so gut wie nicht mehr belegt (für 1700 noch 1 Beleg im Schweiz. Id. 8, 1656). /Gut/und/Kaufmannsgut/erfahren Bedeutungsspezialisierungen (siehe oben). Der Vergleich der beiden Zeiträume ergibt, daß die Vielfalt des ersten Zeitraumes im 18. Jahrhundert verschwunden ist; der Umbruch vollzieht sich zwischen den beiden Zeiträumen, um die Mitte des 16. Jahrhunderts. In der 2. Hälfte des 16, Jahrhunderts ist /Ware/ in allen Großlandschaften allgemein verbreitet und nach der Aussage des untersuchten Materials etwa seit 1670 allein übliche Bezeichnung. Dieser Stand wird durch Adelung weitgehend bestätigt; er repräsentiert zugleich den Gebrauch der Gegenwart. Tabelle 3 Gegenüberstellung der Anteile der Konkurrenten für das Gesamtgebiet in beiden Zeiträumen (in Prozenten) Zeitraum 1470 - 1530
Zeitraum 1670 - 1730
Gut
32.1
12,'0
Kaufmannschaft
13.2
Kaufmanns chatz
11,7
1,5 0,2
Kaufschatz Kaufmannsgut Ware
0,5 11,0
5,0
31, 5
81,3
'Ware', 'Kleinhandelsartikel', ' b a r ' , 'Makler'
185
/Ware/ gilt seiner frühesten Bezeugung nach als ein niederländisch-niederdeutsches 20 21 Wort; es ist bereits für die Zeit um 1250 im Mittelniederländischen belegt. 1290 erscheint es bei dem aus niederdeutschem Gebiet stammenden Rumsland v. 22 23 Sachsen, aber in einem hochdeutschen Text. Die eindeutig niederdeutsche Bezeugung des Wortes setzt ziemlich spät ein (1. Hälfte des 14. Jahrhunderts), man rechnet aber 24 damit, daß es bereits früher gebräuchlich war. Vorläufer einer hochdeutschen Bezeugung treten in mitteldeutschen Testen auf, so z. B. um 1350 in Nordhausen, 1352 in Köln; noch früher aber schon 25 im Ostostmitteldeutschen (seit der 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts im Schlesischen). Erst seit der Mitte des 15. Jahrhunderts erscheint /Ware/ auch in oberdeutschen Texten, so z. B. in so wichtigen Handelszentren wie Nürnberg, 26
Wien, Straßburg. Es breitet sich allmählich in der Auseinandersetzung mit den vorwiegend hochdeutsch, besonders oberdeutsch heimischen und üblichen Bezeichnungen /Kaufmannschaft/ und/Kaufmannschatz/ aus. Sie werden durch das seit Mitte des 14. Jahrhunderts etwa aus dem Norden eindringende Wort /Ware/ ersetzt. Der Gebrauch der einheimischen Wörter ist um die Mitte des 16. Jahrhunderts so stark zurückgegangen, daß man sagen kann, das neue Wort /Ware/ hat sich in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts allgemein durchgesetzt und seine Konkurrenten beiseite gedrängt. Zur Illustration sei erinnert an die Belegung in den Nürnberger Polizeiordnungen aus dem Ende des 15. Jahrhunderts (vgl. S. 180). In den mit ' u m 1300' zu datierenden Nürnberger Polizeiordnungen wird /Ware/ nicht benutzt, dafür aber /Gut/ (19mal) und /Kaufmannschaft/ (7mal). 1444 ist /Ware/ erstmals mit /rauher war/ (vgl. Anm. 2726) in der Nürnberger Chronik belegt. Im Handelbuch des Nürnbergers Lorentz Meder , 1559 in Nürnberg erschienen, steht in der Regel /Ware/, nur gelegentlich /Kaufmannschalt/ (3mal) oder /Kaufmannschatz/ (5mal). Im zweiten Zeitraum hat sich /Ware/ endgültig durchgesetzt (vgl. dazu auch das Beispiel Erberg auf S. 182). Dasselbe zeigt das westmitteldeutsche (ripuarische) Beispiel (vgl. S. 180). Aus dieser Quelle wurden noch für die Zeit von 1450 bis 1469 10 Belege für /Kaufmannschaft/ und nur 5 für /Ware/ exzerpiert (/Kaufmannschatz/ ist nicht benutzt). Im ersten Zeitraum hat /Ware/ im Vergleich dazu an Verbreitung zugenommen (vgl. S.28179 f.). In einer späteren westmitteldeutschen (ripuarischen, Kölner) Quelle (Weinsberg
, Denkw., 1561-97) erscheint
/Kaufmannschaft/ nicht mehr, dafür nur noch / W a r e / . Das gesamte Material verzeichnet für die Zeit nach 1530 noch 29einen eindeutigen Beleg für /Kaufmannschaft/ im Westmitteldeutschen (Hessischen) . Wie das Material bezeugt, ist /Ware/ zwar bereits bis gegen Ende des 1. Zeitraumes in einzelnen Großlandschaften zahlenmäßig stärker belegt als jeder seiner Konkurrenten (z. B. im Westoberdeutschen, Oberfränkischen £ einschließlich der Totalexzerption] und Ostmitteldeutschen); um sich endgültig durchzusetzen, hat es aber noch ein Jahrhundert gebraucht. Worin sind nun die Gründe für die Verdrängung der anderen Bezeichnungen zu suchen?
Gerlinde Richter
186
Es scheint, daß /Ware/ gegenüber seinen Konkurrenten ein besonders geeignetes Wort war. Es war monosem, daher in seinem Gebrauch eindeutig, während z. B. /Kaufmannschaft/ polysem war. Außer ' Ware' bedeutet es noch ' Handel* (/Käufmannschaft 30 31 treiben/ ' handeln') und - so noch heute - ' Gesamtheit der Kaufleute' . Auch /Käuf32 mannschatz/ (oder /Kaufschatz/) kann in der Bedeutung ' Handel' erscheinen. Das 33 monoseme Wort /Ware/ ist ökonomischer. Man kann sagen, daß die Benutzer dieses Wortschatzes zuerst die Fachleute (in diesem Falle Kaufleute) waren, die seiner bedurften, und daß sie wesentlich zu seiner Verbreitung beigetragen haben, einfach unter dem Zwang, sich mit Handelspartnern eindeutig verständigen zu müssen. Die ersten hochdeutschen Belege für /Ware/ entstammen städtischen Zentren, in denen sich Lokalhandel (Handel mit dem unmittelbaren Hinterland), Fernhandel und Gewerbe konzentrieren (vgl. die Belege Anm. 25). Sehen wir uns die Texte an, in denen das Wort /Ware/ im Hochdeutschen zuerst erscheint: In der Hauptsache sind es Verordnungen und Urkunden, die Bestimmungen über Kauf und Verkauf im Handelsbereich enthalten. Texte der 34 schönen Literatur bezeugen es anfangs selten, mehr zufällig, z. B. (1473) Steinhöwel ; es erscheint in Fachtexten, in Lehrbüchern und in kaufmännischen Aufzeichnungen. In diesem Zusammenhang ist der Gebrauch in den Nürnberger Polizeiordnungen als amtlichem Dokument mit amtlich üblichem, anerkanntem Wortschatz von besonderer Bedeutung, ebenso der Gebrauch in den Fachbüchern, z. B. bei Meder und Erberg (siehe oben, S. 185 und 182). /Ware/ erscheint - von der geringen frühen Bezeugung in der schönen Literatur abgesehen - zuerst als ein fachgebundenes Wort der Kaufleute. In dem Maße, in dem es allgemein gebräuchlich und bekannt wird, verliert es seinen spezifischen Charakter, und seine Verwendung in nichtfachlichen Texten nimmt zu. Es erscheint zuerst noch im Nebeneinander mit der älteren, üblicheren Bezeichnung (vgl. die westoberdeutschen Belege Anm. 15), bis es auch hier allein steht. Es ist anzunehmen, daß /Ware/ mit den Kaufleuten ursprünglich als ein hansisches Wort nach Süden gekommen ist. Seine Ausbreitung scheint vom Gebrauch in den bedeutenden hochdeutschen Handels- und Gewerbezentren begünstigt worden zu sein. 2.2.
Bezeichnungen für ' Kleinhandelsartikel'
2.2.1. Begriffsbestimmung Wie bereits bei 'Ware' (S. 178) erwähnt, wird zwischen der Ware des Kaufmanns und der des Krämers unterschieden. Wir nennen die Ware des Krämers (des Klein- oder Einzelhändlers) ' Kleinhandelsartikel' und meinen damit die Warenart und die Art und Weise, die Ware zu verkaufen. "Von den Kaufherren . . . (mercatores) . . . unterschieden sich die Kramer (institores) weniger durch den Gegenstand als vielmehr durch die Art
'Ware', 'Kleinhandelsartikel', 'bar', 'Makler'
187
und Weise ihres Handels. . . . während . . . die Kaufleute in ihren Gewölben an keine Beschränkung in dem Umfang ihres Handels . . . gebunden waren, durften die Kramer ihre Waren in fremde Städte nur zu den Jahrmärkten bringen, und daheim waren ihnen zwar größere Geschäfte nicht verboten, aber für gewöhnlich verkauften sie in ihren Kramen und Buden oder auf ihren Ständen auf dem Marktplatz die sogenannten Pfennigwerte, d. h. sie waren . . . verpflichtet, ihre Waren in bestimmten geringen Mengen . . . an die Käufer abzugeben." 35 Nach den Aufzählungen in Satzungen der verschiedenen Krämerinnungen und in anderen Quellen gehören etwa folgende Warenarten dazu: 36
Galanteriewaren, Kurzwaren, Eisenwaren, Gewürze, Seife, auch Stoffe , Nahrungsmittel 37. Diese Waren werden vom Krämer direkt an den Verbraucher verkauft. 2.2.2. Zeitraum 1470 - 1530 Bemerkungen zum Material: Insgesamt fällt auf, daß die Anzahl der Belege bei weitem nicht die der unspezifischen Bezeichnungen für ' Ware' erreicht. Im Durchschnitt liegen sie für eine Bezeichnung pro Großlandschaft und Zeitraum unter 10, insgesamt sind es 108 Belege. Bei der Beantwortung der Frage, ob ein Wort in einer bestimmten Großlandschaft überhaupt bekannt ist, werden für den ersten Zeitraum deshalb auch Belege vor 1470 mit in Anspruch genommen. Ebenso werden für die Frage nach der Verbreitung und Geltung gegen Ende des 2. Zeitraumes die modernen Mundartwörterbücher mit herangezogen. Offensichtlich gehören diese Bezeichnungen zu einem Bereich, der seltener schriftlich dargestellt wurde. Im ersten Zeitraum sind folgende Bezeichnungen in Gebrauch: /Kram, Krämerei, Merze, Pfennigwert/. Den meisten Großlandschaften ist in dieser Zeit /Krämerei/ bekannt, am häufigsten bezeugt im Westmitteldeutschen und Westoberdeutschen. Eine ostober deutsche Belegung 38 kann nur für die Zeit vor 1470 nachgewiesen werden : wobd. [ sie] koufftent tuch, vnd allerlei krämery/ (1498) D. Geschichtsfreund 8 (1852)239. wmd. /leder, loesch, drait ind ander kremerije/ (1471) Qu. Gesch. Köln. Handel 2,236 K. ond. /nen gordelmacker schall brücken de Ruszsche kremerie/ (1522) Schrägen Riga 368 S./M. Danach folgen /Kram/ und /Pfennigwert/. /Kram/ ist am häufigsten im Westoberdeutschen bezeugt. Niederdeutsche Belege sind bis auf einen nur aus der Zeit vor 39 1470 beizubringen : wobd. /z8 dem ersten, so treyt er [ Krämer] seinen krom in einem wenlyn hinundher, Streel vn Spiegel, wan er etwas überkumpt, so will er darnach ein gedemly haben, undwürt darnach ein kaufman/ (vi 510) Geiler, Wannenkremer (1517) 90b.
188
Gerlinde Richter
obfrk.
wind.
40
/tregt er aber sin krame zuruck, git er ] / n p f . / (1500) Obrhein. Stadtrechte I 897. /unde treib mit syme esel den kram von eyner stad zu der andern/ (ul500) Gerstenberg, Chr. 170 D.
wnd.
/Welk . . . kremer hir to Luneborch utstaen will mit sineme krame/ (1476)
Zunfturk. Lüneb. 142 B. /Pfennigwert/ ist die im Hochdeutschen am häufigsten belegte Bezeichnung; nieder41 deutsch ist es im Material nicht bezeugt.. E s bezeichnet 'was einen pfennig wert, dafür zu haben ist . . . , überhaupt eine kleinigkeit; oder was pfennige (geld) wert ist, 42 Verkaufsartikel, waare'.
Hier interessiert nur die Bedeutung ' Kleinhandelsartikel':
wobd.
/pfenwert, als Spiegel, paternoster, messer und andere kleine pfenwert/
oobd.
/wer wein, brot oder andere phenwert . . . vail haben wil/ (El5. J h . ) Öst.
wmd.
/vurkeufere . . . , die mit deinen perrwarde umbgaint/ (1475) Qu. Gesch.
omd.
/pfennigwert . . . also nemlich alle spetzerey/ (1484) Qu. Wirtschaftsgesch.
(1504) in: Rem, Tgb. 160 G. Weist. 5,478. Köln. Handel 2, 338 K. Mitteldtlds. 2, 24 H. 43 44 Nur schwäbisch belegt im 15. und 16. Jahrhundert i s t / M e r z e / , zu lat. / m e r x / ' W a r e ' . /Merze/ bezeichnet speziell 'Nahrungsmittel'; nach dem 16, Jahrhundert ist es nicht mehr bezeugt: /Mertz, . . . ez si Schmaltz, Kase, Nüsse, Haring und ander solich Ding/ (1414) in: Fischer, Schwäb. Wb. 4, 1624. (Auch in der unspezifischen Bedeutung ' Ware' kann es benutzt werden: /Hielt man Markt . . . von vilerlei Sort . . . der Merze oder Kaufmannschatz/ (16. J h . ) Franckin: Fischer, Schwäb. Wb. 4,1624). Tabelle 4 Der Anteil der Konkurrenten in den einzelnen Großlandschaften und im Gesamtgebiet für den Zeitraum 1470 - 1530 (in Prozenten) wobd.
oobd.
Kram
31,8
5,0
Kramerei
22,7
Merze Pfennigwert
obfrk. 18,7
wmd.
omd.
wnd.
7,7+
9,0
33,3 66,7
6,3
69,2
36,4
75,0
23, 1
54,6
9,1 36,4
ond.
Gesamtgebiet 13,9
100
22,2 1,9
95,0
62,0
+ Die durch die Totalexzerption gewonnenen Belege für / K r a m / (ripuarisch) bezeichnen immer den ' Verkaufsstand'.
'Wnre', 'Kleinhandelsartikel', 'bar', 'Makler'
189
2.2. 3. Zeitraum 1670 - 1730 Zur Bezeichnung des Untersuchungsgegenstandes ist wohl im gesamten Sprachgebiet /Kram/ üblich. Diese Aussage darf gewagt werden, obwohl für das Westoberdeutsche, Ostober deutsche und Westmitteldeutsche Belege im Material fehlen (insgesamt umfaßt das Material nur 00 Belege). Sie darf deshalb gemacht werden, weil Adelung, Wb. 2 (1775) 1748, nur /Kram/ anführt, die Mundartwörterbücher (vgl. Anm. 52) auch besonders für diese Gebiete nur /Kram/ verzeichnen und im Material keine Konkurrenten belegt sind (außer im Ostoberdeutschen, siehe unten). obfrk.
/wann . . . einer [ Kaufmann] . . . von des andern [ Kaufmanns] seinen Kram etwas zu erhandeln verlanget [ auf dem Jahrmarkt] / (1708) Marperger, Kauffmanns - Magazin 1260. omd. /erlauben sie . . . ein oder zwey Tage vor den Kretschem oder Schencke meinen Kram auszulegen/ (1719) Ettner, Maul-Affe 116. wnd. /Leute-Betrieger . . . m i t . . . nichtigen . . . Waaren . . . mit Abnahme ihres betrügerischen Krams . . . bestraffet... werden/ (1692) Hzgter. Bremen u. Verden Policey-Ordn. (1732) 30. /Krämerei/ erscheint nur ganz vereinzelt westmitteldeutsch und ostmitteldeutsch (jeweils nur einmal): wmd. /Auff den Sontagen . . . soll kein Krlmerey kauften noch verkauften/ (Dr. 1696) Gül. u. Berg. Policey-Ordn. 31. omd. /uff dem Markte sitzen . . . einige Kramerey feil haben/ (17. Jh.) Thür. Geschichtsqu. 9, 361. Nur im Ostober deutschen ist noch eine gewisse Tradition von /Pfennigwert/ bezeugt. Die Belege entstammen allerdings durchweg den österreichischen Weistümern, die unter Umständen einen altertümlichen Wortgebrauch repräsentieren: /schmalz, käß, ziger und dergleichen pfennwert/ (17. Jh.) öst. Weist. 2,27. Tabelle 5 Der Anteil der Konkurrenten in den einzelnen Großlandschaften und jm Gesamtgebiet für den Zeitraum 1670 - 1730 (in Prozenten) wobd. Kram Krämerei Pfennigwert
oobd.
obfrk.
wmd.
omd.
wnd.
ond.
Gesamtgebiet
100
100
100
75,0 25,0
50,0 10,0 40,0
100 100
2.2.4. Vergleich der untersuchten Zeiträume und Schlußfolgerungen Von den im ersten Zeitraum abgehandelten Bezeichnungen verzeichnet Adelung nur noch
190
Gerlinde Richter
/Kram/ als 'Ware, womit man im Kleinen handelt' (Wb. 2 [ 1775] 1748). Alle übrigen Bezeichnungen (/Krämerei, Merze, Pfennigwert/), sind gegen 1730 nicht mehr im Gebrauch. Im einzelnen: /Merze/ ist bereits nach dem 16. Jahrhundert nicht mehr bezeugt. /Pfennigwert/ erscheint noch bis ins 18. Jahrhundert hinein gelegentlich im österreichischen; in anderen Großlandschaften ist es bereits um die Mitte des 16. Jahrhunderts (ostmitteldeutsch und oberfränkisch) oder in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts (westoberdeutsch und westmitteldeutsch^ nicht mehr bezeugt. /Krämerei/ ist in hochdeutschen Gebieten (ausgenommen das Ostoberdeutsche"*6) meist bis in die 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts belegt, in niederdeutschen Gebieten läuft seine (geringe) Bezeugung bereits im ersten Zeitraum aus. Bei aller Vorsicht im Hinblick auf das Material darf man doch sagen, daß zu Beginn des zweiten Untersuchungszeitraumes /Kram/ weitgehend als einheitliche Bezeichnung für ' Kleinhandelsartikel' gilt. Dieses Ergebnis wird gestützt durch Adelving (vgl. u x 47 oben). Tabelle 6 Gegenüberstellung der Anteile der Konkurrenten für das Gesamtgebiet in beiden Zeiträumen (in Prozenten) Zeitraum 1470 - 1530 Kram Krämerei Merze Pfennigwert
13, 9 22,2 1,9 62,0
Zeitraum 1670 - 1730 50,0 10,0 40,0
Sehr bald jedoch erfährt /Kram/ eine Bedeutungsveränderung, und zwar erhält es einen abschätzigen, pejorativen Beigeschmack, der besonders in der deutschen Gegenwartssprache ausgeprägt ist. WDG 3,2217: /In den Läden wird viel unnützer Kram (unnütze Waren) angeboten/« Der Ansatz für diese Entwicklung ist wohl in der Bedeutung ' Waren verschiedenster und mannigfaltigster Art; Kleinigkeiten' zu suchen. Zu den Verkaufsgütern des Krämers gehören im einzelnen z. B.: /Die kremer, so hangenden crome veil haben, sollent veil haben gurtel, e e seckel, messer, nestel, hüben, viltzhute, hentschu, geferwet oder ungef e r w e t . . . allerley gesmyde, . . . und mogent auch garn und bendel, veilhaben und deßglichen/ (1463) Obrhein. Stadtrechte m 1,2670. oder /mancherlei kremerien . . . an gülden koppen, schalen, becher(n), vuirroren, federspeissen, gebrante spegeln, auch . . . feiwirk villerlei/ (1590) Weinsberg^ Denkw. 4, 97 H.
•Ware', 'Kleinhandelsartikel', ' b a r ' , 'Makler'
191
oder nach der Leipziger Krämerinnung: /diese hernachgeschrieben stucke vnnd pfennigkwert, zuuorhandeln in yre [der Krämer] innunge gehorn sollen . . . nemlich alle spetzerey vnnd wurtz, . . . Venedische seife, . . . seydentuch, zendal, taffent . . . auch . . . weyße Swebische leywannt, bawmwollen, halb bawmwollen vnnd beuteltuch, . . . parchant, wachs/ (1484) Qu. Wirtschaftsgesch. Mitteldtld. 2,24 H. /auch Mandel, Rosinen, Feigen vnd Zwetzschken/ (1543) Kramerordn. (Leipz.) 16 ff. (nach der Handschrift zitiert). Unter dieser Vielfalt werden sich auch viele unnütze Dinge und Dinge zweifelhafter Qualität befunden haben. Das Wort wird übertragen auf Ähnliches, das n i c h t 'Ware' 48 ist, etwa im Sinne von ' Zeug* . Damit ist der Weg zur pejorativen Bedeutung bereits 49 beschritten. Diese Nuancierung ist schon im 18. Jahrhundert belegt : / E r führte bey uns ein die lustige Balladen, / / Rondeaux und Triolets, wie auch die Masceraden, / / . . . Ronfard, der ihm gefolgt, blieb nicht in der Methode,// Ein toll verwirrter Kram war seine neue Mode, . . . / / Die Muse . . . / / Die redete Frantzosch mit Griech= und Welscher Zungen/ (1732) Abel, Sat. Ged. 2, 57. /Alle Dage wolgelevt, alle Dage nett un glatt,// Dat sint kene Pussen nich wenn mant uttoforen hatt, / / Wenn et aver daran feilt, so plegt et kahl aftolopen,// Dat man endlich sinen Kram [alles, was man besitzt] by den Juden mott verkopen/ (1729) ebd. 1, 307. So tritt es auch häufig als zweites Glied von Zusammensetzungen auf, z. B. 50 /Kettenkram, Phrasenkram, Ringkram, Wortkram/ usw. Hinzu kommt noch, daß /Kram/ eben "nur" die Ware des Kleinhändlers ist - im 51 Unterschied zur Ware des Kaufmanns. Sicher hat das geringere soziale Prestige des Kleinhändlers auch eine Rolle bei dieser Entwicklung gespielt. In der alten wertneutralen Bedeutung scheint / K r a m / weitgehend in den Mundarten weitergelebt zu haben, die es auch heute noch kennen, vorwiegend als 'Ware, die man in Marktbuden oder52 beim Hausierer kauft' (nicht notwendigerweise mit pejorativer Bedeutung) gebucht. Auf Uberlandschaftlicher Ebene hat es bereits im 18. Jahrhundert die pejorative Nuance Zumindestens entwickelt, wenn nicht gar durchgesetzt. Zu den ' Kleinhandelsartikeln' gehören nach Aussage der Belege: Galanteriewaren, Kurzwaren, Gewürze, Eisenwaren, Seife, Stoffe, Nahrungsmittel, im modernen Sinne vielleicht auch Haushaltswaren jeder Art u. dgl.; sie werden - außer von seßhaften Krämern - in kleinen Läden, in (Jahr-)marktbuden usw. von Händlern verkauft, häufig von wandernden Händlern, die ihre Ware mit sich herumtragen (vgl. die Belege S. 187 f.). Von allen Bezeichnungen dafür hat sich nur / K r a m / erhalten, das aber nun durch den neuentwickelten pejorativen Bedeutungsgehalt den Sachverhalt nicht mehr bezeichnen
192
Gerlinde Richter
kann. Seit dem 18. Jahrhundert, also etwa seit sich die Bedeutung von /Kram/ zum Pejorativen hin verschiebt, haben spezifische Bezeichnungen wie /Eisenwaren, Galanteriewaren, Kurzwaren/ seine Funktion übernommen, wohl auch /Kramware/, das jedoch auch die pejorative Nuance haben kann. Es ist anzunehmen, daß die Herausbil53 dung bestimmter Handelszweige und ihre Spezialisierung auf bestimmte Waren, so z. B. eben der /Kurzwaren-/ oder /Grünwarenhandel/, bei der Bildung spezifischer Bezeichnungen eine Rolle gespielt haben. Hervorzuheben ist, daß es sich in allen Fällen um Bildungen zu /Ware/ handelt, meist im Plural gebräuchlich. Man vergleiche etwa Bildungen wie: /Grün wahr/ (1616) Henisch, T. Sprach 1764. /wan . . . kr ahm- oder kauffmanswahren in schiffen... zu wasser ans bollwerck ankommen/ (1620) Balt. Stud. 35 (1885) 349. /wegen etzlicher alter . . . Buch-schulden von Kramwahren und dergleichen herrührend/ (1701) Schlesw. -holst. Landgerichts-Ordn. 394. 54 /wo denen so genannten kürtzern Waaren
gleichförmig sind/ (16671 in:
ZfdPh. 59 (1935) 123 (Breslauer Hs., Bedeutung nicht erklärt). /Kurtze, Nürnbergische und andere Waaren/ (1701) Leipz. Ordn. 184. /wasgestalten die allhierg . . . mit kurtzer Wahr handlende Kauffleuthe, auch Land- und Scheuren-Kramer sich unterfangen, eine zeithero mit allerhand . . . Negel-Wahr zu handien/ (1717) Samm. Württ. Regierungs-Gesetze 2, 1077 R. /handelt mit Olikten und anderen kurzen Waren/ (1747) Bürgerb. Hadersleben 1, 50 A. /mit den sogenannten Galanterie-Waaren, als Bijouteries . . . an Ringen, Uhren, Dosen . . . Handschuhen/ (1768) 3. Fortsetzung Corp. jvr. Cambialis 63 U. Man kann zusammenfassend sagen, daß sich bei diesem Beispiel eine einheitliche Bezeichnving in Form eines umfassenden, komplexen Wortes zwar im 2. Zeitraum mit / K r a m / entwickelt hat, daß sich aber sehr bald in Zusammenhang mit der Herausbildung der pejorativen Bedeutung des Wortes und einer Umstrukturierung des Einzelhandels spezifizierende Einzelbezeichnungen herausgebildet haben. 2. 3.
Bezeichnungen für ' bar' (vom Geld)
2.3.1. Begriffsbestimmung Der Begriff' bar' im Zahlungsverkehr (/bares Geld, bar bezahlen/ usw.) bezieht sich in der untersuchten Zeit auf ' Zahlungsmittel und Zahlung in Münzen» (Geld) im Unter55 schied zur Zahlung mit Wechseln. Bezeichnungen für einen solchen Begriff sind an die Durchsetzung der Geldwirtschaft in Verbindung mit der Herausbildung der frühkapitalistischen Produktionsverhältnisse
'Ware', 'Kleinhandelsartikel', ' b a r ' , 'Makler'
193
gebunden, in Deutschland seit dem Ende des 13. Jahrhunderts. Um diese Zeit nimmt 56 /Geld/ allmählich die Bedeutung ' Zahlungsmittel' an; eine Bezeichnung für den Begriff ' bar' wird nötig. Entsprechende Bezeichnungen sind im 13. Jahrhundert zuerst für Süddeutschland belegt, spätestens57seit der Mitte des 14. Jahrhunderts für alle übrigen Landschaften Deutschlands. 2.3.2. Zeitraum 1470 - 1530 Das Material umfaßt 264 Belege. Zur Bezeichnung des Begriffs werden die Adjektive /bereit/® 8 (mit den entsprechenden Varianten /gereit/ und /rede/) und / b a r / verwendet. Sie werden adjektivisch in 59 Verbindung mit /Geld/ und ähnlichen Substantiven gebraucht oder adverbial in Verbindung mit einem entsprechenden Verb, z. B. /zahlen/. / b e r e i t / und / b a r / sind in den einzelnen Großlandschaften zwar in unterschiedlichem Maße, aber doch allgemein belegt, während/gereit/ und / r e d e / in ihrer Bezeugung auf bestimmte Schwerpunktgebiete beschränkt sind (s. Tabelle 7). / b a r / ist fast ausschließlich (etwa zu 95 %) hochdeutsch belegt, es ist hier die vorherrschende Bezeichnung innerhalb der Konkurrenten. Nur im Westmitteldeutschen steht ihm /gereit/ mit Gewicht zur Seite (die auswählende Exzerption westmitteldeutscher Quellen ergab als Verhältnis von / b a r / : /gereit/ etwa 2 : 3): wobd. /umb sölich sein dinst gibt im ain rat alle quottemper im jar 1 1 / 2 gld. und leihen im dartzu als bar hinuß 12 guld./ (1472) Nördlinger Stadtrechte Ma. 425 M. oobd. /ward im hundert tausend par bezalt/ (1490) Füetrer, Bayer. Chr. 181 S. omd. / a n barem gelde . . . hundertvndseczig schok gr. / (1476) Qu. - u. Urkb. Teplitz-Sch. 251 M. Niederdeutsch ist / b a r / nur selten und erst im 16. Jahrhundert belegt (nur etwa 5 % aller Belege für / b a r / sind niederdeutsch): wnd.
/wegen orer nagelaten guder und baren geldes/ (1515) Lüb. Ratsurteile 2, 254 E.
Es bleibt noch bis etwa 1530 auf vorwiegend hochdeutsches Gebiet beschränkt; die wenigen, meist westniederdeutschen Belege sind nur als Vorläufer eines Ausbreitens im Niederdeutschen zu bewerten. In niederdeutschen Landschaften erscheint / b a r / erst nach 1530 häufiger. /bereit/ ist insgesamt seltener als / b a r / belegt, dafür aber nicht auf' bestimmte Großlandschaften beschränkt; am häufigsten bezeugt ist es im Ostmitteldeutschen (etwa 1/4 aller Belege): oobd. omd.
/muest eintausent berait bezalln/ (1499) Unrest, Öst. Chr. 150 MGH. /an bereittem gelde/ (1475) Cod. dipl. Sax. reg. 11 14,402.
194 wnd.
Gerlinde Richter / a n beredem getaldem gelde twehundert gude Rinsche gülden/ (1498) Urkb. Berge 415 H.
Ausschließlich niederdeutsch bezeugt ist /tede/; es ist besonders westniederdeutsch 60
belegt, während das Ostniederdeutsche
eher ein Mischgebiet aller möglichen Be-
zeichnungen darstellt, in dem / r e d e / selten erscheint. (Die Bezeugungsdichte von / r e d e / im ostniederdeutschen Material des ersten Zeitraums kann jedoch nicht der Sprachwirklichkeit entsprechen, da / r e d e / vor 1470 und nach 1530 jeweils stärker vertreten ist. Der Prozentsatz muß wohl höher angesetzt werden, allerdings niedriger als im Westniederdeutschen, da das Ostniederdeutsche ein ausgesprochenes Mischgebiet ist): wnd.
/hundert mark an reden penningen/ (1470) Lüb. Urkb. 1 11, 607.
ond.
/ d e rente uth unsen redesten gudern . . . upnemen/ (1504) Brand. Schöppenstuhlsakten 1, 54 S.
Charakteristisch für die Hanserecesse i s t / r e d e s Geld/, z.B. (1530) Hanserecesse IH 4, 545; 546. Vorwiegend dem westmitteldeutschen Gebiet gehört / g e r e i t / an (etwa die Hälfte aller Belege); es erscheint sonst fast nur niederdeutsch (westniederdeutsch und ostniederdeutsch je knapp 1/4 der Belege; der geringe Rest gehört dem Ostoberdeutschen an): wmd.
/gewynne an gereiden gelde/ (ul470) Qu. Gesch. Köln. Handel 3, 32 K.
wnd.
/ d e i . . . gepande schulde in gereiden gelde/ (1525) in: Beitr. Gesch. Essen 20,145.
ond.
/ m i t gereitem gelt bezalten/ (1510/30) Grunau, Preuss. Chr. 1,469 P.
Etwa die Hälfte der westmitteldeutschen Belege aus der auswählenden Exzerption für / g e r e i t / entfällt auf das Ripuarische (Köln). Es ist bemerkenswert, daß die auswählende Exzerption für das Ripuarische keine Belege für / b a r / erbracht hat. Die Totalexzerption der "Quellen zur Geschichte des Kölner Handels", Bd. 2 und 3 ergab folgendes: Es wurden 13 Belege für / g e r e i t / (1470 bis 1512) und 6 für / b a r / (1491 bis 1511) exzerpiert, 1 Beleg für / b e r e i t / , / b a r / steht einmal in Doppelung mit/gereit/(wohl zur Verdeutlichung des in dieser Verwendung noch ungewohnten Wortes): / a n barem ind gereidem gelde/ (1511) 3, 321. Von den Belegen für / g e r e i t / stehen 10 eindeutig in der Bedeutung * b a r ' , z. B.: /gewynne an gereiden gelde/ (ul470) 3, 32. /umb gereit gelt verkouft/ (1470) 2, 353. / m i t gereidem gelde bezailen/ (1512) 3, 303. Die übrigen 3 Belege bezeichnen in der Verbindung /gereites Gut/ oder /gereite Habe/ ' bewegliche Habe, beweglichen Besitz' (im Gegensatz zu Immobilien), der natürlich auch Bargeld mit einbeziehen kann, vorwiegend aber wohl gegenständlichen, beweglichen Besitz meint:
195
'Ware', 'Kleinhandelsartikel', ' b a r ' , 'Makler' /gereide ind varende have ind guede/ (1487) 3, 347. /gereiden haven ind bewegelichen guederen/ (1487) 3,346. /gereit guyt (1512) 3, 290.
Deutlich wird jedenfalls, daß /gereit/ häufiger zur Bezeichnung von ' bar' gebraucht wird als / b a r / selbst, /gereit/ ist offenbar eine kölnische Besonderheit (wohl in Über61 einstimmung mit dem Niederländischen ); / b a r / wird erst später im Kölnischen allgemein üblich. (Die Entwicklung etwa ein Jahrhundert später vgl. S. 198, Weinsberg, Denkw.). Tabelle 7 Der Anteil der Konkurrenten in den einzelnen Großlandschaften und im Gesamtgebiet für den Zeitraum 1470 - 1530 (in Prozenten)
bar bereit gereit
Gesamtgebiet
wobd.
oobd.
obfrk.
wmd.
omd.
wnd.
ond.
94,0
78,3
92,3
60,9
71,4
11,9
7,7
62,2
6,0
17,4
7,6
4,3 34,8
28,6
7,5 6,0
46,2
11,7
30,8
6,4
74,6
15,3
19,7
4,3
rede 2.3.3. Zeitraum 1670 - 1730 Zugrunde liegen 177 Belege.
Um 1670 erscheint / b a r / als eine Bezeichnung, die sich in allen Großlandschaften, auch im Westmitteldeutschen und Niederdeutschen, durchgesetzt hat: obfrk. /solches Geld entweder gleich baar empfangen oder dem Kluffer einige Wochen . . . solches creditiren oder borgen wolle/ (1708) Marperger, Kauffmanns-Magazin 674. wmd. / s i e sollen Viel baar gelt haben/ (1707) Elisabeth Ch. v. Orleans, Br. an wnd.
Raugräfin Louise 123 LV. /weil Sie die baare Mittel auch nicht sofort bei der Handt hatten/ (1685)
ond.
Schulte, Br. (1856) 227. /gegen bahre Bezahlung/ (1713) Berl. geschr. Ztg. 31 F.
/ b e r e i t / ist nur noch ganz vereinzelt bezeugt, und zwar fast nur im Osten, z. B.: oobd.
/sind . . . 1121 fl. . . . berait gefunden worden/ (1698) in: Schmeller/F.,
ond.
/daß er ihm . . . hundert tausend Marek breiter Groschen versprochen/
Bayer. Wb. 2,173. (1684) Hartknoch, Preussen 2, 298 a . Auch / r e d e / wird kaum noch belegt (nur in der Totalexzerption enthalten):
196 wnd.
Gerlinde Richter /nimmt eine Frau . . . einen Mann mit fahrender Haabe oder r ei dem Gut/ (1722) Lüneb. Stadt-Recht 99.
Das mecklenburgische Wörterbuch verzeichnet es als bis ins 18. Jahrhundert , ^ 62 belegt. w
/gereit/ ist im Material des zweiten Zeitraumes nicht mehr belegt. Tabelle 8 Der Anteil der Konkurrenten in den einzelnen Großlandschaften und im Gesamtgebiet für den Zeitraum 1670 - 1730 (in Prozenten)
bar bereit
Gesamtgebiet
wobd.
oobd.
obfrk.
wmd.
omd.
wnd.
ond.
100
96,3
100
100
97,8
95,7
97,6
97,7
2,2
4,3
2,4
2,3
3,7
2. 3.4. Vergleich der untersuchten Zeiträume und Schlußfolgerungen Insgesamt gesehen dominiert im ersten Zeitraum / b a r / im Hochdeutschen allgemein. Im Westmitteldeutschen steht neben / b a r / - vorwiegend als ripuarische Besonderheit /gereit/, das sonst noch im Niederdeutschen belegt ist. /bar/ schiebt sich erst nach 1500 ganz allmählich auch ins Niederdeutsche vor. Das Westniederdeutsche belegt hauptsächlich /rede/, während das Ostniederdeutsche ein Mischgebiet (/bereit, gereit, rede/) bildet, /bereit/ ist im gesamten Sprachgebiet bekannt, aber insgesamt im Material nicht sehr dicht belegt. Bereits zu Anfang des zweiten Zeitraumes ist / b a r / allein gebräuchlich; alle weiteren Bezeichnungen treten entweder nur noch ganz vereinzelt auf (/bereit, rede/) oder sind nicht mehr bezeugt (/gereit/). Die (durch die landschaftlichen Varianten zu /bereit/ bedingte) Vielfalt der Bezeichnungsmöglichkeiten des ersten Zeitraumes ist in unserem Material um 1670 aufgegeben. Um 1730 bezeichnet / b a r / den untersuchten Sachverhalt. Dem widersprechen auch nicht die Angaben bei Adelung (Anm. 67) und die Verzeichnimg in den Mundartwörterbüchern (Anm. 66). Die noch im ersten Zeitraum deutlich sich abhebenden Gebiete mit /gereit/ (westmitteldeutsch [ripuarischj) und/rede/ ([west] niederdeutsch) sind damit eingeschmolzen worden. Der Gebrauch um 1730 entspricht dem der Gegenwart.
'Ware', 'Kleinhandelsartikel', ' b a r ' , 'Makler'
197
Tabelle 9 Gegenüberstellung der Anteile der Konkurrenten für das Gesamtgebiet in beiden Zeiträumen (in Prozenten) Zeitraum 1470 - 1530
Zeitraum 1670 - 1730
bar
62,2
97,7
bereit
11,7
2,3
gereit rede
6,4 19,7
Jedoch nicht / b a r / ist offensichtlich die älteste bezeugte Bezeichnung, sondern /bereit/; schon um 1217 heißt es beim oberfränkischen Wolfram von Eschenbach: /bereitez gelt/ Willehalm 256, 23 ATB.
63
Es ist vor 1470 hauptsächlich hochdeutsch verbreitet (westoberdeutsch, ostoberdeutsch und ostmitteldeutsch). / b a r / tritt seit dem Anfang des 14. Jahrhunderts neben /bereit/, zuerst westober64 deutsch belegt, anfangs in der Doppelung mit /bereit/: / d e s ich an barem vnd beraitem Silber gewert bin/ (1318) in: Jutz, Vorarlb. Wb. 1, 290. Seiner Häufigkeit nach ist / b a r / im 14. Jahrhundert vorwiegend westoberdeutsch verbreitet (selten oberfränkisch; ostoberdeutsche, mitteldeutsche und niederdeutsche Belege fehlen). Es ist zwar später belegt als /bereit/, breitet sich aber dann schnell im Westoberdeutschen aus und steht schon um 1400 gleich stark belegt neben dem älteren / b e r e i t / . In niederdeutschen Landschaften erscheint / b a r / erst nach 1530 häufiger neben / r e d e / (1531 bis 1669 sind es westniederdeutsch 3 Belege für / r e d e / und 29 für / b a r / , ostniederdeutsch 3 Belege für / r e d e / und 35 für / b a r / , also etwa ein Verhältnis von 1 : 10). Aber noch zu Anfang des 17. Jahrhunderts erscheint / b a r / unter Umständen 65 mit Erklärung im niederdeutschen Bereich. Das Verdrängen des ursprünglich in dieser Bedeutung heimischen Wortes / r e d e / aus dem Niederdeutschen geht so weit, daß seine Registrierung in den modernen niederdeutschen Mundartwörterbüchern fehlt. So wird für das Mecklenburgische, Westfälische, Schleswig-Holsteinische, Lüneburgische und Niedersächsische für die lebende Mundart jeweils nur / b a r / in der hier behandelten Bedeutung verzeichnet.
66
Nach Adelung, Wb. 1(1774)769, ist / r e d e / 1774 im Nieder deut 67
sehen noch gebräuchlich. Auch im Westmitteldeutschen (einschließlich des Ripuarischen) setzt sich nach 1530 / b a r / gegen /gereit/ durch (1531 68 bis 1669 verzeichnet das Material 3 Belege für /gereit/ gegenüber 27 Belegen für / b a r /
). Der Differenzierungsprozeß ist im Ripuarischen
um die Mitte des 16. Jahrhunderts so weit fortgeschritten, daß /gereit/ in der Regel die ' bewegliche Habe' bezeichnet und nur ganz vereinzelt auch für ' bar' steht.
198
Gerlinde Richter
Als Grundlage sollen Bd. 1 und 2 von Weinsberg, Denkw. (1561) dienen. Aus ihnen wurden 30 Belege für /gereit/ exzerpiert, davon bezeichnen 28 mit Sicherheit die ' bewegliche Habe', z. B . : /was mir aus dem gereiden zugefallen ist: 5 zinnen schottein/ 2,308. / i n allen gereiden und ungereiden guttern . . . als unse heuser Cronenberch, Kymnade . . . mit irem zubehuir/ 2,60 und öfter. Nur 2 Belege stehen der Bedeutung ' bares Geld' sehr nahe: /haben mir, min hausfrauwe und ich, uns gereit gut ubers clagen, was mir eiz hatten, und darzu Schölt und widderscholt/ 2,46. /das mir uff die deilung der gereider gutter quemen . . . und als mir . . . über der teilung waren, hat man der 4 unmondiger kinder zugeteilt gelt in ein kist getan/ 1,169. /gereit/ in der Verbindung /gereites Geld/, wie das noch die "Quellen zur Geschichte des Kölner Handels" belegten (siehe oben), kommt hier nicht mehr vor; es steht immer die Verbindung /bares Geld/: /mit barem gelde/ 1,163. /an barem gelde/ 1,287. Im zweiten Zeitraum ist /gereit/ überhaupt nicht mehr belegt, / b a r / hat sich gegen die alte Bezeichnung der Kölner Handelssprache, die in älterer Zeit /gereit/ war, durchgesetzt. Das Mittelniederländische kennt / b a r / in der Bedeutung ' Bargeld' ursprünglich offenbar nicht (bei Verwijs/V., Mnl. Wb., nicht verzeichnet); der erste Beleg entstammt etwa der Mitte des 17. Jahrhunderts (vgl. WNT 2, 1, 823). Möglicherweise hat das Niederländische diese Bedeutung aus dem Ripuarischen durch die Rheinstraße übernommen; denn die Verbindungen zwischen Köln und dem niederrheinisch-niederländischen Wirt69 schaftsgebiet waren sehr eng. Warum nun setzt sich / b a r / gegen /bereit/ und seine Varianten durch? Es ist anzunehmen, daß sich bei dem älteren /bereit/ und seinen Varianten die Polysemie auswirkt; denn es bedeutet außer ' bar' auch 70 noch ' fertig' und bis ins 17. Jahrhundert hinein ' schon' (später dafür /bereits/) . In den Mundarten kommen z . T . noch weitere Bedeu71' tungen hinzu, so z.B. im Mecklenburgischen 'rasch, schnell'
bei /rede/; im West-
mitteldeutschen bedeutet /das Gereide/ ' die bewegliche Habe' (vgl. oben). Demgegenüber ist / b a r / mit seiner einsträngigen Bedeutung ' nackt, bloß' eindeutiger. Mitgewirkt haben wird auch das Nebeneinander von 72/Barschaft/ (monosem) und /Bereitschaft/, :
in älterer Zeit in konkreter Bedeutung a ' Ausrüstung, Gerätschaft':
/Der [ König] hat alle breitschafft des hus gottes und alle schätz gen Babilon gfurt/ (1522) Zwingli 1,361 E . / F .
'Ware', 'Kleinhandelsartikel', ' b a r ' , 'Makler'
199
b ' Vorrat': /seind obernante Spanier . . . mit vil guter bereitschafft von Gold vnd Silber, so sie . . . e r b e u t t e t . . , zuruck nach Assumption gezogen/ (1604) Mayr, Epitome 2 83 b . c Außerdem auch in der Bedeutung ' Bargeld': /Bin Gut mit Beraitschaft lösen/ (1312) Schmeller/F., Bayer. Wb. 2,173. / e s sey eygen, erb, bereitschaft, varndehabe, kauffmanschaft, schulde, hawsrat/ (1406, Nürnb.) Chr. dt. Städte 1,207. 2.4.
Bezeichnungen für ' Makler'
2.4.1. Begriffsbestimmung ' Vermittler von Handelsgeschäften, Unterhändler zwischen Käufer und Verkäufer' werden als /Makler, Sensal, Unterkäufel/ oder /Unterkäufer/ bezeichnet. Ihre Tätig73 keit besteht nach Frensdorff im "Aufsuchen und Zusammenbringen der Parteien, die 74 dann selbst den Vertrag schliessen. " Sie "werden für einzelne Warenzweige angestellt und fungieren hinsichtlich dieser als Sachverständige. Zu Ausgang des Mittelalters werden sie auch von den städtischen Obrigkeiten als polizeiliche Organe verwandt, namentlich zu dem Zweck die städtische Aufsicht über ordnungsmäßigen Verkehr wahrzunehmen und eine Kontrolle im fiskalischen Sinne zu üben. " 75 "Die Makler werden von 76 der städtischen Obrigkeit, dem Rate, angestellt und auf ihre Pflichten vereidigt. " Sie vermitteln also nicht nur Warengeschäfte, sondern auch Finanzgeschäfte, besonders 77 in späterer Zeit. 2.4.2. Zeitraum 1470 - 1530 Bemerkungen zum Material: Um bei dem sehr unterschiedlichen Material (insgesamt 123 Belege), bedingt durch die Quellenlage, die sachbedingte Seltenheit der Bezeichnungen - ein /Makler/ erscheint weit seltener in den Quellen als beispielsweise ein /Bäcker/ oder /Fleischer/ - und die daraus erwachsenden Schwierigkeiten der Exzerption geeigneter Quellen die Verteilung der einzelnen Konkurrenten und ihre Entwicklung gesichert darstellen zu können, ist es in diesem Falle nötig, auch Bezeugungen vor 1470 mit einzube78 ziehen. Das selbst gesammelte Material kann dabei durch das bei Frensdorff abgedruckte für die frühe Zeit verbessert werden. Dagegen konnten die Archive des BayerischÖsterreichischen, des Mecklenburgischen und des Pommerschen Wörterbuchs das Material leider nicht wesentlich verbessern. 79 Es sind folgende Bezeichnungen in Gebrauch: /Makler, Unterkäufel, Unterkäufer/. Davon ist /Makler/ vorwiegend niederdeutsch bezeugt: wnd.
/de sworne mekeler Cordt Brunswyk/ (1486) jÄib. Ratsurteile 1, 233 E. und öfter
Ger linde Richter
200
ond.
/Hanns Poll, eyn gesworner mahler/ (1501) Stadtb. Posen 1,292 W.
Darüber hinaus erscheint /Makler/ auch im mitteldeutschen Gebiet (wo sonst /Unterkäufer/ belegt ist): wmd. /mecheler undwynkaufs lüde/ (1470) in: Arnoldi, Beytr. (1798) 68. Kennzeichen der empfundenen Ungebräuchlichkeit in westmitteldeutschem Gebiet ist wohl die Verwendung in der Doppelung: /middel eins underkeuffers odir mekelers/ (1485) Qu. Gesch. Köln. Handels 2, 500 K. 80
Ostmitteldeutsch ist es im Material nur ganz vereinzelt bezeugt
:
/hat der rath . . . Tiburtium Vnuorserdt zu meckler aufgenomenn/ (1485) Cod. dipl. Sax. reg. H 8,446. Oberdeutsche Belege sind aus dem ersten Zeitraum nicht vorhanden. /Unterkäufel/ ist ausschließlich oberdeutsch, vorwiegend westoberdeutsch (besonders 81
schwäbisch) und ostfränkisch (im östlichen Teil, Nürnberg) belegt (das Südfränkische hat nur /Unter kauf er/): wobd. /Sowe koft ich zu mirano durch den Rigo vnderköffel ain Fass schiben/ (1489) Keller, Reiserechenb. 836 B. obfrk. (ostfrk.) /mit wissen der geschworen unterkewffel/ (El5. Jh.) Nürnb. Polizeiordn. 131 LV. 82 Nur selten erscheint es im Ostoberdeutschen
:
/mesner, omrer, underkoefl, pader/ (15. Jh.) in: Schmeller/F., Bayer, Wb. 2,313. / Unter kaufe r / ist vorwiegend westoberdeutsch (und zwar - außer im Schwäbischen häufiger als /Unterkäufel/) und westmitteldeutsch bezeugt: wobd.
/do mag man die schulde . . . in das kouffhußbuch durch ein underkoiffer lassen schriben/ (1472) Obrhein. Stadtrechte m 1, 2, 729.
wmd.
/dit is die ordinantie van den underkeuferen up dem vehemart/ (1470) Qu. Gesch. Köln. Handel 2, 261 K.
Im Südfränkischen ist /Unterkäufer/ alleinige Bezeichnung, ebenso im westlichen Ostfränkischen (Würzburg), während es im östlichen Teil des Ostfränkischen nur ganz vereinzelt neben üblichem /Unterkäufel/ steht. Selten ist es im Ostniederdeutschen, 83 wo es nur in Glossaren nachgewiesen werden konnte, und im Ostmitteldeutschen : obfrk. (südfrk.) /die zwene underkeuffer sollen uffmercken uff die saltzwagen/ (1500) Obrhein. Stadtrechte I 896. obfrk. (westl. Ostfrk.) /was die gesworne unterkeuffer . . . gebieten/ (1475) Würzb. Polizeisätze 168 H. ond.
/Subemptor ein vnder koper/ (1495) Voc. optimus gemma (Magdeb.) 186 b und (2. H 15. Jh.) Vorpomm. Vokabular des Stadtarchivs Stralsund (Sgn. Hs. NB 24), Bl. 173 b .
