Wörterbücher in der Diskussion I: Vorträge aus dem Heidelberger Lexikographischen Kolloquium [Reprint 2017 ed.] 9783110914276, 9783484309272


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German Pages 315 [316] Year 1989

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Table of contents :
Inhalt
Vorwort
Gerhard Äugst Rechtschreibfähigkeit, Rechtschreibwissen Und Rechtschreibwörterbuch
Dou Xuefu Neologismus Und Neologismenwörterbuch
Franz Josef Hausmann Kleine Weltgeschichte Der Metalexikographie
Peter Kühn, Schulwörterbücher Sind Lexikographische Langweil-Bestseller Oder Warum Eine Wörterbuchkultur In Deutschland Nicht In Gang Kommt
Peter Kühn, Phraseologie Und Lexikographie: Zur Semantischen Kommentierung Phraseologischer Einheiten Im Wörterbuch
Elisabeth Link, Was Ist Eigentlich Ein Lemma? Oder: Gehört Z.B. Das "-" Bzw. "..." In "Meta-, Meta-" Bzw. "Meta..., Meta...," Zum Lemma Oder Nicht? Anmerkungen Zu Einem Beitrag H.E. Wiegands Zur Theorie Der Lexikographischen Sprachbeschreibung
Baldur Panzer Handbuch Des Serbokroatischen Verbs I: Derivation
Wilfried Seibicke Ein "Historisches Eeutsches Vornamenbuch" Skizze Eines Projektes
Herbert Ernst Wiegand Wörterbuchstile: Das Wörterbuch Von Jacob Grimm Und Wilhelm Grimm Und Seine Neubearbeitung Im Vergleich*
Werner Wolski Partikeln Im Wörterbuch: Verständlichkeit Von Artikeltexten Und Verständigung Über Partikelbedeutungen
Register
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Wörterbücher in der Diskussion I: Vorträge aus dem Heidelberger Lexikographischen Kolloquium [Reprint 2017 ed.]
 9783110914276, 9783484309272

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LimWMlFIHIIKS^

LEXICOGRAPHICA Series Maior Supplementary Volumes to the International Annual for Lexicography Suppléments à la Revue Internationale de Lexicographie Supplementbände zum Internationalen Jahrbuch für Lexikographie

Edited by Sture Allén, Pierre Corbin, Reinhard R. K. Hartmann, Franz Josef Hausmann, Hans-Peder Kromann, Oskar Reichmann, Ladislav Zgusta 27

Published in cooperation with the Dictionary Society of North America (DSNA) and the European Association for Lexicography (EURALEX)

Wörterbücher in der Diskussion Vorträge aus dem Heidelberger Lexikographischen Kolloquium herausgegeben von Herbert Ernst Wiegand

Max Niemeyer Verlag Tübingen 1989

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Wörterbücher in der Diskussion : Vorträge aus dem Heidelberger Lexikographischen Kolloquium / hrsg. von Herbert Ernst Wiegand. - Tübingen : Niemeyer, 1989 (Lexicographica : Series m a i o r ; 27) NE: Wiegand, Herbert Ernst [Hrsg.]; Heidelberger Lexikographisches Kolloquium ; Lexicographica / Series maior ISBN 3-484-30927-x

ISSN 0175-9264

© Max Niemeyer Verlag, Tübingen 1989 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Druck: Weihert-Druck GmbH, Darmstadt

INHALT

Gerhard Äugst, Rechtschreibfähigkeit, Rechtschreibwissen und Rechtschreibwörterbuch

1

Dou Xuefu, Neologismus und Neologismenwörterbuch

39

Franz Josef Hausmann, Kleine Weltgeschichte der Metalexikographie

75

Peter Kühn, Schulwörterbücher sind lexikographische Langweil-Bestseller oder warum eine Wörterbuchkultur in Deutschland nicht in Gang kommt

111

Peter Kühn, Phraseologie und Lexikographie: Zur semantischen Kommentierung phraseologischer Einheiten im Wörterbuch

1 33

Elisabeth Link, Was ist eigentlich ein Lemma? oder: Gehört z.B. das "-" bzw. "..." in "meta-, Meta-" bzw. "meta..., Meta...," zum Lemma oder nicht? Anmerkungen zu einem Beitrag H.E. Wiegands zur Theorie der lexikographischen Sprachbeschreibung

155

Baidur Panzer, Handbuch des serbokroatischen Verbs I: Derivation

191

Wilfried Seibicke, Ein "Historisches Deutsches Vornamenbuch". Skizze eines Projektes

207

Herbert Ernst Wiegand, Wörterbuchstile: Das Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm und seine Neubearbeitung im Vergleich

227

Werner Wolski, Partikeln im Wörterbuch: Verständlichkeit von Artikeltexten und Verständigung über Partikelbedeutungen

279

Register

295

VII Vorwort

Im Heidelberger Lexikographischen Kolloquium, einer von mir geleiteten Veranstaltung am Germanistischen Seminar der Universität Heidelberg, haben sich vom Sommersemester 1983 bis zum Sommersemester 1987 Studierende, Kolleginnen und Kollegen aus Heidelberg, Lexikographen und andere Gäste aus dem In- und Ausland jeden Donnerstag während der neun Semester von 16 bis 18 Uhr und öfters auch länger (ja manchmal sogar - in der altstädtischen Umgebung des Seminars - fast zu lange) getroffen, um Entwürfe zu verhandeln, Einzelvorträge und Vortragsfolgen zu hören und zu diskutieren, Werkstattberichte anzuhören und Probeartikel für unterschiedliche Wörterbuchprojekte der ein- und zweisprachigen Lexikographie zu besprechen. In fast genau 100 Sitzungen des Kolloquiums wurden über 60 Einzelvorträge gehalten; 27 davon von auswärtigen Gästen. Für die Finanzierung der letzteren bedanke ich mich bei den Verantwortlichen der Ruprecht-Karls-Universität. Manche der Vorträge waren von vornherein nicht für eine Publikation gedacht, sondern Beiträge zu Fragen, die im Kolloquium entstanden waren; zahlreiche andere sind - häufig unter dem Einfluß der Diskussion - in modifizierter Form anderenorts bereits erschienen, z.B. in den "Studien zur neuhochdeutschen Lexikographie" (Bd. IV-VI, 1984-1988 hrsg. von H.E. Wiegand), in der "Zeitschrift für germanistische Linguistik", im "Internationalen Jahrbuch für Lexiv kographie" (Lexicographica Bd. 1, 1985 - Bd. 4, 1988 hrsg. von A. Kucera, A. Rey, H.E. Wiegand u. L. Zgusta) und in anderen Zeitschriften und Sammelbänden sowie in einigen Festschriften (z.B. der für L. Saltveit, für G. Drosdowski und L.E. Schmitt). Andere Beiträge wurden in Monographien eingearbeitet, darunter mehrere Dissertationen, die von mir betreut wurden bzw. derzeit noch betreut werden. Einige Beiträge zum Kolloquium konnten zu Magisterarbeiten ausgearbeitet werden. Andere waren Entwürfe für größere Artikel, die in folgendem fünften Handbuch der Reihe "Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft (HSK) " erscheinen: "Wörterbücher C: • U

E:

"-n internationales

Handbuch zur Lexikographie C-• J" > das von F.J. Hausmann, 0. Reichmann, H.E. Wiegand u. L. Zgusta herausgegeben und dessen erster von drei Teilbänden im Herbst 1989 erscheinen wird (nachfolgend = HSK 5). Schließlich werden eine ganze Reihe von Vorträgen, besonders solche aus dem WS 86/87 und dem SS 87, darunter einige, die ich selbst vorgetragen habe, in den Jahren 1989 und 1990 an anderer Stelle veröffentlicht. Seit dem Jahre 1985, in welchem der (aus Sondermitteln des Landes BadenWürttemberg finanzierte) Forschungsschwerpunkt Lexikographie an der Neuphilo-

VIII

Herbert

Ernst

Wiegand

logischen Fakultät der Universität Heidelberg eingerichtet wurde, war das Heidelberger Lexikographische Kolloquium zugleich auch das Diskussionsforum für projektübergreifende, wissenschaftliche Fragen, die in den sechs Teilprojekten des Forschungsschwerpunktes auftraten. Über diese Teilprojekte berichten kurz deren Leiter K. Baldinger, B. Müller, B. Panzer, 0. Reichmann, P. Hellwig und H.E. Wiegand in dem Band "Theorie und Praxis des lexikographischen Prozesses bei historischen Wörterbüchern. Akten der Fachkonferenz. Heidelberg, 3.6.-5.6.1986. Im Auftrag des

Internationalen Forschungsschwer-

punktes Lexikographie an der Neuphilologischen Fakultät der Universität Heidelberg. Hrsg. von H.E. Wiegand. Tübingen 1987 (Lexicographica. Series Maior 23)". Vom Heidelberger Lexikographischen Kolloquium sind wichtige Impulse für die Lexikographie und Wörterbuchforschung ausgegangen. Daher wird es - auch auf Wunsch mancher Teilnehmer - nach einjähriger Pause m i t erweitertem Gegenstandsbereich seit dem Sommersemester 1989 unter dem Titel "Kolloquium zur Lexikologie und Lexikographie"

fortgesetzt.

Daß das Kolloquium für viele Anregungen gebracht hat, ist seinen nachfolgend genannten Teilnehmern zu verdanken. Einige von ihnen waren fast immer dabei, viele oft, einige nur manchmal und wenige Gäste nur einmal. Als Leiter der Veranstaltung, aus der ich neben wertvollen Anregungen auch viele angenehme persönliche Erfahrungen mitnehmen durfte, bedanke ich mich sehr bei: Gerhard Äugst (Siegen), Kurt Baldinger (Heidelberg), Henning (Xrhus), Thomas Biedassek Brückner

(Koblenz), Andreas Blumenthal

Bergenholtz

(Heidelberg), Tobias

(Mannheim) , Günter Dickel ("t"; Heidelberg) , Günther Drosdowski

(Mann-

heim) , Karin Haenelt (Darmstadt), Gisela Harras (Mannheim), Ulrike Haß

(Mann-

heim) , Franz Josef Hausmann Hellmann

(Erlangen), Klaus Heger (Heidelberg), Manfred

(Mannheim), Peter Hellwig

(Heidelberg), Fritz Hermanns

Matthias Heyn (Stuttgart), Werner Holly (Trier), Marjan Horvat

(Heidelberg), (Heidelberg),

Werner Hupka (Augsburg), Jörg Michael Jungmann (Heidelberg), Otmar Käge (Braunschweig), Heidrun Kämper-Jensen (Braunschwpig), Alan Kirkness (Mannheim; Auckland), Kurt Kohn (Heidelberg), Klaus-Peter Konerding (Heidelberg), Peter Kühn (Trier), Lothar Lemnitzer (Münster), Andreas Liebert (Heidelberg), Elisabeth Link (Mannheim), Klaus Mattheier (Heidelberg), Wolfgang Mentrup (Mannheim), Frankwalt Möhren (Heidelberg), Klaus Mudersbach (Heidelberg), Bodo Müller (Heidelberg), Gustav Muthmann (Bochum-Langendreer), Baidur Panzer

(Heidelberg)i

Oskar Reichmann (Heidelberg), Martha Ripfel (Heidelberg), Stefan Rittgasser (Walldorf), Thorsten Roelcke (Heidelberg), Ingrid Rubik (Heidelberg), Stojan Sarlov

(Weliko Tarnovo), Walter Schmich (Dossenheim), Werner

Scholze-Stuben-

Vorwort r e c h t (Mannheim), K a r s t e n S e e b a s s

IX

(Heidelberg), W i n f r i e d S e i b i c k e

b e r g ) , M a r i a S m i t (Mückenloch), Heino Speer (Heidelberg), G e r h a r d S t r a u ß ter V i e h w e g e r

(Heidelberg), A n g e l i k a

(Mannheim), W o l f g a n g T e u b e r t

(Berlin/DDR), K a r e n W a l l o t

(HeidelStorrer

(Mannheim),

Die-

(Mossautal), M a t t h i a s W e r m k e

heim), H a r o l d Woetzel (Mannheim), W e r n e r Wolski

(Heidelberg), Dou X u e f u

berg; Peking), P a n Zaiping (Heidelberg; Shanghai) u n d G i s e l a Zifonun

(Mann(Heidel-

(Mannheim).

W i e aus d e n v o r s t e h e n d e n A u s f ü h r u n g e n h e r v o r g e h t , s t e l l e n d i e in d i e s e m B a n d a b g e d r u c k t e n zehn Beiträge nur e i n e r e c h t kleine A u s w a h l aus d e n V o r t r ä g e n d a r , d i e im K o l l o g u i u m v o r g e t r a g e n w u r d e n . D e n n o c h k ö n n e n sie e i n e n b e s c h e i d e n e n E i n d r u c k d a r ü b e r v e r m i t t e l n , daß im H e i d e l b e r g e r

Lexikographischen

K o l l o g u i u m alle v i e r F o r s c h u n g s g e b i e t e der W ö r t e r b u c h f o r s c h u n g , die W ö r t e r buchbenutzungsforschung, die kritische, die historische und die Wörterbuchforschung

systematische

(i.S.v. W i e g a n d : Der g e g e n w ä r t i g e Status der

Lexikogra-

phie und ihr V e r h ä l t n i s zu a n d e r e n D i s z i p l i n e n = Art. 29 in H S K 5) b e r ü c k sichtigt werden. Im F o l g e n d e n w e r d e ich d i e B e i t r ä g e in der R e i h e n f o l g e , in der sie a b g e d r u c k t sind, k u r z s k i z z i e r e n u n d sie g r o b in d i e g e g e n w ä r t i g e

Forschungs-

l a n d s c h a f t e i n o r d n e n . Dabei v e r w e i s e n die m i t e i n e m S t e r n c h e n v e r s e h e n e n fern

(z.B. 141*) auf d i e laufende N r . , u n t e r d e r ein T i t e l in f o l g e n d e r

liographie v e r z e i c h n e t ist: H.E. W i e g a n d : B i b l i o g r a p h i e zur

ZifBib-

Wörterbuchfor-

s c h u n g v o n 1945 bis auf d i e G e g e n w a r t . 2200 T i t e l . A u s g e w ä h l t aus

germanisti-

scher P e r s p e k t i v e . In: S t u d i e n zur n e u h o c h d e u t s c h e n L e x i k o g r a p h i e VI, 2. T e i l bd. M i t e i n e m N a m e n - u n d S a c h r e g i s t e r zu d e n B ä n d e n I-VI sowie einer

Biblio-

g r a p h i e zur W ö r t e r b u c h f o r s c h u n g . Hrsg. von H.E. W i e g a n d . H i l d e s h e i m .

Zürich.

New York 1988 Der

(Germanistische L i n g u i s t i k 8 7 - 9 0 / 1 9 8 6 ) ,

e r s t e

627-821.

B e i t r a g v o n G e r h a r d Ä u g s t m i t d e m Titel

"Rechtschreibfähig-

keit, Rechtschreibwissen und Rechtschreibwörterbuch", der nicht die erste Studie des A u t o r s zu R e c h t s c h r e i b w ö r t e r b ü c h e r n

ist

u . a . ein Beitrag zur W ö r t e r b u c h b e n u t z u n g s f o r s c h u n g ,

(vgl. G. Ä u g s t 2 0 2 2 * ) , d e r zeigt, daß d i e

n i s s e aus d i e s e m F o r s c h u n g s g e b i e t a u c h für t h e o r e t i s c h e Ü b e r l e g u n g e n

ist

Ergebergiebig

sein k ö n n e n , h i e r u.a. für solche ü b e r den Z u s a m m e n h a n g von R e c h t s c h r e i b f ä h i g k e i t und R e c h t s c h r e i b w i s s e n sowie

solche über d i e

Wörterbuchform von Recht-

s c h r e i b w ö r t e r b ü c h e r n . W a h r s c h e i n l i c h sind R e c h t s c h r e i b w ö r t e r b ü c h e r

diejenigen

e i n s p r a c h i g e n S p r a c h w ö r t e r b ü c h e r , d i e in D e u t s c h l a n d am h ä u f i g s t e n b e n u t z t w e r - den

(vgl. a u c h P. K ü h n in d i e s e m Bd.). A l l e r d i n g s ist das W i s s e n ü b e r d i e s e n

W ö r t e r b u c h t y p trotz e i n i g e r n e u e r e r U n t e r s u c h u n g e n Der

'Duden'. G e s c h i c h t e u n d A k t u a l i t ä t eines

(vgl. z.B.: W.W.

Sauer:

'Volksbuches'. S t u t t g a r t

G. H a t h e r a l l 628*; B. S c h a e d e r 1497* u. 2151*; M. Kohrt 2094*) d e r z e i t

1988; noch

x

Herbert

Ernst

Wiegand

n i c h t s e h r u m f a s s e n d , w e s w e g e n es a u c h s e h r z u b e g r ü ß e n i s t , d a ß in derzeit ein interdisziplinäres plant wird.

Insbesondere wußte man vor der hier veröffentlichten

ge-

Pilotstudie

v o n Ä u g s t so g u t w i e n i c h t s d a r ü b e r , w a s g e s c h i e h t , w e n n z . B . d a s Duden-Rechtschreibwörterbuch

Siegen

Kolloquium über Rechtschreibwörterbücher

Mannheimer

benutzt wird, um das gesuchte Wissen aus

dem

W ö r t e r b u c h t e i l u n d d e m sog. R e g e l t e i l z u e r a r b e i t e n . D i e E r g e b n i s s e ,

die

Äugst vorsichtig kommentiert,

hier

s i n d i m D e t a i l so r e i c h h a l t i g , d a ß s i e

n i c h t a n g e m e s s e n in s t a r k v e r k ü r z t e r F o r m z u s a m m e n g e f a ß t w e r d e n k ö n n e n . auf d i e s sei h i n g e w i e s e n :

Ganz besonders frappierend ist das Ergebnis,

beim Nachschlagen in dem angeblichen

"Volksbuch" die

Nur daß

Rechtschreibrichtigkeit

b e i S e k r e t ä r i n n e n n u r u m 16 % g e s t e i g e r t w e r d e n k o n n t e . N a c h m e i n e r

Auffas-

s u n g l i e g t d i e s - u n d d a s z e i g e n z . T . d i e P r o t o k o l l e a u c h - v o r a l l e m an d e r Wörterbuchform bzw. daran, daß diese den Benutzern nicht ausreichend ist. D i e E r g e b n i s s e v o n Ä u g s t w e i s e n in d i e s e r H i n s i c h t d i e g l e i c h e

bekannt Tendenz

auf, die ich bei der Benutzung v o n anderen W ö r t e r b ü c h e r n feststellen (vgl. W i e g a n d :

konnte

Strukturen von standardisierten Wörterbuchartikeln und

Wörter-

b u c h b e n u t z u n g , e r s c h e i n t in L e x i c o g r a p h i c a ) . D i e t e x t u e l l e n S t r u k t u r e n Wörterbüchern sind teilweise

von

derart komplex, und die formale Organisation

Wörterbücher als Nachschlagewerke

ist z.T. derart gedankenlos und

der

mangelhaft

(was z . T . d a r a n l i e g t , d a ß d i e L e x i k o g r a p h e n g e r a d e in d i e s e r H i n s i c h t ausreichende Ausbildung haben), daß die gesuchten lexikographischen

keine

Daten,

obwohl sie im benutzten Wörterbuch enthalten sind, häufig nicht g e f u n d e n w e r den. Der den Titel

z w e i t e

Beitrag

(S. 3 9 - 7 3 ) w u r d e v o n D o u X u e f u v e r f a ß t ; e r

"Neologismus und Neologismenwörterbuch".

hat die Neologismuslexikographie

ein verstärktes

Gerade in jüngster

trägt Zeit

Interesse gefunden. Man ver-

g l e i c h e z . B . K. H e l l e r / D . H e r b e r g / C h . L a n g e / R . S c h n e r r e r / D . S t e f f e n s : retische und praktische Probleme der Neologismuslexikographie.

Theo-

Überlegungen

u n d M a t e r i a l i e n z u e i n e m W ö r t e r b u c h d e r in d e r A l l g e m e i n s p r a c h e d e r D D R g e bräuchlichen Neologismen. Arbeitsberichte

B e r l i n / p D B ? 1988

184) u n d W. M ü l l e r :

(Linguistische Studien. Reihe

"Schlammschlacht":

Desiderat: Das deutsche Neologismenwörterbuch.

Schon gehört?

Ein

In: S p r a c h e u n d L i t e r a t u r

W i s s e n s c h a f t u n d U n t e r r i c h t 18. 1 9 8 7 , 8 2 - 9 0 s o w i e D. H e r b e r g : S t a n d u n d gaben der Neologismuslexikographie und Verweisstrukturen.

des Deutschen.

In: D a s W ö r t e r b u c h .

J a h r b u c h 1987 d e s I n s t i t u t s f ü r d e u t s c h e

Hrsg. von Gisela Harras. Düsseldorf

1988

(Sprache d e r G e g e n w a r t

265-283. - Besonders für die Auslandsgermanisten u n d für die

A.

in Auf-

Artikel

Sprache. LXXIV),

Lexikographen,

d i e im A u s l a n d z w e i s p r a c h i g e W ö r t e r b ü c h e r m i t D e u t s c h e r a r b e i t e n , i s t d a s

Vorwort Fehlen eines deutschen Neologismenwörterbuches ein Ärgernis. Da bei der Erarbeitung von großen zweisprachigen Wörterbüchern die deutschen Wörterbücher eine besonders wichtige Rolle spielen (vgl. Wiegand 1916* und Pan Zaiping/Wiegand 1313*), nennenswerte Neologismenwörterbücher aber nicht existieren, führt dies - wie der Autor zeigt - zu "Aktualitätslücken" in den zweisprachigen Wörterbüchern mit Deutsch. Aus diesen und einigen anderen Gründen arbeitet Dou Xuefu an einem deutsch-chinesischen Neologismenwörterbuch, zu dem er in seinem Beitrag auch eine Reihe von Probeartikeln vorstellt, z.B. zu den Lemmazeichen abchecken, gen, Frauenhaus, Retortenbaby,

Azubi, Basisdemokratie,

Gießkannenprinzip,

Walkman, Zeitsoldat

Leihmutter,

Dreckschleuder,

Mogelpackung,

entsor-

Politwitwe,

u.a. - Natürlich ist es erforderlich, daß

vor der Erarbeitung eines Neologismenwörterbuches lexikologische Überlegungen dazu angestellt werden, was unter einem Neologismus im Sprachstadium einer bestimmten Einzelsprache verstanden werden soll, und zwar nicht nur deswegen, weil Neologismus

ein notorisch schwer zu definierender Terminus ist, sondern

weil ohne eine relativ klare Abgrenzung bei jedem zweiten Lemmakandidaten die Frage der Lexikalisierung und/oder Wörterbuchwürdigkeit auftritt und das Problem der äußeren Selektion aus der Wörterbuchbasis kaum sachgerecht zu behandeln ist. Daher ist es angemessen, wenn sich Dou Xuefu ausführlich mit den Definitions- und Klassifikationsfragen befaßt, und es ist nicht verwunderlich, sondern zu erwarten, daß er für die Zwecke der zweisprachigen Lexikographie z.T. zu anderen Ergebnissen kommt als K. Heller et al., deren Untersuchungen Vorarbeiten zu einem einsprachigen Neologismenwörterbuch bilden. "Kleine Weltgeschichte der Metalexikographie" heißt der

dritte

Bei-

trag dieses Bandes (S. 75-109). Er ist verfaßt von F.J. Hausmann. Nach den Einsichten der Wissenschaftstheoretiker ist es - im Falle von jungen Forschungsfeldern - meistens ein Ausdruck für ihre Konsolidierung als eigenständige Disziplin, wenn man in ihnen beginnt, über die Geschichtlichkeit des eigenen wissenschaftlichen Tuns nachzudenken. Man beteiligt sich dann an der Etablierung einer fachlichen Tradition, die jedes wissenschaftliche Fach benötigt (vgl. Art. 29 in HSK 5). In diesem Zusammenhang ist der dritte Beitrag zu sehen. Einen solchen Einblick kann nur jemand geben, der nicht nur die Wörterbücher zu mehreren Sprachen und deren Geschichte ausgezeichnet kennt, sondern auch einen guten Überblick über die internationale Wörterbuchforschung in Vergangenheit und Gegenwart hat (vgl. z.B. auch Hausmann 633*, 640*, 646* und Art. 1 u. 26 in HSK 5). Hausmann beginnt mit der Darstellung der Conditioni del perfetto vocabulario des Paolo Beni, die - als Schlußteil von Wörterbuch-

XII

Herbert

Ernst

Wiegand

rezensionen - posthum publiziert wurden u n d ein Zeugnis für eine Wörterbuchkritik

im f r ü h e n 17. J h . d a r s t e l l e n , w e i l s i e m i t

fruchtbare

weiterführenden

Vorschlägen abgeschlossen wird. Der Autor unterscheidet sodann folgende lentypen für eine Geschichte der Metalexikographie: terbuchrezensionen,

Wörterbuchvorwörter,

e i n s c h l ä g i g e A r t i k e l in L e x i k a u n d E n z y k l o p ä d i e n ,

v a n t e A b s c h n i t t e in g r o ß e n w i s s e n s c h a f t l i c h e n Arbeiten zur Metalexikographie.

Handbüchern sowie

Dictionnaire1

Nach diesen Quellentypen ordnet er

im 4. Bd. d e r g r o ß e n E n z y k l o p ä d i e

besonders aufschlußreich

rele-

seine

(wenigstens für

Artikel

Germanisten)

ist. B e m e r k e n s w e r t i s t a u c h , d a ß v o r d e m 20.

selbständige metalexikographische der historischen Ausschnitte

Arbeiten sehr selten sind. Die

modernen Wörterbuchforschung

Jh.

Darstellung

i m 20. Jh. i s t auf d i e E n t w i c k l u n g i n

und den USA eingeschränkt, und es wird herausgearbeitet,

Frankreich

daß die Wurzeln

in F r a n k r e i c h z u s u c h e n s i n d . F ü r d i e U S A

schreibt Hausmann kurz den Weg der Forschung, der zur Gründung der

schau nach den Gründen für den Aufschwung der Metalexikographie u n d wissenschaftspolitische

be-

Aus-

zeigt,

und verschiedene

gesell-

s c h a f t l i c h e F a k t o r e n z u s a m m e n g e w i r k t h a b e n . Bei d e n P e r s p e k t i v e n k ö n n t e ergänzen, daß angestrebt werden sollte, daß die Wörterbuchforschung offiziellen akademischen Disziplin wird

mische Wörterbuchforschung.

zu

- Verlagslexikographie

Plädoyer für einen Diplom-Studiengang

k o g r a p h i e , e r s c h e i n t in d e n A k t e n d e r A n G e R o - T a g u n g ,

-

man einer

(i.S.v. A r t . 29 in H S K 5; v g l .

Wiegand: Einsprachige Gebrauchswörterbücher

der

"Diction-

a r y S o c i e t y of N o r t h A m e r i c a " g e f ü h r t h a t . S c h l i e ß l i c h h ä l t d e r A u t o r

wie wissenschaftsimmanente,

Wör-

eigenständige

Ü b e r s i c h t b i s z u m 1. W e l t k r i e g , w o b e i d i e D a r s t e l l u n g v o n d ' A l e m b e r t s 1

Quel-

auch

akade-

zur

Lexi-

8-10.3.1989 sowie

Sin-

clair 1628*) . Peter Kühn hat den den Titel

v i e r t e n

"Schulwörterbücher

Warum eine Wörterbuchkultur

Beitrag verfaßt

sind lexikographische

(S. 1 1 1 - 1 3 2 ) ; e r

trägt

Langweil-Bestseller

oder

in D e u t s c h l a n d n i c h t in G a n g k o m m t " . M a n t u t w o h l

n i e m a n d e m w e h u n d s a g t d i e W a h r h e i t , w e n n m a n P. K ü h n a l s d e n b e s t e n der deutschen Grundwortschatzlexikographie

bezeichnet;

die

Kenner

Wörterbuchfor-

s c h u n g v e r d a n k t i h m m e h r e r e A r b e i t e n , o h n e d i e e i n Z u r e c h t f i n d e n in d i e s e m weitverzweigten Gebiet ziemlich beschwerlich wäre. Man vgl. z.B. Kühn

959*

m i t e i n e r B i b l i o g r a p h i e v o n f a s t 400 T i t e l n , K ü h n 9 6 7 * s o w i e A r t .

in

148

H S K 5. A u c h e i n g r o ß e r T e i l d e r S c h u l w ö r t e r b ü c h e r g e h ö r t in d e n B e r e i c h d e r Grundwortschatzlexikographie.

D a ß es in D e u t s c h l a n d k e i n e a u s g e p r ä g t e

buchkultur gibt, vielmehr die usuelle Benutzung von einsprachigen chern durch Laien

Wörter-

Wörterbü-

(i.S.v. W i e g a n d 1 9 1 5 * ) ü b e r w i e g e n d a u f d i e K o n s u l t a t i o n

Rechtschreibwörterbüchern

beschränkt ist, gilt inzwischen als mehr oder

von

weni-

xl11

Vorwort g e r s i c h e r . K ü h n f r a g t in s e i n e m B e i t r a g n a c h d e n G r ü n d e n u n d e r k e n n t Gruppe von miteinander zusammenhängenden Gründen darin, daß sich die b u c h a r b e i t in d e r G r u n d s c h u l e

in d e r R e g e l n u r a u f d a s

charakter"

Schulwörterbüchern

"alphabetisierte Wortfriedhöfe ohne

s i n d , u n d d a ß s c h l i e ß l i c h d a s N a c h s c h l a g e n auf

Wörterbuch-

Rechtschreibpro-

bleme eingeengt wird. Schüler lernen daher Wörterbücher nur als lige, mehr oder weniger überflüssige Verdummungsbücher

Wörter-

Sich-im-Wörterbuch-

Zurechtfinden erstreckt und daß dies anhand von solchen geschieht, die langweilige

eine

kotzlangwei-

kennen. Wie

sollten

sie auf d i e Idee k o m m e n , s p ä t e r e i n m a l W ö r t e r b ü c h e r z u b e n u t z e n ? K ü h n jedoch bei der herben Kritik der Grundschulwörterbücher didaktik nicht stehen>

und der

Wörterbuch-

sondern macht interessante Vorschläge zu der

wie zukünftige Grundschulwörterbücher

bleibt

Frage,

konzipiert sein sollten. Man kann

h o f f e n , d a ß d i e j e n i g e n b ü r o k r a t i s c h e n K o h l k ö p f e , d i e so waren, die sog. Rechtschreibgrundwortschätze

nur

verantwortungslos

amtlich einzuführen, von

Plädoyer für einen neuen Typus von Grundschulwörterbüchern

Kenntnis

Kühns

erhalten,

so d a ß sie - d a sie o f f e n s i c h t l i c h n i c h t z u m V o r d e n k e n in d e r L a g e s i n d , n i g s t e n s z u m H i n t e r h e r - u n d in d i e s e m Z u s a m m e n h a n g v i e l l e i c h t z u m darüber kommen, was sie Der

f ü n f t e

einer Generation von Schülern zugemutet

Beitrag

"Phraseologie und Lexikographie:

Kommentierung phraseologischer

E i n h e i t e n im W ö r t e r b u c h "

Zur

Nachdenken

haben. semantischen

(S. 1 3 3 - 1 5 4 )

ebenfalls aus der Feder von Peter Kühn, der bereits mehrere

we-

stammt

Untersuchungen

z u r l e x i k o g r a p h i s c h e n B e a r b e i t u n g v o n P h r a s e m e n in d e n a l l g e m e i n e n

einspra-

chigen Wörterbüchern der deutschen Gegenwartssprache vorgelegt hat

(vgl.

9 5 8 * , 965* u n d A r t . 75 in H S K 5). Z u s a m m e n m i t H. B u r g e r A r t . 46 in H S K 5) s o w i e d e n Bd.

(vgl. z.B. 248*

"Aktuelle Probleme der Phraseologie", der

Bd. 9 d e r Z ü r i c h e r g e r m a n i s t i s c h e n S t u d i e n e r s c h i e n e n i s t ) , m i t J. (vgl. u . a . 1 3 1 * , 9 1 8 * s o w i e d e n B e i t r a g in d e r FS für U. E n g e l , 1988, 2 0 0 - 2 1 7 ) , m i t K . D . P i l z

und

(vgl. u . a .

als

Korhonen

Heidelberg

1346*) s o w i e e i n i g e n a n d e r e n

For-

s c h e r n g e h ö r t P. K ü h n z u d e n b e s t e n K e n n e r n d e r d e u t s c h e n

Phraseographie.

Neben der lexikographischen Beschreibung der Morphosyntax

für die

ausländi-

(vgl. h i e r z u

demnächst

schen Benutzer und neben den Problemen der Anordnung

H.E. Wiegand: Die äußere und innere Anordnung der Phraseme

im

e i n s p r a c h i g e n W ö r t e r b u c h . K r i t i k u n d V o r s c h l ä g e , e r s c h e i n t in sind besonders die Fragen der lexikographischen

allgemeinen Lexicographica)

Beschreibung der

Bedeutung

von Phrasemen schwierig und werden derzeit relativ kontrovers diskutiert. v v e r g l e i c h e z . B . d e n B e i t r a g v o n I.A. M e l ' c u k / T . lexikographischen Lexeme

Reuther:

Bemerkungen

Beschreibung von Phraseologismen und zum Problem

(an B e i s p i e l e n a u s d e m D e u t s c h e n ) .

In: W i e n e r L i n g u i s t i s c h e

Man

zur

unikaler Gazette

Xiv

Herbert Ernst

Wiegand

33-34/1984, 19-34 mit den Ausführungen Kühns in diesem Band, in denen er den früher eingeschlagenen Weg weiterverfolgt; es ist m.E. derjenige Weg, der in die richtige Richtung führt und dessen konseguentes Beschreiten weitere fruchtbare Ergebnisse erwarten läßt, auch wenn man hier - angesichts von wenigstens 30.000 Phrasemen (so meine Schätzung) innerhalb des gegenwärtigen Standarddeutschen - mit Überraschungen rechnen muß. Nach einer kurzen, zielführenden Einsicht in die phraseologische Forschung unter dem Aspekt "Semantik kontra Pragmatik" stellt Kühn ausführlich den Gebrauch des Phrasems darüber darfst du dir keine grauen Haare wachsen lassen in einem Textausschnitt aus Fontanes Roman "Frau Jenny Treibel" dar und konfrontiert diese Interpretation mit den Bedeutungsparaphrasenangaben zu diesem Phrasem in allgemeinen einsprachigen und speziellen phraseologischen Wörterbüchern. Er zeigt, daß die zu Gruppen geordneten Bedeutungsvorschläge der Wörterbücher allesamt zu reduktionistisch und in Kühns Sinne "vorpragmatisch" sind, weil sie nicht berücksichtigen, daß Phraseme des behandelten Typs sich von ihren nicht-phraseologischen Entsprechungen, die üblicherweise in den Bedeutungsparaphrasenangaben mitgeteilt werden, dadurch unterscheiden, daß die Sprecher/Schreiber, wenn sie Phraseme verwenden, mit ihnen nicht nur auf etwas Bezug nehmen, sondern auch Einstellungen zum Ausdruck bringen. Kühns abschließende Vorschläge für die lexikographische Beschreibung sind m.E. anregend und weiterführend. Für größere phraseologische Wörterbücher sind sie bereits in der vorliegenden Form brauchbare Vorlagen. Für allgemeine einsprachige Wörterbücher bleibt das Problem, welche Arten von Einstellungen es überhaupt gibt und wie sie systematisiert und in hochverdichtete und weitgehend standardisierte Wörterbuchartikel beschreibungstechnisch integriert werden sollen. Derzeit stellt sich mir das Problem so dar, daß man in Wörterbüchern, deren Artikel integrierte Mikrostrukturen aufweisen, die Phraseme innerhalb eines phraseologischen Postkommentars als Sublemmata aufführen muß, die vom kundigen Benutzer über eine innere Schnellzugriffsstruktur erreichbar sind und deren Gebrauch mittels einer sublemmatisch adressierten, kommentierenden

Angabe

erläutert wird, wobei ein spezielles Vokabular zur Erläuterung

der Einstellungen, Bewertungen u.a.m. bisher nicht zur Verfügung steht (vgl. Wiegand, a.a.O. sowie Art. 38a: Der Begriff d.er Mikrostruktur: Geschichte, Probleme, Perspektiven und 39: Arten von Mikrostrukturen im allgemeinen einsprachigen Wörterbuch in HSK 5). Der

sechste

Beitrag (S. 155-190) wurde von Elisabeth Link geschrie-

ben; sein Titel lautet: "Was ist eigentlich ein Lemma? oder: Gehört z.B. das "-" bzw. "..." in "meta-, Meta-" bzw. "meta..., Meta..." zum Lemma oder nicht?

Vorwort

xv

Anmerkungen zu einem Beitrag H.E. Wiegands zur Theorie der lexikographischen Sprachbeschreibung". Da es sich hier um eine - und dies sei expressis verbis vermerkt - in einigen interessanten Punkten weiterführende Auseinandersetzung mit einer Arbeit von mir handelt (vgl. Wiegand 1890*), die auch - neben anderen Überlegungen insonderheit solcher zum Strukturbegriff - dazu beigetragen hat, daß ich den Lemmabegriff - wie ich hoffe - inzwischen weiter präzisieren konnte (diese Überlegungen erscheinen im Rahmen einer Monographie), möchte ich - sozusagen aus Gründen des wissenschaftlichen Stils - an dieser Stelle auf eine nähere Charakterisierung des Beitrages verzichten. Der

siebte

Beitrag (S. 191-206) mit dem Titel "Handbuch des serbo-

kroatischen Verbs I: Derivation" stammt von Baidur Panzer. Es geht um ein Wörterbuchprojekt, das im Rahmen des Forschungsschwerpunktes Lexikographie gefördert wurde. Der Teil II. des Handbuches wird ein Valenzwörterbuch sein. Ein vergleichbares Wörterbuch gibt es bisher m.W. nicht. Es handelt sich um ein Nachschlagewerk, in dem alle erreichbaren Derivate zu einem Grundwort in einer bestimmten Anordnung systematisch verzeichnet werden, so daß ein solches Wörterbuch als eine Vorstufe für eine Derivationsgrammatik aufgefaßt werden kann, in der dann die Derivationsregeln explizit und relativ zu dem unterlegten Grammatikkonzept formuliert werden können. Natürlich ist ein solches Wörterbuch insbesondere für Sprachen von großem Interesse, in denen wie in den slavischen Sprachen - die Wortbildungsmittel bestimmte grammatische Funktionen übernehmen. Das Interesse an einem solchen Wörterbuch wird dann noch größer, wenn es sich - wie im Falle des Serbokroatischen - um eine Sprache handelt, die noch nicht als wohlerforscht gelten kann, so daß erst die Grundlagen geschaffen werden müssen, um z.B. den gesamten Umfang der Aspekt- und Aktionsartenbildung im gesamten Serbokroatischen sowie bei jedem einzelnen Verb beurteilen zu können. Die Ziele dieses Wörterbuches sowie sein Aufbau werden also nur vor dem - hier nur grob skizzierten - Hintergrund verständlich. Nach den Ausführungen über Voraussetzungen und Ziele des Wörterbuches beschreibt der Autor die Struktur der Wörterbuchartikel und begründet die äußere Selektion. Den Abschluß des Beitrages bilden Musterartikel. Im

achten

Beitrag (S. 207-225) mit dem Titel "Ein Historisches Deutsches

Vornamenbuch. Skizze eines Projektes" legt mein Heidelberger Kollege, Wilfried Seibicke, langjähriger Berater und Gutachter der Gesellschaft für deutsche Sprache in allen Vornamenangelegenheiten und einer der intimsten Kenner der deutschen Personennamenforschung und -lexikographie (vgl. u.a. 1616* u. Art. 136 in HSK 5) einen Wörterbuchplan mit einigen Probeartikeln im Anhang vor zu einem in Arbeit befindlichen (die Artikelstrecke A ist abgeschlossen) Wörter-

XVI

Herbert

buch,

Ernst

Wiegand

das ein D e s i d e r a t u m d e r g e r m a n i s t i s c h e n O n o m a s t i k ist, d a es ja b i s -

her k e i n g r ö ß e r e s , w i s s e n s c h a f t l i c h g e a r b e i t e t e s h i s t o r i s c h e s

Wörterbuch

d e r d e u t s c h e n V o r n a m e n gibt, u n d d a s n e b e n d e m F r ü h n e u h o c h d e u t s c h e n buch

(dessen 1. Bd. m i t 285 S. V o r s p a n n u n d 1632 v o n 0. R e i c h m a n n

W ö r t e r b u c h s p a l t e n i n z w i s c h e n e r s c h i e n e n ist) das zweite g r o ß e

bearb.

historische

W ö r t e r b u c h ist, das am G e r m a n i s t i s c h e n S e m i n a r d e r U n i v e r s i t ä t e r a r b e i t e t wird. S e i b i c k e e r k l ä r t z u n ä c h s t - b e z o g e n auf d i e

Wörter-

Heidelberg

Forschungs-

lage - die M o t i v a t i o n für d i e s e s W ö r t e r b u c h u n d seine Ziele, das d u r c h eine B i b l i o g r a p h i e zur V o r n a m e n g e b u n g

im N e u h o c h d e u t s c h e n u n d e i n e n

schen Teil zur T h e o r i e u n d G e s c h i c h t e d e r V o r n a m e n zu e i n e m

systemati-

allgemeinen

H a n d b u c h d e r V o r n a m e n f o r s c h u n g e r w e i t e r t w e r d e n soll. Sodann b e s c h r e i b t er die W ö r t e r b u c h b a s i s , die aus V e r ö f f e n t l i c h u n g e n s e i t 1440 b e s t e h t , die e i n e r A u s w a h l e x z e r p t i o n u n t e r z o g e n w u r d e n . Das ä u ß e r e Z u g r i f f s p r o f i l des buches

Wörter-

(i.S.v. W i e g a n d : Art. 38 A s p e k t e d e r M a k r o s t r u k t u r im a l l g e m e i n e n

e i n s p r a c h i g e n W ö r t e r b u c h : a l p h a b e t i s c h e A n o r d n u n g s f o r m e n u n d ihre P r o b l e m e in HSK 5) kann g r o b so c h a r a k t e r i s i e r t w e r d e n : Die r e g i s t e r e x t e r n e , Hauptzugriffsstruktur

ist s t r i k t a l p h a b e t i s c h ;

es g i b t e i n e zweite

äußere

regi-

s t e r i n t e r n e Z u g r i f f s s t r u k t u r , ü b e r die m a n auf d i e j e n i g e n N a m e n f o r m e n

zu-

g r e i f e n kann, die nur a r t i k e l i n t e r n e r s c h e i n e n , d e n n als L e m m a t a w e r d e n nur a k z e p t a b l e setzt

g r a p h i s c h e V o r n a m e n f o r m e n v o n e i n t r a g b a r e n V o r n a m e n ange-

(mit A u s n a h m e v o n B i n d e s t r i c h k o m b i n a t i o n e n ) .

Das W ö r t e r b u c h i s t also

v o r l ä u f i g als p o l y a k z e s s i v e s W ö r t e r b u c h m i t e i n e r M a k r o s t r u k t u r u n d zwei ä u ß e r e n Z u g r i f f s s t r u k t u r e n g e p l a n t - S e i b i c k e e r w ä h n t jedoch, d a ß z.B. ein r ü c k l ä u f i g e s R e g i s t e r s ä m t l i c h e r w ö r t e r b u c h i n t e r n e r N a m e n s f o r m e n s c h e n s w e r t w ä r e - . W e i t e r h i n b e s c h r e i b t S e i b i c k e d e n A u f b a u der

auch

wün-

Wörterbuchar-

tikel, die - w e n n d a s M i k r o s t r u k t u r p r o g r a m m d e s W ö r t e r b u c h e s v o l l s t ä n d i g a r b e i t e t w e r d e n k a n n - aus v i e r "Blöcken" b e s t e h e n . Im Block I w i r d d i e guistische Deskription einer Namensform präsentiert einschließlich scher A n g a b e n ; Block

II

ist r e l i g i o n s g e s c h i c h t l i c h

(wegen der

abgelin-

etymologi-

Namenstage);

im Block III w e r d e n d i e Belege a u f g e f ü h r t u n d u n t e r w e c h s e l n d e n A s p e k t e n mentiert, und schließlich enthält

Block IV

bibliographische Angaben.

tert m a n die v o n m i r für a l l g e m e i n e e i n s p r a c h i g e W ö r t e r b ü c h e r T h e o r i e für W ö r t e r b u c h t e x t e um e i n i g e A n g a b e k l a s s e n

kom-

Erwei-

ausgearbeitete

(was d e m n ä c h s t am Bei-

spiel d e s F r ü h n e u h o c h d e u t s c h e n W ö r t e r b u c h e s g e z e i g t w i r d ) , d a n n lassen

sich

auch d i e M i k r o s t r u k t u r e n d e r P r o b e a r t i k e l S e i b i c k e s auf d e r Basis d i e s e r

Theo-

rie a n a l y s i e r e n u n d so d a r s t e l l e n , d a ß sie m i t d e n e n a n d e r e r W ö r t e r b ü c h e r stematisch verglichen werden Der

n e u n t e

Beitrag

können.

(S. 227-278) m i t d e m Titel " W ö r t e r b u c h s t i l e :

das

sy-

Vorwort

XVII

Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm und seine Neubearbeitung

im V e r -

gleich" wurde von mir verfaßt. Anknüpfend an den älteren Gebrauch des

Termi-

n u s Wörterbuchstil

wird dieser zunächst handlungstheoretisch

einfachen Wörterbuchartikeln T e r m i n u s Wörterbuchstil

f u n d i e r t u n d an

aus d e r F e d e r J a c o b G r i m m s e i n g e f ü h r t . D a m i t d e r

a u c h für k o m p l e x e r e A r t i k e l v e r w e n d b a r

e i n e m l ä n g e r e n E x k u r s - e i n n e u e r T e r m i n u s Mikrostruktur

ist, w i r d - in

eingeführt

(vgl.

H S K 5, A r t . 36, 38a u. 39); a n s c h l i e ß e n d w e r d e n n e u n b e s o n d e r s w i c h t i g e von Wörterbuchartikeln

im s t r i k t a l p h a b e t i s c h e n

dann der frühe Wörterbuchstil

Jacob Grimms

Stilzüqe

Wörterbuch herausgestellt

in d e r 1. L i e f e r u n g

ich o b e n g e l e h r t h a b e " als b e l e h r e n d c h a r a k t e r i s i e r t w e r d e n . D e r S t i l suggestive, narrative, deskriptive und normative

ten m ü s s e n , w e n n n i c h t u n l i e b s a m e S t ö r f a k t o r e n a u f g e t r e t e n w ä r e n ! in l e x i k o g r a p h i s c h e r

Form mit allen ihren

wissereien, unbewiesenen etymologischen Vermutungen, einseitigen

nen, philologisch-chaotischen

entfal-

Diese

viduellen und spekulativen Zügen, ihren persönlichen Bekenntnissen,

diesen z.T. wunderschönen mit geheimnisvollen

hat

deutsche

S p r a c h e s i c h aus i h r e n W u r z e l n e n t f a l t e t h a t b z w . w i e sie s i c h h ä t t e

Belehrung

"wie

Züge;

J. G r i m m b e n u t z t d a s W ö r t e r b u c h , u m d e r N a t i o n zu l e h r e n , w i e die

sprachhistorische

und

untersucht.

