Zentralbegriffe des Umweltchemikalienrechts: Rechtsvergleichende Analysen und Vorschläge zur internationalen Harmonisierung [1 ed.] 9783428458677, 9783428058679


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German Pages 394 Year 1985

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Zentralbegriffe des Umweltchemikalienrechts: Rechtsvergleichende Analysen und Vorschläge zur internationalen Harmonisierung [1 ed.]
 9783428458677, 9783428058679

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M. KLOEPFER I K. BOSSELMANN

Zentralbegriffe des Umweltchemikalienrechts

Schriften zum Umweltrecht

Band4

Zentralbegriffe des Um weltchemikalienrechts Rechtsvergleicheode Analysen und Vorschläge zur internationalen Harmooisieruog

Von

Dr. iur. Michael Kloepfer o. Professor an der Universität Trier Mitglied des OVG Rheinland- Pfalz

und

Dr. iur. Klaus Bosselmann Rechteanwalt und wiss. Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin

DUNCKER & HUMBLOT / BERLIN

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Kloepfer, Michael: Zentralbegriffe des Umweltchemikalienrechts: rechtsvergleichende Analysen u. Vorschläge zur internat. Harmonisierung I von Michael Kloepfer u. Klaus Bosselmann. - Berlin: Duncker und Humblot, 1985. (Schriften zum Umweltrecht; Bd. 4) ISBN 3-428-05867-4

NE: Bosselmann, Klaus:; GT

Alle Rechte vorbehalten & Humblot GmbH, Berlln 41 Gedruckt 1985 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlln 61 Printed in Germany

© 1985 Duncker

ISBN 3-428-05867-4

Vorwort Grenzüberschreitende Umweltbelastungen durch Chemikalien sowie mögliche Handelshemmnisse aufgrundverschiedener nationaler Chemikalienrechte haben allgemein den Blick für die Bedeutung der internationalen Harmonisierung des Chemikalienrechts geschärft. Am Beginn eines solchen voraussichtlich langwierigen Prozesses der Rechtsangleichung muß eine Harmonisierung der Schlüsselbegriffe des Chemikalienrechts stehen. Dieser Aufgabe widmet sich die vorliegende Studie, in dem sie unterschiedliche Rechtsordnungen vergleicht und Harmonisierungsvorschläge erarbeitet. Dem deutschen Chemikalienrecht wird dabei besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Die Schrift stellt die überarbeitete und aktualisierte Fassung einer Studie dar, die im Jahre 1982 fertiggestellt wurde. Diese Studie wurde im Auftrag des Umweltbundesamtes im Rahmen des Umweltforschungsplans - Vorhaben Nr. 106 01 016 - erstellt und mit Bundesmitteln finanziert. Zweck dieser Studie war neben der wissenschaftlichen Durchdringung vor allem auch, einen praktischen Beitrag zur Harmonisierung des Umweltrechts durch Vorbereitung und Unterstützung einer unter deutscher Leitung tagenden OECD-Expertengruppe für ein internationales Glossarium von Schlüsselbegriffen des Umweltchemikalienrechts zu leisten. Wesentliche Ergebnisse der Arbeit der OECD-Expertengruppe sind im Anhang der Studie abgedruckt. Dem Verband der Chemischen Industrie e. V. sind wir für die Unterstützung der Drucklegung dankbar. Trier und Berlin, im Dezember 1984

Die Verfasser

Inhaltsverzeichnis

Einführung

1

Erster Teil

Harmonisierungsvorschläge A. Her stellen, Hersteller

I. Ergebnisse der Analyse

17 17

1. Verwendungshäufigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

2. Abgrenzung des Vergleichsobjekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

3. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

18

a) Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Im internationalen Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

18 18

4. Unterschiede und Gemeinsamkeiten im internationalen Vergleich 20 a) Inhalte des H erstellungsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 b) Unterschiede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 c) Gemeinsamkeiten

21

li. Harmonisierungserörterungen

22

1. Allgemeines

22

2. Begriffskern

23

3. Weitere Definitionsinhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Technisch-naturwissenschaftliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25 25

b) Voluntative Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zw eckr ichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Abgrenzung zur Laborerprobu ng . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27 28 28

e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Herstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Hersteller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30 30 30

4. Vergleich mit dem vorgeschlagenen Konzept des OECD-Glossariums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 a) Wesentlicher Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 b) Übereinstimmungen und Unterschiede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

VIII

Inhaltsverzeichnis

III. Definitionsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

1. Herstellen

33

2. Hersteller

33

B. Verwenden, Behandeln, Umgang I. Ergebnisse der Analyse

34

..........................................

34

1. Abgrenzung des Vergleichsobjekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verhältnis zueinander .. . .. . . . . . . . . .. . . . .. . .. . . . . . . . . . . . . . . . c) Verhältnis zum Herstellen und Inverkehrbringen . . . . . . . . . . . .

34 34 35 36

2. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

3. Gemeinsamkeiten und Unterschiede im internationalen Vergleich 39 II. Harmonisierungserörterungen

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

1. Allgemeines

42

2. Beschreibungsinhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43 45

4. Vergleich mit dem vorgeschlagenen Konzept des OECD-Glossariums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 III. Harmonisierungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Einfuhr, Einführen, Durchfuhr

I. Ergebnisse der Analyse

47 49 49

1. Abgrenzung des Vergleichsobjekts . . . . . . . . . . . . . .. . . . .. . . . . . . . . . .

49

2. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

3. Gemeinsamkeiten und Unterschiede im internationalen Vergleich 53 a) Einfuhr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 b) Durchfuhr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 II. Harmonisierungserörterungen 1. Allgemeines

57 57

2. Einfuhr / Einführen 58 a) Verbringen 58 b) Geltungsbereich des nationalen Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 c) Weitere Definitionsinhalte . .. . . .. . . . . . . .. . . .. . . . .. . .. . . . . .. . 60 3. Durchfuhr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriffskern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Weitere Definitionsinhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60 60 61

4. Ergebnis

62

............ ................................... .......

5. Vergleich mit dem vorgeschlagenen Konzept des OECD-Glossariums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

Inhaltsverzeichnis III. Definitionsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einfuhr/Einführen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Durchfuhr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Stoff

IX 65 65 65 66

I. Ergebnisse der Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abgrenzung des Vergleichsobjekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verwendungshäufigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Unterschiede und Gemeinsamkeiten im internationalen Vergleich

66 66

II. Harmonisierungserörterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Begriffskern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Weitere Definitionsinhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verunreinigungen und Vermarktungshilfsstoffe . . . . . . . . . . . . . . b) Abgrenzung zu artverwandten Begriffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Vergleich mit dem vorgeschlagenen Konzept des OECD-Glossariums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

III. Definitionsvorschlag

67 67 68

71 71 73 73 75

77 77 79

E. Zubereitung

I. Ergebnisse der Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abgrenzung des Vergleichsobjekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verwendungshäufigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gemeinsamkeiten und Unterschiede im internationalen Vergleich II. Harmonisierungserörterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriffskern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Weitere Definitionsinhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vergleich mit dem vorgeschlagenen Konzept des OECD-Glossariums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Definitionsvorschlag

81 81 81 82 82

83

85 85 86 87 87 89

F. Neuer Stoff

I. Ergebnisse der Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abgrenzung des Vergleichsobjekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gemeinsamkeiten und Unterschiede im internationalen Vergleich

90 90 90 91 92

Inhaltsverzeichnis

X

Il. Harmonisierungserörterungen 1. Allgemeines

93

.......................... ................. .. .....

93

2. Abgrenzungsmöglichkeiten

94

3. Definitionsinhalt

96

4. Vergleich mit dem vorgeschlagenen Konzept des OECD-Glossariums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

III. Harmonisierungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

G. Produkt, Erzeugnis, Arti kel, Konsumentenprodukt, Publikumsprodukt I. Ergebnisse der Analyse

100 100

1. Abgrenzung der Vergleichsobjekte . . ..... .. . ... . ........ . .. .. . . . 100

a) Verhältnis zueinander ............ .... .. . ......... . . .... .. .. 100 b) Produkt, Erzeugnis, Artikel .. . .. .... . . . . . ..... . ...... .... .. . . 101 c) Konsumentenprodukt, Publikumsprodukt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 2. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 3. Gemeinsamkeiten und Unterschiede im internationalen Vergleich 104 a) Produkt, Artikel, Erzeugnis .. . ...... . . . .... . .... . ... . . ... . . . . 104 b) Konsumentenprodukt, Publikumsprodukt ... .. ........ .. ..... 107 II. Harmonisierungser örterungen

108

1. Allgemeines ...... . . ..... ........... .. .. . .............. . . ....... 108

2. Jeweilige Definitionsinhalte . ........ .... . .. ............ .. ...... 109 a) Produkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ausgangsstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Gestaltungsprozeß .. ... . . ..... ... ..... . . ... ... . . ... ..... (3) Form und Gestalt .... . . . ..... . . ... ...... . . . .... . . .. ...... (4) Verwendungszweck ..... .. .... . .. .. ....... .. ... . . ... . . ... b) Artikel

109 109 110 111 111

112 c) Erzeugnis ....... .. ............... .. ................. . ...... 113 d) Konsumentenprodukt, Publikumsprodukt . . ................. . 114

3. Ergebnis

. .. .. . .......... . . . ................ . .. . ............... 115

4. Vergleich mit dem vorgeschlagen en Konzept des OECD-Glossariums ... . .. .. ....... . ........... . . ....... . ... ....... ..... . . ... . 116 a) Wesentlicher Inhalt 116 b) Übereinstimmungen und Unterschiede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 III. Definitionsvorschläge ......... .. ............ . ... ... .. . .. . . ...... . .. 119 1. Produkt

119

2. Artikel ... .. . . . . . . ............... .. ........ . ..... .. . . .......... 119 3. Konsumentenprodukt, Publikumsprodukt

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

Inhaltsverzeichnis

XI

H. Person, Natürliche Person, Juristische Person, Verantwortliche Person

121 121

I. Ergebnisse der Analyse

1. Abgrenzung des Vergleichsobjekts ...... . . . ............... .. .... 121 2. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 3. Gemeinsamkeiten und Unterschiede im internationalen Vergleich 124 II. Harmonisierungserörterungen 1. Allgemeines 2. Person

127 127

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

3. Natürliche Person

128

4. Juristische Person

128

5. Verantwortliche Person . . ................. . .................... 129 6. Vergleich mit dem vorgeschlagenen Konzept des OECD-Glossariums .................. .. ...... . . ... ..... . . .. . ......... . .. . . ... 130 III. Definitionsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

Zweiter Teil

Analysen und Harmonisierungsvorschläge J. Umwelt

I. Analyse

135 135

1. Verwendungshäufigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

2. Abgrenzung des Vergleichsobjekts . .... . ........... .. . ... . . . .... 136 3. Gemeinsamkeiten und Unterschiede im internationalen Vergleich a) Allgemeines ...... .. ..... . .. . . . . . ...... ............. ... ..... b) USA .......................... . ...................... .. ..... c) Europäische Gemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Niederlande ....... . ................ .. .............. ... .... . e) Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Sonstige Begriffsbeschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Ergebnis ......... . ................ .. . . .. .. .... . ... . . . . ...... Il. Harmonisierungserörterungen

139 139 142 143 145 145 147 148 149

1. Allgemeines

149

2. Umweltfaktoren

149

3. Beziehungen untereinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 4. Eigenständige Berücksichtigung der Umweltfaktoren . . . . . . . . . . . . 154

XII

Inhaltsverzeichnis 5. Ergebnis

156

6. Vergleich mit dem vorgeschlagenen Konzept des OECD-Glossariums . .. .......... . ...... .. .... ... .. .. . .. . ... ..... .......... . .. 156 III. Definitionsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 K. Gefahr, gefährlich, gefährliche Stoffe und Zubereitungen(- Güter,- Abfälle), Risiko, unvertretbares Risiko

I. Analyse

159 159

1. Verwendungshäufigkeit ..................... . .... . .. . ....... . .. 159

2. Abgrenzung des Vergleichsobjekts ...... .... ............. ... .... a) Allgemeines .......................... . . . ................ . .. b) Der Gefahrenbegriff im allgemeinen Sicherheitsrecht ... . .... c) Der Gefahrenbegriff im Umweltschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

160 160 161 165 168

3. Gemeinsamkeiten und Unterschiede im internationalen Vergleich a) Gefährliche Stoffe und Zubereitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Allgemeines .... .. . . ............ . . . .............. . .. .. . . (2) Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Europäische Gemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Niederlande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Belgien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Dänemark . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (7) Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (8) Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (9) Schweden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (10) Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (11) USA ... ........ . . .... . ... .. . .. . . . .. ... . . . .... ... .. . .. . .. (12) Kanada . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (13) J apan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (14) Multilaterale Verträge ......... .. ......... . ...... . ......

169 169 169 170 176 180 180 181 182 182 184 184 185 189 189 190

b) Spezielle umweltgefährliche Stoffe und Gegenstände . . . . . . . . (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Gefährliche Tran sportgüter .... ....... . . . ........... .. . .. (3) Gefährliche Abfä lle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Sonstige umweltgefährliche Stoffe .. . ... . . ..... .. .. ... . . . . c) Zum allgemeinen Gefahrenbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

191 191 192 194 197 198

4. Gesetzlicher Kontext der Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 a) b) c) d) e)

Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Europäische Gemeinschaft . . . ............ .. ... . ..... .. ..... . Niederlande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Belgien Dänemark . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

201 202 203 204 204

Inhaltsverzeichnis

XIII

f) Großbritannien .... .. ................ . ............... . .... . g) Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Schweden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . j) USA ............... ... .... . ............ .. .. . . . ...... . ....... k) Kanada . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1) Japan ........ . ..... .. ......... . ..... .... .............. .. . . .

II. Harmonisierungserörterungen

204 204 205 205 206 206 207 207

1. Allgemeines

207

2. Gefährliche Stoffe und Zubereitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Definitionsinhalte ................. .. ............... ... ..... b) Gesichtspunkt der Klarheit und Vermeidung von "Obersetzungs- und Verständigungsschwierigkeiten .......... .. .... . . c) Gesichtspunkt der Vermeidung von Handelshemmnissen und Wettbewerbshindernissen . ........ . ....... . ........ .. .... .. d) Gesichtspunkt der Existenz von Legaldefinitionen und des internationalen Konsenses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

209 209

3. Spezielle umweltgefährliche Stoffe und Gegenstände . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gefährliche Transportgüter .............. . ................. .. c) Gefährliche Abfälle . .. .. .. .. .. . . .. . .. .. . .. .. .. .. .. . .. . . . .. .

213 214 215 215 215 217 217

4. Der allgemeine Gefahrenbegriff im Umw eltchemikalienrecht .. .. 218 5. Vergleich mit dem vorgeschlagenen Konzept des OECD-Glossariums .................. .. .................. . ............... .. .. 220 a) Wesentlicher Inhalt . .. . ............ . .. . ................ . ... 222 b) Übereinstimmungen und Unterschiede .. ............ . ....... 223 III. Harmonisierungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 1. Gefährliche Stoffe und Zubereitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Spezielle umweltgefährliche Stoffe und Gegenstände . . . . . . . . . . . . a) Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gefährliche Güter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gefährliche Abfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

224 225 225 225 225

3. Allgemeiner Gefahrenbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 L. Schaden, Beeinträchti gung, Nachten, Belästigung, Schädliche W i rkungen, Schädliche Einwirkungen, Schädliche UmweLtei nwirkungen, Gesundheitsschaden, Gesundheitsbeeinträchtigung, Verunreinigung (von Umweltgütern), Versehrnutzung

I. Analyse

227 227

1. Gegensta nd des Begriffsvergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227

2. Verwendungshäufigkeit ... ... .. . . .... ...... . ................. .. 230

XIV

Inhaltsverzeichnis

3. Abgrenzung des Vergleichsobjekts ..... .. ....................... 232 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 b) Verhältnis zueinander

... .......... .. ......... . ..... .. ...... 232

c) Verhältnis zu den Schutzobjekten und Risikoquantifizierungen 235 4. Gemeinsamkeiten und Unterschiede im internationalen Vergleich 236 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 b) Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 c) Europäische Gemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 d) Niederlande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 e) Kanada . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 f) Sonstige Länder .......................................... .. 247 g) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 II. Harmonisierungserörterungen 1. Allgemeines

249 249

2. Beschreibungsinhalte

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250

3. Ergebnis

256

4. Vergleich mit dem vorgeschlagenen Konzept des OECD-Glossariums ................................ . ..... . ................... 256 III. Harmonisierungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 M. Abfall, Abwasser, Beseitigen, Einbringen, Einleiten

260

I. Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 1. Abgrenzung der Vergleichsobjekte ......... .. ............... .... a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abfall, Abwasser c) Beseitigen, Einbringen, Einleiten .. .... . . . . ...... . .. . ... . . . ..

260 260 262 263

2. Verwendungshäufigkeit . ........ . . ... ........ ... .... . ..... .. ... 265 3. Gemeinsamkeiten und Unterschiede im internationalen Vergleich 265 a) b) c) d)

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bundesrepublik Deutschland Europäische Gemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Großbritannien

e) Kanada

265 266 271 273

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275

f) Übrige Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 g) Multilaterale Verträge ................. ... ............... . .. 278 h) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 II. Harmonisierungserörterungen 1. Allgemeines

281 281

Inhaltsverzeichnis

XV

2. Abfall

281 a) Begriffskern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282

b) Weitere Definitionsinhalte ......... .... .... . ........ . . . ..... 283 3. Abwasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 4. Beseitigen

286

5. Einbringen

288

6. Einleiten

289

7. Ergebnis

289

8. Vergleich mit dem vorgeschlagenen Konzept des OECD-Glossariums ................. . ................................. . ...... 289 III. Definitionsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 1. Abfall

292

2. Abwasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 3. Beseitigen

293

4. Einbringen

293

5. Einleiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294

Zusammenfassung/Summary N. Zusammenfassung der Harmonisierungsvorschläge

297

0. Summary of the Harmonization Proposals

303

Anhang

Schlußbericht der OECD-Expertengruppe für ein internationales Glossarium von Schlüsselbegriffen

309

Abkürzungsverzeichnis a.A.

ABLEG Abs. Anh. Anm. AöR BB BGBl. BGH BRat BTag BVerfG BVerwG CONF.Rep. CONG CPSA DB DÖV DVBl. EG EPA GBl. GVBl. i. d. F. i. V.m. MinBl. NJW OECD OLG p.

s.

Sec. Subsec. Stb. TSCA Urt.

u.s.c.

vo

ZaöRV

anderer Ansicht Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Absatz Anhang Anmerkung Archiv des öffentlichen Rechts Betriebs-Berater Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Bundesrat Bundestag Bundesverfassungsgericht Bundesverwaltungsgericht Conference Reports Congress Consumer Product Safety Act Der Betrieb Die Öffentliche Verwaltung Deutsches Verwaltungsblatt Europäische Gemeinschaften Environmental Protection Agency Gesetzblatt Gesetz- und Verordnungsblatt in der Fassung in Verbindung mit Ministerialblatt Neue Juristische Wochenschrift Organisation for Economic Co-operation and Development Oberlandesgericht page Seite Section Subsection Staatsblad Toxic Substance Control Act Urteil United States Code Verordnung Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Rechtsvergleichung

Einführung 1. Viele Umweltbelastungen (etwa Luftverunreinigungen, Verschmutzungen internationaler Binnengewässer etc.) überschreiten direkt oder in Folgewirkungen die nationalen Grenzen des Emissionsstaates, in dem sie verursacht werden1 • Sie berühren damit relevante Interessen von Nachbarstaaten, soweit Güter beeinträchtigt oder gefährdet werden, die ihrer Souveränität unterliegen. Soweit dagegen Güter betroffen werden (können), die nationaler Souveränität nicht unterliegen (z. B. Hohe See mit darüber befindlichem Luftraum, Weltraum), sind Verletzungen relevanter Interessen der Völkergemeinschaft möglich.

Wegen dieses grenzüberschreitenden Effekts von Umweltbelastungen können Umweltmedien (insbes. Luft und Wasser) nicht national völlig unabhängig voneinander bewirtschaftet werden. Es bedarf einer zwischenstaatlichen Abstimmung und Zusammenarbeit. Dennoch tritt die Sorge um die Erhaltung der Umwelt zunächst nicht als internationales, sondern als nationales Problem auf. Umweltpolitik ist daher im Ursprung und bislang im Kern nationale Politik. Ihr Erfolg allerdings ist zunehmend von den Chancen einer internationalen Zusammenarbeit abhängig. 2. Wie groß die Notwendigkeit internationaler Kooperation und Koordination heute ist, zeigt gerade der Umgang mit chemischen Stoffen. Die grenzüberschreitenden Wirkungen von Chemikalien werden der Öffentlichkeit immer wieder vor Augen geführt. Um nur einige Beispiele zu nennen: die weltweit festgestellte Anreicherung von Quecksilber in Fischen, das Vorhandensein von DDT-Rückständen in Vögeln, die Wechselwirkungen von Fluorchlorwasserstoffen in der Atmosphäre oder die Auswirkungen von Schwefeldioxyd durch den Sauren Regen bzw. die sauren Dispositionen (auch durch Staub, Nebel und Bodenverunreinigungen) in den Wäldern. Umweltschädigende und umweltgefährdende chemische Stoffe werden von einem Land zum anderen durch die Luft, das Wasser oder die Nahrungsketten transportiert. Zu diesen unbeabsichtigten Transporten kommen noch die beabsichtigten Im- und Exporte. Chemische Stoffe und Erzeugnisse sind wich1 Allgemein zu den Rechtsproblemen grenzüberschreitender Umweltbelastungen vgl. zuletzt Kloepfer, DVBl. 1984, S. 245 ff., m. w. N.

1 Kloepfer I Bosselmann

2

Einführung

tige Güter des internationalen Handels. Allein zwischen den Ländern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) beläuft sich der Exportwert im Handel von Massenchemikalien derzeit auf über 50 Mrd. Dollar, die Umsätze der chemischen Industrie in den OECD-Ländem liegen bei über 300 Mrd. Dollar jährlich. Chemische Stoffe gelangen in Form Vielfältigster Produkte, zu denen z. B. auch Fernsehgeräte oder Autos gehören, in den Handel und damit über die nationalen Grenzen. Vom Importeur ist kaum zu erwarten, daß er sich Informationen über Stoffzusammensetzung und Gefahrenpotential solcher Produkte beschafft. Nationale Behörden müssen sich oft darauf verlassen, daß es im Herkunftsland kompatible Kontrollsysteme gibt. Geben schon die Umwelt- und Gesundheitsgefahren genügend Anlaß zur Entwicklung international kompatibler Kontrollsysteme, so kommen im Fall von Umweltchemikalien besondere wirtschaftliche, administrative und Handelsgesichtspunkte hinzu, die ein koordiniertes Vorgehen der beteiligten Länder erforderlich machen. Rechtsunterschiede zwischen einem Staat, in dem eine Chemikalie hergestellt wird, und dem Staat, in dem sie in Verkehr gebracht und verwandt wird, können zu erheblichen Handelshemmnissen führen. Ist etwa das Gefahrstoffrecht eines potentiellen Importlandes schärfer als das eines Produktionslandes, können die im Herkunftsland legal hergestellten Chemikalien in dieses Importland nicht mehr exportiert werden. Stellt sich der Hersteller auf die verschärften Auslandsnormen ein, so wird er auf dem Heimatmarkt u. U. gegenüber Herstellern benachteiligt, die nur für ihren Heimatmarkt - dann kostengünstiger produzieren. Länder mit großen Binnenmärkten könnten versucht sein, durch erhöhte Prüfanforderungen für importierte Chemikalien zusätzliche Handelsbarrieren zu errichten. Die international bestehenden Unterschiede im Gefahrstoffrecht drohen somit zu nichttarifären Handelsschranken zu werden. 3. Die mit Umweltchemikalien verbundenen Gefahren wurden schon Ende der sechziger Jahre international wahrgenommen. In zahlreichen internationalen Organisationen wird seither ein intensiver Informationsaustausch betrieben. Viele bilaterale und multilaterale Abkommen sind geschlossen worden, allgemein anerkannte Rechtsgrundsätze haben sich herausgebildet, und nationale Gesetzgebungen werden im zunehmenden Maße einander angeglichen. Wichtige rechtswissenschaftliche Ansätze zur Rechtsvergleichung im Umweltchemikalienrecht liegen vor2 • 2 Siehe insbesondere Gusman u. a., Politique de contröl des produits chimique, 1981; Steiger, Le droit de l'environnement et les substances chimiques, 1981.

Einführung

3

Auf dem Weg zur europäischen Rechtsvereinheitlichung im Bereich der Umweltchemikalien haben die Europäischen Gemeinschaften wich-

tige Schritte unternommen. Zur Harmonisierung von Prüfungs- und Bewertungsmethoden gibt es zahlreiche EG-Vorschriften wie z. B. Regelungen über die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe. Die am 18. 6. 1979 verabschiedete Richtlinie (79/831/ EWG) des Rates zur sechsten Änderung der 67er Richtlinie (67/ 548/ EWG) enthält wichtige Vorhaben für die Entwicklung der nationalen Chemikaliengesetzgebung in den EG-Mitgliedstaaten. Zwischen ihr und dem deutschen Chemikaliengesetz vom 1. 1. 1982 bestehen weitgehende inhaltliche Gemeinsamkeiten3 • Der Harmonisierung und Standardisierung der Chemikalienkontrolle hat besonders die OECD ihre Aufmerksamkeit gewidmet. Auf der "Internationalen Stockholm-Konferenz zur Kontrolle gefährlicher Substanzen" im April 1978 wurde der OECD ein erheblicher Teil der Verantwortung für eine Harmonisierung unter den westlichen Staaten übertragen. Im Rahmen eines 1977 begonnenen Chemikalienprüfprogramms versucht die OECD seither, Prüfungsverfahren für Chemikalien zu harmonisieren. Dazu setzte sie insgesamt neun Expertengruppen mit unterschiedlichen Aufgabenbereichen ein. Aus juristischer Sicht hervorzuheben ist die Einberufung einer Arbeitsgruppe, welche die Aufgabe hatte, ein internationales Glossar von Schlüsselbegriffen zu entwickeln, um das Verständnis und die Interpretation der nationalen Gesetzgebungen der Staaten zu erleichtern. Mit einem solchen Katalog definierter Begriffe sollte zugleich ein Schritt zur internationalen Harmonisierung der Chemikaliengesetzgebung und Vollzugspraxis unternommen werden. Die Ergebnisse dieser zweijährigen Arbeit wurden in einem Ende 1982 in englischer und französischer Sprache erschienenen Bericht veröffentlicht, der 16 Begriffsfelder mit insgesamt rund 70 Einzelbegriffen definiert bzw. beschreibt und außerdem eine Synopse der in den bestehenden nationalen und internationalen Regelungen verwendeten Begriffe enthält4 • Der Bericht wird derzeit in den Entscheidungsgremien 3

Hierzu und zum Stand des Umweltchemikalienrechts der EG siehe Kloep-

fer, Chemikaliengesetz, Berlin 1981, 8 . 17 ff. Ferner Uppenbrink/Broecker/ Schottelius/Schmidt-Bleek, Chemikaliengesetz, Komm. Loseblatt, Stuttgart, Stand: März 1983 (2. Lfg.), Einführung, Rn. 1 ff. und Radek/Friedel, Das neue

Chemikaliengesetz 1981, S. 7 f. 4 Chemieals Control legislation. An International Glossary of Key Terms. OECD Paris bzw. La U~gislation De Contröle Des Produits Chimiques. Un Glossaire International de Mots CU~s. OECD Paris 1982. Eine nicht offizielle deutsche Übersetzung der wichtigsten Teile des OECD-Berichts enthält der hier im Anhang abgedruckte Schlußbericht der Expertengruppe. Eine geraffte Darstellung der Arbeit und der Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe 1*

4

Einführung

der OECD beraten mit dem Ziel, eine verbindliche Empfehlung an die 24 Mitgliedstaaten auszusprechen, der künftigen nationalen Gesetzgebungsarbeit und V€rwaltungspraxis das vorgeschlagene Begriffsverständnis zugrund€zulegen. Darüber hinaus sollen andere supranationale Einrichtungen wie z. B. die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und das Umw€ltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) angeregt werden, inhaltlich abgestimmte Begriffskonzepte zu entwickeln. Auf diese Weise soll ein weltweit verbindliches Begriffssystem für das Umweltchemikalienrecht geschaffen werden. 4. Die vorliegende Studie ist durch die Einberufung der OECDExpertengruppe "International Glossary of Key Terms" angeregt worden und aus der Mitarbeit beider Autoren in dieser Gruppe hervorgegangen. Davon sind die Ziele der Studie mitgeprägt worden. Sie unternimmt wie der OECD-Bericht den Versuch, di€ Chancen einer Begriffsharmonisierung in den Mitgliedsstaaten der OECD auszuloten und Vorschläge für harmonisierte Definitionen zu entwickeln. Sowohl im Erkenntnisinteresse als auch hinsichtlich der Begriffs- und Länderauswahl bestehen zwischen dieser und jener Studie verschiedene Querverbindungen. Darüber hinaus geht es hier jedoch in erster Linie darum, das vorhandene Material zur Verwendung der Begriffe in den verschiedenen Rechtsordnungen sichtbar zu machen, die jeweiligen Funktionszusammenhänge und Bedeutungen zu analysieren und Kriterien aufzuzeigen, nach denen sich die Harmonisierung richten sollt€. Die Studie beschränkt sich nicht auf eigentliche Definitionsvorschläge, sond€rn will die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den bestehenden und den möglichen, harmonisierten Begriffsbedeutungen herausarbeiten. Zur Darstellung gehören daher nicht nur Harmonisierungserörterungen, sondern ebenso und zunächst vorrangig rechtsvergleichende Analysen. 5. Die hier zugrunde gelegte rechtsvergleichende Methode bedarf einiger Erläuterungen5 • Die Studie bewegt sich auf dem noch nicht völlig gesicherten Gebiet der Vergleichung Öffentlichen Rechts. Gegenüber ihrer. ungleich stärker beachteten Schwester, der Privatrechtsvergleichung, konnte die Vergleichung im Öffentlichen Recht ihre Eigenständigkeit bisher nur unvollkommen entwickeln6 • Immerhin gebräuchenthält der Beitrag Uppenbrink und Kneb el, Environmental Policy and Law 1983, s. 47 ff. 5 Vgl. zum folgenden auch Kloepfer/Knebel, Umweltchemikalienrecht, Rechtsvergleichende Analysen von Schlüsselbegriffen, Berichte des Umweltbundesamtes 7/81, Berlin 1981, S. 1 ff., 5 ff. 8 Lehrbücher zur Rechtsvergleichung behandeln die Besonderheiten des öffentlichen Rechts höchstens am Rande, vgl. z. B. Ebert, Rechtsvergleichung, Einführung in die Grundlagen, Bern 1978; Rheinstein, Einführung in die R.echtsvergleichung, München 1974, S. 35 f.

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lieh sind die Verfassungsrechtsvergleichung7 und auch die Rechtsvergleichung zum Nachweis völkerrechtlicher Regeln8 • Bisher ist es im wesentlichen jedoch nur für das organisatorische Verfassungs- und Verwaltungsrecht gelungen, die Besonderheiten der Vergleichung im Öffentlichen Recht herauszustellen, d. h. dort, wo ein konkretes staatliches Gemeinwesen in der Grundstruktur seiner Organe und ihres Wechselspiels gestaltet und aufgebaut wird9 • In diesem Sektor kann die vergleichende Beschreibung staatlicher Einrichtungen- bei hinreichender Abgrenzung des Vergleichsobjekts und Berücksichtigung der außerrechtlichen Strukturelemente - zu recht zuverlässigen Aussagen über das Staats- bzw. Verwaltungsgefüge oder das einzelne Organ als solches führen. 6. Im Bereich der Vergleichung des nichtorganisatorischen Verfassungs- und Verwaltungsrechts hingegen sind die erforderlichen Präzisierungen weit schwieriger zu treffen. Zwar läßt sich auch hier wie allgemein für die Vergleichung im Öffentlichen Recht zunächst eine negative, freilich nur vage Abgrenzung vornehmen. Im Unterschied etwa zur politischen Wissenschaft sowie zur allgemeinen Staats- und Verfassungslehre wird hier vor allem nach der rechtlichen Gestaltung eines konkreten Lebenssachverhaltes gefragti 0 • Die positive Abgrenzung wird aber durch die gerade im nichtorganisatorischen, also materiellen Öffentlichen Recht bestehenden engen Verknüpfungen zwischen Norm, Rechtstradition und politischem Umfeld erheblich erschwert. Als Beispiel sei auf die Vergleichung von Grundrechtsgarantien verwiesen. Der in vielen Verfassungen enthaltene Gleichheitssatz mag dem Gesetzgeber die Ungleichbehandlung der Staatsbürger und gleichgelagerter Sachverhalte verbieten. Da die Feststellung gleicher oder ungleicher Positionen aber weitgehend dem Gesetzgeber überlassen sein muß und auch die Exekutive mehr oder weniger freie Gestaltungsräume besitzt, stößt man ständig auf einen erheblichen Ermessensspielraum. Ihn für jede einzelne Rechtsordnung festgestellt zu haben, sagt aber noch nichts oder nur wenig über den jeweiligen Inhalt des Gleichheitssatzes, geschweige denn dessen Bedeutung in der Rechtswirklichkeit. Ohne Einbeziehung der faktischen Traditionen und der politischen, ökonomischen und sozialen Bedingungen bleibt die Vergleichung infolgedessen ober7 Siehe hierzu z. B. Münch, Einführung in die Verfassungsvergleichung, ZaöRV 33 (1973), S. 126 ff.; Mössner, Rechtsvergleichung und Verfassungsrechtsprechung, AöR 99 (1974), S. 193 ff. 8 Hierzu z. B. Hailbronner, Ziele und Methoden völkerrechtlich relevanter Rechtsvergleichung, ZaöRV 36 (1976), S. 190 ff. 9 Vgl. dazu Streb el, Vergleichung und vergleichende Methode im öffentlichen Recht, ZaöRV 24 (1964), S. 405 ff. 10 Vgl. Bernhardt, Eigenheiten und Ziele der Rechtsvergleichung im öffentlichen Recht, ZaöRV 24 (1964), S. 431, 435 f.

Einführung

6

flächlich und für die Frage nach der Garantie von Grundrechten unergiebig. 7. Trotz solcher prinzipieller Schwierigkeiten sind aber auch Rechtsmaterien mit günstigeren Voraussetzungen für eine Vergleichung denkbar. Die Chancen zur Präzisierung des Vergleichsobjekts erhöhen sich in dem Maße, wie der damit verbundene Lebenssachverhalt konkret beschrieben werden kann. Hier spielt der Politisierungsgrad des Objekts eine wesentliche Rolle. Je mehr der politische Gehalt einer Institution oder Funktion abnimmt, um so aussichtsreicher der rechtliche Vergleich. Dabei ist einzuräumen, daß der Begriff des Politischen schwer abzugrenzen ist. Je juristisch-"technischer" das Rechtsgebiet ist, um so leichter der Vergleich11 • Weite Teile des modernen Verwaltungsrechts sind von einer derartigen Technisierung gekennzeichnet, ohne daß ihre politischen Grundlagen und Auswirkungen verkannt werden sollen. Gerade im Bereich des Umweltschutzes stellen sich für die meisten Industriestaaten ähnliche Regelungsprobleme, weil die Umweltmedien und -bestandteile - ohnehin nicht an Grenzen gebunden - von Einrichtungen und Verhaltensweisen beeinträchtigt werden, die im vergleichbaren Umfang überall vorkommen. Die Lebenssachverhalte der Industriestaaten weisen also große Ähnlichkeiten auf. 8. Der politische Gehalt des Umweltrechts ist im Ganzen gesehen natürlich evident. Dennoch lassen sich sinnvolle "entpolitisierende" Eingrenzungen für die Vergleichung vornehmen, die eine hinreichende Konkretisierung der Vergleichsobjekte ermöglichen.

Eine erste Eingrenzung besteht in der Konzentration auf Staaten mit vergleichbaren rechtlichen und politischen Grundstrukturen. So sichert die Beschränkung auf die westlichen Industriestaaten mit ihren kontinental-europäischen und anglo-amerikanischen Rechtskreisen ein Mindestmaß an Gleichheit faktischer Geltungsvoraussetzungen des Rechts. Eine zweite wichtige Begrenzung der Vergleichung ergibt sich aus der Beschränkung auf das hier allein interessierende Gefahrstoffrecht, das ein Gebiet mit insgesamt deutlich abgrenzbaren Sachverhalten, Sachproblemen und Rechtsnormen ist. Freilich trifft die Vergleichung gefahrstoffrechtlicher Komplexe auf die Schwierigkeit, daß es sich hier um Rechtsmassen handelt, die in vielen Staaten noch wenig ausgeformt sind. Allgemeine Chemikaliengesetze gibt es z. Z. in rund der Hälfte der 24 Mitgliedsstaaten der OECD, noch dazu mit recht unterschiedlichem Regelungsumfang. Eine gewisse Vereinheitlichung im EG-Bereich wurde allerdings im Zuge der Entwicklung der erwähnten sechsten EG-Änderungsrichtlinie erreicht. Bis zu einem gewissen Grad kann jedoch auch 11

Vgl. dazu Bernhardt (Anm. 10), S. 437.

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7

die Vergleichung erst werdender Rechtsmassen wiederum erleichtert werden, wenn sie am Zweck der Rechtsharmonisierung ausgerichtet ist. Hierauf wird noch zurückzukommen sein. Eine dritte Konkretisierungsebene schließlich liegt darin, daß nicht Rechtsnormen und Verfahrensregelungen miteinander verglichen werden, sondern Rechtsbegriffe. Die Beschränkung auf die begrifflichen Strukturen, die ihrer Regelungsfunktion entkleidet sind, führt naturgemäß zu erheblichen Erleichterungen sowohl für die eigentliche Rechtsvergleichung als auch für die Bemühungen um Harmonisierung. 9. Ebenso selbstverständlich ist allerdings auch, daß Rechtsbegriffe ihre Bedeutung aus dem jeweiligen Regelungskontext und der Funktion im Rechtssystem erhalten. Die Vergleichung bloßer Terminologie ohne Einbeziehung ihrer jeweiligen rechtlichen Funktion wäre eine philologische und keine juristische Arbeit. Daß schon hinter dem Einklang der Bezeichnungen sehr verschiedene Sinngehalte stehen können, zeigt etwa das Beispiel der Bezeichnung "beschäftigt sein" (engl. "to employ", franz. "employer"). Sie beschreibt den Umgang mit Chemikalien, kann sich aber ebenso auf arbeitsrechtliche Beschäftigungsverhältnisse beziehen. Ein weiteres Beispiel: ein so eindeutig auf die Bewertung von Risiken im Umgang mit Chemikalien bezogener Begriff wie "Gefahr" bzw. "gefährlicher Stoff" würde erhebliche Verständigungsschwierigkeiten auslösen, wenn er mit dem englischen "danger/ dangerous substance" oder französischen "danger/ produit chimique dangereux" übersetzt würde. Die Entsprechungen bei Rechtsbegriffen folgen keineswegs immer den Entsprechungen allgemeinsprachlicher Begriffe. Und selbst der in den Regelungen des einen Staates verwendete und den Vorschriften eines anderen Staates entsprechende Rechtsbegriff kann inhaltlich so stark von diesem divergieren, daß eine Betrachtung ohne Berücksichtigung des speziellen Regelungszusammenhanges zu Fehlschlüssen verleiten könnte. Daß zum Beispiel dem im deutschen Chemikaliengesetz gebräuchlichen Begriff "gefährlicher Stoff" in verschiedenen USamerikanischen Chemikaliengesetzen der Begriff "hazardous substance" gegenübersteht und dort sogar teilweise mit gleichlautenden oder ähnlichen Eigenschaften näher bezeichnet wird, darf nicht zu der Annahme einer engen Bedeutungsverwandtschaft verleiten. Während nämlich in der Bundesrepublik Deutschland mit der Kennzeichnung als "gefährlicher Stoff" ein Verdikt über bestimmte, freilich unterschiedlich festgelegte Rechtsfolgen verbunden ist12, bedeutet diese Kennzeichnung für 12 Von der Pflicht zur Prüfung und Anmeldung bis hin zur Beschränkung oder zum Verbot.

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Einführung

den amerikanischen Rechtsanwender zunächst nur, daß er die stets noch erforderliche Nützlichkeitsahwägung an der festgestellten Gefährlichkeit des Stoffes zu orientieren hat. Sanktionen ergeben sich also nicht schon aus der Qualifikation als gefährlicher Stoff, sondern erst aufgrund weiterer Entscheidungsfindungen. Diese Beispiele zeigen, daß auch die auf die begriffliche Ebene beschränkte Rechtsvergleichung auf die Analyse von Funktions- und Regelungszusammenhängen angewiesen ist. Zuweilen sind darüber hinaus die unterschiedlichen Vollzugspraktiken in den einzelnen Staaten in die Überlegungen einzubeziehen, um die Bedeutungsinhalte einzelner Begriffe richtig zu erfassen. Denn was nützt eine bis in den Regelungszusammenhang reichende Affinität zweier Rechtsbegriffe, wenn in dem einen Staat mit diesem Begriff eine sehr wirkungsvolle Chemikalienkontrolle praktiziert wird, während der gleiche Begriff in einem anderen Staat in der Praxis nahezu wirkungslos bleibt. Derartige Rücksichtnahmen auf den Vollzug, so wichtig die Kenntnis der Rechtswirklichkeit grundsätzlich auch ist, müssen allerdings aus Kapazitätsgründen auf wenige Einzelfälle beschränkt bleiben. Die Vergleichung der rechtlichen Schlüsselbegriffe steht also weitgehend unter dem Vorbehalt möglicherweise sehr unterschiedlicher Vollzugspraktiken. 10. Wie schon angedeutet, wird die rechtsvergleichende Methode nicht zuletzt dann konkretisiert und u. U. modifiziert, wenn sie einen konkreten Zweck verfolgt. Zu jeder Rechtsvergleichung, wenn sie nicht l'art pour l'art betrieben werden soll, gehört zunächst die kritische Bewertung der gefundenen Ergebnisse. Die abgestufte Bewertung und Systematisierung dürfte der rechtsvergleichenden Methode immanent sein13• Diese Bewertung geschieht hier in der Weise, daß im Anschluß an die Länderanalysen bzw. den internationalen Vergleich die Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausgearbeitet und systematisiert werden, um eine Grundlage für Art und Umfang eventueller Harmonisierungen zu schaffen. Die eigentliche Zweckorientierung der Rechtsvergleichung in der vorliegenden Studie folgt aus der Absicht, nach harmonisierten Definitionen bzw. Begriffsbeschreibungen zu suchen. Ob diese Harmonisierungsabsicht noch zu den Methoden der Rechtsvergleichung gerechnet werden kann oder nicht14, mag hier dahinstehen. Ein legitimes Ziel ist sie in jedem Fall. Ohne rechtsvergleichende Basisuntersuchungen bleibt 13 Vgl. Zwei gert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, Bd. 1, Tübingen 1971, S. 47 f.; anders wohl Strebe! (Anm. 9), S. 428. 14 Eher ablehnend Strebel (Anm. 9), S. 405 und passim; bejahend Hailbronner (Anm. 8), S. 193 und wohl auch Bernhardt (Anm. 10), S. 445, 449 f., 452.

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jedes Bemühen um internationale Harmonisierung und Rechtsvereinheitlichung spekulativ, wie umgekehrt eine auf sich selbst gestellte, zweckfreie Rechtsvergleichung zwar keiner weiteren Rechtfertigung bedarf, aber doch nur eine Möglichkeit ihres Betreibens darstellt. 11. Das methodische Vorgehen bei der Rechtsvergleichung wird zweifellos durch deren Zielsetzung mitbestimmt. Dies gilt auch für die der Studie zugrundegelegte Auswahl und Begrenzung der Vergleichsobjekte und der verglichenen Rechtsordnungen. Die jeweiligen Vergleichsobjekte, hier also die Schlüsselbegriffe des Umweltchemikalienrechts, erhalten ihre Konturen auch dadurch, daß nach ihrer Relevanz für mögliche Harmonisierungen gefragt wird. Im Untersuchungsinteresse liegen daher vornehmlich solche Rechtsbegriffe, die nicht lediglich in einem Staat Schlüsselfunktion besitzen, sondern international besonders verbreitet und damit harmonisierungsbedürftig sind. Mit einer solchen Vorauswahl ist zugleich eine gewisse Begrenzung der auszuwertenden Rechtsquellen verbunden. Vorrangige Bedeutung haben die allgemeinen Chemikaliennormierungen sowie solche speziellen Vorschriften, die über ihren konkreten Regelungsgegenstand hinaus zur Erhellung des allgemeinen Inhalts eines Rechtsbegriffs beitragen können. In Bezug auf die Herkunft der untersuchten Gesetze und sonstigen Vorschriften wurden die wichtigsten westlichen Industrieländer einbezogen, und zwar Belgien, Bundesrepublik Deutschland, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Japan, Kanada, Niederlande, Norwegen, Schweden, die Schweiz und die Vereinigten Staaten von Amerika. Dem Harmonisierungsinteresse folgend sind ferner die einschlägigen internationalen Abkommen und supranationalen Normen, soweit zugänglich, ausgewertet worden. Bilaterale und multilaterale Verträge sowie supranationale Normen speziell der EG verkörpern bis zu einem gewissen Grad bereits erreichte internationale Standards und können deswegen recht aussagekräftig die Chancen erreichbarer Begriffsharmonisierung belegen. 12. Die prinzipielle Bedeutung der Rechtsvergleichung für die Rechtsangleichung, Harmonisierung und Koordination ist heute unbestritten. Das Völkerrecht und das Recht der internationalen Organisationen haben seit langem von ihr profitiert15• Eine derartige Funktionseinbin15 Vgl. etwa Hailbronner (Anm. 8), S. 190 ff.; Zemanek, Was kann die Vergleichung staatlichen öffentlichen Rechts für das Recht der internationalen Organisation leisten?, ZaöRV 24 (1964), S. 453 ff.; Bleckmann, Die Rolle der Rechtsvergleichung in den Europäischen Gemeinschaften, Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft 75 (1974), S. 116 ff.; Ress, Die Bedeutung der Rechtsvergleichung für das Recht der internationalen Organisationen, ZaöRV 36 (1976), s. 227 ff.

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dung der Rechtsvergleichung impliziert die Suche nach einer dem Gemeinschaftszweck angemessenen "besten Lösung". Sie kann sich im Ansatz als fond commun aus der Vergleichung von selbst ergeben. Sie kann ab€r ebenso darin bestehen, daß der Anschluß an die eine oder andere Rechtsordnung gesucht wird16• Schließlich kann es auch sein, daß die "beste Lösung" ein aus mehreren Elementen existierender Begriffe zusammengefügtes Kunstprodukt darstellt. Zu fragen ist freilich stets, ob und inwieweit den einzelnen Staaten eine Fortentwicklung ihres Begriffsverständnisses möglich ist, ohne bestehendes Recht ändern zu müssen. Die Grenze jeder Begriffsharmonisierung wäre überschritten, wenn sie auf eigentliche Rechtsneuschöpfung hinauslaufen würde, wenngleich nicht zu leugnen ist, daß Begrüfsharmonisierung stets auch rechtsschöpferische Elemente enthält. 13. Eine verbindliche Leitlinie für die Festlegung auf einen b€stimmten Harmonisierungsvorschlag gibt es nicht. Die auf den ersten Blick am umweltfreundlichsten erscheinende Lösung muß nicht immer die beste sein, wenn sich erweist, daß sie z. B. unpraktikabel wäre bzw. eine für das bestehende Begriffsverständnis zu große Hürde darstellen würde oder wenn sie b€i b€stimmten Staaten politisch undurchsetzbar wäre. Es kommt hinzu, daß nicht wenige Rechtsb€griffe mit Schlüsselfunktion umweltpolitisch neutral sind und z. B. lediglich größtmögliche Klarheit und Praktikabilität erfordern. Auf der anderen Seite stellen die Harmonisierungsvorschläge keinesfalls nur Beschreibungen des ungefähren terminologischen Mittels bestehender Chemikalienregelungen dar. Die Studie versteht und legitimiert sich maßgeblich aus dem Bestreben, zu einer Vereinheitlichung als Vorstufe einer internationalen Harmonisierung des Umweltchemikalienrechts zu gelangen. Dies schließt teilweise das Bemühen um fortentwickelte Begriffsbildungen mit auch rechtsschöpferischen Akzentuierungenein. 14. Zu den - auch in der Arb€itsgruppe der OECD zugrundegelegten - Harmonisierungskriterien zählen im einzelnen - Übereinstimmungen in b€reits existierenden Definitionen, - internationaler Konsens, - Vermeidung von Handelshemmnissen und Wettbewerbsverzerrungen, - Schutz von Mensch und Umwelt, - Begriffsklarheit, - Vermeidung von Übersetzungsschwierigkeiten. ts

Vgl. Ress (Anm. 15), S. 238.

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Aufgrund dieser im Einzelfall zu gewichtenden Kriterien kann sich der Harmonisierungsvorschlag entweder am vorhandenen internationalen Konsens oder an der am weitesten entwickelten Begriffsbildung oder an dem fiktiven Vorbild einer bestgeeigneten Definition orientieren. Die Entwicklung eines Harmonisierungsvorschlages geschieht zumeist in der Weise, daß auf der Grundlage des internationalen Vergleichs zunächst ein Begriffskern herausgearbeitet wird, der den vorzufindenden gesicherten Konsens verkörpert und den Ausgangspunkt für eine harmonisierte Definition liefert. Die weiteren Definitionselemente ergeben sich aus der wertenden Betrachtung der rechtsvergleichend gewonnenen Ergebnisse. An dieser Stelle fließen die genannten Kriterien in die Überlegungen zur Harmonisierung ein. 15. Die Definitionsvorschläge selber bestehen aus der eigentlichen Definition des betreffenden Begriffs und aus ergänzenden "Anmerkungen", die zwar nicht direkt den Begriffsinhalt ausmachen, aber doch hilfreich sind, um einzelne Definitionselemente näher zu bestimmen und so Mißdeutungen der Definition vorzubeugen und um insgesamt die Praktikabilität der Definition zu erhöhen. Angesichts der Komplexität der mit einer Begriffsdefinition verbundenen Probleme erwies es sich für das Ziel der Harmonisierung als ratsam, auf den Versuch einer sämtliche Aspekte des Begriffs abdeckenden, u. U. schwerfälligen Definition zu verzichten zugunsten einer griffigen Definition, die lediglich einiger ergänzender Hinweise bedarf. 16. Nicht in allen Fällen konnte es gelingen, verbindliche Begriffsdefinitionen vorzuschlagen. An die Stelle von Definitionen sind bei drei Begriffsgruppen sog. "Beschreibungen" getreten, die den Sinn haben, die Funktion und Bedeutung dieser Begriffe wiederzugeben, ohne sie inhaltlich exakt festzulegen. Diese Verfahrensweise hat ihre Berechtigung nicht unbedingt darin, daß insoweit ein Mangel an harmonisierungsfähigen Begriffsinhalten festzustellen ist, sondern eher darin, daß die Funktion dieser Begriffsgruppen gerade eine relative Offenheit erfordert, um alle damit beschriebenen oder beschreibbaren Vorgänge bzw. Zustände adäquat zu erfassen. Ausgrenzende Definitionen hätten hier mehr Nachteile als Nutzen gebracht. Die nicht definierten, sondern beschriebenen Begriffsgruppen sind die folgenden: - Verwenden, behandeln, Umgang; - Gefahr, gefährlich; gefährliche Stoffe und Zubereitungen (-Güter,- Abfälle), Risiko, unvertretbares Risiko; - Schaden, Beeinträchtigung, Nachteil, Belästigung, schädliche Wirkungen, schädliche Einwirkungen, schädliche Umwelteinwirkun-

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gen, Gesundheitsschaden, Gesundheitsbeeinträchtigung, Verunreinigung (von Umweltgütern), Verschmutzung. 17. Im eigentlichen Sinne wurden folgende definierte Begriffe vorgelegt: - Herstellen, Hersteller; - Einfuhr, einführen, Durchfuhr; -Stoff; - Zubereitung; - Neuer Stoff; - Produkt, Erzeugnis, Artikel, Konsumprodukt, Publikumsprodukt; - Person, natürliche Person, juristische Person, verantwortliche Person; -Umwelt; - Abfall, Abwasser, beseitigen, einbringen, einleiten. 18. Die Gesamtauswahl der behandelten Begriffe richtete sich nach ihrer Funktion als Schlüsselbegriffe des Umweltchemikalienrechts. Solche Schlüsselfunktionen lassen sich für unterschiedliche Regelungsbereiche feststellen: - Gegenstände (Stoff, Zubereitung, Produkt, Abfall etc.), - Handlungen (Herstellen, verwenden, einführen etc.), - Personen (Hersteller, Person, juristische Person etc.), - Einwirkungen (Gefahr, Schaden, Gesundheitsbeeinträchtigung etc.) und - Einwirkungsobjekt (Umwelt). Darüber hinaus ist eine weitere Unterscheidung zwischen solchen Begriffen möglich, die einen spezifisch chemikalienrechtlichen Bezug aufweisen, wie Stoff, Produkt, herstellen etc., und solchen, die auch außerhalb des Gefahrstoffrechts die Bedeutung zentraler Rechtsbegriffe haben. Hierzu gehören etwa Einfuhr, Person sowie im Bereich des allgemeinen Umweltrechts der Umweltbegriff und der Gefahrenbegriff. Soweit die Begriffe und die hier vorgeschlagenen Definitionen ihrem Inhalt nach auch in außerchemikalienrechtlichen Gebieten des Umweltrechts Verwendung finden bzw. Verwendung finden könnten, ist diese Möglichkeit weder berücksichtigt noch beabsichtigt. Es wäre zweifellos überzogen, aufgrund des ausschließlich aus dem Bereich des Gefahrstoffrechts ausgewerteten Materials direkt auf Gültigkeiten in anderen Umweltrechtsgebieten schließen zu wollen. Dies setzt zunächst eine innerstaatliche Harmonisierung des nationalen Umweltrechts voraus. Gleichwohl können sich bei Begriffen, die chemikalienspezifische Inhalte

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nicht oder nur in geringem Maße aufweisen, wie etwa dem Umweltbegriff, durchaus verwertbare Anhaltspunkte für eine allgemeine Begriffsklärung er,geben. Insofern kann die Studie auch der Begriffsharmonisierung im allgemeinen Umweltrecht nützlich sein. 19. Ob der mit dieser Studie verfolgte Weg zur internationalen Rechtsvereinheitlichung Erfolg haben wird, kann erst die weitere Zukunft zeigen. Ganz unproblematisch ist er angesichts möglicher Gefahren einer Harmonisierung sicher nicht. Denn so faszinierend Vorstellungen von Weltrechtsordnungen und speziell einem einheitlichen Umwelt-Weltrecht sein mögen, so nachteilig kann sich der damit verbundene Verlust an Vielgestaltigkeit des Rechts und Vielfarbigkeit nationaler Rechtskulturen auswirken. Ein politischer "Wettbewerb" um das bessere Umweltrecht wird durch eine Harmonisierung verhindert. Vor allem: solange es Unterschiede in der politischen, ökonomischen und sozialen Struktur der Staaten gibt, besteht immer die keineswegs fernliegende Gefahr einer Einigung auf dem kleinsten gemeinsamen ökologischen Nenner. Zudem ist eine international vereinbarte Harmonisierung im Vergleich zu nationalen Regelungen nicht selten so zählebig, daß die Schere zwischen dem Notwendigen und dem tatsächlich Erreichbaren nach einer Harmonisierung ständig größer werden könnte. Solchen Gefahrenmomenten ist nur dadurch zu begegnen, daß Rechtsharmonisierung als fortlaufender Prozeß betrachtet wird und daß fortwährend an der Schaffung verbesserter internationaler Rahmenbedingungen gearbeitet wird. Zu den Rahmenbedingungen eines verbesserten Umweltschutzes gehört sicher auch, ihn von politischen Vorwürfen und Einwänden der internationalen Handelserschwerung zu befreien. Bei internationaler Wettbewerbsneutralität werden Umweltschutzmaßnahmen nicht mehr dem Einwand hierdurch verschlechterter Wettbewerbspositionen ausgesetzt sein. Daher ist das Bemühen um den Abbau ungerechtfertigter Handelsschranken eng verknüpft mit dem Bemühen um die Durchsetzung von mehr Umweltschutz. Entscheidend wird letztlich sein, inwieweit die gegenwärtig international bestehenden politischen, ökonomischen und sozialen Strukturen und Koordinationsorganisationen die Einsicht in die existenzielle Bedeutung eines wirksamen Umweltschutzes fördern können. 20. Die vorliegende Studie ist, wie dargestellt, durch die Mitwirkung in der OECD-Arbeitsgruppe beeinflußt. Sie kann darüberhinaus aber auch auf eine Vorstudie zurückgreifen, die der Vorbereitung des deutschen Beitrags zur Arbeitsgruppe diente11• Diese Vorstudie enthält 17

Kloepfer/Knebel (Anm. 5).

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Analysen zu einem Teil der hier behandelten Rechtsbegriffe und zeigt perspektivisch auf, welche Harmonisierungschancen sich für einzelne Begriffe ergeben. Auf der Grundlage dieser Untersuchungen und der im Verlauf der Tätigkeit der Arbeitsgruppe erzielten Ergebnisse wurden Konzept und Aufbau der vorliegenden Studie entwickelt. Im ersten Teil werden die schon in der Vorstudie analysierten Begriffe behandelt, indem die dort gewonnenen Ergebnisse unter Einbeziehung des inzwischen hinzugekommenen Materials und der Erkenntnisse der OECD-Arbeitsgruppe fortgeführt und entsprechend der Zielsetzung dieser Studie systematisiert werden. Für jeden Begrüf bzw. jede Begriffsgruppe werden diese rechtsvergleichenden Untersuchungen in einem ersten Abschnitt dargestellt und in einem zweiten Abschnitt dann die Möglichkeiten und Kriterien der Begriffsharmonisierung erörtert. In diese Harmonisierungserörterungen ist zum Vergleich auch das Harmonisierungskonzept des OECD-Glossariums einbezogen. Durch ein Herausstellen der Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen dem OECD-Vorschlag und der eigenen Lösung soll ermöglicht werden, daß die jeweiligen Gründe nachvollzogen und kritisch bewertet werden können. Bei Bewertung der Unterschiede ist zu bedenken, daß eine reale internationale Umweltrechtsharmonisierung stets vor der Schwierigkeit steht, einen Ausgleich zwischen dem Minimalkonsens und dem ökologischen Optimum zu suchen. Die im zweiten Teil der Studie enthaltenen rechtsvergleichenden Untersuchungen nehmen im Vergleich zum ersten Teil einen größeren Raum ein. Grund hierfür ist neben der besonderen Komplexität gerade solcher Begrüfe wie Umwelt oder Gefahr vor allem die Tatsache, daß insoweit keine ausreichenden früheren Untersuchungen vorlagen. Es erschien daher ratsam, die tatsächlich notwendigen Analysen und nicht einfach "künstlich" verkürzte Darstellungen zum Zweck eines einheitlichen äußeren Erscheinungsbildes der Studie wiederzugeben. 21. Zum besseren Überblick sind in der Zusammenfassung am Schluß der Studie alle Harmonisierungsvorschläge mit kurzen Charakterisierungen zusammengestellt worden. Der Anhang gibt in einer nicht offiziellen deutschen Übersetzung wichtige Ergebnisse der Arbeit der OECD-Expertengruppe: "International Glossary of Key Terms" wieder.

ERSTER TEIL

Harmonisierungsvorschläge

A. Harmonisierungsvorschlag zu den Begriffen: Herstellen, Hersteller I. Ergebnisse der Analyse 1. Verwendungshäufigkeit

Die Begriffe "Herstellen" und "Hersteller" sind ähnlich wie der Begriff des "Inverkehrbringens" zentraler Anknüpfungspunkt für eine Vielzahl chemikaliengesetzlicher Regelungen. Dementsprechend groß ist ihre Verwendungshäufigkeit. Sie kommen in den allgemeinen und speziellen Chemikaliengesetzen Australiens, Kanadas, der Bundesrepublik Deutschland, Japans, Großbritanniens, Frankreichs, der Niederlande, der Schweiz und der USA vor. Auf die entsprechenden englischen Begriffe "manufacture" und "manufacturer" bezogen, läßt sich eine fast ähnliche Verwendungsbreite feststellen. Unterstellt man eine inhaltliche Identität zwischen dem deutschen Herstellungs- und dem englischen manufacture-Begriff, so weicht lediglich die Situation in Frankreich etwas ab, weil die dort ausschließlich verwendeten Termini "fabriquer" und "fabricant" sprachlich mit "fabricate" und "fabricator" übersetzt werden müßten, was zumindest im Englischen zu einer engeren Bedeutung im Sinne des Konstruierens, fabrikmäßigen Herstellens führt. Die funktional orientierte Übersetzung würde hingegen wohl auch für "fabriquer" die Begriffe "manufacture" und "Herstellen" ergeben. Denn "fabriquer" wird- relativ umfassend- verstanden als das Anfertigen von Gegenständen mit Hilfe entwickelter Rohmaterialien zu kommerziellen Zwecken18• 2. Abgrenzung des Vergleichsobjekts

Die Abgrenzung zu anderen Begriffen bereitet keine Schwierigkeiten. Sinnverwandte Begriffe wie "Erzeugen" oder "Produzieren" haben keine eigenständige Bedeutung als Rechtsbegriffe19• Das "Beund Verarbeiten" sowie das "Gewinnen" beschreiben Teilaspekte des Herstellungsvorganges, sind also vom Begriff Herstellen durch ihre Spezialität unterschieden. 18 Faire, a l'aide de rnatieres prernieres transforrnee, des Objekts destines au cornrnerce. 19 Vgl. dazu Kloepfer/Knebel (Anrn. 5), S. 69 f.

2 Kloepfer I Bosselmann

18

A. Begriffe: Herstellen, Hersteller 3. Vberblick

Die internationale Verwendungsbreite korrespondiert mit einer großen Bedeutungsvielfalt des Herstellungsbegriffs. Trotz erkennbarer Gemeinsamkeit hinsichtlich eines Begriffskerns weist der internationale Vergleich gravierende Unterschiede auf. Da der Begriff des Herstellens wegen seiner breitgestreuten Verwendungsmöglichkeiten in besonderem Maße kontextorientiert ist, weichen die Definitionen - soweit überhaupt vorhanden -stark voneinander ab. a) Schon innerhalb der Bundesrepublik Deutschland kann von einer homogenen Begriffsbildung nicht gesprochen werden. Obwohl der Begriff Herstellen sprachlich und funktional vom Be- und Verarbeiten oder Gewinnen abzugrenzen ist, sind diese und noch andere Elemente wie etwa Zubereiten oder Mischen in einzelnen gesetzlich erfaßten Herstellungsvorgängen mit enthalten. Verschiedentlich sind sie Bestandteile von spezialgesetzlichen Definitionen des Herstellungsbegriffs. Zum Teil sind sie eigenständig als spezielle Form des Herstellens ausgewiesen. Der Begriffsinhalt ist wesentlich durch die funktionellen Besonderheiten des jeweiligen Chemikaliengesetzes bestimmt, wobei allerdings die Begriffselemente "Be- und Verarbeiten" sowie - mit Einschränkung- "Gewinnen" relativ durchgängig festzustellen sind 20 • Das wiederholte Vorkommen dieser Elemente legt es nahe, sie als begriffskonstituierend für das Herstellen anzusehen. Bestätigt wird dies durch das Chemikaliengesetz vom 25. September 1980, dessen großer Geltungsbereich die allgemeine Begriffsbildung in besonderem Maße prägt. Die Definition des "Herstellers" in § 3 Nr. 5 ChemG21 selbst ist zwar wenig aussagekräftig, da sie den Hersteller als diejenige (natürliche oder juristische) Person bezeichnet, die einen Stoff oder eine Zubereitung "herstellt". Doch bringt der Kontext gewisse Erhellung zum einen durch den Zusatz "oder gewinnt" 21 a und zum anderen durch die Definition des Verwendens in § 3 Nr. 7. Als die am ehesten auf die Herstellung bezogene Verwendungsform bezeichnet die Definition das "Be- und Verarbeiten" und setzt damit einen deutlichen Akzent auf diesen auch sonst gebräuchlichen Gesichtspunkt des Herstellens. b) Die insgesamt nur grobe Annäherung an eine Definition in der Bundesrepublik Deutschland wird zwar plastischer, wenn man sie im internationalen Vergleich sieht. Aber auch die Einbeziehung der übrigen Länder führt nicht zu einem klar abgegrenzten Begriffsbild. Im einzelnen Kloepfer/Knebel (Anm. 5), S. 73 f. und 77 ff. Siehe dazu etwa Kloepfer (Anm. 3), S. 56 f.; Schiwy, Chemikaliengesetz, Komm. Loseblatt, Bd. I, Percha, Stand März 1984 (18. Erg.-Lfg.), Erl. zu § 3, 20 21

s. 7.

2ta

Vgl. Uppenbrink u. a. (Anm. 3), Rn. 69 zu§ 3.

I. Ergebnisse der Analyse

19

Vielmehr ist gerade für die internationale Situation kennzeichnend, daß - an sich denkbare - detaillierte Definitionen weitgehend vermieden werden. Stattdessen finden sich meist nur grobe Umschreibungen oder einzelne, spezialgesetzlich ausgerichtete Aspekte einer Definition. Und in Dänemark, Schweden, der Schweiz22 sowie in Großbritannien und in den Niederlanden wird sogar auf jede konkretisierende Beschreibung verzichtet. Betrachtet man zum einen die überall festzustellende Verwendungsvielfalt und zum anderen den Vergleich zu sonstigen wichtigen- meist definierten - Schlüsselbegriffen, wie etwa "Inverkehrbringen", so lassen sich zwei Gründe angeben, mit denen der weitgehende Verzicht auf eine definitionsmäßige Festlegung erklärt werden könnte. Die starke Funktionsorientierung des Herstellungsbegriffs und die damit verbundene Paralysierung in viele Unterbegriffe läßt es nicht gerade geboten erscheinen, Herstellen zentral und allgemeinverbindlich zu definieren. Spezielle Aspekte des Herstellens genügen den nationalen Gesetzgebern oftmals, um daran individualgesetzliche Regelungen zu knüpfen. Die Notwendigkeit zur gleichmäßigen Erfassung des Herstellens ist von daher weniger gegeben als bei anderen, in ihrer Bedeutung vergleichbaren Rechts begriffen. Der zweite Grund liegt möglicherweise in einer relativ ausgeprägten Sprachkonformität. Anders als die eher technisch-fachwissenschaftlich beeinflußten Rechtsbegriffe wie Inverkehrbringen, Stoff, neuer Stoff, Pflanzenschutzmittel etc. ist der Vorgang des Herstellens schon allgemeinsprachlich soweit erschlossen, daß er als Rechtsbegriff nicht unbedingt gesondert definiert werden muß. Mit der allgemeinsprachlichen Bekanntheit kann z. B. auch erklärt werden, weshalb der Herstellungsbegriff oftmals in Definitionen für andere Begriffe vorkommt, selbst aber nicht weiter geklärt wird23• Trifft die Annahme einer relativ tiefgehenden allgemeinsprachlichen Verwurzelung der Begriffe Herstellen und Hersteller zu, so kann aus dem Fehlen ausdrücklicher Definitionen geschlossen werden, daß der Gesetzgeber an den allgemeinsprachlichen Begriffsinhalt anknüpfen will. Für den internationalen Vergleich hat dies eine nicht gerade geringe Bedeutung: Da die definitionsmäßige Erfassung generell vage ist und oftmals überhaupt nicht vorkommt, muß sich die vorzuschlagende Definition zu einem erheblichen Teil an allgemeinsprachlichen und damit wenig detaillierten Be.griffsinhalten orientieren. Hierzu Kloepfer/Knebel (Anm. 5), S. 75. Dies kommt außer in § 3 Nr. 5 Chemikaliengesetz in zahlreichen ausländischen Regelungen vor, wie etwa denen Japans, Kanadas, der Niederlande sowie der EG. 22 23

2*

20

A. Begriffe: Herstellen, Hersteller

4. Unterschiede und Gemeinsamkeiten im internationalen Vergleich

a) Soweit die nationalen Begriffsverwendungen bestimmte Inhalte des Herstellungsbegriffs erkennen lassen, sind sie sehr unterschiedlich ausgeprägt. Im allgemeinen Chemikalienrecht gibt es nur vereinzelte und auch dann nur im Ansatz aussagekräftige Definitionen24 • Sonst finden sich Definitionen lediglich in spezialgesetzlichen Normbereichen, wo sie nur hinsichtlich eines Kernbereichs herstellender Tätigkeit abstrahierbar sind25 • Der übrige Bereich inhaltlicher Darstellungen wird durch Begriffszuordnungen bestimmt, bei denen je nach Grundverständnis und terminologischen Unterscheidungen der Herstellungsbegriff ähnlichen Begriffen über-, gleich- oder untergeordnet wird. Aus den Zuordnungssystemen läßt sich der Begriffsinhalt mittelbar erschließen. Wegen der Ambivalenz der zugeordneten Begriffe und wegen divergierender Funktionszusammenhänge sind derartige Schlußfolgerungen aber nur sehr begrenzt möglich. Gegenüber positiven Beschreibungen sind bloße Begriffszuordnungen stets mit dem Manko geringerer Maßstabszuverlässigkeit behaftet. b) Der inhaltliche Vergleich zeigt beträchtliche Unterschiede. Hauptgrund dafür ist die enge Funktionsbindung an spezialgesetzliche Regelun,gsinhalte. Der Begriff des Herstellens spielt in so unterschiedlichen Normbereichen wie z. B. Gesundheitsschutz, Anmeldepflichten, Kontrolle gefährlicher Stoffe, Verbraucherschutz, Lebensmittelkontrolle, Strahlenschutz, Zölle und Abgaben eine Rolle. Dementsprechend weitläufig ist das Spektrum vorkommender Definitionen. Ein einheitliches Bild ergibt sich aber auch dann nicht, wenn man die jeweiligen Normbereiche "horizontal" miteinander vergleicht. Die nationalen Regelungserfordernisse sind zu unterschiedlich, um daraus harmonisierende Begriffsdefinitionen ableiten zu können26 • Daß dennoch genügend Substanz übrigbleibt, um die Elemente eines Definitionsvorschlages zu formen, ist außer der erwähnten relativ ausgeprägten Sprachkonformität im wesentlichen dem Umstand zu verdanken, daß es keine prinzipiellen Hindernisse gibt, die einer Begriffsdefinition entgegenstünden. Der weitgehende Verzicht auf allgemeindefinitorische Klärung bedeutet, soweit erkennbar, nicht das Eingeständnis der Unmöglichkeit, Herstellen definieren zu können; der Verzicht ist meist nur rechtstechnisch bedingt. Der Ermittlung einer definitionsfähigen Substanz sind freilich Grenzen gesetzt. Soweit Begriffselemente tatsächlich nicht vorkommen, 24 Erwähnenswert sind nur einige Definitionsansätze im TSCA und CPSA der USA; vgl. Kloepfer/Knebel (Anm. 5), S. 71 mit Fn. 6. 25 Vgl. Kloepfer/Knebel (Anm. 5), S. 80. 26 Vgl. im einzelnen Kloepfer/Knebel (Anm. 5), S. 73-76.

I. Ergebnisse der Analyse

21

dürfen sie nur dann herangezogen werden, wenn sie nicht in Widerspruch treten zu anderen international gebräuchlichen Begriffsbestandteilen. c) Daher bilden in erster Linie die real festzustellenden Gemeinsam-

keiten die Grundlage des Definitionsvorschlages.

Als wesentliches Merkmal des Herstellens kann zunächst das "Be-

und Verarbeiten" eines Stoffes identifiziert werden27 • Das Be- und Ver-

arbeiten ist als Definitionsbestandteil mitunter ausdrücklich erwähnt, gelegentlich wird es im Kontext zum Herstellungsbegriff gebraucht. Wo positive Erwähnungen fehlen, kann aufgrund des sachlichen Zusammenhanges die Existenz des Be- und Verarbeitens vorausgesetzt werden, da eine Herstellung ohne Be- oder Verarbeitung kaum vorstellbar ist. Die direkte oder indirekte menschliche Einwirkung auf einen Stoff mit der Absicht, ein Ergebnis zu erzielen, ist begriffsnotwendiger Bestandteil des Herstellens. Dieses Einwirken läßt sich mit dem Begriffspaar Be- und Verarbeiten ausdrücken. Ob das Gewinnen als Begriffselement einbezogen werden kann, hängt vor allem von der Flexibilität des Begriffs Herstellen ab. Eine allgemeinsprachlich orientierte Ausdeutung des Herstellungsbegriffs würde am ehesten wohl "Anfertigen" als das nächstverwandte Wort heranziehen28 und so den Akzent auf die (handwerklich oder industriell betriebene) menschliche Einwirkung setzen. Dies würde den Gesichtspunkt des Gewinnens ausschließen, soweit er das Erlangen auf natürliche Weise bezeichnet. Der Begriff des Herstellens im Umweltchemikalienrecht scheint jedoch so weit gefaßt, daß er auch die Gewinnung rein natürlicher Stoffe und Verbindungen einschließt. Jedenfalls ist er funktionell betrachtet eher auf das Entstehen eines Produkts gerichtet als auf die Art und Methode der Erzeugung. Da er in seinem Kontext stets der rechtlichen Erfassung der Gefährlichkeit von Umweltchemikalien dient, hat die Komponente der (sich abzeichnenden) Existenz eines wodurch auch immer hervorgebrachten Produkts im Herstellungsbegriff die entscheidende Bedeutung. Daß der Vorgang der natürlichen Gewinnung vom Begriff des Herstellens sinnvollerweise nicht zu trennen ist, zeigt auch der internationale Vergleich29 • Obwohl kaum jemals explizit mit einbezogen, löst das Gewinnen fast durchgängig die gleichen Rechtsfolgen aus wie das BeKlepfer/Knebel (Anm. 5), S. 72 und 80. Vergleiche etwa Duden, Synonymwörterbuch, 1964, S. 44 und 354. 29 Kloepfer/Knebel (Anm. 5), S. 73 ff.; vgl. auch Kloepfer (Anm. 3), S. 56 f., sowie Uppenbrink u. a. (Anm. 3), Rn. 76 f . zu § 3. 27 28

22

A. Begriffe: Herstellen, Hersteller

und Verarbeiten von Stoffen. Es mag an der Besonderheit der englischen Sprache liegen, daß diese beiden Komponenten der Produkterzeugung nicht ohne weiteres in einem Begriff zusammengezogen werden können. Der gebräuchliche Ausdruck "manufacture" ist - wie sein lateinischer Wortstamm erkennen läßt - auJ das aktive Einwirken bezogen und wohl auch nicht geeignet, das Gewinnen aus der Natur - englisch "obtain from nature" -einzuschließen. Umfassender ist der Ausdruck "produce", der nicht nur für das eigentliche Produzieren, sondern auch für das Gewinnen verwendet wird30• Dementsprechend wird in einigen Gesetzen Kanadas und der USA dieses Wort gegenüber "manufacture" vorgezogen. Wo im übrigen die Bedeutung des Wortes Herstellen nach der Landessprache nicht eindeutig ist, wird zur Klarstellung das Wort "Gewinnen" ergänzt. Beispiel hierfür ist § 3 Nr. 5 des deutschen Chemikaliengesetzes. Insgesamt sprechen daher sowohl die funktionelle Betrachtung als auch die Berücksichtigung sprachlicher Gestaltungsmöglichkeiten dafür, das Gewinnen als Bestandteil international vorkommender Formen des Herstellungsbegriffes anzusehen. Am Ende des Herstellungsvorganges steht ein Ergebnis. Dieses Ergebnis wird als Erzeugnis oder auch Artikel, meist aber als Produkt gekennzeichnet. Das Produkt hat eine vergleichsweise umfassende Bedeutung und schließt insbesondere das Ergebnis natürlicher Gewinnung ein. Zudem hat es in der deutschen Rechtssprache keine Bindung an einen bestimmten Zweck wie etwa der Begriff des Artikels. Auch im Englischen ist "product" die allgemeinste Bezeichnung für das Ergebnis eines Herstellungsprozesses31 • Obgleich nur in Einzelfällen das Produkt in einen definitionsmäßigen Zusammenhang mit Herstellen gebracht wird, ist es doch dessen notwendiger Bestandteil im Sinne eines Ergebnisses des Herstellungsprozesses. Das Produkt ist somit ein international praktisch überall vorkommendes Begriffselement. II. Harmonisierungserörterungen 1. Allgemeines

Die Ergebnisse des internationalen Vergleichs lassen die Möglichkeit eines Harmonisierungsvorschlages bereits auf der Ebene bestehender Gemeinsamkeiten zu. Wie dargestellt, gibt es eine relativ ausgeprägte Konformität der sprachlichen Bedeutung von Herstellen, so daß auch der Rechtsbegriff im Ansatz die Merkmale des allgemeinverstandenen Vgl. etwa Messinger/Rüdenberg, Handwörterbuch Englisch, 1977, S. 253. Vgl. etwa den Harmonisierungsvorschlag der OECD zu "product" im Gegensatz zu "article". 30 31

II. Harmonisierungserörterungen

23

Begriffs hat. Darüber hinaus zeigen die tatsächlich vorkommenden Definitionen und Begriffsverwendungen zentrale Gemeinsamkeiten, aus denen sich ein harmonisierungsfähiger Begriffskern herausfiltern läßt. Aus ihm sind dann die Inhalte der Definitionen zu entwickeln. Sie bestimmen sich im wesentlichen durch die Häufigkeit außerdem noch vorkommender Begriffsmerkmale sowie durch die Gesichtspunkte des Umweltschutzes und der Harmonisierung des Handels. Die Gestaltungsmöglichkeiten einer Definition sind allerdings begrenzt. Wegen seiner starken Kontextorientierung und unterschiedlichen Funktionalität in vielen Definitionen kann der Begriff des Herstellens nur hinsichtlich einiger Elemente abstrahiert werden. In Frage kommen nur solche, die allgemein genug sind, daß sie auch die vielen spezialgesetzlichen Begriffsverwendungen tragen und international einheitlich verstanden werden. Unter diesen Umständen ist es angezeigt, in dem Konflikt zwischen wenig aussagekräftiger Allgemeinformel und Überfrachtung mit spezifischen Regelungsinhalten auf die allgemeinsprachliche Ausdeutung des Begriffs zurückzugreifen und übermäßige Nuancen in der Definition zu vermeiden. Wie mehrfach hervorgehoben, wird eine allgemeinsprachlich orientierte Definition auch den Anforderungen des Rechtsbegriffs durchaus gerecht32• Zur weiteren Präzisierung scheint es erforderlich, die Besonderheiten der Herstellung von Umweltchemikalien einzubeziehen. Damit wird eine Abgrenzung gegenüber solchen Formen des Herstellens ermöglicht, die keinen Bezug zum Umweltchemikalienrecht haben. 2. Begriffskern

Herstellen wird im allgemeinen mit "Anfertigen" gleichgesetzt. Damit ist die Vorstellung verbunden, daß Ausgangsstoffe solange bearbeitet werden, bis sie ein fertiges Produkt ergeben. In der Sprache der Ökonomie wird die Herstellung - etwas enger - als Fertigung oder Produktion verstanden. Nach beiden Vorstellungen geht es also um die Bearbeitung von Ausgangsstoffen mit dem Ziel der Produkterzeugung. Damit sind drei Faktoren des Herstellens - Ausgangsstoff, Arbeitsprozeß, Ergebnis- genannt, die auch im Rechtsbegriff Herstellen enthalten sind. Allerdings ist diese erste sprachliche Annäherung noch zu allgemein, um daraus eine begriffsscharfe Definition formen zu können. Der für den Herstellungsvorgang erforderliche Arbeitsprozeß kann entweder als (bloßes) Bearbeiten oder als Verarbeiten von Sachen auf32 Zu einer ähnlichen Schlußfolgerung gelangt die von Kanada für die OECD erstellte Untersuchung zu den Begriffen "manufacture, manufacturer, fabricate, process(ing), produce". - Addendum I to the Final Report of the Expert Group on an International Glossary of Key Terms (ENN / CHEM/

MC/81.7), 1981, S. 6 f.

24

A. Begriffe: Herstellen, Hersteller

treten. Jede dieser b€iden Einwirkungsformen ist geeignet, "etwas herzustellen", sie stehen sich also alternativ gegenüber. International kommen sie gleichermaßen vor, sie werden auch in der Regel so unterschieden, wenn auch die Beschreibungen und Übersetzungen nicht immer einheitlich sein mögen 33• Als eine im Bereich der Umweltchemikalien vorkommende besondere Form des Herstellens kann das Gewinnen oder Erzeugen durch natürliche Prozesse hinzugerechnet werden. Für die chemikaliengesetzliche Erfassung von hergestellten gefährlichen Stoffen bzw. Produkten ist im allgemeinen ohne Bedeutung, ob diese aufgrund aktiv einwirkender Tätigkeit oder lediglich durch Schaffen von Bedingungen entstanden sind, unter denen sich natürliche Entwicklungsprozesse vollziehen können. Ob deswegen der Ausdruck "Gewinnen" eigenständig neben das "Be- und Verarb€iten" treten soll, ist damit nicht entschieden. Dies hängt von sprachlichen Gestaltungsmöglichkeiten wie auch von eventuellen Übersetzungsschwierigkeiten ab. Materiell jedenfalls kann auch das natürliche Erzeugen oder Gewinnen in die Definition des Herstellungsb€griffs einbezogen werden. Das Ergebnis des Herstellens ist als Produkt zu bezeichnen, da dieser Ausdruck gegenüber verwandten Bezeichnungen wie Erzeugnis oder Artikel den Vorzug hat, umfassender und auch eindeutiger zu sein. Mit der Bezeichnung als Produkt wird insbesondere jede Festlegung auf ein bestimmtes, willentlich hervorgebrachtes Ergebnis vermieden. Prinzipiell eingeschlossen sind deswegen auch unbeabsichtigte Ergebnisse, also z. B. die sogenannten Fehlchargen. Inwieweit das voluntative Element zum Begriff des Herstellens gehört, bleibt jedoch noch zu klären34 • Wie das Produkt am Ende des Herstellungsprozesses steht, so stehen Ausgangsstoffe am Anfang. Sie können und dürfen jedoch nicht weiter spezifiziert werden. Jede Konkretisierung etwa als Rohprodukte, Stoffe, Substanzen, Dinge oder dergleichen würde nicht nur zusätzliche Definitionsschwierigkeiten mit sich bringen, sondern auch den Bereich der hergestellten Produkte eingrenzen. Da sowohl Stoffe im Sinne der chemikalienrechtlichen Definition35 als auch Zwischenprodukte, als auch sogar Endprodukte Ausgangsbasis für den Vorgang des Herstellens von (neuen) Produkten sein können, besteht kein Konkretisierungsbedürfnis. Soll überhaupt die Erwähnung von derartigen Ausgangsstoffen in die Definition mit aufgenommen werden, so scheint am ehesten die Bezeichnung "Materialien" geeignet, alle Formen der zur Herstellung von Produkten brauchbaren Substanzen abzudecken. 33 Im einzelnen Kloepfer!Knebel (Anm. 5), S. 72 f . In der englischen Übersetzung ist "work and process" gebräuchlich. 3 4 Siehe unten S. 27. 35 Siehe unten Abschnitt D.

II. Harrnonisierungserörterungen

25

Mit diesen vier Elementen ist der Begriffskern der vorzuschlagenden Definition umrissen. 3. Weitere Definitionsinhalte

Wie der Begriffskern zeigt, ist die vorzuschlagende Definition überwiegend allgemeinsprachlich geprägt, wobei die damit verbundenen Begriffsunschärfen durch rechtliche und chemikalienspezifische Konkretisierungen noch ausgeglichen werden können. Der allgemeine Charakter der Definition entspricht allerdings den Erfordernissen, die sich aus der hohen Kontextorientierung des (jeweiligen) Herstellungsbegriffes ergeben. Er ist deshalb im wesentlichen beizubehalten. Die Vorgänge und Besonderheiten des Herstellens im Bereich der Umweltchemikalien können jedoch noch näher erklärt werden, ohne diesen allgemeinen Charakter zu gefährden. Auch müssen noch einzelne Aspekte des Definitionsinhaltes erläutert werden, um Auslegungsschwierigkeiten entgegenzuwirken. Ob die erforderlichen Ergänzungen in die Definition selber eingehen oder in Form von Anmerkungen erscheinen sollten, ist jeweils gesondert zu entscheiden. Im Grundsatz gilt, daß die Definition im Interesse der Eindeutigkeit und Klarheit nicht zuviele Differenzierungen, Nuancen und Relativierungen enthalten sollte. a) Technisch-naturwissenschaftliche Aspekte Die in den nationalen Rechtsordnungen vorkommenden Definitionen und Umschreibungen des Herstellens etc. lassen ihren Bezug zu Umweltchemikalien meist nicht erkennen. Offenbar wird es zum Verständnis des Herstellungsbegriffs nicht für notwendig gehalten, die im Chemikalienbereich vornehmlich auftretenden Herstellungsprozesse näher zu charakterisieren. Dem ist zuzustimmen, soweit die bei der technischen und industriellen Herstellung auftretenden Eigenarten lediglich illustrierende Bedeutung haben. Da Rechtsbegriffe und gesetzliche Definitionen möglichst frei sein sollten von erläuterndem "Beiwerk", sind Spezifizierungen oder Exemplifizierungen der chemikalienbezogenen Herstellung wohl wenig sinnvoll. Andererseits ist aber auch nicht zu verkennen, daß eine Definition ohne - wenigstens gedankliche - Bezugnahme auf das Chemikalienrecht zu allgemein ausfallen könnte. Sie könnte als Generaldefinition für alle denkbaren Arten und Formen des Herstellens mitverstanden werden und aus dem Bezugrahmen, in dem sie entstanden ist, unzulässigerweise herausfallen. Dieser Gefahr wird zu einem gewissen Grad vorgebeugt, wenn etwa die Komponente des Gewinnens auf natürliche Weise ausdrücklich genannt ist oder der Anmerkungsapparat bestimmte chemikalienspezi-

26

A. Begriffe: Herstellen, Hersteller

fische Gesichtspunkte erwähnt36 • Es scheint aber nützlich, auf die technisch-naturwissenschaftlichen bzw. industriellen Aspekte des gemeinten Herstellungsbegriffs jedenfalls ansatzweise noch einzugehen. In der Praxis dürften chemikalische, physikalische und biologische Entwicklungsprozesse beim Herstellen im Bereich der Umweltchemikalien die entscheidende Rolle spielen. Im wissenschaftlichen Laborbetrieb wie in der chemischen Industrie (im weitesten Sinne) machen derartige Prozesse und Arbeitsvorgänge den eigentlichen Charakter der Produktherstellung aus. In der Regel - aber nicht notwendigerweise - sind dabei kommerzielle Verwertungsinteressen im Spiel. An chemikalischen Prozessen tritt eine Vielzahl von gewollten oder auch nur tatsächlichen Reaktionen auf. Dazu gehören, um nur einige typische zu nennen, Oxydation, Neutralisation, Reduktion, Hydrierung, Elektrolyse, Isomerisation, Gärung, Aromatisierung, Polymerisierung etc. Davon zu unterscheiden sind physikalische Vorgänge wie z. B. Erhitzung, Verflüssigung, Verdampfung, Trocknung, Mischung, Zusammenfügung, Filtrierung, Destillierung oder Kristallisation. Auch das gesamte Spektrum solcher organischer Veränderungen, die rein biologisch bestimmt sind, gehört zur Vielfalt möglicher Herstellungsformen auf dem Gebiet der Chemikalien. Hierzu dürften auch Vorgänge wie Züchten, Veredeln oder Frucht- und Obstanbau zu rechnen sein. Zusammengefaßt kann von chemikalischen, physikalischen oder biologischen Prozessen gesprochen werden, die im übrigen nicht notwendigerweise getrennt, sondern auch gleichzeitig ablaufen können. Ob mit einer Erwähnung in der Definition ein Gewinn für die Verständlichkeit verbunden ist, läßt sich nicht zwingend entscheiden. Sicher ist wohl nur, daß sie nicht sachlich irreführend wäre. Im Widerstreit zwischen begrifflicher Überfrachtung und Bezugnahme zum umweltchemikalischen Kontext scheint es immerhin nützlich, einen entsprechenden Hinweis in die Definition aufzunehmen. Da keine der existierenden Definitionen dem widersprechen würde und die dadurch größer werdende Definitionsdichte eine aus dem Kontext sich lösende Begriffsentwicklung verhindern könnte, sprechen die gewichtigeren Gründe für eine ausdrückliche Erwähnung. 36 Die Gefahr, daß die im Umweltchemikalienrecht entwickelten Definitionen aus ihrem Kontext gelöst werden und ein Eigenleben führen, das zumal in anderen Rechtsgebieten ungewollte Schwierigkeiten mit sich bringt, ist freilich nie ganz auszuschließen.

li. Harmonisierungserörterungen

27

b) Voluntative Elemente

Der Herstellungsvorgang ist typischerweise darauf gerichtet, ein bestimmtes Produkt hervorzubringen. Insbesondere im gewerblichen und industriellen Betrieb bezweckt jede Form der Herstelh.mg ein bestimmtes Produkt; ohne Produkterwartung verliert Herstellen seinen Sinn. Dies schließt nun allerdings nicht aus, daß außer dem gewollten Produkt noch andere, nicht beabsichtigte Herstellungsergebnisse entstehen. So kann zusätzlich ein Bei- oder Nebenprodukt entstehen, das - technisch bedingt - bei der Produktherstellung stets mit auftritt. Oder es wird statt des erhofften Produkts ein anderes Herstellungsergebnis erzielt, z. B. ein fehlerhaftes Produkt. Derartige Nebenprodukte und Fehlchargen sind vom Hersteller nicht gewollt bzw. nicht zentrales Ziel seiner Tätigkeit. Die Frage ist, ob auch sie vom Herstellungsbegriff erfaßt sind oder ob Herstellen stets eine voluntative Verbindung zwischen Herstellungsprozell und bestimmtem Produkt voraussetzt. Diese zweite Alternative dürfte wohl nicht den Anforderungen genügen, die aus gesetzgeberischer Sicht an den Begriff des Herstellens gestellt werden müssen. Sie würde eine Regelungslücke offenbaren, sobald Nebenprodukte, Abfälle oder Fehlchargen entstanden sind. Gerade unbeabsichtigte Folgen des Herstellens bergen ein erhebliches Gefahrenpotential, das rechtlich unzureichend erfaßt wäre, wenn beispielsweise erst das (spätere) Inverkehrbringen die erforderlichen Sanktionen auslösen könnte. Da es in der Praxis der chemikalienbezogenen Herstellung nicht selten vorkommen dürfte, daß außer einem Hauptprodukt weitere (gewollte oder in Kauf genommene) Nebenprodukte und unerwartete Produkte wie Ausreißer oder Fehlchargen entstehen, muß der Herstellungsbegriff auch diese Fälle erfassen. Dies erscheint so selbstverständlich, daß die bestehenden Definitionen und Regelungen dazu keine Hinweise enthalten. Dementsprechend sollte auch die vorzuschlagende Definition auf eine ausdrückliche Erwähnung verzichten. Dagegen kann in den Anmerkungen auf die Unerheblichkeit einer konkreten Produkterzielungsabsicht hingewiesen werden. Hiervon zu unterscheiden ist das andere voluntative Element, das in dem Herstellungsvorgang selbst steckt. Das Bearbeiten, Verarbeiten und Gewinnen wird sich stets willentlich gesteuert und koordiniert vollziehen. Wollte man diesen Aspekt für die begriffliche Klärung ignorieren, so wäre wohl jede Form der Verursachung einer umweltgefährdenden Folge erfaßt und damit die Abgrenzung zum bloßen Tun nicht mehr möglich.

28

A. Begriffe: Herstellen, Hersteller

c) Zweckrichtung

In der Praxis ist mit der Herstellung eines Produkts die Erwartung der kommerziellen Nutzung verbunden. Vor allem der in der Ökonomie

verwendete Begriff, der in die Nähe von Fertigung und Produktion gerückt ist, hat eine ausgeprägte kommerzielle Komponente. Dies ist auch im Bereich der Umweltchemikalien als Teilbereich wirtschaftlicher Aktivitäten nicht grundsätzlich anders. Nur dient das Umweltchemikalienrecht dem Gefahrenschutz und hat insofern eigene Zielsetzungen. Daher setzt der Herstellungsbegriff einen stärkeren Akzent auf die Entstehung potentiell gefährlicher Chemikalien als auf die Umstände und Erwartungen, die mit der Entstehung verknüpft sind37• Dies muß zwar nicht bedeuten, daß die Realität kommerzieller Interessen für den Begriff des Herstellens zu ignorieren wäre. Doch scheint es im Hinblick auf die Umweltgefährlichkeit und die Gesichtspunkte des Arbeitsschutzes angebracht, die kommerzielle Komponente allgemeiner zu fassen und etwa auch die Herstellung für Eigenzwecke, d. h. für den betriebsinternen Gebrauch, der kommerziellen Interessenssphäre des Herstellers zuzurechnen. Denn auch die Herstellung für eigene Zwecke kann wegen ihres vorbereitenden oder unterstützenden Charakters schwerlich als Gegensatz zur eigentlichen kommerziellen Herstellung begriffen werden. Daß die Zweckrichtung des Herstellens keine definitorische Bedeutung hat, zeigt auch der internationale Vergleich. Im Gegensatz zum "Inverkehrbringen", dessen Bezugsnähe zum kommerziellen Verkehr ersichtlicher ist und das deswegen verschiedentlich auch in diesem Sinne definiert wird38, gibt es zum Herstellen kaum explizite Hinweise auf einen ausschließlichen kommerziellen Bezug30 • Dies hat seinen Grund wohl kaum in der Annahme, der Bezug könne als selbstverständlicher Bestandteil des Begriffs vorausgesetzt werden, sondern vielmehr darin, daß der kommerzielle Bezugsrahmen, in dem das Herstellen zweifellos auch steht, für die Begriffsdefinition ohne konstitutive Bedeutung ist. Auf die Unerheblichkeit der (kommerziellen) Zweckrichtung sollte in einer Anmerkung zur Definition hingewiesen werden. d) Abgrenzung zur Laborerprobung

Nach dem bisherigen Stand der Harmonisierungserörterungen müßte ein Produkt als hergestellt gelten, sobald irgendwelche Stoffe durch Bearbeitung oder Verarbeitung eine neue Qualität erlangt haben. Eine 37

38 39

Vgl. oben S. 21. Vgl. Kloepfer/Knebel (Anm. 5), S. 38. Vgl. Kloepfer/Knebel (Anm. 5), S. 72 f.

II. Harmonisierungserörterungen

29

solche Definition würde den gesamten experimentellen Bereich, in dem nur erprobt oder geprüft wird, zwangsläufig einschließen. Denn eine Unterscheidung zwischen Laborerprobung und darauf evtl. aufbauender Produktion wäre nicht mehr zu treffen. Angesichts der gesetzlich vorgesehenen Konsequenzen für das Herstellen bzw. für den Hersteller ist nicht unproblematisch, ob die Laborerprobung in den Herstellungsbegriff einbezogen werden kann. Dies könnte sich nämlich forschungshemmend auswirken. Allerdings sind auch gesetzliche Pflichten denkbar, die schon für die "experimentelle Herstellung" gelten; prinzipiell auszuschließen ist dies zumindest nicht. Der internationale Vergleich gibt keinen direkten Aufschluß über diese Frage, da im Zusammenhang mit dem Begriff des Herstellens auch geringe Mengen für Forschungszwecke nicht ausgenommen sind, jedoch die Möglichkeit besteht, daß sie in der Verwaltungspraxis oder auch nach einzelnen Regelungen von den Pflichten, die sich an das Herstellen knüpfen, freigestellt sind. Zwar nicht für die Definition, wohl aber für die Anwendung des Herstellungsbegriffs scheint es unterdessen angebracht, zwischen einem Vorstadium des Herstellens und dem eigentlichen Herstellen zu unterscheiden. Eine Produkterzeugung, die auf den Bereich experimentierender Labortätigkeit beschränkt bleibt, kann schwerlich als (frühe) Form des Herstellens aufgefaßt werden. Das Herstellen, obwohl nicht notwendigerweise auf kommerzielle Zwecke bezogen, wird deswegen eigenständig berücksichtigt, weil es eine umweltgefährdende Aktivität im Vorfeld des Inverkehrbringens ist. Ein "hergestelltes" Produkt trägt also zumindest die Möglichkeit oder Eignung in sich, in Verkehr gebracht zu werden (unabhängig davon, ob dies geschieht). Daher ist auch das Produkt für den eigenen Gebrauch durchaus "hergestellt", nicht aber das nur im Erprobungsstadium befindliche Produkt, da es für ein Irrverkehrbringen ohne eine weitere Behandlung nicht geeignet ist. Nach diesem objektiven Kriterium ist eine Unterscheidung sinnvoll zu treffen. Sinnvoll ist sie auch, wenn man den Maßstab der Gefahrenrelevanz zugrundelegt. Ein nicht für eigentliche kommerzielle, sondern eigene Zwecke hergestelltes Produkt entfaltet sein Gefahrenpotential in ähnlicher Weise wie ein für den wirtschaftlichen Verkehr bestimmtes Produkt; in beiden Fällen sind die am Herstellungsprozeß beteiligten Personen und der Betrieb als Teil der Allgemeinheit betroffen. In dem engeren Bereich der Laborerprobung hingegen sind wissenschaftliche Fachleute tätig, die den Sachverstand und die Möglichkeit zur Steuerung des Gefahrenpotentials haben, ohne mit (Teil-)Bereichen der Allgemeinheit direkt in Beziehung zu treten. Diese unterschiedliche Bewertung ist

30

A. Begriffe: Herstellen, Hersteller

sicher nicht zwingend, aber im Hinblick auf den Herstellungsbegriff, der trotz seiner vielfältig denkbaren Funktionen auch rechtlich und sprachlich determiniert ist, jedenfalls vertretbar. Die hinter diesen Überlegungen stehende Befürchtung einer sonst auftretenden Forschungshemmung ist zu gewichtig, als daß sie bei der Anwendung des Herstellungsbegriffs vernachlässigt werden könnte. Die Herausnahme der Laborerprobung wird im Rahmen der Definitionsanmerkungen zu berücksichtigen sein. e) Ergebnis

Die Definitionsinhalte stehen danach fest. (1) Herstellen Der Begriff des Herstellens umfaßt das Be- und Verarbeiten von Materialien und das Gewinnen aus der Natur aufgrund chemikalischer, physikalischer oder biologischer Prozesse, die zur Entstehung eines Produkts führen. Auf eine besondere Zielgerichtetheit kommt es nicht an, ebensowenig auf einen unmittelbaren Zusammenhang mit kommerziellen Absichten. Der Bereich der Laborerprobung ist dagegen ausgenommen, soweit dort hervorgebrachte Produkte nicht die Möglichkeit des Inverkehrbringens in sich tragen. (2) Hersteller Für die Definition des Herstellers ergeben sich keine besonderen Schwierigkeiten. Sie besteht aus der Erwähnung der Tätigkeit des Herstellens (im Sinne der vorangegangenen Definition) und der Bezeichnung der Person. Diese ist als natürliche oder juristische Person denkbar40 • Der Begriffsinhalt der natürlichen und juristischen Person ist international hinreichend geklärt41 • 4. Vergleich mit dem vorgeschlagenen Konzept des OECD-Glossariums

a) Wesentlicher Inhalt

Die von der OECD-Expertengruppe harmonisierte Definition für "manufacture" lautet übersetzt: "Durch chemikalische, physikalische oder biologische Prozesse oder Arbeitsvorgänge Materialien zu Produkten machen" 42• 40 41

Vgl. § 3 Nr. 5 des deutschen Chemikaliengesetzes. Vgl. auch unten Abschnitt H.

42

A. Definition

Manufacture

To make materials into products by chemical, physical or biological processes or operations.

li. Harmonisierungserörterungen

31

Einen völlig äquivalenten Begriff für die hier gemeinte Bedeutung von "to make" gibt es im Deutschen nicht. Unter den vielen Bedeutungen, die "to make" haben kann, streifen die Ausdrücke Anfertigen, Erzeugen, Verarbeiten, Bilden, Formen, Schaffen und Entstehenlassen das Gemeinte43• Sie müssen aber begrüflich zusammengeiaßt werden, um die volle Bedeutung wiederzugeben. Am ehesten ist dies durch das unspezifizierte "Machen" möglich, worunter allerdings nicht nur jede Form aktiven Einwirkens, sondern - sprachlich wohl nicht ganz korrekt- auch das passive Entstehenlassen zu verstehen ist. Das diese umfassende Bedeutung von "to make" gemeint ist, ergibt sich aus den Erläuterungen unter B sowie C 6 des OECD-Vorschlages. Danach sind alle Formen der "Umwandlung" 44 von Materialien, Stoffen, Gemischen etc. zu Produkten eingeschlossen. "Produkt" hat einen weiten Begriffsinhalt, umfaßt also insbesondere Erzeugnis, Naturprodukt und Artikel. Dies folgt aus der Verweisung B. Statement of Intent The term is defined in order to include all means of transforming materials into products under laws regulating chemicals. C. Annotation C 1 See also definition of "product" C 2 Technically, a "process" changes the composition of a material, while an "operation" changes only its form. Examples of processes are oxidation, reduction and hydrogenation; examples of operations are drying, screening and crystallization. C 3 "To manfacture" indicates the possibility of being put into circulation. Materials changed in a home for the use of its residents are, therefore, not "manufactured". C 4 The terms "manufacture", "manufacturer", "fabricate", "process(ing)", "produce" are frequently used in cross definitions or as synonyms of each other; in many cases the terms themselves form part of the definition, while in others the terms are simply not defined. Thus, the etablished mode is to consider these terms as having those meanings which are normally understood. C 5 "To manufacture" is intended to cover materials produced in bulk, for offer, or for sale as opposed to small quantities which may be prepared during research and development operations. C 6 The word "make" as used in the above definition embraces "change" or "conversion" of chemical substances or mixtures and any resulting intermediates. D. Speciat Remarks D 1 Small quantities for research and development may be excluded by a) incorporating an exclusion in the definition or b) providing an exlusion subsequently in the legislation. D 2 The prospective outlook is towards holding those who create potentially hazardous substances, for example "manufacturers", liable or accountable to some specified degree for subsequent acts of misuse, carelessness or negligence on the part of anyone who may pollute or endanger the community. Accordingly, it can be anticipated that the terms "manufacture" , "manufacturer", "fabricate", "process(ing)", "produce" will be more fully and sharply defined in future legislation. 43 Vgl. Messinger/Rüdenberg (Anm. 30), S. 3, 81. 44 "transforming; change, conversion".

32

A. Begriffe: Herstellen, Hersteller

auf die OECD-Definition zu "product" 45• In der Annotation ist unter anderem klargestellt, daß der Begriff Herstellen auf die Möglichkeit des Inverkehrbringens hinweist. Daraus wird gefolgert, daß die Materialumwandlung für den eigenen Gebrauch kein Herstellen ist. Kleine Mengen zu Forschungs- und Entwicklungszwecken sind vom Herstellen nicht erfaßt. Es wird aber offengelassen, ob in den nationalen Rechtsordnungen dieser Ausschluß begrifflich oder erst aufgrund besonderer Regelungen oder auch überhaupt vorgenommen wird. b) Vbereinstimmungen und Unterschiede

In seinen Grundzügen und in verschiedenen Details stimmt der OECDVorschlag mit der hier vorzuschlagenden Definition überein. Die am allgemeinen Verständnis orientierte Grundstruktur ist identisch: Herstellen beschreibt die Veränderung von Materialien zur Bildung eines Produkts, wobei weder die (Ausgangs-)Materialen noch das Ergebnis des Herstellungsprozesses spezifiziert sind. Die Herstellungstätigkeit wird über das sprachliche Allgemeinverständnis hinaus zu Recht auf das Gewinnen aus der Natur ausgedehnt, wenn auch der Begriff "to make" nicht dieselbe Eindeutigkeit besitzt, die wie eine ausdrückliche Erwähnung von Be- und Verarbeiten einerseits und Gewinnen andererseits. Schließlich wird in der OECD-Definition auch die chemikalienspezifische Ausrichtung des Herstellens deutlich, indem sie auf die maßgeblichen Prozesse und Arbeitsvorgänge hinweist. Einige qualitative Unterschiede treten zutage, wenn man die Erläuterungen zur Definition einbezieht. Die Interpretation des Gebrauchs für eigene Zwecke hat zwar jeweils dieselbe Bezugsgröße, nämlich die Möglichkeit zum Inverkehrbringen. Während aber hier angenommen wird, daß auch das für den Eigenbedarf produzierte Ergebnis - unabhängig von der konkreten Absicht - die objektive Möglichkeit zum Inverkehrbringen in sich trägt, stellt der OECD-Vorschlag offenbar entscheidend auf die Willensrichtung ab - ein Gesichtspunkt, der aufgrund des allein ausschlaggebenden fiktiven Gefahrenpotentials außer Betracht bleiben sollte.

Diese Andersbewertung gibt der OECD-Definition insgesamt eine doch recht ausgeprägte Orientierung am kommerziellen Herstellungsbegriff. Konsequent nimmt der OECD-Vorschlag die Laborerprobung in kleinen Mengen vom Begriff aus. Dem ist aus den oben geschilderten Gründen zuzustimmen. 45

Vgl. unten den Abschnitt G .

III. Definitionsvorschläge

33

Als ein mögliches Versäumnis, das die Gefahr von Mißverständnissen heraufbeschwören könnte, ist schließlich anzumerken, daß der OECDVorschlag die Frage der voluntativen Elemente unbeantwortet läßt. Die gewählte Diktion könnte sogar den Schluß nahelegen, daß Herstellen stets nur als willensmäßig gesteuerter Vorgang mit bestimmter Zielsetzung denkbar sei. Dies entspräche aber nicht den Ergebnissen, die sich aus der Analyse der national vorkommenden Begriffsverwendungen ziehen lassen. Sie gehen eher in die gegenteilige Richtung. Falls die unbeabsichtigten Nebenprodukte oder Fehlchargen begrifflich ausgenommen sein sollten - was problematisch wäre - besteht zumindest ein Klarstellungsbedürfnis in Form einer Anmerkung. Insgesamt führt der OECD-Vorschlag zu einem (geringfügig) engeren Anwendungsbereich des Begriffs Herstellung als die hier vorzuschlagende Definition.

111. Definitionsvorschläge Die Harmonisierungsvorschläge für die Begriffe Herstellen und Hersteller lauten demnach: 1. Herstellen

Definition: Be- oder Verarbeiten von Materialien zu Produkten oder Gewinnen natürlich vorkommender Substanzen aufgrund chemikalischer, physikalischer oder biologischer Prozesse. Anmerkungen: a) Der Ausdruck "Materialien" umfaßt alle Ausgangsstoffe einschließlich der Roh- und Zwischenprodukte. b) Zum Ausdruck "Produkt" vergleiche entsprechende Definition im Abschnitt G. c) Der Begriff Herstellen setzt willentlich gesteuertes und zielorientiertes Handeln nicht voraus. Erfaßt ist daher auch das Hervorbringen von "Zufallsprodukten" einschließlich der sogenannten Ausreißer und Fehlchargen. d) Der Begriff Herstellen schließt die Möglichkeit, nicht aber notwendigerweise die Absicht zum Inverkehrbringen ein. Erfaßt ist daher auch das Herstellen für eigene Zwecke, nicht dagegen die ausschließliche Laborerprobung in kleinen Mengen. 2. Hersteller

Definition: Eine natürliche oder juristische Person, die ein Produkt herstellt. Anmerkungen: a) Zum Ausdruck "natürliche oder juristische Person" vergleiche entsprechende Definition im Abschnitt H. b) Zum Ausdruck "herstellt" vergleiche Definition "Herstellen". 3 Kloepfer I Bosselmann

B. Harmonisierungsvorschlag zu den Begriffen: Verwenden, Behandeln, Umgang I. Ergebnisse der Analyse 1. Abgrenzung des Vergleichsobjekts

a) Allgemeines Keiner der zentralen Begriffe des Umweltchemikalienrechts ist so wenig faßbar wie der des Verwendens. Schon in der Benennung zeigt sich das Problem. Das Verwenden soll eine Art Sammel- und Auffangfunktion haben für alle umweltbelastenden Formen des Umgangs mit Chemikalien und wird deswegen auch bewußt weitläufig umschrieben. Diese Sammel- und Auffangfunktion wird aber keineswegs nur vom Begriff des Verwendens übernommen, sondern ebenso von Begriffen wie Behandeln, Umgang, Verkehr, Gebrauch, ja sogar von dem- vermeintlich klar definierten - Begriff Inverkehrbringen46 • Die Vielfalt kompliziert sich noch dadurch, daß in anderssprachigen ausländischen Gesetzen die jeweils wörtlich übersetzten Begriffe nur zum Teil eine entsprechende Funktion haben. Nicht selten erfüllen dort ganz andere Begriffe, die nach direkter Übersetzung eine eher enge Bedeutung haben, eine Auffangfunktion. Der deutsche Begriff Verwenden z. B. ist nach dem Chemikaliengesetz und auch nach der 6. EG-Änderungsrichtlinie (67/ 548 EWG)- in deutschsprachiger Fassung - als Auffangbegriff für eine Vielzahl von umweltbelastenden Aktivitäten gedacht47 • In den jeweils offiziellen englischen Übersetzungen wird "Verwenden" mit "use" oder "usage" wiedergegeben. In den Chemikaliengesetzen anderer englischsprachiger Länder hat aber "use" oft eine eher auf das Konsumieren bezogene Bedeutung im Sinne des Gebrauchens, Verbrauchens. Die Funktion eines Oberbegriffs, der die vielfältigen umweltbezogenen Aktivitäten noch am ehesten abdeckt, hat dagegen der Begriff "to deal with", der wörtlich als "handeln mit, behandeln, umgehen mit" wiederzugeben wäre, funktionell aber mit "verwenden" (im weiteren Sinne) übersetzt wer48

Dies trifft auf die Situation in Norwegen und Schweden zu; dazu Kloep-

fer!Knebel (Anm. 5), S. 87. 47 Vgl. § 3 Nr. 8 Chemikaliengesetz bzw. Art. 6 Abs. 1 der richtlinie. Dazu Uppenbrink u. a. (Anm. 3), Rn. 107 zu § 3.

6. EG-Änderungs-

I. Ergebnisse der Analyse

35

den müßte. Allerdings wäre auch eine Gleichsetzung des Verwendens mit "to deal with" wiederum nicht ohne weiteres möglich, da Auffangtatbestände, wie sie etwa in deutschen Chemikalienregelungen üblich sind, in anglo-amerikanischen Gesetzen weit weniger vorkommen. Dort sind Auflistungen der jeweils ,gemeinten Tätigkeitsformen, die keine Sammelbegriffe enthalten, wesentlich häufiger. Vergleichsobjekt müßten also weniger die Begriffe selbst sein als die Frage, in welchem Umfang umweltbelastende Aktivitäten vom Chemikalienrecht erfaßt sind. Der Versuch, das gesamte Spektrum der gesetzlich erfaßten Aktivitäten im Rahmen einer Begriffsuntersuchung zu harmonisieren, muß aber notwendig scheitern. Ohne Einbeziehung der Regelungsgehalte in Gesetzen wie in der Rechtsprechung - ist es nicht möglich, die denkbaren Formen des Umgangs mit Chemikalien auszuschöpfen, geschweige denn zu vereinheitlichen. Es kann hier nur darum gehen, die international verwendeten Begriffe mit Sammel- oder Auffangfunktion miteinander zu vergleichen und eine systematische Zuordnung zu finden. Ausgehend von den in der Bundesrepublik Deutschland vorkommenden Begriffen werden dabei ausländische Chemikalienregelungen darauf untersucht, ob und inwieweit sie vergleichbare Begriffe enthalten. Soweit sich graduelle Unterscheidungen treffen lassen, kann danach versucht werden, die Begriffe zu systematisieren und nach Möglichkeit einen Begriff vorzuschlagen, der am ehesten die Vielfalt umweltbelastender Aktivitäten abdeckt. Das Vergleichsobjekt ist daher bewußt weit zu fassen. Um aber zumindest eine grobe Abgrenzung vornehmen zu können, müssen einige Begriffe als Untersuchungsmaßstab zugrundegelegt werden, die in ihrer Auffangfunktion tatsächlich verwendet werden. Im Chemikalienrecht der Bundesrepublik D eutschland sind dies vor allem Verwenden, Behandeln und - etwas abgeschwächt - Umgang. Wegen der vorrangigen Bedeutung des Chemikaliengesetzes kommt darüber hinaus dem Begriff Verwenden eine gewisse Dominanz zu. b) Verhältnis zueinander

Die Begriffe Verwenden, Behandeln und Umgang sind nicht allgemein, sondern nach den inhaltlichen Erfordernissen des betreffenden Gesetzes definiert. In ihrem jeweiligen Gesetzeskontext erfüllen sie vergleichbare Funktionen. Inhaltlich sind sie z. T. insofern identisch, als einzelne Begriffselemente mehrfach wiederkehren. Der Begriff Behandeln wird insbesondere im Lebensmittel- und Futtermittelgesetz verwendet, wo er die zwischen dem Herstellen und

36

B. Begriffe: Verwenden, Behandeln, Umgang

dem Inverkehrbringen bestehende Regelungslücke schließen soll. Er umfaßt eine Reihe von Tätigkeiten, die im Zusammenhang mit Lebensmitteln bzw. Futtermitteln stehen. Neben dieser enumerativen Aufzählung enthalten die Definitionen noch ausdrückliche Auffangtatbestände: " . .. sowie jede sonstige Tätigkeit, die nicht als Herstellen, Inverkehrbringen oder Verzehren anzusehen ist" 48 • Trotz dieser definitorischen Weite läßt sich das Behandeln als der im Vergleich zum Verwenden engere Begriff auffassen. Er setzt die Herstellung von Stoffen bereits voraus, während das Verwenden ausweislich der Definition im Chemikaliengesetz das Be- und Verarbeiten von Stoffen miterfaßt, also zeitlich noch weiter vorgelagert ist. Dieser Begriff hat offensichtlich die Funktion, alle potentiell umweltbelastenden Tätigkeiten im Zusammenhang mit Chemikalien abzudecken. Eine ähnlich umfassende Funktion kann dem Begriff Umgang zugeschrieben werden. Allerdings ist er im geltenden deutschen Chemikaliengesetz nicht mehr vertreten, sondern nur in einem früheren Entwurf. Nach § 3 Nr. 10 des früheren Entwurfs (Stand vom 24. April 1979) ist Verwenden als "jeglicher Umgang, insbesondere Gebrauchen, Verbrauchen etc." definiert. Daß der Umgang begrifflich sogar weitergehen kann als das Verwenden, zeigt eine Definition in der Arbeitsstoffverordnung von 1980, wonach verschiedene auf Stoffe bezogene Aktivitäten einschließlich des Verwendens vom Begriff eingeschlossen sind48• Wegen seiner vergleichsweise minderen Aktualität muß die Bedeutung des Begriffs Umgang niedriger veranschlagt werden als die des Verwendens oder auch des Behandelns. Jedoch sind alle drei Begriffe schon deswegen gleichermaßen in die Untersuchung einzubeziehen, weil sich erst aus dem Vergleich international auftretender Regelungen mit deren unter Umständen eigenen Terminologie ergibt, wo die Konturen im einzelnen liegen.

c) Verhältnis zum Herstellen und Inverkehrbringen Im Prinzip sind das Herstellen und das Inverkehrbringen als spezielle Formen der Chemikalienverwendung und damit als untergeordnete Begriffe einzustufen. Dennoch ist dieses Rangverhältnis nicht durchgängig. Zum Beispiel zeigt sich bei genauer Interpretation des § 3 Nr. 5 und Nr. 7 Chemika48 § 7 Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz vom 15. 8. 1974; § 2 Abs. 1 Nr. 7 Futtermittelgesetz vom 2. 7. 1975. 49 Hierzu Kloepfer/Knebel (Anm. 5), S. 89. Vgl. auch Weinmann/Thomas/ Wölcke, Chemikaliengesetz, Textausgabe mit Erläuterungen, Köln u. a. 1981, Rn. 8 zu§ 3.

I. Ergebnisse der Analyse

37

liengesetz, daß die Stoffgewinnung aus der Natur eine Form des Herstellens, nicht aber des Verwendeus ist, während die Be- und Verarbeitung gleichermaßen vom Begriff des Herstellens und des Verwendens erfaßt ist. Die Begriffsinhalte verhalten sich hier also wie zwei sich schneidende Kreise. Bei den ausländischen Chemikalienregelungen fällt auf, daß in Norwegen und Schweden das Irrverkehrbringen die Funktion eines Oberbegriffs hat, dem das Verwenden bzw. das Behandeln untergeordnet sind50• Allerdings dürfte diese Unterordnung eher rechtstechnische als inhaltliche Gründe haben. Für den Begriffsvergleich kann davon ausgegangen werden, daß Herstellen und Irrverkehrbringen zwar zentrale Anknüpfungspunkte des Umweltchemikalienrechts sind, begrifflich aber wie viele andere umweltbelastende Aktivitäten (z. B. Mischen, Abfüllen, Aufbewahren, Gebrauchen, Verbrauchen, Vernichten) spezielle Formen des Umgangs mit Chemikalien darstellen. 2. Vberblick

Eine Begriffsanalyse, der keine gesicherte Terminologie zugrundeliegt, läuft Gefahr, Dinge miteinander zu vergleichen, die inhaltlichfunktionell nichts oder wenig miteinander zu tun haben. Gerade bei den hier zu vergleichenden komplexen Begriffen wäre es wenig hilfreich, ausgehend etwa von den deutschen Begriffen Verwenden, Behandeln und Umgang nach fremdsprachlichen Wortübersetzungen zu suchen und sie zum Gegenstand des Begriffsvergleichs zu machen. Das Ergebnis wäre ein Konglomerat von Definitionen und Begriffszuordnungen ohne wirklichen Aussagewert für die Chancen einer Harmonisierung. Daher muß eine wertende Gegenüberstellung von Begriffen mit vergleichbarer Funktion vorgenommen werden. Freilich liegt darin die Schwierigkeit, daß zugleich Untersuchungsmaßstab und Ergebnis dieser Untersuchung dargestellt werden. Ohne Berücksichtigung aller einzelnen Chemikalienregelungen mit Auffangtatbeständen und Sammelbegriffen ist es nicht möglich, ein Bild der vorhandenen Terminologievielfalt zu erhalten. Um andererseits aber harmonisierungsrelevante Begriffe zu erkennen, müssen bestimmte Standards vorangestellt werden, die es ermöglichen, die Begriffe mit Sammelfunktion von den konkret tätigkeitsbeschreibenden Begriffen zu trennen. Nach einer - durch den Vergleich der Chemikalienregelungen bereinigten- Auflistung der untersuchungserheblichen Begriffe läßt sich 50

Vgl. Kloepfer!Knebel (Anm. 5), S. 87 und 91.

38

B. Begriffe: Verwenden, Behandeln, Umgang

eine Obersicht der in etwa sich entsprechenden Ausdrücke erstellen. Die Übersicht gibt also Übersetzungen (ins Französische und Englische) an, die weniger vom Wort selbst als von seiner Funktion in den Chemikalienn~gelungen bestimmt sind: Verwenden Behandeln Umgang, Umgehen mit Verkehr, Verkehren mit

utiliser traiter manipuler faire le commerce

Gebrauchen, Verbrauchen utiliser und consumer Lagern, Aufbewahren stocker, entreposer Verarbeiten preparer

to deal with to treat to handle to deal with und to handle to use und to consume to store (up) to process

Dies sind nur einige der möglichen Tätigkeitsformen im Zusammenhang mit Umweltchemikalien. Die weiteren Tätigkeitsformen brauchen hier aber nicht aufgeführt zu werden, da es für den Untersuchungszusammenhang nur auf die allgemeineren Begriffe mit Sammel- oder Auffangfunktion ankommt. Die Übersicht zeigt, daß die Übersetzungen wortgetreuer und damit präziser werden, je genauer die Tätigkeitsform (in deutsch) ausgedrückt ist. Umgekehrt werden die Abweichungen von wörtlichen Übersetzungen größer, je allgemeiner der (deutsche) Sammelbegriff ist. So muß der deutsche Begriff Verwenden - seine umfassende Bedeutung unterstellt- im Englischen deswegen mit "to deal with" 51 gleichgesetzt werden, weil dieser Begriff am ehesten in der Lage ist, all die denkbaren Tätigkeitsformen zu umschließen, die Gegenstand von Chemikalienregelungen sein können. Über die Verwendungshäufigkeit sagt die Übersicht hingegen wenig aus. Die Gegenüberstellung ist zwar ein gewisses Indiz dafür, daß die Begriffe entsprechend ihrer Bedeutungsweite auch als Sammel- und Auffangbegriffe eingesetzt werden. In welchem Umfang dies geschieht, ist aber national unterschiedlich. Hier spielen die Eigenarten der jeweiligen Gesetzgebungstechnik eine wichtige Rolle. Für die eigentliche Begriffsuntersuchung kommt es darauf an, die Sammelbegriffe - soweit möglich - nach ihrem Inhalt zu klassifizieren, ihre Verwendungsformen aufzuzeigen und eine Systematisierung - zumindest im Ansatz- vorzunehmen.

51 Wörtlich "Handeln mit, Behandeln, Umgehen mit", also nicht "Verwenden".

I. Ergebnisse der Analyse

39

3. Gemeinsamkeiten und Unterschiede im internationalen Vergleich

Die Begriffe Verwenden und Behandeln werden nur in der Bundesrepublik Deutschland definiert. In ausländischen Chemikalienregelungen kommen eigene Definitionen typischerweise nicht vor. Dort sind Begriffszuordnungen häufiger. Nicht selten wird aber auch ganz auf eine Abgrenzung verzichtet. Im deutschen Chemikaliengesetz ist Verwenden als Auffangbegriff für alle umweltbelastenden Aktivitäten gebildet, die weder Herstellen, loverkehrbringen noch Einführen sind. Die Definition selbst besteht aus einer Aufzählung einzelner Tätigkeitsformen: - Gebrauchen, - Verbrauchen, - Lagem, - Aufbewahren, - Be- und Verarbeiten, -Abfüllen, -Umfüllen, -Mischen, - Vernichten und - innerbetriebliches Befördern52• Diese Auswahl ist vom Gesetzgeber durch eine antizipierte Gefahrenbewertung getroffen worden und hat, wie sich auch aus der Entstehungsgeschichte ergibt53, den Zweck, alle erkennbar umweltgefährdenden Verwendungsformen abzudecken. Dennoch bleibt fraglich, ob einzelne an der Peripherie des Umgangs mit Chemikalien liegende Tätigkeiten wie etwa Wiegen, Messen, Kühlen54 oder auch Prüfen und Testen tatsächlich einbezogen sind. Gegenüber der Definition im früheren Entwurf des Chemikaliengesetzes, in der ausdrücklich "jeglicher Umgang" erfaßt ist, birgt die enumerative Aufzählung die Gefahr einer restriktiven Interpretation in sich. Einen gewissen Ausgleich kann freilich der Begrüf des Gebrauchens schaffen, wenn man ihm eine so weit gefaßte Bedeutung beilegen kann, wie sie in einigen speziellen Chemikaliengesetzen zum Ausdruck kommt55• § 3 Nr. 7 Chemikaliengesetz. Vgl. auch Ktoepfer/Knebel, (Anm. 5), S. 58. Vgl. dazu Ktoepfer/Knebel (Anm. 5), S. 88. Vgl. auch Uppenbrink u. a. (Anm. 3), Rn. 108 ff. zu § 3. 54 Vgl. insoweit § 7 Lebensmittelgesetz. 55 In § 2 Abs. 1 Abwasserabgabengesetz vom 13. 9. 1976 und § 1 Abs. 1 Waschmittelgesetz vom 20. 8. 1975 ist der "Gebrauch" im Sinne der Verwendung von Wasser bzw. Waschmitteln gemeint. 52

53

40

B. Begriffe: Verwenden, Behandeln, Umgang

In der Arbeitsstoffverordnung 1980 war der Verwendungsbegriff in ähnlicher Weise wie im Chemikaliengesetz inhaltlich breit angelegt56 ; in der Arbeitsstoffverordnung 1982 (§ 1 Nr. 8) ist er identisch. Eine Auffangfunktion hat das Verwenden auch in der 6. EG-Änderungsrichtlinie. Dort wird an mehreren Stellen auf die "verschiedenen Verwendungsarten" und auf die "Verwendungssicherheit" abgestellt57, womit offenbar jede umweltrelevante Form des Umgangs mit Chemikalien gemeint ist. Ebenso gibt die Schweiz dem Verwenden einen breiten Inhalt. Allerdings ist- jedenfalls nach dem Schweizer Giftgesetz - die Funktion des Oberbegriffs tendenziell eher dem Verkehr (mit Stoffen) zugewiesen58. Der Begriff Umgang hat nach seiner sprachlichen Bedeutung zweifellos einen umfassenden Inhalt. Er kommt daher durchaus als rechtlicher Terminus für Chemikalienregelungen in Betracht, wie sich insbesondere aus dem früheren Entwurf zum deutschen Chemikaliengesetz (Stand vom 24. April1979) ergibt5'. Die Funktion des Begriffs Verwenden wird in einigen spezielleren Chemikaliengesetzen vom Begriff Behandeln übernommen. Er ist insbesondere im Lebensmittel- und im Futtermittelgesetz auf ganz ähnliche Weise strukturiert wie das Verwenden im Chemikaliengesetz. Inhaltlich deckungsgleich sind die beiden Begriffe aber nicht. Auch unabhängig von ihrer jeweils gesetzesspezifischen Ausrichtung bleibt eine Widersprüchlichkeit im Inhalt bestehen, die auf eine insgesamt wenig systematische Begrifflichkeit schließen läßt. Im Lebensmittelgesetz wird das Behandeln als "jede sonstige Tätigkeit" definiert und scheint insoweit ähnlich umfassend wie das Verwenden. An anderer Stelle des Gesetzes heißt es aber, daß beim Behandeln von Lebensmitteln die Verwendung bestimmter Stoffe, Gegenstände oder Verfahren verboten oder beschränkt werden kann. Hier und noch an anderen Stellen wird deutlich, daß der Begriff Verwenden eine spezielle Funktion zu erfüllen hat, die sich nicht mit der Funktion als Sammel- oder Auffangbegriff verträgt60• Der Ausdruck Verwenden kann also innerhalb des Chemikalienrechts unterschiedliche Funktionen haben. Vgl. Kloepfer/Knebel (Anm. 5), S. 89. Vgl. z. B. Art. 6 Abs. 1 und 3, Art. 7 Abs. 1 der 6. EG-Änderungsrichtlinie. 58 Vgl. Art. 3 des Schweizer Giftgesetzes vom 21. März 1969. 59 Siehe oben S. 36. 60 Vgl. §§ 9 Abs. 1 Nr. 1a, 12 Abs. 2 Nr. 4, 25 Abs. 1 Nr. 1 Lebensmittelgesetz; dazu Kloepfer/Knebel (Anm. 5), S. 90 f. 56 57

I. Ergebnisse

der Analyse

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Aus diesem Grund ist es kaum möglich, das Verwenden als den zentralen Oberbegriff für umweltbelastende Formen des Chemikalienumgangs hinzustellen. Er ist es im Grunde nur im Zusammenklang mit den Begriffen Behandeln und Umgang. Mit Rücksicht auf den allgemeinen Charakter und die Aktualität des Chemikaliengesetzes kann er allerdings als derjenige Begriff bezeichnet werden, dessen Flexibilität es dem Gesetzgeber offenbar am ehesten erlaubt, alle chemikalienbezogenen Tätigkeiten zu umfassen. Inhaltlich läßt sich der Begriff des Verwendens nicht weiter auffüllen. Dies verbietet sich nicht nur wegen der im Detail unterschiedlichen Definitionen, sondern vor allem aus seiner Sammel- und Auffangfunktion. Dieser Funktion wäre nicht im ausreichenden Maße gerecht zu werden, wenn man einzelne Begriffselemente entwickeln oder auch nur eine Strukturierung, z. B. die Möglichkeit der enumerativen Aufzählung vorgeben würde. Gerade aus dem internationalen Vergleich folgt, daß es keine einheitliche Methode zur Begrenzung des Begriffs gibt. Das Verwenden bleibt gemeinhin undefinierbar. Und dort, wo es anderen Begriffen als Ober- oder auch als Unterbegriff zugeordnet ist61 , hat dies lediglich rechtstechnische Bedeutung, so daß sich von daher keine inhaltlichen Konkretisierungen treffen lassen62 • Es entspricht also offenbar dem Wesen des Begriffs Verwenden (und seiner Entsprechungen), daß er einen umfassenden, nicht detailliert aufzuschlüsselnden Inhalt hat. Nur exemplarisch seien daher einzelne Tätigkeitsformen genannt, die sich - auch unter Berücksichtigung im Ausland vorkommender Begriffsverwendungen- unter das Verwenden (to deal with) subsumieren lassen: - Inverkehrbringen, - Herstellen, - Einführen, -Ausführen, - Durchfuhr, - Befördern, -Abgeben, - Verkaufen, -Anbieten, - Gebrauchen, - Verbrauchen, - Vernichten. 61

62

z. B. in Schweden, Norwegen und der Schweiz. Vgl. Kloepfer/Knebel (Anm. 5), S. 92.

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B. Begriffe: Verwenden, Behandeln, Umgang

Der deutsche Begriff Behandeln läßt sich international nicht in entsprechender Weise wiederfinden. Während er im deutschen Sprachgebrauch auch Begriffe wie Wiedergewinnen, Vernichten, Lagern, Befördern abdecken kann, ist dies in ausländischen Regelungen durch den Begriff "to handle" bzw. "manipuler" wiederzugeben, der zurückübersetzt den "Umgang", das "Umgehen mit" umschreibt. Das eigentliche Behandeln hat seine Entsprechung dagegen in "to treat" bzw. "traiter", ist also dort eher auf das Bearbeiten und Behandeln bezogen. Hieraus ließe sich folgern, daß insgesamt gesehen der Begriff Umgang eine größere Flexibilität besitzt als das Behandeln und insofern eher geeignet erscheint, eine dem Verwenden vergleichbare Funktion zu übernehmen. Andererseits würde diese Sicht wiederum der deutschen Begriffslage nicht entsprechen. In einigen, oben erwähnten Chemikalienregelungen wird das Verwenden in seiner ganzen Bedeutungsbreite durch das Behandeln ersetzt, so daß die beiden Begriffe nicht in einem Rangverhältnis zueinander stehen. Wegen dieser gegenläufigen Tendenz und auch mit Rücksicht auf die bestehenden Übersetzungsschwierigkeiten scheint es sinnvoller, für den Harmonisierungsvorschlag davon auszugehen, daß Verwenden, Behangein und Umgang nicht klar gegeneinander abgrenzbar sind und trotz denkbarer gradueller Funktionsunterschiede - in vergleichbarem Umfang geeignet sind, umweltbelastende Aktivitäten im Zusammenhang mit Chemikalien zu erfassen.

II. Harmonisierungserörterungen 1. Allgemeines Der Versuch, die analysierten Begriffe Verwenden, Behandeln und Umgang über ihre Sammel- und Auffangfunktion hinaus zu definieren, könnte zweifellos zu einer gewissen Klarheit beitragen. Dies wäre aber nur auf Kosten der Begriffsflexibilität möglich. Aus gesetzgeberischer Sicht besteht jedoch ein Interesse daran, Begriffe verwenden zu können, die möglichst alle normrelevanten Aktivitäten abdecken. Jede eingrenzende Bedeutung würde es erforderlich machen, weitere Begriffe einzusetzen. Zudem hätten Regelungen mit konkretisierten Sammelbegriffen auch bei Hinzunahme ergänzender Tatbestandsmerkmale stets den Nachteil, zu wenig offen zu sein für begriffe, nicht erwähnte (auch potentielle) Tatbestandsmerkmale unterkünftige Rechtsentwicklungen. Der wesentliche Vorzug der Sammt:lschiedslos einzuschließen, ginge verloren.