'Ware', 'Kleinhandelsartikel', ' b a r ' , 'Makler' omd.
201
/eyn Jude zu E r f f o r t . . . , der was ein vnderkouffer/ (vi505) Stolle, Thür. -erf. Chr. 42 LV.
Ostoberdeutsch und westniederdeutsch ist /Unterkäufer/ im Material nicht belegt. Tabelle 10 Der Anteil der Konkurrenten in den einzelnen Großlandschaften und im Gesamtgebiet für den Zeitraum 1470 - 1530 (in Prozenten) wobd. Makler Unterkäufel 36,8 1
oobd.
obfrk.
100
38, 9 2
Unterkäufer 63,2
61, l 3
wmd.
omd.
wnd.
ond.
Gesamtgebiet
23, 1
50,0
100
88,2
29,3 23,6
76, 9
50,0
11, 8 4
47,1
1 Alle Belege sind schwäbisch. 2 Alle Belege sind ostfränkisch (östlicher Teil). '3 Die Belege entstammen dem Südfränkischen und dem westlichen Teil des Ostfränkischen, ein Wörterbuchbeleg aus Nürnberg. 4 Nur Belege aus Glossaren. 2.4.3. Zeitraum 1670 - 1730 Zugrunde liegen 55 Belege. Im zweiten Zeitraum erscheint /Makler/ (mit einigen Einschränkungen) als die in allen deutschen Sprachlandschaften bekannte Bezeichnung; nach *DWB 6,1491 gilt es seit dem Anfang des 17. Jahrhunderts als "gemeindeutsch". Das Schweizerische kennt 84 /Makler/ jedoch nicht, sondern benutzt/Unterkäufer/ . Sonst erscheinen/Unterkäufel/ und/Unterkäufer/ nur noch ganz vereinzelt und zwar nur im Hochdeutschen; /Unterkäufel/ ist auch im zweiten Zeitraum nur oberdeutsch belegt: wobd. obfrk. wmd.
/deß . . . Underkhäuffers . . . Tochter/(1679) Bürgerb. Stuttg. 1, 77 b N. G 6 /Lohn, den man . . . denen Unterkauflen gibt, Sensal-Gebuhr/ (1728) Sperander, A la Mode-Spr. 467 b (in Nürnb. gedruckt), /Rolle der Waaren-Mäckler und Unterkäufer/ (1685) in: Frensdorff, Makler (1907) 260. '
Als neue Bezeichnung erscheint - aus Italien vermittelt - im Oberdeutschen / S e n s a l / 8 5 in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts: wobd.
/einem jeden Kaufmann, sich bey dem ältesten Sensal nach Belieben anzumelden,
oobd.
/vier ordentlich geschworne Mäckler, oder Sensalen/ (1717, Wien) ebd. 1,162.
obfrk.
/ E s kommen die . . . Handelsleuth auf dem . . . Römerberg zusammen, . . .
frey stehet/ (1716) Corp. jvr. Cambialis 1,162 S.
und vernehmen von den Sensalen oder Unterkäufflern, was auf alle Art
Gerlinde Richter
202
insgemein gewechselt worden/ (1662, in Nürnb. erschienene Quelle) in: Ehrenberg, Zeitalter d. Fugger 2(1912)247. /wider die . . . verpflichtete Sensalen erhebliche Klagen zu führen/ (1698) in: Roth, Gesch. Nürnb. Handels (1800) 4,339. /Sensal/ bleibt aber im wesentlichen in der weiteren Entwicklung auf das österreichische beschränkt, trotz gelegentlicher bis ins Mitteldeutsche reichender Bezeugung: omd.
/Mickler oder Sensalen. Sind . . . solche Leute, welche sich zu gewissen Handlungen als Unterhfndler gebrauchen lassen. Bey Kauffleuten . . . bedeutet [ e s ] in Handels-Stldten solche beeydigte Leute, welche sich zwischen Kauffund andern Leuten in Kauff- und Verkauften, Wechsel schliessen und andern ehrlichen Contracten, um die Gebuhr brauchen lassen/ (1722) Beier, Handlungs-Lex. 258 b .
86
Noch heute ist es die österreichische Bezeichnung für den ' Makler' Aus den Belegen wird ersichtlich, daß der Kompetenzbereich des Maklers jetzt in hohem Maße Geldgeschäfte umfaßt. Bei genauerer Spezifizierung wird in der 87 Folgezeit direkt unter schieden in /Waren-/ und /Wechselmakler/ bzw. /-sensale/. Tabelle 11 Der Anteil der Konkurrenten in den einzelnen Großlandschaften und im Gesamtgebiet für den Zeitraum 1670 - 1730 (in Prozenten) wobd.
oobd.
obfrk.
wmd.
omd.
wnd.
ond.
Gesamtgebiet
Makler
33,3
66,7
22,2
40,0
90,9
100
100
67,3
Sensal
16,7
33,3
33,4
Unterkäufel 16, 7 +
22,2
Unterkäufer 33,3
22,2
+
9,1
14, 5 5, 5
60,0
12,7
Nur schwäbisch. 2 . 4 . 4 . Vergleich der untersuchten Zeiträume und Schlußfolgerungen
Bei der Betrachtung dieser Bezeichnungen läßt sich bis gegen Ende des ersten Zeitraumes folgende'grobe landschaftliche Aufgliederung feststellen: /Makler/ gilt vorwiegend 88 im Norden und reicht bis ins Mitteldeutsche (hier neben älterem /Unterkäufer/ ). /Unterkäufer/ gehört hauptsächlich dem Südwesten und Westen Deutschlands an; es ist besonders westoberdeutsch (schweizerisch und elsässisch) und westmitteldeutsch bezeugt, einschließlich des angrenzenden Südfränkischen und westlichen Ostfränkischen. /Unterkäufe]/ gehört dagegen in den Süden; es ist nur oberdeutsch belegt. Zusammenfassend ergibt sich für den ersten Zeitraum (und die Zeit davor) eine ziemlich deutliche Dreiteilung: /Makler/ im Norden (und mitteldeutschen Osten), /Unterkäufer/ im Rheingebiet
'Ware', ' Kleinharrie Isar tikel', 'bar', 'Makler'
203
(und im angrenzenden Südfränkischen und westlichen Teil des Ostfränkischen), /Unterkäufel/ in der Donaugegend und im östlichen Teil des Ostfränkischen. Das Ostfränkische vereint /Unterkäufer/ und /Unterkäufel/ (das Würzburger Material beispielsweise verzeichnet /Unterkäufer/, das Nürnberger /Unterkäufel/). Es nimmt somit eine gewisse Mittelstellung zwischen dem Südosten und dem Westen ein. Von den 3 Konkurrenten des ersten Zeitraumes (/Makler, Unterkäufel, Unterkäufer/) hat sich im zweiten Zeitraum /Makler/ weitgehend durchgesetzt. /Unterkäufel/ erscheint nach dem 18. Jahrhundert nicht mehr; /Unterkäufer/ wird noch 1780 von Adelung (Wb. 4,1296) erwähnt, aber schon mit dem Hinweis "ein nicht aller Orten bekanntes Wort" (/Unterkäufel/ wird bereits nicht mehr verzeichnet). Es wird allerdings in der Schweiz beibehalten, wo sich /Makler/ nicht durchsetzt. Im Süden, besonders in Österreich, gilt weitgehend das seit der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts eingebürgerte /Sensal/; /Sensal/ ist die heutige Bezeichnung im österreichischen. Adelung beschreibt in seinem Wörterbuch den Sprachgebrauch für die 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts etwas summarisch folgendermaßen: /Sensal/ "ein in den Handelsstädten übliches Wort, einen Mäckler der Kaufleute zu bezeichnen, welcher ihre Wahren, Wechselbriefe u. s. f. feil biethet, Gelder für sie unterhandelt, u. s. f. In manchen Städten wird er auch nur Mäkler genannt" 4 (1780) 437. /Unterkäufer/ "ein nicht aller Orten bekanntes Wort, . . . an den meisten Orten ein Mäkler, Sensal u. s. f." 4 (1780) 1296. /Mäkler/ "in einigen besonders niedersächsischen Handelsstädten, ein Unterhändler der Kaufleute, der ihre Waaren zu verkaufen sucht, in Leipzig und andern Orten, wenn es eine verpflichtete Person ist, ein Sensal" 3 (1777) 330. Die Bezeichnung der Literatursprache der Gegenwart ist /Makler/. Tabelle 12 Gegenüberstellung der Anteile der Konkurrenten für das Gesamtgebiet in beiden Zeiträumen (in Prozenten)
Makler Sensal Unterkäufel Unterkäufer
Zeitraum 1470 - 1530
Zeitraum 1670 - 1730
29,3
67,3 14,5 5,5 12,7
23,6 47,1
Wie /Ware/ ist auch /Makler/ seiner Herkunft nach ein niederländisches Wort. 89 Es ist seit dem Anfang des 14. Jahrhunderts niederdeutsch bezeugt. Im Westniederdeutschen wird in dieser frühen Zeit (gleichzeitig mit /Makler/) gelegentlich das ursprünglich deutsche /Unterkäufer/ belegt. Offensichtlich waren zeitweilig beide Bezeichnungen
Gerlinde Richter
204
dort gebräuchlich: /Unterkäufer/ gilt schon früh vereinzelt im Norden (1320/30 in Braun90 schweig, 1360 in Hannover, 1411/17 in Hildesheim ) neben dem dort üblichen /Mak91 92 l e r / . Bereits um 1400 ist /Makler/ im Ostmitteldeutschen belegt, wo es neben älteres /Unterkäufer/ tritt. /Makler/ ist offensichtlich nicht über das Ripuarische (Köln) aus dem Niederländischen ins deutsche Sprachgebiet gekommen, trotz der engen Beziehungen zwischen dem niederländischen und dem deutschen Rheingebiet und der nie93 derländischen Herkunft des Wortes. Köln bezeugt bereits im 12. Jahrhundert /Unter94 95 käufer/ und erst seit dem letzten Viertel des 15. Jahrhunderts gelegentlich /Makler/. Köln scheint sich in diesem Falle zurückhaltender verhalten zu haben als bei /Ware/. Vielmehr wandert das Wort mit der Hanse über das Niederdeutsche, Mitteldeutsche (zuerst ostmitteldeutsch, dann westmitteldeutsch) ins Oberdeutsche. Oberdeutsch ist /Makler/ erst nach 1530 belegt; im Oberfränkischen (Ostfränkischen) steht es gelegentlich neben einheimischem /Unterkäufel/: / s o einer [Kaufmann] gen Kaliß inn Engelland kompt, nimpt er einen Mackler oder Vunterkeuffel/ (1558) Meder, Handelb. l l a und öfter. wobd.
/Mackler, die einem frembden Tropffen helffen mittel erwerbe, vngewisse — 6 Sachen erforschen, damit sie 20. oder 30. per Cento bekomen mögen/ (1642) Moscherosch, Gesichte 1, 313.
Mit dieser Südwanderung von /Makler/ wird die ältere Dreiteilung aufgehoben. Vorher aber vollzieht sich offensichtlich ein Ausgleich zwischen/Unterkäufel/ und /Unterkäuf e r / zugunsten des letzteren. Das läßt sich z. B. am Schwäbischen verfolgen. Das hier vorherrschende /Unterkäufel/ muß wohl bereits früh als ' landschaftlich' empfunden worden sein gegenüber der / -er/-Bildung /Unterkäufer/, so daß es zu einem westoberdeutschen Ausgleich zugunsten der /-er/-Bildung kommt. Das geschieht nach 1530. Das Verhältnis von / - e l - / zu /-er/-Bildung ist zwischen den beiden Zeiträumen (1531 - 1669) im Schwäbischen 1 : 2. Die Häufigkeit der / - e l / Bildung geht im Schwäbischen stark zurück, während im Ostfränkischen das Nebeneinander von/-er/-Bildung (im Westen) und /-el/-Bildung (im Osten) bis zum Beginn des zweiten Zeitraumes beibehalten wird. Insofern nimmt das Ostfränkische insgesamt eine vermittelnde Stellung zwischen dem schwäbisch-ostoberdeutschen / - e l / - und dem westmitteldeutscK-elsässisch-schweizerischen / -er/-Block ein. Außer in den genannten 96 Gebieten ist die / - e l / - F o r m nicht bezeugt.
'Ware', 'Kleinhandelsartikel', ' b a r ' , 'Makler' 3.
205
Ergebnisse und Schlußfolgerungen
Die beiden untersuchten Zeiträume stellen unterschiedliche Entwicklungsetappen der deutschen Literatursprache dar. Im Hinblick auf den hier untersuchten Wortschatz ist die um 1500 erreichte Etappe gekennzeichnet durch eine relativ große Anzahl von Konkurrenten (vgl. die behandelten Beispiele); um 1700 ist diese Vielfalt von Bezeichnungen weitgehend auf eine im Gesamtgebiet gültige Bezeichnung reduziert. Die Entwicklung tendiert also zu einem für das deutsche Sprachgebiet einheitlichen Wortgebrauch. 3.1.
Zu den Ursachen der Ausgleichsprozesse
Veränderungen der Produktionsverhältnisse führen zu Veränderungen in der Gesellschaftsordnung und berühren auch die Art der Kommunikation. Von den untersuchten Beispielen zeigen das deutlich die Bezeichnungen für ' b a r e s Geld' (vgl. S.192ff.). Sie werden nötig durch eine grundlegende gesellschaftliche Umwälzung, die Entstehung des Frühkapitalismus, in deren Verlauf sich die Geldwirtschaft auch in Deutschland durchsetzt. Typisch für den Versuch, diesen neuen Sachverhalt in Sprache umzusetzen, ist der Umstand, daß am Anfang keine einheitlich geltende Bezeichnving steht. Man 97 versucht es mit unterschiedlichen Mitteln der eigenen Sprache. Erst allmählich setzt sich eine einheitliche, allgemein anerkannte und geltende Bezeichnung durch, aus der Notwendigkeit heraus, im Wirtschaftsleben dieselbe Sache mit einem eindeutigen Wort bezeichnen zu müssen. Dieser Wortschatz ist in erster Linie an die Bedürfnisse der Kaufleute im weitesten Sinne gebunden. Mit ihnen entwickelt er sich, wandert er und breitet sich aus. Folglich setzen sich Neuerungen auch zuerst im entsprechenden amtlichen Schrifttum und in Fachtexten durch, erst später im Allgemeinwortschatz und in der schönen Literatur (vgl. das Beispi.el /Ware/, S. 179 f. und 185). Wie sich gezeigt hat, wirken sich starke wirtschaftliche Bindungen und das Vorhandensein von einheitlichen Handelsgebieten und Handelszentren mit Ausstrahlungskraft auch sprachlich aus. So ist das Eindringen bestimmter niederländisch-niederdeutscher Bezeichnungen durch die Hanse zu werten (vgl. /Ware, Makler/) oder die Durchsetzung des ursprünglich italienischen /Sensal/ in Österreich mit seiner engen Handelsbindung an Italien. Die in enger Verbindung zu den gesellschaftlichen Erfordernissen zu sehenden sprachlichen Ursachen für das Durchsetzen eines Konkurrenten als allgemein gültig« Bezeichnung und das Ausscheiden eines anderen sind vielfältiger Art. Hier spielen Sprachökonomie, Monosemie auf der einen und Polysemie auf der anderen Seite eine Rolle (vgl. /Ware/ und /Kaufmannschaft/ beispielsweise). Bedeutungsspezialisierung (vgl. /Gut/) führt zum Ausscheiden von Konkurrenten. Ebenso haben landschaftlich nur sehr begrenzt geltende Wörter wenig Chancen, Allgemeingut zu werden (vgl. /Merze/) oder auch Bildungen, die als landschaftlich bereits früh verdrängt werden (vgl. /Unterkäufel/ und /Unter kauf er/).
206 3.2.
Gerlinde Richter Zur landschaftlichen Aufgliederung
In der Forschung zur Geschichte der deutschen Sprache wird eine niederdeutsche ' Kaufmannssprache', getragen von der Hanse (mittelniederdeutsche Geschäftsspra98 che) , die vom Niederländischen her beeinflußt ist, und eine oberdeutsche, vom Italienischen beeinflußte ' Kaufmannssprache' (getragen von den Handelszentren des Südens, 99
wie z. B. Nürnberg, Augsburg, Ulm, Basel usw.) unterschieden. Diese Beeinflussung entspricht der wirtschaftlichen Bindung der beiden Zentren einmal mehr an den Nordwesten und zum anderen mehr an den Süden. Diese Teilung wird von den hier abgehandelten Beispielen weitgehend bestätigt, sie drückt sich in den unterschiedlichen Bezeichnungen für ein und denselben Begriff aus. Geht man von dem zu Ende des zweiten Untersuchungszeitraumes erreichten Stand aus, so ist sowohl Südliches(/bar, Kram/) als auch Nördliches (/Makler, Ware/) in die Reihe der einheitlich geltenden Bezeichnungen eingegangen. Sowohl von Norden als auch ^ uvon 101Süden her setzten sieh Bezeichnungen im gesamten deutschen Sprachgebiet durch. Es bleibt zu fragen, welche Rolle die Mitte dabei gespielt hat. Bei den behandelten Beispielen (vgl. z.B. das lange Festhalten an/Unterkäufer/ im Kölnischen, das langsame Vordringen von /Ware/ aus dem Norden) scheint es so, daß der Westen des Mitteldeutschen länger an den einheimischen Bezeichnungen festhielt als der Osten. Es fällt z. B. auf, daß die niederländisch-niederdeutschen Bezeichntingen /Ware/ und /Makler/ Westmitteldeutsche ins Hochdeutsche offensichtlich nicht über oder das dasOstmitteldeutsche 102 trotz der vorgedrungen sind, zuerst sondern daßKöln sie über kamen, engen Beziehungen Kölns zum Niederrheingebiet. /Ware/ und /Makler/ wandern aus dem Niederländischen ins Niederdeutsche und über das Ostniederdeutsche ins Ostmittel103 deutsche. Erst durch ostmitteldeutsche Vermittlung breiten sie sich nach Westen und Süden aus. Die Mitte, besonders der Osten der Mitte, hat in diesen Fällen Vermittlerfunktion nach Süden. Es ist allerdings nicht so, daß Norden und Süden jeweils einen in sich geschlossenen Komplex bilden, wie z.B. die Verteilung von/Unterkäufel/und/Unterkäufer/ zeigt. Unter Umständen ist der Südosten dem italienischen Einfluß so stark ausgesetzt, daß er sich der übrigen Einigungsbewegung 104verschließt wie im Falle von /Sensal/ (gegen
gemeindeutsch gewordenes /Makler/
).
Hervorzuheben ist, daß das Westmitteldeutsche und das Westniederdeutsche jeweils ein sprachlich stabileres und einheitlicheres Gebiet darstellen als das Ostniederdeutsche und das Ostmitteldeutsche, die häufig Mischcharakter tragen (vgl. z. B. die Bezeichnungen für 'bar'). Hier wird außer den Handelsbeziehungen auch der Deutschritterorden in ostniederdeutschem Gebiet mit seiner engen Verbindung zum Ostmitteldeutschen Einfluß gehabt haben.
'Ware', 'Kleinhandelsartikel', ' b a r ' , 'Makler'
207
Die Grenzlinien verlaufen nicht nur in west-östlicher Richtung, sondern auch in nordsüdlicher. So wird das Ober fränkische durch die Verteilung von /Unterkäufer/ (südfränkisch und westliches Ostfränkisch) und /Unterkäufel/ (östliches Ostfränkisch) im ersten Zeitraum teils zum Westmitteldeutschen, Westoberdeutschen und teils zum Ostoberdeutschen geschlagen. Die Beziehungen zwischen den einzelnen Großlandschaften sind jedenfalls vielfältiger Art. 3. 3.
Zur Art des Ausgleichs
Bei den behandelten Beispielen vollzieht sich der Ausgleich - formal gesehen - immer nach demselben Muster; Aus landschaftlich differenzierten Bezeichnungen (z.B. /bares Geld/ im Hochdeutschen, /redes Geld/ im Niederdeutschen) werden Konkurrenten in ein und derselben Landschaft (/bares, redes Geld/ im Niederdeutschen nebeneinander). Von diesen setzt sich eine Bezeichnung am Ende durch (/bares Geld/ im gesamten deutschen Sprachgebiet). 3.4.
Zum zeitlichen Ablauf
Fragt man nach dem zeitlichen Ablauf dieser Prozesse, so läßt sich mit einer gewissen Vorsicht aus den lintersuchten Beispielen folgendes grobe zeitliche Schema ablesen: Der Prozeß zur Ausgleichung lexikalischer Unterschiede im Hinblick auf eine einheitliche deutsche Literatursprache ist bereits im ersten UntersuchungsZeitraum im Gange, genauer, er beginnt schon vor 1470. Es läßt sich im allgemeinen bereits sagen, welcher Konkurrent sich durchsetzen wird (z. B. /bar, Ware/). Besonderheiten bestimmter in sich abgeschlossener Landschaften sind noch klar erkennbar an der zahlenmäßig großen Belegung der in diesen Gebieten heimischen Bezeichnungen (z.B. der westniederdeutsche Gebrauch von / r e d e / und der westmitteldeutsche [ ripuarischej von /gereit/ für ' b a r ' oder ostoberdeutsch /Kaufmannschaft/ für ' W a r e ' ) . In der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts haben die sich durchsetzenden Konkurrenten bereits allgemeine Verbreitung und eindeutiges Übergewicht erlangt. Der Durchbruch vollzieht sich etwa um die Mitte des 16. Jahrhunderts. Bei den Beispielen hat sich bis 1730 eine für das deutsche Sprachgebiet relative Einheitlichkeit herausgebildet (im Unterschied zu der durch Vielfalt gekennzeichneten Etappe um 1500). Bereits zu Beginn des zweiten Untersuchungszeitraumes sind damit Bezeichnungen allgemeingültig, die im wesentlichen auch den Wortgebrauch der Gegenwartssprache repräsentieren.
208
Gerlinde Richter
Anmerkungen 1 Vgl. Bd. 1, S. 16. 2 Vgl. S. 12 f. 3 Zum folgenden vgl. Haussherr, Wirtschaftsgesch. (1954); Kroker, Handelsgesetz (1925); Nordmann, Oberdtld. (1939); Reinhold, Polen (1971); Wrede, Köln (1920). 4 Nordmann, Oberdtld. (1939)8. 5 Vgl. Wrede, Köln (1920) und Frings in: PBB 68 (1945/46) 72. 6 Nordmann, Oberdtld. (1939)48 f. 7 Vgl. dazu: Kl. polit. Wb. (1973) 944. 8 Vgl. S. 190 f. 9 Mottek, Wirts chaftsges ch. 1 ( 9 7 2 ) 181. 10 Vgl. S. 190 f. 11 Möglicherweise liegt das auch an den exzerpierten Quellen. 12 Vgl. 1DWB 4, 1, 6,1355 ff. 13 Die in dieser Arbeit berücksichtigten zwei- und mehrgliedrigen Formeln ("Doppelformeln" bei Besch, "interpretierende Synonyma" nach Wolf, s . u . ) des 15. und 16. Jahrhunderts erfüllen verschiedene Funktionen. 1. Sie präzisieren eine Bedeutung und weisen sie in den entsprechenden semantischen Rahmen ein, wie hier im Falle von/Gut/. 2. Sie erscheinen als eine Art Übersetzungshilfe, Interpretation für eine ursprünglich in einer Sprachlandschaft fremde Bezeichnung; die bekannte Bezeichnung führt die unbekannte sozusagen in den Gebrauch ein. Dabei kann die bekannte Bezeichnung an erster Stelle stehen (z.B. vgl. S.200: (1485) /eins underkeuffers odir mekelers/, Anm. 65: (ul620) /rede umb rede, das ist bar umb bar/)" oder die unbekannte (z.B. vgl. S. 194 : (1511) /an barem ind gereidem gelde/, S. 204: (1558) /Mackler oder Vnterkeuffel/, /war und kauffmanschafft/ (1502, wobd.) in: Rem, Tgb. 136 G.). Zum Problem vgl. Besch, Sprachlandschaften (1967) 336, ders. in: Neuphilol. Mitt. 65(1964)200 i f . und Wolf, Mathesius (1969) 78 ff. u. 114 ff. 14 Die geringe Bezeugung im Ostniederdeutschen muß auf die geringe Ergiebigkeit der Quellen zurückgeführt werden, da /Ware/ ja ursprünglich ein niederdeutsches Wort ist, vgl. Anm. 20. 15 / E r soll feil habe gute kauffmäschatz/ (vl510) Geiler, Wannenkremer (1517) 92 a ; ebd. 94^ und öfter, daneben: /von den vnnützen kremern vnd kauflüten, der war nit not ist/ ebd. 95 c oder /Sie heisen es ein war, das einer feyl hat/ ebd. 93 d . 80 ü . 92 c und öfter. /Kam er in der künigynnin landt/ vnd fing an kouffmans chatz vßlegen/ (1519) Murner 5, 26 Sch. und öfter; daneben: /koufflüt, . . . die solche ringe war vertriben/ (1519) ebd. 5,189 und öfter; /ein schiff . . . , welchs etlich kauffmanschatz uß Schottenland dahin bracht hat/ (1539) Wickram 1, 96 LV oder /ein mechtig schiff . . . mit grossem gut vnd kauffmanschatz beladen/ (1555) ebd. 3, 80 und öfter; daneben: /kaufleut . . . , die mit solcher war umbgiengen/ (1554) ebd. 2, 73 oder /hatt er . . . geprenten weyn feil neben seiner andern war/ (1555) ebd. 3, 35 und öfter. 16 Vor 1470 ist es öfter westoberdeutsch und ostmitteldeutsch (obersächsisch) belegt, niederdeutsch nur-selten (vgl. Schiller/L., Mnd. Wb. 2,532). 17 /Gut/ in einem Beleg wie dem folgenden, in dem der Händler seine einzelnen Waren zum Kauf auslegt, ist selten: /de kremer auer, de de wonen vppe dorperen . . . , de schullen nicht stan to Stendal med vnsen kremeren edder or ghut utlegghen, wan allene in den Jarmarkeden . . . Ok schal neyn kremer . . . stan vor den kerken edder
'Ware', 'Kleinhandelsartikel', ' b a r ' , 'Makler'
209
syn ghut vor der kerken utlegghen/ (1400) Qu. Wirts chaftsgesch. Mitteldtlds. 2,17/0. 18 WDG 3,1673 gibt an "versandfertige Ware, Frachtstück" (vgl. auch 1DWB 4,1, 6, 1360). 19 /Kaufmannsgut, heißt (1) eine tüchtige und gute Waare, womit ein ehrlicher Mann den andern verwahren soll. Daher sagen die Kaufleute: Das ist kein Kaufmanns gut, d. i. es ist verdorbene oder verfälschte Waare, womit man ist betrogen worden. Im übrigen werden auch (2) al^e diejenigen Dinge, mit welchen Handel und Wandel getrieben wird, Kaufmanns guter oder Kaufmannswaaren genennet/ (1767) Ludovici, Kaufmanns-Lex. 3,903. 20 Dazu XDWB 13,1989 f. 21 Vgl. Verwijs/V., Mnl. Wb. 9,1, 1748. 22 "Er ist ein Niederdeutscher, der in Ostmitteldeutschland hochdeutsch gelernt hat und hochdeutsch dichtet, ohne die Spuren seiner heimischen Mundart ganz verwischen zu können" E. Karg-Gasterstädt, in: Verfasser-Lex. 3,1134 S . / L . 23 /Swer nu kan tak unde naht hus unde strazen rouben, / / der wirt in der herberge wol enpfangen.// swenne er manigerhende wäre in sime sakke bringet, / / s o wirt im gelt/ Minnesinger 3, 57 H. 24 Vgl. 1DWB 13,1990, 2 und: /nein Kremer schall mit siner Ware stan vor der Kerke, deß sine wäre effte gudt beter iß alse VII ßl/ (1330, ond.) in: Stavenhagen, Beschr. Anklam (1773) 458. /habe ic wore topande/ (1359, wnd.) Wittenborg, Handlungsb. 53 M. 25 /Swelch unser borger bi gewichte uerkoufet edir koufet. Wullen, kopfer. bli . . . edir icheynerleye war/ (ul350, Nordhausen) N. Mitt. hist. -antiquar. Forsch. 3 (1837) 3, 51; / i r [der Kölner Wollenweber] war/ (1352) Kölner Zunfturk. 2, 484 L. /welch gast herbrengit swere war . . . , zo sal her sy wegen in deme woghusse/ (1336, Schweidnitz) Cod. dipl. Siles. 8, 21; / i s sal ouch nymant verborgin gewant, kuppfir, wachs, pfeffir noch keynirhande wäre einis vremdin mannis/ (1360, B r e s lau) ebd. 8, 49 K. und öfter. 26 /eyn vaß mit rauher war/ (1444, Nürnb.) Chr. dt. Städte 2, 77; /mit venedigischer w a r / (1460) Copeyb. Wienn 205 Z.; vgl. auch S. 179, Beleg von 1470, Strassb. Zunft-Verordn. Der *DWB 13,1991 nach Karajan zitierte Beleg von Heinrich dem Teichner / s ö wart nie kein war sö guot/ wird von Niewöhner (DTM 46, S. 360, Z. 48) wiedergegeben: / s o ward nie kain wart so gut/. 27 Vgl. Zedier, Universal-Lex. (1732) s . v . Meder, 28 Weinsberg entstammt einer Kölner Kaufmannsfamilie und trieb auch selbst Handel, vgl. ADB 55,18. 29 /hette seine kauffmanschafft feil auff eim j a r m a r c k t . . . da er gar viel kauffleut fände/ (1563) Kirchhof, Wendunmuth 1,191 LV. 30 Z . B . : / i s t e r l o u p t . . . koufmanschaft mit in triben/ (ul440) Windeck, Denkw. 146 A. / i n diser statt sein . . . vile heidnische kauffleutt, . . . und ale kauffmans chafft ist in Iren henden/ (1497) in: Rem, Tgb. 123 G. /allhie ist leider bei der Kauff man schafft wenig . . . zu verdienen/(1683) Schulte, Br. (1856) 130. 31 Z . B . : /vorder der kopen schopp tho besluten inne eren handelingen/ (1497) Hanserecesse in 4, 3. /vilheit der burger, inwoner, adels, leer, kaufmans chaft, handels, und bandwirker, allerlei folks/ (1588) Weinsberg, Denkw. 4, 29 H. /sonder Nutzen der Kauffmanns chaff t / (1698) Weigel, Haupt-Stände 156. 32 Z.B.: /swer ouch nicht erbes hat unde choufschätz tribet in der stat choufende unde verchoufende heimelichen oder offenbar/ (1322, omd.) Qu. Wirts chaftsgesch. Mittel-
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Gerlinde Richter
dtlds. 2, 61 H. /das du ain 'willen zu der koffmanschatz haust/ (1479, wobd.) Handelsakten Ma,, Neuzeit 3,137 Ak. /wann es i s t . . . dem adel kaufmans chatz zu pflegen verpoten/ (1495, oobd.) Bauernkrieg, Aktenbd. 25 F. /kaufmanschatz zu treiben/ (1536) Kurmärk. Ständeakten 1, 33 F. 33 Vgl. 1DWB 13, 1992. 34 wobd.: /bis daz sie i Kaufleute] iere war vertryben/ (1473) Steinhöwel, De claris mulieribus 131 LV. oood.: /Verlegne war der käüfft man nit/ (1510) Sterzinger Sp. 1, 64 WND. 35 Kraker, Handelsgesch. (1925) 29. 36 Vgl. S. 191, die Belege aus der Leipziger Krämerinnung. 37 Vgl. z.B. /Merze/, S. 188 und überhaupt die Belege S.188 und 190 f.,sowie Köhler, Einzelhandel (1938). 38 /ain . . . chramer, der chramerei vail hat/ (1379) Öst. Weist. 5, 383. 39 wnd. /en schal nyn kremer synen craem uthleggen des hilghen daghes to vorkopende/ (1375) Hamb. Zunftrollen 49 R. ond. /nenen craam mer veyle hebben/ (13*97) in: Meckl. Wb. 4, 617. 40 In den durch die Totalexzerption gewonnenen Belegen bezeichnet /Kram/ im Westmitteldeutschen stets den ' Verkaufsstand' (die Kleinhandelsware wird dagegen durch /Krämerei/ bezeichnet), z . B . : /dieghiene, die also botter, kiese und ander wair up dem Aldenmairte veil haven willen, die sullen yre dische, bencke odir krame niet wijder setzen, . . . dan wie yn dat van den burgermeisteren . . . gesatzt worden i s / (1475) Qu. Gesch. Köln. Handel 2, 327 K. und öfter. 41 Vgl. aber einen mittelniederdeutschen Beleg bei Schiller/L., Mnd. Wb. 3, 319 : /id si in durbaren penwerden effte in lichten penwerden, id sy wyne, bere/. Vgl. auch als Bezeichnung einer sehr geringen Quantität einer bestimmten Ware: /scholen ock de borger nenen buckyngk maken, men van schonschem heringe, den se aver ze vnde sant halen . . . , vnde wat gudes en gesant wert, mögen sse nicht haken de mynsten pennewerde/ (1507) Lüb. Zunftrollen 239 W. 42 Vgl. 1DWB 7,1671; pfenwerten ' im kleinen kaufen oder verkaufen' ebd. 1673, z. B . : / e s sol kain purger einem frömden . . . sein guet nicht . . . verkaufen . . . oder sust pfenwerten/ (E15. Jh.) Öst. Weist. 5,479. 43 Außer von Fischer, Schwab. Wb. 4,1624 von Schmeller/F., Bayer. Wb. 1,1657 (ohne Beleg) verzeichnet. Das Wort wird gestützt durch /merzein/ und /Merzeier/, vgl. ^DWB. 44 Vgl. XDWB 6, 2109. 45 Vgl. S. 188. 46 Nach Vilmar, Id. v. Kurhessen (1868) 298 noch im 17. Jahrhundert im Hessischen üblich i7 Zu den Verhältnissen in der Gegenwart vgl. S. 190 ff. 48 Vgl. *DWB 5,1989, 5. 49 Vgl. 1DWB 5,1990, d. 50 Vgl. ^DWB 5,1991 und: [ e r ] /putzt Sick offt herut, Mit Ring- un Kedden-Kram, as wer he ene Brut/ (1732) Abel, Sat. Ged. 2, 237. /Ward bald ein Kloster hie bald dorten aufgebaut, . . . Der alte Götzen Kram kam wieder an das Licht/ (1729) ebd. 1, 510. /Sie schämten sich auch nicht, mit . . . lerem Wörter-Kram, die Bücher anzufüllen/ (1732) ebd. 2,95. usw.
'Ware', 'Kleinhandelsartikel', ' b a r ' , 'Makler'
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51 Die Vermögenslage der Krämer war sehr differenziert; es gab arme und reiche unter ihnen. Vgl. Köhler, Einzelhandel (1938)210. 52 Martin/L., Wb. eis. Mdaa. 1, 517 : Ware; Schweiz. Id. 3,809: Krämerware; Fischer, Schwäb. Wb. 4, 672: Kaufmannsware, Kramware; Jutz, Vorarlb. Wb. 2,137: Ware; Rhein. Wb. 4,1349: Ware in Jahrmarkts-, Kirmesbuden; Wrede, Köln. Sprachschatz 2, 99 a : Kramware; Mitzka, Schles. Wb. 1, 720 a : Handelsware eines Krämers; Frischbier, Preuss. Wb. 1,419 a : oft in verächtlichem Sinne; Woeste/N., Wb. westf. Mda. 1410; Ware; Kück. Lüneb. Wb. 2, 211: die Waren, die man in der Bude kauft; Meyer/M. Berliner 8 95°: Ware der Hausierer. 53 Vgl. Gartmayr, Gewinn (1964) 62-75 und Köhler, Einzelhandel (1938) 55 (:"fachliche Differenzierung setzt erst nach der Reformation ein"). 54 Ware, die nicht mit der Elle gemessen wurde, vgl. *DWB 5, 2828. 55 Vgl. Haussherr, Wirtschaftsgesch. (1954) 35 f. 56 Vgl. 1DWB 4,1, 2, 2897, 4. 57 Im Material verzeichnete Erstbelege in den einzelnen Sprachlandschaften: wobd. seit 1276: /umb beraite phenninge/ Stadtb. Augsb. 25 M.; oobd. seit E13. J h . : /30 Schilling hl. . . . b e r a i t . . . ze geben/ Bayer. Rechtsqu. 2, 38 Ak.; obfrk. seit 1217, s. Beleg auf S. 197; wmd. seit ul340: /sessuntryzig marg pening . . . , di si uns han an gereydeme gelde hant gezalt/ Urkb. Frankf. 2,186 L.; omd. seit 1330: /vunfhundirt marg . . . , die si uns . . . gereyte . . . bezalet haben/ Urkb. Erfurt 2, 73 B.; wnd. seit 1357: /mit reden penningen/ in: Schiller/L., Mnd. Wb. 3, 439b; ond, seit 1341: /myt redeme gelde betalet/ in: Meckl. Wb. 5, 831. 58 Vgl. dazu die entsprechenden Artikel /bereit, gereit, reit/ im *DWB. 59 Vgl. *DWB 4,1, 2, 2897,4. 60 Zum Niederdeutschen vgl. S. 9 und 12. 61 Vgl. oben, S. 198 und Verwijs/V., Mnl. Wb. 2,1515 f. - Zum engen Zusammenhang zwischen dem Ripuarischen und Niederfränkisch-Niederdeutschen vgl. auch Besch, Sprachlandschaften (1967) 332 f. 62 Bd. 5,831. 63 Weitere Belege bei BMZ 2,1, 671a und Lexer, Mhd. Hdwb. 1,189. 64 Ostoberdeutsch im Material erst seit 1485 belegt: /geit er die zehen pfund pn. nit pars her, so . . . / Öst. Weist, 3,167. 65 /kein Hansischer soll mit einen außenhansischen anders dan rede umb rede, das ist bar umb bar handien/ (ul620) Bürgerspr. Wismar (1840) 87 B. 66 Das Rheinische Wörterbuch verzeichnet / r e d e / bis um 1870, das Schleswig-Holsteinische von Mensing bis um 1800, die Belege des Meckl. Wörterbuchs enden im 18. Jahrhundert, vgl. die entsprechenden Wörterbücher. 67 "Bereites Geld bedeutet . . . ehedem bares Geld, und im Niedersächsischen wird rede Geld noch so gebraucht. " 68 Zur Lage im ersten Zeitraum vgl. S. 194 f. Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Stelle aus den Handschriften der "Pilgerfahrt des träumenden Mönchs" von Arnold von Harff: Hs. c, 1444, ripuarisch (Köln) schreibt /gereit gelt/ (vgl. mnl. /gereet/): / a s sij neit gereit gelt enkrigent/ Hg. v. A. Meijboom (1926) 9553. Hs. b, AI5. Jh., rheinfrk., schreibt / b a r / : / s o sij nit betzalt werdent bare hüre/ Hg. v. A. Böhmer, DTM 25, 9767. Vgl. auch ebd. 9734 (Hs. c. nicht entsprechend): /Das holtz ist din, gibestu mir daz gelt bare/. 69 Vgl. dazu Wrede, Köln (1920).
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70 Vgl. *DWB 1,1497 f. und 1500. 71 Meckl. Wb. 5, 831. 72 Vgl. BMZ 2,1, 671 b , dort frühe Belege. 73 Frensdorff, Makler (1907) 270. 74 Vgl. auch Kroker, Handelsgesch. (1925) 36. 75 Frensdorff, Probeartikel Makler (1906) 118. 76 Frensdorff, Makler (1907) 269. 77 Vgl. die Belege auf S. 201 f. 78 Vgl. Frensdorff, Makler (1907). 79 Als Kontaminationsform tritt im Oberdeutschen gelegentlich auch /Unterkäufler/ auf (z.B. Schweiz. Id. 3,173, Beleg von 1628 oder S. 201, Beleg von 1662; auch: /stattknecht, . . . bawsknecht, underkewfler, . . . sollen auch nit weyter aus gemainem seckel besoldt werden/ (1527, obfrk.) Qu. Bauernkrieg Rotenb. 178 LV. 80 Besser belegt ist es ostmitteldeutsch von 1400 - 1470 mit 8 Belegen; das Verhältnis /Makler/ zu /Unterkäufer/ beträgt im Ostmitteldeutschen in dieser Zeit 4:1. Im ersten Zeitraum steht einem /Makler/beleg ein Beleg für /Unterkäufer/ gegenüber, sonst kein weiterer Konkurrent. 81 Fischer, Schwab. Wb. verzeichnet mehr Belege für die / - e l / - Bildung als für die /-er/-Bildung, so auch unser Material. 82 Im Ostoberdeutschen ist es in der Zeit vor 1470 im Material häufiger bezeugt, z . B . : /Underkaeffel) [Überschrift] /(1364/80) Bayer. Rechtsqu. 1, 579 Ak. /daz ditze ampt alle underköufel üeben/ (M14. J h . , Meran) ZfdA. 6, 426. /nach schaczung der gesworn vnderkewffl/ (1454) Copeyb. Wienn 41 Z. Da im ersten Zeitraum kein Konkurrent belegt ist, wird auch hier angenommen, daß es - trotz der geringen B e zeugung - die ostoberdeutsch übliche Bezeichnung ist. 83 Im Ostmitteldeutschen ist das Material insgesamt sehr dünn, vgl. Anm. 80. 84 Vgl. Schweiz. Id. 3,173. /Makler/ist im Schweiz. Id. nicht verzeichnet. 85 Vgl. Kluge/M., Et. Wb. ( 1 8 1960)704 b . Die für 1479 angeführte Stelle stellt einen Fremdeinschub dar und ist noch nicht als deutscher Wortgebrauch zu werten: /von der schult wegen, so iuch . . . B. d. K. hie im buch schuldig i s t . . . , dar umb ir hie in hand gehebt kartes de sensal/ Handelsakten Ma. Neuzeit 3, 97 Sch. 86 Duden, Öst. (1969). Weitere Belege aus dem 17. und 18. Jahrhundert bei Frensdorff, Makler (1907)261, Fußnote 1 und Öst. Wb. - Interessant sind in diesem Zusammenhang die "Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches". Die Entwürfe für ein österreichisches Handelsrecht benutzen /Sensal/; /Mäkler/ wird nur einmal in Klammern ciazugesetzt: /Von Sensalen (Mäklern)/ Revidirter Entwurf eines österreichischen Handelsrechts, S. XL. Der Entwurf eines Handelsgesetzbuches für die Preußischen Staaten (S. XHI und öfter) benutzt /Mäkler/; der Entwurf eines Allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches setzt /Sensal/ dazu: /Von den Handelsmäklern oder Sensalen . # . Die Handelsmäkler (Sensale) sind amtlich bestellte Vermittler für Handelsgeschäfte/ (S. Xm). 87 /Endlich führen diejenigen Mäckler, welche nur bloß bey Ein- und Verkaufung der Waaren zwischen Käufern und Verkäufern Unterhändler abgeben, den Namen der Waarenmäckler oder Warensensale/ (1768, obfrk.) Ludovici, Kaufmanns -System 22847 /Diejenigen Mäckler hingegen, die sich nur bloß allein auf Schließung der W e c h s e l . . . imgleichen anderer dergleichen Geldnegotien . . . legen, heißen Wechselmäckler, Wechselsensale/ ebd.
'Ware', 'Kleinhandelsartikel', ' b a r ' , 'Makler'
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88 Vgl. zum Ostmitteldeutschen das Anm. 80 Gesagte und S. 203 f. sowie Anm. 92. Im Westmitteldeutschen herrscht /Unterkäufer/ vor. 89 "Von etwa 1300 ab findet sie [Bezeichnung Makler] sich in Lübeck, Bremen, Hamburg, Wismar, Rostock, Danzig gebraucht, während der Unterkäufer diesen Städten unbekannt geblieben ist" Frensdorff, Makler (1907) 258. 90 Vgl. Frensdorff, Makler (1907) 256 f. 91 Vgl, auch: /Subemptor ein vnder koper/ (1495) Voc. optimus gemma (Magdeb.) 186°.
92 /den mekelern/ (1400) Marienb. Konventsb. 30 Z. /die meckeler/ (1464, Leipz.) Qu. Wirtschaftsgesch. Mitteldtlds. 2, 71 H. - /qui underkoifer dicuntur/ (1278, Erfurt) in: Frensdorff, Makler (1907) 274 und: /ane underkoufere/ (ul300) Qu. Wirtschaftsgesch. Mitteldtlds. 1, 22 H. 93 Im WNT 4,1032 ist das Wort etwa seit der Mitte des 13. Jahrhunderts belegt. 94 Vgl. Frensdorff, Makler (1907) 256. 95 Vgl. S. 200 den Beleg von 1485, insgesamt (mit Totalexzerption) im ersten Zeitraum 4 Belege für /Makler/ im Westmitteldeutschen, 214 Belege für /Unterkäufer/ (letzteres in dieser großen Anzahl bedingt durch die Totalexzerption). 96 Vgl. hierzu auch den Ausgleich zwischen/Fleisihhäckel/ und/Fleischhacker/. Den Hintergrund bildet das Zurücktreten der alten / - e l / -Bildungen bei den nomina agentis zugunsten der /-er/-Bildungen, vgl. auch S. 77 und 79. 97 Das im 17, Jahrhundert aus dem Italienischen übernommene /kontant/ ' b a r ' (vgl. Schirmer, Wb. [1911] 107) hat sich nur auf einem engen fachsprachlichen Sektor einbürgern können, der Allgemeinsprache blieb es ungebräuchlich. 98 Zum Mittelniederdeutschen vgl. Gernentz, Niederdeutsch (1964) Kap. A EI und IV. 99 Vgl. z.B. Bach, Gesch. dt. Spr., 8 § 210. 100 Hier ist die Beziehung nach außen gemeint, sie stehen natürlich auch miteinander in Beziehungen innerhalb des deutschen Sprachgebiets. 101 Vgl. dazu Ising, Wortgeogr. 1(1968)136 und Besch, Sprachlandschaften (1967)361 f. 102 Vgl. dazu /hantieren/ ' handeln'. Rosenquist, Wanderungen (1944) hat festgestellt, daß/hantieren/ (afrz. /hanter/, mnl. /hanteren/) auf Grund der Beleglage nicht über das Nieder— Mittel—RheinfränMsche-Thüringische-Obersächsische ins Schlesische gewandert ist (wie nahe läge), sondern "durch den Handelsverkehr mit den flandrischen Städten entweder durch Vermittlung des Niedersächsischen oder direkt in das (preussische) Ostmitteldeutsche gelangt" ist; . . . "denn auch die preussischen Kaufleute fuhren, ebenso wie die westfälischen und die lübischen, nach den Niederlanden" (S. 373). 103 Zum Zusammenhang zwischen Ostmitteldeutsch und Ostniederdeutsch vgl. auch Ising, Wortgeogr. 1(1968)136. 104 Vgl. auch das Fehlen des Wortes im Schweizerischen. 105 Vgl. aber / K r a m / .
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Verzeichnis der für das Teilthema zusätzlich herangezogenen Sekundärliteratur und Quellen Die Bürgersprachen und Bürgerverträge der Stadt Wismar, hg. v. C. C.H. Burmeister. Wismar 1840. Ehreriberg, Richard: Das Zeitalter der Fugger. Bd. 2: Jena 1912. Frensdorff, F . : Der Makler im Hansagebiete. In: Festgabe der Göttinger JuristenFakultät für Ferdinand Regelsberger. Leipzig 1907. S. 253 ff. - Probeartikel Makler. In: Sitzungsberichte d. kgl. preuss. Akademie d. Wissenschaften. 1906. IV. Berlin 1906. Gartmayr, Eduard: Nicht für den Gewinn allein. Die Geschichte des deutschen Einzelhandels. Frankfurt/M. o.J. (Cop. 1964). Köhler, E . : Einzelhandel im Mittelalter. Stuttgart o. J. (1938). Beiheft 36 zur Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Krejii, T . : Einfluß des Handels auf die Entwicklung und Gestaltung der deutschen Sprache. Prag 1932. Kroker, Ernst: Handelsgeschichte der Stadt Leipzig. Die Entwicklung des Leipziger Handels und der Leipziger Messen. Leipzig 1925. Neue Mittheilungen aus dem Gebiete historisch-antiquarischer Forschung. Hg. v. thür.-sächs. Verein f. Erforschung d. vaterländischen Alterthums. Bd. 3,3: Halle 1837. Nordmann, Claus: Oberdeutschland und die deutsche Hanse. Weimar 1939. (= Pfingstblätter des Hansischen Geschichtsvereins. Blatt XXVI). Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen HandelsgesetzBuches. (1.) Beilagenband: Nürnberg 1858. (Jeder Entwurf ist gesondert paginiert). Reinhold, Josef: Polen/Litauen auf den Leipziger Messen des 18. Jahrhunderts. Weimar 1971. (= Abhandlungen zur Handels - und Sozialgeschichte X). 1, Kapitel: Der Aufstieg der Leipziger Messen. Rosenquist, Arvid: Über Wanderungen romanischer Fremdwörter im Deutschen. In: Annales academiae scientiarum Fennicae, Serie B, Tom. XLIX. Helsinki 1944. S. 249 - 466. Roth, Johann Friedrich: Geschichte des Nürnbergischen Handels. Bd. 1-4: Leipzig 1800 - 1802. Schirmer, Alfred: Wörterbuch der deutschen Kaufmannssprache auf geschichtlichen Grundlagen. Straßburg 1911. Stavenhagen, Carl Friedrich: Topoorographische und Chronologische Beschreibung der . . . Stadt Anklam. Greifswald 1773. Wrede, Adam: Köln und Flandern-Brabant. Kulturhistorische Wechselbeziehungen vom 12. - 17. Jahrhundert. Köln 1920.
'STRAFE' und ein Vergleich der Ergebnisse mit 'PRANGER' und 'VORMUND'. LEXIKALISCHE UNTERSUCHUNGEN ZU RECHTSBEGRIFFEN
Ulrich Schröter
1.