D i e s e r k a n n a l s u n t e r h a l t s a m u n d a n k n ü p f e n d an V e r w e i s a n g a b e n w i e z.B.

argumentative,

auch

indi-

Besser-

Belegungen,

Pfaden zum Urbegriff

durchzoge-

K o s m o s aus d e r F e d e r e i n e s G r o ß e n g a n z n e u -

s o z u s a g e n m i t d e n K u g e l s c h r e i b e r n v i e l e r K l e i n e r - b e a r b e i t e n zu l a s s e n ,

war

- so m u ß d e n V e r a n t w o r t l i c h e n b e s c h e i n i g t w e r d e n - s i c h e r l i c h e i n a r g e r

Miß-

g r i f f . S i e h t m a n g e n a u e r h i n , d a n n i s t a l l e r d i n g s bei d e r N e u b e a r b e i t u n g

vom

a l t e n G r i m m f a s t n u r d e r g u t e N a m e auf d e m T i t e l b l a t t g e b l i e b e n . Die

starken

Unterschiede

viel-

zwischen dem alten und dem neuen Grimm zeigt auch

leicht sogar gerade)

der Vergleich der Wörterbuchstile.

len l i e g e n W e l t e n . D e r S t i l d e r N e u b e a r b e i t u n g

(oder

Zwischen beiden

ist durchgehend

e r i s t in a l l e n A r t i k e l t e i l e n , w a s d i e W a h l d e r A n g a b e n u n d i h r e angeht, weitgehend einheitlich und ausgewogen. A n g a b e n i s t e r an d i e E i g e n s c h a f t e n

Innerhalb der

Anordnung

kommentierenden

jeweiliger Lemmazeichen angepaßt und

d a h e r als g e s c h m e i d i g c h a r a k t e r i s i e r t w e r d e n . Er t r ä g t n ü c h t e r n e Z ü g e , wissenschaftlich-explikativ

und dokumentativ, der Wörterbuchstil eines

b e i t e r t e a m s , d a s w e i t g e h e n d an d e r L e i n e v o n I n s t r u k t i o n e n f o r m u l i e r t . Benutzer erwarten vorinterpretierte

Sti-

beschreibend;

und übersichtlich geordnete Daten

weiteren Bearbeitung.- Um die Neubearbeitung

i s t es b i s h e r a u f f ä l l i g

g e b l i e b e n . O b w o h l sie b i s h e r u n g e h e u r e G e l d e r v e r s c h l u c k t h a t - u n d noch verschluckt - , ist bisher - was ein bemerkenswertes noch keine nennenswerte Rezension erschienen

kann

ist BearDen zur

ruhig laufend

Faktum darstellt

(vgl. a b e r d e m n ä c h s t

Reichmann

-

XVIII

Herbert Ernst

Wiegand

in ZPSK). Bei der Planung des Bandes "Studien zum Deutschen Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm. Hrsg. von A. Kirkness, P. Kühn und H.E. Wiegand, der 1990 in der Reihe "Lexicographica. Series Maior" erscheinen wird, haben sich die Herausgeber bemüht, daß auch die Neubearbeitung angemessen berücksichtigt wird. Der

zehnte

und letzte Beitrag dieses Bandes (S. 279-293) stammt von

Werner Wolski; sein Titel lautet: Partikeln im Wörterbuch: Verständlichkeit von Artikeltexten und Verständigung über Partikelbedeutungen. W. Wolski, der aufgrund seiner Habilitationsschrift zur Partikellexikographie

(vgl. Wolski

1961* u. auch 1958*, 1959*, 1962* sowie Art. 72 in HSK 5), deren Ergebnisse auch in dem gerade erschienenen "Lexikon deutscher Partikeln" von Gerhard Heibig (Leipzig 1988) berücksichtigt wurden, bei der Bearbeitung eines solchen Themas sozusagen "aus dem Vollen schöpfen" kann (man beachte, daß mit der Verwendung von Phrasemen Einstellungen zum Ausdruck gebracht werden, vgl. oben), lenkt mit diesem Beitrag die Aufmerksamkeit der Wörterbuchforschung auf einen wichtigen Aspekt: die Verständlichkeit von Artikeltexten, in denen Lemmazeichen bearbeitet werden, die nicht zur Nennlexik gehören und keine typischen "Nachschlagewörter" sind. Verständlichkeitsprobleme entstehen im Zusammenhang mit der lexikographischen Beschreibung von Partikeln im engeren Sinne (Modal-, Abtönungs-, Gradpartikel, Gesprächswörter) erst dann, wenn sie nicht mehr, was über Jahrhunderte ein eingespielter Brauch war und auf einem Verständigungsprozeß zwischen Sprachwissenschaftlern und Lexikographen beruht, mit dem üblichen (aber weitgehend falschen) Kommentierungsvokabular drückt eine Verstärkung

oder einen Zweifel oder Verwunderung

(z.B.

aus) als Teile

von Beispielangaben erläutert werden, sondern wenn ihre (relativ abstrakte und u.U. ihre generische) Bedeutung als lexikalische Einheiten aufgrund der neueren linguistischen Partikelforschung in standardisierter und verdichteter Form in spezifischen Textsegmenten angegeben werden soll, womit dann wie Wolski historisch entwickelt - die harmonisierende Übereinstimmung zwischen Wörterbuchmachern und potentiellen Benutzern, die mindestens seit Adelung durchgängig besteht, aufgebrochen wird; sie hat verdeckt, daß der Benutzer über die lexikalische Bedeutung entsprechender Lemmazeichen in den üblichen Wörterbüchern so gut wie nichts erfahren kann und über sog. kommunikative Funktionen innerhalb von Kotexten nur das, was er ohnehin schon weiß. Denn das Ergebnis des Verständigungsprozesses der älteren Sprachwissenschaft und der Lexikographie über Partikelbedeutungen besteht darin, daß systematisch aber verständlich

an

den Partikeln vorbeikommentiert wird. Das Problem

der Verständlichkeit ergibt sich also im Falle der Partikeln nicht nur daraus,

Vorwort

XIX

daß d i e A r t i k e l t e x t e k o m p l e x e T e x t s t r u k t u r e n h a b e n , s o n d e r n aus d e r digkeit, daß geläufige Textversatzstücke

(wie dient

der

z u W o l s k i 1961*) d u r c h t h e o r i e b e z o g e n e E r l ä u t e r u n g e n

Verstärkung,

(aber ohne

Notwenvgl.

da-

linguistische

Spezialtermini) ersetzt werden müssen, die dem Benutzer, der nicht Linguist ist, d e n n o c h n i c h t o h n e w e i t e r e s e i n s i c h t i g sein m ü s s e n . In d i e s e m h a n g w ä r e es eine l o h n e n d e A u f g a b e d e r e m p i r i s c h e n

Zusammen-

Wörterbuchbenutzungsfor-

s c h u n g , d i e V e r s t ä n d l i c h k e i t v o n H e l b i g s Artikel zu testen. Zum S c h l u ß m ö c h t e ich d e n e n d a n k e n , die bei der H e r s t e l l u n g des

Bandes

g e h o l f e n h a b e n : U r s u l a Quoos für d i e H e r s t e l l u n g d e s T y p o s k r i p t e s u n d M a r t h a R i p f e l für d i e r e d a k t i o n e l l e B e t r e u u n g des g e s a m t e n Bandes sowie für d i e E r arbeitung des O u l u , im A p r i l

Sachregisters. 1989

H.E.W.

GERHARD ÄUGST RECHTSCHREIBFÄHIGKEIT, RECHTSCHREIBWISSEN UND RECHTSCHREIBWÖRTERBUCH Abstract This arpirical survey is concerned with the knowledge of spelling and the ability of checking the spelling in the Duden. 31 students and 20 secretaries fill out a ccrrpletion test dictation with 10 items (spelling, capitalization, orthography, and punctuation). After each item, the students are to write down everything conoerning orthography that crossed their mind while in the procedure of writing; the secretaries are asked - in an individual test - to check whether the closen spelling is right or wrong in their cwn Euden. In the course of this, the loudly uttered spelling hypotheses and the strategies of looking up an itan are taken down in a protocol. Findings: 70 % of the students and secretaries fill out the gaps correctly. 52 % of the students are able to nana the spelling problem which is of iirportance concerning the 10 itsns; but only in 8 % of all cases a descriptively adequate rule is given, which conducted than during the process of writing. In 59 % of the cases, the secretaries, by looking up the items in the vocabulary and/or in the gramnar section, find a solution which subjectively satisfies them; but only in 37 % of the cases they are objectively able to find an adequate entry or a rule in the gramer section. The share of correct spellings is increased by 16 % by looking up the items. Result: Spelling is largely an unconscious ability like speaking. The caipetence is acquired by practice or by systematically learning the spelling rules, which then sicker into the subconscious (interiorization). That is the reason why the students are not able to recognize the problems and nane the rules which conducted them while in the process of writing; also, the secretaries lack useful writing and alternative hypotheses in order to activate an act of looking up itans. Over and above that, the strategies of using the IXiden are underdeveloped. The IXden itself proves to be in need of inprovement in sane parts. Einleitung I.

Rechtschreibfähigkeit 1. Problanstellung, 2. Erhebung, 3. Befund

II. Rechtschreibwissen 1. Problemstellung, 2. Erhebung, 3. Befund III. Nachschlagen im Rechtschreitvörterbuch 1. Problemstellung, 2. Erhebung, 3. Befund Ergebnisse

2

Gerhard Äugst Si neno ex me quaerat, scio; si quaeranti explicare velim, nescio.

Dieser Ausspruch des Kirchenvaters Augustinus "Wenn mich niemand fragt, weiß ich es; wenn ich es jemandem, der fragt, erklären will, weiß ich es nicht" formuliert in prägnanter Weise das Phänomen und damit das Problem dieses Aufsatzes: Was wissen Schreiber darüber, warum sie ein Wort so geschrieben haben, wie sie es geschrieben haben, oder über ein Komma, das sie gesetzt oder nicht gesetzt haben? Welche Möglichkeiten und Strategien haben Schreiber, eine gewählte Schreibung oder Kommatierung durch ein Rechtschreibwörterbuch als normgerecht zu überprüfen? Die Dreiteilung der Überschrift legt schon eine Dreiteilung der Darstellung nahe. Im ersten Teil wird die Rechtschreibfähigkeit, im zweiten das Rechtschreibwissen und im dritten das Nachschlagen im Wörterbuch dargestellt. Da mir keine Untersuchungen auf diesem Gebiet bekannt sind, kann es sich nur um eine erste Studie handeln. Sollten die Ergebnisse sich bestätigen, so hat das ganz gewiß Einfluß auf den Rechtschreibunterricht, auf die Abfassung von Rechtschreibregeln und auf die Gestaltung von Rechtschreibwörterbüchern.^

I.

Rechtschreibfähigkeit

1.1 Problemstellung Um die Rechtschreibfähigkeit zu überprüfen j haben wir unseren Probanden eine Liste von 10 ausgewählten Rechtschreibproblemen/-aufgaben gegeben, die sie lösen sollten. Die Rechtschreibfähigkeit steht in dieser Untersuchung nicht im Zentrum; es geht auch nicht darum, die Klage über schlechte Rechtschreibkenntnisse zu bestätigen oder zu widerlegen. Die in der Untersuchung gestellten Schreibungs- und Kommatierungsaufgaben sind vielmehr methodisch die Grundlage für die Darlegung des Rechtschreibwissens und der Ausgangspunkt für das Nachschlagen im Wörterbuch. Die gewählten 10 Rechtschreibbeispiele sind daher nicht ein repräsentativer Durchschnitt zu dem Phänomen Rechtschreibfähigkeit, sondern danach ausgesucht, daß sie vielleicht besonders plastisch das Rechtschreibwissen und die Strategie des Nachschlagens verdeutlichen. Die Auswahl der Beispiele wurde daraufhin vorab bei 15 Germanistikstudenten getestet. Drei Beispiele betreffen die Laut-Buchstaben-Beziehung

("du mixt,

Kennummer, wäßrig"), zwei die Getrennt- und Zusammenschreibung ("leicht verdaulich/leichtverdaulich, Auf fällt"), zwei die Groß- und Kleinschreibung 1

Ich danke Frau Andrea Hbppner und Frau Ulrike Ekerhardt für die Durchführung der Befragungen und eine systematische Zusamenstellung der Befunde. Sie haben mich während der Diskussion über den Befund auf manche Beobachtungen erst aufmerksam gemacht.

Rechtschreibfähigkeit,

Rechtschreibwissen,

Rechtschreibwörterbuch

3

("Mittwoch abends, im Bezug") und drei das Komma (Infinitiv als Subjekt, Komma vor "und", Wahlkomma bei "besonders(,) wenn"). 1.2 Erhebung An der Befragung nahmen 31 Student/inn/en (im folgenden immer "Studenten") der Ingenieur- und Sozialwissenschaften und 20 Sekretärinnen an der Universität Siegen teil. In einen vorbereiteten Bogen sollten die sieben diktierten Wörter eingetragen und in drei Sätzen die möglichen Kommata gesetzt werden. Etwa je zur Hälfte wurden zwei Varianten mit willkürlicher Reihenfolge benutzt, um den Lerneffekt während des Tests gleichmäßig zu verteilen. Die Studenten erhielten einen Zettel, der nach jedem Lückensatz zwei Leerzeilen hatte, in die sie alles eintragen sollten, was ihnen zu der gewählten Schreibung durch den Kopf gegangen war; die Sekretärinnen wurden sofort nach jedem Eintrag gebeten, an Hand des von ihnen benutzten Dudens die Schreibung auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Ich erwähne dies hier schon, weil natürlich in dieser Testsituation die Rechtschreibung stark in den Brennpunkt rückt, so daß der Zwang der Begründung bzw. zum Nachschlagen sich spätestens beim zweiten Beispiel auch auf die Schreibung selbst ausgewirkt hat. (Zur genaueren Durchführung der Befragung vgl. Teil 2.) 1.3 Befund In der folgenden Aufstellung werden alle Textbeispiele angeführt mit den verschiedenen Schreibvarianten, einschließlich vorgenommener Korrekturen. Die guantitativen Ergebnisse sind für die Studenten und Sekretärinnen zunächst getrennt angeführt in absoluten Zahlen und in Prozent.

Vfort 1. Mixt cb mir einen Drink? Mixed Mixest Mixst Mixst ("s" durchgestrichen) Jeder Ausweis trägt eine Kenmirmer Kennnumer (3. "n" durchgestrichen) Kennmimer Kenn-Nunner Kenn-Nr.

Studenten 27 2 1 1

87% 7 3 3

-

-

19 2 8 1 1

61 7 26 3 3

Sekretärinnen 14

70%

2 3 1

10 15 5

16 1 1 2

80 5 5 10

-

-

Gerhard

Augst

Studenten 3.

Das i s t eine wäßrige Lösung. wäßrige-Lösung wässrige wässerige

II

Zusamen- und Getrenntschreibung

4.

Leichtverdauliche/Gutverdauliche Speisen erhalten Sie im Reformhaus. leicht verdauliche leicht-verdauliche "beides mcglich" (Bei den Sekretärinnen heißt es "gut".)

5.

Hinzu kaimt, daß die Arbeitslosigkeit iitmer noch zuninmt Hinzu/kcmrt Hinzukamt (Bei den Sekretärinnen: "ftuf f ä l l t " )

Sekretärinnen

5 16% 1 3 24 77 1 3

2 18 -

10% 90

5 16 25 81 1 3 -

2 17 -

10 85 1 5

27 87 1 3 3 10

1 19

5 95

I I I Groß- und Kleinschreibung 6.

Er könnt regelmäßig Mittwoch abends mittwoch abends Mittwoch Abends Mittwochabends mittwochabends Mittwoch/aberris (durch Duden)

13 5 2 5 3 3

42 16 7 16 10 10

14 3

70 15 1 5 1 5 1 5

7.

Im Bezug auf Ihr weiteres Vorgehen werden Sie sich bitte an Ihren Rechtsanwalt im bezug im B/bezug

26 3 2

84 10 7

16 4 -

80 20

Schreibe den Brief sofortt,) und bringe ihn bald zur Post. kein Kalma Katma erst gesetzt, dann gestrichen

18 58 12 39 1 3

14 6 -

70 30 -

Löhne und Preise im Gleichgewicht zu halten nicht leicht. kein Kemna Kaima nicht entscheidbar

13 42 17 55 1 3

13 6

65 30 1 5

22 3 3 -

11 5 3

55 25

IV Kcnrtia 8.

9.

10.

ist

Es i s t schwierig zu parken, besonderst,) wenn verkaufsoffener Samstag i s t . zu parken, besonders wann zu parken, besonders, wenn zu parken besonders, wenn zu parken, besonders(,) wann wsiß nicht zu parken besonders wenn

70 10 10 10

1 -

15 5 -

Es l i e ß e sich s i c h e r im Einzelnen v i e l dazu sagen, z . B . daß es F ä l l e mit sehr

Rechtschreibfähigkeit,

Rechtschreibwissen,

Rechtschreibwörterbuch

5

hoher Normerfüllung, z.B. "mixt", sehr geringer, z.B. "wäßrig", oder Ratlosigkeit, wie "Mittwoch abends", gibt: dies wird noch in den folgenden beiden Teilen ausführlich erörtert. Die Tabelle 1 bringt einen zusammenfassenden Überblick über die richtigen Lösungen. Die Studenten und Sekretärinnen schneiden mit 71 bzw. 69 % fast gleich gut ab und erreichen damit bei diesen recht verzwickten Fällen m.E. eine sehr beachtliche Leistung. Einschränkend muß man allerdings hinzufügen, daß die drei Beispiele "leicht verdaulich", Komma vor "und" sowie

"besonders

(,) wenn" in jeder Schreibung richtig waren, so daß fast immer 100 % erreicht wurden. Bei den verbleibenden 7 Testbeispielen liegt die Trefferquote bei 62,2 bzw. 56,4 %.

richtig geschrieben Studenten 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

27 87% 23 74 5 16 30 97 28 90 13 42 26 84 31 100 13 42 25 80

Mixt Kennuimer wäßrig leicht verdaulich Hinzu kcnmt Mittvoch abends Im Bezug (,) und zu halten ist , besonders(,) wenn

Surrne 310/200

221

71%

Sekretärinnen 15 19 2 20 1 13 16 20 13 19

75% 90 10 100 5 65 80 100 65 95

138

69%

Tabelle 1: Lückentext. 10 Fälle. 31 Studenten, 20 Sekretärinnen. Richtige Schreitungen: Angaben absolut und in Prozent bezogen auf die jeweilige Gruppe

II II.1

Rechtschreibwissen Problemstellung

Ich bin sicher, daß fast jeder kompetente Schreiber die Wörter "Rauheit, du saust, der Stengel, das Gespinst, der Lotse, das Obst, die Engelein, vierzig" ohne große Probleme schreiben kann; ich bin aber ebenso sicher, daß viele Schreiber, es sei denn, sie sind Linguisten, Lehrer oder Korrektoren, nicht die Rechtschreibklippen nennen können, die sie dabei erfolgreich umschifft haben. Daß "du saust" nur mit einem s geschrieben wird, ist für jeden Schreiber klar, aber er weiß nicht, daß er hier eine Regel befolgt. Die Regel ist so "selbst-verständlich", daß sie weder im Rechtschreibduden zu finden ist noch in irgendeinem

(schulischen) Rechtschreiblehrgang geübt wird. Dennoch

6

Gerhard

Augst

hat jeder kompetente Schreiber diese Regel im Kopf. Nun müssen wir allerdings noch einmal einen Schritt zurückgehen, denn die so problemlose Benutzung des Begriffs 'Regel' ist ja nicht gesichert. Ein Deutschstudent (im Vorversuch) notierte zu seiner Schreibung "wäßrig": "Zunächst habe ich zwei ss geschrieben, aber ssr, das habe ich noch nie gesehen, deshalb habe ich ss in ß geändert." Hier wird also keine Regel genannt, z.B. Duden R 184 "Man schreibt ß an Stelle von ss, wenn ein tonloses -e entfällt ...", sondern ein inneres Bild (?) einer Buchstabenfolge aufgerufen und danach der Fall entschieden. Aufschlußreich in dieser Beziehung sind vor allem Rechtschreibfehler. Jeder gute Lehrer wird einem Schüler, der "überschwänglich" oder "behände" geschrieben hat, bescheinigen, daß er vernünftig gedacht habe, aber die Norm sei nun einmal - völlig unlogisch - "überschwenglich" bzw. "behende". Was meint: der Schüler hat (vernünftig) gedacht? Hier sind wir geneigt anzunehmen, daß es auch im Kopf des kompetenten Schreibers/Schülers einen Mechanismus (?), eine Regel (?) geben muß, der/die immer dann, wenn kurzes /a/ morphologisch umgelautet wird, nicht

, wie in "Ende", sondern

fordert. Der Duden gibt zwar zu vielen Wörtern die Verkleinerungsform mit "-chen" und "-lein" an, "deren Stammwort sich verändert... z.B. Hut, Hütchen" (S. 10), er mißtraut also der Kompetenz des Schreibers, den Umlautmechanismus/ die -regel, falls erforderlich, anzuwenden. Aber auch in dem Satz "Das kostet dich drei müde Märkchen." wird der kompetente Schreiber statt wählen, obwohl "Märkchen" nicht im Duden steht. (Im übrigen ist dieses Beispiel schon ein erster Hinweis darauf, wie Rechtschreibwissen und Rechtschreibwörterbuch miteinander verzahnt sind.) Auch hier drängt schon wieder alles auf den Begriff 'Regel'; deshalb zur Vorsicht noch ein weiteres Beispiel: Sehr häufig begegnet man- dem Rechtschreibfehler "meißte/meißtens". Soll hier der Lehrer auch sagen, daß der Schüler eigentlich vernünftig gedacht hat, denn es kommt alles darauf an, ob man in der morphologischen Analyse zu einer abstrakten Struktur /meiß-este/ kommt oder zu /mei-(e)este/? Also auch hier eine Regelanwendung, die aber im ersten Fall nicht zur konventionellen Schreibung führt. Manche Schreiber, die richtig "meiste/meistens" geschrieben haben, berufen sich auf das Vorbild "beste". Gerade hier liegt aber im Bezug auf die Regel eine wirkliche Ausnahme vor, wie der Komparativ /bess-(e)r/ im Vergleich zum Superlativ /bess-(e)este/ beweist. Dieses Beispiel "beste" zeigt aber noch zwei Verfahren, die für den kompetenten Schreiber eine Rolle spielen: (1) das "orthographische Lexikon": in ihm ist allem Anschein nach "beste" unanalysiert gespeichert; (2) die Analogie, sie garantiert für manche Schreiber die Richtigkeit von "meiste" in Analogie zu "beste".

Rechtschreibfähigkeit, Rechtschreibwissen, Rechtschreibwörterbuch

7

Wir brechen hier zunächst einmal die Suche nach konstitutiven Faktoren für die Rechtschreibkompetenz ab. Sie ist offensichtlich deutlich von dem zu trennen, was in Regelwerken oder in Schulbüchern steht, so daß wir drei Regeltypen unterscheiden können: 1. linguistische Regeln und Ausnahmen: sie beschreiben systematisch und vollständig, wie die Rechtschreibung der Sprache X funktioniert. Sie sind dann angemessen (deskriptiv-adäquat), wenn sie genau die normierte Rechtschreibung, nicht mehr und nicht weniger, beschreiben. Sie richten sich nach verschiedenen Theorien. So hat man und kann man die Laut-Buchstaben-Beziehung phonetisch oder nach dem Ansatz der klassifizierenden Phonologie beschreiben. Was Regel und was Ausnahme wird, ist daher in gewissem Umfang eine theoriegeleitete Festlegung. Dazu ein Beispiel: Man kann die Kennzeichnung des kurzen Vokals global formulieren: Wann auf den betonten kurzen Vokal nur ein Konsonant (im selben Ntorphan) folgt, dann wird, sofern dem Konsonanten nur ein Buchstabe entspricht, dieser verdoppelt. Zu diesem Fall sind: "Mutter, rennen, schnell, dann, wenn, denn" regelkonform, aber "ab, an, ob" Ausnahmen. Schränkt man jedoch diese Regel auf die Wortarten Substantiv, Adjektiv, Verb ein — Wortarten> die im Prinzip vokalisch erweitert werden können und damit zweisilbig sind - , so sind "Mutter, rennen, schnell"; aber auch: "ab, an, ob" regelmäßig, aber jetzt "dann, wann, denn" Ausnahmen. Es lassen sich sicher noch weitere Darstellungen finden, die alle gleichberechtigt sind, so lange sie die Menge der zu erfassenden Elemente vollständig und exakt leistungsgerecht beschreiben. Dabei ist es im Prinzip gleichgültig, wie die Menge der betroffenen Elemente in Regeln, Unterregeln, Ausnahmen und Ausnahmen von den Ausnahmen zerlegt wird. Innerhalb des Bereiches Rechtschreibung tauchen dabei mehrere Beschreibungsmöglichkeiten auf, z.B. phänomenorientiert vs systematisch oder zeichenorientiert vs sachorientiert. Wir können das hier nur andeuten. Alle diese Regeln (und Annahmen) sind für die linguistische Analyse leistungsgerecht, aber sie sind nicht funktionsgerecht. Linguistische Regeln sind also - das sei nochmals betont - nicht an und und für sich gegeben, sondern sie stellen eine Verfahrensweise dar, mit der wissenschaftlich ein bestimmtes Handeln vorhergesagt werden kann, wenn die in der Regel genannten Bedingungen erfüllt sind. Ob das Handeln nach dieser Regel tatsächlich funktioniert, ist unerheblich. Für die Regel ist ihr Inhalt, nicht ihre Formulierung entscheidend. Eine Sonderform linguistischer Regeln

8

Gerhard

Äugst

sind Vorschriften und Anweisungen, man spricht auch von präskriptiven Regeln. Sie beschreiben nicht Handeln, das von der Regel unabhängig ist, sondern sie schreiben normgerechtes Handeln vor, das damit von der Regel abhängig wird. Solche Anweisungen gibt es in der Standard-(Literatur-)spräche sogar in amtlicher Form für die Rechtschreibung. Typisches Kennzeichen einer Normierung ist, daß die Schreiber im Zweifelsfall nicht ihrer (inneren) Kompetenz vertrauen können - wie z.B. beim Sprechen eines Dialekts -, sondern exteriorisierte Normbücher, sprich den Duden, heranziehen (müssen) (vgl. Wiegand 1986). Obwohl eine normierte Rechtschreibung nur durch Sprache, d.h. Regeln und die Festschreibung von Ausnahmen, normiert werden kann, sind dennoch nicht die Regeln das Entscheidende. Es ist das Produkt, von dem festgestellt werden kann, ob es normkonform ist. Deshalb können an Stelle der Dudenregeln, die für ein breites Publikum abgefaßt wurden - was ihre Struktur und Wortwahl betrifft -, auch andere, z.B. linguistische Regeln treten, sofern ihre Anwendung zu demselben Produkt führt. Wenn z.B. in linguistischen Beschreibungen neuerdings eine Aufspaltung in einfaches Komma und Doppel- oder paariges Komma vorgenommen wird, so ist dies ein Verfahren, das die Dudenregeln nicht kennen; das normierte Ergebnis/Produkt ist aber dasselbe. In diesem Sinne sind die Dudenregeln m.E. zu Recht unter den linguistischen Regeln zu behandeln, selbst wenn sie nicht beschreiben, sondern vorschreiben. Wichtiger scheint mir ihre "Beliebigkeit", sofern nur das Produkt dasselbe ist, und darin gleichen sie den linguistischen Regeln. Ein zweiter Beschreibungstyp sind pädagogische

Regeln, oft in der Form von

Merkversen, z.B.: "Trenne nie st, denn es tut ihm weh!" Dieser Typ von Regeln ist nicht systematisch und nicht vollständig; er kann sogar konträr zur linguistischen Beschreibung stehen. So stellt z.B. der Merkvers "Nach 1, r, m, n, das merke ja, steht nie tz und nie ck!" die übliche linguistische Beschreibung auf den Kopf, denn linguistisch entsprechen den Lauten /ts/ und /k/ die Buchstaben und . Nur nach kurzem betonten Vokal (s.o.) wird bei /ts/ die Kürze durch und bei /k/ durch angezeigt, z.B. "Zahl, Brezel, Walze, Würze, Wanze", aber: "sitzen, Witz". Natürlich kann man fragen, warum es solche punktuell pädagogische Regeln neben den systematisch/linguistischen gibt. Ohne das hier im Einzelnen erörtern zu können, habe ich den Eindruck, daß der Lernende in der Auseinandersetzung mit bestimmten rechtschreibmethodischen Angeboten bestimmte Fehler bevorzugt erzeugt, gegen die sich diese emotionalen Merkverse direkt und ohne Berücksichtigung sprachsystematischer Gesichtspunkte richten. Der dritte Typ von Regeln sind die im Kopf der Schreiber; sie sind nicht

Rechtschreibfähigkeit, nur leistungsgerecht, der Rechtschreibung

Rechtschreibwissen,

Rechtschreibwörterbuch

sondern auch funktionsgerecht,

w e i l sie d i e

9 Struktur

in e i n e r f ü r d a s G e h i r n b i o l o g i s c h a n g e m e s s e n e n

Weise

abbilden. Wir haben bisher mit Vorsicht die Begriffe Regel, Analogie orthographisches Lexikon ermittelt, welche kompetenz gestalten können.

(u.a.?) d i e i n n e r e

Rechtschreib-

W i e sie s i c h zu d e n l i n g u i s t i s c h e n u n d

gischen Regeln verhalten, ist ungewiß. Da die Rechtschreibung

und

pädago-

teilweise

w u ß t g e l e r n t wird, ist es jedoch wahrscheinlich, daß die dabei

be-

vermittelten

p ä d a g o g i s c h e n u n d / o d e r l i n g u i s t i s c h e n R e g e l n v e r i n n e r l i c h t w e r d e n u n d in gendeiner Form Teil der inneren Rechtschreibkompetenz werden können.

R e g e l n k ö n n e n d a n n z u m T e i l auf B e f r a g e n a u c h w i e d e r e r i n n e r t w e r d e n . W i r ben aber auch am Beispiel

"du s a u s t " g e s e h e n , d a ß z u r i n n e r e n K o m p e t e n z

Regeln gehören, die nicht bewußt erworben wurden, die daher auch kaum erinnert w e r d e n können. Dieser Fall entspricht d e m frühkindlichen

Warum kann man mit Nomen

von

Z.B.:

sagen: ...

(2) W i e s i c h d i e i n n e r e n R e g e l n e n t w i c k e l n

...

nur:

(3) W i e sie s i c h e n t w i c k e l n nicht

auch

Spracher-

a b e r er k e n n t m e i s t n i c h t d i e R e g e l n .

(1) W i e d i e i n n e r e n R e g e l n s i c h e n t w i c k e l n

aber pronominalisiert

ha-

wieder-

werb. Der Muttersprachler kann richtige Sätze formulieren und richtige falschen Sätzen unterscheiden,

ir-

Solche

...

aber:

(4) * W i e s i c h sie e n t w i c k e l n

...?

Die kompetenten Sprecher des Deutschen wissen, daß

(4) f a l s c h ist, a b e r

w i s s e n m e i s t n i c h t , w a r u m es f a l s c h ist, d . h . sie k e n n e n n i c h t d i e

sie

Regel

bewußt.

II.2

Erhebung

J e t z t , so d e n k e i c h , w i r d d a s A n l i e g e n d e r B e f r a g u n g d e u t l i c h . Die f a n d e n auf i h r e m Z e t t e l f o l g e n d e

Studenten

Anweisung:

In die freien Zeilen schreiben Sie direkt danach (nach dem Ausfüllen der Lücke - G.A.), was Ihnen spontan zur Schreibung durch den Kopf gegangen ist. N a t ü r l i c h k a n n m a n n i c h t d u r c h b l o ß e s B e f r a g e n d i e innere K o m p e t e n z aber immerhin kann deutlich werden, wie die Kompetenz durch den

aufdecken;

systemati-

schen Erwerbsprozeß, der seine eigene Begrifflichkeit hat, mitgeprägt D i e M e t h o d e d e s " l a u t e n D e n k e n s " w i r d h i e r in d e r s c h r i f t l i c h e n F o r m

wird. prakti-

10

Gerhard

Äugst

ziert, d a n a c h d e n s y s t e m a t i s c h e n E r h e b u n g e n von M e u t s c h

(1987) k e i n e

signi-

f i k a n t u n t e r s c h i e d l i c h e n E r g e b n i s s e für d i e m ü n d l i c h e u n d s c h r i f t l i c h e

Form

f e s t g e s t e l l t w e r d e n k o n n t e n . D i e B e f r a g u n g d e r S t u d e n t e n f a n d in zwei r e g u l ä r e n L e h r v e r a n s t a l t u n g e n statt. E i n e M i t a r b e i t e r i n e r k l ä r t e d e n

Studenten

d e n S i n n d e s T e s t s . S i e b e t o n t e d a b e i vor a l l e m , d a ß es n i c h t d a r u m g e h e , d i e R e c h t s c h r e i b l e i s t u n g z u m e s s e n , s o n d e r n etwas d a r ü b e r z u e r f a h r e n , w e l c h e s W i s s e n d i e S c h r e i b e r a k t i v i e r e n . D a n a c h w u r d e n d i e Zettel a u s g e t e i l t . W i e d i e zitierten Sätze belegen, enthielt er nochmals eine schriftliche Erklärung A u s f ü l l e n d e r f r e i e n Zeilen. N a c h d e m d i e S t u d e n t e n d i e s e g e l e s e n h a t t e n ,

zum las

d i e M i t a r b e i t e r i n d e n e r s t e n S a t z m i t d e m e i n z u s e t z e n d e n L ü c k e n w o r t v o r . Sie wiederholte das Lückenwort nochmals isoliert und forderte dann die

Studenten

auf, d i e s e s W o r t in d i e L ü c k e zu s c h r e i b e n u n d s o f o r t d a n a c h alles in d i e f r e i e n Z e i l e n zu notierent w a s ihnen d a b e i zur S c h r e i b u n g d u r c h d e n Kopf g e g a n g e n w a r . Sie w a r t e t e d a n n , bis alle f e r t i g w a r e n , u n d las d e n n ä c h s t e n S a t z v o r . Sie e r m u n t e r t e d a b e i n o c h m a l s , a l l e s R e c h t s c h r e i b r e l e v a n t e

in d i e

f r e i e n Z e i l e n zu s c h r e i b e n , a u c h w e n n es s e l b s t v e r s t ä n d l i c h e r s c h e i n e .

Die

B e f r a g u n g d a u e r t e auf d i e s e W e i s e in d e n b e i d e n S e m i n a r e n 45 b z w . 55 M i n u t e n . Im A n s c h l u ß d a r a n e n t s p a n n sich in b e i d e n G r u p p e n e i n e l e b h a f t e

Diskussion

ü b e r das S c h r e i b w i s s e n u n d d i e r i c h t i g e S c h r e i b u n g . D a b e i d e G r u p p e n aus g a n z verschiedenen Fakuläten waren, gab die Mitarbeiterin bereitwillig

Auskunft.

Für d i e b e i d e n G r u p p e n l a g e n zwei v e r s c h i e d e n e B ö g e n v o r m i t u n t e r s c h i e d l i c h e r Z u f a l l s r e i h e n f o l g e d e r 10 B e i s p i e l e , u m d i e L e r n e f f e k t e zu m i l d e r n . D i e S e k r e t ä r i n n e n w u r d e n in E i n z e l e r h e b u n g e n g e b e t e n , d i e L ü c k e n füllen. Zur g e n a u e r e n D u r c h f ü h r u n g bei d e n S e k r e t ä r i n n e n v g l . T e i l

auszu-

III.2.

II.3 B e f u n d Im f o l g e n d e n g e b e i c h d i e A n t w o r t e n zu d e n 10 S c h r e i b f ä l l e n w i e d e r .

Dabei

z i t i e r e i c h r e c h t a u s f ü h r l i c h u n d b u c h s t a b e n g e t r e u , u m so d e m L e s e r a u c h d i e M ö g l i c h k e i t zur e i g e n e n A n a l y s e z u g e b e n . A n d e r e r s e i t s k a n n ich n a t ü r l i c h aus R a u m g r ü n d e n n i c h t alles a n f ü h r e n . D e s h a l b h a b e ich d i e f r e i e n A n t w o r t e n in Gruppen gebündelt, etwa nach folgendem - k e i n e A n t w o r t , sehr a l l g e m e i n e - Schreibung nach Gefühl

Raster:

Angaben,

u.a.,

- Benennung von Regelähnlichem,

Regeln.

In der l e t z t e r e n G r u p p e i n t e r e s s i e r e n vor a l l e m d i e A n t w o r t e n , d i e e i n e r i c h tig l i n g u i s t i s c h e o d e r p ä d a g o g i s c h e Regel

nennen. Die Kategorien sind nicht

g a n z ü b e r s c h n e i d u n g s f r e i , d a ein S c h r e i b e r z.B. das P r o b l e m b e n e n n e n k a n n ,

Rechtschreibfähigkeit,

Rechtschreibwissen,

Rechtschreibwörterbuch

11

aber angibt, daß er nach Gefühl geschrieben hat. 1. Mixt Du mir einen

Drink?

18 Schreiber erkennen kein Problem in der Schreibung, oder sie sehen ein anderes, z.B. "automatisch so £mixst^ geschrieben, ohne zu überlegen" oder "ohne Probleme". Aridere Probleme sind z.B. das x in einan Wort aus dgn Englischen oder die Großschreibung am Satzanfang. Zwei Schreiber notieren: "Kein Problem, sieht aber konisch aus. "i" sieht kcmisch aus, kenne aber keine andere Schreibart". Genau dieser Sachverhalt tritt eiber nun auch bei den 13 Schreibern auf, die die xt-Schreibung thanatisieren: - mit st oder nicht (da 2. Person Singular)? Sieht aber kcmisch aus wegen x - t hinter x setzen ungewöhnlich, da es nicht oft vorkamt - konisches Vfort, x läßt sich blöd schreiben ^Problem benannt? - G.A.J - t wird wähl direkt hinter dem x geschrieben £er hat "mixest" geschrieben - G.A.J. Wbrtbild.

Seltsames

Die anderen Notizen gehen das Prcblem direkt an. Sie seien hier einmal vollständig notiert, da so die Vielfalt der Antworten, aber auch die Schwierigkeit der Analyse deutlich wird: - mit oder ohne s? - kaimt ein x in die Mitte? ¿T^roblem benannt? - G.A.J - Es fehlt eine Ftersonenendung (mixst? mixest?) - Schwierigkeit beim t, - Analogie zun Qxjlischen -ed - Prcblem: mit oder ohne s, da es mitgesprochen wird - Dabei habe ich an Mixtur gedacht oder auch an eine Mischung - Van Wortlaut her hätte man auch -kst- schreiben können, aber das Verb miksen ist eher lustig als richtig. - Die Erdung ist will verunglückt /[Probien benannt? - G.A.J7 Ein Schreiber bringt beinah die Duden-Lösung: - Nur mit t nach x, weil es einen Zischlaut enthält. Jedoch ist es nicht der Zischlaut, wie "du mischst" belegt, sendem der s-Laut. In diesan ersten Beispiel wird schon deutlich: die linguistische Hagel ist das eine - die Schreitung das andere. Cbwohl die meisten das Vfort richtig geschrieben haben, sehen sie in der Schreibung kein Problem. Sie kennen nicht die Regel, der sie gefolgt sind. Der Prozeß der Bewußtmachung - durch die Testsituation bedingt - löst zunächst einmal ein ungutes Gefühl aus: vierrrel taucht das Wbrt "konisch" auf, je einmal "ungewöhnlich" und "blöd"; der Satz "Die Elldung ist wohl verunglückt" thematisiert das gleiche Uhbehagen. Die 13 zitierten Antworten Inkreisen das Problem und versprachlichen es mehr oder weniger genau. Fazit: Fast alle schreiben ohne bewußte Regelanwendung, aber richtig! Wsnn sie darauf gestoßen werden, fällt der großen Mehrzahl der Schreiber auch dann nichts auf, was für die Selbständigkeit

12

Gerhard

Äugst

und Unzulänglichkeit des inneren Prozesses spricht. Wenn aber etwas auffällt, dann artikuliert es sich zunächst in einem psychischen Unbehagen. Einige können dann dieses Unbehagen analysieren, so daß das Prcfolan mehr cder weniger deutlich wird.

2. Jeder Ausweis trägt

eine Kennumner.

Zwei Schreiber notieren nichts, einer benerkt eine "Substantivierung" (?). Auch hier werden in sechs Fällen zwei n nach Gefühl geschrieben, zitiert sei nur ein Bei.qrviel. rter Schrpihpr- hat ^ ^

i

in zwei n korrigiert: - 3 n oder nicht, 2 n weil 3 n sieht nicht aus! In der Mehrzahl der Äußerungen werden Regeln aktiviert, zunächst sehr allgemein als Hinweis: - 3 n hintereinander geht nicht /"Regel? - G . A . J - Es gibt eine Regel für drei Konsonanten hintereinander, aber welche? - durch eine itegel festgelegt - getrennte Schreibweise, um drei gleiche Buchstaben hintereinander in einem Vfcrt zu vermeiden (Er schreibt: "Kenn-Nuimer".)

8 Schreiber geben die richtige Regel zur richtigen Schreibung an, die in einer Mischung aus Allgemeingültigkeit und speziellen Fall ein Schreiber so formuliert: - Wsnn ein Selbstlaut nach drei Mitlauten folgt, werden nur 2 n geschrieben. In einigen Fällen wird aber auch die Regel falsch angewandt, z.B. für 3 n: - 3 Konsonanten bei nachfolgendem Vokal? - Selbstlaut nach dan n, darun hier drei n's. - drei n hintereinander, weil es ein zusaimengesetztes Wort ist, oder weil ein Vokal folgt Fast alle Schreiber (25) wissen also, daß bei drei Konsonanten etwas los ist: "Drei n sind eins zuviel", "3 n, ja oder nein?" Erstaunlich viele wissen, daß es mit dan darauffolgenden Buchstaben zu tun hat, wenn auch nur 8 die zutreffende Regel nennen können. Alles in allan ist es jedoch der Fall, bei dem am ehesten die Regel erinnert wird. (Da es hier um die inneren Schreibstrategien geht, sollte man bei einer Testwiederholung einen Konsonanten wählen, der sowohl dreimal als auch zweimal in Wörtern auftreten kann, was bei n ganäß der Könsonantenkarbinationen nicht möglich ist, aber z.B. bei f: Stoffetzen - Sauerstoffflasche. ) 3. Das ist

eine wäßrige Lösung.

In 10 Fällen wurden andere Probleme thanatisiert, z.B. "Adjektivierung", die e-Epenthese, der Unlaut, die Ehdung (Er schreibt "wässriege" mit dan Hirweis "siehe IXiden, Qxäung"). 8 Schreiber "sehen keine Probiere". Die anderen 13 behandeln in irgendeiner Vfeise das Prablan ss - ß; dabei

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13

gehen 4 von Gefühl oder der Gewohnheit aus, z.B.: - Uhsicherheit, ob ss oder ß; ss sieht richtiger aus (Der Schreiber hat beide Möglichkeiten hingeschrieben und sich dann für ss entschieden.) - wind mit ss geschrieben, man hat aber eher das Gefühl mit ß (Er schreibt: "wäßrig".) In 5 Fällen wird das Problan nur benannt, z.B. - ss oder ß? Raten macht Spaß Nur in 4 Fällen erfolgt eine Erklärung, jedesmal zu ss: - ss oder ß? kurzer Vokal - also ss - Dcppel-s wie in Wasser - könnt von Wasser - Substantiv Wässer, deshalb ohne ß Die Duden-Regel R 184, daß bei e-Epenthese ss zu ß wird, kennt kein Schreiber; sie widerspricht seiner Schanaschreibung, die meisten Schreiber (95 %) wählen daher die Schreibung mit ss und sehen gar kein Prctolen (58 %). 4. Leicht

verdauliche

/ leichtverdauliche

Speisen erhalten

Sie im Refonnhaus.

21 Schreiber haben gar "keine Problems" mit der Schreibung: ("nicht", " intuitiv", "chne größeres Zögern", "ein Vorgangsablauf beim Schreiben"; manchmal fällt ihnen etwas anderes auf, z.B.: "Maß ich 'leicht' groß schreiben", "Rein intuitiv verdaulich klein geschrieben"; oder sie sind sogar mit der inhaltlichen Aussage beschäftigt, z.B.: "Beim Wort 'leicht' dachte ich zuerst an Gewicht und an Anschluß, dann an den Leichtbau in der Luftfahrt. Bei 'verdaulich' dachte ich an Verdauung. " Die Antworten der 10 Schreiber, die sich auf das Problan beziehen, sollen teilweise zitiert werden: - ich überlege, wie's geschrieben wird, vielleicht doch zusanmen (etwa so viermal - G.A. ) - Zusanmen - getrennt? Ist "leichtverdaulich" ein existierendes Adjektiv? - getrennt oder zusamren... zusanmen oder? - sehe keine Schwierigkeiten, zusarmengeschrieben aus Gefühl - Ist mir viel zu teuer! Wird ich aber zusairmenschreiben. In diesen Antworten wird das Problem erkannt, aus Gefühl zusarmengeschrieben oder nur gefragt. Nur ein Schreiber bringt eine richtige Begründung für seine Getrenntschreibung: - "Leicht" beschreibt "verdaulich" näher, also auseinander schreiben. Ein Schreiber begründet seine Schreibung mit Bindestrich "leicht-verdaulich": - zwei unterschiedliche Adjektive, die sich aufeinander beziehen

Gerhard

14

Äugst

Alles in allem ist das Rrcblsrbewußtsein recht schwach ausgebildet, nur eine Antwort kann im Sinne der Duden-Regel interpretiert werden. Daß eine Variante mit unterschiedlichem Ausdruckswillen nach Duden R 209 möglich ist, erkennt kein Schreiber. 5. Hinzu kamt,

daß-'die Arbeitslosigkeit

irnner noch

zunimnt.

5 Schreiber geben gar keinen Karmsntar, 8 Schreiber machen nur ganz allgemeine Bemerkungen, z.B.: - ist doch richtig so, gell? trotzdsn iitmer diese Überlegung 6 Schreiber machen optische oder Gefühlseindrücke geltend, z.B.: - weil es optisch gut aussieht Die restlichen 12 Schreiber benennen das Problem der Getrennt- und Zusarrmsnschreibung, dabei meist Unsicherheit ausdrückend, z.B.: - ist klar, weil das Verb ... na, doch nicht klar ... das Verb ist 'hinzukönnen', aber ich lasse es trotzdsn getrennt. - zusamrenschreiben? sonst klar - Anfangs wallte ich es zusamen schreiben. Aber die Bs tonung liegt beim H und ein zweitesmal beim K, so habe ich es getrennt geschrieben. - Probien: Zusarmen oder getrennt schreiben. Vermutung war Grund für das Getrenntschreiben. Unter den 12 Schreibern geben vier eine Begründung an: - Wort aneinander vcm Betonen beim Diktieren - zusammenhängend, da ich denke, daß hinzukönnen auch als Verb existiert. - Aufzählung, Einleitung für eien Begründung - Unformjng 'Es könnt hinzu', also Getrenntschreibung Nur diese letzte Begründung geht etwa in die Richtung, die der Duden in R 205 Fkt. 3 gibt. Es liegt also wiedervm ein Fall vor, daß zwar das Wort in 28 von 31 Fällen richtig geschrieben wird, daß aber nur ein Schreiber eine halbwegs zutreffende Begründung weiß. 6. Er kennt regelmäßig Mitthoch

abends.