II. Harmonisierungserörterungen

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Zu leugnen ist zwar nicht, daß auch ein Bedarf für Sammelbegriffe bestehen kann, die wenigstens gewisse Ausgrenzungen enthalten. Gerade im deutschen Chemikalienrecht werden unterschiedliche Sammelbegriffe benutzt, die dem jeweiligen Gesetzeszweck angepaßt und insofern gegeneinander abgrenzbar sind. Es ist aber nicht möglich, aus der Gesamtheit auftretender Zweckbindungen Definitionen zu formen, die eine über das jeweilige Gesetz hinausgehende Gültigkeit beanspruchen können. Allenfalls ließe sich beispielhaft aufzählen, welche Unterbegriffe typischerweise vom Sammelbegriff abgedeckt werden. Den Zielen der Begriffsharmonisierung entspricht es sicherlich eher, eine Auswahl von nicht weiter definierten Begriffen anzubieten, die geeignet erscheinen, die Funktion von Sammel- und Auffangbegriffen zu übernehmen. Hilfreich mag weiter eine gewisse Strukturierung sein, die einen besonders umfassenden Begriff favorisiert (im Sinne einer Zweifelsregel) und die auf die unterschiedlichen Anwendungsmöglichkeiten hinweist. Außerdem wäre es bei aller notwendigen Begriffsflexibilität zweckmäßig, wenn eine Auflistung von typischen Tätigkeitsformen im Zusammenhang mit Umweltchemikalien gegeben wird, die von den Sammelbegriffen in der Regel abgedeckt sind. 2. Beschreibungsinhalte

Begriffe mit Sammel- und Auffangfunktion sind zwangsläufig weit gefaßt und offen. Sie können daher nicht im eigentlichen Sinne definiert, sondern nur beschrieben werden. Der Zweck einer solchen Beschreibung liegt darin, den oder die in Frage kommenden Begriffe zu nennen, ihre Funktionen zu erläutern und einen Katalog von typischerweise eingeschlossenen Einzelbegriffen zu geben. Anknüpfungspunkt für Chemikalienregelungen können alle denkbaren Formen des Umgangs mit Chemikalien sein, sofern sie eine Umweltgefährdung mit sich bringen können. Da die Zahl der möglichen Tätigkeiten zu groß ist und im Prinzip auch nicht festgeschrieben werden kann, werden vom Gesetzgeber Begriffe mit einer Sammelfunktion benötigt, unter die sich die gemeinten Tätigkeiten subsumieren lassen. Begriffe mit dieser Eigenschaft sind Verwenden/ Verwendung, Behandeln/ Behandlung und Umgehen (mit)/Umgang. Sie sind nicht von vornherein definiert und gerade deswegen in der Lage, eine solche Sammelfunktion für bekannte oder auch noch nicht bekannte umweltgefährdende Tätigkeitsformen zu übernehmen. In den Chemikalienregelungen werden sie meist so eingesetzt, daß sie einzelne positiv genannte Tätigkeiten ergänzen, indem sie die Funktion von Auffangtatbeständen haben. In den allgemeinen Chemikalien-

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B. Begriffe: Verwenden, Behandeln, Umgang

gesetzen sind als herausgehobene Tätigkeiten in der Regel das Herstellen, das Inverkehrbringen und die Einfuhr genannt. In spezielleren Chemikaliengesetzen können dies andere zentrale Tätigkeiten sein63 • Zwischen den jeweils zentralen, d. h. typischen Begriffen eines Chemikaliengesetzes und den als Sammel- und Auffangbegriffe verwendeten Ausdrücken gibt es gewisse inhaltliche Zusammenhänge. Daher läßt sich nicht allgemein sagen, welcher Begriff mit welchem Inhalt als Sammelbegriff im Chemikalienrecht dient. Tendenziell dürfte aber der Begriff Verwenden dem allgemeinen Chemikalienrecht zuzuordnen sein, während das Behandeln und der Umgang vorzugsweise in spezielleren Chemikaliengesetzen vorkommen. Darüber hinaus können auch andere Begriffe Sammelfunktionen haben. Dies gilt etwa für den Gebrauch64 , wenn auch nicht unbedingt in gleichem Maße, da das Gebrauchen wie das Verbrauchen mehr auf das eigentliche Verwerten zielt. Eine weitere inhaltliche Differenzierung läßt sich zwischen diesen Sammelbegrüfen aber nicht vornehmen. Dies verbietet sich wegen der Vielfalt möglicher Anwendungsformen und dem grundsätzlich bestehenden Zweck, offene Auffangtatbestände zu bilden. Gesetzestechnisch ist im übrigen auch möglich, daß die Sammelbegrüfe nicht zur Ergänzung konkretisierter Tätigkeitsformen dienen, sondern alleiniger Anknüpfungspunkt für Chemikalienregelungen sind. Ebenso ist der umgekehrte Fall denkbar, daß ein Gesetz auf Sammelbegriffe völlig verzichtet und stattdessen die regelungserheblichen Tätigkeitsformen enumerativ aufzählt. Für das internationale Verständnis der Sammelbegrüfe ist von wesentlicher Bedeutung, daß die vorgeschlagenen Ausdrücke Verwenden, Behandeln und Umgang nicht in wörtlicher Übersetzung übernommen, sondern funktionell übertragen werden. Daher dürfte z. B. für die englische Rechtssprache das Verwenden als tendenziell umfassendster Begrüf mit "to deal with" gleichzusetzen sein und das Behandeln sowie der Umgang am ehesten mit "to handle". Es muß jeweils genau geprüft werden, welcher Ausdruck der jeweiligen Landessprache die hier vorgestellten Sammelbegriffe am besten wiedergeben kann. Obwohl praktisch nur in der Bundesrepublik Deutschland Definitionen für Sammelbegriffe vorkommen, läßt sich international verbindlich angeben, welche typischen Verwendungsformen als Unterfälle des Verwendens, Behandelnsund Umgangs gelten. 63 z. B. das Einleiten im Gewässerschutzrecht, der Anlagenbetrieb im Immissionsschutz- und Atomrecht oder die Abfallbeseitigung im Abfallbeseitigungsrecht. 64 Vgl. z. B. Sec. 2 (a) des amerikanischen TSCA, wo neben dem Behandeln der Gebrauch diese allgemeine Funktion hat.

li. Harmonisierungserörterungen

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Begrifflich eingeschlossen können insbesondere folgende Formen des Umgangs mit Chemikalien sein: - Inverkehrbringen, - Herstellen, -Einfuhr, -Durchfuhr, -Ausfuhr, - Befördern, - Verkaufen, -Anbieten, - Abfüllen, Umfüllen, - Aufbewahren, Lagern, - Gebrauchen, Verbrauchen. Mit dieser Aufzählung, die im übrigen nicht abschließend ist, darf allerdings nicht die Vorstellung verbunden werden, als seien die genannten Tätigkeiten zwangsläufig in jedem Sammelbegriff enthalten. Es hängt entscheidend vom jeweiligen Gesetzeskontext ab, ob und in welchem Umfang der verwendete Sammelbegriff solche Tätigkeiten einschließt. Eine Rolle spielt z. B. die gesonderte Erwähnung einzelner Tätigkeiten und der konkrete Gesetzeszweck. Mit der Aufzählung soll nur auf die einzelnen Tätigkeiten hingewiesen werden, die spezielle Formen der Verwendung von Chemikalien darstellen und deshalb von Sammelbegriffen umfaßt sein können. 3. Ergebnis

Der Harmonisierungsvorschlag besteht darin, das Verwenden, Behandeln und den Umgang als typische Begriffe mit Sammel- und Auffangfunktion zu kennzeichnen. Sie können im Prinzip gleichermaßen in Chemikalienregelungen verwendet werden. Sie decken eine Vielzahl von umweltgefährdenden Tätigkeiten im Zusammenhang mit Chemikalien ab. Sofern ein Begriff benötigt wird, der den größten Bedeutungsumfang hat und alle in Betracht kommenden Tätigkeiten einschließt, sollte der Ausdruck Verwenden benutzt werden. 4. Vergleich mit dem vorgeschlagenen Konzept des OECD-Glossariums

Das Konzept des OECD-Glossariums besteht aus einer Aneinanderreihung von vier Begriffen - to deal with, to handle, to store (up), to use -, denen die Eigenschaft zugeschrieben wird, eine Vielzahl von Aktivitäten mit Bezug auf Chemikalien begrifflich abdecken zu können65• 65

Der gesamte Harmonisierungsvorschlag hat folgenden Wortlaut:

46

B. Begriffe: Verwenden, Behandeln, Umgang

Auf eine Definition wird also zugunsten einer Funktionsbeschreibung verzichtet. Zur Begründung weist die Annotation B 2 darauf hin, daß im Gegensatz zu den - auch im Glossarium - definierten Begriffen Inverkehrbringen, Einfuhr und Ausfuhr die vorgestellten Ausdrücke allgemeine Begriffe der Wirtschaft und des Handels sind, die keinen chemikalienspezifischen Inhalt haben und daher nicht definitionsbedürftig sind. Daß es darüber hinaus auch materielle Gründe zum Verzicht auf Definitionen gibt, folgt mittelbar aus weiteren Erläuterungen, in denen auf die große Begriffsheterogenität in den nationalen Gesetzen hingewiesen wird66• Eine inhaltliche Eingrenzung nimmt der Vorschlag insofern vor, als er zehn chemikalientypische Tätigkeitsformen exemplarisch aufzählt, die vor allem vom Begriff "to deal with" abgedeckt werden. Wegen seines vergleichsweise besonders großen Bedeutungsinhalts wird dem Aspects of Undefined Terms

to deal with, to handle, to store (up), to use, to employ. A.

ExpLanation

The terms "to deal with", "to handle", "to store (up)" and "to use" are not defined, but are normally taken to embody a nurober of actions related to chemical substances which could be subject to legal requirements.

B. Annotation B 1 The term "to deal with" may include certain terms defined elsewhere in the Glossary like: to put into circulation, to import, to export as well as others like: to produce, to sell, to hold for sale, to trade, to distribute in commerce, to deliver or to transport. B 2 Providing definitions for the terms "to put into circulation", "to import" and "to export" is useful to meet the needs of chemieals control legislation, whereas the other terms mentioned are more general terms in the field of economy and trade which do not require specific definitions for purposes of chemieals control. B 3 The terms "to deal with", "to handle", "to store (up)" and "to use" are frequently cross-referenced or used as synonyms of each other. In addition, special forms of actions related to chemical substances like producing, selling, etc. are used by law makers to identify certain points where legal requirements apply. B 4 If there is a need to use one term which covers most aspects of these descriptive terms, this might be "to deal with". This term has various meanings in current legislation and represents a broader meaning than any other comparable term. C.

Speciat Remarks

C 1 Individual laws of Member countries may provide definitions which narrow the meanings of "to deal with", "to handle", "to store (up)" or "to use". In current law, "to deal with" occasionally refers to economic activities like sale, commerce and trade; "to handle" sometimes is not related to actions like producing, putting into circulation or consuming; and "to store (up)" basically means only mere actions of laying down temporarily (e. g. with the intention of Sale). C 2 The term "to employ" is mostly defined in legislation concerning work under contract. As a legal term it only sometimes has the meaning of "to use". 66 Vgl. Annotation B 3 und Special Remarks C 1 und 2.

III. Harmonisierungsvorschlag

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Ausdruck "to deal with" eine gewisse Vorrangstellung gegenüber den anderen Sammelbezeichnungen eingeräumt'7 • Weitere Differenzierungen werden aber bewußt vermieden. Nach Struktur und Inhalt unterscheidet sich das OECD-Konzept nicht wesentlich von der hier vorgeschlagenen Beschreibung. Die Begriffsauswahl beim OECD-Vorschlag ist offenbar dadurch bestimmt, daß dem Umweltchemikalienrecht eine etwas stärkere wirtschaftliche Ausrichtung gegeben wird. Daher werden auch die Begriffe to store (up) (Lagern, Einlagern, Aufbewahren) und to use (Gebrauchen, Verbrauchen) als Sammelbegriffe des Chemikalienrechts bezeichnet. Nach den Ergebnissen dieser Untersuchung kann dies nicht unbedingt bestätigt werden: Das Lagern und der Gebrauch haben im Bereich des eigentlichen Chemikalienrechts keine derartige Begriffsflexibilität, daß ihr Sammel- und Auffangcharakter dem der Begriffe "to deal with" und "to handle" vergleichbar ist. Dennoch wäre es überzogen, von einem substantiellen Gegensatz zu sprechen. Wenn der Anwendungsbereich der in Chemikaliengesetzen vorkommenden Rechtsbegriffe auf das eigentliche Wirtschaftsrecht ausgedehnt wird, mag dies durchaus die Konsequenz haben, auch anderen Begriffen gewisse Auffangfunktionen zuschreiben zu können. Die übrigen, wohl auch von der OECD-Expertengruppe als vorrangig angesehenen Begriffe "to deal with" und "to handle" korrelieren mit den hier vorgeschlagenen Sammelbegriffen Verwenden, Behandeln und Umgang68• Schließlich stimmen beide Konzepte auch darin überein, daß der Ausdruck "to deal with/Verwenden" am ehesten geeignet ist, alle chemikalienbezogenen Aktivitäten begrifflich zu erfassen. 111. Harmonisierungsvorschlag

Anstelle einer harmonisierten Definition ist folgende Begriffsbeschreibung vorzuschlagen:

Beschreibung: Die Ausdrücke Verwenden, Behandeln und Umgang werden normalerweise nicht definiert. Sie sind aber grundsätzlich geeignet, eine Vielzahl von Tätigkeiten im Zusammenhang mit Umweltchemikalien begrifflich einzuschließen. 67 68

Vgl. Annotation B 1 und B 4. Vgl. oben S. 38.

48

B. Begriffe: Verwenden, Behandeln, Umgang

Anmerkungen:

a) Tätigkeiten, die insbesondere eingeschlossen sein können, sind z. B.: - Inverkehrbringen, - Herstellen, -Einfuhr, -Durchfuhr, -Ausfuhr, - Befördern, - Verkaufen, -Anbieten, - Abfüllen, Umfüllen, - Aufbewahren, Lagern, - Gebrauchen, Verbrauchen. b) In Chemikalienregelungen werden die Ausdrücke Verwenden, Behandeln oder Umgang normalerweise zur Kennzeichnung von Auffangtatbeständen gebraucht, sie können aber auch alleiniger Anknüpfungspunkt für Regelungen sein. c) Da ihr konkreter Inhalt vom jeweiligen Gesetz bestimmt wird und insofern Bedeutungsunterschiede auftreten können, läßt sich keine allgemeine Aussage über ihr Verhältnis untereinander treffen. d) Wegen seiner großen Bedeutungsvielfalt ist im Zweifel der Begriff Verwenden als Oberbegriff für umweltbelastende Tätigkeiten in Zusammenhang mit Chemikalien anzusehen.

C. Harmonisierungsvorschlag zu den Begriffen: Einfuhr, Einführen, Durchfuhr I. Ergebnisse der Analyse 1. Abgrenzung des Vergleichsobjekts

Entsprechend der international üblichen Terminologie können die Begriffe Einfuhr und Durchfuhr mit Import bzw. Transit ohne weiteres gleichgesetzt werden. Mit Rücksicht auf die in den deutschen Umweltchemikaliengesetzen vorherrschende Sprachregelung sollen jedoch die Ausdrücke Einfuhr und Durchfuhr hier beibehalten werden. Der Unterschied zwischen diesen beiden Bezeichnungen ist begrifflich klar zu treffen. Die Durchfuhr eines Gutes setzt notwendig dessen Einbringen in das Land voraus und bezeichnet das Verbringen durch das Land mit dem Ziel des Verbringens aus dem Land. Der Inhalt des Einfuhrbegriffs, das Ein- oder Verbringen in das Land, ist also notwendiger Bestandteil des Durchfuhrbegriffs. Umgekehrt kann aber die Einfuhr eines Gutes nicht als Teilhandlung der Durchfuhr gesehen werden. Denn begrifflich stellt die Einfuhr ein aliud zur Durchfuhr dar. Etwas anders verhalten sich die jeweiligen Rechtsfolgen zueinander. Meist folgen aus der Einfuhr, also der Einbringung in den nationalen Wirtschaftsverkehr, andere Konsequenzen als aus der Durchfuhr, bei dem der nationale Markt nicht oder nicht unmittelbar bzw. kaum betroffen ist. Allerdings gilt dies eindeutig nur für das Zoll-, Steuer- und allgemeine Wirtschaftsrecht. Im Umweltchemikalienrecht bzw. Gefahrstoffrecht ist es hingegen durchaus denkbar, daß der Gesetzgeber beide Verbringungsformen gleich behandeUS'. Der besondere Schutzzweck der Chemikalienkontrolle scheint zu verlangen, daß der geographische Aspekt des innerhalb der Landesgrenzen befindlichen Gutes mitunter schwerer wiegt als der wirtschaftliche Aspekt der nationalen Vermarktung. Auch aus chemikalienrechtlicher Sicht steht zwar die Einfuhr wegen ihres engen Bezugs zum Inverkehrbringen gegenüber der nur peripher marktbezogenen Durchfuhr im Vordergrund70 • Doch zwingt das weitgehende Fehlen eigenständiger Durchfuhr-Definitionen und der Vgl. z. B. § 2 Abs. 1 Nr. 7 Pflanzenschutzgesetz. Ablesbar auch an den vergleichsweise vielen Definitionen und Chemik alienregelungen zur Einfuhr. 89

70

4 Kloepfer I Bosselmann

50

C. Begriffe: Einfuhr, Einführen, Durchfuhr

gerade im Chemikalienrecht b€stehende enge Zusammenhang zwischen b€iden Be.griffen zu einer gemeinsamen Untersuchung. Zur Begriffsdefinition wird häufig das Verbringen oder Einbringen erwähnt. Diese fachsprachlichen Ausdrücke haben nicht den Charakter eigenständiger Rechtsbegrüfe71 , sondern b€schreiben nur den technischen Vorgang des Gütertransports unabhängig von dessen rechtlicher Bewertung. Begriffsüberschneidungen können also nicht auftreten. Dagegen kann es mit dem Rechtsbegriff des Inverkehrbringens durchaus inhaltliche Gemeinsamkeiten geben. Die Einfuhr ist speziell kaum noch vom Irrverkehrbringen zu trennen, wenn nicht auf das Überschreiten der geographischen Grenze abgestellt wird, sondern auf die Grenze der Zollabfertigung, die bei Wirtschaftsgütern regelmäßig zum Eintritt in den nationalen Markt führt. Definitionen mit dieser Ausrichtung kommen gelegentlich vor72 • Und auch wo (wie in § 3 Nr. 6 des deutschen Chemikaliengesetzes) die Einfuhr als Verbringen in den Geltungsb€reich des Gesetzes verstanden wird, stellt sich die Frage, ob dies üb€r den geographischen Grenzübertritt hinaus eine wie auch immer geartete Beziehung zum nationalen Markt bedeutet. Auf der anderen Seite kann auch das Irrverkehrbringen so weit definiert werden, daß es jede Form marktb€zogener Aktivitäten, also auch die Einfuhr, einschließt7s. Den unterschiedlichen Bedeutungsgehalten von Einfuhr und Irrverkehrbringen ist nur dadurch gerecht zu werden, daß das Verhältnis beider Begriffe zueinander nicht alternativ, sondern im Sinne der Spezialität gesehen wird. Danach kann Einfuhr als ein Begriff aufgefaßt werden, der (zumindest auch) die Bedeutung einer speziellen Form des Inverkehrbringens hat. Im übrigen wird auf das Abgrenzungsproblem bei der Auswertung der Definitionsanalysen zurückzukommen sein. In ähnlicher Weise ist das Verhältnis zum Begriff des Herstellens zu beurteilen. Wie das Beispiel des amerikanischen TSCA und CPSA74 zeigt, kann der Import definitorisch dem Herstellen zugeordnet werden, wenn dem Herstellen ein umfassender Bedeutungsinhalt beigelegt wird75 • Allerdings ist im allgemeinen die begriffliche Affinität hier weniger ausgeprägt als beim Begriffspaar Einfuhr/Inverkehrbringen. 71 Im englischen wird in diesem Zusammenhang noch allgemeiner von "to move" oder "to pass" gesprochen. 72 Vgl. z. B. Art. 1 des Import-Export-Gesetzes der Niederlande vom 5. 7. 1962, wonach Import als grenzüberschreitendes Verbringen in den nationalen Markt definiert wird. 73 Vgl. etwa § 2 des schwedischen Gesetzes über gefährliche Produkte vom 27. 4. 1973. 74 Vgl. Sec. 3 (7) TSCA; § 2052 (4) CPSA.

I. Ergebnisse der Analyse

51

Der Begriff Reimport ist keine eigenständige Kategorie, sondern nur ein Teilaspekt des Einfuhrbegriffs. Soweit er überhaupt verwendet wird, stellt er lediglich klar, daß auch die Wiedereinfuhr eine Form des Einführens ist und nicht anders reglementiert wird. 2. 'Oberblick

Die Einfuhr wird in den Umweltchemikaliengesetzen teilweise den gleichen Regelungen unterworfen wie das Inverkehrbringen und das Herstellen. So ist der Einführer von bestimmten Anmelde-, Kennzeichnungs- und Mitteilungspflichten oftmals in gleicher Weise betroffen wie der Hersteller76 • Daneben gibt es aber auch spezielle Verpflichtungen für den Einführer77 • Unter dem Gesichtspunkt internationaler Harmonisierung wäre es prinzipiell sicher wünschenswert, wenn Handelshemmnisse und mögliche Wettbewerbsverzerrungen dadurch aufgehoben würden, daß eingeführte und heimisch produzierte Güter international einheitlich behandelt werden. Zu diesem Zweck wäre dann der Einfuhrbegriff so weit zu harmonisieren, daß insbesondere das Verhältnis zum Herstellen und Inverkehrbringen verbindlich festgelegt wird. Der internationale Vergleich zeigt jedoch, daß eine so weitgehende Harmonisierung ohne Veränderung geltender Normen nicht möglich ist. Begrifflich ist davon auszugehen, daß der Begriff "Einfuhr" auch außerhalb des Chemikalienrechts vielfältig verwandt wird und insgesamt keine detaillierte Festschreibung zuläßt. Dies ergibt sich schon aus den unterschiedlichen Bedeutungsmöglichkeiten bei der Frage des Grenzüberschreitens. So können sich Güter innerhalb der Staatsgrenzen, aber außerhalb des Geltungsbereichs bestimmter Gesetze befinden (z. B. in Zollfrei,gebieten), sie können aber auch schon nach Passieren der Staatsgrenze als eingeführte Güter behandelt werden. Während z. B. Gesetze des reinen Gesundheitsschutzes eher auf den geographischen Aspekt abstellen, ist für die Wirtschaftsgesetze tendenziell die Zollgrenze maßgebend. Gerade das Umweltchemikalienrecht hat aber eine Art Doppelcharakter, de r keine allgemeinverbindliche Aussage darüber zuläßt, in welchem Moment ein Gut "eingeführt" ist. Ein wesentlicher Aspekt der Begriffsanalyse ist daher, daß sie eine vereinheitlichte Definition nur hervorbringen kann, wenn eine gewisse Begriffsunschärfe von vornherein in Kauf genommen wird. Solange der konkrete Schutzzweck und die zentralen Regelungen des Umwelt75 76

77

4*

Vgl. auch Kloepfer/Knebel (Anm. 5), S. 97. Vgl. z. B. §§ 11, 13, 15, 16 des deutschen Chemikaliengesetzes. Vgl. etwa § 4 Abs. 2 Chemikaliengesetz.

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C. Begriffe: Einfuhr, Einführen, Durchfuhr

chemikalienrechts international nicht einheitlich gebildet sind, ist auch eine detailliert-exakte Begriffsbestimmung der Einfuhr nicht möglich. Unter diesem Vorbehalt läßt sich sagen, daß die Einfuhr allgemein als Verbringen in den Geltungsbereich eines Gesetzes bzw. in das nationale Gebiet verstanden wird. Zu unterstellen ist dabei, daß der "Geltungsbereich des Gesetzes" (area of the application of the law) und das "nationale Gebiet" (national territory) nach ihrem sachlichen Gehalt nicht weit voneinander abweichen. Rechtssystematisch wird der Einfuhrbegriff auf zweifache Weise in den Umweltchemikaliengesetzen behandelt. Entweder wird eine definitorische Trennung zwischen dem Einführen und sonstigen umweltbelastenden Aktivitäten vorgenommen78 • Oder das Einführen wird anderen mitgeregelten umweltbelastenden Aktivitäten, wie Herstellen und Irrverkehrbringen begrifflich zugeordnef9 • Hierbei hängt der für das Einführen geltende Regelungsinhalt von der Reglementierung des "Haupt"begriffs ab80 • Die systematische Behandlung des Einfuhrbegriffs richtet sich also nach dem Bedürfnis, selbständige oder unselbständige Regelungen vorzusehen. Im allgemeinen ist eine international homogene Begriffssystematik nicht zu erkennen. Das Beispiel der Bundesrepublik Deutschland zeigt, daß die Begriffsinhalte auch national verschieden sein können. Zum Teil wird nämlich das Einführen als Verbringen in den Geltungsbereich des Gesetzes definiert (Chemikaliengesetz, Pflanzenschutzgesetz), zum Teil das "sonstige" Verbringen in den Geltungsbereich des Gesetzes dem eigentlichen Einführen normativ gleichgestellt (Bundes-Immissionsschutzgesetz, Atomgesetz, DDT-Gesetz). Daraus können sich unterschiedliche Interpretationen für den Begriffsumfang des Verbringens (legales, illegales, beabsichtigtes oder ungewolltes Verbringen) ergeben. Ähnliche Interpretationsspielräume sind auch in anderen Ländern vor allem dann denkbar, wenn der Einfuhrbegriff ähnlichen Begriffen untergeordnet wird, so daß je nach dem Inhalt des Hauptbegriffs unterschiedliche Möglichkeiten des Einführens in Betracht kommen81 • Soweit gesetzlich definiert, erscheint die Durchfuhr bzw. der Transit(verkehr) zumeist als besondere Form der Einfuhr. In einigen Definitionen kommt dies explizit zum Ausdruck82 • Beispiele sind die Bundesrepublik Deutschland und Frankreich. So in den USA, der Schweiz, Norwegen und der 6. EG-Anderungsrichtlinie. 80 z. B. hat in der Schweiz das Inverkehrbringen, in den USA das Herstellen diese Leitfunktion. 81 Der Begriff des Herstellens kann eine bestimmte Willensrichtung implizieren, so daß u. U. auch nur die beabsichtigte Einfuhr erfaßt ist. 78 79

I. Ergebnisse der Analyse

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Allgemein werden Güter als im Transit befindlich angesehen, wenn sie eingeführt wurden allein zu dem Zweck der Wiederausfuhr, und zwar ohne dem nationalen Markt zugeführt worden zu sein. Das Irrverkehrbringen schließt also die Annahme einer Durchfuhr begrifflich aus. Da die Durchfuhr den Verbleib außerhalb des nationalen Marktes voraussetzt, besteht ein Definitionsbedürfnis im Grunde nur bei solchen Rechtsordnungen, in denen die Einfuhr gleichgesetzt wird mit dem Überschreiten der Staatsgrenze. Wenn dagegen der Einfuhrbegriff verlangt, daß die den nationalen Markt eröffnenden Zollverfahren durchlaufen werden, kann die Durchfuhr - trotz bestehender Zollüberwachung (z. B. Verplombung) - per definitionem keine Einfuhr sein. Hierin liegt möglicherweise ein Grund, weshalb eigene Defitionen der Durchfuhr nur in begrenztem Umfang existieren83• Eine harmonisierte Definition der Durchfuhr wäre in ihrem Inhalt aber nicht davon berührt, daß sie aus der Sicht einzelner Rechtssysteme u. U. nur deklaratorische Bedeutung hätte. 3. Gemeinsamkeiten und Unterschiede im internationalen Vergleich

a) Einfuhr Die Einfuhr wird international soweit übereinstimmend definiert, daß von einem gesicherten Begriffskern ausgegangenen werden kann. Jeder Einfuhr liegt zunächst die grenzüberschreitende Bewegung von Gütern zugrunde. In bezug auf die mit der Einfuhr verbundene Anmeldepflicht kann zwar das Problem auftauchen, ob nicht schon die Ankündigung einer beabsichtigten Güter-Grenzüberschreitung (z. B. durch Werbung) die Anmeldepflicht auslöst. Dies würde aber nicht verlangen, daß auch vorbereitende Stadien zum Einfuhrbegriff gerechnet werden. Die Einfuhr-Definitionen beinhalten jedenfalls alle den Realakt des Grenzüberschreitens. Impliziert ist auch die subjektive, finale Komponente der Einfuhrabsicht. Der unbeabsichtigte, wie auch der in Kauf genommene Grenzübertritt - etwa von Emissionen - dürfte nach allgemeinem Verständnis den Begriff der Einfuhr nicht erfüllen. Andererseits sind die Definitionen aber auch nicht darauf angelegt, nur Güter mit einem gewissen Marktwert der Einfuhr zuzuordnen. Eingeführt können daher z. B. auch Abfälle sein, selbst wenn sie keinen kommerzie llen Wert haben. Da die Definitionen insoweit Konkretisierungen nicht vornehmen, sind kommerzielle Aspekte der Einfuhr kein begriffskonstituierender Bestandteil. 82

83

So im britischen Customs and Excise Management Act, 1979. Bundesrepublik Deutschland, Großbritannien, USA.

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C. Begriffe: Einfuhr, Einführen, Durchfuhr

Soweit Definitionen fehlen und an deren Stelle begriffliche Zuordnungen zum Inverkehrbringen treten84, könnte allerdings die Vermutung naheliegen, als sei dem Inverkehrbringen und der Einfuhr gleichermaßen eine kommerzielle Ausrichtung beigegeben. Daß diese Schlußfolgerung indessen nicht zwingend ist, belegt die Begriffsanalyse zum Inverkehrbringen. Die kommerziellen Aspekte sind zwar ein häufig auftretendes, nicht aber begriffsnotwendiges Merkmal des Inverkehrbringens85. Ebenfalls keine Einschränkung ist für die Frage vorgesehen, ob nur legales, ordnungsgemäßes Einführen erfaßt ist oder auch das illegale Verbringen über die Grenze. Den vielfältigen Anwendungsformen und dem generellen Schutzzweck des Umweltchemikalienrechts würde es auch nicht gerecht werden, wenn "Schwarzimporte" bzw. unverzollte Einfuhren begrifflich nicht erfaßt wären. Gerade ihre Erfassung ist im Gegenteil ein zentrales Anliegen der Chemikalienkontrollnonnen. Ferner gehört es zum internationalen Begriffskonsens, daß die Herkunft des Einfuhrgutes keine Rolle spielt. Denklogisch ist zwar vorausgesetzt, daß die Güter von außerhalb des nationalen Gebietes88 kommen. Darüber hinaus ist es aber unerheblich, ob das Einfuhrgut aus einem Ausfuhrgebiet stammt. Ein nicht eindeutiges Merkmal, weil nicht von klarer Begriffsgemeinsamkeit getragen, ist die Art der Grenze, auf die es bei der Einfuhr ankommt. Die meisten Definitionen sprechen hier vom Verbringen in das "nationale Gebiet" 87. Damit könnte die staatsrechtliche Grenzziehung gemeint sein. Da aber jeder Staat auch die Grenze der Zollabfertigung hat, kann fraglich sein, ob das Gut schon vor Passieren der Zollgrenze als eingeführt gilt. Wenn angenommen wird, daß mit dem nationalen Gebiet ausschließlich Staatsgrenzen bezeichnet sind, wäre diese Möglichkeit zwingend. Das kann aber nicht ohne weiteres unterstellt werden. Ebenso ist eine Gesetzgebung denkbar, die aus Gründen der Zollpflichtigkeit Importgüter erst erfassen will, wenn sie in den nationalen Markt gelangen können. Der internationale Vergleich der Chemikalienregelungen gibt jedenfalls keinen sicheren Aufschluß darüber, ob das Verbringen in das staat84 Vgl. Art. 2 Abs. 1 e Satz 2 der 6. EG-Änderungsrichtlinie; § 3 Abs. 2 des Schweizer Giftgesetzes vom 21. 3. 1969 ; § 2 Abs. 1 des norwegischen Gesetzes über Produktkontrolle vom 11. 6.1976. 85 Vgl. Kloepfer/Knebel (Anm. 5), S. 38 f.; auch die vom OECD-Glossarium vorgeschlagene Definition für "to put into circulation" ist insoweit offen. 86 Hier ist der Begriff "Geltungsbereich des Gesetzes" hilfreich, da er klarstellt, daß z. B. die Anlandung des mit eigener Flotte b etriebenen Hochseefischfanges keine Einfuhr ist. 87 z. B. in Großbrita nnien, den Niederlanden und den USA.

I. Ergebnisse der Analyse

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lieh begrenzte Gebiet oder in den nationalen Marktfluß im Vordergrund steht88 • Diese Ambivalenz muß von der harmonisierten Definition berücksichtigt werden. Wenn schon das Definitionsmerkmal "nationales Gebiet" keine konkrete Begrenzung vorsieht, kann auch die Begriffswendung "Geltungsbereich des Gesetzes" nicht entscheidend weiterhelfen, eine allgemeinverbindliche Konkretisierung zu finden. Ohnehin wird nur in der Bundesrepublik Deutschland auf den Geltungsbereich des Gesetzes abgestellt, so daß die Vermutung naheliegt, dies sei lediglich in den staatsrechtlichen Besonderheiten Deutschlands begründet. Um dieser Situation gerecht zu werden, ist immerhin der "Geltungsbereich des Gesetzes" vorzugswürdig. Weitere, über den skizzierten Begriffskern hinausgehende Gemeinsamkeiten lassen sich nicht feststellen. Schon nach dem Vergleich der verschiedenen deutschen Chemikaliengesetze zeigt sich nämlich, daß die einzelnen Begriffskonkretisierungen uneinheitlich getroffen werden. Der Vorgang des Verbringens wird hier teilweise als eine besondere Form des Inverkehrbringens angesehen89 , teilweise wird die Einfuhr als besondere Form des Verbringens behandelt90 oder die Einfuhr und das Verbringen (in den Geltungsbereich des Gesetzes) werden gleichgestelW0a, so daß insgesamt unklar bleibt, in welchem Verhältnis der Einfuhrbegriff zum Begriff des Verbringens steht. Zu schließen ist daraus lediglich, daß die gängige Definition "Verbringen in den Geltungsbereich des Gesetzes" nicht weiter konkretisiert werden darf, wenn sie ihre Gültigkeit für das allgemeine (deutsche) Umweltchemikalienrecht behalten soll. Andere Rechtsordnungen, bei denen Definitionen häufig durch Begriffszuordnungen ersetzt werden, bestätigen diesen Befund. Die Zuordnung der Einfuhr zum Oberbegriff Herstellen (USA) oder zum Oberbegriff Inverkehrbringen (EG, Schweiz, Norwegen) signalisiert zwar eine gewisse Spezialität des Einfuhrbegriffs, die für sich genommen die Definition konkretisieren könnte. Von den jeweiligen Regelungen wird aber praktisch jede Form des Verbringens in das nationale Gebiet als Einfuhr behandeWt, so daß sich die Begriffszuordnungen als eher 88 Am Beispiel der Niederlande zeigt sich, daß trotz Abstellens auf das "nationale Gebiet" - so in Art. 1 Abs. 1 des niederländischen Chemikaliengesetzes - erst der "freie Marktzugang" - so in Art. 1 des Import-ExportGesetzes - den Einfuhrbegriff ausmachen sollen. so Vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Düngemittelgesetz. 00 § 3 Abs. 7 Bundes-Immissionsschutzgesetz; § 2 Abs. 2 DDT-Gesetz; § 3 Abs. 5 Atomgesetz; vgl. Kloepfer/Kneb el (Anm. 5), S. 96. ooa Dies dürfte für das Chemikaliengesetz, das nur den Begriff des Einführers definiert, zutreffen; vgl. Uppenbrink u. a. (Anm. 3), Rn. 85 zu § 3. 91 Vgl. im einzelnen Kloepfer/Knebel (Anm. 5), S. 96 f.

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C. Begriffe: Einfuhr, Einführen, Durchfuhr

rechtstechnisch bedingt erweisen. Inhaltliche Folgerungen lassen sich aus ihnen also nicht ziehen. Auch die sonst noch vorkommenden Definitionen geben weder für die genaue Bestimmung des Verbringens noch für die Konkretisierung des Grenzüberschreitens irgendwelche Anhaltspunkte. Vielmehr muß die insgesamt festzustellende Definitions- und Verwendungsvielfalt als Beleg dafür genommen werden, daß der Einfuhrbegriff entsprechend den Anforderungen der jeweiligen Chemikalienregelungen pragmatisch eingesetzt wird und daher inhaltlich relativ allgemein gehalten werden muß. b) Durchfuhr

Vor dem Hintergrund des Einfuhrbegriffs wird klar, was unter Durchfuhr zu verstehen ist. Der gemeinsame Kem aller DurchfuhrDefinitionen ist das Verbringen durch das nationale Gebiet bzw. den Geltungsbereich des Gesetzes92 • Dies schließt notwendig das Verbringen in das nationale Gebiet und aus dem nationalen Gebiet ein. In verschiedenen Regelungen der Bundesrepublik Deutschland kommt die begriffliche Korrelation zwischen Einfuhr, Durchfuhr und Ausfuhr zum Ausdruck93• Zeitlich gesehen setzt die Durchfuhr den Einfuhrvorgang voraus und zieht den Ausfuhrvorgang nach sich. Wenn es nicht zur Wiederausfuhr kommt, wird das betreffende Gut in der Regel als eingeführt behandelt. Die enge Verknüpfung speziell mit der Einfuhr wird in einer Reihe von deutschen Chemikalienregelungen hervorgehoben, in dem sie zunächst die Einfuhr definieren und in Verbindung damit die Durchfuhr als besondere Form der Einfuhr von der Regelung ausnehmen94 • Diese begriffliche Zuordnung ist nicht nur für die Bundesrepublik Deutschland typisch95 • Inhaltlich läßt sich der erwähnte Begriffskem dahin präzisieren, daß beim Transitgut nicht die eigentlichen Import-Zollbestimmungen angewendet werden, sondem eigene zollamtliche Überwachungen gelten, welche u. a. die Funktion haben, das Transitgut außerhalb des nationalen Marktes zu halten. Die zollamtliche Überwachung und darüber hinaus der Vorbehalt, daß Transitgüter nicht weiter be- oder verarbeitet 92 So ausdrücklich z. B. in § 13 Abs. 1 Satz 2 Abfallbeseitigungsgesetz ; § 1 Abs. 2, Satz 2 der 10. Verordnung zum Bundes-Immissionsschutzgesetz. 93 So in § 2 Nr. 7 Pflanzenschutzgesetz: "Einfuhr, Durchfuhr oder Ausfuhr: jedes Verbringen in oder durch den Geltungsbereich oder aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes."; ähnlich§ 23 Abs. 1 Bundesnaturschutzgesetz. 94 Vgl. § 3 Nr. 6 Chemikaliengesetz; § 13 Abs. 1 Abfallbeseitigungsgesetz; § 1 Abs. 2 der 10. Verordnung zum Bundes-Immissionsschutzgesetz. 95 Vgl. den britischen Customs and Excise Management Act oder den amerikanischen Tariff Act, 1930, 19 U.S.C. 1553.

II. Harmonisierungserörterungen

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werden, sind in einigen Chemikalienregelungen ausdrücklich erwähnt98 • Der Ausschluß der weiteren Be- oder Verarbeitung dient zur Abgrenzung der Herstellung eines (neuen) Produkts und dürfte - ebenso wie die Zollüberwachung - Teil des allgemeinen Verständnisses vom Transitgut sein. Um den Unterschied zur Einfuhr zu praz1s1eren, ist außerdem das zeitliche Element der Durchfuhr von Bedeutung. Wenn die Zeitspanne zwischen Einfuhr und Wiederausfuhr unerheblich wäre, könnte das Transitgut vom eingeführten Gut faktisch nicht unterschieden werden. Erforderlich ist daher, den Verbleib im Einfuhrland auszuschließen und darüber hinaus das Einfuhrelement mit dem Ausfuhrelement final zu verknüpfen. Im Transit befindet sich ein Gut also nur dann, wenn es eingeführt wurde, um alsbald, d. h. insbesondere ohne Teilnahme am nationalen Markt, wieder ausgeführt zu werden. In den bestehenden Definitionen kommt diese zeitliche Begrenzung des Transits nur andeutungsweise zum Ausdruck97 , sie ist aber ein unverzichtbarer Bestandteil des Durchfuhrbegriffs. Geht man davon aus, daß die vorhandenen Definitionen auch ohne ausdrückliche Formulierungen diese Inhalte mitumfassen, sind die sonst noch auftretenden Unterschiede von untergeordneter Bedeutung. Sie betreffen - wie schon dargestellt - die rechtssystematische Behandlung des Begriffs98 und eher marginale Aspekte wie Art der Transitgüter, Transportwege u. ä., die den Durchfuhrbegriff nicht weiter konkretisieren können. II. Harmonisierungserörterungen 1. Allgemeines Die Analyse zeigt, daß Einfuhr und Durchfuhr schon auf der Grundlage bestehender Definitionen und Anwendungsformen begrifflich faßbar sind und in einem bestimmten Verhältnis zueinander stehen. Außerhalb des jeweiligen Begriffskerns können erläuternde Definitionsinhalte zwar nur in begrenztem Umfang angegeben werden. Die insgesamt zu gewinnenden Definitionen sind aber konkret genug, um Begriffsunklarheiten weitgehend auszuschließen. Der nicht speziell untersuchte Begriff des Einführens ist nur die Verbform der Einfuhr. Eine substantielle Trennung muß daher nicht Siehe oben Anm. 94. Formulierungen wie "Verbringen durch das nationale Gebiet" oder "Transitverkehr ... durchführen" weisen nur mittelbar darauf hin, daß die Durchfuhr zeitlich begrenzt sein muß. 98 Zuordnung zum Einfuhrbegriff oder eigenständige Definition. 98 97

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C. Begriffe: Einfuhr, Einführen, Durchfuhr

vorgenommen werden. Ob Chemikalienregelungen die Substantiv- oder Verbform verwenden, hat ausschließlich rechtstechnische und sprachliche Gründe. 2. Einfuhr/Einführen

Der Einfuhrbegriff setzt sich im wesentlichen aus dem Verbringen als Handlung und dem Einfuhrgebiet als Ziel dieser Handlung zusammen. Die weiteren Definitionsinhalte bestehen aus Erläuterungen zur Begriffsabgrenzung und -präzisierung. a) Verbringen Das Verbringen bezeichnet den realen Vorgang des Transports und hat für sich genommen keine Konsequenz für die rechtliche Einordnung dieses Vorganges. Inhaltlich ist er nicht auf bestimmte Transportformen beschränkt, wie sich etwa auch in der gängigen englischen Übersetzung mit "to move/movement" zeigt. Er setzt allerdings ein voluntatives Element voraus. Ungewolltes oder in Kauf genommenes Verbringen, wie z. B. die Verbreitung von Emissionen, können begrifflich nicht als Einfuhr gewertet werden. Bezogen ist das Verbringen auf den Grenzübertritt. Mit dem Überschreiten der Grenze des Einfuhrgebietes ist das betreffende Gut99 eingeführt. Das Verbringen in das nationale Gebiet könnte terminologisch unter Umständen auch mit "Bezug aus dem Ausland" wiedergegeben werden, einer insbesondere in der Wirtschaftswissenschaft gebräuchlichen Definition des Einfuhrbegriffs 100• In den Gesetzen - speziell des Umweltchemikalienrechts - findet sich diese Formulierung allerdings nicht. Sie sollte daher vermieden werden. Außerdem dürfte der Begriff "Bezug" eine zu spezielle Bindung an den Warenbegriff haben, die den besonderen Zielsetzungen des Umweltchemikalienrechts nicht gerecht wird. b) Geltungsbereich des nationalen Gesetzes Die Schwierigkeiten, die Grenze genauer zu definieren und damit allgemeinverbindlich festzulegen, welcher tatsächliche Umstand den Augenblick des Einführens ausmacht, ist auf Begriffsebene nicht befriedigend zu lösen. Die mehrheitlich verwendete Umschreibung "nationales Gebiet" läßt keinen sicheren Schluß darüber zu, ob die Staatsgrenze oder die zollrechtlich bestehende Grenze maßgebend ist. Beide Grenzarten können faktisch zusammen fallen, sie müssen es aber nicht, so daß die - durch den internationalen Vergleich nicht zu beantwortende 99 Gut verstanden im umfassenden Sinne, einschließlich also etwa der Produkte, Stoffe oder Abfälle. 100 Vgl. Dr. Gablers Wirtschafts-Lexikon, 1972, S. 397.

II. Harmonisierungserörterungen

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Frage fortbesteht, ob es begrifflich möglich ist, einen festen Anknüpfungspunkt zu finden. Im Interesse der Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen und Handelshemmnissen wäre es sicher sinnvoll, wenn das Einfuhrgebiet allgemeinverbindlich definiert würde, also etwa durch die Gleichsetzung mit dem Wirtschaftsgebiet im Sinne des § 4 des deutschen Außenwirtschaftsgesetzes. Danach gilt als Wirtschaftsgebiet das Staatsgebiet, und zwar unter Einschluß etwaiger Zollfreigebiete101 • Solche Freigebiete sollen nach diesem Verständnis nur gewisse Zollprivilegien schaffen102, sind aber als Teil des Wirtschaftsgebietes und daher des Einfuhrgebietes anzusehen. Folglich wäre jedes Gut nach Passieren der Staatsgrenze im Rechtssinne eingeführt. Dennnoch bleiben Bedenken. Speziell die wirtschaftsrechtlich orientierten Gesetze können durchaus das entscheidende Gewicht auf die freie Teilnahme am nationalen Markt legen103• Da Güter im Zollfreigebiet am nationalen Markt (noch) nicht teilnehmen, dürfte der Tatbestand der Einfuhr erst nach gegebenenfalls durchzuführender Zollabfertigung erfüllt sein. Nach diesem Verständnis könnte die Einfuhr z. B. definiert werden als Verbringen zollpflichtiger Güter in das nationale Gebiet. Vom eigentlichen Schutzzweck des Umweltchemikalienrechts her gesehen, scheint demgegenüber das Überschreiten der Staatsgrenze von ausschlaggebender Bedeutung. Allerdings ist die Priorität des Umweltschutzes kein durchgängiges Merkmal aller Zwecksetzungen der Chemikaliengesetze. Zum Teil werden auch rein wettbewerbsrechtliche und marktbezogene Zwecke mitverfolgt. Unter Akzentsetzung auf den generellen Schutzzweck des Umweltchemikalienrechts dürfte es indessen sinnvoll sein, den Eintritt in das Staatsgebiet als Regelfall der Einfuhr und den speziellen Fall des Eintritts in das Zollinland als Ausnahmetatbestand zu kennzeichnen. Im Definitionsvorschlag kommt dies am besten dadurch zum Ausdruck, daß auf das Regel-Ausnahme-Verhältnis in den Anmerkungen hingewiesen wird und für die Definition selbst nicht der unscharfe Begriff "nationales Gebiet", sondern die insoweit etwas präzisere Formulierung "Geltungsbereich des nationalen Gesetzes" gewählt wird. Klar definierend ist, wie oben ausgeführt, auch diese Formulierung nicht. Doch drückt sie deutlicher aus, daß eine verbindliche Grenzziehung des Einfuhrgebietes nicht möglich ist, sondern der - unter 101 In der Bundesrepublik Deutschland zählen dazu die Freihäfen und die Insel Helgoland. 102 Vgl. § 2 des deutschen Zollgesetzes vom 14. 6. 1961. 103 Vgl. z. B. Art. 1 des niederländischen Import-Export-Gesetzes.

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C. Begriffe: Einfuhr, Einführen, Durchfuhr

Umständen variierende - Geltungsbereich des jeweiligen nationalen Chemikaliengesetzes konkret festlegt, wo die Einfuhrgrenze verläuft.

c) Weitere Definitionsinhalte Die übrigen durch den internationalen Vergleich zu gewinnenden Definitionsinhalte sind negativ bestimmt. Eine Beschränkung auf kommerziell verwertbare Güter ist in der Definition nicht enthalten. Auch völlig wertlose Sachen können also eingeführt werden. Ebenso kommt es nicht auf die Legalität der Einfuhr an. Sie richtet sich ausschließlich nach den nationalen Einfuhrbestimmungen. Auch Schmuggel und dergleichen ist eine Form der Einfuhr.

Unerheblich ist schließlich, woher das Einfuhrgut stammt. Da sich die Einfuhr ausschließlich aus der Sicht des Gesetzgebers des Einfuhrgebietes beurteilt, ist es ohne Bedeutung, ob das Gut aus dem Ausland eingeführt wurde, ob es auf freien Weltmeeren produziert wurde104 oder ob das Gut bereits früher einmal eingeführt und danach wieder ausgeführt wurde (Reimport). Ein letzter Gesichtspunkt betrifft die Verwendungsformen des Einfuhrbegriffs. Vorauszusetzen ist nur, daß der Begriff in den nationalen Rechtsordnungen bzw. Chemikalienregelungen verwendet wird, nicht aber, daß die Einfuhr stets eigenständig geregelt wird. Die kann z. B. reglementiert werden wie das Irrverkehrbringen oder das Herstellen. Denkbar sind aber auch spezielle Einfuhrregelungen, die von den Regelungen über das Irrverkehrbringen oder das Herstellen abweichen105. Ob nationale Gesetzgeber von der Einfuhr oder dem Einführen sprechen, macht begrifflich keinen Unterschied. Wo allerdings der Ausdruck Einfuhr überhaupt nicht vorkommt, empfiehlt es sich, bei Bedarf stattdessen die Begriffskombination "eingeführte Güter" o. ä. einzusetzen. 3. Durchfuhr

a) Begriffskern Der Begriff der Durchfuhr setzt den Inhalt des Einfuhrbegriffs voraus. Das Verbringen in den Geltungsbereich des Gesetzes ist also erster Teil der Definition für die Durchfuhr. Am Ende des Durchfuhrvorganges steht das Verbringen aus dem Geltungsbereich des Gesetzes. z. B. Fisch-Anlandung von ausländischen Hochseefischern. So insbesondere im deutschen Chemikaliengesetz, vgl. Kloepfer (Anm. 3), s. 64 ff. 104 105

li. Harmonisierungserörterungen

61

Die Durchfuhr ist weiter dadurch gekennzeichnet, daß die Güter transportiert werden, ohne auf den Markt des Wirtschaftsgebietes zu gelangen106• Um dies sicherzustellen, sind u. a. spezielle zollrechtliche Bestimmungen einzuhalten, die sich von den Einfuhrzollbestimmungen nach Inhalt und Zweck unterscheiden. Die begriffskonstituierende NichtTeilnahme am nationalen Warenverkehr kann also auch damit ausgedrückt werden, daß der Transit unter bestimmter zollamtlicher Überwachung steht. Wegen dieser Besonderheit der Durchfuhr besteht ein Definitionsbedürfnis im Grunde nicht in solchen Rechtsordnungen, die bereits den Einfuhrbegriff als Verbringen in den freien Warenverkehr definieren107. Dies dürfte allerdings nur für eine Minderheit der vorhandenen Chemikalienregelungen gelten. Im übrigen widerspricht es dem allgemein bestehenden inhaltlichen Konsens nicht, wenn eine harmonisierte Definition vorgeschlagen wird, die - sei es konstitutiv, sei es deklaratorisch - darlegt, daß der Eintritt in den nationalen Markt die Annahme einer Durchfuhr ausschließt. Auf welche Weise dies terminologisch auszudrücken ist, bleibt noch zu klären.

b) Weitere Definitionsinhalte Mit der Durchfuhr notwendig verbunden ist ein subjektiver und auch ein - wenn auch schwierig zu bestimmender - zeitlicher Aspekt. Im Stadium des Grenzübertritts wird das Gut erst dadurch zu einem Durchfuhrgut, daß es allein zu dem Zweck eingeführt wird, alsbald wieder ausgeführt zu werden108• Äußerlich sind Einfuhr- und Durchfuh~gut zunächst nicht zu unterscheiden. Daher muß sich die Ausfuhrabsicht auf irgendeine Weise dokumentieren, praktisch wohl durch eine besondere Form der Zollabfertigung. Wenn Einfuhr und Ausfuhr also in einem finalen Zusammenhang stehen, liegt darin zugleich ein zeitlicher Aspekt. Die Zeitspanne zwischen Einfuhr und Wiederausfuhr ist dadurch bestimmt, daß es beim Transitgut nur um den Transport (außerhalb des Warenverkehrs) geht. Ein nicht transportbedingter Aufenthalt oder gar Verbleib des Gutes könnte also die Durchfuhr begrifflich ausschließen. Andere evtl. noch mögliche Definitionsinhalte gehören nicht notwendigerweise zum Durchfuhrbegriff. Wenn etwa in der Bundesrepublik Deutschland verlangt wird, daß beim Transitverkehr keine Vgl. auch§ 4 Außenwirtschaftsgesetz. Da z. B. das niederländische Import-Export-Gesetz eine solchermaßen konkretisierte Einfuhr-Definition enthält, fehlt konsequenterweise eine Definition für die Durchfuhr. 108 So ausdrücklich in der Definition des britischen Customs and Excise Management Act. 106

107

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C. Begriffe: Einfuhr, Einführen, Durchfuhr

Be- oder Verarbeitung erfolgt109, soll für chemikalienrechtliche Zwecke eine Unterscheidung zwischen Produktherstellung und Transitgut getroffen werden. Rein begrifflich ist aber durchaus vorstellbar, daß bei der Durchfuhr auch Be- oder Verarbeitungen vorkommen, die es erforderlich machen, das Transitgut chemikalienrechtlich wie ein neues Produkt oder einen neuen Stoff zu behandeln. Die Durchfuhr als solche ändert ihren begrifflichen Inhalt dadurch nicht. Faßt man die einzelnen Begriffselemente zusammen, so lassen sie sich auf eine kurze Formel bringen. Das Verbringen in den Geltungsbereich des Gesetzes und aus dem Geltungsbereich des Gesetzes kann sprachlich mit Verbringen durch den Geltungsbereich des Gesetzes wiedergegeben werden110• Mit einem Zusatz, der auf die Nicht-Teilnahme am nationalen Markt bzw. auf die besondere zollamtliche Überwachung hinweist, ist die Definition bereits vollständig. Die weiteren Klarstellungen zur subjektiven und zeitlichen Komponente können als Anmerkungen zur Definition behandelt werden. 4. Ergebnis

Die Begriffe Einfuhr/Einführen und Durchfuhr sind durch einen allgemein akzeptierten Begriffskern und durch einige ergänzende Hinweise zu definieren, welche die national auftretenden Unterschiede berücksichtigen. Die harmonisierten Definitionen erhalten damit geringfügig korrigierende Beigaben zu den real existierenden Definitionen. Unter Einfuhr/Einführen ist jedes Verbringen in den Geltungsbereich des nationalen Gesetzes zu verstehen. Die Durchfuhr ist das Verbringen durch den Geltungsbereich des nationalen Gesetzes außerhalb des nationalen Marktes. 5. Vergleich mit dem vorgeschlagenen Konzept des OECD-Glossariums

Die im OECD-Glossarium vorgeschlagene Definition für Einfuhr/ Import bzw. Einführen/Importieren lautet wörtlich: ,.Verbringen von Gütern in das nationale Gebiet"111 • Vgl. u. a. § 3 Nr. 6 Chemikaliengesetz. Die Formulierung wird auch in verschiedenen deutschen Chemikaliengesetzen verwendet. 111 Der Vorschlag enthält außerdem noch eine- in der Substanz nicht abweichende - Definition für den Einführer/Importeur. Das gesamte Konzept im Original: 109

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A. Definition:

To Import, Import(s), Importer

A 1 To import: to move goods into the national territory. A 2 Import(s): goods moved into the national territory A 3 Importer: a person who moves goods into the national territory.

II. Harmonisierungserörterungen

63

Die Definition für Durchfuhr/ Transit lautet: "Das Hineinschaffen (transfer) von Gütern in das nationale Gebiet zum alleinigen Zweck, sie später (subsequently) wieder aus dem nationalen Gebiet herauszuschaffen" 112• B. Statement of Intent

The definition of these terms are intended to identify activities, goods or persons which may be subject to requirements under chemieals controllaws.

C.

Annotation

C 1 The definitions are intentionally very broad. When these definitions are used in a chemieals control law, that law should specify the activities, goods or persons to which reqirements apply or explicitly do not apply. For example: - whether or not transporters or their agents are included in the definition of "importer"; - individual laws of Member countries may exclude from certain requirements goods which are already present in the national territory but which have not been yet been cleared through customs procedures. C 2 The definitions of "import(s)" has been developed assuming that goods are coming from outside the national territory. C 3 The definitions of "import(s)" is intended to exclude transfrontier pollution. However, waste moved deliberately into the national territory might be considered as imported under chemieals control law. C 4 The definition of "importer" is intended to include both naturalandlegal persons. D . Special Remarks

D 1 Importation as such needs not necessarily be a regulated activity in the framework of a chemieals control scheme. Chemieals control requirements are related to certain imported chemieals and are imposed on the importer as the person responsible for the importation of these chemicals. A definition of "to import" is therefore not necessary, but it could be useful in defining "import(s)" and "importer". D 2 If a definition of "to import" is adopted in national legislation the term "import(s)" could also be defined by "imported goods". D 3 Authorities in importing countries sometimes accept information directly provided by the manufacturer in the country of export. D 4 The definition of "importer" generally does not address the question of whether the importer must have a certain legal status (such as residence) in the country of import. D 5 Sometimes in national legislation the term "import" has been defined as "the movement of goods into the field of application of the law", rather than as "into the national territory". D 6 Cross reference: person m

A. Definition

Transit (Trade)

The transfer of goods into the national territory solely for the purpose of subsequently transferring them out from the same national territory.

B . Statement of Intent

C.

The term is intended to identify an activity that may be treated as a special kind of importation or exportation of goods under chemieals controllaw. Annotation

C 1 Apart from special rules concerning "transit" the term is generally used either to exempt transit trade from the normal application of a law, or to assimilate it to "transport" and to bring it under a special regime of regulation.

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C. Begriffe: Einfuhr, Einführen, Durchfuhr

Daß die Einfuhr-Definition die Güter (goods) ausdrücklich erwähnt, dürfte ausschließlich sprachliche Gründe haben113• Der Ausdruck "nationales Gebiet" (national territory) hat die wenig begriffsscharfe Bedeutung, wie sie oben dargestellt wurde. Wegen ihrer vergleichsweise genaueren Beschreibung des "Grenzproblems" ist die Formulierung "Geltungsbereich des nationalen Gesetzes" vorzuziehen, die vom OECD-Vorschlag nur als ein mögliches Surrogat für das nationale Gebiet angesehen wird' 14• In der Annotation D 1 wird allerdings zutreffend darauf hingewiesen, daß einzelne Gesetze die unverzollten, aber auf nationalem Gebiet befindlichen Güter von der Erfassung durch den Einfuhrbegriff ausnehmen können. Die Annotation behandelt u. a. die Unerheblichkeit der Herkunft, den Ausschluß von grenzüberschreitender Luftverschmutzung und die unterschiedlichen Verwendungsmöglichkeiten des Einfuhrbegriffs. Insgesamt dürften sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Definitionsvorschlägen ergeben. Der OECD-Vorschlag zum Durchfuhrbegriff ist relativ umfangreich. Inhaltlich gesehen jedoch stellt es einen gewissen Mangel dar, daß der Hinweis auf den Ausschluß vom nationalen Markt und damit auf das Spezifikum des Transits fehlt. Erst in den Definitionserläuterungen wird klargestellt, daß Transitgüter nicht die normalen Einfuhr-Zollverfahren durchlaufen und auch nicht dem freien Verkehr (im Wirtschaftsgebiet) zugeführt werden. Die übrigen Erläuterungen lassen allerdings erkennen, daß auch dieser OECD-Vorschlag den hier gewonnenen Untersuchungsergebnissen weitgehend entspricht.

C 2 The term does not include clearing customs procedures in the legal sense and bringing into or out of free circulation though transit trade takes place under customs control. C 3 The term is intended to: (a) exclude imported goods destined for re-exportation; (b) cover also the non-commercial transfrontier movement of goods. D. SpeciaL Remarks Economically it is very important to exempt substances "in transit" from notification schemes and from most other regulations on chemical substances. Only the application of rules, directed at the protection against the dangers inherent to the transportation of such goods or against the dangers for people that handle these goods, seems to be justified. 113 Das englische Verb "to move" kann auch "sich bewegen" bedeuten und benötigt daher den transitiven Zusatz "goods". 114 D 5 der Special Remarks.

III. Definitionsvorschläge

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111. Definitionsvorschläge 1. Einfuhr/Einführen

Definition: Verbringen in den Geltungsbereich des nationalen Gesetzes. Anmerkungen:

a) Unter "Verbringen" ist jede Form willentlich gesteuerten Transpartierens zu verstehen. b) Der "Geltungsbereich des nationalen Gesetzes" ist in der Regel identisch mit dem Staatsgebiet. Besondere gesetzliche Zwecke können es aber erforderlich machen, hiervon abzuweichen, z. B. um Zollfreigebiete vom nationalen Gebiet der Einfuhr auszunehmen. c) Der Begriff der Einfuhr setzt eine bestimmte Herkunft des in den gesetzlichen Geltungsbereich verbrachten Gutes nicht voraus. Erfaßt ist daher insbesondere auch die Wiedereinfuhr. d) In verschiedenen Rechtsordnungen wird die Einfuhr nicht selbständig definiert, sondern anderen Formen des Umganges mit Umweltchemikalien wie dem Inverkehrbringen oder dem Herstellen gleichgestellt. Ebenso führt die Einfuhr im Bereich der Umweltchemikalien nicht unbedingt dazu, daß sie Gegenstand eigener Regelungen ist. e) Wenn in nationalen Rechtsordnungen nur das "Einführen" definiert ist, kann anstelle des Ausdrucks "Einfuhr" auch der Ausdruck "eingeführte Güter" verwendet werden.

2. Durchfuhr

Definition: Verbringen durch den Geltungsbereich des nationalen Gesetzes unter zollamtlicher Überwachung. Anmerkungen: a) Zu den Ausdrücken "Verbringen" und "Geltungsbereich des nationalen Gesetzes" vgl. Anmerkungen a) und b) der Definition für den Begriff der Einfuhr. b) Die Durchfuhr beinhaltet das Verbringen in den Geltungsbereich des nationalen Gesetzes zu dem alleinigen Zweck des späteren Verbringens aus dem Geltungsbereich des nationalen Gesetzes. c) Die während der Durchfuhr bestehende zollamtliche überwachung soll sicherstellen, daß die Transitgüter nicht dem nationalen Markt zugeführt werden.

D. Harmonisierungsvorschlag zum Begriff: Stoff I. Ergebnisse der Analyse 1. Abgrenzung des Vergleichsobjekts

Stoffe im Recht der Umweltchemikalien sind stets chemische Stoffe. Als synonyme Bezeichnung kommen Chemikalien, Substanzen oder chemische Substanzen in Betracht. Auf eine Definition für Umweltchemikalien wird international weitgehend verzichtet zugunsten von Definitionen für die Stoffe. Eine Unterscheidung ist jedoch leicht möglich. Umweltchemikalien sind Stoffe mit umweltrelevantem GefahrenpotentiaL Im Umweltprogramm der Bundesregierung werden Umweltchemikalien bezeichnet als (chemische) "Stoffe, die durch menschliches Zutun in die Umwelt gebracht werden und in Mengen oder Konzentrationen auftreten können, die geeignet sind, Lebewesen, insbesondere den Menschen zu gefährden" 115• Ob diese Definition den Bedürfnissen des Umweltchemikalienrechts insgesamt gerecht wird, muß hier offenbleiben; sie zeigt jedenfalls, daß Stoffe als Ausgangsbegriff für die Umweltchemikalien begriffen werden müssen118• Terminologisch wird nicht immer nur von Stoffen bzw. Chemikalien gesprochen. In der englischen und französischen Rechtssprache geht es eher um Substanzen (substances), wobei insbesondere in anglo-amerikanischen Gesetzen zumeist der Begriff chemische Substanzen (chemical substances) gebraucht wird. Ob der Stoffbegriff darüber hinaus von den Begriffen Verunreinigung, Zubereitung, Gemisch und Produkt abgegrenzt werden muß, ist weniger eine Frage der a priori möglichen Begriffsklarheit als eine Frage der definitorischen Einschätzung. Eine begriffliche Übereinstimmung z. B. der Zugehörigkeit der Zubereitung zum Stoffbegriff gibt es jedenfalls nicht. Von den Chemikaliengesetzen werden zwar häufig auch die Zubereitungen erfaßt und mit den Stoffen gleichbehandelt. Begrifflich sind beide aber nicht identisch. Da es immerhin Definitionsgemeinsamkeiten geben kann, Materialien zum Umweltprogramm, zu BT-Drucks. Vl/2710, S. 73. Zum Begriff der Umweltchemikalien vgl. E. Rehbinder, Recht der Umweltchemikalien, 1978, S. 7. 115

116

I. Ergebnisse der Analyse

67

lassen sich die Stoffe nicht von vornherein von den Zubereitungen abgrenzen117• Erst recht gilt dies für Verbindungen. Sie sind also in die Untersuchung voll einzubeziehen. Eher schon ist die Abgrenzung gegenüber Produkten möglich, die regelmäßig als Ergebnis einer herstellenden Tätigkeit in bezug auf einen oder mehrere Stoffe erscheinen, daher als aliud zum Stoffbegriff aufzufassen sind118• 2. Verwendungshäufigkeit

Als zentraler Bezugspunkt chemikalienrechtlicher Regelungen kommt der Stoffbegriff international praktisch überall vor. Zumeist findet er sich in den allgemeinen Chemikaliengesetzen, wo er über den konkreten Anwendungsbereich des Gesetzes hinaus oft gesetzesübergreifend definiert wird. Soweit spezielle Chemikalienvorschriften, etwa Lebensmittelgesetze, den Stoffbegriff verwenden, ist er entweder mit gleicher Bedeutung versehen oder er wird mit Hilfe zusätzlicher Definitionen konkretisiert bzw. als Bestandteil eines anderen Begriffes aufgefaßt. Für die Zwecke einer auf internationale Harmonisierung zielenden begriffsvergleichenden Untersuchung ist es sinnvoll, sich auf den Vergleich der allgemeinen Stoffbegriffe der allgemeinen Chemikaliengesetze zu konzentrieren. Spezielle Begriffs- und Verwendungsformen tragen zur Klärung des Stoffbegriffes relativ wenig bei. 3. Vberblick

Der internationale Vergleich macht deutlich, daß es unüberbrückbare Gegensätze bei den vorkommenden Stoffdefinitionen nicht gibt. Weder inhaltlich noch terminologisch sind die Unterschiede so gravierend, daß sie einer Harmonisierung entgegenstehen könnten. Strukturell stimmen die Definitionen weitgehend darin überein, daß sie sich zum einen auf die chemischen Elemente und Verbindungen beziehen und zum anderen Zusätze oder Einschränkungen hinsichtlich verwandter Begriffe enthalten. Besonderheiten gelten insoweit nur für die Schweiz und für Kanada, wo ein anderes sprachliches und inhaltliches Konzept zugrundegelegt wird. 117 Dies schließt die Notwendigkeit einer eigenen Begriffsuntersuchung der Zubereitungen, Gemische, Gemenge und Lösungen keineswegs aus; dazu AbschnittE. 11s Vgl. Abschnitt G.

5*

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D. Begriff: Stoff

"Chemische Elemente und ihre Verbindungen" können als Hauptbestandteile des Stoffbegriffs angesehen werden. Negativ ausgegrenzt werden dabei fast durchgängig das Produkt und das Erzeugnis. Weitgehende Einigkeit besteht auch in der Trennung der Stoffe von den Zubereitungen. Lediglich spezialgesetzliche Erfordernisse lassen die Zubereitungen mitunter als Bestandteile des Stoffbegriffs erscheinen. Bei Zusätzen wie Verunreinigungen und Hilfsstoffen und Einschränkungen wie "Herstellung aus menschlicher Tätigkeit" ist das Bild nicht ganz so einheitlich. Meist geht aber aus dem Kontext hervor, daß die Frage einer Einbeziehung oder eines Ausschlusses eines Aspektes für den Inhalt der Definition nicht von ausschlaggebender Bedeutung ist. Hier zeigen sich gewisse Unterschiede in den Definitionstechniken: in einigen Ländern haben einzelne Definitionsteile nur deklaratorische Funktion, in anderen werden grundsätzlich nur begriffskonstituierende Bestandteile verwendet. Die in § 3 Nr. 1 des deutschen Chemikaliengesetzes enthaltene Stoffdefinition ist relativ umfassend119• Ihr Aussagegehalt geht aber nicht soweit über die Definitionen der meisten übrigen Länder hinaus, daß sie deshalb untypisch wäre. Sie ist nur dort ausführlicher, wo sonst auf explizite Erwähnungen oftmals verzichtet wird. Lediglich die Einbeziehung der für die Vermarktung erforderlichen Hilfsstoffe stellt gegenüber vielen Definitionen eine Besonderheit dar. Weitgehend inhaltsgleich mit § 1 Nr. 1 ist die Stoffdefinition in Art. 2 Abs. 1 a der 6. EG-Änderungsrichtlinie120• Wegen ihrer Ausführlichkeit, die gleichwohl auch enger formulierte Definitionen mit abdeckt, kann sie als Ausgangspunkt für einen einheitlichen Stoffbegriff herangezogen werden. 4. Unterschiede und Gemeinsamkeiten im internationalen Vergleich

In der Struktur der international vorkommenden Definitionen fallen nur zwei Besonderheiten aus dem Bild der Einheitlichkeit heraus. In der Schweiz werden detailliert Grundstoffe (als unveränderte Naturstoffe oder chemisch einheitliche Stoffe) und einfache technische Stoff119 "Ein Element oder eine chemische Verbindung, nicht weiter be- oder verarbeitet, einschließlich der Verunreinigungen und der für die Vermarktung erforderlichen Hilfsstoffe"; vgl. dazu Kloepfer (Anm. 3), S. 51 f.; Uppenbrink u. a. (Anm. 3), Rn. 2 zu § 3. 120 Richtlinie des Rates vom 18. 9. 1979 zur 6. Änderung der Richtlinie 67/548/EWG. Dort heißt es: Stoffe sind "chemische Elemente und deren Verbindungen, wie sie natürlich vorkommen oder in der Produktion anfallen und die gegebenenfalls einen für ihre Vermarktung erforderlichen Zusatzstoff enthalten".

I. Ergebnisse der Analyse

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gemische als Bestandteile des Stoffbegriffs geschildert, was auf eine stark technisch-naturwissenschaftlich geprägte Konzeption des Stoffbegriffs schließen läßt. GewissennaBen gegensätzlich dazu verhält sich das kanadische Umweltchemikaliengesetz, indem es undifferenziert von Stoff als jede unterscheidbare Art unbelebter Materie spricht, die in der Umwelt verbreitet werden kann. Auf eine chemikalienspezifische Definition wird verzichtet zugunsten einer Objektbeschreibung, die allerdings dann durch eine Auflistung gefährlicher Substanzen - im Anhang des Gesetzes- konkretisiert wird121 • Alle anderen untersuchten Definitionen enthalten klar strukturiert erstens die Benennung als chemische Elemente und deren Verbindungen und zweitens Hinweise auf eventuelle Zusätze oder Einschränkungen. Wesentlicher Inhalt ist typischerweise die schon als Begriffskern zu bezeichnende Fonnulierung "chemische Elemente und ihre Verbindungen". Sie findet sich u. a. in der Bundesrepublik Deutschland, Dänemark, Frankreich, Belgien und der EG. Auch dort, wo - wie etwa in den USA - andere, teils konkretere Formulierungen verwend.e t werden, ist inhaltlich nichts oder nur geringfügig Abweichendes gemeint122• Darüber hinaus gehört zum Begriff bis auf wentge Ausnahmen auch der Hinweis auf die Entstehungsart des Stoffes. Inhaltlich weitgehend identisch sind in den meisten Definitionen chemische Elemente und Verbindungen erlaßt, "wie sie natürlich vorkommen oder in der Produktion anfaZZen" 123• Einige Definitionen erweitern dies noch, indem sie Wendungen wie "durch menschliche Tätigkeit hergestellt" oder "Ergebnis einer chemischen Reaktion" hinzusetzen. Es ist nicht erkennbar, daß mit den immer wiederkehrenden Hinweisen auf die Art der Stoffentstehung negative Ausgrenzungen beabsichtigt sein könnten. Sieht man einmal davon ab, daß die Formulierung "in der Produktion anfallend" unter Umständen auch als Konzentration auf industrielle Herstellungsformen gedeutet werden könnte, läßt sich sagen, daß mit dem Stoffbegriff, wie er international gebräuchlich ist, keine Einschränkung hinsichtlich der Entstehungsform verbunden ist. Auch der in § 3 Nr. 1 Chemikaliengesetz gemachte Zusatz "nicht weiter be- oder verarbeitet" stellt keine solche Einschränkung dar. Er 121 Zur Situation in der Schweiz und in Kanada im einzelnen Kloepfer/ Knebel (Anm. 5), S. 105 f.; fernerE. Rehbinder (Anm. 116), S. 29 f. bzw. 54.

m Sec. 3 Abs. 2 TSCA: Jeder organische oder anorganische Stoff einer bestimmten molekularen Identität, einschließlich einer Verbindung solcher Substanzen. 123 So in der 6. EG-Änderungsrichtlinie, der deutschen Arbeitsstoffverordnung und in den Chemikaliengesetzen Frankreichs und Belgiens.

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D. Begriff: Stoff

hat erkennbar nur den Zweck, eine begriffliche Grenze zum Produkt und Erzeugnis zu ziehen124• Die international außerdem noch auftretenden Begriffskonkretisierungen betreffen im wesentlichen die Frage, ob und inwieweit Verunreinigungen, Hilfsstoffe und Zubereitungen ein- bzw. ausgeschlossen sind. Ein durchaus einheitliches Bild zeigt sich für die Grenzziehung zu den Zubereitungen. Sie werden überwiegend vom Stoffbegriff ausgenommen, wie sich zumeist aus dem Kontext, d . h. aus der eigenständigen gesetzlichen Erfassung der Zubereitungen ergibt. Lediglich in einzelnen spezialgesetzlichen Definitionen sind die Zubereitungen bzw. Gemische, Gemenge und Lösungen einbezogen (deutsches Arzneimittelgesetz und Pflanzenschutzgesetz; englische Verordnung über Reinigungsmittel 1978). Dies erklärt sich aus dem spezifischen Schutzzweck solcher Gesetze. Soweit im übrigen die Trennung zwischen Stoffen und Zubereitungen nur ungenau durchgeführt wird (Frankreich, Kanada, Japan) hat dies eher terminologische Gründe. Die Trennung als solche dürfte auch in diesen Fällen nicht in Frage stehen. Unterschiede hingegen gibt es bei der begrifflichen Zuordnung der

Verunreinigungen und Zusatz- oder Hilfsstoffe. Sie ergeben sich aus den

gegensätzlichen Reaktionen auf die Tatsache, daß chemische Stoffe praktisch nicht in reiner Form auf den Markt gebracht werden. Begrifflich können sie daher als "Stoffe" (einschließlich des Vorhandenseins von Additiven und Verunreinigungen) oder als ,,Stoff mit Additiven" oder sogar als "Zubereitungen" oder "Gemische" aufgefaßt werden. Nur aus einigen Stoffdefinitionen geht klar hervor, daß ein gleichzeitiges Vorhandensein von Verunreinigungen oder Vermarktungshilfsstoffen den Stoff nicht zu einer Zubereitung bzw. zu einem Gemisch macht. Wo darüber hinaus solche "Nebenstoffe" weder dem Begriff der Zubereitung noch dem Stoffbegriff zugeordnet werden, folgt dies weniger aus der Definition selbst als aus dem gesetzlichen Zusammenhang (z. B. eigenständige Reglementierung der Verunreinigungen). In den USA und in Frankreich gibt es darüber hinaus eigene Definitionen für Verunreinigungen, die explizit neben den StoffbegrUf treten und insoweit Klarheit schaffen. Die Frage, ob aufgrund des internationalen Vergleiches Nebenstoffe zum Stoffbegriff gerechnet werden müssen, ist demnach nur annähernd zu beantworten. Die Trennung ist eindeutig nur da, wo die Additive oder Verunreinigungen begrifflich eigenständig behandelt werden. Aus der bloßen Nichterwähnung der Stoffdefinition kann sie nämlich m Vgl.

Kloepfer/Knebel (Anm. 5), S. 103 f.

li.

Harmonisierungserörterungen

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nicht automatisch gefolgert werden. Dies verbietet sich angesichts der praktischen Unmöglichkeit, Stoffe "rein" in den Verkehr bzw. auf den Markt zu bringen. Umgekehrt ist aber auch davon auszugehen, daß die ausdrückliche Erwähnung der Verunreinigungen und der Vermarktungsstoffe - wie etwa in § 3 Nr. 1 Chemikaliengesetz und in Art. 2 Abs. 1 a der 6. EG-Änderungsrichtlinie - nicht notwendigerweise begriffskonstituierende Bedeutung hat. Vor dem Hintergrund der vielfältigen Verwendungsformen des Stoffbegriffs, zu denen auch die gesetzliche Erfassung von Stoffen ohne Vermarktungsbezug zählen kann, liegt es vielmehr nahe, Zusätzen wie Verunreinigungen und Vermarktungshilfsstoffen eine nur deklaratorische Funktion beizumessen.

II. Harmonisierungserörterungen 1. Allgemeines

Der Harmonisierung des Stoffbegriffs stehen keine wesentlichen Hindernisse entgegen. Die Einheitlichkeit ist schon nach den bestehenden Definitionen so groß, daß sich eine harmonisierte Definition jedenfalls im Kern - geradezu zwangsläufig abzeichnet. Und selbst dort, wo einzelne sachliche oder terminologische Abweichungen bestehen, ist eine Anpassung leicht möglich. Es sind lediglich Gesichtspunkte der Klarheit - etwa die Unterscheidung des Stoffes von der Zubereitung, dem Gemisch oder der Lösung -, welche im Einzelfall zu Anpassungsschwierigkeiten führen könnten. Im Ganzen können die wichtigsten Harmonisierungskriterien, nämlich das der Mehrheit der existierenden Definitionen und der Klarheit der Definition sehr gut erfüllt werden: der Begriffskern ist fast überall vorhanden und muß nur um einige Begriffsmerkmale erweitert werden, damit die Definition eindeutig und genügend abgegrenzt erscheint. 2. Begriffskern

Der Begriffskern, wie er sich in den meisten Ländern zeigt, besteht aus zwei Komponenten. Die eine ist das Objekt "chemische Elemente und ihre Verbindungen", die andere die Entstehungsform "natürliches Vorkommen oder Herstellung". Beide zusammen sind im ersten Teil der Definition der EG-Änderungsrichtlinie wiedergegeben: "Chemische Elemente und deren Verbindungen, wie sie natürlich vorkommen oder in der Produktion anfallen". Dieser Definitionsteil ist auch für die harmonisierte Definition geeignet.

In Kanada, in der Schweiz, in den USA und in Japan sind die Grundkonzepte teilweise a.nders gebildet.

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D. Begriff: Stoff

Das umfassendere kanadische Konzept müßte auf die chemikalienspezifische Ausrichtung des Stoffbegriffs reduziert werden. In der Schweiz wäre umgekehrt die stark naturwissenschaftliche Orientierung an die allgemeinere Terminologie der Rechtssprache anzupassen. Daß die im Grundsatz durchaus zutreffende naturwissenschaftliche Einbindung des Stoffbegriffes nicht zwangsläufig zu größerer Klarheit führt, zeigt die in der Vollziehungsanordnung zum schweizerischen Giftgesetz undeutlich gebliebene Grenzziehung zu Gemischen und Zubereitungen125• Im Entwurf zum Umweltschutzgesetz der Schweiz sind den Stoffen Gemische gleichgestellt, die chemische Elemente und deren Verbindungen enthaltenm. Hier hängt es von der Interpretation ab, ob Gemische als Teil des Stoffbegriffs angesehen werden oder selbständig neben die Stoffdefinition treten. Ein ähnliches Problem tritt beim amerikanischen TSCA dadurch auf, daß einerseits "combinations of substances", die natürlich vorkommen oder als Ergebnis einer chemischen Reaktion entstehen, Teil der Stoffdefinition sind127, andererseits aber die Definition für "mixture" nur künstliche Stoffkombinationen erfaßt128• Dies führt insofern zu gewissen begrifflichen Verwirrungen, als in der amerikanischen Rechtssprache Wendungen wie "natural mixtures", "reaction mixtures" und "artificial mixtures" herangezogen werden, um den Rechtsbegriff "mixture" vom Stoffbegriff stets klar unterscheiden zu können12'. In der japanischen Konzeption erfaßt der Stoffbegriff nur die durch chemische Reaktion mit Elementen oder chemischen Verbindungen gewonnenen Verbindungen, nicht also die chemischen Elemente als solche sowie die natürlich vorkommenden Stoffe. Das mag allerdings auch mit der speziellen Ausrichtung des Gesetzes130 zusammenhängen. 125 ". • • einfache, technische Stoffgemische, die nicht im Hinblick auf bestimmte Verwendungen zusammengesetzt sind .. .", Art. 2 der Vollziehungsanordnung zum Bundesgesetz über den Verkehr mit Giften vom 23. 12. 1971, SR 814.801. 126 Art. 5 Abs. 5 des Entwurfs eines Bundesgesetzes über den Umweltschutz vom 31. 10. 1979. 127 Sec. 3 Abs. 2 TSCA. 12s Sec. 3 Abs. 8 TSCA. 129 Vgl. noch den Abschnitt über den Begriff der Zubereitungen; ferner die von den USA für die OECD erstellte Studie zu den Begriffen "substance, mixture, compound, preparation, impurity" vom August 1980, S. 9. 130 über die Prüfung chemischer Stoffe und der Regelung ihrer Herstellung und dgl., Gesetz Nr. 117 vom 16. 10. 1973.

II. Harmonisierungserörterungen

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Obwohl nicht völlig auszuschließen ist, daß hinter diesen abweichenden Konzepten prinzipielle Dispositionen stehen, müssen inhaltliche Gegensätze nicht unbedingt angenommen werden. Jedenfalls in den USA und in der Schweiz sind Anpassungen schon auf der terminologischen Ebene möglich, und auch in Kanada und Japan sind die sachlichen Unterschiede nicht .so groß, daß sie der Akzeptanz der EG-Definition entgegenstünden. 3. Weitere Definitionsinhalte a) Verunreinigungen und Vermarktungshilfsstoffe

Fast noch zum Begriffskern gehört die weitgehende Einigkeit darüber, daß Stoffe praktisch nicht in chemisch reiner Form auf den Markt gelangen und daher die im Zusammenhang mit der Vermarktung auftretenden Zusatz- und Hilfsstoffe (Stabilisatoren, Emulsionen, Konservierungsmittel u. ä.) von den gesetzlichen Regelungen wie Stoffe behandelt werden müssen. Das gleiche gilt für Verunreinigungen, Beimengungen und Begleitsubstanzen, die bei der Produktion chemischer Stoffe regelmäßig anfallen. Vom Schutzzweck der Chemikalienregelung her gesehen wäre es unvertretbar, all diese Nebenstoffe unberücksichtigt zu lassen, zumal sich die Stoffgefährlichkeit unter Umständen gerade durch sie erst ergeben kann. Ob Hilfsstoffe und Verunreinigungen aber begriffsnotwendig zu den Stoffen zu rechnen sind, ist damit noch nicht geklärt. Diese Frage kann je nach methodischem Verständnis, nach dem Sinn einer Definition und nach den gesetzgeberischen Bedürfnissen unterschiedlich beantwortet werden. Tatsächlich ist das Bild international nicht einheitlich. Es fällt aber auf, daß in keiner Definition eine negative Abgrenzung explizit vorgenommen wird. Daraus kann zwar noch nicht auf die stillschweigende Einbeziehung der Hilfsstoffe und Verunreinigungen geschlossen werden. Aufgrund der bekannten praktischen Gegebenheiten der Stoffgewinnung liegt es jedoch nahe, die Nichterwähnung in der Definition als Beleg dafür zu nehmen, daß im Zweifel diese Nebenstoffe, soweit sie bei der Stoffherstellung oder -Vermarktung auftreten, einbezogen sind180a. Es bleibt also in der Regel nicht erst dem Normgeber überlassen jeweils zu bestimmen, ob derartige Nebenstoffe zum Stoffbegriff gehören.

Den gesetzgeberischen Bedürfnissen kommt dies durchaus entgegen, da es schwer vorstellbar ist, daß sich der Hersteller etwa darauf berufen könnte, die Gefährlichkeit ergebe sich nicht aus dem Stoff, sondern "nur" aus den in ihm enthaltenen Verunreinigungen oder Zusatzstoffen. 1aoa

Vgl. dazu Uppenbrink u. a. (Anm. 3), Rn. 3 f. zu§ 3.

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D. Begriff: Stoff

Auch könnte ohne ausdrückliche Einbeziehung der Additive Unsicherheit darüber entstehen, ob ein Stoff mit Additiven noch Stoff oder schon Zubereitung ist. Für die Verunreinigungen müssen die angestellten Überlegungen etwas relativiert werden, weil der Begriff im Gegensatz zu den Additiven mitunter eigenständig definiert wird 131 • Hinzu kommt, daß er anders als in der deutschen Stoffdefinition in Art. 2 Abs. 1 a der 6. EGÄnderungsrichtlinie nicht vorkommt. Dennoch gibt es keinen plausiblen Grund, ihn deswegen für die Bildung des internationalen Stoffbegriffs auszunehmen. Insbesondere schließt die (zusätzliche) Möglichkeit einer eigenständigen gesetzlichen oder definitorischen Behandlung der Verunreinigungen nicht aus, daß diese zur inhaltlichen Klärung des Stoffbegriffs herangezogen werd.en, zumal sonst wiederum Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Stoffen und Gemischen entstehen könnten. Inhaltlich bereitet der Begriff der Verunreinigung keine Schwierigkeiten. Er ist naturwissenschaftlich geklärt und wird - auch ohne gesonderte Definition - als Rechtsbegriff überall verwendet. Verunreinigungen sind chemische Substanzen, die sich unbeabsichtigt in einem erwünschten Stoff finden. Die Expertengruppe der OECD hat den Begriff eigenständig definiertm. Für die Verwendung in der Stoffdefinition ist der Begriff der Verunreinigungen - auch wie er von der OECD definiert wurde - ohne weiteres geeignet. Unter dem Gesichtspunkt der Begriffsklarheit erscheint es durchaus sinnvoll, die Verunreinigungen und Zusatzstoffe in die Definition einzubeziehen. 131 132

Nämlich in den USA und in Frankreich. Impurity

A. Definition A chemical substance present with, but not intentionally added to the desired substance or substances. B. Statement of Intent This definition ist intended to identify chemical substances which may be subject to legal requirements because of their presence with a desired substance or substances. C. Annotation C 1 This term covers contaminats as well as substances that may be carried through or arise in the manufacturing process. The presence and identities of impurities may be known, they are, nonetheless, impurities. C 2 This definition does not describe a subset of chemical substances; it comes closer to describing a commercial situation. Thus a given chemical substance may in one situation be the desired substance and in another situation be an impurity. D. Special Remarks

Cross reference chemical substance, mixture

li. Harrnonisierungserörterungen

75

Um auf der anderen Seite jedoch nicht die Vorstellung aufkommen zu lassen, beim - unter Umständen möglichen- Nichtvorhandensein etwaiger Nebenstoffe sei der Stoffbegriff nicht erfüllt, muß sichergestellt sein, daß auch der chemisch reine Stoff vom Begriff erfaßt ist. Der Definitionszusatz darf also keine begriffskonstituierende Bedeutung haben. Die schon in § 3 Nr. 1 Chemikaliengesetz enthaltene Formulierung "einschließlich der Verunreinigungen und der für die Vermarktung erforderlichen Hilfsstoffe" erfüllt alle Bedingungen, welche an einen deklaratorisch zu verstehenden Definitionszusatz gestellt werden müssen. Sie erfaßt sowohl die reinen als auch die praktisch vorkommenden Stoffe einschließlich ihrer denkbaren Verwendungsmöglichkeiten. Die Erwähnung von Verunreinigungen und Hilfsstoffen deckt das Spektrum der "Nebenstoffe" hinreichend ab, ist andererseits aber auch nicht zu eng gefaßt. Der deutsche Definitionszusatz könnte daher für die internationale Definition direkt übernommen werden. Inhaltliche Bedenken hiergegen können sich aus der Sicht anders lautender Definitionen wohl kaum ergeben. Es dürften eher methodische Vorstellungen sein (Definitionstechnik, sprachliche Tradition, Kürze der Definition), die eine kurze, auf den Begriffskern beschränkte Definition nahelegen. Im Zweifel jedoch verdient die größere Begriffsklarheit den Vorzug.

b) Abgrenzung zu artverwandten Begriffen Die übrigen Definitionsinhalte sind nur negativ ausgrenzend festzulegen. Schon aus der Bestimmung des Begriffskerns folgt, daß verwandte Regelungsobjekte wie Zubereitungen, Gemische, Gemenge, Lösungen sowie Produkte und Erzeugnisse vom Stoffbegriff unterschieden sind. Fraglich kann aber sein, ob dies auch explizit zum Ausdruck kommen sollte. Wie dargestellt, besteht insbesondere aus Schweizer und amerikanischer Sicht unter Umständen ein Klarstellungsbedürfnis hinsichtlich der Gemische und Zubereitungen. Und in der deutschen Stoffdefinition wird immerhin eine Abgrenzung zum Produkt und Erzeugnis vorgenommen(" ... nicht weiter be-oder verarbeitet"). Es ist wohl kaum zu leugnen, daß ein auf den Kern reduzierter Stoffbegriff, isoliert betrachtet, gewisse Abgrenzungsprobleme mit sich bringt. So sind z. B. die Unterschiede zwischen Verbindungen (als Definitionsmerkmal des Stoffes) und Zubereitungen oder Gemischen nicht ohne weiteres einsichtig. Zweifelhaft könnte auch sein, ob bereits jede wie auch immer geartete, den Stoff be- oder verarbeitende Tätigkeit zu einem Erzeugnis führt oder ob das Erzeugnis eine bestimmte

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D. Begriff: Stoff

Qualität der Be- oder Verarbeitung erfordert. Gesichtspunkte der Klarheit könnten also durchaus für die eine oder andere Ergänzung der Definition sprechen. Es darf aber nicht außer Acht gelassen werden, daß die Unterscheidbarkeit derartiger Begriffe ein generelles Problem des Umweltchemikalienrechts ist, das völlig nur gelöst werden könnte, wenn alle Begriffe gegeneinander abgegrenzt definiert würden. Daran besteht aber gerade für den Gesetzgeber nicht von vornherein ein Bedürfnis. Stets ist eine gewisse Begriffsflexibilität erforderlich. Zum Beispiel werden nicht selten dieselben Begriffe mal nebeneinander, mal hierarchisch geordnet benötigtm. Die an sich bestehende Möglichkeit noch detaillierterer Definitionen schließt immer auch die Gefahr einer zu geringen Begriffsflexibilität ein, die unter Umständen sogar neue Abgrenzungsprobleme heraufbeschwören kann. Es kommt daher darauf an, die Notwendigkeit größerer Definitionsdichte am jeweiligen Begriff konkret zu prüfen und Definitionszusätze dort zu vermeiden, wo die Nachteile die Vorteile überwiegen. Im übrigen kann kein Rechtsbegriff von seinem Kontext gelöst und ohne inneren Bezug zu anderen, insbesondere verwandten Rechtsbegriffen gesehen werden. Dies gilt vor allem dann, wenn ein ganzer Katalog von definierten Begriffen zur Verfügung steht: die volle Bedeutung eines Begriffes ergibt sich erst aus der Zusammenschau aller Begriffe. Unter diesen Gesichtspunkten müssen auch die Begleitumstände des Stoffbegriffs in Betracht gezogen werden. Wo immer er definiert wird, finden sich meist auch Definitionen für artverwandte Begriffe wie Zubereitung, Produkt, Erzeugnis etc.134• Sie tragen zur Klärung auch des Stoffsbegriffs bei. Seine Bedeutung erlangt er nicht zuletzt aus diesem Zusammenhang. Und gerade die Erstellung eines internationalen, als homogenes Ganzes gedachten Definitionskatalogs steht vor der Notwendigkeit, die einzelnen Definitionen sorgsam aufeinander abzustimmen. Daher können z. B. neu definierte Begriffe in den Definitionen für andere Begriffe verwendet werden, ohne selbst mit Hilfe dieser Begriffe definiert worden zu sein. Die Verwendungsmöglichkeiten richten sich allein danach, was jeweils sinnvoll erscheint. Nach dieser Methode verfuhr etwa die OECD-Expertengruppe, indem sie den Begriff der "chemical substance" in den Definitionen für 133 Für die eine Regelung kann z. B. der Produktbegriff den Stoffbegriff einschließen, während es für eine andere Regelung darauf ankommt, beides als aliud und gleichrangig zu behandeln. m So z. B. in Frankreich, den USA, der Bundesrepublik Deutschland und der EG.

li. Harmonisierungserörterungen

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"impurity", "mixture", "preparation" und "product" verwendete, ohne die "chemical substance" etwa mit Bezug auf "impurity" oder "preparation" oder "product" zu definieren (was möglich gewesen wäre, aber entbehrlich schien). Anstelle wechselseitiger Begriffsverwendung wurden die Verweisungstechnik und die Möglichkeit ergänzender Anmerkungen genutzt. Und auch in dieser Studie wird im Prinzip so verfahren135, wenngleich sich im einzelnen Unterschiede ergeben können. Da der Kontext eines Begriffs - besonders im Rahmen eines Begriffsglossariums - dessen Inhalt mitbestimmt, reduziert sich das Problem auf die Frage, ob die Definition durch klarstellende Zusätze noch angereichert werden soll oder ob darunter nicht die Prägnanz der Definition und die Flexibilität des Begriffs leidet. Zwingend ist diese Frage sicher nicht zu beantworten. Nach der Methodik und Definitionstechnik dieses Glossariums bietet sich aber an, die Lösung darin zu suchen, daß in den Anmerkungen zur Definition auf das Verhältnis zu den artverwandten Begriffen eingegangen und mit entsprechenden Verweisungen gearbeitet wird. Die Anmerkungen haben den Sinn, definitionsmitbestimmende, aber nicht definitionsentscheidende Erläuterungen zu geben, um die Definition selbst nicht unnötig zu überfrachten. Da die in Frage stehenden zusätzlichen Definitionsinhalte schon im Definitionskern enthalten sind und weitere Zusätze substantiell nichts hinzufügen könnten, sollten sie in die Definition nicht aufgenommen werden. Dieses Ergebnis deckt sich nicht nur mit dem Definitionsvorschlag der OECD, sondern auch mit der überwiegenden Mehrzahl der international vorkommenden Definitionen. Die negative Ausgrenzung der Begriffe Zubereitungen, Gemische und Produkte wird daher durch Anmerkungen bzw. Verweisungen vorgenommen. 4. Ergebnis

Die Definitionsinhalte bestehen demnach positiv gesehen in der Erfassung chemischer Elemente und deren Verbindungen, wie sie natürlich vorkommen oder in der Produktion anfallen einschließlich der Verunreinigungen und der für die Vermarktung erforderlichen Hilfsstoffe und negativ in der Ausgrenzung der Zubereitung, des Gemisches und des Produkts. 5. Vergleich mit dem vorgeschlagenen Konzept des OECD-Glossariums

Die für den Bereich der OECD harmonisierte Definition lautet: "Chemische Elemente und ihre Verbindungen"t3G. 135 Vgl. etwa die Definition des Produkts, S. 119.

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D. Begriff: Stoff

Sie besteht also ausschließlich aus dem oben skizzierten Begriffskern. Mit dieser wesentlich kürzer gefaßten Definition sind jedoch keine so wesentlichen Unterschiede zur vorzuschlagenden Definition verbunden, wie auf den ersten Blick zu vermuten. Denn die in den Erläuterungen zur OECD-Definition gemachten Ausführungen decken sich vom Gegenstand her und auch inhaltlich weitgehend mit dem bisher Dargestellten. So wird unter C 1) der Erläuterungen angemerkt, daß es für den Begriff nicht entscheidend ist, ob die Stoffe natürlich vorkommen oder hergestellt werden. Unter C 2) sowie unter D 1) der besonderen Hinweise wird das Problem der zur Vermarktung hinzugefügten Zusatzstoffe angesprochen, wobei allerdings den jeweiligen Normgebern überlassen bleibt, ob sie derartige Nebenstoffe zum Stoffbegriff rechnen wollen. Entsprechendes soll für die Behandlung der in der Praxis regelmäßig auftretenden Verunreinigungen gelten (D 2). Immerhin ergibt sich aus diesen Erläuterungen, daß im Grundsatz Additive und Verunreinigungen nicht zum Stoffbegriff gerechnet werden. Hierin liegt ein deutlicher Unterschied zum Stoffbegriff, wie er hier entwickelt wurde. Aus der gleichlautenden Analyse werden unterschiedliche Schlußfolgerungen gezogen. Zwar hat auch nach der hier vorzuschlagenden Definition die Formulierung "einschließlich . . . Verunreinigungen und . . . Hilfsstoffe" keine begriffskonstitutive Bedeu136

A. Definition

Chemicat Substance

Chemical elements and their compounds B. Statement of Intent This definition is intended to be a core definition that would match the common understanding of those who deal with chemicals. C. Annotation C 1 This definition intentionally excludes any distinction between natural and man-made substances. C 2 The definition also excludes any reference to the form in which an substance may be put on the marked, that is, whether the substance is marketed in solution, with additives, etc. C 3 The definition does not distinguish among the many states in which compounds of elements may exist such as free radicals and stereoisomers. Thus, the definition is comprehensive in this respect. D. Special Remarks D 1 It may become necessary to add this definition for the purpose of a particular law. Chemical substances are rarely produced or marketed in a pure state; they are usually in combination with impurities or with other substances added to preserve their integrity or physical form. These combinations are "mixtures" or "preparations" as defined in this Glossary. D 2 If for purpose of a particular law it is necessary that substances together with associated impurities for example, be classified as substances rather than mixtures, then the definition of chemical substance may be changed accordingly.

III. Definitionsvorschlag

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tung, da schon das Vorhandensein von chemischen Elementen die Existenz des Stoffes ausmacht (insoweit wie in der OECD-Definition). Mit dem Definitionszusatz sollen aber Regelungslücken von vornherein vermieden werden, die entstehen könnten, wenn der Gesetzgeber es versäumt, Verunreinigungen und Vermarktungshilfsstoffe selbständig zu erfassen. Der OECD-Vorschlag beschränkt die Definition auf den Begriffskern und stellt die weitere Gestaltungsmöglichkeit nur fest, nimmt sie aber selbst nicht vor. Ein Grund für diese Zurückhaltung könnte aber auch darin liegen, daß der OECD-Begriffskatalog eigenständige Definitionen für "mixtures", "preparations" und "impurities" enthält und daher von der Expertengruppe die Notwendigkeit, zwischen "substances with impurities or additives" und "mixtures" oder "preparations" zu unterscheiden, geringer veranschlagt wurde137• Entgegen dem OECD-Vorschlag werden nach der überwiegenden Rechtspraxis die zu den reinen Stoffen gelangenden Verunreinigungen und Additive nur selten als Gemische und erst recht nicht als Zubereitung behandelt, sondern im Zusammenhang mit den (Haupt-) Stoffen. Nur in Ausnahmefällen stellt sich die Frage einer von ihnen abweichenden Behandlung bzw. begrifflichen Zuordnung. Dieses Regel-Ausnahmeverhältnis sollte sich grundsätzlich anders niederschlagen, wie dies in der hier vorgeschlagenen Definition geschieht. Insgesamt sind die beiden Konzepte jedoch nicht wesensverschieden. International praktikabel dürften sie beide sein, wenn sie in ihrem jeweiligen Kontext gesehen und angewendet werden. Nicht zu verkennen ist freilich, daß die Verwandtschaft der hier vorzuschlagenden Definition zur 6. EG-Änderungsrichtlinie (sowie zum deutschen Chemikalienrecht) enger ist als nach dem OECD-Vorschlag.

111. Definitionsvorschlag Der Harmonisierungsvorschlag für den Begriff Stoff lautet demnach: Definition: Chemische Elemente und deren Verbindungen wie sie natürlich vorkommen oder in der Produktion anfallen, einschließlich der Ve1·unreinigungen und der für die Vermarktung erforderlichen Hilfsstoffe. 137

Vgl. insbesondere den letzten Satz unter D 1 der Special Remarks.

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D. Begriff: Stoff

Anmerkungen:

a) Eine Verbindung ist die Kombination mehrerer chemischer Elemente. Die Kombination mehrerer Stoffe ist dagegen eine Zubereitung (vgl. Definition .,Zubereitung"). b) Eine weitere Be- oder Verarbeitung macht den Stoff zum Produkt (vgl. Definition .,Produkt"). c) Da ein Stoff bei seiner Herstellung und Vermarktung regelmäßig nicht in chemisch reiner Form auftritt, umfaßt der Begriff Stoff auch die unbeabsichtigt hinzutretenden Stoffe (Verunreinigungen) sowie die zum Zweck der Konservierung und Stabilität hinzugesetzten Hilfsstoffe. Für besondere gesetzgeberische Zwecke mag es erforderlich sein, derartige Nebenstoffe vom Stoffbegriff auszunehmen und das gleichzeitige Auftreten von Stoffen und Verunreinigungen bzw. HUfsstoffen als Zubereitung oder Gemisch zu bezeichnen.

E. Harmonisierungsvorschlag zum Begriff: Zubereitung I. Ergebnisse der Analyse 1. Abgrenzung des Vergleichsobjekts Der Begriff der Zubereitungen weist ähnlich klare Konturen auf wie der Stoffbegriff. Ihr Verhältnis zueinander bestimmt sich inhaltlich daraus, daß die Zubereitung das Vorhandensein von Stoffen voraussetzt, der Stoff also die Basis für die Zubereitung darstellt. Begrifflich aber sind beide voneinander getrennt. Dies ergibt sich schon aus den international vorkommenden Definitionen zum Stoffbegriff, im übrigen aus der regelmäßig eigenständigen Erfassung der Zubereitungen. Klar ist auch die Grenzziehung zum Produkt-, Artikel- und Erzeugnisbegriff. Diese Begriffe setzen zwar ebenso wie der Zubereitungsbegriff notwendig den Stoffbegriff voraus, sind aber allein durch die herstellende Tätigkeit als solche und nicht wie der Zubereitungsbegriff durch die spezifische Kombination von Stoffen bestimmt. Nur in gewissem Sinne läßt sich das Produkt oder Erzeugnis als Oberbegriff der Zubereitungen deuten. Gemessen an den gesetzgeberischen Funktionen handelt es sich um Rechtsbegriffe, die gleichrangig und getrennt nebeneinander stehen. Nicht so eindeutig scheint die Abgrenzung zu den Gemischen oder Gemengen. So wird in der englischen Rechtssprache nicht immer klar unterschieden zwischen "mixture" und "preparation". Eine in der amerikanischen TSCA vorkommende Definition138 ließe sich durchaus als Beschreibung des Zubereitungsbegriffes auffassen, ist jedoch als Definition für "mixture" gedacht. Und vergleicht man die international gebräuchlichen Verwendungsformen der Begriffe "preparation" und "mixture", könnte der Eindruck entstehen, als seien sie nahezu austauschbarm. Dieser Eindruck korrigiert sich erst, wenn die jeweils dahinterstehenden Definitionen herangezogen werden. Nach dem Vergleich der Definitionen nämlich erweist sich die Zubereitung (preparation) als Oberbegriff des Gemisches oder Gemenges (mixture), da 1as Sec. 3 (8) TSCA. 1ae So eine Feststellung der von den USA für die OECD erstellten Studie zu den Begriffen "chemical substance", "mixture", "compound", "preparation", "impurity", Addendum to the Final Report of the Expert Group on an International Glossay of Key Terms (ENV /CHEM/ MC/81.7), 1981, S. 54 und 60. 6 Kloepfer I Bosselmann

82

E. Begriff: Zubereitung

das Gemisch in der Regel als Definitionsbestandteil der Zubereitung vorkommt, nie aber umgekehrt die Zubereitung als Bestandteil einer Gemisch-Definition. Infolgedessen läßt sich auch eine inhaltliche Unterscheidung der beiden Begriffe treffen. 2. Verwendungshäufigkeit

Gegenüber dem Stoffbegriff wird der Begriff der Zubereitungen international seltener verwendet. Dies mag damit zusammenhängen, daß die meisten Regelungen statt Zubereitungen eher die (allgemeineren) Stoffe zum Gegenstand haben. Daneben spielen terminologische Besonderheiten eine Rolle, wie etwa in den USA, wo eher der Begriff "mixture" die Funktionen des Zubereitungsbegriffes übernimmt. Im übrigen relativiert sich die Bedeutung des Begriffs immer dort, wo die gesetzliche Regelung gleichermaßen auf Stoffe und Zubereitungen bezogen ist140• 3. Vberblick

Trotz seiner eigenständigen Bedeutung weist der Begriff der Zubereitungen eine hohe Affinität zum Stoffbegriff auf. Inhaltlich bezeichnet er eine Mehrheit von Stoffen, die miteinander kombiniert werden. Seine Identität erhält er durch Art und Ausmaß solcher Stoffkombinationen. Auch in der Struktur ist den Definitionen für die Zubereitung die Verwandtschaft mit den Stoffdefinitionen vielfach anzumerken. Ein eindrucksvolles Beispiel hierfür bietet die im deutschen Chemikaliengesetz enthaltene Definition, die sich nur in ihrem ersten Teil von der Stoffdefinition unterscheidet. Nachdem schon im ersten Entwurf zum Chemikaliengesetz die vom Stoffbegriff her bekannte Konkretisierung "nicht weiter be- oder verarbeitet" festgelegt war, kam aufgrund einer späteren Beschlußempfehlung die ebenfalls von der Stoffdefinition stammende Wendung "einschließlich der Verunreinigungen und der für die Vermarktung erforderlichen Hilfsstoffe" hinzu14t, so daß die Gesetz gewordene Fassung den Unterschied zum Stoff nur noch in der besonderen Kombination einer Mehrzahl von Stoffen sieht142• Zwar nicht bei den Formulierungen, wohl aber beim Grundverständnis des Zubereitungsbegriffes läßt sich die enge Verknüpfung auch in anderen Gesetzen feststellen. Sie zeigt sich stets da, wo die Zubereitung uo Dies kommt recht häufig vor. Wichtigstes Beispiel sind die Regelungen über die gefährlichen Stoffe und Zubereitungen"; vgl. § 3 Nr. 3 Chemikaliengesetz und Art. 2 Abs. 2 der 6. EG-Änderungsrichtlinie. tu Beschlußempfehlung des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit, BT-Drucks. 8/4243. 142 Ausgedrückt durch die Formulierung "Gemisch", "Gemenge" oder "Lösung". Vgl. noch Kloepfer (Anm. 3), S. 52; Uppenbrink u. a. (Anm. 3), Rn. 12 zu§ 3.

I. Ergebnisse der Analyse

83

bündig als Gemisch oder Lösung von mehreren Stoffen definiert wird143 • Aus der Kürze solcher Definitionen kann ohne weiteres auf die damit vorausgesetzte Begriffsverwandtschaft zu den Stoffen geschlossen werden. Gegenüber dieser Begriffsnähe zum Stoff und der bereits daraus resultierenden großen Homogenität auch des Zubereitungsbegriffes144 treten die vereinzelt festzustellenden Definitionsunterschiede klar in den Hintergrund. 4. Gemeinsamkeiten und Unterschiede im internationalen Vergleich

Die meisten Definitionen weisen identische oder ähnliche Elemente auf. In den allgemeinen Chemikalienregelungen Frankreichs, Belgiens, der Bundesrepublik und der EG kehren Gemische und Lösungen als begriffskonstituierende Elemente wieder. Im deutschen Chemikaliengesetz und der Arbeitsstoffverordnung sind darüber hinaus auch Gemenge genannt. Nicht so sehr prinzipielle, sondern eher terminologische Gründe führen dazu, daß in Frankreich und Belgien145 sowie in den USA eine gesonderte Identifizierung der Gemenge nicht möglich ist. Es spricht vieles dafür, die als "mixture" bezeichnete Definition in der amerikanischen TSCA mit der Beschreibung des Zubereitungsbegriffes gleichzusetzen148• Geht man hiervon aus, so läßt sich der dort verwendete Ausdruck "combination" als Sammelbegriff für Gemische, Gemenge und Lösungen auffassen. Übereinstimmend findet sich in allen Definitionen - teils ausdrücklich, teils als selbstverständlich vorausgesetzt - die Bezugnahme auf "zwei oder mehrere Stoffe". Die Bedeutung insoweit vorkommender Formulierungen dürfte sich auf die Klarstellung und auf das Gesetzestechnische beschränken, um die Verbindung zum Stoffbegriff deutlich zumachen. Darüber hinaus besteht allgemeine Übereinstimmung darin, daß eine Zubereitung nicht durch chemische Reaktionen zustandekommt. Diese Feststellung steckt in der Verwendung des Begriffs Gemisch, der als chemikalischer Ausdruck für einen Vorgang gilt, bei dem ohne chemische Reaktion aus verschiedenen Substanzen Aggregate gebildet werden. Ob dieses naturwissenschaftliche Verständnis in der Definition positiv zum Ausdruck kommt- wie in der "mixture"-Definition der TSCA- oder ua Wie etwa in der 6. EG-Änderungsrichtlinie, in den Chemikalienregelungen Frankreichs und Belgiens sowie in der deutschen Arbeitsstoffverordnung. 144 Vgl. dazu Abschnitt D, S. 71. 14 5 Vgl. hierzu Kloepfer/Knebel (Anm. 5), S. 109. 14 8 So offenbar auch die oben in Anm. 139 erwähnte Studie, S. 58 und 60.

E. Begriff: Zubereitung

84

ob lediglich ein insoweit eindeutiger Terminus als Begriffselement benutzt wird - wie etwa in der deutschen und der EG-Definition ist für den Inhalt des Zubereitungsbegriffs von untergeordneter Bedeutung. Ein signifikanter Unterschied ist allein bei der Frage auszumachen, ob auch die natürlich vorkommende Stoffkombination zum Zubereitungsbegriff gehört, oder ob nur eine (künstlich) hergestellte Kombination "zubereitet" ist. Diese zweite Deutung liegt nach einigen Definitionen durchaus nahe. So wird in der amerikanischen TSCA die in der Natur vorkommende Verbindung von Stoffen vom Begriff der "mixture" ausgenommen und dem Stoffbegriff zugewiesen. Und in einem früheren Entwurf des deutschen Chemikaliengesetzes werden Zubereitungen als "hergestellte Gemische, Gemenge oder Lösungen" definiert147. Ob der spätere Wegfall des Zusatzes "hergestellt" 148 nur eine sprachliche Einebnung oder eine Ausdehnung auf natürlich vorkommende Gemische etc. bedeuten sollte, läßt sich aus der Entwicklungsgeschichte des Gesetzes nicht klar ermitteln. Sieht man allerdings die wesentliche Funktion des Zubereitungsbegriffes darin, Stoffe in ihrer Kombination zu erfassen, so ergibt sich aus der Begriffsnähe zu den Stoffen, die ja nicht notwendigerweise hergestellt sein müssen, daß auch bei den Zubereitungen keine Differenzierung bei der Entstehungsart vorgenommen wird. Es mag sprachlich problematisch sein, ob die Zubereitung (im allgemein verstandenen Sinne) neben dem Element der herstellenden Tätigkeit auch die natürliche Gewinnung, das Entstehen durch natürliche Vorgänge, einschließt. Doch bedeutet die häufig vorkommende Aufgliederung der Definition in Gemische, Lösungen (und zum Teil Gemenge) ein wichtiges Indiz, daß der chemikalische Zubereitungsbegriff weiter ist als der allgemeinsprachliche. Denn derartige Aggregatszustände können sich auch ohne herstellende Tätigkeit bilden. Wegen der großen Verbreitung von Definitionen, die in dieser Weise aufgegliedert sind, kann als Ergebnis des internationalen Vergleichs insgesamt festgehalten werden, daß zwischen natürlichen und künstlich hergestellten Formen der Zubereitung nicht differenziert wird.

§ 3 Nr. 2 des Entwurfs zum Chemikaliengesetz, Stand 24. 4. 1979. Im Entwurf der Bundesregierung vom 17. 8.1979 und im verabschiedeten Chemikaliengesetz. 147

148

II. Harmonisierungserörterungen

85

II. Harmonisierungserörterungen 1. Begriffskern

Wegen der engen Verwandtschaft zum Stoffbegriff könnten die Grundstrukturen der Stoffdefinition für die vorzuschlagende Definition übernommen worden. Inwieweit dies tatsächlich sinnvoll ist, bleibt allerdings noch zu klären. Für die Ermittlung des Begriffskerns indessen ist verbindlich, was dem Zubereitungsbegriff seine besondere Identität verleiht. Sie liegt darin, daß mehrere Stoffe in bestimmter Weise miteinander kombiniert werden. Als mögliche Stoffkombinationen werden überwiegend Gemische und Lösungen angegeben. Dabei sind die Gemische als eine Art Oberbegriff für Aggregate aufzufassen, die aus zwei oder mehreren chemisch verschiedenen Stoffen bestehen und ohne chemische Reaktion zustandegekommen sind. Der ebenfalls naturwissenschaftlich geklärte Begriff der Lösungen ist spezieller und bezeichnet die homogene Verteilung eines Stoffes in einem anderen. Erforderlich ist ein Lösungsmittel, das den gelösten Stoff meist in molekularer Verteilung enthält. In bezug auf den Zubereitungsbegriff können Lösungen auch fest oder gasförmig sein, obwohl sie zumeist in flüssiger Form auftreten. Bei der Bedeutungsbreite dieser Begriffe stellt sich die Frage nach der Notwendigkeit des zusätzlichen Begriffs Gemenge. Dieser Begriff wird auffälligerweise in den fremdsprachigen Definitionen nicht benutzt. Hier scheint sich eine sprachliche Diskrepanz aufzutun zwischen dem vergleichsweise umfassenderen englischen Begriff "mixture" und dem französischen Begriff "melange" einerseits und dem engeren deutschen Begriff "Gemisch" andererseits. In der deutschen Fachsprache bezieht sich das Gemisch gemeinhin auf die Kombination von Stoffen vergleichbarer Konsistenz, während das Gemenge aus verschiedenen festen Stoffen besteht, die in der Regel mit physikalischen Mitteln (z. B. Sieb) getrennt werden können. Um die gesamte Breite möglicher Stoffkombinationen zu erschließen, bedarf es aus deutscher Sicht u. U. des klarstellenden Zusatzes "Gemenge". Diese Notwendigkeit besteht aus englischsprachiger bzw. französischsprachiger Sicht offenbar nicht149• 149 Diese Sicht wird durch Art. 2 Abs. 1 b der 6. EG-Änderungsrichtlinie bestätigt, der in der offiziellen englischen Übersetzung nur "mixtures or solutions" aufführt - vgl. Official Journal of the European Community L 259, vol. 22, 15 Oct 1979 -, in der offiziellen deutschen Übersetzung aber mit "Gemische", "Gemenge" oder "Lösungen" wiedergegeben wird -, vgl. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 259/ 10, 15. Okt. 1979.

86

E. Begriff: Zubereitung

Ob die harmonisierte Definition das Gemenge ausdrücklich erwähnt150, ist für den Inhalt nicht unbedingt entscheidend. Ausgehend von dem wichtigen Harmonisierungskriterium der (überwiegenden) Mehrheit existierender Definitionen sollten das gängige Begriffspaar Gemische und Lösungen151 beibehalten und klarstellend die Gemenge in Form einer Anmerkung einbezogen werden. Zum Begriffskern zählt darüber hinaus die überall vorkommende und wohl auch selbstverständliche - Bezugnahme auf "zwei oder mehrere Stoffe". 2. Weitere Definitionsinhalte

Mit der Bezeichnung des Begriffskerns ist die Definition bereits vollständig. Diese Feststellung kann sich jedenfalls auf die Mehrzahl der existierenden Definitionen stützen. International dürften keine begrifflichen Verständigungsschwierigkeiten auftreten, wenn sich die harmonisierte Definition auf den skizzierten Kern beschränkt. Weitere Hinweise können als Anmerkung gegeben werden. Der Konsens, auch über nicht explizit ausgedrückte Definitionsinhalte, ist so ausgeprägt, daß eventuelle Definitionszusätze eher verwirren könnten. Die in diesem Zusammenhang mit den Zubereitungen verwendete Terminologie ist vorwiegend naturwissenschaftlicher Herkunft und daher auch international relativ gesichert. Mit der Einschränkung, daß bei den Begriffen Gemische und Gemenge im Verhältnis zum Begriff "mixture" gewisse terminologische Unsicherheiten bestehen, sind darstellende Zusätze entbehrlich. Dies gilt insbesondere für die chemischen Prozesse, die bei der Entstehung von Zubereitungen auftreten. Daher braucht über die chemischen Reaktionen oder über die Entstehungsart - künstliche Herstellung oder natürliches Vorkommen- in der Definition nichts ausgesagt zu werden. § 3 Nr. 2 des deutschen Chemikaliengesetzes geht in seinem Umfang über die sonst existierenden Definitionen und die hier vorzuschlagende Definition hinaus. Das hat aber, wie dargestellt, nur gesetzestechnische Gründe und berührt nicht die Frage des Begriff.skonsenses. Der dort gemachte Zusatz " ... nicht weiter be- oder verarbeitet, einschließlich der Verunreinigungen und der für die Vermarktung erforderlichen Hilfsstoffe" ist vor allem deswegen verzichtbar, weil er schon in der Benutzung des Begriffs Stoff mitenthalten ist152• Der Verzicht auf lediglich wiederholende Definitionsbestandteile entspricht der hier verfolgten Methodik. 150 151 152

In englischer Übersetzung etwa "heterogenous mixture". "mixtures and solutions" bzw. "melange et solutions". Vgl. Definition des Stoffbegriffs, Abschnitt D.

li. Harmonisierungserörterungen

87

3. Ergebnis

Die harmonisierte Definition knüpft direkt an den Stoffbegriff an und enthält die begriffskonstituierenden Elemente "Gemische und Lösungen" als Kombination von zwei oder mehreren Stoffen. Damit entspricht sie der Definition in Art. 2 Abs. 1 b der EG-Änderungsrichtlinie. 4. Vergleich mit dem vorgeschlagenen Konzept des OECD-Giossariums

Die OECD-Expertengruppe schlägt ein in der Struktur abweichendes, inhaltlich aber ähnliches Konzept vor. Anstelle einer umfassenden Zubereitungs-Definition gliedert sich das OECD-Konzept in eine Definition für "mixture" (im weiteren Sinne) und eine Definition für "preparation" (im engeren Sinne). Der Grund dafür liegt in dem englischsprachig geprägten Begriffsverständnis der Expertengruppe, wonach "mixture" als OberbegrUf für alle denkbaren Stoffkombinationen anzusehen ist153 und der "preparation" die speziellere Bedeutung der vom Hersteller erwünschten Stoffkombination zukommt154. tsa Die Definition lautet:

Mixture

A. Definition Any composition of two or more chemical substances which are discrete and in principle separable from the mixture. B. Statement of Intent This term is intended to be inclusive of all combinations of substances.

C.

Annotation

C 1 The definition covers all combinations of two or more substances whether made by mixing or by reaction or by accident. The related term "preparation" covers a subset of mixtures; it covers only deliberate combinations. C 2 The term includes solutions as well as simple mixtures. It does not include combinations of stereoisomers of the single substance. A combination of stereoisomers of a single substance is still considered to be the same substance.

D. Special Remarks

The definitions of "mixture", "preparation", "chemical substance" and "impurity" should be carefully structured in any law for the control of chemieals so that the relationships between them are clear.

ts4 A. Definition

Preparation

A deliberate composition of two or more chemical substances.

B. Statement of Intent

This term is intended to cover a subset of mixtures. C. Annotation This term includes only combinations that are made by mixing substances together after their manufacture, usually in defined proportion. The term covers a subset of the broader term "mixture". D. Special Remarks Cross reference: "chemical substance", "mixture".

88

E. Begriff: Zubereitung

Für den direkten Vergleich ist daher in erster Linie die "mixture"Definition von Bedeutung. Wörtlich übersetzt lautet sie: "jede Zusammensetzung von zwei oder mehreren chemischen Substanzen, die voneinander gesondert sind und im Prinzip von der Mischungtss getrennt werden können". Wie sich aus den weiteren Erläuterungen im "Statement of Intent" und in der "Annotation" ergibt, sollen alle Stoffkombinationen erfaßt sein, insbesondere auch Gemische und Lösungen, wobei die Art der Entstehung von untergeordneter Bedeutung ist. Damit ist die Definition - trotz sprachlich-terminologischer Unterschiede - insgesamt nahezu inhaltsgleich mit der hier vorzuschlagenden Definition. Inhaltliche Differenzen, soweit sie angesichts der sprachlichen Besonderheiten überhaupt festgestellt werden können, betreffen die Frage, ob die Trennung zubereiteter Substanzen stets möglich sein muß1s6, und eventuell auch die Frage, welche Rolle die natürlich vorkommenden Stoffkombinationen spielen. Ausdrücke wie "composition" und "made by" 1s7 könnten die Vermutung nahelegen, der menschlichen Einwirkung auf die Stoffe komme eine zentrale Bedeutung für den "mixture"-Begriff zu. Wenn dies zutrifft, wäre zu kritisieren, daß für einen so begrenzten Begriffsinhalt aus gesetzgeberischer Sicht kein Bedürfnis besteht. Die Definition für "preparation" lautet: "Eine erwünschte Zusammensetzung von zwei oder mehreren chemischen Substanzen." Die "preparation", die Zubereitung im engeren Sinne also, stellt entscheidend auf das voluntative Element1s8 ab. Allein hierin unterscheidet sie sich von der allgemeinen Definition für "mixture". Bei wertender Betrachtung ist die "mixture"-Definition als die eigentliche Definition für Zubereitungen anzusehen, während der Begriff "preparation" enger mit "Mixtur" übersetzt werden müßte. Ob die im OECD-Glossarium vorgenommene Düferenzierung wirklich einem internationalen Bedürfnis entspricht, ist nicht sicher angesichts der verbreiteten Begriffsklarheit, wie sie sich in den existierenden Definitionen zeigt. Dem ohnehin vorhandenen Begriffskonsens wird die hier vorzuschlagende Definition insgesamt wohl eher gerecht als das Konzept der OECD. 155 "mixture" ist hier am ehesten mit "Mischung" als Oberbegriff für Gemisch und Gemenge zu übersetzen. 156 Dies hängt mit der etwas unscharfen Formulierung "in principle separable from the mixture" zusammen. 157 Vgl. Teil A bzw. C 1 der OECD-Definition. t5s "deliberate composition".

III. Definitionsvorschlag

89

111. Definitionsvorschlag

Der harmonisierte Begriff der Zubereitung sollte folgendermaßen definiert werden: Definition: Ein Gemisch oder eine Lösung von zwei oder mehreren Stoffen. Anmerkungen:

a) Die Definition schließt jegliche Kombination von Stoffen ein, insbesondere auch die Gemenge. b) Die Definition erfaßt sowohl künstlich hergestellte als auch natürlich vorkommende Stoffkombinationen. c) Der weitere Begriffsinhalt ergibt sich aus der Definition des Stoffbegriffs (siehe dort).

F. Harmonisierungsvorschlag zum Begriff: Neuer Stoff I. Ergebnisse der Analyse 1. Abgrenzung des Vergleichsobjekts

Für den Inhalt und Umfang von Chemikalienregelungen spielt die Unterscheidung von alten und neuen Stoffen eine wesentliche Rolle. Neue Stoffe unterliegen zumeist strengeren Reglementierungen, da ihr Gefahrenpotential z. B. wegen fehlender Registrierung grundsätzlich höher veranschlagt wird als bei Altstoffen159• Ähnlich wie Stoffe können auch neue Verwendungsformen und neue Gefahren alter Umweltchemikalien gesondert geregelt sein (USA, Frankreich). Über die Neuheit eines Stoffes, eines Produkts, einer Verwendung oder einer Gefahr entscheiden jedoch nicht objektive, naturwissenschaftliche Kriterien, sondern die normativ-wertenden Festle.gungen des Gesetzgebers. Es gibt also keine abstrakt bestimmbare Unterscheidung zwischen alt und neu. Erst die gesamte Variationsbreite gesetzlicher Anknüpfungspunkte für eine Qualifizierung als "neu" läßt erkennen. ob und inwieweit eine Harmonisierung auf begrifflicher Ebene möglich ist. Im übrigen richten sich die unterschiedlichen Regelungen nicht in jedem Fall nach der Einstufung neu/alt, sondern auch nach anderen Gesichtspunkten. Abzustellen ist also stets auf den jeweiligen Norminhalt und weniger auf die jeweilige Terminologie. Da sich hinter der Unterscheidung von alten und neuen Stoffen ein generelles Problem des Chemikalienrechts verbirgt, ist es nicht sinnvoll, die Unterscheidung auf die Stoffe zu beschränken (zumal der Stoff als solcher gesondert behandelt wurde). Das Unterscheidbarkeitsproblem besteht ebenso - wenn auch mit abweichenden Aspekten und Rechtsfolgen- beim (neuen) Produkt, (neuen) Konsumentenprodukt und beim (neuen) Gebrauch. Solche Regelungsgegenstände sind daher mitberücksichtigt In erster Linie kommt es zwar darauf an, eine Harmonisierung der Definition für neue Stoffe zu finden. Doch wird sich zeigen, daß damit zugleich Aussagen über die übrigen artverwandten Regelungsgegenstände getroffen sind. 159 Eine generelle Gleichstellung alter und neuer Stoffe findet sich nur in der Schweiz; vgl. E. Rehbinder (Anm. 116), S. 209.

I. Ergebnisse der Analyse

91

2. Vberblkk

Der Vergleich der einschlägigen Chemikalienregelungen führt notwendig zu dem Ergebnis, daß die Unterscheidung zwischen alt und neu auf begrifflicher Ebene nicht zu klären ist. Statt terminologischer Abgrenzungen sehen die Regelungen inhaltliche Gesichtspunkte vor, nach denen sich die Frage der Behandlung als neue Stoffe beurteilt. Dabei zeigt sich ein ganzes Spektrum unterschiedlicher Wertungskriterien. Strukturell können zwei Formen der Abgrenzung unterschieden werden. In den Chemikaliengesetzen der USA, Japans, Frankreichs und Dänemarks sowie in der 6. EG-Änderungsrichtlinie finden sich eigenständige Beschreibungen bzw. Definitionen darüber, wann ein Stoff als neu behandelt wird180• Demgegenüber ist in der Bundesrepublik, in der Schweiz und in mehreren EG-Richtlinien aus den jeweiligen Kontrollnormen zu entnehmen, wie die Differenzierungen vorzunehmen sind181 • Den Regelungen ist gemeinsam, daß ein neuer Stoff- auf der Grundlage des jeweiligen Anmelde- und Zulassungsverfahrens - bei der zuständigen Stelle angemeldet werden muß. Die Kriterien für die Identifizierung als neu sind aber verschieden. Darüber hinaus werden - im unterschiedlichen Maße- einzelne Stoffe und Stoffquantitäten von der Anmeldepflicht ausgenommen. Soweit die Stoffe inventarisiert sind, werden sie als alte, d. h. angemeldete Stoffe behandelt. Unterschiedlich sind jedoch Art, Inhalt und Umfang solcher Inventarisierungen. Ein einheitliches Bild neuer Stoffe läßt sich also auch nicht vor dem Hintergrund vorhandener Inventarisierungen gewinnen. In den USA, Frankreich und im EG-Regelungsbereich löst außerdem der veränderte Gebrauch eines angemeldeten Stoffes weitere Anmeldeund Informationspflichten aus. Ob ein signifikant veränderter Gebrauch etwa bei der Stoffquantität oder bei den Fertigungsmethoden vorliegt, bestimmt sich nach der 6. EG-Änderungsrichtlinie aufgrund eines besonderen Klassifikationssystems182, während die TSCA die Beurteilung der Kontrollbehörde (aufgrund vorgegebener Kriterien) überläßt. Das französische Konzept wiederum stellt auf die Erhöhung des Gefahrenpotentials ab, kann also z. B. dazu führen, daß auch bei völlig veränderten Produktions- und Verteilungsverfahren der neue Gebrauch behördlich nicht erlaßt wird. Ähnliches gilt auch nach der EG-Änderungsrichtlinie insofern, als im Fall bereits angemeldeter Stoffe der 180 Vgl. K!oepfer/Knebe! (Anm. 5), S . 112 f . Zum deutschen Chemikaliengesetz vgl. K!oepfer (Anm. 3), S. 65 ff.; Uppenbrink u . a. (Anm. 3), Rn. 4 ff. zu§ 4. 181 Vgl. Kloepfer/Knebel (Anm. 5), S. 113 f. 182 Vgl. Art. 6 Abs. 4 i. V. m. Anhang VII Abschn. 2.1.

92

F. Begriff: Neuer Stoff

Anmelder verpflichtet ist, neue Erkenntnisse über die Wirkungen der Stoffe auf Mensch und/oder Umwelt mitzuteilen163• Frankreich, Japan und die USA haben zusätzlich eigene Regelungen für neue Konsumentenprodukte. Auch hier geschieht die Identifizierung nach jeweils speziellen Kriterien. Die hinter allen Unterscheidungen zu neu und alt stehenden Konzepte sind nach normativ-wertenden Gesichtspunkten unterschiedlich gebildet und lassen keine Folgerungen für eine einheitliche Begrifflichkeit zu. 3. Gemeinsamkeiten und Unterschiede im internationalen Vergleich

Der Ausdruck "neu" wird allgemein benutzt, um bestimmte Gegenstände, zumeist Stoffe, für unterschiedliche Anmeldepflichten zu erfassen. Normalerweise werden die registrierten und registrierungspflichtigen Gegenstände je nach den gesetzlichen Kriterien entweder der einen oder der anderen Gruppe zugeordnet. Jedes Land legt ein eigenes Anmeldesystem zugrunde, wenn es einen Stoff als neu einstuft. Die Klassifizierung ist durch die jeweiligen Umstände des Gesetzes und den Zeitpunkt seines Inkrafttretens bestimmt. Dabei kann das Gesetz entweder einen bestimmten Termin festsetzen oder an die Registrierung in einer Liste anknüpfen oder auch materielle Wertungsgesichtspunkte verfolgen, nach denen sich die Einstufung richtet. Der jeweils beschrittene Weg hängt von der Funktion des Gesetzes, von der Rechtstradition und von Praktibilitätserwägungen ab. Die unterschiedlichen Anknüpfungspunkte lassen sich wie folgt systematisieren: -

Abgrenzungskriterium kann das Herstellen, Verwenden oder Irrverkehrbringen zu einem bestimmten Stichtag sein (z. B. deutsches Chemikaliengesetz, 6. EG-Änderungsrichtlinie). - Entscheidend kann auch - alternativ oder kumulativ - die Aufnahme in eine Liste zu einem bestimmten Termin sein (Japan, TSCA, EG-Richtlinie über Pflanzenschutzmittel). - Ausschlaggebend können ferner rein wertende Gesichtspunkte sein, bei denen es meist auf die potentielle Gefahrerhöhung ankommt (Frankreich, amerikanischer Consumer Product Safety Act, z. T. in Dänemark und in der 6. EG-Änderungsrichtlinie). - Und schließlich kann das Irrverkehrbringen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens eines Gesetzes maßgeblich sein, wobei bestimmte wertende Kriterien hinzukommen (Frankreich, Dänemark). Jedes dieser Konzepte enthält noch verschiedene Ausnahmetatbestände. 163

Vgl. Art. 6 Abs. 4 der 6. EG-Änderungsrichtlinie.