Einleitung
Die von der gegenwärtigen Sprachwissenschaft weithin und zu Recht als sehr wichtig angesehene Aufgabe, den Zusammenhang zwischen Sprache und Gesellschaft zu untersuchen*, hat für den Bereich der Rechtsprechung besondere Relevanz, denn Rechtsprechimg ist ein gesellschaftspolitisches Phänomen. Gerichtsbarkeit haben immer die Herrschenden ausgeübt. Die Hauptfunktion jeder natürlichen Sprache, den Sprechern als Mittel der Verständigung, des Verkehrs zu dienen, zeigt sich unbedingt in der Rechtsprechving. "Der Sprechakt im Bereich des Rechtslebens verfolgt stets den Zweck, anderen etwas mitzuteilen, und ist meist von der Absicht geleitet, auf ihr Verhalten 2 einzuwirken. " Hauptgegenstand der vorliegenden Untersuchung ist der sprachliche Ausgleichsprozeß, der als Voraussetzung für die Ausbildung der nahezu einheitlichen, im gesamten deutschen Sprachgebiet geltenden deutschen Literatursprache 3unter anderem auch innerhalb einer Gruppe konkurrierender synonymer Bezeichnungen
für den Rechtsbegriff
'Strafe' vor sich ging. Damit wurden - entsprechend der Konzeption des Bandes - Bezeichnungen für einen Begriff als Untersuchungsgegenstand ausgewählt, die in den zu untersuchenden historischen Zeiträumen und in der Gegenwart nicht nur rechtssprachliche Termini, sondern zugleich allgemeinsprachlich, d.h. Rechtswörter als feste B e standteile der Literatursprache, sind, wie z . B . die beiden folgenden Belege (und weitere in der Untersuchung) aus entsprechenden Quellen zeigen: /sie [ E h e f r a u ] solt die straff [Halseisen] gelitten haben dy er [ i h r Mann] leid/ (1522) Pauli, Schimpf 33 LV. /Der soll seyn vrteyl vmb der thatt willen haben, es sey . . . zur busße am gutt odder yfls gefengnis/ (1523) Luther, Bibel 1, 351 W. Deshalb gehört zur Erforschung der Ausbildung der neuhochdeutschen Literatursprache unbedingt auch die Untersuchung dieses Entwicklungsprozesses rechtssprachlicher 4 Außerdem darf die Rechtssprache grundsätzlich "nicht als abgesonderte
Wörter.
Fachsprache angesehen werden, die wir außer acht lassen könnten, wenn wir nach den Regeln und Bedingungen der Gemeinsprache suchen. Sie 5 ist vielmehr deren fester Bestandteil, wenngleich sie . . . ihre Besonderheiten hat" . Im gleichen Sinne sagte bereits Bartsch: "Rechtssprache . . . ist weit mehr als eine Berufssprache der Juristen, weil auch Nichtjuristen sie anwenden müssen, nicht nur Geschäftsleute jeder Art, auch jeder Private, wenn er Geldzahlungen fordert oder leistet, wenn er etwas kauft g oder mietet, wenn er in ein Dienstverhältnis eintritt oder es aufkündigt."
Zwar be -
ziehen sich dies£ Äußerungen auf die Sprachsituation der Gegenwart, doch gelten sie ebenso für historische Sprachzustände. Das Deutsch der Juristen wird seit jeher, wie das anderer Berufsgruppen auch, z. B. der Drucker und Bergleute, durch einen gewis-
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sen Anteil an Sonderwortschatz geprägt. Jedoch bestehen zwischen den einzelnen Fachund Berufs Wortschätzen hinsichtlich der Anteile an enger Fachterminologie und Allgemeinwortschatz erhebliche Unterschiede. Man vergleiche in dieser Hinsicht den Wortschatz der Jura z. B. mit dem der Chemie oder Medizin. Darüber hinaus stellt Künßberg fest: "Unter den vielen S o n d e r s p r a c h e n ist die Rechtssprache diejenige, die wohl am meisten Berührungen mit den anderen Fachsprachen, Berufssprachen usw. hat. Die Kaufmannssprache, die Handwerkersprache, die Seemannssprache, die Bergmannssprache und wie sie alle heißen, sie alle überschneiden sich mit der Sprache des Rechts. Denn es gibt ja immer irgendwelche eigenen Rechtssätze für die besonderen Rechtsan7
gelegenheiten dieser Lebenskreise." Dies alles zusammengenommen zeigt die intensive Verbindung gerade der Rechtssprache mit allen anderen Sprachbereichen. 'Strafe' als juristischen Begriff bezeichnet in der Sprache der Gegenwart im gesamten deutschen Sprachgebiet das Wort /Strafe/. Zur Bezeichnung der einzelnen Strafarten fungieren Komposita von /Strafe/, z. B. /Freiheitsstrafe, Todesstrafe/. Nur für /Geldstrafe/ gibt o es außer dieser Bezeichnung und /Strafgeld/ noch /Buße/, /Geldbuße/ und /Bußgeld/. Die sprachhistorische Entwicklung der relativ häufigsten Simplizia für den Begriff 'Strafe' mit ihren Bezeichnungsfunktionen soll diese Abhandlung aufzeigen. Der Untersuchving liegt für die beiden Zeiträume ein Materialkorpus von insgesamt 2646 Belegen (davon 203 für Paarformeln) aus etwa 280 Quellen zugrunde. Für den ersten der beiden Untersuchungszeiträume sind es 1220 Belege (+ 168 für Paarformeln), für den zweiten 1223 (+ 35 für Paarformeln). Es wird davon ausgegangen, daß diese Materialbasis für die 8 zu behandelnden Bezeichnungen repräsentativ ist, da im Durchschnitt auf jedes Einzelwort mehr als 300 Belege kommen, d.h. in jedem Untersuchungszeitraum etwa 150 und in jeder Großlandschaft etwa 20, Die Belege stammen naturgemäß vornehmlich aus Rechtsquellen, z. B. Sammlungen von Gesetzen, Verordnungen, Statuten, Privilegien, Zunftordnungen, Weistümern, Urkunden, sowie aus Urteilsbüchern und Rechtsbüchern. Belege aus Quellen anderer Literaturgattungen, z. B. aus der Belletristik, werden nur berücksichtigt, wenn die betreffenden Wörter als RechtsWörter im entsprechenden Kontext vorkommen, und letzteres ist sachbedingt seltener der Fall. Die Zeiträume 1470 - 1530 und 1670 - 1730, die zu untersuchen und zu vergleichen sind, werden kulturgeschichtlich als das Ende des Mittelalters und der Beginn der Neuzeit (= 1. Zeitraum) bzw. als frühere Neuzeit (= 2. Zeitraum) gesehen, soziologisch - und zwar von der Gesamtentwicklung der Gesellschaft her - als die Zeit der allmählichen Ablösung der Gesellschaftsordnung des Feudalismus durch den Frühkapitalismus. Dies war eine Zeit totaler politischer Zerrissenheit des "deutschen Reiches". Es wurde zunehmend in unzählige selbständige Staaten aufgespalten und stellte nur
'Strafe', 'Pranger', 'Vormund'
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einen losen Bund kleinerer, mittlerer und größerer Gebiete weltlicher und geistlicher Landesherren (Herzogtümer, Fürstentümer, Grafschaften, Bistümer usw.) und freier Reichsstädte dar. An der Spitze stand mehrfach ein nahezu machtloser Kaiser oder König. In jedem Territorialstaat übten die Herrschenden - der Adel, das Patriziat ihre eigene Rechtsprechung aus, wobei sie mit zunehmender eigener politischer Machtbefugnis unter anderem im Strafrechtsverfahren immer willkürlicher verfuhren und immer härtere Strafen verhängten. Der Begriff 'Strafe' ist einer der Begriffe, die im Mittelpunkt des Strafrechts stehen. Infolge der gesellschaftspolitischen und sprachlichen Zersplitterung des "Reiches" ist nicht zu erwarten, daß es für diesen Begriff nur eine Bezeichnung gab. Künßbergs g Feststellung, daß Sprachgrenzen den politischen und damit den Rechtsgrenzen folgen, ist jedoch einzuschränken, wie die vorliegende Untersuchung zeigen wird. In der sprachlichen Entwicklung hat sich nämlich bereits bis zum Ausgang des Mittelalters und Beginn der Neuzeit ein gewisser überregionaler Gebrauch in der Rechtssprache und der Sprache im allgemeinen herausgebildet. Dennoch muß man davon ausgehen, daß noch immer Konkurrenten existieren. Die angeführten Belege haben jeweils mehrere Funktionen zugleich. In erster Linie weisen sie die Bezeichnung für den angegebenen Begriff in der betreffenden Sprachlandschaft nach. Sie wurden aber auch unter dem Aspekt ausgewählt, die Mannigfaltigkeit der Kontextsituationen zu demonstrieren und sachliche Aufschlüsse zu geben. So geben sie z. B. die Strafart an und tun kund, wer der Strafbevöllmächtigte ist. Darüber hinaus bezeugen sie in bestimmten Fällen Varianten von Lautformen, was wichtig ist, wenn mehrere zeitlich und geographisch nebeneinander vorkommen, wie / P e i n / und /Pe(e)n(e), Pön/. Auch das Vorkommen in Quellen verschiedener Literaturgattungen soll bezeugt werden. Näheres ist vor allem aus den Belegen selbst zu entiiehmen, da an Ort und Stelle nicht alle Einzelheiten hervorgehoben werden können. Um möglichst viele Aspekte zu erfassen und aufzuzeigen, werden meist aus der Mehrzahl der vertretenen Sprachlandschaften 1 Beleg, bisweilen auch 2 Belege zitiert. Eine synchrone Betrachtungsweise historischer Sprachzustände bestimmter Epochen und deren Vergleich kann und will selbstredend die sprachgeschichtliche Entwicklung nicht lückenlos darstellen. Es können nur bestimmte Punkte der Entwicklungslinie klar und eindeutig hervortreten. In der vorliegenden Untersuchung wird von dem gegenwärtigen Sprachzustand der deutschen Literatursprache für den Begriff 'Strafe' ausgegangen, ihm werden die Sprachzustände um 1500 und 1700 sozusagen als Vorstufen gegenübergestellt. Die Hauptfragen sind, wie /Strafe/ und warum gerade diese Bezeichnung für den betreffenden Begriff zum Bestandteil der relativ einheitlichen neuhochdeutschen Literatursprache geworden ist.
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2.
Begriffsbestimmung und Abgrenzungen
In der vorliegenden Untersuchung geht es nur um 'Strafe' als einen Begriff des Strafrechts. ('Strafe' in anderen Bereichen bleibt also unberücksichtigt.) Die Definition des Begriffes lautet: 'Strafe' ist 'eine Maßnahme, die das persönliche oder materielle Einstehenmüssen gegenüber dem Strafbefugten für eine schuldhafte Verletzung strafrechtlicher Normen (zum Zweck der Sühne bzw. der Erziehung, des Schutzes bzw. der Vorbeugung) beinhaltet'. ^
Unter diese Definition fallen alle Strafarten des Strafrechts.
Die Abgrenzung von dem vergleichbaren zivilrechtlichen Begriff 'Schadensersatz' macht folgende Definition deutlich: 'Schadensersatz' ist 'eine Maßnahme, die das materielle Einstehenmüssen gegenüber dem Geschädigten für einen diesem entstandenen Schaden in den durch Rechtsnormen oder in anderer Weise geregelten Fällen beinhaltet' . ^
Die Abgrenzung gerade diesem Begriff gegenüber, der in der vorliegenden
Untersuchung unberücksichtigt blieb, ist deshalb so wichtig, weil einige Wörter der Konkurrentengruppe'Strafe' auch für'Schadensersatz' stehen können, z . B . / B e s s e rung, Brüche, Buße, Wandel, Wette/, wie die folgenden Belege für diese Wörter aus dem ersten Untersuchungszeitraum zeigen: /Reuffen sich zcwene bürger . . . mit eynander vnd bekent er des das er in gerauft habe, der sol ym geben zu pesserung zcehen Schilling/ (1496) Rechtsdenkm. Thür. 438 M. /hedden de erbenomeden [Beklagten] . . . bekant, dat se affgeweddet hedden, unde Clawes Dume [ Kläger] den broke gebort hedde, so moste id dar bij bliven/ (1473) Lüb. Ratsurteile 1,103 E. /Dz im d' selbig der im den [ körperlichen] schade tho hat dester me gelt vn büß vnnd besserug thö solt/ (1497) Brunschwig, Cirurgia 28^ (u. ö.) faks. /wo yemant soliche beschediger hauset . . , , den oder dieselben wil ein rat straffen, wie sy dann den beschediger, wo der begriffen worden were, gestrafft wolten haben, und muste dar zu dem beschedigten alle die wanndel aussrichten in massen der tetter, wo der betreten worden were, het thun sollen/ (1471) Nürnb. Polizeiordn. 46 LV. /dat he vor sodane scheldeworde scholde wedden, dem he alzo gedaen, unde C. F„ sodane wedde entfangen hadde/ (1481) Lüb. Ratsurteile 1,167 E. Strafbefugnis haben die Institutionen, die durch Rechtsorgane Gerichtsbarkeit ausüben. In den zu untersuchenden historischen Zeitabschnitten sind das der Staat, die Kirche, die Gutsherren, Städte, Gemeinden, Zünfte. Unterschieden wird zwischen der hohen und der niederen Gerichtsbarkeit, d. h. die richterlichen Organe sind unterschiedlich zuständig, und keins von ihnen kann zu sämtlichen möglichen Strafarten verurteilen.
'Strafe', 'Pranger', 'Vormund'
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Für schwere Vergehen (Ungerichte), wie z.B. Mord, Raub, Landfriedensbruch, schweren Diebstahl, Brandstiftung, Zauberei, Ketzferei, werden Strafen an 'Hals und Hand' 12 (Todes- und Verstümmelungsstrafen ), für leichtere Vergehen (Frevel), wie z.B. Feld- und Forstfrevel, leichteren Diebstahl, Beleidigung, Verleumdung, werden Strafen an'Haut und Haar' (Ausstäupung, Brandmarkung, Scheren der Haare usw.) verhängt. Andere häufigere Strafarten sind Freiheitsstrafe, Verbannung und vor allem Geldstrafe. Die Rezeption des römischen Rechts seit dem 15. Jahrhundert schlug sich hinsichtlich des Strafrechts in der Constitutio criminalis Carolina, der Peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V . , von 1532 nieder, die die Geltung dqs "gemeinen deutschen Strafrechts" allmählich ausbreitete. Wenn durch sie auch "den hergebrachten Rechten und Gewohnheiten der Länder kein Eintrag geschehen sollte . . , , geriet doch das ganze deutsche Strafrecht immer mehr unter den beherrschenden Einfluß des großen Reichs13 gesetzes, das in jahrhundertelanger Geltung seinen überzeitlichen Rang erwies" , und damit hat die Carolina auch sprachlich ihren Einfluß ausgeübt (vgl. 5. und 6.1.). Bevor sie endgültig in Kraft trat, galten begrenzt mehrere Vorstufen von ihr. Die oben gegebene allgemeine Begriffsdefinition von 'Strafe' trifft auf die folgenden sinnverwandten (-ähnlichen) Wörter zu, deren Konkurrenz im Gebrauch während der beiden zu untersuchenden Zeiträume dargestellt werden soll: /Strafe; Pein; Pe(e)n(e), Pön; Buße; Brüche, Brüchte; Wette, Gewette; Wandel; Besserung; Frevel/. Mit diesen sind nach Häufigkeit und Verbreitung die wichtigen Konkurrenten erfaßt. Außer acht gelassen werden sowohl seltenere, wie z. B. /Bann, Borst, Einung/ und /Küre/, die auch bereits im ersten UntersuchungsZeitraum veraltet sind, und die im Gebrauch zu eng begrenzten, wie z.B. /Fehme/ (als Strafe des Fehmegerichts), als auch die in ihrer Bezeichnungsfunktion eingeengten Komposita, wenngleich sie schon im ersten UntersuchungsZeitraum (und früher) öfters nachzuweisen sind, wie z.B. /Geldbuße/ (1498) Frankf. Zunfturk. 2, HOSch.; /Geldstrafe/ (1506) Öst. Weist. 6,417; /Strafgeld/ (1529) Urkb. Mansfeld. Saigerhandel 145 M.; /Leibesstrafe/ (1478) Öst. Weist. 6, 32; /Todesstrafe/ (1507) Carolina 2, 9 K.; ferner die seltener bezeugten, wie z.B. /Brüchegeld/ (1468) Lüb. Urkb. I 11, 391; /Strafwandel/ (1508) Öst. Weist. 12, 592; /Frevelwandel/ (A16. Jh.) ebd. 9, 210. Die Mehrheit der zu behandelnden Bezeichnungen wird am häufigsten für 'Geldstrafe' gebraucht. Allerdings stellt Jacob Grimm hinsichtlich des alten deutschen Strafrechts 14 fest: "Buße-greift das vermögen, strafe leib und ehre des Verbrechers an" , wobei /Buße/ hier für mehrere Bezeichnungen steht und nach seiner Auffassung in dieser Zeit immer 'Schadensersatz', 'Genugtuung', 'Wiedergutmachung' war. "Neben der vom verletzten bezogenen /privatbuße/ erscheint schon in der ältesten zeit für die meisten verbrechen noch eine /öffentliche/, welche der könig, das volk und das gericht, wegen des gebrochnen friedens, in empfang nahm. Sie ist bald unter einem all-
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Ulrich Schröter
gemeinen namen der büße mitbegriffen, die dann nur nach verschiednen quoten unter kläger, volk und richter vertheilt wird, bald aber auch durch besondere benennungen ausgezeichnet. Man muß aber doch in dieser öffentlichen büße, so alt sie ist, immer etwas späteres, dem eigentlichen begriff der büße hinzugetretenes annehmen. . . . es war ein anhang zur büße, keine strafe. Unter / s t r a f e / (poena, pein) verstehe ich eine vom volksgericht ausgesprochne verurtheilung an leib, leben und ehre des Verbrechers, die nichts gemein hat mit der stets in geld und geldeswerth bestehenden büße. Geldstrafen, in diesem genaueren sinn, hat das alterthum nicht;" 15 Bis zum Ausgang des Mittelalters hatte sich das längst geändert. Die "Genugtuung für den Friedensbruch 16 gegenüber der öffentlichen Gewalt" ist Strafe. Dieser Wandel von der Genugtuung zur Strafe "wird sich mit größter Wahrscheinlichkeit zu dem Zeitpunkt vollzogen haben, als die öffentliche Gewalt ihr Recht auf Genugtuung geltend machte, d.h. mit dem Aufkommen des Friedensgeldes. Zu17der Zeit der deutschsprachlichen Urkundenüberlieferung ist sie bereits vollzogen" , d.h. schon im 13. Jahrhundert, In der vorliegenden Untersuchung wird darum für die zu bearbeitenden Zeiträume gemäß den Definitionen (s. S. 220) davon ausgegangen, daß eine materielle Leistung gegenüber einer Gerichtsbarkeit ausübenden Institution oder Person auf Grund schuldhafter Verletzung bestehender strafrechtlicher Normen immer 'Strafe' ist und nicht 'Schadensersatz' oder dgl. Daß es sich bei den in die Untersuchung einbezogenen Wörtern wirklich um bedeutungsgleiche bzw, -ähnliche Bezeichnungen - Konkurrenten - handelt, beweisen nicht nur die (mehr oder weniger) landschaftsgebundenen Bezeichnungen für denselben Begriff, um die es im folgenden hauptsächlich geht, sondern auch die zwei- und dreigliedrigen i n h a l t s g l e i c h e n Paarformeln (s. 3.4. und 4.4.) und die Belege, die aus ein und derselben Quelle zwei und mehr Bezeichnungen für denselben Begriff liefern, wie z. B. in den folgenden Belegen für 'Geldstrafe': obfrk. /Zwischen den platnern, auch satlern und zaumachern dem ratschlag volgen und 10ti7 novi straf darauf stellen/ (1529) Nürnb. Ratsverlässe 1, 248 H. /Item Hannsen Lochhauser bei peene X gülden . . . zu verpieten, daz er hinfür in seinem hauß nit mer smelze oder prenne/ (1492) ebd. 1, 74. /Item die klingen des Prichentrits, die dez schilts halben pußwirdig erfunden sind, ze straffen nach laut des gesetzs, nemlich die einsneidigen klingen zu erslagen und die puß, darauff gesatzt, ze geben/ (1477) ebd. 1,19. wmd. /Deßgleichen soll auch . . . keiner einig tuch in die walckmühl bringen . . . , es sey dann vermog der Ordnung besichtigt, bey straff eines orts gülden/ (A16. Jh.) Frankf. Zunfturk. 2,221 Sch.
'Strafe', 'Pranger', 'Vormund'
223
/Wer solich tuch mit litzschen nit uff das Siegel mechte, sol anderhalben gülden zu pene verloren han/ (1501) ebd. 2, 216. /welcher meister mehr zu wuchenlone gibt, dann sechs albos, der sali zu büß geben vier gülden/ (1512) ebd. 2, 375. Ähnliches läßt sich auch in Quellen anderer Landschaften beobachten. Diese Identität und Parallelität der Bezeichnungsfunktion verschiedener Bezeichnungen oder -semasiologisch gesehen - diese Synonymie ist eine häufige Erscheinung, besonders im ersten Untersuchungszeitraum. Andererseits muß in diesem Zusammenhang noch einmal hervorgehoben werden, daß sich die Bezeichnungen in der Häufigkeit des Gebrauchs, insbesondere für den allgemeinen juristischen Strafbegriff und die Geldstrafe, voneinander unterscheiden. Eine einzige Bezeichnungsfunktion haben lediglich /Wette, Gewette/, die nur die 'Geldstrafe' meinen.
18
224
Ulrich Schröter
3.
Zeitraum 1470 - 1530
3.1.
/Strafe; Pein; Pe(e)n(e), Pön; Buße/ (76,4 % ) 1 9
Diese Bezeichnungen sind in allen Sprachlandschaften gut bezeugt (zur Form /Pein/ s. u.). 3 . 1 . 1 . / S t r a f e / 2 0 (20,3 %) Das Wort /Strafe/ bezeichnet meist den (unter 2. definierten) allgemeinen Rechtsbegriff 'Strafe'. Es wird auch zur Bezeichnung der verschiedensten Arten von Strafen verwendet. oobd.
/ . . . den wil ein rat straffen vnd an pranger stellen vnd mit ruten außhawen lassen. Were aber dorunter eynich person, das ein erber rat erkennet, das solche straff zu schimpflich sey, wirt man die in einer andern ernstlich straff furnemen/ (ul520) in: Siegl, Alt-Eger (1927) 178.
obfrk.
/Niclasen Raffler . . . ist vergönnt, sein aufgelegte straff in einem stüblein
wmd,
/Item sollen noch meister noch knecht noch knaben keinen vff irer Stuben
auf dem pußthurn zu Volbringen/ (1490) Nürnb. Ratsverlässe 1, 58 H. zutrincken, bey straf zwey pfundt waschs vnableßlich zu betzalen/ (1520) in: Anz. Kde. t. Vorzeit 8 (1839) 286. omd.
/deßen straff auff ein Neuschock oder drunter laufft, gebührt halb der Herrschaft und halb der Stadt/ (1487) Beytr. dt. Recht 2,105 W.
wnd.
/Busse . . . ordinge . . . gebeden wii [ Herzog] allen . . . unsen underdanen unde hendeleren de in unsem furstendom . . . handelen, . . . in allen . . . artikelen bi vormyding unser Ungnade unde swarer straffe an live unde an ghude stede unde vaste . . . to holdende/ (1514) (Brauns chw.) Chr. dt. Städte 16,432.
Mit diesen Belegen werden mehrere unterschiedliche Strafarten vorgeführt. Das gleiche gilt jeweils für die folgenden Bezeichnungen /Pein; Pe(e)n(e), Pön/ und /Buße/. 3.1. 2. /Pein; Pe(e)n(e), Pön/ 2 1 (29, 9 %) /Pein/ und seine Varianten wurden früh von der Kirche als Lehnwörter im Sinne von 'Strafe' ins Deutsche übernommen.
22
Sie werden in der Rechtsliteratur meist dann
für 'Strafe' gebraucht, wenn von den verschiedensten Strafarten die Rede ist. Am häufigsten beziehen sie sich auf Geldstrafe. Erst in zweiter Linie sind sie als B e zeichnung für den allgemeinen Strafbegriff bezeugt. Im Oberdeutschen und Mitteldeutschen gibt es nur die Formen /Pe(e)n(e), Pön/. /Pein/ ist ausschließlich westniederdeutsch und 23 ostniederdeutsch und zwar in seiner undiphthongierten Form /piine, pyne/ bezeugt (vgl.S. 238 f. ).Es herrschen aber auch hier /pen(e), poen/ u. ä. bei weitem vor (Belegverhältnis 1 : 6).
'Strafe', 'Pranger', 'Vormund' oobd.
225
/ain übeltaeter, der des . . . strengen vrtails des tods begeben ist, widerumb gefueert wirt in faencknuss, daselb zegewartten ainer gemaesen bürgerlichen pen, nach gelegennhait seiner Verschuldung. Wann dieselb pen erstatt ist an des übeltaeters leib oder g u o e t a l s z d e n n wirt er aus faencknuss erledigt vnnd zuogelassen zuo bürgerlichen eren/ (1528) Berthold v. Chiemsee, Theol. 41 R.
wrad.
/wer ein andern win ußsetzt zu versuchen, dan den er schenkt, der soll uns zu pene verfallen sin allen sinen win, den er im keller hat/ (1489) (Stadtordn.) Obrhein. Stadtrechte I 396. Der folgende Beleg liefert eine andere Lautform des Stichwortes:
omd. wnd.
ond.
/wege vnd stege soll die gemein haltenn, vnrechte wege sollen beyder junckern schultheiss bey einer poen verpieten, wer solch verbott verbricht soll die gemein straffen/ (1489) Weist. 1,481 G. /Die peen des ehebruchs ist die enthaupttunge, welche peen statt hat in der person des mannes/ (1529) Rotschitz, Processus (1530) K 8 a . /de nige rath appellerde wedder an den keiser. Und de keiser boet bie groter pene, dat se scholden den breven vuldoen, de he dar sent hadde/ (vl498) (Lüneb.) Chr. dt. Städte 36, 359. /baven dyt sette soal neen schomaker meer knechte tosetten, by pyne dree tunne bers Gripeswoldes, twe an de kamere unde ene an dat ampt/ (1497) Zunftrollen Greifsw. 43 K.
3.1. 3. /Buße/ (26, 2 %)
24 Noch häufiger als /Pein; Pe(e)n(e), Pön/ bezeichnet /Buße/ die Geldstrafe. Darüber hinaus steht /Buße/ auch für den allgemeinen Rechtsbegriff 'Strafe' und zur Bezeichnung verschiedener Strafarten. Ursprünglich bezeichnet /Buße/ als juristischer Terminus den an die widerrechtlich beeinträchtigte, verletzte Person 25 zu leistenden Schadensersatz und wird dann auch zur Bezeichnung der 'Strafe'. wobd. /Weih burger den ander burger ze tod schlecht, der sol ain jar vor der statt sin und zwaintzig march silbers ze büß gen/ (1488) (Konst.) D. rote B. 60 F. obfrk. /am pfintztag nach obersten da füret man . . . F. auf den turn auß dem loch, was darinn gelegen 10 tag, was die puß dreu jar darauf zu ligen/ (1505) (Nürnb.) Chr. dt. Städte 11,686. ond. /Nymants sal vor der Garbuden . . . Felle kauften . . . bej tzwej Pfund Wachs . . . ; ist auch bej angetzeigter Bueß verbotn, von dem frembden Fellekauff/ (1509) in: Zimmermann, Mark. Städteverf. 2 (1838) 120.
226
Ulrich Schröter
Selten wird /Buße/ gebraucht, wenn vom Tod als Strafart die Rede ist, wie im folgenden Beleg: omd.
/wo einer Raube, Prenne, Dieberey, Nottzüge oder hurerey . . . peynlichen beklagt vn vberwunden wurde, wa der . . . mürmdig ist, were seine busse der tod, in Bürglicher klage, das wer gelt wie gesetzt/ (1529) Rotschitz, Processus (1530) K 5 b .
3. 2.
/Brüche; Wette, Gewette; Wandel; Besserung; Frevel/ (23, 6 %)
Die Bezeichnungen, die in diesem Abschnitt behandelt werden, treten quantitativ weit hinter /Strafe, Pein, Pe(e)n(e), Pön/ und /Buße/ zurück und sind jeweils nur für einige Sprachlandschaften bezeugt. 3. 2.1. /Brüche/ und /Wette, Gewette/ (14, 7 %) /Brüche/ und /Wette/ mit Nebenform sind nur im Mittel- und Niederdeutschen anzutreffen. 3.2.1.1. / B r ü c h e / ( / B r u c h / [ s . S. 236]; mnd. / b r o [ i ] k [ e ] , brake/, mhd. /brüche/) (12, 8 %) Diese Formen gehören zum Verbum /brechen/ und meinen zunächst das 'Vergehen', die 'Rechtsverletzung' und dann die 'Strafe' dafür. 26 Sie bezeichnen vor allem die Geldstrafe, aber auch andere Strafarten und die Strafe allgemein. 27 /Brüche/ ist im Norden beheimatet und daher vorwiegend niederdeutsch belegt (vgl. den einzigen westmitteldeutschen Beleg für /Brüche/ in der Paarformel /Buße Brüche/ S. 236). wnd.
/dessen tolne hadden se vorworven bi deme keyser myt vulbord eres vorsten van deme lande, unde was so gegeven, dat dar nement up spreken scholde by groteme broke. Ok scholde nement de stat umme und vorby varen enen anderen wech uth, by brake des gudes/ (z. J. 1472) Lüb. Chr. 2, 344 G.
ond.
/efft we haderde in ore Werck vnde Guide Man edder Frawe, dy schal synen Broke gewen na der Kantenisse der Meystere vnnd gemeyne Genoten des Werkes ader der Guide/ (1481) in: Zimmermann, Märk. Städteverf. 2 (1838) 227.
3. 2.1. 2. /Wette, Gewett(e)/ 28 (mnd. /wedde, gewedde/) (1, 9 %) /Wette/ nahm zur Bedeutung 'Pfand' infolge der oft bezeugten symbolischen Pfandreichimg (Wadiation) als Zusicherung an den Richter beim Urteilserfüllungsgelübde auch die Bedeutung 'Strafgeld' an* Das ist insofern erklärbar, als der zu einer bestimmten Frist versprochene Leistungsgegenstand - nämlich das Strafgeld - schließlich selbst 29 als /Wette/ bezeichnet wurde. Hagemann jedoch weist neuerdings darauf hin, daß in
'Strafe', 'Pranger', 'Vormund'
227
alter Zeit nicht nur das Pfand, sondern auch das gemarkte Holzstäbchen (Wettstäbchen), "das dem mit ihm getätigten Geschäft, der Wadiation, den Namen gegeben hat", als 30 /Wette/ bezeichnet worden ist , weshalb 'Pfand' nicht unbedingt als Grundbedeutung 31 des Rechtswortes angenommen werden kann, /Wette, Gewette/ sind mitteldeutsch und niederdeutsch als 'Geldstrafe' belegt. Im Westniederdeutschen und Ostmitteldeutschen sind sie öfter bezeugt als im Westmittel32 deutschen und Ostniederdeutschen. wmd. /welcher den andern vor sitzenden gericht heiszt lügen, der verbricht dem Schultheiszen ein wette, das ist 6 ß h l r . / (1497) Weist. 5, 631 G. omd. /So berichtete der rathsmeister H., was inen uff der bürg vorgehalden were von dem bischoffe von Meyssenumb des schultzep ampt, das der seine wetten und pflicht nemen solde nach landtleufftiger muntze/ (ul480) Spittendorf, Denkw. 291 O. Die mitteldeutsche Lautform des folgenden westniederdeutschen Belegs zeugt auch von einer Tendenz zum überlandschaftlichen sprachlichen Avisgleich: wnd. / s o i s t . . . der beclagter solchs dem cleger alse eine missehandelunge, do vohr solche Scheltwort und schmehe billich zu achten, mit seiner rechten uffgesatzten busse nach rechte . . . abe zu tragen und dem richter sein gewette zu geben schuldig/ (1519) Magdeb. Schöffensprüche 1, 209 F . / L . ond. /dath hogeste gewedde in desser gulde . . , schall wesen vief Schillinge, der Stadt und der gulde lyke tho deylende/ (1486) Brand. Schöppenstuhlsakten 1, 29 S. 3. 2. 2. /Wandel, Besserung, Frevel/ (8, 9 %) Diese drei Bezeichnungen für 'Strafe' kommen hauptsächlich im Oberdeutschen, s e l ten im Mittel- und Niederdeutschen vor. 3. 2. 2.1. /Wandel/ (5, 8 %) /Wandel/ ist vorwiegend ostoberdeutsch, vereinzelt oberfränkisch, ostmitteldeutsch und ostniederdeutsch - also im ganzen Osten - belegt. Gemeint ist in der Regel die Geldstrafe. Als allgemeine Bezeichnung für 'Strafe' und für verschiedene Strafarten 33 ist /Wandel/ früher öfter bezeugt. Die Höhe des zu zahlenden Strafbetrages ist selbstverständlich verschieden. Auch wird zwischen einem /großen Wandel/ und einem /kleinen Wandel/ unterschieden. /Wandel/ hat zur früheren Bedeutung 'Schadensersatz' offenbar dadurch die Bedeutung 'Strafe' angenommen, daß der Schadensersatzanspruch bei Gericht anhängig ge- 34 macht wurde und die Verurteilung des Schädigers den Charakter einer Strafe erhielt, oobd.
/wo der ambtman fridt peut bei ainer aufruer und nit frid hielt, der ist zu' wände 1 verfallen lCKb"3 und darzu zu straffen an seinem leib/ (A16. Jh.) Öst. Weist 12, 83.
Ulrich Schröter
228
Im folgenden Beleg meint /Wandel/ ebenfalls 'Geldstrafe', aber ohne daß ein Betrag genannt wird: /wo . . . iemant aines andern frid aufrisse und sein viech hinein schlueg, der soll nach besichtung und erkantnuß des richters solhen schaden abthun und darzu dem gericht ain wandel verfallen sein/ (1523) Öst. Weist. 12, 66. obfrk.
/Das messer zu tragen verpoten. Davon ist das wandt 10 groschen; darzu das messer verlorn, alles halb des vogts und halb burgermeisters/ (1502) Qu. Gesch. Fürstenthum Bayreuth 1, 92 M.
omd.
ond.
/wurde . . . ein Fleischauer selbsturbig oder thoricht Vieh schlachten und feil haben, darumb soll er Wandel pflegen und leiden, was recht ist, oder g nach eines Raths Erkenntnus, aber vmb vnrecht gewicht ist die Büß ein Neu Schock der Stadt verfallen zu sein/ (1487) Beytr. dt. Recht 2,103 W. / E s s a l . . . keyn Meister eynem Schneider von Kursenwerck stuckweis . . . verkauffn bej VI g r . , aber eyn gantz Gewand ader Werck mag er jn verkauffn ane Wandel/ (1509) in: Zimmermann, Märk. Städteverf. 2 (1838) 119.
3. 2. 2.2. /Besserling/ (1, 9 %) /Besserung ist westober deutsch, ostoberdeutsch und singulär westniederdeutsch als Bezeichnimg der Strafarten, die die Zahlung von Geld und Wachs betreffen, vertreten. 35 /Besserung/ kommt wie /Buße/, aus dem Bereich des Schadensersatzes und wurde 36 auch zur Bezeichnung für andere Arten von Strafen verwendet, wobd. /die slossermeister s o l l e n t . . . macht haben, alle jar einen under inen zu ordnen, der ernstlich uffsehen habe; und was im furkumpt, das rugbar ist, das sol er den andern meistern anbringen und die besserungen, so gefallen, getruwlichen inbringen, und was derselben besserungen gefallen, da sol das halbe der statt und das ander halbe dem hantwercke zugehoren/ (1504) Obrhein. Stadtrechte IE 1, 2, 881. oobd, /Wer den andern haimsuecht, so ist dem wiert di besserung 5 tal. oder ain hant und dem richter 6 ß den. und dem nachrichter 12 den. / (ul500) Öst. Weist. 9,687. wnd. /Eyn Jewelick vrmßer borger schal voren eynen Roden Finger, vnnde so we des nicht en deyt, de schal dat beteren myth dren marken suluers, tho der Stadt kore, He en legge one nedder dorch an gestes wyllen, Vnnde so welck ghast eynen roden fluger voret, de schal desse suluen beteringe don wert he vor vnsem rechte darumme beclaget/ (1497) (Hamburg) Beytr, dt. Recht 6,148 W.
'Strafe', 'Pranger', 'Vormund'
229
3. 2. 2. 3. /Frevel/ (1, 2 %) Von der Bezeichnung für eine geringe Rechtsverletzung, ein Vergehen, ist /Frevel/ 37 ähnlich /Brüche/ - auch zur Bezeichnung der Strafe dafür geworden. / F r e v e l / meint westoberdeutsch, ostoberdeutsch und ostmitteldeutsch ausschließlich die'Geldstrafe'. Unterschieden wird, wie bei/Wandel/, zwischen dem/großen Frevel/ und dem /kleinen Frevel/, wobei die Höhe des Strafbetrages bei jedem wiederum unterschiedlich sein kann. wobd. /der groß frefel ist dreuwzehen pfund und fünf Schilling heller, davon gefeit und gehört dem gerichte dreuw pfund heller/ (1499) Württ. ländl. Rechtsqu. 1,490 W. oobd. /Welich die wärn die zeun . . . zu nahent setzten, uberrainten, der sol an si begeren, das seu im das wendn. woltn si des nicht tun und er si des peweiset, die sullen im ablegen den schaden und darzue sind si der herschaft verfallen ain frävel, macht v-tb 1x^/(1500) Öst. Weist. 6,38. omd. /ander gemeine Sachen . . . werden mit einem frebel, sein 20 aide groschen, vorbust/ (1516) in: DRW 3, 884. 3.3.
Die Frequenz der Bezeichnungen in den Sprachlandschaften
In jeder Sprachlandschaft kommen mehrere konkurrierende Bezeichnungen vor. Einerseits überschneiden sie sich im Gebrauch, andererseits bezeichnen sie nicht alle gleich häufig dieselbe Strafart, z. B. die Geldstrafe, oder Strafe allgemein. In allen 7 Sprachlandschaften sind /Strafe/, /Pe(e)n(e), Pön/ und /Buße/ relativ häufig vertreten. Im Niederdeutschen begegnen außerdem vornehmlich / P e i n / (in seiner undiphthongierten Form), vor allem /Brüche/, seltener /Wette, Gewette/; im Mitteldeutschen die letzteren beiden Parallelformen. Im Oberdeutschen sind dagegen relativ stark noch /Wandel/ (ostoberdeutsch und oberfränkisch), /Besserung/ und / F r e v e l / (westoberdeutsch und ostoberdeutsch) vertreten. Gar nicht bezeugt sind im Oberdeutschen /Brüche/ und /Wette, Gewette/; kaum bezeugt sind im Mittel- und Niederdeutschen /Wandel, Besserung, Frevel/.
230
Ulrich Schröter
Tabelle 1: Der Anteil der Konkurrenten in den einzelnen Großlandschaften und im Gesamtgebiet für den Zeitraum 1470 - 1530 (in Prozenten) wobd.
oobd.
obfrk.
wmd.
omd.
wnd.
ond.
Gesamtgebiet
Strafe 25,7 Pein; Pe(e)n(e), Pön 24, 7
29,8
36,3
12,6
21,9
4,6
13,3
20, 3
20,2
43,9
46,3
21,4
23,0
29,9
Buße
10,1
19,2
40, 2
51,7
4,1 60, 7
22, 7 33,6 28,8
12,8
0,9
3,3
0,8
1,9
26,7
Brüche Wette, Gewette Wandel Besserung Frevel
14,3
33,9 3,5
8,6
2, 5
0, 6
7,1
26,2
0,8
1,1
5,8
0,5
1,9
0,6
1,2
Tabelle 2: Verteilung jedes Konkurrenten auf die einzelnen Großlandschaften für den Zeitraum 1470 - 1530 (in Prozenten) wobd.
oobd.
obfrk.
wmd.
omd.
wnd.
ond.
+:
11,1
24, 2
27,0
11,9
16,4
3,7
5,7
7
Pein; Pe(e)n(e), Pön
7,4
11,3
29,9
11,0
12,7
5,1
7
Buße
8,8
6,2
22, 6 11,0
28, 7
29,3
2,5
13, 5 23,7
7
76,3 60,9
4,3
Strafe
Brüche Wette, Gewette
8,7
Wandel Besserung
65,2
94,4 30, 5
Frevel
60,0
33,3
1,4
26,1 2,8
1,4 4,3
6,7
2 4 4 3 3
+) = Anzahl der Sprachlandschaften, in denen die jeweilige Bezeichriung belegt ist. 3.4.
Paarformeln
Außer den Einzelwörtern sollen auch die i n h a l t s g l e i c h e n
Paarformeln, soweit
sie Kombinationen dieser Einzelwörter sind, hinsichtlich ihrer ge(graphischen Verbreitung, ihrer Frequenz und Semantik erörtert werden. Die s i c h
ergänzenden
Paarformeln, bei denen ja jeder Bestandteil eine andere Bedeutungsvariante hat, sind Vinter den jeweiligen Stichwörtern, die ihre Bestandteile bilden, in die Reihe der Bete-
'Strafe', 'Pranger', 'Vormund'
231
ge der Einzelwörter aufgenommen, z. B. ein Beleg wie der folgende, in dem /Strafe/ 'Strafe allgemein' und /Buße/ 'Geldstrafe' meinen: /Auch hete man vorordent, ob sich yemant von puszen adder straffen, darab er bezwerung hete, berufen weit, so solt im der beruff nicht gestat werden, dann, wenn er die straff geliden oder die pusze gegeben hette/ (1508) Acten Ständetage Preussen 5, 507 T. Den Paarformeln (Doppelformeln, pleonastischen Doppelsetzungen, stilistischen Amplifikationen, interpretierenden Synonyma u. ä.) widmeten vor allem Bellmann, Besch, 38. Borvitz, Kienle, Wenzlau, Wolf ihre besondere Aufmerksamkeit. Borvitz z. B. stellte fest, daß die Paarformel in der Rechtssprache eine besondere Rolle spielt, da für ihren Stil die klare Formulierung, "die keinen Zweifel nach irgend einer Seite hin offen lässt", notwendig ist. "Um jeder noch so kniffligen Ausdeutung eines Begriffes den Weg zu verlegen, muss sie den ganzen Umfang eines Begriffes durch Summierung aller unter ihn fallenden Gegenstände oder Vorstellungen erschöpfen, muss seinen Inhalt durch Kontrastierung mit anderen scharf bestimmen. Diese 39 Notwendigkeit aber findet sprachliche Gestaltung im mehrgliedrigen Ausdruck." Diese Feststellung trifft allerdings wohl eher auf die s i c h e r g ä n z e n d e n Paarformeln zu. Wenzlau untersuchte schon früher Prosaschriftsteller des 14. und 15. Jahrhunderts unter stilistischem Aspekt und stellte fest, daß sich bei den meisten Schriftstellern des 15. Jahrhunderts im Gegensatz zu Johann von Neumarkt und dem "Ackermann aus Böhmen" die Zwei- und 40 Dreigliedrigkeit in der Aneinanderreihung von zwei und drei Synonymen erschöpft. Unter einem ganz anderen sprachlichen Aspekt geht Besch die i n h a l t s g l e i c h e n Paarformeln an. Er weist nämlich speziell hinsichtlich der Paarformeln auf den wichtigen Punkt der "Verstehensnotwendigkeit" in der sprachgeographischen Situation des 15. Jahrhunderts als des wichtigen Zeitabschnittes auf dem Weg zur deutschen "Einheitsspräche" hin. Die Verstehensnotwendigkeit "entspringt dem elementaren Bedürfnis der Autoren und Schreiber der einzelnen deutschen Sprachlandschaften, auch über die Grenzen hinaus verstanden zu werden. Da eine übergeordnete Gemeinsprache fehlt, suchen sie das Gemeinsame in der Summation des Einzellandschaftlichen, sie reihen das oberrheinische und das bairische, das mitteldeutsche und das oberdeutsche Wort aneinander und erreichen durch dieses umständliche(Verfahren auch etwas von der Allgemeinverständlichkeit, die 41 sich die neuhochdeutsche Schriftsprache später durch übergeordnete Auswahl schafft. " Diesem relevanten Gesichtspunkt soll im folgenden Rechnung getragen werden. Vor allem soll mit der Untersuchung der Paarformeln der Befund der Einzelwörter geprüft und gegebenenfalls ergänzt werden. Dabei wird sich unter anderem herausstellen, ob Beschs Feststellung auch für die rechtssprachliche Bezeichnungsgrup-
232
Ulrich Schröter
pe 'Strafe', und zwar um 1500, in gleicher Weise zutrifft
40
, und wie es sich um 1700
damit verhält (vgl. 4 . 4 . ) . Im ganzen spielen die Abschnitte über die Paarformeln gegenüber der Untersuchung der Einzelwörter schon auf Grund der viel schmaleren Materialbasis - sie ist etwa 1/13 so stark wie die der Einzelwörter - eine untergeordnete Rolle. Unter dem gebräuchlichen Attribut "inhaltsgleich" in Verbindung mit den zu erörternden Paarformeln wird im Sinne der vorliegenden Untersuchung, die auf dem onomasiologis chen Ansatz basiert, 'begriffsgleich' verstanden (vgl. o. S. 230 f.). 3 . 4 . 1 . /Strafe - Pein; Pe(e)n(e), Pön/, /Pein; Pe(e)n(e), Pön - Buße/, /Strafe - Buße/, /Strafe - Pein; Pe(e)n(e), Pön - Buße/ (73, 2 %) In diesem Abschnitt werden in Kombinationen als Paarformeln die Bezeichnungen e r örtert, die unter 2.1. als in allen Sprachlandschaften vorkommende Einzelwörter behandelt worden sind. Dabei ist zunächst festzustellen, daß die betreffenden drei Hauptbezeichnungen für 'Strafe' in den vier möglichen Kombinationen als zwei- und dreigliedrige Formeln verwendet worden sind. /Strafe - Pein; Pe(e)n(e), Pön/ Diese Paarformel ist in allen Sprachlandschaften belegt. Am häufigsten tritt sie auf für Strafe allgemein und zur Bezeichnung verschiedener Arten von Strafen, schließlich auch speziell für Geldstrafe. oobd.
/wo . . . ainer begriffen wirdet der . . . leibstraff verschuldet hat . . . , den s o l l . . . unser lantrichter von ambtswegen am leib nach gelegenhait seiner Verhandlung, es sei mit dem todt oder mit ander leibstr.aff . . . straffen und soll umb solch peen und straff mit recht erkennen lassen/ (1478) Öst. Weist. 6,32.
obfrk.
/es soll ain yecklicher weber sein webzaychen einlegen an seine tuch bey peen und straff ains halben gülden/ (1507) Württ. Gesch. qu. 19,158.
omd.
/Bey swerer straff vnd pen, sal kein geordenter ader Schichtmeister, nach sust nymandts in einer tzechen meher teil machen, dan eine grübe von recht haben sali/ (1499/1500) Qu. Wirtschaftsgesch. Mitteldtlds. 4,116 H.
wnd.
/die geschickten der vyr stede to der tyt gedachten H. H. £ Fürsprecher vor dem Vierstädtegeri cht J . . . to stravende vorgenamen und tor pene und ewiche straff sein ampt der vorsprekerie vorbaden/ (1520) Urteilb. Holst. Vierstädtegericht 83 G.
/Pein; Pe(e)n(e), Pön - Buße/ In einem relativ großen Abstand an Zahl der Belege folgt diese Paarformel der vorigen. Doch ist auch sie überall bezeugt. Die Belege meinen in fast gleicher Anzahl Strafe allgemein und Straf Zahlung. Letztere erfolgt in Geld und Wachs.
'Strafe', 'Pranger', 'Vormund'
233
wobd./oobd. /bey vermeydung vnnserr [ Kaiser Maximilians I.] vnd des Reichs swär vngnad vnnd straffe, auch acht, vnd aber acht, vnd annder peenen vnd puessen jn vnnserm vnd des Reichs lanndtfriden . . . vnd gülden Bullen begriffen/ (1516, Augsburg) in: Hutten, Sehr. 1, 90 B. omd. / e s sol kein gewercke des handtwercks geselschaft haben ader machen«
wnd.
auf den buel noch auf dem marckte, bey peen vnd busse eines pfundt wachs/ (1481) Urkb. Leipz. 1,426 P. -K. /welke frouwe, megede eddir manne dy sulve unsze bode overtreden
dy hebben wy laten panden . . . umme aIsodane pyne eddir bothe, alse dat van unsz gebaden wartt, an cleyderen, alse hoyken unde rogken/ (1486) Urkb. Magdeb. 3, 354 H. /Strafe - Buße/ /Strafe - Buße/ als letzte Kombination der drei möglichen zweigliedrigen Paarformeln dieses Abschnitts ist mit der dritthöchsten Anzahl an Belegen in allen Sprachlands chaf43 ten außer im Ostniederdeutschen vertreten. Wie /Strafe - Pein; Pe(e)n(e), Pön/ steht auch /Strafe - Buße/ hauptsächlich für den Begriff 'Strafe im allgemeinen', dann speziell für 'Geldstrafe'. wobd.
/ E s s o l l . . . kainer mit dem andern mer auf dink oder kreiden spilen, oder ainer dem andern auf dem spil ainich gelt leihen. Sooft aber das besehicht, so soll der, der also schuldig w i r d e t d e m andern darumb nichtzit . . . zu bezalen . . . schuldig sein. Und ist die bus und straff . . . fünf pfund pfennig/ (1520) Obrhein. Stadtrechte II 2, 323.
omd.
/ a b imandes vnder in yn eynichem es were mit worten oder wercken vorgrieffen oder myshandeln wurde, das dem rat oder gerichte zustrafen geburte, das sollen sie nicht vorschweigen, sundern an vnns den rat oder das gericht gelanngen lassen vnnd vnuorhalden offenbaren, bey des rats ader gerichts strafe vnnd busse/ (1484) Urkb. Leipz. 1,437 P. -K.
/Strafe - Pe(e)n(e), Pön - Buße/ Diese dreigliedrige Formel ist vorwiegend ostoberdeutsch, selten westoberdeutsch, vereinzelt oberfränkisch und westniederdeutsch belegt - am häufigsten also oberdeutsch. Eigentlich ist sie immer ostoberdeutsch, denn der eine westniederdeutsche Beleg zeigt wohl - wegen seines inhaltlich-sachlichen Bezuges - auch sprachlich ostoberdeutschen Einfluß: /wie wol wir [ Erzbischof Ernst von MagdeburgJ yn ein nuwe werck adder thun verkündiget und als yr rechter herre von yn widder abe zeu thun begert, auch die kei. mt yn bey sweren penen, bussen und straffen abe zeu thune geboten hat, so bleyben sie doch in yrem ungehorsam,
234
Ulrich Schröter frevel und gewalt und lassen sollich baw stehen/ (1487) Urkb. Magdeb. 3, 381 H.
Das gleiche ist für die vorhandenen westoberdeutschen Belege und den (einzigen) oberfränkischen Beleg anzunehmen. Außerdem handelt es sich hier um Belege aus Sprachlandschaften, die dem Ostoberdeutschen benachbart sind, wodurch am ehesten sprachliche Berührungen zu erwarten sind. wobd.