Ein Schreiber hat nichts notiert, 4 haben nur ganz allgemeine Bemerkungen, davon 2 "nach Gefühl" bzw. "rein intuitiv". 26 Schreiber wissen, warun es geht, sie thanatisieren es oft jedoch sehr allgemein, z.B.: - Schwierigkeit, ob klein/groß. Die "Hauptsache", man kann nachschlagen - Muß ich "Abends" groß schreiben; gibt es Abend mit s am Ehde - Groß-Klein-Schreibung, Trennung würde ich im Duden nachschlagen - Ich überlegte, cb es getrennt oder zusarmengeschrieben wird. Welches nun groß und welches klein geschrieben wird, war mein zweiter Gedanke.

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15

Einige versuchen Hegeln zu nennen: - Tagesangaben groß, aber über die genaue Hegel im Ulklaren - Mittwxh - Ncmen, abends - klein, da Zustand - Wbchentag wird groß geschrieben, abends klein, weil Frage heißt: Wann kamt er? - ... Mittwoch grcß, weil Hauptwert, abends klein, weil Zeitangabe - Ein Zeitpunkt, danm zusamengeschrieben. Schreibt sich zusanmen einfach besser - zusammenhängendes Wart, klein geschrieben durch das s am Qide des Wbrtes, aber "am Mittwochabend" - inrrer £lies: imJ7 Zweifelsfall iumer klein und auseinander Zu diesem schwierigen Rechtschreibfall, bei dem sich Probleme der Groß/Kleinschreibung und der Getrermt/Zusarmenschreibung verbinden, sind nur noch Buchs tücke von linguistischen oder schulischen Regeln vorhanden, die beim Nachdenken genannt werden können. Kein Schreiber gibt eine Begründung, die den Sachverhalt richtig beschreibt. Warm man großzügig ist, kann man die Wörter "Zustand" (2. Spiegelstrich) und "Zeitangabe" (4. Spiegelstrich) als "Adverb" lesen, dann kanmen diese beiden Antworten einer Lösung nahe. Andererseits kennen 26 Schreiber das Prcblem. Sie sind unsicher, was sich auch an den 3 Selb6tkorrekturen zeigt. 7. Im Bezug auf Ihr weiteres Vorgehen wenden Sie sich bitte an Ihren Rechtsanwalt. Es ist sicher eine Marotte, wann ich in allen Manuskripten "im Bezug" schreibe, vreil ich die Form "in bezug auf" (ebenso wie "auf Seiten", "auf grund") mit Getrennt- und Kleinschreibung für eine rechtschreibliche Fehlentwicklung halte. Dennoch wird dies nichts gegen die Macht der Konvention ausrichten, und viele haben schon "im Bezug" für falsch erklärt, u.a., weil es nicht im Duden steht. So auch hier 2 Schreiber: - heißt das nicht: In Bezug? - In Bezug auf ... In statt Im Neben 4 Schreibern, die keine Begründung geben, machen 5 weitere ganz allgemeine Bemerkungen: - das ist geraten 19 Schreiber benennen das Problem, z.B.: - Bezug: klein oder groß geschrieben? - groß natürlich, hoffe ich! 3 Schreiber machen dabei das Gefühl oder die Intuition geltend, z.B.: - zuerst "der Bezug", dann bezug klein: Gefühl. Von den 19 Schreibern, die das Prcblem benennen, geben erstaunlich viele, nänlich 11, eine Begründung ab, die un den Substantivcharakter von "Bezug" kreist. Darunter kann man 2 richtige Erklärungstypen unterscheiden: 7 lösen "im" in "in dem" auf, einer stellt eine Analogie zu "mit

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Gerhard

Äugst

Bezug" her. Beides bietet ein Schreiber: - "in bezug auf" wird klein geschrieben, "mit Bezug" groß, "im Bszug" = in dem Bezug? Daß es sich um einen kritischen Fall der Orthographie handelt, der daher auch im Bewußtsein ist, bestätigt ein Schreiber durch seine Erfahrung: - klein geschrieben, weil ich das Vvbrt schon mal in einem Aufsatz falsch hatte (in bezug auf) 8. Schreibe

den Brief

sofortf,)

und bringe ihn bald zur

Post.

Duden R 109 ordnet an, daß das Kknira nebengeordnete selbständige Sätze trennt, auch wenn sie durch "und" oder "oder" usw. verbunden sind. Der erste Eiiischränkungspunkt, daß dies nicht gilt, "wenn sie kurz sind und eng zusarmengehören'', führt das Beispiel u.a. an: "Tue recht und scheue niemand!" In der Zusammenfassung zu "und" wird in R 121 ebenfalls als Beispiel ein doppelter Irrperativ angeführt "Seid vernünftig und geht nach Hause!". Trotzdem kann man den Testsatz nicht als kurz bezeichnen. Nun trifft die Grundregel (R 109) auch nicht zu auf Sätze, "die einen Satzteil gemeinsam haben". Die Beispiele, wie "Sie stiegen ins Auto und fuhren nach Hause", zeigen, daß darunter nicht die Pronaranalisierung (" den Brief" "ihn") zu verstehen ist. Bauäusch (1984:99) setzt in R 143 fest: "Mit 'und' und 'oder' verbundene Hauptsätze werden dann nicht durch Kemna abgegrenzt, wsnn es sich um Inperative handelt". Beispiele: "Überlegt erst gründlich und dann schreibt!"/"Schließe das Heft und paß auf!" Im Wörterbuch der Sprachschwierigkeiten (1984:271) wird nicht der Irrperativ explizit als besonderer Fall erwähnt, jedoch ein Beispiel: "Ninrn deine Sachen und geh nach Hause." Das westdeutsche Pendant 'a»eifelsfälle der deutschen Sprache' (1972:660) geht nicht über das Rechtschreibwörtearbuch hinaus. G. Wahrig führt in seinan 'Deutschwörterbuch' (1968:139) ein Beispiel mit zwei durch Kcnma verbundene Irrperitive an: "Leb wehl, mein geliebtes Herz, unarme Marie, und fürchte nichts." In den gewählten Testsatz handelt es sich also wirklich um einen Zweifelsfall. Wir wollen davon ausgehen, daß beides - mit oder ohne Kemna - ncglich ist. Es könnt auf die Begründung an. 4 Schreiber geben keinen Kormentar; 6 Schreiber machen ganz allgemeine Bemerkungen, z.B.: - hier fällt mir keine Koimaregel ein - Ich sehe keinen Grund, ein Keime zu setzen, würde Lesefluß unterbrechen - wie war die Regel noch? Ein Schreiber setzt hier, wie auch in den anderen Kormafällen, "aus Gefühl" kein Korma. Alle anderen (20) geben Begründungen für oder gegen das Korma. Behandeln wir zunächst den Fall mit Kemna: Fünfmal wird angeführt, daß es zwei eigenständige Hauptsätze sind, z.B.: - 2 vollständige Hauptsätze werden durch Kotma getrennt - oder so ähnlich - Zuei getrennte Befehlssätze, die Sätze sind in sich selbständig

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17

Einschränkungen werden nicht gesehen. ZweijrBl vergreifen sich die Schreiber in der Terminologie: der eine spricht von "vollvertige/n/ Satzteile/n/", der andere van "abgeschlossene/n/ Nebensatz". Wesentlich häufiger erfolgen Begründungen für die Version ohne Kcrma: 9 Argurente greifen zu kurz oder sind falsch, z.B.: - Vor und setze ich fast nie ein Kcrtma - kein Komma, da durch und verbunden (viermal) - Man könnte es ohne Kemna schreiben, wenn man es als AufZählung betrachtet - kein Kornia, da der durch "und" angeschlossene Satz kein Hauptsatz ist! - Es fällt mir hierbei nur ein, daß der erste Teil als Befehl gewertet werden kann. Der zweite Teil dient nur zur Erläuterung und ist angehängt. - Intuitiv nach "und", aber Nebensatz mit und verbunden, also kein Kemna - Kein Kemna gesetzt, weil die Verbindung der beiden Satzteile durch ein "und" geschieht. Als in der Tendenz zutreffende Begründungen können drei Antworten gelten: - Kein Kemna: gleiche Person / gleiches Subjekt ist gemeint? (zweimal) - Zwei zusatmanhängende Hauptsätze; ein Kcrma vor "und" würde den Satz- und Gedankenfluß stören und nicht zu mehr Klarheit beitragen /~in der Tendenz richtig durch "zusammenhängende" - G.pJ Alles in allem kann man also Stufen des Wissens unterscheiden: (1) Die meisten Schreiber verfolgen intuitiv oder bewußt die Strategie, vor "und" kein Kemna zu setzen; ganz gleich, ob Hauptsatz oder nicht. Dies erklärt auch, warun in der Mehrzahl kein Kaima gesetzt wird. (2) Eine kleine Gruppe weiß, daß es die Ausnahme gibt: "Vor 'und' steht ein Kemna, wann es Hauptsätze verbindet. (3) Aber nur drei Schreiber wissen, daß auch diese Ausnahme wieder eine Ausnahme hat oder haben kann. Voll durchschaut ist das Probien in keinem Fall. 9. Lehne und Preise 4 Schreiber geben

im Gleichgewicht

zu halten

_ ist

nicht

leicht.

keinen Kcrimentar. 6 Schreiber nennen einfach ihr "Gefühl", "Sprachotpfinden"

als ausschlaggebend, 2 Schreiber geben ihre Strategie an: - Im Zweifelsfall lieber keine Kemnas als zuviele - Kein Kemna, da keine passende Regel bekannt. Die restlichen 19

Schreiber nennen irgendeinen Grund. Wir sortieren sie hier nach Begründungen

für oder gegen das gesetzte Kemna. Gründe für das Kemna: - ich würde K o m a setzen, da es sich un eine wichtige Aussage handelt, die durch Konra erst zun

18

Gerhard

Äugst

Ausdruck könnt - Hauptsatz - Nebensatz. Satzteile können auch angestellt werden - 2 aneinandergereihte Gliedsätze, deshalb Kemna - irgendeine Regel, die mit "zu" zu tun hat, ist für das Koma verantwortlich, intuitiv gesetzt - erweiterter Infinitiv mit "zu"? Kemna beim Sprechen oft nicht erkennbar/hörbar; (so noch drei Antworten) - Ist doch klar: Subjektsatz (...); ersetzt das Subjekt "das" oder "es" ¿®er Schreiber hat ein Korma gesetzt! - G.A.J7 - wegen automatischer Atenpause nach halten ein Käme Gründe für das zu Recht fehlende

Koma:

- Zuerst wollte ich hinter "Löhne" und "Preise" Kaima setzen, aber da es um ein Gleichgewicht geht, überlegte ich es mir. Ich nehme an, es ist dieses Gleichgewicht gemeint, /jrlas bedeutet das? - G.A.J7 - kein Kemna, da ganzer Satz - nur ein vollständiger Satz - kein Koma nötig, da ein zusatmsnhängender Satz; evtl. Kemna nach "halten" mäglich, ist aber nicht so gut -... weil kein vollständiger Nebensatz besteht, der einen Sinn ergibt. - Kein Koma, da kein Satzteil abzugrenzen ist. Bei der Aufzählung reicht das "und" aus. Auch hier sind nur Bruchstücke von Wissen vorhanden. Beim Setzen des Kemnas geht es um Nebaisatz, erweiterten Infinitiv, Atenpause. Die an sich beinahe richtige Regel über den Subjektsatz dient hier (leider) zur Begründung für das Koma. Gegen das Koma werden zierlich durchgängig Ganzheit und Vollständigkeit genannt. Niemand nennt die exakt richtige Begründung. Alles in allan typisch scheint mir die Antwort: - irgendeine Regel ... mit zu ... Er hat aber das Kernte "intuitiv gesetzt". 10. Es ist

schwierig

zu parken, besonders!,)

i^nn verkaufsoffener

Samstag

ist.

Ein Schreiber bietet als Losung: "Es ist schwierig* zu parken, besonders wenn •••", dann tilgt er nachträglich das Koma nach "schwierig" und schreibt als Kcmmentar: - Es ist schwierig, Komas zu setzen. Dies ist in der Tat so in diesem Beispiel, bei dem sich gleich an drei Stellen die Frage stellt, ob ein Kaima zu setzen ist. Die erste Stelle nach "schwierig" ergibt sich aus dem Problem, daß der Nebensatz "besonders wenn ..." als Erweiterung des Infinitivs zu "zu parken" angesehen werden kann. Die Anweisung dazu liefert Duden R 108 Fkt. 6: Es steht kein Kemna. Einige Schreiber thematisieren dies:

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19

- Tja ... vor den Infinitiv mit zu ein Käme, wsil der Nebensatz eine Ervreiterung ist? Vfeiß nicht. - einfacher (nicht erweiterter) Infinitiv, danach Nebensatz (vollständig) - ist auch hörbar (Bei einer Wiederholung des Versuchs sollte man einen Satz ohne vorangestellten Infinitiv femulieren, um diese Schwierigkeit zu vermeiden.) 5 Schreiber setzen das Karra nach "Gefühl", nur ein Beispiel: - Nach Sprachenpfinden ohne Überlegungen rein intuitiv Im Brennpunkt, so die eigentliche Intention für den Testsatz, sollte das Kemna nach "besonders" stehen. 15 Schreiber haben aber nur Probleme mit einem Kemna vor "besonders". 2 Schreiber erklären es allein oder auch mit der Intonation: - Beim Sprechen würde ich nach parken eine Pause machen Das zweite Beispiel mit "ist auch hörbar" wurde sehen eben zitiert. Alle anderen Schreiber geben eine Erklärung, die mit den Begriffen "Haupt-" und "Nebensatz" arbeitet, je eirrrel fallen auch die Begriffe "Satzerweiterung" und "Satzergänzung", webei nicht klar ist, ob damit das Wbrt "besonders" gemeint ist. Für den Hauptsatz wird die Selbständigkeit, für den Nebaisatz die Abhängigkeit ins Feld geführt, z.B.: - Kcnma gesetzt, weil der erste Teil auch ohne den Rest einen Sinn ergibt. Der zweite Teil ist nicht notwendig für den ersten. Ein Schreiber setzt überhaupt kein Koma, weil "kein abgeschlossener Nebensatz" vorliegt. Zur Abgrenzung von Haupt- und Nebensatz wählen zwei Schreiber nur ein Kaima nach "besonders", der eine "nadi Gefühl", der andere "weil Wbrt 'wenn'". Das eigentliche Probisn, cb auch nach "besonders" zusätzlich ein Karma steht, wird nur von 5 Schreiten! thanatisiert und zwar darunter ven dreien, die auch dieses Kaima gesetzt haben. Zunächst ohne Kemna "... zu parken, besonders warn ..." - Kaimt nach "besonders" auch noch ein Käme? Wäre besser gegliedert! - Kemna vor oder hinter besonders Mit Karma "... zu parken, besonders, wenn ..." - komrrt nach dem -besonders- ein Kemna? - "besonders" ist ein eingeschobenes Wort. Man kann den Satz ohne "besonders" lesen. - "Es ist schwierig zu parken, wenn verkaufsoffener Semstag ist" ist für sich ein abgeschlossener Satz, dan nur das Wbrt "besonders" eingeschoben wurde, un so noch extra zu betonen, HaR verkaufsoffener Sanstag ist. Alles in allem kemnt es nur zu 6 Koimafehlem, weil - laut IXden R 127 - das Karma nach "besonders" fakultativ ist. Neben denen, die ohnedies das Karma nach Gefühl setzen, herrschen jedoch

20

Gerhard

Äugst

bei den Begründungen ziemlich verschwotmene Vorstellungen, die nicht erkennen lassei, daß die Besonderheit des Falles erfaßt wurde. Nur die beiden letzten Antworten können in etwa der QjäertRegelung inhaltlich nahe. Nach so v i e l e n E i n z e l h e i t e n i s t es n a t ü r l i c h s c h w i e r i g , den Ü b e r b l i c k zu b e h a l t e n . Deshalb versuche i c h , d i e Ergebnisse durch e i n e T a b e l l e

(vgl.

Ta-

b e l l e 2) zu v e r d e u t l i c h e n .

Studenten richtig geschrieben

Problem benannt

davon: richtig begründet

1 Mixt

27

87 %

13

42 %

-

2 Kennumrer

23

74

25

80

8

0 % 26

5

16

13

42

-

0

4 leicht verdaulich

30

97

10

32

1

3

5 Hinzu kaimt

28

90

12

39

1

3

6 Mittwoch abends

13

42

26

84

2

7

8

26 10

3 wäßrig

7 Im Bezug

26

84

19

61

8 ( , ) und

31

100

20

64

3

13

42

19

61

-

0

25

80

5

16

2

7

9 zu halten

ist

10 , besonders(,) w=nn Suime: 310

271

71 %

162

52 %

25

8 %

Tabelle 2: Das aktualisierte Rechtschreibwissen im Vergleich zur Rechtschreibfähigkeit In der Summe kann man f e s t h a l t e n : richtig,

71 % a l l e r F ä l l e schreiben d i e

Studenten

in 52 % a l l e r F ä l l e haben s i e das Rechtschreibproblem r i c h t i g

be-

nannt, in 8 % a l l e r F ä l l e lassen s i e s i c h b e i i h r e r Schreibung von e i n e r Begründung l e i t e n , d i e - b e i g r o ß z ü g i g e r Auslegung - e i n e r r i c h t i g e n Regel nahe kommt oder e n t s p r i c h t . nis!

(Duden-)

Das i s t nun doch e i n sehr f r a p p a n t e s Ergeb-

Es b e l e g t - wenn i c h es r i c h t i g deute -

, daß d i e Schreibung zu einem

e r h e b l i c h e n A n t e i l ebenso f u n k t i o n i e r t , wie d i e Lautung/das Sprechen.

Sie

v o l l z i e h t s i c h unbewußt im Kopf. Sprache wird normalerweise f ü r den Muttersprachensprecher n i c h t zum Problem. Dabei s p i e l t r i c h t i g f a l s c h gar n i c h t d i e entscheidende R o l l e :

(normgerecht)

oder

" w ä ß r i g " wird zu 84 % f a l s c h g e -

schrieben ohne Regel

(0 %) und "Hinzu kommt . . . " wird zu 90 % r i c h t i g

schrieben ohne Regel

(3 %).

ge-

Im Bezug auf d i e e i n z e l n e n F ä l l e hängt d i e Chance

der Problemerkennung o f f e n s i c h t l i c h von der I n t e n s i t ä t ab, mit der das Phänomen im R e c h t s c h r e i b u n t e r r i c h t behandelt wurde oder/und im ö f f e n t l i c h e n

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21

Bewußtsein metakommunikativ als Problem (oder gar als Schibboleth) bekannt ist. Die Aufteilung in >50 % und

-n

Aktie eines (re)privatisierten staat-

lichen Unternehmens, die zum Zweck einer breiteren Eigentumsstreuung ausgegeben wird

*

(/it

aii* - ^ »i. Quelle: GWDS, 8t

Walkman

/ ' w o :kïïi«n; engl ¡7

m.

-men

kleiner Kassettenrecorder

mit Kopfhörer Quelle: D-U, 83

Dou

70 Wegwerfgesellschaft

f.

Xuefu

- , o.Pl. ^ a b w e r t e n d ^

Wohlstandsgesellschaft,

in d e r

D i n g e , d i e w i e d e r v e r w e n d e t w e r d e n k ö n n e n , aus Ü b e r m a ß o d e r

zu-

gunsten von Neuanschaffungen weggeworfen werden

Q u e l l e : D-U, Wohnkultur

f.

- , o.Pl.

auf d e n B e r e i c h des W o h n e n s b e z o g e n e

83

Kultur

) Quelle: GWDS, Xerokopie

/kseroko'pi^7

f.

-, -ien

Durch Xerographie

81

hergestellte

Kopie Quelle: K.N.W., XL-Kamera

f.

-s,

-s

(XL = e x i s t i n g light) K a m e r a , m i t der m a n n o c h bei

schwachem Licht ohne zusätzliche künstliche Beleuchtung kann

83

filmen

Q Q u e l l e : M.J.,

Youngster

^j/irjstS ; engl. _7

m.

-s, -(s)

junger N a c h w u c h s s p o r t l e r ,

ling in e i n e r M a n n s c h a f t e r p r o b t e r S p i e l e r

^

79 Neu-

Vfci^

Q u e l l e : D-U, 82 Yeti

/tib-7 m.

-s,

-s

l e g e n d ä r e r S c h n e e m e n s c h im H i m a l a y a g e b i e t

Q u e l l e : D-R, Zeitsoldat

m.

-en,

-en

S o l d a t , d e r sich f r e i w i l l i g v e r p f l i c h t e t ,

für

82

Neologismus

und Neologismenwörterbücher

eine bestimmte Zeit Wehrdienst zu leisten

71 ( ftfÜtyffy*

Quelle: D-U,

Zwiitstimme

f.

-,

-n

^

83

Stimme, die der Wähler bei den Wahlen zum Bundestag

für die Landliste einer Partei abgibt

^

£

(siehe:

Erststimme) Quelle: GWDS,

81

72

Dou Xuefu

Im Wartartikel ververetete Abkürzungen ftntsdt. = Antsdeutsch Atantech. = Atcmtechnik engl.

= englisch

f.

= Fatiinirum

jnd.

= jenand

Kurzf.

= ftirzfarm

Rurzw.

= Kurzwort

m.

= Maskulinun

n.

= Neutrun

o.ä.

= oder ähnliches, ähnlichem

o.Pl.

= cime Plural

PI.

= Plural

Pol.

= Politik

scharzh.

= scherzhaft

sw. V.; h. = schwadies Verb, (Perfekt mit) haben tib.

= tibetisch

u.

= und

Ugs.

= Ungangssprache

usw.

= und so weiter

V.t.

= transitives Verb

Für Quellen verwendete Abkürzungen ALG

= Aktuell - Das Lexiken der Gegenwart

ALG 86

- Aktuell - Das Lexikon der Gegenwart, Jahresbarri 86

D-F

= IXiden-FVerrdwörterbuch

D-R

= Duden-Rechtschreibung

D-U

= Duden-Lhiversalwörterbuch

QWDS

= Großes Wörterbuch der deutschen Sprache (Duäan-Sechsbänder)

K.N.W.

= Kennen Sie die neuesten Wörter

K.W.

= Kleines Wörterbuch des DDR-Wbrtschatzes

M.J.

= Meyers Qrzyklopädisches Lexikon - Jahrbücher (1975-1983)

Sfard.

= Sprachdienst

WEG

= Worterbuch der deutschen Gegenwartssprache

Neologismus und 8.

Neologismenwörterbücher

73

Literatur

Aktuell - Das Lexikon der Gegenwart, 2. Aufl. Dortmund 1964. Chinesische Lexikographische Studien, H. 6, 1984. Débus, Friedhelm: 2ur deutschen Sprache in unserer Zeit. Verfall oder Fortschritt? Göttingen 1984. Drosdcwski, Günther: Der DIXfN - Geschichte und Aufgabe eines urgewöhnlichen Buches: In: Almanach 1974. Zusannengestellt v. Klaus W. Frchn. Köln 1974, 117-128. ¿erweiterte Fassung: MannheimAiien/Zürich 19807. Drosdcwski, Günther: Theorie und Praxis. In: Drosdowski/Henne/Vfiegand: Nachdenken über Wörterbücher. MannheiitvAiierv'Zürich 1977. ¿korrigierte Ausgabe 19847, 103-143. Drosdcwski, Günther: Die DUEEMredaktion. In: Sprachkultur. Jahrbuch 1984 des Instituts für deutsche Sprache. Hrsg. v. Rainer Winmer. Düsseldorf 1985 (Sprache der Gegenwart LXIII), 85-92. Drosdcwski, Günther/Henne, Helnut: Tendenzen der deutschen Gegenwartssprache. In: Lexikon der germanistischen Linguistik, neubearb. Aufl. Ttibirgen 1980, 619-632. DUDEN - Das große Wörterbuch der deutschen Sprache. Bd. 1, Mannheim 1974. Förster, Lfee: Wertzuwachs und Stilenpfinden im Deutsch der siebziger Jahre. In: Der Sprachdienst Jg. XXII. 1978, H. 5, 65-69; H. 6, 84-88. Klappenbach, Ruth/Steinitz, Wblfgang: Vorwort des Wörterbuchs der deutsche! Gegenwartssprache, Berlin 1964. Harlass, Gertrude/Vater, Heinz: Zum aktuellen deutschen Wbrtschatz. Forschungsbericht des Instituts für deutsche Sprache 21. Tübingen 1974. Hellwig, Gerhard: Kennen Sie die neuesten Wörter. Vorwort der erweiterten Taschentuchausgabe, München 1983. Henne, Helnut: Historische Erfahrungen. In: Drosdowski/tfenneAiiegand: Nachdenken über Wörterbücher. MarmheimAüen/Zürich 1977. korrigierte Ausgabe 196$7, 9-49. Kann, Hans-Joachim: Neue Germanianen in Time. In: Der Sprachdienst Jg. XXIII. 1984, 40-43. Klare, Johannes: Neologiarus und Neosarantiarus als lexikographisches Problem unter besonderer Berücksichtigung des französischen gesellschaftspolitischen Wortschatzes. In: Linguistische Arbeitsberichte 17. Leipzig 1977. Krahl, S./Rurz, J.: Kleines Wörterbuch der Stilkunde. Leipzig 1970. Müller, Wblfgang: Das Sprachgefühl auf dem Prüfstand der Philologie. In: Sprachgefühl? Vier Antworten auf eine Preisfrage der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung von Jahr 1960. Heidelberg 1962, 203-320. Müller, Wblfgang: Wortbildung und Lexikographie. In: Genranistische Linguistik 3-6/80. Hildesheimtoew York 1962, 153-188. Paaske, Gunhild: Neologismer i moderne journalistik tysk (auf Deutsch: Neologianen im modernen Zeitungsdeutsch), Kopenhagen 1983. vcn Polenz, Fteter: Deutsch in der Bundesrepublik. In: Marburger Studien zur Germanistik, Bd. 3. Marburg 1983, 41-60. Sparmarm, H. : Neues im deutschen Wbrtschatz unserer Gegenwart. In: Sprachpflege 26. Jg. 1976. Wiegand, Herbert Qmst: Aktuelle Probleme. In: Droedowskiytfenne/Wiegand: Nachdenken über Wörterbücher. Marmheijn/Wieiv'Zürich 1977. korrigierte Ausgabe 19647, 50-102.

FRANZ JOSEF HAUSMANN KLEINE WELTGESCHICHTE DER METALEXIKOGRAPHIE Ahstract As proved by Beni's Anticrusca

of 1612, metalexicography i s as old as lexiocgraphy i t s e l f . This

a r t i c l e traces the history of metalexioographical r e f l e c t i o n in dictionary préfacés and revivre, in the a r t i c l e DICTIONARY of Diderot and D'Alerbert's Encyclopédie as well as in the Encyclopedia and last tut not least, in ironographical publications. Bilingual and pédagogie l e x i -

Britannica,

oography i s also dealt with. For the XX^ Century, the main arphasis i s plaœd on France ard the USA. The a r t i c l e concludes with a discussion of the factors explainxng the metalexioographical bocm of present times and a look at SOIE future perspectives.

1.

Ein B e i s p i e l Im O k t o b e r

Teil

einer

1612 e r s c h i e n

zu d e u t s c h Die

Sprache,

in

dem klar

und die

L 'Anti-Crusca

Anti-Crusca

bewiesen

heutige

Sprache

Beni

1612

aus d e r F e d e r von P a o l o Beni i n Padua d e r

S c h r i f t m i t dem T i t e l

na lingua,

ist

früher Metalexikographie:

oder

wird,

ovvero der

daß die

geregelt

il

Vergleich

alte

paragone der

Sprache

erste

del

italia-

italienischen

ungebildet

und

grob

Der 1612 e r s c h i e n e n e 1. T e i l

und fein.

ist

d i e R e z e n s i o n e i n e s W ö r t e r b u c h s von F r a n c e s c o A l u n n o , das 1543 u n t e r dem Titel

Le Ricchezze

della

lingua

i n 1. A u f l a g e e r s c h i e n und a u s -

volgare

schließlich

den W o r t s c h a t z

Boccaccios

130 S e i t e n ,

daß d i e s e r W o r t s c h a t z

zum Gegenstand h a t t e .

veraltet

terbuch der Gegenwartssprache braucht.

zensionseifer

della

Teil

die

schränkte, das e r s t e

allgemeine

degli

und s c h l i e ß l i c h Accademici

ches a u s g e d r ü c k t

ist,

della

lingua

im 4 . T e i l Crusca

von Alunno H a l t g e m a c h t , zweiten,

dritten

und

die gleiche,

die

vierten

P e t r a r c a s und B o c c a c c i o s

In a l l e n d i e s e n

auf d i e

im T i t e l

be-

romaniVoca-

Rezensionen seines

Bevorzugung d e r a l t e n

Aufnahme d e r z e i t g e n ö s s i s c h e n .

Gino Casagrande d i e M a n u s k r i p t e d e s 2 . ,

kri-

(1602),

auch das soeben e r s c h i e n e n e

j a auch b e r e i t s

son-

(1548-1612)

von Giacomo P e r g a m i n i

von 1612.

nämlich der A n g r i f f

ren s t a t t g l e i c h g e w i c h t i g e r weil

Dantes,

im

h a t t e Beni i n seinem Re-

mondo d e s g l e i c h e n Alunno

della

Wör-

1612, d e s berühmten Wör-

e i n s p r a c h i g e und a l p h a b e t i s c h e Wörterbuch e i n e r

war B e n i s S t o ß r i c h t u n g

deswegen,

del

s i c h auf den W o r t s c h a t z

f e r n e r das Memoriale

schen S p r a c h e , bolario

Manuskript g e b l i e b e n e n

auch d i e berühmte Fabrica

tisiert,

im Januar

ein

auf

war n a t ü r l i c h

Anti-Crusca

In W i r k l i c h k e i t

Crusca.

auch k e i n e s w e g s b e i den Ricchezze

d e r n i n einem v o r e r s t

und daß man f o l g l i c h

Der T i t e l

Zusammenhang zu sehen m i t dem E r s c h e i n e n , t e r b u c h s d e r Accademia

ist

Beni b e w e i s t

Wir w i s s e n

3. und 4 . T e i l s

BuAuto-

das in

76

Franz

Josef

Hausmann

der Bibliothek der Cornell Universität in den USA wiedergefunden und 1982 publiziert hat. Die Publikation umfaßt weitere 250 Seiten, so daß insgesamt nahezu 400 Seiten Wörterbuchrezension zusammenkommen. Der interessanteste Teil davon sind die am Ende des Textes auf nahezu 30 Seiten dargelegten tioni

del perfetto

vocabolario,

Condi-

d.h. die Bedingungen für das perfekte Wörter-

buch, in denen Beni zehn lexikographische Regeln formuliert und diskutiert. Wie sah nun die Metalexikographie von Beni aus: Die erste Regel betrifft die Orthographie und Aussprache m i t Forderungen nach Sillabierung. Die zweite Regel betrifft die Etymologie, die Beni auf wissenschaftlichen Grundlagen etabliert sehen will, weil sie für ihn Erklärungswert für die Gegenwart hat. In der dritten Regel fordert er umfassende grammatikalische und morphologische Information betreffend Wortart, Genus, Numerus, Endungen, morphologische Varianten jeder Art und Ähnliches. Großen Wert legt er in der vierten Regel auf die Angabe von Synonymen und äquivalenten Periphrasen. Vorbild sind ihm dabei die griechischen und lateinischen Wörterbücher. Synonymik hilft zum besseren Verstehen und ist nützlich für die rhetorische Regel der variatio In der fünften Regel entwirft er

beim Sprechen und Schreiben.

ein starres Schema für die Abfolge der Bei-

spiele im Wörterbuchartikel und zwar von der Grundbedeutung zur metaphorischen, vom Singular zum Plural, von Modus zu Modus und von Tempus zu Tempus. Selbstverständlich spielen die Zitate unter den Beispielen die größte Rolle. Die sechste Regel fordert eine umfassende lexikographische Behandlung auch für die idiomatischen Redewendungen. Die siebte Regel insistiert auf der umfassenden Beschreibung der Verbkonstruktionen . In der achten Regel spricht sich Beni für die Angabe der lateinischen und griechischen Äquivalente aus, hält aber lateinische und griechische Syntagmen für überflüssig. Indifferent ist er auch gegenüber der Angabe von Antonymen (Antiteti oder Opposti), bei denen er weder das Weglassen noch das Anführen rügen will. Interessanterweise erscheint ihm auch das Anführen der Epiteti u n d Aggiunti Cun vagarel.

(d.h. praktisch der Kollokationen) als Abschweifung

Das ist, meint er, Angelegenheit rhetorischer Handbücher, wir

würden sagen von Stilwörterbüchern. Die neunte Regel betrifft die Archaismen. Beni wirft allen rezensierten Wörterbüchern, namentlich aber dem Wörterbuch der Crusca vor, viel zu viele "ranzige" Wörter aufgenommen zu haben und diese dann auch noch ohne die

Kleine Weltgeschichte der Metalexikographie

77

nötige Markierung vorzuführen. In der zehnten und letzten Regel behandelt er das Selektionsproblem. Seine Einstellung ist nicht enzyklopädisch, er fordert nicht, wie später etwa von Furetière reali siert, die Beschreibung der speziellen Fachwortschätze» dafür verlangt er aber Exhaustivität innerhalb der Gemeinsprache, und da gilt, gleichsam im Vorgriff auf das berühmte Dictum der Académie Française: "klassich sind wir", daß viele sprechsprachliche

Wörter, die nicht in guten Auto-

ren nachzuweisen sind, dennoch aufgenommen werden müssen, zwangsläufig ohne Zitat, weil in den lebenden Sprachen der sprechsprachliche Sprachgebrauch Zitatwert hat ("alle lingue gue vivono il commune uso del parlare serve in luogo di esempio"). Die Aufnahme von Eigennamen lehnt er ab. Mit der monumentalen Wörterbuchrezension des Paolo Beni und seiner metalexikographischen Theorie von 1612 kann ich meine kleine Weltgeschichte der Metalexikographie würdig beginnen.

2.

Geschichte der Metalexikographie nach Quellentypen bis zum 1. Weltkrieg

Auf der Suche nach frühen Manifestationen von Wörterbuchforschung im Sinne der Metalexikographie wird man fünf Quellentypen unterscheiden müssen, Wörterbuchvorwörter, Wörterbuchrezensionen, einschlägige Artikel in Lexika und Enzyklopädien, relevante Abschnitte in großen wissenschaftlichen Handbüchern, sowie eigenständige Metalexikographie. 2.1. Wörterbuchvorwörter Berühmte wie vergessene Wörterbücher haben oft Vorwörter auf hohem theoretischen Niveau. Wenn es sich um die großen einsprachigen Wörterbücher handelt, wie dem Crusca Wörterbuch von 1612, dem Wörterbuch der französischen Akademie von 1694, Johnson 1755, dem Grimmschen Wörterbuch, dem 15bändigen Wörterbuch von Larousse im späten 19. Jahrhundert oder etwa dem Trésor de la langue française, zu dem sein Schöpfer Paul Imbs im ersten Band ein bedeutendes Vorwort geschrieben hat, wenn man also von den einsprachigen Wörterbüchern einmal absieht, die ohnehin auch über die Grenzen der Wörterbuchforschung hinaus berühmt sind und deren Vorwörter in der Regel wenigstens erwähnt wurden, so lassen sich die bedeutendsten historischen Funde in den zweisprachigen Wörterbüchern machen, von denen nur ganz wenige heute noch im kulturgeschichtlichen Bewußtsein der Nationen verankert sind. Regelrechte Einführungen in die Lexikographie findet man z.B. in den geradezu riesig zu nennenden deutsch-italienisch und italienisch-deutschen, deutsch-französisch und fran-

78

Franz Josef Hausmann

zösisch-deutschen, deutsch-holländisch und holländisch-deutschen Wörterbüchern des in Nürnberg arbeitenden Kölners Matthias Kramer, der freilich von Ising bereits gewürdigt worden ist. Aber es gibt im 17., 18. und 19. Jh. eine ganze Fülle bedeutender und unbedeutender zweisprachiger Wörterbücher, deren heute vergessene Autoren in diesem oder jenem Buch außerordentlich interessante theoretische Informationen über ihr eigenes Wörterbuch, über andere Wörterbücher oder über Lexikographie überhaupt liefern. Fast gänzlich unerforscht ist z.B. die ganze Tradition der Wörterbücher zwischen Latein und den lebenden Sprachen, für.deren Ergiebigkeit ich lediglich das große lateinischfranzösische und französisch-lateinische Wörterbuch des Pierre Danet von 1673 und 1683 erwähne, aus dessen Vorwort die später berühmt gewordenen Sprachtheoretiker des französischen 18. Jhs., wie Diderot, Condillac oder Rousseau einen Großteil ihrer Argumente bezogen haben. Aber auch die Vorwörter der berühmten Wörterbücher sind so bekannt nicht. Wer weiß schon, daß Pierre Bayle, der Vorläufer der Aufklärung, in seinem Vorwort zu A. Furetières 1690 postum erschienen enzyklopädisch orientierten Wörterbuch ein ganzes Programm diachronischer und diatopischer (dialektaler) Wörterbücher entwirft, ein Programm, das dann im 18. Jahrhundert im Rahmen der Académie des Inscriptions et Belles Lettres wenigstens zum Teil verwirklicht worden ist, während die eigentliche Sprachakademie, die Académie française, sich ausschließlich dem synchronisch beschriebenen Zentralwortschatz widmete. Als Vertreter der Universität Erlangen erlaube ich mir noch einen anderen Autor herauszugreifen, der ebenfalls völlig vergessen ist, nämlich den Hugenottennachfahren Johann Heinrich Meynier, der 1800 und 1802 in den Vorwörtern seiner beiden französisch-deutschen und deutsch-französischen Wörterbücher eine Art Paradigmenwechsel in der Lexikographie anklingen läßt, nämlich den Übergang vom großen und teueren Gesamtwörterbuch für ein vor allem adliges Publikum zum außerordentlich kompakten und preiswerten einbändigen Wörterbuch, das den Anspruch erhebt, die Bedürfnisse des Schülers ebenso wie die des im Beruf stehenden Benutzers zu verbinden und aus den großen mehrbändigen Gesamtwörterbüchern alle relevante Information durch äußerste Komprimierung, durch äußerste Platzersparnis, durch Nestbildung und Ähnliches zu kompensieren .

2.2. Wörterbuchrezensionen Die Wörterbuchrezension als Manifestation früher Wörterbuchforschung beginnt, wie gezeigt, bereits mit dem Crusca Wörterbuch von 1612 und der Anticrusca

Kleine Weltgeschichte

der Metalexikographie

79

von Beni. Ähnlich erging es übrigens dem ersten Wörterbuch der Französischen Akademie, zu dem deren Rivale Furetiêre noch vor seinem Erscheinen eine Fülle polemischer Schriften verfaßte, die sogenannten Factums,

in denen über zig

Seiten hinweg Wörterbuchartikel miteinander verglichen werden. In die Reihe der freilich dann wegen ihres Umfangs separat publizierten Rezensionen gehört auch die berühmte Schrift von Franz Passow "Über Zweck, Anlage und Ergänzung griechischer Wörterbücher" von 1812, denn sie ist aus Anlaß und als Rezension des voraufgehenden griechisch-deutschen Wörterbuchs von Schneider verfaßt. Man hat übrigens nachgewiesen, daß die Vorstellungen von Passow nicht nur das Grimmsche Wörterbuch stark beeinflußt haben, sondern über das Vorwort seines eigenen griechisch-deutschen Wörterbuchs in das Vorwort des einflußreichsten zweisprachigen Wörterbuchs mit Griechisch überhaupt, des Liddell/Scott, gedrungen sind und von da aus maßgeblich auf die Autoren des OED gewirkt haben. Eine weitere bedeutende metalexikographisch substantielle Rezension verfaßte der berühmte französische Romanist Gaston Paris 1890 und 1901 aus Anlaß des Erscheinens des Dictionnaire

général.

2.3. Einschlägige Artikel in alten Lexika Schon sehr früh gibt es in Lexika und Enzyklopädien entsprechende Artikel über Wörterbuch, Dictionnaire, Dictionary und Ähnliches. Eben in dieser Textsorte findet man auch die erste systematisch abgehandelte metalexikographische Theorie, nämlich im Artikel dictionnaire clopédie

der großen französischen Ency-

Bd. 4, 1754. Der Artikel stammt vom Mitherausgeber der

Encyclopédie

selbst, nämlich von d'Alembert und kann ergänzt und illustriert werden durch weitere Ausführungen aus der Feder von Diderot im Artikel encyclopédie

im

fünften Band der Encyclopédie. D'Alemberts Abhandlung wird über lange Zeit das beste sein, was international bekannt geworden ist, und wird durch den europäischen Rang seiner Rahmenpublikation, nämlich der Encyclopédie, auch sehr einflußreich werden. Deshalb soll im folgenden der Inhalt des Artikels in großen Zügen, teils übersetzend teils paraphrasierend, wiedergegeben werden.

2.3.1. Übersetzung und Paraphrase von D'Alemberts Artikel DICTIONNAIRE (1754) Nachdem d'Alembert das Wörterbuch zuerst als ein Werk definiert hat, in dem die Wörter einer Sprache in alphabetischer Reihenfolge und, entsprechend dem gesteckten Ziel, mehr oder weniger detailliert erklärt werden, unterscheidet

30

Franz Josef Hausmann

er drei Arten von Wörterbüchern, Sprachwörterbücher (auch Wortwörterbücher), historische Wörterbücher (auch Faktenwörterbücher) und Wörterbücher der Wissenschaften und Künste (auch Sachwörterbücher). Das Sprach- bzw. Wortwörterbuch muß, wenn es gut gemacht ist, oft ein Sachwörterbuch sein. Nur dann ist es hinreichend "philosophisch".

I. Sprachwörterbuch Das Sprachwörterbuch erklärt die üblichsten und gebräuchlichsten Wörter einer Sprache. Es schließt Fakten und Eigennamen aus und unterscheidet sich darin vom historischen Wörterbuch. Desgleichen schließt es die der Kenntnis des Fachmanns und Gelehrten vorbehaltenen wissenschaftlichen Termini aus und unterscheidet sich darin vom Wörterbuch der Wissenschaften. Unter den Sprachwörterbüchern ist das muttersprachliche Wörterbuch vom lebendfremdsprachlichen und vom Wörterbuch einer toten Sprache zu unterscheiden . Im folgenden wird vom muttersprachlichen Wörterbuch des Französischen gehandelt. Dabei ist auf drei Dinge zu achten: die Bedeutung der Wörter (Definition) , den Gebrauch der Wörter (Syntax) und die Selektionskriterien (entsprechend dem Zweck des Wörterbuchs). Aussprache, Orthographie und Etymologie kommen hinzu. I.I

Definitionen

Definitionen müssen klar, präzise und kurz sein. Kürze trägt zur Klarheit bei. Wenn man schon eine Idee mit Hilfe mehrerer zusätzlicher Merkmale erklären muß, dann wenigstens mit so wenig wie möglich. Da die Definition in der Erklärung eines Wortes mit Hilfe anderer Wörter besteht, resultiert daraus notwendig, daß es Wörter gibt, die man nie definieren darf, denn im anderen Falle würden ja die Definitionen nichts anderes als einen Zirkel ergeben, in dem ein Wort durch ein anderes Wort erklärt würde, zu dessen Erklärung es selber schon beigetragen hätte. Daraus folgt, daß ein Sprachwörterbuch, in dem jedes Wort ohne Ausnahme definiert wird, notwendig ein schlechtes Wörterbuch ist und auf wenig philosophischem Boden gewachsen. Welche Wörter dürfen nicht definiert werden? Ihre Zahl ist offenbar größer als man glaubt. Die Autoren sind sich nicht einig, was z.B. die Wörter SeeJe, Raum, Kurve usw. betrifft, aber in einer ganzen Reihe von Wörtern wird die Undefinierbarkeit von allen anerkannt, z.B. Wörter des Typs Existenz, Ausdehnung, Gedanke, Fühlen, Zeit und viele andere.