II. Harmonisierungserörterungen

93

Eine gewisse Vorrangstellung kommt den Konzepten zu, die eine Abgrenzung nach dem Herstellen oder Inverkehrbringen nach dem im Gesetz festgesetzten Zeitpunkt treffen. Die Vielzahl regelungsbedürftiger Stoffe stellt die gesetzesanwendende Behörde vor erhebliche Kapazitätsprobleme. Aus diesem Grunde geht die Mehrzahl der Gesetze pragmatisch vor, indem sie alte und neue Umweltchemikalien differenziert behandeln und dazu eher formale und an der Praktibilität maßgeblich orientierte Unterscheidungsmerkmale zugrundelegen. Gegenüber dieser auf Effizienz gerichteten Vorgehensweise, zu der man auch den Gebrauch von Listen und Registern von Stoffen rechnen kann, sind die wertend bestimmten und selektiv vorgehenden Unterscheidungskonzepte (Frankreich, Japan, Dänemark) dem generellen Schutzzweck des Umweltchemikalienrechts näher, weil sie dynamischere, am jeweiligen Erkenntnisstand orientierte Eingriffsmöglichkeiten erlauben. Unter dem Gesichtspunkt evtl. Harmonisierungen sind diese materiellwertenden Konzepte allerdings problematischer als die eher formal konzipierten Unterscheidungen nach Stichtag. Für alle Konzepte und ihre möglichen Harmonisierungschancen gilt im übrigen, daß sie sehr stark an ihren Normzusammenhang gebunden sind. Ohne Harmonisierung wesentlicher Normtatbestände dürften die Unterscheidungskonzepte für alte und neue Stoffe nicht zu harmonisieren sein. Für die in dieser Analyse herauszuarbeitende Begriffsdefinition lassen sich inhaltlich qualifizierende Merkmale daher nur ansatzweise finden. II. Harmonisierungserörterungen 1. Allgemeines

Eine Harmonisierung so unterschiedlicher Abgrenzungssysteme für alte und neue Stoffe ist nur möglich, wenn insgesamt die Melde- und Zulassungsverfahren einschließlich individueller Prüfungs- und Informationspflichten zur Disposition stehen. Und ebenso wäre eine Harmonisierung dessen, was unter neuen Verwendungen oder neuenGefahren alter Stoffe verstanden wird, davon abhängig, daß die zugrundeliegenden Regelungen und Verfahren vereinheitlicht werden. Die Begriffsund die Normebene lassen sich also nicht durchgängig trennen. Die Frage ist, inwieweit die prinzipiell einzuhaltende Beschränkung auf die Begriffsebene eine Einbeziehung von Norminhalten zuläßt. Obwohl anstelle einer echten Definition im wesentlichen nur eine Funktionsbeschreibung der Abgrenzung von alt und neu möglich ist, können immerhin einige Kriterien genannt werden, nach denen sich die Harmonisierung der eigentlichen Begriffsinhalte richten müßte.

94

F. Begriff: Neuer Stoff 2. Abgrenzungsmöglichkeiten

Die in- und ausländischen Regelungen erfassen zumindest die neuen Stoffe und sehen - mit Ausnahme der Schweiz - für die alten Stoffe eigene, meist weniger belastende Pflichten vor. Sinn der Unterscheidung ist also eine differenzierte Behandlung von Umweltchemikalien. Die Gründe hierfür sind überwiegend als Praktibilitätserwägungen bei der Chemikalienkontrolle zu bezeichnen, sie können aber auch prinzipieller Natur sein (wie z. B. in den USA). Nach dem Vergleich der international vorkommenden Unterscheidungskonzepte sind zwei gegenläufige Tendenzen festzustellen, die jeweils die Vorteile des anderen Konzepts durch eigene Vorteile ausgleichen. Ideenmäßig liegt dem Konzept des Stichtages bzw. der listenmäßigen Erfassung164 der Gedanke der Praktibilität und Klarheit zugrunde, während das Konzept der wertenden Zuordnung 165 eher den materiellen Aspekt der Stoffgefährlichkeit verfolgt. Die jeweiligen Vorteile dieser Konzepte liegen auf der Hand. Der Nachteil der formalen Abgrenzung nach Stichtagen besteht in der Möglichkeit der zufälligen, willkürlichen und vor allem zwischen den Staaten differenzierenden AuswahP86• Der Nachteil der- an sich funktionsgerechten- wertenden Abgrenzung liegt in der Gefahr einer uneinheitlichen Anwendungspraxis. Würden international künftig solche Abgrenzungsregeln verwendet, die erst mit Hilfe materiell-wertender Aussagen umgesetzt werden könnten, wären unterschiedliche Rechtsanwendungen fast unvermeidlich. Wägt man beide Konzepte gegeneinander ab, bietet sich eine Kombination der formalen Abgrenzung nach Stichtagen mit materiell-wertenden Gesichtspunkten an. Wegen fehlender Vereinheitlichung der betreffenden Chemikalienregelungen könnte allerdings weder ein konkreter Stichtag noch ein verbindlicher Maßstab für die Gefahrenbewertung bestimmt werden. Die Harmonisierung wäre eher auf das methodische Vorgehen gerichtet. Denkbar ist z. B. die Festlegung auf ein Verfahren, das neue Stoffe nach einem - nicht näher bestimmten - Stichtag identifiziert und daneben die Möglichkeit einer Gefahrenbewertung bei alten (angemeldeten) Stoffen vorsieht; den Regelungen für neue Stoffe könnten die wesentlichen Veränderungen etwa bei der Verwendung, beim Herstellungsverfahren oder bei den Verteilungsbedingungen gleichgestellt werden167 • z. B. Bundesrepublik, 6. EG-Änderungsrichtlinie, TSCA, Japan. Vor allem bei der CPSA, eingeschränkt auch in Frankreich, Dänemark und bei einigen EG-Richtlinien. 188 Vgl. Kloepfer/Knebel (Anm. 5), S. 116. 167 Als Vorbilder kämen die Konzepte Frankreichs, Dänemarks und des deutschen Chemikaliengesetzes in Betracht. 164 185

II. Harrnonisierungserörterungen

95

Ein derartiges Kompromißkonzept würde dem gleichzeitigen Bedürfnis nach effektivem Gefahrenschutz und Praktibilität am ehesten entsprechen. Es liegt auf der Linie der Mehrzahl der vorhandenen Regelungen und könnte ein erster Schritt zur Harmonisierung der Meldepflichten und -verfahren insgesamt sein. Die Möglichkeiten, Ansätze eines solchen Konzepts auf der hier nur interessierenden Begriffsebene zu installieren, sind allerdings begrenzt. Begrifflich lassen sich in erster Linie nur Sinn und Funktion der Abgrenzung von alten und neuen Stoffen darstellen. Darüber hinaus ist wohl zu rechtfertigen, die Abgrenzung nach einem vom jeweiligen Gesetz festzulegenden Stichtag als Regelfall zu bezeichnen und auf die weitere Möglichkeit materiell-wertender Abgrenzungsgesichtspunkte hinzuweisen. Klarstellend kann noch hinzugefügt werden, daß Stoffe erfaßt werden, sobald sie entweder hergestellt oder in den Verkehr gebracht sind168• Aber konkrete Inhalte eines Konzepts können in die Definition nicht aufgenommen werden. Dies würde eine besondere rechtsvergleichende Untersuchung erfordern und könnte erst durch Veränderungen der eigentlichen Melde- und Zulassungsverfahren verwirklicht werden. Ergänzend kann noch darauf eingegangen werden, daß die Unterscheidungsproblematik nicht auf alte und neue Stoffe beschränkt ist, sondern insbesondere auch bei der Identifizierung neuer (Konsumenten-)produkte und neuer Stoffverwendungen besteht. Allerdings gelten hier etliche Besonderheiten, die nur durch eigenständige Definitionen aufgefangen werden könnten169• Das Grundproblem liegt hier Beide Möglichkeiten kommen in den existierenden Regelungen vor. Die OECD-Expertengruppe hat für den neuen Gebrauch eine eigene Definition vorgeschlagen. Sie lautet: New use 168

169

A. Definition A change from the established use(s) of a chemical substance. B. Statement of Intent

c.

This definition is intended to be comprehensive of the possible change in use of a chemical substance.

Annotation

Cl Changes from established use may include: change in the method of handling the chemical; change in the setting in which the chemical is used; change in the chemical's dispersal in the environment; and changes in the magnitude, duration, or route of human or environmental exposure to the chemical. Laws vary in what kinds of changes are covered as new uses. C 2 In some countries, notification of new uses is required only for new substances that have been through a notification process. In other countries, notification of new uses is required for all substances. C 3 "New Uses" may be further characterized as for instance: new uses that are significant, or new uses that present new dangers. This further characterization is done in some present laws to separate new uses that require notification from those that do not.

F. Begriff: Neuer Stoff

96

wie dort in der engen Verknüpfung des formalen Abgrenzungskriteriums mit normativen Wertungen, die vom jeweiligen Gesetzgeber getroffen sind. Daher stellt sich z. B. für den Gebrauch oder die Verwendung die Frage, welche Qualität die Änderung haben muß, um von einem neuenGebrauch bzw. einerneuen Verwendung sprechen zu können. Wegen der verbreiteten Regelungsdivergenzen könnte die Definition das Merkmal der Änderung im wesentlichen nur nennen, nicht aber inhaltlich qualifizieren. Weitgehend vergleichbar im übrigen sind die Funktionen, die eine Unterscheidung von alten und neuen Stoffen, von alten und neuen Produkten und von bisherigem und neuem Gebrauch haben kann. Wegen der Problemverwandtschaft empfiehlt es sich, andere Regelungsobjekte, bei denen die Abgrenzung von alt und neu eine Rolle spielt, bei der Definition der neuen Stoffe mit anzusprechen. 3. Definitionsinhalt

Der Inhalt der vorzuschlagenden Definition ist auf die Beschreibung eines Unterscheidungskonzepts beschränkt, das den entscheidenden Akzent auf ein - gesetzlich zu bestimmendes - Datum setzt. Stoffe gelten demnach als neu, wenn sie nach einem vom Gesetz vorgesehenen Stichtag hergestellt oder in den Verkehr gebracht werden. Alte, d. h. angemeldete Stoffe sind in der Regel in Listen oder Re.gistem erlaßt. Daneben können auch wertende Gesichtspunkte zu einer Unterscheidung oder zumindest Gleichbehandlung bestimmter alter mit neuen Stoffen führen. Hierauf wird im Rahmen der Anmerkungen hinzuweisen sein. Weitere Hinweise beziehen sich auf die Funktion der Unterscheidung, auf die enge Verknüpfung des entscheidenden Abgrenzungskriteriums mit regelungsspezifischen Inhalten und auf die allgemeine Problemlage bei jedweder Erfassung neuer Stoffe, Produkte und Gebrauchsformen. 4. Vergleich mit dem vorgeschlagenen Konzept des OECD-Glossariums

Die Definition für "neuer Stoff" lautet nach dem Vorschlag der OECD-Expertengruppe so: "Eine chemische Substanz, die entweder hergestellt oder zum ersten Male in den Verkehr gebracht ist nach ... "t7o. D. Special Remarks

The definition may be modified to suit the concerns of law makers, e. g. by specifying that only certain identified kinds of changes in use are to be considered "new".

II. Harmonisierungserörterungen

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Die Auslassung am Ende dieser Definition soll auf ein gesetzlich festzusetzendes Datum hinweisen, wobei nähere Angaben vermieden werden. Daher sind sämtliche Alternativen der Stichtagfestsetzung von der Definition erfaßt, insbesondere also die kalendermäßige Festsetzung nach Inkrafttreten des Gesetzes, die Aufnahme in eine bestimmte unter Umständen auch "offene" - Liste zu einem Stichtag oder die Kombination aus beidem171 • Klarstellend wird in der Annotation noch angemerkt, daß es auf die naturwissenschaftliche Qualifizierung als "neu" nicht ankommt, sondern ausschließlich auf die gesetzliche Bewertung (wobei die tatsächliche Neuheit mit der rechtlichen zusammenfallen kann). Die Annotation C 4 enthält eine "Gleichstellungsklausel", nach der das Gesetz vorsehen kann, daß bereits angemeldete oder vor dem Stichtag hergestellte bzw. erstmalig in den Verkehr gebrachte Stoffe den neuen Stoffen regelungsmäßig gleichgestellt werden. Ein wesentliches Merkmal der OECD-Definition liegt darin, daß die Frage, wann ein Stoff als neu gilt, letztlich offenbleibt. Daher kann derselbe Stoff in einem Land als neu, in einem anderen als alt gelten172• 170

New Substance

A. Definition A chemical substance which is either manufactured or put into circulation for the first time after .. . B. Statement of Intent This definition is intended to be typical of current usage in chemical control laws, and to identify those chemical substances which may be subject to legal requirements in a country either before manufacture or being put into circulation in that country. C. Annotation C 1 The date which is left blank in the definition is a date set or to be set by international law or the law of a Member country. Different dates may be set in different laws. C 2 The date set by some existing laws is the date of publication or of final compilation on an inventory list of chemical substances which are to be considered as already being manufactured or already in circulation and, thus, not "new". C 3 "New" in this context does not mean new to human knowledge, although some substances may be new to human knowledge as well as legally new. C 4 Substances manufactured or put into circulation before the given date can be subject to the sa me or similar legal requirements as for new substances. D. Special Remarks Definitions of "new substances" may vary from law to law. It is therefore possible for a substance to be "new" in one country and not "new" in another country. 171 Vgl. Annotation C 1 und C 2. 172 So ausdrücklich unter "Special Remarks". 7 Kloepfer I Bosselmann

F. Begriff: Neuer Stoff

98

Durch diese Öffnung bleibt die Definition unvollkommen, mehr noch: sie hat fast den Charakter einer leeren Hülse, weil es keinen eigentlichen Definitionskern, nämlich die Inhaltsbestimmung der Neuheit gibt. So unbefriedigend dieses Ergebnis unter dem Anspruch der Begriffsharmonisierung auch ist, es ist unvermeidlich. Solange die zugrundeliegenden Regelungssysteme nicht vereinheitlicht sind, kann der Begriff "neuer Stoff" nicht allgemein verbindlich festgelegt werden. Der Gehalt des OECD-Vorschlags ist in vollem Umfang auch in der hier vorzuschlagenden Definition enthalten. Es fehlen aber noch einige Aspekte, die mit aufgenommen werden sollten, um die Definition konkreter und damit inhaltsreicher werden zu lassen. Nach der vorzuschlagenden Definition können neben der Abgrenzung nach einem Stichtag auch wertende Gesichtspunkte berücksichtigt werden, um die Neuheit eines Stoffes zu kennzeichnen. Damit wird die Notwendigkeit betont, die Abgrenzung nicht ausschließlich technischformal vorzunehmen, sondern stets auch die materielle Komponente der Gefährlichkeit des Stoffes mit den sich daraus ergebenden Regelungsfolgen im Auge zu behalten. Außerdem eignet sich die Definition der neuen Stoffe, wie dargestellt, auch zu einer Aussage über die Querverbindung des Abgrenzungsproblems zu den Regelungsobjekten neues (Konsumenten-)produkt und neuer Gebrauch. Mit der Einschränkung, daß der praktische Nutzen einer Definition ohne inhaltlichen Kern ohnehin begrenzt sein dürfte, läßt sich sagen, daß der OECD-Vorschlag ebenso wie die hier vorzuschlagende Definition zumindest einen wichtigen Schritt zur Harmonisierung darstellt. Die OECD-Definition hätte vielleicht noch konturenreicher sein können, ohne damit schon die begriffliche Ebene der Harmonisierung zu verlassen. III. Harmonisierungsvorschlag

Die Beschreibung für den neuen Stoff lautet somit:

Definition: Ein Stoff, der nach einem vom Gesetz festgelegten Zeitpunkt hergestellt oder erstmalig in den Verkehr gebracht wird. Anmerkungen: a) Neue Stoffe werden von alten Stoffen in der Regel deswegen unterschieden, um die gesetzliche Erfassung und Kontrolle gefährlicher Stoffe praktikabler zu gestalten. b) Als vom Gesetz festzulegender Zeitpunkt kommt ein Stichtag nach dem Inkraftreten des betreffenden Gesetzes in Betracht, der z. B. durch die

III. Harmonisierungsvorschlag

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Veröffentlichung einer Liste bis dahin angemeldeter Stoffe bestimmt sein kann. Neben der Festsetzung eines Stichtages können auch wertende Gesichtspunkte des Gefahrenschutzes dafür bestimmend sein, ob Stoffe als neu gelten oder ob bereits angemeldete Stoffe wie neue behandelt werden. c) Eine allgemeingültige Festlegung des entscheidenden Kriteriums für die Unterscheidung von alten und neuen Stoffen ist nur auf der Grundlage eines vereinheitlichten Anmeldesystems möglich. Die Notwendigkeit einer sinnvollen Abgrenzung kann sich auch für neue Produkte bzw. Konsumentenprodukte oder für den neuen Gebrauch angemeldeter Stoffe ergeben. Auch hier ist eine Harmonisierung auf rein begrifflicher Ebene ohne Vereinheitlichung zugrundeliegender Regelungen nicht möglich.

G. Harmonisierungsvorschlag zu den Begriffen: Produkt, Erzeugnis, Artikel, Konsumentenprodukt, Publikumsprodukt I. Ergebnisse der Analyse 1. Abgrenzung der Vergleichsobjekte

a) Verhältnis zueinander Die Begriffe Produkt, Erzeugnis, Artikel, Konsumentenprodukt und Publikumsprodukt sind im weitesten Sinne Bezeichnungen für Ergebnisse von Herstellungsprozessen, bei denen (Ausgangs-)Stoffe zu bestimmten Zwecken be- oder verarbeitet werden. Dieses Grundverständnis ist in allen Regelungen des Umweltchemikalienrechts vorhanden. Die Terminologie ist allerdings nicht einheitlich. Die sprachlich bedingten Unterschiede sind z. T. so groß, daß die Zuordnung der sich entsprechenden Begriffe erst nach Analyse der in den Gesetzen enthaltenen Definitionen und Verwendungsformen möglich ist. So scheint es rechtsterminologisch zutreffender, den englischen Begriff "article" nicht mit dem deutschen Ausdruck "Artikel" zu übersetzen, sondern eher mit "Produkt", obwohl dieser Begriff wiederum zurückübersetzt nur "product" lauten kann. Bei wertender Betrachtung zeigt sich also, daß die englischen Begriffe "article" und "product" zusammengenommen den Begriffsinhalt von "Produkt" ausmachen und daß der deutsche Artikelbegriff enger ist als der englische. Speziell in der amerikanischen Gesetzessprache haben die Begriffe "article" und "consumer product" eine wesentlich größere Bedeutung, als bei wortgetreuer deutscher Übersetzung vermutet werden könnte. Auf der anderen Seite findet die vor allem in der Bundesrepublik Deutschland vorgenommene Differenzierung zwischen Produkt und Erzeugnis im anglo-amerikanischen Rechtskreis keine eigentliche Entsprechung. Das Erzeugnis wird schon allgemeinsprachlich mit "product" übersetzt und könnte rechtsterminologisch zusätzlich nur noch mit eher verwirrenden Begriffen wie "article" oder "item" wiedergegeben werden. Von den stärker verbrauchsbezogenen Begriffen hat im Grunde nur das Konsumentenprodukt eine begrifflich wie tatsächlich soweit eigenständige Bedeutung, daß der internationale Vergleich lohnt. Das Publikumsprodukt kommt als Rechtsbegriff nur in der Schweiz vor und hat

I. Ergebnisse der Analyse

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dort auch einen dem Konsumentenprodukt vergleichbaren Stellenwert. Da es aber wegen geringfügig abweichender Inhalte begrifflich nicht mit dem Konsumentenprodukt gleichzusetzen ist, muß es in der Begriffsuntersuchung selbständig erlaßt werden. Die terminologische Vielfalt macht es daher notwendig, daß die Begriffsharmonisierung erst auf der Basis gesicherter Inhaltsanalysen angestrebt wird. Dies kann u . U. auch dazu führen, daß einzelne Begriffe trotz ihrer im Prinzip eigenständigen Bedeutung entweder aufgegeben oder daß ihre bisherigen Bedeutungsgehalte zumindest teilweise anders gefaßt werden müssen. Dies bedeutet z. B. für den Erzeugnisbegriff, daß eine internationale Harmonisierung nur möglich ist, soweit das der englische Begriff "product" überhaupt zuläßt. Die in der Untersuchung behandelten Begriffe beziehen sich alle auf das Ergebnis von Herstellungsprozessen. Sie lassen sich aber auch klar gegeneinander abgrenzen. Jeder Begriff (ob schon sprachlich oder erst nach inhaltlicher Klärung) besitzt eine eigene Identität. Zusammengefaßt lassen sich die Unterschiede dahin charakterisieren, daß die jeweilige Zweckbestimmung des "hergestellten Ergebnisses" den Begriff prägt. Und bereits auf der terminologischen Stufe kann die Feststellung getroffen werden, daß dem Produkt die Funktion eines Oberbegriffs für alle denkbaren Produktformen zukommt. b) Produkt, Erzeugnis, Artikel

Das Produkt, das Erzeugnis und der Artikel bilden eine Begriffseinheit in bezug auf verschiedene verwandte Begriffe. Sie setzen notwendig den Stoffbegriff voraus. Der Stoff ist stets deren AusgangsmateriaL Zwar nicht notwendigerweise tatsächlich, wohl aber begrifflich sind auch die Zubereitungen vorausgesetzt. Somit liegt die Grundbedeutung der Begriffsgruppe Produkt, Erzeugnis und Artikel darin, daß sie Stoffe und Zubereitungen als Ausgangsmaterie für einen Herstellungsprozeß erfordern, an dessen Ende sie als Ergebnis stehen. Mit der Klärung dieser Grundbedeutung sind zugleich die Grenzen gegenüber den Begriffen Stoff, Zubereitung und Herstellen abgesteckt. Definitionsüberschneidungen können sich insoweit nicht ergeben. Ob der Begriff des Erzeugnisses darüber hinaus noch abzugrenzen ist gegenüber dem spezielleren Erzeugnisbegriff des Pflanzenschutzrechts173, scheint weniger eine Frage der vorab festzulegenden Begrifflichkeit als eine Frage des Definitionsumfangs. Es bleibt also der Untersuchung selbst überlassen, ob der Begriff des Erzeugnisses unter Einbeziehung seiner z. T. spezielleren Bedeutung zu definieren ist. 173

Vgl. dazu Kloepfer/Knebel (Anm. 5), S. 118.

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G. Begriffe: Produkt, Erzeugnis, Konsumenten-, Publikumsprodukt

c) Konsumentenprodukt, Publikumsprodukt Dieses Vergleichsobjekt ist aus dem Begriffsstamm "Produkt" und der Zweckbestimmung "Verbraucher, Konsument, Publikum" und dergleichen zusammengesetzt. Für den Begriffsstamm gelten die gleichen Begrenzungslinien wie beim Produktbegriff, insbesondere also die Anknüpfung an den Stoffund den Zubereitungsbegriff. Die verbraucherspezifische Ausrichtung macht die Identität dieser Begriffsgruppe aus. Die Bezugsgrößen Verbraucher, Konsument oder Publikum sind allerdings in der Regel nicht definiert174, sondern müssen interpretativ aus dem Kontext erschlossen werden. Besondere Abgrenzungsprobleme dürften insoweit aber nicht bestehen. Eine gewisse Affinität ergibt sich zwischen dem Konsumentenprodukt und dem Artikel. Nach amerikanischer Begriffsbestimmung können "article" und "consumer product" zwar leicht auseinandergehalten werden175. Der deutsche Begriff des Artikels hat jedoch eine starke Ähnlichkeit mit dem Begriff des Konsumentenprodukts, der in der Bundesrepublik Deutschland u. a. wohl auch deswegen nicht verwendet wird. Eine Abgrenzung im Sinne eines Spezialitätsverhältnisses läßt sich daher nur treffen, wenn der Artikelbegriff in seiner gesamten international auftretenden Bedeutungsbreite zugrundegelegt wird. 2. Vberblick

Die fünf untersuchten Begriffe mit Produktbezug werden in unterschiedlichem Umfang verwendet. Während z. B. der Produktbegriff in praktisch allen Chemikaliengesetzen eine wichtige Rolle spielt, kommt der Begriff des Publikumsprodukts nur im Chemikalienrecht der Schweiz vor. Der unterschiedliche Rang der Begriffe zeigt sich auch, wenn man die Häufigkeit der jeweiligen Definitionen miteinander vergleicht. Für den Produktbegriff gibt es gesetzliche Definitionen in Australien, Kanada, Japan, den USA, der Schweiz, Dänemark, Schweden und Norwegen. Der Artikelbegriff ist in Kanada, Japan, Großbritannien, der Schweiz und den USA definiert. Eine Definition für das Erzeugnis findet sich dagegen nur in einem früheren Entwurf zum deutschen Chemikaliengesetz176 sowie in der m Lediglich in 15 U.S.C. Sec. 2301 (3) des Magnusson-Moss-Warranty Federal Trade Commission Improvement Act der USA ist eine Definition für den Konsumenten enthalten. 175 "article" hat eine weniger akzentuierte Verwendungsbestimmung.

I. Ergebnisse der Analyse

103

Vollziehungsordnung zum Schweizer Giftgesetz177• Dies hat mit der Begrenzung des Ausdrucks "Erzeugnis" auf den deutschen Sprachraum zu tun, dürfte aber auch damit zusammenhängen, daß es einen besonderen Bedarf zur eigenständigen Reglementierung der Erzeugnisse in den allgemeinen Chemikaliengesetzen nicht gibt. Ähnliches gilt für den Begriff des Konsumentenprodukts, der nur in den USA definiert wird. Produktbegriffe mit Verbraucherbezug kommen zwar in verschiedenen Chemikalienregelungen Großbritanniens, der Schweiz und der USA vor. Das spricht aber nicht ohne weiteres für die Notwendigkeit, diese Begriffe auch definitorisch eigenständig zu erfassen. Dies ließe sich eher daraus rechtfertigen, daß zwischen den Begriffen Produkt, Artikel und Konsumenten- bzw. Publikumsprodukt ein bestimmtes Beziehungssystem besteht. Das Spektrum international vorkommender Definitionen zeigt schon, wo die Schwerpunkte der Untersuchung und der daran anschließenden Harmonisierung liegen. Auch wenn in der Bundesrepublik Deutschland und im EG-Regelungsbereich die Begriffe Produkt und Artikel nicht besonders definiert sind, kommt ihnen eine Vorrangstellung zu. Wegen der großen Bedeutung der Stoffe und Zubereitungen als Anknüpfungsbegriffe für Chemikalienregelungen besteht vor allem für den Produktbegriff ein Definitionsbedürfnis. Das Produkt wird zwar nicht in gleichem Maße gesetzlich eigenständig erfaßt wie die Stoffe oder Zubereitungen178, doch zwingt schon die inhaltliche Verwandtschaft zu einer begrifflichen Abgrenzung. Es kommt hinzu, daß der Produktbegriff in gewisser Hinsicht als Oberbegriff für die Ergebnisse herstellender Tätigkeiten aufzufassen ist und seinerseits wiederum zumindest gedanklicher Ausgangspunkt ist für die zahlreichen, vor allem in speziellen Chemikaliengesetzen vorkommenden Produktformen mit besonderer Eigenart (z. B. Pflanzenprodukt, Pflanzenschutzmittel, Lebensmittel, Arzneimittel usw.). Auch der inhaltliche Vergleich der Produktdefinitionen dokumentiert dessen Vorrangstellung. Überwiegend wird er mit Inhalten versehen, die so wenig spezifiziert sind, daß er als Zusammenfassung der Ergebnisse von Stoffverarbeitung oder -gewinnung erscheint. Spezifizierungen etwa der Herstellungsform, des Verwendungszwecks und der Formoder Gestaltgebung werden meist vermieden. 176 § 3 Nr. 3 Entwurf eines Chemikaliengesetzes, Stand vom 24. 4. 1979. Im Chemikaliengesetz wird der Begriff des Erzeugnisses lediglich vorausgesetzt und in mehreren Regelungen verwendet; vgl. dazu Kloepfer (Anm. 3), S. 52 und Nöthlichs, Chemikaliengesetz, Komm. Berlin, Stand August 1984 (5. Lfg.), Kennz. 3011 Nr. 3. 177 Art. 4 der Vollziehungsordnung zum Bundesgesetz über den Verkehr mit Giften vom 23. 12. 1971. 178 Vgl. Kloepfer/Knebel (Anm. 5), S. 123.

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G. Begriffe: Produkt, Erzeugnis, Konsumenten-, Publikumsprodukt

Abgestuft vom Produktbegriff hat der Artikelbegriff zumeist eine stärkere Akzentuierung des Verwendungszwecks und mitunter auch der Herstellungsform. 3. Gemeinsamkeiten und Unterschiede im internationalen Vergleich

a) Produkt, Artikel, Erzeugnis Alle Begriffsbestimmungen für das Produkt, den Artikel oder das Erzeugnis bauen auf dem Stoff- und Zubereitungsbegriff als Ausgangsstoff (im weiteren Sinne) auf. Allerdings kommt dies nur in einigen Fällen explizit zum Ausdruck179• Oftmals werden abweichende Terminologien benutzt, die zwar inhaltlich den Stoff- oder Zubereitungsbegriff nicht ausgrenzen, aber z. T. weiter reichen180, z. T. auch unklar bleiben18~. Daneben kommen Ausdrücke wie Naturstoffe, zusammengesetzte Stoffgemische (Schweiz), Rohmaterialien, Hilfsstoffe, halbfertige Güter (Norwegen), Lösungen, Mischungen (Dänemark) oder Gemische (Japan) als Bezeichnungen für die Ausgangsstoffe vor. Trotz der insgesamt unterschiedlichen Terminologie sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, daß substantiell irgendwo etwas entscheidend anderes gemeint sein könnte als die Anknüpfung an den Stoff- und Zubereitungsbegriff. Als gemeinsamer Kern aller vorkommenden Definitionen können diese Begriffe auch in einer harmonisierten Definition vorausgesetzt werden, und zwar gleichermaßen für Produkt, Artikel und Erzeugnis. Charakteristisch ist weiter die aktiv menschliche Einwirkung auf einen stofflichen Gestaltungsprozeß. Sie liegt allen Produktbegriffen zugrunde, da Ausgangsstoffe nur durch wie auch immer geartete Einwirkungen zu einem bestimmten Ergebnis gebracht werden können. Die final ausgerichtete Einwirkung stellt ein Spezifikum der Produktbegriffe dar, das sie insbesondere vom Stoff- und Zubereitungsbegriff unterscheidet. In den existierenden Definitionen kommt dieser Aspekt nicht immer zum Ausdruck. Da die Produktbegriffe (anders als z. B. der Herstellungsbegriff) weit mehr am Ergebnis des Einwirkungsprozesses als an dem Prozeß selber orientiert sind, wird vielfach auf insoweit klarstellende Beschreibungen verzichtet182• Wo Beschreibungen vorhanden So in Australien, Japan, Schweden und der Schweiz. In einigen Gesetzen Kanadas und der USA ist von "Materialien" als Ausgangsstoffe die Rede, in der TSCA von "item", übersetzbar etwa mit Gegenstand, Artikel. 181 Die in § 3 Nr. 3 des Entwurfs zum deutschen Chemikaliengesetz Stand: 24. 4. 1979 - genannten "beweglichen Sachen" weisen kaum noch den Bezug zum Stoff- oder Zubereitungsbegriff auf. 179

180

I. Ergebnisse der Analyse

105

sind, beschränken sie sich mitunter auf die Erwähnung des Herstellens183. Eine Ausgrenzung bestimmter Formen des Herstellungsprozesses wird im übrigen nirgendwo vorgenommen. Daher dürfte auch die Herstellungsform der Gewinnung aus der Natur miterlaßt sein, also nicht nur das eigentliche Be- und Verarbeiten. Diese weite Form der menschlichen Einwirkung auf Ausgangsstoffe zugrundezulegen, ist auch deshalb angebracht, weil der Begriff des Herstellens (manufacture) in mehreren international auftretenden Definitionen und insbesondere in der harmonisierten Definition184 umfassend verstanden wird. Für den Erzeugnisbegriff, soweit er überhaupt vom Produkt unterschieden werden soll, läßt sich einschränkend sagen, daß er ausweislich der Definition in § 3 Nr. 3 des Entwurfs von 1979 zum deutschen Chemikaliengesetz entscheidend auf die Be- und Verarbeitung abstellt. Im übrigen ist für alle produktbezogenen Begriffe kennzeichnend, daß die auf Ausgangsstoffe einwirkende Tätigkeit finalen Charakter hat, d. h. willentlich gesteuert ist und auf ein Ergebnis zielt. Zwischen herstellender Einwirkung und Ergebnis besteht also ein Wirkungszusammenhang. Für eine definitionsmäßig vorgegebene Konkretisierung des Ergebnisses besteht jedoch keine Veranlassung. Auf das Erzielen eines bestimmten, gewollten Ergebnisses kommt es nach den Definitionen und den denkbaren Verwendungsformen des Produktbegriffs nicht an. Ungewollte, weil fehlerhafte oder fehlgeplante Ergebnisse können daher ebenso als Produkte angesehen werden wie gewollte Nebenergebnisse, also Beiprodukte. Auch wenn vom Gesetzgeber eine regelungsmäßige Differenzierung zwischen Produkten, Artikeln, Erzeugnissen einerseits und Beiprodukten, Ausreißern oder dergleichen andererseits vorgesehen sein mag, besteht für eine begriffliche Trennung offenbar kein Bedürfnis. Nicht jede aktive Einwirkung auf Ausgangsstoffe macht diese zwangsläufig zu einem Produkt. Der Definitionsvergleich läßt aber keinen sicheren Schluß auf die geforderte Qualität der Be- oder Verarbeitung bzw. Veränderung der Ausgangsstoffe zu. In verschiedenen Definitionen wird das Erreichen einer bestimmten Gestalt, Ausführung oder Form vorausgesetzt, dies aber ausschließlich im Zusammenhang mit dem Erzeugnisbegriff'85 und dem Artikelbegriff188. Hieraus könnte im Umkehrschluß gefolgert werden, daß es für die Herstellung des Produkts 182 z. B. in Dänemark, Norwegen und der Schweiz. ts3 In den USA z. B. ausgedrückt durch "manufactured item". tBi Vgl. Definition zum Begriff "Herstellen". 185 Vgl. § 3 Nr. 3 des Entwurfs zum deutschen Chemikaliengesetz, Stand: 24. 4. 1979; Art. 4 der VollziehungsVO des Schweizer Giftgesetzes. tss Vgl. Sec. 710.2 (f) der EPA Regulation zur TSCA.

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G. Begriffe: Produkt, Erzeugnis, Konsumenten-, Publikumsprodukt

nicht auf eine bestimmte Form oder Gestaltung ankommt. Der Umkehrschluß allein wäre aber zu spekulativ, da in der Regel aus dem Schweigen einer Definition (auch im Kontrast zu den Definitionen anderer Begriffe) nicht auf bestimmte Inhalte geschlossen werden darf187• Erst die praktisch denkbaren Fälle der Produktentstehung und die Berücksichtigung des Normzwecks können weiteren Aufschluß geben. Praktisch ist durchaus denkbar, daß Ausgangsstoffe, etwa Zubereitungen, nicht ihre Form oder Gestalt, sondern lediglich ihre chemische Konsistenz geringfügig ändern, um dennoch als Produkte in den Verkehr gebracht zu werden. Ein Teil der Produkte in der chemischen Industrie wäre sonst nicht erlaßt. Und auch dem generellen Schutzzweck des Chemikalienrechts entspricht es, wenn für die Produktentstehung nicht auf eine bestimmte Eigenart des erzielten Ergebnisses abgehoben wird. Die Frage, inwieweit der Verwendungszweck ein notwendiges Unterscheidungsmerkmal darstellt, ist für die einzelnen Vergleichsobjekte differenziert zu beantworten. Das Produkt ist offenbar nicht mit einer konkreten Zweckbestimmung verknüpft. Im Normalfall zwar dient es dazu, in den Verkehr gebracht zu werden, hat insofern eine kommerzielle Ausrichtung. Die Definitionen selbst enthalten aber (anders als die Erzeugnis- und Artikeldefinitionen) insoweit keinerlei Hinweise. Sie scheinen im Gegenteil davon auszugehen, daß die Umweltgefährlichkeit des Produkts allein durch die objektive Möglichkeit und nicht erst durch die Absicht zum loverkehrbringen entsteht. Damit wäre die Produktherstellung für eigene Zwecke mit erfaßt188• Der Produktbegriff steht zwar wie alle anderen mit ihm verwandten Begriffe in einem kommerziellen Bezugsrahmen. Aber erst bei den spezielleren Produktarten "Erzeugnis" und "Artikel" ist der Zusammenhang so eng, daß er sich auch definitorisch niederschlägt. Im (früheren) deutschen und Schweizer Erzeugnisbegriff weisen die Formulierungen "einem bestimmten Zweck zu dienen bestimmt" bzw. "im Hinblick auf bestimmte Verwendungen" 189 darauf hin, daß die Verwendung für den kommerziellen Verkehr von konstitutiver Bedeutung ist. In noch speziellerer Bedeutung wird der Erzeugnisbegriff im deutschen Pflanzenschutzrecht verwendet, wo er sich auf natürlich hervorgebrachte Pflanzenprodukte bezieht; die Be- oder Verarbeitung tritt hier in den Hintergrund. 187 Dies würde eine nicht vorhandene - internationale Übereinstimmung der Definitionstechniken voraussetzen. 188 Die gleiche Bewertung ergibt sich aufgrund der Analyse zum Begriff Herstellen; vgl. Abschnitt A., S. 28 und 33. 189 Art. 4 des früheren Entwurfs zum Chemkialiengesetz, Art. 4-6 der VollziehungsVO zum Giftgesetz.

I. Ergebnisse der Analyse

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Beim Artikelbegriff wird überwiegend noch detaillierter definiert als beim Erzeugnisbegriff. In der japanischen und der amerikanischen Definition etwa ist der Verwendungszweck dahin konkretisiert, daß der Artikel in einer konsistenten Form oder Gestalt erscheint und für den Endverbrauch bestimmt ist190• Die Zweckbestimmung für den Endverbraucher dürfte auch dem deutschen Verständnis vom Rechtsbegriff Artikel entsprechen. In der Festlegung einer Form- oder Gestaltgebung und eines Verwendungszweckes liegt offenbar der entscheidende Unterschied des Artikels zum Produkt.

b) Konsumentenprodukt, Publikumsprodukt Der skizzierte Produktbegriff ist auch in den wenigen Definitionen vorausgesetzt, die dem Konsumenten- bzw. Publikumsprodukt Konturen geben. Deren Eigenart liegt in der besonderen Zweckbestimmung des Produkts. Die Zweckbestimmung besteht zunächst darin, daß den Produkten eine Gebrauchs- und Verbrauchsfunktion außerhalb des Herstellerbereichs zugewiesen ist. Produkte für reine Forschungs- oder sonstige innerbetriebliche Zwecke sind damit ausgegrenzt. Insoweit bestehen begriffliche Parallelen zum Artikel. Darüber hinaus richtet sich das Konsumenten-/ Publikumsprodukt an eine bestimmte Zielgruppe, nämlich an die Konsumenten bzw. Verbraucher. Dies bedingt spezielle, auf die Bedürfnisse des Abnehmerkreises zugeschnittene Produktionsergebnisse. Sie lassen sich nicht im einzelnen darstellen, zeichnen sich aber dadurch aus, daß sie in gewissem Umfang Massencharakter haben, insbesondere also Einzelanfertigungen und abgehobene Luxusgüter nicht erlaßt sind. Näher beschrieben ist diese Verbraucherorientierung in einer Definition des amerikanischen Consumer Product Safety Act. Danach ist das Konsumentenprodukt ein Artikel, der für den Verkauf an einen Konsumenten zum Gebrauch im Haushalt oder häuslichen Bereich, in der Schule, bei der Erholung oder in anderer Weise oder für den persönlichen Gebrauch, Verbrauch oder zur Annehmlichkeit eines Konsumenten im Haushalt oder häuslichen Bereich, in der Schule, bei der Erholung oder in anderer Weise hergestellt und verteilt wirdm. Andere Definitionen sind allgemeiner oder geben nur knappe Begriffsbeschreibungen192. 190 Vgl. Sec. 1 und 4 der japanischen Interpretation and Application of Law Concerning the Examination and Regulation of Manufacture, etc. of Chemical Substances; Sec. 710.2 (f) EPA Regulation zur TSCA. 191 Sec. 3 (1) CPSA.

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G. Begriffe: Produkt, Erzeugnis, Konsumenten-, Publikumsprodukt

Auffällig ist, daß die amerikanischen Definitionen eine Akzentuierung auf dem Bereich der Privatsphäre haben, die bei der Schweizer und bei der britischen Definition fehlt. Im übrigen aber divergieren die vorhandenen Definitionen nicht so weit, daß daraus Konsequenzen für eine eventuelle Definitionsharmonisierung zu ziehen wären. Die Endverbrauchsfunktion, die intendierte Breitenwirkung und die verbraucherorientierte Bestimmung sind durchgängige Merkmale193• Für die Auswertung des Begriffsvergleichs ist allerdings zu berücksichtigen, daß die vorfindbaren Begriffe in recht unterschiedlichen Funktionszusammenhängen stehen. Während dem amerikanischen Konsumentenprodukt eine zentrale Bedeutung für den Verbraucherschutz unter dem Aspekt umweltgefährlicher Stoffe zukommt, wird der entsprechende britische Begriff (consumable produce) - soweit ersichtlich - nur im Zusammenhang mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen verwendet. Und in der Schweiz wird der Begriff des Publikumsprodukts in ganz unterschiedlichen Sachzusammenhängen gebraucht, so bei der Giftklasseneinteilung, bei bestimmten formalen Verfahrensregelungen oder auch nur zur Abgrenzung gegenüber anderen Stoffen und Produkten. Es kommt hinzu, daß Produktbegrüfe mit speziellem Verbraucherbezug in der Gesetzgebung der sonstigen westeuropäischen und außereuropäischen Länder keine Eigenständigkeit besitzen. Diesbezügliche Regelungen kommen zumeist ohne besonderes Begriffsinstrumentarium aus.

Daher läßt sich ein Harmonisierungsbedarf für den Begriff des Konsumenten- und Publikumsprodukts insgesamt kaum feststellen. II. Harmonisierungserörterungen 1. Allgemeines

Der internationale Vergleich führt zu mehreren Schlußfolgerungen. Wegen der unterschiedlichen Erheblichkeit und Definitionsdichte sind nicht alle Begriffe harmonisierungsbedürftig. Nur bei den Begrüfen Produkt, Artikel und ansatzweise Konsumentenprodukt ist die Verwendungshäufigkeit und die Definitionsdichte so ausgeprägt, daß die Be192 Vgl. U.S.C. § 2301 (1) des amerikanischen Magnusson-Moss-Warranty Federal Trade Commission lmprovement Act; Art. 5 der VollziehungsVO zum Schweizer Giftgesetz; § 10 des britischen Agriculture (Poisonous Substances) Act. 193 Vgl. Kloepfer/Knebel (Anm. 5), S. 128 f.

II. Harmonisierungserörterungen

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griffsharrnonisierung unter dem Aspekt der Vereinheitlichung der internationalen Rechtsbeziehungen lohnt. Aus dem Vergleich folgt außerdem, daß die Begriffe in einem Spezialitätsverhältnis zueinander stehen. Das Produkt ist als Oberbegriff für alle Produktformen aufzufassen, die am Ende eines Herstellungsprozesses aufgrund aktiver Einwirkung auf Ausgangsstoffe stehen. Der Artikel (wie auch das Erzeugnis) weist eine stärkere Betonung des Herstellungsergebnisses im Sinne einer bestimmten Zweckrichtung auf. Und das Konsumentenprodukt (wie auch das Publikumsprodukt) hatnoch spezieller - eine verbraucherorientierte Zwecksetzung. Obwohl eigenständige Definitionen insgesamt gesehen nicht sehr häufig vorkommen und auch die Verwendungsformen, d. h. die Einbindungen in das jeweilige Normsystem relativ unterschiedlich sind, können begriffliche Übereinstimmungen klar festgestellt werden. Dies dürfte vor allem daran liegen, daß die Begriffsinhalte sprachlich weitgehend vorgeklärt sind und besondere Abgrenzungsprobleme kaum auftreten. Nur in einzelnen Fällen müssen die harmonisierten Definitionen über das hinausgehen, was durch den jeweiligen Begriffskern vorgegeben ist. 2. Jeweilige Definitionsinhalte a) Produkt

Soweit der Produktbegriff in nationalen Gesetzen definitionsmäßig festgelegt ist, weist er einen relativ klaren und international einheitlichen Inhalt auf. Die Homogenität, wie sie in den Definitionen zum Ausdruck kommt, indiziert eine überall bestehende Geschlossenheit. Also auch dort, wo nur durch Verwendungsformen des Begriffs und durch dessen Verhältnis zu anderen Begriffen auf den Inhalt geschlossen werden kann1u, gibt es, soweit erkennbar, keine substantiellen Abweichungen. Das Produkt wird durchgängig als Oberbegriff für alle daraus ableitbaren Produktarten aufgefaßt. Auch inhaltlich ist der Produktbegriff soweit geklärt, daß sich die Harmonisierung im wesentlichen auf die Festlegung einer vereinheitlichten Terminologie beschränken kann. (1) Ausgangsstoffe Für die Ausgangsstoffe ließen sich zwar unterschiedliche Bezeichnungen wie etwa Materialien, Rohmaterialien, Rohstoffe oder Gegenstände denken, da die meisten solcher- auch .gebräuchlichen - Bezeichnungen die Ausgangsstoffe nicht inhaltlich einschränken würden. Auf der anderen Seite könnte auch spezifiziert werden, indem die chemikalienm Dies ist insbesondere bei der Bundesrepublik Deutschland und im EGRegelungsbereich der Fall.

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G. Begriffe: Produkt, Erzeugnis, Konsumenten-, Publikumsprodukt

typischen Termini wie Gemische, Gemenge, Lösungen, Zubereitungen etc. benutzt werden, um durch sie die möglichen Ausgangsstoffe zu illustrieren. Es spricht aber viel dafür, die auch in den Gesetzen als zentrale Begriffe immer wieder zugrundegelegten Stoffe und Zubereitungen in die Definition aufzunehmen. Die Begriffe Stoff und Zubereitung sind in ihrer Bedeutung für das Chemikalienrecht in etwa gleichrangig mit dem Produkt. Sie decken alle Ausgangsstoffe ab, wie sich insbesondere aus den hier entwickelten harmonisierten Definitionen ergibt195• Auch dort, wo (noch) hiervon abweichende Definitionen vorhanden sind, hat jedenfalls der Stoffbegriff eine solche Allgemeinheit, daß er die Ausgangsstoffe vollinhaltlich erfaßt. (2) Gestal tungsprozeß Die Form der auf diese Ausgangsstoffe zielenden Einwirkungen braucht nicht näher qualifiziert zu werden. Sowohl die eigentlichen Be- und Verarbeitungsvorgänge als auch die Gewinnung aus der Natur können zur Entstehung eines Produkts führen. Schwierigkeiten könnten nur im Falle der Übersetzung des deutschen Begriffs "Erzeugnis" mit "product" dann auftreten, wenn das Erzeugnis einschränkend nur auf die eigentliche Be- und Verarbeitung bezogen wird. Insofern würde für den englischen Produktbegriff unter Umständen ein Klarstellungsbedürfnis bestehen. Im übrigen entspricht es allgemeinem Verständnis, daß zwar im Vordergrund das aktive Bearbeiten von Ausgangsstoffen steht, das ein Produkt aber auch durch rein biologische Prozesse entstehen kann. Ob die Möglichkeit beider Gestaltungsprozesse in der Definition zum Ausdruck kommt, ist nicht so sehr eine inhaltliche als eine definitionstechnische Frage. In verschiedenen Defiliitionen wird darauf verzichtet, um den Akzent auf das Ergebnis und weniger auf den Gestaltungsprozeß zu setzen. Um aber einschränkende Interpretationen sicher ausschließen zu können, empfiehlt sich die explizite Klarstellung. Hierfür den Ausdruck "Herstellen" zu wählen, scheint zwar möglich, wenn man die umfassende Bedeutung der harmonisierten Definition zugrundelegt. Dennoch sollte klarstellend das Be- oder Verarbeiten und die Gewinnung aus der Natur erwähnt werden. Dies hat zum einen definitionstechnische Gründem. Zum anderen ist nicht ganz sicher, ob das im Produktbegriff enthaltene finale Element mit dem Ausdruck "Herstellen" ebensogut wiederzugeben ist, weil die Definition für Her195 Vgl. die Definitionen für "Stoff" und "Zubereitung" in den Abschnitten D. und E. 196 Bei der Verwendung des Wortes "Herstellen" könnte der Bezug zu den Ausgangsstoffen "Stoffe und Zubereitungen" sprachlich nur schwer ausgedrückt werden.

I I. Harmonisierungserörterungen

111

stellen willentlich gesteuertes und zielorientiertes Handeln nicht notwendig voraussetzt. Die Zielorientierung des Gestaltungsprozesses ist ein wesentliches Moment. Der Produktbegriff setzt aber nicht voraus, daß das erzielte Produkt auch das tatsächlich gewollte ist. Denn Regelungslücken wären unvermeidlich, wenn stets nur das konkret geplante Ergebnis vom Produktbegriff erfaßt wäre, nicht aber das fehlerhafte oder ungewollte Ergebnis oder das Beiprodukt. Es kommt also nur auf die generelle Ergebnisrichtung der Einwirkungstätigkeit an. (3) Form und Gestalt Das Produkt muß keine bestimmte Form- oder GestaZtgebung besitzen. Dies folgt aus den insoweit offenen Definitionen und auch daraus, daß die Funktion als Oberbegriff erfordert, grundsätzlich auch solche Herstellungsergebnisse einzubeziehen, bei denen die Ausgangsstoffe lediglich neu zusammengesetzt oder geringfügig verändert wurden. Entscheidend ist nur, daß und nicht wie sich die Ergebnisse aufgrund einer Einwirkung von den Ausgangsstoffen unterscheiden. (4) Verwendungszweck Der Zweck des Produkts ist darauf gerichtet, daß es irgendeiner Verwendung zugeführt wird. Ein Ergebnis, das nur um seiner selbst willen, also ohne weiteren Verwendungszweck hergestellt wurde, ist praktisch etwa im privaten oder rein experimentellen Bereich denkbar, wo es unter Umständen nur auf den Gestaltungs- oder Entwicklungsprozeß ankommt und das daraus entstandene Ergebnis keine weitergehende Bedeutung hat. Solche funktionslosen Ergebnisse sind aber von den Produkten zu unterscheiden, die durchweg in einem kommerziellen Bezugsrahmen stehen. Eine weitere Konkretisierung des Verwendungszwecks allerdings würde den Wirkungsbereich des Produktbegriffs unnötigerweise einengen. Wegen der generellen Schutzrichtung des Umweltchemikalienrechts sind auch solche Produkte zu erfassen, die nicht oder nicht in dieser Form in den Verkehr gebracht werden sollen. Aus dem gleichen Grunde kommt es auch nicht darauf an, ob eine weitere Produktbeader -Verarbeitung geplant ist. Daher gehören auch Roh- und Zwischenprodukte zum Produktbegriff. Für die Verständlichkeit und Klarheit der harmonisierten Definition scheint es angebracht, nur die drei Hauptelemente - Ausgangsstoffe, Einwirkungsaktivität, Ergebnis - in die Definition aufzunehmen und auf den Finalzusammenhang und Verwendungszweck bei den Anmerkungen einzugehen.

112

G. Begriffe: Produkt, Erzeugnis, Konsumenten-, Publikumsprodukt

b) Artikel Auf der Grundlage des skizzierten Produktbegriffs läßt sich auch die Definition für den Artikel entwickeln. Dies setzt jedoch voraus, daß nicht die gesamte Variationsbreite möglicher Wortbedeutungen ausgeschöpft, sondern nur der im Umweltchemikalienrecht .gebräuchliche Artikelbegriff herangezogen wird. Abgesehen von seinen ohnehin vielfältigen Bedeutungen außerhalb der Rechtssprache wird der Artikel nämlich als Bezeichnung für Rechtsnormen, als Abschnittsbezeichnung in Verlautbarungen, Verträgen etc., zur Kennzeichnung listenmäßig aufgeführter (Regelungs-)Gegenstände oder zur Identifizierung von Warengattungen verwendet. Nur in dieser letzten Funktion findet sich der Bezug zum Produkt und auch dann noch in einer Bedeutungsbreite, die nur zum Teil in Umweltchemikalienregelungen enthalten ist. Im deutschen Umweltchemikalienrecht etwa könnte der Artikel (im Sinne von Warengattung) zwar als Anknüpfungspunkt dienen, tatsächlich spielt er hier aber nur eine untergeordnete Rolle. Funktionen, wie sie der Artikelbegriff im Ausland häufig haben mag, übernimmt im deutschen Chemikalienrecht eher der Begriff Produkt, zum Teil auch der Begriff Erzeugnis. Vom Standpunkt internationaler Harmonisierung aus gesehen ist der Nutzen einer begrifflichen Festlegung des (produktbezogenen) Artikelbegriffs allerdings nicht zu leugnen. Wichtig ist nur, daß bei dieser Festlegung die Anpassungsmöglichkeiten auch solcher Rechtssysteme berücksichtigt werden, die den Begriff bisher nicht oder nur in anderen Funktionszusammenhängen verwenden. Für die Definition des Artikels muß daher eine Flexibilität hergestellt werden, die eine Übernahme insbesondere für das deutsche und das EG-Chemikalienrecht ohne weiteres ermöglicht. Der Definitionsstamm ist durch den definierten Produktbegriff vorgegeben. Wie der internationale Vergleich zeigt, steht beim Artikel die verbrauchsorientierte Bestimmung im Vordergrund. Das Produkt wird hergestellt, um dem Verbraucher zugeführt zu werden. Daraus ergeben sich die einzelnen Definitionsinhalte. Anders als das Produkt erfordert der Artikel stets die Vermarktung bzw. Vermarktungsabsicht 197• Im Gegensatz zum Produkt kommt der Artikel durch die eigentliche Be- und Verarbeitung, die manuelle oder fabrikmäßige Herstellung also zustande. Ein aus der Natur gewonnenes Produkt wird erst durch weitere Verarbeitung ausreichend dürfte auch die Verpackung sein - zum ArtikeP 98 • Eine Artikelherstellung für eigene Zwecke ist demnach ausgeschlossen. z. B. durch Hinweise auf "manufactured" oder "fabricated", die bei den Produktdefinitionen fehlen. 197

198

li. Harmonisierungserörterungen

113

Die verbrauchergerechte Herstellung erfordert auch eine gewisse Form- oder Gestaltgebung. Nur dadurch kann den Bedingungen der Vermarktung entsprochen werden. Von begriffskonstituierender Bedeutung ist schließlich auch die Bestimmung zum Endgebrauch. Jedenfalls legen die meisten der vorhandenen Artikeldefinitionen ein besonderes Gewicht darauf, daß die vermarkteten Produkte eine Gebrauchs- oder Verbrauchsfunktion aufweisen, die der Endabnehmer beim Erwerb des Produkts erwartet199• Hierin dürfte zugleich der entscheidende Unterschied zum Begriff des Erzeugnisses liegen, wie er sich in den Regelungen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz zeigt. Zwischen der Endgebrauchsfunktion und der Form oder Gestalt besteht ein enger Zusammenhang. Da sich die Erwartung der Endabnehmer an eine bestimmte Kontinuität in der Form- oder Gestaltgebung knüpft, gehört es zum Artikelbegriff, daß sich Form und Gestalt bis zum Endverbrauch nicht wesentlich ändern. Bezogen auf die chemikalienspezifische Ausrichtung muß der Artikel seine chemische Zusammensetzung während des Endgebrauchs im wesentlichen beibehalten. All diese Definitionsinhalte sind in den meisten Definitionen - ausdrücklich oder implizit - enthalten. Als Vorbild kommt am ehesten die in den Ausführungsbestimmungen zum amerikanischen TSCA festgelegte Definition in Betracht200•

c) Erzeugnis Die wenigen verwertbaren Definitionen und Begriffsverwendungen zum Erzeugnis lassen eine inhaltliche Klärung kaum zu. Der Begriff besitzt zwar eine eigene Identität, die zwischen dem (allgemeineren) Produkt- und dem (spezielleren) Artikelbegriff liegt. Das Erzeugnis ließe sich daher im Sinne eines Produkts mit Vermarktungsbezug beschreiben. Wie sich aber insbesondere aus der Analyse des Artikelbegriffs ergibt, sind die Unterscheidungsmerkmale zwischen Artikel und Erzeugnis so gering, daß sich eine eigenständige Erzeugnisdefinition kaum lohnt. Soweit die Identität des Erzeugnisbegriffs aus den vorhandenen Definitionen überhaupt deutlich wird, kommt es hier offenbar weniger auf die Endgebrauchsfunktion an, so daß die Vermarktungsbestimmung weniger ausgeprägt ist. Aber auch unabhängig von dieser nur schemenhaft möglichen Abgrenzung zum Produkt201 und zum Artikel ist es nicht 199

So in den Definitionen Australiens, Japans, Großbritanniens und der

200

Sec. 710.2 (f) EPA Regulation zur TSCA. Vgl. hierzu oben S. 105.

USA. 201

8 Kloepfer I Bosselmann

114

G. Begriffe: Produkt, Erzeugnis, Konsumenten-, Publikumsprodukt

sinnvoll, eine harmonisierte Definition vorzuschlagen. Die Diskrepanz zwischen dem nur in der deutschen Rechtssprache verwendeten Begriff Erzeugnis und dem sonst gebräuchlichen Produkt- und Artikelbegriff ist zu groß, um das Erzeugnis eigenständig definieren zu können. Die Funktionen des Erzeugnisbegriffes werden nämlich außerhalb der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz weitgehend vom Produktbegriff und vom Artikelbegriff übernommen. Soweit das Erzeugnis als allgemeine Umschreibung eines durch Be- oder Verarbeitung von Ausgangsstoffen zustandegekommenen Ergebnisses definiert wird202, ist die Begriffsnähe zum Produkt und sogar die Identität zum englischen "product" gegeben. Soweit eine speziellere Definition verwendet wird - wie etwa in dem früheren Entwurf zum deutschen Chemikaliengesetz - , kann das Erzeugnis, jedenfalls aus ausländischer Sicht, mit dem Artikelbegriff gleichgesetzt werden. Sowohl inhaltliche als auch konzeptionelle Gründe sprechen somit dafür, auf eine harmonisierte Definition zu verzichten. Stattdessen sollte der Erzeugnisbegriff in Form einer Definitionsanmerkung kurz angesprochen werden, wegen der relativen Begriffsnähe zweckmäßigerweise bei den Anmerkungen zur Artikeldefinition.

d) Konsumentenprodukt, Publikumsprodukt Das Konsumenten- bzw. Publikumsprodukt geht vom Produktbegriff aus, hat aber- wie der Artikel- eine auf den Ge- oder Verbrauch zielende Zwecksetzung. Insofern läßt er sich auch als eine (spezielle) Form des Artikels auffassen. Gegenüber dem Artikel ist er durch eine besondere Konsumentenbzw. Verbraucherorientierung gekennzeichnet. Die Bedürfnisse dieser meist privaten Abnehmer stehen im Mittelpunkt. Daher haben Konsumentenprodukte einen gewissen Massencharakter, sind also durch eine relativ hohe Produktionsziffer und durch eine den durchschnittlichen Erwartungen entsprechende Vermarktung, etwa bei Form, Gestaltung und Preis, bestimmt. Tendenziell davon zu unterscheiden sind vor allem Luxusgüter, Einzelanfertigungen und dergleichen. Eine Spezifizierung des Massencharakters läßt sich allerdings nicht vornehmen. Die auch beim Artikel vorhandene Endgebrauchsfunktion ist beim Konsumentenprodukt gelegentlich dahin konkretisiert, daß der Ge- oder Verbrauch auf den persönlichen, familiären oder häuslichen Bereich beschränkt ist 203 • 202 203

Dies klingt in Art. 4 der VollziehungsVO zum Schweizer Giftgesetz an. Vgl. vor allem Sec. 3 (1) der amerikanischen CPSA.

II. Harmonisierungserörterungen

115

Hierin liegt allerdings nicht unbedingt ein begriffskonstituierendes Merkmal. Speziell das Publikumsprodukt weist diese Zweckkonkretisierung nicht auf204 • Auch sonst ist der Begriffsinhalt des Konsumentenprodukts zwar typischerweise, aber nicht notwendigerweise auf den privat-häuslichen Sektor beschränkt. Weitere Definitionsinhalte lassen sich schon wegen der geringen Verwendungshäufigkeit des Begriffs nicht geben. Die Verwertbarkeit einer harmonisierten Definition ist im übrigen einerseits durch die Beschränkung auf zur Zeit wenige Länder begrenzeos und andererseits noch dadurch, daß die Verwendungsformen recht unterschiedlich sind206• Daher wird sich die vorzuschlagende Definition auf die Klärung des Verhältnisses zum Produkt- und Artikelbegriff konzentrieren, die Bedeutung und die Anwendungsbreite erläutern, aber keine abschließende Festlegung auf bestimmte Elemente vornehmen. 3. Ergebnis

Die Begriffe Produkt, Artikel und Konsumenten-/Publikumsprodukt können auf der Grundlage existierender Definitionen als jeweils eigenständige Definitionen harmonisiert werden. Das derzeit vorherrschende Begriffsverständnis ist so homogen und ausgeprägt, daß die Harmonisierung (derzeit) ohne besondere Begriffsfortbildung möglich ist. Allerdings ist die Begriffskonformität beim (allgemeineren) Produkt größer als beim (spezielleren) Konsumenten-/Publikumsprodukt oder gar bei dem- nicht definitionsgeeigneten- Wort Erzeugnis. Die harmonisierten Definitionen stehen in einem Spezialitätsverhältnis zueinander. Das Produkt ist Oberbegriff für alle durch Be- oder Verarbeitung von Stoffen oder Zubereitungen oder durch natürliche Gewinnung erzielten Ergebnisse. Der Artikel ist ein geformtes oder gestaltetes Produkt, das in den Verkehr gebracht ist oder werden soll und zum Endgebrauch bestimmt ist. Das Konsumenten-/Publikumsprodukt ist ein (Massen-)Artikel, der normalerweise dem persönlichen Bedarf oder dem Gebrauch in der Familie oder im Haushalt dient. 20 4 2

Vgl. Art. 5 der VollziehungsVO zum Schweizer Giftgesetz.

os USA, Großbritannien, Schweiz.

206 Sie reichen von der (untergeordneten Funktion) bei der Giftklassifizierung bis hin zum zentralen Anknüpfungspunkt für Verbraucherschutz gegen umweltgefährliche Stoffe.

s•

116

G. Begriffe: Produkt, Erzeugnis, Konsumenten-, Publikumsprodukt 4. Vergleich mit dem vorgeschlagenen Konzept des OECD-Glossariums a) Wesentlicher Inhalt

Das Konzept der OECD-Expertengruppe gliedert sich in zwei Definitionen (zu Produkt und Artikel) und eine als Hinweis zur Produktdefinition formulierte Beschreibung des Konsumentenprodukts. Die Definition für "Produkt" lautet: "Ein Stoff, Gemisch oder eine Zubereitung, angefertigt oder aus der Natur gewonnen oder ein Artikel".207 Die Definition für "Artikel" lautet: "Ein Gegenstand, der in eine bestimmte Form gebracht ist". 208 Die Beschreibung zum "Konsumentenprodukt" lautet: "Der zusammengesetzte Ausdruck "Konsumentenprodukt" wird manchmal benutzt, um ein Produkt zu bezeichnen, das in den Verkehr gebracht ist und normalerweise für persönliche, familiäre oder haushaltsgebundene Zwecke gebraucht wird". 209 207

A. Definition

Product

A substance, mixture or preparation, manufactured, or obtained from nature or an article.

B. Statement of Intent For purposes of regulation chemicals, the definition is intended to include everything that could be put into circulation. C. Annotation

C 1 The term is intended to include - biological products - all by-products and impurities not removed during the manufacturing process. C 2 The term does not necessarily imply the intention to put into circulation. D. Speciat Remarks D 1 In various Member countries the definition of the term "product" may not include "article". 208

A. Definition

Articte

Something fabricated to a specified form.

B. Statement of Intent

The definition describes a kind of product that is usually not directly regulated under chemieals controllaws.

C. Annotation

The term implies: - fabrication to a specific shape or design intended for specific end uses; - that the chemical composition does not significantly change during end use.

D. Special Remarks D 1 Various Member countries do not use the term "article" to imply fabri-

cation. D 2 It should be noted that "article" is widely used in law. Consequently large differences in definition or use of the term "article" appear in different laws especially customs control regulations.

II. Harmonisierungserörterungen

117

Aus diesen Definitionen wird deutlich, daß die Begriffe inhaltlich aufeinander bezogen sind. Der Oberbegriff Produkt schließt den Artikel als eine besondere Produktform ausdrücklich ein, wobei in den Erläuterungen zur Definition - mit Rücksicht u. a. auf die Bundesrepublik Deutschland- darauf hingewiesen wird, daß dieser Einschluß nicht in allen Mitgliedsländern der OECD so gesehen wird. Die kommerzielle Ausrichtung des Produktbegriffs wird dahin konkretisiert, daß die Absicht zum Inverkehrbringen eine typische, nicht aber begriffsnotwendige Erscheinung ist. Der dem Produkt vorangehende Herstellungsprozeß wird als ergebnisorientiert, nicht aber als konkret produktbezogen dargestellt. Erfaßt sind daher auch Beiprodukte und Verunreinigungen. Die Herstellung selber kann als Be- oder Verarbeitung oder natürliche Gewinnung auftreten; nur klarstellende Bedeutung hat daher der Hinweis, daß auch "biologische Produkte" eingeschlossen sind. Das Wesen des Artikels liegt in seiner bestimmten Formgebung, die dann in der Annotation als Anfertigung (fabrication) einer besonderen Form oder Gestalt konkretisiert wird. Weiter heißt es dort, daß der Artikel den Zweck zum Endgebrauch beinhaltet und daß die chemische Zusammensetzung sich während des Endgebrauchs nicht wesentlich verändern darf. Die "Special Remarks" weisen schließlich darauf hin, daß der Artikelbegriff wegen seiner international großen Verbreitung unterschiedliche Inhalte und Funktionszusammenhänge hat. Das Konsumentenprodukt wird als Kurzbeschreibung und nach dem Vorbild der entsprechenden amerikanischen Definition erläutert.

b) Vbereinstimmungen und Unterschiede Das OECD-Konzept und dessen Inhalte stimmen mit den hier vorzuschlagenden Definitionen in weiten Teilen überein. Unter Einbeziehung ihres jeweiligen Interpretationszusammenhanges dürften beide Konzepte gleichermaßen praktisch umzusetzen sein. Ein nicht unerheblicher Einwand kann allerdings wohl gegen die Definition des Produkts vorgebracht werden. Isoliert betrachtet kann sie zu Schwierigkeiten bei der Unterscheidung zwischen Produkt einerseits und Gemisch und Zubereitung andererseits führen. Die Struktur der Definition ist nämlich so gefaßt, daß ein Gemisch oder eine Zubereitung durch die Herstellung zum Produkt wird. Da aber Gemisch und Zubereitung ihrerseits als (hergestellte) Zusammensetzungen von Aus209

D

3 The composite term "consumer product" is sometimes used to connote a product which is put into circulation an which is normally used for personal, family or household purposes.

118

G. Begriffe: Produkt, Erzeugnis, Konsumenten-, Publikumsprodukt

gangsstoffen definiert sind210 , ist nicht auszuschließen, daß die Abgrenzung zum Produkt unscharf wird und zu praktischen Regelungsproblemen führen kann. Zwar wird in der Produktdefinition anders als bei den Gemisch- und Zubereitungsdefinitionen der Akzent auf die Herstellung (in beiden Alternativen) gesetzt. Doch wird damit wiederum eine begriffliche Nähe zum "Herstellen" geschaffen211, die der Ergebnisorientierung des Produkts nicht völlig gerecht wird. Der Grund für diese Auslegungsschwierigkeit liegt in dem - an sich berechtigten- Anliegen, den Chemikalienbezug des Produkts zu verdeutlichen. Da aber der Produktbegriff wie alle anderen Definitionsharmonisierungen ohnehin unter dem Vorbehalt einer umweltchemikalienrechtlichen Einbindung steht, ist eine Erwähnung der Stoffe, Gemische und Zubereitungen als mögliche Produktformen entbehrlich und sollte zur Vermeidung von Abgrenzungsproblemen unterbleiben. Der bessere Weg dürfte darin liegen, als Produktform nur das "Ergebnis" aufzuführen und den Chemikalienbezug durch die Aufgliederung der Ausgangsstoffe in "Stoffe und Zubereitungen" herzustellen. Dadurch wird begrifflichen Überlappungen schon im Ansatz vorgebeugt212 • In der Substanz unterscheidet sich die OECD-Definition dagegen nicht von der hier vorgeschlagenen. Die noch verbleibenden Divergenzen beziehen sich nur auf einige klarstellende Formulierungen213• Das gleiche läßt sich für die Gegenüberstellung der beiden Artikeldefinitionen sagen. Zur weiteren inhaltlichen Klärung scheint es allerdings sinnvoll, die in dem OECD-Vorschlag nur als Annotation getroffenen Hinweise über die Endgebrauchsfunktion in die Definition selbst aufzunehmen. Dieser Aspekt des Artikelbegriffs ist nicht, wie im OECDVorschlag anklingend, nur von definitionserläuternder, sondern von begriffskonstitutiver Bedeutung. Der zwischen dem Artikelbegriff und dem Begriff des Konsumentenprodukts bestehende enge Zusammenhang würde deutlicher zum Ausdruck kommen, wenn für das Konsumentenprodukt eine eigene Definition formuliert wird anstelle einer Erläuterung im Rahmen der Produktdefinition. Darüber hinaus könnten noch einige zusätzliche Aspekte zum Verhältnis zwischen Produkt, Artikel und Konsumentenprodukt erwähnt werden, welche die Bedeutung und die Verwendungsformen 210 Vgl. z. B . die entsprechenden OECD-Definitionen; Anhang "Schlußbericht" unter "Zubereitung" und "Gemisch". 211 Vgl. OECD-Definition zu "Herstellen"; Anhang "Schlußbericht". 212 Vgl. auch den ausdrücklichen Hinweis in der hier vorgeschlagenen Stoffdefinition; Abschnitt D., S. 80 unter Anm. b). 21 3 Das im OECD-Vorschlag jeder Hinweis auf die Beziehung zum Erzeugnisbegriff fehlt, dürfte vor allem sprachliche Gründe haben.

III. Definitionsvorschläge

119

des Konsumentenprodukts bzw. Publikumsprodukts klarer erscheinen lassen. Insgesamt dürfte die Praktibilität des hier vorgeschlagenen Konzepts höher liegen als beim OECD-Vorschlag. 111. Definitionsvorschläge

Die Definitionsvorschläge für die Begriffe Produkt, Artikel und Konsumententprodukt, Publikumsprodukt lauten demnach: 1. Produkt Definition: Ein durch Be- oder Verarbeitung von Stoffen oder Zubereitungen oder durch Gewinnung aus der Natur erzieltes Ergebnis.

Anmerkungen:

a) Das Produkt ist als Oberbegriff für Herstellungsergebnisse spezieller Art, insbesondere für den Artikel, das Erzeugnis und das Konsumenten-/Publikumsprodukt aufzufassen. b) Zum Ausdruck "Stoffe und Zubereitungen" vgl. entsprechende Definitionen. c) Die Entstehung des Produkts setzt einen zielorientierten Gestaltungsprozeß voraus. Für den Produktbegriff ist dagegen nicht entscheidend, daß der Gestaltungsprozeß ausschließlich auf ein bestimmtes Ergebnis zielt oder daß das erzielte Ergebnis mit dem gewollten übereinstimmt. Daher sind Bei- bzw. Nebenprodukte ebenso erfaßt wie fehlerhafte Produkte. d) Der Produktbegriff schließt die Absicht der Verwendung, nicht aber notwendigerweise die Absicht zum Inverkehrbringen oder die Eigenschaft als Endprodukt ein. Erfaßt sind daher auch Produkte für eigene Zwecke sowie Roh- und Zwischenprodukte. e) Der in verschiedenen Rechtsordnungen verwendete Begriff Erzeugnis kann mit dem Produktbegriff identisch sein. Das Erzeugnis kann aber auch mit einer bestimmten Form- oder Gestaltgebung verbunden sein. Wegen mangelnder Bestimmtheit kann der Begriff des Erzeugnisses nicht allgemein definiert werden.

2. Artikel Definition: Ein in eine Form oder Gestalt gebrachtes Produkt, das zum Endgebrauch bestimmt ist.

Anmerkungen: a) Zum Ausdruck "Produkt" vgl. entsprechende Definition. b) Der Artikel ist durch eine besondere Form- oder Gestaltgebung aufgrund einer Be- oder Verarbeitung sowie durch die Absicht zum Inverkehrbringen gekennzeichnet.

120

G. Begriffe: Produkt, Erzeugnis, Konsumenten-, Publikumsprodukt

c) Der Artikelbegriff setzt voraus, daß sich die chemische Zusammensetzung während des Endgebrauchs nicht wesentlich verändert. d) In verschiedenen Rechtsordnungen wird der Artikelbegriff mit einem hiervon abweichenden Inhalt verwendet. 3. Konsumentenprodukt, Publikumsprodukt

Definition: Ein Massenartikel, der in der Regel zum persönlichen Bedarf oder zum Gebrauch in Familie oder Haushalt bestimmt ist. Anmerkungen:

a) Zum Ausdruck "Artikel" vgl. entsprechende Definition. b) Der Begriff des Konsumenten- oder Publikumsprodukts setzt eine gewisse Breitenwirkung des Artikels voraus. c) Der Begriff ist gekennzeichnet durch eine besondere Konsumentenbzw. Verbraucherorientierung. Sie besteht in der Regel, aber nicht notwendigerweise darin, daß der Artikel für persönliche, familiäre oder häusliche Zwecke bestimmt ist. d) Der Ausdruck "Publikumsprodukt" ist international weniger gebräuchlich als "Konsumentenprodukt" und hat eine nicht gleichermaßen ausgeprägte Zweckbestimmung. e) Der Begriff des Konsumenten- oder Publikumsprodukts wird nur in einigen Rechtsordnungen gebraucht. Soweit er nicht verwendet wird, kann seine Funktion vom Produkt- oder Artikelbegriff - unter Umständen mit einem entsprechenden Zusatz - übernommen werden.

H. Harmonisierungsvorschlag zu den Begriffen: Person, Natürliche Person, Juristische Person, Verantwortliche Person I. Ergebnisse der Analyse 1. Abgrenzung des Vergleichsobjekts

Der Begriff der Person nimmt unter den hier analysierten Begriffen des Umweltchemikalienrechts eine gewisse Sonderstellung ein. Begriffssystematisch gesehen gehört der Personenbegriff nicht zur Begriffsgruppe mit eigenständigem inhaltlichen Bezug zum Umweltchemikalienrecht. Eine harmonisierte Definition kann daher chemikalienspezifische Merkmale nicht enthalten. Auf der anderen Seite ist unter dem Gesichtspunkt der Harmonisierung weniger der allgemeine Bedeutungsinhalt des Personenbegriffs interessant als dessen Relevanz für das Recht der Umweltchemikalien. Im Kern richtet sich das Harmonisierungsinteresse darauf, die Adressaten von chemikaliengesetzlichen Rechten und Pflichten zu identifizieren bzw. die Methoden und Auswahlkriterien für die Identifizierung zu vereinheitlichen. Solche Kriterienharmonisierung, die im Prinzip ein Bestandteil jeder Begriffsharmonisierung ist, läßt sich für den Begriff der Person nicht erreichen. Anders als etwa beim Hersteller oder beim Einführer trägt die bloße Definition der Person wenig dazu bei, die regelungserhebliche Begrifflichkeit im Bereich der Umweltchemikalien zu klären. Diesem Ziel kann man sich erst nähern, wenn danach gefragt wird, ob und inwieweit der Personenbegriff Anknüpfungspunkt für Rechte und Pflichten der Chemikaliengesetze ist. Damit wäre aber zugleich die Frage nach den Regelungsinhalten aufgeworfen und insofern die eigentliche N ormenharmonisierung angesprochen. Die Kluft zwischen einer kaum aussagekräftigen Harmonisierung des allgemeinen Personenbegriffs und einer zu weitgehenden Harmonisierung von Chemikalienregelungen läßt sich nur dadurch überbrücken, daß nicht der reine Personenbegriff, sondern der in den Chemikaliengesetzen jeweils gemeinte Träger von Rechten und Pflichten als Vergleichsobjekt angesehen wird. In diesem Sinne wäre das Vergleichsobjekt als die "verantwortliche Person" zu bezeichnen.

122

H. Begriffe: Person, Natürliche, Juristische u. Verantwortliche Person

Tatsächlich ist die "verantwortliche Person" in den Gesetzen einiger Länder ausdrücklich so genannt21\ dann allerdings nicht in der generellen Bedeutung der Verantwortlichkeit für chemikalienrechtliche Pflichten215• Im allgemeinen wird die verantwortliche Person sehr unterschiedlich gekennzeichnet. Begriffe, die auf die Verantwortlichkeit für einzelne Pflichten bzw. deren Rechtsträgerschaft hinweisen, können etwa sein: "Person", "natürliche Person", "juristische Person", "derjenige, welcher" oder "jemand". Darüber hinaus ist auch der Verzicht auf eine abstrakte Benennung zu beachten, der dadurch zustandekommt, daß der Adressat jeweils nach dem Inhalt der Regelung bezeichnet wird 218 • Ebenso können die Adressaten enumerativ aufgezählt sein217 • Das gesamte Spektrum möglicher Anknüpfungspunkte muß also berücksichtigt werden, wenn man zu einer Aussage über Begriffsinhalt und Funktion der im Chemikalienrecht interessierenden Person gelangen will. Nach diesem Verständnis wären inhaltsverwandte Begriffe wie Hersteller, Verarbeiter, Verwender, Einführer und dergleichen an sich einzubeziehen. Dennoch kann insoweit eine Ausgrenzung vorgenommen werden, da deren Inhalt an anderer Stelle analysiert wird218 • Im Kontext zum Personenbegriff gesehen stellen diese Begriffe Spezialisierungen der vom Chemikalienrecht betroffenen "Personen" dar. Sie setzen also den Personenbegriff voraus218 • Charakterisiert sind derartige spezielle Personenbegriffe durch bestimmte Tätigkeitsmerkmale (herstellen, verarbeiten etc.). Daß sie einer eigenen Untersuchung unterzogen werden, rechtfertigt sich im übrigen aus der Notwendigkeit, bestimmte Aktivitäten im Umgang mit Chemikalien begrifflich einzugrenzen. 2. tJberblick

Der juristische Begriff Person drückt aus, wer vom Gesetz als Träger von Rechten und Pflichten angesehen wird. Wer nicht unter den Personenbegriff fällt, kann nicht vom Geestz geschützt bzw. in die Pflicht Frankreich, Schweiz und Australien. In Australien z. B. ist mit der "verantwortlichen Person" nur die beim Herstellerbetrieb für die Behördeninformation zuständige Person gemeint. 218 z. B. "Hersteller", "Verarbeiter", "Einführer", "Anmelder" oder auch "Mensch" als Schutzobjekt. 217 z. B. Körperschaft, (Handels)Gesellschaft, Genossenschaft, Treuhandgesellschaft etc.; so typischerweise in den USA und in Kanada. 218 Vgl. die Abschnitte über "Herstellen etc.", "Verwenden etc." und "Einfuhr etc.". 219 Klar ausgedrückt etwa in § 3 Nr. 5 des deutschen Chemikaliengesetzes: "Hersteller: eine natürliche oder juristische Person, die ...". 214 215

I. Ergebnisse der Analyse

123

genommen werden. Die Durchsetzbarkeit der Chemikalienregelungen ist also entscheidend davon abhängig, daß die Identüizierung als Person möglich ist. Diese Identifizierung wird in den einzelnen Rechtssystemen auf vielfältige Weise vorgenommen. Repräsentativ für diese Vielfalt ist das Beispiel der USA, wo die gemeinten Personen zum Teil enumerativ aufgezählt sind, zum Teil unterschieden wird zwischen privater und öffentlicher Person oder Individualperson und Körperschaft, zum Teil umfassende Definitionen benutzt werden oder auch nur der undefinierte Begriff Person verwendet wird. Eine geschlossene Systematik läßt sich dahinter kaum erkennen. Die Begriffsbildung wird offenbar ausschließlich von den Besonderheiten des jeweiligen Gesetzes diktiert. Ein völlig anderes Grundverständnis vom Personenbegriff besteht in der Bundesrepublik Deutschland, wo durchgängig zwischen der natürlichen und der juristischen Person unterschieden wird. Die gesetzliche Verantwortlichkeit setzt regelmäßig die Rechtsfähigkeit voraus. Daher können etwa wirtschaftlich selbständige, aber nicht rechtsfähige Personengesellschaften220 als solche nicht gesetzlich verpflichtet werden, sondern nur die dahinter stehenden natürlichen Personen. Die gesetzestechnische Eigenart dieses dualen Personenbegriffs liegt darin, daß die Identifizierung als natürliche oder juristische Person für jedes wirtschaftliche, staatliche oder private Gebilde vorab und generell getroffen wird und in der jeweiligen (Chemikalien-)Kontrollnorm nur noch die natürliche und juristische Person angesprochen ist221 . Diese vergleichsweise abstrakte und nur im deutschen Rechtskreis vorfindbare Begrifflichkeit macht es entbehrlich, die verantwortliche Person jeweils konkret, etwa durch Kategorisierungen oder Einzelaufzählung zu beschreiben. Andere Rechtssysteme nehmen keine Differenzierung des Personenbegriffs vor und verwenden überwiegend die- interpretationsbedürftigen - Bezeichnungen "Person" (Kanada, Frankreich), "verantwortliche Person" (Frankreich, Schweiz, Australien) oder "derjenige, welcher" u. ä. (Niederlande). Eine systematisierende Unterteilung der verschiedenen Personenbegriffe ergibt, daß bei den insgesamt 8 untersuchten nationalen Rechtssystemen folgende Formen verwendet bzw. definiert werden: z. B. die oHG, trotz ihrer relativen rechtlichen Handlungsfähigkeit gern. Abs. 1 HGB. 221 Dies geschieht in der Regel dadurch, daß der Adressat eines Kontrollgesetzes, etwa der Hersteller, als "natürliche oder juristische Person" definiert wird. 220

§ 124

124

H. Begriffe: Person, Natürliche, Juristische u. Verantwortliche Person "Person" in drei Ländern, "natürliche Person" in vier Ländern, "juristische Person" in vier Ländernm, "verantwortliche Person" in drei Ländern.

Bei der Verschiedenartigkeit der begrifflichen Gestaltung ist eine Definition der Person im Umweltchemikalienrecht nicht möglich. Die Harmonisierung wird sich daher auf eine abstrakte Definition des Personenbegriffs und eine Beschreibung seiner unterschiedlichen Funktionen zu beschränken haben. 3. Gemeinsamkeiten und Unterschiede im internationalen Vergleich In den allgemeinen Chemikaliengesetzen ist der Personenbegriff Anknüpfung für unterschiedliche Verantwortlichkeiten, insbesondere für Anmelde-, Prüfungs- und Informationspflichten. In diesen Funktionszusammenhang gestellt lassen sich die vorhandenen Definitionen und Begriffsgestaltungen sinnvoll miteinander vergleichen. Dabei zeigen sich im wesentlichen zwei grob unterscheidbare Konzeptionen. Entweder wird eine möglichst konkrete Festlegung der Verantwortlichkeit angestrebt - durch Definitionen oder Einzelaufzählung - , oder es wird der Weg einer eher abstrakten Begrifflichkeit vorgezogen, bei dem durch vorgegebene Personenbegriffe jeweils zu subsumieren ist, ob ein Unternehmen o. ä. von der Verantwortlichkeit erfaßt wird oder nicht. In den USA kommen beide Möglichkeiten vor. Dort wird in zahlreichen Chemikaliengesetzen die verantwortliche Person durch enumerative Aufzählungen konkretisiert223• Immer wieder genannt sind z. B. Einzelpersonen, Firmen, Personalgesellschaften, Körperschaften, Handelsgesellschaften, Genossenschaften, Aktiengesellschaften224 • Daneben werden auch der Staat, die Gemeinde und weitere politische Untergliederungen erwähnt225 • Ähnliche Konstruktionen sind in Kanada gebräuchlich226 • 222 Wobei die (deutsche) juristische Person in Großbritannien, Kanada und den USA mit "Körperschaft" (corporation) annähernd gleichzusetzen ist. 223 u. a. Occupational Safety and Health Act 29 WSC S 65214; Department of TransportaUon Regulations 49 CFR 171.8; Clean Water Act 33 USC Sec. 1362 (s); Clean Air Act 42 USC Sec. 7602 (e); Inventory Reporting Rule 40 CFR 710.2 (s); Federal Hazardous Substances Act 15 USC 1261. 224 Individuals, firms, partnerships, corporations, companies, associations, joint stock associations. 225 State, unicipality, political subdivision. 228 u. a. Excise Tax Act 2 (1) R.S., c E-13; Customs Act R.S. C-40.

I. Ergebnisse der Analyse

125

Demgegenüber finden sich im amerikanischen TSCA und CPSA keine vergleichbaren Definitionen, stattdessen der nicht näher qualifizierte Personenbegriff. So ist z. B. der Hersteller beschrieben als "jede Person, die etwas anfertigt" 227 • Die Verwendung der verschiedenen Personenbegriffe herrscht in den meisten übrigen Ländern vor. Dabei erscheint der Ausdruck "Person" zum Teil im Sinne der "natürlichen Person", zum Teil als Oberbegriff für "natürliche und juristische Person". Die "natürliche Person" (in Frankreich "physische Person" 228) wird allgemein verstanden als ein Mensch, soweit er Inhaber von Rechten und Pflichten sein kann. Dies schließt die Möglichkeit ein, daß auch Ungeborene natürliche Personen sein können229 • Die "juristische Person" ist im wesentlichen eine typisch deutschrechtliche Figur30 und hat auch nur im deutschen Rechtskreis die überragende Bedeutung als konstituierendes Element des Personenbegriffs (neben der natürlichen Person). Für die chemikalienrechtliche Verantwortlichkeit wird er in der Bundesrepublik Deutschland mittelbar genutzt, indem er den jeweiligen Normadressaten, etwa den "Hersteller" und "Einführer" 231, definiert. Mit dem dualen Personenbegriff werden alle rechtsfähigen Gestaltungen erfaßt, so daß weitere Spezifizierungen des Verantwortlichen nicht notwendig sind. Die Inhalte der juristischen Person finden sich auch in anderen Ländern. In Großbritannien ist mit der "artificial person" 232 wie bei der juristischen Person eine Organisation mit allgemeiner Pflicht- und Rechtssubjektivität .g emeint. Vergleichbar ist auch die französische "personne morale", die Sammelbegriff ist für Gruppen, Einrichtungen, Unternehmungen und Organisationen mit Rechtsfähigkeit233 • Und sogar der in den USA und Kanada verwendete Begriff "corporation" hat einen ähnlichen Gehalt. Er bezeichnet alle personalen Zusammenschlüsse, denen das Gesetz Rechtsfähigkeit zubilligt. Zu beachten ist aber in jedem Falle, daß die Umschreibung der juristischen Person nichts darüber aussagt, welchem rechtlichen GeVgl. § 2052 (4) CPSA. "Personne physique" Loi du 17. 7. 78 sur le Libre Access aux Documents Administra tifs. 220 So etwa nach dem deutschen und englischen Recht; wegen der Komplexität dieses Problems ist eine abschließende Klärung im Rahmen dieser umweltchemikalienrechtlichen Untersuchung nicht möglich. 2ao Zurückgehend auf die von Otto von Gierke entwickelte Theorie von der r ealen Verbandspersönlichkeit. 231 Vgl. § 3 Nr. 5 und 6 Chemikaliengesetz. 232 Interpretation Act, 1978. 233 Vgl. Loi du 17. 7. 1978 sur le Libre Access aux Documents Administratifs. 227 228

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H. Begriffe: Person, Natürliche, Juristische u. Verantwortliche Person

bilde die Eigenschaft als juristische Person zuerkannt wird. So wird z. B. in den USA und in Kanada die Personalgesellschaft als juristische Person behandelt, nicht dagegen in Großbritannien (wohl aber wiederum in Schottland). Aus diesen Divergenzen folgt weiter, daß die Verwendung des Begrüfs der juristischen Person in Chemikaliengesetzen keinen verläßlichen Aufschluß darüber gibt, welche Unternehmungen die tatsächlichen Normadressaten sind. Während die Rechtsfigur "juristische Person" in der Bundesrepublik Deutschland eine Identifizierung relativ leicht ermöglicht, liegt ihr Stellenwert im Ausland wesentlich niedriger, so daß dort die Identifizierung in der Regel erst durch das Gesetz selbst herbeigeführt wird234 • Trotz teilweiser definitorischer Übereinstimmungen gibt es also große Unterschiede in der Bedeutung und in der Funktionsweise. Ein ähnliches Bild ergibt sich für die "verantwortliche Person". Der Begriff wird in der Bundesrepublik Deutschland nicht verwendet. Aber auch dort, wo er verwendet wird, beschreibt er nur in einem sehr beschränkten Umfang die Verantwortlichkeit im Chemikalienrecht. Er bezeichnet lediglich die natürliche Person und bezieht sich auch nur auf einige spezielle Verantwortlichkeiten, wie etwa die für Pflichtverstöße des Unternehmens, für die Durchführung der Informationspflichten oder für die Beaufsichtigung von Produktionsvorgängen. Nur im französischen und im Schweizer Recht finden sich Hinweise darauf, daß die verantwortliche Person auch eine Bezeichnung für den Adressaten von zentralen Chemikalienregelungen sein kann235 • Eine Harmonisierung in dem Sinne, daß die verantwortliche Person als allgemeiner Normadressat definiert wird, ist also auf begrifflicher Ebene nicht möglich. Zwar lassen sich die einzelnen Bedeutungen und Funktionsweisen der Personenbegriffe im Rahmen des Harmonisierungsvorschlages behandeln. Die Personenbegriffe selbst können aber nur in ihrem allgemeinen Sinne, also ohne chemikalienrechtspezifische Ausrichtung harmonisiert werden. Dies folgt zwingend daraus, daß es ein einheitliches Konzept zur Identifizierung der von den Chemikalienregelungen Betroffenen nicht gibt.

Meist durch Hinzusetzen einzelner Unternehmensformen. Vgl. Art. 23 (5) und 24 Schweizer Giftgesetz sowie Loi du 10. 7. 1975 sur les cosmetiques in Frankreich. 234 235

II. Harmonisierungserörterungen

127

II. Harmonisierungserörterungen 1. Allgemeines

Die Auswertung der vergleichenden Untersuchung kann nicht darin bestehen, die ganze Vielfalt gesetzlicher Anknüpfungspunkte für die Normadressaten auszuschöpfen und zur Grundlage eines Harmonisierungsversuchs zu machen. Ein solcher Versuch würde unvermeidlich zu dem Ergebnis kommen, daß eine Begriffsvereinheitlichung der von den Chemikaliengesetzen berechtigten oder verpflichteten Person unmöglich ist. Es kann vielmehr nur darum gehen, den allgemeinen Begriff Person herauszufiltern und den Bezug zum Chemikalienrecht dadurch herzustellen, daß die unterschiedlichen Funktionsweisen des Personenbegriffs beschrieben und auf die verschiedenen Möglichkeiten zur Identifizierung der chemikalienrechtlich gemeinten Person hingewiesen wird. Der allgemeine Begriff der Person läßt sich relativ problemlos definieren; das gleiche gilt für die natürliche und die juristische Person. Der Grund dafür liegt in der begriffsbedingten Unverbindlichkeit der jeweiligen Merkmale. Lediglich die "verantwortliche Person" kann unterschiedliche Bedeutungen haben und bedarf einer korrigierenden Auslegung. Die eigentlichen Probleme dieser Personenbegriffe liegen in ihrer Relevanz für die Normensysteme. Speziell das Umweltchemikalienrecht läßt erkennen, daß der Personenbegriff international einen ganz unterschiedlichen Stellenwert hat und der Ausdruck "Person" häufig ersetzt wird durch Einzelaufzählungen oder andere Begriffskategorien. 2. Person

Der Begriff der Person wird im allgemeinen benutzt, um eine Bezugsgröße - Mensch und/oder Organisation - zu bezeichnen, welche die Fähigkeit hat, Träger von Rechten und Pflichten zu sein. Er zielt also auf die Zuerkennung der Rechtspersönlichkeit. Wer die Rechtspersönlichkeit nicht besitzt, ist dementsprechend keine Person im Rechtssinne. Die Bezugsgröße, die in den Begriff der Person regelmäßig einbezogen wird, ist der Mensch (human being). Daß darüber hinaus auch eine Organisation (Behörde, Unternehmen, Handelsgesellschaft etc.) als Person bezeichnet wird, ist eine wertende fiktive Annahme, die nicht unbedingt von allen im Ausland existierenden Personenbegriffen nachvollzogen wird. Insbesondere der in den USA verwendete Begriff "person" wird überwiegend mit "individual"

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H. Begriffe: Person, Natürliche, Juristische u. Verantwortliche Person

gleichgesetzt, bezieht daher die Organisation nicht mit ein. Andererseits ist es jedoch unschädlich einen Personenbegriff vorzuschlagen, der lediglich die Möglichkeit und nicht den Zwang vorsieht, die Rechtsfigur der juristischen Person mit abzudecken238 • Den nationalen Gesetzgebern bleibt also nach wie vor überlassen, die Rechtspersönlichkeit des Menschen und der Organisation alternativ oder kumulativ zum Begrüf der Person zu rechnen. Den Kern des Personenbegriffs macht die Rechtspersönlichkeit als solche aus. In diesem Merkmal stimmen alle Definitionen der Person übe rein. Über die Bedeutung und Funktion gibt der Begriff keine Auskunft. Er kann sowohl direkter Anknüpfungspunkt für Chemikalienregelungen sein287 als auch bloßer Oberbegriff für- näher zu qualifizierendevollrechtsfähige Rechtssubjekte238 • Wegen seiner abstrakten Definition ist der Personenbegriff zugleich GrundZage für die weitere Unterscheidung in "natürliche Person" und "juristische Person". Auch diese beiden Begriffe können, müssen aber nicht Anknüpfung für Regelungen sein. 3. Natürliche Person

Die natürliche Person ist der Mensch als Träger von Rechten und Pflichten. Dieses Verständnis ist trotz unterschiedlicher Terminologie288 international einheitlich. Für den Begriff Mensch ist allerdings keine absolute Abgrenzung zum ungeborenen Leben, etwa dem Fötus, möglich. Der ungeborene Mensch kann - ebenso wie der gestorbene oder der entmündigte Mensch - in seiner Rechtsträgerschaft beschränkt sein. Da es international keine einheitliche Festlegung des Beginns von menschlichem Leben und des Zuordnungsverhältnisses von Mensch und Rechtsträgerschaft gibt, muß die Definition der natürlichen Person insoweit offenbleiben. Erfaßt ist also nicht der Mensch als solcher, sondern der Mensch als Träger von Rechten und Pflichten. 4. Juristische Person

Das Wesen der juristischen Person liegt darin, daß einer organisatorischen Einheit Rechtsfähigkeit verliehen ist. Die rechtlich verselbständigte Organisation entsteht dadurch, daß natürliche Personen (Menschen) als Organwalter berechtigt und verpflichtet werden, die von 23' 237 238 239

Ausgedrückt mit "Mensch oder Organisation". So in Kanada, Großbritannien und den Niederlanden. So in der Bundesrepublik Deutschland. In Frankreich "personne physique", in den USA oft "individual".

II. Harmonisierungserörterungen

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der Organisation verfolgten Interessen bzw. zu befolgenden Pflichten wahrzunehmen. Durch Rechtsakt wird ihr die selbständige Rechtssubjektivität verliehen; abhängig von der Art des Rechtsaktes gibt es juristische Personen des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts. Juristische Person und natürliche Person schließen sich also begrifflich aus. Zusammengenommen bilden sie den allgemeinen Begriff der Person. Die Idee der juristischen Person ist nicht auf die Bundesrepublik Deutschland beschränkt. Inhaltsähnliche Begriffe finden sich insbesondere in Großbritannien ("artificial person"), den USA, Kanada ("corporation") und Frankreich ("personne morale"). All diesen Begriffen ist gemein, daß sie Organisationen bezeichnen mit der Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein. Die Funktionen sind allerdings unterschiedlich. Während etwa die USA auf die Verwendung (zumindest) im Chemikalienrecht weitgehend verzichten und stattdessen die Regelungsadressaten enumerativ aufzählen, wird in Großbritannien zum Teil zwischen körperschaftlicher und nichtkörperschaftlicher Organisation ("groups corporate or unincorporate") unterschieden und in Frankreich zum Teil unterschiedlich definiert, welche Organisationsformen zur juristischen Person zählen. In der Bundesrepublik Deutschland wird häufig direkt an die juristische Person angeknüpft. Im Chemikalienrecht allerdings ist sie nur Begriffselement des eigentlichen Normadressaten (Hersteller, Einführer). Eine verbindliche Festlegung ist auch nicht bei der Frage möglich, welche Organisationen als juristische Personen gelten. Diese Zuordnung ist in den nationalen Rechtssystemen unterschiedlich. Allerdings ist der Inhalt der Definition der juristischen Person davon nicht berührt. 5. Verantwortliche Person

Der Ausdruck "verantwortliche Person" signalisiert die Bedeutung eines zentralen Anknüpfungspunktes für (chemikalien-)rechtliche Verpflichtungen. Es ist auch nicht auszuschließen, daß der Ausdruck gelegentlich verwendet wird, um allgemein den Normadressaten zu bezeichnen. Als Rechtsbegriff hingegen hat die "verantwortliche Person" eine eng begrenzte Bedeutung. In Australien, Frankreich und der Schweiz, wo der Begriff in Chemikaliengesetzen verwendet wird, ist er ausschließlich auf die natürliche Person bezogen. Die verantwortliche Person ist der Angehörige einer Organisation, dem staatlicherseits die Aufgabe zugewiesen ist, für die Durchführung einzelner Verpflichtungen zu sorgen. Neben der juristischen Person sollen also einzelne Organi9 Kloepfer I Bosselmann

130

H. Begriffe: Person, Natürliche, Juristische u. Verantwortliche Person

sationsangehörige für die Einhaltung chemikalienrechtlicher Pflichten haftbar gemacht werden können. Insofern dient die Anwendung des Begriffs der "verantwortlichen Person" einer effektiven Durchsetzung der Chemikalienkontrolle. Inhaltlich geht es dabei meist um einzelne Verpflichtungen bei Informationen und im Anmeldeverfahren. Denkbar ist auch eine allgemeine zivilrechtliche und strafrechtliche Haftung für Rechtsverstöße der Organisation240 • Ein abschließender Pflichtenkatalog läßt sich begrifflich nicht erstellen. Obwohl die Verbreitung des Begriffs der verantwortlichen Person gering ist, bedeutet seine Harmonisierung durchaus einen Gewinn, da er im Vergleich zu den übrigen Personenbegriffen einen klaren, übersehaubaren Inhalt hat. 6. Vergleich mit dem vorgeschlagenen Konzept des OECD-Glossariums

Die OECD-Expertengruppe hat Definitionsvorschläge für folgende vier Begriffe entwickelt: Person

Natürliche Person Juristische Person Verantwortliche Person -

2~0

241

ein Mensch oder eine Organisation mit der Fähigkeit, Rechte oder Pflichten zu tragen. ein Mensch. eine Organisation, die vom Gesetz befähigt ist, Rechte oder Pflichten zu tragen. eine natürliche Person, der vom Gesetz eine bestimmte Verantwortlichkeit zugewiesen istm.

In Frankreich und der Schweiz.

A. Definition

Person -

Natural, Legal, Responsible

A 1 Person A human being or an entity that is capable of bearing legal rights or obligations A 2 Natural Person A human being A 3 Legal Person An entity treated by the law as capable of bearing legal rights or Obligations A 4 Responsihle Person A natural person assigned a specific responsibility under law.

B. Statement of Intent

The various definitions for "person" are to make clear who is responsible under laws regulating chemicals.

C. Annotation C 1 The capacity to bear legal rights ör Obligations varies under national

law. A person's responsibility can depend on such factors as age, mental

III. Definitionsvorschläge

131

Konzept und Inhalt sind nahezu identisch mit den hier empfohlenen Definitionen. Isoliert betrachtet könnte allerdings die Definition der natürlichen Person zu dem Mißverständnis verleiten, als sei jeder Mensch mit umfassender Rechtspersönlichkeit ausgestattet. Daß einzelne Beschränkungen nach Alter oder Geistesverfassung möglich sind, folgt erst aus der Annotation. Die übrigen Erläuterungen zu den Definitionen entsprechen in ihrer Substanz den oben gemachten Ausführungen.

111. Definitionsvorschläge Definitionen: Person

Natürliche Person

C2

C3 C4 C5

ein Mensch oder eine Organisation mit der Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein. · ein Mensch als Träger von Rechten und Pflichten.

capacity, legal status, etc: The Expert Group does . not intend these definitl:6ns to have any bearing on tli.e law of critninal or cjvil liability in a Member nation. Some nations distinguish between natural or legal persans while others do not differentiate in this way. What constitutes a legal person varies among nations, e. g. a partnership is a legal person in Scotland but not in England; a Government agency is one in the US but not in the Federal Republic of Germany; a natural person who incorporates his indivudual business in England considered in this way but not in the Federal Republic of Germany. Definition A 1 could be used in nations which do not distinguish between natural and legal persons while definition A 2 and A 3 could apply to nations where this differentiation is made. Examples of persons under either definition A 1 or A 3 are a corporation, association, partnership, Government, Government agency or an international Organisation. In some Member nations particular natural persans are assigned responsibilities under laws regulating chemicals. The specific assigments are defined in those laws, but the general concept of a responsible person is set out in definition A 4.

D. Special Remarks

D 1 The concept of a person, legal person or responsible person can be significant in relation to laws of nations on chemicals. The following aspects may apply: (i) the law may specify the type of person who can put the chemical substances on the market; ( ii) the law may specify the type of person who should notify the use of a chemical substance; (iii) and liability arising out of the use of chemieals may be related to a particular type of legal personality. g•

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H. Begriffe: Person, Natürliche, Juristische u. Verantwortliche Person

Juristische Person Verantwortliche Person -

Anmerkungen:

eine Organisation, der durch Rechtsakt die Fähigkeit verliehen ist, Träge1· von Rechten und Pflichten zu sein. eine natürliche Person, de1· vom Gesetz eine bestimmte Verantwortlichkeit zugewiesen ist.

a) Die Definitionen dienen dazu, die Verantwortlichkeit nach den Chemikaliengesetzen zu klären. b) Die Fähigkeit, Rechte oder Pflichten zu tragen, richtet sich nach den Gesetzen der einzelnen Rechtsordnungen und wird international nicht einheitlich beurteilt. c) Organisationen mit Rechtssubjektivität können z. B. Körperschaften, Gesellschaften, Regierungsstellen, Behörden oder internationale Organisationen sein. d) Soweit die Unterscheidung von natürlicher und juristischer Person in einigen Rechtsordnungen nicht getroffen wird, kann an deren Stelle die Definition für Person treten. e) Der Begriff der verantwortlichen Person wird nur in wenigen Chemikaliengesetzen verwendet. f) In den Chemikaliengesetzen haben die Begriffe Person, natürliche und juristische Person unterschiedliche Funktionen. Sie können direkte Bezeichnung des Normadressaten sein, können Bestandteil einer Definition des jeweiligen Normadressaten sein, können aber auch völlig fehlen. In diesem Falle werden die Normadressaten im einzelnen aufgeführt (z. B. individuelle Personen, Gesellschaft, Körperschaft).

ZWEITER TEIL

Analysen und Harmonisierungsvorschläge

J. Analyse und Harmonisierungsvorschlag zum Begriff: Umwelt I. Analyse 1. Verwendungshäufigkeit Als Bezugspunkt und Schutzziel ist der Begriff Umwelt notwendigerweise in allen Normen des Umweltschutzes vorausgesetzt. Zu diesen Normen zählen nicht nur die des eigentlichen Umweltrechts, sondern alle Rechtsgebiete mit bezug zur Umwelt, also etwa auch Normen des Staats- und Verwaltungsrechts, des Strafrechts, des Privatrechts, des Völkerrechts oder des Rechts der europäischen Gemeinschaften242 • Direkt verwendet wird der Begriff dagegen nur in einem Teil umweltrelevanter Bestimmungen. Dies liegt zum einen daran, daß sich der Umweltbezug auch ohne ausdrückliche Hervorhebung aus dem Gesamtcharakter eines Gesetzes ergeben kann. Zum anderen können auch Teile bzw. einzelne Aspekte der Umwelt Schutzobjekt eines Gesetzes sein, so daß anstelle des Umweltbegriffs einzelne Medien, Elemente oder auch nur Teilaspekte davon erwähnt werden. Das Umweltchemikalienrecht mit seinen zahlreichen Einzelgesetzen und technisch-naturwissenschaftlichen Ausführungsbestimmungen ist ein Rechtsbereich, in dem die Verwendungshäufigkeit des Begriffs Umwelt nicht so groß ist, wie auf den ersten Blickaufgrund des Namens Umweltchemikalien2 ~ 3 vermutet werden könnte. Chemikaliengesetze heben selten auf die Umweltgefährlichkeit als solche ab, sondern knüpfen daran an, daß Chemikalien bzw. gefährliche Stoffe hergestellt, vermarktet oder verwendet werden und hierdurch Umweltgefahren entstehen. Entscheidend ist der Eintritt in die Umweltmedien (Wasser, Luft, Boden) und die Berührung mit einzelnen 242 Zur systematischen Einordnung des Umweltrechts und der umweltbezogenen Normen vgl. Storm, Umweltrecht, 1980, S. 20 f. 243 Vgl. dazu etwa die Definition des Umweltprogramms 1971 der Bundesregierung - BT-Drucks. Vl/2710 : "Stoffe, die durch menschliches Zutun in die Umwelt gebracht werden und in Mengen oder Konzentrationen auftreten können, die geeignet sind, Lebewesen, insbesondere den Menschen, zu gefährden ... Der Begriff Lebewesen umfaßt in diesem Zusammenhang den Menschen und seine belebte Welt einschließlich Tieren, Pflanzen und Mikroorganismen".

136

J. Begriff: Umwelt

Umweltelementen (Menschen, Tiere, Pflanzen). Daher stellen die Regelungen häufig auf die spezifische Art des Kontakts zwischen Chemikalie und Umwelt ab. Welche Art im Vordergrund steht, ergibt sich dabei aus dem jeweiligen Schutzbereich des Gesetzes. In den einschlägigen Chemikalienregelungen des Immissionsschutzrechts etwa liegt der Schwerpunkt auf dem Umweltmedium Luft, im Düngemittelrecht auf dem Medium Boden, im Pflanzenschutzrecht auf den Umweltmedien Boden und Wasser und im Abfallrecht auf allen drei Medien. Und während im Immissionsschutzrecht oder auch Abfallrecht im allgemeinen Mensch, Tier und Pflanze insgesamt Schutzobjekte sind, stehen beim Arzneioder Lebensmittelrecht der Mensch, beim Düngemittelrecht Mensch und Tier und beim Pflanzenschutzrecht Mensch und Pflanze im Vordergrund244. Wegen dieser speziellen Ausrichtung vieler Chemikaliengesetze erscheinen häufig nur einzelne Ausschnitte des Umweltbegriffs. Darüber hinaus gibt es auch zahlreiche Chemikaliengesetze, die keinen direkten Umweltbezug erkennen lassen245 • Typischerweise kommt der Begriff Umwelt in den allgemeinen Rechtsvorschriften über Umweltchemikalien vor. Hier wird er entweder gleichrangig mit dem Begriff Mensch oder auch alleinstehend als zentrales Schutzobjekt verwendet. Insofern ist der Begriff Umwelt nicht nur hinsichtlich seines Inhalts, sondern auch als rechtlicher Terminus für das gesamte Chemikalienrecht von großer Bedeutung. Auffällig ist, daß der Begriff nur selten definiert wird. Geschlossene Definitionen des Umweltbegriffs gibt es zur Zeit nur im amerikanischen TSCA, im amerikanischen Bundesgesetz über Insektizide, in der 6. EGÄnderungsrichtlinie und im Entwurf zum niederländischen Gesetz über die Abschätzung von Umwelteinwirkungen. Die Chancen einer Harmonisierung sind dadurch aber nicht beeinträchtigt. Ohne den Untersuchungsergebnissen vorgreifen zu wollen, kann schon jetzt gesagt werden, daß die geringe Definitionshäufigkeit durchaus Indiz ist für eine relativ ausgeprägte Konformität des Umweltbegriffs. 2. Abgrenzung des Vergleicllsobjekts

Trotz seiner großen umgangssprachlichen Verbreitung in Gesellschaft, Politik und Recht ist der Begriff der Umwelt nicht so präzise gefaßt, daß auf eine Abgrenzung für die Zwecke des Vergleichs im 244 Vgl. dazu die Übersicht über die deutschen Rechtsvorschriften für Chemikalien in "Umweltchemikalien", herausgegeben vom Umwelt-Bundesamt, 1980, 8.17-38. 245 Im deutschen Recht etwa das Lebensmittel-, Arzneimittel-, Futtermittelgesetz oder die Arbeitsstoffverordnung.

I. Analyse

137

Umweltchemikalienrecht verzichtet werden könnte. Der Ausdruck Umwelt wird nämlich in unterschiedlichen Zusammenhängen und mit unterschiedlichen Akzentsetzungen verwendet. Nach aligemeinstem Verständnis beschreibt die Umwelt den komplexen Lebenszusammenhang des Menschen, der zugleich seine existentiellen Lebensbedingungen ausmacht. Die Umwelt besteht aus mehreren Komponenten- insbesondere Luft, Wasser, Boden, Tierwelt, Pflanzenwelt-, denen allen die Gefahr droht, in nachteiliger Weise verändert zu werden248• Dieses allgemeine Verständnis deckt sich nicht unbedingt mit der naturwissenschaftlichen Vorstellung, nach der die Umwelt nicht a priori auf den Menschen bezogen ist, sondern als ökologisches Gesamtsystem begriffen wird, in dem der Mensch ein Faktor von vielen ist ("Ökosystem"). Die Kongruenz zwischen der naturwissenschaftlichen und der allgemeinsprachlichen Vorstellung von Umwelt läßt sich allerdings herstellen, wenn man sich klarmacht, daß der Begriff praktisch nie isoliert steht, sondern eingebunden ist in die gesellschaftliche und politische Diskussion. Im Mittelpunkt dieser Diskussion stehen die Ursachen der Umweltzerstörung, somit die vom Menschen gestörte und von ihm zu erhaltende Umwelt. Die anthropogene Umweltzerstörung führt zwangsläufig dazu, daß der Mensch, auch wenn er Teil des komplexen Systems Umwelt ist, als Subjekt der Gestaltung seiner Umwelt, d. h . seiner Lebensbedingungen betrachtet werden muß. Daß der Mensch nicht nur Faktor, sonde1·n auch Bezugspunkt und Subjekt der Umwelt ist, drückt sich im soziologischen Begriff247 und insbesondere im juristischen Umweltbegriff aus248 • Gerade der Rechtsbegriff hat die Aufgabe, praktisch umsetzbare und das heißt von Menschen auszuführende Normen des Umweltschutzes auszufüllen. Dies bedingt einerseits eine Konzentration auf die praktisch möglichen Handlungspflichten, andererseits aber auch einen Begriff der Umwelt, der nicht auf die urwüchsige Natur beschränkt ist, sondern ebenso den vom Menschen gestalteten Lebensraum (z. B. Kultur- und Stadtlandschaft) umfaßt. Aus juristischer Sicht wäre es abzulehnen, den Begriff der Umwelt von vornherein auf die gewiß primär wichtige natürliche Umwelt zu beschränken, weil auch die bebaute Umwelt Teil des menschlichen Lebensraumes ist249 • Daher lassen sich etwa Gesetze d er Raum246 Zu dieser "einfachsten Modellvorstellung" vgl. Rausch, Die Umweltschutzgesetzgebung, Aufgabe, geltendes Recht und Konzepte, 1977, S. 3. 247 Vgl. zum Begriff im Bereich des Umweltschutzes Engelhardt im Ev. Staatslexikon, 1975, Sp. 2647 ff. 248 Vgl. dazu Kloepfer in : Evangelisches Staatslexikon, Sp. 2051 f. und P.-Ch. Storm (Anm. 242), S. 16. 249 Kloepfer (Anm. 248), Sp. 2052; a. A. Stern, Staatsrecht Bd. I, 1977, S. 708 f.

138

J. Begriff: Umwelt

ordnung, der Landesplanung, der Städtebauförderung oder des Arbeitsschutzes als Rechtsmaterien auffassen, die den Begriff der Umwelt zum Gegenstand habenm. Auch im Umweltchemikalienrecht ist der Umweltbegriff zunächst nicht auf die natürliche Umwelt beschränkt. Wie das Beispiel einer niederländischen Definition, in der ästhetische, naturwissenschaftliche und kulturhistorische Werte in die schutzwürdige Umwelt einbezogen sind251 , zeigt, kann der Umweltbegriff auch nicht-natürliche Faktoren beinhalten. Die genaue Eingrenzung ist daher nicht vorab auf terminologischer Ebene zu treffen, sondern erst nach Auswertung aller existierenden Umweltbegriffe. Vom Begriffsvergleich ausgenommen sind die einze~nen Faktoren der Umwelt. Wie schon angedeutet, ist der Mensch in seiner Doppelfunktion als Teil und Gestaltungssubjekt der Umwelt vom Begriff Umwelt zu unterscheiden. Daß der Begriff Mensch und der Begriff Umwelt nicht identisch sind, kommt in zahlreichen Umweltgesetzen zum Ausdruck. § 1 des deutschen Chemikaliengesetzes z. B. nennt als zentrale Schutzobjekte den Menschen und die Umwelt. Aus der selbständigen Erwähnung des Menschen darf allerdings nicht geschlossen werden, daß der Mensch im Begriff Umwelt nicht enthalten wäre. Beide Begriffe können sich alternativ gegenüberstehen, sie können sich aber auch in einem Spezialitätsverhältnis zueinander befinden. Die gleichzeitige Erwähnung im deutschen Chemikaliengesetz etwa dürfte- wie auch in anderen deutschen Umweltgesetzen - nur den Sinn haben, einerseits klarstellend zu wirken und andererseits zu ermöglichen, daß einzelne Normen ihren Schutzbereich direkt auf den Menschen beziehen2;;2. Daß eine inhaltliche Beziehung zwischen Mensch und Umwelt besteht, wird insbesondere durch§ 3 Nr. 3 lit. n des Chemikaliengesetzes deutlich, wonach Wasser, Boden, Luft, Pflanzen, Tiere, Mikroorganismen und Naturhaushalt geschützt sind, soweit ihre Veränderung eine (erhebliche) Gefahr für den Menschen ("Allgemeinheit") herbeiführt. Inwieweit der Mensch Bestandteil einer Definition der Umwelt ist, muß die Begriffsuntersuchung erst ergeben. Der Begriff Mensch als solcher ist dagegen nicht weiter erklärungsbedürftig. Entsprechendes gilt für die Medien Wasser, Boden und Luft und für die organischen Umweltfaktoren Pf~anzen und Tiere. Diese Begriffe 250 Vgl. außer Kloepfer auch Creifelds, Rechtswörterbuch, 5. Aufl. 19781

s. 1148.

251 Vgl. Art. 41 a, Abs. 1 des Entwurfs zum Gesetz über die Feststellung von Umwelteinwirkungen. 252 So in der Definition der "Gefährlichen Stoffe" § 3 Nr. 3 - , deren Gefahrenkriterien weitgehend auf die Verträglichkeit des menschlichen Organismus bezogen sind. Zum Verhältnis beider Schutzobjekte zueinander vgl. noch Uppenbrink u. a. (Anm. 3), Rn. 10 f. zu § 1 und Kloepfer (Anm. 3), S. 50.

I. Analyse

139

sind vom Umweltbegriff im Sinne eines Spezialitätsverhältnisses zu unterscheiden. In Umweltgesetzen können sie zusammengenommen auch den Begriff Umwelt substituieren233 • Darüber hinaus kann auch jedes einzelne der Umweltelemente selbständig neben den Umweltbegriff treten, um ähnlich wie beim Begriffspaar Mensch und Umwelt besondere Schutzkonkretisierungen einzelner Normen zu ermöglichen. Inhaltlich sind diese Begriffe klar identifizierbar und können, ohne daß dies näher erläutert werden müßte, vom Begriff Umwelt abgegrenzt werden. 3. Gemeinsamkeiten und Unterschiede im internationalen Vergleich

a) Allgemeines Der Umweltbegriff erfüllt im Chemikalienrecht eine zweifache Funktion. Er bezeichnet die natürlichen Medien, also die Transportwege und Träger von Chemikalien. Und er beschreibt ein Schutzobjekt, das durch Chemikalien beeinträchtigt wird. Als Hinweis auf die als Chemikalienträger in Betracht kommenden Medien bereitet der Begriff keine Schwierigkeiten. Die natürlichen Medien sind Boden, Wasser und Luft. Sie können entweder zusammengenommen oder einzeln betroffen sein. Je nach Eigenart der jeweiligen Verbreitung von Umweltchemikalien kann das Gesetz alle Medien erfassen- dann in der Regel mit dem Ausdruck "Umwelt" - oder auch nur einzelne Medien herausgreifen. In diesem Fall wird nur ein Teilaspekt des Umweltbegriffes angesprochen. Ebenso ist die Bezeichnung als Schutzobjekt durch Wiedergabe der Umweltmedien möglich254 • Dann werden allerdings stets die weiteren Umweltelemente -zumindest Pflanzen und Tiere - miterwähnt. Auch durch enumerative Aufzählung der Elemente kann der Umweltbegriff umschrieben sein. Jedoch wäre die Annahme verfehlt, der Umweltbegriff sei stets dort angesprochen oder beschrieben, wo nur einzelne Umweltelemente erwähnt sind. Im Umweltchemikalienrecht gibt es nämlich viele verschiedenartige Spezialgesetze, in denen zwar einzelne Aspekte des Umweltbegriffs auftauchen, die aber erkennbar nicht den Zweck des Umweltschutzes verfolgen255 • Nur im Einzelfall ist denkbar, 253 Beispiel ist § 3 Nr. 3 n Chemikaliengesetz; in der entsprechenden Vorschrift des Regierungsentwurfs vom 17. 8. 1979 wurde noch der Ausdruck "Umwelt" verwendet. 254 Vgl. z. B . § 3 Nr. 3 n Deutsches Chemikaliengesetz: "Die natürliche Beschaffenheit von Wasser, Boden oder Luft". 255 Im Schweizer Giftgesetz z. B. wird der Umweltschutz nicht im Registrierungsverfahren berücksichtigt, sondern nur mittelbar im Rahmen der Vollziehungsordnung. Im amerikanischen Consumer Safety Product Act ist nur die menschliche Gesundheit Schutzobjekt Weitere Hinweise oben Anm. 245.

140

J . Begriff: Umwelt

anhand gewisser Kriterien eine Aufzählung von Elementen als Umschreibung des Umweltbegriffs anzusehen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß der Umweltbegriff nur dort gemeint ist, wo er explizit gebraucht wird. Bei der inhaltlichen Klärung des Umweltbegriffs muß zunächst die Tatsache berücksichtigt werden, daß Definitionen die Ausnahme und bloße Begriffsverwendungen die Regel darstellen. Offenbar verzichtet die Mehrheit der nationalen Chemikaliengesetze deswegen auf Definitionen, weil ein hinreichend eindeutiges Verständnis der Umwelt unterstellt werden kann. Da aber wohl in keiner Landessprache definitionsmäßig und abschließend feststeht, welche Implikationen der Begriff der Umwelt hat, ist zu vermuten, daß es den nationalen Gesetzgebern auf exakte Definitionen häufig nicht ankommt. Interpretationsungewißheiten werden bewußt in Kauf genommen. Dies dürfte damit zusammenhängen, daß der Umweltbegriff so, wie er in den Chemikaliengesetzen international erscheint, nicht den Stellenwert eines unmittelbar Pflichten auslösenden Rechtsbegriffs hat wie z. B. der Begriff der gefährlichen Stoffe. Er dient oft nur zur Zielbestimmung des Gesetzes. Oder er formt einen Auffangtatbestand für einzelne Definitionen und Handlungsnormen. Unmittelbar Pflichten auslösend ist er nur, wenn weitere Konkretisierungsmerkmale hinzutreten, wie etwa die Schädlichkeit einer Umweltbeeinträchtigung, die Erheblichkeit eines Umweltrisikos oder die Gefährdung für ein einzelnes Umweltelement, namentlich des Menschen. Funktionell ist der Umweltbegriff also eher Orientierungs- und Wertaussage als inhaltlich qualifizierende Handlungsanweisung. Insofern mag für den Gesetzgeber eine exakte Begrifflichkeit oftmals entbehrlich sein. Für die Überlegungen zur Harmonisierung des Umweltbegriffs läßt sich daraus folgern, daß die Gestaltungsräume hier tendenziell größer sind als bei Begriffen, die konkrete Handlungspflichten auslösen. Allerdings ist der Gestaltungsraum da, wo er sich wegen einer fehlenden Definition auftut, von vornherein begrenzt durch die jeweilige umgangssprachliche und die sonstige Bedeutung des Begriffs. Der Rechtsbegriff Umwelt kann also nicht etwa beliebig, sondern nur im Rahmen konkret auftretender Gestaltungsmöglichkeiten aufgefüllt werden. Da eine sprachanalysierende Untersuchung des in der jeweiligen Landessprache verwendeten Ausdrucks hier natürlich nicht möglich ist, dürfte eine Selbstbeschränkung auf allgemein akzeptierte Definitionselemente angebracht sein. Immerhin können der weitgehende Verzicht auf Definitionen und die vage Funktionsbestimmung als Beleg dafür genommen werden, daß der Umweltbegriff über die existierenden Definitionen hinaus gestaltet

I. Analyse

141

werden kann, ohne zu den bisher definierten Begriffen in Widerspruch zu geraten. Den Ve1·wendungsjormen des Umweltbegriffs im einzelnen nachzugehen, wäre für die Klärung des Inhalts wenig gewinnbringend. Denn aus dem jeweiligen Gesetzeskontext läßt sich kaum ermitteln, ob der Umweltbegriff über seinen undefinierten, allgemein verstandenen Inhalt hinaus konkreter zu fassen ist. Selbst wenn er gleichrangig neben vergleichbaren Schutzobjekten genannt ist, etwa neben "Mensch", läßt sich daraus nicht schließen, ob die Begriffe sich alternativ gegenüberstehen, ob sie sich lediglich in einem Spezialitätsverhältnis zueinander befinden oder ob nicht die Erwähnung des verwandten Schutzobjekts nur klarstellende Bedeutung hat. Ohne die selbständige Ermittlung des Begriffsinhalts kann die Umwelt nicht erfaßt und konkretisiert werden. Da das allgemeinsprachliche Verständnis für den Inhalt des Rechtsbegriffs eine erhebliche Bedeutung hat, bestünde im übrigen auch die Gefahr, daß der Begriffsinhalt je nach dem Kontext des Ausdrucks Umwelt in nicht vertretbarer Weise variiert.

Soweit die Umwelt in den nationalen Gesetzen undefiniert bleibt und nur als Begriff erscheint, läßt sich innerhalb dieser Gesetze keine weitere Inhaltsklärung vornehmen. Nur beispielhaft zu nennen sind daher verschiedene allgemeine Regelungen des modernen Chemikalienrechts, in denen der Begriff Umwelt nicht weiter konkretisiert vorkommt: Artikel 1 des französischen Gesetzes über die Kontrolle chemischer Produkte vom 12. 7. 1977, die Präambel des kanadischen Environmental Contaminants Act, § 1 des japanischen Gesetzes über die Prüfung chemischer Stoffe und zur Regelung ihrer Herstellung und dergleichen vom 16.10. 1973, § 1 des schwedischen Gesetzes über gesundheits- und umweltgefährliche Produkte vom 27. 4. 1973 und § 1 des norwegischen Gesetzes Nr. 79 über die Kontrolle von Produkten vom 11. 6. 1976. Auch das deutsche Chemikaliengesetz erwähnt in § 1 den Begriff der Umwelt und verzichtet auf eine Definition. Allerdings lassen sich hier gewisse Indizien dafür sammeln, daß der Gesetzgeber mit der Verwendung des Umweltbegriffs wenigstens annähernd eine bestimmte Vorstellung mit dessen Inhalt verbindet. Auf das Chemikaliengesetz wird daher noch näher einzugehen sein. Ansonsten sind für den Begriffsvergleich in erster Linie die existierenden Definitionen maßgebend. Daneben können noch einige Umschreibungen herangezogen werden. Sie enthalten anstelle einer Definition verschiedene Faktoren und Elemente, die im Zusammenhang mit dem Umweltbegriff stehen.

142

J. Begriff: Umwelt

b) USA

Im amerikanischen Recht ist der Umweltbegriff weit verbreitet. Für das Chemikalienrecht hat der TSCA besondere Bedeutung. Mit diesem Gesetz ist beabsichtigt, die menschliche Gesundheit und die Umwelt vor Gefahren zu schützen, die sich aus der Verwendung von chemischen Stoffen ergeben können. Allerdings führt nicht jede Gefahr, sondern nur die unvertretbare Gefahr für Gesundheit und Umwelt zu gesetzlichen Beschränkungen. Außer bei der Gefahrenabwehr ist der Begriff der Umwelt auch bei der Erprobung von chemischen Stoffen von Bedeutung. Deren Wirkungsweisen auf die Umwelt und Gesundheit sollen umfassend ermittelt und gesammelt werden. Eine erkannte Umweltgefährlichkeit führt nicht sofort zu Sanktionen, sondern zunächst nur zu einer umfassenden Abwägung zwischen den umweltbelastenden und den wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der kommerziellen Herstellung. Wenn auch keine direkten Eingriffsbefugnisse an die Umweltgefährlichkeit geknüpft sind, so zeigt die Verwendung des Umweltbegriffs im TSCA doch, daß er nicht nur abstrakte Zielformulierung ist, sondern auch unmittelbar einen Maßstab setzt für die Einstufung der Gefährlichkeit chemischer Stoffe. Um so bedeutungsvoller ist die Tatsache, daß § 2602 Abs. 5 TSCA eine Definition für die Umwelt enthält. Danach wird Umwelt verstanden als Wasser, Luft, Boden und die Wechselbeziehungen, die zwischen Wasser, Luft und Boden und allen Lebewesen bestehen. Damit dürften alle natürlichen Umweltelemente erfaßt sein. Obwohl die englische Formulierung "living things" etwas einengend klingt, wäre es wohl abwegig, als "lebende Dinge" nur Pflanzen und Tiere und nicht auch die Menschen anzusehen. Es würde einem längst überholten Verständnis der Umwelt entsprechen, wenn sie nur als vom Menschen getrennte Umgebung aufgefaßt würde. Nach dem heutigen naturwissenschaftlichen und soziologischen Begriff ist es undenkbar, den Menschen außerhalb des komplexen Systems Umwelt anzusiedeln. Der TSCA benutzt möglicherweise nur eine moderne amerikanische Wendung, die sich aber nicht substantiell vom sonst gebräuchlicheren Ausdruck "(living) organisms" unterscheidet256 • Ein wesentliches Merkmal der TSCA-Definition liegt darin, daß direkt nur die Medien Wasser, Luft und Boden erfaßt sind und im übrigen auf die Wechselbeziehungen zwischen sämtlichen Umweltfaktoren abgestellt wird. Daraus ergibt sich beispielsweise die Konsequenz, daß 2:.a So implizit auch die von den USA für die OECD-Glossary Group angefertigte Begriffsstudie; Addentum I p. 63 zum ·Final ·Repört· of the Expert Group on an International Glossary of Key Terms vom 23. 11. 1981.

I. Analyse

143

bei der drohenden Ausrottung einer Tierart nicht direkt eine Umweltbedrohung angezeigt ist, sondern nur, soweit das Bezugssystem dieser Tierart zu anderen Umweltfaktoren gestört wäre. Dies dürfte zwar in aller Regel der Fall sein, doch ist auch vorstellbar, daß diese Zusammenhänge nicht erkannt werden und somit aus der Bedrohung für einzelne Umweltelemente nicht auf die Beeinträchtigung der Umwelt geschlossen werden kann. Insofern scheint der Inhalt der TSCADefinition enger, als wenn neben den Wechselbeziehungen auch die Lebewesen als solche mitenthalten wären. Genau dieser Einschluß ist in der Definition enthalten, die § 136 Abs. j des Bundesgesetzes über Insektizide und pilztötende Mittel257 vorsieht. Darin ist Umwelt definiert als Wasser, Luft, Boden sowie alle Pflanzen, Tiere und Menschen, die darin leben, dazu die Wechselbeziehungen, die zwischen diesen bestehen258• In dieser Definition wird Umwelt als komplexes System der natürlichen Medien und der Lebewesen begriffen. Alle Umweltelemente sind sowohl als eigenständiger Teil als auch in ihren wechselseitigen Beziehungen erfaßt. Der allgemeine Aussagewert dieser Umwelt-Definition ist allerdings dadurch ein wenig gemindert, daß sie für ein gegenüber dem TSCA spezielleres und um vier Jahre älteres Chemikaliengesetz gebildet worden ist. c) Europäische Gemeinschaften Im Normbereich der Europäischen Gemeinschaften hat die Richtlinie des Rates vom 27. Juni 1967 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe besondere Bedeutung. Die 6. Änderungsrichtlinie vom 18. September 1979 enthält eine Reihe wichtiger Definitionen, darunter eine für die Umwelt. In Artikel 2 Abs. 1 c der offiziellen englischen Fassung 258 h eißt es: "'Environment' means in water, air and land and their interrelationship as weil as relationships between them and any living organisms". Nach der offiziellen deutschen Version bedeutet dies "Wasser, Luft und Boden sowie die Beziehungen unter ihnen einerseits und zu allen Lebewesen andererseits" 280• Hiernach sind ähnlich der TSCA-Definition ausFederal Insecticide, Fungieide and Rodenticide Act. In der englischen Originalfassung heißt es: "... plants and man and other animals .. .", die wörtliche Übersetzung "Pflanzen und der Mensch und andere Tiere" wäre aber sprachlich nicht passend. 258 Official Journal of the European Communities, L 259, vol. 22, 15th of October 1979, p. 11. 280 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, L 259 vom 15. 10. 1979, s. 11. 257

258

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J. Begriff: Umwelt

schließlich die Umweltmedien und die Beziehungen aller Elemente untereinander erfaßt, nicht also die Lebewesen als solche. Bei unbefangener Übersetzung des englischen Textes wäre demgegenüber auch denkbar, "interrelationship" als Wechselbeziehung und "relationships" als (einfache) Verknüpfungen zwischen den Umweltmedien aufzufassen, so daß der Satzteil "and any living organisms" für sich allein steht. Danach wären Lebewesen selbständig erlaßt. Diese Interpretation würde den unterschiedlichen Bedeutungen von "interrelationship" und "relationships" wohl besser gerecht werden als die offizielle Übersetzung. Andererseits kann die Veröffentlichung im deutschsprachigen Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Authentizität beanspruchen, so daß zwar die mangelnde Eindeutigkeit der englischsprachigen Definition festgestellt werden könnte, im übrigen aber doch davon auszugehen ist, daß die Definition entscheidendes Gewicht auf die Beziehungen zwischen den Umweltelementen legt. Es gibt noch andere Chemikalienregelungen der EG, die den Gesichtspunkt des Umweltschutzes betonen und eine inhaltliche Vorstellung von den Elementen der Umwelt erkennen lassen.

So geht aus der Präambel und aus Artikel 4 Abs. 1 des Richtlinienvorschlags über giftige und gefährliche Abfälle vom 28. Juli 1976261 hervor, daß unter dem Gesichtspunkt des Umweltschutzes besonders der Schutz von Wasser, Luft, Boden, Pflanzen, der Schutz des Menschen vor Lärm- und Geruchsbelästigung sowie der Schutz von Natur und Landschaft bezweckt ist. Und die Richtlinie über Abfälle aus der Titandioxid-Produktion vom 20. Februar 1978262 will generell die lebenden Bestände und das Ökosystem (Wasser, Luft, Boden, Tier- und Pflanzenwelt, Natur und Landschaft), die Erholungsmöglichkeiten in der Natur sowie rechtmäßige Arten der Nutzung der betroffenen Umwelt schützen263. Speziell dieser Schutzzweck ist so weit gefaßt, daß er, wollte man ihn auf den Begriff der Umwelt beziehen, zu einem außerordentlich weitläufigen Umweltbegriff führen würde. Für beide Schutzzweckbestimmungen gilt jedoch, daß sie weder gewollt noch faktisch Definitionen für die Umwelt enthalten. Sie orientieren sich an den spezifischen Auswirkungen und Gefahren, die von den jeweils geregelten chemischen Stoffen ausgehen, und dürfen in dieser Konkretisierung nicht allgemein auf "die" Umwelt bezogen werden. Dies zeigt sich z. B. darin, daß der in der Abfallrichtlinie bezweckte 261 262 263

Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, C 194 vom 19. 8. 1976, S. 2. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, L 54 vom 25. 2. 1978, S. 19. Vgl. Präambel, Art. 1 Abs. 2 a, Art. 2, 5 und 6 der Richtlinien.