/ain transsumpt und vidimus ains kayserlichen mandats . . . , dorinn uns den bundt in neun tagen nach antwortung desselben mandats . . . anzenemen bey mercklichen und unträglichen schwarn penen, straffen und pussen gebotten wirdet/ (1488) Württ. Gesch. qu. 15,425. obfrk. /seiner kn. mt. ungnad und die bestimpten pene, straff und busse zu vermeiden/ (1498) ebd. 15, 645. Die dreigliedrige Formel aus den Hauptbezeichnungen, die in allen Sprachlandschaften vorherrschen, scheint also besonders in der kaiserlichen Kanzlei gepflegt worden zu sein. Da es sich nicht um verschiedene Bezeichnungen aus jeweils einer anderen Landschaft handelt, die hierbei kombiniert werden, um dem Inhalt der Texte überlandschaftliche Geltung zu verschaffen, sondern gerade um die drei Bezeichnungen, die in allen Sprachlandschaften geläufig sind, könnte ein stilistischer.Grund, z.B. die Absicht, besonders nachdrücklich zu wirken, die ausschlaggebende Rolle spielen. Andererseits dominiert noch keine Bezeichnung für 'Strafe' im Gebrauch, so daß in den kaiserlichen Texten die drei verbreitetsten und geläufigsten Bezeichnungen kombiniert sind. Bei keiner der zweigliedrigen Paarformeln läßt sich ein derartiges Vorherrschen in einer Sprachlandschaft feststellen. Aber auch sie erweisen, daß keine Bezeichnung im Sprachgebrauch vorherrscht. Die dreigliedrigen Formeln meinen öfter die Strafe allgemein als die Geldstrafe: oobd.
/dem gnanten administrator unser [[Kaiser Friedrichs i n / | volkomen macht unnd gewalt gegeben, die selben pene, straff unnd pusze . . . von euch einzubringen/ (1483) Urk. Magdeb. 3, 278 H. /wo ir . . . disem unsern keyserlichen gebott abermals ungehorsam e r scheinen wurden, wolten wir mit den vorgeschriben und andern sweren penen, straffen und pussen gegen euch . . . handeln, als sich gegen frevenlichen ungehorsamen unser keyserlichen mayestat und gebot zu tund geburet/ (1488) Württ. Gesch. qu. 15,402.
3.4. 2. Übrige Paarformeln (26, 8 %) Die im folgenden zu erörternden Paarformeln treten hinter den im vorigen Abschnitt behandelten, die Kombinationen der Hauptbezeichnungen darstellen, an Bedeutung weit zurück. Es sind 16 verschiedene Paarformeln - wahrscheinlich gibt es aber noch mehr -, von denen keine in mehr als 4 Sprachlandschaften bezeugt ist. In 13 von diesen
235
'Strafe', 'Pranger', 'Vormund'
16 Paarformeln ist l l m a l ein Bestandteil mit einer, 2mal mit zwei der Hauptbezeich44 nungen gekoppelt. Es handelt sich um folgende : /Buße - Wandel/ (ostoberdeutsch, oberfränkisch, ostmitteldeutsch), /Strafe - Besserung/ (ostoberdeutsch), /Buße Wette/ (west- und ostmitteldeutsch, west- und ostniederdeutsch), /Pein; Pe(e)n(e), Pön - Brüche/ (westniederdeutsch), /Buße - Frevel/ (west- und ostoberdeutsch), /Pe(e)n(e), Pön - Wandel/ (ostoberdeutsch), /Strafe - Frevel/ (westoberdeutsch, westmitteldeutsch), /Pe(e)n(e) - Besserung/ (westoberdeutsch), /Buße - Brüche/ (westmitteldeutsch), /Buße - Besserung/ (ostoberdeutsch), /Strafe - Wandel/ (ostoberdeutsch), /Strafe - Pe(e)n(e) - Wandel/ (oberfränkisch), /Strafe - Buße - Wandel/ (oberfränkisch). Nur die folgenden 3 Paarformeln sind Kombinationen der unter 2. 2. behandelten weniger häufigen Einzelwörter: /Brüche - Wette/ (west- und ostniederdeutsch), /Brüche Frevel/ (westmitteldeutsch), /Frevel - Besserung/ (westoberdeutsch). Hieraus ist zu ersehen, daß die meisten Kombinationen - wie alle aus den Hauptbezeichnungen - in ihren Ü b e r s c h n e i d u n g s -
oder
Überkreuzungslandschaf-
t e n vorkommen, d.h. in den Sprachlandschaften, wo ihre Bestandteile als Einzelwörter n e b e n e i n a n d e r oobd.
bezeugt sind, wie z . B . :
/geb der so unrecht erfunden würdet dem gericht zu pueß und wandl 8 pfunt^/(ul530) Öst. Weist. 9,498,
Zwei weniger häufige Bezeichnungen als Paarformel sind z. B. in zwei verschiedenen Landschaften bezeugt: wnd.
/Is dat gy daer unsses stades rechtes geneten mögen und gebruken so meyne wy wal dat Juwe gesellen in deme Rade nynes weddes eder brokes umme de sake unsseme heren eder yme gerichte schuldich sy to doene alse gy uns geschreven hebbet/ (ul490) Stadtb. Wiedenbrück 35 T.
ond,
/dath hogeste gewedde in desser gulde, dar dath gewedde efte brooke in dessem brive sunderliken nicht bigeschreven . . . steyt, schall wesen vief Schillinge, der Stadt und der gulde lyke tho deylende/ (1488) Brand. Schöppenstuhlsakten 1, 29 S.
Weitaus geringer vertreten sind die Paarformeln in den den eigentlichen Überschneidungslandschaften benachbarten Gebieten, d.h. da, wo die Einzelwörter gar nicht belegt sind. Dazu gehören /Frevel - Strafe/ im Westmitteldeutschen, wo /Frevel/ nicht beheimatet ist: /Wir [ Pfalzgraf J geben ine . . . den gewalt, sollich stend . . . zu verpenen, das niemants von den kauffleuten dem andern doran kein gewalt thue; wellicher das verprech, ine des straffpar zu sein, doch andern unsern freveln und straff vorbehalten/ (1484) Obrhein. Stadtrechte I 101; /Buße - Brüche/ im Westmitteldeutschen, wo /Brüche/ nicht als Einzelwort belegt ist:
\
236
Ulrich Schröter /vor dass erste wist man dem foid an stad mines gnedigen herren . . . wasser unde weide, hals unde haut, verbot und gebot, busse und bruche, und alle oberkeit. Item die hoeste busse nüne phunt. / (1486) Weist. 3, 380 G.;
ebenso /Frevel - Bruch/ im Westmitteldeutschen, wo beide nicht als Einzelwörter bezeugt sind: /frevel und bruch hat ein ambtmann zu setzen, all darnach die gross und klein gefallen, und insonder von blutigen wunden 3 guld. und mulstreich dem Schultheiss 12 pfennig/ (1514) Weist. 4, 723 G. Die meisten der Belege für die 16 verschiedenen Paarformeln meinen die Geldstrafe, einige Strafe allgemein und je einer Strafe an Leib und Gut und an Wachs, z. B . : oobd. /wer einem fuerbart pei der nacht oder an ainem holz oder dabei oder auf dem kirchweg, der ist verfallen pessrung und straff an leib und an guet/(1485) Öst. Weist. 12,192. obfrk. /was . . „ von grossen feilen und freveln zu wandl, pus oder straf gefallen wurd, es treff an hals, hand oder ander feil/ (1493) Qu. Gesch. Fürstenthum Bayreuth 1, 91 M. omd. /die wetten und busse, die der schulteiss nemen wolte nach landtleufftiger muntze/ (ul480) Spittendorff, Denkw. 293 O. wnd.
/ s o Scholen em de olderlude eyne tyd setten vnde he sik denne eyn harnsch schicke, bi broke vnde pene I punt w a s s e s . / (1501) Lüb. Zunftrollen
283 W. 3. 5.
Resümee des Zeitraums 1470 - 1530
Im ersten Untersuchungszeitraum spielen neben drei Hauptbezeichnungen - /Strafe/, /Pe(e)n(e), Pön/ und /Buße/ - in jeder Sprachlandschaft noch eine bis drei weitere Bezeichnungen mehr oder weniger eine Rolle. Klare Mehrheitsverhältnisse zugunsten e i n e r
Bezeichnung gibt es jedoch in keiner Sprachlandschaft. Zwar sind bis-
weilen eine oder zwei Bezeichnungen häufiger vertreten als die anderen vorkommenden, eindeutig aber sind die Unterschiede in der Häufigkeit in keinem Fall. Außer /Strafe/ meinen die Bezeichnungen meist, /Wette, Gewette/ nur die Geldstrafe. Im übrigen können sie alle Strafarten und den allgemeinen Strafbegriff bezeichnen. Letzteres ist die Hauptfunktion von /Strafe/ selbst. In wortgeographischer Hinsicht bestätigen die Untersuchungsergebnisse der Paarformeln die der Einzelwörter. Die drei Hauptbezeichnungen sind auch in Kombinationen als Paarformeln relativ stark in allen Sprachlandschaften bezeugt. Nur die dreigliedrige Formel, kombiniert aus den Hauptbezeichnungen, ist speziell ostoberdeutsch. Selbst wenn stilistische Gründe hierbei die vorrangige Rolle spielen sollten, steht
'Strafe', 'Pranger', 'Vormund'
237
doch fest, daß damit im Sprachgebrauch des Rechts im Südosten die gängigsten Bezeichnungen aller Sprachlandschaften, d. h. des gesamten deutschen Sprachgebietes, zu einer Formel zusammengefaßt worden sind. Im Schwabenspiegel, der als Kaiserrecht diente, wurden die einzelnen landschaftlichen Bezeichnungen für'Vormund' nebeneinander aufgezählt (s.u. S. 251); bei 'Strafe' hingegen werden 200 Jahre später die in allen Sprachlandschaften geltenden drei Hauptbezeichnungen zu einer festen Formel zusammengefügt. Die Paarformeln der weniger häufigen, auf einige Sprachlandschaften beschränkten Einzelwörter sind in ihren jeweiligen Überschneidungslandschaften auch seltener bezeugt und nur ausnahmsweise in Nachbarlandschaften. Eine Tendenz auf den Gebrauch der drei Hauptbezeichnungen hin ist also für das ganze deutsche Sprachgebiet bei den Einzelbezeichnungen und den Paarformeln festzustellen. Hinsichtlich ihrer Bezeichnungsfunktion ist zu bemerken, daß auch die Paarformeln grundsätzlich alle Arten von Strafen bezeichnen können, nur diejenigen, die /Wette, Gewette/ als einen Bestandteil haben, meinen immer Geldstrafe und die mit /Strafe/ kombinierten meist Strafe im allgemeinen juristischen Sinne.
238
Ulrich Schröter
4.
Zeitraum 1670 - 1730
4.1.
/Strafe/ (87, 8 %)
In allen Sprachlandschaften hat sich inzwischen /Strafe/ als juristischer Terminus des Strafrechts und zugleich in der Allgemeinsprache durchgesetzt. Dies gilt nicht nur für die Bezeichnung des allgemeinen Strafbegriffs und der verschiedenen Strafarten, sondern auch für die Bezeichnung der Geldstrafe. wobd.
/wo einer den andern in Ernst der Unwarheit bezüchtiget und lugen heißt,
oobd.
der gibt zur Straf 10. Batzen/ (1703) Policey-Ordn. Schwäb. Hall 65. /hat man jhn [Mörder] . . . ins Gefängnuß getragen . . . , j h n . . . zur verdienten Straff zu bringen/ (1698) D. Neueste v. gestern 1, 309 B.
obfrk.
/Also wollen Wir . . . die gebührende Abstraffung, entweder mit Geld
wmd.
oder dem Thum, Pranger, Ruthen-Außhauen oder nach Maaß der Vere e wurckung mit hohem Straffen an Leib und Leben, Außweis Göttlich- und weltlicher Rechten, auch der Klyserl. Peinlichen Hals-Gerichts-Ordnung zu Folge, ohnfehlbar ergehen lassen/ (1716) Schweinfurth Pflichten u. Ordn. (1720) 122. /Andere . . . , welche sich . . . des . . . Wahrsagens . . . unternehmen, sollen ein Zeitlang in den Thum gelegt und mit Wasser und Brod gespeist . . . werden. Wurde aber diese Straff bey ihnen nichts verfangen, so sollen sie alßdann an Pranger gestelt und nach gestalt ihres geführten Lebens und befundener Verwurckung entweder mit oder ohne Ruthen streichen des Lands . . . verwiesen oder aber . . . mit dem Schwerdt . . . 2hingerichtet werden/ (Dr. 1711) Nassau-Catzenelnbog. Policey-Qrdn.
ond.
7.
/Mittwoch wurde aus Befehl einer hohen Obrigkeit ein Brodt-Becker alhiesiger Vorstadt, wegen daß er das Brodt . . . zu klein , . . gebacken . . . zur Straffe in das Wasser getuncket/ (1728) D. Neueste v. gestern 2,182 B.
4.2.
/Pe(e)n(e), Pön; Buße; Brüche, Brüchte; Wette, Gewette; Wandel; Frevel; Besserung/ (12, 2 %)
Diese Bezeichnungen sind in allen betreffenden Sprachlandschaften entsprechend der starken Bezeugung von /Strafe/ (s. 4.1.) relativ schwach vertreten bzw. gar nicht mehr belegt (vgl. 3.1. - 3. 2.). 4. 2.1. /Pe(e)n(e), P ö n P und /Buße/ (7, 7 %) /Pe(e)n(e), Pön/ und /Buße/ sind noch in allen Sprachlandschaften, wenn auch relativ selten, nachzuweisen.
'Strafe', 'Pranger', 'Vormund'
239
4. 2.1.1. /Pe(e)n(e), Pön/ (4, 2 %) Weiterhin werden /Pe(e)n(e), Pön/ öfter gebraucht, um die Geldstrafe zu bezeichnen als andere Strafarten oder Strafe allgemein. wmd.
omd«,
wnd.
/alsbald dieselbig Obrigkeit darunter sich der entwichen enthllt, solcher e Uberfahrung . . . gewar wurdt, sol er gegen demselben . . . strenglich 9 handien und sie darüber nicht bey sich . . . dulden, alles bey Peen der Acht/ (Dr. 1696) Gül. u. Berg. Policey-Ordn. 4. /mit dieser ausdrucklichen Verwarnung, da diesem unserm Mandat nicht nachgegangen . . . werden solte, der Verktuffer mit Einziehung unsers Lehens öder nach Befindung anderer ernster unnachlSßlicher Straff belegt, Ktuffer aber nicht beliehen werden, hierüber des ausgezehlten Geldes verlustig oder sonst in ebenmltssige pöen, wie der Verktuffer, gefallen seyn solle/ (1699) Titius, Lehn-Recht 828. /weil etliche von den Brauern zugleich auch Eßig brauen, wollen wir, daß dieselbige . . . nicht von dem Eßig-Maltz etwas zu dem Maitz, davon sie Bier brauen, über das gesetzte nehmen, denn bey weme wir solches in Wahrheit befinden, der soll ferner keinen Eßig mehr brauen und soll uns das bessern mit zweyen lohtigen Marek zu der Stadt Bau. Zum Siebenden soll auch kein Brauer oder Maitzer mehr denn eine Darre haben, da er sein Maitz aufftröget, bey gleicher Pon/ (1722) Lüneb. Stadt-Recht 173.
4. 2.1. 2. /Buße/ (3, 5 %) Auch /Buße/ ist in diesem Zeitraum in erster Linie Bezeichnung für Geldstrafe, dann für andere Strafarten und vereinzelt für Strafe allgemein. Letzteres gilt z. B. für den folgenden Beleg; hier meint / P ö n / speziell die Geldstrafe: obfrk. / Zu deme hat die Durchleuchtigste Herren Marggrafen zu Brandenburg . . . e e criminaliter anzuklagen, der Rath zu Nürnberg sich wurcklich unterstanden, vermessentlichst vorgebend, alsob Sie in der Kaiserlichen Majestlt und deß Reichs schwere Ungnad und schwere Büß, und dazu in eine P8n von hundert Pfund lothigs Goldes . . . gefallen seyen/ (1699) Zoll-Vertheidigung (Ansbach) 168. wmd. / a l l e . . . verbrechungen, so an denen gerichten v ü r b r a c h t . . , werden, sind nach gestalt der bussen viererlei, erstlichen werden etliche an eine schlechte buss erkandt und gewiesen, ist der herrschaft 1 fl. dem gericht 1 Schilling/ (1688/1739) Weist. 1, 488 G. omd. /Die . . . erkandte Busse . . . war ein Pfund Wachs und 9. Werbergische Pfennige (1693) Döpler, Schau-Platz 1, 65.
240
Ulrich Schröter
4.2. 2. /Brüche, Brüchte/ und /Wette, Gewette/ (3,4 %) Auch im zweiten Untersuchungszeitraum sind diese Bezeichnungen im Mittel- und Niederdeutschen bezeugt. 4.2. 2.1. /Brüche, Brüchte/ 46 (3, 2 %) /Brüche/ ist im ganzen Niederdeutschen, /Brüchte/ westmitteldeutsch und westniederdeutsch als Geldstrafe belegt. wmd. /Damit auch die Vorster ihrem Befelch desto trewlicher und fleissiger nachkommen, sollen sie auß einer jeden Bruchten, die sie verzeichent anbringen, wan dieselbige verthetigt, den zehenden Pfenning haben/ (Dr. 1695) Gtil. u. Berg. Policey-Ordn. 59. wnd. /die Brüchten . . . , so in Ambts-Sachen vom Ambt angeschlagen werden, sollen zur Halbscheid Ihre FUrstl. Gnaden . . . pleiben/ (1683) Statuten Gilden Essen 99 B.
ond.
/Ein ieder Greve hat sein Gerichte vor sich besonders, und werden vor demselben so wohl straffbare als andere Sachen abgethan, und geniesset Ihr. Konigl. Maj. die Helffte der Brüche, die andere Helffte die Hauptleute/ (1704) Schlöpke, Chr. Bardewick 100. /Man hat ein Lied, so dem Vorgeben nach zum Abschiede von ihr im arrest gemachet, verkauftet, worin sie in zweyen Versen starck über den Richter seuffzet, weilen er sie so starck wegen Zahlung der Brüche pressiret/ (1716) in: Buchner, Liebe [1914] 244.
4. 2. 2. 2. /Wette, Gewette/ (0, 2 %) Das Grundwort und seine Präfixbildung sind ostmitteldeutsch und westniederdeutsch nur schwach, und zwar für Geldstrafe, vertreten. omd. /das Gewette dieses ist, das ein Mann muß geben vor einen Bruch, den er an dem Gericht bricht oder gethan hat. Denn Wedde [nd.] heißt als viel als weh thun: denn hiermit thut man weh den . . . ungezognen Leuten . . . , daß sie . . . dem Richter gehorsam seyn/ (1688) Beier, Handwercks-Zünffte 143. wnd.
/muß er . . . dem könige sein gewette geben/ (1717) in: DRW 4, 759.
4. 2. 3. /Wandel, Frevel, Besserung/ (1,1 %) /Wandel/ (0, 8 %) ist nur ostoberdeutsch als Geldstrafe belegt, oobd. /so bei der gmein etwas . . . zu verbössern vorfallet, darbei jeder zu helfen schuldig ist, der ohne ehehaft oder erlaubtnus außen bleibt, der soll es mit dem wandl der 72 AJ püeßen/ (1600) Öst. Weist. 6,170. /Frevel/ (0, 3 %) ist ebenfalls nur als Geldstrafe im West- und Ostoberdeutschen belegt.
'Strafe', 'Pranger', 'Vormund' wobd.
241
/Kein Gesell solle sich erkühnen, anderen Meistern das Gesindt zu verfuhren, oder gar einen aufrühr zuerweckhen, Bey straff einer kleinen Frevel, die Vnßere Ambtleuth vrkundlich Einzuzihen und zu verrechnen haben/
(1600) Samml. württ. Regierungs-Gesetze 2,681 Z. 47 /Besser\mg/ ist nicht mehr bezeugt. 4.3,
Die Frequenz der Bezeichnungen in den Sprachlandschaften
/Strafe/ spielt allein in diesem Zeitraum eine gewichtige Rolle. Dieses Wort bezeichnet meist den allgemeinen Strafbegriff. Bei den einzelnen Strafarten handelt es sich vorwiegend um Geldstrafe, für die es ebenfalls in der Regel gebraucht wird. Die übrigen Bezeichnungen sind relativ selten und werden fast nur verwendet, wenn von der Geldstrafe die Rede ist. In allen 7 Sprachlandschaften sind /Strafe/, /Pe(e)n(e), Pön/ und /Buße/ belegt. /Strafe/ überwiegt überall bei weitem. Im Niederdeutschen sind außerdem vereinzelt /Brüche, Brüchte/ und /Wette, Gewette/ bezeugt; /Brüchte/ und /Wette, Gewette/ nur westniederdeutsch. Auf das Mitteldeutsche verteilen sich zusätzlich /Brüchte/ (westmitteldeutsch) und /Wette, Gewette/ (ostmitteldeutsch). Im Oberdeutschen sind vereinzelt /Frevel/ (west- und ostoberdeutsch) und /Wandel/ (ostoberdeutsch) bezeugt. Tabelle 3: Der Anteil der Konkurrenten in den einzelnen Großlandschaften und im Gesamtgebiet für den Zeitraum 1670 - 1730 (in Prozenten) wobd.
oobd.
obfrk.
wmd.
omd.
wnd.
ond.
Gesamtgebiet
93,4
81,8
97,6
3, 3
92, 0 6, 3
2,2
1,9 0, 5
88, 4 3,7
Buße
4,1 3,0
79, 7 4,8
87,8
Pe(e)n(e), Pön
82,9 4,9
Strafe
Brüche;Brüchte Wette, Gewette
1,1
Wandel Frevel Besserung
2,0 14,4 10, 2 (Brüchte)
1,1
4,2 3, 5
1,2 1,4 6,0 C, 5 3, 2 (Brüche) (Brüche) (Brüchte) 0,5
0,2
10,1
0,8
1,0
0,3 0
Ulrich Schröter
242 Tabelle 4: Verteilung jedes Konkurrenten auf die einzelnen Großlandschaften für den Zeitraum 1670 - 1730 (in Prozenten) wobd.
oobd.
Strafe 8,6 Pe(e)n(e), Pön 7,2 4,7 Buße Brüche; Brüchte Wette, Gewette Wandel Frevel 50,0 Besserung
8,2 9,5 7,0
obfrk.
wmd.
omd.
20,8 9,5 2, 3
20,6 15,2 28,6 21,4 11,6 62,7 64,1 (Brüchte) 66,7
100,0 50,0
wnd.
ond.
+)
19,0 7,6 7 19,0 4,8 7 7,0 4,7 7 33, 3 2,6 3 (Brüche) (Brüche) (Brüchte) 33,3 2 1 2 0
+) = Anzahl der Sprachlandschaften, in denen die jeweilige Bezeichnung belegt ist. 4.4.
Paarformeln
Im zweiten Untersuchungszeitraum handelt es sich im ganzen nur um 10 Paarformeln. Davon fallen allein 3 auf die im folgenden zunächst zu behandelnden Kombinationen der Hauptbezeichnungen. 4.4.1. /Strafe - Pe(e)n(e), Pön/, /Strafe -Buße/, /Pe(e)n(e), Pön - Buße/ (74, 2 %) Selbst diese Formeln spielen nur noch eine unbedeutende Rolle. Eine dreigliedrige Kombination der Bezeichnungen ist nicht belegt. /Strafe - Pe(e)n(e), Pön/ Diese Kombination ist ostoberdeutsch, oberfränkisch, westmitteldeutsch, ostmitteldeutsch und ostniederdeutsch jeweils selten belegt. Vor allem steht sie für den allgemeinen Strafbegriff, außerdem meint sie die Geldstrafe und die Einziehung von Eigentum. obfrk. /Darauf gebiethen Wir allen solchen Kramern, Hausirern und Juden . . . sich solches Hausirens . . . zu enthalten und solches zu unterlassen, bey Poen und Straff der Verliehrung ihrer Waaren/ (1716) Schweinfurth Pflichten u. Ordn. (1720) 208. wmd. /soll niemandt... gestattet werden, die Waar, so nicht Kauffmans-Gut oder rechtfertige Waar wlre, zuverkauffen, oder in einige wege zuverhandlen, bey einer sicheren Peen und Straff/ (Dr.1696) Gül. u. Berg. Policey-Qrdn. 27.
'Strafe', 'Pranger', 'Vormund'
243
/Strafe - Buße/ Obwohl noch weniger belegt als /Strafe - Pe(e)n(e), Pön/, ist /Strafe - Buße/ außer im Ostniederdeutschen in allen Sprachlandschaften vertreten. Gemeint ist entweder Strafe allgemein oder Geldstrafe, obfrk. /Wir gebieten . . . hiermit allen unsern Burgern, . . , die mit verdichtigen . . . Personen Haushalten oder bey ihnen wohnend hltten, solche alsobalden von ihnen und auß ihren H§usern von sich zu schaffen, bey ebenmlssiger Straff und Büß zehen Gulden/ (1716) Schweinfurt Pflichten u. Ordn. (1720) 152. wmd. /Welche Persohn . . . ihren J r s a l l . . . unverzüglich bekenten, denselben zu wiederruffen, auch Büß und Straff darüber anzunehmen willig seyn und umb Gnadt bitten wurden, dieselben mSgen von ihrer Obrigkeit... begnadet werden/ (Dr. 1696) Gül. u. Berg. Policey-Ordn. 4. /Pe(e)n(e), Pön - Buße/ Hinsichtlich Frequenz und Verbreitung kaum noch erwähnenswert ist die Kombination, in der /Strafe/ kein Bestandteil ist. Ostoberdeutsch und oberfränkisch ist sie für Geldstrafe belegt. obfrk. / s o unser . . . Bürgermeister . . . den Stadt-Frieden gebeut, und einer der Partheyen, deme der Fried gebotten wird, solchen nicht hielte . . . , dessen Poen und Büß solle seyn zehen Gulden/ (1716) Schweinfurth Pflichten u. Ordn. (1720) 148. 4.4.2. Übrige Paarformeln (25,8 %) In diesem Abschnitt geht es um 7 verschiedene Kombinationen, bei denen in 6 je 1 Bestandteil mit einer der Hauptbezeichnungen, in einer 1 Bestandteil mit 2 der Hauptbezeichnungen gekoppelt ist. Nur 1 Paarformel ist in 2 Sprachlandschaften bezeugt, alle übrigen überhaupt nur lmal. Es handelt sich um folgende: /Strafe - Brüchte, Brüche/ (westmitteldeutsch, westniederdeutsch), /Buße - Wette/ (ostmitteldeutsch), /Strafe - Wandel/ (ostoberdeutsch), /Strafe - Frevel/ (westmitteldeutsch), /Buße Frevel/ (oberfränkisch), /Buße - Brüchte/ (westmitteldeutsch) und schließlich die dreigliedrige Formel /Strafe - Buße - Frevel/ (westoberdeutsch). Bis auf /Strafe - Frevel/ und /Buße - Frevel/ kommen alle in den bekannten Überschneidungslandschaften vor (vgl. o. S. 235). Diese beiden Paarformeln treten in benachbarten Gebieten auf. /Frevel/ ist im Westoberdeutschen und Ostoberdeutschen beheimatet, während /Strafe/ und /Buße/ in allen Sprachlandschaften bezeugt sind. Die Belege aber zeigen - wohl auf Grund der Kombination mit /Buße/ bzw. /Strafe/ - für /Frevel/ ein überlandschaftliches Vorkommen.
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Ulrich Schröter
obfrk. /dieweilen . . . die Handwercker ihre . . . Ordnung . . . bey sonderlich ge(ostfrk. ) setzten Bussen und Freveln . . . bestattiget haben, . . . / (1716) Schweinfurth Pflichten u. Ordn. (1720) 245. wmd. (rheinfrk. )
/hat die statt [Neckargemünd] an kleinen fallenden strafen und frevelen iedes mahl das dritte t h e i l . . . zu erheben/ (1713) Obrhein. Stadtrechte I 612.
In den insgesamt 9 Belegen für die 7 Formeln sind Strafe allgemein und Geldstrafe etwa gleich häufig gemeint. 4. 5.
Resümee des Zeitraums 1670 - 1730
Die Analyse des Belegmaterials des zweiten Untersuchungszeitraumes hat ergeben, daß /Strafe/ allein in allen Sprachlandschaften quantitativ sehr stark vertreten ist, während die übrigen Bezeichnungen entsprechend schwach belegt sind, so daß /Strafe/ nicht nur relativ, sondern absolut überwiegt. Deshalb steht /Strafe/ nicht mehr nur vorwiegend für den allgemeinen juristischen Strafbegriff, sondern hat auch die hauptsächliche Funktion der anderen Bezeichnungen für 'Geldstrafe' im wesentlichen übernommen (soweit nicht Komposita dafür stehen). Wie die landschaftlichen synonymen Konkurrenten von /Strafe/, spielen auch die Paarformeln um 1700 eine untergeordnete Rolle. Dies zeigt die relativ geringe Anzahl der Kombinationen und der Belege.
'Strafe', 'Pranger', 'Vormund' 5.
245
Vergleich der untersuchten Zeiträume und Schlußfolgerungen
Vergleichend läßt sich feststellen, daß /Strafe/ bis zum zweiten Untersuchungszeitraum zur nahezu allein üblichen Bezeichnung für den definierten Sachverhalt auf Grund des in diesem Fall weitgehend abgeschlossenen Ausgleichsprozesses auf dem Wege zur neuhochdeutschen Literatursprache geworden ist. Alle übrigen Wörter sind, obwohl sie vorwiegend die Geldstrafe meinten, im Verhältnis zur Frequenzzunahme von /Strafe/, das nun selbst jede Art von Strafe bezeichnet, stark zurückgegangen. Während sich bei den Einzelwörtern die Quantitäten zugunsten von /Strafe/ nur verschoben haben, sind bei den Paarformeln sowohl die Anzahl der Kombinationen als auch die Anzahl der Belege absolut zurückgegangen. Die Koppelung der Bezeichnungen ist bereits um 1500 vornehmlich in den Sprachlandschaften nachzuweisen, wo auch die betreffenden Bezeichnungen als Einzelwörter gebräuchlich sind. Das zeugt zwar noch von einer gewissen Unfestigkeit im Gebrauch, wobei vielleicht stilistische Gründe hinzukommen, aber von einer "Summation des Einzellandschaftlichen" im Sinne Beschs (s. o. S. 231) kann in diesem Zusammenhang, abgesehen von den wenigen Einzelfällen, kaum mehr die Rede sein. Auch in der ostoberdeutschen dreigliedrigen Formel /Strafe - Pe(e)n(e), Pön - Buße/ sind ja nur die Hauptbezeichnungen aus allen 7 Sprachlandschaften kombiniert (s. o. S. 233f.). Paarformeln in den Nachbarlandschaften der eigentlichen Überschneidungslandschaften treten jedenfalls viel seltener auf, was auf einen vorangeschrittenen Ausgleichsprozeß schließen läßt. Zweihundert Jahre später - also im zweiten Untersuchungszeitraum - haben die Paarformeln kaum noch eine Funktion und Bedeutung, was ebenfalls, wie das Abkommen der Konkurrenten von /Strafe/, im Gegensatz zu /Strafe/ selbst, auf einen noch einheitlicheren und gefestigteren Sprachgebrauch schließen läßt. Es hat sich demzufolge ein im Hinblick auf das gesamte deutsche Sprachgebiet einheitlicher Gebrauch in einer ehemals landschaftlich differenzierten Konkurrentengruppe von Rechtswörtern herausgebildet; dabei sind die übrigen Bezeichnungen bis zur Gegenwart in dieser Funktion oder überhaupt ausgestorben. /Buße/ allein wird heute noch von den ehemals im Strafrecht gebräuchlichen Simplizia speziell für 'Geldstrafe' verwendet (vgl. o. S. 218). Der früheste Beleg für /Strafe/ im juristischen Sinne konnte aus einer ni c h t juristischen westoberdeutschen Quelle - in unmittelbarer Nachbarschaft des Ostober48 deutschen - beigebracht werden : alem., / s l t nu daz ist alsö, verstet, / / daz daz weltlich gerihte göt / / üf zweier ost" schwäb hende slihte: / / von örste daz gerihte / / ist üf die sträf der missetät / / und gein dem, der ouch die begät/ (ul300) Heinrich v. Beringen, Schachged. 1690 LV (ebd. 1932).
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Ulrich Schröter
In der Rechtsliteratur tritt dieses Wort dann am frühesten im Ost- und Westoberdeutschen auf: oobd.
wobd.
/Ludovicus Imperator [ Ludwig IV., der BayerJ fecit permutationem cum Praeposito Diessens, qui dedit jurisdictionem Straff und Wandl in Parochia Diessen extra maleficia, recipiens ab ipso jurisdictionem in vico Diessen, quae antea ad Monasterium spectabat. Anno 1326./ In: Hund, Metropolis Salisburgensis 2 (1719) 180. / e s sol nie man für kein buos bitten by einer bestirnten straff/ (A14. Jh.)
Richtebriev Zürich in: Helvet. Bibl. 2 (1735) 80. Von hier aus hat es sich allmählich im ganzen deutschen Sprachgebiet gegen seine Konkurrenten durchgesetzt, z. B . : wmd.
/In diesem gerichtsbezirck weissen wir schulteiss vnd scheffen den wolgeb. grafen . . . alss hohen gerichts vnd grundtherrn, die galgen oder die mahlstatt weissen wir oben ans dorff . . . zu richten über halss dieb vnd diebinnen, den dieb an galgen . . . vnd alle andere nothwendige straffen, frewel vnd buessen zu gnad vnd vngnad der herrschafft/ (1418) Weist.
wnd.
I, 794 G. / E s sullen auch die, die . . . dieselben, die solchen friden überfuren, . . . herbergten . . . , als die uberfarer des friden gestrafft werden. Und solche straffe . . . mag ein yeder in einem yeden gerichte, da die uberfarer oder ir . . . helffer betretten wurden, also furnemen/ (1467) Lüb. Urkb. I II,282.
Relativ am häufigsten ist es im 15. Jahrhundert aber noch im Ostoberdeutschen belegt: / W a s . . . fasttag anbetrifft, sol ieder gebihrliches geniegen geben, wan's nit geschieht, soll es der senn den albmeister anzeigen und die straf zu den kopfgelt gelögt und verraitet werden/ (1431) Öst. Weist. 5, 37 /Darumb wir . . . in recht für den . . . fürsten hertzog Sygmunden, hertzogen ze Österrich etc. komen sind . . . vnd wann wir . . . mitt recht in des obgenanten vnsers gnedigen herren . . . straff erkannt sien worden/ (1458) Font, rer Austr. II 2,179. Um 1500 ist'/Strafe/ überall vertreten und zweihundert Jahre später die üblichste Bezeichnung des entsprechenden juristischen Begriffes in der deutschen Literatursprache 49 geworden, wenn sie auch noch nicht allein gebräuchlich ist. Der Grund für die Durchsetzung dieses zuerst oberdeutsch belegten Wortes für den juristischen Begriff darf vielleicht in der politischen Vormachtstellung der Habsburger, die sich im 15. Jahrhundert - trotz der Zersplitterung des Reiches - von diesem Raum her auswirkte, gesucht werden. Denn mit der politischen Autorität geht die der Rechtsprechung Hand in Hand. So fand die Bezeichnung /Strafe/ selbstverständlich auch Ein-
'Strafe', 'Pranger', 'Vormund'
247
gang in die Carolina, wodurch sie ohnehin ihren Geltungsbereich erweitern mußte (vgl, S. 221), so daß sie bis heute sowohl fachsprachlicher Terminus der deutschen Rechtssprache als auch allgemein gebräuchliches Rechtswort für den oben (unter 2.) definierten Begriff geblieben ist. Dieser Entwicklungsprozeß geht konform mit dem wachsenden sprachlichen Selbstbewußtsein des deutschen Volkes als einer sich herausbildenden deutschen Sprachgemeinschaft und Uberhaupt mit dem Werden der Nation trotz der Zersplitterung des Reiches in viele einzelne Staaten (vgl. S. 218 f.). Die deutsche Sprache hatte zunehmend die lateinische in verschiedenen Bereichen (z. B. Recht, Kirche) zurückgedrängt, und Ende des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts mußte das sprachliche Selbstbewußtsein der Deutschen eine nachhaltige Stärkung durch die deutschen Übersetzer (Steinhöwel, Wyle, Eyb), die deutsche Fachprosa (Paracelsus) und auch durch das Wirken einiger deutscher Humanisten (Hutten, Celtis) erfahren. /Strafe/ als Bezeichnung für den juristischen Begriff kam also aus der oberdeutschen Literatursprache und wurde Bestandteil der für das gesamte deutsche Sprachgebiet gültigen deutschen Literatursprache. So hat sich ein Wort aus dem "Gemeinen Deutsch", jener süddeutschen Reichssprache, die in der kaiserlichen Kanzlei gepflegt 50 wurde, im Kräftespiel der Entwicklung der deutschen Sprache behaupten können. Tabelle 5: Gegenüberstellung der Anteile der Konkurrenten fUr das Gesamtgebiet in beiden Zeiträumen (in Prozenten) Zeitraum 1470-1530 Zeitraum 1670-1730 Strafe Pein; Pe(e)n(e), Pön Buße Brüche; Brüchte Wette, Gewette Wandel Frevel Besserung
20, 3 29,9 26, 2 12,8
1,9 5.8 1,2 1.9
87,8 4,2 3, 5 3,2 0,2 0,8 0,3
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Ulrich Schröter
6.
Vergleich mit 'Pranger' und 'Vormund'
Im Anschluß an die Untersuchung der Bezeichnungsgruppe 'Strafe' soll zum Vergleich der Ergebnisse der folgende kurze Abschnitt den Blick speziell auf Herkunft und Ausbreitung zweier Rechtswörter lenken, bei denen auf Vorarbeiten zurückgegriffen werden kann. Besch ist der Ansicht, "daß bei einer ganzheitlichen Betrachtung des Werdegangs unserer Schriftsprache" andere Großlandschaften als das Ostmitteldeutsche, "etwa die bairische einschließlich der ostfränkischen, stärker in das Gesichtsfeld rücken. "
51
Das vorliegende Untersuchungsergebnis der Bezeichnungsgruppe für den Begriff 'Strafe' bestätigt diese Ansicht. Ising jedoch geht - und wohl mit Recht - noch einen Schritt weiter als Besch, indem er sagt: "Die Ausgleichsvorgänge bei der Herausbildung des schriftsprachlichen deutschen Wortschatzes vollziehen sich im Sinne eines echten Mischungsprozesses, nicht im Sinne der Übernahme eines in einer einzelnen Sprachlandschaft bereits fertig ausgebildeten Bestandes im Wortschatz. . . . Alle deutschen Sprachlandschaften einschließlich des Mieder deutschen sind an diesem Mischungs- und Aus52
gleichsprozeß beteiligt. 11
Um den Anteil jeder Sprachlandschaft an der Ausbildung
der einheitlichen deutschen Literatursprache auf der Ebene des Wortschatzes zu e r mitteln und um dann eventuell die Sprachlandschaft mit dem größten Anteil daran herausstellen zu können, müßte der gesamte deutsche Wortschatz auf die praktizierte Weise untersucht werden. Einzelne Beispiele dieser Art können zunächst nur verschiedene Möglichkeiten der Herkunft und der allmählichen Ausbreitung der Wörter aufzeigen. Da mehrere Beispiele den Blick immerhin weiten, soll im folgenden noch kurz auf die beiden oben genannten Rechtswörter eingegangen werden. 6„ 1. 'Pranger' Zunächst soll gezeigt werden, wo /Pranger/ - im Unterschied zu /Strafe/ - ursprünglich beheimatet ist und wie es zum Bestandteil der neuhochdeutschen Literatursprache 54
geworden ist, bis es mit der Sache wieder außer Gebrauch kommt. Mit 'Pranger' ist der Schandpfahl gemeint, an den im Mittelalter der Verurteilte angeschlossen und zur Schau gestellt und damit der öffentlichen Beschämung 55 preisgesceben wurde. Diese Strafe hatte verschiedene Grade und örtliche Formen. Pranger/ ist als Rechtswort ebenfalls schon früh, etwa gleichzeitig mit /Strafe/, bezeugt. Während jedoch /Strafe/ zuerst im Ostober deutschen nachzuweisen ist, kommt /Pranger/ seiner Lautform nach aus dem Mittelniederdeutschen (/prenger/) in das Mittelhochdeutsche (/pranger/). /Vorkoufft ouch eyn fleischer das nicht zu essen toug, man richtit alz recht ist. Ir sollit wissin: das sollen die zwene meistere vor den burger-
56
'Strafe', 'Pranger', 'Vormund'
249
meistir brengen in der stat rat. Unde sal der burgermeister zu haut unde zu hare richten; dis ist zu vornemen umme allerhande spise kouff; unde ist ouch zu vornemen, das man den vor die schepphen furit, ader uff den prenger sezt/ (14. Jh., Hs. 15. Jh.) Saechs. Weichbildrecht (Glosse) 1, 358 D./G. Zuerst ist es im Ostmitteldeutschen in einer Übersetzung eines lateinischen Privilegs nachzuweisen: /Zundir ab dy Dewberey tawg nicht eyn halben Firdung unde der Schuldige dorvor ist nicht gewest yn Vormerkunge, zo zal man es nicht hengen, zandir bey den Pranger [juxta statuam] zal man en offinbar mit Rutten hawen./ (1276) Urk. -samml. Gesch. Ursprung Städte 380b T . / S . (vgl. Böhme, Dipl. Beytr. z. Unters, d. Schles. Rechte u. Gesch. 1 [ l 7 7 0 ] 4). Noch im 14. Jahrhundert gelangt es ins Ostoberdeutsche: /Swer chraut, gras oder ander arbait dem andern nimpt auf dem veld, der daz nicht vergelten mag, den selben sol man . . . stellen auf den pranger/ (2.H 14. Jh.) (Mühldorf) Chr. dt. Städte 15, 403. Und im 15. Jahrhundert ist es bereits auch bis ins Westmitteldeutsche und Oberfränkische vorgedrungen. Diese Entwicklung bestätigt die folgende Belegreihe: oobd. /omd. /Man sol sy . . . In dem pranger setczen/ (1403/39) Ofner Stadtrecht 126 M. wmd.
/Wer . . . frefenlich mit ufsatze swür oder böse flüch dete gein eim andern menschen . . . , den sol man offenlich süssen in den pranger biß an der houptlüte gnode/ (ul440) Windeck, Denkw. 222 A.
obfrk.
/welicher knecht rewdige . . . schoff . . . verkauftet, der muss darumb vier wochen in einem thurn ligen, auch ein höre im pranngen steen/ (1497) Nürnb. Polizeiordn. 231 LV.
Hier nahm es Johann Freiherr von Schwarzenberg als /branger/ in die Bambergische Halsgerichtsordnung von 1507 auf, von wo es in die Carolina als /branger/ und / p r a n ger/ und schließlich durch sie in die neuhochdeutsche Literatur- bzw. Rechtssprache als / P r a n g e r / überging. So hat es alle Nebenformen - z.B. /prenger, branger, pfranger, brangel, prange, brangen/ - und Konkurrenten - z.B. /Kak, Schreiat, Staupe, 57 Halseisen, Harfe, Ganten/ - verdrängt. Die Verdrängung letzterer wird zumindest teilweise, z.B. bei /Halseisen/ und /Harfe/, sachliche Gründe haben. Im Unterschied zu /Strafe/ hat / P r a n g e r / also einen anderen geographischen Ausgangspunkt und setzt sich später durch, wie Künßberg durch einen Vergleich der sich entsprechenden Stellen in den drei Gerichtsordnungen Bambergensis 1507, niederdeutsehe Bambergensis 1510 und Carolina 1532 festgestellt hat 58, und wie es die Beleg-
250
Ulrich Schröter 59
läge des eigenen Materials im ersten UntersuchungsZeitraum bestätigt.
Dagegen
ist /Strafe/ zu dieser Zeit bereits Uberall vertreten. Ein Vergleich der Carolina mit ihren Vorgängerinnen und 60 Vorstufen hat gezeigt, daß an den sich entsprechenden Stellen immer /Strafe/ steht. Die Rezeption des römischen Rechts und in ihrem Gefolge die Bedeutung der Carolina haben sich also sprachlich auf die Bezeichnungsgruppe 'Strafe' nicht in gleichem Maße ausgewirkt wie bei 'Pranger'. Das Wort /Pranger/ aus dem Niederdeutschen brauchte die bedeutende Wirksamkeit der im oberdeutschen (vornehmlich oberfränkischen) Raum entstandenen Carolina, um sich durchzusetzen, wobei es aber vorher den Weg Uber das Ostmitteldeutsche ins Ostoberdeutsche gegangen ist, während die Bezeichnung /Strafe/ aus dem (Ost-)Oberdeutschen bereits vor der Carolina große Geltung gewonnen hatte. 6.2.
'Vormund'
61
Schließlich soll noch kurz auf die Bezeichnung /Vormund/ eingegangen werden, die heute der vorherrschende deutsche Rechtster minus für die im folgenden zu gebende Begriffsdefinition im gesamten deutschen Sprachgebiet ist und durchaus auch allge62 meinsprachlich ist.
'Vormund' ist 'der Fürsorger und gesetzliche Vertreter einer
unmündigen oder entmündigten Person, der grundsätzlich ihre persönlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten wahrnimmt'. Für das älteste deutsche Recht trifft diese Begriffsdefinition ebenso zu wie für das neuere und neueste; doch 63 ist bei ersteDa die Frau
rem zu beachten, daß der Bedeutungsumfang des Wortes größer ist.
als nicht rechtsfähig galt, ist z.B. der Ehemann der Vormund seiner Gattin, der Vater der Vormund seiner Tochter usw., und zwar in allen Rechtsangelegenheiten. Auch die Witwe bedurfte eines Vormundes. In neuerer Zeit wird der 'Vormund' für Minderjährige und Entmündigte amtlich bestellt. Auch eine Frau kann als Vormund fungieren. Das Wort /Vormund/ - in anderer Bedeutung, nämlich 'Fürsprecher' - ist schon althochdeutsch (10. Jahrhundert) in einer Emmeramer Glosse als /foramundo/ be64 legt.
Mit lateinischer Endung als /foremundus/ kommt es im 12. Jahrhundert in
Bamberger Urkunden vor. Im 13. Jahrhundert ist /Vormund/ in der oben so allgemein angegebenen Definition im Niederdeutschen bezeugt: /Sve aver des kindes erve is, dem sal des kindes Vormunde bereden von jare to jare des ldndes gudes/ (vi270) Sachsenspiegel (1933) 34 E. Im gleichen Jahrhundert ist diese Bezeichnung aber auch neben ihren Konkurrenten /Gerhab, Momber, Vogt, Träger, Pfleger, Treuhalter/65bereits weit im deutschen Sprachgebiet verbreitet (Lübeck, Augsburg, Breslau). Als frühes anschauliches Beispiel soll der folgende Beleg aus dem oberfränkisch-ostmitteldeutschen Grenzgebiet dienen:
'Strafe', 'Pranger', 'Vormund'
251
/Kinder, die da nicht mundig sein und von dem vatter, ob die mutter todt were, oder von der mutter, ob der vatter todt were beschichtiget und under einander geteylet werden, bleibt der kinder eins bey der mutter oder bey dem vatter, der vatter oder die mutter mögen sein gutt nicht vorkeufen oder vorsetzen, es were dan, daß es sie zu formunden vor gerichte gekoren hette/ (13. Jh.) Thür. Geschichtsqu. 9, 209 (u. ö.). Im Schwabenspiegel heißt es aber: /Der kinde vnd der frowen phleger. die heizent etwa ein voget. etwa ein phlegaer. etwa sicher boten, etwa vormvnt. etwa behalter/ (E13.Jh.) Schwabenspiegel 29 a L. Hier werden einige landschaftliche Bezeichnungen neben /Pfleger/, den westoberdeutschen Konkurrenten von /Vormund/, gestellt. Der Grund dafür ist darin zu suchen, "daß der Schwabenspiegel in wortgeographischer Hinsicht einen besonderen Platz einnimmt. Er versucht nämlich, ganz im Gegensatz zum Sachsenspiegel, überlandschaftlieh zu sein, um seiner Bedeutung als 'Kaiserrecht' zu entsprechen" 66 . "Nach und ngeh verbreitet sich das Wort beinahe Uber das ganze Sprachgebiet und 67 wird in der Schriftsprache herrschen" . Im 14. und 15. Jahrhundert ist es aber noch vorwiegend niederdeutsch belegt, wie z. B.: /De wile de vrowe nenne anderen gaden ne nimt, so is se irer kindere Vormunde/ (1359) Goslar. Statuten 16 G. Das stimmt zu Großes Feststellung am Schwabenspiegel, "daß der oberdeutsche Pfleger . . . in einer CO mitteldeutsch-niederdeutschen Handschrift dem dort üblichen Vormund weichen muß" . Die Stelle heißt hier: /Nieman mach Vormunde sin, er ne si fünf vnde zwenzich iar alt. der vrowen vnde der kinder vormunt heytzen ettewa eyn behalter, ettewa eyn plegere, ettewa eyn sicher böte, ettewa eyn voget/ (Hs. ul410) Schwabenspiegel, Kurzform 77* G. Vom 16. Jahrhundert an beginnt /Vormund/, sich allmählich gegen seine Konkurrenten überall durchzusetzen. Er ist jetzt auch im Süden und Westen bezeugt: wobd. /Die unmündigen so nit volkomner jähr seind und die dastehen in gewalt ihrer . . . Vormund . . . mögen nit klag noch antworten hindernuß halber auß rechter ehehaft, doch mögen ihre vätter, vormund und pfleger ihrenthalben klagen und sollen dieselbe alle ihr notturft handeln und firnehmen, wie sich gebührt und recht ist/ (1567) Württ. ländl. Rechtsqu. 1, 215 W. oobd. /wie dann keine vormunder ausserhalb . . . gewieser Verzinsung seiner pflegskinder gelt umb alles Verdachts willen, nit geliehen noch inen nachgelassen werden soll, sollen die vormundtsherrn solches an Stadt eines erbarn raths bey denen vormundten alspalden abschaffen vnd ernstlichen
252
Ulrich Schröter beuelch geben, solches in pesserung zu wenden, damit sie iren pflegskindern hinfuro desto . . . threulicher vorsteen wollen/ (1563) in: Siegl, Alt-Eger (1927) 114.
wmd.
/Eodem die hait Usener . . . vor Schultheiß borgermeister vnd Rade siner tochter Kinde zo vormund gesatzt henrich forster vnd Clawes lober Die solich vormundschafft In crafft als vormunder geburt/ (1506) Gerichtsb. Cassel 31 S.
Allerdings sind nach Künßberg im 18. Jahrhundert noch /Momber, Vogt, Träger, 69 Pfleger/ bezeugt
, und /Gerhab/ ist noch im 19. Jahrhundert durch den folgenden
Beleg vertreten. oobd.
/solle keiner . . , aus dem gericht ziechen . . . , er habe dann hierumen von der gerichts-Obrigkeit erlaubnus . . . , derentwegen dann von ieden, wann es sich gebihrt, das abzuggeld zu geben, und auf den fall auch von denen schuldneren, gerhaben und 70 intereßenten ein solches einzulangen i s t / (A19. Jh. ) Ost. Weist. 3, 2.