Kleine Weltgeschichte der Metalexikographie

81

Erste Aufgabe des Verfassers eines Sprachwörterbuchs ist also die Erstellung einer genauen Liste dieser Wörter, die man als philosphische Wurzeln der Sprache betrachten kann. D'Alembert nennt sie so, um sie von den grammatikalischen Wurzeln zu unterscheiden, die in die Wortbildung und nicht in die Worterklärung gehören. Bei der Erstellung einer Liste der Ursprungswörter oder Primitiven sind zwei Fehler zu vermeiden. Sie darf nicht zu kurz sein, und sie darf nicht zu lang sein. Sie darf also keine Synonyme enthalten wie z.B. Dauer und Zeit. Man nimmt also eines davon und zeigt dann die Analogie und Verbindung (liaison) mit dem anderen Wort. Jede dieser philosophischen Radices muß ein von allen anderen sehr verschiedenes Konzept beinhalten. Wenn einmal alle Wörter einer Sprache aufgezählt sind, dann kann man alle die in eine Ubersicht zusammenstellen, die irgend eine Art von Beziehung zueinander haben. Selbstverständlich wird sich dieses oder jenes Wort oft in verschiedenen Übersichten befinden; aufgrund der Eigenheit dieses Wortes und durch Vergleich mit den Nachbarwörtern sieht man, ob es aus der Liste der Radices ausgeschlossen werden muß oder nicht. Wenn sich ein Wort nur in einer einzigen Übersicht befindet, so prüft man es auf die Einfachheit seines Konzepts. Die einfachsten werden zur Radix erklärt. Dabei ist ein Teil an Willkür nicht zu vermeiden. An den Wörtern Zeit und Dauer kann man es erkennen; dasselbe gilt aber auch für Sein, Existieren, Idee, Wahrnehmung und andere. Ferner gilt bei der Auffassung dieser Übersichten, daß die Wörter lediglich nach ihrer Grundbedeutung und nicht nach der übertragenen Bedeutung zu verwenden sind. Auf diese Weise werden die Übersichten kürzer. Ein anderes Kürzungsmittel besteht darin, alle abgeleiteten und zusammengesetzten Wörter auszuschließen, die natürlich von anderen Wörtern kommen und deshalb auf jeden Fall definiert werden müssen. Wenn man die philosophischen Wurzeln gefunden hat, tut man gut daran, sie mit einem bestimmten Zeichen zu markieren. Die Definition muß die präzise und nicht die vage Bedeutung erfassen. So darf die Definition des Wortes Schmerz z.B. nicht gleichermaßen den Schmerz der Seele und die körperlichen Empfindungen beinhalten, denn die ursprüngliche und präzise Bedeutung ist die, die sich auf den körperlichen Schmerz bezieht. Von da aus wurde sie auf den Schmerz der Seele übertragen, und das muß in einer Definition nachvollzogen werden. Was nun die Unterscheidung von Grundbedeutung und metaphorischer Bedeutung betrifft, so gilt, daß die Definition ausschließlich die Grundbedeutung beinhalten darf; die metaphorische Bedeutung darf erst sekundär hinzutreten. Allerdings sind die metaphorischen Bedeutungen sorgfältig zu erklären, da in ihnen einer der größten Reichtümer der Sprachen liegt, und weil sie dazu

82

Franz Josef Hausmann

beitragen, ohne Vervielfachung des Wortschatzes eine große Anzahl von Konzepten auszudrücken. Das gilt namentlich für Poesie und Eloquenz. Eine Reihe von Wörtern wird übrigens ausschließlich im metaphorischen Sinne gebraucht, z.B. Verblendung, Niedrigkeit usw., dennoch

muß die Definition in jedem Falle

auch die Grundbedeutung erfassen, selbst wenn diese gar nicht mehr üblich ist. Freilich muß das entsprechend gekennzeichnet werden. Übrigens kann kein Wörterbuch alle metaphorischen Bedeutungen verzeichnen. Die frequentesten muß es allerdings aufnehmen. £*An dieser Stelle folgt ein Einschub über das Sprachenlernen durch Verbindung der metaphorischen mit der figürlichen Bedeutung._7 W e nn man in einer Sprache so viele Wörter kennt, daß man die Bedeutung jedes Satzes in den Büchern ungefähr versteht, dann kann man durch reines Lesen die Bedeutung einer großen Zahl von Wörtern verstehen, denn über die bekannten Wörter lernt man die unbekannten in diesem Satz. Die unbekannten Wörter werden entweder in der Grundbedeutung oder in der übertragenen Bedeutung gebraucht. Im ersten Falle hat man bereits die richtige Bedeutung getroffen und braucht diese Hypothese lediglich bei weiteren Vorkommen zu bestätigen. Im zweiten Falle wird man wiederum bei wiederholtem Auftreten die Bedeutung mit der vorher aufgetretenen vergleichen, man wird die Analogien und die Gemeinsamkeit feststellen und die Grundbedeutung ermitteln können. Auf diese Weise kann man in kurzer Zeit sehr viel Wortschatz einer Sprache lernen. Jede Fremdsprache kann man auf diese Weise lernen wie seine Muttersprache. Die Muttersprache hat man ja auch ohne Wörterbuch durch vielfache und subtile Kombinationen erlernt. Vielleicht wird beim Erlernen der Muttersprache die größte denkbare Geistesanstrengung vollbracht. Eine größere jedenfalls als beim Lesenlernen, das ausschließlich eine Sache des Gedächtnisses ist, denn das Erlernen der Muttersprache setzt Raisonnieren und Analyse voraus. Zu den wichtigsten Aufgaben des Wörterbuchs gehört die Erklärung der ¿Synonym %J. Vollkommene Synonyme gibt es nicht. Freilich gibt es das sehr wohl in den Texten, wo man oft unterschiedslos ein Wort für das andere gebrauchen kann- Das gilt aber nie für alle Texte, sondern eben nur für bestimmte. Vollkommene Synonyme wären ohnehin eine Art Fehler der Sprache, denn die erste Tugend einer Sprache besteht darin, alle Ideen mit der kleinstmöglichen Menge von Wörtern, aber der nötigen Klarheit auszudrücken. Andererseits wäre es ausgesprochen

unpraktisch, wenn man nie ein Wort anstelle eines anderen

gebrauchen könnte. Das würde zu einer unschönen Wiederholung führen, außerdem würde es die Sprache verarmen lassen und jeder Finesse berauben. Synonymie heißt ja: zwei Wörter haben eine Bedeutung gemeinsam, zusätzlich aber

83

Kleine Weltgeschichte der Metalexikographie

Nuancenunterschiede. Jedesmal wenn nun der Kontext das Unterscheiden dieser Nuancen nicht verlangt und man nur die Gemeinsamkeit auszudrücken braucht, dann können die Synonyme ohne weiteres ausgetauscht werden. Umgekehrt würde gelten: wenn man die Wörter einer Sprache nie füreinander gebrauchen könnte, dann wären die Unterschiede zwischen diesen Wörtern eben nicht subtil, sondern auffällig und geradezu grob, und dann würde es eben dieser Sprache an Feinheit und Nuanciertheit mangeln. In dem genannten positiven Sinne sind die Synonyme des Französischen sehr zahlreich. Das Wörterbuch muß also zuerst die gemeinsamen Merkmale bestimmen, was übrigens oft das Schwerste ist, dann aber präzise die Merkmale anführen, die jedes Wort der allgemeinen Bedeutung hinzufügt, und das Ganze durch kurze, klare und gut gewählte Beispiele anschaulich machen. Ferner ist zwischen den Unterschieden zu trennen, die ausschließlich dem bizarren Sprachgebrauch entspringen, und denen, die auf Grundprinzipien aufbauen. Es wird sodann vorgeführt, daß Synonyme willkürlich

Kol-

lokationen.7 bilden, die nicht logisch begründbar sind. Vor allem am Beispiel pleurs und larmes. Wegen der Idiosynchrasie der Kollokationen ist es so wichtig, daß Beispiele angeführt werden. Die Beispiele müssen nicht für jedes Wort gleich zahlreich sein. Die beste Demonstration geschieht durch Substitution im Beispiel; auf diese Weise kann man erproben, ob die Substitution möglich ist oder nicht. Zur Unterscheidung der Synonyme ist zu beachten: die genaue Definition, die verschiedenen Umstände, in denen das Wort gebraucht wird, die verschiedenen Stilebenen, denen es entspricht, die verschiedenen Kollokationspartner, Verwendung in der Grundbedeutung oder übertragen usw.

I.II

Konstruktion und Syntax der Wörter

Dieser Teil gehört an und für sich in eine Grammatik, weil er dort systematisch abgehandelt werden kann. Andererseits muß das Wörterbuch zur Grammatik werden, wenn es um Artikel, Partizipien, Präpositionen und die Konjugation bestimmter Verben geht. Man sollte sogar eine vollständige Grammatik auf verschiedene Artikel verteilen. Vor allem muß die Sprache im Wörterbuch fixiert werden. Nicht absolut, weil sie ohnehin im ständigen Wandel begriffen ist, aber doch so weit, daß sie nicht verdirbt

dénaturer und dégrader J.

Die Gefahr liegt in der unange-

messenen Verwendung der Wörter und Wendungen. Vor falschem Wortgebrauch muß deshalb im Wörterbuch explizit gewarnt werden, gerade dann, wenn die sogenannte gute Gesellschaft im Begriffe ist, diese Fehler zu übernehmen. Vor dem zeitabhängigen Jargon muß gewarnt werden, weil er so schnell veraltet.

Franz

84

Josef

Hausmann

Das Preziöse, Unangemessene, Obskure, Bizarre und das Gestelzte

schockieren

die "justesse" des Philosophen. Zusammenfassung: Ein gutes Sprachwörterbuch ist wie die philosophische Geschichte von Kindheit, Fortschritt, Mannesalter und Verfall einer Sprache. Wenn ein Wörterbuch so gemacht ist, dann darf man es mit Recht raisonniert nennen.

I.III Selektion und Markierung Aus d e m Sprachwörterbuch sind die Eigennamen auszuschließen und alle wissenschaftlichen Termini, die nicht zum täglichen Gebrauch gehören. Andererseits gehören alle Termini hinein, die der Durchschnittsleser täglich hört oder in normalen Büchern findet. Das gilt auch für die

"Kunstwörter".

Daraus folgt, daß in einem Sprachwörterbuch oft £ " B i l d e r . 7 nötig sind, denn unter den wissenschaftlichen und beruflichen Termini gibt es sehr viele, deren Definition (oder genaue Definition) ohne Vorzeigen der Dinge nicht möglich ist. Mindestens ist es gut, Bilder hinzuzufügen. Es ist lächerlich, große Anstrengungen auf eine Definition ohne Bild zu verwenden, wenn das Bild die lange Definition überflüssig macht. Das ist nachgerade Zeit- u n d Kraftverschwendung . ¿"Quelle dieses Gedankens ist Locke._7 Markierung J•. Es muß nach folgenden Kriterien markiert werden: Gespräch versus Schreiben, Prosa versus Poesie, Sprache des Mannes von Stand versus Sprache des Volkes, edler Stil versus Umgangsstil, veraltend versus langsam sich in die Sprache einführend. Es ist nicht Aufgabe des Wörterbuchs , neue Wörter zu schaffen, aber es könnte Wortschatzlücken aufzeigen und gelegentlich sogar Vorschläge für Neologismen machen, vor allem muß es Vorschläge zur Wiederbelebung veralteten Wortschatzes immer dann vorbringen, wenn das Absterben von Wörtern die Sprache arm und kraftlos gemacht hat. Bei Substantiven muß Genus und Numerus hinzugesetzt werden. Eigentliche Adjektive müssen von substantivierten Adjektiven unterschieden werden. Die Änderung der Adjektive nach Genera ist zu verzeichnen; bei Verben ist nach Aktiv, Passiv und Neutrum zu unterscheiden; die Haupttempora sind zu vermerken und vor allem die unregelmäßige Konjugation. Für jedes Tempus sollte ein eigener Artikel gemacht werden mit Verweis auf den Hauptartikel. Das hilft vor allem Ausländern. Vor allem bei Präpositionen muß das Gesamt des Verwendungsbereichs dargestellt werden und die verschiedenen

Bedeutungen.

Kleine Weltgeschichte der Metalexikographie

85

I.IV Die Quantität d.h. lange und kurze Q A u s s p r a c h e ^ müssen angegeben werden. Akzente sind zu markieren. I.V Für jedes Wort ist die üblichste ¿ 7 0 r t h ° g r a P h i e - 7 anzugeben; immer dann, wenn das Wort anders ausgesprochen als geschrieben wird, sollte man auch die Orthographie entsprechend der Aussprache angeben. Das ist in der französischen Sprache besonders häufig und sicher ein Mangel. Ein noch größerer Fehler wäre es aber, die einmal angenommene Orthographie im Wörterbuch über den Haufen zu werfen. ¿"Es folgt ein längerer Diskurs über die Probleme einer Orthographiereform._7 Immer dann, wenn orthographische Varianten existieren, sollten beide lemmatisiert werden, mit

Verweis auf den Hauptartikel. Vor allem für die Auslän-

der sollte man jedem Wort eine ¿Tümschrift_7 entsprechend der Orthographie der anderen Nationen beifügen. Dazu wäre es vorteilhaft, eine Art universelles Alphabet zu erfinden, das aus allen einfachen Lauten, Vokalen sowohl als Konsonanten, bestünde, um mit Hilfe dieses universalen Alphabets nicht nur die Aussprache unserer Sprache, sondern auch die der anderen zu beschreiben. ¿|"Der Autor hat also hier die Vision einer API-Umschriftj I.VI Ein gutes Sprachwörterbuch darf die ¿^Etymologie_7 nicht vernachlässigen, vor allem bei den Wörtern, die aus dem Griechischen und Lateinischen kommen. Auf diese Weise werden dem Leser die griechischen und lateinischen Wörter in Erinnerung gerufen, und es wird ihm gezeigt, wie aus diesen unsere Sprache entstanden ist. Übrigens ist das Französische dem Griechischen analoger als'dem Lateinischen. Das sollte im Wörterbuch zum Ausdruck kommen. Neben den o.g. ausländischen Wurzeln und den philosophischen Wurzeln sollte man auch die Radikale der Sprache selbst angeben und mit einem bestimmten Zeichen versehen. Dann können die Ableitungen und Zusammensetzungen markiert werden. Die meisten Komposita kommen von ausländischen Wurzeln her. Manchmal weiß man allerdings nicht, ob man das Verb vom Substantiv oder umgekehrt ableiten soll (amour - aimer). Das Wörterbuch der Französischen Akademie ist zweifellos das beste Sprachwörterbuch des Französischen, trotz aller Fehler, die es haben mag. Übrigens ist die Kritik eines hervorragenden Wörterbuchs immer noch leicht. Vollkommen kann ein Wörterbuch nicht sein. Noch ein Wort über die £~ R e i m w ö r t e r b ücher_7. Wahrscheinlich sind diese Wörterbücher von einem gewissen Nutzen, aber mit ihnen werden viele schlechte Verse gemacht. Entscheidend ist die Qualität des Dichters, der diese Wörter-

86

Franz Josef Hausmann

bûcher benutzt. II. Wörterbücher toter und lebender Fremdsprachen Im Folgenden wird ausschließlich von der Herübersetzung gesprochen. Die Definitionen entfallen. Es ist falsch, die Zahl der Äquivalente zu vervielfachen. Wichtig ist, das Hauptäquivalent einzutragen, dasjenige, das für die Grundbedeutung steht, so z.B. impellere = pousser. Am besten fügt man hier gar keine weiteren Äquivalente hinzu, denn alle anderen sind kontextabhängig und können aufgrund des Grundbedeutungsäquivalents leicht erschlossen werden. Das gilt auch für Kinder, die durch die Vielzahl von Äquivalenten nur verwirrt werden. II.I Grundsätze für das Wörterbuch einer toten Sprache Wichtig ist die genaue Angabe des Autors, der das Wort benutzt hat. Das wird oft vernachlässigt. Übrigens gebrauchen selbst gute Autoren oft die Wörter schlecht. Das gilt namentlich für Terenz, bei dem man oft eine sprechsprachliche Markierung anbringen muß. In diesem Falle ist sogar genau anzugeben, welches Stück und welche Szene das Wort enthält, damit man eventuell den Kontext überprüfen kann und weiß, ob etwa ein Bediensteter spricht, und unter welchen Umständen er das tut. Auch bei Cicero sind die Stilebenen sehr verschieden. Er variiert seinen Stil je nach behandeltem Thema. Auch bei Cicero muß also die genaue Belegstelle angegeben werden. Gehört ein Autor nicht zur klassischen Latinität, so muß man hinzufügen, ob dieses Wort auch in der klassischen Latinität geläufig war und entsprechende Belege anführen. Besser noch wäre es, ausschließlich Autoren der klassischen Latinität zu zitieren. Und wenn das Wort von einem klassischen Autor gebraucht worden ist, dann muß angegeben werden, ob auch andere klassische Autoren es benutzt haben. Das alles braucht Zeit, aber die bereits existierenden Konkordanzen sind gute Hilfsmittel. Besonders wichtig sind gut gewählte Beispiele, auch die Synonymik darf nicht vernachlässigt werden. Im lateinischen Wörterbuch sind die Etymologien der aus dem Griechischen stammenden Wörter hinzuzufügen. Die Quantitäten sollten gekennzeichnet werden, denn die allgemeine Ausspracheweise des Latein ist nachgerade lächerlich. Ferner sollten die Wörter nach Wurzeln gruppiert werden, zusammen mit ihren Ableitungen plus einem alphabetischen Index. Dies ist etwa in dem griechischen Wörterbuch von Scapula geschehen. Mit ein bißchen Gedächtnisleistung kann man sich beim Wortschatzlernen auf diese Weise mit dem Lernen

Kleine Weltgeschichte der Metalexikographie

87

der Wurzelwörter begnügen. Die vollkommene Beherrschung einer toten Sprache ist allerdings unmöglich. In den Schulen gibt es sogenannte lateinische Synonymiken, mit denen sehr schlechte lateinische Dichtung produziert wird. Ohne entsprechende Syntagmatik zu jedem Wort sind diese Bücher unnütz. II.II Grundsätze für die lebendfremdsprachlichen Wörterbücher Den französischen Äquivalenten sollte man die lateinischen hinzufügen als Unterstützung des Gedächtnisses. An und für sich würden grundsätzlich lateinische Äquivalente ausreichen. Schließlich lernt man Latein von Kindheit auf und kennt es in der Regel besser als die Fremdsprache. Der Wörterbuchverfasser kann also leichter etwa vom Englischen ins Latein als vom Englischen ins Französische übersetzen. Latein könnte die commune mesure aller anderen Sprachen werden. Allerdings ist das Latein als tote Sprache nicht immer einer präzisen Bedeutungsbestimmung zugänglich. Viele Fachwörter haben übrigens kein Äquivalent in Latein. Bei Äquivalenzen ist oft nur ein à peu près möglich. Viele Worte haben überhaupt kein Äquivalent, andere geben den Anschein, eines zu haben, in Wirklichkeit sind aber die Nuancen sehr verschieden. Das gilt namentlich auch für die Wendungen. Das weiß jeder, der auch nur ein bißchen Fremdsprachen kennt. Jede Sprache hat ihr eigenes Genie, das heißt die Fähigkeit, bestimmte Ideen mehr oder weniger glücklich auszudrücken (s. dazu Voltaire in seiner Rede an die Académie Française Bd. 2, Paris 1751, S. 121). Die Gruppierung der Wörter unter die Wurzel ist im lebendfremdsprachlichen Wörterbuch weniger leicht und auch weniger notwendig. Trotzdem könnte damit das Studium einer Fremdsprache abgekürzt werden, z.B. das der englischen Sprache, die so viele Zusammensetzungen hat und auch das der italienischen, die so viele Diminutive hat und so viel Analogie mit dem Latein. Auch die Aussprache ist genau anzugeben, entsprechend der zielsprachlichen Orthographie. Englisch sphere ist dann für die Aussprache französisch sphire zu orthographieren. II. III Hinübersetzung Für die Hinübersetzung ins Lateinische s. Art. Latinität. Die in lebende Sprachen hinübersetzenden Wörterbücher können nur zu einem sehr unvollkommenen Erlernen der Sprache führen. Das Studium der guten Autoren und der Umgang mit muttersprachlichen Sprechern sind das einzige Mittel für wirkliche und solide Fortschritte.

88

Franz Josef Hausmann Ansonsten ist aber das beste Mittel, eine Fremdsprache zu lernen, sich

als erstes so viele Wörter wie möglich einzuprägen. Mit diesem Vorrat und mit viel Lektüre wird man die Syntax durch den reinen Sprachusus lernen, vor allem die der modernen Fremdsprachen, deren Syntax oft sehr kurz ist. Grammatiken braucht man kaum zu lesen, vor allem, wenn man nicht schreiben und sprechen will, sondern nur die Autoren verstehen, denn die Bedeutung im Kontext ist immer leicht zu finden. Wer also schnell eine Fremdsprache lernen will und Gedächtnis hat, der soll ein Wörterbuch auswendig lernen, wenn er kann, und dann viel lesen. So haben es viele gens de lettres gemacht. III. £"Historische WörterbücherJ7- Damit sind historische Namenlexika gemeint, in denen geographische und Personennamen aufgenommen werden. Ein typisches Beispiel ist das Lexikon von Moreri mit der Verbesserung und Ergänzung durch Bayle. Bayle ist nicht nur historisch, er ist auch noch philosophisch und kritisch. Ein Mangel dieser Lexika besteht darin, daß sie die Künstler ungleich behandeln. Stiefmütterlich werden z.B. die berühmten Komponisten Italiens behandelt, Corelli, Vinci, Leo, Pergolesi, Teradella und viele andere. Außerdem sollte man ins historische Wörterbuch auch lebende Personen aufnehmen. IV. Wörterbücher der Wissenschaften und Künste Entgegen seiner früheren Definition spricht d'Alembert hier ausschließlich von den Enzyklopädien, nicht aber von den Wörterbüchern des peripheren Wortschatzes, die es zu seiner Zeit auch schon gab.

2.3.2. Der Artikel

"Dictionary" in der Encyclopaedia Britannica (1877)

Es ist im Rahmen dieser Arbeit selbstredend unmöglich, alle bedeutenden metalexikographischen Artikel früher Lexika zu zitieren. Eine besondere Hervorhebung verdienen jedoch die Artikel "Dictionary"

in den verschiedenen Auf-

lagen der Encyclopaedia Britannica. So erscheint ein anonymer Artikel 1771 auf den Seiten 434-440 der 1. Auflage. In diesem beispielreichen Artikel wird das nach Meinung des anonymen Autors ideale englische Wörterbuch konzipiert (ähnlich bis 8. Aufl. Bd. 8, 9-14, 1860). Besonders eindrucksvoll hingegen ist der Artikel der 9. Aufl. (Bd. 7, 179-193). Dieser Artikel ist 1877 erschienen, aber bereits im Oktober 1864 verfaßt. Der Autor mit Namen Ponsonby A. Lyons ist heute vergessen. Um so erstaunlicher seine Leistung. Zuerst einmal besteht der Artikel in einer weithin kommentierten Bib-

Kleine

Weltgeschichte

der Metalexikographie

89

liographie aller Wörterbücher der Erde. Durch Kleindruck und äußerste Konzision gelingt es dem Autor nicht nur, mehrere tausend Wörterbücher

syste-

matisch und chronologisch geordnet zu nennen, sondern an mehreren Stellen auch noch nationale Lexikographiegeschichten vorzuführen. Das positivistische 19. Jahrhundert war eben in den Fakten unschlagbar. Es ist bezeichnend, daß dieser bibliographische Reichtum zwar noch in der 10.und 11. Auflage

(1910,

186-200) vorgeführt wurde, in dem ansonsten sehr guten Artikel aus der letzten Auflage (1974, Bd. 5, 713-722) durch Allen Walker Read hingegen geopfert wurde. Nun ist aber der Artikel von Ponsonby A. Lyons nicht nur in den Fakten bemerkenswert. Angesichts so weitläufiger Wörterbuchkenntnis ist es nicht verwunderlich, daß Lyons die Definition des Wörterbuchs ausgesprochen vage hält. Er kennt übrigens mehr als 30 Termini für die Bezeichnung des Wörterbuchs. Seine Wörterbuchtheorie ist betont benutzerbezogen. Er sagt z.B.: A Dictionary of Language should oontain all the wards which may be reasonably locked for in it, so arranged as to be readily and surely fcxmd and so explained as to make their meaning and if possible their use £"Syntagnatik_7 clear to those who have a carrpetent knowledge of the language or languages in Vilich the explanations are given. Lyons weiß, daß die Wörterbücher um des peripheren Wortschatzes willen aufgeschlagen werden und nicht um des zentralen willen. Entsprechend wichtig erscheint ihm die Behandlung der schweren Wörter. Lyons weiß, daß auch die Eigennamen und die von ihnen abgeleiteten Wörter oft ganz real zur Sprache gehören. Er spricht sich für ein einziges Alphabet aus: "In a large Dictionary a small separate additional alphabet is almost lost, and is usually overlooked by searchers". Lyons weiß, daß man die

Wortbildungsbeziehungen

im Wörterbuch auch durch Verweise abbilden kann und deshalb die Artikel nicht zu gruppieren braucht. Lyons hat sogar die Vision eines integrierten Wörterbuchs, d.h. eines semasiologischen Wörterbuchs, das auch die onomasiologische Vernetzung registrieren würde. Er wird dazu angeregt durch die onomasiologischen SpezialWörterbücher von Roget (1852) und Boissiere

(1862).

Aber erst 90 Jahre später w i r d die Vision von Lyons durch den Franzosen Paul Robert verwirklicht werden. Lyons Darlegung hat übrigens den Vorteil, die Bedingungen der arabischen und chinesischen Lexikographie in die Darstellung zu integrieren. Die Darstellung der Mikrostruktur bei Lyons hat starke Anklänge an die von d'Alembert. Originell ist er in der Empfehlung von Kommentaren in Form von Usage

Notes

lexikographischen

(Schwierigkeiten, Fehlerprophylaxe, be-

90

Franz

Josef

Hausmann

sondere Konstruktionen, Idiomatisches usw.). Lyons hält den Beispielteil in der Mikrostruktur für absolut zentral. Er hat eine eigene kleine Theorie des Zitats und nennt als wertvollste Zitate "those containing etymologies, definitions or explanations of a word, as well as those in which it is joined to words of the same or opposite meaning, and those which mark its introduction or disuse, and those in which it is used as a foreign word not yet naturalized". Lyons nennt 24 Typen von Spezialwörterbüchern und gibt eine originelle Klassifikation der vielsprachigen Wörterbücher, je nachdem, ob sich die Vielsprachigkeit auf die Einträge, die Erklärung oder die Übersetzung bezieht. Lyons hält zwei Prozent aller Bücher für Wörterbücher und nennt auch die Obergrenze einer Wörterbuchbibliothek seiner Zeit. Er gibt sie m i t 5000 Wörterbüchern an. Die Besonderheit des Artikels aus der 11. Auflage von 1910 ist der starke Akzent auf dem Nutzen eines Wörterbuchtyps, der sich in Deutschland nie durchgesetzt hat, nämlich des enzyklopädischen Wörterbuchs. Die Metalexikographie des Artikels zeigt darin ihre Abhängigkeit von der Lexikographie, denn das enzyklopädische Wörterbuch ist ja eine Erfindung des 19. Jahrhunderts, in Frankreich seit 1843 stark vertreten durch Bescherelle, später durch das 15bändige Grand

Dictionnaire

Universel

du 19eme siecle

von Pierre

Larousse und dann um die Jahrhundertwende durch den 7bändigen Nouveau rousse

illustre.

anglophonen Höhepunkt in Form des zuerst öbändigen, später Century

La-

Der Autor kennt diese Tradition und kennt vor allem ihren

Dictionary,

12bändigen,

das 1889-91 unter der Leitung des bedeutenden Linguisten

William Dwight Whitney erstellt worden ist. Der Autor verteidigt den enzyklopädischen Wörterbuchtyp gegen den offenbar vorgebrachten Einwand, er sei ein hybrider Typ, und meint, in diesen Dingen dürfe ausschließlich der praktische Nutzen regieren. Er kommt zu dem Schluß: "It may be said, that if the encyclopaedic dictionary did not exist it would have to be invented". Eines der größten Verdienste des enzyklopädischen Wörterbuchs ist für ihn die Einführung der Bebilderung ins Wörterbuch. Reine Sprachwörterbücher haben in der Regel

keine Bilder. In der Tat ist die Bildlosigkeit deutscher

Wörterbücher an das Fehlen von enzyklopädischen Wörterbüchern gekoppelt, während die auffallende Bildhaltigkeit etwa der spanischen Wörterbücher m i t der Verbreitung enzyklopädischer Wörterbücher in dieser nationalen Tradition einhergeht.

Kleine Weltgeschichte der Metalexikographie

91

2.4. Abhandlungen in großen wissenschaftlichen Handbüchern und in Sprachgeschichten In den großen mehrbändigen Kompendien der philologischen Disziplinen findet man zu Ende des 19. Jahrhunderts gelegentlich auch eigene Abhandlungen zur Lexikographie und Lexikographiegeschichte. Das gilt namentlich für das Handbuch der klassischen Altertumswissenschaft, in dem sich ausgezeichnete 30bzw. 50seitige Artikel zur lateinischen Lexikographie durch den Erlanger Professor Heerdegen und zur griechischen Lexikographie durch Cohn finden. Für das Französische ist von gleicher Bedeutung die mit dem Schwerpunkt kurz nach der Jahrhundertwende verfaßte monumentale

Sprachgeschichte durch Fer-

dinand Brunot. Nähme man aus dieser Sprachgeschichte die wörterbuchgeschichtlichen Teile heraus, so ergäbe das ein ganzes Buch. 2.5. Eigenständige Metalexikographie 2.5.1. Übersicht Eigenständige Zeitschriftenartikel oder Monographien des metalexikographischen Typs sind vor dem 20. Jahrhundert selten. Ich will deshalb für die Frühzeit den Begriff etwas weiter fassen und mich fragen, wo überhaupt außerhalb der bereits genannten Texttypen Metalexikographie anzutreffen ist. Sehr frühe Texte existieren naturgemäß zum Lateinischen. So darf als einer der ersten metalexikographischen Texte überhaupt gelten die Dissertatio de lexicis latinis et graecis von Olaf Borch (Borrichius, 1626-90), die in Kopenhagen 1660 erschienen ist. Im Anschluß an eine Geschichte der altsprachlichen Lexikographie deckt Borch zahllose Lücken in den Wörterbüchern des Lateinischen auf. Daß Borch viel gelesen wurde, ergibt sich z.B. aus der Tatsache, daß Bayle ihn im oben erwähnten Vorwort zu Furetiéres Wörterbuch zitiert und er auch von Barré 1842: XIII genannt wird. Einhundert Jahre später findet sich in der Bibliothecae latinitatis restitutae des Johann Friedrich Noltenius (Leipzig 1758, 512 Seiten) eine atemberaubend reichhaltige systematisch-kritische Bibliographie aller lateinischen Wörterbücher des 16. bis 18. Jahrhunderts, vor allem auch der zahlreichen SpezialWörterbücher, als da sind Sachgruppenwörterbücher, phraseologische Wörterbücher, Sprichwörterbücher, Antibarbari, Kollokationswörterbücher und manches mehr. Genau im gleichen Jahre, 1758, erscheint die ebenfalls reichhaltige Bibliographie von Wörterbüchern aller Sprachen und Typen des Franzosen Durey de Noinville. 1817 erschien aus der Feder von E.A.Ph. Mahn ein Buch über die hebräische

92

Franz

Josef

Hausmann

Lexikographie. Eine sehr reichhaltige Abhandlung mit dem Titel Recherches les anciens

lexiques

d'améliorer

les nouveaux

liophile

suivies

de considérations

dictionnaires

sur les principaux

sur

moyens

veröffentlicht 1836 im Bulletin

du

bib-

Henri Jean François Edmond Pellissier (1800-1858), eine Abhandlung,

die etwa gleichzeitig als Artikel "Dictionnaire" in d e m 68bändigen re de la conversation

et de la lecture

Dictionnai-

von Wilhelm Duckett zu lesen ist (Bd.

20, 468-485) und 1873 m i t einem Nachtrag in Band 7 (557-560) der 2. Auflage noch einmal erscheint. Sieht man einmal ab von den Programmen und Prospekten zu den berühmten Wörterbüchern von Johnson über Grimm bis zum Oxford Dictionary,

English

so sind die Publikationen vor 1900 ausgesprochen selten, und wenn

sie existieren, dann haben sie historischen, nicht systematischen Charakter. So etwa die Jenaer Dissertation von 1875 durch Roderich Schwartze über Die Wörterbücher de l'Académie

der französischen Française

1878 über die Geschichte französischen

Synonymik

Sprache

1350-1694.

vor dem Erscheinen

des

Dictionnaire

Oder die Greifswalder Dissertation von

der französischen

Synonymik

Teil

1: Die Anfänge

der

von F. Martens. Allerdings gibt es in Deutschland

vor dem 1. Weltkrieg ein paar bedeutende Beiträge zur zweisprachigen Lexikographie, die wir im folgenden referieren wollen. 2.5.2. Theorie der zweisprachigen Lexikographie vor d e m 1. Weltkrieg Die Theorie der zweisprachigen Lexikographie beginnt keineswegs m i t Séerba; wir haben das bereits am Enzyklopädieartikel von d'Alembert gesehen. Wer immer über zweisprachige Wörterbücher nachdenkt, freilich ist nicht allzu oft darüber nachgedacht worden, wird auf bestimmte Grundgesetze stoßen. Es kommt also vor allem darauf an, diese letztlich banalen Grundgesetze prägnant zu formulieren. Zwei Beispiele für markante Äußerungen über zweisprachige W ö r terbücher finde ich in der deutschen Anglistik und Romanistik kurz vor dem 1. Weltkrieg. Der Kölner Anglist und Lexikograph Arnold Schröer publiziert 1909 im ersten Heft der Germanisch-romanischen

Monatsschrift

einen 20seitigen Aufsatz

über englische Lexikographie. Er beklagt sich darin über die Kriterienlosigkeit der Beurteilung von Wörterbüchern, von denen die Kritiker immer nur zu sagen wissen, daß sie mehr oder weniger vollständig seien oder daß sie den Benutzer trotz großer Vorzüge oft im Stiche ließen. Er fährt dann fort: "Wie man die bisher erschienenen Wörterbücher und Wörterbucharbeit überhaupt beurteilen soll, um m i t sicherem Urteil für eigenen Gebrauch oder für den Sprachunterricht, für diese oder jene allgemeinen oder besonderen Zwecke nach einem Wörterbuche zu greifen oder es richtig zu gebrauchen, darum han-

Kleine d e l t es s i c h "

Weltgeschichte

der

Metalexikographie

(551). S c h r ö e r f o r d e r t a l s o e i n e T h e o r i e d e r

93 Wörterbuchkritik,

f ü r d i e er s e l b s t e i n e n m a r k a n t e n B e i t r a g l e i s t e t . S c h r ö e r r ä u m t

nämlich

g r ü n d l i c h auf m i t d e r W a h n i d e e v o n d e r V o l l s t ä n d i g k e i t z w e i s p r a c h i g e r terbücher. Schröer beschreibt eindringlich das Grundgesetz von der

Wör-

Unendlich-

k e i t d e r Ä q u i v a l e n z . D i e Ä q u i v a l e n z h ä n g t n ä m l i c h v o m Z u s a m m e n h a n g ab,

der,

wie er sagt, "gewissermaßen die Funktion eines Attributs" ausübt und dem f r a g e s t e h e n d e n W o r t auf d i e s e W e i s e e i n e u n e n d l i c h e A n z a h l v o n deutungen geben kann zenden Wörterbuch.

(560). S c h r ö e r s p r i c h t a u s s c h l i e ß l i c h v o m

In e i n e m s o l c h e n W ö r t e r b u c h

handeln, das Hauptaugenmerk

Sonderbeherüberset-

" k a n n es s i c h n i c h t

darum

auf r e c h t w e i t e G r e n z e n zu r i c h t e n , d . h .

eine Vollständigkeit, die doch nie erreichbar

auf

sein wird, sondern darauf,

S u c h e n d e n in d i e L a g e z u v e r s e t z e n , s e l b s t ä n d i g d i e G r e n z e n

je n a c h

b e n d e n S p r a c h e s i c h d u r c h e i g e n e s N a c h d e n k e n u n d d u r c h B e s i n n e n auf selbst zu helfen"

(561). D i e M e h r z a h l d e r

passenden selbst

(562). E i n e w i c h t i g e K o n s e q u e n z d a r a u s

tet, d a ß es s i n n l o s i s t , d i e W o r t ä q u i v a l e n t e wichtiger ist, Verwendungsbeispiele

zu vervielfachen und daß

voller als hundert Mißverständnisse"

lau-

es

z u ü b e r s e t z e n . Das i s t z w a r d a n n n u r

kleine Auswahl aus der Unendlichkeit, aber "eine sichere Erkenntnis

eine

ist w e r t -

(564).

S c h r ö e r e n t w i c k e l t s e i n e n G e d a n k e n als K r i t i k a m M u r e t / S a n d e r s . vorher hat bereits der französische Linguist Dumarsais die zösischen Wörterbücher

le-

sein

Ü b e r s e t z u n g e n k ö n n e n n i c h t im W ö r t e r b u c h s t e h e n , s o n d e r n s i n d "von u n s erst zu finden, d.h. zu ersinnen"

den

Bedürf-

nis zu erweitern, d.h. also bei vollem Bewußtsein der Unendlichkeit der

eigenes Sprachgefühl

in-

180

Jahre

lateinisch-fran-

im g l e i c h e n P u n k t k r i t i s i e r t , w o r a u f u n l ä n g s t v o n m e i -

n e m r o m a n i s t i s c h e n K o l l e g e n J ö r n A l b r e c h t in d e r F e s t s c h r i f t C o s e r i u

hinge-

w i e s e n w o r d e n ist. L a u t D u m a r s a i s f i n d e t m a n in d e n W ö r t e r b ü c h e r n s e i n e r für d a s l a t e i n i s c h e W o r t aqua W o r t feu

"Feuer"

absurderweise unter den Äquivalenten auch das

(das r ü h r t d a h e r , d a ß w i r b e i e i n e r F e u e r s b r u n s t Feuer!

f e n , w ä h r e n d d i e R ö m e r Wasser!

Hinter Schröers Sehweise steht unausgesprochen eine ganz bestimmte

z e n d e W ö r t e r b u c h n i c h t als r e i n e s A u f s c h l a g b u c h , n i c h t w i e e i n

herüberset-

Eisenbahnkurs-

(551) v e r s t a n d e n w i s s e n , s o n d e r n g l e i c h z e i t i g als e i n e A r t

Lernbuch,

E i n s i c h t in d i e F r e m d s p r a c h e v e r m i t t e l t . D e s h a l b

er z.B. großen Wert auf das A u s r ä u m e n des Unrats vergangener Zeiten und wendet sich scharf gegen den bei Muret/Sanders praktizierten im Zweifelsfalle

immer

aufnehmen!

Funk-

S c h r ö e r m ö c h t e , u m es m i t

d e n W o r t e n M a t h i a s K r a m e r s aus d e m 17. J a h r h u n d e r t zu s a g e n , d a s

das wissenschaftliche

ru-

riefen).

tionsbestimmung des herübersetzenden Wörterbuchs.

buch

Zeit

legt

(565)

Grundsatz:

94

Franz Josef Hausmann Theoretisch noch interessanter sind die grundsätzlichen Äußerungen zur

zweisprachigen Lexikographie durch den Romanisten Eugen Herzog im 12. Band des Kritischen Jahresberichts über die Fortschritte der romanischen Philologie von Karl Vollmöller, erschienen 1913 in Erlangen. Auf den Se iten I, 184-189 gibt Herzog eine Kurztheorie des zweisprachigen Wörterbuchs. Ähnlich wie Schröer gegen Muret/Sanders wendet sich Herzog als Romanist gegen Sachs/ Villatte, d.h. gegen den enzyklopädischen Typ des zweisprachigen Wörterbuchs, das über alles informieren will und deshalb notwendig unzureichend bleibt. Stattdessen verlangt Herzog Arbeitsteilung - er nennt das Separatismus (187), - durch eine Fülle von Spezialwörterbüchern, z.B. Konstruktionswörterbücher oder stilistische Wörterbücher (gemeint sind Kollokationswörterbücher). Vor allem aber formuliert Herzog das funktionale Grundgesetz zweisprachige Wörterbücher: "Man muß, sagt er, den Gedanken aufgeben, daß ein derartiges Werk in gleicher Weise den Anforderungen beider dabei in Betracht kommenden Nationen gerecht werden kann" (187). Er hat zwar keine Terminologie für seine Erkenntnis bei der Hand, sondern bezieht sich als deutscher Benutzer auf das französisch-deutsche und das deutsch-französische Wörterbuch, doch denkt er an diesem Beispiel die Funktionen des herübersetzenden und des hinübersetzenden Wörterbuchs konsequent durch. Das herübersetzende Wörterbuch muß alles Undurchsichtige aufnehmen, darf aber alles Transparente weglassen. Das hinübersetzende Wörterbuch steht unter einem ganz anderen Gesetz. Hier ist nicht das Kriterium der Transparenz von Bedeutung, sondern das der Frequenz. Peripherer Wortschatz hat im hinübersetzenden deutschfranzösischen Wörterbuch nichts zu suchen. Hingegen muß theoetisch alles nicht vorhersagbare Sprachmaterial aufgenommen werden. (Wir wissen zwar von Schröer bereits, daß das nicht möglich ist, doch muß es notwendig angestrebt werden). Herzog fordert also mit der nötigen Klarheit das monodirektionale Wörterbuch, eine Forderung, die seither aus Gründen des Kräfteverhältnisses der Sprachen und aus Gründen der Verlagspolitik ausschließlich in kleinen Ländern (z.B.in den Niederlanden und in Dänemark) verwirklicht worden ist, und die für die großen Sprachenpaare vom Typ Englisch-Deutsch, Deutsch-Französisch usw. nach wie vor ihre Gültigkeit hat.

3.

Metalexikographie im 20. Jahrhundert

3.1. Übersicht über die Zeit bis 1960 Auch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gibt es nur vereinzelt metalexikographische Dissertationen und Bücher. Eine gewisse Verdichtung der

Kleine

Weltgeschichte

der Metalexikographie

Arbeit ergibt sich nur auf zwei Gebieten, der englischen te und der sprachdidaktisch orientierten

95

Wörterbuchgeschich-

Metalexikographie.

3.1.1. Starnes In erster Linie sind die wörterbuchgeschichtlichen Arbeiten aus der texanischen Schule von Dewitt T. Starnes zu nennen. Starnes hat 1946 zusammen mit Gertrud Noyes eine sehr präzise gearbeitete Geschichte des englischen Wörterbuchs von 1604-1755 publiziert, dann 1954 alleine eine Geschichte der englisch-lateinischen und lateinisch-englischen zweisprachigen Wörterbücher im 16. und 17. Jahrhundert, die in ihrer Art vorbildlich ist; und 1963 noch ein Buch über Robert Estiennes Einfluß auf die englische Lexikographie. 3.1.2. Sprachdidaktische

Metalexikographie

Als im Jahre 1934 eine New Yorker Konferenz Harold Palmer, Edward L. Thorndike und Michael West zusammenführte, trafen sich die Väter des modernen fremd- und muttersprachendidaktischen Wörterbuchs. Der bedeutendste unter ihnen war der Lernpsychologe Thorndike (1874-1949). Er publizierte 1928 das Programm eines lerntheoretisch untermauerten Schulwörterbuchs

(Thorndike

1928) und verwirklichte dieses Programm in drei berühmt gewordenen Wörterbüchern (Thorndike:1935, 1941 und 1945). Zwar waren der Junior Senior

Dictionary

und Beginning

Dictionary

Dictionary,

für den muttersprachlichen Unter-

richt gedacht, doch verwirklichten sie Prinzipien, die in gleicher Weise für den Fremdsprachenunterricht von Nutzen sein konnten: Selektion auf der Basis von Frequenzuntersuchungen, einschließlich des semantic count, Frequenzmarkierung nach 21 Frequenzrängen, Verständlichkeit der Definitionen, notfalls Verzicht auf Definition, umfangreiches Beispielmaterial,

Bebilderung,

lernpsychologische Anordnung der Mikrostruktur, Lesbarkeit der Ausspracheangabe und schließlich Benutzungsanleitung im Vorspann des Wörterbuchs. Ebenfalls 1935 publizierte Michael West seinen New Method

Dictionary,

in dem

24000 Wörter mit Hilfe eines kontrollierten Definitionswortschatzes von 1490 Wörtern erklärt wurden. West arbeitete in Indien in fremdsprachenähnlicher Lernsituation. Ausschließlich mit Fremdsprachlern hatte hingegen Palmer seit 1923 in Tokyo zu tun. Sein Eigenbeitrag war 1938 The Grammar Vorläufer der heutigen Konstruktions- und

of English

Kollokationswörterbücher.

Thorndikes Wörterbücher waren der Ausgangspunkt für die britischen ner's

Dictionaries.

Words, ein

Lear-

Sein Einfluß wird 1947 sinnfällig in der von Palmer mit-

bearbeiteten englischen Ausgabe des Junior

Dictionary.

Wenig bekannt ist hin-

96

Franz Josef Hausmann

gegen, daß die Wörterbücher von Thorndike auch bei der Geburt des berühmten Advanced Learner's Dictionary von A.S. Hornby Pate standen. Hornby war in Tokyo Mitarbeiter von Palmer, mit dem zusammen er 1937 Thousand Word English publizierte. 1942 erschien dann in Tokyo die erste Fassung des ALD, dem das Vorbild des Junior Dictionary vor allem in der Makrostruktur, der Bebilderung sowie in den Definitionen und Beispielen anzusehen ist, während die verb patterns in Palmers Grammar ihren Ursprung haben. 3.1.3. Weitere Arbeiten Wo sind im weiteren nennenswerte Arbeiten? Eine theoretische Leistung ist noch 1950 die Einführung in die moderne Lexikographie durch den Spanier Julio Casares, der die Wörterbücher der Spanischen Akademie in die Hand genommen hatte und ein bedeutendes analogisches Wörterbuch publizierte. Während man in Spanien stärker theoretisch orientiert war, kümmerte man sich in Italien mehr um die eigene Wörterbuchgeschichte. Das gilt etwa für die lange Arbeit von Olivieri 1942 über die Wörterbücher vor dem ersten Crusca-Wörterbuch und in gewissem Maße auch für die Einführung von Migliorini aus den 50er Jahren. Annamaria Gallina schrieb 1959 ein Buch über die ersten Jahrhunderte der italienisch-spanischen Lexikographie, Viscardi et al. publizierten im gleichen Jahr die kommentierten Vorworte zu vier großen historischen Wörterbüchern der romanischen Sprachen, nämlich der Crusca, der Französischen Akademie, des spanischen ersten Akademiewörterbuchs und des portugiesischen Bluteau. Nicht zu vergessen ist auch das 1958 publizierte bibliographische Handbuch der Sprachwörterbücher von Zaunmüller. In Holland publizierte 1958 Noel Osselton ein Buch über die markierten Wörter in englischen Wörterbüchern vor Johnson. In Baltimore war schon 1948 eine tiefschürfende Dissertation erschienen über die Quellen von Cotgraves bedeutendem französisch-englischen Wörterbuch von 1611 durch Vera Smalley. In Belgien war 1940 durch Verdeyen eine bedeutende Studie über Dasypodius und Schorus publiziert worden, sowie in Deutschland die wichtigen historischen Arbeiten von Gerhard Ising über Kramer und Stieler (1956), sowie Gerhard Powitz über Frisch (1959).