I. Analyse

145

Schutz des Menschen vor Lärm- und Geruchsbelästigung erkennbar auf Aspekte der Gesundheit bezogen ist und unter dem Gesichtspunkt der Umweltbeziehung des Menschen viel zu eng gefaßt wäre. Daß derartige Schutzzweckbeschreibungen, auch wenn sie weitgefaßt und mit Rücksicht auf die betroffene Umwelt formuliert sind, Begriffsdefinitionen darstellen, wäre eine nicht zu belegende Annahme. Immerhin geben sie einen Hinweis darauf, wie die Umweltorientierung von Rechtsvorschriften beschrieben werden kann. In einzelnen Teilen, etwa in der Beschreibung des Ökosystems in der Richtlinie über Titandioxid-Abfälle zeigen sie auch, was zu einer Definition der Umwelt gehören kann.

d) Niederlande In den Niederlanden liegt ein Gesetzesentwurf vor, der sich auf die Abschätzung von Umwelteinwirkungen bezieht. In Artikel 41 a, Absatz 1 dieses Entwurfs werden Auswirkungen von einer Tätigkeit in bezug auf die Umwelt definiert. Danach gehören zur geschützten Umwelt Menschen, Tiere, Pflanzen, Güter, Wasser, Boden und Luft und die Beziehungen zwischen ihnen sowie ästhetische, naturwissenschaftliche und kulturhistorische Werte. Damit ist unter Umwelt nicht nur die natürliche Umwelt zu verstehen, sondern auch die vom Menschen gestaltete Umwelt, soweit sie nach bestimmten Wertüberzeugungen schutzwürdig ist. Abgesehen von dieser über die natürliche Umwelt hinausgehenden Ausrichtung ist für die Definition kennzeichnend, daß sie gleichermaßen das Bezugssystem wie die einzelnen Elemente zu Objekten der zu pflegenden Umwelt macht. Insoweit gleicht sie dem Umweltbegriff, wie er in dem amerikanischen Gesetz über Insektizide etc. definiert ist.

e) Bundesrepublik Deutschland Von den bisher untersuchten Rechtsordnungen unterscheidet sich die Situation in der Bundesrepublik dadurch, daß hier keine Definition für die Umwelt vorgesehen ist. Wo der Umweltbegriff im Chemikalienrecht verwendet wird, erscheint er nicht weiter konkretisiert. Begriffsumschreibende Gesichtspunkte, die für das deutsche Chemikalienrecht typisch sein könnten, lassen sich insoweit daher nicht gewinnen. Allerdings findet sich im Chemikaliengesetz eine Formulierung, die für die Definition der Umwelt mittelbar genutzt werden kann. In § 3 Nr. 3 lit. n wird als Auffangtatbestand der Definition für gefährliche Stoffe oder Zubereitungen darauf abgestellt, ob eine Eignung besteht, "die natürliche Beschaffenheit von Wasser, Boden oder Luft, von Pflan10 Kloepfer I Bosselmann

146

J . Begriff: Umwelt

zen, Tieren oder Mikroorganismen sowie des Naturhaushalts derart zu verändern, daß dadurch erhebliche Gefahren oder erhebliche Nachteile für die Allgemeinheit herbeigeführt werden". Daß hierin ein gewisser Bezug zu den Begriffen Umwelt und Mensch liegt, ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes. Noch im Regierungsentwurf vom 17. 8. 1979 war als Auffangtatbestand der Definition für gefährliche Stoffe oder Zubereitungen die Formulierung "auf sonstige Weise für den Menschen oder die Umwelt gefährlich" vorgesehen2u. In der dann verabschiedeten Fassung wurde eine Konkretisierung vorgenommen offenkundig zu dem Zweck, den Intensitätsgrad für die Annahme der Gefährlichkeit von Stoffen oder Zubereitungen genauer festzulegen. Daß mit dieser Festlegung möglicherweise eine Herabsetzung des Umweltschutzniveaus verbunden war65, ist in diesem Zusammenhang weniger bedeutsam. Die endgültige Fassung läßt jedenfalls erkennen, daß es dem Gesetzgeber nicht um die prinzipielle Abkehr vom Schutz der Umwelt und des Menschen ging, sondern unter Beibehaltung dieser doppelten Schutzrichtung266 nur um die Präzisierung, wieweit der Schutz der Umwelt reichen soll. Insofern ist die Präzisierung des Regierungsentwurfs ein Indiz dafür, daß die Begriffe Wasser, Boden, Luft, Pflanzen, Tiere, Mikroorganismen und Naturhaushalt als Aspekte der Umwelt gewertet werden. Der Umweltbegriff erhält dadurch einige Konturen. Es wäre allerdings nicht zulässig, die verwendete Formulierung als Definition der Umwelt anzusehen. Hiergegen spricht nicht nur der formale Gesichtspunkt, daß die Umwelt in die Begriffsliste des § 3 leicht aufzunehmen gewesen wäre 287 • Auch inhaltlich hätte es keine Schwierigkeiten bereitet, eine Umweltdefinition, etwa in Anlehnung an die der 6. EG-Änderungsrichtlinie, zu implementieren268 • Wenn der Gesetzgeber- mit Rücksicht auf Gesetzestechnik und Regelungserfordernisse - davon abgesehen hat, kann ihm nicht die Absicht einer definitorischen Begriffsbestimmung unterstellt werden. Mehr als eine Annäherung an den im Chemi§ 3 Nr. 3m des Entwurfs vom 17. 8. 1979- BRat-Drucks. 330/79, S. 5. Die Umwelt ist nur insoweit geschützt, als ihre Veränderung erhebliche Gefahren oder erhebliche Nachteile für die Allgemeinheit mit sich bringen würde. 266 Wie im übrigen auch § 1 des Gesetzes vorschreibt. 267 Was gerade deswegen nahegelegen hätte, weil die Liste der Begriffsbestimmungen in Art. 2 der 6. EG-Änderungsrichtlinie, die eine Definition für den Umweltbegriff enthält, vom deutschen Gesetzgeber sonst weitgehend, wenn auch nicht inhaltsgleich, übernommen wurde. 268 Vgl. dazu Storm (Anm. 242), S. 19 und Uppenbrink u. a. (Anm. 3), Rn. 9 zu § 1, wo jeweils der Begriff der Umwelt mit Bezug auf das deutsche Umweltrecht im Sinne der EG-Definition - wenn auch ohne Begründung umschrieben wird. Vgl. auch Kloepfer (Anm. 3); S. 50. 264

265

I. Analyse

147

kaUenrecht verwendeten Umweltbegriff kann in § 3 Nr. 3 lit. n daher nicht gesehen werden. f) Sonstige Begriffsbeschreibungen

Wegen der relativ geringen Ausbeute an positiven Gesetzesdefinitionen mag es nützlich sein, . noch auf andere Rechtsquellen zurückzugreifen, soweit sie eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Umweltbegriff erkennen lassen. In der Schweiz, die bisher keine ausdrückliche Umweltorientierung in ihre Chemikalienregelungen hineingenommen hat, liegt seit einigen Jahren der Entwurf zu einem Bundesgesetz über den Umweltschutz vor. In dem Vorentwurf vom 18. Dezember 1973 wird einleitend der Zweck des Umweltschutzgesetzes beschrieben: "Das Gesetz bezweckt, den Menschen im Landschafts- und Siedlungsraurn und seine natürliche Umwelt, vor allem Wasser, Luft, Boden sowie die Lebensgemeinschaften von Pflanzen und Tieren und deren Lebensbedingungen vor schädlichen und lästigen Einwirkungen zu schützen28~." Auch hier ist eine eigentliche Definition der natürlichen Umwelt weder beabsichtigt noch ohne weiteres ableitbar ("vor allem ... "). Bemerkenswert ist aber, daß der Mensch als Teil seiner Umwelt begriffen wird und die Wechselbeziehungen zwischen den einzelnen Umweltelementen angesprochen werden (Lebensgemeinschaften, Lebensbedingungen). Darüber hinaus kann die Zweckbestimmung auch dahin verstanden werden, daß die Faktoren Mensch, Pflanze und Tier eigenständige Schutzobjekte sein sollen. Auf der Stockholm-Konferenz der Vereinten Nationen im Jahre 1972 wurde die Deklaration über die UmweLt des Menschen verabschiedet. Diese Deklaration enthält zwar keine Umweltdefinition und auch keine Ausführungen über die verschiedenen Aspekte des Umweltbegriffs. Sie macht aber immerhin deutlich, daß zwischen Mensch und Umwelt untrennbare Zusammenhänge bestehen, wenn es dort heißt: "Der Mensch ist sowohl Geschöpf als auch Gestalter seiner Umwelt, die ihm Lebensunterhalt gewährt und die Möglichkeit zu geistiger, moralischer, sozialer und seelischer Entwicklung gibt" 270• Obwohl aus dieser Abhängigkeit des Menscllen nicht voreilig auf eine begriffliche Teilidentität von Mensch und Umwelt geschlossen werden darf, zeigt sich doch, daß ein Umweltbegriff, der den Menschen nicht in irgendeiner Form einbezieht, den Intentionen der Deklaration sicher nicht entsprechen würde. ! 69 Art. 1 Abs. 1 des Vorentwurfs des Bundesgesetzes über den Umweltschutz vom 18. 12. 1973, in: Fleiner, Rechtsgutachten über die Verfassungsmäßigkeit des Vorentwurfs .. ., Separatdruck aus Wirtschaft und Recht, Nr. 3/75, S. 201 ff. 270 I. Art.· Nr:·1 der ·Deklaration· der ·Konferenz der Vereinten Nationen in StÖckholrri, 5.-16. 6. 1972; über die Umwelt des Menschen.

10*

148

J. Begriff: Umwelt

Da diese Erklärung der Vereinten Nationen einen hohen internationalen Konsens repräsentiert, kommt ihr unter dem Gesichtspunkt der Harmonisierung - zumindest atmosphärisch - eine gewisse Bedeutung zu. g) Ergebnis

Der Definitionsvergleich gibt ein relativ geschlossenes Bild ohne wesentliche, unüberbrückbare Gegensätze. Durchgängiges Merkmal aller Definitionen und Umschreibungen sind zunächst die drei Medien Wasser, Luft und Boden. Sie sind sowohl eigenständig als auch in ihren Wechselbeziehungen überall Teil des Umweltbegriffs. Ebenso gehört die Erwähnung sämtlicher Lebewesen dazu. Sie werden entweder mit diesem Ausdruck (TSCA, 6. EG-Änderungsrichtlinie) oder durch Aufzählung der einzelnen Formen - Pflanzen, Tiere, Menschen, unter Umständen zusätzlich Mikroor.g anismen - wiedergegeben. In allen vier vorhandenen Definitionen sind zumindest die Wechselbeziehungen der Lebewesen sowohl untereinander als auch zu den Umweltmedien eingeschlossen. Im Fall des amerikanischen Insektizid-Gesetzes und des niederländischen Entwurfs zum Gesetz über die Abschätzung der Umwelteinwirkungen sind darüber hinaus die Lebewesen in gleicher Weise berücksichtigt wie die Medien, nämlich eigenständig und ohne Rücksicht auf ihre ökologischen Verknüpfungen. Hierin liegt der einzig bedeutsame Unterschied zwischen allen Definitionen. Daß die niederländische Definition über die natürliche Umwelt hinausgeht und auch die vom Menschen gestaltete schutzwürdige Umwelt einbezieht, dürfte mit ihrer umfassenden Funktion zusammenhängen. Sie soll offensichtlich das gesamte Umweltrecht einschließlich der kulturhistorischen und bauästhetischen Aspekte der Umweltpflege abdecken. Für den chemikalienrechtlichen Umweltbegriff können diese Aspekte vernachlässigt werden. Jedenfalls ist den international vorhandenen Chemikalienregelungen kein Hinweis darauf zu entnehmen, daß der Umweltschutz über die Erhaltung der von Chemikalien betroffenen natürlichen Lebensgrundlagen hinausgehen soll. Die sonstigen Beschreibungen zum Umweltbegriff bzw. zu einzelnen Aspekten davon haben nicht den Aussagewert, daß sie zum eigentlichen Begriffsvergleich herangezogen werden könnten. Sie sind zu sehr am jeweiligen Gesetzeskontext orientiert. Allerdings bestätigen sie trotz zum Teil erheblich abweichender Terminologie den Eindruck, daß wesentliche inhaltliche Divergenzen in bezug auf die Umweltdefinitionen nicht auftreten können. Insbesondere die in § 3 Nr. 3 n des deut-

II. Harmonisierungserörterungen

149

sehen Chemikaliengesetzes verwendete Formulierung deutet darauf hin, daß der Umweltbegriff, wie er in den genannten ausländischen Definitionen festgelegt ist, wohl auch im deutschen Chemikalienrecht verwendet werden könnte. II. Harmonisierungserörterungen 1. Allgemeines

Das Ausgangsmaterial für den Vorschlag einer harmonisierten Definition wird in erster Linie von den existierenden Definitionen geliefert. Darüber hinaus aber ist die Verwendung des Umweltbegriffs im Chemikalienrecht gerade dadurch gekennzeichnet, daß Definitionen häufig vermieden werden und stattdessen mit der umgangssprachlichen Bedeutung des Begriffs operiert wird. Aus dieser gegenläufigen Tendenz der inhaltlichen Ausfüllung eine geschlossene Definition zu formen, ist Aufgabe der Harmonisierungserörterungen. Die Aufgabe ist jedoch ohne größere Schwierigkeiten lösbar, weil erstens die existierenden Definitionen untereinander kaum wesentliche Differenzen aufweisen und zweitens der allgemeinsprachliche Bedeutungsinhalt des Begriffs nicht allzu weit entfernt sein dürfte vom juristischen Begriff der Umwelt. Beim Verhältnis der Begriffsdefinitionen zum allgemeinsprachlichen Verständnis ist allerdings zu beachten, daß der hier interessierende Umweltbegriff auf die Risiken bezogen ist, die von Chemikalien ausgehen. Insofern ergibt sich die Notwendigkeit, eventuelle Weitläufigkeiten des allgemeinen Sprachgebrauchs zu vermeiden und den Begriff für die Belange des Umweltchemikalienrechts gegebenenfalls zu präzisieren. Auch für die Harmonisierung des Umweltbegriffs gilt im übrigen, daß es nicht genügt, den größten gemeinsamen Nenner aller Definitionen zu finden. Wichtig erscheint eine wertende Zuordnung, bei der ein bereits entwickeltes Begriffsverständnis einem nur rudimentären oder veralteten Begriffsinhalt vorzuziehen ist. Nach den Anforderungen des gestiegenen Umweltbewußtseins und einer zukunftsorientierten Umweltpolitik kann dies nur heißen, daß es auf größtmögliche Effizienz und Praktibilität des Begriffs ankommt. Wie die geschilderten Komponenten im einzelnen zusammenwirken, wird in den folgenden Abschnitten ausgeführt. 2. Umweltfaktoren

Inhaltlicher Kern des Umweltbegriffs ist das Vorhandensein von Umweltfaktoren, die für den Organismus existenzbestimmend sind.

J.l3egriff: Umwelt

lf:iO

Genaugenammen wird die Umwelt zwar nicht nur vorn Vorhandensein der Faktoren Luft, Wasser, Boden und Lebewesen bestimmt, sondern gerade auch vom spezifischen Zustand der einzelnen Faktoren. Doch läßt sich dieser Zustand nicht näher beschreiben als mit dem Hinweis auf dessen Bedeutung für die Existenzsicherung der Organismen. Insofern gehören die Anforderungen an eine bestimmte Qualität der Umweltfaktoren nicht in den Begriff, sondern in die politische Entscheidung dessen, was zur Erhaltung der Umwelt erforderlich ist. Durch den Verzicht auf konkretisierende Festlegungen zum erforderlichen Zustand der Umweltfaktoren unterscheidet sich der Begriff Umwelt vom Begriff Umweltschutz. Ein weiterer Aspekt des Begriffskerns liegt darin, daß nicht notwendigerweise alle denkbaren Faktoren zum chemikalienrechtlichen Umweltbegriff gehören müssen. Während allgemein der Rechtsbegriff Umwelt nicht auf die natürliche Umwelt beschränkt ist, sondern auch die "bebaute Umwelt" 271 als schutzwürdigen Lebensraum des Menschen umfassen kann, ist bei den meisten Rechtsordnungen Schutzgut im Chemikalienrecht meist nur die natürliche Umwelt. Die vom Menschen gestaltete Welt der Kulturdenkmäler, Siedlungskerne, Stadtlandschaften etc. muß nicht zwingend als Schutzgut des Umweltchemikalienrechts angesehen werden. Zwar würden durch eine Einbeziehung der menschlich gestalteten Welt in den Umweltbegriff des Chemikalienrechts auch spezifische Gefahren von Umweltchemikalien für Denkmäler etc. rechtlich erfaßbar. Umgekehrt könnten sich aber aus der Einbeziehung der menschlich gestalteten Welt auch erhebliche Schwierigkeiten für die rechtliche Bestimmbarkeit der Umweltgefährlichkeit von Chemikalien ergeben. Natürliche und bebaute Umwelt könnten in Konflikt miteinander geraten, beispielsweise dann, wenn die Nützlichkeit einer Chemikalie für die Erhaltung von Gebäuden eine gleichzeitige Gefährdung der natürlichen Umwelt bedeutet. Folge könnte sein, daß die Schädlichkeit für das natürliche Umweltmedium (z. B. Luft) durch die gewollte Nützlichkeit für das künstlich geschaffene Element (z. B. Gebäude) kompensiert wird. Wegen nicht feststellbarer Umweltgefährlichkeit bliebe dann die betreffende Chemikalie unter Umständen von gesetzlichen Sanktionen ausgenommen. Derartige Konflikte sind jedenfalls dann zu vermeiden, wenn die Komponenten des Umweltbegriffs auf die natürlichen Umweltfaktoren beschränkt sind. Diese Sicht entspricht erkennbar auch der generellen Schutzrichtung des Umweltchemikalienrechts. Alle modernen Regelungen bezwecken den Schutz der Gesundheit und der natürlichen Umwelt 271

Kloepfer

(Anm. 248), Sp. 2652.

li. Harmonisierungserörterungen

151

gegen Belastungen durch Umweltchemikalien272 • Dieser Schutzzweck zwingt zu einem Umweltbegriff, der sich auf die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen bezieht. Ebenso eindeutig zielen die vorhandenen Definitionen und Umschreibungen auf den Begriff der natürlichen Umwelt. Andere Umweltfaktoren als Luft, Wasser und Boden sowie Lebewesen bzw. Organismen werden in den Chemikalienregelungen nicht angesprochen. Die einzige insoweit abweichende Definition ist die im Entwurf zum niederländischen Gesetz über die Abschätzung von Umwelteinwirkungen273 • Dort umfaßt der Umweltbegriff über die natürliche Lebensgrundlage hinaus auch ideelle Werte, die sich als Grundlagen des geistig-seelischen Lebens begreifen lassen. Zwar ist nicht auszuschließen, daß dieser Definitionsentwurf auch für den Bereich der Umweltchemikalien Gültigkeit erlangen soll. Dennoch sprechen der weite Funktionszusammenhang des Gesetzes und der Vergleich mit den sonstigen chemikalienrechtlichen Umweltdefinitionen entscheidend dafür, daß die Einbeziehung ideeller Werte nicht einmal die Ausnahme von der Regel darstellt, sondern lediglich die Folge der anders gelagerten Funktion des Begriffs. Dennnoch ist die Beschränkung auf die natürliche Umwelt keineswegs zwingend. Wenn nämlich die natürliche und die künstlich gestaltete Komponente der Umwelt alternativ den Umweltbegriff ausmachen, könnte die geschilderte Konfliktsituation u. U. vermieden werden. Die Umwelt könnte stets als betroffen angesehen werden, wenn entweder die natürlichen Lebensgrundlagen oder die menschlich gestalteten Lebensräume betroffen sind. Da diese Sicht aber durch das geltende Umweltchemikalienrecht nicht zu belegen ist und chemikalienspezifische Gefahrenmomente in erster Linie die natürliche Umwelt betreffen, wäre eine Ausweitung der harmonisierten Umweltdefinition auf die bebaute Umwelt wohl überzogen. Vorteilhaft scheint es, auf eine entsprechende Gestaltungsmöglichkeit bei den Anmerkungen hinzuweisen. Im einzelnen bestehen die natürlichen Umweltfaktoren aus den Medien Luft, Wasser und Boden einerseits und aus den Lebewesen andererseits. Während die Medien überall einheitlich bezeichnet werden, sind die Lebewesen entweder mit einer Sammelbezeichnung erfaßt274 oder durch Einzelaufzählung 275 wiedergegeben. Allein Schwierigkeiten könnte nur die Frage bereiten, ob in jedem Fall der Mensch definitorischer Bestandteil der Lebewesen und damit 272

So auch das Ergebnis der rechtsvergleichenden Untersuchung von Reh-

binder (Anm. 116), S. 208. 273 274 275

Oben S. 145 f. Lebewesen, Organismen oder lebende Organismen. Menschen, Tier e bzw . Tier welt und Pflanzen bzw. Pflanzenwelt .

152

J . Begriff: Umwelt

der Umwdt ist. Nach allgemeinem Sprachgebrauch deutet die Bezeichnung Umwelt, zumal in der Gleichsetzung mit "Umgebung", auf ein Vorstellungsbild, in dem der Mensch außerhalb des Begriffs Umwelt zu stehen scheint. Allerdings dürfte eine solche Vorstellung der Vergangenheit angehören. Soweit heute mit Umwelt die Umgebung des Menschen bezeichnet wird, ist dies auf das einzelne Individuum zu beziehen, das dann begrifflich ausgeschlossen sein mag. Nicht mehr aber läßt sich die Gesamtheit der Menschen, also etwa die Umgebungsbevölkerung vom umgangssprachlichen Begriff der Umwelt ausnehmen276. Die Gattung Mensch ist also schon nach allgemeinsprachlicher Vorstellung als Teil der Umwelt zu betrachten. Davon gehen auch sämtliche allgemeinsprachlichen Definitionen der Umwelt offensichtlich aus277 • Erst recht muß dies für den juristischen Umweltbegriff gelten.

Auch da, wo in rechtlichen Definitionen anstelle der Einzelaufzählung die Sammelbezeichnung Lebewesen o. ä. verwendet wird, sind also Auslegungsprobleme nicht zu erwarten. Insoweit könnte allenfalls nützlich sein, bei den Erläuterungen zur harmonisierten Definition den klarstellenden Hinweis aufzunehmen, daß Menschen, Pflanzen und Tiere einschließlich der Mikroorganismen gleichermaßen erfaßt sind. Für die Definition selbst scheint die Bezeichnung Organismen präziser eventuell lebende Organismen - sprachlich vorzugswürdig gegenüber dem etwas verschwommenen Ausdruck Lebewesen. 3. Beziehungen untereinander

Für den Umweltbegriff wesentlich ist ferner, daß nicht (nur) die Umweltfaktoren als solche die natürlichen Lebensgrundlagen ausmachen, sondern deren komplexes Zusammenwirken, das heißt die zwischen den einzelnen Faktoren bestehenden Wechselbeziehungen. Diese Präzisierung beruht auf der Annahme, daß bestimmte Veränderungen eines einzelnen Mediums oder einer Pflanzen- oder Tierart Auswirkungen haben können auf die übrigen Umweltfaktoren, somit auf die gesamte Umwelt. Das Problem der Annahme eines Beziehungssystems besteht darin, den Grad und die Qualität von Veränderungen zu ermitteln, die für die Erhaltung der Lebensgrundlagen von Bedeutung sein können. Nach derzeitigem Erkenntnisstand gibt es keine sicheren Parameter zur Bemessung solcher Veränderungen. Aus diesem Grunde ist es auch Vgl. Lukes/Richter, NJW 1981, S. 1401, 1402. So etwa Brockhaus, Enzyklopädie, Bd. 19, 17. Aufl. 1974, S. 225 zum Stichwort Umwelt: "Gesamtheit der existenzbestimmenden Faktoren, d. h. aller Umweltfaktoren, die von einem Lebewesen wahrgenommen werden oder auf es einwirken". 276 277

II. Harmonisierungserörterungen

153

nicht möglich, generell und definitorisch festzulegen, ab wann sich Veränderungen einzelner Faktoren auf die wechselseitigen Beziehungen zu anderen Faktoren und damit auf die Umwelt auswirken. Eine gewisse Annäherung an die geforderte Veränderungsqualität besteht immerhin darin, daß im allgemeinen die Umweltveränderung wahrgenommen wird, wenn sie sich auf den Menschen auswirkt. Der anthropozentrische Zuschnitt des Umweltbegriffs wie auch die relativ gründliche Erforschung des menschlichen Organismus legen es nahe, die Einwirkungen auf den Menschen als wichtigen Indikator einer Veränderung in den Beziehungen zwischen den Umweltfaktoren anzusehen. Auf der anderen Seite darf nicht außer acht gelassen werden, daß der menschliche Organismus außerordentlich anpassungsfähig ist und Störungen im Beziehungssystem im Vergleich etwa zu Mikroben oder zahlreichen Pflanzen- und Tierarten kurzfristig ausgleichen kann278 • Daher bedarf es auch anderer, empfindlicherer Seismographen, um das System der wechselseitigen Beziehungen zu erkennen. Auf die Definition der Umwelt kann sich das komplexe Problem der Wechselbeziehungen nur so auswirken, daß nicht näher konkretisiert wird, wann die Veränderung eines Umweltelements die Beziehungen zu anderen Elementen beeinflußt. Im Prinzip also sind die Wechselbeziehungen stets betroffen, wenn eine signifikante Veränderung bei einem Element der Umwelt auftritt. Auch die vorhandenen Definitionen präzisieren nicht weiter, sondern beschränken sich zumeist auf die Erwähnung der Beziehungen untereinander bzw. der Wechselbeziehungen. Eine gewisse Differenzierung nimmt lediglich die 6. EG-Änderungsrichtlinie vor, indem sie zwischen der Wechselbeziehung (interrelationship) von Wasser, Luft und Boden und den Beziehungen (relationships) dieser Medien zu den Lebewesen unterscheidet. In der offiziellen deutschsprachigen Übersetzung freilich kommt diese Unterscheidung nur abgeschwächt zum Ausdruc:It279 • Wegen der sonst großen Ähnlichkeit mit den amerikanischen Umweltdefinitionen ist allerdings zu vermuten, daß die EG-Definition nur aus systematischen, eventuell auch aus sprachlichen Gründen diese Unterscheidung trifft. Nicht erkennbar ist jedenfalls, welche praktischen Auswirkungen es haben soll, wenn anstelle von Beziehungen zwischen allen Umweltelementen von der Wechselbeziehung zwischen den Medien und den Beziehungen zu den 278

Vgl. Feldhaus, Umweltschutz. Luftreinhaltung, Lärmbekämpfung, 1971,

279

Vgl. oben S. 143.

S.l.

154

J . Begriff: Umwelt

Lebewesen gesprochen wird. Für die Zwecke der Definition braucht eine Strukturierung des Beziehungssystems nicht vorgenommen zu werden280• 4. Eigenständige Berücksichtigung der Umweltfaktoren

Nach dem feststehenden Bedeutungsinhalt des Begriffs umfaßt Umwelt die Gesamtheit der existenzbestimmenden Faktoren. Im Vordergrund steht dabei nicht der Schutz der einzelnen Faktoren als solcher, sondern ihr Zusammenwi?·ken im Hinblick auf die Bewahrung der Lebensgrundlagen. Aus diesem Grunde ist der Umweltbegriff nicht so sehr um die einzelnen Medien und Elemente zentriert, sondern um deren gegenseitige Abhängigkeit und Beeinflussung. Für jede Umweltdefinition ist daher die Akzentsetzung auf den Zusammenhang der Umweltfaktoren unverzichtbar. Die existierenden Definitionen stimmen hierin auch überein. Bei der besonderen Wichtigkeit des Beziehungssystems scheint es allerdings überraschend, wenn daneben die einzelnen Faktoren auch eigenständig in die Definition aufgenommen werden. Dies könnte zu der Annahme verleiten, als sei alternativ zu den wechselseitigen Abhängigkeiten auch das einzelne Element direkt durch den Umweltbegriff geschützt. Was aber eigentlich geschützt sein soll, wird möglichrweise unklar. Und doch erfassen alle untersuchten Begriffsdefinitionen die Umweltmedien auch eigenständig.

Durchgängig werden die Medien Luft, Wasser und Boden als selbständige Definitionselemente herausgestellt. Würde man dahinter einen gewissermaßen unabhängig vom Umweltschutz beabsichtigten Schutz einzelner Medien vermuten, wäre der Sinn einer solchen Umweltdefinition kaum noch einzusehen. Es wären dann zwei Gesichtspunkte miteinander verknüpft, die zwar beide mit der Umwelt zu tun haben, die aber ebensogut und für gesetzgeberischeZwecke viel nutzbringender zu trennen sind. Wenn z. B. das Wasser mit der Umwelt gleichgesetzt wird, treten begriffliche Verwirrungen auf und darüber hinaus Regelungsproblerne bei Gesetzen, die sich auf den Gewässerschutz konzentrieren281. 280 Vgl. auch die Begriffsumschreibung bei Storm (Anm. 242), S. 19, die sich an die EG-Definition anlehnt und gleichwohl von "Beziehungen dieser Umweltelemente" (Boden, Wasser, Luft, Pflanzenwelt und Tierwelt) "untereinander und mit den Menschen" spricht. Ähnlich Uppenbrink u. a . (Anm. 3), Rn. 47 zu§ 3. 281 Da das Gewässer sowohl wirtschaftliches Nutzgut als a uch Teil des ökologischen Systems ist, besteht begrifflich die Notwendigkeit, beide Aspekte a useinanderzuhalten.

II. Harmonisierungserörterungen

155

In sich schlüssig bleibt die Umweltdefinition daher nur, wenn der eigenständigen Erfassung der Medien ein anderer Zweck beigelegt wird als der einer inhaltlichen Alternative zum Beziehungssystem. Sie ist dahin zu verstehen, daß schon mit der Veränderung eines Mediums die Sphäre der Umwelt betroffen ist. Es kommt dann nicht mehr auf die positive Feststellung einer Änderung in den Beziehungen an, die zwischen den Medien bzw. zwischen ihnen und den übrigen Umweltelementen bestehen. Bei dieser Sicht hat also die Herausstellung der Medien den Zweck, daß deren Veränderung Indiz ist für eine Veränderung der gesamten Umwelt. Begriffstechnisch sind sie demnach als Teil des Umweltbegriffs, nicht aber als selbständiges, vom Umweltbegriff zu lösendes Schutzgut der Definition anzusehen. Erst in dem Zusammenschluß mit den übrigen Elementen machen sie den Umweltbegriff aus. Entsprechend ist dann auch die selbständige Benutzung der Begriffe Wasser, Luft oder Boden leichter verständlich. Wo das Gesetz von Wasser, Gewässer etc. spricht, wird zwar immer auch ein Teilaspekt der Umwelt angesprochen, inhaltlich ist aber das eine vom anderen klar unterschieden: Wasser erscheint als Unterbegriff des Oberbegriffs Umwelt. Überträgt man diese Interpretation auf die allgemeine Frage, welche Bedeutung die eigenständige Erfassung der Umweltfaktoren hat, so relativiert sich der Unterschied, der zwischen solchen Definitionen besteht, die auch die Organismen selbständig behandeln282 , und solchen, die das nicht tun283 • Allen Definitionen gemeinsam ist die Akzentuierung der ökologischen Beziehungen. Dies gilt auch dort, wo außer den Medien die Organismen eigenständig erfaßt werden. Der Sinn der eigenständigen Erfassung aller Umweltelemente liegt darin, den inneren Zusammenhang zwischen jedem einzelnen Element und den Beziehungen zu den anderen Elementen zu betonen. Damit wird den Erkenntnissen der Ökologie Rechnung getragen, wonach unter dem Gesichtspunkt der Umwelt die isolierte Betrachtung eines Mediums oder eines bestimmten Organismus nicht möglich ist. Im Prinzip ist jedes Element der Umwelt in seiner Existenz und Veränderbarkeit von den anderen Elementen abhängig. Und umgekehrt beeinflußt jedes Element die Existenzbedingungen der übrigen Elemente. Wenn daher in der Umweltdefinition die menschlichen, pflanzlichen und tierischen Organismen auch ohne ihre Beziehungen untereinander bzw. zu den Medien berücksichtigt werden, drückt sich darin die Er282 Im Insektizid-Gesetz der USA und im Entwurf des niederländischen Gesetzes über die Abschätzung von Umwelteinwirkungen. 283 Im TSCA und in der 6. EG-Änderungsrichtlinie, wobei hier, wie oben S. 143 f. dargestellt, ohnehin eine gewisse Offenheit der Definition festzustellen ist.

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J. Begriff: Umwelt

kenntnis aus, daß sie qua Existenz und durch ihren konkreten Zustand den Charakter der Umwelt mitbestimmen. Jede- nicht näher qualüizierbare - Veränderung bringt im Prinzip eine Veränderung der Umwelt mit sich. Der Wert dieser Erkenntnis dürfte darin liegen, daß die Feststellung, wann und wodurch sich die Umwelt verändert, erleichtert wird. Nicht erst die genaue Untersuchung der vielfältigen Beziehungen erlaubt die Schlußfolgerung auf eine Umweltveränderung, sondern schon die Feststellung einer signifikanten Veränderung innerhalb eines bestimmten Organismus. Ob diese Konkretisierung auch praktische Konsequenzen auf die Erforschung der Umwelt und ihre Bedingungen hat, kann hier nicht weiter untersucht werden. Berechtigt scheint aber die Annahme, daß ein Rechtsbegriff Umwelt, der diese Konkretisierung enthält, einen Fortschritt gegenüber einem Rechtsbegriff darstellt, der allein auf die Beziehungen zu den Umweltmedien hinweist. Auf die jetzigen und sich weiter entwickelten Erkenntnisse ökologischer Forschung dürfte er besser vorbereitet sein. In dieser Situation sind nach dem Harmonisierungskriterium der Vorzugswürdigkeit eines bereits entwickelten Begriffssystems die amerikanische und die niederländische Definition284 vorrangig heranzuziehen. Beide enthalten gleichermaßen die eigenständige Erwähnung aller Umweltfaktoren und die Beziehungen zwischen ihnen. Sie können daher als Vorbild für die vorzuschlagende Definition dienen. 5. Ergebnis

Der Inhalt der harmonisierten Definition besteht aus drei Komponenten, nämlich der Erwähnung der Umweltfaktoren (Wasser, Luft, Boden und lebende Organismen), ihrer Beziehungen untereinander und ihrer jeweiligen Eigenständigkeit. Terminologisch braucht nur auf die Beziehungen hingewiesen zu werden, ohne daß die eigenständige Bedeutung der Umweltfaktoren besonders hervorgehoben wird. Sie wird hinreichend deutlich, wenn die Aufzählung der Umweltfaktoren und die Erwähnung ihrer Beziehungen untereinander durch eine Konjunktion verbunden sind. 6. Vergleich mit dem vorgeschlagenen Konzept des OECD-Giossariums

Die von der OECD-Expertengruppe vorgeschlagene Definition lautet: "Wasser, Luft und Boden sowie die Beziehungen unter ihnen einerseits und zu allen Lebewesen andererseits" 285• 284

Oben S. 142 f. bzw. 145 f.

Environment A. Definition Water, air and land and their inter-relationship as well as relationships between them and any living organisms. 285

II. Harmonisierungserörterungen

157

Sie hat den gleichen Wortlaut wie die Umweltdefinition der 6. EGÄnderungsrichtlinie. Damit entspricht sie auch dem ungefähren "Durchschnitt" der zur Zeit existierenden Definitionen in Chemikaliengesetzen. In den Erläuterungen wird u. a. der weitgehende Verzicht auf besondere Umweltdefinitionen erwähnt, da oft auch auf das allgemeinsprachliche Verständnis zurückgegriffen werden könne. Obwohl der Harmonisierungsvorschlag die Lebewesen nicht als selbständige Elemente der Definition behandelt, weisen die Erläuterungen darauf hin, daß die unmittelbare Einbeziehung von den nationalen Gesetzgebern erwogen werden sollte280 • Der Wert eines solchen Einschlusses wird also durchaus anerkannt, wofür im übrigen auch der weitere Hinweis spricht, daß verschiedene Definitionen den direkten Einschluß der Lebewesen bereits enthalten287 • Darüber hinaus versteht sich die OECD-Definition als Vorschlag, der für die Zwecke des Umweltschutzes ausgeweitet oder für spezielle Chemikaliengesetze konkretisiert werden kann. Der Unterschied zu der hier vorzuschlagenden Definition liegt in der Behandlung der Eigenständigkeit der Lebewesen. Allerdings dürfte er nicht prinzipieller Natur sein, wie aus den begleitenden Kommentierungen des OECD-Vorschlags zu schließen ist. Maßgebend für die insoweit festzustellende Zurückhaltung der OECD-Expertengruppe dürften deren allgemeine Harmonisierungskriterien sein, die in ZweiB. Statement of Intent This definition is typical of current definitions in chemieals control laws. The definition is comprehensive of the objects and relationships that may be affected by chemicals. The purpose of using the definition would be to describe the media and relationship which are to be protected in order to prevent harm by chemieals to living organisms. C. Annotation C 1 Some countries' chemical control laws do not include definitions for this term, but presumably rely on common usage and other precedents in their countries. C 2 The definition covers the relationships between living organisms, via their physical surroundings. The direct protection of living organisms themselves should be considered by law-makers when devising legislation. C 3 The definition does not include reference to aesthetic or cultural-historical values. These can be added in a law for application in a country but are not readily manageable in an international context. C 4 The definition does not include the workplace environment. The workplace is generally subject to special purpose laws. D. Speciat Remarks D 1 The coverage of this definition may be broadened beyond the natural environment as needed or desired for a particular law. D 2 Definitions which explicitly include living organisms as elements of the definition of environment appear in some legislation. 286 Annotation C 2. 287 Special remarks D 2.

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J. Begriff: Umwelt

felsfällen einer größeren Begriffsflexibilität den Vorzug geben statt das am weitesten entwickelte Begriffssystem zu favorisieren288 • Aus den oben geschilderten Gründen scheint demgegenüber der Nutzen - jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des Umweltschutzes größer, wenn den nationalen Gesetzgebern eine Definition nahegelegt wird, die das Verständnis für die engen Verknüpfungen aller Umweltfaktoren fördert.

111. Definitionsvorschlag Die harmonisierte Definition für Umwelt lautet somit:

Definition: Wasser, Luft, Boden, lebende Organismen einschließlich der Beziehungen untereinander. Anmerkungen:

a) Der Ausdruck "lebende Organismen" umfaßt Menschen, Tiere und Pflanzen einschließlich der Mikroorganismen. b) Die Definition schließt die Medien und die lebenden Organismen sowohl in ihrer eigenständigen Bedeutung als auch in ihren wechselseitigen Beziehungen ein. Darüber hinaus kann auch die menschlich gestaltete (bebaute) Umwelt Teil der Definition sein. c) Soweit in den bisherigen Chemikaliengesetzen Definitionen für den Begriff Umwelt nicht enthalten sind, wird in der Regel die allgemeinsprachliche Bedeutung im jeweiligen Land zugrundegelegt. d) Für die Zwecke spezieller Chemikaliengesetze könneri anstelle der allgemeinen Definition einzelne Aspekte des Umweltbegriffs herangezogen werden.

288 Dazu Nr. 47 des Final Report of the Expert Group on an ·International Glossary of Key Terms, OECD, ENV /CHEM/MC / 81.7 vom 30.. Oktober 1981.

K. Analyse und Harmonisierungsvorschlag zu den Begriffen: Gefahr, gefährlich, gefährliche Stoffe und Zubereitungen (- Güter, - Abfälle), Risiko, unvertretbares Risiko I. Analyse 1. Verwendungshäufigkeit

Der Begriff der Gefahr wird in allen dieser Untersuchung zugrundeliegenden Ländern und Rechtsordnungen verwendet. Er ist aber nirgends unmittelbarer Anknüpfungspunkt für bestimmte Rechtsfolgen, sondern in seinem Ckbrauch abhängig vom jeweiligen Grundverständnis, Regelungszweck und Begriffszusammenhang. Eine allgemein verbindliche exakte Definition für den Rechtsbegriff der Gefahr gibt es nicht. In den meisten Rechtsordnungen finden sich jedoch Definitionen und Umschreibungen für einzelne Gefahrenkonkretisierungen. Der Begriff der gefährlichen Stoffe wird nahezu überall verwendet und in vielen Rechtssystemen umschrieben bzw. definiert, nämlich in der Bundesrepublik Deutschland, in einigen Richtlinien der Europäischen Gemeinschaften, in Dänemark, im Vereinigten Königreich, in Schweden, den Niederlanden, den USA und in multilateralen Verträgen. Darüber hinaus finden sich ähnliche Begriffskombinationen wie "gefährliche Substanzen", "gefährliche Zubereitungen", "gefährliche Waren und Produkte" und "gefährliche Güter" in den Regelungen von Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, der Europäischen Gemeinschaft, Dänemark, Schweden, Japan und verschiedenen multilateralen Verträgen. Die Begriffskombination "gefährliche Abfälle" ist ebenfalls recht weit verbreitet. Umschrieben oder definiert wird sie insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland, in den Europäischen Gemeinschaften, im Vereinigten Königreich und im Bundesstaat Oregon der USA. Anders als beim Terminus "Gefahr" kommt dem Begriff des Risikos in den meisten Rechtssystemen keine eigenständige Bedeutung zu. Unter "Risiko" wird meist die Gesamtheit aller möglichen Gefahrenintensitäten ·und Wahrscheinlichkei ten eines Schadenseintritts verstanden, ohne daß damit eine besondere Regelung verbunden wäre. Von Risiko ist

160

K. Begriffe: Gefahr, Gefährliche Stoffe u. Zubereitungen, Risiko etc.

in der Regel nur die Rede, wenn es um die Beschreibung eines gesetzgeberischen Zweckes geht oder um die Abgrenzung zum Gefahrenbegriff als den Begriff mit größerer Schadensnähe. Eine Ausnahme bilden die USA und (mit Einschränkungen) Frankreich sowie ein Richtlinien-Vorschlag in den Europäischen Gemeinschaften. In den USA ist Anknüpfungspunkt für gesetzliche Sanktionen nicht eine bestimmte Gefährlichkeit, sondern das "unvertretbare Risiko". In gewisser Hinsicht wird hier der sonst zumeist herangezogene Gefahrenbegriff durch den Begriff des (unvertretbaren) Risikos ersetzt. Insoweit gibt es auch eine Umschreibung im Sinne einer Aufzählung entscheidungserheblicher Kriterien. Auch in Frankreich ist der Begriff des "unvertretbaren Risikos" bekannt. In seiner Verwendung ist er allerdings dem Gefahrenbegriff gleichgeordnet und im übrigen gesetzlich nicht festgelegt. Kriterien zur Quantifizierung des unvertretbaren Risikos finden sich in einzelnen Materialien zum Gesetz über die Kontrolle chemischer Produkte. Erwähnt und in bezug auf Umweltbelastungen negativ umschrieben ist der Begriff schließlich auch in einem Richtlinienvorschlag der Europäischen Gemeinschaft für das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln ("ein unvertretbares Risiko liegt nicht vor, wenn ... "). 2. Abgrenzung des Vergleldlsobjekts

a) Allgemeines Zentraler Gegenstand der Untersuchung ist der Gefahrenbegriff im Umweltchemikalienrecht. In dieser Allgemeinheit ist der Begriff aber nicht ohne weiteres einer rechtsvergleichenden Untersuchung zugänglich, da er in hohem Maße kontextorientiert und vom jeweiligen Grundverständnis abhängig ist. Zur Erfassung des Gefahrenbegriffs ist es deshalb unumgänglich, Kontext und Grundverständnis vorab zu analysieren und erst dann den Versuch zu unternehmen, Obereinstimmung und Unterschiede der in den verschiedenen Rechtssystemen verwendeten Gefahrenbegriffe herauszuarbeiten. Dabei erweist es sich als nützlich, zunächst einzelnen Konkretisierungen der Gefahr nachzugehen, wie z. B. den "gefährlichen Stoffen", um danach die Frage zu beantworten, ob es einen gemeinsamen Nenner aller Konkretisierungen im Sinne eines allgemeinen Gefahrenverständnisses oder wenigstens einige allgemeinverbindliche Gefahrkriterien gibt. Soweit darüber hinaus allgemeine Gefahrendefinitionen bzw. -beschreibungen vorhanden sind, können sie zum Anknüpfungspunkt

I. Analyse

161

für eine vergleichende Analyse gemacht werden. Durch diese sowohl deduktive als auch induktive Methode läßt sich der Begriff der Gefahr abgrenzen von verwandten oder entgegengesetzten Begriffen. Was im internationalen Vergleich unter Gefahr verstanden wird, kann naturgemäß erst die Untersuchung selbst ergeben. Doch ist die vergleichende Untersuchung nicht ohne ein gewisses Vorverständnis von einem Gefahrenbegriff möglich. Er sollte gewisse Unterscheidungsmerkmale gegenüber verwandten Begriffen besitzen. Deshalb ist es hilfreich, eine grobe Umschreibung der Gefahr voranzustellen, die international verstanden wird und außerdem erkennen läßt, wo die Abgrenzungslinien verlaufen, d. h. wo eine "Noch-nicht-Gefahr" anzunehmen ist und wo die Gefahr sich bereits realisiert hat.

Nach allgemeinem Verständnis ist unter Gefahr zunächst die objektive Möglichkeit eines Schadenseintritts zu verstehen. Daraus ergibt sich bereits, daß von Gefahr dort nicht mehr gesprochen werden kann, wo ein Schaden in der Form der Gesundheitsbeeinträchtigung, Zerstörung, Umweltbeeinträchtigung u. ä. bereits eingetreten ist. Derartige Realisierungen der Gefahr bleiben deshalb außerhalb der Betrachtung. Die allein Schwierigkeiten bereitende Frage ist, wie hoch der Möglichkeitsoder Wahrscheinlichkeitsgrad sein muß, um von Gefahr sprechen zu können. Sicher scheint nur, daß nicht jede noch so abstrakte und kaum noch erkennbare Möglichkeit eines Folgeneintritts ausreicht, um die Wahrscheinlichkeit als Element des Gefahrenbegriffs zu belegen. Zur Qualifikation der Eintrittswahrscheinlichkeit bedarf es bestimmter normativer Hinzufügungen, deren Allgemeinverbindlichkeit oder Nichtallgemeinverbindlichkeit das eigentliche Problem der Untersuchung und des Harmonisierungsvorschlages ist. Immerhin läßt sich aber schon auf dieser ersten eher sprachlich gesicherten Ebene sagen, daß Gefahr immer auf einen vom Gesetzgeber nicht erwünschten Folgeneintritt bezogen ist und einen bestimmten Wahrscheinlichkeitsgrad für den zu erwartenden Folgeneintritt fordert. Der Gefahrenbegriff besteht also aus den aufeinander bezogenen Elementen "Rechtsgutbeeinträchtigung" und "Wahrscheinlichkeitsurteil".

b) Der Gefahrenbegriff im allgemeinen Sicherheitsrecht Im Umweltchemikalienrecht geht es um die Einordnung umweltchemikalienspezifischer Gefahrengehalte. Sie bestimmen den Grad der für die Annahme einer Gefahr erforderlichen Wahrscheinlichkeit. Daraus folgt zwangsläufig, daß der im Umweltchemikalienrecht verwendete Gefahrenbegriff spezifisch, also nicht deckungsgleich ist mit dem allgemeinen juristischen Gefahrenbegriff. Berührungspunkte und struk11 Kloepfer I Bassetmann

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turelle Übereinstimmungen zwischen beiden Gefahrenbegriffen sind jedoch vorhanden. Dies ergibt sich schon historisch daraus, daß in fast allen Rechtsordnungen ein allgemeines begriffliches Verständnis der Gefahr zugrundeliegt, aus dem sich der chemikalienrechtliche Gefahrenbegriff herausbildete. Diese Entwicklung läßt sich anband der deutschen Rechtsordnung beispielhaft erläutern. Der Gefahrenbegriff kommt überall dort vor, wo Rechtsnormen die Verhinderung von Rechtsgutverletzungen bezwecken. Tradition hat er insbesondere im deutschen Zivilrecht 280 und Stmfrecht290 • Eine Weiterentwicklung und Differenzierung hat er dann im Öffentlichen Recht erfahren. Hier dient das Sicherheits- und Ordnungsrecht in besonderem Maße der Verhinderung von Gefahren. Nach der noch heute verbindlichen Formulierung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts291 beschreibt der polizei-und ordnungsrechtliche Gefahrenbegriff eine Sachlage, die bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens zu einem Schaden führen würde, d. h. zu einer Minderung des tatsächlich vorhandenen Bestandes normaler Rechts- oder Lebensgüter durch äußere Einflüsse 292 • In dieser Definition sind die schon erwähnten beiden Komponenten des allgemeinen Gefahrenbegriffs enthalten: die Rechtsgutbeeinträchtigung und die Wahrscheinlichkeit, mit der ein objektiver Geschehensablauf zum Schaden führen wird. Für die Charakterisierung als Rechtsgutbeeinträchtigung kommt es nicht auf die individuelle Sicht an, sondern auf die nach allgemeiner Auffassung für eine Beeinträchtigung sprechenden Kriterien. Die Wertung richtet sich nach der Intensität der zu erwartenden Rechtsgutbeeinträchtigung, aber auch nach der Wichtigkeit des geschützten Rechtsgutes. Dabei können auch Zeit und Ort eine Rolle spielen, da in der Regel konkurrierende Interessen gegeneinander abgewogen werden müssen293 • Was unterhalb der so als verbindlich erkannten Intensitätsschwelle liegt, wird als hinzunehmender Nachteil oder als bloße Belästigung angesehen, vor denen es wegen des in einer technisierten Welt bestehenden allgemeinen Lebensrisikos keinen rechtlichen Schutz gibt. 280 Vgl. z. B. die Regelungen über Rechtfertigungsgründe in den §§ 228, 904 BGB oder die Regelungen der §§ 618, 680, 824, 908, 1667 Abs. 1 BGB. Dort ist die Funktion allerdings eine andere als im technischen Sicherheitsrecht. 290 Etwa die sogenannten Gefährdungsdelikte § 170 d StGB - und die Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe - §§ 32, 34, 35 StGB. 201 PrOVGE 77, 333, 338; 77, 341, 345; 87, 301, 310. 202 BVerwGE 45, 57; 47, 40; ferner Friauf, Polizei- und Ordnungsrecht, in: v. Münch (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 1979, S. 187m. w. N. in Fn. 98. 293 Friauf (Anm. 292), S. 188.

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Die Ermittlung der gefahrenrelevanten Wahrscheinlichkeit - der zweiten Komponente - geschieht unter ähnlich wertenden Gesichtspunkten. Hier kommt es noch entscheidender auf die Bedeutung des Rechtsgutes und auf das denkbare Schadensausmaß an. Wie hoch die Wahrscheinlichkeit sein muß, hängt somit von der Schwere der zu verhindernden Folgen ab. Diese Abhängigkeit ist von der Rechtsprechung dahin konkretisiert worden, daß an die Schadensnähe (Wahrscheinlichkeit) um so geringere Anforderungen gestellt werden, je gewichtiger das bedrohte Rechtsgut ist294 • Schon die entfernte Möglichkeit kann also im Fall eines außerordentlich wichtigen Schutzgutes, wie etwa dem Grundwasser, ausreichen, um von einer Gefahr zu sprechen. Eine nur theoretische Möglichkeit einer Beeinträchtigung reicht allerdings nicht aus, um die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zu begründen295 • Erforderlich ist immer eine - je nach Rechtsgutbewertung variierende - praktische Möglichkeit eines Schadenseintritts. Auf der anderen Seite muß sich die Eintrittswahrscheinlichkeit jedoch nicht erst zur (praktischen) Gewißheit verdichtet haben, um die hinreichende Wahrscheinlichkeit zu belegen296• Der für die Annahme einer Gefahr erforderliche Grad einer Wahrscheinlichkeit ist wertend bestimmt. Demgegenüber folgt die tatsächliche Feststellung einer Wahrscheinlichkeit objektiven Maßstäben. Gefragt wird danach, ob bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens ein Schadenseintritt möglich ist. Die Einschätzung hierüber richtet sich im übrigen nach dem Zeitpunkt, in dem über das Einschreiten entschieden werden muß. Das so auf den Gefahrenbegriff bezogene Wahrscheinlichkeitsurteil erfährt in den Fällen Korrekturen, in denen eine bestimmte Art oder Intensität der Gefahr gefordert wird. Neben den allgemeinen Gefahrenbegriff sind im Öffentlichen Recht verschiedene Gefahrenarten und Gefahrenintensitäten getreten, die den unterschiedlichen Erfordernissen behördlicher Maßnahmen Rechnung tragen sollen. Solche Artunterschiede sind durch Begriffe wie "dringende, gegenwärtige, akute, unmittelbar bevorstehende, spätere etc. Gefahr" ausgedrückt287 • Auf die Intensität der Gefahr wird abgehoben bei Begriffen wie "schwere, erhebliche, gemeine Gefahr" oder "Lebensgefahr". Kennzeichnend für derartige Gefahrendifferenzierungen ist ihre Ausrichtung auf einen speziellen gesetzgeberischen Zweck. Dies bedingt spezielle Festlegungen des erforderlichen Wahrscheinlichkeitsgrades. Begriffstheoretisch sind Vgl. BVerwG, DöV 1970, 713, 715. BVerwG, DVBl. 1973, 857, 859; OVG Lüneburg, OVGE 24, 414. 29 6 Vgl. VGH Baden-Württemberg, DVBL 1972, 503. 297 Vgl. die Abstufungen bei Friauj (Anm. 292), S.189; Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht III, 1978, § 125 Rn. 28 f. 294

295

11*

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sie jedoch nur insoweit von Interesse, als sie zeigen, daß die direkte Anwendung des allgemeinen Gefahrenbegriffs nicht ausreicht, um alle gesetzgeberischen Bedürfnisse zu befriedigen. Sie stellen Anwendungsfälle eines zugrundeliegenden bestimmten Gefahrenbegriffs dar und sind somit nicht etwa als selbständige Modifizierungen des Begriffs der Gefahr aufzufassen. Wenn z. B. erst das Vorliegen einer "erheblichen" Gefahr eine bestimmte Rechtsfolge auslöst, muß die Bedrohung für das geschützte Rechtsgut zwar größer sein als beim Tatbestand der Gefahr, ein eigenständiger Gefahrenbegriff drückt sich aber darin nicht aus. Da die Begriffsuntersuchung nicht individuelle Gesetzesnormen, sondern den darin benutzten Gefahrenbegriff zum Gegenstand hat, werden die erwähnten Gefahrenarten und Gefahrenintensitäten nicht gesondert analysiert. Sie können allerdings auch nicht unberücksichtigt bleiben, da sie mittelbaren Aufschluß darüber geben, welche Vorstellung der jeweilige Normgeber mit dem allgemeinen Begriff der Gefahr verbindet. Aus dem bisher Gesagten läßt sich zweierlei schließen. Erstens: Gefahr ist das Ergebnis der (wertend ermittelten) Abhängigkeit der Eintrittswahrscheinlichkeit vom Umfang des zu erwartenden Schadens. Zweitens: Begrifflich liegt keine Gefahr vor, wo ein Schaden bereits eingetreten ist oder aber die Schwelle der hinzunehmenden Nachteile und Belästigungen nicht überschritten ist. Ebenso fallen der bloße Verdacht einer Gefahr298 sowie die potentielle oder latente Gefahr299 heraus, weil es jeweils an dem gefahrenrelevanten Wahrscheinlichkeitsgrad fehlt. Im Einzelfall geregelte besondere Gefahrenarten und -intensitäten sind unselbständige Anwendungsfälle des Gefahrenbegriffs und tragen insoweit zur inhaltlichen Klärung des Begrüfs bei. Abzugrenzen ist dieser allgemeine Gefahrenbegriff schließlich gegenüber dem Begriff des Risikos. Der Begriff des Risikos stellt in der Regel nicht mehr dar als die generelle Feststellung der Möglichkeit eines Schadenseintritts, ohne eine Aussage über den geforderten Wahrscheinlichkeitsgrad zu treffen. In den Gesetzen und Verordnungen, die sich mit der Risikoabschätzung und der Risikovorsorge beschäftigen, taucht er - mit Ausnahme von vereinzelten Rechtsordnungen300 nicht auf. Insoweit hat er keine eigenständige Bedeutung. Etwas anders verhält es sich innerhalb der technischen Fachsprache. Hier wird das Wort "Risiko" (in einem engeren technischen Sinne) als Kurzbezeichnung für den Schadenserwartungswert gebraucht, der sich aus dem Produkt von Schadenswahrscheinlichkeit und Schadensumfang 298 299

soo

Vgl. dazu Wolff/Bachof (Anm. 297), § 125, Rd. 22. Vgl. Friauf (Anm. 292), S. 190. USA, Frankreich.

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ergibt301 • Dieser technische Begriff kann auch im Recht der technischen Sicherheit Bedeutung haben. Doch unterscheidet er sich dann nicht mehr von dem Rechtsbegriff der Gefahr als Produkt von Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensumfang. Dies mag der Grund dafür sein, daß der Risikobegriff in der Gesetzessprache des Umweltchemikalienrechts bisher kaum vorkommt. Wo er im Einzelfall wenigstens gedanklich als Anknüpfungspunkt für bestimmte Rechtsfolgen dient, wie etwa im Fall der Risikovorsorge, ist er vom Gefahrenbegriff dadurch abgegrenzt, daß er die Möglichkeit eines Schadenseintritts unterhalb der Gefahrenschwelle bezeichnet. c) Der Gefahrenbegriff im Umweltschutzrecht

Der im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht entwickelte Gefahrenbegriff liegt auch dem Umweltschutzrecht zugrunde. In seiner Funktion als Sicherungsmittel vor Gesundheitsbeeinträchtigungen wird er in Umweltgesetzen wie etwa dem deutschen Immissionsschutz-, Atom-, Chemikalien- oder Lebensmittelgesetz im Prinzip ebenso verwendet wie in polizei- und ordnungsrechtlichen Gesetzen. Die Besonderheiten des umweltrechtlichen Gefahrenbegriffs ergeben sich u. a. daraus, daß die geschützten Rechtsgüter sich hier nicht (notwendigerweise) auf Leben und Gesundheit des Menschen beschränken, sondern auch Tier und Pflanze sowie insgesamt die Umwelt mit erfassen können. Außerdem sind im Bereich des Umweltschutzes die gefahrenrelevanten Ursachen und Kausalverläufe oftmals schwieriger zu bestimmen, so etwa bei der Einschätzung von Strahlenschädlichkeit oder der Beurteilung von Langzeitwirkungen luftverunreinigender Stoffe. Da das Beurteilungsvermögen vom Stand der Wissenschaft abhängt, bestimmt sich auch die gesetzestechnische Verwendung des Gefahrenbegriffs nach den jeweiligen wissenschaftlichen Konkretisierungsmöglichkeiten. Wo nähere Eingrenzungen der Gefahr - wie etwa durch eine Auflistung von Gefahrenmomenten - noch nicht möglich sind, ist der Gesetzgeber auf den allgemeinen Gefahrenbegriff verwiesen. Daher gibt es kein einheitliches Bild eines im Umweltrecht verwendeten Gefahrenbegriffs. Diese Situation stellt sich am Beispiel des deutschen Umweltschutzrechts im einzelnen wie folgt dar: Im Immissionsschutzrecht findet sich eine Ausweitung des allgemeinen Gefahrenbegriffs. Eingriffstatbestand ist zunächst die Gefahr, verstanden als objektive Möglichkeit eines Schadens an der menschlichen Gesundheit. Zu einem Schaden wird die Beeinträchtigung des körperlichen und seelischen Wohlbefindens dann, aot Vgl. Wagner, BB 1980, S. 1809.

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wenn sie das Maß der Belästigung überschreitet, wobei der Übergang zwischen Belästigung und Gesundheitsgefahr fließend ist302• Während die Frage der G€fährlichkeit einer medizinischen oder biologischen Untersuchung der Kausalverläufe zugänglich ist, geht es bei der rechtlichen Abgrenzung gesundheitlicher Gefahren von bloßen Belästigungen um eine wertende Entscheidung darüber, was den Betroffenen zuzumuten ist. Der Gefahrenbegriff enthält also sowohl objektiv meßbare als auch wertende Elemente. In den einschlägigen Bestimmungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sind jedoch nicht nur G€fahren, sondern auch Nachteile und Belästigungen berücksichtigt, wenn und soweit sie erheblich sind303 • Erfaßt ist also auch ein nicht vom polizeirechtlichen Gefahrenbegriff abgedeckter Bereich. Allerdings ist bei den Nachteilen und Belästigungen eine zusätzlich wertende Komponente enthalten, ausgedrückt durch den unbestimmten Rechtsbegriff der Erheblichkeit. Weitere Konkretisierungen finden sich im G€setz selbst nicht. Die Ermittlung der jeweiligen Gefahrenschwelle wird ermöglicht durch die Zuhilfenahme verschiedener untergesetzlicher Vorschriften, die fachwissenschaftlich getroffene Grenzwertfeststellungen enthalten. Der Vorteil solcher Bewertungsmethoden liegt in ihrer größeren Anpassungsfähigkeit an neue wissenschaftliche Erkenntnisse. Freilich geschieht dies um den Preis einer gegenüber gesetzesmäßiger Erfassung geringeren Verbindlichkeit der Gefahrenkonkretisierung304 • Ob generelle Gefahrenbewertungen und G€fahrenkonkretisierungen sinnvollerweise gesetzlich festgelegt oder lediglich im Sinne "antizipierender Sachverständigengutachten" verwendet werden sollten, ist abschließend nicht zu klären. Deutlich ist allerdings die Tendenz, die gefahrenkonkretisierenden Aussagen bereits im legislativen Raum zu treffen und sie nicht dem Rechtsanwender zu überlassen. Dieser Trend zur Konkretisierung der Gefahr ist auch international festzustellen. Wie im Immissionsschutzrecht gibt es auch im Atomrecht zahlreiche technische Bestimmungen und Verwaltungsvorschriften, die den Zweck verfolgen, den im Atomgesetz nur allgemein verwendeten Gefahrenbegriff zu konkretisieren. Die Bewertung atomarer Gefahren ist noch komplexer und schlägt sich etwa in hochtechnisierten Berechnungsmethoden nieder. Bisherige Bemühungen zur Quantifizierung der Gefahren haben zu einer Erfassung von Eintrittswahrscheinlichkeiten geführt, die bei Größenordnungen von I0-6 und kleiner liegen305• 302 So die Erläuterung im Regierungsentwurf zum Bundes-Immissionsschutzgesetz, BT-Drucks. 7/179. 3 03 z. B. §§ 1, 3 Abs. 1, 5 Nr. 1 Bundes-Immissionsschutzgesetz. 30' Vgl. dazu v . Mettenheim, BB 1980, 8.1777. aos Breuer, DVBl. 1978, S. 835.

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GenerelL macht die Entwicklung neuartiger Risiken die W eiterentwicklung und Verfeinerung des Rechtsbegriffs der Gefahr notwendig308• Soweit sich keine verfeinerten Gefahrenbewertungen in den Gesetzen bzw. Ausführungsvorschriften finden, ist die Rechtsentwicklung auf Rechtsprechung und Literatur angewiesen, um genauere Differenzierungen zu erhalten. Die bisher hervorgebrachten Begriffsbildungen zur Risikoabstufung versuchen sich an einer solchen differenzierten Begriffsbildung, tragen indessen häufig eher zur Verwirrung als zur Klärung bei, zumal es einen Konsens über die Funktion einzelner Begriffe kaum gibt. Beispiele solcher Begriffsschöpfungen sind: Gefahrenverdacht, Restrisiko, Risikorest, Risiken unterhalb der Gefahrenschwelle, Risiken mit erkannter Gefahrenqualität, Risiken ohne erkannte Gefahrenqualität, als Gefahr erkannte Entwicklungsmöglichkeit, Gefahrenabwehr, Schadensvorsorge, Risikovorsorge unterhalb der Schädlichkeitsschwelle, Risikovorsorge unterhalb der Schwelle praktischer Vorsteilbarkeit eines theoretisch möglichen Schadenseintritts, Rest- oder Mindestschaden. In der Sprache der Gesetze ist demgegenüber eine deutliche Tendenz zur Vereinheitlichung und Konkretisierung des Gefahrenbegriffs national wie international zu erkennen. Dies gilt speziell für den Bereich der Umweltchemikalien. So wird der praktisch bedeutsame Begriff "gefährliche Stoffe" vielfach verwendet und häufig dahin konkretisiert, daß er in abgrenzbaren tatbestandlieh gefaßten Kategorien aufgelistet und dadurch inhaltlich bestimmt ist. Zwar ist dabei das jeweilige Vorverständnis vom juristischen Gefahrenbegriff stets mit zu berücksichtigen. Das verbreitete Vorkommen solcher Gefahrenkonkretisierungen weist aber die gefährlichen Stoffe und Zubereitungen als ein gutes Beispiel für das international verbreitete Bemühen um Gefahrenkonkretisierung aus. Das deutsche Chemikaliengesetz enthält in § 3 Nr. 3 einen Katalog von Gefahrenkategorien als Inhaltsbestimmung des Begriffs der "gefährlichen Stoffe und Zubereitungen". Das Gesetz führt damit eine Linie fort, die - wie oben erwähnt - den Gefahrenbegriff durch (verschiedenartige) antizipierte Bewertungen und Konkretisierungen zu erläutern sucht. Weitergehend als das Immissionsschutz- oder Atomgesetz enthält das Chemikaliengesetz schon selbst solche Konkretisierungen und ist nicht völlig auf Interp?·etationshilfen außerhalb des Gesetzes angewiesen. Ohne den Rückgriff auf den allgemeinen Gefahrenbegriff kommt das Chemikaliengesetz dennoch nicht aus. Als Auffangtatbestand für die 306

Siehe dazu und zum folgenden Breuer, DVBl. 1978, S . 833 m. w . N. ;

Wagner, NJW 1980, S. 668.

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Gefährlichkeit von Stoffen und Zubereitungen werden die mit wertenden Elementen versehenen Begriffe "erhebliche Gefahr und erhebliche Nachteile" (§ 3 Nr. 3 lit. n) verwendet. Verschiedene Eingriffsbefugnisse der Kontrollbehörde knüpfen sich an die allgemeinen Begriffe "Gefahr für Leben oder Gesundheit des Menschen oder die Umwelt" (§ 11 Nr. 3 lit. b) bzw. "erhebliche Gefahr für Leben oder Gesundheit des Menschen oder die Umwelt" (§ 23 Abs. 2). Das Chemikaliengesetz enthält also sowohl antizipierte legislative Gefahrenkonkretisierungen als auch das allgemeine juristische Instrumentarium des im Öffentlichen Recht entwickelten Gefahrenbegriffs.

d) Ergebnis Das Umweltchemikalienrecht verwendet eine spezielle Form des allgemeinen Gefahrenbegriffs. Grundlage aller Eingriffstatbestände ist zunächst ein allgemeiner Rechtsbegriff der Gefahr, dessen Inhalt durch das Zusammenwirken der zu verhindernden Rechtsbeeinträchtigung mit einer bestimmten Eintrittswahrscheinlichkeit geprägt wird. Insofern gehören einerseits realisierte Gefahren (Schaden) und andererseits noch nicht in das Gefahrenstadium getretene Beeinträchtigungen (unerhebliche Nachteile, Unbequemlichkeiten oder Belästigungen) sowie der bloße Verdacht oder die nur theoretische Möglichkeit eines Schadenseintritts nicht zum Begriff der Gefahr. Außerhalb liegt auch der Begriff des Risikos. Er bezeichnet entweder das gesamte Spektrum möglicher Schadensrealisierungen ohne Festlegung eines Wahrscheinlichkeitsgrades und ist insoweit übergeordnet. Oder er beschreibt eine rechtliche Eingriffsebene (Vorsorgebereich )unterhalb der Gefahrenschwelle. Soweit er sonst als Rechtsbegriff vorkommt (USA, Frankreich), erfüllt er spezielle gesetzgeberische Funktionen, durch die er einem Begriffsvergleich entzogen ist. Im Umweltchemikalienrecht ist der allgemeine Gefahrenbegriff auf chemikalienspezifische Inhalte bezogen. Die jeweiligen Gefahrenbewertungen werden zumeist vom Gesetzgeber bzw. von administrativen oder technischen Bestimmungen vorbereitet. Dadurch kommt es zu zahlreichen Konkretisierungen und Differenzierungen des Gefahrenbegriffs. Hinzu tritt häufig die Verwendung verschiedener Gefahrintensitäten, um flexiblere Eingriffsmöglichkeiten zu schaffen. Formulierungen wie "erhebliche, dringende, besondere oder spätere Gefahr" stellen sich in der Regel allerdings nur als Anwendungsfälle eines zugrundeliegenden bestimmten Gefahrenbegriffs dar, so daß dieser schärfere Konturen erhält. Die folgende Untersuchung geht den Gefahrenkonkretisierungen in den einzelnen Rechtssystemen nach, soweit sie gesetzlich erlaßt sind

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oder in ihrer Verbindlichkeit den Gesetzen gleichkommen. Daran anschließend werden die zugrundeliegenden Vorstellungen über den allgemeinen Begriff der Gefahr analysiert.

3. Gemeinsamkeiten und Unterschiede im internationalen Vergleich

a) Gefährliche Stoffe und Zubereitungen (1) Allgemeines

In den verschiedenen nationalen Umweltchemikalienregelungen findet sich der Gefahrenbegriff recht häufig als adjektivischer Zusatz zu dem jeweils geregelten Gegenstand. In der Reihenfolge der Häufigkeit ihres Auftretens kommen insbesondere diese Begriffsbildungen vor: "Gefährliche Stoffe und Zubereitungen" 307, "Gefährliche Produkte" 308, "Gefährliche Abfälle" 309, "Gefährliche Güter" 310 und "Gefährliche Arbeitsstoffe" 311 • 307 § 3 Nr. 3 Chemikaliengesetz vom 16. September 1980 (Bundesrepublik Deutschland); Art. 2 Abs. 2 Richtlinie des Rates vom 18. September 1979 zur 6. Änderung der Richtlinie 67 / 548/ EWG "Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe" (EG); Sec. 20, Subsec. 2 Act No. 212 of May 23, 1979 on Chemical Substances and Products in Denmark; Sec. 4 (a) (e) Toxic Substances Control Act of October 11, 1976 (USA); Art. 723-2 (Definitions) Arbeitsschutzgesetz gegen gefährliche Stoffe vom Oktober 1973 (Belgien); § 2 "Gefährliche Stoffe - Verpackung und Kennzeichnung, Verordnung" vom 15. Februar 1978 (Vereinigtes Königreich); Art. 2 The Dangerous Substances Act of June 20, 1963 (Niederlande); Protokoll über Maßnahmen auf Hoher See bei Meeresverschmutzung durch andere Stoffe als Öl vom 2. November 1973 sowie Art. 2 des Internationalen Übereinkommens über die von Schiffen ausgehende Versehrnutzung vom 2. November 1973 (Multilaterale Verträge). 308 § 1 des Gesetzes über gesundheits- und umweltgefährliche Produkte vom 27. April 1973 (Schweden); Sec. 20, Subsec. 2 Act No. 212 of May 23, 1979 on Chemical Substances and Products in Denmark; § 2 Abs. 2 Nr. 7 des Gesetzes zur Lenkung der Präparate für die Landwirtschaft Nr. 82 vom I. Juli 1948 (Japan); 15 U.S.C. § 2061 Consumer Product Safety Act (USA). 309 Art. 1 (b) Richtlinie des Rates vom 20. März 1978 über giftige und gefährliche Abfälle sowie Änderungsvorschlag vom 28. Juli 1976 (EG); Sec. 1 (1) Deposit of Poisonous Waste Act 1972 (Vereinigtes Königreich); §§ 459.005 Abs. 6 des Abfallbeseitigungsgesetzes des Staates Oregon von 1973 (USA); 42 U.S.C. 6905, 6912 (a), 6921-6927, 6930, 6974 (USA); 45 Federal Register 33074, 33119 (USA). 310 § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die Beförderung gefährlicher Güter vom 6. August 1975 mit Anlage A I a) - VIII (Bundesrepublik Deutschland); 49 U.S.C. § 1802 Hazardous Materials TransportaUon (USA); Regel 2 des Internationalen Übereinkommens zum Schutze des menschlichen Lebens auf See vom 17. Juni 1960. 311 § 19 Abs. 1 Nr. 1 a)-c) Chemikaliengesetz; § 1 Abs. 1 Nr. 1-8 der Verordnung über gefährliche Arbeitsstoffe vom 17. September 1971 (Bundesrepublik Deutschland).

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Diese begrifflichen Verknüpfungen von Gefährlichkeit und Stoff werden nicht in jedem Fall definiert. Über Inhalt und Funktion solcher Begriffe läßt sich Aufschluß aber auch durch Berücksichtigung des jeweiligen Gesetzeszweckes, des geschützten Rechtsgutes sowie des Vorverständnisses über den allgemeinen Gefahrenbegriff gewinnen. Die rechtsvergleichende Untersuchung ist also nicht auf das Vorhandensein expliziter Definitionen angewiesen. Entscheidend für die Harmonisierungsaussichten ist der Grad an Übereinstimmung hinsichtlich der Funktionszusammenhänge, des Kontextes und der Grundvorstellungen vom juristischen Gefahrenbegriff. Daher wird es auch bei der Analyse nicht nur auf die einzelnen Gefahrenmerkmale wie z. B. giftig, krebserzeugend etc. ankommen, sondern auch darauf, welche Funktionen solche Konkretisierungen haben und welche Bedeutung ihnen im Hinblick auf bestimmte Rechtsfolgen zukommt, wie etwa Eingriffsmöglichkeiten der Kontrollbehörde. Der Begriff der "gefähr~ichen Stoffe und Zubereitungen" hat bei der Analyse nicht nur wegen seiner großen Verbreitung einen besonderen Stellenwert. Er ist von allen Gefahrenkonkretisierungen definitorisch am weitesten erschlossen. Damit zusammenhängend kommt ihm eine große praktische Bedeutung zu. Er ist zentraler Anknüpfungspunkt für die in den Chemikaliengesetzen enthaltenen Eingriffsbefugnisse der Kontrollorgane und findet auch in vielen Spezialgesetzen auf dem Gebiet der Umweltchemikalien Anwendung. Darüber hinaus kann er in gewisser Hinsicht als Oberbegriff für andere Materien mit potentieller Gefährlichkeit aufgefaßt werden. Materien wie Arbeitsstoffe, Abfälle, Güter und Produkte sind, soweit sie sich durch chemikalisch erfaßbare Eigenschaften auszeichnen, vom allgemeinen Stoffbegriff nur dadurch unterschieden, daß sie auf besondere Produktionsvorgänge bezogen sind. Insofern hat die Analyse und eventuelle Harmonisierung des Begriffs der gefährlichen Stoffe und Zubereitungen Vorbildcharakter für weitere Gefahrenkonkretisierungen. Aus diesen Gründen empfiehlt es sich, den Begriff relativ umfassend zu untersuchen. (2) Bundesrepublik Deutschland Ziel aller Umweltchemikalienregelungen ist die Abwehr von Gefahren, denen Mensch und Umwelt durch Chemikalien ausgesetzt sind. Ein vollkommener Schutz ist allerdings nicht möglich. Aufgabe der Schutznormen kann es nur sein, die erkannten Gefahren abzuwehren oder mit Hilfe des Vorsorgeprinzips Menschen und Umwelt besser als bisher vor den Wirkungen gefährlicher Stoffe und Zubereitungen zu schützen312 • 312 Vgl. die amtliche Begründung zum Entwurf eines Chemikaliengesetzes, BRat-Drucks. 330179, S. 16. Zum folgenden auch Kloepfer (Anm. 3), S. 15 ff., 30 f., 37 und 53 ff.

I. Analyse

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Das Chemikaliengesetz trägt der Erkenntnis Rechnung, daß die gefährlichen Eigenschaften bestimmter Chemikalien nicht selten erst nach gründlicher und langer Erprobung erkennbar sind. In Anlehnung an das erstmals im Bundes-Immissionsschutzgesetz vom 15. März 1974 enthaltene Vorsorgeprinzip will es daher die Beurteilung potentiell gefährlicher Stoffe ermöglichen, bevor sie in den Verkehr gebracht werden. Die Kontrolle von Umweltchemikalien soll im Vergleich zu den bisherigen Spezialgesetzen frühzeitig einsetzen. Im Grundsatz stellt das Chemikaliengesetz eine umfassende Kontrollnorm der für Mensch und Umwelt gefährlichen Stoffe dar. Allerdings will es vorhandene Chemikalienregelungen nicht ersetzen, sondern nur in verschiedener Hinsicht ergänzen. So ist etwa das Recht der Beförderung gefährlicher Güter ganz ausgeklammert (§ 2 Abs. 8). Und die im Chemikaliengesetz vorgesehenen Prüf-, Anmelde-, Einstufungs- und Kennzeichnungspflichten gelten z. B. nicht für spezialgesetzlich geregelte Lebens-, Futter- und Arzneimittel sowie Abfälle und Abwasser (§ 2 Abs. 1). Dagegen ist die Definition der "gefährlichen Stoffe und Zubereitungen" in § 3 Nr. 3 von grundlegender Bedeutung auch für zahlreiche Spezialgesetze wie etwa das DDT-Gesetz, das Pflanzenschutzgesetz und das Düngemittelgesetz, die für ihre Geltungsbereiche zwar qualifizierende Begriffe verwenden, daneben aber auch auf die allgemeine Definition des Chemikaliengesetzes zurückgreifen können. Entsprechend der Bedeutung als allgemeine Schutznorm ist die Definition der gefährlichen Stoffe und Zubereitungen so gefaßt, daß sie objektive und bei Bedarf ergänzungsfähige Bewertungskriterien enthält. Als gefährlich gilt ein Stoff dann, wenn er mindestens eine der in

§ 3 Nr. 3 lit. a}--m) genannten 13 Eigenschaften hat. Die regelungstech-

nische Besonderheit liegt darin, daß mit dem Vorliegen einer dieser Eigenschaften die Gefährlichkeit als festgestellt gilt ohne Rücksicht darauf, ob auch nach den allgemeinen Kriterien eine Gefahr angenommen werden müßte. Insofern stellen die Eigenschaften unwiderlegliche Gefährlichkeitsvermutungen dar, die eine größere Praktikabilität der Gefahrenstellung ermöglichen sollen. Erst wenn sich die aufgezählten Eigenschaften nicht nachweisen lassen, muß auf allgemeine Bewertungskriterien zurückgegriffen werden. Als Auffangtatbestand erfaßt § 3 Nr. 3 lit. n) daher auch "sonstige chronisch schädigende Eigenschaften" sowie die Eignung zu Umweltveränderungen, wenn "dadurch erhebliche Gefahren oder erhebliche Nachteile für die Allgemeinheit herbeigeführt werden". Bei der Auswahl der die Gefährlichkeit begründenden Eigenschaften hat sich der Gesetzgeber an der 6. EG-Änderungsrichtlinie orientiert,

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um das Begriffsinstrumentarium der EG-Vorschriften in das deutsche Recht zu transportieren313• Zu den gefährlichen Eigenschaften zählt zunächst die Giftigkeit. Sie ist in drei Stufen unterteilt, und zwar "sehr giftig, giftig und mindergiftig" (§ 3 Nr. 3 lit. a)-c)); die Unterschiede sind gradueller Art. Mit Ausnahme der Kategorie "sehr giftig" sind die beiden anderen wie auch die weiteren Merkmale "ätzend, reizend, explosionsgefährlich, brandfördernd, leichtentzündlich und entzündlich" (lit. b)-d), i}, j)) mit dem Katalog in § 1 Abs. 1 der Verordnung über gefährliche Arbeitsstoffe vom 17. September 1971 identisch. Neu hinzugekommen sind außer "sehr giftig" die Merkmale "hochentzündlich" (lit. h)) und "krebserzeugend, fruchtschädigend und erbgutverändernd" (lit. k)-m)). Diese karzinogenen, teratogenen und mutagenen Gefahraspekte lassen sich wegen ihrer langzeitigen Qualität nur in zeit- und arbeitsaufwendigen Versuchen ergründen314• Daher stellt die Mitberücksichtigung solcher nur langfristig nachweisbaren Aspekte eine deutliche Fortentwicklung früherer Definitionen der Gefährlichkeit von Stoffen und Zubereitungen dar. Bemerkenswert ist, daß einzelne Vorschriften des Chemikaliengesetzes noch andere als die in § 3 Nr. 3 aufgeführten Eigenschaften erwähnen, welche die gleichen Rechtsfolgen auslösen. Solche zusätzlichen Gefährlichkeitsmomente sind: "verhaltensstörend" (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 lit. e}}, "fruchtbarkeitsverändernd" (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 lit. b)) sowie "explosionsfähig" (§ 19 Abs. 1 Satz 1 lit. a), b)). Ob sie allerdings als Bestandteile des Begriffs der gefährlichen Stoffe und Zubereitungen angesehen werden können, ist zweifelhaft. Dagegen spricht zweierlei: Für die explosionsfähigen Stoffe in § 19 Abs. 1, Satz 1 lit. a), b) hat der Gesetzgeber explizit zum Ausdruck gebracht ("sowie" bzw. "oder"), daß er sie nicht für gefährliche Stoffe und Zubereitungen hält. Und hätte er diese Eigenschaften als Begriffsbestandteile auffassen wollen, so wäre ihm die entsprechende Ergänzung in § 3 Nr. 3 ohne weiteres möglich gewesen. Aus dem gleichen Grunde wäre es wohl unzutreffend, aus dem Umstand, daß für bestimmte Rechtsfolgen schon "tatsächliche Anhaltspunkte" (§§ 4 Abs. 6 Satz 1, 17 Abs. 1 Satz 1, 23 Abs. 2 Satz 2) eines Vorliegens der in § 3 Nr. 3 erwähnten Eigenschaften ausreichen, zu schließen, der bloße Gefährlichkeitsverdacht sei ein Begriffsbestandteil. Der Gefährlichkeitsverdacht erfüllt grundsätzlich weder den (speziellen) Vgl. die amtliche Begründung, BRat-Drucks. 330/ 79, S. 16 und 19. Vgl. Prüfung und Bewertung von Stoffen auf ihre Umweltgefährlichkeit im Sinne des neuen Chemikaliengesetzes, herausgegeben vom Umweltbundesamt, 1980, S. 69. 313

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Begriff der gefährlichen Stoffe und Zubereitungen noch den allgemeinen Gefahrenbegriff. Es gehört zur Typik deutscher Umweltschutzregelungen, Begriffe mit stark naturwissenschaftlichen Bezügen im Gesetz aufzunehmen, ihre konkrete inhaltliche Bestimmung aber in untergesetzlichen Vorschriften - meistens Rechtsverordnungen - vorzunehmen315• Damit sollen einerseits konkrete Rechtsbegriffe normativ vorge.g eben werden und nicht dem Rechtsanwender zur Ausfüllung bleiben. Andererseits können exekutivische Rechtsverordnungen und technische Richtlinien leichter den sich wandelnden wissenschaftlichen Erkenntnissen angepaßt werden als Gesetze. Auch das Chemikaliengesetz folgt dieser Methode. § 3 Nr. 3 enthält die der Begriffskonkretisierung dienenden Gefahrenmerkmale. Die naturwissenschaftlich exakte Festlegung des jeweiligen Merkmals geschieht aber nicht im Gesetz. Hierfür räumt § 3 Nr. 3 letzter Halbsatz der Bundesregierung eine Verordnungsermächtigung ein. Eine solche "Verordnung über die Gefährlichkeitsmerkmale von Stoffen und Zubereitungen"- in Anlehnung an entsprechende Begriffsbestimmungen der EG-Richtlinien - ist am 6. November 1981 mit Zustimmung des Bundesrates erlassen wordenau. Hilfe für die Inhaltsbestimmung von Merkmalen wie giftig, mindergiftig etc. bieten im übrigen die anerkannten wissenschaftlichen Bewertungsmethoden im allgemeinen und die Anlage 1 zu § 1 des Referentenentwurfs (Stand vom 9. Februar 1979) im besonderen. In dieser Anlage sind die in § 3 lit. a)-i) mit Ausnahme von lit. h) - genannten Merkmale näher beschrieben. Die Einstufung der Giftigkeit etwa orientiert sich an dem Verbringen des Stoffes in und an Ratten zu bestimmten Mengen pro Körpergewichtseinheit. Durch empirisch gewonnene Ergebnisse bei Laborversuchen mit Ratten und Kaninchen wird auf das allgemeine Wirkungspotential eines Stoffes geschlossen, um die von ihm ausgehende Gefährdung von Mensch und Umwelt beurteilen zu können317 • In der jetzt in Kraft getretenen Verordnung ist jedoch aus Gründen des Tierschutzes davon abgesehen worden, Tierversuche zur Feststellung der Gefährlichkeitsmerkmale zu bestimmen. Im übrigen sind die Bezugsgrößen und Zuordnungsverhältnisse je nach dem zu beschreibenden Gefährlichkeitsmerkmal verschieden818• Im besonderen Maße auslegungsbedürftig sind die Begriffe des Auffangtatbestandes in § 3 Nr. 3 lit. n). Eine gewisse Konkretisierung hat Siehe oben S. 165 f. BGBl. 1981 I, S. 1487. Vgl. dazu noch Uppenbrink u. a. (Anm. 3), Rn. 20 f. zu§ 3. 317 Vgl. im einzelnen Prüfung und Bewertung von Stoffen auf ihre Umweltgefährlichkeit im Sinne des neuen Chemikaliengesetzes, S. 55 ff. und 66 ff. 318 Vgl. noch I Nr. 1-9 der Anlage 1 zu § 1 des Referentenentwurfs. 315 31 6

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der Gesetzgeber dahingehend vorgenommen, daß zunächst "sonstige chronisch schädigende Eigenschaften" eines Stoffes und einer Zubereitung genannt sind und im übrigen solche Stoffe und Zubereitungen oder deren Verunreinigungen oder Zersetzungsprodukte, "die geeignet sind, die natürliche Beschaffenheit von Wasser, Boden oder Luft, von Pflanzen, Tieren oder Mikroorganismen sowie des Naturhaushaltes derart zu verändern, daß dadurch erhebliche Gefahren oder erhebliche Nachteile für die Allgemeinheit herbeigeführt werden". Damit sind im Prinzip also zwei zusätzliche Gefährlichkeitsmerkmale in den Gefährlichkeitskatalog aufgenommen worden, die allerdings- dem Vorsorgegedankenentsprechend-so gefaßt sind, daß sie einen weit in die Zukunft reichenden Schutz gewährleisten können. Die relative Unbestimmtheit ist ein durchaus gewolltes gesetzgeberisches Mittel zur Sicherstellung einer effektiven Gefahrenvorsorge. Andererseits sind dadurch natürlich besondere Auslegungsprobleme aufgeworfen. Dies gilt speziell für die wertbestimmten Begriffe "erhebliche Gefahren und erhebliche Nachteile für die Allgemeinheit". Die BegrUfsbildung "erhebliche Gefahr" taucht sonst im Umweltschutzrecht oder auch im allgemeinen Sicherheitsrecht selten auf. Sie soll offenbar eine höhere Eintrittswahrscheinlichkeit (u. U. gemessen am Ausmaß des potentiellen Schadens) kennzeichnen als die der "einfachen" Gefahr. Unabhängig von der rechtspolitischen Fragwürdigkeit einer damit geforderten "besonderen" Gefährlichkeit kann die Formulierung nicht unbedingt als geglückt bezeichnet werden. Sie kann leicht den Rahmen des gesicherten Rechtsbegriffs der Gefahr sprengen. Jede Gefahr stellt die erhebliche Bedrohung eines Rechtsgutes dar. Die Erheblichkeit einer Rechtsgutbedrohung ist also bereits Bestandteil des Gefahrenbegriffs und somit kaum geeignet, eine darüber hinausgehende besondere Gefahrenintensität plausibel zu beschreiben. Vor diesem Hintergrund erscheint der adjektivische Zusatz "erheblich" leicht als ein Pleonasmus der Gefahr. Praktisch wird sich diese terminologische Ungenauigkeit allerdings wohl nicht zu stark auswirken. Denn mit der zweiten RechtsbegrUfsbildung "erhebliche Nachteile" kann bereits teilweise der Risikobereich unterhalb der "normalen" Gefahrengrenze erfaßt werden. Dies ergibt sich jedenfalls zwingend, wenn man die nicht neue Formulierung "erhebliche Nachteile" in Anlehnung an die jahrzehntelange GefahrRechtsprechung interpretiert. Die Formulierung findet sich beispielsweise mehrfach im Bundes-Immissionsschutzgesetz, und zwar jeweils der Gefahr regelungsmäßig gleichgeordnet319• Nach gängiger Interpretation ist mit den erheblichen Nachteilen der unterhalb der (für die 319

u. a. in §§ 1, 3 Abs. 1, 5 Nr. 1 Bundes-Immissionsschutzgesetz.

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Gefahr wesentlichen) Schadensschwelle liegende Bereich von Belastungen gemeint, die der Allgemeinheit nicht mehr zuzumuten sind320• Durch die Rechtsprechung sind die unbestimmten Rechtsbegriffe Erheblichkeit und Zumutbarkeit mit Hilfe verschiedem~r Wertungskriterien wie Ortsüblichkeit, Vorbelastung oder Gesetzeszweck konkretisiert worden. Diese Begriffsklärung wird auch für das Chemikaliengesetz Bedeutung haben, wobei hier die chemikalienspezifischen Gesichtspunkte hinzukommen. Die Abgrenzung der erheblichen von den unerheblichen Nachteilen ist wegen der teilweise noch nicht hinreichend bekannten Umweltbeeinträchtigungen, die möglicherweise von neuen Stoffen ausgehen, nicht leicht zu treffen. Ein Interpretationsmaßstab ergibt sich allerdings aus dem unmittelbaren Kontext. Die in § 3 Nr. 3 aufgeführten Gefahrenmerkmale indizieren das Maß dessen, was als allgemein erheblich anzusehen ist. Den Gefährlichkeitsmerkmalen liegt eine bestimmte Vorstellung der Gefahrenbewertung zugrunde, die auch für die Erfassung der Erheblichkeit Bedeutung hat. Daher kann gesagt werden, daß der Begriff der "erheblichen Nachteile" inhaltlich zwar Vorsorgecharakter trägt und unterhalb des Gefahrenbereichs liegt, wie er sich in den übrigen Gefahrenmerkmalen ausdrückt. Doch darf er dem Gefahrenbereich nicht so weit vorgelagert werden, daß der engere Zusammenhang dieses "Auffangbegriffes" mit der enumerativen Aufzählung verlorengeht. Die Nachteile müssen deshalb die Belästigungsgrenze an Stärke und Intensität deutlich überschreiten, um als erheblich zu gelten. Generell zu berücksichtigen ist aber auch die mit dem Chemikaliengesetz beabsichtigte Anhebung des Umweltschutzniveaus auf dem Chemikaliengebiet321 • Zusammenfassend ergibt sich, daß der Gesetzgeber des Chemikaliengesetzes für den Begriff der "gefährlichen Stoffe und Zubereitungen" eine operable Gefahrenkonkretisierung und Gefahrenbewertung selbst vorgenommen hat. An dieser konkretisierten Gefahrenbewertung hat sich auch die Auslegung der "sonstigen chronisch schädigenden Eigenschaften" und der "erheblichen Gefahren und erheblichen Nachteile für die Allgemeinheit" zu orientieren.

320 Vgl. z. B. Jarass, Bundes-Immissionsschutzgesetz, Kommentar, München 1983, § 3 Rn. 27; Feldhaus, Bundes-Immissionsschutzgesetz, Kommentar, Bd. 1, Wiesbaden 2. Aufl., Stand April 1984 (20. Erg.-Lfg.), § 3 Anm. 10. 321 Vgl. § 1 Chemikaliengesetz; dazu Schiwy (Anm. 21), Erl. zu § 1, S. 1. Zu der am Gesetzeszweck orientierten Risikobewertung vgl. Wagner, NJW 1980,

s. 665, 670.

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K. Begriffe: Gefahr, Gefährliche Stoffe u. Zubereitungen, Risiko etc.

(3) Europäische Gemeinschaften Die Richtlinie des Rates vom 18. September 1979 zur 6. Änderung der Richtlinie 671548/ EWG "Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe" 322 enthält eine Gefahrenkonkretisierung, die dem deutschen Chemikaliengesetz in Inhalt und Form entspricht. In Art. 2 Abs. 2 werden die gefährlichen Stoffe und Zubereitungen durch bestimmte Gefährlichkeitsmerkmale katalogmäßig erfaßt. Zusätzlich ist jedes Merkmal noch näher beschrieben, wobei gern. Art. 3 Abs. 1 die physikalisch-chemischen Eigenschaften und ihre Toxizität durch Methoden bestimmt werden, die in einem Anhang V festgelegt sind. Und gern. Art. 3 Abs. 2 wird die Feststellung der Gefahr für die Umwelt, auch in potentieller Form, aufgrund der in den Anhängen VII und VIII genannten Merkmale anhand international anerkannter Parameter sofern solche bestehen- durchgeführt. Die 6. EG-Änderungsrichtlinie hat die Entstehungsgeschichte der deutschen Chemikalienregelung erheblich beeinflußt (was allerdings auch umgekehrt gilt). Die Auflistung der Gefahrenmerkmale ist zunächst in Anlehnung an den EG-Richtlinienvorschlag von 1967 und dessen Änderung von 1976323 in den Referentenentwurf von 1979 aufgenommen worden324• Dann hat der Regierungsentwurf diese Regelung übernommen325• Und schließlich hat der Erlaß der 6. EG-Änderungsrichtlinie vom 18. September 1979 zu einer entsprechenden Berücksichtigung in der endgültigen Fassung des Chemikaliengesetzes geführt. Die Parallelen zwischen dem geltenden EG- und deutschen Recht sind somit deutlich zu erkennen328• Im einzelnen stimmen folgende 12 Gefährlichkeitsmerkmale überein: sehr giftig, giftig, ätzend, reizend, explosionsgefährlich, brandfördernd, hochentzündlich, leicht entzündlich, entzündlich, krebserregend, fruchtschädigend und erbgutverändernd. Die im deutschen Chemikaliengesetz enthaltene Kategorie "mindergiftig" wird in der EG-Änderungsrichtlinie nicht genannt. Doch lassen systematische Stellung und inhaltliche Erläuterung der EG-Kategorie "gesundheitsschädlich" (Art. 2 Abs. 2 lit. h) der Richtlinie) den Schluß zu, daß die Merkmale "mindergiftig" und "gesundheitsschädlich" sich weitgehend entsprechen. Unter "gesundheitsschädlich" fallen alle Stoffe und Zubereitungen, die durch Einatmen, Verschlucken oder Hautresorption Gesundheitsschäden von ABI. EG L 259 vom 15. Oktober 1979. ABI. EG C 260 vom 5. November 1976. 324 Vgl. § 1 Abs. 3 des Referentenentwurfes, Stand 9. Februar 1979. 326 § 3 Abs. 3 des Regierungsentwurfs, BRat-Drucks. 330/79. 326 Vgl. auch die amtliche Begründung, BRat-Drucks. 330/79, S. 16. Ferner Uppenbrink u. a. (Anm. 3), Einführung, Rn. 71 ff. 322

323

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beschränkter Wirkung hervorrufen können. In der deutschen Regelung fehlt der Hinweis auf "Gesundheitsschäden mit beschränkter Wirkung". Die Abstufung von sehr giftig bis mindergiftig einerseits und die entsprechenden Bewertungskriterien in der Anlage 1 zu § 1 des Entwurfs zum Chemikaliengesetz sowie auch im Anhang VI der EG-Änderungsrichtlinie andererseits weisen aber auf eine Gleichstellung beider Kategorien hin. Im EG-Katalog zusätzlich enthalten ist das Merkmal "umweltgefährlich" (Art. 2 Abs. 2 lit. k)). Als umweltgefährlich gelten Stoffe und Zubereitungen, deren Verwendung "sofortige oder spätere Gefahren für die Umwelt darstellt oder darstellen kann". Eine Entsprechung hierzu gibt es im deutschen Chemikaliengesetz nicht. Dennoch läßt sich sagen, daß der Kategorie "umweltgefährlich" eine ähnliche Auffangfunktion zukommt wie der deutschen Berücksichtigung der Eignung zu ökologischen Veränderungen mit erheblichen Gefahren oder erheblichen Nachteilen für die Allgemeinheit (§ 3 Nr. 3 lit. n) Chemikaliengesetz). Beide Regelungen beziehen sich auf Langzeitwirkungen und wollen bedrohliche Veränderungen für die Umwelt frühzeitig verhindern. Die Gefahrenbewertung selbst ist unterschiedlich. Die EG-Regelung spricht nur von Gefahren und nicht auch von "erheblichen Nachteilen". Damit ist eine Heraufsetzung der Schutzschwelle indiziert. Etwas anderes ergibt sich aber, wenn man der Gegenüberstellung von sofortigen und späteren Gefahren die Bedeutung eines erweiterten Gefahrenbegriffs beimißt. Für diese Deutung spricht, daß in Art. 3 Abs. 2 der 6. Änderungsrichtlinie sogar von potentieller Gefahr die Rede ist. Mit potentieller oder späterer Gefahr ist offensichtlich eine größere kausale und/ oder zeitliche Entfernung zur Gefahrrealisierung gemeint, d. h. der Abstand zwischen Gefahrbeginn und Schadenseintritt ist größer als beim üblichen Gefahrenbegriff. Eine solche Erweiterung ist auch dem deutschen Polizeirecht insofern nicht völlig unbekannt, als der umgekehrte Fall, nämlich das Vorliegen einer "unmittelbaren", "gegenwärtigen" oder "akuten" Gefahr gelegentlich Anknüpfungspunkt für sofortiges polizeiliches Einschreiten ist327• Rechtspolitisch sinnvoll jedenfalls ist die Berücksichtigung späterer Gefahren wegen der gerade bei chemischen Stoffen zu befürchtenden langzeitigen Wirkungen durchaus. Fraglich ist aber, ob damit noch an den klassischen Gefahrkriterien, wie sie oben für den deutschen Rechtsbereich dargestellt sind328, festgehalten wird. Die Formulierung "spätere Gefahren" könnte nämlich auch dahingehend verstanden werden, daß im Zeitpunkt der Gefahrbeurteilung die Ge327

3 28

Vgl. Friauf (Anm. 292), S. 190 ff.

Unter Abschnitt 2. b).

12 Kloepfer I Sosseimann

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K. Begriffe: Gefahr, Gefährliche Stoffe u. Zubereitungen, Risiko etc.

fahrgrenze (noch) nicht erreicht zu sein braucht und lediglich die Möglichkeit bestehen muß, daß irgendwann in der Zukunft die für die Gefahr erforderliche Intensitätsgrenze überschritten wird. Dieser Eindruck wird noch verstärkt, wenn man die Formulierung im Zusammenhang sieht mit dem Prädikat "darstellen kann". Hierdurch wird die Möglichkeit eines Schadens in einen Bereich vorverlagert, der gewöhnlich als bloßer Gefahrenverdacht gekennzeichnet wird. Zwar sind auch beim Gefahrenverdacht die beiden Elemente des Gefahrenbegriffs, nämlich die Rechtsgutbeeinträchtigung und die Wahrscheinlichkeitsprognose vorhanden, doch ist der Grad der Wahrscheinlichkeit beim Verdacht unterhalb der für den Gefahrenbegriff erforderlichen Wahrscheinlichkeitsschwelle. Ein so erweiterter Gefahrenbegriff mag zwar eine weitgehende Vorsorge gewährleisten und das Schutzniveau anheben, doch bringt er eine kaum zu überwindende Abgrenzungsschwierigkeit zum rechtlich zu vernachlässigenden Risikorest mit sich. So könnte die Gefahr zu einer vagen, nicht weiter konkretisierbaren Möglichkeit einer Rechtsgutbeeinträchtigung denaturieren. Ein gewisses Korrektiv erfährt diese Deutung der "späteren Gefahr" immerhin dadurch, daß sie der "sofortigen Gefahr" gegenübergestellt ist, ohne allerdings deswegen zu einer nicht-sofortigen Gefahr zu werden. Wenn diese Gegenüberstellung als eine begriffliche Einheit aufgefaßt werden kann, hat sie eine (lediglich) die Nähe der Gefahrrealisierung konkretisierende Funktion und läßt so den zugrundeliegenden Gefahrenbegriff etwas konturenreicher erscheinen. Hingewiesen werden könnte auch auf den Kontext, in dem die Definition der "Umweltgefährlichkeit" steht. Wenn die übrigen Gefahrenmerkmale als Indizien für ein bestimmtes Vorverständnis von der erforderlichen Gefahrintensität anzusehen sind329, dann ist selbst für "spätere Gefahren" ein gewisses Maß an Erheblichkeit zu fordern, wie es etwa für die "erheblichen Nachteile" gefordert wird. Nach dieser Interpretation könnte der Gefahrenbegriff unter Umständen auf die klassischen Kriterien zurückgeführt werden. Für den hier interessierenden Zusammenhang bleibt jedenfalls die Tatsache divergierender Interpretationsmöglichkeiten und damit eine begriffliche Unklarheit hinsichtlich zukünftiger Gefahrbeurteilungen bestehen. Eine Unterschied ergibt sich auch für den Adressaten des Gefahrenschutzes. Während die Regelung im Chemikaliengesetz von Gefahren bzw. Nachteilen für die Allgemeinheit spricht, stellt die EG-Änderungsrichtlinie allein auf die Umwelt ab. Versteht man unter Umwelt "Was329 So auch die Deutung der Gefahrenkonkretisierungen im Chemikaliengesetz oben unter Abschnitt 3. a) (2).

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ser, Luft und Boden sowie die Beziehungen unter ihnen einerseits und zu allen Lebewesen andererseits"- so Art. 2 Abs. 1 c) der Richtlinieund unter Allgemeinheit eine unbestimmte Mehrzahl von Personen so das gängige deutsche Verständnis-, dann sind die Adressatenkreise der jeweiligen Regelung unterschiedlich. Nach der zweiten Alternative des§ 3 Nr. 3 n) Chemikaliengesetz ist die Umweltbedrohung allein nicht tatbestandserfüllend, sondern erst bei hinreichender Gefahr für die Allgemeinheit. Der zweite Auffangtatbestand in § 3 Nr. 3 lit. n) Chemikaliengesetz, die sonstigen chronisch schädigenden Eigenschaften, ist in der EGAnderungsrichtlinie explizit nicht enthaUen. Partiell abgedeckt ist er allerdings durch die Erläuterung des Begriffs "giftig" in Art. 2 Abs. 2 lit. g). Danach sind erhebliche chronische Gesundheitsschäden erfaßt, die durch Einatmen, Verschlucken oder Hautresorption hervorgerufen werden. Für die sonst noch denkbaren schädigenden Eigenschaften könnte auf das (Auffang-)Merkmal der Umweltgefährlichkeit (Art. 2 Abs. 2 lit. k)) zurückgegriffen werden. Im Strukturvergleich der Gefahrenkonkretisierungen ergibt sich ein rechtssystematischer Unterschied dadurch, daß die Gefahrenmerkmale des deutschen Chemikaliengesetzes anders als die EG-Änderungsrichtlinien nicht weiter definiert sind. Lediglich durch die untergesetzliche Verordnung über die Gefährlichkeitsmerkmale vom 6. November 1981 lassen sich ähnliche Begriffsinhalte herstellen, wie sie bereits in der EG-Richtlinie selbst zu finden sind. Für die Gesamtschau ist wesentlich, daß die 6. EG-Änderungsrichtlinie eine Auflistung von Gefahrenmerkmalen enthält, die den Begriff der gefährlichen Stoffe und Zubereitungen konkretisiert. Mit dem deutschen Chemikaliengesetz stimmen die Merkmale weitgehend überein. Die nur im Chemikaliengesetz auftauchenden Merkmale "mindergiftig" und "sonstige chronisch schädigende Eigenschaften" kehren in anderer Form, aber inhaltlich - zumindest partiell - übereinstimmend in der EG-Richtlinie wieder. Gravierend sind dagegen Unstimmigkeiten bei der Konkretisierung des jeweiligen Auffangtatbestandes, insbesondere der Begriffe "erhebliche Gefahren oder erhebliche Nachteile für die Allgemeinheit" einerseits und "sofortige oder spätere Gefahren für die Umwelt" andererseits. Darüber hinaus ist die weitere Konkretisierung der Gefahrenmerkmale in den deutschen und in den EGRegelungen in ihrer Struktur- allerdings nicht notwendigerweise auch inhaltlich - unterschiedlich.

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K. Begriffe: Gefahr, Gefährliche Stoffe u. Zubereitungen, Risiko etc. (4) Niederlande

Das niederländische Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stoffen vom 20. Juni 1963330 enthält in Art. 2 Abs. 1 eine Gefahrenkonkretisierung für gefährliche Stoffe. Diese sind in 14 verschiedene Kategorien klassifiziert (von Klasse I a bis VII a). Die Gefahrenmerkmale haben überwiegend abstrakten Charakter (I a, I b, I e, II, III, IV a, V, VI), zum Teil enthalten sie Beispiele (I c). Der Vergleich zur 6. EG-Änderungsrichtlinie und zum deutschen Chemikaliengesetz zeigt direkte Übereinstimmungen hinsichtlich der Merkmale giftig, ätzend, explosionsgefährlich, entzündlich und brandfördernd. Die Kategorie VII a hat nach Wortlaut und Stellung eine Auffangfunktion und ähnelt darin den entsprechenden deutschen und EGRegelungen. Allerdings fehlt der Aspekt der Umweltgefährlichkeit. Die Gefahrenqualität ist auf die öffentliche Sicherheit, die Volksgesundheit und auf die Arbeitnehmer bezogen. Soweit die Terminologie abweicht, wie etwa in I e, II und III, bestehen viele inhaltliche Gemeinsamkeiten. Auffällig ist die Kategorie "ekelerregend" (VI), deren Gefahrenqualität zumindest nach deutschem Rechtsverständnis wegen nicht meßbarer Beeinträchtigungsintensität in demselben Zusammenhang wohl nicht nachzuvollziehen ist. Daß die niederländischen Regelungen keine chemikalienspezifische Ausrichtung haben, ist im übrigen an der generellen Unterstellung von organischen Peroxyden unter dem Begriff der "gefährlichen Stoffe" (VII) und an der Hinzurechnung bestimmter Gasarten (I d) zu erkennen. Nicht gesondert berücksichtigt ist die Kategorie "reizend", sie wird aber bei Erreichen einer bestimmten Intensitätsschwelle vom Auffangtatbestand II a abgedeckt. Die Giftigkeitskategorie ist nicht weiter differenziert, dagegen sind "Entzündlichkeit" und "Brennbarkeit" näher erläutert. Bis zu einem gewissen Grad werden noch bestehende Divergenzen im übrigen durch eine im Jahr 1980 erlassene Ministerorder über gefährliche Stoffe (Abs. 5; Start 1980, 64) ausgeglichen. Ihr Ziel ist die Anpassung an die Richtlinien der Europäischen Gemeinschaften. (5) Belgien

Das belgisehe Arbeitsschutzgesetz gegen gefährliche Substanzen vom 23. November 1973 enthält in Art. 723 eine Klassifizierung gefährlicher Substanzen und Zubereitungen. Begriffsidentität zur 6. EG-Änderungs330

Stb. 313, S. 1031.

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richtlinie besteht für die Merkmale giftig, ätzend, reizend, explosionsgefährlich und entzündlich. Die den Merkmalen zugeordneten weiteren Konkretisierungen entsprechen weitgehend dem Standard der EG-Richtlinie. Einige naturwissenschaftliche Beschreibungen (Nr. 3 "leicht entzündbar", Nr. 4 "entzündlich") und normativ-wertende Aussagen (Nr. 5 "giftig", Nr. 6 "schädlich") sind sogar im größeren Umfang inhaltsgleich mit der 6. EG-Änderungsrichtlinie als das deutsche Chemikaliengesetz. Das Merkmal der Giftigkeit wird nicht ausdrücklich unterteilt. Das von "giftig" unterschiedene Merkmal "schädlich" entspricht aber im Hinblick auf die Intensitätsstufe ("überschaubare Schadensfolgen") dem Merkmal "gesundheitsschädlich" in Art. 2 Abs. 2 h) der EG-Änderungsrichtlinie und damit auch der deutschen Kategorie "mindergiftig". Die belgisehe Kategorie "brennbare Stoffe" entspricht den sonst verwendeten Termini "brandfördernd" und "entzündlich". Nicht enthalten sind die neuen Merkmale krebserzeugend, fruchtschädigend, erbgutverändernd sowie umweltgefährlich. (6) Dänemark Das dänische Gesetz Nr. 212 vom 23. Mai 1979 über chemische Substanzen und Produkte enthält in § 20 Abs. 2 eine Aufstellung verschiedener Gefährlichkeitskategorien. Die Anzahl, die inhaltliche Bestimmung und die Bezeichnung dieser Kategorie können vom dänischen Umweltministerium administrativ verändert werden(§ 20 des Gesetzes). Daher wäre z. B. eine Anpassung an die 6. EG-Änderungsrichtlinie auch ohne Gesetzesänderung möglich. Konkretisierende Inhaltsausfüllungen der Gefahrenmerkmale fehlen noch. Ein Vergleich mit anderen Regelungswerken ist insofern nicht möglich. Die Merkmalsbezeichnungen sind jedoch weitgehend identisch mit den deutschen und EG-Merkmalen. Dies gilt für: giftig, ätzend, reizend, explosionsgefährlich, leicht entzündlich und entzündlich. Darüberhinaus sind "oxydierend" und "schädlich" genannt. Während die Gefahrenrelevanz des Oxydierens nicht ohne weiteres international vergleichbar ist, liegt es für den Begriff der Schädlichkeit nahe, ihn in ähnlicher Weise zu interpretieren wie das Merkmal der EG-Richtlinie "gesundheitsschädlich". Die Nähe ergibt sich einmal aus dem unmittelbaren Zusammenhang mit den Merkmalen giftig und ätzend in § 20 Abs. 2 des dänischen Gesetzes und zum anderen daraus, daß die Umweltgefährlichkeit im Gesetz generell nicht enthalten ist und somit der Bezug nur zur menschlichen Gesundheit gegeben ist. Obwohl das Gesetz neueren Datums ist, fehlen merkwürdigerweise solche Gefährlichkeitskategorien, die gerade in letzter Zeit wegen ihrer möglichen Langzeitwirkungen und ihrer Schädigungsintensität beson-

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K. Begriffe: Gefahr, Gefährliche Stoffe u. Zubereitungen, Risiko etc.

dere Beachtung gefunden haben, wie etwa krebserzeugend, erbgutverändernd und fruchtschädigend. Interpretativ ist es zwar nicht ausgeschlossen, diese Gefährlichkeitskategoden als von anderen Merkmalen, wie z. B. schädlich, mitabgedeckt anzusehen. Wahrscheinlicher aber ist, daß sie nicht berücksichtigt sind. Denn in der Entstehungsphase des dänischen Gesetzes lag nur die ältere EG-Richtlinie von 1967 vor, die noch keine Regelung langzeitiger Wirkungen enthielt; diese tauchte erst 1979 in der 6. EG-Änderungsrichtlinie und im deutschen Entwurf zum Chemikaliengesetz auf. (7) Großbritannien In der Rechtsverordnung zur Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe vom 15. Februar 1978331 finden sich Parallelen zur dänischen und belgiseben Gefahrenklassifizierung. So sind die Merkmale giftig, ätzend, reizend, explosionsgefährlich, entzündlich und schädlich allen drei Normierungen gemeinsam, wobei die englische Regelung wie die deutsche und EG-Regelung noch zusätzlich das Merkmal "hochentzündlich" aufweist. Mitaufgenommen ist noch wie in Dänemark das Merkmal "oxydierend". Auch in Großbritannien fehlen noch die Langzeitkategorien (krebserzeugend, fruchtschädigend, erbgutverändernd) sowie allgemeine umweltbezogene Kategorien wie "umweltgefährlich". Nach Inkrafttreten der 6. EG-Änderungsrichtlinie kann hier aber, wie auch bei den anderen Staaten der EG, mit einer entsprechenden Anpassung gerechnet werden. (8) Schweiz Einschlägige Norm zur Erfassung der gefährlichen Stoffe ist das Giftgesetz vom 21. März 1969. Regelungsgegenstand ist Gift, das in Art. 2 definiert wird im Hinblick auf die Gefährdung von Menschen oder Tieren; ausschlaggebend ist die Eignung zur Lebens- oder Gesundheitsgefährdung. Die Gefährdung der Umwelt ist nicht genannt, so daß Luft, Wasser und Boden nur Schutzgüter sind, soweit sie ihrerseits eine Gefährdung für Mensch oder Tier sein können33~. Nach Art. 13 Abs. 3 des Gesetzes sind Verbote der Verwendung von bestimmten gefährlichen Stoffen nur zulässig, "wenn Leben oder Gesundheit auf keine andere Weise zu schützen" sind. Bei dieser Beurteilung ist nicht allein der Stand der Wissenschaft zu berücksichtigen, sondern einzubeziehen sind auch technologisch-ökonomische Gesichtspunkte333. Statutory Instrument 1978, 209. Zu diesen indirekten Chemikaliengefährdungen vgl. auch: Botschaft zu einem Bundesgesetz über den Umweltschutz vom 31. Oktober 1976, S. 36. 33 1

332

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Eine darüber hinausgehende Gefahrendifferenzierung ist die Giftklasseneinteilung, die sich an den akuten oralen DLso-Werten orientiert334 und fünf Giftklassen unterscheidet. Diese ausschließlich technisch-naturwissenschaftlich orientierte Gefahrkonhetisierung wird ergänzt durch normativ-wertende Gefahrenmerkmale, die in Art. 13 Abs. 5 der Vollziehungsanordnung festgehalten sind. Danach sind neben den oralen DLso-Werten für die Einteilung in eine der Giftklassen noch folgende Kriterien zu berücksichtigen: -

subakute und chronische Toxizität cancerogene oder teratogene Wirkungen besondere Gefährlichkeit bei parenteraler Aufnahme verwendbare Erfahrungen beim Menschen, insbesondere bei Kleinkindern und Schwangeren sowie Veränderung der Gefährlichkeit durch besondere Art, Form oder Aussehen, Verpackung, Geruch oder Geschmack der Produkte.

Diese Operationalisierung des Risikokriteriums "Gefahr" im Sinne der Art. 2 und 4 des Bundesgesetzes ist aber nicht vergleichbar den Gefahrenmerkmalen, wie sie in der deutschen und EG-Regelung oder auch in der belgischen und niederländischen Regelung zugrunde liegen. Die Schweizer Merkmale haben erkennbar35 neben den oralen DLsoWerten lediglich ergänzende Funktion. Sie sind nicht selbständige Gefährlichkeitskategoden in dem Sinne, daß sie allein die Gefährlichkeitsqualifizierung eines Stoffes zu tragen vermögen, wie das in den bisher untersuchten Rechtsordnungen der Fall war. Die zur Giftklassifizierung dienenden Merkmale haben indikatorischen Charakter und stehen im Zusammenhang mit den Dl...5o-Werten, sind aber keine autonomen Gefahrenmerkmale. Das wird auch in Art. 13 Abs. 5 a) deutlich, weil dort die subakute und chronische Toxizität oder cancerogene oder teratogene Wirkung nur dann bei der Gefährlichkeitseinteilung mit zu berücksichtigen sind, wenn diese Wirkungen für eine wesentlich größere oder besondere Gefährlichkeit sprechen. Maßstab ist hier also offensichtlich in erster Linie die orale DLso-Wirkung, hinter die subakute oder chronische Toxizität, die cancerogenen oder teratogenen Wirkungen solange zurücktreten, wie die orale DLso-Wirkung dominant ist. Eine von der DLso-Wirkung unabhängige Klassifizierung nach den in Art. 13 Abs. 5 a) genannten Kriterien scheidet also sss OECD, Environment Directorate, The Control of Trade in Taxie Chemieals - The Swiss Experience 1976, S. 11. 334 Art.13 der Vollziehungsordnung zum Bundesgesetz über den Verkehr mit Giften vom 23. Dezember 1971. 335 Arg. Art. 13 Abs. 5: "Außer der oralen DL5o sind für die Einteilung noch zu berücksichtigen ...".

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K. Begriffe: Gefahr, Gefährliche Stoffe u. Zubereitungen, Risiko etc.

aus. Maßgebliches Risikokriterium ist demnach eine aus DLso-Werten und weiteren Gefährlichkeitsaspekten normativwertender Art zusammengesetzte Beurteilung. Dies bedeutet einen erheblichen strukturellen Unterschied zu den Gefahrenmerkmalen, wie sie namentlich durch die EG-Änderungsrichtlinie vorgegeben sind. (9) Schweden Im schwedischen Gesetz über gesundheits- und umweltgefährdende Waren vom 27. April1973 findet sich zwar eine Definition der "gesundheits- und umweltgefährdenden Stoffe". Sie enthält aber keine Gefahrenkonkretisierung. Nach § 1 Nr. 1 des Gesetzes sind solche Stoffe oder Erzeugnisse gesundheits- oder umweltgefährdend, "bei denen zu befürchten ist, daß sie im Hinblick auf ihre chemischen und physikalischchemischen Eigenschaften oder durch ihren Gebrauch Schäden für Menschen oder die Umwelt verursachen können". Während der Gebrauch in § 2 klar definiert ist, fehlt in den folgenden Vorschriften jede weitere Erläuterung der geforderten Gefahrenqualität. Das Gesetz enthält lediglich zahlreiche Verordnun.gsermächtigungen, die eine den jeweiligen Erfordernissen entsprechende Sicherung des Gesundheits- und Umweltschutzes ermöglichen sollen. Die zum Gesetz ergangenen Verordnungen88& enthalten keine entscheidenden Hinweise zur Operationalisierung des vorausgesetzten Gefahrenbegriffs. In der Verordnung vom 27. April 1973 in der Fassung vom 14. Dezember 1973 werden die oben definierten Stoffe allerdings in Gifte und Schadstoffe eingeteilt (§ 2). Danach sind Gifte einerseits Stoffe, die hauptsächlich bei der Herstellung von Heilmitteln verwendet werden und die die Sozialbehörde zu Giften erklärt hat, andererseits Stoffe, deren Gebrauch mit sehr großen Gesundheitsgefahren verbunden ist. Schadstoffe sind die übrigen Stoffe. Hierin drückt sich zwar eine Abstufung von Gefährdungsintensitäten aus(§ 1 Nr. 1 des Gesetzes: "zu befürchten, daß ... Schäden verursacht werden können"; § 2 der Verordnung: "sehr große Gesundheitsgefahren"). Und differenziert wird auch hinsichtlich des Schutzgutes ("Mensch und Umwelt" in § 1 des Gesetzes; u. a. "Gesundheit" in § 2 der Verordnung). Eine operationalisierbare Konkretisierung steckt darin aber ebensowenig wie eine Auflistung von Gefahrenmerkmalen. Beides ist offenbar der Einschätzung durch administrative Instanzen überlassen. (10) Frankreich Das französische Gesetz Nr. 77.771 vom 12. Juli 1977 über die Kontrolle chemischer Produkte bezweckt den Schutz des Menschen und der 33&

Siehe die Aufstellung bei E. Rehbinder (Anm. 116), S. 41.

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Umwelt gegen Risiken, die durch chemische Stoffe entstehen (Art. 1). Nach Art. 3 Abs. 3 müssen die Angaben im Rahmen der Vorprüfung eine Einschätzung der Gefahren und unvertretbaren Risiken erlauben. Die entscheidenden Bewertungskriterien sind also offenbar Gefahr ("Danger") und unvertretba1·es Risiko ("risques inacceptables"). Inwieweit sich beide Begriffe decken und welche Wertungen hinter der "Unvertretbarkeit" stehen, läßt sich anhand des Gesetzes nicht ermitteln. In den Vorschriften ist abwechselnd von Gefahr und Risiko die Rede (Art. 1, 3 Abs. 1 bis 3, 4 Abs. 2, 7 Abs. 1, 11 Abs. 1), ohne daß. deren Begriffsinhalte erkennbar voneinander abgegrenzt wären. Für alte Stoffe lassen sich dem Art. 3 Abs. 2 gewisse Anhaltspunkte für die Bewertung neuer Gefahren entnehmen. Danach kommt es auf die Menge an und auf die Änderung des Produktionsverfahrens oder der Verteilungs- oder Verwendungsbedingungen, insbesondere bei Zubereitungen oder in der Verbreitung der Umwelt. Weitere Operationalisierungskriterien sind im Gesetz nicht enthalten. Aus den Materialien zum Gesetz337 geht allerdings hervor, daß konkretisierende Verordnungen erlassen werden sollen, in denen dem Hersteller Angaben über die Toxizität, biologische Abbaubarkeit, Möglichkeit der Beseitigung u. ä. abverlangt werden. (11) USA

Der Begriff der "gefährlichen Stoffe" ist in den USA funktionelL anders eingebunden als in den meisten europäischen Rechtsordnungen. Seine wesentliche gesetzgeberische Bedeutung erhält er erst im Zusammenhang mit dem Begrüf des "unvertretbaren Risikos", der nicht gleichbedeutend ist mit dem Gefahrenbegriff, wie er etwa in der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit der Definition der gefährlichen Stoffe gebraucht wird. Nach dem Taxie Substances Control Act knüpfen sich an das Vorliegen eines als gefährlich erkannten (neuen) Stoffes keine unmittelbaren Rechtsfolgen. Die Gefährlichkeit ist ein mehr oder weniger zu beachtendes Indiz für die Einstufung als unvertretbares Risiko, dessen Annahme wiederum von der Nutzen-Risiko-Relation abhängt. Erst das Ergebnis der von der Kontrollbehörde (EPA) anzustellenden Nützlichkeitsabwägung kann Rechtsfolgen auslösen, wie sie sich in anderen Rechtsordnungen unmittelbar aus der Gefährlichkeit eines Stoffes ergeben. Da der amerikanische Rechtszustand in hohem Maße vom Fallrecht und der administrativen Praxis mitgeprägt wird, ist die unterschiedliche gesetzesmäßige Behandlung des Gefahrenbegriffs 337

Vgl.

E.

Rehbinder (Anm. 116), S. 61.

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K. Begriffe: Gefahr, Gefährliche Stoffe u. Zubereitungen, Risiko etc.

gegenüber den sonstigen Ländern freilich nicht gleichzusetzen mit einer im Ergebnis auch inhaltlich divergierenden Bewertung der Gefahr. Erschwert ist zunächst nur die Vergleichbarkeit der Gefahrenbewertung. Die Bewertung erfolgt auf der Grundlage der "nuisance"-Theorie, also der Abwägung zwischen dem Risikogehalt eines Stoffes und den daraus sich für die Menschen, für die Volkswirtschaft, für die Umwelt etc. ergebenden Konsequenzen338• Im allgemeinen ist dabei folgendes zu berücksichtigen: - Art und Ausmaß der Beeinträchtigung - sozialer Wert des beeinträchtigten Rechtsgutes - örtliche Angemessenheit - Aufwand zur Abwehr der Beeinträchtigung - Nützlichkeit und sozialer Wert des Verhaltens oder des gefahrvermittelnden Gegenstandes. Soweit für diese Abwägung auf gesetzlich normierte Risikokriterien zurückzugreifen ist, gibt es Definitionen und Begriffskonkretisierungen in verschiedenen Gesetzen. Für das vom TSCA vorgesehene Verfahren enthält Sec. 4 (b) (2) Prüfungsstandards für die Ermittlung der Gefahrenqualität Genannt sind: - Karzinogenität - Mutagenität - Teratogenität - Verhaltensstörungen - kumulative oder synergistische Wirkungen andere Wirkungen, die ein unvertretbares Risiko für Gesundheit und Umwelt darstellen können außerdem Persistenz akute, subakute und chronische Toxizität - andere Eigenschaften, die ein solches Risiko darstellen. Als Merkmale der "gefährlichen Stoffe" können sie allerdings nicht unterschiedslos betrachtet werden. Die Beurteilung der Langzeitwirkungen, der kumulativen, synergistischen und der anderen Wirkungen ist nach dem Wortlaut der Vorschrift nur Teil der gesamten NutzenRisiko-Abwägung und kein Spezifikum der Gefahrenkonkretisierung. Dagegen können die Persistenz, die einzelnen Toxizitätsstufen und die anderen Eigenschaften - letztere im Sinne eines Auffangtatbestandes - als Merkmale für den Begriff der "gefährlichen Stoffe" ange338 Vgl. dazu Feldmann, Die Verwendung von Zuverlässigkeits- bzw. Risikobeurteilungen in der Rechtsordnung, Länderbericht USA, 1979, S. 13 ff.

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sehen werden. Zu beachten ist aber auch hier, daß der Gesetzgeber bewußt auf definitorische Festlegungen verzichtet hat. Eine Absicht war sicher, die Behörden mit weiten Eingriffsbefugnissen auszustatten, um z. B. auch die Chemikalien zu erfassen, die für sich allein noch kein Risiko darstellen, sondern erst im Zusammenwirken mit anderen Stoffen und unter bestimmten Bedingungen339• Ein weiter Maßstab ist im übrigen deswegen gesetzt, weil Gewißheit über das Vorliegen eines Risikos praktisch nicht zu erlangen ist. Meist können nur Schlußfolgerungen von einem beschränkt existierenden Erfahrungsschatz auf die künftigen Auswirkungen für Mensch und Umwelt gezogen werden. Dabei sind notwendigerweise wissenschaftliche Theorien zugrundezulegen, ohne daß über sie ausreichende Erfahrungen bestünden und ohne daß sie jede Kausalität zwischen einem chemischen Stoff und einer Rechtsgutbeeinträchtigung beweisen könnten340• Ausdrücklich definiert sind im TSCA nur die akut gefährlichen Stoffe. Dies deswegen, weil nach Sec. 7 (a) die Behörde ein zivilrechtliches Verfahren einleiten kann, um akut gefährliche Stoffe sicherzustellen oder gerichtliche Hilfe zu erlangen gegen Personen, die solche Stoffe herstellen oder verwenden. Nach Sec. 7 (f) ist der Begriff der "akut gefährlichen chemischen Substanz oder Zubereitung" definiert als Stoff, der ein drohendes und unvertretbares Risiko einer ernsten oder verbreiteten Verletzung für Gesundheit und Umwelt darstellt. Zur Frage, wann ein drohendes Risiko anzunehmen ist, ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien, daß die Gefahr sich nicht zu einer Verletzung verdichtet haben darf und daß deshalb zur Annahme einer akuten Gefahr nicht die Beobachtung einer schon eingetretenen Beeinträchtigung notwendig ist. Vielmehr kann die Annahme einer akuten Gefahr an jedes Ereignis geknüpft werden, das aufgrund allgemeiner Erfahrung letztlich zu einer Verletzung der Gesundheit oder Umwelt führen kann341 • Damit soll ein möglichst frühes Eingreifen vor dem Eintritt einer Verletzung gewährleistet werden. Obwohl diese Definition nicht weiter konkretisierte Wertungen enthält, kann ihr aber doch entnommen werden, daß das Vorliegen einer Gefahr im Gegensatz zu der sonst angewendeten Technik auch ohne Nutzen-Risiko-Abwägung unmittelbare Rechtsfolgen nach sich ziehen kann. Der Gefahrenbegriff kann also wie in europäischen Rechtsnormen auch in den USA unmittelbar rechtserheblich sein. Zur Konkretisierung der "gefährlichen Stoffe" kann die Definition der "akut gefährlichen Stoffe" aus den genannten Gründen aber nur sehr indirekt beitragen. 339 340 34 t

Vgl. S. Rep. 94th CONG, p. 20. Rack, Recht der Internationalen Wirtschaft, 1979, 13, 16. CONF. Rep. 94th CONG, p. 78.

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Ähnliche Kriterien wie in Sec. 4 (b) (2) TSCA finden sich in Sec. 9 (c) (1) des Consumer Product Safety Act vom 27. Oktober 1972342• EiDgriffsbefugnisse bei unmittelbaren Gefahren ergeben sich dann, wenn ein Produkt eine unmittelbare und unvertretbare Gefahr für das Leben eines Konsumenten, ernsthafte Gesundheitsgefahren oder Gefahren schwerer Körperschäden zur Folge hat (Sec. 12 (a)). Eine bemerkenswerte Aufzählung verschiedener Merkmale enthält § 1261 des Federal Hazardous Substances Act343• Als "gefährlicher Stoff" werden dort Stoffe und Zubereitungen mit bestimmten Eigenschaften bezeichnet, wenn sie eine erhebliche Gesundheitsbeeinträchtigung verursachen können. Folgende Eigenschaften sind genannt: -giftig -ätzend - reizend - hochempfindlich - explosiv -brennbar - durch Zersetzung, Hitze oder auf andere Weise druckerzeugend. Hier zeigen sich deutliche Parallelen zu einzelnen Gefahrenkonkretisierungen europäischer Definitionen. Charakteristisch für die amerikanischen Gesetzesdefinitionen ist, daß sie allein keine administrativen Eingrüfsmaßnahmen auslösen, sondern weitere Wertungen erforderlich machen, während etwa nach der 6. EGÄnderungsrichtlinie als gefährlich erkannte Stoffe in erster Linie den Hersteller verantwortlich machen344 • Dies bedeutet einen strukturellen Unterschied in der Gefahrenbehandlung. Beachtlich ist auf der anderen Seite aber auch, daß der Begriff der "gefährlichen Stoffe" zum Teil ausdrücklich definiert und durch einzelne Merkmale konkretisiert ist. Die Konkretisierung stützt sich dabei auf naturwissenschaftliche wie auch auf normativ-wertende Kategorien. In dieser Hinsicht ergeben sich Berührungspunkte zu anderen Rechtssystemen. Je nach dem, ob die Funktion oder die Struktur des Gefahrenbegriffs in den Mittelpunkt des Vergleichs gerückt werden, ergeben sich geringe oder größere Ähnlichkeiten. In seiner Komplexität wird der Gefahrenund Risikobegriff den anderen Rechtssystemen zwar kaum anzugleichen sein. Doch bestehen Ansatzpunkte dann, wenn man von der jeweiligen Dazu E. Rehbinder (Anm. 116), S. 27. Siehe ,U.S. Federal Statutory Definitions for Glossary Terms', p. 5. 344 Wymann, Control of Toxic Substances, Virginia Journal of International Law, vol. 2, 1980, p. 430. 342

343

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Regelungsabsicht des Gesetzgebers abstrahiert und die gesetzlich erfaßten Gefahrenmerkmale für sich betrachtet. (12) Kanada Der kanadische Environmental Act vom 2. Dezember 1975 enthält keine Legaldefinition des Begriffs "gefährliche Stoffe". Die der Gefahrenbewertung zugrundeliegenden Kriterien können jedoch (mittelbar) den Einzelvorschriften entnommen werden845 • Ansatzpunkt ist dabei Sec. 3 (3) (a), wo die Untersuchungskriterien aufgeführt sind, die bei dem Verdacht einer Gefahr für den Menschen oder die Umwelt für die Prüfung des Stoffes zu beachten sind. Die Untersuchung muß sich beziehen auf: - die Natur des Stoffes - die Existenz des Stoffes in der Umwelt und dessen Wirkung auf die Gesundheit und Umwelt - das Ausmaß der Verbreitung und Persistenz in der Umwelt - die Fähigkeit des Stoffes, in biologischen Geweben zu akkumulieren und biologische Veränderungen hervorzurufen - die Methoden, um das Verbleiben des Stoffes in der Umwelt zu kontrollieren - Testmethoden bezüglich der Wirkungen des Stoffes in der Umwelt. Der hiermit beschriebene Untersuchungsgegenstand kennzeichnet aber noch nicht die Einordnung und Bewertung der Gefährlichkeit. Hierfür enthält Sec. 5 (2) in Verbindung mit (1) eine Gefahrenumschreibung im Zusammenhang mit Konsultationsverfahren zur Abwehr möglicher Gefahren von Stoffen, die noch nicht als gefährlich aufgelistet sind. Maßgeblich ist die Annahme, daß gegenwärtig oder zukünftig eine erhebliche Gefahr ("significant danger") für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt dadurch entsteht, daß eine Substanz gegenwärtig oder zukünftig in einer Menge oder Konzentration in die Umwelt gelangt oder gelangen wird. Operationalisierbare Gefahrenkriterien fehlen hier allerdings ebenso wie ein Hinweis auf die erforderliche Intensität der Gefahr. Die im Gesetz vereinzelt auftretenden Risikoaussagen sind zu uneinheitlich und vage, um eine abgrenzbare Gefährlichkeitsklassifizierung erkennen zu lassen. (13) Japan

Die maßgebliche Gefahrenregelung des japanischen Gesetzes über die Prüfung chemischer Stoffe und zur Regelung ihrer Herstellung etc. s4s

Vgl. E . Rehbinder (Anm. 116), S. 56.