Das Wort /Vormund/ ist zwar am frühesten oberdeutsch bezeugt, als Rechtswort im oben angegebenen Sinne hat es sich aber wohl vom Norden her einen immer größeren Geltungsbereich erobert und hat seine Konkurrenten vor allem im Westen und Süden erst spät endgültig verdrängt. Daß /Vormund/ in der in Rede stehenden Bedeutung im Niederdeutschen beheimatet ist, zeigt auch die frühe Übernahme in nordische Sprachen, z . B . ins Dänische (als /formyndere/, seit 1408) und Schwedische (als /förmyndare/), auch ins Lettische (als ~ 71 /vërminderis/) usw. Mit diesem kurz abgehandelten Beispiel ist ein weiterer sprachgeographischer Ausgangsort ins Blickfeld gerückt, von dem aus sich ein Rechtswort allmählich durchsetzt und in die neuhochdeutsche Literatursprache eingeht - neben die oberdeutschen /Strafe/ (ostoberdeutsch-westoberdeutsch) und /Pranger/ (oberfränkisch) tritt schließlich das niederdeutsche /Vormund/.
'Strafe', ' P r a n g e r ' , 'Vormund' 7.
253
Gesamtergebnis
Nur die wesentlichsten Ergebnisse sollen im folgenden noch einmal kurz zusammengefaßt werden. Ausgegangen wurde zunächst von der Existenz landschaftlicher bedeutungsähnlicher (oder sinnverwandter) Bezeichnungen für den Begriff 'Strafe' in den deutschen Sprachlandschaften um 1500. Diese Bezeichnungen wurden im Zusammenhang hinsichtlich des gesamten deutschen Sprachgebietes unter onomasiologischem Aspekt als eine zu einem Begriff gehörige Bezeichnungsgruppe betrachtet. Auch in etlichen Einzelwerken wurden Synonyme als Bezeichnungen für denselben Begriff festgestellt. Die Feststellung und Untersuchung der inhaltsgleichen, d. h. begriffsgleichen, Paarformeln unterstützte und ergänzte diese Beobachtungen. Für den undinglichen juristischen Begriff 'Strafe' wurde eine ganz allgemeine Definition formuliert, die auf alle Bezeichnungen zutreffen und die in weit auseinander liegenden Zeiträumen und in den verschiedensten Schichten der Rechtsliteratur - vom kaiserlichen Privileg bis zum bäuerlichen Weistum - sowie in der übrigen Literatur gelten konnte und mußte. Von diesem onomasiologischen Ansatz wurde zur semasiologischen Betrachtungsweise übergegangen, d.h. die Bezeichnungen für 'Strafe' wurden semantisch untersucht, wobei Vinterschiedlich vorherrschende Bedeutungen bzw. differenzierte Bezeichnungsfunktionen ermittelt wurden. Trotzdem wurde festgestellt, daß um 1700 nur noch eine von acht konkurrierenden Bezeichnungen, nämlich /Strafe/, für den definierten Begriff im Sprachgebrauch dominierte. Man kann deshalb in diesem Fall bereits von einem nahezu abgeschlossenen Ausgleichsprozeß sprechen, der in der Sprache der Gegenwart für den allgemeinen Begriff 'Strafe' vollendet ist. Graphisch wäre dieser Entwicklungsprozeß im Bild einer Pyramide darzustellen, an deren Spitze die Bezeichnung /Strafe/ steht und die sich nach unten - d. h. in zeitlicher Dimension zurück - immer mehr verbreitert, da es in den Jahrhunderten vor 1500 noch weitere Konkurrenten gegeben hat (s. o. S. 221). Die Untersuchung der Paarformeln lief auf das gleiche Ergebnis hinaus. Bei ihnen ging nicht nur die Anzahl der Belege zurück, sondern auch und vor allem die Anzahl der verschiedenen Kombinationsarten. Als sprachgeographische Herkunft wurde für die Bezeichnung / S t r a f e / das (Ost-) Oberdeutsche festgestellt, was wohl auf die gesellschaftspolitischen Gegebenheiten der damaligen Zeit zurückgeführt werden darf, nämlich auf die Vormachtstellung der seit langem im Süden, namentlich Südosten des deutschen Reiches regierenden Herrscherhäuser (Habsburger, Wittelsbacher, Luxemburger), in deren Rechts Ii teratur schon früh das Wort / S t r a f e / eingegangen war.
254
Ulrich Schröter
Bei /Pranger/ konnte Ähnliches festgestellt werden, obwohl dieses Wort ursprünglich aus dem Niederdeutschen kommt. In der deutschen Sprache der Gegenwart ist /Pranger/ nur noch üblich in den Redewendungen /jmdn., etwas an den Pranger stellen/ 'jmdn., etwas öffentlich tadeln, der öffentlichen Schande preisgeben' und /am Pranger stehen/ 'öffentlich getadelt werden, der öffentlichen Schande preisgegeben sein', während das Wort /Pranger/ selbst, wie die Sache, die es bezeichnet, historisch ist. ^ Vom Niederdeutschen her hat sich /Vormund/ ausgebreitet, das zwar zuerst im Bairischen nachzuweisen ist, aber in anderer Bedeutung. /Strafe/ und /Vormund/ sind in der deutschen Sprache der Gegenwart die gebräuchlichen Rechtsbezeichnungen für die definierten Sachverhalte.
Anmerkungen 1 Zur Sprachgeschichte vgl. unter anderem folgende Arbeiten der letzten Jahre: M. M. Guchman, Ot jazyka nemeckoj narodnosti k nemeckomu nacional'nomu jazyku, Moskva 1955-59. n . H. Eggers, Deutsche Sprachgeschichte, Hamburg (rororo) 1963-69. m . Geschichte der deutschen Sprache, Berlin 1969. 2 Dölle, Rechtsspr. (1949) 9. 3 Unter den synonymen Bezeichnungen werden die "Heteronyme" - vgl. Weijnen in: Orbis 12 (1963) 575 -, d.h. die verschiedenen Landschaften angehörenden Bezeichnungen eines Begriffes, mitverstanden. 4 Auch hat Kiinßberg, Rechtssprachgeogr. (1926) 3, bereits auf die Bedeutung des Rechtsverkehrs für die "Ausbildung eines einheitlichen Sprachgebrauchs" überhaupt hingewiesen. 5 Geyl in: Mutterspr. 82 (1972) 76; ähnlich Müller-Tochtermann in: Mutterspr. (1959) 84. Schon Kauffmann in: ZfdPh. 47 (1916) 154 weist; in anderem Zusammenhang darauf hin, daß die Sprache des Rechts in den allgemeinen deutschen Sprachgebrauch "eingebettet" ist. 6 In: Mutterspr. (1953) 55. 7 DRW 1, XVIb. 8 /Geldstrafe/: Creifelds, Rechtswb. (21970) 426a; WDG 2,1515 a . Strafgesetzb. DDR (1968) 19 u.ö. /Strafgeld/: Pekrun, Wort (1933) 944°. Berl. Ztg. 194 (1954) 6. /Buße/: WDG 1, 708a: anders Creifelds, Rechtswb. (21970) 230b. /Geldbuße/: Creifelds, Rechtswb. (21970) 425a u. 230b (unter /Bußgeld/); WDG 2,1514a. Strafgesetzb. DDR (1968) 16; N. Dtld. 101 (1965) 12; Frankf. Allg. Ztg. 122 (1955) 5. /Bußgeld/: Creifelds, Rechtswb. (21970) 230b; WDG 1, 707b. 9 Künßberg, Rechtssprachgeogr. (1926) 3 ff. 10 Eine ähnliche Definition2 für den juristischen Strafbegriff der Gegenwart gibt Creifelds' Rechtswb. ( 1970) 1011b: "Strafe ist eine durch Strafgesetz für eine tatbestandsmäßige, rechtswidrige und schuldhafte Handlung angedrohte Rechtsfolge. " 2 b 11 Creifelds, Rechtswb. ( 1970) 918 : "Schadensersatz ist der Ausgleich des einer Person entstandenen Schadens durch einen andern. "
'Strafe', 'Pranger', 'Vormund'
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12 Todesstrafen: Enthaupten, Erhängen, Rädern, Verbrennen, Ertränken, Lebendigbegraben, Ausdärmen, Pfählen. - Verstümmelungsstrafen: Abhauen einer Hand, der Finger, Ausreißen der Zunge, Abschneiden von Nase oder Ohren, Blendung. 2 13 Zycha, Rechtsgesch. ( 1949) 182. 14 J. Grimm, Rechtsaltertümer 2 (41922) 254. 15 J. Grimm, Rechtsaltertümer 2 (41922) 213 f.; vgl.a.Sperling,Buße u.Gewette (1874) 3 ff. 16 Kienle in: Wörter u. Sachen (1934) 73. 17 Kienle in: Wörter u. Sachen (1934) 73. 18 S. a. 1DWB 14,1, 2,670 ff. u. 4,1, 3, 5704 ff. (Anm. 32). - In einem älteren niederdeutschen Beleg wird /Wette/ aber auch gebraucht, obwohl von einer anderen Strafart die Rede ist: /Do dingede de vorsprake na deme wedde des dodes. Do delde de bodel na der ansprake, dat me ene scholde bouen alle deue in eine galgen hengen/ (1428/30) in: Jb. Ver. mekl. Gesch. 55 (1890) 117. 19 Die Prozentzahlen hinter den Stichwörtern geben jeweils den Anteil an der Gesamtzahl der Belege in dem betreffenden Untersuchungszeitraum an. 20 /Strafe/ ist eine Ableitung von /strafen/ (ul200) und ursprunglich nicht rechtssprachlich. Näheres s. Kluge/M., Et. Wb. (201967) 754; Duden, Etymologie (1963) 684b; 1DWB 10, 3, 630 ff.; J. Grimm, Rechtsaltertümer 2 (41922) 255; His, Strafrecht 1 (1920) 342 u. vgl. Anm. 48. 21 Die Lautformen gehen zurück auf mlat. /pena/, lat. /poena/, grch. /poine/. /pena/wird ahd. zu /pina/, mnd. /pin(e)/, nhd. /pein/; erneut mhd. /pen(e)/, nhcL /pe(e)n(e)/. Kluge/M., Et. Wb. (?°1967) 537*; Duden, Etymologie (1963) 499°; rDWB 7,1524 u. 1998. - Zur mhd. Lautung und zu den Formen /pin/ und /pine/ mit anderen Bedeutungen s. Zwierzina in: ZfdA 45 (1901) 37-39. 22 Vgl. /Pein/ ^ W B 7,1524 f. und /Pön, Peen/ ebd. 7,1998. - Lat. /poena/ bedeutet 'Strafe'; nach grch. /poine/ 'Lösegeld für eine Blutschuld', 'Sühne', 'Buße', aber auch 'Genugtuung', 'Ersatz', 'Rache'. 23 Auffällig ist jedoch ein (späterer) oberfränkischer Beleg: /Als man Zalt Noch der gebpurtt Christi funfzehenn hundert vnnd viere. . . . Hinfür die selbigenn Neugemachtenn Stuck mit sampt denn altenn Statuten . . . von einem iczlichen gemainsman hie zv Wachpach bey puß pin vnnd straff Einer Herschafft vnnd gemaind gehalttenn werdtt Iczliches stuk bey seiner aufgeseczter pen vnnd puß/ (Hs. M 16. Jh.) in: Zs. hist. Ver. wirtemb. Franken 6 (1852791. 24 Vgl. die Komposita, die heute die üblichen juristischen Termini sind: /Geldbuße/ WDG 2,1514a; Creifelds, Rechtswb. (21970) 425a und /Bußgeld/ WDG 1, 707b; 2 Creifelds, Rechtswb. ( 1970) 230 f. 25 S. Kienle in: Wörter und Sachen 16 (1934) 79; DRW 2, 655 f. Für die Bezeichnung des Schadensersatzes in der Rechtssprache der Gegenwart s. Creifelds, Rechtswb. (21970) 230b f. 26 Vgl. Kienle in: Wörter u. Sachen 16 (1934) 73; DRW 2, 523 f.; His, Strafrecht 1 (1920) 609. 27 Frs. /breke, bresz(i)e, brekma/; mndl. /bro(e)ke, brueke, breuke/. 28 /Gewett(e)/ ist verstärkte Form zu /Wette/. 1DWB 4,1, 3, 5698. 29 Vgl. Gierke, Schuld (1910) 326-328; His, Strafrecht 1 (1920) 610; Kienle in: Wörter u. Sachen 16 (1934) 77; XDWB 14,1, 2, 670.
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30 Hagemann in: Erlanger Forsch., Reihe A, 16 (1964) 66. 31 Hagemann in: Er langer Forsch., Reihe A, 16 (1964) 60. 32 Vgl.: "in der bedeutung einer 'geldstrafe' i s t . . . /gewette/ vom 13. bis zum ende des 15. jahrh. aus denkmälern der verschiedensten deutschen Landschaften belegt, nicht nur aus nieder - und mittel-, sondern auch aus oberdeutschen quellen, bei den belegen aus rechtsbüchern, wie dem schwabenspiegel oder dem Spiegel deutscher leute, läszt sich der oberdeutsche gebrauch durch die Übernahme der betreffenden stelle aus der niederdeutschen vorläge einfach erklären, dasz aber der rechtsausdruck auch tiefer in die süddeutsche rechtssprache eindrang, beweisen die belege aus österreichischen urkunden. später schrumpft der gebrauch freilich wieder zusammen und geht auf das ursprungsgebiet zurück. " *DWB 4, 1, 3, 5704. 33 S. 1DWB 13, 1553. 34 S. 1DWB 13, 1550 ff. 35 Vgl. Kienle in: Wörter u. Sachen 16 (1934) 75; DRW 2,161 f. 36 S. DRW 2,162; His, Strafrecht 1 (1920) 343. 37 Vgl. 1DWB 4,1,1,175; DRW 3, 881 ff. 38 G. Bellmann, Slavoteutonica, Berlin - New York 1971. W. Besch, Zweigliedriger Ausdruck in der deutschen Prosa des 15. Jahrhunderts, in: Neuphilol. Mitt. 65 (1964) 200-221. Ders., Sprachlandschaften und Sprachausgleich im 15. Jahrhundert, 1967. W. Borvitz, Die Übersetzungstechnik Heinrich Steinhöwels, 1914. Richard von Kienle, Zum Begriffsbezirk Strafe, in: Wörter u. Sachen 16 (1934) 67-80. F. Wenzlau, Zwei- und Dreigliedrigkeit in der deutschen Prosa des XIV. lind XV. Jahrhunderts. Ein Beitrag zur Geschichte des neuhochdeutschen Prosa stils, 1906. H. Wolf, Die Sprache des Johannes Mathesius, 1969. 39 Borvitz, Steinhöwel (1914) 44 f. 40 Wenzlau, Zwei- u. Dreigliedrigkeit (1906) 2 ff. 41 Besch in: Neuphilol. Mitt. (1964) 203. 42 Für die frühere Zeit vgl. den Aufsatz über /Buße, Brüche/ und /Wette/ von Kienle, Zum Begriffsbezirk Strafe, in: Wörter u. Sachen 16 (1934) 67-80, wo auch besonders auf die Paarformeln eingegangen wird. 43 Das Fehlen dieser Paarformel im Ostniederdeutschen hat vermutlich keine besonderen Gründe, da die drei Hauptbezeichnungen als Einzelwörter hier auch vertreten sind, sondern muß wohl auf die Beleggrundlage zurückgeführt werden. 44 Die Reihenfolge geht von der größeren zur kleineren Anzahl der Belege. Am Schluß stehen die dreigliedrigen Formeln. 45 Die neuhochdeutsche Form /Pein/ für mittelhochdeutsch, mittelniederdeutsch /pin(e)/ ist in der Bedeutung 'Strafe' nicht belegt. S. a. Adelung, Wb. 3 (1777) 990; anders 1DWB 7,1525. 46 Die Nebenform /Brüchte/ ist auf das rheinisch-westfälische Gebiet beschränkt. Nach Kienle in: Wörter und Sachen 16 (1934) 74 findet sie sich hier bereits seit dem 15. Jahrhundert. 47 Kurz vor dem zweiten Untersuchungszeitraum ist /Besserung/ für 'Geldstrafe' noch belegt: wobd. /Die . . . drey sollen . . . alle gefälle und besserung, sobald die . . . gegeben werden, in zwo besondere büchsen, so sie von dem pfenningthurm haben sollen, thun/ (1658) Strassb. Tucher-Zunft 320 Sch. Selbstverständlich ist es möglich, daß diese Bezeichnung für 'Strafe' vereinzelt auch noch später vorkommt.
'Strafe', 'Pranger', 'Vormund'
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48 Die frühesten Belege für /Strafe/ überhaupt finden sich im (Ost-)Oberdeutschen: obfrk. 'tadel, verweis': /ich hetez billich vermiten, / / daz ich durch solhe sträfe (ost- waer gein Berne geriten/ (ul250) Alphart 11, 2 M. frk.) oobd. 'Züchtigung': (tirol.) /nu volge miner 16re / / und lege in sus ein sträfen an/ (2. Hl 3. Jh.) Laurin D 1919 H. oobd. / e z würd sin sträfe der Siegel und diu barte/ (1280/90) Lohengrin 224,10 R. (bair.) 49 /Brüche/ wurde erst 1877 in Schleswig-Holstein durch Regierungsverfügung verboten, wie die folgende Mitteilung der Kieler Zeitung vom 21. Juni 1877 zeigt: "Der Ausdruck 'Brüche', welcher noch vielfach in den eingereichten LocalPolizei-Verordnungen sich vorfindet, ist zufolge Verfügung derkgl. Regierung fortan, weil in der Straf-Gesetzgebung nicht begründet, zu vermeiden und durch den Ausdruck'Geldstrafe' zu ersetzen". Korr-.bl. Ver. nd. Sprachforsch. 3 (1878) 23. - Vgl. dazu: "Wie sehr sich . . . einzelne technische Worte im Leben erhalten, obwohl sie aus der offiziellen Rechtssprache schon längst gestrichen wurden, beweist eine noch jetzt am Hofeingange des Gutes Rastorf (Provinz Schleswig-Holstein, Kreis Plön) sichtbare Tafel, mittels welcher 'von polizeiwegen' das Rauchen auf dem Hofe 'bei 1 Rthl, B r ü c h e ' verboten wird." In: Festschr. Gierke 70. Geb. (1911) 57. 50 Vgl. Künßberg, Rechtssprachgeogr. (1926) 9: "Die Bezeichnung 'Kaiserliches Recht' mußte . . . im Sinne der Verhochdeutschung wirken. Schließlich trug das gemeine R e c h t . . . zur Spracheinheit bei und zwar dadurch, daß die Fachwörter des gemeinen Rechts weiteste Verbreitung fanden und an vielen Stellen die mundartlichen Fachwörter der territorialen Rechts sprachen verdrängten, den Partikularismus der Rechtssprache verringerten." 51 Besch, Sprachlandschaften (1967) 20. Vgl. a. Skäla, Prager Deutsch (1966) 85 (u. ö.). 52 Ising, Wortgeogr. 1 (1968) 136. 53 Bei diesem Vergleich wurden im wesentlichen die Untersuchungsergebnisse Künßbergs in seiner Abhandlung "Rechtssprachgeographie" (1926) 30-34 verwertet und durch das eigene Belegmaterial geprüft und ergänzt. 54 Das WDG kennzeichnet / P r a n g e r / als h i s t o r i s c h ; i n Creifelds' Rechtswb. (21970) ist es darum nicht aufgenommen worden. 55 Vgl. Meyers N. Lex. 6 (1964) 674b; Brockhaus 15 (1933) 57 a . 56 Mnl. /prangher/; mnd. /prenger/ 'Schandpfahl' zu mnd. /prangen/, got. /praggan/ 'drücken, pressen, klemmen'; hd. /pfranger, pfrenger/. *DWB 7,2067; Kluge/M., Et. Wb. ( 20 1967) 552b. Duden, Etymologie (1963) 525b; Künßberg, Rechtssprachgeogr. (1926) 30. 57 S. Künßberg, Rechtssprachgeogr. (1926) 30. 58 S. Künßberg, Rechtssprachgeogr. (1926) 31. 59 Belege für /branger, pranger/ sind für das West- und Ostoberdeutsche, Oberfränkische und Ostmitteldeutsche vorhanden. 60 Nach den Ausgaben: Die peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karl's V. nebst der Bamberger und der Brandenburger Halsgerichtsordnung sämtlich nach den ältesten Drucken und mit den Projecten der peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karl's V. von den Jahren 1521 und 1529. Hg. v. H. Zoepfl. Leipzig und Heidelberg 21876. Die Carolina und ihre Vorgängerinnen. . . . hg. u. bearb. v. J. Kohler. Halle 1900-02. H.
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61 Wie bei /Pranger/ wurden auch bei /Vormund/ im wesentlichen die Unter suchungsergebnisse Ktinßbergs in seiner Abhandlung "Rechtssprachgeographie" (1926) 38-42 zu Grunde gelegt (vgl. Anm. 53). S. aber auch Kranzmayer in: Bayer. Wochens ehr. Heimat u. Volkstum 11 (1933) 328-336. 62 Wahrig, Dt. Wb. (1968) 3910; Pekrun, Wort (101967) 760c; Duden (161974) 527a; öst. Wb. ( 20 o. J.) 250c. 63 Vgl. 1DWB 12, 2,1324 f. 64 aduocati merore terfecti / foramundun mornun ganeizte / Ahd. Gl. 2, 764, 5 St. /S. (Vgl. a. Mombritius, Sanctuarium 2 [1910] 536: aduocati maerore confecti). Entsprechend: a defensione /fonaformunt scafl/ Ahd. Gl. 2, 764, 2 St. /S. 65 Künßberg, Rechtssprachgeogr. (1926) 38. 66 Große in: Forsch, u. Fortschritte (1964) 60 b . 67 Kiinßberg, Rechtssprachgeogr. (1926) 38. 68 Forsch, u. Fortschritte (1964) 60b. 69 Künßberg, Rechtssprachgeogr. (1926), Deckblätter (Beilage) Nr. 12-14. 70 Vgl. a. ^DWB 4,1, 2, 2552 f. 71 S. Künßberg, Rechtssprachgeogr. (1926) 38. 72 WDG 4, 2848b.
'Strafe', ' P r a n g e r ' , 'Vormund'
259
Verzeichnis der für das Teilthema zusätzlich herangezogenen Sekundärliteratur und Quellen Alphart s . Tod. Bellmann, Günter: Zur Abgrenzung und Terminologie bedeutungsgleicher und bedeutungsverwandter lexikalischer Einheiten. In: ZfMdaf. (1968) S. 218-233. Helvetische B i b l i o t h e c k , bestehend in historischen, politischen und critischen Beyträgen zu den Geschichten des Schweitzerlands. Hg. v. J. J. Bodmer u. J. J. Breitinger. 2. St. Zürich 1735. (Böhme, Johann Ehrenfried:) Diplomatische Beyträge zur Untersuchung der Schlesischen Rechte und Geschichte. 1. T. Berlin 1770. Boor, Helmut de: Die deutsche Literatur im späten Mittelalter. Zerfall und Neubeginn. E r s t e r Teil 1250-1350. München 1962. (= Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart von Helmut de Boor und Richard Newald. 3. Bd. 1. T . ) . Borvitz, Walther: Die Übersetzungstechnik Heinrich Steinhöwels. Halle 1914. Der Große B r o c k h a u s . Handbuch des Wissens in zwanzig Bänden. Bd. 1 ff. Leipzig 15 1928 ff. Brunner, Heinrich: Grundzüge der deutschen Rechtsgeschichte. Siebente Aufl., nach dem Tode des Verfassers besorgt v. E. Heymann. München u. Leipzig 1919. Creifelds, Carl: Rechts Wörterbuch. Zweite, neubearb. Aufl. München 1970. Döhring, Erich: Geschichte der deutschen Rechtspflege seit 1500. Berlin 1953. Dölle, Hans: Vom Stil der Rechtssprache. Tübingen 1949. Ehrismann, Gustav: Geschichte der deutschen Literatur bis zum Ausgang des Mittelalters. 2. T. Die mittelhochdeutsche Literatur. Schlußbd. München 1935. (= 2. T. 2. Abschn. 2. H.). Fehr, Hans: Deutsche Rechtsgeschichte. Berlin
1962.
Festschrift - Otto Gierke zum siebzigsten Geburtstag dargebracht von Schülern, Freunden und Verehrern. Weimar 1911. Geyl, Ernst-Günther: Die Rechtssprache als Objekt der wissenschaftlich begründeten Sprachpflege. In: Muttersprache. 82. Jg. 1972. S. 75-91. Gierke, Otto: Schuld und Haftung im älteren deutschen Recht, insbesondere die Form der Schuld- und Haftungsgeschäfte. Breslau 1910. Grimm, Jacob: Deutsche Rechtsaltertümer. Vierte verm. Ausg. Besorgt durch A. Heusler u. R. Hübner. Neuer Abdruck. Leipzig 1922. n . Große, Rudolf: Zur sprachgeschichtlichen Untersuchimg der spätmittelalterlichen deutschen Rechtsdenkmäler. In: Forschungen und Fortschritte. 38. Jg. 1964. S. 56-60. Güterbock, Carl: Die Entstehungsgeschichte der C a r o l i n a . . . . Würzburg 1876. Hagemann, Hans-Rudolf: Wette. In: Erlanger Forschungen. Reihe A: Geisteswissenschaften. 16. Bd. Erlangen 1964. S. 60-76. Heinrich von Beringen: Das Schachgedicht. Hg. v. P. Zimmermann. Tübingen 1883. (LV).
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2
1844-
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'Strafe', 'Pranger', 'Vormund'
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Urkundensammlung zur Geschichte des Ursprungs der Städte und der Einführung und Verbreitung deutscher Kolonisten und Rechte in Schlesien und der Ober-Lausitz v. G.A. Tzschoppe u. G.A. Stenzel. Hamburg 1832. Das saechsische W e i c h b i l d r e c h t . . . . Hg. v. A. v. Daniels und F. v. Gruben. Bd. 1: Weltchronik und Weichbildrecht in 36 Artikeln mit der Glosse. Berlin 1858. Weijnen, A.: Rezension zu Goossens, J . , Semantische vraagstukken uit de taal van het landbouwbedrijf in Belgisch-Limburg. I: Tekst, II: Atlas. Antwerpen 1963. In: Orbis. Bulletin international de Documentation linguistique. Tome XII. 1963. S. 572-575. Weisweiler, Josef: Buße. Bedeutungsgeschichtliche Beiträge zur Kultur- und Geistesgeschichte. Halle 1930. Wenzlau, Friedrich: Zwei- und Dreigliedrigkeit in der deutschen Prosa des XIV. und XV. Jahrhunderts. Ein Beitrag zur Geschichte des neuhochdeutschen Prosastils. Halle 1906. Zeitschrift des historischen Vereins für das wirtembergische Franken. 6. H. Jg. 1852. Zwierzina, Konrad: Mittelhochdeutsche Studien. In: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Litteratur. 45. Bd. Berlin 1901. S. 19-100.
'ADVOKAT' UNTERSUCHUNGEN ZUM EINFLUSS DES RÖMISCHEN RECHTS AUF DEN DEUTSCHEN WORTSCHATZ
Joachim Dilckert
1.
Einleitung
Die Abschnitte 1.1., 1.2. und 1.3. 2. entstanden in Zusammenarbeit mit S i e g h a r d Mühlmann. 1.1.
Fragestellung
In der untersuchten Zeitspanne (1470 - 1730) beeinflußte ein Vorgang in der deutschen Rechtsgeschichte wesentlich den deutschen Rechts Wortschatz und wirkte auf die Entwicklung der deutschen Literatursprache ein: die Rezeption des römischen Rechts. Das übernommene Recht half nicht nur die Rechtszersplitterung in Deutschland, in dem die kaiserliche Reichsgewalt mit territorialer Rechtsbildung, mit Landrechten und Stadtrechten konkurrierte, überwinden, sondern förderte offenbar auch sprachliche Einigungs- und Ausgleichstendenzen. * Systematisch erforscht wurde diese Erscheinung noch nicht. Die vorliegende Arbeit versucht, auf einem Teilgebiet der Rechts- und Sprachgeschichte zur Klärung der Frage nach der Bedeutung der Rezeption des römischen Rechts für den lexikalischen Ausgleich beizutragen. Zur Untersuchung ausgewählt wurden die Bezeichnungen für 'Advokat' (genauere Abgrenzung und Definition des Untersuchungsgegenstandes S. 267 f.). Die darzustellenden sprachlichen Vorgänge korrespondieren mit Entwicklungen der prozessualen Sachwalterschaft. Um sie recht verstehen und deuten zu können, müssen verschiedene Sachfragen erörtert werden. Der rechtshistorische Überblick konzentriert sich auf das im Rahmen des Thomas Interessierende, ohne allgemeinere Fragen der Rezeption des römischen Rechts ganz auszuschließen. 1. 2.
Zur Rezeption des römischen Rechts
o
Die Bezeichnung "römisches Recht" für das in Deutschland besonders seit dem späten 15. Jahrhundert rezipierte gelehrte Recht bezieht sich auf einen Komplex verschiedener Rechtsmaterien. Außer dem unter dem oströmischen Kaiser Justinian zusammengestellten Corpus iuris civilis, das durch die (ober)italienischen Glossatoren und Kommentatoren, insbesondere Bartolus de Saxoferrato (1313 - 1357) und Baldus de Ubaldis (um 1320 - 1400), bearbeitet worden war, wurde auch kanonisches und lombardisches Recht übernommen. Prozeßrechtliche Materien - um solche geht es in der vorliegenden Arbeit - entstammen vor allem dem kanonischen Recht. Das rezipierte Recht kam im Gegensatz zum heimischen (feudalen) Recht den Bedürfnissen des damals in Deutschland sich entwickelnden Kaufmannskapitals und der entstehenden Manufaktur, also des Bürgertums unter frühkapitalistischen Verhältnissen entgegen. Auf die ökonomischen Ursachen der Rezeption weisen Karl Marx und Friedrich Engels mit besonderem Nachdruck hin. "Das römische Recht, vollendetes Recht der einfachen Warenproduktion, d.h. also der vorkapitalistischen, die aber auch die Rechtsverhältnisse der kapitalisti-
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Joachim Dückert
sehen Periode meist einschließt. Also grade,
was unsre Städtebürger bei ihrem Auf3 kommen brauchten und im heimischen Gewohnheitsrecht nicht fanden. " Das römische Recht bildete eine wesentliche Stütze des sich herausbildenden fruhkapitalistischen Privateigentums. "Bei den modernen Völkern, wo das feudale Gemeinwesen durch die Industrie und den Handel aufgelöst wurde, begann mit dem Entstehen des Privateigentums und Privatrechts eine neue Phase . . . . Sobald, zuerst in Italien und später in anderen Ländern, die Industrie und der Handel das Privateigentum weiterentwickelten, wurde gleich das ausgebildete römische Privatrecht wieder aufgenommen und zur Autori4 tät erhoben. "
Die Wiederaufnahme erfolgte entsprechend der wirtschaftlichen Entwick-
lung zuerst in Italien. In Bologna unterzogen die Glossatoren - Irnerius (1060 - 1125) und andere - das Corpus iuris civilis einer ersten Bearbeitung. Das römische Recht ist "seinem Charakter nach wesentlich antifeudal.... [ E s ] i s t . . . Ausdruck der Lebensverhältnisse und Kollisionen einer Gesellschaft, in der das reine Privateigentum herrscht.. ..Das bürgerliche Eigentum des Mittelalters war aber noch stark mit feudalen Beschränkungen verquickt, bestand z.B. großenteils in Privilegien . . ..Die weitere geschichtliche Entwicklung des bürgerlichen Eigentums konnte aber nur darin bestehn, daß esmächtigen sich . . . zum reinen Privateigentum Diesedas Entwicklung mußte aber einen Hebel finden im römischen fortbildete. Recht, das alles schon fertig enthielt, g dem die Bürgerschaft des späten Mittelalters nur noch unbewußt zustrebte." "Die Rezeption der fremden Rechtsnormen . . . [ i s t ] ein mehrere Jahrhunderte währender Prozeß, der in der Zeit der frühbürgerlichen Revolution in seine Endphase eintritt."
Erst in dieser Phase spielte die Gesetzgebung in Deutschland eine entscheiden-
de Rolle bei der Durchsetzung bzw. Bestätigung des römischen Rechts. Die territorialen Gewalten bedienten sich seiner und der an ihm geschulten Juristen in Verwaltung und Justiz zur Konsolidierung ihrer Macht; "im Kampf gegen die Zersplitterung von Recht und Gerichtsbarkeit findet die 7 Staatsräson des Territoriums eine wertvolle Hilfe im römisch-italienischen Recht". Hiermit ist ein besonders wichtiger Gesichtspunkt angesprochen: die Rezeption des römischen Rechts als eine Möglichkeit der Vereinheitlichung von Rechtspflege und Rechtsnormen (im Rahmen von Territorien und darüber hinaus) zur Überwindung der lokalen Zersplitterung, wie sie für das heimische meist ungeschriebene und nicht systematisch geordnete Recht charakteristisch war. Die Rezeption des römischen Rechts besteht aber nicht nur in der Übernahme fremden materiellen Rechts, d.h. bestimmter Normen und Rechtssätze, sondern vor allem auch in dem Q "Eindringen der gelehrten Rechtswissenschaft mit ihren Denkformen und Methoden" . Materielles Recht fand sehr unterschiedliche Aufnahme. Wo das helmische Recht in größeren Gebieten mehr oder minder einheitlich galt, wo es im Bewußtsein lebendig und durch Aufzeichnung gesichert war, wurde der Rezeption materiellen römischen Rechts Widerstand geleistet, z.B. im Raum des sächsischen Rechts. Wo dagegen
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'Advokat'
deutsches Recht durch die Zersplitterung der Rechtsgebiete verkümmert war, konnte neben der übernommenen Rechtswissenschaft materielles römisches Recht zu last ung
umschränkter Herrschaft kommen. Als Beispiel für übernommenes materielles Recht sei die prozessuale Stellvertretung genannt, die im mittelalterlichen deutschen Recht, von Ausnahmen abgesehen, nicht üblich war. Prozeßrecht wurde in der Gestalt des spätmittelalterlichen römisch-kanonischen Prozesses (z. T. modifiziert) übernommen. Der fremde Prozeß bzw. seine Prinzipien drangen in Deutschland allgemein durch, da sie für die Bewältigung der mit der Herausbildung des Frühkapitalismus komplizierter werdenden Rechtsbeziehungen geeignet waren. Wesentliche Förderung erfuhr diese Entwicklung durch die Einführung des römisch-kanonischen Verfahrens am (1495) neugeschaffenen Reichskammergericht, dem für die territorialen Gerichte in Deutschland damals vorbildlichen Gericht, das zur Hälfte mit römisch-rechtlich ausgebildeten Juristen besetzt war und nach dem rezipierten Recht urteilte. Das Verfahren - z.B. Aufgliederung der Klage in einzelne Artikel, zu denen der Beklagte Punkt für Punkt Stellung nehmen mußte; Klarstellung der einzelnen Tatsachen durch Beweis** - ermöglichte die rationale Durchdringung und rechtliche Beurteilung auch verwickelter Sachverhalte. Dem diente auch die prinzipielle Schriftlichkeit des Verfahrens. Charakteristisch für das rezipierte Verfahren ist ferner die Teilung der prozessualen Sachwalterschaft in gelehrte Advokatur und Prokuratur (Näheres dazu S. 271 f.). Der mittelalterliche deutsche Prozeß mit seinem Formalismus und dem Prinzip der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit wurde durch das neue Prinzip abgelöst. Zunehmend wurden die Gerichte, insbesondere die höheren, mit Juristen besetzt. Die Bedeutung der ungelehrten Gerichte ging zurück. Abschließend noch ein Wort über die besondere Entwicklung der Schweiz, da schweizerdeutsche Belege in die Untersuchung miteinbezogen werden. Während die Rezeption des römischen Rechts Deutschland im wesentlichen ganz erfaßte, konnte sie sich in der Schweiz nicht durchsetzen, da die Eidgenossenschaft das Reichskammergericht und seine Ordnung von 1495 ablehnte, sich als nicht mehr zum Reich gehörig betrachtete und im Westfälischen Frieden auch rechtlich aus dem Reichsverband ausschied. Die Freiheitskämpfe hatten hier die Abneigung gegen ein Gerichtswesen verstärkt, das den heimischen Traditionen nicht entsprach. 1.3.
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Der Untersuchungsgegenstand
1.3.1. Begriffsbestimmung und Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes Untersucht werden die Bezeichnungen für den Begriff 'Rechtskundiger, der zur (berufsmäßigen) Vertretung von Rechtsangelegenheiten anderer vor Gericht befugt i s t ' . Um den Kreis der in die Untersuchung einzubeziehenden Wörter besser abgrenzen zu können,
Joachim Diickert
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werden folgende Begriffsmerkmale hervorgehoben, die es auch gestatten, das Verhältnis der einzelnen Bezeichnungen zueinander genauer zu bestimmen: (1) Rechtskundigkeit, wobei nicht unterschieden wird, ob sie durch juristisches Studium oder nur praktisch erworben ist, (2) Funktion als forensischer Redner, Person, die alle prozessual bedeutsamen Erklärungen abgibt (und empfängt), (3) Funktion als bevollmächtigter Vertreter wechselnder Parteien (Mandanten) vor Gericht. Die Rechtskundigkeit ist als grundlegendes Merkmal anzusehen. Es werden also prinzipiell nur solche Wörter behandelt, deren Bedeutung durch dieses Merkmal neben mindestens einem andern der genannten Merkmale charakterisiert ist. Dabei spielt es für die Einbeziehimg eines Wortes in die Darstellung keine Rolle, ob das Merkmal der Rechtskundigkeit bereits im 1. UntersuchungsZeitraum obligatorisch ist oder ob es erst als Folge eines Entwicklungsprozesses (in jüngerer Zeit) obligatorisch wird. Die den Begriff abdeckenden Wörter, die miteinander konkurrieren, sind in erster Linie Berufsbezeichnungen. Um Berufsbezeichnungen geht es also in der vorliegenden Arbeit vor allem. Damit wird ein weitgehend homogenes Vergleichsmaterial untersucht. Die Bezeichnungen werden auch dann in die Darstellung einbezogen, wenn sie noch nicht im 1. Untersuchungszeitraum als Bertifsbezeichnungen voll ausgebildet sind. Eine Ausnahme vom Prinzip der strikten Beschränkung der Arbeit auf die Wörter, die Berufsbezeichnungen sind oder im Laufe der Entwicklung werden, ist jedoch zuzulassen. In der Zeit, in der die Untersuchung einsetzt, haben wir es mit einer größeren Gruppe von Wörtern zu tun, die nicht durchweg Berufsbezeichnungen sind, für die aber das Merkmal der Rechtskundigkeit obligatorisch ist. Es handelt sich hierbei um die zahlreichen Benennungen des - für das ältere deutsche Recht charakteristischen - Fürsprechers, die eine sehr alte Bezeichnungsschicht darstellen und von denen die Arbeit ausgehen muß. Die Konkurrenz zwischen ihnen und den betreffenden Wörtern des r e z i pierten römischen Rechts ist ein wichtiger Gegenstand der Untersuchung. Unabhängig davon, ob und in welchem Maße sie als Berufsbezeichnungen ausgebildet werden, sind sie in die Untersuchung mit einbezogen, 1.3.2. Sachkundliches zum Untersuchungsgegenstand Der Fürsprecher (VorSprecher)
13
Der Fürsprecher verdankt seine Existenz dem besonderen Charakter des mittelalterlichen deutschen Prozesses, der sich aus einer Reihe von Formalakten zusammensetzt. Der strenge Formalismus, wie er seit dem 12. Jahrhundert nachgewiesen ist, bringt die Partei in Gefahr, beim geringsten Formfehler den Prozeß zu verlieren. Die Partei
'Advokat'
269
ist im allgemeinen an jedes ihrer Worte vor Gericht ohne die Möglichkeit des Widerrufs gebunden. Um der Gefahr des Prozeßverlustes infolge von Formfehlern zu entgehen, kann die Partei durch den Fürsprecher die eigene Rede vor Gericht stellvertretend vortragen lassen. Aufgabe des Fürsprechers ist die Vertretung im Wort. "Er ist der Mund der Partei. Selbstverständlich wird bei ihm Rechtskunde erwartet, er muß den Prozeßbetrieb beherrschen, muß wissen, wie man sich ausdrückt, wie man die Worte setzt, 14 . . . der ganze Prozeßformalismus muß ihm geläufig sein. " Die Partei ist im Prozeß neben ihm anwesend und kann seine Worte als die ihren annehmen oder auch verwerfen. 15 "Mißbilligt die Partei die Rede des Fürsprechers, war es nicht ihr Wort. " Das Gesagte kann dann richtiggestellt werden. Der Fürsprecher redet eigentlich nicht für die Partei, zu ihren Gunsten; seine Tätigkeit dient der Darlegung des Rechtspunktes bzw. der Rechtsfindung. Er kann aus dem Kreise der Urteilfinder (Schöffen) genommen werden und darf im selben Prozeß auch an der Findung des Urteils beteiligt sein. "Der Vorsprecher ist sonach kein Parteimann, sondern ein zur Belehrving des Gerichts und der Partei bestellter Rechtskundiger. Ein Bevollmächtigter seiner Partei ist er erst recht 16 nicht, denn sie ist persönlich anwesend und an sein Wort nicht gebunden. " Im 15. Jahrhundert tritt in der Funktion des Fürsprechers insofern ein Wandel ein, als der Fürsprecher, einst Mund der Partei, zum frei plädierenden Anwalt wird. Seine formale, auf die Darlegung des Rechtspunktes gerichtete Tätigkeit wandelt sich mit dem Schwinden der17 "Prozeßgefahr" (des strengen Formalismus) zum prozessualen Beistand der Partei. Er ist nicht mehr neutral; jetzt dient seine Tätigkeit dem Prozeßgewinn der Partei. Lange Reden der Fürsprecher werden zur Gewohnheit, gegen die sich die zeitgenössische Kritik wendet. Der Fürsprecher darf nun aber nicht mehr am 18 Urteil mitwirken.
Die Wandlung bringt es mit sich, daß er sein Amt zunehmend be-
rufsmäßig ausübt. Vergleicht man das Gesagte mit den Begriffsmerkmalen S. 268, so wird ersichtlich, daß auf den Fürsprecher die Merkmale (1) und (2) durchgehend zutreffen. 19 Der Anwalt Mit der Rezeption des römischen Rechts wird die im mittelalterlichen deutschen Recht 20
nur begrenzt zulässige prozessuale Stellvertretung grundsätzlich möglich.
Sie wahr-
zunehmen ist Aufgabe des Anwalts. Das Bedürfnis, sich vor Gericht vertreten zu lassen, ist auf Grund der im Frühkapitalismus komplizierter werdenden Rechtsbeziehungen sowie der prinzipiell schriftlichen und oft langwierigen Prozesse größer geworden. "In der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts ist Parteivertretung als ein Grundelement des 21 Zivilprozeßrechts nicht mehr fragwürdig. " Der Anwalt ist in der durch den 1. und 2. Untersuchungs Zeitraum begrenzten Epoche im allgemeinen kein Berufsstand, Sondern überhaupt bevollmächtigter Vertreter, speziell (in dem hier interessierenden Zusam-
270
Joachim Dückert
menhang) vor Gericht. E r tritt auf Grund erhaltener Vollmacht anstelle des abwesenden Mandanten auf. Dabei kann er sich, wie dieser es im Falle seiner persönlichen Anwesenheit vor Gericht tun könnte, eines Fürsprechers bedienen; das gilt insbesondere für die Frühzeit der untersuchten Epoche. Der Anwalt nimmt also stellvertretend die Handlungen des Mandanten vor; sein Wort bindet diesen. Als Anwalt kann nicht nur der Rechtskundige - der Prctkurator oder Advokat
sondern jeder fungieren, sofern
nicht gewisse einschränkende Bestimmungen, z . B . im Falle von Geistesgestörtheit, Unmündigkeit, Ehrlosigkeit, entgegenstehen; vgl. etwa: "Jedermann kan als Anwald bey Gericht gebraucht werden, deme es nicht ausdrucklich in denen Rechten verbotten ist. Hierunter aber geh&ren . . . all jene, welchen es an gnugsamen Verstand oder Gee e schicklichkeit manglet, insonderheit alle Curatelmaßige Personen, und Minderjährige Q
unter 20. Jahren, desgleichen auch Ehrlose, oder welchen die Anwaldschaft verübter Ungebühr halber bereits nidergelegt ist, nicht weniger Geistliche Ordens=Personen ohne Consens ihrer Oberen, dann Weibs-Leut, ausgenohmen in Sachen ihre Befreundte \ e betreffend, und endlich alle in Churfürstl. Diensten, und Pflichten stehende Rath, und Beamte ohne vorgingig Churfürstl. Gnldigist Erlaubnuß, so weit es nicht ihre Befreund= oder nach angehende Personen betrifft" (1753) Cod. Jur. Bavar. Judiciarii 47. Daß nicht nur der Rechtskundige, der Berufsjurist, sondern - von den genannten Einschränkungen abgesehen - jeder als Anwalt fungieren kann, wird durch den Hinweis auf die Vertretung Verwandter und nahestehender Personen noch besonders deutlich. Rechtskundigkeit ist also in der untersuchten Epoche kein notwendiges Begriffsmerkmal des Anwalts. Vergleicht man das Gesagte mit den Begriffsmerkmalen S. 268, so ist festzustellen, daß auf den Anwalt in der untersuchten Epoche nur das Merkmal (3), die Funktion als bevollmächtigter Vertreter, uneingeschränkt zutrifft. Entscheidend für die Wahl der in die Untersuchimg einzubeziehenden Wörter ist aber die Rechtskundigkeit. Gleichwohl wird /Anwalt/ mitbehandelt, da das Wort heute bekanntlich alle drei auf S. 268 angegebenen Merkmale abdeckt und sich zur Berufsbezeichnung entwickelt hat. Das gilt nicht für die weiteren zahlreichen Bezeichnungen des 'bevollmächtigten Vertreters', z. B. /Gewalthaber, -träger, Machtbote, Machtmann, Momber/, die daher im einzelnen nicht mitbehandelt werden. Jedoch wird /Sachwalter/ aufgenommen, da diese Bezeichnung als Ersatzwort insbesondere für /Advokat/ eine gewisse Rolle gespielt hat (vgl. ZfdWf. 8, 51 a ). Für /Anwalt/ ist in den Untersuchungs Zeiträumen zu prüfen, ob sich bereits Ansätze für die Verwendung des Wortes als Berufsbezeichnung mit dem Merkmal der Rechtskundigkeit finden.
'Advokat'
271
Der Prokurator Der Begriff des mit der Rezeption des römischen Rechts in das Gerichtsverfahren in Deutschland eindringenden Prokurators ist dem jüngeren kanonischen Recht entnommen; er beruht auf dem Gegensatz von Prokuratur und Advokatur, der im kanonischen Recht des 14. Jahrhunderts voll ausgebildet ist. Der Prokurator ist - wie der Anwaltbevollmächtigter Vertreter (einer Partei, eines Mandanten), in seiner Hand liegt der Prozefibetrieb, er ist der Rechtskundige, der - wie der Fürsprecher - in den Terminen verhandelt. "Die Vertretung der Partei vor Gericht, die Abgabe und der Empfang aller prozessual bedeutsamen Erklärungen, also die Funktionen sowohl des Anwalts wie die des Vorsprechers vereinigen sich im Prokurator, während dem Advokaten zufällt, eine Partei rechtlich zu beraten, ihren Rechtsstreit geistig zu durchdringen und 22
zu leiten, ihr und ihrem Prokurator die juristischen Ausführungen zu liefern 1 ' , die gewöhnlich in Schriftsätzen übergeben werden. Der kanonische Prozeß gelangt am Reichskammergericht im avisgehenden 15. Jahrhundert zur Geltung. Mit ihm wird die Zweiteilving der Sachwalterschaft in eine vor Gericht redende Prokuratur und in eine zu Hause schreibende Advokatur übernommen. Die Prokuratur wird zum gerichtlichen Amt. Im Prokurator ist die prozessuale Stellvertretung, die im mittelalterlichen deutschen Recht, von Ausnahmen abgesehen, nicht üblich war, als Beruf und Teil der Gerichtsverfassung institutionalisiert. Das Reichskammergericht ist in der untersuchten Epoche maßgebliches Vorbild deutscher Rechtsprechung, Vorbild für die Ordnung und Einrichtung der territorialen Gerichte. Die Hofgerichte gestalten ihre Rechtspflege entsprechend der des Reichskammergerichts. Auch an diesen Gerichten kommt es zur Einführung der zweigeteilten Sachwalterschaft. Zwischen der Praxis des Reichskammergerichts, der Hofgerichte und der Praxis an den niederen Gerichten ist aber zu unterscheiden. Hier kann die Zweiteilung in Advokatur und Prokuratur nämlich nicht durchdringen. Finanzielle Gründe - die Finanzierung von Advokat und Prokurator war nicht allen Bevölkerungsschichten möglich und der Bedeutung des Prozeßgegenstandes oft 23 auch nicht angemessen - werden die Rezeption hier gestoppt haben. Aber die Trennung in Prokuratur und Advokatur ist auch in den Prozeß des Reichskammergerichts nicht in der strengen und absoluten Form, wie sie im kanonischen Prozeß seit dem 14. Jahrhundert praktiziert wurde, übernommen 24 worden. Den Prokuratoren wurde am Reichskammergericht erlaubt zu advozieren. Damit zeigen sich bereits Ansätze einer für die deutsche Rechtsentwicklung charakteristischen Vermischving von Prokuratur und Advokatur, von der im folgenden noch die Rede sein wird. Vergleicht man das Gesagte mit den Begriffsmerkmalen S. 268, so ist festzustellen, daß auf den Prokurator alle drei Merkmale zutreffen.