3.2. Die metalexikographische Wende in Frankreich Der Zustand der Verstreutheit und Zusammenhanglosigkeit der Wörterbuchforschung, deren Arbeiten mehr oder weniger zufällig aus bestimmten Wissenschaftstraditionen erwachsen, ändert sich in Frankreich deutlich in der zweiten Hälfte der 60er Jahre. Es kommt zu einer metalexikographischen Wende, die

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freilich gebunden ist an eine ihr vorausgehende doppelte lexikographische Wende. Zum einen stand Frankreich in den 50er Jahren unter dem Eindruck des im Erscheinen begriffenen neuen Wörterbuchs von Robert, das außerhalb der Universität angesiedelt war. Dagegen reagierte die Universitäts- und Staatslexikographie mit der Planung eines großen Tresor de la langue française, publik gemacht auf dem Straßburger Kongreß von 1957, dessen Akten 1961 unter dem Titel Lexicologie et lexicographie françaises et romanes erschienen. Die in Straßburg initiierte Metalexikographie wurde die eine Quelle für die hier zu beschreibende Wende. Der andere Teil der Metalexikographie kam von den Mitarbeitern Paul Roberts her, die 1967 den Petit Robert vorlegten, sowie den maßgeblichen Autoren des im gleichen Jahr bei Larousse erschienenen, in seiner Konzeption revolutionären Dictionnaire du français contemporain. Der chronologische Hergang ist kurz skizziert der folgende. Zuerst publizierte 1967 der Sorbonne-Linguist Robert-Leon Wagner in seinem Buch Les vocabulaires français eine lange Einführung in die Wörterbücher. Gleichzeitig veröffentlichte der Wagner-Schüler Bernard

Quemada eine meisterliche

große These über die Geschichte der französischen Wörterbücher von 1539 bis zu Littrê (1863), die vor allem systematisch und theoretisch angelegt war und gar nicht chronologisch, und die deshalb stärker der Theorie der Lexikographie als der Wörterbuchgeschichte zuzurechnen ist. Quemada hatte übrigens dazu eine monumentale Bibliographie aller Wörterbücher in diesem Zeitraum erstellt und mit den Lokalisierungen dieser Wörterbücher in allen französischen Bibliotheken versehen, doch ist dieses Manuskript bislang unpubliziert geblieben, was den wenigen Forschern, die überhaupt um die Existenz dieser Bibliograph 16 wissen, unverständlich bleiben muß. Ein Jahr nach Quemada erschien dann aus der Feder des Wortschatzgeschichtiers Georges Matoré eine leicht lesbare Geschichte des französischen Wörterbuchs auf 250 Seiten, die zwar nicht ohne Fehler ist, aber in einer beim Publikum gut bekannten Buchreihe von Larousse erschien und deshalb für das französische Wörterbuchbewußtsein außerordentlich einflußreich war. Mit Wagner, Quemada und Matoré war aber der französische

Nachholbedarf an metalexikographischer Literatur

noch nicht gestillt. Es kamen nun noch sozusagen die theoretischen Folgepublikationen zu den beiden neuen Wörterbüchern, die ich oben genannt habe. Die Autoren, die für die Wörterbücher von Larousse verantwortlich waren, nämlich Claude Dubois und namentlich Jean Dubois, der Vater des Dictionnaire du français contemporain, publizierten 1971 gemeinsam eine Einführung in die französische Lexikographie, und im gleichen Jahr erschien aus der Feder einer Mitautorin von Robert, nämlich Josette Rey-Debove, eine sehr einfluß-

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reich gewordene lange, gründliche und theoretisch ambitionierte Studie über die französischen Gegenwartswörterbücher. Nimmt man dazu noch die ebenfalls 1971 erschienene ausgezeichnete Einleitung in den Trésor de la langue française durch Paul Imbs hinzu, so kann man sagen, daß in Frankreich innerhalb von vier Jahren (1967-1971) sechs bedeutende Einführungen, Darstellungen und Theorien der Lexikographie erschienen sind und damit im gewissen Sinne aus dem Nichts heraus eine metalexikographische Bibliothek. Das ist zu diesem Zeitpunkt absolut einmalig und wird in anderen Sprachen und Ländern erst sehr viel später nach- und eingeholt werden können. Die französische Metalexikographie hat nach dem oben beschriebenen Aufbruch keineswegs Halt gemacht, sondern ist anfänglich kräftig fortgeschritten. 1977 hat Alain Rey seine zahlreichen Aufsätze in ein Buch gegossen, das weitgehend metalexikographisch ist und den Titel Le Lexique trägt. Im gleichen Jahr hat ein Schüler von Quemada, nämlich T.R. Wooldridqe, ein methodisch bedeutendes Buch über die Anfänge der französischen Lexikographie im 16. Jahrhundert publiziert, in dem auch zum ersten Mal der Terminus métalexicographique erscheint und definiert wird. Aus der Schule von Quemada ist noch 1984 ein Buch über Charles Nodier erschienen, doch muß man aus metalexikographischer Sicht bedauern, daß die gewaltige lexikographische Anstrengung des Trésor de la langue française die Kräfte von Quemada und seinen Mitarbeitern derart bindet, daß für Wörterbuchforschung im weiteren Sinne keine Zeit bleibt. Das gilt weniger für den Lexikographen Alain Rey, der noch Zeit gefunden hat für eine lexikographisch allerdings wenig ergiebige Biographie von Littre (zu Littrê s.a. die Akten des Kolloquiums zum 100. Todestag, erschienen 1983), sowie für eine intensive historische Studie über Furetiêre. Derzeit haben wir in Frankreich folgende Situation: Metalexikographie wird in Paris an drei Stellen im Umkreis dreier bedeutender lexikographischer Zentren gemacht, nämlich des Trésor de la langue française, geführt von Bernard Quemada (Nancy und Paris), des Verlages Le Robert, geführt von Alain Rey unter Mitarbeit von Josette Rey-Debove, und drittens im Umkreis des Verlages Larousse, dessen metalexikographische Denker, Jean Dubois und Françoise Dubois-Chalier allerdings aus verlagspolitischen Gründen vor einigen Jahren ins Abseits gestellt worden sind. Eine von verlegerischer Energie und Meinungbindung freie metalexikographische Schule gibt es dann in Lille innerhalb eines Sonderforschungsbereiches des CNRS mit Danielle und Pierre Corbin als Schaltstelle. Das erste Produkt der Liller Metalexikographie war 1978 eine von Collignon und Glatigny publizierte Einführung, es folgten eine Serie von Aufsätzen des Ehepaares Corbin unter dem bezeichnenden Titel "Le monde

Kleine Weltgeschichte der Metalexikographie

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etrange des dictionnaires" (Die seltsame Welt der Wörterbücher) und seit 1982 eine eigene Jahrespublikation unter dem Titel Lexique. Wenn ich von einer Wende um 1970 spreche, dann ist damit freilich nicht nur Frankreich gemeint, wenn auch Frankreich die wichtigste Rolle in dieser Wende spielt. Denn die Sprachbarriere hat es mit sich gebracht, daß die französischen Publikationen zwar in den romanischen Ländern, sehr viel weniger aber in dem Rest der Welt rezipiert worden sind. Die erste wirklich internationale Bibel der Metalexikographie mußte Englisch geschrieben sein, und das war ebenfalls 1971 das berühmte Manual of Lexicography von Ladislav Zgusta. Dieses Buch ist von dem tschechischen Indogermanisten Zgusta und einem Team in der Tschechoslowakei redigiert worden; noch vor dem Erscheinen des Buches, nämlich 1968, hat aber Zgusta die Tschechoslowakei verlassen und ist in die USA übergewechselt, allerdings ohne von dort aus auch nur den geringsten Einfluß auf die Drucklegung nehmen zu können. Und ein letztes Indiz für die Wende um 1970 mag die bekannte erste deutsche metalexikographische Habilitationsschrift von Helmut Henne von 1972 sein (während das Buch von Schröter über Steinbach von 1970 nur die Serie der Ising und Powitz weiterführte). Zwischen 1967 und 1972 wurde also in der Metalexikographie vor allem unter dem Einfluß Frankreichs der Durchbruch erzielt. Von da ab kann man von der impliziten Existenz einer Disziplin sprechen, auch wenn ein eigener Name für diese Disziplin noch umstritten ist. Jedenfalls ist es von diesem Moment an nicht mehr möglich, das weltweite Spektrum mit einem Blick zu erfassen, sondern man muß die sprachlich gebundenen und nationalen Strömungen eine nach der anderen ins Auge fassen. Dabei muß ich Schwerpunkte setzen. Weitgehend beiseite lassen muß ich die Metalexikographie der UdSSR, von der ich lediglich sagen möchte, daß sie in den 30er Jahren dieses Jahrhunderts mit einer kohärenten Theorie der zweisprachigen Wörterbücher durch

Scerba begonnen hat, die allerdings außerhalb der UdSSR

erst in den letzten Jahren überhaupt rezipiert worden ist. Und ich will sagen, daß der bedeutendste lexikographische und metalexikographische Ansatz der letzten Jahre das Text-Bedeutungsmodell des Exilrussen Mel'cuk ist. Was zwischen Mel1 cuk und Scerba liegt, entnehme man dem hervorragenden Reader von Werner Wolski. Hingegen möchte ich etwas eingehender die USA behandeln.

3.3. Die metalexikographische Wende in den USA In den USA hat es seit langem eine bedeutende Wörterbuchkultur gegeben, die mit der besonderen sprachlichen Situation der USA als transplanted variety

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des Englischen, im weiteren mit der Vielsprachigkeit des Landes und schließlich mit dem bedeutendsten amerikanischen Wörterbuch, dem Webster, zusammenhing. Das amerikanische Publikum hat dann auch 1961 ungewöhnlich heftig reagiert, als der Webster das Steuer herumwarf und sich von einem puristischen zu einem deskriptiven Wörterbuch wandelte. Daraus ist eine Art Wörterbuchkrieg entstanden, der von Sledd und Ebbitt in Dictionaries and that Dictionary dokumentiert worden ist. Etwa zur gleichen Zeit fand die von Householder und Saporta 1962 publizierte Wörterbuchkonferenz "Problems in Lexicography" statt, in der namentlich das zweisprachige Wörterbuch eine wichtige Rolle spielte. Im Unterschied zu den Briten haben die Amerikaner sich immer sehr intensiv um die Geschichte des amerikanischen und auch des englischen Wörterbuchs gekümmert. Die maßgebliche Monographie über das Wörterbuch von Johnson haben Sledd und Kolb 1955 in Chicago publiziert. Die Anfänge der amerikanischen Lexikographie sind dargestellt worden von Burkett 1936, von Friend 1967, und zu Normproblemen gibt es die drei Dissertationen und Bücher von Smith 1971, Wells 1973 und Creswell 1975. (Letzteres ist erschienen aus Anlaß des American Heritage Dictionary, der 1969 als normatives Gegenstück zu dem deskriptiven Webster's Third auf der Basis einer Usage-Panel-Enguete erschienen war). Die Geschichte der spanisch-englischen Wörterbücher ist von Roger Steiner in einer Dissertation von 1970 behandelt worden. Diese rege metalexikographische und lexikographische Tätigkeit hat zur Gründung der "Dictionary Society of North America" geführt. Der entscheidende Impuls ging dazu von einem Industriellen aus, der aus Liebhaberei Wörterbücher gesammelt hatte und 1970 seiner alten Universität in Terre Haute mehrere tausend Exemplare vermachte, von den Anfängen der Lexikographie bis 1900. Die Universität von Terre Haute hat dann 1971 und 1975 zwei lexikographische Kolloquien organisiert (es blieb ihr sozusagen gar nichts anderes übrig), und am Ende des Kolloquiums von 1975 wurde die Gesellschaft gegründet, die sich zuerst "Society for the Study of Dictionaries and Lexicography" nannte und die ihren jetzigen Namen bei der ersten Zweijahres-Tagung von 1977 angenommen hat. Die ersten Präsidenten der Gesellschaft waren Edward Gates aus der Universität Terre Haute, der eine zu wenig bekannte Ph.D. Dissertation über die Bibel-Lexikographie publiziert hat, die sehr tiefgehende metalexikographische Überlegungen enthält. Weitere Präsidenten waren der Stifter selbst, nämlich Warren N. Cordeil, William Cameron und 1981-83 Allen Walker Read. (Der heute über 80jährige Allen Walker Read gilt allgemein als der derzeit beste Kenner englischer und internationaler Wörterbücher in den USA. Read verkörpert den Typ von Forscher, der so viel weiß, daß

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er nicht mehr publizieren kann. Also nimmt er sein Wissen mit ins Grab.) 1984-85 war Ladislav Zgusta Präsident der Gesellschaft, die seit 1979 ein Jahrbuch publiziert, Dictionaries,und dreimal im Jahr ein sehr informatives Newsletter. Ich will den amerikanischen Kontinent nicht verlassen, ohne den Romanisten von Berkeley zu erwähnen, den Exildeutschen Yakov Malkiel, der bedeutende typologische Arbeiten vor allem zu den spanischen Wörterbüchern und ein Buch über etymologische Wörterbücher publiziert hat. Daneben muß man im frankophonen Kanada auf die Leiter des Trésor de la langue française au Québec verweisen, die ihr Projekt mit einer reichen metalexikographischen Literatur versehen haben. An Namen sind zu nennen Marcel Juneau und Claude Poirier. Schließlich gibt es in Mexiko nicht nur die engagierteste und emanzipierteste hispanophone Lexikographie, sondern auch aus der Feder von Luis Fernando Lara wichtige theoretische Reflexion über diese Lexikographie. Nennen sollte ich auch das Kolumbianische Institut Caro y Cuervo in Bogota, wo man das große historisch-syntaktische Wörterbuch des bedeutendsten lateinamerikanischen Lexikographen, nämlich Rufino Jose Cuervo, weiterführt und auch metalexikographische Bücher und Aufsätze dazu publiziert. Das erlaubt mir einen kurzen Sprung zurück nach Deutschland, genauer nach Augsburg, wo das große Projekt eines Wörterbuchs der Amerikanismen des Spanischen von Günther Haensch und Reinhold Werner zu intensiver metalexikographischer Überlegung nicht nur über das Projekt, sondern über spanische Lexikographie überhaupt geführt hat. Damit muß ich die metalexikographische Zeitgeschichte abbrechen. Die Verhältnisse in Deutschland brauchen hier nicht dargestellt werden. Und auch der lexikographische und metalexikographische Aufbruch in Großbritannien, der 1983 zur Gründung einer "Europäischen Gesellschaft für Lexikographie" geführt hat, darf als bekannt vorausgesetzt werden.

4.

Gründe für die metalexikographische Wende

Wie ist nun der Aufschwung der Disziplin der Metalexikographie zu erklären, nachdem sie so lange dahinvegetiert hat? Ich sehe dafür mehrere Gründe: 1. Die Explosion des tertiären Sektors überhaupt, d.h. die Vervielfachung der Universitäten in Europa. Damit wurde Raum geschaffen für eine neue Disziplin. 2. Die Explosion der Linguistik, die als eine Art Mutterdisziplin der Metalexikographie gelten darf. Die Linguistik hat die Metalexikographie aus

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ihrer Bindung an historische Fragestellungen befreit und sie für systematische Fragestellungen geöffnet. 3. Vor allem in Frankreich und Deutschland profitiert die Metalexikographie darüber hinaus von der Institutionalisierung einer weiteren Disziplin, m i t der sie eng verbunden ist, nämlich der Angewandten

Sprachwissenschaft.

4. Damit einher geht die Schaffung von Sprachenzentren, vor allem in Deutschland und Großbritannien, an denen viele Wörterbuchforscher eine Lebenszeitstelle gefunden haben. 5. Schließlich ist d a noch eine Disziplin, von deren Ausweitung die Wörterbuchforschung profitiert hat, die Fremdsprachendidaktik. Typisch dafür sind die Lehrstühle von Harald Weinrich in München oder in Paris von Robert Galisson. 6. Ein Großteil der Metalexikographen ist natürlich aus den großen Wörterbuchverlagen gekommen. Das ist Metalexikographie als Fortsetzung der Lexikographie, einmal dadurch, daß bedeutende Lexikographen, wie etwa die Mitarbeiter von Paul Robert, zu höheren theoretischen

metalexikographischen

Weihen strebten oder dadurch, daß bedeutende Linguisten, wie etwa Jean Dubois in Frankreich, Wörterbücher machten und dann naturgemäß auch darüber schrieben. Ein Großteil heutiger metalexikographischer

Literatur

durch Lexikographen ist allerdings die Folge der Existenz der Disziplin Metalexikographie. Viele Lexikographen, namentlich die Autoren zweisprachiger Wörterbücher, würden nie eine Zeile über ihr Tun schreiben, wenn es nicht bereits eine Disziplin gäbe, die sie systematisch dazu auffordert, ihr ein Forum gibt und sie geradezu umwirbt. Oft ist dann das Zustandekommen der Metalexikographie durch Lexikographen eine reine Zeitfrage, was wiederum beweist, daß es Metalexikographie auch ohne Lexikographie geben muß, weil nur dann genug L u f t u n d Zeit für gründliche Forschung bleibt. 7. Da es aber natürlich immer umfangreiche Lexikographie und deshalb potentielle Metalexikographie gegeben hat, andererseits die Etablierung unserer Disziplin dennoch erst in letzter Zeit stattgefunden hat, m u ß man auf die Suche nach tieferliegenden Gründen gehen. Und da stößt man auf die Rivalität verschiedener linguistischer Disziplinen. Der tieferliegende Grund scheint mir das Rückschwingen des Pendels von einer primär syntaktisch orientierten zu einer primär lexikalisch orientierten Linguistik. E t w a um 1970 herum hat die strukturalistische und dann die generative

Kleine Weltgeschichte der Metalexikographie

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Syntax angefangen, ihr hohes Nachkriegsprestige zu verlieren, bei den Linguisten, mehr noch aber bei den Sprachdidaktikern, wo man von einer regelrechten Enttäuschung, wenn nicht gar von einer Depression sprechen kann. Es kamen dann Ersatztheorien auf wie die Pragmalinguistik und die Soziolinguistik, und vor allem fand so etwas statt wie die Wiederentdekkung des Wortschatzes. Und diese Rückbewegung zum Wortschatz hin war um so leichter, als sie ja keineswegs das Verschwinden der Syntax bedeutet, sondern nur deren lexikalische Vereinnahmung, was besonders deutlich wird in den Arbeiten des französischen Syntaktikers Maurice Gross. Auch die Sprachdidaktik, die dazu neigt, hinter den jeweiligen linguistischen Modetrends herzulaufen, hat den Wortschatz wiederentdeckt und damit gleichzeitig das Wörterbuch. 8. Als letzter Faktor mag schließlich der Computer genannt werden, denn der Computer hat zu dem neuen Aufschwung der Lexikographie beigetragen (ganz deutlich zu sehen in dem Boom von Wörterbüchern in Großbritannien seit 1978), und dieser Aufschwung brachte in dem geschilderten Klima einen Aufschwung der Metalexikographie mit sich. Darüber hinaus erzwingt der Computer eine nachgerade algorithmische Lexikographie, die ohne intensive Reflexion über lexikographisches Tun gar nicht möglich ist. Und so ist denn seit 15 Jahren die Linguistik, nachdem sie lange Zeit Kopf gestanden hatte, wieder auf die Füße gefallen, nämlich auf die Wörter, und hat die Sammlungen von dictiones wiederentdeckt, nämlich die Wörterbücher, dictionnaires und dictionaries. Das war ein universales Phänomen, denn die Welt ist ja ein globales Dorf geworden, wo jeder über jeden Bescheid weiß. Aber in diesem Dorf werden 3000 Sprachen gesprochen und unzählige Dialekte. Also hat die Globalisierung des Dorfes dazu geführt, daß die Sprecher dieser Sprachen und Dialekte sich mehr denn je des Sprachenphänomens, des Vielsprachenphänomens, bewußt geworden sind. Das hat sie verunsichert, und deshalb suchen sie mehr denn je nach Sicherheit betreffend ihre eigene Sprache oder die Sprache ihrer nahen und ferneren Nachbarn, nach Sicherheit, schwarz auf weiß, beobachtbar und kontrollierbar auf dem Papier. Da

ist immer noch das

einfachste und probateste Mittel der Griff zum Wörterbuch. Das Wörterbuch enthält die ganze Sprache und die ganze Linguistik. Dadurch wird letztlich die Faszination erklärlich, die neuerlich vom Wörterbuch ausgeht.

104 5.

Franz Josef Hausmann Perspektiven

Was bleibt zu tun? 1 . Besonders viel ist noch in der Wörterbuchgeschichte zu tun. Vor alleir. die Interdependenz der zweisprachigen und einsprachigen Wörterbücher durch die Jahrhunderte ist allzu unzureichend bekannt. Viele zweisprachige Wörterbücher sind überhaupt völlig unbekannt. Ich denke z.B. an die zweisprachigen Wörterbücher mit Latein, die über Jahrhunderte hinweg eine führende Rolle spielten. 2. Es bedarf keiner Betonung, daß viele Lücken in der Wörterbuchtheorie zu stopfen sind, man denke nur an die Theorie des lexikographischen Beispiels. Ich denke aber in erster Linie an die Theorie der zweisprachigen Wörterbücher mit ihrer ungleich größeren Komplikation. 3. Vor allem ist eine geradezu politische Aufgabe, mindestens eine bildungspolitische Aufgabe, dort zu bewältigen, wo es um das Zusammenspiel von Lexikographie, Verlagen, Buchhandel, Käufer und Wörterbuchforscher geht. Wörterbücher bewegen sich nämlich an der Nahtstelle von Markt und Wissenschaft. Zwar ist Lexikographie eine wissenschaftliche Praxis. Aber ihre Produkte unterliegen den Gesetzen des Marktes, denn sie werden für die breite Öffentlichkeit, nicht für den Wissenschaftler gemacht. Wörterbücher sind Kulturprodukte, aber sie werden vermarktet wie ein Stück Seife, weil sie Kulturprodukte fürs Volks sind. Wörterbücher sind hochkomplizierte Gebilde, die kaum von ihren Autoren, auf keinen Fall aber von den Verlagen, den Werbefirmen, den Buchhändlern und am allerwenigsten von den Käufern durchschaut und verstanden werden. Aber kaum einer ist sich dessen bewußt. Selten existiert ein aufgeklärtes, kritisches Bewußtsein gegenüber den Wörterbüchern. Es ist, wie wenn der Autor bei der Abgabe seines Manuskripts das Wörterbuch in einen Tunnel schickte. Dort scheinen Verlag, Werbefirmen, Buchhändler und Käufer blind herumzutappen in einem Gewirr von unkritischen Meinungen, Vorurteilen und Prestigepositionen. Aber das Durcheinander hat Methode, insofern der Verlag darauf angewiesen ist, sich den Meinungen des Käufers zu unterwerfen. Dieser hat die Schlüsselposition. Er kauft oder kauft nicht, kauft richtig oder kauft falsch. Wer also Licht in den Tunnel bringen will (und das ist eine wichtige Aufgabe der Metalexikographie), wer den Wörterbuchbetrug beenden will, der muß den Käufer bilden, muß seine Wörterbuchkultur heben, muß dem Marktdruck Kulturdruck entgegenstellen. Der Versuch ist nötig, denn die derzeitige Lage ist unserer großen Kulturnationen unwürdig.

Kleine Weltgeschichte der Metalexikographie 6.

1 05

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PETER KÜHN SCHULWÖRTERBÜCHER SIND LEXIKOGRAPHISCHE LANGWEIL-BESTSELLER ODER WARUM EINE WÖRTERBUCHKULTUR IN DEUTSCHLAND NICHT IN GANG KOMMT Abstract Hie Gemens - contrary to the British and French - have no dictionary standards. Even thcugh the work with dictionaries i s promoted in Gernan schools, there i s by no means a consistent application of dictionaries. A reascn far this i s that the known dictionaries may only be used as instruments for controlling orthography. I t has not been possible with conventional dictionaries to develop an education in language. This paper shows how a dictionary oculd be used in schools and how i t would have to be devised in order to serve progressive language education. 1.

Werden Wörterbücher in der Schule b e n u t z t ?

Für W ö r t e r b u c h s c h r e i b e r ,

D i d a k t i k e r oder Pädagogen i s t und war d i e A r b e i t mit

dem Wörterbuch immer notwendig und s e l b s t v e r s t ä n d l i c h .

So b e s c h r e i b t Walde-

mar Mühlner ( 1 9 3 5 , 25) in s e i n e r Wörterbuchdidaktik "Vom Gebrauch des Wörterbuches in der S c h u l e " den Nutzen der W ö r t e r b u c h a r b e i t r e c h t

euphorisch:

Mit Übungen, Regeln und farmenkundlichen Belehrungen C-- U kennen wir nicht zu einer nachhaltigen Beeindruckung des Kindergeistes. £

• Da greift das Wörterbuch ein. Wir geben dem

Kinde mit ihm das Mittel an die Hand, sich selbsttätig in die Sprachformen einzuarbeiten und sich auch nach der Schulzeit in sprachlichen Zweifelsfällen Rat zu holen und sprachlich zurechtzufinden. Das Ziel wird erreicht warden, wenn das Kind während der Schulzeit im Gehrauch des Wörterbuchs sicher wird. Das Bach muß die Schularbeit van ersten Tage an, da der Stand der Klasse das zuläßt, begleiten. Es muß der beste Arbeitshelfer des Lehrers sein und sich zun besten Arbeitsfreund des Schülers entwickeln. Als F a z i t s t e h t in einem neueren Schulbuch ( F i d i b u s 1 / 2 1 9 8 1 , 6 ) :

"Wer

f l e i ß i g n a c h s c h l ä g t , weiß zum Schluß f a s t a l l e s , was e r wissen muß". Nimmt man zu d i e s e n Aussagen noch d i e V i e l z a h l auf dem Markt b e f i n d l i c h e r wörterbücher

Schul-

( v g l . d i e k r i t i s c h e Ü b e r s i c h t b e i Kühn 1985) h i n z u , müßten wir

e i g e n t l i c h l ä n g s t e i n e i n i g Volk an Wörterbuchbenutzern geworden s e i n . Von w i s s e n s c h a f t l i c h e r S e i t e wird gegen d i e s e Benutzungseuphorie angemeldet: Gerhard Äugst ( 1 9 8 4 , 4) s t e l l t r e s i g n i e r e n d f e s t :

Skepsis

"Das Wörterbuch

a l s Gegenstand des ( D e u t s c h - ) U n t e r r i c h t s g i b t e s n i c h t . Es g i b t nur S t r e i t um den R e c h t s c h r e i b g r u n d w o r t s c h a t z ,

und der i s t weitgehend p o l i t i s c h , was b e i -

nahe synonym i s t mit p o l e m i s c h " . Herbert E r n s t Wiegand ( 1 9 8 4 , 10) f a ß t a l s E r g e b n i s der neueren g e r m a n i s t i s c h e n Wörterbuchforschung zusammen: "Die k u l -

112

Peter Kühn

turelle Praxis der Wörterbuchbenutzung ist innerhalb der deutschen Bevölkerung weder weit verbreitet noch sind ihre differenzierteren Formen hinreichend bekannt". Die Wörterbuchdidaktik gilt allgemein als "terra incognita" (Drosdowski 1977, 143; vgl. Janshoff 1982) und dämmert im Dornröschenschlaf! Auch die Benutzungspraxis scheint anders auszusehen: wir haben zwar wahrscheinlich in jedem Haushalt einen (Rechtschreibe-)Duden stehen, untersucht und überprüft man jedoch den tatsächlichen Wörterbuchgebrauch, so ergibt sich ein paradoxes Bild: Wörterbuchbesitz ersetzt weitgehend den Wörterbuchgebrauch! In einer kleinen Umfrage unter Deutschlehrern an berufsbildenden Schulen habe ich mit einem Kollegen herausgefunden, daß kaum ein Lehrer im Wörterbuch nachschlägt - geschweige denn es ständig oder des öfteren benutzt. Nachgeschlagen wird - wenn überhaupt - lediglich in sprachlichen Zweifelsfällen, besonders bei Rechtschreibunsicherheiten. Das Nachschlagen beschränkt sich also vor allem auf den Gebrauch des Rechtschreibedudens, des heimlichen Bestsellers unseres Jahrhunderts. Fazit der Lehrerbefragung: "Der Duden reicht mir!" (Kühn/Püschel 1982) Dies scheint auf den ersten Blick verwunderlich, da es nach Aussage von Pädagogen, Didaktikern oder Wörterbuchschreibern vor allem Lehrer sind, die Wörterbücher benutzen könnten, und die die Schüler zur Wörterbucharbeit anleiten und anregen sollen. Auch in den Neuplanungen großer Wörterbuchprojekte (vgl. Henne/Mentrup/Weinrich 1978) wird die stetige Wörterbuchbenutzung als feste Legitimationsgröße eingeplant: Rudolf Hoberg (1978, 39) geht davon aus, daß gerade Schüler zu denjenigen Benutzerkreisen gehören, die "am meisten" Wörterbücher gebrauchen, "vor allem weil in erster Linie die Schule die Institution ist, die den Umgang mit Wörterbüchern vermittelt". Ist das tägliche Nachschlagen nun Wirklichkeit oder Wunschtraum? Wenn die Institution Schule den Umgang mit Wörterbüchern vermittelt, wie sieht denn die Wörterbuchbenutzung bei Lehrern und der Einsatz von Wörterbüchern in der Schule aus? Gerade hier müßte jedoch die Wörterbucharbeit intensiv betrieben werden. Aber: auch hier wird Skepsis angemeldet. Dieter Adrion (1978, 104) vermutet: Lhter dem vielen Ballast, den Schulkinder in ihren Mappen hin- und hertragen, ohne daß im Unterricht entsprechender Gebrauch davon gerecht würde, stehen Wörterbücher wahrscheinlich mit obenan, obwohl es mittlerweile gewiß nicht mehr an brauchbaren Schulwörterbüchern fehlt, diese auch größtenteils angeschafft sind - obwohl ihr Einsatz inzwischen allseits enpfohlen, ja in den Lehrplänen übereinstimmend sehen für die frühen Schuljahre (meist van zweiten ab) vorgeschrieben wird, registriert der Beobachter der Unterrichtsszene nur selten intensive Arbeit damit.

Schulwörterbücher

113

Obwohl die Pragmatik der Wörterbuchbenutzung in der lexikographischen Diskussion immer noch aktuell ist, kommt man wohl in bezug auf den primärsprachlichen Unterricht nicht so recht weiter: Ein Indiz hierfür scheint mir die Flucht der wissenschaftlichen Diskussion in Richtung zweisprachige Lexikographie zu sein. Es ist leicht, Wörterbuchbenutzungsprotokolle bei der Übersetzungsarbeit mit dem ein- oder mehrsprachigen Wörterbuch zu führen, für den primärsprachlichen Bereich ist dies so gut wie unmöglich, da es hier keine Wörterbuchbenutzung gibt. Wo liegen aber nun die Ursachen des unbefriedigenden und unzulänglichen schulischen und außerschulischen Wörterbuchgebrauchs? An der mangelnden Wörterbuchdidaktik? An den Lehrern, besonders den Grundschullehrern, die die Schüler unzureichend in die Wörterbucharbeit einweisen? An den Schülern, weil sie nicht richtig nachschlagen können? Genügen die existierenden Schulwörterbücher - allen autoriellen und verlegerischen Beteuerungen zum Trotz - in Wortschatzauswahl, -anordnung, -erklärung und -aufmachung doch nicht den Anforderungen einer sinnvollen und brauchbaren Wörterbucharbeit? Ist die bisherige Wörterbuchdidaktik und -methodik noch zeitgemäß, oder muß sie nicht völlig umgekrempelt werden? Warum haben wir in Deutschland keine Wörterbuchkultur? Meiner Meinung nach hat die bisherige Arbeit mit dem Schulwörterbuch folgende grundsätzliche Schwächen: (1) Die Wörterbucharbeit erstreckt sich in der Regel nur auf das Sich-imWörterbuch-Zurechtfinden (2) Schulwörterbücher sind alphabetisierte Wortfriedhöfe ohne Wörterbuchcharakter (3) Die Benutzung des Schulwörterbuches wird auf das Nachschlagen von Rechtschreibproblemen eingeengt. Ich möchte im folgenden diese drei Problembereiche am Beispiel der Grundschulwörterbücher diskutieren und zwar unter dem Gesichtspunkt, wie man solche Wörterbücher verbessern und damit ihre Benutzung ankurbeln kann. Das Ziel meiner Diskussion ist dabei mehr praxisorientiert als theoretisch. Ich möchte zum Schluß Vorschläge für ein Grundschulwörterbuch der Zukunft machen.

2.

Was sind eigentlich Grundschulwörterbücher?

Der Begriff "Grundschulwörterbuch" ist ein Konstrukt, hinter dem sich sehr unterschiedliche Wörterbücher verbergen, denn kaum ein Grundschulwörterbuch gleicht dem anderen. Ihnen gemeinsam ist zunächst nur die Zielgruppe: Sie

114

Peter Kühn

sind gedacht für Grundschulkinder. Gelegentlich werden sie nach Alters- und Klassenstufen nochmals differenziert: so gibt es ein "Kleines deutsches Wörterbuch" für die Klassen 1 und 2 (Fidibus 1/2, 1981) sowie für die Klassen 3 und 4 (Kade 1980) oder aber Grundschulwörterbücher für das zweite bis vierte Schuljahr (Wörter suchen und finden 1978), andere wiederum vorwiegend für die Schüler der Hauptschule (Maiworm/Menzel 1985). Diese werden in der Praxis allerdings häufig vom dritten Schuljahr an in der Grundschule eingesetzt bzw. angeschafft, weil das zuerst eingeführte Grundschulwörterbuch den orthograpischen Nachschlagebedürfnissen nicht mehr oenügt. Neben dieser alters- und klassenbezogenen Differenzierung werden Grundschulwörterbücher gelegentlich auch nach ihrer Benutzungsmöglichkeit unterschieden. In einer ersten Gruppe werden diejenigen Grundschulwörterbücher zusammengefaßt, mit denen die Schüler - meist im zweiten Schuljahr - die Technik des Nachschlagens einüben. Grundschullexikographen sprechen von sogenannten "Eingangswörterbüchern"

(Kade o.J., 2). Zu einer zweiten Gruppe

gehören diejenigen Grundschulwörterbücher, die nicht in erster Linie der Einübung in die Nachschlagetechnik, sondern der tatsächlichen Nachschlagepraxis dienen sollen. Mit ihnen sollen die Kinder selbständig arbeiten. Hier sprechen die Lexikographen von "Einsatzwörterbüchern" (Kade o.J., 3). Einsatzwörterbücher sollen entweder ausschließlich oder überwiegend in Rechtschreibfragen benutzt werden, nach dem Motto: "Nachsehen ist besser als falsch schreiben" (Plickat 1981, 6). Daneben existieren noch einige Einsatzwörterbücher, die in erster Linie zwar auch als Rechtschreibehilfen konzipiert sind, die darüber hinaus jedoch auch "Übungen zur Sprachbildung" (Wörterbuch für die Grundschule 1984), Hinweise zur "Sprachbetrachtung" und zum "Sprachgebrauch" (Kriegelstein 1983), "Lesestücke" (Kinderduden 1981), Angaben über "landschaftliche Besonderheiten" und "sprachliche Einsichten" (Sennlaub 1984) vermitteln wollen, nach dem Motto: "Das Grundschulwörterbuch darf nicht allein ein Rechtschreibwörterbuch sein!" (vgl. Sennlaub 1984a, 17 f.). Da Ihre Grundschulzeit wohl schon etwas weiter zurückliegt, möchte ich Ihnen diese Grundschulwörterbuchtypen kurz vorstellen:

115

Schulwörterbücher

Abb. 1: Fidibus. Kleines deutsches Wörterbuch 1/2. Zum Lesen und Schreiben im ersten Schuljahr. Hrsg. v. Stephan Kaiser. Stuttgart 1984, 9

der Abend acht achtzehn achtzig alle das Alphabet alt am die Ampel die Angst der Apfel der April arbeiten der Arm der Ast auch auf die Aufgabe das Auge der August aus außen das Auto

jdfond xic/ü xuJibzthn /zcfituq. xM. jMpAafat /dt

xxm Amfiei jinqit Arfd jfyurrf ¿vr&tite/n Arm

jdU yduck auf AufaaJk Auqi Auqwtf aua xiufon AujUT

Abb. 2: Der Grundwortschatz für den Sprachunterricht in der Grundschule. Hrsg. v. Spectra-Lehrmittel-Verlag, Redaktion "Sprache". 7. Aufl. Dorsten 1984, 14

Peter

116

ab Abend aber acht achten Acker Ihnlich all« allein ala a l ao a1e aa Aac an andere Indern

antanzen

angeIn Angst antworten Apfel Apr i 1 Arbeit arte i ten Irgcrn Ära ara Art Artt Ast auch auf Aufgabe auf r l u a e n au f w e c k e n Auge Augua t

lill

auBen Auto Axt

Bach backen baden •agger

Kühn bloft blühen Bluae bluten Boden bohren Boot böse boxen brauchen braun brav brechen breasen brennen Brett Brief Bri lle br lnr.fn Brnt Brllrke Bruder b ruaaen Buch bllrkrn bunt Burg Bus Butter

Bahn bald Ball Bank l.irc Bauch bauen Baua begegnen beginnen bei beide Bein beinahe Bc iapiel 'be i Ben bellen Bern in b e o h a c Ilten b r «l u r * bereiten bereit« Berg berichten Beruf besser besuchen beten betrachten Bett bevor bewegen b i egen Bild billig bin binden Birne bis b i Sehen bist bitten bitter Blatt blau bleiben blIcken blind Blit« Block

C C h inese Christ C h t ia t b a u a 0 da Dach danken dann daran darauf darin darüber darua daa daO

Abb. 1 zeigt den Ausschnitt A aus einem Eingangswörterbuch: es handelt sich um eine streng alphabetisierte Wortliste, die an sogenannte Rechtschreibgrundwortschätze erinnert (vgl. Abb. 2 zum Problem der

Rechtschreibgrundwort-

schätze Kühn 1984, 256-275). Aus Platzgründen kann ich mich nicht weiter m i t diesem "Wörterbuch"- bzw. Listentyp befassen. Trotzdem ein paar kritische Hinweise: (1) Das Wortmaterial verschiedener Eingangswörterbücher ist sehr unterschiedlich, d.h. für die Wortschatzauswahl gibt es wohl kein einheitliches Prinzip; (2) Die Wortauswahl ist nicht auf die Lernziele "Finde"- und

"Nachschlage-

fähigkeiten" bezogen; für Kinder besteht ein Unterschied, ob sie Sonne, oder Segel oder

suchen sollen oder aber charmant,

Schier;

Shorts,

Sportler,

Stier,

Mond Schweiß

117

Schulwörterbücher (3) Alphabetisierungs- und Nachschlageübungen lassen sich auch ohne solche spröden Langweil-Listen durchführen; zudem gibt es andere Listen: Telefonbücher, Register aus Spielzeugkatalogen, Straßenregister oder Listen von Autokennzeichen usw.;

(4) Alphabetisierte Wörter finden und sich-in-einem-Wörterbuch-zurechtfinden sind zwei verschiedene paar Schuhe; ich verweise nur auf die gängige nestalphabetische Notierung von Rechtschreibwörterbüchern; (5) Die Nachschlageübungen sind nicht auf potentielle oder tatsächliche FehlSchreibungen bezogen; dies wäre notwendig, weil man ja später das Einsatzwörterbuch bei Rechtschreibfragen konsultieren soll; (6) Da man in solchen Wortlisten nur die orthographische Ausdrucksseite der Wörter nachschlägt und nicht etwa nach Wortinhalten fragt, verführen solche Übungen zu der Annahme, bei der Wörterbucharbeit ginge es lediglich um das Suchen und Finden orthographischer Schreibweisen auf bestimmten Seiten. Abb. 3 zeigt den Ausschnitt A aus einem Einsatzwörterbuch für Grundschüler. Es ist ein äußerst unbrauchbares und dürftiges Wörterbuch:

Abb. 3: Franz Kade: Mein zweites ABC. Ein Wörterbuch für die Grundschule mit Arbeitsanweisungen für die innere Differenzierung und Individualisierung. 10. Aufl. Bonn 1980, 22

abgeben Abgrund, dar

Aa Aal. der aalglatt dla Aasfliege

des Aalea die Aale das Alchen

Ab ab Abbitte, dla abbitten abblenden abbrechen abbürsten Abc, das Abo-SdiUtze, dar Abend, der

ab und zu

abgucfcen abhanden kommen abhCrten abholen Abkürzung, dla Ableger, dar ablehnen abllelern abnehmen Abort, der

des Abc die Abc dos Abc-Schützon die Abc-Schützen des Abende die Abende heute abend am Freitagabend

abprallen abrechnen Abrechnung, die Abreibung, dla Abreise, dl*

des Abgrundes die Abgründe

der Abkürzung die Abkürzungen des Ablegers die Ableger

des Aborts dl* Abort* dor Abrechnung die Abrechnungen der Abreibung die Abreibungen der Abrels*

118

Peter Kühn Abendbrot, das Abendessen, das Abendgebet, das Abendmahl, das abends Abenteuer, das abenteuerlich aber Aberglaube, der. abergläubisch ablehren Abfahrt, dl»

zu Abend essen

20 Uhr abends des Abenteuers dl« Abenteuer

der Abfahrt die Abfahrten

Abfahrt(s)zelt, dl» Abfall, der des Abfalls die AbfAlle Abflug, der des Abflugs dl» AbflOg»

abreisen abreißen AbrelOkalender, der abrunden Absage, die der Absage . dl» Absagen absagen Absatz, der des Absntzes die Absitze abscheulich Abschied, der des Absdlleds dl» Abschied» Abschiedsfeier, dl» abschneiden abschreiben Abschrift, dl» absehen abseits absenden

Dieses Grundschulwörterbuch enthält etwa 6000 Wörter in streng alphabetischer Reihenfolge. Zu den einzelnen Stichwörtern werden gelegentlich weitere Informationen geboten; zu den Nomen stehen Artikelangaben, die Genitiv- sowie die Pluralformen, gelegentlich auch Verkleinerugnsformen, bei Adjektiven Steigerungs- (alt-älter-am ältesten), bei einigen Verben die Flektionsformen (graben-du gräbst-er gräbt), Angaben zur Silbentrennung, gelegentlich Ableitungen • ( Ägypten-Ägypter-ägyptisch

und Zusammensetzungen (acht-achttausend)

und selten Verwendungsbeispiele in Satzform (zu fort: Es regnet in einem fort). Fazit: magere formal-grammatische Informationskost, die die meisten Schüler schon kennen oder die sie nicht interessiert. Die unzureichende und unzulängliche Brauchbarkeit dieses Grundschulwörterbuches ergibt sich allein schon aus dem alphabetischen Listencharakter: Wie soll mit solchen Wortfriedhöfen eine Wörterbuchpraxis in Gang gebracht werden? 3.

Wozu sollen Grundschulkinder ihr Wörterbuch benutzen?

Wörterbuchschreiber und -didaktiker sind natürlich nie verlegen gewesen, die weitgespannten Nutzungsmöglichkeiten ihrer Hilfsmittel anzupreisen. Dazu ein Beispiel: ¿Das W6rterfciuch7 hat drei Aufgaben: 1. Es soll Kinder in den geläufigen Ungang mit der Technik der Infonnationsbeschaffung einführen, damit sie in der Lage sind, alphabetisch geordnete Verzeichnisse zu nutzen: van Telefonbuch über Karteien bis hin zun Straßenregister im Stadtplan. 2. Es soll ein Hilfsmittel für die Rechtschreibung sein.

Schulwörterbücher

119

3. Es hat eine sprachbildende Aufgabe: Kinder sollen ihre Sprache besser verstehen, sprachliche Zusammenhänge durchschauen lernen. Sie sollen ihren Wbrtschatz erweitern, und s i e sollen 'Faszination durch Sprache' (Wilhelm Gössmann) erfahren. Wie Sprache und Sache zusammengehören, so i s t das Wörterbuch Medium f ü r Sprach- und Sachunteiricht zugleich. (Sennlaub 1984a, 2) Die A r b e i t m i t dem W ö r t e r b u c h w i r d a l s o z u n ä c h s t a l l g e m e i n dem G e s i c h t s p u n k t " I n f o r m a t i o n s b e s c h a f f u n g " z u g e o r d n e t . Das wird a l s eine "Lebenshilfe" (Winna 1962, 14) b e t r a c h t e t .

Im-Wörterbuch-nachschlagen-Können

(Jungmann 1967, 277) und a l s Jungmann/Schmidt

"Kulturtechnik"

( 1 9 7 0 , 17 f f . )

s e h e n i n d e r Wör-

t e r b u c h a r b e i t s o g a r d i e M ö g l i c h k e i t d e r i n d i v i d u e l l e n und s c h u l i s c h e n k r a t i s i e r u n g " und " I n t e l l e k t u a l i s i e r u n g " :

"Demo-

M i t h i l f e e i n e s W ö r t e r b u c h e s kann

man nach i h r e r A n s i c h t " e i n Leben l a n g " l e r n e n und "wer an den g e s e l l s c h a f t l i c h e n E n t s c h e i d u n g s p r o z e s s e n und an d e r g e s e l l s c h a f t l i c h e n E n t w i c k l u n g haben w i l l ,

b e d a r f d e r I n f o r m a t i o n und d e r F ä h i g k e i t e n und

Fertigkeiten,

I n f o r m a t i o n e n zu entnehmen und zu v e r w e n d e n " . Gegen d i e I d e e , d i e

Wörterbuch-

a r b e i t i n den K o n t e x t a l l g e m e i n e r I n f o r m a t i o n s b e s c h a f f u n g zu s t e l l e n , s i c h e r l i c h n i c h t s e i n z u w e n d e n , wenn auch d i e L e g i t i m a t i o n a l s r u n g s m i t t e l a l s überspannt anzusehen i s t ,

ist

Demokratisie-

wie so o f t w i r d auch h i e r d e r

zen d e r W ö r t e r b u c h a r b e i t w e i t ü b e r s c h ä t z t . Man muß s i c h s c h l i e ß l i c h f r a g e n , wie e i n S c h ü l e r zu d e r E i n s i c h t kommen k a n n , d a ß e r s e i n a l s Informationsspeicher benutzen s o l l ,

teil-

Nut-

aber

Wörterbuch

wenn im W ö r t e r b u c h s e l b s t k e i n e

h ö c h s t e n s f o r m a l g r a m m a t i s c h e I n f o r m a t i o n s k o s t a n g e b o t e n w i r d . Wie s o l l

oder er

d a r a u f h i n auch s p ä t e r a l s J u g e n d l i c h e r o d e r E r w a c h s e n e r auf d i e I d e e v e r f a l len,

b e i I n f o r m a t i o n s f r a g e n im W ö r t e r b u c h Als h e r a u s r a g e n d e B e n u t z u n g s m ö g l i c h k e i t

nachzuschlagen? f ü r Grundschulwörterbücher

wird

d i e B e r i c h t i g u n g und K o n t r o l l e von R e c h t s c h r e i b f r a g e n a n g e s e h e n . Da d e r Rechtschreibunterricht Deutschunterrichtes zählt, sein"

in der Grundschule a l s e i n z e n t r a l e r Bereich des

f ü r L e h r e r wie S c h ü l e r zu den s c h w i e r i g s t e n A u f g a b e n

"muß j e d e s g u t e G r u n d s c h u l w ö r t e r b u c h auch e i n e

Rechtschreibhilfe

( S e n n l a u b 1 9 8 4 a , 2 0 ) . Dabei z e i g t s i c h e i n e i g e n a r t i g e s

Paradoxon:

E i n e r s e i t s s o l l d i e E i n f ü h r u n g i n d i e W ö r t e r b u c h a r b e i t den S c h ü l e r zu e i n e r kontinuierlichen, anleiten,

auch f ü r d i e s p ä t e r e Z u k u n f t n ü t z l i c h e n

a n d e r e r s e i t s wird

Nachschlagearbeit

gefordert:

"frförterbucharbeit im Prozeß des Rechtschreibenlernens a l s methodische Variante entschieden zu betonen und sich dennoch das Ziel zu setzen, dadurch am Erde van Nachschlagewerk inrner unabhängiger zu machen, d.h. die 'Bedarfsfälle' am EMe durch effektiven Uhterrricht reduziert zu haben" (Adrion 1978, 107)

120

Peter Kühn

Warum in die Wörterbucharbeit einführen, wenn als Ziel die Unabhängigkeit vom Wörterbuch proklamiert wird? Andere Pädagogen plädieren in diesem Zusammenhang dafür, den Einsatz des Schulwörterbuches beim Diktate-Schreiben von Geruch des "unerlaubten Hilfsmittels" zu befreien. So fordert Gerhard Sennlaub (1984b, 90), daß man gerade bei Diktaten den Kindern die Möglichkeit des Nachschlagens geben sollte: "Da wäre es vernünftig. Da leuchtet es ein. Da haben sie das Bedürfnis". Für die Praxis bedauert Sennlaub, daß gerade hier viele Lehrer vom Gebrauch des Wörterbuches Abstand nehmen. Und noch ein Paradoxon: Erlaubt man beim Diktate-Schreiben das Nachschlagen, so hilft dies nach Auskunft der Didaktiker und Pädagogen in der Regel "den rechtschreibschwachen Schülern weniger, denn die Leistungsstärkeren nutzen die Nachschlagekunst zur Vergrößerung ihres Vorsprungs" (Sennlaub 1984b, 90). Es ist daher nicht verwunderlich, daß andere Rechtschreibdidaktiker das Grundschulwörterbuch als Hilfsmittel bei der Rechtschreibung ganz ausschließen wollen (vgl. Schülein 1979, 81). Widersprüche gibt es mannigfach: So geben Jungmann/ Schmidt (1970, 81) in ihrer Wörterbuchdidaktik als Lernziel an, daß der Schüler im Wörterbuch nachsehen kann, "wie ein Wort richtig geschrieben wird". Im Gegensatz dazu W. Mühlner (1935, 40 f.): Zwecklos ist auch die 'Vteisheit': Vfenn du nicht weißt, wie ein Wbrt geschrieben wird, so suche das Wbrt im Wärtertuche auf! Ja, wenn das Kind, besonders das schwerfällige und unbegabte, wüßte, was es nicht wsiß, dann wäre ja alles in Ordnung. Aber daß es das nicht weiß, oder auch, daß es der Meinung ist, wie es alles schreibt, das ist richtig, darin liegt der Grund aller Unvollkamenheit. Wenn ich also weiß, daß man Daggel und nicht Dackel schreibt, warum dann noch im Wörterbuch nachsehen? Jeder,- der Kinder bei den Hausaufgaben betreut, weiß beispielsweise, daß die Schüler bei Rechtschreibfragen - wenn überhaupt viel eher die Gelegenheit wahrnehmen, Eltern oder Geschwister nach Rechtschreib-Informationen zu befragen als zu irgendeinem Wörterbuch zu greifen. Wahrscheinlich erscheint ihnen der Arbeitsaufwand viel zu hoch und der direkte Weg natürlicher. Vielleicht sträuben sie sich auch unbewußt dagegen, für die aus ihrer Sicht unnötige und undurchschaubare Recht-Schreibung eine Wörterbuch-Kontrollinstanz anzunehmen. Ausgerechnet im Bereich der Rechtschreibung, ein von den Schülern wohl wenig geliebtes Unterrichtsgebiet, sollen die Kinder das Wörterbuch als "Arbeitsfreund" gewinnen und ihre Liebe zum Wörterbuch entdecken. Ein Sprachgesetzbuch wird nie zum Schulerfreund! Über die Rechtschreibkontrolle erhält der Schüler kein "Wörterbuch-Aha-Erlebnis"! Nach dem Selbstverständnis einiger Wörterbuchschreiber können oder sollen

Schulwörterbücher

121

Grundschulwörterbücher "über die Rechtschreibung hinaus" (Adrion 1984, 330) als "Medium der Sprachbildung"

(Sennlaub 1984, 17 f.) genutzt werden. Ich

glaube, es ist müßig, den Nachweis zu führen, daß bisherige Einsatzwörterbücher für solche Zielsetzungen vollkommen ungeeignet sind: Wie soll der Lehrer, geschweige denn der Schüler Wörterbücher des Typs aus Abb. 3 zu Wortschatzerweiterungsübungen, Wortschatzkenntnisübungen oder Reflexionsübungen heranziehen, die erst nach Wiegand (1977, 80) eine "kulturelle Praxis" die "Wörterbuchbenutzungspraxis"

£7.J,

ausmachen?