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vom 16. Oktober 1973 enthält § 1 und § 2 Abs. 2 Nr. 1 b), wo auf die Besorgnis der Beeinträchtigung der menschlichen Gesundheit und auf die Besorgnis einer Gesundheitsschädigung abgestellt wird. Die Gefahren für die Umwelt bleiben unerwähnt. Eine Konkretisierung findet sich nicht im Gesetz selbst, sondern muß den Testvorschriften mit ihren Differenzierungen entnommen werden. Die Testverordnung vom 13. Juli 1974346 unterscheidet zwischen generellen Toxizitätstests und speziellen Giftigkeitstests. Zur ersten Gruppe gehören die aktute und die chronische Toxizität, unter die zweite Gruppe fällt die Prüfung auf Mutagenität, Teratogenität und Karzinogenität. Darüber hinaus sind Tests vorgeschrieben, die pharmakakinetische und allgemeinbiologische Wirkungen betreffen. Die Testauswahl zeigt eine ausschließliche Bezugnahme auf Wirkungen für die menschliche Gesundheit; Umweltgefährdungen werden nicht untersucht. § 2 Abs. 2 Nr. 1 a) und 2 enthält noch Hinweise auf die Persistenz und Akkumulationsfähigkeit eines Stoffes und seiner Metaboliten im Körper von Lebewesen und als Indikator für Umweltwirkungen. Auf welchen Grad an Persistenz und Akkumulation es ankommt, bleibt aber offen347 • Eine Gefahreneinordnung und Gefahrenbewertung ist mittelbar der Testverordnung zu entnehmen. Eine Festlegung nach autonomen, tatbestandlieh gefaßten Gefahrenmerkmalen ist aber nicht vorhanden. Parallelen zur Gefahrenkonkretisierung in der 6. EG-Änderungsrichtlinie lassen sich daher nicht ziehen. (14) Multilaterale Verträge Für die Frage, inwieweit ein internationaler Begriffskonsens besteht, sind multilaterale Verträge von erheblicher Bedeutung, da sie möglicherweise Ausdruck bereits harmonisierter Terminologie sind. Exemplarisch sollen einige von ihnen vorgestellt werden. Über den Umgang mit gefährlichen Stoffen bestehen schon mehrere internationale Umweltschutzabkommen. In erster Linie haben sie die Abwehr der Gewässer- und Meeresverschmutzung zum Inhalt.

Im Obereinkommen zum Schutze des Rheins gegen chemische Verunreinigungen vom 3. Dezember 1976 werden die zu regelnden "gefährlichen Stoffe" nicht abstrakt definiert, sondern in einem Anhang enume346 Order Prescribing the Items of the Test Relating to the New Chemical Substances, Order of the Prime Minister, the Minister of Health and Welfare and the Minister of International Trade and Industry No. 1 of July 13, 1974, in: The Chemical Substances Control Law in Japan, Ministry of International Trade and Industry, 1977, p. 62 ff. 347 Vgl. E. Rehbinder (Anm. 116), S. 38.

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rativ aufgeführt. Dieser Anhang umfaßt Stoffe, die hauptsächlich aufgrund ihrer Toxizität, ihrer Langlebigkeit und ihrer Bioakkumulation gefährlich sind, wie organische Halogen-, Phosphor- oder Zinnverbindungen, Quecksilberverbindungen, Kadmium, Mineralöle etc. Berücksichtigt ist auch die Kategorie der Karzinogenität (Nr. 4 der Anlage I). Allgemeine Gefahrenaussagen enthalten das Protokoll über Maßnahmen auf Roher See bei Meeresverschmutzung durch andere Stoffe als Öl vom 2. November 1973 und Art. 2 des Internationalen Obereinkommens über die von Schiffen ausgehende Versehrnutzung vom 2. November 1973. Die "gefährlichen Stoffe" werden charakterisiert durch Gefahrenvermittlung für die menschliche Gesundheit, durch die Schädigung der Fischbestände und durch die Beeinträchtigung sonstiger Nutzungen des Meeres. In Art. 2 Abs. 6 der Konvention über den Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebietes vom 22. März 1974 wird der Ausdruck "Schadstoff" definiert als jeder gefährliche, schädliche oder sonstige Stoff, der bei Zuführung ins Meer Versehrnutzung verursachen kann. Das Internationale Obereinkommen zum Schutze des menschlichen Lebens auf See vom 17. Juni 1960 enthält in der Regel eine Einteilung in neun Stufen für den (spezielleren) Begriff der gefährlichen Güter. Im Vergleich mit der 6. EG-Änderungsrichtlinie zeigen sich Parallelen wie explosionsgefährlich, giftig, entzündlich und ätzend, aber auch Besonderheiten wie die Einordnung ansteckungsgefährlicher Stoffe (Klasse 4 c) sowie die Gase (Klasse 2). Insgesamt können die bisherigen Internationalen Abkommen nur Indizien für einen Begriffskonsens sein. Zu berücksichtigen ist nämlich, daß ihre spezifischen Zweckbestimmungen einem Vergleich zum allgemeinen Umweltchemikalienrecht entgegenstehen. Außerdem sind sie nicht neuesten Datums und können deswegen neue Gefahrenklassen noch nicht zum Gegenstand haben. Immerhin lassen die Abkommen einen gewissen begrifflichen Standard erkennen, der sich in vielen nationalen Chemikalienregelungen wiederfindet. Eine harmonisierungsfördernde Kraft können sie wegen ihrer spezifischen Ausrichtung kaum haben. Als Beispiel und Indiz zeigen sie aber die Möglichkeiten zur Begriffsharmonisierung deutlich auf.

b) Spezielle umweltgefährliche Stoffe und Gegenstände (1) Allgemeines Die Begriffsanalyse zu den "gefährlichen Stoffen und Zubereitungen" hat u. a. gezeigt, in welchem Umfang die Stoffgefährlichkeit gesetzlich

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erfaßt ist und wie groß ihre Bedeutung für die Behandlung der Gefahr im Chemikalienrecht ist348• Regelungstechnisch hat sie - zumindest gedanklich- die Funktion eines allgemeinen Nenners für die zahlreichen weiteren Begriffskombinationen der Gefahr im Bereich der Umweltchemikalien. Der Gegenstand Stoff und seine Definition an zentraler Stelle der jeweiligen allgemeinen Chemikaliengesetze drücken diesen Vorbildcharakter aus. Noch deutlicher zeigt sich die Leitfunktion der definierten "gefährlichen Stoffe und Zubereitungen", wenn man den Vergleich zu den übrigen Begriffskombinationen im Chemikalienrecht zieht. Die Struktur der Definitionen zu Formulierungen wie "gefährliche (Transport-) Güter", "gefährliche Abfälle", "gefährliche Arbeitsstoffe" oder "gefährliche Erzeugnisse" ist weitgehend deckungsgleich mit der Definitionsstruktur der gefährlichen Stoffe. Die unter Abschnitt III. 1. dargestellte Struktur der Aufzählung einzelner Eigenschaften, durch die eine Gefahr als festgestellt gilt, und des anschließenden Rückgriffs auf den allgemeinen Gefahrenbegriff kehrt in zahlreichen Definitionen der übrigen Begriffskombinationen wieder. Die Parallele geht - insgesamt gesehen - sogar so weit, daß auch die Gefahrenmerkmale selbst häufig identisch sind. Dies hat seinen Grund darin, daß in bezug auf die Gefährlichkeit die Begriffe Güter, Abfälle, Arbeitsstoffe, Erzeugnisse oder Konsumentenprodukte im Verhältnis der Spezialität zum Stoffbegriff stehen. Sie bezeichnen umweltgefährdende Aktivitäten, die eine spezielle Form des Umgangs mit umweltgefährdenden Stoffen und Zubereitungen darstellen. Daher setzen sie auch begrifflich den Stoffund Zubereitungsbegriff - zumindest im Ansatz - voraus. Entsprechend können die im folgenden vorgestellten Definitionen als Spezialdefinitionen von bestimmten Formen umweltgefährdender Stoffe bezeichnet werden. (2) Gefährliche Transportgüter Nach der Systematik deutscher Chemikalienregelungen ist die im Chemikaliengesetz enthaltene Definition der "gefährlichen Stoffe und Zubereitungen" Ausgangspunkt für die Erfassung der "gefährlichen Güter". Abweichungen bei der Charakterisierung der Gefährlichkeit ergeben sich allein daraus, daß bei Gütern auf Gefahren abgestellt wird, die im Zusammenhang mit ihrer Beförderung auftreten können. Dies bedingt eine teils eingeschränkte, teils ausgedehnte Definition der Gefährlichkeit. Nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die Beförderung gefährlicher Güter vom 6. August 1975 gehören zu den gefährlichen Gütern solche Stoffe und Gegenstände, von denen aufgrundihrer Natur, ihrer Eigenschaften oder ihres Zustandes im Zusammenhang mit der 348

Vgl. dazu noch unten S. 201 ff.

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Beförderung Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere für die Allgemeinheit, für gewichtige Gemeingüter, für Leben und Gesundheit von Menschen sowie für Tiere und andere Sachen ausgehen können. In der Anlage A I a) bis VIII zu diesem Gesetz werden als gefährliche Güter im einzelnen explosionsgefährliche, brandgefährliche, brandfördernde, giftige und ätzende Stoffe genannt. Diese Auflistung von Gefährlichkeitsmerkmalen entspricht der in § 3 Abs. 3 Chemikaliengesetz ("Gefährliche Stoffe") in dem Maße, wie es sich für die Transportgefährlichkeit von Stoffen ergibt. Über den Schutz von Menschen und Tieren hinaus sind auch Sachen (Besitz und Eigentum) sowie die öffentliche Sicherheit und Ordnung, also das ungestörte Zusammenleben, als geschützte Rechtsgüter einbezogen. Insoweit ist der Maßstab für die Beurteilung der Gefährlichkeit weiter gesetzt als bei den "gefährlichen Stoffen". Andererseits fehlt der Bezug zur Umweltgefährdung. Allgemein sind diese Besonderheiten aber aufzufassen als Ausdruck der ausschließlichen Bezugnahme auf die Transportgefährlichkeit von Stoffen und Gegenständen. Darüber hinaus schließt sich die Gefahrenbewertung an die der "gefährlichen Stoffe und Zubereitungen" an. Eine Definition der gefährlichen Güter gibt es auch im amerikanischen Recht. Nach § 1802 der "Hazardous Materials Transportation" 349 sind Stoffe und Gegenstände erfaßt, wenn sie beim Transport im geschäftlichen Verkehr in einer Menge und Form auftreten, die ein unvertretbares Risiko für die Gesundheit und Sicherheit oder Eigentum darstellen. Berücksichtigt sind hier nur Güter, die zu gewerblichen Zwecken transportiert werden; es sind also nicht alle mit dem Beförderungsvorgang verbundenen Gefahren abgedeckt. Nicht berücksichtigt sind auch Gefährdungen der Umwelt. Für die Auslegung dürften im übrigen die entsprechenden Gesichtspunkte heranzuziehen sein wie bei den "gefährlichen Stoffen" im Verhältnis zum "unvertretbaren Risiko" 350• Unter diesem Vorbehalt läßt sich sagen, daß die Transportgefährlichkeit von Stoffen und Gegenständen als spezielle Ausformung der allgemeinen Stoffgefährlichkeit aufzufassen ist. Die schon oben erwähnte Regel 2 des Internationalen Obereinkommens zum Schutze des menschlichen Lebens auf See definiert die gefährlichen Güter in enger Anlehnung an die Stoffgefährlichkeit. Die Gefahrenmerkmale sind teilweise identisch. Als Auffangtatbestand wird "jeder andere Stoff" mit vergleichbarer Gefährlichkeit erwähnt (Klasse 9). Erfaßt ist jede Form der Beförderung auf See unabhängig 349 350

U.S.C. § 1802 Hazardous Materials Transportation. Vgl. oben Abschnitt 3. a) (11). 49

13 Kloepfer I Bosselmann

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vom Zweck. Die Definition berücksichtigt auch solche Stoffe, die in den Definitionen der gefährlichen Stoffe üblicherweise nicht vorkommen wie Gase, ansteckungsgefährliche Stoffe und radioaktive Stoffe. Sie zeigt damit, daß der Begriff der gefährlichen Güter nicht zwangsläufig die Begriffselemente der gefährlichen Stoffe voraussetzt, sondern eigenständige, auf die Beförderung abstellende Gefahrenmomente haben kann. Im allgemeinen stellen sich die Definitionen als qualifizierte Formen der Definitionen zur Stoffgefährlichkeit dar. Die transportspezifischen Besonderheiten führen im wesentlichen dazu, daß die Definitionen (nur) den Schutz vor menschlichen Gesundheitsschäden und vor Sachschäden bezwecken und dabei nicht alle Gefahrenmerkmale berücksichtigen wie die meisten Definitionen der Stoffgefährlichkeit (es fehlen z. B. die Langzeitwirkungen). Bei der Beförderung sind in der Regel die Toxizität, Explosionsgefährlichkeit, Brandgefahr und das Ätzen bedeutsam. Am Maßstab der geschützten Rechtsgüter und der verwendeten Gefahrenmerkmale kann auch die allgemeine Gefahrenqualität ermittelt werden, die beim jeweiligen Auffangtatbestand (sonstige Stoffe und Gegenstände, deren Beförderung als gefährlich gilt) zugrundezulegen ist. (3) Gefährliche Abfälle In den Definitionen der "gefährlichen Abfälle" ist die Gefährlichkeit im Zusammenhang mit der Abfallbeseitigung berücksichtigt. Daraus ergibt sich im Ansatz die Erfassung der gefährlichen Stoffe, soweit sie als Abfälle zur Gefahrenquelle werden können. In Art. 1 (b) der EG-Richtlinie vom 20. März 1978 über giftige und gefährliche Abfälle351 sind als gefährlich solche Abfälle qualifiziert, die bestimmte gefährliche Stoffe oder Materialien enthalten oder durch sie verseucht sind, und zwar in solchen Mengen oder Konzentrationen, daß sich daraus eine Gefahr für die Gesundheit oder die Umwelt ergibt. In einem Anhang zu dieser Richtlinie sind die relevanten Stoffe und Materialien aufgeführt. Dazu gehören Arsen-, Quecksilber-, Kadmium-, Thallium-, Chrom-, Bleiverbindungen etc.352• im Federal Register der USA von 1980 sind die gefährlichen Abfälle sehr detailliert beschrieben353• Dazu gehören zunächst alle listenmäßig aufgeführten Stoffe und Verbindungen mit jeweils zugeordneten bestimmten Gefahrenklassifizierungen354 • Dort nicht aufgeführte AbfallABI. EG L 84 vom 31. März 1978, S. 43. Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über giftige und gefährliche Abfälle vom 28. Juli 1978; ABI. EG C 194 vom 19. August 1976, S . 2. 353 45 Federal Register 33119, Part 261. 354 § 261.30. 351

3" 2

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stoffe werden von der Kontrollbehörde (EPA) dann nach bestimmten Kriterien auf ihre Gefährlichkeit untersucht. Gefährlichkeit wird angenommen, wenn die Abfälle durch unsachgemäße Behandlung, Lagerung, Beförderung, Ablagerung oder sonstigen Umgang eine Zunahme an Sterblichkeit oder irreversiblen Krankheiten verursachen oder erheblich dazu beitragen können oder eine erhebliche gegenwärtige oder mögliche Gefahr für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt darstellen355• Die Prüfung richtet sich nach vorgegebenen Testmethoden und durchläuft verschiedene Gesichtspunkte der Gefährlichkeit: Entzündbarkeit, ätzende Eigenschaften, Reaktionsverhalten und Toxizität. Diese Eigenschaften sind jeweils näher erläutert356• Auffällig ist, daß die etwa bei den gefährlichen Stoffen anzustellende Nutzen-Risiko-Abwägung hier nicht vorgesehen ist. Nach dem gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren ist die Charakterisierung als gefährlicher Abfall zwar letztlich von der Kontrollbehörde vorzunehmen; Hinweise auf eine gesonderte Abwägung, bei der es etwa auch auf ökonomische und allgemein gesellschaftliche Gesichtspunkte ankäme, fehlen aber. Daher kann angenommen werden, daß die Gefahrenbewertung bereits im Gesetz enthalten ist. Dies erhöht die Operationalisierbarkeit des Begriffs und macht ihn in einem höheren Maße den europäischen Definitionen vergleichbar als dies bei den gefährlichen Stoffen der Fall war. Eine enumerative Aufzählung von gefährlichen Abfallstoffen und -materialien enthält auch 459.410 Abs. 6 des Abfallbeseitigungsgesetzes des US-Bundesstaates Oregon357• Gegenüber diesen umfassenden Gefahrenkonkretisierungen sind die Konkretisierungen in der Definition in Großbritannien allgemeiner gefaßt. Nach Sec. 1 (1) des englischen Gesetzes über die Beseitigung giftigen Abfalls ist giftiger und anderer gefährlicher Abfall solcher, der giftig, schädlich oder verschmutzend ist, oder dessen Lagerung auf dem Land zu einer Umweltgefahr führen könnte358• Das Merkmal "schädlich" dürfte einzelne Eigenschaften wie entzündlich, explosiv, ätzend mit abdecken. Nähere Anhaltspunkte sind aber in Gesetzen nicht enthalten und auch in den Ausführungsvorschriften nicht ersichtlich. Das deutsche Abfallbeseitigungsgesetz von 1977 enthält keine explizite Definition der gefährlichen Abfälle. Nach§ 2 Abs. 1 dieses Gesetzes sind Abfälle als umweltgefährdende Stoffe so zu beseitigen, daß das "Wohl § 261.10 (a) (1). §§ 261.21 - 261.24. 357 Oregon Revised Statutes 1973 ed. §§ 459.005. ass Sec.1 (1) Deposit of Poisonous Waste Act 1972; Law Reports Statutes 1972, Chapter 21, p. 373. 355 356

13°

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der Allgemeinheit" nicht beeinträchtigt wird. Dies wird angenommen u. a. bei Gesundheitsgefährdung und Beeinträchtigung des Wohlbefindens des Menschen, bei Gefährdung von Tieren, schädlicher Beeinflussung von Gewässern, Boden und Nutzpflanzen, schädlichen Umwelteinwirkungen und bei Gefährdung oder Störung der öffentlichen Sicherheitsordnung. An den Schutz vor gefährlichen gewerblichen Abfällen stellt das Gesetz darüber hinaus besondere Anforderungen, wenn diese Abfälle nach Art, Beschaffenheit oder Menge in besonderem Maße gesundheits-, luft- oder wassergefährdend, explosibel oder brennbar sind oder Erreger übertragbarer Krankheiten enthalten oder hervorbringen können359• In den Ausführungsvorschriften werden die Abfälle zwar näher bestimmt durch die Aufzählung von Säuren, Laugen und anderen umweltgefährdenden Stoffarten360• Insgesamt aber läßt sich die Beschreibung der gefährlichen Abfälle nur bedingt als Begriffsdefinition auffassen. Die vorkommenden Gefahrenmerkmale haben keine eigenständige Bedeutung als Definitionsbestandteile des Begriffs, sondern sind auf verschiedene Arten von Abfällen bezogen. So gelten die Merkmale explosibel, brennbar, krankheitsübertragend sowie der Auffangtatbestand "in besonderem Maße gesundheits-, luft- oder wassergefährdend" nur für Abfälle aus gewerblichen oder sonstigen wirtschaftlichen Unternehmen. Die komplexe und nicht durchgängige Festlegung einer allgemeinen Gefahrenschwelle läßt die Annahme einer eindeutigen Definition der "gefährlichen Abfälle" nicht zu. Der Vergleich zeigt insgesamt, daß die internationale Kohärenz der Begriffsdefinitionen bei den gefährlichen Abfällen geringer ist als bei den gefährlichen Gütern. Dies hängt mit den spezifischen Gefahren und den vielfältigen Formen der Abfallbeseitigung zusammen, ist wohl aber auch damit zu erklären, daß der internationale Bezug hier nicht in dem Maße gegeben ist wie bei den Gütern oder den Stoffen allgemein (Grenzüberschreitung, einheitliche Gefahrenklassen). Für die gefährlichen Abfälle gilt allerdings ebenso wie für die gefährlichen Güter, daß ihnen Elemente des Begriffs der Stoffgefährlichkeit zugrundeliegen. Soweit die Definitionen einzelne Gefahrenmomente enthalten, kommen insbesondere die Toxizität, die Explosionsgefährlichkeit und ätzende Wirkungen vor. Daneben spielt die Verwendung des allgemeinen Gefahrenbegriffs eine besondere Rolle; einbezogen sind hier auch die Umweltgefahren und zum Teil Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. 3'" "Sonderabfälle" § 2 Abs. 2 Abfallbeseitigungsgesetz vom 5. Januar 1977; BGBl. I, S. 41. 380 Vgl. Verordnung zur Bestimmung von Abfällen nach§ 2 Abs. 2 des Abfallbeseitigungsgesetzes vom 24. Mai 1977; BGBl. I, S. 773.

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(4) Sonstige umweltgefährliche Stoffe Im Bereich des Chemikalienrechts gibt es eine Vielzahl von Rechtsvorschriften, die den Umgang mit gefährlichen Stoffen regeln und die den Schutz der Umwelt bezwecken oder diesen Schutzzweck im Rahmen anderer Zielsetzungen mit verwirklichen. Dementsprechend groß ist die Zahl spezieller Formen von umweltgefährlichen Stoffen. Sie lassen sich grob unterteilen in wassergefährdende, wasser- und bodenbelastende und luftverunreinigende Stoffe381 • Im einzelnen rechnen z. B. Pflanzenbehandlungsmittel, Düngemittel, Futtermittel, Zusatzstoffe, Arzneimittel, Gifte, Luftverunreinigungen (Immissionen), Kraftstoffe und Altöle dazu. Und auch Arbeitsstoffe, Konsumprodukte und andere Produkte weisen besondere Eigenschaften auf, von denen Gefahren im Hinblick auf das jeweilig geschützte Rechtsgut ausgehen können. Demzufolge hat der Gefahrenbegriff spezielle Bezüge und Aspekte bei jedem dieser Stoffe und Materialien. Im Rahmen dieser begriffsvergleichenden Untersuchung ist es aber unmöglich, allen Gefahrenaspekten und -konkretisierungen nachzugehen. Eine umfassende Analyse wäre auch nicht sehr ergiebig. Sie könnte zwar die Vielfalt der im Chemikalienrecht vorkommenden Gefahrenbewertungen aufzeigen und den Gefahrenbegriff etwas plastischer machen. Ihr Nutzen aber für den hier vor allem interessierenden allgemeinen Gefahrenbegriff wäre eng begrenzt. Denn die Konkretisierung des Begriffs, wie er sich beim Begriff der gefährlichen Stoffe und Zubereitungen und darauf aufbauend bei den gefährlichen Gütern und den gefährlichen Abfällen zeigt, könnte durch die Hinzunahme weiterer Begriffskombinationen kaum gewinnbringend zu einer allgemeinen Aussage über den Begriff der Gefahr führen. Die Vermutung liegt nahe, daß die beim grundlegenden Begriff der gefährlichen Stoffe und Zuber eitungen dargestellte Definition in ihrer Struktur und in einzelnen Gefahrenmerkmalen in mehr oder weniger ausgeprägter Weise überall dort wiederkehrt, wo der inhaltliche Bezug zum Stoff- und Zubereitungsbegriff noch besteht. Dies gilt, wie gesehen, für die Begriffe der gefährlichen Güter und Abfälle. Es wird tendenziell auch für die anderen Begriffskombinationen gelten. Nur exemplarisch seien daher noch Definitionen zu einigen speziellen umweltgefährdenden Stoffen erwähnt. In § 19 Abs. 1 Nr. 1 des deutschen Chemikaliengesetzes sind die gefährlichen Arbeitsstoffe definiert als "gefährliche Stoffe und Zubereitungen" (vgl. § 3 Nr. 3 Chemikaliengesetz) und solche Stoffe, die arbeitsschutzspezifische Eigenschaften haben wie Seuchenübertragungs381

Vgl. Schäfer, Recht der umweltgefährlichen Stoffe, 1980, S. 9.

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stoffe (z. B. Tierhaare oder Lumpen) 362, sowie als Erzeugnisse, bei deren Verwendung gefährliche Stoffe und Zubereitungen entstehen363 • Diese Definition ist erkennbar eine spezielle Ausformung der allgemeinen Definition der gefährlichen Stoffe und Zubereitungen. Begrifflich erfaßt sind im Chemikaliengesetz auch Fertigerzeugnisse, die gefährliche Stoffe oder Zubereitungen enthalten364 oder bei deren Verwendung gefährliche Stoffe oder Zubereitungen entstehen365 • Auch hierfür ist Basis die Definition der gefährlichen Stoffe in § 3 Nr. 3 Chemikaliengesetz. In die Systematik der amerikanischen Gefahrenkonkretisierungen paßt zum Beispiel die Definition des - allerdings nicht chemikalienspezifisch ausgerichteten - "besonders gefährLichen Konsumprodukts" in § 2061 des Consumer Product Safety Act366• Danach ist entscheidend, daß das Konsumentenprodukt ein besonderes und unvertretbares Risiko für den Tod, eine ernste Krankheit oder eine schwere Körperverletzung darstellt. Diese Gefahrenbewertung ist vergleichbar der Definition der akut gefährlichen chemischen Substanz und Zubereitung in Sec. 7 (f) TSCA367 • Beide lassen sich in der Struktur und partiell auch im Inhalt auf die amerikanischen Kriterien der gefährlichen Stoffe zurückführen. Die speziellen Formen der umweltgefährlichen Stoffe, soweit sie hier skizziert sind, lassen sich begrifflich als Ausformungen des Begriffs der "gefährlichen Stoffe und Zubereitungen" auffassen. Sie sind häufig durch einzelne Gefahrenmerkmale konkretisiert und weisen einen Auffangtatbestand auf. Im Hinblick auf einige Merkmale ist Übereinstimmung mit den Elementen des Oberbegriffs festzustellen. Darüber hinaus sind die gefährlichen Eigenschaften und das geschützte Rechtsgut auf den jeweilig verfolgten Regelungszweck zugeschnitten.

c) Zum allgemeinen Gefahrenbegriff Eine allgemeine Definition der Gefahr ist in den internationalen Umweltchemikalienregelungen nirgendwo enthalten. Anders als im allgemeinen Sicherheitsrecht, dem klassischen Anwendungsgebiet des Gefahrenbegriffs, ist die Risiko- und Gefahrenbewertung im Chemikalienrecht stark am jeweiligen Gesetzeszweck und Regelungsgegenstand orientiert und daher nicht allgemein zu fassen. 362

Vgl. Begründung zum Entwurf des Chemikaliengesetzes, BT-Drucks.

3&7

Siehe oben Abschnitt 3. a) (11).

8/3319, s. 23. asa § 19 Abs. 5 Chemikaliengesetz. 3 84 §§ 2 Abs. 2, 3, 5 und 6, 17 Abs. 1 Nr. 1, 23 Abs. 2. 365 § 19 Abs. 5. 36& 15 U.S.C. § 2061 Consumer Product Safety Act.

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Die Untersuchung der Gefahrenstoffe hat allerdings gezeigt, daß die grundlegenden Chemikalienvorschriften bestimmte Aussagen über die generelle Ermittlung und Bewertung der Gefahr enthalten, welche abstrahiert werden können und zum Beispiel in vielen Spezialgesetzen wiederkehren. Insofern können sie als Anhaltspunkte zur Beschreibung des allgemeinen Gefahrenbegriffs dienen. Methodisch ist dabei von folgendem auszugehen: die Struktur der weitaus meisten Gefahrenkonkretisierungen besteht darin, daß die Definitionen einen nicht abschließenden Katalog von Gefahrenmerkmalen und als Auffangtatbestand eine Umschreibung der Risikoart und des Gefahrengrades enthalten368• Soweit es in den nationalen Regelungen keine oder nur rudimentäre Gefahrenkonkretisierungen gibt, ist die Beschreibung der Gefahrenart alleiniger Anknüpfungspunkt für die Gefahrenbewertung369•

Je detaillierter derartige Beschreibungen sind, desto konkreter ist naturgemäß die Festlegung des Gefahrencharakters. Allerdings können sie immer nur in ihrem Kontext gesehen werden. Außer den Umschreibungen im Auffangtatbestand sind weitere Aussagen heranzuziehen, die sich entweder im konkretisierten Teil der Definition oder auch an anderen Stellen des Gesetzes finden. So sind gerade die aufgeführten konkreten Eigenschaften geeignet, die Art und den Grad der im Auffangtatbestand umschriebenen Gefahr näher zu erläutern. Anzahl und Art der Eigenschaften sowie ggf. ihre zusätzliche Erläuterung - wie z. B. in der 6. EG-Änderungsrichtlinie - lassen den allgemeinen Gefahrengrad erkennen, den sich der Normgeber bei Abfassung der Definition vorgestellt hat. Der durch die konkreten Gefahrenmerkmale ausgedrückte Gefahrengrad ist also zugleich Interpretationsmaßstab für die nähere Erfassung der im Auffangtatbestand umschriebenen Gefahr. Darüber hinaus können verschiedene Gefahrenintensitäten entweder in der Definition, wie z. B. "frühere oder spätere Gefahren" (Art. 2 Abs. 2 lit. k) der 6. EG-Änderungsrichtlinie), oder an anderer Stelle des Gesetzes erwähnt sein, wie z. B. "akut gefährliche Stoffe" (Sec. 7 (f) TSCA). Diese besonderen Gefahrenintensitäten drücken gewissermaßen negativ aus, welcher "Normalgrad" einer Gefahr der Definition zugrundeliegt. Je variantenreicher solche qualifizierten Gefahrenintensitäten, zu denen z. B. auch der Gefahrenverdacht gehören kann, auftreten, desto schärfer zeichnen sich die Konturen des allgemeinen Gefahrenbegriffs ab. Wichtige Interpretationshilfen sind im übrigen der generelle Zweck des Gesetzes und sein Stellenwert im Vergleich zu anderen bzw. früheren Gesetzen. Und wohl unerläßlich ist die Berück388 389

Fall.

Im einzelnen vorgestellt oben Abschnitt 3. a) und b). Dies ist insbesondere in Schweden, Frankreich, Kanada und Japan der

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K. Begriffe: Gefahr, Gefährliche Stoffe u. Zubereitungen, Risiko etc.

sichtigung der allgemeinen Risikophilosophie des betreffenden Staates, die sich durch die Rechtstradition, Rechtsprechung und nationale Mentalität gebildet hat. Erst wenn sich insoweit Vergleichbares ergibt, kann der Versuch einer Harmonisierung der Grundvorstellungen vom Gefahrenbegriff unternommen werden. Die Aufzählung all dieser Komponenten läßt schon erkennen, wie komplex das Problem ist. Nur die Gesamtheit der national auftretenden Faktoren kann letztlich die Beschreibung der allgemeinen Gefahreubegrüfe im Umweltchemikalienrecht ergeben. In Ansätzen ist am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland oben in den Abschnitten I. 2.) und 3. a) das Zusammenwirken der relevanten Auslegungsgesichtspunkte dargestellt worden. Wenn diese Analyse nicht vertieft und für andere Staaten fortgesetzt wird, hat das allerdings nicht den entscheidenden Grund der zeitlichräumlichen Beschränkung. Für das Erkenntnisziel dieser Untersuchung kommt es nämlich nur darauf an, deutlich zu machen, daß der Gefahrenbegriff in einem so hohen Maße kontextorientiert ist, daß eine Harmonisierung auf der begrifflichen Ebene nicht möglich ist. Die oben für die Gefahrenkonkretisierungen, also die "gefährlichen Stoffe" etc. stets vorausgesetzte Unterscheidung von Begriffserklärung und Verwendung des Begriffs läßt sich für die allgemeinere Ebene des Gefahrenbegriffs nicht beibehalten. Wie z. B. der Vergleich zwischen der 6. EG-Änderungsrichtlinie und dem TSCA zeigt, ergeben sich schon für die Merkmale der gefährlichen Stoffe gravierende Zuordnungsprobleme (Begrüfsbestandteile oder bloße Beurteilungskriterien). Ist es auf dieser Ebene aber noch vertretbar, die amerikanischen Beurteilungskriterien ungeachtet ihrer spezifischen Zweckrichtung als zur Zeit verbindliche Elemente eines Begriffs aufzufassen, so kann dies nicht mehr für die Ebene des allgemeinen Gefahrenbegriffs gesagt werden. Selbst wenn es noch möglich sein sollte, aus den zahlreichen gesetzlich erfaßten Testmethoden, Bewertungsmaßstäben und Generalklauseln einerseits und aus der jeweils geforderten Nutzen-Risiko-Abwägung andererseits einen beschreibbaren Gefahrenbegriff herauszufiltern, wäre dieser Gefahrenbegriff wesentlich anders strukturiert als etwa der in der 6. EG-Änderungsrichtlinie enthaltene. Denn sein Inhalt ist je nach Einschätzung durch die EPA variabel. Und außerdem gilt für ihn dasselbe wie für alle allgemeinen Gefahrenbegriffe des Chemikalienrechts: er ist durch einen spezifischen, gesetzgeberisch gewollten Regelungsinhalt bestimmt. Eine Unterscheidung zwischen Begriff als solchem und seiner Funktion ist praktisch nicht mehr möglich. Damit ist die Grenze einer auf die Begriffe beschränkten Harmonisierung aufgezeigt. Ein weitergehender Versuch wäre auf die Harmoni-

I. Analyse

201

sierung von Normen gerichtet und damit ein Versuch gesetzlicher Vereinheitlichung. Im Rahmen der Begriffsharmonisierung müssen aber die gesetzgeberischen Regelungsalternativen erhalten bleiben, so wünschenswert auch die Harmonisierung insoweit ist. Wenn somit auf der Ebene der allgemeinen Gefahren- bzw. Risikobewertung eine Begriffsharmonisierung ausscheidet, ist eine gesonderte vergleichende Begriffsanalyse entbehrlich. Immerhin läßt sich aus der Untersuchung der einzelnen Gefahrenkonkretisierungen - Abschnitt I. 3.) -und aus dem einleitenden Abschnitt über die Verbindung und Unterscheidung zu verwandten Begriffen- Abschnitt I. 2.)- eine grobe Umschreibung des harmonisierungsfähigen Gefahrenbegriffs gewinnen. Ihr Aussagegehalt ist freilich begrenzt und erschöpft sich im wesentlichen darin, den Begriff negativ abzugrenzen und einige chemikalienspezifische Merkmale zu zeigen. Dies wird im Abschnitt II. 4.) der Untersuchung unternommen. 4. Gesetzlicher Kontext der Begriffe

a) Bundesrepublik Deutschland Der Gefahrenbegriff spielt in allen deutschen Regelungen über Umweltchemikalien eine Rolle, wird aber in unterschiedlicher Form und spezifiziert auf den jeweiligen Gesetzeszweck verwendet. Dabei steht der Schutz der Umwelt nicht immer im Mittelpunkt. Nur zum Teil ist er ausdrücklich einbezogen, z. T. ist er mitbezweckt, aber in der gesetzlichen Zielsetzung nicht ausreichend hervorgehoben, um als klar implementiert gelten zu können. Und in etlichen Spezialgesetzen ist nur der Gesundheitsschutz bezweckt. Als Regelungsziel ist der Umweltschutz im Chemikaliengesetz ausdrücklich verankert. Nach § 1 ist Zweck des Gesetzes, "durch Verpflichtung zur Prüfung und Anmeldung von Stoffen und zur Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung gefährlicher Stoffe und Zubereitungen, durch Verbote und Beschränkungen sowie durch besondere giftrechtliche und arbeitsschutzrechtliche Regelungen den Menschen und die Umwelt vor schädlichen Einwirkungen gefährlicher Stoffe zu schützen". In der Definition der "gefährlichen Stoffe" (§ 3 Nr. 3) wird der auf den Umweltschutz bezogene Gefahrengrad durch das Merkmal "erhebliche Gefahren oder erhebliche Nachteile für die Allgemeinheit" (lit. n)) konkretisiert. Mit der Qualifizierung als gefährlicher Stoff oder gefährliche Zubereitung sind im übrigen verschiedenartige Rechtsfolgen verbunden. Sie führt u. a. zu besonderen Anmeldepflichten (§ 6 Abs. 2), Eingriffsbefugnissen (§§ 11 Abs.1, 14 Abs. 2, 17, 23 Abs. 2) und anderen Pflichten für den Hersteller (§§ 13, 14 Abs. 1, 15). Der ebenfalls im

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Chemikaliengesetz mit angesprochene Arbeitsschutz ist durch § 19 Nr. 1 beschränkt auf "Leben oder Gesundheit des Menschen einschließlich des Schutzes der Arbeitskraft und der menschengerechten Gestaltung der Arbeit"; mit Hilfe einer Verordnungsermächtigung in § 19 Abs. 2 können die erforderlichen Maßnahmen zum vorbeugenden Gesundheitsschutz angeordnet werden. Das Gesetz über die Beförderung gefährlicher Güter dient zunächst dem Schutz der menschlichen Gesundheit, daneben dem Schutz von Tieren und Sachen. Einbezogen ist zwar auch der Umweltschutz (Wasser, Luft und Boden). Dies drückt sich aber nur mittelbar dadurch aus, daß ein genereller Schutz gegen Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere die Allgemeinheit und wichtige Gemeingüter bezweckt ist (§§ 2 Abs. 1, 3 und 7) 370• In stärkerem Maße ist das Abfallbeseitigungsgesetz am Umweltschutz orientiert. Er verfolgt insbesondere den Schutz von Gewässer und Boden gegen eine schädliche Beeinflussung durch Abfälle, den Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen und den Schutz von Natur und Landschaft. Hierzu stellt das Gesetz bestimmte Anforderungen an die Behandlung, Lagerung und Ablagerung von (gefährlichen) Abfällen. Auch in anderen Gesetzen über gefährliche Stoffe ist der Umweltschutz - mit unterschiedlicher Intensität - berücksichtigt. Das Pflanzenschutzgesetz bezieht sich auf den Schutz von Pflanzen, des Bodens und der Gewässer, läßt allerdings ökologische Wirkungen weitgehend unberücksichtigt. Das Düngemittelgesetz dient der Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit und generell dem Schutz des Naturhaushalts. Zu den Gesetzen, die neben dem Gesundheitsschutz auch den Umweltschutz bezwecken, gehören im übrigen das Waschmittelgesetz, das DDTGesetz, das Bundes-Immissionsschutzgesetz, das Altölgesetz, das Wasserhaushaltsgesetz und das Abwasserabgabengesetz.

b) Europäische Gemeinschaft Die Richtlinie des Rates zur 6. Änderung der Richtlinie 67/ 548/EWG vom 18. September 1979 enthält erstmals eine deutliche Ausrichtung auf den Umweltschutz. Das in der Einführung zu dieser Richtlinie formulierte Ziel, "Mensch und Umwelt gegen eventuelle Gefahren zu schützen", wird durch die Definition der Umwelt in Art. 2 Abs. 1 c) und die neue Kategorie der Umweltgefährlichkeit in Art. 2 k) konkretisiert. Der Begriff der "umweltgefährlichen Stoffe" ist definiert als Stoffe, deren Verwendung sofortige oder spätere Nachteile für die Umwelt darstellt a•o Im einzelnen siehe E. Rehbinder (Anm. 116), S. 193 ff.

I. Analyse

203

oder darstellen kann. Der Gesetzeszweck bekommt damit einen operationalisierbaren Inhalt. Bei der Einstufung der Stoffe nach Gefährlichkeit und spezifischer Art der Gefahren werden die in Art. 2 Abs. 2 vorgesehenen Kategorien zugrundegelegt371 • Für die Abschätzung der Gefahren für die Umwelt sieht Art. 3 eine zusätzliche Beurteilung nach bestimmten Merkmalen und international anerkannten Parametern in einem abgestuften Versuchsprogramm vor. Im allgemeinen erfolgt die Klassifizierung der Stoffe und Zubereitungen teils durch die Richtlinie selbst, teils durch die Berechnung anhand der Richtlinie. Regelungsziel der Richtlinie ist die Angleichung der nationalen Vorschriften über die Anmeldung chemischer Stoffe sowie die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung von für Mensch und Umwelt gefährlichen Stoffen. Sie gilt im Prinzip für alle neuen chemischen Stoffe; ausgenommen ist die Behandlung von Arzneimitteln, gefährlichen Gütern, Lebensmitteln und Futtermitteln, bestimmten Abfällen sowie zum Teil die Behandlung von Schädlingsbekämpfungsmitteln und Düngemitteln372• Angesichts des umfassenden Anwendungsbereichs kann die Richtlinie als zentrale europäische Regelung über eine Präventivkontrolle von Umweltchemikalien angesehen werden373• c) Niederlande Das niederländische Gesetz über gefährliche Stoffe vom 20. Juni 1963 enthält keine ausdrückliche Erwähnung des Umweltschutzes. In der Präambel sind als Schutzgüter die öffentliche Sicherheit, die Volksgesundheit und die Unternehmensangehörigen genannt. Auch der Auffangtatbestand in Art. 2 Abs. 1 (a) VII a) bezieht sich auf diese Schutzgüter. Wegen des darin liegenden relativ weiten Interpretationsspielraumes kann angenommen werden, daß der Bezug zu den Anforderungen des Umweltschutzes mitenthalten ist. Zu berücksichtigen ist allerdings, daß die Regelungen einen deutlichen Akzent auf Gesichtspunkte des Arbeitsschutzes setzen. Im übrigen ist das Gesetz als Ergänzung verschiedener vorangegangener Gesetze zu verstehen374 • Wiederum eine Ergänzung zum Gesetz stellt die im Jahr 1980 erlassene Ministerorder über gefährliche Stoffe dar; in ihr wird der Zweck des Umweltschutzes stärker akzentuiert. Art. 4 Abs. 1, S. 1. Art. 1 Abs. 2-4. 373 Vgl. E. Rehbinder (Anm. 116), S. 68 f. 374 Vgl. dazu The Law and Practice Relating to Pollution Control in the Netherlands, ed. by McLoughlin, p . 175 f. 371 372

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K. Begriffe: Gefahr, Gefährliche Stoffe u. Zubereitungen, Risiko etc.

d) Belgien Das belgisehe Arbeitsschutzgesetz gegen gefährliche Substanzen vom 23. November 1973 beschränkt sich auf die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer. In vielen anderen Chemikaliengesetzen sind die Gefahrenregelungen jedoch über den Gesundheitsschutz hinaus auf die Natur bzw. die Umwelt bezogen375 •

e) Dänemark Zweck des Gesetzes über chemische Substanzen und Produkte vom 23. Mai 1979 ist die Verhinderung von Gesundheit- und Umweltschäden. Das Gesetz will sicherstellen, daß die erforderlichen Informationen und Beschränkungen bei solchen Stoffen und Produkten angeordnet werden können, die Gefahren für Gesundheit und Umwelt darstellen oder bei denen aufgrund der verfügbaren Informationen der Verdacht besteht, daß sie solche Gefahren hervorrufen376• Regelungsmäßig erfaßt ist also auch der Bereich unterhalb der eigentlichen Gefahrenschwelle.

f) Großbritannien Die Verordnung zur Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe vom 15. Februar 1978 ist in enger Anlehnung an die EG-Richtlinie abgefaßt worden und kann im Hinblick auf Gefahrenbewertung und Schutzgut wie die 6. Änderungsrichtlinie interpretiert werden. Auch andere Chemikalienregelungen enthalten eine operable Einbeziehung des Umweltschutzes. So ist z. B. nach dem Gesetz über giftige Abfälle vom 30. März 1972 die Abfallagerung auf dem Land dann verboten, wenn sie Gefahren für die Umwelt hervorrufen kann377 •

g) Schweiz Das Giftgesetz vom 21. März 1969 dient in erster Linie dem Gesundheitsschutz und nur mittelbar dem Umweltschutz378• Dieser ist, wie auch der Arbeitsschutz, direkt nicht im Registrierungsverfahren, sondern nur durch einzelne verhaltensbezogene Pflichten berücksichtigt379• 375 Vgl. The Law and Practice Relating to Pollution Control in Belgium and Luxembourg, ed. by McLoughlin, p. 12, 179. 378 Vgl. §§ 1 und 2 des Gesetzes Nr. 212 vom 23. Mai 1979. 377 Sec. 1 (1) Deposit of Poisonous Waste Act 1972, Law Reports Statutes 1972, Chapter 21, p. 373. 378 Art. 2 sowie Art. 45 der Vollziehungsverordnung vom 23. Dezember 1971, SR 814.801. 379 Vgl. Art. 63 bzw. 64 der Vollziehungsverordnung.

I. Analyse

205

Das Gesetz erfaßt nur den Verkehr mit Giften, ist aber insoweit auf alle Stoffe (auch Naturstoffe), Zubereitungen und Erzeugnisse anwendbar. Ansatzpunkt für gesetzliche Beschränkungen des Umganges mit Giften ist die Aufnahme in die Giftliste und Klassifizierung nach den einzelnen Giftkategorien. Ein generelles Verbot von Stoffen, die geeignet sind, die Gesundheit zu schädigen, ist im Gesetz aber nicht enthalten. Beschränkungen erfolgen im wesentlichen erst aufgrund gesonderter Verordnungen des Bundesrates, nur in Einzelfällen aufgrund eines Verwaltungsaktes380.

h) Schweden Das schwedische Gesetz über gesundheits- und umweltgefährliche Produkte vom 27. April1973 will umfassend die menschliche Gesundheit und die Umwelt vor gefährlichen chemischen oder physikalisch-chemischen Eigenschaften von Stoffen, Zubereitungen und Produkten schützen381. Nach § 5 Abs. 1 des Gesetzes muß derjenige, der eine Umweltchemikalie in den Verkehr bringt oder importiert, alle erforderlichen Maßnahmen treffen, um Gesundheits- und Umweltschäden zu verhindern oder zu verringern. Dies wird dahin präzisiert, daß jeder Hersteller oder Importeur eines Produkts die Zusammensetzung und Eigenheiten im Hinblick auf evtl. Gefahren sorgfältig untersuchen muß. Es besteht also eine generelle Testverpflichtung des Herstellers. Eine Operationalisierung der für die Eingriffsbefugnisse maßgeblichen Risikokriterien ist weder im Gesetz noch in Verwaltungsvorschriften enthalten382.

i) Frankreich Ziel des französischen Gesetzes über die Kontrolle chemischer Produkte vom 12. Juli 1977 ist der Schutz des Menschen und der Umwelt gegen Risiken, die durch chemische Stoffe entstehen können. Die maßgeblichen Risikokriterien ergeben sich zum einen aus dieser Zielsetzung. Zum anderen stellt Art. 3 Abs. 3 auf die Vertretbarkeit der Gefahren und Risiken der Chemikalien für den Menschen und die Umwelt ab. Die Beurteilung der Vertretbarkeit obliegt der Behörde. Anhaltspunkte für eine Operationalisierung ergeben sich aus dem Gesetz direkt nicht. 380 Vgl. Art. 13 Abs. 3; Art. 4 Abs. 3, 14 Abs. 1, 15 der Vollziehungsverordnung. 381 Vgl. §§ 1 und 2 des Gesetzes vom 27. April1973. 382 Zum Anwendungsbereich und Umfang der Prüfungspflichten und Eingriffsbefugnisse im einzelnen E. Rehbinder (Anm. 116), S. 41 ff.

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K. Begriffe: Gefahr, Gefährliche Stoffe u. Zubereitungen, Risiko etc.

j) USA

Der Toxic Substances Control Act vom 11. Oktober 1976 bezweckt den Schutz des Menschen wie auch der Umwelt. Die Umwelt ist definiert als Wasser, Luft, Boden und die Verknüpfungen, die zwischen Wasser, Luft und Boden und allen Lebewesen bestehen383. Die Testverpflichtungen sollen gewährleisten, daß potentielle gefährliche Umweltchemikalien vor der Produktion hinreichend geprüft werden. Die Kontrollmechanismen setzen also nicht erst beim Inverkehrbringen, sondern schon bei der Herstellung ein. Inhaltlich zielen sie auf die Feststellung, ob die Umweltchemikalie mit einem unvertretbaren Risiko für die Gesundheit oder die Umwelt verbunden sein kann. Unabhängig von den potentiellen Wirkungen kann eine Testpflicht auch dann entstehen, wenn eine Umweltchemikalie in erheblicher Menge produziert wird bzw. produziert werden soll. Die Gefahrenbewertung unterscheidet sich nach dem Gefahrengrad des Stoffes. Für die im Sec. 7 (a) definierten "akut gefährlichen Stoffe" sind spezielle Eingriffsbefugnisse vorgesehen, während die Bewertung der übrigen Stoffe einer Nutzen-Risiko-Abwägung unterliegt, für die verschiedene Gefahrenmerkmale als Beurteilungskriterien vorgegeben sind. In den Abwägungszusammenhang sind insbesondere auch die ökonomischen Konsequenzen für die gesamte Volkswirtschaft, für kleinere Unternehmen und für die technologische Innovation mit einzubeziehen384. Der Consumer Product Safety Act vom 27. Oktober 1972 zielt auf den Schutz des Publikums gegen unvertretbare Schadensrisiken, die mit Konsumentenprodukten verbunden sind. Das Schadensrisiko ist definiert als Risiko des Todes, einer Körperverletzung oder einer ernsten oder häufigen Krankheit385. Die Behörde muß auf der Grundlage der verfügbaren Daten ihre Abwägungen treffen, zu denen u. a. auch ökonomische Gesichtspunkte zählen386. Bei unmittelbaren Gefahren ergeben sich spezielle Eingriffsbefugnisse387. k) Kanada

Schutzgut des kanadischen Environmental Contaminants Act vom 2. Dezember 1975 ist die menschliche Gesundheit und die Umwelt 383 Sec. 3 (5) TSCA. 384 Zu den Prüfungs- und Eingriffsbefugnissen siehe E. Rehbinder (Anm.

116),

s. 18 ff.

Sec. 3 (a) (3). Sec. 9 (c) (1) CPSA. 387 Sec. 12 (a) CPSA. 385

386

11. Harmonisierungserörterungen

207

gegenüber Substanzen, die in die Umwelt gelangen388• Die Berechtigung zur Durchführung von Untersuchungen knüpft sich an die begründete Annahme des Ministers, ein Stoff gelange tatsächlich oder wahrscheinlich in einer Menge, Konzentration oder unter Umständen in die Umwelt, daß er eine Gefahr für die Gesundheit oder Umwelt darstellen kann. Kriterien zur Operationalisierung des Risikos ergeben sich aus einem Katalog möglicher Untersuchungsgesichtspunkte389 •

l) Japan Das japanische Gesetz Nr.117 über die Prüfung chemischer Stoffe vom 16. Oktober 1973 bezweckt sowohl Gesundheits- als auch Umweltschutz. Die erfaßten Umweltmedien sind allerdings nicht näher bezeichnet; im Vordergrund steht offenbar der Gesundheitsschutz390• Die für die Kontroll- und Eingriffsbefugnisse maßgeblichen Risikokriterien ergeben sich einerseits aus der generellen Zielsetzung und andererseits aus der Definition des gefährlichen Stoffes391 sowie den dazu gehörigen Festlegungen in der Testverordnung. Im Bezug auf den Gesundheitsschutz ist auf die bloße Eignung zur Schädigung abgestellt. Die Verwendung eines gefährlichen Stoffes ist unter Umständen für Industrieprodukte zulässig, keinesfalls dagegen für Konsumprodukte392 • Voraussetzung für die Zulassung ist, daß es keinen umweltfreundlichen Alternativstoff gibt und nicht die Gefahr von Umweltverschmutzung besteht. Insoweit also ist die Umweltbelastung maßgebliches Risikokriterium.

II. Harmonisierungserörterungen 1. Allgemeines

Bei der Auswahl harmonisierungsfähiger Definitionen oder Beschreibungen sind die allgemein akzeptierten Kriterien zugrundezulegen.

Ausgangspunkt ist der Konsens zwischen den verschiedenen Rechtsordnungen, wie er sich aus den existierenden Definitionen ergibt. Soweit positive Übereinstimmungen oder Ähnlichkeiten bestehen, können sie zum Kernbereich der harmonisierungsfähigen Definition gerechnet werden. Dabei ist zunächst die Mehrheit der existierenden Definitionen maßgebend. Von Gewicht ist aber auch der Entwicklungsstand des s8s Präambel des Gesetzes. a8o a9o 391

392

Sec. 3 (3) (a) ECA.

Vgl. E. Rehbinder (Anm. 116), S. 35. § 2 Abs. 2 des Gesetzes. Vgl. § 14.

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K. Begriffe: Gefahr, Gefährliche Stoffe u. Zubereitungen, Risiko etc.

jeweiligen Definitionssystems. Wenn im Einzelfall ein Begriff definitorisch sehr weitgehend erschlossen ist, kann dies Vorbildcharakter für die harmonisierte Definition haben. Voraussetzung ist allerdings, daß die übrigen Definitionen nicht Elemente aufweisen, die im Gegensatz zur fortentwickelten Definition stehen oder die aus sonstigen Gründen nicht verändert oder ergänzt werden dürfen. Von großer Bedeutung ist ferner der Gesichtspunkt der Vermeidung von Handelshemmnissen und W ettbewerbsverzerrungen. Er ist ein stets mitzuberücksichtigender Aspekt der internationalen Harmonisierungsbemühungen. Dabei sollten die harmonisierten Definitionen so umfassend wie möglich sein. Je detaillierter die Definition ist, desto wichtiger ist allerdings auch die begriffliche Klarheit und die Berücksichtigung evtl. Übersetzungsschwierigkeiten. Insoweit könnte ein zu komplex geratener Definitionsvorschlag eher schaden als nützen. Soweit einzelne Definitionen neue Begriffselemente enthalten, die zum modernen Umweltchemikalienrecht gehören, kommt ihnen eine besondere Bedeutung zu. Der Definitionsvorschlag muß sich weitgehend daranmessen lassen, in welchem Umfang er dem heutigen und künftigen Bedürfnis nach Schutz von Mensch und Umwelt gerecht wird. Dabei tut sich freilich die Schwierigkeit auf, daß die Definition nicht mit Inhalten befrachtet wird, die den individuellen gesetzgebensehen Gestaltungsraum zu sehr einengen. Der Definitionsvorschlag darf nicht die Absicht unmittelbarer rechtsgestaltender Wirkung haben, sondern muß bei allem Streben nach Rechtsvereinheitlichung den Charakter eines (bloßen) Rechtsbegriffs behalten. Dies ist gerade im Zusammenhang mit dem Gefahrenbegriff besonders zu beachten. Da es keine international einheitliche Festlegung eines bestimmten Wahrscheinlichkeitsgrades für den Erfolgseintritt gibt, kann es eine Allgemeindefinition der Gefahr nicht geben. Nur in Einzelbezügen kann die Gefahr, d. h. einzelne Gefahrenaspekte, definiert werden. Im übrigen sind nur Umschreibungen möglich, die um so allgemeiner sein müssen, je abstrakter der Gefahrenbegriff wird. Dementsprechend abstrakt wird die Umschreibung des harmonisierten allgemeinen Gefahrenbegriffs im Umweltchemikalienrecht ausfallen. Im Spannungsfeld zwischen unverbindlicher Aussage und Einsch1·änkung der nationalen gesetzgeberischen Regelungsautonomie sind die folgenden Harmonisierungsüberlegungen davon bestimmt, daß es international für den Begriff der gefährlichen Stoffe einen relativ weitgehenden inhaltlichen Konsens gibt, daß die Gefahrenbewertung im allgemeinen jedoch noch nicht konsensfähig ist. Einen internationalen Grundkonsens darüber herzustellen, von welcher Folgenwahrscheinlich-

li. Harmonisierungserörterungen

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keitsstufe ab die einzelnen Chemikalienregelungen eingreifen sollen, ist auf der begrifflichen Ebene derzeit nicht möglich. 2. Gefährliche Stoffe und Zubereitungen

a) Definitionsinhalte Die untersuchten Begriffskonkretisierungen zu den gefährlichen Stoffen und Zubereitungen sind weitgehend miteinander vergleichbar. Sowohl für die jeweiligen Funktionszusammenhänge als auch für einzelne Gefahrenmerkmale besteht eine Harmonisierungschance schon im Bereich existierender Definitionen. Die Mehrheit der untersuchten Länder verwendet eine Begriffsstruktur, die sich aus einer Aufzählung von bestimmten jeweils begriffskonstituierenden Eigenschaften und einem allgemeineren Auftangtatbestand zusammensetzt (Bundesrepublik Deutschland, Europäische Gemeinschaft, Niederlande, Belgien, Dänemark, Großbritannien, USA, multilaterale Verträge). Tatbestandlieh gefaßte Gefahrenkonkretisierungen fehlen lediglich in Schweden, Frankreich, Kanada und Japan. In diesen Ländern sind operable Konkretisierungen nur mittelbar durch Hinzunahme von Einzelvorschriften bzw. der jeweils herrschenden Verwaltungspraxis möglich. Da dies- vor allem in Kanada und Japanaber eher rechtstechnische als materielle Ursachen hat, steht die Tatsache mangelnder gesetzlicher Konkretisierung einer Harmonisierung mit der Mehrheit der Rechtsordnungen nicht grundsätzlich entgegen. Speziell für Frankreich bestehen gewisse Harmonisierungsnotwendigkeiten wegen der Mitgliedschaft in der Europäischen Gemeinschaft. Innerhalb der vorherrschenden Begriffsstruktur gibt es hohe inhaltliche Vbereinstimmungen vor allem zwischen der Bundesrepublik Deutschland, der Europäischen Gemeinschaft, den Niederlanden, Belgien, Dänemark und Großbritannien. Dies gilt sowohl für die jeweiligen Funktionszusammenhänge als auch hinsichtlich einzelner Gefährlichkeitskategorien. Die folgenden Kategorien werden überall verwendet und können daher zum Begriffskern gezählt werden: -giftig -ätzend -reizend - explosionsgefährlich - brandfördernd - entzündlich. 14 Kloepfer I Bosselmann

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K. Begriffe: Gefahr, Gefährliche Stoffe u. Zubereitungen, Risiko etc.

Dieser Katalog ist sogar inhaltsgleich mit der Definition in dem amerikanischen Federal Hazardous Substances Act. In der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Gemeinschaft ist die Gijtigkeitskategorie zusätzlich dreifach unterteilt. Diese Differenzierung erhöht die Operationalisierbarkeit des Begriffs. Allerdings ist nicht sicher, ob die ihr zugrundeliegenden Bewertungskriterien und Testmethoden soweit abstrahierbar sind, daß die Einstufung von "sehr giftig", "giftig" und "mindergiftig" ohne weiteres auf solche Rechtssysteme übertragen werden kann, die eine besondere Unterteilung bisher nicht enthalten bzw. ohne sie auskommen. Da die Stufe "sehr giftig" ohnehin von der allgemein verwendeten Begriffskategorie "giftig" mit erfaßt sein dürfte, also ohne weiteres mit aufgenommen werden könnte, besteht ein Harmonisierungsinteresse vor allem für die Stufe der minderen Giftigkeit. Hier scheint die begriffliche Vereinheitlichung allerdings nicht möglich ohne die Hinzunahme normativer Gesichtspunkte. Zu bedenken ist auch, daß die Kategorie "mindergiftig" nicht notwendigerweise eine andere Qualität haben muß als die alleinige Verwendung von "giftig". Insoweit fehlt es nämlich an verbindlichen Parametern. Dennoch empfiehlt sich, eine zusätzliche Differenzierung der Giftigkeitskategorie in "mindergiftig" vorzunehmen. Hierfür spricht entscheidend der Gesichtspunkt der Anhebung des Gesundheitsschutzes. Er kommt in den Regelungen der Bundesrepublik Deutschland, Belgiens und der Europäischen Gemeinschaft positiv zum Ausdruck, ist aber sicher auch in den übrigen Ländern zumindest nicht ausgeschlossen. Daher kann der fortentwickelte Definitionsstand der 6. EG-Änderungsrichtlinie insoweit als vorbildlich gelten. Ein ähnliches Problem gibt es hinsichtlich der Kategorie "entzündlich". Sie ist in der EG-Änderungsrichtlinie wie auch im deutschen Chemikaliengesetz ergänzt durch die Kategorien "hochentzündlich" und "leichtentzündlich". Hier scheint es angesichts fehlender verbindlicher Parameter jedoch angebracht, die gängige Verwendung von "entzündlich" beizubehalten und nur sie in die harmonisierte Definition aufzunehmen. Im Gegensatz zu den Giftigkeitskategorien sind diese Differenzierungen zu sehr auf spezielle Meßstandards bezogen, um sie ohne tiefergehende Analyse der einzelnen Länder als Begriffselemente festschreiben zu können. Für die Harmonisierung sollte die begriffliche Mitte "entzündlich" ausreichen. Von großer Bedeutung ist die Aufnahme von Gefahrenkategorien, die die Langzeitwirkungen im Hinblick auf die menschliche Gesundheit erfassen. Hierzu gehören in erster Linie die karzinogenen, mutagenen und teratogenen Wirkungen sowie die Wirkungen auf die Fruchtbarkeit. Da ihre Berücksichtigung ein Ergebnis der Forschungen in neuerer Zeit

II. Harmonisierungserörterungen

211

ist, sind sie vornehmlich in neueren Definitionen als selbständige Gefahrenmerkmale enthalten, so im deutschen Chemikaliengesetz (1980), in der 6. EG-Änderungsrichtlinie (1979), im amerikanischen TSCA (1976), in der japanischen Testverordnung (1974) und auch schon im Schweizer Giftgesetz von 1969. Soweit neuere Regelungen keine direkte Bezugnahme auf diese Merkmale enthalten (Niederlande, Belgien, Dänemark) mag dies mit ihrer spezifischen Ausrichtung (Arbeitsschutz) zusammenhängen, obwohl indessen auch hier entsprechende Wirkungen auftreten. Die einschlägige englische Rechtsverordnung von 1978 enthält trotz ihres umfassenden Charakters keine Langzeitkategorien. Sie unterliegt jedoch ebenso wie die übrigen EG-Mitgliedsstaaten der Anpassungsvorgabe durch die 6. EG-Änderungsrichtlinie. Im übrigen kann aus dem Fehlen der modernen Langzeitkategorien wohl nicht auf die gesetzgeberische Absicht geschlossen werden, sie sollten gänzlich unberücksichtigt bleiben. Wesentlich näher liegt die Annahme, daß sie von allgemeineren Kategorien wie etwa "gesundheits.g efährdend" oder aber von den jeweiligen Auffangtatbeständen miterfaßt sind. Daher erscheint eine begriffliche Anpassung durchaus möglich. Als Vorbild könnte wiederum die 6. EG-Änderungsrichtlinie dienen, die in Art. 2 Abs. 2 lit.l) bis n) die Kategorien "krebserzeugend", "teratogen" und "mutagen" erwähnt. Notwendige Modifizierungen bzw. Ergänzungen, wie z. B. die Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit, könnten gegebenenfalls bei den Anmerkungen zur Definition berücksichtigt werden. Von großem Gewicht ist schließlich die Harmonisierung der in allen internationalen Regelungen vorgesehenen Auffangtatbestände. Evident ist zunächst der Bezug auf die (sonstigen) menschlichen Gesundheitsgefahren. Ebenso problemlos läßt sich auch das Schutzgut Umwelt hier einbeziehen. Dieser doppelte Schutz von Gesundheit und Umwelt ist in allen Rechtssystemen enthalten. Mit gewissen Einschränkungen gilt dies auch für die Schweiz und Japan, wo die ökologische Schutzrichtung lediglich mittelbar zum Ausdruck kommt. Die Besonderheit der 6. EGÄnderungsrichtlinie, die Kategorien "gesundheitsschädlich" und "umweltgefährlich" nicht in einem Auffangtatbestand zusammengefaßt; sondern als eigenständige Kategorien erscheinen zu lassen, ist eher aufbautechnischer Natur und steht der Bildung eines in sich geschlossenen Auffangtatbestandes nicht grundsätzlich entgegen. Problematischer ist die nähere quantitative Eingrenzung des geforderten Gefahrengrades. Hier zeigt der internationale Vergleich nicht unerhebliche Unterschiede. So sind schon die Gefahrenbewertungen beim deutschen Chemikaliengesetz und der EG-Änderungsrichtlinie bei aller sonst gegebenen Affinität beider Definitionen kaum vergleichbar. Die Gefahrenschwellen "erhebliche Gefahren und erhebliche Nachteile für die Allgemeinheit" 14•

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K. Begriffe: Gefahr, Gefährliche Stoffe u. Zubereitungen, Risiko etc.

(§ 3 Nr. 3 lit. n) Chemikaliengesetz) und "gesundheitsschädlich" bzw. "sofortige oder spätere Gefahren für die Umwelt" (Art. 2 Abs. 2 lit. h) und k) 6. EG-Änderungsrichtlinie) sind nicht identisch. Zwar könnte die deutsche Regelung mit Hilfe einer an Verwaltungspraxis und Rechtssprechung orientierten Interpretation auf bloße "erhebliche Nachteile" reduziert und auf eine Ebene unterhalb des allgemeinen Gefahrenbereichs gebracht werden393• Damit ist aber noch nicht notwendigerweise eine Annäherung zur Bewertung in der EG-Richtlinie verbunden. Denn zum einen stehen sich hier der Gesundheitsschutz und der Umweltschutz alternativ gegenüber, während nach der deutschen Regelung die Umweltgefährdung nur erfaßt ist, soweit sie zugleich eine Gefahr für die (menschliche) Allgemeinheit darstellt. Und zum anderen sind die Vergleichsgrößen in sich nicht eindeutig genug, um sie inhaltlich klar benennen zu können. Lediglich in der Tendenz ließe sich sagen, daß nach der EG-Formulierung "deren Verwendung sofortige oder spätere Gefahren für die Umwelt darstellt oder darstellen kann" eine nur potentielle Umweltgefahr ausreichen könnte und somit die Gefahrenschwelle dort niedriger liegt als bei der entsprechenden deutschen Umschreibung.

Die Schwierigkeiten des Vergleichs erhöhen sich noch beträchtlich, wenn man die anderen Länder hinzunimmt. Terminologisch sind die Abweichungen teilweise erheblich. Und auch inhaltlich läßt sich eine Vergleichbarkeit nur vage und nur unter Hinzunahme der jeweiligen Konkretisierung durch Verwaltungspraxis, Rechtsprechung etc. erreichen. Die spezifischen Regelungsinhalte lassen einen Vergleich auf begrifflicher Ebene also kaum zu. So bleibt als verbindendes Element außer dem doppelten Schutzadressaten Mensch und Umwelt nur die Aneinanderreihung der einzelnen Gefahrenkategorien. Es ist zwar nicht sicher, daß diese gefährlichen Eigenschaften in den einzelnen Ländem auch qualitativ auf einer Stufe stehen, da es insbesondere an intemational einheitlichen Testmethoden fehlt. Sie werden jedoch jeweils als verbindlich für die Annahme einer Gefahr angesehen; insofem stellen sie Gefahrenfixpunkte dar. Daher haben sie zumindest indikatorischen Charakter für die im Auffangtatbestand geforderte Gefahrenqualität. Diese inhaltliche Beziehung ist zum Beispiel in der amerikanischen TSCA ausgedrückt, wenn im Anschluß an die Aufzählung der gefährlichen Eigenschaften abgestellt wird auf jede andere Wirkung, die ein unvertretbares Risiko für Gesundheit und Umwelt darstellen kann394• Von dem speziellen Gefahrengrad, der hinter einem Merkmal- etwa der Kauzerogenität - steht, 393 394

Vgl. oben S. 174 f. Sec. 4 (b) (2) TSCA.

II. Harmonisierungserörterungen

213

kann auf den allgemeinen Gefahrengrad geschlossen werden, so daß. die Summe der Gefahrenkategorien einen Eindruck davon vermittelt, ab welcher Gefahrenintensität allgemein der Stoff als gefährlich gilt. In diesem Sinne ist die Qualität des Auffangtatbestandes beschreibbar. Insgesamt läßt er sich daher definitionsmäßig umreißen als sonstige Eigenschaften, die eine Gefahr für Mensch oder Umwelt hervorrufen können. Die hierin angedeutete Relation zwischen konkret aufgeführten und anderen gefährlichen Eigenschaften könnte in den Anmerkungen hervorgehoben werden. Bei der Bildung einer harmonisierten Definition muß man allerdings stets im Auge behalten, daß die Gefahrenkonkretisierung nach dem Rechtsverständnis in Frankreich und vor allem in den USA methodisch auf andere Weise geschieht als in den übrigen Rechtssystemen. Da in den USA die Subsumtion, ob ein Stoff gefährlich ist und damit bestimmte Rechtsfolgen nach sich zieht, letztlich von der Behörde vorgenommen wird und die Gesetze meist nur mehr oder weniger verbindliche Beurteilungsmaßstäbe setzen, steht der Harmonisierungsvorschlag unter dem Vorbehalt, daß die Deutung der Gefahrenmerkmale als Begriffselemente auch nach amerikanischem Verständnis methodisch zulässig ist. Im Interesse der internationalen Harmonisierung von wichtigen Rechtsbegriffen scheint es allerdings geboten, eine allgemein verbindliche Definition der gefährlichen Stoffe zu finden. Nationalen Besonderheiten kann dadurch Rechnung getragen werden, daß ein entsprechender Hinweis bei den Anmerkungen aufgenommen wird. In diesem Rahmen sollte auch die strukturelle Andersartigkeit der Gefahrenbewertung in den USA berücksichtigt werden.

b) Gesichtspunkt der Klarheit und Vermeidung von Übersetzungs- und Verständigungsschwierigkeiten Das Problem der Klarheit und Verständigung ergibt sich allgemein dann, wenn die Definition lang ist und aus Elementen besteht, die ihrerseits erklärungsbedürftig sind. Um den Vorteil einer nicht nur auf das Minimum beschränkten, sondern möglichst umfassenden Definition zu erhalten, muß sichergestellt sein, daß die verwendeten Elemente bzw. Begriffe eindeutig und genügend gegeneinander und gegen ähnliche Begriffe abgrenzbar sind. Hinzu kommen evtl. ÜbHsetzungsprobleme. Die hier vorzuschlagende Definition ist relativ umfassend. Sie ist jedoch nicht befrachtet mit unscharfen oder international unterschiedlich verstandenen Begriffen.

214

K. Begriffe: Gefahr, Gefährliche Stoffe u. Zubereitungen, Risiko etc.

Die Begriffe "Stoff" und "Zubereitung" sind international weitgehend definiert und gegeneinander abgegrenzt. Ähnliches gilt für die Definitionen von "Gift" und "Umwelt". Die Begriffe "ätzend, reizend, explosionsgefährlich, brandfördernd und entzündlich" sind naturwissenschaftlich geklärt und international gebräuchlich. Falls dennoch insoweit Verständigungsprobleme auftreten sollten, ist es hilfreich, die Begriffserläuterungen in Art. 2 Abs. 2 der 6. EG-Änderungsrichtlinie heranzuziehen, da sie einen relativ breiten internationalen Konsens repräsentieren. Bei den modernen Begriffen "krebserzeugendlkarzinogen, erbgutverändernd/mutagen und fruchtschädigendlteratogen" mag die Verwendung in der Rechtsprache noch nicht so verbreitet sein wie in der Naturwissenschaft. Die naturwissenschaftlichen Definitionen sind aber so hinreichend klar und gegeneinander abgegrenzt, daß die Begriffe auch für die Definition von Rechtsbegriffen geeignet sind. Gewisse Schwierigkeiten können auftreten bei der Übersetzung des Begriffs "Gefahr". Da er eine bestimmte (allerdings nicht näher definierte) Eintrittswahrscheinlichkeit voraussetzt, kann er nicht ohne weiteres gleichgesetzt werden mit dem Begriff "Risiko". Obwohl mit "Risiko", wie dargestellt, gelegentlich auch Beziehungen zwischen Wahrscheinlichkeit und Schadenseintritt ausgedrückt werden, ist die Bezeichnung insgesamt doch zu allgemein, wn mit "Gefahr" gleichgesetzt werden zu können. Für die französische Übersetzung scheint daher "danger" geeigneter als "risque". Und in der englischen Übersetzung ist "hazard" treffender als "risk" 395• Im Falle des Adjektivs "gefährlich" besteht im übrigen offenbar kein besonderes Übersetzungsproblem. Hier dürfte die englische Übersetzung mit "hazardous" ohne weiteres möglich sein.

c) Gesichtspunkt der Vermeidung von Handelshemmnissen und Wettbewerbshindernissen Das Ziel des Abbaus bzw. der Vermeidung von Hemmnissen des Handels und Verzerrungen des Wettbewerbs ist naturgemäß am wirkungsvollsten zu erreichen, wenn die Begriffsdefinition weitreichende normative Festlegungen enthält, die von den nationalen Gesetzen nicht mehr verändert werden können. In dem Konflikt zwischen begrifflicher Leerformel und inhaltlicher Regelung ist die vorzuschlagende Definition durchaus geeignet, Handels- und Wettbewerbsbeeinträchtigungen abzubauen, ohne den Charakter als bloße Vereinheitlichung 395 In den USA wird häufiger ,Unreasonable Risk' verwendet. Aber auch der Begriff ,Hazard' ist gebräuchlich, wie z. B. 49 U.S.C. § 1810 der Hazardous Materials TransportaUon zeigt.

li. Harmonisierungserörterungen

215

eines Rechtsbe.griffes zu verlieren. Mit einer internationalen Verständigung über den Inhalt des Begriffs der gefährlichen Stoffe und Zubereitungen ist die künftige Koordinierung der nationalen Gesetzgebungen wesentlich erleichtert. d) Gesichtspunkt der Existenz von Legaldefinitionen und des internationalen Konsenses Der Definitionsvorschlag berücksichtigt in hohem Maße vorhandene Legaldefinitionen. Dies gilt in erster Linie für Art. 2 Abs. 2 der 6. EGÄnderungsrichtlinie, aber auch für viele Legaldefinitionen der OECDMitgliedsstaaten. Soweit einzelne Legaldefinitionen abweichen bzw. bisher nur allgemein gefaßt sind, bestehen keine prinzipiellen Anpassungsprobleme. Die Unterschiede sind im wesentlichen nur quantitativ (Verhältnis Spezialität/ Generalklausel). Der internationale Konsens läßt sich vor allem an der Bedeutung und dem Geltungsumfang der 6. EG-Änderungsrichtlinie ablesen. Darüber hinaus zeigen die verschiedenen multilateralen Abkommen396, daß ein Konsens weitgehend existiert und in die Praxis umgesetzt wurde. 3. Spezielle umweltgefährliche Stoffe und Gegenstände

a) Allgemeines Die Untersuchung der im Chemikalienrecht häufig vorkommenden Begriffskombinationen (gefährliche Güter, gefährliche Abfälle etc.) ist für den Versuch harmonisierter Definitionen unergiebig. Zum einen sind die Bezüge der Gefahr zu vielfältig und daher insgesamt nur sehr bedingt aussagefähig für die allgemeine Verwendung des Gefahrenbegriffs. Zum anderen sind die jeweiligen Begriffskombinationen im internationalen Vergleich zu unterschiedlich definiert, um auf der Grundlage eines existierenden Konsenses begrifflich harmonisiert werden zu können. Dies heißt freilich nicht, daß die Begriffe bezüglich der Regelungsgegenstände selbst, also z. B. Abfälle, Produkte, Pflanzenschutzmittel etc., nicht harmonisiert werden könnten; die Feststellung mangelnder Definitionsfähigkeit bezieht sich nur auf die jeweilige Zuordnung zum Gefahrenbegriff. Eine Harmonisierung kommt auf der Ebene von Beschreibungen in Betracht. Da die internationale Verwendung von Begriffskombinationen eine bestimmte Struktur erkennen läßt und zu einem Teil auch inhaltliche Parallelen oder Ähnlichkeiten aufweist, können gewisse harmonisierungsfähige Aussagen gemacht werden. 396

Vgl. oben S. 190 f.

216

K. Begriffe: Gefahr, Gefährliche Stoffe u. Zubereitungen, Risiko etc.

Ausgangspunkt ist der Begriff der "gefährlichen Stoffe und Zubereitungen". Sein umfassender Inhalt und seine Verwendung in den allgemeinen Chemikaliengesetzen sowie seine große praktische Bedeutung machen ihn zu einem Musterbeispiel für die Behandlung der Gefahr im Chemikalienrecht Umweltbelastende Aktivitäten wie etwa der Umgang mit Abfällen, Pflanzenschutzmitteln, Düngemitteln, Arbeitsstoffen, Erzeugnissen, Konsumentenprodukten oder Transportgütern stellen in gewisser Weise spezielle Formen des Umgangs mit gefährlichen Stoffen und Zubereitungen dar. Insofern können auch die Begriffskombinationen "gefährliche Abfälle" etc. als spezielle bzw. qualifizierte Anwendungsformen des Gefahrenbegriffs der "gefährlichen Stoffe und Zubereitungen" angesehen werden.

Die Übereinstimmung bei diesen Begriffskombinationen besteht in zweierlei Hinsicht. Zum einen ist die jeweilige Definitionsstruktur häufig verwandt mit der Definitionsstruktur der gefährlichen Stoffe und Zubereitungen (Aufzählung konkreter Gefahrentatbestände und anschließender Auffangtatbestand). Zum anderen gibt es inhaltliche Verwandtschaften insofern, als auf der (gedanklichen) Basis der allgemeinen Stoffgefährlichkeit spezielle, auf den Regelungszweck zugeschnittene Gefahrenmerkmale und -tatbestände gebildet werden. Diese Verwandtschaft ist zum Teil relativ eng (etwa bei gefährlichen Arbeitsstoffen397), zum Teil aber auch weitläufig (wie bei gefährlichen Konsumprodukten). Der Grad der Verwandtschaft ist in erster Linie von den materiellen Besonderheiten des jeweiligen Regelungsgegenstandes abhängig. Allen Gefahrenkonkretisierungen gemeinsam ist das Schutzgut der menschlichen Gesundheit und des Lebens. Der Umweltschutz ist nicht in gleichem Umfang berücksichtigt. Der Umweltschutzbezug hängt wiederum vom Inhalt des Regelungsgegenstandes ab; er ist bei den Abfällen stärker als z. B. bei den Arbeitsstoffen. Es wäre sicher ein Fortschritt der Harmonisierungsbemühungen, wenn es gelänge, künftige Gefahrenkonkretisierungen strukturell und inhaltlich an dem Vorbild der Definition für die gefährlichen Stoffe und Zubereitungen zu orientieren. Für die Gefahrenkonkretisierungen "gefährliche Transportgüter" und "gefährliche Abfälle" können wegen ihrer jeweiligen Strukturähnlichkeiten mit der Definition der Stoffgefährlichkeit und wegen ihrer weiten Verbreitung noch zusätzliche Beschreibungen gegeben werden. 397 Vgl. z. B. § 19 Abs. 1 Nr. 1 des deutschen Chemikaliengesetzes.

II. Harmonisierungserörterungen

217

b) Gefährliche Transportgüter

Für die gefährlichen Transportgüter finden sich insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland und in den USA Definitionen, bei denen Struktur und Inhalt eine relativ hohe Affinität zur Definition der gefährlichen Stoffe und Zubereitungen aufweisen. Allgemein kann gesagt werden, daß gefährliche Stoffe und Zubereitungen von den gefährlichen Gütern mit erfaßt sind. Entscheidend ist, daß die Stoffe bzw. Zubereitungen aufgrund ihrer Natur, ihrer Eigenschaften oder ihres Zustandes im Zusammenhang mit der Beförderung Gefahren hervorrufen können. Zusätzlich gehören zu den gefährlichen Gütern alle Gegenstände und beweglichen Sachen, soweit ihre Beförderung Gefahren hervorrufen kann. Auf die Art des Transportes (zu Wasser, zu Land oder in der Luft) kommt es in der Regel nicht an. Allerdings ist häufig nur gewerbliches Transportgut erfaßt. Der Umweltschutz ist bei den existierenden Definitionen nur insoweit berücksichtigt, als Menschen, Tiere sowie Sachen geschützt sind. Diese relative Begrenzung mag historische Gründe haben (die Gesetze sind überwiegend nicht neueren Datums). Wegen der potentiell umfassenden Gefahren, die im Zusammenhang mit Transporten entstehen können, scheint es sinnvoll, in die harmonisierte Beschreibung den Gefahrenbezug auf die Umwelt insgesamt (wie bei den gefährlichen Stoffen und Zubereitungen) auszudehnen. Strukturell sind die Definitionen denen der gefährlichen Stoffe und Zubereitungen ähnlich, wobei im Auffangtatbestand der spezifische Bezug zur Transportgefährlichkeit an Stelle der allgemeinen Stoffgefährlichkeit enthalten ist. c) Gefährliche Abfälle

Die Gefährlichen Abfälle erfassen Stoffe und Materialien im Hinblick auf ihre Gefährlichkeit bei der Beseitigung. Die Definitionsstrukturen sind insbesondere in den USA und in der EG-Richtlinie vom 20. März 1978 denen der gefährlichen Stoffe und Zubereitungen vergleichbar. Mitunter sind die Begriffserklärungen nur allgemein abgefaßt (Großbritannien, Bundesrepublik Deutschland). Besonderheiten, die einer Vereinheitlichung der Definitionsstruktur prinzipiell entgegenstünden, sind nicht ersichtlich. Daher könnte eine harmonisierte Definition durchaus einzelne Merkmale der Gefährlichkeit bei der Abfallbeseitigung sowie einen Auffangtatbestand enthalten. Inhaltlich ist bei den existierenden Definitionen die Affinität zu den gefährlichen Stoffen und Zubereitungen nicht so ausgeprägt wie im

218

K. Begriffe: Gefahr, Gefährliche Stoffe u. Zubereitungen, Risiko etc.

Fall der gefährlichen Güter. Zwar liegen den Abfällen gedanklich (auch) die Stoffe und Zubereitungen zugrunde. Meist werden ab€r konkrete chemische Stoffe und Verbindungen listenmäßig genannt und nicht, wie bei den gefährlichen Stoffen und Zub€reitungen, bestimmte Eigenschaften aufgeführt, die als gefährlich gelten. Im amerikanischen Federal Register 33 119 von 1980 finden sich immerhin verschiedene Beurteilungskriterien (Entzündbarkeit, Toxizität, ätzende Eigenschaften u. ä.), die denen der gefährlichen Stoffe entsprechen. Wünschenswert wäre allgemein eine stärkere Anlehnung an die Definitionsstruktur der gefährlichen Stoffe und Zubereitungen. Die Umwelt ist als Schutzgut zum Teil ausdrücklich (EG-Richtlinie, USA, Großbritannien), zum Teil nur mittelbar (z. B. Bundesrepublik Deutschland) erfaßt. Bemerkenswert ist, daß die Gefahrenb€wertung in den USA wegen der r elativ weitgehenden Normierung in höherem Maße den europäischen Regelungen entspricht, als dies bei den gefährlichen Stoffen und Zubereitungen der Fall ist. 4. Der allgemeine Gefahrenbegriff im Umweltchemikalienrecllt

Der Gefahrenbegriff im Umweltchemikalienrecht läßt sich auf der Grundlage der existierenden internationalen Regelungen definitionsmäßig nicht erfassen. Er ist zu sehr mit spezifischen Regelungsinhalten behaftet, um abstrakt definiert werden zu können. Es fehlt vor allem an einer international einheitlichen Festlegung eines b€stimmten, für die Annahme einer Gefahr erforderlichen Wahrscheinlichkeitsgrades. Eine beschreibende begriffliche Eingrenzung ist jedoch möglich. Es gibt einen festen allgemeinen Begriffskern und einen für das Umweltchemikalienrecht feststellbaren Konsens über die Faktoren, die den Inhalt des Begriffs jeweils ausmachen. Der Begriffskern besteht zunächst aus den Elementen der Eintrittswahrscheinlichkeit und des Schadens. Die Beziehung zwischen beiden Elementen läßt sich so charakterisieren, daß im allgemeinen an die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts um so geringere Anforderungen gestellt werden, je größer der zu erwartende Schaden ist. Die Gefahr ist somit das Produkt aus Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensumfang. Diese Formel gilt allerdings nicht uneingeschränkt. Da es in der technisierten Welt keinen völligen Ausschluß von Risiken geben kann, ist eine nur theoretisch anzunehmende Möglichkeit eines Schadenseintritts nicht erfaßt. Auch bei einem nicht zu übersehenden Schadensausmaß reicht die nur theoretisch und nicht auch praktisch vorstellbare Möglichkeit nicht aus, um das Vorliegen einer Gefahr

11. Harmonisierungserörterungen

219

annehmen zu können. Auf der anderen Seite ist selbst bei einem geringen Schadensumfang nicht erforderlich, daß sich die Eintrittswahrscheinlichkeit praktisch bis zur Gewißheit verdichtet haben muß. Eine Gefahr liegt in jedem Fall auch unterhalb der Schwelle der Gewißheit vor. Die so beschriebene Formel kann als gesicherter Kernbestand aller im Umweltrecht verwendeten Gefahrenbegriffe angesehen werden. Das gilt auch für die USA. Dort liegt die Abweichung bei der Gefahrenbewertung im Prinzip nur darin, daß sich die Bewertung des Schadensausmaßes nach anderen, zusätzlichen Kriterien vollzieht. Diese individuelle Schadensbewertung schließt nicht aus, daß der Schadensumfang als solcher selbständiges Begriffselement ist und zur Eintrittswahrscheinlichkeit in demselben Verhältnis steht wie bei anderen Rechtssystemen. Die chemikalienspezifische Ausformung dieses Begriffskerns der Gefahr läßt sich nur annähernd beschreiben. Ausgangspunkt sind die jeweiligen Auffangtatbestände bei den Definitionen der gefährlichen Stoffe, Zubereitungen etc. sowie die Tatbestände, in denen nur eine Generalklausel für die Gefahrenbewertung enthalten ist.

Soweit lediglich Generalklauseln existieren (z. B. in Schweden), können die tatsächlichen Anforderungen an das Vorliegen einer Gefahr nur grob ermittelt werden. Sie richten sich nach den geschützten Rechtsgütern, nach der Art der Gefahrenquelle, nach dem generellen Gesetzeszweck sowie allgemein nach der zugrundeliegenden Gefahrenbzw. Risikophilosophie. Das Zusammenwirken dieser Komponenten, dazu die Verwaltungspraxis und die Rechtsprechung ergeben den Aufschluß darüber, wo die Gefahrenschwelle zu setzen ist. Verläßlicher sind die Indikatoren, wenn in den Chemikaliengesetzen Auffangtatbestände als Teil von Definitionen gebildet sind. Dies ist bei der großen Mehrheit der untersuchten Chemikaliengesetze der Fall. Außer den eben geschilderten Bestimmungsfaktoren kommt bei den Auffangtatbeständen ihr unmittelbarer Kontext hinzu. Da sie sich auf eine bestimmte Definition, z. B. die der gefährlichen Stoffe, und auf die vorangestellten Einzeltatbestände beziehen, bekommen sie auch von dort ihren wesentlichen Inhalt. Aus der Anzahl und der Art der jeweils aufgeführten gefährlichen Eigenschaften läßt sich näher bestimmen, welche Anforderungen an das Vorliegen einer sonstigen Gefahr gestellt werden. Wo z. B. mindergiftige Stoffe als gefährlich gelten, ist die Schwelle für sonstige Gefahren möglicherweise niedriger als dort, wo nur hochgiftige Stoffe genannt sind. Dieser Bezug zwischen speziellen Gefahrenfiktionen und allgemeiner Gefahr ist ein wichtiges Aus~ legungskriterium.

220

K. Begriffe: Gefahr, Gefährliche Stoffe u. Zubereitungen, Risiko etc.

Wo der Auffangtatbestand oder allgemein das Gesetz noch besondere Gefahrenintensitäten berücksichtigt (z. B. in der Bundesrepublik Deutschland, in der Europäischen Gemeinschaft und in den USA), ergeben sich zusätzliche Hinweise dafür, was als Normalgrad der Gefahr angesehen wird. Welcher Gefahrengrad in einer Regelung konkret gefordert wird, ist Angelegenheit des Normgebers und damit der begrifflichen Harmonisierung entzogen. Die Beschreibung des allgemeinen Gefahrenbegriffs sollte aber festlegen, nach welchen Kriterien dieser allgemeine Gefahrenbegriff gebildet wird. Darüber hinaus läßt die Mehrheit der vorhandenen Chemikalienregelungen die Feststellung zu, daß der allgemeine Gefahrenbegriff im Chemikalienrecht den Schutz des Menschen und den Schutz der Umwelt gleichermaßen einschließt. 5. Vergleich mit dem vorgeschlagenen Konzept des OECD-Glossariums

Der Vorschlag der OECD-Expertengruppe besteht aus einer Definition für "Gefahr" und einer Definition für "Risiko", die Teil eines Konzepts zur Begriffsbestimmung der Stoffgefährlichkeit sind: "Gefahr: Die Reihe der in einem Stoff oder Gemisch enthaltenen Eigenschaften, die geeignet sind, unerwünschte Folgen für den Menschen oder die Umwelt zu verursachen. Risiko: Die vorhersehbare oder gegenwärtige Häufigkeit des Eintritts unerwünschter Folgen für Menschen oder die Umwelt durch eine bestimmte Stoff- oder Gemischmenge." 398 398

A. Definition

Hazard (of a Chemical)

The set of inherent properties of a chemical substance or mixture which makes it capable of causing adverse effects to man or the environment.

B. Statement of Intent

C.

The definition provides a set of factors by which a chemical substance or mixture may become eligible for legal requirements under a chemieals control law.

Annotation

C 1 Reactive, toxic and environmental properties (or behaviour) that commonly appear in laws include: explosivity flammability corrosivity irritation carginogenicity teratogenicity mutagenicity sensitization potential lethality - human (acute/chronic) - animal biodegradation - aerobic, anaerobic bioaccumulation

II. Harmonisierungserörterungen

221

C 2 By choosing properties and appropriate test methods by which the properties can be measured or determined, lawmakers can prescribe criteria by which a substance or mixture may become subject to particular requirements. Lawmakers may set criteria which, if met, classify the substance or mixture "hazardous". C 3 While the definition of hazard deals with the properties of a chemical, it is also possib1e to describe a situation as "hazardous". For instance where the inherent properties of a chemical are known, but there is insufficient information on exposure to predict the frequency of a given adverse effect, and hence the risk, one or more of the use situations may be considered to constitute a hazard. D. Special Remarks D 1 The definitions of "hazard" and "risk" describe aspects of the same idea; the first focuses on the inherent properties of the casual agent, and the second on actual or potential consequences of some activity including the material. The two definitions are closely related. D 2 The term "hazard assessment" is sometimes used to describe the process whereby the set of inherent properties referred to above established, or the product of that process. D 3 The framework within which this definition was developed is provided within the "Analysis" section of this report. Risk

A. Definition The predicted or actual frequency of occurrence of an adverse effect of a chemcial substance or mixture from a given exposure to humans or the environment.

B. Statement of Intent This definition is intended to be used in conjunction with the definitions of "hazard". Risk is one criterion by which actions may be taken under chemieals laws to protect health or the environment.

C. Annotation C 1 The definition is a general one. The risk associated with a particular activity involving a chemical might be stated in accordance with the general definition when the properties of the chemcial, the conditions of actual exposure, and the vulnerability of the exposed species or environment are known. C 2 The parameters used to define the conditions of actual exposure are generally the size and type of population exposed, the magnitude of the exposure (the dose), and the frequency, duration and route of the exposure. C 3 Risk may be expliessed as a probability. Where appropriate the predicted or actual frequency of an adverse effect divided by the size of the exposed population provides such a probability. D. Special Remarks D 1 The definition of risk can be used as the foundation for a definition of unacceptable (unreasonable) risk. "Unacceptable risk" is a term that is applied under some legislation by a decision-maker when the risk(s) associated with an activity are found to be unjustified by the social and economic benefits derived from the activity. A finding of unacceptable risk either implies or dictates that action to reduce the risk must be taken. Lawmakers who include the concept of unacceptable risk in a law can control the discretion left to any decision-maker by prescribing further guidance or standards to be met by a judgement of unacceptable risk. D 2 See definition and special remarks for "hazard". D 3 The framework within which this definition was developed is provided in the "Analysis" section of the Group's report.

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K. Begriffe: Gefahr, Gefährliche Stoffe u. Zubereitungen, Risiko etc.

a) Wesentlicher Inhalt Die inhaltliche Aussage dieser Definition ist nicht die einer Festlegung der für die Annahme einer Gefahr bzw. eines Risikos erforderlichen Eintrittswahrscheinlichkeit399• Sondern ihr Zweck ist die Unterscheidung beider Begriffe und die Charakterisierung ihres Funktionszusammenhanges. Der Begriff der Gefahr dient im Umweltchemikalienrecht als Samrneibezeichnung für stoffliche Eigenschaften, die schädliche Wirkungen für Mensch oder Umwelt haben können. Die infragekommenden Eigenschaften zeigen sich durch ihre chemischen Reaktionen, ihre Toxizität und ihr Verhalten in der Umwelt. Soweit sie in gegenwärtigen Chemikalienregelungen vorkommen, sind sie in der Annotation aufgelistet. Dort wird auch klargestellt, daß die Festlegung der Kriterien, nach denen eine Eigenschaft als gefährlich anzusehen ist, Sache des Gesetzgebers und nicht der Begriffsdefinition ist400 • Das Risiko wird demgegenüber als Begriff definiert, der die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts bei bestimmter Exposition eines Stoffes angibt. Er dient also zur Bezeichnung der vom Gesetz als erheblich angesehenen Möglichkeit eines Schadens, ist somit ein Kriterium, nach dem sich gesetzliche Maßnahmen richten können. Diese Funktion soll der Risikobegriff allerdings mit dem Gefahrenbegriff teilen. Nach dem Definitionszweck sollen Risiko und Gefahr in Verbindung miteinander die Eingriffsschwelle der Kontrollregelungen festlegen 401 , wobei Gefahr eher auf die jeweiligen Eigenschaften des Stoffes abhebt, während Risiko eher die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Möglichkeit eines Schadenseintritts umschreiben soll. Die Bedeutung des Risikobegriffs leitet sich aus der Tatsache ab, daß er in einigen Ländern (USA, Frankreich) in der Form des "unvertretbaren Risikos" eine größere Wichtigkeit als Rechtsbegriff als der Gefahrenbegriff aufweist. Eine Vorrangstellung ist für den Risikobegriff aber nicht beabsichtigt. Wie sich aus den Erläuterungen zum Vorschlagskonzept ergibt, ist eine einheitliche Terminologie zwar erstrebt. Angesichts der im geltenden Recht bestehenden Unterschiede soll aber der Ausdruck Risiko ebensogut durch den Ausdruck Gefahr ersetzt werden können402 • Vgl. dazu Annotation C 3 der Risikodefinition. Vgl. C 1 und C 2. 401 Vgl. "Statement of Intent" der Risikodefinition und Annotation D 1 der Gefahrdefinition. 402 Vgl. Nr. 89 des Schlußberichts, auf den durch Annotation D 3 der Gefahrdefinition verwiesen wird. 309

4oo

II. Harmonisierungserörterungen

223

Der eigentliche Zweck des Harmonisierungskonzepts liegt somit darin, zwei voneinander getrennte Begriffe inhaltlich zu klären, gleichwohl aber aufeinander zu beziehen und dabei die Auswahl der Te1·mini nicht zwingend vorzuschreiben. Auf diese Weise soll dem Gefahrenbegriff, wie er in seinen unterschiedlichen Ausdrucksformen (Gefahr, gefährliche Stoffe, unvertretbares Risiko) verwendet wird, Rechnung getragen werden.

b) Übereinstimmungen und Unterschiede Die Unterschiede zwischen dem Konzept der OECD und dem hier vorgeschlagenen Konzept sind keineswegs so ausgeprägt, wie es auf den ersten Blick den Anschein haben mag. Abgesehen von der Struktur sind es im wesentlichen nur inhaltliche Akzentsetzungen, in denen beide Konzepte voneinander abweichen. In der Analyse der international verwendeten Begriffe stimmen die Bewertungen überein. Auch das OECD-Konzept geht von einer Dominanz des Gefahrenbegriffs aus, die sich darin äußert, daß Definitionen und Begriffsverwendungen der "gefährlichen Stoffe und Zubereitungen" eine große Verbreitung haben, während "Risiko" mit dem Begriffsinhalt ausgestattet wird, wie er im positiven Recht meist nur im allgemeinen Gefahrenbegriff enthalten ist. Da die OECD-Konzeption die prinzipielle Austauschbarkeit beider Termini konzediert, sind die Konzeption der OECD und das hier vorgeschlagene Konzept in der Substanz kaum verschieden. Als Extrakt des OECD-Vorschlags läßt sich eine Begriffsumschreibung für das Risiko gewinnen, die mit der hier vorgeschlagenen Beschreibung des allgemeinen Gefahrenbegriffs vergleichbar ist403, und eine Begriffsbeschreibung der Gefahr, die der hier vorgeschlagenen Definition für "Gefährliche Stoffe und Zubereitungen" entspricht404 • Die jeweils identifizierten Gefahrenmerkmale, also die infrage kommenden Stoffeigenschaften, sind nahezu deckungsgleich. Gegenüber der OECD-Beschreibung ist die hier vorgestellte Definition jedoch insofern aussagekräftiger, als die Stoffeigenschaften Teil der eigentlichen Definition sind und so den allgemeinen Gefahrenbegriff im Sinne eines Indizes konkretisieren. Damit wird ein Teil der Festlegung von Schadensumfang und erforderlicher Eintrittswahrscheinlichkeit dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers entzogen und dem Begriffsinhalt zugeschlagen. Zu rechtfertigen ist dies mit dem Verbreitungsgrad derartiger Definitionen und mit der Notwendigkeit, einen erreichten Stan403 404

Unter III. 3. Unter III. 1.

224

K. Begriffe: Gefahr, Gefährliche Stoffe u. Zubereitungen, Risiko etc.

dard des Schutzes vor Gefahren für Mensch und Umwelt b€grifflich zu sichern. Da im übrigen aber keine substantiellen Barrieren zwischen den beiden Konzepten stehen, können sie als gleichermaßen geeignet für die Harmonisierung des Gefahren- bzw. Risikobegriffs im Umweltchemikalienrecht angesehen werden.

111. Harmonisierungsvorschläge Die sich demnach ergebenden Harmonisi€rungsvorschläge bestehen aus €iner Definition und zwei Beschreibungen: 1. Gefährliche Stoffe und Zubereitungen

Definition: Stoffe und Zubereitungen sind gefährlich, wenn sie a) explosionsgefährlich, b) brandfördernd, c) entzündlich, d) sehr giftig, e) giftig, f) mindergiftig, g) ätzend, h) reizend, i) krebserzeugend, j) teratogen oder k) mutagen sind oder 1) sonstige Eigenschaften besitzen, die eine Gefahr für Mensch oder Umwelt hervorrufen können. Anmerkungen:

a) Die Definition enthält keine Aussage über die Folgen, die sich aus der Einstufung als gefährliche Stoffe oder Zubereitungen ergeben. b) Sonstige Eigenschaften im Sinne dieser Definition sind solche, bei denen anzunehmen ist, daß sie im Hinblick auf ihre Gefährlichkeit für Mensch oder Umwelt den unter a)-k) aufgeführten Eigenschaften gleichkommen. c) Eine genaue Festlegung des erforderlichen Gefahrengrades ist in dem Begriff "Gefahr" nicht enthalten. d) In einigen nationalen Gesetzen werden die in der Definition enthaltenen Eigenschaften nicht als eigenständige Begriffsbestandteile angesehen, sondern als Kriterien, nach denen sich die Feststellung der Gefährlichkeit von Stoffen und Zubereitungen unter anderem richtet.

III. Harmonisierungsvorschläge

225

e) In e1mgen Ländern gibt es nur eine allgemeine Umschreibung der Gefährlichkeit von Stoffen und Zubereitungen. f) Die Eigenschaft "entzündlich" wird gelegentlich noch weiter unterteilt in "leichtentzündlich" und "hochentzündlich". In der 6. EG-Änderungsrichtlinie vom 18. 9. 1979 sind die Eigenschaften "gesundheitsschädlich" und "umweltschädlich" eigenständig aufgeführt. g) Die Definition ist gedacht als grundlegende Definition für die Behandlung der Gefahren und Risiken im Bereich der Umweltchemikalien. 2. Spezielle umweltgefährliche Stoffe und Gegenstände

Beschreibung: a) AUgemein

Die im Umweltchemikalienrecht vielfach vorkommenden Begriffskombinationen "gefährliche Güter, gefährliche Abfälle, gefährliche Arbeitsstoffe, gefährliche Produkte, gefährliche Erzeugnisse, gefährliche Konsumentenprodukte" u. ä. sind definitionsmäßig nicht zu erfassen. Sie stellen aber besondere Anwendungsformen des Gefahrenbegriffs dar. Inhaltlich liegt ihnen die Definition der "gefährlichen Stoffe und Zubereitungen" sinngemäß zugrunde. Diese Definition ist für die jeweils geregelte umweltbelastende Aktivität, wie z. B. Gütertransport, Abfallbeseitigung, in der Weise zu modifizieren, daß einzelne gefahrenspezifische Eigenschaften aufgezählt werden und im Auffangtatbestand auf sonstige Gefahren im Zusammenhang mit der besonderen Form der Umweltbelastung abgestellt wird. Im Zweifel sind diejenigen Definitionsstrukturen und -inhalte vorzuziehen, die denen der Definition für die gefährlichen Stoffe und Zubereitungen am nächsten kommen. b) Gefährliche Güter

Gefährliche Güter sind Stoffe, Zubereitungen oder Materialien, die aufgrund ihrer Natur, ihrer Eigenschaften oder ihres Zustandes im Zusammenhang mit ihrer Beförderung eine Gefahr für Mensch oder Umwelt hervorrufen können. c) Gefährliche Abfälle Gefährliche Abfälle sind Stoffe, Zubereitungen und Materialien, die im Zusammenhang mit ihrer Beseitigung Gefahr für Menschen oder Umwelt hervorrufen können.

3. Allgemeiner Gefahrenbegriff

Beschreibung: Der Begriff der Gefahr und der Begriff des Risikos beschreiben die objektive Möglichkeit eines Schadenseintritts. Grundsätzlich sind beide Begriffe geeignet, die Beziehung zwischen der Schadenswahr15 Kloepfer I Bosselmann

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K. Begriffe: Gefahr, Gefährliche Stoffe u. Zubereitungen, Risiko etc.

scheinlichkeit und dem Schaden auszudrücken. Sie werden auch beide als Rechtsbegriffe verwendet. In der Praxis hat sich aber gezeigt, daß sie in unterschiedlichen Bereichen verwendet werden. Während der Rechtsbegriff des Risikos der technischen Sprache entstammt und vorwiegend im technischen Sicherheitsrecht vorkommt, erfaßt der Rechtsbegriff der Gefahr das Sicherheitsrecht im allgemeinen. In der Gesetzessprache erscheint in der Regel nur der Begriff der Gefahr. Ausnahmen sind verschiedene Gesetze in den USA und in Frankreich, in denen entscheidend auf das (unvertretbare) Risiko abgestellt wird. Dem Gefahrenbegriff kommt deshalb die größere Bedeutung für die internationale Harmonisierung zu. Die Gefahr ergibt sich aus dem Produkt von Einrittswahrscheinlichlichkeit und Schadensumfang. Je größer also das erwartete oder denkbare Schadensausmaß ist, desto geringere Anforderungen sind an die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts zu stellen. Eine nur theoretisch und nicht auch praktisch vorstellbare Möglichkeit reicht zur Annahme einer Gefahr nicht aus. Andererseits ist eine bis zur Gewißheit gesteigerte Wahrscheinlichkeit nicht erforderlich, um das Vorliegen einer Gefahr annehmen zu können. Der Rechtsbegriff der Gefahr kann deswegen nicht klar definiert werden, weil es eine allgemein verbindliche Festlegung des erforderlichen Wahrscheinlichkeitsgrades nicht gibt. Dieser hängt vom jeweiligen Zweck der Regelung, d. h. vom geschützten Rechtsgut, von der Art der Gefahrenquelle und vom generellen Gesetzeszweck ab sowie allgemein von der zugrundeliegenden Gefahren- bzw. Risikophilosophie. Für den Bereich der Umweltchemikalien ist jedoch eine nähere Bestimmung insofem möglich, als der Gefahrenbegriff häufig konkretisiert in speziellen Begriffsdefinitionen erscheint. Die jeweils aufgeführten gefährlichen Eigenschaften - Gefahrenidentifikationen sind ein Indiz für die allgemeine Gefahrenqualität, auf die im Auffangtatbestandder Definition abgestellt wird. Der Bedeutungsgehalt des allgemeinen Gefahrenbegriffs im Umweltchemikalienrecht ist daher weitgehend der Definition für die gefährlichen Stoffe und Zubereitungen zu entnehmen.

L. Analyse und Harmonisierungsvorschlag

zu den Begriffen: Schaden, Beeinträchtigung, Nachteil, Belästigung, Schädliche Wirkungen, Schädliche Einwirkungen, Schädliche Umwelteinwirkungen, Gesundheitsschaden, Gesundheitsbeeinträchtigung, Verunreinigung (von Umweltgütern), Versehrnutzung I. Analyse 1. Gegenstand des Begriffsvergleichs

Das Umweltchemikalienrecht hat zum Ziel, Mensch und Umwelt vor unerwünschten Folgen beim Umgang mit Chemikalien zu bewahren. Im Mittelpunkt steht also das Bemühen um den Schutz vor unvertretbaren Belastungen durch Chemikalien. Diese Belastungen sind Gegenstand der folgenden Begriffsuntersuchung. Dabei geht es jedoch nicht um eine feststehende Begrifflichkeit, die eindeutig systematisiert und definiert werden könnte. Vielmehr findet sich in den Chemikaliengesetzen der einzelnen Länder ein ganzes Spektrum von Begriffen, die alle dem Zweck dienen, unerwünschte Folgen jeweils zu kennzeichnen. Solche Begriffe reichen von allgemeinen wie Belastung oder Nachteil bis hin zu spezifizierten und noch zusätzlich definierten Begriffen wie hautreizend, krebserzeugend oder erbgutverändernd405• Bei dieser Vielfalt möglicher Bezeichnungen für Chemikalienbelastungen ist es erforderlich, für die Zwecke des Begriffsvergleichs und der Harmonisierung eine gewisse Vorstrukturierung vorzunehmen. Auf der einen Seite muß eine Typisierung getroffen werden, um spezielle, zu sehr auf den Gesetzeskontext und damit auf den gesetzgeberischen Willen zugeschnittene Begriffe auszuscheiden. Hier bietet sich an, die allgemeineren Begriffe von den konkreteren, meist naturwissenschaftlich geprägten Begriffen zu trennen. So sind Begriffe wie z. B. hochentzündlich, gewebezerstörend oder erbgutverändernd nur durch die dahinterstehenden physikalischen und chemikalischen Test405 Als Beleg genügt bereits der Hinweis auf die 6. EG-Änderungsrichtlinie, wo allein in Art. 2 Abs. 2 mindestens 10 verschiedene Begriffe vorkommen, die konkret unerwünschte Folgen des Chemikaliengebrauchs bezeichnen.

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L. Begriffe: Schaden, Beeinträchtigung, Nachteil, Belästigung etc.

methoden faßbar, so daß eine auf Begriffsklärung zielende Untersuchung kaum möglich wäre. Zudem ist die Verwendungshäufigkeit solcher konkretisierenden Begriffe vergleichsweise so gering, daß der internationale Vergleich kaum ergiebig wäre. Für die Untersuchung werden daher entsprechend der allgemeinen Aufgabenstellung, Schlüsselbegriffe des Umweltchemikalienrechts zu harmonisieren, nur diejenigen Begriffe herangezogen, die wegen ihrer Häufigkeit und Inhaltsbreite die Bedeutung wichtiger Anknüpfungspunkte für Chemikalienregelungen haben. Auf der anderen Seite lassen sich die solchermaßen untersuchungserheblichen Begriffe nicht oder nur annähernd abschließend aufzählen. Dies liegt einmal daran, daß eine klare Grenzziehung zu den weniger bedeutungsvollen Begriffen nicht möglich ist. Vor allem aber führen Übersetzungsschwierigkeiten dazu, den genauen Bedeutungsinhalt der verwendeten Ausdrücke nicht immer exakt bestimmen zu können. Wenn z. B. der im deutschen Umweltchemikalienrecht gebräuchliche Begriff der Beeinträchtigung in die englische Sprache mit "impairment" und "prejudice" übersetzt werden kann, ist es dennoch nicht sicher, daß in englischsprachigen Chemikaliengesetzen diese Ausdrücke tatsächlich die Beeinträchtigung meinen. Zu den möglichen weiteren Bedeutungen gehören z. B. Schädigung, Verschlechterung, Verminderung, Schwächung, Nachteil und sogar Schaden406 • Erst der jeweilige Gesetzeskontext und die Abgrenzung zu ähnlichen Begriffen könnten weiteren Aufschluß geben. Umgekehrt kann z. B. der englische Begriff "detriment" sowohl "Schaden" als auch "Nachteil" bedeuten, ohne daß die im deutschen Recht an sich bestehende Unterscheidung im anglo-amerikanischen Chemikalienrecht ähnlich klar festzustellen wäre 407 • Derartige Übersetzungsungenauigkeiten sind kaum zu vermeiden und müssen in Rechnung gestellt werden, wenn das zu untersuchende Begriffsfeld abgegrenzt werden soll. Zwar läßt sich für das deutsche Umweltchemikalienrecht ein Feld von Begriffen darstellen, welche die Funktion haben, die unerwünschten Folgen zu beschreiben. Solche Begriffe sind schädliche Wirkungen, schädliche Umwelteinwirkungen, Beeinträchtigung, Nachteil, Belästigung und Gesundheitsbeeinträchtigung408 • Sie werden trotz inhaltlicher 408 Vgl. etwa Langenscheidts Handwörterbuch Englisch Teil I, 1977, S. 316 bzw. 486. 407 Nur tendenziell läßt sich sagen, daß "detriment" eher für Schaden steht - daneben aber auch für Beeinträchtigung, schädliche Einwirkung und Nachteil - und daß der Begriff Nachteil eher mit "prejudice", statt mit "detriment" bezeichnet wird. 408 Orientierung vor allem am Chemikaliengesetz, Abfallbeseitigungsgesetz, DDT-Gesetz, Düngemittelgesetz, Pflanzenschutzgesetz, Waschmittelgesetz und Bundes-Immissionsschutzgesetz.

I. Analyse

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und gradueller Unterschiede in miteinander vergleichbarer Weise dazu verwendet, die vom Gesetz jeweils bekämpften Formen der Belastung durch Umweltchemikalien anzugehen. Nimmt man jedoch die ausländischen Chemikaliengesetze hinzu, so wird bald deutlich, daß ein solches Begriffsfeld zu sehr an den Besonderheiten des deutschen Rechts orientiert und nur teilweise geeignet wäre, Gegenstand des Begriffsvergleichs zu sein. Ergiebig kann der internationale Vergleich nur sein, wenn die in Betracht kommenden Begriffe nicht als abgeschlossener Katalog, sondern als typische und beispielhaft geltende Begriffe verstanden werden. Dadurch wird ermöglicht, daß Rechtsordnungen, in denen andere, eventuell noch nicht einmal eindeutig definierbare Begriffe mit ähnlicher Bedeutung vorkommen, gleichermaßen in den Vergleich einbezogen sind. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen also weniger die Harmonisierungschancen bestimmter Begriffe als der Harmonisi€rungsversuch für ein Konzept, mit dem die typischen Formen der Belastung durch Chemikalien zu beschreiben sind. Zu diesem Konzept gehört ein Begriffsfeld, das verbreitet vorkommende und typische, aber nicht abschließend gemeinte Begriffe enthält. Auf der Grundlage d€s deutschen Umweltchemikalienrechts und mit Rücksicht auf die ausländischen Regelungen müssen vor allem folgende Begriffe dazu gerechnet werden: Schaden, schädliche Wirkung, schädliche Einwirkung, schädliche Umwelteinwirkung; Beeinträchtigung, Nachteil, Belästigung; Gesundheitsschaden, Gesundheitsbeeinträchtigung; Verunreinigung, Verschmutzung. Sie alle stellen Formen der Umwelt- und Gesundheitsbelastung durch Chemikalien dar, die in den Chemikalienregelungen relativ häufig erwähnt sind und somit das zu untersuchende Begriffsfeld umreißen können. Systematisch ist das Begriffsfeld als eine Anzahl von gleichrangigen Begriffen aufzufassen, die zwar nicht synonym, aber mit einer teilweisen Überschneidung benutzt werden können. Nach dem Grad der Überschneidungen und der in Gesetzen vorgesehenen Bedeutung lassen sich bestimmte Zuordnungen bilden, die unter Umständen auch eine Systematisierung nach Ober- und Unterbegriffen ermöglicht. Für die Analyse kommt es somit auf die Frage an, ob Differenzierungen international anerkannt sind oder ob das Verständnis uneinheitlich ist. Eine weitere Konkretisierung des skizzierten Begriffsfeldes läßt sich aus Praktibilitätserwägungen dahin vornehmen, daß den Begriffen Schaden, schädliche Wirkung und Beeinträchtigung eine gewisse Vorrangstellung eingeräumt wird, da sie einen relativ weiten Bedeutungsinhalt haben und viele der übrigen Begriffe mit erfassen. Mehr aller-

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dings als eine Arbeitshypothese, die den Einstieg in den Begriffsvergleich erleichtert, kann diese Konkretisierung nicht sein. Ein Untersuchungsergebnis ist dadurch nicht präjudiziert. 2. Verwendungshäufigkeit

Für die Regelungen des Umweltchemikalienrechts wie allgemein des Umweltrechts ist die Belastung durch Schadstoffe zentraler Bezugspunkt. Mit gewisser Berechtigung läßt sich sogar sagen, daß die mögliche Belastung durch Chemikalien hinter allen Chemikalienregelungen steht. Während die Umwelt, die menschliche Gesundheit oder die Gefahren und Risiken nicht immer regelungserheblich sind, sondern je nach dem konkreten Schutzzweck einer Norm inhaltlich angesprochen sind, steht die potentielle Chemikalienbelastung als solche außer Diskussion und wird daher vom Gesetzgeber stets voraus.g esetzt. Das gesamte Umweltchemikalienrecht beruht letztlich auf der Erwägung, daß Chemikalien per se eine Belastung für Gesundheit und Umwelt darstellen können und daß es daher entscheidend darauf ankommt, den tatsächlichen Grad und die Tolerierbarkeit der Chemikalienbelastung zu bestimmen. Die im Grundsätzlichen überragende Bedeutung der Belastung und ihrer einzelnen Formen läßt zunächst vermuten, daß auch die zur Aufschlüsselung notwendigen Begriffe eine dementsprechend große Verbreitung haben. Dies trifft jedoch nur in beschränktem Maße zu. In der Regel werden Begriffe wie Schaden, schädliche Wirkungen, Beeinträchtigung, Versehrnutzung etc. nur da, wo es um die Formulierung allgemeiner gesetzgeberischer Ziele geht, tatsächlich verwendet. In dem eigentlichen Regelungsbereich dagegen kommt es auf die bloße Benennung der zu verhindernden Belastungen praktisch nicht an. Im Vordergrund stehen vielmehr die Festlegung des Intensitätsgrades der noch hinzunehmenden Belastungen, die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts und ggf. die Konkretisierung des Schutzobjekts. Die (nicht gefährdenden, nicht schädigenden) Umweltbelastungen als solche sind nicht Gegenstand von bestimmten Handlungspflichten. Von daher erklärt sich, daß Begriffe, die einzelne Formen der Belastung durch Chemikalien beschreiben, in den Gesetzen weit weniger vorkommen als die verwandten Begriffe, die das jeweilige Schutzobjekt konkret benennen (Mensch, Umwelt etc.) oder die abzuwehrende Gefahr beschreiben (Gefahr, Risiko, gefährliche Stoffe etc.). Schon an der Quantität der verwendeten Begriffe ist zu erkennen, daß der Gesetzgeber die unerwünschten Folgen weniger in der Schadensrealisierung sieht als in der Möglichkeit dazu. Die Begriffe zur Benennung der

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jeweils gemeinten Belastungsform besitzen als solche kaum Regelungserheblichkeit, sondern erst in ihrem gedanklichen oder auch terminologischen Zusammenhang mit Schutzobjekten und Gefahrenkonkretisierungen40e. Für den Begriffsvergleich ergibt sich daraus eine Beschränkung des auswertbaren Materials. Begriffe zur Beschreibung der möglichen Belastungen kommen zwar in vielen Chemikaliengesetzen vor, jedoch nicht in einer Bedeutung wie etwa die Begriffsbildungen zur Gefahrenkonkretisierung oder zu den eigentlichen Schutzobjekten. Soweit die Gesetze die schädlichen Wirkungen, Nachteile, Beeinträchtigungen etc. erwähnen, soll überwiegend nur auf generelle Schutzzwecke hingewiesen oder der Hintergrund für normative Festlegungen des Gefahrengrades illustriert werden. Indiz für den relativ geringen Aussagewert dieser Begriffe ist die Tatsache, daß sie in praktisch keiner Regelung der nationalen Chemikaliengesetze definiert werden. Im einzelnen bietet sich folgendes Bild: der Begriff Schaden bzw. dessen Entsprechungen in der jeweiligen Landessprache410 ist relativ verbreitet in der Bundesrepublik Deutschland, weniger schon in Frankreich, Schweden, den Niederlanden und Kanada und kommt in den USA, Großbritannien, Japan, Norwegen, der Schweiz und im EGBereich nur selten vor. Ähnliches gilt für schädliche Wirkungen, schädliche Einwirkungen, schädliche Umwelteinwirkungen und Nachteil. Hier zeigt sich deutlicher noch, daß in der Bundesrepublik eine Ausdifferenzierung vorgenommen wird, die es in den übrigen Ländern nicht in vergleichbarem Maße gibt. Lediglich die schon spezielleren Begriffe mit einem gewissen Objektbezug wie Gesundheitsschaden, Gesundheitsbeeinträchtigung, Belästigung, Verunreinigung oder Versehrnutzung sind international gleichmäßiger gestreut, allerdings sind auch sie nicht überall vorhanden411 • Insgesamt ist eine recht unterschiedliche und zusammengenommen relativ geringe Verwendungshäufigkeit festzustellen. Auch dies ein Zeichen dafür, daß die Bedeutung solcher Begriffe unterschiedlich ein409 Auch in dem vorgestellten Begriffsfeld klingen solche Bedeutungsunterschiede schon an, wie z. B. der abstrakte Begriff Schaden im Gegensatz zum konkretisierenden und objektbezogenen Begriff schädliche Umwelteinwirkung. Hier liegt ein Ansatzpunkt für eine später vorzunehmende Systematisierung. 410 Im Französischen z. B. "dommage" und "prejudice", im Englischen "detriment", "injury" und "prejudice", im Niederländischen "schade". 411 Vor allem in Japan, Großbritannien, der Schweiz und im EG-Regelungsbereich wird weitgehend auf Begriffe zu den einzelnen Belastungsformen verzichtet.

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geschätzt wird und ein besonderer Bedarf für eine Harmonisierung, wie etwa bei den Begriffen Gefahr, Umwelt etc. nicht besteht. Definitionen oder begriffserläutemde Beschreibungen sind ausgesprochen selten. Nur in einigen deutschen und niederländischen Gesetzen finden sich vereinzelt konkretere Hinweise auf den gemeinten Bedeutungsinhalt 412• 3. Abgrenzung des Vergleichsobjekts

a) Allgemeines Das Vergleichsobjekt läßt sich, wie dargestellt, nur ungefähr und nicht eindeutig bestimmen. Es gibt zwar einen Katalog von Begriffen, die intemational mehrfach vorkommen. Sie sind aber in erster Linie nur beispielhafte Hinweise auf die Art und Weise, mit der die nationalen Gesetzgeber das Problem der Benennung unerwünschter Folgen lösen. Dies schließt freilich immer noch die Möglichkeit ein, daß zumindest eine Reihe von Begriffen als typisch und relativ klar umgrenzt erkannt wird. Soweit hier inhaltliche Gemeinsamkeiten festzustellen sind, kommt auch eine Begriffsbeschreibung in Betracht. Ebenso ist eine Systematisierung denkbar, die sich nach den Bedeutungsnuancen der. Begriffe und nach dem Grad der Abstraktion bzw. Konkretisierung aufgliedert. Grundlage der Untersuchung sind all diejenigen Begriffe, mit denen Formen der Belastung durch Umweltchemikalien bezeichnet werden, ohne jedoch den Grad der noch tolerierten Belastung genauer festzulegen. Diese Festlegung geschieht erst durch die Benennung des konkreten Schutzgutes und durch die darauf bezogene Aussage über den zu vermeidenden Gefährdungsgrad. Von beiden Bezugsgrößen ist das Vergleichsobjekt begrifflich abzugrenzen. Darüber hinaus ist es sinnvoll, auch innerhalb des Vergleichsobjekts gewisse Abgrenzungen vorzunehmen, die zu einer inhaltlichen Klärung dessen führen, was im Kern zu untersuchen ist. Bei der Auflistung der in Frage kommenden Begriffe zeigen sich nämlich geringfügige Unterschiede quantitativer und auch qualitativer Natur. b) Verhältnis zueinander Wegen der prinzipiell offenen Liste infrage kommender Begriffe ist es naturgemäß schwierig, eine Differenzierung zu finden, die nicht nur für die gebräuchlicheren, sondern auch für kaum verwendete oder 412 Von einer Definition läßt sich nur bei § 3 Abs. 1 des deutschen BundesImmissionsschutzgesetzes für die schädlichen Umwelteinwirkungen sprechen.

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noch nicht verwendete Begriffe gelten soll. Die Differenzierung kann daher nur gewisse Tendenzen und Besonderheiten aufzeigen, die bei allen Begriffsbildungen dieser Art eine Rolle spielen. Der allgemeinste Begriff für Belastungen durch Chemikalien dürfte "Schaden" sein. Der Schadensbegriff hat eine lange Rechtstradition und schließt sowohl Vermögenseinbußen als auch immaterielle Verluste ein. Ein bestimmtes Bezugsobjekt (Mensch, Umwelt, Sachen o. ä.) hat der Begriff als solcher nicht. Für den Bereich des Umweltchemikalienrechts ist zwar die Nähe zu den Gütern der Umwelt und der Gesundheit intendiert. Dies gilt aber nicht minder für alle sinnverwandten Ausdrücke in diesem Bereich. Als abstrakte Bezeichnung für einen Zustand, der in jedem Fall von den Kontrollnormen des Chemikalienrechts verhindert werden soll, kommt ihm durchaus eine übergeordnete Bedeutung zu. Eine ähnliche Abstraktheit besitzt auch der Begriff Nachteil. Doch steckt in ihm eine gewisse Relativierung der Schutzwürdigkeit der in Betracht kommenden Objekte. Dies läßt sich mit einiger Gewißheit allerdings nur für das deutsche Recht sagen413• Andere Rechtssprachen kennen eine Differenzierung zwischen Schaden und Nachteil nicht bzw. drücken sie terminologisch nicht aus. Der Begriff der Beeinträchtigung weist weniger auf einen Zustand als auf einen Vorgang hin. Streng genommen liegt er auf der Ebene der - im Chemikalienrecht ungebräuchlichen - Begriffe Schädigung und Benachteiligung. Allerdings wirkt sich diese allgemein-sprachwissenschaftliche Besonderheit auf die Rechtsbegrifflichkeit wohl nicht aus. Wichtig erscheint der Umstand, daß mit der Verwendung des Ausdrucks Beeinträchtigung - jedenfalls begrifflich - die Vorstellung verbunden ist, daß schon ein geringerer Belastungsgrad als etwa im Fall des Schadens ausreichen kann, um das Vorliegen einer unerwünschten Folge anzunehmen. Zeitlich oder quantitativ gesehen könnte die Beeinträchtigung eher einsetzen als der Schaden. Dennoch muß die Frage letztlich offen bleiben, ob beispielsweise die Rechtserheblichkeit einer Umweltbeeinträchtigung einen stärkeren Schutz bedeutet, als dies bei einem Umweltschaden anzunehmen wäre. Hierzu fehlt es an gesetzlichen Vergleichsmöglichkeiten. Auch bei der Gegenüberstellung von Gesundheitsschaden und Gesundheitsbeeinträchtigung wäre es spekulativ, einen vom Gesetzgeber gewollten Qualitätsunterschied annehmen zu wollen. Daß zwischen Schaden und Beeinträchtigung Unterscheidungen kaum zu treffen sind, liegt im übrigen auch an den bestehenden Überset413

Vgl. dazu§ 3 Abs. 1 Bundes-Immissionsschutzgesetz; im einzelnen unten

s. 242.

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zungsungenauigkeiten. Der im Englischen gebräuchliche Begriff "detriment" z. B. deckt beide Formen ab, ebenso der Begriff "prejudice". Was die Begriffe Schaden, Nachteil, Beeinträchtigung trotz eventuell möglicher Bedeutungsnuancen entscheidend ausmacht, ist ihre Abstraktheit, das heißt der Verzicht auf den Bezug zu einem bestimmten Schutzgut und zu einer bestimmten Intensität der Belastung. Diese Abstraktheit läßt sie insgesamt als eine Gruppe mit einer gewissen Überordnungsfunktion erscheinen. Eine abgeschwächte Form der Beeinträchtigung ist die Belästigung. Auch sie gehört in das Begriffsfeld hinein, da zumindest nach dem im anglo-amerikanischen Recht gelegentlich zu findenden Ausdruck "nuisance" schon eine Belästigung in gleichem Umfang regelungserheblich sein kann wie etwa die Beeinträchtigung414 • Die zusammengesetzten Begriffe schädliche Wirkungen, schädliche Einwirkungen und schädliche Umwelteinwirkungen können als eine weitere Untergruppe ausgemacht werden. Sie konkretisieren die Chemikalienbelastung dahin, daß eine Beziehung zwischen dem Subjekt und dem Objekt der Belastung hergestellt wird. Im Vordergrund steht die Ursächlichkeit der Chemikalien für Schadensfolgen. In den Chemikaliengesetzen wird relativ häufig auf solche "Wirkungen" (effects, affections) hingewiesen, um die mögliche Schädlichkeit gerade der jeweils geregelten Chemikalien besser hervorheben zu können. Ob darüber hinaus auch bestimmte qualitative Vorstellungen mit der Verwendung dieser zusammengesetzten Begriffe verbunden sind, kann erst die eigentliche Untersuchung ergeben. Ähnliche Konkretisierungen stellen die Begriffe Gesundheitsschaden bzw. gesundheitsschädigend und Gesundheitsbeeinträchtigung bzw. gehundheitsbeeinträchtigend dar. Bei ihnen kommt noch die explizite Bezugnahme auf die menschliche Gesundheit hinzu. Auf andere Schutzgüter, nämlich die Umweltmedien, heben Begriffe wie Verunreinigung (von Umweltgütern), Verschmutzung u. ä. ab. Sie bezeichnen zumeist die Chemikalienauswirkungen auf Luft, Wasser oder Boden, finden sich daher vorwiegend in spezielleren Chemikaliengesetzen. Eine gerrauere Strukturierung des Verhältnisses der Begriffe zueinander ist erst auf der Grundlage des Rechtsvergleichs möglich. Diese erste Einschätzung ist aber eine nützliche Hilfe zur Identifizierung der für das Untersuchungsziel in Frage kommenden Begriffe. 414 Anders z. B. § 3 Abs. 1 Bundes-Immissionsschutzgesetz, wonach nur die erhebliche Belästigung die Annahme einer schädlichen Umwelteinwirkung begründet.

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c) Verhältnis zu den Schutzobjekten und Risikoquantifizierungen Wenn von Belastungen durch Chemikalien gesprochen wird, ist zwangsläufig die Frage aufgeworfen, wer oder was solchen Belastungen ausgesetzt wird und welches Belastungsrisiko noch hingenommen werden kann. Begrifflich sind diese drei Sphären jedoch voneinander zu trennen. Denn nur so ist gedanklich nachzuvollziehen, welche Überlegungen der Gesetzgeber zunächst anzustellen hat, wenn er chemikalienbedingte Risiken in den Griff bekommen will. Zu klären ist jedenfalls, was geschützt werden soll, wovor dieses Schutzgut bewahrt werden soll und schließlich welcher Gefährdungsgrad Anlaß gibt, vom Gesetz her einzuschreiten. Das hier zu untersuchende Begriffsfeld liegt danach in der "Mitte" zwischen der Festlegung des Schutzgutes und der Aussage über die Gefahr einer Schadensrealisierung. Bei dem inneren Zusammenhang kann es nicht verwundern, daß dieses Begriffsfeld keine stets eindeutig auszumachenden Grenzlinien hat. Während der Gegensatz zwischen den Begriffen zur Bezeichnung der Schutzobjekte, also etwa Umwelt, Mensch, Tier, Pflanze, Luft, Wasser oder Boden, und den Begriffen zur Bezeichnung der Gefährlichkeit - Gefahr, gefährliche Stoffe, Eignung zur Beeinträchtigung, Risiko u. ä. - unzweifelhaft ist, somit keine Abgrenzungsprobleme aufwirft, sind die dazwischen liegenden Schadensbegriffe weniger klar abzugrenzen. Während auf der einen Seite z. B. der Begriff der Gesundheitsbeeinträchtigung schon fast ein bestimmtes Schutzgut mitbezeichnet (Mensch), wird auf der anderen Seite etwa durch den Begriff der schädlichen Wirkungen die Nähe zur bloßen Gefahr einer Schutzgutbeeinträchtigung signalisiert. Deutlich ist vor allem das Beispiel der in der Bundesrepublik Deutschland vorhandenen Definition für "schädliche Umwelteinwirkungen", deren Vorliegen angenommen wird, wenn Immissionen geeignet sind, bestimmte Gefahren herbeizuführen415• Hier wird fast eine Gleichsetzung von Annahme eines Schadens und Gefahr eines Schadenseintritts getroffen. Gerade dieses Beispiel zeigt allerdings auch, daß im Kern die Begriffsebenen voneinander getrennt werden müssen. Die Gefahr wird nämlich auf ein gegenüber dem Begriff der Umwelteinwirkung eigenständiges Schutzgut, "Allgemeinheit" oder "Nachbarschaft", bezogen. Die Gefahr für den Menschen also soll eine Beeinträchtigung der Umwelt indizieren. Damit ist aber zwingend die begriffssystematische Trennung von Be415 § 3 Abs. 1 Bundes-Immissionsschutzgesetz: "Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen."