272
Joachim Dückert
Der Advokat Im Laufe der Entwicklung des mittelalterlichen kanonischen Rechts wird der Advokat durch den Prokurator in eine außergerichtliche Position gedrängt (zum Verhältnis von Advokat und Prokurator s. auch das Vorhergehende). Diese vom kanonischen Recht geprägte Advokatur wird seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert in Deutschland rezipiert, zunächst beim Reichskammergericht. Steht prozeßrechtlich der Prokurator im Vordergrund, so ist der Advokat die bedeutendere Figur. "Mit dem Übergang zum schriftlichen Verfahren und zur Anwendung des römischen Rechts . . . muß sich der Schwerpunkt der Prozeßführung auf die Advokaten verlagern, die zwar nicht im Verfahren erscheinen, aber die Parteien beraten und ihnen die Schriftsätze machen. Der 25 Prozeß wird aus dem Hinter gründe geführt." Vielfach sind die Advokaten den Prokuratoren geistig überlegen. Das gilt vor allem für die niederen Gerichte, wo die Prokuratoren gewöhnlich nur praktisch ausgebildet sind. Die Advokaten dagegen müssen juri26
stisch gebildet sein. Charakteristisch für die Entwicklung in Deutschland ist, daß die Funktionsteilung von Advokat und Prokurator weitgehend aufgegeben wird. Insbesondere gelingt es den Advokaten auf Grund ihrer geistigen Führung, die sie weithin gegenüber den Prokuratoren behaupten, zusätzlich zu ihren außergerichtlichen Aufgaben P r o kuratorenfunktionen zu übernehmen. Daß für diese Entwicklung auch finanzielle Motive in Betracht kommen, zeigt z.B. eine Äußerung Luthers (s.S. 282). Die Advokaten t r e ten nun selbst vor Gericht auf, verhandeln in den Terminen und übernehmen auch die Vertretungsvollmacht, die eigentliche Domäne des Prokurators. "Im 18. Jahrhundert gab es, von Sonderbildungen abgesehen, wohl nur noch eine Art von prozessualen Sachwaltern. . . . Anders als Deutschland haben Italien, Frankreich und England an dem 27 Gegensatz von Prokuratur Und Advokatur festgehalten. " Vergleicht man das Gesagte mit den Begriffsmerkmalen S. 268, so ist festzustellen, daß auf den Advokaten zunächst nur das Merkmal (1), die Rechtskundigkeit, zutrifft. Auf Grund der beschriebenen Entwicklung treffen aber später alle drei Merkmale zu. 1.4. Zur Materialgrundlage Der Arbeit liegt ein Material von insgesamt 1847 Belegen zugrunde, und zwar 840 Belege für den Zeitraum 1470 - 1530 und 1007 Belege für den Zeitraum 1670 - 1730.
'Advokat' 2.
273 Zeitraum 1470 - 1530
Folgende Bezeichnungen sind nach den auf S. 267 f.
getroffenen Festlegungen zu un-
tersuchen: die Bezeichnungen des Fürsprechers, sowie /Anwalt, Prokurator/ und /Advokat/. 2.1.
Die Bezeichnungen des Fürsprechers
Es handelt sich dabei hauptsächlich um zwei Gruppen von Wörtern, die /Fürsprecher/und die /Redner/-Gruppe. Weitere Bildungen sind: /Fürleger, Fürbringer/ sowie /Teidingsmann, Dingmann/ und /Worthalter, Wortführer/.
2.1.1. Die /Fürsprecher/-Gruppe. Zu dieser Gruppe gehören /Fürsprecher, Fürsprech, Fürsprach/ und/VorSprecher, Vorsprech(e), Vorsprach(e)/ sowie/Verspreche/. 28
Die Aufgliederung der Stichwörter erfolgt entsprechend ihrem Ansatz im DWB. /Fürsprecher, Fürsprech, Fürsprach/ /Fürsprecher/ und /Fürsprech/ sind im Sinne der Begriffsdefinition (S. 267) in allen hochdeutschen Großlandschaften vorhanden, im Osten des Untersuchungsgebietes (ostoberdeutsch, ostmitteldeutsch) jedoch nur sehr selten nachzuweisen. Im ganzen ist /Fürsprech/ stärker belegt als /Fürsprecher/, vor allem im Westoberdeutschen ist seine Bezeugung außerordentlich stark. Hier ist das Wort offenbar besonders geläufig. - Beispiele für die Verbreitung von /Fürsprecher/ und /Fürsprech/: wobd.
/ d a m i t . . . dem gericht nicht nachtail... entstand, so soll der für Sprecher . . . im rechten begeren, . . . / (ul500) Nördlinger Stadtrechte Ma. 357 M. /ain yeder, er sye cliger oder anntwurter, mag im selbs zurecht reden oder ain fürsprechen mit im bringen/ (1493) Stadtrechte Tüb. 22 Th.
oobd.
/fürsprech oder procurator, o. . . advocaten und fürsprecher/ (1471) Quellensamml. Reichsverf. 270 Z. / [ e r ] liesse durch seinen zurecht angedingten fürsprechen reden/ (1496) Urk. Indersdorf 2, 207 H.
obfrk.
/ h a t . . . Rosenzweyg . . . durch
seinen erlaubten fürsprechen . . .
Ramstocken . . . angeclagt.... der hat der ubelthat durch . . . seinen e r laubten fürsprecher bekant/ (z. J. 1505 Nürnb.) Chr. dt. Städte 11,689. wmd.
/den vursprecheren zo sagen, . . . dat sij yre gedinge . . . kurtz vurbrengen/ (1478) Akten Gesch. Verf. Köln 1, 460 S. /hat der fürsprech
gesagt, daß her Caspar deßen, so er beschuldiget...
gar nit gestendig sei/ (1528) Qu. Frankf. Gesch. 2,122 G. omd.
/Paraclitus heisset ein Aduocat, Fürsprecher . . . für Gericht, der den Schuldigen . . . sterckt vnd hilfft/ (1530) Luther, Bibel 6, 387 W. (vgl. Fußnote).
274
Joachim Dückert
/ob . . . die . . . Juristen, fursprechen . . . Christen seyn mugen/ (1523) Luther, W. 11, 260 W. /Fürsprach/ ist nur westoberdeutsch belegt: wobd.
/ain Für sprach, deß Gerichtz/ (1510) Samml. altwürtt. Statutar -Rechte 112 R. /Fürsprecher/ und /Fürsprech/ werden z.T. mit /Prokurator/ (/Prokurator/ im Sinne des mit der Rezeption des römischen Rechts verbreiteten Berufsstandes) gleichgesetzt. Das zeigt nicht nur ihr synonymer Gebrauch in Paarformeln, z. B. /fürsprech oder procurator/ (KammergerichtsOrdnung 1471) in: Quelleno samml. Reichsverf. 270 Z. /der procuratoren oder fursprechen ayd/ (1521) Württ. Gesch. qu. 19, 590, sondern auch (und besonders deutlich) die Verwendung von /Fürsprecher/ und / F ü r sprech/ anstelle von /Prokurator/, so in der Kammergerichtsordnung von 1471: / E s s o l l . . . kein partei über einen geswornen advocaten oder procurator in einer sachen bestellen, auf daß die ander partei auch möge advocaten 2
und fürsprecher bekommen/ in: Quellensamml. Reichsverf. 270 Z. (auch ebd. 271). In einer Heilbronner Urkunde ("Der Rat bestellt Prokuratoren und gibt ihnen eine Ordnung") wechselt die Paarformel /procurator und bzw. oder fürsprech/ mit bloßem /fürsprech/(1521) Württ. Gesch. qu. 19,590-593. Entsprechend zeigt auch die nichtjuristische Literatur die Gleichsetzung von /Fürsprech/ und /Prokurator/: /ein procurator . . . , der verlor gar selten ein sach, . . . vnd wer etwas an dem rechten zuschaffen het, der lugt das er den selbigen fürsprechen oder procurator vber kam/(1522) Pauli, Schimpf 92 LV. /Vorsprecher, Vorsprech(e), Vorsprach(e)/ /Vorsprecher/ ist ostöberdeutsch und ostmitteldeutsch belegt: oobd. /H. V. sch. durchsein... vor Sprecher begertt, Alles herkomen des Rechttens Zewgen v. verttigung brieffe zugebenn/ (1487) Urk. Indersdorf 2,143 H. omd. /vorsprecher und procuratores/ (1522) Luther, W. 8, 698 W. Indirekt (jeweils durch ältere und jüngere Bezeugung) ist das Wort aber auch west29 oberdeutsch, -mitteldeutsch und -niederdeutsch nachgewiesen, also möglicherweise im ganzen Untersuchungsgebiet bekannt. /Vorsprech(e)/ ist in allen Großlandschaften bezeugt, vorwiegend ostöberdeutsch; stellvertretend seien Belege aus folgenden Landschaften zitiert: oobd. /die . . . Redner vnd Vorsprechen, so . . . vor . . . vnsern Regimennten vnnd Gerichten gepraucht werden/ (1516) B. landpot Obern Bairn 28 a .
275
'Advokat' wmd.
/ h a t . . . [ d e r ] forsprech . . . mir [vor Gericht] das wort gethan/ (1523) Qu. Frankf. Gesch. 2, 75 G.
wnd.
/hee [der Angeklagte] begere neynes vorspreken/ (1484) Urk. Duderstadt 302 J.
/Vorsprach(e)/, nd. /vorsprake/. Das Wort ist im Niederdeutschen heimisch, vor allem westniederdeutsch belegt (oft in den Lübecker Ratsurteilen): wnd.
/dat vor dem Ersamen Rade to Lubeke sint irschenen Ludeke Reynstorp . . . mit sinem vorspraken alse eyn ancleger . . . / (1476) Lüb. Ratsurteile 1,130 E. /De v o g e t . . . schal ock fragen, efft des manes wordt so sy, alse syn vorsprake ghespraken hefft/ (1497, Hamb.) Beytr. dt. Recht 6, 67 W.
ond.
/Ferendarius vaersprake/ (1488, Stendal) Zs. d. Savigny -Stiftung f. Rechtsgesch. 44. Germanist. Abt. 314.
/Paul der forspräche/ (nl469, Danzig) Script, r e r . Pruss. 4, 703. 30 Auch ostmitteldeutsch ist das Wort mit Sicherheit bekannt. 31 /Verspreche/ ist nur in ostoberdeutschen Quellen bezeugt : oobd. /Den rednern vnd versprechen, die umbsunst geredt, ir zung nit fall 32 getragn haben/ (1533/4) Turmair 4, 2, 913 Ak. Im folgenden sollen wesentliche Züge der Fürsprechertätigkeit, wie sie - auch nach Aussage der rechtsgeschichtlichen Literatur (vgl. das S. 268 f.
Gesagte) - für den
Zeitraum 1470 - 1530 charakteristisch sind, mit sprechenden Belegen illustriert werden. Zeugnisse aus Bauernweistümern und teilweise aus Stadtrechten zeigen die im älteren deutschen Recht übliche Einrichtung des Richter-Fürsprechers,
also die
Vereinigung von (nichtberuflicher) Fürsprechertätigkeit und richterlicher Funktion in einer Person, vgl. /die schöpfen an den centen . . . sollen fursprecher sein und den leüten die wordt redten und kein golt darumb nehmen; so soll auch sonst niemanz an den zenten kein fursprecher sein, er sein dan dort ein geschworner schöpfe/ (1486) Frank. Bauernweist. 63 D. / I r [ Richter] w e r d e n . . . sweren, g e r e c h t . . . richter, fürsprechen und urtailer ze sein/ (ul488) Nördlinger Stadtrechte Ma. 168 M. /welcher richter . . . zu ainem fürsprechen genomen würdt/ (1488) ebd. 346. Der folgende Beleg macht besonders deutlich, daß der Fürsprecher zugleich Urteil spricht: /Daruff [ nach Geständnis der Beklagten] sol der richter des klegers fürsprechen . . . fragen, was die besserung sye . . . also sol der fürsprech zuo recht erkäjinen . . . / (Stadtrecht 1512/3) in: Schweiz. Id. 10, 743.
276
Joachim Dückert
Weitere Belege des Zeitraums 1470 - 1530 reflektieren dann die Ablösung dieser Einrichtung, die offenbar den komplizierteren Rechtsverhältnissen und -konflikten im Frühkapitalismus nicht angemessen war. Mit der Rezeption des römischen Rechts wird eine personelle Trennung von Urteiler- und Fürsprecherfunktion vollzogen, z. B . : /vnd . , . die vrtheiler für sprechen gewest vnd den partheien das wort zum Rechten gethan haben, Dauon es aber nu komen/ (1512) Ref. Lanndtgericht Franncken A 3 . /Wiewol bißher by vns der bruch gewesen ist, das ein yetlicher
vsser
vnserm . . . gericht fürspreche nemen vnd durch die selben sin handlung fürwenden mögen. So habe wir doch bedacht, das es dem rechten vnd der g billicheit etwas vnglich sin mocht, so einer ein Advocat oder Redner vnd dar zu ein Richter vnd vrteilsprecher sin sol vnd deßhalben . . . geordnet, das nun hinfür dhein vrteilsprecher noch ouch dhein vnser Ratßfründ derweder in gericht noch in vnserm rat yemants me in rechtlichen Sachen . . . syn red thun oder sin fürsprech s i n [ soll] / (1520) Stattrechten F r y burg 13 a . Die Tätigkeit des Fürsprechers unterliegt einer Wandlung. Die parteineutrale Haltung (des Richter-Fürsprechers) ist weithin aufgegeben. Der Fürsprecher ist vielmehr plädierender Anwalt, der der Sache seiner Partei mit allen Mitteln zum Erfolg verhelfen will: / J a sprechen die procuratores vnd die fürsprechen, ich bin meiner parthei das best schuldig/ (1522) Pauli, Schimpf 92 LV, so daß er gemahnt werden muß, sich in seinen Worten zu mäßigen und sich auf das sachlich Notwendige zu beschränken, z . B . : /Item den vursprecheren zo sagen, . . . dat sij yre gedinge . . . kurtz vurbrengen ind alle . . . worde, die zo der Sachen nyet en dienen vallen laissen/ (1478) Akten Gesch. Verf. Köln 1, 460 S. (vgl. ebd. 439). Die Fürsprechertätigkeit wird verbreitet gewerbs- und berufsmäßig ausgeübt, wie zahlreiche Belege bezeugen (s. auch oben S. 274 die Zeugnisse für die Gleichsetzung von / F ü r s p r e c h e r / und / F ü r s p r e c h / mit /Prokurator/), Fürsprecher sind Träger eines besonderen gerichtlichen Amtes, sind geschworene Gerichtspersonen, z . B . : / e s soll kein fürsprech oder procurator, das wort in dem rechten zu thun, zugelaßen werden, es sey denn [daß e r ] zuvor von unsern [des Kaisers] wegen [beim Gericht] zugelaßen, aufgenommen und diesen . . . eidt 2gethan habe/ (Kammergerichtsordn. 1471) in: Quellensamml. Reichsverf. 270 Z. /dye geschwornen gerichtspersonen als richter, . . . vorsprechen/ (1530) Qu. Verwaltungsgesch. Quedlinb. 1, 22 L.
'Advokat'
277 /Wen eyn Borger . . . den Vorsprechen bsucht seyn Word vor Gericht zu halden . . . , sal jm . . . geben . . . von der Clage ader Antwort . . . eyn Grossen/ (A16.Jh.) in: Zimmermann, Mark. Städteverf. 2 (1838) 61.
Ferner sind z.B. in: Bücher, Berufe (1913) 48a für den Zeitraum 1470 - 1530 mehrere berufsmäßige /fursprechen/ nachgewiesen. 2.1.2. Die /Redner/-Gruppe. Zu dieser Gruppe gehören /Redner/, ferner /Reder/ und /Redmann/ sowie /Vorreder, Fürreder, Vorredner/./Redner/ ist im Sinne der Begriffsdefinition (S. 267) in allen, Großlandschaften in Gebrauch, vor allem aber oberdeutsch geläufig. Die Fügimg /Redner der Sache/ soll deutlich machen, daß der juristische Gebrauch des Wortes gemeint ist. Beispiele: wobd.
/so . . . mag er . . . fürsprech und redner sein/ (1488) Nördlinger Stadtrechte Ma. 347 M. /Redner der Sach/(1515, Straßb,) Voc. primo ponens X l a .
oobd.
/der Sachen, der jr jm Rechten Redner seydt/ (1516) B. landpot Obern Bairn 26a.
wmd.
/friheit . . . Die einem Jeglichten reddener In Recht geburt/ (1505) Gerichtsb. Cassel 9 S.
ond.
/Wen eyn Borger zu eynem Gast . . . zu clagen hat, so bitte der Beclagte zu Tzeiten Frist vf eynen Redener/ (A16. Jh.) in: Zimmermann, Märk. Städteverf. 2 (1838) 62.
Hervorzuheben ist, daß /Redner/ und /Prokurator/ (/Prokurator/ im Sinne des mit der Rezeption des römischen Rechts verbreiteten Berufsstandes) oft gleichgesetzt werden. Das zeigt nicht nur ihr synonymer Gebrauch in Paarformeln (vgl. S. 281 f.), z.B.: /procurator od' redner/ (1500) B. hl. röm. reichs 55 (vgl. ebd. 53a), sondern auch (und besonders deutlich) die Verwendung von /Redner/ anstelle von /Prokurator/. Beispielsweise wird in der Reichskammergerichts Ordnung von 1495 regelmäßig /Redner/ statt /Prokurator/ verwendet (und in diesem Sinne dem Worte /Acivokat/ gegenübergestellt), z. B.: /die Redner, so das Camergericht in solchem Ampt aufnimbt, s o l l e n . . . swärn:.... Item solicher Massen sollen auch die Advocaten swern: •... / in: Quellensamml. Reichsverf. 1,230 Z. Weitere Bildungen der /Redner/-Gruppe. Westoberdeutsch ist neben /Redner/ seltener /Reder/ belegt: wobd.
/Das nieman^vor Gericht] rede ane sinen reder, er werde dann gefraget/ (Stadtrecht ul480) in: Schweiz. Id. 6, 576.
278
Joachim Dückert /wan er [ d e r Fürsprecher] nur lügt, so ist er . . . des namen reder nlt wert/ (1522) Pauli, Schimpf 85 LV,
auch /Redmann/: wobd.
/ l i e s im Burckhart Grave . . . den junckher Hannsen . . . *sinen redmann angedingt wie recht ist reden und clagen/ (1485) Württ. Gesch. qu. 14,294.
Ebenfalls ohne größere Bedeutung sind /Vorreder, F ü r r e d e r / und / V o r r e d n e r / . / V o r r e d e r / begegnet in ostoberdeutschen und ostmitteldeutschen Belegen: oobd.
/ e r . . . fraget durch den vorreder . . . / (1483) Stadtb. Falkenau 34 R.
omd.
/Doruff [auf diu Klage] hot Symon unnde Mattis geantwerth durch eren v o r r e d e r / (1471) Urkb. Lübben 1, 67 L.
/ F ü r r e d e r / ist ostmitteldeutsch belegt: omd.
/dasselbe s a l i . . . vor dem S t a d t g e r i c h t . . . g e h a n n d e l t . . . werden, doch das uff beiden teilen kein fürreder, der umb g e l d t . . . sich des zu thun understanden, zugelassen werde/ (1499/1500) Sachs. Bergrecht Ma. 138 E.
/ V o r r e d n e r / ist an der Grenze zwischen der ostmitteldeutschen und ostniederdeutschen Großlandschaft belegt: /Stanczel Coczescha, als eyn Vorredner Jaczkenn von der Wyll, hat gesagt . . . / (1501) Stadtb. Posen 1, 291 W. (ebd. 295). Durch die zur /Redner/-Gruppe gehörenden Wörter wird die Vereinigung von F ü r s p r e chertätigkeit und richterlicher Funktion in einer Person vereinzelt reflektiert, in einem (schweizerischen) Weistum etwa zu Beginn des Zeitraums 1470 - 1530: / d e r [ Rechtsuchende ] mag wol ein, der im sin red im rechten tüge und fürtrage, . . . mit im bringen, derselb ouch den vmb die sache dar inne er reder gewesen ist urteilen . . . mag/ (1468) Weist. 1, 41 G. Ein weiterer Beleg dieses Zeitraums läßt die Ablösung dieser deutschrechtlichen Einrichtung erkennen: / f ü r a n die vorsprechen und redner der urtail nit mer angefragt werden, sonnder die anfrag allain an die geschwornen urtailsprecher beschehen/ (1520) Gerichtsordn. Obern- und Niedern-Bayrn, in: DRW 3,1090. Der Redner beschränkt sich nicht darauf, ein Anliegen oder einen Sachverhalt formal korrekt vor Gericht vorzubringen, vielmehr will er als plädierender Anwalt der Sache seiner Partei, gegebenenfalls mit allen Mitteln, zum Erfolg verhelfen, so daß in Gerichtsordnungen ein Passus wie der folgende erscheint: /Item es sollen hinfur die Redner am Landgericht niemant mit freuein worten antasten oder einer dem anndern jn sein red fallen, Sonnder zuchtiglichen mit guten Sitten den Partheien jr notdurft furbringen/ (1512) Ref. Lanndtgericht Franncken A 4 .
'Advokat'
279
Zahlreiche Belege der /Redner/ -Gruppe bezeugen, daß die damit bezeichneten Personen ihre Tätigkeit verbreitet gewerbs- und berufsmäßig ausüben, sie sind Träger eines besonderen gerichtlichen Amtes, geschworene Gerichtspersonen, z . B . : /Der Redner Ayd. . . . die Redner, so das Camergericht in solchem Ampt ^
aufnimbt, sollen . . . swärn: das si die Partheyen, der Sachen zu handeln sy annemen, . . . m i t . . . rechten Trewen mainen und solch Sachen nach irm besten Verstentnus . . . fürbringen und handeln/ (Reichskammergerichtsordnung 1495) in: Quellensamml. Reichsverf. 1,230 Z. /wollen wir . . . , das . . . von . , . yeglichen vnserer hofgericht... gesworen rednern vnd procuratorn diser . . . Satzung jrer belonunghalb g e l e b t . . . werde/ (1516) B. landpot Obern Bairn 26b.
2.1. 3. Weitere Bezeichnungen des Fürsprechers: /Fürleger, Fürbringer/ sowie /Teidingsmann, Dingmann/ und /Worthalter, Wortführer/. /Fürleger/ ist oberdeutsch und westmitteldeutsch schwach belegt. Der im folgenden angeführte Beleg von Tengler ist wohl nicht nur auf das Westoberdeutsche zu beziehen (s. den Kontext). Der zitierte ostöberdeutsche Beleg liegt kurz vor dem UntersuchungsZeitraum 1470-1530. Auf dem Hinter33 grund weiterer ostoberdeutscher Belege aus der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts hat er bedingt Zeugniswert für den UntersuchungsZeitraum: wobd.
/Vorsprechen . . . werden in Latein . . . Aduocati, causidici, . . . Procuratores . . . Aber in gewöhnlichen teütsch Redner, für leger oder vorsprechen genant/ (1511) Tengler, N. Leyenspiegel (1514) 6 a .
oobd.
/Graf Jörg . . . begert . . . im . . . zu gunnen . . . ein Redner oder Für leger, vnd
wmd.
/han wir . . . rechtag gesaczt, die beide teil gesucht und Symon sinen Zu-
brachi: . . . durch denselben . . . Fürleger für . . . / (1465) in: Haltaus, Gl. (1758)556 spruch durch sin angedingten für leger thun lassen h a t . . . .Dagegen die keßler in antwort für gewant han durch iren angedingten redener: . . . / (1472) in: Zs. Gesch. Obrhein 2 (1851) 7. /Fürbringer/ ist im Zeitraum 1470 - 1530 nur oberfränkisch (vereinzelt) belegt, muß aber darüber hinaus bekannt gewesen sein, 34 worauf ältere und jüngere (ostmitteldeutsehe und westoberdeutsche) Bezeugung hiaweist: obfrk.
/das . . . einich parthey Procurator oder fürbringer gerichtlicher sache Q
in irem . . . furpringen in disem gericht . . . vnnotturfftige . . . wort . . . nit anziehe soll/ (1484) Ref. Nureberg 94. /Teidingsmann/ und /Dingmann/ sowie /Worthalter/ und /Wortführer, Führer des Wortes/ sind westniederdeutsch belegt. /Teidingsmann/: wnd.
/kan he . . . nenen vorspraken offte degedingesman krigen, so mach he syn word sulvest holden/ (1500) Lüb. Ratsurteile 1, 520 E. (u. oft).
280
Joachim Dückert
/Dingmann/: wnd.
/Hans Bars leet ßyck erhören dorch ßynen vorspraken... .Daruppe andtwerdt heefft . . . Alerdt Stover dorch ßynen dinghman . . . / (1528) Urteilb. Holst. Vierstädtegericht 105 G.
/Worthalter/ und /Wortführer, Führer des Wortes/: wnd.
/Hennyngk Louwe redener unde wortholder Margreten Lasken . . . hefft tosprake gedan/ (1492) Lüb. Ratsurteile 1, 314 E. /wilkere instrumente Hans Tytken wortholder hefft gesculden unde ghesecht, dat instrument syneme parte nicht scholde schetlich syn/ (1518) Urteilb. Holst. Vierstädtegericht 77 G. /[die Beklagte]] bogerde durch oren wortforer . . . / (1517) Lüb. Ratsurteile 2, 299 E. /de . . . Radt tho Lübeck hefft twuschen Dethmar Swarten als eyn forer des wordes Katherynen Wentlandes ancleger eyns und Hans Kule anthwordesman
ander de ls . . . affseggen laten/ (1522) ebd. 520. 35 Nach Henze ist /Teidingsmann/ eine im lübischen Recht geläufige Amtsbezeichnung; /Worthalter/ und /Wortführer/ bezeichnen im lübischen Recht kein Amt, sondern eine gelegentlich ausgeübte Funktion. 2.2.
/Anwalt/
/Anwalt/ im Sinne des bevollmächtigten Vertreters vor Gericht ist im ganzen Untersuchungsgebiet verbreitet; stellvertretend seien im folgenden Belege aus einigen Großlandschaften angeführt. Das Hauptmerkmal des Anwalts, seine Ve'rtretungsvollmacht, wird durch Attribute - insbesondere /vollmächtiger Anwalt/ - oder durch Verbindung mit wechselnden Bezeichnungen für den Vollmachtträger (vgl. S. 270), z.B. /Anwalt und Prokurator, Anwalt und Gewalthaber/ oder dgl., hervorgehoben. Neben dem Anwalt tritt nicht selten ein Fürsprecher auf: wobd.
/daz er die clag durch sich selbs oder seinen volmächtigen anwalt im rechten verantwurt/ (1488) Nördlinger Stadtrechte Ma. 350 M. /Darwider der beclagten anwält und gewalthaber antwurten und reden liessen . . . / (1523) Rechtsqu. Zür. 1,1, 402 H. (/reden liessen/ weist auf die Inanspruchnahme eines Fürsprechers). /das . . . für uns an offens Gericht kommen sind . . . der Gemeind . . . Anwald und Machtbotten/ (1470) Samml. altwürtt. Statutar-Rechte 566 R.
omd.
/Exzeptio wider den Anwalden oder Procuratorem. . . . Wo der Cleger selbst personlich nicht fürkümpt, sondern einen andwaldenn zu der Sachen ordnett . . . / (1529) Rotschitz, Processus (1530) B 8 a .
'Advokat' wild.
281
/sol eyn iglicher beclagter in unseren erbgerichten . . . czu antworten durch sein eygene person oder seynen constituirten anwalden schuldig sein/ (1530) Qu. Verwaltungsgesch. Quedlinb. 1,26 L.
Rechtskundigkeit des Anwalts wird gelegentlich erkennbar, wenn dem Kontext zu entnehmen ist, daß ein Rechtsgelehrter, ein Prokurator als Anwalt fungiert: /das . . . den geswornen procuratorn . . . in allen schrifftlichn Processen, der Sachen sy allein . . . anwäld sind, von einem Termyn zuhallt'n . . . über sybentzig pfenning £ nicht gegeben werden sollenj/ (1516) B. landpot Obern Bairn 26 b . /De . . . Radt tho Lübeck hefft up anbringent . . . des heren doctoris Petri van Odinghusen als eynem anwalten der Ersamen van Köllen . . . affseggen lathen/ (1520) Lüb. Ratsurteile 2, 383 E. /Anwalt/ als BerufsbeZeichnung für den gewerbsmäßigen Vertreter wechselnder P a r teien (Mandanten) vor Gericht findet sich ansatzweise. Im ersten der folgenden Belege scheint das Wort wie /Prokurator/ im Sinne des durch die Rezeption des römischen Rechts verbreiteten Berufsstandes verwendet zu sein, wofür die Art der Erwähnung im Zusammenhang mit /Advokat/, dem Vertreter des anderen durch die Rezeption üblich gewordenen Berufsstandes, spricht: /Do saß myn herr der aduocat, / / Der anwalt ouch syn stettly hatt/ (1512) Murner 2, 205 Sch. Auch im zweiten Beleg ist wohl berufliche Tätigkeit gemeint: /vnnd soll dem gefanngenn vff sein beger, durch den Richtter vonn Ampttswegenn, ein Redner oder Annwaldt zugeordennt werdenn/ (1521) Peinl. Gerichtsordn. Karl's V. 2 64 b Z. 2.3.
/Prokurator/
/Prokurator/, ein Wort des rezipierten römischen Rechts, ist in den hochdeutschen Großlandschaften wie im Niederdeutschen bekannt (unten einige Beispiele). "Sich voll entfaltende Berufsstände von Prokuratoren und Advokaten beherrschen seit dem ausgehenden 15. Jh. das Feld, wobei in der Prokuratur das bisherige Vorsprecherwesen 36 stark nachwirkt." Nicht selten wird /Prokurator/ mit /Redner/ sowie mit / F ü r sprech, Fürsprecher/ gleichgesetzt (s. auch oben S. 274 und 277). oobd.
/Ordnen . . . wir . . . das . . . von allen . . . vnserer hofgericht vnd Regimennt gesworen rednern vnd procuratorn diser . . . Ordnung vnd Satzung irer belonunghalb gelebt . . . werde/ (1516) B. landpot Obern Bairn 26 b .
omd.
/und ist billich, das der [ der prozessiert, statt nachgiebig zu s e i n j den procuratorn . . . gebe . . . XX, XXX, XL gülden/ (1520) Luther, W. 6, 40 W.
Joachim Dückert
282
ond.
/ E s sollen . . . vier Procuratores oder Redner . . . zu dem Gericht angenohmen und vereydet werden, des getreulich und fleißig den Partyen zu guth uff zimlich Belohnung aufzuwarten/ (1516) Corp. const. March. 2,1, 6 M.
Charakteristisch für die Beurteilung der Prokuratorentätigkeit ist die folgende Äußerung Luthers, wonach Rechtsgelehrte "nicht procuriren" sollten; es zeigt sich eine höhere Schätzung des Advokatenstandes, der aufs Ganze gesehen hinsichtlich seiner juristischen Ausbildung den Prokuratoren überlegen war: /Juristen sollen nicht Rabulae, Zungendrescher noch Procuratoren seyn, sondern Rechtsverständige, die da Rathschläge stellen und des Rechten berichten, was Recht ist, nicht procuriren und fürm Gericht einem seine Sache führen und Wort speyen . . . ; sollen nur Advocaten seyn, so da richten, was in Rechten gegründet ist. Aber weil man ihr sonst nicht achtet, und geringe Besoldung gibt, so müssen sie, Noth halben gezwungen, procuriren/ (1532) Luther, Tischreden 3, 7 W. Den (offenbar verbreiteten) Mangel an Rechtsgelehrtheit bei den Prokuratoren erwähnt z.B. das folgende Zeugnis (Der römischen küngkliche maiestat vnd des heiligen reichs stende Ordnung des regimennts czu Augspurg aufgericht): /Als wir auch mercklich klag vermerckt das vil partheie . . . durch vngeschickt vn vngelert procuratores . . . zuuerlust der sache körnen sind wir bewegt dem versehung zethun. Seczen . . . das vnnser künigklicher Camerrichter keinen procurator od' redner am camergericht zulassen . . . soll; Er sey dan zuuor durch jne . . . wol examinirt/ (1500) B. hl. röm. reichs 55 a . /Prokurator/ bezeichnet nicht nur im speziellen Sinne der Gerichtsverfassung den Angehörigen des mit der Rezeption des römischen Rechts verbreiteten Berufsstandes, sondern überhaupt - ohne Bezug auf eine berufliche Tätigkeit - den bevollmächtigten Vertreter vor Gericht oder gegenüber einer rechtsentscheidenden Instanz (z.B. Stadtrat). Auch in dieser Anwendung ist /Prokurator/ im ganzen Sprachgebiet bekannt. Auf die Tatsache der Bevollmächtigung weist z.B. die Verbindung /vollmächtiger Prokurator/ sowie die Koppelung mit dem Konkurrenten /Anwalt/ (s. S. 280) und wechselnden Bezeichnungen für den Vollmachtträger (vgl. S. 270) hin. Die Einsetzung als Bevollmächtigten (für einen bestimmten Rechtsfall) drückt die mehrfach belegte Wendung /einen Prokura37 tor setzen/ aus. Die Grenze zwischen der beruflichen und nichtberuflichen Tätigkeit als Prokurator ist im Belegmaterial nicht immer mit Sicherheit zu ziehen. Die folgenden Beispiele bezeugen nichtberufliche Tätigkeit (besonders deutlich ist das z. B. in Fällen, in denen Verwandte in Prokuratorenfunktion erscheinen): wobd.
/Vor ihm [dem Hofrichter] thut des . . . Grafen . . . vollmächtiger Procurator . . . , ein Unterschreiber des Hofgerichts, die dritte Klage/ (1478) Fürstenb. Urkb. 3 (1878) 454.
'Advokat' omd.
wnd.
ond.
283 /Anwaldten Gewalthaber Procurator Seynd dreyerlai weyse zuuerordnenn oder zu setzen. Wo der Cleger selbst personlich nicht fürkümpt . . . / (1529) Rotschitz, Processus (1530) B 8 a . /Hermen Warembeke vor sik unde alse en vulmechtich procurator slner moder . . . unde siner broder . . . heft tosprake gedan . . . / (1477) Lüb, Ratsurteile 1,134 E. /kein volmechtiger procurator adder machtmane irschenen were £ vor
Gericht]/ (1503) Urkb. Allenstein 1,121 B. Neben dem Prokurator in diesem Sinne (= Anwalt) kann ein Fürsprecher als Vertreter im Wort fungieren; die Funktionen beider sind dann deutlich gegeneinander abgegrenzt, vgl.: /sind . . . beider teil a n w ä l t . . . für uns komen. Und hat Bernhart Inkus [= Gen.] procurator sin für sprechen lassen reden C Gerichtsverhandlung Freiburg/BrTJ / (1479) Alemannia N. F. 1, 223. /dat . . . Hans von Loven, borger to Lubeke, vulmechtich procurator . . . Henning Buringes . . . vor deme rade to Lubeke dorch zinen vorspraken seggen leth: . . . / (1470) Lüb. Urkb. I 11, 597. 2.4.
/Advokat/
/Advokat/ ist im Zeitraum 1470 - 1530 nur bedingt Konkurrent der bisher behandelten Wörter. Aufgabe des Advokaten ist es - im Gegensatz zu der des Prokurators, F ü r sprechers, Redners - zunächst nicht, vor Gericht aufzutreten und zu sprechen, sondern "eine Partei rechtlich zu beraten, ihren Rechtsstreit geistig zu durchdringen und zu leiten, ihr und ihrem Prokurator die juristischen Ausführungen zu liefern", die infolge 38 der Schriftlichkeit des Prozesses gewöhnlich in Schriftsätzen übergeben werden. "Den funktionellen Unterschied zwischen Prokuratur und Advokatur nahm man in Deutschland zunächst ernst. Der KGO[= Kammergerichtsordnung] 1471 und der RKGO [= Reichskammergerichtsordnung] 1495 liegt er zugrunde. Aber er begann bereits im Laufe des 16. Jh. zu verschwimmen. Mitunter wurden dabei die ursprünglichen Begriffe in ihr Gegenteil verkehrt, so39daß 'Advokaten' vor Gericht auftraten und 'Prokuratoren' Schriftsätze anfertigten. " Diese Vermischung bezeugen auch zeitgenössische Ordnungen, die dieser Entwicklung entgegenwirken wollen, z. B . : /Nach dem sich täglich begibt das ein procurator dez andern procurators aduocat sein wil, vn aber der redner od' procurator vn d' aduocaten £ ambter vnderschidlich sein, auch die procuratores von menig d' sachen e — wege baiden ambtern nit wol vor sein müge, ist geratschlagt, das hin umb kein procurator sich aduocaten ambts vnd herwid' umb kein aduocat sich procurator ambts vnderfahen sol/ (1500) Der römischen küngkliche maiestat
284
Joachim Dückert vnd des heiligen reichs stende Ordnung des regimennts czu Augspurg aufgerieht, in: B. hl. röm. reichs 53 ; vgl. (1516) Corp. const. March. 2 , 1 , 8 M.
Ausgehend von dem Gesagten ist das Belegmaterial für /Advokat/ im Zeitraum 1470 1530 daraufhin zu prüfen, ob sich Zeugnisse finden, die den Advokaten vor Gericht auftretend, in der Funktion als forensischen Redner zeigen. Belege, die dies nicht deutlich erkennen lassen, müssen beiseite bleiben, da eine Überlappung von /Advokat/ und / P r o k u r a t o r , Fürsprecher, Redner/ in diesem Zeitraum in keinem Fall vorausgesetzt werden darf. Belege für /Advokat/ im gesuchten Sinne finden sich vor allem im Westoberdeutschen, z . B . : wobd.
/Lieber h e r r der aduocat, / / I n wolchem buch . . . / / Findt ir, das i r sollendt liegen / / Vnd mit gschwetz den richter b t r i e g e n ? / (1512) Murner 2, 200 Sch. / s a g t der richter, Diser als ein aduocat vn fürsprech d' Christen sol mit sampt andern auch gefencklich angenommen werden/ (1530) Hedio, Chr. d. Altenn kirchen 34 .
Belege aus anderen Großlandschaften bleiben vereinzelt: obfrk.
/ e i n gericht, des besitzer die fünf h e r r n haissen, . . . sie . . . vergonen . . . kainer parthey ainigen procurator oder advocaten vor inen zu geprauchen/ 4(1 (nl 516, Nürnb.) Chr. dt. Städte 11,797.
omd.
/ P a r a c l i t u s heisset ein Aduocat, Fürsprecher oder Beystand für Gericht, der den Schuldigen . . . sterckt vnd hilfft/ (1530) Luther, Bibel 6, 387 W. (s. Fußnote). 4 1
ond.
/Wiewohl kein Advocat in Sachen zu Recht reden oder procuriren soll, . . . s o mag und soll doch der armen Leuth Advocat, wo es ihr Notdurfft e r fordert in der armen Sachen allein und sonst nicht schreiben und reden/ (1516) Corp. const. March. 2, 1, 7 M.
Für das Westmitteldeutsche ist dieser Gebrauch des Wortes im Zeitraum 1470 - 1530 durch ältere und jüngere Belege indirekt bezeugt. 42 2. 5.
Resümee des Zeitraums 1470 - 1530
Für den Begriff 'Rechtskundiger, der zur (berufsmäßigen) Vertretung von Rechtsangelegenheiten anderer vor Gericht befugt ist' wird im Zeitraum 1470 - 1530 eine große Zahl von Bezeichnungen verwendet. Die meisten Bildungen der Konkurrentengruppe haben die Bedeutung'Fürsprecher' (vgl. S.
268 f.),
sie konzentrieren sich im we-
sentlichen in zwei Wortgruppen, der / F ü r s p r e c h e r / - und der /Redner/-Gruppe, und sind überwiegend landschaftlich gebunden. Die / F ü r s p r e c h e r / - G r u p p e , als Ganzes genommen, ist wie die durch sie bezeichnete Rechtseinrichtung über alle Großlandschaften verbreitet. Der Geltungsbereich
'Advokat'
285
der einzelnen Bildungen ist jedoch unterschiedlich. /Vorsprech(e)/ ist im gesamten Untersuchungsgebiet bezeugt, vorwiegend ostoberdeutsch. Die übrigen Bildungen sind nur in einem Teil der Großlandschaften nachgewiesen. /Fürsprech/ und /Fürsprecher/ sind im Sinne der oben gegebenen Begriffsdefinition in den hochdeutschen Großlandschaften vorhanden, wobei /Fürsprech/ wesentlich häufiger bezeugt ist als / F ü r s p r e cher/, die Masse seiner Belege fällt ins Westoberdeutsche; im Osten des Untersuchungsgebiets (ostoberdeutsch und ostmitteldeutsch) sind /Fürsprech/ und / F ü r s p r e cher/ nur sehr selten belegt. /Vorsprach(e)/, nd. /vorsprake/ ist im Norden heimisch, jedoch auch ostmitteldeutsch bekannt. Von untergeordneter Bedeutung sind /Vorsprecher/ und vor allem /Fürsprach/ und /Verspreche/. Das am häufigsten bezeugte Wort der Gruppe ist /Fürsprech/. In der /Redner/-Gruppe ist nur /Redner/ in allen Großlandschaften in Gebrauch, vor allem aber oberdeutsch geläufig. Alle übrigen Bildungen der Gruppe haben begrenzte Geltung. - Die weiteren Bezeichnungen des Fürsprechers (S. 279 f.) sind durchweg nur regional bezeugt. Die hinsichtlich ihres Beleganteils und ihrer räumlichen Geltung wichtigsten Bezeichnungen des Fürsprechers sind /Fürsprech, Vorsprech(e)/ und /Redner/. Die 'Fürsprecher' -Bezeichnungen konkurrieren untereinander als Bezeichnungen für den ' Vertreter im Wort', nicht aber mit /Anwalt/, der Bezeichnung für den 'bevollmächtigten Vertreter eines vor Gericht nicht anwesenden Mandanten' (vgl. S. 268-270). Gemeinsam mit /Anwalt/, das gut bezeugt und im gesamten Untersuchungsgebiet gebräuchlich ist, konkurrieren sie mit den durch die Rezeption des römischen Rechts sich ausbreitenden Berufebezeichnungen /Prokurator/ und /Advokat/, vor allem mit /Prokurat o r / . Im Prokurator vereinigen sich die Funktionen des Fürsprechers und des Anwalts (vgl. S. 271). Zum Teil werden die 'Fürsprecher'-Bezeichnungen gleichbedeutend mit /Prokurator/ verwendet (s.S.
274, 277 und 281 f.). /Prokurator/ ist als Berufs-
und Amtsbezeichnung im gesamten Untersuchungsgebiet verbreitet, den größten Beleganteil stellen oberdeutsche Zeugnisse. Das Wort bezeichnet aber nicht nur im speziellen Sinne der Gerichtsverfassung den Angehörigen des mit der Rezeption des römischen Rechts verbreiteten Berufsstandes, sondern überhaupt - ohne Bezug auf eine berufliche Tätigkeit - den bevollmächtigten Vertreter vor Gericht oder gegenüber einer rechtsentscheidenden Instanz. Auch in dieser Verwendung (= /Anwalt/) ist /Prokurator/ im ganzen Sprachgebiet bekannt, den größten Beleganteil stellen niederdeutsche, insbesondere westniederdeutsche Zeugnisse. /Advokat/ ist im Zeitraum 1470 - 1530 als Konkurrent von untergeordneter Bedeutung. Der Advokat hat auf Grund des aus dem jüngeren kanonischen Recht übernommenen funktionellen Unterschiedes zwischen Prokuratur und Advokatur prinzipiell eine außergerichtliche Position inne (Parteienberatung, Abfassung der Schriftsätze, vgl.
Joachim Dückert
286 Tabelle 1:
Der Anteil der Konkurrenten in den einzelnen Großlandschaften und im Gesamtgebiet fiir den Zeitraum 1470 - 1530 (in Prozenten) wobd. oobd. obfrk. wmd. Advokat
3,8
Anwalt
18, 6
12,8
1,0 24, 5
16,9
omd. 1,8 43,3
37,6
ond.
Gesamt gebiet
7,3
1,9
10,9
24,8
0,9
Dingmann Fürbringer
0, 2 0,1 0, 5
1,1
Für leger
0,4
2,5
1,4
Fürreder Fürsprach
wnd.
0,4 48, 7
1,8
0,1 0,1 21, 5
2,2
16,9 19,7
3,8
5,0
2, 5 3,8
39,3
Fürsprecher Prokurator (berufl., amtl.)
3,8
4,0
7,2
16, 7
18,1
26,8
5,7
3,1
38,1
11,8
Prokurator (nicht berufl.)
3,0
5,1
11,3
15,1
22,1
5,5
9,7
Reder
1,5
Redmann
0,4 8,0
Fürsprech
Redner
0,5 23, 2
13,8
5, 6
7,6
1,2
Vorreder
1,2
0,1 0,4
3, 8*
Vorsprach(e) 3,0
24, 5 6, 5
+
1,4
5,7
0,1 9,0 1,4
3,8
Vorredner
Vorsprecher
21,9
5,3
Teidingsmann Verspreche
Vorsprech(e)
1,8
20,8
3,6
0,2 5,9
5,3
12,7
6,0
3,8
0,8
Wortführer, Führer des Wortes
1,3
0,4
Worthalter
1,8
0,5
* Belegt an der Grenze zwischen der ostmitteldeutschen und ostniederdeutschen Großlandschaft + nur Wörterbuchbezeugung
'Advokat'
287
S. 272), eine Vermischung der Prokuratoren- und Advokatenfunktionen deutet sich jedoch an. Es finden sich - vor allem außerhalb des Rechtsschrifttums im engeren Sinne - Zeugnisse, die den Advokaten vor Gericht auftretend, in der Funktion als forensischen Redner zeigen. Die Rechtspraxis spiegelt sich hier wider. /Advokat/ in diesem Sinne ist vor allem westöberdeutsch zu belegen. Zeugnisse aus anderen Großlandschaften bleiben vereinzelt. Daher sind Angaben zur Verbreitung dieser Verwendung nicht mit voller Sicherheit zu machen. Sie ist jedenfalls nicht auf ein bestimmtes Gebiet einzugrenzen.
288 3.
Joachim Dückert Zeitraum 1670 - 1730
Folgende Bezeichnungen sind nach den auf S. 267 f.
getroffenen Festlegungen zu unter-
suchen: die Bezeichnungen des Fürsprechers sowie /Anwalt/ und /Sachwalter/, /Prokurator/ und /Advokat/. 3.1.
Die Bezeichnungen des Fürsprechers
Es handelt sich dabei um zwei Gruppen von Wörtern, die /Fürsprecher/- und die /Redner/-Gruppe. Die Bezeugung ist im ganzen schwach; z.T. ist semantische Deckung mit /Advokat/ oder /Prokurator/ zu beobachten. 3.1.1. Die /Fürsprecher/-Gruppe. Zu dieser Gruppe gehören /Fürsprecher, Fürsprech, Fürsprach/ und /Vorsprecher, Vorsprech, Vorsprach(e)/. /Fürsprecher, Fürsprech, Fürsprach/ /Fürsprecher/ ist als Ausdruck des Gerichtswesens hochdeutsch wohl allgemein bekannt, jedoch nur schwach belegt, also nicht sehr gebräuchlich. Die rechtssprachliche Verwendung des Wortes steht offensichtlich im Schatten des daraus entwickelten Gebrauchs: 'Person, die für jemanden oder etwas ein gutes Wort einlegt, zugunsten von jemandem oder etwas bittend spricht oder sich verwendet'. Diese Bedeutung ist "be43 reits im 18. jh. die Schriftdeutsch vorherrschende geworden." Zeugnisse für den gerichtlichen Gebrauch: wobd.
/die Redner, deren zwei auf den gemeinen Tagsatzungen . . . sich einfinden, als Fürsprecher der Parteien/ (1692) in: Schweiz. Id. 6, 584.
oobd.
/Theologi, oder Erklfrer der Gottlichen Dingen, . . . Procuratores Offici oder Fürsprlcher und . . . Notarij oder glaubwürdige Schreiber/ (1678)
obfrk. wmd.
omd.
Brandis, Ehren-Kräntzel 1, 205. e b (Wb. -Eintragung:)/Fursprecher . . . Auvocato/ (1678) Kramer, Dict. 494 . /welcher dingen will oder waß vorbrengen, daß er daß thue durch seine 44 fursprecher/ (vl673) Weist. Rheinprovinz 1,1, 60 L. g /wie die Gericht
dadurch in Grund verderbet . . . , daß die Fursprecher
und Advocaten viel cautelichen und plauderns brauchen/ (1669) Kormart, Wag Schale 192. /Fürsprech/ ist als Ausdruck des Gerichtswesens in der Schweiz gebräuchlich: /alßdann begert der Kläger einen Fürsprech, 45 welcher ihm von dem Richter erlaubt würt/ (1692) in: Schweiz. Id. 10, 740. Darüber hinaus ist es nur vereinzelt belegt (in ländlichen Rechtsquellen):
'Advokat' wobd.
289 /Im fahl aber die sach . . . dermaßen beschaffen, daß die fürsprächen die fürträg nach notturft nicht getrawten, . . . ordentlicherweiße fürzuetragen, sollen die procuratores . . . zuegelaßen sein, die Sachen . . . rechtlich zu verhandlen/ (1672) Württ. ländl. Rechtsqu. (1910) 3, 617.
wmd.
/ i s t des fürsprechen lohn durch den richter erkennet, so der einem
(rheinfrk.
des
fieckens vor gericht dienet, . . . 7 dn. / (1720) Bad. Weist.
I 1,313;
46
/Fürsprach/ ist als Ausdruck des Gerichtswesens nur vereinzelt zu belegen wnd.
:
/daß die bey denen Gerichten . . . litigirende Partheyen, wie auch deren Advocati, Procuratores und Fürsprachen . . . kein Remedium Supplicationis . . . interponiren/ (1720) Hzgter. Bremen u. Verden Policey-Ordn. (1732) 1084.
/Vorsprecher, Vorsprech, Vorsprach(e)/ /Vorsprecher/ wird - wie /Fürsprecher/ - überwiegend außerhalb der Rechtssprache verwendet: 'einer, der für andere oder auch für eine sache mit rede oder schritt ein47 * tritt, unterstützend, empfehlend, verteidigend'
. Als Ausdruck des Gerichtswesens
ist das Wort ostoberdeutsch und mitteldeutsch, z . T . nur in Wörterbüchern, bezeugt: oobd.
/Antwort des vorsprechers und probstgerichtsprocurators/ (1739) Öst. Weist. 1 2 , 1 0 6 . 4 8
wmd.
/ein Student kan einen andern Studenten zum Burgen und Vorsprecher für sich stellen/ (1690) Happel, Academ. Rom. 108. 40
omd.
/ F ü r = sive Vorsprecher & Wortsprecher advocatus, patronus/ (1691) 50 Stieler, Stammbaum 2100.
/Vorsprech/ ist als Ausdruck des Gerichtswesens nur in der Schweiz belegt: /weilen einem Burger und Landmann . . . frey stehet, vor dem Stadt-Gericht seine Anligenheit selbsten ohne einen Redner vorzutragen, angesehen ein jeder seinen Vorsprech bekommt/ (1716) in: Bauhofer, Fürsprecher tum (1926) 145. Das im Norden beheimatete /Vorsprach(e)/ ist westniederdeutsch belegt, kommt j e 51 doch im (frühen) 18. Jahrhundert außer Gebrauch : wnd.
/mag ein Vor spräche von jeglichem Gerichts-Tage, wann er von seiner Partheywegen . . . handelt, für seine Belohnung zwey . . . Schilling nehmen/ (1712) Zell. Stadt-Recht 11.