Einen interessanten Vorschlag hat in diesem Zusammenhang G. Sennlaub in seinem Wörterbuch "Von A bis Zett" gemacht:

Abb. 4: Gerhard Sennlaub: Von A bis Zett. Wörterbuch für Grundschulkinder. Berlin 1984, 68

A

An

der Angehörig« (bei Frauen: die Angehörige), die Angehörigen der Angeklagte (bei Frauen: die Angeklagte), die Angeklagten die Angel, die Angeln, der Angler, angeln die Angelegenheit, die Angelegenheiten angenehm der Angestellte (bei Frauen: die Angestellte), die Angestellten sich angewöhnen, die Angewohnheit die Angina angreifen, der AngriH die Angst, die Ängste. ängstlich der Anhänger, die Anhänger der Anker, die Anker, ankern ankommen, die Ankunft die Anlage, die Anlagen der Anlauf, die Anlaufe anmelden, die Anmeldung

An-Ap anschlleOen, der Anschluß die Anschrift, die Anschriften ansehen, die Ansicht — sehen der Anspruch, die AnaprO. che (33) anstandig, der Anstand anstatt anstecken, die Anstekkung anstellen, die Anstellung Sich anstrengen, er strengte sich an (21), die Anstrengung der Anteil, die Anteile - Teil die Antenne, die Antennen der Antrag, die Antrage antworten, sie antwortete (15), die Antwort anweisen, sie wies an, die Anweisung anwenden, die Anwendung die Anzahl anzahlen, die Anzahlung anzeigen, die Anzeige

P e t e r Kühn

122

annehmen, die Annahme der Anorak, die Anoraks anreden, die Anrede anrufen, der Anruf die Anschauung, die A n schauungen, anschaulich anscheinend, es hat den Anschein ... - scheinbar Er vormultl: Anach«ln«nd I» ala fortgagangan.

anziehen, der Anzug anzünden aper* (schneelrel werdend) der Apfel, die Apfel die Apfelsine, die Apfelsinen In Holland nannlt man dlis« Frücht Irohar 'appalalna': ApM aus Chlnn die Apotheke, die Apotheken, der Apotheker

Er möchte den Kindern m i t h i l f e des Wörterbuches auch e i n e " F a s z i n a t i o n durch Sprache" v e r m i t t e l n .

Dies v e r s u c h t e r dadurch zu e r r e i c h e n ,

daß er

gelegent-

lich - r e g i o n a l e Umgangssprache m i t v e r z e i c h n e t

(vgl.

aper (süddt.

schneefrei

wer-

dend) - auf morphologische Verwandtschaft h i n w e i s t das Holz

auf

dem

(zu Floß

s t e h t z . B . Er

flößt

Fluß)

- e i n z e l n e Wörter durch e t y m o l o g i s c h e Hinweise e r l ä u t e r t

(vgl.

Apfelsine)

Ob a l l e Zusatzinformationen im Wörterbuch "Von A b i s Z e t t " den Schüler

faszi-

n i e r e n und f e s s e l n werden, kann man b e z w e i f e l n , dennoch h a l t e i c h d i e Grundi d e e , dem Schüler mehr zu b i e t e n a l s o r t h o g r a p h i s c h e I n f o r m a t i o n e n , kenswert; etwa wenn unter flügge genug Federn

für

den Flug

hat.

s t e h t : Ein

Jungvogel

ist

flügge,

(lateinisch)

hieß

etwa:

wenn er

Weniger f a s z i n i e r e n d f ü r Grundschulkinder

d i e h ä u f i g vorkommenden etymologischen Hinweise, etwa zu mare'

bemer-

erneuern.

Auch d i e g e l e g e n t l i c h e Aufnahme r e g i o -

n a l e r oder umgangssprachlicher Wörter i s t b e i Sennlaub (1984a, 21) buchdidaktisch unzureichend l e g i t i m i e r t .

sind

reformieren'Refor-

wörter-

So nimmt e r an:

Ein Kind in Schwaben wird nicht 'arbeiten' nachschlagen, wenn es 'schaffen' meint. Ein bayerischer Grundschüler weiß vielleicht gar nicht, was ein 'Fleischer' i s t . Er sucht 'Metzger'. Was der Berliner 'Sonnabend' nennt, heißt andersvro 'Samstag'. Was in einer Region 'Klempner' heißt, heißt in einer anderen 'Spengler' oder 'Flaschner' oder 'Blechner'. Viele regional gebräuchliche Worter haben keine exakte Entsprechung in anderen Regionen. Dennoch sollte ein Grundschulwörterbuch Antvrort geben, wann ein Kind im Allgäu 'Brotzeit' sucht. Auch die Schreibweise nancher zwischen Murriart und Hochsprache stehenden Ausdrücke sollte, wenn sie noch verbreitet sind, nachgeschlagen werden können. Vfenn ein Harburger Kind die ihm vertraute Formulierung benutzen w i l l , jemand habe eine 'Fläppe' gezogen (einen Schmollnund gemacht), sollte ihm sein Wörterbuch sagen, wie man das Wsrt schreibt.

Schulwörterbücher

123

Es ist schade, daß diese Zusatzinformationen einerseits letztlich wiederum auf den Aspekt des Rechtschreibens reduziert werden, andererseits: warum soll ein bayerisches Grundschulkind unter Fleischer oder ein schwäbisches unter schaffen? weiß ja, was schaffen Metzger

im Wörterbuch nachschlagen

Denn das schwäbische

Grundschulkind

bedeutet und wenn ein bayerisches Kind weiß , was ein

ist, wie und warum sollte es unter Fleischer

nachsehen. Zudem kommt

die Mundart und die regionale Umgangssprache vor allem im mündlichen Sprachgebrauch vor: hier kommt es überhaupt nicht auf die richtige Schreibweise von Wörtern wie Flappe

an! Selbst die Dialektologen und Dialektlexikographen

streiten sich ständig über die Art der Verschriftlichung von Mundart und/oder regionaler Umgangssprache im Wörterbuch

(vgl. hierzu Kühn 1982, 715-718).

Schließlich: Was können die Grundschulkinder m i t Wortgruppen anfangen, in denen z.B. Fleischer,

Schlachter,

Metzger,

Fleischhauer

friedlich aber kommen-

tarlos nebeneinander stehen? Es scheint mir fast, daß die Aufnahme umgangssprachlicher oder dialektaler Wörter eher ein Reflex jüngerer wissenschaftlicher Forschungsergebnisse ist oder aber aus einer allgemeinen Dialekt-Nostalgie oder Sponti-Sprachen-Mode entspringt und weniger aufgrund wörterbuchdidaktischer Überlegungen erfolgt. Dennoch: Das Bemühen, das Schulwörterbuch so zu konzipieren, daß die Schüler es nicht allein zur Kontrolle und Berichtigung von Rechtschreibfragen gebrauchen sollen, ist begrüßenswert. Welche Folgerungen ergeben sich aus den bisherigen

Benutzungsvorschlägen?

(1) Die Einengung der Benutzungsmotivation auf Rechtschreibkontrolle

und

-berichtigung ist einer anzustrebenden Wörterbuchkultur mehr Hindernis denn Vorteil. (2) Der Informationsgehalt von Grundschulwörterbüchern muß erhöht werden; asemantische Wortlisten als getarnte Wörterbücher sind als

lexikographische

Hilfsmittel unbrauchbar und für das Grundschulkind eine Zumutung. (3) Auch die Benutzung des Wörterbuches in der Grundschule sollte nicht auf seine formale Handhabung als Nachschlagewerk reduziert werden. Die Schüler sollen beim Nachschlagen auch Informationen und nicht nur Seitenzahlen finden können. (4) Der Schüler hat im Grundschulalter von sich aus zunächst keinerlei Bedürfnisse, in einem Wörterbuch nachzuschlagen. Hierzu muß er angeleitet werden, und er muß die Nützlichkeit des Wörterbuchgebrauchs einsehen. Dabei bleibt m i t Sicherheit eines ausgeschlossen: Für den Schüler gibt es zunächst keinen Ernstfall der Wörterbuchbenutzung und den orthographischen Ernstfall nimmt er nicht ernst.

124

Peter Kühn

(5) Die Benutzung des Grundschulwörterbuches muß in den gesamten Unterricht integriert werden, soll der Schüler zu einer kontinuierlichen Wörterbucharbeit angeleitet werden. Er sollte es zu Informationszwecken benutzen lernen und zwar sowohl bei sprachlichen wie sachkundlichen Problemen. Er sollte es zu Formulierungszwecken benutzen lernen, weil ja die Kinder in der Grundschulzeit in die rudimentäre Formulierung von Texten eingeführt werden. Er sollte es zu Interpretationszwecken benutzen lernen, weil er in der Grundschulzeit auch in die Interpretation alltagssprachlicher und literarischer Texte eingeführt wird. Und schließlich sollte der Lehrer es als Arbeitswörterbuch zur Erweiterung, Vertiefung und Reflexion des Schülerwortschatzes einsetzen können. Nur auf dieser Grundlage ist eine kontinuierliche Wörterbuchkultur in Gang zu setzen. Dies bedeutet jedoch eine qualitative Veränderung bisheriger Wörterbücher und ihrer Didaktik. Das Grundschulwörterbuch der Zukunft darf weder aus einer nichtssagenden Wortliste bestehen noch als reduzierter Mini-Rechtschreibeduden gebraucht oder besser mißbraucht werden.

4.

Wie soll ein zukünftiges Grundschulwörterbuch konzipiert sein?

Die bisherige Diskussion der Grundschulwörterbuchproblematik zeigt ganz deutlich, daß sich in diesem Bereich der Wörterbuchschreibung über Jahrzehnte nichts bewegt hat; die wissenschaftliche Lexikographie-Diskussion ist an den Grundschulwörterbüchern bislang spurlos vorbeigegangen. Aufgrund der neueren lexikographischen Forschungen müßten Schulwörterbücher und besonders die Grundschulwörterbücher vollkommen neu konzipiert werden. Ich kann an dieser Stelle kein vollständiges Konzept vorstellen, möchte jedoch anhand einiger Konzeptionspunkte den lexikographischen Rahmen skizzieren, in dem ein Grundschulwörterbuch der Zukunft stehen müßte. WORTSCHATZAUSWAHL Im Grundschulwörterbuch soll natürlich der grundlegende Wortschatz verzeichnet sein. Für den Wörterbuchschreiber ergibt sich als erstes Problem die Wortschatzauswahl: welche Wörter gehören in den Grund-Wortschatz? Da bislang die Grundschulwörterbücher als Rechtschreibhilfe konzipiert waren, hieß das Zauberwort der Grundwortschatzbestimmung bisher Reduktion. Rechtschreibdidaktiker erzählen sich zwar immer noch das Märchen vom Rechtschreibgrundwortschatz, aber

den

Grundwortschatz wird es auch in Zukunft nicht geben.

Wie jede quantitative Begrenzung ist auch die Wortauswahl für Grundschul-

Schulwörterbücher

125

Wörterbücher relativ und letztlich immer zu legitimieren und natürlich negativ zu kritisieren: So würde es bestimmt nicht schwerfallen, Pro- und Kontraargumente für oder gegen die Aufnahme von Pferdestärke, Jägerzaun

Gabelstapler

oder

zu finden. Auch in Zukunft w i r d es zwischen den einzelnen Grund-

schulwörterbüchern in bezug auf die Wortschatzauswahl Unterschiede geben. Dabei scheint mir aber folgender Perspektivenwechsel notwendig und nützlich: Nicht die Frage der Wortschatz

b e g r e n z u n g

sollte bei der Wort-

schatzauswahl in den Vordergrund gestellt werden, sondern die der Wortschatze r w e i t e r u n g !

In der Praxis der Wörterbuchbenutzung zeigt sich, daß

gerade die auf ein Minimum reduzierten Wortlisten - auch als Hilfsmittel für Rechtschreibprobleme - vollkommen untauglich sind. Die Kardinalfrage der Wortschatzauswahl lautet also nicht Wie begrenze umgekehrt Was kann

ich noch

alles

ich den Wortschatz,

in den Wortschatz

aufnehmen?

sondern

In dieser Hin-

sicht hat die Rechtschreibgrundwortschatzdiskussion Abfallprodukte geliefert: der Wortschatz eines Grundschulwörterbuches sollte erweitert und bezogen sein auf den kind- und klassenbezogenen Wortschatz, auf den Lesebuch-Wortschatz, die spontane Sprechsprache der Kinder, auf den kindgemäßen

Schriftwortschatz

oder den aktiven Kinderwortschatz. Dies scheint mir jedoch noch nicht zu genügen. Es sollte beispielsweise auch derjenige Wortschatz verzeichnet werden, mit dessen Hilfe Wortbildungsregularitaten verdeutlicht werden können. Dies hat den Vorteil, daß das Wörterbuch als Arbeitsbuch für Wortschatzerweiterungsübungen herangezogen werden kann. Es sollten weiterhin auch diejenigen Wörter aufgenommen werden, die mit einem Stichwort semantisch verwandt sind. Und noch ein Hinweis: W. Holly (1984) hat am Beispiel bezeichnender Ausdrücke gezeigt, daß es bei ihrer

sprachhandlungs-

Bedeutungsbeschreibung

nützlich sein kann, die Stellung eines sprachhandlungsbezeichnenden wie beantragen

in einer Handlungsabfolge zu beschreiben: einen

len/machen/einreichen einem

Antrag

->bearbeiten

stattgeben

-> befürworten

säen,

ernten

Antrag

stel-

billigen/genehmigen/

usw. Dies ließe sich auch auf den Wortschatzbereich

von Grundschülern übertragen: Im Artikel pflügen eggen,

->

Ausdrucks

mußten auch die Einheiten

usw. - evtl. als Wörterbuchtext verpackt - erscheinen.

Umgekehrt müßten beim Stichwort säen

die nichtsprachlichen Vor- und Nachhand-

lungen aufgeführt werden. Aus alledem ergibt sich: Die Wortschatzauswahl für ein Grundschulwörterbuch darf nicht quantitativ, sondern muß qualitativ bestimmt sein. WORTSCHATZANORDNUNG Die Anordnung des aufgenommenen Wortschatzes ist nestalphabetisch, d.h. die

126

Peter

Kühn

striktalphabetische Ordnung der Stichwörter ist durch eine nichtalphabetische oder durch eine zweite alphabetische Ordnung (vgl. Wiegand 1983, 432 ff.) durchbrochen. Die Durchbrechung der alphabetischen Ordnung ist dabei• wortbildungsorientiert (vgl. Abb. 5-7): so stehen zum Einqanqsstichwort Abscheu Abb. 5) die wortbildungsverwandten verabscheuen,

abscheulich,

die

(vgl.

Scheu.

Werden die zu einem Stichwort gehörenden zusammengesetzten Wörter im erklärenden Teil des Wörterbuchartikels verwendet, so sind sie aus Platzgründen nicht eigens im Wortbildungsnest aufgeführt, jedoch hinsichtlich ihrer Stammverwandtschaft

typographisch hervorgehoben (vgl. Abb. 6 Amt).

Ableitungen

sind dagegen im Wortbildungsnest aufgenommen und zusätzlich eigens lemmatisiert, weil ihre Stammverwandtschaft von den Grundschulkindern nicht immer ohne weiteres erkannt werden kann (z.B. Scheu). werden extra lemmatisiert (vgl. Abb. 7

Produktive Wortbildungsmuster

nieder-).

Abb. 5 der

Abb. 6 das

Abscheu, verabscheuen, abscheulich, - y d i e Scheu

A m t , die A m t e r , - » d e r Beamte

Was ein A m t i s t , ist s c h w e r zu e r k l ä r e n . D a r u m nenne i c h D i r ein B e i s p i e l f ü r ein A m t , das du g u t k e n n s t , n ä m l i c h das P o s t a m t . D o r t s i t z t ein B e a m t e r und b e a r b e i t e t d i e Postsendungen. Es gibt noch andere Ä m t e r . Rate einmal, w o f ü r sie w i c h t i g s i n d .

L o r e n z f i n d e t , daß G e m ü s e a b s c h e u l i c h s c h m e c k t ; f ü r ihn ist G e m ü s e e i n f a c h ekelhaft, e r v e r a b s c h e u t d a b e i jede A r t von Gemüse. Der Hausarzt hat die E l t e r n jedoch b e r u h i g t , viele Kinder hätten zunächst einen Abscheu vor dem Essen von G e m ü s e , später würde sich d i e s e r Widerwille jedoch legen.

Abb. 7 n'iedet" T>*4«.

Vor 4.'¿.lad b« mei-, Met- I m e t l a K auch: m c U a K sriech. meial

po-l 'l'k-sl. in Z u s mit ilei H a t mcii'-chcn— M e n s c h e n . . .

X V I E . Métachronisme,

[metakar-

1762.

Méta)j-

MÉT(A)-

« ( Q u i e s t , c e q u i e s t ) a u - d e l à d e [ c e q u e d é s i g n e le f o r m a n t

qui

suit] » De

I.

Meta-

pris f i g u r é m e n t . ce qui est

d é p a s s e et e n g l o b e . metaphysica.

E M P R . Métaphysique,

«au-delà» XIVE, latin

étant ce

qui

scolastique

f o r m a t i o n s a v . s u r le s y n t a g m e p r é p o s i t i o n n e l

grec

Elisabeth

162

Link

M-ETO (TOI) IFUAIXA [meta (ta) phusika], « a p r è s les c h o s e s de la n a t u r e - , PROD. Métempirique, I867. Métapsxchique, 1907. Méiamorale, 1908. 3. M É T A «Qui vient après, postérieur [ c o m m e caractérisant ce que désigne le formant qui suit] » Dans cet e m p l o i , meta- marque, s o u v e n t en o p p o s i t i o n a v e c proou protoet méso-, qu'il s'agit de la partie postérieure d'un organe ( m e t a t h o r a x , 1824. A u d o u i n ) ou d'un stade postérieur d ' u n e évolution (métazoaires, 1877, metazoa, 1869. H u x l e y : metanephros, 1893; e t c . ) . Grec H-ETO- (ex. p.E7ot\EÎ|j.a(ri. und zwar dergestalt,

daß diejenigen lexikalischen Einheiten, deren Repräsentation durch die Lemmaform im Anschluß an die betreffende Buchstabenkette ein "..." oder "-" aufweisen, von der Mehrzahl der Lexikographen trotz entsprechender Konvention und Indizierung in anderen Fällen (vgl. z.B. A,^) nicht als Homonyme zu lexikalischen Einheiten mit identischer Buchstabenkette als repräsentierender Lemmaform dargestellt, sondern ohne Homonymenindex "am Lemma" im Anschluß an diese präsentiert werden. Bei der Rekonstruktion des solchem Lemmaansatz zugrundeliegenden Lemmabegriffs, müßte das Kommentarsymbol also wohl durchaus als zum Lemma (bzw. zur Lemmaform) gehörig mitzurechnen sein.

Ich versuche zusammenzufassen: 1. Eine (aus sprachtheoretischen Gründen) objektiv 'richtige' Lemmarepräsentation kann es nicht geben. 2.

Die Unzweckmäßigkeitsgründe scheinen mir wenig zwingend.

3.

Das diskutierte Kommentarsymbol "ins" Lemma mit aufzunehmen, scheint mir zweckmäßig und informationsfreundlich.

4.

Überdies entspräche es, meine ich, der Intention der meisten praktischen Lexikographen. Wenn also die theoretische und die praktische Terminologie und Begriff-

lichkeit im Bereich der Lexikographie tatsächlich, wie Wiegand (vgl. o.) fordert, nicht auseinandergehen soll, wäre es vielleicht doch zu bedenken, ob nicht wenigstens die nicht definitorischen Ausführungsbestimmungen der diskutierten Lemmadefinition geändert werden sollten. Diese Ausführungsbestimmungen sollten praxisbezogene Angaben darüber enthalten, was ein g u e - Z e i c h e n

e r w ä h n e n

1 a n -

für einen praktischen Lexikographen

bedeutet, besser bedeuten kann. Weiteres scheint mir nicht generell reglementierbar, sondern der subjektiven Entscheidung des Sprachbeschreibers anheim

Was ist eigentlich ein Lemma?

189

zu stellen; freilich mag es - wie obe^n beschrieben - Empfehlungen geben, die die Zweckmäßigkeit und Informationsfreundlichkeit der einen Weise des Erwähnens einer anderen gegenüberstellen. Für eine Einbeziehung z.B. bestimmter Kommentarsymbole unter die möglichen Elemente des Erwähnens mag dabei neben den vorgetragenen ganz zum Schluß noch folgende Überlegung sprechen: Wäre es nicht der allgemeinen Entwicklung eines aufgeklärten Sprachbewußtseins bei der Menge der nichtprofessionellen Sprachbetrachter durchaus nützlich, wenn der Konstruktcharakter des Lemma(zeichen)s als einer - ausschließlich mentalen - langue-Einheit und sein abstrakter Charakter der Äquivalenzklasse mittels der Einbeziehung lexikographischer Symbole "ins" Lemma betont statt heruntergespielt würde? Ein langue-Zeichen erwähnen ist eben gerade nicht dasselbe wie ein parole- oder Äußerungs-Zeichen verwenden oder auch nur zitieren, mag es auch wenig zielführend sein, natürliche Sprachen - strikt und statisch! - in Objektsprache und Metasprache zu zerlegen. Natürlich - eigentlich versteht's sich von selbst - müßten solche Kommentarsymbole dann im Layout des Wörterbuchartikels immer deutlich als zum Lemma gehörig erkennbar sein und in der Wörterbucheinleitung entsprechend erläutert werden; natürlich müßte auch der Konstruktcharakter der Lemmata selbst in der Wörterbucheinleitung (einschließlich z.B. einem Eingehen auf verschiedene morphosyntaktische Lemmaklassen) dargestellt werden und nicht zuletzt müßte all dieses leicht auffindbar sein. Das heißt, wenn Wörterbuchschreiber statt einer okkasionell indizierten Praxis auch eine Sprachtheorie, eine reflektierte Methodologie der Sprachbeschreibung sowie die Fähigkeit der offenen Dokumentation ihrer Erkenntnisse hätten, könnten Wörterbücher vielleicht dazu beitragen, Wörterbuchbenutzern den scheinbar allzu vertrauten Gegenstand (Mutter-)Sprache in seiner tatsächlichen Komplexität durch eine gewisse Verfremdung begreifbarer zu machen.

Belegquellen Hahn, Walther von: Fachkamunikation. Berlin/tiew York 1983. Mentrup, Walfgang: WörtertxichbaTutzungssituationiin - Sprachbenutzungssituationen. In: Festschrift für Siegfried Grosse. Göppingen 1964, 143-173. M.M. = Mannheimer Margen

190

Elisabeth Link

Liste der (in Kurzform) zitierten Wörterbücher Duden GWB: Duden. Das große Wörterbuch der deutschen Sprache. Mannheim etc. 1976 ff. Duden BscfrfB: Orlen. Badeutungsrärterbuch, 2., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage, hrsg. und bearb. von W. Müller, Duden Bd. 10. Marmheiirv^ien/Zürich 1985. Duden Et: Duden. Etymologie. Mannhein\Aiien/Zürich, Duden Bd. 7, 1963. Ullstein FWL: Ullstein Fremdwörterlexikon. Erankfurt/Berlin/Wien 1973. Bxckhaus-Wahrig: B-ockhaus-Wahrig, Deutsches Wörtertuch. Wiesbaden 1980 ff. Gr Brockhaus: Der Große Brockhaus. Wiesbaden 1952 ff. Meyers EL: Meyers Enzyklopädisches Lexikon. MannheimAiiai/Zürich 1974 ff. CEE: The Oxford Biglish Dicticnary. Oxford 1933 (Nachdruck 1961). Urdang Pref : Laurence Urdang, Préfixés and Other Ward-Initial Elarents of Ehglish. Detroit etc. 1964. Gr Larousse: Le Grand Larousse de la langue française. Paris 19671 ff. 2 Gr Robert: Le Grand Ffctert de la langue française. Paris 1985. Robert Nfethodique: Le Robert NÊthodique, Dictionnaire du Français Actuel. Paris 1982. Cottez: Dictionnaire des Structures du vocabulaire savant. Paris 1980. Naturwiss. FWB: Fremdwörterbuch naturwissenschaftlicher und irathematischer Begriffe. Köln 1982. Sekundärliteratur Anderson, Rcbert R./Goebel, Ulrich/Reichmann, Oskar: Ein idealisiertes Graphemsystsn des Frühneuhochdeutschen als Grundlage für die Lstmatisierung frühneuhochdeutscher Wörter. In: Studien zur neuhochdeutschen Lexikographie I. Hrsg. von H.E. Wiegand. Hildesheinvtfew York 1981 (Germanistische Linguistik 3-4/1979), S. 53-122. Bahr, Joachim: Das Deutsche Wörterbuch von Jaccb Griirm und Wilhelm Griirm. Stationen seiner inneren Geschichte. In: Sprachwissenschaft Bd. 8 (1S64) Heft 4, S. 387-455. Rettig, Wblfgang: Sprachliche Motivation. Frankfurt/Bern 1981.

BALDUR PANZER HANDBUCH DES SERBOKROATISCHEN VERBS I: DERIVATION

Abstract In this article the aims and the structure of

derivational dictionary of the verb of Serbo-

Croatian, prepared by the authar, are explainecl; a hrief survey of the verb structure of 9C and the prcblsns to be solved in the field of verteil derivations is given. Speciraens of articles are added.

1.

Grammatik im Wörterbuch

Selbst die syntaxorientierte theoretiüche Linguistik der letzten 25 Jahre ist, so könnte man auch ohne Bosheit sagen, nach ihrem Höhenflug schließlich beim Wörterbuch oder Lexikon gelandet. Das eilt nicht nur für solche von vorneherein v semantisch konzipierten Ansätze wie dies von Apresjan und Mel'cuk, die wenigstens v zu Probe- oder Teilwörterbüchern geführt haben (Apresjan 1967 u. 1974, Mel'cuk 1974, 1984), sondern auch für die Chomsky-Schule, die schließlich immer mehr Probleme in ein zu erstellendes 'Lexikon' abschob. Diese Feststellung ist fern von jeder überheblichen Kritik oder gar Schadenfreude, die einem eher zufällig in die Lexikographie geratenen Linguisten auch schlecht anstände; sie belegen nur innerhalb einer kurzen Spanne neuerer linguistischer Entwicklung eine Tatsache, die eigentlich immer klar war oder doch sein sollte: daß nämlich Grammatik und Lexikon komplementär sind, einander ergänzen müssen, wenn man eine vollständige Beschreibung einer Sprache liefern will. Das gilt aber nicht nur in dem Sinne, daß hierin zwei wesentliche Teilbereiche der Sprache beschrieben werden, eben die grammatischen Systeme und Regeln sowie die lexikalischen Einheiten, die Wörter, sondern auch so. daß beide Beschreibungen aufeinander bezogen sein müssen: die Konzeption der Grammatik bedingt eine bestimmte Konzeption des Wörterbuches und umgekehrt. Das ist dem normalen Grammatik- und Wörterbuchbenutzer nur deswegen meist rieht bewußt, weil es bei uns seit Jahrhunderten bestimmte Konventionen darüber gibt, was in einer Grammatik und was in einem Wörterbuch steht oder zu stehen hat. In Texten und in der Rede durchaus vorkommende Wörter wie nd. bin, hat, dem, Kinder,

lat. labitur, sis,

melius, russ. budet, iemu, l'udej wird man kaum in einem Wörterbuch suchen oder finden, und wenn, dann mit direkten oder indirekten Verweisen auf die (oder eine) Grammatik, wie z.B.:

192

Baidur

Panzer

Vtehrig s.v. iten: (Interrogativpron.; Akk. vcn) wer; ähnlich Duden Bd. 6 s.v. Pertsch s.v. melius: Bielfeidt s.v. budet:

ocnp. zu bonus u. bene I. 3. Pars. Sg. Fut. von byt'

Explizit diesem und nur diesem Zweck des Verweises auf die Paradigmen einer Grammatik dient etwa das 'Lexikon über die Formen der griechischen Verba' von Georg Traut (1867/1973) mit grammatischem Schlüssel für Krügers Sprachlehren und die Grammatiken von Kühner und Curtius (und Fundstellenangaben). Was die Verweise im Lexikon bedeuten, was ein "Interrogativpron.", ein "Akk.", ein "comp.", eine "3. Pers. Sg. Fut." usw.ist, in welchem Verhältnis genau also wer

zu wen,

melius

zu bonus/bene,

budet

zu byt ' steht, das muß in der

Grammatik stehen, auf die der Lexikonbenutzer hier verwiesen wird. Dasselbe gilt etwa für die Artikel- oder Genusangaben (ob nun als Baum, Baum,

m.),

der

oder als

Pluralbildungen (-e) u. ä.: die Grammatik muß die Regularitäten

beschreiben, auf die im Wörterbuch vom Einzelwort her hingewiesen, in die es eingeordnet wird; das Wörterbuch enthält nur das, was sich nicht regelhaft beschreiben und erfassen läßt, also die Idiosynkrasien. Die Grammatik hingegen soll nur das Regelhafte beschreiben, das für ganze Klassen von Wörtern oder sonstigen sprachlichen Einheiten gilt; dabei ist über die Größe der Klassen zunächst nichts vorausgesetzt, sie müssen nur mehr als ein Element (Einheit, Wort) enthalten. Allerdings findet man gewöhnlich auch in den Grammatiken Teilwörterbücher für die Fälle, wo grammatisch gleichartige Wortklassen oder Paradigmen nur wenige, aufzählbare Elemente, also geschlossene Mengen umfassen: dies ist etwa der Fall bei den sog. unregelmäßigen Verben als größter Klasse ca. 200) und ihrer Unterklassen, aber auch bestimmte

(meist

'unregelmäßige' Kompa-

rative, Pluralbildungen, Deklinationssonderfälle u.ä. werden gewöhnlich exhaustiv in der Grammatik aufgezählt. Die Erstellung solcher Listen dient gewissermaßen der Feststellung und Beschreibung des Umfangs der Regularität und hat eigentlich nur insofern Heimatrecht in der Grammatik.

2.

Derivation in Grammatik und Wörterbuch

Ein Grenzfall zwischen Grammatik und Wörterbuch ist auch die Wortbildung oder Derivation: nur insofern sie regulär ist, d.h. ganze Klassen von Wörtern, nicht nur einzelne Wörter betrifft, gehört sie in die Grammatik, nicht in das Wörterbuch. Gewöhnlich wird sie aber in den Grammatiken recht stiefmütterlich bedacht, obwohl die Wörterbücher ihrerseits gewöhnlich auf die Verzeichnung regulär bildbarer Derivate (z.B. nhd. auf -heit/-keit,

-ig,

Handbuch -lieh,

-bar,

des serbokroatischen

Verbs

193

-sam u.ä.) verzichten, d.h. sich auf grammatische Regeln verlas-

sen. Wenn diese, wie häufig, in der Grammatik fehlen, kann beim (bes. fremdsprachigen) Benutzer große Unsicherheit über die Möglichkeit oder Unmöglichkeit bestimmter Derivationen entstehen. Es müssen daher entweder entsprechende Regeln in der Grammatik formuliert oder die möglichen Derivate alle im Wörterbuch bei jedem Lemma eigens aufgeführt werden. Von beidem sind wir meist weit entfernt. Zur Formulierung der Regeln müssen wohl zunächst Listen von vorkommenden oder möglichen Derivaten erstellt werden, die nicht aus den vorhandenen Wörterbüchern entnommen werden können, weil sich diese oft auf nicht-explizite Regeln verlassen. Eine Station zwischen einem gewöhnlichen Wörterbuch und einer Derivationsgrammatik ist ein Derivationslexikon, das alle (vorkommenden oder möglichen) Derivate zu einem Grundwort «nthält; ein Index der Derivationsmorpheme kann dann leicht alle gleichen oder vergleichbaren Derivate und Derivationen erschließen, wovon m a n dann evtl. zur Formulierung von Regeln gelangt - oder zur Feststellung nichtregelhafter Idiosynkrasien. Wir haben mit dem Derivationslexikon also ein Wörterbuch als Vorstufe zur und im Dienste der Grammatik.

3.

Derivation und grammatische Katecorien des sbkr. Verbs

Daß Derivation grammatische Implikationen haben kann, ist schon ohne weiteres klar, wenn man an Wortartwechsel

(denominale Verben, deverbale Substan-

tive, Adjektive usw.) oder auch an Partizipien, Verbaladjektive, Verbalsubstantive mancher Sprachen denkt. Beim slavischen Verb gehen die Implikationen aber noch weiter: die Wortbildung dringt in die Domäne der Grammatik ein, so daß Wortbildungsmittel grammatische Funktionen übernehmen. Um das klarzumachen, ist ein kurzer Blick auf die generelle Struktur des slavischen Verbs und seiner Kategorien notwendig (mit Beispielen aus dem Russischen und Serbokroatischen; die anderen Slavinen haben vergleichbare Strukturen, nur das Bulgarische und Mazedonische sind erheblich

komplizierter).

Das Verbum flektiert in den slavischen (wie in vielen anderen indogermanischen) Sprachen nach Tempora, Personen und Numeri bleiben hier als problematischer außer Betracht):

(Modi und Diathesen

194

Baidur

I. Russisch: t. ja

2. ty

Prs.

citaju

citaes

Prt. Fut.

'lesen'

citât'

Sg.

Panzer

3. on/a/o

PI.

1.

citaet

ray

2. vy

citaem

citaete

budes'+

budet+

II. Serbokroatisch: citati Sg.

1. ja

2. ti

Prs.

citam

citas

budem-

budete+

3. on/a/o

1. mi

2. vi

3.

cita

citarno

citate

citaju citahu

Pl.

Irrpf.

citah

citase

citase

citasmo

citaste

-citah

-cita

-cita

-citasmo

-citaste

Pfkt.

+S3I7H-

+si+

+je+

+ste+

citao/la/lo +cu+

4ces+

...

citât'

cni/e/a

-citase +su+

citali/e/a

+ce+-

+óeroo+

+ : periphrastische Formen: ja budu oder citacu

budut+

'lesen'

Aar.

Fut.

citajut

citali

cital/a/o budu+

3. coi

(serb.) bzw. citat

+óete+

citat', ees

ty

budes

+ce+ ' citat'

...

cita(ti)

. . . ja

sam

citao

(kroat.).

-: der Aorist kommt von diesem Verbum kaum vor, ist aber üblich von präfigierten Formen wie procitati

u.a. Dies ist eine typische grammatische Im-

plikation (hier Restriktion) der Derivation. Ebenso ist im Russischen die Bildung des periphrastischen Futurs (mit budu) partizips auf -sc-

(citajuscij

wie citat',

delat',

pisat',

Verben wie procitat'

sowie auch die des Präsens-

'lesend') beschränkt auf verba Simplicia während sie bei den einfachen präfigierten

, napisat',

mehr das formale Präsens (sdelaju)

unmöglich sind: hier fungiert viel-

sdelat'

u.a. als Futurum. Man nennt die Verben,

die im Russischen ein periphrastisches Futur mit budu

und ein Prs.-Pt. auf

-sc-, im Serbokroatischen ein Imperfekt bilden, 'imperfektiv', Verben, die im Russischen das Präsens statt eines Futurs gebrauchen und im Sbkr. einen Aorist bilden, aber kaum ein Imperfekt,

'perfektiv'. Den Gegensatz von

imperfektiven und perfektiven Verben (bzw. Verbformen) bezeichnen wir formal und kategorial als

'(Verbal)Aspekt'.

Die Aspektzugehörigkeit (pf. - ipf.) ist zwar grundsätzlich jedem slavischen Verbum inhärent (r. citat', dati

sbkr.

citati

'lesen' ipf. - r. dat', sbkr.

'geben' pf.), aber es gibt doch bestimmte Mittel, aus einem imperfek-

tiven Verb ein perfektives und aus einem perfektiven Verb ein imperfektives zu machen bzw. abzuleiten; diese Mittel sind vor allem solche der Wortbildung, sc. Präfigierung und Suffigierung. In der Regel (Ausnahmen können hier beiseite bleiben) wird jedes imperfektive verbum simplex durch Präfigierung

Handbuch des serbokroatischen Verbs

195

zu einem perfektiven verbum compositum,^ z.B. r. pisat' (ipf.) 'schreiben' - n.i-, pod-, s- ... pisat' (pf.) sbkr. pisati (ipf.) - na-, pot-, s- ... pisati (pf.). Da die Präfixe aber nicht nur den Aspekt, sondern in der Regel auch die Bedeutung des verbum simplex abwandeln (potpisati 'unterschreiben'), ergibt sich die grammatische Notwendigkeit, auch von den präfigierten Verben sekundär imperfekte Formen zu bilden; dies geschieht mit Hilfe des Suffixes r. yva, sbkr. iva: r. pod-, s-pis-yva-t', sbkr. pot-, s-pis-iva-ti ... Die präfigierten (pf.) Verben mit ihren (ipf.) va-Derivaten bilden also vollständige Aspektpaare ('-dubletten') und -paradigmen; ähnlich auch pf. verba simplicia mit ihren ipf. va-Derivaten (r. dat' - davat', sbkr. dati - davati). Ob dagegen auch imperfekte verba simplicia mit einem (oder mehreren) Präfix-Kom'1 positum/a

(pf.) reine Aspektpaare bilden können, ist fraglich; das wäre nur

möglich, wenn das Präfix keine semantische, sondern nur eine grammatischaspektuelle Veränderung bewirkte; dies wird für die Präfixe angenommen in russ. na-pisat', s-delat', po-iti u.a. ('leere Präfixe'), ist aber nicht unbestritten. Ob es solche 'Paare' auch im Sbkr. gibt, ist unklar; das festzustellen ist aber wichtig, weil negativen Falles alle ipf. verba simplicia außerhalb der Aspektkategorie stünden. Für die Rolle als reine Aspektpartner von ipf. Simplicia kommen aber natürlich nur solche perfektiven verba praefixa in Frage, die keine Bedeutungsabwandlung und kein va-Derivat als ipf. Aspektpartner zeigen: beides ist bei russ. na-pisat' der Fall, nicht aber bei sbkr. na-pisati , vgl. den Artikel pisati im Anhang! Nun gibt es sowohl im Russischen eis auch im Serbokroatischen (ähnlich in anderen slavischen Sprachen) gewöhnlich eine ganze Reihe von präfigierten (pf.) Verben, die keine va-Derivate neben sich haben; die meisten von ihnen haben aber durchaus eine andere lexikalische Bedeutung als das Simplex und kommen daher als sein Aspektpartner nicht in Betracht; oft handelt es sich hier um die - vom Aspekt formal und begrifflich deutlich zu trennende - Kategorie der Aktionsarten (Anfangs- oder Endphase, Wiederholung einer Handlung u.ä., z.B. r. za-pet', za-kricat' 'zu fingen, zu schreien beginnen', ot-uzinat1 1

'das Abendbrot beenden'). Auch diu Kategorie der Aktionsart wird In der 'klassischen' Graimatik (des Lateinischen, Griechischen, Sanskrit) ist es ebenso wie in der Slavistik üblich, alle 'zusamengesetzten' Wörter, auch Verben, 'Karposita' zu nennen; da manche Disziplinen, wie etwa die Germanistik, diesen Begriff auf den Typus Haus-tür, d.h. auf Zusammensetzungen aus freien Morphemen, eingeschränkt zu haben scheinen, verwände ich hier, un Mißverständnisse zu vermeiden, die lateinische Terminologie, also verbun ccnpositun, verbim simplex, verbun praefixun, oder spreche eindeutig ven 'Präfix-Karposita ' o.ä.

196

Baidur

Panzer

(wie die des Aspekts) hier sichtbar am Bestand des derivationellen Paradigmas des jeweiligen Verbs, wobei viele Aktionsarten aspektuell defektiv sind, d.h. nur in einem der beiden Aspekte (pf. oder ipf.) auftreten: z.B. r. zapet', zakricat'

nur pf., formal mögliches *zapevat ', *zakrikivat'

existiert

nicht! Aus all dem ergibt sich, daß es für die Etablierung und die Beschreibung des tatsächlichen Umfangs dieser grammatischen Kategorien von enormer Wichtigkeit ist, ihre derivationellen Grundlagen zu kennen. Die existierenden Wörterbücher

(und Grammatiken) des Serbokroatischen enthalten hierüber ent-

weder gar keine (H, R) oder nur sehr unvollständige Angaben; in manchen % besonders älteren Werken (I, A, S) wird zudem noch ein sehr zweifelhafter und ungenauer Begriff des Verbalaspekts oder der Aspektpaarigkeit, auch der davon nicht klar getrennten Aktionsarten gehandhabt, so daß die Angaben oft ungenau, falsch oder wertlos sind (bes. die Angaben in I bezüglich der präfigierten Verben als Aspektpartner der verba Simplicia sind wohl allesamt wertlos). Um daher den gesamten Umfang der Aspekt- und Aktionsartbildung im Sbkr. überhaupt und bei jedem Verbum insbesondere beurteilen zu können, erwies es sich als wünschenswert und notwendig, die Gesamtheit der lexikalisch belegten Derivate aller Art für jedes sbkr. Verbum zu sammeln, m i t allen grammatischen Angaben, die erreichbar sind und die ggf. überprüft und korrigiert werden müssen. Nur dann kann man über die Dublettenbildung als Ausdruck des Aspekts

(und der Aktionsarten) überhaupt Aussagen machen. Aus diesen Gege-

benheiten und Zielen erwächst die Notwendigkeit und die spezielle Konzeption des hier vorgestellten

Derivationswörterbuchs.

Dabei belegen die gefundenen Derivate mögliche und aktualisierte

Deriva-

tionsprozesse und -kategorien; nicht belegte Derivate sind zwar noch kein Beweis für die Unmöglichkeit oder Nichtanwendbarkeit entsprechender Derivationsregeln, aber solange wir die Regeln nicht genau kennen, fordern fehlende Belege für eine bestimmte Derivation doch zur Prüfung heraus, ob und warum hier vielleicht ein defektives Paradigma vorliegt. Defektive Paradigmen sind gerade bei der Aspekt- und Aktionskategorie an der Tagesordnung, die Gründe dafür aber meist unerforscht. 4.

Zur Struktur der Wörterbuchartikel

4.1. Lemmatisierung Dem Hauptziel des Wörterbuches entsprechend werden alle Derivate unter dem

Handbuch des serbokroatischen Lemma des Grundwortes Derivate

(im I n f i n i t i v ) ,

f i g i e r t e n Verben neu g e b i l d e t zu o - , po-,

pro-,

abzuleiten i s t beleti)

aufge-

(mehr), so wird es a l s Lemma aus den p r ä -

(gekennzeichnet durch B i n d e s t r i c h ) , Ancregeben wird g g f .

u-dobriti.

d . h. k r o a t i s c h e Form, w e i l h i e r a u s

ti,

a l s o a l l e s u f f i x a l e n und p r ä f i x a l e n

(mit ihren S e k u n d ä r s u f f i g i e r u n g e n ) unter dem verbum Simplex

f ü h r t ; e x i s t i e r t e i n Simplex n i c h t

briti

197

Verbs

c.ie e k a v i s c h e

immer d i e

z.B.

( s e r b i s c h e ) meist

( n i c h t aber umgekehrt), z . B . bijeliti,

.

-do-

jekavische, leicht

(ekav.

bijeljeti

beli-

2

Nach dem Lemma f o l g t d i e Angabe der F l e x i o n s k l a s s e Aspektzugehörigkeit.

i n Klammern, dann d i e

Stehen zwei S t i c h w ö r t e r in e i n e r Z e i l e

nebeneinander,

so sind s i e entweder sowohl h i n s i c h t l i c h des Aspekts a l s auch h i n s i c h t l i c h der Bedeutung a l s

'gleich'

anzusehen oder es h a n d e l t s i c h um Aspektpaare:

haben s i e denselben V e r b a l a s p e k t , getrennt;

so sind s i e durch e i n Komma voneinander

handelt es s i c h um e i n Aspektpaar,

Schrägstrich

(//) g e t r e n n t .

k e i n e Aspektpaare,

so werden s i e durch doppelten

D.h. a l s o : durch Komma g e t r e n n t e Verben sind

sondern e i n e AufzähLung b e d e u t u n g s g l e i c h e r Verben mit

identischem V e r b a l a s p e k t . Dagegen sind a l l e Verben, d i e l i n k s von // stehen, Aspektpartner zu jedem e i n z e l n e n Verb, das r e c h t s von // s t e h t . Unmittelbar unter dem j e w e i l i g e n Lismma werden a l s Nachweis d i e S i g l e n der Lexika angegeben, in denen es a u f g e f ü h r t i s t

( b i s h e r maximal 10: ABHIKLMNRS).