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einträchtigung und Gefährdung unterstellt: wenn die Gefahr für ein Schutzgut gleichgesetzt wird mit der realisierten Beeinträchtigung eines anderen Schutzgutes, ist der vom Schutzgut abstrahierte Begriff der Beeinträchtigung ein aliud zur Gefahr. Je konkreter der allgemeine Schadensbegriff auf Schutzobjekte bezogen wird, wie z. B. bei Gesundheitsschaden, schädlichen Umwelteinwirkungen oder Verunreinigungen, desto präziser, aber auch unflexibler wird er. Entsprechendes gilt für den Bezug zu den verschiedenen Risikoquantifizierungen. Begriffe, die wie etwa schädliche Wirkung oder Belästigung die Grenze zur bloßen Gefahr eines Schadens verwischen, mögen zwar praktikabel sein, sind dadurch aber weiter entfernt von den Grundbegriffen Schaden, Nachteil oder Beeinträchtigung. Auf das Prinzipielle zurückgeführt sind die Schadensbegriffe von den Schutzobjekten dadurch unterschieden, daß sie nicht den Gegenstand einer Belastung durch Chemikalien bezeichnen, sondern nur die Formen solcher Belastungen. Von den Risikoquantifizierungen unterscheiden sie sich insofern, als sie keine Auskunft über die vom Gesetz festgelegte Intensitätsschwelle von Belastungen geben. Damit ist die Identität des zu untersuchenden Begriffsfeldes hinreichend geklärt. 4. Gemeinsamkeiten und Unterschiede im internationalen Vergleich

a) Allgemeines Um das Material für den Begriffsvergleich erschließen und adäquat beschreiben zu können, ist außer der Abgrenzung des Begriffsfeldes eine weitere Vorklärung erforderlich. Wegen der übersetzungsbedingten Identifikationsschwierigkeiten416 muß für die skizzierten Begriffe nach korrespondierenden Begriffen in fremdsprachigen Rechtsordnungen gesucht werden. Wörtliche Übersetzungen wären den Gefahren von Willkür und Zufall ausgesetzt. Sie könnten zu einem Konglomerat von Begriffen führen ohne wirklichen Aussagewert für die beabsichtigte Harmonisierung417• Ohne wertende Zuordnung der zunächst wörtlichen Entsprechungen ist ein halbwegs geschlossenes Bild des Begriffsfeldes nicht zu gewinnen. Vgl. oben S. 228. Insoweit gleicht die Problemlage der Untersuchung zu den Begriffen Verwenden, Behandeln, Umgang, die ebenfalls nicht klar fixiert, sondern nur symptomatisch sind für die Beschreibung der Formen des Umgangs mit Chemikalien; vgl. oben Abschnitt B . 4 16 417

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Wie schon bei der Begriffsuntersuchung zu Verwenden, Behandeln und Umgang ergibt sich auch hier die besondere Situation, daß in der Auswahl und Zuordnung fremdsprachiger Begriffe eine gewisse Vorwegnahme der eigentlichen Begriffsanalyse steckt. Denn die korrespondierenden Begriffe lassen sich nur aus der Häufigkeit ihres Auftretens, aus ihrem Gesetzeskontext und ihrem Verhältnis untereinander ermitteln. Die daraus zu erzielenden Ergebnisse sind allerdings nur grobe Orientierungen und können nicht als direkte Gegenstücke zu den jeweiligen deutschen Ausdrücken gelten. Wegen der geringen Begriffsvielfalt, wie sie z. B. im französischen Chemikalienrecht festzustellen ist, wegen der international recht unterschiedlichen Verwendungshäufigkeit und der - auch bei funktioneller Betrachtung - fortbestehenden Übersetzungsungenauigkeit müssen begriffliche Über lappungen und Lücken in Kauf genommen werden. Ein Hauptgrund für die Unausgewogenheit des identifizierbaren Begriffsfeldes dürfte darin liegen, daß die Bedeutung der allgemeinen Begriffe für die Chemikalienbelastung wegen divergierender Gesetzestechniken und Regelungserfordernissen zu unterschiedlich eingeschätzt wird. Die Obersicht der funktionell miteinander vergleichbaren Begriffe (deutsch, französisch, englisch) kann daher nicht mehr sein als eine erste Orientierungshilfe: Schaden

dommage

schädliche Wirkung, schädliche Einwirkung, schädliche Umwelteinwirkung Beeinträchtigung

harmful effect, noxious effect (to the environment) prejudice

Nachteil Gesundbeitsschaden, gesundbeitsschädigend; Gesundheitsbeeinträchtigung, gesundheitsbeeinträchtigend

prejudice, detriment, impairment prejudice, detriment

affections, accident de personnes; porter atteinte (prejudice) a la sante; nocif

Belästigung (Umwelt-)Belastung, Verschmutzung, Verunreinigung

injury, harm, detriment

injury, injurious (to health), injurious effect; nuisance, noxious effect; impairment (of health) nuisance

nuisance

nuisance, impairment

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Die Gegenüberstellung zeigt zwar einzelne Korrelationen zwischen den deutschen und den fremdsprachigen Begriffen, macht aber auch deutlich, wie ungleichgewichtig die Verteilung insgesamt ist. Für einige deutsche Begriffe gibt es in den französischen Chemikaliengesetzen keine Entsprechungen418• Und häufig muß die Bedeutung eines hier feststehenden Begriffs in ausländischen Chemikaliengesetzen von mehreren Begriffen übernommen werden, wobei selbst dann noch nicht sichergestellt ist, daß die Inhalte sich gleichen419 • Nicht zu erkennen ist aus der Übersicht, wie es um die jeweilige Verwendungshäufigkeit bestellt ist. Aufgeführt sind die am häufigsten und insofern typischerweise vorkommenden Begriffe. Jedoch darf nicht angenommen werden, daß die Proportionen etwa so verteilt wären, wie es nach der Gegenüberstellung den Anschein haben mag. Das tatsächlich vorkommende Begriffsfeld kann in einem Land breit aufgefächert sein (wie in der Bundesrepublik Deutschland), in einem anderen Land hingegen auf sehr wenige Begriffe beschränkt sein (wie in den USA) oder gar nahezu verschwunden sein (Großbritannien). Es hängt entscheidend von den Regelungserfordernissen, Gesetzgebungstechniken und den zur Verfügung stehenden sprachlichen Mitteln ab, ob von der Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, allgemeine Begriffe für Chemikalienbelastungen in die Gesetze aufzunehmen. b) Bundesrepublik Deutschland

Das deutsche Umweltchemikalienrecht ist in hohem Maße kodifiziert und schon deswegen mit zahlreichen Begriffen für Belastungsformen durch Chemikalien ausgestattet. Die sehr unterschiedlichen Regelungsgegenstände und Regelungssysteme420 bedingen eine recht große Begriffsvielfalt. Allerdings ist nicht sicher, ob unterschiedliche Ausdrücke stets auch unterschiedliche Inhalte bezeichnen. Deutlich ist dies etwa beim Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen, der im Chemikaliengesetz und Abfallgesetz auch allgemein im Sinne von nachteiligen Wirkungen für die Umwelt verstanden wird, im Bundes-Immissionsschutzgesetz hingegen konkreter auf die Gefährlichkeit für den Menschen bezogen ist421 • Solche Bedeutungsunterschiede mögen auch mit 418 In noch stärkerem Maße gilt dies für die Rechtssprachen anderer Länder wie den Niederlanden, Japan, Schweden und Norwegen. Dort sind mitunter nur ein oder zwei Termini des hier interessierenden Begriffsfeldes zu identifizieren. 419 Die schädlichen Umwelteinwirkungen z. B. haben nirgendwo den spezifischen Bedeutungsgehalt, wie er in der Definition des § 3 Abs. 1 BundesImmissionsschutzgesetz zum Ausdruck kommt. 420 Vgl. E. Rehbinder (Anm. 116), S. 218 f. 421 Vgl. daneben auch Art. II Abs. 2 der Grundsätze für die Prüfung der Umweltverträglichkeit öffentlicher Maßnahmen des Bundes.

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der Entstehungsgeschichte, d. h. mit den einzelnen Stadien der Herausbildung des Umweltchemikalienrechts zusammenhängen, in denen jeweils bestimmte Begriffsbildungen vorherrschen. Im einzelnen läßt sich folgendes Begriffsbild zeichnen. Der Schadensbegriff ist in den meisten Chemikaliengesetzen angesprochen. Wegen der generellen Zielrichtung, Mensch und Umwelt bzw. einzelne Bereiche der Umwelt vor Schäden durch Chemikalien zu bewahren, kann dies auch nicht verwundern. Häufig werden Begriffe verwendet, in denen der Schaden entweder als Teil eines Kompositums - Gesundheitsschaden - oder als adjektivischer Zusatz - schädigende Eigenschaften, schädliche Einwirkungen etc. - vorkommt. Es mag dabei vielleicht überraschen, daß der Begriff Schaden als solcher kaum und noch dazu nur mit einem engen Bedeutungsinhalt benutzt wird. Er tritt nur an verschiedenen Stellen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, des Abfallgesetzes und des Wasserhaushaltsgesetzes auf422 und ist dort stets auf das materielle Vermögen bezogen. Obwohl der Rechtsbegriff des Schadens an sich generell auch immaterielle Einbußen umfassen kann, wird er im Chemikalienrecht auffälligerweise nur im Sinne wirtschaftlicher Vermögenseinbußen gebraucht. Dies dürfte seinen Grund vor allem in der Ausgestaltung des deutschen Privatrechts haben, wo der Schadensbegriff eine lange Tradition und eine hervorragende Bedeutung hat. Zwar wird auch dort der Nichtvermögensschaden vom Schadensbegriff erfaßt, stets aber ist der inhaltliche Bezug zur zivilrechtliehen Haftung, d. h. zur Ersatzpflicht zu beachten. Schadensersatz ist meist in Geld zu leisten423 • Der Kontext im Privatrecht, im übrigen aber auch im Strafrecht und in Teilen des öffentlichen Rechts ist so sehr vom Schutz des wirtschaftlichen Vermögens geprägt, daß die Übertragung des Schadensbegriffs auf das Recht des Umweltschutzes wohl problematisch ist. Denn hier geht es weit weniger um die Kompensation eventuell eingetretener Schäden als um deren dauernde Verhinderung, noch dazu in einem Bereich, der weitgehend vom Schutz immaterieller Werte bestimmt ist. Um insoweit Mißverständnisse möglichst auszuschließen, bietet sich an, das Wort Schaden entweder zu vermeiden oder nur dann zu gebrauchen, wenn (ausnahmsweise) der Vermögensschaden gemeint ist. Im übrigen aber bietet der Schadensbegriff zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten. Er wird in den Chemikaliengesetzen auf vielfältige 422 § 52 Abs. 6 Bundes-Immissionsschutzgesetz, §§ 3 Abs. 7, 7a Abs. 1 Nr. 3 Abfallbeseitigungsgesetz, §§ 22 Abs. 1, 30 Abs. 3 Wasserhaushaltsgesetz. 423 Ausnahme § 253 BGB, der bei immateriellen Schäden grundsätzlich Naturalrestitution vorschreibt.

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Weise benutzt424 , wobei der Bezug zum jeweils gemeinten Schutzgut stets explizit hervorgehoben ist. Im Pflanzenschutzgesetz z. B. ist von "Schäden für die Gesundheit von Mensch und Tier", von "tierischen und pflanzlichen Schädlingen" und von "Schadorganismen" die Rede425, im Düngemittelgesetz gleichfalls von "Schadorganismen" sowie davon, daß Düngemittel "die Gesundheit von Menschen und Haustieren nicht schädigen" dürfen426 • Und im DDT-Gesetz wird u. a. auf die "schwere Schädigung an Körper und Gesundheit" abgestellt427 • Beispiele für solche Einbindungen des Schadensbegriffs in spezifische Schutzzwecke lassen sich in vielen Chemikaliengesetzen finden428• Vorherrschend ist dabei stets die Verbindung zwischen Schaden und Gesundheit. Inhaltlich sind sonst kaum verwertbare Gesichtspunkte für eine allgemeine Beschreibung des Begriffs Schaden zu gewinnen. Doch zeigen die unterschiedlichen Anwendungsformen, daß der Begriff große Flexibilität besitzt und dennoch so aussagekräftig ist, daß er sich zur Konkretisierung einzelner Belastungsformen gut eignet. Im Hinblick auf den allgemeinen Schadensbegriff im Umweltchemikaliengesetz kommt den Wendungen "schädigende Eigenschaften", "schädliche Wirkungen", "schädliche Einwirkungen" und "schädliche Umwelteinwirkungen" eine besondere Bedeutung zu. Sie werden nicht speziell auf die Gesundheit oder das Leben bezogen, sondem allgemeiner auf die Umwelt bzw. auf Mensch und Umwelt. Nicht zufällig daher finden sie sich vorzugsweise in den allgemeinen Regelungen des Chemikalienrechts, insbesondere also im Chemikaliengesetz und im BundesImmissionsschutzgesetz. Die "Menschen und die Umwelt vor schädlichen Einwirkungen" gefährlicher Stoffe zu schützen, ist der Zweck des Chemikaliengesetzes429. Damit wird dem Ausdruck "schädliche Einwirkungen" die Funktion der Beschreibung aller denkbaren und regelungserheblichen Belastungsformen zugewiesen. Insbesondere schädlich sind daher Stoffe 424 z. B. durch Bildung der Verlaufsform Schädigung, schädigend -, durch Wortkombinationen - Schadorganismen, Gesundheitsschaden, Schaden am Körper oder an der Gesundheit - oder als adjektivischer Zusatz schädliche Wirkungen, schädliche Einwirkungen, schädliche Umwelteinwirkungen-. 425 u. a. §§ 1-3 Pflanzenschutzgesetz. 426 §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 Düngemittelgesetz. 427 § 7 Abs. 4 DDT-Gesetz. 428 u. a. auch im Wasserhaushaltsgesetz, Abwasserabgabengesetz, Altölgesetz, im Recht der Abfallbeseitigung sowie im Bundes-Immissionsschutzgesetz und Chemikaliengesetz. 429 Vgl. §§ 1 und 7 Abs. 1 Chemikaliengesetz.

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und Zubereitungen, die nach bestimmten Merkmalen als "gefährlich" bezeichnet werden430• Zwischen der Gefährlichkeit und der Schädlichkeit besteht insoweit eine enge inhaltliche Beziehung. Daß beide Begriffe hingegen nicht identisch sind, folgt aus der Regelungssystematik des Gesetzes, die Rechtsfolgen nicht direkt an die Gefährlichkeit von Stoffen knüpft, sondern erst an die Möglichkeit, daß gefährliche Stoffe verwendet, das heißt hergestellt, eingeführt oder in den Verkehr gebracht werden. Erst die mögliche Berührung mit Menschen bzw. den Medien und Elementen der Umwelt also macht die gefährlichen Stoffe zu Stoffen mit schädigenden Einwirkungen. Konsequent ist es daher auch, wenn die einzelnen Gefährlichkeitsmerkmale für Stoffe oder Zubereitungen in § 3 Nr. 3 lit. n als "schädigende Eigenschaften" bezeichnet werden. "Gefährlich" kann mit "schädigend" nämlich in dem Sinne gleichgesetzt werden, daß in der Gefährlichkeit von Stoffen schädigende Eigenschaften zum Ausdruck kommen, die sich (später) durch die Verwendung der Stoffe als schädliche Einwirkungen auf Mensch oder Umwelt darstellen. Auch hierin zeigt sich somit die enge Verknüpfung und gleichwohl eigenständige Bedeutung der Begriffe Gefahr und Schaden bzw. gefährlich und schädlich. Für die Begriffsinterpretation kann daraus gefolgert werden, daß es "bei schädlichen Einwirkungen" und "schädigenden Eigenschaften" nicht auf tatsächlich festgestellte (Umwelt-)Schäden ankommt. Aus gesetzgeberischer Sicht reicht für die Annahme schädlicher Wirkungen aus, wenn als gefährlich erkannte Stoffe oder Zubereitungen in den Verkehr gelangen. Die Schädlichkeit eines Stoffes setzt demnach zeitlich früher ein, als wenn ein durch Stoffe verursachter Schaden festgestellt werden müßte431 • Was sich für das Chemikaliengesetz aus der Zusammenschau der einzelnen Regelungen ergibt, ist im Bundes-Immissionsschutzgesetz noch klarer ausgedrückt. Begriffsystematisch mag zwar zwischen "schädlichen Einwirkungen" auf Menschen und Umwelt (Chemikaliengesetz) und "schädlichen Umwelteinwirkungen" (Bundes-Immissionsschutzgesetz) zu unterscheiden sein. Prinzipielle Gegensätze bestehen aber nicht. Die Umwelteinwirkungen sind lediglich insofern enger gefaßt, als sie die Einwirkungen auf die Umwelt begrifflich voraussetzen, so daß die Frage der Schädlichkeit nicht mehr in bezug auf Mensch und Umwelt, sondern nur noch in bezug auf den Menschen432 zu stellen ist. § 3 Nr. 3 Chemikaliengesetz. Entsprechendes müßte für "schädlich beeinflußt" und "schädliche Umwelteinwirkungen" in § 2 Abs. 1 Nr. 4 und 5 Abfallbeseitigungsgesetz gelten. 432 Sowie a uf "Tiere, Pflanzen und andere Sachen", § 1 Bundes-Immissionsschutzgesetz. 430

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Das Bundes-Immissionsschutzgesetz sieht in § 3 Abs. 1 eine Definition vor, die den Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen in die Nähe der Gefahr (für die Allgemeinheit oder Nachbarschaft) rückt433 • Die Schädlichkeit von Umwelteinwirkungen gilt als nachgewiesen, wenn eine hinreichend festgestellte Wahrscheinlichkeit zum Schadenseintritt besteht. Daneben können auch erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen die Annahme schädlicher Umwelteinwirkungen rechtfertigen. Hierin kommt eine Wertung zum Ausdruck, die den Nachteil und die Belästigung als eine gegenüber dem Schaden wie auch der Schädlichkeit minderschwere Form der Belastung ausweist. Obwohl als Subjekt der Umwelteinwirkungen nur die Immissionen, das heißt Luftverunreinigungen in Betracht kommen, Umweltchemikalien also nur in dieser Eigenschaft erfaßt sind434 , läßt sich doch eine für das allgemeine Chemikalienrecht bedeutsame Aussage aus dem Bundes-Immissionsschutzgesetz herauslesen, nämlich eine Abstufung hinsichtlich der Begriffe Schaden, Schädlichkeit, Nachteil und Belästigung. Eine inhaltlich vergleichbare Definition der schädlichen Umwelteinwirkungen ist in Art. II Abs. 2 der Verwaltungsvorschrift "Grundsätze für die Prüfung der Umweltverträglichkeit öffentlicher Maßnahmen des Bundes" 435 enthalten. Sie ist allerdings insofern unschärfer, als sie über das Verhältnis zwischen Schaden und Gefahr nichts besagt. Weitere Definitionen zum Schadensbegriff wie auch zu den sonstigen Belastungsformen durch Chemikalien gibt es nicht. Dieser weitgehende Verzicht auf Definitionen dürfte für einen unterstellten Konsens der Bedeutungsinhalte, aber auch dafür sprechen, daß es für die Regelungen nicht so sehr auf eine genaue Festlegung der Begriffe ankommt. In der Regel dienen sie nur zur Beschreibung der gesetzlichen Schutzzwecke436• Soweit die hier interessierenden Begriffe in den Chemikaliengesetzen verwendet werden, lassen sich ihre Inhalte über die Sprachbedeutung hinaus nur ansatzweise ermitteln. Der häufig vorkommende Begriff der Beeinträchtigung wird grundsätzlich nicht auf die allgemeinen Schutzobjekte Mensch und Umwelt 433 43 4

435

Vgl. oben Anm. 415. Vgl. § 3 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 2 Bundes-Immissionsschutzgesetz. Bekanntmachung des Bundesministers des Innern vom 12. 9. 1975, GMBl.,

s. 717. 436 Beispielhaft sei auf § 2 Bundesnaturschutzgesetz, § 12 Bundeswaldgesetz, § la Wasserhaushaltsgesetz, § 1 Waschmittelgesetz und § 2 Abfallbeseitigungsgesetz hingewiesen.

I. Analyse

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bezogen, sondern auf einzelne Ausschnitte dieser Schutzobjekte. Erwähnt sind unter anderem Beeinträchtigung von Natur und Landschaft, Beeinträchtigung der Gewässer, Beeinträchtigung der Trinkwasserversorgung, Beeinträchtigung des Wohlbefindens des Menschen oder auch Beeinträchtigung des Eigentümers437 • Eine Aussage über die Intensität der jeweiligen Belastungen läßt sich den verschiedenen Verwendungsformen nicht entnehmen, auch dann nicht, wenn man den Gesetzeskontext berücksichtigt. Im Prinzip also könnte Beinträchtigung mit Schaden synonym gebraucht werden. Der Unterschied zwischen dem Begriff der Beeinträchtigung und dem Schadensbegriff (in seinen einzelnen Anwendungsformen) dürfte darin liegen, daß die Beeinträchtigung den spezielleren Schutzgütern zugeordnet wird und im übrigen der Schadensbegriff eine größere Flexibilität aufweist. Der Begriff Nachteil ist im Chemikalienrecht weniger verbreitet. Soweit er gebraucht wird, hat er die schon oben skizzierte Bedeutung einer weniger belastenden Form der Einwirkung durch Chemikalien438. Obwohl auch der Begriff der Umweltbelastung in das Begriffsfeld an sich gehört, ist er im Chemikalienrecht nirgendwo enthalten. Daß er möglicherweise die allgemeinste Form der Chemikalienbelastung beschreibt, könnte mit dem Hinweis auf § 1 des Gesetzes über Umweltstatistiken439 belegt werden, wo der Zweck dieses Gesetzes mit der Erfassung von Daten über Umweltbelastungen und Umweltschutzmaßnahmen beschrieben wird. Verschiedentlich findet sich auch der Begriff der Verunreinigung. Er tritt in zwei Arten auf: als Verunreinigung von Gewässem440 und als Verunreinigung der Luft441 • Eine weitere inhaltliche Qualifizierung ist auch beim Verunreinigungsbegriff nicht möglich, ohne daß die normativ nicht erfaßten - Testmethoden und Testdaten mit einbezogen werden. Insgesamt ist die Situation im deutschen Chemikalienrecht durch eine relativ breite Streuung von Belastungs- bzw. Schadensbegriffen gekennzeichnet. Gewisse Abstufungen lassen sich dabei durchaus fest437 In der Reihenfolge der Erwähnungen: § 8 Abs. 2 Bundesnaturschutzgesetz, § 1a Abs. 1 Wasserhaushaltsgesetz, § 1 Abs. 1 Waschmittelgesetz, § 2 Abs.1 Abfallbeseitigungsgesetz, § 42 Abs. 1 Bundes-Immissionsschutzgesetz. 438 Vgl. z. B. § 12 Abs. 1 Bundeswaldgesetz, §§ 1, 3 Abs. 1, 4 Abs. 1, 5 Nr. 1, 15 Abs. 2, 17 Abs. 1 Bundes-Immissionsschutzgesetz. 439 Vom 14. 3. 1980, BGBl. I, S. 311. 440 § 2 Abs. 1 Nr. 6 Bundesnaturschutzgesetz, § 1a Abs. 2 Wasserhaushaltsgesetz. 441 § 2 Abs. 1 Nr. 4 Abfallbeseitigungsgesetz, §§ 3 Abs. 2 und 4, 4 Abs. 1 Bundes-Immissionsschutzgesetz, § 2 Abs. 2 Benzinbleigesetz.

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L. Begriffe: Schaden, Beeinträchtigung, Nachteil, Belästigung etc.

stellen. Allerdings sind besondere inhaltliche Konkretisierungen nur im Ansatz möglich. Denn vorherrschend ist das allgemeinsprachlich geprägte Begriffsverständnis. Für den Begriff der "schädlichen Umwelteinwirkungen" gibt das Immissionsschutzrecht zwar eine Definition. Sie kann aber nur in diesem Teilbereich, nicht also im gesamten Chemikalienrecht Geltung beanspruchen.

c) Europäische Gemeinschaften In den einschlägigen Regelungen der Europäischen Gemeinschaften sind allgemeine Begriffe zur Beschreibung der Chemikalienbelastung kaum vorhanden. Dies hat typischerweise zur Folge, daß sie wenig Auslegungsspielräume zulassen und in den Mitgliedsländern relativ problemlos angewendet werden können. Die 6. EG-Änderungsrichtlinie von 1979 verfolgt gegenüber der Richtlinie von 1967 den Zweck, die Kontrolle für das Irrverkehrbringen neuer chemischer Stoffe zu verstärken und die erforderlichen Maßnahmen gerrauer festzulegen442 • Aus diesem Grunde ist insbesondere die Identifizierung und Einstufung gefährlicher Stoffe und Zubereitungen präziser gefaßt. Mit Hilfe von ausführlichen Definitionen und naturwissenschaftlich entwickelten Kriterien soll begriffliche Weitläufigkeit möglichst vermieden werden. Allgemeine Auffang- oder Sammelbegriffe kommen daher im Begriffskatalog des Artikel 2 nur soweit unvermeidlich vor. Der Schadensbegriff tritt nur in einer Form, nämlich in der Beziehung zur Gesundheit auf. In Artikel 2 Abs. 2 h ist gesundheitsschädlich definiert als eine Eigenschaft der Stoffe und Zubereitungen, die "Gesundheitsschäden von beschränkter Wirkung" 443 hervorrufen kann. Die Gesundheitsschädlichkeit soll also eine minderschwere Form des Gesundheitsschadens kennzeichnen444 • Unter dem Vorbehalt, daß die Schädlichkeit bzw. der Schaden von seinem Bezugspunkt Gesundheit abstrahiert werden kann, ließe sich somit eine Parallele zum entsprechenden Gebrauch im deutschen Chemikalienrecht ziehen. Wirkungen, die sich als Schäden darstellen, sind demnach eine stärkere Belastung für ein Schutzgut als Wirkungen, die als schädlich qualifiziert werden. 442 Vgl. die Einleitung der 6. EG-Änderungsrichtlinie, Amtsblatt der EG Nr. L 259/10 vom 15. 10. 1979. 443 Diese Formulierung ist in der offiziellen englischen Fassung allerdings mit "limited health risks" wiedergegeben, so daß dort keine Beziehung zum Schadensbegriff ersichtlich ist. 444 Dies ergibt sich auch aus dem Vergleich mit der Definition zur Kategorie "giftig" in Art. 2 Abs. 2g, die auf "erhebliche akute oder chronische Gesundheitsschäden" bezogen ist.

I. Analyse

245

Der Begriff Nachteil kommt zwar nicht mehr in der verabschiedeten Fassung, aber noch in dem Vorschlag zur 6. Änderung der EG-Richtlinie aus dem Jahr 1976 vor445 • Dort wird in Artikel 2 Abs. 2 i "umweltgefährlich" als Stoffeigenschaft definiert, bei der "sofortige oder spätere Nachteile" für die Umwelt auftreten können. Im entsprechenden Artikel 2 Abs. 2 k der verabschiedeten Richtlinie wird dagegen auf "sofortige oder spätere Gefahren" abgehoben. Wenngleich nicht unterstellt werden darf, daß diese Änderung nur redaktionelle oder rechtstechnische Gründe hat, kann aber doch angenommen werden, daß der Unterschied zwischen Nachteil und Gefahr nicht so fundamental einzuschätzen ist wie etwa der Unterschied zwischen Schaden und Gefahr. Der Begriff Nachteil- obwohl im geltenden Recht nicht vorhanden- dürfte also eine weniger belastende Form der Chemikalieneinwirkung kennzeichnen als der Begriff Schaden. Auch insoweit würde sich eine Parallele zum deutschen Chemikalienrecht ergeben. d) Niederlande

In den Niederlanden werden unterschiedliche Begriffe zur Kennzeichnung von Chemikalienbelastungen benutzt. Eine abschließende inhaltliche Klärung ist auch hier nicht möglich. Der Begriff Schaden (schade) wie auch der Begriff Nachteil (nadeel) kommt in§ 1 Abs. 1 des Immissionsschutzgesetzes vor446 • Das Merkmal "schädlich" (schadelijk) findet sich in der Zweckbestimmung zum Gesetz über den Gewässerschutz447 , wo es allgemein die Verunreinigung des Nutzwasser bezeichnen soll und somit auf den Gesundheitsschutz zielt. In einer Ausführungsverordnung zum Gesetz über gefährliche Stoffe448 wird "schädlich" darüber hinaus als eine Kategorie der gefährlichen Stoffe behandelt. Inhaltlich ist dieser Begriff "gesundheitsschädlich" mit Artikel 2 Abs. 2 h der 6. EG-Änderungsrichtlinie vergleichbar. "Schädliche Wirkungen" (schadelijke werkingen) sind in § 3 Abs. 2 des Gesetzes über Schädlingsbekämpfungsmittel angesprochen449, hier mit Bezug auf den Schutz von Menschen, Tier und Pflanzen. 445 Richtlinien-Vorschlag zur 6. Änderung der Richtlinie 67 /548 / EWG, Amtsblatt der EG Nr. C 260 vom 5. 11. 1976. 446 Wet inzake de luchtverontreiniging; Stb. 1970, 580. Der Ausdruck "Schaden" wird außerdem u. a. in § 1 Abs. 1 des Gesetzes gegen Belästigungen der Allgemeinheit benutzt, Hinderwet; Stb. 1952, 274. 447 Wet verontreiniging oppervlaktewateren; Stb. 1969, 536. 448 Besluit Aflevering Gevaarlijke Stoffen; Stb. 1979, 764. Dort § 3 Abs. 2e. 449 Bestrijdingsmiddelenwet.

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L. Begriffe: Schaden, Beeinträchtigung, Nachteil, Belästigung etc.

Die Begriffe Gesundheitsschaden, Gesundheitsbeeinträchtigung und Belästigung spielen in mehreren Gesetzen eine übergeordnete Rolle. Zusammen mit der (Gesundheits-)Gefahr werden sie zur Beschreibung von Zielbestimmungen und auch Eingriffskriterien herangezogen. Nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes gegen Belästigungen der Allgemeinheit ist die Errichtung von Industriebetrieben ohne besondere Lizensierung verboten, wenn Gefahren, Beeinträchtigungen oder Belästigungen der Allgemeinheit zu befürchten sind. Und das Immissionsschutzgesetz sieht in verschiedenen Vorschriften Eingriffsmöglichkeiten vor, wenn durch Luftverunreinigungen eine bedeutsame Gesundheitsgefährdung, eine unvertretbare Belästigung oder eine ernsthafte Gesundheitsbeeinträchtigung hervorgerufen werden kann450. Diese gesetzliche Wertung ist den entsprechenden Vorschriften des deutschen Bundes-Immissionsschutzgesetzes vergleichbar. Auffallend ist, daß in den niederländischen Umweltchemikaliengesetzen die allgemeinen Begriffe des Schadens, der Beeinträchtigung und des Nachteils bisher ausschließlich auf den Gesundheitsschutz bezogen sind. Andererseits ist begrifflich jedoch nicht auszuschließen, daß auch die Belastungen der Umwelt durch solche Begriffe erfaßt werden könnten. e) Kanada In den kanadischen Vorschriften sind ebenfalls vorzugsweise Begriffe mit Bezug auf den Gesundheitsschutz enthalten. Im Lebensmittelgesetz wird auf die Schädlichkeit in dem Sinne abgestellt, daß Gesundheitsgefährdungen ausgeschlossen sein müssen451 • In den Regeln über den Transport gefährlicher Güter ist als eine Kategorie giftiger Stoffe der "schädliche Stoff" genanntm. Die Schädlichkeit wird angenommen, wenn nach bestimmten Testmethoden Gesundheitsbeeinträchtigungen möglich erscheinen. Stärker noch als diese Schadensbegriffe (detriment, harmful) heben die Begriffe Gesundheitsbeeinträchtigung (impairment) und Gesundheitsschaden (injury, personal injury) auf das Schutzgut der menschlichen Gesundheit ab. Sie werden an anderer Stelle des Lebensmittelgesetzes453 sowie im Strahlenschutzgesetz454 verwendet. Der Begriff Verschmutzung hat die Funktion einer Sammelbezeichnung für Umweltbelastungen. Er erscheint in der Präambel zum Envi450 §§ 42 Abs. 1, 43 Abs. 1 Wet inzake de luchtverontreiniging. 451 Food and Drugs Act, Sec. 4. 452 TransportaUon of Dangerous Goods Regulations - Part III. 453 Sec. 18. 454 Radiation Emitting Devices Act, sec. 11.

I. Analyse

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ronmental Contaminants Act 1975. Danach dient das Gesetz dem Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt vor Substanzen, die die Umwelt verschmutzen.

f) Sonstige Länder Die Situation in Kanada ist beispielhaft für manche andere Länder. Es gibt zwar kaum eine Rechtsordnung, in der allgemeine Begriffe zur Belastung durch Chemikalien überhaupt nicht vorkämen. Aber die Streuung solcher Begriffe geschieht recht willkürlich und ohne eine erkennbare Systematik. Lediglich schwache Tendenzen lassen sich bei der Begriffsauswahl feststellen. Wie in Kanada, so finden sich in den Chemikaliengesetzen Frankreichs, Japans, der Schweiz, Schwedens, Norwegens und der USA ve;reinzelt Begriffe, die zur Beschreibung verschiedener Belastungsformen dienen, die aber insgesamt nicht so eine große Bedeutung haben wie in den Niederlanden oder in der Bundesrepublik. Im französischen Gesetz über die Kontrolle chemischer Produkte455 zum Beispiel sind Begriffsbildungen wie "gesundheitsbeeinträchtigend", "nachteilig für die Gesundheit" und "Belästigung" enthalten456, eine ausgesprochene Orientierung an Belastungen der Umwelt fehlt allerdings. Im japanischen Gesetz über die Prüfung chemischer Stoffe und zur Regelung ihrer Herstellung und dergleichen sowie in der dazu ergangenen Kabinettsorder457 ist an verschiedenen Stellen von Beeinträchtigung der menschZiehen Gesundheit, Besorgnis einer Gesundheitsschädigung und allgemein von Beeinträchtigung oder Schädigung die Rede458 • Nähere Inhaltsbestimmungen sind in beiden Gesetzen nicht getroffen. Bei der Klassifizierung von gefährlichen Stoffen findet sich in Japan die Besonderheit, daß für ihre Zulassung die Versehrnutzung der Umwelt ausgeschlossen sein muß. Maßgebliches Risikokriterium hierfür ist nicht etwa die Gefahr einer Beeinträchtigung der Gesundheit, sondern der Grad der UmweZtbelastung. Eine weitere Konkretisierung der Umweltbelastung ist im Gesetz allerdings nicht enthaltenm. In der Schweiz ist nach dem 2. Vorentwurf für ein Umweltschutzgesetz460 die "Belastung der Umwelt" Kriterium für die von der zustänNr. 771771 vom 12. 7. 1977. Vgl. Art. 2 und 4. 457 Gesetz Nr.l17 vom 16.10. 1973, Kabinettsorder Nr. 202 vom 17. 6.1974. 456 Vgl. §§ 1, 2 Abs. 2 Nr. lb des Gesetzes und§ 2 der Kabinettsorder. 459 § 14; vgl. auch E. Rehbinder (Anm. 116), S. 39. 460 Vorentwurf vom 23. 12. 1977 zu einem Bundesgesetz über den Umweltschutz, dort Art. 13. 455 456

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digen Behörde vorzunehmende Umweltverträglichkeitsprüfung. Detaillierte Regelungen über Methoden und Parameter der Umweltbelastung sind Gegenstand von Ausführungsvorschriften. In Schweden wird der Begriff Schaden eigenständig verwendet, und zwar mit Bezug sowohl auf den Menschen als auch auf die Umwelt. Daneben ist die Gesundheitsschädlichkeit Eingriffskriterium461 • Das norwegische Gesetz Nr. 79 über die Kontrolle von Produkten462 nennt eine ganze Reihe verschiedenartiger Belastungen. Es gilt für alle Arten von Stoffen, Gemischen und Produkten, die Gesundheitsschäden oder Umweltbelastungen herbeiführen können. Insbesondere erfaßt sind Produkte, die die Umwelt durch Versehrnutzung oder ähnliche Belastungen beeinträchtigen können. Eingriffsvoraussetzung sind gesundheits- oder umweltschädliche Wirkungen463• Die allgemeineren Umweltchemikaliengesetze der USA schließlich kommen weitgehend ohne allgemeinbeschreibende Belastungsbegriffe aus. Im TSCA und CPSA werden vorwiegend konkrete Schutzgüter und Risikokriterien genannt, ohne deshalb auf Begriffe Schaden, Beeinträchtigung etc. zurückgreifen zu müssen. Typisch für die Begriffsbildung ist, daß statt von Gesundheitsschaden oder Gesundheitsbeeinträchtigung von "Krebs, Erbschäden oder Geburtsdefekt" (TSCA) und von "Risiko des Todes, einer Körperverletzung oder einer ernsten oder häufigen Krankheit" (CPSA) gesprochen wird.

g) Ergebnis Der internationale Vergleich ergibt zwar eine durchaus breite Streuung von Begriffen, die geeignet sind, Formen der Belastung durch Chemikalien zu bezeichnen. Soweit sie aber nicht auf ein bestimmtes Schutzobjekt bezogen sind, ist ihr Bedeutungsinhalt nur ansatzweise zu ermitteln. Dies liegt nicht nur an dem Fehlen von Definitionen, sondern ebenso an terminologischen Ausdrucksformen, die durch Übersetzungen nicht völlig zu klären sind, und bisweilen auch an einer willkürlich anmutenden Begriffsverwendung. Aufgrund de r nach Vielfalt und Inhaltsschärfe etwas gesicherteren Begriffe des deutschen Chemikalienrechts läßt sich eine S ystematik entwickeln, die angewendet auf ausländische Verwendungsformen zu einer strukturierten und harmonisierten Begrifflichkeit führen kann. 461 §§ 1, 3 Abs. 1 des Gesetzes über gesundheits- und umweltgefährliche Produkte vom 27. 4. 1973, SFS 1973, 329. 462 Vom 11. 6. 1976, NLT 1976, 441. 463 §§ 1 und 3 Abs. 1 des Gesetzes.

II. Harmonisierungserörterungen

II. Harmonisierungserörterungen 1. Allgemeines

Das generelle Ziel der Harmonisierung von Schlüsselbegriffen ist die Vereinheitlichung ihrer Inhalte, Anwendungsbereiche und Funktion. Dies setzt jedoch einen tatsächlichen oder erreichbaren Konsens über die normativen Implikationen der Begriffe voraus. Je weitreichender solche Implikationen sind, desto schwieriger ist grundsätzlich die Konsensbildung. Die Grenze liegt in jenem Fall dort, wo die Begriffsharmonisierung in die Regelungsautonomie der nationalen Gesetzgeber spürbar eingreifen würde. Dieses Widerspiel von begrifflichem Konsens und gesetzgeberischer Autonomie hat bei der Untersuchung des Gefahrenbegriffs464 zu einem abgestuften Konzept geführt, das von einer echten Definition (für die gefährlichen Stoffe) bis zu einer bloßen Beschreibung (des allgemeinen Gefahrenbegriffs) reicht. Umfassende Definitionen wären ohne Eingriffe in den Normbereich nicht möglich gewesen. Ähnlich ist die Situation beim Schadensbegriff. Definitionen für die Begriffe des Schadens, der Beeinträchtigung, des Nachteils etc. sind in den nationalen Chemikaliengesetzen nicht vorhanden. Ebensowenig gibt es international Einigkeit darüber, welcher Grad an Belastungen durch Chemikalien die Annahme eines Schadens, einer Beeinträchtigung oder eines Nachteils rechtfertigt. Solange derartige Begriffe ihren abstrakten Charakter behalten, also nicht auf konkrete Schutzgüter bezogen sind, ist eine definitorische Festlegung ohnehin nicht möglich; die Schadensanfälligkeit des Menschen zum Beispiel ist eine andere als die der Umwelt. Aber auch im Fall konkret schutzgutbezogener Begriffe können Definitionen nicht entwickelt werden, ohne das Schutzgut selbst definiert zu haben. Erst auf der Grundlage gesicherter Definitionen, insbesondere des Gesundheitsbegriffs, wären inhaltliche Festlegungen der erforderlichen Belastungsintensität möglich. Die Schädlichkeit selbst - bezogen auf das jeweilige Objekt - läßt sich bei Chemikalien im wesentlichen anband zweier Charakteristika messen. Das eine ist die chemische Reaktion, durch die sich zum Beispiel Explosionsgefährlichkeit, Entzündlichkeit, Ätzung, Reizung oder ionisierende Strahlung ergeben kann. Das andere ist die Toxizität, die lethale, karzinogene, teratogene, mutagene oder sonstige gesundheitsschädigende Folgen haben kann483 • Vgl. Abschnitt K, S. 159 ff. Vgl. auch die Gefahrenmerkmale für gefährliche Stoffe in § 3 Nr. 3 des deutschen Chemikaliengesetzes oder Art. 2 Abs. 2 der 6. EG-Änderungsrichtlinie. 464

465

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Allgemein kommt es daneben noch auf das Umweltverhalten von Chemikalien an, das nicht ohne weiteres mit den Kategorien der Reaktion und der Toxizität zu messen ist. Entscheidend für all solche Feststellungen sind jedoch die zugrundeliegenden, national unterschiedlichen Testmethoden und die vorausgesetzten Expositionsmengen. Soweit sie normiert sind, geschieht dies in Ausführungsvorschriften oder Richtlinien, also außerhalb des Gesetzes und damit auch außerhalb der rechtsbegrifflichen Ebene. Diese Umstände lassen es nicht zu, klare Begriffsdefinitionen zu finden. Der Wert einer Harmonisierung ist dadurch aber nicht notwendigerweise gemindert. Denn anders als der Gefahrenbegriff ist der Schadensbegriff durch seine vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten geprägt. Seine eigentliche Bedeutung liegt nicht in ihm selber, sondern in seiner Differenzierungsfähigkeit. Er kann "horizontal" auf verschiedenartige Objekte bezogen sein, so daß sich nebeneinanderstehende konkretisierte Schadensbegriffe ergeben. Und faßt man ihn als Oberbegriff für unerwünschte Belastungen durch Chemikalien auf, so kann er "vertikal" für unterschiedliche Formen und Intensitäten genutzt werden. Diese Vielfalt bietet für den Gesetzgeber den Vorteil weitreichender Begriffsflexibilität und damit die Möglichkeit, auf die unterschiedlichen Regelungserfordernisse mit präziser Begrifflichkeit zu reagieren. Vor diesem Hintergrund kommt es vor allem darauf an, die Funktion des bzw. der Schadensbegriffe zu erläutern, eine typische (aber nicht abschließende) Begriffsauswahl zu treffen und nach Möglichkeit eine Systematisierung zu finden, dietrotzder Abstraktheit der Begriffe eine klärende Zuordnung darstellt. Ein solchermaßen harmonisiertes Konzept kommt dem in gleicher Weise bestehenden Bedürfnis nach Begriffsklarheit und Begriffsflexibilität am nächsten466 • 2. Bescllreibungsinbalte

Regelungen, die sich auf die Gefahren im Umgang mit Chemikalien beziehen, schließen zwangsläufig die Ebene des zu verhindernden Schadens ein. Ohne Kennzeichnung dessen, welche Form einer Gefahrenrealisierung verhindert werden soll, läßt sich die regelungserhebliche Gefahr nicht charakterisieren. Dieser inhaltliche Zusammenhang kann allen Kontrollnormen des Umweltchemikalienrechts unterstellt werden. Begrifflich sind Gefahrenebene und Schadensebene hingegen zu tren466 Das Harmonisierungskonzept ist insofern mit der Situation des Begriffsfeldes Verwenden, Behandeln, Umgang vergleichbar, wo es auf die Wahrung der Flexibilität und Variationsbreite ankommt; vgl. Abschnitt B, S. 34 ff.

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nen. Von einzelnen Ausnahmen abgesehen, wird eine Begriffstrennung von den Chemikalienregelungen auch vorgenommen. Allerdings muß dies nicht unbedingt durch Verwendung der Begriffe Schaden, Beeinträchtigung, Nachteil etc. geschehen, sondern ist ebenso durch direkte Einbeziehung des Schutzgutes möglich. Bei Rechtsbegriffen wie zum Beispiel Gesundheitsgefahr, Umweltgefahr bzw. -risiko, Gefährdung von Mensch, Tier oder Pflanze und ähnlichen Zusammensetzungen sind abstrakte Schadensbegriffe entbehrlich. Insofern ist die praktische Bedeutung einer abstrakten Terminologie für ,denkbare Belastungsformen geringer als bei den Gefahrenbegriffen und den Schutzgutbezeichnungen. Der Wert einer eigenständigen Terminologie für Formen der Chemikalienbelastung liegt in den Differenzierungsmöglichkeiten. Mit Hilfe einer abgestuften Begrifflichkeit kann genauer bestimmt werden, welche Intensität einer Belastung vom Gesetz erfaßt ist, wie weit also der Schutznormbereich konkret reicht. Während zum Beispiel der Begriff der Gesundheitsgefahr durchaus verschiedene Intensitäten einer Gesundheitsbelastung abdecken kann467 , lassen sich von der "Belästigung" oder "Beeinträchtigung des Wohlbefindens" bis hin zum "Gesundheitsschaden" genauere Abstufungen vornehmen. Ein weiterer Aspekt der Differenzierungsmöglichkeiten ist die Abstraktheit der Begriffe, die vielfältige terminologische Bezüge erlaubt. Der Begriff Schaden zum Beispiel kann auf unterschiedliche Schutzobjekte bezogen werden (etwa Gesundheitsschaden, Umweltschaden, Erb- und Geburtsschaden) und außerdem noch in sich differenziert werden (Schädlichkeit, schädlich, schädigend). Die international vorkommenden Begriffe zeigen, daß es einen Bedarf für terminologische Vielfalt gibt, die den unterschiedlichen Regelungserfordernissen gerecht wird. Diese Vielfalt ist als Kernstück des harmonisierungsfähigen Begriffsfeldes anzusehen. Solange den Umweltgefahren der Chemikalien kein international einheitliches Untersuchungsund Bewertungssystem zugrunde liegt, sind klare Definitionen der Schädlichkeit nicht möglich. Um dennoch annähernd präzise darstellen zu können, welchen Inhalt die jeweiligen Schutznormen haben, müssen Begriffe zur Verfügung stehen, die unterschiedliche Belastungsformen kennzeichnen. Obwohl die Begriffspräzision zweifellos verbessert wäre, wenn harmonisierte Definitionen entwickelt würden, erscheint es unter dem Gesichtspunkt der (noch) erforderlichen Begriffsvielfalt sinnvoll, auf begriffliche Einengungen zu verzichten und lediglich einen nicht abschließenden Katalog typischer Begriffe anzubieten. Bei der bisher nur 467 Je nach dem Bedeutungsinhalt des Gesundheitsbegriffs einerseits und des Gefahrenbegriffs andererseits.

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ansatzweise festzustellenden Klarheit des Bedeutungsgehalts einzelner Begriffe wären Definitionsversuche zudem spekulativ und könnten nur zu einer Verkürzung der normbedingten Gestaltungsfreiheit der Gesetzgeber führen. Das Harmonisierungsbedürfnis konzentriert sich daher auf eine Auswahl typischer Begriffe, die mit einer Systematisierung verbunden ist. Aus der Vorstrukturierung des untersuchten Begriffsfeldes468 hat sich bereits eine Auswahl harmonisierungserheblicher Begriffe ergeben. Die Vorstrukturierung und der sich anschließende Begriffsvergleich zeigen, wodurch sich die Begriffe im einzelnen auszeichnen. In Betracht kommen zunächst drei Typen: Begriffe, die weder ein Schutzgut noch bestimmte Belastungsintensität signalisieren (Schaden, Beeinträchtigung), Begriffe, die insoweit einen gewissen Bezug erkennen lassen (Schädlichkeit, Nachteil, Belästigung, Verschmutzung, Verunreinigung) und adjektivische Begriffe, bei denen sich der Bezug durch die Hinzunahme eines Substantivs ergibt (schädliche Wirkungen, schädliche Umwelteinwirkungen, nachteilige Wirkung). Weitere Typisierungen wären sicher möglich. Die sprachlichen Übersetzungsschwierigkeiten nötigen aber zu einer gewissen Zurückhaltung. Inwieweit es für die deutschsprachigen Termini direkte Entsprechungen in ausländischen Rechtsordnungen gibt, läßt sich nur grob skizzieren469 , so daß auch die Zuordnung der Begriffe zu einzelnen Typen nur annähernd zutrifft. Das für den Zusammenhang Entscheidende einer solchen Zuordnung läßt sich jedoch ohne Detailkenntnisse darstellen: die Erkenntnis nämlich, daß eine klare Grenzziehung der Schadensbegriffe zu den Gefahrenbegriffen wie auch zu den Schutzzweckbestimmungen nicht immer möglich ist. Die Bezeichnungen für Chemikalienbelastungen stellen zwar eine eigene Begriffsgruppe dar. Aber nur in der abstrakten Begriffsform läßt sich der Unterschied zu den beiden anderen Begriffsgruppen verdeutlichen. Sobald die Abstraktheit verlassen wird, treten die Bezüge zu den Schutzobjekten und Gefährdungstatbeständen hervor. Je konkreter die Belastungsform bezeichnet wird, desto enger wird die Begriffsverwandtschaft zu den Gefahrenbegriffen. Dies ist nicht nur bei der deutschen Definition der schädlichen Umwelteinwirkungen spürbar470, sondern schon bei den Begriffen Schädigung/schädigend oder Schädlichkeit/ schädlich und im Grunde bei allen Begriffen, die eine gegenüber dem Schaden mindere Form der Chemikalienbelastung anzeigen. Obwohl im einzelnen keine sicheren Bedeutungsinhalte unter468 469 470

Vgl. oben S. 227 ff. und 242 f . Oben S. 237. Vgl. S. 242.

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stellt werden dürfen, können Begriffe wie Nachteil, nachteilige Wirkung, Belästigung und unter Umständen sogar Beeinträchtigung471 hierzu gerechnet werden. Die Begriffsauswahl selbst ist durch die Verwendungshäufigkeit und die (erkennbare) Bedeutung der Begriffe bestimmt. Zu den danach wichtigsten Begriffen gehören Schaden, Beeinträchtigung, Nachteil, Belästigung, schädliche Wirkungen, schädliche Einwirkungen, schädliche Umwelteinwirkungen, Gesundheitsschaden, Gesundheitsbeeinträchtigung, Verunreinigung und Verschmutzung. Sie erfüllen am ehesten die Anforderungen, die an allgemeine Rechtsbegriffe zur Kennzeichnung der Chemikalienbelastungen gestellt werden müssen. Darüber hinausgehende Konkretisierungen wie zum Beispiel Verletzung, Erkrankung, Vergiftung, Krebsschaden, Geburtsschaden, Fruchtbarkeitsschädigung etc. 472 sind in hohem Maße naturwissenschaftlich-medizinisch geprägt und insofern weniger geeignet, die grundsätzlich unterscheidbaren Formen der Chemikalienbelastung zu beschreiben. Auf der anderen Seite sind auch noch andere allgemein gefaßte Begriffe wie (Umwelt-)Zerstörung, (Umwelt-)Belastung, Verlust, Einbuße, Beeinflussung, Verminderung oder Beschädigung denkbar, um Belastungsformen darzustellen. Sie sind aber als Rechtsbegriffe im Umweltchemikalienrecht ungebräuchlich473 und liegen somit außerhalb des harmonisierungsrelevanten Begriffsfeldes. Im übrigen ist die Vorschlagsliste als beispielhafte Aufzählung zu verstehen, die eine Abweichung oder eine Ausdehnung auf weitere Begriffe durchaus zuläßt. Die relative Offenheit muß gerade auch deshalb in Kauf genommen werden, weil eine völlige Inhaltsklärung nicht zu erreichen ist. Ohne normative Festlegungen und Überwindung bestehender Übersetzungshemmnisse sind alle vorgestellten Begriffe nur Annäherungen an eine verbindliche Terminologie. Demzufolge muß die Möglichkeit abweichender oder zusätzlicher Begriffe als ein Bestandteil des Harmonisierungsvorschlages betrachtet werden. Die inhaltliche Klärung der Schadensbegriffe ist zunächst negativ durch das Fehlen von Definitionen und den Mangel an Vbersetzungspräzision bestimmt. Diese Defizite sind jedoch zugleich auch wichtiger Beleg dafür, daß ausgeformte Definitionen - zumindest zur Zeit gar nicht erstrebenswert wären. Die Gefahr von willkürlichen Festschreibungen wäre zu groß. Und die dabei auftretenden Anpassungs471 Deutlicher noch bei den englischen Begriffsbildungen "prejudice, nuisance, impairment, detriment". 472 Solche und ähnliche Begriffe finden sich vorzugsweise in den Definitionen für die gefährlichen Stoffe sowie im amerikanischen TSCA und CPSA. 473 Eine Ausnahme macht die Umweltbelastung; sie ist in § 1 des (deutschen) Gesetzes über Umweltstatistiken erwähnt.

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problerne einzelner Rechtsordnungen könnten die Begriffsharmonisierung mehr in Frage stellen als ein Vorschlag nützen kann, der auf übermäßige Festlegungen verzichtet. Um nicht ins Spekulative abzugleiten, muß die inhaltliche Klärung auf das tatsächlich Identifizierbare beschränkt bleiben. Anknüpfungspunkt ist das Verhältnis der Begriffe zueinander. Aus der gegenseitigen Abgrenzung lassen sich Bedeutungsunterschiede gewinnen. Sie liegen in erster Linie in dem schon skizzierten Abstraktionsgrad. Insoweit ergeben sich Abstufungen nach den verschiedenen Konkretisierungsformen. Daneben kommen Differenzierungen nach der Intensität der Chemikalienbelastung in Betracht. Hierbei spielt zwar die Beziehung zum jeweiligen Schutzgut die entscheidende Rolle. Aber auch unabhängig davon weisen einzelne Begriffe Merkmale auf, die auf unterschiedliche Belastungsintensitäten deuten. Schließlich gibt auch die unterschiedliche Verwendungshäufigkeit Hinweise auf die Bedeutung der Begriffe. Zweck dieser Abgrenzungen ist eine Strukturierung in dem Sinne, daß die Begriffe einander hierarchisch zugeordnet werden können. Durch eine solche Systematisierung läßt sich ein unter den gegebenen Umständen noch konsensfähiger Grad an Harmonisierung erreichen. Als eine Art Oberbegriff kann der Schaden aufgefaßt werden. Da nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, daß dem Begriff Schaden eine konkrete Bedeutung im Sinne einer schwerwiegenden Rechtsgutbeeinträchtigung474 oder einer Vermögenseinbuße475 zugeschrieben wird, besteht die Funktion eines Oberbegriffs nicht absolut. Aber Grad der Abstraktheit, Verwendungsvielfalt und Verwendungshäufigkeit weisen dem Begriff eine herausgehobene Stellung zu. In vielen nationalen Chemikaliengesetzen wird er eingesetzt, um allgemein eine von der Kontrollnorm zu verhindernde Belastung durch Chemikalien zu bezeichnen476• Um das deutsche Umweltchemikalienrecht insoweit einbeziehen zu können, empfiehlt es sich, den Begriffsinhalt der Schädlichkeit auf den sonst nicht gebräuchlichen Begriff Schaden zu beziehen und somit Schaden und Schädlichkeit voneinander zu trennen. Dies ist deswegen erforderlich, weil sich die Schädlichkeit international nicht identifizieren 474 Dies klingt im deutschen Chemikalienrecht an, wenn der Begriff in seiner adjektivischen Form auf Umwelteinwirkungen oder auf Wirkungen bezogen wird. 475 So in den einzelnen Regelungen deutscher Chemikaliengesetze, siehe oben Anm. 422. 476 Typischerweise mit den Ausdrücken "schädlich, schädigend" bzw. "harmful, injurious, noxious", daneben aber auch- vor allem im niederländischen, französischen und kanadischen Recht - in der Form des Substantivs.

II. Harmonisierungserörterungen

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läßt, sondern in ausländischen Regelungen entweder von Schaden oder von schädlichen Wirkungen und dergleichen gesprochen wird. Mit dem Einschluß des Begriffs Schädlichkeit in den Begriff Schaden bekommt dieser eine noch umfassendere Bedeutung im Sinne eines Oberbegriffs. Ein nahezu gleichrangiger Stellenwert kommt dem Begriff der Beeinträchtigung zu. Wenn man berücksichtigt, daß er in ausländischen Rechtsordnungen häufig zusammengenommen mit dem Begriff Nachteil übersetzt und mit umfassendem Inhalt verwendet wird477 , so läßt die potentielle Bedeutungsbreite keinen Unterschied zum Schaden erkennen. Lediglich die insgesamt geringere Verwendungshäufigkeit und die sprachlich gegebene Möglichkeit einer etwas abgeschwächten Form der Belastung478 mag es rechtfertigen, die Beeinträchtigung unterhalb des Schadens anzusiedeln. Als dritter in seiner Abstraktion mit Schaden und Beeinträchtigung zu vergleichender Begriff ist der Nachteil zu nennen. Er dürfte - insbesondere aufgrund des ausländischen Chemikalienrechts - der Beeinträchtigung näher stehen als dem Schaden. Für den Anwendungsbereich des deutschen Chemikalienrechts gibt es verschiedene Indizien, die den Nachteil als einen gegenüber dem Schaden minderschwere Form der Chemikalienbelastung ausweisen479 • Dies läßt sich nach dem Gebrauch in ausländischen Regelungen aber nicht allgemein bestätigen. Eine genauere Systematisierung als die Zuweisung an die dritte Stelle der eher abstrakten Begriffe wäre deshalb kaum zu belegen. Eindeutig abzugrenzen hingegen ist die Belästigung, die nach allen Verwendungsformen eine minderschwere Belastung der menschlichen Gesundheit bzw. eine Beeinträchtigung des menschlichen Wohlbefindens bezeichnet.

Schädliche Wirkungen, schädliche Einwirkungen und speziell schädliche Umwelteinwirkungen stellen eigenständige Begriffsbildungen dar, durch die eine Beziehung zwischen der Schadensursache (Subjekt) und dem Objekt des Schadens bzw. der Schädlichkeit hergestellt wird. Sie sind als Rechtsbegriffe praktikabler, weil sie eine genauere Festlegung und damit Justiziabilität der Belastungsintensität erlauben. Wie das Beispiel der im deutschen Recht definierten schädlichen Umwelteinwirkungen zeigt, kommen die zusammengesetzten Begriffsbildungen möglicherweise am ehesten für Definitionen infrage. Nach der derzeitigen allgemeinen Verwendung können allerdings keine verbindlichen Aussagen über eventuelle Definitionsinhalte getroffen werden. 477 "Prejudice" bzw. "prejudice, detriment" schließen gleichermaßen die Beeinträchtigung und den Nachteil ein. 478 Vgl. oben S. 233. 479 Vgl. vor allem § 3 Abs. 1 Bundes-Immissionsschutzgesetz.

256

L. Begriffe: Schaden, Beeinträchtigung, Nachteil, Belästigung etc.

Die Begriffe Gesundheitsschaden, Gesundheitsbeeinträchtigung, Verunreinigung und Versehrnutzung schließlich sind weitere konkretisierte Anwendungsformen des allgemeinen Schadensbegriffs. Sie sind auf bestimmte Schutzobjekte bezogen (Gesundheit bzw. Umwelt sowie einzelne Umweltelemente) und insofern inhaltlich klarer erfaßbar als die abstrakten Begriffe. Weitere inhaltliche Schlüsse dürfen aber nicht gezogen werden, weil auch bei ihnen wie bei den übrigen Begriffen zu berücksichtigen ist, daß die Ausfüllung von speziellen normativen Wertungen geprägt ist und daher nicht allgemein begrifflich vorgenommen werden kann. 3. Ergebnis

Als Begriffe, die allgemeine Formen der Belastung durch Umweltchemikalien bezeichnen, kommen unter anderem Schaden, Beeinträchtigung, Nachteil, Belästigung, schädliche Wirkungen, schädliche Einwirkungen, schädliche Umwelteinwirkungen, Gesundheitsschaden, Gesundheitsbeeinträchtigung, Verunreinigung und Versehrnutzung in Betracht. Sie können wegen ihrer Bedeutungsbreite, Flexibilität und Verwendungshäufigkeit als typisch für das Umweltchemikalienrecht angesehen werden; dies schließt die Verwendung anderer Begrüfe jedoch nicht aus. Inhaltlich sind sie nicht definitionsmäßig, sondern nur annähernd durch Abgrenzungen bestimmbar. Sie lassen sich einander durch hierarchische Abstufungen zuordnen. Dabei entscheiden Bedeutungsbreite und Abstraktionsgrad sowie Verwendungshäufigkeit und Verwendungsvielfalt. Auch die hierarchische Stufung ist jedoch nicht verbindlich, sondern nur eine von mehreren Differenzierungsmöglichkeiten. Von anderen Begriffen wie den Schutzobjekten einerseits und den Gefahrenfestlegungen andererseits unterscheiden sie sich insofern, als sie weniger den Inhalt als die Form der unerwünschten Folgen bezeichnen. Dies bedingt eine gewisse Randunschärfe zwischen konkreteren Bezeichnungen für Belastungsformen - zum Beispiel schädliche Umwelteinwirkungen - und den Begrüfen zur Beschreibung der vom Gesetz erfaßten Gefahren. 4. Vergleich mit dem vorgeschlagenen Konzept des OECD-Glossariums

Das Konzept des OECD-Glossariums ist nicht wie sonst mit "Definition", sondern mit "Aspekte undefinierter Begriffe" überschrieben. Der Vorschlag besteht daher nur aus einer Aufzählung von neun Begriffen und einer darauf bezogenen Erläuterung480•

li. Harmonisierungserörterungen

257

Die ausgewählten Begriffe werden als üblicherweise nicht definierte Ausdrucke zur Beschreibung unerwünschter Folgen bezeichnet und als teilweise synonym oder sich überkreuzend dargestellt. Ihr Inhalt sei entscheidend durch den Gesetzeskontext, durch weitere begriffliche Verknüpfungen oder durch den allgemeinsprachlichen Gebrauch bestimmt. Für die genaue Kennzeichnung seien Reaktion, Toxizität und Umweltverhalten der Chemikalien sowie die dazugehörigen wissenschaftlichen Untersuchungsmethoden ausschlaggebend.

Eine eigene inhaltliche Eingrenzung nimmt das Vorschlagskonzept dadurch vor, daß es eine Rangfolge aufstellt, die sich offenbar nach Intensität und Bedeutung der Chemikalienbelastung richtet. Die nach dieser Rangfolge angegebenen Begriffe lassen sich - bei Beriicksichtigung der tatsächlichen Bedeutungsinhalte - wie folgt übersetzen: nuisance prejudice detriment 4Bo

Belästigung, Verunreinigung, Versehrnutzung Nachteil, Beeinträchtigung Nachteil, Schaden Aspects of undefined terms

Detriment, Harmful effect, Impairment (caused by environmental influences), Injurious (to health), Injurious effect, Injury, Noxious effect, Nuisance, Prejudice. A. Explanation

These nine terms are not normally defined in current chemical control legislation. They afford the lawmaker a spectrum of descriptive terms to represent potential or actual undesirable effects from simple inconvenience to a proven threat to life.

B. Annotation B 1 These terms are frequently used in cross descriptions or as synonyms of each other. B 2 The established mode is to consider that these descriptive terms should be understood either from the context, the conceptual combinations or the meanings normally understood. B 3 Based on current awareness, the characteristics used to establish whether a chemical could potentially cause undesirable effects are reactivity, toxicity and environmental behaviour. See the definition of "hazard (of a chemical)". B 4 In order to establish whether a chemical actually does cause undesirable effects, scientific tests of proven excellence will need to be performed to derive the quantitative data on which an authoritative decision or judgment can be made. Technical definitions enforceable under law would need to either describe or refer to such pertinent t ests. B 5 The terms overlap in meaning so it is difficult to rank them indisputably. Nevertheless, one way of ranking them might be: nuisance, prejudice, detriment, noxious effect, harmful (effect), injurious effect, impairment, injury, injurious (to health). D. Special Remarks

Definitions of these terms which include the pertinent technical information on testing would be effective in fulfilling the intent of the legislation in which they appear.

17 Kloepfer I Bosselmann

258

L. Begriffe: Schaden, Beeinträchtigung, Nachteil, Belästigung etc.

noxious effect, harmful (effect) injurious effect impairment injury injurious (to health)

schädliche (Ein-)Wirkung gesundheitsschädigende Wirkung (Gesundheits-)Beeinträchtigung (Gesundheits-)Schaden (gesundheits-)schädlich

Diese Art der Auflistung wird wegen der Bedeutungsüberlappungen der Begriffe ausdrücklich als eine von mehreren Möglichkeiten bezeichnet. Der Vergleich dieses Konzepts mit dem hier vorzuschlagenden ergibt eine hohe Übereinstimmung. Unter dem Vorbehalt, daß der Begriffsauswahl eine ähnliche Analyse zugrunde liegt wie in dieser Studie, kann gesagt werden, daß sich die identifizierten Begriffe weitgehend gleichen. Unterschiedliche Akzentuierungen, etwa in der Kennzeichnung der schädlichen Umwelteinwirkungen, dürften vor allem auf nicht zu vermeidende Übersetzungsungenauigkeiten zurückzuführen sein. Im übrigen beansprucht die OECD-Begriffsauswahl keine Vollständigkeit. Bei der systematischen Zuordnung der Begriffe ließe sich einwenden, daß die damit unterstellten qualitativen Unterschiede so nicht oder nur grob vereinfachend zu belegen sind. Der Begriff "detriment" zum Beispiel hat nach verschiedenen Chemikalienregelungen die Bedeutung einer allgemeinen Schadensbeschreibung - ähnlich zum Beispiel auch "prejudice" -, so daß die Zuordnung zu einer relativ geringen Belastungsintensität nicht uneingeschränkt zutrifft. Zuzugeben ist dem OECD-Konzept freilich, daß die vorgeschlagene Reihenfolge eine von mehreren möglichen Alternativen sein kann. Demgegenüber nützlicher dürfte indessen eine Hierarchiebildung nach den Gesichtspunkten der Bedeutungsbreite und Verwendungshäufigkeit sein, weil sie die inhaltlichen Ambivalenzen der jeweiligen Begriffe besser berücksichtigt. Einig sind sich beide Vorschlagskonzepte im übrigen darin, daß und aus welchen Gründen weitergehende Begriffserklärungen zur Zeit nicht sinnvoll wären. Eigentliche Definitionen sind erst auf der Grundlage harmonisierter Testmethoden und Bewertungsparameter denkbar. Iß. Harmonisierungsvorschlag Anstelle harmonisierter Definitionen ist folgende Beschreibung vorzuschlagen: Beschreibung: Die Begriffe Schaden, Beeinträchtigung, Nachteil, Belästigung, schädliche Wirkungen, schädliche Einwirkungen, schädliche Umwelteinwir-

III. Harmonisierungsvorschlag

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kungen, Gesundheitsschaden, Gesundheitsbeeinträchtigung, Verunreinigung und Versehrnutzung werden normalerweise nicht definiert. Sie sind aber grundsätzlich geeignet, durch Umweltchemikalien hervorgerufene Belastungen der Umwelt, des Menschen oder anderer Organismen zu kennzeichnen. Anmerkungen:

a) Die genannten Begriffe sind wegen ihrer Bedeutungsbreite, Flexibilität und Verwendungshäufigkeit als besonders typisch für das Umweltchemikalienrecht anzusehen. Dies schließt die Möglichkeit der Verwendung anderer Begriffe jedoch nicht aus. b) Der Bedeutungsinhalt wird vor allem durch den Gesetzeszusammenhang, durch zusätzliche Begriffsbildungen oder durch den allgemeinen Sprachgebrauch bestimmt. c) Begriffliche Differenzierungen ergeben sich außerdem aus der unterschiedlichen Belastungsintensität Zu ihrer Bemessung sind die Reaktion, die Toxizität und das Umweltverhalten der Chemikalien zu berücksichtigen, die nach bestimmten wissenschaftlichen Kriterien und Testmethoden ermittelt werden. d) Wegen der variierenden Bedeutungsinhalte, die unter anderem auch mit dem unterschiedlichen Sprachgebrauch in den Ländern zusammenhängen, sind eindeutige Begriffsabgrenzungen nicht zu treffen. Dennoch können nach dem Abstraktionsgrad, der Begriffsflexibilität, der Verwendungshäufigkeit und ansatzweise auch nach der Belastungsintensität Abstufungen vorgenommen werden, die eine gewisse Rangordnung erkennen lassen. e) Eine von mehreren möglichen Ordnungsfolgen ist: -Schaden - Beeinträchtigung -Nachteil - Belästigung - schädliche (Ein-)Wirkungen - schädliche Umwelteinwirkungen - Gesundheitsschaden - Gesundheitsbeeinträchtigung -Verunreinigung, Versehrnutzung Der Begriff Schaden kann die Funktion eines Oberbegriffs erfüllen. Die danach folgenden Begriffe zeichnen sich durch eine zunehmende Konkretisierung aus. Gewisse qualitative Abstufungen können darüber hinaus vor allem zwischen Schaden, Beeinträchtigung, Nachteil und Belästigung gesehen werden.

M. Analyse und Harmonisierungsvorschlag zu den Begriffen: Abfall, Abwasser, Beseitigen, Einbringen, Einleiten I. Analyse 1. Abgrenzung der Vergleichsobjekte

a) Allgemeines Der Abfallbegriff und die mit ihm verbundenen Begriffe gehören einem Rechtsbereich an, der sich den vielfältigen umweltbezogenen Entsorgungsproblemen gesellschaftlicher Produktions- und Verbrauchsprozesse widmet. Betroffen ist damit das Recht der Abfallbeseitigung im weiteren Sinne. Es umfaßt das Abfallrecht im engeren Sinne, das Abwasserrecht und alle Gesetze mit spezielleren Regelungsgegenständen wie z. B. den Altölen oder Chemikalienrückständen, bei denen besondere Entsorgungsprobleme aufgeworfen sind481 • Die Regelungen zur Abfallbeseitigung bezwecken den Schutz der Menschen und der Umwelt vor Gefahren, die von nicht mehr verwerteten Stoffen ausgehen können. Im Vordergrund steht dabei meist der Schutz des Bodens und des Wassers; es können aber auch andere oder zusätzliche Schutzgüter gesichert werden482 • Allen Regelungen gemeinsam ist die Verwendung von Begriffen, die einerseits das Regelungsobjekt bezeichnen und andererseits die Tätigkeiten, durch die Gefahren für die Umwelt hervorgerufen werden können. Von den vielfältigen Bezeichnungen für die in Frage kommenden Abfälle bzw. Tätigkeiten ragen der Abfallbegriff sowie der Begriff der Beseitigung heraus. Ihr definitionsmäßig erfaßter Bedeutungsinhalt mag zwar mitunter enger erscheinen und auch international variieren. Sie sind aber allgemein gebräuchliche Kurzbezeichnungen für die regelungserheblichen Objekte und Tätigkeiten bzw. Vorgänge des Entsorgungsrechts. Die Begriffszusammensetzung "Abfallbeseitigung" ist 481 Einen Überblick vermittelt etwa § 1 Abs. 3 des deutschen Abfallbeseitigungsgesetzes. 482 z. B. der Gesundheitsschutz bei der Tierkörperbeseitigung.

I. Analyse

261

darüber hinaus eine Art Kurzformel für einen zentralen Bereich der Umweltpflege, die durch die Entsorgungsprobleme vornehmlich der Industriegesellschaft erforderlich geworden ist. Auch als Rechtsbegriff hat die Abfallbeseitigung eine so weite Bedeutung, daß sie nahezu das gesamte Recht der Chemikalienentsorgung einschließen kann483• Als Schlüsselbegrüfe des Entsorgungsrechts stehen der Abfall und die Beseitigung somit im Mittelpunkt der Harmonisierungsbemühungen. Daneben spielt aber auch der Abwasserbegriff eine erhebliche Rolle, weil er den Abfallbegriff für den Bereich des Gewässerschutzes ergänzt. Durch ihn kann das Abfallrecht alle festen und flüssigen Stoffe erfassen, die im Zusammenhang mit ihrer Beseitigung in Gewässern Umweltgefahren verursachen können. Ob auch der Abfallbegriff die flüssigen Stoffe sowie darüber hinaus die gasförmigen Stoffe abdeckt, ist eine später zu klärende Frage der Definition. Aus gesetzgebenscher Sicht besteht jedenfalls ein Bedürfnis, den Abwasserbegriff zu klären, da er häufig verwendet wird und das Abwasserrecht einen eigenständigen Bereich der Abfallbeseitigung bildet484 • Der Einschluß des Abwasserbegriffs in die rechtsvergleichende Untersuchung legt es nahe, auch die entsprechende Tätigkeitsform einzubeziehen, durch die das Abwasser in das Wasser gelangt. Abwasser wird typischerweise in Gewässer oder Abwasseranlagen "eingeleitet". Entsprechend der Affinität des Abwasserbegriffs zum Abfallbegriff kann das Einleiten als eine Form der Beseitigung gelten. Das Einleiten ist zwar nicht notwendigerweise auf Abwasser beschränkt, sondern ebenso können andere flüssige Stoffe und auch gasförmige Stoffe "eingeleitet" werden. Aber in der Verknüpfung mit dem Abwasserbegrüf dient der Begrüf des Einleitens dazu, den Gewässerschutz als Teilbereich des Schutzes vor Entsorgungsgefahren auch begrifflich ausreichend zu berücksichtigen. Ob und inwieweit das Einbringen als Schlüsselbegriff des Rechts der Abfallbeseitigung anzusehen ist, kann wohl erst die genauere Untersuchung ergeben. Geht man vom deutschen Recht aus, so stammt der Begriff des Einbringens aus der wasserrechtlichen Terminologie, wo er 483 Vgl. etwa Storm (Anm. 242), S. 83. Neben dieser Oberbegriffunktion hat die "Abfallbeseitigung" allerdings auch die Aufgabe, das enger umgrenzte Gebiet des "Rechts der Abfallbeseitigung", in der Bundesrepublik also das Abfallbeseitigungsgesetz mit seinen Ausführungsvorschriften zu bezeichnen; vgl. z. B. E. Rehbinder (Anm. 116), S. 159. Insofern empfiehlt sich, Abfallbeseitigung im weiteren und im engeren Sinne zu unterscheiden. 484 Anders verhält es sich mit gasförmigen Stoffen oder Abgasen. Ihre Gefährlichkeit besteht vor allem in der fehlenden räumlichen Begrenzbarkeit, weshalb sie weniger im Abfallrecht als im umfassenderen Immissionsschutzrecht behandelt sind; vgl. § 1 Abs. 3 Nr. 3 Abfallbeseitigungsgesetz, der die "nicht gefaßten gasförmigen Stoffe" vom Anwendungsbereich ausnimmt.

262

M. Begriffe: Abfall, Abwasser, Beseitigen, Einbringen, Einleiten

eine fest umgrenzte Bedeutung hat485 • Fraglich ist aber, ob nicht neben dem Begrüf der Beseitigung, der die verschiedenen Formen der Entledigung von Abfällen bezeichnet, ein gleichrangiger allgemeiner Begriff treten sollte, der den Akzent auf die Berührung mit der Umwelt setzt. Ob nämlich die Abfallbeseitigung eine Gefahr für die Umwelt bedeutet, beurteilt sich weniger aus dem Vorgang der Beseitigung als solchem als aus der Form und Intensität der Umweltberührung. Wenn Einbringen die Bedeutung hat, daß es die Abgabe von Abfällen an die Umweltmedien Wasser, Luft oder Boden bezeichnet, ist die eigentliche Gefährdung bei der Abfallbeseitigung begrifflich genauer erschlossen als dies durch den Beseitigungsbegriff geschieht. Zu diesem Zweck müßte dann der wasserrechtlich geprägte Begriff des Einbringens auf die übrigen beiden Umweltmedien erweitert werden.

b) Abfall, Abwasser Die Funktion des Abfallbegriffs im Umweltchemikalienrecht besteht darin, Stoffe, Zubereitungen und Produkte zu erfassen, deren Eigenschaften im Zusammenhang mit ihrer Entledigung Umweltgefahren hervorrufen können. Er setzt damit den Stoffbegriff, wie er etwa hier definiert wurde, voraus und wendet ihn auf den Bereich der Entsorgung an. Entsprechende Verbindungslinien können zu den sonstigen beweglichen Sachen gezogen werden. Soweit sich der Abfallbegriff als solcher von den Materialien, die zu Abfällen werden können, unterscheidet, bereitet die Abgrenzung keine Schwierigkeiten. Durch welches Moment sich aber bestimmt, daß aus bloßen Sachen bzw. Stoffen Abfälle werden, ist nicht so eindeutig festzulegen. Ein möglicher Ansatzpunkt ist die Willensrichtung desjenigen, der mit den Stoffen umgeht. Danach sind Abfälle solche Stoffe, derer sich der Besitzer entledigen will. Bei einem solchermaßen subjektiv bestimmten Abfallbegriff wäre freilich die Eindeutigkeit nicht immer gegeben und die administrative Durchführung der Abfallkontrolle stark eingeschränkt. Wer sich z. B. den Pflichten einer ordnungsgemäßen Abfallbeseitigung entziehen wollte, bräuchte nur seinen Entledigungswillen zu verdecken.

Nach objektiven Kriterien käme es nicht auf Willensäußerungen des Besitzers an. Entscheidend könnte danach der Gebrauchswert der Sache sein, allerdings wäre auch er von subjektiven Wertungen mitbestimmt. Dieselbe Sache kann in der Hand des einen wertlos sein, in der Hand eines anderen dagegen wirtschaftlich nutzbar. Auch zeitliche Gesichtspunkte können eine Rolle spielen etwa in dem Sinne, daß eine nicht 485 Im Gegensatz zum Einleiten bezeichnet das Einbringen das Hineingelangen fester Stoffe in Gewässer.

I. Analyse

263

mehr genutzte Sache nach längerer Zeit der Lagerung zu Abfall wird. Am ehesten objektivierbar und auch dem Schutzzweck angemessen scheint der Grad der Gefährdung, der bei Nichtbeseitigung von Stoffen für Mensch oder Umwelt entsteht. Die Frage, wodurch sich die Abfalleigenschaft von Stoffen letztlich bestimmt, muß zunächst der vergleichenden Untersuchung vorbehalten bleiben. Erst nach Klärung des internationalen Verständnisses und der rechtspolitischen Notwendigkeiten ist eine nähere Abgrenzung des Abfallbegriffs möglich. Der Abwasserbegriff ist relativ klar begrenzt. Er bezieht sich auf Wasser, das durch bestimmte Tätigkeiten oder chemikalische Veränderungen beeinträchtigt ist und so zu einer Qualitätsminderung der mit ihm in Verbindung tretenden Medien führen kann. Wann eine signifikante Veränderung vorliegt, läßt sich nach unterschiedlichen Kriterien beurteilen; ausreichend kann etwa auch eine bloße Gebrauchsminderung sein488 • Um das Abwasser als Vergleichsobjekt hinreichend zu identifizieren, genügt die Abgrenzung zum Abfallbegriff. Von diesem unterscheidet sich der Abwasserbegriff zunächst durch seine Spezialität. Nach den international vorzufindenden Definitionen ist zwar ins Kalkül zu ziehen, daß sich beide Begriffe auch gegenseitig ausschließen können. Aber im Gesamtzusammenhang des Entsorgungsrechts ist die Abfallbeseitigung als Oberbegriff und das Einleiten von Abwasser als besondere Form der Abfallbeseitigung zu betrachten. Darüber hinaus schließt der Abwasserbegriff u. U. noch Nicht-Abfallstoffe wie Niederschlags- und Gebrauchswasser ein. c) Beseitigen, Einbringen, Einleiten Mit dem Beseitigen, dem Einbringen und dem Einleiten sind sämtliche Tätigkeiten abzudecken, durch die ein Besitzer sich seiner Abfälle entledigt. Diese Entledigung487 ist Ziel aller hier interessierenden abfallbezogenen Tätigkeiten. Jedenfalls das Beseitigen erfaßt darüber hinaus auch die zeitlich vorgelagerten Tätigkeiten, die ggf. erforderlich sind, um die Ckwahrsamsaufgabe herbeizuführen. Welche Tätigkeiten im einzelnen eingeschlossen sind, hängt letztlich vom Definitionsinhalt ab. Wichtig ist aber, daß die Bedeutung des Rechtsbegriffs Beseitigung über seine bloße WortSo nach einem Urteil des BGH vom 13. 12. 1972, NJW 1973, S. 366. Zum Begriff der Entledigung vgl. Hösel/von Lersner, Recht der Abfallbeseitigung, Loseblatt-Kommentar Bd. 1, Ergänzungslieferung II/78, Rn. 6 zu § 1 Abfallbeseitigungsgesetz. 488

487

264

M. Begriffe: Abfall, Abwasser, Beseitigen, Einbringen, Einleiten

bedeutung hinausgeht. So lassen sich verschiedene Phasen der Abfallbeseitigung denken: etwa das Sammeln (Auflesen, Entgegennehmen oder Abholen), das Behandeln (Zerkleinern, Entgiften etc.), das Lagern, das Befördern und das Ablagern. Die Funktion des Beseitigungsbegriffs erfordert es, all die Vorgänge und Tätigkeiten zu erfassen, die Gegenstand von Abfallkontrollnormen sein können. Die vorläufige Abgrenzung zu sinnverwandten Begriffen kann daher nur darin bestehen, die Beseitigung als Oberbegriff für Tätigkeiten der Abfallentledigung zu kennzeichnen. Dementsprechend kommt es zunächst auch nicht auf die Klärung an, ob das Beseitigen stets zweckgerichtetes Verhalten voraussetzt oder ob z. B. auch bloßes Liegenlassen oder Dulden eine Form der Abfallbeseitigung sein kann. Das Einleiten ist relativ klar zu umgrenzen als Hineingelangen von Schadstoffen- in der Regel als Abwasser- in Gewässer. Der Begriffsinhalt ist vom Abwasserbegriff und vom Beseitigungsbegriff her zu erschließen. Rechtssystematisch gehört das Einleiten zum Wasserrecht als einem Teilgebiet des Rechts der Abfallbeseitigung. In diesem Kontext muß er lediglich vom Begriff des Einbringens abgegrenzt werden488 • Feste Stoffe werden eingebracht und flüssige oder gasförmige Stoffe werden eingeleitet. Ob diese Differenzierung auch unter dem Gesichtspunkt der internationalen Begriffsvereinheitlichung beizubehalten ist, muß der begriffsvergleichenden Untersuchung vorbehalten bleiben. In der engen Bedeutung der wasserrechtlichen Terminologie wäre der Begriff des Einbringens kaum als Schlüsselbegriff des Umweltchemikalienrechts anzusehen. Wird er dagegen auf die Umweltmedien insgesamt bezogen, beschreibt er das Hineingelangen von Abfallstoffen in die Luft, in Wasser oder in den Boden. Mit dieser ausgeweiteten Bedeutung hätte er eine ähnliche Sammelfunktion wie das Beseitigen. Der Unterschied liegt in der Akzentverlagerung von der bloßen Entledigung zum Eintritt in die Umwelt. Dies führt zu einem Einschluß vieler spezieller Vorgänge, die nicht (unbedingt) vom Beseitigen abgedeckt sind, wie etwa dem Ausströmen, Einsickern, Vermengen, Verunreinigen; Abfeuern, Abfackeln, Verheizen, Aufwärmen, Freisetzen, Abgeben an die Atmosphäre; Auflösen oder Trüben. Im übrigen sind die Grenzen zwischen Beseitigen und Einbringen fließend; so kann z. B. das Einleiten von beiden Begriffen erfaßt sein. Ob und inwieweit ein Bedürfnis für die Definition des umweltbezogenen Einbringens besteht, muß nach der Bestandsaufnahme der international vorkommenden Begriffe entschieden werden.

488

Vgl. Ehters/Kunig, Abfallbeseitigung auf Hoher See, 1978, S. 53.

I. Analyse

265

2. Verwendungshäufigkeit

In allen nationalen Rechtsordnungen über Umweltchemikalien gibt es eigene Regelungen für die Abfallbeseitigung und den Gewässerschutz. Darüber hinaus werden auch in internationalen Übereinkommen Entsorgungsregelungen getroffen. Entsprechend dieser weitreichenden Kodifizierung ist auch das hier zu untersuchende Begriffsfeld fast überall zu identifizieren. Definitionen kommen allerdings relativ selten vor. Die verschiedenen Beseitigungsvorgänge sind oft nur durch begriffliche Aufzählungen und ohne nähere Beschreibung konkretisiert. Hier spielt das allgemeinsprachliche Verständnis eine erhebliche Rolle, so daß überwiegend nur bei einigen speziellen Tätigkeitsformen, wie z. B. dem Einbringen und dem Einleiten in Gewässer, besondere Definitionen vorgesehen sind. In internationalen Übereinkommen hingegen sind Definitionen häufiger, weil deren Anwendbarkeit stärkere sprachliche und inhaltliche Präzisierun.gen erfordert. Die Regelungsobjekte Abfall und Abwasser werden ebenfalls nur in beschränktem Umfang definiert. Einfache Begriffswendungen sind die Regel. Für den Abfallbegriff gilt darüber hinaus, daß er als solcher in den einschlägigen Gesetzen nicht vorkommen muß. Er kann ebenso aufgeschlüsselt durch die enumerative Aufzählung der in Betracht kommenden Chemikalien und Gegenstände erscheinen. Oder er wird umschrieben, indem von Stoffen, chemischen Substanzen, Gegenständen oder Materialien gesprochen wird, die zu beseitigen sind oder die irgendwo eingebracht oder eingeleitet werden. Solche Umschreibungen, die auf den Abfallbegriff selbst verzichten, finden sich z. B. in den USA, Großbritannien und in internationalen Übereinkommen. Im allgemeinen ist die Begriffsdichte in Kanada, Großbritannien und der Bundesrepublik Deutschland deutlich größer als in den übrigen Ländern. Für den Begriffsvergleich ergiebig sind außer diesen Ländern insbesondere noch die Europäischen Gemeinschaften und in abgeschwächter Form die Niederlande, Frankreich, USA sowie einige multilaterale Verträge. 3. Gemeinsamkeiten und Unterschiede im internationalen Vergleich

a) Allgemeines Bei der Identifizierung der einzelnen Begriffe müssen die Sprachbesonderheiten der einzelnen Länder berücksichtigt werden, die einen vermeintlich eindeutigen Begriff mitunter in einer veränderten Be-

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M. Begriffe: Abfall, Abwasser, Beseitigen, Einbringen, Einleiten

deutung erscheinen lassen. Wie viele Schlüsselbegriffe des Umweltchemikalienrechts sind auch die entsorgungsrechtlichen Schlüsselbegriffe nach Funktion und Kontext zu ermitteln. Reine Wortinterpretationen reichen häufig nicht aus, um die Bedeutung eines Begriffs zu erkennen. In der englischen Rechtssprache hat z. B. der Begriff "deposit" nicht nur die Bedeutung von Lagern/Ablagern, sondern er erfüllt z. T. auch eine Sammelfunktion für alle Begriffe im Zusammenhang mit dem Beseitigen von Abfällen48a. Oder "introduce" hat in der Regel zwar eine auf das Einleiten in Gewässer bezogene Bedeutung, wie es seine wörtliche Übersetzung nahelegt, derselbe Terminus wird aber auch im Sinne allgemeiner Schadstoffabgabe an die Umwelt gebraucht. Der Abfallbegriff erscheint in ganz unterschiedlichen Formen. Er kann z. B. allgemein mit "substance which constitutes scrap material" oder mit "waste" oder auch durch eine Aufzählung von einzelnen Abfallchemikalien wiedergegeben sein. Die Frage ist dann, ob unterschiedliche Ausdrucksformen auch unterschiedliche Inhalte und Funktionen bedeuten. Im Hinblick auf die Harmonisierungsbemühungen ist der Bedeutungsgehalt der jeweiligen Begriffe entscheidend. Die Herausbildung einer einheitlichen Terminologie wäre für sich genommen wertlos, weil sie mit verschiedenen Inhalten verknüpft werden könnte. Daher könnte durchaus in Kauf genommen werden, daß einzelne, in geltenden Regelungen u. U. eng definierte Termini mit einem umfassenderen Bedeutungsinhalt versehen werden. Da im übrigen schon im geltenden Recht gleichlautende Begriffe unterschiedliche Bedeutungen haben können, kann die Terminologie als solche auch im Harmonisierungsvorschlag keine entscheidende Rolle spielen. Für den Begriffsvergleich folgt daraus, daß die hinter den Begriffen stehenden Konzepte wichtiger sind als die jeweils verwendeten Ausdrucksformen. Im Vordergrund stehen also Art und Inhalt der Kennzeichnung von Abfällen und Beseitigungsmöglichkeiten. b) Bundesrepublik Deutschland Zu den Gesetzen, die Vorschriften über die Beseitigung von Stoffen enthalten, gehören das Abfallbeseitigungsgesetz, das Altölgesetz, das Tierkörperbeseitigungsgesetz, das Tierseuchengesetz, das Fleischbeschaugesetz, das Pflanzenschutzgesetz, das Atomgesetz, das Bundes-Immissionsschutzgesetz sowie das Bergrecht und das Wasserrecht. Als Leitgesetz kommt dabei dem Abfallbeseitigungsgesetz, ergänzt durch das Altölgesetz sowie durch das Wasserrecht, besondere Bedeutung zu. Die in § 1 Abs. 1 und 2 enthaltenen Definitionen des Abfalls 489

So in mehreren Chemikaliengesetzen Kanadas.

I. Analyse

267

und der Abfallbeseitigung haben deshalb eine Schlüsselfunktion für das gesamte Recht der Abfallbeseitigung. Charakteristisch für den Abfallbegriff sind seine beiden alternativ zu prüfenden Tatbestände. Abfälle sind bewegliche Sachen, -

deren sich der Besitzer entledigen will (subjektiver Abfallbegriff) oder deren geordnete Beseitigung zur Wahrung des Wohls der Allgemeinheit geboten ist (objektiver Abfallbegriff).

Darin soll sich nach Vorstellung des Gesetzgebers das liberale Element der autonomen Entscheidung darüber, welcher Sache sich der Besitzer entledigen will, genauso ausdrücken wie das soziale Element der objektiv gebotenen Beurteilung darüber, ob eine Sache unter bestimmten Vorsichtsmaßnahmen zu beseitigen istm. Die Besonderheit dieser Definition des Abfalls liegt aber nicht nur in der Abstufung zweier Komponenten, sondern in ihrer Orientierung am Wohl der Allgemeinheit. Damit hängt die Frage, ob eine Sache bzw. ein Stoff als Abfall zu behandeln ist, entscheidend vom Schutzbedarf der Allgemeinheit ab. Als Regelbeispiele für Beeinträchtigungen des Wohls der Allgemeinheit nennt § 2 Abs. 1 Abfallbeseitigungsgesetz u. a. die Gesundheitsgefährdung des Menschen, die Beeinträchtigung seines Wohlbefindens, die Gefährdung von Tieren, die Schädlichkeit für Pflanzen sowie Boden, Gewässer und Luft sowie die Mißachtung der Belange des Natur- und Landschaftsschutzes. Der rechtssystematische Zusammenhang zwischen § 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 ist zwar nicht so zu sehen, daß die von einer Sache ausgehende Gefährdung darüber entscheidet, ob sie entgegen dem Willen des Besitzers als Abfall zu beseitigen ist. Lediglich das Wie der Beseitigung ist damit geregelt491 • Aber deutlich kommt in der Berücksichtigung der möglichen Gefährdungen eine Wertung zum Ausdruck, die den (objektiven) Abfallbegriff nicht so sehr vom wirtschaftlichen Wert oder von einem gewissen Zeitablauf abhängig macht als von der Notwendigkeit einer Beseitigung. Umweltschutzgesichtspunkte und Begriffsqualifizierung sind auf diese Weise miteinander verbunden. Daneben spielen allerdings auch der wirtschaftliche Gebrauchswert (objektiv und subjektiv), die Zeit, innerhalb der eine Verwertung möglich ist, und die Absicht einer späteren Wiederverwendung eine Rolle. Insgesamt kommt es auf eine Mehrzahl objektivierbarer Kriterien an. Als bewegliche Sachen, die zu Abfall werden können, kommen grundsätzlich alle Stoffe in Betracht unabhängig von ihrem Aggregatzustand. 4oo 491

Vgl. Hösel/von Lersner (Anm. 487), Rn. 3 zu§ 1. Beschluß des Bayrischen OLG vom 9. 7. 1974, NJW 1975, S. 397.

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M. Begriffe: Abfall, Abwasser, Beseitigen, Einbringen, Einleiten

Lediglich bei gasförmigen Stoffen besteht eine Relativierung insofern, als räumlich nicht eingefaßte, also grenzenlos sich ausbreitende Gase, Aerosole etc. nicht zu den beweglichen Sachen gerechnet werden. Flüssige Abfallstoffe können im Prinzip unter den Abfallbegriff subsumiert werden, auch wenn sie wegen der Regelungsbesonderheiten vor allem des Wasserrechts überwiegend als Abwasser bezeichnet sind. Da Abfall nicht auf Stoffe in fester Form beschränkt ist, wäre der umgangssprachliche Ausdruck "Müll" 492 als Rechtsbegriff zu eng, um den Abfallbegriff zu ersetzen. Einen speziellen Abfallbegriff sieht das Abfallbeseitigungsgesetz für Abfälle aus gewerblichen oder sonstigen wirtschaftlichen Unternehmen vor, die eine höhere Umweltgefährdung mit sich bringen können493 • Diese "Sonderabfälle" sind in einer Ausführungsverordnung durch eine Aufzählung von Chemikalienresten, Säuren, Lösemitteln und anderen umweltgefährdenden Stoffen näher bestimmt494• Eine Beziehung zum allgemeinen Abfallbegriff läßt sich insofern herstellen, als Abfälle, die ein bestimmtes Gefährdungspotential verkörpern, nach besonderen, meist "schärferen" Regeln zu beseitigen sind. Lediglich wegen spezieller Sorgfaltspflichten also wird bei der praktischen Rechtsumsetzung von Sonderabfällen gesprochen. Das Beseitigen ist in der Definition des Abfallbeseitigungsgesetzes

(§ 1 Abs. 2) durch eine Aufzählung von Tätigkeiten beschrieben, die im

Zusammenhang mit der Entsorgung stehen. Genannt sind das Einsammeln, Befördern, Behandeln, Lagern und Ablagern. Damit sollen fünf zeitlich und inhaltlich unterscheidbare Phasen der Abfallbeseitigung bezeichnet sein, die ihrerseits wiederum aus einer Vielzahl von Einzeltätigkeiten - etwa Auflesen, Abholen, Zerkleinern, Kompostieren, Bereitstellen zum Abtransport, Entladen - bestehen495 • Erkennbare Absicht dieser Definition ist es, den Vorgang der Entsorgung schon in seiner Entstehungsphase zu erfassen, sobald also die Formen des Umgangs mit Stoffen eine objektiv feststellbare Beziehung zur Beseitigung haben. Damit wird der Begriff Beseitigen über seine Wortbedeutung hinaus erheblich erweitert. Daß z. B. das vorübergehende Lagern einen Aspekt des Beseitigens ausmacht, ist vom Wortsinn her kaum einzusehen. Der Rechtsbegriff des Beseitigens, der somit zugleich Sammelbegriff ist, hat aber die Funktion, das Regelungs492 Allgemeinsprachlich: Haus-, Sperrmüll; neuerdings auch Industrie-, Atommüll. 493 § 2 Abs. 2. 404 § 1 der Verordnung zur Bestimmung von Abfällen nach § 2 Abs. 2 des Abfallbeseitigungsgesetzes vom 24. 5. 1977 mit Anlage. 405 Vgl. im einzelnen HöseUvon Lersner (Anm. 487), Rn. 14 ff. zu § 1.

I. Analyse

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instrumentarium für alle Vorgänge der Abfallbehandlung einsetzen zu können. Der sinnverwandte Begriff des Entledigens kommt im Abfallrecht mehrfach vor496 • Er hat aber anders als der Begriff des Beseitigens keine besondere Rechtserheblichkeit, sondern soll nur die Absicht des Besitzers kennzeichnen, Abfälle loszuwerden. Eine inhaltliche Vorstellung über den Vorgang ist mit der Benutzung des Begriffs Entledigen nicht verbunden. Er ist daher nicht geeignet, eine dem Beseitigen vergleichbare Funktion als Sammelbegriff zu übernehmen. Der Abfall- und der Beseitigungsbegriff wird in den für das Abiallbeseitigungsgesetz skizzierten Bedeutungen in zahlreichen Gesetzen und Ausführungsvorschriften benutzt497 • Sie sind damit beherrschend für alle Beschreibungen der Objekte und Vorgänge im Entsorgungsrecht. Außerhalb des Abfallrechts steht im übrigen das Beseitigen in einem Funktionszusammenhang, der zu einem völlig veränderten Bedeutungsinhalt führt. Das Beseitigen von Anlagen, das Beseitigen von Erdaufschlüssen oder das Beseitigen von erschlossenen Gewässernm hat mit dem Beseitigen von Abfällen nichts mehr zu tun. Diese Unterscheidung muß bei der Verwendung des Beseitigungsbegriffs stets mitgesehen werden. Die Entsprechung des Abfallbegriffs liegt für den Bereich speziell des Gewässerschutzes beim Abwasserbegriff. Für das Wasserhaushaltsgesetz gibt es für ihn keine Definition. Lediglich in der untergesetzlichen DIN-Vorschrift von 1964 ist er wie folgt definiert: "Nach häuslichem oder gewerblichem Gebrauch verändertes, insbesondere verunreinigtes, abfließendes und von Niederschlägen stammendes und in die Kanalisation gelangendes Wasser" 499 • Für den Zweck der Abwasserabgabe sieht § 2 Abs. 1 des Abwasserabgabengesetzes eine Definition vor, nach der Schmutzwasser, Miederschlagswasser und durch häuslichen, gewerblichen, landwirtschaftlichen oder sonstigen Gebrauch in seinen Eigenschaften verändertes Wasser unter den Abwasserbegriff fallen. Nach seiner Funktion im Wasserhaushaltsgesetz und im Abwasserabgabengesetz, aber auch etwa im Abfallbeseitigungsgesetz und im 496 u. a. § 1 Abs. 1 Abfallbeseitigungsgesetz, §§ 3 Abs. 1 Nr. 4b und 46 Abs. 1 Wasserhaushaltsgesetz. 497 z. B. im Bundes-Immissionsschutzgesetz, im Atomgesetz, im Düngemittelgesetz oder- zur Ausgrenzung des Geltungsbereichs - im Chemikaliengesetz. 498 Vgl. § 13 Bundes-Immissionsschutzgesetz, § 35 Abs. 2 Wasserhaushaltsgesetz sowie § 31 Abs. 1 Wasserhaushaltsgesetz. 499 Vgl. Hösel!von Lersner (Anm. 487), Rn. 26 zu § 1.

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M. Begriffe: Abfall, Abwasser, Beseitigen, Einbringen, Einleiten

Düngemittelgesetz schließt er alle Formen des Abfalls ein, die in Wasser gelangt sind und so zu Veränderungen des Wassers führen. Solchermaßen verändertes, meist verunreinigtes Wasser wird dadurch zu Abwasser, daß es abfließt bzw. beseitigt wird. Die Beseitigung geschieht regelmäßig durch Einleiten in Gewässer. Daß Abwasser nicht nur seiner Funktion nach, sondern auch begriffssystematisch als eine Form des Abfalls anzusehen ist, folgt insbesondere aus § 1 Abs. 2 Düngemittelgesetz, wo sich die Formulierung "Abfälle wie Abwasser ... " findet. Eine inhaltliche Ausgrenzung läßt sich gegenüber Begriffen wie Klärschlamm, Fäkalien und ähnlichen Stoffen vornehmen500, Soweit diese Stoffe als Abfälle zu behandeln sind50\ geschieht es begrifflich nicht in der Form des Einleitens, sondern des Einbringens bzw. des Beseitigens. Bei ihnen überwiegt demnach - trotz evtl. auch flüssiger Aggregatszustände- das Element fester Stofflichkeit. Nach Funktion und Verwendungsbreite kann der Abwasserbegriff als Pendant des Abfallbegriffs für den Bereich des Gewässerschutzes und der Bodenreinhaltung angesehen werden. Entsprechend der Abfallbeseitigung im Sinne des allgemeinen Abfallrechts gibt es auch für die Abwasserbeseitigung eine Definition. Nach § 18 a Abs. 1 Wasserhaushaltsgesetz umfaßt die Abwasserbeseitigung das Sammeln, Fortleiten, Behandeln, Einleiten, Versickern, Verregnen und Verrieseln von Abwasser. Von diesen Beseitigungsformen des Abwassers ragt das Einleiten als die allgemeine Form des Hineingelangens in Gewässer heraus. Diese umfassende Bedeutung ergibt sich aus allen Begriffsverwendungen im Wasserhaushaltsgesetz502, aus der allgemeinen Formulierung des § 1 Abs. 3 Nr. 5 Abfallbeseitigungsgesetz503 und auch aus § 2 Abs. 2 des Abwasserabgabengesetzes, wonach sowohl das unmittelbare Verbringen in ein Gewässer als auch das Verbringen in den Untergrund als Einleiten gilt. Über die Verknüpfung mit dem Abwasserbegriff hinaus ist Einleiten auf alle flüssigen und gasförmigen Stoffe bezogen, die in Gewässer gelangen können. Dies ergibt sich aus anderen Vorschriften des Wasserhaushaltsgesetzes504. Einleiten ist demnach das Hineingelangen oder Verbringen aller nicht festen Stoffe in Gewässer. 500 Vgl. § 15 Abs. 1 Abfallbeseitigungsgesetz und § 1 Abs. 2 Düngemittelgesetz. 501 Insbesondere Klärschlamm enthält nicht nur Schadstoffe, sondern auch wertvolle Stoffe zur Bodenverbesserung. 502 Vgl. z. B. §§ 7a Abs. 1, 18b Abs. 1, 21a Abs. 1. 503 "Abwasser, soweit es in Gewässer oder Abwasseranlagen eingeleitet wird". 504 Vgl. z. B. §§ 3, 5, 8, 22, 23, 32a, 34.

I. Analyse

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Das Hineingelangen fester Stoffe in Gewässer wird mit Einbringen bezeichnet505• Im deutschen Recht der Abfallbeseitigung kommt das Einbringen ausschließlich in dieser Bedeutung vor. Begrifflich ließen sich das Einleiten und das Einbringen mit dem Ausdruck "Einführen" zusammenfassen506• In der Gesetzessprache wird dieser Begriff jedoch nicht verwendet.

Eine allgemeine Umschreibung des Hineingelangens oder Verbringens von flüssigen, gasförmigen oder festen Stoffen in die Umwelt gibt es im deutschen Recht nicht. Begrifflich wird stets nach Art der Stoffe und nach dem betroffenen Umweltmedium differenziert. Soweit stoffliche Verunreinigungen der Luft507 auf Mensch und Umwelt einwirken, dient als Sammelausdruck der Begriff Immission. Er schließt jedoch auch Umwelteinwirkungen durch Geräusche, Licht, Wärme, Strahlen etc. ein506, so daß er nicht eigentlich als Begriff mit Bezug auf Umweltchemikalien gelten kann. Andere Begriffe wie das Verbringen, Versickern, Bewässern, Entwässern oder Verunreinigen haben jeweils einen zu speziellen Inhalt, um alle Formen der Stoffabgabe an die Umwelt einschließen zu können. In der naturwissenschaftlichen Sprache wird gelegentlich der Begriff Eintragen/Eintrag (in die Umwelt) verwendet. Er hat am ehesten die hier gemeinte allgemeine Funktion. Da er jedoch als Rechtsbegriff nicht vorkommt, muß er vom Begriffsvergleich und von den Harmonisierungserörterungen ausgenommen bleiben.

c) Europäische Gemeinschaften Unter den zahlreichen Regelungen der Europäischen Gemeinschaften zur Behandlung von Umweltchemikalien beziehen sich mehrere Richtlinien auf die Abfallbeseitigung. Die allgemeine Richtlinie des Rates über Abfälle vom 15. Juli 1975509 enthält Vorschriften über die Einschränkung des Abfallanfalls, die Wiederverwertung und die Beseitigung von Abfällen. Zum Begriff der Abfälle rechnet sie alle Stoffe oder Gegenstände, deren sich der Besitzer entledigt oder gern. den geltenden einzelstaatlichen Vorschriften zu entledigen hat510• Wegen speziellerer Regelungen gilt die Richtlinie nicht u. a. für Abwässer mit Ausnahme flüssiger Stoffe und gasförmiger Ab505 Vgl. u. a. §§ 3, 5, 8, 17a, 22 Wasserhaushaltsgesetz. soe Vgl. Hösel/von Lersner (Anm. 487), Rn. 28 zu§ 1. 507 Zum Begriff vgl. § 3 Abs. 4 Bundes-Immissionsschutzgesetz. 508 Vgl. § 3 Abs. 2 Bundes-Immissionsschutzgesetz. 5°9 ABI. Nr. L 194 vom 25. 7. 1975, S. 47. s1o Art. la der Richtlinie.

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M. Begriffe: Abfall, Abwasser, Beseitigen, Einbringen, Einleiten

leitungen in die Atmosphäre511 • Begriffssystematisch ist dieser Regelungsausschluß so zu deuten, daß auch Abwässer und gasförmige Stoffe an sich dem Abfallbegriff unterfallen. Inhalt und Struktur dieser EG-Definition entsprechen somit weitgehend der Begriffsbestimmung in § 1 des deutschen Abfallbeseitigungsgesetzes. Daß die EG-Richtlinie die Pflicht zur Entledigung nicht direkt als Definitionsbestandteil behandelt ("gemäß den geltenden einzelstaatlichen Vorschriften"), bedeutet zwar eine gewisse Abschwächung gegenüber der entsprechenden deutschen Festlegung. Dies geschieht aber allein aus Rücksichtnahme auf Unterschiede in den Mitgliedsstaaten, soll also keinen inhaltlich konstitutiven Ausschluß bewirken. Der allgemeine Abfallbegriff liegt auch der Richtlinie vom 20. März 1978 über giftige und gefährliche Abfälle512 zugrunde. Dem besonderen Schutzzweck entsprechend sind nach Art. 1 a aber nur die in einem Anhang zur Richtlinie aufgeführten Stoffe und Materialien erlaßt, von denen anzunehmen ist, daß sie Gesundheits- und Umweltgefahren hervorrufen können. Dazu gehören u. a. Arsen-, Quecksilber-, Kadmium-, Thalium-, Chrom- und Bleiverbindungen513• Weitere Konkretisierungen des Abfallbegriffs finden sich in der Richtlinie über Titandioxidabfälle vom 20. Februar 1978514, die Abfälle aus der industriellen Produktion betrifft, und in der Richtlinie "Ableitung gefährlicher Stoffe in die Gewässer" vom 4. Mai 1976515, wo insbesondere verschmutzende Abfälle - in zwei Listen - erfaßt sind. Eine Abfallkonkretisierung stellt auch die Richtlinie über die Altölbeseitigung vom 16. Juni 1975518 dar. Altöle sind gebrauchte halbflüssige oder flüssige Öl-Erzeugnisse einschließlich öliger Rückstände. In Art. 1 b der allgemeinen Richtlinie über Abfälle ist eine Definition für die Beseitigung enthalten, die diesen Begriff mit ähnlich umfassender Bedeutung ausstattet wie das deutsche Abfallbeseitigungsgesetz. Zur Beseitigung gehören danach das Einsammeln, Sortieren, Befördern und Behandeln von Abfällen und deren Lagerung und Ablagerung auf dem Boden oder im Boden sowie die erforderlichen Umwandlungsvorgänge zur Wiederverwendung, Rückgewinnung oder Verwertung von Abfällen. In der Bezugnahme auf das Umweltmedium Boden klingt zwar stärker noch als in der entsprechenden deutschen Definition an, m Art. 2 Abs. 2. m ABI. Nr. L 84 vom 31. 3. 1978, S. 43. 513 Vgl. auch oben Abschnitt K, S. 194 m. N. 514 ABI. Nr. L 54 vom 25. 2. 1978, S. 19. 515 ABI. Nr. L 129 vom 18. 5. 1976, S. 23. 516 ABI. Nr. L 194 vom 25. 7. 1975, S. 31.

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daß die Ableitung in die Atmosphäre oder in Gewässer nicht erfaßt sein soll. Dies dürfte allerdings eher an dem beschränkten Geltungsumfang der Richtlinie liegen511 und nicht prinzipiell begründet sein. Über den - umfassenden - Abfallbegriff nämlich weitet sich der Beseitigungsbegriff zwangsläufig aus. Daß die AbfallbeS€itigung tatsächlich umfassend angelegt ist, also über das Umweltmedium Boden hinausreichen kann, folgt aus anderen Richtlinien. Dies deutet schon der Name "Altölbeseitigung" für die Richtlinie vom 16. Juni 1975 an518• In der Richtlinie für Titandioxidabfälle ist sogar ausdrücklich festgestellt, daß zum Begriff der AbfallbeS€itigung nicht nur die Lagerung und Ablagerung auf dem Boden und das Einbringen in den Boden gehört, sondern auch das Einleiten in Gewässer und Versenken im Meer19• Von seiner Funktion her läßt sich das Beseitigen daher ebenso wie der Abfall als Sammelbegriff beschreiben. Der Begriff des Einbringens ist in den EG-Richtlinien auf alle Stoffe unabhängig von ihrem Aggregatzustand bezogen und schließt gleichermaßen den Boden und das Wasser als betroffene Objekte ein520• Während z. B. Titandioxidabfälle in den Boden "eingebracht" werden, ist nach einer Richtlinienbestimmung über die Versenkung von Abfällen ins Meer521 die "Einbringung" auf Gewässer bezogen. Speziell die vorsätzliche Einbringung ins Meer wird als Versenkung bezeichnet. Das Einbringen ist also insgesamt weiter gefaßt als nach dem deutschen Recht der Abfallbeseitigung. Das Einleiten schließlich dürfte mit dem in der Bundesrepublik gebräuchlichen Begriff für das Hineingelangen flüssiger Stoffe in Gewässer identisch sein522 •

d) Großbritannien In den englischen Chemikaliengesetzen wird an verschiedenen Stellen der Abfallbegriff verwendet. Die Abfallbeseitigung erscheint in unterschiedlichen Begriffsformen; insoweit ist ein dominierender Terminus - anders als in der Bundesrepublik oder in den EG-Richtlinien nicht ohne weiteres erkennbar. Vgl. Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie. ABI. Nr. L 194 vom 25. 7. 1975, S. 31. 519 Art. 2 Abs. 2c; ABI. Nr. L 54 vom 25. 2. 1978, S. 19. s2o Ob darüber hinaus auch die Luft bzw. Atmosphäre Einbringungsobjekt sein kann, läßt sich wegen des Fehlens diesbezüglicher Regelungen nicht feststellen. 521 Vgl. Art. 2 des Richtlinienvorschlags; ABI. Nr. C 40 vom 20. 2. 1976, S. 3. 522 Vgl. z. B. Art. 2 Abs. 2, S . 10 der Richtlinie über Titandioxid-Abfälle. 517

518

18 Kloepfer I Bosselmann

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M. Begriffe: Abfall, Abwasser, Beseitigen, Einbringen, Einleiten

Das Immissionsschutzgesetz von 1978 (Control of Pollution Act) enthält eine ausführliche Beschreibung des Abfallbegriffs. Nach der gesetzlichen Definition fallen unter Abfall feste oder flüssige Rückstände aus industriellen, gewerblichen oder landwirtschaftlichen Tätigkeiten, gebrauchte Schmiermittel, Schutt, leere Behälter oder radioaktiver oder sonstiger Müll523• Ausdrücklich eingeschlossen sind alle Stoffe, die das Abfallmaterial oder auch das Abwasser ausmachen einschließlich ungewollter Nebenstoffe. Des weiteren werden alle Stoffe und Materialien erfaßt, die wegen Zerstörung, Abnutzung, Versehrnutzung oder sonstiger Beeinträchtigung beseitigt werden sollen. Ausgenommen sind wegen speziellerer Regelungen die explosiven Stoffe. Der Abfallbegriff ist umfassend angelegt, da er nicht nur auf tatsächlich beseitigte Stoffe bezogen ist, sondern auch die Stoffe erfaßt, die zur Beseitigung erst anstehen. Allerdings kommt es hierbei wohl auf die Willensrichtung des Besitzers an und nicht allein auf willensunabhängige Gesichtspunkte. Auch fehlt es z. B. an Klarheit darüber, ob noch gebrauchsfähige und wirtschaftlich nutzbare Stoffe als Abfälle behandelt werden können. Aus Begriffsverwendungen in anderen Gesetzen kann indessen gefolgert werden, daß eine Ausgrenzung nicht begrifflich, sondern nur soweit nach den Regelungen erforderlich, vorzunehmen ist524. In die Definition für Abfall eingeschlossen ist der Abwasserbegriff. Er ist nicht weiter definiert, kommt aber in verschiedenen Ausdrucksformen525 in den einschlägigen Regelungen des Entsorgungsrechts vor. Der Begriff der Beseitigung, wie er im deutschen Recht verstanden wird, hat eine eher untergeordnete Rolle. Nur im Gesetz über das Gesundheitswesen526 finden sich Hinweise darauf, daß der Vorgang der Beseitigung (disposal) das Wegschaffen (removal) und ebenso die Vorbereitungen dazu (treating) umschließen kann. Bei wertender Betrachtung könnte freilich auch der Ausdruck "deposit" als allgemeiner Begriff der Beseitigung verstanden werden. In der wortgetreuen Übersetzung zielt er zwar nur auf das Lagern und Ablagern von Abfällen. Sein relativ häufiges Vorkommen in unterschiedlichen Zusammenhängen zeigt aber, daß er auch andere Formen der Beseitigung abdecken kann. Insbesondere wird er synonym ge523 Vgl. Code of Practice "Occupational exposure to airborne substances harmful to health" (Complements ILO Convention 148). 524 Vgl. z. B. den Factaries Act von 1961, wo Abfälle und Industrieabfälle nebeneinander und ohne nähere Bestimmung behandelt werden. 525 Waste water, effluent oder refuse water. 528 Health Services and Public Health Act 1968.

I. Analyse

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braucht mit dem Einbringen, also dem Hineingelangen fester Stoffe in Gewässe~ 27 •

Das eigentliche Einbringen wie auch das Einleiten wird sonst nicht klar unterschieden. Dem Dumping at Sea Act etwa läßt sich entnehmen, daß "dumping" das Hineingelangen sowohl fester als auch flüssiger Stoffe und Materialien in die See umfaßt.

e) Kanada Eine sehr detaillierte Definition des Abfallbegriffs enthält das kanadische Wassergesetz. Erkennbare Absicht dieser Definition ist die ins einzelne gehende Beschreibung eines umfassenden Begriffs528• Zum Abfall wird jeder Stoff gerechnet, der, wenn er zurückbleibt, die Qualität des Wassers mindert, verändert oder sonstwie beeinflußt, so daß Gebrauchsnachteile für Menschen, Fische oder Pflanzen entstehen können. Erlaßt sind sowohl die einzelnen Stoffe als auch das Wasser, das solche Stoffe enthält. Insofern ist auch der Abwasserbegriff eingeschlossen. Entscheidend für den Abfallbegriff ist die durch Rückstände und Materialreste bewirkte Gebrauchsminderung des Wassers. Abgesehen von der Bezugnahme auf den Gewässerschutz ist der Definition trotz ihrer Ausführlichkeit allerdings nicht recht zu entnehmen, durch welchen konkreten Umstand Stoffe zu Rückständen und damit zu Abfällen werden. Ob und inwieweit sie auch vor dem Hineingelangen in das Medium Wasser als Abfälle anzusehen sind und ob neben den gewerblichen und industriellen Abfällen auch Abfälle aus häuslichen und sonstigen sozialen Bereichen erfaßt sind, bleibt offen. Im Zweifel dürfte allerdings anzunehmen sein, daß - entsprechend der Intention der Begriffsbestimmung520 - alle denkbaren Aspekte des Abfallbegriffs abgedeckt sein sollen. Speziell der Abwasserbegriff ist in verschiedenen Chemikalienregelungen definiert530• Er weist insgesamt eine Bedeutungsbreite vergleichbar dem deutschen Abwasserbegriff auf, ist jedoch auf die Situation bei der jeweils betroffenen Industrie zugeschnitten. In dieser Konkretisierung liegt der Sinn der jeweiligen Definition. 627 So im Dumping and Sea Act 1974; vgl. daneben den Health Services and Public Health Act, den Control of Pollution Act, den Factories Act 1961 und den Deposit of Poisonous Waste Act 1972. 528 § 2 Abs. lk, Abs. 2a, b und c des Canada Water Act. s2o Vgl. § 2 Abs. 2, 1. Satz. 63° Fisheries Act, SDR/77 575 PC. 1977 - 1918, 7th July 1977, ChlorAlkali Mercury Liquid Effluent Regulations; Meat and Poultry Products Plant Liquid Effluent Regulations; SOR/ 77 279, 31st March 1977.

18°

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M. Begriffe: Abfall, Abwasser, Beseitigen, Einbringen, Einleiten

Im Gesetz zur Erhaltung der Umwelt531 ist das (allgemeine) Einbringen in die Umwelt definiert als Sammelbegriff für zahlreiche Vorgänge der Kontaktierung des Abfalls mit Umweltmedien. Hierzu gehören das Gießen, Ausgießen, Schütten, Verschütten, Auslaufen, Strömen, Ausströmen, Pumpen, Versprühen, Zerstäuben, Emitieren, Ausleeren, Wegwerfen oder Auskippen532• In einem generellen Sinn ist der Begriff daher sowohl im Gewässerschutz als auch im Schutz von Luft und Boden anwendbar. Der Begriff des Beseitigens läßt sich ähnlich dem deutschen Begriff als allgemeine Beschreibung des Sichentledigens identifizieren. Er kommt in der eben genannten Definition des Einbringens vor und wird darüber hinaus in zwei Chemikaliengesetzen definiert533• Er deckt insbesondere das Lagem, Ablagem, Einleiten, Einbringen (im engeren Sinne) und Einsickern ab. Ausgrenzungen nimmt er nicht vor. Da er zudem für kontrollierte wie unkontrollierte Formen der Entsorgung verwendet wird, kann er insgesamt als Oberbegriff für alle auf Abfälle bezogenen Handlungen und Vorgänge bezeichnet werden. f) Übrige Länder

Die skizzierte Linie der Abfall- und Beseitigungsdefinitionen läßt sich auch für andere Länder weiterziehen. Der Abfallbegriff wird als Bezeichnung für Stoffe, die besonderen Kontrollnormen unterliegen, vielfach verwendet. Ebenso dient der Begriff des Beseitigens in mehreren Ländemals Sammelbezeichnung für alle Vorgänge und Tätigkeiten, die mit der Behandlung von Abfällen im Zusammenhang stehen. Im Unterschied zu den bisher dargestellten Ländem sind die Begriffe sonst allerdings weniger definiert. Auch die Verwendungshäufigkeit ist in Ländern wie den USA, Frankreich, den Niederlanden oder der Schweiz geringer als z. B. in der Bundesrepublik. Insgesamt ergibt sich ein Bild, das zwar eine gewisse Einheitlichkeit für die allgemeinen Begriffe des Abfalls und der Beseitigung aufweist, das aber bei den Begriffen Abwasser und Einleiten sowie Einbringen weniger deutlich zu zeichnen ist. Insofem lassen die mangelnde Definitionsdichte und die geringere Verwendungshäufigkeit kaum weitergehende inhaltliche Schlußfolgerungen zu. In den USA spielt der Abfallbegriff vor allem in denjenigen Chemikaliengesetzen eine Rolle, die den Umgang mit gefährlichen Abfällen Environmental Containments Act, sec. 2 (1). Spilling, leaking, pumping, spraying, pouring, emitting, emptying, throwing, dumping. 533 Siehe oben Anm. 530. 531

532

I. Analyse

277

regeln. In diesem Kontext werden Abfälle nicht abstrakt umschrieben, sondern zumeist enumerativ aufgeführt. Im Federal Register von 1980 z. B. werden, unterteilt nach bestimmten Gefahrenklassifizierungen, Abfallstoffe listenmäßig aufgeführt53\ so daß sich insgesamt der Begriff Abfall als Summe von Stoffen darstellt, deren Beseitigung Risiken für Mensch und Umwelt mit sich bringt. Eine sehr detaillierte Definition sieht das Abfallbeseitigungsgesetz des US-Bundesstaates Oregon vor, in der "ausrangierte, nicht mehr verwendbare oder unerwünschte" Materialien, Rückstände und sonstige Stoffe erwähnt und durch Beschreibung ihrer Eigenschaften näher konkretisiert werden535• Die Abfallbeseitigung umfaßt nach dem Federal Register die Behandlung, Lagerung, Beförderung, Ablagerung und den sonstigen Umgang mit Abfällen538• Insoweit ergeben sich direkte Ähnlichkeiten mit den sonst international vorkommenden Definitionen. Der Abfallbegriff im französischen Recht ist definiert als Reste oder Rückstände industrieller oder gewerblicher Produktion und als Stoffe, Materialien oder Produkte, die beseitigt sind oder derer sich der Besitzer entledigen will537• Bis auf den Gesichtspunkt der objektiven Erforderlichkeit der Abfallbeseitigung ist diese Definition also ähnlich weit gefaßt wie der deutsche Abfallbegriff. Die Beseitigung von Abfällen wird in Frankreich nicht weiter definiert, so daß hier unklar bleibt, inwieweit einzelne Vorgänge wie z. B. das Sammeln, Behandeln oder Wiederverwenden begrifflich eingeschlossen sind. In den Niederlanden werden die Begriffe Abfall, Abwasser, Beseitigen und Einleiten vielfach verwendet538• Auffälligerweise fehlt jedoch jede erläuternde Umschreibung. Wie bei verschiedenen anderen Schlüsselbegriffen des niederländischen Umweltchemikalienrechts, so wird auch hier auf eigenständige Definitionen verzichtet und stattdessen die allgemeinsprachliche Bedeutung vorausgesetzt. Ähnliches gilt für das Abfallrecht der Schweiz. Im Giftgesetz und im Gesetz über den Gewässerschutz mit ihren jeweiligen VollziehungsVgl. 45 Federal Register 33119, § 261.30. Oregon Revised Statutes 1973, §§ 459.005; vgl. oben den Abdruck im Anhang zu Abschnitt K. 538 45 Federal Register 33074, § 261.10 (a) (1). 537 Vgl. Decree 77- 1554 vom 28. 12. 1977, Art. 1. 538 u . a. im Abfallgesetz Stb. 1977, 455 - , im Gesetz über Chemikalienabfälle - Stb. 1976, 214 - , im Gesetz gegen Wasserverschmutzung - Stb. 1969, 536 -,im Atomgesetz- Stb. 1963, 83- sowie in der Ministerorder über den Transport gefährlicher Stoffe- Stert 1980, 64. 534

535

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M. Begriffe: Abfall, Abwasser, Beseitigen, Einbringen, Einleiten

verordnungen werden Abfallstoffe bzw. Abwasser behandelt, nicht aber

definitionsmäßig geklärt. Soweit ersichtlich, spielt im übrigen der allgemeine Begriff der Beseitigung keine übergeordnete Rolle, sondern er wird in seiner Funktion ersetzt durch das "Ablagern" von Abfallstoffen539.

Der vielfach festzustellende Verzicht auf Definitionen kann positiv gewendet als Hinweis darauf verstanden werden, daß insbesondere der Abfallbegriff und der Beseitigungsbegriff ohne detaillierte Ausgrenzungen ausgelegt werden müssen. Dies würde auf der Linie der weit gefaßten Definitionen in Ländern wie der Bundesrepublik Deutschland, Großbritannien, Kanada sowie der Europäischen Gemeinschaften liegen. g) Multilaterale Verträge

Ein wichtiges Anwendungsgebiet für Regelungen zur Abfallbeseitigung sind internationale Abmachungen. Wegen der besonderen Versehrnutzungsgefahren für die von nationalen Gesetzen nicht erfaßten Weltmeere ist das Recht der Abfallbeseitigung auf See von besonderer Bedeutung. Hier gibt es eine Reihe internationaler Übereinkommen, die den Schutz des Meeres vor dem Einbringen und Einleiten von Abfällen regeln540. Das (Osloer) Obereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch das Einbringen durch Schiffe und Luftfahrzeuge vom

15. Februar 1972541 bindet 12 europäische Staaten und reglementiert das Einbringen bestimmter Abfallstoffe. Als Abfälle werden chemische Stoffe und alle Gegenstände bezeichnet, die sich nach Eigenschaft und Menge schädlich auswirken können542. In einer Anlage II sind die gemeinten Abfallarten aufgeführt, wobei einzelne Stoffe (z. B. Arsen, Blei etc.) und Gegenstände (Behälter, Schrott, Teer) enumerativ und sonstige schädliche Stoffe beschreibend erwähnt sind. Ihre Beseitigung ist unter Beachtung bestimmter Sorgfaltspflichten zulässig. Verboten ist nach Art. 5 das Einbringen solcher Stoffe, die in der Anlage I aufgeführt sind. Hierzu gehören u. a. Halogen-, Siliciumverbindungen, Quecksilber und Kadmium mit ihren Verbindungen sowie krebserregende Stoffe und verschiedene synthetische Materialien. Interessanterweise werden diese Stoffe vom Übereinkommen nicht als Abfälle bezeichnet. Der Abfallbegriff bezieht sich also nur auf eine Reihe von Stoffen und Gegenständen, deren Beseitigung grundsätzlich erlaubt ist. 53'

Vgl. Art. 7 Abs. la der Vollziehungsverordnung zum Giftgesetz vom

23. 12. 1971, SR 814.801.

640 Vgl. allgemein dazu Ehlers/Kunig (Anm. 488). 641 BGBI. 1977 li, S. 169. 642 Art. 6 des Übereinkommens.

I. Analyse

279

Dem Beseitigen ist begrifflich das "Absetzen"543 von Stoffen und Gegenständen in gewisser Weise gleichgestellt. Es bezieht sich im Prinzip auf alle Vorgänge, durch die Abfallstoffe ins Meer gelangen. Sind diese Vorgänge allerdings mit dem Zweck des Sichentledigens verbunden, tritt an die Stelle des Absetzens der Begriff der Beseitigung544• Der Begriff der Beseitigung ist seiner Funktion nach Oberbegriff für das Einbringen (fester Stoffe) und das Einleiten (flüssiger Stoffe). Für die Regelungszwecke des Übereinkommens sind im übrigen das Einbringen und Einleiten durch verschiedene Relativierungen545 begrifflich eingeengt. Von völkerrechtlich noch größerer Bedeutung ist das (Londoner) Obereinkommen über die Verhütung der Meeresverschmutzung durch das Einbringen von Abfällen und anderen Stoffen vom 29. Dezember 1972548, das für 32 Staaten, darunter die USA, Kanada und Sowjetunion, verbindlich ist. Als "Abfälle oder sonstige Stoffe" sind hier Gegenstände und Stoffe "jeder Art, jeder Form und jedes Typs" 547 bezeichnet, wobei zwischen Stoffen und Gegenständen, deren Beseitigung nach Einhaltung der Sorgfaltspflichten zulässig ist548 und anderen Stoffen, die nicht eingebracht werden dürfen549, unterschieden wird. Aus mehreren Bestimmungen geht indessen hervor, daß anders als im Osloer Abkommen beide Arten zum Begriff Abfälle gerechnet werden550• Dennoch ist der allgemeine Aussagegehalt des verwendeten Abfallbegriffs relativ gering, weil er nicht im eigentlichen Sinne definiert wird, sondern außer durch eine knappe Erläuterung nur durch die Aufzählung der erfaßten Stoffe und Gegenstände dargestellt ist. Der Begriff der Beseitigung umschließt alle Formen der Entledigung von Abfällen551 • Im Vergleich zum Oslo-Übereinkommen scheint im Londoner Übereinkommen das Einbringen weitergefaßt, da es sich undifferenziert auf 543 "Placing" bzw. "Depot". su Vgl. Art. 19 Abs. 1b. 545 Einbringen erfordert Vorsatz, und Einleiten ist nur erfaßt, soweit es außerhalb des Normalbetriebes der Schiffe und Luftfahrzeuge geschieht; vgl. Art. 19 Abs. 1a. 548 BGBI. 1977 II, S. 180. 647 Art. III Abs. 4. 548 Anlage 11. 549 Anlage I. sso Vgl. z. B. Art. IV Abs. la und b des Übereinkommens. 55t Vgl. Art. III Abs. lai, ii; b und c.

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M. Begriffe: Abfall, Abwasser, Beseitigen, Einbringen, Einleiten

sämtliche Abfall- und Stoffarten bezieht und so den Begriff Einleiten mit abdeckt552• Das Einbringen erfaßt insbesondere auch die Verbrennung von Abfallstoffen auf See553• Die Grundbegriffe der Abfallbeseitigung auf See sind mit diesen oder ähnlichen Bedeutungen auch in weiteren multilateralen Verträgen enthalten, so im (Helsinki-)Vbereinkommen über den Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebietes vom 22. März 1974 und im (Paris-)Vbereinkommen zur Bekämpfung der Meeresverschmutzung vom Lande aus vom 21. Februar 1974554 • Die relativ ausgeprägte Einheitlichkeit im multilateralen Vertragsrecht zeigt, daß die Begriffe einer intemationalen Harmonisierung durchaus zugänglich sind. An allgemeinverbindlichen Definitionen fehlt es zwar bisher. Die vorzufindenden Begriffsbestimmungen sind aber über ihren jeweiligen Geltungsbereich hinaus Hinweise darauf, daß die Harmonisierung chemikalienbezogener Abfall- und Beseitigungsbegriffe schon auf der Grundlage eines existierenden Konsenses möglich ist.

h) Ergebnis Ausgehend von der Terminologie im deutschen Recht der Abfallbeseitigung wären die Gemeinsamkeiten nur partiell gegeben. Der Ausdruck "Abfall" kehrt nicht in allen Rechtsordnungen mit einer vergleichbaren Bedeutung wieder. Zum Teil wird allgemein von Stoffen und Gegenständen gesprochen, zum Teil werden die Abfälle umschrieben bzw. einzeln aufgezählt, ohne diesen Ausdruck zu verwenden. Ähnliches gilt für den Ausdruck "Abwasser", der nicht selten im jeweils verwendeten Abfallbegriff mitenthalten ist, ohne gesondert definiert zu sein. Beim Ausdruck "Einbringen" gibt es unterschiedliche Bezugsrahmen auf die in Frage kommenden Stoffarten - entweder sämtliche Aggregatzustände oder nur feste Stoffe - sowie auf die betroffenen Umweltmedien- nicht immer nur Gewässer. Dieser Begriff hat unterschiedliche Bedeutungsbreiten. Fast durchgängig ist der Begriffskonsens beim Beseitigen sowie beim Einleiten. Insoweit bedarf es keiner wertenden Korrektur der Ausdrücke. Das generelle Bild der Übereinstimmung verstärkt sich hingegen, wenn man - losgelöst von der deutschen Terminologie - nach den jeweiligen Inhalten fragt. Danach erscheint der Abfallbegriff inter552 Vgl. Art. III Abs. la und b; das Einleiten kommt in den Regelungen nicht vor. 553 Vgl. Ehlers/Kunig (Anm. 488), S. 32. 554 Hierzu im einzelnen Ehlers/Kunig (Anm. 488), S. 40 ff.