3.1.2. Die/Redner/-Gruppe. Zu dieser Gruppe gehören/Redner/, ferner/Vorredner, Sachredner/. /Redner/ ist als Ausdruck des Gerichtswesens westoberdeutsch und westniederdeutsch belegt:
290 wobd. wnd.
Joachim Dückert /Gib deinem redner geld, so wird er dich verfechten, / / Ein voller beutel ist der blasbalg in den rechten/ (1678) Grob, Epigr. 124 LV. /soll ein jeglich Parthey in seinen Sachen vor diesem unserm Gericht allein einen Redener oder Procuratorem... gebrauchen/(1722) Ltineb. StadtRecht 2.
Das Vorhandensein im OBtober deutschen und Westmitteldeutschen bezeugen Belege nach 59 dem Zeitraum 1670 - 1730. /Vorredner/ ist ostmitteldeutsch belegt: omd. / w e i l . . . bey denen Deutschen in Gerichten kein Vorredner verstattet... werden/ (vi 683) Lohenstein, Arminius (1689) 2,Xxx 2°. /Sachredner/ 53 begegnet ostoberdeutsch und ostmitteldeutsch: 54 1 oobd. /advocaten und sachredner/ (1734 , Wien) in: DWB 8,1604. omd. /Am allergrausamsten aber ward auff die gefangenen Sach-Redner und Gerichts-Anwälde gewütet/ (vl683) Lohenstein, Arminius (1689) 1, 61a; ferner ebd. 19 . » 3.2.
/Anwalt/ und /Sachwalter/
/Anwalt/ ist im ganzen Untersuchungsgebiet verbreitet, stellvertretend seien im folgenden Belege aus einigen Sprachlandschaften angeführt. Das Hauptmerkmal des Anwalts, seine Vertretungsvollmacht, wird durch Attribute - z. B. /vollmächtiger Anwalt/ - oder durch Verbindung mit einer anderen Bezeichnung für den Vollmachtträger so /Anwalt oder Prdkurator/ - hervorgehoben: oobd. /Es könne im Namen der Beklagten kein Anwalt oder Procurator erscheinen, die Sache sey criminal- oder peinlich/ (1671) Abele, Unordn. (1669) 3, 257. omd. /Von Anwalden und Vollmachten. Beklagter s o l l . . . ausser in . . . [bestimmten] Fullen in Person erscheinen und seinethalben kein Gevollmlchtigter zugelassen/ (1682) Leipz. Ordn. (1701) 36. wnd. /[Vormünder] sollen . . . die Kinder . . . inn- und ausserhalb Rechts mit Anstellung gebührlicher Klagen oder Verantwortung . . . durch sich selbst oder durch ihre vollmächtige Anwalde . . . vertreten/(1722, Gerichtsordn.) Liineb, Stadt-Recht 110. Rechtskundigkeit des Anwalts wird gelegentlich erkennbar, wenn dem Kontext zu entnehmen ist, daß ein Rechtsgelehrter, ein Prokurator oder Advokat, als Anwalt fungiert: /Bey Extension der Voll-Macht rucke ein Advocat . . . diese Clausul: daß Mandans alles dasjenige, was sein Anwald . . . gebührend verrichten werde, vor genehm halten wolle, mit hinein/ (1725) Jur. Machiavellus 11. /daß Ich zu Vollfuhrung meiner . . . Cammergerichts-Sachen . . . zu meinem e Anwald constituiret habe den . . . N. N. der Rechten Doctoren, Kaiserl.
'Advokat'
291
Cammergerichts Advocaten und Procuratoren/ (1701) Schlesw. -holst. Landgerichts-Ordn. 344. /Anwalt/ als Berufsbezeichnung für den gewerbsmäßigen Vertreter wechselnder Parteien (Mandanten) vor Gericht ist nicht sehr entwickelt. Es findet sich im folgenden für • /Advokat/: /Doch ach! ich zittre schon, wenn ich nur an die Räncke// Und Zungendrescherey der Advocaten dencke.// Solt ich ein Anwald seyn in dieser wilden Stadt// Wo die Gerechtigkeit nichts mehr zu schaffen hat// . . . ? / (1729) Abel, Sat. Ged. 1,11. /in welche Straffe . . . der Ober-Hoffrichter, wenn er die Appellation . . . als unerheblich rejiciret, ermelten Advocaten oder Anwald . . . vertheilen mag/ (1682) Leipz. Ordn. (1701) 51. /Sachwalter/ ist im Sinne von 'Anwalt' im Westober deutschen, Ostmitteldeutschen und Niederdeutschen belegt, aber wohl auch sonst bekannt, wie die Buchung in zeitgenös55 sischen Wörterbüchern bezeugt. wobd. /Mandatum Procuratorium. . . . Ich [ Kläger] . . . bekenne . . . daß ich . . . den N. N. Ordinari Raths - und Gerichts-Procuratorn . . . zu meinem . . . Anwald ü Sach-Walter constituiret/ (1706) Process-Ordn. Schwäb. Hall 104. omd. /wenn die streitenden Partheyen wüsten, wie . . . ubel ihnen durch . . . wider besseres Wissen . . . lauffende negativische Litis-Contestationes e e gerathen . . . wäre, sie wurden es ihren Sachwaltern schlechten Danck wissen/ (1723) Döhler, Mause-Fallen (1724) 135. wnd. /sollen . . . alle . . . fremde Advocaten . . . und Sachwaltere, welche in diesen . . . Landen des Praxis und der Advocatur sich zugebrauchen gesinnet, verbunden seyn, denen Gerichten . . . sich zu obstringiren, daß denen Gerichts -Verordnungen . . . sie sich . . . gemäß verhalten wollen/ (1692) Hzgter. Bremen u. Verden Policey-Ordn. (1732) 331. ond. /von . . . Zancksuchügen und boßhafftigen Partheyen, oder deren Sachwaltern/ (1710) Corp. const. March. 2,4,45 M. Wie /Anwalt/ kann /Sachwalter/ für /Advokat/ eintreten; vgl.: /Wann des andern Theils Advocatus etwas dagegen zu sagen hat; So muß er solches in continenti vorstellen.... Im Fall einer Parthey Sachwalter nicht in continenti zu antworten vermag, w e i l . . . der Advocat nothig findet, vorher einige Information . . . von seinem Principal einzuholen . . . / (1725) ebd. 2,1, 746. Es findet als zusammenfassender Ausdruck für /Advokat/ und /Prokurator/ Verwendung:
292
Joachim Dückert /soll die Zugestandnuß eines Advocati oder Procuratoris, wenn solche die g ihnen ertheilte Instruction uberschritte, ihren Principalen keinen Nachtheil e zuziehen, es wäre dann, daß derselbe . . . zugegen gewesen, und solche . . . Q
nicht corrigiret hatte, welchenfals derer Sachwalter Confession auch den Principal verbindet/ (1709) ebd. 2,1, 427. 3.3.
/Prokurator/
/Prokurator/ gilt als Berufs - und Amtsbezeichnung (im Sinne der Gerichtsverfassung) im ganzen deutschen Sprachgebiet. Im folgenden einige Beispiele: wobd.
/In einem menschlichen G e r i c h t . . . sind verschidene Parteien. Es ist ein Richter, ein Ankläger, ein Beklagter, ein Fürsprecher oder Procurator/ (1718) J. J. Ulrich, 32 Glaubens-Predigten, in: Schweiz. Id. 10, 746.
wmd.
/der kutscher . . . geht . . . zu einem procurater undt macht seinen herrn einen protzes/ (1718) Elisabeth Ch. v. Orleans, Br. 3, 228 LV.
omd.
/Von Advocaten und Procuratoren. Zum advociren oder procuriren soll bey diesem Gerichte niemand zugelassen werden, es sey denn, d a ß . . . er zuvorhero seiner Erudition . , . halber und daß er auff Universitlten Jura studieret bescheiniget/ (1682) Leipz. Ordn. (1701) 35.
wnd.
/soll ein jeglich Parthey in seinen Sachen vor diesem unserm Gericht allein einen Redener oder Procuratorem . . . gebrauchen/ (1722) Lüneb. StadtRecht 2.
3.4.
/Advokat/
Auf Grund der Feststellungen der rechtsgeschichtlichen Literatur über die Entwicklung des Verhältnisses von Prokuratur und Advokatur - "Allmählich verschmolzen beide 56 Kategorien miteinander" - kann für den Zeitraum 1670 - 1730 davon ausgegangen werden, daß /Advokat/ weitgehend synonym mit /Prokurator/ verwendet wird. Advokaten treten vor Gericht auf und sind auch - wie Prokuratoren - im Besitz der Vertretungsvollmacht, wie das die Belege unten zeigen. Von einer (durchgehenden) Funktionsteilung zwischen Advokatur und Prokuratur kann daher im Zeitraum 1670 - 1730 keine Rede sein. Besonders deutlich macht das z.-B. Samuel Stryk, ein angesehener RechtsSchriftsteller, in einer Stelle seiner Disputatio de privilegiis advocatorum, die ungefähr in den Anfang dieses Zeitraums fällt (1668). Er stellt fest, daß die Advokaten, wie die tägliche Erfahrung zeige, auch mit ihrer Rede die Parteien im Gericht unterstützen, obgleich dies - und hier zeigt sich, daß er sich der ursprünglichen Funktionsteilung zwischen Advokatur und Prokuratur wohl bewußt ist - eher Aufgabe der Prokuratoren sei: "Hodie Advocatos non tantum scriptis, sed etiam et verbis partes in judicio adjuvare satis quotidiana demonstrat experientia, quamquam hoc potius pro-
'Advokat'
293
curatorum sit, illud advocatorum. "
57
Auch juristische Lexika der Zeit zeigen den Ad-
vokaten - und zwar in erster Linie - als den vor Gericht auftretenden Rechtskundigen: /Advocatus, ein Advocat, Fürsprecher, Redner, ein rechtlicher Beystand, so einen andern im Gericht vertheidiget/(1717) Nehring, Lex. 49. /Eines Advocaten Amt ist furnehmlich, daß er der Partheyen Sachen vor Gerichte vortrage/ (1738) Hayme, Jur. Lex. 7. "Im 18. Jahrhundert gab es, von Sonderbildungen abgesehen, wohl nur noch eine Art von prozessualen Sachwaltern. . . . Es war zwar noch von Prokuratoren und von Advokaten die Rede; in ihrer Tätigkeit bestand aber wohl kein nennenswerter Unterschied mehr." ^ Ausgehend von dem Gesagten können die Belege für /Advokat/ im Zeitraum 1670 1730 im allgemeinen in dem Sinne aufgefaßt werden, daß neben anderen Funktionen des Advokaten seine Funktion als vor Gericht auftretender Rechtskundiger, forensischer Redner nicht ausgeschlossen werden darf, auch wenn der Advokat im gegebenen Kontext (zufällig) in Ausübung anderer Funktionen (Rechtsberatung, Abfassung von Schriftsätzen) erscheint - im folgenden z.B. bei Abele und Morhof - oder wenn der Kontext hinsichtlich der Tätigkeit des Advokaten keine näheren Angaben macht. Belege dieser Art werden im Zeitraum 1670 - 1730 in die Darstellung und Auswertung mit einbezogen. /Advokat/ ist in diesem Zeitraum in allen Großlandschaften belegt. Die Belege lassen einen Teil der Kritik, die sich gegen die Tätigkeit mancher Advokaten (z. B. ihre Gewissenlosigkeit, ihre Geldgier) erhob, sichtbar werden; vgl. auch Buchtitel wie: Holtermann, De nequitia Advocatorum, von Tücken und Bubenstücken 59 der Advokaten, Marburg 1679 oder Trautmann, Von Advokaten-Streichen, Jena 1720. Ferner: "das Pflichtbewußtsein der Sachwalter £war^] in Deutschland im 16. und 17. Jh. durchaus nicht gering. Erst im 18. Jh. 60ließ es nach, nicht zuletzt unter dem Einfluß der vielbefolgten Lehren Machiavells." wobd.
/soll er [ der seine Sache nicht selbst vertreten kannj einen von den bestellten Amptleuten zu seinem Fürsprech gebrauchen, es wären dann die Sachen . . . so wichtig und träff, daß die bestellte Amptleut solche der Notdurft nach nicht fassen . . . könten, auf welchen Fahl dann den Parteien . . . rechtsgelehrte Advokaten zu gebrauchen ohnbenommen ist/ (1719, Basel) in: Schweiz. Id. 10, 746.
oobd.
/Ein Advocat verlangt kein Worte, sondern Geld// Das Geld die Feder zwingt . . . . / / Bist du im geben karg, karg wird er seyn im schreiben/ (1670) Abele, Unordn. (1669) 2,294. /Advocat. In Vollmacht Jackel Kindsmachers . . . erscheine [ ich] vor diesem l8bliehen Gericht und antworte auf Klagers jetzo vorgebrachte Klage . . . / (1711) Ollapatrida 181 WND.
294
Joachim Dückert
wmd.
/Auf den Marckt gehet er in Bauren-Kleidung, im Pallast wie ein Advocat/
wnd.
/Gewissenlose Advocaten/ (1700) Hosmann, Denck-Mahl 3, 3.
(1690) Happel, Academ. Rom. 31 /Advocaten und Procuratoren, . . . daß selbige sich unterstehen sollen, die Belohnung für ihren Beystand, sitze und Schrifften, auch sonstige Auffwartung bey denen mundlichen VerhSren, Vorbescheiden und Tagefahrten offters gantz zur Ungebühr zu verhohen/ (1692) Hzgter. Bremen und Verden PoliceyOrdn. (1732) 329. ond. 3. 5.
/Eines Advocaten Raht [ i s t teuer] / (1682) Morhof, Ged. 360. Resümee des Zeitraums 1670 - 1730
In der untersuchten Konkurrentengruppe dominiert im Zeitraum 1670 - 1730 eindeutig /Advokat/, das die Mehrzahl aller Belege (57, 4 %) auf sich vereinigt; in größerem Abstand folgt /Prokurator/ (29, 9 %). Die restlichen 12, 7 % der Belege gehen auf /Anwalt, Sachwalter/ (zusammen 8,2 %) und auf die 'Fürsprecher' -Bezeichnungen (4, 5 %). Während /Advokat, Prokurator, Anwalt/ und wohl auch /Sachwalter/ im ganzen Sprachgebiet in Gebrauch sind, ist die Bezeugung der 'Fürsprecher'-Bezeichnungen, die sich in eine / F ü r s p r e c h e r / - und eine /Redner/-Gruppe zusammenfassen lassen, lückenhaft und - abgesehen von den besonderen Verhältnissen in der Schweiz (s. unten) - sehr schwach. Das gilt aber nur für ihren Gebrauch im Sinne der hier zugrunde gelegten Begriffsdefinition (S. 267); in anderer Verwendung sind sie z.T. in der Literatursprache geläufig, so /Fürsprecher/ und /Vorsprecher/ in der Bedeutung 'Person, die für jemanden oder etwas ein gutes Wort einlegt, mit Rede oder Schrift eintritt', /Redner/ im Sinne von 'jemand, der eine Rede hält, der befähigt ist, Reden zu halten'. Die Mehrzahl der Belege der /Fürsprecher/-Gruppe vereinigt /Fürsprech/ auf sich, das in der Schweiz gebräuchlich, darüber hinaus nur vereinzelt (in ländlichen Rechtsquellen) nachzuweisen ist. - In der /Redner/-Gruppe hat nur /Redner/ eine gewisse Bedeutung. Als Ausdruck des Gerichtswesens ist es oberdeutsch (wiederholt im Schweizerdeutschen) sowie im Westmitteldeutschen und Westniederdeutschen (z.T. nur indirekt, mit Hilfe von Belegen außerhalb des Zeitraums 1670 - 1730) nachzuweisen. Der Gebrauch der Bezeichnungen des Fürsprechers konzentriert sich eindeutig auf die Schweiz; hier sind /Fürsprech, Fürsprecher, Vorsprech/ und /Redner/ mit insgesamt 30 Belegen nachgewiesen, wovon /Fürsprech/ den größeren Teil (18) auf sich vereinigt. Damit überflügelt es hier auch die mit der Rezeption des römischen Rechts in Deutschland durchgedrungenen Bezeichnungen /Advokat/ und /Prokurator/. In der Schweiz gilt also für die untersuchte Konkurrentengruppe ein anderer literatursprachlicher Wortgebrauch als sonst im deutschen Sprachgebiet. Denn, von der Schweiz ab-
'Advokat'
295
Tabelle 2: Der Anteil der Konkurrenten in den einzelnen Großlandschaften und im Gesamtgebiet für den Zeitraum 1670 - 1730 (in Prozenten) wobd. oobd.
obfrk. wmd.
omd.
wnd.
ond.
Gesamtgebiet
Advokat
17,6
73,3
72,7
57,6
76,2
61,1
55,0
57,4
Anwalt
10,5
2,6
27,3
7,6
11,2
6,9
2,8
4,7
Für sprach Fürsprech Fürsprecher Prokurator (berufl., amtl.)
1,9
7,0
2,6
*
4,0
2,1
5,3
18,9
*
19, 2
3,1
Redner Sachredner
10,5
Sachwalter
10, 5
1,3
4,2
*
Vorsprech
26,4
38,4
0,6
1,4
0,3 3, 5
1,4 5,3
29,9
1,4
1,1
Vorsprach Vorsprecher
0,8
2,1
Vorredner
*
0,1
1,4 4,0
33,3
3,8
o,i 0,1 0,3
1,3
7,6
*
0,3
nur Wörterbuchbezeugung
gesehen, sind Uberall im deutschen Sprachgebiet neben dem dominierenden Wort /Advokat/ die 'Fürsprecher'-Bezeichnungen als Konkurrenten praktisch bedeutungslos. /Advokat/ ist im Zeitraum 1670 - 1730 in der untersuchten Konkurrentengruppe das dominierende Wort auf Grund der Tatsache, daß die Advokaten innerhalb des durch die Wörter der Konkurrentengruppe bezeichneten Personenkreises die größte Bedeutung haben, weil sie die geistige Führung behaupten und alle Funktionen dieses Personenkreises auf sich vereinigen (vgl. S. 272 und 292). Aus dem Gesagten geht hervor, daß im Zeitraum 1670 - 1730 von einer (durchgehenden) Funktionsteilung zwischen Advokatur und Frokuratur keine Rede sein kann und daß /Advokat/ weitgehend synonym mit /Prokurator/ verwendet wird. Neben den Berufsbezeichnungen /Advokat/ und /Prokurator/ steht - verhältnismäßig schwach bezeugt - die Funktionsbezeichnung /Anwalt/ mit der Bedeutung 'bevollmächtigter Vertreter, speziell (in dem hier interessierenden Zusammenhang) vor Gericht'. Das Wort ist nicht als Berufsbezeichnung gebräuchlich, zeigt jedoch Ansätze dazu und kann gelegentlich für /Advokat/ eintreten. Im Sinne von 'Anwalt' findet auch /Sachwalter/ Verwendung.
296 4.
Joachim Dückert Vergleich der untersuchten Zeiträume und Schlußfolgerungen
Vergleicht man die in den Untersuchungszeiträumen 1470-1530 und 1670-1730 ermittelten Befunde (S. 284 ff. und 294 f.), so wird folgende Entwicklung deutlich: Unter den Bezeichnungen für den 'Rechtskundigen, der zur (berufsmäßigen) Vertretung von Rechtsangelegenheiten anderer vor Gericht befugt ist' spielt das Wort /Advokat/ im 1. Untersuchungszeitraum eine untergeordnete Rolle, im 2. Zeitraum dominiert es. Es hat damit /Prokurator/, hinter dem es im 1. Zeitraum erheblich zurückstand, weit überflügelt. Die Ursache hierfür ist in der für Deutschland charakteristischen rechtsgeschichtlichen Entwicklung zu suchen (vgl. S.
271 f.), in der die Funktionsteilung zwischen
Prokuratoren und Advokaten aufgegeben wird, wobei die - durchweg rechtsgelehrten Advokaten gegenüber den Prokuratoren das Übergewicht erlangen. Vergleicht man den Gebrauch von /Prokurator/ im 1. und 2. UntersuchungsZeitraum, so fällt vor allem die folgende Veränderung auf: Im 1. Zeitraum bezeichnet /Prokurator/ nicht nur im speziellen Sinne der Gerichtsverfassung den Angehörigen des mit der Rezeption des römischen Rechts verbreiteten Berufsstandes, sondern auch - ohne Bezug auf eine berufliche Tätigkeit - überhaupt den bevollmächtigten Vertreter vor Gericht oder gegenüber einer rechtsentscheidenden Instanz (= /Anwalt/), im 2. Zeitraum ist es nur im zuerst genannten Sinne, als Berufs- und Amtsbezeichnung, gebräuchlich. Es hat sich also zwischen /Prokurator/ und /Anwalt/ vom 1. zum 2. Zeitraum eine Bedeutungsdifferenzierimg vollzogen. /Anwalt/ist, von Ansätzen eines Gebrauchs als Berufsbezeichnung abgesehen, auch im 2. Zeitraum keine Berufs-, sondern eine Furiktionsbezeichnung; es kann jeden bezeichnen, der bevollmächtigt ist, jemanden vor Gericht zu vertreten (vgl. S. 269 f.). Hinsichtlich der Belegzahl steht /Anwalt/, das im 1. Zeitraum ca. 25 % aller Belege auf sich vereinigen konnte (und damit alle anderen Wörter der untersuchten Konkurrentengruppe übertraf), im 2. Zeitraum erheblich hinter den mit dem römischen Recht verbreiteten Berufsbezeichnungen /Prokurator/ und vor allem /Advokat/ zurück. Neben /Anwalt/ ist /Sachwalter/ als Konkurrent getreten. Beide können gelegentlich für /Advokat/ verwendet werden. Die 'Fürsprecher'-Bezeichnungen spielen im 1. Untersuchungszeitraum eine bedeutende Rolle. Auffallend ist, daß sich hier zwei Gruppen, die / F ü r s p r e c h e r / - und die /Redner/-Gruppe, gegenüberstehen. Die /Fürsprecher/-Gruppe reicht mit ihrem ältesten Vertreter bis ins Althochdeutsche zurück (/Orator furisprehho/ [ 9. Jh.J Ahd. Gl. 1, 218, 8 S./S.); /Redner/ ist im gerichtlichen Sinne erst wesentlich später, im 61 frühen 15. Jahrhundert, nachgewiesen. Seine Verwendung a l s ' F ü r s p r e c h e r ' " B e zeichnung ist wohl eine Folge des S. 269
beschriebenen Wandels in der Tätigkeit
des Fürsprechers; der Fürsprecher wurde im 15. Jahrhundert zum frei plädierenden
'Advokat'
297
Anwalt, seine Bezeichnung als Redner war nun angemessen. /Redner/ ist im Sinne von 'forensischer Redner' zuerst ostoberdeutsch nachgewiesen: /Ain redner, der da nimet gilt// von ainem, dem er reden tüt, / / der ist ain argkwönleieher man/ (1432/8) Oswald v. Wolkenstein 112,117 ATB. Das Wort gewinnt besonders im Bereich des gemeinen Deutsch Geltung. Im 1. Untersuchungszeitraum ist es in allen Sprachlandschaften bekannt, vor allem aber oberdeutsch 62
geläufig.
In der Reichskammergerichtsordnung von 1495 wird /Redner/ regelmäßig
statt /Prokurator/ verwendet. Neben den Berufsbezeichnungen /Advokat/ und /Prokurator/ sowie neben /Anwalt/ und/Sachwalter/ sind die'Fürsprecher'-Bezeichnungen, einschließlich /Redner/, die im 1. UntersuchungsZeitraum eine bedeutende Rolle spielten, im 2. Zeitraum im allgemeinen zur Bedeutungslosigkeit herabgesunken, ihre Zahl ist - wie die Tabelle 3 (im folgenden) zeigt - reduziert, obgleich /Sachredner/ neu hinzugekommen ist. Sie sind, abgesehen von den besonderen Verhältnissen in der Schweiz, als Konkurrenten praktisch ausgeschieden. Der Fürsprecher des älteren deutschen Rechts ist im Prokurator des rezipierten römisch-kanonischen Prozesses im wesentlichen aufgegangen. Die Rezeption des römischen Rechts konnte sich jedoch in der Schweiz nicht durchsetzen (vgl. S. 267). Sprachlich findet diese besondere Stellung der Schweiz u. a. darin ihren Ausdruck, daß hier die 'Fürsprecher'-Bezeichnungen nicht durch /Prokurator/ und /Advokat/, die Bezeichnungen des römischen Rechts, verdrängt werden. Insbesondere ist /Fürsprech/, das im Südwesten des deutschen Sprachgebiets seit alters seinen Schwerpunkt hatte (s. S. 273), im 2, Unter suchungs Zeitraum in der Schweiz noch ganz geläufig. Hinsichtlich der Zahl seiner Belege übertrifft es hier auch die mit der Rezeption des römischen Rechts in Deutschland durchgedrungenen Bezeichnungen /Advokat/ und /Prokurator/, die in schweizerdeutschen Quellen gelegentlich vorkommen. Überblickt man - von den besonderen Verhältnissen in der Schweiz abgesehen - die Veränderungen insgesamt, die in der untersuchten Konkurrentengruppe vom 1. zum 2. Zeitraum eingetreten sind, so zeigt sich, daß der Süden in der Entwicklung vorangeht. Hier liegt der Schwerpunkt des Reiches. Die für die deutsche Rechtsgeschichte charakteristische Vermischung von Prokuratur und Advokatur, die die Entwicklung der untersuchten Konkurrentengruppe entscheidend beeinflußt hat, findet sich in Ansätzen zuerst am Reichskammergericht, das durch den Wormser Reichstag 1495 gegründet wurde und seinen Sitz zunächst u. a. in Frankfurt/M. und Speyer hatte. "Die Grenze zwischen 63 Prokuratoren und Advokaten wurde am frühesten am Reichskammergericht flüssig. " Zeugnisse, die den Advokaten vor Gericht auftretend, in der Funktion als forensischen Redner zeigen, also Belege für /Advokat/ als Konkurrent in der untersuchten Wortgruppe, finden sich zunächst vor allem im Westoberdeutschen. Hier ist die später allgemein vorhandene Überlappung von /Advokat/ und /Prokurator/ bereits im 1. Zeitraum deut-
298
Joachim DUckert
Tabelle 3: Gegenüberstellung der Anteile der Konkurrenten für das Gesamtgebiet in beiden Zeiträumen (in Prozenten)
Advokat Anwalt Dingmann
Zeitraum 1470-1530
Zeitraum 1670-1730
1,9 24,8
57,4 4,7
0,2
Fürbringer
0,1
Für leger Fürreder Fürsprach
0,5
Fürsprech Fürsprecher
21, 5 4,0
0,1 1,9 0,8
Prokurator (berufl., amtl.)
11,8
29,9
0,1 0,1
Prdkurator (nicht berufl.)
9,7
Reder
0, 5
Redmann
0,1
Redner
9,0
Sachwalter Teidingsmann Verspreche Vorreder Vorredner
0,6 0,3 3, 5
Sachredner 1,4 0,1 0,4
0,1
Vorsprach(e)
0,2 5,9
Vorsprech(e)
6,0
0,1 0, 3
Vorsprecher
0,8
0,3
Wortführer, Führer des Wortes
0,4
Worthalter
0,5
lieh ausgeprägt. - /Prokurator/ bezeichnet im 1. Zeitraum sowohl im speziellen Sinne der Gerichtsverfassung den Angehörigen des mit der Rezeption des römischen Rechts verbreiteten Berufsstandes, als auch - ohne Bezug auf eine berufliche Tätigkeit - überhaupt den bevollmächtigten Vertreter vor Gericht oder gegenüber einer rechtsentscheidenden Instanz (=/Anwalt/), doch sind die Häufigkeitsrelationen zwischen den beiden
'Advokat'
299
Verwendungen nicht in allen Landschaften gleich. So sind vor allem im Westniederdeutschen die Belege für /Prokurator/ als Berufs- und Amtsbezeichnung noch in der Minderzahl, dagegen Uberwiegen sie bereits im ganzen oberdeutschen Gebiet und z.T. darüber hinaus. Im 2. Zeitraum ist /Prokurator/ nur noch in diesem Sinne geläufig. Auch für die Verbreitung von /Redner/ im Sinne des 'forensischen Redners' ist das Oberdeutsche, speziell das OBtöberdeutsche, als Ausgangslandschaft von besonderer Bedeutung. - Anders als der Süden spielt der Norden bei der Entwicklung der untersuchten Konkurrentengruppe keine aktive Rolle. Nördliche Besonderheiten, wie sie sich etwa mit den 'Fürsprecher'-Bezeichnungen /Teidingsmann/ sowie /Worthalter/ und /Wortführer/ im lübischen Recht finden, können sich nicht behaupten oder gar durchsetzen. Sieht man von der Sonderstellung der Schweiz ab, so haben die Landschaften, die im 1. Untersuchungszeitraum noch eine erhebliche Rolle spielten, im 2. Zeitraum keine nennenswerte Bedeutung mehr. Die - überwiegend landschaftlich gebundenen 'Fürsprecher'-Bezeichnungen, die im 1. Zeitraum gut bezeugt waren, sind bedeutungslos geworden; dominierendes /Advokat/ sowie /Prokurator/ und /Anwalt/, wohl auch /Sachwalter/, sind im ganzen deutschen Sprachgebiet verbreitet. Dieser Befund ist ein Ergebnis der Rezeption des römischen Rechts, deren Bedeutung für die Ausbildung der lexikalischen Norm der deutschen Literatursprache daher nicht zu bezweifeln ist. Die mit der frühkapitalistischen Entwicklung ursächlich zusammenhängende Rezeption des römischen Rechts als eines geschriebenen, allgemein geltenden Rechts trat zur Zeit der frühbürgerlichen Revolution in ihre Endphase ein (vgl. S. 265 ff.). Wesentlich war die Einführung des römisch-kanonischen Prozesses am Reichskammergericht. Auch die territoriale Gesetzgebung spielte eine entscheidende Rolle bei der Durchsetzung bzw. Bestätigung des römischen Rechts. Neben dem Territorialfürstentum, das sich des römischen Rechts und der an ihm geschulten Juristen in Verwaltung und Justiz zur Konsolidierung seiner Macht bediente, hatte vor allem das Bürgertum entschiedenen Anteil an der Rezeption. In den Städten reformierte es das geltende Recht in diesem Sinne. Damit förderte es objektiv - über Veränderungen des Überbaus, die die Durchsetzung bestimmter Bezeichnungen im deutschen Sprachgebiet zur Folge hatten Vereinheitlichungstendenzen in einem Teilbereich des literatursprachlichen Wortschatzes.
300 5.
Joachim Dückert Vergleich des um 1730 geltenden Wortgebrauchs mit dem der Gegenwart
Sieht man von den besonderen Verhältnissen in der Schweiz ab, so ist der Wortgebrauch um 1730 in der untersuchten Konkurrentengruppe dadurch gekennzeichnet, daß /Advokat/ im ganzen Sprachgebiet dominiert. Die Sprache der Gegenwart zeigt ein davon erheblich abweichendes Bild. Als amtliche Bezeichnung gilt /Rechtsanwalt/, das zuerst in einer bayrischen Verordnung vom 64 13. August 1804 nachgewiesen ist : /Wir haben schon öfters zu bemerken Gelegenheit gehabt, daß, Unsern Verordnungen zuwider, die Re chts-Anwflte die von ihnen in Angelegenheit der Parteien verfaßten Schriften nicht mit ihrer Unterschrift bezeichnen/ Novellen z. Baier. Gerichts-Ordn. (1811) 1,160. Mit dem Schwinden des sachlichen Unterschiedes zwischen Prokurator und Advokat (vgl. S. 271 f.) war auch der Bezeichnungsunterschied gegenstandslos geworden. Eine einheitliche Bezeichnung wurde erforderlich. /Anwalt/ bot sich an, war aber nicht ohne weiteres geeignet, da das Wort den Bevollmächtigten überhaupt, auch den rechtsunkundigen, bezeichnete und im Gegensatz zu /Advokat/ und /Prokurator/ nicht als Berufsbezeichnimg ausgebildet war; vgl.: /Der Anwalt, . . . ein Gevollmächtigter, der eines andern Geschäfte besorget, besonders vor Gerichte/Adelung, Wb. (1774) 1, 360, dagegen: /Der Advocat, . . . eine Person, so von der Obrigkeit angenommen ist, andere vor Gerichte zu vertreten/ ebd. 1,150. Das neugebildete Kompositum /Rechtsanwalt/ wurde gleich als Berufsbezeichnung eingeführt. Damit war ein einheitlicher deutscher Ausdruck anstelle geltender Fremdwörter geschaffen. Das Streben nach Fremdwortersatz war eine übliche Erscheinung in der Zeit um 1800. Adelung, Wb. (1774) 1, 360, hatte sich in Anbetracht des Vorhandenseins deutscher Wörter, z.B. /Anwalt, Sachwalter/, gegen den Gebrauch der Fremdwörter /Prokurator, Advokat/ ausgesprochen. Wieland hatte /Advokat/ durch /Sachwalter/ ersetzt, vgl.: /daß ein Mensch . . . wenn er sich selbst eines . . . Verbrechens beschuldigt, . . . eines Sachwalters bedarf, welcher alles geltend mache, was dem . . . Beklagten zum Vorstand gereichen .... kann/ (1795) Wieland I 14, 207 Ak. (in den früheren Drucken 1780. 1786. 1794: /Advocaten/ ebd. I 14 App., 114; vgl. 110 f.). Der neugebildete amtliche Ausdruck /Rechtsanwalt/ wurde schnell gebräuchlich. Das erste Zeugnis in der schönen Literatur bietet Heinrich v. Kleist im "Michael Kohlhaas" (1810):
'Advokat'
301 /Beschluß des Staatsrats . . . , worin ihm die Abschickung des Rechtsanwalds , . . zur Pflicht gemacht worden wäre/ Kleist 3, 231 Sch.
"Seit der deutschen Rechtsanwaltsordnung vom 1. Juli 1878 . . . giebt es im Deutschen Reiche keine Advokaten, Prokuratoren, . . . Justizkommissare mehr, sondern an ihrer 65 Stelle nur noch Rechtsanwälte. " Damit wurde ein einheitlicher deutscher Ausdruck im neugegründeten Deutschen Reich durchgesetzt. Dieser Vorgang dokumentiert das staatliche Interesse an einer einheitlichen Sprachregelung. Als ein Fall von Fremdwortersatz ordnet er sich in die puristischen Bestrebungen ein, die der Reichsgründung folgten. Durch die Herstellung der politischen Einheit Deutschlands 1871 ("Revolution von oben") und das dadurch erstarkende Nationalgefühl erhielten Bestrebungen zur Pflege und Vereinheitlichung der deutschen Literatursprache starken Auftrieb. Die sprachpflegerischen Bestrebungen, die z.T. nationalistische Züge trugen, konzentrierten sich auf den Kampf gegen das Fremdwort. In der Ersetzung vieler Fremdwörter, vor allem des öffentlichen Lebens, war ihnen nachhaltiger Erfolg beschieden. Die Sprachregelung von 1878 zugunsten von /Rechtsanwalt/ - der Ausdruck *
"stand nicht in solch schlechtem Geruch wie der 'Advokat' "
66
- war bestimmend für
den in der untersuchten Konkurrentengruppe heute geltenden Wortgebrauch. Neben /Rechtsanwalt/ als der offiziellen Amtsbezeichnung wird häufig auch /Anwalt/ verwendet, das vom modernen Sprachgefühl als Kürzung aus /Rechtsanwalt/ empfunden und mit diesem gleichbedeutend (also abweichend von älterem /Anwalt/) verwendet wird. Gestützt wird /Anwalt/ durch seinen Gebrauch in einer Reihe von Komposita wie / P a tent-, Rechts-, Staats-, Steueranwalt/, die Ausdruck einer fortgeschrittenen gesellschaftlichen Arbeitsteilung sind, und in weiteren Bildungen wie z. B. /Anwaltskammer, Anwaltschaft/ (vgl. WDG 1,192 a ). /Sachwalter/ ist heute als Glied der behandelten Konkurreritengruppe ein ausgesprochenes Fachwort, z. B . : /In Bayern [ im 18. J h . ] hießen die Sachwalter an den höheren Gerichten Advokaten, an den niederen Gerichten Prokuratoren/ (1971) HRG 1,185 (vgl. 187. 188). Das schließt nicht aus, daß es gelegentlich außerhalb des Rechtsschrifttums in der schönen Literatur begegnet: /Zunächst galt es den Kampf vor den Gerichten. Marull war ein guter Sachwalter. . . . Er setzte Josef auseinander, wie es um seine prozessualen Aussichten bestellt war/(1935) Feuchtwanger, Söhne [ 1951] 279. Üblich ist es jedoch in der Allgemeinsprache für den Prozeßbevollmächtigten nicht. Das WDG 4, 3109^ verzeichnet das Wort nur im nichtjuristischen Sinne 'Fürsprecher, Verteidiger' (z.B. / e r machte sich zum Sachwalter des Volkes/).
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/Advokat/ ist heute in der Literatursprache, außer in Österreich und in der Schweiz (s. unten), als stilistisch neutraler Ausdruck fiir 'Rechtsanwalt' und speziell als amt67 liehe Bezeichnving veraltet. In der Literatur findet es jedoch noch Verwendung, besonders in historisierendem Stil (bei Behandlung historischer Stoffe), z . B . : /Ohne Advokat kämst du nicht aus. Der Stadtrichter macht gemeinhin mit armseligen Gesellen, die gegen einen gehobenen Stand rebellieren, nicht viel Federlesens/ (1969) Kühn, Stadtpfeifer 159; auch sonst gelegentlich, in bestimmten Wendungen, z. B . : /nun schreibst du Briefe wie ein Advokat/ (1962) M.W. Schulz, Wir 305. In den Mundarten hält sich das Wort insbesondere in Redensarten, z.B. / e r kann r e den, schreiben wie ein Advokat, ist klug wie ein Advokat/, ist aber auch im Rückgang, vgl.: "Advokat... in festen Wendungen und Redensarten . . . . Sonst ist das Wort durch Anwalt und Rechtsanwalt verdrängt" Pfälz, Wb. 1,138. "Advokat... Schon 1930 allg. als f [ = veraltet] bezeichnet; meist nur in geringschätz. Sinn gebraucht. Ersetzt durch Rechtsanwalt" Südhess. Wb. 1,162. Im Eindringen von /Rechtsanwalt/ in die Mundarten zeigt sich der zunehmende Einfluß, den in jüngerer Zeit die im wesentlichen einheitlich gestaltete und in den Massenmedien täglich verwendete Literatursprache auf den Wortgebrauch der Mundarten ausübt. Die Sprachregelung, auf Grund deren sich /Rechtsanwalt/ als offizielle Amtsbezeichnung durchgesetzt hat, wurde aber nur innerhalb der Grenzen des ehemaligen Deutschen 68 Reichs voll wirksam. Die puristischen Bestrebungen, in die sie eingebettet war, schufen, da sie nicht das ganze deutsche Sprachgebiet in gleicher Weise erfaßten, Unterschiede im Wortgebrauch, die z.T. noch heute fortbestehen. "Das Fremdwort genießt in Österreich trotz einer auch hier besonders nach dem ersten Weltkrieg deutlich bemerkbaren Tendenz zur 69 Beseitigung fremdsprachlicher Elemente immer noch eine ziemliche Beliebtheit. "
In Österreich und ebenso in der Schweiz ist /Advokat/
als Amtsbezeichnung neben /Rechtsanwalt/ noch nicht veraltet; vgl.: "Bis heute hat in Österreich der Name des Advokaten Gültigkeit, 70 wenn sich auch die jüngere Generation immer mehr für Rechtsanwalt entscheidet. " "Bei uns [ i n der Schweiz] ist . . . Advokat , . . f nicht] v e r a l t e t . . . . In der Schweiz gibt es noch . . . Tausende von Advokaten 71 mit Advokaturbüros". Außerdem wird in der Schweiz, z.B. in Bern, auch n o c h / F ü r sprech/ (= Rechtsanwalt) verwendet. Es hat sich also in der untersuchten Konkurrentengruppe kein einheitlicher literatursprachlicher Wortgebrauch im gesamten Geltungsbereich der deutschen Sprache durchsetzen können, da Österreich und die Schweiz noch Besonderheiten aufweisen. Sieht man von ihnen ab, so gilt in der Literatursprache der Gegenwart in der untersuchten Konkurrentengruppe praktisch uneingeschränkt /Rechtsanwalt/ als offizielle Amtsbezeichnung und /Anwalt/. Dieser Befund ist das Ergebnis zweier entscheidender Prozes-
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se: der Rezeption des römischen Rechts in Deutschland und der puristischen Bestrebungen, die nach der Gründung des Deutschen Reichs in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts verstärkt einsetzten, also eines historischen Prozesses, der den Wortgebrauch beeinflußte, und eines korrigierenden, bewußt regelnden Eingriffs in die Sprachentwicklung.
Anmerkungen 1 Vgl. z.B. Kilnßberg, Rechtssprachgeogr. (1926) 9. - Lasch, Berlinisch (1928) 68 f. - Teske, Ausklang (1931) 79 f. 87. - Merk, Rechtsspr. (1933) 20 ff. Dahl, Eindringen (1960) 83 f. 157. 160 f. 2 Vgl. Marxist, -leninist. allg. Theorie d. Staates 2 (1974) 182. Literatur und Forschungsbericht zur Rezeptionsgeschichte bei Below, Ursachen (1905). - Wesenberg, Wandlungen (1953) 46-48. - Kunkel, Wesen (1957) 1-12. - D e r s . , Rechtsgesch. ( 1964) 158 ff. und 193 f. - G. Günther, Recht (1965) 427-434. * Wieacker, Rezeptionsforsch. (1967) 181-201. - Wesenberg, Privatrechtsgesch. 72 ff. 3 Engels in: Marx/E., Deutschland (1961) 1, 615. 4 Marx/Engels, D. dt. Ideologie in: Marx/E. 3 (1969) 63. 5 Engels in: Marx/E. 21 (1969) 397. 6 G. Günther, Recht (1965) 430b. 7 Dahm, Rezeption (1955) 20. 8 Zs. d. Savigny-Stiftung f. Rechtsgesch. 71. Romanist. Abt. (1954) 521. 9 Kunkel, Wesen (1957) 11. 10 Buchda in: HRG 1,1557. 11 Schmidt, Zivilprozeßrecht (21906) 70. Conrad, Rechtsgesch. (1954) 2,457. 12 Vgl. Stutz, Schweiz (1920) 105. - Schröder/K., Lehrb. (71932) 858. - Zycha, Rechtsgesch. (21949) 173 f. 13 Wichtigste Literatur zum Folgenden: Weißler, Rechtsanwaltschaft (1905) 23-83. 162-168. - HRG 1,1333-1337. Weiterführende Literatur: HRG 1,190 f. und 1336 f. 14 Buchda in: HRG 1,183. 15 HRG 1,1334. 16 Weißler, Rechtsanwaltschaft (1905) 40. 17 Kohler, Zivilprozeß (1913) 296 f. 18 Carolina 1,48 K. - Weißler, Rechtsanwaltschaft (1905) 67-69. 162 f. 19 Buchda in: HRG 1,182 ff. (mit weiterführender Literatur.) 20 Rosenberg, Stellvertretung (1908) 489 f. 21 Buchda in: HRG 1,183. 22 Buchda in: HRG 1,184. 23 Vgl. KÜbl, Advokatur (1925) 42. 24 Smend, Reichskammergericht (1911) 1, 341 ff.
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25 Dahm, Rezeption (1955) 13. 26 Weißler, Rechtsanwaltschaft (1905) 110-121. 27 Buchcia in: HRG 1,185. 28 Zu / f ü r , v o r / und / v e r - / vgl. XDWB 4,1,1, 617 f f . , 12, 2,775 f f . . 12.1. 51 ff, Geismar "vor" und "für" (1928). - Henzen, Wortbildung ( ¿ m s ) 106 (Fußnote 30). 29 Für das Westoberdeutsche s. (1427) in: Schweiz. Id. 10, 740 und (1603) in: Fischer, Schwäb. Wb. 6, 2,1939, für das Westmitteldeutsche (A15. Jh.) Pilgerfahrt d. Mönchs 10171 DTM (in der Form des movierten Fem.) und (1562) Göbler, Proceß 13 a , für das Westniederdeutsche (1385) in: Wittram, Gerichtsverf. Gött. (1966) 22 (Fußnote 58) und (1543) in: Beytr. dt. Recht 8,17 W.; vgl. dazu die Bezeugung in Diefenbach, Gl.: /Causidicus ein vor Sprecher/ (15. Jh. md.) 109^; /Aduocatus vorsprecher/ (15. Jh. md.), / v o e r s p r e c k e r / (15^ Jh. ndrhein.) 15 a ; Prolocutor vorspreker/ (1425 nd.) 464 a . Ferner:/vorsprecker procurator/ ("halbniederdeutsch", Abschrift 1462) in: Anz. Kde. t. Vorzeit 7 (1838) 306 (vgl. 154). 30 Bereits mhd.: /deimi diebi insal min abir zu rechti nicheinin vorsprachin geibi/ (A13. Jh.) Mühlhäuser Reichsrechtsb. 102, 22 M. ebd. 110,10. 158,31. F e r n e r s . Germania 20 (1875) 34. Die weitere Bezeugung - vgl.: /da sagte des landsknechts procurator und vorsprach/ (1558) Irenaus in: *DWB 12, 2,1619 - verbürgt die Kontinuität des Gebrauchs im Ostmitteldeutschen. 31 Vgl. 1DWB 12,1,1448. 32 Vgl. auch: (1416) Urk. dt. -öst. Erblande 318 Sch./D. 33 (1455) Mon. Boica 9, 41. 42. 46. (1456) ebd. 286. 6 6 34 omd.: / d a komen fu^p vnß in Gericht . Anwalde . . . und begerten Jhn, durch vnß einen Redner und Furbringer zu vergunnen/(1455) Cod. Germ. dipl. 1,1461 L. wobd.: (1567) Württ. ländl. Rechtsqu. 1, 201 W. 35 Vgl. Henze, Handeln (1959) 94. 36 Buchda in: HRG 1,184. 37 Entsprechend /gesubstituerter Prokurator/ s. (1543) Lüb. Ratsurteile 3, 363 E. (1545) ebd. 3,467. 38 Buchda in: HRG 1,184. 39 Buchda in: HRG 1,184. 40 Vgl. einen etwas jüngeren oberfrärikischen Beleg, der /Advokat/ in der gesuchten Bedeutung eindeutig zeigt: / i s t dem Beklagte zugelassen, für sich selbs oder durch Fürsprecher, . . . Aduocaten . . . vor Gericht zuantworten/ (1565) Beuther, Praxis 5v . 41 Zu vergleichen ist ein etwas jüngerer, den Sachverhalt besonders deutlich machender ostmitteldeutscher Beleg: /Denn das heysset eygentlich ein Aduokat oder fursprech, der bey einem stehet vnnd redet im das wort/ (1559) Mathesius, Ausgew. W. 171 L. 42 /ich [ Habgier] . . . underwynden mich zo werden advocait, / / . . . Aldae sweren ich eynen e y t / / Dat myne tzunge nyeman en soele syn b e r e i t , / / He en have rechtverdige sache/ (1444) Pilgerfahrt d. Mönchs 10030 M. (Var.: /vorsprecherynne/ [ A I 5 . Jh.] Pilgerfahrt d. Mönchs 10171 DTM). /Bin advocat worden und wie ich practisirt hab. . . . ich . . . advoceirden in geistlichen und weltlichen Sachen, uberquam darnach vil parteien, den ich deinden im sale, am hohengericht, vur den burgermeistern, ratzrichtern, amtluden und geweltrichtern/ (1561) Weinsberg, Denkw. 1, 213 H.
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'Advokat' 43 DWB 4,1, 1, 839. 44 Dazu ein etwas jüngeres westmitteldeutsches Zeugnis: /daß jener zum Fürsprecher und A d v o c a t . . . erbeten worden/ (1741) Lindenborn, Diogenes (1740) 2, 20. 45 Weitere schweizerische Belege für den Zeitraum 1670 - 1730 in: Schweiz. Id. 10, 739-747. 46 Gelegentlich in Wörterbüchern: /Fürsprecher, Fursprach . . . Auvocato/ (1702) Kramer, Dict. (1700) 2, 883 . /Advocat. Advocatus, sonst Fursprach/ (1741) Frisch, Wb. 1,12 c . 1 47 DWB 12, 2,1626 f.
48 Wegen der Kürze des zeitlichen Abstandes kann dieser Beleg wohl Zeugniswert für den Zeitraum 1670 - 1730 beanspruchen; zeitlich nahe steht auch oobd.: / g e schworne Vor Sprecher/ (1753) Cod. Jur. Bav. Jud. 12. 49 Vgl.: /Vorsprecher patronus, advocatus/ (1727) Aler, Dict. 2, 2128 b . 50 Öfter omd. in Wörterbüchern: (1711) Rädlein, Sprach-Schatz 1,1016 b . (1734) Steinbach, Wb. 2,642. 51 1DWB 12,2,1619. 52 oobd.
Q
/Nachdem . . . vermogliche Partheyen . . . ihrem Gegentheil... die gute Advocaten, und Redner abzuspannen suchen/ (1753) Cod. Jur. Bav. Jud. 13. wmd. /Redner oder Advocaten/ (1740) Lindenborn, Diogenes 1 (1742) 579. Für das Westmitteldeutsche vgl. auch die Wörterbucheintragung: /Redner beim Gericht. Procurator/ (1727) Aler, Dict. 2,1595 . 53 Vgl» im Zeitraum 1470 - 1530 /Redner der Sache/ S. 277. 54 Wegen des geringen zeitlichen Abstandes noch für den Zeitraum 1670 - 1730 in Anspruch zu nehmen. Für den oobd. Gebrauch des Wortes s . auch Schmeller/F., Bayer. Wb. 2, 55. 55
/Sachwalter . . . Auvocato, . . . causi^co/(1678) Kramer, Dict. 892 a . /Advocat, einAnwald, Sachwalter, Fürsprecher/ (1728) Sperander, A la Mode-Spr. 18 b . Im Zeitraum 1470 - 1530 ist /Sachwalter/ 'Prozeßbevollmächtigter, Anwalt' in Kontextbelegen nicht sicher nachzuweisen. Auch Carolina 1,43 K. /beden teillen a b s c h r i f f t . . . vnnd ein zimbliche z e i t . . . geben, damit solliches ann die Sachwalter vnnd sonnderlich ann den gefanngnen pracht/ ist nicht eindeutig in diesem Sinne zu verstehen. Wörterbücher notieren /Sachwalter/ für causidicus, das aber nicht nur den Anwalt bezeichnet, sondern noch eine Reihe anderer Bedeutungen hat, z.B. 'Kläger, (Gegen)partei, Richter' (s. Mittellat..Wb. 2,411 f.): /Causidicus sachwalder/ (15. Jh.) Diefenbach, N. Gl. 81 (vgl. Diefenbach, Gl. 109 ). /Sachwalder . . . causidicus/ (1482, Nürnb.) Voc. theut. bb 5^. Sicher bezeugt ist /Sachwalter/ im Sinne von 'Beteiligter an einer Rechtssache, (Gegenpartei' , z.B. :/van wegen der twistigen sake twissehen eme, uppe de ene, Michel Bernsteen unde Bartholomewese N. mit eren andern sakewoldern, uppe de anderen zijden/ (1469) Lüb. Urkb. I 11, 593 (s. auch 11,12); vgl. - auch zu /Sachwalt/ Haltaus, Gl. (1758) 1572 f.