Auflösung der Siglen: A: Rjeäiik Hrvatskoga i l i Srpskoga Jezika, izd. Jugoslavenska Akadsnija Znanosti i Unjetnosti, Zagreb I (1880)-XXIII (1975/6). B: Bakotic, L.: Reöiik srpskohrvatskog knjiäevnaj jezika, BBograd ",936. H: Hurm, A.; Jakic, B.: Hrvatsko- i l i srpsko - njemaäki rjedhik. Zagreb 1974. I : Ivekovic, F.; Braz, I . : Rjecnik hrvatskoga jezika. Zagreb 1901. K: Karadzic, Vuk St.: Srpski rjecnik, istolkovan njetrackim i latinskim rijecima. IV. izd., Becgrad 1935. L: Rechik srpskohrvatskoga knjizevnog jezika, Bd. 1-6, Novi Sad 1967-76. M: Matesic, J.: Rückläufiges Wörterbuch des Serbokroatischen. Bd. I , 1-3. Wiesbaden 1966. N: Bensen, M.: Srpskohrvatsko-engleski rechik. Beograd 1978. R: Ristic, S.; Kangrga, J.: Rechik srpskohrvatskcg i narackog jezika. Beograd 1936. S: Skok . P.: EtiirDlogijski Rjecnik Hrvatskoga i l i Srpskoga Jezika. Zagreb I (1971), I I (1987), I I I (1973). 4.2.

Bedeutungsangaben

werden nach den Wörterbüchern m ö g l i c h s t knapp in Deutsch, E n g l i s c h , 2

Latei-

Hierbei verwende ich meine eigene Klassifikation (Panzer 1978), die die Präsens- und die Infinitivstaimklassifikation miteinander verbindet.

Baidur

198

nisch oder Serbokroatisch

Panzer

(je nach benutztem Wörterbuch) gegeben

(nicht

selbst erschlossen oder erfunden, daher Lücken bei Verben, die nur in rückläufigen oder grammatischen Wörterbüchern vorkommen). Sie sollen hier nur der Identifizierung u n d Unterscheidung der Wörter dienen, so daß eine richtige Zuordnung der Derivate bei Homonymen u.a., evtl. auch die Beurteilung des derivationellen Verhältnisses zum Grundwort, der Aspekt- und Aktionsartenzugehörigkeit usw. erleichtert oder ermöglicht wird. Denn Derivate sind ja streng genommen nur solche Ableitungen vom Grundwort, deren Bedeutung sich ebenfalls durch Abwandlung oder Ableitung

(aus) der Bedeutung des Grundwor-

tes erklären läßt. Bei den Derivaten muß man allerdings den Kreis möglicher Bedeutungsabwandlungen sehr weit ziehen, weil man sonst sehr viele Derivate ohne Grundwort erhielte

(z.B. nhd. ziehen

- sich

beziehen

auf).

Ausschlagge-

bend als Ordnungskriterium kann die Bedeutung nur bei der Aufteilung der Derivate auf verschiedene homonyme oder teilhomonyme Simplicia sein, z.B.

dvojiti^

'trennen, entzweien1, pf. iz-,

dvojiti2

'(be)zweifeln', pf. s-.

vijatii

'worfeln', pf. do-, iz-,

na-, o-, od-, pre-, pro-,

vijati^

'stöbern', pf. do-, iz-,

na-, od-, po-, pro-,

o-, izo-,

po-, pre-,

raz-,

u-;

raz-; za-,

4.3. Derivate Als Derivate werden alle durch Prä- und Suffixe vom Lemma-Verb direkt abgeleiteten Verben aufgenommen. Nicht aufgenommen werden dagegen Ableitungen, die durch eine wortartwechselnde, also z.B. substantivische,

adjektivische

o.a. Zwischenstufe m i t dem Grundwort zusammenhängen, z.B.

voditi

'führen' - svoditi

svijetiti

'leuchten' zu svijet

svijetliti

'leuchten, glänzen' zu svijetlo

'TOlben' zu svod 'Wölbung'; 'Tageslicht, Welt' ; 'hell'.

Aufgenommen werden jedoch verbale Derivate m i t

'innerer Flexion' bzw. Affi-

gierung, d.h. die alten Ablautderivate, die im Slavischen generell noch sehr lebendig sind und besonders in dem hier interessierenden Bereich der Aspektund Aktionsartbildung

(auch in Kombination m i t Prä- und/oder

eine bedeutende Rolle spielen, z.B. -nes/nosvod-,

vez/voz-

-hadjati

usw.,

aber

Suffigierung)

(s. Probeartikel n o s i t i ) , ved/

auch d a r a t i / d i r a t i , ( s a ) b r a t i / - b i r a t i ,

(u)hoditi/

. . .^

Grundsätzliche Fragen der Paradigmatik werfen die sog.

Suppletivparadig-

men auf, die auch im Sbkr. in einigen Fällen angenommen werden, so besonders 3

Dazu Vf. 1984, bes. S. 89-90.

Handbuch -ici/-laziti/-hoditi

des serbokroatischen

Verbs

199

'gehen'.

Nach den suffixalen Derivaten des Simplex, die Zeile für Zeile unter dem Lemma mit grammatischen und Bedeutungsangaben sowie mit der üblichen (übernommenen) kategorialen Interpretation als Iterativa, Frequentativa, Semelfaktiva, Deminutiva u.a. erscheinen, folgt die tabellarische Darstellung der in den Lexika nachgewiesenen Präfixkomposita des Grundwortes: - in der ersten Spalte werden alle Präfixe in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt, und zwar morphologisch, nicht orthographisch; es sind dies: do-, iz(a)-, na-, nad-, o-, ob(a)-, od(a,~, po-, pod(a)-, pre-, pred-, pri-, pro-, raz(a)-, s(a)~, su-, u-, uz(a,~, za- sowie (von hinten geordnete) Präfixkombinationen wie pro-iz-na-, f o-iz-od-, iz-po-raz-,

po-za-uz- . . .

- in den übrigen (in ihrer Anzahl von Verb zu Verb wechselnden) Spalten werden die verschiedenen affixalen Verbalstämme der Präfix-Komposita nach dem Wurzelmorphem mit kategorialer Zuordnung ("pf., ipf., it.") und Flexionsklassenangabe im Infinitiv aufgeführt; - der Nachweis der vorkommenden Formen erfolgt durch Angabe der Siglen der betr. Lexika in der entsprechenden Spalte und Zeile; in der letzten Spalte wird in der entsprechenden Zeile die Bedeutung des betr. Präfix-Kompositums angegeben. Weichen die Aspektangaben für ein bestimmtes Kompositum von der Angabe im Kopf der Spalte ab (besonders häufig bei Präfixreihung), so wird dies in der betr. Zeile der Spalte extra notiert und hervorgehoben; - die Akzentuierung der Lemmata und der Derivate wird notiert; ist das Präfix akzentuiert, wird der Akzent auf diesem notiert. Akzentdubletten und -abweichungen werden durch Sonderkonven';ionen notiert, die hier nicht expliziert werden müssen; - alle Irregularitäten werden in Anmerkungen am Fuß des Artikels vermerkt.

4.4. Problemfälle: Etymologie und Derivation Offensichtlich gehören auch folgende Verben sowohl semantisch als auch morphologisch zusammen, d.h. bilden ein Paradigma: pliti, plivati/plinuti

'schwiirmen (in), flieiien, natare'

plovati = plivati ploviti, plavati 'schwimren (auf), navigare' plaviti (it. fakt.)/plinuti 'überschwamen, ncivigare'. Die phonologische Seite läßt sich leicht als auch sonst im Sbkr. zu beobach-

200

Baidur

Panzer

tender Wechsel von pli/plov/plav oder - 'tiefer' - als indogermanisch-historische Ablautregularität plu/plou/plou beschreiben; kaum jedoch läßt sich eine entsprechende semantische Proportion herausfinden, trotz aller offensichtlichen semantischen Zusammenhänge. Derivation ist aber hier und generell nur dann gegeben, wenn einer morphonologisehen Ableitung A : Ax eine semantische a' : ax' entspricht, wobei A ein angebbares Morphem, x ein Affix oder eine Morphemänderungsregel (z.B. Ablaut o.ä.), a' eine Bedeutung, x' eine Zusatzbedeutung oder eine genau beschreibbare Bedeutungsänderung repräsentiert.4 Hätten wir, was wir erst als durch unser Derivationswörterbuch erreichbares Resultat erwarten, eine explizite Derivationsgrammatik des Serbokroatischen, die alle regulären morphologischen und semantischen Veränderungen des sbkr. Verbs beschreibt, dann könnten wir solche Fälle leicht lösen. Bis dahin bleiben unsere Lösungen provisorisch. Um allerdings die Problemfälle auch für die zukünftige Forschung aufzuheben und nicht durch Trennung der Lemmata zu beseitigen, wird eher zugunsten der Derivation als gegen sie entschieden, auch wenn eine Begründung dafür nicht auf der Hand liegt. Hinweis: Keil II des 'Handbuchs des serbokroatischen Verbs' wird ein Valenzwärtertuch sein, mit dessen Erarbeitung begonnen worden ist.

4

Zun Thema Etyrrologie und Derivation allgemein sowie weiteren Problanfallen vgl. Vf. 1964.

Handbuch

des serbokroatischen

Verbs

201

Literatur Äprcsjan) Ju. D.: Qcsperirnental'noe issledovanie ssnantiki russkogo glagola. Nbskva 1967. id., Leksiöeskaja senentika. Sinonimiöeskie sreclstva jazyka. Maskva 1974.

2

Bielfeldt, H.H.: Russisch-Deutsches Wörterbuch. Berlin 1961 . Duden: Das große Wörterbuch der deutschen Sprache in sechs Bänden. Mannheirtv/Wien/Ziirich 1976-81. Mel'öjk, I.A.: Cpyt tearii lingvistiöeskich modele] "srysl - tekst". Sanantika, sintaksis. Moskva 1974. Mel'duk, I.A. i Solkcvskij, A.K. : Ttolkovo-kanbinatomy] slovar' sovrsnennogo russkogo jazyka. Qpyty serantiko-sintaksioeskogo opisanija russkoj leksiki. Wien 1984. Mel'öjk, I.A. u.a.: Dictionnaire explicatif et oorfcinatoire du français contenparain (Recherches lexioo-sémantiques). Montréal 1984. Panzer, B.: Struktur und Entwicklung des slavisdien Verbalstanrklassensystens. In: Heferate und Beiträge zun VIII. Internationalen Slavistenkongress Zagreb 1978. (= Slavistische Beiträge Bä. 119, München 1978), 95-126. id.: Etymologie und Derivation: Abgrenzungsprobl M i S ^ ( w a 1 , ist nun

dadurch erhältlich, daß man auf M

(wa, „) eine Präzedenzrelation R . defiAt 10 pt niert, auf deren Elemente der Relationsterm geht voraus zutrifft. R ist - im P 1 Unterschied zu R - zusätzlich konnex, so daß alle Angaben aus der TrägermenP k ge M (wa, „) hinsichtlich R (sinnvoll) verglichen werden können. MiS (wa, _) y * At 10 pt p 10 ist eine Kette, die unter Verwendung der in der Abb. 1 eingeführten Individuennamen wie folgt repräsentiert werden kann: 1 < g < b < be. Verfügt man über ein System von Angabeklassen, so daß man jede der auftretenden Angaben einer Klasse zuweisen kann, dann lassen sich abstrakte Mikro-

Wörterbuchstile

im alten

237

und neuen Grimm

strukturen d e f i n i e r e n . Die Elemente der Trägermenge s o l c h e r Strukturen

sind

Angabeklassen. Verschiedene konkrete h i e r a r c h i s c h e Mikrostrukturen können untereinander und mit e i n e r abstrakten h i e r a r c h i s c h e n Mikrostruktur

isomorph

s e i n . Entsprechendes g i l t f ü r p r ä z e d e n t i v e Mikrostrukturen. Weist man d i e konkreten Angaben von w a ^ ihren Klassen zu, f a ß t d i e s e Klassen zu e i n e r Menge zusammen und d e f i n i e r t auf d i e s e r d i e entsprechenden dann e r h ä l t man e i n e a b s t r a k t e

Ordnungsrelationen,

(a) hierarchische

d i e zu MiS ( w a . n ) isomorph i s t . h 10 in der Abb. 2 w i e d e r g e g e b e n .

( h ) Mikrostruktur M i s f t w a , „ ) , h 1U Die a b s t r a k t e h i e r a r c h i s c h e Mikrostruktur i s t

WA

LZGA

GA

IBA

BStA

Abb. 2: Abstrakte hierarchische Mikrostruktur, die zur konkreten von ^ Q in Abb. 1 iscmcirph i s t . Abkürzungen: FK = Farrrkarmentar; SK = sanantischer Karmentar: LZGA = Lgimazeichenge^^altangabe; GA = Genusangabe; IBA = lateinische Bedeutungsangabe; BStA = Belegstellenangabe. Gegeben s e i e n nun d i e f o l g e n d e n W ö r t e r b u c h a r t i k e l aus der Feder Jacob Grimms: w a 1 1 : ACHSELKOLBE, m. axillaris wa^:

ADELROTTE, f .

cohors

wa 13 ". ALLEBEN, n. vita

umbella.

equitum.

universalis.

F i s c h a r t Garg. 88 b (DWB I ,

R e u t t e r 34. Göthe 5, 24.

(DWB I , (DWB I ,

164),

178), 216).

Eine Anwendung der f u n k t i o n a l - p o s i t i o n a l e n Segmentation auf wa^ ^ - wa^ zu d r e i konkreten h i e r a r c h i s c h e n M i k r o s t r u k t u r e n , d i e m i t der von wa^

führt und

mit der i n Abb. 2 d a r g e s t e l l t e n abstrakten isomorph s i n d , was in der Abb. 3 partiell

dargestellt

nur r e l a t i v stellte

ist;

partiell

i n s o f e r n , a l s d i e Abb. 3 d i e

Isomorphie

zur p r ä z e d e n t i v e n Mikrostruktur w i e d e r g i b t und der n i c h t d a r g e -

" R e s t " vom B e t r a c h t e r e r s c h l o s s e n werden muß.

10 Auch der FK und der SK sind als Angaben einzustufen; selbst der WA kann als die größte Angabe aufgefaßt werden (vgl. Wiegarid 1989 u. 1989b). Die L2GA i s t der Träger des Leitelemmts (i.S.v. Wiegand 1983 u. 1989a) und unter makrostrukturellen Aspektai meistais mit dem Lama identisch.

238

Herbert

Ernst

Wiegand

WA

r GA,

LZGA 11 ABDAUUNG

i i f.

I ACHSELKOLBE ADELROTTE ALLEBEN

axillaris fi

cobors

ri.

BStA II

rlBA i1 1 ' l'I di g e s t i o ! I I I I umbella

vita

,al F i s c h a r t Garg. 83 | I II F i s c h a r t G a r g . 88

bl

R e u t t e r 34

equitum

Göthe

universalis

5,24

Abb. 3: Eine abstrakte hierarchische Mikrostruktur urri v i e r zu dieser iscmorphe konkrete hierarchische MiJaostrukturen von wa . - wa (fünf Strukturen eines Isarorphietyps); " " syntoolis i e r t die Element-Klassen-Relation (z.B. digestio 6 IBA). Gegeben s e i e n nun f o l g e n d e wa^:

Artikel:

ABERSEGEN, m. incantatio, rei,

abergläubisches

segnen:

a b e r s e g e n noch beschwerung d e r c r e a t u r e n s o l l

ABMASZ, n. mensura,

wa

i5:

wa

: ABSCHWUNG, m. vibratio, 1b (DWB I , 113) .

ein

Eine f u n k t i o n a l - p o s i t i o n a l e

genommenes

masz.

das abschwingen,

Zaube-

d a s z man k e i n prauchen

abmasze nehmen.

(DWB I ,

(DBW I ,

34),

77),

i n s c h n e l l e m abschwung

Segmentation von w a , , m i t g l e i c h z e i t i g e r 1o

sung d e r Angaben zu i h r e n K l a s s e n , e r b r i n g t e i n E r g e b n i s ,

Zuwei-

das w i e f o l g t

iar-

g e s t e l l t werden kann: WA

LZGA I I i ABSCHWUNG

das abschwingen

?bb. 4: Strukturgraph zur hierarchische^Mikrostruktur vcri wa angabe; KBeiA = Koipetenzbeispielangabe

in schnellem abschwung

; dtBA = deutsche Bedeutungs-

11 Anhand des Strukturgraphen von der Abb. 4 sei darauf hingariesen, daß man einen mit BA etikettierten Knoten einführen kann, der direkt von SK cfcminiert wird und seinerseits IBA und dtBA direkt dcminiert. Entsprechend müßte man dann in der Abb. 2 verfahren, so daß es einen Kantenzug SK BA IBA g i b t . Solche Überlegungen werden dann relevant, wenn man Mikrostrukturen als Baunstrukturen erzeugen w i l l (vgl. Wiegand 1989).

Wörterbuchstile im alten und neuen Grimm

239

Die konkreten hierarchischen Mikrostrukturen von wa,, und wa,_ sind zu der 14 15 von wa und zu der in Abb. 4 dargestellten abstrakten hierarchischen Mikro16

struktur isomorph. Sie gehören zu einem anderen Isomorphietyp wie die in Abb. 3 dargestellten Strukturen aber zur gleichen Strukturart, nämlich der der hierarchischen Mikrostrukturen von Wörterbuchartikeln (des DWB). Zur Bezeichnung von abstrakten präzedentiven Mikrostrukturen können Ausdrücke der folgenden Form verwendet werden: (a) LZGA < GA < IBA < BStA

(b) LZGA < GA < IBA < dtBA < KBeiA

Der beschreibungssprachliche Ausdruck (a) charakterisiert die konkreten präzedentiven Mikrostrukturen der Art. w a ^ - w a ^ )

der

Ausdruck (b) die der

Art. w a ^ - wa^g. Dieses geschieht dadurch, daß in (a) und (b) jeweils diejenige abstrakte Struktur angegeben wird, die zu den konkreten isomorph ist entsprechend der Elementarbeziehung zwischen Angabe und Angabeklassen. Eine solche Darstellung vereinfacht bestimmte Strukturvergleiche von Wörterbuchartikeln. Die Mikrostruktur eines Wörterbuchartikels ist nur eine unter anderen Teilstrukturen der vollständigen Artikelstruktur eines Artikels (vgl. Wiegand 1989). Aus der (explizit angegebenen) Mikrostruktur resultieren Informationen darüber, welche Angaben aus welchen Angabeklassen in welcher Ordnung vorliegen. Von den Mikrostrukturen, die Wörterbuchartikel aufweisen, muß die Mikrostruktur des Wörterbuches unterschieden werden. Ende des Exkurses

Nachdem wir nun über den Begriff der (bzw. einen Begriff von) Mikrostruktur verfügen, der über den klassischen (i.S.v. Rey-Debove 1971) hinausreicht, kann mit Bezug auf die allgemeine Stildefinition (vgl. Def. 1) festgestellt werden: Der Vollzug einer Handlung vom Typ EINEN WÖRTERBUCHARTIKEL SCHREIBEN kann nicht nur durch die sprachliche Gestaltung der Textsegmente selbst, sondern u.a. auch dadurch in einer bestimmten Art und Weise organisiert werden, daß dem Produkt der Handlung, dem Wörterbuchartikel, eine bestimmte konkrete 12 Mikrostruktur gegeben wird. Zu den bisher behandelten stilprägenden Eigenschaften, also der sprachlichen Gestaltung der Textsegmente und der Mikrostruktur, kommt eine weitere, die sozusagen durch Unterlassungshandlungen zustande kommt. So schreibt Jacob Grimm in der Vorrede zum 1. Band (XXXVIII f.): 12 Feinere Analysen werden möglich, wenn nran die Jtogabestruktur (i.S.v. Wiegand 1989) einbezieht, weil man dann z.B. die niditlaimatische Adressierung explizit berücksichtigen kam, die im DWB öfters auftritt, z.B. s.v. Anflusz, Alleinsinger, Abendtisch.

240

Herbert Ernst Wiegand

"Verschiedenheitel der declination im Wörterbuch anzugeben scheint unnöthig; jede merkenswerthe abwaichung von der regel wird besonders angezeigt oder erhellt aus den beispielen." Jacob Grimm läßt also die flexionsmorphologischen Angaben weg, die sich z.B. bei Adelung und Campe fanden. Man vergleiche: w a ^ : Der Arm, des -es, plur., die -e ZT---J7 (Adelung I, 430), wa

: Der Arm, des -es, Mz. die -e 0 - - - U (Campe I, 204), 1o

wa 1 9 : ARM, m.

C---J

(DWB I, 551).

Mit Bezug auf die allgemeine Stildefinition (vgl. Def. 1), kann festgestellt werden: Jacob Grimm hat den Vollzug der Handlungen vom Typ EINE GRAMMATISCHE ANGABE MACHEN dadurch in einer bestimmten Art und Weise organisiert, daß er ihm bekannte Möglichkeiten ausdrücklich nicht wahrnimmt. Vor dem Hintergrund der lexikographischen Tradition wird das durchgehende Fehlen der morphologischen Angaben zum Stilzug der Wörterbuchartikel. Stil entsteht hier durch auffälliges und eigenwilliges Abweichen von der lexikographischen Tradition. Natürlich ist es besonders stilprägend, wenn ein Lexikograph ein neues Textsegment in die lexikographische Praxis einführt. In der deutschen Lexikographie trifft dies auf Jacob Grimm zu. Ich möchte dieses neue Textsegment die Angabe zur historischen Worterklärung nennen. Der nachfolgende Eintrag enthält ein erstes Beispiel (DWB I, 553 f.).

2'

AHM, aram,

m iser,

mhd.

arm,

pauper, «Iis.

elend arm,

und

»inI.

dürflig,

arem,

goth.

aerm,

nnl.

arras, arm,

ah d. ags.

e a r m , fries. e r m , olln. a r m r , sehte, diin. a r m , also gleich dem vorausgehenden tubsl. allen deutschen sprachen gemein, hier liegt einer der tellnen fälle vor, doit susei in laut und Ime/istàten einstimmige Wörter j o n i verschieden wurzeln anzugehören scheinen; es wird aber vielleicht gelingen einen innern Zusammenhang beider, so sehr er sich dem ersten blick verbirgt, aufzudecken, was haben die begriffe brachium und miser mit einander tu schaffen? während nun a r m brachium zu dem sl. ramo traf, begegnet merkwürdigerweise unser a r m miser, golh. armait misericordia dent lappischen armes miserahilis, a r m n misericordia, finnischen a r m a s gratus, dem ein, ¡irnm »ralia, elementin; die abveiehiing der finnischen bedeufwm; ist doch so su fassen, dnss » r m a * mitleidig, lappisches a r m e s dagegen bemitleidet ausdrückt, jenes acht en, dieses passiven sinn zeigt, ungefähr vie in u n t r e r Volkssprache nieilert r ä c h l i g herablassend, gnädiq, in der Schriftsprache elend meint, das golh. a r m s , überhaupt das deutsche a r m bezeichnen nie der vnghtek oder das lapp. armes und lat. m i s e r den elenden, «'•sehen auf sieh sieht. Uppen und (•'innen vermögen aber die abstraction dieses »ort« in den sinnlichen begnf meh: aufzulösen, wie Kenn unsre spräche es vermachte? anm-n hie,; amplecti, in m anus tollere, umarmen, das grenzt geradezu an e r b a r m e n , bemitleiden ; wie gefühlvoll ei schiene die spräche, welcher der arine e i » solcher ist, den man mitleidig, liebreich

Wörterbuchstile

im alten

und neuen

241

Grimm

aufnimmt und in die arme schliesit. arm m'ser stammte hiernac'i unmittelbar aus arm braehium, mus: nur einen hernich tchu ladenden nbleitangsvocal besessen haben und ;cnis layp. armes, /Snn. annas konnten ein früheres goth. a'nnus err:!r>t lassen, das sich hernach in arins verdanntt. fast cnttcheidcndc bestätigung dieser lutijectiven deiilunq des wertes ;irm wird sich hernach unter arinut ergeben, tolles licht emp/anjeii kann sie

erst bei armen wirf erbarmen; festzuhalten in. aas: arm einen

unglücklichen autdrückt, dem mitleiä und gnade zu liieil werden sollen.

I n e ^ b e g i n n t d i e Angabe z u r h i s t o r i s c h e n der seltnen

fälle

vor ..."

m e n t i e r e n d e Angabe

(i.S.v.

Formulierungsspielraum schreiben.

zeigt

läßt,

W o r t e r k l ä r u n g m i t "hier liegt

in e ^ ) .

Wiegand 1 9 8 9 ) ,

Besonderheiten

über l ä n g e r e P o s i t i o n e n

ausreichend

a n g e m e s s e n zu b e -

hinweg f o r t l a u f e n d

nicht

immer e i n f a c h ,

d a ß d a s DWB k e i n s t a r k s t a n d a r d i s i e r t e s

In e^ f i n d e t

Wörterbuch

Beispiel

f ü r d i e s e n Angabetyp

Ab-

gelesen und e s ist;

sind n i c h t gleichmäßig über d i e A r t i k e l

sich ein weiteres

einer kom-

den C h a r a k t e r e i n e r p h i l o l o g i s c h e n

I h r e Abgrenzung zu a n d e r e n Angaben i s t

sich hier,

Es h a n d e l t s i c h um e i n e

d i e dem L e x i k o g r a p h e n

um h i s t o r i s c h e

die Standardisierungsmerkmale teilt.

Z 4f.

S o l c h e Angaben h a b e n z . T .

h a n d l u n g und können z . T . werden.

(vgl.

auch

ver-

(DWB I ,

147) .

AUW AUTLN, iu j ; i'i/urt', atieudeie. da in w ^ r u ' ü die sinnliche iLirsitlluiiy diaustihauens enthalten ist, rnusz das zutretende ab vom stundpunet des schauenden erklärt werden und a b w a r t e n , e r w a r t e n sein etwas mit ( a b ) den äugen, von der hohe a b erschauen, danach blicken, d e r w l d i t e r w a r t e t a b der zinne. ich will m e i n e n freund hier a b w a r t e n heistt ich Hill von dieser stelle a u s i h m entgegen sehen bis dasz er komme; mich in einen offenen laden hinsetzen u n d d i e Verk ä u f e r a b w a r t e n . Tiec« ges. nov. 2, 2 2 . schon das einfache ahd. w a r t e n drückt aus prospicere, speculari, exspectare. vor des spähenden äugen breitet sich die gegend aus, er übersieht, beotiachkt, bewacht sie, folglich bedeutet w a r t e n zugleich auf etuas acht haben, es i n pflege und sorge nehmen, dieses a b w a r t e n pflegen, hüten cunstruiert unsere spräche zwar auck noch mit dem acc., daneben aber mit dem gen. und dat. der sacke, beispiel» des gen., dasz e r dieses b a n d e l s niebt a b -

I n e 3 b e g i n n t d i e Angabe z u r h i s t o r i s c h e n

W o r t e r k l ä r u n g nach d e r l a t .

Bedeu-

13 t u n g s a n g a b e und e n d e t v o r d e r B e i s p i e l g r u p p e n a n g a b e . d i e Angabe z u r h i s t o r i s c h e n Ehe, Ehre und

Worterklärung finden

s.v.

Abend,

für

abschinden,

Erbe.

D i e Angabe z u r h i s t o r i s c h e n

Worterklärung hat -

in der Lexikographie keine Vorbilder. 13

Weitere Beispiele

sich

Sie gehört

soweit

ich derzeit

zum i n d i v i d u e l l e n

Stil

sehe

-

Jacob

Eine solche Segrentation l ä ß t sich damit begründen, daß die Beispielgruppenar^abe (BeigA) eine Angabe a l s o , die aus mehreren Beispielangaben besteht - auch in arderen Artikeln auft r i t t und in auch ohne die Angabe zur historischen Warterklärung s t e h t .

242

Herbert Ernst Wiegand

Grimms als Lexikograph. Nach diesen Überlegungen können wir nun folgende Definition für den Terminus Wörterbuchstil geben: Definition 2: Der Wörterbuchstil als der konventionelle und individuelle Stil aller lexikographischen Beschreibungshandlungen h^ (wie z.B. solche vom Handlungstyp EINE ETYMOLOGISCHE ANGABE MACHEN oder EINE BEDEUTUNGSANGABE MACHEN) ist die (nur im Vergleich erkennbare) fortgeführte und für den potentiellen Benutzer bedeutsame Art und Weise,, wie der Vollzug der Beschreibungshandlungen h , nämlich das Formulieren der Wörterbuchtexte T. und damit auch die n

l

Formulierungsresultate selbst, die Wörterbuchtexte T^, organisiert sind. Man beachte den strukturellen Unterschied in den Definitionen 1 und 2. In ersterer ist in der Angabe der Handlungstypen ein notwendiges Decksymbol für eine Menge von Variablen für Personenbezeichnungen, nämlich JEMANDEN, vorhanden. In der Definition 2 ist dies nicht der Fall. Das hat zur Folge, daß in der Definition 1 der geäußerte Text nicht nur als Resultat einer Textherstellungshandlung (i.S.v. Antos 1982), sondern auch als das Mittel gelten muß, die sprachliche Handlung h^ auszuführen, weil nämlich z.B. Handlungen vom Typ JEMANDEN AUFFORDERN

kommunikative

Handlungen sind. Eine Handlung

z.B. nach dem Handlungstyp EINE BEDEUTUNGSANGABE MACHEN ist zwar eine Handlung, aber keine kommunikative (vgl. auch Wiegand 1984, 565 f.), so daß in der Def. 2 der geschriebene Artikeltext als das Ergebnis einer lexikographischen Beschreibungshandlung zu gelten hat; eine hingeschriebene etymologische Angabe ist nicht das Mittel, um eine lexikographische Beschreibungshandlung vom Typ EINE ETYMOLOGISCHE ANGABE MACHEN auszuführen, sondern das Ergebnis einer solchen Handlung. Die strukturelle Parallelität zwischen den beiden Definitionen ist dann gegeben, wenn man die Definition 2 wie folgt umformuliert: Definition 2': Der Wörterbuchstil als der konventionelle und individuelle Stil aller lexikographischen Erläuterungshandlungen h

(wie z.B. solche vom n Handlungstyp EINEM POTENTIELLEN BENUTZER DIE BEDEUTUNG ERLÄUTERN oder EINEM POTENTIELLEN BENUTZER DAS GENUS MITTEILEN) ist die (nur im Vergleich erkennbare) fortgeführte und für den potentiellen Benutzer bedeutsame Art und Weise, wie der Vollzug der Erläuterungshandlungen h^, nämlich das Formulieren der Wörterbuchtexte T^ und damit auch die Formulierungsresultate selbst, die Wörterbuchtexte T.

als

Mittel,

l f ü h r e n , organsiert sind.

die

Handlungen

h

auszun

In der Def. 2' ist der Lexikograph als einer gedacht, der die Fragetypen

Uörterbuchstile

im alten

und neuen

Grimm

243

eines potentiellen Benutzers, also die, die einer bestimmten Klasse von Benutzern zugeordnet werden, antizipiert. Dies bedeutet: die Ergebnisse der lexikographischen Erläuterungshandlungen werden zugleich als Texte aufgefaßt, aus denen ein Benutzer Antworten auf seine Fragen erschließen kann und damit auch als Mitteilung, einem potentiellen Benutzer etwas (z.B. die Bedeutung) zu erläutern. Auch die Deutung der lexikographischen

Textherstellungs-

handlungen als Erläuterungshandlungen macht aus diesen noch keine kommunikativen Handlungen. Wir können nun zusammenfassend feststellen: Besonders wichtige gende Eigenschaften

stilprä-

(= Stilzüge) von Wörterbuchartikeln im striktalphabeti-

schen Wörterbuch sind: (1) die fortgeführte sprachliche Gestaltung der funktionalen

Textsegmente,

die zur Klasse der Angaben gehören, (2) die Form der hierarchischen

Mikrostruktur,

(3) die Auswahl der Angaben, (4) die Einführung neuer Typen von Textsegmenten in die

lexikographische

Praxis. Diese vier Aspekte habe ich kurz behandelt. Nur nennen möchte ich fünf weitere Aspekte: (5) das Verhältnis der im Wörterbuch beschriebenen Sprache zur lexikographischen Beschreibungssprache

(vgl. Wiegand 1983, 415 u. Wolski 1988),

(6) die quantitative Gewichtung der Textsegmente innerhalb des Wörterbuchartikels , (7) die quantitative Gewichtung, die dadurch entsteht, daß Artikeln zu bestimmten Lemmatypen relativ mehr Druckraum zugebilligt w i r d als anderen, (8) die interne Struktur der nur teilweise standardisierten,

kommentierenden

Angaben, (9) die Typographie.

3.

Der frühe Wörterbuchstil Jacob Grimms: die 1. Lieferung A -

ALLVEREIN

Die folgenden - stark gerafften - Bemerkungen beruhen auf einer vollständigen Durcharbeitung der 1. Lieferung, d.h.: es wurden 2722 Wörterbuchartikel den Aspekten (1) bis (9) durchgearbeitet. Diese metalexikographische

unter

Sisyphus-

Arbeit ist eine der Voraussetzungen, um begründbare Aussagen zum Stil machen

244

Herbert

Ernst

Wiegand

zu können; denn es g e h ö r t zum k o n v e n t i o n e l l e n und i n d i v i d u e l l e n S t i l , s i c h - wenigstens e i n e Z e i t l a n g - d u r c h h ä l t . Sandig (1978, 32; v g l . s c h e l 1985) s p r i c h t h i e r von " F o r t f ü h r e n " D e f . 2 u. 2'

daß e r

auch Pü-

(und entsprechend h e i ß t es i n den

" f o r t g e f ü h r t " ) . Um zu erkennen, ob e i n e bestimmte A r t und Weise,

s p r a c h l i c h e Handlungen auszuführen, f o r t g e f ü h r t w i r d , sind jedoch untersuchungen notwendig.

Struktur-

Ich h a l t e es außerdem f ü r g ü n s t i g , wenn man v e r -

sucht, i n d e r Wörterbuchforschung zwischen Aussagen zur Struktur

lexikogra-

phischer T e x t e und solchen zu ihrem S t i l m ö g l i c h s t d e u t l i c h zu u n t e r s c h e i d e n . Um Aussagen über den W ö r t e r b u c h s t i l machen zu können, sind n i c h t nur S t r u k t u r kenntnisse notwendig, sondern es müssen auch V e r g l e i c h s p u n k t e gewählt werden. M e t a l e x i k o g r a p h i s c h e Aussagen zum W ö r t e r b u c h s t i l lassen s i c h von solchen zur Struktur von Wörterbuchtexten meistens r e l a t i v d e u t l i c h u n t e r s c h e i d e n . e n t h a l t e n z . T . andere P r ä d i k a t e , neuartig, willig, narrativ,

belehrend, originell, sachlich,

abwechslungsreich,

unterhaltsam, unausgewogen, nüchtern, variativ,

z . B . sicher, langatmig, altmodisch,

bildhaft, akademisch,

uneinheitlich, normativ, erstarrt,

lebendig,

knapp,

Sie

klar,

argumentativ, modern,

geschmeidig,

eigen-

monoton, elastisch,

u . a . Solche P r ä d i -

wissenschaftlich

kate können wertend verwendet werden. Wer d i e L e x i k o g r a p h i e Jacob Grimms b e u r t e i l e n w i l l , muß s e i n e

Sprachauf-

fassung ( v g l . h i e r z u Kirkness 1980 und Neumann 1985) und insbesondere Grammatik b e r ü c k s i c h t i g e n .

seine

Grimms W o r t b i l d u n g s l e h r e g i b t mir das Recht,

dicho-

tomisch zwischen e i n f a c h e n und n i c h t - e i n f a c h e n Lemmata zu u n t e r s c h e i d e n ,

da

Grimm zwischen den " w u r z e l n " auf der einen und den "Zusammensetzungen" und " a b l e i t u n g e n " auf der anderen S e i t e u n t e r s c h e i d e t .

Er b e g i n n t das d r i t t e Buch

s e i n e r Grammatik, überschrieben "Von der W o r t b i l d u n g " ,

so:

"wartbildung geschieht entweder durch innere äreäerung oder durch äußere mehrung der wurzel. Innere wartbildung hebt die einfachheit des Wortes nicht auf; ein wart, dem außen etwas hinzuwächst, i s t kein einfaches mehr. Dieser Zuwachs, nachdem er aus einer deutlichen wurzel besteht, oder aus bloßen dunkelen buchstaben, heißt Zusammensetzung oder ableitung. Zusaimensetzung kann vamen oder hinten an der wurzel eintreten, ableitung nur hinten". (Griirm 1926, 1). Ich beginne mit den A r t i k e l n zu Lemmata, d i e Wortbildungen s i n d , und b e schränke mich h i e r auf d i e S u b s t a n t i v e , d . h . auf 964 W ö r t e r b u c h a r t i k e l . A u f f ä l l i g s t e i s t d i e "bunte V i e l f a l t " d i e s e r A r t i k e l .

Die 964 A r t i k e l

s i c h c a . 120 verschiedenen abstrakten p r ä z e d e n t i v e n Mikrostrukturen 14

Das

lassen

zuordnen.

14

Der Unterschied in der Anzahl - verglichen mit Wiegand 1986 u. 1988c - kcmnt vor allem dadurch zustande, daß ich hier die Beispielgruppenangabe weiter segnentiert habe, und zwar z.B. bis zu den terminalen Angaben EEeiA, KDeiA, BStA u.a. Das Verfahren der funktional-positionalen Segren tation i s t vor allem für stark standardisierte Texte entwickelt worden. Bei ungleichmäßiger Standardisierung müssen Zusatzannahmen gemacht Warden, die an günstigsten je nach dan Zweck der Analyse konzipiert Warden.

Wörterbuchstile im alten und neuen Grimm

245

Daß dies so ist, kann nachfolgend - aus Raumgründen - nur ausschnittsweise vorgeführt werden. In den nachfolgenden Tabellen stehen (mit einigen Ausnahmen^) in der zweiten Spalte Lemmazeichen von solchen Artikeln, deren konkrete präzedentive Mikrostruktur zu derjenigen abstrakten präzedentiven Mikrostruktur isomorph sind, die in der dritten Spalte durch einen Ausdruck der Form A < A„ < ... < A „ < A gekennzeichnet ist;1^ diesem Ausdruck ist Jie1 n-l n weils als Beispiel eine konkrete präzedentive Mikrostruktur zugeordnet, die dadurch dargestellt ist, daß alle artikelinternen Angaben erwähnt und durch das geht-voraus-Symbol " o -gebieten öl (auch Ii im rhein., eil im luzemb.): 1485 den öl (Brandrnb.) privatbr. d.ma. 1,269 S. 1535 den oel LFTHKR u>. 51,239 W\ in ält. bair. quellen wohl nur graphisch ( W e i k h o l d bair. gramm. §42), acl, sei: Ii/u (glossen) ahd. wb. 1,177. HI.AM.JH. H e i n r i c h V. M i l k priesterleben 167 H.lK. HI.I4.|H. KONBAI) T. MegenbERQ 6. d. natur 242,33 P. ferner kann -ae-, -oe- wie zweisilbiges ahel, ohel auch starke dehnung bezeichnen, bei im sing, gewöhnlich fehlendem umlaut spätmhd. frühnhd. verbreitet 31 (mdal. auch hier extremvokal: uhle 'DWB, ül im elsäss.). (3) flezion u. genus. im bair.-ösl. besteht neigung zu schwacher deklination: E14 ¡K. sin b1, a. pl. elen H e i n r i c h v. Neustadt Apollonia« 997S v. 11046 DTM. d> 1475 des alen (Augsb.) K o n r a d t . MeoenBEP.O b. d. natur 244, 22 P. (1682) n. pl. aalen Hohberg georgica (16S7)2,594'. 1689 a. pl. aalen V a l v a s o r Crain 114,452• K. 1699 einen aalen Abraham a 6. C l a r a etwas 1,595. 1738 n. pl. aäle u.

Bei-

268

Herbert Ernst Wiegand aalen Aktksperg schulwb. 1,1*. — hier auch fem.: 06B2) eine auagewcidnete aal, von einer gebratenen aal neben einen aal Hohbebo georgica (1687)2,194 f . 16C5 ein fisch, den man die aal nennet AbkaHa* i S. Claiu etwas 1,437. mdal. gebietsweise auch im ost- u. westmd. (4) Verbreitung, das wort scheint der österreichischen Volkssprache nicht sehr geläufig zu sein, für Tirol, Steiermark, Kärnten und Wien ist M mundartlich nicht gebucht; in Oberöst. findet sich das aal kleine wurmförmige neunaugenart Höfer öst. 1,1 neben aalfisch anguilla, ebd. 1,2. aalfisch («. d.) erscheint auch öfters bei öst. autoren, die daneben aal mit den unier 3 genannten Unregelmäßigkeiten gebrauchen, vielleicht ist diese Sonderstellung auf das seltenere auftreten des fisches in den (abseits der großen aalwanderung liegenden) schwarzmeerzuflüssen zurückzuführen, a&lfisch kann hier als erläuternde bezeichnung des nicht bodenständigen fisches aufzufassen sein.

e^g zeigt eine klare Binnenstruktur und ist lesbar (wie eine nicht-lexikographische sprachhistorische Abhandlung, vgl. besonders (4)).- Im Bereich meines Themas ist der entscheidende Unterschied der Neubearbeitung zum alten Werk die durchgehende partielle Standardisierung aller Wörterbuchartikel relativ zu Typen von Lemmazeichen. Die Standardisierung ist deswegen partiell, weil sie nur bis zu einer bestimmten Stufe der Segmentierung der Texte der Artikel 2 reicht. Das DWB

ist ein mittelstark standardisiertes Wörterbuch. So ist z.B.

die Binnenstruktur der Artikeleinleitung keineswegs so (wie e ^

suggerieren

könnte), daß stets die vier Segmente Herkunft, Form, Flexion und Genus sowie Verbreitung auftreten. Vielmehr werden innerhalb der Artikeleinleitung offene lexikographische Beschreibungsmethoden (vgl. Wiegand 1984a, 568 f.) angewendet. Innerhalb der Belegreihe z.B. reicht die Standardisierung bis zu einer tieferen Segmentierungsstufe,und der Grad der Standardisierung ist daher höher, was natürlich dem Benutzer sehr entgegenkommt. Denn für die Belegzitierung, die Belegdatierung und die Zitiertitel gelten geschlossene Be2 schreibungsmethoden (vgl. Arbeitsgrundsätze, 36 ff. u. DWB , 4 f., 1.3.5.— 1.3.7.), so daß der Formulierungsspielraum für den Bearbeiter sehr gering ist. Man beachte, daß ein hoher Grad der Standardisierung von Wörterbuchartikeln nicht dasselbe ist wie ein einheitlicher Stil. Zwar geht mit einem hohen Grad an Standardisierung notwendigerweise ein einheitlicher Stil Hand in Hand. Umgekehrt können aber Wörterbuchartikel, die nicht oder nur wenig standardisiert sind, dennoch einen einheitlichen Stil haben. Für Lemmazeichen vom Typ 'zweifach polysemes Präfixverb' stehe der folgende Artikel als Beispiel:

Wörterbuchstile

im alten

ABBERUFEN

vb.

und neuen

1 zuerst

mnd.

Grimm

269

rechlsaprachlich,

»ich oder seine rechtssache einem gericht durch appellation entliehen: 15.jh. wanner eich eyn umb eyns lehengudes willen van myns . . heren gerichte affberopt an den lehenheren beitr. gesch. stift Werden 10(1904)116. (1728) diese sach von obgemelten herren gewaldt-richteren abzuberuffen undt zu dessen Untersuchung . . denen hierzu . . verordneten . . klagherren . . zu ert heilen in: WREDE altköln. «". 2 jmdn. (wohin) wegrufen, gelegentlich mit nichtpersonalem objekt; insbesondere 'jmdn. von seinem• posten (zum zwecke der amisenthebung oder Versetzung) entfernen': 1741 woierne das . . geschrey . . meine achtsamkeit nicht anderswohin abberufen hätte LENDENBORN Diogenes (1740)2,SSI. 1750 wann ein gesandter von einem hof abberuflen wird MOSER grund-sätze 207. 1810 (obgleich alle) Btudenten . . von hier abberufen wurden, um sich bei ihren oberämtern zu stellen UH LAND òrti'. 1,162 H. 1852 er war nicht mehr in der gesellschaft; schon vor einer halben stunde war er abberufen ALEXIS ruhe 4,163. 1876 seine bevollmächtigten aus dem bundesrathe abberufen LABAKD Staatsrecht 1,307. 1914 werde ich doch . . abberufen (zum militärdienst einberufen) werden kriegsbr. gefall. Studenten (1929)239 II'. 1955 bis die partei ihn abberief (von seinem posten) ». Dtld. (23.4.)4, beri. ausg. 1956 der fackelzug sei abberufen (abgesagt) worden frankf. allg. ztg. 112,3. bildlich: 1814 einige von diesen königen . . sind bereits von dem kriegsschauplatzo theils durch das schwert, theils durch krankheit abberufen worden d. ». Dtld. 411 L. euphemistisch abberuferf'werden sterben: 1860 Wentzel i»t ... nach kurzem todeskampf abberufen worden SDASON erinn. 329 S: 1954 nach kurzem, schweren leiden ist . . uuser prokurist . - in die efvigkeit abberufen worden süddt. j.tg 257,18.

Z u e r s t sei d i e h i e r a r c h i s c h e M i k r o s t r u k t u r des A r t i k e l t e x t e s von w a 2 o s c h l i e ß l i c h d e r PA 2 d a r g e s t e l l t

(vgl. Abb. 12).

270

Herbert Ernst Wiegand WA

Abb. 12: Erster Ausschnitt aus einem Strukturgraphen zur hierarchischen Mikrostruktur von wa^Q; Abkürzungen: WAA = Wortartenangabe, k.BA = kommentierende Bedeutungsangabe, ch.BeigA = chronologische Beispielgruppenangabe (datierte Belegreihe) Bei der ¿Darstellung der hierarchischen Mikrostruktur des restlichen Teils von wa^Q bis zu dem Strukturanzeiger "

" vor bildlich wird (aus Platzgründen)

der erste Teil der Belegreihe (von der DatA "1741" bis zur BelA nach der DatA "1876") nur als nicht weiter segmentierter Teil in den hierarchischen Strukturgraphen aufgenommen, so daß sich die folgende Strukturdarstellung ergibt (vgl. Abb. 13).

SK

wegrufen

dbch ...