II. Harmonisierungserörterungen

281

national geschlossener, weil er grundsätzlich alle Stoffe und Materialien umfaßt, die bei ihrer Beseitigung Umweltgefahren herbeiführen können. Abweichungen ergeben sich aus individuellen Regelungserfordernissen sowie bei der Frage, welche Rolle die Willensrichtung des Besitzers spielt. Der Begriff des Abwassers läßt sich selbständig darstellen; in der Regel ist er eine besondere Ausprägung des Abfallbegriffs. Das Einbringen als Sammelbegriff für alle Formen des Hineingelangens von Abfallstoffen in die Umwelt findet sich vor allem in Kanada und ansatzweise in Großbritannien sowie im EG-Regelungsbereich. Sonst wird er enger verstanden, meist als Hineingelangen von festen Stoffen in Gewässer. II. Harmonisierungserörterungen 1. Allgemeines

Der Vorschlag für harmonisierte Definitionen wird sich vor allem am internationalen Konsens der vorhandenen Begriffsbestimmungen orientieren. Zur Verfügung steht eine Reihe von Definitionen und Begriffsumschreibungen. Daneben ist aber auch der häufige Verzicht auf gesetzliche Definitionen zu berücksichtigen. Hierdurch gewinnt der allgemeinsprachliche Inhalt der Begriffe an Bedeutung. Die Kombination beider Gesichtspunkte liegt darin, daß auf der Grundlage der allgemeinen Begriffsbedeutung diejenigen Definitionsinhalte hinzugenommen werden, die zum Bestand der existierenden gesetzlichen Definitionen gehören. Den allgemeinen Harmonisierungskriterien entsprechend kommt es ferner darauf an, bereits entwickelte Begriffssysteme besonders einzubeziehen. Soweit es die Umweltgefährlichkeit der Beseitigung von Abfallstoffen erfordert, sind diejenigen Begriffsbedeutungen zu favorisieren, die eine Fortentwicklung gegenüber älteren Begriffsbildungen darstellen. Die Grenze einer solchermaßen fortentwickelten Begriffsharmonisierung wird durch die Anpassungsfähigkeit der existierenden Begriffe bestimmt. Entscheidend ist letztlich die Praktibilität und Effizienz der Begriffe. 2. Abfall

Der Inhalt einer harmonisierten Definition des Abfallbegriffs läßt sich zunächst von den Bedürfnissen des Umweltchemikalienrechts her eingrenzen. Den vielfältigen Anforderungen der verschiedenen Chemikaliengesetze folgend muß der Abfallbegriff alle Stoffe und Materialien erfassen, in denen Chemikalien vorkommen. Die Entstehung von Abfällen

282

M. Begriffe: Abfall, Abwasser, Beseitigen, Einbringen, Einleiten

ist im Prinzip unabhängig von bestimmten Aktivitäten zu sehen. Obwohl im Bereich der Umweltchemikalien die industrielle Produktion eine besondere Bedeutung haben mag, ist der Anfall von Abfallstoffen ebenso im gewerblichen, landwirtschaftlichen, häuslichen wie allgemein im sozialen Bereich denkbar. Die Ausgrenzung einzelner Entstehungsformen würde dem Anspruch auf Erfassung aller chemikalienhaltiger Abfälle nicht gerecht werden. Im Unterschied zum allgemeinen Stoffbegriff555 ist der Abfallbegriff durch seinen Bezug zur Beseitigung gekennzeichnet. Zu den Abfällen gehören daher solche Stoffe, derer sich der Besitzer wegen ihrer Wertlosigkeit, Unerwünschtheit oder aus sonstigen Gründen entledigt hat oder entledigen will oder auch entledigen muß. Genauere Festlegungen folgen nicht aus dem Unterschied zum Stoffbegriff, sondern aus den Notwendigkeiten der Abfallkontrolle. Sie werden international nicht unbedingt einheitlich beurteilt.

a) Begriffskern Aus dieser ersten Eingrenzung läßt sich der Kern des Abfallbegriffs bilden. Der Begriffskern repräsentiert zugleich den gesicherten Bestand aller existierenden Abfallbegriffe. Erfaßt sind alle Stoffe ohne Rücksicht auf ihren Aggregatszustand. Flüssige Stoffe gehören ebenso dazu wie feste Stoffe. Ebenso können gasförmige Stoffe - Abgase - nicht von vornherein aus dem Abfallbegriff herausfallen. Daß etwa der im deutschen Abfallbeseitigungsrecht zugrundegelegte Abfallbegriff gasförmige Stoffe, die nicht räumlich abgrenzbar sind, ausnimmt538, mag zwar plausible Gründe haben: wegen ihres flüchtigen Aggregatszustandes sind sie vom Immissionsschutzrecht besser zu erfassen als vom Abfallbeseitigungsrecht. Eine begriffliche Notwendigkeit zur Herausnahme gibt es hingegen nicht. Wie das Beispiel vieler ausländischer Abfallbegriffe zeigt, kann es den jeweiligen Normen überlassen bleiben, ob und inwieweit sie beim Abfallbegriff Differenzierungen vornehmen. Ähnlich verhält es sich mit dem Einschluß des Abwasserbegrüfs. Von Bedeutung ist er zumeist nur im Gewässerschutz und nicht im Allgemeinrecht der Abfallbeseitigung. Dies schließt jedoch nicht aus, daß Abwasser als eine spezielle Form des Abfalls angesehen wird. Da Abwasser aufgrund von chemischen (und physikalischen) Stoffveränderungen zustande kommt, schließt die Entstehung von Abfall prinzipiell auf die Möglichkeit der Abwasserentstehung ein. 555 5se

Vgl. oben Abschnitt D. Vgl. Hösel/von Lersner (Anm. 487), Rn. 5 und 25 zu § 1.

II. Harmonisierungserörterungen

283

Streng genommen sind mit den Stoffen zugleich alle beweglichen Sachen bzw. Materialien und Gegenstände, soweit sie chemische Stoffe enthalten, erfaßt. Denn nach der umfassenden Bedeutung des Stoffbegriffs sind auch Produkte und sonstige Materialien stofflich bereitete Ausformungen557• Dennoch erfordert wohl die Begriffsklarheit, auch die allgemein-sprachlich bekannten Abfallformen wie Schrott, Altpapier, Industriemüll, Hausmüll und sonstige Gegenstände der Abfallbeseitigung explizit einzubeziehen. Als Sammelbegriff hierfür käme die Wendung "bewegliche Sachen" in Betracht558• In ausländischen Regelungen ist allerdings zumeist von Materialien die Rede. Diese Bezeichnung erscheint im Prinzip vorzugswürdig zu sein, weil durch sie zum einen die Unterscheidung zu den lebenden Tieren deutlicher wird, die jedenfalls nach dem zivilrechtliehen Begriff der beweglichen Sachen sonst eingeschlossen wären. Zum anderen entspricht der Ausdruck "Materialien" am ehesten der im Umweltchemikalienrecht gebräuchlichen unspezifizierten Bezeichnung für gegenständliche Stofformen558• Durch das zusätzliche Moment der Entledigung werden die Stoffe und Materialien zu Abfällen. Worin sich diese Entledigung manifestiert, ist allerdings nicht ohne wertende Gesichtspunkte festzulegen. In diesen Wertungen unterscheiden sich international die Abfallbegriffe. Zum Begriffskern kann daher nicht mehr als das Objekt Stoff/Materialien und das nicht näher festgelegte Moment der Entledigung gerechnet werden.

b) Weitere Definitionsinhalte Als Abfall sind Materialien jedenfalls dann zu erkennen, wenn sich der Besitzer560 ihrer entledigt hat. Dies setzt zum einen die Aufgabe des Gewahrsams und Eigentums voraus, zum anderen den Verzicht des Besitzers darauf, sich oder anderen irgendeinen wirtschaftlichen Nutzen verschaffen zu wollen. Hierin unterscheidet sich der Entlediger vom Verkäufer, Vermieter oderSchenkereiner Sache. Schon die Feststellung einer erfolgten Entledigung kommt also nicht ohne Willensäußerung des Besitzers aus. Sie kann sich freilich auch in objektiven Umständen zeigen, etwa darin, wo sich die Materialien befinden (z. B. Abfallbehälter, Halden). Gegenüber diesem noch überwiegend objektiv feststellbaren Entledigungstatbestand ist die Feststellung einer bevorstehenden Entledigung 651 Vgl. die Definitionen zu "Herstellen", "Stoff" und "Produkt" in den Abschnitten A, D und G. 658 § 1 Abs. 1 des deutschen Abfallbeseitigungsgesetzes. s5e Vgl. auch oben Abschnitt A, S. 24. 560 Wer Besitzer ist, entscheidet sich im deutschen Abfallrecht nach dem BGB, kann aber international verbindlich nicht festgelegt werden; vgl. dazu Abschnitt A, S. 30 und H, S. 121 f.

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M. Begriffe: Abfall, Abwasser, Beseitigen, Einbringen, Einleiten

schwieriger. Soweit der Abfallbegriff in den nationalen Gesetzen definiert ist, werden stets auch Materialien zu den Abfällen gerechnet, deren (eigentliche) Beseitigung erst noch bevorsteht (Bundesrepublik Deutschland, Europäische Gemeinschaften, Kanada). Es entspricht dem generellen Schutzzweck der Abfallgesetze, die Kontrollnormen nicht erst nach Eintritt der Materialien in die Umwelt, sondern rechtzeitig vor der Entstehung von Gefährdungen eingreifen zu lassen, was sich u. a. in der zunehmenden Bedeutung der Abfallbewirtschaftung ausdrückt.

Im Bereich der noch nicht erfolgten Entledigung entscheidet zunächst der Wille des Besitzers. Dabei wird es nicht so sehr auf den Willen, eine Sache als Abfall zu beseitigen, ankommen, sondern auf den bloßen Entledigungswillen; sonst wäre die "wilde" Abfallbeseitigung (z. B. achtloses Wegwerfen in der Natur) begrifflich u. U. nicht zu erfassen. Eine Differenzierung zwischen kontrollierter und unkontrollierter Entledigung im Zusammenhang mit dem Abfallbegriff ist den existierenden Definitionen nicht zu entnehmen. Soweit der Entledigungswille ausschlaggebend ist, kann es auch nicht auf den Wert der Sache ankommen. Wenn wertvolle Materialien bewußt der Entledigung zugeführt werden sollen, kann das Abfallkontrollrecht nicht deswegen unanwendbar sein, weil wirtschaftliche Werte auf dem Spiel stehen. Bei freiwilliger Entledigung verzichtet der Besitzer auf die rechtliche Sicherung der Sache, so daß ein Konflikt zwischen dem Besitzerwillen und der allgemeinwohlorientierten Abfallkontrolle nicht besteht. Anders stellt sich die Frage, wenn es einen erkennbaren Entledigungswillen nicht gibt oder gar der Wille des Besitzers entgegensteht. Wie der dann entstehende Konflikt zwischen dem subjektiven und dem objektiven Interesse (an einer ordnungsgemäßen Abfallbeseitigung) zu lösen ist, läßt sich nach den existierenden Definitionen und Umschreibungen des Abfallbegriffs nicht eindeutig beantworten. Das deutsche Recht sieht einen zusätzlichen objektiven Abfallbegriff vor, so daß auch bei entgegenstehendem Willen eine ordnungsgemäße Beseitigung als Abfall zur Wahrung des Wohls der Allgemeinheit geboten sein kann. Unter dem Gesichtspunkt des Umwelt- und Gesundheitsschutzes ist hierin eine sinnvolle Begriffserweiterung zu erblicken, da er auch gegen u. U. anders gelagerte Privatinteressen durchgesetzt werden kann561 • Allerdings wird dann der Gebrauchswert oder wirtschaftliche Wert der betroffenen Materialien eine erhebliche Rolle spielen. 551 Man denke z. B. an die Gefahren unerlaubt hergestellter chemischer Kampfstoffe, die unbestreitbar eine besonders kontrollierte Beseitigung erfordern.

li. Harmonisierungserörterungen

285

In solchen Fällen kommt anstelle der Beseitigung auch die ordnungsgemäße Wiederverwertung in Betracht. Hierfür können neben wirtschaftlichen Gesichtspunkten wiederum gerade Umweltschutzinteressen sprechen. Unter Betonung der Entsorgungsfunktion des Abfallrechts dürfte es angemessen sein, das Fehlen eines wirtschaftlichen Wertes als Indiz, nicht aber als einziges Kriterium für die Beseitigung anzusehen562• In der Beurteilung ist im übrigen auch ein zeitliches Element von Bedeutung, nämlich die Möglichkeit, daß Materialien nach gewisser Zeit nicht mehr den Wert der Wiederverwendbarkeit besitzen und so zu "abgenutzten" Abfällen werden. Ein allgemeines Bedenken gegen einen zu weitläufig angelegten Abfallbegriff besteht darin, daß er die Notwendigkeit der größtmöglichen Wiederverwertung von Rückständen (recycling) behindern könnte. Wenn auch diese Gefahr sicher nicht unberücksichtigt bleiben darf, so ist sie doch nicht in erster Linie dem Abfallbegriff anzulasten, da er nicht bestimmte rechtliche Konsequenzen in sich birgt. Abfall kann zugleich Wirtschaftsgut sein und insofern einer gesetzlichen Verwertungspflicht unterliegen. Die nicht zu leugnenden Ambivalenzen des objektiven Abfallbegriffs zwingen zwar nicht dazu, ihn bei einer harmonisierten Definition zu ignorieren. Die prinzipiellen Vorteile für den Umwelt- und Gesundheitsschutz sollten den Ausschlag dafür geben, ihn zu berücksichtigen. Da er aber international nicht dermaßen verbreitet ist, daß er als in jedem Fall konsensfähig gelten kann, muß die Berücksichtigung in abgeschwächter Form erfolgen. Der geltenden Rechtslage und ihrer Fortentwicklung ist dadurch gerecht zu werden, daß im Definitionsvorschlag auf die gesetzliche Gestaltungsmöglichkeit hingewiesen wird. Abfälle sind demnach auch solche Stoffe und Materialien, die unabhängig vom Willen des Besitzers gesetzlich als Abfälle bewertet werden. Somit besteht die Definition aus subjektiven und objektiven Elementen, wobei die notwendigen Differenzierungen in Form von Anmerkungen vorzunehmen sind. 3. Abwasser

Der Abwasserbegriff läßt sich als spezielle Form des Abfallbegriffs auffassen. Von Bedeutung ist der Abfallbegriff für die Kontrollnormen, die den Gewässerschutz zum Gegenstand haben. Abwasser ist als abfließendes Wasser zu beschreiben, das in seiner Qualität oder Brauchbarkeit gemindert ist. 5 62

So auch Hösel!von Lersner (Anm. 487), Rn. 9 zu§ 1.

286

M. Begriffe: Abfall, Abwasser, Beseitigen, Einbringen, Einleiten

Im einzelnen sind es nicht näher zu qualifizierende Stoffe oder Materialien, die unabhängig von der Form ihrer Entstehung die Qualität des Wassers mindern. Vorwiegend kommen industrielle Prozesse als Veränderungsquelle in Betracht, daneben aber auch gewerbliche und häusliche Aktivitäten und Vorgänge. Eine Spezifizierung der Aktivitäten und Prozesse ist daher entbehrlich. Entscheidendes Merkmal des Abwassers ist die Veränderung des Wassers, die sich zumeist als Verunreinigung oder zumindest Brauchbarkeitsminderung darstellt, aber auch als Erwärmung denkbar ist. Verunreinigungen oder Veränderungen können im übrigen auch durch Niederschlagswasser und Sickerungsprozesse bewirkt werden. Aufgabe des Abwasserbegriffs ist es, die unterschiedlichen Formen abfließenden Wassers zu erfassen. Weitere Ausdifferenzierungen sind nach den Verwendungen des Abwasserbegriffs in den nationalen Gesetzen nicht möglich, aber auch entbehrlich. Denn für die Belange des Gewässerschutzes ist entscheidend, im Prinzip jede qualitätsmindernde Veränderung, die sich in Gewässern zeigt, zu erfassen und abfließendes Wasser, das in Gewässer, Kanalisationen oder Kläranlagen gelangen kann, als Abwasser zu bezeichnen. Wegen der sonst gegebenen Nähe zum Abfallbegriff genügt der allgemeine Hinweis auf die sich entsprechenden Gesichtspunkte. 4. Beseitigen

Der Begriff des Beseitigens bzw. der Beseitigung hat eine gleichgroße Bedeutung wie der Abfallbegriff. Beide sind derart eng miteinander verknüpft, daß die Definition des einen Begriffs praktisch nicht möglich ist ohne die Definition des anderen. In der Rechtspraxis und auch in vielen Normen des Abfallrechts drückt sich dieser Zusammenhang oft darin aus, daß nur der Ausdruck "Abfallbeseitigung" verwendet wird. Zwischen Abfallbeseitigung und Beseitigung (im Kontext des Abfallrechts) bestehen keinerlei inhaltliche Unterschiede. Während der Abfall den Gegenstand bezeichnet, beschreibt die Beseitigung die darauf bezogenen Aktivitäten. Erst zusammengenommen machen sie das eigentliche Objekt der gesetzlichen Abfallkontrolle aussM. Da schon der Abfallbegriff einen weiten Bedeutungsinhalt hat, also zum Beispiel Stoffe bereits vor ihrem Abtransport als Abfälle dekla583 Der vielfach bestehende Grundsatz des Vorrangs der Wiederverwendung und Verwertung bedeutet hiervon keine Ausnahme, da sie nicht in sich regelungsbedürftig sind wie die ordnungsgemäße Beseitigung von Abfällen.

li. Harmonisierungserörterungen

287

riert, muß auch der Beseitigungsbegriff einen weiten Inhalt haben, wenn er alle Phasen des Umgangs mit Abfällen erfassen soll. Er hat also die Funktion, alle relevanten Tätigkeitsformen abzudecken. Diese SammeZfunktion ist ein durchgängiges Merkmal der international vorkommenden Begriffe. Nicht nur in den D€finitionen wie etwa in der Bundesrepublik, im EG-Regelungsbereich oder in Kanada wird dies deutlich, sondern in jeder Verwendung des Begriffs. "Beseitigt" werden kann grundsätzlich jede Form von Abfall, insbesondere als Stoffe festen, flüssigen oder gasförmigen Aggregatzustandes. Dies folgt schon aus der Affinität zum Abfallbegriff. Soweit in den vorhandenen Definitionen die Phasen bzw. die einzelnen Formen der Beseitigung aufgeführt werden, reichen sie vom Sammeln oder (vorübergehenden) Lagern bis zum eigentlichen Vernichten, "Verschwindenlassen" oder Ablagern der Abfälle. Im einzelnen können dazugehören das Einsammeln, Befördern, Behandeln (z. B. Zerkleinern, Entgiften), Bereitstellen, Zwischenlagern, Einlagern, Ablagern, Einleiten oder Verklappen. Eine bestimmte zeitliche Reihenfolge ließe sich zwar denken, wäre aber nicht zwingend; so kann z. B. das Lagern dem Bereitstellen von Abfällen vorausgehen, ebenso aber auch nachfolgen. Die einzelnen Tätigkeiten in der Definition festzulegen, ist aus mehreren Gründen nicht möglich. Zum einen sind die vorhandenen Definitionen insoweit nicht deckungsgleich, und häufig ist auch gar nicht festzustellen, welche Beseitigungsformen jeweils erfaßt sein sollen, zum zweiten sind auch in den vorhandenen Definitionen die Aufzählungen nicht immer abschließend564• Und schließlich widerspricht es der generellen Sammel- und Oberbegriffunktion, wenn ein abschließender Katalog feststehender Aktivitäten vorgeschlagen würde. Gerade hier ist nämlich zu bedenken, daß die Begriffsverwendung nicht auf die Fälle der kontrollierten Abfallbeseitigung beschränkt ist. Die ordnungsgemäße, gefahrlose Beseitigung ist zwar Inhalt und Ziel der eigentlichen Abfallkontrolle. Begrifflich müssen aber auch die Fälle der unkontrollierten Abfallbeseitigung miterfaßt werden. Das achtlose Liegenlassen oder Wegwerfen von Abfällen wie überhaupt jede Form unkontrollierter Entledigung ist begrifflich gesehen eine Form der Beseitigung. Diese Schlußfolgerung ergibt sich insbesondere aus der Begriffsverwendung in den englischsprachigen Ländern, wo die entsprechenden Ausdrücke "disposal" und "deposit" stets mit dem Zusatz "controlled" bzw. "uncontrolled" kenntlich gemacht sind, wenn sie mit bestimmten Rechtsfolgen versehen werden. 564

Vgl. etwa die Definitionslage in Großbritannien.

288

M. Begriffe: Abfall, Abwasser, Beseitigen, Einbringen, Einleiten

Da die Definition von Schlüsselbegriffen ohnehin keine bestimmten Rechtsfolgen unmittelbar nach sich zieht, muß der zu definierende Begriff die möglichen Verwendungsformen dadurch berücksichtigen, daß er entsprechend weit gefaßt wird. Die vorzuschlagende Definition für Beseitigen/Beseitigung enthält demnach die Beschreibung der Sammelfunktion für Vorgänge der Entledigung und eine beispielhafte Erwähnung der in Frage kommenden Tätigkeiten. 5. Einbringen

Schon die internationale Begriffslage beim Beseitigen hat gezeigt, daß die Entledigung nicht nur die Dimension der auf Abfall bezogenen Aktivitäten hat, sondern auch die Dimension der Berührung mit der Umwelt. Speziell in der englischen Begriffssprache wird deutlich, daß die für Beseitigung verwendeten Ausdrücke zum Teil gleichzeitig einen Akzent auf den Eintritt in die Umwelt setzen565• Um daher den gesamten Bedeutungsgehalt der Aktivitäten der Abfallbeseitigung zu erschließen, bedarf es der Hinzunahme eines Begriffs, der die Umweltbeziehung ausdrückt. Der hierfür am ehesten geeignete Begriff ist der des Einbringens. In der deutschen Gesetzessprache hat er bisher nur die enge Bedeutung des Hineingelangens bzw. Eintrags fester Stoffe in Gewässer. Schon die EG-Richtlinien und die Begriffsverwendungen in Großbritannien und Kanada wie auch in multilateralen Verträgen zeigen aber, daß der Begriff des Einbringens über das Umweltmedium Wasser hinausgeht und auch nicht auf die festen Stoffe beschränkt ist. In einer umfassenden Bedeutung als Eintrag von Abfallstoffen in Wasser, Boden oder Luft ist der Begriff derzeit zwar nicht definiert. Die schon festzustellenden Ansätze legen aber nahe, eine harmonisierte Definition in diesem Sinne vorzuschlagen. Da eine Anpassung bisheriger Bedeutungsinhalte auf die umfassendere Bedeutung nicht an prinzipiellen Hindernissen scheitern dürfte und andererseits ein Bedürfnis für die Herausbildung eines umfassenden Begriffs besteht, sollte ein entsprechender Definitionsvorschlag in den Katalog der Schlüsselbegriffe aufgenommen werden. Zusammen mit dem Beseitigen macht das Einbringen die Gesamtheit der im Abfallrecht regelungserheblichen Vorgänge aus. 665 Von den für die Beseitigung gebräuchlichen Ausdrücken "Deposit, Disposal, Discharge, Release, Introduction" zeigen insbesondere die beiden letzteren den Bezug zu den Umweltmedien.

11. Harmonisierungserörterungen

289

6. Einleiten

Völlig ohne Implementierungsprobleme scheint ein harmonisierter Begriff für das Einleiten zu sein. Soweit er in den einschlägigen Gesetzen und Übereinkommen definiert ist, bezeichnet er den Eintrag flüssiger oder gasförmiger Stoffe in Gewässer. Auch dort, wo er undefiniert in den Regelungen verwendet wird, hat er keine andere Bedeutung. Seinen Anwendungsbereich hat der Begriff des Einleitens vor allem in den Normen des Gewässerschutzes. Daher wird er meist gebraucht, um das Hineingelangen von Abwasser in die Gewässer zu bezeichnen, um deren Schutz es geht. Insofern ist er das Korrelat zum Abwasserbegriff, wie das Beseitigen Korrelat zum Abfallbegriff ist. Es ist aber nicht prinzipiell nur auf Abwasser bezogen, sondern schließt alle Formen flüssiger Stoffe ein. Begriffssystematisch läßt sich das Einleiten sowohl als spezielle Form des Beseitigens darstellen als auch als spezielle Form des Einbringens (in dem hier verstandenen Sinn). Denn er kennzeichnet nicht nur eine Aktivität als solche, sondern auch das von dieser Aktivität betroffene Umweltmedium. Da der Begriff keine besonderen inhaltlichen Fragen aufwirft, kann er ohne weiteres definiert werden. 7. Ergebnis

Der Harmonisierungsvorschlag besteht aus 5 Definitionen, die weitgehend dem international vorherrschenden Begriffsverständnis entsprechen. Die Begriffe Beseitigen/Beseitigung, Abwasser und Einleiten können ohne Hinzunahme besonderer wertender Gesichtspunkte auf der Grundlage existierender Definitionen und Begriffsverwendungen definiert werden. Der Abfallbegriff wird in seinem Kern überall einheitlich verstanden. Als sinnvolle Erweiterung des Begriffskerns ist in die harmonisiertere Definition der Hinweis darauf aufzunehmen, daß Stoffe und Materialien auch ohne Willensäußerung des Besitzers als Abfälle behandelt werden können, wenn dies aus Gründen des Umwelt- oder Gesundheitsschutzes erforderlich ist. Der Definitionsvorschlag für das Einbringen trägt dem Bedürfnis Rechnung, die durch Abfallbeseitigung bewirkte Inanspruchnahme der Umweltmedien begrifflich auszudrücken. 8. Vergleich mit dem vorgeschlagenen Konzept des OECD-Glossariums

Der Vorschlag der OECD-Expertengruppe sieht folgende fünf Definitionen vor: 19 Kloepter I Bosselrnann

290

M. Begriffe: Abfall, Abwasser, Beseitigen, Einbringen, Einleiten

"Einbringen: Abfall: Kontrollierte Beseitigung oder Lagerung: Unkontrollierte Beseitigung oder Lagerung: Abwasser:

566

A.

A1 A2 A3 A4 A5 B.

C.

Das Einführen von Stoffen oder Materialien jeder Art in Wasser, Luft oder Boden. Jeder durch irgendeine Aktivität entstandene Stoff, Rückstand oder Artikel, der auf irgendeine Weise aufgegeben oder abgelegt ist. Beseitigung oder Lagerung von Abfall an einen dauernden oder vorläufigen Ort. Lagerung unter bekannten Umständen mit Einwilligung der zuständigen Behörde. Beseitigung oder Lagerung von Abfall ohne Einwilligung der zuständigen Behörde. Infolge irgendeiner Aktivität abfließendes Wasser einschließlich Niederschlags- und Schmutzwasser sowie des im Zusammenhang mit einer Aktivität von Land Durchgesickertem" 566•

Retease, Waste, (Un)ControHed Disposal or Depositing, Waste Water

Proposed Definitions Release: the introduction of any type of chemical substance or material into the water, air or land. Waste: any substance, residue or article, arising from any activity which is abandoned or discarded by any means. Controlled disposal or depositing: the disposal or depositing of waste in either a permanent or temporary site with the consent of the responsible authorities and under known conditions. Uncontrolled disposal or depositing: the disposal or depositing of waste without the consent of the responsible authorities. Waste water: water discharged from any activity including storm and run-off water and any seepage from lands associated with that activity. Statement of Intent

The terms listed in section A are defined to assist in the international understanding of laws eoneerning the release and disposal of chemieals and materials in water, air or land.

Annotation

C 1 Terms similar to those listed in section A and used in legislation are: (i) Release: discharge, introduee (ii) Waste water: liquid effluent, refuse water (iii) Waste: trade refuse, refuse C 2 The definition of "release" is intended to cover the intentional or unintentional and eontrolled or uncontrolled release of chemieals and materials into water, air or land. C 3 The definition of waste ineludes all types of chemieal substanees and materials including the discharge of waste gases, liquid effluent, and waste solid matter. It is intended to cover both waste discarded in an uncontrolled manner and that which is disposed in an agreed, approved manner. C 4 Controlled disposal or depositing is used in these definitions to mean both the eontrolled removal and the controlled discharge of waste. C 5 The eontrolled disposal of waste may form part of a scheme for land fill or reclamation or the discharge of waste water under agreed limits or the discharge of waste gases again to agreed limits. C 6 Both eontrolled and uneontrolled disposal can relate to the use of permanent or temporary sites. C 7 The uneontrolled, anti-social disposal of waste, particularly on land, is deseribed in some Member countries by the use of the term "dump-

II. Harmonisierungserörterungen

291

In der dazugehörigen Anntotation wird unter anderem klargestellt, daß - Einbringen die beabsichtigte wie unbeabsichtigte und die kontrollierte wie unkontrollierte Abgabe an die Umwelt erfaßt (C 2), - Abfall auf alle Aggregatszustände der Stoffe und Materialien bezogen ist und kontrolliert wie unkontrolliert abgelegte Abfallstoffe einschließt -

(C3),

beim Abfallbegriff auch die Absicht zur Aufgabe oder Ablagerung erfaßt ist und der nicht mehr gegebene Gebrauchswert der Stoffe und Materialien ein Kriterium zur Identifizierung als Abfall ist (C 11).

Die übrigen Hinweise beziehen sich auf einzelne Modalitäten kontrollierter und unkontrollierter Abfallbeseitigung und auf Besonderheiten beim Gebrauch des Ausdrucks "dumping" 567• Beim Vergleich dieses Konzepts mit den hier vorzuschlagenden Definitionen ist zunächst die etwas veränderte Begriffsauswahl zu berücksichtigen. Anstelle des Beseitigungsbegriffs als solchen werden die kontrollierte und die unkontrollierte Form der Beseitigung definiert, wodurch der eigentliche Begriffsinhalt der Beseitigung etwas in den Hintergrund tritt. Eine harmonisierte Definition für das Einleiten wird nicht (gesondert) vorgeschlagen. Wenn hier der Akzent auf den Beseitigungsbegriff gesetzt und auf eine Differenzierung nach kontrollierter und unkontrollierter Beseitigung/Lagerung verzichtet wird, so ist dies nicht etwa mit einer unterschiedlichen inhaltlichen Bewertung verbunden, lediglich aus begriffssystematischen Gründen erscheint es zweckmäßig, den Beseitigungsbegriff gleichrangig mit dem Abfallbegriff zu behandeln und in diese

C8 C9

C 10 C 11

C 12

567

19°

ing". However, others use this term to include controlled disposal and some do not use "dumping" to describe this activity. Dumping at sea has acquired a specific usage and generally is taken as the controlled disposal of waste at sea. An alternative meaning for "dumping" is the practice of selling abroad goods, including chemicals, at a price below their marginal cost. Antidumping measures are usually undertaken through trade agreements or tariffs. A further meaning of "dumping" is the disposal of substances in a foreign country because those substances can no Ionger be marketed in the country of manufacture. For the reasons outlined above, the Expert Group considers that it would be preferable to avoid the use of the term "dumping" in legislation relating to the disposal of chemical substances and materials. The definition for waste covers the actual activity as well as the intention to abandon or to discard materials, as far as such an intention can be identified. The point at which chemical substances or materials become waste can be identified by the point at which the substance or material is of no further immediate value to that activity or any related activity. In some countries, "controlled disposal" is used to describe the disposal of solid waste in a way that follows certain requirements developed in order to protect human health and the land, water or air. Uncontrolled disposal covers any method of disposing of waste which does not meet these requirements. Annotation C 4 bis C 10 und C 12.

292

M. Begriffe: Abfall, Abwasser, Beseitigen, Einbringen, Einleiten

eine Definition die kontrollierte wie unkontrollierte Form der Entledigung einzuschließen. Hierdurch ist es auch möglich, den Begriffsinhalt der Beseitigung etwas deutlicher zu charakterisieren als dies durch die beiden Definitionen der OECD geschieht. Die Aufnahme des Begriffs Einleiten läßt sich mit dem begriffssystematischen Hinweis darauf rechtfertigen, daß dem Begriffspaar Abfall/Beseitigen das Begriffspaar Abwasser/ Einleiten gegenübergestellt und so das Spezialitätsverhältnis zwischen beiden Paaren verdeutlicht werden kann. In seiner Substanz ist das Einleiten in der OECD-Definition für Einbringen enthalten. Wegen der unschwer erkennbaren Bedeutung des Begriffs Einleiten ist es durchaus verständlich, daß im OECD-Konzept insoweit auf eine gesonderte Definition verzichtet wird. Die inhaltlichen Gemeinsamkeiten beider Konzepte sind im übrigen so weitreichend, daß die gelegentlichen Begriffsunterschiede kaum ins Gewicht fallen. Abgesehen von der nicht sehr detailliert gefaßten Definition des Beseitigungsbegriffs ist im OECD-Konzept lediglich der Abfallbegriff geringfügig anders definiert als hier. Die Möglichkeit einer Identifizierung des Abfalls nach objektiven Kriterien ist dort nicht vorgesehen und auch in der Annotation nicht erwähnt. Wegen der immerhin im Abfallrecht der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Gemeinschaften berücksichtigten Alternative, daß auch im Fall einer Beseitigungspflicht Stoffe und Materialien als Abfall angesehen werden können, scheint ein entsprechender Hinweis angebracht. Darüber hinaus legt es der allgemeine Gesichtspunkt des Umwelt- und Gesundheitsschutzes nahe, die Definition für Abfall so abzufassen, wie sie hier vorgeschlagen wird. 111. Definitionsvorschläge Folgende harmonisierte Definitionen sind danach vorzuschlagen: 1. Abfall

Definition: Stoffe oder Materialien, derer sich der Besitzer entledigt hat oder entledigen will oder die auch ohne entsprechenden Willen des Besitzers aufgrund gesetzlicher Bestimmung zu beseitigen sind. Anmerkungen: a) Als Abfall gelten sowohl feste als auch flüssige oder gasförmige Stoffe. b) Wer Besitzer ist, entscheidet sich nach den jeweils geltenden zivilrechtliehen Bestimmungen.

III. Definitionsvorschläge

293

c) Unter Entledigung ist die Gewahrsams- und Eigentumsaufgabe unter Verzicht auf wirtschaftliche Vorteile irgendwelcher Art zu verstehen. Auf einen objektiven Gebrauchswert der Stoffe oder Materialien kommt es insoweit nicht an. d) Soweit gesetzlich bestimmt, können Stoffe und Materialien auch nach rein objektiven Kriterien als Abfälle zu beseitigen sein, wenn dies aus Gründen des Umwelt- oder Gesundheitsschutzes geboten ist. e) Kriterien für eine Identifizierung von Stoffen oder Materialien als Abfälle können das Fehlen eines wirtschaftlichen Wertes, die Zeit, innerhalb der eine mögliche Verwertungschance zu realisieren ist, und der Grad der Gefährdung von Umwelt oder Gesundheit sein. 2. Abwasser

Definition: Abfließendes Wasser, das durch Veränderungen in seiner Qualität oder Brauchbarkeit gemindert ist und in Gewässer, Kanalisationen oder Kläranlagen gelangen kann. Anmerkungen:

a) Abwasser kann die gleichen Stoffe oder Materialien enthalten wie Abfall. b) Veränderungen können durch Aktivitäten gleich welcher Art bewirkt sein, also etwa durch industrielle, gewerbliche oder häusliche Prozesse, ebenso aber auch durch Niederschlagswasser oder Sickerstoffe. c) Welcher Grad an Veränderungen Wasser zu Abwasser macht, bestimmt sich nach dem Schutzzweck des betreffenden Gesetzes. 3. Beseitigen

Definition: Aktivitäten, die Formen des Umgangs mit Abfällen sind und Gegenstand von Normen der Abfallkontrolle sein können. Anmerkungen:

a) Aktivitäten, die als Beseitigen von Abfällen resp. Abfallbeseitigung gelten, sind insbesondere das Sammeln, Einsammeln, Befördern, Behandeln, Bereitstellen, Lagern und Ablagern von Abfällen, ebenso aber auch andere Aktivitäten, soweit sie regelungserheblich sind. b) Vorausgesetzt ist der Wille zur Entledigung von Stoffen oder Materialien, nicht aber die Absicht einer ordnungsgemäßen Beseitigung. Erfaßt ist daher das kontrollierte wie das unkontrollierte Beseitigen.

Definition:

4. Einbringen

Eintrag von Abfallstoffen in das Wasser, die Luft oder den Boden. Anmerkungen:

a) Der Eintrag in die Umwelt kann beabsichtigt oder unbeabsichtigt und kontrolliert oder unkontrolliert geschehen.

294

M. Begriffe: Abfall, Abwasser, Beseitigen, Einbringen, Einleiten

b) In den geltenden Gesetzen der Abfallbeseitigung hat Einbringen oft eine engere Bedeutung; im deutschen Abfallrecht z. B. erfaßt es nur den Eintrag fester Stoffe in das Wasser. c) Der Sinn dieser Definition liegt darin, die durch das Beseitigen bewirkte Berührung der Abfallstoffe mit der Umwelt zu kennzeichnen.

5. Einleiten

Definition: Eintrag flüssiger oder gasförmiger Abfallstoffe in Gewässer. Anmerkungen:

a) Das Einleiten stellt eine besondere Form sowohl des Beseitigens als auch des Einbringens dar. b) Bedeutung hat der Begriff vor allem im Wasserrecht, wo er eng mit dem Abwasserbegriff verbunden ist.

Zusammenfassung I Summary

N. Zusammenfassung der Harmonisierungsvorschläge 1. "Herstellen, Hersteller"

Harmonisierte Definitionen sind bereits auf der Grundlage bestehender Gemeinsamkeiten möglich. Einer zu detaillierten Definition steht allerdings die relativ starke Orientierung arn jeweiligen Gesetzeskontext und die unterschiedliche Funktionalität des Begriffs entgegen. Zum Herstellen gehört das Be- und Verarbeiten von Materialien und das Gewinnen aus der Natur. Auf besondere Zielgerichtetheit, etwa im Zusammenhang mit kommerziellen Absichten, kommt es nicht an. Vorn Begriffsbereich ausgenommen ist die Laborerprobung, sofern sie nicht die Möglichkeit des Inverkehrbringens hervorgebrachter Produkte in sich trägt. Definitionen:

"Herstellen

Hersteller

Be- oder Verarbeiten von Materialien zu Produkten oder Gewinnen natürlich vorkommender Substanzen aufgrund chemikalischer, physikalischer oder biologischer Prozesse. Eine natürliche oder juristische Person, die ein Produkt herstellt." 2. "Verwenden, Behandeln, Umgang"

Diese Begriffe erfüllen eine Sarnrnelfunktion für umweltgefährdende Tätigkeiten im Zusammenhang mit Chemikalien. Sie decken eine Vielzahl speziellerer Begriffe ab wie z. B. Inverkehrbringen, Herstellen, Einfuhr, Durchfuhr, Ausfuhr, Befördern, Verkaufen, Anbieten etc. In Chemikalienregelungen werden vorzugsweise Verwenden, Behandeln oder Umgang zur Kennzeichnung von Auffangtatbeständen gebraucht. Im Zweifel ist das Verwenden als Oberbegriff für alle chemikalienbezogenen Tätigkeitsformen anzusehen. Beschreibung:

"Die Ausdrücke Verwenden, Behandeln, Umgang werden normalerweise nicht definiert. Sie sind aber grundsätzlich geeignet, eine Vielzahl von Tätigkeiten im Zusammenhang mit Umweltchemikalien begrifflich einzuschließen."

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N. Zusammenfassung der Harmonisierungsvorschläge 3. "Einfuhr, Einführen, Durchfuhr"

Diese Begriffe sind durch einen allgemein akzeptierten Begriffskern und durch einige ergänzende Hinweise zu definieren, welche die national auftretenden Unterschiede berücksichtigen. Das handlungsbezogene Definitionselement ist das Verbringen, wozu jede Form des Transpartierens von Materialien gehört. Das zielbezogene Element ist der Geltungsbereich des nationalen Gesetzes, der mit dem Staatsgebiet oder mit dem Zollinland identisch sein kann. Im Zweifel ist der Eintritt in das Staatsgebiet ausschlaggebend. Während die Einfuhr/das Einführen allein durch das Verbringen in den Geltungsbereich des nationalen Gesetzes bestimmt ist, erfordert die Durchfuhr darüber hinaus, daß die Materialien aus dem Geltungsbereich verbracht werden, ohne in den nationalen Markt gelangt zu sein; charakteristisch ist hier also das Verbringen unter Zollaufsicht. Definitionen:

"Einfuhr /Einführen Durchfuhr

Verbringen in den Geltungsbereich des nationalen Gesetzes. Verbringen durch den Geltungsbereich des nationalen Gesetzes unter zollamtlicher Überwachung." 4. "Stoff"

Die wesentlichen Definitionsinhalte lassen sich ohne weiteres aus den bestehenden Begriffsbeschreibungen bzw. -verwendungen ableiten. Abzugrenzen ist der Stoffbegriff von der Zubereitung, dem Gemisch sowie dem Produkt, Artikel und Erzeugnis. Er umfaßt die chemischen Elemente mit ihren Verbindungen, dazu die zur Vermarktung benötigten Hilfsstoffe und die unbeabsichtigt auftretenden Verunreinigungen. Definition:

"Chemische Elemente und deren Verbindungen, wie sie in der Natur vorkommen oder in der Produktion anfallen, einschließlich der Verunreinigungen und der für die Vermarktung erforderlichen Hilfsstoffe." 5. "Zubereitung"

Die harmonisierte Definition knüpft direkt an den Stoffbegriff an und enthält als begriffskonstituierendes Element die Kombination von zwei oder mehreren Stoffen. Erlaßt sind damit die künstlich hergestellten oder natürlich vorkommenden Gemenge, Gemische und Lösungen. Definition:

"Ein Gemisch oder eine Lösung von zwei oder mehreren Stoffen"

N. Zusammenfassung der Harmonisierungsvorschläge

299

6. "Neuer Stoff"

Im Gegensatz zu alten, d. h. angemeldeten Stoffen, die in der Regel in Listen oder Registern erlaßt sind, gelten Stoffe als neu, wenn sie nach einem vom Gesetz vorgesehenen Stichtag hergestellt oder in den Verkehr gebracht sind. Daneben können auch wertende Gesichtspunkte des Gesundheits- und Umweltschutzes für eine Qualifizierung als neu bestimmend sein. Eine allgemein verbindliche Festlegung des Begriffs wäre nur auf der Grundlage eines international vereinheitlichten Anmeldesystems möglich. Definition:

"Ein Stoff, der nach einem vom Gesetz festgelegten Zeitpunkt hergestellt oder erstmalig in den Verkehr gebracht wird." 7. "Produkt, Erzeugnis, Artikel, Konsumentenprodukt, Publikumsprodukt"

Die Begriffe Produkt, Artikel und Konsumenten-/ Publikumsprodukt lassen sich schon auf der Grundlage existierender Definitionen harmonisieren, wobei die Begriffskonformität beim (allgemeineren) Produkt größer ist als beim (spezielleren) Konsumenten-/ Publikumsprodukt. Der Begriff des Erzeugnisses ist wegen mangelnder Bestimmtheit nicht definitionsgeeignet; er wird vom Produktbegriff eingeschlossen. Das Produkt ist Oberbegriff für alle durch Be- oder Verarbeitung oder durch natürliche Gewinnung erzielten Ergebnisse. Der Artikel ist ein Produkt, das sich durch besondere Form- oder Gestaltgebung und durch die Bestimmung zum Endgebrauch auszeichnet. Das Konsumenten- oder Publikumsprodukt ist ein (Massen-)Artikel, der überwiegend dem persönlichen Bedarf oder häuslichen Gebrauch dient. Definitionen:

"Produkt Artikel Konsumenten-/ Publikumsprodukt

Ein durch Be- oder Verarbeitung von Stoffen oder Zubereitungen oder durch Gewinnung aus der Natur erzieltes Ergebnis. Ein in eine Form oder Gestalt gebrachtes Produkt, das zum Endgebrauch bestimmt ist. Ein Massenartikel, der in der Regel zum persönlichen Bedarf oder zum Gebrauch in Familie oder Haushalt bestimmt ist."

8. "Person, Natürliche Person, Juristische Person, Verantwortliche Person"

Diese Begriffe dienen dazu, die Verantwortlichkeit nach den Gesetzen der Chemikalienkontrolle zu klären, indem sie selbst den Normadressat bezeichnen oder Bestandteil einer Definition des jeweiligen Normadres-

300

N. Zusammenfassung der Harmonisierungsvorschläge

saten sind. Die im deutschen Recht getroffene abstrakte Unterscheidung zwischen natürlicher und juristischer Person ist ausländischen Rechtsordnungen zumeist fremd. International uneinheitlich sind auch Art und Umfang der Rechtssubjektivität von Menschen oder Organisationen. Die harmonisierten Definitionen können daher nicht festlegen, welche Menschen oder Organisationen mit der Fähigkeit ausgestattet sind, Träger von Rechten und Pflichten zu sein. Definitionen:

"Person Natürliche Person Juristische Person Verantwortliche Person

Ein Mensch oder eine Organisation mit der Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein. Ein Mensch als Träger von Rechten und Pflichten. Eine Organisation, der durch Rechtsakt die Fähigkeit verliehen ist, Träger von Rechten und Pflichten zu sein. Eine natürliche Person, der vom Gesetz eine bestimmte Verantwortlichkeit zugewiesen ist." 9. "Umwelt"

Eine Harmonisierung des Umweltbegriffs ist auf der Grundlage bestehender Definitionen möglich. Die Umweltfaktoren sind jedoch nicht nur in ihren Beziehungen untereinander zu erfassen, sondern daneben auch in ihrer jeweiligen EigenständigkeiL Hierin wird deutlich, daß bereits mit der Veränderung eines Mediums oder organischen Systems die Betroffenheit der Umwelt indiziert ist. Über die definierte natürliche Umwelt hinaus kann im übrigen auch die bebaute Umwelt in den Schutzbereich des Umweltchemikalienrechts einbezogen sein. Definition:

"Wasser, Luft, Boden, lebende Organismen einschließlich der Beziehungen untereinander." 10. "Gefahr, Gefährlich, Gefährliche Stoffe und Zubereitungen (-Güter, -Abfälle), Risiko, Tinvertretbares Risiko"

Der Gefahrenbegriff wie der Risikobegriff beschreiben die objektive Möglichkeit eines (durch Umweltchemikalien bewirkten) Schadenseintritts. Grundsätzlich sind beide Begriffe geeignet, die Beziehung zwischen der Schadenswahrscheinlichkeit und dem Schaden auszudrücken. Im geltenden Umweltchemikalienrecht wird allerdings der Begriff des (unvertretbaren) Risikos nur in den USA und in Frankreich verwendet.

N. Zusammenfassung der Harmonisierungsvorschläge

301

Eine allgemeine Definition der Gefahr ist wegen bestehender Divergenzen bei der Bewertung und der Erheblichkeit für die Chemikalienkontrolle nicht möglich. Für die spezielle Anwendungsform "Gefährliche Stoffe und Zubereitungen" jedoch läßt sich eine harmonisierte Definition entwickeln. Auch sie enthält zwar weder eine .genaue Festlegung des erforderlichen Gefahrengrades noch eine Aussage über die sich ergebenden Rechtsfolgen. Die aufgeführten Stoffeigenschaften sind aber als Gefahrenmerkmale zu verstehen, die eine gewisse Indizfunktion für den allgemeinen Begriff der Gefahr im Umweltchemikalienrecht haben. Darüber hinaus können spezielle umweltgefährdende Aktivitäten wie z. B. der (gefährliche) Gütertransport oder die (gefährliche) Abfallbeseitigung mit Bezug auf die Definition der gefährlichen Stoffe und Zubereitungen beschrieben werden (hierzu 2. Teil der Harmonisierungsvorschläge des Abschnitts K.). Für den allgemeinen Gefahrenbegriff lassen sich einige wesentliche Aspekte und Definitionskriterien beschreibend darstellen (hierzu 3. der Harmonisierungsvorschläge des Abschnitts K.). Definition:

"Gefährliche Stoffe und Zubereitungen

Stoffe und Zubereitungen sind gefährlich, wenn sie explosionsgefährlich, brandfördernd, entzündlich, sehr giftig, giftig, mindergiftig, ätzend, reizend, krebserzeugend, teratogen oder mutagen sind oder sonstige Eigenschaften besitzen, die eine Gefahr für Mensch oder Umwelt hervorrufen können."

11. "Schaden, Beeinträchtigung, Nachteil etc."

Zur Kennzeichnung der von Umweltchemikalien hervorgerufenen Belastungen gibt es eine Mehrzahl von Begriffen, die nicht eindeutig systematisiert und definiert werden können. Harmonisierbar sind nur einige begriffliche Darstellungen und Abgrenzungen, welche gestufte Abstraktionsgrade, unterschiedliche Belastungsintensitäten oder die verschiedenen Schutzgüter charakterisieren. Insoweit lassen sich auch gewisse Begriffshierarchien aufstellen. Als Oberbegriff für die verschiedenen Formen der Chemikalienbelastung kommt am ehesten der Begriff Schaden in Betracht. Beschreibung:

"Die Begriffe Schaden, Beeinträchtigung, Nachteil, Belästigung, schädliche Wirkungen, schädliche Einwirkungen, schädliche Umwelteinwirkungen, Gesundheitsschaden, Gesundheitsbeeinträchtigung, Verunreinigung und Versehrnutzung werden normalerweise nicht definiert. Sie sind aber grundsätzlich geeignet, durch Umweltchemikalien hervorgerufene Belastungen der Umwelt, des Menschen oder anderer Organismen zu kennzeichnen."

302

N. Zusammenfassung der Harmonisierungsvorschläge 12. "Abfall, Abwasser, Beseitigen, Einbringen, Einleiten"

Sie sind zentrale Begriffe des Rechts der Abfallbeseitigung (im weiteren Sinne). Die Begriffe Beseitigen, Abwasser und Einleiten können aufgrund existierender Definitionen und Verwendungsformen ohne weiteres harmonisiert werden. Für den Abfallbegriff gilt dies hinsichtlich eines Begriffskerns. In der harmonisierten Definition ist darüber hinaus aber zu berücksichtigen, daß Stoffe und Materialien auch ohne Willensäußerung des Besitzers als Abfälle behandelt werden können, sofern dies aus Gründen des Umwelt- und Gesundheitsschutzes notwendig ist. Der Definitionsvorschlag für das Einbringen trägt dem Bedürfnis Rechnung, die durch Abfallbeseitigung bewirkte Inanspruchnahme der Umweltmedien begrifflich abzudecken. Definitionen:

"Abfall

Abwasser Beseitigen Einbringen Einleiten

Stoffe oder Materialien, derer sich der Besitzer entledigt hat oder entledigen will oder die auch ohne entsprechenden Willen des Besitzers aufgrund gesetzlicher Bestimmung zu beseitigen sind. Abfließendes Wasser, das durch Veränderungen in seiner Qualität oder Brauchbarkeit gemindert ist und in Gewässer, Kanalisationen oder Kläranlagen gelangen kann. Aktivitäten, die Formen des Umgangs mit Abfällen sind und Gegenstand von Normen der Abfallkontrolle sein können. Eintragen von Abfallstoffen in das Wasser, die Luft oder den Boden. Eintragen flüssiger oder gasförmiger Abfallstoffe in Gewässer."

0. Summary of the Harmonization Proposals 1. "Manufacture, Manufacturer"

Harmonized definitions are already possible on the basis of existing conformities. Too detailed a definition is, however, opposed by the relatively strong orientation to the respective legal context and the varying functionality of the term. Manufacturing includes the working and processing of materials and their production from natural sources. A special purpose, for instance in connection with commercial intentions, is not decisive. Excepted from the conceptual scope are laboratory tests in as far as they do not entail the possibility of the products yielded being put into circulation. Definitions:

"Manufacture Manufacturer

Working or processing materials into products or production of substances to be found in nature on the basis of chemical, physical or biological processes. A natural or legal person who manufactures a product." 2. "To Deal with, to Handle, to Use"

These terms perform a collective function for activities endaugering the environment in connection with ehernie als. They cover a large nurober of more special terms such as to put into circulation, manufacture, import, transit, export, transport, to sell, to offer, etc. In chemical regulations to deal with, to handle or to use are chiefly employed to designate catch-all factual situations. When in doubt, their use must be viewed as the generic term for all forms of activity related to chemicals. Description:

"The expressions to deal with, to handle and to use are normally not defined. In principle, however, they are capable of conceptually including a large number of activities in connection with environmental chemicals." 3. "Import, to Import, Transit"

These terms are to be defined by a generally accepted conceptual core and by a few supplementary references which take national differences into consideration.

304

0. Summary of the harmonization proposals

The act-related element of definition is the moving, which includes every form of transportation of materials. The goal-related element is the national law's field of application, which can be identical with the national territory or the territory within the customs frontiers. In case of doubt, entry into the national territory is decisive. While the import/importing is determined solely by movement into the national law's field of application, transit requires, moreover, that the materials are moved out of the field of application without entering the national market; here, therefore, movement under the supervision of the customs authorities is characteristic. Definitions:

"Importlimporting Transit

Movement into the field of application of the nationallaw. Movement through the national law's field of application under supervision of the customs authorities." 4. "Cbemical Substance"

The main definition contents can easily be derived from the existing descriptions and/or uses of the term. The term substance must be differentiated from preparation, mixture as weil as product and article. It includes the chemical elements with their compounds, as well as the additives required for their marketing and the impurities that unintentionally occur. Definition:

"Chemical elements and their compounds as they occur in nature or in production, including the impurities and the additives required for their marketing." 5. "Preparation"

The harmonized definition follows directly from the term substance and contains as the conceptually constitutive element the combination of two or more substances. This means that the artificially manufactured or naturally occuring compounds, mixtures and solutions are covered thereby. Definition:

"A mixture or solution of two or more substances." 6. "New Substance"

In cantrast to the old, i. e. registered, substances, which are usually covered in lists or registers, substances are deemed to be new when they are manufactured or put into circulation after an effective date

0. Summary of the hannonization proposals

305

fixed by law. In addition, subjective aspects of health and environmental protection can also be determinative for qualification as new. A generally binding Stipulation of the term would only be possible on the basis of an internationally unified registration system. Definition:

"A chemical substance that is manufactured or put into circulation for the first time after a date fixed by law." 7. "Product, Article, Consumer Product"

The terms product, article and consumer product can already be harmonized on the basis of existing definitions, the conceptual conformity being greater in the case of (the more general) product than in the case of (the more special) consumer product. The term Erzeugnis is not suitable for definition because of its Iack of definiteness; it is covered by the term product. Product is the generic term for all results obtained by working or processing or by natural production. Article is a product that is distinguished by a special shape and design and by the purpose of its final use. Consumer product is a (mass-produced) article which primarily serves personal needs or domestic use. Definitions:

"Product Article Consumer product

A result obtained by working or processing chemical substances or preparations or by production from natural sources. A product in a form or shape that is intended for final use. A mass-produced article that is usually intended for personal needs or for use in the family or household."

8. "Person, Natural Person, Legal Person, Responsihle Person"

These terms serve to clarify responsibility in conformity with the laws on the control of chemieals in as much as they themselves designate the person to whom a standard applies or are a constituent part of a definition of the respective person to whom a standard applies. The abstract differentiation in German law between a natural and legal person is usually unknown in foreign legal systems. The type and extent of the legal personality of human beings or entities are also internationally nonuniform. Therefore, the harmonized definitions cannot stipulate which human beings or entities are provided with the abilitytobe the holders of rights and obligations. 20 Kloepfer I Bosselmann

0. Summary of the harmonization proposals

306 Definitions:

"Person

Natural person Legal person Responsihle person

A human being or an entity with the capability of being the holder of rights and Obligations. A human being as the holder of rights and obligations. An entity that is given the right by legal act to be holder of rights and obligations. A natural person to whom a certain responsibility is assigned by the law." 9. "Environment"

Harmonization of the tenn environment is possible on the basis of existing definitions. The environmental factors are not, however, to be understood only in their relationship to each other, but also in terms of their respective autonomy. It becomes clear therein that an effect on the environment is already indicated by a change in a medium or organic system. Over and beyond the defined, natural environment, it is also possible to include the developed environment in the area protected by environmental chemicallaws. Definition:

"Water, air, land, living organisms including the relationships between them." 10. "Hazard, Hazardous, Hazardous Substarrces and Preparations (Goods, Waste), Risk, Unacceptable Risk"

The tenn hazard and the term risk describe the objective possibility of darnage (caused by environmental chemicals) occurring. As a matter of principle, both terms are suitable for expressing the relationship between the probability of darnage and the damage. In the valid environmental chemical laws, however, the tenn (unacceptable) risk is used only in the USA and France. A general definition of a hazard is not possible due to existing divergences in the evaluation and relevancy of the chemical control. However, a hannonized definition can be developed for the special form of application "hazardous substances and preparations". It is true that it, too, does not contain an exact stipulation of the requisite degree of hazard or a statement about the legal consequences entailed. But the listed properties of a substance are to be understood as characteristics of hazard which have a certain indicative function for the general term of hazard in environmental chemicallaws. Furthermore, special activities hazardous to the environmentsuch as, for example, the (hazardous) transport of goods or (hazardous) removal of waste can be described with reference to the definition of hazardous

0. Summary of the harmonization proposals

307

substances and preparations (see Part 2. of the harmonization proposals in Section K.). A few of the main aspects and definition criteria can be represented descriptively for the general term hazard (see Part 3. of the harmonization proposals in Section K.). Definition:

"Hazardous substances and preparations

Substances and preparations are hazardous if they are explosive, oxidizing, flammable, very toxic, toxic, harmful, corrosive, irritative, carcinogenic, teratogenic or mutagenic or if they possess other properties which can cause a hazard to man or the environment."

11. "Detriment, Prejudice, Impairment, etc."

For the designation of burdens caused by environmental chemieals there a number of terms that cannot be unambiguously systematized and defined. Only a few conceptual descriptions and differentiations, which characterize stepped degrees of abstraction, varying intensities of burden or various rights to be protected, can be harmonized. To this extent, certain conceptual hierarchies can also be established. The term detriment is the most suitable one for the generic term for various forms of chemical burdens. Description:

"The terms detriment, prejudice, impairment, nuisance, harmful effects, noxious effects, noxious effects on the environment, injury, impairment of health are normally not defined. As a matter of principle, however, they are suitable for designation of burdens on the environment, man or other organisms caused by environmental chemicals." 12. "Waste, Waste Water, Disposal, Release, lntroduce"

They are central terms in the law applying to disposal of waste (in a wider sense). The terms disposal, waste water and introduce can easily be harmonized on the basis of existing definitions and forms of use. This applies to the term waste from the point of view of a conceptual core. In the harmonized definition, however, consideration must be given to the fact that substances and materials can also be treated as waste without an act of volition on the part of the owner to the extent that this is necessary for reasons of environmental and health protection. The proposed definition of release takes into account the need to conceptually cover the stresses on environmental media caused by waste disposal. Definitions:

"Waste

Substances or materials which the owner has disposed of or intends to dispese of or which must be removed, even without his volition, due to legal provisions.

308 Waste water Disposal Release Introduce

0. Summary of the harmonization proposals

Discharged water, the quality of which has been changed or usuability diminished and which can enter waters, sewers or purification plants. Activities which are forms of dealing with waste and can be the subject of standards for waste control. To discharge waste substances into the water, air or soil. To discharge liquid or gaseaus waste materials into waters."

Anhang

OECD ENV/CHEM/MC/81.7 (2. Fassung)

Paris, 30. Oktober 1981

Spezialprogramm zur Chemikalienkontrolle Schlußbericht der OECD-Expertengruppe für ein internationales Glossarium von Schlüsselbegriffen*

* Siehe dazu oben die Einführung, Nr. 21. Die Abschnitte V, VI, VII sind hier nicht abgedruckt. Die Orginalfassungen des Schlußberichts in englisch bzw. französisch sind unter den Titeln "Chemicals Control Legislation. An International Glossary of Key Terms" bzw. "La Legislation de Controle des Produits Chemiques. Un Glossaire International des Mots Cles" bei der Organisation For Economic Co-operation And Development (OECD) im Jahre 1982 in Paris (2, rue Andre Pascal, 75775 Paris Cedex 16) erschienen.

lnhal tsverzeichnis Abschnitt

I:

Abschnitt

II:

Abschnitt III:

Abschnitt IV: Abschnitt

V:

Einführung

.............. .. ........................ 313

OECD, Chemikalienkontrolle und die Definition von Schlüsselbegriffen .................................. (I) Einleitung ............... .. ................... (II) Chemikalienkontrollgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (III) Überlegungen bei der Definition von Schlüsselbegriffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (IV) Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (V) Ergebnisse und Schlußfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . (VI) Empfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlüsselbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Definitionen: Artikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chemischer Stoff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umwelt ................... .. ................ . .... Ausführen, Ausfuhr(en), Ausführer . . . . . . . . . . . . . . Gefahr (durch eine Chemikalie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführen, Einfuhr(en), Einführer . . . . . . . . . . . . . . . . Verunreinigung ............ .. .................... Herstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gemisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neuer Stoff ............... ... .............. .... .. Neuer Gebrauch ................................ Anmeldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Person - Natürliche, Juristische, Verantwortliche Pflanzenschu tzmittel, Schädlingsbekämpfungsmittel, Rückstand von Schädlingsbekämpfungsmitteln Zubereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Produkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inverkehrbringen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einbringen, Abfall, (un-)kontrollierte Beseitigung oder Lagerung, Abwasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Risiko .. ............................ .. ... .. ..... Durchfuhr/ Transit(-handel) ... .............. . .... (b) Aspekte undefinierter Begriffe: Verwenden, Umgehen, (Ein-)Lagern, Gebrauchen, Beschäftigen mit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schaden/Nachteil, schädliche/nachteilige Wirkung, Beeinträchtigung (durch Umwelteinflüsse), (gesundheits-)schädlich, gesundheitsschädigende Wirkung, Gesundheitsschaden, schädliche Wirkung, Belästigung, Nachteil ............................... ...

317 321 323 324 326 326 327 327 328 329 330 331 332 333 333 334 335 336 337 338 338 339 339 341 342 343

344

Zusammenfassende Analysen der Schlüsselbegriffe 346 Synopse der existierenden Definitionen*

Abschnitt VI:

Teilnehmerliste•

Abschnitt VII:

Begriffsindex*

• Nicht abgedruckt.

316 316 317

Abschnitt I

Einführung Dieser Bericht enthält das OECD-Internationale Glossarium von Schlüsselbegriffen, ergänzt durch Hintergrund- und Erläuterungsmaterialien. Er ist Teil eines Arbeitsprogramms, das gegenwärtig in der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) durchgeführt wird, um die Chemikalienkontrollmaßnahmen zu harmonisieren. Der Bericht ist in erster Linie für zwei Adressatenkreise erstellt worden: für öffentliche Dienststellen, die mit der Vorbereitung, Ausführung und Interpretation von Chemikalienkontrollgesetzen zu tun haben, und für Geschäftsleute, die im Handel mit Chemikalien Verantwortung tragen. 1.

2. Die Entwicklung eines Internationalen Glossariums von Schlüsselbegriffen wurde vom Internationalen Treffen für die Kontrolle von Giftstoffen, das vom 11. bis 13. April 1978 im Schloß Hässelby, Stockholm, stattfand, als vorrangige Aufgabe angesehen. Im folgenden Monat September faßte der Rat der OECD einen Beschluß über ein Spezialprogramm zur Chemikalienkontrolle (C (78) 127 (Endfassung); zwanzig Mitgliedstaaten der OECD und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften nehmen am Spezialprogramm teil), das neben der Ausarbeitung eines Internationalen Glossariums von Schlüsselbegriffen drei weitere vorrangige Bereiche vorsah: die "Gute-Labor-Praxis" (Good Laboratory Practice), den Datenschutz und den Informationsaustausch. Diese vier vom Spezialprogramm zur Chemikalienkontrolle eingeschlossenen Projekte werden durch die Arbeit über Testverfahren und Einstufung von Chemikalien ergänzt, die nach dem OECDChemikalienprogramm durchgeführt wird. Zusammengenommen bilden sie ein integriertes Programm zur Harmonisierung der Chemikalienkontrollmaßnahmen. 3. Zur Vorbereitung der Arbeit, die für ein Internationales Glossarium von Schlüsselbegriffen auszuführen war, setzte der Rat der OECD das folgende Mandat fest: "1. Die Tätigkeit soll auf die Entwicklung eines geschlossenen Internationalen Glossariums von Schlüsselbegriffen gerichtet sein, das übereinstimmende Definitionen vorsieht zum Gebrauch bei der Entwicklung von Kontrollmaßnahmen gegen Chemikalien, die wie etwa im Handel internationale Bezüge haben. Dies schließt die Hinzunahme einer einheitlichen Terminologie für im Handel befindliche chemische Stoffe ein. 2. Die ins Auge gefaßten Aufgaben schließen ein : (a) die durch jeden Mitgliedsstaat innerhalb von sechs Monaten zu erbringende Ausarbeitung und Vorlage von Schlüsselbegriffen, die als international besonders bedeutsam angesehen werden. Die Beiträge sollten eine Gesetzes- und Vorschriftendokumentation und die

314

Anhang: Schlußbericht der OECD-Expertengruppe

existierenden Interpretationen enthalten. Entscheidendes Gewicht sollte auf Definitionen gelegt werden, welche die Chemikalienkontrolle betreffen; (b) die Sammlung der nationalen Beiträge; (c) die Zusammenstellung einer Begriffsliste unter besonderer Betonung solcher Begriffe, die Definitionen und Klarstellungen erfordern, sowie einen vorgeschlagenen Zeitplan für eine Entschließung nach der Dringlichkeit der festgestellten Begriffe. Beachtung sollten dabei die Definitionen finden, die bereits von anderen Internationalen Organisationen entwickelt worden sind; (d) die Ausarbeitung von Empfehlungen für die Entschließung und Harmonisierung einer Terminologie. 3. Es wird davon ausgegangen, daß dies ein dynamisches Unterfangen ist und folglich das Glossarium für zukünftige Weiterentwicklung und Ergänzung offen sein soll." Anhang, C (78) 127 (Endfassung) 4. Der Rat setzte ein Geschäftsführungs-Komitee (Management Committee) ein, um die Arbeit der vier Spezialprogramm-Projekte zu überwachen. Das Geschäftsführungs-Komitee wiederum setzte eine Expertengruppe für ein Internationales Glossarium von Schlüsselbegriffen ein, welche die notwendigen Arbeiten für das Projekt ausführen sollte. Die Bundesrepublik Deutschland besorgte den Vorsitz und das Sekretariat für die Expertengruppe. Die folgenden am Spezialprogramm beteiligten Länder wählten Experten zur Mitarbeit in der Gruppe aus: Kanada, Frankreich, die Bundesrepublik Deutschland, die Niederlande, die Schweiz, das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten. Die benannten Experten kamen aus rechtlichen und technischen Bereichen sowie aus Regierung und Industrie, so daß die für diese Art Arbeit erforderliche Erfahrungsbandbreite gewährleistet schien. 5. Die Expertengruppe traf sich sechsmal zwischen Oktober 1979 und September 1981. Während dieser Periode berichtete die Gruppe regelmäßig dem Geschäftsführungs-Komitee über fortschreitende Ergebnisse und erhielt von dort Arbeitshinweise. 6. Als ersten Schritt ihrer Arbeit einigte sich die Gruppe auf Begriffe, für die Definitionen entwickelt werden sollten. Die Begriffe wurden nach drei Hauptgesichtspunkten ausgewählt: sie sollten Rechtsbegriffe sein, sie sollten eine bedeutsame Funktion in Chemikalienkontrollgesetzen erfüllen und sie sollten die Fähigkeiten besitzen, zum Abbau von nichttarifären Handelshemmnissen beizutragen. 7. Es wurde ein Fragebogen entworfen, so daß die beteiligten Länder die Gruppe mit Definitionen der ausgewählten Begriffe versorgen konnten, die in den nationalen Chemikalienkontrollgesetzen gegenwärtig erscheinen. Die Gruppe wertete die Antworten auf die Fragebogen aus und teilte jedem seiner Mitglieder die Aufgabe zu, Definitionsentwürfe zu entwickeln. Die Gruppenmitglieder erstellten Synopsen und verglichen die nationalen Definitionen miteinander als Hintergrund für die Vorlage von Definitionsentwürfen. 8. Die Haupttätigkeit während der Gruppentreffen bestand in der Auswertung und in der Einigung auf Definitionen für Schlüsselbegriffe. Die Definitionen sind dazu bestimmt, ein einheitliches Verständnis und eine

I. Einführung

315

Übereinstimmung im Gebrauch der Schlüsselbegriffe zu fördern. Sie verstehen sich nicht als zwingende Vorgaben. Vielmehr sind sie in einer allgemeinen, umfassenden Weise abgefaßt unter Hinzufügung von Anmerkungen. Sie können direkt in ein Gesetz oder internationales Übereinkommen inkorporiert werden und entsprechen den Anforderungen, die durch nationale oder internationale Bedürfnisse gestellt werden. Der Bericht enthält folgende Abschnitte: Abschnitt

II

stellt den Sinn und die Arbeitsweise der Entwicklung der Definitionen für Schlüsselbegriffe dar. Er enthält außerdem Hinweise zur Benutzung des Glossariums und die von der Gruppe gegebenen Empfehlungen.

Abschnitt III

stellt das Glossarium selbst vor - die Definitionen sowie Aspekte gewisser Schlüsselbegriffe, die beschrieben und erläutert, jedoch nicht definiert worden sind.

Abschnitt IV

untersucht die vorgeschlagenen Definitionen der Schlüsselbegriffe in bezug auf die in den beteiligten Ländern verwendeten Definitionen.

Abschnitt

führt die in den nationalen Gesetzen enthaltenen Definitionen auf.

V

Abschnitt VI

listet die Experten auf, die an der Gruppe beteiligt waren.

Abschnitt VII

enthält eine alphabetische Aufstellung aller Begriffe, die von der Gruppe behandelt wurden und verweist auf die dazugehörigen Schlüsselbegriffe.

9. Ein Zusatzteil (Addendum) zu diesem Bericht enthält die Analyse der Schlüsselbegriffe, die von einzelnen Gruppenmitgliedern ausgearbeitet wurden. Sie waren Ausgangspunkt für die Definitionsentwürfe. Die schließlich von der Gruppe gebilligten Definitionen sind nicht nur ein Ergebnis dieser Analysen, sondern auch der Diskussionen auf den Treffen. Folglich sind die Analysen des Zusatzteils als Hintergrundmaterial aufzufassen. Die im Abschnitt IV enthaltenen Darstellungen beruhen teilweise auf den Analysen des Zusatzteils und wurden vom Vorsitzenden in Abstimmung mit den einzelnen Gruppenmitgliedern verfaßt.

Abschnitt II

OECD, Chemikalienkontrolle und die Definition von Schlüsselbegriffen (I) Einleitung

10. Die Entwicklung eines Internationalen Glossariums von Schlüsselbegriffen ist Teil eines umfangreichen Programms innerhalb der OECD zur Harmonisierung von Chemikalienkontrollgesetzen. In der Konzentration auf einige rechtliche Aspekte der Chemikalienkontrolle ergänzt das OECDInternationale Glossarium von Schlüsselbegriffen andere Projekte, die sich mit technischen, wirtschaftlichen und Informationsgesichtspunkten eines international abgestimmten Vorgehens zur Chemikalienkontrolle befassen. 11. Die Harmonisierung hat sich aus mehreren Gründen als Hauptteil der OECD-Arbeit bei der Chemikalienkontrolle herausgebildet; sie beugt der Entstehung nichttarifärer Hemmnisse beim Handel mit Chemikalien vor eine besonders wichtige Erwägung angesichts des zwischen den OECD-Mitgliedsstaaten bestehenden Handelsvolumens bei Chemikalien - , sie verhindert doppelte Anstrengungen, spart somit Kosten für Regierung und Industrie, und sie fördert den gemeinsamen Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt. 12. Trotz der Einbindung des Internationalen Glossariums von Schlüsselbegriffen in den breit angelegten Vorstoß zur Harmonisierung stellt es in mehrfacher Hinsicht einen eigenständigen Beitrag dar. 13. Erstens wird durch die Auswahl zentral funktionaler Begriffe und die Entwicklung von Vorschlägen für harmonisierte Definitionen ein allgemeines Verständnis der kritischen Elemente in den nationalen Gesetzen gefördert. Ein verbessertes Verständnis bildet die Basis für eine Übereinstimmung beim Gebrauch der Schlüsselbegriffe und somit für den Weg, in dem die Gesetze angewendet werden. 14. Zweitens bedeutet die Präsentation von Definitionen zusammen mit den Hintergrundmaterialien eine wichtige Informationsquelle, die nicht nur den nationalen Verwaltungen, sondern auch dem Handel mit Chemikalien helfen wird, Kosten zu sparen. 15. Drittens wird die Information über nationale Definitionen zusammen mit einer Übereinstimmung im Gebrauch der Schlüsselbegriffe dazu beitragen, daß als ein Ergebnis der Chemikalienkontrollgesetze die Möglichkeit von Dichttarifären Hemmnissen beim Handel mit Chemikalien eingeschränkt wird. 16. Schließlich stellen die Definitionen Mittel dar zum wirksamen und gemeinsamen Schutz von Gesundheit und Umwelt.

II. OECD, Chemikalienkontrolle u. Definition von Schlüsselbegriffen

317

(II) Chemikalienkontrollgesetze 17. Rechtliche Instrumente zur Kontrolle der Gefahren im Zusammenhang mit Chemikalien sind in verschiedenen Arten von Gesetzen vorgesehen, zum Beispiel in den Gesetzen für die Kontrolle der Versehrnutzung einzelner Medien (Wasser, Luft, Boden), für besondere chemische Produkte (Schädlingsbekämpfungsmittel, Lebensmittelzusatzstoffe), für besondere Lebenszusammenhänge (den Arbeitsplatz, das Haus) und für die Abfallbeseitigung.

Innerhalb der OECD steht im allgemeinen die Beschäftigung mit den Chemikalienkontrollgesetzen der "neuen Generation" im Vordergrund, die in den 1970er Jahren in Kraft getreten sind (s. Tabelle I). In diesem Zusammenhang sind in der OECD Projekte entwickelt worden, welche die Elemente dieser Gesetze vor allem nach den Bedürfnissen der Harmonisierung ansprechen. 18.

Derzeit sind etwa zehn Chemikalienkontrollgesetze in Kraft und weitere sind in Vorbereitung. Viele dieser Gesetze sind in der Entsprechung mit zwei Empfehlungen des OECD-Rates (OECD Council Recommendations) abgefaßt worden - "Einschätzung der potentiellen Umwelteinwirkungen durch Chemikalien" (C (74) 215)) von 1974 und "Richtlinien in bezug auf Verfahren und Anforderungen zur Prognose der Wirkungen von Chemikalien auf Menschen oder die Umwelt" (C (77) .97 (Endfassung)) von 1977. Daraus resultierend haben die Gesetze gewisse Hauptmerkmale gemein, die eine feste Grundlage für die gegenwärtige Bemühung um Harmonisierung sind. Solche Merkmale sind im allgemeinen: - sie betreffen noch nicht vermarktete (z. B. "neue") Chemikalien, - sie sehen die Prognose und, soweit erforderlich, Kontrolle unerwünschter Wirkungen in Verbindung mit solchen Chemikalien vor, - sie legen den Herstellern und Einführern neuer Chemikalien Pflichten auf: (a) ihre Absicht, eine neue Chemikalie herzustellen oder zu vermarkten, den zuständigen Behörden zu melden, (b) die Behörden mit Information und Testergebnissen zu versehen, - und sie berechtigen eine Behörde zur Durchsetzung der in den Gesetzen getroffenen Anordnungen. Außerdem verleihen sie den Aufsichtsstellen die Befugnis, im Hinblick auf die Kontrolle von Chemikalien Maßnahmen zu ergreifen. Solche Maßnahmen können beinhalten: Forderung nach weiteren Tests, Lizenzierung, Kennzeichnung, Gebrauchsbeschränkungen etc. 19.

Das OECD Internationale Glossarium von chemikalischen Schlüsselbegriffen ist in erster Linie mit Rücksicht auf diese Gesetzestypen entwickelt worden.

20.

(111) Uberlegungen bei der Definition von Schlüsselbegriffen

21. Zur Entwicklung von Definitionen, die dazu bestimmt sind, die Harmonisierung zu fördern, war es für die Gruppe erforderlich, verschiedene wichtige Überlegungen anzustellen. Hierzu gehören die Festlegung einer Art von Begriffen, deren Berücksichtigung sonders wünschenswert erschien, das Ausmaß der bereits vorhandenen Definitionen für Begriffe, das Maß der Wahrscheinlichkeit, Definitionen für Begriffe harmonisieren zu können, und die unterschiedlichen Rechtstraditionen, nach denen die Begriffe verwendet wer-

318

Anhang: Schlußbericht der OECD-Expertengruppe

den. Daneben war der Arbeitsplan der Gruppe, aber auch die zur Verfügung stehende Zeit und die Beschränkung der Mittel zu berücksichtigen. TabeHe I

Einige Chemikalienkontrollgesetze der .,neuen Generation" 1969

Schweiz

Bundesgesetz über den Handel mit giftigen Stoffen

1973

Japan

Gesetz über die Kontrolle chemischer .Stoffe

1973

Schweden

Gesetz über gefährliche Produkte für Mensch und Umwelt

1975

Kanada

Gesetz gegen Umweltverschmutzung

1976

Norwegen

Produktkontrollgesetz

1976

Vereinigte Staaten

Gesetz über die Kontrolle giftiger Stoffe

1977

Frankreich

Gesetz über die Kontrolle chemischer Produkte

1979

Neuseeland

Gesetz über giftige Stoffe

1979

Europäische Gemeinschaften

Richtlinie zur sechsten Änderung der Richtlinie (67 /548 / EWG) über die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe (79/ 831/EWG)

1979

Dänemark

Gesetz über chemische Stoffe und Produkte

1980

Bundesrepublik Deutschland

Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (Chemikaliengesetz)

in Vorbereitung

Vereinigtes Königreich

in Vorbereitung

(Gesundheits- und Arbeitssicherheitsgesetz von 1974) Ausführungsvorschrift über die Anmeldung von neuen Stoffen

Niederlande

Gesetz über die Kontrolle chemischer Stoffe

in Vorbereitung

Schweiz

Bundesgesetz über den Umweltschutz

22. Bei der Durchführung ihres Auftrags erwog die Gruppe sorgfältig, ob sie Rechtsbegriffe oder naturwissenschaftliche Begriffe oder beide Betriffsformen behandeln sollte. Die Unterscheidung zwischen Rechtsbegriffen und naturwissenschaftlichen Begriffen ist nicht immer klar zu treffen, sondern die Zugänge zu ihnen haben deutlich verschiedeneue Ziele und verschiedene Folgerungen für die Auswahl der Begriffe. Eine naturwissenschaftliche Definition eines Begriffs wie etwa "Chemischer Stoff" verlangt die Beschreibung eines Konzepts unabhängig von jedem besonderen rechtlichen Zusammenhang. Demgegenüber hat eine rechtliche Definition desselben Begriffs trotz eines naturwissenschaftlichen Verständnisses vom zugrundeliegenden Konzept eine bestimmte Funktion im jeweiligen Kontext des Gesetzes zu erfüllen. Daher mag eine rechtliche Definition des "Chemischen

li. OECD, Chemikalienkontrolle u. Definition von Schlüsselbegriffen

319

Stoffes" eher dazu bestimmt sein, den Anwendungsbereich eines Chemikalienkontrollgesetzes zu kennzeichnen als den vollständigen, allgemeinen Inhalt dessen, was ein chemischer Stoff tatsächlich ist. Rechtliche Definitionen können, müssen aber nicht die gleichen sein wie die erutsprechenden naturwissenschaftlichen Definitionen, jedoch weisen sie angesichts der verschiedenen Funktionen, die sie zu erfüllen haben, insgesamt ein höheres Maß nationaler Unterschiedlichkeiten auf - ein für die Harmonisierung wichtiger Umstand. 23. Mit Rücksicht hierauf sowie auf die beschränkte Zeit und die zur Verfügung stehenden Mittel konzentrierte sich die Gruppe auf rechtliche Definitionen der Begriffe, und zwar aus mehreren Gründen: zunächst haben die Begriffe, die in Gesetzen oder Vorschriften definiert werden, am ehesten die Eigenschaft, als nichttarifäre Handelshemmnisse zu wirken, zum zweiten hat die Arbeit über chemikalienbezogene Glossarien in anderen internationalen Organisationen die Harmonisierung technischer Definitionen zum Gegenstand ((a) Weltgesundheitsorganisation (WHO), Entwurf einer Liste von "abgestimmten Begriffen über die Bewertung von Wirkungen auf die Gesundheit und über Risiko- und Gefahreneinschätzung von Faktoren, die auf die Umwelt einwirken", (b) Internationale Standardisierungsorganisation (ISO), "Wasserqualität - Wörterbuch - Teil 2", ISO/D I F 6107 /2), und zum dritten werden gegenwärtig in anderen Teilen des OECD-Chemikalienprogramms Anstrengungen unternommen, die sicherstellen sollen, daß der Gebrauch technischer Begriffe einheitlich ist und, soweit möglich, abgestimmt wird mit dem in anderen internationalen Organisationen. 24. Die Konzentration auf Rechtsbegriffe bedeutete, daß die Gruppe sich darüber klar werden mußte, wie der Umstand zu berücksichtigen ist, daß derselbe Begriff in verschiedenen Gesetzen in unterschiedlichen Funktionen auftreten kann. Schlüsselbegriffe werden im allgemeinen in Beziehung zu anderen Schlüsselbegriffen und zur Funktion innerhalb eines Gesetzes definiert, das nach den besonderen nationalen Bedürfnissen entwickelt worden ist. Obwohl die Chemikalienkontrollgesetze der neuen Generation starke Ähnlichkeiten in ihrer Zielrichtung aufweisen, können ihre Schlüsselbegriffe durchaus unterschiedliche Aufgaben erfüllen. Die Gruppe war daher der Ansicht, daß die zu entwickelnden Definitionen in flexibler Weise formuliert werden sollten, um die verschiedenen Funktionen einzuschließen, in denen die Begriffe erscheinen. 25. Die Notwendigkeit der Flexibilität, die nicht nur durch die verschiedenen Begriffsfunktionen, sondern auch durch Unterschiede im konstitutionellen, rechtlichen und administrativen Rahmen der Mitgliedsländer bedingt sind, wirft die Frage auf, inwieweit es möglich oder wünschenswert ist, Definitionen für Schlüsselbegriffe zu harmonisieren. Die Gruppe ging zunächst davon aus, daß Harmonisierung nicht gleichbedeutend ist mit Standardisierung. Es war möglich, eine Einheitlichkeit im Gebrauch der Begriffe dadurch anzustreben, daß besondere Definitionen vorgeschlagen werden und darüber hinaus Elemente klar gekennzeichnet werden, die wahlweise berücksichtigt werden können. Dieses Vorgehen würde eine verbindliche Basis für die Entwicklung von Definitionen schaffen und die Möglichkeit einer Wahl verschiedener Definitionen einschließen. Es würde mit anderen Worten das Ziel der Flexibilität mit dem Ziel der Harmonisierung verbinden. Die Vorbereitung und der Vorschlag von Definitionen durch die Gruppe konnte im übrigen nur der erste Schritt einer Harmonisierung von Definitionen sein:

320

Anhang: Schlußbericht der OECD-Expertengruppe

eine eigentliche Harmonisierung würde die Annahme der Definitionen durch die Mitgliedsländer erfordern. 26. Zusätzlich zur Funktionsbreite können die unterschiedlichen Eigenarten der Schlüsselbegriffe die Möglichkeiten der Harmonisierung begrenzen. Anders betrachtet: einige Begriffe sind leichter zu harmonisieren als andere. Zu den relevanten Überlegungen gehört die Besonderheit des Begriffs und die Frage, ob der Begriff ein wesentlich technisches oder rechtliches Konzept ausdrückt. Mit Rücksicht hierauf erkannte die Gruppe an, daß es nicht möglich oder gar wünschenswert sein mochte, für einige Begriffe geeignete Definitionen auszuarbeiten. In solchen Fällen erschien es der Gruppe ratsam, die konzeptionellen Elemente zu kennzeichnen, die eine Definition umfaßt, jedoch keinen speziellen Vorschlag zu machen. 27. Sind Gesetze erst einmal in Kraft getreten und Begriffe definiert, sind die Gelegenheiten harmonisierter Definitionen gemindert. Es ist wesentlich einfacher, vorgeschlagene Definitionen in Gesetze vor deren Inkrafttreten als nach dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens zu inkorporieren. Außerdem ist es oft schwierig, Gesetze zu verbessern, die nach langen Beratungen sorgfältig ausgearbeitet wurden. Hinzu kommt, daß die Verbesserung von Definitionen für Schlüsselbegriffe besonders schwierig sein kann, weil gerade definierte Begriffe in den nationalen Gesetzen wichtige funktionsbezogene Rollen spielen. Infolgedessen ging die Gruppe davon aus, daß den im nationalen und supra-nationalen Recht existierenden Definitionen im vollen Umfang Rechnung zu tragen ist.

28. Die für die Übernahme einer vorgeschlagenen Definition vorgeschriebenen verfassungsmäßigen Verfahren treten nicht nur im parlamentarischen Bereich auf. Parlamente - auf nationaler wie internationaler Ebene - sind zur Definition von Begriffen autorisiert, wenn die Gesetzgebung begonnen oder verbessert werden soll, aber ebenso können Regierungsstellen und die Gerichte an der Ausarbeitung von Definitionen beteiligt sein. Gerichte können mit Definitionen zu Schlüsselbegriffen bei der Überprüfung von Verwaltungsmaßnahmen oder im Verlauf zivil- oder strafrechtlicher Tatbestände befaßt sein. Je nach der Rechtstradition, in der die Arbeit des Gerichts steht, können die Definitionen mit Bezug zur parlamentarischen Absicht oder zum allgemeinsprachlichen Gebrauch behandelt werden. Mit Rücksicht darauf versuchte die Gruppe, so weit wie möglich Definitionen einzubeziehen, die in allen Bereichen des Regierungssystems Bedeutung haben. Allerdings war es nur möglich, solche Definitionen zu behandeln, die auf nationaler und nicht unterhalb der nationalen Ebene entwickelt wurden.

29. In einigen Mitgliedsländern ist es nicht vorrangige Angelegenheit der gesetzgebenden Körperschaften, Schlüsselbegriffe zu definieren, sie überlassen dies den Regierungsstellen oder den Gerichten. In solchen Fällen kann es sein, daß die Schlüsselbegriffe auch von Regierungsstellen oder Gerichten nicht im eigentlichen Sinne definiert werden. Die Gruppe war der Ansicht, daß die Praxis einiger Mitgliedsländer, keine formellen Definitionen zu bilden, nicht hindert, Definitionen zu entwerfen, und daß vorgeschlagene Definitionen nichtsdestoweniger von Nutzen sind, wenn die Chemikalienkontrollgesetze in solchen Ländern ausgeführt werden. Bei der Durchsicht der nationalen Definitionen stellte die Gruppe fest, daß gewisse Schlüsselbegriffe nicht oder nicht nur in Chemikalienkontroll-

30.

11. OECD, Chemikalienkontrolle u. Definition von Schlüsselbegriffen

321

gesetzen definiert sind, sondern in allgemeineren Umwelt- und Wirtschaftsregelungen. Dies war nicht überraschend- üblicherweise wird versucht, neue Gesetze mit den existierenden Gesetzen zu vereinbaren -, aber es bedeutete doch, daß die Suche nach nationalen Definitionen zuweilen über die Chemikalienkontrollgesetze hinaus auf Umwelt- und Zollgesetze ausgedehnt werden mußte. 31. Schließlich mußte die Gruppe die verschiedenen Sprachen, in denen die Begriffe ausgedrückt und definiert sind, mit in Rechnung stellen. In einigen Fällen wird derselbe Begriff in verschiedenen Sprachen benutzt, jedoch mit unterschiedlichen Nebenbedeutungen. In anderen Fällen kann ein in bestimmter Sprache definierter Begriff keine direkte Entsprechung in einer anderen Sprache haben. Da es der Gruppe nicht möglich war, ihre Arbeit in allen Sprachen der beteiligten Länder auszuführen, wurde Englisch als Arbeitssprache gewählt. Für den Entwurf der Definitionen wurde gleichzeitig darauf geachtet, die verwandten Begriffe in anderen Sprachen zu identifizieren und alle Elemente ihrer Definitionen herauszuziehen. Darüber hinaus sind die Begriffe in ihrer Originalsprache in der Synopse enthalten (Abschn. V). (IV) Methode

32. Um die Definitionen in einer Weise zu entwickeln, die den eben geschilderten Überlegungen Rechnung trägt, verständigte sich die Gruppe auf eine Methode, die unter mehreren Überschriften dargestellt werden kann. A. Auswahl der Begriffe

33. Es wurde eine Begriffsliste erstellt, die der Durchsicht der existierenden Gesetze folgte und die Empfehlungen der beteiligten Länder aufnahm. Die Begriffe wurden nach ihrer funktionalen Rolle ausgewählt, die sie in den Chemikalienkontrollgesetzen spielen, und daraus folgend auch nach ihrer Eigenschaft, als nichttärifäre Handelshemmnisse zu wirken. Die Art der funktionalen Rollen, die als Auswahlkriterien dienten, schloß Begriffe ein, die: - den Anwendungsbereich des Gesetzes festlegen, zum Beispiel Chemischer Stoff, Gemisch, Produkt, Neuer Stoff etc., - Aktivitäten bezeichnen, welche bestimmte Rechtspflichten auslösen können, zum Beispiel Inverkehrbringen, Herstellen etc., - Personen oder Größen bezeichnen, die Subjekt bestimmter Rechtspflichten sein können, zum Beispiel Hersteller, Einführer, (juristische) Person etc., - Rechtspflichten bezeichnen, zum Beispiel Anmeldung, - mit Wirkungen oder Umständen infolge des Umgangs mit einer Chemikalie zu tun haben, welche die Kontrolle erfordern können, zum Beispiel Gefahr, Risiko, nachteilige Wirkung, -mit Objekten zu tun haben, welche in unerwünschter Weise von Chemikalien betroffen sind, zum Beispiel Umwelt. B. Sammlung der Informati on

34. Der Hauptteil der Information über die Definitionen der ausgewählten Begriffe wurde nach den Antworten der Fragebogen gesammelt. Die betei21 Kloepfer I Bosselmann

322

Anhang: Schlußbericht der OECD-Expertengruppe

ligten Länder wurden gebeten, folgende Information über jeden ausgewählten Begriff zu geben: (i) den/die entsprechenden Begriff(e) in ihrem/ ihren nationalen Gesetz(en), (ii) den/die Verweis(e) auf den/ die Text(e), wo der Begriff verwendet und definiert wird, (iii) die Definition des Begriffs, (iv) die englische Übersetzung des Begriffs und (v) jede zusätzliche Information, die nötig ist, um die Bedeutung des Begriffs und die Funktion, die er erfüllt, zu verstehen. 35. Wo immer möglich, wurden die in nationalem und supranationalem Recht definierten Begriffe, für die keine Antwort zu erhalten war, unabhängig untersucht. C. AnaLyse der Begriffe

36. Der erste Schritt der Analyse der Definitionen bestand darin, Gruppen verwandter Begriffe zu bilden. Dies erlaubte den Gruppenmitgliedern, die Beziehungen der Begriffsdefinitionen untereinander zu untersuchen, Begriffe zu identifizieren, die Bestandteil anderer Begriffe sind, und Begriffe zu identifizieren, die aus logischen Gründen von anderen zu trennen sind. 37. Für jeden der Begriffe wurden Synopsen oder Listen der in den Chemikalienkontrollgesetzen erscheinenden Definitionen zusammengetragen und nach den folgenden Kriterien untersucht: - Verwendungshäufigkeit (Häufigkeit des Auftretens in ähnlichen Definitionen in den verschiedenen Ländern), - zeitliche Geltung (Datum des Inkrafttretens oder der Annahme einer Definition), - Geltungsbereich, - Begriffsumfang (die breiteste, umfassendste Definition), - Begriffskern (die Definition oder Teile davon, die am gebräuchlichsten sind), - Kontext (Wichtigkeit und Zweck des Gesetzes, in dem die Definition erscheint, sowie der Ort und die Funktion der Definition im Regelungssystem), - Bezug (Beziehung dieser Definition zu den anderen von der Gruppe vorgeschlagenen Definitionen). D. Entwicklung der Definitionsentwürfe

38. Die Definitionsentwürfe wurden in Übereinstimmung mit den Begriffsanalysen entwickelt. Die Gruppe einigte sich auf eine Anzahl von Gesichtspunkten, nach denen sich der Entwurf der Vorschläge richten sollte. Diese waren: - Übereinstimmung (mit der Mehrheit der existierenden Definitionen), - Aktualität (z. B. neuere Definitionen können die gegenwärtige Politik, Technik etc. widerspiegeln), - Klarheit, - Verwechslungsgefahr (Vermeidung von Übersetzungsschwierigkeiten),

Il. OECD, Chemikalienkontrolle u. Definition von Schlüsselbegriffen -

323

kommerzielle Gesichtspunkte (Vermeidung von Handelshemmnissen), Wettbewerbsgesichtspunkte (Vermeidung von Verzerrungen), Erhaltungsgesichtspunkte (z. B. Grad des Schutzes von Mensch und Umwelt), Konsens (z. B. Rücksicht auf die Bedürfnisse der Mitgliedsländer).

39. Die Erstentwürfe wurden von einzelnen Mitgliedern der Gruppe gefertigt und danach auf den Gesamtgruppentreffen ausführlich diskutiert. Bei diesen Diskussionen wurden die Vor- und Nachteile der Definitionsentwürfe sowie damit zusammenhängende politische überlegungen erörtert. E. Ausarbeitung der vorgeschlagenen Definitionen

40. In der Diskussion und dem Erzielen der Einigung über Definitionen arbeitete die Gruppe eine weitere Erwägung als Richtschnur ihrer Arbeit heraus. Man verständigte sich darauf, daß den Begriffen die weitestmögliche Definition gegeben werden sollte und daß die Elemente, welche die Definition ausmachen, gekennzeichnet werden sollten. Folglich würden nur logisch unterscheidbare und nicht anderen Begriffen untergeordnete Begriffe definiert werden. Solch ein Vorgehen brachte die Notwendigkeit der Auswahl von Elementen und der Flexibilität in die Vorschläge mit sich. 41. In Obereinstimmung mit dieser Vergehensweise einigte man sich auf eine bestimmte Struktur der Präsentation harmonisierter Definitionen: zunächst die Definition selbst, die zur Verwendung im Gesetz oder internationalen Übereinkommen entworfen ist, aber Modifikationen mit Rücksicht auf nationale und internationale Bedürfnisse zuläßt, als zweites eine Darstellung des Zwecks, um die generelle Funktion des Begriffes zu erklären, drittens Anmerkungen, die durch die Definition ein- oder ausgeschlossene Elemente im einzelnen bezeichnet, und viertens etwaige besondere Bemerkungen.

(V) Ergebnisse und Schlußfolgerungen 42. Zu Beginn waren etwa sechzig Begriffe ausgewählt worden mit der Vorstellung, noch weitere Begriffe zu einem späteren Zeitpunkt zu behandeln, möglicherweise auch aus naturwissenschaftlicher Sicht. Dies war allerdings wegen der zeitlichen Beschränkung, wegen der geringen Anzahl der in der Gruppe teilnehmenden Experten und wegen der Komplexität der Definitionsentwürfe, die alle erwägenswerten Gesichtspunkte einschlossen, nicht möglich. Die ausgewählten Begriffe sind in der Tabelle II als Gruppen sinnverwandter Begriffe aufgeführt. 43. Die Gruppe ordnete die ausgewählten Begriffe einer von zwei Prioritätslisten zu - vierzig der Liste A und zwanzig der Liste B. Die beteiligten Länder wurden um Übersendung der ausgefüllten Fragebogen für die Liste A gebeten. Neun Länder lieferten Definitionen für die ausgewählten und sinnverwandten Begriffe (Australien, Kanada, Frankreich, Bundesrepublik Deutschland, Japan, Niederlande, Schweiz, das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten). Informationen über die verbleibenden zwanzig Begriffe wurden weitgehend - wiederum mit Hilfe eines Fragebogens - durch die in der Gruppe beteiligten Länder zusammengetragen. Vollständige Sammlungen der Fragebogenrückläufe wurden beim Sekretariat der Gruppe und 21*

324

Anhang: Schlußbericht der OECD-Expertengruppe

beim Sekretariat der OECD geführt. Die nationalen Definitionen der ausgewählten Schlüsselbegriffe, wie sie durch die Fragebogenrückläufe zusammengetragen wurden, sind im Abschnitt V wiedergegeben. 44. Die Gruppe wendete erhebliche Zeit und Mühe auf, um eine Methode zur Vorbereitung der Definitionen und einer Form zu ihrer Präsentation zu entwickeln. Sie gewann den Eindruck, daß Methode und Form durchaus eigenständige wertvolle Ergebnisse waren und auch für andere von Nutzen sein können, die mit der Ausarbeitung international harmonisierter Definitionen von rechtlichen oder naturwissenschaftlichen Begriffen befaßt sind. 45. Die Diskussion der Gruppe über die Definitionsentwürfe bemühte sich kritisch um die Entwicklung abgestimmter Definitionen. Das Zusammenspiel von Recht und Naturwissenschaft, das sich bei verschiedenen Definitionen ergab, erwies sich gleichermaßen als anspornender und notwendiger Bestandteil der Gruppenarbeit. Die Gruppe würde weitere Tätigkeitsformen empfehlen, bei denen Juristen und Naturwissenschaftler in so konstruktiver Weise zusammenarbeiten können. 46. Die Expertengruppe hat eine Gesamtzahl von 33 Definitionen und die Elemente von zwei Definitionsgruppen ausgearbeitet (s. Abschn. III). In Übereinstimmung mit dem Mandat der Gruppe sind die Vorschläge entwickelt worden "zum Gebrauch bei der Entwicklung von Kontrollmaßnahmen gegen Chemikalien, die internationale Bezüge haben", jedoch nicht für andere rechtliche oder politische Bereiche. Es war nicht die Aufgabe oder Absicht der Gruppe, Begriffsinterpretationen für existierendes Recht zu liefern, sondern eher Definitionen vorzuschlagen, die in der Zukunft von Nutzen sein könnten. 47. Die oben dargelegt, hat die Gruppe besondere Sorgfalt auf die Notwendigkeit verwandt, den Definitionen Flexibilität zu verleihen. Daher ist die Gruppe der Ansicht, daß die Definitionen Beachtung verdienen, wenn Chemikalienkontrollgesetze ausgearbeitet, verbessert oder interpretiert werden. 48. Die Gruppe stellt außerdem einige Hintergrundmaterialien zu den Definitionen zur Verfügung: Kurzanalysen der Begriffe (Abschn. IV) und Synopsen der existierenden Definitionen (Abschn. V). Der Zusatzteil enthält die ursprünglichen, von einzelnen Gruppenmitgliedern erstellten Untersuchungen. Die Gruppe fand, daß die Analysen wichtig sind und der Aufmerksamkeit der Mitgliedstaaten zugeführt werden sollten, da sie den Weg zeigen, wie die Definitionen zunächst entworfen wurden. 49. Die Gruppe meinte, daß die Synopsen nicht nur für Gesetzgeber und -anwender wertvoll sind, sondern auch für die Händler von Chemikalien, und daß Wege gefunden werden sollten, dieses Material der Aufmerksamkeit der Industrie zuzuführen.

(VI) Empfehlungen 50. Nach dem oben Geschilderten empfiehlt die Expertengruppe, daß: (i) die Definitionen, die in Abschn. III aufgeführt sind, beachtet werden, wenn die Mitgliedsländer rechtliche Vorkehrungen für die Chemikalienkontrolle treffen, verbessern oder durchsetzen und

II. OECD, Chemikalienkontrolle u. Definition von Schlüsselbegriffen

325

(ii) Schritte unternommen werden, um die Materialien, die in diesem

Bericht enthalten sind, in geeigneter Form zu veröffentlichen. TabeHe II

Die zur Vberprüfung ausgewählten Begriffsgruppen Begriffe der Liste A

Inverkehrbringen, In -den-Handel-Geben, Anbieten, Auf-den-Markt-Bringen, Empfangen, Anbieten, Versorgen, Handel. Herstellen, Hersteller, Produzieren, Bearbeiten, Fabrizieren. Einfuhr/Einführen, Einführer, Ausfuhr/ Ausführen, Ausführer, Durchfuhr. Stoff, Gemisch, Zubereitung, Verunreinigung, Verbindung. Produkt, Konsumentenprodukt, Artikel. Neuer Stoff, Neuer Gebrauch, Neues Konsumentenprodukt, Neues Produkt. Verwenden, Beschäftigen mit, Behandeln, Lagern/ Aufbewahren, Gebrauchen/ Umgehen mit. Person (natürliche), Person (juristische), verantwortliche Person. Anmeldung.

Begriffe der Liste B

Gefahr, Gefährlich (-er Stoff oder Abfall), Risiko, Schadensrisiko, Unvertretbares Risiko. Gift, Gitfiger Stoff. Schaden/Nachteil, schädlich/nachteilig (-e Wirkung), Beeinträchtigung (durch Umwelteinflüsse), (gesundheits-)schädlich, gesundheitsschädigende Wirkung, Gesundheitsschaden, schädliche Wirkung, Belästigung, Nachteil. Umwelt, Einwirkung (auf die Umweltmedien als allgemeiner Ausdruck für verschiedene Aktivitäten), Gesundheit. Zubereitung für die Landwirtschaft, Rückstand von Schädlingsbekämpfungsmitteln. Pflanze, Pflanzenprodukt, PflanzenschutzmitteL Lagerung/ Ablagerung, Lagern/ Ablagern, Beseitigung, Beseitigen (von Abfall), Entledigen (i. S. von Handel und Abfall), Einbringen, Abfall, Abwasser.

Abschnitt III

Schlüsselbegriffe Dieser Abschnitt enthält die Definitionen der Schlüsselbegriffe, auf die sich die Gruppe geeinigt hat. Der definierte Schlüsselbegriff (oder die Begriffe) ist in der Überschrift angegeben. Die Definition wird nach einem einheitlichen Schema dargestellt:

51.

A. Definition

B. Darstellung des Zwecks C. Anmerkung D. Besondere Hinweise. 52. Zwei Begriffsgruppen sind erläutert, aber nicht definiert. Diese Aspekte undefinierter Begriffe werden nach folgender Gliederung dargestellt: A. Erklärung B. Anmerkung C. Besondere Hinweise.

Artikel A. Definition

Ein Gegenstand, der in eine bestimmte Form gebracht ist. B. Zweck Die Definition beschreibt eine Produktform, die normalerweise nicht direkt in Chemikalienkontrollgesetzen reglementiert wird. C. Anmerkung Der Begriff schließt ein: - die Schaffung einer bestimmten Gestalt oder Form mit dem Zweck bestimmter Endgebrauchsmöglichkeiten, - daß sich die chemische Zusammensetzung während des Endgebrauchs im allgemeinen nicht wesentlich verändert.

D. Besondere Hinweise D 1 Verschiedene Mitgliedsländer benutzen den Begriff "Artikel" nicht im Zusammenhang mit der fabrikmäßigen Herstellung. D 2 Es sollte darauf hingewiesen werden, daß "Artikel" ein oft gebrauchter Rechtsbegriff ist und daher große Unterschiede bei der Definition oder dem Gebrauch des Begriffs "Artikel" in den verschiedenen Gesetzen, insbesondere bei den Regelungen der Zollkontrolle, auftreten.

III. Schlüsselbegriffe

327

Chemisdler Stoff

A. Definition Chemische Elemente und ihre Verbindungen. B. Zweck Diese Definition ist als Kerndefinition gedacht, welche die allgemeine Verständigung unter denen herstellen kann, die mit Chemikalien umgehen. C. Anmerkung

C 1 Die Definition will jede Unterscheidung zwischen natürlich gewonnenen und künstlich hergestellten Stoffen ausschließen. C 2 Die Definition schließt auch jede Bezugnahme auf die Form aus, in der ein Stoff auf den Markt gelangen kann, d. h. ob der Stoff in einer Lösung oder mit Zusatzstoffen etc. vermarktet wird. C 3 Die Definition unterscheidet nicht zwischen den vielen Beschaffenheiten, in denen Verbindungen von Elementen vorkommen mögen wie zum Beispiel als freie Radikale oder Stereoisomere. Daher ist die Definition diesbezüglich umfassend. D. Besondere Hinweise

D 1 Es mag erforderlich sein, diese Definition für die Zwecke eines bestimmten Gesetzes zu ergänzen. Chemische Stoffe werden nur selten in reiner Form hergestellt und vermarktet; sie treten normalerweise in Kombination mit Verunreinigungen oder mit anderen Stoffen auf, die hinzugefügt sind, um ihre Zusammensetzung oder physikalische Form zu erhalten. Diese Kombinationen sind "Gemische" oder "Zubereitungen", wie sie hier im Glossarium definiert sind. D 2 Falls es für den Zweck eines bestimmten Gesetzes erforderlich ist, daß Stoffe, die zum Beispiel zusammen mit Verunreinigungen auftreten, als Stoffe statt als Gemische eingestuft werden, kann die Definition des chemischen Stoffes sinngemäß verändert werden.

Umwelt

A. Definition Wasser, Luft und Boden sowie die Beziehungen unter ihnen einerseits und zu allen Lebewesen andererseits. B. Zweck

Diese Definition ist typisch für die gegenwärtigen Definitionen in den Chemikalienkontrollgesetzen. Die Definition umfaßt die Objekte und Beziehungen, die durch Chemikalien betroffen sein können. Der Verwendungszweck der Definition würde sein, die Medien und Beziehungen zu beschreiben, die geschützt werden müssen, um Schäden für Lebewesen vorzubeugen, die durch Chemikalien entstehen. C. Anmerkung

C 1 Die Chemikalienkontrollgesetze einiger Länder schließen keine Definition für diesen Begriff ein, sondern vertrauen offenbar auf den allgemeinen Gebrauch oder auf andere Vorgaben in ihren Ländern. C 2 Die Definition deckt die Beziehungen zwischen den Lebewesen über deren physikalische Umgebung ab. Der direkte Schutz der Lebewesen

328

Anhang: Schlußbericht der OECD-Expertengruppe

selbst sollte von den Gesetzgebern bei der Ausarbeitung von Vorschriften erwogen werden. C 3 Die Definition schließt die Bezugnahme auf ästhetische oder kulturhistorische Werte nicht ein. Diese können in einem Gesetz für das Anwendungsgebiet in einem Land hinzugefügt werden, sind jedoch im internationalen Rahmen nicht ohne weiteres zu handhaben. C 4 Die Definition schließt die Umgebung des Arbeitsplatzes nicht ein. Der Arbeitsplatz ist im allgemeinen Gegenstand von Gesetzen mit besonderem Zweck. D. Besondere Hinweise D 1 Der Bedeutungsumfang dieser Definition kann über die natürliche Umwelt hinausgehend erweitert werden, soweit es für ein bestimmtes Gesetz nötig oder erstrebenswert ist. D 2 Bei einigen Gesetzgebungen erscheinen Definitionen, welche die Lebewesen ausdrücklich als Elemente der Definition für Umwelt einschließen.

Ausführen, Ausfuhr(en), Ausführer A. Definition

A 1 Ausführen: Verbringen von Gütern aus dem nationalen Gebiet. A 2 Ausfuhr(en): aus dem nationalen Gebiet verbrachte Güter. A 3 Ausführer: eine Person, die Güter aus dem nationalen Gebiet verbringt.

B. Zweck Die Definitionen dieser Begriffe sind dazu bestimmt, Aktivitäten, Güter oder Personen zu bezeichnen, die von der Anwendung der Chemikalienkontrollgesetze ausgenommen sein können, die aber gelegentlich Gegenstand von Teilen einer Verpflichtung oder einigen besonderen Vorschriften sein können. C. Anmerkung C 1 Der Begriff "Ausfuhr" ist in den meisten Fällen zu dem Zweck definiert, das Ausführen oder die Ausfuhr vom Anwendungsbereich eines Chemikalienkontrollgesetzes auszunehmen. Die Definition der Begriffe "Ausführen", "Ausfuhr(en)", "Ausführer" sind absichtlich sehr weit. Wenn diese Definitionen in einem Chemikalienkontrollgesetz benutzt werden, sollte das Gesetz die Aktivitäten, Güter oder Personen näher bestimmen, die von einigen oder von allen der allgemeinen Anforderungen ausgenommen sind oder die Gegenstand besonderer Vorschriften sein können. Zum Beispiel: - ob der Verkauf oder die Lagerung von Produkten, die gegebenenfalls zur Ausfuhr bestimmt sind, ebenso vom Geltungsbereich des Gesetzes ausgenommen sind, - ob Personen, die ihre Produkte zum Zweck der Ausfuhr verkaufen oder behandeln, die sie aber nicht tatsächlich ausführen, ihrerseits als "Ausführer" angesehen werden müssen. C 2 Die Definition von "Ausführen" ist dazu bestimmt, jede Tätigkeit einzuschließen, die eindeutig und direkt darauf gerichtet ist, die Ausfuhr von Chemikalien zu bewerkstelligen.

III. Schlüsselbegriffe

329

C 3 Die Definition von "Ausfuhr(en)" ist dazu bestimmt, die grenzüberschreitende (Umwelt-) Versehrnutzung auszuschließen. Allerdings mag Abfall, der gewolltermaßen aus dem nationalen Gebiet verbracht wird, als nach den Chemikalienkontrollgesetzen ausgeführt betrachtet werden. C 4 Die Definition für "Ausführer" ist dazu bestimmt, sowohl natürliche als auch juristische Personen einzuschließen. D. Besondere Hinweise D 1 Eine Ausnahme für "Ausfuhr(en)" ist insbesondere im Fall einer Anmeldepflicht vor der Herstellung bedeutsam. Bei einer Anmeldung vor Herstellung ist eine solche Ausnahme nicht unbedingt erforderlich, weil ein Hersteller, der seine eigenen Chemikalien ausführt (d. h. sie nicht auf den Markt bringt), aus dem Bereich einer solchen Verpflichtung herausfallen würde. Bei einer Anmeldepflicht vor Herstellung könnte solch eine Herausnahme ausgeweitet werden, um den Verkauf dieser Chemikalien an eine Person zu erlauben, die sie ausführen will. In dem Falle sollten die zur Ausfuhr bestimmten Chemikalien jedoch eindeutig identifizierbar sein. D 2 Wenn in der nationalen Gesetzgebung eine Definition des "Ausführens" vorhanden ist, könnte der Begriff "Ausfuhr(en)" auch als "Ausgeführte Güter" definiert werden. D 3 Die Definition des "Ausführers" berührt im allgemeinen nicht die Frage, ob der Ausführer einen bestimmten Status, wie zum Beispiel Sitz im Ausfuhrland haben muß. D 4 Manchmal ist der Begriff "Ausfuhr" in der nationalen Gesetzgebung definiert als "Verbringen von Gütern aus dem Geltungsbereich des Gesetzes" anstelle von "aus dem nationalen Gebiet". D 5 Verweisung auf: Person, Anmeldung. Gefahr (durch eine Chemikalie) A. Definition Die Reihe der in einem Stoff oder Gemisch enthaltenen Eigenschaften, die geeignet sind unerwünschte Auswirkungen auf den Menschen oder die Umwelt zu verursachen. B. Zweck Die Definition sieht eine Anzahl von Merkmalen vor, durch die ein chemischer Stoff oder Gemisch unter rechtliche Verpflichtungen eines Chemikalienkontrollgesetzes fällt. C. Anmerkung C 1 Reagierende, giftige oder umweltbeeinflussende Eigenschaften (oder Verhaltensweisen), die üblicherweise in den Gesetzen aufgeführt sind, umfassen: Explosionsgefährlichkeit Feuergefährlichkeit Ätzwirkung Reizwirkung Karzinogenität Teratogenität

330

Anhang: Schlußbericht der OECD-Expertengmppe Mutagenität Empfindlichkeit Letalwirkung (akute/chronische)

- bei Menschen -bei Tieren Biodegradation/biologischer Abbau - aerob -anaerob Bioakkumulation C 2 Durch die Auswahl von Eigenschaften und geeigneten Testverfahren, mit denen die Eigenschaften gemessen oder bestimmt werden, können die Gesetzgeber Kriterien beschreiben, nach denen ein Stoff oder Gemisch Gegenstand bestimmter Erfordernisse werden kann. Die Gesetzgeber können eine Reihe von Merkmalen aufstellen, bei deren Vorliegen der Stoff oder das Gemisch als "gefährlich" eingestuft wird. C 3 Obwohl die Definition der Gefahr die Eigenschaften einer Chemikalie behandelt, ist es ebenso möglich, eine Situation als "gefährlich" zu beschreiben. Wo beispielsweise die mit einer Chemikalie verbundenen Eigenschaften bekannt sind, jedoch unzureichende Kenntnisse über die Exposition vorliegen, um die Wahrscheinlichkeit einer angenommenen unerwünschten Wirkung, also das Risiko vorhersagen zu können, mögen eine oder mehrere Situationen des Gebrauchs als gefahrbegründend angesehen werden. D. Besondere Hinweise D 1 Die Definition von "Gefahr" und "Risiko" beschreiben Aspekte desselben Gedankens; der erste konzentriert sich auf die der verursachenden Substanz innewohnenden Eigenschaften, und der zweite konzentriert sich auf die aktuellen oder potentiellen Folgen einer Aktivität, die mit dem Material zu tun hat. Beide Definitionen sind eng aufeinander bezogen. D 2 Der Begriff "Gefahreneinschätzung" wird gelegentlich gebraucht, um einen Prozeß oder das Ergebnis eines Prozesses zu beschreiben, bei dem eine Reihe der oben erwähnten Eigenschaften festgelegt wird. D 3 Der Bezugsrahmen dieser Definition wird in dem Abschnitt "Analysen" dieses Berichts erläutert.

Einführen, Einfuhr(en), Einführer A. Definition A 1 Einführen: Verbringen von Gütern in das nationale Gebiet. A 2 Einfuhr(en): in das nationale Gebiet verbrachte Güter. A 3 Einführer: eine Person, die Güter in das nationale Gebiet verbringt. B. Zweck Die Definitionen dieser Begriffe sind dazu bestimmt, die Aktivitäten, Güter oder Personen zu bezeichnen, die Gegenstand von Anforderungen nach den Chemikalienkontrollgesetzen sein können. C. Anmerkung C 1 Die Definitionen sind absichtlich sehr weit. Wenn diese Definitionen in einem Chemikalienkontrollgesetz benutzt werden, sollte das Gesetz die Aktivitäten, Güter oder Personen näher bestimmen, für die be-

III. Schlüsselbegriffe

331

stimmte Anforderungen gelten oder ausdrücklich nicht gelten. Zum Beispiel: - ob oder ob nicht Transporteure oder die für sie Handelnden von der Definition für "Einführer" eingeschlossen sind, - die einzelnen Gesetze der Mitgliedsländer können für gewisse Anforderungen Güter ausnehmen, die sich bereits auf dem nationalen Gebiet befinden, aber noch nicht die Zollkontrollverfahren durchlaufen haben. C 2 Die Definition der "Einfuhr(en)" ist unter der Annahme entwickelt worden, daß die Güter von außerhalb des nationalen Gebietes kommen. C 3 Die Definition der "Einfuhr(en)" ist dazu bestimmt, die grenzüberschreitende (Umwelt-) Versehrnutzung auszuschließen. Allerdings mag Abfall, der gewolltermaßen in das nationale Gebiet verbracht wird, als nach den Chemikalienkontrollgesetzen eingeführt betrachtet werden. C 4 Die Definition für "Ausführer" ist dazu bestimmt, sowohl natürliche als auch juristische Personen einzuschließen. D. Besondere Hinweise D 1 Einfuhr als solche braucht nicht notwendigerweise eine reglementierte Aktivität im Rahmen eines Systems der Chemikalienkontrolle zu sein. Die Anforderungen der Chemikalienkontrolle sind auf gewisse eingeführte Chemikalien bezogen und richten sich an den Einführer als die für die Einfuhr dieser Chemikalien verantwortliche Person. Eine Definition für "Einführen" ist deshalb nicht notwendig, sie kann aber beim Definieren der "Einfuhr(en)" und des "Einführers" nützlich sein. D 2 Wenn in der nationalen Gesetzgebung eine Definition für "Einführen" vorhanden ist, könnte der Begriff "Einfuhr(en)" auch als "Eingeführte Güter" definiert werden. D 3 Die zuständigen Stellen der einführenden Länder akzeptieren zuweilen auch die direkt vom Hersteller im Ausfuhrland stammenden Informationen. D 4 Die Definition des "Einführers" berührt im allgemeinen nicht die Frage, ob der Einführer einen bestimmten rechtlichen Status wie zum Beispiel Sitz im Einfuhrland haben muß. D 5 Manchmal ist der Begriff "Einfuhr" in der nationalen Gesetzgebung definiert als "Verbringen von Gütern in den Geltungsbereich des Gesetzes" anstelle von "in das nationale Gebiet". D 6 Verweisung auf: Person.

Verunreinigung

A. Definition Ein chemischer Stoff, der unbeabsichtigt in einem oder mehreren erwünschten Stoffen enthalten ist. B. Zweck Die Definition ist dazu bestimmt, chemische Stoffe zu bezeichnen, die wegen ihrer Präsenz in einem oder mehreren erwünschten Stoffen Gegenstand gesetzlicher Anforderungen sein können.

332

Anhang: Schlußbericht der OECD-Expertengruppe

C. Anmerkung

C 1 Dieser Begriff erfaßt Kontaminationen ebenso wie Stoffe, die mit dem Herstellungsprozeß einhergehen oder dabei entstehen. Die Präsenz oder Identität von Verunreinigungen mag bekannt sein oder nicht, sie sind nichtsdestoweniger Verunreinigungen. C 2 Diese Definition beschreibt nicht eine Untergruppe der chemischen Stoffe; sie kommt eher der Beschreibung einer kommerziellen Situation nahe. Daher kann ein chemischer Stoff in einer Situation der erwünschte Stoff sein, in einer anderen Situation eine Verunreinigung. D. Besondere Hinweise Verweisung auf Chemischer Stoff, Gemisch.

Herstellen A. Definition Durch chemikalische, physikalische oder biologische Prozesse oder Operationen Materialien zu Produkten machen. B. Zweck Der Begriff wird definiert, um alle Formen der Umwandlung von Materialien zu Produkten nach den Gesetzen zur Reglementierung der Chemikalien einzuschließen.

C. Anmerkung C 1 Siehe auch Definition für "Produkt". C 2 Technisch gesehen verändert ein "Prozeß" die Zusammensetzung des Materials, während eine "Operation" nur dessen Form verändert. Beispiele für Prozesse sind Oxidation, Reduktion oder Hydrierung; Beispiele für Operationen sind Trocknen, Durchsieben oder Kristallisation. C 3 "Herstellen" zeigt die Möglichkeit des Inverkehrbringens an. Materialien, die zu Hause für den Gebrauch der Hausbewohner verändert werden, sind infolgedessen nicht "hergestellt". C 4 Die Begriffe "Herstellen", "Hersteller", "Fabrizieren", "Bearbeiten/ Bearbeitung", "Produzieren" werden gelegentlich wechselseitig in Definitionen oder als Synonyme zueinander verwendet; in vielen Fällen sind die Begriffe selbst Bestandteil einer Definition, während sie in anderen Fällen überhaupt nicht definiert werden. Die zugrunde liegende Vorstellung ist daher, diese Begriffe in ihrer Bedeutung zu sehen, die sie allgemeinsprachlich haben. C 5 "Herstellen" ist dazu bestimmt, Materialien zu erfassen, die in Mengen zum Anbieten oder zum Verkauf produziert werden im Gegensatz zu kleinen Mengen, die während der Forschung und Entwicklung entstehen. C 6 Das Wort "machen", wie es in der obigen Definition gebraucht wird, umschließt die "Veränderung" wie die "Verwandlung" von Chemischen Stoffen oder Gemischen und jedes dabei sich ergebende Zwischenstadium.

III. Schlüsselbegriffe

333

D. Besondere Hinweise D 1 Kleine Mengen für Forschung und Entwicklung können ausgeschlossen werden durch: a) Einschluß einer Ausnahme innerhalb der Definition oder b) Vorsehen einer Ausnahme in der sich daran anschließenden Gesetzgebung. D 2 Die voraussichtliche Entwicklung geht dahin, diejenigen, die potentiell gefährliche Stoffe hervorbringen, zum Beispiel die "Hersteller", bis zu einem gewissen Grad für die folgenden Akte des Mißbrauchs, der Unvorsichtigkeit oder Nachlässigkeit neben jedem verantwortlich oder haftbar zu machen, der die Allgemeinheit belästigt oder gefährdet. Folglich kann angenommen werden, daß die Begriffe "Herstellen", "Hersteller", "Fabrizieren", "Bearbeiten/Bearbeitung", "Produzieren" in der künftigen Gesetzgebung umfassender und schärfer definiert werden. Gemisch A. Definition Jede Zusammensetzung von zwei oder mehreren chemischen Stoffen, die getrennt sind und grundsätzlich vom Gemisch wieder getrennt werden können. B. Zweck Dieser Begriff ist dazu bestimmt, alle Kombinationen von Stoffen einzuschließen. C. Anmerkung C 1 Die Definition umfaßt alle Kombinationen von zwei oder mehreren Stoffen, ob durch Mischung oder durch Reaktionen oder durch Zufall entstanden. Der verwandte Begriff "Zubereitung" umfaßt eine Untergruppe der Gemische; er bezieht nur die erwünschten Kombinationen ein. C 2 Der Begriff erfaßt Lösungen ebenso wie einfache Gemische. Er erfaßt nicht die Kombination von Stereoisomeren eines einzelnen Stoffes. Eine Kombination von Stereoisomeren eines einzelnen Stoffes gilt als immer noch derselbe Stoff. D. Besondere Hinweise Die Definitionen von "Gemisch", "Zubereitung", "Chemischer Stoff" und "Verunreinigung" sollten in jedem Gesetz sorgfältig strukturiert werden, damit die Beziehungen zwischen ihnen eindeutig sind.

A. Definition

Neuer Stoff

Ein Chemischer Stoff, der entweder hergestellt oder zum ersten Mal in den Verkehr gebracht wird nach ... B. Zweck Diese Definition ist dazu bestimmt, für die gegenwärtige Verwendung in Chemikalienkontrollgesetzen typisch zu sein und solche Chemischen Stoffe zu kennzeichnen, die Gegenstand gesetzlicher Erfordernisse entweder vor Herstellung oder vor dem Inverkehrbringen in dem Land sein können.

334

Anhang: Schlußbericht der OECD-Expertengruppe

C. Anmerkung C 1 Das Datum, das in der Definition noch fehlt, ist ein durch Internationales Recht oder das Recht des Mitgliedslandes festgesetzter oder festzusetzender Termin. In den verschiedenen Gesetzen können unterschiedliche Termine festgelegt sein. C 2 Der in einigen existierenden Gesetzen festgelegte Termin ist der Zeitpunkt der Veröffentlichung oder der abschließenden Zusammenstellung eines Inventarregisters von Chemischen Stoffen, die als bereits hergestellt oder bereits in Umlauf befindlich und somit nicht als "neu" gelten. C 3 "Neu" in diesem Zusammenhang bedeutet nicht neu für die menschliche Erkenntnis, obwohl einige Stoffe für die menschliche Erkenntnis wie für das Recht gleichermaßen neu sein mögen. C 4 Vor einem festgesetzten Termin hergestellte oder in den Verkehr gebrachte Stoffe können denselben oder ähnlichen gesetzlichen Anforderungen unterliegen wie neue Stoffe.

D. Besondere Hinweise Die Definitionen des "Neuen Stoffs" können von Land zu Land variieren. Daher ist es möglich, daß ein Stoff in einem Land "neu" und in einem anderen Land "nicht neu" ist.

Neuer Gebrauch A. Definition

Eine Veränderung des/der festgelegten Gebrauchs (-formen) eines chemischen Stoffes. B. Zweck Diese Definition ist dazu bestimmt, für die gegenwärtige Verwendung in Chemikaliengesetzen typisch zu sein und alle möglichen Veränderungen im Gebrauch eines chemischen Stoffes einzuschließen.

C. Anmerkung C 1 Veränderungen des festgelegten Gebrauchs können einschließen: Änderung der Methode der Behandlung einer Chemikalie, Änderung des Rahmens (setting), in dem die Chemikalie gebraucht wird, Änderung in der Umweltverbreitung der Chemikalie und Veränderungen der Größe, Dauer oder des Weges der Chemikalienexposition in bezug auf Mensch oder Umwelt. Die Gesetze variieren darin, welche Formen von Veränderungen als neue Gebrauchsformen erfaßt werden. C 2 In einigen Ländern wird die Anmeldung neuer Gebrauchsformen nur für neue Stoffe gefordert, die ein Anmeldeverfahren durchlaufen haben. In anderen Ländern wird die Anmeldung neuer Gebrauchsformen für alle Stoffe gefordert. C 3 "Neue Gebrauchsformen" können ferner charakterisiert werden zum Beispiel als neue Gebrauchsformen, die erheblich sind oder neue Gefahren mit sich bringen. Diese weitere Charakterisierung wird in einigen gegenwärtigen Gesetzen vorgenommen, um neue Gebrauchsformen, die eine Anmeldung erfordern, von solchen zu trennen, bei denen sie nicht erforderlich ist.

III. Schlüsselbegriffe

335

D. Besondere Hinweise Die Definition kann nach den Bedürfnissen der gesetzgebenden Stellen modifiziert werden, zum Beispiel durch Klarstellung, daß nur gewisse identifizierte Formen von Veränderungen im Gebrauch als "neu" betrachtet werden.

Anmeldung A. Definition

Anmeldung ist die Vorlage spezifizierter Information über einen chemischen Stoff gegenüber einer zuständigen Stelle durch die dazu verpflichtete Person. B. Zweck Die Definition ist dazu bestimmt, für die gegenwärtige Verwendung in Chemikalienkontrollgesetzen typisch zu sein. Anmeldung umfaßt die Informationsvorlage, die in der Chemikalienkontrollgesetzgebung oder in einer Vorschrift oder in beidem im einzelnen bezeichnet werden. C. Anmerkung C 1 Die Anmeldung ist unabhängig von irgendeiner durch die zuständige Stelle daraufhin getroffenen Maßnahme zu sehen, zum Beispiel Lizensierung, Registrierung etc. C 2 Obwohl die Definition alle chemischen Stoffe einschließt, neue wie existierende (diese Kategorien sind allerdings definiert), können die geforderten Informationen oder die Umstände ihrer Vorlage unterschiedlich sein. C 3 Die Umstände, welche die Anmeldeverpflichtung beeinflussen, variieren und können bestimmt sein etwa durch die Zeitspanne (z. B. 90 Tage vor dem Inverkehrbringen), den Umfang (z. B. beim Überschuß bestimmter Mengen), neue Gebrauchsformen, Verfügbarkeit von neuer Information (auch z. B. Anzeige von anwachsender Exposition oder Wirkung) oder die Ausfuhr. C 4 Die Arten der bei einer Anmeldung geforderten Informationen variieren und können umfassen die chemikalische Struktur, die Gebrauchsformen oder Bedingungen des Gebrauchs, die beteiligten Mengen, Testergebnisse, Ausdehnung der Exposition und Vorstellungen über die Kontrolle der unerwünschten Wirkungen und der Endlagerung. C 5 Die Personen, denen die Anmeldeverpflichtung auferlegt ist, variieren und können einschließen die Hersteller, Einführer, Ausführer oder die Verwender von chemischen Stoffen. D. Besondere Hinweise D 1 Die Definition erfordert nicht, daß die für die Anmeldung verantwortliche Person ihren Sitz in dem Land hat, in dem sich die zuständige (Anmelde-)Stelle befindet. Eine Begrenzung bei der Residenzpflicht könnte Handelshemmnisse dadurch hervorrufen, daß eine Vorbedingung zur Erfüllung der Anmeldeverpflichtung geschaffen wird, die mit dem Zweck der Verpflichtung nichts zu tun hat. D 2 Verweis auf die Definitionen von "Chemischer Stoff", "Person", "Neue Gebrauchsformen", "Ausfuhr /Einfuhr".

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Anhang: Schlußbericht der OECD-Expertengruppe Person- Natürliche, Juristische, Verantwortliche

A. Definition A 1 Person ein Mensch oder eine Organisation mit der Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein. A 2 Natürliche Person- ein Mensch. A 3 Juristische Person - eine Organisation, der durch Rechtsakt die Fähigkeit verliehen ist, Träger von Rechten und Pflichten zu sein. A 4 Verantwortliche Person - eine natürliche Person, der vom Gesetz eine bestimmte Verantwortlichkeit zugewiesen ist.

B. Zweck Die verschiedenen Definitionen für "Person" sollen klarstellen, wer nach den Chemikalienkontrollgesetzen verantwortlich ist. C. Anmerkung C 1 Die Fähigkeit, gesetzliche Rechte oder Pflichten zu tragen, ist nach dem nationalen Recht unterschiedlich. Die Verantwortlichkeit einer Person kann von Faktoren abhängen wie Alter, Geistesvermögen, rechtlicher Status etc. Die Expertengruppe weist den Definitionen nicht die Aufgabe zu, auf die strafrechtliche oder zivilrechtliche Verantwortlichkeit in einem Mitgliedsstaat einen Einfluß auszuüben. C 2 Einige Staaten unterscheiden zwischen natürlichen und juristischen Personen, während andere insoweit nicht differenzieren. Was eine juristische Person ausmacht, ist in den Staaten verschieden, zum Beispiel ist eine Handelsgesellschaft in Schottland eine juristische Person, nicht dagegen in England, eine Regierungsbehörde ist eine juristische Person in den Vereinigten Staaten, nicht aber in der Bundesrepublik Deutschland. Eine natürliche Person, die ihr Geschäft in England mit einer Körperschaft betreibt, wird hier in dieser Weise behandelt, nicht so in der Bundesrepublik Deutschland. C 3 Definition A 1 könnte in Staaten benutzt werden, die zwischen natürlichen und juristischen Personen nicht unterscheiden, während die Definitionen A 2 und A 3 Staaten betreffen könnte, die diese Unterscheidung vornehmen. C 4 Beispiele für P ersonen entweder nach Definition A 1 oder A 3 sind eine Körperschaft, Genossenschaft/Gesellschaft (association), H andelsgesellschaft/Teilhaberschaft (partnership), Regierung, Regierungsbehörde oder eine internationale Organisation. C 5 In einigen Mitgliedsländern werden insbesondere natürlichen Personen Verantwortlichkeiten nach den Gesetzen zur Reglementierung von Chemikalien auferlegt. In solchen Gesetzen sind die besonderen Bestimmungen getroffen, das allgemeine Konzept der verantwortlichen Person ist dagegen in der Definition A 4 angesprochen. D. Besondere Hinweise D 1 Das Konzept von einer Person, juristischen Person oder verantwortlichen Person kann für die Gesetze der Staaten über Chemikalien von erheblicher Bedeutung sein. Folgende Gesichtspunkte können betroffen sein: (i) das Gesetz kann die Art der Person näher bestimmen, die neue chemische Stoffe auf den Markt bringen darf,

III. Schlüsselbegriffe

337

(ii) das Gesetz kann die Art der Person näher bestimmen, die den Gebrauch eines chemischen Stoffes anzuzeigen hat und (iii) die Verantwortlichkeit, die mit dem Gebrauch von Chemikalien entsteht, kann einer bestimmten Art von Rechtspersönlichkeit auferlegt werden. Pflanzenschutzmittel, Schädlingsbekämpfungsmittel, Rückstand von Schädlingsbekämpfungsmitteln A. Definition A 1 Pflanzenschutzmittel: ein Stoff, der dazu bestimmt ist, 1. Organismen zu zerstören, die für Pflanzen oder Pflanzenprodukte schädlich sind, oder sie vor solchen Organismen zu schützen, 2. die Lebensprozesse der Pflanzen auf andere Weise als ein Nährstoff zu beeinflussen, 3. unerwünschte Pflanzen, wie etwa Unkraut, zu zerstören oder 4. Pflanzenteile zu zerstören oder unerwünschtes Wachstum zu verhindern. A 2 Schädlingsbekämpfungsmittel: ein Stoff, der dazu bestimmt ist, 1. Organismen zu zerstören, die für Pflanzen, Tiere oder Pflanzenoder Tierprodukte schädlich sind, oder sie auf andere Weise vor solchen Organismen zu schützen als medizinische Mittel dies tun. 2. Organismen zu zerstören, die für Menschen schädlich sind oder unerwünscht sind, oder das Auftreten solcher Organismen auf andere Weise zu verhindern als medizinische Mittel dies tun, 3. die Lebensprozesse der Pflanzen auf andere Weise als ein Nährstoff zu beeinflussen, 4. unerwünschte Pflanzen, wie etwa Unkraut, zu zerstören, 5. Pflanzenteile zu zerstören oder unerwünschtes Wachstum von Pflanzen zu verhindern. A 3 Rückstand von Schädlingsbekämpfungsmitteln: jeder Stoff oder Organismus, der als Ergebnis des Gebrauchs von oder Berührung mit Schädlingsbekämpfungsmitteln auftritt oder übrigbleibt. B. Zweck Definitionen von "Pflanzenschutzmittel" und "Schädlingsbekämpfungsmittel" sind dazu bestimmt, gewisse Stoffe zu kennzeichnen, die von Anforderungen nach Chemikalienkontrollgesetzen ausgenommen sein können.