56 Buchda in: HRG 1,184 f. 57 In: Kübl, Advokatur (1925) 57; s. auch ebd. 55 f. und Liedl, Gerichtsverf. (1958) 116. 58 Buchda in: HRG 1,185. 59 In: ADB 5, 296.
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60 Buchda in: HRG 1,188. 61 Seltenes /Reder/ bereits Ende des 14, Jahrhunderts westoberdeutsch: /welher der were, der vor inserm rat rehten weit, . . , der sol selb dritt komen f i r inserm r ä t . . . , und mag der selb den von Anserm rät oder von den zwain, die mit im komen sint, nemen ainen reder; wäre den, das er ainen reder nam von den zwain, wen sich den der rät erkenen und urtail sprechen wil, so sol der selb reder uss gän (nl386) Württ. Gesch. qu. 18, 90. 62 "das Wort Redner [ hat] überhaupt im nördlichen Deutschland, wie es scheint, erst spät Aufnahme gefunden. In Süddeutschland dient es für Vorsprecher wie für Wortführer. Die bairischen Rechtsquellen gewähren zahlreiche Belege" Frensdorff, Recht u. Rede (1886) 452. 63 Vgl. Buchda in: HRG 1,185. 64 Vgl. Weißler, Rechtsanwaltschaft (1905) 421-424. 65 Weißler, Rechtsanwaltschaft (1905) 423. 66 Weißler, Rechtsanwaltschaft (1905) 422. 67 WDG 1, 95 a . 68 Kretschmer, Wortgeogr. (1918) 387. 69 Rizzo-B., Besonderheiten (1962) 116. 70 Rizzo-B., Besonderheiten (1962) 66. 71 Sprachspiegel (1970) 132.
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ZUR SPEZIFIK DES SPRACHAUSGLEICHS IN DER LEXIK (1470 - 1730)
1. Aufgabe unserer Arbeiten, in denen synchronische und diachronische Sprachbetrachtung als einander ergänzende Methoden Anwendung fanden, war es, Ausgleichsprozesse als Voraussetzung für die Ausbildung der Norm der deutschen Literatursprache auf der Ebene der Lexik anhand ausgewählter Konkurrentengruppen zu untersuchen, Besonderheiten dieser Entwicklung aufzuzeigen und dabei vor allem außersprachliche, gesellschaftliche Veränderungen in ihrer Bedeutung für diese Prozesse genauer zu e r fassen, also einen Beitrag zur Interpretation des Verhältnisses von Sprache und Gesellschaft zu leisten. Bei der Mehrzahl der untersuchten Wortgruppen ist die Zahl der Konkurrenten im ersten UntersuchungsZeitraum (1470 - 1530) größer als im zweiten (1670 - 1730), das Gegenteil ist nur in einem Fall, bei den Bezeichnungen für den Makler, festgestellt worden. Die Gesamtzahl der behandelten Konkurrenten hat sich vom ersten zum zweiten Untersuchungszeitraum von 89 auf 71 verringert. Reduzierung lexikalischer Konkurrenten zeigt sich hier als eine Komponente des literatursprachlichen Ausgleichs. Andererseits vollzogen sich semantische und stilistische Differenzierungsvorgänge (vgl. im folgenden S. 312 f.), die die Erhaltung einer größeren Zahl von Bezeichnungen begünstigten und z . T . Neubildungen notwendig machten. Die untersuchten Konkurrentengruppen weisen hinsichtlich ihrer Veränderlichkeit deutliche Unterschiede auf. Zum Beispiel haben die sehr stark landschaftlich gebundenen Bezeichnungen für den Tischler und den Fleischer beharrenden Charakter. Aus der Perspektive solcher Konkurrentengruppen erscheinen unsere Unter suchungs Zeiträume als synchrone Querschnitte, d.h. als Einheiten, innerhalb deren sich keine (nennenswerten) Veränderungen im Wortgebrauch vollziehen. Im ganzen zeugt die Entwicklung der untersuchten Konkurrentengruppen aber von einer relativ großen Veränderlichkeit bestimmter Teile der Lexik. So vollzogen sich z. B. bei den Bezeichnungen für den abhängigen Handwerker nach Abschluß der Lehrzeit innerhalb eines (des ersten) Unter suchungs Zeitraums erhebliche Wandlungen im Wortgebrauch. In den (allerdings wenigen) Gesellendokumenten überwog bereits vor 1500 /Geselle/, während zur gleichen Zeit in Zunft- und Stadturkunden
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/Knecht/ vorherrschte. Erst nach 1500 setzte sich /Geselle/ auch in den Dokumenten der Zünfte, Stadträte und des Reichs immer mehr durch. Bei /Knecht/ und /Geselle/ handelt es sich um sozial determinierte Konkurrenten, deren Verhältnis zueinander sich im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Veränderungen relativ schnell wandelte (s. im folgenden S. 317 f.). Schnelle Wandlungen in der Lexik werden z.T. auch durch bewußten Eingriff herbeigeführt. Erscheinungen dieser Art konnten in den Untersuchungszeiträumen aber nicht beobachtet werden. Bewußte Eingriffe, die ein staatliches Interesse an der Sprachregelung voraussetzen, sind erst für die neuere Zeit, insbesondere nach 1871, charakteristisch; so wurde /Rechtsanwalt/ durch die deutsche Rechtsanwaltsordnung vom 1. Juli 1878 einheitlich im Deutschen Reich durchgesetzt; /Brüche/ (in der Konkurrentengruppe 'Strafe') wurde 1877 in Schleswig-Holstein, wo es noch verwendet wurde, durch Regierungsverfügung offiziell abgeschafft und durch /Geldstrafe/ ersetzt. 2. Die Arbeiten hatten u. a. auf die folgende Frage eine Antwort zu suchen: Welche Konkurrenz- bzw. Dominanzverhältnisse sind zu Beginn und am Ende der untersuchten Zeitspanne zu beobachten, und welchen Stand haben die Ausgleichsprozesse um 1730 als dem Endpunkt der Untersuchung erreicht? Die Antwort bezieht sich auf die untersuchten Konkurrentengruppen und ist daher nicht ohne weiteres zu verallgemeinern. Im 1. Untersuchungszeitraum zeigen sich in den meisten der untersuchten Konkurrentengruppen starke landschaftliche Unterschiede. Ausgenommen sind die Bezeichnungen für den Bauern und für den abhängigen Handwerker nach Abschluß der Lehrzeit. Die Konkurrenten dieser beiden Gruppen gelten, von wenigen Ausnahmen in der Gruppe 'Bauer' abgesehen, im ganzen deutschen Sprachgebiet. Bei den Bezeichnungen für den Bauern dominiert allgemein /Bauer/. In der Konkurrentengruppe 'abhängiger Handwerker nach Abschluß der Lehrzeit' herrscht fast im ganzen Sprachgebiet /Knecht/ vor; eine Ausnahme bildet das Ostmitteldeutsche, wo bereits /Geselle/ über /Knecht/ dominiert. Der moderne Wortgebrauch ist im 1. Zeitraum in keiner der untersuchten Konkurrentengruppen erreicht, am nächsten kommt ihm die Gruppe 'Bauer'. Im 2. Untersuchungszeitraum ist der Ausgleichsprozeß so weit fortgeschritten, daß in der Mehrzahl der untersuchten Konkurrentengruppen 1 Wort im ganzen deutschen Sprachgebiet als umfassender, normalsprachlicher Avisdruck für den gemeinten Begriff vorherrscht; daneben sind jedoch in allen Fällen weitere Bezeichnungen in Gebrauch. Im Verhältnis der Bezeichnungen zueinander macht sich - verglichen mit dem 1. Untersuchungszeitraum - eine fortgeschrittene semantische oder stilistische Differenzierung bemerkbar. Beispielsweise werden neben /Geselle/ mit Beschränkung auf bestimmte Handwerksarten /Knecht/ (im Bäcker-, Brauer-, Fleischer-, Schuhmacher-, Müller-
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handwerk) und /Knappe/ (im Bergbau und Textilgewerbe) verwendet; oder es wird neben dem Wort /Bauer/, das - im Zusammenhang mit der Zweiten Leibeigenschaft in den Gebieten östlich der Elbe - eine Abwertung erfahren hat, die aufwertende Bezeichnung /Landwirt/ neu gebildet (zuerst 1720 belegt), die vor allem den gutsituierten, in der Landwirtschaft besonders versierten Bauern bezeichnet. Nicht selten haben die neben dem dominierenden Wort vorhandenen Bezeichnungen landschaftlich begrenzte Geltung, wie z. B. die Ausdrücke für 'Strafe' zeigen: neben.dominierendem /Strafe/ sind /Brüche, Wette, Wandel/ und / F r e v e l / nur landschaftlich bezeugt. Zum Teil gehen das Österreichische und Schweizerdeutsche besondere Wege. So gilt statt /Makler/ im Österreichischen /Sensal/, im Schweizerdeutschen /Unterkäufer/; statt /Advokat/ dominiert in der Schweiz /Fürsprech/. - In den Konkurrentengruppen 'Bäcker', 'Fleischer' und 'Tischler' gibt es im 2. Untersuchungszeitraum kein im ganzen deutschen Sprachgebiet vorherrschendes Wort. Besonders die Bezeichnungen für den Fleischer und Tischler sind landschaftlich gebunden. - In den meisten Wortgruppen ist die Zahl der Konkurrenten gegenüber dem 1. Untersuchungszeitraum zurückgegangen. Im P r o zeß der Durchsetzving eines im ganzen deutschen Sprachgebiet literatursprachlich dominierenden Wortes sind insbesondere solche Wörter als Konkurrenten ausgeschieden, die schon im 1. Zeitraum schwach bezeugt oder nur landschaftlich begrenzt in Gebrauch waren. Zum Teil ist der Untergang eines Wortes auf außersprachliche, gesellschaftliche Veränderungen direkt zurückzuführen, vgl. z.B. /Gebauer/ (im folgenden S. 318) oder /Kontormacher, Kistenmacher/, die auf Grund von Strukturveränderungen im Tischler handwerk außer Gebrauch kommen. /Kontormacher/ bezeichnete hauptsächlich einen Kunsttischler der Hansestädte (Hamburg, Lübeck). In Hamburg wurde das Amt, d.h. die Zunft der Kontormacher um 1600 aufgelöst; in Lübeck schlössen sich Kistenmacher und Schnittger im frühen 17. Jahrhundert zusammen. Nicht selten ist der Rückgang eines Wortes in einer Konkurrentengruppe durch Polysemie begünstigt; z.B. ist/Kaufmannschaft/ als Bezeichnung für 'Ware' im 2. Untersuchungszeitraum bedeutungslos geworden, im Sinne von 'Handel' und 'Gesamtheit der Kaufleute' jedoch noch in Gebrauch. Es zeigt sich hier die Tendenz der Bedeutungsdifferenzierung zwischen den Konkurrenten, die zum Ausscheiden eines Wortes aus der.betreffenden Gruppe führen kann.
3. Welche Rolle spielten die Sprachlandschaften bei den Ausgleichsprozessen? Diese F r a ge ist unterschiedlich zu beantworten. Während die Landschaften bei den Bezeichnungen für den Bauern, die, von Ausnahmen abgesehen, im ganzen deutschen Sprachgebiet v e r breitet sind, keine nennenswerte Bedeutung haben, bleibt die landschaftliche Gebunden-
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heit der Bezeichnungen für 'Bäcker', 'Fleischer', 'Tischler' lange erhalten, doch werden Tendenzen überlandschaftlicher Vereinheitlichung wirksam. Dabei ist das Ostmitteldeutsche - allein oder in Verbindung mit anderen Landschaften - von Bedeutung, z . B . als Ausgangslandschaft für /Fleischer/. Die Bedeutung des Ostmitteldeutschen für die Ausbildung eines für das ganze deutsche Sprachgebiet einheitlichen Wortgebrauchs zeigt sich auch im Gebrauch der Gruppe /Geselle, Knecht, Knappe/, der hier - mit der frühen Beschränkung von /Knecht/ und /Knappe/ auf bestimmte Handwerksarten - bereits im 1. UntersuchungsZeitraum im wesentlichen dem Stand entspricht, der allgemein erst im 2. Zeitraum erreicht wird; schon im 1. Untersuchungs Zeitraum ist /Knecht/ ostmitteldeutsch - neben dominierendem /Geselle/ - nur noch im Bäcker-, Brauer-, Fleischer-, Schuhmacher-und Müllerhandwerk gebräuchlich. /Knapppe/ ist auf das Textilgewerbe und den Bergbau, die strukturbestimmenden Handwerke des ostmitteldeutschen Raumes, eingeschränkt. Wenn das Ostmitteldeutsche in der Entscheidung für ein Wort mit anderen Landschaften zusammengeht, so hat dieses Wort die besten Aussichten, sich durchzusetzen. Das ist z.B. bei /Ware/ der Fall, das zuerst nieder ländisch/niederdeutsch, dann ostmitteldeutsch verwendet wird und sich danach in den übrigen hochdeutschen Großlandschaften durchsetzt. Die durch die geographische Lage begünstigte Rolle des Ostmitteldeutschen als Mittler zwischen Norden und Süden wird außer bei /Ware/ z. B. auch im Falle von /Pranger/, das aus dem Mittelniederdeutschen kommt, und /Makler/, das niederländischer Herkunft ist, deutlich. Beide Wörter sind hochdeutsch zuerst im Ostmitteldeutschen bezeugt. Hinsichtlich der kaufmännischen Lexik spielen der Norden und der Süden in den Ausgleichsprozessen eine große Rolle. Sowohl nördliche (/Ware, Makler/) als auch südliche Bezeichnungen (z.B. /bar/ im Sinne von 'bares Geld') setzen sich, ausgehend vom niederdeutschen und oberdeutschen kaufmännischen Wortschatz, durch. Auch für die literatursprachliche Verbreitung von Rechtsausdrücken ist der Süden in der untersuchten Zeitspanne von Bedeutving. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang etwa die Geltung des im wesentlichen durch die kaiserliche Kanzlei gestützten 'gemeinen Deutsch', der Einfluß der Carolina - der peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V. - sowie die Bedeutung des Reichskammergerichts und seiner am römisch-kanonischen Prozeß orientierten Ordnung für das Gerichtswesen im Reich. Im Falle der Konkurrentengruppe 'Strafe' bahnt sich der moderne Stand am frühesten im Ostoberdeutschen an, von hier aus setzt sich die Bezeichnung /Strafe/ offenbar infolge des großen Einflusses der kaiserlichen Kanzlei und, damit verbunden, des 'gemeinen Deutsch' durch. Eine ähnliche Entwicklung nimmt zunächst /Redner/ (= Fürsprecher), es wird dann jedoch in dieser Verwendung durch die mit der Rezeption des römischen Rechts sich ausbreitenden Berufsbezeichnungen /Prokurator/ und /Advokat/ zurückgedrängt. /Advokat/ ist im Sinne des 'vor Gericht auftretenden Rechtskundigen, des forensischen Redners' zu-
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nächst vor allem westoberdeutsch bezeugt. Auch die ursprünglich aus dem Niederdeutschen stammende Bezeichnung / P r a n g e r / wird hauptsächlich vom Oberdeutschen her, durch ihren Gebrauch in der Carolina, verbreitet. Dagegen hat sich /Vormund/ als Rechtswort in der heutigen Bedeutung vom Norden her durchgesetzt. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß nach unseren Ergebnissen nicht eine Landschaft allein, z.B. das Ostmitteldeutsche, die überragende Rolle bei den Ausgleichsprozessen gespielt hat, sondern daß verschiedene Landschaften - auf Grund bestimmter (ökonomischer, politischer) Voraussetzungen - wirksam geworden sind, daß aber dem Ostmitteldeutschen, auf Grund seiner zentralen Lage und seiner Eigenart als Mischlandschaft, eine bedeutende sprachliche Mittlerrolle nicht abgesprochen werden kann. Der Westen des deutschen Sprachgebietes zeigt dagegen z . T . stärker beharrenden Charakter; so hält z.B. das Ripuarische bei den Bezeichnungen für 'Makler' und 'bar' länger an den heimischen Ausdrücken /Unterkäufer/ und /gereit/ fest. Grundsätzlich ist noch festzustellen, daß unsere im wesentlichen auf lautlichen Kriterien beruhende Einteilung des deutschen Sprachgebietes in 7 Großlandschaften die wortgeographischen Verhältnisse nicht abdeckt. Während z.B. /Fleischer/ im 1. Untersuchungszeitraum in den Grenzen des ostmitteldeutschen Gebiets verbreitet ist, zeigen die übrigen in unseren Arbeiten behandelten Bezeichnungen eine Verbreitung, die in der Regel nicht an der großlandschaftlichen Gliederung orientiert ist; sie greifen über die Grenzen der Großlandschaften hinaus und können dann zwei oder mehr Landschaften umfassen, wobei z.B. das ganze niederdeutsche Gebiet (so im Falle von / r e d e / in der Bedeutung 'bar' oder /Brüche/ als Bezeichnung für 'Strafe') oder das ganze hochdeutsche Gebiet (/Fürsprech, Fürsprecher/ im 1. Zeitraum) als umfassendere Einheiten hervortreten können. Die vielfältigen Möglichkeiten der Verbreitung eines Wortes sind damit nur angedeutet. Bei kleinräumigerer Geltung der Konkurrenten kann eine Bezeichnung bisweilen nur in-einem Teil einer Großlandschaft vorkommen - z.B. /Tischmacher/ in der Schweiz als einem Teil des Westoberdeutschen, / L ä s t e r e r / , eine Bezeichnung des Fleischers, im obersächsischen Gebiet als einem Teil des Ostmitteldeutschen - oder in benachbarten Teilen zweier Großlandschaften, deren Grenze dann also wieder für den Wortgebrauch keine Rolle spielt; so ist z. B. /Metzler/ im rheinfränkischen Teil des Westmitteldeutschen und in einem Teil des Oberfränkischen gebräuchlich. Obgleich einerseits die von uns vorgenommene Einteilung des deutschen Sprachgebiets in 7 Großlandschaften von der Verbreitung des Einzelwortes her oft als willkürlich e r scheinen muß, hatte sie andererseits doch den Vorzug, allen unseren Arbeiten als gemeinsame Grundlage für den Vergleich des Wortgebrauchs in den verschiedenen Teilen des deutschen Sprachgebietes zu dienen, und war insofern nützlich. Es konnte ohnehin nicht Aufgabe unserer Untersuchungen sein, eine generelle Neueinteilung des deutschen
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Sprachgebietes unter Gesichtspunkten der Lexik zu versuchen, aber die Problematik der Einteilung allein auf lautlicher Basis ist deutlich. Das Oberfränkische (= ostfränkisch und südfränkisch) nimmt in unserer Einteilung eine Sonderstellung ein; es ist als gesonderte Großlandscfiaft angesetzt. Die Untersuchungen ergaben, daß es mit den Nachbarlandschaften in enger Beziehung steht. Die Ansicht, daß es eine Art Mittelstellung zwischen dem Oberdeutschen und Mitteldeutschen hat, konnte z.B. anhand der Konkurrentengruppen'Fleischer' und 'Makler' bestätigt werden. Bei den Bezeichnungen für 'Fleischer' stimmt im 1. Untersuchungszeitraum der östliche Teil des Ostfränkischen mit /Fleischhacker/ zum Ostoberdeutschen, das Südfränkische und der westliche Teil des Ostfränkischen stellen sich mit /Metzler/ zum rheinfränkischen Teil des Westmitteldeutschen. Ähnlich sind die Verhältnisse im 1. Zeitraum bei den Bezeichnungen für 'Makler'. Das östliche Ostfränkische (Nürnberg) hat wie das Ostoberdeutsche /Unterkäufel/, das westliche Ostfränkische (Würzburg) und das Südfränkische haben /Unterkäufer/ und stimmen damit im wesentlichen zum Westmitteldeutschen, das vorwiegend /Unterkäufer/, seltener /Makler,/ benutzt. 4. Welchen Anteil an den Ausgleichsprozessen als Voraussetzving für die Herausbildung einer nationalen Norm hatten die verschiedenen Schichten des deutschen Volkes? Um Rückschlüsse auf die Bedeutung bestimmter sozialer Schichten für die Durchsetzung eines Wortes oder Wortgebrauchs in der Literatursprache ziehen zu können, mußten insbesondere Beobachtungen zum Auftreten der Wörter in den verschiedenen Literaturgattungen gemacht werden, wozu unser Quellenkorpus und Belegmaterial auf Grund seiner Vielschichtigkeit in besonderem Maße Gelegenheit bot. Beispielsweise begegnen Handelswörter zuerst in Fachtexten (kaufmännischen Urkunden, Fachbüchern) und werden dann von anderen literarischen Gattungen übernommen. Hierin spiegelt sich der Prozeß ihrer literatursprachlichen Verbreitung wider. Insbesondere hatte das Bürgertum, die im Frühkapitalismus aufsteigende Klasse, ein - ökonomisch begründetes - Interesse an der Vereinheitlichung des Wortgebrauchs» In der sprachhistorischen Literatur ist vor allem auf die Bedeutung der Buchdrucker und Kaufleute wiederholt hingewiesen worden. Daß Handel und Warenverkehr eine wichtige Rolle gespielt haben, kann auf Grund unserer Untersuchungen bestätigt werden. Großhandelsräume prägen sich sprachlich aus, z . B . in der relativ deutlichen landschaftlichen Dreiteilung der Bezeichnungen für' den Makler im 1. Untersuchungszeitraum: /Makler/ herrscht im Norden, wo es durch die Hanse verbreitet wurde, /Unterkäufer/ im Rhein-Main-Gebiet, /Unterkäufel/ im Donauraum und bis ins östliche Ostfränkische (Nürnberg). Als Mischlandschaft tritt vor allem das Ostmitteldeutsche her-
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vor, wo gleichermaßen /Makler/ und /Unterkäufer/ in Gebrauch sind. Der fortschreitende Ausbau eines großräumigen Netzes von Wirtschaftsbeziehungen fördert die Ausbildung eines einheitlichen Handelswortschatzes. In den behandelten Konkurrentengruppen dominieren /Ware/ und / b a r / im 2. UntersuchungsZeitraum in allen Landschaften eindeutig, während im 1. Zeitraum noch starke landschaftliche Unterschiede zu beobachten sind. An der mit der frühkapitalistischen Entwicklung ursächlich zusammenhängenden Re zeption des römischen Rechts als eines geschriebenen, allgemein geltenden Rechts hatte neben dem Territorialfürstentum vor allem das Bürgertum, insbesondere der Juristenstand, entschiedenen Anteil. Zunehmend verlangte es die Anwendung der Prinzipien des römischen Rechts. In den Städten reformierte es das geltende Recht in diesem Sinne. Damit förderte es objektiv - über Veränderungen des Überbaus, die die Durchsetzung bestimmter Ausdrücke im ganzen deutschen Sprachgebiet zur Folge hatten - Vereinheitlichungstendenzen in einem Teilbereich des literatursprachlichen Wortschatzes. In der Konkurrentengruppe 'Advokat' finden speziell die Wandlungen im P r o zeßwesen ihren sprachlichen Ausdruck. Mit der Rezeption des spätmittelalterlichen römisch-kanonischen Verfahrens, für das u.a. die Teilung der prozessualen Sachwalterschaft in Prokuratur und Advokatur charakteristisch war und das, z.T. modifiziert, in Deutschland durchdrang, nahm der Einfluß römisch-rechtlich gebildeter Juristen im Gerichtswesen des Reichs zu, während die Bedeutung der ungelehrten Gerichte zurückging. Die Funktion des im mittelalterlichen deutschen Gerichtsverfahren heimischen Fürsprechers wurde im Rahmen des rezipierten Prozesses vom Prokurator mit übernommen. Die Berufsbezeichnungen /Prokurator/ und /Advokat/ setzten sich im Gebiet des Römischen Reichs deutscher Nation allgemein durch, während die zahlreichen Bezeichnungen des Fürsprechers, /Fürsprech, Redner, Fürleger, Teidingsmann, Worthalter/ und andere, die entsprechend dem territorial zersplitterten Charakter des deutschen Rechts überwiegend landschaftlich gebunden waren, zurücktraten. Auch der Sprachgebrauch des Feudaladels und seiner Institutionen, z. B. der Kanzleien, konnte ausschlaggebend sein für die Richtung, in der die Vereinheitlichung des Iiteratursprachlichen Wortgebrauchs erfolgte, wie sich am Beispiel der Bezeichnungen für 'Strafe' und 'Pranger' nachweisen läßt (vgl. S. 314 f.). Den Einfluß handwerklicher Lohnarbeiter auf die Ausgleichsprozesse zeigt die Untersuchung der Konkurrenten für den abhängigen Handwerker nach Abschluß der Lehrzeit. Im Zuge der Ausbildung frühkapitalistischer Produktionsverhältnisse entstanden Keime einer neuen Klasse: die handwerklichen Lohnarbeiter, und es entstand das Bedürfnis, diese Lohnarbeiter einheitlich zu bezeichnen. Eine besondere Rolle bei der Durchsetzung einer einheitlichen Bezeichnung spielten die handwerklichen Lohnarbeiter selbst. Ihre Vereinigungen, die Gesellenverbände, blühten im 15. Jahrhundert auf und
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gewannen an Bedeutung. Zwischen ihnen und den Zünften und Stadträten kam es während des 1. UntersuchiuigsZeitraums im wirtschaftlich hochentwickelten Südwesten zu den heftigsten Auseinandersetzungen. Hierbei traf auch ein unterschiedlicher Wortgebrauch aufeinander. Während in den Gesellenverbänden /Geselle/ gebräuchlich war das Wort ist ursprünglich eine Mitgliederbezeichnung -, hielten die Zunftmeister und Stadträte zunächst noch überwiegend an dem Ausdruck /Knecht/ fest. Diesen Gegensatz spiegeln einerseits die Gesellendokumente und andererseits die Zunft- und Stadturkunden wider. Aber noch während des 1. Untersuchungszeitraums setzte sich / G e selle/ als Bezeichnung des abhängigen Handwerkers nach Abschluß der Lehrzeit auch in den Dokumenten der Zünfte, Stadträte und des Reichs immer mehr durch. Die von den erstarkenden Gesellenverbänden ausgehende Bezeichnung kam, abgesehen von bestimmten Handwerks zweigen, allgemein zur Geltung. Im mündlichen Gebrauch wurde Sie vor allem durch wandernde Handwerker verbreitet. Die Zünfte, die im Handwerk Jahrhunderte hindurch die entscheidende Rolle spiel"ten, wirkten konservierend im Bereich der handwerklichen Berufsbezeichnungen. Als lokale Vereinigungen hielten sie an den lokalen Berufsbezeichnungen fest und hemmten auf diese Weise den Uberlandschaftlichen Ausgleich. Noch heute ist die landschaftliche Gebundenheit der Bezeichnungen z.B. für den Fleischer und den Tischler nicht ganz Uberwunden. Mit der Gliederimg der Zünfte, die die starke Differenzierung in den einzelnen Handwerken sowie die Unterscheidung von zünftigen und nichtzünftigen Handwerkern aufrechterhielten, hing die Vielzahl der verwendeten, z.T. semantisch differenzierenden, Berufsbezeichnungen zusammen. Erst mit dem Ende der strengeren Zunftgesetzgebung (1731) trat hier ein Wandel ein, der eine Verminderung der Bezeichnungen, z.B. für den Fleischer, zur Folge hatte und Fortschritte in bezug auf den überlandschaftlichen Ausgleich ermöglichte. Beispielsweise hatte es neben /Fleischer, Metzger, Schlachter/ u.a. noch/Geisler, Küter/ und / L ä s t e r e r / gegeben, Bezeichnungen für nichtzünftige bzw. innerhalb des Zunftsystems an untergeordneter Stelle stehende Gruppen von Fleischern, die - aus Gründen der Unterbindung von Konkurrenz in ihrer Berufsausübung bestimmten Beschränkungen unterlagen. Diese Bezeichnungen kamen nun infolge der Wandlungen im Zunftwesen ab. Der Einfluß gesellschaftlicher Faktoren ist auch in der Entwicklung der Bezeichnungen für den Bauern deutlich; z.B. kam die Kollektivbildung /Gebauer/, die vermutlich auf die gemeinsame Nutzung der Mark durch die Mitglieder der Dorfgemeinschaft zurückgeht, außer Gebrauch, da sie unter den veränderten Bedingungen im Feudalismus gegenstandslos geworden war. Die jüngsten Belege finden sich um die Mitte des 16. Jahrhunderts im Ostmitteldeutschen, also im Kolonialgebiet, wo die Siedler noch nach dem Markrecht angesiedelt worden waren, das in ihrer ursprünglichen Heimat bereits stark beeinträchtigt war.
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5. In gewissem Umfang spielen auch innersprachliche (im Sprachsystem begründete) Faktoren bei den Ausgleichsprozessen eine Rolle, so z. B. bei der Durchsetzung der Bildung /Bäcker/ (die dem geläufigen Typ der Nomina agentis a u f / - e r / angehört) gegen /Beck/. Psychische Faktoren kommen mit ins Spiel, wenn eine Wortbildung auf Grund ihrer besseren Motiviertheit das Übergewicht erlangt, so /Fleischer/ gegenüber den Bezeichnungen /Metzger, Schlachter/ (die einseitig, nur von der Tätigkeit des Schlachtens her motiviert sind), oder wenn sich aus sprachökonomischen Gründen z. B. ein Simplex gegen ein Kompositum, ein monosemes Wort gegen ein polysemes (Beispiel: /Ware/ gegenüber /Kaufmannschaft/, das außer 'Ware' auch 'Handel' und Gesamtheit der Kaufleute' bedeutete) durchsetzt. 6. Wie verhält sich der um 1730 erreichte Stand zum Sprachgebrauch in der Gegenwart? In allen von uns untersuchten Konkurrentengruppen sind seit 1730 noch gewisse Veränderungen eingetreten. Das um 1730 in allen Großlandschaften dominierende Wort herrscht aber im allgemeinen auch in der Gegenwartssprache (/Bauer, Ware, bar, Strafe/). Außerdem konnte in den Gruppen, in denen um 1730 noch keiner der Konkurrenten in allen Großlandschaften dominierte, die Bezeichnung, die den größten Einzelanteil am Belegmaterial ihrer Gruppe hatte, ihre Vorrangstellung im allgemeinen festigen und ausbauen (/Fleisdi er, Tischler, Makler/; /Bäcker/ herrscht heute unangefochten in der Literatursprache). Anders liegt es allerdings in den folgenden Fällen. /Kram/ im Sinne von 'Kleinhandelsartikel' ist mit dem Rückgang seiner ganzen Konkurrentengruppe zugunsten von /Ware/ und Komposita (z.B. /Galanterie-, Kurz-, Eisen-, Grünwaren) zurückgetreten. Statt /Advokat/ dominiert heute - auf Grund bewußten Eingriffs in die Sprachentwicklung (s. S. 312) -/(Rechts)anwalt/. /Geselle/ gilt vor allem noch in der BRD, in der DDR ist /Facharbeiter/ die offizielle Bezeichnung; hier wird also in diesem Punkt zwischen Handwerk und Industrie nicht unterschieden. Zusammenfassend ist zu sagen, daß sich in den meisten der von uns untersuchten Konkurrentengruppen die jüngeren Veränderungen zugunsten des um 1730 bevorzugten Wortes vollzogen haben. Der um 1730 erreichte Zustand wurde also im allgemeinen nicht grundsätzlich geändert, sondern weiterentwickelt und stabilisiert. Ein Bestreben nach semantischer oder stilistischer Differenzierung zwischen den Konkurrenten ist deutlich, so etwa zwischen /Strafe/ und /Buße/ (/Buße/ bezeichnet nur noch die Geldstrafe) oder zwischen /Anwalt/ und /Advokat/. /Advokat/ ist heute in der IAteratursprache - außer in Österreich und der Schweiz - als stilistisch neutraler
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Ausdruck für ' (Rechts)anwalt' und speziell als amtliche Bezeichnung nicht mehr gebräuchlich. Doch begegnet es in historisierendem Stil (bei Behandlung historischer Stoffe) oder in bestimmten Wendtingen, z.B. /schreiben wie ein Advokat/, die auch in mundartlicher Rede noch vorkommen. - Die Zahl der Konkurrenten in den von uns untersuchten Gruppen ist allgemein zurückgegangen, z.T. als Ergebnis eines semantischen Differenzierungsprozesses; z.B. ist /Knecht/ als Bezeichnung für den ' abhängigen Handwerker nach Abschluß der Lehrzeit' ausgeschieden, in anderer Bedeutung jedoch bekannt ('Abhängiger, Unfreier', veraltend ' männliche Person, die auf einem Bauernhof in einem Arbeitsverhältnis steht und die niederen, schweren Arbeiten v e r richtet' WDG 3, 2127^. Entsprechendes gilt etwa für /bereit/ im Sinne von 'bar' oder für /Wette/ als Bezeichnung für 'Strafe'. Andere Wörter leben nur mundartlich fort, z. B. eine Reihe von Bezeichnungen für den Fleischer und den Tischler (u. a. /Metzler, Fleischhacker; Tischer, Tischmacher, Kistler, Schnittger/), oder sind untergegangen. Die Ursachen hierfür können in der geringen Gebräuchlichkeit, aber auch in gesellschaftlichen Wandlungen (so bei /Geisler, Küter, Lästerer/ in der Konkurrentengruppe 'Fleischer', vgl. S.
318) zu suchen sein; /Brüche/ wurde als Bezeichnung für
'Strafe' administrativ außer Gebrauch gesetzt. In der Mehrzahl der untersuchten Konkurrentengruppen herrscht in der Literatursprache der Gegenwart 1 Wort im gesamten Untersuchungsgebiet (von einzelnen Besonderheiten Österreichs und der Schweiz abgesehen), aber bei den Bezeichntingen für 'Fleischer' und 'Tischler' sind noch stärkere landschaftliche Unterschiede vorhanden. In jüngster Zeit unterliegt der Wortschatz auf Grund ökonomischer, gesellschaftlicher und politischer Veränderungen - einer stärkeren Wandlung. Als Beispiel seien die Bezeichnungen für den Bauern genannt. Mit der fortschreitenden Technisierung und Spezialisierung in der Landwirtschaft sowie dem Übergang zu kollektiven Wirtschaftsformen in der DDR sind grundlegende Veränderungen des bäuerlichen Berufsbildes verbunden, die einen Wandel in der Bezeichnungsweise zur Folge haben. Neubildungen sind z.B. /Agrotechniker/ und /Zootechniker/. Zahlreiche spezielle Berufsbezeichnungen zeugen von einer Vielzahl landwirtschaftlicher Lehrberufe. /Bauer/ bleibt jedoch als Klassenbezeichnung in seiner Geltung uneingeschränkt. Wandlungen sind in neuester Zeit auch am Beispiel /Geselle/ und /Facharbeiter/ zu beobachten. Es werden teilweise Differenzierungen deutlich, die Ausdruck unterschiedlicher gesellschaftlicher Verhältnisse in der BRD und der DDR sind.
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Quellenverzeichnis Ve.r z e i c h n i s
der für alle Teilthemen systematisch exzerpierten Quellen
(Titel von Quellen, die zusätzlich über das Archiv des DWB oder WDG herangezogen wurden, sind mit o gekennzeichnet.) Abel, Caspar: Des berühmten Poeten Nicolai d'Espreaux Boileau, Satyrische Gedichte . . . aus dem Frantzösischen in Teutsche Verse übers. Goslar 1729-32. 2 Bde. Abele v. Lilienberg, Matthias: Vivat oder so genannte künstliche Unordnung. Bd. 2: Nürnberg 1670. Bd. 3: 1671. Abraham a S. Clara: Etwas für Alle. Das ist: Eine kurtze Beschreibung aller ley Stands- Ambts- und Gewerbs-Persohnen. Würzburg 1699-1711. 2 Bde. Abschatz, Hans Aßmann Frhr. v . : Anemons und Adonis Blumen. Hg. v. G. Müller. Halle/S. 1929. (= HND 274-277). Ä m t e r b u c h : Das Marienburger Ämterbuch. Hg. v. W. Ziesemer. Danzig 1916. - Das grosse Ämterbuch des Deutschen Ordens. Hg. v. W. Ziesemer. Danzig 1921. o Agrícola, Johann: Sybenhundert vnd Fünfftzig Teütscher Sprichwörter. Hagenau 1534. A k t e n : Akten zur Geschichte des Bauernkrieges in Mitteldeutschland. Bd. 2. Unter Mitarb. v. G. Franz hg. v. W. Fuchs. Jena 1942. •- Akten zur Geschichte der Verfassung und Verwaltung der Stadt Köln im 14. und 15. Jahrhundert. Bearb. v. W. Stein. Bd. 1-2: Bonn 1893-95. - Acten der Ständetage Preussens, Königlichen Anteils (Westpreußen). Hg. v. F. Thunert.. Bd. 1 (1466-1479): Danzig 1896. - Acten der Ständetage Preussens unter der Herrschaft des Deutschen Ordens. Hg. v. M. Toeppen. Bd. 5: Leipzig 1886. Der getreue A m t - M a n n oder Unterricht Eines guten Hauß-Halters. Riga 1696. oWissenschaftliche A n n a l e n . Hg. v. H. Wittbrodt. Bd. 5: Berlin 1956. Anzeiger für Kunde der teutschen Vorzeit. Hg. v. F. J. Mone. o Bd. 7: Karlsruhe 1838. Bd. 8: 1839. Sp. 285-290. (= Verbindung d. Schneiderzünfte in 14 mittelrhein. Städten). Apianus, Petrus: Newe vnd wolgegründte vnderweisung aller Kauffmanns Rechnung. Frankfurt/M. 1580. Ayrer, Jakob, d. Ä.: Dramen. Hg. v. A. v. Keller. Bd. 1: Stuttgart 1865. (= LV 76). Niederdeutsche B a u e r n k o m ö d i e n des siebzehnten Jahrhunderts. Hg. v. H. Jellinghaus. Tübingen 1880. (= LV 147). B a u e r n k r i e g : Franz, Günther, Der deutsche Bauernkrieg. Aktenband. München, Berlin 1935. Fränkische B a u e r n w e i s t ü m e r . Ausgew. Texte. Hg. v. K. Dinklage. Würzburg 1954. Bedencken von Manufacturen in Deutschland. Jena 1683. Beer, Johann: Die Geschieht und Histori von Land-Graff Ludwig dem Springer. Hg. v. M. Bircher. München (1967). - Kurt zwei Ii ge Sommer -Täge. Abdr. d. einzigen Ausg. (1683). Hg. v. W. Schmitt. Halle/S. 1958. (= HND 324). Beier, Adrian: Allgemeines Handlungs- Kunst- Berg- und Handwercks-Lexicón. . . Zum Druck befördert Durch F. G. Struven. Jena 1722.
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Speziallliteratur und Nachschlagewerke
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Abkürzungsverzeichnis Im folgenden werden nur die in den Zittertiteln und im Literaturverzeichnis verwendeten Abkürzungen aufgeführt. Von den Ausgabenbezeichnungen - im Zitiertitel nach der Seitenzahl angegeben sind nur die öfters wiederkehrenden Siglen der Reihenbezeichnungen aufgenommen worden. Die in der Regel auf den ersten Buchstaben abgekürzten Namen der Herausgeber sind mit Hilfe des Quellenverzeichnisses aufzulösen. Die Abkürzungen gelten auch für die Pluralformen und für alle flektierten Formen. (Von Abkürzungen im Text der Abhandlungen wird mit Zurückhaltung Gebrauch gemacht; wo sie verwendet werden, entsprechen sie den in der Sprachwissenschaft üblichen bzw. den im Großen Duden [Leipz. l f h974] g. 561.571 aufgeführten Festlegungen). A ADB ält. Ak. a 11g. Anm. Anz. Arch. ATB* ausgew. austr. B. b. bearb. Bearb. Beitr. Ber. Beri. bes. fieschr. Bibl. BMZ Br. brand. Braunschw. Büchl. Chr. Cod. Corp. d. d.Ä. Denkm. Denkw. Diet. dipi. DLD DLE Dok. (Doc.) Dortm.
Anfang (vor Belegdatum) Allgemeine Deutsche Biographie. Leipzig 1875 - 1912 älter Akademie (als Ausgabenbezeichnung) allgemein Anmerkung Anzeiger Archiv Altdeutsche Textbibliothek ausgewählt austriacus Buch -berg, -bürg (in Ortsnamen) bearbeitet Bearbeitung Beitrag Bericht Berlin besorgt Beschreibung Bibliothek Mittelhochdeutsches Wörterbuch von Benecke, Müller, Zarncke Brief brandenburgis ch Braunschweig Büchlein Chronik Codex Corpus der, die, das der Ältere Denkmal Denkwürdigkeit Dictionarium diplomaticus Deutsche Literaturdenkmale des 18. und 19. Jahrhunderts Deutsche Literatur in Entwicklungsreihen Dokument Dortmund
AbkUrzungsverzei Chilis
349
Dr. Dresd. DRW dt., Dtld. DTM Düsseid. urchges. DWB (2DWB)
Drama; Druck Dresden Deutsches Rechtswörterbuch deutsch, Deutschland Deutsche Texte des Mittelalters Düsseldorf durchgesehen Deutsches Wörterbuch v. J . Grimm und W. Grimm (Neubearbeitung)
E. eingel. Enzykl. Epigr. Erf., erf. erg. Eriirn. Erl. erl. erw. et.
font. Forsch. Frankf./M. Frankf./O.
Ende (vor Belegdatum) eingeleitet Enzyklopädie Epigramm Erfurt, erfurtisch ergänzt Erinnerung Erlangen erläutert erweitert etymologisch für folgende Seite (Seiten) Faksimile (als Ausgabenkennzeichnung) Französisches Etymologisches Wörterbuch, hg. von v. Wartburg fontes Forschung Frankfurt am Main Frankfurt an der Oder
Ged. Geogr. ges. Gesch. Gl. Gött. Greifsw.
Gedicht Geographie gesammelt Geschichte Glossar, Glosse Göttingen Greifs wald
-h. H. H. Hann. Hdwb. hg. Hist., hist. HND
-heim (in Ortsnamen) Hälfte (bei Zeitangaben) Heft Hannover Handwörterbuch herausgegeben Historie, historicus, historisch Neudrucke deutscher Literaturwerke des XVI. und XVII. Jahrhunderts (Halle) holsteinisch Handwörterbuch zur deutschen Rechts ges chichte Handschrift, Handschriften Herzogtum
i
f. f. (ö.) Faks. FEW
holst. HRG Hs., Hss. Hzgt. Id. Jb. Jh. jur.
Idiotikon Jahrbuch Jahrhundert juris
350
Abkiir zunge Verzeichnis
Kde. kl. Konst. Korr. krit.
Kunde klein Konstanz Korrespondenz kritisch
-1. lat. Leipz. Lex. Lfg. Lit. Lüb. LV
-lieh lateinisch Leipzig Lexikon Lieferung Literatur Lübeck Bibliothek des Literarischen Vereins in Stuttgart
M Ma. Magdeb, mal. Mda. mdal. MGH Mitt. Mon.
Mitte (vor Belegdatum) Mittelalter Magdeburg mittelalterlich Mundart mundartlich Monumenta Germaniae histórica Mitteilung Monument(um)
n n. Ncl. nd. Ndr. N.F.
nach (vor Belegdatum) neu Nomenciator niederNeudruck Neue Folge
ob. obfrk. ODS Ökon., ökon. öst. omd. ond. oobd. Or. Ordn. OSS
oberober fränkisch Ordbog over det danske sprog Ökonomie, ökonomisch österreichisch ostmitteldeuts ch ostniederdeutsch ostoberdeutsch Original Ordnung Ordbok över svenska spraket
päd. PBB (H), PBB (T)
Qu.
pädagogisch Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur, begründet von Paul und Braune; ab 1955 unterschieden durch (H) = Halle/S., (T) = Tübingen Philologie, philologisch Philosophie politisch Publikation Quelle
Ref. rer. rip. Rom. Rost.
Reformation rerum ripuarisch Roman Rostock
Philol., philol. Fhilos. polit. Publ.
Abkür zungsver zei chnis
Script, (rer.) Sp. Spr. steir. Stud. s. v.
siehe Sammlung Satire, satirisch Schrift schweizerisch Scriptores (rerum) Spiel Sprache steirisch Studie sub voce
T.,Tle. t. Tgb. The ol. Thür., thür. TND TSM Tüb.
Teil, Teile teutsch Tagebuch Theologie Thüringen, thüringisch Neudrucke deutscher Literatur (Tübingen) Texte des späten Mittelalters Tübingen
u übers. übertr. Unter r. Unters. Urk. Urkb.
um (vor Belegdatum) übersetzt übertragen Unterricht Untersuchung Urkunde Urkundenbuch
v v. Var. Ver. verb. Verf. Vers. Voc. Vorr.
vor (vor Belegdatum) von Variante Verein verbessert Verfassung Versuch Vocabularius Vorrede
W. W. Wb. WDG Weist, westf. Wiss., wiss. wmd. WND wnd. WNT wobd.
Weimar (als AusgabenbeZeichnung) Werk Wörterbuch Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache Weistum westfälisch Wissenschaft, wissenschaftlich westmitte ldeuts ch Wiener Neudrucke westniederdeutsch Woordenboek der Nederlandsche Taal westober deuts ch Württemberg, württembergis ch
s. Samml. Sat., sat. Sehr. Schweiz.
Württ., württ. z.
ZfdA. ZfdB. ZfdPh. ZfdSpr.
zu, zum, zur Zeitschrift für Zeitschrift für Zeitschrift für Zeitschrift für
deutsches Altertum deutsche Bildung deutsche Philologie deutsche Sprache
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ZfdWf. ZfMdaf. z. J. Zs. Ztg. Zür.
Abkürzungsverzeichnis Zeitschrift für deutsche Wortforschung Zeitschrift für Mundartforschung zum Jahr (vor Belegdatum) Zeitschrift Zeitung Zürich
Bisher erschienen in dieser Reihe M. M. Guchmann:
D e r W e g zur deutschen Nationalsprache Teil I.
Berlin 1964. (Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen hg. von der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Institut für deutsche Sprache und Literatur. Band I)
Gerhard Kettmann: D i e kursächsische Kanzleisprache zwischen 1486 und 1546. Studien z u m A u f b a u und zur Entwicklung. Berlin 1967. (Veröffentlichungen des Instituts für deutsche Sprache und Literatur. Reihe B, Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen, Nr. 34) Emil Skala:
D i e Entwicklung der Kanzleisprache in Eger 1310 bis 1660.
Berlin 1967. (Veröffentlichungen des Instituts für deutsche Sprache und Literatur. Reihe B, Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen, Nr. 35)
Peter Suchsland: D i e Sprache der Jenaer Ratsurkunden. Entwicklung v o n Lauten und F o r m e n v o n 1317 bis 1525. Berlin 1968. (Veröffentlichungen des Instituts für deutsche Sprache und Literatur. Reihe B, Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen, Nr. 36) Wolfgang Fleischer:
Untersuchungen zur Geschäftssprache des 16. Jahrhunderts in Dresden.
Berlin 1970. (Veröffentlichungen des Instituts für deutsche Sprache und Literatur. Reihe B, Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen, Nr. 37) M. M. Guchmann:
D e r W e g zur deutschen Nationalsprache Teil II.
Berlin 1969. (Veröffentlichungen des Instituts für deutsche Sprache und Literatur. Reihe B, Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen, Nr. 40)
Joachim Schildt: D i e Ausbildung einer ostmitteldeutschen N o r m im Gebrauch lokaler Präpositionen. 1200 bis 1550. Berlin 1970. (ZISW, Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen, Nr. 44) Ernst Otto: D i e Sprache der Zeitzer Kanzleien i m 16. Jh. Untersuchungen z u m Vokalismus u n d K o n s o n a n t i s m u s . Berlin 1970. (Veröffentlichungen des Instituts für deutsche Sprache und Literatur. Reihe B, Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen, Nr. 45)
Studien zur Geschichte der deutschen Sprache. Berlin 1972. (ZISW, Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen, Nr. 49) Rudolf Bentzinger: Studien zur Erfurter Literatursprache des 15. Jh. an H a n d der Erfurter Historienbibel v o m Jahre 1428. Berlin 1973. (ZISW, Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen, Nr. 50)
Jutta Dresel: Das Funktionsfeld der temporalen Präpositionen im frühen Ostmitteldeutschen. 1200 bis 1550. Zwei Entwicklungsstufen der deutschen Sprache auf ihrem Weg zur Nationalsprache. Bertin 1972. (ZISW, Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen, Nr. 51)
M. M. Guchmann: Die Sprache der deutschen politischen Literatur in der Zeit der Reformation und des Bauernkrieges. Berlin 1974. (ZISW, Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen, Nr. 54)
Hannelore Winkler: Der Wortbestand von Flugschriften aus den Jahren der Reformation und des Bauernkrieges. Berlin 1975. (ZISW, Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen, Nr. 55)
Zur Ausbildung der Norm der deutschen Literatursprache auf der syntaktischen Ebene (1470 bis 1730). Der Einfachsatz. Unter Leitung von G. Kettmann und J. Schildt. Berlin 1976. (ZISW, Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen, Nr. 56/1)
Zur Ausbildung der Norm der deutschen Literaturansprache auf der lexikalischen Ebene (1470 bis 1730). Untersucht an ausgewählten Konkurrentengruppen. Unter Leitung von Joachim Dückert. Berlin 1976. (ZISW, Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen. Nr. 56/11)
Zur Ausbildung der Norm der deutschen Literatursprache auf der lexikalischen Ebene (1470 bis 1730). Untersucht an ausgewählten Konkurrentengruppen mit Anteilen slawischer Herkunft. Unter Leitung von Klaus Müller. Berlin 1976. (ZISW, Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen, Nr. 56/111)
Existenzformen germanischer Sprachen — soziale Basis und typologische Kennzeichen. Für die deutschsprachige Ausgabe ausgewählt und eingeleitet von J. Schildt. Berlin 1977. (ZISW, Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen, Nr. 57)
Zur Literaturspracne im Zeitalter der frühbürgerlichen Revolution. Untersuchungen zu ihrer Verwendung in der Agitationsliteratur. Unter Leitung von Gerhard Kettmann und Joachim Schildt. Berlin 1978. (ZISW, Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen, Nr. 58)
Zum Einfluß von Marx und Engels auf die deutsche Literatursprache. Studien zum Wortschatz der Arbeiterklasse im 19. Jahrhundert. Unter Leitung von Joachim Schildt. Berlin 1978. (ZISW, Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen, Nr. 59)