Ix.

partei

Abb. 13: Zweiter Ausschnitt aus einem Strukturgraphen zur hierarchischen Mikrostruktur von w ^ o ' B B e i ¿T G -7 A = Belegbeispielangabe mit einem Interglossat

Wörterbuchstile

im alten

271

und neuen Grimm

2 Die Abb. z e i g t , daß auch im DWB

von dem V e r f a h r e n d e r angabeinternen

rung Gebrauch gemacht w i r d , und zwar f i n d e n23 s i c h im z w e i t e n SSK d r e i b e i s p i e l e mit I n t e r g l o s s a t e n Besondere Gebrauchsweisen

GlossieBeleg-

(BBei£~G_7A). (und s o n s t i g e Besonderheiten) werden aus der

c h r o n o l o g i s c h e n Beispielgruppenangabe herausgenommen und nach dem S t r u k t u r anzeiger "

" mit eigenen d a t i e r t e n B e l e g s t e l l e n a n g a b e n v e r s e h e n . Da d i e

im G e l t u n g s f e l d e i n e r Bedeutungsangabe stehenden Gebrauchsweisen und Besonderheiten

jedoch s t e t s b e a r b e i t e t werden, bevor d i e nächste BA f o l g t ,

keine Auslagerung nach r e c h t s i n einen Annex a l s u n m i t t e l b a r e tuente des SK e r f o l g t ,

l i e g e n e i n f a c h e i n t e g r i e r t e und k e i n e

also

Textkonstirechtserweiter-

ten Mikrostrukturen v o r , und zwar s o l c h e mit u n t e r t e i l t e n semantischen Subkommentaren, wobei d i e besonderen T e i l e mit Angaben wie bildlich, stisch, u.

vereinzelt,

übertragen

euphemi-

u . v . a . m . e i n g e l e i t e t werden ( v g l . Wiegand 1989

1989a). Die beiden w e i t e r e n T e i l e des z w e i t e n SSK i n

struktur

( v g l . Abb.

wa2g

haben f o l g e n d e Mikro-

14): SK

Abb. 14: D r i t t e r A u s s c h n i t t aus einem Strukturgraphen zur h i e r a r c h i s c h e n Mikrostruktur von wa ; Abkürzungen: A-semü = Angabe zum semantischen Übergang 23 Die Erläuterung dieses Verfahrens fehlt in der W6rtertucheinleitung Dückerts. Eine genauere Angabe, nach welchen Prinzipien die integrierten Mirtos^rukturen unterteilt sind, würde e i nige Schwachpunkte der lexikographischen Praxis des m® verdeutlichen. (JberhaLpt i s t eine genaue Analyse der beiden bis jetzt erschienenen Bände der Neubearbeitung ein Desiderat der germanistisdien Wörterbuchfarschung; vgl. aber Reidmarm 1968.

272

Herbert Ernst Wiegand

Führt man eine funktional-positionale Segmentation nur bis zu einer bestimmten Tiefe durch, erkennt man deutlich, daß alle zweifach polysemen Präfixverben nach dem gleichen "Schema" formuliert wurden und nur geringe Variationen vorliegen, wobei diese Variationen bei einer gleichen Eigenschaftsausprägung gleich sind, so daß auch bei diesem Lemmazeichentyp ein weitgehend einheitlicher Stil nachgewiesen werden kann, der klar und anpassungsfähig ist. Letzteres vor allem deswegen, weil die semantischen Subkommentare - je nach Notwendigkeit - unterteilt werden können.

2 In der Wörterbucheinleitung zur Neubearbeitung (DWB , 3-8) beschreibt

Dückert den Stil der Neubearbeitung unter der Abschnittsüberschrift "Zur Dar2

stellungsweise" (DWB , 3; vgl. auch Dückert 1987, 171 ff.). Darstellungsweise kann als Synonym für Stil der Darstellung oder Darstellungsstil angesehen werden. Dückert beschreibt hier unter den Unterüberschriften: Prinzipielles, Der Einleitungsteil des Wörterbuchartikels, Darstellung von Bedeutung und Gebrauch, Kompositionsgruppen, Belegdatierung und Zitiertitel, das Wie, die Art und Weise also, wie die Artikel gestaltet wurden. Daß das Wie in dieser Beschreibung ebenfalls teilweise mitbehandelt ist, ist notwendig. Denn das Wie kann ohne das Was nicht angemessen charakterisiert werden. Aus einem Satz wie z.B. "Als Bedeutungsangaben dienen in der Regel Umschreibungen (Definitionen) 2 und Synonyme" (DWB , 4, 1.3.3.) erfährt man sowohl, daß überhaupt Bedeutungsangaben gemacht werden als auch, wie sie gemacht werden. In einer für eine Theorie der lexikographischen Handlungen entwickelten expliziten Ausdrucksweise ist der zitierte Satz so zu lesen: Beschreibungshandlungen h^ vom Typ EINE BEDEUTUNGSANGABE MACHEN wurden dadurch ausgeführt, daß Handlungen h y vom Typ UMSCHREIBUNGEN UND SYNONYME HINSCHREIBEN ausgeführt wurden; oder als Handlungsmuster: EINE BEDEUTUNGSANGABE MACHEN NYME HINSCHREIBEN, wobei der Rechtspfeil "

> UMSCHREIBUNGEN UND SYNO>" die Dadurch-daß-Relation sym-

bolisiert. Das, was in einem angegebenen Handlungsmuster rechts von " steht, betrifft stets das Wie dessen, was links von "

>"

>" steht. Daraus

folgt, daß man nach dem Stil lexikographischer Beschreibungshandlungen und ihrer Ergebnisse, der Texte, auf verschiedenen Generalisierungsebenen fragen kann. Will man abschließend den Stil der Neubearbeitung zusammenfassend charakterisieren, dann kann dies so erfolgen: Der Wörterbuchstil der Neubearbeitung ist beschreibend, in allen Artikelteilen hinsichtlich der Wahl der Angaben und ihrer Anordnung weitgehend einheitlich und ausgewogen, innerhalb der kommentierenden Angaben geschmeidig, weil an die Eigenschaften jeweiliger Lemmazeichen angepaßt. Er hat nüchterne wissenschaftlich-explikative und dokumen-

Wörterbuchstile

im alten

und neuen

273

Grimm

tative Züge. Es ist der Stil eines durch Instruktionen geführten

lexikogra-

phischen Teams, das dem potentiellen wissenschaftlichen Benutzer vorinterpretierte und übersichtlich geordnete lexikographische Daten für die weitere Bearbeitung bereitstellen will.- Man sieht: Von dem frühen Wörterbuchstil

Ja-

cob Grimms bis zu dem der Neubearbeitung ist ein weiter Weg. Zwischen beiden Stilen liegen Welten.

274 6.

Herbert Benutzte

Ernst

Wiegand

Literatur

W e r t v o l l e H i n w e i s e verdanke i c h : G i s e l a H a r r a s , P e t e r H e l l w i g , K l a u s - P e t e r Konerding und Oskar Reichmann. 6.1.

Alan

Kirkness,

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WERNER WOLSKI PARTIKELN IM WÖRTERBUCH: VERSTÄNDLICHKEIT VON ARTIKELTEXTEN UND VERSTÄNDIGUNG ÜBER

PARTIKELBEDEUTUNGEN*

Abstract In the present study i t i s argued that t e x t acnprehensibility does not only depend on structural properties of a given t e x t , but also on the relationship betwaen text producer and addressee. Dictionary a r t i c l e s are conceived of as t e x t s . For the considered typ of leime signs PARTICLES there are no relevant problems with respect to text acnprehensibility in the f i r s t sense: The paraphrases on particles are marked by an absence of items refering to things; they are (constantly during the times) the l i k e "expresses a doubt, inpatience" or "designates an intensif i c a t i o n " , e t c . Oily a high degree of text ccnpression or the choice of t e x t s>nbols, structural symbols e t c . may occasionally have an e f f e c t on t e x t acnprehensibility. In a better practice (as suggested in Wblski 1986 "Lexicography of P a r t i c l e s " ) , i . e . when the neanings of these lernna signs are described (not only possible contexts are interpreted), problems of acnprehensibility will be more ijipartant. U n t e r dem G e s i c h t s p u n k t d e r V e r s t ä n d l i c h k e i t

lassen sich

Wörterbuchartikel

i n ä h n l i c h e r Weise p r o b l e m a t i s i e r e n wie G e b r a u c h s a n l e i t u n g e n , Anweisungs— t e x t e und a n d e r e T e x t e , m i t denen L e s e r ü b e r e t w a s i n s t r u i e r t werden. t e r s c h i e d zu s o l c h e n S a c h i n s t r u k t i o n s t e x t e n Sprachinstruktionstexte,

wie H.E. Wiegand f o r m u l i e r t ,

zum S p r a c h g e b r a u c h und z u r S p r a c h s t r u k t u r " werden. Mit einem W ö r t e r b u c h a r t i k e l buchmacher,

können W ö r t e r b u c h a r t i k e l als

(Wiegand 1 9 8 3 ,

instruiert

bezeichnet ein

Wörter-

e t w a s i n d e r im T e x t

g e g e b e n e n Weise zu tun - u n t e r anderan auch d a r ü b e r , wie e i n e P a r t i k e l d e t werden k a n n . Die e i n z e l n e n T e x t h e r s t e l l u n g s h a n d l u n g e n , WÖRTERBUCHARTIKEL SCHREIBEN z ä h l e n ,

als

"Instruktionstexte 53)

der Textproduzent,

p o t e n t i e l l e Wörterbuchbenutzer darüber,

Im Un-

d i e zum Typ EINEN

können von Wörterbuchmachern auf

unter-

s c h i e d l i c h e Weise a u s g e f ü h r t werden. Und s i e werden dadurch a u s g e f ü h r t , m e h r e r e a n d e r e Handlungen a u s g e f ü h r t werden, d a r u n t e r auch s o l c h e , dem h i e r b e r ü c k s i c h t i g t e n

Typ g e h ö r e n :

*

daß

d i e zu

EINE BEDEUTUNGSANGABE MACHEN. Die

Handlungen, d i e Wörterbuchmacher v o l l z i e h e n , daß e i n b e s t i m m t e r T e i l e i n e s

an-

verwen-

werden s t e t s

lexikographischen

dadurch

ausgeführt,

Textes f o r m u l i e r t wird.

Die

Dieser Beitrag geht nur in Ausschnitten auf einen in Heidelberg (Ende 1985) gehaltenen Vortrag zu lexikographischen Textsegnenten s e i t Adelung zurück; gegenüber der Fassung in der 1986 veröffentlichten Habilitationsschrift "Partikellexikographie" wären zu weitreichende Änderungen erforderlich gewesen. Deshalb wird für den vorliegenden Beitrag auf ein um den Verständlichkeitsaspekt erweitertes unveröffentlichtes Vortragsnanuskript zurückgegriffen (DGfS-Tagung 1987 in Augsburg; Sektion "Verständlichkeit und Wörterbuch").

280

Werner

Wolski

Formulierungsresultate sind Textsegmente, welche nach metalexikographischen Analysegesichtspunkten voneinander unterschieden werden können. Einen solchen handlungstheoretisch begründeten Textbegriff für Artikeltexte hat H.E. Wiegand in zahlreichen einschlägigen Arbeiten entwickelt, die insgesamt als eine Art Vorschule des vernünftigen Redens in Lexikographie und auch Lexikologie g e l t e n k k ö n n e n

(vgl. z.B. Wiegand 1984; Wiegand 1985; Wiegand 1986; Wie-

g a n d 1987). Von einem einzelnen Textsegment als Formulierungsresultat ebenso wie von dem gesamten Wörterbuchartikel kann sodann unter dem Forschungsaspekt der Wörterbuchkritik prädiziert werden: Textsegment A bzw. Wörterbuchartikel A ist verständlich,

ist unverständlich.

Anschließbar sind hieran wiederum Fra-

gen nach der Textstruktur: Wie ist der T e x t aufgebaut? Ist der Text kohärent? Wie komplex sind die Sätze? - u.a.m. Dies ist aber nur ein Aspekt. "Die bisherige Verständlichkeitsforschung vernachlässigt", wie H.J. Heringer feststellt, "fast völlig die Produktion und die Produzenten

von Texten". Er

schreibt weiter: "Offenkundig sind aber die Intentionen und vor allen Dingen die Verfahren der Produzenten ein wichtiger Aspekt der Verständlichkeitsforschung, insofern hier der Ausgang der jeweiligen Kcmrunikation liegt und besonders hier auch jahrhundertealte Traditionen wirksam sind." (Heringer 1964, 64). Bevor ich auf einige Probleme der Verständlichkeit von Artikeltexten eingehe, ist zunächst auf eine Differenzierung mit Blick auf die oben gewählte Redeweise von Artikeltexten als Sprachinstruktionstexten aufmerksam zu m a chen. Textsegmente, in denen die Bedeutungen von Lemmazeichen (i.e. im Wörterbuch bearbeitete Zeichen) kommentiert, d.h. die semantischen Gebrauchsregeln formuliert werden, unterscheiden sich wesentlich darin, b e r

ein Benutzer informiert werden muß. Für den gesamten

w o r ü -

Funktionswort-

schatzbereich (mindestens) gilt: Das, was zu kommentieren ansteht, betrifft ausschließlich Sprachliches. Es werden keine Referenz- und Prädikationsregeln formuliert; u n d Diskussionen um eine mögliche Abgrenzung von Sprachwissen gegen Sachwissen haben hier kein Gewicht. Als Partikeln im engeren Sinne sollen nachfolgend die aus der traditionellen Sammelwortart

'Partikel' ausglie-

derbaren Funktionstypen gelten (vgl. Wolski 1986, 387 ff.), die in der linguistischen Literatur als Modalpartikeln tikeln

und Gesprächswörter

(bzw. Abtönungspartikeln),

Gradpar-

bezeichnet werden. Diese Partikeln (Partikeln im

engeren Sinne) werden in den Wörterbüchern anders kommentiert als z.B. Konjunktionen u n d Präpositionen

(die man als Partikeln im weiteren Sinne be-

zeichnen kann). Um die Partikeln im engeren Sinne und hier um die Modal-

Partikeln im Wörterbuch: Verständlichkeit von Artikeltexten

281

Partikeln soll es nachfolgend vor allem gehen, wenn der Ausdruck Partikeln bzw. der Ausdruck Lemmazeichentyp PARTIKEL verwendet wird. Für die Partikeln (für sämtliche Typen) gibt es außer den Sprachwissenschaftlern keine außersprachwissenschaftlichen Fachkompetenzen (wie für Substantive, Adjektive u.a.m.), die in sprachwissenschaftliche Analysebemühungen hineinreden könnten; es gibt nicht den Rückgriff auf ein evtl. besser verfügbares Fachwissen, von dem gern Gebrauch gemacht wird (und was, auch wenn es nicht gern zugegeben wird, keine unrechten Anleihen sind). Was die Partikeln angeht (aber auch andere Wortschatzbereiche: Satzadverbien, Quantoren, Artikel), so sind nur hier die Sprachwissenschaftler (im lexikologischen Bereich) ausschließlich Sprachwissenschaftler. Sprachinstruktionstexte zu diesem Wortschatzbereich sind ausschließlich Sprachinstruktionstexte und nicht - wie auch immer versteckt - zugleich Sachinstruktionstexte. Diese Gegebenheiten bestimmen auch die Kommunikation zwischen Lexikographen und Linguisten einerseits und Wörterbuchbenutzern andererseits in ganz besonderer Weise. Der Kommentierung ausschließlich sprachbezogener Ausdrücke muß die linguistische Analyse notwendig vorausgehen. Und von den Wörterbuchbenutzern, sofern sie Laien sind (und z.B. keine Partikelforscher), ist nicht zu erwarten, daß Antwortäußerungen auf Fragen der Art "Was bedeutet afcer?" "Was bedeutet schon7" etwas zutage befördern, was den analysierenden Theoretiker weiterbringen könnte. Für z.B. substantivische und adjektivische Ausdrücke ist das bekanntlich anders, insbesondere im gesellschaftlich relevanten Wortschatzbereich, in dem semantische Kämpfe auf der Tagesordnung stehen. Was die Kommentierung von Partikelbedeutungen (in Wörterbüchern) und ihre Beschreibung (in linguistischen Arbeiten) angeht, so läßt sich aus extrakommunikativer Perspektive, d.h. aus der Perspektive des Vergleichs lexikographischer und linguistischer Ergebnisdarstellungen, eine weitgehend nische Aspekt der

Übereinstimmung Verständigung

hierher erhalten auch Probleme der

harmo-

feststellen. Darauf werde ich unter dem über Partikelbedeutungen eingehen. Von Verständlichkeit

eine besondere

Nuance. Da die Laien-Benutzer eine sprachsachgerechte (d.h. den hier in Frage stehenden sprachlichen Sachverhalten gerecht werdende) Intuition, was die Partikelbedeutung angeht, nicht haben können, steht einer Übereinstimmung mit den Theoretikern und Praktikern von ihrer Seite nichts im Wege. Der Benutzer erfährt in den Wörterbüchern über die Bedeutung entsprechender Lemmazeichen so gut wie nichts und über irgendwelche kommunikative Funktionen nicht mehr, als er ohnehin schon weiß bzw. zu wissen glaubt, nämlich daß mit den Partikeln etwas verstärkt wird, etwas eingeschränkt wird, gegebenen-

Werner

282 falls

ein Zweifel ausgedrückt wird,

haupt e i n Wörterbuch k o n s u l t i e r t , Bevor ich auf d i e eingehe,

Wolski u.a.m.

Wenn d e r W ö r t e r b u c h b e n u t z e r

i s t er passiver

über-

Rezipient.

"Verständigung in harmonischer Übereinstimmung" genauer

s e i ein Blick darauf

blem d e r V e r s t ä n d l i c h k e i t

g e w o r f e n , w i e W ö r t e r b u c h m a c h e r e s m i t dem P r o -

von A r t i k e l t e x t e n g e n e r e l l

halten.

Die

phen k o m m e n t i e r e n i n S p r a c h w ö r t e r b ü c h e r n e i n e n S p r a c h a u s s c h n i t t i h n e n vorweggenommene N a c h s c h l a g e b e d ü r f n i s s e

"potentieller

Lexikograso,

d a ß von

Wörterbuchbenut-

z e r " b e f r i e d i g t werden können. Die T e x t p r o d u k t i o n g e s c h i e h t ,

w i e Wiegand

schreibt,

Einwegkommuni-

" u n t e r den B e d i n g u n g e n e i n e r m e h r f a c h - a d r e s s i e r t e n

k a t i o n z w i s c h e n W ö r t e r b u c h s c h r e i b e r und p o t e n t i e l l e m (Wiegand 1 9 8 3 ,

49).

Einen Z u s c h n i t t der A r t i k e l

Wörterbuchbenutzer"

auf ganz

b e s t i m m t e

A d r e s s a t e n g r u p p e n g i b t e s i n den e i n s p r a c h i g e n g e m e i n s p r a c h l i c h e n büchern,

j e d e n f a l l s was d i e A r t i k e l t e x t e

dem B e i t r a g m i t dem T i t e l stellt,

angeht,

nicht.

Was L .

Wörter-

Hoffmann i n

" M e h r f a c h a d r e s s i e r u n g und V e r s t ä n d l i c h k e i t "

l ä ß t s i c h auch auf d i e Wörterbücher

fest-

beziehen:

" J e inhcnogener d i e Airessatengruppe, desto eher kcmnt der Textproduzent in das Verständlidikeitsdilemna: Wer a l l e n etwas sagen w i l l , kann nur wenigen Spezifisches sagen. War Spezifisches s a g t , schließt v i e l e a u s . " (Hoffmann 1984, 75) Nach H o f f m a n n g i b t e s v e r s c h i e d e n e M ö g l i c h k e i t e n , Adressatenkreis

s i c h auf einen

inhomogenen

einzustellen:

" ( a ) Sprecher/Schreiber orientieren s i c h an anspruchvollsten T e i l der Adressaten und knipfen an dessen Erwartungen, Wissen und sprachliche Fähigkeiten an. C - - J (b) Sprecher/Schreiber orientieren s i c h an den Voraussetzungen des größten T e i l s der Adressaten.

f..J

(c) Sprecher/Schreiber orientieren s i c h an den Adressaten mit den geringsten Voraussetzungen." (Hoffmann 1984, 75-76) Für d i e g e m e i n s p r a c h l i c h e n

e i n s p r a c h i g e n Wörterbücher scheinen

u n t e r d e r Maxime ' V e r s t ä n d l i c h k e i t nen.

für jeden'

In dem W a h r i g - W ö r t e r b u c h von 1966 z . B .

( b ) und

(c)

zusammengefaßt werden zu kön-

w i r d i n dem " V o r w o r t "

festge-

stellt: "Insbesondere s o l l e n d i e Bedeutung der Wärter und ihre Verwereäungaröglichkeit im lebendigen Spraehzusanmenhang, Rechtschreibung, Silbentrennung und Aussprache eindeutig und f ü r jeden verständlich d a r g e s t e l l t Verden." D i e V e r k n ü p f u n g von

'Eindeutigkeit'

sich bereits

b e i Adelung

betont

die

(vgl.

und

'Verständlichkeit

(aber auch, h i e r übergangen,

"Vorrede"

2. A u f l . ,

"1. Theil")

für jeden'

schon v o r h e r ) .

die Absicht,

die

findet Adelung

Bedeutung

Partikeln eines Wortes,

im Wörterbuch:

"auf

Verständlichkeit

283

von Artikeltexten

das g e n a u e s t e zu bestimmen":

"Der Begriff eines Wortes, einer Bedeutung muß

kurz und für jedermann faßlich seyn."

(Melung-WBrterbuch, Vorrede, VI) Adelung i s t d a b e i d e r Überzeugung,

"daß durch B e y s p i e l e d e r Gebrauch

Wortes immer am a n s c h a u l i c h s t e n w i r d " denn e r i s t

(Adelung-Wörterbuch,

VII),

s i c h w i e kaum e i n a n d e r e r L e x i k o g r a p h dessen bewußt, daß s i c h

( h i e r auf U n t e r s c h i e d e zwischen p a r t i e l l e n ohne g r o ß e W e i t l ä u f i g k e i t , stimmen"

Vorrede;

eines

Synonymen b e z o g e n ) manches e e

"nicht

und o f t g a r n i c h t m i t d e r g e h ö r i g e n S c h a r f e

(Adelung-Wörterbuch,

Vorrede,

VII)

be-

läßt.

Zu B e n u t z e r f r a g e n ä u ß e r t s i c h Campe in d e r V o r r e d e zu seinem Wörterbuch genauer a l s A d e l u n g :

Das Wörterbuch s o l l

brauch" s e i n und n i c h t e i n e s (Campe-Wörterbuch,

Vorrede,

ab, warum e r auf d i e

" e i n Wörterbuch zum a l l g e m e i n e n

" f ü r Sprachkenner und S p r a c h f o r s c h e r von XVIII).

Er l e i t e t

"Ordnung d e r Abstammung"

d e r a l p h a b e t i s c h e n Ordnung

Wörterbuchs

(ebenda) der Wörter

zugunsten

verzichtet.

D i e a u s f ü h r l i c h s t e n und wohl b r i s a n t e s t e n lichkeit

von dem Zweck des

Ge-

Beruf"

Formulierungen zur

f i n d e n s i c h in d e r V o r r e d e zum Deutschen Wörterbuch d e r

VerständBrüder

Grimm. Jacob Grimms Stellungnahmen h i e r z u l a s s e n s i c h dem oben nach Hoffmann zitierten

Punkt

(a)

zuordnen:

"Sprecher/Schreiber

spruchvollsten T e i l der Adressaten". w i s s e n s c h a f t l i c h e s Wörterbuch s e i n .

orientieren

s i c h am an-

Denn das Deutsche Wörterbuch s o l l In d e r V o r r e d e l e s e n

ein

wir:

" einem uhruerke gleich läszt sich das Wörterbuch für den gehrauch des gemeinen marines nur mit derselben genauigkeit einrichten, die auch der astroncm begehrt, und wenn es überhaupt nutzen s o l l , gibt es kein anderes als ein wissenschaftliches." (GriimvWGrterbuch, Vorrede, XIV) Am d e u t l i c h s t e n und d i r e k t e i n e r anderen S t e l l e d e r

zur V e r s t ä n d l i c h k e i t

äußert s i c h Jacob Grimm an

Wörterbucheinleitung:

"das wärterbuch braucht gar nicht nach platter deutlichkeit zu ringen und kann sich ruhig allen üblichen geräths bedienen, dessen die Wissenschaft so wenig als das handwerk entbehrt und der leser bringt das geschick dazu mit oder erwirbt sichs ohne mühe, fragst du den schuster, den becker um etwas, er antwortet dir auch mit seinen wärtem und es bedarf wenig oder keiner deutung. Auch i s t gar keine noth, dasz allen alles verständlich, dasz jedem jedes wort erklärt sei, er gehe an dem unverstandenen vorüber und wird es das nächstemal v i e l l e i c h t fassen, nenne man ein gutes buch, dessen Verständnis leicht wäre und nicht einen unergründlichen hintergrund hätte, das Wörterbuch insganein führt so schweren stof mit sich, dasz die gelehrtesten bei manchem versturnen oder noch nicht rechten bescheid wissen." (Grintn-Wörtertjuch, Vorrede, XII)

284

fc'erner

Wolski

Wenn man aber d i e W ö r t e r b u c h a r t i k e l

zu den P a r t i k e l n b e t r a c h t e t ,

kann von

einem V e r z i c h t auf V e r s t ä n d l i c h k e i t - auch im V e r g l e i c h zu anderen

älteren

Wörterbüchern - durchaus n i c h t d i e Rede s e i n . H i e r i s t z . B . s e l b s t über e i n e immense Anzahl l e x i k o g r a p h i s c h e r B e i s p i e l e hinweg der t e x t u e l l e Zusammenhang zwischen den kommentierenden Textsegmenten g e w ä h r l e i s t e t . Erachtens - auch mit B l i c k auf d i e g e r m a n i s t i s c h e i n s g e s a m t

Zudem s t e h t meines

Partikellexikographie

- n i c h t einmal das Problem der " p l a t t e n

deutlichkeit"

versus e i n e r - unter w i s s e n s c h a f t l i c h e n Ansprüchen zu r e c h t f e r t i g e n d e n - höheren K o m p l e x i t ä t , d i e von gewissen Benutzergruppen a l s keit

Schwerverständlich-

e r f a ß t werden könnte, zur D e b a t t e . Der Grund l i e g t d a r i n , daß P a r t i -

kelbedeutungen b i s h e r nur u n z u l ä n g l i c h und r e l a t i v e i n f ö r m i g kommentiert wurden ( v g l . w e i t e r unten dazu d i e Ausführungen zu dem Kommentierungsvokabular). Für e i n e g e e i g n e t e

( d . h . e i n e der Bedeutung d i e s e r E i n h e i t e n

angemessene)

Kommentierung wäre Grimm durchaus zuzustimmen, daß d i e s e f ü r "den gemeinen mann" nissen

e b e n s o

genau

b a s i e r e n

s e i n und zumindest auf w i s s e n s c h a f t l i c h e n muß wie z . B .

in einem möglichen

Ergeb-

Partikelwörterbuch

für Fachleute. Die Gründe d a f ü r , daß b i s h e r noch n i c h t " p l a t t e d e u t l i c h k e i t " versus Wiss e n s c h a f t l i c h k e i t der Kommentierung zur Debatte s t e h t ,

l i e g e n i n dem, was

Grimm wohl kaum auf d i e P a r t i k e l n bezogen h a t , nämlich "dasz d i e

gelehrtesten

b e i manchem verstummen oder n i c h t r e c h t e n bescheid w i s s e n " . Niemand hat dem so d e u t l i c h in den A r t i k e l t e x t e n

s e l b s t

Ausdruck gegeben wie Adelung.

Daß d i e P a r t i k e l n ganz e r h e b l i c h e Kommentierungsprobleme a u f w e r f e n , w i r d von ihm z . B . zu dem Lemmazeichen nur e x p l i z i t

angesprochen:

"Denn wer kann a l l e Bedeutungen der Partikeln einer lebendigen Sprache mit allen ihren Schattierungen und Nebenbegriffen aufzählen und mit andern gleichbedeutenden Ausdrücken erschöpfen? Der Wartforscher nuß zufrieden seyn, wenn er nur die varnehmsuen und abstechendsten C..J

auf-

finden und nur einiger Maßen deutlich machen kann." Einen v e r g l e i c h b a r e n Kommentar sucht man in neueren Wörterbüchern auch i n den Wörterbucheinleitungen

vergeblich;

lassen s i c h d i e Wörterbuchmacher

darüber

n i c h t aus. In den meisten ä l t e r e n Wörterbüchern aber f i n d e n s i c h Kommentare d i e s e r A r t . Andere Kommentare sind z . B . Nachkommentare wie "Sonst l ä ß t zur Bedeutung n i c h t w e i t e r f e s t s t e l l e n " , weitgehend n i c h t - s t a n d a r d i s i e r t ;

u.a.m. H i e r sind d i e

es werden sogenannte " o f f e n e

sich

Artikeltexte Beschreibungs-

methoden" verwendet, d i e einen großen Formulierungsspielraum zulassen

(vgl.

Wiegand 1984, 5 6 8 ) . Die Formulierung von Bedeutungsangaben, unter denen d i e

lexi-

k a l i s c h e n Paraphrasen d i e w i c h t i g s t e R o l l e s p i e l e n , e r f o l g t i n den neueren Wör-

Partikeln im Wörterbuch: Verständlichkeit von Artikeltexten

285

terbüchern hingegen dadurch, daß das Formulierungsresultat ein mehr oder weniger standardisiertes Textsegment ist, das eine relativ feste Struktur aufweist und in Gliederungssignale, z.B. spitze und runde Klammern, eingeschlossen ist. Dem Prinzip, eine Bedeutungsangabe zu machen, wird hier dadurch gefolgt, daß geschlossene Beschreibungsmethoden gewählt werden. Die entsprechenden Kommentierungshandlungen zeichnen sich z.B. dadurch aus, daß Relationsprädikate wie bezeichnet, drückt ... aus weggelassen werden, daß verschiedene Abkürzungen verwendet werden, und anderes mehr (vgl. dazu Wolski 1986). Dadurch kommen Textsegmente zustande, für die ein hoher Grad an Textverdichtung charakteristisch ist. Textverdichtung

wird auch erreicht durch

Kommentarsymbole wie "R" für Redewendung und durch Platzhaltersymbole wie die Tilde. Aus den lexikographischen Daten, die im Wörterbuchartikel präsentiert werden, muß der Benutzer, wenn der Artikeltext einen hohen Textverdichtungsgrad aufweist, erst eine syntaktisch vollständige Information rekonstruieren: "", eingeschlossen in spitze Klammern, kann rekonstruiert werden z.B. als "PARTIKEL X wirkt in der Bedeutung, die die Bedeutungsstellennummer A erhalten hat, verstärkend". Gravierende Verständlichkeitsprobleme sind m.E. weder hiermit verbunden noch damit, wie Partikeln g e s a m t

i n s -

typischerweise kommentiert werden. Um Aussagen darüber machen

zu können (und auch darüber, wieso Partikeln so kommentiert werden, wie sie kommentiert werden), bedarf es einer metalexikographischen Theorie, u.a. zu den Textsegmenten lexikographischer Texte (vgl. Wolski 1986, 16-76). Die kleinsten Textsegmente eines Artikeltextes sollen als Textelemente bezeichnet werden. Die für die Lemmazeichen des Typs PARTIKEL typischen und rekurrenten Textelemente lassen sich verschiedenen Bereichen des Kommentierungsvokabulars zuordnen. Hierzu zählen Textelemente wie verstärkend, in der expandierten Form mit Relationsprädikat z.B. bezeichnet eine Verstärkung, außerdem Zweifel, Ungeduld, Einschränkung/einschränkend, und anderes mehr. Von der inhaltlichen Seite her ist ein solches Textelement im Prozeß der Erarbeitung von Informationen aus lexikographischen Daten etwas, was genau eine - wenngleich unzulängliche, aber nicht unverständliche - Information liefert. Die Geschichte der Verständigung über Partikelbedeutungen in der bis heute einflußreichen Form beginnt mit dem Adelung-Wörterbuch; hier werden Partikeln erstmals in großer Ausführlichkeit kommentiert. Überblickt man die Praxis der Kommentierung von Partikeln, dann wird deutlich, daß die Wörterbuchmacher der nachfolgenden Zeiten dem jeweils erreichten sprachwissenschaftlichen Kenntnisstand nur abwartend und zögernd folgen; sie verlassen sich lieber auf die Ergebnisdarstellungen namhafter Wörterbuch-Vorgänger.

286

Werner

Wolski

Sprachwissenschaftler wiederum haben oft auf die lexikographischen Ergebnisdarstellungen zurückgegriffen, aber meist, ohne die Wörterbücher zu erwähnen oder gar zu zitieren. Wie Adelung für die nachfolgenden Wörterbücher, ist das Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache (WDG) Leitwörterbuch für sämtliche nachfolgenden Wörterbücher. Bekanntlich wurde, nach

Beratungen mit

Johannes Erben und unter Berücksichtigung der damals neuesten Forschungen zu den Partikeln, die mit dem Namen Krivonosov verbunden sind, von dem Artikel zu dem Lemmazeichen denn an die Formulierung partikelhaft, Bedeutung

ohne

eigentliche

eingeführt. Zunächst hat man sich, so für auch, mit dem Kommentar

beholfen: "steht verblaßt in Sätzen, die Vorwurf, Ärger, Verwunderung ausdrücken". Mit verblaßt

ist, so H. Malige-Klappenbach, "schon ein erster ta-

stender Schritt zur Abtönung hin versucht worden" (Malige-Klappenbach 1980, 290/291). Ohne entsprechende Leistungen schmälern zu wollen, muß allerdings hinzugefügt werden, daß verblaßt

sich bereits in dem Grimmschen Wörterbuch

findet. Das gilt übrigens auch für das berühmte partikelhaft,

das im WDG spä-

ter eingeführt wurde, und was Malige-Klappenbach als "eigentlichen Durchbruch" bezeichnet. Für denn wird formuliert: "/partikelhaft, ohne che Bedeutung;

wirkt intensivierend

und satzbelebend/".

Malige-Klappenbach

schreibt dazu: "Eine ganz neue Lösung, dieses /partikelhaft, Bedeutung/"

eigentli-

ohne

eigentliche

(Malige-Klappenbach 1980, 291). Das Neue liegt in der Kombination

von partikelhaft,

ohne eigentliche

Bedeutung

und intensiviert.

Ansonsten ist

aber, wenn man das Kommentierungsvokabular untersucht, weder in diesem Wörterbuch (in dieser Hinsicht) noch in nachfolgenden Wörterbüchern etwas neu; die Kommentierung bewegt sich vielmehr in einem sehr festgefügten Rahmen, der im wesentlichen seit Adelung festliegt. Neben partikelhaft,

das sich bereits,

wie gesagt, im Grimmschen Wörterbuch findet (vgl. z.B. das Lemmazeichen eben), geht die eigentliche

Bedeutung

auf Adelung zurück und gehört zu den Vorurtei-

len über die Bedeutungsspezifik von Partikeln, wozu in der Geschichte der germanistischen Partikellexikographie auch zählen: ohne Bedeutung, schwebenden,

fast verschwindenden

nachdrucklose ohne merkliche

Bedeutung,

Bedeutung

ohne bestimmte

eigene Bedeutung,

mit einer

(so im Grimmschen Wörterbuch),

Bedeutung,

unbestimmte

Bedeutung,

und anderes mehr (vgl. Wolski 1986, 222-232;

dort ist diese Schicht des Kommentierungsvokabulars aufgelistet und diskutiert) . Auch die Intensivierung

aus dem WDG läßt sich bis auf Adelung zurück-

führen. In einigen neueren Wörterbüchern, wie Duden-GWB, Duden-Universalwörterbuch und HWDG (Handwörterbuch der deutschen Gegenwartssprache) hat der in der linguistischen Literatur verwendete Ausdruck Sprecher

in Paraphrasen

öfters Eingang gefunden, in Kombinationen wie Anteilnahme

des Sprechers.

Der

Partikeln

im

Wörterbuch:

A u s d r u c k gefühlsmäßige

Verständlichkeit

Anteilnahme,

von

der sich mehrmals

nach auch im Duden-Universalwörterbuch)

Artikel

texten

im D u d e n - G W B

287 (und d a -

findet, geht offenbar zurück

auf

S c h n e i d e r 1 9 5 9 . Im H W D G g e h t d i e in d e r n e u e r e n l i n g u i s t i s c h e n

Literatur

gängige Behauptung, Modalpartikeln dienten dazu, Einstellungen

auszudrücken,

i n d i e V e r b i n d u n g Einstellung v o n emotional stärkend

des

Sprechers

u n d situationsbedingt

ein. Auch durch die

z . B . in situationsbedingt

(vgl. d e n A r t i k e l zu d e m L e m m a z e i c h e n nun)

Hereinnahme

emotional

ver-

wird eine Anpassung

d e n S t a n d v e r s u c h t , d e r in d e r L i n g u i s t i k b i s l a n g e r r e i c h t w u r d e . E i n e kenntniserweiterung

ist damit nicht verbunden; hier w i r d nur

(vgl. W o l s k i

1986,

Er-

bildungssprach-

lich das gefaßt, wofür seit Adelung zahlreiche andere Ausdrücke stehen

zur

Verfügung

213).

Konstanten der Kommentierung von Partikeln sind das Ergebnis eines Verständigungsprozesses

an

zwischen Lexikographen und Linguisten. Diese

langen

Konstan-

t e n s i n d in T e x t e l e m e n t e n u n d a n d e r e n T e x t s e g m e n t e n f a ß b a r , d i e j e w e i l s eigene Rezeptionsgeschichte

aufweisen. Hierzu zählen mehrere Schichten

zur Formulierung lexikalischer Paraphrasen verwendeten

eine des

Kommentierungsvokabu-

lars: (a) A u s d r ü c k e , d i e a u f - v o r a l l e m g e f ü h l s m ä ß i g e - E i n s t e l l u n g e n v o n c h e r n z i e l e n w i e Ungeduld, munternd,

Zweifel,

Unwillen/Verdruß,

Aufmunterung/auf-

Ratlosigkeit,

Besorgnis/Besorglich-

Beruhigung/Beschwichtigung,

keit/eigene

Sorge

u.a.m.

"drückt den Zweifel

Spre-

(vgl. W o l s k i

1986, 2 1 3 - 2 2 1 ) w i e in: P A R T I K E L X

aus".

(b) A u s d r ü c k e , d i e auf d i e R o l l e d e r L e m m a z e i c h e n in i h r e m m a t i s c h e n U m f e l d z i e l e n w i e Verstärkung

c h e n F o r m u l i e r u n g s v a r i a n t e n w i e s t a t t Verstärkung vorhebend/Hervorhebung,

jeweiligen

u n d Einschränkung

mit

syntag-

zahlrei-

a u c h verstärkend,

Nachdruck/Nachdrücklichkeit

(vgl. W o l s k i

her1986,

196-208) . (c) In d e n W ö r t e r b ü c h e r n ä l t e r e r P h a s e n d e r g e r m a n i s t i s c h e n

Sprachlexikogra-

phie finden sich zudem mehrere sprachreflexive Kommentare besonderer d i e in n e u e r e n W ö r t e r b ü c h e r n e n t w e d e r e n t f a l l e n o d e r m o d i f i z i e r t n o m m e n w e r d e n . A l s semantiktheoretische

Kommentare

h a b e ich s o l c h e

Bedeutung und zu Nuancen und Schattierungen wie die bereits b e z e i c h n e t : eigentliche tikelbezogene nahmen

Bedeutung/uneigentliche

Grundcharakterisierung

Bedeutung

ist ein Textsegment,

zur

genannten

u.a.m. Die

so im A d e l u n g - W ö r t e r b u c h

'PARTIKEL X dient der Ründe

V o l l s t ä n d i g k e i t d e r R e d e " . Das Uberflüssigkeitsverdikt

par-

in d e m s i c h A n -

jeweiliger Lexikographen zum stilistischen Wert von Partikeln

derschlagen,

Art,

aufge-

dient der

nie-

und Qualifi-

288

Werner z i e r u n g von P a r t i k e l n halt:

"das

raeist

a l s w e g l a ß b a r e s p r a c h l i c h e Ausdrücke;

müßige halt

w e r f l i c h e s Zwischenwort".

...

(d)

(vgl.

vgl.

z.B.

i s t e i n meist unnützes und daher

ver-

Auf Kommentare zu Beschreibungsproblemen,

dem Typ d e r Problemkommentare r e i t s hingewiesen

Wolski

die

zugerechnet werden können, habe ich

Adelung zu dem Lemmazeichen

Auch das Fachvokabular l ä ß t s i c h in v e r s c h i e d e n e

be-

nur).

Schichten

unterteilen.

Neben den w i c h t i g e n Angaben zu S a t z a r t e n kommen Ausdrücke aus d e r

butive

Konstruktion

plizites vgl. ja

und b i l d u n g s s p r a c h l i c h e

Geschehen,

in Korrelation

mit,

sprach-

Kategorie,

w i s s e n s c h a f t l i c h e n F a c h t e r m i n o l o g i e vor wie Funktion,

attri-

Formulierungen wie nicht

signalisiert

indirekt

ex-

u.a.m.;

z.B.

C-J

Cunbetont als Partikel> a) drückt im Aussagesatz eine resümierende Feststel-

lung aus, weist auf etwas Besonderes hin od.

dient der Begründung für ein nicht ex-

plizites Geschehen od. für etw. Allganeingültiges: doch; bekanntlich; imnerhin: ich karme ja schon C-J

c) einschränkend, meist in Körreation mit "aber"; zwar: ich möchte

ja, aber ich kann nicht C-J nun /T..J

- DUEEN-GWB -

I . C---j/ H - 1. C-J

2. (unbetont) schließt in einer van Spre-

cher an sich selbst, an einen anderen gerichteten Ehtsdieidungsfrage eine negative Antwort ein /u. soll dem Sprecherpartner eine solche suggeriere^: etwa,

vielleicht:

hat sich das n. gelohnt?; hältst du das n. für richtig? (das kannst du doch nicht für richtig halten). C-J

5. leitet in isolierter Stellung an Satzanfang eine als wich-

tig erachtete Aussage, eine Folgerung, resthiierende Feststellung o.a. ein /ü. signal i s i e r t indirekt den Übergang zu einem neuen Redeabschnitt o.äj takt zu einer situationsbedingten Frage; also C-J

od. bildet den Auf-

- DUEEN-GWB -

Unter den neueren Wörterbüchern z e i c h n e t s i c h das WDG d i e s b e z ü g l i c h große Zurückhaltung aus;

am h ä u f i g s t e n werden b i l d u n g s s p r a c h l i c h e

durch

und f a c h -

s p r a c h l i c h e Ausdrücke im Duden-GWB, D u d e n - U n i v e r s a l w ö r t e r b u c h und im HWDG verwendet.

Von den ä l t e r e n Wörterbüchern s i n d es das Wörterbuch von H.

und das Grimmsche Wörterbuch, d i e s i c h durch e i n e F ü l l e drücke hervorheben

(vgl.

Wolski

1986,

läßt):

im E r g e b n i s

und neuerer

Aus-

Wörterbücher

(was s i c h n i c h t ohne e r h e b l i c h e n Aufwand f e s t s t e l l e n

Es g i b t wohl genügend Versuche zur Umformulierung ü b e r l i e f e r t e r

lierungsversatzstücke bücher;

fachsprachlicher

233-239).

Die Analyse e i n e r r e p r ä s e n t a t i v e n Anzahl ä l t e r e r erbringt

Paul

und d e r v e r b a l e n D i s t a n z i e r u n g k o n k u r r i e r e n d e r

es i s t a b e r in der Geschichte d e r g e r m a n i s t i s c h e n

g r a p h i e auch neueren Wörterbüchern n i c h t g e l u n g e n ,

Formu-

Wörter-

Partikellexiko-

aus der einmal

geschaffe-

Partikeln

im Wörterbuch:

Verständlichkeit

289

von Artikeltexten

nen Welt konstanter Kommentierungen auszubrechen. Die i m p l i z i t e n halb in Textsegmenten r e k o n s t r u i e r b a r e n )

(und d e s -

U r t e i l e über d i e Bedeutung und Funk-

t i o n d i e s e r Ausdrücke haben s i c h im Laufe der Z e i t e n n i c h t oder nur g e r i n g f ü g i g gewandelt; von Füllwort

und Flickwort

zu partikelhaft

und Partikel

ist

kein w e i t e r Weg. Denn nach wie v o r werden in den Wörterbüchern K o n t e x t - und Kotextgegebenheiten ziert,

auf d i e j e w e i l i g e P a r t i k e l a l s deren Bedeutung

e r s c h ö p f t s i c h d i e Kommentierung in E i n z e l b e i s p i e l a n a l y s e n ,

projimit Zu-

schreibung von Gefühlsregungen, d i e e i n m i t g e d a c h t e r Sprecher in einem m i t gedachten Kontext haben mag. Wie s t e h t es nun um d i e V e r s t ä n d l i c h k e i t der A r t i k e l t e x t e

vorhandener

Wörterbücher? Die Beantwortung d i e s e r Frage hängt, wie mehrfach a n g e d e u t e t , mit dem zusammen, was zu der Verständigung über P a r t i k e l n a u s g e f ü h r t wurde. Das a l s g r a v i e r e n d e r a c h t e t e Problem i s t das, daß a l s Ergebnis der V e r s t ä n digung über Partikelbedeutungen gerade an d i e s e n vorbeikommentiert w i r d . Und d i e einzelnen Formulierungsresultate,

d.h. beispielsweise die

lexikalischen

Paraphrasen, w e r f e n m e i s t per se kaum V e r s t ä n d l i c h k e i t s p r o b l e m e wirken s i e i r g e n d w i e s p r a c h l i c h komisch): dient die

Einschränkung,

drückt

aber

der Verstärkung,

(eher bezeichnet

aus u.a.m. G e l e g e n t l i c h nur mögen s i e

Verwunderung

a l s schwer v e r s t ä n d l i c h q u a l i f i z i e r t

auf

werden.

2 ; das i s t ^schrecklich: das war ~schbn! 2.1 n u n /v! (drückt Verwunderung aus) C--J -

2-4

~ ^

!

(drückt Tadel, Erstaunen aus) ¿T.-7

BPCOMALB-WBHRIG -

auch C- -D I I - /äls Glied von Fügungen u. mehrteiligen KonjJ a. ^Unterordnend; mit konzessivem Charakter? 1.1. ¿in Verbindung mit Fragewörtern und fakultativem imrer; drückt eine Verwer a. (inmer) gekernten sein mag, er sei

allgemeinerung aus; voran- od. nachgestellt?: willkomren! C--0

1-2- /als Glied der konjunktionellen Verbindung wann a. . . . , so dach,

wie . . . a., so . . . a.; soviel . . . a.J: /wenn (4), 2wie (5), 2 so (1),

1 soviel

(2) - 2. /als 2

Glied der mehrteiligen Konj. sowohl . . . als a., nicht nur . . . sendem &J-. /sowohl, I I I . ¿ßls Partikel;

sondern

unbetont? 1. /Bezieht sich auf Voraussetzungen einer vorangehend ge-

machten Behauptung 1.1. /diese bestätigenich

fühle mich krank, und ich bin es a. 1.2.

¿diese in Frage stellend/ du sagst, du bist krank, kann ich es a. glauben? H - J - HANDWÖRTERBUCH DER DEUTSCHEN (SUMASTSSPRÄCHE schon ¿T.J

I. bereits ¿¡T.J I I . /partikelhaft,

ohne eigentliche

Bedeutung; intensiviert

und

belebt den Satz; unbetont/ 1. /Brückt die Zuversicht, Überzeugung, Versicherung aus, daß ein Vorgang, Zustand eintreten wird; dient oft als beruhigender, beschwichtigender Zuspruch/ er kennt s-, vrenn er wieder Geld hraucht; C--J

2. u m g. ¿in Imperativsätzen; drückt Ungeduld

aus7 doch, endlich: geh s. und frage nicht so v i e l ! ß.J

3. ¿dient der Verstärkung/ C--J

290

Weiner 4. /bezeichnet

die Einschränkung? (J.J

Wolski - WDG -

I I . ¿7. .J 3. drückt aus, daß ¿von Sprecher? im Falle der Rea-

schon

lisierung einer Absicht o . ä . eine bestürmte Konsequenz erwartet wird: wenn ich das s . ireche, dann ¿aber/ zu meinen Bedingungen ß.J

- IX1EEN^JNI\®KSALV