C. Anmerkung C 1 "Pflanzenschutzmittel" können dem allgemeinen Konzept der "Landwirtschaftlichen Chemikalie" im Sinne einer Chemikalie zum Gebrauch in der Landwirtschaft zugerechnet werden. Der letztere Begriff erfaßt beispielsweise auch Düngemittel und Produkte zur Verbesserung des Bodens. C 2 Diese Definitionen spiegeln den gegenwärtigen Gebrauch in der Gesetzgebung wider. Es mag erforderlich sein, bei diesen Definitionen einige weitere Elemente einzuschließen (z. B. "Additive") oder andere auszuschließen (z. B. "Unkrautvertilger", "Wachstumsregler" oder "Lebensmittelkonservierungsstoffe"), soweit sie Gegenstand besonderer gesetzgeberischer Anforderungen sind. 22 Kloepfer I Sosseimann

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Anhang: Schlußbericht der OECD-Expertengruppe

C 3 Medizinische Mittel sind ausgeschlossen, da sie Gegenstand besonderer gesetzgeberischer Anforderungen sind. C 4 Die Definition für Rückstände von Schädlingsbekämpfungsmitteln soll einschließen: Rückstände von chemikalischen Schädlingsbekämpfungsmitteln, Stoffe, die durch Absetzungen oder Umwandlungen solcher Schädlingsbekämpfungsmittel entstehen, und Rückstände von bakteriellen Schädlingsbekämpfungsmitteln. C 5 Für besondere gesetzgeberische Zwecke mag es erforderlich sein näher zu bestimmen, wo ein Rückstand von Schädlingsbekämpfungsmitteln auftritt oder verbleibt (z. B. in Lebensmitteln, in der Umwelt etc.). D. Besondere Hinweise Die Spezifizierung unterschiedlicher Ausnahmen in Chemikalienkontrollgesetzen kann zu nichttarifären Handelshemmnissen führen.

Zubereitung

A. Definition Eine erwünschte Zusammensetzung von zwei oder mehreren chemischen Stoffen.

B. Zweck Dieser Begriff ist dazu bestimmt, eine Untergruppe der Gemische zu erfassen. C. Anmerkung Dieser Begriff schließt nur Kombinationen ein, die durch Vermischung bereits hergestellter Stoffe und üblicherweise in festgelegten Proportionen angefertigt werden. D. Besondere Hinweise Verweisungen auf "Chemischer Stoff", "Gemisch".

Produkt

A. Definition Ein Stoff, Gemisch oder eine Zubereitung, angefertigt oder aus der Natur gewonnen oder ein Artikel.

B. Zweck Für die Zwecke der Reglementierung von Chemikalien ist die Definition dazu bestimmt, alles einzuschließen, was in den Verkehr gebracht werden könnte. C. Anmerkung C 1 Der Begriff soll einschließen: - biologische Produkte - alle Nebenprodukte und Verunreinigungen, die w ährend des Herstellungsprozesses nicht beseitigt sind. C 2 Der Begriff schließt nicht notwendigerweise die Absicht des Inverkehrbringens ein. D. Besondere Hinweise D 1 In verschiedenen Mitgliedsländern mag die Definition für den Begriff "Produkt" nicht den "Artikel" einschließen.

III. Schlüsselbegriffe

339

D 2 Der zusammengesetzte Begriff "Konsumentenprodukt" wird manchmal benutzt, um ein Produkt zu bezeichnen, das in den Verkehr gebracht ist und normalerweise für persönliche, familiäre oder häusliche Zwecke gebraucht wird. A. Definition

loverkehrbringen

Abgeben an andere oder Bereitstellen zur Abgabe an andere.

B. Zweck

Die Definition ist dazu bestimmt, den Zeitpunkt zu bezeichnen, durch den Chemikalien Gegenstand gesetzlicher Anforderung werden können. C. Anmerkung C 1 Der Begriff soll einschließen: - Verkaufen, -Anbieten, - Verteilen/Vertreiben, -Handeln, -Versorgen/Liefern, - Auf-den-Markt-Bringen, - Transportieren, - Innerbetriebliche Transfers derselben Ebene. C 2 Er deckt kommerzielle wie nichtkommerzielle Unternehmungen ab.

D. Besondere Hinweise D 1 Einzelne Gesetze der Mitgliedsländer können für gewisse Anforderungen ausschließen: - innerbetriebliche Transfers derselben Ebene, - kleine Mengen für Forschungszwecke, - nichtkommerzielle Transfers, - Transport (wenn er durch andere Gesetze erfaßt werden soll), - Transfers, die nicht nach dem erstmaligen loverkehrbringen durchgeführt werden, - Durchfuhr (-handel). D 2 "Anbieten" wird oben in einer weiten Bedeutung verstanden. Wenn es wünschenswert ist, zum Beispiel die Werbung oder das Anbieten von Waren, die nicht existieren oder an Hand sind, vom Begriffsumfang des "Inverkehrbringens auszuschließen, sollte dieser Ausschluß klar herausgestellt werden.

A. Definition

Einbringen, Abfall, (un-)kontrollierte Beseitigung oder Lagerung, Abwasser

A 1 Einbringen: das Einführen von Stoffen oder Materialien jeder Art in Wasser, Luft oder Boden. A 2 Abfall: jeder durch irgendeine Aktivität entstandene Stoff, Rückstand oder Artikel, der auf irgendeine Weise aufgegeben oder abgelegt ist. A 3 Kontrollierte Beseitigung oder Lagerung: Beseitigung oder Lagerung von Abfall an einem dauernden oder vorläufigen Ort unter bekannten Umständen mit Einwilligung der Behörde.

22*

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Anhang: Schlußbericht der OECD-Expertengruppe

A 4 Unkontrollierte Beseitigung oder Lagerung: Beseitigung oder Lagerung von Abfall ohne Einwilligung der zuständigen Behörde. A 5 Abwasser: infolge irgendeiner Aktivität abfließendes Wasser einschließlich Niederschlags- und Abflußwasser sowie Sickerwasser im Boden, das mit der Aktivität zusammenhängt. B. Zweck Die aufgeführten Begriffe im Abschnitt A sind definiert, um das allgemeine Verständnis von Gesetzen zu fördern, die das Einbringen und die Beseitigung von Chemikalien oder Materialien in Wasser, Luft oder Boden betreffen. C. Anmerkung C 1 Ähnliche Begriffe wie die in Abschnitt A und in der Gesetzgebung gebräuchlich sind: (i) Einbringen: Abgeben, Einführen (ii) Abwasser: Abfließende Flüssigkeit, Abfallwasser (iii) Abfall: Industriemüll, Müll. C 2 Die Definition für "Einbringen" ist dazu bestimmt, das beabsichtigte wie unbeabsichtigte und kontrollierte wie unkontrollierte Einbringen von Chemikalien und Materialien in Wasser, Luft oder Boden zu umfassen. C 3 Die Definition des Abfalls erfaßt alle Formen chemischer Stoffe und Materialien einschließlich der Abgabe von Abgasen, abfließenden Flüssigkeiten und festen Abfallstoffen. Sie ist dazu bestimmt, sowohl den auch unkontrollierterweise weggeworfenen Abfall als auch den auf genehmigte oder gebilligte Weise beseitigten Abfall zu umfassen. C 4 Die kontrollierte Beseitigung oder Lagerung bedeutet in diesen Definitionen sowohl die kontrollierte Entledigung als auch die kontrollierte Abgabe von Abfall. C 5 Die kontrollierte Abfallbeseitigung kann Teil eines Konzepts sein zur Landaufschüttung oder -nutzbarmachung oder zur Einleitung von Abwasser in zulässigen Grenzen oder zur Abgabe von Abgasen in zulässigen Grenzen. C 6 Kontrollierte wie unkontrollierte Beseitigung kann auf die dauernde oder vorübergehende Nutzung von Lagerungsplätzen bezogen sein. C 7 Die unkontrollierte, unsoziale Abfallbeseitigung, insbesondere auf dem Land, wird in einigen Mitgliedsländern durch den Begriff "Abkippen/ Abladen" (dumping) umschrieben. Andere beziehen den Begriff allerdings auch auf die kontrollierte Beseitigung und einige benutzen den Begriff "dumping" bei diesen Aktivitäten überhaupt nicht. C 8 Das Einleiten in die See/Verklappen (dumping at sea) hat eine spezielle Bedeutung erlangt und wird im allgemeinen als kontrollierte Abfallbeseitigung auf See verstanden. C 9 Eine alternative Bedeutung für "dumping" ist die Praxis des Verkaufs von Gütern einschließlich der Chemikalien zu einem Preis unterhalb des Einkaufspreises. Anti-Dumping-Regeln werden üblicherweise durch Handelsverträge oder Tarife aufgestellt. Eine weitere Bedeutung von "dumping" ist die Verwendung von Stoffen im Ausland, weil diese Stoffe nicht länger im Herstellungsland vermarktet werden dürfen.

Ill. Schlüsselbegriffe

341

C 10 Aus den oben geschilderten Gründen ist die Expertengruppe der Ansicht, daß es vorzuziehen ist, die Benutzung des Ausdrucks "dumping" bei der Gesetzgebung über die Beseitigung chemischer Stoffe und Materialien zu vermeiden. C 11 Die Definition für Abfall umschließt die eigentliche Tätigkeit ebenso wie die Absicht zur Aufgabe oder Entledigung von Materialien, soweit diese Absicht feststellbar ist. Der Umstand, durch den chemische Stoffe oder Materialien zu Abfall werden, kann durch den Zeitpunkt bestimmt sein, ab dem der Stoff oder das Material von keinem unmittelbaren Wert mehr für diese oder jene damit zusammenhängende Tätigkeit ist. C 12 In einigen Ländern wird die "Kontrollierte Beseitigung" benutzt, um die Beseitigung von festem Abfall zu beschreiben, die bestimmten Anforderungen zum Schutz der menschlichen Gesundheit und des Landes, des Wassers oder der Luft folgen. Unkontrollierte Beseitigung schließt jede Methode der Beseitigung von Abfall ein, die diesen Anforderungen nicht entspricht. Risiko A. Definition Die vorherzusehende oder tatsächliche Häufigkeit des Eintritts einer unerwünschten Auswirkung auf Menschen oder die Umwelt durch eine bestimmte Stoff- oder Gemischexposition. B. Zweck Diese Definition ist dazu bestimmt, in Verbindung mit der Definition der "Gefahr" benutzt zu werden. Das Risiko ist ein Kriterium, nach dem sich Maßnahmen aufgrund der Chemikaliengesetze zum Schutz von Gesundheit oder Umwelt ergeben können. C. Anmerkung C 1 Die Definition ist allgemeiner Art. Das Risiko, das mit einer bestimmten Aktivität des Umgangs mit einer Chemikalie verbunden ist, könnte in einer generellen Definition festgelegt werden, wenn die Eigenschaften der Chemikalie, die Umstände der akuten Exposition und die Verletzlichkeit der ihr ausgesetzten Spezies oder Umwelt bekannt sind. C 2 Die Parameter, die bei der Bestimmung der tatsächlichen Exposition zugrunde gelegt werden, sind im allgemeinen der Umfang und die Art der betroffenen Bevölkerung, die Größe der Exposition (Dosis) sowie Häufigkeit, Dauer und Weg der Exposition. C 3 Das Risiko kann als eine Wahrscheinlichkeit ausgedrückt werden. Soweit meßbar, zeigt die vorhersehbare oder gegenwärtige Häufigkeit des Eintritts einer unerwünschten Wirkung geteilt durch den zahlenmäßigen Umfang der betroffenen Bevölkerung eine solche Wahrscheinlichkeit an.

D. Besondere Hinweise D 1 Die Definition von Risiko kann als Grundlage einer Definition des unannehmbaren (unvertretbaren) Risikos benutzt werden. "Unannehmbares Risiko" ist ein Begriff, der bei einigen Gesetzgebungen angewendet wird, wenn das Risiko/die Risiken in Verbindung mit

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Anhang: Schlußbericht der OECD-Expertengruppe

einer Aktivität trotz des aus dieser Aktivität ableitbaren sozialen und ökonomischen Nutzens für ungerechtfertigt gehalten werden. Die Feststellung eines unannehmbaren Risikos bedeutet oder verlangt, daß Maßnahmen zur Reduzierung des Risikos getroffen werden müssen. Gesetzgeber, die das Konzept des unannehmbaren Risikos in einem Gesetz vorsehen, können die Willensentscheidung der zuständigen Stelle dadurch beschränken, daß sie weitere Richtlinien oder Normen vorschreiben, die bei einer Beurteilung des unannehmbaren Risikos zu beachten sind. D 2 Siehe Definition und Besondere Hinweise für "Gefahr". D 3 Der Bezugsrahmen dieser Definition wird in dem Abschnitt "Analysen" dieses Berichts erläutert. Durchfuhr /Transit(-handel) A. Definition Transithandel: Das Hineinschaffen (transfer) von Gütern in das nationale Gebiet zum alleinigen Zweck, sie später (subsequently) wieder aus demselben nationalen Gebiet herauszuschaffen. B. Zweck Der Begriff ist dazu bestimmt, eine Aktivität zu bezeichnen, die nach den Chemikalienkontrollgesetzen als eine besondere Form der Einfuhr oder Ausfuhr angesehen werden mag. C. Anmerkung

C 1 Abgesehen von besonderen Regeln, die den "Transit" betreffen, wird der Begriff im allgemeinen benutzt, um entweder den Transithandel vom normalen Anwendungsbereich eines Gesetzes auszunehmen oder ihn dem "Transport" anzugleichen und so einem besonderen Regelungshereich zuzuordnen. C 2 Der Begriff erfaßt nicht die Zollklärungsverfahren im Rechtssinne und das Ein- und Ausbringen in bzw. aus dem freien Verkehr, obwohl der Transithandel unter Zollüberwachung steht. C 3 Der Begriff soll (a) eingeführte Güter, die für die Wiederausfuhr bestimmt sind, ausschließen, (b) nicht-kommerzielles grenzüberschreitendes Verbringen von Gütern einschließen.

D. Besondere Hinweise Wirtschaftlich gesehen ist es sehr wichtig, im "Transit" befindliche Stoffe von Anmeldeverpflichtungen und von den meisten anderen Regelungen über chemische Stoffe auszunehmen. Gerechtfertigt scheint nur die Anwendung von Regeln, die auf den Schutz vor Gefahren in Verbindung mit dem Transport solcher Güter oder vor Gefahren für Leute, die mit diesen Gütern umgehen, gerichtet sind.

III. Schlüsselbegriffe -

343

Aspekte undefinierter Begriffe Verwenden, Behandeln, Lagern/ Aufbewahren, Gebrauchen, Umgehen mit, Beschäftigen mit.

A. Erklärung Die Begriffe "Verwenden", "Behandeln", "Lagern/Aufbewahren", "Gebrauchen/Umgehen mit" werden nicht definiert, jedoch normalerweise verwendet, um eine Anzahl von chemikalienbezogenen Aktivitäten zu verkörpern, die Gegenstand gesetzlicher Erfordernisse sein können. B. Anmerkung B 1 Der Begriff "Verwenden" kann gewisse Begriffe einschließen, die an anderer Stelle des Glossariums definiert sind, wie - Inverkehrbringen, - Einführen, -Ausführen, und darüber hinaus - Produzieren, - Verkaufen, -Bereithalten zum Verkauf, -Handeln, - kommerzielles Vertreiben, - Liefern oder - Transportieren. B 2 Definitionen für "Inverkehrbringen", "Einführen" und "Ausführen" vorzusehen ist nützlich, um den Bedürfnissen der Chemikalienkontrollgesetzgebung zu entsprechen, wogegen die anderen erwähnten Begriffe allgemeinere Begriffe im Bereich von Wirtschaft und Handel sind, die keine besonderen Definitionen für die Zwecke der Chemikalienkontrolle erfordern. B 3 Die Begriffe "Verwenden", "Behandeln", "Lagern/Aufbewahren" und "Gebrauchen/ Umgehen mit" werden häufig mit wechselseitigen Verweisen oder als Synonyme füreinander gebraucht. Darüber hinaus werden besondere Formen chemikalienbezogener Aktivitäten wie Produzieren, Verkauf etc. von den Gesetzgebern berücksichtigt, um gewisse Produkte zu kennzeichnen, für die gesetzliche Bestimmungen gelten. B 4 Falls ein Begriff benötigt wird, der die meisten Gesichtspunkte der beschriebenen Begriffe abdeckt, könnte dies "Verwenden" ein. Dieser Begriff hat verschiedene Bedeutungen in der gegenwärtigen Gesetzgebung und repräsentiert einen weiteren Bedeutungsumfa ng als jeder andere vergleichbare Begriff. C. Besondere Hinweise C 1 Einzelne Gesetze der Mitgliedsländer können Definitionen vorsehen, welche die Bedeutungen von "Verwenden", "Behandeln", "Lagern/ Aufbewahren" oder "Gebrauchen/ Umgehen mit" einengen. Im geltenden Recht ist "Verwenden" (to deal with) gelegentlich auf wirtschaftliche Aktivitäten wie Verkauf, Verkehr und Handel bezogen, während "Behandeln" zuweilen nicht auf Handlungen wie Produzieren, Inver-

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Anhang: Schlußbericht der OECD-Expertengruppe

kehrbringen oder Konsumieren bezogen wird; "Lagern/ Aufbewahren" meint im Grunde nur die eigentlichen Handlungen des vorübergehenden Ahlegens (z. B. mit der Absicht des Verkaufs). C 2 Der Begriff "Beschäftigen" (to employ) ist in der Gesetzgebung meist mit Bezug auf die Arbeit unter Vertrag definiert. Als Rechtsbegriff hat er nur manchmal die Bedeutung von "Gebrauchen/Umgehen mit" (to use). Aspekte undefinierter Begriffe - Schaden/Nachteil, - Schädliche/Nachteilige Wirkung (harmful effect), - Beeinträchtigung (durch Umwelteinflüsse), - (Gesundheit-)schädlich, - Gesundheitsschädigende Wirkung, - Gesundheitsschaden, - Schädliche Wirkung (noxious effect), - Belästigung, -Nachteil. A. Erklärung Diese neun Begriffe werden in der gegenwärtigen Gesetzgebung normalerweise nicht definiert. Sie vermitteln dem Gesetzgeber ein Spektrum beschreibender Ausdrücke, die potentielle oder akute unerwünschte Wirkungen repräsentieren, angefangen von einfacher Lästigkeit bis hin zu einer Lebensbedrohung. B. Anmerkung B 1 Diese Begriffe werden häufig in wechselseitigen Beschreibungen oder als Synonyme füreinander gebraucht. B 2 Die zugrunde liegende Vorstellung ist, daß diese beschreibenden Begriffe entweder von ihrem Kontext her bzw. nach den gebildeten Kombinationen oder nach der allgemeinsprachlichen Bedeutung verstanden werden sollten. B 3 Nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand sind die Kennzeichen, die zur Feststellung, ob eine Chemikalie potentiell unerwünschte Wirkungen verursacht, herangezogen werden, die Reaktion, die Giftigkeit und das Verhalten in der Umwelt. Siehe dazu die Definition von "Gefahr (durch eine Chemikalie)". B 4 Um feststellen zu können, ob eine Chemikalie tatsächlich unerwünschte Wirkungen hat, müssen wissenschaftliche Tests mit nachgewiesener Zuverlässigkeit entwickelt werden, damit die quantitativen Werte ermittelt werden können, die eine abgesicherte Entscheidung oder Beurteilung ermöglichen. Die durch das Gesetz geforderten technischen Definitionen müssen solche verläßlichen Tests entweder beschreiben oder sich auf sie beziehen. B 5 Die Begriffe überschneiden sich in ihrer Bedeutung, so daß es schwierig ist sie zu ordnen. Trotzdem könnte ein möglicher Weg der Reihung sein: - Belästigung, -Nachteil, - Schaden (i. S. v. detriment), - Schädliche Wirkung (noxious, harmful effect),

III. Schlüsselbegriffe -

345

Gesundheitsschädigende Wirkung, Beeinträchtigung, Gesundheitsschaden, Gesundheitsschädlich.

C. Besondere Hinweise Definitionen für diese Begriffe, die zuverlässige technische Informationen über Testverfahren beinhalten, wären durchaus wirksam, um die Absichten der Gesetzgebung zu erreichen, in der diese Begriffe verwendet werden.

Abschnitt IV

Zusammenfassende Analysen 53. Dieser Abschnitt stellt zusammenfassende Analysen für die definierten Begriffe und Begriffsgruppen vor. Die zusammenfassenden Analysen beruhen teilweise auf den umfangreicheren Untersuchungen, die im Zusatzteil (Addendum) enthalten sind. Sie bedeuten ein Verbindungsglied zwischen den Definitionen, die im Glossarium vorgeschlagen werden, und jenen, die im nationalen und internationalen Recht auftreten (hierzu Abschn. V). Sie sind vom Vorsitzenden in Abstimmung mit den einzelnen Gruppenmitgliedern ausgearbeitet worden.

Chemischer Stoff, Gemisch, Zubereitung, Verunreinigung Chemischer Stoff:

chemische Elemente und ihre Verbindungen.

Gemisch:

jede Zusammensetzung von zwei oder mehreren chemischen Stoffen, die getrennt sind und grundsätzlich vom Gemisch wieder getrennt werden können.

Zubereitung:

eine erwünschte Zusammensetzung von zwei oder mehreren chemischen Stoffen.

Verunreinigung:

ein chemischer Stoff, der unbeabsichtigt in einem oder mehreren erwünschten Stoffen enthalten ist.

54. Diese vier Begriffe beschreiben chemische Substanzen (entities), die entweder voneinander getrennt oder in kombinierter Form vorkommen. Als solche beruhen sie auf gesichert festgelegten naturwissenschaftlichen Konzepten. Im Recht kennzeichnen die Begriffe allerdings chemische Größen, von denen jede Gegenstand besonderer und unterschiedlicher gesetzlicher Anforderungen sein kann. Daher können die nationalen Definitionen dieser Begriffe von den gebräuchlichen naturwissenschaftlichen Definitionen sowie untereinander abweichen. 55. Abhängig von dem in einigen Ländern begangenen Weg der Kontrolle chemischer Substanzen mögen nicht immer alle vier Begriffe definiert sein. Zum Beispiel: "Verunreinigung" kann in einer Definition des "Chemischen Stoffes" mitenthalten sein, oder "Chemischer Stoff", "Gemisch" und "Zubereitung" können zusammen mit "Verunreinigungen" als "Produkte" angesehen werden. Die vier Begriffe sind im Glossarium definiert worden, weil sie Gegenstand besonderer oder doch unterschiedlicher gesetzlicher Anforderungen sein können.

IV. Zusammenfassende Analysen

347

Chemischer Stoff

56. Im Glossarium wird der Kerngehalt durch die Definition des "Chemischen Stoffes" ausgedrückt als chemische Elemente und ihrer Verbindungen. Die meisten Definitionen des "Chemischen Stoffes" oder "Stoffes" im nationalen oder internationalen Recht weichen von diesem Kerngehalt kaum ab. Darüber hinaus unterscheiden die meisten Länder nicht zwischen natürlich gewonnenen oder künstlich hergestellten chemischen Elementen und Verbindungen (Japan nimmt die natürlichen Stoffe anscheinend aus, obwohl diese Interpretation nicht eindeutig ist). Tatsächlich schließen einige Länder ausdrücklich die künstlich hergestellten ebenso wie natürlich gewonnenen Stoffe in ihre Definitionen ein. 57. Zwischen den Aggregatszuständen, in denen chemische Elemente und ihre Verbindungen vorkommen - ob fest, flüssig oder gasförmig - wird normalerweise keine Unterscheidung getroffen. Die Definition des Vereinigten Königreichs spezifiziert die Definition als "jeden natürlichen oder künstlichen Stoff, ob in fester oder flüssiger Form oder in Form von Gas oder Dampf". 58. Die Definition im Glossarium bezieht sich eher auf chemische Stoffe in reiner Form als auf die Form, wie sie auf den Markt gelangen mögen. Chemische Stoffe werden gewöhnlich jedoch mit Verunreinigungen oder zusammen mit anderen Stoffen vermarktet, die hinzugefügt wurden, um den Zusammenhalt oder den physischen Zustand zu erhalten. Das Glossarium behandelt diese Kombinationen als "Gemische" oder "Zubereitungen", räumt jedoch ein, daß sie auch als "chemische Stoffe" behandelt werden können, wie in der 6. EG-Änderungsrichtlinie und im deutschen Chemikaliengesetz. Das französische Gesetz über die Kontrolle chemischer Produkte löst die Frage durch die Behandlung als "Chemikalien", sei es, daß sie rein sind oder in Gemischen befindlich. 59. In den Vereinigten Staaten behandelt das Gesetz über die Kontrolle giftiger Stoffe (TSCA) als Stoffe auch "Kombinationen von Stoffen, die insgesamt oder teilweise als Ergebnis einer chemischen Reaktion oder in der Natur auftreten". Mit anderen Worten erfassen Stoffe gewisse "Gemische" im Sinne des Glossariums. Im TSCA ist der Begriff "Gemische" auf eine bestimmte Untergruppe von "Gemischen" im Sinne des Glossariums beschränkt, namentlich erwünschtermaßen zusammengesetzte Gemische. 60. Zwei Definitionen von "Stoff" nehmen chemische Produkte, die durch Verarbeitung eines Stoffes erzielt werden, aus. Das deutsche Chemikaliengesetz betrifft ausdrücklich Stoffe, die nicht weiter be- oder verarbeitet sind. Die Definition in der Schweizer Ausführungsverordnung zum Bundesgesetz über den Handel mit giftigen Stoffen umfaßt "einfache Stoffe . . . oder technische Gemische, die nicht im Hinblick auf bestimmte Verwendungen zusammengesetzt worden sind . .. ". Wenn Stoffe oder einfache technische Gemische weiterverarbeitet oder in erwünschter Weise gemischt sind, werden sie als Produkte statt als Stoffe eingestuft. 61. "Stoff" wird im kanadischen Gesetz gegen Umweltverschmutzung benutzt und umfaßt zwei Hauptelemente: die Natur des Stoffes selbst und seine Beziehung zur Umwelt. Die Natur des Stoffes wird beschrieben als "jede kenntliche Form unbelebter Materie" statt in den Begriffen einer einzelnen oder kombinierten chemischen Größe. Darüber hinaus müssen

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Anhang: Schlußbericht der OECD-Expertengruppe

solche Größen die Eigenschaften besitzen, sich in der Umwelt zu verbreiten oder umzuwandeln, um als "Stoff" zu gelten. 62. Das deutsche Arzneimittelgesetz und das Pflanzenschutzgesetz schließen ausdrücklich gewisse Formen belebter Materie in die Definitionen von "Stoff" ein.

63. Schließlich mag es wichtig sein zu überprüfen, welche Chemikalienklassen von den für chemische Stoffe (und "neue Stoffe") geltenden Anforderungen ausgenommen sind. Chemikalienklassen wie Schädlingsbekämpfungsmittel, Lebensmittelzusätze und Pharmazeutika werden häufig vom Bereich der Ckemikalienkontrollgesetze ausgenommen. Unterschiede bei den Ausnahmen mögen Auswirkungen auf den Handel mit Chemikalien haben. Gemisch und Zubereitung

"Gemische" und "Zubereitungen" stellen beide Kombinationen von zwei oder mehreren chemischen Stoffen dar. Ein "Gemisch" wird jedoch in sehr allgemeiner Weise definiert, um alle Kombinationen unabhängig von der Art ihrer Entstehung zu umfassen. Dies schließt natürliche Gemische, "zufällige" Gemische und Verunreinigungen ein. Eine "Zubereitung" ist ein Unterfall des "Gemisches", bei dem die Kombination erwünscht und üblicherweise mit festgelegten Anteilen auftritt. 64.

65. Wenn der "Chemische Stoff" unter Einschluß der Verunreinigungen oder Zusatzstoffe definiert werden soll, müßten die im Glossarium vorgesehenen Definitionen des "Gemisches" und der "Zubereitung" entsprechend modifiziert werden.

Lösungen können ein Gemisch oder eine Zubereitung darstellen, wohingegen Stereoisomere als Bestandteil ein und desselben chemischen Stoffes gelten. Gemische und Zubereitungen sind zusammengesetzt und daher im Prinzip wieder trennbar. In der Praxis jedoch mag eine völlige Trennung schwierig zu erreichen sein. 66.

Im Recht werden "Zubereitung" und "Gemisch" häufig als Synonyme gebraucht (z. B. Frankreich, Deutschland, Europäische Gemeinschaften). Im TSCA ist der Begriff Gemisch auf eine besondere Untergruppe von "Gemischen" (i. S. d. Glossariums-Definition) beschränkt, auf Stoffkombinationen nämlich, die nicht in der Natur vorkommen und nicht Ergebnis einer chemischen Reaktion oder gewisser durch Reaktion hergestellter Kombinationen sind. Wie oben dargestellt, sind die Definitionen für "Stoff" und "Gemisch" im TSCA eng aufeinander bezogen. 67.

Verunreinigung

Die "Verunreinigung" kann als weiterer Unterfall des "Gemisches" angesehen werden. Während jedoch eine "Zubereitung" eine erwünschte Zusammensetzung ist, ist ein chemischer Stoff, der eine oder mehrere Verunreinigungen enthält, nicht erwünscht. Verunreinigungen können sich in Rohmaterial finden, aus dem ein chemischer Stoff oder Gemisch abgeleitet wird, oder sie können im Verlauf eines Produktionsprozesses entstehen. In diesem Sinne sind sie dem erwünschten Stoff oder Gemisch nicht absichtlich hinzugefügt. Verunreinigungen bleiben allerdings oft in Verbindung mit dem erwünschten Stoff oder Gemisch zurück, manchmal weil ihre Entfernung 68.

IV. Zusammenfassende Analysen

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zu kostspielig wäre und manchmal weil sie dem erwünschten Stoff oder Gemisch willkommene Eigenschaften verleihen. 69. Der kommerzielle Zusammenhang, in dem ein Gemisch verwendet wird, kann genau bestimmen, welcher seiner Stoffe gegebenenfalls eine Verunreinigung ist. Eine Verunreinigung in einer kommerziellen Situation kann in einer anderen kommerziellen Situation zu einem erwünschten Stoff werden und umgekehrt. 70. Wie oben dargestellt, ist in einigen Chemikalienregelungen die "Verunreinigung" in der Definition für den chemischen Stoff enthalten. In anderen Gesetzen ist sie ausdrücklich definiert. In Frankreich und den Vereinigten Staaten weisen die in den einschlägigen Gesetzestexten vorgesehenen Definitionen weitgehend die gleichen Elemente auf wie die im Glossarium vorgestellte Definition (die französische Definition fügt jedoch hinzu, daß die Verunreinigung in geringerer Menge vorkommt). Das deutsche Chemikaliengesetz definiert "Verunreinigung" lediglich als spezielle Form eines chemischen Stoffes, schließt aber die zur Vermarktung erforderlichen Verunreinigungen in die Definition für Stoff ein. Umwelt Definition:

Wasser, Luft und Boden sowie die Beziehungen unter ihnen einerseits und zu allen Lebewesen andererseits.

71. Der Begriff wird gebraucht, um die natürlichen Medien und ihre Wechselbeziehungen zu beschreiben, die Chemikalien befördern oder von diesen betroffen sein können. Der Zweck, "Umwelt" zu definieren, liegt darin, dasjenige zu bezeichnen, was vor unerwünschten Wirkungen der Chemikalien zu schützen ist. Der Ausdruck erscheint im Bereich des Umweltrechts natürlich häufig sowohl im allgemeinen als auch in den Rechtsvorschriften wie etwa den Chemikalienkontrollregelungen.

72. Die meisten Ländergesetze definieren "Umwelt" nicht gesondert, sondern legen die gemeinhin verstandene Bedeutung zugrunde. "Umwelt" (environment), die im täglichen Sprachgebrauch an sich die "Umgebung" (surroundings) bezeichnet, kann zusätzlich die Bedeutung der natürlichen 73. Die vier Rechtsvorschriften der Synopse, die den Ausdruck definieren, finden sich im Gesetz über die Kontrolle giftiger Stoffe (TSCA) und im Bundesgesetz über Insektizide und pilztötende Mittel (FIFRA) der Vereinigten Staaten, im niederländischen Entwurf des Gesetzes über die Abschätzung von Umwelteinwirkungen und in der 6. Änderungsrichtlinie der Europäischen Gemeinschaften. Alle vier verkörpern den allgemeinen Sprachgebrauch und schließen Wasser, Luft und Boden ein. Die "Beziehung" zwischen Wasser, Luft und Boden ist in diesen Gesetzen und in der vorgeschlagenen Definition enthalten, um alle Wege zu erfassen, in denen Chemikalien in der Umwelt wirken können. Darüber hinaus ist das niederländische Gesetz eine besondere Vorschrift, weil sie auch die mögliche Einbeziehung einzelner Umweltbestandteile berücksichtigt. Zu diesem Zweck bezeichnet sie im einzelnen verschiedene andere Elemente der Umwelt, auf die Auswirkungen denkbar sind. 74. Eine damit zusammenhängende Frage betrifft den Schutz von Lebewesen unabhängig von der übrigen Umwelt. Nur der FIFRA schließt lebende

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Anhang: Schlußbericht der OECD-Expertengruppe

Organismen als solche ein ("Pflanzen, Menschen und andere Lebewesen (in Wasser, Luft und Land)"). Der TSCA und die 6. Änderungsrichtlinie behandeln und schützen nur die Beziehung zwischen "Wasser, Luft und Boden" und "Lebewesen". Die vorgeschlagene Definition folgt der letzteren Sichtweise. 75. Da die Definition die Beziehungen zwischen lebenden Organismen einerseits und Wasser, Luft und Boden andererseits umfaßt, schließt sie auch die Beziehungen zwischen den lebenden Organismen für sich genommen ein. Dies ist so, weil sich die Beziehungen zwischen den lebenden Organismen in Luft, Wasser oder Boden abspielen. Auf den unmittelbaren Schutz der Lebewesen allein bezieht sich der Vorschlag nicht, da "Umwelt" in erster Linie auf die Umgebung des Menschen beschränkt ist und der direkte Schutz von Lebewesen üblicherweise in einem gesonderten Regelungsbereich vorgesehen ist. Überdies würde der Schutz der Beziehung zwischen den Organismen und der Umwelt den Schutz der Organismen für sich genommen erwarten lassen, weil Chemikalien gewöhnlich durch die Beziehung auf die Organismen wirken. 76. Spezielle Bereiche, in denen der Mensch arbeitet oder lebt, wie etwa Haus oder Arbeitsplatz etc., sind in der "natürlichen Umwelt" nicht erfaßt, sondern werden normalerweise in besonderen Regelungssystemen behandelt. Gefahr (durch eine Chemikalie), Risiko Gefahr (durch eine ChemikaLie):

Die Reihe der in einem Stoff oder Gemisch enthaltenen Eigenschaften, die geeignet sind, unerwünschte Auswirkungen auf den Menschen oder die Umwelt zu verursachen.

Risiko:

Die vorherzusehende oder tatsächliche Häufigkeit des Eintritts einer unerwünschten Auswirkung auf Menschen oder die Umwelt durch eine bestimmte Stoff- oder Gemischexposition.

77. Die Expertengruppe einigte sich auf die folgende Stellungnahme (die Nrn. 77-89; die Nrn. 90-94 wurden gesondert vom Vorsitzenden der Gruppe ausgearbeitet). "Um realistische Definitionen für Begriffe wie "Gefährlich" ("hazardous", "dangerous"), "Risiko", "unannehmbares Risiko" etc. festzulegen, war ein übereinstimmender Bezugsrahmen für diese Arbeit erforderlich.

Bei der Beschäftigung mit den vielen Formen des Gebrauchs dieser Begriffe stellte sich bald heraus, daß die Begriffe einander austauschbar gebraucht werden und in vielen Fällen ihrer Definition von Land zu Land ganz unterschiedliche Bedeutungen aufweisen. Mit Rücksicht darauf war ein übereinstimmender Bezugsrahmen erforderlich, wobei jedoch auch gesehen wurde, daß jeder Bezugsrahmen, der in sich schlüssig sein mag, einzelnen existierenden Definitionen in den geltenden Gesetzen widersprechen würde. Allgemein war man jedoch der Ansicht, daß diese Annäherung die einzig konstruktive Vorgehensweise war. 78.

79. Der gewählte Bezugsrahmen bestand darin, drei Hauptfelder des Interesses auszumachen :

IV. Zusammenfassende Analysen

351

80. Erstens die Eigenschaften einer Chemikalie einschließlich der physikalischen, chemischen und biologischen Parameter und ebenso die Toxizitätswerte für die Umwelt und den Menschen. 81.

Zweitens die Gebrauchs- und Expositionsmöglichkeiten.

82.

Drittens die Kombinationen dieser beiden Faktoren.

83. Die interessierenden Definitionen konnten nun so eingerichtet werden, daß sie sich in diese drei Bereiche in der im folgenden beschriebenen Weise einfügen. 84. Die von einer bestimmten Chemikalie ausgehende Gefahr (hazard) würde eine Beschreibung der durch die Chemikalie möglichen unerwünschten Wirkung sowie der darin liegenden Dosis-Beziehung sein und könnte ausgedrückt werden als Potential schädlicher Wirkung, das eine Chemikalie in qualitativer oder quantitativer Hinsicht besitzt. Legt man diese Art der Definition zugrunde, könnte die Gefährlichkeit einer Chemikalie durch die Sammlung von geeigneten Daten ausgedrückt werden. 85. Der zweite Einstiegsbereich betrifft die Natur der Exposition mit ihrer wahrscheinlichen Intensität und Dauer und würde auch die Bevölkerung einbeziehen, die der Exposition ausgesetzt ist. 86. Eine mögliche Kombination der beiden Bereiche könnte die Festlegung des Risikos sein, daß mit dem Gebrauch einer bestimmten Chemikalie verbunden ist. Der Begriff "Risiko" wird in diesem Sinne definiert als die Wahrscheinlichkeit einer unerwünschten Wirkung, die bei einer gegebenen Reihe von Expositions-Bedingungen besteht. 87. Es gehört zu dem geschilderten Bezugsrahmen, daß die Expertengruppe die geforderten Definitionen formuliert hat und dabei versucht hat, sie untereinander schlüssig zu machen. 88. Die Ausdrücke "danger" und "dangerous" wurden im Glossarium nicht verwendet, weil ihr Gebrauch unter den verschiedenen beteiligten Ländern besonders uneinheitlich ist. 89. Ein Gesetzgeber mag es wünschenswert finden, "Risiko" durch "danger" oder "hazard" zu ersetzen, doch meinte die Expertengruppe, daß dies in der Chemikalienkontrollgesetzgebung nach Möglichkeit vermieden werden sollte." 90. Obwohl Begriffe wie "Gefahr" ("hazard", "danger") und "Risiko" im Chemikalienkontrollrecht eine wichtige Rolle spielen - besonders mit Bezug auf Kontrollmaßnahmen der Regierungen - , werden sie allgemein nicht definiert. Gelegentlich werden im Recht besondere Komponenten gekennzeichnet (z. B. die Formen der Wirkungen, die eine Chemikalie als "gefährlich" oder "risikobehaftet" ausweisen), aber normalerweise muß die Bedeutung dieser Begriffe aus dem Kontext und dem Sprachgebrauch abgeleitet werden. In einigen Ländern (z. B. Deutschland, Vereinigte Staaten) haben die Gerichte einen erheblichen Anteil an der Herausbildung von Definitionen für Begriffe wie diese. 91. Im Englischen ist die Unterscheidung dieser Begriffe nicht klar getroffen, und sie werden häufig als Synonyme füreinander benutzt. Die semantische Verwirrung ergibt sich insbesondere, wenn die Analyse auf andere

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Anhang: Schlußbericht der OECD-Expertengruppe

Sprachen ausgedehnt wird. Es sollte jedoch hervorgehoben werden, daß die vorhandene Verwirrung weitgehend semantischer Natur ist und nicht notwendigerweise die Konzepte berührt. Unterschiede in der Bedeutung der Ausdrücke können auf internationaler Ebene Probleme hervorrufen, aber sie können überwunden werden, wenn die zugrunde liegenden Konzepte weitgehend geteilt werden. Dies schien die sich aus den Gruppendiskussionen über diese Begriffe ergebende Schlußfolgerung zu sein, und ein Beispiel mag dies illustrieren. 92. In den Vereinigten Staaten verwenden mehrere Gesetze einschließlich des Gesetzes zur Kontrolle giftiger Stoffe (TSCA) den Begriff "Risiko" oder "unvertretbares Risiko". In Deutschland verwenden die Gesetze gewöhnlich den Begriff "Gefahr", oftmals dazu in Verbindung mit Qualifizierungen wie "erheblich", "gegenwärtig", "akut" etc. Der Vergleich von "Risiko" (USA) und "Gefahr" (Deutschland) offenbart diesbezüglich wichtige Unterschiede: "Gefahr" ist ein maßnahmebezogener Begriff, während "Risiko" im wesentlichen beschreibend ist. Wenn man allerdings "Gefahr" und "unvertretbares Risiko" miteinander vergleicht, ergibt sich eine Anzahl von wichtigen Ähnlichkeiten. Sie beide: - sind maßnahmebezogene Begriffe, welche die Schwelle für staatliche Eingriffe bezeichnen, um die Gefahr oder das Risiko herabzusetzen, - sind weitläufige Begriffe, die von den Entscheidungsträgern Geschick verlangen (dieses Geschick kann durch den Erlaß weiterer Anleitungen oder Standards gefördert werden), - betreffen die Wahrscheinlichkeit und die Schwere eines Schadens und - sind auf ähnliche Wirkungen ("Gefahren" i. S. d. Glossariums) bezogen, die sich als "Gefahr" oder "unvertretbares Risiko" darstellen. 93. Der Hauptunterschied scheint in der Behandlung des möglichen Schadens zu liegen, der unterhalb der Eingriffsschwelle liegt, zum Beispiel der mögliche Schaden, der "nicht gefährlich" oder "vertretbar" ist. In den Vereinigten Staaten kann ein Risiko als vertretbar beurteilt werden angesichts der sozialen und ökonomischen Vorteile, die mit der das Risiko hervorrufenden Aktivität verknüpft sind. In Deutschland ist dies nicht der Fall- wenigstens nicht formell. "Nichtgefährliche" Aktivitäten, die zu einem Schaden führen können, sind dann gerechtfertigt, wenn der mögliche Schaden so klein ist, daß er hinzunehmen ist, und darüber hinaus wegen der Unmöglichkeit, alle Risiken in einer technisierten Welt zu beseitigen. Trotzdem kann es sein, daß die administrative Anwendung dieser Begriffe und die zugrunde liegenden Konzepte näher beeinanderliegen als der Begriffsunterschied vermuten lassen könnte. 94. Eine umfassende Analyse des Begriffs "Gefahr" und seiner Beziehung zum "Risiko" ist im Zusatzteil dieses Berichts enthalten. Zusätzlich zu den wichtigen konzeptionellen Ähnlichkeiten wie der oben dargestellten ist der anscheinend wachsende internationale Konsens über die Festlegung von Eigenschaften, die eine Chemikalie als "gefährlich" ausweisen, besonders bemerkenswert.

IV. Zusammenfassende Analysen

353

Einfuhr, Ausfuhr, Durchfuhr (Handel), Einfübrer, Ausführer Einführen:

Verbringen von Gütern in das nationale Gebiet.

Einfuhr(en):

in das nationale Gebiet verbrachte Güter.

Ausführen:

Verbringen von Gütern aus dem nationalen Gebiet.

Ausfuhr(en):

aus dem nationalen Gebiet verbrachte Güter.

Transit(handel):

Das Hineinschaffen von Gütern in das nationale Gebiet zum alleinigen Zweck, sie später wieder aus dem nationalen Gebiet herauszuschaffen.

Einführe1·:

Eine Person, die Güter in das nationale Gebiet verbringt.

Ausführer:

Eine Person, die Güter aus dem nationalen Gebiet verbringt.

95. Die Begriffe "Einfuhr/ Import", "Ausfuhr/ Export" und "Durchfuhr/ Transit" beziehen sich alle auf das Verbringen von Gütern durch nationale Grenzen. Die Absicht zum Verbringen von Gütern und ihr tatsächliches Verbringen sind für die Erscheinung des Einführens oder Ausführens ausreichend; ein gewerblicher Zweck ist nicht erforderlich. Anzumerken ist, daß dieselbe Aktivität gleichzeitig als Einführen und Ausführen angesehen werden kann; der Unterschied hängt allein davon ab, welcher Staat sein Recht jeweils anwendet. 96. Für die Zwecke der Chemikalienkontrolle können Einfuhren, Ausfuhren und Transit(handels)güter Gegenstand gesetzlicher Erfordernisse sein. Daher ist es wichtig, ihre Bedeutungen und die damit verbundenen gesetzlichen Vera ntwortlichkeiten kla rzustellen. Ein Hauptzweck der Definition des "Einführens" (oder "Ausführens") liegt somit darin, den Zeitpunkt zu bezeichnen, ab dem ein Land seine Rechtszuständigkeit beansprucht (oder a ufgibt). Mit Rücksicht auf die Aufgabe, nichttarifäre Handelshemmnisse zwischen den OECD-Mitgliedsländern abzubauen, ist es allgemein wünschenswert, daß eingeführte und inländisch hergestellte Güter in gleicher Weise behandelt werden. Ausgeführte Güter können nach ihrer Verantwortlichkeit betrachtet der Rechtszuständigkeit des einführenden Landes zugewiesen w erden und sind daher im allgemeinen nicht Gegenstand gesetzlicher Anforderungen im ausführenden Land. In einigen Ländern jedoch unterliegen ausgeführte Güter gesetzlichen Verpflichtungen, wobei sich diese Verpflichtungen von jenen für eingeführte oder inländisch hergestellte Güter unterscheiden mögen (s. Definition und Erörterungen zur "Anmeldung"). 97. Die Definition von "Einführer" (oder "Ausführer") ist oftmals bedeutsam, da dieser Person bestimmte Vera ntwortlichkeiten nach den Chemikalienkontrollgesetzen übertragen sein können, wie etwa die Vorlage von Daten und Testergebnissen. Obwohl die Güter während des Einfuhrvorganges verschiedene Stellen durchlaufen können, setzt die Bezeichnung einer bestimmten Person als "Einführer" die gesetzliche Verantwortlichkeit zur Erfüllung von Chemikalienkontrollpflichten fest. In dieser Hinsicht dienen die Begriffe zur Kennzeichnung der "verantwortlichen Person", deren Pflichten durch einzelne Chemikalienkontrollgesetze näher bestimmt sein können. 98. Allgemein betrachtet sind die Probleme und Handelshemmnisse, die sich aus divergierenden nationalen Gesetzgebungen ergeben, nicht durch bloß vereinheitlichte Definitionen von "Einfuhr", "Ausfuhr", "Einführer", 23 Kloepfer I Bosselmann

354

Anhang: Schlußbericht der OECD-Expertengruppe

"Ausführer" und "Transit(handel)" zu lösen. Es sollte eine ausgewogene Korrelation geben zwischen den Pflichten des Einführers und Ausführers und den Pflichten der Personen, die herstellen oder einheimisch hergestellte Stoffe verkaufen, wobei die Unterschiede bei den betroffenen Positionen und die Zwecke der einschlägigen Gesetze berücksichtigt werden müssen. 99. (i) Einführer: Der Begriff "Einführen" bezieht sich auf die Güterbewegung über nationale Grenzen in das nationale Gebiet. Der Begriff wird in der Gesetzgebung der Mitgliedsländer oft verwendet, ist aber wegen angenommener Verständlichkeit aus sich selbst heraus häufig nicht definiert. 100. Der Ausdruck "nationale Grenzen" ist allerdings doppeldeutig, da die Staaten sowohl Staats- (physical) als auch Zollgrenzen (administrative borders) haben. Auf der einen Seite können sich Produkte innerhalb der Staatsgrenzen befinden, aber außerhalb des Güterstroms auf dem nationalen Markt verbleiben. Auf der anderen Seite können Produkte im allgemeinen gewerblich nur auf den Markt gebracht werden, nachdem sie Zollverfahren durchlaufen haben, bei denen gewisse administrative und fiskalische Pflichten zu erfüllen sind: diese bilden die Zollgrenze eines Staates. 101. Die nationale Gesetzgebung erfaßt entweder alle Produkte innerhalb der Staatsgrenzen (z. B. Gesundheits- und Sicherheitsbestimmungen) oder solche Produkte, die nach Passieren der Zollgrenzen im Handel erhältlich sind (z. B. Gesetzgebung mit wirtschaftlicher Zwecksetzung). Die Chemikalienkontrollgesetzgebung kann die Produkte innerhalb einer dieser Grenzarten erfassen. 102. Da die nationale Gesetzgebung normalerweise nur innerhalb der nationalen Grenzen zum Zuge kommt, kann der Begriff "Einfuhr" Aktivitä ten vor dem Einführen (d. h . bevor die Güter im Land eintreffen) logischerweise nicht einschließen. Während dies zutrifft, wo Staaten "Einfuhr" als Verbringen über die Staatsgrenzen definieren, trifft dies aber nicht notwendigerweise zu, wo sie als Durchlaufen der Zollverfahren und Inverkehrbringen definiert ist. Da in dieser letzteren Definition "Einfuhr" nur als administratives Verfahren erscheint, können sich Güter schon im nationalen Gebiet befinden, bevor sie förmlich "eingeführt" sind. Wegen dieses Bedeutungsunterschiedes der "Einfuhr" und zur Vermeidung der Doppeldeutigkeit sollte eine Definition klarstellen, welche Bedeutung gemeint ist. Wenn Einfuhr als Zollfreigabe definiert wird, sollte das Gesetz auch angeben, ab welchem Augenblick des Verfahrens Güter als "eingeführt" gelten, da dieser Moment die Anwendbarkeit des Gesetzes auslöst.

In der Chemikaliengesetzgebung, die eine Anmeldung vor der Vermarktung vorschreibt, gibt es kein wirkliches Bedürfnis, die Einfuhren explizit zu erwähnen, da die Güter entweder auf den Markt gebracht sind (i. S. d. Gesetzes) und a ngemeldet werden müssen, oder sie sind allein zum Gebr auch oder Verbrauch durch den Einführer selbst eingeführt. Der Einschluß von Einfuhren bei Vorvermarktungssystemen ist allerdings nach dem generellen Zweck des Gesetzes gerechtfertigt.

103.

104. (ii) Ausfuhr: Aus der Sicht eines Staates ist die Ausfuhr das Gegenstück zur Einfuhr. Viele der Bemerkungen über die Einfuhr gelten auch in bezug auf die Ausfuhr, insbesondere jene, die den Unterschied zwischen Ausfuhr als tatsächlichem und als administrativem Vorgang betreffen.

IV. Zusammenfassende Analysen

355

105. Eine weitere bei der "Ausfuhr" zu berücksichtigende Frage ist, ob die Definition alle vorbereitenden Geschäfte und Aktivitäten einschließen soll. Die Frage ist bedeutsam, weil der Begriff "Ausfuhr" in den meisten Fällen als Ausschluß von einem Gesetz definiert wird. Es ist wichtig zu wissen, ob der Verkauf oder die Lagerung von Produkten, die zur Ausfuhr bestimmt sind, ebenso vom Anwendungsbereich eines Gesetzes ausgeschlossen sind. Diese Aktivitäten müssen berücksichtigt werden, weil sie Gefahren für Mensch und Umwelt darstellen können. Unter diesem Gesichtspunkt könnte das Erfordernis nützlich sein, daß derartige Produkte als solche gekennzeichnet werden, um einige kommerzielle Geschäfte vor der eigentlichen Ausfuhr zuzulassen. 106. Schließlich mag eine Ausnahme für Ausfuhren gerechtfertigt sein, wenn ein nationales Vorvermarktungs-Anmeldesystem eine stufenweise gegliederte Anmeldung vorsieht und der Umfang der zu erbringenden Informationen auf die Menge der verkauften Produkte bezogen ist. In solchen Fällen könnte es sein, daß die ausgeführte Produktmenge in die Kalkulation der für das Stufensystem relevanten Mengen nicht eingeht.

(iii) Transit: "Transit" oder "Transithandel" stellt nach der Legaldefinition eine spezielle Form der Einfuhr dar. Güter werden als im "Transit" befindlich angesehen, wenn sie in ein Land eingeführt wurden zum alleinigen Zweck ihrer sich unmittelbar anschließenden Ausfuhr, ohne zu beabsichtigen, daß sie auf den Markt gebracht und dort konsumiert werden.

107.

108. Transit findet nur statt, wenn neue Güter tatsächlich in und aus dem Land geschafft werden. Daher sind die Verwendung und eine Definition des Begriffs "Transit" nur in Rechtssystemen erforderlich, die "Einführen" als "Verbringen von Gütern in ein Land über die geographischen Grenzen" definiert. Auf der anderen Seite gibt es keine wirkliche Notwendigkeit, "Transit(handel)" zu definieren, wenn "Einführen" als "Durchlaufen der Güter durch Zollverfahren und Einbringen in den nationalen Markt" definiert wird. Der Grund hierfür ist, daß die im Transit befindlichen Güter obwohl Transit(handel) an sich unter Zollaufsicht steht - normalerweise durch die Zollverfahren im rechtlichen Sinne nicht freigegeben und somit nicht in den freien Verkehr gelangt sind. 109. (iv) Einführer: Wie die Synopse zeigt, wird der "Einführer" nur in wenigen Zollgesetzen und Chemikalienregelungen der Mitgliedsländer definiert. Da der Begriff sich auf die natürliche oder juristische Person bezieht, die nach dem Gesetz für die Einfuhr verantwortlich ist, ändert sich die Verantwortlichkeit normalerweise nicht dadurch, daß die Güter in Wirklichkeit von jemandem in das nationale Gebiet gebracht werden, der für den Einführer handelt.

110. Um vor der Herstellung die Anwendbarkeit der Anmelderegelungen nach dem Gesetz zur Kontrolle giftiger Stoffe zu gewährleisten, hat die (amerikanische) Umweltschutzbehörde vorgeschlagen, die Information nur vom "Haupteinführer" ("principal importer"), einem "definierten Unterfall" des "Einführers", zu verlangen.

Eine weitere den "Einführer" betreffende Frage ist, ob der "Einführer" der rechtliche Eigentümer der Güter sein muß. Den Definitionen der Synopse zufolge ist dies nicht erforderlich. Solch ein Erfordernis könnte dem internationalen Handel eine Last aufbürden.

111.

23°

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Anhang: Schlußbericht der OECD-Expertengruppe

Da der Begriff "Einführer" allgemein bei jedem angewendet wird, der etwas einführt, mag ein Gesetz, das diesen Begriff verwendet, genauer angeben, welche Einführer vom Gesetz gemeint sind. Die Gesetzgebung über die Stoffanmeldung könnte z. B. angeben, ob sie nur den Einführer von Chemikalien in reiner Form oder auch die Einführer von Gemischen oder gar Artikeln, die anzumeldende chemische Stoffe enthalten, betrifft. 112.

113. "Einführer" ist ein relativer Begriff, der nur die Sicht des Landes ausdrückt, in das die Güter eingeführt werden; der Begriff erfordert nicht notwendigerweise, daß der Einführer seinen Sitz im Einfuhrland hat. Allerdings enthalten einige Legaldefinitionen des "Einführers" in Chemikaliengesetzen (z. B. in den Vereinigten Staaten und Niederlanden) ein solches Erfordernis des Sitzes. (v) Ausfilhrer: Ein Ausführer ist die Person, die für das Verbringen von Gütern außerhalb des nationalen Gebietes verantwortlich ist. Da das Ausführen im allgemeinen keine umfangreichen Zoll- und Tarifverfahren erfordert, ist der Unterschied zwischen Staats- und Zollgrenzen bei der Definition des "Ausführers" weniger bedeutsam als beim "Einführer". Da außerdem die Ausfuhren weniger reglementiert werden als die Einfuhren, erscheint der Begriff in Chemikaliengesetzen weniger oft oder wird, falls verwendet, nicht definiert. Soweit Ausfuhren vom Gesetz ausgenommen werden, besteht das Hauptproblem der Kennzeichnung des "Ausführers" darin, ob der Begriff die Personen miterfaßt, die Güter zum Zweck der Ausfuhr verkaufen, oder ob er nur die für die tatsächliche Ausfuhr verantwortlichen Personen betrifft. 114.

115. Eine Definition des "Ausführers" ist in der Gesetzgebung über chemische Stoffe nicht unbedingt erforderlich, es sei denn, sie legt dem Ausführer eindeutig bestimmte Sonderpflichten auf, d. h. Ausfuhren werden begrenzt oder bestimmten Konditionen unterworfen. In solchen Fällen wird das Gesetz oftmals den Begriff definieren, so daß der Ausführer innerhalb der nationalen Rechtszuständigkeit niedergelassen sein muß, damit jemand vom Gesetz her für jeden Ausfuhrvorgang verantwortlich gemacht werden kann.

Herstellen Definition:

Durch chemikalische, physikalische oder biologische Prozesse oder Operationen Materialien zu Produkten machen.

116. Die Definition von Herstellen (oder Hersteller) ist von Bedeutung, weil die Chemikalienregelungen nach entweder einem Vor-Herstellungs- oder Vor-Vermarktungssystemdiejenigen betreffen, die chemische Produkte fertigen. Herstellen ist im Kern das Machen von Produkten. "Produkt" wiederum ist definiert als Stoff, Gemisch, Zubereitung oder Artikel, der bzw. die entweder natürlich gewonnen oder hergestellt sind. In diesem Sinne strebt die vorgeschlagene Definition an, im wesentlichen alle Bedeutungen der Umwandlung von Materialien zu umschließen. 117. Innerhalb des Schemas von Produktion/Vermarktung bezeichnet die "Herstellung" das Stadium, in dem das Produkt gemacht ist, ehe es gelagert und ggf. anderen Personen überlassen wird. 118. "Herstellen" zeigt die Absicht an, das Produkt in den Verkehr zu bringen. Insofern wären Produkte, die im Haus für den nichtgewerblichen

IV. Zusammenfassende Analysen

357

Gebrauch der Bewohner gemacht sind, nicht "hergestellt". Im Zusammenhang mit der Chemikalienproduktion können geringere Mengen für die Forschung und Entwicklung, die in einigen Ländern als nicht im Verkehr befindlich gelten mögen, ausgenommen sein, und zwar entweder von der Definition oder von der nationalen Gesetzgebung. 119. Als technische Begriffe haben die Komponenten der vorgeschlagenen Definition besondere Bedeutungsinhalte. Technisch gesehen ändert ein "Prozeß" die Zusammensetzung des Materials, während eine "Operation" nur dessen Form verändert. Beispiele für Prozesse sind Oxidation, Reduktion und Hydrierung, Beispiele für Operationen sind Trocknen, Sieben und Kristallisation.

Die Definition kommt der zunehmenden Verwendung des Begriffs in den Mitgliedsländern entgegen. Von wenigen Ausnahmen in der Gesetzgebung abgesehen, wird der Begriff in seiner täglichen, gemeinhin verstandenen Bedeutung gebraucht. Dies offenbaren einige Definitionen des "Herstellens", die selbst das Wort herstellen benutzen. Viele Länder gehen also davon aus, daß er eine offensichtliche, verständliche Bedeutung hat. Die Regelungen anderer Länder gebrauchen jeweilige Synonyme wie "Fertigstellen", "Produzieren" oder "Fabrizieren", um "Herstellen" zu definieren. 120.

Die Synopsen weisen aus, daß Australien, Kanada, Deutschland und die Vereinigten Staaten das "Herstellen" (oder seine Synonyme) definieren. Im australischen Gesetz über Schädlingsbekämpfungsmittel und dem Gesetz über landwirtschaftliche Chemikalien wird "formulate" als "Herstellen" (manufacturing) oder "Zubereiten" (preparing) definiert. Das amerikanische Gesetz über die Sicherheit von Konsumentenprodukten definiert "hergestellt" in demselben Sinne, d. h. produzieren oder Produkte sammeln. Die Deutschen definieren es im Sinne von "Fertigstellen" oder "Zubereiten" von Produkten; die Verwendung des Ausdrucks "Gewinnen" in ihren Definitionen unterstreicht die Idee eines weitgefaßten Herstellens von Produkten. 121.

Kanada verwendet den Begriff im Verbrauchssteuergesetz und in seinem Chemikalienkontrollrecht, um diejenigen zu bezeichnen, die wie etwa der Verwalter oder Treuhänder für den Hersteller handeln, oder diejenigen, die Rechte oder Patente zur Herstellung von Produkten innehaben. Um als "Hersteller" zu gelten, braucht eine Person nicht über die Güter zu verfügen oder sie zu verkaufen, solange sie jedenfalls die Eigentumsrechte an ihnen hat. In diesen Gesetzen, wie auch in den Lebensmittel- und Arzneimittelvorschriften, bezeichnet Kanada den Verkäufer von Lebensmitteln, Arzneimitteln oder Kosmetika als "Hersteller", wenn er sie unter einer Handelsmarke verkauft. Die Vereinigten Staaten haben ähnliche Vorschriften über Arbeitssicherheit und Gesundheitsverwaltung, in denen "Hersteller" eine Person einschließt, die berechtigt ist, an Stelle des tatsächlichen Herstellers ihren eigenen Namen auf das Produkt zu setzen. 122.

123. Das Gesetz zur Kontrolle giftiger Stoffe und seine Ausführungsvorschriften sowie das Gesetz über die Sicherheit von Konsumentenprodukten rechnen die Einführer zu den "Herstellern". Dies geschieht, um Einführer mit denen gleichzubehandeln, die Produkte für die evtl. Weitergabe an andere herstellen. Diese Regelungsvorschriften richten sich an diejenigen, die nicht unbedingt Produkte verkaufen oder weitergeben, aber für ihre Entstehung oder Vorkommen in einem Land verantwortlich sind. Der besondere Zweck

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Anhang: Schlußbericht der OECD-Expertengruppe

dieser Abschnitte über die kanadischen und amerikanischen Gesetze liegt darin, Abweichungen von der gewöhnlichen Definition des "Herstellens" zu erklären, die ebenso in ihnen enthalten sind. Neuer Stoff Definition:

Ein chemischer Stoff, der entweder hergestellt oder zum ersten Mal in den Verkehr gebracht wird nach ...

Der "Neue Stoff" befaßt sich mit einer kommerziellen Situation, in der Chemikalien zum ersten Mal fortlaufend hergestellt oder in den Verkehr gebracht werden. Der Kerngehalt des Begriffs betrifft die Kennzeichnung eines Zeitpunktes, nachdem Chemikalien, die zum ersten Mal hergestellt oder in den Verkehr gebracht sind, als "neu" gelten. "Neu" wird also in einem bestimmten Sinne gebraucht. 124.

125. Der Grund zur Identifizierung neuer Stoffe ist im allgemeinen, daß für sie gesetzliche Anforderungen bestehen, die anders und zumeist systematischer gefaßt sind als diejenigen Erfordernisse, die für existierende (oder nicht "neue") Chemikalien gelten. Daher verlangen die meisten Chemikalienkontrollgesetze der "Neuen Generation" die Anmeldung mit einem Paket von Informationen, bevor ein neuer Stoff hergestellt oder in den Verkehr gebracht wird. Der Grund für diese Konzentration auf neue chemische Stoffe ist in der Empfehlung des Rates der OECD von 1977 (Anhang 1. 3. Richtlinien in bezug auf Verfahren und Anforderungen für die Abschätzung zur Wirkung von Chemikalien auf den Menschen und in der Umwelt, C (77) 97 (Endfassung)) aufgeführt: 126. "Obwohl es wünschenswert wäre, alle Chemikalien zum Gegenstand detaillierter Einschätzung potentieller Gefahren zu machen, müssen die begrenzt zur Verfügung stehenden Ressourcen in den Laboratorien und bei den Fachkenntnissen selektiv eingesetzt werden. Es wird im Auge behalten, daß es dringende Probleme bei vielen existierenden Chemikalien gibt, die gründliche Untersuchungen verlangen, aber die Ressourcen reichen möglicherweise nicht aus, um jede existierende Chemikalie zu testen. Wesentlich ist es jedoch, die Abschätzung für alle neuen chemischen Stoffe sicherzustellen, um für die Zukunft unannehmbare Wirkungen bei unkoutrolliertem Einführen und Gebrauchen gefährlicher Materialien auszuschließen."

Um die unzweideutige Identifizierung neuer Stoffe sicherzustellen, verlangen einige Chemikalienkontrollsysteme wie das der Europäischen Gemeinschaft, Japans und der Vereinigten Staaten die Inventarisierung "existierender Stoffe". Stoffe, die nach einem Schlußdatum der Inventarisierung hergestellt oder in Verkehr gebracht werden, sind "neu" und müssen angemeldet werden. Ein anderer Weg wurde im französischen Gesetz von 1977 über die Chemikalienkontrolle beschritten. Es wurde ein Datum festgesetzt, ab dem die Anmeldung von Chemikalien, die zum ersten Mal hergestellt (oder eingeführt) werden, gefordert ist. Ein Hersteller, der einwendet, daß eine Chemikalie vor dem gesetzlich festgesetzten Termin hergestellt (oder eingeführt) gewesen sei, muß für diesen Einwand den Beweis antreten.

127.

128. Der Status als "neue" Chemikalie kann sich je nach dem betreffenden Kontrollsystem ändern oder auch gleichbleiben. In den Vereinigten Staaten und Japan werden "Neue Stoffe" zu "existierenden Stoffen", wenn sie ein-

IV. Zusammenfassende Analysen

359

mal angemeldet sind, und darauf folgende Hersteller und Einführer brauchen für eine Anmeldung nicht mehr zu sorgen. In den Vereinigten Staaten werden angemeldete Stoffe der Inventarisierung zugeführt, während sie in Japan in einer offiziellen Bekanntmachung erscheinen. In den Europäischen Gemeinschaften behält ein neuer Stoff diesen Status stets bei, und eine Anmeldung wird jedes Mal verlangt, wenn der Stoff in Verkehr gebracht ist. Da die in den Mitgliedsländern festgesetzten Daten zur Scheidung von neuen und existierenden Stoffen voneinander abweichen können, ist es leicht möglich, daß ein Stoff in einem Land "neu" und in einem anderen "existierend" ist. Einige ungefähre Termine, die von den Mitgliedsländern festgesetzt wurden, sind: März 1974 (Japan), Mai 1979 (Vereinigte Staaten), Juli 1979 (Frankreich) und September 1981 (Europäische Gemeinschaft). Stoffe, die nach diesem Termin hergestellt oder vermarktet werden (abhängig vom Gesetz), gelten im jeweiligen Land als "neu". 129.

130. Einige nach einem festgesetzten Termin hergestellte oder in den Verkehr gebrachte Stoffe werden trotzdem von den für neue Stoffe üblichen gesetzlichen Erfordernissen ausgenommen. Solche Stoffe können entweder dadurch ausgenommen sein, daß sie nicht als "Neue Stoffe" behandelt werden, oder dadurch, daß sie ausdrücklich von Erfordernissen ausgenommen werden, die sonst die neuen Stoffe betreffen. Die Europäischen Gemeinschaften, Frankreich, Japan und die Vereinigten Staaten nehmen von der Anmeldeverpflichtung neue Stoffe aus, die ausschließlich für Forschungs- und Entwicklungszwecke hergestellt oder eingeführt werden. Zu weiteren von der Anmeldepflicht ausgenommenen Chemikalienarten gehören gewisse Polymere sowie in geringer Menge als eine Tonne (Frankreich und Europäische Gemeinschaften) hergestellte (oder eingeführte) Chemikalien.

Neuer Gebrauch Definition:

Eine Veränderung des/der Gebrauchs(-formen) eines chemischen Stoffes.

Die Gesetzgeber können am "neuen Gebrauch" einer Chemikalie interessiert sein, weil die Änderung im Gebrauch das Risiko, das die Chemikalie in sich trägt, heraufsetzen kann und somit kontrolliert werden muß. Die vorgeschlagene Definition im Glossarium ist absichtlich weit gefaßt, um alle möglichen Änderungen des Gebrauchs einer Chemikalie zu umschließen. "Neu" wird hier im Sinne des täglichen Sprachgebrauchs verstanden als "anders" oder "verändert". 131.

In den Gesetzen der beteiligten Länder wird der Begriff "neuer Gebrauch" nicht immer verwendet oder als solcher definiert, sondern es gibt dort ein Konzept, das der im Glossarium ausgedrückten Definition ähnlich ist (Frankreich, Vereinigte Staaten, Europäische Gemeinschaften). In diesen Ländern werden engere oder abweichende "Definitionen" des Begriffs benutzt, die auf die gesetzlichen Erfordernisse abgestimmt sind, die üblicherweise in der Vorlage spezifizierter Informationen bestehen. 132.

Die Information über gewisse neue Gebrauchsformen muß in Frankreich "deklariert", in den Vereinigten Staaten "angemeldet" und in den Europäischen Gem einschaften "der zuständigen Stelle mitgeteilt" w erden. Der Hersteller (oder Einführer) ist verpflichtet, spezifizierte Informationen 133.

360

Anhang: Schlußbericht der OECD-Expertengruppe

zur Verfügung zu stellen. Die Kriterien, die zu einer Informationspflicht führen, weichen in den drei Systemen voneinander ab: in Frankreich muß die Information gegeben werden, "wann immer eine neue Gefahr entstehen könnte infolge" gewisser Änderungen im Gebrauch, in den Vereinigten Staaten, wenn der Beamte der Umweltschutzbehörde aufgrund einer Beurteilung aller relevanten Faktoren durch Verfügung feststellt, daß ein Gebrauch eines chemischen Stoffes einen "signifikant neuen Gebrauch" darstellt, und in den Europäischen Gemeinschaften, wenn gewisse Veränderungen im Gebrauch stattfinden. Bezogen auf die "Veränderungen im Gebrauch", wie sie in den drei Systemen behandelt werden, muß betont werden, daß das Konzept des "Gebrauchs" bei ihnen und hier im Glossarium sehr weit gefaßt ist. Zu den in Betracht kommenden Änderungen gehören daher: - die vermarkteten Mengen (Frankreich, EG), - die hergestellten und verarbeiteten Mengen (USA), - das Herstellungsverfahren (Frankreich), - der Vertrieb oder Gebrauch (Frankreich, USA, EG), - die Verbreitung in der Umwelt (Frankreich, USA), - die Exposition für Menschen oder Umwelt (USA), - die Eigenschaften der Chemikalie, weil sich die Stoffzusammensetzung ändert, d. h. der Grad an Verunreinigungen oder Zusatzstoffen (EG). 134.

Die Art der in den drei Systemen geforderten Information ist im allgemeinen von der Einschätzung des Risikos abhängig, das mit dem neuen Gebrauch verbunden ist. In Frankreich, den Vereinigten Staaten und den Europäischen Gemeinschaften betrifft die Informationspflicht die neuen Chemikalien. Infolgedessen wird die Information über den "neuen Gebrauch" zusätzlich zu derjenigen gegeben, die bei der Anmeldung vor Herstellung oder vor Vermarktung vorgeschrieben ist. Die Systeme Frankreichs und der Vereinigten Staaten beziehen sich auch auf existierende Chemikalien. 135.

Anmeldung Definition:

Die Vorlage spezifizierter Information über einen chemischen Stoff gegenüber einer zuständigen Stelle durch die dazu verpflichtete Person.

Die Anmeldung ist ein Schlüsselkonzept der Chemikaliengesetze der "neuen Generation". Sie ist ein von früherer Gesetzgebung entwickeltes Konzept, in dem gewisse regelungsmäßig erfaßte Produkte entsprechend der Vorlage spezifizierter Information vom Staat registriert oder lizensiert wurden. Das Konzept der Anmeldung betrifft eine Reihe unterschiedlicher Situationen, es zieht aber immer die Vorlage von Informationen über einen chemischen Stoff an eine Behörde nach sich. Die genauen Gründe für die Pflicht zur Vorlage der Information variieren zwar, aber die Anmeldung ist im Chemikalienkontrollrecht stets auf den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt bezogen.

136.

Im Chemikalienkontrollrecht wird Personen die Pflicht auferlegt, bei einer Reihe von Umständen die Anmeldung vorzunehmen. Im einzelnen: - vor Herstellung des Stoffes (Frankreich, Japan, Vereinigte Staaten), 137.

IV. Zusammenfassende Analysen

361

-

vor dem Inverkehrbringen eines Stoffes (Europäische Gemeinschaften, Schweiz), - vor der Einfuhr eines Stoffes (Europäische Gemeinschaften, Frankreich, Japan, Schweiz, Vereinigte Staaten), - vor der Ausfuhr gewisser Stoffe (Vereinigte Staaten), - wenn Informationen darüber verfügbar werden, die auf ein substantielles Risiko des Stoffes hindeuten (Vereinigte Staaten), - wenn sich der Gebrauch eines Stoffes in einer bestimmten Weise ändert (Europäische Gemeinschaften, Frankreich, Vereinigte Staaten) und - wenn eine zuständige Stelle Information über einen Stoff verlangt (Vereinigte Staaten). Diese Umstände schließen im allgemeinen zwei Elemente in sich: einen chemischen Stoff und eine mit ihm verbundene Aktivität. Aus diesem Grunde müssen die Definitionen für Begriffe wie "Chemischer Stoff", "Gemisch", "Artikel", "Produkt" und "neuer Stoff" auf der einen Seite und "Herstellen", "Inverkehrbringen", "Einführen", "Ausführen" und "Transit" auf der anderen Seite sorgfältig definiert werden. Sie dienen zur Bestimmung der praktischen Arbeitsweise von Anmeldesystemen. Auch Ausnahmen haben eine wichtige Bedeutung für die Arbeitsweise der Anmeldesysteme (siehe z. B. die Erörterungen des "neuen Stoffes", insbesondere in bezug auf die Ausnahmen). 138. Die Pflicht zur Anmeldung trifft üblicherweise die Personen, die mit einem Stoff direkt zu tun haben oder für ihn verantwortlich sind zu dem Zeitpunkt, in dem die Verwaltung etwas über den Stoff wissen will. Solch eine Person kann der "Hersteller", "Einführer", "Ausführer", "Vertreiber" etc. sein und ist im Gesetz meist näher bestimmt. Die Definition des Glossariums setzt nicht voraus, daß die zur Anmeldung verpflichtete Person ihren Sitz in dem Land hat, wo sich die zuständige Stelle befindet (siehe die Definitionen von Person etc., Einführer, Ausführer). Wenn eine dazu bestimmte Person den Umstand antrifft, bei dem die Anmeldung erforderlich wird, ist sie rechtlich verpflichtet, die zuständige Stelle mit der spezifizierten Information zu versehen; sie hat insoweit keinen Ermessensspielraum.

Die zuständige Stelle, die zur Entgegennahme von Anmeldungen autorisiert ist, wird im Gesetz meist näher bestimmt. Empfänger der Anmeldung können eine oder mehrere Behörden oder Personen sein. Daran anschließend können weitere Behörden mit der Behandlung der angemeldeten Informationen befaßt sein. 139.

140. Umfang und Art der vorzulegenden Information werden für jede Art der Anmeldung näher bestimmt. Es können Informationen sein über den chemischen Stoff (z. B. neue Informationen über dessen Wirkungen) oder über eine Aktivität in Zusammenhang mit einem chemischen Stoff (z. B. neuer Gebrauch, Ausfuhr) oder über beides (z. B . Anmeldung vor Herstellung oder vor Vermarktung). Daher kann die Anmeldungsinformation von einer Stellungnahme bis zu einem Paket von Informationen und Daten reichen.

Der Zeitpunkt der Anmeldung kann eine erhebliche Rolle spielen. In den Vereinigten Staaten muß die Anmeldung 90 Tage vor Herstellung einer Chemikalie durchgeführt sein und in den Europäischen Gemeinschaften 45 Tage, bevor eine Chemikalie auf den Markt gebracht wird. 141.

362

Anhang: Schlußbericht der OECD-Expertengruppe

142. Das Wesen der Anmeldung besteht in der Übermittlung spezifizierter Information vom Anmelder an die zuständige Stelle. (In der Schweiz kann auch eine Probe der Chemikalie verlangt werden.) Wenn der Anmelder die spezifizierte Information in angemessener Weise vorlegt, hat er seiner Anmeldeverpflichtung genügt. Jede Maßnahme, die von der zuständigen Stelle auf der Grundlage der vorgelegten Information getroffen wird, ist im Prinzip unabhängig von der Anmeldung zu sehen, obwohl sie praktisch mit ihr verknüpft sein mag. Ähnlich mag der Anmelder im allgemeinen mit der Tätigkeit verfahren, die mit der Anmeldepflicht verbunden ist, d. h. Herstellung einer Chemikalie unabhängig von der Anmeldung selbst (Vereinigte Staaten, Europäische Gemeinschaften). 143. Das Wesen der Anmeldung kann durch den Vergleich mit "Registrierung" verdeutlicht werden. Bei der "Registrierung" müssen Personen ebenfalls Informationen an zuständige Stellen geben. In einigen Ländern ist dies der Fall, bevor ein Schädlingsbekämpfungsmittel auf den Markt gebracht wird (als eine Klasse sind Pestizide im allgemeinen biologisch aktiver als industrielle Chemikalien; ihre Reglementierung ist dementsprechend strenger). Wo diese vorgesehen ist, darf der Anmelder das Schädlingsbekämpfungsmittel gewöhnlich nicht vermarkten, ehe er nach einem aufwendigen und komplizierten Prüfungsverfahren die Genehmigung der zuständigen Stelle erhält. Dieser zweite Schritt ist in den Anmeldesystemen Frankreichs, der Schweiz, der Vereinigten Staaten und der Europäischen Gemeinschaften nicht vorgesehen. Die Anmeldepflicht stellt nur sicher, daß die zuständige Stelle spezifizierte Informationen bekommt. Obwohl die Behörde in der Regel ermächtigt ist, noch vor der Herstellung oder Vermarktung einzuschreiten, ist eine solche Maßnahme losgelöst von der Anmeldung und braucht nicht zwangsläufig oder sofort zu erfolgen. 144. Das japanische Anmeldesystem funktioniert etwas anders: dort darf der Anmelder "den neuen chemischen Stoff erst herstellen oder einführen, wenn er benachrichtigt wird". In dieser Hinsicht ähnelt das japanische System einem herkömmlichen Registrierungssystem. 145. Obwohl es im Prinzip möglich ist, die Anmeldung von einer nachfolgenden Verwaltungsmaßnahme zu trennen, kann in der Praxis beides miteinander verbunden sein. Aus diesem Grunde wird oftmals auf "Anmeldesysteme" im Sinne der Chemikalienkontrollsysteme verwiesen (der Begriff erscheint meist in Vor-Herstellungs- und Vor-Vermarktungssystemen). Die Gesetze schreiben die Vorlage spezifizierter Information bei der zuständigen Stelle nicht als Selbstzweck vor; vielmehr hat die Vorlage der Information im Rahmen des Chemikalienkontrollrechts ihren Bezug in den Zielen des Gesundheits- und Umweltschutzes. Daher wird in Vor-Herstellungs- und Vor-Vermarktungsanmeldesystemen die Information der Identität, Gebrauchsformen und potenziellen Gesundheits- und Umweltauswirkungen vom Anmelder an die Verwaltungsbehörde gegeben (siehe Definition des "neuen Stoffes"). Diese Information ermöglicht Einschätzungen der potenziellen Chemikaliengefahren und dadurch jede notwendige Kontrollmaßnahme vor der Vermarktung der Chemikalie (die Rollenverteilung und Verantwortlichkeiten der Verwaltung und Industrie bei der Abschätzung und Kontrolle von Chemikalien ist ein komplexes Problem, das hier nicht dargestellt werden kann).

146. Die Vor-Herstellungs- und Vor-Vermarktungsanmeldung beziehen sich auf neue Chemikalien. Das Anmeldesystem kann aber auch für existie-

IV. Zusammenfassende Analysen

363

rende Chemikalien gelten. Wenn z. B. eine existierende Chemikalie einem neuen Gebrauch zugeführt wird, wenn die (hergestellten oder vermarkteten) Mengen anwachsen oder wenn neue Informationen über ihre Wirkungen bekannt werden, mag die Anmeldung gefordert sein. Das amerikanische Gesetz zur Kontrolle giftiger Stoffe ermächtigt die Beamten der Umweltschutzbehörde, die Vorlage von Gesundheits- und Sicherheitsanalysen über Stoffe oder Gemische zu verlangen, die durch Verfügung näher bestimmt werden. 147. Die Anmeldung über existierende Chemikalien schließt ebenfalls die Vorlage von Informationen ein, die zu Zwecken der Abschätzung und Kontrolle verwertet werden können. Auch hier ist die Anmeldung von der Abschätzung und Kontrolle unterschieden, kann jedoch auch mit diesen verbunden werden.

Die Anmeldung von Ausfuhren weist einige Grundzüge auf, die von anderen Anmeldetypen abweichen. Sie stimmt mit dem Kernstück der Anmeldung - Vorlage von Informationen gegenüber staatlichen Stellen überein, der Grund des Informationsverlangens ist jedoch ein anderer. Nach dem amerikanischen Gesetz zur Kontrolle giftiger Stoffe sind Ausführer von "gefährlichen Chemikalien" verpflichtet, die Beamten der Umweltschutzbehörde über die Ausfuhr oder die Absicht zur Ausfuhr zu informieren. Die angezeigte Information dient nicht als Grundlage für Abschätzung und Kontrolle (zumindest nicht unmittelbar). Vielmehr erlaubt sie der amerikanischen Regierung, die Regierung des Einfuhrlandes über die Verfügbarkeit von vorliegenden Daten über Gefahrenmomente zu informieren. 148.

Zusammenfassend: das Konzept der Anmeldung ist geradlinig, der Weg jedoch, in dem es angewendet wird, bringt eine Reihe wichtiger politischer Festlegungen mit sich, z. B. wer welche Informationen zu welchem Zeitpunkt wo und wie geben muß.

149.

Person -

juristische, natürliche, verantwortliche

Person:

ein Mensch oder eine Organisation mit der Fähigkeit, Rechte oder Pflichten zu tragen.

Person (natürliche):

ein Mensch.

Person (juristische):

eine Organisation, die vom Gesetz befähigt ist, Rechte oder Pflichten zu tragen.

"Verantwortliche Person":

eine natürliche Person, der vom Gesetz eine bestimmte Verantwortlichkeit zugewiesen ist. Einführung

Der Begriff "Person" bestimmt, wer nach dem Gesetz Rechte innehat und Verantwortlichkeiten trägt. Der Begriff ist hier von Bedeutung, weil er diejenigen beschreibt, die von Chemikalienregelungen betroffen sind und die deren Maßnahmen ausführen. Wer nach den Zwecken eines Gesetzes nicht zu den "Personen" gehört, kann danach nicht verantwortlich gemacht werden oder Rechte beanspruchen. Infolgedessen ist es nutzbringend "Personen" zu definieren, die von einem Gesetz, z. B. von einer Chemikalienregelung, betroffen sind, da dessen Durchführung und Umsetzung sonst unmöglich wäre. Es war allerdings nicht Aufgab~ und Absicht der Gruppe, Auslegun150.

364

Anhang: Schlußbericht der OECD-Expertengruppe

gen von Begriffen des geltenden Rechts zu finden, sondern eher Definitionen vorzuschlagen, die in der Zukunft von Nutzen sein könnten. 151. Die Definitionen der "Person" lassen sich auf verschiedene Bereiche der Gesetzgebung anwenden. Sie erscheinen in Umweltgesetzen und können dort nützlich sein, sind aber nicht zu diesem Zweck entwickelt worden. Definitionen der "Person" finden sich in der Gesetzgebung von acht OECDMitgliedsländern. Die in der Synopse aufgeführten lassen sich in drei Gruppen unterteilen: (i) "natürliche Person" (definiert in vier Ländern), (ii) "juristische Person" (definiert in fünf Ländern), (iii) "verantwortliche Personen" (definiert in vier Ländern). 152. Allgemein betrachtet ist eine "Person" ein Wesen, dem ein Gesetz die Trägerschaft von Rechten und Pflichten zuerkennt. "Personen" können in zwei Kategorien unterteilt werden: natürliche Personen und juristische Personen. "Natürliche Person" bezieht sich auf den Menschen. "Juristische Persönlichkeit" meint, daß eine Größe (entity) vom Gesetz wahrgenommen wird und rechtlich existiert. Im Fall einer Gruppe von Leuten kommt der "juristischen Persönlichkeit" die Existenz des Ganzen zu, das getrennt von der Summe seiner Teile besteht. Eine Organisation beispielsweise ist rechtlich getrennt von seinen Mitgliedern, selbst wenn es nur ein Mitglied gibt. 153. Die Behandlung einer Person als "natürliche" oder "juristische" bestimmt zu einem gewissen Grad ihre Fähigkeit zu klagen, verklagt zu werden oder angeklagt zu werden. Eine Körperschaft zum Beispiel mag nach gewissen Verschmutzungskontrollgesetzen strafrechtlich verfolgt werden, da sie für Handlungen ihrer Beschäftigten verantwortlich ist. Eine Körperschaft kann jedoch nicht für ein Delikt belangt werden, das definitionsmäßig eine natürliche Person erfordert (z. B. Bigamie oder Raub). Person (natürliche)

154. Eine "natürliche Person" zu definieren, sollte keine besonderen Schwierigkeiten machen, der Begriff bezieht sich eindeutig auf den Menschen. In den amerikanischen Umweltvorschriften wird "Person" im allgemeinen als ein "Individuum" definiert. Das französische allgemeine öffentliche Recht bezieht sich auf "eine physische Person", die ein Individuum mit Rechtsträgerschaft ist. Dieses Konzept findet sich generell auch in Deutschland, doch treffen die Umweltvorschriften keine Unterscheidung zwischen ,.natürlichen" und ,.rechtlichen" Personen. In den Niederlanden umfaßt "Person" ebenfalls sowohl Individuen als auch juristische Personen. 155. Einer Prüfung bedarf jedoch das Problem, daß Ungeborene, Verstorbene, Entmündigte und medizinische Patienten Beteiligte in zivil- oder strafrechtlichen Prozessen sein können. Leute dieser Kategorien mögen wegen ihrer mangelnden Fähigkeiten, definitionsmäßige Rechte und Pflichten zu tragen, für die Zwecke gewisser Regelungen nicht als "Personen" gelten. Zum Beispiel würde einem Fötus nach englischem Recht für einige Zwecke rückwirkend die rechtliche Persönlichkeit zuerkannt werden, wenn er lebend geboren wird. Daher könnte er denkbarerweise wegen vor der Geburt erlittener Gesundheitsschädigung durch Chemikalien klagen, obwohl ein gerade geborenes Kind nicht die rechtliche Persönlichkeit erwirbt, die zur Durchführung der Klage nötig ist.

IV. Zusammenfassende Analysen

365

Person (juristische)

156. Das charakteristische Merkmal der "juristischen Person" ist das Konzept der eigenen rechtlichen Identität einer Gruppe unabhängig von den dazugehörigen natürlichen Personen. Das Auslegungsgesetz des Vereinigten Königreichs von 1978, das von der "künstlichen Person" spricht, und das deutsche Konzept rechtlich unabhängiger Einheiten drücken diese Qualität der "juristischen Person" aus.

Die Definition umfaßt Gruppen "natürlicher Personen" und unterschiedliche geschäftliche Organisationsformen wie z. B. Handelsgesellschaften, Unternehmensverbände und Körperschaften wie auch nichtkommerzielle Organisationen einschließlich Verwaltungsbehörden. 157.

158. Die Definitionen der Mitgliedsländer beziehen sich nur in allgemeiner Weise auf "juristische Personen" in dem Sinne, daß die Gruppen mit der Fähigkeit ausgestattet sein können, Rechte und Pflichten zu tragen. (Vgl. die für französische "personnes morale" und die deutsche "juristische Person"). Die amerikanischen und kanadischen Definitionen führen besondere Beispiele von Geschäftsformen auf, die von diesen Gesetzen erfaßt sind.

Eine Definition der "juristischen Person" sollte die verschiedenen geschäftlichen Organisationen und Beziehungen mit einbeziehen, die von den besonderen amerikanischen und kanadischen Gesetzgebungen erfaßt sind. Der Begriff "Körperschaft" (corporation), der in den Synopsen der Gesetze Englands, Deutschlands, Kanadas und der Vereinigten Staaten erscheint, umfaßt am deutlichsten und häufigsten das Wesen einer "juristischen" Person. Die "Körperschaft" ist auch gerade im vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung, da sich Chemikalienregelungen ihrer Bestimmung nach an Chemikalienproduzenten wenden, die großenteils körperschaftlich organisiert sind. 159.

Körperschaften sind Personenzusammenschlüsse, denen vom Gesetz die Rechtspersönlichkeit beigelegt ist, welche sich von der Summe seiner konstituierenden Teile unterscheidet. Eine Körperschaft kann in eigenem Namen klagen oder verklagt werden und kann wegen strafrechtlicher Verstöße verurteilt werden. Ihre (zivil- oder strafrechtliche) Verantwortlichkeit kann stellvertretend sein. Bei einigen Verstößen wird das Tun oder Unterlassen bestimmter natürlicher Personen rechtlich als Handeln der Körperschaft gewertet, die strafrechtlich verantwortlich ist. Andere Verstöße setzen ein bestimmtes höchst persönliches Verhalten voraus, um zu einer Verurteilung von strafbarer Absicht, Rücksichtslosigkeit oder Fahrlässigkeit zu führen.

160.

161. Es gibt verschiedene Arten von Körperschaften - Gesellschaften mit beschränkter Haftung oder Stellen mit öffentlichem Charakter wie eine örtliche Behörde oder das Postamt -, doch sollte eine Definition mit Bezug auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit ohne Rücksicht auf solche Besonderheiten verwendbar sein.

Alle Definitionen der Mitgliedsländer behandeln neben den Körperschaften noch andere geschäftliche oder treuhänderische Einrichtungen. Die englische Definition spricht von "körperschaftlichen oder eingetragenen" Gruppen. Die kanadischen und amerikanischen Regeln schließen insbesondere Personengesellschaften ein, während in Großbritannien (nicht jedoch in

162.

366

Anhang: Schlußbericht der OECD-Expertengruppe

Schottland) Personengesellschaften keine juristischen Personen sind. Die vorgeschlagene Definition bezweckt, Zusammenschlüsse, Nachfolgeschaften, Vereinigungen, Unternehmensverbände und andere unabhängige Einheiten gleichermaßen abzudecken. 163. Nichtkommerzielle Organisationen müssen hier erwähnt werden, da sie bei der Entwicklung und Ausführung von Chemikalienkontrollvorschriften zuweilen eine Rolle spielen. Umweltbelange im allgemeinen und Chemikalienkontrolle im besonderen sind Angelegenheiten des öffentlichen Interesses geworden. Gewisse Gruppen von Bürgern kümmern sich darum und sind in den Mitgliedsstaaten gelegentlich in das Gesetzgebungsverfahren einbezogen, mitunter auch als rechtliche Parteien. Sie mögen n ach besonderen nationalen Gesetzen ausgeschlossen sein, werden aber von den vorgeschlagenen Definitionen miterfaßt. 164. Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, soweit sie nicht körperschaftlich gebildet sind, mögen in verschiedenen Gesetzgebungen der OECDMtigliedsländer keine Rechtspersönlichkeit besitzen. Im Vereinigten Königreich wird z. B. eine Gewerkschaft, mit Ausnahmen bei einigen besonderen Zwecken, nicht als eine "juristische Person" behandelt und kann daher nicht für ihre Mitglieder klagen. 165. Einige Definitionen in den Vereinigten Staaten und Kanada bezeichnen Regierungsstellen und Verwaltungsbehörden als "Personen". Da diese Institutionen wie auch internationale Organisationen Rechte und Pflichten wie andere Personen tragen können, mögen sie in einigen Fällen als "juristische" Personen gelten. Ein besonderes Beispiel ist der Status der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, der aufgrund der Römischen Verträge die weitestmögliche Rechtspersönlichkeit verliehen ist, die in den EWGMitgliedsstaaten zur Verfügung steht.

"Verantwortliche Person" 166. Obwohl dieser Begriff in den Synopsen von nur drei Mitgliedsländern erscheint, ist er recht bedeutsam. Die "verantwortliche Person" ist das Individuum, das dem Staat bei der Durchführung der Maßnahmen einer Organisation, Firma etc. gegenübertritt. Als "juristische Personen" können diese Organisationen die Verpflichtungen für ihre Maßnahmen übernehmen, aber der Staat kann sich ebenso an die "verantwortliche Person" als das näher bestimmte Individuum wenden. 167. Der Ausgangspunkt dieser Definition ist, eine besondere Person, die mit der Organisation verbunden ist, nach dem Gesetz eines Mitgliedsstaates haftbar zu m achen. Das Konzept erscheint in einem von drei Zusammenhängen: (i) Die Person ist rechtlich verantwortlich für fehlerhaftes Handeln anderer in der Organisation, (ii) die Person steht in der Pflicht zu gewährleisten, daß ein bestimmtes Ereignis eintritt oder nicht eintritt, auch wenn sie keinen Verstoß begeht (z. B. ein Inhaber, Lizenzinhaber, Hersteller), oder (iii) die Person kann ihre Stellung oder Pflichten an die Organisation abgeben, die für ihre Handlungen oder Fahrlässigkeiten haftbar gemacht werden kann. 168. Die "verantwortliche Person" übernimmt eine durch Gesetz näher bestimmte Verantwortlichkeit; sie braucht nicht unbedingt die Haftung zu übernehmen. Im australischen Recht (Gesetz über Schädlingsbekämpfungs-

IV. Zusammenfassende Analysen

367

mittel (1978) und Abschnitt 22 des Gesetzes über landwirtschaftliche Chemikalien (1980), wo der Begriff "vorgesehener leitender Angestellter" verwendet wird) wird das Konzept offenbar auf eine Verantwortlichkeit gegenüber Aufsichtspersonen bezogen, denen Informationen über Arbeitsvorgänge innerhalb der Körperschaft vorzulegen sind. 169. In Frankreich und der Schweiz übernehmen die verantwortlichen Personen die Haftung. Nach dem französischen Gesetz vom 15. Juli 1975, die Abfallbeseitigung und -verwertung betreffend, sind eine oder mehrere natürliche Personen bestimmungsgemäß verantwortlich für Herstellung, Verpackung, Einfuhr, Qualitätskontrolle und Lagerung. Eine Haftung kann für Beschädigungen oder Gesundheitsbeeinträchtigungen durch Beseitigung von Abfällen bestehen, die eine verantwortliche Person veranlaßt oder durchgeführt hat oder die von der Produktherstellung herrührt. 170. In der Schweiz werden Lizenzen an Firmen, Geschäfte, Universitäten, Erziehungseinrichtungen, Laboratorien etc. auf den Namen einer oder mehrerer Personen ausgegeben, die zum Umgang mit Giften befugt sind. Diese Personen müssen gemäß der Artikel 23.5 und 24 des "Giftgesetzes" in der Lage sein, Rechtshandlungen vorzunehmen oder die Haftung zu übernehmen. 171. Diese wenigen Beispiele von Definitionsmöglichkeiten legen dar, daß sich die "verantwortlichen Personen" nicht nur in der Stellung der Verantwortlichkeit, sondern auch in den höher bevollmächtigten Positionen befinden (z. B. definiert das australische Recht die Person als Geschäftsführer). Die vorgeschlagene Definition meint allerdings einfach eine Person, die nach dem nationalen Gesetz eine besondere Verantwortlichkeit als leitender Angestellter oder Beschäftigter trägt. Es hängt vom nationalen Gesetz ab, die Einzelheiten der Verantwortlichkeit und Position vorzuschreiben, die der Person bei der Chemikalienkontrolle zukommt.

loverkehrbringen Definition:

Abgeben an andere oder Bereitstellen zur Abgabe an andere.

Die vorgeschlagene Definition für "Inverkehrbringen" und die gegenwärtig ähnlich lautenden Definitionen, wie sie in den Synopsen erscheinen, stellen den Prozeß des Übergangs chemischer Stoffe von einer Person an eine andere in den Vordergrund. Dieser Übergang wird in den Gesetzgebungen der Mitgliedsländer durch verschiedene Begriffe abgedeckt, abhängig von dem jeweiligen Charakter der Transaktion. Die Definition will den Punkt des Übergangsprozesses markieren, bei dem Chemikalien Gegenstand von Regelungen sein können. Diese Form der Abgabe durch den Hersteller, Produzenten, Verkäufer etc. ist gänzlich verschieden von der Abgabe von Chemikalien an die Umwelt. Zweck ist hier herauszufinden, wann die Stoffe zwischen Personen in rechtserheblicher Weise bewegt werden.

172.

173. Das Grundkonzept ist der Austausch oder Übergang von Besitz (an Chemikalien) aus der Sicht des Umweltrechts. Da Gesundheits- oder Umweltgefahren unabhängig von der Natur des Übergangs auftreten können, erfaßt das Konzept des "Inverkehrbringens" sowohl gewerbliche als auch nicht gewerbliche Austauschformen bei Chemikalien. Daher sind "Verkauf" und "Abgeben an andere" nicht gleichzusetzen. Der Verkauf bedeutet ge-

368

Anhang: Schlußbericht der OECD-Expertengruppe

wöhnlich, daß Eigentum gegen Bezahlung übergeht, während "Abgabe an andere" jede Form des Übergangs meint. So gesehen ist der Verkauf ein Unterfall der Abgabe. 174. Das "lnverkehrbringen" stellt ein sehr umfassendes Konzept dar und bildet die Basis für mehrere nationale Definitionen (Deutschland, Norwegen, Schweden, Schweiz). "Vertreiben im Handel" ist ein in den Vereinigten Staaten bevorzugter allgemeiner Begriff. Der Ausdruck "Auf-den-MarktBringen" erscheint nur in der 6. EG-Änderungsrichtlinie und stellt eine weitere Beschreibung des Handelsverkehrs dar. 175. "Erlangen zum Verkauf" (receive for sale) in Australien und "Versorgen/Liefern" (supply) in Dänemark sind ihrer gesetzlichen Verwendung nach Unterbegriffe von "Verkaufen". Im Vereinigten Königreich wird in diesem Zusammenhang "Versorgen" mit der Bedeutung gebraucht, andere mit Chemikalien durch Verkauf, Verpachtung oder Vermietung zu beliefern. Das Grundkonzept ist wiederum der Besitzwechsel zwischen Individuen ("Abgabe an andere"). Das Recht in Dänemark schließt den "Übergang an andere" ausdrücklich als eine Form des Verkaufs ein. 176. Es ist möglich, eine Unterscheidung zwischen dem eigentlichen luverkehrbringen und den vorbereitenden Handlungen dazu zu treffen. Inverkehrbringen wird gemeinhin ausgedrückt durch "Abgabe an andere" (Europäische Gemeinschaften, Deutschland, Niederlande), durch "Verkaufen" (Australien, Kanada, Dänemark, Niederlande, Norwegen), durch "Einbringen in den Handel" oder "Beliefern des Handels" (USA), durch "Versenden, Beliefern zum Verkauf" (Australien) und durch "Vertreiben" (Kanada, Niederlande). 177. Die vorausgehenden Stadien werden zusätzlich zum eigentlichen Inverkehrbringen erfaßt. Ein Vergleich zeigt, daß "Anbieten zum Verkauf" (Australien, Kanada, Dänemark, Niederlande, Schweden, Schweiz) wie auch vergleichbare Begriffe anderswo auf das Konzept des Besitzwechsels deuten. Ebenso eingeschlossen sind "Bereitstellen zum Zweck des Verkaufs oder der Übergabe", "Bereitstellen zum Verkauf" (Deutschland) und "Bereitstellen für Dritte" (Europäische Gemeinschaften). Der gemeinsame Punkt dieser Begriffe ist, daß die Tätigkeit des "Vorrätighaltens" stattfindet, bevor der Stoff übergeben wird. Natürlich können chemische Stoffe wie andere Güter mehrmals in den Handel gelangen, bis sie zuletzt den Verbraucher erreichen. Hat der Produzent die Stoffe anfänglich einmal verkauft oder abgegeben, kann jeder nachfolgenden Abgabe das "Vorrätighalten" für weitere vorangehen. Diese Komponente der vorgeschlagenen Definition bezeichnet den Moment, in dem die Produktion abgeschlossen ist, der Stoff jedoch noch nicht die Hand des Produzenten verlassen hat. Dieses Nach-Produktions-, VorVermarktungsstadium ist für die Umwelt bedeutsam, da den potentiellen Käufern oder anderen, die mit dem Stoff in Berührung kommen, gewisse Gefahren zugefügt werden können. 178. Der Sinn einer Kennzeichnung des Punktes, wo der Stoff in andere Hände gelangt (oder dazu im Begriff ist), liegt darin, die Pflicht zur Anmeldung der Chemikalie genau zu bezeichnen oder jede darin liegende Gefahr einzuschätzen. Abhängig vom Zweck seiner Chemikalienkontroll- und Anmeldungssysteme mag ein Land es für wünschenswert halten, einige Phasen der Nach-Produktion auszuschließen (wie z. B. gewisse Übergaben oder Angebote, geringe Mengen für die Forschung und Entwicklung etc.).

IV. Zusammenfassende Analysen

369

Produkt, Konsumentenprodukt, Artikel Produkt:

ein Stoff, Gemisch oder eine Zubereitung, angefertigt oder aus der Natur gewonnen oder ein Artikel.

Artikel:

ein Gegenstand, der in eine bestimmte Form gebracht ist.

179. Diese Begriffe müssen behandelt werden, weil Produkte und Artikel chemische Stoffe enthalten können und insofern Gegenstand bestimmter rechtlicher Erfordernisse sein können. Die genaue Anwendung des Chemikalichenkontrollrechts kann davon abhängen, ob ein Stoff ein Produkt darstellt oder ob er in einem Artikel enthalten ist. Im japanischen Recht zum Beispiel werden sowohl "Produkte" als auch "Stoffe" reglementiert, jedoch nach unterschiedlichen Vorschriften. In ähnlicher Weise kann ein bestimmtes Produkt als "Konsumentenprodukt" betrachtet werden und so in seiner Reglementierung besonderem Recht unterworfen sein.

Das diesen drei Begriffen gleichermaßen zugrunde liegende Konzept ist, daß chemische Stoffe in bestimmten Formen erscheinen oder in den Verkehr gebracht werden können, die Gegenstand rechtlicher Erfordernisse sind. Die Definitionen wollen die breiten Kategorien beschreiben, in die viele Stoffe einzuordnen sind, wenn sie den verschiedenen Gebrauchsformen zugeführt werden. 180.

Aufgrund der harmonisierten Definition können Produkte in vielen Formen auftreten und können Stoffe oder Artikel sein. Artikel dagegen können nicht Stoffe als solche sein; sie müssen in eine Form gebracht werden. Während einige Länder "Artikel" als einen Unterfall des "Produkts" einschließen, tun andere dies nicht.

181.

Konsumentenprodukte sind lediglich eine eigene Kategorie von Produkten, die sich unmittelbar an den Verbraucher wenden. In den Vereinigten Staaten jedoch, dem einzigen Land mit einer Definition, muß das Konsumentenprodukt zugleich ein "Artikel" (wie im Glossarium definiert) sein.

182.

Produkt

183. Der Kerngehalt des "Produkts" besteht darin, daß die Stadien der Verarbeitung, Herstellung oder Vermarktung durchlaufen sind, wo die Chemikalie fertig ist zum Gebrauch oder zum Inverkehrbringen. Theoretisch kann jeder Stoff verwendet werden und ist daher ein potenzielles Produkt: durch Bereitstellung und loverkehrbringen für bestimmte Gebrauchszwecke werden Stoffe zu Produkten. Das japanische Chemikalienrecht, das den Produkten auch bestimmte "gebrauchsfertige" Gemische zurechnet, berücksichtigt, daß auch reine Stoffe zu "Produkten" werden, wenn sie brauchbar sind. Andere in der Synopse erscheinende Definitionen beschreiben das "Produkt" auf der Grundlage seiner Gebrauchseigenschaft. Dies würde solche Produkte einschließen, die zum Gebrauch bestimmt sind. Die Absicht des Benutzers oder Herstellers ist für ein "Produkt" jedoch nicht wesentlich; es kommt auf die dem Stoff innewohnende Möglichkeit des Gebrauchs oder Inverkehrbringens an. 184. Nach dem australischen Schädlingsbekämpfungsgesetz zum Beispiel sind "Produkte" solche Stoffe etc., die "gebraucht werden sollen, nachdem sie verpackt oder verdünnt sind". Das Gesetz bestimmt außerdem noch, daß 24 Kloepfer I Bosselmann

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Anhang: Schlußbericht der OECD-Expertengruppe

"eine Vorrichtung oder Ausrüstung" ein "Produkt" sein können, wenn sie als "Schädlingsbekämpfungsmittel" eingesetzt werden. Die Schweizer Vollziehungsverordnung über Giftstoffe definiert "Produkte" als "Stoffe, die für einen bestimmten Gebrauch umgewandelt werden". Insofern macht die Gebrauchseigenschaft des Stoffes ein "Produkt" aus. 185. Stoffe, Verunreinigungen, Nebenprodukte und Zusatzstoffe werden häufig nach anderen gesetzlichen Vorschriften kontrolliert. "Produkt" ist eine weitere Möglichkeit für die Gesetzgeber, diese Größen zu umschreiben, da die reglementierten "Produkte" alle diese Stoffe einschließen werden, soweit sie sie enthalten. Ein Produkt, wie es in der Synopse beschrieben ist, wird normalerweise in der Substanz nicht von seinen wesentlichen Chemikalien abweichen. Das Australische Schädlingsbekämpfungsmittelgesetz definiert "Produkte" als gewisse "Stoffe, Gemische (oder) Zubereitungen". Die Schweizer Vollziehungsverordnung definiert sie als "natürliche Produkte, die für einen bestimmten Gebrauch umgewandelt werden". 186. Es gibt einen deutlichen Unterschied zwischen "Produkten" und "Konsumentenprodukten" in bezug auf das Inverkehrbringen. So wie sie in den Gesetzen von Mitgliedsländern und in den vorgeschlagenen Definitionen beschrieben sind, müssen "Konsumentenprodukte" vertrieben werden oder in den Handel gelangen. "Produkte" müssen nur fertig für den Gebrauch oder Handel sein und können sogar Stoffe einschließen, die erst in der Zukunft in den Handel gelangen. Ein gutes Beispiel für diesen Gesichtspunkt sind die kanadischen Regelungen für Fleisch, Geflügel und Pflanzenprodukte, wo "Endprodukte" als "verkäufliches Material", das von einer Pflanze stammt, definiert werden. Die Güter sind noch nicht in den Handel gelangt, werden aber nichtsdestoweniger als "Produkte" angesehen, da sie geeignet sind dorthin zu gelangen. 187. Das Produkt wird in den Chemikaliengesetzen der Vereinigten Staaten nicht definiert. Eine Definition ist enthalten in den Vorschriften über die Arbeitssicherheit und Gesundheitsverwaltung und faßt "Materialien", "Ausrüstung" sowie die Gesamtheit der Produkte als "Produkte" zusammen. Konsumentenprodukt

188. Definitionen für den Begriff "Konsumentenprodukt" erscheinen nur in amerikanischen Gesetzen. Die Ermächtigungsgesetze für die USA-Kommission für Konsumentenproduktionssicherheit (CPSC) und die Bundeshandelskommission (FTC) schreiben beiden Behörden die Reglementierung von "Konsumentenprodukten" vor. Die Idee dieses Begriffs ist, daß das Produkt ausschließlich für persönliche, familiäre oder häusliche Zwecke eines Konsumenten bestimmt ist. Das Gesetz für die Sicherheit von Konsumentenprodukten (CPSA) fordert weitergehend, daß das Produkt im Bereich von Haus, Schule oder Erholung verwendet wird. Das eigentliche "Produkt" wird vom CPSA als "ein Artikel" beschrieben; das FTC-Gesetz spricht von "greifbar persönlichem Besitz". Diese Gesetze, die eindeutig besondere Artikel regeln, welche den Konsumenten durch Verkauf oder ähnliche Maßnahmen erreichen sollen, würden einfache Stoffe nicht erfassen, es sei denn sie sind in Artikeln enthalten. Das FTC-Gesetz erfordert, daß das Produkt "im Handel vertrieben" wird; der CPSA erfordert Produktion oder Vertrieb zum Verkauf oder Gebrauch. Wie oben bemerkt liegt hierin einer der Hauptunterscheide zwischen Konsumentenprodukten und regulären Produkten.

IV. Zusammenfassende Analysen

371

Die Schweizer Vollziehungsverordnung über Giftstoffe erwähnt "für die Öffentlichkeit bestimmte Produkte", die sowohl als Stoffe wie als Produkte "jedem" zum "allgemeinen Gebrauch" zur Verfügung stehen. Eine Unterscheidung wird zwischen ihnen und den "gewerblichen Produkten" vorgenommen, die ausschließlich zum "gewerblichen und industriellen Gebrauch" angeboten oder verkauft werden. In beiden Fällen sollen Stoffe und Gemische in den Handel gelangen. 189.

ArtikeL

Die Grundidee des "Artikels" ist ein hergestelltes Objekt oder Gegenstand, d. h. "eine Herstellung zu einer Form", die in irgendeiner Weise benutzt werden kann. Das Konzept kann begrenzt werden durch den Reglungsbereich, in dem der Begriff erscheint. Das Schweizer Sicherheitsgesetz für technische Vorrichtungen und Artikel definiert den Artikel als "Apparaturen, Maschinen, Instrumente" und ähnliche Ausrüstungsgegenstände. Eine kanadische Vorschrift zur Kontrolle schädlicher Produkte (Pest Control Products Regulation) definiert ihn ebenfalls als "Instrument oder Apparatur", die zur Schädlichkeitskontrolle gebraucht werden sollen. 190.

Das japanische Recht, dessen Ausdruck "seihin" ein Produkt oder einen Artikel meint, bezieht sich auf den "Gebrauch" eines Artikels. Das amerikanische Gesetz zur Kontrolle giftiger Stoffe gibt das Konzept des "Gebrauchs" durch den Begriff "Endgebrauchsfunktionen" wieder. Die gemeinsame Idee ist hier, daß der Artikel speziell angefertigt wird, um "gebraucht" zu werden. Die japanischen und amerikanischen Gesetze sind die beiden allgemeinen Chemikalienkontrollgesetze, die den "Artikel" definieren. Beide schließen die Vorstellung von einem Artikel ein, der in eine Form oder einen Zustand gebracht ist, um ihn für den eventuellen Gebrauch oder eine Tätigkeit nutzbar zu machen. 191.

192. In anderen Gesetzen (z. B. US-Bundesgesetz über Gefährliche Stoffe) wird der Artikel oft gebraucht, aber nicht definiert, um Objekte zu beschreiben, die chemische Stoffe enthalten können. Artikel, die Stoffe enthalten, können Gegenstand derselben rechtlichen Erfordernisse sein, wie sie für Stoffe gelten.

Pflanzenscbutzmittel, Scbädlingsbekämpfungsmittel, Rückstand von Schädlingsbekämpfungsmitteln Pflanzenschutzmittel - ein Stoff, der dazu bestimmt ist, (1) Organismen zu zerstören, die für Pflanzen oder Pflanzenprodukte schädlich sind, oder sie vor solchen Organismen zu schützen, (2) die Lebensprozesse der Pflanzen auf andere Weise als ein Nährstoff zu beeinflussen, (3) unerwünschte Pflanzen, wie etwa Unkraut, zu zerstören oder (4) Pflanzenteile zu zerstören, oder unerwünschtes Wachstum von Pflanzen zu verhindern. Schädtingsbekämpfungsmittel- ein Stoff, der dazu bestimmt ist: (1) Organismen zu zerstören, die für Pflanzen, Tiere oder Pflanzen- oder Tierprodukte schädlich sind, oder sie auf andere Weise vor solchen Organismen zu schützen, als medizinische Mittel dies tun, (2) Organismen zu zerstören, die für Menschen schädlich sind oder unerwünscht sind, oder das Auftreten solcher Organismen auf andere Weise zu verhindern als medizinische Mittel,

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Anhang: Schlußbericht der OECD-Expertengruppe

(3) die Lebensprozesse der Pflanzen auf andere Weise als ein Nährstoff zu beeinflussen, (4) unerwünschte Pflanzen, wie etwa Unkraut, zu zerstören, (5) Pflanzenteile zu zerstören oder unerwünschtes Wachstum von Pflanzen zu verhindern. Rückstand von SchädHngsbekämpfungsmitteln - jeder Stoff oder Organismus, der als Ergebnis des Gebrauchs von oder Berührung mit Schädlingsbekämpfungsmitteln auftritt oder übrigbleibt

193. Die Begriffe "Schädlingsbekämpfungsmittel/ Pestizid" und "Pflanzenschutzmittel" haben dieselbe Grundfunktion in den Chemikalienkontrollgesetzen: sie definieren Stoffe, die von Reglementierungs- oder Anmeldungserfordernissen ausgenommen sind. Diese Stoffe sind von gewissen rechtlichen Anforderungen in den Gesetzen der Vereinigten Staaten, Frankreichs, Deutschlands wie auch der Europäischen Gemeinschaften ausgenommen. Normalerweise unterliegen sie deswegen den Anmeldungserfordernissen nicht, weil sie bereits Gegenstand anderer Kontrollen sind, die im allgemeinen ebenso streng sind wie bei der Anmeldung. Unterschiedliche Definitionen dieser Begriffe und dementsprechend unterschiedliche Ausnahmen von gesetzlichen Erfordernissen in den Mitgliedsländern können für den internationalen Chemikalienhandel zu Verwicklungen führen. 194. Die weiteste Gemeinsamkeit dieser Begriffe liegt darin, Stoffe zu definieren, die auf Pflanzen oder gewisse Organismen zu wirken bestimmt sind. "Rückstand von Schädlingsbekämpfungsmitteln" betrifft die Situation, in der rechtliche Erfordernisse für Objekte oder Orte bestehen, die in Kontakt mit Pestiziden standen. 195. Diese Stoffe können entweder durch Definition von der Kategorie der kontrollierten "Stoffe" ausgenommen sein oder durch die Art, wie das Gesetz sie als "Stoffe" behandelt. Abschnitt 3 des amerikanischen Gesetzes zur Kontrolle giftiger Stoffe (TSCA) zum Beispiel nimmt Pestizide dadurch vom Anmeldungsverfahren aus, daß es sie nicht den "Stoffen" zurechnet. Artikel 1, Abs. 4 (b) der 6. Änderungsrichtlinie der Europäischen Gemeinschaften nimmt insbesondere Schädlingsbekämpfungsmittel und Düngemittel von ihren Anmeldeverpflichtungen aus, die Gegenstand anderer entsprechender Vorschriften sind, anderer EG-Anmeldeverpflichtungen oder von Verfahren, die noch nicht harmonisiert sind. 196. Bedeutungsgleiche Begriffe zu "Pestizid" und "Pflanzenschutzmittel" kommen eher in besonderen Gesetzesbereichen vor als in den allgemeinen Chemikalienkontrollsystemen. Das Pestizid wird üblicherweise durch den beabsichtigten Gebrauch umschrieben; eine stoffliche Chemikalienzusammensetzung allein stellt noch nicht den Ausgangspunkt für den rechtlichen Status eines "Pestizids" dar. 197. Die Kernelemente dieser Begriffe sind Stoffe, die pflanzen- oder tierschädigende Organismen zerstören, unerwünschte Pflanzen oder Organismen zerstören oder die Lebensprozesse von Pflanzen beeinflussen. Die Definition des Glossariums ist zweckmäßigerweise breit angelegt, um alle Arten von schädlichen oder unerwünschten Organismen oder Pflanzen einzuschließen, auf die diese Stoffe einwirken. Dieses Vorgehen spiegelt auch den Weg wider, den die Gesetze der Mitgliedsländer zur Definition dieser Begriffe gehen.

IV. Zusammenfassende Analysen

373

In den Vereinigten Staaten beschreibt das Bundesgesetz über Insektizide und pilztötende Mittel (Federal Fungieide Insecticide and Rodenticide Act-FIFRA) die Funktion eines "Pestizids" als vorbeugen, zerstören, abwehren oder mildern "jedes Schädlings". "Schädling" (pest) wiederum ist im FIFRA definiert als "jedes Insekt, Nagetier, jeder Fadenwurm, Pilz oder jedes Unkraut" oder anderes pflanzliches oder tierisches Leben, Virus oder Bakterium, das von den zuständigen Stellen als Schädling deklariert wird. 198.

Der FIFRA ist somit offen, um jeden schädlichen Organismus einzuschließen, der von den zuständigen Stellen als solcher bezeichnet wird. Das amerikanische Recht bezeichnet darüber hinaus das Pestizid durch den Gebrauch als "Pflanzenregler, Entlaubungsmittel oder Entwässerungsmittel". 199.

Die übrigen Gesetze der Mitgliedsländer definieren ebenfalls "Pestizid" nach dessen Gebrauchsformen und Zielen (z. B. Unkraut, Parasiten), doch listen sie tendenziell eher auf, als sie durch allgemeinere Begriffe wie "Schädling" oder "Entlaubungsmittel" zu bezeichnen. Das australische Gesetz über Schädlingsbekämpfungsmittel (1978) beschreibt die Rolle des Pestizids als Kontrolleur des "Schädlings", geht aber auch zu einer Auflistung von weiteren Gebrauchsformen über.

200.

Das niederländische Recht umfaßt eine lange Liste von beabsichtigten Gebrauchsformen der "Pestizide", die alle in dem Kernpunkt übereinstimmen, das Gedeihen von Pflanzen und Tieren durch die Eliminierung oder Kontrolle von unerwünschten Tieren, Pflanzen oder Pflanzenkrankheiten zu fördern. Das holländische Recht schließt die Kontrolle von Tieren ein, die eine "Belästigung des Menschen" bedeuten. Die Direktive der Europäischen Gemeinschaften über Schädlingsbekämpfungsmittel (1978) benutzt eine allgemeinere, aber bündige Sprache, um die Funktionen eines Pestizids zu beschreiben. Das Pestizidsicherheits- und Vorsichtssystem des Vereinigten Königreichs, das nicht gesetzlich geregelt ist, verwendet eine der EG ähnliche Sprache.

201.

202. Wie beim FIFRA und beim niederländischen Recht erläutert, sind Arzneimittel, Tiermedizin etc. in der Definition des "Pestizid" nicht eingeschlossen - auch wenn sie Schädlinge wie etwa Viren kontrollieren -, weil sie nach anderen speziellen Vorschriften reglementiert werden. Das Glossarium hat diese Sicht übernommen und sie ebenfalls ausgenommen. 203. Ein "Pflanzenschutzmittel" hat im Grunde die gleichen Funktionen wie ein "Schädlingsbekämpfungsmittel", ist jedoch beschränkt auf den Schutz oder die Förderung unerwünschter Pflanzen. Dies läßt sich an dem Unterschied zwischen dem EG-Entwurf der Direktive über Pflanzenschutzprodukte und der EG-Direktive über Schädlingsbekämpfungsmittel ablesen; sie sind im wesentlichen gleich bis auf die Kontrolle von Organismen, die nicht für Pflanzen schädlich sind. (In der EG ist der relevante Begriff "Pflanzenschutzprodukt".) Infolgedessen enthält die Definition des Glossariums für "Pflanzenschutzmittel" alle Elemente der Definition für "Schädlingsbekämpfungsmittel", die sich auf Pflanzen beziehen. 204. Das Gesetz des Vereinigten Königreichs über Farm- und Gartenchemikalien (1970) ist von derselben Idee getragen, führt aber Beispiele für "Schädlinge" auf, die für Pflanzen schädlich sind. Der Begriff "Farm- und Gartenchemikalien" bezieht sich auf bestimmte Beispiele von Wirkmitteln wie Vogel- oder Tierabweiser oder Entlaubungsmittel, Entwässerungsmittel oder Pflanzenregler (letzteres ist im FIFRA unter den "Pestiziden" erwähnt).

Anhang: Schlußbericht der OECD-Expertengruppe

374

Das Schweizer Recht enthält eine sehr grundsätzliche Definition: Stoffe, die verwendet werden, um Krankheiten oder schädliche Organismen zu eliminieren, die "landwirtschaftlich nützliche Organismen" schädigen. Das deutsche Recht ist sehr ähnlich und schließt Düngemittel aus. Das französische Gesetz, die "Anti-Parasiten" für landwirtschaftlichen Gebrauch betreffend (1943), hat einen viel weiteren Anwendungsbereich als die Gesetze anderer Mitgliedsländer. Das "Anti-Parasit" ähnelt dem niederländischen "Pestizid" insofern, als es bestimmte Gebrauchsformen wie Vorrichtungen, Nutzung von Gebäuden oder Beförderungsmitteln gegen Schädlinge miteinschließt. Das französische Recht ebenso wie das deutsche Recht rechnen auch Zusatzstoffe zu den Pflanzenschutzmitteln.

205.

Einbringen, Abfall, (Un-)kontrollierte Beseitigung oder Lagerung Einbringen:

das Einführen von Stoffen oder Materialien jeder Art in Wasser, Luft oder Boden.

Abfall:

jeder durch irgendeine Aktivität entstandene Stoff, Rückstand oder Artikel, der auf irgendeine Weise aufgegeben oder abgelegt ist.

KontrolLierte Beseitigung oder Lagerung:

Beseitigung oder Lagerung von Abfall an einem dauernden oder vorläufigen Ort unter bekannten Umständen mit Einwilligung der Behörde.

Unkontrollierte Beseitigung oder Lagerung:

Beseitigung oder Lagerung von Abfall ohne Einwilligung der zuständigen Behörde.

Abwasser:

infolge irgendeiner Aktivität fließendes Wasser einschließlich Niederschlags- und Abflußwasser sowie Sickerwasser im Boden, das mit der Aktivität zusammenhängt.

Diese Begriffe bezeichnen verschiedene Konzepte, die alle auf den Eintritt von Chemikalien in die Umwelt bezogen sind. Solch ein Eintritt mag zu einem Schaden für die menschliche Gesundheit und die Umwelt führen und ist Gegenstand gesetzlicher Erfordernisse der Mitgliedsländer. Die Wege, in denen Chemikalien in die Umwelt gelangen, müßten identifiziert und definiert werden insbesondere dann, wenn sie mit unterschiedlichen rechtlichen Anforderungen verbunden sind.

206.

Einbringen

"Einbringen" (release) bezieht sich auf jeden Weg, durch den eine Chemikalie in die Umwelt gelangen kann. Der Begriff erscheint in den Gesetzen einiger Mitgliedsländer, ist aber nur in denen Kanadas definiert. Der verwandte Begriff "Einführen" (introduce) wird in mehreren Mitgliedsländern verwendet und definiert. Im Glossarium ist jedoch einer Definition des "Einbringens" gegenüber dem "Einführen" der Vorzug gegeben worden, weil er der allgemeinere Begriff ist. Die Definition des "Einbringens" im kanadischen Gesetz gegen Umweltverschmutzung führt das (Aus-)schütten, Auslaufen, Pumpen, Zersteuben, Gießen, Ausströmen, Ausleeren, Wegwerfen oder Abkippen/ Abladen/Verklappen (dumping) als Beispiele für das Einbringen von Chemikalien (in die Umwelt) auf. 207.

IV. Zusammenfassende Analysen

375

208. Die französischen, deutschen, niederländischen und Schweizer Gesetze über Chemikalienkontrolle oder Wasserverunreinigung verwenden den Begriff "Einführen" oder "Einleiten" ohne Definition oder Beschränkung. Das Glossarium berücksichtigt diese weitläufige Verwendung des Begriffs durch den Einschluß aller Formen des Einbringens wie beabsichtigte oder unbeabsichtigte und (von der zuständigen Stelle) kontrollierte oder unkontrollierte. Für die Art, wie ein Stoff durch "Einbringen" abgegeben wird, gibt es keine Einschränkung: "Einbringen" kann alle Stoffe betreffen, ob schädlich oder nicht. Abfall

Definition von "Abfall" bezeichnet einen Stoff, Rückstand oder Artikel, der das Ergebnis irgendeiner Aktivität ist und daran anschließend abgelegt wird.

209.

Die Gesetze in den Mitgliedsländern beziehen häufig das Element des "Entstehens durch eine Aktivität" mit ein. Die Gesetze des Vereinigten Königreichs sprechen von "Rückständen aus industriellen, gewerblichen oder landwirtschaftlichen Aktivitäten" (Durchführungsvorschrift "berufsbedingte Exposition von luftbeförderten gesundheitsschädlichen Stoffen" (Hervorhebung hinzugefügt)) und "Stoffen, die von der Anwendung irgendwelcher Produktionsverfahren herrühren" (Gesetz über Verschmutzungskontrolle (1978)). 210.

Das französische Gesetz vom 15. Juli 1975, die Beseitigung von Abfällen und Wiedergewinnung von Materialien betreffend, schließt "Rückstände aus Produktions- und Verarbeitungsprozessen" mit ein.

211.

212. Ein weiteres Kernelement bei Abfall ist das Konzept der Besitzaufgabe oder des Entledigens von Stoffen. Das französische Gesetz schließt diesen Gesichtspunkt ein ebenso wie Materialien, deren Beseitigung beabsichtigt ist. Das einschlägige deutsche Gesetz schließt ebenfalls Materialien ein, die beseitigt werden sollen, soweit es sich um bewegliche Sachen handelt. Um eine erkennbare Linie zu ziehen zwischen Materialien, die tatsächlich aufgegeben oder eingebracht sind (und damit dem besonderen rechtlichen Erfordernis für "Abfall" unterliegen) und solchen, die das offensichtlich nicht sind, schließt die Definition des Glossariums ein, daß Materialien "Abfall" sind, wenn sie von keinem direkten Wert für eine mit ihnen zusammenhängende Aktivität sind. Das Gesetz über Verschmutzungskontrolle des Vereinigten Königreichs schließt diese Idee dadurch ein, daß es "Abfall" neben anderen Dingen als "jeden ... unerwünschten überschüssigen Stoff" definiert. 213. "Abfall" ist in der Gesetzgebung der Mitgliedsländer im allgemeinen ein weitläufiger Begriff und umfaßt Feststoffe, Flüssigkeiten (s. Durchführungsvorschrift des Vereinigten Königreichs) oder gasförmige Stoffe ohne Rücksicht darauf, wie über sie verfügt wird. Wie beim "Einbringen" ist jede Form der Verwendung oder Entledigung ausreichend.

Kanada sieht im Wassergesetz eine besondere Definition vor, die "Abfall" durch seine Eigenschaft kennzeichnet, sich zum Schaden von Tieren, Pflanzen oder Menschen zu verschlechtern oder zu verändern. Dies ist insofern einmalig, als die Definitionen anderer Gesetze und des Glossariums ,,Abfall" ohne Rücksicht auf seine Eigenschaften und nachfolgenden Aktivitäten aufgrund von Handlungen des Besitzers definieren. "Abfall" braucht 214.

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Anhang: Schlußbericht der OECD-Expertengruppe

definitionsmäßig nicht schädlich zu sein, sondern nur wertlos für die betreffende Aktivität. Die rechtlichen Anforderungen an Abfall reglementieren seine Wirkungen, um jeden sich ergebenden Schaden zu kontrollieren. "Abfall" mag auch als "Industriemüll" oder "Müll" bekannt sein.

Abwasser "Abwasser" ist ein mit "Abfall" verwandter Begriff, der in em1gen nationalen Gesetzen unter dem Ausdruck "Ausfluß" oder "Abfallwasser" erscheint. Der Begriff wendet sich - partiell - an Wasser, auf das durch bestimmte Aktivitäten wie z. B . gewerbliche oder landwirtschaftliche Verwendungen eingewirkt worden ist. Im vorliegenden Bericht ist er dem Konzept des "Abfalls" angenähert, da dieser ebenfalls aus derartigen Aktivitäten entsteht. 215.

Die kanadischen und deutschen Gesetze sehen als einzige Definitionen für den Begriff vor und schließen beide die Vorstellung von Wasser in sich, das in bestimmte Prozesse oder Gebrauchsformen verwickelt worden ist. Die Definition in dem deutschen (Abwasserabgaben-) Gesetz {1976) umfaßt "durch häuslichen, gewerblichen, landwirtschaftlichen oder sonstigen Gebrauch in seinen Eigenschaften verändertes Wasser".

216.

Das kanadische Recht enthält in mehreren Vorschriften verschiedene Definitionen von "Abfluß", die sich an einzelne Industriebereiche wenden. Obwohl die Definitionen variieren, um den jeweiligen industriellen Aktivitäten zu entsprechen, sind sie im Grundsatz ähnlich. Nach zwei Vorschriften (Regelungen für Fleisch, Geflügel und Pflanzenprodukte, SOR/77-279 vom 31. März 1977 und Fischereigesetz, SDR/ 77-575 P.C. 1977-1978 vom 7. Juli 1977, Regelungen über Chlor-Alkali-Quecksilber-Abfluß) bedeutet "Abfluß" "alle Abwässer, die von einer Pflanze rühren" und "jedes Wasser ... , das von einer Pflanze ausgeströmt ist". 217.

"Niederschlagswasser" ("Regenwasser") oder "Abflußwasser" ist sowohl in dem oben erwähnten deutschen Gesetz als auch den kanadischen Vorschriften mitenthalten. Diese Art von Wasser kann von den Chemikalienkontrollstatuten mitbehandelt werden, weil Abfluß- und Sickerwasser im Boden, das durch industrielle, gewerbliche oder sonstige Aktivit äten freigesetzt wurde, erhebliche Chemikalien enthalten kann. Nicht jedes Abflußoder Niederschlagswasser wird als "Abwasser" angesehen, sondern nur das in Berührung mit dem Boden befindliche und mit einer Aktivität verbundene Wasser.

218.

Das deutsche Gesetz beschränkt seine Definition diesbezüglich auf "abfließendes Wasser durch Niederschlag aus dem Bereich von bebauten oder befestigten Flächen", was an die Verbindung mit einer Aktivität denken läßt. Die kanadischen Vorschriften sind ausführlicher gefaßt; sie umfassen "Sickerwasser im Boden, der für Abwasser benutzt wurde" und "Niederschlagswasser ... von ... Erleichterungen der Abwasserbehandlung". 219.

220. Die Definition des Glossariums will umfassend sein für alle in irgendeiner Form durch irgendeine Aktivität, ob industriell oder anders, "eingebrachten" Gewässer, einschließlich Abfluß- oder Sickerwasser, das mit der Aktivität verbunden ist.

IV. Zusammenfassende Analysen

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(Un-)kontrollierte Beseitigung oder Lagerung

Beseitigung oder Lagerung bezieht sich auf die Weise, in der Abfall vorübergehend oder dauernd in die Umwelt verbracht wird. Obwohl dieser Begriff in der Gesetzgebung mehrerer Mitgliedsländer erscheint, ist er nur in amerikanischen und französischen Gesetzen definiert. In den Vereinigten Staaten setzt eine Durchführungsvorschrift zum Gesetz zur Ressourcenerhaltung und -Wiedergewinnung von 1976 "Beseitigung" mit "Entledigung, Lagerung, Ausspritzen, Abladen, Ausschütten, Auslaufen oder Verbringen" von (festem) Abfall gleich. 221.

In ähnlicher Weise definieren das kanadische Gesetz gegen Umweltverschmutzung und das Fischereigesetz "Beseitigung" als "jedes Entledigen, Einbringen, Ausschütten, Auslaufen, Einsickern, Ausgießen, Ausströmen, Ausleeren, Wegwerfen, Abladen/Verklappen oder Verbringen". Sowohl die Gesetze Kanadas als auch der Vereinigten Staaten umgeben eine Mannigfaltigkeit von Methoden der Abfallbeseitigung. Die Definition des Glossariums hat ebenfalls keine Begrenzung vorgenommen und schließt jede Form der Beseitigung oder Lagerung ein. 222.

"Lagerung" oder "Beseitigung" werden gelegentlich mit speziellen Begrenzungen definiert, abhängig vom Gesetz und Kontext eines Gesetzes. In der amerikanischen Vorschrift nach dem Gesetz zur Ressourcenerhaltung und -Wiedergewinnung wird nur fester oder gefährlicher Abfall unter gewissen Bedingungen "beseitigt". Die Vorschriften über Industrieabwässer nach dem Fischereigesetz Kanadas sind auf Beseitigungen in Gewässern mit Fischbestand beschränkt. Das Glossarium richtet sich auf den bloßen Akt der Beseitigung oder Lagerung, der in einer großen Variationsbreite von Umständen auftritt. 223.

Zwei weitere Hauptelemente des Begriffs werden in der Definition des Glossariums angesprochen. Die Vorkehrungen zur Chemikalienkontrolle können erheblich differieren je nachdem, ob die Beseitigung bekannt ist und von zuständigen Stellen genehmigt wurde. Gesetzliche Erfordernisse, die eine besondere Methode der Entledigung von Abfall vorsehen, würden helfen, um Mensch und Umwelt zu schützen; wenn solche Vorschriften nicht befolgt werden, können sich leicht ernste Folgen ergeben. Der Begriff "unkontrollierte" Beseitigung oder Lagerung kennzeichnet diese Situation, die wiederum andere gesetzliche Anforderungen mit sich bringen kann. Die "kontrollierte" Beseitigung oder Lagerung kennzeichnet die Tätigkeit, die bekannt ist und von den Behörden genehmigt wurde568• 224.

568 Nicht wiedergegeben sind hier die Abschnitte V (Synopsen), VI (Teilnehmerliste) und VII (Begriffsindex).